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Full text of "Biographisches jahrbuch und Deutscher nekrolog"

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Vorrede. 


Der  erste  Band  unseres  Biographischen  Jahrbuches  und  Deutschen 
Nekrologs  ist  von  der  berufenen  Kritik  über  Verdienst  und  Erwarten 
günstig  aufgenommen  worden.  Die  Entschiedenheit,  mit  der  ein  so  sach- 
kundiger und  massgebender  Richter,  wie  Geheimrath  Otto  Hartwig, 
in  dem  von  ihm  herausgegebenen  Centralblatt  fiir  Bibliothekswesen  dem 
Nutzen,  ja  der  Nothwendigkeit  eines  solchen  Unternehmens  das  Wort 
redete,  wäre  für  sich  allein  die  ausgiebigste  Rechtfertigung  unseres  Ver- 
suches, dem  überdies  bei  den  Stimmführern  der  deutschen  Presse,  ebenso 
wie  in  historischen  und  anderen  Fachzeitschriften  aufmunternde,  volle 
Billigung  beschieden  war. 

Eindringende,  fördernde  Kritik,  die  im  Geleitwort  unseres  ersten 
Jahrganges  erhofft  und  erbeten  wurde,  stellte  sich  gleichfalls  ein. 
Zu  besonderer  Genugthuung  gereicht  es  mir,  dass  wir  die  werth- 
vollsten  Winke  wiederum  zwei  alten,  bewährten  Gönnern  unseres 
Vorhabens  zu  danken  haben:  die  gehaltvollen  Studien,  die  Excellenz 
V.  Liliencron,  No.  8  Jahrgang  1898  der  Göttingischen  Gelehrten 
Anzeigen,  und  Friedrich  Ratzel,  No.  277  Jahrgang  1898  der  Beilage 
zur  Münchener  Allgemeinen  Zeitung,  im  Anschluss  an  Band  I  unseres 
Biographischen  Jahrbuchs  und  Deutschen  Nekrologs  veröflfentlicht  haben, 
greifen  weit  über  den  unmittelbaren  Anlass  hinaus  —  mitunter  so  weit, 
dass  es  trotz  redlichsten  Bemühens  nicht  möglich  war,  der  Fülle  ihrer 
Ideen,    die  für  alle  Folge  Beherztgung  und  Erfüllung  verdienen,  sofort 


IV  Vorrede. 

und  durchwegs  gerecht  zu  werden.  Im  Einzelnen  haben  es  sich  Verlag 
und  Herausgeber  allerdings  angelegen  sein  lassen,  schon  im  vorliegenden 
Jahrgang  den  Anregungen  und  Ratschlägen  dieser  ebenso  einsichtigen, 
als  nachsichtigen  Fürsprecher  nachzukommen. 

So  erging  und  ergeht  neuerdings  im  Sinne  Ratzeis  an  alle  Mit- 
arbeiter die  Bitte,  im  Interesse  der  Gleichmässigkeit  die  Grundlage  ein- 
heitlich zu  gestalten  und  für  jeden  einzelnen  Nekrolog  zu  mindesten  zu 
bringen:  i.  Name:  Familienname,  Vorname,  bei  mehreren  Vornamen 
alle,  doch  der  Rufname  unterstrichen;  2.  Stand  oder  Beruf;  3.  Geburts- 
und Sterbedatum;  4.  die  wesentlichsten  äusseren  Begeben- 
heiten des  Lebenslaufes;  eine  Würdigung  der  Persönlichkeit  und 
ihrer  Leistungen;  5.  eventuell  Zusammenstellung  der  Werke;  6. 
Quellenverzeichnis  zur  Biographie;  bei  bedeutenderen  Persönlich- 
keiten auch  ein  Wort  über  die  erreichbaren  Bildnisse.  Trotz  dieses 
Muster- Schemas  und  trotz  der  ausdrücklich  und  wiederholt  an  alle 
Geladenen  gerichteten  Mahnung,  desselben  eingedenk  zu  bleiben,  war 
es  nicht  möglich,  in  jedem  einzelnen  Falle  dessen  genaue  Einhaltung 
durchzusetzen.  In  dieser  und  in  so  mancher  anderen  Beziehung 
erübrigt  uns  deshalb  nur,  unsere  Leser  zu  bitten,  allfällige  Verbesse- 
rungen und  Ergänzungen  dem  Verlag  oder  dem  Herausgeber  freund- 
lich bekannt  zu  geben.  Ein  Gleiches  gilt  in  Betreff  einer  Reihe 
von  anderen  »Redaktions-Leiden«,  deren  Excellenz  von  Liliencron  in 
seiner  Meisterkritik  gedacht  hat:  »Wie  weit  der  Nekrolog  auszudehnen 
ist,  das  lässt  sich  meiner  Ueberzeugung  nach  vom  centralen  Mittel- 
punkt der  Leitung  des  Unternehmens  nur  theilweise  bestimmen.  Zum 
anderen  Theil  müssen  hierbei  solche  Mitarbeiter  mitwirken,  welche  die 
einzelnen  particulären  Gebiete,  die  deutschen  Lande,  Grossstädte,  Cultur- 
centren  (Universitäten!)  u.  s.  w.  vertreten.  Zu  überschauen,  welche  für 
ihr  Gebiet  in  irgendwelcher  Weise  beachtenswerten  Persönlichkeiten 
im  Laufe  der  Tage  dahingehen,  ist  für  sie  eine  kleine  Mühe.  Dazu 
verhilft  ihnen  schon  die  Tagespresse  mit  ihren  Nekrologen  und  Nekro- 
logien.  Ein  Netz  von  Helfern  dieser  Art,  ausgespannt  über  die  ganze 
deutsche  Welt,  halte  ich  für  ein  ganz  unabweisbares  Bedürfnis  der 
Redaktion.«  Dass  es  an  dem  ehrlichen  Streben  nicht  gemangelt  hat, 
solche  Nothhelfer  zu  suchen,  wird  der  wohlwollende  Leser  von  Band  II 
nicht  verkennen:    an  Baechtolds  Stelle  hat  Professor  Adolf  Krey   das 


Vorrede.  V 

Schweizer  Referat  übernommen,  für  die  Siebenbürger  Sachsen  ist 
Pfarrer  Dr.  F.  Teutsch,  fiir  Schleswig-Holstein  Hr.  Joh.  Sass  auf 
mein  Ersuchen  eingetreten.  Dass  und  wie  viel  trotz  alledem  noch 
nachzuholen  bleibt  für  einzelne  Persönlichkeiten  und  ganze  Landstriche, 
ist  schwerlich  Jemandem  deutlicher  bewusst,  als  dem  Herausgeber. 
Wohl  war  es  mir  vergönnt,  die  meisten  der  im  vorigen  Jahrgang  ver- 
heissenen  Nachträge,  vor  Allem  die  Nekrologe  von  Camphausen,  Erz- 
herzog Carl  Ludwig,  Fürst  Stolberg-Wernigerode  u.  s.  w.,  rechtzeitig  zu 
erhalten;  dagegen  müssen  Nekrologe  wie  die  von  Gurlitt,  Victor  Meyer, 
W.  H.  Riehl,  von  einer  Reihe  deutscher  Theologen  und  sächsischer  Namen 
auf  den  nächsten  Band  verspart  bleiben,  weil  die  Herren  Verfasser, 
Prof.  W.  Gurlitt,  Prof.  Goldschmidt,  Staatssekretär  z.  D.  Prof.  G.  v.  Mayr, 
Lic.  Kohlschmidt  und  Dr.  H.  A.  Lier,  ihre  Manuscripte  nicht  mehr  vor 
Schluss  des  Druckes  einliefern  konnten. 

Am  schmerzlichsten  traf  es  aber  Verleger  und  Herausgeber,  dass 
die  schon  für  Band  I  geplante  Todtenliste,  die  registermässig  das 
alphabetische  Verzeichnis  aller  im  Laufe  des  Berichtjahres  geschiedenen 
Deutschen  von  Bedeutung  —  einschliesslich  der  im  Deutschen  Nekrolog 
nicht  eingehender  gewürdigten  —  umfassen  soll,  auch  heuer  noch 
nicht  erscheinen  kann.  Unser  mit  dieser  mühsamen  und  verantwort- 
lichen Aufgabe  betrauter,  hochgeschätzter  Mitarbeiter,  Bibliothekar 
Dr.  Georg  Wolff  in  München,  dem  wir  auch  fiir  das  Mitlesen  der 
Correcturen  verpflichtet  sind,  ist  leider  in  letzter  Stunde  durch  eine 
unvorhergesehene  Abhaltung  ausser  Stande  gewesen,  den  weitgediehenen 
Entwurf  seiner  Todtenliste  für  1896  und  1897  druckreif  abzuschliessen. 
Band  III  wird  deshalb  die  Todtenliste  für  1896 — 1898  auf  einmal 
bringen. 

So  viele  und  so  wichtige  Beiträge  derart  auch  zurückbleiben  mussten, 
so  hat  uns  dennoch  der  überreiche  Stoff  der  Nekrologie  des  Jahres  1897 
und  der  Ergänzungen  zum  Jahrgang  1896  genöthigt,  auf  urkundliche  und 
biographische,  ausserhalb  der  Jahre  1896/7  liegende,  Mittheilungen  zu 
verzichten.  Dessenungeachtet  darf  unser  Band  meines  Erachtens  mit 
Fug  und  Recht  seinen  alten  Obertitel  »Biographisches  Jahrbuch«  weiter 
fortführen.  Angesichts  der  grossen  Zahl  künstlerisch  sorgfältig  ausge- 
führter Einzelbiographien,  wie  sie.  Dank  der  werkthätigen  Förderung  aus- 
gezeichneter Mitarbeiter,   der  vorliegende  Band  von  Jacob  Burckhardt, 


VI  Vorrede. 

Johannes  Brahms,  Sachs,  Stephan  und  manchen  anderen  bietet,  darf  sich 
unser  Deutscher  Nekrolog  wohl  auch  als  Biographisches  Jahrbuch  dauernd 
zu  den  Grundsätzen  bekennen,  die  Herder  einst  Schlichtegrolls  Nekrolog 
entgegenstellte:  »Der  Name  Todtenliste  ist  schon  ein  trauriger  Name. 
Lasst  Todte  ihre  Todte  begraben;  wir  wollen  die  Gestorbenen  als  Lebende 
betrachten,  uns  ihres  Lebens,  ihres  auch  nach  dem  Hingange  noch  fort- 
wirkenden Lebens  freuen  und  eben  deshalb  ihr  bleibendes  Verdienst  flir 
die  Nachwelt  aufzeichnen.  Hiermit  ver^vandelt  sich  auf  einmal  das  Ne- 
krologium  in  ein  Athanasium,  ein  Mnemeion;  sie  sind  nicht  gestorben, 
unsere  Wohlthäter  und  Freunde,  denn  ihre  Seelen,  ihre  Verdienste  um 's 
Menschengeschlecht,  ihr  Andenken  lebet.« 


Wien,  8.  November  1898, 


Anton  Bettelheim. 


Inhalt. 


Seite. 

Vorrede  III -VI 
Uebersicht  der  Bibliographie  der  biographischen  Litteratur  1897 

Dr.  Joh.  Luther  i*— 55* 

Deutscher  Nekrolog  vom  i.  Januar  bis  31.  December  1897  i — 414 
Ergänzungen    und   Nachträge   zum   »Deutschen  Nekrolog  vom 

I.  Januar  bis  31,  December  1896«  415 — 461 

Alphabetisches  Namenverzeichniss  I  462 

Alphabetisches  Namenverzeichniss  II  468 

Zusätze  461 


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Uebersicht 

der  • 

Bibliographie  der  biographischen  Litteratur  1897. 

Zusammengestellt 

von 

Dr.  Johannes  Luther, 

Bibliothekar  an   dor  Königlichen  BIbliothele  Bprlin. 


•  ••• 


1  • 


Die  durch  ein  *  gekennzeichneten  Aufsätze  sind  dem  I.  Band,  Jahrgang  1897,  unseres 
d Biographischen  Jahrbuches  und  Deutschen  Nekrologs«  entnommen«. 


•  P  a  gel :  Hans  Conrad  Carl  Theodor  Acker- 
mann, Arzt  u.  Prof.  d.  pathol.  Anatomie. 
(S-  149—150.) 

W immer.  Frz.  Paul:  Kaiserin  Adelheid, 
Gemahlin  Ottos  I.  des  Grossen,  in  ihrem 
Leben  u.  Wirken  v.  931 — 973.  2.  Aufl. 
Regensburg:  J.  Habbel:  i.  Komm.  8.  III, 
104  S. 

Zu  Friedrich  Adlers  siebenzigstem  Geburts- 
tage. (Deutsche  Bauzeitung.  31.  Jahrg. 
4.     S.  518—519,  527.) 

Kolb,  R.:  Adolph,  Grossherzog  v.  Ludern«' 
bürg,  Herzog  v.  Nassau.  Wiesbaden:  (H. 
Roemer.)     8.     VIII,  182  S.  m.  Bildn. 

Busi  nger,  L.  C:  Joseph  Ignatz  von  Ah  f, 
15.  D^z.  1834 — I.  Sept.  1896.  (Schweizer. 
Archiv  f.  Volkskunde.    I.  Jahrg.    8.    S.  91 

—93-) 
Hardmann:    König  Alberts  Mitarbeit  am 

Aufbau  des  Deutschen  Reiches.  (Fest- 
reden z.  Geburtstagsfeier  König  Alberts 
T.  Sachsen.  Leipzig:  O.  Klemm's  Sort.  8.) 

SchcUenberg:  Ein  Lebensbild  unsers  Kö- 
nigs Albert.  (Festreden  z.  Geburtstags- 
feier Königs  Albert  v.  Sachsen.  Leipzig: 
O.  Klemm's  Sort.    8.) 

Geyer,  Alb.:  Albrecht  der  Bär.  Eine  Bio- 
graphie. Nach  d.  Quellen.  Berlin:  E.  Ehe- 
ring. 8.  44  S.  m.  lU.  [Lebensbilder  aus  d. 
Geschichte.   IL] 

D  u n  cke r,  Carl  v. :  Feldmarschall  Erzherzog 
Albrecht.  Wien:  F.  Tempsky.  4.  XII, 
330  S.  m.  Bildn.  u.  Abb. 

Biofr.  Jahrb.  n.  Deutacher  Nekrolog.    2.  Bd. 


Prinz  Alforecht  von  Preussen,  .Regent  von 
Braunschweig.  (Zum  8.  Mai  1897^)  (Der 
Bär.    23.  Jjihrg.    4.    S.  220 — 221  m.  Bild.) 

Prinz  Albrecht  von  Preussen.  .  (Militär- 
Wochenblatt.  82.  Jahrg.  i.Bd.  4.  Sp.  1215 
—  1222.) 

Paulus,  N.:  Lorenz  Albrecht.  Der  Ver- 
fasser der  ersten  deutschen  Grammatik.  I. 
II.  (Hist..polit  Blätter  f.  d.  kath.  Deutsch- 
land. 119,  Bd.  8.   S.  549— 560,  625— 637.) 

•-Meyer,  Alexander:  Siegfried  Wilhelm  Al- 
hrecht,  deutscher  Politiker.  (S.  203—205.) 

*Granier,  Hermann:  Alexander,  Prinz  von 
Preussen,  General  der  Infanterie.   (S.  418.) 

Le  Roi,  J.  F.  A.  de:  Michael  Solomon 
Alexander,  der  erste  evangelische  Bischof 
in  Jerusalem.  Gütersloh:  C.  Bertelsmann. 
8.  3  BL,  230  S.,  I  Bi^dn.  [Schriften  des 
Instit.  Judaicum  in  Berlin.    Nc  22.] 

RUhle,  Otto:  Johanna  Ambrosius.  Eine 
menschliche  Komödie.  (Monatsblätter  f. 
deutscheLitteraturgesch.  I.  Jahrg.  8.  S.  219 
.  —226.)      , 

Hürbin,  Jos.:  Peter  von  Andlau,  der  Ver- 
;  fasser  des  ersten  deutschen  Reichsstaats- 
rechts, Ein  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Humanis- 
n|us  am  Oberrhein  im  XV.  Jahrhundert. 
Strassburg:  J.  H.  Ed.  Heitz.  8.  XII,  286  S., 
I  Taf;,  I  Facs, 

Euler,  Carl:  Professor  Dr.  Eduard  Anger- 
stein. Ein  Lebensbild.  [Aus:  Monatsschr. 
f.  d.  Turnwesen.]  Berlip:  R.  Gaertner.  8. 
34  S.  m.  Bildn.  . 


Biographische  Bibliographie. 


Anzengruber,   Lijdw.*"  Biographisches  und 

Autobiographische.  (L.  Anzengruber :  Ge- 

samm.  Werkfr'.^Jt'durchges.  Aufl.     Bd.  i. 

Stuttgart  r.^/Öt-'Cotta  Nachf.    8.) 
Abels,  Lud^^t  Neues  über  Anzengruber. 

(SoniK^jg^sbeil.  No.  39  z.  Voss.  Zeitung.) 
Bettel  hel4p,     Ant.:     Anzengruber.     Der 

Manb,^s«1n  Werk,  seine  Weltanschauung. 

2.«'v^Fgf.  Aufl.    Berlin:  E.  Hofmann  &  C. 

^.-.yni,  286  S.    [Geisteshelden.  I.  Samml. 

.  H-4.] 

^I}«»echtold,  J.:  J.  W.  Appell.  (S.  3—5.) 
•'•.*^itner,  Rob.:  Karl  Armbrust.  (S.  112 — 

•••.^  Ernst  Moritz  Arndt.  I-III.  [Bilder  aus  der 
Erweckungsgesch.  d.  religiös-kirchl.  Lebens 
in  Deutschland  in  diesem  Jahrhundert. 
III.  Reihe,  i .  (Allg.  Evangel.-Luth.  Kirchen- 
zeitung.  30.  Jahrg.   4.    Sp.  291 — 296,  316 

—321.  345— 350O 
Bendixen,    Rudolf:    Ernst   Moritz   Arndt. 

(R.  Bendixen:  Bilder  aus  d.  letzten  reli- 
giösen Erweckung  in  Deutschland.  Leip- 
zig: Dörffling  &  Franke.    8.    S.  2i — 62.) 

M  e  i  s  n  e  r ,  Heinrich :  Ernst  Moritz  Arndt  im 
Parlamente.  (Der  Bär.  23.  Jahrg.  4.  S.  448 
— 450,  459—461.)  (Der  »Deutschen  Revue« 
entnommen.) 

R  eint  haier:  Ernst  Moritz  Arndt.  (Deutsch- 
evangelische Blätter.  22.  Jahrg.  8.  S.  233 — 

249.) 
Meisner,   Heinrich:   Ernst   Moritz  Arndts 

Mutter.     (Sonntagsbeil.   No.    36   z.  Voss. 

Zeitung.) 

Wehrmann,  M.:  Zur  Geschichte  des  Bi- 
schofs Arnold  von  Camin.  Monatsblätter. 
Hrsg.  V.  d.  Ges.  f.  Pomm.  Gesch.  u.  Alter- 
thumskunde.    11.  Jahrg.    8.    S.  58 — 60.) 

* H  o  1 1  an d ,  H. :  Hermann  Arnold,  Historien» 
u.  Genremaler.  (S.  47 — 48.) 

*Brttmmer,  Franz:  Andreas  Ascharin. 
(S.  196—197.) 

Ilwof,  Franz:  Die  Grafen  von  Attems, 
Freiherren  von  Heiligenkreuz,  in  ihrem 
Wirken  in  u.  für  Steiermark.  Graz :  Styria. 
8.  4  Bl.,  216  S.,  2  Bildn.  [Forschungen 
z.  Verfassungs-  u.  Verwaltungsgesch.  der 
Steiermark.    Bd.  II.    H.  i.] 

Ilwof,  Franz:  Ferdinand  Graf  Attems  (1746 
—  1 820),  Landeshauptmann  von  Steiermark. 
M.  Bildn.  (F.  Ilwof:  Die  Grafen  von  At- 
tems.   S.  25—136.) 

Ilwof,  Franz:  Ignaz  Maria  Graf  Attems 
(1774  — 1861),  Landeshauptmann  v,  Steier- 
mark. M.  Bildn.  (F.  Ilwof:  Die  Grafen 
von  Attems.    S.  137 — 201.) 

Schlossar,  Anton:  Anas tasius  Grün  [d.i. 
Graf  Anton  Alexander  von  Auersperg] 
und  Josef  Freiherr  von  Hammer-Purg- 
stall.  M.  ungcdr.  Briefen  Anastasius  Grüns 
aus  d.  Jahren  1831  bis  1854.  (Oesterr.-Un- 


gar.  Revue.  20.  Bd.  8.  S.  37— 57i  107  — 
127.) 

V.  Weilen,  Alexander:  Anastasius  Grün 
[d.  i.  Graf  v.  Auersperg]  und  Ludwig 
August  Frankl.  (Sonntagsbeil.  No.  25  z. 
Voss.  Zeitung.) 

Müller,  Hans:  Kurfürst  August  des  Starken 
Uebertritt  zur  römischen  Kirche.  Leipzig: 
Buchh.  des  Evang.  Bundes.  8.  56  S.  [Flug- 
schriften d.  Evang.  Bundes.  H.  134/135 
(XU.  Reihe,  2/3).] 

Evers,  Ernst:  Auguste  Viktoria.  Das  Le- 
bensbild d.  deutschen  Kaiserin.  3.  Aufl. 
Berl^:  Berl.  Stadtmission.  8.  188  S.  mit 
Bildn. 

Carstanjen,  Frdr. :  Richard  Avenarius. 
Ein  Nachruf.  [Aus:  Vierteljahrsschr.  f. 
wissenschaftl.  Philosophie.]  Leipzig:  O. 
R.  Reisland.    8.    32  S.  m.  Bildn. 

*Carstanjen,  Fr.:  Richard  Heinrich  Lud- 
wig Avenarius.  (S.  5— 12.) 

Frommel,  Emil:  Bach  s.  Händel. 

Wolzogen,  Hans  v. :  Johann  Sebastian  Bach. 
(H.  V.  Wolzogen :  Grossmeister  Deutscher 
Musik.  I.  Bd.  Hannover:  Dunkmann.  4. 
S.  I — 27  m.  Bildn.) 

Jahne,  Heinrich:  Ferdinand  Bachmann. 
(Biographien  Österreich.  Schulmänner.  Hrsg. 
V.  Franz  Frisch.  Wien:  A.  Pichler's  Wwe 
&  Sohn.    8.    S.  112 — 114.) 

*BrUmmer,  Franz:  Wilhelm  Emanuel  Back- 
haus.   (S.  195—196). 

Michel,  Hermann :  Zur  Erinnerung  an  Jacob 
Bächtold.  (Das  Magazin  f.  Litteratur. 
66.  Jahrg.    4.    Sp.  1017— 1018.) 

Münz,  Bernhard:  Bernhard  Baehring. 
(Briefe  von  und  über  Jakob  Frohscham- 
mer.  Hrsg.  v.  B.  Münz.  Leipzig:  G.  H. 
Meyer.    8.    S.  24— 31.) 

•  Weech,    F.  v.:    Karl  Anton  Ernst  Baer, 

badischer  Jurist  u.  Parlamentarier.   (S.  389 

-391.) 
Stölzle,   Remigius:    Karl  Ernst  von  Baer 

und  seine  Weltanschauung.    Regensburg: 

Nationale  Verlagsanst.    8.    XI,  687  S. 

Stölzle:    Karl  Ernst   von  Baer  und  seine 

Weltanschauung.    (Die  Natur.    46.  Bd.    4. 

s.  313-316.) 

•Weltner, A.J.:  Friederike Bäuerle.  (S. 335 

—336.) 

•  E  i  t  n  e  r ,  Rob. :  Selmar  Bagge.  (S.  113.) 
Klaus,  B.:  Hans  Baidung  genannt  Grien 

oder  Grün.  (B.Klaus:  Gmtinder  Künst- 
ler. II.  2.  in:  Württembergische  Viertcl- 
jahrsheftef.  Landesgeschichtc.  N.F.V.  Jahrg. 
8.    S.  307 — 313,  331 — 332.) 

•Posner:  Cari  M.  Balling,  Kaiserl.  Königl. 
Oberbergrath.  (S.  411.) 

Pastor,  Willy :  Ein  Maler  des  Berliner  Ostens 
(Hans  Baluschek).  (Das  Magazin  f.  Litte- 
ratur.   66.  Jahrg.    4.    Sp.  774 — 776.) 


Biographische  Bibliographie. 


,4! 


Bussle  r,  W.:  General  -  Feldmarschall  Graf 
Barfuss.  Kurzgef. Lebensbild  m.  Anschluss 
d.  Gesch.  d.  nach  ihm  genannten  4.  Westfäl. 
Inf.-Reg.  No.  17.  Gotha:  G.  Schloessmann. 
8.   22  S.  m.  Bildn. 

Woldcmar  Barglel,  Professor,  Mitglied  der 
König!.  Akad.  d.  Künste.  (Chronik  d.  Königl. 
Akad.  d.  Künste  zu  Berlin.  1896/97.  8. 
S.  82-83.) 

Schubert,  Gustav  v.:  Heinrich  Barth,  der 
Bahnbrecher  der  deutschen  Afrikaforschung. 
Ein  Lebens-  nnd  Charakterbild,  auf  Grund 
ungedruckter  Quellen  entworfen.  Berlin: 
D.  Reimer.  8.  i  Bl.,  X,  184  S.,  3  Bildn., 
I  Bildntaf.,  6  Facs. 

Bartholomä,  Hermann:  Erlebnisse  eines  ba- 
dischen Lazareth-Unterofßziers  im  Feldzuge 
1870/71.  Karlsruhe:  J.J.  Reiflf.  8.  VIS., 
I  Bl.,  141  S.,  I  Kt  [Badener  im  Feldzug 
1870/71.    Bd.  14.] 

R.  Diestelmann:  Johann  Bernhard  Base- 
dow. Leipzig:  R.  Voigtländer.  8.  iio  S., 
I  Bildn.  [Grosse  Erzieher.  Eine  Darstellung 
d.  neueren  Pädagogik  in  Biographien  Bd.  2.] 

Rubinstein,  Susanna:  Batz  s.  Main- 
länder. 

Speier,  Max:  Bauemfeld  s.  Grillparzer. 

*Pagel:  Georg  Wilhelm  Baum,  Chirurg. 
(S.  ISO— 151.) 

*  K  r  a  u  s  s ,  Rudolf:  Eugen  Baumann.    S.  93 

-94.) 

*Meyer,  Alexander:  Karl  Baumbach,  Ober- 
bürgermeister von  Danzig.  (S.  199 — 200.) 

Gabler,  Ludwig:  Schulrath  (Gottlob  Franz) 
Baunack  in  seinem  Leben  und  Wirken 
für  die  Volksschule.  Tl.  i :  Seine  Reden 
bei  den  Jahreskonferenzen  d.  Lehrer  d. 
Schulinspektionsbezirks  Oelsnitz  i.  V.  Leip- 
zig: Dürr.  8.  160  S.,  i  Bl.,  i  Bildn.  (Tl.  2: 
Sein  Leben  u.  Wirken,  ersch.  1898.) 

Wilhehn  Baur.  [Rudolf  Kögel,  Emil  From- 
mel,  Wilhelm  Baur.  3.]  (Allg.  Evangel.- 
Luth.  Kirchenzeitung.  30.  Jahrg.  4.  Sp.  460 
—464.) 

Professor  Dr.  Franz  v.  Baur  f.  (Centralblatt 
f.  das  gesammte  Forstwesen.  23.  Jahrg. 
8.   S.  90—95  m.  Bildn.) 

Professor  Dr.  (Franz)  von  Baur  f.  (Deutsche 
Forst-Zeitung.    12.  Bd.    8.    S.  73—74.) 

Fürst:  Professor  Dr.  Franz  von  Baur. 
(Forstwiss.  Centralbl.    8.    N.  F.  Jahrg.  19, 

s.  133^136.) 

Der  Socialdemokrat  August  Bebel  als  Denun- 
ziant Preussrscher  Offiziere.  Von  einem 
Offizier.    Berlin:  R.  Felix.    8.    i  Bl.,  18  S. 

•Kollmann,  Paul:  Karl  Becker.  (S.  12—32.) 

•Holland,  H.:  Moritz  von  Beckerath, 
Historienmaler.   (S.  48 — 49.) 

Ritter,  Herrn.:  Beethoven  s.  Haydn. 

Wol zogen,  Hans  v.:  Ludwig  van  Beetho- 
ven.   (H.  V.  Wolzogen :  Grossmeister  deut- 


scher Musik.   X .  Bd.  Hannover :  Dunkmann. 

4.  S.  55—82,  m.  Bildn.) 
Meyer,  Alfred  Gotthold:  Reinhold  Begas. 

Bielefeld  u.  Leipzig:  Velhagen  &  Klasing. 

8.    2  Bl.,  128  S.  m.  Abb.  [Künstler-Mono- 
graphien.   20.] 
Wolf-Harnicr,    Eduard:    Reinhold  Begas. 

Eine  biograph.  Skizze.   M.  Abb.   (Der  Bär. 

23.  Jahrg.    4.   S.  570—573.  581—582,  592 

—  594.) 
•Weech,  F.  v.:  Wilhelm  Jacob  Behaghel, 

Professor  der  Rechte  an  d.  Univ.  Freiburg. 

(S.  391— 393-) 
Ratzinger,    G.:    Albert   Behaim    s.    Bo- 

hemus. 

Bauch,  Alfred:  Der  Aufenthalt  des  Malers 
Sebald  Beham  während  der  Jahre  1525— 
1535.  (Repertorium  f.  Kunstwiss.  20.  Bd. 
8.    S.  194 — 205.) 

Schmidt,  Wilhelm:  Beiträge  zur  Kenn tniss 
Sebald  Beham's.  (Repertorium  f.  Kunst- 
wiss.   20.  Bd.    8.    S.  477—479.) 

Edmund  Behringer.  25  Jahre  Rektor.  (Aka- 
demische Monatsblätter.  IX.  Jahrg.  4.  S.  59 
—62.) 

Reiffer scheid,  AI.:  Zwei  Anträge  aus- 
wärtiger Bibliothekarstellen  für  George 
Friedrich  Benecke.  (Centralblatt  für 
Bibliothekswesen.     14.  Jahrg.     8.     S.  75 

-83.) 

•Rudolf  Benedikt.  (S.  322—324.) 

ülzer.  F.:  Rudolf  Benedikt  (weil.  Professor 
an  der  k.  k.  technischen  Hochschule  in 
Wien).  (R.  Benedikt:  Analyse  der  Fette 
und  Wachsarten.  3.  erweit.  Aufl.,  hrsg.  v. 
F.  ülzer.  Berlin:  J.  Springer.  8.  S.  III 
-VI.) 

Miquel  und  Bennigsen  s.  Miquel. 

Friedländer,  Max  J.:  Bentz  s.  Peutz. 

Felix  Berber.  (Musikal.  Wochenblatt  28.  Jahrg. 
4.    S.  483—484  m.  Bildn.) 

♦Obermayer,  A.  v.:  Hans  Ernst  Graf 
vonBerchem-Haimhausen.  (S.  32—34.) 

Schmitt,  Franz  Jacob:  Matthias  Berger, 
Architekt  in  München,  f»  (Centralblatt  d. 
Bauverwaltung.    17.  Jahrg.    4.    S.  224.) 

Arnold  Bergsträsser  f.  (Deutsche  Bauzei- 
tung.   31.  Jahrg.    4.    S.  24.) 

•Weltner,  A.  J.:  Alois  Berla  s.  Scheichl. 

•Li er,  H.  A.:  Dietrich  Otto  von  Berlepsch, 
Präsident  des  evang.- lutherischen  Landes- 
consistoriums     des     Königreich    Sachsen. 

(S.  415.) 

Boehm,  Willy:  Götz  v.  Berlichingen  mit 

der  eisernen  Hand.     2.  Aufl.     Gütersloh: 

C.  Bertelsmann.    8.    152  S. 
•Uhde,  Hermann:  Michael  Bernays  1834 

—1897.  (S.  17*- 22*.) 
Witkowsky,    Georg:     Michael    Bernays. 

(Das  Magazin  f.  Litteratur.    66.  Jahrg.    4. 

Sp.  271—277.) 

a* 


0» 


Biographische  Bibliographie. 


Hildebrandt,  Max:  Reinhard  Bernhard!. 
Zum  Gedächtniss  eines  deutschen  Natur- 
forschers. 1797.  ii.October.  1897.  (Natur- 
wissenschaft!. Wochenschrift.  12.  Bd.  4. 
S.  481—486.) 

Aus  dem  Leben  Theodor  von  Bernhardi's. 
Tl.  VI.  (Aus  den  letzten  Tagen  des  deut- 
schen Bundes.  Tagebuchblätter  aus  d.  J. 
1864— 1866.)  Tl.  VII.  (Der  Krieg  1866 
gegen  Oesterreich  und  seine  unmittelbaren 
Folgen.  Tagebuchblätter  aus  d.  J.  1866  u. 
1867.  M.  e.  Bildn.  Bemhardis.)  Leipzig: 
S.  Hirzel.  8.  X,338  S.;  XIV,  378  S.,  i  Bildn. 

Aus  den  Tagebüchern  Theodor  von  Bern- 
hardi's.  V.  (Deutsche  Rundschau.  90.  Bd. 

8.    S.  72—95-) 

Brausewetter,  Ernst:  Elise  Bernstein  s. 
R  o  s  ra  e  r. 

Gräfin  Elise  von  Bernstorif,  geb.  Gräfin 
von  Dernath.  Ein  Bild  aus  d.  Zeit  von 
1789  bis  1835.  Aus  ihren  Aufzeichnungen. 
3.  Aufl.  (Hrsg. :  Elise  v.  d.  Bussche-Kes- 
sell.)  Bd.  I.  1789  bis  1822.  M.  2  Bildn. 
Bd.  2.  1823  bis  1835.  M.  I  Bildn.  Berlin: 
E.  S.  Mittler  &  Sohn.  8.  VIII,  340  S., 
2  Bildn.;  V,  270  S.,   i  Bildn.,  i  Stammtaf. 

Wehrmann,  M.:  Dietrich  von  Bertekow, 
Pfarrer  in  Wusseken  und  Neuenkirchen 
(1300  1304).  (Monatsblätter.  Hrsg.  v.  d. 
Ges.  f.  Pomm.  Gesch.  u.  Alterthumskunde. 
II.  Jahrg.    8.    S.  90— 92.) 

♦Brummer,  Franz:  Friedrich  August  Ber- 
thelt.    (S.  246—247.) 

Kohut,  Adolph:  Friedrich  Justus  Bertuch. 
M.  4  ungedr.  Briefen  Bertuchs.  (Nord  u. 
Süd.    83.  Bd.    8.    S.  73—83.) 

Zum  achtzigsten  Geburtstage  von  Friedrich 
Beust.  M.  d.  Bildn.  Beust's.  Zürich:  Zür- 
cher &  Furrer.    8.    34  S.,   i  Bildn. 

Merian,  Hans:  Franz  Adam  Beyerlein. 
(Die  Gesellschaft.  Jahrg.  1897,  III.  8. 
S.  390—395  m.  Bildn.) 

Professor  Ernst  Beyrich.  (Nekrolog.)  (Deut- 
sche Rundschau  f.  Geographie  u.  Statistik. 
19.  Jahrg.    8.    S.  40—42  mit  Bildn.) 

♦  B 1  e  n  c  k ,  E. :  Heinrich  Ernst  Beyrich,  Pro- 
fessor u.  Geheimer  Bergrath.  (S.  193 — 194.) 

Dr.  Eduard  Albert  Bielz.  (Deutsche  Rund- 
schau f.  Geographie  u.  Statistik.  19.  Jahrg. 
8.    S.  326—328  m.  Bildn.) 

*Poten,  B.:  Hugo  Ritter  Bilimek  von  Wais- 
solm,  k.  u.  k.  Fcldmarschall- Lieutenant. 
(S.  112.) 

Schmidt,  Geo:  Schönhausen  und  die  Fa- 
milie von  Bismarck.  Bearb.  im  Auftr.  d. 
Familie.  M.  zahlr.  Abb.  Berlin :  E.  S.  Mitt- 
ler &  Sohn.    8.    VIII,   196  S. 

Kaiser  Wilhelm  I.  und  Fürst  Bismarck  s. 
Wilhelm  I.,  Kaiser  von  Deutschland. 

Bismarck  als  Redner.  (Zeitschr.  f.  deutsche 
Sprache.    10.  Jahrg.    8.    S.  12 — 17.) 


Diest-Daber,  v.:  Bismarck  u.  Bleich- 
röder.  Deutsches  Rcchtsbewusstscin  u.  d. 
Gleichheit  vor  d.  Gesetze.  München:  Th. 
Wenng.    8.    III,  201  S. 

Everling:  Bismarck  s.  Luther. 

P  e  n  z  1  e  r ,  Jobs :  Fürst  Bismarck  nach  sei- 
ner Entlassung.  Leben  u.  Politik  des  Für- 
sten seit  seinem  Scheiden  aus  dem  Amte 
auf  Grund  aller  authentischen  Kundgebun- 
gen. Hrsg.  u.  mit  histor.  Erläuterungen 
versehen.  5  Bde.  (i :  20.  März  1890 — 
II.  Febr.  1891;  2:  12.  Febr.  1891  —  5.  Dec. 
1891  ;  3:  6.  Dec.  1891  —  27.  Juni  1892; 
4:  28.  Juni  1892  —  22.  Febr.  1893;  5:  März 
1893 — Ende  1894.)  Leipzig:  W.  Fiedler. 
8.  VII,  384  S.;  2  Bl.,  380  S.;  2  BL,  367  S.; 
400  S.;   384  S. 

Poschinger,  Heinr.  v.:  Fürst  Bismarck 
und  der  Bundesrath.  (In  4  Bdn.)  Bd.  i  — 3. 
(i:  Der  Bundesrath  des  Norddeutschen 
Bundes,  1867 — 1870;  2:  Der  Bundesrath 
des  Zollvereins,  1868  — 1870,  u.  d.  Bundes- 
rath des  Deutschen  Reiches,  1871  — 1873; 
3 :  Der  Bundesrath  des  Deutschen  Reiches, 
1874— 1878.)  Stuttgart:  Deutsche  Verlags- 
Anst.  8.  XII,  351  S.;  X,  427  S.;  X, 
486  S. 

Rohling,  Carl:  Otto  v.  Bismarck.  Ernstes 
u.  Heiteres  aus  d.Leben  des  grossen  Kanzlers. 
40  Bilder  (in  Farbdr.).  Begleitender  Text 
v.  R.  Hofmann.  Berlin:  A.  Hofmann  &  C. 
VII,  40  S.    qu.  4. 

R  o  s  i  n  s  k  i ,  Adf. :  Fürst  Bismarcks  Kampf 
gegen  den  Grafen  Caprivi  u.  seine 
Kundgebungen  üb.  d.  Sinken  des  deut- 
schen Nationalgefühls  u.  üb.  d.  deutsche 
Reichsverfassung, kritisiert.  Berlin:  Selbstv. 
8.  91   S. 

Rosinski,  Adf.:  Fürst  Bismarcks  Ver- 
dienste u.  ihre  Würdigung  durch  den 
deutschen  Reichstag  bei  der  Feier  seines 
80.  Geburtstages,  kritisch  beleuchtet. 
Berlin:  Selbstv.     8.  26  S. 

Diest-Daber,  v.:  Bleichröder  s.  Bismarck. 

Zum  siebzigjähr.  Dienstjubiläum  Seiner  Ex- 
cellenz des  General-Feldmarschalls  Grafen 
V.  Blumenthal  am  30.  Juli  1897.  (Mili- 
tär-Wochenblatt. 82.  Jahrg.  2.  Bd.  4. 
Sp.  181 5— 1823.) 

Frisch,  Franz:  Franz  Bobies.  (Biographien 
Österreich.  Schulmänner.  Hrsg.  v.  F.  Frisch. 
Wien:  A.  Pichler's  Wwe  &  Sohn.  8.  S.  196 
—203  ) 

Richard  Werner  Bode,  Geh.  Baurath,  f. 
(Centralblatt  d.  Bauverwaltung.  17.  Jahrg. 
4.  S.  332.) 

Schumann,  Paul :  Wilhelm  Bode  s.  v.  We  r  n  e  r. 

Ostertag:  Die  Anstalten  des  Pastor  D. 
von  Bodelschwingh.  Berlin:  Ostdeutscher 
Jünglingsbund.  8.  16.  S.  m.  Abb.  [Für 
Feste  u.  Freunde  d.  Inn.  Mission.    H.  3.J 


Biographische  Bibliographie. 


41 


•LUtzow,  Carlv. :  Erinnerungen  an  Fried- 
rich Bodenstedt.    S.  42* — 49*.) 
Grimm,  Hernian:  Zum  siebzigsten  Geburts- 
tage   Arnold    Böcklin*s.     Schweizerische 
Erinnerungen.  (Deutsche  Rundschau.  93.  Bd. 
8.  S.  51-69.) 
Henckell,  Karl:  Widmungsblatt  an  Arnold 
Böcldin.  Zürich:    K.   Henckell    &   C.    4. 
12  S.  m.  Bildn. 
Lehrs,  Max:    Arnold  Böcklin.     Ein  Leit- 
faden z.  Verständnis  seiner  Kunst  München : 
F.  Bruckmann.  8.  60.  S. 
Osborn,  Max:   Zum  Boecklin-Tage.    (Das 
Magazin    f.    Litteratur.      66.    Jahrg.     4. 
Sp.  1 231  — 1236.) 
Servaes,   Franz:    Meister   Böcklin.     Zum 
siebzigsten  Geburtstag.     (Die  Gegenwart. 
52.  Bd.  4.  S.  249—252.) 
Deussen,  Paul:  Jakob  Böhme.  Ueber  sein 
Leben  u.  seine  Philosophie.  Kiel :  Lipsius 
&  Tischer.  8.  31  S. 
Lassen,  Adf:  Jacob  Böhme.  Rede.  Berlin: 
R.  Gaertner.    8.  35  S.    [Vorträge  u.  Ab- 
handlungen aus  d.  Comenius-Ges.  5.  Jahrg. 
3.  Stück.] 
Schönwälder:  Lebensbeschreibung  des  be- 
rühmten    Schuhmachers    u.    Theosophen 
jakob  Böhme.  Görlitz:  (Selbstv.)  8.  14  S. 
Löffler,    J.    H:    Martin   Bötzinger.     Ein 
Lebens-  u.  Zeitbild  aus  d.  17.  Jahrh.  2  Bde. 
Leipzig:  F.  W.  Grunow.   8,  442  u.  441  S. 
Ratztnger,  G.:  Albertus  Bohemus  (Albert 
Bchaim).  (Hist-polit.  Blätter  f.   d.  kath. 
Deutschland.  119.  Bd.  S. 81 — 100, 177—  189, 
258—272,  393—407.) 
•Holland,     H. :     Ludwig    Boller,     Land- 
schaftsmaler. (S.  49.) 
Georg  Christian  August  Bomhard.   [Aus  der 
Erweckungszeit   der    bayerischen  Landes- 
kirche. IX.]  (Allg.  Evangel.-Luth.  Kirchen- 
zeitung. 30.  Jahrg.  4.  Sp.  223 — 228.) 
Heinrich  Bone.  (Hist.-polit.  Blätter  f.  d.  kath. 
Deutschland.     120.  Bd.    8.    S.  767 — 773.) 
Kaiser,  H.  AL:  Heinrich  Bone.  Lebensbild 
eines    deutschen    Schulmannes  u.  Schrift- 
stellers.    Zug:  Buchdr.  J.  M.  Blunschi.  8. 
50  S.  m.  Bildn. 
Richard  Bong  1872  — 1897.  (Oesterr.-ungar. 
Buchdrucker- Zeitung.      XXV.   Jjihrg.      4. 
S.  619 — 621.) 
Richard  Bong  1872 — 1897.     ^^^    thatkräf- 
tigen  Förderer   d.   Kunst   u.  Litteratur  in 
dankbarer  Verehrung  gewidmet   v.  einem 
Freunde   d.  Hauses.    (Berlin:    Gedr.  b.  J. 
Sittenfeld.)     4.     36.  S.,     i  BL,    i  Bildn., 
14  Taf. 
Lcfmann,  S.:  Franz  Bopp,  sein  Leben  und 
seine  Wissenschaft.   Nachtrag.  M.  e.  Ein- 
leitung u.   e.  vollst.  Register.    Berlin:  G. 
Reimer.  8.  2BI.,  XLII,  129  S.  (Die  früheren 
zwei  Hälften  ersch.  1891  u.  1895.) 


Stahl,  Fritz:    Eugen  Bracht.    (Die  Kunst- 
Halle.  II.  Jahrg.  4.   S.  241—242.) 
Jacobowski,  Ludwig:  Otto  Brahm.   Eine 

Studie.    (Nord  u.  Süd.    82.  Bd.  8.   S.  22 

bis  36  mit  Bildn.) 
Johannes  Brahms,    Professor  Dr.,   Mitglied 

d.  Königl.  Akad.  d.  Künste.    (Chronik  d. 

Königl.Akad.  d.  Künste  zu  Berlin.  1896/97. 

8.  S.  83-84.) 
Zur  Abwehr.     Johannes  Brahms    und    die 

»Ungarischen  Tänze«.  Berlin:  N.  Sirarock. 

8.   13  S. 
Abel,    Hedwig:    Johannes   Brahms.     (Die 

Gegenwart.  51.  Bd.  4.  S.  247  —  248.) 
C  u  r  t  i  u  s ,  Friedrich :  Johannes  Brahms.  (Die 

Christi.  Welt.   11.  Jahrg.  4.  Sp.  348 — 349.) 
Ernst,    Erich:      Brahms    und    Wagner. 

(SonntagsbeiL  No.  15  z.  Voss.  Zeitung.) 
Groth,   Klaus:    Erinnerungen  an  Johannes 

Brahms.      (Die    Gegenwart.    52.  Bd.    4. 

s.  295— 299,  307-3101  327— 329O 

Helm,  Th.:  Zum  Tode  Johannes  Brahms*. 
(Musikal.  Wochenblatt.  28.  Jahrg.  4. 
S.  229—230.) 

Krebs,  Carl:  Johannes  Brahms.  (Deutsche 
Rundschau.  91.  Bd.  8.  S.  300—302.) 

Lessmann,  Otto:  Johannes  Brahms  f. 
(Allg.  Musik-Zeitimg.  24.  Jahrg.  4.  S.  229 
— 230  m.  Bildn.) 

Marsop,  Paul:  Johannes  Brahms.  (Die 
Gegenwart.  51.  Bd.  4.  S.  277-— 280.) 

Morin,  A.:  Johannes  Brahms.  (Johannes 
Brahms.  Erläuterung  seiner  bedeutendsten 
Werke  v.  C.  Beyer  u.  a.  Nebst  e.  Dar- 
stellung seines  Lebensganges  m.  besond. 
Berücks.  seiner  Werke.  Von  A.  Morin. 
Frankfurt  a.  M.:  H.  Bechhold.  8.  S.  VII 
— XLIV  m.  Bildn.  [Musiker  u.  ihre  Werke.]) 

Nodnagel,  Ernst  Otto:  Johannes  Brahms. 
Ein  Gedächtnisworl.  (Das  Magazin  f.  Litte- 
ratur. 66.  Jahrg.  4.  Sp.  469—472.) 

Reimann',  Heinrich:  Johannes  Brahms. 
Berlin:  Harmonie.  8.  VIII,  104  S.  m.  Bildn. 
u.  Abb.  [Berühmte  Musiker.  I.] 

Sohle,  Karl:  Johannes  Brahms.  (Der Kunst- 
wart.  IG.  Jahrg.  4.  S.  216.) 

Sohle,  Carl:  Johannes  Brahms  todtl  (Mu- 
sikal. WochenbL  28. Jahrg.  4.  S.210— 211.) 

Wichmann,  H.:  Noch  ein  Beitrag  zur 
Charakteristik  von  Brahms.  (Allg.  Musik- 
Zeitung.  24.  Jahrg.  4.  S.  270—271.) 

Widmann,  J.  V.:  Erinnerungen  an  Johannes 
Brahms.  Brahms  in  Italien.  (Deutsche 
Rundschau.  92.  93.  Bd.  8.  92.  Bd.:  S.  89 
—  io6;   93.  Bd.:  S.   120— 141,  210—227,) 

WUllner,  F.:  Zu  Johannes  Brahms  Gc- 
dächtniss.  Worte  der  Erinnerung,  ge- 
sprochen [bei  d.  Erinnerungsfeicr  d.  Con- 
servatoriums  d.  Musik  in  Köln].  [Köln:] 
Dr.  V.  M,  Du  Mont  Schauberg.  8.  8  S. 

Hösel,     Kurt:      Friedrich    Brandes.     Ein 


6* 


Biographische  Bibliographie. 


Rezensenten-Problem.  In  objectiver  Dar- 
stellung als  Selbsthülfe  der  öffentl.  Be- 
urtheilung  Übergeben.  Dresden:  A.  Beyer 
i.  K.  8.  i6  S. 
♦Dr.  Franz  Brandner.  (S.  356—358.) 
Christian  Philipp  Heinrich  Brandt.  [Aus 
der  Erweckungszeit  der  bayerischen  Landes- 
kirche VIII.]  (Allg.  Evangel.-Luth.  Kirchen- 
zeitung. 30.  Jahrg,  4.  Sp.  199 — 204.) 

*  Brausewetter,  Landgerichts -Direktor.   (S. 

219 — 220.) 
Professor  Dr.  Jakob  Breitenlohner  f.   (Cen- 

tralblatt  f.  d.   gcsammte   Forstwesen.    23. 

Jahrg.  8.  S.  235—239  ro.  Bildn.) 
Roth,    F.   W.   E.:    Adolf  von  Breithart, 

Kanzler  zu   Mainz,    f  I49l.     (Görres-Ge- 

sellschaft.    Hist.  Jahrbuch.    18.  Bd.   8.  S. 

849-857.) 
Jorde,  Fritz:   Johann  Gregor  Breuer.  Ein 

Lebensbild.  Elberfcld:  J.  J.  Keller.  8.  48  S. 

m.  Bildn. 
Brandes,  Ernst:    John  Brinckman.     (Die 

Grenzboten.  56.  Jahrg.  IV.  8.  S.117— 134, 

278-290,  434-435.) 
Beste,    Johannes:    Kirchenrath.   (Wilhelm) 

Brodkorb    f.      (Braunschweig.    Magazin. 

3,  Bd.    4.    S.  57—60.) 
^Rietsch,  licinr.:  Anton  Brückner,  Ton 

dichter.    (S.  302— 319.) 
Sohle,  Karl :  Anton  Brückner.  (Der  Kunst- 
wart. 10,  Jahrg.  4.  S.  28.) 

*  G  u  g  1  i  a ,  E. :  Alexander  Brückner,  Kaiserl. 

russ.   Staatsrath   u.   Universitätsprof.  i.  R. 

(S.  36-38.) 
^Guglia,  E. :    Karl  Brunnemann.    (S.  44 

—450 
♦Emil  Brunnenmeister.    (S.  361  —  364.) 

Kriegs-Erlebnisse  aus  den  Feldzügen  1864, 
1866,  1870/71  von  J.  Bubbe,  ehemaliger 
Vierundzwanziger.  Neuruppin:  Märkische 
Zeitung;   8.    2  ßl.,  222  S.,   i  Bl. 

*Dr.  Hermann  von  Buchka,  Gfossherzogl. 
Mecklenburg.  Wirkl.  Geheimer  Rath.  (S. 
214.) 

Christian  Friedr.  Buchrucker.  [Aus  der 
Erweckungszeit  der  bayerischen  Landes- 
kirche. V.]  (Allg.  Evangel.-Luth.  Kirchen- 
zeitung. 30.  Jahrg.  4.  Sp.  100  —  105.) 

Ellissen,  H.:  Alexander  Büchner.  Zu 
seinem  70.  Geburtstage.  (Das  Magazin  f. 
Litteratur.  66.  Jahrg.  4.  Sp.  1263  — 1266.) 

Furchtlos  und  treu.  Aus  dem  Leben  des 
verstorbenen  Generalsuperint.  Dr.  Büchsel. 
(Schulblatt  f.  d.  Prov.  Brandenburg.  62. 
Jahrg.  8.  S.  408—410.) 

BUchsel,  C,  Gcn.-Supcrint. :  Erinnerungen 
aus  d.  Leben  e.  Landgeistlichen,  i.  Bd. 
8.  Aufl.  3.  Bd.  4.  Aufl.  Berlin:  Wiegandt 
&  Grieben.  8.  VIII,  312  S.;  327  S. 

Büchsel:  Erinnerungen  aus  meinem  Berliner 
Amtsleben.    Bd.  4  der  'Erinnerungen  aus 


dem  Leben   e.  Landgeistlichen*.     4.  Aufl. 

Berlin:  Wiegandt  &  Grieben.  8.  IV,  176  S. 

m.  Bildn. 
Marsop,    Paul:    Hans   v.  Bülow    und   die 

Musikkritik.  I.  II.  (Sonntagsbeil.  No.  i.  2. 

z.  Voss.  Zeitung.) 
Thiele',     Georg:     Hans     von   Bülow    als 

Schriftsteller.  (Die  Gegenwart.   Bd.  51.  4. 

S.  232—234,  249—251.) 
*Krauss,  Rudolf:    Johann  Martin  Bürkle. 

(S.  92— 93») 
•Bürkner,  K.:    Hugo  Bürkner.  (S.  22»— 

42».) 

Pauli,    Gustav:    Der    letzte  Klassiker   des 

deutschen  Holzschnittes  (Hugo  Bürkner.) 

(Die  Kunst-Halle.   II.  Jahrg.  4.  S.  177 — 

179.) 
Graepp,    L.  W.:    Johannes   Bugenhagen. 

E.    Lebensbild    aus    d.   Reformationszeit, 

nach  hist.  Quellen   zusammengest.  u.  neu 

bearb.  Gütersloh:  C.  Bertelsmann.  8.  4  BI., 

ii8  S. 

♦Dr.  F.  A.  Buhl,  Gutsbesitzer  in  Deides- 
heim,  früher  Mitglied  des  deutschen  Reichs- 
tags.    (S.  220.) 

♦Marquardsen:    Franz  Armand  Buhl.   (S. 

49»- 53*.) 
Diederichs,    H.:     Friedrich    Georg    von 

Bunge.  Gedächtnissrede.  (Baltische  Mo- 
natsschrift 39.  Jahrg.  XLIV.  Bd.  8.  S.  357 
-386.) 

Schrattenholz,  Josef:  August  Bungert. 
Ein  Sendschreiben  an  ihn.  (Die  Gegenwart. 
51.  Bd.  4.  S.  166 — 169.) 

Bunkofer,  Wilh.,  Gymn.-Prof.:  Mein  Aus- 
tritt aus  d.  römischen  Kirche,  denk.  Christen 
gewidmet.  Wertheim :  (E.  Buchheim  Nachf.) 
8.  38  S. 

♦Meyer,  Alexander:  Georg  von  Bunsen, 
deutscher  Politiker.  (S.  34 — 36.) 

♦Eitner,  Rob.:  Karl  Burchard.  (S.  114.) 

Forst-Direktor  Dr.  Heinrich  Christian  Burck- 
hardt.  (Deutche  Forst-Zeitung,  XII.  Bd.  8. 
S.  97 — 100  m.  Bildn.) 

Zur  Erinnerung  an  Herrn  Prof.  Dr.  Jakob 
Burckhardt  Basel:  C.  F.  Lendorff.  8.  22. S.- 
Prof. Jakob  Burckhardt,  Kunstgeschichts- 
forscher, f.  (Centralblatt  d.  Bau  Verwaltung. 
17.  Jahrg.  4.  S.  364.) 

Jakob  Burckhardt.  (Die  Grenzboten.  56. 
Jahrg.  III.  8.  S.  385-390.) 

Professor  Dr.  Jacob  Burckhardt  in  Basel. 
(Deutsche  Bauzeitung.  31.  Jahrg.  4.  S.  415.) 

Gothein,  Eberhard:  Jakob  Burckhardt. 
(Preuss.  Jahrbücher.  90.  Bd.  8.  S.  i — 33.) 

Mähly,  Jacob:  Jacob  Burckhardt.  (Das 
Magazin  f.  Litteratur.  66.  Jahrg.  4.  Sp. 
1039— 1045.) 

Wölfflin,  Heinrich:  Jacob  Burckhardt. 
(Repertorium  f.  Kunstwissensch.  20.  Bd.  8. 

s.  341-346.) 


Biographische  Bibliographie. 


7* 


Joss,  G.:  [Amtsrichter  Joseph  Burkhalter.] 
(Briefe  von  Jeremias  Gotthelf  [A.  Bitzius] 
an  Amtsrichter  Burkhalter.    Zu  s.  loojähr. 
Geburtstag  4.  Okt.   1897  hrsg.  v.  G.  Joss, 
Pfarrer.  M.  e.  Bildn.  des  J.  Gotthelf.  Bern: 
K.  J.  Wyss.  8.  S.  3-29.) 
*Karl  Busse,    Geh.  Ober-Regierungsrath  u. 
früherer  Direktor  der  Reichsdruckerei  in 
Berlin.  (S.  215.) 
Koldewey,    Friedrich:     Joachim   Heinrich 
Campe.     (Westermanns  Illustr.  Deutsche 
Monatshefte.  8 1 .  Bd.  8.  S.  1 29  — 149  m.  Bildn. 
u.  Abb.) 
Benrath:      Petrus     Canisius,     der     erste 
deutsche  Jesuit.  (Dcutsch-evangel.  Bltftter. 
22.  Jahrg.  8.  S.  789—801.) 
Evers,  Geo:  Der  sei.  P.  Petrus  Canisius, 
S.  J.,  Apostel  u.  Patron  der  katholischen 
Schulen  Deutschlands.  Osnabrück:  B.  Weh- 
berg. 8.  64  S. 
Knöppel,    AI.:   Der  sei.  Petrus  Canisius, 
zweiter    Apostel     Deutschlands.      Mainz: 
F.  Kirchheim.  8.  X,  236  S.  [Lebensbilder 
kathol.  Erzieher.  VII.] 
Leute,  Josef:  Die  verdienstvolle  Thätigkeit 
des    seligen    Petrus    Canisius    auf    dem 
Gebiet   des  Unterrichts-  und  Erziehungs- 
wesens. (Hist.-pol.  Blätter  f.  d.kath.  Deutsch- 
land.   119.  Bd.  8.  S.  483— 495.) 
Mehler,    J.  B.:   Der  sei.  Petrus  Canisius, 
e.  Apostel  Deutschlands.    Nach  d.  besten 
Quellen  bearb.  Berlin:  Germania.  8.  120  S. 
[Kathol.    Flugschriften   z.   Wehr   u.  Lehr. 
No.  117.] 
Michel,    L.:    Vic    du    Bienheureux    Pierre 
Canisius,    Ap6tre  de    l'Allemagne  et  de 
Fribourg.    D'apres  le  P.  J.  Boero   et  des 
docum.   ined.     111.   de  nombr.   grav.  Soc. 
de  St  Augustin,  Desclee,  de  Brouwer  &  C. 
8.  494  S.  m.  Bildn.  u.  Abb. 
Pfülf,  Otto:  Der  sei.  P.  Petrus  Canisius  in 
s.tugend reichen  Leben  dargest.  Einsiedeln: 
Benziger  &  C.  8.   126  S.  m.  15  Abb. 
Raffle r,  Conr.:  Der  sei.  Petrus  Canisius, 
S.  J.,  Apostel  Deutschlands  u.  ehemaliger 
Domprediger    in    Augsburg.     Eine    kurze 
Lebensgesch.     m.     bes.    Berücks.     seines 
Wirkens     in    Augsburg.     2.    verb.    Aufl. 
Augsburg:   Kranzfelder.  8.  71   S. 
Boit,  >V.:  Karl  Hildebrand  Frhr  v.  Canstein, 
der    Bibelfreund.      Berlin:     Ostdeutscher 
Jünglingsbund.     8.    16   S.  m.  Abb.    [Für 
Feste  u.  Freunde  d.  Inn.  Mission.  H.  7.] 
Rosinski,  Adf:   Caprivi  &  Bismarck. 
V.   Lind  heim,     Alfred:     Erzherzog     Carl 
Ludwig     1833— 1896.      Ein    Lebensbild. 
Wien:  K.K.  Hof-  u.  Staatsdr.  8.  VIII,  384  S. 
m.  Bildn.,  Abb.  u.  Taf. 
•Weltner,  A.  J.:    Karl  Ritter  von  Carro, 
Schriftsteller  u.  Recitator.    (S.  337— 338-) 
Geiger,  Theodor:  Conrad  Celtis  in  seinen 


Beziehungen  zur  Geographie.  Progr.  d. 
Luitpold-  Kreis -Realsch.  in  München.  4. 
42  S. 

Kohlschütter,  V.:  Ernst  Florens  Fried- 
rich Chladni.  Hamburg:  Verlagsanst.  u. 
Dr.  A.-G.  8.  45  S.  [Sammlung  gemein- 
verst.  wissensch.  Vorträge,  N.  F.  Ser.  XI. 
(H.  261.)] 

Kaemmercr,  Ludwig:  Chodowiecki.  Mit 
Abb.  Bielefeld  u.  Leipzig :  Velhagen  &  Kla- 
sing.  8.  2  BL,  131  S.  [Künstler-Monogra- 
phien. 21.] 

♦Friedjung,  Heinrich:  Bohuslav  Graf 
Chotek,  Österreich.  Diplomat  u.  Herren- 
hausmitgl.  (S.  131  — 132.) 

*  Kraus  s,    Rudolf:    Theodor    Christaller. 

(S.  990 

Girschner,  Wilhelm:  Der  Wandsbecker 
Bote  (Matthias  Claudius).  (Monatsblätter 
f.  deutsche  Litteraturgesch.  I.  Jahrg.  8. 
S.  109  —  122.) 

Lapke:  Matthias  Claudius,  ein  Volks- 
schriftsteller, in  seiner  Bedeutung  für  die 
Schule.  (Schulblatt  f.  d.  Prov.  Branden- 
burg. 62.  Jahrg.  8.  S.  42— 58.) 

Koch,  Günther:  Clauren*s  Einfluss  auf 
Hauff.  (Euphorion.  4.  Bd.  8.  S.  804 — 812.) 

*  Zimmermann,     P.:     Heinrich     Wilhelm 

August  Clausz,  (S.  401—402.) 

Kappen,  Herm.  Jos.:  Clemens  August, 
Erzbischof  von  Köln.  Ein  Lebensbild. 
Münster  i.  W. :  Aschendorffsche  Buch- 
handlung. 8.  VIII,  240  S.,   I   Bildn. 

Professor  (Karl  Sebastian)  Cornelius  f. 
(Evangel.  Schulblatt.  41.  Bd.  8.  S.  261  — 
263.) 

Bussler,  W.:  General- Feldmarschall  v. 
Courbiere.  Kurzgefasstes  Lebensbild  m. 
Anschluss  d.  Gesch.  des  nach  ihm  genannten 
2.  Posenschen  Inf. -Reg.  Nr.  19.  Gotha: 
G.  Schloessmann.  8.  25  S.  m.  Bildn. 

Baldensperger,  W.:  Karl  August  Credner. 
Sein  Leben  und  seine  Theologie.  Leipzig : 
Veit  &  C.  99  S.,   I   Bildn. 

Julie  her:  Ein  Märtyrer  der  Studirstube 
(Kari  August  Credner.)  (Die  christl.  Welt. 
II.  Jahrg.  4.  Sp.  968—971.) 

Wyzewa,  Teodor  de:  Frederic  Creutzer 
s.  de  Günderode. 

*  Krauss, Rudolf:  ErnstCurfess.(S. 94- 95.) 
Ernst  Curtius    (f  n«  Jul»   1896).    (Monats- 
schrift f.  Deutsche  Beamte.   21.  Jahrg.  8. 

s.  352.) 

B  r  o  i  c  h  e  r ,  Charlotte :  Erinnerungen  an  Ernst 

Curtius.  [Aus:  Preuss.  Jahrbücher.]  Berlin: 

G.  Stilke.  8.  II,  50  S. 
Christ,  W.  v.:  Ernst  Curtius.  (Nekrolog.) 

(Sitzungsberichte   der  philos.-philol.  u.  d. 

histor.     Classe    der    k.    b.    Akademie    d. 

Wiss.   zu   München.    Jahrg.   1897.    Bd.   i. 

München:  Akademie.  8.  S.  299—303.) 


8* 


Biographische  Bibliographie. 


Cartius,    Carl:    Zur  Erinnerung  an  Ernst 

Curtius.    Ein  Vortrag.     Lübeck:    Dr.  v. 

H.  G.  Rahtgens.  8.  i  Bl.,  29  S. 
F  r  i  t  z  e ,  H.  y. :  Ernst  Curtius.  (Westermanns 

Illustr.  Deutsche  Monatshefte.    81.  Bd.   8. 

S.  449 — 464  m.  Bildn.) 
Köhler,  Ulrich:  Gedächtnissrede  auf  Ernst 

Curtius.  Aus  den  Abhandlungen  d.  königl. 

Preuss.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin.  Berlin: 

Kgl.  Ak.  d.  Wiss. ;  in  Comm.  b.  G.  Reimer. 

4.  14  S. 

♦Michaelis,  Adolf :  Ernst  Curtius.  (S.  56 
—88.) 

Plath,  Konrad:  Ernst  Curtius  und  die  Er- 
forschung des  Deutschen  Altertums.  Berlin: 
W.  Hertz.  8.  33  S. 

♦Posner:    O.  Curtmann.    (S.  411.) 

V.  Baer,  Karl  Ernst:  Lebensgeschichte 
Cuviers,  hrsg.  v.  Ludwig  Stieda.  [Aus: 
Archiv  f.  Anthropologie.]  Braunschweig: 
F.  Vieweg  u.  Sohn.  8.  125  S. 

Zi eis dorff,  Gottfried:  Cuvier  in  Deutsch- 
land.  (Die  Gegenwart.  51.  Bd.  4.  S.  134 

-136.) 

♦Weltner,  A.  J.:  Ignaz  Czernits,  Schau- 
spieler u.  Theater-Director.   (S.  338 — 339.) 

Müller,  Otto:  Heinrich  Damerow.  Geb. 
28.  Dez.  1798.  Gest.  22.  Sept.  1866.  Ein 
Lebensbild.  (Festschrift  anlässlich  des  50- 
jährig.  Bestehens  d.  Provinzial-Irren- An- 
stalt zu  Nietleben  bei  Halle  a.  S.  v.  frü- 
heren ü.  jetzigen  Aerzten  d.  Anstalt. 
Leipzig:  F.  C.  W.  Vogel.  8,  S.  i  — 6  m. 
Bildn.) 

Meyer,  Johannes:  M.  Otto  Chr.  Damius 
und  sein  Catechismus  Manuscriptus.  (Zeit- 
schr.  d.  Ges.  f.  niedersächs.  Kirchengesch. 
2.  Jahrg.  8.  S.   193 — 263.) 

Kirchcnrath  Dr.  theol.  Ludwig  Danneel  f. 
(Allg.  Evangel.-Lutherische  Kirchenzeitung. 
30.  Jahrg.  4.  Sp.  513—5*50 

Klo  SS,  Erich:  George  Davidsohn  f.  (Mu- 
sikalisches   Wochenblatt     28.    Jahrg.     4. 

5.  99.) 

Rosenberg,  Adolf:  Defregger.  M.  Abb. 
Bielefeld  u.  Leipzig:  Velhagen  &  Klasing. 
8.  2  Bl.,  106  S.,  I  Titelbildn.  [Künstler. 
Monographien.  18.] 

Schäfer,  Wilh.:  Richard  Dehmel.  (R. 
Dehmel:  20  Gedichte,  m.  e.  Geleitbrief  v. 
W.  Schäfer  u.  d.  Bilde  des  Dichters.  Berlin: 
Schuster  &  Loefflcr.  8.) 

Kagerer:  Georg  Dengler,  geistlicher  Rat 
u.  Domvikar.  (Nekrolog.)  (Verhandlungen 
d.  histor.  Ver.  der  Oberpfalz  u,  Regens- 
burg. 49.  Bd.  8.  S.  288—295.) 

*Kagerer:  Georg  Dengler,  geistlicher  Rat 
u.  Domvikar.  (S.  399 — 401.) 

Gustav  Denhardt.  (Deutsche  Rundschau  f. 
Geographie  u.  Statistik.  19.  Jahrg.  8.  S. 
132  —  134  m.  Bildn.) 


Unger,  W.  v.:  Feldmarschall  Derfflinger. 
M.  I  Bildn.  u.  Skizzen.  [Aus:  Beiheft  z. 
Militär- Wochenbl.]  Berlin :  E.  S.  Mittler  & 
Sohn.  8.   137  S. 

♦Hillern,  Wilhelmine  v. :  Johannes  Diemer. 
(S.  242—243.) 

Finke,  Heinrich:  Zur  Erinnerung  an  Kar- 
dinal Melchior  von  Diepenbrock.  179S 
—  1898.  Nach  ungedr.  Briefen  u.  s.  w. 
(Zeitschr.  f.  vaterländ.  Gesch.  u.  Alter- 
thumskunde.  Hrsg.  v.  Ver.  f.  Gesch.  u. 
Alterthumskunde  Westfalens.  55.  Bd.  8. 
S.  218—258.) 

Kühl  mann:  Heinrich  Adolf  Diestelkanip. 
(Zeugen  und  Zeugnisse  aus  d.  christl.» 
kirchl.  Leben  von  Minden-Ravensbcrg  im 
18.  u.  19.  Jahrh.  2.  Heft.  Gadderbaum  b. 
Bielefeld:  Anst.  Bethel.  8.  S.  17—36.) 

♦Wcltner,  A.  J.:  Ludmilla  Dietz,  geb. 
Baumgartner,  Schauspielerin.  (S.  339 — 340.) 

♦Brummer,  Franz:  Friedrich  Dittes,  einer 
d.  bedeutendsten  Pädagogen  der  Neuzeit. 
(S.  243-245.) 

Drewke,H.:  (Friedrich)  Dittes.  Eine  Ge- 
dächtnisrede. Bielefeld:  A.  Helmich.  8. 
16  S.  [Sammlung  pädagogischer  Vorträge. 
DC.  Bd.  H.  II.] 

Frisch,  Franz:  Dr.  Friedrich  Dittes.  (Bio- 
graphien österr.  Schulmänner.  Hrsg,  v.  F. 
Frisch.  8.  S.  204—225.) 

Wittram,  Th.:  Johann  Heinrich  Wilhelm 
Dollen.  (Nekrolog.)  (Vierteljahrsschrift 
d.  Astronom.  Ges.  32.  Jahrg.  8.  S.  146 
— 154  m.  Bildn.) 

Sybel,  Heinrich  v.:  Döllinger  s.  v.  Giese- 
b  r  e  c  h  t. 

Witte,  Leopold:  Ignaz  von  Döllinger. 
(L.  Witte:  Aus  Kirche  u.  Kunst.  Leipzig: 
C.  Braun.  8.  S.  411—453.) 

Nachlese  zur  DÖrpfeld-Biograpbie.  (Evangel. 
Schulblatt.  41.  Bd.  8.  S.  3—6,  53  —  57» 
185  —  188.) 

Ca  map,  Anna,  geb.  Dörpfeld:  Friedrich 
Wilhelm  Dörpfeld.  Aus  seinem  Leben 
und  Wirken.  Von  seiner  Tochter.  Güters- 
loh: C.  Bertelsmann.  8.  VIII,  664  S.  mit 
Bildn. 

Schmidt,  Hans  G.:  Fabian  von  Dohna. 
Halle:  M.  Niemeyer.  8.  i  Bl.,  225  S., 
I  Bildn.  (Hallesche  Abhandlungen  /.  neu- 
eren Gesch.  H.  34.) 

Schmidt,  Hans  Georg :  Fabian  von  Dohna. 
(Der  Bär.  23.  Jahrg.  4.  S.  399-402  mit 
Abb.) 

Tetzncr,  F.:  Christian  Donalitius  und  die 
Tolminkemische  Schule.  (Pädagog.  Blätter 
f.  Lehrerbildung  u.  Lehrerbildungsanstalten. 
26.  Bd.  8.  S.  434—443.) 

Vetter,  Ferdinand:  Dranmor  s.  Schmid, 
Ferdinand. 

Senatspräsident    am    Reichsgericht,     Wirkl. 


Biographische  Bibliographie. 


Geh.  Rat,  Exe.  Dr.  Drechsler  f-  (Deut- 
sche Juristen-Zeitung.  II.  Jahrg.  4.  S.  338 

-339.) 
K  reiten,  Wilhelm:  Leb  recht  Dreves.    Ein 

Lebensbild.     Als  Beitrag   z.  Literatur-  u. 

Kirchengesch.  nach  d.  handschriftl.  Nach- 

lass  u.  d.  gedruckten  Quellen   entworfen. 

Mit  Dreves'  Bildn.  Freiburg  i.  B. :  Herder. 

8.  VI  S.,   I  Bl.,  431  S..  I  Bildn. 
Fick,    W.:    Moritz    Wilhelm    Drobisch  f. 

(EvangeL  Schulblatt.     41.  Bd.    8.  S.  221 

-224.) 
Heinze,  Max:    Moritz  Wilhelm  Drobisch. 

Gedächtnissrede  geh.  in  der  königl.  sächs. 

Ges.  d.  Wiss.  Leipzig:  S.  Hirzel.  8.  25  S. 
*  H  e  rm  an  n y  Conrad. :  Moritz  Wilhelm  Dro- 
bisch. (s.  133—135) 

Kupsch,  Th. :  Zur  Erinnerung  an  Annette 
von  Droste-HUlshoff.  (Monatsblätter  f. 
deutsche  Litteraturgesch.  I.  Jahrg.  8.  S. 
164—176.) 

Meyer,  Richard  M.:  Annette  von  Droste- 
Httlshofi:  (R.  M.  Meyer:  Deutsche  Cha- 
raktere. Berlin:  E.  Hofmann  &  C.  8.  S. 
138—162.) 

Opitz,  Richard:  Annette  Elisabeth  von 
Droste-Hfilshoff.  (Blätter  f.  literar.  Unter- 
haltung. Jahrg.   1897  I.  4.  S.   17  —  20.) 

Poppenberg,  Felix:  Annette  v.  Droste- 
Hülshoff  (geb.  10.  Januar  1797).  I.  II. 
(Sonntagsbeil.  No.  2.  3.  z.  Voss.  Zeitung.) 

Rick,  P.  J.:  Annette  von  Droste-Hülshoff. 
(Der  Schulfreund.  53.  Jahrg.  8.  S.  i — 25.) 

Riehemann:  Annette  von  Droste-HttlshoiT. 
Zum  100  jähr.  Geburtstage  der  Dichterin. 
(Akadem.  Monatsblätter.  IX.  Jahrg.  4.  S. 
81-88.) 

Treu,  Thercse:  Annette  von  Droste-Huls- 
hoff.  Ein  Dichterbild.  I— III.  (Monats- 
schrift ftlr  kathol.  Lehrerinnen.  10.  Jahrg. 

8.  S.  36—38,  89—92»  170—175.  224—227, 
289—293,  m.  Bildn.) 

Wo  rm  st  all,  Jos.:  Annette  v.  Droste-Hüls- 
hofT  im  Kreise  ihrer  Verwandten  u.  Freunde. 
Münster:  Regensberg.  8.  28  S.  mit  30 
Abb. 

Zottmann,  A.:  Deutschlands  grösste  Dich- 
terin [d.  i.  Annette  Freiin  von  Droste- 
Hülshoft].  Ein  Jubiläums -Gedenkblatt. 
(Frankfurter  xeitgemässe  Broschüren.  N.  F. 
18.  Bd.    8.  S.  51  —  64;  H.  2,  S.   19—32.) 

Emil  du  Bois-Re>'mond  f.  (Der  Bär.  23. 
Jahrg.  4.  S.  65 — 67  m.  Bildn.) 

Emil  du  Bois-Reymond  f.  (Naturwissen- 
schaft!. Wochenschrift.  12  Bd.  4.  S.  21 
— 22  m.  Bildn.) 

Böl sehe,  Wilhelm:  Du-Bois-Reymond.  (Das 
Magazin  f.  Litteratur.  66.  Jahrg.  4.  Sp.  36 

—44-) 
Bum,     Anton:     Emil    Du  Bois-Reymond, 

7.  November    1818—26.  Deceniber  1896. 


(Wiener  Medizin.  Presse.  38.  Jahrg.  4. 
Sp.  25  —  26.) 

Epstein,  S.  S.:  Du  Bois-Reymond  und 
die  Encyclopaedisten.  (Die  Gesellschaft. 
Jahrg.  1897,  IL  8.  S.  98—104.) 

Epstein,  S.  S.:  Emil  du  Bois-Re>'mond. 
(1818— 1896.)  (Westermanns  Illustrierte 
Deutsche  Monatshefte.  82.  Bd.  8.  S.  303 
— 319  m.  Bildn.) 

Jensen,  Paul:  Emil  Du  Bois-Reymond. 
Ein  Nachruf.  (Die  Natur.  46.  Bd.  4.  S.  53 
— 56  m.  Bildn.) 

*Rosenthal,  J.:  Emile  Heinrich  du  Bois- 
Reymond.    (S.  125—131). 

Schultz,  P.:  Emil  du  Bois-Reymond, 
geb.  am  7.  November  18 18  zu  Berlin, 
gest.  am  26.  December  1896  daselbst 
(Deutsche  Rundschau.    90.  Bd.   8.   S.  296 

—301.) 
Chronik    der    Familie    Dürer.      M.    Dürers 

Selbstbildn.    v.    J.     1493.      (Ausgewählte 

Selbstbiographien  aus  d.  15.  bis  18.  Jahrb. 

Hrsg.  V.  Christian  Meyer.    Leipzig:    J.  J. 

Weber.  8.  S.  21-40.) 
Conway,  W.Martin:  Dürcr's  visit  to  The 

Netherlands.   (The  fortnightly  review.  62. 

VoL  8.  S.  358—367.) 

Kalk  off,  Paul:  Zur  Lebensgeschichte  Al- 
brecht Dürers.  (Repertorium  f.  Kunst- 
wissenschaft. 20  Bd.  8.  S.  443 — 463.) 

Allerlei  Bilder  aus  meinem  Leben  auf  lose 
Blätter  gezeichnet  von  W.  Duisberg. 
Basel:  Missionsbucbhandl.  8.  207  S. 

Hottinger,  R.:  Henri  Dunant.  Ein  Abriss 
seines  Lebens  und  Wirkens.  Entstanden 
aus  einem  unter  den  Auspizien  des  Zürcher 
Friedensvereins  in  Zürich  geb.  öffentl. 
Vortrag.  Zürich:  F.  Schulthess.  8.  38  S. 

•Brummer,  Franz:  Adolf  Ebeling.  (S.  194 

-1950 
Buchwald,    Georg:     D.    Paul    Eber,    der 

Freund,  Mitarbeiter    und  Nachfolger    der 

Reformatoren.    Ein  Bild  seines  Lebens  u. 

Wirkens.  Leipzig:  B.  Richter.  8.  VI,  187 

S.  m.  Bildn.  u.  Abb. 

Ebers,  Geo.:  Die  Geschichte  meines  Lebens. 
Vom  Kind  bis  zum  Manne.  Stuttgart: 
Deutsche  Verlagsanst.  8.  VIII,  522  S.  [G. 
Ebers:  Gesammelte  Werke.  Bd.  25.] 

Gottschall,  Rud.  v. :  Georg  Ebers.  (Litte- 
raturbilder  fin  de  siecle.  2.  Bdchn.  8.) 

Wehrmann,  M. :  Graf  Ludwig  von  Eber- 
stein als  Postulat  von  Camin  (1469 — 
1480).  (Monatsblätter.  Hrsg.  v.  d.  Ges.  f. 
Pommersche  Gesch.  u.  Alterthumskundc. 
II.  Jahrg.  8.  S.  33—37»  49—54-) 

Bienenstein,  Karl:  Marie  von  Ebner- 
Eschenbach.  (Nord  u.  Süd.  81.  Bd.  8.  S. 
72  —  80  m.  Bildn.) 

Freidhoff,  Rud.:  Trauerrede  auf  d.  Hin- 
scheiden d.  hochw.  Hm.  Dekans  Friedrich 


lO 


* 


Biographische  Bibliographie. 


Wilhelm  Eckert,  Pfarrer  in  Königs- 
heim.  Tauberbischofsheim:  F.  X.  Bott. 
8.    n  S. 

Fliedner,  Georg:  Diakonissin  Barbara 
Eckhardt.  Kaiserswerth:  Diakonissen-An- 
stalt. 8.  15  S. 

♦Holland,  H.:  Sigmund  Eggert,  Genre- 
maler. (S.  49 — 50.) 

♦Wolkenhauer,  W.:  Dr.  Johann  Jakob 
Egli,  schweizer.  Geograph.  (S.  367 — 368.) 

Lehmann,  Rudolf:  Friedrich  Ehrhart. 
(Festschrift  z,  Feier  des  100  jähr.  Be- 
stehens der  Naturhist.  Ges.  z.  Hannover. 
Geschichte  u.  44. — 47.  Jahresbericht.  Han- 
nover: Hahn  i.  K.  8.  S.  98 — 113.) 

♦Pagel:  Karl  Eisenlohr,  Arzt.  (S.   151.) 

Schnitze,  Fr.:  Dr.  Karl  Eisenlohr  f-  Ne- 
krolog. (Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheil- 
kunde. 9.  Bd.  S.  466 — 471.) 

Koppen,  Luise:  Erinnerungsblätttfr  an  Eli- 
sabeth, Fürstin  zur  Lippe,  geb.  Prinzessin 
zu  Schwarzburg  -  Rudolstadt.  Detmold : 
Hinrichs.    8.  VI  S.,  i  Bl.,  104  S.,  i  Bildn. 

Nasemann:  Elisabeth  Charlotte  von  der 
Pfalz.  (Deutsch-evangel.  Blätter.  22.  Jahrg. 
8.  S.  198—210.) 

Wissowa,  Felix:  Elisabeth  Christine  von 
Preussen  (f  13.  Januar  1797).  (Sonntags- 
beil. Nr.  3  z.  Voss.  Zeitung.) 

♦Guglia,  E.:  Christian  d'Elvert.  (S.  45— 

47.) 
Stahl,    Fritz:    Erdmann    Encke.    (Wester- 

manns  Illustr.  Deutsche  Monatshefte.  81 .  Bd. 

8.   S.  762 — 780  m.  Bildn.  u.  Abb.) 

Brinzinger:  Der  Maler  Johann  Baptist 
Enderle  von  Donauwörth  (geb.  1724  gest. 
1798)  und  seine  Fresken  im  Augustiner- 
kloster 7U  Obemdorf  a.  N.  (Archiv  f. 
Christi.  Kunst.   15.  Jahrg.  8.  S.  81  —  83.) 

Dr.  Ernst  Engel.  (Nekrolog.)  (Deutsche 
Rundschau  f.  Geographie  u.  Statistik.  19. 
Jahrg.  8.  S.  280—282  m.  Bildn.) 

♦Blenck,  E.:  Ernst  Engel.  (S.  221—230.) 

Schröder,  Karl:  Johann  Jakob  Engel.  Ein 
Vortrag.  Schwerin:  Bärensprung.  8.  67  S. 
m.   I   Bild. 

♦Poten,  B. :  Heinrich  Peter  Franz  Wilhelm 
Engelhard,  Kgl.  Preuss.  Wirkl.Gch.  Kriegs- 
rath.  (S.  HO  — 112.) 

Rust,  Agnes:  Josef  Engelhard.  (Die  Kunst- 
Halle.  II.  Jahrg.  4.  S.  341 — 342.) 

Ernst  der  Bekenner  und  die  Einfuhrung 
der  Reformation  im  LUneburgischen.  Als 
Festschrift  zur  400.  Wiederkehr  des  Ge- 
burtstages dieses  gottbegnadeten  Förderers 
der  Reformation  vom  Geller  Lehrcrver. 
Celle:  (Hannoveru. Celle:  Schulbuchhandl.) 
8.  38  S. 

Ühlhorn,  G.:  Herzog  Ernst  der  Bekenner. 
Vortrag  zur  Feier  seines  400  jähr.  Geburts- 
tages, am  27.  Juni  1897  in  Celle  gehalten. 


(Zeitschrift    d.  Histor.   Vereins  f.  Nieder- 
sachsen. Jahrg.   1897.  8.  S.  22 — 36.) 

Zur  Geschichte  Herzog  Ernsts  des  Frommen. 
I.  Herzog  Ernst  der  Fromme,  ein  Lebens- 
bild. Von  A.  Zeyss.  2.  Ernsts  des 
Frommen  Baumeister.  Von  M.  Bcrbig. 
3.  Ein  forstwirthschaftlicher  Versuch  Ernsts 
des  Frommen.  Von  H.  Hess.  Vorträge, 
geh.  in  d.  «Vereinigung  f.  Gothaische  Ge- 
schichte u.  Alterthumsforschung'  zu  Gotha 
am  2.  Nov.  1897.  Erstes  Ergänzungsheft 
zu  den  Blättern  d.  Vereinigung  f.  Goth. 
Gesch.  u.  Altertumsforschung  'Aus  d.  Hei- 
mat*. Gotha:  Th.  H.  Wechsung  Nach  f. 
8.  32  S. 

Wert  heim,  Karl:  Wolfram  v.  Eschenbach 
s.  Wolfram. 

Die  beiden  Esper  (Friedrich  Lorenz  Esper 
u.  Johann  Friedrich  Esper).  [Aus  der 
Erweckungszeit  der  bayerischen  Landes- 
kirche. III.]  (AUg.  Evangel.-I^utherischc 
Kirchenzeitung.  30.  Jahrg.  4.  Sp.  52 — 57.) 

Nasemann:  Prinz  Eugen.  (Deutsch-evangel. 
Blätter.  22.  Jahrg.  8.  S.  329—341.) 

♦Brummer,  Franz:  Johann  Ludolf  August 
von  Eye.  (S.  254—255.) 

Eyferth,  Bruno,  s.  Hörn,  Wilhelm. 

♦Wunder:  Freiherr  Lothar  von  Faber. 
(S.  423—428.) 

Flaischlen:  Johannes  Falk,  der  Kinder- 
freund. Berlin:  Ostdeutscher  jUnglings- 
bund.  8.  16  S.  m.  Abb.  [Für  Feste  u. 
Freunde  d.  Inn.  Mission.  H.  6.] 

Rademacher,  C:  Staatsminister  DDr.  Falk 
und  die  Volksschullehrer.  Zum  goldenen 
Amtsjubiläum  des  Oberlandesgerichts- 
präsidenten Staatsministers  DDr.  Paul 
Ludwig  Adalbert  Falk  am  30.  März  1897. 
Bielefeld:  A.  Helmich.  8.  17— 32  S.  [Pä- 
dagog.  Abhandlungen.  N.  F.  I.  Bd.  Heft  2.] 

Wolgast,  Heinrich:  Gustav  Falke.  (Nord 
u.  Sud.  82.  Bd.  8.  S.  174—195.  M.Bildn.) 

Falke,  Jac.  v.:  Lebenserinnerungen.  Leipzig: 
G.  H.  Meyer.  8.  VII,  366  S.  m.  Bildn. 

Hofrath  Jacob  Ritter  von  Falke  f«  (Deut- 
sche Bauzeitung.  31.  Jahrg.  4.  S.315 — 316.) 

Jacobowski,  Ludwig:  Jacob  von  Falke. 
(Blätter  für  literar.  Unterhaltung.  Jahrg. 
1897.    I.   4.    S.  209—211.) 

Philippi,  Adolf:  Aus  den  Denkwürdigkeiten 
zweier  Kunstforscher.  (Sir  Joseph  Crowe 
u.  Jakob  von  Falke).  (Die  Grenzboten. 
56.  Jahrg.    II.   8.  S.  283—290,  324—33») 

Gustav  Theodor  Fechner  als  Humorist. 
(Die  Gegenwart.    51.  Bd.  4.  S.  312— 315.) 

B  öl  sehe,  Wilhelm:  (Gustav  Theodor)  Fech- 
ner. Ein  Charakterbild.  (Deutsche  Rund- 
schau. 92.  Bd.  8.  S.  344—369.) 

♦Posner:  Hugo  Feck,  Professor  an  der 
techn.    Hochschule   zu  Dresden.   (S.  411.) 

Jahne,   Heinrich:    Johann  Ignaz    Melchior 


Biographische  Bibliographie. 


II 


* 


von  Felbiger.  (Biographien  Österreich. 
Schulmänner.  Hrsg.  v.  Franz  Frisch.  8. 
S.   I  —  29.) 

Rust,  Agnes:  Fenner.  (Die  Kunst-Halle. 
II.  Jahrg.    4.    S.  324—325.) 

Oberstabsarzt  I.  Klasse  Dr.  Joseph  Ferber. 
Nekrolog.  (Kollektaneen-Blatt  f.  d.  Gesch. 
Bayerns.    61.  Jahrg.    8.    S.  132  -  133.) 

Wastlcr,  Josef:  ErzherzogFerdinand  (von 
Steiermark),  später  Kaiser  Ferdinand  II. 
(von  Oesterreich).  (J.  Wastler:  Das  Kunst- 
leben  am  Hofe  zu  Graz  unter  den  Her- 
zogen von  Steiermark,  den  Erzherzogen 
Karl  und  Ferdinand.  Graz:  Selbstv.;  Univ.- 
Buchdr.  »Styria«.    8.    S.   XI2 — 199.) 

Sartorius,  Ernst:  Ignatz  Aurelius  Fessler, 
Kapuziner  und  Generalsuperintendent.  (Die 
christliche  Welt.  11.  Jahrg.  4.  Sp.  103 
—  108.) 

Drews,  Arthur:  Feuerbach  [s.^ Wagner, 
Richard. 

Debo,  F.:  J.  G.  Fichte 'als  Prophet  einer 
nationalen  Erziehung.  Emmendingen:  A. 
Dölter.    8.    VII,  73  S. 

Alte  Erinnerungen  v.  P.  H.  F(indei6en). 
Altenburg:  O.Bonde.  8.  IV  S.,  iBL,  167  S. 

*Fuschmann,  Th.:  Carl  Maria  Finkeln- 
burg.  (S.  350—351.) 

♦Poten,  B.:  Karl  Ernst  Wilhelm  Freiherr 
von  Fircks,  kgl.  Preuss.  Generalmaj.  z.  D. 
(S.  109 — iio). 

Hauffcn.  Adolf:  Fischart- Studien.  III. 
(Euphorion.  4.  Bd.  8.  S.  i  — 16,  251—261.) 

*  Zimmermann,  P.:  Caroline  Fischer- 
Achten.    (S.  403 — 404.) 

Fischer,  Hermann:  Erinnerungen  an  Jo- 
hann Georg  Fischer  von  seinem  Sohne. 
M.  e.  Portr.  in  Heliogravüre.  Tübingen: 
H.  Laupp.    8.   IV,  72  S.,  i  Bildn. 

Jacobowski,  Ludwig:  J.  G.  Fischer.  (Das 
Magazin  f.  Litteratur.  66.  Jahrg.  4.  Sp.  i  —  6.) 

Knodt,  Karl  Ernst:  J(ohann)  G(eorg) 
Fischer  als  Lyriker.  (Monatsblätter  f. 
deutsche  Litteraturgesch.    I.  Jahrg.    8.    S. 

443-463.) 
Steck,    Rudolf:     Johannes    Fischer    oder 

Piscator.  Lebensabriss.  (R.  Steck:  Die 
Piscatorbibel  u.  ihre  Einführung  in  Bern 
i.  J.  1684.  Eine  Studie  z.  Vorgesch.  d. 
schweizerischen  Bibelübersetzung.  Rekto- 
ratsrede. Bern:  Wyss.  8.) 

^Ziihmermann,  P.:  Karl  Christian  Julius 
Oskar  Fischer.    (S.  402—403.) 

Windclband,  Wilh.:  Kuno  Fischer  u. 
sein  Kant.  Festschrift  der  »Kantstudien« 
z.  50.  Doctorjubiläum  Kuno  Fischers. 
Hamburg:   L.  Voss.    8.    18  S. 

Ncubaur,  Leonhard:  Tobias  Fleischer. 
(Euphorion.    4.  Bd.    8.   S.  262 — 272.) 

*Eitner,  Rob.:  Friedhold  Fleischhauer. 
(S.  113— 114.) 


Theodor  Fliedner.  I.— V.  [Bilder  aus  der 
Erweckungsgeschichtc  des  religiös-kirch- 
lichen Lebens  in  Deutschland  in  diesem 
Jahrhundert.  5.]  (Allg.  evangeL-lutherische 
Kirchenzeitung.  30.  Jahrg.  4.  Sp.  843  — 
850,  868—872,  892-895.) 

Ben dixen,  Rudolf:  Theodor  Fliedner.  (R. 
Bendixen :  Bilder  aus  der  letzten  religiösen 
Erweckung  in  Deutschland.  Leipzig:  Dörff- 
ling  &  Franke.    8.    S.  362 — 403.) 

Petran,  Ernst:  Theodor  Fliedner,  der 
Diakonissenvater.  Berlin :  Ostdeutscher 
Jünglingsbund.  8.  16.  S.  mit  Abb.  [Für 
Feste  u.  Freunde  d.  Inn.  Mission.    H.  2.] 

Dodgson,  Campbell:  Peter  Flötner  s. 
Schön. 

Lange,  Konrad:  Peter  Flötner,  ein  Bahn- 
brecher der  deutschen  Renaissance.  Auf 
Grund  neuer  Entdeckungen  geschildert. 
Beriin:  G.  Grote.  2.  X  S.,  i  Bl.,  180  S., 
12  Taf. 

»Mein  Leipzig  lob'  ich  mir«.  Von  Theodor 
Fontane.  I.  (Sonntagsbeil.  No.  48  z.  Vos- 
sischen Zeitung.) 

Wyzewa,  Teodor  de:  Un  romancier  na- 
turaliste  allemand.  Theodore  Fontane. 
(T.  de  Wyzewa:  ^crivains  etrangcrs.  II. 
Serie.  Paris:  Pcrrin  &  C.  8.  S.  114— 135.) 

Boit:  August  Hermann  Francke.  Ein  Vater 
der  Waisen.  Berlin:  Ostdeutscher  Jünglings- 
bund. 8.  i6S.m.Abb.  [Für  Festen. Freunde 

d.  Inn.  Mission.    H.  4.] 

Hartmann,  R.  J.r  August  Hermann 
Francke.  Ein  Lebensbild.  Calw  &  Stutt- 
gart: Vereinsbuchh.  304  S.  [Calwer  Fa- 
milienbibliothek.   Bd.  41.] 

Hertzberg,  Gustav  Friedrich:  August  Her- 
mann Francke  und  sein  Hallisches  Waisen- 
haus. Halle  a.  S.:  Waisenhaus.  8.  2  BI., 
164  S.,  18  Taf.,   I  Bl. 

Palmie,  Friedrich:  Der  Pietismus  und  A. 
H.  Francke.  Gütersloh:  C.  Bertelsmann. 
8.  2BI.,  48 S.  [Handreichung  Z.Vertiefung 
christlicher  Erkenntniss.  H.  III.] 

•Weltner,  A.  J.:  Dr.  Adolf  Frankel, 
Schriftsteller.  (S.  340—341.) 

♦Alex  Franken,  Professor  der  Rechts- 
wissenschaft. (S.  221.) 

Emmer,  Jobs:  Kaiser  Franz  Joseph  I. 
Lfg.  I  — 16.  Wien:  C.  Daberkow.  4.  264  S, 
m.  Abb.  u.  26  Taf. 

Klopfer,  Karl  Ed.:  Unser  Kaiser.  Ein  Ge- 
denkbuch der  50jähr.  Regierung,  zugleich 

e.  Lebens-  u.  Charakterbild  Kaiser  Franz 
Josefs  I.  Wien:  F.  Schirmer.  (Lfg.  1—13.) 
4.  320  S.  m.  Abb. 

Forst,  H.:  Franz  Wilhelm,  Bischof  von 
Osnabrück  s.  v.  Wartensleben. 

Geh.  Oberbaurath  a.  D.  Hermann  Franz  f. 
(Centralblatt  d.  Bauverwaltung.  17.  Jahrg. 
4.    S.  340.) 


IT 


Biographische  Bibliographie. 


Prochäzka,  Radolf  Frhr. :  Streiflichter  Ober 
Robert  Franz  und  sein  Lied.  (MusikaL 
Wochenblatt.  28.  Jahrg.  4.  S.  3—4.) 

IgDaz  Frauenhofer,  gest.  4,  5.  1897.  Ne- 
krolog. (Kollektaneen-Blatt  f.  d.  Gesch. 
Bayerns.  61.  Jahrg.  8.  S.  133 — 134.) 

Meyer,  Richard  M.:  Ferdinand  Freiligrath. 
(SonntagsbeiL  No.  4  z.  Voss.  Zeitung.) 

Meyer,  Richard  M.:  Ferdinand  Freiligrath. 
(R.  M.  Meyer:  Deutsche  Charaktere. Berlin ; 
E.  Hofmann  &  C.  8.  S.  163—176.) 

Steiner,  Rudolf:  Karl  Frenzel.  Zu  seinem 
70.  Geburtstage.  (Das  Magazin  f.  Litteratur. 
66.  Jahrg.  4.  Sp.  1511 — 1513.) 

Fuchs,  G.  F.:  Johann  Philipp  Fresenius, 
der  hl.  Schrift  Doktor,  Konsistorial-Rath 
und  des  Ministerii  Senior  zu  Frankfurt 
a.  M.  Eine  Lebensskizze.  (»Halte  was  du 
hast.«  20.  Jahrg.  8.  S.  489 — 499.) 

Veesenmeyer:  Rede  am  Grabe  des  Geh. 
Hofrats  Prof.  Dr.  R.  Fresenius.  (Protestant. 
Monatshefte,     i.  Jahrg.    8.  S.  301 — 304.) 

Frey,  Adolf:  Jakob  Frey.  Ein  Lebensbild. 
140 S.  m.  Bildn.  (Jakob  Frey:  Gesammelte 
Erzählungen.  V.  Bd.  Aarau:  H.  R.  Sauer- 
länder &  C    8.) 

♦Carl  von  Frey.  (S.  358-3590 

Bei  Gustav  Freytag.  (Deutsche  Rundschau. 
90.  Bd.  8.  S.  343—357.) 

Gustav  Fre3rtag  über  plastische  Kunst.  (Die 
Kunst-Halle.    II.  Jahrg.    4.    S.  134-136.) 

Schmidt,  Erich :  Gustav  Freytag  als  Pri vat- 
docent.  (Euphorien.  4.  Bd.  8.  S.  91 — 98.) 

V.  Schmidt,  Paul:  KurfUrst  Friedrich  III. 
(von  Brandenburg),  als  König  Friedrich  I. 
und  König  Friedrich  Wilhelm  L  [P. 
V.  Schmidt:  Die  Hohenzollem  als  Bildner 
und  Erzieher  des  Heeres.  IV.]  (Jahrbücher 
f.  d.  deutsche  Armee  u.  Marine.  104.  Bd.  8. 
S.  219—245.) 

Wi  n  k  e  I  m  a  n  n ,  Eduard :  Kaiser  Friedrich  II. 
(von  Deutschland).  Bd.  2.  1228 — 1233. 
Leipzig:  Duncker  &  Humblot.  VIII,  529 
S.  (Bd.  I  ersch.  1889.)  [Jahrbücher  der 
Deutschen  Geschichte.] 

Mischkc,  Albert  v.:  Kaiser  Friedrich  III. 
(von  Deutschland).  (Hohenzollem  -  Jahr- 
buch.   I.  Jahrg.   4.   S.  7—9  m.  Bildn.) 

Planken,  G. :  Friedrich  III.  (Kaiser  von 
Deutschland)  s.  Wilhelm  L,  Kaiser  von 
Deutschland. 

V.  Schmidt,  Paul:  Friedrich  L  (König  v. 
Prcussen)  s.  Friedrich  III.,  Kurfürst  vx)n 
Brandenburg. 

Friedrich  der  Grosse  und  das  Eiscnhüttcn- 
wesen.  (Monjitsschrift  f.  Deutsche  Beamte. 
21.  Jahrg.    8.    S.  344—349.  373—376.) 

Friedrich  der  Grosse  als  Geschichtschrei- 
bcr.  (Schulbl.  f.  d.  Prov.  Brandenburg. 
62.  Jahrg.   8.   S.  504— 511.) 

Bormann,   Geo. :    Kronprinz  Friedrich  v. 


Prenssen  1730— 1740,  Progr.  Berlin:  R. 
Gaertner.  4.  37  S. 

Bens  sei,  Adam:  Friedrichs  des  Grossen 
Annäherung  an  England  i.  J.  1755  u.  die 
Sendung  des  Herzogs  v.  Nivemais  nach 
Berlin.  Giessen:  J.  Ricker.  8.  VIII,  43  S. 
[Giessener  Studien  auf  d.  Gebiete  d.  Ge- 
schichte.   H.  9.] 

H  fi  b  1  e  r :  Friedrich  der  Grosse  als  Pädagog. 
(Rheinische  Blätter  f.  Erziehung  u.  Unter- 
richt.   71.  Jahrg.  8.   S.  511  —  524.) 

Koser,  Reinhold,  u.  Paul  Seidel:  Die 
äussere  Erscheinung  Friedrichs  des 
Grossen.  (Hohenzollem- Jahrbuch,  i.  Jahrg. 
4.    S.  87 — 112  m.  Bildnissen.) 

Linz,  F.:  Friedrich  der  Grosse  und  Vol- 
taire. Hamburg:  Verlagsanst  u.  Dr.  A.-G. 
8.  35  S.  [Sammlung  gemein verständl. 
Wissenschaft!.    Vortrage.    N.  F.    Ser.  XI. 

(H.  263.)] 

Mebes,  August:  Friedrich  der  Grosse  in 
Urtheilen  seiner  Zeit.  I. — III.  (SonntagsbeiL 
No.  2.  3.  4.  z.  Voss.  Zeitung.) 

Meyer,  Jobs.:  Friedrich  der  Grosse.  (J. 
Meyer:  Das  Hohenzollem -Buch.  Bilder 
aus  d.  Geschichte  unseres  Herrscherhauses. 
Bd.  I.   Langensalza:  Schulbuchh.  8.) 

Röchling,  Carl.  u.  Rieh.  Knötel:  Der 
alte  Fritz  (Friedrich  II,  König v.  Preusscn) 
in  50  (färb.)  Bildern.  23. bis  25. Taus.  Berlin : 
P.  Kittel  Nachf.    Qu.  4. 

V.  Schmidt,  Paul:  König  Friedrich  IL 
der  Grosse.  [P.  v.  Schmidt:  Die  Hohen- 
zollem als  Bildner  und  Erzieher  des 
Heeres.  V.]  Qahrbticher  f.  d.  deutsche 
Armee  u.  Marine.    105.  Bd.   8.  S.  1  —  27.) 

Sybel,  Heinrich  v.:  Friedrich  der  Grosse 
im  Jahre  1761.  Festrede  1894.  (H.  v. 
Sybel:  Vorträge  und  Abbandlungen.  Mün- 
chen u.  Leipzig:  R.  Oldenbourg.  8.  S.  188 
—202.  [Historische  Bibliothek.  Bd.  3.]) 

Streit,  G.:  Der  Uebertritt  des  Kurfürsten 
Friedrich  August  IL  von  Sachsen  zur 
katholischen  Kirche,  i.  2.  (Die  christl. 
Welt.  n.  Jahrg.  4.  Sp.  557— 562,  583— 
588.) 

Hashagen,  Job.  Frdr.:  Die  Hochschule  des 
I^eidens.  Gedächtnissrede  nach  Ableben 
Sr.  königl.  Höh.  des  Grossherzogs  Frie- 
drich Franz  III.  in  der  St.  Marien-Kirche 
zu  Rostock  geh.    Rostock:  Stiller.  8.   I2  S. 

Weber,  O.:  Friedrich  Franz  IIL,  Oross- 
herzog  von  Mecklenburg -Schwerin.  Ge- 
dächtniss-Predigt, geh.  im  Dom  zu  Schwe- 
rin.   Schwerin:  F.  Bahn.    8.    12  S. 

Scheffer,  S. :  Erinnerungen  an  den  Prinzen 
Friedrich  Ludwig  Carl  von  Preusscn. 
(Der  Bär.    23.  Jahrg.    4.    S.  327— 330-) 

Jahns,  Max :  Der  Grosse  Kurfürst  (Friedrich 
Wilhelm  von  Brandenburg)  bei  Fehrbellin, 
Wolgast  und  Stettin  1675  — 1677.  (Hohen- 


Biographische  Bibliographie. 


13 


« 


zollem- Jahrbuch,  i.  Jahrg.  4.  S.  14 — 48 
m.  Bildnissen  u.  Abb.) 

Meyer,  Johs:  Der  Grosse  Karfürst  (Frie- 
drich Wilhelm).  (J.  Meyer:  Das  Hohen- 
zollem-Buch.  Bilder  aus  d.  Geschichte  un- 
seres Herrscherhauses.  Bd.  i.  Langensalza: 
Schulbuchh.    8.) 

Philippson,  Mart.:  Der  Grosse  Kurfürst 
Friedrich  Wilhelm  y.  Brandenburg.  Tl.  i. 
1640 — 1660.  Berlin:  S.  Cronbach.  8.  VTI, 
452  S. 

Prutz,  Hans:  Aus  des  Grossen  Kurfürsten 
[Friedrich  Wilhelm  y.  Brandenburg]  letz- 
ten Jahren.  Zur  Geschichte  seines  Hauses 
und  Hofes,  seiner  Regierung  und  Politik. 
Berlin:  G.  Reimer.  8.  XVI,  410  S, 

V.  Schmidt,  Paul:  Friedrich  Wilhelm  der 
grosse  Kurfürst.  [P.V.Schmidt:  DieHohen- 
zollern  als  Bildner  und  Erzieher  des  Heeres. 
III.]  (Jahrbücher  f.  d.  deutsche  Armee  u. 
Marine.    104.  Bd.    8.    S.  107— 122.) 

Zimmermann,  A. :  Der  grosse  Kurfürst 
(Friedrich  Wilhelm)  von  Brandenburg. 
(Historisch-politische  Blätter  f.  d.  kathol. 
Deutschland.    120.  Bd.    8.    S.  942 — 944.) 

Fehler,  A.:  Herzog  Friedrich  Wilhelm 
(von  Braunschweig)  und  C.C.T  r  o  1 1.  (Braun- 
schweig. Magazin.  3,  Bd.  4.  S.  97 — loi.) 

Zimmermann,  Paul:  Herzog  Friedrich 
Wilhelm  (von  Braunschweig)  und  Drost 
V.  Rodenberg.  (Braunschweig.  Magazin. 
3,  Bd.  4.  S.  1—5,  9- 13«) 

Wolff:  Rede  am  Sarge  weil.  Sr.  Hoheit  des 
Herzogs  Friedrich  Wilhelm  zu  Mecklen- 
burg.   Schwerin:  M.  Bahn.    8.    8  S. 

K  r  a  u  s  k  e ,  Otto :  Der  Regierungsantritt  Frie- 
drich Wilhelms  I.  (König  von  Preussen). 
(HohenzoUem-Jahrbuch.  i.  Jahrg.  4.  S.  71 
— 86  m.  Bildnissen.) 

Nasemann:  Friedrich  Wilhelm  I.  (von 
Preussen).     (Deutsch-evangelische  Blätter. 

22.  Jahrg.    8.    S.  666 — 679.) 
Oncken,  Wilhelm:  Sir  Charle3  Hotham  und 

Friedrich  Wilhelm  I.  im  Jahre  1730. 
Urkundl.  Aufschlüsse  aus  den  Archiven  zu 
London  u.  Wien.  III.  (Forschungen  z. 
Brandenburg,  u.  Preuss.  Geschichte.  9.  Bd. 

8.    S.  23-53-) 

V.  Schmidt,  Paul:  Friedrich  Wilhelm  I., 
König  (von  Preussen)  s.  Friedrich  III., 
Kurfürst  von  Brandenburg. 

Spannagel,  C:  Friedrich  Wilhelm  I.  und 
das  Gymnasium  zu  Bielefeld.  (Elfter  Jahres- 
bericht d.  histor.  Vereins  f.  d.  Grafschaft 
Ravensberg  zu  Bielefeld.    8.   S.  98—100.) 

W  i  n  t  e  rf  el  d ,  A.  V. :  Zur  Charakteristik  König 
Friedrich  Wilhelms  I.  von  Preussen.  (Der 
Bär.    23.  Jahrg.    4.    S.  316— 319.) 

König,  B.Emil:  Der  Tod  König  Friedrich 
Wilhelms    II.    von    Preussen.    (Der  Bär. 

23.  Jahrg.    4.    S.  236—238,  248—250.) 


Mebes,  August:  Friedrich  Wilhelm  II. 
Gestorben  den  16.  November  1797.  I.  II. 
(Sonntagsbeil.  No.  46.  47    z.  Voss.  Zeitg.) 

Meyer,  Johs:  König  Friedrich  Wilhelm  II. 
(J.  Meyer:  Das  Hohenzollem-Buch.  Bilder 
aus  d.  Geschichte  unseres  Herrscherhauses. 
Bd.  2.    Langensalza:  Schulbuchh.    8.) 

Paul  ig,  F.  R.:  Friedrich  Wilhelm  II., 
König  V.  Preussen  (1744  — 1797).  Sein 
Privatleben  u.  seine  Regierung  im  Lichte 
neuerer  Forschungen.  3.  Aufl.  Frankfurt 
a.  O.:  F.  Paulig.  8.  VIII,  365  S.  [F.  R. 
Paulig:  Familiengesch.  des  Hohenzollern- 
schen  Kaiserhauses.    Bd.  4.] 

V.  Schmidt,  Paul:  Friedrich  Wilhelm  II. 
(König  V.  Preussen).  [P.  v.  Schmidt:  Die 
Hohenzollern  als  Bildner  und  Erzieher  des 
Heeres.  VI.]  (Jahrbücher  f.  d.  deutsche 
Armee  u.  Marine.  105. Bd.  8.  S.  131 — 146.) 

Winterfeld,  A.  v.:  König  Friedrich  Wil- 
helms II.  (von  Preussen)  Verdienste  um 
die  Hebung  des  Berliner  Musiklebens.  (Der 
Bar.    23.  Jahrg.    4.    S.  546—548.) 

V.  Schmidt,  Paul:  König  Friedrich  Wil- 
helm III.  (von  Preussen).  [P.  v.  Schmidt: 
Die  Hohenzollern  als  Bildner  u.  Erzieher 
des  Heeres.  VII.]  (Jahrbücher  f.  d.  deutsche 
Armee  u.  Marine.  105.  Bd.  8.  S.  281 — 305.) 

Meyer,  Johs :  König  Friedrich  Wilhelm  IV. 
(J.  Meyer :  Das  Hohenzollem-Buch.  Bilder 
aus  d.  Geschichte  unseres  Herrscherhauses. 
Bd.  2.    Langensalza:  Schulbuchh.    8.) 

Meyer,  Richard  M. :  Friedrich  Wilhelm  IV. 
(König  von  Preussen).  (R.  M.  Meyer: 
Deutsche  Charaktere.  Berlin:  E.  Hofmann 
&  C.    8.    S.  114— 119.) 

Röchling,  Carl,  u.  Rieh.  Knötel:  Der  alte 
Fritz  s.  Friedrich  II.  König  v.  Preussen. 

♦Kohlschmidt:  Otto  Fridolin  Fritzsche, 
Professor  der  Kirchengeschichte  in  Zürich. 

(S.  441— 443«) 
Büchner,  Wilhelm:  Katharina  Fröhlich  s. 

Grillparzer. 

Fünfundzwanzig  Jahre  in  Berlin.  Seinen  Freun- 
den und  Konfirmanden  zur  Erinnerung  v. 
D.  EmilFrommel.  2.  Aufl.  Berlin:  F.  Rühe. 
8.    47  S. 

In  piam  memoriam.  Zur  Erinnerung  an 
Emil  Frommel.  Abiit  non  obiit  9.  No- 
vember 1896.  Berlin:  E.  S.  Mittler  &  Sohn. 
8.    48  S.  m.  Bildn. 

EmilFrommel.  [Rudolf Kögel,  EmilFrom- 
mel, Wilhelm  Baur.  2.]  (Allg.  Evangel.- 
Luther.  Kirchenzeitg.  30.  Jahrg.  4.  Sp.  239 
—242.) 

Blanckmeister,  Frz:  EmilFrommel.  Sein 
Leben  u.  seine  Schriften.  Dresden :  F.  Sturm 
&  C.    8.    16  S.  m.  Bildn. 

Kays  er,  C:  Emil  Frommel.  Ein  Lebens- 
bild. Karlsruhe:  Evangcl.  Schriftenver.  8. 
2  Bl.,   165  S.,  2  Bildn.,  8  Taf. 


M 


» 


Biographische  Bibliographie. 


Mayer:  Zum  Gedächtnis   von  Emil  From- 

mel.    (»Halte  was  du  hast.«    20.  Jahrg.    8. 

S.  177-179.) 
♦Poten,  B.:  D.  Emil  Frommel,  Kgl.  Preuss. 

Oberkonsistorialrath  u.  Hofprediger.  S.  108 

--109.) 
Reichard,   Max:   Zur  Erinnerung  an  Emil 

Frommel.  Strassburg:  Schriftenniederl.  d. 

Evang.  Ges.    8.    39  S.  m.  Bildn. 
Richter,  [Maximilian]:  Ein  Kranz  auf  Emil 

Frommeis  Grab.  Berlin:  E.  S.  Mittler  & 

Sohn.    8.    44  S. 
^o&gc,  Christian:  Zum  Andenken  an  Emil 

Frommel.    (f  9.  November  1896.)    (Der 

Bär.    23.  Jahrg.    4.    S.  52 — 55  m.  Bildn.) 
Schöttler,  J.:  Emil  Frommel.     Schlichte 

Bilder   aus  seinem  Leben,     i.  u.  2.  Aufl. 

Barmen:     Wupperthaler    Traktat -Ges.  8. 

4BI.,   141   S.,  I  Bildn.,  3  Taf. 
Schöttler:   Emil  Frommel.     Ein  Erinne- 
rungsblatt zum  5.  Januar.    (AUg.  Konserv. 

Monatsschrift    f.   d.   christl.   Deutschland. 

54.  Jahrg.    I.    8.    S.  20—29,   ^5' — '62.) 
Scholz:   Erinnerungen  an  Emil  Frommel. 

(Die  christliche  Welt.  1 1 .  Jahrg.  4.  Sp.  209 

— 213O 
*Eitncr,  Rob.:  Moritz  Fürstenau.  (S.  114 

—  115.) 

♦Karl   Egon  (IV.)  Fürst    zu  Fürstenberg. 

(S.  393—394-) 
♦Minor,   J.:   Ludwig  Gabillon.  (S.  432  — 

440.) 

Gruhl,  E.:  Erinnerungen  aus  dem  Leben 
des  Geh.  Ober-Reg^erungsrats  u.  Kurators 
der  Universität  Bonn  Dr.  Otto  Gandtner. 
Vortrag,  gehalten  in  der  Gymnasiallehrcr- 
ges.  zu  Berlin  am  13.  Mai  1896.  (Zeitschr. 
f.  d.  Gymnasial wesen.  51.  Jahrg.  8.  S.  i 
—24.) 

♦Eitner,  Rob.:  Friedrich  Gartz.    (S.  115.) 

Ein  Gast  auf  Erden  und  sein  Pilgerlauf  in 
der  Alten  und  Neuen  Welt.  Eine  Selbst- 
biographie, niedergeschrieben  für  seine 
Kinder  und  Kindeskinder  von  Leopold 
Gast.  Bd.  2.  Gütersloh:  C.  Bertelsmann. 
8.    VI,  503  S.  (Bd.  I  crsch.  1894.) 

♦Friedrich  Heinrich  Geifcken,  Geheimer 
Justizrath.    (S.  2U — 212.) 

Gaedertz,  Karl  Theod.:  Emanuel  Geibel, 
Sänger  der  Liebe,  Herold  des  Reiches. 
Ein  deutsches  Dichterleben.  M.  Abb.  u. 
Facs.  Leipzig:  G.  Wigand.  8.  XII,  41 2 S.) 

Warncke,  Paul:  Emanuel  Geibel  in  seinen 
Beziehungen  zu  Berlin  und  zum  deutschen 
Kaiserhause.  (Preussische  Jahrbücher. 
90.  Bd.    8.    S.  486 — 504.) 

Wych^ram,  J.:  Emanuel  Geibel.  (Blätter 
für  literar.  Unterhaltung.    Jahrg.  1897,    I. 

4.  s.  353—354.) 

♦Holland,  H.:  August  Geiger -Thuring, 
Landschaftsmaler.   (S.  50 — 51.) 


Ads  der  Selbstbiographie  des  Lucas  Geiz- 
kofier.  (Ausgewählte  Selbstbiographien 
aus  d.  15.  bis  18.  Jahrh.  Hrsg.  v.  Chri- 
stian Meyer.  Leipsig:  J.  J.  Weber.  8. 
S.  132-152.) 

Zeiten  und  Menschen.  Erlebnisse  und  Mei- 
nungen v.  Rudolph  Genee.  M.  e.  Bildn. 
d.  Vfs.  aus  d.  J.  1868.  Berlin:  E.  S.  Mittler 
&  Sohn.    8.    XII,  360  S. 

K  ö  n  i  g ,  B.  Emil :  Militärische  Ehrentafel  eines 
deutschen  Fürsten  (Herzog  Georg  II.  von 
Sachsen-Meiningen-Hildburghausen).  (Der 
Bär.    23.  Jahrg.  4.  S.  284—285  m.  Bildn.) 

Hüttemann,  Paul:  Kuriürst  Georg  Wil- 
helm (von  Brandenburg)  in  seiner  Stel- 
lung zu  König  Gustav  Adolf  von  Schwe- 
den. Ein  geschichtlich-kritischer  Streifzug. 
Witten:  R.  Gräfe.    8.    21   S. 

♦Krau SS,  Rudolf:  Ludwig  Georgii.  (S.  100.) 

♦Pagel:  Joseph  von  Gerlach,  Arzt  (S.  152.) 

♦Eitner,  Rob.:  Adolf  Geyer,  Königl.  Musik- 
direktor. (S.  115.) 

♦Poten,  B.:  Maximilian  Ritter  von  Giehrl, 
Kgl.  Bayer.  Generallieutenant  (S.  107  — 
108.) 

Wieruszowski,  A.:  Otto  Gierke.  (Blätter 
für  literar.  Unterhaltung.  Jahrg.  1897,  I. 
4.    S.  145—148.) 

♦Dr.  Gieschen,  Mitglied  der  Bürgerschaft  u. 
Rechtsanwalt  in  Hamburg.  (S.  213.) 

Sybel,  Heinrich  v.:  (Wilhelm  v.)  Giese- 
brecht  und  Döllinger.  Eröffnungsrede 
zur  Versammlung  der  Historischen  Kom- 
mission 1890.  (H.  V.  Sybel:  Vorträge  und 
Abhandlungen.  München  u.  Leipzig:  R. 
Oldenbourg.  8.  S.  321 — 335.  [Historische 
Bibliothek.    Bd.  3.]) 

Justi,  G.  E.:  Der  Königlich  preussische  Bau- 
gewerkschuUehrer  Herr  Martin  Gimdt  in 
Idstein  im  Taunus  als  Verfasser  mathema- 
tischer Lehrbücher.  Als  Manuskript  ge- 
druckt Detmold:  (Buchdr.  Fr.  Preuss.)  8. 
I  BL,  18  S. 

Ernst  Gladbach.  (Deutsche  Bauzeitung. 
31.  Jahrg.    4.    S.  38—40.) 

♦Albert  Glatzel,  Wirkl.  Geh.  Ober-Regie- 
rungsrath  u.  Präsident  des  Preuss.  Ober- 
landeskulturgerichts. (S.  215 — 216.) 

♦Weech,  F.  v.:  Rudolf  Gleichauf.    S.  394 

—396.) 

♦Edmund  Josef  Dejanicz  von  Gliszczynski, 
Generalmajor  z.  D.  u.  preuss.  Landtags- 
abgeordneter. (S.  213 — 214.) 

♦Granier,  Hermann:  Adolf  von  Glümer, 
Königl.  Preuss.  General  der  Infanterie. 
(S.  418 — 420.) 

♦  Ferdinand  von  Gmelin,  Reichsgerichtsrath. 
(S.  220—221.) 

Feldmarschali  Graf  Neithardt  v.  Gneisenau. 
Ein  Bild  aus  Preussens  schwerster  Zeit  und 
ruhmreicher  Erhebung.   Von  Prem.-Lieutn. 


Biographische  Bibliographie. 


15' 


R.  3.  Aufl.  Barmen:  D.  B.  Wiemann.  8. 
31  S.  m.  Bildn.  [Aus  dem  Reiche  für  das 
Reich.    H.  3.] 

Koch,  K.:  Gneisenaus  Pläne  zur  Einfüh- 
rung der  Leibesübungen  an  den  Schulen 
und  zur  Veranstaltung  von  Nationalfesten. 
(Monatsschrift  f.  d.  Tumwesen.  16.  Jahrg. 
8.    S.  321—329.) 

Zernin,  Gebhard:  Das  Leben  des  Königl. 
Preuss.  Generals  der  Infanterie  August 
V.  Goeben.  Bd.  2.  Mit  zahlr.  Briefen 
Goebens  an  seine  Familie  aus  den  Kriegen 
V.  1866  u.  1870/71.  M.  e.  Bildn.  in  Stahl- 
stich. Berlin:  E.  S.  Mittler  &  Sohn.  8.  VIII, 
S74  S.  (Bd.  I  ersch.  1895.) 

^Holland,  H.:  Heinrich  Göschl,  Bildhauer. 

(s.  51—52.) 

Blind,  Karl:  Goethe  und  Heine  über  die 

irische  Frage.    (Nord  u.  Süd.    80.  Bd.    8. 

S.  312—321.) 
Dase,    Otto:   Der  vorweimarische  Goethe. 

(Die  Gegenwart.    52.  Bd.    4.    S.  57 — 60.) 
Ehrlich,    Moriz:    Goethe   und   Schiller« 

ihr  Leben  u.  ihre  Werke.    M.  111.    Berlin: 

G.  Grotc.    8.    2  Bl.,  VII,  500  S.  m.  Bildn. 

u.  Abb. 
Grimm,  Hermann :  Goethe  zu  Anfang  dieses 

Jahrhunderts.  (Deutsche Rundschau.  90.  Bd. 

8.    S.  32— 38-) 

Haarhaus,  Julius  R.:  Auf  Goethes  Spuren 
in  Italien.  Th.  II:  Mittel-Italien.  Th.  III: 
Unter-Italien.  Leipzig:  C.  G.  Naumann.  8. 
4BI.,  186  S.,  I  Kt;  4  BL,  194  S.,  I  Kt. 
(Th.  I  ersch.  1896.)  [Kennst  du  das  Land? 
Eine  Büchersammlung  für  die  Freunde 
Italiens.    Bd.  VIII.  IX.] 

Hoffmann,  Adalbert:  Neues  aus  dem  Le- 
ben von  Goethe.  (A.  Hoffmann:  Deutsche 
Dichter  im  schlesischcn  Gebirge.  Warm- 
bninn:  M.  Leipelt.  8.  S.  1—50  m.  Bild- 
nissen.) 

Karpeles,  Gustav:  Goethe  und  der  Maler 
Moritz  Oppenheim.  (Berichte  d.  Freien 
Deutschen  Hochstiftes  zu  Frankfurt  a.  M. 
N.  F.    13.  Bd.    8.    S.  61—73.) 

Koch,  Max:  Zur  Feier  von  Goethes  Ge- 
burtstag. Goethe  als  religiöser  Epiker. 
(Berichte  d.  Freies  Deutschen  Hochstiftes 
zu  Frankfurt  a.  Main.    N.  F.    13.  Bd.    8. 

S.  i*-3i^) 

Paul,  L.:  Zu  Goethe's  politischem  u.  kir- 
chenpolitischem Standpunkt.  (Deutsch- 
evangel. Blätter.  22.  Jahrg.  8.  S.  494 — 
501.) 

Preiss,  Otto:  Die  Massenmühle  im  Körn- 
bachthal. Ein  Goethe-Gedenkblatt  a.  d. 
Thüringer  Walde.  Berlin:  R.  Mosse.  8. 
59  S.  einsch.  4  Facs. 

Servaes,  Franz:  Goethe  am  Ausgang  des 
Jahrhunderts.  Berlin :  S.  Fischer.  8.  4  BL, 
48  S. 


Steiner,  R.:  Goethes  Weltanschauung. 
Weimar:  E.  Felber.  8.  X  S.,  1  BL,  206  S. 

Stoessl,  Otto:  Goethe  und  seine  neuesten 
Biographen.  (Das  Magazin  f.  Literatur. 
66.  Jahrg.    4.    Sp.  3^1—383.) 

Thalmayr,  Franz:  Goethe  und  das  classi- 
sche  Alterthum.  Die,Einwirkung  der  An- 
tike auf  Goethes  Dichtungen  im  Zusam- 
menhange mit  dem  Lebensgange  des  Dich- 
ters dargestellt.  Leipzig:  G.  Fock.  8.  XI, 
185  S. 

Dierauer,  Johannes:  Ernst  Götzinger.  Ein 
Lebensbild.  M.  Portr.  Hrsg.  v.  Histor. 
Ver.  in  St.  Gallen.  St.  Gallen:  Fehr'sche 
Buchhdlg.  4.  89  S.,  I  Bildn.  [St.  Galler 
Neujahrsblätter.  No.  37.] 

Dierauer,  J.:  Ernst  Götzinger,  Germanist 
u.  Historiker.  (S.  231 — 235.) 

Lab  and:  Levin  Goldschmidt,  f.  (Deutsche 
Juristen-Zeitung.  II.  Jahrg.  4.  S.  296 — 
298.) 

Pappenheim,  Max:  Levin  Goldschmidt. 
M.  e.  Bildn.  Goldschmidts.  Stuttgart:  F. 
Enke.  8.  i  BL,  49  S.,  i  Bildn.  (SA.  aus 
d.  Zeitschrift  f.  d.  Gesammte  Handelsrecht 
Bd.  47.) 

Riesser:  L.  Goldschmidt.  Gedächtnissrede, 
gehalten  in  der  Jurist.  Gesellsch.  zu  Berlin. 
Nebst  e.  Bildn.  Goldschmidts.  Berlin:  O. 
Liebmann.    8.    58  S.,  i  Bildn. 

Bendixen,  Rudolf:  Jobannes  Evangelista 
Gossner.  (R.  Bendixen:  Bilder  aus  der 
letzten  religiösen  Erweckung  in  Deutsch- 
land. Leipzig:  Dörffling  &  Franke.  8. 
S.  167—190.) 

•Engesser,  Fr.:  Theodor  Gossweyler, 
Grossherzogl.  Baudirector.  (S.  366.) 

Zum  hundertsten  Geburtstag  Jeremias  Gott- 
helfs.  Inhalt:  i.  J.  Ammann:  Zur  Erinne- 
rung an  J.  Gotthelf.  2.  H.  Stickelberger: 
Ueber  die  Sprache  J.  Gotthelfs.  M.  d.  Bildn. 
Gotthelfs.  Zürich:  E.  SpeideL  8.  i  BL, 
45  S.  [Mitteilungen  d.  Gesellschaft  für 
deutsche  Sprache  in  Zürich.    Heft  IL] 

Bartels,  Adolf:  Jeremias  Gotthelf.  i — 4. 
(Die  Grenzboten.  56.  Jahrg.  III.  8.  S.  268 
—  278,  317—329,  409—416,  502—510.) 

Gottschall,  Rudolf  v.:  Aus  meiner  Studen- 
tenzeit. (Die  Gegenwart.  52.  Bd.  4.  S.  214 
—218,  232—236.) 

Berg  er,  Karl:  Johann  Christoph  Gottsched. 
(Blätter  für  literar.  Unterhaltung.  Jahrg. 
1897,    n.    4.    S.  465— 467.) 

Waniek,  Gustav:  Gottsched  und  die  deut- 
sche Literatur  seiner  Zeit.  Leipzig:  Breit- 
kopf &  Härtel.    8.    XII,  698  S. 

Wolff,  Eugen:  Gottscheds  Stellung  im 
deutschen  Bildungsleben.  2.  Bd.  Kiel  u. 
Leipzig:  Lipsius  &  Tischer.  8.  VIII,  248  S. 
(Bd.  I  ersch.  1895.) 

Hampe,  Theodor:  Der  blinde  Landsknecht- 


i6* 


Biographische  Bibliographie. 


Dichter   Jörg  Graff  und   sein  Aufenthalt 
in  Nürnberg.  (Euphorion.  4.  Bd.  8.  8.  457 

—472.) 
Kraus,  Franz  Xaver:   Ferdinand  Gregoro- 

vius.    (Deutsche  Rundschau.    93.  Bd.    8. 
S.  145—149.) 

S t  o e SS I ,  Otto :  Ferdinand  Gregorovius  und 
die  Gräfin  Lovatelli.  (Die  Gegenwart 
51.  Bd.    4.    S.  346—347-) 

Klaus,  B.:  Hans  Baidung  genannt  Grien  s. 
Bald  ung. 

Büchner,  Wilhelm:  Grillparzer  und  Ka- 
tharina Fröhlich.  (Preussische  Jahrbücher. 
87.  Bd.    8.    S.  448— 461.) 

Farinelli,  Arturo:  Grillparzer  und  Rai- 
mund. Zwei  Vorträge.  Mit  dem  Bildn.  d. 
Dichter.    Leipzig:  G.  H.  Meyer.    8.    87  S. 

Schwering,  Julius :  Franz  Grillparzer  und 
Norddeutschland.  (Monatsblätter  f.deutsche 
Litteraturgesch.    I.  Jahrg.  8.  S.  299 — 306.) 

S pcier,  Max:  Neues  von  Grillparzer, 
Raimund  u.  Baucrnfeld.  (Die  Gegen- 
wart.   51.  Bd.   4.    S.  355—3590 

Busse,  Karl:  Hcrman  Grimm  und  die 
deutsche  Culturgcschichte.  (Die  Gegen- 
wart   52.  Bd.    4.   S.  344—346.) 

Sybel,  Heinrich  v.:  Zur  Erinnerung  an 
Jakob  Grimm.  Vortrag  in  der  Berliner 
Akad.  am  Geburtstag  Friedrichs  des  Grossen 
1885.  (U.V.  Sybel:  Vorträge  und  Abhand- 
lungen. München  u.  Leipzig:  R.  Olden- 
bourg.  8.  S. 203  — 215.  [Historische  Biblio- 
thek.   Bd.  3.]) 

Ehrhard,  Albert:  Professor  Dr.  Joseph 
Grimm.  Ein  Lebensbild  zugleich  als  Bei- 
trag zur  theologischen  Litteraturgeschichte 
des  19.  Jahrhunderts.  (Gedcnk-Blätter  zu 
Ehren  d.  hochw.  geistl.  Rates  Dr.  Joseph 
Grimm,  weil.  Prof.  d.  neutest.  Exegese  a. 
d.  Univ.  WUrzburg.  Zum  ersten  Jahrestag 
seines  Todes  gewidmet  v.  Dr.  Hermann 
Schell  u.  Dr.  Albert  Ehrhard.  Würzburg: 
A.  Göbel.    8.    S.  i  — 113  m.  Bildn.) 

♦Holland,  H.:  Josef  Grimm,  Dr.  Pro- 
fessor, der  neutestamentl.  Exegese.  (S.  52 

—53.) 
Groth,  Klaus:  Musikalische  Erlebnisse.  (Die 

Gegenwart    52.  Bd.    4.    S.  279—285.) 
Groth,   Klaus:    Erinnerungen    an  Johannes 

Brahms  s.  Brahms. 
Bartels,  Adolf:  Klaus  Groth.  (Die  Heimat 

7.Jahrg.8.  S.  116—121,1 33—138  m.Bildn.) 
Frisch,  Wilhelm:  August  Wilhelm  Grube. 

(Biographien  Österreich.  Schulmänner.  Hrsg. 

v.  Franz  Frisch.  Wien:  A.  Ptchlej*s  Wwe. 

&  Sohn.    8.   S.  115— 127.) 
Anastasius  Grün  s.  Auersperg. 
Klaus,    B.:    Hans  Baidung    genannt  Grien 

oder  Grün  s.  Bai  düng. 
♦Krauss,     Rudolf:     Jacob     Grünenwald. 

S.  loi  — 102.) 


Wyzewa,  Teodor  de:  Caroline  de  Gunde- 
rode,  et  son  aventure  d'Amour  avcc 
Frederic  Creutzer.  (T.  de  Wyzewa: 
Ecrivains  etrangers.il.  Serie.  Paris:  Perrin 
&  C.  8.  S.  27—46.) 

t  Dr.  jur.  Otto  Günther,  Vorsitzender  des 
Directoriums  d.  königl.  Conservatoriums 
d.  Musik  zu  Leipzig.  (Musikal.  Wochen- 
blatt  28.  Jahrg.    4.    S.  505—506.) 

Hoffmann,  Adalbert:  Neues  aus  dem 
Leben  von  (Johann  Christian)  Günther. 
(A.  Hoffmann:  Deutsche  Dichter  im  schle- 
sischen  Gebirge.  Warmbrunn:  M.  Leipelt 
8.  S.  51  -88  m.  Bildnissen.) 

*Pagel:  Karl  Günther,  hervorragender 
Thierarzt    (S.  152—153.) 

♦Pagel:  Wenzel  Güntner,  Arzt,  emerit 
Prof.  d.  Chirurgie.   (S.  153.) 

Augustin  Güntzers  merkwürdige  Lebens- 
geschichte. Ein  Kulturbild  aus  dem  Jahr- 
hundert des  30jähr.  Krieges.  Erzählt  von 
ihm  selbst.  Barmen:  Wupperthaler  Traktat- 

.  Ges.  8.  159  S.,  I  Bl.,  3  Taf.  [Barmer 
Bücherschatz.    Bd.  3,  4.] 

*Brümmer,  Franz:  Wilhelmine  Konstanzc 
Guischard.    (S.  194.) 

*Eitner,Rob:  Ferdinand  Gumbert.  (S.  116.) 

^Brummer.  Franz:  Hans  Christian  Emanuel 
Gurlitt.    (S.  245 -246.) 

Börckel,  Alfred:  Gutenberg.  Sein  Leben, 
sein  Werk,  sein  Ruhm.  Zur  Erinnerung 
an  die  5oojähr.  Geburt  des  Erfinders  d. 
Buchdruckerkunst  für  weitere  Kreise  dar- 
gest  M.  34  Abb.  Giessen:  £.  Roth.  4. 
5  Bl.,  122.  S.,  I  Bildn. 

Umlauft,  Friedrich:  Vincenz  v.  Haardt 
(Deutsche  Rundschau  f.  Geographie  u. 
Statistik.  19.  Jahrg.  8.  S.  518  f.  m.  Bildn.) 

Haase,  Frdr.:  Was  ich  erlebte.  1846— 1896. 
(IlL  V.  Frdr.  Stahl.)  Berlin:  R.  Bong.  8. 
203  S. 

*  Johann  Habert,  Kirchenkomponist.  (S.  162 
—166.) 

*Krauss,  Rudolf:  Gustav  Hacker.  (S.  95 
—96. 

Frommel,  Emil:  Händel  u.  Bach.   Skizze. 

3.  Aufl.  Berlin:  Wiegandt  &  Grieben.  8. 
VI,  44  S.  m.  Bildern.  [E.  Frommel:  Ge- 
samm.  Schriften.  I.] 

Zum  fünfzigjährigen  Dienstjubilftum  des 
Generals  der  Kavallerie  v.  Häniscta, 
Chef  des  Ulanenregiments  von  Katzler 
(^chlesischen)  Nr.  2  u.  Kommandirenden 
Generals  des  IV.  Armeekorps  am  16.  Juli 
1897.  (Militär-Wochenblatt  82.  Jalirg.  2Bd. 

4.  Sp.  1717  — 1720.) 

S  e  c  1  i  g  c  r ,  H. :  Eduard  Freiherr  von  Haerdtl. 
(Nekrolog.)  (Vierteljahrsschriftd.Aslronom. 
Ges.    32.  Jahrg.    8.    S.  33-— 41  m.  Bildn.) 

Rcichard,  Max:  Franz  Haerter.  Ein  Le- 
bensbild aus  dem  Elsass.    Strassburg  i.  E< : 


Biographische  Bibliographie. 


17' 


Buchhdlg.  d.  EvangeL  Ges.  8.  135  S., 
I  Bildn. 

August  Hagen.  Eine  Gedächtnissschrift  zu 
seinem  hundertsten  Geburtstage  12.  April 
1897.  M.  e.  Bildn.  Hagens.  Berlin:  E.  S. 
Mittler  &  Sohn.    8.    256  S.,  i  Bildn. 

Bunz,  P.:  Johann  Ludwig  Hager.  Ein 
Lebensbild  aus  den  Papieren  meines 
Gross  Vaters.  M.  3  Ansichten  v.  Mtthl- 
hausen.  Stuttgart:  Buchh.  d.  Evangel.  Ge- 
sellschaft.   8.    72  S. 

Premierlieutenant  Hugo  Hahn.  (Kollektaneen- 
Blatt  f.  d.  Gesch.  Bayerns.  61.  Jahrg.  8. 
S.   134—135.) 

Rehbein,  Reichsgerichtsrat  Dr.:  Friedrich 
von  Hahn  f.  (Deutsche  Juristen-Zeitung. 
n.  Jahrg.    4.    S.  139.) 

Direktor  im  Reichs-Postamt,  Wirklicher  Ge- 
heimer Rath  Hake  f.  Nachruf.  (Archiv 
für  Post  und  Telegraphie.  Beihefte  z. 
Amtsblatt  des  Reichs-Postamts.  25.  Jahrg. 
8.    S.  291.) 

r>irektor  Karl  Hammer  f.  (Deutsche  Bau- 
zeitung.  31.  Jahrg.  4.  S.  376.) 

Karl  Hammer,  Direktor  d.  Kgl.  Kunst- 
gewerbeschule in  Nürnberg,  f.  (Central- 
blatt  d.  Bauverwaltung.  1 7.  Jahrg.  4.  S.  347 

-348.) 
Schlossar,  Anton :  J  osef  Frhr.  von  Hammer- 

Purgstall  s.  Auersperg. 

Hugo  Hanke.  (Deutsche  Bauzeitung.  31.  Jahrg. 
4,  S.  176.) 

Dr.  Emanuel  Hannak.  (Biographien  Öster- 
reich. Schulmänner.  Hrsg.  v.  Franz  Frisch. 
Wien:  A.  Pichler's  Wwe  &  Sohn  8.  S.  288 

—337.) 
Friedländer,    Max    J.:    Hans    der   Maler 

zu    Schwaz.    Nachtrag.    (Repertorium   fOr 

Kunstwissenschaft.    20.  Bd.    8.    S.  362 — 

365) 

Hansjakob,  Heinr.:  Aus  meiner  Jugendzeit. 

Erinnerungen.     4.,    verb.   u.  erweit.  Aufl. 

Heidelberg:  G.  Weiss.   8.   VIT,  287  S.  mit 

Bildn. 
Hansjakob,  Heinr.:  Aus  meiner  Studienzeit. 

Erinnerungen.  3.  verb.  u.  erweiterte  Aufl. 

Heidelberg:    G.    Weiss.    8.    VII,    326   S. 

(H.    Hansjakob:     Ausgewählte     Schriften. 

Bd.  2.) 
Hansjakob,    Heinr.:    Aus  kranken  Tagen. 

Erinnerungen.    2.,  neu  durchges.  u.  verb. 

Aufl.    M.  e.  Ans.  v.  Illenau.    Heidelberg: 

G.  Weiss.    8.    297  S. 
*Brflmmer,  Franz:  Johann  Caspar  Christian 

Georg  Harms.    (S.  245.) 
B endixen,  Rudolf:  Klaus  Harms.  (R.  Ben- 

dixen:    Bilder    aus    der  letzten  religiösen 

Erweckung     in     Deutschland.      Leipzig: 

Dörffling  &  Franke.    8.    S.  126—146.) 
Hase,  Friedrich:  Geplaudertes.   (Die  Gegen- 
wart.   52.  Bd.  4.  S.  264—265.) 

Biogr.  Jfthrb.  a.  Deotacher  Nekrolog.   2.  Bd. 


L  i  p  s  i  u  s ,  Richard  Adelbert :  Karl  von  Hase. 
Ansprache  an  seine  Zuhörer,  geb.  am 
Morgen  des  6.  Januar  1890.  (R.  A.  Lipsius: 
Glauben  und  Wissen.  Ausgewählte  Vorträge 
und  Aufsätze.  Berlin:  C.  A.  Schwetschkc 
&  Sohn.    8.    S.  314  —  320.) 

Schreiner,  Heinrich:  Leopold  Hasner, 
Ritter  von  Artha  (Biographien  Österreich. 
Schulmänner.  Hrsg.  v.  Franz  Frisch.  Wien: 
A.  Pichler's  Wwe.  &  Sohn.    8.  S.  226— 

239.) 
Sybel,  Heinrich,  v.:  Hans  Daniel  Hassen- 

pflug.  (1893).  (H.  V.  Sybel:  Vorträge 
und  Abhandlungen.  München  u.  Leipzig : 
R.  Oldenbourg.  8.  S.  216  —  235.  [Histo- 
rische Bibliothek.  Bd.  3.]) 

Koch,  Günther:  Hau£f  s.  Clauren. 

Bartels,  Adolf:  Gerhart  Hauptmann.  Wei- 
mar: E.  Felber.    8.    4  BL,  255  S. 

Rode,  Alb.:  Hauptmann  u.  Nietzsche. 
Ein  Beitr.  z.  Verständnis  d.  »Versunkenen 
Glocke«.  Hamburg:   J.  Haring.    8.    14  S. 

Woerner,  U.  C:  Gerhart  Hauptmann. 
München:  C.  Haushalter.  8.  3  BL,  82  S. 
[Forschungen  z.  neueren  Litteraturge- 
schichte.  IV.] 

Ritter,  Herrn:  Haydn,  Mozart,  Beet- 
hoven. Ein  Dreigestirn  am  Himmel 
deutscher  Tonkunst.  Bamberg:  Handels- 
Dr.  u.  Verlagsh,   8.    80  S. 

Aus  Friedrich  Hebbels  Tagebüchern.  Aus- 
wahl. Halle  a.  d.  S.:  O.  Hendel.  8.  VI  S., 
I  Bl.,  324  S.,  I  Bildn.  [Bibliothek  der 
Gesamtlitteratur  des  In-  u.  Auslandes. 
No.  ICH— 1015.] 

Regierungs-  und  Schulrat  Hechtenberg  f. 
(Schulblatt  f.  d.  Prov.  Brandenburg.  62. 
Jahrg.   8.   S.  79—82.) 

*Krauss,  Rudolf:  Gustav  Heerbrandt. 
(S.  96.) 

Kuhlmann:  Vom  blinden  Wilhelm  Heer- 
mann. (Zeugen  und  Zeugnisse  aus  d. 
christl.-kirchl.  Leben  v.  Minden-Ravens- 
berg  im  18.  u.  19.  Jahrh.  Heft  2.  Gadder- 
baum  b.  Bielefeld:  Schriften-Niederl.  d. 
Anst.   Bethel.    8.    S.  87—95,) 

Meyer,  Richard  M.:. Viktor  Hehn.  (R.  M. 
Meyer :  Deutsche  Charaktere.  Berlin :  E.  Hof- 
mann &  C.    8.    S.  177  —  181.) 

Heiberg,  Asta:  Erinnerungen  aus  meinem 
Leben.  2.  Aufl.  Berlin:  C.  Heymann.  8. 
X  S.,  I  Bl.,  271  S, 

Dr.  Cari  Friedrich  Heiberg.  (Nachruf.)  (Asta 
Heiberg:  Erinnerungen  aus  meinem  Leben. 
2.  Aufl.  Berlin:  C  Heymann.  8.  S.  265 
—271.) 

Steiner,  Rudolf:  Rudolf  Heidenheim. 
Gest.  am  13.  Okt.  1897.  (Das  Magazin  f. 
Litteratur.  66.  Jahrg.  4.  Sp.  1327—^329) 

Nettelbecks  Tochter  (Luise  Heidler). 
(Der  Bär.    23.  Jahrg.  4.  S.  366—368.) 

b 


i8* 


Biographische  Bibliographie. 


Siegerist,  Georg:  Ernst  Ludwig  Heim. 
(Geboren  am  22.  Juli  1747.)  (Sonntags- 
beil. No.  29  z.  Voss.  Zeitung.) 

Fuchs,  Georg:  Heinz  Heim.  (Die  Kunst- 
Halle.    IL  Jahrg.    4.    S.  49 — 52.) 

Betz,  Löuis  P.:  H.  Heine  und  Alfred  de 
Musset  Eine  biograph.-litterar.  Parallele. 
Zürich:  A.  Müller.    8.    Vni,   117  S. 

Blind,  Karl:  Heine  über  d.  irische  Frage 
s.  Goethe. 

Elster,  Ernst:  Beiträge  zu  Heiners  Bio- 
graphie. Auf  Grund  ungedruckter  Briefe 
des  Dichters.  I— V.  (Deutsche  Rundschau. 
91.  92.  Bd.  8.  91.  Bd.:  S.  379 — 408 ,'92. Bd.: 
S.  49-64.) 

Elster,  Ernst:  Heine  in  England.  (Das 
Magazin  f.  Litteratur.  66.  Jahrg.  4.  Sp.  31 

-36.) 

Hüffer,  Hermann:  Wann  ist  Heinrich 
Heine  geboren?  (Deutsche  Rundschau. 
93.  Bd.    8.    S.  451—460.) 

Kaufmann,  Max :  Heinrich  Heines  Liebes- 
tragödien. Litterar-histor.  Studie.  Zürich: 
Stem's  litterar.  Bulletin  der  Schweiz.  8.  71  S. 

Legras,  Jules:  Henri  Heine.  Poete.  Paris: 
C.  Levy.    8.    XXIV,  438  S. 

Panizza,  Osk.:  Die  Krankheit  Heiners 
(z.  100  jähr.  Wiederkehr  d.  Geburtstages 
Heine's.  13. XII.  1 797.) Zürich:  Züricher Dis- 
kuss.  8.  8  S.  [Züricher  Diskussionen  No.  i.] 

Wyzewa,  Teodor  de:  Henri  Heine.  Juge 
par  les  ecrivains  allemands.  (T.de  Wyzewa: 
Ecrivains  etrangers.  II.  Serie.  Paris:  Perrin 
&C.    8.   S.  136—144.) 

^Liliencron,  R.  v. :  Karl  Christoph  Heine- 
buch, Königl.  Musikdirector.    (S.  1  —  3.) 

Fitte,  Siegfried:  Kaiser  Heinrich  IV.  und 
die  Humanisten.  I.  II.  (Sonntagsbeil. 
No.  19.  20.  z.  Voss.  Zeitung.) 

Schmitt,  Richard:  Prinz  Heinrich  von 
Preussen  als  Feldherr  im  siebenjährigen 
Kriege.  II.  Die  Kriegsjahre  1760—1762. 
Greifswald:  J.  Abel.  8.  VIII,  322  S.  (Tl.  I 
crsch.  1885  als  Greifs  walder  Dissert) 

Schmidt,  Berthold:  Graf  Heinrich  VL 
Reuss  ä.  L.,  Der  Held  von  Zeuta.  Grössere 
Ausgabe  mit  Urkundenbclegen.  (II  — V. 
Jahresbericht  des  Vereins  f.  Greizer  Ge- 
schichte zu  Greiz.    8.    S.  1 — 81.) 

Heinrich-Feier.  Gedenkblatt  an  das  50 jähr. 
Amtsjub.  des  Rektors  Claus  Heinrich  am 
I.  IX.  1897.  (Hrsg.  V.  Rekt.  Seil.)  Kiel: 
Lipsius  &  Tischer.    8.  «54  S.  m.  Bildn. 

Hertling,  Georg  Frhr.  v.:  Zur  Erinnerung 
an  Johann  Baptist  Heinrich.  Rede,  ge- 
halten in  der  Schlusssitzung  der  General- 
versammlung der  Görres-Gesellschaft  zu 
Hildesheim,  am  7.  Oktober  1891.  (G.  Frhr. 
v.  Hertling:  Kleine  Schriften  zur  Zeit- 
geschichte und  Politik.  Freiburg  i.  B. : 
Herder.    8.   S.  520—538.) 


*  Kohlschmidt:  Wilhelm  Heinzerling, 
Oberlandesgerichtsrath.  (S.  443.) 

*Brümmer,  Franz :  Friedrich  Heibig. 
(S.  251.) 

Grünhagen,  C:  (Hans  von)  Held  s. 
Zerboni. 

Heemstede,  C.  v. :  Dr.  Friedrich  Wilhelm 
Helle.  Biographisch-litterar.  Skizze  mit 
einigen  nicht  streng  zur  Sache  gehörigen, 
aber  keineswegs  überflüssigen  Glossen. 
Heiligenstadt  (Eichsfeld):  F.  W.  Cordier 
8.  63  S.,  I  Bildn.  [Biographien  katholischer 
Dichter  der  Gegenwart.    Bdchn  I.] 

•Brummer,  Franz:  Qementine  Helm» 
Jugendschriftstellerin.   (S.  247—248.) 

Du  Bois-Reymond,  Emil:  Hermann  von 
Helmholtz.  Gedächtnissrede.  Leipzig:  Veit 
&  C    8.   80  S. 

Hengsten berg,  H.:  Bilder  aus  dem  Leben 
des  Evangelisten  Hengstenberg  nebst 
einem  Anhang  seiner  Gedichte.  Witten  a. 
d.  Ruhr:  Stadtmission.  8.  2  Bl.,  176  S., 
I  Bildn. 

Lamprecht,  Karl:  Karl  Hengstenberg. 
(K.  Lamprecht:  Bilder  von  der  roten  Erde. 
Hamm,  Westf.:  C.  Dietrich.  8.  S.  31—47.) 

Bendixen,  Rudolf:  Aloys  Henhöfer.  (R. 
Bendixen :  Bilder  aus  der  letzten  religiösen 
Erweckung  in  Deutschland.  Leipzig :  DöHT- 
ling  &  Franke.    8.    S.  191—209.) 

F  r  o  m  m  e  1 ,  Emil :  Dr.  Aloys  Henhöfer.  Ein 
süddeutsches  Pfarroriginal.  (E.  Frommel: 
Erzählungen.  Ges.-Ausg.  III.  Stuttgart: 
J.  F.  Steinkopf.   8.   S.  284—374  m.  Bildn.) 

•Kr aus s,  Rudolf:  Philipp  Jacob  Wilhelm 
Henke.     S.  96—98.) 

Eggeling,  Otto:  Wilhelm  Henke.  (Geb. 
1834,  gest.  1896.)  (Braunschweig.  Magazin. 
3.  Bd.  4.,  S.  113— 116.) 

Wirkl.  Geh.-R.  Reichsger.-  u.  Senatspräs.  a.  D. 
Dr.  Henrici:  Lebenserinnerungen  eines 
Schleswig-Holsteiners.  Stuttgart:  Deutsche 
Verlags- Anstalt.    8.    VII,  192  S. 

Herbart  u.  die  Herbartianer.  E.  Beitr.  zur 
Gesch.  d.  Philosophie  und  d.  Pädagogik. 
SA.  aus  d.  encyklop.  Handb.  d.  Pädagogik 
V.  W.  Rein  in  Jena,  zsgest.  aus  d.  Arbeiten 
V.  Thilo,  Flügel,  Rein,  Rüde.  Langensalza: 
H.  Beyer  &  Söhne.    8.    154  S. 

Hieronymus,  D.:  Herbarts  Regierung  und 
Zucht  oder  Welche  Bedeutung  hat  die  von 
Herbart  durchgeführte  Unterscheidung  von 
Regierung  und  Zucht  für  die  Pädagogik, 
und  wie  ist  sie  zu  beurteilen?  Berlin: 
Buchhandlg.  d.  Deutschen  Lehrerzeitung. 
8.    27  S. 

Maerkel,  Paul:  Herbart  und  der  Religions- 
Unterricht  an  höheren  Lehranstalten.  Progr. 
Berlin:  R.  Gaertner.    4.    28  S. 

Nehring,  Adolf:  Ucbcr  (Sigmund  Frhr.  von) 
Herbers tain    und   (Augustin)  Hirsfogel. 


Biographische  Bibliographie. 


19' 


Beitrage  z.  Kenntnis  ihres  Lebens  u.  ihrer 
Werke.  M.  10  Abb.  i.  Text.  Berlin:  F. 
Dümmler.    8.    Will,  100  S. 

Nehring,  A.:  HirsfogeTs  Beziehungen 
zu  Herber8tain*s  Werken.  (Repertorium 
f.  Kunstwissenschaft.  20.  Bd.  8.  S,  121  -- 
129.) 

Haug,  Eduard:  Herder  s.  Müller,  Joh. 
Georg. 

Lamprechty  K.:  Herder  und  Kant  als 
Theoretiker  der  Geschichtswissenschaft. 
(Jahrbächer  für  Nationalökonomie  u.  Sta- 
tistik. 69.  Bd.;  III.  Folge  14.  Bd.  8.  S.  161 
—203.) 

N  i  r  s  c  h  1 ,  Jos. :  Gedächtnisrede  auf  Cardinal 
Joseph  Hergenröther  bei  d.  Enthullungs- 
feier  seines  Grabdenkmals.  Bregenz:  J.  N. 
Teutsch.    8.    16  S. 

Kirchhoff,  Albrecht :  Michael  Hering's  in 
Hamburg  Verbindungen  mit  Schweden 
(161 7).  (Archiv  f.  Geschichte  d.  Deutschen 
Buchhandels.    XIX.    8.    S.  54 — 59.} 

Jahne,  Heinrich:  Franz  Herrmann.  (Bio- 
graphien Österreich.  Schulmänner.  Hrsg.  ▼. 
Franz  Frisch.  Wien:  A.  Pichler's  Wwe  & 
Sohn.  8.  S.  179—186.) 

Autobiographie  et  Journal  de  Mathias 
Hertzog,  d^Egisheim,  communique  par 
M.  VAbbc  Hoffmann.  A.  M.  P.  Ingold: 
Miscellanea  alsatica.  III  serie.  Colmar: 
H.  Huffei;  Paris:  A.  Picard  &  f.  8.  S.  181 

— 193-) 
Zolling,    Theophil:    Georg    Herwegh    s. 

Wagner,  Richard. 
^Kohlschmidt:  Theodor  Herzog,  Dekan. 

(S.  443—444.) 
Erinnerungen  aus  dem  amtlichen  Leben  des 

Wirklichen     Geheimen     Rats    Dr.    theol. 

Bernhard  Hesse  in  Weimar.  Frankfurt  a.  M. : 

M.  Diesterweg.    8.    84  S. 
S Utermeister,  Paul:  Aus  dem  Leben  einer 

Verborgenen   (Meta  Heusser- Schweizer). 

I — 5.     (Die  christL  Welt.    ix.  Jahrg.    4. 

Sp.  332—333.  345—348.) 

Sauren,  Wilh.:  Johann  Wilhelm  Hey,  seine 
Fabeln  und  deren  Verwendung  im  Dienste 
der  Schule.  (Der  Schulfreund.  53.  Jahrg. 
8.    S.  115 — 129.) 

Todt:  Wilhelm  Hey,  der  Kinderfreund. 
(Schnlblatt  für  die  Provinz  Brandenburg. 
62.  Jahrg.    8.    S.  499 — 504.) 

Sommert,  Hans:  J(oseph)  Hiebsch.  (Pä- 
dagog.  Blätter  für  Lehrerbildung  und 
Lehrerbildungsanstalten.    26.    Bd.    8.    S. 

755—757.) 
^Weltner,    A.  J.:    Franz  Arnold  Hirsch, 

Schriftsteller.    (S.  341 — 342.) 
Ne bring,   Adolf:   (Augustin)  Hirsfogel  s. 

Herberstain. 
Vetter,  Ferdinand:  f  Ludwig  HirzeL  (Eu- 

phorion.    4.  Bd.    8.    S.  830—833.) 


Aus  dem  Lebensgang  eines  evangelischen 
Geistlichen  und  Gelehrten  im  17.U.  18.  Jahr- 
hundert (d.  i.  Johann  Ludwig  Hocker, 
Prediger  u.  Gescbichtschreiber  zu  Kloster 
Heilsbronn  in  Mittelfranken.)  (Ausge- 
wählte Selbstbiographien  aus  d.  15.  bis 
18.  Jahrh.  Hrsg.  v.  Christian  Meyer. 
Leipzig:  J.  J.  Weber.  8.  S.  187—248. 
Der  Schluss  ist  von  seinem  Schwieger- 
sohn und  Amtsnachf.  Johann  Ludwig 
Heydenreich.  M.  Bildn.) 

*  Franz  Xaver  Hoermann,  Bildhauer.  (S.  359.) 

*  Brummer,  Franz:  Nanny  vom  Hof.  (S.  253 

-254.) 

Bendixen,  Rudolf:  Ludwig  Hofacker.  (R. 
Bendixen :  Bilder  aus  der  letzten  religiösen 
Erweckung  in  Deutschland.  Leipzig :  Dörff- 
ling  &  Franke.    8.    S.  147 — 166.) 

Hacker:  E.  H.  Hoffmann  f.  (Deutsche 
Bauzeitung    31.  Jahrg.    4.    S.  106 — 108.) 

Marx,  A.  B.:  Zur  Beurtheilung  E.  T.  A. 
Hofiinann's  als  Musiker.  (Allg.  Musik- 
Zeitung.    24.  Jahrg.    4.    S.  413— 414,  433 

—434.) 
Berg,  Leo:   Hans  Hoffmann  als  Märchen- 
erzähler. (Die  Gegenwart.  52.  Bd.  4.  S.  299 

—301.) 

Beck,  Fritz:  Die  Errichtung  des  Landgraf!. 
Hessen  -  Darmstädt.  Kreis -Regiments  i.  J. 
1697  u.  sein  erster  Kommandeur  Hartmann 
Samuel  Hoffmann  von  Löwenfeld.  Fest- 
schrift z.  200 j.  Jubiläum  des  Grosshzgl. 
3.  Infanterie-Rgts.  (Leib-Regiment)  No.  117 
am  10.  Juni  1897.  M.  e.  Titelb.  Darm- 
stadt: Dr.  V.  L.  C.  Wittich.  8.  20  S., 
I  BUdn. 

Schlecht,  Jos.:  Der  Augustiner  Johann 
Hofimeister  als  Dichter.  (Der  Katholik. 
77.  Jahrg.,  II.    8.    S.  188—192.) 

P  n  i  o  w  e  r ,  Otto :  Julius  Hoffory.  (Das  Ma- 
gazin f.  Literatur.    66.  Jahrg.    4.    Sp.  481 

-487.) 
Eduard  R.  v.  Hofmann  f.    27.  Januar  1837 

bis  27.  August  1897.  (Wiener  Medizinische 

Presse.    38.  Jahrg.    4.    Sp.  1112.) 

Mitten  zweig:  Eduard  von  Hofmann  f. 
(Zeitschr.  f.  Medizinal-Beamte.  10.  Jahrg. 
8.    S.  690.) 

Aus  meinem  Leben.  Aufzeichnungen  des 
Prinzen  Kraft  zu  Hohenlohe-Ingelfingen, 
weiland  General  der  Artillerie  und  Gene- 
raladjutant Seiner  Majestät  des  Kaisers 
und  Königs  Wilhelm  L  Bd.  i.  Vom 
Revolutionsjahr  1848  bis  zum  Ende 
des  Kommandos  in  Wien  1856.  Nebst 
einer  Lebensskizze  und  dem  Bildniss 
des  Verfassers.  Berlin:  E.  S.  Mittler 
&  Sohn.  8.  LIII,  379  S.,  i  Bildn., 
I   Stammtaf. 

*Kraus,  F.  H.:  Cardinal  Hohenlohe.  (S.  449 

-455-) 


20* 


Biographische  Bibliographie. 


Rust,  Hermann:  Reichskanzler  Fürst  Chlod- 
wig zu  Hohenlohe-Schillingsfürst  und 
seine  Brüder  Herzog  von  Ratibor  (Prinz 
Victor  Hohenlohe),  Cardinal Hohenlohe 
(Prinz  Gustav  Adolf  H  oben  loh  e-Schil- 
lingsfUrst)  und  Prinz  Constantin  Hohen- 
lohe. Düsseldorf:  VV.  Deiters.  8.  XL, 
931  S.,  4  Bildn. 

♦Edler,  Karl  Erdm. :  Constantin  Prinz  'zu 
Hohenlohe-Schillingsfürst,  erster  Oberst- 
hofmeister des  Kaisers  von  Oesterreich. 
(S.  176  — 191.) 

Miller,  Edm.:  Konradin  v.  Hohenstaufen. 
Mit  6  Illustrationen  und  einem  Titelbl.  von 
Karl  Behr,  sowie  i  Plane  des  Schlacht- 
feldes v.  Tagliacozzo.  Berlin :  E.  Ehering. 
8.  108  S.  m.  2  Stammtaf.  [Lebensbilder 
aus  der  Geschichte.    I.] 

Kelterborn,  Rudolf:  Hans  Holbein.  Sitten- 
und  Lebensbild  aus  der  Reformations- 
zeit. Leipzig  u.  Zürich:  Th.  Schröter.  8. 
112  S. 

Meissner,  Franz  Hermann:  Hans  Holbein 
der  Jüngere.  Eine  Studie.  (Westermanns 
lUustr.  Deutsche  Monatshefte.  81.  Bd.  8. 
S.  314—329,  465  —  477  mit  Bildern  und 
Abbildg.) 

Aus  der  Selbstbiographie  des  Elias  Holl. 
(Ausgewählte  Selbstbiographien  aus  d.  15. 
bis  18.  Jahrh.  Hrsg.  v.  Christian  Meyer. 
Leipzig:  J.  J.  Weber.  8.  S.  153 — 186  m. 
I   Bildnisstaf.) 

Bernhard  v.  HoUeben  gen.  v.  Normann  f. 
Königlich  Sächsischer  General  der  Infan- 
terie z.  D.  •  30.  Juli  1824  zu  Unter-Köditz 
in  Schwarzburg-Rudolstadt,  f  11.  Oktober 
1897  zu  Dresden.  (Militär  -  Wochenblatt. 
82.  Jahrg.    2.  Bd.    4.    Sp.  2543 — 2545.) 

Zum  Gedächtnis  Karl  Holsten's.  (Der  Pro- 
testant.   I.  Jahrg.    4.    Sp.  137 — 139.) 

Hausrath,  Adolf:  Karl  Holsten.  Worte  der 
Erinnerung,  gesprochen  bei  der  Gedächt- 
nisfeier am  29.  Januar  in  d.  Aula  d.  Uni- 
versität zu  Heidelberg.  Heidelberg:  O. 
Petters.    8.    15  S. 

Honig,  Wilhelm:  Rede  am  Sarge  Karl  Hol- 
sten's. (Protestantische  Monatshefte. 
I.  Jahrg.    8.    S.  77—81.) 

Mchlhorn.P.:  Zum  Gedächtnis  Karl  Hol- 
sten's. I— III.  (Der  Protestant,  i.  Jahrg. 
4.    Sp.  215—218,  231—233,  248—251.) 

Storch,  O.:  Karl  von  Holtet.  Ein  Gedenk- 
blatt zum  24.  Januar  1898.  Waidenburg 
i.  Schi.:  G.  Knorrn.    8.    108  S. 

♦Guglia,    E.:     Johann    Jacob    Honegger. 

(S.  38-40.) 

•B  r  U  m  m  e  r,  Franz :  Wilhelm  Honor6.  (S.254.) 
Herzogl,  braunschweig.  Geheimer    Kammer- 
rat   Ludwig    Wilhelm    Hörn   f.      (Forst- 
wiss.  Centralbl.    N.  F.  19.  Jahrg.  8.  S.  343 

-  345-) 


Ludwig  Wilh.  Hörn  (Geh.  Kammerrath)  f. 

(Centralblatt    f.  d.  gesammte   Forstwesen. 

23.  Jahrg.    8.    S.  33^-339  m-  Bildn.) 
f  Geheimer  Kammerrat   Wilhelm  Hörn  aus 

Brciunschweig.     (Deutsche   Forst- Zeitung. 

XIL  Bd.  8.  S.  268.) 
Wilhelm  Hom  und  Bruno  Ey  ferth  f.  (Braun- 

schweigisches  Magazin.   3.  Bd.    4.    S.  129 

-131O 
Weinitz,  Franz:  Theodor  Hosemann.    E. 

kunstgesch.  Studie   z.  Erinnerung   an    die 

90ste  Wiederkehr  d.  Tages  seiner  Geburt. 

Berlin.    8.    21  S.  m.   Bildn.     (S.  A.   aus: 

Schriften  d.  Ver.  f.  d.  Gesch.  Berlins.  H. 

34.) 
Paris ius,   Ludolf:    Leopold   Freiherr   von 

Hoverbeck  (geboren  1822,  gestorben  1875). 
Ein  Beitrag  z.  vaterländ.  Geschichte.  Tl.  i. 
M.  3  Bildnissen.  Berlin:  J.  Guttentag.  4  Bl., 
224  S.,  3  Bildn.,   I  Facs. 
•Walzel,   Oskar   F.:    Rudolf  Graf  Hoyos. 

(S.  142—147.) 
♦Schölermann,    W.:    Rudolf  C.    Huber, 

Maler.    (S.  268—274.) 
Geiger,     Ludwig:    Aus    Therese    Hubers 
Herzenslebcn.    (Westermanns  Illustr.  Deut- 
sche Monatshefte.  81.  Bd.  8.  S.  623— 642, 
7x4 — 725  m.  Bildn.  u.  Abb.) 
Gedan,   Paul:    Johann  Christian  Hiittner. 
Ein  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Geographie.    (Mit- 
teilungen d.  Ver.  f.  Erdkunde  zu  Leipzig. 
8.    S.  1—37.) 
Zur  Erinnerung    an    die   Feier  des    2  5  jähr. 
Jubiläums  des  Herrn  Pfarrer  H.Hugendubel 
an  der  Nydeckkirche  in  Bern.     Sonntags 
u.  Montags,  d.   14.  u.  15.  II.  1897.     Bern: 
K.  J.  Wyss.    8.    39  S.  m.  Bildn. 
•Conze:    Carl  Humann.    (S.  369 — 377.) 
Dr.  Martin  Luthers  Freundschaft  mit  Ulrich 

von  Hütten  s.  Luther. 
Roth,  F.  W.  E.:  Johann  Huttich.    (Eupho- 

rion.    4.  Bd.    8.    S.  772—789.) 
Hartst  ein,  Rudolf:  Friedrich  Ludwig  Jahn's 
Staatsexamen.     Ein  Beitrag    zur  Lebens- 
geschichte des  Turnvaters.    (Monatsschrift 
f.  d.  Turnwesen,   16.  Jahrg.  8.  S.  97 — 106, 
196-203.) 
Müller,  Ant. :  Zur  Geschichte  (Wenzel)  Jam- 
nitzers.  (Görres-Gesellschaft.  Historisches 
Jahrbuch.    18.  Bd.    8.    S.  857—863.) 
^Brummer,  Franz:  Franziska  Jarke.  (S.259 

— 260.) 
Spielmann,  C:  Karl  v.  Ibell.  Lebensbild 
e.  deutschen  Staatsmanns.  1780 — 1834.  Mit 
zahlr.  urkundl.  u.  briefl.  Beilagen,  i  Stamm- 
taf. u.  I  Bildn.  in  Heliograv.  Wiesbaden: 
C.  W.  Kreidel.  8.  XI,  271  S. 
Jehle,  Frdr.,  Stadtpfr.:  Antnttspredigt  — 
m.  Lebenslauf  —  in  der  Friedenskirche  zu 
Stuttgart  geh.  Stuttgart:  Evangel.  Gesellsch. 
8.    16  S. 


Biographische  Bibliographie. 


21 


Sander,  Herrn.:  Zur  Erinnerung  an  Jakob 
Jehly.    Innsbruck:  Wagner.    8.    31  S. 

Riedhauser,  J.  R. :  Georg  Jenatsch.  Bio- 
graphische Skizze  mit  einem  Anhang: 
Historische  Gedichte.  Zum  300 jähr.  Ge- 
burtstag desselben.  Davos:  H.  Richter. 
8.    62  S. 

Fulda,  Ludwig:  Wilhelm  Jensen  als  Lyri- 
ker. Zu  seinem  60.  Geburtstag.  (Sonntags- 
bcil.  No.  7  z.  Voss.  Zeitung.) 

Jacobowski,  Ludwig:  Wilhelm  Jensen. 
(Das  Magazin  f.  Literatur.  66.  Jahrg.  4. 
Sp.  161 — 164.) 

Sosnosky,  Theodor  von:  Wilhelm  Jensen. 
(Blätter  f.  literar.  Unterhaltung.  Jahrg.  1897, 
I.   4.    S.  97 — 100.) 

Frisch,  Franz:  Asmus  Christian  Jessen. 
(Biographien  Österreich.  Schulmänner.  Hrsg. 
V.  F.  Frisch.  Wien:  A.  Pichler's  Wwe  & 
Sohn.    8.    S.  187 — 195.) 

♦Brummer,  Franz:  Albert  Ilg,  Kunstschrift- 
steller.    (S.  417 — 418.) 

Meyer,  Richard  M.:  Karl  Immermann. 
(R.  M.Meyer:  Deutsche  Charaktere.  Ber- 
lin: E.  Hofmann  &  C.    8.    S.  120—127.) 

Minor,  J.:  Epilog  zum  Jubiläum  Immer- 
manns. (Das  Magazin  f.  Literatur.  66. 
Jahrg.    4.    Sp.  759—761.) 

W.  H.  Jobelmann,  geboren  am  3.  Oktober 
1800,  gestorben  am  14.  August  1878.  (W. 
H.  Jobelmann  u.  W.  Wittpenning:  Ge- 
schichte der  Stadt  Stade.  Neubearb.  v.  M. 
Bahrfeldt.  Stade:  Dr.  v.  A.  Pockwitz.  8. 
S.  XI-XII.) 

Kuhlmann:  Jobstharde,  der  »Tersteegen 
Ravensbergs«.  (Ein  Bauersmann  nach  dem 
Herzen  Gottes.)  (Zeugen  und  Zeugnisse 
aus  d.  christl.-kirchl.  Leben  von  Minden- 
Ravensberg  im  18.  u.  19.  Jahrh.  2.  Heft. 
Gadderbaum  b.  Bielefeld:  Anst.  Bethel. 
8.    S.  5-17.) 

Baumgarten,  Hermann,  u.  Ludwig  Jolly: 
Staatsminister  (Julius)  Jolly.  Ein  Lebens- 
bild. Tübingen:  H.  Laupp.  8.  VII, 
294  S. 

Brandes,  Wilhelm:  Aus  den  Aufzeichnungen 
des  Staatsministers  Jolly.  (Die  Gegenwart. 
52.  Bd.    4.    S.  38—41.) 

Klag  es,  Ludwig:  Wilhelm  Jordan.  (Die 
Gegenwart.    51.  Bd.    4.    S.  68 — 71.) 

ßright,  J.  Frank:  Josef  11.  London: 
Macmillan  &  C  8.  222  S.  [Foreign  States- 
men.] 

Magnette,  F.:  Joseph  II.  et  la  liberte  de 
l'Escaut  La  France  et  l'Europe.  Brüssel : 
Lebcgue  &  C.  II,  254  S.  [Bd.  55  der 
Schriften  der  kgl.  belg.  Akademie.] 

Erinnerung  an  Gottfried  Ischer,  Pfarrer  in 
Mett  1832 — 1896.  Der  Kirchgemeinde  Mett 
gewidmet  v.  einigen  Freunden.  Biel:  (E. 
Kuhn).    8.    16  S.  m.  Bildn. 


^Schlenther,  Paul:  Marie  Kahle  geb. 
Kessler.     (S.  294 — 296.) 

Ilwof,  Frz.:  Franz  Freiherr  v.  Kalchberg 
(1807— 1890).  Sein  Leben  und  Wirken 
im  Ständewesen  der  Steiermark  und  im 
Dienste  des  Staates.  Graz :  U.  Moser.  8. 
72  S. 

V.  Danckelmann,  Eberhard  Frhr:  Kant 
als  Mystiker?!  Eine  Studie.  Leipzig:  H. 
Haacke.    8.    24  S. 

K  atz  er:  Kants  Bedeutung  f.  d.  Protestan- 
tismus. Leipzig:  J.  C.  B.  Mohr.  8.  50  S. 
[Hefte  z.  Chrisüichen  Welt.    30.] 

Kronenberg,  M.:  Kant.  Sein  Leben  und 
seine  Lehre.  Manchen :  C.  H.  Beck.  8.  VII, 
312  S. 

L am p recht,  K.:  Kant  s.  Herder. 

•Wolkenhauer,  W. :  Dr.  Ernst  Kapp. 
(S.  368.) 

Wehrmann,  M.:  Kaiser  Karl  IV.  in  seinen 
Beziehungen  zu  Pommern.  (Monatsblätter. 
Hrsg.  V.  d.  Ges.  f.  Pommersche  Gesch.  u. 
Alterthumskunde.  11.  Jahrg.  8.  S.  113 — 
121,  130-139,   152—157.) 

Karl  V.  und  die  Fugger.  (Die  Grenzboten. 
56.  Jahrg.    L    8.    S.  520—526.) 

Fitte,  Siegfried:  Kaiser  Karl  VIL  (Sonn- 
tagsbeil. No.  32  z.  Voss.  Zeitung.) 

Aus  dem  Leben  König  Karls  von  Ru- 
mänien. Aufzeichnungen  eines  Augen- 
zeugen.   3.  Bd.    Stuttgart:   J.  G.  Cotta,    8. 

IV,  502  S. 

Loserth,  J.:  Erzherzog  Karl  II.  und  die 
Frage  der  Errichtung  e.  Klosterrathes  f. 
Innerösterreich.  Nach  d.  Acten  d.  Steier- 
mark. Landesarchivs.  [Aus:  Archiv  für 
österr.  Gesch.]  Wien :  C.  Gerold's  Sohn  i. 
K.    8.    97  S. 

Wastler,  Josef:  Erzherzog  Karl  (II,  Herzog 

V.  Steiermark).  (J.  Wastler:  Das  Kunst- 
leben am  Hofe  zu  Graz  unter  den  Her- 
zogen von  Steiermark,  den  Erzherzogen 
Karl  und  Ferdinand.  Graz :  Selbstv. ;  Univ.- 
Buchdr.  »Styria^r.    8.    S.  15 — 90.) 

Baurath  Fr.  Katz  f-  (Centralblatt  d.  Bau- 
verwaltung.    17.  Jahrg.    4.    S.  272.) 

•Posner:  August  Kekule,  Chemiker.  (S.412 
-414.) 

Eine  Selbstbiographie  Gottfried  Kellers  aus 
dem  Jahre  1847.  Mit  einem  Brief  an 
Staatsarchivar  Gerold  Meyer  von  Knonau. 
Veröffentlicht  von  Baechtold.  (Sonntags- 
blatt des  »Bund«  No.  i.) 

Baechtold,  Jak.:  Gottfried  Keller's  Leben. 
Seine  Briefe  u.  Tagebücher.  3.  (Schluss-) 
Bd.:  1861  — 1890.  Berlin:  W.  Hertz.  8. 
I  Bl.,  671  S. 

Fässler,  Ose:  Drei  Essais.  Gottfried  Kel- 
ler. —  Nikolaus  L  e  n  a  u.  —  Der  Stil.  St. 
Gallen:  Fehr.    8.    III,  66  S. 

Hub  er,  Hans  H.:  Gottfried  Keller  in  seinen 


22 


Biographische  Bibliographie. 


Briefen.  (Die  Gegenwart.  $1.6(1.  4.  S.  i$o 

-155.) 
Kinzel,   Karl:    Gottfried  Keller  und  seine 

Novellen.  (Die  Grenzboten.    56.  Jahrg.    I. 

8.    S.  444— 451,  488—498,  526—542.) 

Necker,  Moritz:  Zur  Beurtheilung  Gottfried 
Keller's.  (Blätter  für  literar.  Unterhaltung. 
Jahrg.  1897,    n.    4.    S.  513—516.) 

Neck  er,  Moritz:  Gottfried  Kellers  Leben. 
(Blätter  für  literar.  Unterhaltung.  Jahrg. 
1897,    I.    4.    S.  241  —  243,  261  —  264.) 

Schott,  Sigmund:  Aus  Gottfried  Kellers 
Leben.  (Beilage  zur  [Münchener]  AUgem. 
Zeitung  No.  81—82.) 

Lebensblätter.  Erinnerungen  aus  der  Schul- 
welt V.  Dr.  L.  Kellner,  weiland  Geh.  Re- 
gierungs-  und  Schulrath.  M.  d.  Bilde  d. 
Vfs.  3.  Aufl.  (Unveränd.  Abdr.  d.  2.,  er- 
gänzten Aufl.)  (Hrsg.  V.  Prof.  Dr.  K.  A.  H. 
Kellner.)  Freiburg  i.  B. :  Herder.  8.  VlI  S., 
2  Bl.,  606  S.,   I  Bildn. 

Leineweber,  H.,  und  A.  Görgen:  Dr. 
Lorenz  Kellner.  Ein  Gedenkbuch  für  seine 
Freunde  undVerchrer.  Heiligenstadt  (Eichs- 
feld): F.  W.  Cordier.     8.     VIII,   330  S., 

1  Bl.,  2  Bildn.,  2  Taf. 

Kümmel,  Konrad :  Eugen  Keppler  f.  (Ar- 
chiv für  christliche  Kunst.  XV.  Jahrg. 
8.    S.  45-49.  59-62.) 

Krau  SS,  Rudolf:  Justinus  Kerner.  (Blätter 
für  literar.  Unterhaltung.    Jahrg.  1897,    IL 

4.  s.  769-772.) 

•Puschmann,  Th.:  Josef  von  Kerschen- 
steiner.   (S.  351—352.) 

V.  Hertling,  Georg  Frhr:  Bischof  Ketteier 
und  die  katholische  Socialpolitik in  Deutsch- 
land. Vortrag.  (Histor.-polit.  Blätter  f.  d. 
kathol.  Deutschland.  120.  Bd.  8.  S.  873— 
900.) 

Hans  Adolph  Klehne,  von  187 1  bis  1883 
Missionar  in  Indien.  Hermannsburg:  Mis- 
sionshandlung. 8.  20  S.  [Kleine  Hcrmanns- 
burger  Missionsschriften.    No  16.] 

Johann  Tobias  Klessling.  [Aus  der  £r- 
weckungszcit  der  bayerischen  Landeskirche. 
II.]  (Allg.  Evangel.-Lutherische  Kirchen- 
zeitung.   30.  Jahrg.    4.    Sp.  31— 35-) 

Jahne,  Heinrich:  Ferdinand  Kindermann 
Ritter  von  Schulstein.  (Biographien  Öster- 
reich. Schulmänner.  Hrsg.  v.  Franz  Frisch. 
Wien :  A.  Pichler's  Wwe  &  Sohn.  8.  S.  30 

-55.) 
Mau:    Rede    zur  Begräbnisfeier   des   Herrn 

Johannes  Kipp.    Kiel:  (Chr.  Donath.)    8. 

2  Bl. 

Der  Fall  des  Professors  v.  Kirchenheim  in 
seiner  Bedeutung  f.  das  badische  Beamten- 
tum u.  die  politischen  Parteien  Badens. 
Pforzheim:  E.  Haug.    8.    32  S. 

[Burg er,  Conrad:]  Herrn  Dr.  Albrecht 
Kirchhoff  zur  Feier  des  70.  Geburtstages 


am  30.  Januar  1897.  Leipzig:  Dr.  t.  Ramm 
&  Seemann.  8.  23  S.,  i  Bildn.  (SA.  aus 
dem  Börsenblatt  f.  d.  Deutschen  Buchhandel 
1897,  No.  24.) 
Münz,  Bernhard :  Friedrich  Kirchner.  (Briefe 
von  und  über  Jakob  Frohschammer.  Hrsg. 
V.  B.  Münz.     Leipzig:    G.  H.  Meyer.     8. 

S.  3>— 41O 

*Pagel:  Moritz  Kirstein,  Arzt  u.  Geh.  Sa- 
nitätsrath.     (S.  154.) 

•Pagel:  Philipp  Jacob  Johann  Leo  Klein, 
Arzt  u.  Geh.  Sanitätsrath.     (S.  154 — 155.) 

Franz  Heinrich  Kleinschmidt.  Ein  Missions- 
leben aus  Süd-Afrika.  3.  Aufl.  Barmen: 
Missionshaus.  8.  68  S.  [Rheinische  Mis- 
sions-Schriften.   No.  81.] 

Minde-Pouet,  Georg:  Heinrich  von  Kleist. 
Seine  Sprache  und  sein  Stil.  Weimar: 
Felber.    8.    VIII,  302  S. 

M  i  n  d  e  -Pouet,  Georg :  Zu  Heinrich  von  Kleist. 
(Euphorion.    4.  Bd.    8.    S.  537—5450 

Sadger,  J.:  Heinrich  von  Kleist.  Eine 
pathologische  Studie.  (Die  Gegenwart 
52.  Bd.    4.    S.  149-153,  169—173.) 

Finanzrath  Otto  Klette  in  Dresden  f.  (Deut- 
sche Bauzeitung.  31.  Jahrg.  4.  S.  571  — 
572.  599—600.) 

Hörn,  D. :  Georg  Klingenberg  und  seine 
Schulgemeinde.  Ein  Bild  aus  d.  niederrhein. 
Schulleben.  Vortrag.  [Aus :  Evang.  Schulbl.] 
Gütersloh :  C.  Bertelsmann.    8.    24  S. 

Aus  Maximilian  Klingers  Leben.  (Die  Grenz- 
boten.   56.  Jahrg.    IV.    8.    S.  29—36.) 

Merian,  Hans:  Max  Klinger.  (Die  Gesell- 
schaft. Jahrg.  1897,  I.  8.  S.  84— 99  m. 
Bildn.) 

Vogel,  Jul.:  Max  Klinger.  [Aus:  Zeitschr. 
f.  bildende  Kunst.].  Leipzig,  Seemann  &  C. 
4.    14  S.  m.  2  Taf. 

Schmidt,  Gg.:  Hans  Kaspar  von  Klitzing 
der  erste  Brandenburgische  General.  Nach 
ungedruckten  Quellen.  M.  3  Abb.  (Der 
Bär.    23.  Jahrg.    4.    S.  558  — 560.) 

Schmalenbach,  Th.:  Der  alte  Valentin 
(d.  i.  Johann  Heinrich  Klöpper).  (Zeugen 
und  Zeugnisse  aus  d.  christl.-kirchl.  Leben 
von  Minden-Ravensberg  im  18.  u.  19.  Jahrb. 

2.  Heft.  Gadderbaum  b.  Bielefeld:  Anst 
Bethel.    8.    S.  95— X07.) 

Schulz,  W.:  Die  Wiege  eines  Geistesheros 
(Fr.  Gottl.  Klopstock).  (Der  Bär.  23.  Jahrg. 
4.    S.  128 -131.) 

Werncke,  Beruh.:  F.  G.  Klopstock.  (F. 
G.  Klopstock:  Ausgewählte  Oden  und  Ele- 
gieen  nebst  einigen  Bruchstücken  aus  d. 
Messias.  M.  erkl.  Anm.  u.  e.  Biographie 
des  Dichters  herausg.  v.  Dr.  B.  Wemeke. 

3.  Aufl.  Paderborn:  F.  Schöningh.  8. 
[Schöninghs  Ausgaben  deutscher  Klassiker. 
Bd.  12.]) 

Verus,  Just.:  Vater  Kneipp,  sein  Leben  u. 


Biographische  Bibliographie. 


23' 


sein  Wirken.  M.  e.  Anh.  über  s.  letzten 
Lebenstage,  die  Beisetzungsfeierlichkeiten 
u.  d.  Zukunft  Wörishofens.  Kempten:  J. 
Kösel.  8.  Ausg.  A.  2.  Aufl.  76  S.m.Bildn. ; 
Aasg.  B.    2.  Aufl.    167  S.  m.  Bildn. 

Sägmüller:  Prof.  Dr.  Franz  Quirin  von  Ko- 
her,  geb.  6.  März  1821,  gest.  25.  Januar 
i^7>  (Archiv  f.  kathol.  Kirchenrecht. 
67.  Bd.;  3.  Folge.  Bd.  i.  8.  S.  417—421.) 

Sägmüller:  Zur  Erinnerung  an  Prof.  Dr. 
Franz  Quirin  von  Kober.  (Theologische 
Quartalschrift.  79.  Jahrg.  8.  S.  569  — 579.) 

Rudolf  Kdgel.  [Rudolf  Kögel,  Emil  Frommel, 
Wilhelm  Baur.  i .]  (Allg.  Evangel.-Lutheri- 
sche  Kirchenzeitung.  30.  Jahrg.  4.  Sp.  237 

—  239.) 

Hoffmann,  P.:  Rudolf  Kögel  als  Dichter. 

(Die  Christi.  Welt.    11.  Jahrg.    4.   Sp.  258 

— 262.) 
•Kohlschmidt:  Rudolph  Kdgel.     (S.  285 

-287.) 
Mayer:  Zum  Gedächtnis  von  Rudolf  Kögel. 

(»Halte  was  du  hast«.   XX.  Jahrg.   8.   S.  20 

—25.) 
S ellin:  August  Köhler.    Nekrolog.    (Neue 

Kirch!.  Zeitschrift.    8.  Jahrg.     8.     S.  273 

—  297.) 

•Poten,  B.:  Karl  Heinrich  Gustav  Köhler, 

König].    Preuss.    Generallieutenant    z.    D. 
(S.  106—107.) 
Edgar  Koenig  f.  (Oesterreichisch-ungarische 
Buchdrucker-Zeitung.  XXV.  Jahrg.  4.  S.459 

—  460.) 

Ho  ff  mann,  Adalbert:  Neues  aus  dem  Le- 
ben von  (Theodor) Körner.  (A. Hoffmann: 
Deutsche  Dichter  im  schlesischen  Gebirge. 
Warmbrunn:  M.  Leipelt.  8.  S.  89—136 
m.  Bildn.) 

Der  Oberkirchenrat  und  Pfarrer  Kötzschke. 
Eine  Darstellung  des  Disziplinarverfahrens 
gegen  Herrn  Pastor  Kötzschke  zu  Sanger- 
hausen. Hrsg.  unter  Mitw.  mehrerer  Mit- 
glieder eines  bes.  Ausschusses  d.  St.  Ulrichs- 
gemeinde zu  Sangerhausen  v.  P.  Scheven. 
Erfurt:  W.  Wellendorf  &  Sohn.    8.    77  S. 

Kornhuber,  Andr. :  Zur  Erinnerung  an 
Josef  Kolbe  (11.  Mai  1825  —  27.  Februar 
1897).  (Zeitschrift  f.  d.  Realschulwesen. 
XXIL  Jahrg.  8.  S.  321—348  m.  Bildn.) 
(Auch  bes.  ersch.) 

Bildhauer  Prof.  Karl  Kopp  f.  (Deutsche 
Bauzeitung.    31.  Jahrg.   4.   S.  128.) 

Daun,  Berthold:  Adam  Kra£ft  und  die 
Künstler  seiner  Zeit.  Ein  Beitrag  zur 
Kunstgeschichte  Nürnbergs.  M.  48  Licht- 
druckbildem  auf  10  Taf.  Berlin :  W.  Hertz. 
8.    I  Bl.,  X,   143  S.,  IG  Taf. 

Daun,  Berthold:  Noch  etwas  über  Adam 
Krafft.  (Repertorium  f.  Kunstwissenschaft. 
20.  Bd.    8.    S.  366—373.) 

Geheimer  Baurath  Theodor  Krancke  +.  (Cen- 


tralblatt  d.  Bauverwaltung.  17.  Jahrg.  4. 
S.  67.) 

Alfred  Krasselt.  (Musikal.  Wochenblatt. 
28.  Jahrg.    4.    S.  362—363  m.  Bildn.) 

Berling,  K.:  Der  Kursächsische  Hofbuch- 
binder Jakob  Krause.  Mit  Unterst,  d. 
Königl.  Ministeriums  d.  Innern.  Dresden : 
W.  Hoffmann.    4.    18  S.,    i  Bl.,    12   Taf. 

Ernst  Kreidolf.    (Der  Kunstwart.    10.  Jahrg. 

4.  S.  123—124.) 

Klinkhardt,  Fr.:  Gerhard  Kremer  gen. 
Mercator.  Ein  Beitrag  zur  Würdigung  des 
Reformators  der  Kartographie.  (Pädagog. 
Blätter  f.  Lehrerbildung  u.  Lehrerbildungs- 
anstalten.    XXVI.  Bd.    8.    S.  63—70.) 

Gymnasialrektor  Dr.  Kreussler  f.  (Allg. 
Evangel .-Lutherische  Kirchenzeitung.  30. 
Jahrg.    4.    Sp.  246 — 249.) 

Noch  eine  Erinnerung  an  f  Professor  Dr. 
Otto  Kreussler.  (Allg.  Evangel.-Luthe- 
rische  Kirchenzeitung.  30.  Jahrg.  4.  Sp.  395 
-396.) 

Geh.  Baurath  Eduard  Kreyssig  f.  (Central- 
blatt     d.    Bauverwaltung.     17.   Jahrg.     4. 

5.  127.) 

Grimm:  Geheimer  Baurath  Kreyssig  f. 
(Deutsche  Bauzeitung.  31.  Jahrg.  4.  S.  164, 

174- 1 750 

Prestel,  J.:  Eduard  Kreyssig,  Stadtbau- 
meister in  Mainz.  (Centralblatt  d.  Bau- 
verwaltung.    17.  Jahrg.    4.    S.  187—188.) 

Eitner,  Rob.:  Adam  Krieger.  (Monats- 
hefte f.  Musik-Gesch.   29.  Jahrg.   8.    S.  45 

—  49,  61—66,  78  —  83,  112— 114.) 
Eitner,    Rob.:    Johann    Philipp    Krieger. 

(Monatshefte    f.   Musik-Gesch.    29.  Jahrg. 
8.    S.  114— 117.) 
•Meyer,  AJexander:  Adolph  Kröber,  demo- 
kratischer Reichstagsabgeordneter.   S.  197 

—  199.) 

Franz  Krolop,  Königl.  preuss.  Kammer-  u. 
Hofopemsänger,  Lehrer  an  d.  Königl. 
Hochschule  f.  Musik.  (Chronik  d.  Königl. 
Akad.  d.  Künste  zu  Berlin.  1896/97.  8.  S.85.) 

Bogler,  W.:  Hartmuth  von  Kronberg. 
Eine  Charakterstudie  aus  der  Reformations- 
zeit. M,  Bildn.  Halle :  Ver.  f.  Reformations- 
gesch. ;  Commv.  v.  M.  Niemeycr.  8.  VI  S., 
I  Bl.,  96  S.,  I  Bildn.  [Schriften  d.  Vereins 
f.  Reformationsgesch.  No  57.] 

Adalbert  Krueger.  (Nekrolog.)  (Deutsche 
Rundschau  f.  Geographie  u.  Statistik. 
19.  Jahrg.  Wien,  Pest,  Leipzig:  A.  Hart- 
leben.   8.    S.  134—135  m.  Bildn.) 

•Dr.  Daniel  Friedrich  Krüger,  ausserordentl. 
Gesandter  u.  bevollmächtigter  Minister 
der  Freien  u.  Hansestädte  in  Berlin.  (S.216.) 

^icdrich  Adolf  Krummacher.  [Bilder  aus 
der  Erweckungsgeschichte  des  religiös- 
kirchlichen Lebens  in  Deutschland  in 
diesem  Jahrhundert.    4.]    (Allg.  Evangel.- 


24' 


Biographische  Bibliographie. 


Lutherische  Kirchenzeitung.   30.  Jahrg.   4. 

Sp.  748-752,   775-778»   79«— 802,   820 

-823.) 
B  e  n  d  i  X  c  n ,  Rudolf:  Friedrich  Adolf  Kinm- 

macher.  (R.  Bendixen:  Bilder  aus  der 
letzten  religiösen  Erweckung  in  Deutsch- 
land. l>eipzig:  Dörffling  &  Franke.  8. 
S.  318—361.) 

*  Ratze],  F.:  Johann  Stanislaus  Kubary, 
Reisender  u.  Ethnograph.  (S.  324—325.) 

(Cari  Frhr)  Kubeck  (v.  Kübau)  u.  Metter- 
nich.  Denkschriften  und  Briefe.  Hrsg. 
V.  Adolf  Beer.  [Denkschriften  d.  kaiserl. 
Akademie  d.  Wissenschaften.  Philos.- 
histor.    Classe.   45.  Bd.    4.    157  S.] 

Kühne,  Käthe,  Miss.-Lehrcrin:  Tagebuch- 
hlätter,  beschrieben  während  der  J.  1891 
bis  1895  in  Südafrika.  2.  Aufl.  Berlin: 
Evang.   Missionsges.    8.    iio  S.    m.  Abb. 

Zum  Ge'dächtnis  an  den  Heimgang  des 
Pfarrers  Kari  Kahlmann,  Hirten  u.  Seel- 
sorgers der  evang.-Iutherischen  Gemeinde 
zu  Werther,  gest.  am  9.  Januar  1897. 
Gadderbaum  b. Bielefeld:  Schriften-Nieder- 
lage d.  Anstalt  Bcthel.    8.    40  S.  einschl. 

1  Bildn. 

♦Potcn,  B.:  Franz  Freiherr  Kuhn  von 
Kuhnenfeld,  K.  u.  K.  Feldzeugmeister. 
(S.   104—106.) 

Kuhlmann:  Karl  Ludwig  Kunsemüller 
und  die  Erweckungszeit  im  Kreise  Lüb- 
becke und  besonders  in  der  Gemeinde 
OMcndorf.  (Zeugen  und  Zeugnisse  aus  d. 
christL-kirchl.  Leben  von  Minden-Ravens- 
berg  im  18.  u.  19.  Jahrh.  2.  Heft.  Gadder- 
baum b.  Bielefeld:  Anst.  Bethel.  8.  S.  36 

-49.) 
Seraphim,   Ernst:    Der    Feldoberst    Klaus 

Kursen  und   seine  Zeit.    Ein  Bild  Esth- 

lands    in    der    ersten    Zeit    schwedischer 

Herrschaft.    Reval:    F.    Kluge.    8.    X  S., 

2  EL,    168   S.,    3  Bl.     [Bibliothek    Liv- 
ländischcr  Geschichte.    Bd.  i.] 

Bienenstein,  Karl:  Isolde  Kurz.  (Die 
Gegenwart.    51.  Bd.    4.    S.  328  —  331.) 

Krau  SS,  Rudolf:  Isolde  Kurz.  (Deutsche 
Rundschau.    92.  Bd.    8.    S.  300 — 303.) 

•K riedjung,  Heinrich:  Josef  Freiherr  von 
Kutschera  -  Eiclilandt.    (S.  131.) 

•Kohlschmidt:  Otto  de  la  Croix,  Dr. 
theol.,  Consistorialpräsident  u.  Oberregie- 
rungsratb.     (S.  441.) 

Websky,  Julius:  Georg  Längin  f.  (Pro- 
testant. Monatshefte,  i.  Jahrg.  8.  S.  419 
— 420.) 

Websky,  J.:  Georg  Längin  f.  (Der  Pro- 
testant.   I.  Jahrg.    4.   Sp.  728 — 730.) 

Meyer,  Richard  M.:  Paul  de  Lagarde.  (R. 
M.  Meyer:  Deutsche  Charaktere.  Berlin: 
E.  Hofmann  &  C.    8.    S.  197  —  212.) 

♦  G  o  1 1  h  e  r ,  W. :  Ludwig  Laistner.    (S.  1 42.) 


^Lame y,  D.:  August  Lamey.  (S.  266—268.) 

•Ferdinand  Freiherr  von  Lamezan,  deut- 
scher Generalkonsul  in  Antwerpen.  (S.  210 
— 211.) 

Rudolf  Lange  und  die  Feier  seines  80.  Ge- 
bnrtsUges.  (M.2Abb.)  (DerBär.  23.Jahr^. 
4.    S.  292 — 294.) 

Aus  dem  Leben  des  Oberforstmeisters  (Jo- 
hann Georg)  von  Langen.  (Deutsche 
Forst-Zeitung.    12.  Bd.    8.    S.  650—652.) 

•Holland,  H.:  Diedrich  Langko,  Land- 
schaftsmaler.   (S.  537-54-) 

Seillierc,  Emest:  Etudes  sur  Ferdinand 
Lassalle,  fondatenr  du  parti  socialiste 
allemand.  Paris:  E.  Plön,  Naurrit  &  C. 
8.    XVI,  398  S.,  I  BL 

Erinnerungen  an  Josef  Frcihcrm  von  Lass- 
berg. (Monatsblätter  f.  deutsche  Literatur- 
gesch.    I.  Jahrg.    8.    S.  258—266.) 

•Hans  Lassen,  Gutsbesitzer,  früherer  preuss. 
Landtagsabgeordneter.   (S.  218.) 

Will,  C.:  Paul  Joseph  Laux.  (Nekrolog.) 
(Verhandlungen  d.  histor.  Vereines  der  Ober- 
pfalz u.  Regensburg.  49.  Bd.  8.  S.  285 — 
287.) 

Funck,  Heinrich:  Lavater  und  Cagliostro. 
(Nord  und  Süd.    83.  Bd.    8.    S.  41— 63.) 

Haug,  Eduard:  Aus  dem  Lavater'schen 
Kreise  s.  Müller,  Job.  Georg. 

Müller,  Gust  Adf:  Aus  Lavaters  Brief- 
tasche. Neues  v.  Johann  Kaspar  Lavater. 
Ungedruckte  Handschriften  nebst  anderen 
Lavater- Erinnergn.  m.  Facsms.  hrsg.  Mün- 
chen: Seitz  &  Schauer.   8.   81   S. 

Norden,  J.:  Ein  neuer  Farbensymboliker 
(Melchior  Lechter).  (Beilage  z.  Baltischen 
Monatsschrift,   Bd.  44.   8.    S.  25—33.) 

Schur,  Ernst:  Melchior  Lechter.  (Ausstel- 
lung im  Salon  Gurlitt  in  Berlin.)  (Die 
Gesellschaft  Jahrg.  1897,   L    8.    S.  375— 

390.) 

V  a  h  1  e  n :  Leibnitz  als  Schriftsteller.  (Sitzungs- 
berichte der  Königl.  Preuss.  Akad.  d.  Wiss. 
zu  Berlin.  Jahrg.  1897.  II.  8.  S.  687— 701.) 

Diakonissin  Martha  Leistert  (1866 — 1897). 
(Der  Armen-  u.  Kranken-Freund.  49.  Jahrg. 
8.    S.  131  f.) 

Storck,  Karl:  Otto  v.  Leixner.  Eine  Stu- 
die. Beriin:  Schall  &  Grund.  8.  72  S., 
I  Bildn. 

Fässler,  Ose:  Nikolaus  Lenau  s.  Keller. 

Wein  rieh,  O.  F.:  Lenau's  Geburtsort.  (Die 
Gegenwart.  52.  Bd.   4.    S.  75 — 77.) 

Franz  von  Lenbach  als  Erzieher.  Zum  60.  Ge- 
burtstag. Von  Ernst  v.  der  Isar.  (Die 
Kunst-Halle.    II.  Jahrg.    4.    S.  83—84.) 

An  wand,  O.:  Beiträge  zum  Studium  der 
Gedichte  von  J.  M.  R.  Lenz.  München: 
(K.  Schüler.)   8.    118  S. 

Meyer,  Richard  M.:  Jakob  Michael  Rein- 
hold Lenz.    (R.  M.  Meyer:  Deutsche  Cha- 


Biographische  Bibliographie. 


25 


* 


raktere.   Berlin:  E.  Hofraann.   8.  S.  X05 — 

"3) 

*ßraminer,  Franz:  Ludwig  Lenz.  (S.  253.) 

Tito:  Reinhold  Lepsius.  (Preussische  Jahr- 
bücher.   90.  Bd.    8.    S.  524 — 527.) 

Braun,  Jul.  W. :  Lessing im  Urtheile  seiner 
Zeitgenossen.  3.  Bd.  Berlin:  F.  Stahn.  8. 
XI,  178  S. 

August  Wilhelm  Leu.  (Chronik  d.  Königl. 
Akad.  d.  Künste  zu  Berlin.  1896/97.  8. 
S.  85—87.) 

Ernst,  Adf  Wilh.:  Neue  Beiträge  zu  Hein- 
rich Leuthold's  Dichterportrait.  M.  49  Orig.- 
Uebersetzgrn.  u.  m.  literarhistor.  Aufsätzen 
Leutholds.  Hamburg:  C.  Kloss.  8.  III, 
126  S.) 

KUus,  B.:  (Gottlob)  Emanuel  Leutze.  (B. 
Klaus:  Gmünder  Künstler.  IL  16.  in: 
Württembergische  Vierteljahrsheftc  f.  Lan- 
desgeschichte. N.  F.  V.  Jahrg.  8.  S.  323 
-326.) 

*  Wolkenhauer,    W.:    Rudolf  Leuzinger, 

Schweizer  Lithograph   u.  Kartograph.  (S. 

369.) 

*  Meyer  Levy,  Justizrath,  Rechtsanwalt  und 

Notar.   (S.  218—219.) 

Lewaldy  Fanny:  Lebenserinnerungen.  I — III. 
(Westermanns  Ulustr.  Deutsche  Monats- 
hefte. 82.  Bd.  8.  S.  440—454,  616—631, 
702—726.) 

♦Pagel:  Georg  Richard  Lewin,  Arzt,  Pro- 
fessor d.  Hautkrankheiten.  (S.  155 — 156.) 

*Dr.  Otto  Fr.  Maximilian  von  Liebeherr, 
Vizekanzler  der  Universität  Rostock.  (S. 
217.) 

Walle,  Peter:  Geheimrath  Professor  Wil- 
helm Liebenow  f.  M.  Portr.  (Der  Bär. 
23.  Jahrg.    4.    S.  487.) 

Norden,  J.:  Max  Liebermann.  (Beilage  z. 
Baltischen  Monatsschrift.  Bd.  44.  8.  S.  291 
—300.) 

*Friedjttng,  Heinrich:  Georg  Lienbacher, 
Österreich.  Abgeordneter.   (S.  347 — 350.) 

Binder,  Franz:  Erinnerungen  an  Emilic 
Linder  (i  797 — 1 867).  Zum  Säculargedächt- 
niss  ihrer  Geburt.  München:  J.  J.  Lentner. 
8.   2  BL,  96  S.,  I  Bl. 

Frisch,  Franz:  Dr.  Gustav  Adolf  Lindner. 
(Biographien  Österreich.  Schulmänner.  Hrsg. 
V.  F.  Frisch.  Wien:  A.  Pichler's  Wwe  & 
Sohn.    8.    S.  240 — 248.) 

Graf  Ernst  zur  Lippe -Biesterfeld,  der 
gegenwärtige  Regent  und  demnächstige 
Thronfolger  im  Fürstenthum  Lippe.  M. 
3  Abb.  (Der  Bär.  23.  Jahrg.  4.  S.  519 
--521.) 

•Frieda  Freifrau  von  Lipperheide.    (S.  137 

Les<>ing,  J.:  Frieda  von  Lipperheide.    M. 
Portr.    (Der  Bär.    23.  Jahrg.   4.    S.  499 — 
502.)    (Der  »Modenwclt«  entn.) 


Zur  Erinnerung  an  Friedrich  List.  (Archiv 
für  Post  und  Telegraphie.  Beihefte  zum 
Amtsblatt  des  Rcichs-Postamts.  25.  Jahrg. 
8.    S.  28—30.) 

Solinger,  Rudolf:  Friedrich  List,  (f  30. 
November  1846.)  Sein  Stil.  (Zeitschr. 
für  deutsche  Sprache.  10.  Jahrg.  8.  S. 
383-388.) 

Zum  fünfzigjährigen  Dienstjubiläum  des  Ge- 
neralobersten der  Kavallerie  Frhrn.  v.  Loe. 
(Militär- Wochenblatt.  82.  Jahrg.  i.  Bd. 
4.    Sp.  965-972,  983,   1015.) 

Stenglcin:  Reichsgerichtsrat  a.  D.  Oskar 
Loebell  f.  (Deutsche  Juristen -Zeitung. 
II.  Jahrg.    4.    S.  99.) 

Bauer:  Elbstrombaudirector  Geh.  Baurath 
Jakob  Loenartz  f.  (Centralblatt  der  Bau- 
verwaltung.  17.  Jahrg.  4.  S.  516.) 

Niggli,  A.:  Karl  Löwe,  der  Meister  der 
Ballade.  Ein  Gedcnkblatt  zur  100.  Wieder- 
kehr seines  Geburtstages,  30.  XL  1896. 
Zürich:  Fäsi  &  Beer.  4.  31  S.  m.  i  Bildn. 
[85.  Neujahrsblatt  d.  allg.  Musik -Ges.  in 
Zürich  auf  d.  J.  1897.] 

Zitelmann,  K.:  Karl  Löwe  s.  Schubert 
Franz.  * 

Beck,  Fritz:  Hartmann  Samuel  Hoffmann 
von  Löwenfeld  s.  Hoffmann. 

Lang,  W.:  Rudolf  Lohbauer.  (Württem- 
bergische Vierteljahrshefte  für  Landes- 
geschichte. N.  F.  V.  Jahrg.  8.  S.  149 — 
188.) 

*Pagel:  Emil  Lommer,  Generalarzt  I.  Kl. 
u.  Korpsarzt  des  IV.  Armeekorps.  (S.  156.) 

*Otto  Ferdinand  Lorenz,  Königl.  preuss. 
Oberbaudirektor  u.  vortr.  Rath  im  Mini- 
sterium  d.  Öffentl.  Arbeiten.    (S.  217.) 

Lorm,  Hieronymus:  Persönliche  Eindrücke. 
(Die  Gegenwart.   52.  Bd.   4.   S.  390— 393.) 

Hertling,  Georg  Frhr  v. :  Zur  Erinnerung 
an  Karl  August  Lossen.  Rede,  gehalten 
zur  Eröffnung  der  17.  Generalversamm- 
lung der  Görres  -  Gesellschaft  in  Fulda 
am  2.  October  1895.  (G.  Frhr.  v.  Hert- 
ling: Kleine  Schriften  zur  Zeitgeschichte 
und  Politik.  Freiburg:  B.  Herder.  8.  S. 
550-561.) 

Brandes,  Wilhelm:  Ein  Professor  und  Jour- 
nalist (Ferdinand Lotheissen).  (Die  Gegen- 
wart.   51.  Bd.    4.    S.  75— 76.) 

Kirstein,  A.:  Hermann  Rudolf  Lotze,  ein 
Repräsentant  der  modernen  deutschen 
Philosophie.  (Der  Katholik.  77.  Jahrg.  II. 
8.    S.  289—308.) 

Kronenberg,  Moritz:  Zum  Gedächtnisse 
Lotzes.  (Geboren  am  21.  Mai  181 7.)  (Sonn- 
tagsbcil.  No.  21z.  Voss.  Zeitung.) 

•Brummer,  Franz:  Franz  Ludorff.  (S.  248.) 

Hertling,  Georg  Frhr  v.:  Gedächtnissrede 
auf  König  Ludwig  L,  gehalten  bei  der 
Centenarfeier  im  Jahre   1888  im   katholi- 


26* 


Biographische  Bibliographie. 


sehen  Casino  ru  München.  (G.  Frhr. 
V.  Hertling:  Kleine  Schriften  zur  Zeit- 
geschichte und  Politik.  Freiburg  i.  B.: 
Herder.    8.    S.  492 — 520.) 

Beyer,  C:  Ludwig  U.,  König  von  Bayern. 
Ein  Charakterbild  nach  Mitteilungen  hoch- 
stehender und  bekannter  Persönlichkeiten 
und  nach  anderen  authentischen  Quellen. 
Des  Königs  Aufenthalt  am  Vierwaldstätter- 
see  und  sein  Verkehr  mit  Josef  Kainz. 
Mit  Portr.  Ludwigs  II.  in  Lichtdruck  u. 
29  weiteren  Illustrationen.  3.  Aufl.  Leipzig: 
G.  Fock.   8.    176  S.,  I  Bildn. 

Forster,  J.  M.:  Prinz  Ludwig  von  Bayern. 
Biographie  und  Reden  Sr.  Königl.  Hoheit 
des  Prinzen  Ludwig  von  Bayern.  2.  verra. 
AuH.  München:  E.Pohl.  8.  122  S.,  i  Bl, 
I  Bildn. 

Knille,  Otto:  Zur  Erinnerung  an  Heinrich 
Ludwig.  (Die  Gegenwart.  52.  Bd.  4.  S.  185 
-187.) 

Prof.  Dr.  Karl  von  Lützow  f.  (Deutsche 
Bauzeitung.    31.  Jahrg.    4.    S.  216.) 

Karl  V.  Lützow,  Prof.  d.  Kunstgesch.  zu 
Wien,  f.  (Ccntralblatt  d.  Bauverwaltung. 
17.  Jahrg.   4.   S.  196.) 

Schmid,  M.:  C.  von  Lutzow  f.  (Das  Ma- 
gazin f.  Littcratur.   66.  Jahrg.   4.   Sp.  548 

—549) 
B  a  i  1 1  e  u ,  Paul :  Aus  der  Brautzeit  der  Königin 

Luise.  (Hohenzollern- Jahrbuch,  i.  Jahrg. 
4.   S.  187—195.) 

Fclseneck,  Marie  v.,  (Maria  Mancke):  Kö- 
nigin Luise.  Ein  Lebensbild,  nach  authent. 
Quellen  bearb.  Berlin:  A.  Wcichcrt.  8. 
160  S.  m.  Bildern. 

Geyer,  Otto:  Königin  Luise.  Ein  Lebens- 
bild.  Leipzig:  P.  Beyer.    8.   32  S. 

Röchling,  Carl,  u.  W.  Friedrich:  Die 
Königin  Luise  (▼.  Preussen)  in  50  (färb.) 
Bildern.  12.  bis  18.  Taus.  Berlin:  P.  Kittel 
Nachf.    qu.  4. 

Heidenstam,  O.G.:  Une  soeur  du  Grand 
Frederic.  Louise-Ulrique  Reine  de  Suede. 
Avec  une  introduction  de  M.  Rene  Millct, 
Ancien  Ministre  de  France  a  Stockholm. 
Portr.  en  heliogr.  Paris:  E.  Plön,  Nourrit 
&  C.   8.    3  Bl.,  VIII,  472  S.,  I  Bildn. 

Frisch,  Franz:  Dr.  Josef  Lukas.  (Biogra- 
phien Österreich.  Schulmänner.  Hrsg.  v. 
F.  Frisch.  Wien:  A.  Pichler's  Wwe  &  Sohn. 
8.    S.  281  —  287.) 

Dr.  Martin  Luthers  Freundschaft  mit  Ulrich 
von  Hütten.    (Der  Katholik.    77.  Jahrg. 

IL    8.   8.  325—3350 
Böhtlingk,  Arth.:    Doctor  Martin  Luther 

und    Ignaz    v.  Loyola.      Eine    gcschichtl. 

Parallele.     Heidelberg:      J.    Hörning.     8. 

48  S. 
Ehrecke,  G.:  Dr.  Martin  Luther  und  seine 

Käthe.  Ein  Familienbild  f.  alle  Volkskrcise. 


Cöthen:  Schriftenniederl.  d.  evangel.  Ver- 
einshauses.  8.    30  S. 

Ehwald,  R.:  Luther  s.  Melanchthon. 

Enders:  War  Luther  am  24.  Februar  1539 
in  Grimma?  (Theolog.  Studien  u.  Kritiken. 
70.  Jahrg.   8.  S.  641 — 667.) 

Everling:  Luther  und  Bismarck,  zwei 
deutsche  Männer.  Festrede,  geh.  am  8.  Nov. 
1896  beim  Lutherfest  des  Evang.  Bürger- 
Vereins  im  grossen  Saale  d.  Stadthallc. 
(Pfarrer  Lic.  Everling:  Vaterländisches  u. 
Evangelisches  aus  Crefeld.  Crefeld:  Dr. 
V.  Kramer  &  Baum.   8.    S.  5  —  16.) 

Fauth,  Franz:  Dr.  Martin  Luthers  Leben, 
dem  deutschen  Volke  erzählt.  Mit  25  Ori- 
ginal-Abb.  v.  Eduard  Kaempffer.  Leipzig: 
G.  Freytag.   8.   4  Bl.,  228  S. 

Hausrath,  Adolf:  Alexander  und  Luther 
auf  dem  Reichstage  zu  Worms.  E.  Beitrag 
zur  Reformationsgeschichte.  Berlin:  G. 
Grote.   8.   4  Bl.,  392  S. 

Kawerau,  G.:  Luther  s.  Melanchthon. 

K  ö  s  1 1  i  n ,  J. :  Zur  Frage  über  Luthers  Grab. 
(Theolog.  Studien  u.  Kritiken.  70.  Jahrg. 
8.    S.  192 — 194.) 

Kuhn,  F.:  Les  recentes  polemiques  sur  la 
mort  de  Luther  (18.  fevr.  1546).  (Soc. 
de  l'hist.  du  protestantisme  frang.  Bulle- 
tin histor.  et  litter.   46.  T.   8.  S.  57— 7 1) 

Kuhn,  Felix:  Luther  s.  Melanchthon. 

Lenz,  Max:  Martin  Luther.  Festschrift  der 
Stadt  Berlin  zum  la  November  1883.  M. 
e.  Titelbildc.  3.  verb.  Aufl.  Berlin:  R. 
Gaertner.    8.    2  Bl.,  224  S.,  i  Bildn. 

Lorrenz,  L.  B.:  La  fin  de  Luther  d'aprcs 
les  dernieres  recherches  historiques.  3.  ed., 
revue  et  considcrablement  augmentee. 
Paris:  V.  Retaux  &  f.;  Bruxelles:  Soc.  beige 
de  librairic.    8.   VII,  210  S.,  i  Bildn. 

Ruete,  H.:  Martin  Luther  als  Reformator 
des  religiösen,  geistigen,  bürgerlichen  und 
nationalen  Lebens  unseres  Volkes.  (Schul- 
blatt f.  d.  Prov.  Brandenburg.  Jahrg.  61. 
62.    8.    61  (1896):   S.  61—78,  244—260; 

62  (1897):  S.  8—18,  134— 150O 
Ruete,  H. :  Luther  s.  Melanchthon. 
Schäfer,    Ernst:   Luther  als  Kirchenhisto- 
riker.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Wis- 
senschaft.   Gütersloh:   C.  Bertelsmann.  8. 
VIU,  515  S. 
Schott,  Th.:  Luther  und  Melanchthon, 
ein  deutsches  evangelisches  Freundespaar. 
Zum  16.  Febr.  1897.   (Daheim.    33.  Jahrg. 

4.  s.  314—318,  331—334.) 

Schubert,  H.  v.:  Was  Luther  ins  Kloster 
hinein-  u.  wieder  hinausgeführt  hat.  Halle: 
M.  Nicmeyer  i.  Komm.  8.  27  S.  [Schrif- 
ten f.  d.  deutsche  Volk.   H.  30.] 

Solle,  R.  W. :  Reformation  u.  Revolution. 
Der  deutsche  Bauernkrieg  u.  Luthers  Stel- 
lung in  demselben.    Halle:  M.  Niemeyer  i. 


Biographische  Bibliographie. 


27 


» 


Komm.  S.  82  S.  [Schriften  f.  d.  deutsche 
Volk.   H.  31/32.] 

Tark,  G.:  Luthers  Romfahrt  in  ihrer  Be- 
deutung für  seine  innere  Entwicklung. 
Mich.-ProgT.  d.  Fürsten-  u.  Landesschule 
St.  Afra  in  Meissen.  Meissen :  gedr.  b.  C. 
E.  Kinkicht  &  Sohn.   4.   39  S. 

Ziegler,  Theob.:  Luther  s.Melanchthon. 

Luthmer,  Konr. :  Die  Geschichte  meiner  Er- 
blindung. I.  u.  2.  Taus.  Heidelberg:  J. 
Hörning  i.  Komm.    8.   II,  106  S. 

Bliedner,  A.:  Karl  Magers  philosophische 
Entwicklung.  (Zeitschr.  f.  Philosophie  u. 
Pädagogik.    IV.  Jahrg.    8.   S.  423 — 446.) 

Nodnagel,  Ernst  Otto:  Gustav  Mahler. 
(Musikal. Wochenblatt.  28.  Jahrg.  4.  S.526 
—527,  544— S45»  562—563  m.  Bildn.) 

Rubinstein,  Susanna:  Ein  Dichter-Philo- 
soph (Philipp  Mainländer,  recte  Batz). 
(Das  Magazin  f.  Litteratur.  66.  Jahrg.  4. 
Sp.  818—820.) 

Meyer,  Justizrat:  Justizrat  Hermann  Ma- 
kower  f.  (Deutsche  Juristen -Zeitung. 
II.  Jahrg.   4.   S.  162.) 

Theobert  Maler.  (Deutsche  Rundschau  f. 
Geographie  u.  Statistik.  19.  Jahrg.  8.  S.  85 
—88  m.  Bildn.) 

Hertling,  Georg  Frhr.  v.:  Hermann  von 
MalUnckrodt.  (1893.)  (G.  Frhr.  v.  Hert- 
ling:  Kleine  Schriften  zur  Zeitgeschichte 
und  Politik.  Freiburg  i.  B.:  Herder.  8. 
S.  223—247.) 

♦Wcech  ,  F.  V.:  Jacob  Maisch,  Oberbürger- 
meister von  Karlsruhe.    (S.  396—398.) 

Ahn,  Friedrich:  Johann  Mannel,  Laibachs 
erster  Buchdrucker  (1575 — 1580).  (Archiv 
f.  Geschichte  d.  Deutschen  Buchhandels. 
XIX.   8.    S.  45-53.) 

Thonemann,  C.:  Gräfin  Agnes  vonMans- 
feld,  die  »schöne  Mansfelderin«.  (Mans- 
felder  Blätter.  Mittheilungen  d.  Ver.  f. 
Gesch.  u.  AlterthUroer  d.  Grafschaft  Mans- 
feld  zu  Eisleben.  11.  Jahrg.  8.  S.  122 — 
126.) 

Doniel,  Henri:  M.  Thiers,  le  Comte  de 
St.-Vailier,  le  general  de  Manteuffel.  La 
liberation  du  tcrritoire  1871  — 1873.  ^o- 
cuments  inedits.  Paris :  Colin  &  C.  8.  XVI, 
452  S. 

Tagebuch  des  Grafen  Gotthard  ManteufTel, 
geführt  während  seiner  Reise  aus  Livland 
nach  Deutschland  im  Jahre  1783.  Hrsg. 
v.  G.  Wrangell.  (Beilage  zur  Baltischen 
Monatsschrift.    Bd.  44.    8.    S.  317  —  336.) 

*  Hermann  Manz.    (S.  137.) 

I m ho f,  Franz:  Ludwig  Manzel.  (Die  Kunst- 
Halle.   II.  Jahrg.   4.   S.  68.) 

Jahne,  Heinrich:  Josef  Dionys  Manzer. 
(Biographien  Österreich.  Schulmänner.  Hrsg. 
V.  Franz  Frisch.  Wien :  A.  Pichler's  Wwe. 
&Sohn.   8.   S.  106  ff.) 


Blum,  J.:  Zur  Erinnerung  an  Dr.  med.  Jo- 
hann Michael  Mappes.  (Bericht  d.  Sencken- 
bergischen  naturforsch.  Ges.  in  Frankfurt 
a.  Main.  Frankfurt  a.  M.:  Gebr.  Knauer. 
8.   S.  CXLV— CXLVIII  m.  i  Bildn.) 

W  a  s  1 1  e  r ,  Josef:  Erzherzogin  Maria  (v.  Steier- 
mark). (J.  Wastler:  Das  Kunstleben  am 
Hofe  zu  Graz  unter  den  Herzogen  von 
Steiermark,  den  Erzherzogen  Karl  und 
Ferdinand.  Graz:  Selbst v. ;  Uni v.-Buchdr. 
»Styria«.    8.    S.  91  — iil.) 

B  r  i  g  h  t ,  J.  Frank :  Maria  Theresia.  London : 
Macraillan  &  C.  8.  224  S.  [Foreign  Sta- 
tesmen.] 

Nasemann:  Maria  Theresia.  (Deutscb- 
evangel.  Blätter.  22.  Jahrg.  8.  S.  391  — 
404.) 

Thamhayn,  Willy:  Zur  Lebens-  und  Fa- 
miliengeschichte Fr.  Wilh.  Marpurg's. 
(Monatshefte  f.  Musikgesch.  29.  Jahrg.  8. 
S.  105—112.) 

Heinrich  von  Marquardsen  f.  (Deutsche 
Juristen-Zeitung.    II.  Jahrg.    4.    S.  488.) 

Brausewetter,  Ernst:  Emil  Marriot  s. 
Mataja. 

Wittmann,  Max.  Emil:  Marschner.  Leip- 
zig: Ph.  Reclam  jun.  8.  119  S.  [Musiker- 
Biographien.  20.  Bd.  Üniversal-Bibliothck. 

No.  3677-] 
Brandt,    L.  O.:    Kari  Marx.     (Blätter   für 
literar.  Unterhaltung.     Jahrg.  1897,  II.  4. 

S.  737-739-) 
Lange,   Ernst:    Karl  Marx    als    volkswirt- 
schaftlicher   Theoretiker.      (Jahrbücher  f. 
Nationalökonomie    u.   Statistik.      Bd.   69. 

3.  Folge.    Bd.   14.    8.    S.  540—578.) 
Walcker,   Karl:   Karl  Marx.     Gemeinver- 
ständliche, krit.  Darlegung  seines  Lebens 
u.  seiner  Lehren.     Leipzig:  Rossberg.    8. 
XVII,  43  S. 

Euler,  C:  Hans  Ferdinand  Massmann. 
Zu  seinem  hundertsten  Geburtstage.  (Mo- 
natsschrift f.  d.  Turnwesen.  16.  Jahrg.  8. 
S.  259—265.) 

Euler,  C,  u.  R.  Hartstein:  Hans  Ferdi- 
nand Massmann.  Sein  Leben,  seine  Turn- 
u.  Vaterlandslieder.  Zur  Erinnerung  an  d. 
100.  Geburtstag  hrsg.  M.  5  Abb.  Char- 
lottenburg: R.  Heinrich.    8.    IV,   176  S. 

Hartstein,  Rudolf:  Hans  Ferdinand  Mass- 
mann. Zu  seinem  hundertjährigen  Ge- 
burtstage.   M.  Abb.    (Der  Bär.    23.  Jahrg. 

4.  S.  402 — 403.) 

Brausewetter,  Ernst:  Eine  katholische 
Romandichterin.  Emilie  Mataja  (Emil 
Marriot).  (Das  Magazin  f.  Litteratur. 
66.  Jahrg.    4.    Sp.  952  —  958.) 

Oberbaurath  von  Matheis  in  München. 
(Deutsche  Bauzeitung.  31. Jahrg.  4.  S.  iii.) 

Schanzenbach,  Otto:  Königin  Mathilde 
von  Württemberg  und  die  Ludwigsburger. 


2  8* 


Biographische  Bibliographie. 


Ludwigsburg:  J.  Aigner.  8.  47  S.  [Schan- 
zenbach, O.:  Alt-Ludwigsburg.  [No.  2]]. 

•Schlenther,  Paul:  Cheri  Maurice,  Di- 
rector  des  Thaliatheaters  in  Hamburg. 
(S.  297—302.) 

Lippmann,  Edm.  v.:  Robert  Mayer  und 
das  Gesetz  v.  d.  Erhaltung  d.  Kraft.  Vortr. 
[Aus:  Zs.  f.  Naturwissensch.]  Leipzig:  C. 
E.  M.  Pfeflfer.   8.   36  S. 

♦Brummer,  Franz:  Richard  von  Meer- 
heimb.    (S.  258—259.) 

Baumann,  Franz  Ludwig:  Der  bayerische 
Geschichtsschreiber  Karl  Meichelbeck 
1669 — 1734.  Festrede,  geh.  in  d.  öffentl. 
Sitzung  d.  k.  b.  Akad.  d.  Wiss.  zu  München. 
München :  K.  B.  Akademie.   4.    53  S. 

Oberhof p red iger  D.  Meier.  (Allg.  evangel.- 
lutherische  Kirchenzeitung.  30.  Jahrg.  4. 
Sp.  1014— 1018.) 

♦Eitner,  Rob. :  Ludwig  Siegfried  Meinar- 
dus.  (S.  116— 117.) 

Philipp  Melanchthon.  Zum  16.  Februar  1897. 
(Der  Protestant,  i.  Jahrg.  4.  Sp.  107 — 
109.) 

Philipp  Melanchthon.  16.  Februar  1497. 
(Beiträge  v.  Beyscblag,  Harnack,  Benrath, 
Häring,  Drews,  Herrmann,  v.  Schubert, 
Troeltsch,  Schultz,  Wendt ,  Gottschick, 
Lobstein,  Kawerau,  Brieger,  Köstlin,  Link, 
Ficker,  Weizsäcker,  Loofs,  Kattenbusch, 
Seil,  Ritschi.)  (Die  christl.  Welt.  11.  Jahrg. 

4.  Sp.  121 — 147.) 

Zum  vierhundertjährigen  Geburtstag  Philipp 
Melanchthons.     (Der  Bär.    23.  Jahrg.    4. 

5.  75—79  m.  Bildn.) 

Le  quatricme  centenaire  de  la  naissance  de 
Melanchton.  (Societe  de  l'histoire  du  pro- 
testantisme  fran^ais.  Bulletin  histor.  et 
litter.  46  T.  8.  S.  113 — 117  m.  Bildn.  u. 
Facs.) 

Bacher,  G.  W. :  Philipp  Melanchthon,  der 
Lehrer  Deutschlands.  Karlsruhe:  Evang. 
Schriftenvcrl.    8.    32  S.  m.  Abb. 

Bernhardt:  Philipp  Melanchthon  als  Ma- 
thematiker und  Physiker.  Wittenberg:  P. 
Wunschmann.    8.   VI,  74  S. 

Bey schlag,  Willibald:  Zum  vierhundert- 
jähr.  Geburtstag  Melanchthons.  Festrede 
zu  Halle.  (Deutsch-evang.  Blätter.  22.  Jahrg. 
8.    S.  145  —  160.) 

Bcyschlag,  Willib.:  Philipp  Melanchthon 
und  sein  Antheil  an  der  deutschen  Refor- 
mation. I.  —  3.  Aufl.  Freiburg  i.  B.:  P. 
Waetzel.    8.    III,  82  S.  m.  i   Bildn. 

B  ibl,  Victor:  Melanchthon  und  (Caspar  von) 
Nidbruck.  Aus  d.  Handschriften  der 
k.  k.  Hofbibliothek  in  Wien.  (Jahrbuch 
der  Ges.  f.  d.  Gesch.  d.  Protestantismus 
in  Oesterreich.    18.  Jahrg.    8.    S.  34—47.) 

Blachny,  Frdr.:  Philipp  Melanchthon,  der 
Lehrer    Deutschlands.      Sein    Leben    und 


Wirken,  i.  u.  2.  Aufl.  Dessau.  P.  Bau- 
mann.  8.   48  8.  m.  Abb. 

Blass,  F.:  Melanchthon  als  Humanist  und 
Pädagoge.  (NeueKirchl.  Zeitschr.  8.  Jahrg. 
8.   S.  165  —  194.) 

Bornemann,  W.:  Melanchthon  als  Schul- 
mann. Rede.  Magdeburg:  Creutz.  8.  26  S. 

Braun  (Stuttgart):  Melanchthon.  Festrede. 
(vHalle  was  du  hast«.  XX.  Jahrg.  8.  S.  350 

-356.) 
Brecher,  Ad.:  Melanchthon  in  Berlin.  (Der 

Bär.    23.  Jahrg.    4.    S.  79  —  80  m.  Bildn.) 
Buchwald,    Geo.:    Philipp   Melanchthon. 

Eine  Schilderung  seines  Lebens  u.  Wirkens 

in  Wort  u.  Bild.    7. — 14.  Taus.    Leipzig: 

B.  Richter.    8.    94  S. 
Cohrs,  Ferdinand:    Philipp  Melanchthon, 

Deutschlands  Lehrer.     Halle:  Ver.   f.  Re- 

formationsgesch.     8.    VI  S.,  i  Bl.,  76  S. 

[Schriften    d.  Ver.    f.    Reformationsgcsch. 

No  55.] 

Correvon,  Gh. :  Philippe  Melanchthon.  A 
propos  du  400  e  anniversaire  de  la  naissance 
du  reformateur.  (Le  Chretien  evangclique. 
IV.  Annee.   8.   S.  93 — 102.) 

Dorner,  A.:  Festrede  zur  400jährigen  Ge- 
burtstagsfeier Melanchthons.  Königsberg : 
Hartungsche  Vcrlagsdr.    8.   35  S. 

Ehwald,  R.:  Philippus  Melanchthon  als 
Gelehrter,  Lehrer,  Schulmann  u.  Genosse 
Luthers.  Rede.  Gotha:  F.  A.  Perthes.  8. 
22  S. 

Evers  ,  Georg:  Einige  Kapitel  aus  dem  Le- 
ben Philipp  Melanchthons.  Regensburg: 
Nationale  Verlagsanst.    8.    86  S. 

Fleischmann,  Max:  Zu  Melanchthons 
400.  Geburtstag.  (Die  Gegenwart.  51.  Bd. 
4.  S.  101  — 103.) 

Formey,  Alfr.:  Philipp  Melanchthon.  Fest- 
rede. Wien;  (Leipzig:  Literar.  Anst.,  A. 
Schulze.)    8.   26  S. 

Gustav,  G.:  Melanchthon-Büchlein  für  die 
Jugend.  Zum  400jähr.  Geburtstage  Philipp 
Melanchthons.  Breslau:  G.  Sperber.  8. 
48  S. 

Gutmann,  Karl  A.:  M.  Philipp  Melanch- 
thons Leben  u.  Wirken.  M.  111.  v.  Gco. 
Krämer.  Ansbach:  C.  Brügel  &  Sohn.  8. 
IV,  96  S. 

Hakenberg,  A.:  Philipp  Melanchthon. 
Festrede.  Duisburg:  J.  Ewich.  8.  20  S. 
m.  Bildn. 

Ilaering,  Theodor:  Rede  zum  vierhundert- 
jährigen Geburtstag  Philipp  Melanchthons, 
in  d.  Aula  d.  Tübinger  Universität.  (Zeit- 
schr. f.  Theologie  u.  Kirche.     VII.  Jabr^. 

8.    ^^.  385-397.) 
Harnack,  A.:  Philipp  Melanchthon.  Rede. 

geh.  in  d.  Aula  d.  Königl.  Friedrich-Wil- 

hcIms-Universität    in    Berlin.      Berlin:    J- 

Becker.   4.   22  S. 


Biographische  Bibliographie. 


29 


* 


Harnack,  Adolphe:  Philippe  Melanchthon. 
(Discours  prononce,  le  16  fevrier  1897,  ä 
l'üniversite  de  Berlin,  traduit  de  Tallemand 
p.RenePuaux.)  (Revue  chrcticnne.  3.  Serie. 
6.  T.  8.   S.  161— 177.) 

Hausrath,  Adolf:  Philipp  Melanchthon. 
(Protestant.  Monatshefte.  L  Jahrg.  8.  S.41 

-52.) 
K  a  w  e  ra  u ,  G. :  Melanchthon  neben  Luther. 
Festrede,    geh.    in   d.  Aula    d.    Breslaucr 
Universität.  (Theolog.  Studien  u.  Kritiken. 
70  Jahrg.    8.    S.  668—686.) 
Keferstein,    Horst:    Zur    Erinnerung    an 
Philipp  Melanchthon  als  Praeceptor  Ger- 
maniae.    Langensalza:  H.  Beyer  &  Söhne. 
8.   IV,    51    S.     [Pädagogisches    Magazin. 
H.  91. 
Kirn,  Otto:   Melanchthons   Verdienst    um 
die  Reformation.   Rede,  geh.  in  d.  Pauliner- 
kirche zu  Leipzig.     Leipzig:  DörfFling  & 
Franke.    8.    31   S. 
Klopp,  Onno:  Philipp  Melanchthon  1497 
— 1560.    Erweit.  Abdruck  des  gleichnami- 
gen Aufsatzes  in  d.  Wissenschaft!.  Beil.  d. 
Germania.     Berlin:  Verlag  der  Germania. 
8.    53  S. 
Köstlin  (Giessen):    Zum   Gedächtniss  Me- 
lanchthons.    Festrede  bei  d.  Universitäts- 
feier.   (»Halte  was  du  hast«.    XX.  Jahrg. 
8.    S.  293—303.) 
K  ü  s  s  n  e  r ,  Paul :  Philipp  Melanchthon.    Ein 
kurzes  Lebensbild.  Liegnitz :  Christi.  Schrif- 
ten-Niederl.   8.  46  S. 
Kuhn,  Felix:  Philippe  Melanchthon,  colla- 
borateur  de  Luther.    (Societe  de  l'histoire 
du  protestantisme  frangais.  Bulletin  histori- 
que  et  litteraire.  46.  T.    8.    S.  118 — 136.) 
Lang,  A.:  Melanchthon  und  Calvin.     I — 
IV,  (Reformirte  Kirchen-Zeitung.  20.  Jahrg. 
4.    S.  58  — 60,  67  —  68,   75—78,  81—85, 

89—91.  97—99) 

Ledderhose,  Karl  Friedr.:  Philipp  Me- 
lanchthon« Barmen :  VVupperthalerTraktat- 
Gcs.  8.  102  S.,  5  Taf.  [Barmer  Bücher- 
schatz.  Bd.  I.] 

Lehmann,  Rudolf:  Melanchthon.  Geboren 
den  16.  Februar  1497.  (Sonntagsbeil.  No.  7 
z.  Voss.  Zeitimg.) 

Lenz,  Max:  Philipp  Melanchthon.  (Als 
Vortrag  im  Evangel.  Bunde  zu  Berlin  geh.) 
(Preussische  Jahrbücher.  87.  Bd.  8.  S.  490 
—  502.) 

Lezius,  Fr.:  Zur  Charakteristik  Melanch- 
thons. (Neue  Kirchl.  Zeitschr.  8.  Jahrg. 
8.    S.  101 — 125.) 

Lipsius,  Richard  Adelbert:  Philipp  Me- 
lanchthon. Jenaer  Rosenvorlesung.  1891. 
(R.  A.  Lipsius:  Glauben  und  Wissen.  Aus- 
gew. Vorträge  u.  Aufsätze.  Berlin:  C.  A. 
Schwetschke  &  Sohn.    8.    S.  248 — 274.) 

Loesche,  Georg:  Zu  Melanchthon's  vierter 


Säcularfeier.  Mclanchthon's  Beziehungen  zu 
Oesterreich-Ungarn.  Akademische  Festrede. 
(Jahrbuch  d.  Ges.  f.  d.  Gesch.  d.  Prote- 
stantismus in  Oesterreich.     18.  Jahrg.    8. 

S.  1-330 

Loofs,  Friedrich:  Melanchthon  als  Huma- 
nist und  Reformator.  Festrede,  geh.  in  d. 
Aula  der  Universität  Halle -Wittenberg. 
(Theolog.  Studien  u.  Kritiken.  70.  Jahrg. 
8.   S.  641—667.) 

Moser,  P.:  Philipp  Melanchthon.  (Monats- 
blätter f.  deutsche  Litteraturgesch.  I.  Jahrg. 
8.    S.  200—210.) 

N  e  u  b  e  r  t ,  Karl  Heinr. :  Philippus  Melanch- 
thons Beziehungen  zu  Dresden.  Dresden: 
J.  Naumann.    8.   45  S. 

Osten,  H.  H.  v.:  Philipp  Melanchthon. 
Uebersichtl.  Darstellung  seines  Lebens  u. 
Wirkens.  Uetersen :  N.  W.  J.  Koopmann's 
Semin ar-Buchh.  8.  18  S. 
Tasig,  Jobs:  Philipp  Melanchthon,  der 
Lehrer  Deutschlands.  Ein  Lebensbild. 
Leipzig:  A.  Deichert  Nachf.  8.  40  S.  m. 
Abb. 

Paulus,  N.:  Melanchthon  und  die  Ge- 
wissensfreiheit. I — III.  (Der  Katholik. 
77.  Jahrg.  II.   8.   S.  460—469,  534— 550.) 

Poulsen,  A.  S.:  Philip  Melanchthon  i 
aareti52i.  Etleilighedsskrift  i  firehundred- 
aaret  for  hans  foedsel.  Kjoebenhavn: 
F.  Hegel  &  soen.    8.   35  S. 

Reinhard,  Johannes :  Philipp  Melanchthon. 
(Blätter  f. literar. Unterhaltung.  Jahrg.  1897, 
I.   4.   S.  113— 115.) 

Rinn,  Heinr.:  Melanchthons  Beziehungen 
zu  Hamburg.  Hamburg:  L.  Gräfe  &  Sillem. 
8.    25  S. 

Rogge,  Bernh.:  Melanchthon-Büchlein.  Zur 
400  jähr.  Gedächtnissfeier  des  Geburts- 
tages Philipp  Melanchthons.  Hannover: 
C.  Meyer.    8.   40  S.  m.  Abb. 

Ru  e  t  e ,  H. :  Philipp  Melanchthon,  der  Kampf- 
genosse und  Mitarbeiter  Luthers.  (Schul- 
blatt f.  d.  Prov.  Brandenburg.  62.  Jahrg. 
8.   S.  275—302.) 

Scherer,  Heinrich:  Melanchthons  Leben 
und  seine  Bedeutung  für  die  Schule.  Biele- 
feld: A.  Helmich.  8.  II  S.  [Pädagog.  Ab- 
handlungen. H.  33.] 

Seeberg,  R.:  Melanchthons  Stellung  in 
der  Geschichte  des  Dogmas  und  der  Dog- 
matik.  (Neue  Kirchl.  Zeitschr.  8.  Jahrg.  8. 
S.  126—164.) 

Seeberg,  Rhold.:  Die  Stellung  Melanch- 
thons in  der  Geschichte  der  Kirche  und 
der  Wissenschaft,  Festrede  an  der  k.  b. 
Univers.  Erlangen.  2.  durchges.  Ausg. 
Erlangen:  F.  Junge.   8.   42  S. 

Seil,  Karl:  Philipp  Melanchthon,  der  Lehr- 
meister des  protestantischen  Deutschland. 
Rede  in  der  Aula  d.  Universität  zu  Bonn. 


30 


Biographische  Bibliographie. 


Freiburg  i.  B.  u.  Leipzig:  J.  C.  B.  Mohr. 
8.  31  S. 

Seil,  Karl:  Philipp  Melanchthon  und  die 
deutsche  Reformation  bis  1531.  Halle: 
Ver.  f.  Rcformationsgcsch.  8.  IV,  126  S., 
I  Bl.  [Schriften  d.  Ver.  f.  Reformations- 
gesch.    No  56.] 

Simon:  Philipp  Melanchthon.  (Reformirte 
Kirchen-Zeitung.  20.  Jahrg.  4.  S.  50 — 53.) 

Simons,  [Eduard]:  Melanchthon  in  Bonn. 
Vortrag.  Bonn:  Röhrscheid  &  Ebbecke. 
8.   28  S. 

S  i  n  t  e  n  i  s ,  F. :  Philippus  Melanchthon,  Prae- 
ceptor  Germaniae.  (Baltische  Monatsschr. 
39.  Jahrg.     Bd.  44.  8.  S.   179  —  199.) 

Spanuth-Pöhlde:  Philipp  Melanchthon  und 
seine  Wirksamkeit  in  der  Reformation. 
Stuttgart:  Ch.  Belser.  8.  52  S.  [Zeitfragen 
d.  Christi.  Volkslebens.  Bd.  22.  H.  i.] 

Stählin,  Adf  v.:  Philipp  Melanchthon. 
Festrede.  Augsburg:  J.  A.  Schlosser.  8. 
29  S. 

Thoma,  Albr.:  Philipp  Melanchthons  Le- 
ben. I.  u.  2.  Aufl.  Karlsruhe:  J.  J.  ReifT. 
8.  III,  155  S.  m.  Bild.  —  Dass.  Kleine 
Ausg.    Ebda.   8.   III,  84  S.  m.  Bild. 

Thoma,  A.:  Praeceptor  Germaniae  (Philipp 
Melanchthon).  (Pädagog.  Blätter  f.  Lehrer- 
bildung u.  Lehrerbildungsanstalten.  26.  Bd. 
8.  S.  399— 415.) 

Tschackert,  Paul:  Melanchthons  Bil- 
dungsideale. Rede  im  Namen  d.  Georg- 
Augusts-Universität.  Göttingen:  (Vanden- 
hoeck  &  Ruprecht.)   8.    21  S. 

Vogt,  O.:  Melanchtiion's  Stellung  als  Re- 
formator. I — IV.  (Zeitschr.  f.  wissenschaftl. 
Theologie.  40.  Jahrg.;  N.  F.  5.  Jahrg. 
8.   S.  87— 131;  161— 210.) 

Walther:  Zum  Gedächtniss  Philipp  Me- 
lanchthon's.  I— V.  (Allg.  Evangel.-Luthe- 
rische Kirchenzeitung.  30.  Jahrg.  4.  Sp.i2i 
—  124,  145—148,  174—176,  193—196, 
218 — 220.) 

Walther,  Wilh.:  Melanchthon  als  Retter 
des  wissenschaftlichen  Sinnes.  Vortrag. 
[Aus:  Allg.  evang.-luth.  Kirchenzeitung.] 
Leipzig:  Dörffling  &  Franke.   8.    24  S. 

Wehrmann,  M.:  Philipp  Melanchthons 
Beziehungen  zu  Pommern.  (Monatsblätter. 
Hrsg.  V.  d.  Ges.  f.  Pommersche  Gesch.  u. 
Alterthumskunde.  11.  Jahrg.  8.  S.  17 — 23.) 

W  ei  mann,  Eugen:  Philipp  Melanchthons 
lieben,  m.  e.  Vorwort  v.  Presting.  Elber- 
feld:  S.  Lucas.   8.    155  S.,  i  Bildn. 

Weiss,  N.:  Pourquoi  Melanchthon  ne  vint 
pas  a  Paris  en  1535,  d' apres  im  texte  con- 
temporain  inedit.  (Socicte  de  l'histoire  du 
p rotes tantisroe  frangais.  Bulletin  historique 
et  litteraire.    46.  T.    8.    S.  311  — 313.) 

W  o  1  te  r ,  A. :  Melanchthon-Bttchlein.  4.  Tau- 
send.   Barmen :  D.  B.  Wiemann.    8.    64  S. 


Zahn,  Adolf:  Philipp  Melanchthon  und  das 
Gesetz  Moses.  Auch  ein  Wort  zum  16.  Fe- 
bruar 1897.  Gütersloh:  C.  Bertelsmann.  8. 
16  S. 

Ziegler,  Theob.:  Philipp  Melanchthon,  der 
humanistische  Genosse  Luthers.  Vortrag, 
geh.  in  d.  Nikolaikirche  zu  Strassburg. 
Strassburg:  C.  F.  Schmidt   8.   24  S. 

Ziethe,  W. :  Philipp  Melanchthon,  der 
Lehrer  Deutschlands.  i.~6.  Aufl.  Berlin: 
Hauptverl.  f.  christl.  Erbauungsschriften. 
8.    51  S.  m.  Bildn. 

Zitzlaff:  Melanchthons  Persönlichkeit  und 
häusliches  Leben.  (Allg.  Konservat  Monats- 
schrift f.  d.  Christi.  Deutschland.  54.  Jahrg. 
L  8.   S.  123—138.) 

*  G  r  a  n  i  e  r ,  Hermann :  Albert  von  Memerty , 
Königl.  Preuss.  Generallieutenant.  (S.  420.) 

Klatte,  Wilhelm:  Zur  50.  Wiederkehr  des 
Todestages  Felix  Mendelssohn-Bartholdi's. 
(Allg.  Musik-Zeitung.  24.  Jahrg.  4.  S.  653 
—654.) 

Loewengard,  Max:  Felix  Mendelssohn- 
Bartholdy.  (Das  Magazin  f.  Litteratur. 
66.  Jahrg.  4.   Sp.  1365— 1367.) 

Winterfeld,  A.  v.:  Felix  Mendelssohns 
erster  Ausflug  nach  Paris.  Ein  Blatt  der 
Erinnerung  zur  fünfzigsten  Wiederkehr 
seines  Todestages,  zum  4.  November  1897. 
(Der  Bär.    23.  Jahrg.    4.    S.  521— 523.) 

*Brümmer,  Franz :  Rudolf  Menger.  (S.  2  5  7 
-258.) 

Gottfried  Menken.  I.  II.  [Bilder  aus  der 
Erweckungsgeschichte  des  religiös -kirch- 
lichen Lebens  in  Deutschland  in  diesem 
Jahrhundert.  3.]  (Allg.  Evangel.-  Luthe- 
rische Kirchenzeitung.  30.  Jahrg.  4.  Sp.700 

—706,  725— 730O 

B  e  n  d  i  X  e  n ,  Rudolf:  Gottfried  Menken.  (R. 
Bendixen :  Bilder  aus  der  letzten  religiösen 
Erweckung  in  Deutschland.  Leipzig:  Dörff- 
ling &  Franke.    8.    S.  282—317.) 

T  am b  o  r ,  M. :  Elisabeth  Mensing.  In  ihrem 
Leben  und  Wirken  dargestellt.  Berlin: 
Germania.   8.  47  S. 

Knack fu SS,  H.:  Menzel.  Mit  141  Abb.  v. 
Gemälden,  Holzschnitten  u.  Zeichnungen. 
3.  Aufl.  Bielefeld:  Velhagen  &  Klasing. 
8.    132  S.   [Künstler-Monographien.    VII.] 

Hansen,  Jos.:  Arnold  Mercator  und  die 
wiederentdeckten  Kölner  Stadtpläne  von 
1571  u.  1642.  (M.  2  Stadtpl.)  [Aus:  Mit- 
teilungen aus  dem  Stadtarchiv  v.  Köln.] 
Köln:  M.  Du  Mont-Schauberg  i.  Komm.  8. 
20  S. 

Klinkhardt,  Fr.:  Gerhard  Kremer  gen. 
Mercator  s.  Kremer. 

DUntzer,  Heinrich:  (Joh.  Heinr.)  Merck's 
Anfänge  bis  zur  Rückkehr  nach  Darmstadt 
und  zur  ersten  Anstellimg.  (Zeitschr.  f. 
deutsche  Philologie.  Bd.  30.  8.  S.  117 — 122.) 


Biographische  Bibliographie. 


31 


*Friedmann,  Otto:  Adolf  Merkel,  Crimi- 
nalist  u.  Rechtsphilosoph.    (S.  430—432.) 

Merkel,  Georg  J.:  Erinnerungen  an  meine 
funfundzwansigjährige  Thätigkeit  als  Bür- 
germeister von  Göttingen.  Göttingen:  L. 
Horstmann.    8.   2  BL,   104  S. 

Franz  Hertens  f.  (Deutsche  Bauzeitung. 
31.  Jahrg.  4.    S.  ?88.) 

Architekt  Franz  Mertens  f.  (Centralblatt  d. 
Bauverwaltung.    17.  Jahrg.   4.    S.  260) 

♦Granier,  Hermann:  Friedrich  von  Mer- 
tens, Königl.  Preuss.  Generallieutenant. 
(S.  420—  422.) 

Herz,  Johann :  Erlebnisse  eines  Soldaten  des 

3.  bad.  Infant.-Regiments  »Markgraf  Lud- 
wig Wilhelme  No.  1 1 1  im  Feldzuge  1 870/  71. 
Karlsruhe:  J.  J.  Reiff.  8.  4  Bl.,  155  S. 
LBadcncr  im  Feldzuge  1870/71.   Bd.  13.] 

Messner,  P.:  Leben  Josef  Messners.  (J. 
Messner:  Ausgew.  Werke.  Hrsg.  u.  eingel. 
v.P. Messner.  M.  Portr.  Prag:  F.  Tcmpsky 
it  G.  Freytag.  8.  S.  IX-XV.  [Bibliothek 
deutscher  Schriftsteller  in  Böhmen.  Bd.  7.]) 

(Carl  Frhr)  Kübeck  (v.  Kübau)  u.  Metter- 
ttich  s.  Kübeck. 

Laona,  Adalbert  v.:  Mettemich  und  seine 
Politik  bis  zum  Sturze  Napoleons.  Triest: 
F.  H,  Schimpff.    8.    2  Bl.,  43  S. 

Bärgermeister  Frz.  Anselm  v.  Meyenburg- 
Rausch :  Lebenserinnerungen  (1785 — 1 859). 
II.  Hälfte.  Schaffhausen:  C.  Schoch  in 
Komm.  4.  II,  34  S.  m.  2  Lichtdr.-Bildn. 
[Neujahrsblatt  d.  hist.-antiquar.  Ver.  u.  des 
KunstTer.  in  Schaff  hausen  f.  1897.] 

*Pagel:  Julius  Meyer,  Arzt  u.  Geheimer 
Sanitätsrath.   (S.   156—157.) 

Knodt,  Karl  Ernst:  Konrad  Ferdinand 
Meyer  als  Liederdichter.  (MonatsblStter 
f.   deutsche    Litteraturgesch.    I.  Jahrg.  8. 

S.  503-5 »8-) 

Mauerhof,  Emil :  Konrad  Ferdinand  Meyer 
oder  Die  Kunstform  des  Romans.  2.  Aufl. 
Zürich  u.  Leipzig:  K.  Hcnckell  &  C.  8. 
59  S. 

Trog,  Hans:  Conrad  Ferdinand  Meyer. 
6  Vorträge.  Basel :  R.  Reich.  8.  VII,  147  S. 

Maehly,  J.:  Dumas  der  Aeltere  und  Meyer- 
beer. (Das  Magazin  f.  Litteratur.  66.  Jahrg. 

4.  Sp.  847—850.) 

Wendt,  F.  M.:  Dr.  Josef  Mich.  (Biogra- 
phien Österreich.  Schulmänner.  Hrsg.  v. 
Franz  Frisch.  Wien:  A.  Pichlcr's  Wwe  & 
Sohn.   8.  S.  277—280.) 

Michaelis,  Carl  Thd.:  Gustav  Michaelis. 
(Mit  Briefen  von  Vamhagen  v.  Ense, 
Alexander  v.  Humboldt,  Jakob  Grimm, 
Karl  Müllenhoff  etc.)  Progr.  Berlin:  R. 
Gacrtner.    4.    29  S. 

His,  [Wilh.]:  F(ritz)  Miescher.  (Die  histo- 
chemischen  und  physiologischen  Arbeiten 
V.   Friedrich   Miescher.   Ges.    u.   hrsg.    v. 


seinen  Freunden.  Bd.  i.  Leipzig:  F.  C 
W.  Vogel.    8.    S.  5—32.) 

Jahne,  Heinrich:  Vincenz  Eduard  Milde. 
(Biographien  Österreich.  Schulmänner. 
Hrsg.  V.  Franz  Frisch.  Wien:  A.  Pichler's 
Wwe  &  Sohn.  8.  S.  60—78.) 

Morold,  Max:  Stephan  Milow.  Eine  literar. 
Skizze.  Mit  d.  Bildn.  des  Dichters.  Leip- 
zig: G.  H.  Meyer.   8.   2  BL,  108  S.  i  Bildn. 

Miquel  und  Bennigsen.  (Die  Grenzboten. 
56.  Jahrg.  III.    8.    S.  337—346.) 

Seilers,  Edith:  Dr.  von  Miquel,  *The 
Kaiser's  own  man*.  (The  nineteenth  Cen- 
tury.    Vol.  42.    8.    S.  472 — 485.) 

Friedrich  Mitterwurzer.  (Der  Kunstwart. 
IG.  Jahrg.    4.    S.  167.) 

David,  J.  J.:  Friedrich  Mitterwurzer. 
(Das  Magazin  f.  Litteratur.  66.  Jahrg.  4. 
Sp.  218—222.) 

Dr.  Franz  Ritter  von  Mo£nik.  (Biographien 
Österreich.  Schulmänner.  Hrsg.  v.  Franz 
Frisch.  Wien:  A.  Pichler's  Wwe  &  Sohn. 
8.    S.  128—132.) 

Schumacher,  K.:  Schulrat  Johann  Mode- 
mann, f.  (Der  Schulfreund.  53.  Jahrg. 
8.    S.  249 — 260.) 

Schmid,  Alois  v.:  Der  geistige  Entwick- 
lungsgang Johann  Adam  Möhlers.  (Görres- 
Gesellschaft.    Hist.   Jahrbuch.    18.  Bd.    8. 

s.  322—356,  572—599.) 

Ferdinand  Möhring.  Sein  Leben  und  sein 
Schaffen.  Das  Denkmal.  Seine  Werke. 
(Festschr.  z.  Enthüllung  d.  Denkmals  f. 
Ferdinand  Möhring  zu  Alt-Ruppin.  Neu- 
Ruppin :  K.  Michaelis.    8.) 

Bormann,  Walter:  Albert  Moeser.  Ueber- 
schau  seines  Lebens  u.  Dichtens.  (Nord 
u.  Süd.   80.  Bd.    8.    S.  39—57   m.  Bildn.) 

Donalies,  Hans:  Moltke  als  Dichter. 
(Sonntagsbeil.  No  30  z.  Voss.  Zeitung.) 
(Dazu  die  Bemerkung  v.  Friedländer 
in  No  32.) 

Koppen,  Fedor  v.:  Helmuth  von  Moltke. 
Ein  Lebensbild.  2.  verm.  Aufl.  Glogau: 
C.  Flemming.    8.    VHI,  260  S.,  i  Bildn. 

Jonas,  Fritz:  Zum  achtzigsten  Geburtstage 
Theodor  Mommsen's.  (Deutsche  Rund- 
schau.   93.  Bd.    8.    S.  399 — 416.) 

Hirsch,  Fritz:  HansMorinck.  (Repertorium 
f.  Kunstwiss.    20.  Bd.   8.   S.  257—292.) 

Kade,  O.:  Die  Organistenfamilie  Mors  im 
XVL  Jahrh.  nach  urkundl.  Aktenstücken 
der  Geh.  Staatsarchive  zu  Dresden  u. 
Schwerin.  (Monatshefte  f.  Musik-Gesch. 
29.  Jahrg.    8.    S.  43~450 

Ritter,  Herm.:  Mozart  s.  Haydn. 

Wolzogen,  Hans  v.:  Wolfgang  Amadeus 
Mozart.  (H.  v.  Wolzogen:  Grossmeister 
deutscher  Musik.  Bd.  i .  Hannover :  Dunk- 
mann.   4.    S.  29 — 54  m.  Bildn.) 

Sterne,     Carus:     Erinnerungen     an     Fritz 


32 


* 


Biographische  Bibliographie. 


Müller.  (Sonntagsbeil.  No  22  z.  Voss. 
Zeitung.) 

Hans  Müller.  (Chronik  d.  Königl.  Akad. 
d.  Künste  zu  Berlin.  1896/97.  8.  S.  87 
—88.) 

llaug,  Eduard:  Aus  dem  Lavater'schen 
Kreise.  II.  Joh.  Georg  Müller  als  Student 
in  Göttingen  und  als  Vermittler  zwischen 
den  Zürichern  und  Herder.  Beil.  z.  Jahres- 
bcr.  d.  Gymn.  SchafThausen  1896/97. 
SchafThausen:  Buchdr.  v.  P.  Schoch.  8. 
2  Bl.»  122  S. 

Wem  icke,  Konrad:  Karl  Otfried  Müller. 
Ein  Gedenkblatt.  (Die  Grenzboten.  56. 
Jahrg.  III.    8.   S.  369—379-) 

*Pagel:  Max  Müller»  Sanitätsrath  u.  her- 
vorrag. Chirurg.    (S.  157.) 

Foerster,  Richard:  Otfried  Müller.  Rede. 
Breslau:  M.  &  H.  Marcus.    8.    29  S. 

♦Schienther,  Paul :  Theodor  Müller,  Schau- 
spieler. (S.  296 — 297.) 

Pommeranus:  Eine  Beamtenlaufbahn  des 
vorigen  Jahrhunderts  (d.  i.  Johann  Mützell, 
Sekretärs,  zeitweiligen  Lieutenants  u.  spä- 
teren Salzdirektors).  (Preuss.  Jahrbücher 
87.  Bd.    8,    S.  515—528.) 

^Holland,  H.:  Joseph  Munsch,  Historien- 
u.  Genremaler.    (S.  54 — 55.) 

Wustmann,  Rudolf:  Zu  Thomas  Murner 
(Blätter  für    literar.  Unterhaltung.    Jahrg. 

1897,  I.  4.  s.  361— 363O 

Pickel,  A.:  Muthesius  und  die  Stellung 
des  Rechenunterrichts  im  Lehrplan  der 
Volksschule.  (Zeitschr.  f.  Philosophie  u. 
Pädagogik.  IV.  Jahrg.  8.  S.  38—52,  94 
—114.) 

(Mutzenbecher,  August:)  Zur  Erinnerung 
an  den  Generalsuperintendenten  Esdras 
Heinrich  Mutzenbecher  in  Oldenburg. 
Oldenburg,  Schulze.    8.    2  BL,  84  S. 

Laroprecht,  Karl:  Bernhard  Christoph 
Ludwig  Natorp.  (K.  Lamprecht:  Bilder 
von  der  roten  Erde.  Hamm,  Westf.:  C. 
Dietrich.    8.    S.  87—96.) 

♦Poten,  B.:  Ernst  Hans  Karl  Gneomar 
von  Natzmer.    (S.  103 — 104.) 

♦Guglia,  E.:  Albert Naude.  (S.  42—44.) 

Schmoller,  Gustav:  Zum  Andenken  an 
Albert  Naude.  (Forschungen  z.  Branden- 
burg,  u.    Preuss.  Gesch.    9.  Bd.    8.    S,  V 

— xvni.) 

Rust,  Agnes:  Ein  MUnchener  Portraitmaler 
(Paul  Nauen).  (Die  Kunst-Halle.  II.  Jahrg. 
4.    S.  146—147.) 

B endixen,  Rudolf:  August  Neander.  (R. 
Bendixen:  Bilder  aus  d.  letzten  religiösen 
Erweckung  in  Deutschland.  Leipzig:  Dörff- 
ling  &  Franke.    8.    S.  236 — 253.) 

f  Wasserbau-Direktor  Nehls.  (Deutsche  Bau- 
zeitung.  31.  Jahrg.    4.    S.  459—460.) 

Wasserbaudirektor  Johann  Christian  Nehls  f. 


(Centralblatt  d.  Bauverwaltung.    17.  Jahrg. 
4.    S.  411   m.  Bildn.) 
Buchheister:  Wasserbaudirektor  Joh.  Chr. 
Nehls.    (Deutsche   Bauzeitung.    31.  Jahrg. 

4.  S.  606 — 607,  6io— 6ii.) 

Frisch,    Franz:     Dr.    Eugen     Netoliczka. 

(Biographien      Österreich.      Schulmänner. 

Hrsg.   V.    F.    Frisch.    Wien:    A.    Pichler's 

Wwe&Sohn.  8.   S.  172—178.) 
Nettelbecks  Tochter  s.  Heidler. 
Reichl,  Anton:  Goethes  Faust  und  Agrippa 

von  Nettesheim.   (Euphorien.   4.  Bd.    8. 

5.  287—301.) 

Schienther,  Paul:  Die  Neuberin.  Gebe ren 
9.  März  1697.  ( SonntagsbelL  No  10  z. 
Voss.  Zeitung.) 

C.  L.  Neubourg,  geb.  d.  22.  Dez.  1808, 
gest.  d.  31.  Januar  1895,  Bürgermeister 
der  Stadt  Stade  1839  — 1891.  (W.  H.  Jobel- 
mann  u.  W.  Wittpenning:  Geschichte  d. 
Stadt  Stade.  Neubearb.  v.  M.  Bahrfeld t. 
Stade:  Dr.  v.  A.  Pockwitz.  8.  S.  IX— XI.) 

Will,  C:  Georg  Neuifer.  (Nekrolog.)  (Ver- 
handlungen d.  histor.  Ver.  d.  Obeq)faIz 
u.  Regensburg.    49.  Bd.    8.    S.  281  f.) 

Will,  C:  Wilhelm  v.  Ncuffer.  (Nekrolog.) 
(Verhandlungen  d.  histor.  Ver.  d.  Ober- 
pfalz u.  Regensburg.  49.  Bd.  8.   S.  283  f.) 

Dorn,  Wilhelm:  Benjamin  Neukirch,  sein 
Leben  und  seine  Werke.  Ein  Beitrag  z. 
Gesch.  d.  zweiten  schles.  Schule.  Weimar: 
E.  Felber.  8.  X,  140  S.  [Litterarhist.  For- 
schungen. Heft  IV.] 

*BraunmUhl,A.  v:  Franz  Ernst  Neumann, 
Wirklicher  Geheimer  Rat,  Exe.  (S.  205 
—207.) 

Bibl,  Victor:  (Caspar  von)  Nidbnick  s. 
Melanchthon. 

Sommert,  Hans:  Robert  Niedergesäss. 
(Biographien  Österreich.  Schulmänner. 
Hrsg.  V.  Franz  Frisch.  Wien :  A.  Pichler's 
Wwe  &  Sohn.   8.    S.  261—271.) 

Förster-Nietzsche,  Elisab. :  Das  Leben 
Friedrich  Nletzsche's.  Bd.  2.  Abth.  i. 
Leipzig:  C.  G.  Naumann.  8.  IX,  341  S. 
m.  I  Bildn.  (Bd.  i  ersch.  1895.) 

Fuchs,  Georg  Friedrich:  Friedrich  Nietz- 
sche. Sein  Leben  u.  seine  Lehre  m.  bes. 
Berücksichtigung  seiner  Stellung  z.  Chri- 
stentum. Stuttgart:  Chr.  Belser.  8.  41  S. 
[Zeitfragen  d.  christl.  Volkslebens.  Bd.  XXII. 
H.  8.] 

König,  Kari:  Nietzsche.  L  IL  (Der  Pro- 
testant. i.Jahrg.4.Sp.  907— 909,931 —933.) 

P  a  u  1  s  e  n ,  Friedrich :  Zum  NietMche-Kultus. 
(Sonntagsbeil.   No  11   z.  Voss.  Zeitung.) 

Riehl,  Alois:  Friedrich  Nietzsche  der 
Künstler  und  der  Denker.  Ein  Essay. 
Stuttgart :  Fr.  Frommanns  Verlag.  8. 
192  S.,  I  Portr.  [Frommanns  Klassiker  d. 
Philosophie.  VI.] 


Biographische  Bibliographie. 


33' 


Rode,  Alb.:  Nietzsche  s.  Hauptmann. 

Saeoger,  S.:  Friedrich  Nietzsche  und  die 
Kathederphilosophie  I.  II.  (Sonntagsbeil. 
No  24.  25  z.  Voss.  Zeitung.) 

Schellwien,  Rob.:  Nietzsche  u.  seine 
Weltanschauung.  E.  krit.  Studie.  Leipzig: 
A.  Janssen.   8.   45  S. 

Seth,  Andrew:  Friedrich  Nietzsche.  His 
Life  and  Works.  (Blackwood's  Magazine. 
Vol.  162.    8.    S.  476 — 493.) 

Wilhelmi,  J.  H.:  Th.  Carlyle  und  F. 
Nietzsche.  Wie  sie  Gott  suchten,  und 
was  für  einen  Gott  sie  fanden.  Göttingen : 
Vandenhoeck  &  Ruprecht.  8.  2  BL,  88  S. 

Heinrich  No^.  (Nekrolog.)  (Deutsche  Rund- 
schau f.  Geographie  u.  Statistik.  19.  Jahrg. 
8.   S.  185—187  m.  Bildn.) 

*ßrfimmer,  Franz:  Heinrich  August  NoS, 
Reiseschriftsteller.    (S.  447 — 448.) 

Bei  der  Schwertprobe.  Erinnerungen  aus 
dem  letzten  deutsch-dänischen  Kriege. 
Von  Wilhelm  Nöldechen.  Altenburg: 
Stephan  Geibel.    8.    VII,   187  S. 

Oberforstrath  Dr.  Hermann  v.  Nördlinger  f. 
(Centralblatt  f.  d.  gesaromte  Forstwesen. 
23.  Jahrg.    8.    S.  137— 145  m.  Bildn.) 

Gran  er:  Zum  Andenken  an  Oberforstrat 
Dr.  Hermann  v.  Nördlinger.  (Forstwiss. 
Centralbl.  N.  F.  Jahrg.  19.  8,  S.  291 
-297.) 

Bernhard  y.  Holleben  gen.  v.  Normann  s. 
V.  Holleben. 

Men£ik,  Ferd.:  Caspar  Nydbruck's  Ver- 
hältniss  zu  den  Calixtinern  in  Böhmen. 
(Jahrbuch  d.  Ges.  f.  d.  Gesch.  d.  Protestan- 
tismus in  Oesterreich.   18.  Jahrg.  8.  S.  48 

-55.) 

Rust,  Agnes:  Hermann  Obrist«  (Die  Kunst- 
Halle.     II.  Jahrg.    4.    S.  2H — 212.) 

•Alexander  Freiherr  von  Oer,  Geheimer 
Hofrath,  Professor.    (S.  366—367.) 

*Krauss,  Rudolf:  Ludwig  Ofterdinger. 
(S.  99— 100.) 

•Pagel:  Adolf  Oldendorff.  Arzt  u.  Sani- 
tätsrath.  (S.  158.) 

Knodt,  Emil:  Gcrdt  Omeken.  Eine  refor- 
mationsgesch.  Skizze.  Gütersloh:  C.  Ber- 
telsmann 8.  VII,  236  S.  [E.  Knodt:  Christi. 
Lebenszengen  aus  u.  in  Westfalen.  Bd.  i.j 

Jäckel,  Rudolf:  Martin  Opitz  von  Bober- 
feld.  Ein  Gedenkblatt  z.  Dreihundertsten 
Wiederkehr  s.  Geburtstages.  Bunzlau:  G. 
Kreuschmer.    8.    48  S.,  i  Bildn. 

Opitz,  Richard:  Martin  Opitz.  (Zum  23.  De- 
cember  1897.)  (Blätter  für  literar.  Unter- 
haltung. Jahrg.  1897,  n.  4.  S.  801—803.) 

Karpeles,  Gustav:  Der  Maler  Moritz  Oppen- 
heim s.  Goethe. 

*Brammer,  Franz:  Andreas  Oppermann. 
(S.  263.) 

^Zimmermann,   P. :    Bernhard  Ornstein, 

BiofT.  Jahrb.  n,  Dentscher  Nekrolog.    2.  Bd. 


Generalarzt  der  griechischen  Armee.  (S.404 

—405.) 

In  memoriam.  Dr.  Karl  Ritter  von  Otto  f. 
(Jahrbuch  d.  Ges.  f.  d.  Gesch.  d.  Pro- 
testantismus in  Oesterreich.  18.  Jahrg.  8. 
S.  III.) 

Stiassny,  Robert:  Ein  mittelalterlicher 
Alpenkünstler  (Michael  Fächer).  (Deutsche 
Rundschau.    92.  Bd.    8.    S.  415 — 437.) 

Bienemann,  Friedrich:  Georg  Friedrich 
Parrots  Jugendleben  (1767— 1 801).  (Sep.- 
Abdr.  aus  d.  'St.  Petersburger  Zeitung'.) 
St.  Petersburg:  Buchdr.  d.  'St.  Petersb. 
Ztg.'    8.    iioS. 

Levinstein,  Gustav:  Professor  Paulsen 
und  die  Judenfrage.  Berlin:  M.  Poppelauer. 
8.    24  S. 

Friedländer,  Max  J.:  Georg  Pentz,  Jörg 
Bentz,  der  Meister  »J.  B«.  (Repertorium 
f.  Kunstwiss.  20.  Bd.    8.    S.  130— 132.) 

Pauli,  Gustav:  Der  Meister  J.  B.  und 
Georg  Pencz.  (Repertorium  f.  Kunstwiss. 
20.  Bd.   8.   S.  298 — 300.) 

Ben  d  ixen,  Rudolf:  Friedrich  Perthes. 
(R.  Bendixen:  Bilder  aus  d.  letzten  reli- 
giösen Erweckung  in  Deutschland.  Leip- 
zig: Dörffling  &  Franke.    8.    S.  1—20.) 

Berdrow,  Otto:  Friedrich  Perthes,  e. 
deutscher  Buchhändler.  Gotha:  F.  A.  Per- 
thes   8.    V,  153  S.  m.  2  Bildn. 

Willms-Wildermuth,  Agnes:  Friedrich 
Perthes,  e.  deutscher  Buchhändler  u.  Pa- 
triot. Stuttgart:  J.  F.  Steinkopf.  8.  164  S. 
m.  Titelbild. 

Blochmann,  Karl  Justus:  Heinrich  Pesta- 
lozzi. Züge  aus  dem  Bilde  seines  Lebens 
u.  Wirkens  nach  Selbstzeugnissen,  An- 
schauungen u.  Mitteilungen.  (Neue  Ausg.) 
Langensalza:  F.  G.  L.  Gressler.  8.  X, 
169  S.  [Pädagog.  Quellenschriften.  Bd.  i.] 

Hechtenberg,  Albert:  Zum  Gedächtniss 
Pestalozzis.  Ein  Vortrag.  (Hrsg.  v.  W. 
Heinze.)  (Gütersloh:  C.  Bertelsmann.  8. 
28  S.) 

Heussler,  A.:  Pestalozzis  Leistungen  im 
Erziehungsfach.  (Neue  Ausg.)  Langen- 
salza: F.  G.  L.  Gressler.  8.  3  BL,  90  S. 
[Pädagog.  Quellenschriften.   Bd.  4.] 

Ramsauer,  Johs:  Pestalozzi  und  seine 
Anstalten.  Neue  Ausg.  Langensalza :  Schul- 
buchhandl.  8.  VII,  87  S.  [Pädagog.  Quel- 
lenschriften.  Bd.  3.] 

E.  V.  SallwUrk:  Pestalozzi.  M.  e.  Bildn. 
Leipzig:  R.  Voigtländer.  8.  105  S.,  i  Bildn. 
[Grosse  Erzieher.   Bd.  i.] 

Kirchenrath  Karl  Peter.  (Allg.  evangel.- 
luth.  Kirchenzeitung.  30.  Jahrg.  4.  Sp.  904.) 

Das  Disziplinarverfahren  gegen  Dr.  Carl 
Peters.  Zwei  Aufsätze  aus  d.  »Deutschen 
Wochenblatt«.  Berlin:  H.  Walther.  8. 
24  S. 


34' 


Biographische  Bibliographie. 


Seilers,  Edith :  Dr.  Carl  Peters.  The  lea- 
der  of  the  recent  anti-english  agitation  in 
Germany.  (The  fortnightly  review.  V0I.61. 
N.  S.  8.  S.  125— 138.) 

Brennert,  Hans:  Kothe  Erde.  (Zum  Ge- 
dächtniss  an  Julius  Petri.)  (Das  Magazin 
f.  Litteratur.  66.  Jahrg.  4.  Sp.  550 — 553.) 

Osborn,  Max:  Julius  Petri.  (Sonntagsbeil. 
No  19  z.  Voss.  Zeitung.) 

Ludwig  Adolf  Petri.  I.  II.  [Bilder  aus  der 
Erweckungsgeschichte  des  religiös -kirch- 
lichen Lebens  in  Deutschland  in  diesem 
Jahrhundert.  7.]  (Allg.  evangeL-luth.  Kir- 
chenzeitung. 30.  Jahrg.  4.  Sp.  121 1 — 12 19, 
1237— 1245.) 

Karl  Pfaimschmidt.  (Die  Grenzboten.  56. 
Jahrg.    IV.    8.    S.  636-639.) 

Weizsäcker,  Heinrich:  (C.  G.)  Pfaim- 
schmidt. (Die  Christi.  Welt.  11.  Jahrg. 
4.   Sp.  12 — 15.) 

Scholl,  Th.:  Pfeffel  und  (Jakob)  Sara  sin. 
Mitteilungen.  (Jahrbuch  f.  Gesch.,  Sprache 
u.  Litt.  Elsass-Lothringens.    13.  Jahrg.   8. 

s.  133-150) 

Zimmermann:  Engelbert  Pfeiffer.  Gest. 
i8.Oct.1896.  (Die  Kunst-Halle.  IL  Jahrg. 
4.   S.  214.) 

*  Ludwig  Graf  von  Pfeil-Burghausz,  erbliches 
Mitglied  und  Alterspräsident  des  Herren- 
hauses. (S.  212—213.) 

Kühn,  E.:  Christoph  Karl  Ludwig  v.  Pfeil, 
e.  Edelmann  nach  d.  Herzen  Gottes.  8. 
24  S.  [Schillingsbticher.  Hamburg:  Agen- 
tur d.  Rauhen  Hauses.    No.  179.] 

Marsop,  Paul:  Hans  Pfltzner.  (Die  Gegen- 
wart.   52.  Bd.    4,    S.  10—12.) 

Joh.  Christoph  Ludwig  Pflaum.  [Aus  d.  Er- 
weckungszeit  der  bayerischen  Landeskirche. 
VIT.]  (Allg.  EvangeL-Luth.  Kirchenzeitung. 
30.  Jahrg.  4.  Sp.  151  — 159.) 

Turba,  Gustav:  Verhaftung  und  Gefangen- 
schaft des  Landgrafen  Philipp  von  Hessen 
1547— 1550.  (Arch.  f.  österr. Gesch.  83.  Bd. 
8.   S.  107—232.) 

Ankel,  Otto:  Graf  Philipp  Ludwig  II.  und 
die  Gründung  von  Neu-Hanau.  Hanau: 
Waisenhaus-Buchdr.   4.    I  BL,  66  S. 

Ernst,  Adolf  Wilhelm:  Adolf  Pichler.  (Die 
Gegenwart.    52.  Bd.    4.    S.  166—169.) 

Rusch,  Gustav:  Dr.  Adolf  Josef  Pick.  (Bio- 
graphien Österreich.  Schulmänner.  Hrsg. 
V.  Franz  Frisch.  Wien:  A.  Pichler's  Wwc 
&  Sohn.    8.    S.  249—260.) 

*Brttmmer,  Franz:  Alphons  Friedrich  Pick. 
(S.  248—249.) 

Lied  und  Leben.  Erinnerungen  an  Ferdinand 
Piper,  Doktor  und  Professor  der  Theo- 
logie in  Berlin.  Gesammelt  v.  seiner  Schwe- 
ster u. Lebensgefährtin  Luise.  Berlin:  Buch- 
handlung d.  Berliner  Stadtmission.  8.  63  S., 
I  Bildn. 


Steck,  Rudolf:  Johannes  Fischer  oder  Pis- 
cator  s.  Fischer. 

Heussi  u.  Romberg:  Gedächtnissreden  bei 
d.  Trauerfeier  f.  d.  heimgegangenen  Pastor 
emer.  Martin  Pistorius  zu  Schwerin  am 
I.  XI.  1897.   Schwerin:  F.Bahn.   8.   16  S. 

(August  Graf  v.)  Platens  Tagebücher.  (Die 
Grenzboten.  56.  Jahrg.  III.  8.  S.  71—83.) 

Busse.  Karl:  Platens  Tagebücher.  (Blätter 
für  literar.  Unterhaltung.    Jahrg.   1897,    I. 

4.  s.  305—308.) 

Meyer,  Richard  M.:  August  Graf  von  Pla- 
ten-Hallermund.  (R.  M.  Meyer:  Deutsche 
Charaktere.  Berlin:  E.  Hofmann  &  C.  8. 
S.  128 — 137.) 

Rehorn,  K.:  Was  bedeutet  uns  Platen 
heute?  Zur  Platenfeier.  25.  October  1896. 
(Berichte  d.  Freien  Deutschen  Hochstiftes 
zu  Frankfurt  am  Main.    N.  F.    13.  Bd.    S. 

S.  33*-56*.) 

Rühle,  Otto:  Graf  August  von  Platen. 
(Monatsblätter  f.  deutsche  Litteraturgesch. 
I.  Jahrg.   8.   S.  128— -133.) 

Aus  der  Selbstbiographie  von  Thomas  und 
Felix  Platter.  (Ausgew.  Selbstbiographien 
aus  d.  1$,  bis  18.  Jahrh.  Hrsg.  v.  Chri- 
stian Meyer.  Leipzig:  J.J.  Weber.  8.  S.  41 
—94  m.  Bildn.  d.  Felix  PI.) 

♦Eitner.Rob.:  Friedrich  Plengroth.(S.  117.) 

Hirschfeld,  Hartwig:  Salomon  Plessner. 
(Biblisches  u.  Rabbinisches  aus  Salomon 
Plessner'sNachlass.  Zu  seinem  hundertsten 
Geburtst.  hrsg.  v.  Rabbiner  Dr.  Elias  Pless- 
ner. M.  Bildn.  Frankfurt  a.  M.:  J.  KaufT- 
mann.   8.    S.  5 — 25.) 

♦Eitner,  Rob.:   Dr.  Richard  Pohl.   (S.  117 

—  118.) 

Smolian,  Arthur:  Richard  Pohl.  Nekrolog. 
(Musikal.  Wochenblatt.  28.  Jahrg.  4.  S.  25 

—  26.) 

♦Kohlschmidt:  Johann  Wilhelm  Preger, 
Oberconsistorialrath.  (S.  444 — 445.) 

Steiner,  Rudolf:  Wilhelm  Prcyer.  Gest. 
am  15.  Juli  1897.  I — III.  (Das  Magazin  f. 
Litteratur.   66.  Jahrgang.  4.  Sp.  879—882, 

911 -91 5,  943—9450 

Philo  vom  Walde  [d.  i.  Johannes  Reinelt]: 
Vincenz  Priessnitz  als  Begrtinder  des 
Wasser-  und  Naturheilverfahrens.  Eine 
Studie.  Berlin:  W.  Möller.  8.  35  S., 
I  Bildn. 

♦Krauss,  Rudolf:  Dionys  Pruckner.  (S.  102 

-103.) 
Krack,    Otto:    Der    Flötenspieler    Quanz. 

(Sonntagsbeil.   No  6  z.  Voss.  Zeitung.) 
Nagel,  Wilibald:  (Hans  Joachim  Quantz.) 

(Monatshefte   f.   Musik -Gesch.    29.  Jahrg. 

8.    S.  69—78.) 
Gerber,  Paul:  Wilhelm  Raabe.    Eine  Wür- 

digung  seiner   Dichtungen.     Leipzig:  W. 

Friedrich.   8.    VIU,   338  S. 


Biographische  Bibliographie. 


35* 


Lange,  Robert:  Wilhelm  Raabe.  (Blätter 
ffir  literar.  Unterhaltung.    Jahrg.  1897,  II. 

4.  s,  577—579.) 

Warneke,  Alb.:  Wilhelm  Raabe.  (Monats- 
blätter f.  deutsche  Litteraturgesch.  I.  Jahrg. 
8.   S.  13—27.) 

In  fremdem  Dienst.  Erlebnisse  in  der  fran- 
zösischen Fremdenlegion.  Wahrheitsgetreu 
geschildert  v.  Theodor  Leopold  Raif» 
Sergeant  im  2.  bad.  Feldartillerie-Regiment 
Nr.  30.    Karlsruhe:    J.  J.  Reiff.    8.    VIII, 

312  s. 

Farinelli,  Artnro:  Raimund  s.  Grill- 
parzer. 

Spcier,  Max:    Raimund  s.  Grillparzer. 

Ramsauer,  Johannes:  Kurze  Skizze  meines 
pädagogischen  Lebens.  M.  bes.  Berttcks. 
auf  Pestalozzi  u.  seine  Anstalten.  (Langen- 
salza: F.  G.  L.  Gressler.)  8.  VI  S.,  i  Bl., 
86  S.,    I  Bl.    [Pädagog.    Quellenschriften. 

Bd3.] 
*Brümmer,  Franz :  Joseph  Rank.   (S.  448 

—4490 
Sybel,    Heinrich    v.:     Gedächtnisrede    auf 

Leopold  V.  Ranke,  geh.  1886.  (H.  v. 
Sybel:  Vorträge  und  Abhandlungen.  Mtln- 
cben  und  Leipzig:  R.  Oldenbourg.  8. 
S.  290—308.  [Historische  Bibliothek. 
Bd  3.]) 
*Wcltner,  A.  J.:  Hugo  Ranzenberg, 
recte  Ranzenberger»  Schauspieler.    (S.  342 

-343.) 
Klaus,  B.:  JergRatgeb.  (Klaus,  B.:  Gmünder 

Rttnstler.  II.  i.  in:  Wtlrttembergische  Vier- 
teljahrshefte f.  Landesgesch.  N.  F.  V.  Jahrg. 

8.   S.  305—307.) 

Zum  ffinfzigj ährigen  Dienstjubiläum  des  Ge- 
nerals der  Infanterie  und  Chefs  der  Land- 
gendarmcrie  Albert  v.  Rauch  am  22.  April 
1897.  (Militär-Wochenblatt.  82.  Jahrg.  Bd.  i . 
4.   Sp.  1057-1058.) 

Wolfsgrnber:  Ein  Gedenktag  an  Car- 
dinal Rauscher.  (Hist.-polit.  Blätter  f. 
d.  kath.  Deutschland.    120.  Bd.  8.  S.  477 

-497.) 
•Weltner,    A.    J.:    Heinrich    Thalboth, 

Pseudonym  für  Heinrich  Razga  von  Rasz- 

toka,  Schauspieler  u.  Bühnendichter.  (S.  343 

— 344.) 

*Wustmann,  G.:  Anton  Philipp  Reclam, 
Buchhändler  in  Leipzig.    (S.  88 — 89.) 

Raben  lechner,  Michael  Maria:  Oscar  von 
Redwitz*  religiöser  Entwicklungsgang. 
Frankfurt  a.  M.:  P.  Elreuer.  8.  31  S. 
[Frankfurter  zeitgem.  Broschüren.  Bd.  18. 
H.  I.] 

Andreas  Rehberger  in  Nürnberg.  [Aus  der 
Erweckungszeit  der  bayerischen  Landes- 
kirche I.]  (Allg.  £vangel.-Luth.  Kirchen- 
zeitung.   30.  Jahrg.    4.    Sp.  5 — 8.) 

*Eitner,  Rob.:  Adolf  Reichet.    (S.  118.) 


Websky,  Julius:  Ernst  Reimer  f.  (Pro- 
testant. Monatshefte.    1.  Jahrg.  8.  S.  463.) 

*  Magnus  Anton  Reindl,  Geistlicher  Rath  u. 
Stadtpfarrer  in  Günzburg,  deutscher  Reichs- 
tags- u.  bayerischer  Landtagsabgeordneter. 
(S.  219.) 

Ein  Deutsch-Franzos.  (Graf  Reinhard.)  (Die 
Gegenwart.    52.  Bd.    4.    S.  136 — 139.) 

*Kohlschmidt:  Josef  Hubert  Reinkens. 
(S.  287—292.) 

Reinthaler,  Paul:  Karl  Reinthaler,  Königl. 
Rektor  des  Marienstiftes  in  Erfurt,  und 
seine  Familie.  Aus  dessen  Aufzeichnungen 
u.  nach  eigener  Erinnerung.  Nebst  Porträt 
Hamburg:  Verlag  d.  Agentur  des  Rauhen 
Hauses.    8.    VIII,    122  S.,    i  Bl.,    i  Bildn. 

*Eitner,  Rob.:  Karl  Martin  Reinthaler. 
(S.  118— 119.) 

Reitzenstein ,  Hans  Frhr  v.,  Oberstlieut. 
a.  D.:  Erinnerungen  u.  Aufzeichnungen 
aus  den  Kriegsj.  1870/71  als  Compagnie- 
Chef  im  Brandenburg.  FUs.-Reg.  Nr.  35, 
jetzigen  Füs.-Reg.  Prinz  Heinrich  v.  Preussen 
(Brandenburg.)  Nr.  35.  Rathenow:  M.  Ba- 
benzien.    8.    2  Bl.,  180  S. 

*Brümmer,  Franz :  Franziska  von  Reizen- 
stein. (S.  256—257.) 

Jostes,  Franz:  Meister  Johannes  Rellach, 
ein  Bibelttbersetzer  des  15.  Jahrhunderts. 
(Görres-Gesellschaft.  Hist.  Jahrbuch.  18.  Bd. 

8.    S.  133— I45O 

Tielo,  A.  K.  T.:  Gustav  Renner.  (Die 
Gegenwart.    51.  Bd.    4.    S.  359 — 362.) 

Renouard,  M.  v.,  Oberst  z.  D.:  Erinnerungen 
eines  alten  Rossleber's  aus  den  Jahren  1838 
bis  1842.  Berlin:  Schall  &  Grund.  8. 
98  S. 

*  K  r  a  u  s  s ,  Rudolf:  Wilhelm  Theodor  Renz. 
(S.  102). 

Oberforstmeister  Friedrich  Gustav  Rettstadt. 
(Deutsche  Forst-Zeitung.  XIL  Bd.  Neu- 
damm: J.  Neumann.  8.  S.  446 — 448  m. 
Bildn.) 

Retzlaff,  Herrn.,  Oberstlieut.  z.  D.:  Aus 
meinem  Tagebuche.  Erlebnisse  u.  Erinne- 
rungen aus  d.  deutsch-französ.  Kriege 
1870/71.  Berlin:  E.  S.  Mittler  &  Sohn. 
8.    VII,  79  S. 

Antonius,  Jobs:  Fritz  Reuter.  (Monats- 
blätter f.  deutsche  Litteraturgesch.  I.  Jahrg. 
8.    S.  64—77.) 

Gaedertz,  Karl  Thdr.:  Aus  Fritz  Reuters 
jungen  u.  alten  Tagen.  Neues  üb.  des 
Dichters  Leben  u.  Werden,  auf  Grund 
ungedruckter  Briefe  u.  kleiner  Dichtgn. 
mitgetheilt.  2.  Aufl.  Wismar:  HinstorfT.  8. 
XVI,  162  S. 

Gaedertz,  Karl  Thdr.:  Aus  Fritz  Reuters 
jungen  u.  alten  Tagen.  2.  Folge.  Wismar: 
Hinstorff.    8.    XV,  170  S. 

Wychgram,   J.:    Aus    den    Kreisen    Fritz 


36* 


Biogfraphtsche  Bibliographie. 


Reuters.  (Blätter  fttr  literar.  Unterhaitang. 
Jahrg.  1897,  I.    4.    S.  226—228.) 

B  u  c h  w  al  d ,  Georg :  Der  Wittenberger  Buch- 
drucker Georg  Rhau  als  »theologischer 
Schriftsteller«.  (Archiv  f.  Gesch.  d.  deut- 
schen Buchhandels.   XIX.    8.    S.  38 — 44.) 

Traeger,  Albert:  Eugen  Richter.  (Nord 
und  Süd.  83.  Bd.  8.  S.  32—40  m.  Bildn.) 

*Klarbach,  Alfred  Frhr.  Mensi  v.:  Hein- 
rich Richter,  Königl.  Professor,  Hofschau- 
spieler u.  Regisseur  am  Königl.  Hoftheater 
zu  München.  (S.  279 — 284.) 

*  Biographische  Aufzeichnungen  Ludwig 
Richter's.  Aus  Otto  Jahn's  Nachlass.  Ein- 
geleitet n.  mitgetheilt  t.  Ad.  Michaelis. 
(S.  I*— II») 

Budde,  K.:  Ludwig  Richter.  (Preuss.  Jahr- 
bücher.   87.  Bd.    8.    S.  261—280.) 

Erler,  Jobs.:  Ludwig  Richter,  der  Maler 
des  deutschen  Hauses.  Die  erziehl.  Bedeu- 
tung Ludwig  Richters  in  seinem  Lebens- 
bilde u.  in  seinen  Werken.  Leipzig :  Sieg^is- 
mund  &  Volkening.  8. 1 63  S.  m.  48  Holzschn. 

Landgrebe,  W.:  Ludwig  Richters  häus- 
liches Glück.  Nach  den  Lebenserinnerungen 
eines  deutschen  Malers.  (Monatsbl&tter  f. 
deutsche  Litteraturgesch.  L  Jahrg.  8.  S.  552 
-561.) 

Mohn,  V.  Paul:  Ludwig  Richter.  2.  Aufl. 
Bielefeld:  Velhagen  &  Klasing.  8.  154  S. 
m.  Abb.    [Künstler-Monographien.    14.] 

D  o  e  h  1  e  r ,  Gottfried :  Karl  Louis  Riedel  und 
seine  Schriften  in  vogtländischer  Mundart. 
Eine  Studie.  Plauen  i.  V. :  F.  E.  Ncupert. 
8.  I  Bl.,  71  S.,  I  Bildn.  [L.  Riedel:  Ge- 
dichte u.  Erzählungen  in  vogtl.  Mundart. 

35-  L%0 
Wendt,  F.  M.:  Karl  Riedel.    (Biographien 

Österreich.  Schulmänner.     Hrsg.  v.  Franz 

Frisch.    Wien:  A.  Pichler's  Wwe  &  Sohn. 

8.    S.  272 — 276.) 
Halm,    Ph.   M.:    Geheimrath    Dr.  Wilhelm 

Heinrich  Ritter  v.  Riehl,  Director  d.  bayer. 

Nationalmuseums  u.  Generalconservator  d. 

Kunstdenkm.  u.  AlterthUmer  Bayerns,   f. 

(Centralblatt  d.  Bauver waltung.   17.  Jahrg. 

4.   S.  546—548.) 
*Pagel:    Karl    Theodor   Johannes  Rigler, 

Arzt.    (S.  158—159.) 
Rinck,    Chrph.  Frdr.,    Hof-  u.   Stadtvikar: 

Studienreise  1783/84,   unternommen  i.  A. 

d.  Markgrafen  Karl  Friedrich  von  Baden. 

Nach  dem  Tagebuch   d.  Verf.   hrsg.   von 

Gymn.-Prof.  Dr.  Mor.  Geyer.     Altenburg: 

St.  Geibel.    8.  VIII,  257  S. 
Lessmann,   Otto:   Eduard  Risler.     (AUg. 

Musik-Zeitung.   24.  Jahrg.  4.  S.  333—334 

m.  Bildn.) 
Ecke,  Gustav:  Albrecht  Ritschi  nach  seiner 

individuellen    Eigenart     als    Dogmatiker. 

(G.Ecke:  Die  theologische  Schule  Albrecht 


Ritschis  n.  d.  evangd.  Kirche  d.  Gegen- 
wart. 1.  Bd.  Berlin:  Reutber  &  Reichard. 
8.  S.  13—41.) 

Harnack,  Adolf:  Ritschi  und  seine  Schule. 
1—8.  (Die  Christi.  Weit  11.  Jahrg.  4. 
Sp.  869—873.  891—897.) 

Scholz,  H.:  Albrecht  Ritschi.  1—5.  (Die 
Christi.  Welt.   1 1 .  Jahrg.   4.  Sp.  604  —  611.) 

*  E  i  t  n  e  r ,  Rob. :  Alexander  Ritter.  (S.  1 1 9.) 

Jacobowski,  Ludwig:  Emil  Rittershaus. 
(Das  Magazin  f.  Litteratur.    66.  Jahrg.  4. 

Sp.  361-368.) 

St  elter,  Karl:  Erinnerungen  an  Emil  Rit- 
tershaus. (Die  Gegenwart.  51.  Bd.  4.  S.202 
— 204.) 

^Lehmann,  Alfred:  Alexander  Baron  von 
Roberts.   (S.  263 — 266.) 

Rodenberg,  Julius:  Erinnerungen  aus  der 
Jugendzeit.  I.  II.  (Deutsche  Rundschau. 
90. 91.  Bd.  8.  Bd.  90:  S.  391—414;  Bd.  91 : 
S.  52—72.) 

Zimmermann,  Paul:  v.  Rodenberg  s.  Frie- 
drich Wilhelm  v.  Braunschweig. 

Jacobowski,  Ludwig:  Der  Lyriker  Frie- 
drich Roeber.  (Das  Magazin  f.  Litteratur. 
66.  Jahrg.   4.  Sp.  1146 — 1149.) 

Engelbert  Röntgen  f.  (Musikal. Wochenblatt. 
28.  Jahrg.  4.   S.  698 — 699.) 

Krebs,  Carl:  Friedrich  Rösch  als  Erzieher. 
(Sonntagsbeil.  No  21  z.  Voss  Zeitung.) 

Baurath  a.  D.  Adalbert  Roesener  in  Neisse 
(f).  (Deutsche  Bauzeitung.  31.  Jahrg.  4. 
S.  111.) 

Delbrück,  Hans:  Constantin  Rössler. 
(Preuss.  Jahrbücher.  90.  Bd.  8.  S.  189^ 
212.) 

*Meyer,  Alexander:  Constantin  Rössler, 
deutscher  Publicist.    (S.  200—203.) 

^Brummer,  Franz :  Rudolf  Röttger.  (S.  249 
—250.) 

Aus  sieben  Jahrzehnten.  Erinnerungen  aus 
meinem  Leben  von  D.  Bernhard  Rogge, 
Königl.  Hofprediger  in  Potsdam.  Bd.  i: 
Von  1831  bis  1862.  Hannover,  Berlin: 
C  Meyer.    8.    VH,  308  S. 

•Ratzel,    F.:    Gerhard    Friedrich    Rohlfis. 

(s.  325—332.) 

Schweinfurth,  Georg:  Zur  Erinnerung  an 
Gerhard  Rohlfs.  (Westermanns  Illustr. 
Deutsche  Monatshefte.  82.  Bd.  8.  S.  565 
—577  m.  Bildn.) 

Meyer,  Richard  M.:  Friedrich  Rohmer. 
(R,  M.  Meyer:  Deutsche  Charaktere.  Ber- 
lin: E.  Hofmann  &  C   8.    S.  1S2— 196.) 

Reden,  geh.  an  den  Särgen  der  teuren  Toten 
Albrecht  Romann,  weil.  Diakonus  a.  U. 
L.  Frauen  zu  Liegnitz,  u.  seiner  Tochter 
Augusta-Gottfrieda  Romann.  Liegnitz:  E. 
Scholz.   8.    16  S. 

Denkwürdigkeiten  aus  dem  Leben  des  Ge- 
neral-Feldmarschalls Kriegsministers  (AI- 


Biographische  Bibliographie. 


37' 


brecht)  Grafen  von  Roon.  Sammlung  von 
Briefen,  Schriftstücken  und  Erinnerungen. 
(Hrsg.  V.  Waldemar  Graf  Roon,  Generallt.) 
4.  berichtigte  u.  verm.  Aufl.  3  Bde.  Bres- 
lau: £.  Trewendt.  8.  i :  XVI,  530  S.,  i  Bildn., 
iFacs.;  2:  Vm,  572  S.,  i  Bildn.;  3:  VIII, 

544  S. 

*  Jobannes  Christian  Roos,  Erzbischof  von 

Freiburg.    (S.  398—399-) 

*  W  u  1  c  k  o  w ,  Richard :  Otto  Roquette.  (S.  1 39 

—142.) 

Bley,  Fritz:  Durch I  Aus  dem  Leben  des 
Königlich  Prcnssischen  Generals  der  Ka- 
vallerie Heinrich,  Rudolf,  Eduard,  Wilhelm, 
Gottschalk  von  Rosenberg.  Berlin :  F.  Fon- 
tane &  C.    8.   IX  S.,  I  Bl,  258  S.,  I  Bildn. 

*Brümmer,  Franz:  Hermann  Rosenthal. 
(S.  252—2530 

Brause  Wetter,  Ernst:  Ernst  Rosmer  (d«  i. 
Else  Bernstein).  (Das  Magazin  f.  Littera- 
tur.   66.  Jahrg.    4.    Sp.  1268— 1273.) 

*  W  u  s  t  m  a  n  n ,  G, :  Ludwig  Adolf  Herrmann 

Rost,  Buchhändler.   (S.  89—90.) 

Weise,  O.:  Der  Orientalist  Dr  Reiuhold 
Rost,  sein  Leben  u.  sein  Streben.  Leipzig: 
B.  G.  Teubner  i.  Komm.   8.   71  S. 

Sohle,  Carl:  Bertrand  Roth.  (Musikalisches 
Wochenblatt.  28.  Jahrg.  4.  S.  106— 107  m. 
BUdn.) 

Cropp,  Johannes:  Zur  Erinnerung  an  Richard 
Rothe.  (Protestant.  Monatshefte.  I.  Jahrg. 
8.  S.  425—435.  481—488.) 

Planitz,  Ernst  Edler  v.  der:  Die  volle  Wahr- 
heit üb.  d.  Tod  des  Kronprinzen  Rudolf 
von  Oesterreich  nach  amtl.  u.  publicist. 
Quellen,  sowie  den  hinterlassenen  Papieren. 
23.  Aufl.  Berlin:  A.Piehler&C.  8.  256 S. 
m.  Bildn. 

*Brümmer,  Franz:  Ludwig  Rudolph. 
(S.  250.) 

Beyer,  Conr.:  Friedrich  Rückerts  Leben 
u.  Bedeutung.  (F.  RUckert:  Werke  in  6Bdn. 
Hrsg.  V.  C.  Beyer.  Leipzig:  G.  Fock.   8.) 

Zu  Leopold  Immanuel  Rückert's  Gedächt- 
nis (Protestant.  Monatshefte,  i.  Jahrg. 
8.  S.  82— 83.) 

Böhme,  Richard:  Friedrich  Rückert. 
(Rackert's  Werke.  Ausw.  in  6  Bdn.  M.  e. 
biogr.  Einl.  v.  R.  Böhme.  Berlin:  Bibliogr. 
Anst   8.) 

Kuttner,  Bernh.:  Friedrich  Rückert.  (F. 
Rückert:  Gedichte.  Ausgew.  u.  erl.  y.  B. 
Kuttner.  M.  e.  Lebensabriss  u.  d.  Bildn. 
d.  Dichters.  Frankfurt  a.  M  :  J.  D.  Sauer- 
länder.  8.) 

de  Lagarde,  Paul:  Erinnerungen  an  Frie- 
drich Rückert.  Ueber  einige  Berliner 
Theologen,  und  was  yon  ihnen  zu  lernen 
ist.  Zwei  Aufsätze.  In  e.  neuen  Abdruck 
Gberreicht  v.  Anna  de  Lagarde.  Göttingen : 
Dr.d.Dieterichschen  Univ.-Buchdr.  8.  S.3 


— 34«      (Nicht    für    den    Buchhandel    be- 
stimmt.) 

*Puschmann,  Th.:  Nicolaus  Rüdinger, 
Anatom.   (S.  353—354.) 

*  Christian  Moritz  Rühlmann.  (S.  360—361.) 

*Kohlschmidt:  Louis  Bernhard  Rüling, 
Oberconsistorialrath.    (S.  445 — 446.) 

1  sei  in,  L.  E.:  Carl  Ludwig  Rütimeyer. 
Basel:  R.  Reich.   8.  47  S.  m.  Bildn. 

Frisch,  Franz:  Karl  Russheim.  (Biogra- 
phien- Österreich.  Schulmänner.  Hrsg.  v. 
Frisch.  Wien:  A.  Richter's  Wwe  &  Sohn. 
8.  S.  94—105.) 

Richter,  E.:  f  Anton  v.  Ruthner.  (Mit- 
theilungen des  deutschen  u.  Österreich. 
Alpenver.    23.  Bd.    4.    S.  287—288.) 

Kirchhoff,  Albrecht:  Aus  Johann  Ryn- 
mann's  Geschäftsverkehr  (1504).  (Archiv 
f.  Gesch.  d.  deutschen  Buchhandels.  XIX. 
8.    S.  4—7.) 

Hofrath  Franz  Ritter  von  Rzlha  f.  (Deutsche 
Bauzeitung.  31.  Jahrg.  4.  S.  327—328, 
368.) 

Hofrath  Franz  Ritter  v.  Rziha,  Prof.  d.  Eisen- 
bahn- u.  Tunnelbaues  an  d.  Wiener  techn. 
Hochschule,  f.  (Centralblatt  d.  Bauverwal- 
tung.   17.  Jahrg.    4.    S.  289  m.  Bildn.) 

Hammer,  W.  A.:  Ferdinand  v.  Saar.  (Lit- 
teraturbilder  fin  de  siecle.  2.  Bdchn. 
München:  J.  Schweitzer.  8.) 

Minor,  J.:  F.  von  Saar  als  Lyriker.  (Nord 
u.  Süd.  81.  Bd.   8.  S.  302—317  m.  Bildn.) 

Minor,  Jacob:  Ferdinand  von  Saar.  IV.  V. 
(Soimtagsbeil.  No  8.  9.  z.  Voss.  Zeitung.) 

Bieder:  Georg  Sabinus.  (Nachtrag  zur 
Melanchthonfeier.)  (Schulblatt  f.  d.  Prov. 
Brandenburg«  62.  Jahrg.  8.  S.  353 — 369,) 

Zimmerer,  Heinrich:  Hans  Sachs  und  sein 
Gedicht  von  den  iio  Flüssen  des  deut- 
schen Landes  (1559)  mit  einer  zeitgenössi- 
schen Landkarte  hrsg.  u.  erl.  Progr.  d. 
Maximilians- Gymn.  MUnchen.  4.  50  S.  m. 
Nachtr. 

Julius  Sachs  f.  (Naturwissenschaftl.  Wochen- 
schrift.   1 2.  Bd.    4.    S.  495 — 496.) 

Haupt  fleisch,  Paul:  Professor  Julius 
von  Sachs.  Gedächtnissrede,  geh.  in  der 
Physikal.-med.  Gesellschaft  in  WUrzburg. 
M.  d.  Bilde  v.  Sachs'  u.  e.  chronol.  Verz. 
seiner  Publicationen.  Wttrzburg:  Stahel.  8. 
41  S.,  I  Bildn.  [Verhandlungen  d.  physik.- 
med.  Ges.  zu  Würzburg.  N.  F.  Bd  31. 
No  10.] 

Geiger,  Ludwig:  Michael  Sachs  und  Moritz 
Veit.  Biographie.  (Michael  Sachs  u.  Moritz 
Veit.  Briefwechsel,  hrsg.  v.  L.  Geiger. 
Frankfurt  a.  M. :  J.  Kaufimann.  8.  S.  IX 
—XXIV  m.  2  Bildn.) 

Zimmermann,  Paul:  Heinrich  Sallentien 
f.  (Braunschweig.  Magazin.  3.  Bd.  4.  S.  25 
-28.) 


3»* 


Biognphiscfae  Bibliographie 


Oombaumeister   K.   Th.  'SUa.  ?Mil?:inann  f. 

(Ootralblatt  d.  BaoTerwaltung.    17.  Jahig. 

4-   S,  72.) 
Raa«chenberg:  Max  Salzmamiy  Dombao- 

roeister  zu  Bremen  f.  (Deutsche  Baozeitang. 

31.  Jah^ang.  4.  S-  77.) 
Daniel  Sanders.   Ein  Gedenkbach.   Hrsg.  t. 

Anna    S^ert- Stein.     (M.  biogr.  Beitr.  ▼. 

Franz  A  r  z  o.  Reinhold  O  r  t  m  a  n  n.)    Nea- 

strelitz:    Bamewitz.  8.  3  BL,  68  S.,  1  Bl., 

I  Bildn. 
Düsel,    Friedrich:    Daniel  Sanders.     (Die 

Gegenwart  51.  Bd.   4.  S.  234—236.) 
S  a  ch  f ,  Karl :  Daniel  Sanders.  (Das  Magazin 

f.  Litteratur.  66.  Jahrg.  4.  Sp.  345 — 347.) 
Scholl,  Th.:  Uakob)  Sarasin  s.  Pfeffel. 
Aus  der  Selbstbiographie  des  Bartholomäus 

Sastrow.       (Ausgew.     Selbstbiographien. 

Hrsg.  ▼.  Christian  Meyer.     Leipzig:  J.  J. 

Weber.    8.   S.  95—131.) 
*  ß  a  u  e  r ,  St. :  Emannel  Hans  Sax,  Professor. 

(S.  446-447.) 

Eleonore  Fürstin  Reu ss:  Carl  von  Schach- 
mann. Ein  Bild  aus  dem  geistigen  Leben 
des  18,  Jahrhunderts.  (Allg.  Konserrat. 
Monatsschrift  f.  d.  christl.  Deutschland. 
54.  Jahrg..  I.    8.    S.  33— 45i  i?»  — 181.) 

General  der  Infanterie  Hans  v.  Schacht- 
meyer  f.  (Militär-Wochenblatt.  82,  Jahrg. 
2.  Bd.   4.    Sp.  2701 — 2708.) 

*Blumentritt,  F.:  Dr.  Alexander  Schaden- 
berg, der  berühmte  Philippinen-Forscher. 
(S.  428—430.) 

Egg  er  t,  Ed.:  Oberamtmann  Schäifer  von 
Sulz.  Ein  Zeit-  und  Lebensbild  aus  dem 
Ende  des  vor.  Jahrhunderts.  Stuttgart: 
D.  Gundert.  8.  95  S.  m.  i  Bildn.  [Würt- 
temberg. Neujahrsblättcr.    N.  F.    Bl.  2.] 

♦Weltner,  A.  J.:  Alois  Berla,  Pseudonym 
für  Alois  Scheichl.    (S.  336—337.) 

Franz,  Adolph:  Die  katholische  Charitas 
und  Professor  Dr.  Schell  in  Würzburg. 
(Hist.-polit.  Blätter  f.  d.  kathol.  Deutsch- 
land.   119.  Bd.    8.    S,  705— 717.) 

♦Brummer,  Franz:  Ernst  Viktor  Schellen- 
berg.   (S.  2S2.) 

Wörrlein,  Joh.:  Gerhard  Seh epmann,  von 
187 1  bis  1885  Missionar  in  Indien.  Her- 
mannsburg: Missionshan dig.  8.  18  S. 
[Kleine  Hcrrroannsburger  Missionsschriften. 
N015.] 

Müller,  Karl:  Luise  Scheppler,  e.  Magd 
des  Herrn.  Berlin :  Ostdeutscher  JUnglings- 
bund.  8.  16  S.  m.  Abb.  [Für  Feste  u. 
Freunde  d.  Inn.  Mission.    H.  8.] 

Buchbinder,  Max:  Georges  Ohnet  —  Jo- 
hannes Sehern  (Das  Magazin  f.  Litteratur. 
66.  Jahrg.  4,    Sp.  1308  —  1311.) 

•Ferdinand  Schichau.    (S.  364—365.) 

♦Ferdinand  Schleifer,  Kaiserl.  Regierungs- 
rath.    (S.  365—366.) 


♦Pagel:  Montz  Schilf,  Ant  u.  einer  d.  be- 

deotendsten  Physiologen.  (S.  159.) 
Tfimpel:  Major  von  Schill  und  die  Ravens- 
beiger.  (Elfter  Jahresbericht  d.  histor.  Ver- 
eins f.  d.  Grafschaft  Rarensberg  zu  Biele- 
feld.   8.    S.  123—125.) 
Ehrlich,  Mor.:  Schiller  s.  Goethe. 

Engel,  Julias:  Schiller  als  Führer  zur  Welt 
des  Idealen.  Vortrag.  Charlottenbarg : 
SelbstT.   8.    19  S. 

Weitbrecht,  Carl:  Schiller  in  seinen 
Dramen.  Stuttgart:  Fr.  Frommann.  8.  314  S. 

*Brfimmer,  Franz:  Anna  Schimpif-Jabn. 
(S.  251—252.) 

Ziller,  Hermann:  Schinkel.  Bielefeld  u. 
Leipzig:  Velhagen  &  Klasing.  8.  2  BL, 
114  S.,  3  Taf.  [Kfinster- Monographien. 
28.] 

Waterstraat,  H.:  Johann  Christoph Schin- 
meyer.  Ein  Lebensb.  aus  d.  Zeit  d.  Pietis- 
mus. Gotha:  E.  F.  Thienemann.  8.  4  Bl., 
66  S. 

♦Pagel:  Rudolf  Schirmer,  Augenarzt,  Pro- 
fessor der  Augenheilkunde.  (S.  159 — 160.) 

Petrich,  Herrn.:  Ein  vergessener  Missions- 
direktor (August  Carl  Friedrich  v.  Schim- 
ding).  Berlin:  Evang.  Missionsges.  8.  8  S. 
[Neue  Missionsschriften.   No  53  ] 

♦Alfred  Graf  von  Schlabrendorff- Seppau, 
Mitglied  des  Preuss.  Herrenhauses.  (S.  220.) 

Sulger-Gebing,  Emil:  Die  Brüder  A.  W. 
und  F.  Schlegel  in  ihrem  Verhältnisse  zur 
bildenden  Kunst  dargest  M.  ungedr.  Brie- 
fen u.  Aufs.  A.  W.  Schlegels.  Mttnchen: 
C.  Haushalter.  8.  4  Bl.,  199  S.  [For- 
schungen z.  neueren  Litteraturgesch.    III.] 

L  i  p  s  i  u  s ,  Richard  Adelbert :  Schleiermacher 
und  die  Romantik.  1876.  (R.  A.  Lipsius: 
Glauben  und  Wissen.  Ausgewählte  Vor- 
träge U.Aufsätze.  Berlin:  C.  A. Schwetschke 
&  Sohn.   8.    S.  275—298.) 

Thrändorf,  E.:  Schleiermacher  in  der 
Schulkirchengeschichte.  (Jahrbuch  d.  Ver. 
f.  wissenschaftl.  Pädagogik.  29.  Jahrg.  8. 
S.  132—167.) 

♦Pagel:  Wilhelm  Schlesinger,  Arzt  und 
Schriftsteller.   (S.  160.) 

♦Zimmermann,  P.:  Heinrich  Robert  Eduard 
Schmelzkopf.   (S.  405—406.) 

Vetter,  Ferdinand:  Ferdinand  Schmid 
(Dranmor).  E.  litterar.  Studie.  (Vermehrter 
Sonder-Abdruck  aus  d.  »Sonntagsbl.  des 
Bund«  1897.)  Bern:  Schmid  &  Francke.  8. 
60  S.  m.  Bildn. 

♦Pagel:  Benno  Gottlob  Schmidt,  Prof.  d. 
Chirurgie.   (S.  160 — 161.) 

♦  B  r  U  m  m  e  r ,  Franz :  Else  Schmieden.  (S.  260 
—261.) 

♦Wolff,  Wilhelm  P.:  Emil  Schneider,  Mit- 
glied des  Stadtheaters  zu  Frankfurt  a.  M. 
(S.  284—285.) 


Biographische  Bibliographie. 


39' 


Kassner,  C:  Friedrich  Adolph  Schneider, 
alleiniger  rechtmässiger  Inhaber  der  Astro- 
meteorologie.     (Der    Bär.     23.  Jahrg.     4. 

s.  535-538.) 

*Pagel:  Johann  Julius  Moritz  Schneller, 
Arzt  und  Augenarzt   (S.  161.) 

Schaeffer,  Emil:  Arthur  Schnitzler.  Eine 
Studie.  (Die  Gesellschaft.  Jahrg.  1897, 
n.   8.   S.  22—33  m.  Bildn.) 

*Lier,  H.A.:  Fedor  Schnorr,  Commerzien- 
rat,   (S.  415—416.) 

Dodgson,  Campbell:  Zum  Holzschnittwerke 
Erhard  Schönes  und  Peter  F 1 5t n  e  r  's.  (Re- 
pertorium  f.  Kunstwiss.  20.  Bd.  8.  S.  206 
—210.) 

*Posner:  Emil  Schöne.   (S.  414.) 

Job.  Gottfried  Schöner.  [Aus  der  Erweckungs- 
zeit  d.  bayerischen  Landeskirche.  IV.] 
(AUg.  Evangel.-Luth.  Kirchenzeitung.  30. 
Jahrg.   4.    Sp.  78—82.) 

Grisebach,  Eduard:  (Arthur)  Schopen- 
hauer. Geschichte  seines  Lebens.  M.  Portr. 
Berlin:  E.  Hofmann  &  C.  8.  XII,  332  S. 
[Geisteshelden.   Bd.  25/26.] 

Hecker,  Max  F.:  Schopenhauer  und  die 
indische  Philosophie.  Köln:  Hübscher  & 
Teufel.   8.    255  S. 

Thiemann,  K.:  A.  Schopenhauer,  ein 
Zeuge  biblisch  -  evangelischer  Wahrheit. 
Stuttgart:  Chr.  Belser.  8.  36  S.  [Zeit- 
fragen d.  Christi.  Volkslebens.  Bd.  22.  H.4.] 

Heinemann,  Otto:  Julius  Max  Schottky. 
(Zeitschr.  d.  histor.  Ges.  f.  d.  Prov.  Posen. 
12.  Jahrg.    8.    S.  386-387.) 

•Karl  Freiherr  von  Schrader,  preuss.  Cere- 
monienmeister.   (S.  219.) 

•Wilhelm  Schröder,  Geheimer  Oberjustiz- 
rath  u.  vortragender  Rath  im  preuss.  Justiz- 
ministerium.  (S.  217 — 218.) 

Friedla ender,  Max:  Franz  Schubert.  Zu 
seinem  hundertsten  Geburtstage.  (Deutsche 
Rundschau.   90.  Bd.   8.   S.  218—248.) 

Grimm-Camap,  Oscar:  Franz  Schubert. 
Zur  hundertjähr.  Geburtsfeier  des  Ton- 
dichters. Skizze.  (Monatsschrift  f.  kath. 
Lehrerinnen.  10.  Jahrg.  8.  S.  96— 97.) 

Krebs,  Carl:  Franz  Schubert.  Geboren  am 
31.  Januar  1797.  (Sonntagsbeil.  No  5  z. 
Voss.  Zeitung.) 

Loewengard,  Max:  Zu  Franz  Schuberts 
hondertjähr.  Geburtstag  (31.  Jan.  1797). 
(Das  Magazin  f.  Litteratur.  66.  Jahrg.  4. 
Sp.  100 — 103.) 

Reimann,  Heinrich:  Franz  Schubert.  Ein 
Gedenkblatt  zu  s.  100.  Geburtstage.  (AUg. 
Musik-Zeitung.  24.  Jahrg.  4.  S.  65 — 68, 
81—83  ™-  Bildn.  u.  Abb.) 

Riemann,  Hugo:  Zur  Erinnerung  an  den 
31.  Januar  1797  (Franz  Schubert).  (Musikal. 
Wochenblatt.    28.  Jahrg.   4.   S.  77—78.) 

Zitelmann,  K.:  Franz  Schubert  und  Karl 


Löwe.   (Die  Gegenwart.  51.  Bd.  4.  S.  52 

-55.) 

Holczabek,  Job.  W.:  Karl  Schubert.  (Bio- 
graphien Österreich.  Schulmänner.  Hrsg. 
V.  Franz  Frisch.  Wien :  A.  Pichler's  Wwe 
&  Sohn.  8.    S.  160— 171.) 

B endixen,  Rudolf:  Gotthilf  Heinrich  von 
Schubert.  (R.  Bendixen:  Bilder  aus  d. 
letzten  religiösen  Erweckung  in  Deutsch- 
land. Leipzig:  Dörffling& Franke.  8.  S.  63 
—80.) 

Ein  Spion  Napoleon's  I.  (Karl  Schulmeister.) 
(Jahrbtlcher  f.  d.  deutsche  Armee  u.  Marine. 
104.  Bd.  8.  S.  77—79.) 

Schuttes,  Carl :  AllerleiTheater-Erinnerungen. 
(Die  Gegenwart.  52.  Bd.   4.  8.  357 — 358.) 

Neues  von  Robert  und  Clara  Schumann. 
(Die  Gegenwart.  51.  Bd.  4.  S.  136 — 139.) 

Franz,  Ludwig :  EmestineSchumann-Heink. 
(Musikal.  Wochenblatt.  28.  Jahrg.  4.   S.  2 

—  3,   18  m.  Bildn.) 

*Eitner,  Roh.:  Klara  Schumann.    (S.  119 

—  "30 

*  Scholz,     Bernhard:      Clara    Schumann. 

(S.  I2*— i6r) 
^Kollmann,    Paul:    Matthias    Schumann. 

(S.  X47-149.) 

♦  E  i  t  n  e  r ,  Rob. :  Fried  rieh  Gottlieb  Schwen- 

cke.   (S.  123.) 

Hoffmann,  Frz:  Caspar  Schwenckfelds 
Leben  u.  Lehren,  i.  Th.  Progr.  Berlin: 
R.  Gaertner.   4.   29  S. 

Marie  Seebach.  (Der  Bär.  23.  Jahrg.  4. 
S.  550.) 

Schienther,  Paul :  Marie  Seebach  (f  3.  Au- 
gust 1897).  (Sonntagsbeil.  No  34  z.  Voss. 
Zeitung.) 

♦Wolkenhauer,  W.:  Arthur  von  Seel- 
strang ,  Professor  der  Mathematik  an 
der  Universität  Cordoba    in  Argentinien. 

(S.  369.) 

Schwartz,  C.  v.:  Karl  Segebrock  und 
Ewald  Ovir.  Zwei  früh  vollendete  Mis- 
sionare d.  evangel.-luther.  Mission  zu  Leip- 
zig. Leipzig:  J.  Naumann's  Sort.  i.  Komm. 
8.   II,  97  S.  m.  Abb.  u.  i  färb.  Kte. 

Imhof,  Franz:  Ein  neues  Berliner  Theater 
u,  sein  Bauherr  (Bernhard  Sehring).  (Die 
Kunst-Halle.    IL  Jahrg.   4.   S.  22 — 24.) 

♦Lier,  H.  A.:  Traugott  Jacob  Hermann 
Seidel,  Kunst-  u.  Handelsgärtner  in  Dres- 
den.  (S.  416.) 

Eugen  Seil  f.  (Naturwissenschaftl.  Wochen- 
schrift   12.  Bd.    4.    S.  177— 178.) 

♦Blenck,  E.:  Eugen  Seil.    (S.  209 — 210.) 

Klaus,  B.:  EgidSeybold.  (B.  Klaus:  Gm  an- 
der Künstler.  II.  17.  in:  Wtirttembergische 
Viertel]  ahrsbefte  f.  Landesgesch.  N.  F. 
V.  Jahrg.    8.   S.  326—329.) 

♦Welti,  Heinrich:   Gustav  Siehr.     (S.  334 

—3350 


40 


4t 


Biographische  Bibliographie. 


Lebenserinnerungen  von  Werner  Von  Sie- 
mens. 5.  Aufl.  M.  d.  Bildn.  des  Verf. 
Berlin:  J.  Springer.  2  Bl.,  298  S.,  i  Bildn. 

Amalie  Sieveking.  I.  IL  [Bilder  aus  d.  £r- 
weckungsgeschichte  des  religiös-kirchlichen 
Lebens  in  Deutschland  in  diesem  Jahr- 
hundert. 6.]  (Allg.  cvangel.-luth.  Kirchen- 
zeitung. .30.  Jahrg.  4.  Sp.  1086 — 1092, 
1 108— II 15.) 

B  e  n  d  i  X  e  n ,  Rudolf:  Amalie  Sieveking.  (R. 
Bendixen:  Bilder  aus  d.  letzten  religiösen 
Erweckung  in  Deutschland.  Leipzig :  DörfT- 
ling  &  Franke.    8.    S.  404 — 444.) 

♦Ratzel,  F.:  Friedrich  Simony.  (S.  332— 

334.) 
Olshausen,  R. :    Ueber  Marion  Sims  und 

seine  Verdienste  um  die  Chirurgie.    Rede. 

Berlin:  A.  Hirsch wald.   8.    30  S. 
Hofrath  Karl  Sing.  Nekrolog.  (KoUektaneen- 

Blatt  f.  d.  Gesch.  Bayerns.    61.  Jahrg.    8. 

S.  123 — 131  m.  Bildn.) 
Schreiner,  Heinrich:  Anton  Martin  Slom- 

sek.  (Biographien  Österreich.  Schulmänner. 

Hrsg.  V.  Franz  Frisch.  Wien:  A.  Pichler's 

Wwe  &  Sohn.    8.    S.  79—93.) 
Baur,  Joseph:  Philipp  (Christoph)  von  Sö- 

tem,   geistlicher   Kurfürst   zu  Trier,    und 

seine  Politik  während  des  30jähr.  Krieges. 

Bd.  I.     Bis  zum  Frieden   v.  Prag  (1635). 

Speyer:  Jäger.  8.  24*,  493  S.,  i  Bl.,  i  Bildn., 

I  Kt 
♦Niedermann,  W.:  Jacob  Laurenz  Sonder- 

egger.  (S.  166 — 176.) 
Grossherzogin  Sophie  von  Sachsen- Weimar. 

(Der  Kunstwart.    10.  Jahrg.    4.    S.  205.) 
Gross herzogin  Sophie  von  Sachsen- Weimar 

f.  (Der  Protestant,    i.  Jahrg.    4.    Sp.  325 

—331.) 
Sophie,  Grossherzogin  von  Sachsen.  (Eupho- 

non.  4.  S.  441 — 444.) 

Rodenberg,  Julius:  Die  Grossherzogin 
Sophie  von  Sachsen.  (Deutsche  Rund- 
schau.   91.  Bd.    8.    S.  298 — 299.) 

Steiner,  Rudolf:  Grossherzogin  Sophie  von 
Sachsen.  (Das  Magazin  f.  Litteratur.  66. 
Jahrg.   4.    Sp.  408 — 409.) 

Suphan,  Bernhard:  Grossherzogin  Sophie 
von  Sachsen  und  Ihre  Verfügungen  über 
das  Goethe-  und  Schiller-Archiv.  Bericht, 
der  zwölften  Generalversammlung  der 
Goethe  -  Ges.  erstattet.  (Deutsche  Rund- 
schau. 93.  Bd.    8.    S.  301 — 305.) 

•Puschmann,  Th. :  Josef  Späth,  Gynäko- 
loge.  (S.  354—355-) 

Franz,  Adolph:  Zur  Charakteristik  des  Erz- 
bischofs Grafen  Spiegel  von  Köln.  (Hist.- 
polit.  Blätter  f.  d.  kath.  Deutschland. 
120.  Bd.   8.   S.  732 — 751.) 

•Dr.  Paul  Emanuel  Spieker,  Königl.  Prcuss. 
Oberbaudirektor.    (S.  212.) 

Kurzbauer,    Emil:    Friedrich  Spielhagen 


als  Kritiker.    (Die  Gegenwart.    52.  Bd.    4. 

S.  3"— 3»30 
Zarncke,    Friedrich:    Johann  Spiess,    der 

Herausgeber  des  Faust-Buches,  und  sein 
Verlag.  (1883.)  (F.  Zarncke :  Kleine  Schrif- 
ten. Bd.  I.  Goetheschriften.  Leipzig:  K. 
Avenarius.    8.    S.  289 — 299.) 

Bendixen,  Rudolf:  Philipp  Spitta.  (R.  Ben- 
dixen :  Bilder  aus  d.  letzten  religiösen  Kr- 
weckung  in  Deutschland.  Leipzig:  Dörff- 
ling  &  Franke.   8.   S.  254—281.) 

*Wustmann,  G.:  Johannes  August  Lud- 
wig Staackmann,  Buchhändler.    (S.  91  — 

.92.) 
Nagel,  WUibald:  Zur  Biographie  Joh.  Sta- 

den's  und  seiner  Söhne.     (Monatshefte   f. 

Musik-Gesch.  29.  Jahrg.  S.  53 — 61.) 

Buchrncker:  Adolf  von  Stahlin.     (Neue 

Kirchl.  Zeitschrift.    8.  Jahrg.  8.  S.  673  — 

703.) 

Stähl  in,  Otto:  D.  Adolf  von  Stählin, 
Präsident  des  bairischen  Oberkonsistori- 
ums f.  I — VIL  (Allg.  evang. -luth.  Kir- 
chenzeitung. 30.  Jahrg.  4.  Sp.  916 — 921, 
940—944,  963—968,  990—993,  loio— 
1014,  1039— 1044,  1062 — 1065.) 

Brause,  Alb.:  Johann  Gottfried  Stallbaum. 
Ein  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Thomasschule  in 
der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrh.  Tl.  i. 
Progr.  Leipzig:  (J.  C.  Hinrich's  Sort.) 
4.    40.  S. 

Dechent,  H.:  Johann  Friedrich  Starck. 
Ein  Lebensbild  aus  der  Zeit  des  spätem 
Pietismus,  i — 9.  (Die  christl.  Welt.  11. 
Jahrg.  4.  Sp.  773-776,  796—799»  847 
-852.) 

♦Bachmann,  A.:  Fritz  Staub.  (S,  235 — 
242.) 

H  o  f  f m  a  n  n  -  Krayer ,  Ed. :  Fritz  Staub  f , 
geb.  d.  30.  März  1826,  gest.  d.  3.  August 

1896.  (Schweizer  Archiv  f.  Volkskunde. 
I.  Jahrg.    8.    S.  88—90.) 

Laucher t,  F.:  Franz  Anton  Staudenmaier 
nach  seiner  schriftstellerischen  Thätigkeit 
dargest  L — IV.  (Revue  internat.  de  theo- 
logie.  V.  Annce.  8.  S.  370 — 398.  807 — 
826.) 

Schmid-Braunfels,  Josef:  Ottokar  Stauf 
von  der  March.  (Die  Gesellschaft.   Jahrg. 

1897,  IL    8.    S.  243—246  m.  Bildn.) 
Heinrich  Steffens.  I— III.   [Bilder  aus  d.  Er- 

weckungsgeschichtc  des  religiös-kirchlichen 
Lebens  in  Deutschland  in  diesem  Jahr- 
hundert. III.  Reihe.  2.]  (Allg.  Evangel.- 
luth.  Kirchenzeitung.  30.  Jahrg.  4.  Sp.  364 

—369.  388-393,  413— 419O 
Bendixen,  Rudolf:  Heinrich  Steffens.  (R. 

Bendixen :  Bilder  aus  der  letzten  religiösen 

Erweckung  in  Deutschland.  Leipzig :  Dörff- 

ling  &  Franke.    8.    S.  81  —  125.) 

Lamprecht,  Karl:   Friedrich  Stehfen,  ein 


Biographische  Bibliographie. 


41' 


westf.  Baumeister.  (K.  Lamprecht:   Bilder 

von  der  roten  Erde.    Hamm,   Westf.:    C. 

Dietrich.    8.    S.  80-86.) 
Graf,  J.  H. :  Der  Mathematiker  Jakob  Steiner 

von  Utzenstorf.  Ein  Lebensbild  u.  zugleich 

eine  Würdigung  seiner  Leistungen.  M.  d. 

Portr.  u.  d.   Facs.  eines  Briefes  Steiners. 

Bern:    K.    J.    Wyss.    8.    54  S.,    i  Bildn., 

I  Facs. 
Steingraber,  Prof^  Louis:  Erinnerungen  aus 

meinem  Künstlerleben.  Graz:   Selbstv.    8. 

15s  S. 

V.  Steinle,  Alphons  Maria:  Lebensbild 
Eduard  von  Steinle's.  (E.  v.  Steinle's 
Briefwechsel  mit  seinen  Freunden.  Hrsg. 
u.  durch  e.  Lebensbild  eingeleitet  v. 
A.  M.  V.  Steinle.  In  2  Bdn.  Bd.  i.  Frei- 
burg i.  B.:  Herder.  8.  S.  i— 166.  m.  Bildn.) 

*Zi  mm  ermann,  P.:  Karl  Heinr.  Aug. 
Steinmann.   (S.  406 — 407.) 

^Zimmermann,  P.:  William  Steinway. 
(S.  407 — 408.) 

Stenzel,  Karl  Gust.  Wilh.:  Gustav  Adolf 
Harald  Stenzels  Leben.  Gotha:  F.  A. 
Perthes.    8.    XII,  491  S.  m.  Bildn. 

Staatssecretair  Heinrich  von  Stephan  f. 
(Arch.  f.  Post  u.  Telegraphie.  Beihefte 
z.  Amtsblatt  d.  Reichs-Postamt.  25.  Jahrg. 
8.   S.  205 — 207.) 

Die  Beisetzung  des  Staatssecretairs  Dr.  von 
Stephan.  (Arch.  f.  Post  u.  Telegraphie. 
Beihefte  z.  Amtsblatt  d.  Keichs-Postamts. 
25- Jahrg.    8.    S.  237— 245.) 

Erinnerungen  an  Dr.  H.  von  Stephan.  (Arch. 
f.  Post  u.  Telegraphie.  Beihefte  z.  Amts- 
blatt d.  Reichs-Postamts.  25.  Jahrg.  8. 
S.  474—484.) 

Staatssekretär  Dr.  Heinrich  von  Stephan. 
(Deutsche  Bauzeitung.  31.  Jahrg.  4.  S.  189 
-190.) 

Staatssekretair  Dr.  v.  Stephan.  (Monatsschrift 
f.  Deutsche  Beamte.  21.  Jahrg.    8.   S.  241 

-243O 

Heinrich  von  Stephan  f.  (Monatsschrift  f. 
Deutsche  Beamte.  21.  Jahrg.  8.  S;  187 
-189.) 

Der  deutsche  Generalpostmeister  Dr.  Hein- 
rich V.  Stephan.  (Nekrolog.)  (Deutsche 
Rundschau  f.  Geographie  u.  Statistik.  19. 
Jahrg.    8.    S.  422 — 424  m.  Bildn.) 

Billig,  R. :  Heinrich  von  Stephan.  (Deutsche 
Rundschau.  91.  Bd.    8.    S.  303—306.) 

Bäcker,  Friedrich:  Aus  dem  Leben  und 
Wirken  des  Staatssekretärs  des  Deutschen 
Reichspostamts  Dr.  v.  Stephan.  (Der  Bär. 
23.  Jahrg.    4.    S.  221 — 224.) 

Hartmann,  Eug.:  Staatssekretär  Dr.  v. 
Stephan,  General-Postmeister  des  Deut- 
schen Reiches.  Rede.  Frankfurt  a.  M.: 
Gebr.  Knauer.    8.    32  S. 

Krickeberg,  E.:    Heinrich  von  Stephan. 


Ein  Lebensbild.  Dresden  &  Leipzig:  C 
Reissner.  8.  3  Bl.,  320  S.,  i  Bildn.  [Männer 
der  Zeit.  I.] 

Bartels,  Adolf:  Adolf  Stern.  Eine  Studie. 
(Westermann s  lUustr.  Deutsche  Monats- 
hefte.   81.  Bd.    8.    S.  589—603  m.  Bildn.) 

V.  Oertzcn,  Friedr.:  Joseph  von  Stichaner. 
Ein  Lebensbild  aus  dem  Elsass.  Mit  e. 
Bilde  von  Stichaner's.  Freiburg  i.  B., 
Leipzig  u.  Tübingen:  J.  C.  B.  Mohr.  8. 
78  S.,  I  Bildn. 

*Kohlschmidt:  Johann  Gustav  Sticket. 
(S.  292 — 294.) 

•Eitner,  Rob.:  L.  M.  Adolf  Stichle. 
(S.  123.) 

VVidmann,  Hans:  Adalbert  Stitter.  (Litte- 
raturbilder  findesiecle.  2.Bdchn.  München: 
J.  Schweitzer.    8.) 

Generallieutenant  z.  D.  v.  Stocken  f.  (Mili- 
tär-Wochenblatt. 82.  Jahrg.  2.  Bd.  4. 
Sp.  2987—2990.) 

Witte,  Carl:  Prozess Witte-Stöckers. Witte. 

•Posner:  Cari  Stölzel,  Professor  für  tech- 
nische Chemie  in  München.    (S.  415.) 

Schulz-Hasserode,  W.:  Fürst  Otto  zu  Stol- 
berg-Wernigerode  f.  (Der  Bär.  23.  Jahrg. 

4.  S.  44 — 46  m.  Bildn.) 

Der  Wiedertäufer  Nikolaus  Storch  und  seine 
Anhänger  in  Hof.  Aus  Enoch  Widmanns 
handschriftl.  Chronik  d.  Stadt  Hof  mitget. 
V.  Christian  Meyer.  (HohenzoUerische  For- 
schungen.   5.  Jahrg.,  S.  273—281.) 

Berger,  Karl:  Theodor  Storni.  (Blätter  ftlr 
literar.   Unterhaltung.    Jahrg.  1897,  II.  4. 

5.  593- 598.) 

Rem  er,  Paul:  Theodor  Storm  als  nord- 
deutscher Dichter.  Mit  einem  Einführungs- 
gedicht V.  Detlev  von  Liliencron.  Berlin: 
Schuster  &  LoefFler.    8.    54  S. 

•Granier,  Hermann:  Albrecht  von  Stosch, 
Königl.  Preuss.  General  der  Infanterie  u. 
Admiral.    S.  422—423.) 

Andrea e,  C:  K(arl)  V(olkmar)  Stoy.  (Päda- 
gog.  Blätter  f.  Lehrerbildung  u.   Lehrer 
bildungsanstalten.  26.  Bd.  8.  S.  343—355-) 

Eck,  S.:  Ueber  David  Friedrich  Strauss. 
1—4.    (Die    Christi.    Welt.    11.  Jahrg.    4, 

Sp.  9-12,  34—39,  54—57,  74—790 
Bischoff,     Hermann:     Richard     Strauss. 

(Musikal.  Wochenblatt.  28.  Jahrg.  4.  S.  194 

— 195,  212—213,  226—228  m.  Bildn.) 
Wilhelm   Streckfuss.    (Chronik  d.    Königl. 

Akad.   d.  Künste   zu  Berlin.    1896/97.    8. 

S.  88.) 
♦  P  n  i  o  w  e  r ,  Otto :  Friedrich  Strehlke.  (S.  3 1 9 

—322.) 

♦Zimmermann,  P.:  Friedr.  Herrn.  Richard 
Freiherr  v.  Strombeck.    (S.  408—409.) 

Maretich  v.  Rio-Alpon,  Gedeon  Frhr: 
Josef  Struber  u.  die  Kämpfe  in  der  Um- 
gebung des  Passes  Lueg  i.  J.  1809.   [Aus; 


42' 


Biographische  Bibliographie. 


Mittheilungen  d.  Ges.  f.  Salzburger  Landes- 
kunde.] Salzburg;  (Wien:  W.  Braumüller.) 
8.    138  S.  m.  Bildn. 

Bussler,  W.:  General  d.  Inf.  v.  Stülp- 
nagel. Kurzgefasstes  Lebensbild  m.  An- 
schluss  d.  Gesch.  des  nach  ihm  genannten 
5.  Brandenburg.  Inf.  Reg.  Nr.  48.  Gotha: 
G.  Schloessmann.  8.   33  S.  m.  Bildn. 

^Brummer,  Franz:  Julius  Karl  Reinhold 
Sturm.  (S.  255—256.) 

Tielo,  A.:  Julius  Sturm.  (Die  Gegenwart. 
51.  Bd.    4.    S.  280— -281.) 

K 1  a  u  s ,  6. :  Ulrich  Sturm.  (B.  Klaus :  GmUnder 
Künstler.  IL  3.  in :  Württemberg.  Viertel- 
jahrsheftc  f.  Landesgesch.  N.  F.  V.  Jahrg. 

8.    S.  313-317.) 

Geh,  Regierungsrath  Ludwig  Suche  f.  (Cen- 
tralblatt  d.  Bau  Verwaltung.  17.  Jahrg.  4. 
S.  428.) 

K  a  w  e  r  a  u ,  Waldemar :  Hermann  Sudermann. 
Eine  kritische  Studie.  Magdeburg  u.  Leip- 
zig: W.  Niemann.    8.    3  Bl.,   1998. 

Willibald:  Sudermann.  (Monatsblättcr  f. 
deutsche  Litteraturgesch.  I.  Jahrg.  8.  S.318 

—  327.) 
*  Sulzer,    Wirklicher    Geheimer    Kriegsrath. 

(S.  213.) 

Tschackert,  Paul:  Magister  Johann  Sutel, 
(1504— 1575),  Reformator  von  Göttingen, 
Schwein furth  und  Northeim,  erster  evang. 
Prediger  an  d.  heut.  Universitätskirche  u. 
erster  Superintendent  zu  Gottingen.  Mit 
Benutzung  vieler  unbekannter  Hand- 
schriften. Nebst  zwei  Schriften  u.  z<ihl- 
reichen  Briefen  Sutels.  (Zeitschr.  d.  Ges. 
f.  niedersächs.  Kirchengesch.  2.  Jahrg.  8. 
S.  1  —  140.)  (Auch  besonders  ersch.  Braun- 
schweig: A.  Limbach.    8.    III,   134  S.) 

Schmoller,  Gustav:  Gedächtnisrede  auf 
Heinrich  von  Sybel  und  Heinrich  von 
Treitschke.  (Zuerst  veröffentl.  in  d.  Bei- 
lage z.  AUg.  Zeitung  v.  2. — 4.  Juli  1896.) 
(Forschungen  z.  Brandenburg,  u.  Preuss. 
Gesch.  9.  Bd.    8.    S.  357—394.) 

Varrentrapp,  Conrad :  Heinrich  von  Sybel. 
(H,  v.  Sybel:  Vorträge  und  Abhandlungen. 
M.  e.  biographischen  Einleitung  v.  C. 
Varrentrapp. München u. Leipzig:  R.  Olden- 
bourg.  8.  S.  I— 156.  [Historische  Biblio- 
thek. Bd.  3.]) 

Roth,  F.  W.  E.:  Jakob  Theodor  von  Berg- 
zabern (Tabemaemontanus),  s.  T  h  e  o  d  o  r. 

Schoener,  Reinbold:  Konrad  Telmann. 
(Das  Magazin  f.  Litteratur.    66.  Jahrg.    4. 

Sp.  151— 159.) 

Gerhard  Tersteegen.  Ein  Gedenkblatt  zu 
seinem  200.  Geburtstage.  Kaiserswerth : 
Diakonissen-Anst.  8.  32  S.  [Geschichten 
u.  Bilder  fürs  deutsche  Volk.    No  31 '33.] 

Das  Leben  des  Gerhard  Tersteegen.  Ding- 
lingen  (Frankfurta.  M.:  J. Schergens).  8. 32  S. 


Zum  Gedächtniss  Gerhard  Tersteegen's, 
geb.  25.  November  1697.  (Allg.  evangel.- 
luth.  Kirchenzeitung.  30.  Jahrg.  4.  Sp.  11 30 

-"34.) 
Die    religiöse    Individualität    Gerhard    Ter- 

steegens.    (Der  Protestant,     i.  Jahrg.    4. 

Sp.  910—913.) 

Auge:   Tersteegen    als    Seelsorger.    (Nach 

gedruckten    und     un gedruckten    Briefen.) 

(Reformirte    Kirchen -Zeitung.    20.   Jahrg. 

4.  s.  372—373.  379—381.) 

Auge,  Fr.:  Gerhard  Tersteegen  als  Seel- 
sorger. Erweit.  Festansprache.  Neukirchen : 
Stursberg  &  C.    8.    39  S. 

Grün  dl  er,  Ad.:  Gerhard  Tersteegen.  Zu 
seinem  200  jähr.  Geburtstag  am  25.  Novbr 
1897.  Berlin:  Buchhandlg  d.  Berliner 
Stadtmission.   8.   49  S.,   i  Bl.,  74  S.,   i  Bl. 

Kühn,  E  :  Gerhard  Tersteegen,  der  Ar- 
men und  Verlassenen  Leibarzt  Ein  Le- 
bensbild. Hamburg:  Rauhes  Haus.  8. 
24  S. 

Lang,  A.:  Gerhard  Tersteegen.  (Refor- 
mirte Kirchen-Zeitung.  20.  Jahrg.  4.  S.  1 56 
—  158,   162  —  164.) 

Nelle,  Wilh.:  Gerh.  Tersteegen.  (G.  Ter- 
steegen: Geistliche  Lieder.  M.  e.  Lebens- 
gesch.  des  Dichters  u.  s.  Dichtung  v.  W. 
Nelle.    Gütersloh :    C.  Bertelsmann.    8.) 

Offe:  Gerhard  Tersteegen.  (Schulblatt  f. 
d.  Prov,  Brandenburg.  62.  Jahrg.  8.  S.  607 

-617.) 

Schimmelbusch,  E.  W.:  Zur  Würdigung 
Gerh.  Tersteegens  als  Dichters.  Ein  Vor- 
trag mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
NcUe'schen  Schrift  »G.  Tersteegens  Geist- 
liche Lieder«.  Düsseldorf:  C.  Schaffnit. 
8.   32  S. 

Werckshagcn,  C. :  Gerhard  Tersteegen. 
Lebensbeschreibung.  (G.  Tersteegen's  Lie- 
der und  Sprüche.  Ausgew.  u.  hrsg.  ▼.  C. 
Werckshagen.  Berlin:    H.  Friedrich.  8.  S. 

1-3^) 
♦K raus s,  Rudolf:  Ludwig  Thaden.  (S.  93.) 

W  e  1 1  n  e  r ,  A.  J. :  Heinrich  Thalboth  s.  R  a  z  g  a. 

Roth,  F.  W.  E.:  Jakob  Theodor  von 
Bergzabern  (Tabemaemontanus).  Bio- 
bibliographisch  geschildert.  (Centr&lblatt  f. 
Bibliothekswesen.  14.  Jahrg.  8.  S.84 — 104.) 

Meine  Reise  in  den  brasilianischen  Tropen 
v.  Therese  Prinzessin  von  Bayern  (Th.  von 
Bayer*).  Berlin:  D.  Reimer.  8.  XVI, 
544  S.,   I  Bildn.,  2  Ktn,  4  Taf. 

Bendixen,  Rudolf:  August  Tholuck.  (R. 
Bendixen :  Bilder  aus  d.  letzten  religiösen 
Erweckung  in  Deutschland.  Leipzig:  Dörff- 
ling  &  Franke.    8.    S.  210—235.) 

Rougemont,  H.  de:  Tholuck.  (Le  Chre- 
tien  evangelique.  IV.  Annee.  8.  S.  10— 
25,  68  -  83.) 

Emil  Thomas:    40  Jahre  Schauspieler.    Er- 


Biographische  Bibliographie. 


43' 


innenuigen  aus  meinem  Leben.  (Bd.  2.) 
Berlin:  C.  Duncker.  8.  i  Bl..  286,  III  S. 
(Bd.  I  ersch.   1895.) 

H.  j.  Thommen.  Geb.  28.  Mai  1795.  Gest. 
3.  Nov.  1897,  Personalien  u.  Leichenreden, 
gespr.  b.  d.  Beerdigung  am  Freitag,  5.  Nov. 
1897  zn  Holstein.  Liestal:  (Gebr.  Lüdin). 
8.    16  S.  m.  Bildn. 

[Thfimmel,  Mathilde:]  Julius  Sigismund 
Thümmel.  Ein  Charakterbild.  Halle  a.S.: 
Dr.  V.  E.  Karras.    8.    50  S. 

^Schölermann,  W.:  Victor  Oscar  Tilgner. 
(S.  275—279.) 

Baechtold,  J.,  a.  Bachmann,  A.:  Lud- 
wig Tobler.  (L.  Tobler:  Kleine  Schrif- 
ten z.  Volks-  und  Sprachkunde.  Hrsg.  v. 
J.  Baechtold  u.  A.  Bachmann.  M.  Portr., 
Lebensabriss  u.  Bibliographie.  Frauenfeld : 
J.  Huber.    8.    S.  VII— XVI.) 

Tobler,  Ludwig:  Salomon  Tobler.  (L.  Tob- 
ler: Kleine  Schriften  z.  Volks-  und  Sprach- 
kunde.  Hrsg.  v.  J.  Baechtold  u.  A.  Bach- 
Diann.  Frauenfeld:   J.  Huber.  8.  S.  1—24.) 

Umlauft,  Friedrich:  Dr.  Franz  Toula. 
(Deutsche  Rundschau  f.  Geographie  u. 
Statistik.  19.  Jahrg.  8.  S.  569 — 572  m. 
Bildn.) 

*Friedjung,  Heinrich:  Ferdinand  Graf 
Trauttmannsdorff;  Präsident  d.  Österreich. 
Herrenhauses.    (S.  132—133.) 

Bussle r,  W.:  Generalmajor  Hennigs  v. 
Treffenfeld.  Kurzgefasstes  Lebensbild  m. 
Anschluss  d.  Gesch.  des  nach  ihm  ge- 
nannten Altmärk.  Ulanen -Reg.  Nr.  16. 
Gotha:  G.  Schloessmann.  8.  31  S.  m. 
I  Abb. 

•Bailleu,   P.:    Heinrich    von   Treitschke. 

(S.  377-389.) 

Kohl,  Horst:  Heinrich  von  Treitschke. 
(Blätter  für  literar.  Unterhaltung.  Jahrg. 
1897,  I.  H.  4.  I:S.  3— 6;  II:  S.  468— 
470.) 

Schmoller,  Gust.:  Heinrich  von  Treitschke 
s.  V.  Sybel. 

S  t  a  m  p  e  r ,  Georg :  Heinrich  von  Treitschke. 
(Westermanns  Illustr.  Deutsche  Monats- 
hefte.   81.  Bd.    S.  271-283  m.  Bildn.) 

Oberst  V.  Trotha:  Meine  Bereisung  von 
Deutsch  -  Ostafrika.  Vortrag.  Berlin:  B. 
Bngl.    8.    96  S. 

Fehler,  A.:  C.  C  Trott  s.  Friedrich 
Wilhelm  ▼.  Braunschweig. 

•Lier,  H.  Ä.:  Heinrich  August  Trüben- 
bach, Pfarrer.  (S.  416—417.) 

Bütle  r ,  Placid :  Ulrich  von  Eppcnstein,  Abt 
von  St.  Gallen  und  Patriarch  von  Aquileja. 
(Jahrbuch  f.  Schweizer.  Gesch.  22.  Bd.  8. 
S.  251—291.) 

•Brummer,    Franz:   Carl  Ulrici.    (S.  262 

Hartwig,  Otto:  Franyois  Sabatier  und  Caro- 


line Sabatier  —  Unger.  (Deutsche  Rund- 
schau.   91.  Bd.  S.  227— 243.) 

Johann  August  Urüperger.  [Aus  der  Er- 
weckungszeit  d.  bayerischen  Landeskirche. 
VI.]  (AUg.  Evangel.-luth.  Kirchenzeitung. 
80.  Jahrg.  4.  Sp.  127— 131.) 

DQsel,  Friedr.:  Johann  Peter  Uz.  (Zeitschr. 
f.  deutsche  Sprache.  10.  Jahrg.  8.  S.  281 
—  292.) 

Vasen,  Prof.  Dr. :  Aus  zwei  Kriegen.  Selbst- 
erlebtes aus  1866  u.  1870/71.  Berlin: 
Liebel.    8.    2  Bl.,  100  S. 

Geiger,  Ludwig:  Moritz  Veit  s.  Sachs, 
Michael. 

Krosigk,  Anna  v.:  Werner  v.  Veitheim. 
E.  Lebcnsgesch.  zum  Leben.  Aus  Tage- 
büchern u.  Briefen  zusammengest.  Bern- 
burg: (O.  DornblUth.)    8.  354  S. 

^Zimmermann,  P.:  Karl  Friedrich  Hilmar 
von  Veitheim.  (S.  409-411.) 

B  r  a  n  k  y ,  Franz :  Theodor  Vemaleken.  (Bio- 
graphien Österreich.  Schulmänner.  Herausg. 
von  Franz  Frisch.  Wien:  A.  Pichler's  Wwe 
&  Sohn.    8.    S.  133  — 159.) 

Dahlerup,  Verner:  Karl  (Adolf)  Verner. 
(Arkiv  för  nordisk  filologi.  N.  F.  9.  Bd. 
8.  S.  270-281.) 

Hartwig,  O.:  Karl  Adolf  Verner  als  Bi- 
bliothekar. (Centralbl.  f.  Bibliothekswesen. 
14.  Jahrg.   8.  S.  249—263.) 

•Weltner,  A.  J.:  Anna  Versing  -  Haupt- 
mann,   Schauspielerin    u.   Schriftstellerin. 

(s.  344—345.) 

Hermann  v.  Vicari,  Erzbischof  von  Frei- 
burg. Ein  Vorkämpfer  f.  d.  Freiheit  d. 
Kirche.  Berlin :  Germania.  8.  62  S.  [Kathol. 
Flugschriften   z.   Wehr  u.  Lehr.    No  ii8.] 

Hob  er,  Eduard:  Clara  Viebig.  (Das  Ma- 
gazin f.  Litteratur.  66.  Jahrg.  4.  Sp.  11 15 
— 1118.) 

Wen  dt,  F.  M.:  Franz  Michael  Vierthaer. 
(Biographien  Österreich.  Schul  männer.Hrsg. 
v.  Franz  Frisch.  Wien:    A.  Pichler's  Wwe 
&  Sohn.  8.  S.  56  —  59.) 

Zum  Gedächtnis  an  D.  Corn.  Rudolf  Victor. 
I.  Rede  am  Sarge  v.  Past.  Lahusen.  2.  Ge- 
bet am  Grabe  v.  Past.  prim.  Thikötter. 
Bremen:  J.  Morgenbesser.    8.  15  S. 

Virchow's  goldenes  Univcrsitäts -Jubiläum. 
(Wiener  Medizin.  Presse.  38.  Jahrg.  4. 
Sp.  1483—1484.) 

Seeger,  Georg:  Peter  Vischer  der  Jüngere. 
Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Erzgiesser- 
familie  Vischer.  Mit  27  Abb.  Leipzig: 
E.  A.  Seemann.  VI  S.,  i  Bl.,  168  S.  [Bei- 
träge z.  Kunstgesch.    Neue  Folge  23.] 

Moser,  Job.:  Thomas  Vocke,  der  erste  evan- 
gelische Pastor  zu  Dietersdorf.  (Zeitschr.  d. 
Harz- Vereins  f.  Gesch.  u.  Altertumskunde. 
30.  Jahrg.  8.  S.  50»  — 505) 

Bölsche,  Wilhelm:  Erinnerungen  an  Karl 


44' 


Biographische  Bibliographie. 


Vogt.  (Neue  Deutsche  Rundschau.  VIII. 
Jahrg.  8.  S.  SS^-Söi.) 

Kuhlmann:  Johann  Heinrich  Volkening. 
(Zeugen  u.  Zeugnisse  aus  d.  christl.-kirchl. 
Leben  von  Minden-Ravensberg  im  i8.  u. 
19.  Jahrh.  2.  Heft.  Gadderbaum  b.  Biele- 
feld:   Anst.  Bethd,    8.  S.  63—87.) 

*Fried]ung,  Heinrich.  Maximilian  Graf 
VrintSy  Österreich.  Diplomat  u.  Herren- 
hausmitgl.  (S.  132.^ 

Professor  Frit«  A.  Wachtl.  (Centralbktt 
f.  d.  gesammte  Forstwesen.  23.  Jahrg.  8. 
S.  1—3  m.  Bildn.) 

♦Pagel:  Guido  Richard  Wagener,  Professor 
d.  Anatomie.     (S.  161 — 162.) 

Büchner,  Ludwig :  Ein  unmoderner  Natur- 
forscher (Adolf  Wagner).  (Die  Gegen- 
wart   52.  Bd.   4.    S.  218—220.) 

*Brümmer,  Franz:  Camillo  Wagner  von 
Freinsheim.     (S.  250 — 251.) 

Frank el,  Ludwig:  Camillo  Wagner  von 
Fre}'nsheim,  Dichter.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
Leipzig:    Duncker  &  Humblot    S.  741  — 

744«) 
Geheimer  Baurath  Heinr.  Wagner.  (Deutsche 

Bauzeitung.  31.  Jahrg.  4.  8.164,  178—179.) 
Geh.  Baurath  Prof.  Dr.  Heinrich  Wagner  in 
Darmstadt  f.    (Centralblatt  d.  Bau  Verwal- 
tung.   17.  Jahrg.    4.    S.  147—148.) 
Bulthaupt,   Heinr.:   Richard  Wagner  als 
Klassiker.     (Aug.  GöUerich:  R.  Wagners 
Bühnenfestspiel  Der  Ring  der  Nibelungen. 
Einleitung.    Leipzig:  C.  Wild.    8.) 
Drews,    Arthur:    (Richard)    Wagner    und 
Feuerbach.     (Die   Gegenwart.     52.  Bd. 

4.  s.  342-344. 358—362.) 

Kaefferlein,  Eduard:  Ein  Jubiläum.  Zum 
22.  Mai.  (Richard  Wagner.)  (Musikal. 
Wochenblatt.  28.  Jahrg.  4.  S.  285— 286, 
297-298,  313—314,  325-326.) 

Mayreder,  Rosa:  Richard  Wagner,  der 
Christ.  (Das  Magazin  f.  Li tteratur.  66.  Jahrg. 

4.  Sp.  1367--1373O 

Mayreder,  Rosa:  Richard  Wagner,  der 
Heide.  (Das  Magazin  f.  Litteratur.  66.  Jahrg. 

4.  Sp.  1333- 1338.) 

Monaldi,  Gino :  Giuseppe  Verdi  und  Richard 
Wagner.  (AUg.  Musik-Zeitung.  24.  Jahrg. 
4.    S.  669— 672.) 

Schmieder,  Jos.:  Richard  Wagner  und 
die  Oper.  (Akademische  Monatsblätter. 
IX.  Jahrg.    4.    S.  253— 259.) 

Zolling,  Theophil:  Richard  Wagner  und 
Georg  Herwegh.  Mit  ungedruckten 
Briefen  von  Wagner,  Herwegh,  König 
Ludwig  II.  usw.    (Die  Gegenwart.   51.  Bd. 

4.  S.  8—12,  26—29.) 

Münz,  Bernhard :  Rudolph  Wagner.  (Briefe 
von  und  über  Jakob  Frohschammer.  Hrsg. 
von  B.  Münz.    Leipzig:  G.  H.  Meyer.    8. 

5.  17—24.) 


Dieter,  Heinrich:  Der  salzburgische  Dich- 
ter Sylvester  Wagner.  Eine  Skizze  seines 
Lebensganges  m.  Proben  seiner  Mundart- 
dichtungen. Vortr.  Salzburg:  H.  Dieter. 
8.    29  S.  m.  Bildn. 

Sybel,  Heinrich  v.:  Georg  Waitz.  (H.  v. 
Sybel:  Vorträge  und  Abhandlungen. 
München  u.  Leipzig:  R.  Oldenbourg.  8. 
S.  309—314.  [Histor.  Bibliothek.   Bd.  3.]) 

Forst,  H.:  Lebensgang  und  geschichtliche 
Stellung  Franz  Wilhelms  (Grafen  v.  War- 
tenberg, Bischofs  von  Osnabrück).  Seine 
Correspondenz.  (Politische  Correspondenz 
des  Grafen  Franz  Wilhelm  von  Warten- 
berg, Bischofs  von  Osnabrück,  aus  den 
Jahren  1621 — 163 1.  Hrsg.  v.  H.  Forst. 
Leipzig:  S.  Hirzel.  8.  S.  IX— XVIU.  [Pu- 
blicationen  aus  den  K.  Preuss.  Staats- 
archiven.   Bd.  68.]) 

Droysen,  Joh.  Gust.:  Das  Leben  des  Fcld- 
marsch.  Grafen  York  v.  Wartenburg. 
IG.  Aufl.  Neue  Ausg.  2  Tle  in  i  Bd.  Leip- 
zig: Veit&C  8.  XIII,  462  S.;  III,  467  S. 
m.  Bildn. 

♦Eitner,  Rob.:  Joseph  Wilhelm  von  Wa- 
sielewsky.    (S.  123—124.) 

Wasiliewskl,  Wilh.  Jos.  v.:  Aus  siebzig 
Jahren.  Lebenserinnerungen.  Stuttgart : 
Deutsche  Verl. -Anstalt.  8.  VII,  278  S.  m. 
BUdn. 

Der  Maler  Friedrich  Wasmann.  Ein  deut- 
sches Kttn stierleben.  (Hist.-pol.  Blatt,  f.  d. 
kath.  DeutschL    119.  Bd.  8.  S.  561  — 581.) 

Pf  Ulf,  Otto:  Friedrich  Wasmann,  Künstler 
und  Convertit.  (Stimmen  aus  Maria-Laach. 
Bd.  53.    8.    S.  62—75,  140— 154O 

Steig,  Reinhold:  Friedr.  Wasmann.  (Deut- 
sche Rundschau.   93.  Bd.   8.  S.471 — 472.) 

Ernst  Wasmuth.  (Nekrolog.)  (Deutsche  Bau- 
zeitung.   31.  Jahrg.    4.    S.  527 — 528.) 

H  a  m  p  e ,  Theodor :  Benedikt  von  Watt.  (Eu- 
phorion.    4.  Bd.    8.    S.  16—38.) 

Keiter,  Heinrich:  Fr.  W.  Weber,  der  Dich- 
ter von  »Dreizehnlinden«.  Eine  Studie.  5., 
verm.  u.  verb.  Aufl.  M.  d.  Portr.  d.  Dich- 
ters. Paderborn:  F.  Schöningh.  8.  68  S., 
I  Bildn. 

Wi  1  m  s ,  Wilhelm :  Friedrich  Wilhelm  Weber. 
Ein  Lebensbild.  (Monatsblatter  f.  deutsche 
Litteraturgesch.   I.  Jahrg.  8.  S.268— 282.) 

♦Frey,  Ad.:  Robert  Weber.   (8.191  —  193.) 

Aus  dem  Tagebuch  weiland  des  Geheimrats 
und  Direktors  des  Königl.  Sächsischen 
Hauptstaatsarchives  Dr.  Carl  von  Weber 
in  Dresden.  (Allg.  Konservat.  Monats- 
schrift f.  d.  christl.  Deutschland.  54.  Jahrg., 
I.    8.    S.  239—262.) 

Wolzogen,  Hans  v.:  Karl  Maria  von  We- 
ber. (H.  V.  Wolzogen :  Grossmeister  deut- 
scher Musik.  Bd.  I.  Hannover:  Dunkmann. 
4.    S.  83— iio  m.  Bildn.) 


Biographische  Bibliographie. 


45* 


Geschichte  eines  Offiziers  im  Kriege  gegen 
Russland  1812,  in  russischer  Gefangen- 
schaft 18 13  bis  1814,  im  Feldzuge  gegen 
Napoleon  181 5.  Lebenserinnerungen  v. 
Carl  Anton  Wilhelm  Grafen  von  Wedel. 
(Herausgegeben  v.  Graf  Ernst  von  Wedel.) 
Berlin:  A.  Asher  &  C.  8.  1  Bl.,  II,  309  S., 
I  Fase 

Lampe,  Emil:  Karl  Weierstrass.  Gedächt- 
nissrede.    Leipzig:  J.  A.  Barth.    8.    24  S. 

Kaemmel,  Otto:  Christian  Weise,  ein 
sächsischer  Gymnasialrektor  aus  der  Re- 
fonnzeit  des   17.  Jahrhunderts.     Leipzig: 

B.  G.  Teubner.  8.  IV,  85  S. 
VVintterlin,  A.:  Der  Bildhauer  Georg  Kon- 
rad Weitbrecht.  Ein  Beitrag  zur  Ge- 
schichte des  wttrttembergischen  Kunstge- 
werbes. 1796— 1836.  (Württemberg.  Vier- 
teljahrshefte f.  Landesgesch.  N.  F.  V.  Jahrg 

8-   S.  333-359.) 

Sybcl,  Heinrich  v.:  Worte  der  Erinnerung 
an  Julius  Weizsäcker.  (H.  v.  Sybel:  Vor- 
träge und  Abhandlungen.  Mtinchen  und 
Leipzig:  R.  Oldenbourg.  8.  S.  315—320. 
[Historische  Bibliothek.    Bd.  3.]). 

M e  i  n  h  o  1  d :  Wellhausen.  1—5.  (Die  christl. 
Welt   II.  Jahrg.   4.   Sp.  461— 465,  487— 

492,  539-543»  555-557,  578—583.) 
Meinhold,  J.:  Wellhausen.    Leipzig:  J. 

C.  B.  Mohr.    8.   44  S.   (Verbesserter  SA.) 
[Hefte  zur  'Christi.  Welt'.  No  27.] 

Meyer,  Ed.:  Julius  Wellhausen  u.  meine 
Schrift  Die  Entstehung  des  Judenthums. 
Eine  Erwiderung.  Halle :  M.  Niemeyer.  8. 
26  S. 

Hantzsch,  Viktor:  Justinian  Ernst  v.  Welz, 
Baron  von  Eberstein.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  744—746.) 

Johann  Andreas  Wendel,  G)'mnasialdir.  in 
Coburg.    (A.  D.  B.   42.  Bd.   S.  746—747.) 

Heinze:  Amadeus  Wendt,  Prof.  d.  Philo- 
sophie.   (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  747—748.) 

•Pagel:  Ernst  Wenzel,  Professor  d.  Ana- 
tomie.   (S.  162.) 

Varnhagen,  Herm.:  Werder  gegen  Bour- 
baki.  Der  Kampf  des  14.  deutschen  Korps 
gegen  die  französ.  Ostarmee  im  Jan.  1871. 
Berlin:  Schall  &  Grund.  8.  VI,  104  S. 
m.  Abb.,  I  Bildn.  u.  i  eingedr.  Kte. 

Salis,  A.  V.:  Peter  Werenfels,  Dr.  theol., 
Prof.  a.  d.  Univ.  zu  Basel.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  1—4.) 

Salis,  A.  V.:  Samuel  Werenfels,  Dr.  u. 
Prof.  d.  Theologie  von  Basel.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  5-— 8.) 

Beck,  P.:  Albert  Werfer,  kathol.  Schrift- 
steller u.  Dichter.    (A.  D.  B.  42.  Bd.   S.  8 

■—IG.) 

▼.  Schulte:  Benedict  Maria  Leonhard  von 
Werkmeister,  katholischer  Theolog.    (A. 

D.  B.   42.  Bd.    S.  II— 13.) 


Pyl:  Lambert  von  Werle,  Abt  des  Klosters 
Eldena.    (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  13—14.) 

Hart  fei  der,  K.:  Veit  Werler,  Humanist 
u.  Philologe.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  14—15.) 

Eisenhart:  Johann  Werlhof,  Rechtslehrer. 
(A.D.  B.    42.  Bd.    S.  15— 16.) 

Pagel:  Paul  Gottlieb  Werlhof,  berühmter 
Arzt  des  18.  Jahrh.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  16-17.) 

D  i  c  k  i  n  g  e  r :  Josef  Wemdl,  Generaldirektor 
der  Österreich.  Waifenfabriks-Ges.  (A.  D. 
B.    42.  Bd.    S.  17— 18.) 

Knott,  Robert:  Johann  Friedrich  Christian 
Wemeburg,  Prof.  d.  Mathematik.  (A.  D. 
B.    42.  Bd.    S.  19.) 

Hess,  R.:  Johann  Wilhelm  Adolf  Weme- 
burg, Forstmann.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  19 
-21.) 

Pagel:  Wilhelm  Wemeck,  österr.  Militär- 
u.  Augenarzt.     (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  21.) 

Hess,  W.:  Franz  Wemekink,  Medicinal- 
rath.     (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  21—22.) 

Hess,  W.:  Friedr.  Christ.  Gregor  Weme- 
kink, Prof.  d.  Medicin.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  22.) 

V.  Gttmbel:  Abraham  Gottlob  Werner,  Mi- 
neralog.    (A.  D.  B.   42.  Bd.    S.  33—39.) 

Hartfelder,  Karl:  Adam  Werner  von  The- 
mar,  humanist.  Dichter  u.  Jurist.  (A.  D. 
B.  42.  Bd.  S.  39—41.) 

Bolte,  J.:  Adam  Friedrich  Werner,  deut- 
scher Hofpoet  König  Friedrichs  III.  von 
Dänemark.     (A.  D.  B.  42.  Bd.   S.  41— 42.) 

Schott,  Theodor:  August  Hermann  Wer- 
ner, Arzt  u.  Gründer  v.  Kinderheilanstal- 
ten.    (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  42.) 

Seiffert,  Max:  Christoph  Werner,  Musiker. 
(A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  43.) 

Reu  seh:  Franz  Werner,  katholischer  Theo- 
loge.    (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  43—44.) 

Siegfried,  C:  Friedrich  Werner,  Theo- 
loge.   (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  48.) 

Hippe,  Max:  Friedrich  Bernhard  Werner, 
schlesischer  Zeichner.     (A.  D.  B.   42.  Bd. 

s.  48—49.) 

Sulger-Gebing:  (Friedrich  Ludwig)  Za- 
charias  Werner.    (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  66 

—74.) 
V.  Hatzbach,  Knoblauch:  Georg  Friedrich 

Werner,  Vorkämpfer  f.  d.  Lehre  vom  Licht- 
äther.    (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  49—50-) 

Mandyczewski,  E.:  Gregor  Joseph  Wer- 
ner, Componist.    (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  50.) 

Schott,  Theodor:  Gustav  Werner,  evan- 
gelischer Theologe.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  50—56.) 

Günther:  Johannes  Werner,  Astronom  u. 
Mathematiker.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  56 
-58,) 

Pagel:  Johannes  Werner,  Arzt,  (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  58.) 


46* 


Biographische  Bibliographie. 


Keusch:  Karl  Werner,  katholischer  Theo- 
loge.    (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  60— 61.) 

Li  er,  H.  A.:  Karl  Friedrich  Heinrich  Wer- 
ner, Aquarellmaler.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  61—63.) 

Landsberg,  Ernst:  Michael  Gottfried  Wer- 
ner, Jurist.     (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  63.) 

Schumann,  Paul:  Anton  von  Werner  u. 
Wilhelm  Bode.  (Der  Kunstwart.  10. Jahrg. 

4.  s.  332—334.) 

F  r  ä  n  k  e  1 ,  Ludwig :  Franz  von  Werner,  Di- 
plomat u.  Dichter  unter  d.  Namen  Murad 
£fendi.     (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  44—48.) 

Poten,  B.:  Johann  Paul  von  Werner,  kgl. 
preuss.  Generallieutenant.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  63-66.) 

V.  Györy,  Joseph  Freiherr  von  Werner, 
Diplomat.     (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  58-60.) 

Gurlt,  E.:  Adolf  Wemher,  gelehrter  Chi- 
rurg.    (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  80— 8i.) 

Y.  Eisenhart:  Johann  Georg  Wernher, 
Jurist  u.  Landsyndikus.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  87.) 

Wernher:  Johann  Wilhelm  Wemher, 
grossherz.  hess.  Geh.  Staatsrath.  (A.  D. 
B.    42.  Bd.    S.  81—86.) 

▼.  Eisenhart:  Michael  Gottlieb  Wemher, 
Rechtsgelehrter.    (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  86 

-87.) 
*Puschmann,    Th. :     Agathon    Wemich. 

(s.  355-356.) 

Fränkel,  Ludwig:  Fritz  Wemick,  Reise- 
schriftsteller. (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.87— 90.) 

Schmidt,  Erich:  Christian  Weraicke,  Epi- 
grammatiker. (A.  D.  B.  42. Bd.  3.90—92.) 

Bahlmann,  P.:  Christian  Friedrich  Wems- 
dorf,  Pfarrer.     (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  95.) 

Bahlmann,  P.:  Christian  Gottlieb  Wems- 
dorf ,  Prof.  d.  Philosophie.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  95—96.) 

Bahlmann,  P.:  Ernst  Friedrich  Wemsdorf, 
Prof.  d.  Philosophie  u.  Theologie.  (A. 
D.  B.    42.  Bd.    S.  96.) 

Bahlmann,  P.:  Gottlieb  Wemsdorf,  Prof. 
der  Theologie  und  Generalsuperint.  der 
Diöccse  Wittenberg.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  96.) 

Bahlmann,  P.:  Gotüieb  Wemsdorf,  Prof. 
d.  orientsd.  Sprachen  am  akad.  Gymn.  zu 
Danzig.     (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  96—97.) 

Bahlmann,  P.:  Gottlieb  Wemsdorf,  Prof. 
d.  Jurisprudenz  zu  Wittenberg.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  97.) 

Müller,  Georg :  Gregor  Gottlieb  Wemsdorf, 
angesehener  sächsischer  Schulmann.  (A. 
D.  B.    42.  Bd.    S.  97—98.) 

Koldewey,  Friedrich:  Johann  Christian 
Wemsdorf,  Prof.  d.  Eloquenz  u.  Poesie 
zu  Helmstedt.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  98 
— 101.) 

Frensdorff,    F.:    August   von    Wersebe, 


Geschichtsforscher.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  101 — 102.) 

Poten,  B.:  Johann  Graf  von  Werth,  kur- 
fürstl.  bair.  u.  k.  k.  Österreich.  General  d. 
Cavallerie.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  103— 1 1 1.) 

Pagel:  Gustav  Wertheim,  Dermatolog.  (A. 
D.  B.    42.  Bd.    S.  III.) 

Oppenheimer:  Theodor  Wertheim,  Che- 
miker.    (A.  D.  B.   42.  Bd.    S.  III.) 

▼.  Peter  sdorff,  H.:  Heinrich  August 
Alexander  Wilhelm  Freiherr  von  Werther, 
preussischer  Diplomat.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  III  — 113.) 

T.  Peter  sdorff,  H.:  Karl  (Anton  Philipp) 
Freiherr  von  Werther,  preussischer  Diplo- 
mat    (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  113 — 116.) 

Lippert,  W.:  Dietrich  von  Werthem, 
Kanzler  des  deutschen  Ordens  u.  Rath 
Herzog  Georgs  v.  Sachsen.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  116— 119.) 

Lippert,  W.:  Ernst  Friedrich  Karl  Aemi- 
lius  Freiherr  von  Werthem,  königl.  sächsi- 
scher Consistorialdirector,  Kanzler  u.  Con- 
ferenzminister.     (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  122 

-"5-) 

Lippert,  W.:  Georg  von  Werthem,  kur- 
sächsischer Staatsmann.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  125 — 127.) 

Lippert,  W.:  Georg  Graf  von  Werthem, 
kursächsischer  Gesandter,  Cabinetsminister 
u.  Kanzler.  (A.  D.  B.  42.Bd.  S.  127  — 130.) 

Georg  Freiherr  von  Werthem,  Jurist  u.  Di- 
plomat.    (A.  D.  B.   42.  Bd.    S.  130—132.) 

Lippert,  W.,  Philipp  von  Werthem,  Ju- 
rist u.  Diplomat.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  121.) 

Lippert,  W.:  Wolfgang  von  Werthem, 
Diplomat  und  Sprachkenner.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  119— 121.) 

Mendheim,  Max:  Friedrich  August  Qe- 
mens  Werthes,  Dichter.    (A.  D.  B.  42.  Bd. 

S     I  ^12  — - 1^1^ 

Bolte,  J.:  Heinrich  Wescht  (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  134.) 

Keussen:  Gerhard  von  Wesel,  Kölner 
Rathsherr.     (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  134.) 

V.  Eisenhart:  Mathäus Wesenbeck, Rechts- 
gelehrter.   (A.D.  B.  42  Bd.  S.  134  —  138.) 

Gran i er,  Hermann:  Matthaeus  von  Wesen- 
beck, kurbrandenb.  Staatsmann.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  758-  761.) 

Otto  Wesendonck  f.  (Allg.  Musik-Zeitung. 
24.  Jahrg.    4.    S.  7—8.  m.  Bildn.) 

Arnold  Wesenfeld,  Prof.  in  Frankfurt  a.  0. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  138—139.) 

B  a  h  1  m  an  n ,  P. :  Andreas  Wesling  (Wisling), 
Prof.  d.  hebräischen  Sprache  in  Rostock. 
(A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  139.) 

Pyl:  Franz  Wessel,  Bürgermeister  von 
%  Stralsund  u.  Förderer  d.  Reformation. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.   S.  139— 141.) 

Hach,  Th.:  Hans  Wessel  (Wechsel,  Wesel), 


Biographische  Bibliographie. 


47 


* 


Goldschmied  in  Lübeck.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  141  — 142.) 
Brecher:     Johann     Wessel,     vorreformat. 
Theolog   u.  Humanist.    (A.  D.  B.  42  Bd. 

S.  761-763.) 

Müller,  Rudolf:  Eduard  Wcssely,  Bild- 
hauer.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  142—144.) 

Li  er,  H.  A.:  Josefine  Wessely,  Schau- 
spielerin. (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  145 — 
146.) 

Zimmermann,?.:  Joseph  Eduard  Wessely, 
Kunstschriftsteller.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  144 

-  1450 
PageL-  Moritz  August  Wessely,  Arzt.    (A. 

D.  B.  42.  Bd.  S.  146.) 

Löffler,  Alexander:  Wolfgang  Wessely, 
Orientalist  u.  Rechtsgelehrter.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  146—147.) 

Kühner,  Karl:  Ignatz  Heinr.  von  Wessen- 
berg  und  seine  Zeitgenossen,  Lichtge- 
stalten aus  dem  Katholizismus  des  19.  Jahr- 
hunderts. M.  I  Abb.  Heidelberg:  J.  Hör- 
niog.  8.  2  Bl.,  51  S.,  I  Bildn.  [Bilder  aus 
der  evang.-prot.  Landeskirche  des  Gross- 
herzogtums Baden.  IIL] 

V.  Schulte:  Ignaz  Heinrich  Karl  Freiherr 
von  Wessenberg.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  147 

-'57) 

V.  Arneth:  Johann  Freiherr  von  Wessen- 
berg. (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  157 — 173.) 

Hei  gel:  Lorenz  von  Westenrieder,  Histo- 
riker. (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  173 — 181.) 

Brecher:  Gerhard  Westerburg,  Jurist. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  182  —  184.) 

Zimmermann,  P.:  George  Westermann, 
Verlagsbuchhändler.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  184—186.) 

Redlich:  Johann  Westermann,  Theologe. 
(A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  186.) 

R e u  sc h :  Anton  Westermayer,  katholischer 
Geisüicher.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  186—187.) 

Grotefend,  W. :  Christiane  Henriette  Doro- 
thea Westermayr.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  187—188.) 

Grotefend,W.:  Daniel  Jakob  Westermayr 
(Westermayer),  Goldarbeiter.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.   S.  188-189.) 

Grotefend,  W.:  Konrad  Westermayr 
(Westermayer),  Maler  u.  Kupferstecher. 
(A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  189— 191.) 

Stciff,  K.:  Joachim  Westfal,  Buchdrucker. 
(A  D.  B.    42.  Bd.    S.  191.) 

▼.  Gümbel:  Christian  Friedrich  Gotthard 
Westfeld,  hannov.  Obercommissär  u.  Klo- 
steramtmann, Cameralist  u.  Mineralog. 
(A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  191—192.) 

Keussen:  Dietrich  Westhof,  Chronist. 
(A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  192.) 

Keusch:  Elbert  Wilhebn  Westhoff,  katho- 
lischer Gcbtlicher.  (A.D.  B.  42.  Bd.  S.  192 

-193.) 


Bahlmann,  P.:  (Joseph)  Ferdinand  West- 
hoff.  (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  193.) 

Pyl:  Andreas  Westphal,  Historiker.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  196—197.) 

Landsberg,  Ernst:  Ernst  Christian  West- 
phal, Jurist.    (A.  D.  B.   42.  Bd.   S.  197— 

198.) 
Joachim  Westphal,  lutherischer  Theologe. 

(A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  198—201.) 

Günther:  Johann  Heinrich  Westphal,  Astro- 
nom. (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  202 — 203.) 

Günther:  Justus  Georg  Westphal,  Astro- 
nom.   (A.  D.    B.  42.  Bd.   S.  203—204.) 

Korn,  G.:  Karl  (Friedrich  Otto)  Westphal, 
Arzt.  (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  204 — 205.) 

Rossbach,  A. :  Rudolf  (Georg  Hermann) 
Westphal.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  205—216.) 

Mendheim,  Max:  Engel  Christine  West- 
phalen,  Dichterin.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  217 
—  218.) 

V.  Krogh:  Heinrich  Christian  Westphalen, 
Etatsrath.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  226—227.) 

Günther:  Hermann  Libert  Westphalen, 
Astronom.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  227—228.) 

Joachim,  Hermann :  Nicolaus  Adolf  West- 
phalen, Jurist  u.  Historiker.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  228.) 

Zimmermann,  P.:  Christian  Heinrich  Phi- 
lipp (Edler  v.)  Westphalen.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  228^231.) 

Carstens:  Ernst  Joachim  von  Westphalen, 
Gelehrter  u.  Staatsmann.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  218 — 221.) 

Thimme,  Friedrich:   Ferdinand  Otto  Wil* 
heim  Henning  von  Westphalen,  preu^si- 
scher  Minister.     (A.  D.  B.    42.  Bd.   S.  221 
— 226.) 

Oppenheimer:  Johann  Friedr.  Westrumb, 
Apotheker.     (A.  D.  B.    42.  Bd.     S.  231.) 

Sillem,  W.:  Hermann  Wetken,  Bürger- 
meister von  Hamburg.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  234-237.) 

Sillem,  W.:  Johann  Wetken,  Bürgermeister 
von  Hamburg.    (A.  D.  B.   42.  Bd.    S.  231 

—234.) 
L  i  p  s  i  u  s ,  Richard  Adelbert :  Zur  Säkularfeier 

(Wilhelm  Martin  Leberecht)  de  Weites. 
1880.  (R.  A.  Lipsius :  Glauben  und  Wis- 
sen. Ausgewählte  Vorträge  u.  Aufsätze. 
Berlin:  C.  A.  Schwetschke  &  Sohn.  8. 
S.  299—313.) 

Dierauer,  J.:  Laurenz  Wetter,  Landam- 
mann von  Appenzell-Ausserorden.  (A.  D.B. 
42.  Bd.  S.  238 — 239.) 

Salis,  A.  V.:  Johann  Jacob  Wettstein. 
Prof.  der  Theologie.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  251-254.) 

Fäh,  Franz:  Johann  Rudolf  Wettstein, 
Bürgermeister  von  Basel.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  240 — 248.) 

Salis,    A.  V.:  Johann  Rudolf  Wettstein  L, 


48* 


Biographische  Bibliographie. 


Prof.    d.    Theologie.     (A.  D.  B.    42.  Bd. 
S.  248 — 250.) 

Salis,  A.  T.:  Johann  Rudolf  Wettstein  II., 
Prof.  d.  Theologie.  (A..  D  B.  42.  Bd. 
250—251.) 

Metz,  L.:  Hieronymus  Wetzel,  niederhess. 
refonnirter  Theolog.  (A.D.B.  42. B.  S.  254 
-256.) 

Johann  Caspar  Wetzel,  Theologe.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  256— 257.) 

Haeberlin,  C:  Johann  Christian  Fried- 
rich Wetzel,  Rector  des  Lyceums  zu 
Prenzlau.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  257—259,) 

Metz:  Thomas  Wetzel,  refonnirter  Geist- 
licher Niederhessens.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  259—260.) 

V.  Györy:  Heinrich  Joseph  Wetzer,  Theo- 
loge. (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  261—263.) 

Pagel:  Johann  Evangelist  Wetzler,  Arzt. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  263.) 

Klenz,  Heinrich:  Friedrich  Karl  Wex,  Schul- 
mann u.  Philolog.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  263 
—265.) 

▼.  Schulte:  Jakob  Wex,  Prof.  d.  Theolo- 
gie u.  Philosophie.  (A.B.B.  42.  Bd.  S.  265 
—266.) 

Holland,  Hyac:  Wilibald  Wex,  Land- 
schaftsmaler.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  266.) 

Li  er,  H,  A.:  Julius  Weydc,  Genremaler. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  266.) 

Binz,  C:  Johann  Weyer,  Arzt.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  266 — 270.) 

Heyd,  W.:  Albrecht  Weyermann,  Theolog 
u.  Litterarhistoriker.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  270—271.) 

Brummer,  Franz:  Friedrich  Weyermüller, 
Dichter  geistlicher  Lieder.  (A.  D.  B.  42 .  Bd. 
S.  271.) 

P  o  t  e  n ,  B :  Hermann  Weygand,  grossherzl. 
hessischer  Major  u.  Militärschriftstellcr. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  272—273.) 

Katzenstein,  Louis :  Sebastian  Weygandt, 
Maler.     (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  273  ) 

Redlich:  Maximilian  Friedrich  Weyhe, 
Botaniker  u.  Hofgärtner.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  277—278.) 

Lange,  Wilhelm  Christian:  Eberhard  von 
Weyhe,  Jurist  u.  Staatsmann.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  273—277.) 

Tschackert,  P.:  Johann  Heinrich  Wey- 
henmayer,  luth.  Prediger  u.  Erbauungs- 
schriftstcUcr.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  278.) 

Li  er,  H.  A.:  Georg  Gottfried  Wej^en- 
meyer,  Bildhauer.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  279.) 

Fränkel,  Ludwig:  Josef  Weyl,  Humorist 
u.  Uebersetzer.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  280 
—282.) 

Sauer,  W.:  Joseph  Weyland,  päpstlicher 
Hausprälat.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  282  — 
283.) 


Ratzel,  F.:  Karl  Weyprccht,  Polarfahrer. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  763—774.) 

Escherich,  G.  v.:  Emil  Wcyr,  Prof.  d. 
Geometrie.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  283— 284.) 

Mayer,  Christian:  Stephan  Weyrer,  Kir- 
chenmeister zu  Nördlingen.(A.D.6.  42. Bd. 
S.  284—285.) 

Stieda,  L.:  (Karl  Rufus)  Victor  Weyrich, 
Arzt    (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  285—286.) 

Müller,  Rud.:  Qemens  Ritter  v.  Wcy- 
rother,  Schriftsteller.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  286—287.) 

C  r  i  s  t e ,  Osk. :  Franz  v.  Weyrother,  General- 
major.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  287—289.) 

Eitner,  Rob.:  Christoph  Ernst  Friedrich 
Weyse,  Componist  u.  Musiktheoretiker. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  289—290.) 

Steiff,  K.:  Johannes  Weyssenburger,  Prie- 
ster u.  Drucker.  (A.  D.  R  42.  Bd.  S.  290 
—291.) 

Hantzsch,  Viktor:  Wolfgang  Weyssen- 
burger, reformirtcr  Theolog  u.  Geograph. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  291—292.) 

Anemttller:  Johann  Karl  Wezel,  Lust- 
spieldichter.   (A.  D.  B.   42.  Bd.    S.  292  — 

293.)    * 
Wagner,    P. :    Tileman    Dothias   Wiarda. 

(A.  D.  B.  42.  Bd.    S.  293—298.) 
Günther,  Rudolf:  Johann  Christian  Wibel, 

Hofprediger  u.  Kirchenhistoriker.  (A.  D.  B. 

42.  Bd.  S.  300 — 302.) 
Wetzel:     Peter   Wiben.    (A.  D.  B.  42.  Bd. 

S.  302— 303O 

Pagel:  Karl  August  Wibmer,  Arzt  u.  Me- 
dicinalbeamter.    (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  303 

-304-) 

Cuno:  Johannes  Wichelhaus,  reformirtcr 
Theologe.   (A.D.B.  42.  Bd.  S.  306—309.) 

Hennig,  Mart.:  Johann  Heinrich  Wiehern, 
der  Herold  d.  Inn.  Mission.  Berlin:  Ost- 
deutscher Jttnglingsbund.  8.  16  S.  ro.  Abb. 
[Für  Feste  u.  Freunde  der  Inn.  Mission. 
H.   I.] 

Sander:  Johann  Hinrich  Wiehern,  Begrün- 
der des  Rauhen  Hauses.    (A.  D.  B.   42.  Bd. 

s.  775—780.) 

Holstein,  H.:  George  Heinrich  Robert 
Wiehert,   Schulmann.    (A.  D.  B.    42.  Bd. 

S-  309—310.) 

Bolte,  J.:  Albert  Wichgrevius,  Dichter. 
(A.  D.  B.   42.  Bd.  S.  310—312.) 

Lier,  H.  A.:  Adolf  Wichmann,  Maler. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  312—313.) 

Pagel:  Johann  Ernst  Wichmann,  Arzt. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  313.) 

Weisbach,  Werner:  Karl  Friedrich  Wich- 
mann, Bildhauer.   (A.D.B.  42.  Bd.  S.  313 

— 314O 
W  e  i  s  b  a  c  h ,  Werner :  Ludwig  Wilhelm  Wich- 
mann, Bildhauer.    (A.D.B.  42.  Bd.  S.  314 
-316.) 


Biographische  Bibliographie. 


49' 


Günther:    Moritz    Ludwig    Georg   Wlch- 

mann,    Astronom.     (A.    D.    B.     42.  Bd. 

S.  316.) 
Stegfried,    C:    Johann   (Christoph)   Wich- 

mannshausen.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  316.) 
Wunschroann,   E.:   Max  Ernst  Wichura» 

preussischer    Regierungsrath.      (A.  D.  B. 

42.  Bd.  S.  316—318.) 
^Brummer,   Franz:  Julias  von  Wickede. 

(8.261-262.) 
Potcn,    B.:    Julius   v.    Wickede,   Schrift- 
steller.   (A.  D.  B.  42.  Bd.   S.  318-319.) 
Schäfer,   Dietrich:  Thomas  v.  Wickede, 

BQrgermeister  von  Lübek.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 

S.  319^320.) 
Ilwof,  Franz:  Matthias  Constantin  Capello 

Graf  von  Wickenbiirg.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 

S.  320-325O 

Schlossar,A.:  Wilhelm  ine  Gräfin  Wicken- 
burg-Almasy,  deutsch-österreichische  Dich- 
terin.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  326—327.) 

K  a  i  n  d  1 ,  R.  F. :  Franz  Adolf  Wickenhauser, 
Geschichtsforscher.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  337-328.) 

Schmidt,  Erich :  Jörg  Wickram.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  328— 336.) 

Hey:  Job.  Goswin  Widder,  pfälz.  Histori- 
ker.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  338.) 

Cuno:  Friedrich  Widebram,  reformirter 
Schulmann  und  Dichter.   (A.  D.  B.  42.  Bd. 

s.  338—340.) 

Steiff,  K.:  Johannes  Wldenast  (Vydenast). 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  340 — 341.) 

Lauchert:  Franz  Xaver  Widenhofer,  katho- 
lischer Theologe.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  341 

—34a.) 
V.  Winckel,  F.:  Barbara  Widenman(nin)- 

(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  342—343.) 
Tschackert,     Paul:     Philipp     Ehrenreich 

Wider  (Wieder),  evang.  Theologe.  (A.D.B. 

42.  Bd.  S.  343.) 
Fränkel,  L.:   Achilles  Jason  Widman(n). 

(A,  D.B.  42.  Bd.  S.  345—346.) 
Lier,    H.    A.:    Christian    Adolf   Friedrich 

Widmann,  Dichter  u.  Politiker.    (A.  D.  B. 

42.  Bd.  S.  352— 354-) 
Meyer,  Christian:    Enoch  Widmann,  Ge- 
schichtsschreiber. (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  354 

—3550 
Fränkel,  L.:   Erasmus   Widman(n),   Mu- 
siker u.  musikaL  Dichter.    (A.D.B.  42.  Bd. 

s.  346-350 ) 

r.  Schulte:    Franz    Widmann,    Kanonist. 

(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  355.) 
Fränkel,  L.  Georg  Widman(n),  Chronist. 

(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  345.) 
Fränkel,  L.:    Georg  Rudolf  Widman(n), 

Bearb.  d.  Faust  -  Volksbuchs.     (A.  D.  B. 

4J.  Bd.  S.  350—352-) 
Widmann,  J.  V.:  Erinnerungen  an  Johannes 
Brahms.    s.  Brahms. 

BiogT.  Jfttarb.  a.  Deutacher  Nekrolog.  2.  Bd. 


Heyd:  Johann  Widmann  (Salicetus).  (A. 
D.  B.  42.  Bd.  S.  355-357.) 

Cantor:  Johannes  Widmann  von  Eger, 
Mathematiker.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  355.) 

V.  Oefele:  Leonhart  Widmann,  Regens- 
burger Chronist.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  357.) 

R  i  e  z  1  e  r :  Johann  Albrecht  Widmanstetter, 
Staatsmann  u.  Humanist.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 

s.  357-361.) 

Lauchert:    Joseph  Widmer,   katholischer 

Theologe.     (A.  D.  B.   42.  Bd.    S.  361— 

362.) 
Holland,    Hyac:    Max   Ritter  von  Widn- 

mann,  Bildhauer  und  Akademieprofessor. 

(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  362—364.) 
▼.  Hoyer,  E.:  Friedr.  Karl  Hermann  Wiebe, 

Ingenieur.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  370 — 372  ) 
Frölich,  H.:  Johann  Wilhelm  v.  Wiebel, 

deutscher    Militärarzt.    (A.  D.  B.  42.  Bd. 

s.  372.) 

Eitner,  Rob.,  Friedrich  Wieck,  Musiker 
u.  Musikpädagoge.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  373 

—375.) 

V.  Hoyer,  E.:  Friedrich  Georg  Wieck,  tech- 
nologischer Schriftsteller  u.  Industrieller. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  372-373.) 

Günther;  Basilius  Christian  Bernhard 
Wiedeburg,  Astronom.   (A  D.  B.  42.  Bd. 

S.  375-) 
Wegele:  Friedrich  Wiedeburg,  Historiker. 

(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  375.) 

Stalmann,  W.:  Friedrich  August  Wiede- 
burg, Universitätsprof.  u.  Schulmann.  (A. 
D.  B.  42.  Bd.  S.  376—377.) 

Günther:  Johann  Bernhard  Wiedeburg, 
Theolog  u.  Astronom.    (A.  D.  B.    42.  Bd. 

S.  379— 380O 

Günther:  Johann  Ernst  Basilius  Wiede- 
burg, Physiker  u.  Astronom.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  380.) 

Koldewey:  Justus  Theodor  Wiedeburg. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  378—379.) 

▼.  Winckel,  F.:  Christian  Rudolf  Wilhelm 
Wiedemann,  Anatom.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  381.) 

Lauchert:  Georg  Friedrich  Wiedemann, 
katholischer  Theologe  u.  Historiker.  (A. 
D.  B.  42.  Bd.  S.  381—383.) 

Hess,  R«:  Wilhelm  v.  Wiedenmann,  Forst- 
mann. (A  D.  B.  42.  S.  383—385.) 

Schneider,  Eugen:  Konrad  Wiederhold. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  386—388.) 

Brandt,  Otto:  Ludwig  Heinrich  Wieder- 
hold.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  388-389.) 

Brandt,  Otto :  Johann  Ludwig  Wiederholdt, 
hervorragender   Jurist.    (A.  D.  B.  42.  Bd. 

s.  385-386.) 

Carstens:  Karl  Johannes  Friedrich  Wilhelm 
Wieding,  gelehrter  Jurist.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 

s.  389-390.) 

Oppenheimer,    Carl:     Johann     Christian 

d 


^^^ 


Biographische  Bibliogiapliie. 


Wiegleb,    Apotheker.    (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  390.J 
I>»aeleD,  Eduard:    Rudolf  Wi^;iBauni,  Ar- 
chitekt n.  Maler.  TA.  D.  B.  42.  Bd.  S.  390 

V.  Stamford,  Carl :  Ernst  Heinrich  Wieg- 
rebe, korffirstL  hessischer  Oberst.  (A.  D. 
B.  42.  Bd.  S.  39«— 395-) 

Pagel:  Joseph  Wiel,  schweixer  Arzt.  (A. 
D.  B.  42.  Bd.  S.  395.; 

Koch,  Max:  (Christoph)  Martin  WieUuuL 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  400 — 419.) 

Meyer  v.  Knonau:  P.  Johann  Baptist  Wie- 
laod,  gelehrter  Benedictiner.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  398—399.) 

F I  an  kcl ,  Lodwig:  Johann  Sebastian  Wie- 
land ,  Dichter.    (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  395 

-  398.; 

V. *Salis,  Arnold:  Kari  Dietrich  Wielaad, 
Jurist.    (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  399—400.) 

Carstens:  Ludolf  Christian  Wienbftrg. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  419—420.) 

^Braunmfihl,  A.  v.:  Christian  Wiener, 
Geb.  Hofrat    (S.  207  —  209.) 

Wiener,  Hermann:  Christian  Wiener, 
Mathematiker,  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  790  — 
792.) 

B ehrend,  Reichsgerichtsrat  Dr.:  Heinrich 
Wiener.  (DeuUche  Juristen -Zeitung.  U. 
Jahrg.  4.  S.  466 — 467.) 

Steiff,  K.:  Johannes  Wiener  (Wienner), 
Bachdmcker  der  Incunabelzeit.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  420.) 

Elze,  Th:  Paul  Wiener,  Mitreformator  in 
Krain,  erster  evang.  Bischof  in  Sieben- 
bürgen«   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  420—422.) 

Pocke:  Arnold  Wienholt,  Arzt.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  422.) 

Bah  Im  an  n,  P.:  Franz  Wieniewskl,  Philo- 
loge.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  422—423.) 

Bahlmann,  P.:  Eberhard  Wiens,  Schul- 
mann.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  423  —424.) 

Beim  Generalkapellmeister  Wieprecht.  Eine 
30  jähr.  Erinnerung  an  den  Sieg  der 
Musik  der  preuss.  Garde  bei  dem  inter- 
nat  Wettkampf  der  Europ.  Militärmusik 
auf  der  Pariser  Weltausstellung  1867. 
(Der  Bär.    23.  Jahrg.    4.    S.  18-21.) 

E  i  t  n  e  r ,  Rob. :  Wilhelm  Friedrich  Wieprecht, 
Gcneralmusikdirector  des  preuss.  Garde* 
Corps.     (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  424^-425.) 

Christianus  Wierstraat  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  427.) 

V.  Eisenhart:  Georg  Stephan  Wiesand, 
Rechtslehrer.  (A.  D.  B.  42.  Bd.   S.  427  — 

429.) 
•Weltner,    A.    J.:      Wilhelm    Wiesberg, 

österr.  Volksschriftstcller.    (S.  345 — 347.) 
K 1  e  n  z ,  Heinrich :  Georg  Walter  Vicent  (von) 
Wiese,  Kanonist,  Staatsmann.    (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  429 — 430.) 


Miller,  Albert:  Friedrich  (Jnlins  Angvst 
Wieseler.     (A.  D.  R  42.  Bd.  S.  430— 

433-) 
Tschackert,  Paul:    Kari  Georg  Wteseler, 

erang.  Theologe.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  433-' 

Hacker  mann:  Christian  Enoch  Wieseaer, 

Theologe  n.  Dickter.     (A.  D.  B.   42.  Bd. 

S-  433—434-) 
Landsberg,    Ernst:     Jost   Karl   Wiesen- 

taaaeni,  Protestant.  Kanonist.     (A.  D.  B. 

42- Bd.    S. 434— 435) 
L auch  er t:    Georg  Franz  Wiesner,  kathol. 
Theologe.     (A.  D.  B.     42.  Bd.    S.  435  — 

436.) 

M  filier,  Rudolf:  Konrad  Wiesner,  Kupfer- 
stecher. (A.  D.  B.   42.  Bd.    S.  436— 440k) 

T.  Schulte:  Jakob  Wlessner,  Kanonist. 
(.A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  440.) 

Lauch ert:  Stephan  Wiest,  kathoL  Theo- 
loge.    (A.  D.  B.    42.  Bd.    S.  440-442.) 

L  ier,  H.  A.:  Heinrich  Wtethase,  Architekt. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  442.) 

▼.Schulte:  Maximilian  Wietro wski,  J  esuit. 
(.A.  D.  B.   42.  Bd.  S.  442.) 

Pfau,  Karl  Fr.:  Georg  Wigand,  Vericger. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  449—451.) 

Brecher:  Johann  Wigand,  lutherischer 
Theolog.    (A,  D.  B.  42.  Bd.  S.  452— 454-) 

Wu nschmann,  E.:  (Julius  Wilhelm)  Albert 
Wigand,   Botaniker.     (A.  D.  B.    42.  Bd. 

S.  445—449-) 
S  t  i  e  d  a ,  L. :  Justus  Heinrich  Wigand,  Arzt. 

(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  454— 457-) 

Pfau,  Karl  Fr.:  Otto  Wigand,  Buchhänd- 
ler.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  457^458.) 

Lauchert:  Martin  Wigandt,  kathoL  Theo- 
loge u.  Philosoph.  (A.  D.  B.  43.  Bd. 
S.  458.) 

Pagel:  Franz  Jacob  Wigard,  Arzt  u.  Steno- 
graph.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  458—459.) 

Krause:  Dr.  (Peter  Gottlieb  Daniel)  Fried- 
rich Wigger.    (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  46t  — 

463.) 
Klenz,  Heinrich:  Gustav  (Adam)  Friedrich 

Wiggers,  Theolog.  (A.D.a  42.  Bd.  S.463 

-465.) 
Pagel:  Heinrich  Augrust  Ludwig  Wiggers, 

Pharmakolog.    (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  465.) 

Lauchert:  Johann  Wiggers,  kathol.  Theo- 
loge. (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  465.) 

Klenz,  Heinrich:  Moritz  (Karl  Geoi^) 
Wiggers,  Politiker  (A.D.B.  42.  Bd.  S.465 
—468.) 

Holstein,  H. :  Friedrich  Wiggert,  hervor- 
ragender Schulmann.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  468—469.) 

Frank el,  Ludwig:  Ludwig  Wihl,  Philolog 
und  Litterat,  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  469 — 
472.) 

Li  er,  H.  A:  Christian  Wilberg,  Maler. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  472—473.) 


Biographische  Bibliographie. 


51 


« 


Koldewey:  Friedrich  (Wilhelm)  Wilberg, 
Schulmann.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  473 — 474.) 
Klenz,  Heinrich:  Christian  (Ludwig  Theo- 
dor)   Wilbrandt,    Aesthetiker.    (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  476 — 477.) 

v.Stamford,  Carl :  Ernst  Ludwig  v.  Wllcke, 
kurf.  Sachs.  General  d.  Infanterie.  (A.D.B. 
42.  Bd.  S.  477—479.) 

S  c  h  r  a  u  f :  Heinrich  Wilhelm  Graf  Wilczek. 
(A,  D.  B.  42.  Bd.  S.  479—481.) 

Goldmann,  A.:  Johann  Joseph  Maria  Graf 
V.  Wilczek.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  482 
—486.) 

MandyczewskiiE.:  Franz  Wild,  Tenorist. 
(A.D.B.  42.  Bd.   S.  486-487.) 

Hantzsch,  Viktor:  Johannes  Wild,  Rei- 
sender.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  487 — 488.) 

Becker,  F.:  Johannes  Wild,  Ingenieur. 
(A.  1).  B.  42.  Bd.  S.  488—489.) 

Steiff,  K.:  Leonhard  Wild,  Buchdrucker. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  489—490.) 

Holstein,  H.:  Sebastian  WUd,  Meister- 
sänger u.  Dramatiker.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  490—491.) 

V.  Eisenhart:  Wilhelm  Eduard  Wilda, 
Professor  der  Rechte.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  491-493.) 

Li  er,  H.  A.:  Mathilde  Wildauer,  Schau- 
spielerin u.   Sängerin.    (A.  D.  B.    42.  Bd 

s.  493—495.) 

Pagel:  Christian  Friedrich  Ludwig  Wild- 
berg,  Arzt.   (A.  D.  B.  42.  B.  S.  495.) 

Gurlt,  E.:  Johannes  Wildberger,  Ortho* 
päde.    (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  495.) 

Gurlt,  E. :  Jobann  Christian  Wilde,  Ana- 
tom.   (A.  B.  B.  42.  Bd.  S.  496.) 

Stieda,  L.:  Peter  Ernst  Wilde.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  496—498.) 

Riezler:  Ritter  Hans  Ebran  von  Wilden- 
berg, bairischer  Chronist.  (A.D.B.  42.  Bd. 

S.  498— 499«) 

Hippe,  M.t  Hieronymus  Gürtler  von  Wil- 
denberg.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  499.) 

Fränkel,  Ludwig:  Karl  August  Wilden- 
bahn,  Erbauungsschriftsteller.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.  S.  500—503.) 

Ree:  Georg  Christian  Wilder,  Architektur- 
zeichner u.-  Kupferstecher.  (A.D.  B.  42. Bd. 
S.  504.) 

Schott,  Theodor:  Ottilie  Wildermuth. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  504—507.) 

Cuno:  Johann  Daniel  Wildius,  reform, 
theolog.  Schriftsteller.  (A.  D.  B.  42.  Bd. 
S.  507.) 

Hess,  R.:  Ludwig  Karl  Eberhard  Heinrich 
Friedrich  von  Wildungen,  Forstmann. 
(A,  D.  B.  42.  Bd.  S.  513—515.) 

V.  Kisenhar  t:  Christian  Wildvogel,  sächs.- 
eisenach.  Geheimrath,  Senior  d.  Jenenser 
Juristenfacultät.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  515 
-516.) 


Ambrosius  Wilflingseder,  Diakonus  u.  Mu- 
sikschriftsteller.   (A.  D.  B.  42.  Bd.   S.  516 

—517.) 
Krieger:  Wilhelm,    Markgraf  von  Baden 

(-Baden).    (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  697—699.) 
Poten,  B:  Wilhelm  Ludwig  August,  Prinz 

u.  Markgraf  von  Baden.    (A.D.B.  42.  Bd. 

S.  699—701.) 
Poten,  B. :  Ludwig  Wilhelm  August,  Prinz 

von  Baden.    (A.  D.  B.    42.  Bd.   S.  701— 

703.) 
Riezler:  Wilhelm  III.,  Herzog  von  Baiern- 

München.  (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  703—705.) 
Riezler:  Wilhelm  IV.,  Herzog  v.  Baiern. 

(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  705  —  717.) 
Riezler:    Wilhelm  V.,  der  Fromme,   Her- 
zog von  Baiern.   (A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  717 

—723.) 
Redlich:    Wilhelm  I.,    Herzog  von  Berg. 

(A.  D.  B.   42.  Bd.  S.  723—727.) 

Zimmermann,  P.:  Wilhelm  der  Aeltere, 
Herzog  zu  Braunschweig  u.  Lüneburg. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  733  —  738.) 

Zimmermann,  P.:  Wilhelm  der  Jüngere, 
Herzog  zu  Braunschweig  und  Lüneburg. 
(A.  D.  B.  42.  Bd.  S.  738—741.) 

Wilhelm  der  Grosse.  1797.  1897.  Berlin: 
A.  Weichcrt,   8.    16  S.   m.    i  Abb. 

Aus  dem  Tagebuche  Kaiser  Wilhelm  I. 
Berlin:  H.  Steinitz.  8.  2  Bl.,  71  S. 

Wilhelm  der  Grosse.  Ein  Lebensbild.  Za- 
bern:  A.  Fuchs.    8.  32  S.  m.  Bild. 

Kaiser  Wilhelm  d.  Grosse.  Jubiläums-Schrift 
y.  Sachs.  Gustav -Adolf- Boten.  Dresden: 
F.  Sturm  &  C.  8.   16  S.  m.  Abb. 

Wilhelm  der  Grosse,  Deutschlands  Helden- 
Kaiser.  Dargest.  in  20  Portraits  v.  1802 
— 1882.  Neue  Ausg.  M.  e.  cinl.  Dichtg. 
V.  Jul.  Wolff  u.  Illustr.  von  A,  v.  Hcyden. 
München:  F.  Bruckmann.  4.  54  S.  Text. 

Eine  Lebensbeschreibung  Kaiser  Wilhelms  I. 
(Die  Grenzboten.  56.  Jahrg.  IV.  8.  S.  169 
—180.) 

Kaiser  Wilhelm  der  Siegreiche.  Zur  loojäbr. 
Feier  seines  Geburtstages.  (Die  Grenz- 
boten.    56.  Jahrg.  I.  8.  S.  513 — 516.) 

König  Wilhelm  auf  seinem  Kriegszuge  in 
Frankreich  1870.  Von  Mainz  bis  Sedan. 
Zum  22.  März  1897  hrsg.  v.  Grossen  Ge- 
neralstabe. Nebst  Plänen.  Berlin :  E.  S.  Mitt- 
ler &  Sohn.  8.  82  S.  [Kriegsgeschichtl. 
Einzelschriften.  Hrsg.  v.  Gr.  Gcneralst.- 
Abth.  f.  Kriegsgesch.    H.  19.] 

Kaiser  Wilhelm  I.  und  Fürst  Bismarck. 
(Der  Bär.    23.  Jahrg.  4.  S.  162 — 164.) 

Adami,  Frdr. :  Das  Buch  vom  Kaiser 
Wilhelm.  Ein  Lebensbild,  nach  d.  Auf- 
zeichnungen V.  Augenzeugen  u.  Zeitgenos- 
sen. 2.  [Titel-] Aufl.  2  Bde.  Bielefeld: 
Velhagen  &  Klasing.  8.  V,  466  S. ;  V, 
567  S. 


5>* 


Biographische  Bibliog^raphie. 


Beck,  Schulrat:  Der  Ruhm  Kaiser  Wil- 
helms I.  Festrede.  (Der  Schulfreund. 
53-  Jahrg.  8.  S.  85—95.) 

Below,  H.  ▼. :  Kaiser  Wilhelm  der  Grosse. 
Berlin :    K.    Siegismund.      8.     93   S.    m. 

1  Bildn. 

Bern  er,  Ernst:  Wilhelm  der  Grosse.  Ein 
Bild  seines  Lebens.  Historisch  erforscht. 
Berlin:  A.  Doncker.    8.    S.  i — 160. 

Beyschlag,  Willibald:  Zum  Centenarium 
Kaiser  Wilhelms  I.  (Deutsch  -  evangel. 
Blätter,  22.  Jahrg.    8.    S.  271 — 277.) 

Bickerich,  W.:  Festrede  z.  100 jähr.  Ge- 
burtstage Kaiser  Wilhelms  I.  Lissa:  F. 
Ebbecke.  8. 

Dietz,  Rud.:  Wilhelm  der  Grosse,  i — 3. 
Aufl.     Düsseldorf«  L.  Schwann.    8.    16  S. 

Disselhoff,  Julius:  Kaiserbüchlein  oder 
Kaiser  Wilhelms  Lehr-  und  Meisterjahre. 
5.,  neu  durchges.  u.  yerm.  Aufl.  Kaisers- 
werth:    Diakonissen -Anstalt.     8.     166  S, 

2  Bildn.i  I  Beil. 
Erdmannsdörffer,  B.:  Kaiser  Wilhelm  L 

Festrede  d.  Universität  Heidelberg.  Heidel- 
berg: J.  Höming.    8.    25  S. 

Falke,  Rob.:  Kaiser  Wilhelm  der  Grosse. 
Basel:  F.  E.  Perthes.  8.  48  S.  m.  Titel- 
bild. 

Fischer,  Glieb :  Deutschlands  grosser  Hel- 
denkaiser. Bilder  aus  d.  Leben  d.  grossen 
Kaisers  Wilhelm  L  4.-7.  Aufl.  31—65. 
Taus.  Herborn:  Buchh.  d.  Nass.  Col- 
portagever.    8.    64  S.  m.  Abb. 

Fischer-  Sallstein,  M.  Konr. :  Kaiser  Wilhelm 
der  Grosse.  Berlin:  A.Weichert.  8.  159S. 
ni.  Abb. 

Fitzner,  Br.:  Kaiser  Wilhelm  L  als  Frei- 
maurer in  Wort  u.  That.  5.  unveränd.  Aufl. 
Hannover:  A.  Kiepert.    8.    VIII,  80  S. 

Fleischmann,  Paul:  Vom  lieben  alten 
Kaiser  Wilhelm.  Allerlei  aus  seinem  Le- 
ben. Berlin:  Deutsche  Sonntagsschul- 
Buchh.    8.    20  S.  m.  Abb. 

Geyer,  Alb.:  Kaiser  Wilhelm  der  Grosse. 
Berlin:  A.  W.  Hayn's  Erben.  8.  III,  123  S. 
m.  Illustr. 

Gocbel,  Herm.:  Kaiser  Wilhelm  L,  der 
Grosse,  e.  evangelischer  Glaubensheld. 
3. — 5.  Aufl.  Cöthen:  Schriftenniederl.  d. 
cvang.  Vereinshauses.  8.  138  S,  m.  i  Bildn. 

V.  Gossler,  Gust.:  Wilhelm  der  Grosse  in 
seinen  Beziehungen  zur  Kunst.  Rede. 
Nebst  urkundl.  Anlagen.  Berlin:  E.  S. 
Mittler  &  Sohn,    4.    57  S. 

Grahl,  Otto  de:  Kaiser  Wilhelm  der  Grosse. 
Mit  73  Text-IUustr.  u.  1  Titelb.  Berlin: 
W.  Pauli's  Nachf.    8.    160  S. 

Grimm-Camap, Oscar:  Wilhelm  der  Grosse 
und  die  preussischc  Volksschule.  (Monats* 
Schrift  für  kathol.  Lehrerinnen.  10.  Jahrg. 
8.    S.  136— 141.) 


Heinke,  F.:  Unser  Soldatenkaiser  Wil- 
helm L  12. — 17.  Aafl.  Als  Anh.:  Aus 
den  letztwill.  Aufzeichnungen  Kaiser  Wil- 
helms I.   Berlin:  Liebel.   8.   2oS.m.  Bildn. 

Hermann,  Ernst :  Kaiser  Wilhelm  I.  Oster- 
wieck  a./H.:  A.  W.  Zickfeldt.     8. 

Hilger,  Jos.:  Zur  Jubelfeier  des  100.  Ge- 
burtstages Kaiser  Wilhelms  des  Grossen. 
Mayen:  L.  Schreder.    8.    15  S. 

Hoffmeyer,  L.:  Kaiser  Wilhelm  d.  Grosse. 
I. — 4.  Aufl.  Breslau:  F.  Hirt.  8.  48  S. 
m.  18  Abb. 

Hoischen,  G.:  Vier  Bilder  aus  dem  Leben 
Kaiser  Wilhelms  L  Hamm:  Breer  &  Thie- 
mann.    8.    16  S.  m.  Bild. 

Jahnke,  Ernst:  Festgabe  zum  loojähr.  Ge- 
burtstage Kaiser  Wilhelms  des  Grossen. 
Danzig:  R.  Barth.    8.    32  S.  m.  Abb. 

J  ah  n  k  e ,  Herm. :  Wilhelm-Gedenkbuch.  Zum 
Andenken  an  den  100 jähr.  Geburtstag 
Kaiser  Wilhelms  des  Grossen.  M.  1  Kunst- 
beil, u.  Abb.  Berlin:  P.  Kittel.  4.  Kl. 
Ausg.  72  S.     Gr.  Ausg.  106  S. 

Kohl,  Horst:  Kaiser  Wilhelm  L  (Blätter 
fttr  literar.  Unterhaltung.  Jahrg.  1897,  IL 
4.    S.  721—725.) 

Kort  Um,  Frdr.  Wilh.:  Kaiser  Wilhelm  der 
Grosse.  Hannover:  Göhmannsche  Buchdr. 
8.    36  S.  m.  Abb.  u.  Bildn. 

I^Urschner,  Jos.:  Heil  Kaiser  Dirl  Das 
Leben  und  Wirken  Kaiser  Wilhelms  I. 
Berlin:  H.  Hillger.    8.    416  S.  m.  Abb. 

Kugler,  Bemh.:  Kaiser  Wilhelm  der  Grosse 
u.  seine  Zeit.  Mit  zahlr.  Illustr.  I^ipzig: 
R.  Walther.    4.    408  S. 

La  band:  Zum  hundertsten  Geburtstage 
Kaiser  Wilhelms.  (Deutsche  Juristen-Zei- 
tung.   II.  Jahrg.    4«    S.  109--110.) 

Lilien cron,  A.  v.:  Kaiser  Wilhelm  der 
Grosse.  Berlin :  Christi.  Zeitschriften  verein. 
8.  152  S.  m.  40  Abb.  [Neue  Volksbttcher. 
Hrsg.  V.  d.  Vereinig,  v.  Freunden  christl. 
Volks-Litt.    Bdchn  36.] 

Litzmann,  B.:  Zu  Kaiser  Wilhelms  Ge- 
dächtnis.   Rede.    Bonn:  E.  Strauss.    8. 

Lorenz,  Ottokar:  Kaiser  Wilhelm  I. 
(Deutsche  Rundschau.    Bd.  90.    8.    S.  321 

—342.) 
Luttichau,  Max  Graf  v. :  Lose  Blätter  aus 

dem  Leben  Wilhelms   d.   Grossen.     (M. 

e.  Anh.)     Leipzig:  G.  Wigand.    8.    48  S. 

M  a  r  a  u  n ,  W. :  Kaiser  Wilhelm  des  Grossen 
Denken  u.  Wollen  nach  Selbsteigenero 
Wort  und  letztwilHgen  Aufzeichnungen. 
Herrliche  Zeugnisse  erhabener  Seelengrösse 
u.  edlen,  frommen  Sinnes.  Berlin-Schöne- 
berg: Militär -Verlagsanst.  8.  72  S.  m. 
I  Bildn. 

Marcks,  Erich:  Wilhelm  I.  Deutscher 
Kaiser,  König  von  Preussen.  (A.  D.  B. 
42.  Bd.    S.  517  —  692.) 


Biographische  Bibliographie. 


53 


» 


Marcks,  Erich:  Kaiser  Wilhelm  L  Leip- 
zig: Duncker  &  Humblot.    8.  XIII,  370  S. 

Martin  ins,  Paul:  Kaiser  Wilhelm  der 
Grosse.    Berlin:  W.H.  Osterwald.  8.  77  S. 

Ohl,  H.:  Zum  Gedächtnis  Kaiser  Wil- 
helms I.  Festrede.  Ratxeburg:  M.  Schmidt. 
8.    15  S. 

O  n  c  k  c  n ,  Wilh. :  Unser  Heldenkaiser.  Fest- 
schrift z.  loojähr.  Geburtstage  Kaiser 
Wilhelms  d.  Grossen.  Hrsg.  v.  d.  Ko- 
mitee f.  d.  Kaiser -Wilhelm -Gedächtnis- 
kirche. BUderschmuck  unter  Berücks.  d. 
Kunstschätze  d.  HohenzoUem-Museums  u. 
d.  königL  Schlösser.  Briefe  aus  d.  königl. 
Haus- Archive  u.  d.  königl.  Staats- Archive. 
Berlin:   Schall  &  Grund.    4.    III,    272  S. 

Pas  ig,  Paul:  Der  grosse  Kaiser  in  seiner 
menschlichen  Grösse.  Erzählungen  aus  d. 
I^ben  Kaiser  Wilhelms  I.  Leipzig:  B. 
Richter.    8.    VII,  42  S.  m.  Bildn. 

Petersdorf f,  Herman  v.:  Der  erste  Ho- 
henzoUernkaiser  im  Dienste  preussischer 
und  deutscher  Grösse.  Zum  loojährigen 
Geburtstage  Wilhelms  L  Leipzig:  Breit- 
kopf &  Härtel.  8.  IV  S.,  I  Bl,,  119  S.. 
I  Bildn. 

Pfister,  Alb.:  Kaiser  Wilhelm  I.  Sein 
Leben  u.  Wirken.  4.  Aufl.  Neue  Ausg. 
Stuttgart:  W.  Kohlhammer.  8.  VIII,  242  S. 
m.  Bildn. 

Planken,  G.:  WUhelm  h  u.  Friedrich  lU. 
Der  ersten  deutschen  Kaiser  Leben,  Wir- 
ken, Leiden,  Sterben,  Beisetzung.  Erinne- 
rungsblätter. (Neue  Ausg.)  Leipzig:  P. 
Friesenhahn.    8.    IV,  124  S. 

Rheinländer,  C:  Kaiser  Wilhelm  I.,  der 
Grosse.  Ein  Lebensbild.  17.  — 22.  Aufl. 
Düsseldorf:  L.  Schwann.  8.  32  S.  mit 
Bild. 

Rönnberg,  C:  Eine  biographische  Dar- 
stellung des  Lebens  Sr.  Majestät  (Kaiser 
Wilhelms  L).  M.  e.  Portr.  (Zum  100 jähr. 
Geburtstage  Weil.  Sr.  Mnj.  des  Kaisers  u. 
Königs  Wilhelm  I.  Tl.  2.  Berlin:  Exped. 
d.  Neuen  Militär.  Blätter.    8.) 

Roethe,  Gust:  Rede  zur  Feier  d.  lOOJähr. 
Geburtstages  Kaiser  Wilhelms  I.  Göt- 
tingen: Vandenhoeck  &  Ruprecht.  8.  20  S. 

Rogge,  Bernh.:  KaiserbUchlein.  Zur  Er- 
innerung an  Kaiser  Wilhelm  den  Grossen. 
M.  zahlr.  Abb.  20.  u.  21.  Aufl.  Biele- 
feld: Velhagen  &  Klasing.     8.     88  S. 

R<)ggrc,  Bernh.:  Kaiser  Wilhelm  I.  Illustr. 
GedenkbUchlein.  15.— 25.  Aufl.  Dresden- 
Blasewitz:  Gustav-Adolf-Vcrlag.  8.  24  S. 
m.  Abb. 

Rosenthal,  M.:  Zu  Kaisers  Wilhelms  Ge- 
dächtnis. An  seinem  loojähr.  Geburts- 
Uge.     Delitzsch:  R.  Pabst.    8. 

Ruete,  H.:  Kaiser  Wilhelm  der  Grosse  als 
Christ,    Mensch,    Soldat    und    Herrscher. 


Ein    Charakterbild.     Leipzig:     DUrr'sche 
Buchh.    8.    55  S.  m.  i  Bildn. 
Schmeidler,  Joh.:    Zu  Kaiser  Wilhelm*s 
Gedächtnis.    (Der  Protestant,    i.  Jahrg.  4. 

sp.  197 -»99.) 

Schmidt,  P.  W.:  Rede  bei  der  Jahrhundert- 
feier Kaiser  Wilhelms  I.  im  Basler  Münster 
gehalten.  (Protestant.  Monatshefte  1.  Jahrg. 
8.    S.  170—176.) 

Schmoll  er,  Gustav :  Der  erste  Hohenzollern- 
Kaiser  (Wilhelm  L).  Eine  Gedächtniss- 
rede. (HohenzoUern-Jahrbuch.  i.  Jahrg. 
4.    S.  I  — 6,  m.  Bildnissen.) 

Schreck,  Ernst:  Wilhelm  d.  Grosse,  des 
neuen  deutschen  Reiches  erster  Kaiser. 
Trier:  H.  Stephanus.     8. 

S  tarn  per,  Georg:  Kaiser  Wilhelm  I. 
(Wcstermanns  Illustr.  Deutsche  Monats- 
hefte.    Bd.  82.    8.    S.  1  —  8   m.  I  Bildn.) 

Sterzenbach,  K.:  Kaiser  Wilhelm  I.,  d. 
Siegreiche.  Seine  Lebensgeschichte  und 
glorreiche  Regierung.  Neuwied:  Heuser. 
8.    III,  X12  S. 

Stockhorner  v.  Starein,  Otto  Frh.: 
Kaiser-Büchlein.  Wilhelm  d.  Grosse  als 
Christ  im  Leben  u.  im  Sterben.  29.  stark 
verm.  Aufl.  Berlin:  Christi.  Zeitschriftenver. 
8.    142  S.  m.  Bildn. 

Str  ei  ssler,  Frdr.:  Kaiser  Wilhelm  der 
Grosse,  der  Einiger  Deutschlands.  Reut- 
lingen: R.  Bardtenschlager.  8.  80  S.  m. 
2  Bild.    [Vaterländische  Bücherei.    Bd.  8J 

Trapet,  Augustin:  Kaiser  Wilhelm  I. 
Rede.     Coblenz:  W.  Groos.    8.    25  S. 

Volz,  Berthold:  Wilhelm  d.  Grosse.  Deut- 
scher Kaiser  u.  König  v.  Preussen.  Sein 
Leben  u.  Wirken.  Leipzig:  O.  Spamer. 
8.    VIII,  585  S. 

Walderaar,  K.:  Kaiser  Wilhelm  d.  Grosse. 
Breslau:  F.  Hirt.    8.    40  S.  m.  14  Abb. 

▼.  Werner,  A. :  Rede  zur  Gedächtnisfeier 
des  100.  Geburtstages  weiland  Kaiser  Wil- 
helms des  Grossen  in  der  Hochschule  f. 
d.  bildenden  Künste.  (Der  Bär.  23.  Jahrg. 
4.    S.  i86-i88,  195—198.) 

Wiermann,  Heinr.:  Anekdoten  aus  dem 
Leben  Kaiser  Wilhelm  L  Berlin:  H.  Stei- 
nitz.     8.     104  S. 

Windclband,  Wilh,:  Gedenkrede  auf  Kai- 
ser Wilhelm  I.  Strassburg:  W.  Heinrich 
i.  Komm.     8.     14  S. 

Wolter,  A.:  Kaiser  Wilhelm  der  Grosse 
als  Herrscher,  Mensch  u.  Christ.  Ein  Cha- 
rakterbild, aus  seinem  Leben  geschildert. 
Berlin:  E.  S.  Mittler  &  Sohn.  8.  IV, 
124  S.  m.  55  Abb. 

Zeh  1  icke,  Ad.:  Kaiser  Wilhelm  d.  Grosse, 
Deutschlands  Retter  und  Rächer.  Ge- 
schichte seiner  Zeit  u.  der  von  ihm  ge- 
führten Nationalkriege  bis  zu  seinem  Tode 
m.  histor.  Einleitung.    2  Bde.     Berlin:  L. 


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DEUTSCHER  NEKROLOG 


VOM  I.  JANUAR  BIS  3i.  DECEMBER 


i897. 


Homo  über  de  nulla  re  minus,  quam 
de  morte  cogitat  et  ejus  sapientia  non 
mortis,  sed  vitae  roeditatio  est. 

Spinoza.    Ethlces  pars  IV.  Propof. 
LXVII. 


Biogr.  Jahrb.  u.  Deutacher  Nekrolo|f.^  2.  Bd. 


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Deutscher  Nekrolog  vom   i.  Januar  bis  31.  December  1897.     'V '•*, 


Reimer,  Ernst  Heinrich,  Buchhändler  in  Berlin,  *  in  Berlin  am  5.  Juli 
^^33»  t  ^^  J^^3.  am  19.  October  1897.  —  Nach  einer  sonnigen  Kindheit,  in 
den  weiten  Räumen  und  Gärten  des  heutigen  Hausministeriums,  wurde  Ernst 
Reimer,  der  älteste  Sohn  von  Georg  Reimer,  zunächst  nicht  Buchhändler, 
sondern  Seemann.  Neigung  und  Wesen  leiteten  den  lebensfrohen  und  leibes- 
gewandten Jüngling,  als  er  1850  das  Friedrichs- Werdersche  Gymnasium  ver- 
liess  und  mit  erwirkter  väterlicher  Zustimmung  seine  erste  Seereise  auf  einem 
Bremer  Kauffahrteischiffe  antrat.  Es  führte  ihn  —  als  Schiffsjungen,  dann  als 
Matrosen  —  westwärts  über  Lima,  Hongkong  und  Ceylon  bis  zum  Cap  der 
Guten  Hoffnung,  wo  es  Havarie  erlitt.  Erst  Februar  1854  kehrte  er  auf 
fremdem  Schiffe  heim,  war  zweimal  in  Nordamerika  und  erwarb  sich  1855 
auf  der  Navigationsschule  zu  Danzig  den  Grad  eines  Obersteuermanns.  Wieder 
auf  einer  Reise  nach  Ostindien  und  China  begriffen,  starb  ihm  1858  in  der 
Heimath  der  Bruder  Max  im  Beginn  der  buchhändlerischen  Ausbildung. 

Das  bedeutete  für  Ernst  Reimer,  dessen  seelische  Entwickelung  die  gei- 
stigen Entbehrungen  seines  Berufes  und  die  geselligen  Härten  seiner  Um- 
gebung mit  wachsendem  Unbehagen  reflectirte,  den  freiwilligen  Verzicht  auf 
Steuer  und  Compass,  und  es  erfüllte  sich  ihm  und  dem  Vater  ein  Wunsch, 
als  1860  für  den  Siebenundzwanzigjährigen  im  Frommann 'sehen  Hause  in  Jena 
nach  den  Wanderjahren  die  Lehrjahre  begannen.  1861  wurde  ihm  Adolf 
Marcus  in  Bonn  zum  Lehrherm  und  vertrauten  Freunde,  ein  Jahr  darauf 
arbeitete  er  in  Leipzig  bei  Arthur  Felix  und  1863  öffnete  sich  dem  als  jungen 
Gatten  Heimkehrenden  die  Handlung  des  Vaters.  Von  da  an  war  die  Firma 
Georg  Reimer,  die  Georg  Andreas  Reimer  —  der  Freund  Amdt's  und  Schleier- 
macher's  —  1819  aus  der  Realschulbuchhandlung  hatte  erstehen  lassen,  ein 
Menschenalter  hindurch  die  Stätte  seines  Wirkens.  1865  wurde  er  Procurist, 
1876  Theilhaber  der  Firma,  von  1884  an  war  er  ihr  Allein inhaber,  bis  er  am 
1.  Januar  1897  das  Erbe  seiner  Väter  der  Hand  anvertraute,  die  diese  Zeilen 
schreibt  und  die  unter  seiner  Leitung  für  ihren  Beruf  sich  schulen  durfte. 
Im  Sommer  darauf  Hess  er  sich  auf  der  Helgoländer  Düne  von  den  fluthen- 


4  '  Reimer.     Höhten. 

den  Wellen  nochmals* -den  Traum  der  Jugend  erzählen,  betrieb  dann  heiter 
und  verlangend  die/Uebersiedelung  nach  Jena  und  erlag  hier  wenige  Wochen 
darauf  einem  Leid^*;.  das  schon  Jahre  an  seiner  Kraft  und  Spannung  gezehrt 
hatte.  /••':-'' 

Ernst  Reimef«  war  ein  feinsinniger  und  hingebender  Vertreter  seines  Be- 
rufes, aus  dei  ^hule  seiner  Vorgänger.  Das  Buch,  das  er  verlegte,  war  ihm 
SelbstzweckjV-bestand  es  vor  der  Kritik  wie  vor  dem  eigenen  Gefallen,  so 
hatte  er  -'d^iV  besseren  Theil  seines  Lohnes  dahin.  Zu  dem  Autor,  für  den 
er  verlegte,"  suchte  er  gerne  ein  persönlich  vertieftes  Verhältniss.  Seinen 
Verlag"*4ls  Pflegstätte  der  Wissenschaft,  wie  er  ihm  überkommen  war,  zu 
verw^te»*  war  ihm  Pflicht  und  Genugthuung.  So  spannen  sich  unter  ihm 
auo^V-äie  Fäden  verdichtend  fort,  die  seine  Handlung  mit  der  Preussischen 
A:tjtdl?mie  der  Wissenschaften  und  dem  Deutschen  Archäologischen  Institut 
.  yerl«nüpften  und  bei  den  Vertretern  jener  Körperschaften  stand  das  stille 
.^  Wirken  des  tüchtigen  und  bescheidenen  Mannes  in  hoher  Geltung. 

•  •'•!*•*      Dem  literarischen  Sachverständigenverein  gehörte  Ernst  Reimer,  als  Nach- 

•  !•.   'folger    des  Vaters,    bis    zu  seinem  Todesjahre  an.     In  der  Stadtverordneten- 

versammlung, in  die  man  ihn  1875  an  Stelle  des  Vaters  wählte,  blieb  er  nur 
fünf  Jahre. 

Im  öffientlichen  Leben  war  er  niemals  heimisch.  In  sich  geschlossen, 
ein  Mann  der  Ueberzeugung  und  des  klaren  freien  Urtheils,  machte  ihn  doch 
Widerspruch  schon  im  engen  Kreise  schweigsam.  Nicht  aus  Zaghaftigkeit, 
dass  man  ihm  wehe  thue,  sondern  aus  Besorgniss,  Anderen  wehe  zu  thun. 
Aber  Zartsinn  hat  eine  leise  Stimme  und  wo  er  im  lauten  Streit  des  Lebens 
die  Führung  übernimmt,  da  wird  ihm  leichtlich  die  Resignation  zur  Zuflucht. 
So  erzählten  wenigstens  die  seelenvollen  Augen  denen,  die  Ernst  Reimer  in 
den  letzten  Jahren  seines  Lebens  näher  getreten.  Als  habe  in  dem  harten 
und  treuen  Kampf  um  sein  Lebensideal  die  Entsagung  die  Oberhand  be- 
halten. 

Conze  im  Archäol.  Anzeiger  1897  S.  167;  Diels  in  einer  Beilage  des  Archivs  für 
Geschichte  der  Philosophie  XI,  i  und  des  Archivs  für  System.  Philosophie  IV,  i ;  Laehr  in 
der  AUgcra.  Zeitschrift  für  Psychiatrie  LIV  S.  950 ;  Virchow  im  Archiv  für  pathol.  Ana- 
tomie und  Physiologie  CL  S.  388;  Websky  in  den  Protest.  Monatsheften  I  S.  463. 

W.  de  Gruyter. 

Hülsten,  Karl,  Universitätsprofessor  der  Neutestamen tlichen  Exegese  in 
Heidelberg,  *  am  2.  April  1825  in  Güstrow,  f  am  26.  Januar  1897  in  Heidel- 
berg. —  Unter  den  Verlusten,  die  das  Jahr  1897  der  evangelischen  Kirche 
gebracht  hat,  ist  einer  der  schmerzlichsten  der  des  gründlichen  neutestament- 
lichen  Forschers  und  hochbeliebten  Universitätslehrers  Karl  Holsten.  Mit  ihm 
ist  einer  der  letzten  Vertreter  der  kritischen  Schule  dahingegangen,  der  selbst 
sich  als  Schüler  des  Tübinger  Meisters,  Chr.  Ferdinand  Baur,  zu  bezeichnen 
pflegte. 

Dieser  letzte  grosse  Vertreter  der  Tübinger  Schule  stammte  aus  dem 
Lande  der  norddeutschen  Orthodoxie,  aus  Mecklenburg.  H.  wurde  geboren 
1825  zu  Güstrow  in  Mecklenburg.  Sein  Vater  hatte  Jurisprudenz  studiert, 
war  aber  vor  Beendigung  seiner  Studien  als  freiwilliger  Jäger  in  die  Freiheits- 
kriege gezogen  und  hatte  sich  dann  als  Notar  in  Güstrow  niedergelassen.  So 
vererbten  die  patriotischen  Erinnerungen  des  Vaters  sich  auf  den  Sohn,  der 
in  den  Schulen  seiner  Vaterstadt  seine  erste  Bildung  erhielt.  Da  die  Mutter 
mit  dem  grossen  Hauswesen  viel  zu  thun  hatte,    wurde  der  Kleine  schon  in 


Holsten.  e 

seinem  dritten  Lebensjahre  zur  Schule  geschickt.  Träumerisch  und  in  sich 
gekehrt,  entwickelte  der  Knabe  sich  langsam  und  hatte  in  den  ersten  Schul- 
jahren viel  unter  der  unverständigen  und  rohen  Pädagogik  einer  wenig  zu 
lobenden  Anstalt  zu  leiden.  Der  sehnliche  Wunsch  der  frommen  und  ge- 
müthstiefen  Mutter  war,  ihren  Karl  als  Pastor  zu  sehen  und  der  Sohn,  der 
mit  ganzer  Seele  an  dieser  Mutter  hing,  lebte  sich  durch  seine  Liebe  zu  ihr 
gleichfalls  in  diesen  Gedanken  ein.  Aus  der  Dumpfheit  seiner  ersten  Schul- 
zeit erwacht,  fand  er  in  den  oberen  Klassen  Lehrer,  die  ihn  verstanden  und 
an  die  er  sich  mit  der  vollen  Begeisterung  seines  weichen  Knabenherzens 
anschloss.  Von  heilsamem  Einfluss  auf  sein  ganzes  Leben  wurde  es,  dass 
einer  der  Apostel  der  edlen  Tumkunst  im  Sinne  des  Turnvaters  Jahn  an  der 
Anstalt  wirkte.  Ihm  verdankte  es  H.,  dass  aus  dem  allzu  runden  und  lang 
verzärtelten  Kinde  ein  straffer,  elastischer,  zu  allen  Leibesübungen  geschickter 
Jüngling  und  Mann  wurde,  hart  gewöhnt,  genügsam  und  ausdauernd,  wie 
wenige.  Das  deutsche  Tumerthum  jener  Jahre  war  aber  mehr  als  blosse 
Leibesübung.  Der  Knabe  las  Jahn's  lieben,  Seume's  Spaziergang  nach  Syracus 
und  um  diese  Helden  der  Enthaltsamkeit  zu  erreichen,  fing  er  an,  alles  Ent- 
behrliche abzuwerfen  imd  machte  in  der  Bedürfnisslosigkeit  solche  Fortschritte, 
dass  kein  Knecht,  noch  Taglöhner  ihn  in  der  Härte  des  Lagers  oder  Einfach- 
heit der  Verpflegung  erreichte.  Dass  er  alle  Bettstücke  ausser  dem  Strohsack 
entfernte  iind  zum  Kopfkissen  zwar  nicht  einen  Stein,  aber  sein  Brettspiel 
erwählte,  nennt  er  selbst  eine  Thorheit,  aber  er  verdankte  diesem  Sport  seinen 
stahlharten  Körper.  Die  Gewohnheit  mit  Sonnenaufgang  sich  zu  erheben  und 
den  Tag  mit  einem  gewaltigen  Marsch  zu  beginnen,  hat  er  bis  in  sein  sieb- 
zigstes Jahr  beibehalten.  Dabei  nahm  er  alle  jene  Grundsätze  der  Jahn'schen 
Schule  in  sich  auf,  die  frisch,  frei,  fromm  das  Deutsch thum  pflegte  und  die 
seiner  Persönlichkeit  jenen  Stempel  der  aufrichtigen  und  fröhlichen  Tapferkeit 
aufprägten,  durch  die  er  überall  die  Herzen,  zumal  die  der  Jugend  gewann. 
Im  Jahre  1843  verliess  er  Rostock,  um  in  Leipzig  Theologie  und  Philologie 
zu  studieren.  Bei  einem  jungen  Manne  dieser  Art  gehörten  die  ersten  Seme- 
ster dem  Studentenleben  und  der  Führung  der  Klinge  und  bis  in  sein  Alter 
freute  er  sich  der  schönen  Erinnerungen,  mit  denen  diese  frohen  Tage  der 
Jugendlust  zu  Leipzig,  Berlin  und  Rostock  sein  Leben  bereichert  haben.  Die 
drei  theologischen  Fakultäten,  an  denen  er  studierte,  zumal  die  der  Heimath, 
gehörten  alle  drei  der  theologischen  Richtung  an,  der  er  selbst  nachmals 
nicht  angehörte.  So  scheint  sein  Beispiel  die  Erfahrung  zu  bestätigen,  dass 
sich  die  theologische  Richtung  des  Mannes  oft  im  Gegensatze  zu  der  Schule 
feststellt,  die  der  Jüngling  durchlaufen.  In  der  That  wusste  H.  selbst  mit 
Humor  davon  zu  erzählen,  mit  welchen  Glossen  er  und  seine  Freunde  so 
manche  Auslegung  der  Hengstenberg'schen  Exegese  begleiteten  und  wie  wenig 
Neander's  wohlgemeinte  Apologetik  bei  ihnen  verfing.  Dennoch  hat  auch  er 
seine  entscheidenden  Anregungen,  wenn  auch  nicht  im  theologischen  Hörsaal, 
so  doch  im  akademischen  Leben  erhalten.  Seine  Studienjahre  seit  1843  fielen 
in  die  Zeit,  in  der  die  jüngere  Hegel'sche  Schule  ihre  gewaltige  Wirkung  auf 
die  heranwachsende  Generation  übte  und  eine  stürmische,  mit  Geist  und  Witz 
gehandhabte  Kritik  gerade  die  begabten  und  lebendigen  Naturen  in  ihre 
Kreise  verstrickte.  Der  Streit  über  das  Leben  Jesu  und  die  christliche  Cxlau- 
benslehre  von  David  Friedrich  Strauss  bewegte  noch  immer  die  theologische 
Welt.  Die  Schriften  von  Ludwig  Feuerbach,  die  Halle'schen  Jahrbücher  von 
Arnold  Rüge,    die    Tübinger  Jahrbücher    von  Ferdinand  Christian  Baur,    die 


6  Holsten. 

Paradoxieen  und  Quertreibereien  des  jungen  Bruno  Bauer  hatten  die  philoso- 
phischen und  theologischen  Studien  zu  einer  Arena  voll  Kampfruf  und  Staub- 
wirbeln gemacht  und  H.  glich  sein  Leben  lang  einem  edeln  Streitross,  das 
die  Ohren  spitzt,  wenn  die  Fanfare  geblasen  wird  und  gern  dabei  ist,  wo 
Schwert  und  Schild  an  einander  klirren.  Eifrig  vertiefte  sich  schon  der  Ber- 
liner Student  in  das  Studium  der  Hegel'schen  Philosophie.  Namentlich  die 
dreibändige  Geschichte  der  Philosophie  aus  Hegel's  Nachlass  war  eines  seiner 
Lieblingsbücher  und  ihrer  Grundanschauung  von  der  Selbstentfaltung  der  Idee 
in  der  Geschichte  und  dem  Hegel'schen  Begriffe  der  Entwickelung  ist  er  nie- 
mals untreu  geworden.  Aber  die  eigentliche  Leuchte,  die  seinem  theologi- 
schen Schifflein  auf  der  wildbewegten  See  die  Richtung  wies,  wurde  schliess- 
lich doch  Schleiermacher.  So  wenig  der  tapfere  Mann  alle  Vermittelungen 
Schleiermacher's  und  dessen  Neigung  zu  vorsichtig  ausbeugenden  Formeln 
guthiess,  die  Grundprincipien  seiner  eigenen  Religionsphilosophie  stammen  aus 
Schleiermacher's  Schule.  Mit  diesen  Anregungen,  die  ihn  mehr  aufgeregt  als 
geklärt  hatten,  kehrte  er  nach  Rostock  zurück.  Er  selbst  bekennt,  das 
eigentliche  ernste  Studium  habe  iiir  ihn  erst  in  diesen  späteren  Semestern 
begonnen. 

Einem  jungen  Theologen  von  seiner  Richtung  konnten  die  Wege  in  der 
mecklenburgischen  Heimath  keine  leichten  Wege  sein,  aber  sein  offener,  fröh- 
licher Sinn  und  eine  glückliche  Gabe,  alle  Gegensätze  von  ihrer  humoristi- 
schen Seite  zu  nehmen,  erleichterten  ihm  die  Schwierigkeiten,  an  denen  eine 
schwerere  und  minder  helle  Natur  gescheitert  wäre.  Krabbe,  Delitzsch,  Hof- 
mann, Kliefoth  und  wie  die  gestrengen  Lehrer  und  Examinatoren  alle  hiessen, 
seiner  Liebenswürdigkeit  widerstanden  sie  nicht.  Sie  wollten  ihn  sogar  fest- 
halten, wo  er  selbst  bedenklich  war.  »Predigen  Sie  sich  in's  Christenthum 
hinein!«  sagte  ihm  Krabbe.  Bereits  aber  war  in  ihm  der  forschende  und 
sondernde  Geist  erwacht,  der  ihn  drängte,  die  einzelnen  Vorstellungen  und 
Lehrbegriffe  strenger  in's  Auge  zu  fassen  und  jeden  neutestamentlichen  Schrift- 
steller als  literarische  Individualität  zu  studieren.  So  geht  eine  seiner  epoche- 
machenden Untersuchungen  über  den  Begriff  der  oofpS  im  Neuen  Testamente 
in  ihren  Anfängen  bis  in  die  Studienzeit  zurück,  denn  H.  hatte  durch 
eine  Preisaufgabe  der  theologischen  Fakultät  zu  ihr  den  ersten  Anstoss  er- 
halten. Dann  war  es  Delitzsch,  der  ihn  anwies,  das  alte  Testament  mit  der 
Feder  in  der  Hand  zu  lesen,  um  sich  über  das  Verhältniss  der  Propheten 
und  Psalmisten  zum  Ritualgesetz  eine  selbständige  Meinung  zu  bilden  und 
ihn  so  darauf  leitete,  auch  die  neutestamentlichen  Begriffe  überall  auf  ihre 
alttestamentliche  Grundlage  anzusehen.  Er  selbst  bekennt,  dass  er  damals 
sich  gewöhnt  habe,  jedes  Problem  auf  Grund  der  Sammlung  und  Verarbei- 
tung des  gesammten  thatsächlichen  Materials  zu  lösen  und  nicht  das  Material 
erst  nachträglich  zur  Begründung  seiner  Ideen,  oder  wie  er  gern  sagte,  seiner 
Blaumontagseinfälle,  beizuziehen.  »Nach  dem  zweiten  theologischen  Examen«, 
so  schreibt  H.  in  einer  eigenen  Aufzeichnung,  die  mir  vorliegt,  »stand  nun 
zur  Frage,  ob  er  um  eine  Pfarre  sich  bewerben  solle.  Nun  hatte«,  so  heisst 
es  in  dieser  eigenhändigen  Niederschrift,  »seit  einer  Reihe  von  Jahren  das 
Kliefoth' sehe  Regiment  in  Mecklenburg  ein  starres  Bekenntnisslutherthum  zur 
ausschliesslichen  Herrschaft  gebracht  und  jeden  Widerstand  dagegen  mit  der 
Hilfe  der  Staatsregierung  niedergeschlagen.  In  der  Voraussicht,  dass  er  mit 
diesem  Regimente  sofort  in  Streit  gerathen  und  in  diesen  Streit  auch  die 
Gemeinde  hineinziehen  werde,  entsagte  er  seinem  ursprünglichen  Lebensideale 


Holsten.  y 

und  trat  in  den  Schuldienst.«  Auch  als  im  Laufe  der  nächsten  Jahre  dem 
bereits  Verheiratheten  eine  der  schönsten  Pfarreien  der  Heimath  von  der 
Gemeinde  angeboten  wurde,  lehnte  er  ab,  nicht,  weil  er  an  seinem  Rechte 
zweifelte  oder  den  Kampf  für  sich  scheute,  sondern  weil  er  nicht  Unfrieden 
und  Streit  in  eine  Gemeinde  tragen  wollte,  die  sich  bis  dahin  des  Friedens 
erfreut  hatte.  Siebzehn  Jahre  wirkte  er  so  an  dem  Gymnasium  zu  Rostock, 
von  1853.  bis  1870,  anfänglich  hauptsächlich  als  Religionslehrer,  später  auch 
als  vortrefflicher  Lehrer  der  deutschen  und  griechischen  Literatur  in  den 
Oberklassen.  Er  dachte  wohl  auch  an  die  Herausgabe  einer  deutschen  Gram- 
matik zum  Schulgebrauche.  »Aber  die  Theologie«,  so  schreibt  er  selbst, 
^blieb  Herrscherin  in  seinem  Gemüthe«.  Wie  aber  alle  seine  literarischen 
Impulse  immer  zugleich  moralische  waren,  so  war  seine  erste  grosse  Publika- 
tion, durch  die  er  das  Auge  der  gesammten  theologischen  Welt  auf  sich 
lenkte,  ein  Ritterdienst,  den  er  einem  Todten  zu  schulden  glaubte.  Im  Jahre 
1860  starb  Christian  Ferdinand  Baur,  der  Theologe,  den  H.  von  allen  leben- 
den am  höchsten  stellte  und  dem  er  selbst  für  seine  wissenschaftliche  Ent- 
wickelung  am  meisten  verdankte.  Landerer  aber  sprach  in  seiner  Rede  am 
Grabe  des  CoUegen,  Baur*s  ganze  Lebensarbeit  sei  auf  Beseitigung  des  Wun- 
ders im  Neuen  Testamente  gerichtet  gewesen.  Nun  habe  er  aber  erklärt, 
dass  die  Bekehrung  des  Paulus  weder  durch  eine  historische,  noch  logische, 
noch  psychologische  Analyse  zu  begreifen  sei.  Und  da  er  also  ein  Wunder 
habe  stehen  lassen  müssen,  so  habe  er  damit  alle  Wunder  stehen  lassen. 
Seine  Lebensarbeit  sei  also  vergeblich  gewesen.  Das  war  nach  H.*s  eigener 
Niederschrift  äer  Anlass  zu  seinem  berühmten  Aufsatze:  »Die  Christusvision 
des  Paulus«.  Er  wollte  Landerer  zeigen,  dass  die  natürliche  und  psycholo- 
gische Erklärung  der  Paulusvision  keineswegs  unmöglich  sei.  Gleich  bei  dieser 
ersten  grösseren  Studie  zeigte  sich  der  Gewinn  seines  Grundsatzes,  jede  Frage 
auf  Grund  des  ganzen  Materials  zu  entscheiden.  Der  Streit  über  eine  Frage, 
die  von  den  Meisten  auf  Grund  ihrer  dogmatischen  Principien  und  ihrer 
ganzen  Weltanschauung  entschieden  wird,  wurde  fiir  ihn  zu  der  Frage  nach 
der  Christologie  des  Paulus  überhaupt.  Um  festzustellen,  wie  hat  Paulus  den 
Messias  auf  dem  Wege  nach  Damaskus  geschaut,  fragte  er,  wie  hat  er  ihn  in 
seinen  Briefen  beschrieben,  denn  er  wird  ihn  nicht  anders  beschrieben  haben, 
als  er  ihn  schaute.  Dieses  Christusbild  des  Apostels  verglich  er  dann  wieder 
mit  den  Messiasbild em  des  alten  Testaments,  mit  der  Lehre  vom  himmlischen 
und  irdischen  Menschen  bei  Philo  und  so  wurde  der  Streit  über  eine  einzelne 
Thatsache  für  ihn  der  Punkt,  von  dem  aus  er  überhaupt  in  die  paulinische 
Theologie  eindrang.  Die  Abhandlung  erregte  das  grösste  Aufsehen  und  wurde 
zum  Ausgangspunkt  einer  neuen  Phase  der  kritischen  Schule,  die  mit  erneu- 
tem Eifer  begann,  von  den  vier  grossen  Paulusbriefen  her  sich  nicht  nur  über 
die  Anschauungen  des  Apostels,  sondern  über  das  apostolische  Zeitalter  selbst 
zu  unterrichten.  Die  früheren  Lichter  waren  durch  die  Strauss'sche  Kritik 
ausgelöscht,  hier  aber  waren  Anhaltspunkte  gegeben,  an  denen  weiter  tastend 
man  sich  im  Dunkeln  orientirte.  Was  aber  H.'s  Auge  geschärft  und  ihn  die 
Kunst  gelehrt  hatte,  im  Dunkeln  zu  sehen,  das  war  sein  unermüdlicher  Fleiss, 
der  es  nicht  müde  wurde,  jeden  paulinischen  Ausdruck  immer  und  immer 
wieder  zu  prüfen,  was  er  enthalte  und  was  er  voraussetze.  Zunächst  machte 
H.  von  den  Ergebnissen  seiner  ersten  Arbeit  die  Anw^endung  auf  die  Er- 
forschung des  Glaubensinhalts  des  Judenchristenthums.  Aus  den  Aeusserungen 
des  Paulus,    zumal  im  Galaterbrief,    construirte  er  sich  die  Messiasvision  des 


g  Holsten. 

Petrus,    die   ja    gleichfalls   durch  Paulus  bezeugt  ist,    und  sodann  das  ganze 
judenchristliche  Dogma.     Nicht    aus    der  Apostelgeschichte,  sondern  aus  den 
paulinischen  Briefen    studierte    er    den  Petrinismus.     Die  neue  Arbeit  konnte 
erst  1867  erscheinen,    da  er  eben  nur  die  kurzen  Schulferien  für  seine  theo- 
logischen Forschungen  zur  Verfügung  hatte  und  das  Aufrücken  in  den  Unter- 
richt   der    obersten  Klassen    vermehrte  Schularbeit    mit    sich    brachte.     Bald 
darauf  wurde  er  zum  Director  des  Gymnasiums  vorgeschlagen,  aber  er  unter- 
lag mit  einer  einzigen  Stimme;  die  Majorität  wählte  einen  ansässigen  Lehrer, 
der  in  allen  Stücken  H.'s  Widerpart  war,  so  dass  dieser  sich  um  die  Leitung 
der  Bürgerschule    bewarb,    um    sich    diesem   misslichen  Verhältnisse  zu    ent- 
ziehen.    Gerade    in    diesem  Augenblicke    kam    zu  H.'s  Freude  ein  Ruf  nach 
der  Schweiz.     Der  Erziehungsrath  der  Universität  Bern,  der  die  theologische 
Fakultät  lang  in  positivem  Sinne  besetzt  hatte,  nachdem  Zeller's  Berufung  in 
den  vierziger  Jahren  mancherlei  Schwierigkeiten  bereitet  hatte,  war  durch  die 
Bemühungen    des  Sohnes    von  Jeremias  Gotthelf,    des  einflussreichen  Pfarrers 
Bitzius,  und  der  beiden  Berner  Prediger  Langhans  für  die  Berufung  H.'s  ge- 
wonnen worden.     Auch  die  Züricher  Theologen  Hirzel,   Lang,  Furrer  hatten 
auf   ihn    hingewiesen,    dessen  Abhandlung    über    die  Paulusvision  sie  als  die 
bedeutendste    wissenschaftliche    Arbeit    der    letzten    Jahre  bezeichneten.     Da 
zur  Dotation    einer    neuen    theologischen  Stelle    keine    Mittel    zur  Verfügung 
standen,  wurde  H.  1870  zunächst  als  Lehrer  am  Gymnasium  und  als  Extra- 
ordinarius   an  der  Universität  angestellt,    trat  aber  schon  im  folgenden  Jahre 
als  Ordinarius  ganz  zur  theologischen  Fakultät  über.     Die  sechs  Jahre  seines 
Aufenthalts    in    der  Schweiz    hat  H.  stets    als  eine  glückliche  und  frohe  2^it 
bezeichnet.     Sein  frisches  und  männliches  Wesen  gefiel  den  Oberländern.    Er 
hatte  etwas  Sieghaftes  in  seiner  Erscheinung,  dem  sich  alles  von  selbst  unter- 
ordnete.    Ein  schöner  Mann,    nicht    im    banalen  Sinne  des  Wortes,    sondern 
von  ernster  Schönheit  des  feingeschnittenen  Profils,  des  fesselnden  Auges  und 
der    durchgearbeiteten,    streng   männlichen  Züge.     Aber  während  er  frei  und 
frank    mitten    im  Volksleben    schwamm    und    mit    seiner  herzlichen  und  auf- 
richtigen Liebenswürdigkeit    überall  Freunde    fand,    hielt  er  sich  doch  streng 
an  seine  Lehraufgaben  und  vermied  so  die  Klippe,  an  der  so  viele  Deutsche 
scheiterten,  er  mischte  sich  nicht  in  die  Fragen  des  Kantons.    »Ihr  habt  stets 
Zwecke«,  pflegte  er  seinen  neuen  Freunden  zu  sagen,  während  er,  ein  Idea- 
list im  edelsten  Sinne,  sich  nur  für  die  Ideen  interessirte  und  flir  die  Wahr- 
heit.    Wo  aber  in  das  Gebiet,    das  er  zu  vertreten  hatte,    die  Gegner  einen 
Einbruch  machten,    da  stellte  er  seinen  Mann.     So  trat  er  schon  im  zweiten 
Jahre  seiner  Berufung  dem  Kirchenvorstande  der  Münstergemeinde,  der  dem 
Reformvereine  zu  seinem  Festgottesdienste  die  Kirche  mit  einer  sehr  unduld- 
samen Motivirung    verweigerte,    in  einer  Reihe  von  schneidigen  Aufsätzen  in 
den  »Zeitstimmen«   entgegen,  indem  er  jeden  Satz  des  Präsidenten  von  Wur- 
stemberger-S teiger  zum  Thema  einer  eigenen  Abhandlung  nalim. 

Hatten  seine  wissenschaftlichen  Arbeiten  sich  bis  dahin  auf  das  ganze 
Gebiet  der  paulinischen  Theologie  erstreckt,  so  brachte  es  seine  Lehrpflicht 
nun  mit  sich,  Semester  für  Semester  sich  auch  mit  den  Evangelien  zu  be- 
schäftigen. Mit  gewohntem  Fleiss  und  grossem  Scharfsinn  griff"  er  die  viel- 
behandelten Probleme  der  Evangelienkritik  auf  und  trat  auch  hier  den  Auf- 
stellungen Baur's  bei,  dass  Matthäus  das  älteste  Evangelium  und  Markus  ein 
Auszug  aus  Matthäus  und  Lukas  sei.  Das  Ergebniss  dieser  Forschungen,  die 
wiederum    zeigten,    mit    welcher  geistigen  Energie  er  jede  Frage  ergriff  und 


Holsten.  o 

mit  welchem  Fleisse  er  sie  bis  in 's  Minutiöse  verfolgte,  war  seine  Schrift  über 
die  synoptischen  Evangelien,  die  aber  erst  1885  zu  Heidelberg  erschien.  Denn 
so  wohl  er  sich  auch  in  der  Schweiz  fiihlte,  dem  Rufe  in  die  Heimath  wider- 
stand er  dennoch  nicht,  nachdem  die  neue  Sonne  des  deutschen  Reiches  so 
glänzend  aufgegangen  war.  So  übernahm  er  1876  den  Lehrstuhl  für  Neues 
Testament  an  der  Universität  Heidelberg.  Wie  er  in  treuer  Arbeit  half,  diese 
Fakultät  von  ihrem  geringen  Besuch  zu  einer  erfreulichen  Frequenz  empor- 
zuheben, mit  welcher  jugendlichen  Begeisterung  er  sich  seinem  Lehrberufe 
widmete,  lebt  noch  in  der  Erinnerung  der  theologischen  Welt.  Literarisch 
aber  sind  die  Heidelberger  Jahre  für  ihn  die  Jahre  der  Ernte,  in  denen  er 
die  gereiften  Halme  als  Garben  unter  Dach  brachte.  In  dem  gross  angelegten 
Werke  »Das  Evangelium  des  Paulus«  gab  er  seine  Auslegung  des  Galater- 
und  ersten  Korintherbriefes.  In  der  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Theologie 
begründete  er  eingehend  seine  Kritik  der  Aechtheit  des  Philipperbriefes.  Die 
synoptischen  Studien  zeitigten  eine  Reihe  von  Aufsätzen  über  die  Grund- 
begriflfe  der  Bergrede,  Reich  Ciottes,  Menschensohn,  Gottessohn,  durch  die  er 
in  ähnlicher  Weise  ein  Bild  des  Selbstbewusstseins  Jesu  zu  zeichnen  versuchte, 
wie  er  zuvor  das  Selbstbewusstsein  des  Apostels  genau  beschrieben  hatte. 
Wohl  konnte  uns  dabei  zuweilen  der  Zweifel  kommen,  ob  diese  strikte  Aus- 
legung der  griechischen  Ausdrücke  Geltung  habe  für  den,  der  nicht  griechisch, 
sondern  aramäisch  geredet  hat,  doch  verlor  dieser  Einwand  viel  an  seiner 
Schärfe  bei  der  Gewissenhaftigkeit,  mit  der  der  Exeget  der  hebräischen  Grund- 
lage der  griechischen  Vorstellungen  nachgegangen  war  und  für  das  Verständ- 
niss  des  griechischen  Textes  jedenfalls  war  seine  gewissenhafte  und  tiefgehende 
Untersuchung  von  bleibendem  Werthe.  Auch  als  einer  der  letzten  Vertreter 
der  grossen  spekulativen  Epoche  unserer  Wissenschaft  trat  er  jetzt  unter  uns 
auf,  indem  er  über  Religionsphilosophie  las  und  einzelne  Abhandlungen  aus 
diesem  Gebiete  veröffentlichte.  Erinnerte  seine  rein  deduktive  Methode  an 
die  Hegel'sche  Schule,  aus  der  auch  einer  seiner  Vorgänger,  Daub,  hervor- 
gegangen war,  so  ist  seine  Definition  der  Religion  als  Gefühl  der  Abhängig- 
keit von  dem  All,  das  dem  Menschen  lebenhemmend  und  lebenfördernd 
gegenübersteht,  im  Wesentlichen  die  Schleiermachers. 

So  sahen  wir  ihn  bis  über  sein  siebzigstes  Lebensjahr  hinaus  in  reger 
geistiger  Arbeit,  stets  den  Kopf  voll  neuer  exegetischer  Probleme,  stets  seinen 
Paulus  in  der  Hand,  den  er  doch  schliesslich  völlig  im  Gedächtniss  hatte,  so 
dass  er  weder  bei  der  Vorlesung,  noch  bei  dem  Examen  eines  Textes  be- 
durfte. Das  führt  denn  auf  die  andere  Seite  seiner  Wirksamkeit,  auf  seine 
Lehrthätigkeit.  H.  war  das  Ideal  eines  akademischen  Lehrers.  Nicht  nur 
dass  er  mit  zündender  Beredsamkeit  sprach  und  die  Hörer  mit  sich  fortriss, 
er  wusste  vor  allem  auch,  wie  man  unterrichtet.  In  seiner  langen  Schul- 
thätigkeit  hatte  er  gelernt,  wie  man  lehrt;  er  hielt  nicht  bloss  Reden,  sondern 
gab  Lektionen;  er  ging  so  vor,  dass  die  Vorstellungen  auch  Zeit  hatten, 
Wurzel  zu  schlagen  und  dass  er  ein  Fundament  legte,  auf  dem  er  fortbauen 
konnte.  Dabei  war  in  jedem  Wort  sein  ganzes  Herz,  seine  ganze  liebevolle 
Persönlichkeit.  Wenn  die  Studierenden  sich  für  ihn  begeisterten  wie  für 
keinen  anderen  Lehrer,  so  war  es,  weil  sie  wussten,  dass  er  für  jeden  Theil- 
nahme  hatte,  der  sich  ihm  anschloss.  Er  hatte  eine  seltene  (iabe,  die  Jugend 
zu  verstehen  und  auch  unausgesprochenes  Interesse  herauszufühlen.  So  war  er 
auch  als  Lehrer  ein  glücklicher  Mensch;  wo  wir  Anderen  oft  nur  Mittel- 
massigkeit und  Schläfrigkeit  zu  sehen  vermochten:    da  sah  er  eine  Jünglings- 


I  o  Holsten.     Baechtold. 

Seele,  die  mit  allen  Keimen  zum  Lichte  ringt  und  eben  dadurch  hob  er  die 
jungen  Leute,  dass  er  sie  von  Seiten  ihrer  Ideale  nahm  und  nicht  von  Seiten 
ihrer  Schwächen.  Das  macht,  er  war  selbst  ein  Idealist,  ein  so  reiner  und 
edler  Idealist,  wie  es  in  unserer  Zeit  nur  wenige  gegeben  hat.  Dieses  Sehen 
des  Guten  war  das  grosse  Glück  seines  Lebens.  Es  war  auch  ein  Theil  seiner 
Erfolge;  er  wirkte  das  Gute,  weil  er  an  das  Gute  und  Edle  in  der  Menschen- 
natur geglaubt  hat. 

A.  Hausrath. 

Baechtold,  Jakob,  Professor  der  deutschen  Literaturgeschichte  an  der  Univer- 
sität Zürich,  *  am  2  7 .  Januar  1 848  zu  Schieitheim,  f  am  8.  August  1 897  in  Zürich.  — 
Dem  Manne,  der  unserem  Gottfried  Keller  das  grossartige  biographische  Denk- 
mal errichtet,  der  uns  so  manchen  Schriftsteller  der  Schweiz  alter  und  neuerer 
Zeit  in  richtigem  Lichte  gezeigt,  der  mit  so  scharfem  Blicke  und  doch  mit  so 
viel  Liebenswürdigkeit  Wesen  und  Geist  der  Vergangenheit  wie  der  Gegen- 
wart unserer  Literatur  darzustellen  vermocht  hat,  dem  akademischen  Lehrer 
und  dem  fruchtbaren  Gelehrten,  der  uns  stets  Vorbild  sein  wird,  hier  einen 
Nachruf  zu  widmen,  fühle  ich  mich  unter  dem  frischen  Eindruck  des  erlit- 
tenen Verlustes  weder  berechtigt  noch  berufen.  Nur  der  ausdrückliche 
Wunsch  der  Leiter  der  Neuen  Zürcher  Zeitung,  die  es  als  eine  Pflicht  betrach- 
ten, vom  Leben  und  Wirken  des  Dahingeschiedenen  ihren  Lesern  ein  Bild  zu 
geben,  kann  mich  veranlassen,  eine  biographische  Skizze  zu  wagen,  doch  einfach 
und  prunklos,  lediglich  Thatsachen  bietend,  wie  es  der  verstorbene  Freund 
und  Kollege  gefordert  haben  würde. 

An  einem  frischen  Julimorgen  des  Jahres  1867  —  es  war  der  6.  —  eilten 
wir  jüngeren  Schafi*hauser  Gymnasiasten  auf  den  Herrenacker,  um  das  Schau- 
spiel des  Abzuges  der  eidgenössischen  Schützenfahne  uns  anzusehen.  Die 
Spitze  des  Zuges  war  längst  die  »Tanne«  hinunter  und  an  der  Frohnwaage 
vorbeimarschiert,  als  die  letzten  den  Sammelplatz  verliessen,  und  wir  in  der 
hintersten  Reihe  einen  wohlbekannten  älteren  Mitschüler  erblickten,  der  sich, 
mit  einer  kleinen  schwarzen  Reisetasche  ausgerüstet,  den  abziehenden  Schützen 
angeschlossen  hatte.  Als  er  uns  sah,  rief  er  uns  zu,  wir  sollten  nur  brav  in 
die  Schule  gehen,  er  habe  Ferien  und  reise  mit  an's  eidgenössische  Schützen- 
fest nach  Schwyz.  Das  weckte  unseren  Neid;  und  wenn  wir  auch  ahnten, 
dass  die  Festberichterstattung,  zu  der  er  sich  verpflichtet  hatte,  nicht  eitel 
Freude  sei,  so  waren  verfrühte  Ferien  zu  solchem  Zwecke  doch  etwas  Un- 
erhörtes. Und  als  wir  gar  im  August  beim  Wiederbeginn  der  Schule  ver- 
nahmen, es  sei  dem  jungen  Journalisten  der  sonst  in  allen  Klassen  obligate 
Ferienaufsatz  erlassen  worden,  weil  er  dem  Lehrer  des  Deutschen  seine  Fest- 
berichte im  Druck  zugesandt,  da  fingen  wir  an,  den  Bevorzugten  mit  ganz 
besonderen  Augen  anzusehen.  Wir  wussten  auch  noch  anderes  von  dem 
schwarzen  Lockenkopf:  schon  zweimal  hatte  er  einer  Zeitschrift,  die  damals 
in  alle  Familien  kam,  Novellen  zugesandt,  und  staunend  hatten  wir  seine 
Werke  gelesen;  in  unserer  Phantasie  sahen  wir  bereits  den  künftigen  berühm- 
ten Romanschriftsteller:  er  hiess  Jakob  Baechtold. 

B.  war  etwas  älter  als  seine  Klassengenossen;  denn  ein  regelmässiger 
Gang  durch  die  auf  einander  folgenden  Schulstufen  war  ihm  nicht  beschieden 
gewesen.  Am  27.  Januar  1848  hatte  er  zu  Schieitheim  im  Kanton  Schaff"- 
hausen  das  Licht  der  Welt  erblickt.  Man  hatte  sonst  von  den  Bewohnern 
jenes    durch    den  Randen    vom    übrigen  Kanton    abgeschnittenen  Thaies  die 


Baechtold.  1 1 

Vorstellung,  dass  sie  nicht  leicht  den  Weg  in  die  Weite  finden.  Mit  B.  war 
es  ganz  anders.  Sein  Vater,  ein  angesehener  Arzt,  starb  schon  im  Oktober 
des  folgenden  Jahres;  seine  Mutter,  eine  geborene  Maurer  aus  Aarau,  eine 
treffliche  Frau,  verheirathete  sich  wieder,  und  der  Wandertrieb  des  Stief- 
vaters brachte  dem  heranwachsenden  Knaben  ein  wechselndes  Herumziehen 
von  Schule  zu  Schule.  Im  thurgauischen  Affeltrangen  genoss  er  den  Unter- 
richt der  Volksschule,  dann  war  er  ein  Jahr  lang  in  Aarburg,  dann  in  Muri, 
wo  er  die  Bezirksschule  durchlief,  und  kam  von  dort  an's  Gymnasium  in 
Frauenfeld.  Die  strenge  Zucht  jener  Schule  behielt  er,  trotz  dem  nur  ein- 
jährigen Aufenthalte,  bleibend,  aber  dankbar  im  Gedächtniss.  Schon  stand 
er  reisefertig  auf  dem  Bahnhofe  Frauenfeld,  um  seiner  Familie  nach  Schaff- 
hausen zu  folgen,  als  ihm  ein  Mitschüler  meldete,  er  hätte  eigentlich  wegen 
irgend  eines  kleinen  Streiches  noch  eine  Strafe  abzusitzen.  Der  ängstliche 
Schüler  kehrt  zurück,  büsst  sein  Verbrechen  und  macht  sich  mit  erleichter- 
tem Gewissen  erst  mit  einem  späteren  Zuge  auf  die  Reise. 

In  Schaff  hausen  wehte  ein  anderer  Geist.  Die  kleinen  Verhältnisse  ge- 
währten dem  Gymnasiasten  merkwürdiger  Weise  grosse  Freiheit.  An  der 
Spitze  der  Schule  stand  ein  Mann,  der  durch  seine  Person  wie  durch  sein 
Wissen  und  Wirken  imponirte  und  der  die  Handhabung  einer  ängstlichen 
Disciplin  verschmähte.  Der  würdige  Rektor  Adolf  Morstadt,  ein  gelehrter 
Grieche,  der  als  Kenner  des  Sophokles  sich  einen  Namen  en\'orben,  Hess 
manches  geschehen,  was  anderswo  gerügt  worden  wäre;  er  schaute  mehr 
auf's  Ganze  als  auf's  Einzelne  —  und  Viele  wissen  ihm  heute  dafür  noch 
Dank.  Die  Lehrerschaft  war  bunt  zusammengesetzt,  nicht  lauter  pädagogische 
Talente,  aber  unter  ihnen  geistreiche,  tüchtige  Männer,  die  vielleicht  manch- 
mal in'  ihren  Voraussetzungen  zu  hoch  gingen,  für  den  Augenblick  wenig 
greifbare  Resultate  erzielten,  aber  viel  Anregung  boten.  Der  hessische  Flücht- 
ling Adam  Pfaff,  später  Professor  in  Karlsruhe,  unterrichtete  nicht,  er  trug 
Geschichte  vor,  und  zwar  von  der  untersten  Klasse  an;  ausser  ein  paar  Zah- 
len ftir's  Examen  lernte  man  wenig  und  doch  trugen  seine  Schüler  Eindrücke 
davon,  die  fiir's  Leben  wohl  mehr  werth  sind,  als  das  reiche  Examenwissen, 
das  andere  Lehrer  vermitteln.  Der  Germanist  Frauer,  vor  wenigen  Jahren 
als  Professor  in  Stuttgart  gestorben,  weckte  in  Baechtold  das  Interesse  für  die 
ältere  deutsche  Literatur,  während  dessen  Nachfolger  Rümelin  ihn  auf  die 
Schönheiten  Goethe's  hinwies.  Antistes  Mezger,  ein  Mann  von  reichem  Wissen 
und  freiem  Geiste,  ertheilte  den  Religionsunterricht,  der  in  den  obersten 
Klassen  vielfach  in  Religions-,  Kultur-  und  Kunstgeschichte,  sowie  in  Re- 
ligionsphilosophie überging  und  reiche  Anregung  brachte.  Im  Gymnasialverein 
war  B.  ein  geschätztes  und  geliebtes  Mitglied  und  die  Annalen  dieser  Ver- 
bindung wissen  allerlei  Lobenswerthes  von  ihm  zu  melden.  Wer  in  jenen 
Jahren  das  Schaffhauser  Gymnasium  verliess,  war  zwar  nicht  mit  einem  gleich- 
massig  belasteten  Schulsack  beschwert,  das  mathematische  Wissen  namentlich 
(sofern  einer  nicht  Talent  hiefiir  von  Hause  mitbrachte)  kam  zu  kurz;  aber 
er  war  doch  gut  ausgerüstet  zum  Studium,  hatte  Freude  an  der  Wissenschaft 
und  Achtung  vor  ihr,  hatte  die  Geselligkeit  schätzen  gelernt  und  hatte  auch 
Gelegenheit  gehabt,  den  edeln  Genuss  der  Natur  wie  der  Kunst,  zumal  der 
Musik  würdigen  zu  lernen. 

In  Heidelberg,  wohin  B.  im  Wintersemester  1867/68  zog,  wurde  Adolf 
Holtzmann  sein  Hauptlehrer.  Er  trieb  germanische  Philologie  im  weitesten 
Umfang,  ganz  nach  dem  Vorbilde  seines  Meisters.    Wie  dankbar  er  ihm  ab^r 


12  Baechtold. 

auch  war,  so  sprach  er  doch  später  gelegentlich  mit  Bedauern  davon,  dass 
Holtzmann's  Auftreten  gegen  die  Schule  Lachmann's  ihm  eine  Uebersiedelung 
nach  Berlin  unmöglich  gemacht  habe,  denn  ein  Uebergang  von  Holtzmann 
in  den  Kreis  Müllenhoff's  wäre  einem  völligen  Lossagen  von  dem  berühmten 
und  in  seiner  Art  vorzüglichen  Heidelberger  Gelehrten  gleichgekommen.  Und 
doch  hätte  B.  gerne  auch  norddeutsches  Wesen  und  Berliner  Methode  kennen 
gelernt. 

München  bot  ihm  seit  Herbst  1868  einen  Ersatz,  der  seiner  Art  wahr- 
scheinlich besser  entsprach,  als  es  die  damaligen  Berliner  Verhältnisse  ver- 
mocht hätten.  In  Konrad  Hofmann  fand  er  einen  vielseitigen  Gelehrten,  dem 
er  bald  näher  trat;  der  feinsinnige  Wilhelm  Hertz  zog  ihn  an,  Künstlerkreise 
öffneten  sich  ihm  und  damit  eine  Welt,  die  ihn  zeitlebens  mit  ihrem  Zauber 
umfangen  sollte.  Aus  jener  Zeit  datirt  auch  das  Zusammentreffen  mit  Hein- 
rich Leuthold,  dem  er  ein  Jahrzehnt  später  den  letzten  und  grössten  T^iebes- 
dienst,  die  Herausgabe  seiner  Gedichte,  erwies.  Sicher  ist  die  Münchener 
Zeit  für  B.  die  an  wichtigen  und  nachhaltigen  Eindrücken  reichste  gewesen; 
gerne  erinnerte  er  sich  an  sie  und  kehrte  mit  besonderer  Vorliebe  als  Gast 
in  die  Stadt  zurück,  der  er  viel  verdankte  und  die  er  auch  in  ihren  Sehens- 
würdigkeiten gründlich  kannte.  Als  wir  vor  einigen  Jahren  durch  das  alte 
München  gingen,  wusste  er  mich  auf  hundert  Dinge  aufmerksam  zu  machen 
und  selbst  bei  eingebrochener  Dunkelheit  führte  er  mich  noch  durch  einen 
Thorweg,  der  ihm  zu  interessant  schien,  als  dass  man  ihn  hätte  übergehen 
dürfen. 

Den  äusseren  Abschluss  seiner  Studien  bezeichnete  B.  mit  dem  Markstein 
einer  Dissertation,  die  er  in  Tübingen  einreichte,  von  welcher  Hochschule  er 
den  Doktortitel  erhielt.  »Der  Lanzelet  des  Ulrich  von  Zatzikhoven« , 
Frauenfeld  1870,  war  damals  schon  eine  bemerk enswerthe  Schrift;  heute,  beim 
Ueberblicken  des  Lebenswerkes  des  Verstorbenen,  erhebt  sie  sich  geradezu 
zur  Bedeutung  eines  Lebensprogrammes.  Was  an  den  sorgfältigen  Forschungen 
B.'s  über  den  Thurgauer  Epiker  des  ausgehenden  zwölften  Jahrhunderts  (aus 
Zezikon  im  Lauch thale)  heute  noch  Gültigkeit  hat,  ist  in  die  »Geschichte  der 
deutschen  Literatur  in  der  Schweiz«  (S.  87  ff.)  übergegangen,  wo  der  Ver- 
fasser im  Gegensatze  zu  seiner  früheren  Ansicht  annimmt,  Ulrich  sei  das  Vor- 
bild für  den  grossen  Hartmann  von  Aue  geworden;  für  uns  aber  ist  jetzt 
wichtiger  zu  vernehmen,  wie  der  zweiundzwanzigj ährige  Doktorand  damals 
schon  seine  Aufgabe  darin  sah,  der  Literatur  seines  Vaterlandes  zur  richtigen 
Würdigung  zu  verhelfen: 

»Es  regen  sich  in  unseren  Tagen  so  viele  Stimmen,  um  Klage  zu  führen 
über  den  Mangel  an  ästhetischer  und  literarischer  Begabung  bei  den  Schwei- 
zern. Mit  welchem  Unrechte  dies  geschieht,  davon  kann  uns  ein  Blick  in 
unsere  heimischen  sprachlichen  Denkmäler  überzeugen.  Leider  ist  die  Zeit 
für  uns  noch  nicht  da,  da  wir  uns  dessen  bewusst  sind,  welch  einen  kost- 
baren Schatz  wir  an  unserer  älteren  vaterländischen  Literatur  besitzen.  Man 
will  sich  oft  nicht  mehr  daran  erinnern,  dass  in  der  althochdeutschen  Periode 
St.  Gallens  Entwickelungsgang  der  Entwickelungsgang  der  deutschen  Kultur- 
und  Literaturgeschichte  überhaupt  war;  man  denkt  nicht  an  die  fröhliche  Zeit 
der  Lyrik  und  Epik  des  13.  Jahrhunderts  und  der  folgenden  Jahrzehnte,  nicht 
an  den  mächtigen  Impuls,  der  im  16.  Jahrhundert  von  der  Schweiz  aus  dem 
deutschen  Drama  gegeben  wurde,  nicht  an  unsere  grossen  Chronisten  u.  s.  w. 
Und    dürfen    wir    uns    darüber    beschweren,   dass  die  Fremde  uns  missachtc, 


Baechtold.  I^ 

wenn  wir  uns  selbst  nicht  achten?  Unsere  Literatur  schlingt  um  das  ganze 
deutsch-schweizerische  Vaterland  und  um  all  unsere  zerrissenen  Länder  und 
I^ndchen  innig  ihr  altes  Band ;  ihr  Verständniss  lehrt  uns  die  Heimath  besser 
kennen,  treuer  lieben  und  soll  endlich  der  Nation  ein  Segen  werden I  Und 
diesen  herbeizuführen,  ist  die  grosse  Aufgabe  der  deutschen  Sprachforscher  in 
der  Schweiz.« 

Dann  zählt  B.  all  die  Männer  auf,  die  sich  um  die  Erforschung  der 
Literatur  in  der  Schweiz  Verdienste  erworben:  Theodor  Bibliander,  Melchior 
(Joldast,  Christ.  Heinrich  Myller,  J.  J.  Bodmer,  Franz  Joseph  Stalder,  Franz 
Pfeiffer,  Wilhelm  Wackernagel,  Mörikofer,  hebt  hervor,  wie  viel  noch  zu  thun 
sei,  bis  der  reiche  Stoff  geordnet  vor  uns  liege  —  —  und  wer  will  heute 
bestreiten,  dass  unter  den  zahlreichen  Arbeitern  auf  dem  Gebiete  schweizeri- 
scher Literaturkunde  kein  Name  besseren  Klang  hat  als  der  Jakob  B.'s? 

Die  Wellen  des  grossen  Kriegsjahres  sollten  auch  an  das  Lebensschiff 
des  jungen  Doktors  schlagen.  Für  die  »Neue  Zürcher  Zeitung«  reiste  er  nach 
dem  Kriegsschauplatze  und  gab  die  gewaltigen  Findrücke,  die  er  dort  empfing, 
in  Schilderungen  wieder,  die  mit  besonderem  Interesse  gelesen  wurden.  Heute 
noch  erinnere  ich  mich,  wie  uns  die  Lebendigkeit  und  Unmittelbarkeit  seiner 
Darstellungen  ergriff.  Bald  aber  kehrte  der  Kriegsberichterstatter  zu  wissen- 
schaftlicher Arbeit  zurück.  Er  begab  sich  nach  Paris,  hörte  Vorlesungen  an 
der  Sorbonne  und  an  der  Ecole  des  Hautes  Etudes,  erging  sich  in  den 
Schätzen  der  Biblioth^que  Nationale,  erwarb  sich  die  Freundschaft  von  Gaston 
Paris  und  die  Vertrautheit  mit  der  altfranzösischen  Nationalepik,  zu  welcher 
ihn  schon  sein  Ulrich  von  Zatzikhoven  hinübergeleitet  hatte. 

Ein  nur  kurzer  Aufenthalt  in  England  (im  Frühjahr  1872)  gab  B.  Ver- 
anlassung zu  seiner  zweiten  wissenschaftlichen  Publikation:  »Deutsche  Hand- 
schriften aus  dem  Britischen  Museum«,  Schaffhausen  1873,  in  welcher  er 
sehr  sorgfältige  Nachrichten  über  Manuskripte  der  späteren  mittelhochdeutschen 
Zeit  bietet  und  die  Legende  von  Karl  dem  Grossen  und  den  schottischen 
Heiligen  ausführlich  behandelt. 

So  hatte  der  junge  Gelehrte  sich  über  sein  Können  und  Streben  hinläng- 
lich ausgewiesen,  um  bei  der  Besetzung  einer  Gymnasiallehrerstelle  in  Betracht 
gezogen  zu  werden.  Nachdem  er  kurze  Zeit  hindurch  bei  einer  Familie 
Bühler  im  Hard  (Ermatingen)  Hauslehrer  gewesen,  schied  er  von  dort  —  unter 
Aufrechterhaltung  der  freundlichsten  Beziehungen  auf  Lebenszeit  — ,  um  im 
Herbste  1872  einem  Rufe  an  die  solothurnische  Kantonsschule  zu  folgen,  wo 
er  als  Ersatz  für  den  trefflichen  Rektor  Schlatter  den  Unterricht  in  der  deut- 
schen Sprache  und  Literatur  zu  übernehmen  hatte. 

Fünfeinhalb  glückliche  Jahre  verbrachte  B.  in  der  alterthümlichen  Stadt. 
Er  hatte  gefunden,  was  seiner  Art  zusagte:  eine  lohnende  Unterrichtsthätig- 
keit  vor  nicht  allzu  grossen  Klassen,  tüchtige  Kollegen,  wie  Franz  Misteli, 
Dompropst  Fiala  u.  A.,  freundliche,  gesellige  Leute,  eine  schöne  Umgebung, 
kurz  Verhältnisse,  die  ihn  zu  ernster  Arbeit  und  heiterem  Lebensgenuss  in 
gleicher  Weise  aufforderten.  Für  ihn  bedeutete  die  Kleinstadt  nicht  Ver- 
bannung; reger  brieflicher  Verkehr  verband  ihn  mit  Freunden  und  Fach- 
genossen, Besuche  auswärtiger  Gelehrter  —  wie  z.  B.  der  Wilhelm  Scherers 
—  brachten  Anregung;  mit  dem  ihm  eigenthümlichen  Eifer,  den  Boden,  auf 
dem  er  stand,  auch  historisch  und  literarisch  kennen  zu  lernen,  versenkte  er 
sich    in    die  Geschichte  Solothurns.     Schon    im  zweiten  Jahre  seines  Aufent- 


14 


Baechtold. 


haltes  hatte  er  die  wissenschaftliche  Beilage  zum  Schulprogramm  zu  schreiben 
und  wählte  dazu  den  Minoriten  »Georg  König  von  Solothurn  und  seine  Reise- 
beschreibungen (1664 — 1736)«.  "Wichtiger  als  die  Abhandlung  selbst  ist  für 
uns  heute  die  Einleitung  »Ueberblick  über  den  Antheil  Solothurns  an  der 
deutschen  Literatur«,  wo  an  bekannte  Thatsachen  eine  Reihe  von  Einzel- 
angaben geknüpft  sind,  hinter  denen  eine  gewaltige  Arbeit  steckt.  Er  hat 
später  den  wackeren  Geistlichen  »mit  seiner  herzgewinnenden  Art,  seiner  oft 
rührenden  Naivität  und  seinen  Anekdoten«  nicht  aus  den  Augen  verloren 
und  im  »Urkundio«  weitere  werthvoUe  Abschnitte  aus  dessen  Reiseschilde- 
rungen veröffentlicht. 

Inzwischen  wandte  er  sich  einem  derberen  Gesellen  zu,  dem  Luzemer 
Chronisten  und  Dichter  Hans  Salat,  welcher  —  1498  in  Sursee  geboren  — 
als  Seiler,  Wundarzt,  Reisläufer,  Gerichtsschreiber,  katholischer  Historiker, 
Pamphletär  und  Schulmeister  ein  unstetes  Leben  geführt  hatte,  dessen  Spuren 
sich  im  Jahre  1552  verlieren.  Trotz  verschiedener  Vorarbeiten  und  der  un- 
schätzbaren Mithilfe  des  Luzerner  Staatsarchivars,  Herrn  Theodor  von  Lie- 
benau,  hatte  B.  doch  auch  hier  wieder  Bahn  zu  brechen  und  dem  interessan- 
ten Abenteurer  und  Schriftsteller  seinen  richtigen  Platz  anzuweisen.  (Hans 
Salat,  ein  schweizerischer  Chronist  und  Dichter  aus  der  ersten  Hälfte  des 
16.  Jahrhunderts.  Sein  Leben  und  seine  Schriften.  Hg.  von  Jakob  Baechtold. 
Basel  1876.  Und  später:  Hans  Salat' s  Drama  vom  verlornen  Sohn.  Bd.  36 
des  Geschichtsfreundes.  Einsiedeln  1881.)  Es  ist  ein  überaus  wichtiger  Bei- 
trag zur  Sittengeschichte  des  Reformationszeitalters,  wie  zur  Literaturgeschichte 
jenes  Abschnittes,  den  wir  hier  empfangen,  und  der  fleissige  und  gelehrte 
Verfasser  bereitete  damals  viel  Freude  durch  eine  Ankündigung  im  Vorworte, 
dass  er  in  nicht  allzu  ferner  Zeit  seinen  Landsleuten  eine  Geschichte  der 
deutschen  Literatur  in  der  Schweiz  »vorläufig  bis  zum  18.  Jahrhundert«  hoffe 
vorlegen  zu  können.  »Es  scheint  doch  mehr  als  blosse  Phrase  zu  sein«  — 
fährt  er  fort  — ,  »ein  solches  Werk  wirklich  ein  Bedürfniss  zu  nennen.  Wenige 
Länder  werden  sich  rühmen  können,  treulicher  als  die  Schweiz  ihre  Ver- 
gangenheit durchforscht  zu  haben.  Seit  neuerer  Zeit  freuen  wir  uns  sogar 
einer  Schweizerischen  Kunstgeschichte,  Musikgeschichte  etc.  Wo  aber  bleibt 
unsere  überaus  reiche  deutsche  Literatur?  Hoffentlich  mag  der  Leser  bald 
einen  Gang  durch  die  erschlossenen  Hallen  unseres  vaterländischen  Schriften- 
thums  mit  mir  wagen.« 

Aber  es  mussten  noch  gewaltige  Bausteine  herbeigeschafft  werden,  bevor 
man  zur  Errichtung  dieser  »Hallen«  schreiten  konnte.  Ein  anderes  Unter- 
nehmen sollte  hiezu  dienen:  die  »Bibliothek  älterer  Schriftwerke  der  deutschen 
Schweiz  und  ihres  Grenzgebietes.  Herausgegeben  von  Jakob  Baechtold  und 
Ferdinand  Vetter.  Frauenfeld,  Huber«.  In  Deutschland  hatte  der  Stuttgarter 
Literarische  Verein  längst  Aehnliches  zu  Tage  gefördert;  neuerdings  hatte  der 
rührige  Verlag  von  Niemeyer  in  Halle  unter  Wilhelm  Braune's  Auspicien  in 
billigerer  Form,  aber  deswegen  nicht  weniger  wissenschaftlich,  das  Gleiche 
für  einen  späteren  Zeitabschnitt  in  Angriff  genommen;  warum  sollte  die 
Schweiz  nicht  Schritt  halten  können?  Herausgeber  und  Verleger  waren  guter 
Hoffnungen  voll  und  überschätzten  in  ihrer  Begeisterung  die  Grösse  der  lite- 
rarischen Interessen  in  der  Schweiz  und  für  die  Schweiz,  wie  sie  auch  die 
Arbeit,  die  zu  bewältigen  war,  kaum  hoch  genug  anschlugen.  Auch  hier  war 
B.  wiederum  mit  dem  grössten  Einsätze  an  Energie  und  Fleiss  bereit.  Am 
Sonntag  Jubilate  1877  konnte  er  fröhlichen  Herzens  das  Vorwort  zum  ersten 


Baechtold. 


15 


Band,  zur  »Stretlinger  Chronik«  unterzeichnen,  die  unverzüglich  in  über- 
raschender Ausstattung  auf  dem  Büchermarkte  erschien. 

Darf  der  ileissige  Kirchherr  von  Einigen  am  Thunersee,  Eulogius  Kibur- 
ger,  den  Rang  eines  Geschichtschreibers  nicht  beanspruchen,  so  hat  er  doch 
in  seinen  zwölf  Kapiteln  der  sogenannten  Stretlinger  Chronik  einen  reichen 
Schatz  von  erbaulichen,  für  Kultur-  und  Sittengeschichte,  Sage  und  Mythe 
bedeutsamen  Erzählungen  angehäuft,  der  wohl  verdiente  gehoben  zu  werden. 
Manches  was  Cäsarius  von  Heisterbach  im  Dialogus  miraculorum,  Jacobus 
de  Voragine  in  der  Legenda  aurea  und  andere  anderswo  in  lateinischer 
Sprache  niedergelegt,  das  wird  hier  um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  in 
fliessendem  Deutsch  zugänglich  gemacht,  und  man  wundert  sich  billig,  dass 
das  merkwürdige  Buch  nicht  schon  früher  zum  Drucke  befördert  worden. 

Als  Herold  für  das  neue  Unternehmen  der  »Bibliothek  älterer  Schrift- 
werke der  deutschen  Schweiz«  eignete  sich  aber  der  Verfasser  der  Stretlinger 
Chronik  namentlich  auch  wegen  seines  zweiten  Werkes,  seiner  Abhandlung 
»Vom  Herkommen  der  Schwyzer  und  Oberhasler«,  einer  Schrift,  die  längst 
bekannt  war,  jedoch  erst  von  B.  dem  wahren  Verfasser  zugewiesen  und  kritisch 
herausgegeben  wurde. 

An  zweite  Stelle  sollte  abermals  ein  Bemer  treten,  Nikiaus  Manuel 
{Frauenfeld  1878.  CCXXni  und  467  SS.),  der  Freund  unseres  Zwingli,  der 
Maler,  Dichter  und  Staatsmann,  der  mit  Wort  und  Schrift  so  muthig  für  die 
Sache  der  Reformation  eingetreten  war.  Mit  voller  Begeisterung  widmete  sich 
B.  dem  Studium  dieses  sympathischen  Mannes,  und  imposant  ist  das  Denkmal, 
das  er  ihm  gesetzt  hat.  Dankbar  erkennt  er  an,  was  der  geistvolle  Karl 
von  Grüneisen  (f  1878)  unserem  Landsmann  erwiesen;  doch  es  war  nach 
vierzig  Jahren  wohl  angezeigt,  mit  der  Forschung  auf's  neue  einzusetzen,  und 
freudig  hob  die  Kritik  damals  hervor,  welch  grossen  Dienst  B.  der  Literatur 
des  Reformationszeitalters  im  Allgemeinen  durch  sein  Buch  geleistet.  Mehr 
als  dreissig  Bibliotheken  des  In-  und  Auslandes  hatte  er  gewissenhaft  durch- 
forscht, eine  ganze  Reihe  von  Einzelheiten  entdeckt,  mit  deren  Hilfe  er  seinen 
Helden  in  ein  völlig  neues  Licht  zu  stellen  vermochte. 

Von  Zürich  aus  ist  die  Vorrede  zu  Nikiaus  Manuel  datirt,  das  Werk 
selbst  war  noch  in  Solothum  entstanden.  Dort  hatte  er  schon  im  Jahre  1873 
eine  Ehe  geschlossen,  die  das  Glück  seines  Lebens  ausmachte,  und  was  der 
Verstorbene  selbst  in  festlicher  Stunde  öffentlich  ausgesprochen,  darf  auch  hier 
ohne  Indiskretion  wiederholt  werden:  B.  fand  in  seiner  Lebensgefährtin  die 
treueste  Genossin  und  verständnissvollste  Helferin  auch  in  seinen  geistigen 
Arbeiten,  ohne  die  er  das  riesige  Werk  seines  Lebens  nie  hätte  bewältigen  können. 

Der  Uebersiedelung  nach  Zürich  war  ein  Ruf  an's  Schaffhauser  Gymna- 
sium vorangegangen,  den  er  ablehnte;  eine  Veränderung  konnte  für  ihn  nur 
von  Werth  sein,  wenn  sie  ihn  in  eine  grössere  Umgebung,  in  einen  weiteren 
Wirkungskreis  versetzte.  Zürich  bot  ihm,  was  es  eben  damals  zu  vergeben 
hatte:  eine  arbeitsvolle  Stelle  an  der  kürzlich  reorganisirten  und  durch  ein 
Lehrerinnenseminar  erweiterten  Höheren  Töchterschule,  und  B.  setzte  seit 
Ostern  1878  seine  ganze  Kraft  für  die  neue  Aufgabe  ein,  wohl  wissend,  dass 
das  Feld,  das  er  hier  betreten  hatte,  seinem  Streben  auch  noch  weitere  Ziele 
bot.  Es  ist  erstaunlich,  was  er  neben  seinen  Unterrichtsstunden  in  Deutsch 
und  Geschichte,  deren  Zahl  meist  tüchtig  in  die  Zwanzig  hineinging,  noch 
alles  zu  leisten  im  Stande  war,  und  nur  in  allgemeinen  Zügen  vermögen  wir 
von  hier  ab  seiner  Thätigkeit  zu  folgen. 


1 6  Baechtold. 

Als  Lehrer  erwarb  sich  B.  in  Zürich  rasch  die  Beliebtheit,  deren  er  sich 
bei  seinen  Schülern  in  Solothum  erfreut  hatte;  er  verstand  es  meisterhaft, 
ohne  Pathos  und  Schönrednerei  die  Aufmerksamkeit  zu  fesseln,  seine  reichen 
und  vielseitigen  Kenntnisse  gestatteten  ihm,  aus  dem  Vollen  zu  schöpfen,  sein 
feiner  Geschmack  wusste  stets  das  Beste  für  seine  Schüler  auszuwählen.  Kein 
Wunder,  dass  alle,  die  seinen  Schulunterricht  geniessen  durften,  ihn  aufrichtig 
verehrten  und  verehren.  Auch  ausserhalb  der  Lehrstunde  trat  er  für  die  An- 
stalt ein:  im  Winter  1882/83  bot  er  den  Schülerinnen  und  einem  weiteren 
Publikum  von  Damen  einen  Cyklus  von  sechs  Vorträgen  über  Zürichs  Be- 
ziehungen zur  deutschen  Literatur  im  18.  Jahrhundert,  wobei  er  in  Einzel- 
bildern behandelte:  Das  Bodmer'sche  Haus,  Klopstock  in  Zürich,  Kleist,  Wie- 
land, Fichte  in  Zürich,  Goethe  in  Zürich.  Auch  das  waren  Vorarbeiten  zu 
seinem  grossen  Lebenswerke.  Im  Winter  1885/86  sprach  er  an  zwölf  Aben- 
den über  Shakespeare' s  Dramen,  welchen  Gegenstand  er  später  auch  unter 
seine  akademischen  Vorlesungen  einreihte.  Zum  Schulprogramm  von  1888 
fugte  er  eine  feine  Studie  über  Schiller's  Demetrius. 

Das  Grösste  jedoch,  was  aus  B.'s  Schulthätigkeit  hervorgegangen,  ist  sein 
Lesebuch.  Er  fing  aus  guten  Gründen  mit  der  obersten  Stufe  an;  denn  hier 
war  das  Bedürfniss  am  dringendsten  (Deutsches  Lesebuch  für  höhere  Lehr- 
anstalten der  Schweiz.  Obere  Stufe.  Frauenfeld  1880).  Neu  sind  an  dieser 
Sammlung  besonders  zwei  Punkte:  während  man  bisher  meist  mit  den  Roman- 
tikern schloss  und  im  besten  Falle  noch  einem  Freiligrath  und  Geibel  ein 
Plätzchen  gewährte,  überschritt  B.  kühn  die  alte  Grenze  und  gab  das  Wort 
auch  den  Neuern  wie  Mörike,  Storm,  Hebbel,  Schack,  Herwegh,  Jakob  Burck- 
hardt,  Gottfried  Keller,  C.  F.  Meyer,  Leuthold,  Dranmor,  Widmann,  Lingg, 
Heyse,  Hertz  u.  A.,  und  zweitens  schuf  er  —  wie  schon  die  aufgezählten 
Namen  zeigen  —  ein  Lesebuch  für  die  Schweiz.  Nicht  in  ungebührlicher 
Weise  lässt  er  das  einheimische  Element  in  den  Vordergrund  treten,  aber  er 
giebt  ihm  die  Stelle,  die  ihm  in  einem  schweizerischen  Lehrbuch  gebührte. 
Kein  ruhiger  und  sachverständiger  Beurdieilcr  wird  B.  des  Chauvinismus 
zeihen,  sein  warmer  Patriotismus  trübte  das  scharfe  kritische  Urtheil  nicht. 
Mit  diesen  beiden  Haupteigenthümlichkeiten  vereinigt  das  Lesebuch  eine  ganze 
Reihe  anderer  Vorzüge:  die  früheren  Jahrhunderte  sind  unendlich  viel  mannig- 
faltiger illustrirt  als  bisher,  die  so  lehrreiche  Brief literatur  ist  herbeigezogen, 
Reiseschilderungen  und  naturwissenschaftliche  Beschreibungen  finden  eine 
Stelle,  Reden  werden  in  vollem  Umfange  geboten,  klassische  Darstellungen 
der  literarischen  Zustände  früherer  Jahrhunderte  (von  Uhland,  Wackemagel, 
Strauss,  Frey  tag,  Wilhelm  Scherer  u.  A.)  sind  passend  eingeordnet,  und  in 
der  Poesie  ist  eine  Vertretung  der  verschiedensten  Gattungen  und  Formen 
sorgfältig  berücksichtigt.  Ein  Literaturunterricht,  wie  ihn  B.  im  Vorworte 
skizzirt,  wird  für  die  Oberklassen  unserer  schweizerischen  Mittelschulen  auf 
lange  hinaus  ein  Ideal  bleiben,  und  wer  nach  diesem  strebt,  der  wird  kein 
besseres  Lehrmittel  den  Schülern  in  die  Hand  geben  können,  als  B.'s  Lese- 
buch, eine  Sammlung,  die  dem  I^ehrer  die  werth vollsten  Winke  giebt  und 
dem  Schüler  Freude  macht,  »ein  Buch,  das  nicht,  sobald  man  den  bekannten 
Stuben  entronnen  ist,  mit  den  verschiedenen  Grammatiken  und  Leitfaden 
ungesäumt  zur  Vertrödelung  gelangen  sollte«. 

Während  die  obere  Stufe  des  Lesebuches  keine  besonders  weite  Verbrei- 
tung fand,  wurde  die  nach  denselben  Grundsätzen  bearbeitete  untere  und 
mittlere  Stufe  (Frauenfeld  1881,  seither  wiederholt  neu  herausgegeben)  freudig 


Baechtold. 


17 


begrüsst.  Die  neue  Richtung  war  den  Lehrern  an  Sekundär-  und  Bezirks- 
schulen und  an  den  Unterklassen  des  Gymnasiums  offenbar  willkommen,  was 
B.  für  die  ungenügende  Theilnahme  der  Lehrer  höherer  Klassen  einigermaassen 
entschädigte.  Die  zur  Mode  gewordene  vornehme  Ablehnung  des  Lesebuches 
zu  Gunsten  der  Lektüre  ganzer  Literaturdenkmäler  trat  ihm  in  den  Weg,  und 
doch  hatte  er  deutlich  genug  erklärt,  dass  sein  Lesebuch  eben  gleichzeitig 
mit  und  neben  jener  Art  der  Lektüre  eine  Stelle  fordere.  Möglicherweise 
hat  ein  anderer,  der  den  B. 'sehen  Gedanken  wieder  aufnimmt,  auf  der  Ober- 
stufe mehr  Glück:  unserer  lernenden  Jugend  wäre  es  von  Herzen  zu  gönnen. 

Schriftstellerisch  reihte  B.  eine  Gabe  an  die  andere.  Er  hatte  1879  die 
Leitung  des  Feuilletons  der  »Neuen  Zürcher  Zeitung«  übernommen  und  sorgte 
fünf  Jahre  lang  mit  feiner  Auswahl  dafür,  dass  die  Leser  mit  dem  Gange  der 
neuesten  deutschen  und  ausländischen  Literatur  bekannt  wurden.  Manchmal 
mag  diese  Arbeit  hart  und  mühselig  gewesen  sein,  und  er  erinnerte  sich  später 
nicht  mehr  gerne  daran  (selbst  als  sein  ihm  sonst  so  lieber  Freund,  Professor 
Viktor  Meyer  in  Heidelberg,  den  das  Todesschicksal  nun  fast  in  derselben 
Stunde  wie  B.  ereilt  hat,  ihm  im  Jahre  1893  die  hübschen  »Märztage  im 
Canarischen  Archipel«  widmete  und  dabei  auf  seine  Feuilletonistenthätigkeit 
anspielte,  verbitterte  ihm  das  die  schöne  Gabe),  aber  jene  Stellung  hat  ihm 
doch  allerlei  Förderung  gebracht.  Er  begnügte  sich  nicht  mit  Anordnung  des 
Stoffes,  er  wollte  selbst  auch  seinen  Beitrag  leisten.  Und  wie  manch  hübsches 
Kabinettstück  hat  er  in  jenen  Jahren  den  gähnenden  Spalten,  dem  »Danaiden- 
fässe«, anvertraut!  Was  für  eine  feine  Studie  ist  sein  »Armer  Mann  in  Toggen- 
burg« (Februar  1882),  wie  prächtig  schildert  er  uns  (1884)  Josua  Maler  (1529 
bis  1599),  den  Lexikographen,  als  fahrenden  Schüler,  als  Pfarrherm  in  Elgg, 
Bischofifszell,  Winterthur  und  Glattfelden!  Das  konnte  nur  ein  Mann  leisten, 
der  mit  dem  Geschick  und  Wissen  des  Forschers  das  glücklichste  Erzähler- 
talent vereinigte. 

Dabei  brachte  ihn  diese  Art  der  Journalistik  in  Verbindung  mit  einer 
Reihe  von  hervorragenden  Schriftstellern  und  Literaten.  Ueberallhin  reichten 
seine  Fäden,  immer  wusste  er  für  eine  bestimmte  Aufgabe  auch  den  richtigen 
Mann  zu  finden.  So  gelang  es  ihm,  unter  Fernhaltung  des  blöden  literarischen 
Tagesklatsches,  dem  Feuilleton  seines  Blattes  eine  höhere  geistige  Stellung  zu 
erobern  und  dem  dort  ausgesprochenen  Urtheile  Gewicht  zu  verschaffen. 

Und  nun  zur  Schule  und  zur  Redaktionsarbeit,  zur  Forschung  und  zur 
Publikation  erst  noch  die  akademische  Lehrthätigkeit !  Am  19.  Januar  1880 
hielt  B.  seine  Antrittsvorlesung  über  »Die  Verdienste  der  Zürcher  um  die 
deutsche  Philologie  und  Literaturgeschichte«  (vergl.  Neue  Zürcher  Zeitung, 
Feuilleton  vom  Januar  1880).  In  feierlichem  Zuge  führt  er  hier  die  zürche- 
rischen Gelehrten  an  uns  vorüber:  Konrad  Gesner  (1516  — 1565)  mit  seinem 
Mithridates,  Caspar  Waser,  den  Kenner  des  Gothischen  und  der  älteren  deut« 
sehen  Literatur,  die  beiden  Lexikographen  Johannes  Fries  (f  1565)  und  den 
schon  genannten  Josua  Maler,  den  sonderbaren  Kauz  Jakob  Redinger,  Pfarrer 
in  Dietikon  (f  1688),  und  sein  »Latinish  Tütshes  wortbuechlin«,  den  gelehr- 
ten Theologen  Heinrich  Hottinger  (f  1667),  der  die  althochdeutsche  »Exhor- 
tado«  zugänglich  machte,  Johann  Baptist  Ott,  den  Kenner  des  Ulfilas,  Tatian, 
Otfried  und  Notker;  dann  kommen  Bodmer  und  Breitinger  mit  ihren  über- 
reichen Schätzen,  Leonhard  Meister,  der  die  »Beiträge  zur  Geschichte  der 
teutschen  Sprache  und  National-Literatur«  (1777)  und  anderes  verfasst  hat, 
endlich  Sulzer's  Schützling  Christoph  Heinrich  Myller,  der  etwa  1 40  000  mittel- 

Blogr.  Jahrb.  n.  Deutscher  Nekrolog.    2.  Bd.  2 


I  g  Baechtold. 

hochdeutsche  Verse  publicirte.     Es    ist    eine    durch  geistreiche  Bemerkungen 
belebte  Uebersicht,  wie  sie  damals  nur  B.  geben  konnte. 

Als  Privatdocent  begann  er  im  Sommersemester  1880  seine  Vorlesungen 
mit  einer  Einleitung  in  das  Nibelungenlied  und  Erklärung  ausgewählter  Par- 
tien, welcher  er  im  folgenden  Winter  eine  allgemeine  Erklärung  des  Nibe- 
lungenliedes anschloss.  Auch  Walther  von  der  Vogelweide  stand  bald  auf 
dem  Programm  (Sommer  1881);  aber  die  eigentliche  Literaturgeschichte  in 
ihrem  Gesammtzusammenhange  war  doch  von  Anfang  an  sein  Ziel.  Die  Ge- 
schichte der  deutschen  Literatur  im  Reformationszeitalter  (Sommer  1880)  er- 
weiterte sich  zu  einer  deutschen  Literaturgeschichte  des  16.  Jahrhunderts 
(Winter  1882/83),  neben  welcher  er  gleichzeitig  über  die  deutsche  Literatur 
des  18.  Jahrhunderts  las,  dann  kam  die  ausfuhrliche  Geschichte  der  alt-  und 
mittelhochdeutschen  Literatur,  bis  B.  (im  Sommer  1885  und  im  Winter  1885/86) 
das  ganze  Gebiet  von  den  ersten  Anfängen  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhun- 
derts vorzutragen  im  Stande  war.  Goethe's  Götz  und  der  Iphigenia  auf  Tauris, 
die  er  beide  in  kritischen  Ausgaben  veröffentlicht  hatte  (Freiburg  1882  und 
1883),  widmete  er  eine  Vorlesung  im  Sommersemester  1882. 

B.  musste  an  sich  recht  erfahren,  dass  der  Erfolg  in  der  akademischen 
Laufbahn  keineswegs  vom  eigenen  Wissen  und  der  persönlichen  Leistungs- 
fähigkeit allein  abhängig  sei,  sondern  dass  der  Zufall,  d.  h.  die  Wegberufung, 
der  Rücktritt  oder  Tod  von  Vertretern  des  Faches,  eine  weit  wichtigere  Rolle 
spiele.  Nachdem  er  vierzehn  Semester  lang  mit  dem  denkbar  besten  Erfolge 
gelesen,  wurde  ihm  1887  ein  besoldetes  Extraordinariat  zu  theil,  das  es  ihm 
möglich  machte,  die  Hälfte  seiner  Schulstunden  aufzugeben.  Bald  nachher 
wurde  in  Basel  eine  Professur  fiir  Germanistik  frei,  und  die  dortige  Fakultät 
richtete  ihre  Augen  auf  B.  Längere  Unterhandlungen  wurden  gefuhrt,  welchen 
durch  die  zürcherische  Regierung,  die  dem  Begehrten  ein  Ordinariat  anbot, 
ein  plötzliches  Ende  bereitet  wurde.  Damit  waren  B.'s  Wünsche  nach  aussen 
erfüllt,  nach  Ehre  und  Auszeichnung  strebte  er  nicht;  aber  eine  gesicherte 
Stellung  und  eine  abgerundete  Aufgabe  durfte  er  mit  vollstem  Rechte  er- 
warten. So  lieb  ihm  der  Unterricht  an  der  Schule  war,  so  hoch  er  sich  dort 
von  Kollegen  und  Schülerinnen  geschätzt  wusste,  seine  Ziele  liessen  sich  nicht 
länger  mit  einem  Amte  vereinigen,  das  seine  Zeit  allzu  sehr  in  Anspruch 
nahm.  Wenige  Monate  nachher,  an  seinem  41.  Geburtstage,  verfasste  er  in 
freudigster  und  getrostester  Stimmung  seine  Vita  für  das  Album  der  Universität 
und  schloss  mit  den  Worten:  »Ich  gedenke  mich  dieser  Stelle  noch  recht 
lange  zu  erfreuen.« 

Der  Ordinarius  nahm  es  mit  seinen  Pflichten  sehr  ernst.  Seine  Kollegien- 
hefte, die  ein  anderer  vielleicht  als  auf  Jahre  hinaus  genügend  erachtet  hätte, 
wurden  umgearbeitet,  und  unbegreiflich  erschien  manchmal  die  Klage,  er 
könne  seine  bisherigen  Entwürfe  und  Sammlungen  nicht  mehr  brauchen.  B. 
wollte  immer  alles  selbst  nachgeprüft  haben,  und  so  erwuchs  ihm  auf  dem 
Ungeheuern  Gebiete,  das  er  vertrat,  täglich  neue  Arbeit.  Scheinbar  neben- 
sächliche Bemerkungen  waren  bei  ihm  oft  das  Resultat  gewissenhaftester, 
langer  Untersuchungen.  Er  taxirte  seine  Leistungen  als  Docent  viel  zu  ge- 
ring, Hess  sich  durch  allen  Beifall,  durch  die  sich  rasch  steigernde  Zuhörer- 
zahl nicht  in  Sicherheit  wiegen,  er  setzte  zu,  verbesserte,  goss  um  und  schuf 
neu,  um  nach  vollendetem  Werke  wieder  von  vorne  zu  beginnen. 

Das  neugegründete  deutsche  Seminar  an  der  Universität  hatte  für  ihn 
grossen  Reiz ;  hier  regte  er  zu  einer  Menge  kleinerer  literar-historischer  Unter- 


Baechtold. 


19 


suchungen  an,  hier  verwerthete  er  in  den  sogenannten  deutsch-pädagogischen 
Uebungen  seine  reichen  Erfahrungen  als  Lehrer. 

Indem  er  die  Seminarmitglieder  oft  an  seinen  eigenen  Arbeiten  theil- 
nehmen  Hess,  förderte  er  das  Interesse  an  solchen  Studien  und  zog  —  ohne 
Schule  machen  zu  wollen  —  einen  Kreis  junger  Gelehrter  heran,  die  dem 
Meister  zur  Ehre  gereichen.  Eine  Reihe  von  Dissertationen  giebt  hie  von  be- 
redtes Zeugniss,  ganz  besonders  aber  das  dreibändige  Werk:  »Schweizerische 
Schauspiele  des  sechszehnten  Jahrhunderts.  Bearbeitet  durch  das  deutsche 
Seminar  der  Zürcher  Hochschule  unter  Leitung  von  Jakob  Baechtold.  Zürich 
1890 — 93«. 

Seit  1889  las  B.  gewöhnlich  in  vier  Semestern  einen  Kursus  über  die 
gesammte  deutsche  Literaturgeschichte;  zunächst  behandelte  er  die  alt-  und 
mittelhochdeutische  Zeit,  dann  die  Literatur  des  15.  bis  17.  Jahrhunderts,  dann 
des  18.  Jahrhunderts  und  schliesslich  die  Romantik.  Nebenher  gingen  aber 
Vorlesungen  von  nicht  geringerer  Bedeutung:  »Goethe's  Leben  und  Werke«, 
» Schiller* s  Leben  und  Werke«,  »aus  der  neueren  deutschen  Literatur«  und  — 
seit  Winter  1894  —  »die  Dramatiker  des  19.  Jahrhunderts«.  Von  dem  Zeit- 
punkte an,  da  B.  sich  mit  dem  Nachlasse  und  der  Biographie  Gottfried  Kel- 
ler's  beschäftigte,  widmete  er  diesem  Dichter  dreimal  eine  einstündige  Vor- 
lesung, welche  von  allen  Seiten  derart  besucht  wurde,  dass  das  grösste  Audi- 
torium die  Zuhörer  kaum  zu  fassen  vermochte;  grosser  Frequenz  erfreuten 
sich  auch  die  Kollegien  über  Goethe's  Faust  und  Shakespeare's  Dramen, 
während  die  Vorlesung  über  Johann  Peter  Hebel  für  einen  intimeren  Kreis 
berechnet  war.  Da  ich  den  Verstorbenen  nur  in  öffentlichen  Vorträgen  habe 
sprechen  hören  und  als  Gast  eine  Anzahl  seiner  Shakespeare- Vorlesungen  be- 
sucht habe,  bin  ich  nicht  im  Stande  diese  Seite  seiner  Thätigkeit  zu  schildern. 
Mir  that  die  Wärme  wohl,  mit  der  B.  sprach,  das  sorgfältige  Vermeiden  aller 
Scheingelehrsamkeit  und  alles  Pathos,  die  Klarheit  seiner  Beweisführung,  aus 
der  die  durch  gewissenhaftes  Studium  erlangte  eigene  Ueberzeugung  hervor- 
brach, ohne  dass  sie  einer  besonderen  Betonung  bedurft  hätte. 

Das  rein  Grammatische  und  das  Formale  überhaupt  waren  nicht  seine 
Voriiebe.  Von  Zeit  zu  Zeit  las  er  über  Metrik  und  Poetik;  den  sprachlichen 
Forschungen  auf  dem  Gebiete  des  Alt-  und  Mittelhochdeutschen  folgte  er, 
fühlte  sich  jedoch  meines  Wissens  nie  berufen,  hier  selber  Hand  anzulegen. 
Das  überliess  er  gerne  anderen:  flir  ihn  waren  die  Denkmäler  der  Literatur 
zunächst  um  ihres  Inhaltes  willen  da. 

Immer  lebhafter  wandte  sich  B.'s  literar-historisches  Interesse  der  Neu- 
zeit, der  Gegenwart  zu.  Die  Herausgabe  der  Gedichte  Leuthold's  im  Spät- 
jahre 1878  (Frauenfeld  1879)  war  die  erste  Arbeit  dieser  Art,  eine  Frucht, 
die  ihm  neben  dem  aufrichtigen  Danke  Vieler  auch  allerlei  Bitterniss  eintrug. 
B.  hat  bei  Anlass  der  dritten  Auflage  (Ostern  1 884)  eine  Skizze  des  tragischen 
Dichterlebens  vorausgeschickt,  in  welcher  er  seine  Ansichten  über  die  Pflichten 
eines  Herausgebers  unmissverständlich  äussert.  Die  Zukunft  wird  nun  lehren, 
ob  er  den  richtigen  Standpunkt  eingenommen;  wie  aber  auch  der  Entscheid 
falle,  niemand  wird  die  grossen  Verdienste,  die  sich  B.  um  unseren  unglück- 
seligen Landsmann  erworben,  leugnen  können.  Und  wir  Schweizer  schulden 
ihm  besondere  Anerkennung  dafür,  dass  er  das  läppische  Geschrei  von  dem 
*  undankbaren  Vaterlande«  gebührend  zurückgewiesen. 

Es  war  nicht  ein  blosser  Zufall,  der  B.  zum  Herausgeber  der  Leuthold- 
schen  Gedichte  machte;  die  persönliche  Bekanntschaft  zusammen  mit  Gottfried 


2" 


20  Baechtold. 

Keller's  Wunsch  war  lediglich  die  äussere  Veranlassung,  neben  welcher  die 
innere  Sympathie  gewaltig  mitwirkte.  Der  Dahingeschiedene  stand  mit  seinem 
Herzen  kaum  einer  Dichtungsart  näher  als  der  Lyrik.  Seine  ganze  Natur, 
sein  ganzes  Empfinden  schienen  hiezu  prädestinirt.  Bei  aller  Begeisterung  für 
andere  Arten  der  Dichtkunst  trat  doch  seine  besondere  Neigung  hier  offen  zu 
Tage.  Das  Nachempfinden  —  im  besten  Sinne  des  Wortes  —  war  seine 
Stärke.  Kein  Wunder,  dass  er  Mörike  und  Storm  hoch  schätzte,  dass  er  seine 
Arbeit  gelegentlich  auch  Hölderlin  zuwandte  (vgl.  Vierteljahrschrift  für  Lite- 
raturgeschichte 1888).  Etwa  fiinfzehn  Jahre  zurück  —  wenn  nicht  mehr  — 
wird  B.'s  Plan  zu  datiren  sein,  ein  Werk  über  Mörike  zu  schreiben.  An 
Sammlungen  und  Vorbereitungen  jeglicher  Art  fehlte  es  hiezu  nicht.  In  der 
Deutschen  Rundschau  (XI,  2  S.  269  —  284)  hatte  er  1884  die  Feder  schon 
einmal  angesetzt,  dann  folgten  in  Zwischenräumen,  von  kleineren  Arbeiten 
abgesehen,  der  »Briefwechsel  zwischen  Hermann  Kurz  und  Eduard  Mörike« 
(Stuttgart  1885),  fünf  Jahre  später  der  »Briefwechsel  zwischen  Moritz  v.  Schwind 
und  Eduard  Mörike«  (Leipzig  1890),  in  welchem  die  romantische  Phantasie 
des  grossen  österreichischen  Malers  und  des  auf  seinem  Gebiete  nicht  minder 
grossen  schwäbischen  Dichters  sich  die  Hand  reichen;  endlich  der  Mörike- 
Storm-Briefwechsel  (Stuttgart  1891).  Auch  die  persönlichen  Beziehungen  des 
Verstorbenen  zu  Mörike' s  Wittwe  gaben  ihm  Vieles  in  die  Hand,  was  der 
Mörike-Biographie  eigenthümlichen  Werth  verliehen  hätte.  Dass  uns  dieses 
Werk  nicht  noch  geschenkt  worden,  haben  wir  wohl  am  meisten  zu  bedauern. 
Aber  es  musste  vor  dringenderen  Aufgaben  »einstweilen«  zurücktreten! 

Nachdem  kleinere  Vorarbeiten  wie  »die  Züricher  Minnesinger«  (im  Zürcher 
Taschenbuch  fiir  1883)  und  die  Unterstützung  von  Karl  Bartsch's  prächtiger  Aus- 
gabe der  »Schweizer  Minnesänger«  (Frauenfeld  1887)  erledigt  waren,  schritt  B. 
zur  Ausfuhrung  seines  grossen  Planes.  Den  ältesten  Schätzen  deutscher  Literatur 
in  St.  Gallen  machte  er  einen  letzten  Besuch  und  schrieb  von  dort  in  heiter- 
ster Laune  an  seinen  Verleger  nach  Frauenfeld  (Neujahr  1887),  der  Setzer 
möge  sich  nun  rüsten,  das  Opus  rücke  an.  Und  in  der  That  konnten  im 
Laufe  jenes  Jahres  die  beiden  ersten  Lieferungen  der  »Geschichte  der  deut- 
schen Literatur  in  der  Schweiz  von  Jakob  Baechtold«  ausgegeben  werden.  Die 
Aufgabe  schien  genau  abgegrenzt:  »Dieses  Buch  will  die  Schicksale  der  deut- 
schen Literatur  in  der  Schweiz  von  der  alten  Zeit  bis  zum  Anfang  des  neun- 
zehnten Jahrhunderts  erzählen«,  hatte  der  Verfasser  gleich  zur  Eröfihung  ver- 
kündet, und  nach  allem,  was  er  schon  geleistet,  durfte  er  hoffen,  in  abseh- 
barer Zeit  zum  Ziele  zu  gelangen.  Doch  diesmal  hatte  sich  B.  getäuscht. 
Der  Stoff,  der  anfänglich  oft  aus  verborgenen  Adern  hergeleitet  werden 
musste,  floss  ihm  nach  und  nach  aus  hundert  Ritzen  und  Spalten  entgegen, 
kam  als  wilder  Bergbach,  als  reissender  Fluss  herangestürmt  und  drohte  den 
Lenker  der  Gewässer  mit  fortzutragen.  Da  hiess  es  durchschauen  und  prüfen, 
Rinnen  graben  und  Dämme  bauen,  bis  endlich  der  gewaltige  Strom  gebändigt 
und  ruhig  dahinfloss.  Wie  oft  Hessen  ihn  die  Pioniere,  die  er  in  seinen  ersten 
Arbeiten  rühmend  genannt,  gänzlich  im  Stiche,  wie  manchmal  musste  er  For- 
schungen, die  er  abgeschlossen  glaubte,  wieder  von  vorne  beginnen!  Kein 
Wunder,  dass  ihm  etwa  einmal  der  Muth  sinken  wollte,  wenn  in  dem  tollen 
Gewirre  kein  Ausweg  sich  zeigte,  oder  wenn  der  Setzer  die  kaum  getrockne- 
ten Zeilen  von  ihm  forderte.  Fünf  Jahre  lang  verrichtete  er  die  harte  Arbeit, 
und  kein  Leser  wird  in  den  prächtigen  Kapiteln  auch  nur  das  leiseste  Echo 
der  Seufzer    verspüren,    die    sich    gelegentlich    der  Brust    des  unermüdlichen 


Baechtold.  2 1 

Forschers  entrangen.  Am  Tage  des  Sechseläutens  1892  machte  er  das  Punk- 
tum und  feierte  dann  fröhlichsten  Herzens  das  zürcherische  Frühlingsfest, 
nachdem  er  schalkhaft  am  Schlüsse  der  Anmerkungen  den  Basler  Hexameter 
versteckt:  Est  bona  vox  schenk  in,  melior  trink,  optima  gar  us! 

Einer  ausführlichen  Werthschätzung  von  B.'s  Geschichte  der  deutschen 
Literatur  in  der  Schweiz  bedarf  es  hier  nicht;  wer  in  dem  stattlichen  Bande 
von  nahezu  tausend  Seiten  auch  nur  geblättert,  hat  sich  dessen  gefreut,  wer 
das  Ganze  gelesen,  der  hat  dem  Verfasser  im  Geiste  aufrichtig  gedankt  für 
seine  Riesenarbeit,  wer  einzelne  Abschnitte  nachgeprüft  hat,  der  wird  sich  der 
Bewunderung  und  des  Staunens  über  diese  Sorgfalt  nicht  enthalten  können. 

Keine  Lobrednereil  höre  ich  den  Dahingeschiedenen  warnen.  Doch 
dass  wir  uns  ehrlich  freuen  über  sein  Werk,  kann  und  will  er  uns  sicherlich 
nicht  verbieten.  Dass  die  Behandlung  nicht  durch  den  ganzen  Band  hindurch 
eine  gleichmässige  ist,  hat  er  selbst  hervorgehoben;  wo  so  Vieles  noch  völlig 
aus  dem  Rohen  herausgearbeitet  werden  musste,  war  es  unmöglich,  harmoni- 
sche Ausgestaltung  zu  erreichen.  Das  schadet  dem  Werke  auch  gar  nicht; 
es  ist  auch  so  weit  mehr,  als  der  Verfasser  uns  versprochen:  »Ich  wollte  ein 
lesbares,  manchmal  sogar  ein  kurzweiliges  Buch  schreiben«.  Es  ist  ein  Buch, 
auf  das  jeder  Schweizer  mit  Stolz  hinweisen  darf,  eine  Arbeit,  der  man,  so 
weit  die  deutsche  Sprache  verstanden  wird,  nur  rückhaltlose  Anerkennung 
gezollt  hat. 

Von  einem  Torso  zu  sprechen  ist  nicht  billig.  B.  hat  sich  im  Einver- 
ständniss  mit  seinem  Verleger  vom  ersten  Satze  an  die  Grenze  gesteckt,  bis 
zu  der  er  gelangt  ist,  und  es  ist  undankbar,  darüber  mit  ihm  rechten  zu 
wollen.  Eine  Behandlung  unserer  Literatur  im  19.  Jahrhundert  wäre  in  die- 
sem Stile  gar  nicht  wünschenswerth.  Die  mögliche  Fortsetzung,  von  der  er 
in  der  Vorrede  spricht,  hätte  ein  ganz  anderes  Gepräge  erhalten,  und  B.  hätte 
sie  uns  erst  nach  einer  völligen  Umarbeitung  des  Hauptwerkes  bieten  wollen. 
Bedauern  können  wir  wohl,  dass  dieser  Plan  nicht  mehr  verwirklicht 
worden,  und  gleichzeitig  werden  wir  anerkennen,  dass  er  zu  Gunsten  eines 
Unternehmens  hat  zurücktreten  müssen,  dessen  Ausführung  für  den  Augen- 
blick viel  wichtiger  war:  Gottfried  Keller's  Leben.  Das  Verhältniss  B.'s  ?u 
unserem  Dichter  wird  vielleicht  einmal  ein  anderer  schildern;  die  ersten  gei- 
stigen Beziehungen  gehen  jedenfalls  bis  in's  Jahr  1867  zurück,  als  der  Ver- 
storbene seine  zweite  Nx)velle  schrieb,  die  ganz  von  der  Art  Gottfried  Keller's 
durchdrungen  ist.  Was  der  Gelehrte  herausgab,  fand  seinen  Weg  auf  den 
Schreibtisch  des  Dichters,  der  die  Gaben  mit  Verständniss  und  Dank  ent- 
gegennahm. Mit  besonderer  Freude  erfüllte  ihn  B.'s  Manuel-Ausgabe,  worüber 
er  sich  am  17.  und  18.  Februar  1879  >™  Feuilleton  der  Neuen  Zürcher  Zei- 
tung in  warmen  Worten  äusserte.  Jahre  hindurch  war  der  persönliche  Ver- 
kehr zwischen  beiden  ein  überaus  reger,  bis  Keller  in  seiner  herben  und 
derben  Art  einmal  den  Literarhistoriker  in  einer  Weise  angriff,  die  ein  wei- 
teres Zusammengehen  unmöglich  machte.  Wer  Keller  gekannt,  wird  dies 
begreifen.  Am  70.  Geburtstage  des  Dichters  hielt  B.  eine  prächtige  Festrede 
in  der  Aula  der  Universität;  beim  Tode  Keller's  ergriffen  andere  das  Wort, 
und  geschäftige  Biographen  drängten  sich  herbei.  Und  doch  war  für  jeden  Ur- 
theilsfähigen  die  Lage  klar:  nur  in  B.'s  Hände  konnte  der  Nachlass  gelegt  werden. 
Zunächst  erschienen  auf  Weihnachten  1892  Gottfried  Keller's  nach- 
gelassene Schriften  und  Dichtungen,  und  schon  ein  Jahr  darauf  konnte  der 
erste  Band    von  »Gottfried  Keller's  Leben.     Seine   Briefe    und  Tagebücher« 


2  2  Baechtold. 

(Berlin,  Hertz  1894)  herausgegeben  werden.  Im  Spätjahr  1896  kam  die  Ar- 
beit zu  ihrem  Abschlüsse.  Die  drei  stattlichen  Bände  sind  in  Aller  Erinne- 
rung und  in  Vieler  Händen ;  B. 's  Methode  hat  Kritiker  gjefunden,  man  glaubte 
da  und  dort  grössere  Kürze,  mehr  Zurückhaltung  fordern  zu  dürfen.  Das 
alles  wird  nun  in  den  Hintergrund  treten  gegenüber  dem  grossen  und  blei- 
benden Verdienst  des  Verblichenen.  Den  »enthusiastischen  Ton«,  den  Keller 
verabscheute,  hat  B.  gemieden,  er  hat  uns  den  Dichter,  wo  immer  möglich, 
mit  seinen  eigenen  Worten  vorgeführt;  er  hat  uns  aber  gleichzeitig  —  und 
darin  sehe  ich  das  Unvergängliche  in  B.'s  Schöpfung  —  ein  Bild  des  litera- 
rischen Lebens  in  Zürich  während  eines  halben  Jahrhunderts  gegeben,  wie  wir 
es  feiner,  origineller  und  zuverlässiger  von  keiner  Seite  hätten  empfangen  können. 

Man  sollte  glauben,  mit  solchen  Aufgaben  sei  die  Zeit  eines  Menschen 
voll  und  ganz  in  Anspruch  genommen,  und  doch  brachte  es  B.  fertig,  noch 
mehr  zu  leisten.  Er  war  unermüdlich  darin,  verborgene  Schätze  der  Literatur 
an's  Tageslicht  zu  ziehen  und  sie  der  Mit-  und  Nachwelt  in  der  feinsten  Po- 
litur und  Fassung  zu  überliefern.  In  Schaff  hausen  fand  er  unter  den  Papieren 
Johann  Georg  Müller's  (eines  Bruders  Joh.  von  Müller's)  anmuthige  Aufzeich- 
nungen, die  er  1881  mit  der  Ueberschrift  »Aus  dem  Herder'schen  Hause« 
(Berlin,  Weidmann)  herausgab;  in  Zürich  prüfte  er  den  Nachlass  von  David 
Hess  (1770 — 1843),  der  uns  allen  als  Verfasser  der  »Badenfahrt«  und  der 
»Rose  von  Jericho«,  wie  nicht  weniger  als  Herausgeber  von  Usteris  Werken 
lieb  und  theuer  ist,  und  veröffentlichte  dann  die  Hess'sche  Biographie  des 
unglücklichen  philanthropischen  Schwärmers  Joh.  Caspar  Schweizer  (Berlin 
1884).  Seinem  gelehrten  Freunde  Reinhold  Köhler  in  Weimar  brachte  er 
zum  sechzigsten  Geburtstage  »Einen  Mund  voll  kurzweiliger  Schimpf-  und  Glimpf- 
reden, observirt  anno  1651  — 1652«,  ein  paar  Blätter  des  köstlichsten  Humors. 

Von  Deutschland  her  erging  1889  an  B.  durch  seinen  Freund  Professor 
Erich  Schmidt  in  Berlin  die  ehrenvolle  Auflforderung,  sich  an  der  kritischen 
Ausgabe  von  Goethe's  Werken,  die  unter  der  Protektion  der  Grossherzogin 
von  Sachsen-Weimar  erscheinen  sollte,  zu  betheiligen  und  er  übernahm  zu- 
nächst »Wahrheit  und  Dichtung«,  später  auch  die  Tagebücher,  zu  welchem 
Zwecke  ein  Aufenthalt  in  Weimar  nöthig  war.  Damals  wurde  B.  auch  zu 
Hofe  geladen,  und  es  gehörte  zum  Besten,  was  er  einem  Freundeskreise  wid- 
men konnte,  wenn  er  sich  als  gewandten  Hofmann  schilderte. 

Der  Bitte  um  Vorträge,  die  an  den  Verstorbenen  so  häufig  gerichtet 
wurde,  entsprach  er  in  früheren  Jahren  stets  mit  der  grössten  Bereitwilligkeit 
und  hat  damit  Vielen  genuss-  und  lehrreiche  Abende  bereitet.  Wie  füllten 
sich  die  Tische  in  der  »Antiquarischen«,  wenn  es  hiess:  Jakob  Baechtold  wird 
sprechen!  Auch  für  kleinere  Gelegenheitspublikationen  war  er  immer  zu 
haben.  Dem  Zürcher  Taschenbuche  lieferte  er  neben  der  schon  erwähnten 
Arbeit  über  die  Züricher  Minnesinger  (i  883)  noch  1 894  die  Briefe  von  J.  G. 
Schulthess  an  Bodmer;  der  Stadtbibliothek  verfasste  er  1890  ein  Neujahrsblatt 
(Johannes  Stumpfs  Lobsprüche  auf  die  dreizehn  Orte,  nebst  einem  Beitrag 
zu  seiner  Biographie) ;  den  Antiquaren  pubHcirte  er  eine  »Liederchronik«  und 
gab  ihnen  1880  für  die  »Mittheilungen«  Das  glückhafte  Schiff  von  Zürich. 
Nach  den  Quellen  des  Jahres  1576. 

Für  die  Zeitschriften,  die  ihn  um  seine  Mitarbeiterschaft  ersuchten,  hatte 
er  immer  etwas  bereit,  so  z.  B.  in  den  letzten  Jahren  für  die  Germania  (Bd.  2 1 
resp.  ^^)  »Einundzwanzig  Fabeln,  Schwanke  und  Erzählungen  des  15.  Jahr- 
hunderts<i;    für    die    »Romanischen    Forschungen«    Bd.  V  (1889)  eine  Studie 


Baechtold. 


23 


»lieber  die  Anwendung  der  Bahrprobe  in  der  Schweiz«;  für  die  Alemannia 
(Bd.  20,  1892)  »Zwei  Hochzeitsgedichte«  (von  Johannes  Grob  1676  und  von 
Gotthard  Heidegger  17 10);  und  wie  Vieles  —  von  kleinerem  und  grösserem 
Umfange  —  findet  sich  nicht  in  der  Münchener  »Allgemeinen  Zeitung«,  im  An- 
zeiger für  Schweizergeschichte,  in  Nord  und  Süd,  in  der  Zeitschrift  für  deutsches 
Alterthum,  im  Feuilleton  der  »Neuen  Zürcher  Zeitung«,  in  der  Deutschen 
Rundschau;  und  wie  manchen  schweizerischen  Schriftsteller  hat  er  in  der  All- 
gemeinen deutschen  Biographie  nach  Leben  und  Leistungen  dargestellt^)! 

Und  soll  ich  hinzufügen,  mit  welchem  Eifer  er  seinen  werthvollen  Rath 
und  seinen  unermüdlichen  Fleiss  dem  Vereine  für  Verbreitung  guter  Schriften 
>Äidmete,  wie  gewissenhaft  er  die  Auswahl  ftir  die  Anschaffung  deutscher 
Bücher  in  der  Museumsgesellschaft  traf?  Von  allen  Seiten  werden  wir  nun 
die  Klage  hören:  »Ja,  wenn  wir  nur  Professor  Baechtold  darüber  fragen  könn- 
ten!« Ueberall  wird  man  seine  reiche  Erfahrung,  seine  grosse  Gefälligkeit 
schmerzlich  vermissen. 

Schon  einmal  haben  wir  ja  vor  dem  drohenden  Verluste  gestanden,  im 
Sommer  1895,  als  an  B.  der  ehrenvolle  Ruf  nach  Leipzig  ergangen  war.  Es 
war  ein  harter,  schwerer  Kampf,  den  er  damals  zu  bestehen  hatte.  Mit  allen 
Wurzeln  seiner  Kraft  ans  Vaterland  festgewachsen,  Schweizer  bis  auf  den 
letzten  Blutstropfen,  musste  er  doch  ergriffen  sein  von  dem  grossen  Vertrauen, 
das  ihm  eine  der  grössten  deutschen  Hochschulen,  geistig  \aelleicht  die  reg- 
samste, entgegenbrachte.  Sollte  er  nicht  dem  Schweizernamen  im  Auslande 
neue  Ehre  machen,  war  es  nicht  Pflicht  gegen  die  Seinigen,  die  glänzende 
Stellung  anzunehmen?  B.  hat  sich  fiirs  Bleiben  entschieden  und  heute  wissen 
wir  ihm  erst  recht  Dank  dafür.  Nun,  da  sein  Leben  —  und  Leiden  abge- 
schlossen vor  uns  liegen,  zeigt  sich  sein  damaliger  Entscheid  in  anderm  Lichte. 
Aeusserlich  dem  Rufe  seiner  Freunde  folgend:  »Verpflanze  nicht  den  schönen 
Baum,  Gärtner!  er  jammert  mich!«  mag  sich  der  Verstorbene  innerlich  ge- 
sagt haben,  dass  der  alte  Stamm  die  Versetzung  in  neues  Erdreich  nicht 
mehr  ertragen  würde.  Schüler,  Freunde,  Kollegen  —  die  weitesten  Kreise 
haben  ihm  damals  gesagt,  wie  lieb  und  theuer  er  allen  war,  und  selbst  an- 
gesichts des  bittersten  Verlustes  freuen  wir  uns,  dass  er  uns  wenigstens  die 
zwei  kostbaren  Jahre  noch  gegönnt.  Anerkennenswerth  ist,  wie  unsere  Be- 
hörden sich  damals  bemühten,  der  Universität  die  vorzügliche  Kraft  zu  er- 
halten und  wie  nach  dem  Entscheide  der  Bundesrath  dem  Verstorbenen  da- 
durch seine  Dankbarkeit  bewies,  dass  er  ihm  unter  den  günstigsten  Bedingungen 
einen  Lehrauftrag  am  Eidg.  Polytechnikum  ertheilte. 

Aus  B.'s  Schriften,  selbst  aus  der  kleinÄen  Notiz  spricht  überall  seine 
Eigenart,  seine  Urwüchsigkeit,  und  die  trat  im  Leben  vielleicht  noch  stärker 
hervor.  Das  Wort,  für  Vortrag  oder  Publikation  sorgsam  abgewogen,  entfloh 
im  Gespräche  oft  seinem  Munde,  ohne  dass  ihm  die  nöthige  Vorsicht  zur 
Seite  ging.  Und  wie  er  mit  seinen  literarischen  Leistungen  gelegentlich 
Gegner  fand,  so  stiess  er  da  und  dort  auch  mit  seinen  mündlichen  Aeusse- 
rungen  auf  Widerstand.  Das  ist  das  Loos  der  Leute,  die  nicht  auf  aus- 
getretener Bahn  wandeln.  Aber  B.  war  durch  und  durch  versöhnlich;  er 
vergass  gern  und  durfte  erwarten,  dass  andere  —  nicht  minder  grossmüthig  — 

')  Dankbar  sei  hier  neuerdings  erwähnt,  dass  Baechtold  fUr  unseren  Deutschen 
Nekrolog  das  Schweizer  Referat  übernahm  und  im  vorigen  Jahrgang  mit  aller  Sorgfalt 
förderte.  (Vgl.  Biographisches  Jahrbuch,  1897,  S,  V  und  Bacchtold's  Nachruf  für  Appell 
ebenda  S.  3.)  D.  H, 


24.  Baechtold. 

auch  ihm  vergessen.     Nie  hat  er  die  dargebotene  Hand  zurückgewiesen    und 
war  nie  glücklicher,  als  wenn  er  mit  jedermann  im  Frieden  leben  konnte. 

Als  schönstes  Geleite  hatte  er  einen  unverwüstlichen  Humor  stets  neben 
sich,  einen  Genossen,  der  ihn  von  seinen  ersten  literarischen  Versuchen  bis 
zum  letzten  Federstriche  nicht  verliess,  der  im  Kreise  der  Familie  und  der 
Freunde,  wie  in  der  Rede  bei  ihm  stand.  Was  wüssten  die  Wände  so  manch 
wackerer  Trinkstube  in  Zürich  und  anderswo  nicht  für  heitere  Geschichten 
zu  erzählen,  die  sie  aus  dem  Munde  Jakob  B.'s  vernommen!  Und  hinter 
diesem  Humor  stand  eben  das  wohlthuende  Bewusstsein  erfüllter  Pflicht,  das 
gute  Gewissen,  dass  eine  tüchtige  Arbeit  vollbracht  sei.  Als  das  zunehmende 
Herzleiden  ihm  kategorisch  verbot,  selbst  an  unschuldigen  Gelagen  theil- 
zunehmen,  erfreute  er  sich  an  der  Lektüre  humoristischer  Schriftsteller.  Wie 
oft  sprach  er  mir  im  letzten  Jahre  von  dem  Vergnügen,  das  ihm  Dickens 
bereitet ! 

Die  Musik  hat  ihm  manche  glückliche  und  weihevolle  Stunde  geschenkt. 
Als  junger  Mensch  spricht  er  von  der  Wirkung,  die  der  Trauermarsch  aus 
Händel's  Saul,  David's  Klagegesang  oder  die  prachtvolle  Arie:  »O  Herr,  des 
Güte  endlos  ist!«  auszuüben  im  Stande  seien  —  und  wohl  an  ihm  selbst  aus- 
geübt hatten.  In  seinem  Hause,  wo  es  ihm  wohl  war  wie  nirgends,  spielte 
die  Musik  eine  wichtige  Rolle ;  Concerte  besuchte  er  mit  Auswahl ;  für  Brahms, 
mit  dem  ihn  persönliche  Freundschaft  verband,  hatte  er  grosse  Vorliebe.  In 
nachmitternächtiger  Zeit  phantasirte  er  wohl  auch  einmal  im  Freundeskreise 
auf  dem  Klaviere  —  und  wie  konnte  er  weidlich  böse  werden,  wenn  das 
Gebrüll  übermüthiger  Genossen  ihn  daran  störte! 

Seit  dem  Rufe  nach  Leipzig  hatte  B.  ein  Stück  seiner  alten  Fröhlichkeit 
und  Kraft  eingebüsst.  Er  war  nicht  mehr  im  Stande,  eine  so  ungeheure  Ar- 
beitslast zu  tragen  wie  früher,  sich  dann  wieder  so  ungebundener  Freude 
ganz  hinzugeben  wie  ehemals.  Der  Anfang  der  Krankheit  traf  offenbar  so 
ziemlich  mit  jenem  Entscheide  zusammen,  der  ihm  so  viel  Mühe  machte. 
»Jetzt  kann  ich  das  Thor  schliessen«,  meinte  er  muthlos  kurz  nachher,  raffte 
sich  aber  glücklicher  Weise  doch  wieder  auf.  Ein  letzter  grosser  Genuss  war 
für  ihn  die  Fahrt  nach  Neapel,  die  er  von  Nervi  aus  zu  Ostern  dieses  Jahres 
in  Gesellschaft  seines  lieben  Freundes  Viktor  Meyer  unternahm.  Anfangs  Juli 
schickte  er  mir  die  Gottfried  Keller-Bibliographie  (Berlin,  Hertz  1897.  36  S.) 
hinüber;  als  ich  ihm  dankte,  betonte  er  nur  immer,  wie  froh  er  sei,  auch 
diese  Aufgabe  noch  abgeschlossen  zu  haben.  Er  ordnete  seine  Bibliothek, 
sichtete  seinen  reichen,  werth vollen  Briefwechsel  und  bestellte  sein  Haus.  Die 
Redensarten,  man  könne  bei  einem  Herzleiden  alt  werden,  verfingen  nicht 
mehr,  der  unerbittliche  Tod  hatte  zu  deutlich  angeklopft.  Da  erst,  als  er 
sich  nicht  mehr  nach  der  Universität  zu  schleppen  vermochte,  gab  er  nach. 
Eine  Ruhepause  von  zehn  bis  vierzehn  Tagen  sollte  es  ihm  möglich  machen, 
die  Vorlesungen  des  Semesters  noch  zu  einem  ordentlichen  Abschlüsse  zu 
bringen.  Mitte  Juli  versuchte  er's  noch  einmal;  aber  ein  furchtbarer  Herz- 
krampf war  die  Folge  der  Pflichttreue. 

Das  Semester  ging  seinem  Ende  entgegen,  ohne  dass  B.  die  Vorlesungen 
wieder  hätte  aufnehmen  können.  Da  flackerte  das  Lebenslicht  zum  letzten 
Male  auf.  Er  durfte  wieder  seinen  kleinen  Abendspaziergang  unternehmen; 
am  31.  Juli  traf  ich  ihn  auf  der  Fahrt  zum  See,  am  4.  August  sass  er  ein 
Stündchen  bei  mir  im  Garten.  Beide  Male  sprach  er  mit  Wärme  von  einer 
neuen  Arbeit:    Die  »Geschichte  der  deutschen  Literatur  in  der  Schweiz«  sollte 


Bacchtold.     Mai.  25 

umgegossen  und  dann  fortgesetzt  werden.  Er  freute  sich  so  recht,  dass  er 
den  Stoff  nun  völlig  beherrsche  und  überblicke;  er  hoffte  offenbar,  der  Welt 
ein  abgerundetes,  vollkommenes  Kunstwerk  darbieten  zu  können.  Noch  am 
Sonntag  Vormittag  brachte  mir  mein  Junge,  den  ich  mit  einem  Zettelchen 
hinübergeschickt,  die  Kunde,  wie  fröhlich  und  freundlich  »Papa  Baechtold«  sei. 
Anderthalb  Stunden  später  standen  wir  erschüttert  an  seiner  Leiche. 

Vor  dreissig  Jahren  hat  der  Gymnasiast  Jakob  B.  das  Ende  eines  geist- 
lichen Herrn  geschildert,  der  seine  letzte  Predigt  gehalten  hatte.  »Dann 
schaute  der  Herr  Pfarrer,  als  er  draussen  war,  recht  innig  die  blauen  Wolken 
und  die  weissen  Schneeberge  und  sein  blühendes  Gärtlein  an,  und  in  seinem 
Stüblein  angekommen,  unterhielt  er  sich  noch  einmal  in  liebevoller  Weise  mit 
seiner  Familie,  nahm  noch  einmal  das  irdische  Mittagsmahl  inmitten  der 
Seinen  ein  und  dann  stieg  er  zum  letzten  Mal  in  sein  Studirzimmer  hinauf, 
nahm  sein  Gesangbuch  und  las  mit  zitternder  Stimme  das  Lied:  »Wie  wird 
mir  sein,  wenn  ich  dich,  Jesu,  sehe«.  Erschöpft  legte  er  sich  hin  zum  Mit- 
tagsschläfchen, von  dem  er  nicht  wieder  erwachte.«  —  Und  wie  in  jenem 
Pfarrhause,  so  schauten  auch  hier  die  rankenden  Reben  zum  Fenster  hinein, 
ob  der  alte  Freund  nicht  wieder  komme.  — 

Die  Angehörigen,  die  Freunde,  die  Universität,  das  Vaterland,  die  deut- 
sche Wissenschaft  —  alle  haben  unendlich  viel  an  Jakob  B.  verloren,  und  der 
rasche  Abschied  war  furchtbar;  ihm  aber  blieben  die  Schrecken  langen  Siech- 
thums  erspart,  und  er  geniesst  —  um  sein  eigenes  Citat  aus  Goethe  zu  wieder- 
holen —  den  Vortheil,  »als  ein  ewig  Tüchtiger  und  Kräftiger  zu  erscheinen; 
denn  in  der  Gestalt,  wie  der  Mensch  die  Erde  verlässt,  wandelt  er  unter  den 
Schatten«.  Auf  der  Höhe  des  Zürichberges,  von  wo  er  so  oft  die  scheidende 
Sonne  geschaut,  wird  seine  Asche  unter  einem  bescheidenen  Denksteine 
ruhen;  aber  in  seinen  zahlreichen  Schriften,  zumal  in  seiner  »Geschichte  der 
deutschen  Literatur  in  der  Schweiz«  hat  er  sich  selbst  das  unvergänglichste 
und  schönste  Monument  errichtet. 

Mit  Zustimmung  des  Hrn.  Verfassers  wiederholt  aus  der  Neuen  Zürcher  Zeitung. 

Theodor  Vetter. 

Mai,  Emanuei,  Antiquar,  ♦  2.  Februar  181 2  in  Schmiegel  bei  Lissa, 
t  27.  December  1897  in  Berlin,  wo  er  seit  seinem  13.  Jahre  gelebt  hatte.  — 
M.  besuchte  das  Gymnasium  Zum  grauen  Kloster  und  erwarb  sich  eine  ge- 
diegene wissenschaftliche  Bildung,  die  er  später  in  seinem  praktischen  Beruf 
gründlich  verwerthen  konnte.  Mehrere  Jahre  gehörte  er  als  Lehrling  und 
Gehilfe  der  einst  berühmten  antiquarischen  Buchhandlung  von  Finke  an,  bis 
er  1836  im  Hause  der  Polnischen  Apotheke,  Mittelstrasse,  selbst  ein  Geschäft 
unter  der  Firma  seines  Namens  errichtete.  Er  hatte  drei  grosse  uralte  Biblio- 
theken, eine  Bülow'sche  und  eine  Wolkenstein'sche,  und  die  aus  dem  ehe- 
maligen Kloster  Marsberg  stammende,  aufgekauft,  und  diese  bildeten  den 
starken  Grundstock  seines  Lagers,  das  sich  von  Jahr  zu  Jahr  vergrösserte. 
Er  kaufte  das  Haus  Unter  den  Linden,  in  dem  sich  jetzt  das  Aquarium 
befindet,  und  siedelte  von  da  später  nach  der  Mauerstrasse  über,  wo  das 
Geschäft,  seit  1868  von  seinem  Sohne  Max  geleitet,  noch  blüht.  Es  gab  in 
Deutschland  keinen  Liebhaber  und  Sammler  alter  oder  seltener  Drucke,  der 
nicht  mit  Emanuel  Mai  in  Verbindung  gestanden  hätte;  jeder  wusste  in  ihm 
nicht  nur  den  Händler,  sondern  auch  den  Kenner  und  Rathgeber  zu  schätzen. 
Wie  sehr  M.  aus   eigener  Liebhaberei  Sammler  gewesen  ist,    hat  er  gerade 


2  6  Mai.     Schumann. 

während  der  letzten  sechs  Jahre  als  eifriger  Mitarbeiter  an  den  Sonntags- 
beilagen zur  Vossischen  Zeitung  bewiesen.  Aus  seiner  reichen,  nahezu  voll- 
ständigen Sammlung  von  Flugblättern  und  anderen  Schriftstücken,  die  sich  auf 
die  achtundvierziger  Bewegung  beziehen,  hat  er  dort  vieles  seinen  Zeitgenossen 
in's  Gedächtniss  zurückgerufen  und  späteren  Generationen  zur  guten  Lehre 
gegeben.  Was  er  unter  den  Ueberschriften  »Die  Berliner  Strassenliteratur  des 
Jahres  1848«,  »Welke  Blätter  des  Märzsturms«,  »Die  Parlamente«,  »Der  Prinz 
von  Preussen«,  »Gedenkblätter  aus  der  Zeit  Friedrich  Wilhelm  IV.«,  »Berliner 
Momentbilder«,  »Zum  Jubiläum  des  Vereinigten  Landtags«,  »Polens  Kämpfe« 
veröffentlichte,  entspricht  nicht  der  wissenschaftlichen,  historisch -kritischen 
Methode;  er  gab  keine  zusammenhängende  Darstellung  der  Ereignisse,  keine 
Charakteristik  der  handelnden  Persönlichkeiten,  sondern  etwas  willkürlich  legte 
er  Blatt  an  Blatt  und  suchte  so  den  Eindruck  jener  von  ihm  leidenschaftlich 
miterlebten  Tage  wieder  lebendig  zu  machen.  Wie  sehr  ihm  das  gelungen 
ist,  wie  gerade  dadurch,  dass  er  die  Dokumente  reden  Hess,  alles  frisch  und 
eben  erst  dagewesen  schien,  haben  ihm  zahllose  Zuschriften,  Anfragen,  wohl 
auch  kleine  Berichtigungen  aus  dem  Leserkreise  bewiesen.  Der  alte  Herr 
hatte  seine  Freude  daran  und  trug  sich  zuletzt  mit  dem  Plane,  diese  Auf- 
sätze, durch  andere  vermehrt,  m  einem  Buch  zu  sammeln  und  es  am  fünfzig- 
sten Gedenktage  des  achtzehnten  März  zu  veröffentlichen.  Bereits  war  er  mit 
einer  altangesehenen  Berliner  Verlagsbuchhandlung  deswegen  in  Verbindung 
getreten.  Da  befiel  ihn,  ihm  selbst  kaum  merkbar,  ein  schweres  unheilbares 
Magenübel,  und  kurz  vor  Vollendung  des  halben  Jahrhunderts  gehörte  auch 
er  nicht  mehr  zu  den  wenigen  Ueberlebenden,  sondern  zu  der  grossen  Heer- 
schaar  »alter  Achtundvierziger«,  die  der  Hügel  deckt.  Noch  wenige  Wochen 
vor  seinem  Tode  konnte  man  ihn,  auf  seinen  Stock  gestützt,  rüstig  durch 
die  Strassen  Berlins  schreiten  sehen,  den  kurzen,  stämmigen  Körper  leicht 
vornüber  zur  rechten  Seite  gebeugt,  das  schöne,  klare,  kluge  Auge  nachdenk- 
lich vor  sich  hin  gesenkt,  und  unter  dem  grossen,  schwarzen  Schlapphut,  von 
Haar  und  Bart  lang  und  dunkel  umwallt,  ein  prachtvolles  Patriarchenhaupt, 
das  den  Neid  und  die  Freude  Rembrandt's  erregt  hätte.  Die  Frage,  was 
aus  M.'s  nachgelassener  Sammlung  werden  soll,  ist  für  die  Berliner  Stadt- 
verwaltung, die  sich  im  Besitze  der  gleichwerthigen  Friedländer'schen  Samm- 
lung befindet,  wohl  zu  erwägen. 

Paul  Schienther. 

Schumann,  Albert,  Professor  für  Geschichte  und  Geographie  an  der 
Kantonsschule  in  Aarau,  *  4.  Februar  1835  ^^  Gotha,  f  24.  Februar  1897 
in  Aarau.  —  Seh.  studirte  in  Jena,  Bern  und  Göttingen  Geschichte  und 
Germanistik  und  wurde  Ende  1859  »wissenschaftlicher  Privatsekretär«  bei 
Johann  Martin  Lappenberg.  Vergeblich  bewarb  er  sich  um  eine  Stelle  an 
der  Göttinger  Bibliothek;  allerhöchste  Protection  verhalf  einem  Untauglichen 
dazu,  der  bald  darnach  in's  Irrenhaus  kam.  Das  verdross  Seh.  dermassen, 
dass  er  Deutschland  verliess  und  ein  Lehramt  an  der  Bezirksschule  in  Zofin- 
gen annahm,  wo  er  beinahe  22  Jahre  blieb.  Hierauf  wirkte  er  10  Jahre  an 
der  Kantonsschule  in  Aarau  und  trat  1892  in  den  Ruhestand.  Er  war  ein 
sehr  gewissenhafter  Lehrer,  aber  mit  innerster  Neigung  war  er  es  nicht.  Viel- 
mehr war  er  nach  Fähigkeit  und  Beruf  der  geborene  Bibliothekar,  der  durch 
unablässige  Studien  seine  Kenntnisse  bereicherte.  Mit  verhältnissmässig  sehr 
geringen  Mitteln    hat    er  die  Stadtbibliothek  Zofingen,    der  er  30  Jahre  lang 


Schumann.     Rothpletz.  2  7 

vorstand  (von  1867  bis  zu  seinem  Tode),  zu  einem  wahren  Schatzkästlein 
gemacht.  Er  war  in  bibliographischen  Dingen  bewandert,  wie  Wenige  in  der 
Schweiz,  und  besass  eine  ausgedehnte  Bücher-  und  Literaturkenntniss,  wie  sie 
nur  derjenige  erwirbt,  dem  ungezählte  Bände  durch  die  Hände  gehen  und 
der  eine  Unmenge  antiquarischer  Kataloge  zu  Rathe  zieht.  Uebrigens  kannte 
er  nicht  nur  die  Titel  der  Bücher  und  Zeitschriften,  sondern  wusste  gar  wohl, 
was  darin  stand.  Er  schrieb  über  eine  beträchtliche  Reihe  von  Männern  in 
die  »Allgemeine  deutsche  Biographie«,  und  die  noch  unvollendete  neue  Auflage 
von  »Goedeke's  Grundriss  zur  Geschichte  der  deutschen  Literatur«  verlor  in  ihm 
einen  Beistand  und  Nothhelfer,  den  der  Herausgeber  schwer  im  Stande  sein  wird 
zu  ersetzen.  Er  gehörte  nämlich  zu  den  seltenen  Naturen,  die  alle  die  kleinen, 
unansehnlichen  und  mühseligen  Arbeiten  auf  sich  nehmen,  die  eben  gemacht 
werden  müssen,  um  die  sich  aber  die  Meisten  gerne  herumdrücken.  Seine 
Specialität  waren  die  ganz  kleinen  Schriftsteller  und  Poeten,  denen  Niemand 
gerne  nachfragt  und  nachgräbt;  seine  eigenste  Domäne  jedoch  bildete  die 
(beschichte  und  I^iteratur  des  Aargaus:  für  jene  leistete  er  Verschiedenes  in 
der  »Zeitschrift  aus  dem  Wiggerthale«,  die  übrigens  nicht  lange  existirte; 
diese  behandelte  er  in  dem  zu  zwei  Lieferungen  herangediehenen  Werk:  »Aar- 
gauische Schriftsteller,  aus  den  Quellen  dargestellt«.  —  Anderen  mit  seinem 
reichen  und  wohlgeordneten  Wissen  beizuspringen,  Hess  er  sich  keine  Mühe 
verdriessen.  Trug  man  ihm  irgend  ein  Anliegen  vor  und  begehrte  Dieses 
oder  Jenes  zu  wissen,  so  notirte  er  sich  die  Sache  in  ein  Notizbüchelchen 
oder  brachte  wohl  auch  nach  alter  Väter  Weise  einen  Knoten  im  Taschen- 
tuch an.  »Ich  werd'  einmal  nachsehen«,  pflegte  er  dann  in  seinem  gothaisch 
gefärbten  Deutsch  gelassen  zu  sagen.  Er  vergass  nie  etwas.  Den  Kopf  ein 
wenig  zur  Seite  geneigt,  die  braunen  Augen  noch  etwas  freundlicher  als  sonst, 
kam  er  dann  mit  langen  Schritten  und  etwas  in  die  Knie  fallend  auf  den 
Bittsteller  zugegangen  und  brachte  gewöhnlich  mehr,  als  dieser  erwartet  hatte. 
Häufig  genug  übermittelte  er  das  Gewünschte  auf's  säuberlichste  aufgezeichnet. 
Vielleicht  hat  er  nicht  überall  den  gebührenden  Dank  gefunden,  während  ihn 
selbst  die  kleinste  Gefälligkeit  ausserordentlich  erfreute.  Er  hat  wohl  nie 
Jemand  etwas  zu  leide  gethan  und  schwerlich  einen  Feind  besessen. 

Adolf  Frey. 

Rothpletz,  Christian  Emil,  schweizerischer  Oberstdivisionär  und  Professor 
der  Militärwissenschaften  am  eidgenössischen  Polytechnicum,  ♦  21.  Februar 
1824  in  Aarau,  f  13.  Oktober  1897  in  Zürich.  —  Die  Familie  R.  wanderte 
in  der  ersten  Hälfte  des  sechszehnten  Jahrhunderts  aus  Villingen  im  Schwarz- 
wald nach  Aarau,  wie  denn  damals  eine  Menge  der  heute  in  der  Schweiz 
blühenden  Geschlechter  aus  Süddeutschland  über  den  Rhein  zogen  und  in 
den  Bürgerschaften  die  Lücken  füllten,  welche  die  mörderischen  italienischen 
Soldkriege  gerissen  hatten.  R.'s  Vater,  Johann  Heinrich,  war  Bezirksamtmann; 
die  Mutter  Sarah  Isabella,  geb.  Schuster,  stammte  aus  Neustadt  an  der  Hardt 
und  überragte  den  Gatten  an  Bildung  und  geistiger  Begabung.  Als  R.  ein 
Jahr  alt  war,  wandte  sich  die  Familie  nach  der  Pfalz,  wo  die  Verwandten 
der  Mutter  begütert  waren.  Der  Vater  übernahm  die  Leitung  einer  chemi- 
schen Fabrik,  starb  aber  schon  nach  einem  halben  Decennium.  Mit  schwär- 
merischer Liebe  an  der  Schweiz  hängend,  begab  sich  die  Mutter  mit  den 
Kindern  nach  Aarau  zurück.  Hier  absolvirte  R.  das  Gymnasium  und  studirte 
dann    an    verschiedenen  Hochschulen  Jurisprudenz,    so    in  Heidelberg.     Einq 


28  Rothplct«. 

tückische  Brustkrankheit,  die  von  seinen  drei  Brüdern  zwei  früh  dahingerafft 
hatte,  bedrohte  auch  ihn,  sodass  die  Aerzte  einen  Aufenthalt  in  südlichem 
Klima  anriethen.  Er  begab  sich  nach  Madeira,  fand  dort  die  erhoffte  Besse- 
rung und  suchte  dann  zu  weiterer  Kräftigung  die  Insel  Helgoland  auf.  Hier 
erreichte  ihn  (1847)  die  Nachricht  vom  bevorstehenden  Ausbruch  des  schwei- 
zerischen Sonderbundskrieges.  Rasch  der  Heimath  zugeeilt,  meldete  er  sich 
in  Aarau  als  Freiwilliger  einer  Reservescharfschützenkompagnie  und  kam  im 
entscheidenden  Gefecht  bei  Gislikon  in's  Feuer.  Die  Eindrücke,  die  ihm  der 
kurze  Feldzug  hinterliess,  blieben  unverlöschlich  und  waren  für  seine  spätere 
Laufbahn  bestimmend,  sodass  er  im  Frühling  1848,  zur  militärischen  Carriere 
entschlossen,  als  Aspirant  in  die  Vorbereitungsschule  flir  Infanterieoffiziere 
trat  und  dann  sofort  einen  zweiten  Kurs  für  Artillerieaspiranten  mitmachte, 
dessen  Leitender  der  Hauptmann  Hans  Herzog  war,  der  spätere  General. 
Noch  im  nämlichen  Sommer  folgte  ein  Instructionskurs  im  Tessin.  Nun  aber 
regte  sich  die  noch  immer  nicht  völlig  gefestigte  Gesundheit  in  unangenehmer 
Weise  wieder  und  nöthigte  ihn  abermals  zum  Besuch  des  Seebades.  Unter- 
wegs dahin  vom  Waffenlärm  im  insurgirten  Berlin  angelockt,  durchwanderte 
er  Stadt  und  Umgebung,  knüpfte  mit  dem  Revolutionskomite  Unterhandlungen 
an  und  entrann  schliesslich  den  einrückenden  Truppen  und  vielleicht  dem 
Standrecht  mit  knapper  Noth.  In  der  Heimath  forderte  er  seine  militärische 
Ausbildung  mit  allem  Nachdruck,  absolvirte  eine  Kavallerierekrutenschule,  trat 
dann  zur  Artillerie  über,  avancirte  zum  Oberlieutenant,  1855  ^^™  eidgenössi- 
schen Artilleriehauptmann  und  nahm  an  verschiedenen  Centralschulen  theil. 
Als  Artilleriehauptmann  blieb  er  der  beständige  Adjutant  von  Hans  Herzog, 
der  als  Waffenchef  der  Artillerie  die  Instructionsverhältnisse  dieser  Waffe  in 
der  Schweiz  mit  einem  Schlag  von  Grund  aus  umwandelte,  nicht  zum  minde- 
sten unterstützt  von  R.  Dieser  begleitete  seinen  Obern  bei  verschiedenen 
Dienstanlässen,  so  1856  beim  Truppenzusammenzug  im  Thurgau  und  während 
der  Grenzbesetzung  (1856/57)  infolge  des  sog.  Neuenburger  Handels.  Zwei  Jahre 
später  führte  ihn  die  Grenzbesetzung  in's  Tessin,  wo  er  schon  1855  während  der 
Grenzoccupation  fungirt  hatte.  1860  wurde  er  Major  im  eidgenössischen  Artil- 
leriestab, 1863  eidgenössischer  Oberstlieutenant,  nachdem  er  während  mehrerer 
Jahre  als  Lehrer  und  Kommandant  von  Militärkursen,  namentlich  artilleristischen, 
gewirkt  hatte.  —  Gleichzeitig  mit  der  militärischen  Laufbahn  begann  er  auch 
diejenige  eines  Beamten,  zuerst  als  Aarauer  Stadtrath,  dann  als  Gerichts- 
präsident, seit  1854  als  Oberrichter,  d.  h.  als  Mitglied  des  obersten  kantonalen 
Richterkollegiums.  In  dieser  Stellung  erhielt  er,  als  es  sich,  in  Vollziehung 
der  Staatsverfassung  von  1852,  um  die  Einführung  des  Schwurgerichtes  han- 
delte, den  Auftrag,  eine  neue  Strafprocessordnung  auszuarbeiten,  und  wurde 
1858  Präsident  des  Kriminalgerichts  und  des  Schwurgerichts.  In  schweren 
Stunden,  wo  er  seine  hoffnungslos  kranke  Mutter  pflegte,  begann  er  zu  malen 
und  legte  dann  nach  ihrem  Tode  alle  seine  Aemter  nieder,  um  ausschliesslich 
der  Kunst  zu  leben.  Er  wollte  in  aller  Form  Maler  werden  und  ging  nach 
München,  wo  er  namentlich  unter  Berthelli's  Leitung  zu  arbeiten  begann. 
Während  er  unverdrossen  Pinsel  und  Palette  handhabte,  erhielt  er  1864  vom 
schweizerischen  Militärdepartement  den  Auftrag,  sich  sofort  auf  den  dänisch- 
deutschen Kriegsschauplatz  zu  begeben.  Er  sah  nur  noch  eine  letzte  Episode 
des  Krieges,  da  die  Düppeler  Schanzen  schon  genommen  waren.  Immerhin 
bot  sich  Gelegenheit,  mit  Moltke  und  von  Gablenz  zusammenzutreffen.  Eine 
ähnliche    offizielle  Mission    führte    ihn  1866  nach  dem  süddeutschen  Kriegs- 


Rothpletz.  2() 

Schauplatz.  Nachdem  er  1867  Oberst  im  eidgenössischen  Generalstab  ge- 
worden, leitete  er  1868  einen  taktischen  Kurs  für  Offiziere  des  Artilleriestabs; 
auch  befasste  er  sich  damals  mehrfach  mit  Arbeiten  über  die  Landesbefesti- 
gung. Er  recognoscirte  noch  im  nämlichen  Jahre  mit  einer  Kommission  die 
Nordfront  der  Schweiz  und  die  westhche  bis  in's  Wallis.  Als  1870  Hans 
Herzog  die  Wahl  zum  schweizerischen  General  angenommen  hatte,  berief  er 
R.,  dessen  Ernennung  zum  Generalstabschef  oder  Generaladjutanten  sich 
Schwierigkeiten  entgegenstellten,  zu  seinem  Adlatus;  R.  arbeitete  namentlich  in 
der  operativen  Sektion,  musste  sich  aber  bald  nach  Jahresanfang  legen  und 
drei  Monate  das  Bett  hüten.  1872  verheirathete  er  sich  mit  Fräul.  El.  Wydler 
von  Aarau,  mit  der  er  in  glücklicher  Ehe  lebte.  Bei  der  Durchführung  der 
neuen  schw^eizerischen  Militärorganisation  nach  dem  Gesetze  von  1874  wurde 
R.  als  einer  der  drei  Obersten  dem  Generalstab  zugetheilt,  erhielt  dann  aber 
das  Kommando  der  V.  Armeedivision  und  zugleich  den  Auftrag,  mit  derselben 
die  erste  sechszehntägige  Divisionsübung  abzuhalten,  welche  Aufgabe  er  so 
trefflich  löste,  dass  seine  Maassnahmen  auf  Jahre  hinaus  für  die  folgenden 
Manövers  von  einschneidender  Bedeutung  blieben.  Seit  1876  wurde  er  als 
Lehrer  der  Centralschule  IV  für  Oberstiieutenants  verwendet,  und  am  7.  Mai 
1878  erfolgte  seine  Wahl  zum  Professor  der  Taktik,  Strategie  und  Kriegs- 
geschichte am  schweizerischen  Polytechnicum  in  Zürich,  wohin  er  nun  über- 
siedelte. Die  Schwierigkeiten  und  Aufgaben  der  neuen  Stellung  erwiesen  sich 
als  so  grosse,  dass  er  sich  vom  praktischen  Militärdienst  immer  mehr  zurück- 
zog; und  Gesundheitsrücksichten  veranlassten  ihn  1883  seine  Entlassung  vom 
Divisionscommando  und  bald  darauf  aus  dem  Armeeverband  zu  nehmen. 
Neun  Jahre  später  wurde  ihm  auch  die  Leitung  der  Oberstlieutenantsschulen 
zu  viel,  und  seit  seinem  siebzigsten  Jahre  hinderte  ihn  ein  immer  stärker  wer- 
dendes Herzleiden,  seine  Vorlesungen  abzuhalten. 

Der  Widerstreit  zwischen  wissenschaftlichen  und  künstlerischen  Interessen, 
den  vielseitig  angelegte  Naturen  so  oft  zu  kämpfen  haben,  wurde  für  R.  früh 
complicirt  durch  die  militärischen  Neigungen  und  die  Erfahrungen,  die  er  im 
Sonderbundsfeldzug  machte.  »Diese  waren  mir«,  schreibt  er,  »für  meine 
spätere  Laufbahn  von  hohem  Werthe.  Ich  habe  die  Leiden  und  Freuden, 
die  Leistungsfähigkeit  und  die  Bedürfnisse  eines  Soldaten  kennen  gelernt;  ich 
habe  gesehen,  wie  der  Soldat  die  Offiziere  beurtheilt,  was  er  von  ihnen  er- 
wartet und  welche  Eigenschaften  der  Offizier  haben  muss,  um  das  Vertrauen 
der  Mannschaft  zu  erwerben  und  um  am  Tage  der  Gefahr  Gehorsam  erwarten 
zu  dürfen.«  Von  seinem  dreissigsten  Jahre  an  publicirte  er  eine  Reihe  schrift- 
stellerischer Arbeiten,  die  sich  beinahe  über  alle  Gebiete  militärischen  Wissens 
erstrecken:  Taktik  aller  Waflfen,  Strategie,  Terrainlehre,  Befestigungslehre, 
Organisation.  Die  bedeutendste  von  allen,  das  Handbuch  »Felddienst  und 
Taktik  der  eidgenössischen  Artillerie«  (1866)  schrieb  er,  einer  Aufforderung 
seines  Vorgesetzten  Hans  Herzog  folgend,  in  der  unglaublich  kurzen  Zeit  von 
acht  Tagen  und  acht  Nächten,  freilich  nicht  ohne  diese  Ueberanstrengung 
gesundheitlich  lange  empfindlich  zu  spüren.  Es  folgten:  »Recognoscirungen« 
1868.  »Die  schweizerische  Armee  im  Feld«  1869.  »Grundzüge  der  Organi- 
sation des  Sanitätsdienstes«  1873.  »Die  Führung  der  Armeedivision«  1876. 
»Feldinstruction  über  den  Sicherheitsdienst  der  Kavallerie  und  Infanterie«  1877. 
»Eröffnungsrede  zu  den  Vorlesungen  am  eidgenössischen  Polytechnicum«  1878. 
*Das  System  der  Landesbefestigung,  eine  strategische  Studie«  i88o.  »Das 
Infanteriefeuer«    1882.     »Die  Terrainkunde«   1885.    »Die  Gefechtsmethode  der 


•^O  Rothpletz. 

drei  Waffengattungen«  (Geschichtliche  Entwickelung  1886,  Kavallerie  1886, 
Infanterie  1887,  Artillerie  1887).  »Die  strategische  Theilung  des  schweizeri- 
schen Heeres«  1891.  »Die  Schlacht  bei  Martigny«  1891.  Li  der  Schrift 
»Die  strategische  Theilung  des  schweizerischen  Heeres«  bekämpfte  er  die 
damals  vorgeschlagene  Eintheilung  des  schweizerischen  Heeres  in  vier  Annee- 
corps  und  trat  für  die  bisherige  Eintheilung  in  acht  Divisionen  ein.  Er  unter- 
lag mit  seiner  Ansicht,  wie  er  auch  in  der  Frage  der  Landesbefestigung  nicht 
durchdrang;  er  plaidirte  für  das  System  der  Verriegelung,  während  man  sich 
maassgebenden  Ortes  für  dasjenige  einer  Centralbefestigung  entschied.  Er  war 
übrigens  einer  der  Hauptförderer  der  Landesvertheidigung  und  Landesbefesti- 
gung und  ebenso  (mit  Welti,  Herzog  und  Feiss)  der  schweizerischen  Militär- 
organisation von  1874.  Er  hat  die  Militärwissenschaften  in  operativem,  wie 
im  technischen  Sinne  selbständig  durchgearbeitet  und  theoretisch  wie  prak- 
tisch bemeistert  und  sich  über  die  Grenze  seines  Landes  hinaus  einen  geach- 
teten Namen  als  Militärschriftsteller  gemacht.  Originelle  und  lichtvolle  Be- 
handlung des  Stoffes  und  schöne  Form  zeichnen  ihn  aus,  wie  er  denn  aus 
innerstem  Bedürfniss  immer  ein  beträchtliches  Gewicht  auf  die  Form,  ja  auf 
die  Formel  legte.  Das  hing  eng  mit  seinen  Künstlergaben  zusammen.  Es 
blieb  ihm  zwar  als  Maler  versagt,  über  das  Dilettantische  hinauszukommen 
und  geschlossene  Werke  hervorzubringen,  sei  es,  weil  seinem  Talente  eine 
gewisse  Grenze  gezogen  war,  sei  es,  weil  er  erst  sehr  spät,  schon  beinahe 
ein  Vierziger,  sich  an  die  Bewältigung  der  technischen  Schwierigkeiten  wagte 
und  weil  die  Lehrzeit  eine  allzu  kurze  war.  Aber  diese  Versuche  schärften 
seinen  Blick  und  Geschmack,  die  ihn  in  Stand  setzten,  eine  feine  Gemälde- 
sammlung anzulegen,  deren  Perlen  weithin  leuchteten.  Es  befand  sich  u.  A. 
darin  die  sog.  bella  Visconti,  durch  Weber's  schönen  Stich  bekannt  geworden, 
und  eine  Madonna  mit  musicirenden  Engeln  von  A.  Feuerbach  (jetzt  in  der 
Dresdener  Galerie).  R.  gründete  den  aargauischen  Kunstverein  und  setzte 
die  Erwerbung  manches  werth vollen  Bildes  zu  Händen  des  Staates  durch. 
Ihm  ist  es  zu  verdanken,  dass  Aarau  in  den  Besitz  eines  der  herrlichsten 
Bilder  Arnold  Böcklin's  gelangte  (Muse  des  Anakreon),  und  zwar  zu  einer 
Zeit  —  es  war  in  den  siebziger  Jahren  — ,  wo,  Basel  ausgenommen,  noch 
keine  andere  öffentliche  Sammlung  der  Schweiz  ein  Werk  des  grossen  Mei- 
sters besass.  Auch  um  die  Erhaltung  und  Restauration  der  berühmten  Wet- 
tinger  Glasgemälde  machte  er  sich  verdient.  Als  Präsident  der  schweizerischen 
Kunstkommission  veröffentlichte  er  1890  »Betrachtungen  über  die  Organisation 
der  Kunstpfiege«,  worin  er  auf  manchen  Schaden  auf  dem  Gebiete  des  schwei- 
zerischen Kunstlebens  kräftig  hinwies. 

Das  künstlerische  Bedürfniss  veranlasste  ihn  auch  zu  stilgemässer  Aus- 
schmückung der  Wohnräume  im  sog.  Schlössle  zum  alten  Thurm  in  Aarau, 
einem  in  seinen  ältesten  Theilen  megalolithischen  Bauwerk  aus  dem  frühsten 
Mittelalter,  dem  spätere  Jahrhunderte  zwei  Wohnbauten  angefügt  hatten.  Das 
Innere  dieses  Thurmbaus,  den  Gottfried  Keller  als  einen  rechten  Künstler- 
und  Poetensitz  bezeichnete,  liess  R.  mit  Getäfel  wieder  herrichten  und  stellte 
da  seine  Gemäldesammlung  auf.  Gerne  sah  er  seine  Freunde  bei  sich,  und 
sie  erschienen  gerne,  denn  er  war  ein  liebenswürdiger  Wirth.  Anselm  Feuer- 
bach, Ludwig  Steub,  Virchow,  Hermann  Grimm  waren  gelegentlich,  der  am 
Aarauer  Gymnasium  wirkende  Germanist  E.  L.  Rochholz  häufig  hier;  und  als 
sich  J.  V.  V.  Scheffel  im  nahen  Seethal  eingehaust  hatte,  leerten  die  beiden 
manch  fröhliches  Glas  zusammen,  denn  sie  verstanden  sich  vorzüglich;  waren 


Rothpletz.     NUscheler.  31 

sie  doch  beide  von  Haus  aus  Juristen,  malten  und  dichteten  doch  beide. 
Auch  R.  nämlich  liebte  die  Poesie  und  warf  manchen  ernsten  oder  heiteren 
Vers  hin.  Seine  Gedichte  Hess  er  auch  drucken,  aber  nur  für  die  Seinigen 
und  die  Freunde. 

In  Zürich  steigerte  sich  der  Verkehr.  R.  sah  Gottfried  Keller  nicht  sel- 
ten bei  sich  und  noch  öfter  Böcklin,  der  sich  manches  Mal  Sonntags  zum 
Abendbrod  einfand  und  durch  heitere,  liebenswürdige  Laune  entzückte.  R. 
war  ein  trefflicher  Gesellschafter,  geistreich,  lebhaft,  gewandt  und  liebens- 
würdig, dazu  ein  schöngewachsener  Mann  mit  bedeutendem  Gesicht.  Seine 
gesellschaftliche  Liebenswürdigkeit  entsprach  übrigens  seiner  inneren;  denn  er 
war  wohlwollend  und  trug  einen  noblen  Zug  an  sich,  dem  alles  Pedantische 
widerstrebte.  Die  specifische  Beschaffenheit  seines  Wesens  beruhte  wohl  auf 
der  Mischung  zweier  Stämme:  in  die  gehaltene,  mehr  ernste  Schweizerart,  die 
er  vom  Vater  geerbt,    brachte    die    pfälzische  Mutter    einen  leichtflüssigeren, 

heiteren  Schuss. 

(J.  Hunxiker):  Oberst  E.  R.  Zürich  1897  (nach  den  ziemlich  umfänglichen  unge- 
drückten  Memoiren  R.'s)  »Allgem.  Schweizer  Zeitung«  17.  Okt.  1897.  »Der  Bund«  18.  Okt. 
1S97.  »Schweiz.  Militärische  Blätter«,  10.  Heft  1897.  »Zum  Andenken  an  Oberst  E.  R.« 
(0.  0.  u.  J.).     Ad.  Frey:  »J.  V.  v.  Scheffers  Briefe  an  Schweizer  Freunde.«    1897. 

Adolf  Frey. 

Nüscheier,  Arnold^  Historiker,  *  18.  August  1811  in  Zürich,  f  30.  Oktober 
1897  ebendaselbst.  —  Ein  Leben  voller  Arbeit  hat  am  30.  Oktober  1897 
seinen  Lauf  beschlossen.  Mit  dem  »Herrn  Rechenschreiber«,  wie  seine  Mit- 
bürger den  Ehrendoctor  nannten,  ist  der  Nestor  der  Zürcherischen  Historio- 
graphen  zur  Ruhe  gegangen;  aber  sein  Bild,  welches  das  eines  lauter  wohl- 
wollenden, im  Dienste  der  Wissenschaft  unermüdlichen  und  allezeit  opferwilligen 
Mannes  war,  wird  so  lange  leben,  als  es  Zeugen  seines  Schaffens  giebt.  N. 
ist  als  Sohn  eines  alten,  geachteten  Zürcher  Hauses  am  18.  August  181 1  ge- 
boren. Zum  künftigen  Juristenstande  bestimmt,  hatte  er  die  Universitäten 
Heidelberg  und  Berlin  besucht;  dann  zog  es  ihn  zu  den  Cameralia  hin,  aut 
die  er  sich  in  München  und  wiederum  in  Heidelberg  verlegte.  Andere 
Interessen  drängten  sich  ebenfalls  hervor,  die  Freude  an  Allem,  was  Kunst 
und  Cultur  vergangener  Jahrhunderte  hinterlassen  haben  und  ein  lebhafter  Zug 
zu  den  Naturwissenschaften.  Reisen,  die  ihn  von  Deutschland  und  Oester- 
reich  bis  nach  Dänemark  und  Schweden  und  dann  wieder  zurück  nach  Frank- 
reich bis  Havre  und  Toulon  führten,  trugen  dem  aufmerksamen  Beobachter 
reiche  Erfahrungen  und  Kenntnisse  ein.  Seine  letzte  Etappe  war  Paris  ge- 
wesen; dort  wurde  er  von  schwerer  Krankheit  befallen,  die  den  kaum  Ge- 
nesenen 1835  zur  Rückkehr  in  die  Heimath  zwang. 

Hier  fing  nun  das  Wirken  an,  welches  er  in  gleichem  Maasse  für  Staat 
und  Vaterstadt,  wie  für  die  Wissenschaft  entfaltet  hat.  Als  gründlicher 
Comptable  wurde  er  schon  bald  nach  der  Heimkehr  zum  Rechenschreiber, 
das  will  sagen,  zum  Sekretär  des  kantonalen  Finanzwesens  ernannt,  welche 
Stellung  er  fast  drei  Jahrzehnte  lang  mit  der  ihm  eigenen  Umsicht  und  Ge- 
wissenhaftigkeit versah.  An  anderen  Aemtem  und  Würden  gebrach  es  nicht 
und  seinen  vielseitigen  Anlagen  entsprach  die  Zahl  der  Vereinigungen,  in  deren 
meisten  er  ein  rühriges  Mitglied  war.  Von  all  den  Neigungen  aber,  zu  deren 
Pflege  Amt  und  Pflicht  ein  Uebriges  Hessen,  trat  mehr  und  mehr  die  Eine 
her\or,  die  zur  Geschichte  und  Alterthumskunde,  welche  bis  an's  Lebensende 
seine  eigenste  blieb. 


X2  Nüscheler. 

Ein  Biograph  hat  ausgeführt,  wie  bald  das  Amt  diesen  Zug  auf  feste 
Bahnen  lenkte.  Zu  N.*s  Obliegenheiten  hat  in  der  Wende  der  Dreissiger  und 
Vierziger  Jahre  die  Untersuchung  über  die  CoUaturverhältnisse  der  zürcheri- 
schen Kirchen  gehört.  Das  forderte  zum  Studium  der  einschlägigen  Docu- 
mente  heraus,  womit  sich  der  junge  Gelehrte  aber  nicht  beschied,  sondern 
noch  weiter  fuhr,  indem  er  über  den  berufsmässigen  Rahmen  hinaus  sich  auf 
das  systematische  Studium  des  gesammten  ihm  zugänglichen  Urkundenmaterials 
verlegte  und  so  den  Grund  zu  einer  Arbeit  schuf,  auf  die  sich  nachmals  zu- 
vörderst sein  Ruf  begründet  hat. 

Es  war  auch  eine  Zeit,  die  solchen  Bestrebungen  vollauf  zu  Gute  kam. 
1837  hatte  sich  die  Antiquarische  Gesellschaft  in  Zürich  aufgethan,  in  welcher 
N.  von  1842  — 1856  das  Amt  des  Actuars  versah.  Noch  war  der  liebens- 
würdige Vertreter  Zürcherischer  Alterthumskunde,  der  Pfarrer  und  Kirchenrath 
Salomon  Vögelin  am  Leben,  Ferdinand  Keller  stund  in  vollster  Kraft,  Dr. 
Meyer-Ochsner,  die  Brüder  Schulthess,  Paul  und  Ludwig,  hatten  jeder  nur 
eine  Lust,  die  nach  dem  Alten  zu  stöbern.  Die  reichen  Anregungen,  welche 
Fremde  brachten  und  ein  freundschaftlicher  Ton,  der  jetzt  noch  bei  den  zür- 
cherischen »Antiquaren«  herrscht,  stimmten  mit  einem  fast  familiären  Leben 
überein.  Es  war  Späteren  eine  Freude,  die  letzten  dieser  Herren  zu  sehen, 
wenn  sie  auf  dem  Helmhause  beim  täglichen  Stelldichein  in  Ferdinand  Kel- 
ler's  Stüblein  Funken  schlugen. 

In  den  Sitzungen  dieser  Gesellschaft  hatte  sich  N.  eingefunden,  so  lange 
die  körperlichen  Kräfte  ihn  dazu  fähig  machten,  und  wie  sich  Ferdinand  Keller 
als  sein  Freund  benahm,  hat  eine  Episode  gezeigt,  die  zu  den  köstlichsten 
an  jenen  Samstagabenden  gehörte.  In  den  Siebziger  Jahren  hatte  N.  eine 
Abhandlung  über  die  Zürcherischen  Ausgemeinden  vorgetragen,  deren  Gründ- 
lichkeit die  Geduld  eines  gewichtigen  Professors  zu  ausgiebig  beansprucht 
haben  mochte.  »Nun  kann  mir  mein  gelehrter  Freund  N.  auch  dieses  oder 
jenes  sagen«,  flocht  er  in  sein  Votum  ein,  worauf  ihn  Keller  mit  ebenso 
spitziger  Wendung  frug:  »Nun  kann  mir  mein  gelehrter  Freund  ....  auch 
sagen,  was  ein  Absichtsdünkel  ist?«  und  dann  den  Auskunftslosen  belehrte, 
welches  Form  und  Gebrauch  dieser  auf  allen  Hochwachten  vorhandenen  Ein- 
richtung war. 

N.  hat  am  liebsten  still  und  emsig  über  Büchern  und  Schriften  gesessen; 
er  war  ein  Forscher  frommen  und  schlichten  Schlages,  der  keine  höhere  Genug- 
thuung  als  die  an  der  Arbeit  und  dem  Dienst  fiir  Andere  kannte.  Einem 
jüngeren  Freunde,  der  ihm  noch  Abends  am  14.  November  1874  die  Kunde 
von  dem  eben  gefassten  Facultätsbeschluss  überbrachte,  erzählt,  wie  dem 
Ehrendoctor  über  seinem  freudigen  Schrecken  beinahe  die  zum  Empfang  be- 
reite Studirlampe  entfallen  sei.  Oft  habe  ich  ihn  aus  meinem  Fenster  durch 
den  Garten  des  angestammten  Hauses  zum  »hinteren  Magazinhofe«  wandeln 
sehen  mit  Sammtkäppchen  und  Schlafrock;  er  nahm  sich  wie  ein  Chorherr 
in  seinem  Stiftshöfchen  aus.  Es  hat  aber  auch  Zeiten  eines  rüstigeren  Daseins 
gegeben,  da  er  Seinesgleichen  im  Wandern  suchte  und  unermüdlich  von  einem 
Burgstall  zum  anderen  und  von  Kirche  zu  Kirche  gepilgert  ist.  Auf  solchen 
Gängen  habe  ich  Anfangs  der  Sechsziger  Jahre  den  Herrn  Rechenschreiber 
oft  begleitet  und  manches  Sämlein  heimgetragen,  das  nachher  aufgegangen  ist. 

Damals  fingen  die  Vorbereitungen  zu  seinem  Hauptwerke  an,  dessen 
erstes  Heft  unter  dem  Titel  »Die  Gotteshäuser  der  Schweiz«  im  Jahre  1864 
erschien,  ein  Verzeichniss  der  Kirchen,  Stifter  und  Kapellen,  nach  Bisthümern 


Nttscheler. 


33 


und  Dekanaten  geordnet,  das  aus  quellenmässiger  Umschau  deren  Geschichte 
zusammenfasst  und  eine  knappe  Beschreibung  der  Bauten,  sowie  der  vornehm- 
sten darin  enthaltenen  Kunst-  und  Alterthumsdenkmäler  enthält.  Es  ist,  wie 
alles  Menschenwerk,  nicht  einwandsfrei,  aber  ein  Wurf,  mit  dem  die  histori- 
sche und  antiquarische  Forschung  wohl  bleibend  rechnen  wird.  Warum  es 
in  der  begonnenen  Form  schon  mit  dem  dritten  Hefte  schloss,  ist  eine  Frage, 
die  sich  aus  den  Betrachtungen  über  das  Verhältniss  des  »Marktes«  zu  den 
idealen  Bestrebungen  erhebt.  Eine  Fortsetzung  hat  N.  aber  doch  erlebt;  sie 
ist  für  den  Rest  des  Zürcherischen  Theiles  und  der  einschlägigen  Dekanate 
in  dem  fünförtigen  »Geschichtsfreunde«  und  die  den  Aargau  betreffende  Sparte 
in  der  »Argovia«  erschienen  und  das  Abendgold  gewesen,  an  dem  sich  der  treue 
Forscher  sonnen  durfte. 

Anderes  hatte  er  schon  früher  geschenkt,  Abhandlungen  über  die  Lepro- 
senhäuser  im  Canton  Zürich  und  die  schweizerischen  Letzinen,  welche  die 
»Mittheilungen  der  Antiquarischen  Gesellschaft  in  Zürich«  brachten,  reiche  Bei- 
träge zu  der  neuen  Auflage  von  Vögelin's  »altem  Zürich«  und  solche  zur 
Glockenkunde,  die,  je  nach  den  Kantonen,  aus  welchen  sie  stammten,  in  den 
betreffenden  Vereinspublikationen  und  dem  »BoUettino  storico  della  Svizzera 
italiana«  erschienen. 

Und  mit  solchen  Veröflfentlichungen  ging  unausgesetzt  der  Ausbau  seiner 
Collectaneen  Hand  in  Hand.  So  kam  eine  Quelle  zu  Stande,  aus  welcher 
Bächlein  auf  Bächlein  lief.  Wer  immer  die  Geschichte  einer  Gemeinde,  einer 
Burg,  oder  Kirche  schrieb,  der  sprach  zuerst  bei  N.  vor,  der  seinerseits 
gerne  empfing,  aber  ebenso  freigebig  und  neidlos  schenkte.  Seine  Liberalität 
in  wissenschaftlichen  Spenden  kannte  keine  Grenzen,  wenn  er  nur  Ernst  und 
braves  Wollen  sah.  Und  ganz  in  diesem  Sinne  hat  er  dann  auch  über  seinen 
Nachlass  verfugt;  einen  öffentlichen  und  zugänglichen  Gewahrsam  werden  seine 
Aufzeichnungen  finden ;  die  Freude  an  dem  Werden  und  Wachsen  des  Schwei- 
zerischen Landesmuseums  hat  ihn  bestimmt,  dieser  Anstalt  seine  reiche  Samm- 
lung von  Zeichnungen,  eine  Auswahl  von  Büchern  nach  Belieben  und  kost- 
bare Glasgemälde  zu  vermachen. 

Wer  möchte  zweifeln,  dass  ein  solcher  Hüter  keine  Feinde  hatte  und  wo 
er  hinkam,  zu  den  Willkommenen  gehörte.  Ganz  besonders  in  dem  »histori- 
schen Verein  der  fünf  Orte«  hat  sich  N.  daheim  gefühlt.  Hier  traf  er  mit 
denen  zusammen,  die  seine  ständigen  Correspondenten  waren,  geistlichen 
Herren  zumeist,  unter  denen  die  seligen  Chorherren  Lütolf,  Aebi,  Rohrer  und 
der  edle  Bischof  Friedrich  Fiala  zu  seinen  Vertrauten  zählten.  Und  ebenso 
Treffliche  hat  er  unter  den  Vertretern  seines  Bekenntnisses  gepflegt:  Pupikofer, 
Mörikofer  imd  Sulzberger  sind  Männer,  deren  Namen  sich  Blatt  für  Blatt  in 
seinen  Collectaneen  finden  und  mit  denen  er  auch  persönlich  auf  nahem  Fusse 
stand.  Wer  immer  sein  Haus  am  Thalacker  besuchte,  war  freundlicher  Auf- 
nahme gewiss.  Ich  höre  noch  die  helle  Stimme  und  den  Ausruf  freudigen 
Willkommens,  womit  er  die  jeweiligen  Berichte  über  meine  Fahrten  und  ihre 
Ergebnisse  empfing. 

Seit  dem  Jahre  1847  hatte  er  ein  zweites  Heim  bezogen,  das  neue  Land- 
gut auf  dem  Homberge,  das  im  »Amt«  zwischen  Rifferschwil  und  Mettmen- 
stetten  liegt,  und  wo  er  nun  jeweilig  seine  Sommerfrische  genoss.  Hier  hat 
neben  dem  Antiquar  der  Naturfreund  gehaust.  So  lange  N.  im  Amte  stand, 
pflegte  er  jeweilig  Samstag  Abends  nach  dem  wohl  vier  Stunden  von  Zürich 
entfernten  Tusculum  zu  pilgern  und  wieder  zu  Fuss  den  Heimweg  zu  machen. 

Biogr.  Jahrb.  u.  Dentscber  Nekrolog.  3.  Bd.  ^ 


34 


Nttscheler.     Auerbach. 


Erst  als  ihm  das  Alter  den  Ruhestand  vergönnte,  ist  der  Homberg  sein  blei- 
bendes Sommerquartier  geworden,  von  dem  er  aber  unentwegt  seine  Märsche 
unternahm.  An  die  vierzig  Mal  ist  er  von  hier  auf  den  Rigi  gewandert;  kein 
Pfad  weitherum  blieb  unbegangen  und  als  Botaniker  kannte  er  sich  über  alle 
Specialitäten  aus.  Auf  dem  Homberg  selber  legte  er  eine  Pflanzung  auslän- 
discher Seltenheiten  an,  auf  die  er  sich  ebenso  stolz  wie  auf  die  unvergleich- 
liche Femsicht  berief.  Eine  schönere  Warte  als  sein  Studierzimmer  hätte  es 
auch  nicht  geben  können,  aus  dem  man  vom  Säntis  bis  zum  Stockhom  sieht, 
und  so  recht  dem  Verfasser  der  »Gotteshäuser«  war  es  angethan,  dass  er  von 
hier  auf  24  Kirch thürme  blicken  konnte.  Den  Freunden  ist  der  Homberg 
ein  offenes  Haus  gewesen  und  als  sein  Erbauer  die  Kräfte  wanken  fühlte,  da 
hat  er,  noch  geraume  Zeit  vor  seinem  Lebensende,  den  traulichen  Sitz  seinen 
Neffen  und  Nichten  geschenkt. 

Die  letzten  Jahre  sind  ihm  eine  Zeit  des  schweren  Duldens  gewesen. 
Gehör  und  Auge  versagten  den  Dienst;  der  bisher  Unermüdliche  war  zum 
Feiern  gezwungen.  Er  hat  aber  standhaft  die  Prüfung  ertragen  und,  welche 
Anstrengung  die  immer  selteneren  Besuche  ihm  machten,  doch  ab  und  zu 
eine  helle  Theilnahme  an  dem  gezeigt,  was  vordem  sein  Herz  so  warm  und 
tief  bewegte.  Im  Juni  1888  hatte  er,  noch  vollkräftig  an  Leib  und  Seele, 
sein  goldenes  Hochzeitsfest  begangen,  und  der  Gattin,  Katharina  Usteri,  blieb 
es  beschieden,  seiner  hingebend  und  tapfer  bis  zu  dem  Stündlein  zu  warten, 
das  unerbittlich  einem  treuen  Herzensbunde  schlug. 

J.  R.  Rahn. 

Auerbach,  Leopold  A.,  Universitätsprofessor  der  allgemeinen  Biologie, 
besonders  der  Gewebelehre,  in  Breslau,  ♦  am  27.  April  1828  daselbst,  f  am 
I.  October  1897  ebenda.  —  A.  studirte  in  seiner  Vaterstadt,  in  Leipzig  und 
Berlin  und  erlangte  1849  ^^^  Doctorwürde.  Darauf  Hess  er  sich  1850  als  Arzt 
in  Breslau  nieder  und  widmete  sich  hier  neben  seiner  praktischen  Thätigkeit 
dem  Specialstudium  der  Histologie  auf  Anregung  und  unter  Leitung  seines 
Lehrers  Purkinje,  sowie  der  Bearbeitung  neuropathologischer  Themata.  1863 
habilitirte  er  sich  als  Privatdocent,  1872  wurde  er  zum  Extraordinarius  er- 
nannt und  war  in  dieser  Stellung  bis  zu  seinem  Lebensende  thätig.  Seine 
zahlreichen  Arbeiten  bewegen  sich  auf  den  Gebieten  der  Anatomie  bezw. 
Histologie,  Physiologie,  Embryologie  und  allgemeinen  Biologie.  Eine  seiner 
ersten  Veröffentlichungen  war  eine  Abhandlung  »über  psychische  Thätig- 
keiten  des  Rückenmarks«  (in  Günsburg's  Zeitschr.  f.  Med.  IV.  1853).  1855 
folgte  die  grundlegende  Untersuchung  über  die  Einzelligkeit  der  Amöben. 
Weitere  Arbeiten  A.*s  sind  betitelt:  »Ueber  die  Erscheinungen  bei  örtlicher 
Muskelreizung«  (Abhandl.  d.  schles.  Ges.  f.  vaterl.  Cultur  1861  S.  291  bis 
326);  »Ueber  Percussion  der  Muskeln«  (Zeitschr.  f.  rat.  Med.  1862);  »Bau  der 
Blut-  und  Lymphcapillaren«  (Centralbl.  f.  d.  med.  Wissensch.  1865);  »Lymph- 
gefässe  des  Darms«  (Virchow's  Archiv  XXXIIL  1865);  »Wahre  Muskel- 
hypertrophie« (ebenda  1871),  femer  Studien  zur  Mechanik  des  Saugens 
und  der  Inspiration  und  andere  kleinere  Abhandlungen  in  der  Zeitschr.  f.  wiss. 
Zool.,  in  Reich ert-Du  Bois'  Archiv,  in  den  Verhandl.  der  Berl.  Med.  Gesellsch., 
in  den  »Beiträgen  zur  Biologie  der  Pflanzen«  herausg.  von  Ferd.  Cohn  u.  A. 
Dazu  kommen  die  selbständig  erschienenen  Schriften:  »Ueber  einen  Plexus 
myentericus«  (Breslau  1862)  und  »Organologische  Studien«  (ebenda  1874  Heft  i 
und  2);    letztere    enthalten  Untersuchungen  über  Bau,  chemische  Reactionen 


Auerbach.     Albedyll.  ^c 

und  Lebensgeschichte    der  Zellkerne    und    über  die  ersten  Entwickelungsvor- 
gänge  im  befruchteten  Ei. 

Biogr.  Lex.  henrorr.  Aente  I,  S.  226. 

PageL 

Albedyll,  Emil  von,  Königlich  Preussischer  General  der  Kavallerie,  ♦  am 
1.  April  1824  zu  Liebenow,  Kreis  Amswalde  in  der  Neumark,  f  am  13.  Juni 
1897  zu  Potsdam.  —  v.  A.  trat  am  10.  April  1841  beim  2.  Kürassier-Regimente 
zu  Pasewalk  in  den  Dienst,  wurde  am  9.  Mai  1843  Seconde-,  am  11.  November 
1854  Premier-Lieutenant  und  am  25.  Mai  1858  Rittmeister.  Nachdem  er  im 
Jahre  1848  Regiments- Adjutant  geworden  war,  als  solcher  den  Feldzug  vom 
Jahre  1848  gegen  Dänemark  mitgemacht  und  von  1856 — 1859  eine  Landwehr- 
Eskadron  geführt  hatte,  alsdann  Adjutant  der  7.  Division  in  Magdeburg  ge- 
wesen war,  wurde  er  am  22.  April  1862  zur  Abtheilung  fiir  die  persönlichen 
Angelegenheiten  im  Kriegsministerium  kommandirt  und  gelangte  damit  in 
einen  Wirkungskreis,  in  welchem  er  länger  als  fünfundzwanzig  Jahre  hindurch 
in  den  verschiedensten  Stellungen  thätig  gewesen  ist.  Eine  grosse  Menschen-, 
sowie  eine  ausgebreitete  Personalkenntniss,  ein  vorzügliches  Gedächtniss  und 
eine  ungewöhnliche  Arbeitskraft,  ein  lebhaftes  Gefühl  für  Recht  und  Unpartei- 
lichkeit, gepaart  mit  Wohlwollen,  einnehmenden  Formen  und  einem  vortheil- 
haften  Aeusseren,  machten  ihn  für  die  Verwendung  in  diesem  hochwichtigen, 
umfangreichen  Geschäftsbetriebe  ganz  besonders  geeignet.  Schon  in  den 
Jahren  1866  und  1867  war  die  Vertheilung  des  Zuwachses  an  Offizieren, 
welcher  auf  der  Gebietserweiterung  Preussens,  der  Begründung  des  Nord- 
deutschen Bundes  und  den  abgeschlossenen  Militärconventionen  beruhte,  vor- 
wiegend sein  Werk  gewesen;  nachdem  er  am  26.  Februar  187 1  an  die  Spitze 
der  Abtheilung  und  ein  Jahr  darauf  auch  des  bis  dahin  formell  von  jener 
Abtheilung  getrennt  gewesenen  Militärkabinets  getreten  war,  nahmen  die  dem 
Chef  desselben  obliegenden  Arbeiten  einen  stets  wachsenden  Umfang  an;  die 
Dienste,  welche  v.  A.  als  solcher  leistete,  waren  so  werthvoll,  dass  Kaiser 
Wilhelm  I.  seinen  bewährten  Mitarbeiter  nicht  entbehren  zu  können  glaubte. 
Um  A.'s  Verbleiben  in  der  Stellung  zu  ermöglichen,  wurde,  als  im  März  1 883 
General  Bronsart  von  Schellendorf  L,  welcher  jünger  war  als  v.  A.,  an  die 
Spitze  des  Kriegsministeriums  trat,  das  Militärkabinet  von  diesem  ganz  ge- 
trennt. Als  Kaiser  Wilhelm  11.  die  Regierung  übernommen  hatte,  wurde 
V.  A.,  welcher  inzwischen  zum  General  der  Kavallerie  aufgestiegen  war,  am 
7.  August  1888  zum  kommandirenden  General  des  VH.  Armeekorps  ernannt, 
welches  er  im  nächstfolgenden  Jahre  bei  den  alsdann  abgehaltenen  Kaiser- 
manövem  seinem  Kriegsherrn  vorführen  durfte.  Am  3.  Juni  1893  wurde  er 
in  Genehmigung  seines  Abschiedsgesuches  mit  Pension  zur  Disposition  ge- 
stellt. Im  Frontdienste  war  General  v.  A.,  abgesehen  von  einer  1869  statt- 
gehabten dreimonatlichen  Kommandirung  zur  Führung  des  7.  Kürassier- 
Regiments,  seit  dem  Jahre  1859  nicht  verwendet  gewesen;  die  Feldzüge  von 
1866  und  von  1870/71  hatte  er  im  Grossen  Hauptquartiere  mitgemacht.  — 
Den  Rest  seiner  Tage  verlebte  er  zu  Potsdam.  —  An  äusseren  Ehren  hat  es 
dem  General  von  A.  nicht  gefehlt.  So  war  ihm  gelegentlich  der  Feier  seines 
fünfzigjährigen  Dienstjubiläums  der  Schwarze  Adlerorden  verliehen,  zu  wel- 
chem er  bei  seinem  Ausscheiden  die  Brillanten  empfing.  Auch  war  er  im 
Genüsse  einer  Domherrenstelle  zu  Brandenburg. 

B.  Poten. 

3* 


^6  Althaas.     Davidsohn. 

Althaus,  Friedrich,  Schriftsteller,  ♦am  14.  Mai  1829  zu  Detmold,  f  am 
7.  Juli  1897  zu  London.  —  Sein  Vater  war  Generalsuperintendent  in  Detmold. 
Der  Sohn  machte  seine  Studien  in  Bonn  und  Berlin  und  erwarb  sich  in  letzt- 
genannter Stadt  die  Doktorwürde  und  die  Freundschaft  Alexander  von  Hum- 
boldt's.  Mit  Empfehlungen  dieses  grossen  Gelehrten  ging  er  1853  nach  Eng- 
land, wo  er  seitdem  als  Lehrer  und  Schriftsteller  gelebt  und  auch  seine  letzte 
Ruhestätte  gefunden  hat.  Als  Lehrer  bekleidete  er  eine  Stelle  an  der  könig- 
lichen Militär- Akademie  in  Woolwich  und  seit  1874  eine  Professur  für  deut- 
sche Sprache  und  Literatur  am  University  College,  examinirte  auch  in  dem- 
selben Fache  viele  Jahre  an  der  »University  of  London«.  Daneben  war  er  als 
Examinator  thätig  für  den  indischen  Civil-Staatsdienst,  fiir  die  Prüfungen  des 
Ministeriums  der  auswärtigen  Angelegenheiten,  für  die  des  Kriegsministeriums 
und  anderer  Behörden.  Als  Schriftsteller  arbeitete  A.  ausschliesslich  in  deut- 
scher Sprache.  Er  schrieb  eine  Anzahl  Artikel  über  englische  Gegenstände 
für  drei  Auflagen  des  Brockhaus' sehen  Conversations-Lexikons,  zahlreiche 
Essays  über  politische,  literarische  und  sociale  Fragen  in  England  für  die 
besten  deutschen  Zeitschriften  und  Zeitungen  und  für  den  »Neuen  Plutarch« 
(Brockhaus)  die  Biographien  von  Fox,  Nelson,  Lord  Rüssel  und  Disraeli.  Er 
war  einer  der  besten  Kenner  Englands,  seiner  Institutionen,  seiner  Staats- 
männer und  des  Charakters  des  Volkes,  und  sein  beständiges  Bestreben  ging 
dahin,  eine  rechte  Schätzung  Englands  und  englischer  Dinge  unter  seinen 
Landsleuten  zu  verbreiten.  Zeuge  dessen  sind  seine  »Englischen  Charakterbilder« 
(II,  1869  — 1870).  Ausserdem  gab  er  heraus  »Briefwechsel  und  Gespräche 
Alexander  von  Humboldt's  mit  einem  jungen  Freunde«  (1869);  »Samuel 
Hartlib,  ein  deutsch-englisches  Charakterbild«  (1883);  eine  Biographie  seines 
Bruders,  »Theodor  Althaus,  ein  Lebensbild«  (1888),  endlich  die  »Römischen 
Tagebücher«  seines  alten  Freundes  Ferdinand  Gregorovius  (1892),  Unter 
seinen  Uebersetzungen  ist  hervorzuheben  »Das  Leben  von  Dickens  von  J. 
Forster«  (III,  187 2 ff.).  Schliesslich  muss  noch  erwähnt  werden,  dass  A.  im 
Auftrage  des  Prinzgemahls  der  Königin  von  England  im  Londoner  Buckingham 
Palaste  während  der  Jahre  1856 — 64  eine  Sammlung  von  etwa  60000  Stichen 
von  historischen  Portraits  aller  Zeiten  und  aller  Nationen  ordnete  und  den 
Katalog  über  die  Ausstellung  von  National-Portraits  in  South  Kensington  1868 
zusammenstellte. 

The  illustrated  London  News  v.  17.  Juli  1897. 

Franz  Brummer. 

Davidsohn,  George,  Redacteur,  ♦  am  19.  December  1835  ^^  Danzig,  f  am 
6.  Februar  1897  zu  Berlin.  —  Ursprünglich  für  den  Beruf  eines  Kaufmanns 
bestimmt,  trat  er  nach  Absolvirung  der  Petrischule  seiner  Vaterstadt  in  ein 
dortiges  Getreidegeschäft  als  Lehrling  ein,  war  nach  beendeter  Lehrzeit  bei 
einer  grossen  Speditionsfirma  in  Königsberg  i.  Pr.  beschäftigt  und  ging  1856 
nach  Berlin,  wo  er  zunächst  sich  als  Berichterstatter  über  Vorgänge  im  wirth- 
schaftlichen  Leben  für  verschiedene  Zeitungen  bethätigte.  Im  Jahre  1860  trat 
er  in  die  Redaction  der  »Berliner  Börsenzeitung« ;  wenn  auch  vorwiegend  für 
den  Handelstheil  derselben  verwendet,  fand  er  doch  auch  bald  Gelegenheit, 
seine  feuilletonistische  Begabung  in  der  von  ihm  begründeten  Wochenbeilage 
zu  dieser  Zeitung,  »Die  Börse  des  Lebens«  zur  Geltung  zu  bringen.  Im 
Jahre  1868  schuf  er  den  »Berliner  Börsen-Courier«  und  leitete  denselben, 
auch  nachdem  dieser  1884   in   eine  Aktiengesellschaft  umgewandelt  worden, 


Dayidsohn.     Schepss.  ^  y 

bis  zu  seinem  Tode  als  Chefredacteur.  Er  war  der  erste,  der  in  der  Berliner 
Presse  für  Richard  Wagner  und  seine  Werke  eintrat,  der  auch  zu  den  Be- 
gründern des  ersten  Berliner  Wagnervereins  gehörte  und  später  lebhaft  für  das 
Bayreuther  Unternehmen  agitirte. 

Richard  Wrede  und  Hans  von  Reinfels:  Das  geistige  Berlin.     I.  Band.     Berlin  1897, 
Seite  64. 

Franz  Brummer. 

Schepss,  Georg,  Gymnasialprofessor,  ♦  am  26.  December  1852  zu  Schwein- 
furt, f  am  4.  September  1897  zu  Speier.  —  Einer  evangelischen  Kaufmanns- 
familie entstammend,  besuchte  der  reich  talentirte,  nach  dem  frühzeitigen  Tode 
des  Vaters  von  der  Mutter  mit  zärtlicher  Fürsorge  behütete  Knabe  das  Gym- 
nasium seiner  Vaterstadt,  deren  sämmtliche  Klassen  er  als  Primus  absolvirte. 
Die  schon  frühzeitig  hervortretende  Vorliebe  des  Knaben  für  das  Studium  des 
klassischen  Alterthums  wurde  wohl  wesentlich  vertieft  durch  den  Einfluss  des 
als  Lehrer  und  Philosoph  gleich  bedeutenden  ehrwürdigen  Prof.  Carl  Bayer,  der 
damals  am  Schweinfurter  Gymnasium  wirkte,  und  dessen  entzückender  Enthu- 
siasmus für  die  Antike  auch  seine  Schüler  mitfortriss.  Der  fiochgestimmte 
Idealismus  jener  Schweinfurter  Jugendjahre  und  eine  nicht  geringe  poetische 
Begabung  kam  in  einer  reichen  Fülle  von  lyrischen  Dichtungen,  die  nur  zum 
kleinen  Theile  ihren  Weg  in  die  Oeffentlichkeit  fanden,  zum  Ausdruck.  Im 
Herbst  1871  bezog  Seh.  die  Universität  Erlangen,  an  der  er  sich  historischen 
und  klassisch -philologischen  Studien  widmete,  ohne  dass  er  jedoch  als  be- 
geisterter Burschenschafter,  der  er  zeitlebens  blieb,  dem  poetischen  Reize  des 
studentischen  Lebens  sich  verschloss.  Zu  Ostern  1873  siedelte  er,  einem 
patriotischen  Herzenszuge  folgend,  an  die  neugegründete  Universität  Strassburg 
über,  wo  er  besonders  eng  an  Studemund  sich  anschloss  und  im  Winter  1875 
promovirte.  Im  Sommer  1875  studirte  er  in  München,  legte  im  Herbste 
dieses  Jahres  dort  sein  philologisches  Staatsexamen  ab  und  fand  seine  erste 
Anstellung  als  Assistent  am  Gymnasium  zu  Ansbach.  Im  October  1876  zum 
Studienlehrer  an  der  Lateinschule  zu  Dinkelsbühl  in  Mittelfranken  ernannt, 
führte  er  dort  die  Jugendgeliebte  heim.  Die  eifrigen  handschriftlichen  Stu- 
dien an  der  benachbarten  fürstlich  Oettingen -Wallersteinischen  Bibliothek  in 
Maihingen,  denen  er  während  seines  vierjährigen  Aufenthaltes  in  der  kleinen 
ehemaligen  Reichsstadt  nachging,  sind  von  bestimmendem  Einflüsse  auf  Sch.'s 
ganze  spätere  schriftstellerische  Thätigkeit  geworden.  Auch  um  die  Erhaltung 
und  Ordnung  des  bislang  arg  verwahrlosten  städtischen  Archivs  von  Dinkels- 
btihl  hat  Seh.  sich  bleibende  Verdienste  erworben.  Seine  im  Jahre  1880  er- 
folgte Versetzung  nach  Würzburg  brachte  neben  einer  vielseitigeren  und  an- 
regenderen Berufsthätigkeit  seinen  wissenschaftlichen  Studien  durch  die  sich 
anknüpfenden  mannichfachen  Beziehungen  zum  Universitätskreise,  namentlich 
aber  durch  die  Gelegenheit,  so  manchen  handschriftlichen  Schatz  der  dortigen 
Universitätsbibliothek  zu  heben,  reiche  Förderung.  Der  ihm  nahegelegte 
Uebertritt  in  die  akademische  Laufbahn,  für  die  Seh.  ohne  Frage  so  ganz 
berufen  war,  ist  von  ihm  leider  nur  vorübergehend  erwogen  worden.  Das 
Jahr  1890  brachte  seine  Ernennung  zum  Gymnasialprofessor  in  Speier,  wo  er 
mit  reichem  Erfolge  im  Lehrberufe  wie  als  Forscher  sieben  Jahre  hindurch 
gewirkt  hat.  Nachdem  Seh.  noch  im  Herbst  1896  durch  seine  Berufung  als 
Prüfungskommissär  für  das  philologische  Specialexamen  ausgezeichnet  worden 
var,  wurde  er  mitten  in  weit  aussehenden  wissenschaftlichen  Unternehmungen 


^8  Schepss. 

durch  ein  bösartiges  Leber-  und  Darmleiden,  das  wohl  schon  länger  unbe- 
achtet an  seiner  Lebenskraft  gezehrt,  und  gegen  das  er  in  heldenhafter  Er- 
füllung seiner  Berufspflichten  bis  zuletzt  ankämpfte,  aus  einem  höchst  glück- 
lichen Familienleben  am  4.  September  1897  dahingerafft. 

In  seiner  ersten  literarischen  Arbeit,  der  1876  erschienenen  Strassburger 
Inauguraldissertation  -iDe  soloecisnto^^  hatte  Seh.  ein  seinen  Neigungen  wohl 
nur  wenig  zusagendes  Thema  aus  der  Geschichte  der  Grammatik  der  klassi- 
schen Sprachen  behandelt.  Durch  die  von  Dinkelsbühl  aus  mit  rastlosem 
Eifer  betriebene  Durchforschung  der  Maihinger  Bibliothek  wurde  sein  Inter- 
esse auf  die  Denkmäler  und  die  Geschichte  der  römischen,  vorwiegend  aber 
der  spätlateinischen,  mittelalterlichen  und  humanistischen  Literatur  gelenkt, 
die  ihn  fortan  dauernd  an  sich  gefesselt  hat.  Die  ersten  Früchte  seiner  Mai- 
hinger Handschriften-Studien  legte  er  in  den  Jahrgängen  1878 — 80  des  »An- 
zeigers für  Kunde  der  Deutschen  Vorzeit«  in  einer  reichen  Fülle  von  Auf- 
sätzen und  kleineren  Mittheilungen  zur  Geschichte  der  neulateinischen  Dich- 
tung, zur  Volkskunde,  Gelehrten-,  Kirchen-  und  Kultur-Geschichte  des  Mittel- 
alters nieder.  WerthvoUe  Beiträge  zur  Handschriften-Kunde  der  klassischen 
Autoren,  namentlich  des  Sallust,  Cicero,  Terenz,  Juvenal,  Seneca  und  ihrer 
Commentatoren,  aber  auch  zur  Geschichte  des  Humanismus  sind  in  Sch.'s 
zwei  Dinkelsbühler  Programmen  (Zwei  Maihinger  Handschriften,  1878;  Sechs 
Maihinger  Handschriften,  1879)  enthalten.  Von  den  in  Fachzeitschriften  er- 
schienenen Abhandlungen  aus  dieser  Zeit  ist  die  wichtige  Studie  über  den 
Plautuscommentator  Antonius  von  Palermo  (Blätter  f.  bayer.  Gymn.-  u.  Real- 
Schulw,  XVI,  1880,  S.  97 — 105),  sowie  die  Veröffentlichung  eines  dem  15.  Jahr- 
hundert angehörenden  Traktates  über  die  Pest  (Deutsches  Archiv  f.  Gesch.  d. 
Medicin,  Bd.  III,  1880,  S.  348  —  356)  hervorzuheben.  Den  Schriften  des 
Boethius,  dem  fortan  der  beste  Theil  von  Sch.'s  literarischer  Lebensarbeit  ge- 
widmet sein  sollte,  wandte  er  sich  1881  mit  den  »Handschriften -Studien  zu 
Boethius  de  cansolaüone  philosophiae^  (Würzburger  Gymnasialprogramm,  1881) 
zu.  Unter  Heranziehung  bisher  überhaupt  nicht  oder  ungenügend  verwertheter 
\  Handschriften  wurde  hier  die  Nothwendigkeit  einer  neuen  Gestaltung  des 
Textes  jener  Schrift  dargethan,  während  zugleich  auch  die  Literaturgeschichte 
des  frühen  Mittelalters  durch  eine  Reihe  scharfsinniger  Beobachtungen  und 
Combinationen  reiche  Förderung  erfuhr.  Eine  neue  Quelle  für  die  allgemeine 
und  speciell  die  fränkische  Gelehrten-  und  Schulgeschichte  des  15.  Jahrhun- 
derts erschloss  Seh.  in  den  von  ihm  mit  wahrem  Bienenfleiss  commentirten 
-iColloquia  de  scholis  Herbipolensibus^  des  Magisters  Petrus  Popon  (Würzburg, 
1882),  denen  er  eine  Ausgabe  der  interessanten  Gedichte  jenes  bisher  unbe- 
kannt gebliebenen  Humanisten  folgen  Hess  (Archiv  des  bist.  Ver.  von  Unter- 
franken und  AschafTenburg,  Bd.  27,  1884,  S.  277  —  305).  Die  in  der  Folge 
in  zahlreichen  Zeitschriften-Artikeln  fortgesetzten  Boethius-Studien  Sch.'s  hatten 
unterdessen  der  Kirchenväter-Commission  der  Wiener  Akademie  Veranlassung 
gegeben,  Seh.  mit  der  Ausgabe  der  Schriften  des  Boethius  für  das  »Corpus« 
der  lateinischen  Kirchenväter  zu  betrauen;  der  Vorbereitung  dieser  Ausgabe 
dienten  Reisen  nach  Paris  und  München,  die  Seh.  in  den  Jahren  1884  und 
1885  zum  Studium  der  dortigen  Handschriften  unternahm.  Der  feurige  Eifer, 
mit  dem  sich  Seh.  seit  seiner  Uebersiedelung  nach  Würzburg  der  Durch- 
forschung der  dortigen  Handschriften  gewidmet  hatte  —  u.  A.  fertigte  er  1884 
für  die  Wiener  Kirchenväter-Commission  einen  Katalog  der  Würzburger  pa- 
tristischen    Handschriften    und    arbeitete  1886    für    den    von  der  Bibliothek- 


Schepss.     Berlin.  ^n 

Verwaltung  vorbereiteten  Handschriftenkatalog  die  sämmtlichen  dortigen  Per- 
gamenthandschriften durch  —  sollte  durch  eine  von  Seh.  im  Jahre  1885 
gemachte  Entdeckung  glänzend  gelohnt  werden:  in  einer  Handschrift  des 
5-/6.  Jahrhunderts  wurde  von  Seh.  ein  guter  Theil  der  verloren  geglaubten 
literarischen  Hinterlassenschaft  des  spanischen  Bischofs  Priscillianus  entdeckt, 
der  385  in  Trier  als  Haupt  einer  ketzerischen  Sekte  hingerichtet  wurde.  Dem 
ausserordentliches  Aufsehen  machenden  ersten  Berichte  über  seine  Entdeckung 
(Priscillian,  ein  neu  aufgefundener  lateinischer  Schriftsteller  des  4.  Jahrhunderts. 
Würzburg,  1886)  Hess  Seh.  im  Jahre  1889  im  18.  Bande  des  -^Corpus  scriptoruftt 
ecclesiasticorum  Latinorum€  seine  Ausgabe  des  Priscillianus  folgen,  die  von 
der  Kritik  einstimmig  als  ein  Muster  philologischer  Akribie  bezeichnet  wurde 
und  der  Ausgangspunkt  für  eine  von  Jahr  zu  Jahr  sich  mehrende  Literatur  über 
die  religiöse  Stellung  des  spanischen  Ketzers  und  die  kirchengeschichtliche 
Bedeutung  des  Priscillianismus  geworden  ist.  Von  Seh. 's  weiteren  literarischen 
Entdeckungen  aus  der  Würzburger  Zeit  erwähnen  wir  hier  noch  die  Veröffent- 
lichung von  Ph.  J.  Hamerer's  Heldengedicht  über  den  Schmalkaldischen  Krieg 
(Neues  Archiv  f.  Sachs.  Gesch.  Bd.  V,  S.  239 — 259),  einen  wichtigen  hand- 
schriftlichen Fund  zu  Cicero's  Briefen  (Blätter  f.  bayer.  Gymn.-Wesen  XX, 
1884,  S.  7 — 15)  und  die  erstmalige  Herausgabe  der,  wie  es  scheint,  ältesten 
mittelalterlichen  Literaturgeschichte,  des  tDialogus  super  auctores  swe  dida- 
scalon€  des  Konrad  von  Hirschau  (Würzb.  Gymnas.-Progr.  1889).  Um  die 
Textkritik  der  neutestam entlichen  Schriften  machte  sich  die  Schrift  über  »die 
ältesten  Evangelienhandschriften  der  Würzburger  Universitätsbibliothek«  (Würz- 
burg, 1887)  sehr  verdient,  in  der  Seh.  auf  die  in  einer  Reihe  alter  Würzburger 
Handschriften  vorliegenden  Spuren  einer  vorhieronymianischen  lateinischen 
Uebersetzung  der  Evangelien  erstmals  hinwies.  In  den  letzten  Lebensjahren 
wurde  Seh.  durch  die  Vorbereitung  seiner  Ausgabe  des  Boethius  mehr  und 
mehr  in  Anspruch  genommen,  neben  der  er  jedoch  immer  noch  Zeit  für  eine 
lange  Reihe  von  gehaltvollen  Beiträgen,  vorwiegend  zur  lateinischen  Lexico- 
graphie  und  zur  Geschichte  der  spätlateinischen  und  patristischen  Literatur 
gefunden  hat.  Schon  schwer  krank,  brachte  er  durch  eine  geradezu  heroische 
Arbeitsleistung  noch  vor  dem  völligen  Zusammenbruch  seiner  Kräfte  im  Som- 
mer 1897  den  ersten  Band  seiner  Boethius -Ausgabe  nahezu  zum  Abschluss, 
so  dass  derselbe  von  Freundeshand  in  Kurzem  wird  fertig  gestellt  und  ver- 
öffentlicht werden  können. 

Die  Wissenschaft  verliert  in  Seh.  einen  Forscher,  der  ein  seltenes  Maass 
von  Scharfsinn  und  Combinationsgabe  mit  einem  rastlosen  und  eisernen  Fleisse 
und  umfassendster  Gelehrsamkeit  verband,  die  Schule  einen  pflichtgetreuen 
und  erfolgreich  wirkenden  Lehrer.  Die  Lauterkeit  seines  Charakters,  seine 
bei  allen  Erfolgen  gleichbleibende  Anspruchslosigkeit  und  Bescheidenheit,  sein 
wohlwollender,  freundlicher  Sinn  und  die  ihn  erfllllende  feurige  Vaterlands- 
liebe werden  dem  ehrenfesten  Manne  in  allen  Kreisen,  zu  denen  er  in  Be- 
ziehung trat,  ein  ehrendes  Andenken  sichern. 

Vcrgl.  den  Nekrolog  im  Archiv  für  lateinische  Lexicographie  u.  Grammatik,  Bd.  X 
(1897/98),  S.  570 f.,  sowie  den  von  S.  Brandt  zu  erwartenden  Nekrolog  in  Bursians  Bio- 
graphischem Jahrbuch  der  Alterthumskunde,  Jahrg.  1898,  wo  auch  ein  Verzeichniss  von 
Sch.'s  zahlreichen,  in  Zeitschriften  verstreuten,  kleineren  Arbeiten  zu  finden  sein  wird. 

Herman  Haupt. 

Berlin,  Rudolf,  Universitätsprofessor  der  Augenheilkunde  in  Rostock, 
*  2.  Mai  1833  zu  Friedland  in  Mecklenburg-Strelitz,  f  12.  September  1897  in 


40 


Berlin.     Boer. 


Rostock.  —  B.  studirte  in  Göttingen,  Würzburg,  Erlangen  und  Berlin.  Nachdem 
er  am  8.  August  1858  in  Erlangen  mit  einer  Arbeit  zur  Structurlehre  der 
Gehirnoberfläche  die  Doctorwtirde  erworben  und  die  Approbation  als  Arzt 
erlangt  hatte,  trat  er  als  Hilfsarzt  in  die  Augenheilanstalt  von  Arnold  Pagen- 
stecher in  Wiesbaden  ein.  Darauf  war  B.  einige  Zeit  Assistent  an  der  chirur- 
gischen Universitätsklinik  in  Tübingen  unter  Paul  Victor  von  Bruns.  1861 
Hess  er  sich  als  Arzt  in  Stuttgart  nieder  und  widmete  sich  hier  neben  der 
allgemeinen  Praxis  noch  besonders  der  Augenheilkunde.  Er  gründete  eine 
Privat -Augenheilanstalt  und  erlangte  1875  die  Stellung  als  Docent  für  ver- 
gleichende Augenheilkunde  an  der  thierärztlichen  Hochschule  in  Stuttgart. 
Von  hier  aus  folgte  er  1890  dem  Ruf  als  ordendicher  Professor  seines  Spe- 
zialfachs an  Stelle  des  emeritirten  Professors  Zehender  nach  Rostock,  wo  er 
bis  zu  seinem  Lebensende  wirkte.  B.  hat  sich  um  die  Pflege  und  Ausbildung 
der  Augenheilkunde  in  wissenschaftlicher  und  praktischer  Beziehung  mannig- 
fache Verdienste  erworben.  Vor  allem  kommt  ihm  an  Bau  und  Einrichtung 
der  neuen  Universitätsaugenklinik  -in  Rostock  ein  erheblicher  Antheil  zu. 
Ferner  rührt  von  ihm  eine  neue  Methode  zur  Operation  des  Entropium  her. 
Er  publicirte  ausserdem  zahlreiche  casuistische  Beobachtungen  über  Erkran- 
kungen der  Orbita,  über  Veränderungen  am  Sehorgan  nach  Schädeltraumen 
(unter  besonderer  Berücksichtigung  der  pathologisch-anatomischen  Verhältnisse), 
über  Erschütterung  der  Netzhaut,  über  Weg  und  Verhalten  der  Fremdkörper 
im  Glaskörper,  femer  Aufsätze  über  Anatomie  und  Pathologie  der  Thränen- 
drüse,  über  den  anatomischen  Zusammenhang  zwischen  Entzündungen  im 
Augapfel  und  im  Gehirn,  über  Sinusthrombose,  über  die  I^ehre  vom  Astigma- 
tismus, experimentelle  Untersuchungen  über  die  Folgen  der  Sehnervendurch- 
schneidung.  Bemerkenswerth  ist  noch  eine  Reihe  von  Arbeiten  B.*s  zur  ver- 
gleichenden Augenheilkunde,  wie:  über  die  physikalisch -optischen  Erschei- 
nungen des  Pferdeauges,  den  Augenhintergrund  des  Pferdes,  Netzhautablösung 
beim  Thier,  Geschwülste,  Staar  etc.  am  Thierauge,  Schätzung  von  Entfernungen 
bei  Thieren;  ausserdem  verfasste  B.  Studien  über  die  Hygiene  des  Schreibens 
und  die  Physiologie  der  Handschrift.  —  B.  war  übrigens  mit  dem  bekannten 
Afrikaforscher  und  Reisenden  Gustav  Nachtigal  innig  befreundet,  über  welchen 
B.'s  Gattin  Dorothea  B.  »Erinnerungen«  veröffentlicht  hat. 

BiogT.  Lex.  hervorr.  Aerzte  I,  S.  414;  Voss.  Ztg.  15.  September  1897. 

Pagel, 

Boer,  Oscar,  Arzt  und  Hofarzt  in  Berlin,  ♦  1847  daselbst,  f  am  11.  Juli 
1897  ebenda.  —  B,  besuchte  das  Friedrich- Werdersche  Gymnasium  seiner 
Vaterstadt  und  machte  von  1868  bis  1873  in  Berlin  und  Würzburg  die  me- 
dicinischen  Studien,  die  durch  seine  Theilnahme  am  Feldzuge  von  1870/71 
unterbrochen  wurden.  Nach  Beendigung  derselben  Hess  er  sich  in  Berlin  als 
Arzt  nieder,  erlangte  1874  die  Stellung  als  »Hofarzt«,  die  er  bis  zu  seinem 
Lebensende  bekleidete.  B.,  der  durch  den  Sanitätsraths-  und  Professortitel 
ausgezeichnet  wurde,  hat  sich  besonders  in  seinen  letzten  Lebensjahren  der 
wissenschaftlichen  Arbeit  gewidmet  und  durch  seinen  Antheil  an  den  For- 
schungen im  Koch'schen  Institut  verdient  gemacht.  Namentlich  die  Behring'- 
schen  Studien  über  Immunität  und  Serumtherapie  half  er  nach  Kräften  im 
Verein  mit  Ehrlich,  Brieger  und  Wassermann  ausbauen  und  durch  kleine, 
nicht  unwichtige  Einzelheiten  erweitern.  Unter  anderem  publicirte  er  eine 
Experimentaluntersuchung  über  die  Fähigkeit  verschiedener  chemischer  Mittel, 


Boer.     Prinz  Wilhelm  von  Baden. 


41 


die  Bacillen  von  Typhus,  Diphtherie,  Erysipelas,  Milzbrand  und  Cholera  zu 
beeinflussen,  Studien  über  die  quantitative  Bestimmung  des  Diphtherie -Anti- 
toxins, im  Verein  mit  Behring  über  die  Jodtrichloridanwendung  bei  künsUich 
hervorgerufener  Diphtherie,  femer  über  die  Reindarstellung  der  Toxine  der 
Diphtherie  und  des  Tetanus  (zusammen  mit  Brieger).  —  Die  meisten  dieser 
Abhandlungen  erschienen  als  Aufsätze  in  der  »Zeitschrift  fUr  Hygiene«  und 
in  der  »Deutschen  medicinischen  Wochenschrift«. 

Voss.  Ztg.  13.  Juli  1897.  Pagel. 

Baden,  Ludwig  Wilhelm  August,  Prinz  von,  *  am  18,  December  1829 
zu  Karlsruhe,  f  am  27.  April  1897  ebenda.  —  B.  war  der  nächstälteste  Bruder 
des  regierenden  Grossherzogs  Friedrich,  ist  besonders  militärisch  hervorgetreten, 
aber  auch  dem  politischen  Leben  nicht  fem  geblieben.  Seine  soldatischen 
Lehrjahre  verlebte  er  im  preussischen  Dienste,  in  welchem  er  Ende  1849  seine 
Laufbahn  beim  i.  Garde-Regiment  zu  Fuss  in  Potsdam  begann,  aber  schon 
1853  zur  Gardeartillerie  in  Berlin  überging.  Nach  verschiedenartiger  Ver- 
wendung innerhalb  dieser  Truppe  schied  er  zehn  Jahre  später  vorläufig  aus 
demselben,  indem  er  am  12.  Mai  1863  von  seinem  Verhältnisse  als  Oberst 
und  Kommandeur  der  Gardeartilleriebrigade  entbunden  und  als  Generalmajor 
ä  la  suite  der  Armee  gestellt  wurde.  Am  1 1 .  Februar  d.  J.  hatte  er  sich  zu 
St.  Petersburg  mit  Maria  Maximilianowna  Prinzessin  Romano wskaja,  einer 
Tochter  des  Herzogs  Maximilian  von  Leuchtenberg  und  dessen  Gemahlin, 
einer  Tochter  Czar  Nikolaus'  L,  vermählt.  —  Das  Jahr  1866  machte  den 
Namen  des  Prinzen  Wilhelm  in  weiten  Kreisen  bekannt.  Im  November  1865 
mit  dem  Oberbefehle  über  das  Badische  Bundescontingent  bekleidet,  hatte  er 
dieses  im  Sommer  des  nächsten  Jahres  als  die  2.  Division  des  VIII.  Bundes- 
Anneekorps  unter  Prinz  Alexander  von  Hessen  gegen  Preussen  in  das  Feld 
zu  fiiliren.  Es  waren  11  000  Mann  mit  3200  Pferden,  welche  sich  am  unteren 
Main  sammelten,  anfangs  die  linke  Flankendeckung  der  durch  den  Vogels- 
berg gegen  Fulda  rückenden  süddeutschen  Streitmacht  bildeten,  dann  mit 
jenem  Armeekorps  auf  Frankfurt  zurückgingen  und  erst  bei  Ausführung  des 
zur  Vereinigung  mit  den  Bayern  unternommenen  Marsches  durch  den  Oden- 
wald am  23.  Juli  bei  Hundheim,  am  24.  bei  Werbach,  am  25.  bei  Gerchs- 
heim  zu  unbedeutenden  Gefechten  kamen.  Schon  am  31.  erklärte  der  Gross- 
herzog seinen  Austritt  aus  dem  Deutschen  Bunde,  rief  seine  Truppen  zurück, 
machte  am  17.  August  Frieden  mit  Preussen  und  schloss  sich  letzterem  eng 
an.  Diese  Schritte  sowohl,  wie  das  gesammte  Verhalten  der  Badischen  Divi- 
sion und  ihres  Führers  während  des  Feldzuges,  gaben  der  ihnen  verbündet 
gewesenen  Partei  Veranlassung  zu  heftigen  Vorwürfen  und  Anklagen,  denen 
eine  in  Stuttgart  erschienene  Schrift  »Aktenmässige  und  interessante  Enthül- 
lungen über  den  badischen  Verrath  an  den  Deutschen  Bundestruppen«  scharfen 
Ausdruck  gab;  Prinz  Wilhelm  antwortete  darauf  durch  die  Veröffentlichung 
einer  Gegenschrift  unter  dem  Titel  »Zur  Beurtheilung  des  Verhaltens  der 
Badischen  Felddivision  im  Kriege  1866«  (Darmstadt  1866).  —  Am  31.  Decem- 
ber 1866  wurde  dem  Prinzen  der  Charakter  als  preussischer  Generallieutenant 
verliehen;  er  schied  aber  aus  seiner  Stellung  als  Oberbefehlshaber  der  badi- 
schen Truppen,  als  an  ihre  Spitze  der  preussische  General  von  Beyer  trat, 
welcher  berufen  wurde  bei  der  Division  alle  diejenigen  Einrichtungen  zu 
treffen,  welche  ihr  noch  fehlten,  um  eine  vollständige  Gleichstellung  mit  dem 
zum  Muster  genommenen  preussischen  Vorbilde  herbeizuführen. 


^2  Prinz  Wilhelm  von  Baden,     des  Barres. 

Als  der  Krieg  des  Jahres  1870  gegen  Frankreich  ausbrach,  war  Prinz 
Wilhelm  ohne  Kommando.  Erst  Mitte  October  wurde  ein  solches  für  ihn  frei. 
Es  war  das  der  i.  Infanterie-Brigade.  Am  22.  d.  M.  konnte  er  an  der  Spitze 
derselben  sich  an  den  Gefechten  betheiligen,  welche  zum  Gewinne  der  Linie 
des  Ognon  führten,  am  27.  hatte  er  beim  Vorgehen  gegen  die  Sa6ne  ein 
weiteres  Gefecht  zu  bestehen,  am  30.  nahm  er  wesentlichen  Antheil  an  dem 
freilich  erst  am  nächsten  Tage  ohne  Anwendung  von  Waffengewalt  zum  Ziele 
führenden  Angriffe  auf  Dijon,  späterhin  an  den  die  Zeit  bis  zur  Mitte  des 
December  ausfüllenden  Unternehmungen  des  kleinen  Krieges,  dann  aber  wurde 
er  am  18.  d.  M.  im  Gefechte  von  Nuits,  noch  bevor  dieses  zu  Gunsten  der 
deutschen  Waffen  entschieden  war,  so  schwer  verwundet,  dass  er  den  ferneren 
Ereignissen  auf  dem  Kriegsschauplatze  fem  bleiben  musste.  Er  brachte  aber 
beide  Klassen  des  Eisernen  Kreuzes  in  die  Heimath  zurück.  —  Als  am  i.  Juli 
1871  die  Badische  Division  und  mit  ihr  Prinz  Wilhelm  in  den  Verband  der 
preussischen  Armee  traten,  ward  der  letztere  zum  Chef  des  4.  Badischen  In- 
fanterie-Regiments Nr.  112  ernannt  und  am  22.  März  1873  zum  General  der 
Infanterie  befördert,  auch  andere  militärische  Ehren  wurden  ihm  noch  zu 
Theil,  eine  Verwendung  im  ausübenden  Truppendienste  aber  hat  er  nicht 
mehr  gefunden. 

Dagegen  hat  er  sich  mehrfach  am  politischen  Leben  betheiligt,  indem  er 
sowohl  in  seinem  engeren  Vaterlande  wie  im  deutschen  Reiche  parlamentarisch 
thätig  war.  In  der  Heimath,  wo  er  durch  seine  Geburt  der  Ersten  Kammer 
angehörte,  trat  er  schon  1860  eifrig  dem  Abschlüsse  eines  Konkordates  ent- 
gegen und  nahm  mehrfach  den  Vorsitz  in  der  Kammer  ein;  im  Deutschen 
Reichstage,  dessen  Mitglied  er  von  1871  — 1873  als  Vertreter  des  Wahlkreises 
Karlsruhe-Bruchsal  war,  schloss  er  sich  der  deutschen  Reichspartei  an. 

Seiner  Ehe  entstammen  zwei  Kinder;  die  Erbprinzessin  Maria  von  Anhalt, 
♦  1865,  und  der  Prinz  Maximilian ,  Rittmeister  im  Garde-Kürassier-Regiment 
zu  Berlin,  ♦  1867. 

B.  Poten.        i 

Barres,  Julius  von  Vallet  des,  Königlich  Preussischer  General  der  In- 
fanterie z.  D.,  ♦  am  5.  August  1820  zu  Mainz,  f  am  17.  December  1897  zu 
Wiesbaden.  —  des  B.,  ein  um  das  Müitär-Erziehungs-  und  Bildungswesen  des 
Preussischen  und  demnächst  des  Deutschen  Heeres  hochverdienter  Offizier, 
entstammte  einer  nach  Aufhebung  des  Ediktes  von  Nantes  aus  Frankreich 
ausgewanderten  Familie,  welche  sich  »des  Barres«  nannte,  bis  im  November 
1893  mehreren  Angehörigen  derselben  gestattet  wurde  diesem  Namen  den 
früher  geführten  Zusatz  »Vallet«  beizufügen,  Julius  des  B.  ward,  nachdem 
sein  Vater,  welcher  als  Kapitän  im  36.  Infanterie-Regimente  stand,  schon  im 
Jahre  1828  gestorben  war,  und  er  zunächst  das  Gymnasium  in  Mainz  besucht 
hatte,  in  den  Kadettenhäusem  zu  Potsdam  und  Berlin  erzogen.  Aus  dem 
letzteren  kam  er  am  15.  August  1838  als  Secondlieutenant  zu  dem  in  Mainz 
garnisonirenden  35.  Infanterie-Regimente,  kehrte  aber,  nachdem  er  1841/42  ein 
Jahr  lang  zur  dortigen  Reserve-Pionierkompagnie  kommandirt  gewesen  war, 
im  Mai  1844  in  das  Kadettenkorps  zurück,  welchem  er  alsdann  mit  einer 
verhältnissmässig  kurzen  Unterbrechung  dreissig  Jahre  lang  angehört  hat.  Zu- 
erst als  Erzieher,  darauf  als  Lehrer  beim  Kadettenhause  zu  Culm  in  West- 
preussen,  dann  seit  dem  10.  Februar  1851  als  Abtheilungs- Vorsteher,  wie  die 
jetzigen  Kompagniechefs  damals  hiessen,  in  Bensberg  bei  Cöln.    Nachdem  er 


des  Barres.     Ehrlich. 


43 


1850  zum  Premierlieutenant,  1854  zum  Hauptmann  aufgerückt  war,  tibernahm 
er  im  Juni  1859,  als  Krieg  gegen  Frankreich  in  Aussicht  stand,  das  Kom- 
mando einer  Kompagnie  bei  seinem  jetzt  in  Luxemburg  stehenden  Regimente. 
Damals  kam  es  nicht  zum  Kampfe,  dagegen  war  dem  Hauptmann  des  B.  im 
Jahre  1864  vergönnt,  an  der  Spitze  seiner  Kompagnie  am  Feldzuge  gegen 
Dänemark  theilzunehmen.  Er  wohnte  dem  Treffen  von  Missunde  und  der 
Belagerung  der  Düppeler  Schanzen  bei  und  erhielt  für  sein  tapferes  Verhalten 
im  Vorpostengefechte  von  Wiebhoi  den  Rothen  Adlerorden  4.  Klasse  mit 
Schwertern.  Am  5.  April  jenes  Jahres,  also  vor  Erstürmung  der  Befestigungen 
von  Düppel,  wurde  er  als  Major  zu  dem  damals  auf  der  Insel  Fehmam  be- 
findlichen 5.  Brandenburgischen  Infanterie-Regimen te  Nr.  48  versetzt,  aber  schon 
am  Weihnachtstage  jenes  Jahres  erfolgte  seine  Rückberufung  in  das  Kadetten- 
korps, indem  er  zum  Kommandeur  des  schon  genannten  Kadettenhauses  Bens- 
berg ernannt  wurde.  Seine  Thätigkeit  als  solcher  ging  bereits  1866  zu  Ende, 
indem  er,  als  der  Krieg  Preussens  gegen  Oesterreich  und  dessen  Verbündete 
bevorstand,  für  die  Dauer  des  mobilen  Verhältnisses  zum  Kommandeur  des 
zu  jenem  Ende  aufgestellten  4.  Bataillons  des  4.  Garde -Grenadier-Regiments 
Königin  Augusta  ernannt  wurde  und  mit  diesem  im  Verbände  des  11.  Reserve- 
Araieekorps  unter  dem  Grossherzoge  Friedrich  Franz  von  Mecklenburg-Schwerin 
an  dem  von  Leipzig  aus  erfolgenden  Einmärsche  in  das  nördliche  Bayern 
theilnahm  ohne  zu  erheblicher  Thätigkeit  im  Felde  zu  kommen.  Nach  Frie- 
densschlüsse ward  er  zum  Kommando  des  Kadettenhauses  zu  Berlin  komman- 
dirt,  um  bei  den  Anordnungen  verwendet  zu  werden,  welche  die  Erweiterung 
des  Kadettenkorps  infolge  der  Gebietsvermehrung  des  Staates  erheischte,  und 
im  Sommer  1867  erhielt  er  selbst  das  Kommando  des  Berliner  Hauses.  An 
der  Spitze  desselben  blieb  er,  seit  1868  Oberstlieutenant,  seit  1870  Oberst, 
bis  er  am  7.  April  1874  dem  alternden  Präses  der  Ober-Militär-Examinations- 
Kommission  zu  Berlin,  General  von  Holleben,  welchem  die  Reisen  zu  den 
Kriegsschulprüfungen  in  der  Provinz  erspart  werden  sollten,  als  Direktor 
dieser  Behörde  beigegeben  wurde;  am  27.  September  1877,  nachdem  Hol- 
leben pensionirt  war,  ward  des  B.  Präses.  Es  war  eine  Stellung,  für  welche 
er  seiner  ganzen  Persönlichkeit  nach  vorzüglich  geeignet  war.  Kenntnisse 
und  Arbeitskraft,  Gerechtigkeit  gepaart  mit  Wohlwollen,  Takt  und  Weltklug- 
heit, alle  diese  dem  Inhaber  der  Stellung  zu  deren  voller  Ausfüllung  unent- 
behrlichen Eigenschaften,  besass  er  in  hohem  Maasse.  Sie  machten  den  kleinen 
wohlbeleibten  Herrn  mit  den  freundlichen  listigen  Augen  bei  Lehrern  und 
Schülern  und  darüber  hinaus  in  den  weiten  von  den  Ergebnissen  der  Prü- 
fungen zum  Portepeefähnrich  und  zum  Offizier  berührten  Kreisen  zu  einer 
vielgekannten  und  allgemein  beliebten  Erscheinung.  Nachdem  er  1874  zum 
Generalmajor,  1880  zum  Generallieutenant  befördert  war  und  1888  den  Cha- 
rakter als  General  der  Infanterie  erhalten  hatte,  wurde  er  am  21.  August  1889 
in  Genehmigung  seines  Abschiedsgesuches  und  unter  Stellung  ä  la  suite  des 
Kadettenkorps  mit  Pension  in  den  Ruhestand  versetzt.  Den  Rest  seiner  Tage 
hat  er  zu  Wiesbaden  verlebt. 

B.  Poten. 

Ehrlich,  H.  Wilhelm,  Dr.,  Schulmann,  ♦  1826  in  Eisleben,  f  am  25.  Juli 
1897  zu  Newcastle  upon  Tyne  in  England.  —  E.  war  nach  Absolvirung  des 
Gymnasiums  zu  Erfurt  auf  die  Universität  Halle  gegangen  und  befand  sich  noch 
mitten  in  seinen  Studien,  als  die  politische  Bewegung  des  Jahres  1848  herein- 


AA  Ehrlich.     Goegg.     Bezzola. 

brach,  der  er  sich  mit  ganzer  Seele  anschloss  und  die  er  durch  Redaction  eines 
revolutionären  Blattes  zu  fördern  bestrebt  war.  Nach  Eintritt  der  Reaction 
flüchtete  er  1849  und  war  ftinf  Jahre  in  Frankreich  als  Lehrer  thätig,  bis  er  1854 
nach  England  ging.  Im  Royal  College  of  Preceptors  bestand  er  1855  das 
Examen  für  Deutsch  und  Französisch ;  erhielt  ein  Befähigungsdiplom  höchster 
Klasse  und  1856  für  Lateinisch  einen  Preis.  1870  gründete  er  in  Newcastle 
upon  Tyne  eine  sogenannte  Modern  School,  die  er  mit  grossem  Erfolge  bis 
zu  seinem  Tode  leitete.  1895  veranstalteten  zahlreiche  ehemalige  Schüler 
eine  grosse  Jubelfeier  gelegentlich  des  25  jährigen  Bestehens  der  Schule.  Auch 
als  Schriftsteller  hat  E.  das  anerkannt  beste  Lehrbuch  der  französischen  Sprache 
fiir  Engländer,  »French  Method.  Theoretical  and  practical«  (1871)  ver- 
öffentlicht. 

Nach  Mittheüungen  des  Professors  K.  H.  Schaible  in  Offenburg. 

Franz  Brummer. 

Goegg,  Amand,  Politiker,  ♦  am  7.  April  1820  zu  Renchen  in  Baden, 
f  am  21.  Juli  1897  daselbst.  —  G.  führte  den  Ursprung  seiner  Familie  auf 
den  Schul theissen  von  Renchen  Christoph  von  Grimmeishausen  zurück,  den 
Verfasser  von  »Simplicius  Simplicissimus«.  Nachdem  G.  seit  1840  in  Heidel- 
berg Finanzwissenschaften  studirt  hatte  und  schon  einige  Jahre  im  badischen 
Staatsdienste  thätig  gewesen  war,  betheiligte  er  sich  in  hervorragender  Weise 
1849  an  der  politischen  Bewegung  in  seinem  Heimathlande,  präsidirte  am 
13.  Mai  d.  J.  der  Offenburger  Volksversammlung,  wurde  bald  darauf  Mitglied 
der  revolutionären  Regierung  und  zuletzt  einer  der  drei  Dictatoren.  Nach 
Niederwerfung  der  Bewegung  flüchtete  G.  in  die  Schweiz,  wo  er  seine  kleine 
Schrift  »Geschichte  der  badischen  Erhebung  von  1848  —  49«  schrieb  (1850), 
die  er  später  in  erweiterter  Gestalt  unter  dem  Titel  »Aufschlüsse  über  die 
badische  Revolution  von  1849«  (1876)  erscheinen  Hess.  Von  der  Schweiz  aus 
begab  er  sich  nach  Paris  und,  1851  hier  ausgewiesen,  nach  London,  wo  er 
mehrere  Jahre  weilte  und  sich  an  industriellen  Unternehmungen  betheiligte. 
Dann  gründete  er  in  Genf  eine  Spiegelfabrik  und  leitete  nach  der  allgemeinen 
badischen  Amnestie  (1861)  eine  Glasfabrik  in  Offenburg  (Baden).  Sein  un- 
ruhiger Geist  trieb  ihn  aber  bald  wieder  fort  in  die  Schweiz,  wo  er  ein  Ar- 
beiterblatt »Das  Felleisen«  redigirte,  sich  mehr  und  mehr  den  socialistischen 
Bestrebungen  anschloss  und  schliesslich  ein  eifriger  Anhänger  und  Agent  von 
Karl  Marx  wurde.  Im  Jahre  1867  betheiligte  er  sich  an  der  »Friedens-  und 
Freiheits-Liga«  in  der  Schweiz,  vertrat  1869  auf  dem  internationalen  Socialisten- 
Congress  in  Basel  52  deutsch-schweizerische  Arbeitervereine  und  ging  dann 
als  socialistischer  Wanderprediger  in  die  Welt,  nach  Deutschland,  England, 
Nord-  und  Südamerika  und  Australien.  Endlich  wandermüde,  kehrte  er  zu 
Anfang  der  achtziger  Jahre  in  seine  kleine  Vaterstadt  zurück,  wo  er  bis  zu 
seinem  Tode  lebte  und  auch  die  letzte  Ruhe  fand.  Die  Müsse  des  Alters 
benutzte  er  zur  Beschreibung  seiner  »Ueberseeischen  Reisen«  (1888)  und  zur 
Darlegung  seiner  Stellung  »Zur  religiösen  und  socialen  Frage«  (1890). 

Nach  Mittheilungen  des  Prof.  K.  H.  Schaible  in  Offenburg. 

Franz  Brummer. 

Bezzola,  Andreas,  schweizerischer  Bundesrichter,  ♦  am  i.  April  1840  in 
Zemetz,  f  am  10.  Januar  1897.  —  B.  entstammte  den  Bergen  »alt  fry  Rhä- 
tiens«.     Er  wurde  in  Zemetz  geboren,  dem  westlichen  Grenzdorfe  des  Unter- 


BezKola. 


45 


engadinSy  von  wo  die  sanft  ansteigende  Strasse  in  wenigen  Stunden  nach 
dem  weltberühmten  Kurort  St.  Moritz  führt  und  nach  dem  Süden  die  präch- 
tige Strasse  über  den  Ofenberg  ins  Münsterthal  abzweigt  mit  Fortsetzung  nach 
Bormio.  An  den  Ufern  des  mit  grünen  Wiesen  umsäumten  Inns,  umgeben 
von  hohen,  zu  einem  grossen  Theil  von  mächtigen  Waldungen  bedeckten 
Bergen  (Zemetz  liegt  1497  m  über  Meer),  ist  seine  Wiege  gestanden.  Hierher, 
in  das  herrliche  Hochthal,  hat  es  ihn  immer  und  immer  wieder  gezogen,  wo 
er  seine  Jugend  zugebracht  und  in  dessen  Umgebung  er  als  eifriger  Jäger 
jeden  Schritt  und  Tritt  auf's  genaueste  kannte.  Die  Muttersprache  B.'s  war 
diejenige  des  Ladins;  sie  wurde  in  seiner  Familie  immer  gesprochen.  Im 
Kanton  Graubünden  beträgt  die  Zahl  der  Einwohner,  die  sich  der  rhäto- 
romanischen  Sprache  bedienen,  etwa  40000  (Gesammtbevölkerung  1888: 
94810);  sie  zerfällt  nach  den  zwei  Stromgebieten  in  die  zwei  Hauptdialekte 
des  Rheins  und  des  Inns,  welche  gewöhnlich  Romansch  und  Ladin  genannt 
werden,  beide  wesentlich  vom  Lateinischen  abstammend,  aber  in  den  Dialek- 
ten doch  so  verschieden,  dass  der  Unterengadiner-  und  der  Oberländerbauer 
sich  kaum  verstehen.  Eine  allgemeine  rhätoromanische  Schriftsprache  existirt 
bekanntlich  nicht,  nicht  einmal  eine  gemeinsame  bündnerisch-rhätische,  wohl 
aber  eine  unterengadinische,  deren  sich  auch  B.  mit  grossem  Geschick  bedient 
hat.  In  Zemetz  besuchte  B.  die  Gemeindeschule,  bis  er  in  die  Kantonschule 
(Gymnasium)  in  Chur  übertrat,  wo  er  nun  erst  die  deutsche  Sprache  kennen 
lernte,  die  er  später  freilich  mit  der  gleichen  Fertigkeit  handhabte  wie  das 
Ladin  und  die  von  den  etwa  45  000  deutschsprechenden  Bündnem  auch  am 
dialektfreisten  gesprochen  wird.  Im  Jahr  1860  verliess  B.  nach  Ablegung  des 
Maturitätsexamens  die  Heimath  und  besuchte  zum  Studium  der  Jurisprudenz  die 
Universitäten  Jena,  Berlin,  Heidelberg  und  Zürich.  Das  eigentliche  Studenten- 
leben genoss  er  in  vollen  Zügen  in  Jena,  das  ihm  unvergesslich  geblieben  ist 
und  wo  er  mit  einigen  anderen  Schweizern  während  mehreren  Semestern 
Mitglied  und  auch  Sprecher  der  Burschenschaft  Arminia  war.  Im  Frühling 
1864  kehrte  B.,  der  auf  der  Universität  neben  dem  Fachstudium  namentlich 
auch  Vorlesungen  über  Geschichte  und  Nationalökonomie  gehört  hatte,  in 
die  Heimath  zurück  und  Hess  sich  in  Zemetz  als  Rechtsanwalt  nieder,  ein 
Beruf,  der  ihm  jedoch  nicht  recht  behagte  und  der  immer  mehr  durch  die 
mannichfaltige  Inanspruchnahme  Hir  das  öffendiche  Leben  verdrängt  wurde. 
Diesem  wandte  B.  sich  mit  innerer  Neigung  und  angeborenem  Talent  zu  und 
diente  von  der  Pike  auf  als  Mitglied  und  Präsident  der  Gemeindebehörde 
von  Zemetz  bis  zum  Mitglied  des  obersten  schweizerischen  Gerichtshofes. 
Schon  an  der  ersten  Landesgemeinde  nach  seiner  Rückkehr  wählte  ihn  der 
Kreis  Obtasna,  zu  dem  Zemetz  gehört,  1865  zum  Kreispräsidenten  (Land- 
anunann)  und  zum  Mitglied  des  grossen  Rathes  (gesetzgebende  Behörde  des 
Kantons);  später  kam  dazu  das  Amt  eines  Bezirksrichters  und  Bezirkspräsiden- 
ten. Im  grossen  Rath  gewaim  B.  rasch  durch  seine  Tüchtigkeit,  Beredsam- 
keit und  Noblesse  des  Charakters  Ansehen  und  EinÜuss  und  präsidirte  dem- 
selben mehrere  Male.  Aber  auch  der  Volksgunst  Launen  blieben  ihm  nicht 
erspart.  Anfangs  der  siebziger  Jahre  handelte  es  sich  um  eine  Revision  der 
schweizerischen  Bundesverfassung  im  Sinne  einer  grösseren  Centralisation. 
Scharf  schieden  sich  in  den  Kantonen  die  Centralisten  und  Föderalisten  aus. 
B.  gehörte  zu  den  ersten,  während  die  Mehrheit  des  Bündnervolkes  von  einer 
strammem,  eidgenössischen  Centralisation  nichts  wissen  wollte.  Der  vorgelegte 
Verfassungsentwurf  wurde  im  Frühling  1872  von  einer  kleinen  Mehrheit  des 


^6  Bezzola. 

Schweizervolkes  verworfen  und  an  der  Landsgemeinde  von  1873  wurde  B. 
wegen  seiner  centralistischen  Gesinnung  nicht  mehr  in  den  grossen  Rath  ge- 
wählt. Dieser  wählte  ihn  aber  sofort  zum  Mitglied  der  Regierung,  nach  Ab- 
lauf der  gesetzlichen  Amtsdauer  in  die  Standeskommission ,  das  Kantons- 
gericht, den  Erziehungsrath  und  1881  in  den  schweizerischen  Ständerath. 
Und  nochmals  musste  B.  den  Kelch  der  veränderlichen  Volksgunst  leeren; 
die  neue  Kantonsverfassung  von  1880  tiberwies  die  Wahl  der  Ständeräthe 
künftighin  an  das  Volk,  das  in  einem  einzigen  Wahlkreis  zu  wählen  hatte 
und  in  seiner  Mehrheit  1881  die  beiden  Candidaten  der  freisinnigen  Partei 
im  Stiche  Hess.  Aber  schon  im  Herbst  1881  wählte  der  Engadiner  Wahl- 
kreis B.  in  den  schweizerischen  Nationalrath,  dessen  Präsidentenstuhl  er  1885 
bestieg  und  dessen  Mitglied  er  blieb  bis  zu  seiner  Wahl  in  das  schweizerische 
Bundesgericht,  in  das  er  mit  dem  i.  October  1893  eintrat.  Hier  wurde  er 
der  Kammer  flir  staatsrechtliche  Streitigkeiten  zugetheilt  und  er  arbeitete  sich 
mit  einem  Feuereifer  und  (xeschick  in  seine  neue  Stellung  hinein,  verbunden 
mit  einer  Liebenswürdigkeit  im  Umgang,  dass  seine  Collegen  sich  zu  ihrem 
neuen  Mitarbeiter  nur  Glück  wünschen  konnten.  Sehr  zu  Statten  kam  ihm 
dabei  die  vortreffliche  Schule,  die  er  in  Bünden  in  allen  Zweigen  des  öffent- 
lichen Lebens  durchgemacht  hatte.  B.  selbst  fühlte  sich  bei  der  neuen  Thä- 
tigkeit  und  im  Kreise  seiner  Collegen  ausserordentlich  befriedigt  und  beant- 
wortete eine  Anfrage,  ob  er  nicht  Lust  hätte,  den  vacant  gewordenen  Posten 
eines  schweizerischen  Gesandten  in  Rom  zu  übernehmen,  sofort  in  verneinen- 
dem Sinn.  Fataler  Weise  schien  aber  die  neue  Stellung  nicht  in  gleicher 
Weise  auf  seine  Gesundheit  einzuwirken.  Im  Frühling  1896  befiel  ihn  ein 
Nervenleiden;  die  kräftige  Gestalt,  äusserlich  der  Typus  eines  gesunden,  in 
der  Bergluft  gestählten  Körpers,  fiel  nach  und  nach  zusammen.  Er  nahm 
Urlaub,  um  in  der  Heimath  Genesung  zu  suchen.  Allein  umsonst.  Nur  auf 
das  Drängen  des  Arztes  und  seiner  Angehörigen  entschloss  er  sich  schweren 
Herzens,  sich  in  eine  Privatklinik  nach  Zürich  zu  begeben.  Und  wirklich 
trat  nach  und  nach  Besserung  ein;  das  Interesse  an  der  Aussenwelt  und  an 
seinen  Geschäften  kehrte  wieder;  in  kurzer  Zeit  hoffte  der  Patient  nach 
Lausanne  zurückkehren  zu  können.  Da  packte  den  seit  langen  Monaten 
geschwächten  Körper  eine  tückische  Lungenentzündung,  der  er  am  10.  Januar 
1897  erlag.  Tags  vorher  hatte  der  Todtkranke  telegraphisch  seinen  Col- 
legen noch  einen  Abschiedsgruss  geschickt.  — 

Die  Hauptwirksamkeit  B.'s  gehörte  seinem  Heimathskanton  an,  dem  er 
in  allen  möglichen  Stellungen  diente.  Wir  können  hier  auf  die  Details  nicht 
eintreten;  es  genüge,  dass  nach  seinem  Tode  Freund  und  Gegner  einig  waren, 
dass  B.  einer  der  populärsten  und  hervorragendsten  bündnerischen  Staats- 
männer war.  Nur  eine  Schöpfung  wollen  wir  anführen,  die  er  seit  langen 
Jahren  anstrebte  und  die  endlich  1892  realisirt  wurde:  eine  neue  Zusammen- 
setzung und  Organisation  der  obersten  vollziehenden  Behörde  des  Kantons. 
Die  Tragweite  dieser  Aenderung  kann  nur  aus  der  Geschichte  des  Kantons 
erfasst  werden.  Dieser  war  entstanden  aus  den  drei  Bünden:  Gotteshausbund 
(gegründet  1367  von  der  Stadt  und  den  Thalschaften  des  Bisthum  Chur  mit 
dem  Domkapitel);  Oberer  oder  Grauer  Bund  (1395,  erneuert  1424,  abge- 
schlossen zwischen  dem  Kloster  Dissentis,  Volk  und  Adel  des  Vorderrhein- 
thales);  der  Zehngerichtenbund  (1436  eingegangen  von  den  Gerichtsgemeinden 
der  übrigen  Landestheile:  Prättigau,  Davos,  Schanfigg  und  Churwalden). 
Ober-  und  Unterengadin  gehörten  zum  Gotteshausbund  und   es  war  in  Zer- 


Bezzola. 


47 


netz,  wo  derselbe  1367  gegründet  worden  war.  Jeder  dieser  drei  Bünde 
hielt  zur  Vorberathung  seiner  Angelegenheiten  Versammlungen  ab  (Bundestage, 
Landtage),  bestehend  aus  Abgeordneten  der  Gerichtsgemeinden;  ebenso  hatte 
jeder  Bund  ein  »Haupt«  zur  Leitung  der  Landtage  und  Vertretung  des  Bun- 
des nach  aussen;  verbindliche,  definitive  Beschlüsse  konnten  aber  allein  die 
Gemeinden  fassen,  wobei  die  Mehrheit  der  Gemeinden,  nicht  der  Köpfe,  ent- 
schied. Diese  drei  Bünde,  thatsächlich  schon  mit  einander  in  Verbindung 
stehend,  schlössen  1524  einen  Bund  unter  sich  ab,  an  dessen  Spitze  ein  aus 
Gemeindeabgeordneten  aller  Bünde  bestehender  Bundestag  stand,  geleitet  je- 
weilen  vom  Haupt  desjenigen  Bundes,  in  welchem  er  seine  Sitzung  hatte. 
Auch  hier  stand  die  definitive  Entscheidung  den  Gemeinden  zu  und  es 
stimmten  daher  die  Abgeordneten  nach  Instructionen.  In  der  Zwischenzeit 
(der  Bundestag  versammelte  sich  gewöhnlich  nur  einmal  im  Jahr)  wurden  die 
Geschäfte  von  den  drei  Häuptern  besorgt  und  wichtige  Sachen  unter  Zuzug 
von  3—5  Beisitzern  aus  jedem  Bund.  Diese  »Häupter  mit  Zuzug«  wurden 
auch  s»Beitag«,  später  »Congress«  geheissen.  Damit  war  vertraglich  der  erste, 
auf  demokratischer  Grundlage  beruhende  Bundesstaat  errichtet  worden  und 
dessen  Organisation  blieb  sich  gleich  bis  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderfcs. 
Durch  die  Mediationsverfassung  von  1803  kam  Bünden  als  Kanton  zur 
schweizerischen  Eidgenossenschaft  und  die  während  der  Helvetik  unterbrochene 
alte  Verfassung  kam  in  etwas  anderer  Form  wieder  zur  Geltung.  Der  Kanton 
bestand  aus  den  drei  Bünden  mit  den  Gerichtsgemeinden;  der  Bundestag 
verwandelte  sich  in  den  grossen  Rath,  die  drei  Häupter  bildeten  den  kleinen 
Rath  und  aus  den  Häuptern  mit  Zuzug  (Congress)  wurde  die  Standeskom- 
mission. Später  Hess  man  die  Ausscheidung  in  drei  Bünde  fallen :  der  Kanton 
zerfiel  nur  in  Bezirke,  Kreise  und  Gemeinden;  im  übrigen  blieb  sich  die  Or- 
ganisation, namentlich  diejenige  des  aus  drei  Mitgliedern  bestehenden,  auf 
dem  Collegialsystem  beruhenden  kleinen  Rathes  nebst  Standeskommission 
gleich.  Nach  und  nach  machte  sich  aber  die  Schwerfälligkeit  dieser  compli- 
cirten  Regierungsmaschine  in  einem  verhältnissmässig  kleinen  Staat  sehr  fühl- 
bar. B.  drang  schon  früh  auf  deren  Beseitigung.  Aber  ein  Volk  verzichtet 
nicht  so  leicht  auf  seit  Jahrhunderten  ererbte  Sitten  und  Gewohnheiten  und 
so  ging  es  bis  1892,  dass  Wandel  geschaffen  wurde.  Die  Standeskommission 
fiel  wxg,  der  kleine  Rath  wurde  aus  fünf,  von  dem  Volke  gewählten  Mit- 
gliedern bestellt,  die  keinen  anderen  Beruf  oder  Gewerbe  ausüben  dür- 
fen, und  die  Organisation  beruht  auf  dem  Departementssystem.  Die  tief 
in  das  alte  Herkommen  der  drei  Bünde  eingreifende  Neuerung  hat  sich 
seither  bewährt;  vor  deren  Ausführung  konnte  B.  sich  nicht  entschliessen, 
den  Kanton  zu  verlassen  und  er  trat  daher  erst  1893  in  das  Bundesgericht 
über. 

Noch  müssen  wir  eine  ausserhalb  der  öffentlichen  Thätigkeit  liegende 
Seite  unseres  Collegen  berühren.  B.  besass  eine  stark  ausgeprägte  poetische 
Ader,  aus  der  eine  Reihe  von  Gedichten  hervorging,  in  ladinischer  Mundart. 
Anfangs  der  neunziger  Jahre  gab  er  31  solcher  Lieder  heraus,  meistens 
Vaterlandslieder,  die  zum  Theil  sich  auf  das  Engadin  beziehen  und  die  B. 
den  ladinischen  Sängern  als  »Chantunz  ladins«  widmete.  Einige  derselben 
sind  eigentliche  Volkslieder  geworden,  deren  Dichter  vom  Volke  kurzweg 
»Mastral  Andrea«  genannt  wird  (Landamman  Andreas.)  Mag  irgendwo  im 
Engadin  ein  Fest  gefeiert  werden,  mögen  die  jungen  Burschen  mit  den  Mäd- 
chen an  Sonntagen  auf's  Land  hinausziehen  oder  die  Dorfbewohner  sich  nach 


48  Bezzola.     Brand. 

des  Tages  Arbeit  Abends  zusammenfinden,    überall  hört  man  das  populärste 
dieser  Lieder  singen,  beginnend  mit  den  Worten: 

Mia  bella  Val,  mia  Engiadina, 
A  Diou,  sta  bain  etc. 

Am  13.  Januar  1897  fand  in  Chur  unter  ungewöhnlicher  Betheiligung  der 
Bevölkerung  die  Beerdigung  statt.  Winter  war's  und  hoher  Schnee  auf  den 
Bergen;  aber  das  hinderte  eine  Schaar  Zemetzer  Männer  nicht,  darunter 
solche  mit  grauen  Haaren  und  verwitterten  Gesichtern,  unter  Führung  ihres 
Pfarrers  über  den  Flüelapass  zu  reisen,  um  ihrem  früheren  Landammann  die 
letzte  Ehre  zu  erweisen.  Angekommen  am  Abeijd  vor  der  Beerdigung,  baten 
sie  sich  die  Ehre  aus,  die  ganze  Nacht  an  der  Todtenbahre  Wache  halten  zu 
dürfen.  Und  Tags  darauf  sangen  diese  Wackem  am  offenen  Grabe  ein  ein- 
faches ladinisches,  von  B.  herrührendes  Lied  zum  Abschied.  Es  machte  einen 
ergreifenden  Eindruck,  einen  tiefem  und  mächtigeren,  als  je  ein  im  Concert- 
saal  mit  noch  so  grosser  Meisterschaft  vorgetragener  Gesang  erreichen  könnte. 

Lausanne,  Februar  1898.  Dr.  Hans  Weber, 

Brand,  Ernst,  Arzt  und  Hydro therapeut  in  Stettin,  ♦  2.  Januar  1827  zu 
Feuchtwangen  in  Franken,  f  7.  März  1897  in  Stettin.  —  B.  studirte  von  1845 
bis  1851  in  Erlangen,  wo  er  1849  klinischer  Assistent  von  Canstatt  war  und 
schon  in  dieser  Eigenschaft  eine  kleine  Abhandlung  über  Diabetes  (Deutsche 
Klinik  1849)  publicirte.  Später  assistirte  er  bei  Canstatt's  Nachfolger  Dittrich 
und  erlangte  185 1  mit  der  Inauguralabhandlung:  »Die  Stenose  des  Pylorus 
vom  pathologisch-anatomischen  Standpunkte  aus  geschildert«  die  Doctorwürde. 
Darauf  machte  er  eine  grössere  wissenschaftliche  Reise  über  Wien,  Paris  und 
London,  absolvirte  das  preussische  Staatsexamen  und  habilitirte  sich  als  Arzt 
in  Stettin,  wo  er  als  Geheimer  Sanitätsrath  verstarb.  1861  veröffentlichte  er 
die  Aufsehen  erregende  Schrift  »Die  Hydrotherapie  des  Typhus«,  worin  er 
nach  langer  Zeit  wiederum  die  Aufmerksamkeit  der  ärztlichen  Welt  auf  den 
Werth  einer  rationellen  Kaltwasserbehandlung,  speciell  zur  Herabsetzung  des 
Fiebers  beim  Unterleibstyphus,  lenkte.  Diese  Schrift  hatte  zur  Folge,  dass 
die  von  B.  angegebene  Methode  von  hervorragenden  Klinikern,  wie  Bartels, 
Jürgensen  u.  A.,  ebenso  von  vielen  praktischen  Aerzten  geprüft  und  mit  ge- 
wissen Aenderungen  adoptirt  wurde.  Erst  in  der  neueren  Zeit  ist  die  Kalt- 
wasserbehandlung bei  dem  übrigens  viel  seltener  gewordenen  Abdominaltyphus 
eingeschränkt  bezw.  ganz  fallen  gelassen  worden.  Zur  Vertheidigung  seines 
Verfahrens  gab  B.  noch  mehrere  Schriften  heraus,  so:  »Zur  Hydrotherapie 
des  Typhus,  Bericht  über  die  in  St.  Petersburg,  Stettin  und  Luxemburg  hy- 
driatrisch  behandelten  Fälle  (Stettin  1863);  »Die  Heilung  des  Typhus«  (Ber- 
lin 1868)  nebst  einem  Anhange  »Anweisung  für  die  Krankenwärter  bei  der 
Behandlung  des  Typhus  mit  Bädern«;  »Was  versteht  man  unter  Wasser- 
behandlung des  Typhus?«  (Wiener  medicinische  Wochenschr.  1872);  »Salicyl- 
oder  Wasserbehandlung?«  (Deutsche  militärärztl.  Zeitschr.  1876);  »Die  Wasser- 
behandlung der  typhösen  Fieber«  (Tübingen  1877).  —  Dazu  kommen  noch 
einige  Arbeiten  epidemiologischen  Inhaltes,  wie  »Verhaltungsmassregeln  wäh- 
rend der  Anwesenheit  der  Cholera-Epidemie«  (Stettin  1866);  »Die  Meningitis 
cerebro-spinalis  complicirt  mit  Febris  recurrens«  (Berliner  klin.  Wochenschrift 
1866)  u.  a. 

Biogr.  Lex.  bervorr.  Aerite  VI,  S.  540. 

Pagel. 


Büchner.     Bernhard!. 


49 


Buchner,  Ludwig  Andreas,  Ober-Medicinalrath  und  Universitätsprofessor 
der  Pharmacie  in  München,  *  am  23.  Juli  181 3  in  München,  f  am  23.  Octo- 
ber  1897  daselbst.  —  B.  studirte  in  seiner  Geburtsstadt,  besonders  unter 
Leitung  seines  Vaters,  des  gleichfalls  hervorragenden  Pharmakologen  Johann 
Andreas  B.  (1783 — 1852),  sowie  in  Paris  und  Giessen,  wo  v.  Fuchs,  v.  Mar- 
tius,  Döllinger,  v.  Walther,  Bussy  und  v.  Liebig  seine  Lehrer  waren.  Mit 
besonderer  Vorliebe  trieb  er  schon  während  der  Studienzeit  die  medicinische 
Chemie.  1839  erlangte  er  die  philosophische,  1842  die  medicinische  Doctor- 
würde.  Im  letztgenannten  Jahre  habilitirte  er  sich  als  Privatdocent  in  Mün- 
chen, rückte  bereits  1847  zum  ausserordentlichen  Professor  der  physiologischen 
und  pathologischen  Chemie  auf  und  erlangte  ebendaselbst  1852  die  ordent- 
liche Professur  der  Pharmacie  und  Toxikologie,  die  er  bis  zu  seiner  mehrere 
Jahre  vor  seinem  Tode  erfolgten  Emeritirung  inne  hatte.  1846  wurde  B. 
ausserordentliches,  1869  ordentliches  Mitglied  der  k.  Bayerischen  Akademie 
der  Wissenschaften  in  München.  Femer  war  er  Mitglied  des  Obermedicinal- 
ausschusses,  insbesondere  hatte  er  das  Decemat  für  das  Apotheken wesen. 
Von  schriftstellerischen  Arbeiten  B.'s  ist  besonders  erwähneriswerth  die  Fort- 
führung des  von  seinem  Vater  herausgegebenen  »Repertorium  fiir  die  Phar- 
macie« (München  1852 — 1876,  25  Jahrgänge),  sowie  ein  «Commentar  zur 
Pharmacopoea  Germanica«  (München  1872,  2  Bde.  mit  verdeutschtem  Text). 
Auch  veröffentlichte  B.  noch  eine  Reihe  kleinerer  Abhandlungen:  »Betrach- 
tungen über  die  isomeren  Körper«,  »Versuche  über  das  Verhalten  der  Auf- 
lösungen chemischer  Stoffe  zu  Reagentien  bei  verschiedenen  Graden  der  Ver- 
dünnung«, über  die  Angelicawurzel,  über  die  Zusammensetzung  von  Heil- 
brunnenwässem,  über  die  Beziehungen  der  Chemie  zur  Rechtspflege  (Gelegen- 
heitsrede) imd  lieferte  einige  Beiträge  zur  »AUgem.  Deutsch.  Biographie«. 

BiogT.  Lex.  hervorr.  Aerxte  I,  p.  607;  Voss.  Ztg.  25.  October  1897. 

Pagel. 

Bemhardi,  Otto  von.  Königlich  preussischer  General  der  Kavallerie  z.  D., 
•  am  6.  December  1818  zu  Saalfeld  in  Ostpreussen,  f  am  2.  September  1897 
zu  Wiesbaden.  —  B.  trat  am  6.  Juni  1835  bei  dem  in  kleinen  Städten  Nieder- 
schlesiens gamisonirenden  5.  Kürassier-Regimente  in  den  Dienst,  wurde  am 
15.  Februar  1838  Sekond-,  am  13.  November  1849  Premierlieutenant  und, 
nachdem  er  von  April  1850  bis  Februar  1854  Adjutant  der  7.  Division  zu 
Magdeburg  gewesen  war,  Rittmeister  und  Eskadronchef,  im  Januar  1858  aber 
Hauptmann  im  Generalstabe,  in  welchem  er,  alsbald  zum  Major  befördert,  ver- 
blieb, bis  er  im  September  1862  zum  Kommandeur  des  Litthauischen  Dragoner- 
Regiments  Nr.  I  (Prinz  Albrecht  von  Preussen)  zu  Tilsit  ernannt  wurde.  Am 
17.  März  1863  zum  Oberstlieutenant,  am  S.Juni  1866  zum  Oberst  aufgerückt, 
befehligte  er  das  Regiment  im  böhmischen  Feldzuge,  in  welchem  er  nament- 
lich den  Reiterkampf  vom  27.  Juni  bei  Trautenau  gegen  das  Dragonerregiment 
Fürst  zu  Windisch-Graetz  bestand,  ward  im  März  1 868  zum  Kommandeur  der 
IG.  Kavallerie-Brigade  zu  Posen  ernannt,  erhielt  bei  Ausbruch  des  Krieges 
im  Jahre  1870,  gleichzeitig  zum  Generalmajor  befördert,  das  Kommando  der 
aus  den  Ulanenregimentem  Nr.  i  und  Nr.  6  gebildeten,  zu  der  dem  Prinzen 
Albrecht  (Vater)  unterstellten  4.  Kavallerie-Division  gehörenden  9.  Kavallerie- 
Brigade  und  führte  diese,  stets  am  F'einde  bleibend,  zunächst  bei  den  Vor- 
märschen gegen  Sedan  und  von  da  auf  Paris,  dann  gegen  Orl<!ans,  und  in 
den  Kämpfen  an  der  Loire  sowie  vor  Le  Mans;   während  des  Monats  Januar 

Btogr.  Jahrb.  n.  Deotscher  Nekrolog.    2.  Bd.  ^ 


so 


Bernhard!.     Boltenstem. 


vertrat  er  den  erkrankten  Divisionskommandeur.  Nach  Friedensschlüsse  über- 
nahm er  wiederum  das  Kommando  der  lo.  Kavallerie -Brigade,  ward  am 
i8.  Januar  1875  ^^"^  Generallieutenant,  am  12.  Mai  d.  J.  zum  Kommandeur 
der  2.  Division  in  Danzig  ernannt,  am  12.  April  1879  ^^  Genehmigung  seines 
Abschiedsgesuches  zur  Disposition  gestellt  und  erhielt  am  12.  Januar  1896  den 
Charakter  als  General  der  Kavallerie. 

B.  Poten. 

Boltenstem,  Konstantin  von,  Königlich  preussischer  Generallieutenant, 
*  am  5.  Februar  1823  zu  Pasewalk,  f  am  31.  Januar  1897  zu  Görlitz.  — 
B.  wurde  im  Kadettenkorps  erzogen  und  aus  diesem  am  9.  August  1840  als 
Portepeefähnrich  bei  dem  in  Magdeburg  gamisonirenden  26.  Infanterie-Regi- 
mente  entlassen,  am  14.  Juni  1842  zum  Sekondlieutenant  ernannt,  rückte, 
nachdem  er  inzwischen  mehrfach  ausserhalb  der  Front  Verwendung  gefunden, 
im  Jahre  1866  als  Hauptmann  und  Kompagniechef  in  das  Feld.  In  der 
Königgrätzer  Schlacht,  in  welcher  sein  zur  Brigade  Fransecky  gehörendes 
Regiment  hervorragenden  Antheil  an  der  Vertheidigung  des  Swipwaldes  hatte, 
musste  B.  das  Kommando  des  Füsilierbataillons  übernehmen  und  fand  schon 
damals  Gelegenheit  sich  als  ein  umsichtiger  und  tüchtiger  Offizier  zu  bewähren. 
Noch  mehr  trat  er  als  solcher  im  Kriege  von  1870/71  gegen  Frankreich  hervor. 
Bei  der  im  Herbst  1 866  vorgenommenen  Vermehrung  des  Heeres  als  Major  in 
das  neugebildete  79.  Infanterie-Regiment  zu  Hildesheim  versetzt,  führte  er  1870 
zunächst  als  Oberstlieutenant  ein  Bataillon  des  letzteren,  focht  an  der  Spitze  des- 
selben, im  Verbände  der  Brigade  Woyna  und  der  Division  Kraatz  zum  X.  Armee- 
korps unter  Voigts -Rhetz  und  zur  11.  Armee  unter  Prinz  Friedrich  Karl  von 
Preussen  gehörend,  am  16.  August  bei  Vionville-Mars  la  Tour  und  in  später 
Abendstunde  des  1 8.  auch  noch  bei  Saint-Privat,  nahm  an  der  Einschliessung 
von  Metz  theil  und  führte  sodann  an  Stelle  des  anderweit  verwendeten  Komman- 
deurs das  Regiment.  Im  Kampfe  bei  Maizi^res  am  24.  November  leicht  verwundet, 
bestand  er  am  26.  mit  einer  aus  allen  Waffengattungen  zusammengesetzten  Ab- 
theilung gelegentlich  eines  ihm  gewordenen  Sonderauftrages  ein  selbständiges 
Gefecht  bei  Lorcy,  befehligte  eine  Zeit  lang  die  Brigade,  übernahm  dann  wieder 
das  Kommando  seines  Bataillons  und  stand  mit  diesem  am  Loir,  als  er  am 
26.  December  von  Vendöme  fiussabwärts  entsandt  wurde,  um  Ansammlungen 
von  Franctireurs  zu  zerstreuen,  welche  sich  bei  Soug^  gezeigt  hatten.  Nach- 
dem er  in  Montoire  übernachtet  hatte,  setzte  er  am  27.  den  Marsch  fort  und 
erfüllte  seinen  Auftrag.  Auf  der  Rückkehr  fand  er  den  Weg  bei  Montoire 
durch  inzwischen  dort  eingetroffene  Truppen  verlegt,  schlug  sich  aber  glück- 
lich, freilich  nicht  ohne  Verluste,  durch  und  brachte  noch  Gefangene  zurück 
(Kriegsgeschichtliche  Einzelschriften  des  Grossen  Generalstabes,  i.  Heft,  Berlin 
1883).  Bei  dem  im  Januar  1871  unternommenen  Vormarsche  auf  le  Mans 
führte  er  von  neuem  das  Regiment.  Mit  dem  Eisernen  Kreuze  i.  Klasse 
geschmückt,  kehrte  er  in  die  Heimath  zurück,  ward  im  November  d.  J.  aJs 
Oberst  an  die  Spitze  des  Colbergischen  Grenadier-Regiments  Nr.  9  gestellt, 
am  22.  September  1877  ^^^  Generalmajor  und  zum  Kommandeur  der 
15.  Infanterie-Brigade  befördert  und  am  16.  November  1880  in  Genehmigung 
seines  Abschiedsgesuches  mit  Pension  zur  Disposition  gestellt.  Am  fünfund- 
zwanzigsten Gedächtnisstage  des  Kampfes  von  Montoire  erhielt  er  den  Cha- 
rakter als  Generallieutenant. 

B.  Poten. 


Happe.     Krez.  e  i 

Happe,  Franz  Engelbert,  Geistlicher  und  Dichter,  *  am  ii.  Juni  1863 
zu  Sendenhorst  (Westfalen),  f  am  11.  September  1897  in  Südkirchen  (West- 
falen). —  Er  besuchte  die  Volks-  und  Rektoratschulen  in  Sendenhorst  und 
Borkum,  von  1877  bis  1881  das  Gymnasium  zu  Warendorf  und  studirte  dar- 
auf an  der  Akademie  zu  Münster  Philologie  und  Theologie.  Während  seiner 
Studienzeit  war  er  über  ein  Jahr  lang  Vorleser  bei  dem  blinden  Professor 
Chr.  B.  Schlüter,  nach  dessen  Tode  (1884)  er  sich  ein  Jahr  lang  als  Erzieher 
theils  in  Brüssel,  theils  im  Sauerlande  aufhielt.  Im  Herbst  1886  trat  er  in 
das  Priesterseminar  zu  Münster  ein,  erhielt  im  December  1887  die  Priester- 
weihe und  kam  im  März  1888  als  Kaplan  nach  Füchtorf  bei  Warendorf. 
Hier  blieb  er  mit  Ausnahme  eines  halben  Jahres,  das  er  in  Münster  als  Soldat 
verbrachte,  bis  zum  Herbste  1895,  um  dann  als  Vikar  nach  Südkirchen  (Kreis 
Lüdinghausen)  zu  gehen,  wo  er  nach  zwei  Jahren  in  der  Blüthe  seines  I^ebens 
starb. —  Seine  Gedichte  »Stimmungen  und  Gestalten«  (1888)  erschienen  1897 
in  einer  vermehrten  und  verbesserten  Auflage. 

Persönliche  Mittheilungeo* 

Franz  Brummer. 

Krez,  Konrad,  General,  Advokat  und  Dichter,  *  am  27.  April  1828  zu 
Landau  in  der  Rheinpfalz,  f  am  9.  März  1897  zu  Milwaukee  in  Amerika.  — 
Nachdem  er  die  Schule  seiner  Vaterstadt  und  das  Gymnasium  in  Speyer  be- 
sucht hatte,  ging  er  auf  die  Universität  Heidelberg,  um  die  Rechte  zu  stu- 
diren.  Aus  jener  Zeit  stammen  seine  ersten  Gedichtsammlungen  »Domen  und 
Rosen  von  den  Vogesen«  (1846)  und  »Gesangbuch«  (1848).  Im  Frühjahr 
1848  betheiligte  er  sich  im  Freicorps  des  Generals  von  der  Tann  an  dem 
Kriege  gegen  Dänemark  und  1849  ^"  ^^^  badisch -pfälzischen  Erhebung  für 
die  Reichsverfassung,  wurde  deshadb  »in  contumaciam«  zum  Tode  verurtheilt 
und  musste  nach  der  Schweiz  flüchten.  Von  hier  ging  er  nach  Frankreich 
und  kam  im  Winter  1850  nach  New  York,  wo  er  sich  der  Advokatur  zu- 
wandte. Im  Hause  des  Advokaten  Stemmler  fand  er  bald  freundliche  Auf- 
nahme, und  zwei  Jahre  später  heirathete  er  dessen  einzige  Tochter.  Im  Jahre 
1854  siedelte  K.  nach  Sheboygan,  Wisconsin,  über,  wo  er  zunächst  als  Ad- 
vokat prakticirte.  Da  er  sich  sehr  rege  im  demokratischen  Sinne  an  dem 
politischen  Leben  jener  Zeit  betheiligte,  so  beriefen  ihn  seine  Mitbürger  bald 
zu  verschiedenen  Aemtem.  Als  der  Bürgerkrieg  ausbrach,  bekleidete  er  das 
Amt  eines  Staatsanwalts.  Im  Sommer  1862  warb  er  das  27.  Wisconsiner 
Freiwilligen-Regiment  an,  zu  dessen  Obersten  er  durch  Gouverneur  Salomon 
ernannt  wurde,  machte  mit  seinem  Regimen te  unter  Kimball  die  Belagerung 
von  Vicksburg  mit,  kämpfte  unter  Steele  in  Arkansas  und  befehligte  die 
3.  Brigade  der  3.  Division  des  13.  Armeecorps  unter  Cauby  gegen  Mobile. 
Wegen  der  dort  geleisteten  Dienste  wurde  er  vom  Präsidenten  Lincoln  zum 
Brigadegeneral  ernannt;  dann  ward  er  an  den  Rio  Grande  nach  Texas  be- 
ordert und  hier  nach  Beendigung  des  Krieges  ausgemustert.  Er  nahm  seine 
Thätigkeit  als  Advokat  in  Sheboygan  wieder  auf  und  entfaltete  eine  eifrige 
politische  Thätigkeit.  Im  Jahre  1888  wurde  er  zur  Praxis  am  obersten  Ge- 
richtshof der  Vereinigten  Staaten  zugelassen.  Der  Präsident  Cleveland  betraute 
K..  mit  dem  wichtigen  und  einträglichen  Amte  als  Zollkollektor  im  Hafen  von 
Milwaukee,  worauf  K.  auch  seine  Advokatur  dorthin  verlegte.  Inmitten  eines 
so  bewegten  Lebens  hatte  K.  immer  noch  Müsse  und  Stimmung  zu  bemerkens- 
werthen  Dichtungen  gefunden,  die  er  1875  gesammelt  unter  dem  Titel  »Aus 

4* 


C2  Krez.     Prinz  von  Thurn  und  Taxis.    Burchardt. 

Wisconsin«  herausgab.  »Keiner  unter  den  hervorragenden  deutsch-amerikani- 
schen Dichtern  hat  dem  Heimweh  und  der  Liebe  zum  alten  Vaterlande  einen 
so  rührenden  Ausdruck  gegeben,  wie  K.  in  seinem  Gedichte  »An  mein  Vater- 
land«, das  wohl  als  das  schönste  aller  auf  amerikanischem  Boden  entstandenen 
deutschen  Gedichte  bezeichnet  werden  kann.« 

Dr.  G.  A.  Zimmermann:  Deutsch  in  Amerika.  Beiträge  zur  Geschichte  der  deutsch- 
amerikanischen  Literatur.  2.  Aufl.  Chicago  1894,  S.  64.  —  Berliner  Tageblatt  vom 
20.  März  1897. 

Franz  Brummer. 

Thurn  und  Taxis,  Prinz  von,  Franz  Maximilian  Lamoral,  Diplomat  in 
königlich  preussischen  und  deutschen  Reichsdiensten;  *  am  2.  März  1852  in 
Regensburg;  f  am  5.  Mai  1897  in  Luxemburg;  vermählt  mit  der  Gräfin 
Theresia  Grimaud  von  Orsay.  —  Seine  diplomatische  Laufbahn  begann  er  als 
Sekretär  bei  der  kaiserlich  deutschen  Botschaft  zu  Rom  im  Jahre  1884;  dann 
wurde  er  Sekretär  bei  der  kaiserlich  deutschen  Gesandtschaft  in  Athen;  später 
bei  der  königlich  preussischen  Gesandtschaft  in  Dresden;  hierauf  königlich 
preussischer  Legationsrath  in  Constantinopel ,  und  dann  kaiserlich  deutscher 
Botschaftsrath  in  Madrid.  Bald  darauf  wurde  er  Legationsrath  bei  der  kaiser- 
lich deutschen  Gesandtschaft  in  Brüssel  und  endlich  wurde  er  zum  kaiserlich 
deutschen  Legationsrath  und  Minister-Residenten  in  Luxemburg  ernannt. 

C.  WilL 

Burchardt,  Max,  Augenarzt,  Privatdocent  und  Universitätsprofessor,  sowie 
General -Arzt  in  Berlin,  *  am  15.  Januar  1831  zu  Naugard  in  Pommern,  f  am 
25.  September  1897  in  Berlin.  —  B.  war  der  Sohn  eines  Strafanstaltsdirectors, 
besuchte  die  Gymnasien  in  Guben  und  Schulpforta  und  bezog  1851  das 
ehemalige  militairärztliche  Friedrich-Wilhelms-Institut,  die  jetzige  Kaiser- Wil- 
helm-Akademie, von  wo  aus  er  in  üblicher  Weise  nach  Absolvirung  der 
Studien  als  Unterarzt  an  die  Königliche  Charit^  abkommandirt  wurde.  1855 
erlangte  er  mit  einer  Inaugural- Abhandlung  über  die  Bauchwassersucht  die 
Doctorwürde,  1857  bestand  er  die  Staatsprüfung.  Nachdem  er  dann  an 
verschiedenen  auswärtigen  Gamisonsorten  Dienst  als  Stabsarzt  geleistet  hatte, 
wurde  er  wieder  in  gleicher  Eigenschaft  nach  Berlin  zurückversetzt  und  habi- 
litirte  sich  hier  1864  als  Privatdocent  an  der  Universität.  1866  nahm  er 
an  dem  preussisch- österreichischen  Feldzuge  theil  und  wurde  darauf  nach 
Königsberg  in  Ostpreussen  versetzt,  wo  er  1867  gleichfalls  an  der  Universität 
docirte.  Am  Feldzuge  von  1870/71  nahm  er  als  Regimentsarzt  theil.  1874 
gelangte  B.  wieder  nach  Berlin  zurück  und  blieb  hier  seitdem  dauernd,  suc- 
cessive  die  Stellungen  als  Regimentsarzt,  Oberstabsarzt  bei  der  Militärtum- 
anstalt,  Chefarzt  des  ersten  grossen  Garnisonlazareths  und  zuletzt  als  erster 
Gamisonarzt  bekleidend,  um  1896  mit  dem  Rang  als  Generalarzt  aus  dem 
Sanitätskorps  auszuscheiden.  Ausserdem  erhielt  B.  1881  die  Leitung  der  in 
der  Königlichen  Charit^  eingerichteten  Specialabtheilung  für  Augenkranke  und 
lehrte  vorübergehend  neben  der  Ophthalmologie  auch  noch  nach  dem  Tode 
von  Georg  Lewin  bis  zur  Berufung  von  dessen  Nachfolger  über  Haut-  und 
syphihtische  Krankheiten.  1890  wurde  B.  durch  den  Professortitel  ausge- 
zeichnet. Die  schriftstellerischen  Arbeiten  B.*s  sind  ebenso  mannichfaltig  wie 
bedeutend ;  sie  bewegen  sich  hauptsächlich  auf  den  Gebieten  der  Augen-  und 
Hautkrankheiten.  Lange  Jahre  erstattete  er  den  Bericht  für  die  grossen 
Virchow-Hirsch'schen  Jahresberichte  über  acute  Exantheme,  ferner  schrieb  er: 


Burchardt     von  BUlow.  ex 

»lieber  eine  bei  Chloasma  vorkommende  Pilzform«  (Med.  Ztg.  d.  Vereins  für 
Heilkunde,  1859);  »Ueber  Soor  und  den  dieser  Krankheit  eigenthümlichen 
Pilz«  (Charitd-Annalen,  1863);  »Ueber  Krätze  und  deren  Behandlung  mit 
Perubalsam«  (ebenda  1864,  Berl.  klin.  Wochenschr.  1865,  Arch.  f.  Dermat.  u. 
Syphilis  1869);  »Ueber  Sehproben«  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1869);  »Neues 
Verfahren  zur  Bestimmung  der  Refraction  im  aufrechten  Bilde«  (Centralbl.  f. 
prakt  Augenheilk.  1883)  ^^^  ^^^^  Reihe  von  Aufsätzen  über  Schutzpocken- 
impfung, Sehschärfe  bezüglich  des  Militärdienstes,  Keuchhusten,  venerische 
Krankheiten  beim  Manne.  Selbständig  erschienen  »Internationale  Sehproben« 
(Berlin  1869;  3.  Aufl.  1882)  und  »Praktische  Diagnostik  der  Simulationen« 
(mit  lithographischen  Vorlagen  und  Stereoscop,  Berlin  1875;  2.  Aufl.  1878). 
B.  ist  ansserdem  noch  der  Erfinder  eines  Doppelplessimeters,  eines  neuen 
Refractions-Augenspiegels,  sowie  eines  Sprachapparats  zur  Behandlung  der 
Athmungs-  und  verwandter  Organe. 

Biogr.  Lex.  hervorr.  Aerzte  etc.  I,  S.  621. 

Pagel. 

Bülow,  Hans  Julius  Adolf  von,  Königlich  preussischer  General  der 
Artillerie,  *  am  27.  Februar  1816  zu  Ossecken  im  Kreise  Lauenburg  in  Hinter- 
pommem,  f  9.  December  1897  zu  Berlin.  —  v.  B.,  ein  im  Frieden  wie  im 
Kriege  sehr  bewährter  Offizier,  wurde  im  Kadettenkorps  erzogen  und  aus 
diesem  am  5.  August  1833  als  Sekondlieutenant  der  Garde -Artillerie -Brigade 
überwiesen,  war  nach  mannichfacher  Verwendung  in  und  ausserhalb  der  Front 
Oberst  und  Kommandeur  des  zu  Münster  gamisonirenden  Westfälischen  Feld- 
artillerie-Regiments Nr.  7,  als  der  Krieg  gegen  Oesterreich  ausbrach.  Bei  der 
Mobilmachung  erhielt  er  das  Kommando  der  Korpsartillerie  des  VII.  Armee- 
korps bei  der  Eibarmee,  erwies  sich  durch  die  Führung  derselben  im  Böhmischen 
Feldzuge  und  namentlich  in  der  Schlacht  bei  Königgrätz  als  besonders  tüchtig, 
ward  am  14.  Januar  1868  Kommandeur  der  3.  (Brandenburgischen)  Artillerie- 
Brigade,  am  18.  Juni  1869  Generalmajor  und  rückte  an  der  Spitze  jener 
Brigade  im  Jahre  1870  gegen  Frankreich  in  den  Krieg,  aus  welchem  er  mit 
der  ihm  allgemein  gezollten  Anerkennung  zurückkehrte,  dass  er  Hervorragen- 
des geleistet  habe  und  dass  die  Erfolge,  welche  das  Korps  errungen,  nicht 
zum  geringen  Theile  auf  Rechnung  der  von  ihm  geführten  Waffe  zu  setzen 
seien.  So  war  es  schon  am  6.  August  gewesen,  wo  er  an  der  Seite  des 
Korpskommandeurs,  General  Konstantin  von  Alvensleben,  auf  das  Schlachtfeld 
von  Spicheren  eilte  und  durch  die  Entsendung  von  zwei  Batterien  auf  den 
steilen  Rothenberg  zur  Entscheidung  des  Tages  erfolgreich  mitwirkte.  Am 
blutigen  Tage  von  Vionville-Mars  la  Tour,  dem  16.  August,  waren  seine  Ge- 
schütze der  Fels  im  Meere,  um  welchen  die  Wogen  brandeten  und  an  dem  sie 
sich  brachen;  Alvensleben  gegenüber  sprach  er,  unerschüttert  durch  die  er- 
littenen Verluste  und  die  Massen  des  Feindes,  als  das  Zünglein  der  Wage 
bedenklich  schwankte,  die  feste  Zuversicht  aus,  seine  Stellung  behaupten  zu 
können.  Und  er  hatte  sich  nicht  getäuscht.  Nicht  minder  wesentlich  waren 
seine  Leistungen  und  die  der  ihm  unterstellten  Truppen  am  18.  in  der  Schlacht 
von  Gravelotte-Saint  Privat,  wo  er  rechtzeitig  in  den  Kampf  der  Artillerie  des 
IX.  Armeekorps  am  Bois  de  la  Gusse  eingriff"  und  sich  bis  zur  entscheidenden 
Abendstunde  behauptete.  Glänzend  war  ferner  seine  Verwendung  der  Waffe 
in  den  Kämpfen  um  Orleans,  wo  er  sich  namentlich  am  3.  December  bei 
ChilleuTS  aux  Bois   als    ein  Meister  erwies,    und  endlich  bei  dem  Schlussakte 


54 


von  Bttlow.     Burckhardt. 


des  ganzen  Krieges,  als  bei  dem  Vorgehen  gegen  le  Mans  nochmals  schwere 
Anforderungen  an  den  Führer  wie  an  die  Truppe  gestellt  wurden.  Die  Ver- 
leihung beider  Klassen  des  Eisernen  Kreuzes,  sowie  des  Ordens  pour  le  m^rite 
waren  äussere  Zeichen  der  Anerkennung,  welche  seine  Leistungen  erfahren 
hatten.  —  Nach  der  Heimkehr  erhielt  er  an  Stelle  seines  bisherigen  Kommandos 
das  der  Garde -Artillerie -Brigade,  aus  welcher  er  geschieden  war,  als  er  im 
November  1859  die  Stellung  als  Artillerieoffizier  vom  Platz  in  Koblenz  mit  der 
des  Kommandeurs  der  Festungsabtheilung  des  VI.  Armeekorps  vertauschte  hatte. 
Aber  schon  im  Februar  1872  wurde  er  zu  [den  Offizieren  von  der  Armee 
versetzt,  um  dem  aus  der  Kavallerie  hervorgegangenen  General  von  Podbielski, 
welcher,  als  es  sich  um  die  Scheidung  von  Feld-  und  Fussartillerie  handelte, 
zum  General-Inspekteur  der  Artillerie  ernannt  worden  war,  in  der  ersten  Zeit 
von  dessen  Dienstführung  bei  der  Entscheidung  technischer  Fragen  rathend 
zur  Seite  zu  stehen.  Alsdann  wurde  er,  in  Berlin  verbleibend,  Inspekteur  der 
2.  Artillerie- Inspektion  und  am  6.  November  1879,  ^^^  Podbielski  gestorben 
war,  dessen  Nachfolger.  Meinungsverschiedenheiten  mit  den  in  Sachen  der 
Heeresverwaltung  massgebenden  Behörden  aber  veranlassten,  dass  er  schon 
am  12.  December  1882  unter  Ernennung  zum  General  der  Infanterie  und 
zum  Chef  des  Pommerschen  Feldartillerie -Regiments  Nr.  2  in  Genehmigung 
seines  Abschiedsgesuches  mit  Pension  zur  Disposition  gestellt  wurde;  am 
16.  August  1895,  ^^^  Jahrestage  von  Vionville-Mars  la  Tour  verlieh  ihm 
Kaiser  Wilhelm  II.  statt  jenes  Titels  den  eines  Generals  der  Artillerie. 

Aber  er  war  mehr  als  der  Name  sagt.  Er  war  ein  Artilleriegeneral,  ein 
Kenner  seiner  Waffe,  ebenso  vertraut  mit  der  Technik  derselben  wie  mit  ihrer 
Taktik.  Dabei  einfach  und  anspruchslos,  mit  dem  Herzen  an  der  richtigen 
Stelle,  dem  treffenden  Worte  auf  der  Zunge  und  in  der  Feder,  ein  Mann, 
welcher  schon  durch  seine  Persönlichkeit  auf  die  Kreise  wirkte,  mit  denen 
er  in  Berührung  trat.  Als  General-Inspekteur  war  er  in  der  Lage,  seine  her- 
vorragenden Eigenschaften  nach  allen  Richtungen  hin  zu  entfalten.  Sein 
Streben  beruhte  auf  dem  Glaubenssatze,  zu  dem  er  sich  schon  in  einer  Zeit 
bekannte,  welche  die  Artillerie  nur  als  Hilfswaffe  gelten  lassen  wollte:  »Es 
liegt  nur  an  uns  der  Waffe  Geltung  zu  verschaffen«. 

Eine  eingehende  Würdigung  des  Generals  findet  sich  in  F.  Hoenig,  Der  Volkskrieg 
an  der  Loire,  6.  Band,  Seite  295:  Die  entscheidenden  Tage  von  Orleans  (Berlin  1897). 

B.  Poten. 

Burckhardt,  Jacob  Christoph,  Universitätsprofessor  der  Geschichte  und 
Kunstgeschichte,  *  am  25.  Mai  181 8  in  Basel,  f  am  8.  August  1897  ebenda. 
—  Ein  Sohn  des  Pfarrers  am  Münster,  eines  gebildeten,  vielseitigen,  energi- 
schen Mannes,  der  später  als  oberster  Geistlicher  der  Basler  Kirche  bis  zu 
seinem  Tode  1858  functionirte,  sich  daneben  auf  historischem  Gebiete  schrift- 
stellerisch bethätigte  und  der  Kunst  reges  Interesse  und  emsige  Pflege  wid- 
mete, wandte  sich  der  junge  B.  zunächst  in  Basel  nach  väterlichem  Wunsche 
dem  Studium  der  Theologie  zu;  allein  die  Fächer  der  philosophischen  Facul- 
tät  übten  bald  eine  mächtigere  Anziehungskraft  auf  ihn  aus,  und  so  wurde 
mit  Einwilligung  des  Vaters  der  Abgang  an  eine  deutsche  Universität  zugleich 
zum  Bruche  mit  dem  Theologiestudium  und  zum  entschiedenen  Uebergang  zur 
Geschichtsforschung.  B.  betrachtete  diese  ersten  Basler  Semester  nie  als  einen 
Verlust,  sondern  als  eine  werth volle  Vorbereitung  zum  geschichtlichen  Stu- 
dium.    In    wie    hohem  Grade    schon    damals  die  Denkmäler  der  Kunst  den 


Burckhardt. 


55 


jungen  B.  beschäftigten,  beweisen  eine  Reihe  von  »Bemerkungen  über  schwei- 
zerische Kathedralen«,  die  der  Zwanzigjährige  in  einer  Bauzeitung  erscheinen 
Hess;  sie  betreffen  neben  dem  Basler  Münster  sammt  Kreuzgang  das  Zürcher 
Grossmünster  und  die  Kathedralen  von  Genf  und  Lausanne.  Neben  Jugend- 
lichem findet  sich  in  diesen  kurzen  Aufsätzen  manch  klarer  Einblick  in  die 
Welt  der  mittelalterlichen  Baukunst  und  der  Trieb,  die  einzelnen  Bauwerke 
möglichst  in  grössere  Zusammenhänge  des  architektonischen  Schaffens  hin- 
einzurücken; dann  trifft  man  etwa  auf  einen  Passus,  in  dem  neben  dem  Hin- 
weis auf  die  Bedeutsamkeit  einer  künstlerischen  Schöpfung  auch  der  Schön- 
heit der  Natur  ihr  Recht  wird:  »als  besonderer  Vorzug  der  Lausanner  Kathe- 
drale gilt  mit  Recht  die  herrliche  Lage  und  Aussicht  vom  Thurme  herab, 
die  allein  schon  der  Reise  werth  ist.  Man  frage  Jeden,  der  den  Genfer  See 
gesehen.«  Wer  denkt  da  nicht  schon  an  den  Preis  des  Luganersees  im  »Ci- 
cerone« bei  Anlass  von  Luinis  Fresken  in  S.  Maria  degli  Angeli?  Herbst  1839 
bezog  B.  die  Universität  Berlin;  mit  Ausnahme  des  Sommersemesters  1841, 
das  er  in  Bonn  zubrachte,  blieb  der  Basler  der  Berliner  Hochschule  bis  Früh- 
ling 1843  treu;  hier  hat  er  seine  lateinische  seminarmässige  Doctordissertation 
über  einige  Streitfragen  aus  der  Geschichte  Karl  Martell's  ausgearbeitet;  sie 
wurde  in  Basel  gedruckt  und  trug  ihm  die  Doctorwürde  der  philosophischen 
Facultät  seiner  vaterstädtischen  Universität  ein  (19.  Mai  1843).  In  der  Vita 
zur  Dissertation  schätzt  sich  B.  glücklich,  dass  ihm  Leopold  Ranke  als  Lehrer 
beschieden  war,  der  nicht  nur  durch  seine  Vorlesungen,  sondern  auch  durch 
seinen  kostbaren  Rath  seine  Studien  gefördert  habe.  Zwei  Seminararbeiten 
hatte  B.  seinem  berühmten  Lehrer  zu  Dank  gemacht.  Neben  dem  grossen 
Historiker  ist  es  ein  ausgezeichneter  Kunsthistoriker,  dem  B.  sich  tief  ver- 
pflichtet fühlte,  ja  man  kann  wohl  sagen,  in  mancher  Beziehung  noch  tiefer 
als  Ranke:  Franz  Kugler.  £r  wirkte  damals  noch  als  Professor  der  Kunst- 
geschichte an  der  Akademie  der  Künste ;  eine  edle  Persönlichkeit,  habe  er 
Horizonte  weit  über  die  Kunstgeschichte  hinaus  eröffnet:  so  hat  B.  seinen 
Lehrer  charakterisirt,  dem  er  schon  damals  persönlich  näher  trat  und  der 
später  sein  theurer  Freund  wurde.  In  Ranke  wie  in  Kugler  lebte  ein  mäch- 
tiger Trieb  zum  Universalhistorischen,  beide  hielten  sich  bei  allem  Detail- 
studium den  Ueberblick  über  ihren  mächtigen  Wissensbereich  offen,  sie  ord- 
neten das  Specialwissen  unter  grosse  Gesichtspunkte,  sie  gingen  im  Einzelnen 
nicht  unter.  B.  ist  dieser  Betrachtungsweise  zeitlebens  treu  geblieben:  die 
Geschichte  wie  die  Kunstgeschichte  war  und  blieb  für  ihn  ein  Ganzes; 
das  Bewusstsein  der  Continuität,  der  geschichtlichen  Zusanunenhänge  erschien 
ihm  stets  als  etwas  ungemein  Werthvolles,  ja  als  ein  höchstes  Ziel  menschlicher 
Erkenntniss,  als  ein  Gradmesser  unserer  Geistescultur.  Und  es  ist  ausser- 
ordentlich lehrreich  zu  sehen,  wie  schon  in  dieser  Berliner  und  Bonner  Stu- 
dienzeit Historie  und  Kunstgeschichte  neben  einander  den  jungen  Gelehrten 
fesseln,  beschäftigen  und  zu  selbständigen  Arbeiten  anregen.  Die  deutsche 
Universitätsstadt  am  herrlichen  Rhein  wurde  für  B.  der  Ausgangspunkt  für 
Studien  verschiedenster  Art;  der  enge  Verkehr  mit  dem  geistreichen  und  viel- 
seitigen Gottfried  Kinkel,  der  damals  schon  neben  der  Theologie  die  Kunst- 
geschichte eifrig  pflegte,  bot  manche  Anregung:  was  lag  näher,  als  dass  sich 
das  Interesse  den  Denkmälern  der  Rheinlande  zuwandte?  und  bei  dem  regen 
historischen  Sinne  B.'s  war  es  fast  etwas  Selbstverständliches,  dass  er  über 
der  Kunst  auch  die  Geschichte  nicht  vergass,  deren  Kenntniss  erst  jene  Zeiten 
vergangener  Grösse  verstehen  liess,  in  denen  die  Kunst,  voran  die  Architektur 


56 


Burckliardt. 


Gewaltiges  und  Unvergängliches  erstrebt  und  zum  Theil  auch  erreicht  hat. 
—  Im  September  1842  war  der  Grundstein  zum  Ausbau  des  Kölner  Domes 
feierlich  gelegt  worden;  die  mächtige  Ruine  beschäftigte  die  Phantasie  der 
damaligen  Menschen  und  weckte,  um  ein  Wort  B.*s  in  der  gleich  zu  erwäh- 
nenden Schrift  zu  gebrauchen,  »eine  laute  nationale  Begeisterung«.  Er  hat 
sich  dieser  selbst  nicht  entzogen.  Sein  Blick  wandte  sich  hin  auf  jenen 
mächtigen  Kölner  Erzbischof,  der  im  Sommer  1248  den  Grund  zum  Dombau 
gelegt  hat:  1843  erschien  in  Bonn  die  erste  historische  Schrift  B.'s  »Conrad 
von  Hochstaden,  Erzbischof  von  Kölln  1238 — 1261«;  sie  war  Gottfried  Kinkel 
gewidmet.  Noch  heute  wird  man  das  Büchlein  von  157  Seiten  gerne  lesen, 
vor  Allem  wegen  der  Partien,  in  denen  des  Verfassers  culturhistorische  Nei- 
gungen zu  Tage  treten:  wo  er  die  deutsche  Kunst  jener  Zeit  in  allen  ihren 
Aeusserungen  charakterisirt,  wo  er  die  Mirabilien  des  Cäsarius  von  Heister- 
bach für  bezeichnende  Züge  damaligen  Lebens  verwerthet,  wo  er  den  Dom- 
bau schildert  und  im  Anschluss  daran  von  Albertus  Magnus  spricht,  dem 
»Manne  der  Wissenschaft  im  grössten  Sinne«.  Reiche  Belesenheit  in  den 
gedruckten  Quellen  —  auf  archivalische  Nachforschungen  hatte  sich  B.  nicht 
eingelassen  —  macht  sich  tiberall  bemerkbar;  der  Autor  beherrscht  sein 
Material,  und  es  gewinnt  Leben  und  Farbe  unter  seiner  Hand.  Es  war  ein 
schöner  Erstling  historischer  Forschung  und  Darstellung. 

Ein  Aufsatz  im  niederrheinischen  Jahrbuch  zum  Besten  der  Bonner 
Münsterkirche  (^^43)  unterzog  dann  »Die  vorgothischen  Kirchen  am  Nieder- 
rhein« einer  stilistischen  Untersuchung  und  suchte  deren  Charakteristik  fest- 
zustellen; auch  hier  spielen  naturgemäss  die  Kölnischen  Denkmäler  dieser 
Gruppe  eine  bevorzugte  Rolle :  den  Preis  erhält  der  Kuppelbau  von  St.  Gereon, 
y>das  Kleinod  der  vorgothischen  Kunst«  —  bezeichnend  genug  für  B.,  der 
dann  später  im  Centralbau  und  in  der  Kuppel  die  höchste  Leistung  der 
kirchlichen  Baukunst  der  Renaissance  erblickt  und  verehrt  hat.  Bemerkens- 
werth  bleibt  an  dieser  kleinen  wenige  Seiten  umfassenden  Arbeit  der  Zug  des 
Verfassers,  das  specielle  Thema  in  den  grossen  Zusammenhang  der  Entwicke- 
lung  der  Bauformensprache  hineinzustellen,  und  ein  acht  B. 'scher  Wunsch  ist 
es,  »es  möchte,  als  ein  grosser  Gewinn  für  die  Culturgeschichte,  eine  um- 
fassende Gesammtbehandlung  der  vorgothischen  Bauten  am  Rhein  auch  diese 
Uebergangsperiode  mit  der  Zeitgeschichte  in  Zusammenhang  bringen«.  Zwölf 
Jahre  später  bezeichnete  B.  im  »Cicerone«  das  Mitleben  der  italienischen 
Culturgeschichte  als  einen  noch  höheren  Genuss  für  den  Italienfahrer,  denn 
das  blosse  Anschauen  vollkommener  Formen. 

Noch  bevor  diese  beiden  genannten  Arbeiten,  die  historische  und  die 
kunsthistorische,  geschrieben  wurden,  hatte  der  eifrige  Studiosus  von  Bonn 
aus  im  Herbst  1841  eine  Studienreise  ausserhalb  Deutschlands  unternommen; 
sie  ging  nach  Belgien.  Ihr  Niederschlag  war  das  170  Seiten  starke  Büchlein 
»Die  Kunstwerke  der  belgischen  Städte«;  es  war  Franz  Kugler  dedicirt.  B. 
zeigt  hier  zum  ersten  Male  seine  wundervolle  Cicerone-Begabung:  er  will  dem 
in  Belgien  Reisenden  einen  »kurzen  Abriss«  bieten  von  den  wichtigsten  kunst- 
historischen Sehenswürdigkeiten  der  sieben  grössten  belgischen  Städte:  Lüttich, 
Löwen,  Mecheln,  Antwerpen,  Brüssel,  Gent  und  Brügge;  und  er  denkt  dabei 
sogar  an  »sehr  eilig  Reisende«,  zu  deren  Händen  er  im  Register  den  beson- 
ders beachtenswerthen  Kunstwerken  Sternchen  beigiebt.  Mit  feinstem  Ver- 
ständniss  ist  er  der  Architektur  nachgegangen,  die  klarste  Schilderung  mit  der 
eindringendsten  Kritik  verbindend;  und  einen  Satz  wie  den,  dass  der  fioren- 


Burckhardt. 


57 


tinische  Renaissancebaumeister  nach  bestem  Wissen  und  Gewissen  die  Antike 
zu  reproduciren  glaubt,  während  er  etwas  unendlich  schöneres  Neues  schaflft, 
dürfen  wir  als  überaus  charakteristisch  für  B.  wohl  ad  acta  nehmen.  •  Der 
Malerei  gegenüber  fühlt  sich  der  Verfasser  noch  nicht  so  sicher;  doch  darf 
hier  vor  Allem  auf  die  umfangreiche  Stelle  über  Rubens  hingewiesen  werden, 
dem  B.  recht  eigentlich  eine  centrale  Stellung  in  seinen  Schilderungen  an- 
gewiesen hat:  »Eins  hat  er  vor  allen  Malern  voraus:  die  intensivste  Bezeich- 
nung des  kräftigsten  Lebens  im  Einzelnen  und  die  des  darzustellenden  Mo- 
mentes im  Ganzen.«  »Man  vergesse  nicht,  dass  er  ein  Zeitgenosse  Shake- 
speare*s  war.«  Dieser  Verehrung  für  Rubens  ist  B.  zeitlebens  treu  geblieben, 
und  er  hat  ihr  noch  im  Greisenalter  ein  literarisches  Denkmal  gesetzt,  von 
dem  später  in  Kürze  die  Rede  sein  wird.  Stilistisch  ist  dieser  belgische 
Cicerone  von  einer  merkwürdigen  Reife  des  Ausdrucks,  dessen  Treffsicherheit 
und  Präcision  oft  wahrhaft  überraschen;  auch  dem  Humor  lässt  er  an  einigen 
Stellen  fröhlich  die  Zügel  schiessen.  Das  Büchlein  ist  aus  einem  selbständigen 
feinfühligen  Geiste  und  aus  einer  ächten  Kunstbegeisterung  heraus  geschrieben. 
—  Einer  im  selben  Jahre  wie  diese  Schrift  in  Basel  anonym  erschienenen 
»Beschreibung  der  Münsterkirche  und  ihrer  Merkwürdigkeiten  in  Basel«  sei 
hier  blos  der  Vollständigkeit  wegen  gedacht.  Gegenüber  den  früher  erwähn- 
ten, jugendlichen  Aufsätzen  B.'s  über  das  Basler  Münster  zeigt  diese  Arbeit 
deutlich  den  Fortschritt  kunstgeschichtlicher  Erkenntniss. 

Die  Zeit  des  Universitätsstudiums  war  für  B.  vorüber,  seine  vollgiltigen 
Reifeproben  hatte  er  abgelegt.  Aus  dem  Lernenden  —  im  gewöhnlichen 
Sinn  des  Wortes  —  wurde  ein  Lehrender:  der  junge  Doctor  habilitirte  sich 
im  Frühjahr  1844  in  Basel.  Ein  mehrmonatlicher  Aufenthalt  in  Paris,  wo  B. 
u.  a.  wie  s.  Z.  auch  in  Berlin  Manuskripte  der  Bibliothek  auf  werthvolles  Ma- 
terial für  die  Schweizergeschichte  durchgestöbert  und  excerpirt  hat,  war  dieser 
Docentenlaufbahn  vorausgegangen.  Neben  den  Universitätsvorlesungen,  die 
gleich  Anfangs  neben  der  Geschichte  auch  kunsthistorische  Themata  in  ihren 
Rahmen  zogen,  trat  der  26jährige  Gelehrte  in  öffentlichen  Vortragscyklen  vor 
ein  gemischtes  Publikum;  daneben  entstanden  einige  kleinere  Publicationen, 
so,  um  nur  diese  zu  nennen,  für  die  »Mittheilungen  der  Antiquarischen  Gesell- 
schaft« die  inhaltreiche,  wenn  auch  nur  wenige  Seiten  umfassende  Monographie 
über  »Die  Kirche  zu  Ottmarsheim  im  Elsass«,  der  B.  auf  Grund  genauer 
stilistischer  Analyse  ihre  richtige  Stelle  anwies  als  einem  im  11.  Jahrhundert 
nach  dem  Vorbild  der  Aachener  Palastkapelle  entstandenen  Centralbau.  Schon 
im  Frühjahr  1845  rückte  B.  zum  ausserordentlichen  Professor  vor,  freilich 
ohne  alles  pecuniäre  Entgelt.  So  kam  es,  dass  er  im  folgenden  Jahre  einen 
literarischen  Auftrag  Franz  Kugler's,  der  1843  in*s  Cultusministerium  berufen 
worden  war,  annahm :  die  Neubearbeitungen  von  Kugler*s  Geschichte  der  Malerei 
und  Handbuch  der  Kunstgeschichte.  Eine  längere  Studienreise  nach  Italien, 
die  ihn  zum  ersten  Male  nach  Rom  führte,  nachdem  er  auf  früheren  Reisen 
nach  dem  Süden  nur  bis  Florenz  vorgedrungen  war,  diente  der  Vorbereitung 
auf  diese  Arbeit.  Von  Italien  ging  es  nach  Berlin,  wo  die  Bearbeitungen  der 
genannten  Werke  gefördert  und  vollendet  wurden.  Aber  Kugler's  Absichten 
mit  B.  beschränkten  sich  nicht  auf  eine  vorübergehende  Beschäftigung  des 
Basler  Freundes,  er  suchte  ihn  dauernd  nach  Berlin  zu  ziehen,  indem  er  ihm 
eine  Anstellung  an  der  Akademie  als  Lehrer  der  Kunstgeschichte  verschaffen 
und  seine  wissenschaftlichen  Fähigkeiten  zu  weiteren  schriftstellerischen  Arbeiten 
verwerthen  wollte.     Die  Vaterstadt  schien  ihres  hochbegabten  Mitbürgers  auf 


eg  Burckhardt. 

lange  hinaus,  wenn  nicht  für  immer  verlustig  gehen  zu  sollen.  Allein  die 
maassgebenden  Männer  des  wissenschaftlichen  Basels  hatten  B.  nicht  aus 
dem  Auge  verloren:  ein  Schulpensum  an  oberen  Klassen  des  Gymnasiums 
war  frei  geworden;  man  konnte  endlich  B.  ein  gesichertes  Einkommen  garan- 
tiren.  Und  so  klein  dieser  Gehalt  war,  die  Liebe  zur  Vaterstadt  wog  für  B. 
alle  die  Vortheile  und  Annehmlichkeiten  des  täglichen  Verkehrs  mit  Kugler 
und  seinem  Hause,  einem  Centrum  feinen  geistigen  Lebens,  auf.  Der  31jährige 
kehrte  nacli  Basel  zurück  und  nahm  neben  der  Schulthätigkeit  seine  Vor- 
lesungen an  der  Universität  wieder  auf.  Das  dauerte  einige  Jahre;  da  verlor 
B.  bei  Anlass  einer  Schulreorganisation  seine  Stunden  und  damit  sein  be- 
scheidenes Auskommen,  eine  Unbilligkeit,  die  er  bis  an  sein  Lebensende  nicht 
völlig  hat  verwinden  können.  »Da  nahm  ich  die  Kunstgeschichte  wieder  vor«, 
fügte  er  einmal  der  Erzählung  dieses  kleinlichen,  gehässigen  Geschehnisses  bei. 
Ein  1 5 monatlicher  Aufenthalt  in  Italien  liess  den  »Cicerone«  entstehen,  und 
dessen  Erscheinen  verschaffte  B.  den  Ruf  als  Ordinarius  der  Kunstgeschichte 
an  das  neu  geschaffene  Eidg.  Polytechnikum  in  Zürich. 

Vor  dem  »Cicerone«  waren  aber  zwei  historische  Arbeiten  B.'s  erschienen, 
deren  eine  zu  den  Glanztiteln  seiner  Gelehrtenlaufbahn  gehört:  1850  die 
Schrift  »Erzbischof  Andreas  von  Krain  und  der  letzte  Concilsversuch  in  Basel 
1482 — 1484«,  Ende  1852  »Die  Zeit  Constantins  des  Grossen«.  Die  erst- 
genannte Studie,  die  das  Aktenmaterial  des  Basler  Staatsarchivs  benutzt,  mag 
uns  weniger  interessiren  in  Bezug  auf  den  speciellen  Gegenstand,  obwohl  auch 
dieser  für  die  damaligen  kirchlichen  Zustände  recht  bezeichnend  ist,  als  in 
Bezug  auf  den  glänzenden  Rahmen,  den  B.  um  diese  Episode  herum  gelegt 
hat:  in  das  Italien  der  Renaissance  wird  die  abenteuerliche  Gestalt  des  aus 
Rom  in  die  Schweiz  kommenden  unruhigen  Concilforderers  hineingestellt. 
Und  das  Interesse  B.'s  gehört  im  Grunde  jenem;  und  schon  nimmt  er  an  eini- 
gen Stellen  die  grosse  Verrechnung  vor  zwischen  den  Licht-  und  den  Schatten- 
seiten jener  Zeit:  die  Päpste  und  ihre  Umgebung  mögen  unsittlich,  ja  un- 
gläubig sein;  »aber  das  damalige  Rom  ist  eine  der  Geburtsstätten  der  soge- 
nannten Renaissance,  der  neueren,  durch  das  Alterthum  befruchteten  An- 
schauungs-  und  Darstellungsweise  in  Kunst,  Literatur  und  Leben;  und  diese 
Renaissance  ist  eine  der  bedeutendsten  Erinnerungen  der  heutigen  Nationen.« 
Und  weiterhin  heisst  es:  »dass  hier  unter  ganz  ausnahmsweisen  Bedingungen 
der  Boden  sich  vorbereitete  für  einen  Rafael  und  Michelangelo,  könnte  uns, 
historisch  erwogen,  allein  schon  mit  gar  manchem  versöhnen.«  Und  von  der 
Schweiz  des  15.  Jahrhunderts  liest  man:  »Das  15.  Jahrhundert  erzog  Menschen 
mit  andren  Nerven,  als  die  unsrigen  sind.  Wenn  ein  Volk  unaufhörlich 
die  Hand  am  Schwert  halten,  sich  seines  Lebens  wehren  muss,  so  bildet  sich 
unter  dem  ewigen  Belagerungszustand  eine  andere  Werthschätzung  alles  Thuns 
und  Lassens  aus,  als  in  der  laulichen  Temperatur  eines  von  aussen  garan- 
tirten  Weltfriedens.«  Aehnlichen  Gedankengängen  über  die  Wechselbeziehung 
von  beständiger  Lebensgefahr  und  gesteigertem  Lebensgefühl  und  dem  ent- 
sprechender Genussfähigkeit  wird  man  später  in  der  »Cultur  der  Renaissance 
in  Italien«  wieder  begegnen.  So  hatte  sich  schon  damals  B.  in  die  Ge- 
dankenwelt und  Sinnesweise  derjenigen  Zeit  hineinzudenken  vermocht,  mit 
deren  Darstellung  und  Charakteristik  sein  Name  stets  wird  verbunden  bleiben. 
Darin  vor  Allem  liegt  für  uns  heute  der  Werth  der  Schrift  über  Andreas  von 
Krain,  wobei  übrigens  nicht  vergessen  werden  soll,  dass  die  Schrift  als  Dar- 
stellung   dieser  Concilsepisode    auch    heute  noch  nicht  veraltet  ist;    sie  wird 


Burckhardt. 


59 


wiederholt    und    meist  mit  Zustimmung  von  Pastor  im  2.  Band  seiner  Papst- 
geschichte citirt. 

Bevor  jedoch  B.  an  die  gewaltige  Aufgabe  herantrat,  die  Renaissancewelt 
in   ihrer    ganzen  Tiefe  und  Breite  zu  durchforschen  und  zu  erfassen,    war  es 
ein    anderes    unendlich    wichtiges  Phänomen    der  Weltgeschichte,    das  seinen 
Geist  zu  ergründen  lockte:  jene  Epoche,  da  in  die  antike  Welt  das  Christen- 
thum  als  eine  junge  und  frische  Macht  eindrang  und  sie  sich  unterwarf.    Als 
geborener    Culturhistoriker    hatte  B.  eingesehen,    dass    dieser    welthistorische 
Process    nicht    durch    ein    einfaches    politisches  Machtgebot  Constantins    des 
Grossen  erfolgt  ist,    dass  vielmehr  diese  Proklamirung  des  Christen thums  als 
Staatsreligion  nur  nach  Aussen  das  Facit  zog  aus  der  vom  Christenthum  be- 
reits  errungenen  innerlichen  Macht  über   die  Geister.     Diesen   geistigen  Sieg 
der  neuen  Lehre  zu  erklären  aus  der  ganzen  Cultur    der   antiken  Welt:    das 
war  das    grosse  Problem,    das  sich  B.  stellte.     Darum  schrieb  er  auch  nicht 
ein  Leben    Constantins,    sondern    er    schilderte    »Die    Zeit    Constantins    des 
Grossen«.     Ende  1852  ist    dieses  Buch    von    über  500  Seiten    (in  der  ersten 
Auflage;  in  der  zweiten  von   1880:  450  Seiten)  in  Basel  erschienen.     Es  zer- 
fällt in  drei  fast  genau   gleich   grosse  Theile.     Der  erste  gehört  der  Schilde- 
rung der  Reichsgewalt  im  3.  Jahrhundert,  einer  glänzenden  Uebersicht  über  die 
römische  Kaisergeschichte   von  Commodus    an    bis  auf  Diocletian;   dann  der 
Darstellung    von    Diocletians    Regierung    und   Adoptionensystem,    wobei  B.'s 
Sympathie    fiir    diesen    letzten    grossen    heidnischen  Kaiser  deudich  zu  Tage 
tritt;   und  schliesslich  in  zwei  Abschnitten  der  im  klaren,  kräftigen  Freskostil 
gehaltenen    Charakteristik    der  Provinzen    und    Nachbarlande    des    römischen 
Reiches    im    Westen    und  Osten.     Nun    folgt,    als    das    Herz    gleichsam    des 
Buches,    die  culturhistorische  Schilderung    der  antiken  Welt:    hier  lernen  wir 
kennen  jene  Processe  der  Göttermischung,  der  Einführung  immer  neuer  Culte, 
der  Vermehrung  der  Mysterien,   des  erhöhten  Dämonenglaubens  u.  s.  w.,  die 
alle  zeigen,   wie  die  Übersinnliche  Welt,  namentlich  die  Frage  nach  Jenseits 
und  Unsterblichkeit,  die  damalige  Welt  auf's  tiefste  beschäftigt,  aufs  schwerste 
ängstigt.     Und    diese    geistige  Befangenheit    und   Bedrückung    ist  schliesslich 
auch  nur   ein  Symptom    von  dem  durchgehenden  Factum  der  »Alterung  des 
antiken  Lebens  und  seiner  Cultur«,  der  »Abenddämmerung  des  Heiden  thums« . 
üeberall  giebt  sie  sich  kund :  im  Physischen  wie  im  Geistigen,  in  der  Tracht  wie 
in  der  Kunst,  und  die  Menschen  sind  überzeugt,  dass  sie  in  einer  besonders 
schlimmen  Zeit    leben.     Erst    nachdem    der  Leser    in   dieser  Weise  über  die 
politische  Gestaltung    des  Weltreichs    und    über    die    geistige  Stimmung,    die 
diesen  ungeheuren  Körper  beseelt  und  beherrscht,  orientirt  ist,  geht  die  Dar- 
stellung in  ihrem  dritten  Theil  über  zu  den  letzten  Regierungsjahren  Diocle- 
tians, oder  besser  zu  der  Gewaltsmaassregel,  die  den  Rest  der  sonst  so  ehren- 
vollen Herrschaft  Diocletians  verdunkelt,    der  grossen  Christenverfolgung:    es 
ist  der    letzte  Kampf,    den   die  neue  Lehre  um  ihre  Existenz  gegenüber  der 
numerischen  Uebermacht  zu  bestehen  gehabt  hat.    Sie  ist  nicht  untergegangen, 
und   derjenige,    der    ihr    dann  nicht  nur  Duldung  gewährte,  sondern  sie  zur 
Staatsreligion    erhob,    war  Constantin,    der  glückliche  Sieger  im  Kampfe  um 
die  Weltherrschaft.    Die  Gestalt  dieses  »politischen  Rechners«,  »der  alle  vor- 
handenen   physischen  Kräfte  und  geistigen  Mächte  mit  Besonnenheit  zu  dem 
einen  Zwecke    benützt,    sich    und    seine  Herrschaft  zu  behaupten,    ohne  sich 
irgendwo    ganz  hinzugeben«,    »dem    der  Ehrgeiz  und  die  Herrschsucht  keine 
nihige  Stunde  gönnen«,  bei  dem  daher  auch  »von  Christenthum  und  Heiden- 


6o  Burckfaardt. 

thum,  bewusster  Religiosität  und  Irreligiosität  gar  nicht  die  Rede  sein  kann«  : 
diesen  Mann  lehrt  uns  B.  kennen,  in  seiner  Beziehung  zu  der  nunmehr  etablir- 
ten  chrisdichen  Kirche,  in  seiner  Stellungnahme  zu  den  dogmatischen  Streitig- 
keiten, denen  er  innerlich  völlig  neutral  gegenübersteht,  so  dass  er  die  Par- 
teien abwechselnd  siegen  lässt,  und  wobei  es  ihm  die  Hauptsache  ist,  »dass 
man  ihn  und  seine  Macht  nicht  vergass«.  Wir  blicken  in  die  rasche  Ver- 
weltlichung und  Ausartung  der  Kirche  hinein;  diesen  Auswüchsen  und  Schäden 
aber  schafft  die  Askese  und  ihre  praktische  Ausgestaltung  im  Einsiedlerleben 
ein  ideales  Gegengewicht,  zugleich  erwächst  hier  der  Kirche  diejenige  sittliche 
Kraft,  ohne  welche  der  geistliche  Stand  und  die  Kirche  der  folgenden  Jahr- 
hunderte völlig  verweltlicht  wäre  und  der  »rohen  materiellen  Gewalt  hätte 
unterliegen  müssen«.  Den  Schluss  des  Buches  bildet  die  Betrachtung  des 
neuen  Hofwesens  unter  Constantin,  der  inneren  Reichsverwaltung,  der  Grün- 
dung Constantinopels,  worauf  eine  Schilderung  Roms  und  Athens,  der  beiden 
klassischen  Stätten,  und  ein  Ausblick  auf  Palästina  als  das  Land  der  frommen 
Sehnsucht  und  andächtigen  Verehrung  das  mächtige  und  weihevolle  Finale 
bildet. 

Es  ist  ein  grossartiges  geschichtliches  Gemälde,   das  B.  hier  vor  unseren 
Augen  aufrollt,  erstaunlich  in  der  völligen  Lebendigmachung  und  psychologi- 
schen Durchdringung    eines    vielfach    sterilen    und  stark  tendenziös  gefärbten 
Quellenmaterials,  erstaunlich  durch  die  geistige  Freiheit,  mit  der  hier  an  Pro- 
bleme und  Charaktere  herangetreten  wird,  die  bisher  einer  einseitigen  rationa- 
lisirenden    oder,    was  noch  schlimmer  war,   einer  wesentlich  erbaulichen  Be- 
handlung   ausgesetzt    gewesen    waren.     Von  beiden  Tendenzen  weiss  sich  B. 
frei:    er    will    die   damalige  Zeit  und  die  damaligen  Menschen  verstehen;    er 
giebt  sich  ruhig  und  besonnen  Rechenschaft  von  der  Schwächung  der  antiken 
Welt  und  von  der  siegreichen  Kraft  des  Christenthums,   die  wesentlich  darin 
bestand,  dass  es  alle  die  ängsdichen  Fragen  nach  Jenseits  und  Unsterblichkeit, 
die    die    weitesten  Kreise    des  Imperiums    beschäftigten  und  quälten,  einfach 
und  einleuchtend  beantwortete.     Er  erkennt  in  Constantin  durch  alle  Erbau- 
lichkeit und  Andächtigkeit  hindurch,  in  die  ihn  sein  Biograph  und  Lobredner, 
der  Bischof  Euseb  von  Cäsarea  eingewickelt  hat,   den  kalten  genialen  Politi- 
ker,   der    diese    ganze  religiöse  Frage  als  Machtfrage  behandelt;    aus  seinem 
Hass    gegen  Euseb,    diesen   »ersten  durch  und  durch  unredlichen  Geschicht- 
schreiber des  Alterthums«  macht  B.  kein  Hehl,   und  unbarmherzig  entkleidet 
er    seinen  Helden    all'    des   mystischen  Schimmers,  den  die  Legende  um  das 
Haupt    des    ersten    chrisdichen  Kaisers    gewoben  hat.     Er  scheut  auch  nicht 
davor    zurück,    eine    für    die  Christen  nichts  weniger  als  schmeichelhafte  Er- 
klärung der  Diocletianischen  Verfolgung  hypothetisch  vorzubringen.    Er  nimmt 
die  Dinge    und  Personen    durchgehends  sehr  menschlich  und  weiss  von  Ver- 
tuschungen   und  Schönfärberei    nirgends    etwas.     Und    doch    darf  man  nicht 
behaupten,  dass  B.'s  Sinnesweise  eine  eigentlich  profane  sei:    wie  schön  und 
tief  spricht    er    vom    Zug    des  Menschen    nach    der  Einsamkeit    und    seiner 
Aeusserung    nach    der  religiösen  Seite  hin  in  der  Askese  der  Einsiedler;  wie 
weiss  er  auch  den  dogmatischen  Streitigkeiten,  in  welche  die  »kaum  aus  den 
Verfolgungen  gerettete  Kirche«  hineingeriet,  und  die  —  bei  Anlass  des  Con- 
cils    von  Nicäa  —  an    sich    als    »eines  der  unleidlichsten  Schauspiele  in  der 
ganzen  Geschichte«  bezeichnet  werden,  ihre  bedeutsame  Seite  abzugewinnen, 
indem  er  in  der  Orthodoxie  »die  Seele«  des  nicht  zukunftlosen  Byzantinismus 
erkennt,  die  Kraft,  wodurch  die  Kirche,  die  stärker  war  als  Cultur  und  Staat, 


Burckhardt  6l 

j-noch  anderthalb  Jahrtausende  hindurch  unter  dem  Druck  fremder  Barbaren 
die  Nationalitäten  zusammenhielt«.  Und  den  grossen  Kirchenlehrern,  einem 
Athanasius,  Hieronymus,  Gregor  von  Nazianz  u.  s.  w.,  gesteht  er  bei  all  ihrer 
kirchlich  bedingten  Einseitigkeit  »ein  höheres  incommensurables  Lebens- 
princip«  zu,  als  dies  »die  grossen,  ganzen,  harmonischen  Menschen  des  Alter- 
thums«  zeigen. 

Zu  allen  Vorzügen  des  Inhaltes  kommen  noch  die  der  Form  hinzu,  in 
die  B.  seine  Ergebnisse  gekleidet  hat.  Sie  ist  durchgehend  von  klarster 
Schönheit,  voll  Leben  und  Farbe.  Dem  Stoff  ist  alle  Schwere  genommen. 
Die  Lektüre  ist  lauter  Genuss.  Wie  Mommsen,  dessen  Römische  Geschichte 
1854  zu  erscheinen  begann,  scheut  auch  B.  —  freilich  weit  seltener  —  vor 
Parallelen  aus  ims  näher  liegenden  imd  bekannteren  Zeiten  nicht  zurück:  der 
Name  Cagliostros  meldet  sich  einmal  bei  Anlass  des  antiken  Aberglaubens; 
Napoleon  wird  mehrere  Male  als  Vergleichsobjekt  beigezogen,  seine  Persön- 
lichkeit musste  gerade  bei  der  Schilderung  eines  Constantin  sich  fast  von 
selbst  aufdrängen.  In  einer  ersten  Besprechung  des  Buches  in  einer  Basler 
Zeitung  war  auf  die  fast  französische  Eleganz  der  durchweg  anziehenden, 
lebhaften  und  geistreichen  Darstellung  hingewiesen  worden.  Die  Bemerkung 
ist  thatsächlich  begründet:  B.  hatte  französische  Historiker  sich  zum  Vorbild 
genommen,  als  er  den  RiesenstofT  seines  Werkes  zu  verarbeiten  sich  an- 
schickte; bei  Guizot  und  den  Thierry  habe  man  gesehen,  wie  man  solche 
Dinge  angreifen  müsse,  um  sie  noch  einigermaassen  den  Leuten  interessant 
zu  machen  ~-  so  hat  er  sich  selbst  mündlich  geäussert.  Den  französischen 
Schriftstellern  als  stilistischen  Künstlern  hat  B.  zeitlebens  seine  Bewunderung 
gegönnt;  selber  ein  Meister  der  Darstellung,  fühlte  er  sich  zu  ihnen  hingezogen. 
Dass  ein  Buch  wie  »die  Zeit  Constantins  des  Grossen«  fast  dreissig  Jahre 
brauchte,  um  zum  zweiten  Male  verlegt  zu  werden,  darf  billig  in  Erstaunen 
setzen;  um  so  dankbarer  wollen  wir  sein,  dass  sein  Verfasser  sich  dadurch 
nicht  hat  abschrecken  lassen,  die  zweite  Auflage  (von  1880  bei  Seemann) 
ohne  fremde  Zuhilfenahme  zu  bearbeiten.  Das  Buch  muss  ihm  offenbar  am 
Herzen  gelegen  haben,  und  er  freute  sich  auch,  wenn  er  vernahm,  dass 
Männer  von  der  kritischen  Schärfe  und  dem  ungeheuren  Wissen  v.  Gut- 
schmid's  dem  »Constantin«  volles  Lob  spendeten.  Nichts  spricht  deutlicher 
för  die  Solidität  von  B.*s  Arbeit  als  die  Thatsache,  dass  er  in  den  wesent- 
lichen Punkten,  namentlich  in  allem,  was  das  Culturhistorische  bedarf,  sein 
Buch  unverändert  lassen  konnte^  er  selbst  hat  die  gesammten  Aenderungen 
auf  30  bis  50  Zeilen  beziffert!  Offenbare  Irrthümer  hat  er  willig  corrigirt: 
von  seiner  früheren  Ansicht  z.  B.,  dass  die  Schrift  des  Lactanz  von  den  Todes- 
arten der  Verfolger  diesem  Autor  nicht  gehöre,  ist  B.  völlig  zurückgekommen. 
Bei  seiner  Hypothese  von  den  Ursachen  der  Diocletianischen  Christenverfolgung 
aber  verblieb  er  trotz  mannichfacher  Angriffe,  zum  Theil  von  solider  Theologen- 
grobheit; ebenso  liess  er  sich  auf  ein  diplomatisirendes  Markten  über  die 
grössere  oder  geringere  Verlogenheit  des  Euseb  nicht  ein:  sein  Constantin- 
porträt  behielt  die  realistische  Zeichnung  und  die  lebensvollen,  wenn  auch 
nichts  weniger  als  anmuthenden  Züge.  Für  neuere  Versuche,  den  kaiserlichen 
Mörder  für  den  christlichen  Glauben  zu  retten,  hatte  B.  nur  ein  Lächeln:  er 
hatte  zu  tief  in  Constantins  Seele  gelesen. 

Es  muss  immer  auf's  neue  in  Erstaunen  setzen,  wie  rasch  nach  dem 
Constantin-Buche  der  »Cicerone«  entstanden  ist.  Verschiedenere  Welten  lassen 
sich    doch    wohl    nicht    leicht  denken;    die  eine  scheint  die  andere  fast  aus- 


62  Burckhardt. 

ziischliessen :  dort  die  stupende  Kenntniss  der  späteren  heidnischen  Autoren, 
wie  der  Kirchenschriftsteller,  und  dazu  einer  grossen  gelehrten  Literatur,  im 
Dienste  politischer  und  culturgeschichtlicher  Ergründung  einer  an  Räthseln 
und  Problemen  reichen,  dem  Errathen  mehr  als  einmal  Spielraum  lassenden, 
die  höchsten  Ansprüche  an  den  psychologischen  Scharfblick  stellenden  Ueber- 
gangszeit;  hier  eine  trotz  einzelner  —  oflfen  und  ehrlich  eingestandener  — 
Lücken  geradezu  imposante  Kunde  der  Denkmäler  des  italischen  Kunstschaf- 
fens in  Architektur,  Skulptur  und  Malerei,  von  den  Tempeln  in  Pästum  an 
bis  auf  die  Landschaftsmalerei  der  Poussin  und  Claude  Lorrain,  im  Dienste 
der  feinsten  ästhetischen  Bildung,  eines  künstlerischen  Blickes  von  erstaunlicher 
Sicherheit,  einer  oft  wahrhaft  divinatorischen  Kraft  des  Nachempfindens  und 
Verstehens.  Dem  culturhistorischen  Meisterwerk  folgt  das  kunsthistorische.  Man 
zeige  uns  den  Gelehrten,  der  die  geistige  Ausrüstung  für  diese  beiden  Ge- 
biete der  Geschichte  und  der  Kunst  in  solcher  Vollständigkeit  sein  eigen  ge- 
nannt hat. 

Aus    innerster  Ueberzeugung  heraus,    wie  ein  Bekenntniss  hat  B.  seinem 
1855  in  Basel  erschienenen  »Cicerone«  das  Pliniuswort  als  Motto  vorgesetzt: 
Haec    est    Italia    Diis    sacra.      Für    ihn    war    das    Land   jenseits    der    Alpen 
heiliger  Boden:  mit  wahrer  Andacht  hat  er  sich  in  seine  Kunst  versetzt,   und 
sie    hat    ihm    ihr    Innerstes    offenbart;    darum    liegt    es    auch  wie  ein  lichter 
Schimmer   von  eigenem  inneren  Glück  über  dem  ganzen  Buche,    darum  darf 
es  auch  ausklingen  in  die  höchst  persönlichen  Worte  vom  Heimweh,  »welches 
nur  zeitweise  schlummert,  nie  stirbt,  nach  dem  unvergesslichen  Rom«:     »Der 
dieses  schreibt,  hat  die  Erfahrung  gemacht.«     Der  Stoff  zerfällt  naturgemäss 
in    die    drei  Theile    der  Baukunst  (mit  Einschluss  der  Decoration),   der  Bild- 
hauerei   und    der    Malerei;    innerhalb   jedes    einzelnen  geht  die  Betrachtung 
jeweilen    vom  Alterthum    bis    zum  Ende    des   17.  Jahrhunderts  als  einer  fort- 
laufenden Kundgebung    des   italischen  Kunstgeistes,   der    selbst  die  als  etwas 
Fremdartiges,    fast  Feindliches   von    vornherein    empfundene  Gothik   in   ganz 
bestimmtem    und   originellem  Sinne  umzuwandeln  vermocht  hat.     Die  Antike 
bleibt  schliesslich  doch  immer  die  grosse  Tradition,  wenn  sie  nicht  geradezu 
die  erlauchte  Lehrmeisterin  wird.    Nicht  umsonst  entfällt  denn  auch  von  den 
rund   1050  Seiten    des   »kleinen    dicken  Buches«,    wie    der  Verfasser    seinen 
»Cicerone«   charakterisirt  hat,    fast  die  Hälfte  auf  die  Kunst  der  Renaissance 
(Frührenaissance   bis  Barockstil);    in  ihr  erblickte  B.  die  grösste  künstlerische 
Leistung  Italiens  seit  den  2^iten  antiker  Kunstübung.    Hier  hat  aber  auch  an 
unzähligen  Stellen  B.  recht  eigentlich  als  Entdecker  der  künftigen  Forschung 
die  Bahn  frei  gemacht.     Bei  aller  Vorliebe  jedoch,  die  er  dieser  Periode,  vor 
allem  der  eigentlichen  Hochrenaissance,    der  kurzen  Periode,  welche  die  Le- 
benszeit Rafaels  umschliesst,  entgegenbringt,  hat  B.  auch  der  Zeit  des  Verfalls 
seinen  ganzen  Forschereifer  und  die  volle  Kraft  seines  ästhetischen  Verständ- 
nisses nicht  vorenthalten.    Wie  er  der  italienischen  Gothik  ihre  ganz  bestimmte 
Eigenart    und  Bedeutung    endgiltig  zuerkannt  hat,    so  wusste  er  der  Barock- 
baukunst   ihren  ganz  specifischen  Werth  abzugewinnen:    »sie  spricht  dieselbe 
Sprache,  wie  die  Renaissance,  aber  einen  verwilderten  Dialekt  davon«.     Das 
hohe  Lob  der  Gerechtigkeit  darf  dem  »Cicerone«  nicht  vorenthalten  bleiben, 
mit    einer  Ausnahme    allerdings:    Michelangelo  kommt  bei  B.  nicht  gut  weg. 
Das  Gewaltsame,  an  keine  Tradition  sich  bindende,  immer  neuen  Formproble- 
men   nachjagende  Naturell  dieses  Künstlertitans  war  ihm  fast  unheimlich,   er 
spürte  etwas  »dämonisches«  in  ihm,  und  das  sagte  B.  nicht  zu.    Unter  dieser 


Burckhardt.  63 

Antipathie  hat  namentlich  der  Skulptor  Michelangelo  zu  leiden  gehabt.  In 
seinen  »aus  der  Traumwelt  der  Möglichkeiten  gegriffenen  Gestalten«  glaubte 
B.  nur  »das  Motiv  als  solches,  nicht  als  passendsten  Ausdruck  eines  gegebenen 
Inhaltes«  —  wie  dies  für  die  antike  Skulptur  der  »Cicerone«  statuirt  —  zu 
erblicken,  und  diese  Absichtlichkeit  war  ihm  antipathisch,  und  er  führte  gegen 
sie  in's  Feld  den  Liebling  seines  Herzens,  Rafael,  »der  den  Sinn  mit  dem 
höchsten  Interesse  an  der  Sache  und  das  Auge  mit  innigstem  Wohlgefallen 
erfüllt,  lange  ehe  man  nur  an  die  Mittel  denkt,  durch  welche  er  sein  Ziel 
erreicht  hat«.  Von  Rafael  hcisst  es  feierlich:  »die  Seele  des  modernen 
Menschen  hat  im  Gebiet  des  Form-Schönen  keinen  höheren  Herrn  und  Hüter 
als  ihn«. 

Es  ist  hier  nicht  die  Stelle,  um  ausführlicher  von  diesem  Buche  zu  spre- 
chen, das  sich  ohnehin  bei  allen  Italienfreunden  des  Heimathrechts  erfreut. 
Nur  einige  Randbemerkungen  wollen  wir  uns  gestatten.  In  dem  Widmungs- 
brief der  ersten  Auflage  »An  Franz  Kugler  in  Berlin«  schreibt  B.:  »Du  siebest, 
wie  ich  mit  unserer  schon  etwas  bejahrten  ästhetischen  Sprache  gekämpft 
habe,  um  ihr  ein  eigen thümliches  Leben  abzugewinnen.«  In  diesen  beschei- 
denen Worten  deutet  der  Verfasser  auf  eine  Seite  seines  Buches  hin,  die  nie 
genug  bewundert  werden  kann:  die  ganz  einzigartige  Prägnanz  und  Treff- 
sicherheit des  Ausdrucks.  Jedes  Adjektiv  ist  mit  feinster  Ueberlegung  ge- 
wählt und  steckt  voll  bezeichnender  Charakteristik;  jeder  Satz  ist  knapp  und 
doch  nirgends  ärmlich  formulirt  und  deckt  sich  in  seiner  klaren  Fassung  völlig 
mit  dem  Gedanken,  dem  Urtheil,  das  er  vermitteln  will.  So  ist  der  »Cice- 
rone« eine  unerschöpfliche  Fundgrube  gesunder  ästhetischer  Terminologie  ge- 
worden und  ein  stets  neues  Entzücken  Aller,  die  sich  ein  Gefühl  für  Schön- 
heit, Kraft  und  Bündigkeit  des  sprachlichen  Ausdrucks  bewahrt  haben.  Das 
persönliche  Moment  in  dem  Buche  haben  wir  schon  oben  kurz  berührt;  an 
wie  manchen  Stellen  überrascht  uns  B.  mit  einer  Bemerkung,  die  wir  gerade 
hier  nicht  gesucht  hätten:  da  lesen  wir  ein  sehr  ausfuhrliches  und  für  B. 
höchst  bezeichnendes  Urtheil  über  Dante's  Göttliche  Komödie;  da  stossen  wir 
auf  den  schon  früher  erwähnten  warmen  Preis  des  Luganersees,  dem  vor  dem 
»brillanten«  Comersee  der  Vorzug  gegeben  wird;  da  treffen  wir  bei  Anlass 
Beminis  eine  feine  Parallele  oder  wol  besser  Contrastirung  der  allegorischen  Ge- 
stalten dieses  Künstlers  zu  denen  in  Calderon's  Dramenwelt,  und  anschliessend 
daran  die  Bemerkung,  dass  man  auch  bei  Rubens  bisweüen  eine  ähnliche, 
zum  Glauben  zwingende  Gewalt  der  Allegorie  wie  bei  Calderon  empfinde. 
Diese  wenigen  Proben  müssen  hier  genügen.  An  Reichthum  der  Gesichts- 
punkte, ästhetischem  Feingehalt,  sprachlicher  Vollendung  steht  der  »Cicerone« 
m  der  Kunstgeschichte  unseres  Jahrhunderts  wohl  einzig  da.  Von  Winckel- 
mann  rühmt  huldigend  der  »Cicerone«,  dass  »die  Kunstgeschichte  ihm  vor 
allen  anderen  den  Schlüssel  zur  vergleichenden  Betrachtimg,  ja  ihr  Dasein 
verdankt«;  vom  »Cicerone«  selbst,  der  sich  mit  vollstem  Recht  »eine 
Anleitung  zum  Genuss  der  Kunstwerke  Italiens«  nennen  durfte,  können 
wir  sagen,  dass  wir  ihm  in  erster  Linie  unsere  Kenntniss  der  italienischen 
Kunst  und  damit  vielleicht  eines  der  höchsten  Glücksgüter  unseres  Lebens 
verdanken. 

Der  «Cicerone«  brachte,  wie  schon  erwähnt,  B.  den  Ruf  als  Lehrer  der 
Kunstgeschichte  an's  Polytechnikum  nach  Zürich.  Gottfried  Semper  war 
gleichzeitig  mit  ihm  dahin  berufen  worden;  näher  sind  sich  die  beiden  Männer 
bei  aller    gegenseitigen  Hochachtung    nicht  gekommen.     Zu  Gottfried  Keller 


64  Burckhardt 

trat  der  Basler  in  ein  gutes  Verhältniss,  und  er  freute  und  rühmte  sich  dessen 
noch  in  seinen  alten  Tagen.     Er  hat  ihn  als  Dichter  warm  verehrt  und  ihm 
gewisse    kräftige  Ausfälle    wie    im  »Verlornen  Lachen«   ganz  besonders  hoch 
angerechnet.     Bei  allem  Lehrerfolg  und  aller  Anerkennung,  die  sich  B.  durch 
Vorträge  auch  in  weiteren  Kreisen  erwarb,  behagte  es  ihm  aber  auf  die  Länge 
in  Zürich  doch  nicht,  und  er  Hess  sich  im  Frühjahr  1858  mit  Freuden  nach 
Basel  zurückberufen;  endlich  fand  er  in  der  Vaterstadt  die  Stellung,  die  seiner 
Fähigkeiten    würdig    war:    das  Ordinariat    der  Geschichte  in  Verbindung  mit 
einem    Geschichtspensum    an    den    obersten    Klassen    des    Gymnasiums.      Im 
Sommer  1858  nahm  er  seine  Vorlesungen  in  Basel  wieder  auf.     Eine  Frucht 
des  Zürcher  Aufenthalts  ist  eine  Monographie   über  den  Dom  von  Chur,    er- 
schienen in  den  Mittheilungen  der  Zürcher  Antiquarischen  Gesellschaft,   leider 
anonym,    so  dass  sie,    obwohl  B.'s  Autorschaft  er^'iesen  ist,  in  dem  Publica- 
tionenverzeichniss  der  Gesellschaft  fort  und  fort  unter  der  unrichtigen  Flagge 
Ferd.  Keller's  segelt.    Es  ist  eine  sorgfältige  und  feinsinnige  Beschreibung  des 
baulich  und  um  seiner  Kirchenschätze  willen  sehenswerthen  Doms  in  der  alten 
rhätischen  Hauptstadt.     Wichtig    sind    die  Zürcher  Jahre  für  B.  dadurch    ge- 
worden,   dass    er    dort    auf  der  Bibliothek    reichstes  Material   fand  für  seine 
Renaissance-Studien.     Auf  Grund    dieser    entstand    zunächst  die  Universitäts- 
vorlesung über  die  Culturgeschichte  Italiens  vom  13.  bis  in's  16.  Jahrhundert, 
die  B.  im  Winter  1858/59   in  Basel  hielt;   dann  erschien  1860  in  Basel  sein 
zweites  culturhistorisches  Hauptwerk  »Die  Cultur  der  Renaissance  in  Italien«. 
Das  Buch  erfreut  sich,  wie  man  heute,  da  eine  französische,  englische,  italie- 
nische, ungarische  und  polnische  Uebersetzung  desselben  vorliegt,  wohl  sagen 
darf,    eines    Weltruhms;    fünf  Auflagen    sind    bis  1896    von  ihm  erschienen; 
neben  ihm  ist,  man  darf  mit  Recht  sagen  »leider«,  »Die  2^it  Constantins  des 
Grossen«,  in  den  Schatten  gerückt  worden,  weshalb    wir   oben  auch  absicht- 
lich ausfuhrlicher  auf  dieses  Werk  eingegangen  sind,  das  so  reichen  Stoff  zu 
historischem  Nachdenken  bietet.    Begreiflich  ist  diese  Bevorzugung  des  Buches 
über    die  Renaissancecultur  allerdings,    denn  zum  Italien  jener  Zeiten  fühlen 
wir  Nordländer  uns  schon  durch  die  hohe  Kunst,  die  uns  von  Jugend  auf  in 
Reproductionen    berühmter    Schöpfungen    als    etwas    besonders    Verehrungs- 
würdiges empfohlen  ist,    wie  durch  einen  geheimen  Zauber  hingezogen;    und 
von  vornherein  muss  es  uns  locken.  Näheres  zu  erfahren  von  einer  Periode, 
deren    reiches  Kunstschaffen    nur  in  der  Antike  ihres  Gleichen  besitzt.     Und 
welchen  Blick  hat  uns  da  B.  eröffnet,   wie  ist  er  auch  hier,  wie  einst  schon 
im  »Cicerone«,    der    grosse    Entdecker    geworden  1     Heute    sehen    wir    recht 
eigentlich  die  Renaissance  durch  das  Medium  von  B.'s  Geist;    und  was  sich 
an  seiner  Auffassung  als  correcturbedürftig  erwiesen  hat,  berührt  doch  nirgends 
die  grossen  bleibenden  Hauptresultate  seines  Culturbildes.    Mag  auch  da  und 
dort    im  Mittelalter,    etwa  im  Süd-Frankreich  der  proven^lischen  Cultur,  ein 
individuelles  Streben    zum    Durchbruch    gekommen    sein,    im    letzten  Grunde 
bleibt    es    eben    doch  für  das  geistige  Gesammtbild  des  Mittelalters  bei  dem 
berühmten  Satze  B.*s:    »Im  Mittelalter  lagen  die  beiden  Seiten  des  Bewusst- 
seins  —  nach    der  Welt    hin  und  nach  dem  Innern  des  Menschen  selbst  — 
wie  unter  einem  gemeinsamen  Schleier  träumend  oder  halbwach.    Der  Schleier 
war    gewoben    aus  Glauben,  Kindesbefangenheit  und  Wahn;    durch    ihn   hin- 
durchgesehen erschienen  Welt  und  Geschichte  wundersam  gefärbt.    Der  Mensch 
aber  erkannte  sich  nur  als  Ra^e,  Volk,  Partei,  Corporation,  Familie  oder  sonst 
in    irgend    einer    Form    des  Allgemeinen.«     Wäre    das  nicht  so  gewesen,    so 


Burckhardt.  65 

lÄlirde  sich  eben  doch  nie  verstehen  lassen,  warum  nur  Italien  die  Renaissance 
geschaffen    hat;    hier    muss    wirklich,    wie  B.  es  ausfuhrt,    der  Volksgeist  ein 
anderer    gewesen    sein    als  in  den  anderen  Ländern,   hier  müssen  Kräfte  ge- 
schlummert haben,  die  trotz  aller  mittelalterlicher  Bande  auf  das  Königsrecht 
des  Individuums,   sich  seiner  Subjectivität  bewusst  zu  werden  und  die  Dinge 
(lieser  Welt    objectiv  zu  betrachten  und  zu  behandeln,    sich  zu  besinnen  die 
Fähigkeit  und  den  Muth  besassen.     Denn  daran  hält  B.  fest:  nicht  das  Alter- 
thum    allein    ist  es  gewesen,   das,  wieder  erwacht,  die  Menschen  zwang,  sich 
u-ieder  auf  sich  selbst  zu  besinnen,  sondern  sein  Bündniss  mit  dem  bestehen- 
den italienischen  Volksgeist.     In  seinen  Condottieren  und  Staatskünstlem   sah 
Italien   zum    ersten  Male  die  Macht  des  Individuums  wieder  zur  Geltung  ge- 
langen;   daneben    sind   es  die  beiden  grossen  Städte-Republiken  Florenz  und 
Venedig,    vor    allem    das    erstere,    in  denen  der  Geist  der  antiken  Polis,  der 
selbstbewussten  Stadtgemeinde,  sich  neue  Formen  schafft  und  ein  neues  indi- 
viduelles Leben  weckt.    Und  wie  den  Menschen,  so  entdeckt  diese  Renaissance 
im  B.'schen  Sinne  auch  die  Welt;  Michelet  hatte  einst  diese  Formel  für  die 
Renaissance    geschaffen,    B.  aber  giebt  ihr  als  Erster  den  wahren,  vollen  In- 
halt: der  Blick  öffnet  sich  für  die  weite  Welt,    für  die  landschaftliche  Schön- 
heit,   wie    er    sich  nach  innen  das  Seelenleben  des  Menschen  erschliesst  und 
diesen  zum  Mittelpunkt  der  Schilderung  in  Poesie  und  Prosa  werden  lässt.    Und 
das   aUes    wird  nun  »von  der  Einwirkung  der  antiken  Welt  mannichfach  ge- 
färbt« ;  und  »nur  mit  ihr  und  durch  sie«  ist  »die  Aeusserungsweise  im  Leben 
verständlich  und  vorhanden«.    Diesem  neuen  mächtigen  Fluidum  ist  B.  nach- 
gegangen  im  dritten  Abschnitt  seines  Buches,  der  von  der  Wiedererweckung 
des  Alterthums  handelt.     Wie  sich  nun  diese  italienische  Renaissancemensch- 
heit —  B.  denkt  dabei  freilich  ausschliesslich  an  die  Gebildeten  des  damaligen 
Italiens  —  in  concreter  Weise  auslebt,    das    schildert  wunder^'ürdig  der  Ab- 
schnitt über  die  Geselligkeit    und   die  Feste.     Wie  ein  Hauch  von  Sehnsucht 
nach  diesem  glänzenden  und  geistvollen  Treiben  liegt  es  über  diesem  farben- 
y>rächtigen  Kapitel,   das  denn  auch  nicht  vergebens  ausgeht  in  den  resignirt- 
wehmüthigen  Refrain    aus    dem  berühmten  Bacchus  und  Ariadne-Trionfo  Lo- 
renzo  Medicis,  den  man  auf  Deutsch  etwa  so  wiedergeben  könnte:    »Golden 
ist  der  Jugend  Schimmer,  —  Doch  gar  bald  der  Zeiten  Beutel  —  Willst  Du 
froh    sein,    sei's  drum  heute,  —  Wer  weiss,  morgen  bist  Du  nimmer.«     Den 
Schluss    des  Buches    bildet    eine  Betrachtung  von  Sitte  und  Religion:   neben 
reinem  Licht    auch    tiefer  Schatten,    neben    geistiger  Freiheit    finsterer  Aber- 
glaube,   Frevelsinn    zeitweise    abwechselnd    mit  »Bussepidemien«,    neben   der 
Weltlichkeit  im  ernsten  Sinne  des  Wortes,  von  der  es  bei  B.  heisst:    »Es  ist 
eine    erhabene  Nothwendigkeit    des    modernen  Geistes,    dass  er  dieselbe  gar 
nicht  mehr  abschütteln  kann,  dass  er  zur  Erforschung  der  Menschen  und  der 
Dinge    unwiderstehlich    getrieben   wird  und  dies  für  seine  Bestimmung  hält«, 
neben    dieser    der    mächtige  Glaubenseifer  Savonarola's,   des  Mannes  mit  der 
gewaltigen    Seele    und    dem    engen  Geiste.     Aber    bei    allem   mannichfachen 
Trüben    warnt  B.  doch    durchgehend    vor  einer  einseitigen  Verurtheilung  des 
damaligen    Italieners    in    sittlicher    Beziehung:    »Die  grosse  Verrechnung  von 
Nationalcharakter,  Schuld  und  Gewissen  bleibt  eine  geheime,  schon  weil  die 
Mängel  eine  zweite  Seite  haben,  wo  sie  dann  als  nationale  Eigenschaften,  ja 
als  Tugenden    erscheinen.«     Und    weiter:    »Eine    grosse    Nation,    die    durch 
Cultur,  Thaten  und  Erlebnisse  mit  dem  Leben  der  ganzen  neueren  Welt  ver- 
Hochten    ist,    überhört    es,    ob    man    sie  anklage  oder  entschuldige;    sie  lebt 

Blogr.  Jahrb.  a.  DentMher  Nekrolog.    3.  Bd.  e 


66  Burckhardt. 

weiter  mit  oder  ohne  Gutheissen  der  Theoretiker.«  So  will  B.  denn  auch 
alle  seine  Aeusserungen  über  Sitte  und  Religion  der  Renaissancemenschen  nur 
als  eine  Reihe  von  Randbemerkungen  aufgefasst  wissen.  Er  lässt  bis  auf  einen 
gewissen  Grad  dea  Einwand  gegen  die  Renaissance  gelten,  dass  sie  zu  keiner 
eigentlichen  Reformation  gelangt  sei,  aber  er  giebt  dem  gegenüber  auch  zu 
erwägen,  dass  seit  dem  13.  Jahrhundert  bis  auf  Savonarola  »sehr  viel  posi- 
tiver Glaubensinhalt«  vorhanden  war,  »dem  zur  Reife  nichts  als  das  Glück 
fehlte«.  Auch  an  anderen  Stellen,  z.  B.  in  Bezug  auf  die  Unsittlichkeit  der 
damaligen  Novellisten,  auf  das  Brechen  der  Ehe,  auf  das  sogenannte  moderne 
Heidenthum  der  Renaissance,  weiss  B.  die  Gegenrechnung  geistreich  und 
überzeugend  aufzustellen,  ohne  doch  je  in  den  Ton  eines  banalen  Plai- 
doyers  zu  verfallen.  Davor  bewahren  ihn  sein  Geschmack  und  sein  psycho- 
logischer Scharfblick.  Dass  er  übrigens  ohne  Vorbehalt  und  ohne  mildernde 
Instanzen  Verwerfliches  beim  Namen  nannte,  könnte  schon  einzig  die 
Charakteristik  Pietro  Aretino's  zeigen;  so  hat  etwa  Dante  seine  Verdammten 
behandelt. 

Der  Ruhm  der  »Cultur  der  Renaissance«  lässt  sich  gar  nicht  erschöpfen; 
das  Buch  verlangt  gebildete  Leser  und  ruhige  und  wiederholte  Lektüre:  dann 
erst  wird  man  seines  ungeheuren  Reich thums  inne.  Einen  Stoff,  der  für 
mehrere  Bände  ausgereicht  hätte,  und  für  den  vielleicht  auch  ursprünglich 
eine  breitere  Darstellung  vorausgesehen  war,  hat  B.  hier  auf  560  Seiten  zu- 
sammengedrängt :  jeder  Satz  ist  mit  Inhalt  gesättigt,  das  Ganze  in  einer  Weise 
durchdacht  und  verarbeitet,  dass  das  Buch  wie  ein  grosser  herrlicher  Organis- 
mus vor  uns  steht.  Livre  admirable,  U  plus  complet  et  le  plus philosopfiique 
qtCon  ait  ecrit  sur  la  Renaissance  italienne:  mit  diesen  Worten  hat  H.  Taine, 
auch  ein  Gewaltiger  im  Reiche  des  Geistes,  das  Buch  B.'s  in  einer  Anmer- 
kung seiner  Philosophie  de  VArt  charakterisirt;  und  wer  in  Deutschland  jemals 
über  Renaissance  das  Wort  ergriffen,  hat  in  lauten  Worten  das  Verdienst 
dieses  Werkes  gepriesen,  das  den  Begriff  der  Renaissance  im  Grossen  und 
Ganzen  endgiltig  fixirt  hat.  Nur  ein  wahrhaft  philosophischer  Kopf  konnte 
dieses  Buch  schreiben  und  so  schreiben;  wir  wollen  damit  B.  nicht  zu  einem 
Philosophen  machen  in  der  üblichen  Bedeutung  dieses  Wortes:  die  philoso- 
phische Speculation  war  seine  Sache  nie,  und  schon  der  Student  hatte  in 
Berlin  nur  ein  skeptisches  Lächeln  fiir  den  Hegel'schen  Formelkram  und  hielt 
spottend  seinen  Hegelianer -Freunden  den  »überwundenen  Standpunkt«  der 
positiven  Kenntnisse  vor.  Ein  Philosoph  aber  ist  B.  in  der  Kunst,  aus  dem 
massenhaften  Stoff  das  WerthvoUe,  Bleibende,  Bezeichnende  herauszuschälen, 
es  innerlich  in  Beziehung  zu  setzen,  in  einen  grossen  Zusammenhang  zu  brin- 
gen und  so  das  tiefste  Wesen  geschichtlicher  Erscheinungen  zu  ergründen 
und  zu  formuliren.  Hält  man  so  von  dem  Begriff  des  philosophischen  Den- 
kens alles  Abstrakte,  Begriffsmässige,  Nüchterne  und  Kahle  fem,  so  wird  man 
dem  Ausspruch  Taine's  in  vollem  Umfange  zustimmen  müssen.  Nur  feinste 
Geistesbildung  hat  das  Renaissancebuch  schaffen  können  und  nur  ein  jener 
Epoche  in  manchem  congenialer  Mann  konnte  sich  so  in  sie  hineinversetzen, 
nur  ein  Psycholog  von  so  intuitivem  Scharfblick  vermochte  mit  dieser  Sicher- 
heit in  den  Seelen  der  damaligen  Menschen,  in  und  zwischen  den  2^ilen  der 
damaligen  Literatur  zu  lesen.  Alle  Erudition  wäre  ohne  diese  Eigenschaften 
unfruchtbar  geblieben;  unter  B.'s  Händen  wurde  sie  lebendig  und  gab  ihr 
Feinstes  und  Werthvollstes  willig  her.  Das  macht  das  unvergängliche  Ver- 
dienst der  »Cultur  der  Renaissance  in  Italien«  aus. 


Burckhardt.  67 

B.  ist,  nachdem  er  einmal  sein  Werk  veröffentlicht  hatte,  nie  mehr  in 
seinen  Vorlesungen  im  Zusammenhang  auf  diese  Culturperiode  zurückgekom- 
men; in  dem  Geschieh tscoUeg,  das  die  Zeit  von  1450  bis  1598  umfasste,  lag 
der  Accent  fast  ausschliesslich  auf  der  politischen  Geschichte,  und  nur  sehr 
sporadisch  flocht  er  einzelne  Bemerkungen  über  die  culturgeschichtliche  Seite 
dieser  Epoche  und  ihre  Hauptvertreter  ein.  Es  hätte  ihm  widerstrebt, 
einen  Stoff  immer  und  immer  wieder  zu  behandeln,  den  er  in  eigenen  Büchern 
fixirt  hatte,  oder  gar  seine  Arbeiten  citiren  zu  müssen.  Das  ist  nie  geschehen. 
Nicht  alle  Hochschullehrer  sind  so  feinfühlig.  Für  B.  war  das  Problem,  das 
er  sich  gestellt  hatte,  erledigt;  er  wandte  sich  sofort  der  Erforschung  einer 
anderen  Culturwelt  zu:  der  griechischen.  Sie  wurde  fortan  in  den  Rahmen 
seiner  Universitätsvorlesungen  aufgenommen  und  ersetzte  mit  der  Zeit  das 
Colleg  über  alte  Geschichte,  dessen  Vorbereitung  bei  der  Fülle  der  neuen 
Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  orientalischen  Geschichte  B.  besondere 
Mühe  machte.  Ein  grosses  Werk  schuldete  er  freilich  der  Wissenschaft  noch; 
die  kurze  Einleitung  zur  »Cultur  der  Renaissance«  hatte  er  mit  dem  Satz 
abgeschlossen:  »Der  grössten  Lücke  dieses  Buches  gedenken  wir  in  einiger 
Zeit  durch  ein  besonderes  Werk  über  »Die  Kunst  der  Renaissance«  abzu- 
helfen.« Er  konnte  sich  getrauen,  ein  solches  Versprechen  zu  geben,  hatte 
er  doch  im  »Cicerone«,  den  er  hier  wie  nicht  vorhanden  behandelt,  die  voll- 
giltige  Probe  seiner  Befähigung  zu  dieser  Arbeit  abgelegt.  Leider  hat  B. 
dieses  Versprechen  nicht  im  vollen  Umfange  eingelöst;  aus  dem  Kunstschaffen 
der  Renaissance  griff  er  ein  einziges  Gebiet,  das  ihm  freilich  stets  besonders 
am  Herzen  lag,  heraus:  die  Architektur  sammt  der  Decoration.  So  entstand 
*Die  Geschichte  der  Renaissance  in  Italien«,  als  4.  Band  der  von  Kugler  be- 
gonnenen, von  W.  Lübke,  B.'s  Freunde,  fortgesetzten  »Geschichte  der  Bau- 
kunst«. 1867  erschien  das  Buch,  1878  wurde  eine  zweite  Auflage  nöthig, 
die  dritte  kam  1891  zur  Ausgabe.  Die  »Geschichte  der  Renaissance«  ist 
dasjenige  Buch  B.'s,  welches  die  grössten  Ansprüche  an  den  Leser  stellt  und 
deshalb  auch  immer  nur  von  Wenigen  in  seiner  ganzen  unvergleichlichen 
Feinheit  und  Eigenart  wird  gewürdigt  werden  können.  Indem  der  Verfasser 
auf  den  Reiz  der  fortlaufenden  Schilderung  absichtlich  verzichtete,  den  Stoff 
in  kurze,  knappe  Paragraphen  und  diese  erläuternde  und  belegende  Anmer- 
kungen zusammendrängte,  überdies  die  Denkmäler  nach  Sachen  und  Gat- 
tungen systematisch  gliederte,  stellte  er  an  den  Leser  die  i^orderung,  ein  ge- 
naues, anhaltendes  und  eindringendes  Studium  der  Darstellung  zu  widmen. 
Dieses  Studium  aber  wird  herrlich  belohnt.  Die  scharfe  Präcision  des  sprach- 
lichen Ausdrucks,  der  in  wenigen  Worten  immer  das  Wesentliche  und  Cha- 
raktefristische  zu  sagen  weiss;  die  Feinheit  des  formalen  Empfindens;  die 
völlige  Durchdringung  und  Beherrschung  des  Stoffes  feiern  hier  wahre  Triumphe. 
Das  Buch  könnte  von  einem  hochgebildeten  Architekten  geschrieben  sein,  und 
doch  gewinnt  man  den  Eindruck,  dass  selbst  ein  solcher  kaum  Besseres  und 
Treffenderes  zu  sagen  vermöchte,  als  dieser  Laie  in  Bausachen,  der  aber  die 
Sprache  des  architektonischen  Schaffens  in  der  Anwendung  der  Einzelformen 
wie  in  der  Composition  des  Einzelnen  zu  einem  baulichen  Organismus  ge- 
radezu wunderbar  verstand.  In  Fachkreisen  ist  deshalb  auch  B.  um  dieses 
Werkes  willen  willig  und  neidlos  der  Ruhm  einer  Autorität  fiir  die  Renais- 
sancebaukunst zugestanden  worden.  Der  Hohepriester  der  Renaissance,  wie 
Waagen  einst  B.  genannt,  hatte  nochmals  in  herrlicher  Weise  seines  Amtes 
gewaltet. 


68  Burckhardt. 

Mit  der  »Geschichte  der  Renaissance  in  Italien«  schloss  B.  seine  wissen- 
schaftlichen Publicationen  ab.    Der  literarische  Ehrgeiz  hat  ihn  nicht  geplagt, 
so   wenig  als   der  specielle  Gelehrtenruhm.    Er  empfand  es  überdies  als  eine 
grosse    Wohlthat,    nicht    »in   der    Knechtschaft    buchhändlerischer    Geschäfte 
leben  zu  müssen«.    Und  so  haben  wir  denn  das  merkwürdige  Schauspiel,   dass 
ein  Mann    von  B.'s  Bedeutung    vom  Jahre  1867    an   bis  zu   seinem  1897   er- 
folgten Tode,    also  30  Jahre   lang,    mit  keinem   neuen  Werke   mehr  vor  die 
Oeffentlichkeit  trat,  ja,  dass  er  die  alten  mit  Ausnahme  der  »Zeit  Constantins 
des  Grossen«  und   der  »Geschichte   der  Renaissance«  für  die  Neuauflagen  so- 
zusagen völlig  aus  seinen  Händen    gab;    und  auch  bei  letztgenanntem  Buche 
vertraute  er   die   dritte  Auflage  von   1891   Professor  Holtzinger  an,  ohne  frei- 
lich   auf   die   Mitarbeit    ganz    zu    verzichten.     Die  »Cultur  der  Renaissance« 
hatte    er    1869    in     nahezu    unveränderter    Ausgabe    zum    zweiten    Male     er- 
scheinen lassen;  weiterhin  nahm  er  sich  dieses  Werkes  nicht  mehr  an;    Prof. 
Ludwig  Geiger    in  Berlin    besorgte  die  weiteren  Auflagen,    leider  nicht  ohne 
mannichfache  überflüssige  Hinzufügungen  und  äusserliche  Veränderungen,   ab- 
gesehen von  gewissen  Auslassungen,  die,  angeblich  von  dem  neuen  Stand  der 
Wissenschaften    gefordert,    gar  nicht    immer  auf  die  Länge  sich  gerechtfertigt 
haben.     Nur  der  italienischen  Uebersetzung  des  Buches  durch  Prof.  Valbusa 
in  Mantua  (Florenz  1876)  lieh  B.  seine  Mithilfe   durch   einige  Hinzufügungen 
und  Correcturen;    doch    blieb   das  Werk  in  allem  Wesentlichen  völlig  unver- 
ändert.   Unter  diesen  Umständen  haben  die  beiden  ersten  deutschen  Auflagen 
der  Renaissancecultur   ihren  ganz  besonderen  Werth.     Auch  dem  »Ciceronest 
ist  es  nicht  tiberall  gut  bekommen,    dass  die  moderne  Forschung  sich  seiner 
angenommen    hat.     Nachdem    zuerst  Alb.  von  Zahn  die  neuen  Auflagen  be- 
sorgt   und    Mündler    Zusatzbändchen    dazu    herausgegeben    hatte,    übernahm 
Wilh.  Bode,  der  hochverdiente  Berliner  Museumsdirector,  die  fernere  Heraus- 
gabe, und  Anfangs  des  Jahres  1898  ist  nunmehr  die  siebente  »vermehrte  und 
verbesserte«  Auflage  erschienen.    Es  lag  ja  auf  der  Hand,  dass  ein  Buch,  das 
wie    der  »Cicerone«  den  Italienfahrer    zum  Genuss    der  dortigen  Kunstwerke 
anleiten  sollte,  sich  nicht  völlig  von  den  Resultaten  der  rastlos  thätigen  kunst- 
geschichtlichen Forschung    emancipiren    konnte.     Nur  hätte  man  eben  diesen 
Zweck  des  Buches,  den  ästhetischen  Genuss    zu  vermitteln,   nicht  allzu    sehr 
dem  bloss  wissenschaftlichen  Forscher-  und  Sammelfleiss   opfern  sollen.     Das 
ist  aber  vielfach  im  Uebereifer  des  Genauigkeits-  und  Vollständigkeitsdranges 
geschehen.     Und    durch    diese  Vermehrung    in    der  Aufzählung    von    Kunst- 
werken,   die    der    Forscher    aufsuchen    muss,    die    aber    der  kunstfreundliche 
Italienfahrer   schon   aus  Mangel  an  Zeit  unmöglich  alle  berücksichtigen  kann, 
da    sie    vielfach    in  entlegenen  Orten  zerstreut  sind,   hat  das  Buch  eine  Ver- 
grösserung    erfahren,    die   schon  aus  praktischen  Gründen  kaum  zu  begrüssen 
ist.     Auch  die  Eintheilung  musste  sich  starke  Veränderungen  gefallen   lassen: 
für  B.  war,  wie  schon  hervorgehoben  wurde,  die  italienische  Kunst  ein  grosses 
Ganzes:    die  Antike    und    die  Renaissance  bilden  die  beiden  gewaltigen  ent- 
scheidenden Phänomene    des    italischen  Kunstschaffens;    auf  ihnen  liegen  die 
Hauptaccente.     Diesen    wohlerwogenen  Organismus    haben  die  neuesten  Auf- 
lagen zerstört,  indem  sie  die  antike  Architektur,  Skulptur  und  Malerei  in  ein 
gesondertes    erstes  Bändchen    vereinigt  haben;   ein  zweiter  Band  bringt  dann 
die  Architektur  und  Skulptur  (in  der  neuesten  erhielt  sogar  die  Skulptur  den 
Vortritt),  ein  dritter  die  Malerei  der  »neueren  Kunst«.    Ein  viertes  Bändchen 
enthält  das  sorgfältige  und  reichhaltige  Register.     Die   gewaltige  Summe  von 


Burckhardt. 


69 


Forschung,  die  namentlich  dem  heute  in  der  Werthschätzung  so  enorm  gegen- 
über früher  gestiegenen  Quattrocento  gegönnt  worden  ist,  ist  auch  für  den 
^Cicerone«  bedeutungsvoll  geworden:  hier  ist  vielfach,  namentlich  in  der 
Skulptur,  das  alte  B.'sche  Buch  ein  neues  geworden,  und  einzelne  aus  der 
ersten  Auflage  hertibergenommene  Partien  oder  nur  Sätze  nehmen  sich  neben 
dieser  dem  B.  des  »Cicerone«  von  1855  fremden  Begeisterung  für  das  Kunst- 
schaffen des  15.  Jahrhunderts,  namentlich  das  realistische,  manchmal  recht 
sonderbar  aus.  Aehnlich  verhält  es  sich  bei  der  Malerei.  Den  originalen  B. 
findet  man  daher  nur  in  der  ersten  Auflage,  und  sein  Urtheil  wird  vielleicht 
neben  dem  historischen  Werth,  den  es  für  sich  beanspruchen  darf,  eines  Tages 
wieder  einen  actuellen  gewinnen,  wenn,  was  gar  nicht  unmöglich  ist,  der 
Schwerpunkt  der  ästhetischen  Bewunderung  wieder  mehr  auf  die  eigentliche 
Hochrenaissance  und  die  von  ihren  Idealen  inspirirten  Nachzügler  gelegt  wird. 
Dass  den  sog.  Eklektikern  z.  B.  heutzutage  vielfach  Unrecht  geschehe,  blieb 
B.'s  feste  Ueberzeugung. 

Hatte  sich  auf  diese  Weise  der  grosse  Gelehrte  in  den  letzten  drei  De- 
cennien  seines  Lebens  vom  Büchermarkt  völlig  fern  gehalten  und  sich  damit 
freiwillig  der  Gefahr  des  Vergessenwerdens  in  unserer  literarisch  so  ungeheuer 
productiven  Zeit  ausgesetzt,  so  gewann  er  dafür,  was  ihm  als  das  Köstlichste 
und  WerthvoUste  erschien,  die  Müsse  für  seine  über  alles  geliebte  Lehrthätig- 
keit.  Sie  trat  nunmehr  beherrschend  in  die  Mitte  seiner  ganzen  Lebens- 
aufgabe. Neben  der  Schule,  der  er  von  1858  an  bis  1883  als  Geschichts- 
lehrer an  den  obersten  Klassen  des  Gymnasiums  auf's  treueste  und  mit  aus- 
gesprochener Sympathie  seine  Kraft  zur  Verfügung  gestellt  hat,  war  es  natür- 
lich in  erster  Linie  die  Universität,  der  sein  Wirken  galt.  Neben  der  Ge- 
schichte, die  B.  im  ganzen  Umfang  von  der  alten  Geschichte  bis  in  den  An- 
fang des  19.  Jahrhunderts  —  von  Adam  bis  auf  Napoleon,  pflegte  er  scher- 
zend zu  sagen  —  in  den  Rahmen  seiner  Vorlesungen  einbezogen,  war  es  die 
Kunstgeschichte,  die  ebenfalls  von  der  Antike  an  bis  in's  18.  Jahrhundert 
anfangs  in  drei,  später  in  fünf  Wochenstunden  das  Thema  seiner  Vorträge 
abgab.  Und  in  den  letzten  Jahren  seiner  akademischen  Thätigkeit,  als  B., 
der  die  Last  des  Alters  zu  spüren  begann,  einen  Theil  seiner  Collegien  auf- 
gegeben hatte  (1886),  war  es  die  Kunstgeschichte,  die  er  bis  in  den  Frühling 
1893  beibehielt.  Da  zwang  ein  asthmatisches  Leiden,  zusammenhängend  mit 
einer  langsam,  aber  stetig  fortschreitenden  Herzverknöcherung,  den  fast  75- 
jährigen  auf  sein  teures  Lehramt  zu  verzichten.  In  der  Stille  der  Studirstube 
flössen  B.'s  letzte  Lebensjahre  dahin,  ein  otium  cum  dignitate  im  höchsten 
Sinne  des  Wortes;  denn  auch  jetzt  gab  sich  dieser  reiche  Geist  nicht  dem 
völligen  Ausruhen  hin.  Die  Feder,  die  in  den  verflossenen  Decennien  einzig 
der  unablässigen  Arbeit  des  Excerpirens  der  Quellenschriften  und  wissenschaft- 
licher Bücher  -und  der  rastlosen  Präparation  auf  die  Vorlesungen  gedient  hatte, 
setzte  sich  jetzt  in  Bewegung,  um  B.  vor  allem  am  Herzen  liegende  Themata 
schriftlich  zu  fixiren.  Die  Lust  am  endgiltigen  Redigiren  seiner  unzähligen 
Notizen  und  Aufzeichnungen  lag  ihm  im  Blut.  So  nahm  er  die  griechische 
Culturgeschichte,  eine  seiner  glänzendsten  Vorlesungen,  wieder  vor  und  arbei- 
tete sie  in  einem  beträchtlichen  Umfange  aus,  leider  nicht  vollständig;  immer- 
hin ermöglicht  das  ziemlich  druckfertig  vorhandene  Manuskript  die  Heraus- 
gabe von  zunächst  zwei  Bänden,  die  im  Laufe  des  Jahres  1 898,  herausgegeben 
von  einem  Neffen  des  Verstorbenen,  dem  Philologen  Dr.  Jak.  Oeri,  erscheinen 
werden;    die    überaus    umfänglichen  CoUectaneen    und  Dispositionen  B.'s  für 


70 


Burckhardt. 


sein  Colleg  ermöglichen  es,  dass  diesen  zwei  Bänden  später  noch  weitere, 
voraussichtlich  zwei,  folgen  werden.  Alle  diejenigen,  welche  diese  wunder- 
volle Verrechnung  griechischen  Lebens  und  Geistes  im  Colleg  B.'s  zu  hören 
nicht  das  Glück  hatten,  werden  dann  wohl  begreifen,  wie  ein  Friedrich  Nietz- 
sche, der  als  Philologieprofessor  in  Basel  und  Freund  B.'s  die  Vorlesung  be- 
sucht hat,  dazu  kam,  in  einer  seiner  Schriften  B.  als  den  ersten  Kenner  der 
Griechen  in  unserer  Zeit  zu  preisen. 

Im  Uebrigen  galt  das  Interesse  des  alten  B.  der  Kunstgeschichte.  Und 
da  ist  es  nun  fast  rührend  zu  sehen,  wie  er  hier  in  der  einen  Schrift  zurück- 
gegriffen hat  auf  denjenigen  Meister,  welcher  einst  in  den  Studienjahren  schon 
mächtig  zu  seiner  Seele  gesprochen:  auf  Peter  Paul  Rubens.  So  entstanden 
die  »Erinnerungen  aus  Rubens«,  die  nach  des  Verfassers  Tode  —  denn  zu 
Lebzeiten  wollte  er  von  einer  Publication  nichts  wissen  —  in  Basel  erschienen 
sind  (Weihnachten  1897,  bei  Lendorff),  ein  Buch  von  300  Seiten,  getragen 
von  der  aufrichtigsten  Bewunderung  für  den  Genius  des  grossen  Malers,  der 
zugleich  ein  grosser  Mensch  gewesen  ist.  Von  den  verschiedensten  Seiten 
und  Gesichtspunkten  aus  suchte  sich  B.  das  Kunstvermögen  des  Rubens  in 
all  seiner  ungeheuren  Vielseitigkeit  klar  zu  machen.  Die  Liebe  zu  diesem  in 
seinem  Wesen  und  Schaffen  innerlich  beglückten  Meister  geht  wie  ein  Feuer- 
strom durch  diese  Schrift  hindurch,  die  man  nach  manchen  Seiten  hin  als 
ein  ästhetisches  Bekenntniss  B.'s  bezeichnen  könnte.  Mag  auch  die  exacte 
Wissenschaft  bei  diesem  Buche  nicht  allzu  viel  Neues  einzuheimsen  haben, 
der  Kunstfreund  geniesst  es  als  eine  in  ihrer  Frische  und  Begeisterung  wahr- 
haft herrliche  Gabe.  Wenn  nach  Goethe  der  Mensch  als  der  glücklichste  zu 
preisen  ist,  der  das  Ende  seines  Lebens  mit  dem  Anfang  in  Verbindung  zu 
setzen  vermag,  so  kann  man  B.  aufrichtig  darum  beneiden,  dass  er  mit  unge- 
schwächten Geisteskräften  des  reifen  Alters  auf  ein  künsderisches  Jugendideal 
zurückgreifen  durfte;  dass  er  als  Greis  unter  der  Führung  des  gewaltigen 
Peter  Paul  wieder  in  jene  goldenen  Zeiten  der  Jugendbegeisterung  sich  zurück- 
zuversetzen vermocht  hat. 

Die  anderen  kunsthistorischen  Arbeiten  führten  B.  in  die  recht  eigentlich 
von  ihm  entdeckten  herrlichen  Gefilde  der  Renaissancekunst.  »Das  Altarbild« 
behandelt  die  Entwickelung  dieses  hochwichtigen  Kirchenschmuckes  nach  Form 
und  Inhalt  auf  Grund  einer  gewaltigen  Fülle  des  B.  zu  Gebote  stehenden 
Anschauungsmaterials  in  geistvollster  Durchdringung  des  riesigen  Stoffes  und 
lichtvollster  Anordnung,  das  Ganze  durchstrahlt  und  erwärmt  von  dem  Feuer 
der  Bewunderung  für  die  unvergleichliche  italienische  Kunst.  »Das  Porträt« 
sodann  geht  nach  eingehendster  Behandlung  des  Bildnisses  im  Italien  des 
Quattrocento  dem  grossen  Problem  der  Stilwandelung  in  der  Bildnisskunst 
des  16.  Jahrhunderts  nach;  die  dritte  Abhandlung  endlich  bespricht  in  zu- 
sammenhängender Darstellung  »die  Sammler«  der  Renaissance.  Diese  drei 
Studien  werden,  in  einen  Band  vereinigt,  im  Sommer  1898  (ebenfalls  in 
Basel  bei  Lendorff)  zur  Ausgabe  kommen. 

Wir  haben  diese  literarischen  Früchte  von  B.'s  letzten  Lebensjahren  hier 
vorweggenommen,  um  die  Bahn  frei  zu  haben  für  eine  zusammenfassende 
Schilderung  des  Lehrers  B.  Wer  den  Verstorbenen  nur  aus  seinen  Büchern 
kennt,  wird  sich  nie  ein  völlig  zutreffendes  Bild  von  ihm  zu  machen  ver- 
mögen. B.  besass  eine  Lehrbegabung  ersten  Ranges;  er  wusste  dies  selbst 
sehr  wohl,  freute  sich  ihrer,  fand  seine  höchste  Befriedigung  in  ihr.  Die 
glücklichste  Redegabe  stand  ihm  zu  Gebote:  nicht  im  Sinne  des  Pathos,  das 


Burckhardt. 


71 


oft  mehr  überredet,  als  überzeugt,  sondern  im  Sinne  der  geistvollsten  Cau- 
serie;  er  meisterte  das  Wort  wie  der  Bildner  den  Thon,  der  Stilktinstler  war 
auch  ein  Wortkünstler.  Ein  Erzähler  vollendeter  Art,  verstand  er  die  Kunst 
der  feinen  Nüancirung,  die  oft  nur  mit  den  delicatesten  Mitteln  einer  stär- 
keren Betonung,  einer  ironischen  Färbung,  einer  Steigerung  der  Stimme  die 
feinsten  und  stärksten  Wirkungen  hervorzubringen  vermag;  und  dann  zitterte 
hie  und  da  in  den  Worten  die  tiefe  Ergriffenheit  des  Redners  nach,  und  der 
Humor  streute  seine  goldenen  Lichter  hinein.  Diesem  Zauber  des  Wortes 
verband  sich  der  Gehalt  der  Rede:  nirgends  die  Phrase  der  Verlegenheit, 
überall  der  von  der  völligen  Stoffbeherrschung  gesättigte  plastische  und  tref- 
fendste Ausdruck.  Gestalten  und  Ereignisse  gewannen  in  B.'s  Munde  runde 
Lebensfülle  und  dramatische  Anschaulichkeit.  Das  galt  von  den  rein  histori- 
schen Vorlesungen  so  gut  wie  von  den  culturhistorischen  —  der  herrlichen 
griechischen,  der,  wenigstens  stellenweise,  ebenso  glanzvollen  Culturgeschichte 
des  frühen  Mittelalters  — ;  in  den  kunsthistorischen  CoUegien  aber,  wo  die 
Fülle  der  Abbildungen  das  Wort  unterstützte,  feierte  das  Vermögen  B.'s,  in 
seinen  Zuhörern  die  Freude  an  der  Kunst  zu  wecken,  die  schönsten  Siege. 
Und  dieser  ganze  ungeheure  Wissensstoff  wurde  völlig  frei,  ohne  alle  und 
jede  Zuhilfenahme  eines  Manuskriptes  oder  hilfreicher  Notizen  vorgetragen. 
Das  erstaunliche  Gedächtniss  B.'s  ermöglichte  ihm  diese  Kraftleistung.  Frei- 
lich auch  dieses  würde  nicht  genügt  |haben,  wäre  nicht  jeder  einzelnen  Stunde 
die  sorgfältigste  Präparation  und  theilweise  die  genaueste  Memorirarbeit  vor- 
ausgegangen. Die  Pflichttreue  B.'s  in  dieser  Beziehung  war  seiner  Begabung 
ebenbürtig;  sie  war  recht  eigentlich  der  ethische  Centralpunkt  seiner  Persön- 
lichkeit. 

Neben  diesen  Lehrstunden  an  Schule  und  Universität  einher  floss  der 
Strom  der  öffentlichen  Vorträge  vor  gemischten  Auditorien,  in  der  historisch- 
antiquarischen Gesellschaft  und  bei  anderen  Gelegenheiten.  Hier  sah  man 
noch  einmal  hinein  in  das  unerschöpfliche  Wissen  des  Mannes.  Geschichte, 
Kunst,  Literatur  stellten  ihm  immer  neuen  Stoff  zur  Verfügung:  er  konnte 
sprechen  über  Pythagoras  und  die  Kochkunst  der  späteren  Griechen,  über 
Talleyrand  und  über  Shakespeare's  Macbeth,  über  Byzanz  im  10.  Jahrhundert 
und  über  landschaftliche  Schönheit,  über  die  Briefe  der  Madame  de  Sdvignd 
und  über  die  Weihgeschenke  der  Alten,  über  holländische  Genremalerei  und 
über  Glück  und  Unglück  in  der  Weltgeschichte.  Diese  beliebig  gewählten 
Beispiele  aus  der  fast  fabelhaften  Menge  von  B.'s  Vorträgen  mögen  einiger- 
maassen  ein  Bild  von  der  Ausdehnung  dieses  Wissens  vermitteln.  Kein  Wun- 
der denn  auch,  dass  alles,  was  in  Basel  Anspruch  auf  Bildung  erhob,  zu  diesen 
köstlichen  Abendstunden  herbeiströmte,  kein  Wunder,  dass  der  stets  dienst- 
bereite Redner  sich  in  früheren  Jahren  öfters  zu  Wiederholungen  genöthigt 
sah,  weil  das  erste  Mal  der  Saal  die  Menge  der  Zuhörer  nicht  zu  fassen  ver- 
mocht hatte.  Von  diesen  Vorträgen  her  rührte  in  erster  Linie  B.'s  Popu- 
larität; er  war  eine  stadtbekannte  Persönlichkeit,  und  über  allen  Bücherruhm 
bat  er  die  herzlichen  Sympathien  geschätzt,  die  ihm  sein  Lehrberuf  eintrug. 

So  wenig  als  in  seinen  Vorlesungen  an  der  Universität  hielt  B.  in  diesen 
Vorträgen  mit  seinem  subjectiven  Urtheil  hinter  dem  Berg.  Er  nannte  die 
Dinge  bei  ihrem  wahren  Namen  und  machte  aus  seinen  Antipathien  gegen 
gewisse  historische  oder  künstlerische  Persönlichkeiten  kein  Hehl.  Er  konnte 
dabei  recht  deutlich,  ja  derb  werden.  So  bekam  Napoleon  I.  seinen  Wider- 
willen   vielfach    sehr    drastisch    zu    spüren,    und  mit  Rembrandt  ist  er  nicht 


72 


Burckhardt. 


säuberlich  umgegangen.  Wie  auch  in  seinen  Büchern  etwa  ein  Euseb,  ein 
Pietro  Aretino,  ein  Michelangelo  seine  scharfe  Kritik  und  sein  unverhülltes 
Missfallen  zu  kosten  bekamen,  ist  schon  früher  hervorgehoben  worden.  Hier 
trennt  sich  B.  scharf  von  der  viel  gerühmten  Objectivität  Ranke's,  die  freilich 
manchmal  mehr  einer  diplomatisirenden  Sinnesweise  als  einem  besonders  aus- 
gebildeten Gerechtigkeitsdrange  entspringt  und  gar  nicht  überall  die  höhere 
innere  Wahrheit  fiir  sich  in  Anspruch  nehmen  darf.  B.  hat  sich  denn  auch 
gelegentlich  Correcturen  Ranke'scher  Urtheile  oder  Interpretationen  in  seinen 
Vorlesungen  gestattet,  bei  aller  Bewunderung,  die  er  für  den  grossen  Ge- 
schieh tschreiber  und  namentlich  für  dessen  »Römische  Päpste«  empfand,  das 
Werk,  das  Ranke  niemals  wieder  übertrofFen  habe.  Ohne  je  trivial  zu  werden, 
hat  B.  als  Redner  in  der  OefFentlichkeit  eine  edle  Popularität  gepflegt;  er 
hatte  diese  Gabe,  auch  den  einfacher  Gebildeten  sich  verständlich  zu  machen, 
ohne  doch  der  Wissenschaftlichkeit  etwas  zu  vergeben,  schon  in  jüngeren 
Jahren  erwiesen,  als  er  in  einem  »Neujahrsblatt«  Basels  Jugend  die  Bekehrung 
der  Alemannen  zum  Christenthum  in  wahrhaft  reizender  Weise  erzählte.  Das 
Gesagte  mag  genügen,  um  die  Bedeutung  B.'s  als  Lehrers  wenigstens  ahnen 
zu  lassen.  Hier  gab  er  seiner  Vaterstadt  vom  köstlichsten,  was  er  besass,  hier 
hat  er  in  seiner  Weise  geradezu  eine  Culturaufgabe  erfüllt.  Und  das  Glück 
dieser  Lehrthätigkeit  war  ftir  B.  ein  so  grosses  und  dauerndes,  dass  ihn  auch 
die  ehrenvollsten  Berufungen  nicht  aus  Basel,  der  heissgeliebten  Vaterstadt, 
wegzulocken  vermochten.  U.  a.  hat  ihn  die  Universität  Tübingen  fiir  sich  zu 
gewinnen  gesucht,  und  als  Ranke  Anfang  der  1870er  Jahre  seine  Professur 
niederlegte,  trat  an  B.  unter  den  schmeichelhaftesten  Bedingungen  der  Ruf 
heran,  dessen  Lehrstuhl  der  Geschichte,  zusammen  mit  G.  Waitz,  an  der 
Universität  der  deutschen  Reichshauptstadt  zu  übernehmen.  Aber  B.  blieb 
auch  diesmal  fest;  er  hat  es  aber  stets  als  einen  hohen  Beweis  der  Objectivität 
der  preussischen  Regierung  in  wissenschaftlichen  Fragen  betrachtet,  dass  diese 
vielbegehrte  Stelle  ihm  gegeben  worden  wäre,  wenn  er  nur  gewollt  hätte. 
Irgend  einen  materiellen  Vortheil  für  seine  Basler  Professur  hat  B.  aus  diesen 
Berufungen  niemals  gezogen.     Dazu  war  er  zu  vornehm. 

Im  Uebrigen  verlief  sein  Dasein  still,  fast  unbemerkt.  In  die  active  Po- 
litik hat  er  nie  eingegriffen;  alles  Hervortreten  in  öffentlichen  Fragen  war  ihm 
lästig,  es  hätte  seine  ruhige  Gelehrtenarbeit  nur  stören  können.  In  der  Kunst, 
sich  alles  Unangenehme,  alles  was  nach  zeitraubenden  Verpflichtungen  und 
unter  Umständen  lastenden  Verantwortlichkeiten  ausserhalb  seines  eigentlichen 
Berufs  schmeckte,  vom  Leibe  zu  halten,  war  B.  ein  Meister.  Ein  gewisser 
Mangel  an  Muth  lässt  sich  hier  nicht  verkennen;  es  war  eine  Art  feinster 
Egoismus,  dem  B.  huldigte.  Goethe  würde  das  verstanden  und  gebilligt 
haben.  Die  Selbständigkeit  ging  B.  über  alles.  Er  hielt  darum  gerne  zu  den 
Minoritäten;  alles  Majorisiren  war  ihm  ein  Greuel.  Nicht  umsonst  hat  er  im 
»Constantin«  die  zwei  einzigen  Bischöfe,  die  dem  Nicaenum  nicht  beitraten, 
mit  Namen  genannt;  sie  mochten  ja  halsstarrig  sein,  aber  sie  hatten  sich 
nicht  von  der  Majorität  brutalisiren  lassen.  Darum  war  auch  B.  alles  Gewalt- 
thätige,  Nivellirende  in  Politik  und  Cultur  widerwärtig;  ein  stark  conservatives 
Element  lebte  in  ihm,  und  jeder  rohe,  scharfe  Bruch  mit  der  Vergangenheit 
war  ihm  unangenehm.  Man  darf  sich  deshalb  nicht  wundern,  dass  z.  B.  die 
Reformationsbewegung  bei  ihm  nicht  gut  weg  kam ;  er  fand  allzu  viel  Mensch- 
liches, Egoistisches  und  Materielles  in  ihren  Motiven,  als  dass  er  der  ideellen 
Seite  derselben  völlig  gerecht  hätte  werden  können.    Es  hing  dies  zusammen 


Burckhardt. 


73 


mit  seiner  pessimistischen  Stimmung  der  Welt  und  den  Menschen  gegenüber. 
Schon  im  »Constantin«  Hest  man,  bei  Anlass  des  Christen thums,  die  Worte: 
^Die  idealen  Menschen  voll  geistiger  Tiefe  und  praktischer  Hingebung  waren 
gewiss  die  kleine  Minderzahl,  wie  in  allen  irdischen  Dingen.«  Bei  dieser  Auf- 
fassung blieb  er;  sie  befähigte  ihn  dann  aber  auch,  eben  solche  Ausnahme- 
naturen in  ihrer  ganzen  Grösse  und  Eigenart  zu  verstehen  und  zu  würdigen. 
Und  wo  dann  bei  solchen  noch  das  Moment  des  heroischen  Entsagens  auf 
alle  Freude  und  Lust  der  Welt,  der  Selbstverleugnung  und  der  Aufopferung 
im  Dienste  Anderer  hinzukam,  da  fanden  sie  in  B.  einen  Anwalt  der  beredte- 
sten und  ergreifendsten  Art.  Ein  solcher  Mann,  der  in  B.'s  Darstellung  einen 
wahren  Glorienschein  erhielt,  war  der  heil.  Severinus,  dessen  Lebensbeschrei- 
Imng  er  zu  den  grössten  und  aufregendsten  Lektüren  des  ganzen  Mittelalters 
rechnete.  Das  Christen thum  solcher  Männer,  die  von  der  Welt  nichts  mehr 
verlangen,  die  nur  den  Anderen  leben  und  darin  ihr  Glück  finden,  das  war 
das  Christenthum,  welchem  B.  die  grösste  Hochachtung  entgegenbrachte.  Die 
Lehre  vom  Leiden  dieser  Welt  erschien  ihm  als  der  grosse  ewige  Grund- 
gedanke des  Christenthums ;  es  war  ihm  die  Religion  derer,  die  diese  Welt 
nicht  lieb  haben.  Man  lese  nur  den  Schluss  des  Capitels  über  die  Askese 
im  »Constantin«,  und  man  wird  sehen,  wie  von  diesem  Standpunkt  aus  B. 
auch  die  Berechtigung  der  Askese  betont  hat.  Wie  er  der  etablirten  und 
staatlich  garantirten  Kirche  im  genannten  Werke  wenig  sympathisch  gegen- 
über steht,  so  hat  er  auch  zum  concreten  kirchlichen  Leben  Basels  sich  ab- 
lehnend verhalten;  er  wollte  auch  hier  völlig  unabhängig  sein;  wie  er  aber 
bei  aller  raschen  Verknöcherung  und  Ausartung  des  Staatskirchenthums  im 
4.  Jahrhundert  in  der  Orthodoxie  doch  einen  wichtigen  nationalen  Halt  glaubte 
erkennen  zu  dürfen,  so  erblickte  er  auch  in  unseren  Tagen  in  dem  Bestand 
einer  Orthodoxie  gegenüber  den  freien  kirchlichen  Richtungen  etwas  Werth- 
volles,  und  er  fand  gegen  alles  Heterodoxe  scharfe  Worte  des  Widerwillens. 
Seine  Stellung  zum  Katholicismus  war  dieselbe ;  dem  Alt-  oder  Christkatholi- 
cismus  vermochte  er  keine  gute  Seite  abzugewinnen. 

B.'s  Lebensweise  war  die  denkbar  einfachste,  in  früheren  Jahren  eine  fast 
spartanische:  kein  Luxus  irgend  welcher  Art  in  Wohnung  oder  Kleidung;  er 
behalf  sich  mit  dem  dringend  Nöthigsten;  er  wollte  auch  hier  kein  Sklave 
irgend  welcher  Bedürfnisse  sein.  Sein  Junggesellen  thum  leistete  diesem  Trieb 
nach  Einfachheit  und  Frugalität  kräftigen  Vorschub.  Der  Tag  verging  mit 
Vorbereitungen  zu  den  Vorlesungen,  mit  unablässiger  Quellen-  und  Bücher- 
lektüre, mit  den  Collegien  und  Vorträgen ;  am  Abend  spielte  der  Einsame  in 
seinem  Zimmer  Klavier:  Compositionen  seiner  alten  Lieblinge,  der  Italiener, 
Mozarts,  Schuberts;  in  früheren  Jahren  war  er  auch  ein  eifriger  Sänger  — 
freilich  nie  in  Vereinen  —  gewesen.  Dann  begab  er  sich  gerne  zu  einem 
Glase  Wein,  wobei  B.  nicht  vorzugsweise  die  Gesellschaft  von  geistig  beson- 
ders bedeutenden  Männern  suchte ;  er  wollte  sich  auch  hier  ungenirt  gehen  lassen, 
und  vor  allem,  er  liebte  es,  selber  die  Kosten  der  Unterhaltung  zu  tragen. 
Als  eifrigem  Zeitungsleser,  der  sich  stets  auf  dem  Laufenden  der  Tagesereig- 
nisse hielt,  war  ihm  das  Politisiren,  und  zwar  oft  ein  sehr  pessimistisches,  ein 
eigentliches  Bedürfniss.  In  der  Wahl  seines  näheren  Umgangs  spielte  die 
Sympathie  und  Antipathie  eine  maassgebende  Rolle;  Ansprüche  erkannte  er 
^eine  an;  ihm  nicht  behagende  Menschen  wusste  er  sich  unmissverständlich 
vom  Leibe  zu  halten.  B.  konnte  nicht  nur  in  der  Wissenschaft,  sondern  auch 
im  Leben    kräftig    hassen.     Die  aber,    die  ihm  näher  treten  durften,    werden 


74 


Burckhardt. 


seine  Freundlichkeit  und  Herzlichkeit  nie  vergessen.  Solche  konnte  er  unter 
Umständen  auch  mit  Proben  seiner  poetischen  Begabung  erfreuen.  In  B. 
lebte  ein  Dichter.  Man  könnte  dies  leicht  schon  aus  dieser  und  jener 
Stelle  in  seinen  Werken  schliessen,  wo  das  mächtige  poetische  Empfinden  sich 
Bahn  bricht;  wir  wissen  es  aber  auch  aus  zwei  kleinen,  anonym  erschienenen 
Gedichtsammlungen  aus  dem  Ende  der  40er  und  Anfang  der  50er  Jahre;  sie 
sind  aus  dem  Buchhandel  verschwunden,  und  B.  hat  selbst  für  dieses  Ver- 
schwinden gesorgt.  Es  ist  eine  weiche,  seelenvolle,  zartgetönte  Poesie  in 
formal  tadellosem  Gewand.  Das  eine  dieser  Gedichte  »Serenade«  betitelt, 
eine  Schöpfung  reinsten  Wohllautes,  findet  sich  mitgetheilt  in  Baechtold's 
Vorrede  zu  Leuthold's  Gedichten;  andere  findet  der  Liebhaber  B.'scher  Poesie 
in  der  Basilea  poetica  (Basel,  Geering)  abgedruckt;  sie  sind  theils  dem  hoch- 
deutschen Bändchen  »Ferien«,  theils  dem  in  baseldeutscher  Mundart  ver- 
fassten  »£  Hämpfeli  Lieder«  (eine  Handvoll  Lieder)  entnommen  und  unter 
diesen  Titeln  aufgeftihrt. 

B.  war  von  eiserner  Gesundheit,  sein  Körper  gegen  Hitze  und  Kälte  gleich 
abgehärtet;  ein  rüstiger  Fussgänger,  kannte  er  Basels  Umgebung  genau.  Er- 
holung im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes  existirte  für  ihn  bis  in  seine  letzten 
Jahre  hinein  nicht;  seine  Reisen,  die  jährlich  die  Ferien  ausfüllten,  nach  Eng- 
land, Frankreich,  den  Niederlanden,  t)eutschland,  Oesterreich  und  vor  allem 
nach  Italien,  waren  Studienreisen  im  vollsten  Sinne  des  Wortes:  das  Notiz- 
buch war  B.'s  treuer  Begleiter,  und  was  er  im  Laufe  des  Tages  sich  auf- 
gezeichnet hatte,  wurde  am  Abend  sofort  endgiltig  redigirt.  So  bedeuteten 
die  Reisen  für  B.*s  kunsthistorische  Arbeiten  und  Vorlesungen,  was  die  Quellen- 
lektüre, die  nie  rastende  und  von  B.  immer  auf*s  neue  seinen  Hörern  ein- 
geschärfte und  empfohlene,  für  die  geschichtlichen  Vorlesungen.  Auf  den 
ersten  Blick  imponirte  an  dem  überaus  einfach,  ja  altmodisch  gekleideten 
Manne  der  prächtige  Kopf:  das  in  späteren  Jahren  immer  kurz  geschorene 
Haar  war  schon  früh  völlig  weiss  geworden ;  auf  der  hohen  freien  Stirn  thronte 
die  Intelligenz;  das  grosse  glänzende  Auge  verrieth  das  Feuer  dieses  immer 
regen  Geistes;  die  scharf  geschwungene  Nase  und  das  kräftig  entwickelte, 
glatt  rasirte  Kinn  verliehen  dem  Gesicht  etwas  Energisches,  fast  Kühnes.  Die 
unablässige  Denkarbeit  hatte  dieses  mächtige  Antlitz  völlig  verklärt  Der  Tod 
ist  B.  leise  genaht;  an  einem  stillen  Sonntagnachmittag  ist  er  zu  ihm  heran- 
getreten und  hat  das  bis  an's  Ende  hell  brennende  Licht  dieses  gewaltigen 
Geistes  ausgelöscht.  B.  hat  ihm  mit  philosophischer  Ruhe  und  im  Bewusst- 
sein,  ein  reiches  und  innerlich  beglücktes  Leben  gelebt  zu  haben,  entgegen- 
gesehen. 

Bei  der  Leichenfeier  kamen,  von  einem  Gebet  des  Geistlichen  begleitet,  bloss  die  von 
B.  selbst  verfassten  kurzen  biographischen  Aufzeichnungen  zur  Verlesung;  diese  sind  im 
Druck  erschienen  (bei  LendorfT  in  Basel)  und  werden  überdies  der  zweiten  Auflage  des 
Rubens-Buches,  die  im  Mai  1898  erscheinen  wird,  beigegeben  werden.  Von  weiteren 
Quellen  dieser  Arbeit  darf  der  Verfasser  dieser  biographischen  Schilderung  wohl  zunächst 
auf  seine  bei  R.  Reich  in  Basel  erschienene  172  Seiten  starke  Arbeit  hinweisen.  Diese 
enthält  auch  zwei  Porträts  B.'s:  das  eine  von  Franz  Kugler  gezeichnete  zeigt  den  etwa 
30jährigen  B.,  das  andere,  von  einem  Verwandten  des  Verstorbenen,  Maler  Hans  LendorfT, 
gezeichnete  den  B.  des  Greisenalters.  Ein  weiteres  Porträt  nach  einer  photographischen 
Aufnahme  des  genannten  Malers  ist  dem  Rubens-Buch  beigegeben.  Von  den  zahlreichen 
Nekrologen  über  B.  seien  hier  blos  einige  der  wichtigsten  aufgeführt:  Dr.  Otto  Markwart, 
Frankfurter  Zeitung  No.  238,  244,  245  (jeweilen  i.  Morgenblatt)  vom  28,  Aug.  bis  4.  Sept. 
1897;  Prof.  H.  Wölfflin,  Repert.  für  Kunstwissenschaft  XX.  Bd.  5.  Heft.  1897;  Professor 
K.  Breysig,    Zukunft  vom  21.  August  1897;    Prof.  Ad.  Philippi,  Grenzboten  vom  2.  Sept. 


Burckhardt.     Gttterbock.     Heidenhain. 


75 


1^97;  Prof.  Eberhard  Gothein,  Preuss.  Jahrb.,  October-Hcft  1897;   Professor  K.  Neumann, 
Deutsche  Rundschau,  Märzheft  1898. 

April  1898.  H.  Trog-Basel. 

GQterbocky  Paul,  Geheimer  Medicinalrath  und  Universitäts-Professor  der 
Chirurgie  in  Berlin,  ♦  am  2.  Juni  1844  daselbst,  f  am  17.  October  1897 
ebenda.  —  G.  war  der  Sohn  des  Geheimen  Sanitätsraths  Ludwig  G.  (1814 
bis  1895),  studirte  in  Berlin  und  Würzburg  und  erlangte  1865  die  Doc tor- 
würde. Im  folgenden  Jahre  absolvirte  er  die  Staatsprüfung  und  unternahm 
dann  eine  längere  Studienreise  über  Wien,  Paris,  London  und  Edinburg. 
Nach  der  Rückkehr  Hess  er  sich  in  Berlin  nieder,  trat  als  Assistent  von  Ro- 
bert Wilms  in  Bethanien  ein  und  widmete  sich  fortab  der  Chirurgie.  Er 
eröffnete  eine  chirurgische  Privatklinik  und  habilitirte  sich  1873  als  Docent 
für  sein  Specialfach.  Daneben  beschäftigte  er  sich  mit  Studien  zur  Staats- 
arzneikunde und  bekleidete  successive  die  Stellungen  als  Hilfsarbeiter,  Medi- 
cinalassessor  und  seit  1885  als  Medicinalrath  beim  Medicinalcollegium  der 
Pro\inz  Brandenburg.  1894  wurde  er  durch  den  Professortitel  ausgezeichnet, 
1896  zum  Geheimen  Medicinalrath  ernannt.  Seine  schriftstellerischen  Lei- 
stungen liegen  auf  den  Gebieten  der  Chirurgie  und  der  öffentlichen  Gesund- 
heitspflege. Specieller  beschäftigte  sich  G.  mit  der  Chirurgie  der  Hamorgane, 
über  die  er  ein  grösseres,  dreibändiges  Werk,  das  Werk  seines  Lebens,  schrieb, 
dessen  dritter  Theil  erst  nach  seinem  Tode  herauskam.  Auch  erstattete  er 
eine  lange  Reihe  von  Jahren  die  betreffenden  Referate  in  Virchow-Hirsch's 
grossen  Jahresberichten  über  die  Leistungen  und  Fortschritte  in  der  gesammten 
Medicin.  Kleinere  Aufsätze  beziehen  sich  auf  die  Tracheotomie  bei  Diphtherie, 
auf  Hautemphysem  bei  Diphtherie,  spontane  Gelenkserkrankung  bei  Unterleibs- 
typhus, auf  die  chirurgische  Antisepsis,  Verletzungen  des  Halses  in  gerichts- 
ärztlicher Beziehung,  Nekrose  der  langen  Röhrenknochen,  lupöse  Erkrankung 
der  Finger,  äusseren  Hamröhrenschnitt  etc.  Dazu  kommen  Berichte  über  die 
grösseren  Amputationen  im  Krankenhause  Bethanien  und  als  weitere  selb- 
ständig erschienene  Monographieen :  »Die  neueren  Methoden  der  Wund- 
behandlung auf  statistischer  Grundlage«  (Berlin  1876);  »Die  englischen  Kran- 
kenhäuser« (ebenda  1881);  »Die  öffentliche  Reconvalescentenpflege«  (Leipzig 
1882),  sowie  eine  Reihe  von  Artikeln  für  die  Eulenburg' sehe  Realencyclopädie. 
G.  war  mit  der  Literatur  und  Geschichte  der  Medicin  und  Chirurgie  und 
namendich  auch  mit  den  publicistischen  Erscheinungen  in  England  und  Frank- 
reich ausserordentlich  vertraut.  Sein  Specialgebiet  hat  er  noch  durch  die 
Construction  eines  Cystoscops  bereichert. 

Biogr.  Lex.  hervorr.  Aerzte  II,  S.  691. 

Pagel. 

Heidenhain,  Rudolf  Peter  Heinrich,  ordentlicher  Universitäts-Professor  der 
Physiologie  in  Breslau,  ♦  am  29.  Januar  1834  zu  Marienwerder,  f  am  13.  October 
1897.  —  H.  war  der  älteste  Sohn  des  Arztes  Heinrich  Jacob  H.  (1808 — 1868), 
machte  seine  medicinischen  Studien  in  Königsberg,  Halle  und  Berlin  (unter 
Heintz,  A.  W.  Volkmann  und  du  Bois-Reymond)  und  erlangte  an  letztgenannter 
Universität  die  Doctorwürde  mit  der  Inaugural-Abhandlung:  »De  nervis  organisque 
centralibus  cordis  cordiumque  ranae  lymphaticorum«.  Nach  Absolvirung  des 
Staatsexamens  widmete  er  sich  ausschliesslich  der  Physiologie  und  arbeitete 
fortgesetzt    im    physiologischen    Laboratorium    zu    Berlin    unter  Leitung    von 


y3  von  Fabrice,     de  Marees.     Moder. 

beiden  erschienenen  Theilen  reicht  der  erste  (München  1886)  von  1725  bis 
1804,  der  zweite  (München  1896)  von  1805  — 1835.  Nach  seiner  Verabschie- 
dung war  General  v.  F.  im  Kriegsarchive  bei  den  Vorarbeiten  für  eine  bayeri- 
sche Heeresgeschichte  thätig. 

B.  Poten. 

Mar£eSy  Wilhelm  Ludwig  de,  *  am  14.  Februar  1820  zu  Dessau  (An- 
halt), f  am  9.  Juli  1897  zu  Bemburg.  —  Er  war  der  Sohn  des  Schuldirectors 
und  Seminarinspectors  Heinrich  Ludwig  de  M.,  der  bereits  1825  starb,  und 
erhielt  seine  Gymnasialbildung  in  Dessau,  Erlangen,  Nürnberg  und  Zerbst  und 
studirte  1840 — 44  in  Halle  und  Erlangen  Theologie  und  Philologie.  Im  Jahre 
1851  wurde  er  Prediger  an  der  Hof-  und  Stiftskirche  zu  Bartholomäi  in  Zerbst 
und  rückte  1857  zum  Archidiakonus  an  derselben  auf.  Seit  dem  Herbst  1872 
Prediger  zu  Osmarsleben  bei  Bemburg,  verwaltete  er  dieses  Amt  bis  zum 
I .  November  1 890,  wo  er  in  den  Ruhestand  trat.  Den  Abend  seines  Lebens 
verbrachte  er  in  Bemburg.  —  de  M.  hat  als  Dichter  nur  wenig  Eigenes  ge- 
boten, und  dies  Wenige  sind  fast  ohne  Ausnahme  geistliche  Dichtungen  und 
freie  Nachdichtungen  (»Lieder  nach  Heinrich  Müller's  geistlichen  Erquickstun- 
den«, 1893);  dagegen  hat  er  mehrere  Sammlungen  geistlicher  Lieder  aus  dem 
Lateinischen  und  Italienischen  (»Geistliche  Dichtungen«,  1867)  und  aus  dem 
Französischen  (»Kreuz-  und  Trostlieder«,  1870  —  »Geistliche  Lieder«,  1890 
—   »Hundert  geistliche  Lieder«,  1895)  übersetzt. 

Persönliche  Mittheilungen.  —  Karl  Leirobach:  Die  deutschen  Dichter  der  Neuzeit  und 
Gegenwart,  Bd.  VI,  S.  87  ff. 

Franz  Brummer. 

Moder,  Auguste,  Erzieherin  und  Dichterin,  *  am  2.  März  1830  in  Eise- 
nach, f  am  15.  October  1897  daselbst.  —  M.  war  die  Tochter  eines  Rau- 
inspectors.  Als  ältestes  von  sechs  Kindern  hatte  sie  nach  Absolvirung  einer 
Privattöchterschule  zunächst  der  Mutter  im  Haushalt  zu  helfen  und  musste 
daher  lange  auf  die  Erfüllung  ihres  lebhaften  Wunsches,  ihr  Lehrerinnen- 
examen zu  machen  und  sich  der  Jugenderziehung  zu  widmen,  verzichten.  Ihre 
Begabung  wies  sie  aber  auf's  entschiedenste  nach  dieser  Richtung  hin,  und 
so  erlaubten  ihr  schliesslich  die  Eltern,  zu  ihrer  weiteren  Ausbildung  nach 
Dresden  gehen  zu  dürfen.  Dort  besuchte  sie  das  Marquardt'sche  Institut, 
legte  1854  ihr  Examen  ab  und  ging  1855,  ^"^  ^^^^  ^^"  Gebrauch  der  eng-* 
lischen  Sprache  anzueignen,  nach  London,  wo  sie  als  Lehrerin  an  einer  Privat- 
schule wirkte  und  auch  vielfach  mit  den  deutschen  Emigrantenfamilien  in 
Verbindung  kam.  Nachdem  sie  seit  1857  noch  ein  Jahr  in  Paris  geweilt, 
kehrte  sie  1858  nach  Eisenach  zurück,  machte  vor  einer  eigens  für  sie  zu- 
sammen berufenen  Prüfungskommission  ihr  Staatsexamen  als  Schulvorsteherin 
und  eröffiiete  noch  in  demselben  Jahre  ihre  Töchterschule  mit  Pensionat,  der 
sie  bis  an  ihr  Lebensende  mit  Unterstützung  zweier  Partnerinnen  vorgestan- 
den hat.  Ihr  Unternehmen  gedieh  unter  ihrer  Leitung  zu  hoher  Blüthe,  und 
die  Leiterin  erfreute  sich  der  allgemeinsten  Verehrung,  die  besonders  1883 
beim  25jährigen  Bestehen  der  Anstalt  und  1894  beim  40jährigen  Amtsjubi- 
läum der  Vorsteherin  zum  Ausdruck  kam.  Auch  war  A.  M.  schon  1864  von 
England  aus  zum  Member  of  the  College  ofPreceptors  ernannt  worden,  eine 
Auszeichnung,  die  sie  ihrer  hervorragenden  Tüchtigkeit  verdankte.  In  den 
letzten  Jahren  vielfach  kränkelnd  und  von  schweren  Schicksalsschlägen  durch 


Moder.     Hoffory.  y^ 

den  Verlust  teurer  Menschen  heimgesucht,  erlag  sie  im  Alter  von  67  Jahren 
einer  Lungenentzündung.  —  Trotz  der  umfassenden  und  schweren  Berufs- 
arbeit fand  A.  M.  dennoch  Zeit,  eine  Reihe  von  Märchendichtungen  und  Fest- 
spielen zu  verfassen,  die,  von  der  Jugend  aufgeführt,  sich  zur  Verherrlichung 
von  Schulfesten  eignen.  Es  sind:  »Die  Verwunschene.  Das  Rosen  wunder  der 
heiligen  Elisabeth«  (1879);  »Grete«  (1888);  »Domröschen«  (1890);  »Des  Früh- 
lings Streit  mit  dem  Winter«  (1896). 

Nach  Mittheilungen  aus  befreundeten  Kreisen. 

Franz  Brummer. 

Hoffory^  Johan  Peter  Julius,  ausserordentlicher  Professor  für  nordische 
Philologie  und  allgemeine  Phonetik  an  der  Universität  Berlin,  *  am  9.  Februar 
1855  in  Aarhus,  f  am  12.  April  1897  in  Westend  bei  Berlin.  —  H.  war  von 
Geburt  Däne;  sein  Vater  war  aus  Ungarn  eingewandert,  die  Familie  soll  ur- 
sprünglich in  Deutschland  ihren  Wohnsitz  gehabt  haben.  Er  machte  das 
Gymnasium  in  Aarhus  durch  und  empfing  hier  wichtige  Anregungen  für  seine 
spätere  Laufbahn.  Was  für  die  ästhetische  und  ethische  Ausbildung  der 
deutschen  Jugend  unsere  Klassiker  sind,  war  für  den  dänischen  Gymnasiasten 
der  Komödiendichter  Holberg.  Die  wohlgetroffenen  Bilder,  die  dieser  feine 
Beobachter  von  den  Männern  und  Frauen  seiner  Zeit  entworfen  hatte,  be- 
gründeten die  Menschenkenntniss  des  Schülers  und  flössten  ihm  eine  dauernde 
Vorliebe  für  die  realistische  Richtung  in  der  Dichtkunst  ein.  Gleichzeitig 
weckte  ein  Lehrer  sein  Interesse  und  entdeckte  sein  Geschick  für  sprachliche 
Untersuchungen.  Im  Jahre  1873  ging  er  nach  Kopenhagen,  um  Sprachwissen- 
schaft zu  Studiren.  Nachdem  er  sich  einige  Zeit  mit  den  indischen  Sprachen 
beschäftigt  hatte,  trat  er  zur  nordischen  Philologie  über,  die  damals  in  Kopen- 
hagen durch  K.  Gislason,  Grundtvig  und  Wimmer  nach  allen  Seiten  hin  glän- 
zend vertreten  war.  Am  meisten  glaubte  er  später  L.  Wimmer  schuldig  zu 
sein;  daneben  aber  wurde  er  durch  mündlichen  und  brieflichen  Verkehr  von 
seinem  älteren  Freunde  K.  Verner  beeinflusst,  einem  der  genialsten  Entdecker 
auf  sprachlichem  Gebiet;  dieser  mag  ihn  nachdrücklich  auf  die  Sprachphysio- 
logie und  deren  Verwerthung  für  grammatische  Untersuchungen  hingewiesen 
haben.  H.'s  sprachliche  Arbeiten  erschienen  —  vor  und  nach  seinem  Ma- 
gisterexamen im  Jahre  1878  —  in  deutschen  und  dänischen  Fachzeitschriften. 
Als  Sprachphysiolog  baute  er  Brücke's  System  der  Sprachlaute  durch  werth- 
volle  Beobachtungen  weiter  aus  und  nahm  es  gegen  einen  gleichzeitigen  For- 
scher in  Schutz  in  seiner  schneidigen  Streitschrift:  Professor  Sievers  und  die 
Principien  der  Sprachphysiologie  (1884).  Für  die  Erforschung  der  altnordi- 
schen Grammatik  sind  seine  Arbeiten  mit  grundlegend  geworden  und  ihre 
Verdienste  werden  von  allen  Richtungen  freudig  anerkannt.  Seine  Haupt- 
schrift auf  diesem  Gebiet  sind  die  »Oldnordiske  Consonantstudier«,  die  ihm 
als  Doctordissertation  in  Kopenhagen  und  zugleich  —  in  deutscher  Ueber- 
setzung  —  als  Berliner  Habilitationsschrift  dienten. 

Die  Abfassung  dieser  Arbeit  fällt  in  die  Jahre,  in  denen  H.  seine  Stu- 
dien in  Berlin  und  Strassburg  fortsetzte.  Es  waren  damals  glückliche  Zeiten 
für  die  Berliner  Germanistik.  Karl  Müllenhoff,  aufgeschreckt  durch  Bang*s  und 
Bugge's  Behauptung  von  der  Unechtheit  der  eddischen  Mythologie,  rüstete  sich 
zum  Feldzug  gegen  die  Leugner  der  nordischen  Götter;  durch  scharfe  Kritik 
und  eine  glänzende  Interpretation  der  angegriffenen  Eddalieder  hoffte  er  die 
Gegner  vom  Kampfplatz  zu  treiben.    Wühelm  Scherer  arbeitete  die  deutsche 


So  Hoffory. 

Literaturgeschichte  aus,  und  seine  Goethestudien  reiften.  Die  Arbeitsfreudig- 
keit der  Lehrer  riss  auch  die  Schüler  mit  sich  fort.  H.,  der  sich  gern  einem 
Grösseren  verehrend  unterordnete,  schloss  sich  voll  Begeisterung  an  die  Ber- 
liner Lehrer  an.  MüllenhofF  konnte  er  bei  der  Abfassung  des  5.  Bandes  der 
Alterthumskunde  mannichfach  hilfreiche  Hand  reichen;  bei  Scherer,  dessen 
Leistungen  er  noch  höher  schätzte  als  die  Mtiilenhoff's,  lernte  er  Methode 
der  literarhistorischen  Forschung.  Aus  dem  Studenten  wurde  allmählich  der 
Docent.  Im  Juni  1883  erwarb  H.  den  Doctorgrad  in  Kopenhagen  und  da- 
mit das  Recht,  Vorlesungen  zu  halten.  Da  ihm  jedoch  eine  Stellung  in  der 
Hauptstadt  des  deutschen  Reichs  verlockender  schien,  habilitirte  er  sich  schon 
im  Juli  desselben  Jahres  in  Berlin.  Im  Januar  1887  wurde  eine  ausserordent- 
liche Professur  der  nordischen  Philologie  und  allgemeinen  Phonetik  für  ihn 
geschaffen.  Leider  sollte  er  sie  nicht  lange  verwalten:  Gegen  Ende  1889 
hatte  er  einen  heftigen  Influenzaanfall,  der  in  einen  bösartigen  Typhus  über- 
ging. Seine  ohnehin  nicht  bedeutende  Körperkraft,  die  er  durch  eine  un- 
gleichmässige  Lebensweise  und  durch  wunderliche  Kuren  noch  geschwächt 
hatte,  konnte  die  Krankheit  nie  ganz  überwinden.  Eine  geistige  Schwäche 
blieb  zurück,  die  es  schliesslich  nöthig  machte,  den  noch  jugendlichen  Mann 
in  einer  Heilanstalt  zu  Westend  unterzubringen.  Ohne  sich  zu  geistiger  Thätig- 
keit  aufraffen  zu  können,  hat  er  dort  still  den  Rest  seiner  Tage  dahingelebt. 

H.'s  Lehrthätigkeit  war  trotz  ihrer  Kürze  reich  an  Erfolgen.  Sein  Vor- 
trag w^ar  freilich  meist  matt,  fesselte  aber  dennoch  die  Zuhörer  durch  seine 
Klarheit  und  Uebersichtlichkeit.  Trug  er  Ergebnisse  eigner  Forschungen  vor, 
so  wurde  auch  seine  Sprechweise  belebter  und  erreichte  nahezu  die  Eleganz 
seiner  Schriften.  In  den  wenigen  Jahren  seiner  Wirksamkeit  hat  eine  verhält- 
nissmässig  grosse  Zahl  junger  Germanisten  sich  seiner  besonderen  Leitung  an- 
vertraut; er  ist  ihnen  allen  ein  hilfreicher  Berather  und  treuer  Freund  ge- 
wesen. 

Die  wissenschaftlichen  Arbeiten  H.'s  nach  seiner  Habilitation  gingen 
grösstentheils  aus  von  Anregungen  MüUenhoff's  und  Scherer's.  Die  Edda- 
erklärung des  Ersteren  führte  er  weiter  in  einer  Reihe  von  Aufsätzen,  die  er 
später  als  Eddastudien  in  einem  kleinen  Bande  vereinigte.  Manche  schwierige 
Eddastelle  hat  er  darin  gedeutet;  er  hat  Beiträge  zur  Chronologie  auf  Grund 
der  Metrik  geliefert;  Lieder  und  Liedbruchstücke  hat  er  darin  richtig  ge- 
würdigt und  ihnen  ihre  Stelle  in  der  eddischen  Literatur  angewiesen.  Die 
schöne  Entdeckung,  dass  in  zwei  dunklen  Strophen  der  Voluspa  eine  mytho- 
logische Schilderung  der  Mittemachtssonne  erhalten  sei,  führte  H.  zur  Mytho- 
logie. Er  suchte  das  Bild,  das  einst  Müllenhoff  im  8.  Bande  von  Schmidt's 
Zeitschrift  für  Geschichte  vom  Entwickelungsgang  der  germanischen  Mytho- 
logie entworfen  hatte,  zu  vervollständigen  in  seinem  geistvollen  Aufsatz  über 
den  germanischen  Himmelsgott.  Die  Fülle  der  eddischen  Mythen  hoffte  er  — 
hierin  Uhland  am  ähnlichsten  —  aus  der  Natur  Norwegens  deuten  zu  können, 
und  er  unternahm  eine  Nordlandreise,  um  mythologische  Eindrücke  zu  em- 
pfangen, lieber  die  Ergebnisse  dieser  Reise  hat  er  sich  nur  andeutungsweise 
im  Gespräch  geäussert.  Bald  nach  seiner  Rückkehr  brach  seine  Production 
jäh  ab.  —  Was  er  von  Scherer  an  literarischer  Methode  gelernt  hatte,  wandte 
er  in  seiner  Abhandlung  über  Holberg's  Komödiendichtung  an,  die  er  der  in 
Gemeinschaft  mit  P.  Schienther  unternommenen  deutschen  Holbergausgabe 
einverleibte.  Hier  handelte  er  über  die  Technik  des  Lieblingsdichters  seiner 
Jugend,  er  zeigte  seine  Entlehnungen  auf  und  charakterisirte  sein  selbständiges 


HolTory.     von  Hofmann.  gl 

SchaflTen.  Jetzt  stand  ihm  freilich  ein  anderer  nordischer  Dichter  näher  als 
Holberg  —  Henrik  Ibsen.  In  ihm  bewunderte  er  den  Meister  der  dramati- 
schen Technik,  in  ihm  verehrte  er  den  realistischen  Schöpfergeist,  der  mit 
unerbittlicher  Wahrheitsliebe  alle  Eigenheiten  der  menschlichen  Natur  auf- 
gedeckt habe,  der  den  modernen  Menschen  bekannt  mache  mit  der  Welt, 
wie  sie  ist,  und  der  daher  wohl  geeignet  sei,  ihn  als  warnender  Führer  durchs 
Leben  zu  geleiten.  In  seiner  Nordischen  Bibliothek  hat  H.  einen  verdeutsch- 
ten Ibsen  erscheinen  lassen,  worin  die  Uebersetzung  der  »Frau  vom  Meer«  aus 
seiner  Feder  stammt.  Für  die  Anerkennung  seines  Dichters  ist  er  in  der 
Berliner  Gelehrten-  und  Künstlerwelt  mit  seiner  ganzen  eindrucksvollen  Persön- 
lichkeit eingetreten. 

Kein  in  jeder  Hinsicht  vollendeter  Mensch  ist  mit  H.  aus  dem  Leben 
geschieden,  wohl  aber  ein  edler  Mann,  ein  ideenreicher  Gelehrter,  ein  fein- 
sinniger Kunstfreund. 

Nekrologe  H.'s  sind  erschienen  von  A.  Heusler  im  Archiv  for  nordisk  filologi  Bd.  XIV, 
TOD  O.  Pniower  im  Magazin  für  Literatur  (1897). 

Osnabrück.  Wilhelm  Ranis>:h. 

Hofmann,  Eduard  von,  Gerichtsarzt  und  Universitäts- Professor  der  ge- 
richtlichen Medicin  in  Wien,  ♦  am  27.  Januar  1837  ^^  Prag,  f  am  27.  August 
1897  in  Abbazia.  —  H.  studirte  in  seiner  Vaterstadt  unter  Purkinje,  Jaksch, 
Treitz,  Halla,  Hasner,  Bochdalek  und  Seyfert  und  erlangte  1861  die  Doctor- 
würde.  Hierauf  fungirte  er  bis  1865  als  Assistent  an  der  Lehrkanzel  für  ge- 
richtliche Medicin,  habilitirte  sich  danach  als  Privatdocent  für  gerichtliche 
Medicin  und  erhielt  den  Auftrag,  sein  Fach  in  czechischer  Sprache  zu  lehren. 
Doch  folgte  er  bereits  1869  einem  Rufe  als  ordentlicher  Professor  der  gericht- 
lichen Medicin  und  Staatsarzneikunde  nach  Innsbruck,  von  wo  er  1875  "^^h 
Wien  in  gleicher  Eigenschaft  übersiedelte.  H.  gehört  zu  den  hervorragendsten 
Vertretern  der  gerichtlichen  Medicin  in  der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jahrhun- 
derts. Sein  Hauptwerk  bildet  das  1878  erschienene  und  seitdem  öfters  neu 
aufgelegte  (3.  Aufl.  1884)  und  in  mehrere  fremde  Sprachen  übersetzte  »Lehr- 
buch der  gerichtlichen  Medicin«,  welches  den  bekannten  Werken  von  Casper- 
Liman  und  v.  Maschka  durchaus  ebenbürtig  sowohl  in  wissenschaftlicher  wie 
didaktischer  Beziehung  sich  an  die  Seite  stellen  lässt.  Ausserdem  bereicherte 
H.  die  gerichtliche  Medicin  mit  zahlreichen,  werthvollen  neuen  Einzelheiten, 
welche  meist  als  Joumalabhandlungen  erschienen  sind.  Er  lieferte  Unter- 
suchungen über  Verbrennungen  (Prager  Vierteljahrsschr.  CV,  Wiener  medicin. 
Wochenschr.  1875,  1876),  über  den  Strangulationstod  (Mittheilungen  des  Ver- 
eins der  Aerzte  Niederösterreichs  1876,  Wiener  medicin.  Wochenschr.  1876, 
Wiener  med.  Presse  1879 — 1881),  über  vorzeitige  Athembewegungen  (Eulen- 
burg's  Vierteljahrsschr.  f.  gerichtl.  Med.  XIX,  XXII),  forensische  Untersuchung 
von  Blutspuren  und  Haaren,  über  die  natürlichen  Spalten  und  Ossifications- 
defekte  am  Schädel  des  Neugeborenen,  über  Leichenerscheinungen,  über  Ver- 
blutung aus  der  Nabelschnur,  über  Fett  Wachsbild  ung,  Über  Stichwunden,  über 
die  Sicherstellung  der  Identität  von  Leichen,  über  den  Effekt  künstlicher 
Respiration,  insbesondere  der  Schwingungen  der  Neugeborenen  u.  v.  A.  Be- 
sonders bemerk enswerth  sind  mehrere  aus  Anlass  von  Aufsehen  erregenden 
Criminalfällen  abgegebene  Gutachten  H.'s,  so  in  dem  bekannten,  sensationellen 
Prozess    zu  Tisza-Eszlar    wegen    eines    angeblich    zu    rituellen    Zwecken    ge- 

Blogr.  Jahrb.  a.  D«attcher  Nekrolog.    3.  Bd.  6 


82  von  Hofmann.     Holländer.     Httter.     Kovacs, 

schlachteten    Kindes.  —  1884  wurde    H.  durch  Verleihung    des  Ordens    der 
eisernen  Krone  in  den  Ritterstand  erhoben. 

Biogr.  Lexicon  hervorr.  Aerzte  III,  S.  250. 

Pagel. 

Holländer,  Ludwig  Heinrich,  Privatdocent  und  Universitäts-Professor 
der  Zahnheilkunde  in  Halle,  ♦  am  4.  Februar  1833  in  Leobschütz,  f  am 
14.  März.  —  H.  studirte  in  Breslau,  Würzburg  und  Berlin.  1856  erlangte  er 
in  Breslau  mit  der  Inauguralabhandlung  »De  corneae  et  scleroticae  conjunctione<^ 
die  Doctorwtirde,  absolvirte  1857  die  Staatsprüfung  und  widmete  sich  dann 
speciell  auf  Anregung  von  v.  Frerichs  der  Zahnheilkunde.  Er  habilitirte  sich 
fiir  dieses  Fach  in  Halle  1872  und  richtete  dort  ein  zahnärztliches  Institut 
ein.  1878  erhielt  er  den  Professortitel  und  die  Leitung  der  Universitätsklinik 
für  Zahn-  und  Mundkrankheiten.  Bevor  H,  nach  Halle  ging,  hatte  er  etwa 
8  Jahre  lang  in  Südafrika  practicirt.  Als  Ergebniss  des  dortigen  Aufenthaltes 
veröffentlichte  er  1866  und  1867  in  der  Zeitschrift  »Globus«  eine  Reihe  von 
Aufsätzen  zur  Länderkunde  und  Anthropologie  Südafrikas.  Auf  sein  eigent- 
liches Fach  bezieht  sich  ein  im  Verein  mit  mehreren  Mitarbeitern  heraus- 
gegebenes »Handbuch  der  Zahnheilkunde«,  ferner  kleinere  Monographieen, 
wie:  »Die  Zahnheilkunde  und  ihre  Bedeutung  für  die  innere  Medicin«  (1872); 
»Beiträge  zur  Zahnheilkunde«  (1881);  »Die  Extraction  der  Zähne«  (1882)  u.  A. 
Ausserdem  gab  er  eine  deutsche  Uebersetzung  von  Tomes'  »Manual  of  dental 
anatomy«  und  von  Kirigsley  »Anomalien  der  Zahnstellung«. 

Biogr.  Lex.  hervorr.  Aeritc  III,  S.  258. 

Pagel. 

Hüter,  Victor,  Privatdocent  der  Gynäkologie  und  Titular- Universitäts- 
Professor  in  Marburg,  ♦  am  16.  October  1832,  f  am  12.  November  1897  in 
Göttingen.  —  H.  studirte  und  promovirte  1855  in  Marburg  und  habilitirte  sich 
daselbst  1858.  Ausser  seiner  Doctordissertation  über  während  der  Geburt  ent- 
standene Schädelveränderungcn  rühren  von  ihm  noch  her  die  Habilitations- 
schrift über  die  Ablösung  der  Epidermis  bei  Neugeborenen,  eine  Studie  über 
Fhixionen  des  Uterus  (1870)  und  ein  Compendium  der  geburtshilflichen  Opera- 
tionen für  den  Gebrauch  in  der  Praxis  (1874). 

Voss.  Ztg.  16.  Nov.  1897. 

Pagel. 

Kovacs,  Josef,  ordentlicher  Universitäts-Professor  der  Chirurgie  in  Buda- 
pest, *  1832  zu  Tengelicz  in  Ungarn,  f  am  6.  August  1897.  —  K.  machte 
seine  Studien  in  Wien  und  Pest,  promovirte  an  erstgenanntem  Orte  1858  als 
Dr.  med.  und  Magister  der  Geburtshilfe  und  an  letztgenanntem  als  Dr.  chir. 
In  Budapest  widmete  er  sich  speciell  der  Chirurgie  seit  1859,  wo  er  als 
Operationszögling  in  Balfassa's  Klinik  eintrat;  1861  rückte  er  zum  Assistenten 
auf,  1862  habilitirte  er  sich  als  Privatdocent  für  chirurgische  Operationslehre, 
1867  für  chirurgische  Pathologie  und  Therapie  der  Beckenorgane,  wirkte  1866 
im  Budapester  Militärhospital  Ludoviceum  als  Primararzt  der  i.  chirurgischen 
Abtheilung,  wurde  1869  sup})lirender,  1870  ordentlicher  Professor  der  chirur- 
gischen Klinik  und  war  1874/75  Rector  der  Budapester  Universität.  Um  die 
Ausgestaltung  des  klinischen  Unterrichts  in  der  Chirurgie  hat  sich  K.,  der  zu 


Kovics.     von  der  Goltz.  $9 

den  bedeutendsten  Chirurgen  Ungarns  zählt,  dadurch  vornehmlich  verdient 
gemacht,  dass  er  den  Neubau  und  die  Einrichtung  einer  chirurgischen  Klinik  in 
Budapest  veranlasste.  K.  ist  ferner  Verfasser  zahlreicher  Journalaufsätze  über 
die  verschiedensten  Gebiete  der  Chirurgie;  die  betreffenden  Arbeiten  erschienen 
zum  Theil  in  ungarischen,  zum  Theil  in  deutschen  Zeitschriften.  Ein  bis  1889 
reichendes  Verzeichniss  der  wichtigsten  findet  sich  in  der  unten  genannten 
Quelle. 

Biogr.  Lex.  hervorr.  Aerzte  VI,  S.  887. 

Pagel. 

Goltz,  Cuno  Freiherr  von  der,  Königlich  preussischer  General  der  In- 
fanterie z.  D.,  *  am  2.  Februar  181 7  zu  Wilhelmsthal  im  Kreise  Orteisburg 
in  Ostpreussen,  f  am  29.  October  1897  zu  Ftilme  an  der  Weser  im  Kreise 
Minden.  —  v.  d.  G.  kam  aus  dem  Kadettenkorps  zu  Berlin  am  14.  August 
1834  in  das  dort  gamisonirende  Kaiser  Alexander  Garde-Grenadier-Regiment 
und  machte,  nachdem  er  zur  Schulabtheilung  (jetzt  Unteroffizierschule)  zu 
Potsdam  und  zur  Handwerkersektion  in  Sömmerda,  wo  damals  das  Zünd- 
nadelgewehr versucht  und  hergestellt  wurde,  kommandirt  gewesen  war,  im 
Jahre  1848  seinen  ersten  Feldzug  mit.  Es  war  der  gegen  Dänemark,  in 
welchem  v.  d.  G.  als  Premierlieutenant  am  23.  April  in  der  Schlacht  bei 
Schleswig  focht.  Im  nächstfolgenden  Jahre  kämpfte  er  an  der  Spitze  einer 
Garde-Landwehr-Kompagnie  gegen  die  Aufständischen  in  der  Pfalz  und  in 
Baden;  seine  dortigen  Leistungen  wurden  durch  die  Verleihung  des  Rothen 
Adierordens  4.  Klasse  mit  Schwertern  anerkannt.  Im  October  1851  ward  er 
zum  Hauptmann  befördert,  im  April  1857  als  solcher  in  das  Garde-Schtitzen- 
ßataillon,  die  sogenannten  Neufchateller  Jäger,  zu  Berlin  und  im  Mai  1858 
als  Major  in  den  Generalstab  versetzt,  in  welchem  er  verblieb,  bis  er,  in- 
zwischen Oberstlieutenant  geworden,  im  Mai  1862  Bataillonskommandeur  beim 
2.  Westfälischen  Infanterie-Regimente  Nr.  15  wurde.  Der  Stab  des  Regiments 
stand  in  Minden  und  v.  d.  G.  kam  damit  in  eine  Provinz,  welche  so  recht 
seine  Heimath  werden  sollte.  Dreimal  war  ihm  vergönnt,  mit  jenem  Regi- 
mente  in  das  Feld  zu  ziehen.  Zum  ersten  Male  geschah  es  im  Jahre  1864, 
wo  er  den  Kampf  um  Düppel,  sowie  den  Uebergang  nach  Alsen  mitmachte 
und  den  Orden  pour  le  m^rite  erwarb;  zum  zweiten  Male  1866,  jetzt  als 
Oberst  und  Kommandeur  des  Regiments.  Beide  Male  stand  er  unter  General 
von  Goeben,  welcher  1864  sein  Brigade-,  1866  sein  Divisionskommandeur  war. 
Die  von  letzterem  befehligten  Truppen  gehörten  zur  Mainarmee  und  mit  diesen 
focht  V.  d.  G.,  zur  Brigade  Wrangel  gehörend,  mit  grosser  Auszeichnung,  welche 
durch  die  Verleihung  des  Eichenlaubes  zum  Verdienstorden  Anerkennung  fand, 
bei  Dermbach,  Kissingen,  Laufach,  Aschaffenburg  und  Gerchsheim.  Als  so- 
dann der  Krieg  gegen  Frankreich  ausbrach,  war  v,  d.  G.  seit  Jahresfrist  General 
und  Kommandeur  der  aus  seinem  früheren  und  dem  55.  Regimen te  gebildeten 
26.  Infanterie-Brigade,  welche  zur  13.  Division  des  VII.  Armeekorps  gehörte  und 
der  I.  Armee  unter  General  von  Steinmetz  zugetheilt  wurde.  Schon  der  Nach- 
mittag des  6.  August  gab  dem  General  v.  d.  G.  Gelegenheit  zum  Eingreifen 
in  den  Kampf  von  Spicheren;  eine  ihm  besonders  günstig  erscheinende  aber 
bot  sich,  als  er,  um  die  nämliche  Tageszeit  am  14.  vor  Metz  auf  Vorposten 
befindlich,  Bewegungen  beim  Feinde  wahrnahm,  welche  dessen  Absicht,  auf 
die  Festung  zurückzugehen,  erkennen  Hessen.  G.  schritt  sofort  zum  Angriffe 
und  führte  dadurch  den  Beginn  der  von  der  oberen  Heeresleitung  nicht  beab- 

6* 


g^  von  der  Goltz. 

sichtigten  Schlacht  von  Colombey-Nouilly  herbei.  Sein  Verfahren  ist  häufiger 
gelobt  als  getadelt:  fiir  seine  Brigade  bedeutete  es  eine  Einbusse  von  40  Offi- 
zieren und  988  Mann  an  Todten  und  Verwundeten,  es  war  ein  schöner  aber 
theuer  erkaufter  Erfolg.  G.  trug  er  das  Eiserne  Kreuz  i.  Klasse  ein,  nach- 
dem ihm  die  2.  schon  für  Spicheren  verliehen  war.  Auch  am  18.  bei  Gra- 
velotte  kam  seine  Brigade  zu  verlustreichem  Gefechte.  Dann  nahm  sie  an 
der  EinSchliessung  von  Metz  und  den  ^dabei  vorfallenden  Gefechten  theil. 
Nach  der  Uebergabe  der  Festung  verblieb  das  VII.  Armeekorps  zunächst  in 
der  dortigen  Gegend,  G.  aber  wurde  mit  einer  aus  dem  30.  und  dem  34.  In- 
fanterie-Regimen te,  dem  2.  Reserve-Dragoner-  und  dem  2.  Reserve- Husaren- 
Regimen  te  nebst  18  Geschützen  zusammengesetzten  »Detachement  Goltz«  gen 
Süden  entsendet,  wo  er  fortan  unter  dem  Oberbefehle  des  Generals  v.  Werder 
am  Kriege  theil  nahm.  Am  17.  November  dort  eingetroffen,  zuerst  mit  der 
Beobachtung  von  Langres  beauftragt,  aber  bald  abberufen,  um  im  freien 
Felde  verwendet  zu  werden,  hatte  er  zuerst  am  27.  November  lebhaften  An- 
theil  an  dem  Gefechte  bei  Piques  gegen  Garibaldi's  Vogesenarmee,  schlug 
dann,  von  einem  beschwerlichen  Marsche  durch  die  C6te  d'Or  zurückgekehrt 
und  beauftragt  in  der  Richtung  auf  Langres  für  die  Sicherheit  in  den  von 
den  deutschen  Truppen  besetzten  Gebieten  zu  sorgen,  einen  Theil  der  durch 
Franctireurs  verstärkten  Besatzung  der  Festung  am  16.  December  bei  Lon- 
geau,  wurde,  als  Anfang  Januar  Bourbaki's  Angriffsbewegungen  den  General 
von  Werder  bestimmten  seine  Kräfte  zu  sammeln,  nach  Vesoul  herangezogen, 
focht  am  9.  d.  M.  bei  Villersexel,  vom  15. — 17.  in  der  dreitägigen  Schlacht 
an  der  Lisaine  und  sollte  schliesslich  nochmals  gegen  Langres  verwendet 
werden,  als  der  Waffenstillstand  den  Feindseligkeiten  ein  Ende  machte.  Nach 
Friedensschluss  wurde  er  zum  Inspekteur  der  Jäger  und  Schützen,  im  April 
1873  aber  zum  Kommandeur  der  i.  Division  in  Königsberg  ernannt,  ver- 
tauschte die  letztere  Stellung,  nachdem  er  im  September  d.  J.  zum  General- 
lieutenant befördert  worden  war,  mit  der  nämlichen  an  der  Spitze  der  13.  Di- 
vision zu  Münster,  trat  im  März  1880  mit  dem  Charakter  als  General  der 
Infanterie  in  den  Ruhestand  und  nahm  nun,  in  Westfalen  verbleibend,  seinen 
Wohnsitz,  in  dem  Dorfe,  welches  sein  Sterbeort  werden  sollte.  Im  September 
1889  stellte  ihn  Kaiser  Wilhelm  II.  gelegentlich  der  in  der  Provinz  Westfalen 
abgehaltenen  Kaisermanöver  ä  la  suite  des  einst  von  ihm  geführten  15.  Re- 
giments. 

Auch  am  politischen  Leben  hat  General  v.  d.  G.  sich  betheiligt.  Als  im 
Jahre  1867  der  konstituirende  Reichstag  des  Norddeutschen  Bundes  in  Berlin 
zusammentrat,  entsandte  ihn  der  Wahlkreis  Minden-Ltibbecke  als  seinen  Ver- 
treter dorthin,  als  darauf  der  ordentliche  Reichstag  gebildet  wurde,  fiel  die 
Wahl  wiederum  auf  den  Oberst  v.  d.  G.  und  als  dieser  im  Jahre  1869,  weil 
er  zum  General  und  zum  Brigadekommandeur  befördert  worden  war,  sein 
Mandat  niederlegen  musste,  wurde  ihm  dasselbe  von  neuem  übertragen. 
Seiner  eigenen  Ueberzeugung  folgend  und  im  Einklänge  mit  der  Mehrheit 
seiner  Wähler  sass  er  dort  auf  der  äussersten  Rechten.  Die  Verehrung  und 
die  Liebe,  deren  er  sich  im  Mindenschen  und  im  Ravensbergischen  erfreut  hatte, 
kamen  auch  bei  seinem  am  i.  November  zu  Eisbergen,  dem  Pfarrdorfe  für 
Ftilme,  erfolgten  Begräbnisse  zum  Ausdrucke;  sein  Freund  und  Kriegsgefährte 
von   1870,  Pastor  Friedrich  von  Bodelschwingh,  hielt  dabei  die  Trauerrede. 

B.  Poten. 


von  Kottwitz.     von  Holleben. 


85 


Kottwitz,  Hugo  von,  Freiherr,  Königlich  Preussischer  General  der  In- 
fanterie, *  am  6.  Januar  181 5  zu  Wahlstatt  in  Schlesien,  f  am  13.  Mai  1897 
zu  Stuttgart.  —  v.  K.  trat  am  6.  Januar  1832  beim  11.  Infanterie-Regimente, 
dem  jetzigen  Grenadier- Regimen te  Kronprinz  Friedrich  Wilhelm  (2.  Schlesi- 
sches)  No.  II,  als  Dreijährigfreiwilliger  in  den  Dienst  und  gehörte  diesem 
Regimen  te  an,  bis  er  am  3.  April  1866  zum  Oberst  und  zum  Kommandeur 
des  4.  Westfälischen  Infanterie-Regiments  No.  17  ernannt  wurde,  an  dessen 
Spitze  er  am  3.  Juli  in  der  Schlacht  bei  KÖniggrätz  durch  die  Wegnahme 
des  Waldes  von  Bor  nicht  unwesentlich  zur  Entscheidung  beitrug.  Bei  Aus- 
bruch des  Krieges  gegen  Frankreich  zum  Generalmajor  und  Kommandeur  der 
aus  den  Hanseatischen  Regimentern  No.  75  und  No.  76  bestehenden  35.  In- 
fanterie-Brigade befördert,  musste  er  zunächst  des  Küstenschutzes  wegen  dem 
Kriegsschauplatze  fem  bleiben;  als  aber  die  Befürchtungen,  welche  die  fran- 
zösische Flotte  wachgerufen  hatte,  sich  als  grundlos  erwiesen  hatte,  rückte  die 
Brigade  im  Verbände  der  1 7.  Division,  später  zu  dem  dem  Grossherzoge  Friedrich 
Franz  II.  von  Mecklenburg-Schwerin  unterstellten  XIII.  Armeekorps  gehörend, 
ebenfalls  nach  Frankreich  ab,  nahm  vom  4.  bis  zum  10.  September  an  der 
Einsch^essung  von  Metz,  alsdann  bis  zum  20.  an  der  Belagerung  von  Toul 
und  schliesslich  an  der  Cemirung  von  Paris  theil,  bis  der  Grossherzog  am 
IG.  November  mit  einer  ihm  unterstellten  Armeeabtheilung  gen  Süden  ent- 
sandt wurde,  um  einem  nach  dem  Treffen  von  Coulmiers  etwa  von  Orleans 
gegen  Paris  gerichteten  Angriffe  zu  begegnen.  Nachdem  dieser  ausgeblieben 
war  und  die  Brigade  Kottwitz  inzwischen  bei  dem  vom  Grossherzoge  in  der 
Richtung  auf  le  Mans  gemachten  Luftstosse  mitgewirkt  hatte,  bot  sich  ihrem 
Führer  am  2.  December  in  der  Schlacht  bei  Loigny-Poupry  die  geschickt 
ergriffene  und  mit  hingebender  Tapferkeit  benutzte  Gelegenheit  durch  den  in 
einem  kritischen  Augenblicke  unternommenen  erfolgreichen,  von  ihm  persön- 
lich geleiteten  Angriff  auf  Loigny  und  die  standhafte  Behauptung  der  gewon- 
nenen Oertlichkeiten  zur  Entscheidung  des  Tages  wesentlich  beizutragen.  Seine 
Brigade  hatte  an  Todten  und  Verwundeten  21  Offiziere  und  423  Mann  ver- 
loren. An  den  schweren  Kämpfen  vom  7.  bis  zum  11.  December,  welche 
mit  dem  Gesammtnamen  der  Schlacht  von  Beaugency-Cravant  bezeichnet  wer- 
den, und  an  der  durch  sie  herbeigeführten  Abwehr  von  Chanzy's  Versuchen, 
die  auf  dem  Kriegsschauplatze  an  der  Loire  bis  dahin  erlittenen  Niederlagen 
in  Sieg  zu  verwandeln,  hatten  General  v.  K.  und  seine  Hanseaten  vollen  An- 
theil,  nicht  minder  an  dem  schliesslichen  Zurückwerfen  dieses  gefährlichen 
Gegners  auf  le  Mans  und  an  der  völligen  Zertrümmerung  seines  Heeres.  Mit 
dem  Eisernen  Kreuze  i.  Klasse  in  die  Heimath  zurückgekehrt,  wurde  der 
General  am  14.  Juli  1874  nach  Württemberg  kommandirt,  um  das  Kommando 
der  26.  Division  zu  übernehmen  und  am  18.  Januar  1875  zum  Generallieute- 
nant befördert.  Am  22.  December  1877  von  dort  abberufen  und  an  die  Spitze 
der  I.  Division  in  Königsberg  gestellt,  erbat  er  seine  Pensionirung,  welche 
am  5.  Februar  1878  bewilligt  wurde;  gleichzeitig  erfolgte  seine  Stellung  zur 
Disposition  und  am  fünfundzwanzigsten  Jahrestage  von  Loigny  seine  Charakte- 
risirung  als  General  der  Infanterie  durch  Kaiser  Wilhelm  II. 

B.  Poten. 

Holleben,  Bernhard  von,  genannt  von  Normann,  Königlich  Sächsischer 
General  der  Infanterie  z.  D.,  ♦  am  30.  Juli  1824  zu  Unter-Köditz  bei  König- 
see im  Fürsten thume  Sqhwarzburg-Rudolstadt,  f  11.  October  1897  zu  Dresden, 


36  von  Holleben,     von  Kraatz-Koschlau. 

—  V.  H.  beabsichtigte  in  den  bürgerlichen  Staatsdienst  seines  Heimathlandes 
zu  treten  und  hatte  zu  diesem  Ende  fast  vier  Jahre  lang  zu  Jena  studirt,  als 
die  im  Winter  1848/49  gemachte  Bekanntschaft  mit  den  zum  Zwecke  der 
Aufrechterhaltung  von  Ruhe  und  Ordnung  in  Rudolstadt  befindlichen  Offizieren 
des  Königlich  Sächsischen  i.  Schützen-Bataillons  ihn  veranlasste  im  Juni  1849, 
als  Portepeejunker  in  die  Sachsische  Armee  zu  treten.  Er  hatte  damit  in  eine 
Laufbahn  eingelenkt,  für  welche  seine  geistigen  und  körperlichen  Eigenschaften 
ihn  vorzüglich  befähigten.  Sie  war  daher  eine  besonders  glänzende.  Noch 
im  nämlichen  Jahre  zum  Unter-,  am  i.  Juni  1854  zum  Oberlieutenant  be- 
fördert, 1856  bis  1858  zur  Fortbildungsschule  des  Generalstabes,  1863/64  als 
Adjutant  zu  dem  Kommandeur  der  Bundes -Executionstruppen  in  Holstein, 
General -Lieutenant  von  Hake,  kommandirt,  seit  1865  zuerst  als  Brigade- 
adjutant, dann  im  Generalstabe  verwendet,  wurde  er  am  29.  März  1866 
in  letzterem  zum  Hauptmann  ernannt  und  bewährte  sich  im  Böhmischen 
Feldzuge  dieses  Jahres  im  Stabe  der  2.  Division  unter  General  von  Stieglitz 
ganz  vorzüglich  durch  Umsicht  und  Entschlossenheit,  wie  durch  seine  Fürsorge 
für  die  Truppen  und  durch  seine  Gabe  mit  Menschen  aller  Art  zu  verkehren. 
Die  ihm  gewordenen  Ordensauszeichnungen  erkannten  die  von  ihm  geleisteten 
Dienste  an.  Bereits  am  26.  März  1867,  also  nachdem  er  ein  Jahr  lang  Haupt- 
mann gewesen,  zum  Major  ernannt,  wurde  er  alsbald  zum  Grossen  General- 
stabe nach  Berlin  kommandirt  und  kurz  vor  Ausbruch  des  Krieges  gegen 
Frankreich  dort  zum  Militärbevollmächtigten,  sowie  zum  Bevollmächtigten 
beim  Bundesrathe  und  zum  Mitgliede  der  Bundes -Rayonkommission  ernannt; 
bei  der  Mobilmachung  wurde  er  dem  Generalstabe  des  Grossen  Hauptquar- 
tiers zugetheilt.  In  dieser  Stellung  trat  er  in  den  Augusttagen  bei  Metz  durch 
werthvolle  Leistungen  hervor,  erwies  sich  hervorragend  tüchtig,  als  er,  bei 
Ausscheidung  der  Maasarmee  unter  Kronprinz  Albert  von  Sachsen,  zum  Ober- 
kommando der  letzteren  abkommandirt  war  (auf  dem  Zuge  nach  Sedan  und 
in  der  Schlacht  vom  i .  September),  trat  vor  Paris  zum  Grossen  Hauptquartiere 
zurück  und  gehörte  zum  Schlüsse  dem  Oberkommando  der  Südarmee  unter 
dem  General  Freiherrn  von  Man  teuffei  an,  welche  die  letzte  feindliche  Feld- 
armee über  die  Schweizerische  Grenze  drängte.  Das  Eiserne  Kreuz  i.  Klasse 
war  die  werthvoUste  unter  den  ihm  verliehenen  Ordensauszeichnungen.  Nach 
Friedensschi uss  blieb  er  bis  zum  i.  Juli  1873  in  seiner  früheren  Stellung, 
jetzt  beim  Deutschen  Reiche  statt  beim  Norddeutschen  Bunde,  in  Berlin  und 
war  darauf  bis  zum  6.  Juli  1883  Chef  des  Generalstabes  des  XIL  (Königlich 
Sächsischen)  Armeekorps.  Inzwischen  zum  Generalmajor  aufgerückt,  übernahm 
er  alsdann  das  Kommando  der  2.  Infanterie-Brigade  Nr.  46  zu  Dresden,  ver- 
tauschte dieses  am  i.  April  1887,  zum  Generallieutenant  befördert,  mit  dem 
der  dortigen  3.  Division  No.  32,  letzteres,  nach  Leipzig  übersiedelnd,  im  Ja- 
nuar 1889  mit  dem  der  2.  Division  No.  24  und  trat  am  22.  Januar  1892 
durch  gichtische  Leiden  bewogen  in  den  Ruhestand.  Gleichzeitig  zum  General 
der  Infanterie  ernannt,  wählte  er  Dresden  zu  seinem  Wohnsitze. 

Militär.  Wochenblatt  No.  96,  Berlin  27.  October  1897. 

B.  Poten. 

Kraatz-Koschlau,  Alexander  von.  Königlich  Preussischer  General  der 
Infanterie  z.  D.,  *  am  12.  Februar  181 7  zu  Wenneschin  im  hinterpommer- 
schen  Kreise  Lauenburg,  f  am  12.  September  1897  zu  Friedenau  bei  Berlin. 

—  K.  trat    an    dem   Tage,    an    welchem    er   sein  17.  Lebensjahr  vollendete, 


von  Kraatz-Koschlau.     Lobstein.  gy 

als  Dreijährigfreiwilliger    beim    4.  Infanterie- Regimen te   in   den  Heeresdienst, 
wurde  am  13.  Februar  1836  Sekond-,  am  12.  April  1849  Premier-Lieutenant 
und  am  12.  November  1852,  nachdem  er  die  Allgemeine  Kriegsschule  besucht 
hatte  und  zum  Topographischen  Bureau,  wie  zur  Gewehrfabrik  in  Sömmerda, 
in  welcher    damals  am  Zündnadelgewehre  gearbeitet  wurde,  kommandirt  ge- 
wesen war,  als  Hauptmann  in  den  Generalstab  versetzt.     Diesem  hat  er,  mit 
einer  vierjährigen,  von  1853  bis  1857  dauernden,  durch  die  Verwendung  als 
Kompagniechef   bei    dem    zu  Trier  und  Luxemburg  garnisonirenden    30.  In- 
fanterie-Regimente  ausgefüllten  Unterbrechung,  bis  1867  angehört.     Im  Jahre 
1866    nahm    er   während    des    Krieges    gegen    Oesterreichs    Verbündete    als 
Chef  des    Stabes    der    Mainarmee    eine    hervorragende    Stellung    ein,    deren 
Bedeutung  im  ersten  Theil  des  Feldzuges,  in  welchem  der  Oberbefehlshaber, 
General   Vogel   von   Falkenstein,    thatsächlich    sein   eigener   Generalstabschef 
war,    nicht   in    gleichem  Maasse    zur  Geltung   kam    wie    unter  dessen  Nach- 
folger, dem  Generallieutenant  Freiherm  von  Man  teuffei.     Die  Leistungen  des 
Obersten  v.  K.  in  diesem  Kriege  wurden    durch    die  Verleihung  des  Ordens 
pour  le  mdrite  anerkannt.    Nach  Friedensschluss  trat  er  in  die  von  ihm  schon 
seit  1863  bekleidete  Stellung  als  Chef  des  Generalstabes  des  VII.  Armeekorps 
zurück,  verblieb  in  derselben  noch  ein  Jahr,  erhielt  dann  das  Kommando  der 
42.  Infanterie-Brigade  zu  Frankfurt  a.  M.,  welches  er  1869  mit  dem  eine  be- 
sondere   dienstliche    Befähigung    erfordernden    der  11.  zu  Berlin  vertauschte, 
und    erhielt,    inzwischen  Generalmajor    geworden,    bei  Ausbruch  des  Krieges 
vom  Jahre  1870   gegen  Frankreich   das  Kommando   der  zum  X.  Armeekorps 
unter  General  von  Voigts-Rhetz  und  zur  IL  Armee  des  Prinzen  Friedrich  Karl 
von  Preussen  gehörenden  20.  Infanterie-Division.     In  der  Frühe  des  16.  Au- 
gust von  Pont  ä  Mousson    aufgebrochen    und    nach    zwölfstündigem  Marsche 
bei  Tronville  auf  dem  Schlachtfelde  von  Vionville-Mars  la  Tour  eingetroffen, 
nahm  die  Division  unter  seiner  Führung  an  den  Schlusskämpfen  des  Tages  und 
demnächst  an  der  Einschliessung  von  Metz  Theil.  Nach  dem  Falle  der  Festung 
wurde  General  v.  K.  zunächst  auf  dem  äussersten  linken  Flügel  der  nach  der 
Loire   abrückenden    IL  Armee  gegen  Langres  entsendet,    aber  schon  so  früh 
an  die  letztere  wieder  herangezogen,  dass  er  den  Kämpfen  von  Ende  Novem- 
ber   und  Anfang  December   beiwohnen    konnte,    welche    am  4.  des  letzteren 
Monats  zur  Besitznahme  von  Orleans  führten.    Um  die  Jahreswende  stand  er 
Chanzy  gegenüber  bei  Vendöme  am  Loir.    Bei  dem  alsdann  erfolgenden  Vor- 
rücken gegen  le  Mans  hatte  die  20.  Division  wiederum  den  linken  Flügel  der 
Armee.     Unter    nicht    allzu    schweren  Kämpfen,    aber  mittelst  anstrengender 
Märsche  langte  sie  am  12.  Januar  vor  le  Mans  an  und  drang  am  Nachmittage 
zuerst    in    die  Stadt    ein.     Mit    dem  Eisernen  Kreuze  i.  Klasse    geschmückt, 
kehrte  General    v.  K.  nach  Friedensschlüsse    in    die  Heimath  zurück,    erhielt 
zunächst  das  Kommando  der  12.  Division  in  Neisse,  vertauschte  dieses  schon 
im  Sommer  1871   mit  dem  der  16.  in  Trier,  rückte  am  18.  August  d.  J.  zum 
Generallieutenant    auf   und    wurde   am  4.  März  1879  in  Genehmigung  seines 
Abschiedsgesuches   und   unter  Verleihung  des  Charakters  als  General  der  In- 
fanterie mit  Pension  zur  Disposition  gestellt.     Nachdem  sein  Vater  im  Jahre 
1857  geadelt  worden,  hiess  er  »von  Kraatz-Koschlau«,  bis  dahin  »Kraatz«. 

B.  Poten. 

Lobstein,  Friedrich  Eduard,  Arzt  und  Dichter,  *  am  3.  December  1826 
zu  Strassburg   im  Elsass,    f  am    2.  October  1897   zu  Heidelberg.  —  Er  ent- 


88  Lobstein.     Romann. 

stammte  einer  alt-elsässischen  Familie,  war  von  Geburt  zwar  Franzose,  aber 
im  Herzen  ein  guter  Deutscher,  der  sich  der  Wiedervereinigung  seiner  Hei- 
math mit  dem  deutschen  Mutterlande  (1871)  aufrichtig  freute.  Sein  Vater 
war  der  als  pathologischer  Anatom  und  Gründer  des  anatomisch-pathologischen 
Museums  in  Strassburg  in  der  medicinischen  Welt  rühmlichst  bekannte  Pro- 
fessor Johann  Friedrich  L.,  nach  dessen  frühem  Tode  (1835)  ^^  ^^^  ^^^ 
Mutter  in  deren  Heimath  und  Elternhaus  nach  Landau  in  der  bayrischen 
Pfalz  übersiedelte.  Hier  empfing  er  im  Hause  seines  Grossvaters,  des  Medi- 
cinalraths  Dr.  Pauli,  den  ersten  Unterricht,  besuchte  darauf  die  dortige  Latein- 
schule, absolvirte  später  das  Gymnasium  zu  Speyer  und  bezog  dann  die  Uni- 
versität Heidelberg,  um  Medicin  zu  studiren.  In  Würzburg,  wo  er  seine 
Studien  fortsetzte,  promovirte  er  1852  und  bestand  zwei  Jahre  später  die 
Staatsprüfung.  Inzwischen  hatte  er  zu  weiterer  Ausbildung  Berlin,  Prag,  Wien 
und  Paris  besucht  und  auch  das  bayrische  Indigenat  erworben,  und  so  Hess 
er  sich  denn  1854  in  Landau  als  praktischer  Arzt  nieder.  Lobstein's  dich- 
terische Productivität,  die  bis  zum  Jahre  1840  zurückreicht,  gewann  durch 
die  Schillerfeier  (1859)  höhere  Weihe  und  reinere  Form.  Mit  angeborener 
Vorliebe  für  historische,  archäologische  und  Kunststudien  widmete  er  sich  in 
berufsfreien  Stunden  hauptsächlich  den  klassischen  Dichtformen  hellenischer 
und  römischer  Vorbilder.  Aus  der  Zeit  einer  italienischen  Reise  stammen 
seine  »Bilder  aus  Neapel«  (1866).  Nach  dem  Tode  seiner  Mutter  gab  L.  im 
Jahre  1872  seinen  ärztlichen  Beruf  auf  und  zog  nach  Heidelberg,  wo  er  sich 
in  seiner  Villa  am  Schlossberge  ein  trauliches  Heim  schuf.  Seine  Müsse  wid- 
mete er  in  der  Folge  theils  dem  städtischen  Gemeinwesen,  theils  schriftstelle- 
rischer Production.  Als  Denkmale  der  Pietät  veröffen dichte  er  zur  Säcular- 
feier  der  Geburt  seines  Vaters,  dessen  Marmorbüste  bei  dieser  Gelegenheit 
von  der  medicinischen  Facultät  zu  Strassburg  in  dem  Neubau  des  Museums 
gestiftet  wurde,  die  Biographie  »Johann  Friedrich  Lobstein.  Sein  Leben  und 
Wirken«  (1878),  sowie  jene  seines  Grossoheims  »Joh.  Friedr.  Lobstein  sen., 
ein  Lehrer  Goethe's  in  Strassburg.  Nebst  Anhang:  Zur  Geschichte  des  Bür- 
gerhospitals in  Strassburg«  (1880).  Seine  patriotische  und  dichterische  Be- 
geisterung hatte  durch  die  grossen  Ereignisse  von  1870  und  187 1  und  ihre 
Folgen,  sowie  durch  den  unvergleichlichen  Reiz  seiner  neuen  Heimath  einen 
mächtigen  Impuls  erhalten.  So  gab  er  denn  unter  dem  Titel  »In  Musse- 
stunden«  (1880)  eine  Blüthenlese  elegischer  und  lyrische^  Dichtungen  heraus. 
Persönliche  Mittheilungen. 

Franz  Brummer. 

Romann,  Albrecht,  Geistlicher  und  Dichter,  *  am  27.  März  1850  in 
Ziegenhals  (Schlesien),  f  am  11.  September  1897  in  Liegnitz.  —  Sein  Vater 
stand  im  Dienste  der  Judenmission  in  Oberschlesien,  starb  aber  früh  mit 
Hinterlassung  zweier  Söhne,  von  denen  Albrecht  der  ältere  war,  ein  unge- 
stümer Geist,  aber  sehr  begabt.  Nach  dem  Besuche  des  Magdalenengymna- 
siums  in  Breslau,  studirte  er  in  Tübingen  und  Berlin  Theologie  und  gab  noch 
als  Student  zwei  Bändchen  lyrischer  Gedichte,  »Poetische  Aphorismen«  (1872) 
und  ein  Drama  »Attila«  (1872)  heraus.  Im  Jahre  1875  als  Geistlicher  ordi- 
nirt,  wurde  er  zunächst  Pfarrvikar  in  Borsigwerk  und  1876  Diakonus  an  der 
Liebfrauenkirche  in  Liegnitz,  wo  er  21  Jahre  in  grossem  Segen  wirkte.  Er 
richtete  u.  a.  eine  Sonntagsschule  ein,  gründete  einen  Arbeiter-,  einen  Lehr- 
lings- und  Jungfrauenverein,  veranstaltete  öffentliche  Vorträge  und  lieferte  für 


I 


Romann.     Semmig.  89 

die  Vereine  manche  poetische  Gabe,  von  denen  namentlich  das  kleine  vater- 
landische Festspiel  »Bei  Sedan«  (1894),  das  er  unter  dem  Pseudonym  Albrecht 
von  Gaisenberg  herausgab,  in  weitere  Kreise  gedrungen  ist.  Auch  auf  theo- 
logischem Gebiet  hat  er  verschiedene  Fragen  in  selbständigen  Broschüren  be- 
handelt.    Er  erlag  einem  Lungenleiden. 

Nach  Mittheilungen  des  P.  prim.  SeyfTarth  in  Liegnitä. 

Franz  Brummer. 

Semmig,  Friedrich  Herman,  Schriftsteller  und  Schulmann,  *  am  23.  Juni 
1820  zu  Döbeln  im  Königreich  Sachsen,  f  am  22.  Juni  1897  in  Leipzig.  —  Sein 
Vater  betrieb  neben  einem  bürgerlichen  Gewerbe  etwas  Landwirthschaft.  Nach- 
dem der  Sohn  den  vorbereitenden  Unterricht  in  der  Ortsschule  und  privatim 
durch  einen  Kandidaten  der  Theologie  erhalten  hatte,  kam  er  1833  auf  die 
Fürstenschule  in  Grimma  und  bezog  Ostern  1839  ^^^  Universität  Leipzig,  an 
welcher  er  drei  Jahre  Theologie  studirte.  Dann  wandte  er  sich  dem  Studium 
der  Geschichte  zu,  um  später  die  akademische  Laufbahn  einzuschlagen,  und  trat 
deshalb  in  das  historische  Seminar  des  Prof.  Wachsmuth.  Sein  Eintritt  in  die 
Burschenschaft  (1842)  wurde  für  sein  ganzes  späteres  Leben  bedeutungsvoll, 
indem  ihn  von  nun  an  die  politische  Bewegung  in  ihre  Kreise  zog;  von  jetzt 
ab  erschienen  auch  viele  seiner,  die  politisch-philosophische  Bewegung  ab- 
spiegelnden Gedichte  im  »Komet«  (Herlosssohn),  in  den  »Rosen«  (Rob.  Hel- 
ler) und  den  Hamburger  »Jahreszeiten«.  Im  Jahre  1843  ward  S.  in  die  letzte 
sogenannte  Demagogenverfolgung  verwickelt  und  musste  eine  dreimonatliche 
strenge  Haft  erdulden.  An  der  deutschkatholischen  Bewegung  betheiligte  er 
sich  durch  seine  Broschüre  »Schlesiens  Reformirung  und  Katholisirung«  (1845). 
Nach  seiner  Promotion  zum  Dr.  phil.  warf  er  sich  auf  das  Studium  der  socia- 
len Frage;  er  war  der  erste  in  Sachsen,  der  die  Verhältnisse  vom  socialisti- 
schen  Standpunkte  aus,  besonders  in  der  »Trierschen  Zeitung«,  besprach,  und 
in  seiner  Broschüre  »Sächsische  Zustände  nebst  Randglossen  und  Leucht- 
kugeln« (1846)  seine  socialistischen  Anschauungen  auf  den  Humanismus  be- 
gründete. In  diesem  Sinne  war  er  auch  als  Redacteur  politischer  Blätter  in 
Döbeln,  Leipzig  und  Rochlitz  thätig.  In  Leipzig  gründete  er  1848  den  »De- 
mokratischen Verein«  und  vertrat  denselben  als  Deputirter  auf  dem  Congress 
der  demokratischen  Vereine  zu  Pfingsten  in  Frankfurt  a.  M.,  auch  war  er 
gleichzeitig  Mitglied  des  von  Robert  Blum  gegründeten  »Vaterlandsvereins«. 
Xach  der  Hinrichtung  dieses  Freiheitskämpfers  veröffentlichte  er  »Robert  Blum. 
Episches  Gedicht  in  4  Gesängen«  (1848).  Im  Mai  1849  betheiligte  sich  S. 
an  dem  Volksaufstande  in  Sachsen,  floh  nach  Unterdrückung  desselben  nach 
Strassburg  und  gab  noch  in  demselben  Jahre  die  Broschüre  »Handwerk  bringt 
keinen  goldenen  Boden.  Erlebnisse  eines  Handwerkers«  (1849)  heraus.  Im 
Frühjahr  1850  von  der  Regierung  des  Prinz-Präsidenten  nach  Nancy  und  Ende 
des  Jahres  nach  Nantes  verwiesen,  durchzog  er  von  hier  aus  Frankreich  zu 
Fuss  von  Ost  nach  West,  Sitten  und  Gebräuche  des  Landes  genau  studirend, 
und  legte  dann  von  1851  an  seine  Beobachtungen  und  Ansichten  in  den 
angesehensten  deutschen  Blättern  nieder.  Auch  zwei  dramatische  Arbeiten 
'Das  Lied  an  die  Freude«  (1850)  und  3^ Freitag«  (1850)  Hess  er  von  Nantes 
aus  unter  dem  Namen  Fr.  Schmidt  in  Deutschland  erscheinen.  Im  Sommer 
1854  wurde  S.  Studienaufseher  am  städtischen  Gymnasium  zu  Quimper,  war 
1855 — 56  Sekretär  eines  jungen  Gelehrten  in  Paris  und  Hauslehrer  einer 
adeligen  Familie  in  der  Vendde,   hielt  sich  seit  dem  Herbst  1856  als  Privat- 


QO  Semxnig.     Brahms. 

lehrer  in  Nantes  auf  und  erhielt  1858  auf  Verwendung  des  Historikers  Michelet 
die  Stelle  eines  Lehrers  der  deutschen  Sprache  am  Staatsgymnasium  zu  Le 
Puy  in  den  Sevennen.  Nachdem  er  dann  im  Herbst  1860  zu  Paris  das  Exa- 
men als  Oberlehrer  für  lebende  Sprachen  bestanden  hatte,  wurde  er  als  solcher 
am  Gymnasium  zu  Chambt!ry  in  dem  eben  annectirten  Savoyen  angestellt, 
von  wo  aus  er  seine  »Geschichte  der  französischen  Literatur  im  Mittelalter« 
(1862)  veröffentlichte.  Im  Herbst  1862  an  das  Lyceum  in  Orleans  berufen, 
gründete  er  sich  hier  1866  den  glücklichsten  Familienheerd,  wurde  aber, 
trotzdem  er  das  Civilbtirgerrecht  in  Frankreich  besass,  wie  alle  Deutschen 
1870  ausgewiesen.  Ueber  die  Bretagne,  England  und  Belgien  kehrte  er  nach 
Leipzig  zurück  und  erhielt  hier  bald  darauf  eine  Stelle  als  Lehrer  an  der  neu 
begründeten  höheren  Bürgerschule  fiir  Mädchen,  die  er  bis  zu  seiner  Pen- 
sionirung  (1882)  ver^'altete.  Seitdem  widmete  er  seine  Müsse  literarischen 
Arbeiten.  Von  seinen  späteren  Schriften  sind  noch  zu  erwähnen:  »Das  Kind. 
Tagebuch  eines  Vaters«  (1876)  —  »Das  Frauenherz.  Lebensbilder  und  Dich- 
tungen« (1879)  —  »Cultur-  und  Literaturgeschichte  der  französischen  Schweiz 
und  Savoyens«  (1882)  —  »Französisches  Frauenleben«  (1883)  —  »Evas  Töchter 
bis  auf  Luther's  Käthe«  (1883)  —  »Fem  von  Paris.  Erzählungen  und  No- 
vellen« (1884)  —  »Ein  Genzianenstrauss.  Novellen  und  Reisebilder«  (1885' 
—  »Die  Jungfrau  von  Orleans  und  ihre  Zeitgenossen«  (1885)  —  »Rhein, 
Rhone  und  Loire.     Cultur-  und  Landschaftsbilder«  (1886). 

Persönliche  Mittheilungen. 

Franz  Brummer. 

Brahms,  Johannes,  Componist  und  Pianist,  *  am  7.  Mai  1833  zu  Ham- 
burg, Speckstrasse  60  (früher  No.  24;  das  Taufjournal  der  St.  Michaelskirche 
in  Hamburg  nennt  das  Haus  »Specksgang — Schlütershof«),  f  am  3.  April  1807 
zu  Wien.  —  Die  Familie  war  früher  im  Holstein'schen,  noch  früher  im  Han- 
nover'sehen  ansässig  und  schrieb  sich  abwechselnd  Brahmst,  Brahms,  Brams, 
Bramst.  Der  Vater  Brahms',  Johann  Jakob  Brahms  (geb.  i.  Juni  1806  in 
Heide  im  Holsteinischen),  bevorzugte  die  erste  Schreibung  und  hatte  seinen 
Namen  in  dieser  Form  auf  seiner  Stadtmusikerfirmatafel  stehen,  trotzdem  in 
seinem  »Meisterbriefe«  Brahms  zu  lesen  war.  Der  junge  Brahms  kratzte  das 
t  von  der  Tafel  ab,  auch  wenn  es  der  alte  Herr  wieder  herstellen  Hess.  End- 
lich gab  der  Vater  nach  und  acceptirte  auch  seinerseits  die  Lesart  » Brahms  ä. 
Vater  Brahms  war  Contrabassist  (zuerst  am  Carl-Schultze-Theater,  später  am 
Stadttheater),  spielte  aber  auch  Cello  und  Hörn.  In  dieser  Eigenschaft  war 
er  Mitglied  eines  Sextetts,  das  im  Sommer  im  Alster-Pavillon  musicirte  und 
für  das  der  junge  Johannes  Märsche  und  Tänze  arrangirte,  einmal  sogar  eine 
Original  -  Composition  geliefert  haben  soll.  Die  Mutter  (Johanna  Henrika 
Christiana)  war  eine  geborene  Nissen  aus  Hamburg  (geb.  1789,  gest.  2.  Febr. 
1865)  eine  herzensgute,  einfache  Frau,  an  der  Brahms  zeitlebens  mit  grösster 
Verehrung  hing.  Sie  betrieb  im  Hause  P'uhlentwiel  74,  wohin  die  Familie 
übersiedelt  w^ar,  eine  kleine  Handlung  mit  holländischen  Waaren.  Die  Ehe 
der  Eltern  war,  wie  es  scheint,  keine  sehr  glückliche;  die  Eheleute  gingen 
Anfangs  der  60  er  Jahre  auseinander.  Der  alte  Brahms  heirathete  nach  dem 
Tode  seiner  ersten  Frau  noch  einmal,  und  zwar  die  Wittwe  Caroline  Schnack 
(geb.  Paasch,  geb.  25.  October  1824),  die  derzeit  noch  in  Pinneberg  im  Hol- 
steinischen bei  ihrem  Sohne  Fritz  aus  erster  Ehe  lebt.  An  vollblütigen  Ge- 
schwistern  besass   B.  eine  Schwester  Elisabeth  (geb.   11.  Februar  183 1,  gest. 


Brabms. 


91 


II.  Juni  1892)  und  einen  Bruder  Friedrich  (geb.  26.  März  1835,  gest.  5.  No- 
vember 1886),  der  gleich  ihm  Musiker  wurde,  längere  Zeit  in  Amerika,  später 
aber  in  Hamburg  lebte.  —  Vater  Brahms  unterrichtete  seinen  Sohn  im  Cello- 
und    Homspiele.     Später    übernahm    ein   Schüler  F.  Marxsen's,    Cossel,    den 
l'nterricht  im  Clavierspiele,  welchen  dann  Marxsen  selbst  fortsetzte,  der  über- 
diess    dem   jungen  Manne    auch   die  vollständige  theoretische  Ausbildung  an- 
gedeihen    Hess.     Höhere    Schulbildung    genoss  B.  nicht;    sein   späterhin   viel- 
bewundertes allgemeines  Wissen  hat  er  sich  durch  Selbststudium  angeeignet. 
—   Um  zu  dem   schmalen  Haushalte  der  Eltern  etwas  beisteuern  zu  können, 
spielte  B.  in  Hamburg,  Bergedorf  u.  s.  w.  in  Wirthshäuseni,  Matrosenkneipen 
u.  dgl.     Am    21.  September    1848  gab  Johannes    sein    erstes   Concert,   dem 
iim   14.  April   1849   ein    erfolgreiches  zweites  folgte.     Der  im  Mai  1898  ver- 
storbene ungarische  Geiger  Ed.  Remdnyi  soll  ihn  um  diese  Zeit  gehört  haben, 
engagirte  ihn  aber  jedenfalls  erst   1853  zu   einer  mehrwöchentlichen  Concert- 
reise  durch  Norddeutschland.     1850   machte  B.  einen  Versuch,  dem  zufallig 
in  Hamburg  weilenden  Rob.  Schumann  einige  Composirionen  vorzulegen.    Der 
Meister   fand  aber  keine  Zeit,    was  Brahms  veranlasste,    sich  später  etwas  zu 
besinnen,    ehe  er  Schumann  —  wie  er    glaubte  —  lästig    fallen    wollte.     In 
Weimar  machte  B.  (1853)  die  Bekanntschaft  Liszt's,  der  ihn  mit  Begeisterung 
aufnahm    und   bei  dem   er  mehrere  Wochen  dieses  und  des  nächstfolgenden 
Jahres  zubrachte,  in  Göttingen  diejenige  Joachim's,  der  nun  in  ihn  drang  sich 
Schumann  vorzustellen.     Dies  geschah  aber  erst,   nachdem  Brahms  (von  Juni 
1853  an)  eine  Zeit  lang  mit  Joachim  an  der  Göttinger  Universität  Vorlesungen 
gehört,    und    in   dessen  Gesellschaft  eine  Reise    in    die  Schweiz   und  an  den 
Rhein  unternommen   hatte.     Ende  September  oder  Anfang  October  1853  er- 
*irhien  B.  bei  Schumann  in  Düsseldorf  und  erregte  das  grösste  Interesse  des 
Meisters    und    dessen    Frau.     Am    23.  October    dieses    Jahres    veröffentlichte 
Schumann    seinen   berühmt  gewordenen  Aufsatz  »Neue  Bahnen«,  in  welchem 
er   die    musikalische  Welt    auf   den    genialen,    jungen    Künstler    aufmerksam 
machte.    Die  Wirkung  war  nur  zum  Theile  die  beabsichtigte.    Viele  sprachen 
von    Ueberschätzung    und    namentlich    in    der    »Süddeutschen  Musikzeitung« 
vi 854  No.  II   u.  s.  w.)  erschien  eine,  man  kann  sagen,  vernichtende  Kridk  der 
durch  Schumann's  Befün\'ortung  bei  Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig  erschienenen 
ersten  Compositionen,    den    zwei    ersten  Ciaviersonaten  des  Es-moll-Scherzos 
und  des  Liederheftes  op.  3.    Um  mit  Verlegern  in  P'ühlung  zu  kommen,  war 
B.  nach  Leipzig  gereist,  und  trat  daselbst  am  17.  December  1853  zum  ersten 
Male    als  Pianist    und  Componist    auf.     Kurze   Zeit    darauf  (4.  Januar    1854) 
lernte  B.  in  Hannover  Bülow  kennen,  mit  dem  ihn  lebenslange  Freundschaft 
verband.     Auch  Gade,  Spohr,  Marschner,  Löwe  und  Anderen  trat  er  persön- 
lich   mehr    oder    minder  nahe.     Der  innigste  Verkehr  entwickelte  sich   aber 
zwischen  B.,  dem  Ehepaar  Schumann  und  Joachim.    Nur  zu  bald  sollte  aber 
das  so   verheissungsvoll   begonnene  Verhältniss  getrübt  werden.     Am  6.  Fe- 
bruar 1854  stürzte   sich  Schumann  in   den  Rhein   und   der  zwar  wieder  ge- 
rettete, aber  geistesgestörte  Meister  musste  am  4.  März  der  P^ndenicher  Anstalt 
übergeben  werden.    B.  stand  nun  der  Familie  in  Allem  und  Jedem  bei;  auch 
besuchte  er  Schumann  öfter  in  der  Heilanstalt  und  machte  mit  ihm  Spazier- 
gänge;   seine  Besuche    wirkten    wohlthätig    auf  Schumann   ein   und  er  stellte 
dieselben  erst  ein,   als  das  Ende  herannahte.  —  Inzwischen  war  B.  als  Diri- 
gent eines  kleinen  Chores  und  als  Musiklehrer  an  den  Hof  von  Detmold  be- 
rufen,   woselbst   er    eifrig    an    seiner    eigenen  Ausbildung  arbeitete  und  eine 


92 


Brahms. 


Reihe  seiner,  nach  1859  edirten  Compositionen  (von  op.  10  an)  schuf.  Er 
gab  die  Stellung  nach  einiger  Zeit  auf  und  lebte  in  Hamburg,  ebenfalls 
Unterricht  ertheilend  und  dirigirend;  er  und  sein  Bruder  Friedrich  hatten 
jeder  seinen  Chor  und  B.  benutzte  diese  Gelegenheit,  um  recht  viel  alter  Chor- 
musik kennen  zu  lernen.  In  der  Sommerszeit  weilte  er  entweder  in  der 
Schweiz,  wo  er  mit  Gottfried  Keller,  Kirchner  u.  A.  verkehrte,  in  Baden- 
Baden,  wo  sich  Klara  Schumann  —  in  Lichtenthai  —  angekauft  hatte  und 
wo  er  mit  A.  Feuerbach,  Turgeniew  u.  A.  in  Beziehung  trat,  in  Bonn  und 
anderen  Orten. 

Es  war  fast  still  von  B.  geworden;  da  trat  er  am  27.  Januar  1859  in 
einem  Gewandhaus-Concerte  mit  seinem  gewaltigen  D-moll-Concerte  hervor, 
das  er  ursprünglich  als  Sonate  für  2  Claviere  gedacht  hatte.  Das  Stück 
wurde  ausgezischt.  B.  war  aber  nicht  der  Mann,  sich  nur  einen  Augenblick 
irre  machen  zu  lassen.  In  rascher  Folge  erschienen  (1860 — 61)  die  beiden 
Serenaden,  der  »ßegräbnissgesang«,  die  Frauenchöre  mit  Harfe  und  Hom. 
Simrock,  mit  dem  B.  von  da  an  in  lebenslänglicher  Verlagsbeziehung  und 
Freundschaft  beharrte,  erscheint  da  zum  ersten  Male  als  Verleger  B.'scher 
Werke.  —  Bald  veröffentlichte  B.  das  Sextett,  das  ihn  zunächst  unter  den 
Kammermusikspielem  populär  machte.  1862  folgte  B.'s  erste  Reise  nach 
Wien,  jenem  Orte,  der  von  jeher  auf  Musiker  eine  magische  Anziehungskraft 
ausgeübt  hatte  und  bestimmt  erschien,  auch  B.'s  zweite  Heimath  zu  werden. 
Er  hatte  sowohl  als  schaffender,  wie  als  ausübender  Künstler  grossen  Erfolg 
und  sah  sich  von  allen  Seiten  geehrt.  Da  die  »Wiener  Singakademie«  ihm 
das  Amt  eines  Chormeisters  übertrug,  übersiedelte  er  in  die  Kaiserstadt,  wo 
er  an  Hanslick  einen  Freund  und  beredten  Anwalt,  an  Hellmesberger  einen 
begeisterten  Interpreten  gefunden  hatte.  Bis  1864  leitete  er  die  Conccrte 
der  »Singakademie«  im  grössten  Style  und  brachte,  mehr  als  je  einer  seiner 
Vorgänger  in  Wien,  die  Bedeutung  Seb.  Bach's  für  die  Chorcomposition  zur 
Geltung.  Aus  dieser  Zeit  datirt  seine  persönliche  Bekanntschaft  mit  R.  Wag- 
ner, seine  Freundschaft  mit  Taussig  und  Cornelius.  Nachdem  er  seine  Be- 
ziehung zur  Akademie  gelöst,  brachte  er  ein  paar  Jahre  auf  —  meist  mit 
Joachim  ausgeführten  —  Concertreisen  zu,  sich  zeitweilig  auch  auf  längere 
Zeit  an  einem  Orte  (so  1865  in  Karlsruhe)  niederlassend.  Ueberall  stand  er 
im  Mittelpunkte  des  Musiklebens.  In  Karlsruhe  regte  er  die  Wiederaufführung 
von  Mehul's  »Uthal«  an,  betheiligte  sich  an  der,  von  seinen  Freunden  Len 
und  Devrient  geplanten  Don-Juan-Bearbeitung,  in  Göttingen  veranlasste  er 
Ph.  Spitta,  damals  ein  blutjunger  Student,  sich  der  Musikwissenschaft  zu  ^dd- 
men.  Nach  Wien  zurückgekehrt,  dirigirte  er  von  1872  an  die  Concerte  der 
»Gesellschaft  der  Musikfreunde«,  legte  1875  die  Stelle  wieder  nieder,  blieb 
aber  —  bis  an  sein  Lebensende  —  als  Directionsrath  an  dem  Institute  thätig. 
—  In  Wien  hatte  sich  inzwischen  der  Kreis  von  Verehrern  und  Freunden 
des  Meisters  immer  mehr  erweitert,  der  anfangs  mit  norddeutscher  Schroffheit 
Auftretende  hatte  allgemach  gar  Manches  vom  gemüthlichen  Wesen  des 
Oesterreichers  angenommen  und  sich  an  Familien  und  Einzelne  angeschlossen. 
Zunehmende  Anerkennung  auf  künstlerischem  Gebiete  hatte  ihm  ausserdem 
manche  bittere  Erfahrung  seiner  freudlosen  Jugend,  seiner  durch  zahlreiche 
Umstände  getrübten  Jünglingsjahre  vergessen  lassen.  Sein  immer  mehr  wach- 
sender Ruhm  war  hauptsächlich  durch  das  »deutsche  Requiem«  begründet 
worden,  das  1865 — 67  nach  Worten  der  heiligen  Schrift  componirt  (in  dieser 
Hinsicht  besitzt  das  B.'sche  Werk  einen  Vorgänger  in  Heinr.  Schütz*  um  1636 


Brahms. 


93 


auf  den  Tod  Heinr.  Postumus  in  deutscher  Sprache  componirten  »Musikali- 
schen Exequien«)  zum  ersten  Male  am  lo.  April  1868  im  Dom  zu  Bremen 
unter  Rheinthaler's  Leitung  eine  von  durchschlagendem  Erfolge  begleitete 
Aufführung  erlebt  und  zur  Folge  hatte,  dass  sich  das  Werk  rasch  über  ganz 
Deutschland  und  Oesterreich,  über  die  ganze  musikalische  Welt  verbreitete. 
Diese  denkwürdige  Aufführung  war  übrigens  nicht  die  erste.  Herbeck  hatte 
in  Wien  im  zweiten  Gesellschaftsconcert  der  Saison  1867/68  (am  i.  December 
1867)  die  drei  ersten  Sätze  des  Requiems  gebracht,  deren  zwei  erste  tiefen 
Eindruck  machten,  während  der  dritte  (mit  dem  grossen  Orgelpunkte)  auf  die 
Opposition  verbissener  »Zöpfe«  stiess.  —  Bei  der  oben  erwähnten  Bremer 
Aufführung  fehlte  noch  der  Satz:  »Ich  will  Euch  trösten«,  der  erst  etwas 
später  componirt  und  dem  Werke  eingefügt  wurde.  —  Wie  mit  einem  Schlage 
beleuchtete  nun  das  Verständniss,  welches  das  deutsche  Requiem  gefunden 
hatte,  so  manches  anscheinend  Dunkle  in  den  anderen  Werken  des  Meisters, 
die  sich  nun  langsam  Bahn  brachen.  Die  beiden  ersten  Streichquartette,  das 
F-moll-Clavierquintett  (componirt  1863,  ursprünglich  Streichquintett,  später 
auch  als  Sonate  für  zwei  Claviere  veröffentlicht),  die  beiden  Ciavierquartette, 
die  Orchester -Variationen  über  ein  Haydn'sches  Thema  (eines  der  tiefsinnig- 
sten contrapunktischen  Werke  der  ganzen  Orchesterliteratur),  die  Alt-Rhapsodie 
(Text  aus  Goethe's  »Harzreise  im  Winter«,  componirt  1869),  namentlich  aber 
die  Lieder  erfreuten  sich  immer  steigernder  Bewunderung.  Das  Kriegsjahr 
1870  begeisterte  B.  —  der  mit  Leidenschaft  an  Deutschland  hing  —  zu  seinem 
*Triumphlied«,  das  zahllose  Aufführungen  erlebte  und  einen  fast  dem  Sieges- 
zug des  »Requiem«  ähnlichen  Erfolg  hatte. 

Gewaltiges  Aufsehen  erregte  die  Nachricht,  B.  werde  mit  einer  Symphonie 
hervortreten.  Nur  nähere  Freunde  wussten,  dass  er  sich  schon  in  den  fünf- 
ziger Jahren  mit  einem  derartigen  Werke  beschäftigt  hatte  (im  Sommer  1854 
schrieb  er  eine  Symphonie  in  D-moll),  dass  er  mehr  als  einmal  im  Laufe  der 
Jahre  immer  wieder  darauf  zurückkam.  Schon  1862  hatte  B.  (ungefähr  um 
die  2^it,  als  er  mit  seinen  wundervollen  »Magelone-Liedern«  beschäftigt  war) 
seine  C-moll-S)miphonie  begonnen,  die  endlich,  nachdem  sie  mancherlei  Um- 
gestaltung erlebt  hatte,  1876  an  die  Oeffentlichkeit  kam.  Die  erste  Aufführung 
leitete  B.  am  17.  December  in  Wien.  Wie  so  oftmals  bei  B. 'sehen  Werken 
war  die  Aufnahme  keine  solche,  die  auf  auch  nur  annäherndes  Verständniss 
hätte  schliessen  lassen.  —  Als  B.  am  Pulte  erschien,  umbrauste  ihn  tausend- 
stimmiger Jubel;  nach  den  einzelnen  Sätzen  war  weit  mehr  Befremden  als 
Begeisterung  aus  den  Mienen  der  Zuhörer  zu  lesen.  Um  so  unmittelbarer 
wirkten  die  zweite  und  dritte  Symphonie,  die  ihre  Erstaufführungen  in  Wien 
unter  H.  Richter  am  10.  Januar  1878  und  am  2.  December  1883  erlebten.  — 
Das  Violin -Concert,  1877  oder  1878  componirt,  von  Joachim  in  die  Welt 
eingeführt,  wurde  bald  als  hochbedeutendes  Werk  erkannt  und  ziert  dermalen 
die  Programme  der  ersten  Violinspieler.  Es  ist  das  dritte  der  grossen  Con- 
certe  neben  dem  Beethoven'schen  und  Mendelssohn 'sehen.  — 

i88i  (26.  December)  spielte  B.  bei  den  Wiener  Philharmonikern  zum 
ersten  Male  sein  zweites  Clavierconcert,  das  jubelnd  aufgenommen  wurde  und 
vielleicht  das  vollendetste  ist,  was  B.  in  symphonischer  Form  geschrieben  hat. 
Im  selben  Jahre  schrieb  er  die  »Nänie«  zum  Gedenken  des  Todes  Anselm 
Feuerbach's.  Am  25.  October  1885  dirigirte  B.  seine  vierte  Symphonie 
zum  ersten  Male  in  Meiningen,  woselbst  er  durch  Bülow's  Intervention  zu 
dem  kunstsinnigen  Hofe  in  Beziehung  getreten  war  und  hoch  geehrt  wurde. 


o6  Brahms.     Marm^. 

er  im  grossen  Style  vorzutragen  und  —  wenn   er  gut  bei  Stiinmung  war  — 
elementar  hinzureissen.     Düftelei  und  Feinarbeit  waren  seine  Sache  nicht. 

Als  Mensch  war  B.  einfach,  treu  und  von  unwandelbarer  Charakterfestig- 
keit, bei  anscheinender  äusserer  Rauhheit  eine  weiche,  innige  Natur,  von 
grösster  Herzensgüte.  Zahlreiche  Menschen  hatten  sich  seiner  werkthätigen 
Hilfe  zu  erfreuen;  Wohlthaten  erwies  er  immer  in  der  Stille  und  nie  in  klei- 
nem Maassstabe.  Er  sah  sich  seine  Leute  an,  gab  aber  dann  reichlich.  —  In 
früheren  Jahren  wortkarg,  wurde  er  späterhin  mittheilsam  und  konnte  für  einen 
ebenso  geistreichen  als  liebenswürdigen  Gesellschafter  gelten.  Er  sprach  vor- 
trefflich und  würzte  seine  Rede  mit  überraschenden,  oft  ziemlich  sarkastischen 
Einfällen.  In  Gesprächen  über  Kunst  vermied  er  es  immer,  seiner  selbst  zu 
erwähnen. 

Als  Quellen  zur  Biographie  B.'s  sind  zu  nennen:  H.  Deiters,  Joh.  B.  (Sammlung 
musikalischer  Vorträge  No.  23,  24  und  63);  H.  Reimann,  Joh.  B.  (Harmonie,  Verlags- 
gesellschaft für  Literatur  und  Kunst,  Berlin  W.  8);  A.  Morin,  Joh.  B.  (Bechhold,  Frank- 
furt a.  M.);  L.  Ehlert,  B.  (Deutsche  Rundschau  1880,  Heft  9);  Ph.  Spitta,  J.  Er.  (»Zur 
Musik«  S.  387,  das  Erschöpfendste  und  Gründlichste,  was  Über  B.  geschrieben  wurde); 
J.  V.  Widmann,  Sicilien  (Huber  in  Frauenfeld)  und  desselben  Autors  »J.  B.  in  Erinne- 
rungen« (Gebr.  Paetel);  Alb.  Dietrich,  »Erinnerungen  an  B.«  (O.  Wigand);  Ed.  Hans- 
lick,  »Aus  meinem  Leben«  (Paetel)  und  zahlreiche  Aufsätze  in  desselben  Autors  »Ge- 
schichte des  Concertwesens«,  »Aus  dem  Concertsaal«  und  den  verschiedenen  Sammel- 
werken; J.  B.  (Neujahrsblatt  der  Allgem.  Musikgesellscbaft  in  Zürich  1898);  M.  Kalbeck, 
»Neues  über  Brahms«  u.  s.  w.  — 

Einen  C atalog  sämrotlicher  Werke  veröffentlichte  N.  Simrock  in  Berlin;  alle  von  B. 
componirten  Dichtungen  erschienen  von  Dr.  G.  OphUls  gesammelt  unter  dem  Titel 
»Brahms-Texte«  bei  Simrock. 

PortrSts.  Ausser  zahlreichen  Photographien  aus  den  verschiedensten  Lebensaltern 
(die  besten  aus  der  letzten  Zeit  von  Brasch  in  Berlin  und  Skrivanek  in  Wien)  existiren  eine 
von  Laurent  (1853)  gefertigte  Silberstiftzeichnung,  Radirungen  von  Michaiek  (Heck, 
Wien),  Unger  (H.  O.  Miethke,  Wien),  Moriz  v.  Eyken  (Rieter-Biedermann),  Büsten  von 
Kundmann,  Tilgner,  Conrat  und  Fellinger,  eine  Medaille  von  ScharfT. 

Monumente  sollen  in  Wien,  Hamburg  und  Meiningen  errichtet  werden. 

Werke  und  Schriften  s.  BÖrsenbl.  f.  d.  dtsch.  Buchh.  1897.  No.  95. 

R.  Heuberger. 

Marm6,  Wilhelm,  ordentlicher  Universitäts-Professor  der  Pharmakologie  und 
Geheimer  Medicinalrath  in  Göttingen,  *  19.  Februar  1832  zu  Dierdorf  (Rhein- 
pro v.),  f  am  27.  Juni  1897.  —  M.  studirte  in  Bonn,  Heidelberg,  Berlin  und 
Breslau  und  erlangte  1857  an  letztgenannter  Universität  mit  einer  unter  Jacob 
Moleschott's,  damaligen  Privatdocenten  in  Heidelberg,  Leitung  verfertigten 
Experimental- Untersuchung  über  die  Wirkung  des  Lichtes  auf  den  Verlauf 
biologischer  Vorgänge  die  Doctorwürde.  Nach  Ablegung  der  Staatsprüfung 
1858  widmete  sich  M.  speciell  der  Pharmakologie  und  habilitirte  sich  1865  fiir 
dieses  Fach  in  Göttingen.  Ausserdem  las  er  noch  über  medicinische  Elektri- 
citätslehre  und  über  Geschichte  der  Medicin.  1872  wurde  er  ausserordent- 
licher, 1875  ordentlicher  Professor,  1892  erhielt  er  den  Titel  als  Geheimer 
Medicinalrath.  Seit  1875  ^^  ^^  gleichzeitig  Director  des  Göttinger  pharma- 
kologischen Instituts.  Seine  zum  Theil  im  Verein  mit  Theodor  Husemann 
und  G.  Meissner  verfertigten  literarischen  Arbeiten  haben  besonders  pharma- 
cologische,  physiologische  bezw.  physiologisch-chemische  Untersuchungen  zum 
Gegenstande.  Unter  anderem  veröffentlichte  er  Studien  über  die  Digitalis, 
über  die  physiologische  Wirkung  des  gechlorten  Schwefeläthers,  über  das 
Verhalten  des  Salicins  im  Organismus.    Die  meisten  dieser  Detailstudien  sind 


Marme.     Michael.     Oertel. 


97 


in  den  Commentarien  der  Göttinger  Societät  der  Wissenschaften  publicirt. 
Selbständig  erschienen  ein  kleiner  Grundriss,  sowie  ein  grösseres  Lehrbuch 
der  Pharmakognosie. 

Pagel. 

Michael,  J.,  Laryngolog  in  Hamburg,  *  1841  daselbst  als  Sohn  eines 
Arztes,  f  am  6.  Januar  1897.  —  M.  studirte  anfangs  die  Rechtswissenschaften 
und  erst  später  die  Heilkunde,  mit  besonderer  Vorliebe  Ohren-  und  Kehl- 
kopfkrankheiten nach  bestandenem  Staatsexamen  in  Wien  unter  A.  Politzer, 
Urbantschitsch,  Stoerk  und  Joh.  Schnitzler.  Bei  letzterem  war  er  lange  Zeit 
als  Assistent  thätig.  Darauf  Hess  er  sich  in  seiner  Vaterstadt  als  ausübender 
Specialist  nieder  und  gewann  allmählich  eine  stattliche  Clientel.  Zugleich 
widmete  er  sich  auch  der  wissenschaftlichen  Thätigkeit  und  publicirte  eine 
Reihe  von  schönen  Arbeiten,  die  besonders  der  therapeutischen  Technik  zu 
Gute  kamen.  Er  gab  für  die  Operation  der  adenoiden  Wucherungen  eine 
Doppelmeisselzange  an,  die  sich  lange  Zeit  grosser  Verbreitung  erfreute,  femer 
empfahl  er  zuerst  die  permanente  Tamponade  der  Trachea,  ein  Instrument 
zur  Pharynxerweiterung  u.  v.  a.  Mehrere  Arbeiten  M.'s  beziehen  sich  auf  die 
Physiologie  der  Sprache  und  des  Gesanges,  unter  anderem  lieferte  er  auch 
eine  deutsche  Uebersetzung  von  Mackenzie^s  bekannter  Abhandlung  aus  dem 
Englischen.  1881  empfahl  M.  zuerst  die  Benutzung  der  Kathodenstrahlen  zu 
medicinischen  Zwecken.  Uebrigens  hat  er  auch  auf  ausserhalb  seines  Special- 
faches liegendem  Gebiete  gearbeitet,  so  über  die  Behandlung  der  Gebär- 
muttervorfälle oder  das  Anasarka,  über  die  Therapie  der  Cholera,  für  die  er 
die  Infusion  empfahl.  Auch  schrieb  er  für  das  achtzigjährige  Stiftungsfest  des 
Hamburger  ärztlichen  Vereins  eine  ausgezeichnete  Geschichte  desselben.  Seine 
letzte  grössere  Publication  hatte  die  Behandlung  der  Mittelohreiterungen  zum 
Gegenstande.  M.'s  Tod  erfolgte  ganz  plötzlich  an  Herzlähmung  mitten  in 
seiner  Thätigkeit  in  der  Poliklinik  des  jüdischen  Krankenhauses  zu  Hamburg. 

Vergl.  P.  Heymann  in  Berl.  klin.  Wochenschr.  1897,  Nr.  12. 

Pagel. 

Oertel,  Max  Josef ,  Laryngolog  in  München  und  bekannter  Urheber 
einer  besonderen  diätetischen  Curmethode,  *  am  20.  März  1835  zu  Dillingen 
in  Bayern,  f  am  19.  Juli  1897  als  ausserordentlicher  Universitäts-Professor  der 
Kehlkopfheilkunde.  —  O.  studirte  die  Heilkunde  und  Naturwissenschaften  in 
München,  war  schon  während  der  Studienzeit  Assistent  bei  Karl  v.  Pfeufer 
(seit  1860)  und  erlangte  1863  die  Doctorwürde,  in  demselben  Jahre  die 
Approbation  als  Arzt.  Schon  vorher  hatte  er  begonnen  sich  unter  Czermak's 
Leitung  mit  der  damals  eben  inaugurirten  laryngoskopischen  Untersuchungs- 
methode vertraut  zu  machen.  Diese  Bemühungen  setzte  er  auch  nach  seiner 
Niederlassung  als  Arzt  mit  solchem  Erfolge  fort,  dass  er  sich  bereits  1867  für 
das  Fach  der  Kehlkopfheilkunde  an  der  Münchener  Universität  als  Privat- 
docent  habilitiren  konnte,  und  zwar  war  O.  der  Erste,  der  in  Süddeutschland 
akademischen  Unterricht  in  diesem  Sonderzweig  ertheilte.  Schon  1876  er- 
langte er  das  Extraordinariat,  das  er  bis  zu  seinem  Lebensende  bekleidete. 
0.  war  ein  ausserordentlich  fruchtbarer  Schriftsteller  und  hat  zur  Pflege  und 
zum  Ausbau  seines  Specialfaches  nicht  unwesentlich  sowohl  als  Lehrer  wie 
durch  zahlreiche  literarische  Publicationen  beigetragen.  Doch  liegt  seine 
eigentliche  Bedeutung   nicht   auf  diesem  Felde,   vielmehr  hat  er  sich  ein  ge- 

Blogr.  Jahrb.  a.  Deatacher  Nekrolog.  2.  Bd.  7 


^S  Oertel.     Senfft  von  Pilsach.     von  Schacbtmeyer. 

schichtliches  Andenken  durch  die  Empfehlung  und  Ausbildung  einer  beson- 
deren Curmethode  bei  gewissen  StoÜwechselerkrankungen  gesichert,  mit  der 
sein  Name  für  ewig  verknüpft  bleiben  wird.  Es  handelt  sich  um  die  bekannte 
Entziehungscur,  speciell  bei  Verfettungszuständen,  Herzbeschwerden  etc.,  nie- 
dergelegt und  rationell  begründet  in  der  Aufsehen  erregenden  Schrift  »Therapie 
der  Kreislaufstörungen«  (1884),  sowie  in  dem  populär  geschriebenen  Buch 
»Terraincurorte«.  Sehr  bemerkenswerth  ist  femer  O.'s  Abhandlung  über 
Diphtherie  (als  Theil  von  Bd.  II  des  grossen  v.  Ziemssen'schen  Handbuchs 
der  speciellen  Pathologie  erschienen),  worin  er  bereits  die  parasitäre  Aetio- 
logie  dieser  Krankheit  mit  grosser  Entschiedenheit  vertritt,  wesentlich  in  An- 
lehnung an  die  Theorie  von  Ferdinand  Cohn.  —  Für  das  v.  Ziemssen'- 
sche  Handbuch  der  allgemeinen  Therapie  bearbeitete  er  die  respiratorische 
Therapie. 

Vergl.  Biogr.  Lex.  hervorr.  Aerzte  IV,  S.  409;  Voss.  Ztg.  ▼om  19.  Juli  1897. 
Werke  u.  Schriften  s.  Börsenbl.  f.  d.  Deutschen  Buchhandel  1897,  No.  176. 

Pagel. 

SenfFt  von  Pilsach,  Friedrich  Moritz  Adolf,  Königlich  Sächsischer 
General  der  Kavallerie  z.  D.,  ♦  am  4.  October  181 6  zu  Coburg,  f  am  15.  De- 
cember  1897  zu  Dresden.  —  Seit  1829  im  dortigen  Kadettenkorps  erzogen 
und  aus  diesem  am  i.  Juli  1832  dem  i.  leichten  Reiterregimente  Prinz  Ernst 
in  Marienberg  als  Portdpdejunker  überwiesen,  1833  zum  Unter-,  1839  zum 
Ober-Lieutenant  befördert,  ward  er  1847  unter  Ernennung  zum  Rittmeister  dem 
noch  jetzt  lebenden  Prinzen  Georg  als  militärischer  Führer  beigegeben,  ein  Jahr 
darauf  als  Adjutant  zum  Prinzen  Albert,  dem  nunmehrigen  Könige,  komman* 
dirt,  welchen  er  im  Jahre  1849  auf  den  Schauplatz  des  Krieges  gegen  Däne- 
mark begleitete,  1853  aber  zum  Major  und  zum  Königlichen  Flügeladjutanten 
ernannt.  Nachdem  er  sodann  die  Brautwerbung  seines  ftirstlichen  Herrn  um 
die  Prinzessin  Carola  von  Wasa  vermittelt  und  bis  zum  Jahre  1857  dem  Hof- 
staate des  jungen  Ehepaares  angehört  hatte,  kehrte  er  als  Stabsoffizier  beim 
3.  Reiterregimente  in  den  Frontdienst  zurück,  wurde  1863  Oberst  und  Kom- 
mandeur des  2.  Reiterregiments  und  1865  Kommandeur  der  2.  Reiterbrigade, 
trat  nach  kurzer  Zeit,  aus  Gesundheitsrücksichten,  vorübergehend  auf  Warte- 
geld, aber  schon  bei  Ausbruch  des  Krieges  vom  Jahre  1866  von  neuem  in 
den  aktiven  Dienst,  war  während  des  böhmischen  Feldzuges  dem  Oberkom- 
mando der  österreichischen  Nordarmee  beigegeben,  ward  bei  Neugestaltung  des 
Sächsischen  Heeres  im  Jahre  1867  an  die  Spitze  der  Kavalleriedivision  berufen 
und  leitete  deren  Ueberführung  in  die  veränderten  Verhältnisse,  wurde  1868 
Generallieutenant  und  im  December  1869  in  Genehmigung  seines  Abschieds- 
gesuches mit  Pension  zur  Disposition  gestellt.  Als  König  Albert  1893  sein 
fünfzigjähriges  militärisches  Dienstjubüäum  feierte,  verlieh  er  S.  den  Charakter 
als  General  der  Kavallerie.  Dem  Verstorbenen  widmete  sein  früherer  Zögling 
Prinz  Georg  einen  warm  empfundenen  Nachruf.  Nach  A.  v.  S.  war  sein  noch 
lebender  Bruder  Wilhelm  Hugo  gleichfalls  Kommandeur  der  Königlich  Säch- 
sischen Kavalleriedivision. 

B.  Poten. 

,  Schachtmeyer,  Hans  von,  Königlich  Preussischer  General  der  Infanterie, 
♦  am  6.  November  181 6  zu  Berhn,  f  am  8.  November  1897  zu  Celle.  — 
Am  5.  August  1833  aus  dem  Kadettenkorps  dem  2.  Garde-Regimente  zu  Fuss, 


von  Schachtmeyer.  qq 

in  welchem  auch  sein  Vater  gestanden  hatte,  tiberwiesen,  wurde  er  seiner  tech- 
nischen Befähigung  wegen  schon  früh  bei  den  Anstalten  und  Vorarbeiten  ver- 
wendet, welche  sich  mit  der  Einfuhrung  einer  verbesserten  Handfeuerwaffe  zu 
beschäftigen  hatten  und  aus  deren  Arbeiten  darnach  das  Zündnadelgewehr 
hervorging.  Von  1841  bis  1846  war  er  zur  Gewehrfabrik  zu  Sömmerda,  ein 
Jahr  darauf  zu  den  mit  jener  Waffe  — -  im  Vergleich  mit  dem  Thouvenin- 
gewehre  beim  Garde -Reserve-  (jetzt  Garde -Füsilier-)  Regimente  angestellten 
Versuchen  kommandirt;  sodann  zur  Artillerie -Abtheilung  des  Kriegsministe- 
riums, wo  er  die  Anweisung  zum  Schulschiessen  mit  dem  Zündnadelgewehre 
bearbeitete.  Und  von  1855  bis  1859  stand  er  an  der  Spitze  der  damals  zu 
Spandau  errichteten  Gewehr-Prüfungskommission.  In  dieser  Stellung  war  er  der 
Berather  des  Prinzen  von  Preussen,  der  technische  Vertraute  desselben,  und 
wenn  Jenem,  dem  nachmaligen  Kaiser  Wilhelm  I,,  das  Verdienst  gebührt,  durch 
entschiedenes  Eintreten  für  das  Zündnadelgewehr  der  preussischen  Armee  die 
Waffe  verschafft  zu  haben,  welcher  sie  in  den  nicht  lange  nachher  beginnenden 
Kriegen  einen  grossen  Theil  ihrer  Erfolge  dankte,  so  darf  dabei  des  Prinzen 
treuer  Mitarbeiter  nicht  vergessen  werden,  dessen  Kaiser  Wilhelm  selbst  bis 
an  sein  Lebensende  mit  grösster  Anerkennung  und  nie  erlöschendem  Wohl- 
wollen gedacht  hat.  Nachdem  die  Ausrüstung  mit  der  Waffe  durchgeführt 
war,  wurde  Seh.,  welcher  1852  zum  Hauptmann  im  i.  Garde -Regiment  zu 
Fuss  befördert  worden  war,  in  diesem  alsdann  drei  Jahre  lang  eine  Kompagnie 
gefuhrt  hatte,  1856  zum  Major,  1860  zum  Obersdieutenant  aufgerückt,  bei  der 
Mobilmachung  von  1859  Bataillons-Kommandeur  im  i.  Garde -Regimente  zu 
Fuss  und  darauf  Kommandeur  des  Lehr-Infanterie-Bataillons  gewesen  war,  im 
Jahre  1861  zum  Oberst  und  zum  Kommandeur  des  in  Trier  gamisonirenden 
Hohenzollemschen  Füsilier-Regiments  No.  40  ernannt,  dessen  kriegsmässige 
Ausbildung  und  innerliche  Tüchtigkeit  nun  die  stetig  verfolgten  und  glücklich 
erreichten  Endziele  seines  dienstlichen  Strebens  wurden.  Es  war  ihm  jedoch 
nicht  vergönnt  das  Regiment  in  das  Feld  zu  führen.  Vielmehr  wurde  er  bei 
Ausbruch  des  Krieges  vom  Jahre  1866  unter  Beförderung  zum  Generalmajor 
zum  Kommandeur  der  aus  den  Rheinischen  Regimentern  No.  30  und  No.  70 
bestehenden,  zur  Division  Beyer  gehörenden  32.  Infanterie -Brigade  ernannt, 
an  deren  Spitze  er  den  Mainfeldzug  mitmachte;  aber  schon  am  10.  Juli  im 
Gefechte  von  Hammelburg  wurde  er,  nachdem  ihm  ein  Pferd  unter  dem  Leibe 
erschossen  und  er  selbst  durch  mehrere  Kugeln  kontusionirt  worden  war, 
durch  einen  Schuss  in  die  rechte  Hand  kampfunfähig  gemacht. 

Nach  Friedensschluss  erhielt  er  das  Kommando  der  neu  aufgestellten 
41.  Infanterie-Brigade  zu  Frankfurt  am  Main,  wo  er  unter  schwierigen  Verhält- 
nissen sich  bald  grosse  Beliebtheit  und  Vertrauen  in  weiten  Kreisen  erwarb,  und 
bei  Ausbruch  des  Krieges  gegen  Frankreich,  gleichzeitig  zum  Generallieutenant 
befördert,  das  Kommando  der  21.  Infanterie-Division,  deren  Stabsquartier  eben- 
falls Frankfurt  gewesen  war.  Schon  am  4.  August  nahm  die  ihm  unterstellte 
41.  Infanterie-Brigade  am  Treffen  von  Weissenburg  namhaften  Antheil  und 
am  6.  d.  M.  kämpfte  die  ganze  Division  bei  Wörth  an  einem  der  Brenn- 
punkte der  Schlacht,  ohne  dass  jedoch  ihr  Kommandeur,  wie  vielfach  im 
Verlaufe  des  Feldzuges  vorkam,  zu  einheitlicher  Verwendung  der  ihm  unter- 
stellten Truppen  gelangt  wäre.  Aehnlich  war  es  bei  Sedan,  wo  General  v.  Seh., 
nachdem  General  von  Gersdorff  tödtlich  verwundet  war,  das  Kommando  des 
XI.  Armeekorps  übernahm.  Dieses  Korps  führte  er  sodann  in  die  Einschlies- 
sungslinie    von  Paris,    von    wo    aber  die  zweite  der  zu  demselben  gehörigen 

7* 


lOO  von  Schacbtmeyer.    von  Stocken. 

Divisionen,  die  22.  unter  General  von  Wittich,  sehr  bald  behufs  anderweiter 
Verwendung  abberufen  wurde.  Zu  besonderem  Hervortreten  gab  ihm  der 
Aufenthalt  vor  Paris  keine  Veranlassung,  da  keiner  der  Ausfälle  der  Besatzung 
sich  gegen  die  ihm  bei  Versailles  angewiesene  Stellung  richtete. 

Nach  der  Heimkehr  vertauschte  er  das  Kommando  der  21.  mit  dem  der 
8.  Division  zu  Erfurt,  wurde  am  25.  Mai  1875  ^^^  Gouverneur  von  Strass- 
burg,  wo  die  Verhältnisse  viel  Geschick  und  Arbeit  erforderten,  am  22.  März 
1876  zum  General  der  Infanterie  und  am  26.  Januar  1878,  als  man  vielfach 
seine  Laufbahn  im  Hinblick  auf  seine  Harthörigkeit  für  abgeschlossen  hielt, 
zum  kommandirenden  General  des  XIII.  (Königlich  Württembergischen)  Armee- 
korps ernannt,  eine  Wahl,  welche  sich  als  eine  in  jeder  Richtung  glückliche 
erwiesen  hat.  Als  er  am  15.  Mai  1886  in  Genehmigung  seines  Abschieds- 
gesuches zur  Disposition  gestellt  worden  war,  nahm  er  seinen  Wohnsitz  zu 
Celle,  wo  er  eine  verwittwete  Schwester  hatte;  seine  Leiche  wurde  zu  Gk>tha 
verbrannt.  An  äusseren  Ehren  wurden  ihm,  nachdem  er  aus  dem  Kriege  von 
1870/71  beide  Klassen  des  Eisernen  Kreuzes  und  den  Orden  pour  le  merite 
zurückgebracht  hatte,  u.  a.  der  Schwarze  Adlerorden  und  aus  Anlass  des  im 
Jahre  1885  abgehaltenen  Kaisermanövers  die  Ernennung  zum  Chef  des  Pom- 
merschen  Füsilier-Regiments  No.  34  zu  theil. 

Militär.  Wochenblatt  No.  102,  Berlin  17.  November  1897. 

B.  Poten. 

Stocken,  Eduard  von,  Königlich  Preussischer  Generallieutenant  z.  D., 
*  am  27.  October  1824  zu  Halberstadt,  f  am  24.  October  1897  zu  Hannover. 
—  St.  war  für  den  Beruf  seines  Vaters,  das  Postfach,  bestimmt,  als  die  Zeit- 
verhältnisse ihn  zum  Soldaten  machten.  Am  i.  April  1847  ^^  Einjährig- 
Freiwilliger  beim  10.  Infanterie-Regimente  zu  Breslau  in  den  Dienst  getreten, 
nahm  er,  als  Sekondlieutenant  beim  3.  Bataillone  (Sorau)  des  12.  LAndwehr- 
Regiments,  im  Jahre  1 849  an  der  Bekämpfung  der  Aufständischen  in  der  Pfalz 
und  in  Baden  theil,  ward,  zu  den  Berufsoffizieren  übertretend,  mit  einem  Pa- 
tente vom  15.  August  1850  in  das  14.  Infanterie-Regiment  eingereiht  und  ge- 
langte schon  am  i.  October  1851,  durch  seine  Kommandirung  als  »Militäreleve« 
zur  Central-Tumanstalt  in  Berlin,  zur  Verwendung  in  einem  Ausbildungszweige, 
zu  dessen  Entwickelung  und  Vervollkommnung  er  demnächst  in  verschiedenen 
Stellungen  in  so  hohem  Grade  beigetragen  hat,  dass  er  mit  Recht  als  der 
Hauptbegründer  der  Militärgymnastik  im  preussischen  Heere  bezeichnet  wor- 
den ist.  Nach  einander  Hilfs-  und  Müitärlehrer ,  seit  dem  Herbst  1863 
Unterrichtsdirigent  der  genannten  Anstalt,  hat  er  derselben  bis  zum  Jahre 
1869  mit  einigen  Unterbrechungen  —  Kommandirung  von  1854  bis  1858  zur 
Divisionsschule  in  Erfurt  und  Theilnahme  am  Feldzuge  des  Jahres  1866  in 
Böhmen,  wo  er  eine  Kompagnie  seines  oben  genannten  Regimentes  führte  — 
fortwährend  angehört.  Zum  Major  aufgerückt,  trat  er  am  18.  Juni  1869  ^^ 
Bataillonskommandeur  beim  3.  Brandenburgischen  Infanterie-Regimente  No.  20 
in  die  Front  zurück  und  befehligte  dieses  sowie  zeitweise  auch  das  Regiment 
im  Feldzuge  gegen  Frankreich  mit  solcher  Auszeichnung,  dass  ihm  das  Eiserne 
Kreuz  i.  Klasse  und  der  Adelstand  verliehen  wurden.  Namentlich  am 
16.  August  1870  ist  er  hervorgetreten.  An  der  von  Vionville  nach  Rezon- 
ville  ftihrenden  Strasse  hat  er  sich  mit  den  Resten  seiner  Mannschaft  bis  zum 
Abend  behauptet  und  dann  erklärte  er  sich  »mit  Freuden  bereit«,  bei  dem 
auf  Befehl  des  Prinzen  Friedrich  Karl   unternommenen  nächtlichen  Vorstosse 


von  Stocken.     Sievert     Simiginowicz-Staufe.  lOi 

mitzuwirken.  Gleich  vortrefflich  waren  seine  Haltung  urid^  seine  Leistungen 
im  ferneren  Verlaufe  des  Krieges.  Namentlich  bei  dem' Schlussakte  vom 
Januar  1871,  welcher  zur  Einnahme  von  le  Mans  führte.  Am  6.  Januar  hatte 
er  im  Gefechte  von  Azay  eine  leichte  Wunde  davongetragen.  /Nachdem  er 
sodann  bis  1873  der  Besatzungsarmee  angehört  hatte,  ward  ihm\ril)6  zunächst 
die  Führung,  bald  darauf  das  Kommando  des  Grenadier-Regiments'Kronprinz 
(i.  Ostpreussisches)  No.  i  zu  Königsberg  tibertragen,  welche  Stellung  er  am 
12.  März  1878  mit  der  an  der  Spitze  des  3.  Garde- Grenadier -Regiments 
Königin  Elisabeth  zu  Spandau  vertauschte;  im  August  1882  wurde  er  Kom- 
mandeur der  22.  Infanterie-Brigade  zu  Breslau,  am  12.  Juni  1886  trat-*cr/in 
den  Ruhestand.  Seit  1868  Major,  seit  1873  Oberstlieutenant,  seit  1876  Obeiisr, 
seit  1882  Generalmajor,  erhielt  er  bei  dieser  Gelegenheit  den  Charakter  als 
Generallieutenant.  Er  nahm  nun  seinen  Wohnsitz  zu  Hannover.  —  »Die 
Königliche  Central-Tumanstalt  zu  Berlin«  hat  St.  im  vierten  Beihefte  zum 
Militär-Wochenblatte  vom  Jahre  1869  geschildert;  ausserdem  sind  vielfach 
aufgelegt  die  von  ihm  verfassten  »Uebungstabellen  für  den  systematischen  Be- 
trieb der  Militär-G)minastik«. 

Militär.  Wochenblatt  No.  112,  Berlin  18.  December  1897. 

B.  Poten. 

Sievcrt,  Auguste,  Schriftstellerin  und  Malerin,  ♦  am  31.  October  1824  in 
Siegen  (Westfalen),  f  am  4.  Januar  1897  in  Wettin  a.  d.  Saale.  Sie  war  die 
Tochter  eines  Bergbeamten  aus  dessen  zweiter  Ehe  und  verlor  ihren  Vater 
schon  in  ihrem  siebenten  Lebensjahre.  Die  Mutter  siedelte  nun  mit  ihren 
vier  Kindern  nach  ihrem  Geburtsorte  Wettin  über,  wo  sie  und  auch  ihre 
Tochter  Auguste  bis  an  ihr  Lebensende  verblieben.  Auguste  betrieb  mit 
vielem  Talent  die  Malerei  und  war  längere  Zeit  Schülerin  von  Prof.  Schirmer 
in  Dresden;  namentlich  in  der  Kleinmalerei  von  Blumen  (Streumuster)  offen- 
barte sie  viel  Verständniss  und  grosses  Geschick,  doch  kamen  ihre  Arbeiten 
nicht  über  den  Kreis  ihrer  Freunde  hinaus.  Auguste  S.  war  verlobt  mit  dem 
Prediger  Wilhelm  Ewerth  in  Wettin,  doch  starb  der  Bräutigam  1850  kurz  vor 
der  Hochzeit;  eine  weitere  Werbung  hat  sie  abgelehnt  und  ist  unverheirathet 
geblieben.  Bald  nach  diesem  schweren  Verluste  griff  sie  zur  Feder  und 
schrieb  ihre  ersten  Erzählungen  für  das  Nathusius'sche  »Volksblatt  für  Stadt 
und  Land«.  Ihre  seiner  Zeit  viel  gelesenen  Schriften  sind:  »Ein  Waisenkind. 
Eine  Erzählung«  (1854);  »Deutsche  Heldensage«  (1856);  »Licht  und  Schatten 
in  eines  Malers  Leben«  (1858);  »Bilder  aus  dem  Alltagsleben«  (1860);  »Ger- 
tmd.  Eine  Erzählung«  (1860);  »Der  grüne  Winkel.  Eine  Erzählung«  (1862); 
*Drei  Erzählungen  für  Kinder«  (1864). 

Nach  Mittheilungen  aus  der  Familie. 

Franz  Brummer. 

Simiginowicz-Staufe,  Ludwig  Adolf,  der  erste  deutsche  Poet  der  Buko- 
wina, *  am  28.  Mai  1832  in  Suczawa  in  der  Bukowina,  f  am  19.  Mai  1897 
in  Czemowitz.  —  Er  war  väterlicherseits  rutenischer,  mütterlicherseits  deutscher 
Abkunft,  erhielt  seine  Bildung  in  der  Volksschule  seiner  Vaterstadt  und  in  der 
Unterrealschule  zu  Czemowitz,  wo  ihn  der  Ausbruch  der  Wiener  Revolution 
zu  seinem  ersten  Gedicht  begeisterte,  das  er  unter  dem  Namen  Adolf  Sand 
drucken  Hess,  und  ging  dann  nach  Wien,  wo  er  als  ausserordentlicher  Hörer 
Vorlesungen    an    der  Universität   besuchte.     Als  Lehramtskandidat    kehrte  er 


•     •     • 


I02  ***•.     Sixniginowicz-Staufe.     Zttndt. 

1850  an  die  Untefrpalschule  in  Czemowitz  zurück,  wurde  1851  Zeichenadjunkt 
an  derselben  ^stsdt  und  1852  Lehramtskandidat  an  der  Schottenfelder  Real- 
schule   in  Wi^n.*'"'Hier  setzte    er  seine  Studien  an  der  Universität  fort,   war 
auch  für  die '.verschiedensten  Blätter  journalistisch  thätig.     1856  kehrte  er  in 
die  Heimaf.Wrück,   wurde  Supplent  am  Gymnasium  zu  Czemowitz  und  gab 
hier  vonff&siS  bis  Ende  1858  die  »Familienblätter«  heraus.    Dann  wurde  er 
Lehrer  am*  Römisch-katholischen  Gymnasium  in  Kronstadt  (Siebenbürgen)  und, 
nachdeihi  er  sich  1876  an  der  Universität  Klausenburg  die  Lehrbefähigung  für 
Ges^hiclfte,    Geographie    und  Deutsch  für  ungarische  Mittelschulen  erworben, 
npcb**in  demselben  Jahre  Hauptlehrer  an  der  k.  k.  Lehrer-  und  Lehrerinnen- 
bjjickingsanstalt  in  Czemowitz.     Bald  darnach  zum  Professor  emannt,  verblieb 
-  .Qr  'in  dieser  Stellung  bis  an  seinen,  nach  längerer  schwerer  Krankheit  erfolgten 
^-.  *Tod.  —  Als  Dichter  tritt  uns  S.  entgegen  in  seinen  »Hymnen«  (1850),  in  dem 
*  •'■  «»Album    neuester   Dichtungen«  (1852),    in    den  »Heimatgrüssen    aus  Nieder- 
'*.^    Österreich«  (1855)    und   in    dem  mit  Moritz  Amster  herausgegebenen  »Poeti- 
schen Gedenkbuch«  (1875);  ^  Uebersetzer  lernen  wir  ihn  kennen  durch  seine 
»Romanische  Poeten  in  ihren  originalen  Formen  und  metrisch  übersetzt«  (1864) 
und  durch  seine  »Kleinrussischen  Volkslieder«  (1888),  als  Sammler  durch  seine 
»Volkssagen  aus  der  Bukowina«  (1885). 

Persönliche  Mittheilungen.  —  Bukowinaer  Pädagogische  Blätter.  25.  Jahrgang.  Czer- 
nowitz  1897,  S.  154. 

Franz  Brummer. 

Zündt,  Ernst  Anton,  Publicist  und  Dichter,  *  am  12.  Januar  181 9  zu 
Georgenberg  bei  Mindelheim  im  Algäu,  dem  zu  Bayern  gehörigen  Theile 
Schwabens,  f  am  2.  Mai  1897  zu  Jefferson  City  in  Nordamerika.  —  Seinen 
Vater,  der  die  Feldzüge  der  bayerischen  Armee  unter  Napoleon  mitgemacht, 
hatte  er  früh  verloren,  und  so  war  er  denn  nach  München  in  ein  Seminar 
gekommen,  wo  er  seine  Erziehung  erhielt  und  daneben  das  Gymnasium  be- 
suchte. Auch  seine  Studien  in  Philosophie  und  Jurisprudenz  machte  er  an  der 
Universität  in  München.  Unmittelbar  darauf  Hess  er  ein  Bändchen  Gedichte 
unter  dem  Titel  »Einsame  Stunden«  (1842)  ausfliegen,  die  den  Automamen 
»Emst  Zündt,  Freiherr  von  Kenzingen«  tragen.  Ueber  die  folgenden  Jahre 
seines  Lebens  schweigen  die  Biographen;  sie  berichten  nur,  dass  sich  die 
Umstände  für  Z.  in  Deutschland  ungünstig  gestalteten,  und  dass  er  deshalb 
1857  mit  Frau  und  zwei  Knaben  nach  den  Vereinigten  Staaten  auswanderte. 
In  Greenbay,  Wisconsin,  gründete  er  zunächst  eine  Zeitung,  die  »Greenbay 
Post« ,  gab  dieselbe  aber  schon  nach  zehn  Monaten  wieder  auf  und  siedelte 
nach  Milwaukee  über,  wo  er  Privatunterricht  ertheilte  und  während  eines 
Winters  die  Stelle  als  Regisseur  beim  dortigen  Stadttheater  bekleidete.  Später 
redigirte  er  daselbst  neun  Monate  den  »Gradaus«,  arbeitete  eine  Zeit  lang  am 
»Herold«  und  »Banner«  und  nahm  dann  eine  Stelle  als  Lehrer  an  den  öflfent- 
lichen  Schulen  an,  die  er  drei  Jahre  lang  bekleidete.  Da  indessen  alle  diese 
Stellungen  ihm  keine  dauernde,  feste  Position  boten,  so  begab  er  sich  nach 
St.  Louis,  wo  er  drei  Jahre  lang  als  Mitarbeiter  an  der  »Westlichen  Post« 
thätig  war,  und  1868  nach  Jefferson  City,  der  Staatshauptstadt  von  Missouri, 
wo  er  bis  1876  deutschen  Unterricht  an  den  öffentlichen  Schulen  ertheilte. 
Dann  ging  er  wieder  nach  St.  Louis  zurück.  Schwere  Jahre  der  Heimsuchung 
infolge  von  Krankheiten  und  anderen  Unglücksfällen  warteten  hier  seiner,  und 
schliesslich    war   er  froh,    einige  kleine  Beamtenstellen  verwalten  zu  können. 


Zttndt.    Bender. 


103 


Von  1886  bis  1888  lebte  er  als  Redacteur  der  »Freien  Presse«  in  Minnea- 
polis;  dann  zog  er  sich  nach  Jefferson  City  zurück,  um  in  der  Familie  seines 
Sohnes  seinen  Lebensabend  zu  beschliessen.  —  »Sein  bestes  Können  tritt  uns 
in  seinen  episch-didaktischen  Dichtungen  entgegen,  die  alle  in  grossem  Stile 
abgefasst  sind.  Viele  seiner  Gedichte  sind  politischen  Inhalts.  Sonst  erinnern 
seine  lyrischen  Gedichte  vielfach  an  Brentano  und  Heine;  dieselbe  Ironie  und 
Gracie  auf  der  einen,  und  der  volksthümliche  Ton,  sowie  der  geheimnissvolle 
Hauch  auf  der  anderen  Seite.«  Die  Dichtungen  Zündt's  liegen  in  zwei  Samm- 
lungen vor,  »Lyrische  und  dramatische  Dichtungen«  (1873),  worin  u.  a.  das 
Originaldrama  »Jugürtha«  enthalten  ist,  und  »Dramatische  und  lyrische  Dich- 
tungen« (1879),  welche  Sammlung  u.  a.  die  Märchendichtungen  »Aschen- 
brödel«, Domröschen«,  »Eisfee«  enthält. 

Dr.  G.  A.  Zimmermann:  Deutsch  in  Amerika.  Beiträge  zur  Geschichte  der  deutsch- 
amerikanischen  Literatur.  2.  Aufl.  Chicago  1894,  S.  121.  —  New  Orleans,  Deutsche  Zei- 
tung Tom  10.  Mai  1897. 

Franz  Brummer. 

Bender 9  Hermann,  Dr.,  Gymnasialrector,  *  am  13.  Juni  1835  '"  Usfeld 
(im  württembergischen  Oberamt  Besigheim),  f  am  21.  April  1897  in  Kirch- 
heim unter  Teck,  vermählt  am  10.  October  1865  in  Urach  mit  Clotilde  von 
Schramm.  —  Der  Bietigheimer  Lateinschule,  dem  niederen  Seminare  Blau- 
beuren  und  dem  Tübinger  Stifte  verdankte  er  seine  Ausbildung.  Das  philo- 
logische Studium  in  Württemberg  schmachtete  damals  noch  völlig  in  den  Banden 
der  Theologie.  So  sah  sich  B.  trotz  entschiedener  Hinneigung  zu  jenem  ge- 
nöthigt,  sich  gleichzeitig  dieser  zu  widmen  und  die  erste  theologische  Dienst- 
prüfung zu  erstehen.  Dann  aber  wandte  er  sich  ganz  dem  humanistischen 
Lehrfache  zu.  Nachdem  er  kurze  Zeit  als  Hauslehrer  in  Königsberg  gewirkt 
hatte,  wurde  er  1859  Repetent  a:m  Uracher  Seminar,  1865  Präceptor  in  Geis- 
lingen, 1868  Professor  am  Tübinger  Gymnasium  und  1881  Rector  des  Ulmer 
Gymnasiums.  Dieser  letzte  Wirkungskreis  befriedigte  ihn  in  so  hohem  Grade, 
dass  er  damit  nicht  einmal  die  Leitung  eines  hauptstädtischen  Gymnasiums 
vertauschen  wollte.  Seine  Verdienste  wurden  durch  die  Ertheilung  des  Titels 
eines  Oberstudienrathes  anerkannt.  Am  25.  October  1895  setzte  ein  Schlag- 
anfall seiner  Thätigkeit  unvermuthet  ein  vorzeitiges  Ziel.  Da  sich  die  erhoffte 
Besserung  nicht  einstellte,  musste  er  sich  in  den  bleibenden  Ruhestand  ver- 
setzen lassen  und  siedelte,  als  ein  völlig  gebrochener  Mann,  im  September 
1896  nach  dem  freundlichen  Städtchen  Kirchheim  am  Fuss  der  schwäbischen 
Alb  über.  Hier  kam  ihm  schon  nach  einem  halben  Jahre  der  Tod  als  Er- 
löser. —  B.  war  unter  den  württembergischen  humanistischen  Schulmännern 
der  Gegenwart  einer  der  bedeutendsten,  gleich  vorzüglich  als  Pädagoge  wie 
als  Philologe.  Mit  seinem  Tübinger  Schulamte  hatte  er  seit  1877  einen  er- 
folgreich durchgeführten  Lehrauftrag  für  Gymnasialpädagogik  an  der  Univer- 
sität vereinigt.  1885  bis  1895  gehörte  er  der  Prüfungskommission  für  huma- 
nistische Lehrämter  an  und  zeigte  dabei  gleichermassen  ein  seltenes  examina- 
torisches Geschick,  Schärfe  des  Blickes,  Milde  des  Urtheils.  In  durchaus 
humanem  und  liberalem  Geiste  leitete  er  auch  die  ihm  unterstellte  Anstalt. 
Er  gab  Lehrern  und  Schülern  ein  Vorbild  treuer,  aber  nicht  pedantischer 
Pflichterfüllung,  wusste  die  Autorität  ohne  strenge  Massregeln  aufrecht  zu  er- 
halten und  erwarb  sich  die  Achtung  aller,  die  zu  ihm  in  irgend  welche  Be- 
ziehungen traten.  Im  Unterrichte  wirkte  der  vielseitig  gebildete  und  geistig 
bewegliche  Mann  stets  anregend;  sogar  ein  trockener  Humor  war  ihm  eigen^ 


X04  Bender.     Beyttenmiller. 

den  man  ihm  auf  den  ersten  Blick  nicht  zutrai^te.  Für  sein  humanistisches 
Ideal  trat  er  mit  grosser  Entschiedenheit  in  Wort  und  Schrift  ein:  bei  Ver- 
sammlungen von  Fachgenossen,  in  Schulreden,  in  Aufsätzen.  Von  seinen 
Gymnasialreden  veranstaltete  er  1887  eine  Buchausgabe;  seine  pädagogischen 
Aufsätze  legte  er  hauptsächlich  im  Correspondenzblatt  fiir  die  Gelehrten-  und 
Realschulen  Württembergs  nieder,  an  dessen  Redaction  er  Jahre  lang  betheiligt 
war.  Als  klassischer  Philologe  umspannte  er  das  ganze  weite  Gebiet  dieser 
Wissenschaft;  doch  that  er  sich  namentlich  als  Latinist  hervor,  bezogen  sich 
seine  schriftstellerischen  Arbeiten  vorzugsweise  auf  römisches  Alterthum.  Sein 
anziehendes  Hauptwerk  »Rom  und  römisches  Leben  im  Alterthum«  erschien 
1880.  Ausserdem  verfasste  er:  »Der  jüngere  Plinius  nach  seinen  Briefen« 
1872,  »Grundriss  der  römischen  Literatur -Geschichte«  1876,  zweite  Auflage 
1889,  »Anthologie  aus  römischen  Dichtem«  1884,  »Römische  Geschichte  im 
Abriss«   1891. 

Schwäbische  Kronik  vom  22.  April  1897  (Mittagsblatt),  Staatsanzeiger  fflr  Württem- 
berg vom  23.  April  18971  Neues  Correspondenzblatt  fttr  die  Gelehrten-  und  Realschulen 
Württembergs  1897,  Heft  5,  S.  177  f. 

Rudolf  Krauss. 

Beyttenmiller,  Theodor,  Dichter,  ♦  am  2.  Februar  1820  im  wtirttem- 
bergischen  Oberamtsstädtchen  Weinsberg,  f  am  27.  December  1897  in  Stutt- 
gart. —  B.  wurde  von  Justinus  Kemer,  einem  Freunde  seines  Vaters,  der  in 
Weinsberg  Präceptor  war,  aus  der  Taufe  gehoben,  und  seine  Mutter  rühmte 
sich,  eine  Grossnichte  von  Schiller's  Mutter  zu  sein.  So  fehlte  es  an  glück 
liehen  Vorbedeutungen  fiir  eine  künftige  Poetenlaufbahn  nicht.  Zunächst 
fasste  den  Knaben  das  Leben  hart  ^n.  Er  verlor  frühzeitig  seine  Eltern  und 
musste  1828  in  das  Stuttgarter  Waisenhaus  verbracht  werden.  Seit  1835 
wurde  er  in  dem  damit  verbundenen  Seminar  zum  Volksschullehrer  heran- 
gebildet, wirkte  sechs  Jahre  als  Lehrgehilfe  an  verschiedenen  Württemberg!- 
sehen  Schulen  und  begab  sich  1845  ^^^^  *^^  Stuttgarter  Polytechnikum,  um 
sich  auf  das  Reall ehrer examen  vorzubereiten,  dessen  zwei  Theile  er  1 848  und 
1849  erstand.  Daneben  war  er  von  1846 — 1850  Erzieher  der  beiden  Söhne 
des  Fürsten  Gortschakoff,  russischen  Gesandten  in  Stuttgart,  des  nachmaligen 
Kanzlers.  Die  folgenden  Jahre  (1850  — 1856)  verlebte  er  als  Hofmeister  im 
Hause  seines  Gönners,  des  Oberststallmeisters  Grafen  Taubenheim.  Dann  trat 
er  in  den  öffentlichen  Schuldienst  ein  und  wurde  nach  einigen  kürzeren  pro- 
visorischen Verwendungen  1857  in  Stuttgart  definitiver  Elementarlehrer,  später 
Reallehrer  an  unteren  Klassen,  zuletzt  mit  dem  Titel  eines  Oberreallehrers. 
1894  in  den  Ruhestand  versetzt,  verbrachte  er  seinen  Lebensabend  in  Stutt- 
gart, bis  eine  Herzlähmung  sein  plötzliches  Ende  herbeiführte. 

Als  Poet  trat  B.  in  jüngeren  Jahren  mit  zwei  lyrischen  Sammlungen  her- 
vor: »Gedichte«  (Stuttgart,  bei  C.  F.  Arnold,  1846)  und  »Maiglöckchen« 
(Cannstatt,  bei  L.  Bosheuyer,  1854).  Er  verfügt  über  beträchtliche  Gewandt- 
heit im  Versemachen  und  weiss  die  Worte  gut  zu  setzen,  die  poetischen  Rede- 
blumen geschickt  zu  verwenden.  Während  das  erste  Buch  noch  durch  die 
vielen  unreinen  Reime  entstellt  wird,  haftet  dem  zweiten  auch  dieses  formelle 
Gebrechen  nicht  mehr  an.  In  beiden  finden  sich  unleugbar  zahlreiche  schöne 
und  gute  Gedichte.  Aber  man  wird  nicht  recht  warm  dabei.  Des  Dichters 
Klagen  und  sein  Jubeln,  sein  Liebesschmerz  und  seine  Liebeslust  vermögen 
die  Seele  des  Lesers  nicht  in  sympathetische  Schwingung  zu  versetzen.  Der 
ganze  Ton   dieser  Poesie  ist  zu  weichlich  schmachtend,  die  ganze  Stimmung 


Beyttenmiller.     MUller.     Preyer.  105 

zu  feierlich  ernst;  vergebens  sehnt  man  sich  nach  einem  Tropfen  schwäbischen 
Humors.  Vor  allem  aber  vermisst  man  die  Ursprtinglichkeit  der  Begabung. 
Goethe'sche,  Kemer'sche  Reminiscenzen  sind  nicht  selten,  und  auch  da,  wo 
sich  keine  direkten  fremden  Einflüsse  nachweisen  lassen,  kann  man  sich  des 
Eindrucks  nicht  erwehren,  dass  der  Dichter  Ureigenes  nicht  zu  bieten  habe. 
Die  späteren,  nicht  mehr  gesammelten  Erzeugnisse  B.'s  waren  hauptsächlich 
patriotische  Gelegenheitsgedichte,  die  er  zu  nationalen  Fest-  und  Gedenktagen 
für  Journale  oder  militärische  Vereine  verfertigte.  Ausserdem  gab  er  1861 
das  Lehr-  und  Handbuch  »Unsere  alt-  und  mittelhochdeutschen  Dichter«, 
sowie  mehrere  lyrische  Anthologien  heraus.  Auch  sonst  entfaltete  er  mannich- 
fache  literarische  Thätigkeit,  so  als  Mitarbeiter  und  eine  Zeit  lang  als  Theater- 
referent des  Stuttgarter  Neuen  Tagblattes  und  sechs  Jahre  als  Redakteur  der 
Stuttgarter  Frauenblätter.  Im  Uebrigen  lebte  der  einfache  Mann  ziemlich 
still  und  zurückgezogen  dahin.  Seine  letzte  öffentliche  That  war  die  keines- 
wegs nothwendige  Begründung  eines  Kemervereins  in  Stuttgart. 

Franz  Brttmmer,  Lexikon  der  deutschen  Dichter  und  Prosaisten  des  neunzehnten  Jahr- 
hunderts, 4.  Ausgabe,  I,  S.  119  f.,  Nekrologe,  namentlich  im  Stuttgarter  Neuen  Tagblatt  vom 
28.  December  1897. 

Rudolf  Krauss. 

Müller,  Wilhelm,  ein  jüngeres  Mitglied  des  einst  berühmten  Gebrüder 
Müller-Quartetts,  ♦am  i.  Juni  1834  zu  Braunschweig,  f  in  der  zweiten  Hälfte 
des  Jahres  1897  in  New  York.  —  Er  war  der  Sohn  von  Karl  Friedrich  M., 
des  ersten  Violinisten  des  einst  berühmten  Gebrüder  Müller-Quartetts,  welches 
in  den  Jahren  1831  bis  1855  Europa  in  Erstaunen  durch  seine  Leistungen 
setzte.  Das  jüngere  Gebrüder  Müller-Quartett  trat  1855  an  Stelle  des  älteren, 
als  der  Bratschist  Theodor  Heinrich  Gustav  mit  Tode  abging.  Der  Herzog 
von  Meiningen  nahm  es  in  seine  Dienste  und  von  hier  aus  unternahmen  sie 
alljährlich  ihre  Concertreisen.  Als  Karl,  der  erste  Violinist,  1866  nach  Wies- 
baden ging,  folgten  ihm  seine  Brüder,  sowie  später  nach  Rostock;  als  aber 
Wilhelm  eine  Anstellung  als  Solo -Violoncellist  und  Lehrer  an  der  Hoch- 
schule für  Musik  in  Berlin  erhielt,  löste  sich  das  Quartett  auf.  Wilhelm  ver- 
einigte sich  mit  Joachim,  De  Ahna  und  Schiver  zu  dem  berühmten  Quartette 
in  Berlin,  trat  auch  öfter  in  Concerten  auf  und  bewies  sich  nicht  nur  als 
Virtuose,  fiir  den  es  keine  technischen  Schwierigkeiten  giebt,  sondern  auch 
als  Künstler,  der  in  den  geistigen  Gehalt  der  Werke  eindringt  und  ihnen  den 
entsprechenden  Ausdruck  verleiht.  Im  Jahre  1879  ß^"g  ^'  ^^^^  Amerika. 
Anfänglich  machte  er  sein  Glück  im  neuen  Welttheil,  doch  bald  verschwand 
sein  Name  aus  den  Zeitungen  und  jetzt  melden  sie  nur  ganz  kurz  seinen 
Tod.  An  Compositionen  ist  von  ihm  nichts  bekannt  geworden,  doch  gab 
er  187 1  eine  Reihe  Transcriptiojien  heraus  für  Violoncell  und  Pianoforte,  die 
sich  durch  eine  geschmackvolle  Auswahl  als  geschickte  Bearbeitung  erweisen. 

Quellen:  Hugo  Riemann's  Lexikon,  Lessmann's  Musikzeitung  1897,  S.  641. 

Rob.  Eitner. 

Prcycr,  Thicny  William,  Physiolog  in  Jena  und  Berlin,  *  am  4.  Juli 
1841  zu  Moss-Side  (bei  Manchester),  f  am  15.  Juli  1897  in  Wiesbaden.  — 
P.  erhielt  seine  wissenschaftliche  Vorbildung  in  London,  Duisburg  und  Bonn, 
studirte  dann  die  Heilkunde  und  Naturwissenschaften  in  Bonn,  Berlin,  Wien, 
Heidelberg  und  Paris  (unter  Max  Schultze,  Helmholtz,  Carl  Ludwig,  Brücke, 


io6  Preyer.    Schleis  von  Lowenfeld. 

du  Bois-Reymond,  Virchow  und  Claude  Bernard),  erlangte  1862  die  philoso- 
phische, mit  der  Abhandlung  über  Plautus  impennis,  1866  die  medicinische 
Doctorwürde  und  1867  in  Bonn  die  Approbation  als  Arzt,  nachdem  er  hier 
schon  seit  1865  als  Privatdocent  habilitirt  war.  1869  erhielt  er  die  Berufimg 
auf  den  ordentlichen  Lehrstuhl  der  Physiologie  in  Jena,  den  er  bis  1888  be- 
hielt, um  dann  aus  Gesundheitsrücksichten  Jena  mit  Berlin  zu  vertauschen. 
Hier  gehörte  er  bis  zu  seinem  Lebensende  dem  Lehrkörper  der  Universität 
an;  doch  hatte  er  in  Folge  schweren  Nieren-  und  Leberleidens  die  letzte  Zeit 
in  Wiesbaden  zubringen  und  sich  von  jeder  wissenschaftlichen  Thätigkeit  zu- 
rückziehen müssen.  P.  gehört  zu  den  bedeutenderen  Physiologen  bezw.  Bio- 
logen der  Gegenwart  und  hat  sich  besonders  dadurch  ein  grosses  Verdienst 
erworben,  dass  er  die  ihm  im  hohen  Masse  eigene  Gabe  der  populären  Dar- 
stellung wissenschaftlicher  Probleme  verwerthete,  die  denn  auch  in  seinen  ebenso 
zahlreichen  als  gediegenen  Schriften  zum  treffenden  Ausdruck  kommt.  Er  gehörte 
vor  Allem  zu  den  eifrigsten  Vertretern  des  Darwinismus  und  hat  durch  Wort 
und  Schrift  fiir  dessen  Popularisinmg  und  Verbreitung  ebenso  kräftig  wie  er- 
folgreich gesorgt.  Ebenso  hat  P.  das  Verdienst^  das  Problem  des  Hypnotismus 
in  wissenschaftlich  rationeller  Weise  begründet  und  aufgeklärt  zu  haben.  P. 
nahm  sich  ferner  gewisser,  die  allgemeine  Bildung,  das  Unterrichts-,  Schul- 
wesen, die  Pädagogik  etc.  betreffenden  Angelegenheiten  an  und  förderte  diese 
durch  populär-wissenschaftliche  Veröffentlichungen  im  reformatorischen  Sinne, 
indem  er  besonders  die  Wichtigkeit  der  Pflege  des  deutschen  Sprach-  und 
eines  naturwissenschaftlichen  Unterrichts  gegenüber  der  sogenannten  humani- 
stischen Bildung  in  den  Vordergrund  zu  rücken  suchte.  Diese  Arbeiten  lenk- 
ten seine  Aufmerksamkeit  zugleich  auf  die  Psycho-physiologie  des  Kindes,  die 
er  in  einer  grösseren  Monographie  unter  dem  Titel  »Die  Seele  des  Kindes« 
(1882)  darlegte.  Weitere  Schriften  P.'s  betreffen  Untersuchungsresultate  über 
die  Wirkungen  der  Blausäure,  über  Blutfarbstoff,  Blutkrystalle,  die  Ursache 
des  Schlafes  (die  er  bekanntlich  von  der  Anhäufung  gewisser  Ermüdungsstoffe 
im  Gehirn  herleiten  wollte,  sodass  die  Milchsäure  nach  P.  ein  gutes  Schlaf- 
mittel sein  sollte),  über  Farben-  und  Temperatursinn,  akustische  Unter- 
suchungen (über  die  Lehre  von  der  Konsonanz  und  die  untere  Grenze  der 
Tonempfindung),  graphologische  Studien,  Elemente  der  reinen  Empfindungs- 
lehre, Elemente  der  allgemeinen  Physiologie  (mit  einer  kurzen  geschichtlichen 
Einleitung)  u.  v.  A. 

Vergl.  Biogr.  Lexion  hervorr.  Aerzte  IV,  S.  625;  Voss.  Ztg.  vom  15.  Juli  1897. 
Werke  u.  Schriften  s.  Börsenbl.  f.  d.  Deutschen  Buchhandel  1897,  No.  174. 

Pagel. 

Schleis  von  Löwenfeld,  Max  Josef,  Geheimer  Ober-Medicinalrath  in 
München,  vormaliger  Leib -Wundarzt  des  Königs  Maximilian,  ♦  am  7.  Juni 
zu  Sulzbach  als  Sohn  von  Christoph  Raphael  S.  (1772  bis  1852),  f  am 
10.  Februar  1897.  —  Seh.  studirte  an  der  Ludwig-Maximilians-Universität  zu 
München  und  erlangte  daselbst  1832  die  Doctorwürde  mit  der  von  der  medicini- 
schen  Facultät  vorher  preisgekrönten  Dissertation:  »De  viis  proximis  ad  Organa 
intus  posita,  quae  in  eorum  passionibus  inüammatoriis  vel  similibus  patent  me- 
dico  in  usum  sanguinis  evacuationis«,  wurde  als  Privatassistent  von  Philipp  von 
Walther  in  die  Praxis  eingeführt  und  war  von  1833  — 1836  Assistent  desselben 
in  der  Klinik  am  städtischen  allgemeinen  Krankenhause  (links  der  Isar)  in  Mün- 
chen.   Mit  Hilfe  eines  Staatsstipendiums  machte  er  darauf  eine  grössere  wissen- 


Schleis  von  Löwenfeld.     Stark,     von  Wachholtz.  107 

schaftliche  Reise,  wobei  er  die  bedeutenderen  Städte  Deutschlands,  femer  Paris, 
England,  Holland  und  Belgien  besuchte.  Nach  der  Rückkehr  Hess  er  sich  in 
München  als  Arzt  nieder,  verwaltete  kurze  Zeit  eine  Bezirksarmenarztstelle 
daselbst  und  später  nach  dem  Abgange  Stromeyer's  von  München  nach  Frei- 
burg interimistisch  die  Stelle  alle  Chefarzt  der  chirurgischen  Klinik  und  der 
Abtheilung  für  Augenkranke  an  dem  oben  genannten  Krankenhause.  1840 
wurde  er  zum  Königl.  Hofstabschirurgen,  1848  zum  Königl.  Hofstabsarzt  er- 
nannt, 1851  als  Nachfolger  des  verstorbenen  von  Walther  zum  Leibchirurgen 
von  König  Max  II.,  nach  dessen  Tode  er  von  Ludwig  II.  1864  mit  dem 
Titel  und  Rang  eines  Königl.  Ober-Medicinalraths  und  1882  am  50jährigen 
Doctorjubiläumstage  mit  dem  Titel  eines  Königl.  Geheimraths  ausgezeichnet 
wurde.  Sph.  war  ein  fruchtbarer  Schriftsteller.  Von  seinen  Schriften,  deren 
Verzeichniss  in  der  unten  angegebenen  Quelle  nahezu  vollständig  zu  fmden 
ist,  nennen  wir:  »Die  Lithotripsie  in  Bezug  auf  Geschichte,  Theorie  und  Praxis 
derselben  u.  s.  w.  (München  1838);  »Die  Lethalitätszustände  der  Verletzungen 
in  gerichtsärztlicher  Beziehung«  (ebenda  1844);  »Skizze  zu  einem  Lehrbuch  für 
eine  allgemeine  pathologische  Anatomie«  (ebenda  1847);  *^^^  Symptomato- 
logie und  Therapie  der  Prostatakrankheiten«  (ebenda  1858). 

Vergl.  Biogr.  Lexicon  hervorr.  Aerzte  V,  S.  233. 

Pagel. 

Stark,  Karl,  Irrenarzt,  *  1837,  f  als  Director  der  vereinigten  Irren- 
anstalten Stephansfeld -Hoerdt  und  Kaiserl.  Sanitätsrath.  —  St.  studirte  und 
promovirte  in  Jena,  erhielt  1862  die  Approbation  als  Arzt,  war  eine  Zeit  lang 
in  der  Heilanstalt  Kenneburg,  seit  1873  als  zweiter  Arzt,  seit  1876  als  Director 
der  erstgenannten  Anstalten  thätig,  ftir  deren  Ausbau  und  Reformation  er 
mit  Energie  eintrat.  Auch  publicirte  er  u.  A.  1871  die  Monographie:  »Die 
psychische  Degeneration  des  französischen  Volks,  ein  irrenärztlicher  Beitrag 
zur  Völkerpathologie«. 

Pagel. 

Wachholtz,  Robert  von.  Herzoglich  Braunschweigischer  Generallieutenant 
z.  D.,  ♦  am  16.  November  18 16  zu  Braunschweig,  f  am  28.  December  1897 
ebenda,  ein  Sohn  des  1841  verstorbenen,  als  Verfasser  interessanter  Aufzeich- 
nungen über  seine  Erlebnisse  in  der  altpreussischen  Armee  und  in  dem  Korps 
des  Herzogs  Friedrich  Wilhelm  von  Braunschweig  bekannt  gewordenen  Gene- 
rals von  Wachholtz,  k^  im  April  1836  aus  dem  Kadettenkorps  als  Sekond- 
lieutenant  in  das  Leibbataillon  und  wurde  1840  zum  Premierlieutenant  be- 
fördert. Nachdem  er  von  1841  bis  1846  als  Lehrer  an  seiner  Bildungsstätte 
thätig  gewesen  war,  besuchte  er  1846/47  die  Generalstabsakademie  zu  Han- 
nover, nahm  im  Jahre  1848  als  Generalstabsoffizier  am  Feldzuge  des  X.  Deut- 
schen Bundesarmeekorps  in  Schleswig  theil  und  ward  nach  Beendigung  des 
Krieges  als  Hauptmann  und  Kompagniechef  in  das  Infanterie-Regiment  versetzt. 
Während  der  Jahre  1849  bis  1867  wurde  er  theilweise  im  Frontdienste,  theil- 
weise  im  Generalstabe  verwendet  und  war  zum  Oberstlieutenant  aufgestiegen, 
als  die  in  Gemässheit  des  Eintrittes  Braunschweigs  in  den  Norddeutschen 
Bund  erfolgende  Umgestaltung  des  Braunschweigischen  Feldkorps  seine  Er- 
nennung zum  Kommandeur  des  Landwehrbezirkes  Braunschweig  II,  unter 
gleichzeitiger  Stellung  zur  Disposition,  veranlasste.  Aus  diesem  Verhältnisse 
berief  ihn  im  April  1872  Herzog  Wilhelm  als  Flügeladjutanten  in  seine  nächste 


I08  von  Wachholtz.    Weiss. 

Umgebung,  gleichzeitig  wurden  ihm  die  Geschäfte  des  Generaladjutanten  und 
die  Inspektion  des  Gendarmeriekorps  tibertragen,  1873  rückte  er  zum  Oberst, 
1881  zum  Generalmajor  auf.  Nach  des  Herzogs  am  13.  October  1884  erfolg- 
ten Tode  blieb  er  in  gleicher  Verwendung  bei  dem  Regenten  des  Herzogthums, 
Prinzen  Albrecht  von  Preussen,  führte  die  Verhandlungen  auf  Grund  deren 
eine  Militärkonvention  mit  Preussen  abgeschlossen  wurde  und  die  Braun- 
schweigischen Truppen  im  Jahre  1886  in  den  Verband  des  Preussischen 
Heeres  traten,  und  ward  am  8.  Mai  1889,  unter  Verleihung  des  Charakters 
als  Generallieutenant,  zum  Generaladjutanten  des  Prinzregenten  ernannt.  General 
V.  W.,  der  letzte  Träger  der  alten  schwarzen  Uniform,  war  eine  in  Stadt  und 
Land  wohlbekannte  Persönlichkeit;  das  Vertrauen  und  die  Werthschätzung,  deren 
er  sich  in  allen  Kreisen  der  Bevölkerung  erfreute,  kamen  unter  Anderem  in 
seiner  Ernennung  zum  Ehrenvorsitzenden  des  Braunschweigischen  Landes- 
verbandes und  zum  Ehrenmitgliede  des  Bürgervereins  der  Stadt  Braunschweig 
zum  Ausdrucke. 

B.  Poten. 

Weiss,  Hermann,  Königlich  Preussischer  Geheimer  Regierungsrath  und 
Professor,  ♦  am  2.  April  1822  zu  Hamburg,  f  am  21.  April  1897  zu  Berlin.  — 
W.,  ein  hervorragender  Kenner  der  Kostümkunde  aller  Zeiten  und  Länder, 
war  der  Sohn  eines  hochangesehenen  Schauspielers,  mit  welchem  er,  als  dieser 
an  das  Königliche  Theater  berufen  wurde,  schon  im  Jahre  1827  nach  Berlin 
kam.  Der  Vater  bestimmte  den  Sohn  für  das  Maschinenfach  und  dieser  trat 
daher,  nachdem  er  die  Schule  verlassen  hatte,  1839  zu  Berlin  bei  einem 
Mechaniker  in  die  Lehre.  Aber  die  Arbeit  am  Schraubstocke  genügte  dem 
von  Wissensdurst  und  von  Enthusiasmus  fiir  die  Kunst  erfüllten  Jünglinge 
nicht  lange,  er  vertauschte  die  Werkstatt  bald  mit  dem  Atelier  und  wurde 
Maler.  Für  seinen  neuen  Beruf  bildete  er  sich  zunächst  bei  dem  Geschichts- 
und Bildnissmaler  J.  F.  Otto,  einem  Freunde  seines  elterlichen  Hauses,  aus; 
im  Jahre  .1843  bezog  er  die  Akademie  zu  Düsseldorf.  Neben  der  Ausübung 
seiner  Kunst  betrieb  er  wissenschaftliche  Studien;  der  Verkehr  mit  Männern 
wie  Kugler,  Schnaase,  Waagen  u.  A.  wirkte  leitend  und  fördernd  auf  seine 
Bestrebungen.  Eine  grössere  Reise,  welche  W.  durch  die  Niederlande,  Belgien, 
Frankreich  nach  Italien  und  über  München  in  die  Heimat  zurückführte,  er- 
weiterte seinen  Gesichtskreis  und  bewog  ihn  nach  der  Heimkehr  den  Pinsel 
mit  der  Feder  zu  vertauschen  und  sich  ganz  wissenschaftlicher  Arbeit  hinzu- 
geben. Auf  Kugler's  Anregung  hatte  er  das  damals  noch  wenig  angebaute 
Gebiet  der  Trachten  und  Geräthe  gewählt;  ein  Ergebniss  seiner  Forschungen 
war  seine  »Geschichte  der  Kostümkunde«,  von  welcher  1853  der  erste  Band 
erschien.  Er  verdankte  ihr  seine  1854  erfolgte  Berufung  als  Lehrer  des  Kostüms 
an  die  Akademie  zu  Berlin,  1855  folgte  die  Ernennung  zum  Professor.  Dann 
wurde  er  1858  Direktorial-Assistent  des  dortigen  Königlichen  Kupferstich- 
kabinets  und  1873  Direktor  desselben,  legte  dieses  Amt  jedoch,  da  es  ihm 
verleidet  wurde,  1877  nieder.  Dafür  eröffnete  sich  ihm  zwei  Jahre  später  ein 
Wirkungskreis,  welcher  seinen  Neigungen  und  Fähigkeiten  in  hohem  Grade 
entsprach:  er  wurde  als  technischer  Direktor  an  das  Berliner  Zeughaus  be- 
rufen, welches  aus  einem  Aufbewahrungsorte  für  Waffen  zu  einer  Ruhmeshalle 
für  das  Heer  umgeschaffen  werden  sollte.  Bei  der  1883  erfolgten  Eröffnung 
desselben  wurde  W.  von  Kaiser  Wilhelm  L,  der  dem  Fortgange  der  Arbeit 
—  wie  sein  Sohn,  der  damalige  Kronprinz  Friedrich  Wilhelm  —  mit  grossem 


Weiss,     von  Werder.     Mitterwurzer. 


109 


Interesse  gefolgt  war  und  dieselbe  eifrig  gefördert  hatte,  zum  Direktor  des 
Zeughauses,  neben  welchem  ein  General  als  Kommandant  thätig  w^ar,  und  zum 
Geheimen  Regienmgsrathe  ernannt.  Bis  zum  Jahre  1895  hat  er  sich  mit 
voller  Hingabe  seinem  Amte  gewidmet,  dann  trat  er  in  den  Ruhestand.  Bis 
an  sein  Ende  hatte  er  sich  körperliche  und  geistige  Frische  bewahrt. 

Jenes  Hauptwerk  seines  Lebens,  die  »Geschichte  der  Kostümkunde«,  ist 
in  2.  Auflage  nicht  zum  Abschlüsse  gekommen.  Die  1 881/1883  zu  Stuttgart 
erschienene  2.  Auflage  enthält  im  i.  Bande  das  Alterthum,  im  ^.  das  Mittel- 
alter. 

B.  Poten. 

Werder,  Hans  von,  Königlich  Preussischer  General  der  Infanterie  z.  D., 
♦  am  29.  Juli  1834  zu  Beuthen  an  der  Oder,  f  am  6.  November  1897  zu 
Görlitz.  —  V.  W.,  im  Kadettenkorjjs  erzogen  und  aus  diesem  am  27.  April 
1852  als  Sekondlieutenant  dem  19.  Infanterie-Regimente  tiberwiesen,  besuchte 
von  1858  bis  1861  die  Allgemeine  Kriegsschule,  bezw.  Kriegsakademie,  ward 
sodann,  inzwischen  Premierlieutenant  gew^orden  und  im  Februar  1861  zum 
59.  Infanterie-Regimente  versetzt,  zum  Topographischen  Bureau  und  zum 
Generalstabe  kommandirt,  in  welchen  er,  am  11.  Februar  1865  zum  Haupt- 
mann befordert,  im  Mai  1866  einrangirt  wurde.  Den  Feldzug  dieses  Jahres 
machte  er  als  Generalstabsoffizier  bei  dem  zur  Eibarmee  gehörenden  VIII.  Ar- 
meekorps in  Böhmen  mit,  wo  er  an  den  Gefechten  bei  Hünerwasser  und  bei 
Münchengrätz,  sowie  an  der  Schlacht  bei  Königgrätz  theil  nahm.    Im  October 

1869  erhielt  er  eine  Kompagnie  im  Mecklenburgischen  Füsilier-Regimente 
No.  90,  kam  aber  nach  Jahresfrist  als  Major  in  den  Generalstab  zurück,  rückte 

1870  mit  der  zuerst  vom  General  von  Glümer,  dann  vom  General  von  Both- 
mer  befehligten  13.  Division,  welche  zunächst  bei  Metz  und  dann  im  Süden 
focht,  von  neuem  in  das  Feld,  kehrte  mit  dem  Eisernen  Kreuze  i.  Klasse 
geschmückt  heim  und  verblieb  nun,  abgesehen  von  einer  Verwendung  im 
Kriegsministerium  während  der  Jahre  1872  bis  1875,  bis  zum  Februar  1880 
im  Generalstabe,  zuletzt  als  Chef  des  Generalstabes  des  XV.  Armeekorps  zu 
Strassburg.  Schon  1877  zum  Oberst  aufgerückt,  erhielt  er  alsdann  das  Kom- 
mando des  7.  Thüringischen  Infanterie-Regiments  No.  96  zu  Altenburg,  im 
December  1883  als  Generalmajor  das  der  50.  Infanterie-Brigade  zu  Darmstadt, 
im  Juli  1888  als  Generallieutenant  das  der  i.  Division  zu  Königsberg,  ver- 
tauschte die  letztere  Stellung  im  Juni  1891  mit  der  des  kommandirenden 
Generals  des  I.  Armeekorps  am  nämlichen  Orte,  ward  am  2.  September  1892 
zum  General  der  Infanterie  befördert  und  am  10.  Januar  1895  in  Genehmigung 
seines  Abschiedsgesuches  mit  Pension  zur  Disposition  gestellt,  worauf  er  seinen 
Wohnsitz  zu  Görlitz  nahm. 

B.  Poten. 

Mitterwurzer,  Anton  Friedrich,  Schauspieler;  *  am  16.  October  1844 
zu  Dresden,  f  am  13.  Februar  1897  zu  Wien.  —  Er  stammte  aus  einer 
tirolischen  Familie,  der  Grossvater  lebte  in  den  ersten  Decennien  des  Jahr- 
hunderts als  Kanzlist  zu  Sterzing  am  Brenner,  ein  Bruder  der  Grossmutter, 
Johann  B.  Gänsbacher,  that  sich  als  Student  im  Kriege  von  1797  rühmlich 
hervor,  ward  Kapellmeister  zu  St.  Stephan  in  Wien  und  ein  geachteter  Kom- 
ponist. Die  Grossmutter  selbst,  eine  tief  religiöse  Frau,  war  zweimal  wahn- 
sinnig, einmal  im  Jahre  1809  ^^^  ^^  Ende  ihres  Lebens,   als  achtzigjährige 


HO  Mitterwurxer. 

Greisin.  Von  ihren  Kindern,  die  sie  in  harter  Armuth  auferzog,  verfiel  eine 
Tochter  Ursula  in  späteren  Jahren  gleichfalls  in  Wahnsinn,  sie  glaubte  sich 
zu  ewiger  Verdammniss  vorherbestimmt;  ein  Sohn  wurde  Geistlicher,  zwei 
andere  Schullehrer,  von  diesen  war  der  eine,  Anton,  Vater  unseres  M.;  er 
verliess  bald  den  Lehrstand  und  widmete  sich,  wohl  vom  Oheim  bestimmt, 
der  Musik,  wurde  ein  berühmter  Sänger  und  in  den  vierziger,  fünfziger  und 
sechziger  Jahren  war  er  eine  Zierde  des  Dresdener  Hoftheaters.  Im  Alter 
wurde  auch  er  geisteskrank,  starb  1876  im  Irrenhaus  zu  Döbling  bei  Wien. 
Er  war  verheirathet  mit  der  Schauspielerin  Anna  Herold  aus  Basel,  gleichfalls 
am  Dresdener  Theater  thätig,  eine  Schülerin  Tieck's  und  selbst  als  dramatische 
Lehrerin  gerühmt,  den  schauspielerischen  Theil  der  grossen  Partien  ihres 
Mannes  studirte  sie  mit  ihm  ein.  Der  Sohn  Anton  Friedrich  zeigte  als  Knabe 
kein  anderes  Interesse  als  für  religiöse  Dinge,  die  erste  Communion  er- 
schütterte ihn  so  tief,  dass  er  in  einen  Weinkrampf  fiel,  er  ministrirte  oft 
beim  Gottesdienst  in  der  Dresdener  Hofkirche.  Erst  spät  erwachte  die  Nei- 
gung für's  Theater  in  ihm,  vom  Vater  nicht  gern  gesehen,  von  der  Mutter 
doch  begünstigt  —  sie  studirte  die  ersten  Rollen  mit  ihm  ein.  Von  den 
Schauspielern,  die  er  in  Dresden  sah,  machte  nach  seiner  eigenen  Erzählung 
Emil  Devrient  den  grössten  Eindruck  auf  ihn,  unbewusst  wird  er  vielleicht 
eine  tiefere  Wirkung  von  Dawison  empfangen  haben,  wenigstens  wollten  später 
solche,  die  sie  beide  kannten,  eine  grosse  Aehnlichkeit  zwischen  beiden  wahr- 
nehmen. Nach  seiner  Angabe  mit  18  Jahren  —  also  1862  —  nach  anderer 
erst  1864,  ging  er  zum  Theater.  Zuerst  trat  er  zu  Meissen  in  den  Unglück- 
lichen des  Kotzebue  in  einer  kleinen  Liebhaber-  und  Naturburschenrolle  auf 
(Gustav  Falk).  In  raschem  Wechsel  gehörte  er  dann  verschiedenen  Bühnen 
an,  bisweilen  waren  es  Schmieren:  in  einer  kleinen  Stadt  im  Riesengebirge  hatte 
er  1 7  Thlr.  preussisch  Monatsgage,  später  setzte  ihn  der  Director  auf  1 2  Thir. 
herab.  Unter  anderem  war  er  in  Liegnitz,  in  Plauen,  in  Breslau.  In  Hamburg, 
unter  Maurice,  durfte  er  zum  erstenmal  eine  ernste  Charakterrolle,  den  Schul- 
meister in  der  »Deborah«  Mosenthal's  spielen.  Doch  hatte  er  in  solchen 
Rollen  meist  keinen  Erfolg,  eher  in  komischen.  Erst  in  Graz,  wohin  er  1866 
kam,  gefiel  er  auch  in  jenen,  hier  erhielt  er  nach  und  nach  alle  grossen 
Helden-  und  Charakterliebhaberrollen.  1867  durfte  er  ein  Gastspiel  in  Wien 
geben,  er  trat  —  es  war  in  der  letzten  Zeit  der  Direction  Laube's  —  als 
Hamlet,  als  Tellheim,  als  Petrucchio  in  der  »Widerspenstigen  Zähmung«  und 
als  Hauptmann  Posert  im  IfFland'schen  »Spieler«  auf.  Als  Tellheim  fiel  er 
durch ,  über  die  andern  Darstellungen  gehen  die  Recensionen  auseinander, 
interessirt  scheint  er  darin  zum  mindesten  zu  haben.  Zu  einem  Engagement, 
das  er  sehnlichst  wünschte,  kam  es  damals  noch  nicht,  er  kehrte  nach  Graz 
zurück.  Als  aber  Laube  die  Direction  des  Leipziger  Stadttheaters  übernahm, 
rief  er  M.  zu  sich,  er  spielte  nun  auch  in  Leipzig  grössere  Helden-  und 
Charakterrollen,  so  den  Posa,  den  Uriel  Acosta,  den  Waffenmeister  im  Wild- 
feuer, die  Titelrolle  in  Gottschall's  Heftog  von  Weimar,  die  er  creirte,  den 
Bastard  im  König  Lear.  1871  engagirte  ihn  Dingelstedt  für's  Burgtheater. 
Seine  Antrittsrollen  waren:  Moli^re  in  Gutzkow's  Urbild  des  TartufFe,  Be- 
nedict in  Viel  Lärm  um  Nichts  und  Alba  im  Egmont.  Mit  einer  Unter- 
brechung von  8  Monaten  (i.  Jänner  bis  31.  August  1875)  gehörte  er  nun 
dem  Burgtheater  bis  zum  Juni  1880  an.  Dann  war  er  am  Wiener  Stadt- 
theater, am  Ringtheater  (das  am  8.  December  1881  abbrannte)  und  wieder 
am  Wiener  Stadttheater  engagirt.     Im  Herbst  1884  übernahm   er  mit  einem 


Mitterwurzer.  1 1 1 

gewissen  Tatarczy  die  Direction  des  Carltheaters  in  Wien.  Von  1886  bis 
1894  reiste  er  ads  Virtuose  in  Deutschland,  Holland  und  Amerika.  1894 
wurde  er  zum  drittenmal  am  Burgtheater  engagirt,  seine  Antrittsrollen  waren 
diesmal  Mephistopheles,  Wallenstein  und  der  Derblay  im  Hüttenbesitzer.  Er 
starb  nach  kurzer  Krankheit,  die  Todesursache  wurde  auch  durch  die  Section 
nicht  mit  voller  Gewissheit  bestimmt,  wahrscheinlich  (unfreiwillige)  Vergiftung 
mit  chlorsaurem  Kali,  das  er,  anstatt  es  bloss  als  Gurgel wasser  zu  benutzen, 
als  Medicament  genommen  haben  mochte.  Zum  letzten  Mal  trat  er  am 
4.  Februar  1897  als  Musikdirector  Bergmann  in  dem  »Lustspiel«  von  Bene- 
dix  auf. 

Während  seiner  ersten  beiden  Burgtheaterengagements  spielte  er  haupt- 
sächlich Episodenrollen:  alte  Väter  wie  den  Attinghausen,  den  Borotin  in  der 
Ahnfrau,  den  hundertjährigen  Laroque  im  Verarmten  Edelmann,  Lebemänner 
und  Wüstlinge  wie  den  Gianettino  Doria,  den  Rosen  in  Mosenthal's  Deutschen 
Komödianten,  ernste  und  heitere  Liebhaber  wie  den  Grafen  Appiani,  den 
Heinrich  Frank  in  Bauemfeld's  Leichtsinn  aus  Liebe,  den  Fabrice  in  den 
Geschwistern,  den  Professor  Oldendorf  in  den  Journalisten,  den  Gustav  Theo- 
dor und  den  Fritz  in  Töpfer's  Rosenmtiller  und  Finke,  Tyrannen  wie  den 
Gessler,  Intriganten  und  Bösewichter  aller  Art,  so  den  Z^wisch  in  König 
Ottokar's  Glück  und  Ende,  den  Leonhard  in  Hebbel's  Maria  Magdalena,  den 
König  im  Hamlet,  den  Cardinal  von  Winchester  im  Heinrich  VI.,  den  Don 
Juan  in  Viel  Lärm  um  Nichts,  den  Jacob  in  Sheridan's  Lästerschule,  den 
Livius  Drusus  in  Wilbrandt's  Gracchus,  Fanatiker  wie  den  De  Santo  im  Uriel 
Acosta  oder  den  Erzherzog  Ferdinand  im  Bruderzwist,  Kraftmenschen  wie  den 
Caesar,  den  Etzel  in  den  Nibelungen,  den  Gunar  in  Ibsen' s  Nordischer  Heer- 
fahrt, komische  Chargen  wie  den  Malvolio  in  »Was  ihr  wollt«,  den  Prinzen 
von  Mauretanien  im  Kaufmann  von  Venedig,  den  Baron  Flichting  in  Töpfer's 
reichem  Mann,  verlotterte  Gesellen  und  verlorene  Existenzen  wie  den  Buch- 
jäger im  Erbförster,  den  Ramsdorf  im  Gefangnen  von  Benedict,  eifersüchtige 
Ehemänner,  d^e  ihre  Ehre  rächen  wie  den  Herzog  in  Mosenthal's  Parisina 
oder  den  Grafen  Angerolles  in  dem  französischen  Schauspiel  Umkehr,  feine 
Diplomaten  wie  den  Macchiavell  im  Egmont,  schwankende  Charaktere  wie 
den  König  Ekiuard  im  Richard  III.,  den  Leicester  in  der  Maria  Stuart, 
Menschen  von  einer  tief  verhaltenen  Empfindung,  die  nur  einmal  übermächtig 
hervorbricht  wie  den  Kammerdiener  in  Kabale  und  Liebe,  den  Lieutenant 
Stahl  in  den  beiden  Klingsberg,  einfache  edle  Menschen  wie  den  Sultan  im 
Nathan,  den  Burgund  in  der  Jungfrau,  reine  Repräsentations-  und  Sprecher- 
roilen  wie  den  Questenberg  im  Wallenstein,  den  Fürsten  in  Romeo  und  Julia, 
den  Bischof  im  Demetrius.  Von  ersten  Partien  wurde  ihm  ausser  dem  Moli^re 
im  Urbild  des  Tartuffe,  den  er  beibehielt,  anfangs  nur  der  Fiesko  zu  Theil, 
den  Faust  spielte  er  einmal  als  Aushilfe;  in  seinem  zweiten  Engagement  durfte 
er  auch  in  grossen  Zwischenräumen  den  Shylock,  den  Franz  Moor,  den  Jago, 
den  Richard  HI.,  den  Marinelli,  den  Wurm,  den  Carlos  im  Clavigo,  den  König 
Phihpp  im  Don  Carlos,  den  Macbeth,  den  Mephistopheles,  den  Narciss,  den 
Lord  Rochester  in  der  Waise  von  Lowood  spielen,  den  Caliban  im  Sturm 
creirte  er.  Im  Episodenfach  von  Publikum  und  Kritik  fast  durchaus  als  aus- 
gezeichnet anerkannt  (bisweilen  ward  ihm  in  solchen  Partien  der  Haupterfolg 
der  ganzen  Vorstellung  zu  Theil,  so  als  Buchjäger  im  Erbförster),  fand  er 
in  Darstellungen  des  grossen  Charakterfachs  damals  nur  etwa  als  Jago  und 
als  Caliban  ungetheilten  Beifall,  in  einigen  wurde  er  geradezu  zurückgewiesen, 


112  Mitterwureer. 

am  entschiedensten  sein  Mephisto,  den  Speidel  einen  »grässlichen  Hans- 
wurst« nannte.  Doch  auch  die,  die  ihn  verurtheilten,  gestanden  zu,  dass 
er  immer  interessant  sei  und  die  junge  Generation  schwärmte  für  ihn. 
Am  Stadttheater  spielte  er  meist  Bonvivants  und  heitere  Liebhaber,  so  den 
Conrad  Bolz  in  den  Journalisten  mit  grossem  Erfolg,  von  Charakterrollen  den 
Pfarrer  von  Kirchfeld  und  den  Coupeau  in  der  dramatischen  Bearbeitung  von 
Zola's  Assommoir.  Am  Carltheater  zeigte  er  sich  als  tüchtiger  Regisseur.  Auf 
seinen  Wanderungen  spielte  er  wieder  alle  grossen  Rollen  wie  einst  in  Graz; 
die  Wildenbruch'schen  Dramen  und  Ibsen,  der  erst  in  den  achtziger  Jahren 
in  das  Repertoire  der  deutschen  Bühnen  kam,  lieferte  ihm  neue,  häufig  mehr 
interessante  als  dankbare  Aufgaben.  Der  materielle  Erfolg  seiner  Fahrten 
war  wechselnd  und  im  Ganzen  nicht  sehr  gross,  er  erzählt  selbst,  dass  er 
manchen  Abend  loo,  50,  12  Mark,  ja  gar  nichts  eingenommen  hat,  in  Amster- 
dam, wo  er  den  Hamlet  spielen  wollte,  kam  gar  niemand.  In  den  Jahren 
1891  und  1892  spielte  er  als  Gast  im  Wiener  deutschen  Volkstheater  den 
Eugen  Janikow  in  Sudermann's  Sodoms  Ende,  den  Theaterdirector  Striese  in 
Schönthans  Raub  der  Sabinerinnen,  den  Consul  Bernik  in  Ibsens  Stützen  der 
Gesellschaft,  den  Hjalmar  in  dessen  Wildente,  den  Ramseth  in  Heiberg's 
König  Midas,  diesmal  Hessen  ihn  Publikum  und  Kritik  mit  wenigen  Ausnahmen 
als  grossen  Künstler  gelten.  In  seiner  letzten  Periode,  am  Burgtheater, 
1894 — 1897,  spielte  er  neu  den  Giboyer  in  der  öffentlichen  Meinung  und 
im  Pelikan  von  Augier,  den  Derwisch  im  Nathan,  den  Fox  in  Gottschall's 
Pitt  und  Fox,  den  Bolingbroke  in  Scribe's  Glas  Wasser,  den  Präsidenten  im 
Urbild  des  Tartuffe,  den  alten  Moor,  den  Müller  in  Raupach's  Müller  und 
sein  Kind,  den  Holofernes  in  Hebbel's  Judith,  komische  Rollen  in  alten 
Benedixstücken,  wie  den  Doctor  Wespe,  den  Doctor  Hagen,  den  Musikdirector 
Bergmann,  er  creirte  den  Reisenden  Kessler  in-  Sudermann's  Schmetterlings- 
schlacht, den  Allmers  in  Ibsen's  Klein  Eyolf,  den  Tabarin  von  Catulle  Mend^s, 
den  Röcknitz  in  Sudermann's  Glück  im  Winkel,  die  Titelrolle  in  der  franzö- 
sischen Posse  der  Ministerialdirector,  zuletzt  den  Fechtmeister  in  Rostand's 
Romantischen.  Auch  die  Episode  verschmähte  er  nicht  ganz,  sein  »Herr« 
in  Schnitzler's  Liebelei  war  wie  aus  dem  Repertoire  seiner  Frühzeit.  Rollen, 
die  er  schon  früher  am  Burgtheater  gespielt  hatte,  schuf  er  ganz  oder  theil- 
weise  um,  so  den  Richard  III.,  den  Franz  Moor,  am  meisten  den  König 
Philipp,  am  wenigsten  den  Mephistopheles.  Auf  einer  Gastspielreise  im  Winter 
1896  spielte  er  zum  erstenmal  (in  Köln)  den  König  Lear.  In  den  heiteren 
Rollen,  wie  als  Conrad  Bolz  galt  er  nun  ganz  unbestritten  als  Meister,  aber 
auch  die  ernsten  Charakterrollen  spielte  er  nun  selbst  so  strengen  Kritikern 
wie  Speidel  zum  Dank:  seinen  König  Philipp  bezeichnete  dieser  einmal  als 
das  Ereigniss  des  Abends,  er  überragte  —  so  urtheilte  er  —  alle  anderen 
Mitspielenden  um  Haupteslänge.  Auch  seinem  Giboyer,  seinem  Tabarin  und 
Röcknitz  spendete  er  hohes'  Lob.  Als  Röcknitz  entzückte  er  noch  als 
Fünfzigjähriger  alle  Frauen.  Nur  eine  kleine  Gruppe  von  Kritikern  wider- 
sprach, sie  warfen  ihm  gewaltsames  Missverstehen  des  Dichters,  Auflösung  der 
Rollen  in  eine  Masse  oft  unvermittelter  Details,  ja  geradezu  Haschen  nach 
groben  Effekten  vor,  verwiesen  ihn  immer  wieder  auf  die  Episode  und  das 
Genre  der  Benedix' sehen  Lustspielhelden. 

Er  war  ein  grosser  stattlicher  Mann,  die  linke  Schulter  etwas  in  die 
Höhe  gezogen,  der  Gang  häufig  etwas  vorwärts  geneigt,  wie  zum  Sprung  aus- 
holend,  doch  konnte  er  auch  kerzengerade  und  steif  sein.     Der  Mimiker  war 


Mittcrwurzer. 


"3 


in  ihm  dem  Redner  entschieden  überlegen,  sein  machtvollstes  mimisches 
Mittel  war  das  Auge,  es  war  »nicht  bloss  auf  künstliche  Vergrösserung  ange- 
wiesen, sondern  auch  halbgeöfifhet  wirksam,  nicht  von  ruhigem  Feuer  leuch- 
tend, sondern  von  zuckenden  Blicken  belebt«,  es  vermochte  »in  weitab  ge- 
wandter Ruhe  ferne  Tiefen  und  Höhen  zu  schauen«.  Das  Organ,  in  der 
Mittellage  nicht  ganz  voll  und  unrein,  war  doch  vortrefflich  für  scharfe  Aus- 
einandersetzung, eindringliche  Rede,  Spott  und  Sarkasmus,  er  konnte  durch 
Dehnen  und  Zerren  der  Worte,  durch  plötzliche  Uebergänge  aus  einer  Höhen- 
lage in  die  andere  die  mannichfachsten  Effecte  hervorbringen,  am  ergreifendsten 
aber  drückte  er  halb  unterdrückte  Bewegungen  aus:  durch  Stammeln  und 
Lallen,  ein  unheimliches  Flüstern,  ein  zitterndes  Hervorpressen,  ja  Heraus- 
würgen der  Worte.  Aber  es  wohnte  ihm  auch  die  Kraft  inne,  fiir  einen  Augen- 
blick wenigstens  auch  das  Furchtbarste  und  Aeusserste  zu  bezeichnen,  die 
Stimme  konnte  zum  Donner  anschwellen,  das  Wort  sich  wie  ein  Blitz  in 
einem  wilden  Aufschrei  enüaden.  Nur  rein  rhetorische  und  lyrische  Wirkung 
war  ihr  versagt. 

Namentiich  in  der  ersten  Hälfte  seiner  Laufbahn  erregte  er  durch  seine 
VerWandlungsfähigkeit  Aufsehen,  es  bedurfte  einer  langen  aufmerksamen  Be- 
obachtung, ehe  man  sicher  sein  konnte,  ihn  in  jeder  Rolle  wieder  zu  erkennen. 
In  seinen  letzten  Jahren  legte  er  auf  die  Maske  scheinbar  nicht  mehr  so  viel 
Werth:  er  Hess  fast  immer  sein  wirkliches  Gesicht  sehen,  nur  mit  ganz  leisen, 
feinen  Pinselstrichen  deutete  er  die  Verschiedenheiten  an.  Gemeinsam  war 
allen  seinen  grösseren  Partien  ein  gewisser  Grundton,  wenigstens  in  einem 
Moment  trat  er  hervor,  man  empfing  dann  den  Eindruck  einer  hochgradigen 
Nervenerregung,  die  bisweilen  die  Grenzen  des  Wahnsinns  streifte,  ihre  phy- 
siologischen Symptome  waren  ein  grelles  Funkeln  des  Auges,  ein  eigenthüm- 
liches  Dehnen  aller  Körpermuskeln,  die  Gestalt  schien  über  ihr  gewöhnliches 
Maass  hinauszuwachsen,  die  Arme  und  Hände  geriethen  in  fast  chiragrische 
Bewegungen,  um  zuletzt  mit  krampfhaft  geschlossenen  Fäusten  in  die  senk- 
rechte Lage  überzugehen,  convulsivische  Schauer  durchzitterten  den  I^eib,  die 
Stimme  wurde  oft  erstickt  von  einem  nervösen  Lachen:  alles  dies  dauerte 
bisweilen  nur  einen  Moment,  war  aber  nie  blosse  Nachahmung,  immer  elemen- 
tare Offenbarung  innerer  Exaltation. 

Mit  dem  Schlagwort  »realistisch«  konnte  seine  Darstellungsweise  nicht 
charakterisirt  werden.  Eine  natürliche,  ungezwungene  Sprechweise  war  im 
Burgtheater  im  Lustspiel,  im  Schauspiel,  in  Prosa  seit  langem  üblich,  wahr- 
scheinlich hat  sie  M.  dort  erst  gelernt.  Neu  war  er  nur  darin,  dass  er  diese 
natürliche  Sprechweise  auch  in  die  Jambentragödie  übertrug.  Dabei  zerpflückte 
er  freilich  oft  die  Verse,  aber  weder  im  Ton  noch  in  der  Geberde  verfiel  er 
in  einen  gemeinen  Naturalismus,  wie  Speidel  ihm  nachrühmte:  eine  feinge- 
zogene Linie  trennte  ihn  stets  von  der  gewöhnlichen  Wirklichkeit. 

Er  war  auch  durchaus  nicht  etwa  der  Schauspieler  der  Moderne.  Die 
Ibsenstücke  gaben  ihm  interessante  Aufgaben,  Sudermann  ein  paar  wirksame 
Rollen,  von  Hauptmann 'sehen  Schöpfungen  lag  nur  der  College  Crampton 
innerhalb  seines  Gestaltungskreises.  Im  Ganzen  war  ihm,  wie  ein  geistreicher 
Beobachter  einmal  sagte,  die  Literatur  nur  Vorwand  zur  Vorführung  seiner 
Persönlichkeit,  Benedix  und  Kotzebue  waren  ihm  da  eben  so  sympathisch, 
wie  Shakespeare  oder  Ibsen.  Die  letzte  Rolle,  die  er  studirte,  war  der  Svengali 
in  dem  Effectstück  Trilby. 

Im    Leben    hatte    er.  manche    Seltsamkeiten.       Auch    seine    kirchliche 

Biogr.  Jahrb.  n.  Dcutacher  Nekrolog.    2.  Bd.  3 


1 1 4  Mitterwurxer.     Wasserfuhr. 

Frömmigkeit  rechnete  man  zu  diesen,  in  jüngeren  Jahren  trug  er  sie  wohl 
mit  etwas  Exaltation  zur  Schau,  später  aber  nicht.  Häufig  hatte  er  Anfälle 
von  tiefer  Melancholie,  wie  von  Verzweiflung,  hielt  sich  fiir  erblich  belastet 
und  fürchtete  auch  wahnsinnig  zu  werden,  wie  Grossmutter,  Tante  und  Vater. 
Auch  war  er  in  seinen  letzten  Jahren  immer  in  Angst,  dass  er  im  Alter  in 
Noth  gerathen  könnte,  er  lebte  sehr  zurückgezogen  und  sparsam. 

Auch  als  dramatischer  Schriftsteller  hat  er  sich  versucht  und  eine  Reihe 
von  possenhaften  Einactem  geschrieben,  von  denen  mehrere  aufgeführt  worden 
sind  (Ein  Sieg  der  Geschichte,  Strohfeuer,  Ein  Hausmittel,  Der  liebe  Cousin); 
er  legte  selbst  keinen  Werth  auf  die  Producte.  Dagegen  hat  er  als  Vorleser, 
besonders  von  Kindermärchen,  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  sehr  grosse 
unbestrittene  Erfolge.  Als  er  starb,  bezeichneten  ihn  viele  als  den  grössten 
deutschen  Schauspieler  der  Gegenwart,  Speidel  schrieb:  »M.  ist  nicht  zu  er- 
setzen, grosse  Schauspieler  sind  so  selten  wie  grosse  Dichter«. 

Zur  Familiengeschichte  M. 's  siehe  Do  man  ig,  Von  der  Grossmatter  Friedrich  Mitter- 
wurzer' s.  Reichswehr  vom  27.  Februar  1897.  —  Ueber  seine  Jugendzeit  in  Dresden  siehe 
einen  Aufsatz  im  Wiener  Tagblatt  vom  14.  Februar  1897.  Eine  Episode  erzählt  er  selbst 
in  einem  Beitrag  des  Decamerone  des  Burgtheaters  (1880).  Ueber  die  Grazer  Zeit  finden 
sich  einige  Mittheilungen  seines  damaligen  Directors  K  reib  ig  im  Neuen  Wiener  Tagblatt 
vom  gleichen  Datum.  Ueber  die  Leipziger  Zeit  einiges  in  Laube's  Norddeutschem  Thea- 
ter, Ueber  seine  Wirksamkeit  im  Wiener  Stadttbeater  R.  Tyrolt,  Chronik  des  Wiener 
Stadttheaters  a.  v.  O.  Siehe  ferner  Wlassack,  Chronik  des  Hofburgtheaters  (1876).  — 
Die  Monographie  E.  Guglia's,  Friedrich  Mitterwurzer  (1896)  giebt  viele  biographische 
Einzelheiten,  die  der  Verf.  von  M.  selbst  hatte,  doch  sind  sie  trotzdem  nicht  verlässlicb, 
wie  denn  z.  B.  das  Geburtsdatum  nicht  richtig  gegeben  ist;  der  Werth  des  Baches  besteht 
vielmehr  darin,  dass  darin  mehr  als  50  Darstellungen  Mitterwurzcr's  aus  den  Jahren  1874 
bis  1895  ausführlich  geschildert  werden.  Zur  Ergänzung  dient  die  Recension  J.  Minor' s 
in  den  Biographischen  Blättern  II,  2,  und  von  Weilen 's  in  den  Dramaturg.  Blättern  1896, 
der  Nekrolog  L.  Speidel 's  in  der  Neuen  freien  Presse  vom  21.  Februar  1897,  der  Auf- 
satz von  F.  Gross  über  M.  als  Vorleser  im  Fremdenblatt  vom  2.  Februar  1895,  die  Er- 
innerungen an  Fr.  Mitterwurzer  von  E.  Guglia  ebenda  am  12.  Februar  1898  und  desselben 
Verfassers,  Mitterwurzer  Redivivus  in  der  Wiener  Rundschau  vom  i.  Mai  1898.  —  Nach 
M.'s  Tode  sind  auch  mehrere  Gedichte  erschienen,  die  als  Beiträge  zu  seiner  Charakteristik 
dienen  können,  so  von  F.  Dorm  an  n  in  der  Neuen  freien  Presse  vom  14.  Februar  1897, 
von  Guglia  in  der  Wiener  Rundschau  vom  i.  März  1897  und  von  Hofmannsthal  ebenda 
am  I.  Mai  1898.  Ein  gutes  Bild  aus  seinen  letzten  Jahren  ist  der  Monographie  £.  Guglia's 
beigegeben. 

£.  Guglia. 

Wasserfuhr,  Hermann,  Hygieniker,  zuletzt  in  Berlin,  *  am  14.  Juli  1823 
zu  Stettin  als  ältester  Sohn  des  verdienten  Militärarztes  (1787 — 1867),  f  am 
16.  Juli  1897.  —  W.  studirte  in  Halle,  Bonn  und  Berlin  und  erlangte  am 
letztgenannten  Orte  1845  ^^^  Doctorwürde.  Darauf  machte  er  eine  wissen- 
schaftliche Reise  mit  längerem  Aufenthalt  in  Prag  und  Wien,  wo  er  die  Kli- 
niken von  Oppolzer,  Pitha,  Arlt  und  Hamemjk  besuchte.  1846  liess  er  sich 
als  Arzt  in  Stettin  nieder,  war  während  der  Cholera-Epidemien  von  1856  bis 
1857  städtischer  Leichenschauarzt,  seit  1858  Kreiswundarzt  des  Stettiner  Stadt- 
und  des  Randow'schen  Kreises,  1 866  während  der  Cholera-Epidemie  dirigirender 
Arzt  des  städtischen  Cholera-I^azareths  in  Petrihof.  Während  des  Krieges  von 
1870/71  wirkte  er  hauptsächlich  als  Führer  und  dirigirender  Arzt  eines  Eisen- 
bahn-Lazarethzuges  bei  der  Evacuation  der  Verwundeten  und  Kranken  aus 
Frankreich  nach  Deutschland  mit.  1871  erhielt  W.  den  Auftrag  zur  Reorgani- 
sation des  Medicinalwesens  in  Elsass-Lothringen,  siedelte  nach  Strassburg  über 
und    wurde  1872  zum  Regierungs-  und  Medicinalrath ,  1879  zum  Ministerial- 


Wasserfuhr.     Wclcker. 


"5 


rath  in  dem  neugebildeten  Ministerium  für  Elsass-Lothringen  ernannt,  schied 
aber  1885  aus  und  siedelte  nach  Berlin  tiber,  wo  er  seit  1886  mehrere  Jahre 
lang  das  Amt  eines  Stadtraths  bekleidete.  W.,  der  übrigens  auch  in  seinen 
militärärztlichen  Stellungen  bis  zum  Rang  eines  Generalarztes  (1886)  empor- 
gerückt war,  hat  sich  um  die  wissenschaftliche,  schriftstellerische  und  prakti- 
sche Pflege  der  öffentlichen  Hygiene  grosse  Verdienste  erworben.  Er  gehörte 
1868  zu  den  Mitbegründern  der  deutschen  Vierteljahrsschrift  für  öffentliche 
Gesundheitspflege,  für  die  er  eine  grosse  Zahl  von  Abhandlungen  und  kriti- 
schen Beiträgen  lieferte.  Femer  gab  er  selbst  ein  »Archiv  für  öffentliche 
Gesundheitspflege  , in  Elsass-Lothringen«  (9  Bde.,  Strassburg  1876 — 1884)  her- 
aus und  schilderte  in  4  Bänden  den  Gesundheitszustand  in  Elsass-Lothringen 
während  der  Jahre  1879  — 1882.  Dazu  kommen  zahlreiche  Publicationen  in 
anderen  Zeitschriften,  wie  Berliner  klinische  Wochenschrift,  Deutsche  medici- 
nische  Wochenschrift,  Deutsche  Medicinal-Zeitung  u.  A.  Ein  Verzeichniss  findet 
sich  in  der  unten  angegebenen  Quelle. 

BioCT.  Lex.  hervorr.  Aerzte  VI,  S.  200.  -.  , 

Pagel. 

Wclcker,  Hermann,  Anatom  und  Anthropolog  in  Halle,  ordentlicher 
Universitäts- Professor,  Director  des  anatomischen  Instituts  daselbst,  ♦  am 
8.  April  1822  in  Giessen,  f  am  12.  September  1897  zu  Winterstein  im  Herzog- 
thum  Gotha,  wohin  er  sich  zuletzt  zurückgezogen  hatte.  —  W.  entstammte 
einer  ansehnlichen  Gelehrtenfamilie;  er  war  Neffe  des  Alterthumsforschers 
Gottiieb  Welcker,  des  Mitbegründers  der  alten  Bonner  Philologenschule,  und 
des  freisinnigen  Politikers  und  Publicisten  Karl  Theodor  Welcker,  Mitheraus- 
gebers des  »Staatslexicons«.  Seine  Studien  begann  W.  in  Bonn  1841  und 
beendigte  sie  in  seiner  Vaterstadt,  wo  er  1851  die  Doctorwürde  erlangte,  von 
1850 — 1853  Assistent  an  der  medicinischen  Klinik  war,  1853  sich  für  Ana- 
tomie habilitirte  und  1855  Prosector  wurde.  1859  folgte  er  einem  Ruf  als 
Prosector  und  Extraordinarius  nach  Halle,  erlangte  hier  1866  die  ordentliche 
Professur  der  Anatomie  und  war  seit  1876  als  Nachfolger  von  A.  W.  Volk- 
mann auch  Director  des  anatomischen  Instituts,  eine  Stellung,  die  er  bis  zu 
dem  kurze  Zeit  vor  seinem  Tode  aus  Gesundheitsrücksichten  erfolgten  Rück- 
tritt verwaltete.  W.  gehörte  zu  den  verdientesten  und  vielseitigsten  medicinisch- 
naturwissenschaftlichen  Forschem  der  Neuzeit.  Das  weit  über  50  Nummern 
betragende  Verzeichniss  von  W.'s  schriftstellerischen  Arbeiten  in  der  unten 
genannten  Quelle  lehrt,  dass  W.*s  Productivität  den  verschiedensten  Gebieten 
zu  Gute  gekommen  ist:  Optik,  Mikroskopie,  Histologie,  Biologie,  Anatomie, 
Anthropologie  und  Ethnologie  und  dazu  noch  verschiedenen  anderen  Zweigen 
des  menschlichen  Wissens.  Wir  heben  vor  Allem  die  schönen  Arbeiten  über 
»Schiller's  Schädel  und  Todtenmaske  nebst  Mittheilungen  über  Schädel  und 
Todtenmaske  Kant's«  (Braunschweig  1883),  über  den  »Schädel  Raphael's  und 
die  Raphaelporträts«  (Archiv  für  Anthropol.  XV),  über  den  »Schädel  Dante's« 
(Anthrop.  Review  1867)  hervor.  Die  Mikroskopie  förderte  W.  durch  Angabe 
von  Methoden  zur  Ausmessung  des  senkrechten  Durchmessers  mikroskopischer 
Objecte  und  zur  Unterscheidung  der  Erhöhungen  und  Vertiefungen  in  mikro- 
skopischen Präparaten,  durch  Construction  eines  Zahlenmikrometers.  Die  Phy- 
siologie verdankt  W.  wesentliche  Bereicherungen  in  der  Blutlehre;  so  ver- 
besserte er  u.  A.:  die  Vierordt*sche  Methode  der  Blutkörperchenzählung, 
lieferte  Modelle  der  Blutkörperchen,  deren  Grösse,  Zahl,  Oberfläche  und  Farbe 
beim  Menschen  er  bestimmen  lehrte,  untersuchte  systematisch  und  im  grösseren 

8* 


Ii5  Welcker.    Röntgen.    Bargiel. 

Massstabe  die  Blutmenge  bei  Menschen  und  Thieren,  wobei  eine  Reihe  von 
früheren  Irrthtimem  berichtigt  wurden,  und  lehrte  ein  besonderes  Färbeverfahren 
zur  Feststellung  des  Gehaltes  des  Blutes  an  gefärbten  Körperchen.  Zur  makro- 
skopischen Anatomie  bezw.  Anthropologie  brachte  W.  noch  Beiträge  über 
Himventrikel,  über  Bau  und  Entwickelung  der  Wirbelsäule,  über  Gelenke, 
Untersuchungen  über  Bau  und  Wachsthum  des  menschlichen  Schädels  nebst 
einem  besonderen  Messungssystem,  mit  welchem  er  die  deutschen  und  hol- 
ländischen Sammlungen  von  1860 — 1865  durchforschte,  und  verschiedene  an- 
dere craniologische  Studien. 

Vcrgl.  Biogr.  Lex,  VI,  231.  Pagel. 

Röntgen,  Engelbert,  ein  bis  in  hohes  Alter  thätiger  und  vortrefflicher 
Violinist  in  Leipzig;  *  am  30.  September  1829  ^"  Deventer  in  Holland,  f  am 

12.  December  1897  zu  Leipzig  im  69.  Lebensjahre.  —  Schon  in  früher  Jugend 
begann  er  sich  als  Violinist  auszuzeichnen,  dennoch  kam  eine  Zeit,  in  der  er 
sich  so  entschieden  als  talentvoller  Zeichner  bekundete,  dass  ihn  die  Eltern 
auf  die  Deventer  Malerschule  schickten,  wo  er  bei  einer  Prüfung  sogar  einen 
Preis  erwarb.  Ebenso  plötzlich  wandte  er  sich  aber  wieder  der  Musik  zu, 
ging  1848  nach  Leipzig  auf's  Conservatorium  und  wurde  ein  Schüler  David's. 
Am  I.  October  1853  trat  er  in's  Theater-  und  Gewandhaus-Orchester  als 
Violinist  ein,  nachdem  er  schon  seit  1850  als  überschüssiger  Violinist  in  den 
Gewandhaus -Concerten  im  Orchester  mitwirkte  und  mehrfach  als  Sologeiger 
aufgetreten  war.  Eine  gewisse  Scheu  vor  der  Oeffentiichkeit,  verbunden  mit 
peinlicher  Aengstlichkeit,  bewog  ihn  sich  sehr  bald  als  Solist  zurückzuziehen 
und  wie  A.  Dörffel  sagt:  nicht  mit  Recht,  da  ihm  eine  ebenso  geklärte 
Technik,  als  ein  edler  und  empfindungsvoller  Ausdruck  zu  Gebote  standen. 
Am  8.  Januar  1869  wurde  er  zum  Concertmeister  des  Stadtorchesters  ernannt 
und  beim  hundertjährigen  Jubelfeste  der  Gewandhaus-Concerte  im  Jahre  1881 
trat  er  nach  vielem  Zureden  zum  letzten  Male  als  Solist  auf.  Am  i.  October 
1875  wurde  sein  2 5 jähriges  Jubiläum  von  dem  Orchester  mit  Bekränzung 
seines  Pultes,  einem  Tusch  bei  seinem  Eintritt  in  den  Saal  und  Ueberreichung 
einer  Uhr  in  Marmorgehäuse  gefeiert,  sowie  1888  sein  30Jähriges  Jubiläum 
durch  Festreden  und  einem  Festprogramm  begangen.  Auch  am  Conserva- 
torium für  Musik  wirkte  er  als  Lehrer  in  segensreicher  Weise.  Nach  David's 
Tode  nahm  er  dessen  Stelle  ein.  Das  Leipziger  Tageblatt  vom  13.  Decem- 
ber schreibt:  Er  war  der  unaufhaltsam  weiterstrebende,  immer  fortstudirende, 
fiir  die  Interessen  der  Kunst  begeisterte,  in  seinem  Berufe  als  leuchtendes 
Beispiel  hervorragende  Künstler,  dem  Leipzig  für  immer  ein  dankbares  An- 
denken bewahren  wird.  Noch  im  letzten  Lebensjahre  spielte  er  bei  der  Auf- 
führung der  Beethoven'schen  Missa  solemnis  das  Violinsolo  im  Benedictus; 
diese  ward  seine  Todtenmesse,  in  der  That  eine  Fügung  des  Schicksals,  wie 
sie  einem  Künstler,  dessen  Leben  ganz  der  Musik  geweiht  war,  nicht  schöner 
bescheert  sein  kann. 

Quellen:  Dörffel,  Geschichte  der  Gewandhaus-Concerte  1884.    Leipziger  Tageblatt  vom 

13.  December. 

Rob.  Eitner. 

Bargiel,  Woldemar,  Stiefbruder  der  Klara  Schumann,  geb.  Wieck,  ein 
tüchtiger  Musiker  und  Componist,  ♦  am  3.  October  1828  zu  Berlin,  f  am 
23.  Februar  1897  ebendort.  —  Sein  Vater,  August  Adolph  B.,  hatte  sich  in 


Bargiel.     Behr.  1 1  y 

Berlin  als  Musiklehrer  niedergelassen  und  die  von  Wieck  geschiedene  Frau 
geheirathet.  Von  Kind  an  in  die  Musik  eingeweiht,  wurde  er  in  seinen 
Knabenjahren  Diskantist  am  neu  errichteten  Berliner  Domchore,  der  zuerst 
unter  Grell's  und  Mendelssohn's  Leitung  stand,  und  brachte  es  bis  zum  Solo- 
sänger. Im  väterlichen  Hause  erlernte  er  Klavier,  Orgel  und  Violine,  und  in 
späteren  Jahren  erhielt  er  von  S.  Dehn  Unterricht  im  Contrapunkt  und  der 
Composition.  Seine  Schulwissenschaften  erledigte  er  auf  dem  Joachimsthal- 
schen  Gymnasium.  Auf  den  Rath  seines  Schwagers,  Robert  Schumann,  be- 
suchte er  1846  das  Leipziger  Conservatorium,  wo  er  durch  die  Protection 
und  Vermittelung  Mendelssohn's  unter  günstigen  Bedingungen  Aufnahme  fand 
und  in  einer  Öffentiichen  Prüfung  durch  ein  Octett  fiir  Streichinstrumente 
eigener  Arbeit  bereits  die  Aufmerksamkeit  der  Fachkenner  in  höchst  vortheil- 
hafter  Weise  auf  sich  lenkte.  1 849  kehrte  er  mit  einem  glänzenden  Abgangs- 
zeugnisse in  seine  Vaterstadt  zurück  und  Hess  sich  als  Musiklehrer  nieder,  wo 
er  ein  geräuschloses,  aber  thätiges  und  fleissiges  Leben  führte.  Jede  freie 
Zeit  benützte  er  zum  Componiren  und  seine  edlen  und  hohen  Ziele,  die  er 
anstrebte,  blieben  nicht  unbeachtet.  Gegen  1850  erschien  bereits  sein  opus  i, 
Charakterstücke  für  Pianoforte,  bei  Whistling  in  Leipzig,  denen  in  kurzer  Zeit 
bis  zum  Jahre  1859  die  opus  2 — 5,  8,  9,  11  — 13  Klavierpiecen,  opus  6  ein 
Trio  für  Pianoforte,  Violine  und  Violoncelle,  opus  10  eine  Sonate  ftir  Piano- 
forte und  Violine,  opus  17  eine  Suite  für  dieselben  Instrumente  und  opus  18 
eine  Ouvertüre  im  vierhändigen  Arrangement  sich  anschlössen.  In  der  äusseren 
Form  war  Mozart  und  Beethoven  sein  Vorbild,  wie  auch  sein  Lehrer  Mendels- 
sohn sich  streng  in  ihnen  bewegte.  Im  Ausdruck  lehnten  sie  sich  an  Rob. 
Schumann  an,  nur  fehlte  ihnen  eine  lebendige,  originelle  und  stets  flüssige 
Erfindungsgabe.  Seine  Bestrebungen  waren  anerkennenswerth  und  wurden 
von  Musikern  und  Kennern  wohl  geschätzt,  aber  einen  bleibenden  Werth 
konnten  sie  sich  nicht  erringen.  Die  Nachbildung  erreicht  selten  das  Original. 
Als  trefflicher  Musiker  wurde  er  überall  geehrt  und  1859  ^^6  ^^^  Ferdinand 
HÜler,  eine  verwandte  Natur,  an  seine  in  Köln  errichtete  Musikschule  als 
Lehrer  der  Composition  und  des  Contrapunkts.  1865  erhielt  er  einen  Ruf 
nach  Rotterdam  als  Direktor  des  Gesangvereins  und  der  Musikschule,  die  von 
der  Vereinigung  der  Gesellschaft  zur  Beförderung  der  Tonkunst  in  Holland 
errichtet  war.  Die  Stellung  im  fremden  Lande  schien  ihn  aber  nicht  zu  be- 
friedigen, denn  als  man  ihm  von  Berlin  aus  den  Antrag  machte,  eine  Lehrer- 
stelle an  der  Hochschule  für  Musik  zu  übernehmen,  ging  er  mit  Freuden 
darauf  ein  und  kehrte  in  den  siebziger  Jahren  in  seine  Vaterstadt  zurück, 
wurde  Vorsteher  der  Compositions-Abtheilung  und  später  als  Mitglied  in  den 
Senat  der  Akademie  der  Künste  aufgenommen.  In  allen  Fächern  der  Musik 
versuchte  er  sich  mit  Ausnahme  der  Oper  und  erreichte  stets  durch  sein 
ideales  Streben  die  Anerkennung  seiner  Kunstgenossen,  wenn  auch  das  Publi- 
kum wenig  Antheil  daran  nahm.  Hin  und  wieder  fand  auch  eins  seiner 
Orchesterwerke  Aufnahme  in  die  Programme  der  grossen  Concertinstitute, 
doch  auch  hier  war  ihm  ein  durchschlagender  Erfolg  versagt. 

Quellen:  Mendel-Reissmann's  TonkünsÜer- Lexikon,  Todesanzeigen  und  Selbsterlebtes. 

Rob.  Eitner. 

Behr,  Heinrich,  ehemaliger  Opernsänger  und  Theaterdirektor,  ♦  am 
2.  Juni  1821  zu  Rostock,  f  am  13.  März  1897  zu  Leipzig.  —  Nach  vollende- 
ter Schulbildung  wurde  er  Bildhauer,  jedoch  seine  schöne  ausgiebige  Bariton- 


iig  Behr.     Grunroann.     Günther. 

Stimme  und  das  Zureden  von  Sachverständigen  bewog  ihn  bei  Eduard  Man- 
tius,  dem  bekannten  einstigen  Opernsänger  an  der  Berliner  Hofoper,  und  bei 
G.  W.  Teschner  in  Berlin  Gesangstudien  zu  machen.  Im  Jahre  1843  trat  er 
im  Berliner  Opemhause  auf,  worauf  er  auf  drei  Jahre  ein  Engagement  an- 
nahm. Nach  Ablauf  dieser  Zeit  wurde  er  1846  in  Leipzig  angestellt  und  trat 
dort  bis  1858  auf.  In  komischen  Rollen  war  er  unübertrefflich.  Die  jtlngere 
Generation  kennt  nur  den  älteren  rüstigen  Herrn,  der  einstmals  Opernsänger 
war,  die  ältere  dagegen  verehrte  ihn  als  Künstler  und  Darsteller  komischer 
Rollen,  der  ihnen  manchen  vergnügten  Abend  bereitet  hat.  Nachdem  er  sich 
mit  der  Schwester  des  Lustspieldichters  Roderich  Benedix  verheirathet  hatte, 
trat  er  als  Sänger  von  der  Bühne  zurück  und  wurde  an  verschiedenen  Bühnen 
als  Theaterdirektor  angestellt,  wie  zu  Bremen,  Köln  und  Rotterdam.  Erst 
später  kehrte  er  nach  Leipzig  zurück,  als  Laube  Theater-Intendant  war  und 
derselbe  ihn  aufforderte,  die  Opern-  und  Oekonomie-Direktion  zu  übernehmen. 
Als  er  dann  bei  herannahendem  Alter  vom  öffentlichen  Schauplatze  zurück- 
trat, wurde  er  zum  Mitgliede  der  Direktion  des  Conservatoriums  für  Musik 
gewählt.  Nur  eine  kurze  Zeit  kehrte  er  Leipzig  den  Rücken  und  bemühte  sich, 
sich  in  die  Berliner  Verhältnisse  einzuleben,  doch  es  zog  ihn  mächtig  in  seine 
zweite  Vaterstadt  zurück,  in  der  er  auch  bis  zu  seinem  Tode  verblieb.  Seine 
Freunde  schildern  ihn  als  eine  biedere,  echt  deutsche  Kraftnatur,  als  treuen 
Freund  und  prächtigen  Gesellschafter. 

Quellen:  Signale  von  B.  SenfT  S.  305.     Vossische  Zeitung  1897  No.  127. 

Rob.  Eitner. 

Grammann,  Karl,  ein  beliebter  Componist,  ♦  am  3.  Juni  1842  zu  Lübeck, 
f  am  30.  Januar  1897  in  Dresden.  —  Er  pflegte  in  der  Jugend  Musik  nur  als 
Bildungsmittel,  da  der  Vater,  Kaufmann  und  Consul  in  Lübeck,  ihn  zur  Land- 
wirthschaft  bestimmt  hatte,  und  studirte  vorher  in  Bonn  und  Halle.  Hier 
brach  sich  aber  sein  Talent  Bahn  und  er  betrieb  mehr  Musik  als  seine  Fach- 
studien, trat  auch  bereits  als  Componist  mit  den  Singspielen  »Der  Schatz- 
gräber« und  »Die  Eisjungfrau«  auf,  zu  denen  er  auch  den  Text  schrieb.  Von 
1866  bis  1871  besuchte  er  das  Leipziger  Conservatorium  für  Musik  und  hatte 
Papperitz,  Reinecke,  David,  Hauptmann,  Moscheies  u.  A.  zu  Lehrern.  Nach 
Vollendung  der  Kurse  ging  er  nach  Wien  und  widmete  sich  ganz  der  Com- 
position,  schrieb  zwei  Sinfonien,  Streichquartette,  Trios,  Violin  -  Sonaten, 
Klavierpiecen  und  zahlreiche  Lieder.  Später  siedelte  er  nach  Dresden  über 
und  hier  entstanden  die  Opern:  Melusine,  Andreasfest,  Thusnelda,  Ingrid  und 
das  Irrlicht,  die  mit  wechselndem  Erfolge  in  Wiesbaden,  Dresden,  Königsberg, 
Frankfurt  a.  M.,  Hamburg  und  anderen  Städten  zur  Auffuhrung  gelangten. 
Ingrid  und  das  Irrlicht  erschienen  beide  im  Klavier-Auszuge  bei  J.  Schuberth 
&  Co.  Seine  Gesangswerke  und  Instrumentalpiecen,  welche  die  Öpuszahl  53 
erreichen,  veröffentlichte  er  vom  Jahre  1876  bis  1888;  dann  verschwindet  sein 
Name  aus  den  Verlagskatalogen.  In  wohlhabenden  Verhältnissen  lebend,  hat 
er  sich  nie  um  die  Kritik  gekümmert  und  so  umgekehrt:  die  Kritiker  selten 
um  ihn.  Während  andere  begierig  darauf  lauern,  ihren  Namen  und  ihre 
Werke  öffentlich  besprochen  zu  sehen,  zeigte  sich  G.  als  echter  Künstler,  der 
nicht    nach    äusserem  Ruhme  fragte  und   nur  in  der  Ausübung  seiner  Kunst 

sich  selbst  genug  that. 

Quelle:    Opernbericht   No.  4    des  Musikverlags    J.  Schuberth  &  Co.  in  Leipzig,  mit 
Porträt.     Neue  Musikzeitung,  Stuttgart  1897,  62  mit  falschem  Geburtsdatum. 

Rob.  Eitner. 


Günther.     Goldschmidt.  1 1  o 

Günther,  Otto  Ferdinand,  Dr.  juris,  ♦  am  4.  November  1822  zu  Leipzig, 
f  am  II.  September  1897  ebendort.  —  Ein  in  vieler  Hinsicht  fiir  die  Stadt 
Leipzig  hervorragender  Bürger,  begann  seine  Laufbahn  als  Jurist,  erlangte  den 
Doktorgrad,  wurde  Rechtsanwalt,  dann  Gerichtsdirektor,  dabei  ein  tüchtig  ge- 
bildeter Musikdilettant,  der  sich  bei  öffentlichen  Musikaufflihrungen  stets  als 
thätiger  Organisator  auszeichnete.  Die  Bürger  wählten  ihn  in  die  Stadtver- 
ordneten-Versammlung und  auch  hier  bethätigte  er  sein  organisatorisches 
Talent,  so  dass  man  ihn  zum  Stadtverordneten -Vorsteher  wählte,  ein  Amt, 
das  er  viele  Jahre  hindurch  bekleidete.  Der  fleissige  Besucher  der  Gewand- 
haus-Concerte  wurde  auch  zum  Mitgliede  der  Concertdirektion  ernannt,  und 
als  Schleinitz  im  Jahre  i88i  in*s  Jenseits  abberufen  wurde,  wählte  man  ihn 
zum  Direktor  des  einst  von  Mendelssohn  errichteten  Conservatoriums  für 
Musik.  Hier  wirkte  er  lange  Jahre,  vermehrte  die  Anstalt  durch  eine  Or- 
chester- und  eine  Opemschule  und  hob  das  Conservatorium  durch  um- 
sichtige Leitung  zu  einem  weltberühmten  Kunstinstitute.  Auch  für  monu- 
mentale Bauten  und  menschenfreundliche  Institute  wirkte  er,  und  so  entstan- 
den die  Augenheilanstalt,  das  neue  Stadttheater,  das  Concerthaus,  das  Con- 
servatoriums-Gebäude,  sowie  das  Standbild  Mendelssohn's.  Das  Leipziger 
Tageblatt  schreibt  am  13.  September:  »Der  liebenswürdige,  wohlwollende, 
freundlich  gewinnende  Direktor  war  ein  Mann  von  ganz  besonderer  Herzens- 
güte. Schmerzlich  wird  der  Heimgang  dieses  trefflichen  Mannes  alle  Kreise 
unserer  Stadt  und  der  gesammten  Musik  weit,  ja  darüber  hinaus,  berühren, 
denn  eine  nach  vielen  Hunderten  zählende  musikstudirende  Jugend  hat  längst 
über  beide  Hemisphären  den  Ruf  und  den  Ruhm  des  ausgezeichneten  Leiters 
unsers  Musikinstitutes  getragen.« 

Quelle:  Leipziger  Tageblatt,  13.  Sept.  1897  und  Jahresberichte  des  Conservatoriums. 

Rob.  Eitner. 

Goldschmidt,  Levin,  Universitätsprofessor  des  Handelsrechtes,  Geheimer 
Justizrath,  ♦  am  30.  Mai  1829  in  Danzig,  f  am  16.  Juli  1897  in  Wilhelms- 
höhe. —  Mit  G.  ist  in  Deutschland  die  letzte  der  grossen  Leuchten  erloschen, 
welche  die  deutsche  Rechtswissenschaft  der  zweiten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts 
zu  einer  Epoche  unvergänglichen  Ruhmes  gemacht  haben.  Unter  den  Namen, 
auf  welchen  der  Glanz  dieser  Epoche  beruht,  gehören  zwei  der  Wissenschaft 
des  Handelsrechtes  an,  Thöl  und  Goldschmidt;  die  anderen:  Brinz,  Ihering 
und  Windscheid  der  Civilistik.  In  der  Meinung  der  Zeitgenossen  überstrahlt 
unter  den  Genannten  der  Name  Ihering's  den  aller  Anderen.  An  geschicht- 
licher Bedeutung  werden  aber  alle  von  G.  überragt.  Wenn,  wie  vorauszu- 
sehen, sich  das  Urtheil  der  Geschichte  von  dem  der  Zeitgenossen  zu  Gunsten 
G.'s  entfernen  wird,  so  ist  daran  nicht  in  letzter  Linie  der  Umstand  schuld, 
dass  dessen  reifstes  und  grösstes  Werk,  die  Universalgeschichte  des  Handels- 
rechtes (Stuttgart  1892)  zugleich  sein  letztes  war,  so  dass  die  Zeit  seit  dessen 
Erscheinen  noch  immer  zu  kurz  ist,  als  dass  seine  ganze  Grösse  und  Tiefe 
sich  dem  Urtheile  weiterer  Kreise  schon  hätte  erschliessen  können. 

G.  war  ursprünglich  zum  Arzte  bestimmt  und  hat,  gleich  merkwürdig 
vielen  anderen  Heroen  der  Wissenschaft,  seinen  wahren  Beruf  im  Kampfe 
mit  practischen  Erwägungen  als  Ueberläufer  gefunden.  Er  studirte  1847  bis 
185 1  in  Berlin,  Bonn  und  Heidelberg.  1851  erlangte  er  in  Halle  die  Doctor- 
würde  auf  Grund  einer  Dissertation:  de  societate  en  commandite.  Schon  in 
dieser  Jugendarbeit   betrat    er    mit    einer    tieferen    historischen    Grundlegung 


X20  Goldschmidt 

einen  flir  das  Gebiet  des  Handelsrechts  neuen  Weg.  1855  habilitirte  sich 
G.  auf  Grund  von  Untersuchungen  zu  1.  122  §  I  D  de  v.  o.  (45,  I).  Es  kam 
eine  für  die  deutsche  Rechtsentwickelung  entscheidungsvolle  Zeit.  Die  Ent- 
stehung des  allgemeinen  deutschen  Handelsgesetzbuches  begleitete  G.  mit  zwei 
vielbemerkten  und  einflussreichen  Arbeiten :  »Kritik  des  Entwurfs  eines  Handels- 
gesetzbuches für  die  preussischen  Staaten«  1857 — 1858,  »Gutachten  über  den 
Entwurf  eines  deutschen  Handelsgesetzbuchs«  1860.  Ich  habe  den  Eindruck, 
dass  G.  wichtige  Theile  dieser  vielgerühmten  Arbeiten  später  als  überholt  er- 
kannte und  sie  nicht  zu  seinen  Ruhmestiteln  rechnete.  Er  citirt  sie  nicht  in 
seinem  Grundriss  und  äusserte  mir  gegenüber  als  private  Erwiderung  auf  eine 
literarische  Bekämpfung,  er  wisse  wohl,  dass  er  damals  »die  Selbständigkeit 
des  Gesellschaftsvermögens  übersehen  habe«. 

In  die  Zeit,  welche  zwischen  den  letztgenannten  Arbeiten  liegt,  fiel  die 
Gründung  der  Zeitschrift  flir  das  gesammte  Handelsrecht  und  das  berühmte 
Gutachten  über  den  Lucca-Pistojaactienstreit  (Frankfurt  1859,  Nachtrag  i86i). 
Erstere  wurde  das  ausgezeichnete  Muster  für  ähnliche  ausländische  Unter- 
nehmungen, welchem  jedoch  in  der  guten,  d.  h.  G.'schen  Aera  nur  Thaller's 
Annales  de  droit  commercial  annähernd  gleichkamen.  Die  peinliche 
Sorgfalt,  mit  welcher  G.  den  Arbeiten  der  Redaction  oblag,  dürfte  nicht 
wieder  erreicht  worden  sein.  Fast  jeder,  der  mit  einer  Zeile  in  dieser  Zeit- 
schrift vertreten  ist,  wird  davon  Erfahrung  haben.  Grünhut,  der  berufene 
Erbe  des  Schiedsrichteramtes,  welches  G.  in  dieser  Zeitschrift  ausübte,  schreibt 
in  der  N.  Fr.  Presse  vom  20.  Juli  1897:  »Die  meisten  Bände  der  Zeitschrift 
wurden  von  ihm  selbst  geleitet  und  von  seinem  Geiste  erfüllt;  in  den  letzten 
Jahren,  wo  G.  dem  Werke  nicht  mehr  selbst  vorstand,  machte  sich  der 
Mangel  seiner  leitenden  Hand  empfindlich  fühlbar.« 

1860  wurde  G.  ausserordentlicher,  1866  ordentlicher  Professor  in  Heidel- 
berg, wo  er  bis  zu  seiner  Berufung  in  das  Bundes-,  später  Reichsoberhandels- 
gericht wirkte.  1862  erschien  die  »Encyklopädie  der  Rechtswissenschaft  im 
Grundriss«  (Heidelberg).  Hier  zeigt  sich  schon  jene  fast  hypertrophische 
Fülle  der  Gelehrsamkeit  —  insbesondere  der  Literaturkenntniss  — ,  welche  für 
ihren  Träger  zu  einer  kaum  mehr  zu  bewältigenden  Last  wurde.  1864 — 1868 
erschien  die  erste  Auflage  des  »Handbuchs  des  Handelsrechts«  (Erlangen). 
Das  Werk  ist  Torso  geblieben.  Es  ist  in  einem  Stile  angelegt,  welcher  nicht 
mit  den  Schranken  der  menschlichen  Natur  und  der  Kürze  des  Lebens  rechnet. 

Mit  besonderer  Freude  erwähnen  wir  ferner  aus  dieser  Periode  den  Ent- 
wurf eines  Reglements  für  internationale  Schiedsgerichte,  welchen  G.  in  Griin- 
hut's  Zeitschrift  (II,  714)  veröffentlichte.  Diese  kleine  Arbeit  beweist,  dass 
G.  seiner  Zeit  weit  voran  —  nicht  wie  die  Mehrzahl  der  Fachgenossen  ge- 
willt war,  die  wissenschaftliche  Pflege  dieser  guten  Sache  einer  Schaar  von 
ungelehrten  Schwärmern  und  Enthusiasten  zu  überlassen. 

In  den  Jahren  1875 — ^^77  ^^^  ^-  Mitglied  des  deutschen  Reichstags. 
Im  Jahre  1875  erhielt  er  die  erste  und  bis  heute  einzige  reichsdeutsche  Lehr- 
kanzel des  Handelsrechts,  die  er  ungefähr  20  Jahre,  wie  Riesser  in  einem 
kurzen  in  der  Nationalzeitung  veröffentlichten  Nachruf  ergreifend  sagt,  »bis 
zum  gänzlichen  Versagen  seiner  Kräfte«,  bekleidet  hat.  »Bis  zum  gänzlichen 
Versagen  seiner  Kräfte.«  Ein  tiefer  Jammer  und  für  so  manchen  sogar  ein 
Vorwurf  liegt  in  diesen  Worten.  Denn  nicht  der  ungeheuren  Arbeitslast  ist 
G.  'nach  meiner  Ueberzeugung  erlegen,  sondern  in  erster  Linie  nutzlosen 
Quengeleien    und    Quälereien,    welche  —  meistens    gar    nicht    böse    gemeint 


Goldschmidt  1 2 1 

—  im  Verein  mit  theilweise  unbehaglichen  coUegialen  Verhältnissen  seine 
selten  verstandene,  äusserst  sensitive  Natur  auf  eine  allzu  harte  Probe 
stellten.  Als  ich  im  Studienjahre  1890/91  in  Berlin  —  ich  weiss  nicht, 
ob  Handelsrecht  oder  Goldschmidt  —  studirte,  schien  er  mir  nie  grösser  und 
ehnfc'ürdiger,  als  wenn  er  seiner  zahlreichen,  aber  nicht  durchaus  musterhaften 
Hörerschaft  die  ersten  Anfangsgründe  seiner  Wissenschaft  vortrug.  Ich  habe 
nie  etwas  in  einem  tiefen  Sinne  tragischer  gesehen,  als  die  schmerzhafte  Ver- 
zerrung seiner  Züge,  wenn  muthwilliges,  auf  seine  Empfindlichkeit  berechnetes 
Scharren  den  Vortrag  unterbrach.  Dieses  Verhältniss  zu  einem  Theile  seiner 
sonst  aufmerksamen  und  lernbegierigen  Hörerschaft  bot  mir  einen  Schlüssel 
zu  seiner  Persönlichkeit  mit  ihren  grossen  Vorzügen  und  kleinen  Schwächen. 
Er  war  ein  höchst  milder  und  gütiger,  aber  ein  —  trotz  aller  grossen  An- 
erkennung —  gequälter  und  gehetzter  Mensch.  Ungerechtigkeiten  und  Un- 
dank, denen  keiner  entgeht,  verstand  er  nicht  zu  ertragen.  So  bildete  sich 
um  sein  Gemüth  scheinbar  eine  Kruste  von  Schroffheit  und  Misstrauen,  stets 
bereit  dem  Einzelnen  gegenüber  wegzuschmelzen  und  das  edelste  und  gerech- 
teste Herz  zu  offenbaren. 

Von  seiner  Fürsorge  für  die  nachwachsende  Juristengeneration  zeugt 
nichts  so  sehr,  wie  sein  grosses  Werk  über  »Rechtsstudium  und  Prüfungs- 
ordnung« Berlin  1887,  welches  unter  dem  bescheidenen  Titel  bedeutende 
historische  Ausführungen  verbirgt:  nach  dem  Urtheil  eines  geistreichen  Eng- 
länders geschrieben,  with  that  fine  thoroughness  of  German  authors,  which 
is  the  despair  of  their  foreign  rivals  and  not  seldom  of  their  readers  too. 

Seine  beiden  letzten  Werke  waren  das  System  des  Handelsrechts  im 
Gnindriss  (Vierte  Aufl.  1895)  ^"^  ^^^  Universalgeschichte  des  Handelsrechts 
(1891)  als  erste  Lieferung  der  dritten  Auflage  seines  Handbuchs.  Die  erste 
dieser  Schriften  ist  ein  Auszug  aus  dem  in  seiner  Art  einzigen  Collegien- 
hefte  G.'s.  E&  enthält  im  ersten  Theile  die  Paragraphen  -  Ueberschriften 
eines  äusserst  feindurchdachten  und  umfassenden  Systems  des  Handelsrechts 
mit  Einschluss  des  Versicherungs-,  See-  und  Wechselrechts  nebst  einer  ausser- 
ordentlich werthvollen  kritischen  Bibliographie.  Hie  und  da  überrascht  uns 
ein  Ausrufungszeichen  nach  dem  Titel  eines  Buches,  ein  Zeichen,  dass  er  eine 
Schrift  für  unter  jeder  Kritik  stehend  erklärte.  Wir  finden  dieses  Zeichen 
u.  A.  bei  Schriften  von  unter  Unkundigen  und  Halbkundigen  wohl  accredi- 
tirten  Autoren.  So  im  §  21  bei  Professor  v.  Voeldemdorff"'s  bekanntem  Bei- 
trage in  Endemann' s  Handbuch  des  Handelsrechts.  Der  zweite  Theil  enthält 
Ausflihrungen,  die  G.  zum  Theile  nur  um  den  Vortrag  zu  entlasten,  aus  seinem 
CoUegienhefte  abdrucken  Hess,  mit  welchen  er  aber  auch  zum  Theile  Richtung 
gebend  in  die  wichtigsten  schwebenden  Controversen  eingriff". 

Sein  grösster  Ruhmestitel  ist  die  Universalgeschichte.  Selten  hat  ein 
Schriftsteller  ein  neues  Riesenmaterial  in  solcher  Concentration  auf  blos  468 
Seiten  geboten.  In  einzelnen  Anmerkungen  ist  durch  Citate  und  Fingerzeige 
der  Stoff  für  ganze  Bände  eingeschlossen  und  harrt  der  Entwickelung  durch 
nachw^achsende  Kräfte.  Mit  unvergleichlicher  Sachkenntniss  wird  das  Handels- 
recht des  Alterthums,  insbesondere  der  Römer  erörtert.  Sodann  folgt  die 
Darstellung  des  mittelalterlichen  Handelsrechts,  welche  für  die  italienischen 
Staaten  bis  zum  16.  Jahrhundert  reicht.  Sie  gründet  sich  auf  eine  höchst 
umfassende  Kenntniss  der  allgemeinen  Cultur-  und  Wirthschaftsgeschichte  und 
auf  eine  tiefgehende  Untersuchung  aller  bedeutenderen  südeuropäischen  Stadt- 
rechte.   Für  diese  Untersuchung  sind  nicht  bloss  die  Handels-  und  Seeordnun- 


12  2  Goldschmidt     Heiser. 

gen  und  unzähligen  Innungsstatuten  von  Barcelona,  Valencia,  Sevilla,  Marseille, 
Avignon,  Toulouse,  Lyon,  Oleron,  Florenz,  Genua,  Pisa,  Venedig,  Verona, 
Rom  und  viele  andere,  sondern  auch  unzählige,  grösstentheils  aus  Notariats- 
Archiven  stammende  Privaturkunden  verwerthet  worden.  Ein  Rechtshistoriker 
vom  Range  G.'s,  der  zugleich  als  practischer  Jurist  und  Kenner  des  geltenden 
Rechts  hervorragt,  ist  gegenüber  dem  politischen  Historiker,  der  nicht,  wie 
Thiers  und  Lamartine  zugleich  practischer  Staatsmann  ist,  sehr  im  Vortheile. 
Er  kennt  den  Gegenstand  seiner  historischen  Betrachtung,  die  menschliche 
Natur,  wie  sie  sich  in  Verkehr  und  Wirthschaft  offenbart,  nicht  bloss  vom 
Hörensagen,  sondern  aus  lebendigster  Anschauung. 

»Das  Leichenbegängniss  G.'s  war  recht  feierlich,  wenn  auch  die  Bethei- 
ligung äusserst  schwach  war«,  schreibt  mir  ein  Augenzeuge.  »Aus  dem  Kreise 
der  Studenten,  denen  er  freilich  kaum  noch  bekannt  war,  war  ausser  einer 
Deputation  von  3  Mann  niemand  erschienen«. 

Aus  der  biographischen  Literatur  über  Goldschmidt  heben  wir  die  am  13.  November 
1897  gehaltene  Gedächtnissrede  Riesser's  (Berlin  1897,  Verlag  von  Otto  Liebmann)  und 
den  Nachruf  Pappenheim's,  seines  Nachfolgers  in  der  Redaction  der  Zeitschrift  für 
Handelsrecht  im  47.  Bande  dieser  Zeitschrift  hervor,  beide  mit  vortreftlichen  Portrait«  ge- 
schmückt. Die  erste  dieser  Arbeiten  beleuchtet  in  meisterhafter  Weise  die  historische  Be- 
deutung Goldschmidt* s  für  die  Rechtswissenschaft  und  darf  mit  Goldschmidt's  ausgezeich- 
netem Essay  über  Savigny  (Bluntschli  und  Brater's  deutschem  Staats  Wörterbuch)  verglichen 
werden.  Sie  enthält  eine  sehr  vollständige  Zusammenstellung  der  G.'schen  Schriften.  — 
Lab  and,  Deutsche  Juristenzeitung,  IL  Jahrgang  No.  15. 

Bibliographische  Zusammenstellungen  des  Börsenblatts  für  den  Deutschen  Buchhandel 

,897.  No.  ,74  u.  179.  Dr.  K.  Adler. 

Heiser,  Wilhelm,  ein  populär  gewordener  Liedercomponist,  ♦  am  15.  April 
181 6  zu  Berlin,  f  Anfang  September  1897  in  Friedenau  bei  Berlin,  begraben 
am  12.,  81  Jahre  alt.  —  Ein  Schüler  Zelter's,  dann  GrelPs.  Da  er  sich  als 
zwölfjähriger  Knabe  durch  eine  sehr  schöne  Sopranstimme  auszeichnete  und 
dabei  eine  überraschende  Trefffertigkeit  der  schwierigsten  Intervalle  besass,  so 
wurde  er  als  Chorknabe  in  die  Königliche  Oper,  sowie  in  den  kleinen  Ka- 
pellenchor des  Königs  Friedrich  Wilhelm  IIL,  bestehend  aus  sechs  Knaben 
und  sechs  Männern,  unter  Leitung  Zelter's  aufgenommen;  noch  im  Jahre  1830 
sang  er  in  der  Zauberflöte  von  Mozart  eine  Parthie  der  drei  Genien.  H. 
widmete  sich  später  ganz  der  Bühne  und  trat  in  Schwerin  und  Sondershausen 
auf,  verliess  aber  sehr  bald  die  Carri^re,  ging  nach  Stralsund  als  Gesanglehrer, 
1840  nach  Berlin  und  wurde  1852  nach  Rostock  als  Direktor  der  Akademie 
für  Gesang  berufen,  kehrte  jedoch  schon  1853  nach  Berlin  zurück,  um  eine 
ihm  von  Wieprecht  angebotene  Musikmeisterstelle  beim  Garde-Füsilier-Regiment 
zu  übernehmen,  auch  erhielt  er  die  Direktion  des  Gamison-Kirchenchores. 
Nach  dem  Feldzuge  von  1866  nahm  er  seinen  Abschied  und  widmete  sich 
wieder  dem  Gesangsunterrichte  und  der  Composition.  Ausser  einigen  Tänzen 
und  Märschen  schrieb  er  zahlreiche  Lieder,  von  denen  einige  durch  ganz 
Deutschland  wanderten  und  sogar  in  Uebersetzungen  bis  nach  Frankreich, 
England  und  Schweden  gelangten.  Die  Verlags  Verzeichnisse  zeigen  weit  über 
200  Opuszahlen  an.  Beliebt  waren  besonders  »Das  Grab  auf  der  Haide«, 
»Die  Thräne«,  »Zieht  im  Herbst  die  Lerche  fort«  und  »Die  beiden  Grena- 
diere«.    Auch  ein  Liederspiel  wurde  in  Berlin  von  ihm  aufgeführt. 

Quellen:   von  Ledebur,  Berliner  Tonkünstler •  Lexikon  und  Mendel-Reissmann's  Con- 

versations-Lexikon.  td^k    u:*.«^» 

KoD.  Jiitner. 


Hess.     Kahnt.     Kothe. 


123 


Hess,  Karl,  Kammervirtuose  an  der  Dresdener  Hofkapelle,  ♦  am  7.  Juli 
1840  in  Heddesheim,  zwischen  Mannheim  und  Heidelberg,  der  Sohn  eines 
badischen  Schullehrers,  f  am  2.  Q)  September  1897  zu  Dresden.  —  Schon 
früh  zeigte  sich  seine  Veranlagung  zur  Musik  und  mit  sechs  Jahren  spielte 
er  vom  Blatt  und  componirte.  Um  1854  schickte  ihn  sein  Vater  in  die 
Musikschule  des  Hofraths  Schilling  nach  Stuttgart,  und  als  Schilling,  der  Ver- 
fasser des  Conversations- Lexikon  für  Musik,  wegen  Wechselfälschung  nach 
Amerika  entwich,  besuchte  er  das  Stuttgarter  Königliche  Conservatorium  unter 
Faifst,  Pruckner  und  Speidel.  1861  stand  er  auf  eigenen  Füssen  und  Hess 
sich  in  Dresden  als  Musiklehrer  nieder.  Er  war  ein  tüchtiger  Klaviervirtuose, 
der  nicht  nur  technisch  grosse  Vollkommenheit  zeigte,  sondern  auch  geistig 
tiefes  Eindringen  in  die  Composition  verrieth.  Zu  nennen  sind  besonders 
seine  Trios  für  Pianoforte,  Violine  und  Violoncello,  eine  Sonate  für  Piano- 
forte  und  Violine,  Piecen  flir's  Violoncell,  Klavierstücke,  ein-  und  mehrstim- 
mige Lieder,  die  im  Druck  erschienen  und  einen  tüchtigen  durchgebildeten 
Musiker  zeigen.  In  seinem  Nachlasse  finden  sich  zahlreiche  grössere  Werke 
fiir  Orchester  und  Chor,  die  keinen  Verleger  fanden,  darunter  eine  Sinfonie, 
Ouvertüren  zu  Romeo  und  Julia  und  zum  Wintermärchen,  sowie  »Elfrieda« 
für  Soli,  Chor  und  Orchester.  Auch  als  thätiges  Mitglied  in  Vereinen  war  er 
ein  eifriger  Helfer,  wie  im  Verlage  der  freien  musikalischen  Vereinigung,  im 
Dresdener  Tonkünstler- Vereine,  im  Wagner-Vereine.  In  den  letzten  Jahren 
war  er  auch  Lehrer  an  der  RoUfus'schen  Musik-Akademie. 

Quelle:  Beriiner  Signale  1897,  273  mit  Porträt. 

Rob.  Eitner. 

Kahnt,  Christian  Friedrich,  ein  bedeutender  Musik  Verleger  und  Redak- 
teur der  Neuen  Zeitschrift  für  Musik,  ♦  am  10.  Mai  1823  in  Leipzig,  f  am 
5.  Juni  1897  ebendaselbst.  —  K.  errichtete  ani  2.  October  1851  in  Leipzig 
eine  Musikalien-Verlagshandlung  unter  der  Firma  C.  F.  Kahnt,  die  sich  neben 
gangbaren  Artikeln  besonders  durch  den  Verlag  Franz  Liszt'scher  Com- 
positionen  auszeichnete.  Als  Robert  Friese  den  Verlag  der  von  Robert  Schu- 
mann gegründeten  Neuen  Zeitschrift  für  Musik  abgab,  deren  Redaktion  nach 
Schumann  Franz  Brendel  übernahm,  ging  die  Zeitung  in  Kahnt's  Verlag  über, 
der  auch  nach  Brendel's  Tode  im  November  1868  die  Redaktion  selbst  leitete. 
Von  1863  bis  1868  gab  er  noch  eine  zweite  Musikzeitung  »Symphonia, 
Fliegende  Blätter  für  Musiker  und  Musikfreunde«  heraus.  Seit  Gründung  des 
Allgemeinen  deutschen  Musikvereins  war  er  Direktorial-Mitglied  und  Kassirer 
desselben.  Am  i.  Juli  1886  verkaufte  |er  an  Oskar  Schwalm  sein  Geschäft 
nebst  der  Neuen  Zeitschrift  für  Musik,  die  nun  unter  des  letzteren  Redaktion 
erschien,  doch  schon  1888  ging  das  Geschäft  an  Dr.  Paul  Simon  über.  K. 
war  eine  liebenswürdige  und  geachtete  Persönlichkeit  und  hatte  sich  zur  Auf- 
gabe gestellt,  besonders  junge  talentvolle  Componisten  zu  unterstützen.  Auch 
fürstliche  Ehrenbezeugungen  blieben  nicht  aus:  als  Verleger  Liszt'scher  Com- 
positionen  ernannte  ihn  der  Grossherzog  von  Weimar  zum  Commissionsrath 
und  der  Fürst  von  Schwarzburg-Sondershausen  zum  Hof-Musikalienhändler. 

Quellen:  Riemann's,  Schuberth's  und  Mendel-Reissmann's  Lexika. 

Rob.  Eitner. 

Kothe,  Bernhard,  ein  praktisch  und  theoretisch  gebildeter  Musiker,  der 
sich   durch    seine   zahlreichen  Werke  einen  geachteten  Namen  erwarb,  ♦  am 


124 


Kotbe.     Hartmann. 


12.  Mai  1821  zu  Gröbing,  Kreis  Leobschütz  in  Schlesien,  f  am  25.  Juli  iSgy 
zu  Breslau.  —  K.  kam  mit  16  Jahren  in's  Seminar  zu  Oberglogau,  um  sich 
als  Schullehrer  auszubilden  und  verliess  dasselbe  1 840.  Zuerst  erhielt  er  eine 
Hilfslehrerstelle  in  Czamovanz,  Kreis  Oppeln  und  wurde  darauf  am  i.  Juni 
1842  als  städtischer  Lehrer  in  Oppeln  angestellt;  doch  die  Lust  zur  Musik 
drängte  ihn  zu  gründlicheren  Studien  und  mit  einem  kleinen  Stipendium  be- 
suchte er  in  den  Jahren  1843 — 44  ^^  Königliche  Kircheninstitut  zu  Berlin, 
sah  sich  aber  doch  gezwungen  wieder  eine  Lehrerstelle  anzunehmen,  bis  er 
eine  geeignete  Musikerstellung  erlangen  konnte.  Endlich  im  Jahre  1850  er- 
hielt er  die  Chordirigentenstelle  an  der  Pfarrkirche  zu  Oppeln  und  wurde 
zugleich  Gesanglehrer  am  Gymnasium.  Bald  darauf  gründete  er  einen  Zweig- 
verein des  Regensburger  Cäcilien- Vereins  filr  Schlesien  und  schrieb  das  Werk 
»Die  Musik  in  der  katholischen  Kirche«.  Obiger  Regensburger  Cäcilienverein, 
unter  Franz  Witt's  Leitung,  hatte  sich  zur  Aufgabe  gestellt,  die  sehr  verwelt- 
lichte Musik  in  der  katholischen  Kirche  in  bessere  Bahnen  zu  leiten.  Zum 
Behufe  dessen  bildete  er  den  Cäcilienverein,  der  sich  nach  und  nach  über 
Europa  ausbreitete,  und  alle  tüchtigen  Elemente  wirkten  durch  Gründung  von 
Zeitschriften,  mündliche  Vorträge,  AufRihrungen  von  Musterwerken  und  An- 
fertigung von  Verzeichnissen  derselben  in  anspruchsloser  Weise.  Auch  der 
Männergesangverein  in  Oppeln  wählte  K.  zum  Dirigenten,  und  diese  viel- 
seitige Beschäftigung  benützte  er,  seinen  idealen  Grundsätzen  im  Publikum 
Eingang  zu  verschaffen.  Am  7.  November  1863  ernannte  ihn  das  Ministerium 
zum  Königlichen  Musikdirektor  und  am  20.  Januar  1869  berief  es  ihn  zum 
Seminarlehrer  für  Musik  nach  Breslau.  Hier  wirkte  er  28  Jahre  und  hat 
redlich  gestrebt,  seine  Grundsätze  seinen  Schülern  und  der  Welt  durch  viel- 
fache Schriften  und  Compositionen  einzuimpfen.  Wie  sehr  dieselben  in  der 
Achtung  aller  Fachgenossen  standen,  beweisen  die  zahlreichen  Auflagen  seiner 
Werke.  Eine  Gesanglehre  für  Gymnasien  erreichte  zehn  Auflagen,  das  Vade- 
mecum  für  Gesanglehrer  drei,  die  Liedersammlung  »Kinderstrauss«  neun,  die 
Orgelschule  zwei,  das  Handbuch  für  Organisten  sechs,  der  Abriss  der  Musik- 
geschichte fünf,  die  kleine  Orgelbaulehre  fünf,  und  die  Musica  sacra  rier 
Auflagen.  Ausserdem  erschienen  noch  zahlreiche  geistliche  Compositionen 
von  ihm. 

Quelle:  Privatnachrichten  und  Zeitungsreferate. 

Rob.  Eitner. 

Hartmann,  Karl  Alfred  Emanuel,  schweizerischer  Schriftsteller,  *  am 
I.  Januar  1814  in  Thunstetten  (Kanton  Bern),  f  am  10.  December  1897  in  Solo- 
thum.  —  Sein  einem  Berner  Patriziergeschlecht  entstammender  Vater,  Sieg- 
mund Emanuel  H.,  bewohnte  als  I^andvogt,  später  als  Oberamtmann  von 
Aarwangen,  das  Schloss  Thunstetten  in  der  Nähe  von  Langenthai;  seine 
Mutter,  in  erster  Ehe  mit  einem  Herrn  von  Graffenried  verheirathet,  war 
eine  geborne  Tscharner,  ebenfalls  aus  Bern.  Nachdem  Alfred  seine  Jugend- 
zeit im  reizend  gelegenen  Thunstetten  verlebt  und  dann  zwei  Jahre  in  einem 
P^ziehungsinstitut  in  Gottstatt  bei  Biel  zugebracht  hatte,  besuchte  er  von 
1827  bis  1831  die  höheren  Klassen  des  Gymnasiums  von  Solothum,  wohin 
seine  Eltern  zu  bleibendem  Aufenthalt  tibergesiedelt  waren,  und  widmete  sich 
hierauf  von  1831  bis  1834  auf  den  Universitäten  von  München,  Heidelberg 
und  Berlin  rechtswissenschaftlichen,  im  folgenden  Jahre  in  Paris  litterarischen 
Studien.     Nachdem  er  1835  nach  Solothum  zurückgekehrt  war,   gründete  er 


Hartmann. 


125 


sich  bald  einen  eigenen  Hausstand,  und,  da  er  an  der  praktischen  Ausübung 
des  juristischen  Berufes  kein  Gefallen  fand,  ihm  seine  Verhältnisse  auch  ge- 
statteten, ganz  seinen  Neigungen  zu  leben,  fing  er  bald  an,  sich  mit  schrift- 
stellerischen Arbeiten  zu  beschäftigen,  denen  er  bis  in  sein  hohes  Alter  treu 
blieb.  Solothum,  das  ihm  auch  durch  seine  Vermählung  mit  einer  Tochter 
aus  angesehener  Familie  zur  zweiten  Heimath  geworden  war,  verliess  er  nur 
noch  vorübergehend,  um  auf  grösseren  und  kleineren  Reisen  neue  Eindrücke 
zu  sammeln  und  seinen  geistigen  Gesichtskreis  zu  erweitern.  —  H.*s  erste 
litterarische  Unternehmung  war  »Der  Morgenstern«,  eine  »Zeitschrift  für  Lit- 
teratur  und  Kritik,  herausgegeben  von  einer  litterarischen  Gesellschaft«,  die 
es  freilich  nicht  über  den  ersten  Jahrgang  (1836,  Solothum)  hinausbrachte. 
Neben  Beiträgen  von  G.  Schlatter,  Franz  Knitter,  J.  J.  Reithard,  F.  Pfeiffer  u.  a., 
zu  denen  Martin  Disteli  sechs  Originalzeichnungen  lieferte,  enthält  der  »Mor- 
genstern« mehrere  Novellen  von  H.,  darunter  die  historische  Erzählung  »Die 
Kronen jfresser«,  femer  einen  dramatischen  Versuch  »Der  Burgerlärm  in  Bem« 
und  mehrere  Gedichte.  Eine  zweite  Publication,  die  es  ebenfalls  nur  auf 
einen  Jahrgang  brachte,  war  die  »Alpina,  schweizerisches  Jahrbuch  für  schöne 
Litteratur«,  die  im  Jahre  1841  von  H.,  F.  Krutter  und  G.  Schlatter  heraus- 
gegeben wurde  (Solothum,  Jent  und  Gassmann)  und  mit  Radierungen  von 
M.  Disteli  und  H.  Hess  geschmückt  war.  Neben  den  drei  Herausgebern, 
unter  denen  H.  mit  zwei  Novellen  vertreten  ist,  hatten  auch  andere  Schrift- 
steller, die  sich  zum  Theil  bereits  einen  bekannten  Namen  gemacht  hatten, 
we  Rochholz,  Ettmüller,  A.  L.  Folien  und  Jeremias  Gotthelf  Beiträge  ge- 
steuert. Von  längerem  Bestände  als  diese  beiden  sollte  die  dritte  Publication 
sein,  zu  der  sich  die  drei  Freunde  H.,  Krutter  und  Schlatter  von  neuem  ver- 
einigten, das  Witzblatt  »Der  Postheiri«,  »Blätter  für  Gegenwart,  Oeffentlich- 
keit  und  Gefühl«,  dessen  erste  Nummer  im  Juli  1845  erschien  und  der  von 
grosser  Bedeutung  für  das  Öffentliche  Leben  nicht  nur  im  Kanton  Solothum, 
sondern  in  der  ganzen  Schweiz  geworden  ist.  Alles  was  von  Wichtigkeit  für 
die  schweizerische  Politik  war,  spiegelt  sich  in  humoristischer  Weise  im  »Post- 
heiri« wieder,  zu  dem  später  Heinrich  Jenni  die  Dlustrationen  lieferte  und  der 
auch  ausserhalb  der  Schweiz  bekannt  geworden  ist.  Dreissig  Jahre  lang  blieb 
H.  dem  »Postheiri«,  dessen  Hauptredaktor  er  von  Anfang  an  war,  treu,  und 
es  mag  ihm  oft  schwer  geworden  sein,  besonders  nachdem  die  treuen  Ge- 
nossen Krutter  und  Schlatter  aus  dem  Leben  geschieden  waren  und  er  selbst 
das  sechzigste  Altersjahr  überschritten  hatte,  die  Spalten  des  Blattes  zu  füllen. 
Am  25.  December  1875  erschien  die  letzte  Nummer,  in  der  H.  in  einem  seiner 
schönsten  Gedichte  von  seinen  Lesern  Abschied  nahm. 

Auch  an  dem  »Wochenblatt  für  Freunde  der  schönen  Litteratur  und 
vaterländischen  Geschichte«,  das  in  drei  Jahrgängen  von  1845  —  ^^47  ^"  Solo- 
thum erschien  und  in  dem  das  durch  historische  Arbeiten  und  durch  zahl- 
reiche zum  ersten  Male  abgedruckte  Urkunden  bekannte  » Solothumische 
Wochenblatt«  (1810  — 1834)  wieder  aufleben  sollte,  betheiligte  sich  H.  mit 
novellistischen  Beiträgen.  Daneben  redigierte  er  von  1847 — 1850  den  vom 
Landwirthschaftlichen  Verein  des  Kantons  Solothum  herausgegebenen  »Neuen 
Bauemkalender«  und  korrespondirte  ziemlich  fleissig  in  die  »Allgemeine  Zei- 
tung« und  in  das  Stuttgarter  »Morgenblatt  für  gebildete  Leser«,  in  das  er 
neben  politischen  Berichten  aus  der  Schweiz  auch  Reiseschilderungen  und 
Novellen  lieferte. 

Eine  erste  Sammlung  seiner  Erzählungen  erschien  in  zwei  Bänden  in  den 


126  Hartmann. 

Jahren  1852  und  1854  bei  Jent  und  Reinert  in  Bern  unter  dem  Titel  »Kilt- 
abendgeschichten«.  Wie  schon  dieser  Titel  und  dann  auch  die  Ueberschriften 
der  einzelnen  Erzählungen  (Karlidürsen  Joggi's  Liseli,  Dursli  der  Auswan- 
derer, Peterli  der  verlorene  Sohn  etc.)  errathen  lassen,  sind  es  Dorfgeschichten 
aus  der  Schweiz,  in  welchen  zum  Theil  auch  der  Dialekt  zur  Anwendung 
kömmt  und  die  beweisen,  dass  der  Verfasser  ein  offenes  Auge  für  das  Leben 
des  Volkes  hat,  das  er  mit  humorvollem  Ernst  schildert.  »Der  Boden,  auf 
welchem  diese  Dorfgeschichten  gewachsen  sind,  sagt  H.  selbst  in  seinem 
Vorwort,  ist  der  sonnige  Südabhang  des  Juragebirges.  Diese  Seppli  und 
Dursli,  diese  Liseli  und  Babeli,  gehören  alle  der  Flora  des  Jura  an.  Sie 
wurzeln  in  warmem,  lockerem  Kalkgrund,  während  Jeremias  Gotthelf*s  Hans- 
joggeli,  Annebäbi,  Mädi  und  Uli  nur  auf  jenem  zähen  aber  fruchtbaren  Letten- 
boden vorkommen,  der  sich  um  die  Molassenhügel  des  »Bembiets«  abgelagert 
hat  und  welcher  das  Lebenselement  des  Bernerbauem  ist.«  Die  »Kiltabend- 
geschichten«,  denen  sich  zehn  Jahre  später  eine  zweite  Folge  unter  dem  Titel 
»Erzählungen  aus  der  Schweiz«  (Solothurn  1863)  anreihte,  enthalten  jeden- 
falls einige  der  besten  Schöpfungen  H.'s  und  sichern  ihm  einen  bleibenden 
ehrenvollen  Rang  unter  den  schweizerischen  Volkschriftstellem. 

Dazwischen  veröffen dichte  er  im  Jahre  1858  den  helvetischen  Roman 
»Meister  Putsch  und  seine  Gesellen«  (Solothurn,  Jent  und  Gassmann)  und 
186 1  »Junker  Hans  Jakob  vom  Staal«,  ein  Lebensbild  aus  dem  siebzehnten 
Jahrhundert  (Solothurn,  Scherer*sche  Buchhandlung).  Während  im  erstge- 
nannten grössern  Werke,  das  in  Bezug  auf  die  Komposition  nicht  zu  den  besten 
Schöpfungen  H.'s  gehört,  aber  durch  die  Schilderung  der  politischen  Ereignisse 
der  vierziger  Jahre  stets  sein  grosses  Interesse  bewahren  wird,  der  Verfasser 
Dinge  erzählt,  die  er  aus  eigener  Anschauung  kannte  und  miterlebt  hatte, 
berichtet  er  im  zweiten  in  behaglichem  Chronistenton,  gestützt  auf  schrifthche 
Aufzeichnungen  seines  Helden,  die  Erlebnisse  des  spätem  solothumischen 
Schultheissen  Hans  Jakob  vom  Staal  d.  J.  —  Dass  H.'s  Name  auch  in  Deutsch- 
land bekannt  geworden  war,  beweist  der  Umstand,  dass  er  in  Otto  Janke  in 
Berlin,  dem  Herausgeber  der  »Deutschen  Romanzeitung«  einen  Verleger  fand, 
bei  dem  mehrere  seiner  Werke  erschienen  sind,  so  1865  der  historische  Ro- 
man »Junker  und  Bürger  oder  die  letzten  Tage  der  alten  Eidgenossenschaft*, 
in  dem  er  in  anschaulicher  Weise  und  gestützt  auf  eingehende  historische 
Forschungen  den  Kampf  zwischen  den  alten  Anschauungen  und  den  durch 
die  französische  Revolution  verbreiteten  Ideen  schildert.  H.  war  überhaupt 
ein  eifriger  Freund  der  Geschichte,  und  als  schönste  Frucht  seiner  Studien 
auf  diesem  Gebiete  erschienen  in  den  Jahren  1868  und  1871  die  beiden 
stattlichen  Fohobände  seiner  »Gallerie  berühmter  Schweizer  der  Neuzeit«, 
mit  Bildern  von  F.  und  H.  Hasler  (Baden,  bei  Fr.  Hasler)  mit  100  Biographien 
hervorragender  Schweizer  meist  des  19.  Jahrhunderts,  auf  die  er  zum  Schluss 
in  einem  ordnenden  Rückblick  eine  kurze  Geschichte  der  Schweiz  seit  der 
Helvetik  folgen  Hess.  Die  »Gallerie  berühmter  Schweizer«  ist  ein  Werk  von 
bleibendem  Werthe,  auf  das  spätere  Historiker  gerne  zurückgreifen  werden. 
Unter  den  Biographien  befindet  sich  auch  diejenige  des  Malers  Martin  Disteli, 
dem  er  schon  1861  das  Neujahrsblatt  des  Solothumer  Kunstvereins  gewidmet 
hatte.  Die  Arbeit,  welche  diese  Biographien  ihm  auferlegten,  Hess  H.  wenig 
Müsse  zu  dichterischem  Schaffen,  und  ausser  dem  Schauspiel  »Die  Limmat- 
schäfer«,  das  er  unter  der  Bezeichnung  »ein  dramatischer  Versuch«  zuerst  im 
»Bemer  Taschenbuch«  für  1870  erscheinen  Hess,  dann  aber  unter  dem  Titel 


Hartmann.  127 

»Ein  Pamphlet  vor  hundert  Jahren  oder  Lavater  und  seine  Freunde«  separat 
herausgab,  hat  er  in  dieser  Zeit  nichts  anderes  veröffentlicht.  Um  so  rascher 
folgten  sich  einige  Jahre  später  neue  Erzeugnisse  seiner  Erzählungskunst.  »Die 
Denkwürdigkeiten  des  Kanzlers  Hory«  (Berlin  1876),  die  er  in  der  Erinnerung 
an  die  Sonmierfrische  von  Combe-Varin  seinem  Freunde  Professor  E.  Dessor 
in  Neuenburg  widmete,  erzählen  in  schlichter  aber  ergreifender  Weise  das 
tragische  Schicksal  des  im  17.  Jahrhundert  mächtigen  und  einflussreichen 
Kanzlers  des  Fürstenthums  Neuenburg,  zur  Zeit  als  dasselbe  noch  unter  der 
Herrschaft  der  Prinzen  von  Longueville  stand.  Wie  mehrere  seiner  Dorf- 
geschichten wurde  auch  dieser  Roman  von  Gustave  Revilliod  ins  französische 
übersetzt  und  fand  in  dieser  Gestalt  viele  Leser  in  der  Westschweiz.  Schon 
ein  Jahr  später  erschienen  die  »Schweizer-Novellen«  (Berlin  1877),  von  denen 
ich  die  am  meisten  bekannt  gewordene  Dorfgeschichte  »Die  Erb  vettern  aui 
dem  Aspihofe«  erwähne  und  welchen  1879  '^Neue  Schweizer  Novellen«  (Berlin) 
folgten,  unter  denen  sich  die  seither  wiederholt  gedruckte  KJltabendgeschich^e 
^ Tannenbaum  und  Dattelpalme«  findet,  die  auch  ins  holländische  tibersetzt 
worden  ist.  Nachdem  H.  im  nämlichen  Jahre  noch  seinen  dreibändigen 
Roman  »Fortunat«  (Berlin  1879)  hatte  erscheinen  lassen,  welcher  das  Leben 
an  einem  deutschen  Fürstenhofe  schildert  und  den  kräftigen  Erdgeruch  ver- 
missen lässt,  der  seine  auf  heimathlichem  Boden  spielenden  Geschichten  aus- 
zeichnet, veröffentlichte  er  1881  seinen  Volksroman  »Der  gerechte  Brannt- 
weinbrenner« (Bern),  in  welchem  er  in  drastischer  Weise  die  »mit  der  Fusel- 
fabrikation im  engsten  ursachlichen  Zusammenhang  stehende  ethische  und 
physische  Verkümmerung  des  Volkes«  schildert  und  den  er,  sich  unter  ihre 
Fahne  stellend,  der  schweizerischen  gemeinnützigen  Gesellschaft  widmete.  Dass 
mit  dem  zunehmenden  Alter  die  poetische  Gestaltungskraft  H.*s  nicht  erlahmt 
war,  bewies  die  dreibändige  Novellensammlung  »Auf  Schweizererde«,  welche 
in  den  Jahren  1883  und  1885  in  Bern  erschien  und  in  der  sich  einige  vor- 
treffliche Erzählungen,  wie  der  »Wunderdoktor«  und  die  »Aufzeichnungen  des 
Bruders  Arsenius«  finden,  die  ihres  Lokalkolorits  wegen  allerdings  hauptsäch- 
lich ftir  schweizerische  und  speciell  für  solothumische  Leser  ein  besonderes 
Interesse  bieten.  Mit  der  1887  erschienenen  Kiltabendgeschichte  »Der  Linden- 
höfer«,  die  er  zuerst  in  der  von  Robert  Weber  herausgegebenen  Zeitschrift 
»Helvetia«  (10.  Jahrgang)  veröffentlichte,  hatte  das  dichterische  Schaffen  H.*s 
sein  Ende  erreicht  und  er  durfte  sich  um  so  mehr  der  wohlverdienten  Ruhe 
hmgeben,  als  sein  müde  gewordener  Leib  von  schweren  Erkrankungen  heim- 
gesucht wurde,  die  allmählich  auch  seine  geistige  Kraft  erschlaffen  Hessen.  Er 
fühlte  das  selbst  und  schloss  im  Herbst  1887  seine  schriftstellerische  Thätigkeit 
mit  einem  Bändchen  »Reime«  ab,  mit  dem  er  seine  Freunde  beschenkte  und 
das  nicht  in  den  Buchhandel  gekommen  ist.  Er  stellte  darin  seine  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  und  zum  grössten  Theil  im  »Postheiri«  erschienenen  Ge- 
dichte zusammen,  die  er  des  Aufbewahrens  werth  hielt,  und  indem  er  das 
Büchlein  seinen  acht  Enkelkindern  zueignete,  hinterliess  er  ihnen  ein  von 
seiner  treuen  Liebe  zeugendes  Vermächtniss.  H.  hatte  sich  eines  glücklichen 
Familienlebens  erfreut,  das  allerdings  1876  durch  den  Tod  seines  einzigen 
Sohnes  Otto  und  1887  durch  den  Hinscheid  des  mit  der  einzigen  Tochter 
vermählten  Schwiegersohnes  Ludwig  Glutz  getrübt  worden  war;  seine  Gattin 
ging  ihm  nur  wenige  Jahre  im  Tode  voraus.  —  Wenn  H.  im  öffentlichen 
politischen  Leben  auch  wenig  hervortrat,  betheiligte  er  sich  um  so  lebhafter 
an  den  geistigen  Bestrebungen  seiner  engeren  Heimath.    Ein  besonderes  Ver- 


128  Hartmann.     Rrolop. 

dienst  erwarb  er  sich  durch  die  Leitung  der  hauptsächlich  auf  seine  An- 
regung hin  gegründeten  sog.  »Töpfergesellschaft«  in  Solothurn,  die  sich  zur 
Aufgabe  gemacht  hat,  regelmässig  jeden  Winter  literarische  und  wissenschaft- 
liche Vorträge  in  der  kleinen  Hauptstadt  des  Kantons  zu  veranstalten.  Er 
war  auch  stets  bereit,  sein  Talent  in  den  Dienst  der  Oeffentlichkeit  zu  stellen 
und  festliche  Anlässe  durch  seine  immer  willkommenen  poetischen  Gaben  zu 
verschönern.  Wenn  er  auch  durch  seine  Familientraditionen  mehr  der  con- 
servativen  Richtung  anzugehören  schien,  war  er  doch  ein  Mann  von  ausge- 
sprochen freisinnigem  Geiste,  der  seine  Zeit  verstand  und  an  alten  Einrich- 
tungen, wenn  sie  berechtigten  modernen  Anschauungen  weichen  mussten,  nicht 
starr  festhielt.  Davon  geben  sowohl  seine  Novellen  und  Romane,  als  beson- 
ders auch  seine  im  »Postheiri«  erschienenen  Gedichte  Zeugniss,  die  er  zum 
Theil  in  seine  »Reime«  aufgenommen  hat.  Als  Schrifsteller  nimmt  H.  eine 
ehrenvolle  Stellung  in  der  Geschichte  der  deutschen  Literatur  in  der  Schweiz 
ein.  Seine  Bedeutung  beruht  weniger  auf  seinen  grösseren  Romanen,  denen 
es  an  consequenter  Durchführung  des  Planes  und  scharfer  Charakteristik  der 
Hauptfiguren  fehlt,  als  vielmehr  auf  seinen  Dorfgeschichten,  in  welchen  er 
sich  als  vortrefflichen  Schilderer  des  schweizerischen  Volkslebens  bewiesen 
hat,  der  die  realistische  Darstellung  durch  einen  gesunden  Humor  und  durch 
die  sittliche  Tendenz,  die  ihr  zu  Grunde  liegt,  in  glücklicher  Weise  zu  mil- 
dem verstand. 

Weber,  Die  poetische  Nationalliteratur  der  deutschen  Schweiz,  3.  Band  (Glarus  1867). 
—  Solothumer  Tagblatt  1897,  No.  288  —  290.  —  Oltner  Tagblatt  1897,  No.  289.  —  Lu- 
zerner »Vaterland«  1897,  No.  283— 285.  »#/-••• 

M.   Cxisi. 

Krolop,  FranZy  ein  ausgezeichneter  Bühnensänger  (Bassist)  an  der  König- 
lichen Oper  zu  Berlin,  ♦  im  September  1839  zu  Troja  in  Böhmen,  f  am 
30.  Mai  1897  zu  Berhn,  58  Jahre  alt.  —  K.  studirte  in  Prag  Jura  und  be- 
gann seine  Carriere  als  Armeeauditor.  Seine  prächtige  Bassstimme  bestimmte 
ihn  dieselbe  auszubilden;  er  ging  1861  zum  Behufe  dessen  nach  Wien,  um 
unter  Richard  Levy  Cresangsstudien  zu  machen.  1863  trat  er  zu  Troppau 
als  Ernani  auf  und  entwickelte  sich  seitdem  zu  einem  der  angesehensten 
Bassisten.  Seine  erste  Anstellung  erfolgte  in  Troppau,  er  ging  dann  nach 
Linz,  Bremen  und  Leipzig,  bis  er  im  Jahre  1872  eine  Zierde  der  Berliner 
Hofoper  wurde.  Hier  war  er  im  ernsten,  wie  komischen  Fache  gleich  vor- 
trefflich. Er  sang  im  Don  Juan  den  Gouverneur,  im  Figaro  den  I^eporello 
und  Masetto,  in  der  Zauberflöte  den  Papageno,  im  Postillon  den  Bijou  und 
den  Bombardon  im  Goldenen  Kreuz.  Den  grössten  Erfolg  erreichte  er  in 
Bizet's  Carmen,  in  dem  er  den  Elscamillo  sang  und  sein  Verdienst  war  es  zum 
Theil,  dass  die  Oper  so  zugkräftig  wurde  und  unzählige  Wiederholungen  er- 
lebte. Verdient  gemacht  hat  er  sich  besonders  auch  um  die  Genossenschaft 
deutscher  Bühnenangehöriger,  sowohl  als  Vorstandsmitglied,  wie  als  praktischer 
Förderer  der  damit  verbundenen  Pensionsanstalt.  1868  verheirathete  er  sich 
mit  der  bekannten  Sängerin  von  Voggenhuber,  die  ihm  aber  1888  durch  den 
Tod  entrissen  wurde,  worauf  er  sich  zum  zweiten  Male  verheirathete.  Eine 
Darmfistel,  die  ihm  grosse  Schmerzen  bereitete,  musste  durch  einen  operativen 
Eingriff  entfernt  werden.  Standhaft  und  heiteren  Muthes  überstand  er  die 
Operation,  starb  aber  nach  zwei  Tagen  an  den  Folgen  derselben. 

Quelle :  Deutsche  Bühnen-Genossenschaft,  Theater-Almanach  derselben  Genossenschaft 

und  Riemann's  Lexikon. 

Rob.  Eitner. 


Fischer. 


129 


Fischer,  Johann  Georg,  Dichter,  *  am  25.  October  18 16  im  Marktflecken 
Grosssüssen  a.  d.  Fils  (württembergisches  Oberamt  Geislingen),  f  am  4.  Mai 
1897  zu  Stuttgart.  —  F.  entstammte  einer  ländlichen  Handwerkerfamilie:  sein 
Grossvater  war  Weber,  sein  Vater  Zimmermann.  Von  letzterem,  den  ein 
sinniges  Wesen,  Streben  nach  Höherem  und  grosse  Freude  an  der  Natur  aus- 
zeichneten, scheint  die  poetische  Begabung  des  Sohnes  eher  herzurühren,  als 
von  der  Mutter,  Katharina  Gramer,  die  übrigens  als  wackere  Frau  geschildert 
wird.  F.  wuchs  in  den  bescheidensten  Verhältnissen  auf,  mit  ihm  ein  um 
drei  Jahre  jüngerer  Bruder,  Jakob,  der  in  den  sechziger  Jahren  zu  Paris  ver- 
storben ist.  Frühzeitig  verlor  der  Knabe  den  Vater.  Da  er  in  der  Dorf- 
schule sich  hervorthat,  wurde  er  zum  Schullehrer  bestimmt  und  trat  1831  in 
das  Esslinger  Seminar  ein.  Nach  absolvirtem  Provisorsexamen  amtete  er  als 
Schulgehilfe  in  Neckarhausen  (Oberamt  Nürtingen)  vom  December  1833  bis 
juIi  1836,  in  Ettlenschiess  (Oberamt  Ulm)  bis  November  1837,  in  Mehrstetten 
(Oberamt  Münsingen)  bis  December  1838,  in  Eningen  (Oberamt  Reutlingen) 
bis  November  1840.  Dann  erstand  er  die  Schulprüfung  und  erhielt  alsbald 
die  Stelle  eines  Unterlehrers  in  Bernstadt  (Oberamt  Ulm).  Hier  verlobte  er 
sich  mit  der  181 1  geborenen  Auguste  Neubert,  einer  der  vielen  Töchter  des 
Ortspfarrers.  Diese  Verbindung,  die  ihn  in  eine  andere  Gesellschaftssphäre 
hob,  brachte  den  Entschluss  in  ihm  zur  Reife,  zum  höheren  Schulfach  über- 
zugehen. Er  besuchte  vom  Herbst  1841  bis  zum  Frühjahr  1843  ^^  Real- 
lehrerseminar in  Tübingen.  Trotz  ausdauerndem  Fleiss,  trotz  den  beschränk- 
testen Mitteln  ermöglichte  er  es  dennoch,  am  Studentenleben  einigen  Antheil 
2u  nehmen.  Unter  seinen  Lehrern  befanden  sich  Friedrich  Theodor  Vischer 
und  Adelbert  Keller;  mit  beiden  blieb  er  auch  später  in  Verkehr.  December 
1843  unterzog  er  sich  der  Reallehrerprüfung  mit  Erfolg.  Er  wurde  nun  der 
Reihe  nach  als  Unterlehrer  an  der  Mittelschule  in  Langenau  bei  Ulm,  als 
Vikar  an  der  Ulmer  Realschule  und  als  Elementarlehrer  in  Stuttgart  verwendet. 
Anfang  1848  erhielt  er  die  zweite  Klasse  der  hauptstädtischen  Elementarschule 
definitiv  übertragen.  Am  25.  April  desselben  Jahres  konnte  endlich  nach 
siebenjähriger  Verlobung  Hochzeit  in  Bemstadt  gefeiert  werden.  Da  seine 
ökonomische  Lage  ihn  nöthigte,  auf  Nebeneinktinfte  bedacht  zu  sein,  ertheilte 
er  von  1847  bis  1857  Singstunden  an  dem  Gymnasium  und  der  Realschule, 
sowie  seit  1853  Unterricht  in  deutscher  Sprache  und  Literatur  an  der  kauf- 
männischen Fortbildungsschule.  1857  erwarb  er  sich  den  Doktorgrad  bei  der 
philosophischen  Fakultät  in  Tübingen.  Im  folgenden  Jahre  wurde  er  zum 
Vorstand  der  Elementarschule  mit  dem  Titel  eines  Schulinspektors  ernannt; 
sein  Avancement  hatte  sich  ungebührlich  lange  verzögert,  Weil  er  infolge  seiner 
politischen  Haltung  bei  König  Wilhelm  L  von  Württemberg  missliebig  ge- 
worden war.  1859  erhielt  er  zugleich  die  Leitung  der  Fortbildungsschule, 
die  er  bis  1872  beibehielt.  1861  übernahm  er  einen  Lehrauftrag  für  deutsche 
Sprache,  Geschichte  und  Geographie  an  der  oberen  Stuttgarter  Realschule 
und  trat  Jahrs  darauf  als  Professor  in  diesen  seinen  Fähigkeiten  und  Neigungen 
zusagenden  Wirkungskreis  definitiv  ein,  noch  bis  1866  die  Vorstandschaft  der 
Elementarschule  damit  vereinigend.  Am  15.  Juni  1867  wurde  F.'s  glückliche 
Ehe,  der  ein  einziges  Kind,  der  gegenwärtig  als  Professor  an  der  Tübinger 
Hochschule  wirkende  Germanist  und  Literarhistoriker  Hermann  Fischer,  ent- 
sprossen ist,  durch  den  Tod  der  Gattin  getrennt.  Die  Einsamkeit  und  Oede 
des  Hauses  war  für  F.  vollends  unerträglich,  seitdem  der  Sohn  im  Seminar 
untergebracht  worden  war,  und  so  entschloss  er  sich  zu  einem  neuen  Bunde. 

Biogr.  Jahrb.  u.  D«atacher  Nekrolog.    2.  Bd.  n 


1^0  Fischer. 

Seine  Wahl  fiel  auf  die  fiinfundzwanzigjährige  Bertha  Feucht,  Wirthstöchterlein 
aus  Marbach,  wohin  ihn  damals  die  Bemühungen  für  das  dortige  Schiller- 
denkmal öfters  führten.  Am  15.  Februar  1870  fand  die  Hochzeit  in  Marbach 
statt.  Die  junge  Frau  brachte  wieder  Sonnenschein  in  das  Haus,  das  sich 
bald  mit  froher  Jugend  belebte:  zwei  Knaben,  von  denen  der  älteste  freilich 
schon  siebenjährig  starb,  und  einer  Tochter.  1 885  trat  F.  in  den  Ruhestand, 
als  ein  rüstiger  und  ungebeugter  Greis,  der  nach  redlich  vollbrachter  Lebens- 
arbeit sich  noch  manchen  schönen  Tages  freuen  durfte.  Einen  schweren 
Schlag  versetzte  ihm  der  Verlust  der  zweiten  Gattin  am  14.  August  1890;  in 
der  Sammlung  »Auf  dem  Heimweg«  hat  er  »der  Rose  von  Marbach«  einen 
würdigen  »Todtenkranz«  gewunden.  Die  Tochter  pflegte  fortan  den  Vater, 
bis  sie  sich  1894  in  Stuttgart  verheirathete.  1893  hatte  F.  eine  gefährliche 
Lungenentzündung  durchzumachen,  von  der  er  sich  jedoch  vollständig  erholte. 
Ende  April  1897  befiel  ihn  infolge  einer  Erkältung  abermals  eine  leichte  Ent- 
zündung der  Lungen,  die  ganz  unerwartet  zu  einem  sanften  und  schmerzlosen 
Ende  führte.  Am  Abend  des  6.  Mai  fand  auf  dem  Pragfriedhofe  das  Be- 
gräbniss  unter  grossartiger  Betheiligung  der  höheren  Gesellschaftskreise  sowie 
der  Bürgerschaft  Stuttgarts  statt,  und  schon  sind  Vorbereitungen  für  ein  Denk- 
mal im  Gange,  das  dem  Dichter  in  der  württembergischen  Hauptstadt  gesetzt 
werden  soll. 

F.  gehörte  zu  den  Männern,  welchen  öffentliche  Wirksamkeit,  öffentliche 
Anerkennung  ein  Bedürfniss  ist.    Beides  fand  er  während  seines  fünfzigjährigen 
Stuttgarter    Aufenthaltes    in    reichstem  Maasse.     Weiteren  Kreisen    wurde    er 
namentlich  durch  seine  Beziehungen  zum  Liederkranze  bekannt,  dem  er  lange 
Jahre    als  Sänger,    seit  1865  als  Ehrenmitglied    angehörte    und    auf's   bereit- 
willigste seine  poetischen  und  oratorischen  Talente  zur  Verfügung  stellte.    Bei 
dem  vom  Liederkranz  alljährlich  an  Schiller's  Todestag  veranstalteten  Maien- 
Volksfest  hielt   er  zwischen  1849  ^"^  1893  nicht  weniger  als  einundzwanzig 
Mal    die  Festrede,    den    von   ihm  vergötterten  Dichter  in  allen  Tonarten  mit 
sich    gleich    bleibender  Begeisterung    preisend.     Auch    sonst    machte    er  sich 
die  Verherrlichung  Schiller's,    mit    dessen  Werken    er    auf's  innigste  vertraut 
war,  zur  Aufgabe.     Zum  grossen  Schillerfest  im  Jahre  1859  verfasste  er  eine 
von  Kücken  componirte  Cantate  und  trat  als  Festredner  im  Reithause  sowie 
zur    Emweihung    des    Marbacher    Schillerhauses  auf.     Ebenso  weihte  er   am 
9.  Mai  1876   das  Marbacher  Denkmal  durch  Rede  und  Cantate   ein.     Eifrig 
wirkte    er    für    die  Gründung  der  allgemeinen  Schillerstiftung,    in  deren  Ver- 
waltungsrath  er  eine  Zeit  lang  sass,  und  noch  in  seinen  letzten  Lebensjahren 
gehörte  er  dem  Ausschusse  des  neu  gestifteten  Schwäbischen  Schillervereines 
an.    Er  betheiligte  sich  ferner  an  der  Redaktion  van  Auswahlen  aus  Schiller's 
Gedichten  und  Prosa  für  die  Jugend   und  besorgte  1877  die  illustrirte  Hall- 
bergersche  Schillerausgabe.     Desgleichen  nahm   er  sich  anderer  schwäbischer 
Dichter   mit  sorgender  Liebe   an.     So  bemühte   er  sich  um  ein  Grabmal  für 
den  früh  in  Rom  verstorbenen  Wilhelm  Waiblinger,  bereitete  Hölderlin,  den 
er    während    seines  Tübinger  Aufenthaltes    mit    inniger  Theilnahme    gesehen 
hatte,  dem  von  ihm  auf's  höchste  verehrten  Uhland,  Justinus  Kemer,  dessen 
Gast  er  hin  und  wider  in  Weinsberg  war,  Mörike,  zu  dem  er  sich  besonders 
hingezogen  fühlte,  als  Redner  und  Poet  Huldigungen,  feierte  zahlreiche  Freunde 
und  Männer  öffentlichen  Wirkens  bei  festlichen  Anlässen  oder  an  ihrem  Grabe. 
Das  Jahr  1848  brachte    ihn    mit    der  Politik    in  Verbindung.     Er  betheiligte 
sich  am  Volksverein,  trat  bei  der  Stuttgarter  Bürgerwehr  ein  und  brachte  es 


Fischer.  x  3 1 

zum  Lieutenant,  trug  da  und  dort  patriotische  Gedichte  vor.  Uebrigens  war 
er  zu  sehr  Gefühlsmensch,  um  zum  aktiven  Politiker  geschaffen  zu  sein.  Ohne 
fernerhin  in  die  Zeitbewegungen  mithandelnd  einzugreifen,  verfolgte  er  doch 
alle  Ereignisse  mit  gespannter  Aufmerksamkeit  und  begleitete  sie  vielfach  mit 
poetischen  Aeusserungen.  Als  echter  Süddeutscher  sympathisirte  er  ursprüng- 
lich mehr  mit  Oesterreich  als  mit  Preussen  und  blieb  bis  1 866  in  der  Haupt- 
sache Grossdeutscher.  Dann  wandelte  er  sich  zum  begeisterten  Verehrer  Bis- 
marck's,  zum  warmen  Anhänger  des  neuen  Reiches  um.  Im  geistigen  Leben 
Stuttgarts  spielte  F.  eine  bedeutende  Rolle.  Er  war  in  gelehrten  und  litera- 
rischen, künstlerischen  und  Theaterkreisen  zuhause.  Zahlreichen  Vereinen  und 
Gesellschaften  gehörte  er  als  Mitglied  oder  als  Ehrenmitglied  an.  Doch  nicht 
in  solchen  lag  für  ihn  der  Schwerpunkt  der  Geselligkeit,  vielmehr  im  zwang- 
losen Verkehre  mit  geistig  angeregten  und  anregenden  Männern.  Er  pflegte 
regelmässig  Abends  eine  Weinstube  zu  besuchen,  gehörte  lange  Jahre  einem 
kleinen  literarischen  Kränzchen  an,  das  sich  Sonntag  Nachmittags  von  14  zu 
14  Tagen  versammelte.  In  erster  Linie  standen  natürlich  seine  Dichterfreund- 
schaften, besonders  die  mit  Mörike,  Notter,  Gustav  Pfizer,  Schönhardt,  Frei- 
ligrath  u.  s.  w.  Auch  manches  jüngere  Talent  hat  er  bereitwillig  gefördert 
und  durch  freundliche  Zuvorkommenheit  an  sich  geknüpft.  Sein  60.,  70.  und 
80.  Geburtstag  wurde  mit  steigenden  Ehren  gefeiert,  der  letzte  nicht  bloss 
von  Seiten  seiner  engeren  Heimat,  sondern  von  der  literarischen  Welt  des 
gesammten  deutschen  Vaterlands.  Es  gereichte  ihm  zur  besonderen  Genug- 
thuung,  dass  sich  allmählich  sein  Dichterruhm  auch  über  den  deutschen  Nor- 
den ausbreitete.  An  äusserer  Anerkennung  fehlte  es  ihm  überhaupt  nicht:  er 
besass  mehrere  Orden  und  war  unter  anderem  Ehrendoktor  der  naturwissen- 
schaftlichen Fakultät  in  Tübingen,  Meister  des  freien  deutschen  Hochstiftes  in 
Frankfurt,  Mitglied  des  Pegnesischen  Blumenordens,  Ehrenbürger  von  Marbach 
und  Grosssüssen.  Seine  Ansprüche  an  Lebensgenuss  beschränkten  sich  auf 
ein  bescheidenes  Maass.  Er  war  ein  rüstiger  P'ussgänger,  reiste  gern  im 
Schwabenlande  herum,  besuchte  wohl  auch  dann  und  wann  fremde  Länder 
und  Grossstädte.  Eine  innige  Liebe  zur  Natur  durchzog  sein  ganzes  Leben. 
Auf  dem  Lande  war  er  ja  aufgewachsen,  hatte  von  Jugend  an  mit  der  Natur 
vertrauten  Verkehr  gepflogen  und  sich  mit  allen  Vorgängen  im  Naturleben 
auf's  genaueste  bekannt  gemacht,  wobei  ihn  eine  seltene  Schärfe  der  Sinnes- 
organe unterstützte.  Blumen  und  Pflanzen  und  Singvögel  waren  seine  haupt- 
sächliche Liebhaberei.  Sein  ganzes  Haus  war  mit  blühenden  und  grünenden 
Gewächsen  ausgeschmückt,  in  deren  Pflege  es  ihm  kein  gelernter  Gärtner  zu- 
vorthat.  Ebenso  kamen  ihm  in  der  Kenntniss  der  einheimischen  Singvögel 
nur  wenige  gleich. 

Als  Dichter  ist  F.  erstmals  im  22.  Lebensjahre  mit  einer  ziemlich  un- 
selbständigen, noch  wenig  ästhetische  Bildung  und  Geschmack  verrathenden 
Sammlung  »Gedichte«  (Münsingen,  bei  Johannes  Hohloch,  1838)  hervor- 
getreten. Auf  einer  nicht  viel  höheren  Stufe  stehen  die  drei  Jahre  später 
gedruckten  »Dichtungen«  (Stuttgart,  bei  Griesinger  &  Comp.,  1841),  worin 
die  Form,  namentlich  der  Reim,  noch  immer  äusserst  mangelhaft  gehandhabt 
ist.  F.  selbst  hat  später  an  diesen  beiden  vorzeitigen  Veröffentlichungen 
wenig  Freude  gehabt.  Geraume  Zeit  schwieg  nun  seine  Muse:  es  kamen  die 
Jahre  der  inneren  Sammlung,  der  höheren  Ausbildung.  1851  trat  er  wieder 
als  ein  anderer,  Gereifterer  auf  den  Plan,  zunächst  mit  einzelnen  Gedichten 
im  Morgenblatte,    dessen    eifriger  Mitarbeiter    er    fortan  blieb,    bald  auch  in 

9* 


132 


Fischer. 


Prutz'  Deutschem  Museum  und  anderen  Zeitschriften.  1854  erschien  (Stutt- 
gart und  Tübingen ,  bei  J.  G.  Cotta)  eine  neue  Sammlung  »Gedichte«,  die  F. 
bereits  auf  der  Höhe  seines  Könnens  zeigt  und  seinen  Ruf  begründet  hat. 
Sie  wurde,  jedesmal  stark  vermehrt,  1858  und  1883  neu  aufgelegt.  Da  die 
letzte  Ausgabe  auch  aus  anderen  Sammlungen  des  Dichters  vervollständigt 
ist,  gewährt  sie  einen  guten  Ueberblick  über  sein  gesammtes  poetisches 
Schaffen.  Ausserdem  veröffentlichte  er  folgende  Gedichtbücher:  »Neue  Ge- 
dichte« (Stuttgart,  bei  J.  G.  Cotta,  1865),  »Den  deutschen  Frauen«  (ebenda 
1869),  »Drei  Kameraden«  (Stuttgart,  bei  A.  Kröner,  1870)  in  Gemeinschaft 
mit  F.  Löwe  und  K.  Schönhardt,  »Aus  frischer  Luft«  (Stuttgart,  bei  Karl 
Grüninger,  1872),  »Neue  Lieder«  (Stuttgart,  bei  J.  B.  Metzler,  1876),  »Merlin« 
(Stuttgart  und  Leipzig,  bei  Eduard  Hallberger,  1877),  ein  der  Universität 
Tübingen  zu  ihrem  vierhundertjährigen  Stiftungsfeste  gewidmeter  Liedercyklus, 
»Der  Glückliche  Knecht«  (Stuttgart,  bei  Adolf  Bonz  &  Comp.,  1881),  ein  Idyll 
in  neun  Gesängen,  »Auf  dem  Heimweg«  (Stuttgart,  bei  J.  G.  Cotta,  1891), 
»Mit  achtzig  Jahren«  (ebenda,  1896).  In  die  sechziger  Jahre  fällt  F.'s  kurze 
dramatische  Thätigkeit.  In  rascher  Folge  erschienen  vier  Trauerspiele  im 
Buchhandel:  1862  »Saul«,  1863 "^»Friedrich  der  Zweite  von  Hohenstaufen«, 
1866  »Florian  Geyer  der  Volksheld  im  deutschen  Bauernkrieg«,  1868  »Kaiser 
Maximilian  von  Mexiko«  (die  drei  ersten  bei  J.  G.  Cotta,  das  vierte  bei 
Franckh  in  Stuttgart).  Nur  Saul  und  Friedrich  II.  gingen  über  die  Bretter. 
Ersteres  Drama  wurde  1862/63  dreimal,  letzteres  1864  zweimal  und  1867/69 
dreimal  in  Stuttgart  dargestellt,  Friedrich  11.  ausserdem  noch  1862/63  drei- 
mal am  Weimarer  Hoftheater.  F.  setzte  seine  ganze  Kraft,  seinen  ganzen 
Ehrgeiz  daran,  auch  auf  diesem  Gebiete  Grosses  zu  leisten.  Er  selbst  wie 
seine  beiden  Freunde,  der  Dichter  und  Heldenspieler  Feodor  Löwe  und  der 
berühmte  Charakterdarsteller  Karl  Grunert,  gaben  sich  bei  der  Einstudirung 
auf  der  Stuttgarter  Hofbühne  alle  Mühe.  Es  fehlte  bei  den  Aufführungen 
auch  nicht  an  äusserem  Erfolg,  aber  die  nachhaltige  Wirkung  blieb  aus,  und 
tief  schmerzte  den  Dichter  diese  getäuschte  Hoffnung.  Noch  bis  in  das 
höchste  Alter  hinein  that  es  ihm  wohl,  wenn  man  seiner  dramatischen  Schö- 
pfungen rühmend  gedachte.  F.'s  Prosaschriftstellerei  beschränkte  sich  auf  ein 
feines  naturpsychologisches  Schriftchen  »Aus  dem  Leben  der  Vögel«  (Leipzig, 
bei  Friedrich  Brandstetter,  1863)  und  auf  Aufsätze  und  Kritiken  meist  litera- 
rischen Inhalts  ftir  Journale,  wie  das  Morgenblatt,  die  Allgemeine  Zeitung,  den 
Schwäbischen  Merkur,  den  Staats-Anzeiger  für  Württemberg.  Was  er  vor- 
brachte, hatte  stets  Gehalt  und  Charakter,  aber  ein  Meister  im  Frosastile  war 
er  keineswegs. 

F.  gilt  mit  Recht  als  der  letzte  bedeutende  Vertreter  der  guten  schwä- 
bischen Dichtertradition.  Wie  ein  gewaltiger  Fels  ragte  er  als  Wahrzeichen 
der  grossen  klassisch-romantischen  Vergangenheit  in  die  vom  Naturalismus 
überfluthete  Gegenwart  herein.  Die  modernsten  Bestrebungen  waren  ihm  in 
der  Seele  zuwidefr,  und  es  kränkte  ihn  tief,  dass  sie  den  Geschmack  des 
Publikums  beherrschten,  dass  die  idealistischen  Poeten  durch  jene  Helden  der 
Mode  zurückgedrängt  wurden.  Ueber  seinem  eigenen  Dichterrufe  wachte  er 
eifersüchtig,  und  über  Tadel  oder  mehr  noch  über  Zurücksetzung  wurde  er 
leicht  empfindlich.  Man  konnte  ihn  wohl  klagen  hören,  dass  die  Alten  über 
den  Jungen  vernachlässigt  werden;  gelegentlich  hat  er  auch  der  Meinung 
Ausdruck  verliehen,  dass  das  Schwabenthum  für  Ausbreitung  des  Ruhms  ein 
Hindemiss   bilde   (vergl.  »Hermann  Kurz«    in  »Auf  dem  Heimweg«  S.  180). 


Fischer. 


133 


Aber  zu  Concessionen  Hess  er  sich,  so  sehr  es  ihm  um  Anerkennung  zu  thun 
war,  nicht  herbei,  und  Rücksicht  auf  den  Beifall  der  Menge  bestimmte  sein 
Dichten  niemals.  Sein  Ziel  war  die  Verkörperung  von  Ideen,  und  der  Flug, 
den  sein  Geist  nahm,  führte  empor  zu  den  reinsten  Höhen  des  Lichtes.  Nicht 
umsonst  hatte  sein  Abgott  von  Jugend  auf  Schiller  geheissen.  Die  ganze 
Denkart  und  Lebensauffassung  F. 's  steht  unter  dem  Zeichen  dieses  grossen 
idealistischen  Dichters.  Doch  es  handelt  sich  dabei  nur  um  eine  allgemeine 
geistige  Beeinflussung:  in  seiner  reifen  Lyrik  hat  sich  F.  von  Schiller  sehr 
weit  entfernt.  Da  berührt  er  sich  näher  mit  Goethe,  Hölderlin,  Mörike.  Aber 
es  kann  immer  nur  von  Berührungspunkten  die  Rede  sein.  Denn  was  seiner 
Lyrik  eben  ihren  besonderen  Werth  verleiht,  ist  ihr  durchaus  eigenartiges 
Gepräge.  Schon  längst  hat  man  erkannt,  dass  nichts  für  ihn  bezeichnender 
sei,  als  die  inbrünstige  Liebe  zur  Natur  und  zum  Weib  und  das  geheimniss- 
volle, fast  mystische  Ineinanderfliessen  dieser  beiden  Gefühle.  Seit  seiner 
Kindheit  hat  er  die  Natur  beobachtet,  belauscht,  sich  in  sie  versenkt,  und 
zum  Danke  dafür  hat  sie  ihm  ihr  Vertrauen  geschenkt,  wie  wenigen,  ihm  die 
tiefsten  Blicke  in  ihr  geheimstes  Walten  gestattet.  Alles  erscheint  ihm  wichtig 
an  ihr,  das  Kleine  so  gut  wie  das  Grosse.  Er  preist  nicht  bloss  die  Herr- 
lichkeiten der  Sonne,  die  schauerliche  Schönheit  von  Sturm  und  Wetter,  er 
gewinnt  auch  den  Lebensäusserungen  jeder  Pflanze,  jedes  Vogels  Bedeutung 
ab,  findet  zum  Murmeln  des  Baches,  zum  Wehen  des  Windes,  zum  Rauschen 
des  Baumes  in  seinem  Inneren  die  richtige  Melodie.  Nicht  minder  innig 
ist  sein  Verhältniss  zum  Weibe.  Schon  als  Dorfschüler  hatte  er  sich,  wie  sein 
Sohn,  also  gewiss  ein  glaubwürdiger  Zeuge,  berichtet,  in  eine  Mitschülerin 
verliebt,  und  bis  zuletzt  blieb  er  diesem  unwiderstehlichen  Zuge  zum  anderen 
Geschlechte  treu:  hat  er  doch  noch  »mit  achtzig  Jahren«  erotische  »Herzens- 
gespräche« gehalten.  In  endlosen  Variationen  malt  er  stufenweise  alle  Wonnen 
des  Liebeslebens  von  dem  ersten  süssen  Ahnen  bis  zum  völligen  Ineinander- 
fliessen der  Seelen.  Doch  weder  der  Natur  noch  der  Liebe  gegenüber  ver- 
hält er  sich  nur  kühl  beobachtend,  leidenschaftslos  schildernd.  Er  giebt  sich 
vielmehr  seinen  Empfindungen  und  Stimmungen  mit  der  raschen  Begeisterung 
eines  erregbaren  Temperaments  und  mit  der  nachhaltigen  Kraft  einer  starken 
Seele  hin.  Frische,  gesunde  Lebenslust  ist  ein  Grundzug  seines  Wesens.  Wohl 
sind  auch  für  ihn  die  Zeiten  gekommen,  da  er  sich  in  düsteres  Grübeln  ver- 
loren hat,  wohl  haben  auch  ihm  schwere  Verluste,  wie  die  seiner  beiden 
Auserkorenen,  elegische  Klänge  entlockt:  aber  das  waren  Krisen,  die  vorüber- 
gingen, die  Freude  am  Dasein  kehrte  ihm,  der  vom  Pessimismus  nichts  wusste 
und  nichts  wissen  wollte,  immer  wieder.  Der  vorherrschende  Ton  seiner 
Poesie  ist  darum  ein  dithyrambisch  jauchzender,  ihm  ist  die  Zwiesprache  mit 
der  Muse  ein  Zustand  der  Ekstase,  der  göttlichen  Trunkenheit.  Dennoch  hat 
die  Begeisterung  ihn  niemals  vergessen  lassen,  dass  das  Dichten  zugleich  ein 
künstlerischer  Vorgang  ist.  Nach  seinen  verunglückten  Jugendversuchen  ist 
ihm  diese  Erkenntniss  aufgegangen,  hat  er  gelernt,  alle  Formen  zu  beherr- 
schen. Besonders  neigt  er  zu  antiken  Maassen,  die  er  mit  Sicherheit  und 
Feinheit  handhabt,  und  nicht  minder  gut  gelingen  ihm  freie  reimlose  Rhyth- 
men. So  gewährt  F.'s  Muse  einen  weihevollen  Genuss.  Mühelos  lassen  sich 
freilich  die  Früchte  von  seinem  poetischen  Baume  nur  selten  pflücken.  Das 
bloss  Oberflächliche,  Aeusserliche  hasst  er,  was  er  bietet,  ist  vorher  durch 
das  Medium  seines  eigenen  Geistes  gegangen.  Um  ihn  ganz  zu  verstehen, 
muss    man    sehen    und    hören,   denken  und  fühlen  können,  wie  er.     Es  liegt 


l^A  Fischer. 

etwas  energisch  Subjektives,  etwas  herb  Charaktervolles  in  seiner  Art,  das 
von  dem  Leser  völlige  Hingabe  verlangt.  In  früheren  Jahren  glückte  ihm 
wohl  auch  manches  im  naiven  Tone  des  Volksliedes,  aber  mehr  und  mehr 
kam  ihm  dann  die  einfache  populäre  Haltung  abhanden.  Je  tiefer  er  sich  in 
die  Räthsel  des  Weltalls  und  der  Frauenseele  verbohrt,  desto  schwerer  fällt 
es  ihm,  für  das,  was  ihm  ahnend  vorschwebt,  den  deutlichen  Ausdruck  zu 
finden.  Es  ist  oft  ein  Ringen  mit  dem  Stoff,  über  den  er  nicht  ganz  Herr 
wird,  und  der  deshalb  nicht  zu  vollkommener  Plastik  ausgeprägt  ist.  Darum 
erscheint  an  seinen  Erzeugnissen  manches  geschraubt  und  gekünstelt,  hat  man 
bei  einzelnen  seiner  Gedichte  die  Empfindung,  dass  in  seiner  Seele  noch  Keime 
herrlicherer  Poesie  geschlummert  haben,  als  seine  Worte  auszudrücken  ver- 
mögen. Namentlich  mit  dem  beginnenden  Alter  macht  sich  der  Ueberschuss 
an  Gedankehreichthum  und  damit  an  Reflexion  geltend:  in  seinem  ganz  von 
dunkler  Naturmystik  durchtränkten  Liedercyklus  »Merlin«  hat  diese  Neigung 
ihren  Gipfel  erreicht.  Aber  wunderbar  ist  es,  wie  sich  F.  dann  wieder  zur 
völligen  Klarheit  durchgekämpft  und  schliesslich  in  der  Sammlung  »Mit  achtzig 
Jahren«  seine  ganze  Kraft  zu  den  reifsten  und  süssesten  Gaben  zusammen- 
gefasst  hat.  Neben  der  geschilderten  Lyrik,  die  den  Kern  der  Poesie  F.'s 
bildet,  hat  er  zeitlebens  das  Epigramm  gepflegt,  und  zwar  mit  entschiedenem 
Glück.  Ob  nun  seine  Sprüche  mehr  allgemein  beschaulicher  und  lehrhafter 
Natur  sind,  oder  ob  sie  eine  geschärfte  Spitze  aufweisen:  immer  sind  sie 
selbständig  im  Gedanken,  entschieden  in  der  Gesinnung,  edel  in  der  Form. 
Aus  seinen  Zeitgedichten  flammt  ein  heissblütiges  Temperament,  sprüht  ein 
feuriger  Geist.  Er  rüttelt  die  Deutschen  aus  ihrer  Trägheit  und  Stumpfheit 
auf,  er  mahnt  sie  an  die  unvergänglichen  Menschheitsideale.  Kraftvoll  liebt 
er  sein  Vaterland,  hasst  dessen  Feinde.  Und  wie  versteht  er  zu  jubeln,  vnc 
zu  zürnen!  Bismarck  vor  allen  ist,  wie  schon  erwähnt,  sein  Held.  Ihn  hat 
er  bereits  im  Jahr  1849  herbeigesehnt,  vorausgeahnt,  als  er  in  einem  seiner 
berühmtesten  Gedichte  »Nur  einen  Mann  aus  Millionen«  (erst  1865  in  den 
Neuen  Gedichten  S.  132  f.  gedruckt)  für  sein  Volk  begehrte.  Ihn  zu  bewun- 
dem und  zu  preisen,  wird  er  nicht  müde,  und  mit  Ingrimm  erfüllt  es  ihn, 
dass  man  den  Einzigen  vor  der  Zeit  bei  Seite  geschoben  hat.  Ueberhaupt 
verschmäht  es  F.  nicht,  seine  Leier  zur  Feier  von  lokalen  Begebenheiten  oder 
von  Persönlichkeiten  zu  stimmen;  besonders  gern  weiht  er  sein  Lied  dem 
Andenken  berühmter  Männer.  Doch  auch  in  seinen  Gelegenheitsgedichten 
meidet  er  die  breite  Heerstrasse  des  Alltäglichen  und  Gewöhnlichen,  bindet 
sich  durchweg  an  den  höheren  poetischen  Stil  und  bewährt  so  gerade  auf 
diesem  gefährlichen  Gebiete  seine  volle  Meisterschaft.  In  der  lyrischen  Kunst- 
poesie, in  der  höheren  Gelegenheitsdichtung  und  im  Epigramme  liegt  die 
Stärke  F. 's.  Von  den  epischen  Gattungen  sagt  nur  eine  seiner  Begabung 
völlig  zu:  das  Idyll.  Die  Naturbetrachtung  führt  ihn  zur  Schilderung  des 
bäuerlichen  Lebens.  Mit  grosser  Anschaulichkeit  zeichnet  er  das  höher  stre- 
bende Landvolk,  dem  er  ja  selbst  entstammt  ist,  mit  wohlthuender  Wärme 
frischt  er  Jugenderinnerungen  an  das  Elternhaus  und  den  Vater,  das  Heimat- 
dorf und  dessen  Bewohner  auf.  Ein  anmuthiges  Landpfarridyll  lässt  er  auch 
in  dem  seinem  ersten  Schwiegervater  gewidmeten  »Beim  alten  Herrn«  (in 
Neue  Gedichte  S.  83  ff.)  an  uns  vorüberziehen.  Einige  dieser  Idyllen  gehören 
zu  den  eigenthümlichsten  und  schönsten  Blüthen,  die  F.'s  Dichtergeist  ge- 
trieben hat.  Darüber  hinaus  reicht  sein  episches  Vermögen  nicht.  Dass  er 
später    die    köstliche  Dichtung  »Beim  Kirchenbauer«  zu    dem    längeren  selb- 


Fischer.     Ramann. 


135 


Ständigen  Werke  »Der  Glückliche  Knecht«  gesteckt  hat,  ist  kaum  zu  ihrem 
Vortheil  ausgeschlagen.  Eigentliche  Balladen  und  Romanzen  gelingen  ihm 
nicht.  Er  giebt  weniger  Handlungen  als  Situationen,  liefert  nicht  sowohl 
fortschreitende  Erzählungen  als  durch  Monologe  oder  Dialoge  festgehaltene 
Momentbilder,  darunter  allerdings  solche  von  ausgesuchter  Schönheit. 

An  dem  längst  feststehenden  Urtheil  über  F.'s  Dramen  ist  nicht  zu  rüt- 
teln. Sie  sind  reich  an  poetischen  Vorzügen,  selbst  an  scenisch  wirksamen 
Momenten  im  einzelnen  (z.  B.  der  Ausgang  des  vierten  Akts  in  Friedrich  IL), 
aber  der  eigentliche  dramatische  Nerv,  die  sichere  Gestaltungskraft  fehlt,  die 
Mängel  der  Composition  und  Technik  sind  zu  auffallend,  um  das  Gefühl 
vollständiger  Befriedigung  aufkommen  zu  lassen.  Der  Dichter  hat  sich  grosse 
und  oft  behandelte  historische  Stoffe  aus  den  verschiedensten  Weltepochen 
vom  orientalischen  Alterthume  bis  zur  Gegenwart  ausgewählt.  Dabei  durch- 
zieht sein  dramatisches  Schaffen  ein  gemeinsamer  Grundgedanke:  der  Gegen- 
satz zwischen  den  staatlichen  Gewalten  und  dem  Pries terthume.  Diese  Ten- 
denz, hervorgerufen  durch  die  damals  Deutschland  bewegenden  kirchlichen 
Kulturkämpfe,  beherrscht  sowohl  im  Saul  als  im  Kaiser  Maximilian  (übrigens 
seiner  schwächsten  Leistung)  die  ganze  Handlung,  wirkt  im  Friedrich  II.  mehr 
latent,  um  im  Florian  Geyer  hinter  dem  social-politischen  Motive  völlig  zu- 
rückzutreten. Die  Sprache  ist  in  dem  zuletzt  genannten  Trauerspiel  wuchtige 
Prosa,  deren  Periodenbau  freilich  nicht  immer  durchsichtig  genug  ist,  in  den 
übrigen  Stücken  waltet  der  Jambus,  den  F.  mehr  mit  der  Kraft  und  Würde 
Uhland's  als  mit  dem  hinreissenden  Schwünge  Schiller's  handhabt.  Seine 
klassischen  Vorbilder  sind  im  Allgemeinen,  stellenweise  sogar  im  Einzelnen 
deutlich  erkennbar  (die  Scene  zwischen  Karl  V.  imd  Florian  Cieyer  erinnert 
z.  B.  an  die  zwischen  König  Philipp  und  Marquis  Posa,  die  Urbilder  des 
Obersten  Lopez  und  der  Prinzessin  Salm  im  Kaiser  Maximilian  sind  Buttler 
und  Gräfin  Terzky  im  Wallenstein).  Immerhin  hat  sich  F.  auch  in  diesem 
Fache,  das  jenseits  der  Grenzen  seines  natürlichen  Talentes  liegt,  als  einen 
Dichter  von  höchstem  Streben  und  reinstem  Wollen  angekündigt. 

Hexinaim  Fischer,  Erinnerungen  an  Johann  Georg  Fischer  von  seinem  Sohne  (Tü- 
bingen, 1S971  H.  Laupp'sche  Buchhandlung ;  mit  Porträt).  Aus  den  zahlreichen  Widmungs- 
artikeln bei  Gelegenheit  von  Fischer's  80.  Geburtstag  und  seinem  Tode  seien  hervorgehoben: 
Die  Nekrologe  in  der  Schwäbischen  Chronik  vom  8.  Mai  1897  (Sonntagsbeilage),  im  Stutt- 
garter Neuen  Tagblatt  vom  5.  Mai  1897  (Adolf  Palm),  im  Neuen  Correspondenzblatt  für 
die  Gelehrten-  und  Realschulen  Württembergs  V  (1898)  S.  52—58  (Otto  Güntter),  die 
Aufsätze  von  Karl  Busse  in  Die  Gegenwart,  1896,  No.  44,  Blätter  für  literarische  Unter- 
haltung, 1896,  No.  43,  die  Nation  15.  Jahrgang  (1898)  No.  14/151  von  Ludwig  Jacobowski 
in  Nord  und  Süd,  Novemberheft  1896;  Alfred  Biese,  Lyrische  Dichtung  und  neuere  deut- 
sche Lyriker,  S.  82 — 93.  Ueber  Fischer  als  Dramatiker  handelt  ausfuhrlich  Heinrich  Kurz, 
Geschichte  der  deutschen  Literatur,  IV  (1872),  S.  639 — 643. 

Werke  u.  Schriften  s.  Börsenbl.  f.  d.  Deutschen  Buchhandel  1897,  No.  107. 

Rudolf  Krauss. 

Ramanny  Bruno  (eigentlich  Adolf  August  Moritz) ,  *  am  17.  April  1832 
zu  Erfurt,  f  am  13.  März  1897  in  Dresden.  —  Ein  vielseitig  gebildeter  Mu- 
siker, der  sich  auch  als  Dichter  auszeichnete.  In  Leipzig  unter  Moritz  Haupt- 
mann machte  er  seine  Musikstudien;  1871  Hess  er  sich  in  Dresden  nieder. 
Von  Natur  schüchtern  und  zurückhaltend,  die  Verdienste  anderer  mit  Freuden 
anerkennend,  trat  er  mit  seinen  eigenen  Leistungen  nur  ungern  hervor.  Im 
Umgange  liebenswürdig  und  bescheiden,  in  seinen  Arbeiten  tüchtig  und  ge- 
diegen, genoss  er  in  Dresden,  wo  er  als  Gesanglehrer  und  Musikkritiker  wirkte, 
einen  wohlverdienten  Ruf  und  wurde  von  seinen  Schülern  in  seltener  Weise 


1^6  Ramann.     Ritter  von  Arneth. 

verehrt.  Auch  als  Musikkritiker  erwarb  er  sich  durch  seine  Unparteilichkeit, 
sein  mildes  und  schonendes  Urtheil,  ohne  in  eine  allgemeine  Lobhudelei  zu 
verfallen,  die  Liebe  und  Freundschaft  aller  Kunstgenossen.  Als  Componist 
trat  er  mit  weniger  Erfolg  auf  und  nur  in  den  Kreisen  seiner  Schüler  wurden 
seine  Lieder  fleissig  gesungen.  Im  Jahre  1891  erschien  bereits  das  74.  Werk: 
2  Klavierpiecen. 

Quelle:  Rabich's  Blätter  für  Haus-  und  Kirchenmusik  1897,  S.  71. 

Rob.  Eitner. 

Arneth,  Alfred,  Ritter  von,  Historiker  und  Politiker,  ♦am  10.  Juli  181 9 
zu  Wien,  f  am  30.  Juli  1897  ebenda.  —  In  ihren  Aufzeichnungen  schildert 
A.'s  Mutter,  Toni  Adamberger,  ihre  erste  Begegnung  mit  Kömer,  als  sie  an 
einem  kalten,  aber  herrlichen  Jännertage  des  Jahres  181 2  zur  Probe  in  das 
Burgtheater  abgeholt  wurde:  »Die  helle  Sonne  schien  so  warm  und  goldig, 
dass  ich,  fröhlich  in's  Leben  hineinblickend,  Gott  dankte,  dass  er  mir  er- 
laubte, nach  längerer  Zeit  wieder  die  kühle  Luft  in  langen  Zügen  einzuathmen. 
Im  Theater  angekommen,  wurde  ich  mit  heiterem  Jubel  empfangen,  denn 
man  hatte  mich  wirklich  lieb,  und  »Toni,  grüss  Gott,  Toni«!  schallte  mir  von 
allen  Seiten  lustig  entgegen.  Alle  umringten  mich,  und  die  Herzlichkeit,  mit 
der  sie  mich  begrüssten,  war  wirklich  rührend,  weil  sie  so  wahr  und  aufrichtig 
empfunden  war.  —  Ein  junger  Mann  stand  im  Halbdunkel  des  Zimmers  und 
hatte  der  Scene  mit  lebhaftem  Erstaunen  zugesehen.  Die  grossen,  ausdrucks- 
vollen, tiefblauen  Augen  ruhten  auf  mir  mit  dem  Ausdrucke  höchster  Ver- 
wunderung. Er  hatte  so  oft  und  so  viel  von  dem  Neide  und  der  Missgunst 
reden  gehört,  welche  unter  dem  so  reizbaren  Volke  der  Schauspieler  leben 
sollten,  dass  ihm  diese  ungeheuchelte  Freundschaft  fiir  mich  ein  günstiges 
Urtheil  für  sie  wie  für  mich  abnöthigte.  Ich  sah  ihn  ebenso  verwundert  an, 
und  so  standen  wir  einen  Augenblick  einander  stumm  gegenüber.  Es  war 
Theodor  Körner.« 

Es  ist  bekannt,  dass  Toni  Adamberger,  die  nicht  nur  blendend  schöne, 
sondern  auch  sittenstrenge  Heroine  des  Burgtheaters,  dem  jungen  Dichter  und 
Helden  sich  verlobte  und  ebenso  bekannt  ist  das  tragische  Ende  dieses  kurzen 
Glückes.  »Als  Theodor  zu  Tode  getroffen  fiel  —  erzählt  uns  Toni  in  ihren 
Aufzeichnungen  —  hatte  er  mein  Büd,  von  Lieder  gemalt,  auf  der  Brust, 
einen  Ring  mit  einem  kleinen  Herzen  von  mir  am  Finger,  meine  Briefe  in 
der  Tasche.«  Ueber  ihren  Brautstand  selbst  beobachtete  sie  Zeitlebens  ein 
ehrfürchtiges  Schweigen. 

Im  Jahre  181 7  verlobte  sie  sich  mit  dem  Kustoden  des  Münz-  und  An- 
tikenkabinets,  Josef  Arneth,  den  sie  in  dem  Salon  der  Schriftstellerin  Karoline 
Pichler  kennen  gelernt  hatte,  und  trat  aus  dem  Verbände  des  Burgtheaters. 
Am  17.  Juni  dieses  Jahres  erschien  sie  als  Jertha  in  der  »Schuld«  das  letzte- 
mal  vor  dem  Publikum,  von  dem  sie  in  der  rührendsten  Weise  Abschied 
nahm.  In  dem  zu  Weidlingau  befindlichen  Schlosse  des  Fürsten  Dietrichstein, 
des  wohlwollendsten  Protektors  des  jungen,  aufstrebenden  Gelehrten,  dem  er 
auch  die  Erziehung  seines  einzigen  Sohnes  Josef  anvertraut  hatte,  wurde  der 
neue  Ehebund  geschlossen.  Am  16.  März  1818  wurde  den  glücklichen  Gatten 
ein  Sohn  geschenkt,  der  jetzt  noch  lebende ,  angesehene  Arzt  Franz  Rektor 
von  A.  Das  Jahr  darauf,  am  10.  Juli  erblickte  Alfred  von  A.  zu  Wien  das 
Licht  der  Welt.  Fast  schien  es,  als  sei  er  nicht  zur  Erreichung  einer  höheren 
Stufe  im  Staatsdienst  geboren ;  denn  der  italienische  Geistliche,  der  ihn  taufte, 


Ritter  von  Ameth. 


137 


sprach  die  in  dem  Rituale  vorgeschriebenen  Worte  fehlerhaft  aus  und  fragte: 
»Widersagst  du  dem  bösen  Feinde  und  seinem  Hofrath?«,  während  es  »seiner 
Hoffart«  hätte  heissen  sollen.  In  glücklicher  Kindheit  wurden  die  ersten 
Jahre  des  Lebens  verbracht  und  im  Konvikt  von  Kremsmtinster  die  Gymnasial- 
studien vollendet.  Als  es  sich  um  die  Wahl  des  Brodstudiums  handelte, 
kam  es  nach  längerem  Schwanken  schliesslich  dazu,  dass  der  ältere  Sohn 
den  medicinischen,  der  jüngere  aber  den  juristischen  Studien  obliegen  sollte. 
Nach  deren  Vollendung  trat  A.  bei  der  Kameralgefällenverwaltung,  der  heutigen 
Finanz-Landesdirection,  ein.  Die  Geschäfte  jedoch,  denen  sich  übrigens  A. 
mit  unermüdlichem  Fleiss  hingab,  konnte -den  nach  edleren  Zielen  strebenden 
Jüngling  nicht  befriedigen.  War  von  seiner  schönen  Mutter  ausser  der  Wohl- 
gestalt des  Körpers  auch  der  künstlerische  Sinn  auf  ihn  vererbt  worden,  so 
war  von  seinem  Vater  das  heisse  Verlangen  nach  einer  wissenschaftlichen 
Thätigkeit  auf  ihn  übergegangen.  Als  er  nun  von  seinem  im  Staatsarchive 
angestellten  Freunde  Chmel  erfuhr,  dass  bei  diesem  Institut  eine  neue  Orga- 
nisation in  der  Durchführung  begriffen  sei,  trachtete  er  eifrigst,  dort  angestellt 
zu  werden.  Seine  Bemühungen  waren  von  Erfolg  begleitet  und  A.  war  einer 
der  drei  Glücklichen,  die  je  eine  Praktikantenstelle  mit  einem  Adjutum  von 
jähriich  vierhundert  Gulden  erhielten. 

Aber  nicht  lange  sollte  A.  im  Archive  verbleiben.  Die  ausgedehnten 
Sprachkenntnisse  und  die  schöne  Schrift  des  jungen  Praktikanten  bewogen 
seinen  obersten  Chef,  Fürsten  Mettemich,  ihm  eine  freigewordene  Offizial- 
stelle  in  der  Staatskanzlei  zu  verleihen.  Dies  geschah  im  Oktober  1841. 
Diese  neue  Wendung  seines  Geschicks  versetzte  A.  in  einen  wahren  Taumel 
der  Freude :  denn  jetzt  schien  ihm  die  Möglichkeit  gewährt,  das  Mädchen,  dem 
seine  erste  Liebe  galt,  heimzufuhren  als  sein  Weib.  Es  war  dies  eine  der 
Töchter  des  vielgesuchten  Wiener  Arztes  Dr.  von  Schäffer,  der  Grillparzer 
folgende  Verse  widmete: 

Einst  auf  denselben  Bänken 

Sassen  Dein  Vater  und  ich; 

Des  Guten  und  Schönen  zu  denken, 

Der  Vorsatz  uns  nimmer  entwich. 

Und  dass  wir's  nicht  gänzlich  verfehlten, 

Das  zeigte  die  Zeit,  die  verstrich, 

All  was  wir  schufen  und  wählten; 

Und  jeder  lässt  sterbend  nach  sich 

Die  Kinder  voll  Anrauth  und  Sitten  — 

Neid,  weisst  Du  es  anders,  so  sprich! 

Ich  Sapphon  und  Melitten, 

Dein  Vater,  o  Liebliche,  Dich. 

A.'s  Vater  wollte  aus  finanziellen  Gründen  von  einer  so  frühen  Ehe 
seines  Sohnes  nichts  wissen.  Um  den  Widerstand  des  Vaters  zu  brechen, 
hatte  sich  A.  entschlossen,  dessen  bereits  etwas  veraltete  Geschichte  Oester- 
reichs  einer  gründlichen,  den  neuen  Anschauungen  entsprechenden  Umarbeitung 
zu  unterziehen.  Nun  gab  auch  der  Vater  nach.  Indessen  war  dem  Sohn  zu- 
gleich die  Lust  zu  grösseren  historischen  Werken  erwacht.  Mächtig  zog  ihn 
die  romantische,  ritterliche  Gestalt  des  Feldmarschalls  Grafen  Guido  Starhem- 
berg  an,  und  ihr  galt  sein  erstes  historisches  Werk,  das  im  April  1852  voll- 
endet wurde  und  den  Beifall  der  hervorragendsten  Geschichtsschreiber  fand. 
A.  sah  jedoch  sein  Werk  über  Starhemberg  nur  als  eine  Vorarbeit  zu  einem 
ähnlichen,    wenngleich  weit  grösseren    über  Eugen  von  Savoyen  an,      »Uner- 


138  Ritter  von  Araeth. 

mtidlich  —  so  erzählt  er  uns  in  seiner  Selbstbiographie  —  kopirte  und 
excerpirte  ich  darauf  los,  ja  während  ich  des  Morgens  in  den  Archiven  noch 
dasjenige  sammelte,  was  sich  auf  die  späteren  Lebensjahre  des  Prinzen  bezog, 
ging  ich  in  den  Abendstunden  schon  an  die  Verarbeitung  dessen,  was  seine 
früheren  Schicksale  betraf.«  In  der  Zwischenzeit  veröffentlichte  A.  noch  kleinere 
Publikationen.  Eine  solche  war  der  interessante  Briefwechsel,  den  König 
Karl  in.  von  Spanien,  nachmals  Kaiser  Karl  VI.,  während  seines  Aufenthaltes 
in  Barcelona  in  den  Jahren  1705  bis  1711  mit  dem  obersten  Kanzler  von 
Böhmen,  Grafen  Johann  Wenzel  Wratislau,  gepflogen  hatte.  Im  December  des 
Jahres  1857  erschien  der  erste  Band  von  A.'s  »Prinz  Eugen« ,  ihm  folgten 
schnell  der  zweite  und  endlich,  noch  im  Jahre  1858,  der  dritte  und  letzte 
Band.  Seine  schönen  Leistungen  auf  historischem  Gebiete  erschlossen  A.  gar 
bald  die  Pforte  des  ersten  wissenschaftlichen  Instituts  der  Monarchie:  im  Mai 
1858  wurde  er  zum  korrespondirenden  Mitglied  der  kaiserlichen  Akademie 
der  Wissenschaften  gewählt.  Am  20.  November  desselben  Jahres  starb  Josef 
Chmel,  Vicedirektor  des  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchivs,  ein  Ereigniss,  das  in 
seiner  Nachwirkung  einen  entscheidenden,  überaus  günstigen  Einfluss  auf  das 
Schicksal  A.'s  ausübte.  Allmählich  war  in  diesem  die  Sehnsucht  stärker  ge- 
worden, sich  von  der  eigentlichen  Laufbahn  eines  Beamten  vollständig  loszu- 
lösen und  einzig  und  allein  der  historischen  Wissenschaft  zu  leben.  Im 
Staatsarchiv  winkte  ihm  die  Gelegenheit,  seinen  lebhaften  Wunsch  erfiillt  zu 
sehen,  und  eifrig  trachtete  er,  die  durch  Chmel's  Ableben  erledigte  Stelle 
eines  Vicedirektors  zu  erlangen.  Aber  man  zögerte  lange  mit  dem  Entschlüsse, 
das  Staatsarchiv,  das  bisher  sowohl  vom  Ministerium  selbst,  als  von  der  Archiv- 
verwaltung als  ein  Sammelpunkt  ängstlich  zu  hütender.  Staatsgeheimnisse  be- 
trachtet und  deshalb,  wenigstens  insofern  es  die  neuere  Zeit  anging,  vor  jedem 
profanen  Auge  sorgfältig  verschlossen  worden  war,  nun  plötzlich  einem  Manne 
unbedingt  zugänglich  zu  machen,  der  ganz  offen  als  seinen  Hauptzweck  be- 
zeichnete, die  dort  aufgehäuften  handschriftlichen  Schätze  literarisch  zu  ver- 
werthen.  Noch  vor  Erfüllung  seines  Wunsches  trug  sich  A.  mit  dem  Plane 
zu  einer  historischen  Arbeit,  die  an  Umfang  und  an  Bedeutung  für  Oesterreich 
sein  Buch  über  den  Prinzen  Eugen  noch  weit  übertreffen  sollte.  Es  war  dies 
eine  pragmatische  Geschichte  der  Kaiserin  Maria  Theresia.  Endlich  nach 
zweijähriger  Bewerbung,  am  8.  November  1860,  erhielt  A.  die  Vice-Direktor- 
stelle  im  Staatsarchiv  und  somit  war  dieser  Zielpunkt  seiner  Sehnsucht  glück- 
lich erreicht.  Nun  konnte  er  sich  ungestört  und  sogar  unter  den  Auspizien 
des  auswärtigen  Amtes  mit  seiner  »Herzensdame«  beschäftigen,  wie  sein 
Bruder  Maria  Theresia  scherzweise  nannte.  Durch  fast  zwanzig  Jahre  that  er 
dies  mit  rastlosem  Bemühen,  bis  endlich  Ende  April  1879  die  Biographie  der 
Kaiserin  in  zehn  Bänden  abgeschlossen  vor  ihm  lag,  ein  Werk,  von  dem 
Döllinger  schrieb,  es  sei  ein  Denkmal  »dauernder  als  Erz«.  Aber  A.  konnte 
sich  der  wehmüthigen  Empfindung  nicht  entschlagen,  dass  die  beste  Arbeit 
seines  Lebens  gethan  sei  und  er  eine  ähnliche  nicht  mehr  zu  Stande  bringen 
werde. 

Die  eifrige  Thätigkeit  A.'s  auf  historischem  Gebiete  brachte  es  mit  sich, 
dass  er  der  unversiegbaren  Quelle,  aus  welcher  er  schöpfte,  dem  Staatsarchiv, 
die  grösste  Sorgfalt  widmete.  Noch  als  Vicedirektor  erwies  er  diesem  Institut 
einen  überaus  wichtigen  Dienst,  indem  er  ihm  den  rechtlichen  Besitz  der  für 
die  österreichische  Geschichtsforschung  so  bedeutenden  Dispacci  di  Germania 
zu  gewinnen    sich  bemühte,    die    durch  den  Benediktiner  P.  Beda  Dudik  im 


Ritter  von  Ameth. 


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Juli  1866  nach  Oesterreich  gebracht  worden  waren.  Aber  erst  im  Jahre  1868 
konnte  A.,  damals  bereits  Direktor  des  Staatsarchivs,  dieses  in  den  endgiltigen 
Besitz  der  Dispacci  bringen,  die,  von  den  Tagen  Karls  V.  bis  in  das  letzte 
Decennium  des  vergangenen  Jahrhunderts  reichend,  nicht  weniger  als  323 
Original-Depeschenbände  zählen. 

Mit  der  Ernennung  A.'s  zum  Direktor  des  k.  und  k.  Haus-,  Hof-  und 
Staatsarchivs  begann  eine  neue  glänzende  Epoche  nicht  nur  dieses  Instituts, 
sondern  auch  der  österreichischen  und  deutschen  Geschichtsforschung  über- 
haupt. Denn  die  Quelle,  aus  der  diese  schöpfte,  war  nicht  mehr  in  ihrem 
Laufe  gehemmt  und  spendete  von  nun  an  jedem  ernsten  Forscher  von  ihrem 
Reichthum.  Infolge  seines  liberalen  Systems  ahmten  bald  die  auswärtigen 
Archive  das  Beispiel  A.'s  nach  und  öffneten  ihre  Schätze  in  freigebigerer 
Weise  als  bisher  der  Wissenschaft.  Angesichts  solcher  Leistungen  war  es 
begreiflich,  dass  A.  in  das  Präsidium  der  Akademie  der  Wissenschaften  be- 
nifen  wurde.  1872  ging  er  im  Auftrage  der  Akademie  als  der  Repräsentant 
nach  Brüssel,  um  dem  hundertjährigen  Jubiläum  der  Stiftung  der  belgischen 
Akademie  durch  die  Kaiserin  Maria  Theresia  beizuwohnen.  Ihm  wurde  die 
Aufgabe  gestellt,  in  französischer  Sprache  die  Rede  zu  halten,  die  man  von 
einem  der  fremden  Delegirten  bei  dem  festlichen  Bankette  erwartete  und  die 
in  einen  Trinkspruch  auf  die  belgische  Akademie  ausklingen  sollte.  A.  ent- 
sprach diesem  Wunsche  in  einer  Weise,  die  ihm  selbst  und  der  von  ihm  re- 
präsentirten  Wiener  Akademie  zu  wahrer  Ehre  gereichte.  »Die  ersten  Sätze 
meiner  Rede  —  sagt  er  selbst  darüber  —  waren  in  tiefstem  Stillschweigen 
angehört  worden.  Aber  je  länger  ich  sprach,  desto  lebhafter  wurde  der  Bei- 
fall; schliesslich  war  er  so  stürmisch  und  so  betäubend,  dass  er  meine  letzten 
Worte  vollständig  unhörbar  machte.  Nun  aber  drang  Alles  auf  mich  ein, 
Alles  drückte  mir  die  Hand,  Alles  stellte  sich  mir  vor,  alle  möglichen  und 
unmöglichen  Namen  wurden  mir  genannt,  jeder  wollte  mit  mir  anstossen,  und 
meine  Hände  waren  förmlich  überfluthet  von  dem  Champagner,  den  man 
hierbei  vergoss.  Als  ich  mich  aber  bei  Einigen,  die  mich  besonders  lebhaft 
beglückwünschten,  wegen  eines  hie  und  da  unterlaufenen  Fehlers  der  Sprache 
oder  einer  allzu  deutsch  gedachten  Wendung  der  Rede  entschuldigen  wollte, 
da  antwortete  mir  Einer:  Ach  was,  das  ist  nichts!  Sie  redeten  zu  uns  in  der 
Sprache  des  Herzens,  die  versteht  Jedermann  und  Jeden  reisst  sie  hin!« 

Und  wirklich  kam  gleich  darauf  sein  Herz  in  einer  ihn  innig  rührenden 
Weise  in's  Spiel.  Kaum  hatte  er  geendet,  so  näherte  sich  ihm  der  ehrwürdige 
Präsident,  der  ihm  in  bewegten  Worten  mittheilte,  nicht  nur  sein  Name, 
sondern  mehr  noch  sein  Auftreten  und  seine  Sprechweise  habe  ihn  an  eine 
Frau  erinnert,  mit  der  er  vor  fünfunddreissig  Jahren  eine  Reise  von  München 
nach  Salzbiu'g  zurücklegte,  und  deren  Andenken  ihm  um  ihrer  seltenen  Liebens- 
würdigkeit willen  unvergesslich  geblieben  sei.  »Diese  Wiederbelebung  des 
Bildes  meiner  Mutter  in  jener  Stunde  der  Aufregung  und  des  Erfolges  — 
lesen  wir  in  A.'s  Aufzeichnungen  —  hatte  wirklich  etwas  Ueberwältigendes 
für  mich,  und  mit  überströmendem  Gefühl  gedachte  ich  ihrer,  der  ich  ja 
auch  den  grössten  Theil  dessen,  was  mir  soeben  zu  so  vielstimmiger  Aner- 
kennung verholfen  hatte,  das  bischen  Redegewandtheit  und  die  Fähigkeit 
verdankte,  es  auch  in  einer  fremden,  der  französischen  Sprache,  zu  einiger 
Cieltung  zu  bringen.« 

Als  am  23.  Juli  1878  Rokitansky  starb,  trat  A.  als  Vicepräsident,  nach  den 
Satzungen  der  Akademie  einstweilen  provisorisch    an    die  Spitze    dieser  Kor- 


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Ritter  von  Ameth. 


poration,  zu  deren  Präsidenten  er  später,  am  27.  Mai  1879  einstimmig  gewählt 
wurde.  Seither  hatte  die  Akademie  seine  Wahl  zu  ihrem  Präsidenten  nach 
je  drei  Jahren  sechsmal  erneuert,  so  dass  er  sich  bis  zu  seinem  Hinscheiden 
in  dieser  ehrenvollen  Stellung  befand.  Im  Juni  1880  aber  erfolgte  aus  Anlass 
der  bevorstehenden  Vollendung  seines  vierzigjährigen  Dienstjahres  seine  Er- 
nennung zum  wirklichen  geheimen  Rath. 

Auch  ausserhalb  der  Monarchie  drang  sein  Name  in  die  wissenschaftliche 
Welt  und  da  erfüllte  es  A.  mit  grösster  Freude,  als  die  bayerische  Akademie 
der  Wissenschaften  ihn,  den  Oesterreicher,  zum  Präsidenten  der  historischen 
Commission  ernannte  —  eine  Stelle,  die  vor  ihm  Ranke  und  Sybel  bekleidet 
hatten. 

Die  gesunde  Weltanschauung  A.'s  brachte  es  mit  sich,  dass  er  Wider- 
willen gegen  diejenigen  empfand,  die  man  als  Menschen  der  Katastrophen 
bezeichnen  darf.  Stürmer  und  Dränger  stiessen  ihn  ab,  nur  Vernunft,  ge- 
paart mit  zielbewusstem ,  rechtschaffenem  Handeln,  konnte  ihm  Achtung 
einflössen,  die  er  in  diesem  Falle  auch  dem  Gegner  nicht  versagte.  Mit  Vor- 
liebe ruhte  daher  sein  Blick  auf  jenen  Gestalten  vaterländischer  Geschichte, 
die  nicht  allein  durch  Staatskunst,  sondern  auch  durch  Rechtschaffenheit  des 
Charakters  gleich  ausgezeichnet  waren.  Sie,  die  nicht  in  den  Winkelztigen 
des  Machiavellismus,  sondern  auf  der  geraden  Bahn  einer  offenen  und  ehr- 
lichen Politik  die  naturgemässe  Ausgestaltung  des  Reiches  anstrebten,  fesselten 
ihn  zumeist  und  regten  ihn  an,  ihre  Geschichte  niederzuschreiben. 

Schärfer  als  bei  Ranke  tritt  bei  A.  die  Persönlichkeit  in  den  Vorder- 
grund; sie  ist  es,  welche  das  Ganze  beherrscht  und  das  biographische 
Moment  ist  es,  worin  A.'s  eigentliche  Grösse  liegt.  Immer  wieder  zog  es 
ihn  dahin  und  diesem  Drange  verdanken  wir  seine  Monographie  Bartenstein's 
(187 1),  seine  eigene  Lebensbeschreibung  (1893),  sein  Buch  über  Schmerling 
(1896)  und  sein  letztes  über  den  Minister  Wessenberg  (1898). 

Die  Korrespondenzen,  die  .A.  theils  allein,  theils  mit  Geffroy  und 
Flammermont  herausgab,  sind  Quellenwerke,  die  nicht  blos  einen  tiefen  Ein- 
blick in  die  Politik  der  Monarchie,  sondern  auch  in  das  Innerste  der  Per- 
sönlichkeiten gewähren,  die  sie  leiteten.  Maria  Theresia,  Joseph  und  Kaunitz 
sind  uns  menschlich  näher  gertickt,  wir  erkennen  ihre  Grösse,  aber  auch  ihre 
Schwächen.  Ueberdies  waren  diese  Publikationen  auch  sachlich  sehr  er- 
giebig. Sie  entkräfteten  vielfach  irrige  Anschauungen.  So  brachte  der  Brief- 
wechsel mit  Marie  Antoinette  in  überzeugender  Weise  die  Unechtheit  der 
Briefe  an  den  Tag,  die  Hunolstein  und  Feuillet  de  Conches  herausgegeben 
hatten,  und  die  geheime  Korrespondenz  zwischen  Joseph  II,  Kaunitz  und  dem 
Grafen  Mercy  machte  endgiltig  den  Glauben  zu  nichte,  dass  die  Königin  Ein- 
fluss  auf  die  Geschäfte  gehabt  und  sie  recht  eigentlich  geleitet  habe. 

Wie  A.  in  dem  geistigen  Leben  seines  Vaterlandes  und  über  dieses  hinaus 
eine  hervorragende  Stellung  einnahm,  so  hatte  er  auch  verstanden,  sich  eine 
gleich  angesehene  auf  politischem  Gebiet  zu  erringen.  Die  Ausschreibung  der 
Wahlen  für  das  Frankfurter  Parlament  bot  ihm  1848  zum  ersten  Male  Ge- 
legenheit, öffentlich  zu  sj)rechen  und  in  schön  durchdachter  Rede  sein  poli- 
tisches Glaubensbekenntniss  zu  enthüllen.  Nicht  so  sehr  der  Beifall,  der  ihm 
hierbei  gezollt  wurde,  als  vielmehr  die  Ueberzeugung,  »dass  es  für  einen 
einzelnen  Mann  schon  ein  verdienstliches  Unternehmen  sei,  das  Seinige  bei- 
zutragen, dass  wenigstens  eine  Stimme  in  einem  der  gesetzgebenden  Körper 
nicht  wieder  der  radikalen  Partei  anheimfalle,  sondern  dass  sie  in  gemässigtem 


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Sinne  abgegeben  werde«  bestärkte  A.  in  dem  Vorsatze,  die  politische  Bühne 
zu  betreten  und  werkthätig  an  dem  Aufbau  eines  neuen  Oesterreich  mitzu- 
helfen. Er  bewarb  sich  in  Neunkirchen  um  das  Abgeordnetenmandat  zum 
Frankfurter  Parlament  und  trug  über  nicht  weniger  als  zehn  Kandidaten, 
darunter  Perthaler,  den  Sieg  davon.  Als  A.  in  Frankfurt  eintraf,  befand  sich 
diese  Stadt  in  grosser  Aufregung.  Die  preussische  Regierung  hatte  den  Krieg, 
den  sie  im  Auftrage  Deutschlands  wegen  Schleswig-Holstein  gegen  Dänemark 
führte,  durch  den  von  ihr  zu  Malmö  abgeschlossenen  Waffenstillstand  eigen- 
mächtig abgebrochen  und  an  das  Frankfurter  Parlament  die  Zumuthung  ge- 
stellt, diesen  Vertrag  zu  ratiüciren.  Als  das  Ministerium  Schmerling  nothge- 
drungen  nachgab  und  den  Malmöer  Vertrag  dem  Parlament  zur  Gutheissung 
vorlegte,  blieb  es  mit  seinem  Antrag  in  der  Minderheit  und  resignirte.  Der 
Erzherzog-Reichsverweser  beauftragte  nun  Schmerling,  dem  Parlament  neuer- 
dings den  Waffenstillstand  zur  Ratification  vorzulegen.  Zwei  Gesichtspunkte 
waren  es,  von  denen  A.  sich  nun  leiten  Hess;  er  hielt  es  für  seine  Pflicht, 
alles  zu  thun,  um  seinen  Landsmann  Schmerling  im  Amte  zu  erhalten  und 
weiter  alles  zu  vermeiden,  was  der  radikalen  Partei  die  Oberhand  verschaffen 
konnte.  Am  16.  September  erfolgte  die  entscheidende  Abstimmung,  die  eine 
Majorität  von  21  Stimmen  für  den  Waffenstillstand  ergab.  A.  schloss  sich 
dem  jüngsten  Club  an,  gebildet  aus  den  Abgeordneten,  die  bisher  dem 
Württemberger  Hof  angehört  hatten  und  aus  diesem  wegen  ihrer  Abstimmung 
zu  Gunsten  des  Waffenstillstandes  ausgeschieden  waren.  Die  Clubs  als  solche 
besassen  jedoch  nicht  die  geringste  Einflussnahme  auf  die  Geschäftsführung 
des  Parlaments.  Dieser  gemäss  wurden  die  einzusetzenden  Commissionen 
nicht  von  der  Versammlung  selbst,  sondern  von  den  fünfzehn  Abtheilungen 
gewählt,  in  die  sie  zerfiel.  Aus  deren  Zusammensetzung  konnte  A.  mit  grosser 
Befriedigung  erkennen,  dass  die  entschiedene  Majorität  dem  Wiener  Aufstande 
ungünstig  gesinnt  sei.  Nichts  destoweniger  musste  er  sich  gestehen,  dass  so- 
wohl die  deutsche  Centralgewalt,  als  auch  die  Nationalversammlung  den  in 
Oesterreich  vor  sich  gehenden  Ereignissen  ohnmächtig  gegenüberstanden.  In 
lebhafter  Weise  betheiligte  sich  A.  nunmehr  an  der  Diskussion  über  die 
Paragraphen  2  und  3  der  Reichsverfassung,  wobei  er  sich  einzig  und  allein 
von  der  Ansicht  leiten  Hess,  »dass  eine  Unterordnung  Oesterreichs  unter  diese 
Bestimmung  eine  Unmöglichkeit  sei«.  Hierzu  kam  noch  das  von  Mühlfeld 
eingebrachte  Minoritätsgutachten,  das  von  einem  völkerrechtlichen  Bunde 
Oesterreichs  mit  Deutschland  sprach.  »Wer  es  gut  meine  mit  Deutschland  — 
Hess  er  sich  vernehmen  —  müsse  alles  daran  setzen,  um  ihm  das  schönste, 
das  herrlichste  seiner  Länder,  um  ihm  Oesterreich  zu  erhalten.«  Eine  Lösung 
der  deutschen  Frage  wurde  aber  nicht  erzielt.  Die  Parteiunterschiede  im 
Parlament  waren  zu  weitgehende,  als  dass  eine  für  alle  Theile  gleich  zufrie- 
denstellende Einigung  herbeigeführt  worden  wäre.  Ein  einziges  Mal  verschwand 
jeder  Parteiunterschied  —  dies  war  anlässlich  der  Abstimmung  der  Fall,  die 
über  den  Antrag  erfolgte,  das  Reichsministerium  aufzufordern,  mit  allem 
N^achdruck  Massregeln  zu  treffen,  um  die  an  der  Verhaftung  und  Tödtung 
des  Abgeordneten  Blum  unmittelbar  und  mittelbar  Schuldtragenden  zur  Ver- 
antwortung zu  ziehen  und  zu  bestrafen.  Die  Verlegenheiten  der  Oesterreicher 
mehrten  sich  von  Tag  zu  Tag  und  wurden  ganz  besonders  bedenklich,  als 
das  Ministerium  Schwarzenberg- Stadion  vor  den  Kremsierer  Reichstag  mit 
einem  Programm  hintrat,  aus  dem  unschwer  zu  erkennen  war,  dass  man  in 
Oesterreich    aufrichtig    und  wahr    den  Einheitsstaat    wolle    und    diesem    ver- 


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Ritter  von  Ameth. 


lockenden  Ziele  energisch  zustreben  werde.  An  die  Oesterreicher  trat  nun- 
mehr die  Frage  heran,  ob  sie  angesichts  der  sich  immer  deutlicher  heraus- 
stellenden Gewissheit,  dass  sich  Oesterreich  in  den  neu  zu  gründenden 
deutschen  Bundesstaat  nicht  einfügen  könne  und  werde,  überhaupt  noch  be- 
rechtigt seien,  an  der  Gesetzgebung  über  diesen  einen  thätigen  Antheil  zu 
nehmen.  Aber  erst  die  Octroyirung  der  Verfassung  vom  4.  März  1849  musste 
sie  erkennen  lassen,  dass  ihre  Mission  als  österreichische  Abgeordnete  als  be- 
endet zu  betrachten  sei.  »Als  Oesterreicher«  —  so  erzählt  uns  A.  —  »freute 
ich  mich  aufrichtig  des  entschiedenen  Schrittes,  welchen  die  Regierung  gethan, 
um  einerseits  den  Völkern  Oesterreichs  den  Fortgenuss  der  constitudonellen 
Freiheiten  zu  sichern  und  anderseits  wieder  ein  gesetzmässiges  Gefiige  in  das 
arg  zerrüttete  Staatswesen  zu  bringen.«  A.  legte  sein  Mandat  nieder,  indem 
er  von  der  Voraussetzung  ausging,  »dass  es  vielmehr  im  Interesse  dieser  Re- 
gierung liege,  einer  Situation  freiwillig  ein  Ende  zu  machen,  welche  ihrem 
Einflüsse  in  Deutschland  nicht  das  Mindeste  nütze,  ihr  Ansehen  aber  empfind- 
lich benachtheilige«.  In  bescheidener,  jedoch  entschiedener  Weise  trat  A. 
für  diese  seine  Anschauung  ein,  als  er  sich  im  Ministerium  des  Aeussem 
seinem  neuen  Chef,  dem  Fürsten  Schwarzenberg,  vorstellte. 

Zwölf  Jahre  später  ergab  sich  für  A.  abermals  die  Gelegenheit,  als  Po- 
litiker thätig  zu  sein,  indem  er  im  März  1861  das  Neunkirchner  Mandat  fiir 
den  Landtag,  um  das  er  sich  beworben  hatte,  erhielt.  Dass  er  kurz  vorher, 
im  Jahre  1860,  beauftragt  worden  war,  den  Sitzungen  des  verstärkten  Reichs- 
rathes  beizuwohnen  und  die  gehaltenen  Reden  zu  ihrer  Veröffentlichung  zu 
redigiren,  hatte  nicht  wenig  beigetragen,  sein  Urtheil  nach  mancher  Richtung 
hin  zu  schärfen.  Auch  jetzt  betrachtete  er  als  seine  hauptsächlichste  Aufgabe, 
»das  Ministerium  Schmerling  in  seinen  auf  Einführung  des  Verfassungslebens 
in  Oesterreich  gerichteten  Bestrebungen  zu  unterstützen  und  ihm  keine  wie 
immer  gearteten  Schwierigkeiten  zu  bereiten«.  Deshalb  schloss  er  sich  mit 
Pillersdorf,  Pratobevera,  Heinrich  Perger  und  Schindler  der  Partei  an,  deren 
Kern  der  Grossgrundbesitz  unter  Führung  des  Freiherm  Karl  von  Tinti 
bildete.  Die  zweite  Partei  stand  unter  dem  überwiegenden  Einfluss  von 
Mühlfeld  und  Berger.  Bereits  in  der  ersten  Sitzung  wurde  A.  das  Amt  eines 
Berichterstatters  des  Ausschusses  für  Ausarbeitung  einer  Geschäftsordnung 
übertragen.  Bald  trat  an  ihn  die  Frage  heran,  ob  er  vom  Landtag  in  den 
Reichsrath  oder  in  den  niederösterreichischen  Landesausschuss  gewählt  werden 
wolle.  Umstände  der  verschiedensten  Art  bewogen  ihn,  eine  Wahl  in  den 
Reichsrath  nicht  anzunehmen,  wogegen  er  hoffte,  im  Landesausschuss  eine 
vielleicht  nicht  glänzende  aber  erspriessliche  Thätigkeit  entwickeln  zu  können. 
Am  20.  April  1861  mit  42  gegen  24  Stimmen  gewählt,  erhielt  A.  am  folgenden 
Tage  das  Referat  über  Unterrichtsfragen. 

Wenn  sich  auch  A.  durch  seinen  Verzicht  auf  eine  Wahl  in  den  Reichs- 
rat von  jeder  grösseren  Thätigkeit  auf  politischem  Gebiete  freiwillig  ausge- 
schlossen hatte,  so  hinderte  ihn  dies  nicht,  alle  Vorkommnisse  mit  regem 
Interesse  zu  verfolgen.  Leider  waren  sie  nicht  derart,  dass  sie  einen  in  alt- 
österreichischen Traditionen  aufgewachsenen  Mann,  wie  A.,  mit  grossen  Hoff- 
nungen für  die  Zukunft  erfüllen  konnten.  Mit  wachsender  Besorgniss  sah  A. 
wie  sich  die  Kluft  zwischen  dem  Ministerium  Schmerling  und  der  deutsch- 
liberalen Partei  erweiterte.  Seine  eigene  Parteistellung  charakterisirt  A.  selbst 
in  folgenden  Worten:  »Von  dem  ersten  Augenblick  angefangen,  in  welchem 
ich  durch  meine  Wahl  in  das  Frankfurter  Parlament  zur  Entfaltung  einer  po- 


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lidschen  Thätigkeit  berufen  wurde,  bis  auf  den  heutigen  Tag,  also  fast  schon 
ein  halbes  Jahrhundert  hindurch,  betrachtete  ich  mich  allzeit  als  ein  Mitglied 
und  einen  treuen  Anhänger  der  deutschliberalen  Verfassungspartei  und  bin 
gewiss,  dies  auch  bis  zum  Ende  meiner  Tage  unverändert  zu  bleiben.  Ich 
habe  mich  zu  dieser  Fahne  vereidigt,  weil  ich  durch  Geburt  und  Abstam- 
mung ein  Deutschösterreicher  bin,  und  mir  jede  Verleugnung  meiner  Natio- 
nalität, jede  Hintansetzung  ihrer  berechtigten  Interessen  oder  gar  ein  Bündniss 
mit  ihren  Gegnern  als  eine  so  verwerfliche  Handlung  erscheint,  dass  ich  mich 
ihrer  niemals  schuldig  machen  werde.  Den  Reihen  der  gemässigten  Liberalen, 
der  aufrichtig  Constitutionen  gesinnten  aber  gesellte  ich  mich  zu  und  werde 
immerdar  in  ihnen  verbleiben,  weil  ich  der  Meinung  bin,  der  gleichzeitig 
ernste  und  redliche  Politiker  müsse  sich  allezeit  zu  dem  System  bekennen, 
welches  er  nach  bestem  Wissen  und  Gewissen  als  das  heübringendste  für 
den  Staat  und  dessen  Bevölkerung  betrachtet.«  Als  nach  dem  Sturze 
Schmerling's  Graf  Richard  Belcredi  zu  dessen  Nachfolger  ernannt  wurde  und 
seine  Thätigkeit  mit  dem  Patent  vom  20.  September  1865  eröffnete,  trat  an 
A.  die  Pflicht  heran,  in  dem  bevorstehenden  Konflict  zwischen  Regierung  und 
Landesvertretung  Partei  zu  ergreifen  und  Farbe  zu  bekennen.  Viele  Jahre 
darnach  konnte  sich  A.  nicht  von  dem  Vorwurf  freisprechen,  dass  die  Art 
und  Weise,  in  der  er  den  an  und  für  sich  gewiss  nur  zu  billigenden  £nt- 
schluss  ausführte,  sich  gegen  das  September-Patent  zu  erklären  und  mit  ein- 
zustimmen in  das  Begehren  um  Zurücknahme  dieses,  »nicht  gerade  Lob, 
sondern  eher  Tadel  verdiente«.  »Ich  verfiel  hierbei  in  den  Fehler«  —  gesteht 
er  uns  —  »welchen  wir  Deutsche  so  oft  begehen,  und  der  vielleicht  unserer 
Gewissenhaftigkeit  und  unserem  persönlichen  Charakter,  nicht  aber  auch  unserer 
politischen  Einsicht  zur  Ehre  gereicht.  Nichts  fällt  uns  schwerer,  nichts  kostet 
uns  ein  grösseres  Opfer,  als  die  blinde  Unterordnung  unter  die  strenge  Partei- 
disciplin,  und  doch  ist  sie  die  unerlässliche  Vorbedingung,  zur  Erreichung  von 
Erfolgen  auf  politischem  Gebiete.     Auch  mir  ging  es  nicht  anders.« 

Unmittelbar  nach  Schluss  der  zweiten  Landtagssession  von  1866,  am 
2.  Jänner  1867,  wurde  das  kaiserliche  Patent  erlassen,  welches  die  Auflösung 
der  Landtage  und  die  unverzügliche  Veranstaltung  von  Neuwahlen  anordnete. 
Unter  solchen  Verhältnissen  erachtete  A.  es  »als  ein  Gebot  der  Ehre  und 
der  Pflicht«,  sich  neuerdings  um  das  Landtagsmandat  zu  bewerben,  das  er 
fui  den  Bezirk  Neunkirchen  abermals  erhielt.  Da  enthob  der  Kaiser  am 
7.  Februar  den  Grafen  Belcredi  seiner  Functionen  und  ernannte  den  Myiister 
des  Aeusseren,  Freiherm  von  Beust,  zum  Präsidenten  des  Ministerrathes.  Es  sei 
uns  gestattet y  hier  anknüpfend  zu  erwähnen,  dass  bereits  im  October  1864 
Graf  Rechberg  auf  seinem  Posten  eines  Ministers  der  auswärtigen  Angelegen- 
heiten durch  den  Grafen  Alexander  Mensdorff  ersetzt  worden  war.  Dieser 
war,  versichert  uns  A.  mit  voller  Bestimmtheit,  ein  Gegner  der  Sistirungs- 
politik,  des  Doppelkrieges  gegen  Preussen  und  Italien,  sowie  der  Abtretung 
Venedigs  an  Napoleon  III.  In  Betreff  Beust's  bedauerte  A.  auf  das  leb- 
hafteste, »dass  ein  Mann  in  das  Ministerium  berufen  wurde,  der  nach  seinem 
eigenen  Geständnisse  den  inneren  Verhältnissen  Oesterreichs  vollkommen 
fremd  gegenüberstand«.  Mit  der  ihm  eigenen  Offenheit  erklärte  A.  seinem 
neuen  Chef,  und  zwar  von  ihm  selbst  hierzu  aufgefordert,  zwei  Punkte  seien 
es  vor  Allem,  an  welche  ohne  Zeitverlust  Hand  angelegt  werden  müsse:  »der 
erste  bestand  in  der  entschiedenen  und  aufrichtigen  Beseitigung  der  Sistirungs- 
polidk,  in  der  Wiedereinführung  verfassungsmässiger  Zustände  und  in  treuem 


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Festhalten  an  denselben.  Der  zweite  aber,  in  dem  ernsten  und  unausgesetzten 
Bestreben,  mit  Ungarn  einen  dauernden  Ausgleich  auf  der  Grundlage  von 
Bestimmungen  zu  Stande  zu  bringen,  welche  dem  Gesammtstaate  Oesterreich 
wesentlich  günstiger  wären  als  diejenigen,  die  in  den  verschiedenen,  grössten- 
theils  von  dort  herrührenden  Staatsschriften  enthalten  seien.«  Hinsichtlich 
des  ersten  Punktes  erklärte  sich  Beust  mit  A.  einverstanden.  Was  den  zweiten 
betrifft,  wobei  sich  A.  auf  Seite  derer  stellte,  »welche  auch  fiir  die  Zukunft 
einen  Gesammtstaat  Oesterreich  erhalten  wissen  wollten,  innerhalb  dessen 
Ungarn  eine  abgesonderte  Stellung  einnehmen  könne«,  konnte  A.  in  Bälde 
zur  Ueberzeugung  gelangen,  dass  seine  Auseinandersetzungen  Beust  keines- 
wegs zusagten.  Aber  dieser  unterbrach  in  seiner  echt  sächsischen  Höflichkeit 
A.  nicht,  der  erst  dann  das  Gespräch  abbrach,  als  er  merkte,  er  dürfe  Beust's 
Geduld  nicht  länger  in  Anspruch  nehmen. 

Als  die  Landtage  zusammentraten,  legte  ihnen  die  Regierung  ein  Rescript 
vor,  kraft  dessen  die  Sistirungspolitik  und  mit  ihr  die  Einberufung  eines 
aussergewöhnlichen  Reichsrathes  vollständig  fallen  gelassen  wurde.  Bios  die 
Wahlen  für  den  legalen  Reichsrath  sollten  vorgenommen  werden.  Im  nieder- 
österreichischen Landtag  selbst  besassen  in  Folge  der  während  der  Periode 
Belcredi  stattgehabten  Neuwahlen  nach  beiden  Seiten  hin  die  extremen  Rich- 
tungen eine  stärkere  Vertretung  als  früher.  Trotz  dieser  Aenderung  wurde 
A.  abermals  in  den  Landesausschuss  entsendet.  In  seiner  Selbstbiographie 
geht  A.  auf  die  Agenden  dieser  sehr  kurzen  Landtagssession  ebensowenig  ein, 
wie  auf  die  Verhandlungen  des  Reichsrathes.  Er  hätte  zwar  gewünscht,  dass 
Regierung  und  Reichsrath  etwas  weniger  nachgiebig  gegen  die  Forderungen 
der  Ungarn  gewesen  wären.  »Nachdem  aber  einmal«  —  lesen  wir  dort  — 
»der  Ausgleich  auf  der  Basis  des  Dualismus  und  der  staatlichen  Selbständig- 
keit Ungarns  auf  gesetzlichem  Wege  zu  Stande  kam,  darf  man  auf  beiden 
Seiten  nichts  anderes  thun,  als  gewissenhaft  an  ihm  festhalten.« 

So  wie  A.'s  Stellung  im  wissenschaftlichen  Leben  durch  die  Ernennung 
zum  Director  des  Staatsarchivs  und  später  durch  die  Wahl  zum  Präsidenten 
der  Akademie  der  Wissenschaften  die  rechte  Weihe  erhielt,  so  wurde  ihm 
auch  als  Politiker  die  glänzendste  Auszeichnung  zu  Theil,  als  ihn  der  Kaiser 
1869  in  das  österreichische  Herrenhaus  berief.  »Wer  sich  das  Ansehen, 
welches  zu  jener  Zeit  das  Herrenhaus  in  Anbetracht  seiner  maassvoU  frei- 
sinnigen, echt  staatsmännischen  Haltung  besass,  wer  sich  die  Summe  von 
Talenten  nicht  allein,  sondern  von  Charakteren  vergegenwärtigt,  über  die  es 
in  so  reichem  Maasse  verfügte,  der  wird  wohl  begreifen,  dass  es  mich  ebenso 
mit  Stolz  wie  mit  Freude  erfüllte,  von  nun  an  dieser  glanzvollen  Versammlung 
anzugehören  und  im  Schoosse  derselben  an  den  Berathungen  über  die  wich- 
tigsten Angelegenheiten  meines  Vaterlandes  regen  Antheil  nehmen  zu  dürfen. 
Aber  nicht  nur  die  achtunggebietende  Stellung  des  Herrenhauses  und  die 
Hoffnung,  dort  eine  nicht  ganz  unfruchtbare  Thätigkeit  entwickeln  zu  können, 
gereichten  mir  zur  Freude;  in  kaum  geringerem  Masse  trug  hierzu  auch  die 
Genugthuung  bei,  einer  Körperschaft  anzugehören,  welche,  wie  dies  auch 
jetzt  noch  geschieht,  ihre  Verhandlungen  in  jener  urbanen,  rücksichtsvollen 
und  leidenschaftslosen  Form  zu  führen  gewohnt  ist,  die  der  Würde  der  ersten 
politischen  Corporation  des  Reiches  allein  entspricht.«  Im  Herrenhause  sah 
ihn  die  Linke  stets  auf  seinem  Platze  und  stets  bereit,  mit  den  Wortfiihrem 
der  feudal-klerikalen  Partei  die  Waffen  zu  kreuzen.  So  trat  er  ganz  entschieden 
für  die  Aufhebung  des  Concordates  ein,  wogegen  der  Cardinal-Fürsterzbischof 


Ritter  von  Ameth. 


145 


Rauscher  —  am  10.  April  1874  —  erklärte,  dass  es  noch  giltig  und  rechts- 
kräftig sei.  A.  widerlegte  dies  in  einer  Rede,  in  der  er  der  Hierarchie  das 
Recht  bestritt,  sich  selbst  immer  als  die  Kirche  zu  betrachten.  Er  erinnerte 
den  Kirchenfürsten  an  dessen  eigenen  Ausspruch,  der  Clerus  habe  sich  fem 
zu  halten  von  politischen  Agitationen.  Als  es  sich  um  die  Errichtung  der 
tschechischen  Universität  handelte  und  ein  Mitglied  des  Hauses  in  tschechischem 
Sinne  sprach  und  den  Gedanken  einer  Versöhnung  laut  werden  Hess,  da  er- 
hob sich  A.,  um  ihm  die  bedeutungsvollen  Worte  zuzurufen:  »Wenn  fort- 
während von  Versöhnung  gesprochen  wird,  so  ist  das  nicht  zutreffend.  Die 
Versöhnung  setzt  Feindschaft  voraus  und  wir  sind  keine  Feinde,  sondern 
politische  Gegner.  Wenn  es  da  zu  einer  Versöhnung  käme,  dann  müssten 
die  mannhaften  politischen  Ueberzeugungen  abdiciren.«  Nicht  blos  bei  diesem 
Anlass  gelangten  die  männliche  Gesinnung  und  der  unerschütterliche  Charakter 
A.'s  so  recht  zum  Ausdruck.  Ein  Jahr  später  hatte  sich  das  Herrenhaus 
mit  dem  Liechtenstein' sehen  Schulantrag  und  mit  der  Schulnovelle  zu  be- 
fassen. A.  war  Berichterstatter,  welches  Amt  er  jedoch  niederlegte,  als  es 
hiess,  die  Regierung  wolle  Neuwahlen  für  die  Schulcommission  erzwingen, 
um  die  Vorlage  in  irgend  einer  Form  durchzubringen. 

Selten  erhob  A.  im  Herrenhaus  seine  Stimme;  wenn  es  aber  der  Fall 
war,  dann  geschah  es  um  einer  guten  Sache  willen.  So  trat  er  am  20.  Mai 
1890  Jaworski  entgegen,  der  im  Abgeordnetenhaus  behauptet  und  sich  dabei 
auf  ihn  selbst  berufen  hatte,  Galizien  sei  unter  Maria  Theresia  und  Joseph  11. 
von  den  österreichischen  Beamten  ausgesaugt  worden.  »Man  war  in  Wien 
bestrebt«  —  so  Hess  sich  A.  vernehmen  —  »das  beste  Beamtenmaterial,  sowohl 
in  seinen  unteren  wie  oberen  Instanzen,  nach  Galizien  zu  entsenden.  Schon 
die  Auswahl  des  ersten  Gouverneurs,  des  Grafen  Johann  Anton  Perger,  wurde 
auf  die  Goldwaage  gelegt.  Ich  will  aber  recht  gern  zugestehen,  dass  er  nicht 
energisch  genug  war,  um  den  Augiasstall,  den  fürchterlichen  Zustand,  in 
welchem  er  das  Land  traf,  in  welchem  es  seit  der  Republik  und  nicht  allein 
durch  das  Verschulden  der  Republik,  sondern  auch  durch  das  Verschulden 
der  polnischen  Conföderation  gerathen  war,  zu  säubern.« 

So  zeichneten  A.  als  Historiker  und  als  Politiker  die  gleiche  patriotische 
Gesinnung,  das  gleiche  treue  Festhalten  an  glorreichen  Ueberlieferungen  aus, 
und  jederzeit  trat  er,  in  Wort  und  Schrift,  für  Oesterreichs  Ehre  und  Macht- 
stellung auf  den  Kampfplatz,  für  die  Stärkung  der  Einheitsidee  auf  constitu- 
tioneller  Grundlage,  für  die  Porderung  von  Unterricht  und  Bildung  in  liberalem 
Sinne  und  für  die  Vertheidigung  des  Staates  gegen  die  Bevormundung  durch 
die  Kirche.  Aber  blutenden  Herzens  sah  A.  am  Abend  seines  Lebens,  dass 
auch  die  Sonne  seiner  Ideale  unterging.  Der  Einfluss  des  Clerus  drang  in 
ein  Gebiet,  das  ausserhalb  des  Machtbereichs  der  Kirche  lag,  die  Fluthen 
des  Antisemitismus  ergossen  sich  über  die  Gefilde  josephinischer  Aufklärung, 
und  an  der  festesten  Säule  des  Reiches  wurde  gerüttelt  —  das  deutsche 
Volk  in  seinem  Besitzstand  bedroht.  Da  suchte  er  Trost  in  der  Erfüllung 
einer  edlen  Sendung,  indem  er  an  die  Spitze  eines  Vereins  trat,  der  es  sich 
zur  Aufgabe  gemacht  hatte,  das  geistige  Niveau  der  untersten  Klassen  zu 
heben.  So  wie  A.  als  Direktor  des  Staatsarchivs,  als  Präsident  der  kaiser- 
lichen Akademie  der  Wissenschaften  die  Gelehrtenwelt  zu  fördern  suchte,  so 
wollte  er  als  Präsident  des  Volksbildungsvereins,  dass  mit  der  gesteigerten 
Erkenntniss  auch  die  politische  Reife  vorbereitet  und  das  Volk  in  seiner  Ge- 
sammtheit  zu  einer  höheren  Auffassung  der  Dinge  befähigt  werde.     In  einem 

Biogr.  Jahrb.  u.  Deutseber  Nekrolog.  2.  Bd.  I  o 


1^6  Ritt^  von  Ameth.     Praas. 

Alter,  das  ihn  wohl  berechtigt  hätte,  sich  von  allen  Geschäften  zurückzuziehen, 
stellte  er  den  Glanz  seines  Namens  in  den  Dienst  der  wissensdurstigen  Menge. 
Er  war  ein  Christ  im  wahrsten  Sinne  des  Wortes;  nie  fehlte  er  Sonntags  in 
der  Kirche,  wo  er,  nicht  um  den  äusseren  Schein  zu  wahren,  sondern  fromm 
und  vertrauensvoll  zu  Gott  betete;  aber  mit  Abscheu  wendete  er  sich  von 
solchen  Priestern  ab,  die  ihr  heiliges  Amt  missbrauchten,  um  aus  Parteirück- 
sichten das  Volk  in  seiner  Unwissenheit  zu  erhalten  und  es  darin  zu  be- 
stärken. Ungezählt  sind  die  stillen  Wohlthaten,  die  er  im  Leben  seinen 
Nächsten  erwies  und  noch  über  das  Grab  hinaus  über  seine  Schützlinge  aus- 
streute. Kein  Makel  haftete  an  seiner  Seele,  die  so  treu  und  gütig  aus 
blauen  Augen  blickte,  aus  dem  Wohlklang  seiner  Stimme  tönte,  dass  keiner, 
ob  Hoch,  ob  Nieder,  einmal  in  seine  Nähe  gerückt,  dem  Zauber  zu  wider- 
stehen vermochte,  der  in  seinem  Wesen  lag.  Für  die  Herzensgüte  des  Ver- 
blichenen und  für  seine  Sanftmuth  möge  auch  folgendes  sprechen.  Trotz  den 
unsäglichen  Schmerzen,  von  denen  er  in  den  letzten  Tagen  seines  Lebens 
heimgesucht  war,  zeigte  er  sich  nie  mürrisch,  sondern  gottergeben  ertrug  er 
seine  Qualen.  Und  als  eines  Morgens  seine  treue  Pflegerin  Therese  Gschwandtner 
in  Thränen  ausbrach  und  schluchzend  rief:  »Wie  war'  es  mir  leichter  um's 
Herz,  thäten  mich  Excellenz  so  recht  ausschelten,  sobald  die  Schmerzen 
kommen«,  da  lächelte  der  edle  Greis  und  sprach:  »Was  können  denn  die 
Anderen  dafür,  dass  ich  leide?  Soll  ich  es  sie  entgelten  lassen?«  Wohl  kann 
von  ihm  gesagt  werden,  was  Goethe  den  Manen  Schiller's  nachrief: 

Und  hinter  ihm  im  wesenlosen  Scheine 
Lag,  was  uns  alle  bändigt,  das  Gemeine. 

Quellen:  Ameth,  Aus  meinem  Leben.  2  Bde.  1893.  —  Nekrologe:  A.  Dove, 
Beilage  zur  AUgem.  Ztg.  August  1897.  —  Alfred  Stern,  Die  Nation  No.  50,  11.  September 
1897.  —  Eduard  Wertheimer,  Revue  historique  1897.  —  Franz  Zweybrück,  Monatsblätter 
des  wissenschaftlichen  Club  in  Wien.  XIX.  Jahrgang,  No.  2.  —  Hans  von  Zwiedineck, 
Deutsche  Zeitschrift  fttr  Geschichtswissenschaft^  N.  F.  1897.  —  Von  Porträts  seien 
genannt:  Canon  (Eigenthum  des  StaatsarchiTs).  L'Allemand  (Eigenthum  der  Baronin 
von  Eiseisberg,  geb.  Ameth).  Schmidt.  Michalek.  Büste  von  PessL  Medaille  von  Anton 
Scharff). 

Dr.  Hanns  Schlitter. 

FraaSy  Oskar  (von),  Dr.,  Naturforscher,  ♦  am  17.  Januar  1824  zu  Lorch 
in  Württemberg  (Oberamt  Welzheim),  f  am  22.  November  1897  zu  Stuttgart, 
in  erster,  am  27.  August  1850  zu  Balingen  geschlossener  Ehe  mit  Fanny 
Sayle,  in  zweiter  (Leonberg  4.  August  1866)  mit  Anna  Theurer  vermählt.  — 
Die  Familie  F.  wanderte  Ende  des  17.  Jahrhunderts  aus  Tirol  nach  Württem- 
berg ein;  die  Neigung  zu  den  Naturwissenschaften  soll  von  alters  her  in  ihr 
heimisch  gewesen  sein.  Auch  bei  dem  jungen  Oskar  trat  sie  frühzeitig  her- 
vor. Trotzdem  wurde  er  für  den  theologischen  Stand,  dem  Grossvater  und 
Vater  angehörten,  bestimmt.  Nachdem  er  auf  der  Göppinger  Lateinschule 
fUr  das  Landexamen  vorbereitet  worden  war,  besuchte  er  das  niedere  Seminar 
Blaubeuren  und  dann  das  Tübinger  Stift.  Ohne  sein  Berufsstudium  zu  ver- 
nachlässigen, erübrigte  er  doch  Zeit,  um  seinen  naturhistorischen  Liebhabereien 
nachzugehen.  Schon  als  Seminarist  beschäftigte  er  sich  eingehend  mit  der 
Flora  von  Blaubeuren  und  führte  manchen  schönen,  selbst  gefundenen  Am- 
moniten  der  bedeutenden  Sammlung  seines  Vaters  zu.  Als  Tübinger  Student 
hörte  er  bei  dem  damals  noch  jugendlichen  Quenstedt  Geologie  und  wurde 
ganz  für  diese  Wissenschaft  begeistert.  Mit  einer  gcognostischen  Aufnahme 
der  Umgebung  von  Tübingen  trug  er  einen  akademischen  Preis  davon.    Bald 


Fraas. 


M7 


verband  innige  Freundschaft  Lehrer  und  Schüler,  sie  unternahmen  zusammen 
grosse,  originell  ausgeführte  Exkursionen  weit  über  die  Grenzen  Württembergs 
hinaus,  in  die  Alpenwelt,  nach  Oberitalien  und  Südfrankreich.  Nachdem  F. 
sein  Examen  bestanden  hatte,  that  er  bei  seinem  Vater,  damals  Dekan  in 
Balingen,  Vikarsdienste,  nahm  jedoch  dazwischen  hinein  1847  einjährigen  Auf- 
enthalt in  Paris,  um  die  Ecole  des  mines  zu  besuchen  und  seine  geologischen 
Studien  fortzusetzen,  und  bereiste  auch  die  Normandie  und  England.  1850 
bis  1854  wirkte  er  als  Pfarrer  in  Laufen  a.  d.  Eyach  (Oberamt  Balingen),  wo 
er  sich  einen  eigenen,  bald  durch  zahlreiche  Nachkommenschaft  belebten 
Hausstand  gründete.  Das  Sammeln  von  Versteinerungen,  wozu  die  noch 
wenig  ausgebeutete  Balinger  Gegend  besonders  günstige  Gelegenheit  bot, 
wurde  eifrig  fortgesetzt;  F.  zog  die  Mitglieder  seiner  Gemeinde  dazu  heran, 
die  sich  auf  diese  Weise  in  den  damaligen  Hungerjahren  manches  Stück  Geld 
verdienten.  Das  Laufener  Pfarrhaus  aber  wurde  für  Sammler  und  Forscher 
aus  Nah  und  Fem  ein  viel  besuchter  Anziehungspunkt.  Der  wachsende  geo- 
logische Ruf  des  Pfarrherm  lenkte  die  Blicke  der  maassgebenden  Kreise  auf 
ihn.  Er  wurde  1854  als  Konservator  für  die  geologischen  und  mineralogi- 
schen Abtheilungen  an  das  Stuttgarter  Naturalienkabinet  berufen,  zunächst  in 
der  bescheidenen  Stellung  eines  Hilfsarbeiters,  aber  allmählich  von  Stufe  zu 
Stufe  bis  zum  Vorstand  der  Anstalt  emporsteigend.  Nachdem  noch  sein 
70.  Geburtstag  festlich  begangen  worden  war,  trat  er  April  1894  in  den  blei- 
benden Ruhestand.  Nicht  mehr  im  Vollbesitze  seiner  geistigen  und  körper- 
lichen Kräfte,  verbrachte  er  den  Rest  seines  Lebens  still,  aber  heiteren  Ge- 
müths,  bis  ihn  ein  sanfter  Tod  abrief.  —  F.  hat  seine  besten  Kräfte  der 
Einrichtung  des  Stuttgarter  Naturalienkabinets  gewidmet.  Er  hat  die  geo- 
logischen und  mineralogischen  Sammlungen  dieser  Anstalt  auf  eine  bedeutende 
Höhe  gebracht  und  durch  die  seltensten  und  werthvollsten  paläontologischen 
und  sonstigen  Fundstücke  bereichert.  Zumal  den  vaterländischen  Saal  stattete 
er  in  glänzender  Weise  aus.  Wie  unermüdlich  durchpilgerte  und  durchforschte 
er  aber  auch  das  ganze  Land!  Seine  Erfolge  beschränkten  sich  nicht  auf 
das  geologische  Gebiet.  Es  gelang  ihm,  zahlreiche  Höhlen  zu  erschliessen, 
eine  prähistorische  Niederlassung  an  der  Schussenquelle  auszugraben.  Durch 
seine  fortgesetzten  Exkursionen  wurde  der  » Steiner -Fraas«  oder  »Höhlen- 
Fraascy  wie  ihn  der  Volksmund  nannte,  zu  einer  der  populärsten  Persönlich- 
keiten in  Schwaben.  Auch  seine  grossen  Studienreisen  kamen  ebenso  den 
ihm  anvertrauten  Sammlungen  als  der  Wissenschaft  im  Allgemeinen  zu  gut. 
1865/66  besuchte  er  Egypten,  die  Sinai-Halbinsel  und  Palästina,  1875  über- 
nahm er  im  Auftrage  des  Generalgouvemeurs  von  S}nien,  Rustem  Pascha,  die 
geologische  Untersuchung  des  Libanon,  1882  bereiste  er  Südfrankreich  und 
Spanien.  F.  betrachtete  es  nicht  bloss  als  seine  Aufgabe,  das  Naturalien- 
kabinet zu  vergrössem  und  zu  ordnen,  sondern  er  bemühte  sich  auch,  es  für 
die  weitesten  Kreise  nutzbar  zu,  machen,  auf  das  Volk  belehrend  wirken  zu 
lassen.  Trefflich  verstand  er  es,  in  allgemein  fasslicher  Weise  seine  Museen 
in  Wort  und  Schrift  dem  grossen  Publikum  vorzuführen.  Neben  seiner  haupt- 
sächlichen Wirksamkeit  entwickelte  der  vielseitige  Mann  sonst  noch  auf  zahl- 
reichen wissenschaftlichen  und  praktischen  Gebieten  rege  Thätigkeit,  überall 
einen  klaren  Blick  und  ein  sicheres  Urtheil  zeigend.  Er  war  seit  1859  Mit- 
glied der  Kommission  zur  Herstellung  eines  geognostischen  Atlas  von  Württem- 
berg, Begründer  und  langjähriger  Vorstand  des  württembergischen  anthro- 
pologischen Vereines,  seit  1872  Vorstandsmitglied  der  deutschen  Anthropolo- 

lO* 


148  Fraas.     tob  Haldenwang. 

gengesellschaft,  Mitvorstand  und  Redaktionsmitglied  des  Vereins  für  vater- 
ländische Naturkunde,  Mitglied  der  weiteren  Kommission  für  die  Verwaltung 
der  Staatssammlungen  vaterländischer  Kunst-  und  Alterthumsdenkmale.  Viele 
Jahre  lehrte  er  femer  den  Weinbau  an  der  benachbarten  Akademie  Hohen- 
heim,  wie  er  auch  als  langjähriger  Vorstand  des  Wtirttembergischen  Weinbau- 
vereins diesen  Erwerbszweig  förderte.  Ebenso  erwarb  er  sich  um  den  würt- 
tembergischen Eisenbahnbau  als  geognostischer  Konsul ent  der  Baukommission 
Verdienste.  1865  bis  1869  stand  er  an  der  Spitze  des  Stuttgarter  Gewerbe- 
Vereins.  Die  deutsche  Partei  zählte  ihn  zu  den  Ihrigen,  und  187 1  wurde  er 
in  den  hauptstädtischen  Gemeinderath  gewählt.  Ueberhaupt  fehlte  es  ihm  an 
vielfacher  Anerkennung  und  Auszeichnung  nicht,  denn  sein  Ruf  war  weit  über 
die  Grenzen  seiner  engeren  Heimat,  sogar  über  die  Deutschlands  hinaus- 
gedrungen. Orden  schmückten  ihn,  viele  gelehrte  Gesellschaften  machten  ihn 
zu  ihrem  Mitglied  oder  Ehrenmitglied;  noch  acht  Tage  nach  seinem  Tode 
traf  die  Ernennung  zum  correspondirenden  Mitglied  der  Geological  Society  of 
London  ein.  1894  überreichte  ihm  die  Tübinger  naturwissenschafüiche  Fa- 
kultät ihr  Ehrendoktordiplom.  Seine  literarischen  Werke  wurden  viel  gelesen, 
denn  er  verband  mit  Gediegenheit  und  Gründlichkeit  die  Gabe  lebendiger 
Darstellung  und  wusste  die  Ergebnisse  seiner  Studien  und  Reisen  auch  einem 
nicht  fachmännisch  gebildeten  Publikum  in  angenehmer  Form  zugänglich  zu 
machen.  Die  bedeutendsten  Schriften  F.'s  sind:  »Die  nutzbaren  Mineralien 
Württembergs«  1860,  »Vor  der  Sündfluth,  eine  Geschichte  der  Urwelt«  1864, 
»Die  geognostische  Sammlung  Württembergs«  1869,  »Die  Nördlinger  Schlacht« 
1869,  »Drei  Monate  im  Libanon«  1876,  »Württembergs  Eisenbahnen  mit  Land 
und  Leuten  an  der  Bahn«  1880,  »Geognostische  Beschreibung  von  Württem- 
berg, Baden  und  Hohenzollem«   1882,  »Reisebriefe  aus  dem  Süden«   1883. 

Schwäbische  Chronik  vom  22.  November  1897  (Abendblatt)  und    1.  December  1897 
.  (Mittwochsbeilage),   Neues  Tagblatt  vom  23.  November  1897,   Schwabenland  1898,  No.   i, 
Leopoldina  XXXIV  (1898)  Heft  l  (mit  einem  ausftihrlichen  Verzeichniss  der  Publikationen 
Fraas*).     Illustrirte  Zeitung  vom  9.  December  1897,  S.  810  f.  (mit  Porträt). 

Rudolf  Krauss. 

Haldenwang,  Otto  von,  württembergischer  General,  ♦  am  18.  August 
1828  zu  Buttenhausen  (Oberamt  Münsingen),  f  am  18.  April  1897  zu  Stutt- 
gart. —  Einem  Pfarrhaus  entstammt,  wurde  H.  in  der  Ludwigsburger  Kriegs- 
schule zum  Offizier .  herangebildet,  gehörte  seit  1848  als  Lieutenant  dem  drit- 
ten, dann  dem  ersten  württembergischen  Infanterie-Regiment  an  und  machte, 
1864  zum  Hauptmann  befördert,  in  letzterem  den  Feldzug  des  Jahres  1866 
mit.  Am  deutsch-französischen  Kriege  nahm  er  als  Major  und  Kommandeur 
des  I.  Infanterie-  (Grenadier-)  Regiments  Königin  Olga  theil,  war  in  den 
Schlachten  von  Wörth  und  Sedan  und  griff  in  die  Kämpfe  bei  Champigny 
und  Villiers  am  30.  November  und  2.  December  1870  in  einer  Weise  ein, 
die  seinem  Namen  ein  bleibendes  Andenken  in  der  Geschichte  jenes  Krieges 
gesichert  hat.  Nachdem  am  30.  November  beim  AngriflFe  des  i.  Regimentes 
auf  die  Höhe  des  Jägerhauses  Oberst  von  Berger  gefallen  war,  übernahm  H. 
das  Kommando.  Ueberzeugt  von  der  Unmöglichkeit,  bei  der  starken  Ueber- 
zahl  des  Feindes  den  Vorstoss  durchzuführen,  ordnete  er  den  Rückzug  nach 
dem  Parke  von  Coeuilly  an.  Die  Parkmauer  wurde  besetzt,  und  von  hier 
aus  überschüttete  ein  verheerendes  Schnellfeuer  den  in  dichten  Haufen  nach- 
drängenden Feind,  dessen  Vormarsch  bald  zum  Stehen  gebracht  und  in  Flucht 
verwandelt   wurde.     Auch    am   2.  December  wirkte  H.  durch  seine  Gefechts- 


von  Haldenwang.     Hecker.  140 

leitung  im  Parke  von  Villiers  zum  Erfolge  des  Tages  mit.  Seine  entschlossene 
und  umsichtige  Haltung  wurde  durch  Verleihung  des  Militärvcrdienstordens 
und  eisernen  Kreuzes  erster  Klasse  belohnt.  Nach  Beendigung  des  Feldzuges 
rückte  er  der  Reihe  nach  zum  Oberstlieutenant,  Regimentsführer  des  3.  In- 
fanterie-Regiments No.  121,  Kommandeur  des  8.  Regin^fnts  No.  126  in 
Strassburg  und  Obersten  vor.  1883  wurde  er  als  Generalmajor  zum  Kom- 
mandeur der  24.  Infanteriebrigade  in  Neisse,  1887  als  Generallieutenant  zum 
Kommandeur  der  27.  Division  in  Ulm  befördert.  1890  nahm  er  seinen  Ab- 
schied, den  er  unter  Anerkennung  seiner  treuen  und  vorzüglichen  Dienste  mit 
dem  Titel  eines  Generals  der  Infanterie  erhielt.  1892  fiel  ihm  der  Posten 
eines  Vorstandes  des  Verwaltungsrathes  der  wtirttembergischen  Invalidenstiftung 
zu.  .Am  30.  November  1895  wurde  H.,  der  sich  natürlich  im  Besitze  zahl- 
loser Orden  und  Ehrenzeichen  befand,  zur  fünfundzwanzigjährigen  Gedenkfeier 
des  Ruhmestages  von  Coeuüly  in  den  erblichen  Adelstand  des  Königreiches 
erhoben.  Er  starb  an  einem  Herzschlage  nach  längerer  Krankheit.  Der  ein- 
fache, gerade  und  wohlwollende  Mann,  der  an  schwäbischer  Art  zeidebens 
festhielt,  durfte  sich  grosser  Beliebtheit  bei  Vorgesetzten,  Kameraden  und 
Untergebenen  und  auch  in  Civilkreisen  erfreuen.  Er  war  mit  Pauline  Eschen- 
mayer vermählt;  fünf  dieser  Ehe  entsprossene  Söhne  bekleiden  Stellungen  in 
der  württembergischen  Armee. 

Nekrologe  in  Schwäbischer  Chronik  vom  20.  April  1897  (Mittagsblatt),  Staatsanzeiger 
für  Württemberg  und  Stuttgarter  Neuen  Tagblatt  vom  selben  Tag.  Auf  dem  grossen  Ge- 
mälde von  Otto  Faber  du  Faur,  das  den  Kampf  um  den  Park  von  Coeuilly  darstellt  (Kgl. 
Staatsgalerie  Stuttgart),  ist  H.  mit  voller  Porträttreue  verewigt. 

Rudolf  Krauss. 

Hecker,  Karl,  Novellist,  •  am  23.  November  1845  in  Ulm  (nicht  Ess- 
lingen), t  am  18.  November  1897  in  Stuttgart.  —  Der  Vater  H.'s  war  Rechts- 
konsulent in  Ulm,  später  in  Esslingen  und  Stuttgart.  Den  humanistischen 
Lehranstalten  der  beiden  zuletzt  genannten  Städte  verdankte  der  aufgeweckte 
und  heiter  veranlagte  Knabe  seine  erste  Ausbildung.  Da  ihn  die  militärische 
Laufbahn  verlockte,  trat  er  1861  in  die  damals  noch  bestehende  Königlich 
württembergische  Kriegsschule  zu  Ludwigsburg  ein.  H.'s  martialischen  Nei- 
gungen liefen  bald  poetische  den  Rang  ab:  seine  Mussestunden  benutzte  er 
dazu,  »Des  Trompeters  von  Säkkingen  letztes  Stück«,  eine  zwölf  Gesänge  lange 
Fortsetzung  zu  Scheffel's  berühmtem  Werke,  zu  dichten;  ja  der  Kadett  fand 
sogar  den  Muth,  seine  Erstlingsschöpfung  durch  einen  Mittelsmann  dem  Mei- 
ster vorzulegen,  der  sich  in  einem  längeren  Schreiben  anerkennend  und  auf- 
munternd darüber  äusserte  (vergl.  Vom  Fels  zum  Meer,  15.  Jahrgang,  5.  Heft, 
S.  208—211).  Doch  blieb  H.  vorerst  noch  dem  Soldatenstande  treu  und 
uiirde  1865  Lieutenant  in  dem  zu  Ludwigsburg  garnisonirenden  i.  Reiter- 
Regiment  König  Karl,  später  ebendaselbst  im  i.  württembergischen  Dragoner- 
Regiment  (Königin  Olga)  No.  25,  dem  er  für  den  Rest  seiner  Dienstzeit  an- 
gehörte. Er  machte  die  Feldzüge  von  1866  und  1870/71  mit.  In  Frankreich 
verfasste  er  eine  stattliche  Reihe  Kriegsbilder,  die  namentlich  im  Schwäbischen 
Merkur  erschienen  und  ihrer  frischen,  charakteristischen  Art  wegen  gerne  ge- 
lesen wurden.  Auch  nach  der  Beendigung  des  Krieges  setzte  H.  seine  litera- 
rische Thätigkeit  fort.  Seine  humoristischen  Skizzen  und  Erzählungen  aus 
dem  Offiziersleben  wurden  in  den  bedeutendsten  Blättern  abgedruckt  und 
machten  ihn  bald  zu  einem  beliebten  Autor,  sollen  ihm  jedoch  von  Seiten 
seiner  Vorgesetzten    mancherlei  Verdriesslichkeiten    zugezogen  haben.     Nach- 


15° 


Hecker. 


dem    er    schon  1878  zum  Rittmeister  befördert  worden  war,  erhielt  er  1888 
mit  dem  Charakter  eines  Majors  und  dem  Rechte,  Uniform  zu  tragen,  seinen 
ehrenvollen  Abschied.    Jetzt  konnte  er  ganz  seinem  schriftstellerischen  Talente 
leben.     Er  nahm   zunächst  einjährigen  Aufenthalt  in  Berlin  und  trat  dann  in 
die  Dienste  der  gtuttgarter  Verlagsgesellschaft  Union  als  Redakteur  der  Zeit- 
schrift Vom  Fels  zum  Meer.    Diese  Thätigkeit  nahm  ihn  so  stark  in  Anspruch, 
dass  er  für  grössere  selbständige  Schöpfungen  nur  noch  wenig  Müsse  erübrigte. 
Die  Ausarbeitung   von   mancherlei  Entwürfen,  die  seinen  Geist  beschäftigten, 
sparte  er  sich  für  spätere  ruhigere  Zeiten  auf.     Es  sollte  ihm  nicht  mehr  so 
gut    werden.     Von    einem  Herbstausfluge    nach  den  Ufern  der  Mosel  war  er 
mit  einer  Magenverstimmung  heimgekehrt,  der  man  um  so  weniger  ernsthafte 
Folgen  beimaass,  als  seine  Gesundheit  unverwüstlich  schien.    Das  Uebel  ver- 
schlimmerte sich  jedoch  und  zog  sich  auf  das  Herz.     H.  sah  sich  genöthigt, 
ein  Spital  zu  beziehen,  eine  schwere  Magenblutung  kam  hinzu,  und  führte  ein 
rasches  Ende  herbei.    H.  war  eine  in  Stuttgart  bekannte  und  in  der  guten  Ge- 
sellschaft wohl  gelittene  Persönlichkeit.     Ein  flotter  Junggeselle,   der,  soweit 
es  mit  der  Erfüllung  seiner  Pflichten  sich  vereinigen  Hess,  sein  Leben  genoss, 
hatte  er  selbst  etwas  von  dem  militärischen  Schwerenöther  an  sich,  den  er  so 
köstlich  zu  schildern  verstand.     Er  war  ein  geistreicher,    witziger  Kopf,    und 
knauserte  mit  seinen  Talenten  nicht    Gesellige  Kreise  hiessen  stets  den  lebens- 
frohen Mann  willkommen,  der  sich  so  sicher  zu  bewegen  wusste,  der  so  treff- 
lich plauderte  und  erzählte,  scherzte  und  spottete.    Von  den  näheren  Freunden 
und  Kollegen    wurde    er    noch    besonders  seiner  guten  Herzenseigenschaften 
wegen  geschätzt.    Den  schriftstellerischen  Ruf  H.'s  hat  das  1887  erstmals  er- 
schienene,   in    vielen  Tausenden    verbreitete  Buch  »Aus  den  Memoiren  eines 
Lieutenants«  begründet.     Hackländer  war  sein    unverkennbares  Vorbild,    und 
bei  Karl  Krabbe,    dem  Verleger   jenes,    erschienen  auch  alle  seine  Schriften, 
die  H.  Albrecht,  H.  Schlittgen  und  andere  reizend  illustrirt  haben.    H.  bewährt 
sich  schon  in  seinem  Erstlingswerk  als  Meister  auf  dem  freilich  eng  begrenz- 
ten Gebiete,    das    er    sich    zur  Behandlung    auserkoren  hat.     Er  schildert  in 
humoristischen  Novellen  und  Skizzen  das  deutsche  Offiziersleben  der  Gegen- 
wart mit  seinen  Vorzügen  und  Schatten,  seinen  ernsthaften  und  lächerlichen 
Seiten    auf   ebenso    unterhaltende  als  zuverlässige  und  darum  kulturhistorisch 
werthvolle  Weise.     Alles    beruht    auf  eigener  Beobachtung.     Das  Recht  der 
Uebertreibung,  das  der  satirische  Sittenschilderer  von  jeher  gehabt  hat,  nimmt 
natürlich  auch  H.  für  sich  in  Anspruch,  ohne  dass  dadurch  die  Treue  seiner 
Porträts    im  Allgemeinen    noth  leidet.     Er  ist  ein  gewandter,  flotter,  frischer, 
von  Witz  sprühender  Erzähler,  der  nur  mitunter  das  Niveau  seiner  Darstellung 
dadurch    herabdrückt,    dass    er    auch  jener  niedersten  Sorte  von  Witzen,  die 
man  als  Kalauer  zu  bezeichnen  pflegt,  nicht  aus  dem  Wege  geht.    i888  folgte 
die  mehr  sentimental  gehaltene  Erzählung  »Das  Kasemenblümchen«,  1889  die 
Novellensammlung  »Casino-Geschichten«  sowie  die  beiden  Erzählungen  »Blaue 
Husaren«  und  »Spiele  nicht  mit  Schiessgewehren!«  (in  einem  Bande  zusammen), 
1893  »Im  alten  Schloss  und  andere  Erzählungen«.     Einen  eigentlichen  Fort- 
schritt bedeuten  alle  diese  Erzeugnisse  den  Memoiren  eines  Lieutenants  gegen- 
über kaum.    H.  bewegt  sich  überall  in  der  gleichen  Sphäre,  nur  zieht  er  jeUt 
auch  mitunter  die  Tragik  des  Offizierlebens  in  den  Kreis  seiner  Schilderungen, 
die   dann   mit  Duell  oder  Selbstmord   zu  enden  pflegen.     Nicht  durch  Erfin- 
dungsgabe,   die    sich    in  seinen  Novellen  selten  über  das  Durchschnittsmaass 
erhebt,    sondern    durch  hübsche  Einkleidung  und  Ausführung  erzielt  er  seine 


Hecker.     Zimmennann. 


151 


Erfolge.  Gerade  wenn  er  sich  bemüht,  etwas  Ausserordentliches  zu  bieten, 
besonders  poetisch  oder  gar  symbolisch  zu  werden,  scheitert  seine  Kunst  am 
leichtesten.  Doch  nimmt  in  seinem  letzten  Buche  seine  Phantasie  ein  paar- 
mal mit  Glück  einen  höheren  Schwung,  so  in  der  artigen  Märchennovelle 
»Im  alten  Schloss«  und  in  der  »Geschichte  eines  Briefes«,  wo  ein  eigenartiger 
Einfall  kunstvoll  durchgeführt  ist.  Auch  unter  den  niemals*  gesammelten  Ge- 
dichten H.*s  findet  sich  manches  ansprechende  Stück. 

Schwäbiscbe  Rronik  vom  x8.  November  1897  (Abendblatt)  und  sonstige  Zeitungs- 
notizen, Vom  Fels  zum  Meer  17.  Jahrgang,  9.  Heft,  S.  386  f.  (mit  Bildniss),  Leichenrede 
(mit  Nachrufen),  Franz  Brummer,  Lexikon  der  deutschen  Dichter  und  Prosaisten  des  neun- 
zehnten Jahrhunderts,  4.  Ausgabe,  11,  S.  115.  In  dem  Lieutenant  Rosen  in  »Spiele  nicht 
mit  Schiessgewehren  I«  hat  sich  H.  offenbar  selbst  gezeichnet  (vergl.  namentlich  die  Charak- 
teristik auf  S.  136). 

Rudolf  Krauss. 

Zimmermann,  Josef  Andreas,  Präsident  des  evangel.  Oberkirchenrathes 
in  Wien,  *  am  2.  Dezember  18 10  in  Schässburg  in  Siebenbürgen,  f  am 
i8.  Mai  1897  in  Hermannstadt.  —  Z.  war  ein  Siebenbürger  Sachse,  geboren 
am  2.  Dezember  18 10  in  Schässburg  im  Sachsenland  in  Siebenbürgen.  Nach 
Absolvirung  des  Schässburger  Gymnasiums,  das  unter  (dem  spätem  Bischof) 
G.  P.  Binder  eine  schöne  Blüthe  erreichte,  dem  insbesonders  auch  Z.  die 
tiefsten  Anregungen  verdankte,  besuchte  er  in  Klausenburg  die  Vorlesungen 
am  kgl.  Lyceum,  dann  am  ref.  Collegium,  wo  er  die  juridisch-politischen 
Studien  1832  mit  Auszeichnung  absolvirte.  Von  1832 — 35  beim  Gubemium 
in  Klausenburg  im  Dienst,  wurde  er  beim  Magistrat  in  Schässburg  angestellt, 
gi"g  1838  nach  Vasarhely,  um  bei  der  Gerichtstafel  die  Gerichtspraxis  zu 
erlernen.  Dort  arbeitete  er  auch  eifrig  in  der  Telekischen  Bibliothek  und 
vermehrte  seine  schon  reichen  Kenntnisse  der  vaterländischen  Geschichte. 
Im  Jahre  1839  wurde  er  als  Lehrer  des  Rechts  an  das  Hermannstädter  Gym- 
nasium berufen,  von  wo  er  1844  ^^  ^i^  neugegründete  juridische  Facultät 
in  Hennannstadt  überging. 

Die  Gründung  dieser  Facultät  war  ein  Zeichen  des  neuerwachten  politischen 
und  geistigen  Lebens  unter  den  Siebenbürger  Sachsen.  Im  Zusammenhang  mit 
den  Vorgängen  in  Ungarn  empfand  man  auch  in  Siebenbürgen  das  Bedürfniss, 
den  Kampf  um  die  von  der  Regierung  allseitig  verletzte  Verfassung  aufzu- 
nehmen, insbesonders  auch  unter  den  Sachsen  die  Nöthigung,  angesichts  der 
steigenden  Forderungen  der  Magyaren  und  der  Vorsorge  für  ihre  Nationalität 
fiir  die  Entwickelung  des  eigenen  deutschen  nationalen  Lebens  zu  sorgen. 
Eine  grosse  Regenerationsarbeit  begann,  die  jene  Stärkung  ins  Auge  fasste. 
Vereine  auf  allen  Gebieten  nahmen  die  Kräfte  zusammen  und  die  Facultät 
sollte  dazu  dienen,  der  Nation  geschulte  Juristen  zu  erziehen,  die  das  Herz 
auf  dem  rechten  Fleck  geeignet  wären,  im  politischen  Kampf  die  nationalen 
Rechte  zu  vertheidigen.  Denn  im  Grunde  stand  die  ganze  Bewegung  und 
die  ganze  Arbeit  jener  Jahre  unter  dem  politischen  Zeichen. 

Z.  ist  ein  Hauptträger  dieser  Credanken  gewesen.  Er  war  es,  der  das  alte 
siebenbürgische  Staatsrecht  aus  den  verstaubten  Gesetzbüchern  wieder  ans  Licht 
des  Tages  zog,  der  das  sächsische  Volk  lehrte,  das  alte  Recht  auch  als  einen 
Schutzwall  für  die  eigene  nationale  Entwickelung  anzusehn.  In  der  Hermann- 
städter Stadtvertretung  und  auf  dem  siebenbürgischen  Landtag  trat  er  für  die 
freiheitiiche  Entwickelung  gegen  die  verzopfte  Bureaukratie  des  herrschenden 
Beamtenthums  auf,  stellte  in  der  Publizistik  seinen  Mann  und  war  einer  der 


152 


ZimmermanD. 


Vordersten,  die  der  Nation  das  alte  Recht  zurückeroberten,  sich  den  Comes 
(Nationsgrafen)  frei  zu  wählen.  Als  1848  die  Revolution  ausbrach,  die  in 
Ungarn  und  Siebenbürgen  von  Seiten  der  Magyaren  als  eine  Forderung  die 
Union  Siebenbürgens  mit  Ungarn  aufstellte,  da  gehörte  Z.  zu  Jenen,  die  in 
dieser  Absicht  eine  schwere  Gefährdung  des  nationalen  Lebens  und  der  selbst- 
ständigen Entwickelung  des  sächs.  Volkes  sahen  und  die  Union  daher  ent- 
schieden bekämpften.  Die  Nation  sandte  ihn  als  Mitglied  einer  Deputation 
an  den  kaiserlicher  Hof  nach  Wien  und  Innsbruck,  um  die  Union  als  gefahr- 
lich für  die  Sachsen  darzustellen  und  wenn  möglich  zu  verhindern.  Was  der 
Deputation  nicht  möglich  gewesen  war,  that  der  Bürgerkrieg;  die  Union  wurde 
nicht  durchgeführt,  der  Absolutismus  hob  jede  Verfassung  auf. 

Z.  erkannte  nun  mit  scharfem  Blick,  dass  in  den  veränderten  Zeitver- 
hältnissen neue  Bollwerke  für  die  nationale  EntiÄ'ickelung  des  sächsischen 
Volkes  geschaffen  werden  müssten.  Schule  und  Kirche  und  die  geistigen  und 
sittlichen  Güter,  die  sie  in  sich  schliessen,  müssten  gestärkt  werden.  So  half 
er  zunächst  mit,  dass  der  österreichische  Organisationsentwurf  auch  für  die 
sächsischen  Gymnasien  eingeführt  wurde,  wodurch  Einheit  in  diesen  Anstalten 
und  ein  neuer  schöner  Aufschwung  ermöglicht  wurde.  Die  Neuorganisation  aber 
war  ohne  neue  grosse  Mittel  nicht  möglich.  Und  da  war  Z.  der  Schöpfer  der 
sog.  » Nationaldo tation«,  d.  h.  der  Widmung  der  sächsischen  Nationsuniversität 
(der  politischen  Vertretung  des  Sachsenlandes)  vor  allem  zur  Unterstützung  der 
evangelischen  Gymnasien  der  Sachsen.  Sie  bestand  in  jährlichen  52500  fi.  ö.  W. 

Im  November  1850  wurde  Z.  in  das  Kultusministerium  nach  Wien  berufen 
und  1852  verlegte  er  seinen  Wohnsitz  dorthin.  Da  wurde  er  am  Q.April  1852 
Ministerialsecretär,  am  i.  März  1855  Sectionsrath,  am  20.  November  1858 
Ministerialrath,  am  i.  September  1859  Leiter  des  evangelischen  Konsistoriums, 
am  13.  Juni  i86i  Vorsitzender  des  Oberkirchenraths  beider  evangelischer  Be- 
kenntnisse, am  31.  Juli  1867  Präsident  des  Oberkirchenraths  mit  dem  Rang 
eines  Sectionschefs.  Auf  sein  eigenes  Ansuchen  erfolgte  1874  die  Versetzung 
in  den  Ruhestand,  wobei  ihm  das  Comthurkreuz  des  Franz-Josefs-Ordens  mit 
dem  Stern  »in  Anerkennung  seines  vieljährigen  vorzüglichen  Wirkens«  ver- 
liehen wurde. 

Auf  seiner  Arbeit  hat  in  jenen  Jahren  ein  gut  Theil  des  evangelischen 
Lebens  in  Oesterreich  und  Siebenbürgen  beruht,  im  letzteren  längere  Zeit  auch 
ein  Theil  des  politischen  Lebens. 

Die  evangelische  Landeskirche  A.  B.  in  Siebenbürgen  musste  sich  eine 
neue  Verfassung  geben,  da  die  Grundlage  der  alten  durch  die  Revolution  und 
den  Absolutismus,  der  darauf  folgte,  zusammengebrochen  war.  Zur  Förderung 
dieses  Werkes  wurde  Z.  1860  nach  Hermannstadt  geschickt,  um  Vertrauens- 
männer zu  hören,  wie  die  Sache  am  besten  zu  fördern  sei.  Die  Arbeit  dieser 
Vertrauensmänner  bildete  die  Grundlage  für  die  neue  presbyterial-synodale 
Verfassung,  die  nach  mannigfachen  Verhandlungen  mit  der  Regierung  von 
der  I.  Landeskirchenversammlung  1861  angenommen  wurde.  Z,*s  Verdienst 
bestand  vor  allem  darin,  dass  er  die  Regienmg,  dabei  in  erster  Reihe  den 
Cultusminister  Grafen  Leo  Thun,  überzeugte,  dass  die  Landeskirche  das 
Recht  der  Autonomie  besitze  und  der  Staat  darum  ihr  es  wiedergeben  müsse. 
Auch,  auf  den  Inhalt  der  freien  Verfassung  hat  Z.  Einfluss  genommen.  Sie 
legte  die  Zusammensetzung  sämmtlicher  Behörden  in  die  freie  Wahl  der 
Kirche,  gab  den  Laien  in  den  Behörden  des  Bezirks  und  den  obersten  Vertre- 
tungen gleiche  Vertretung  wie  den  Geistlichen,  selbst  der  Bischof  wurde  gewählt. 


Zimmennann. 


153 


Diese  neue  Kirchenverfassung  aber  bildete  ein  neues  Band  auch  der 
nationalen  Einheit  für  die  Sachsen,  als  die  politische  Einheit  im  Stunn  der 
nächsten  Jahre  zusammenbrach. 

Z.  ist  in  jenen  Jahren  eine  anerkannt  führende  Persönlichkeit  im  sächsischen 
Volk  gewesen.  Litterarisch  ungewöhnlich  erfahren,  der  Besitzer  der  grössten 
Privatbibliothek,  die  er  unablässig  und  umsichtig  vermehrte,  der  beste  Kenner 
der  Rechtsentwickelung  des  Landes,  klug  und  verschwiegen,  mit  unendlicher 
Ausdauer  im  geheimen  für  die  Ziele  arbeitend,  die  er  als  richtig  erkannt 
hatte,  ein  Mann  mit  eigenen  festen  Anschauungen,  von  riesiger  Gedächtniss- 
kraft, eine  geschlossene  Persönlichkeit,  die  nicht  die  ausgetretenen  Wege  ging, 
galt  er  als  Autorität  auch  im  politischen  Kampf. 

Als  das  Oktoberdiplom  1860  und  dann  das  Februarpatent  1861  das  neu- 
constitutionelle  einheitliche  Gross-Oesterreich  zu  schaffen  versuchte,  da  war  Z, 
ein  Hauptvertreter  dieser  in  Schmerling  verkörperten  Idee.  Seinem  Einfluss 
ist  es  mit  zu  verdanken,  dass  die  Sachsen  diesen  Zielen  sich  geneigt  zeigten. 
Die  Durchführung  dieser  Pläne  verbürgte,  was  die  Union  mit  Ungarn  eben  in 
Frage  gestellt  hatte,  die  nationale  Entwickelung  des  sächsischen  Volkes.  Auf 
dem  Landtag  in  Hermannstadt  1863/65  war  er  als  Regalist  (Kronberufener) 
anwesend  und  seiner  Klugheit  war  es  mit  zu  danken,  dass  das  Ziel  erreicht 
wurde,  Siebenbürgen  in  den  Reichsrath  nach  Wien  zu  führen.  Auch  Z.  war 
unter  den  Abgeordneten,  die  Siebenbürgen  vertraten. 

Aber  dort  im  Wiener  Reichsrath  erkannte  er  sehr  bald,  was  dem  neuen 
Staate  fehlte,  sah  vor  allem,  wie  das  Verhältniss  Oesterreichs  zu  Deutschland 
immer  mehr  der  Lösung  zudrängte,  merkte  wie  die  Regierung  unter  consti- 
tutionellen  Formen  das  freiheitliche  Leben  zu  unterbinden  versuchte  und  sah 
sich  zum  Schluss  in  die  Opposition  gedrängt.  Schmerlings  Sturz  überraschte 
ihn  nicht,  wohl  aber  die  neue  Bahn,  die  nun  entgegen  allen  Versicherungen 
und  Zielen  der  letzten  Jahre  eingeschlagen  wurde,  und  die  eine  Verständigung 
mit  Ungarn  auf  Grund  der  Gesetze  von  1848  anstrebte.  Die  Vertreter  des 
sächsischen  Volkes  sind  nicht  in  der  Lage  gewesen,  auf  diese  grossen  Fragen 
grossem  Einfluss  zu  nehmen,  der  sich  fast  nur  auf  publizistische  Theilnahme 
beschränkte;  sie  sahen  sich  nach  der  grundsätzlichen  Wendung  der  Politik 
plötzlich  vor  die  Thatsache  gestellt,  wieder  Stellung  zu  nehmen  in  der  Frage 
der  Union  Siebenbürgens  mit  Ungarn.  Denn  die  Anerkennung  der  1848  er 
Gesetze  schloss  diese  Union  in  sich.  »Zur  endgültigen  Regelung  der  staats- 
rechtlichen Verhältnisse  Siebenbürgens«  wurde  1865  der  Landtag  nach  Klau- 
senburg zusammengerufen,  auch  Z.  als  Regalist  in  denselben  berufen,  doch 
nahm  er  an  den  Verhandlungen  keinen  Antheil.  Der  Landtag  beschloss  — 
gegen  eine  von  der  Mehrzahl  der  Sachsen  eingereichte  Sondermeinung,  die 
das  Verhältniss  Siebenbürgens  zu  Ungarn  durch  einen  Staatsvertrag  geregelt 
bissen  wollten  — ,  da  die  Union  von  1848  rechtskräftig  sei,  sollten  die  sieben- 
bürgischen  Abgeordneten  nach  Pest  in  den  ungarischen  Reichstag  gerufen  wer- 
den, der  allein  das  Recht  habe,  weiteres  zu  beschliessen.  Im  übrigen  herrschte 
darüber  kein  Zweifel,  dass  die  Rechte  auch  des  sächsischen  Volkes,  das  Recht 
der  deutschen  Sprache  in  Gericht  und  Verwaltung,  die  Autonomie  der  Kirchen 
u.  s.  f.  unantastbar  seien.  In  Erledigung  der  Klausenburger  Beschlüsse  »ge- 
stattete« die  Krone  1865  die  Beschickung  des  ungarischen  Reichstages  von 
Siebenbürgen,  eine  Erlaubniss,  von  der  die  sächsischen  Wahlkreise  unter 
Rechtsverwahrung  Gebrauch  machten,  als  sei  dadurch  die  Union  beschlossen. 
Auch  Z.  wurde  als  Abgeordneter  nach  Pest  gewählt. 


154 


Zimmennaiu]. 


Er  kam  dorthin  mit  der  Ueberzeugung,  die  die  Mehrzahl  seiner  Volks- 
genossen theilte,  dass  es  sich  um  einen  verhältnissmässig  kurzen  Uebergang 
handle,  aus  dem  mit  Nothwendigkeit  eine  engere  Einheit,  eine  straffere  Zu- 
sammenfassung der  Monarchie  hervorgehen  müsste.  Anfangs  wollte  Z.  sich  an 
den  Verhandlungen  nicht  betheiligen,  aber  Schritt  für  Schritt  zeigten  sich  die 
Verhältnisse  mächtiger  als  die  Menschen,  die  Union  war  faktisch  durchgeführt 
und  das  sächsische  Volk  sah  sich  in  einen  Kampf  um  die  nationale  Existenz 
hineingedrängt,  die  die  Gegner  der  Union  eben  immer  vorausgesehen  oder 
den  sie  doch  für  so  zerstörend  nicht  voraussehen  konnten. 

Die  erste  Verfügung  des  ungarischen  Reichstages  am  8.  März  1867  über 
Siebenbürgen  bestand  in  einem  Beschluss,  der  dem  Ministerium  »freie  Handc 
gab,  in  Siebenbürgen  nach  Belieben  zu  schalten  wie  in  einem  eroberten  Lande, 
was  das  Ministerium  nicht  einmal  verlangt  hatte.  Z.  wies  mit  Entschieden- 
heit die  Unzulässigkeit  dieses  Vorgangs  nach,  da  ja  die  Frage  der  Union 
noch  nicht  einmal  endgültig  geregelt  sei  —  aber  die  Mehrheit  des  Hauses 
wollte  das  als  Einleitung  zur  Union.  Es  ist  nicht  nur  Zufall,  sondern  ein 
tiefer  Zusammenhang,  dass  Z.  in  den  neuen  Reichstag  1869  nicht  mehr  ein- 
trat. Das  formale  Recht  hatte  seine  Kraft  bei  jenen  Männern  verloren,  die 
Ungarns  Wiedergeburt  in  erster  Reihe  durch  Festhalten  an  jenem  Recht  er- 
möglicht hatten  —  Andern  gegenüber  wollten  sie  es  nicht  gelten  lassen,  und 
der  Mann,  der  dieses  Recht  sein  Leben  lang  als  Talisman  geschützt  und  ge- 
hütet hatte,  Z.,  der  es  einst  für  Siebenbürgen  neu  entdeckt  und  gefunden 
hatte,  schied  damit  aus  dem  öffentlichen  Leben  in  Ungarn  aus. 

Seine  Kraft  nahm  die  österreichische  evangelische  Kirche  nun  ganz  in 
Anspruch.  In  dem  Land,  wo  gegen  diese  Kirche  Sünde  auf  Sünde  gehäuft 
worden  war,  und  eine  traurige  Vergangenheit  gut  zu  machen  war,  galt  es  mit 
einer  neuen  Kirchenverfassung  zugleich  den  verschiedenen  nationalen  Beken- 
nem  gerecht  zu  werden  und  zugleich  das  innere  Leben  der  Kirche  gegen  die 
vielfachen  Feinde  zu  sichern.  Z.'s  Verdienst  besteht  darin,  dass  er  der  öster- 
reichischen Kirche  eine  Verfassung  schuf,  von  der  Friedberg  sagt,  sie  sei  die 
den  Anforderungen  am  meisten  entsprechende.  Sie  hat  sich  auch  bewährt 
und  das  evangelische  Leben  dort  gesichert. 

Sein  Heimathland  aber  vergass  Z.  auch  fürder  nicht.  Er  wusste  sich  in  der 
deutschen  und  der  magyarischen  Literatur  auf  dem  Laufenden  zu  erhalten  und 
wie  er  fortwährend  an  die  evangelischen  Gymnasien  in  Siebenbürgen  grosse 
Bücherspenden  gemacht  hatte,  so  schenkte  er  seine  ganze  reiche  Bibliothek 
1875  an  die  Landeskirche  in  Hermannstadt,  wofür  ihm  die  XII.  Landeskirchen- 
versammlung warmen  Dank  in  den  Worten  aussprach:  »Wir  haben  nicht  ver- 
gessen, was  Sie  einst  als  Lehrer,  was  Sie  in  öffentlichen  Sendungen  für  die 
geistige  und  sittliche  Erstarkung  Ihrer  Nation  gethan;  wir  wissen,  was  unsere 
Kirche  Ihrer  grundlegenden  Arbeit  für  die  Widmung  und  Erhaltung  der  National- 
dotation, für  den  Aufbau  und  für  die  Fortbildung  ihrer  Verfassung  verdankt; 
um  so  mehr  freut  unser  Herz,  wie  wir  sehen,  wie  Sie  nicht  müde  werden 
auch  in  dem  würdigen  otium  cum  dignitate,  das  Ihnen  Gott  noch  lange  lange 
erhalten  wolle,  durch  so  reiche  Widmungen  wissenschaftlicher  Schätze,  welche 
ebenso  an  Zahl  wie  durch  Wahl  hervorragend  sind,  nach  dem  schönen  Wort 
der  Schrift  die  Seelen  zu  stärken  und  so  an  Ihrem  Theil  auch  weiterhin  bei- 
zutragen, dass  es  unter  uns  nicht  Abend  werde  und  der  Tag  sich  nicht  neige«. 

Seit  seiner  Pensionirung  (1874)  lebte  er  abwechselnd  in  Hermannstadt 
und  Wien,  zuletzt  in  Hermannstadt    seinen  Büchern,  seiner  Familie    und  der 


Zimmermann.     Schmetz.     Schulz. 


155 


Sorge  um  Kirche,    Schule  und  Volksthum,    bei  grossen  Fragen  öfter  rathend 
und  helfend. 

Als  der  fast  87  jährige  Greis,  noch  rüstig  an  Körper  und  Geist,  am 
18.  Mai  1897  nach  kurzer  Krankheit  still  entschlief,  da  trauerte  das  sächsische 
Volk  und  die  evangelische  Kirche  an  seinem  Sarge  um  den  tiefsten  Kenner 
und  verdienten  Vertheidiger  seiner  und  ihrer  Rechte,  den  Führer  im  Kampf 
um  die  Rückeroberung  der  Autonomie  der  Kirche,  den  Mitbegründer  ihrer 
Verfassung,  den  Schöpfer  der  Nationaldotation,  den  ganzen  Mann,  wie  er  als 
Sachse  und  Protestant  sein  Leben  lang  es  gewesen  war. 

Fr.  Teutsch:  Denkrede  auf  J.  A.  Zimmermann.  Archiv  des  Vereins  f.  siebenb.  Landes- 
kunde.  38.  Band,  S.  5. 

Fr.  Teutsch. 

Schmetz,  Johann  Paul,  ein  fleissiger  Schriftsteller  im  Fache  der  Choral- 
kunde, ♦  am  2.  September  1845  ^u  Rott  in  der  Rheinprovinz,  f  am  25.  Septem- 
ber 1897  zu  Zell  an  der  Mosel.  —  Im  Jahre  1866  trat  er  in's  Seminar  zu 
Kempen  ein,  wo  er  den  tüchtigen  Chorallehrer  P.  Piel  zum  Musiklehrer 
hatte,  der  auch  den  Keim  seiner  späteren  Thätigkeit  legte.  Nach  vollendeten 
Studien  kam  er  als  Lehrer  in  das  Eifeldorf  Halm,  dann  an  die  Sanct  Albert- 
schule  zu  Aachen,  und  bald  darauf  an  die  dortige  Vorschule  des  Karls- 
gymnasium. 1878  wurde  er  Seminarlehrer  in  Montabaur,  und  als  der  bekannte 
Chorallehrer  Severin  Meister  1881  starb,  wurde  er  dessen  Nachfolger  als 
Musiklehrer  am  Seminar.  Endlich  erhielt  er  am  i.Juli  1893  die  Kreis-Schul- 
Inspektorstelle  in  Zell  an  der  Mosel,  wo  ihm  jedoch  nur  wenige  Jahre  zu 
wirken  vergönnt  war.  Seit  etwa  fünfzehn  Jahren  ist  man  eifrig  bemüht, 
den  katholischen  sogenannten  gregorianischen  Choralgesang  in  seiner  alten 
Reinheit  wieder  herzustellen.  Zum  Behufe  dessen  bildeten  sich  in  Deutsch- 
land, Frankreich  und  England  Vereine,  welche  sich  die  Aufgabe  stellten  aus 
den  ältesten  noch  vorhandenen  Handschriften  die  Choralgesänge  neu  zu  ver- 
öffentlichen und  die  mit  der  alten  Neume  notirten  in  unsere  heutige  Noten- 
schrift zu  übersetzen.  Es  fanden  sich  nun  auch  aller  Orten  Männer,  welche 
das  so  gewonnene  Material  praktisch  verwertheten  und  für  den  Gottesdienst 
brauchbar  machten,  und  neben  Pothier,  Piel  u.  A.  steht  auch  Seh.,  der 
nicht  zum  geringsten  Theile  dazu  beigetragen  hat,  das  Neugewonnene  in  wei- 
tere Kreise  zu  verbreiten.  Seine  Hauptwerke  sind:  Dom  Pothier' s  Liber  Gra- 
dualis  und  seine  historische  und  praktische  Bedeutung,  Mainz  1884.  Die 
Harmonisirung  des  gregorianischen  Choralgesanges,  Düsseldorf  1885;  2.  Auf- 
lage 1894.  Orgelbegleitung  zum  Ordinarium  Missae,  Düsseldorf  1887;  2.  Auf- 
lage 1891.  Orgelbegleitung  zu  den  Melodien  des  Gesangbuches  für  die  An- 
gehörigen des  Bisthums  Limburg,  Limburg  1892.  Kleines  Vesperbuch, 
Regensburg  1893.  Auch  ein  Liederbuch  fiir  Volksschulen  gab  er  in  Düssel- 
dorf 1888  heraus,  welches  bis  zum  Jahre  1895  in  12.  Auflage  erschien. 

Quelle:  Frz.  Xav.  Haberrs  Musica  sacra  1897,  S.  243. 

Rob.  Eitner. 

Schulz,  Ferdinand,  Componist  und  Musikdirektor,  *  am  21.  October  1821 
zu  Kossar  bei  Krossen,  f  am  27.  Mai  1897  zu  Berlin.  —  Sein  Vater,  Kantor 
und  Organist  in  Kossar,  lehrte  ihn  die  Anfangsgründe  in  der  Musik,  darauf 
brachte  er  ihn  auf's  Gymnasium  zu  Züllichau,  wo  er  unter  Leitung  von  Mo- 
ritz Kaehler  imd  Musikdirektor  Gaebler  seine  Musikstudien  fortsetzte.  1841 
ging  er  nach  Berlin  und  besuchte  das  Institut  für  Kirchenmusik  unter  A.  W, 


ie6  Schulz.     Succo. 

Bach  und  Ed.  Grell,  machte  die  Bekanntschaft  mit  dem  Musikhistoriker  Pro- 
fessor Dehn,  dem  späteren  Bibliothekar  an  der  Königlichen  Bibliothek,  und 
wurde  von  ihm  in  die  alten  Meisterwerke  des  sechzehnten  Jahrhunderts  ein- 
geführt, denen  er  von  da  ab  eine  stete  Aufmerksamkeit  zuwendete,  die  seinen 
eigenen  geistlichen  Compositionen  den  alten  gläubigen  Ernst  verlieh.  Als 
König  Friedrich  Wilhelm  IV.  von  Preussen  im  Jahre  1843  ^^"  Domchor 
unter  Mendelssohn's  und  Neithardt's  Leitung  errichtete,  wurde  Schulz  als 
Bassist  und  tüchtiger  Musiker  angestellt,  gab  Gesang-  und  Klavierunterricht, 
gründete  1856  den  Männergesangverein  »Cäcilia«,  begann  seine  Compositionen 
herauszugeben,  die  zum  Theil  aus  kirchlichen  Gesängen,  theils  aus  Liedern 
und  Gesängen  für  eine  bis  vier  Stimmen  und  theils  aus  Klavierpiecen  be- 
standen ;  letztere  dienten  aber  mehr  der  Geldspeculation,  als  der  Kunst,  denn 
sie  gehörten  der  untersten  Gattung  der  Klavierpiecen  an  und  waren  dem 
Geschmacke  des  klimpernden  Damenpublikums  angepasst,  welches  nur  Sinn 
für  Tanzrhythmen  hat.  Im  Jahre  1858  dirigirte  er  den  Kirchenchor  der  St 
Markus-Parochie  und  wurde  bald  darauf  Organist  an  der  Sophienkirche  zu 
Berlin.  Seine  geistlichen  Gesangswerke  zeigen  einen  tüchtig  gebildeten  Musiker 
und  seine  Lieder  errangen  sich  durch  ihre  melodische  Erfindung  eine  weite 
Verbreitung. 

Quellen:  von  Ledebur's  Berliner  Tonkttnstler-Lexikon.  Sängerhalle,  Leipzig  1892,  und 
1897,  S.  310. 

Rob.  Eitner. 

Succo,  Reinhold,  der  Sohn  eines  Organisten  in  Görlitz,  *  daselbst  am 
29.  Mai  1837,  f  am  29.  November  1897  zu  Breslau.  —  Schon  zwei  Jahre 
nach  der  Geburt  des  Sohnes  siedelte  der  Vater  nach  Berlin  über  und  erhielt 
1846  eine  Organistenstelle  in  Landsberg  an  der  Warte.  Reinhold  besuchte 
hier  das  Realgymnasium,  da  er  beabsichtigte  Maschinen-Ingenieur  zu  werden. 
Nach  abgelegtem  Abiturienten -Examen  ging  er  1855  nach  Berlin,  diente 
beim  Kaiser  Franz  -  Regiment  sein  Militärjahr  ab  und  hatte  während  der 
Zeit  sich  entschlossen,  sich  ganz  der  Musik  zu  widmen,  besuchte  in  Berlin 
das  Institut  für  Kirchenmusik  unter  A.  W.  Bach*s  Leitung  und  1857  die 
Königliche  Akademie  der  Künste,  Abtheüung  für  Musik,  die  unter  Grell's 
Leitung  sich  befand.  Grell  war  ein  gewandter  Contrapunk tiker  und  nahm 
seine  Schüler  in  eine  strenge  Schule.  S.  besass  Talent  genug,  um  sich  in  die 
strenge  Contrapunktik  so  einzuleben,  dass  er  zeitlebens  nur  in  diesem  Stüe 
geschrieben  hat.  Ausserdem  wurde  die  praktische  Ausübung  der  Kunst  nicht 
vernachlässigt,  doch  hat  S.  auf  keinem  Instrumente  eine  hervorragende  Technik 
sich  erworben;  am  gewandtesten  war  er  noch  auf  der  Orgel.  Noch  während 
seiner  Studienzeit  erhielt  er  die  Organistenstelle  an  der  englischen  Kapelle  zu 
Berlin  und  widmete  sich  nach  Vollendung  des  Cursus  auf  der  Königlichen 
Akademie  dem  Musikunterricht,  anfänglich  dem  Klavierspiel  und  Theorie, 
später  auch  dem  Gesangsunterricht.  1863  erhielt  er  die  Organistenstelle  an 
der  Bartholomäuskirche,  1865  an  der  Thomaskirche.  Hier  gründete  und  leitete 
er  25  Jahre  lang  einen  Gesangschor,  der  sowohl  den  Gottesdienst  durch  seine 
eingelegten  Chöre  ausschmückte,  als  auch  in  besonderen  Auflführungen  in  der 
Kirche  stets  eine  zahlreiche  Zuhörerschaft  versammelte  und  den  Sinn  für 
geistliche  Musik  in  der  Gemeinde  wesentlich  hob.  Jedoch  die  Geisüichkeit 
sieht  in  jener  Ausschmückung  der  kirchlichen  Handlung  eine  Profanirung  des 
Gottesdienstes,  und  so  sah  sich  schliesslich  S.  genöthigt  den  Chor  zu  ent- 
lassen.    Neben  seiner  Stellung  als  Organist  bekleidete  er  seit  1864  die  Ge- 


Succo.     PUckert.     Hofmann. 


157 


sanglehrerstelle  an  dem  neu  gegründeten  Luisenstädtischen  Gymnasium.  1867 
verheirathete  er  sich  mit  Klara  Pauli,  der  Tochter  eines  schlesischen  Predigers. 
1873  wurde  er  als  Lehrer  der  Theorie  an  die  neu  gegründete  Königliche 
Hochschule  für  Musik  berufen,  1888  ernannte  ihn  die  Akademie  der  Künste 
zu  ihrem  Mitgliede  und  1892  zum  Senator  derselben  Akademie.  Als  Com- 
ponist  ist  er  weiteren  Kreisen  nur  wenig  bekannt  geworden.  Die  meisten 
seiner  kirchlichen  Compositionen  schrieb  er  in  der  Zeit,  als  er  seinen  Kirchen- 
chor in  der  Thomaskirche  leitete,  die  auch  dort  allein  zur  Aufführung  ge- 
langten, doch  wurden  auch  in  den  achtziger  Jahren  einige  weltliche  Lieder 
von  ihm  gedruckt,  und  ein  Menuett  für  Violoncello  erlangte  sogar  eine  wei- 
tere Verbreitung.  Die  Königliche  Hochschule  führte  auch  einmal  ein  grosses 
Oratorium  »König  Heinrich«  von  ihm  auf.  Nur  mit  einer  schwach  entwickel- 
ten Erfindimgsgabe  begabt,  legte  er  selbst  keinen  grossen  Werth  auf  seine 
Compositionen,  sondern  beschäftigte  sich  weit  eindringlicher  mit  der  Aus- 
gestaltung der  kirchlichen  Liturgie,  besonders  nach  1889,  nach  der  Aufgabe 
des  Organistendienstes  an  der  Thomaskirche.  In  Folge  dieser  Arbeiten  wurde 
er  von  den  Consistorien  der  Provinz  Brandenburg  und  Nassau  als  Mitarbeiter 
und  Rathgeber  herangezogen.  Mitten  aus  diesen  Arbeiten  wurde  er  durch 
ein  körperliches  Leiden  herausgerissen,  und  nachdem  er  in  Breslau  sich  hatte 
operiren  lassen,  machte  ein  Schlaganfall  seinen  Leiden  ein  schnelles  Ende. 

Quelle:  Familien-Nachricliten  und  Selbsterlebtes. 

Rob.  Eitner. 

Puckert,  Wilhelm,  Professor  der  Geschichte,  ♦  am  2.  Januar  1830  zu 
Leipzig,  f  am  13.  September  1897  ebenda.  —  P.  bezog  nach  Absolvirung 
der  Gymnasialstudien  die  Leipziger  Universität,  an  der  er  1859  zum  Doktor 
promovirt  wurde.  Später  studirte  er  noch  in  Berlin  und  Jena,  wo  besonders 
Droysen  auf  ihn  wirkte.  Nach  einer  vorübergehenden  Lehrthätigkeit  an  der 
Dresdener  Kreuzschule  widmete  er  mehrere  Jahre  der  weiteren  Vorbereitung 
fiir  die  wissenschaftliche  Laufbahn.  1862  ward  er  in  Leipzig  als  Privatdocent 
zugelassen,  1867  zum  ausserordentlichen  Professor  befördert.  Verdienstlich 
war  seiner  Zeit  die  Schrift  »Die  kurfürstliche  Neutralität  während  des  Basler 
Concils.  1858«;  werth  voll  ist  noch  jetzt  die  Studie  »Das  Münzwesen  Sachsens 
1518-— 1545.  L  1862.«  Eine  Arbeit  »über  die  kleine  Lorscher  Frankenchronik« 
(Berichte  über  die  Verhandlungen  der  sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaft 
1884)  hat  mit  Scharfsinn  in  eine  vielbehandelte  Frage  eingegriffen.  In  den  letzten 
Jahren  war  P.  mit  umfassenden  Studien  zum  mittelalterlichen  Kloster-  und 
Ordenswesen  beschäftigt,  ist  indessen  nicht  mehr  zur  Veröffentlichung  der 
Ergebnisse  gelangt.  Eine  vorwiegend  receptive  Natur,  hat  er  eine  seinem 
Fleiss  und  seinem  Wissen  entsprechende  literarische  Thätigkeit  nicht  zu  ent- 
falten vermocht.  Aber  dem  liebenswürdigen  und  bescheidenen,  kenntniss- 
reichen und  warmfühlenden  Mann  werden  alle,  die  ihn  kannten,  ein  herzliches 
Andenken  bewahren. 

G.  Seeliger. 

Hofmann,  Franz,  Dr.,  ordentlicher  Professor  der  Rechte  an  der  Univer- 
sität in  Wien,  *  am  20.  Juni  1845  ^^  Zdaunek,  Mähren,  f  am  25.  October  1897 
in  Wien.  —  Der  äusserliche  Verlauf  des  viel  zu  frühe  abgeschlossenen  Lebens 
dieses  bedeutenden  Mannes  kann  sehr  kurz  erzählt  werden.  Er  war  in  Zdaunek 
in  Mähren  geboren,  wo  sein  Vater  ein  Landgut  besass;  dort  verlebte  er  seine 


158 


Hofmann. 


Kinderjahre,  absolvirte  das  Gymnasium  in  Kremsier  und  begann  1862  das 
Studium  der  Rechte  an  der  Universität  in  Wien,  wo  er  bald  die  Aufmerk- 
samkeit von  Arndts  und  Unger  erregte  und  bei  beiden  freundliche  Förderung 
fand.  Nachdem  er  im  November  1867  den  Doctorgrad  erworben  hatte,  setzte 
er  seine  Studien  in  Göttingen  fort,  wo  ihn  besonders  Thöl  anzog.  Im  Juli 
1868  habilitirte  er  sich  für  römisches  Recht  in  Wien  auf  Grund  einer  Ab- 
handlung über  das  Periculum  beim  Kaufe,  die  zwei  Jahre  später  im  Druck 
erschien;  1869  wurde  seine  venia  legendi  auf  österreichisches  allgemeines 
Privatrecht,  sowie  auf  Handels-  und  Wechselrecht  ausgedehnt;  im  März  1871 
wurde  er  ausserordentlicher  Professor  des  österreichischen  und  römischen 
Privatrechts;  in  demselben  Jahre  verband  er  sich  mit  Fräulein  Ludmilla 
Czermak  zu  glücklicher  Ehe,  der  drei  Kinder,  ein  Sohn  und  zwei  Töchter, 
entsprossen;  1877  wurde  er  ordentlicher  Professor  des  österreichischen  und 
gemeinen  Privatrechts,  1885  correspondirendes,  1890  wirkliches  Mitglied  der 
kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften,  1888  Ehrenmitglied  des  Istituto 
di  Diritto  Romano  in  Rom.  Von  jeher  von  nicht  sehr  fester  Gesundheit, 
war  er  in  den  letzten  fünf  bis  sechs  Jahren  oft  ernstlich  leidend,  doch  schien 
sein  Willen  geraume  Zeit  stärker,  als  seine  kranken  Nerven,  denn  bis  in  den 
Sommer  1895  war  er  —  mit  nur  geringen  Unterbrechungen  —  stets  im 
Stande,  den  Obliegenheiten  seines  Amtes  nachzukommen;  seither  sah  er  sich 
gezwungen,  seine  Lehrthätigkeit  einzustellen,  da  seine  Beweglichkeit  sehr  be- 
einträchtigt war.  Zwar  schien  sein  Befinden  sich  wiederholt  zum  Besseren 
zu  wenden;  im  Sommer  1897  aber  schwand  jede  Hoffnung;  eine  Lungenent- 
zündung machte  seinem  Leben  ein  Ende. 

Aber  der  geistige  Gehalt  dieses  im  besten  Mannesalter  beschlossenen 
Lebens  ist  überreich.  Vollkommen  passt  auf  H.*s  Thätigkeit,  was  Jakob 
Grimm  (Ueber  Schule,  Universität,  Akademie;  Kleinere  Schriften  I,  S.  214) 
sagt:  »Alles  Wissen  hat  eine  elementarische  Kraft  und  gleicht  dem  ent- 
sprungenen Wasser,  das  unablässig  fortrinnt,  der  Flamme,  die,  einmal  geweckt, 
Ströme  von  Licht  und  Wärme  aus  sich  ergiesst  ....  Eigenheit  der  Elemente 
ist  es  aber,  aller  Enden  hin  in  ungemessener  Weise  zu  wirken,  und  darum 
verdriesst  es  die  Wissenschaft  jeder  ihr  in  den  Weg  gerückten  Schranke,  und 
sie  findet  sich  nicht  eher  zufrieden  gestellt,  bis  sie  eine  nach  der  anderen 
überstiegen  hat.«  Die  Abhandlung  H.'s  Zur  Geschichte  der  Fideicommisse 
(1884),  welche  die  bedeutsamste  Entdeckung  enthält,  die  er  auf  rechtsge- 
schichtlichem Gebiete  gemacht  hat,  ist  durch  solche  »elementarische  Kraft« 
entstanden:  In  seinen  und  meinen  Excursen  (ü,  2.  1880)  hatte  er  betont, 
dass  zur  Lösung  der  Frage  nach  der  Entstehung  der  Fideicommisse  die  ganze 
politische  Geschichte  und  namentlich  eine  genaue  Geschichte  der  Entwickelung 
der  Individualsuccession  hinsichtlich  aller  Institute,  bei  denen  sie  vorkommt, 
von  der  Thronfolge  bis  herab  zum  Rechte  des  bäuerlichen  Anerben,  heran- 
gezogen werden  müsse.  »Auch  wäre  es«  —  fügte  er  hinzu  —  »wohl  der  Mühe 
werth,  zu  untersuchen,  ob  und  welchen  Einfluss  das  spanische  Recht  auf  die 
Entwickelung  der  deutschen  Fideicommisse  gehabt  habe.  Gewiss  ist,  dass 
spanische  Juristen  sich  früher  mit  dem  Institute  beschäftigt  haben,  als  Deutsche. 
Knipschild  benutzte  das  Werk  Molina' s  und  in  Stiftbriefen  österreichischer 
Fideicommisse  finden  sich  Verweisungen  auf  das  spanische  Recht.  .  .  Jeden- 
falls hätte  eine  der  Geschichte  unseres  Institutes  gewidmete  Specialuntersuchung 
auch  dieser  Spur  nachzugehen.«  Als  H,  dies  schrieb,  dachte  er  noch  durch- 
aus nicht  daran,    eine  solche  Untersuchung    selbst  vorzunehmen;    bald    aber 


Hofmann. 


159 


trieb  es  ihn  unwiderstehlich,  der  Anregung,  die  er  hingeworfen,  selbst  zu 
folgen.  In  verhältnissmässig  unglaublich  kurzer  Zeit  hatte  er  eine  Bibliothek 
von  Werken  spanischer  Majoratisten  durchstudirt  und  konnte  in  einem  in  den 
Jurist.  Blättern  1881,  17  zur  Wahrung  der  Priorität  veröffentlichten  kurzen 
Aufsatz  als  Ergebniss  seiner  Forschungen  mittheilen,  dass  die  Familienfidei- 
commisse  spanischen  Ursprungs  seien.  Er  beabsichtigte,  den  eingehenden 
Nachweis  in  einem  eigenen  Buche  zu  erbringen;  dieses  zu  schreiben,  hat  ihn 
allerdings  zunächst  manche  drängendere  Arbeit  und  dann  der  Tod  verhindert; 
aber  schon  die  kurze  Darstellung,  die  er  im  Rahmen  unserer  Excurse  geben 
konnte,  war  ausreichend,  mehrere  der  hervorragendsten  Germanisten  von  der 
Richtigkeit  seiner  Entdeckung  zu  überzeugen. 

Die  umfassendsten  Arbeiten  H.'s  waren  der  dogmatischen  Darstellung 
des  österreichischen  Privatrechts  gewidmet,  aber  er  beschränkte  sich  keines- 
wegs auf  dieses  Arbeitsgebiet,  Mit  derselben  Sorgfalt  bearbeitete  er  auch 
Stoffe  der  allgemeinen  Rechtslehre,  des  griechischen,  römischen,  deutschen 
und  gemeinen  Rechts,  und  überall  verband  er  historische  Forschung,  Exegese, 
Dogmengeschichte  und  philosophische  Betrachtung.  Er  war  auch  in  der  That 
für  alles  das  in  trefflicher  Weise  veranlagt,  vorbereitet  und  ausgerüstet.  Sein 
Geist  war  lebhaft,  seine  Bildung  vollendet,  seine  Kenntnisse  ungewöhnlich 
ausgedehnt  und  mannichfaltig;  insbesondere  waren  ihm  mehr  als  zehn  Spra- 
chen geläufig,  so  dass  er  die  Fortschritte  der  scandinavischen  Jurisprudenz 
mit  der  nämlichen  Leichtigkeit  verfolgte,  mit  der  er  die  Werke  der  spanischen 
Majoratisten  las ;  sein  freier  Blick  erfasste  das  Entlegenste  und  sein  Scharfsinn 
Hess  den  kleinsten  Unterschied  nicht  unbeachtet;  sein  Denken  bheb  immer 
klar  und  wenn  er  sich  auch  mit  dem  Stoffe  einer  beabsichtigten  Arbeit  noch 
so  sehr  erfüllt  hatte,  blieb  seine  Unbefangenheit  ungetrübt,  er  war  Herr  über 
den  Stoff,  nicht  dieser  über  ihn.  So  weckte  und  nährte  seine  Begabung  in 
ihm  die  Beschäftigung  mit  sehr  verschiedenen  Problemen  der  Wissenschaft 
und  gab  ihm  die  Mittel,  sie  erfolgreich  zu  lösen.  Und  wie  er  in  der  Wissen- 
schaft nur  die  Wahrheit  suchte  —  »Recht  ist  wahr«  sagt  ein  altes  deutsches 
Sprüchwort  — ,  so  war  die  Wahrheit  auch  in  seinem  Leben  immer  sein  Leit- 
stern; dabei  war  er  von  unbegrenzter  Güte  und  Pflichttreue.  Dass  er  iden- 
tisch ist  mit  dem  Dichter  Heinrich  Falkland,  der  vor  etwa  einem  Vierteljahr- 
hundert einen  Band  Gedichte  voll  tiefer,  meist  ernster,  zuweilen  melancholi- 
scher Gedanken  veröffentlichte,  dieses  mir  längst  mitgetheilte  Geheimniss  zu 
verlautbaren,  wurde  mir  erst  nach  seinem  Tode  gestattet. 

Von  seinen  Werken  nenne  ich  nicht  einzeln  die  zahlreichen  Recensionen, 
die  er  (meist  in  Grünhut's  Zeitschrift,  Band  i  — 12  und  14,  einige  auch  in 
der  Münchener  kritischen  Vierteljahrschrift  und  in  der  österreichischen  Ge- 
richtszeitung) pubücirt  hat.  Von  sonstigen  Schriften  führe  ich  an,  und  hoffe, 
nichts  oder  doch  nichts  Wichtiges  übersehen  zu  haben: 

Ueber  das  Periculum  beim  Kaufe.     Wien  1870. 

Beiträge  zur  Geschichte  des  griechischen  und  römischen  Rechts.     Wien  1870. 

Ueber  den  Verlobungs-  und  Trauring.     Wien  1870. 

lieber  dingliche  und  persönliche,  absolute  und  relative  Rechte:  Ger.-Ztg.  1870,  No.  9,  10. 

Ueber  das  Wesen  der  Servituten:  Ebenda  No.  40. 

Zwei  AufsMtxe  zur  Theorie  des  Pfandrechts:  Ihering's  Jahrb.  X.    187 1. 

Die  Zahlen  Spielerei  in  der  Eintheilung  der  Digesten. 

Zur  Beerbung  der  liberta. 

2^m  pr.  Inst,  de  codic.    2.  25.    (Diese  drei  Aufsätze  in  der  Zeitschr.  f.  Rechtsgeschichte. 
XI.  1873.) 

Der  erste  nordische  Juristentag:  Ger.-Ztg.  1873,  No.  15. 


1 6o  Hofmann.     Ueberlee. 

Zur  Lehre  vom  titulus  und  modus  acquirendi  und  von  der  justa  causa  traditionis.    Wien 

1873. 
Die  Entstehungsgründe  der  Obligationen,  insbes.  der  Vertrag.     Wien  1874. 
üeber  die  Pränotation  des  Pfandrechtes  (mit  einem  Nachtrag). 
Zur  Frage  nach  der  Restitution  einer  durch  Schulderlass  bestellten  Dos. 
üeber  den  Unterhaltsanspruch   des  überlebenden  Ehegatten  nach  §  796  B.  G.  B.    (Diese 

drei  Abhandl.  in  Grünhut's  Zeitschr.    I.    1874.) 
Zur  Beerbung  und  Arrogation  des  libertus:  Zeitschr.  f.  Rechtsgeschichte.    XII.    1876. 
Zur  Zahlenmystik  Justinians:  Ebenda. 

Wesen  und  Wirkung  des  Erbverzichts  und  des  Erbvertrags:  Grünhut's  Zeitschr.   III.  1876. 
Commentar  zum  österr.  allg.  bürgl.  G.-B.    Wien  1877  ff.    !•  (»•  «t  II)  i— 5- 
Excurse  (Beilagen   zum  Commentar),    Wien  1877  ff.    I.    1—4,    IL    i — 3.     (Diese  beiden 

Werke  vereint  mit  dem  Unterzeichneten.)    Aus  dem  letzteren  Werke  erschien  auch 

im  S.-A.  die  erwähnte  Abh.  über  die  Entstehung  der  Fideicommisse. 
Ludwig  von  Arndts.     Ein  Beitrag  zu   seiner  Lebensbeschreibung:    Grünhut's    Zeitschrift 

VL    1878. 
Lehrbuch  der  Pandekten  von  Ludwig  von  Arndts.   10. — 14.  Aufl.    1879  ff.   Herausgegeben 

von  Pfaff  und  Hofmann. 
Art.:  Bona  fides,  Causa  und  (Familien-)  Gewalt,  in  der  3.  Aufl.  von  Holtzendorff's  Recht»- 

lexicon  1880.     (Mit  dem  Unterzeichneten.) 
Zur  Lehre  vom  beneflcium  inventarii  und  von  der  separatio   bonorum:    Grünhut's  Zeit- 
schrift Vin.    1881. 
Schenkungen  unter  Gatten  und  Brautleuten:  Ebenda. 
Ueber  Lebensversicherungspolizzen :  Jurist.  Blätter  1882,  No.  35 — 37. 
Kritische  Studien  im  römischen  Recht.    Wien  1885. 
Fragmentum  de  formula  Fabiana.    Herausgegeben  und  erläutert  von  Pfaff  und  Hofmann. 

Wien  1888. 
Verwandtschaft  und  Familie.     Vortrag  in  der  feierlichen  Sitzung  der  Kaiserl.  Akademie 

der  Wissenschaften.    Wien  1891. 
Art.  Fideicommisse:  Gestenreich.  Staatswörterbach.   I.  (1894). 
Literatur:  Nekrolog  von  L.  Pfaff  in  der  (Wiener)  Ger.-Zeitung  1897,  No.  45. 

Wien,  Juni  1898.  L.  Pfaff. 

Ueberl6e,  FcHx  Wilhelm  Ad  albert,  auf  seinen  Compositionen  findet  sich 
als  Vorname  nur  der  letztere,  ein  tüchtiger  Lieder-  und  Chor-Componist,  *  am 
27.  Juni  1837  zu  Berlin,  f  am  15.  März  1897  zu  Charlottenburg  bei  Berlin. 
—  Nachdem  er  das  Gymnasium  des  grauen  Klosters  zu  Berlin  besucht  hatte, 
studirte  er  Musik  am  Conservatorium  für  Musik  unter  Marx,  Stern  und  KuUack, 
ging  dann  auf's  Königliche  Institut  für  Kirchenmusik,  um  das  Zeugniss  für  Er- 
langung eines  Organistenpostens  zu  erlangen  und  frequentirte  als  Abschluss  die 
Königliche  Akademie,  Abtheilung  für  Musik.  Hier  gewann  er  1862  mit  einer 
Gesangscomposition  die  silberne  Medaille  und  1864  mit  einem  Te  Deum  lau- 
damus  für  Solo,  Chor  und  Orchester  den  Michel-Beer'schen  Preis,  bestehend 
in  einem  Stipendium  zu  einer  Studienreise  nach  Italien,  die  er  in  den  Jahren 
1864/65  ausführte.  In  letzterem  Jahre  erlangte  er  kurz  nach  seiner  Rückkehr 
den  Organistenposten  an  der  Bartholomäuskirche  zu  Berlin,  1866  an  der 
Dorotheenstäd tischen  Kirche,  und  1867  wurde  er  noch  Gesanglehrer  an  der 
Louisenstädtischen  Gewerbeschule.  Seit  1873  ist  er  auch  bei  den  sonntäg- 
lichen Hausandachten  in  der  einstigen  kronprinzlichen  Familie  thätig.  1878 
übernahm  er  noch  die  Direktion  des  philharmonischen  Chorvereins  mit  Orche- 
ster, der  auch  alljährlich  für  seine  Mitglieder  einige  Aufführungen  veranstaltete. 
Von  seinen  Compositionen  fanden  nur  die  kleineren  Werke  einen  Verleger, 
während  seine  Oratorien  »Das  Wort  Gottes«  und  »Golgatha«,  sowie  ein  Re- 
quiem und  ein  Stabat  mater,  auch  einige  Opern  im  ernsten  und  heiteren  Stile 
Manuscript    blieben.     Seit    dem  Jahre  1872  bis  1892    erschienen  dagegen  an 


Ueberl^e.     PlQddemantu  tgx 

85  Werke  geistlichen  und  weltlichen  Inhalts,  Lieder  für  ein  bis  vier  Stimmen, 
ein  Melodrama  »Der  Schutzgeist«,  als  opus  29  1875  in  Weimar  erschienen, 
viele  Lieder  bei  Challier  in  Berlin,  zahlreiche  Männerchöre,  ein  Magnificat  fiir 
achtstimmigen  Chor  ohne  Begleitung,  1886  6  Motetten  fiir  gemischten  Chor 
als  opus  81  in  Leipzig.  Auch  für  Schulen  und  Gymnasien  gab  er  in  Gemein- 
schaft mit  Otto  Wangemann  1889 — 1891  drei  Sammlungen  heraus.  Sein  Stil 
zeigt  eine  gewandte  Feder,  nur  fehlt  ihm  die  Bedeutung  der  Themen -Erfin- 
dung und  die  Steigerung  im  Verlaufe  der  Composition.  Es  ist  alles  recht 
hübsch  im  conventioneilen  Stile  geschrieben,  ohne  je  darüber  hinauszukommen. 
Quellen:  Mendel-Reissmann's  Lexikon.     Vossische  Zeitung  1897  vom  18.  März. 

Rob.  Eitner. 

Plüddemann,  Martin,  geschätzt  als  Balladencomponist,  ♦  am  29.  Septem- 
ber 1854  zu  Kolberg,  wo  sein  Vater  Schiffsrheder  und  Consul  war,  f  am 
8.  October  1897  zu  Berlin.  —  Die  Familie  betrieb  viel  Musik  und  unterhielt 
mit  Karl  Löwe,  dem  Stettiner  Balladencomponist,  einen  regen  persönlichen 
und  künstlerischen  Verkehr;  als  Martin  dem  Vater  seinen  Wunsch  zu  erkennen 
gab,  Musiker  zu  werden,  willfahrte  ihm  dieser  gem.  Er  ging  1871  nach 
Leipzig  zu  dem  Theoretiker  E.  Fr.  Richter  und  nach  Vollendung  seiner  Stu- 
dien zu  den  Gesanglehrem  Julius  Hey  und  Friedrich  Schmitt  in  München, 
um  seine  klangvolle  Stimme  auszubilden.  Unter  dem  Einflüsse  Mendelssohn 's, 
Schumann's  und  Robert  Franz*  versuchte  er  sich  in  der  Liedcomposition;  als 
er  aber  Richard  Wagner's  Werke  kennen  lernte,  wurde  er  ein  glühender  Ver- 
ehrer desselben,  besuchte  die  Bayreuther  Festspiele  und  trat  in  persönlichen 
Verkehr  mit  ihm.  Auf  Wagner's  Anregung  entschloss  er  sich  die  Sängerlauf- 
bahn zu  betreten  und  begann  ernsthafte  Studien.  Sein  erstes  Auftreten  in 
einem  Concerte  verhiess  ihm  eine  schöne  Zukunft,  doch  eine  starke  Erkältung 
beraubte  ihn  der  Stimme.  Er  warf  sich  nun  mit  verdoppeltem  Eifer  auf  die 
Gesangscomposition,  die  Musikschriftstellerei  und  Kritik.  1876  erschien  die 
Schrift:  Das  Btihnenfestspiel  in  Bayreuth,  1879  Aus  der  Zeit,  1885  Die  ersten 
Uebungen  für  die  menschliche  Singstimme,  neben  zahlreichen  Aufsätzen  in 
Musikzeitschriften.  Als  Componist  gab  er  zuerst  eine  Bearbeitung  altdeutscher 
Lieder  und  mehrere  Hefte  eigene  Lieder  und  Gesänge  heraus,  bis  er  sich  der 
Balladencomposition  zuwandte  und  eine  lange  Reihe  von  Werken  schuf,  die 
in  ihrer  Eigenart  volle  Beachtung  erheischten,  die  ihnen  aber  bisher  nicht  in 
dem  Maasse  zu  Theil  wurde,  wie  sie  es  wohl  verdient  hätten.  Ich  nenne  nur 
Jung  Dietrich,  Einkehr,  Graf  Eberhard's  Weissdom,  Biterolf's  Heimkehr,  Ritter 
und  Königstochter,  Ritter  Toggenburg,  Legende  vom  heiligen  Stephan,  Der 
Kaiser  und  der  Abt,  Der  Taucher,  Barbarossa,  Des  Sängers  Fluch,  Vineta, 
Volker's  Nachtgesang,  Ode  an  die  preussische  Armee,  Der  wilde  Jäger  u.  a. 
Er  gab  dieselben  im  Selbstverlage  in  5  Bänden  heraus,  einen  sechsten  bereitete 
er  1893  vor.  Jedem  Bande  lässt  er  eine  Erklärung  vorangehen,  die  sich  zum 
Theil  auf  den  historischen  Thatbestand  bezieht,  theils  auf  die  Auffassung 
seiner  Composition.  P.'s  Schreib-  und  Empfindungsweise  schliesst  sich  dem 
Dramatischen  eng  an,  die  Recitation  des  Textes  ist  meisterhaft  und  die  Sing- 
stimme in  ihrer  Klangfarbe  wohl  berechnet.  Man  bemerkt  stets  den  Sänger 
und  tüchtigen  Gesanglehrer,  der  Kenntniss  der  menschlichen  Stimme  hat  und 
ihr  nur  Ausführbares  zumuthet.  Die  Klavierbegleitung  ist  ganz  im  Wagner'- 
schen  Stile  ausgeführt,  indem  er  darin  die  Situation  zu  verdeutlichen  sucht; 
auch  an  den  kühnen  plötzlichen  Modulationen,  welche  dem  Sänger  eine  grosse 

ßiogr.  Jahrb.  u.  Deutocher  Nekrolog.    2.  Bd.  I  i 


l52  PJUddemaiin.     von  Hahn. 

Trefifähigkeit  zumuthen  und  an  der  vielfach  angewandten  Chromatik  erkennt 
man  den  Einfluss  Wagner's,  der  sich  aber  nie  zu  sklavischer  Nachahmung 
erniedrigt,  sondern  stets  auf  eigener  Eingebung  beruht.  Die  Sänger  Gura  und 
Bulss  haben  mehrfach  seine  Balladen  öffentlich  vorgetragen,  doch  die  Schwie- 
rigkeit der  Ausfuhrung  scheint  ihnen  ein  Hinderniss  weiterer  Verbreitung  zu 
sein.  Dagegen  haben  sich  einige  Lieder  der  Gunst  des  Publikums  zu  erfreuen, 
wie  das  »Russische  Lied«  und  »Gute  Nacht«.  P.  dirigirte  in  den  achtziger 
Jahren  die  Singakademie  in  Ratibor,  siedelte  dann  im  Herbst  1890  als  Ge- 
sanglehrer nach  Graz  über,  wo  er  auf  Subscription  seine  Balladen  in  den 
Druck  brachte,  und  1894  nach  Berlin.  1895  hatte  er  die  Genugthuung,  dass 
Richard  Blatka  seine  Balladen  in  einer  besonderen  Schrift  besprach,  betitelt: 
Plüddcmann  und  seine  Balladen.  Prag  1895  bei  F.  Ehrlich.  Dessen  biogra- 
phische Mittheilungen  sind  hier  benutzt  worden,  sowie  die  beiden  Artikel  in 
den  Berliner  Signalen  1895  No.  14  und  1897  S.  305.  Eine  Autobiographie 
erschien  in  der  Wiener  Musikzeitung  Lyra,  doch  war  mir  dieselbe  unerreichbar. 

Rob.  Eitner. 

Hahn,  Friedrich  von,  *  am  7.  Juni  1823  zu  Homburg  v.  d.  H.,  f  am 
3.  März  1897  in  Leipzig.  —  H.  war  der  Sohn  des  landgräflich  hessisch-hom- 
burgischen Leibarztes  und  Geheimen  Raths  Dr.  Philipp  Franz  v.  Hahn;  von  1837 
bis  1842  hat  er  die  Fürstenschule  zu  St.  Afra  in  Meissen  besucht.  Lehrer  und 
Unterricht  dort  haben  einen  bedeutenden  Einfluss  auf  ihn  ausgeübt;  er  hat  dieser 
Schulzeit  oft  und  gern  gedacht.  Nachdem  er  von  1842  bis  1846  in  Jena 
und  Heidelberg  studirt,  promovirte  er  in  Heidelberg  am  15.  August  1846 
und  wurde  vom  4.  Juni  bis  24.  Juli  1847  bei  der  landgräflichen  Landes- 
regierung, später  bei  dem  Justizamt  als  Accessist  beschäftigt.  Diese  Anfänge 
einer  später  so  hochbedeutsamen  practischen  Thätigkeit  befriedigten  ihn  so 
wenig,  dass  er  sich  am  24.  November  1847  ^^^  ^^r  Schrift  »de  diversis 
testamentorum  formis,  quae  in  Germania  obtinuerant«  als  Privatdocent  in  Jena 
habilitirte.  Der  Universität  Jena  hat  er  von  1847  bis  1872  angehört.  1850 
zum  ausserordentlichen  Professor  und  sehr  bald  zum  ausserordentlichen  Bei- 
sitzer des  SpruchcoUegiums  der  Juristenfacultät  und  des  Schöppenstuhls  er- 
nannt, wurde  er  1861  ordentlicher  Honorarprofessor,  am  i.  April  1862 
ordentlicher  Professor  des  deutschen  Privatrechts  und  des  Handelsrechts  und 
zugleich  Mitglied  des  Gcsammt-Ober- Appellationsgerichts  zu  Jena,  nachdem 
sein  Schwiegervater,  der  Oberappell ationsgerichtsrath  Guyet,  aus  dem  Gerichts- 
hofe geschieden  war.  Von  seiner  Bedeutung  als  Docent  und  seinem  Einfluss 
auf  die  studirende  Jugend  ist  wenig  bekannt,  v.  H.  selbst  war  in  seiner 
Bescheidenheit  nach  vielfachen  mündlichen  Aeusserungen  nicht  geneigt,  sein 
Lehrtalent  und  seinen  Vortrag  sehr  hoch  zu  stellen.  Dagegen  fällt  in  diese 
Zeit  eine  Thätigkeit,  die  für  seinen  äusseren  Lebensgang  wie  seine  wissen- 
schaftliche Arbeit  bestimmend  gewesen  ist.  Als  Commissar  der  grossherzog- 
lich und  herzoglich  sächsischen  und  der  anhaltischen  Regierungen  nahm  er 
an  den  Conferenzen  zur  Berathung  des  Entwurfs  eines  Allgemeinen  Deutschen 
Handelsgesetzbuchs  in  Nürnberg  und  Hamburg  von  1857  bis  1861  theil. 
Ucber  die  Bedeutung  dieser  Conferenzen  und  der  daraus  hervorgegangenen 
Protocolle  ist  kein  Wort  zu  verlieren.  Sie  sind  ein  Stück  deutscher  Rechts- 
entwicklung und  deutscher  Rechtsgeschichte,  an  der  v.  H.  hervorragenden 
Antheil  hat.  Aus  dieser  Zeit  stammt  seine  im  November  1860,  unmittel- 
bar vor  der  dritten  Lesung  aus  Anlass  der  Controverse  über  die  Behandlung 


von  Hahn,     von  Wilmowski.  1*63 

des  Frachtgeschäftes  der  Eisenbahnen,  ohne  Namen  erschienene  Schrift 
»Das  Deutsche  Handelsgesetzbuch  und  die  Eisenbahnen«  (Jena),  in  der  v.  H, 
lebhaft  für  die  Beschränkung  der  Vertragsfreiheit  den  Eisenbahnen  gegen- 
über eintrat,  wie  sie  jetzt  auch  der  §  463  des  Entwurfs  eines  Handels- 
gesetzbuchs statuirt.  Dieser  Schrift  folgte  1863  der  erste  Band,  1867  der 
zweite  Band  seines  Commentars  zum  Allgemeinen  Deutschen  Handelsgesetz- 
buch, der  1871,  1875  in  2.  Auflage,  1877  in  3.  Auflage  (Band  i)  erschienen, 
als  immer  noch  unerreichtes  Muster  der  commentarmässigen  Behandlung  eines 
Gesetzbuchs  bezeichnet  werden  muss,  unerreicht  in  der  einfachen,  klaren, 
gründlichen,  tief  und  fein  durchdachten  Darlegung  der  Entstehung  und  des 
Inhalts  des  Gesetzes.  Litterarisch  ist  v.  H.  sonst  wenig  hervorgetreten.  1856 
erschien  eine  seinem  Schwiegervater  Guy  et  gewidmete  Arbeit  über  »Die 
materielle  Uebereinstimmung  der  römischen  und  germanischen  Rechtsprinci- 
pien«,  ausserdem  in  Band  29  der  Zeitschrift  für  das  gesammte  Handelsrecht 
ein  Beitrag  zur  Lehre  vom  Commissionsgeschäft.  Vom  i.  April  1872  ab 
wurde  v.  H.'s  Kraft  durch  seine  Thätigkeit  als  Richter  bei  dem  Oberhandels- 
gericht voll  in  Anspruch  genommen.  Am  i.  October  1879  ^^^^  ^^  "^  ^^^  ersten 
Civilsenat  des  Reichsgerichts.  Am  i.  October  1891  wurde  er  zum  Senats- 
präsidenten ernannt  und  übernahm  als  solcher  den  Vorsitz  des  sechsten  Civil- 
senats.  Am  i.  Januar  1893  trat  er  in  den  Ruhestand.  Eine  kurze  Erholungs- 
pause von  schwerer  Arbeit  brachte  ihm  Arbeitskraft  und  Arbeitsfreude,  er- 
möglichte ihm  die  Bearbeitung  von  zwei  Lieferungen  der  vierten  Auflage 
seines  im  Buchhandel  völlig  vergriffenen  Commentars;  die  Kraft  dauerte  aber 
leider  nicht  lange.  Die  vierte  Auflage  sollte  und  wird  unvollendet  bleiben. 
Ein  gütiges  Geschick  hat  ihn  durch  einen  leichten  Tod  vor  einem  voraus- 
sichtlich schweren  und  langen  Leiden  bewahrt.  Was  v.  H.  für  die  Wissen- 
schaft des  Handelsrechts  geleistet,  ist  unvergänglich.  Wer,  wie  der  Schreiber 
dieser  Zeilen,  mit  ihm  durch  Jahre  in  demselben  Senat  gearbeitet  hat,  wird 
des  ruhigen,  in  Haltung  und  Gesinnung  vornehmen  Mannes  eingedenk  bleiben. 
V.  H.  gab  sich  nur  schwer.  Wenige  sind  ihm  wohl  ganz  nahe  getreten, 
keiner  so  nahe  wie  sein  von  ihm  über  Alles  geschätzter  und  verehrter  Schwieger- 
vater Guy  et.  Sein  Wesen  ging  in  seiner  Wissenschaft,  in  seinem  Amte,  in 
seinem  Hause  und  in  den  Seinen  auf.  Er  wird  auch  ausserhalb  des  Kreises 
der  Seinen  unvergessen  bleiben. 

Wiederholt  aus  der  Dcutscl^en  Juristenzeitung,  II.  Jahrgang,  No.  7. 

Reichsgerich tsrath  Dr.  Reh b ein,   Leipzig. 

Wilmowski,  Gustav  Karl  Adolf  von,  ♦  zu  Paderborn  am  17.  August 
181 8,  f  am  28.  Dec.  1897  zu  Berlin.  —  v.  W.  studirte  in  Bonn  und  Berlin 
die  Rechtswissenschaft,  wurde  am  28.  September  1838  als  Auscultator  beim 
I^nd-  und  Stadtgericht  zu  Naumburg  a.  S.  verpflichtet  und  erhielt  am  i .  Octo- 
ber 1844  eine  etatsmässige  Anstellung  als  Obergerichts-Assessor  bei  dem  Land- 
und  Stadtgericht  zu  Wollstein.  Allein  seine  Herzensneigung  trieb  ihn  zur 
Advocatur,  und  im  Juli  1849  kam  er  als  Rechtsanwalt  nach  Schlawe,  in 
welchem  Oertchen  er  alsdann  über  20  Jahre  verblieb.  Hier  erfolgte  1867 
seine  Ernennung  zum  Justizrath  und  gleichzeitig  die  Veröffentlichung  seiner 
hochverdienstlichen  Schrift  über  das  Lübische  Recht  in  Pommern.  — 
Endlich  am  i.  November  1869  nach  Breslau  versetzt,  veröffentlichte  er 
1870  Beiträge  zum  Pommerischen  Lehnrecht  und  eine  Beurtheilung  des 
sog.    Norddeutschen    Entwurfs    einer    Civilprocess -Ordnung,    welche    letztere 

II* 


164  ^^^  Wilmowski.     Berger. 

seine  Wahl  in  die  vom  Bundesrathe  zur  definitiven  Feststellung  des  Entwurfs 
einer  deutschen  Civilprocess-Ordnung  niedergesetzte  Commission  zur  Folge 
hatte.  Bereits  am  i.  April  1872  wurde  v.  W.  nach  Berlin  versetzt,  wo 
er  als  Notar  und  als  Rechtsanwalt  beim  Stadtgericht  (seit  1879  Land- 
gericht I)  und  seit  Juli  1883  beim  Kammergericht  fungirt  hat,  bis  er 
am  I.  April  1891  aus  dem  Justizdienste  schied.  In  Berlin  entfaltete  er 
eine  umfassende  schriftstellerische  Thätigkeit  und  trat  zugleich  vermöge  her- 
vorragender Charaktereigenschaften  und  vorzüglicher  Befähigung  für  den  von 
ihm  gewählten  Beruf  in  die  erste  Reihe  und  schliesslich  an  die  Spitze 
seiner  Berufsgenossen,  welche  ihn  als  Vorbild  verehrten.  Langjähriges  Mit- 
glied, demnächst  stellvertretender  Vorsitzender  der  Anwaltskammer  des  Kam- 
mergerichtsbezirks, hat  er  in  derselben  in  der  letzten  Zeit  vor  seinem  Abgange 
den  Vorsitz  geführt.  Im  Jahre  1882  zum  Geheimen  Justizrath  ernannt,  wurde 
er  aus  Veranlassung  seines  Dienstjubiläums  am  28.  September  1888  durch 
Verleihung  des  Kronenordens  IL  Klasse  und  seitens  der  Berliner  Friedrich 
Wilhelms-Universität  durch  die  Ernennung  zum  Ehrendoctor  der  Rechte  aus- 
gezeichnet. Seinen  Beruf  als  Schriftsteller  bewährte  er  durch  die  beiden 
grossen,  in  der  Praxis  zu  überwiegendem  Ansehen  gelangten  Commentare, 
von  welchen  im  Jahre  1895  der  von  v.  W.  allein  verfasste  Commentar  zur 
Reichs -Concurs- Ordnung  in  fünfter,  der  von  ihm  in  Gemeinschaft  mit 
dem  Justizrath  M.  Levy  herausgegebene  Commentar  zur  Reichs- Civüpro- 
cess- Ordnung  in  siebenter  Auflage  erschienen  sind.  —  v.  W.  war  Mitglied 
der  ständigen  Deputation  des  Juristentages,  in  welcher  er  von  1880  bis  1888 
das  mühevolle  Schriftführeramt  bekleidete.  Auch  nach  Niederlegung  seiner 
Aemter  blieb  v.  W.  in  rastloser  Thätigkeit  mit  Bearbeitung  der  Commentare, 
F'ortführung  von  Vermögensverwaltungen,  Ertheilung  von  Gutachten  unaus- 
gesetzt beschäftigt.  Daneben  Schatzmeister  der  Juristischen  Gesellschaft  und 
als  Referent  und  Abtheilungsvorsitzender  auf  den  letzten  Juristentagen  thätig, 
ist  er  bis  zum  letzten  Athemzuge  mit  Wort  und  Schrift  für  die  Erhaltung  der 
Advocatur  und  des  Richterstandes  auf  der  Höhe  ihrer  Bestimmung  überall 
eingetreten,  so  noch  im  April  1896  in  der  Deutschen  Juristen-Zeitung  durch 
den  Aufsatz  über  die  Auswahl   der  Gerichtsassessoren. 

Wiederholt  aus  der  Deutschen  Juristenzeitung,  II.  Jahrgang,  No.  2. 

Justizrath  Professor  Dr.  Jacobi- Charlottenburg. 

Berger,  Mathias,  Architekt,  *  am  24.  April  1825  in  der  damaligen  Vor- 
stadt Au  (München),  f  am  30*  April  1897.  —  Sohn  eines  Maurerpolier,  be- 
suchte er  die  Volksschule,  erhielt  durch  den  vorzüglichen  Lehrer  Georg  Reis 
(f  12.  März  1872)  Unterricht  im  Zeichnen,  diente  als  Mörtel  träger  beim  Bau 
der  Hof-  und  Staatsbibliothek,  erregte  durch  seine  schöne  Handschrift  die 
Aufmerksamkeit  des  Direktor  Fr.  von  Gärtner,  welcher  den  intelligenten 
Jungen  schon  1838  in  sein  Bureau  aufnahm.  So  ergab  sich  die  Gelegenheit, 
nicht  allein  zu  den  vielen  Projecten  seines  Meisters,  sondern  auch  bei  Aus- 
führung der  Bauten  des  Witteisbacher  Palais,  der  k.  Villa  an  der  Schwabinger 
Landstrasse  (deren  weitere  Adaptirung  zum  Prinz  Leopold-Palais  gleichfalls 
B.'s  Werk  war),  dem  Siegesthor  in  der  Ludwigsstrasse,  verwendet  zu  werden. 
Im  Jahre  1847  bestand  B.  mit  Erfolg  die  Prüfung  als  Civilarchitekt  und  trat 
nach  dem  am  21.  April  1847  erfolgten  Tode  seines  Meisters  in  selbständiger 
Weise  auf.  B.  entwarf  den  Plan  zur  ersten  Vergrösserung  des  P'riedhofes  der 
damaligen  Vorstadt  Au,  machte  die  Zeichnungen  zu  den  Gedenktafeln  in  der 


Berger.  165 

Auer-Kirche  für  König  Ludwig  I.  und  Baumeister  Daniel  Ohlmüller  (f  am 
22.  April  1839)  ^^"^  bethätigte  sich  mit  einer  Ansicht  des  »Siegesthor«  als 
Kupferstecher,  auch  veröffentlichte  er  ein  Werk  mit  Ansichten  der  merkwürdig- 
sten »Grabmonumente  des  Münchener  Gottesackers«  (1852).  Das  erste  Pro- 
ject  zur  heutigen  Maximilians-Strasse  lieferte  B.;  er  dachte  dieselbe  in  direkter 
Verbindung  mit  einer,  später  von  ihm  wirklich  erbauten  Pfarrkirche  zu  Haid- 
hausen,  welche  mit  ihrem  hochragenden  Fagadenthurm  den  imposanten  Ab- 
schluss  bilden  sollte;  die  Achse  dieser  Prachtstrasse  hätte  sich  alsdann  etwas 
gegen  Süden  geneigt  während  sie  später  nach  Bürklein's  Plane  genau  parallel 
der  Mittellinie  des  Hof-  und  National-Theaters  hergestellt  wurde  und  als 
Schluss  die  lange  Front  des  Maximilianeums  erhielt.  Nach  vielen  Unterhand- 
lungen wurde  am  17.  October  1852  der  Grundstein  zur  Haidhauser -Kirche 
gelegt,  welche,  da  die  Mittel  dazu  durch  Almosen  und  freiwillige  Beiträge  nur 
langsam  flössen,  1863  im  Aeussem  und  1874  auch  im  Innern  zur  Vollendung 
kam,  jedoch  erst  1879  dem  Cultus  übergeben  wurde.  Es  ist  ein  höchst 
achtenswerther,  im  reinen  Spitzbogenstyl,  völlig  aus  Backstein  und  Terracotta 
aufgeführter  Bau,  mit  einem  schlanken  Fagadenthurme  und  zwei  sehr  wirk- 
samen kleineren,  auf  besonderen  Wunsch  König  Max  II.  eingefügten  Chor- 
thürmen.  Das  einschiffige  Langhaus  mit  den  zum  Theil  nach  innen  gezogenen 
Strebepfeilern  und  einem  schmäleren,  mit  fünf  Seiten  des  regelmässigen  Acht- 
eckes geschlossenem  Chore,  hat  eine  Lichtweite  von  achtzehn  Meter,  welche 
von  der  berühmten  Michaelskirche  nur  um  vier  Meter  übertroffen  wird.  Zu 
den  drei,  in  weissem  Marmor  weniger  wirkenden  Altären  stiftete  ein  Bürger 
Haidhausens  das  kostbare  Material.  Trotz  der  gebotenen  Sparsamkeit  erzielte 
der  Künstler  eine  treffliche  Wirkung,  insbesondere  durch  die  schlichte  Arkatur 
unter  dem  Dachaufsatz.  Den  reichen  Schmuck  mit  Statuen  (von  Jos.  Knabl) 
an  der  Aussenseite  besorgte  der  Magistrat  der  Stadt.  Den  Spitzbogenstyl 
brachte  B.  auch  bei  der  1854  errichteten  Pfarrkirche  zu  Gaimersheim  (bei 
Ingolstadt)  und  bei  der  1867  — 1871  erbauten  dreischiffigen  Hallenkirche  zu 
Partenkirchen  in  Anwendung.  Nach  seinen  Entwürfen  und  unter  seiner  Lei- 
tung begann  1858  die  Restauration  der  Münchener  Frauenkirche,  welche  B. 
streng  im  Charakter  des  XV.  Jahrhunderts  unter  Ausscheidung  aller  späteren 
stylstörenden  Zuthaten  auszuführen  gedachte.  An  die  Stelle  des  barocken, 
hölzernen  Orgelchores  setzte  er  eine  Steinconstruction  mit  feuersicherer  Ein- 
wölbung,  und  zwar  in  so  sachgemässer  Uebereinstimmung  mit  dem  älteren 
Theile  der  Musiktribüne,  dass  heute  Niemand  den  Unterschied  der  Entstehungs- 
zeit wahrnehmen  dürfte.  B.  befreite  die  durch  Kästen  verdeckten  Rückwände 
der  Chorstühle  und  brachte  dadurch  die  schönen  Skulpturen  wieder  zu  Ehren; 
in  Uebereinstimmung  damit  componirte  er  den  mit  Flügelthüren  ausgestatteten 
Hochaltar  (mit  Bildern  von  M.  von  Schwind)  und  die  beiden  Seitenaltäre, 
ebenso  die  kunstvolle  Kanzel  und  die  erzbischöfliche  Cathedra;  erstere  wurde 
von  Sickinger,  letztere  von  Wirth  mit  bewunderungswürdiger  Technik  in 
Eichenholz  ausgeführt.  Allerlei  bittere  Erfahrungen,  theils  mit  dem  Restaura- 
tions-Comitd  und  wohlmeinenden  Stiftern,  bewogen  den  Künstler,  seine  Thätig- 
l^eit  dabei  niederzulegen,  worauf  Ludwig  Foltz,  nicht  zum  Besten  der  einheit- 
lichen Wirkung,  das  Ganze  vollendete.  Die  Erweiterung  und  Restauration 
der  Herzogspitalkirche  erfolgte  ohne  weitere  Schwierigkeiten.  Nach  B.'s  Ent- 
würfen entstanden  ausserdem  in  und  ausser  der  Stadt  eine  grosse  Anzalil  von 
Profanbauten,  das  burgartige  Haus  des  Professor  Dr.  Sepp  (in  der  Schönfeld- 
strasse), das  heitere  Bijou  der  Hofschauspielerin  Clara  Christen-Ziegler  (Königin- 


l66  Berger.     Birlcmeyer. 

Strasse),  das  Cafö  Danner  u.  s.  w. ,  wobei  B.  seine  Vorliebe  für  die  Fennen 
des  Spitzbogens  mit  grossem  Geschick  bethätigte.  Zu  Beginn  der  sechziger 
Jahre  gelangte  an  der  Nymphenburger-Dachauer-Strasse  die  neue  Maximilians- 
Kaseme  auf  Oberwiesenfeld  nach  B.'s  Entwürfen  als  stattiicher  Backstein- 
Rohbau  zur  Ausführung  und  das  Erzbischöfliche  Knabenseminar  auf  dem 
Domberge  zu  Freising;  in  beiden  Fällen  bewies  der  Architekt,  dass  er  auch 
den  Aufgaben  des  Profanbaues  gewachsen  war.  Drei  grosse,  bis  in's  kleinste 
Detail  ausgearbeitete  monumentale  Projecte,  einer  neuen  Synagoge,  eines 
prachtvollen  Künstlerhauses  und  eines  Justizpalastes  scheiterten  leider,  weil 
der  Künstler  an  dem  dazu  als  passend  erwählten  Terrain  unerschütterlich 
festhielt;  sie  würden  der  rasch  aufblühenden  Stadt  zur  bleibenden  Ehre  ge- 
dient haben.  König  Maximilian  würdigte  die  Leistungen  des  Meisters  da- 
durch, dass  er  ihn  zum  Ritter  des  Verdienstordens  vom  hl.  Michael  I.  Klasse 
ernannte.  B.'s  unverwüstlich  scheinende  Natur  erlag  am  30.  April  1897  den 
Folgen  einer  schleichenden  Influenza.  Sein  gesammter  artistischer  Nachlass 
mit  allen  Zeichnungen,  Skizzen,  Entwürfen  und  Plänen  wurde  am  28.  März 
18 98  durch  Georg  Mössel  versteigert. 

Vergl.  Franz  v.  Reber:  Bautechnischer  Führer  durch  München.  1876.  S.  123.  Hans 
Moninger:  Fr.  v.  Gärtner.  1882.  S.  105.  Nekrolog  von  Franz  Jakob  Schmitt  in  No.  102 
der  Augsburger  Postzeitung  vom  7.  Mai  1897.  Rechenschaftsbericht  des  Vereins  für 
Christliche  Kunst  für  1897.    S.  I2  ff. 

Hyac.  Holland. 

Birkmeyer,  Fritz,  ♦  1848  zu  Rothenburg  an  der  Tauber,  f  am  9.  Decem- 
ber  1897.  —  B.  absolvirte  die  Lateinschule,  widmete  sich  im  Atelier  des  am 
12.  December  1885  verstorbenen  Bernhard  Mittermaier  der  Glasmalerei  (i863\ 
besuchte  die  Kunstschule  zu  Nürnberg  und  übersiedelte  nach  München.  Mit 
gleichem  Geschick  im  Charakter  der  späteren  Spitzbogenzeit  wie  des  Renais- 
sancestyles  schaffend,  fertigte  er  viele  Cartonzeichnungen  figürlichen  Inhalts  fiir 
die  Königliche  Hofglasmalerei-Anstalt  des  Commerzienrath  Franz  Xaver  Zettler 
zu  München.  Darunter  eine  »Taufe  Christi«,  eine  »Magdalena  zu  den  Füssen 
des  Heilands«,  sieben  Darstellungen  aus  der  Lebensgeschichte  des  Apostel 
Paulus  (für  das  Chorfenster  des  Ulmer  Münsters),  ein  Porträt  des  Kaisers 
Wilhelm  L  mit  Wappenschilden  und  Kriegern  (1883).  Mit  grosser  Begeiste- 
rung erfasste  der  vielseitige  Künstler  die  Idee  des  von  Ludwig  Stark  gedich- 
teten »Rothenburger  Festspieles«  (1883),  lieferte  dazu  Scenen  und  Costüme, 
auch  ein  Erinnerungsblatt  mit  der  Darstellung  des  »Meistertrunk  des  Bürger- 
meister« und  die  Illustrationen  zu  Ludwig  Stark's  Sang  »Der  Jungherr  von 
Rothenburg«  (Stuttgart  1891).  Damit  standen  die  ernsten  Oelbilder  »Tilly  in 
Rothenburg«  und  »Marodeure  aus  dem  dreissigjährigen  Kriege«  (in  No.  52 
»lieber  Land  und  Meer«  1889)  in  Zusammenhang.  Im  Jahre  1868  trat  B. 
freiwillig  in  das  12.  bayerische  Infanterie-Regiment,  machte  den  Feldzug  1870/71 
mit  und  erhielt  im  Treffen  von  Coulmies  fünf  Verwundungen.  In  Folge  davon 
zu  weiterem  Dienste  untauglich,  nahm  B.  wieder  die  Kunst  auf;  seine  eige- 
nen Kriegserlebnisse  gestaltete  B.  zu  Illustrationen  und  Oelbildem.  So 
entstanden  eine  »Friedliche  Begegnung  in  der  Kriegszeit«  (No.  29  »Ueber 
Land  und  Meer«  1890),  eine  »Requisition«,  »Bayerische  Soldaten  vor  Parisv< 
(»Hurrah  Paris!«);  ein  ^Motiv  bei  Artenay«;  »Reiterund  Weg^^^eiser«  (No.  13 
ebendas.  1894);  »Auf  Vorposten  in  der  Christnacht«  (im  » Soldatenfreund <^ 
1895),  der  ergreifende  »Todesritt«  (ebendas.),  der  Finzug  des  General  von  der 
Tann  (»Voilä  le  G^ndral  de  Tann!«)  in  einer  Strasse  von  St.  Ay  s.  Loire  im 


Birkmeyer.     Sohncke.  167 

December  1870  und  »General  von  Hartmann  bei  Moulin  de  la  Tour«,  beide 
mit  reichem,  gleichfalls  portraittreuem  Gefolge.  Ein  »Kriegserlebniss  aus 
Foinard«  reproducirte  die  »Kunst  für  Alle«  vom  15.  Januar  1898.  Ein  sehr 
charakteristisches,  friedfertiges  Bild  gestaltete  B.  aus  der  »Mtinchener  Wacht- 
]jarade«.  Als  Freund  heiterer  Geselligkeit  gastete  unser  Künstier  gerne  bei 
den  fröhlichen  Waldfesten  des  Gesangvereines  »Germania«,  und  schuf  ein 
Banner  und  einen  »Bardenschild«,  wofür  er  als  >^Edeling«  (Ehrenmitglied)  aus- 
gerufen wurde.  Am  3.  December  1897  besuchte  B.  die  Generalversammlung 
der  Künstlergenossenschaft;  auf  dem  Heimwege  brach  er  in  der  ersten  Morgen- 
stunde des  4.  December,  vom  Herzschlag  getroffen,  zusammen;  Wieder- 
belebungsversuche waren  vergeblich.  Eine  hübsche  Serie  von  Gemälden  und 
Aquarellen,  darunter  theilweise  älteres  Militär,  bayerische  leichte  und  schwere 
Reiter,  Scenen  mit  Turkos  und  Zuaven  u.  s.  w.  brachte  der  Mtinchener  Kunst- 
verein im  März  1898  zur  Ausstellung.  Eine  grosse  Sammlung  von  Waffen, 
Säbeln,  musikalischen  Instrumenten,  Helmen,  Tschakos  und  Mützen,  welche 
B.  mit  bayerischen,  preussischen,  österreichischen,  französischen,  türkischen 
Uniformen  zusammengebracht  hatte,  eine  ächte,  reich  bestellte  Atelier-Ausstat- 
tung, wurde  am  12.  Mai  1898  durch  F.  Haunschild  versteigert. 

Vgl.  Abendblatt  338  »Allgemeine  Zeitung«  vom   7.  December  1897   und  Bericht  des 
Mttnchener  Kunstverein  für  1897.    S.  71.  —  Das  geistige  Deutschland.    Lpz.  1898.    S.  55. 

Hyac.  Holland. 

Sohncke,  Leonhard,  Professor  der  Physik  an  der  technischen  Hochschule 
zu  München,  *  am  22.  Februar  1842  zu  Halle  a.  S.,  f  am  i.  November  1897 
zu  München.  —  S.  gehörte  unzweifelhaft  zu  den  Zierden  seiner  Wissenschaft 
und  zählte  zu  den  beliebtesten  Universitätslehrern.  Sein  Vater  Ludwig  Adolf 
Sohncke,  noch  heute  durch  seine  klassische  Uebersetzung  von  Chasles'  Ge- 
schichte der  Geometrie  bekannt,  hatte  an  der  Universität  Halle  a.  S.  eine  Professur 
für  Mathematik  inne.  Schon  durch  die  Erziehung  im  Eltemhause  für  die  exacten 
Wissenschaften  begeistert,  widmete  sich  Sohncke,  als  er  bereits  mit  17  Jahren 
die  Universität  Halle  bezog,  den  mathematischen  und  physikalischen  Studien 
und  legte  1862  seine  Lehramtsprüfung  mit  bestem  Erfolge  ab.  Neben  seinen 
Hauptstudien  zog  ihn  insbesondere  die  Mineralogie  an  —  schon  als  Student 
bekleidete  er  am  mineralogischen  Institut  die  Stelle  eines  Hilfsassistenten  —  und 
dieser  Hang,  begünstigt  von  seinem  Lehrer,  dem  berühmten  Franz  Neumann, 
dem  Begründer  des  physikalischen  Seminars  in  Königsberg,  bei  welchem  es  ihm 
vergönnt  war,  längere  Zeit  zuzubringen,  gab  seinen  späteren  Studien  die  ent- 
scheidende Richtung.  In  Königsberg,  das  damals  der  Sammelplatz  aller  lern- 
begierigen Jünger  der  physikalischen  Wissenschaften  war,  erhielt  S. ,  nachdem 
er  sein  Probejahr  abgelegt  hatte,  1866  seine  erste  Anstellung  als  Gymnasial- 
lehrer und  gründete  alsbald  einen  eigenen  Herd,  indem  er  sich  mit  einer 
Verwandten  verehelichte.  Aber  sein  wissenschaftlicher  Sinn  fand  in  der  Lehr- 
thätigkeit  an  der  Mittelschule  nicht  die  genügende  Befriedigung,  und  so  habi- 
litirte  er  sich  drei  Jahre  später  als  Privatdocent  der  Physik  an  der  Königs- 
berger Universität  mit  einer  Arbeit  über  die  Cohäsion  des  Steinsalzes  (Poggen- 
dorfF's  Ann.  CXXXVII)  und  behielt  nebenher  seine  Lehrstelle  bei.  Doch 
dauerte  diese  doppelte  anstrengende  Lehrthätigkeit  nicht  lange;  denn  als  er 
durch  einen  glücklichen  Zufall  mit  dem  theoretischen  Physiker  Georg  Kirchhoff 
bekannt  wurde,  lernte  ihn  dieser  rasch  schätzen  und  venÄ'endete  sich  für  ihn, 
so  dass  er  schon  1871   das  Ordinariat  für  Physik  am  Polytechnikum  zu  Karls- 


i68  Sohncke. 

ruhe   erhielt.     Im  Kreise  liebenswürdiger  Collegen,   von   denen  er  besonders 
den  Mineralogen  Knop  und  den  darstellenden  Geometer  Wiener  hochschätzte, 
fand  er  sich  rasch  in  seinen  akademischen  Wirkungskreis  und  konnte  mit  mehr 
Muse   und   mit  reichen  experimentellen  Mitteln  versehen,  seinen  wissenschaft- 
lichen Arbeiten  obliegen.    Hier  entstand  auch  sein  bedeutendstes  Werk  »Ent- 
wickelung  einer  Theorie  der  Krystallstructur« .     Der    französische  Mineraloge 
Bravais  hatte  zur  Erklärung   der  Eigenthümlichkeit    krystallisirender  Medien, 
nach  ein  und  derselben  Richtung  stets  die  gleiche,  nach  verschiedenen  Rich- 
tungen  aber  verschiedene   Eigenschaften    aufzuweisen,    die   Zusammensetzung 
eines   ganzflächigen  Krystalls  aus  unendlich  vielen    congruenten    und   gleich- 
gestellten Bausteinen  angenommen  und  nachgewiesen,   dass   die   entstehenden 
Symmetrieverhältnisse  mit  denen  gewisser  geometrischer  Gitterstructuren  über-* 
einstimmen;  doch  war  ihm  dieser  Nachweis  bei  den  halbflächigen  Krystallen 
nicht  gelungen.     Dadurch   dass  nun  S.,   durch   geometrische  Untersuchungen 
seines  Freundes  Wiener  angeregt,  die  von  dem  Mathematiker  Camille  Jordan 
aufgestellten  Bewegimgsgruppen  in  Betracht  zog,  welche  die  Auffindung  aller 
solcher  Punktsysteme  ermöglichten,  gelang  es  ihm,  die  Zusammensetzung  aller 
bekannten  Krystallstructuren,  auch  die  der  halbflächigen,  durch  solche  Gitter- 
systeme darzustellen,  die  er  durch  sinnreich  erdachte  Modelle  veranschaulichte. 
Auch    später    kam   S.   noch   wiederholt    auf   diese  seine   fundamentalen  Ent- 
deckungen im  Gebiete  der  Molekularphysik  zurück,  die  ihn  weitaus  am  meisten 
fesselte,    und    veröffentlichte   hierüber    eine  Reihe    von    Artikeln    in    Gerth's 
Zeitschrift  für  Krystallographie  und  Mineralogie,  in  den  Mathematischen  An- 
nalen  (IX)  und  in  Poggendorff's  Annalen.    In  anderen  Abhandlungen,  die  in 
denselben  Zeitschriften   erschienen,    beschäftigte    er    sich   eingehend  mit  den 
optischen  Eigenschaften  der  Krystalle,   sowie   mit  den  Newton'schen  Farben- 
ringen, wobei  er  überall  Neues  zu  Tage  förderte.    Auch  Femerstehende  suchte 
er  mit  jenen  merkwürdigen  Molekularvorgängen  vertraut  zu  machen,    indem 
er,  unterstützt  von  seinem  hervorragenden  Darstellungstalent,  wiederholt  popu- 
läre Aufsätze  hierüber  veröffentlichte  (Bayrisches  Industrie-  und  Gewerbeblatt 
1891,    »Nature«   1884).   —  S.   war    bei    seiner  Berufung  nach  Karlsruhe  als 
Nebenamt  auch  die  theilweise  Organisation  und  Leitung  des  meteorologischen 
Beobachtungsnetzes  in  Baden  übertragen  worden.    Dadurch  war  er  gezwungen, 
sich    in    ein  ihm  bisher  fremdes  Gebiet  einzuarbeiten,    was    ihm    bei  seiner 
Gewissenhaftigkeit  und  Energie  in  kürzester  Zeit  so  vollständig  gelang,   dass 
auch   dieser  Wissenszweig  bald    zu   seinen   Lieblingsstudien   gehörte,    obwohl 
er  die  täglichen  Registrir-  und  Büreauarbeiten,  die  mit  der  Meteorologie  un- 
abweislich  verbunden  sind,    stets  als  eine  Last  empfand.     Aus   jener   ersten 
Zeit  seiner  Beschäftigung  mit  der  Meteorolgie  stammt  ein  kleines  Schriftchen: 
»Ueber  Stürme   und  Sturmwarnungen«    1875,  sowie    »Vorschläge  zur  Verein- 
fachung der  Ableitung  der  barometrischen  Höhen messungsformel«  (Zeitschrift 
für  Mathematik  und  Physik  XX).    Doch  trotz  dieser  Vorliebe  für  das  neu  ge- 
wonnene Fach  waren   es    hauptsächlich    die    zeitraubenden   meteorologischen 
Nebenarbeiten,    welche  ihn  vermochten,   einen  Ruf  an  die  Universität  Jena, 
der  1883  an  ihn  erging,  anzunehmen.     Daselbst  wurde  ihm  die  Leitung  des 
physikalischen  Instituts  übertragen,   das   er  auf  neuer  Grundlage  einzurichten 
hatte.     Trotz  der  hiermit  verbundenen   grossen  Arbeitslast   fühlte   er  sich  in 
der  Freiheit  des  Jenaer  Universitätslebens,    welches    seinem  Charakter    ganz, 
besonders  zusagte,  stets  äusserst  wohl  und  erinnerte  sich  später  noch  oft  gern 
an  jene  Zeit.     Daselbst  benützte   er  die  spärlichen  Musestunden,  welche  ihm 


Sobncke.  i6o 

seine  Berufsarbeiten  übrig  Hessen,  um  seine  in  Karlsruhe  begonnenen  meteoro- 
logischen Studien  fortzusetzen  und  schuf  seine  hochbedeutende  Theorie  der 
G^witterbildung,  die  er  in  der  Monographie:  »Der  Ursprung  der  Gewitter- 
elektricität«,  Jena  1885,  niederlegte.  Dieselbe  fand  nicht  nur  bei  den  Fach- 
männern allgemeinen  Anklang,  sondern  machte  S.'s  Namen  auch  in  weiteren 
Kreisen  bekannt.  Die  in  dieser  Schrift  angedeuteten  Grundgedanken  führte 
er  in  späteren  Veröffentlichungen  noch  weiter  aus,  so  in  den  Sitzungsberichten 
der  Bayerischen  Akademie  1888,  in  der  Zeitschrift  »Himmel  und  Erde«  1889, 
in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  V  und  in  den  Abhandlungen  der  Mün- 
chener Akademie  XVIII,  3,  woselbst  die  »Gewitterstudien  auf  Grund  von 
Ballonfahrten«  erschienen.  —  Sein  Aufenthalt  in  Jena  dauerte  nur  zwei  Jahre, 
denn  schon  1885  erhielt  er  einen  Ruf  an  die  technische  Hochschule  zu 
München,  dem  er  auch  in  der  Aussicht  auf  eine  ausgedehntere  Lehrthätig- 
keit,  wenn  auch  nur  zögernd,  Folge  leistete.  Daselbst  entfaltete  er  seine  ganze 
enomie  Arbeitskraft.  Denn  obwohl  sich  infolge  der  beständig  zunehmenden 
Frequenz  der  Hochschule  seine  Berufsarbeiten  bis  zum  Uebermaasse  steigerten, 
setzte  er  doch  die  Forschungen  auf  seinen  Specialgebieten  fort,  in  die  er  auch 
noch  andere,  wie  die  Elektricitätslehre  (Münchener  Sitzungsberichte  1888)  und 
die  Wärmelehre  (ebenda  1897)  miteinbezog.  Auch  der  Optik,  der  er  schon 
früher  sein  Interesse  geschenkt  hatte  (Apologie  der  Doppler'schen  Theorie, 
Poggendorff's  Annalen  CXXXII),  trat  er  wieder  näher,  indem  er  einerseits  mit 
optischen  Hilfsmitteln  die  Dicke  einer  auf  Wasser  sich  ausbreitenden  Oel- 
schicht  bestimmte  (Münchener  Sitzungsberichte  1889),  andererseits  eine  einfache 
Erklärung  der  Nebenbilder  gab,  welche  man  bei  Betrachtung  einer  Abbe'schen 
Diffraktionsplatte  erkennt.  Eine  seiner  letzten  Arbeiten  über  die  polarisirte 
Fluorescenz  (Münchener  Sitzungsberichte  1896)  war  ebenfalls  optischer  Natur, 
und  ausserdem  fesselten  den  gewiegten  Meteorologen  auch  die  optisch  inter- 
essanten meteorologischen  Erscheinungen,  wie  z.  B.  das  bei  Sonnenuntergang 
wahrzunehmende  »blaugrüne  Flämmchen«,  wofür  er  eine  Erklärung  brachte 
(Meteorologische  Zeitschrift  VI),  und  die  bei  Ballonfahrten  nicht  selten  wahr- 
nehmbaren Luftspiegelungen.  Als  ihn  schon  längst  das  unheilbare  Leiden 
befallen  hatte,  das  eine  rasche  Abnahme  seiner  Kräfte  bewirkte  und  schliess- 
lich seinem  Leben  ein  Ende  setzte,  sammelte  der  energische  Mann,  bis  zum 
letzten  Augenblicke  muthvoll  sein  Leiden  bekämpfend,  noch  eifrig  Material 
für  eine  im  kommenden  Sommer  zu  haltende  Vorlesung  über  meteorologische 
Optik,  die  er  in  populärer  Form  unter  dem  Titel  »Der  Himmel«,  herauszu- 
geben gedachte.  Ueberhaupt  hat  S.  viel  für  Popularisirung  seiner  Wissen- 
schaft im  besten  Sinne  des  Wortes  gethan:  seine  »Gemeinverständlichen  Vor- 
träge aus  dem  Gebiete  der  Physik«,  Jena  1892,  sowie  mehrere  hochinter- 
essante Vorträge,  die  in  der  Zeitschrift  »Himmel  und  Erde«  und  in  der  Bei- 
lage zur  Allgemeinen  Zeitung  erschienen  und  in  glänzender  Darstellung  nicht 
die  leichtesten  Fragen  behandelten,  sind  Zeugen  von  dieser  für  die  Verbrei- 
tung wissenschaftlicher  Bildung  so  wichtigen,  aber  ebenso  seltenen  Begabung. 
Doch  in  der  schriftstellerischen  Thätigkeit  S.,  die  wir  wenigstens  in  den 
Hauptzügen  zu  schildern  versuchten,  lag  nicht  allein  seine  Bedeutung  für  die 
Wissenschaft.  Er  verstand  es  vielmehr  auch  im  Umgang  mit  anderen  an- 
regend zu  wirken  und  scheute  keine  Mühe,  um  seine  Begeisterung  für  wissen- 
schaftliches Streben  anderen  einzuflössen.  So  schuf  er  in  München  ein  zwang- 
loses physikalisches  Colloquium,  an  dem  jeder,  der  sich  für  Physik  inter- 
essirte    und    mitarbeiten    wollte,    theilnehmen    konnte;    femer    war    er    Mit- 


lyo 


Sohncke.     Weierstrass. 


begrtinder  des  Münchener  Vereins  ftir  Luftschiffahrt  und  wusste  als  erster 
Vorstand  desselben  dem  neuen  Unternehmen  rasch  eine  geachtete  Stellung 
zu  verschaffen.  Auch  als  Lehrer  wirkte  er  äusserst  fruchtbringend.  Sein  Vor- 
trag war  lebhaft  und  fliessend,  seine  Kunst  zu  experimentiren,  bewundems- 
werth,  und  der  Eifer,  mit  dem  er  sein  Practicum  leitete,  diente  seinen  zahl- 
reichen Schülern  als  nachahmenswerthes  Vorbild.  Daher  ging  auch  aus  seinem 
Laboratorium  eine  Reihe  werthvoUer  Dissertationen  und  Specialabhandlungen 
hervor.  —  S.  war  ein  gerader  und  energischer  Charakter,  von  seltener  Wahr- 
heits-  und  Gerechtigkeitsliebe,  dazu  freundlich  und  gefällig,  namentlich  gegen 
jüngere  Leute,  bei  denen  er  ideales  Streben  erkannte,  und  obgleich  er  in  Folge 
seiner  anstrengenden  Thätigkeit  am  gesellschaftlichen  Leben  wenig  theilnahm, 
so  war  er  doch  in  engerem  Freundeskreise  stets  ein  gern  gesehener  und 
heiterer  Gesellschafter.  Die  Reinheit  seines  Charakters  und  sein  idealer  Sinn 
bedingten  auch,  dass  er  jedem  Streberthum  fern  blieb  und  Ehrungen  gerade- 
zu aus  dem  Wege  ging;  als  höchste  Ehre  galt  ihm  stets,  als  ernster  Forscher 
und  als  tüchtiger  Lehrer  anerkannt  zu  werden.  Darum  wollen  wir  auch  von 
den  ungesuchten  Ehrungen,  die  ihm  zu  Theil  wurden,  nur  seine  Aufnahme 
in  die  kgl.  bayerische  Akademie  der  Wissenschaften  nennen,  deren  Mitglied 
er  alsbald  nach  seiner  Berufung  nach  München  wurde. 

Quellen:  Die  Nachrufe  von  Prof.  Finsterwalder,  Münchner  Neueste  Nachrichten  1897, 
No.  519,  und  Prof.  Günther,  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  1897,  No.  275,  sowie  persön- 
liche Bekanntschaft  mit  Sohncke. 

A.  V.  Braunmühl. 

WeierstrasSy  Karl  Theodor  Wilhelm,  Professor  der  Mathematik  aii 
der  Berliner  Universität,  *  am  31.  October  181 5  zu  Ostenfelde  im  Regie- 
rungsbezirk Münster  als  ältester  Sohn  des  dortigen  Bürgermeisters,  f  am 
19.  Februar  1897  zu  Berlin.  —  Nachdem  W.  von  1829  —  34  das  Gymna- 
sium in  Paderborn  besucht  hatte,  studierte  er  von  1834 — 38  in  Bonn  Jura 
und  Cameralia.  Doch  befriedigten  ihn  diese  Studien  wenig,  da  seine  eigent- 
liche Begabung  auf  mathematisch-physikalischem  Gebiete  lag.  Er  begab  sich 
daher  an  die  Akademie  Münster  und  beschäftigte  sich  dort  unter  Gudemianns 
privater  Leitung  intensiv  mit  seinen  IJeblingsfächern.  Nach  Beendigung  seiner 
Studien  bestand  er  1841  das  Examen  pro  facultate  docendi  in  Münster,  legte 
dort  sein  Probejahr  ab  und  wurde  1842  Lehrer  am  Progymnasium  in  Deutsch- 
Krone  in  Westpreussen  und  von  1848  an  Oberlehrer  am  Gymnasium  zu  Brauns- 
berg in  Ermeland.  Aber  während  dieser  Lehrthätigkeit  an  den  Mittelschulen 
beschäftigte  er  sich  bereits  mit  den  bedeutendsten  Problemen  der  Mathematik 
und  veröffentlichte  seine  epochemachenden  Resultate  in  der  bescheidensten 
Weise  in  den  Gymnasialprogrammen.  Aus  jener  Zeit  datirt  seine  berühmte 
Arbeit  über  die  Theorie  der  analytischen  Facultäten  (Jahresbericht  über  das 
Progymnasium  zu  Deutsch-Krone  1843),  über  die  Umkehrprobleme  der  hyper- 
elliptischen Functionen  und  vor  allem  sein  erster  Beitrag  zur  Theorie  der 
Abel'schen  Integrale  (Jahresbericht  über  das  Gymnasium  zu  Braunsberg  1840'. 
Diese  Abhandlungen  zeichneten  sich  schon  durch  jene  Strenge  der  methodi- 
schen Beweisführung  aus,  die  alle  seine  Arbeiten  in  so  hervorragender  Weise 
kennzeichnet,  und  lenkten  die  Blicke  der  Gelehrten  auf  den  jungen  Gymnasial- 
lehrer. Er  erhielt  daher  1854  honoris  causa  den  Doctorhut  von  der  Univer- 
sität Königsberg,  wo  der  in  den  gleichen  Fächern  thätige  Richelot,  Jacobi's 
Schüler,  zuerst  die  Wichtigkeit  von  W.'s  Leistungen  erkannt  hatte,  1856 
wurde  er  als  Professor  der  Mathematik  an  das  Gewerbeinstitut  zu  Berlin  berufen 


Weicrstrass. 


171 


und  zugleich  zum  Mitgliede  der  Berliner  Akademie  ernannt.  1864  wurde  er 
endlich,  nachdem  er  ein  in  Folge  von  Ueberarbeitung  entstandenes  Nerven- 
leiden glücklich  überwunden  hatte,  ordentlicher  Professor  an  der  dortigen 
Universität,  woselbst  er  schon  in  seiner  Stellung  als  Professor  des  Gewerbe- 
institutes Vorlesungen  gehalten  hatte.  Diese  Stellung  behielt  er  bis  zu  seinem 
'I'ode  bei.  Seiner  eminenten  Lehrbegabung,  die  in  seinen  vorhergehenden  Stel- 
hmgen  die  beste  Schulung  erhalten  hatte,  gelang  es,  eine  eigene  mathematische 
Schule  zu  gründen,  aus  welcher  eine  Menge  der  hervorragendsten  und  tüch- 
tigsten Gelehrten  hervorging.  Dazu  trug  aber  auch  nicht  wenig  sein  selbst- 
loses Wesen  bei,  indem  er  stets,  unbekümmert  um  die  Wahrung  der  eigenen 
Priorität,  seine  Geistesschätze  mit  vollen  Händen  unter  seine  Zuhörer  aus- 
streute. Alle  seine  Schüler  hingen  daher  auch  mit  unbegrenzter  Liebe  und 
Verehrung  an  dem  Meister,  der  noch  bis  in  sein  hohes  Alter,  trotzdem  sein 
Nervenleiden  sich  immer  wieder  einstellte,  ihre  Studien  mit  Hingabe  leitete 
und  unterstützte.  Erst  als  1887  ein  Herzleiden  allmählich  seine  ohnehin  schon 
geschwächte  Gesundheit  zu  untergraben  begann,  musste  er  seine  Arbeit  ein- 
schränken und  drei  Jahre  später  der  ihm  so  lieb  gewordenen  Lehrthätigkeit 
ganz  entsagen.  Aber  selbst,  als  er  bereits  durch  Wassersucht  an  seiner  Be- 
wegung gehindert  war,  betheiligte  er  sich  noch  lebhaft  an  einer  Gesammt- 
ausgabe  seiner  Schriften,  welche  die  preussische  Akademie  unternommen  hatte. 
Mit  ihm  ist,  nachdem  seine  Freunde  Kummer  und  Kronecker  ihm  im  Tode 
vorausgingen,  der  letzte  der  drei  grossen  Mathematiker  dahingegangen,  welche 
während  eines  Menschen  alters  die  Zierde  der  Berliner  Hochschule  gebildet 
hatten.  W.  war  unverheirathet  geblieben,  führte  aber  mit  seinen  beiden 
Schwestern  ein  trautes  Familienleben,  in  dem  sich  jeder  wohlfühlte,  der  das 
Glück  hatte,  zu  den  Freunden  des  grossen  Mannes  zu  zählen. 

Wenn  auch  die  Zahl  von  W.'s  bisher  im  Druck  erschienenen  Schriften 
verhältnismässig  nicht  gross  ist,  so  sind  dieselben  doch  von  so  hervorragender 
Bedeutung,  dass  sie  ihm  den  Weltruf  eines  der  hervorragendsten  Analytiker 
aller  Zeiten  sichern.  In  seiner  Antrittsrede  in  der  Berliner  Akademie  (9.  Juli 
1857)  sagte  er  selbst,  dass  seine  Studien  von  den  elliptischen  Functionen,  in 
die  er  durch  eine  Vorlesung  Gudermann's  eingeführt  worden  war,  ihren 
Ausgang  genommen  hatten,  und  steckte  sich  als  ferneres  Ziel,  die  Erforschung 
der  Eigenschaften  der  nach  ihrem  Entdecker  Abel  benannten  Functionen. 
Aber  er  will  diese  abstrakten  Gebiete  nicht  nur  um  ihrer  selbst  willen  be- 
bauen, obwohl  ja  jede  Wissenschaft  zunächst  sich  Selbstzweck  ist,  sondern 
er  hofft  mit  Zuversicht,  dass  seme  Theorien  auch  praktische  Anwendung 
finden  werden  und  »würde  sich  glücklich  schätzen,  wenn  er  späterhin  nament- 
lich für  die  Physik  aus  ihnen  einigen  Nutzen  ziehen  könnte«.  In  der  That 
hat  er  auch  sowohl  in  Vorlesungen,  als  in  einigen  Abhandlungen  (Ein  die 
homogenen  Functionen  zweiten  Grades  betreffendes  Theorem,  nebst  Anwen- 
dungen desselben  auf  die  Theorie  der  kleinen  Schwingungen.  Monatsberichte 
der  Berliner  Akademie  1858,  und  ebenda  1861:  Die  geodätischen  Linien  auf 
dem  dreiaxigen  Ellipsoid)  selbst  Beweise  für  die  Anwendbarkeit  seiner  Resul- 
tate gegeben.  Doch  sein  Hauptaugenmerk  blieb  immer  auf  die  Entwickelung 
der  Theorie  gerichtet.  Dabei  verschmähte  er  es,  ja  er  hielt  es  nicht  für 
richtig,  bei  der  Begründung  functionen theoretischer  Wahrheiten  sich  der 
geometrischen  Methoden  zu  bedienen,  mit  denen  Riemann,  Clebsch  und 
dessen  Schüler  .so  wichtige  Resultate  zu  Tage  gefördert  hatten,  und  konnte 
sich   nie   mit  der  von  jener  Seite  mit  so  vielem  Glück  durchgeführten jVer- 


1^2  Weierstrass. 

bindung  von  Geometrie  und  Analysis  befreunden.  Dabei  hatte  er  jedoch  nur 
die  »systematische  Begründung«  im  Auge,  indem  er  einmal  ausdrücklich  sagt, 
»es  verstehe  sich  von  selbst,  dass  dem  Forscher,  so  lange  er  suche,  jeder 
Weg  gestattet  sein  muss«.  Aber  gerade  diese  systematische  Begründung,  fiir 
die  ihm  die  Einheit  der  Methode  und  der  Darstellung  eine  unerlässliche 
Nothwendigkeit  schien,  war  ihm  bei  seinen  Forschungen,  namentlich  in  späterer 
Zeit,  fast  durchweg  die  Hauptsache.  Er  ging  weniger  darauf  aus,  glänzende 
neue  Resultate  zu  erzielen,  die  sich  übrigens  bei  seinen  Studien  wie  von  selbst 
einstellten,  als  die  Theorien,  die  er  schuf,  von  den  einfachsten  Principien 
ausgehend,  durch  strenge  analytische  Methoden  einwandfrei  zu  entwickeln. 
So  gelang  es  ihm  z.  B.  die  Theorie  der  complexen  Functionen  von  den  ein- 
fachsten Rechnungsoperationen  ausgehend  bis  zu  den  allgemeinsten  Theoremen 
über  die  eindeutigen  holomorphen  Functionen  fortzuführen,  indem  er  allen 
seinen  Sätzen  und  Beweisen  die  Entwickelung  in  Potenzreihen  zu  Grunde 
legte.  Die  Potenzreihe,  das  »Element«,  wie  er  sie  nannte,  war  ihm  überhaupt 
das  Instrument  aller  seiner  Untersuchungen  im  Gebiete  der  Functionentheorie. 
Das  stolze  Gebäude  dieser  Theorie,  das  er  aufgerichtet,  hat  an  Consequenz 
und  Systematik  des  Aufbaues  in  der  ganzen  Entwickelungsgeschichte  der 
Mathematik  nur  ein  ebenbürtiges  Analogon:  das  Euklid'sche  System  der 
Elementargeometrie. 

Die  Schärfe  seiner  Schlussweise  und  die  Reinheit  der  von  ihm  verwen- 
deten Methoden  verfehlten  auch  nicht,  ihre  gute  Wirkung  auf  die  Präcisirung 
mancher  Resultate  modemer  Forschung  auszuüben  und  überhaupt  das  Augen- 
merk der  Mathematiker  wieder  mehr  auf  die  Nothwendigkeit  grösserer  Strenge 
und  Exaktheit  der  Beweisführung  zu  lenken.  So  hat  er  durch  seine  Abhand- 
lung über  das  sogenannte  Dirichlet'sche  Princip  (1870)  Lücken  in  der  bis- 
herigen Beweisführung  für  dasselbe  nachgewiesen,  die  dann  von  andern  er- 
gänzt wurden,  und  in  dem  Aufsatze:  »lieber  continuirliche  Functionen  eines 
reellen  Argumentes,  die  für  keinen  Werth  des  letzteren  bestimmte  Differential- 
quotienten besitzen«  (1872),  löste  er  die  wichtige  Frage  über  den  Zusammen- 
hang der  Stetigkeit  einer  Function  mit  der  Eigenschaft,  einen  Differential- 
quotienten zu  haben,  zum  ersten  Male  in  völlig  befriedigender  Weise.  Von 
grosser  Bedeutung  wurden  auch  seine  Arbeiten  über  Schaaren  quadratischer 
Formen  und  die  damit  verbundenen  Elementartheiler,  sowie  seine  Aufstellung 
der  Gleichung  algebraischer  Minimal  flächen,  an  die  sich  eine  ganze  Literatur 
anknüpft. 

Doch  W.'s  Grösse  würde  nicht  voll  erfasst  werden,  wenn  man  nur  die 
von  ihm  selbst  publicirten  Abhandlungen  und  die  in  ihnen  niedergelegten 
Theorien,  von  denen  allein  die  über  eindeutige  Functionen  zu  einem  gewissen 
Abschlüsse  gediehen  ist,  in  Betracht  zöge,  sondern  man  muss  unbedingt  auch 
seine  zahlreichen  Vorlesungen  ins  Auge  fassen,  die  noch  grösstentheils  un- 
veröffentlicht in  den  Händen  seiner  Schüler  ruhen.  Darunter  sind  vor  allem 
seine  Vorlesungen  über  elliptische  und  Abel'sche  Functionen,  sowie  über 
Variationsrechnung  zu  nennen,  in  denen  er  überall  neue  Bahnen  eingeschlagen 
hat,  und  wenn  auch  die  darin  verwendeten  Methoden  bereits  vielfach  bekannt 
geworden  sind  und  in  der  verschiedensten  Weise  anregend  gewirkt  haben,  so 
wird  doch  erst  eine  Herausgabe  derselben  die  volle  Grösse  des  Geistes  er- 
messen lassen,  der  sie  geschaffen  hat.  Hoffen  wnr,  dass  die  Publication  seiner 
Werke,  von  denen  bereits  zwei  Bände  erschienen,  während  der  dritte  schon 
sehr  weit  gediehen  ist,  in  nicht  zu  langer  Zeit  zu  Ende  geführt  sein  werde. 


Weiersttass.     Grögler.  1*^3 

Trotzdem  W.  unablässig  mit  seinen  tiefsinnigen  analytischen  Speculationen 
beschäftigt  war,  fand  er  doch  noch  Muse,  um  im  Auftrage  der  Akademie  in 
den  Jahren  1881/82  die  gesammelten  Werke  Steiner's  herauszugeben,  mit 
Beihilfe  seiner  Schüler  nach  dem  Tode  Borchardt's  die  von  diesem  begonnene 
Veröffentlichung  der  Werke  Jacobi's  fortzuführen  und  zu  vollenden  und  sich 
an  der  Redaction  des  Journals  für  Mathematik  (von  Band  91  — 103)  zu  be- 
theiligen. 

W.  kannte  den  Werth  seiner  eigenen  Leistungen  sehr  wohl,  dessenunge- 
achtet verschmähte  er  es,  als  ein  Charakter  von  seltener  Grösse,  irgendwie 
für  seinen  eigenen  Ruhm  zu  sorgen.  Daher  blieb  er  auch  dem  Auslande 
lange  Zeit  unbekannt;  aber  als  seine  Schüler  den  Namen  des  Meisters  in  alle 
Welt  getragen  hatten,  und  die  Abschriften  seiner  Vorlesungen,  in  denen  sich 
die  ganze  Gedankentiefe  des  grossen  Mannes  abspiegelt,  überall  hin  verbreitet 
wurden,  erkannte  man  ihm  neidlos  die  erste  Stelle  unter  den  damals  lebenden 
Mathematikern  zu  und  überschüttete  ihn  bei  seinem  80.  Geburtstage  mit 
Ehrenbezeugungen,  die  er  zeitlebens  nie  gesucht  hatte.  Die  treue  Anhäng- 
lichkeit, die  Liebe  und  der  Dank  seiner  zahlreichen  Schüler,  die  damals  den 
Greis  umgaben,  waren  ihm,  wie  er  selbst  versicherte,  der  schönste  Lohn  für 
seine  mühevolle  Lebensarbeit. 

Quellen:  Nekrologe  von  C.  Voit,  Sitzungsberichte  der  Münchner  Akademie  1897.  2. 
und  von  E.  Lampe,  Leipzig  1897;  femer  Leopoldina.  XXXIII.  S.  54  und  Weierstrass' 
Werke. 

A.  V.  Braunmühl. 

Grögler,  Wilhelm.  Am  6.  Mai  1897  verschied  in  Folge  eines  Herz- 
schlages der  Genremaler,  Zeichner  und  Illustrator  G.  im  58.  Lebensjahre 
und  wurde  am  8.  Mai  auf  dem  östlichen  (Auer-)  Friedhofe  begraben.  Trotz 
vielfachen  Nachfragen  gelang  es  nicht,  weitere  biographische  Daten  zu  er- 
reichen. Die  zuständigen  Lexica  ignoriren  seinen  Namen,  auch  die  Listen 
des  Kunstvereins;  G.  war  kein  Mitglied  der  Künstler- Genossenschaft  oder 
des  Kunstvereins,  sein  Name  fehlt  sogar  im  Münchener  Adressbuch,  wahr- 
scheinlich weil  derselbe  nur  als  »Zimmerherr«  (nach  Adolf  Bothe's  »Adress- 
i)uch  der  bildenden  Künstler  der  Gegenwart«  1897)  in  der  Augusten- 
strasse  41.  I.  wohnte.  Ueber  Geburtsort  und  Bildungsgang  schweigen  die 
Quellen.  Aus  der  Manier  des  Vortrags  und  der  Wahl  seiner  Stoffe  wäre 
vielleicht  als  Geburtsort  auf  Wien  zu  rathen;  er  muss  sich  aber  auch  in  Ber- 
lin, Strassburg  und  zuletzt  auch  in  Tirol  und  Mähren  umgethan  haben.  Die 
Kunstausstellungskataloge  kennen  ihn  nicht.  Der  Münchener  Kunstverein 
zeigte  im  August  1873  ein  Oelbild  »BettelmÖnch  in  einer  Schenke«.  Dagegen 
erscheint  sein  Name  häufig  in  illustrirten  Blättern  und  Zeitschriften.  Hier 
folgen  für  einen  späteren  Biographen  nur  einige  seiner  Arbeiten,  welche  ich  mir 
zufällig  angemerkt  habe.  1871 :  »Vor  der  Verlustliste«  (eine  junge  Frau  mit  zwei 
Kindern,  sucht  mit  dem  Ausdrucke  tiefster  Bekümmemiss  in  dem  an  der 
Strassenecke  angehefteten  officiellen  Verzeichniss  der  auf  dem  Felde  der  Ehre 
verwundeten  und  gebliebenen  Krieger;  im  »Daheim«  187 1.  S.  61.  —  »Der 
Ulan  kommt!«  in  A.  Schricker:  »Deut.  Kriegs-Ztg.«  Stuttg.  1871.  S.  80.  — 
»Wirkungen  beim  Vorüberziehen  eines  Musikkorps«  in  No.  7  »Ueber  Land 
und  Meer.«  1871.  XXVIL  B.  —  1872:  »Die  Schule  des  Waldbruders«  in 
»Alte  und  Neue  Welt«.  1872.  S.  353.  —  Illustrationen  und  Randzeichnungen 
zu  dem  Liede  »König  Wilhelm  sass  ganz  heiter«  im  «Daheimkalender«  1872 
S.  48.  —   »Der  erste  Schuss«  (eines  Knaben  auf  eine  Wildtaube  zur  Freude 


1^4  Grögfler. 

seines  försterlichen  Vaters)  in  »Das  Neue  Blatt«.  S.  169.  —  1873*  ^^Der  ver- 
botene Weg«  (ein  junges  Liebespaar  übersieht  die  Warnungstafel,  während  die 
Mutter  im  Hintergrunde  durch  Zuruf  abmahnt)  in  .Hallbergers  »Die  Illustr. 
Welt«.  1873.  S.  136.  —  »Alte  und  Neue  Zeit«  (ein  Tiroler  Hühnerhändler 
mit  seinem  Sohne  und  einem  bepackten  Esel,  bestaunen  einen  durch  die  Berge 
dahin  sausenden  Bahnzug)  in  »Illustr.  Welt«.  1873.  S.  589.  —  1875:  »Aus 
der  Münchener  Bierwelt«  in  der  »Illustr.  Welt«.  1875.  XXIV.  S.  625,  neun 
Skizzen,  dabei  auch  das  Portrait  der  verstorbenen  »Radi-Rosl«.  —  »Zeiten 
und  Menschen«.  —  »Ein  Idyll«  (ein  feines  Stadtfräulein,  welchem  ein  junger 
Schäfer  eine  Hirtenpfeife  schneidet;  »Zehn  Jahre  später«  präsentirt  derselbe 
vor  dem  mit  seiner  Gattin  vorüberfahrenden  General)  in  No.  16  »Ueber  Land 
und  Meer«.  1875.  XXXIII.  B.  —  1877:  »Aus  dem  bayerischen  Hochland  . 
in  No.  47  »Ueber  Land  und  Meer«.  XXXVIII.  S.  957  (5  Scenen  mit  Kinder- 
begräbniss,  Posthalterei,  Wallfahrt  in  Birkenstein,  Schuh plattl -Tanz  und  Kir- 
tagsschluss)  und  Fortsetzung  in  No.  2  ebendas.  XXXIX.  S.  32.  —  187S: 
Scenen  aus  Hermann  v.  Schmid's  Schauspiel  »Z'widerwurzen«  in  No.  1832 
»Illustr.  Zeitg.«,  Leipzig  1878,  S.  109  und  aus  dem  Volksstück  Franz  Bonn's 
»Gundel  vom  Königssee«  in  No.  1840  ebendas.  vom  5.  October  1878.  — 
»Allerhand  Münchener  Fahrgelegenheiten«  im  XV.  Heft  der  »Alten  und  Neuen 
Welt«.  1878.  —  »Eine  Maus!  Eine  Maus!«  (Schrecken  in  einer  Mädchenschule^ 
in  »Illustr.  Welt«.  1878.  S.  36.  —  1879:  »Der  Münchener  Schäfflertanz  in 
No.  1858  Illustr.  Ztg.  Leipz.  vom  8.  Februar  1879.  —  »Weibliche  Typen  aus 
München«  ebendas.  No.  1861  vom  i.  März  1879.  —  1880:  »Die  Gebirgs- 
schützen  am  Grabe  der  in  der  Bauemschlacht  1705  Gefallenen  auf  dem  Send- 
linger  Kirchhof«  in  No.  1942  ebendas.  vom  18.  September  1880.  —  1881: 
Drei  Scenen  aus  dem  Schauspiel  »Die  Geierwally«  von  Wilhelmine  von  Kil- 
lern« nach  der  Aufführung  im  Theater  am  Gärtnerplatz  zu  München,  ebendas. 
No.  1962  vom  5.  Februar  1881.  —  Zwölf  Bilder  »Aus  den  Münchener  Som- 
merbierkellern« in  No.  38   »Ueber  Land  und  Meer«.    1881.    XL  VI.   B.    S.  757. 

—  1882:  »Der  Plampatsch«  in  No.  i  »Illustr.  Welt«..  1882.  —  »Italien  in 
Deutschland«  in  No.  46  »Ueber  Land  und  Meer«.    1882.    XLVIII.  B.    S.  929. 

—  »Die  Regatta  in  Starnberg«  ebendas.  No.  47,  S.  945.  —  1883:  »Prinz 
Wilhelm  von  Preussen  in  Wien.  Die  Revue  auf  der  Schmelz  am  28.  Ai)rilo 
in  No.  2081  »Illustr.  Ztg.«  Leipz.  vom  19.  Mai  1883.  —  »Allerseelen«  ebendas. 
No.  2105  vom  3.  November  1883.  —  1885:  »Das  Fasszieherfest  in  Nieder- 
österreich« in  No.  2212  »Illustr.  Ztg.«  Leipz.  vom  21.  November  1885.  — 
1887:  »Das  Todaustragen  in  Mähren«  in  No.  11  »Gartenlaube«.  1887.  —  »Die 
letzten  Garben.  Aus  dem  Alpachthal  bei  Brixlegg«  No.  38  ebendas.  —  i88q: 
»Mythologisches  aus  dem  Ballsaal«  in  No.  14  »Ueber  Land  und  Meer«.  LXl.  B. 
S.  321.  —  »Ein  Idyll  aus  dem  Berliner  Thiergarten«  (der  Soldat  als  Kinds- 
magd) in  No.  27  »Ueber  Land  und  Meer«.  1889.  LXII.  B.  S.  581.  —  »Bil- 
der aus  dem  Wiener  Gasthausleben«  in  No.  38  »Ueber  Land  und  Meer«.  1889. 
LXII.  B.  S.  801.  —  1890:  »Dammwild-Fütterung  im  Hirschgarten  des  Königl. 
Schlosses  Nymphenburg«  in  No.  46  »Das  Neue  Blatt«.  1890.  S.  724.  —  Da- 
mit enden  leider  meine  zufälligen  Aufzeichnungen,  welche  hoflfentlich  dazu 
beitragen,  das  Interesse  nachträglich  auf  einen  Künstler  zu  richten,  welcher 
weniger  durch  die  strenge  Sicherheit  der  Zeichnung,  als  durch  den  gemüth- 
lichen  Erzählerton  seines  Stiftes  das  Leben  seiner  Zeit  festzuhalten  strebte. 

Hyac.  Holland. 


Hirt. 


175 


Hirt,  Johann  Christian,  Bildhauer,  *  am  4.  März  1836  als  der  erste  Sohn 
eines  Kammmachers  zu  Fürth,  f  am  19.  August  1897  zu  München.  —  H.  that 
sich  schon  in  der  Volks-  und  in  der  Gewerbe-Schule  hervor,  wo  er  Auszeich- 
nungen und  Prämien  erhielt  und  durch  selbstgefertigte  Zeichnungen  Aufmerk- 
keit  erregte.  Erst  bei  einem  Oheim  im  Kunstdrechsler-Handwerk  in  der  Lehre, 
schnitzte  er  viel  in  Elfenbein  und  gewann  mit  einem  Becher  auf  einer  Pariser 
Exposition  sein  erstes  Ehrendiplom.  Im  Jahre  1855  bezog  H.  die  Münchener 
Akademie  und  war  bald  an  Fleiss  und  Können  unter  den  Besten,  ging  aus 
einer  Concurrenz  preisgekrönt  hervor  und  bekannte  sich  bei  Professor  Max 
Widnmann  (gest.  3.  März  1895)  ^^^  idealen  Plastik.  Ausser  mehreren  sehr 
lebendig  und  individuell  behandelten  Büsten  that  sich  H.  hervor  mit  vielen 
anmuthigen  und  zierlichen  Gruppen  und  Statuetten,  darunter  ein  etwas  thea- 
tralischer »Faust  mit  Gretchen«,  eine  »Spinnerin«,  der  »Verweigerte  Kuss«, 
das  »Haideröslein«,  Hermann  und  Dorothea,  eine  Lady  Macbeth,  Aschen- 
brödel, eine  horchende  Amazone,  eine  oberbayerische  Fischerin  und  ein  ditto 
Jäger,  ein  Ritterfräulein  mit  der  Laute  und  ein  mittelalterlicher  Flötenspieler. 
Besonderen  Beifall  erwarben  eine  grosse  »Charitas«  (1872),  ein  mit  seinem 
»^Hunde  spielendes  Kind«,  ein  »Mädchen  mit  Zicklein«  (1873),  einige  sehr 
sinnige  Grabiiguren  u.  s.  w.  In  einem  Cyclus  schilderte  H.  die  »Vier  Jahres- 
zeiten« ;  Scheffel's  »Ekkehard«  begeisterte  ihn  zu  einer  Gruppe,  wie  der  junge 
Mönch  die  (vom  Künstler  gar  zu  jugendlich  gedachte  und  in  Wahrheit  gar 
nicht  so  schöne)  Herzogin  Hadwig  von  Schwaben  über  die  Klosterschwelle 
trägt.  Viel  glücklicher  war  H.  in  der  Darstellung  des  ganzen  Zaubers  frisch 
knospender,  unberührter  Mädchenschönheit,  der  unschuldigen  »naked  purity«, 
und  der  vollen  majestätischen  Frauengestalt.  Zu  den  beliebtesten  Schöpfungen 
des  Künstlers  gehört  eine  unter  verschiedenen  Namen  wiederholte,  viel  bewun- 
derte »Quellen -Nymphe«  (vgl.  Lützow's  Zeitschrift  1882.  XVII.  59),  wovon 
eine  Variante  für  die  Sammlung  des  Münchener  Kunstvereins  angekauft  wurde; 
(he  vom  Schlangenbiss  verwundete  »Eurydike«  (1879  ^^^  lebensgrosses  Gyps- 
modell  auf  der  Internationalen  Kunstausstellung  zu  München  und  1881  in 
Carraramarmor  für  Köln  ausgeführt),  eine  gefesselte  »Andromeda«  und  »Are- 
thusa«  (nach  H.'s  Tode  im  Februar  1898  auf  Staatskosten  für  die  Königliche 
('lyptothek  angekauft),  welche  mit  einem  »David«  und  der  Gruppe  »Nessus 
und  Dejaneira«  1888  auf  der  Ausstellung  zu  München  erschien.  Mit  Recht 
rühmte  die  Kritik:  »Der  reine  Geist,  mit  welchem  der  Künstler  die  entzücken- 
den Formen  des  Weibes  wiedergegeben  und  ihr  die  ganze  Fülle  des  ver- 
lockendsten sinnlichen  Reizes  verliehen  hat,  während  doch  der  hohe  Adel  der 
Auffassung  dem  Beschauer  unmöglich  macht,  einer  niederen  Regung  auch  nur 
für  einen  Augenblick  Raum  zu  geben,  kann  nicht  hoch  genug  gepriesen  wer- 
den.« Weitere  Schöpfungen  dieser  Art  waren  eine  »Klythia«,  eine  pfeil- 
getroffene »Niobide«,  eine  trauernde  »Eva«,  büssende  »Magdalena«,  eine  dem 
Amor  im  Pfeilschiessen  Unterricht  ertheilende  »Venus«,  ein  »Fischer  und 
Nixe« ;  dazu  ersann  seine  nimmer  rastende  Phantasie  eine  Anzahl  kleinerer, 
reizender  Erosspielereien:  wie  der  kleine  Liebesgott  mit  dem  Blasebalg,  am 
Schleifstein  und  mit  der  Feile  seine  Waffen  bereitet  und  zu  grösserer  Fähr- 
lichkeit  glättet,  eine  ganze  Serie  von  zierlichen  Entwürfen,  welche  aus  H.'s 
Nachlass  die  Kunstgewerbeschule  erstand.  Für  die  historische  Galerie  des 
National-Museums  lieferte  H.  die  Statue  Kaiser  Ludwig  des  Bayern  und  das 
Standbild  des  Herzog  Johann  Wilhelm  (1680),  auch  allerlei  allegorische 
Figuren    zu    den    Prachtbauten    König    Ludwig    IL    und    für    viele    andere 


I  y  6  Hirt.     Herpfer. 

Gebäude  Münchens  im  mehr  oder  minder  ausgesprochenen  Decorationsstyl. 
H.  entschhef  nach  langen  Leiden.  Er  hatte  allerlei  Ehrenauszeichnungen 
durch  Medaillen  erhalten  und  war  Mitglied  der  Akademie  und  Königl.  Pro- 
fessor, Ritter  des  Verdienstordens  des  hl.  Michael  u.  s.  w.  Sein  zahlreicher, 
über  200  Nummern  umfassender  Nachlass  mit  Original -Arbeiten  in  Marmor 
und  Bronze,  Gypsmodellen,  Entwürfen  und  Skizzen  wurde  am  7.  Februar  1898 
versteigert;  der  deshalb  von  E.  A.  Fleischmann's  Hofkunsthandlung  heraus- 
gegebene Katalog  zeigt  das  Portrait  und  Facsimüe  H.'s,  wobei  das  Todesjahr 
jedoch  irrthümlich  mit  1896  (statt  1897)  angegeben  ist. 

Vgl.  die  Nekrologe  in  Abendblatt  230  »Allgemeine  Zeitung«  vom  20.  August  1879. 
»Kunst  für  Alle«  vom  15.  September  1897,  S.  397  (mit  Portrait)  und  Kunstvercinsbericht 
für  1897,  S.  72  ff. 

Hyac.  Holland. 

Herpfer,  Karl,  Genremaler,  •  am  30.  November  1836  als  der  Sohn  eines 
Strumpfwirkers  zu  Dinkelsbühl,  f  am  19.  Juli  1897  im  Wörthsee.  —  Obwohl  zum 
Geschäft  des  Vaters  bestimmt,  ftihrte  H.  Neigung  und  Befähigung  bald  zum  künst- 
lerischen Beruf.  Im  Alter  von  achtzehn  Jahren  bezog  er  die  Akademie  zu  Mün- 
chen, lernte  erst  bei  Professor  Joh.  von  Schraudolph  und  Philipp  Foltz,  dann  bei 
Arthur  von  Ramberg,  dessen  Meisterschaft  in  der  Behandlung  der  Rococozeit 
für  ihn  schliesslich  maassgebend  wurde.  Mit  Eifer  und  Fleiss  arbeitete  er  un- 
ausgesetzt. Seine  Bilder  gefielen.  Mit  dem  »Mutterglück«,  darstellend  ein 
vornehmes,  auf  der  Chaiselongue  ruhendes  Dämchen,  vor  ihr  die  hübsche  Amme 
mit  dem  netten  Sprössling  (Holzschnitt  von  Kjiesing  in  No.  11  »Ueber  Land 
und  Meer«  1872),  der  »Unterbrochenen  Verlobungsfeier«,  der  »Ueberraschung 
nach  der  Jagd«  (No.  8  »lieber  Land  und  Meer«  1875)  ^^^  mehreren  in 
zopfigen  Prunkgemächern  und  Antichambren  spielenden  amourösen  Tändeleien 
(»Rose  in  Gefahr«)  machte  sich  H.  einen  beliebten  Namen,  welcher  auch  das 
nicht  kaufende  grössere  Publikum  zu  schätzen  wusste.  Seine  farbenfrischen, 
lebensprühenden  Gemälde  fanden  Absatz  in  den  Kunstvereinen  und  Privat- 
sammlungen; für  weiteren  Export  nach  England  und  Amerika  sorgte  der 
Kunsthandel.  Photographie,  Holzschnitt  und  Farbendruck  boten  wetteifernd 
die  Hand.  Ein  anziehender  Stoff,  welcher  an  den  Beschauer  gerade  keine 
besonderen  Ansprüche  auf  tieferes  Denken  stellte,  ansprechender  Vortrag  und 
ein  zierliches  Colorit,  insbesondere  aber  die  überraschende  Durchbildung  alles 
Nebensächlichen,  der  hübsche  architektonische  Hintergrund,  wozu  die  Ge- 
mächer des  Schleissheimer  und  Nymphenburger  Schlosses  unerschöpflichen 
Vorrath  boten,  nebst  einem  figurenreichen  Beiwerk,  worin  sich  der  Maler  gar 
nie  genug  thun  konnte:  das  Alles  zählte  zu  den  Vorzügen,  welche  seinen 
Schöpfungen  zahlreiche  Freunde  gewannen.  Als  Prototyp  seiner  Bilder  mag 
das  durch  einen  leichten  Regen  gefährdete  »Kellerfest«  gelten  (1885;  Holz- 
schnitt in  No.  50  »Ueber  Land  und  Meer«  1888):  es  ist  eigentlich  eine  im 
Costüm  der  Zopfzeit  veranstaltete  Maskerade,  die  ebenso  gut  am  Rhein,  in 
Franken  oder  Schwaben  sich  abspielen  könnte,  da  die  Gesichter  alle  modernes 
Gepräge  zeigen  und  nur  die  Bierkrüge  altbayerische  Signatur  tragen.  Ebenso 
international  geben  sich  eine  harmlose  Scene  »Belauscht«,  die  »Ankunft  eines 
Taufpathen«  oder  des  »Brautwerbers«  (No.  32  »Daheim«  1892),  die  > Vor- 
stellung eines  Verlobten«,  eine  »Dame  am  Schachbrett«,  »Am  Kamin t<  oder 
beim  »Schachspiel«,  ihren  Gegner  doppelt  »matt«  setzend.  Der  »Junge 
Maestro  an  der  Orgel«  kann  wohl  Mozart  heissen;  der  »Polterabend«,  die 
»Schmückung  einer  Braut«  (»Illustr.  Welt«   1897.    S.  161),  das  »Geständnisse, 


Herpfen     von  Bradke.  lyy 

die  »Grtisse  in  die  Feme«,  eine  »Verhaftung«  und  ähiilicfae  Costümbildeir 
glitten  ihm  später  nur  zu  bereitwillig  aus  der  Hand.  Immerhin  wird  eiri 
guter  »Herpfer«  noch  lange  seine  Zugkraft  bewahren.  Seltsamer  Weise'  war 
sein  jüngstes,  im  Glaspalast  1897  ausgestelltes  Bild  »Sein  letzter  Lorbeer«:' 
betitelt.  H.  endete  während  eines  Bades  im  Wörthsee  durch  plötzlichen  Herz- 
schlag. Seine  Gattin  war  schon  am  5.  Februar  1888,  gleichfalls  schnell  und 
unerwartet,  aus  dem  Leben  geschieden.  Ein  grosser  Theil  seines  Nachlasses, 
darunter  alle  Skizzen  zu  seinen  sämmtlichen  Bildern,  versteigerte  am  i.  De- 
cember  1897  Carl  Maurer;  eine  Serie  von  180  Naturstudien  und  Zeichnungen 
kam  am  10.  December  im  Münchener  Kunstverein  zur  Ausstellung  und  wurde 
verkauft. 

Vgl.  No.  170  »Allgem.  Ztg.«  vom  21.  Juni  1897.  Kunstvereinsbericht  für  1897.  S.  71. 
—  Das  Geistige  Deutschland.    Lpz.  1898.    S.  292. 

Hyac.  Holland. 

Bradke,  Peter  von,  Professor  der  indischen  Philologie  und  vergleichen- 
den Sprachwissenschaft  an  der  Universität  Giessen,  •  am  27.  Juni  1853  zu 
St.  Petersburg,  f  am  7.  März  1897  in  Giessen.  —  Sein  Vater  war  der  einer 
deutschen  Familie  entstammende  russische  Senator  Georg  von  Bradke,  der  sich 
um  das  Emporblühen  der  Universität  Dorpat  als  deren  Curator  die  höchsten 
Verdienste  erworben  hat.  In  Dorpat,  das  ihm  nach  der  Uebersiedelung  des 
Vaters  die  eigentliche  Heimath  wurde,  erhielt  er  seine  erste  Ausbildung.  Vom 
Januar  1871  bis  Ende  1875  widmete  er  sich  an  der  dortigen  Universität 
dem  Studium  der  klassischen  und  germanischen  Philologie  und  der  verglei- 
chenden Sprachwissenschaft,  in  die  er  von  Leo  Meyer  eingeführt  wurde. 
Nachdem  er  im  März  1876  das  Diplom  eines  Candidaten  der  vergleichenden 
Sprachkunde  erworben,  bezog  er  im  Sommer  dieses  Jahres  die  Universität 
Tübingen,  wo  er  zwei  Jahre  hindurch  unter  Rudolf  von  Roth's  Leitung  dem 
Studium  der  indischen  und  arischen  Philologie  oblag,  daneben  aber  auch 
eifrig  die  Vorlesungen  A.  v.  Gutschmid's  über  antike  und  orientalische  Ge- 
schichte hörte.  Die  folgenden  Jahre  führten  v.  B.  zu  längerem  Aufenthalte 
nach  München,  das  ihm  zu  einer  Zeit  arbeithemmender  körperlicher  Leiden 
durch  seine  Kunstsammlungen  und  den  Unterricht  des  Altmeisters  Heinrich 
von  Brunn  Erholung  und  reiche  Anregung  bot,  sodann  nach  Jena,  wo  er  sich 
Delbrück  anschloss  und  den  hochverdienten  Sanskritisten  O.  von  Böhtlingk 
kennen  lernte,  der  ihm  ein  väterlicher  Freund  und  Berather  wurde.  Nachdem 
er  im  Jahre  1882  sich  in  Jena  die  philosophische  Doktorwürde  ,  erworben, 
habilitirte  er  sich  am  i.  November  1884  an  der  Universität  Giessen  für  Sans- 
krit und  vergleichende  Sprachwissenschaft;  zwei  Jahre  später  wurde  er  dort 
zum  ausserordentlichen  Professor,  im  Jahre  1894  zum  ordentlichen  Professor 
ernannt.  Mitten  in  erfolgreicher  Berufsthätigkeit  und  in  'weitaussehenden 
wissenschaftlichen  Unternehmungen  ist  er  durch  ein  bösartiges  Darmleiden, 
das  wohl  schon  länger  an  seiner  Lebenskraft  zehrte,  aber  erst  im  Spätherbst 
1896  zu  ernsten  Besorgnissen  Anlass  gab,  nach  monatelangem,  heroisch  er- 
tragenem Leiden  dahingerafft  worden. 

Seine  literarische  Thätigkeit  eröffnete  v.  B.  mit  einer  Untersuchung  »über 
das  Manava-Grhya-Sutra«  ^),  in  welcher  er  die  Stellung  dieses  Ritualwerks- in 


>)  Zeitschrift  der  deutschen  Morgenländischen  Gesellschaft,  Bd.  36,  i88a,  S.  417  bis 
477>  woraus  der  erste  Theil  als  Jenenser  Inaugural- Dissertation  im  gleichen  Jahre  ab- 
gedruckt ist. 

Biogr.  Jahrb.  a.  Dentacher  Nekrolog.    9.  Bd.  I  2 


lyg  von  Bradke. 

der  Geschichte  der  indischen  Literatur  in  äusserst  gründlicher  Weise  behandelte 
(vergl.  A.  Barth's  Bemerkungen  in  der  Revue  de  l'histoire  des  religions,  T.  XI, 
1885,  S.  59  f.)-  Ist  V.  B.'s  Interesse  auch  in  der  Folge  und  bis  in  seine  letzten 
Tage  dem  Studium  des  Veda  und  den  Problemen  der  Sprachgeschichte  zuge- 
wendet geblieben^),  so  nahmen  ihn  in  den  nächsten  Jahren  doch  vor  allem 
Anderen  Untersuchungen  aus  dem  Gebiete  der  Religionsgeschichte  und  der  indo- 
germanischen Alterthumswissenschaft  in  Anspruch;  dies  erklärt  es  denn  auch, 
dass  er  seine  weit  gediehenen  Vorarbeiten  zu  einer  Herausgabe  des  Manava- 
Grhya-Sutra  seinem  Freunde  F.  Knau^r  überliess.  <—  Einen  bedeutsamen  Beitrag 
zur  Kenntniss  der  frühesten  religiösen  Entwicklung  unseres  Sprachstammes  legte 
V.  B.  in  seiner  Schrift  »Dyäus  Asura,  Ahura  Mazdd  und  die  Asuras«  (Halle 
J885)  vor').  Ausgehend  von  der  Betrachtung  des  Verhältnisses  des  götdichen 
Asura  im  Rigveda  zu  dem  Ahura  Mazda,  dem  höchsten  Gott  der  Iranier, 
gelangt  die  Schrift  zu  wichtigen  Ergebnissen  über  die  muthmaassliche  älteste 
Religionsform  der  Indogermanen,  als  welche  v.  B.  einen  Polytheismus  mit 
ausgeprägt  monarchischem  Charakter  erschloss.  Die  Spitze  dieses  pol3rtheisd- 
sehen  Systems  bildet  nach  v.  B.  der  leuchtende  Himmelsgott  Dyäus  Pitar 
Asura,  der  »Herr  und  Vater  Zeus«,  von  dem  die  Lichtgötter  der  Indogermanen, 
die  Dfivas,  abstammen,  die  aber  ihren  himmlischen  Vater,  dessen  Ehrentitel 
»Asura«  auf  sie  tibergeht  und  endlich  im  Veda  zur  Bezeichnung  widergött- 
licher Wesen  dient,  mit  der  Zeit  vollständig  überwuchern  sollten. 

Schon  in  der  eben  genannten  Schrift  hatte  v.  B.  seinen  Bedenken  gegen 
die  Methode  und  Ergebnisse  der  sogenannten  »linguistischen  Palaeontologie&, 
die  aus  Wortgleichungen  die  Cultur  der  arischen  Urzeit  reconstruiren  zu 
können  hoffle,  Ausdruck  gegeben;  durch  die  Fortführung  seiner  culturgeschicht- 
lichen  Studien*)  in  den  folgenden  Jahren  wurde  alsdann  eine  principielle 
Auseinandersetzung  mit  dem  bekanntesten  Vertreter  jener  Richtung,  O.  Schrader, 
dessen  weit  verbreitete  Schriften  anscheinend  einer  allgemeinen  Zustimmung 
seitens  der  Fachgelehrten  sich  erfreuen  durften,  für  v.  B.  unvermeidlich. 
Nachdem  Schrader  einen  ersten  in  v.  B.'s  »Beiträgen«  gegen  ihn  geführten 
Angriff  scharf  zurückgewiesen  hatte,  entschloss  sich  v.  B.  die  methodischen 
Mängel  der  Schrader'schen  »Sprachvergleichung  und  Urgeschichte«  in  grösse- 
rem Zusammenhang  darzulegen.  Sein  1890  erschienenes  Buch  »Ueber  Me- 
thode und  Ergebnisse  der  arischen  (indogermanischen)  Alterthumswissenschaft« 
ist  indessen  weit  über  den  Rahmen  einer  kritischen  Auseinandersetzung  mit 


')  Von  hierher  gehörigen  kleineren  Arbeiten  erwähnen  wir:  »Ein  lustigfes  Wagfenrennen 
in  Altindien«  (Zeitschr.  d.  deutsch.  morgenlMndischen  Gesellschaft,  Bd.  46,  S.  445 — 465); 
Beiträge  zur  altindischen  Religions«  und  Sprachgeschichte  (ebenda,  Bd.  40,  S.  347 — 364, 
655—698);  »Ueber  Vorvedisches  im  Veda  (ebenda,  Bd.  45,  S.  682—684);  »Zur  Bharata- 
Sage«  (ebenda,  Bd.  48,  S.  498 — 503);  »Ueber  die  sanskritische  Form  der  Wurzeln  auf 
skr. -ani  und  -£mi<  (Indogermanische  Forschungen  V,  266  —  273);  »Zwei  sprachgeschicht- 
liche Skizzen«  (ebenda  IV,  85 — 91);  »Ueber  den  »Bindevokal«  skr.  i  griech.  a  im  Perfectura« 
(ebenda  VIII,  123 — 160);  »Etymologisch-grammatikalische  Bemerkungen  imd  Skizzen«  (Zeit- 
schrift L  vergleich.  Sprachforschg.  X3CXIV,  152—159);  »Etymologica«  (ebenda  XXVIII,  29$ 
bis  301);  »Von  der  Marut  wunderbarer  Geburtc  (In  Gurupüjäkaumudi,  Festgruss  an  R. 
von  Roth,  S.  117— 125). 

3)  Ein  Abschnitt  dieses  Buches  wurde  von  v.  B.  1884  unter  dem  Titel:  »Ahura  Mazda 
und  die  Asuras«  als  Giessener  Habilitationsschrift  eingereicht. 

')  »Ueber  die  arische  Alterthumswissenschaft  und  die  Eigenart  unseres  Sprachstammes.c 
Akad.  Antrittsrede.  Giessen  1888.  »Beiträge  zur  Kenntniss  der  vorhistorischen  Entwicke- 
lung  unseres  Sprachstammes.«  Festschrift  für  O.  v.  Böhtlingk.  Giessen  1888.  »Einige 
Bemerkungen  über  die  arische  Urzeit«  im  »Festgruss  an  O.  v.  Böhtlingk«.    Stuttgart  1888. 


von  Bradke.     Newald. 


179 


dem  Werke  Schrader's  hinausgewachsen ,  indem  es  zum  ersten  Male  in  um- 
fassendster Weise  die  bisher  kaum  aufgeworfene  Frage  erörterte,  »unter  wel- 
chen Bedingungen  wir  von  der  Etymologie  Auskunft  über  die  Cultur  der 
arischen  Urzeit  erwarten  dürfen,  was  sich  für  diese  aus  sprachlichen  Glei- 
chungen ergiebt,  und  ob  und  inwieweit  Ergebnisse  dieser  Art  fest  genug 
stehen,  um  weitere  Folgerungen  tragen  zu  können«.  Indem  v.  B.  an  der 
Aufdeckung  der  methodischen  Schwächen  und  Irrgänge  des  Schrader'schen 
Werkes  zeigte,  wie  sehr  man  auch  in  Fachkreisen  die  Bedeutung  der  Sprach- 
wissenschaft für  die  Aufhellung  der  Zustände  der  indogermanischen  Urzeit 
überschätzt  und  wie  weit  man  bei  dieser  Art  von  Culturgeschichtschreibung 
von  dem  Wege  strenger  Methode  sich  entfernt  hatte,  darf  sein  Werk  mit  Fug 
als  ein  »Markstein  in  der  Geschithte  der  indogermanischen  Alterthumswissen- 
schaft«  bezeichnet  werden.  Von  den  wichtigeren  Einzelergebnissen  der  cultur- 
geschichtlichen  Arbeiten  v.  B.'s  sind  namentlich  die  in  seinen  »Beiträgen« 
gemachten  feinen  Beobachtungen  über  das  Problem  der  Sprach-  und  Völker- 
mischung und  über  den  muthmaasslichen  Einfluss  der  Sprachen  der  nicht- 
indogermanischen Urbevölkerung  Europas  auf  die  Entstehung  der  west- indo- 
germanischen Dialekte  hervorzuheben,  femer  der  Nachweis  der  hohen  Be- 
deutung, welcher  den  religiösen  Culten  für  die  Feststellung  der  engeren 
Zusammengehörigkeit  der  einzelnen  indogermanischen  Völkergruppen  zukommt. 
In  seinen  letzten  Jahren  concentrirte  sich  v.  B.  mehr  und  mehr  auf  die  Vor- 
arbeiten für  eine  ausführlichere  Darstellung  der  indischen  Religionsgeschichte. 
Dass  er  sie  nicht  mehr  zum  Abschluss  bringen  durfte,  ist  um  so  schmerz- 
licher zu  beklagen,  als  man  auch  auf  diesem  Gebiete  von  dem  Verstorbenen, 
wie  z.  B.  seine  gedankenreiche,  zu  der  modernen  speculativ- ethnologischen 
Betrachtungsweise  der  Religionsgeschichte  allerdings  in  scharfe  Opposition 
tretende  Besprechung  von  Oldenberg's  »Religion  des  Veda«  (Theolog.  Literat.- 
Zeitung  1895,  577  ff.)  zeigt,  sehr  bedeutsame,  aus  durchaus  selbständiger  Ge- 
dankenarbeit erwachsene  Leistungen  erwarten  durfte. 

Eine  scharf  ausgeprägte,  innerlich  vornehme  Persönlichkeit,  war  v.  B.  mit 
einer  seltenen  Empfänglichkeit  für  alles  künstlerische  Schaffen  begabt  und 
verfügte  über  ein  ungewöhnliches  Maass  von  gediegenstem  Wissen  und  Belescn- 
heit.  Von  lauterstem  Charakter,  war  v.  B.  bei  aller  Schärfe  des  Urtheils  und 
einer  ausgesprochenen  Vorliebe  für  sarkastischen  Humor  eine  höchst  liebens- 
würdige und  wohlwollende  Natur  von  weichem  und  tiefem  Empfinden,  den 
Seinen  in  zärdicher  Liebe  zugethan,  ein  Freund  von  goldener  Treue,  Ein 
begeisterter  deutscher  Patriot,  nahm  er  an  allen  Vorgängen  des  öffentlichen 
Lebens  den  regsten  Antheil;  unter  der  Vergewaltigung  seiner  baltischen  Hei- 
math, der  er  sein  Leben  lang  in  treuer  Liebe  anhing,  hat  er  darum  auch  um 
so  schmerzlicher  gelitten. 

Nekrologe:  H.  Hirth  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  1897,  No.  71;  Streit- 
berg in  den  Indogerm.  Forschungen  Bd.  VIII,  Anzeiger  (1897)  S.  369  f.  Einen  Nekrolog 
aus  der  Feder  Thumeysens  wird  der  Jahrgang  1897  ^^^  Bursian-Mflller'schen  Biographischen 
Jahrbuchs  für  Alterthumskunde  bringen. 

Herman  Haupt. 

Newald,  Julius,  Dr.,  Ritter  von,  Bürgermeister  von  Wien,  •am  11.  April 
1824  zu  Neutitschein  (Mähren),  f  am  17.  August  1897  zu  Wien.  —  N.,  Sohn 
eines  unbemittelten  Tuchmachers,  absolvirte  in  Troppau  das  Gymnasium  und 
in  Wien  die  Jura,  worauf  er  den  Doctorgrad  erwarb.  Nach  längerer  Praxis 
im  Justiz-  imd   politischen  Dienste,  bei   der  Advocatur  und  dem  Notariate, 

12* 


i8o  Newald. 

ernannte  ihn  die  Regierung  zum  öffentlichen  Civil-  und  Militäragenten  in  Wien 
mit  der  Berechtigung  zur  Parteien  Vertretung.  1857  vermählte  er  sich  mit 
Laura  Dimböck ,  der  Tochter  des  Gemeindevorstehers  in  der  Wiener  Alser- 
vorstadt.  Von  1864  an  vertrat  N.  den  ersten  Wahlkörper  des  IX.  Bezirkes  im 
Wiener  Gemeinderathe,  1868  wurde  er  als  zwdter,  1869  als  erster  Bürgermeister, 
Stellvertreter  erwählt.  1866  wurde  er  für  seine  Thätigkeit  während  des  Krieges 
mit  dem  Franz- Josefs-Orden,  1873  "^i'  ^^^  eisernen  Krone  decorirt  und  in  den 
erblichen  Ritterstand  erhoben.  Seine  sehr  gut  gehende  Agentur  legte  er  1872, 
um  sich  ganz  dem  öffentlichen  Leben  zu  widmen,  zurück.  Nach  Felder's 
Demission,  Juli  1878,  wurde  N.  mit  109  von  in  Stimmen  unter  Acclamation 
des  ganzen .  Gemeinderathes  zum  Bürgermeister  gewählt.  Im  Juli  1881 
erfolgte  seine  Wiederwahl  mit  95  von  119  Stimmen.  Nach  seiner  erfolg- 
reichen Mitwirkung  am  Gelingen  des  herrlichen  Festzuges  von  1879  war  er 
mit  dem  Comthurkreuze  des  Franz-Josefs-Ordens  decorirt  worden,  wozu  ihm 
der  Kaiser  bei  der  Vermählung  des  Kronprinzen  den  Stern  verlieh.  —  N.  hat 
sich  im  Gemeinderathe  u.  A.  um  die  Dienstpragmatik  und  die  Wiener  Bau- 
ordnung (beide  sein  Elaborat)  verdient  gemacht,  desgleichen  um  die  Donau- 
regulirung  und  um  andere  grosse  Schöpfimgen  (Hochquellenleitung,  Rath- 
hausbau  u.  s.  w.).  Selbst  N.'s  Gegner  mussten  seine  Arbeitskraft,  seine  Kennt- 
niss  der  Verwaltung,  seinen  juristischen  Scharfsinn,  vor  Allem  aber  die  Makel- 
losigkeit seines  privaten  und  öffentlichen  Charakters  anerkennen.  Als  Vor- 
.sitzender  war  er  von  musterhafter  Objectivität.  Ein  ausgezeichneter  Admini- 
strator sah  er  die  Aufgabe  der  Gemeindevertretung  mehr  in  positiver  Arbeit, 
als  in  der  Politik.  Zum  Parteienkampfe  fehlte  ihm  die  Schneidigkeit.  Sein 
conciliantes  Wesen  wurde  oft  zu  haltlosem  Schwanken.  N.'s  Sturz  steht  im 
Zusammenhange  mit  der  entsetzlichen  Ringtheaterkatastrophe  (8.  December 
i88j).  Aus  den  unerquicklichen  Debatten  über  die  Verantwortung  für  das 
namenlose  Unglück  entspann  sich  ein  Notenkrieg  zwischen  N.  und  dem  Statt- 
halter Possinger.  Als  der  Vertreter  des  Letzteren  (Kronenfels)  in  offener 
Gemeinderathssitzung  den  Bürgermeister  actenwidriger  Darstellung  beschul- 
digte, als  N.'s  eigene,  die  Mittelpartei,  gegen  ihn  Stellung  nahm,  resignirte 
er,  seelisch  gebrochen,  auf  sein  Amt  (24.  Januar  1882).  Das  Schwerste  sollte 
aber  für  den  Hartgeprüften  erst  kommen.  Die  Staatsanwaltschaft  erhob  auch 
gegen  N.  die  Anklage  nach  §  335  Strafgesetz  (fahrlässige  Tödtung),  weil  er 
die  Durchführung  der  seiner  Zeit  erlassenen  Theaterordnung  verzögert  habe. 
Der  Exbürgerraeister  konnte  sich,  —  was  alle  Welt  erwartet  hatte  —  so  voll- 
kommen rechtfertigen,  dass  die  Anklage  noch  vor  Schluss  des  Processes  zu- 
i'ückgezogen  und  N.  freigesprochen  wurde.  Er  empfing  damals  von  allen 
Seiten  Zeichen  der  Sympathie.  Eine  hundertköpfige  Deputation  von  Wiener 
Bürgern  überreichte  ihm  eine  mit  mehr  als  40000  Unterschriften  bedeckte 
Glück  Wunschadresse.  —  Nachdem  N.  1882  auch  aus  dem  Niederösterreichi- 
schen Landtage,  dem  er  mehrere  Jahre  angehört,  ausgetreten,  lebte  er  in  voller 
Zurückgezogenheit,  bis  an  sein  Ende  geistig  und  körperlich  rüstig.  Er  erlag  einer 
Nierenentzündung  am  17.  August  1897.  Seine  Leiche  wurde  unter  officieller 
Betheiligung  der  Commune  in  Klosterneuburg  beerdigt.  Mit  Recht  konnte 
Bürgermeister  Lueger  an  der  offenen  Gruft  sagen,  dass  hier  ein  Mann  scheide, 
dem  schweres  und  bitteres  Unrecht  widerfahren  war.  Ein  von  der  Gemeinde 
angebotenes  Ehrengrab  hatte  die  Familie  abgelehnt.  N.'s  Porträt,  von  Eugen 
Felix  gemalt,    befindet    sich    in    der  Bürgermeistergallerie   des  Wiener  Rath- 

hauses. 

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Freiherr  von  Dälwigk.     Kaiser.  igi 

Dalwigk,  Reinhard  Ludwig  Karl  Gustav  von,  Freiherr,  *  aXn  21.  Ja- 
nuar 1818  in  Cassel,  f  am  3.  Juni  1897  zu  Wohlheiden  bei  Cassel.  —  Sohn 
des  kurhessischen  Majors  und  Hofmarschalls  Alexander  Felix  Freiherr  v.  D.  zu 
T^ichtenfels  und  der  Gemahlin  desselben,  Hedwig,  geborenen  Milchling  von 
und  zu  Schönstadt.  Er  verlebte  seine  Kinderjahre  grösstentheils  in  Arolsen, 
wohin  sich  sein  Vater  zurückgezogen  hatte,  nachdem  er  beim  Kurfürsten 
Wilhelm  11.  in  Ungnade  gefallen  war,  sowie  in  Weilburg  und  in  Bielefeld,  wo 
er  das  Gymnasium  besuchte.  Nachdem  er  in  Heidelberg  und  Marburg  Jura 
studirt  hatte,  erhielt  er  1847  ^^^^  Anstellung  als  Kammerjunker  am  Gross- 
herzoglichen Hofe  zu  Oldenburg  und  fasste  1848  den  Entschluss  den  Feldzug 
in  Schleswig  als  Freiwilliger  mitzumachen,  wozu  ihm  der  Urlaub  in  sehr  gnä- 
diger Form  ertheilt  wurde.  Nachdem  er  in  verschiedenen  Gefethten  und  am 
5.  Juni  in  der  Schlacht  von  Düppel  mitgefochten  hatte,  schied  er  am  26.  Octo- 
ber  1848  mit  dem  Charakter  als  Lieutenant  wieder  aus  und  trat  in  den 
Oldenburgischen  Militär-  und  Hofdienst  zurück.  Am  15.  October  1850  wurde 
er  zum  Oberlieutenant  und  Cavalier  Sr.  Kgl.  Hoheit  des  Erbgrossherzogs  er- 
nannt und  trat  185 1  ganz  in  den  Hofdienst  über.  Als  Kammerherr  begleitete 
er  dann  Se.  Kgl.  Hoheit  den  Erbgrossherzog  Nicolaus  Friedrich  Peter,  auf 
dessen  Reisen  nach  Italien  und  Griechenland  und  darauf  zu  den  Vermählungs- 
feierlichkeiten nach  Altenburg.  Am  19.  October  1851  heirathete  er  Jenny 
Charlotte  von  Wachholtz,  Tochter  des  Braunschweigischen  Generals  F.  L. 
von  Wachholtz. 

In  ein  näheres  Verhältniss  zum  Publikum  trat  v.  D.  als  Chef  der  Gross- 
herzoglichen Hofkapelle  (seit  1854)  und  als  Vorstand  der  Grossherzoglichen 
Theaterkommission  (seit  1868).  In  dieser  Eigenschaft  hat  v.  D.  mit  liebevollem 
Eifer  viel  für  die  Weiterentwickelung  des  Oldenburger  Kunstlebens  gethan, 
da  in  ihm  feiner,  geistiger  Geschmack,  ideales  Streben  und  ächter  Kunsteifer 
zur  schönen  Zusammenwirkung  sich  trefflich  verbanden.  Das  Grössherzogliche 
Theater;  hat  er  stets  in  demselben  Sinne  zu  leiten  gesucht  und  gewusst,  in 
welchem  das  alte  Hoftheater  um  die  Mitte  der  vierziger  Jahre  seinen  Ruhrp 
begründet  hatte,  und  für  das  Musikleben  sorgte  er  fördernd  namentlich 
durch  die  Berufung  von  Albert  Dietrich  als  Hofkapellmeister  (1861).  Nachdem 
er  beiden  Kunstinstituten  auch  nach  seiner  Ernennung  zum  Oberhofmarschall, 
Excellenz,  (1873.  1877)  noch  lange  Jahre  vorgestanden  hatte  und  auch  ausser- 
dienstlich  als  Vorsitzender  des  Kunstvereinsvorstandes  in  seiner  feingeistigen 
Weise  anregend  und  fördernd  gewirkt  hatte,  zwangen  ihn  leider  Alter  und 
Befinden  1893  seine  Chargen  niederzulegen.  Zum  grossen  Bedauern  seiner 
hiesigen  Freunde  und  Bekannten  verliess  er  dann  Oldenburg  und  kehrte  in 
die  alte  Heimath  zurück,  wo  er  in  der  Nähe  seiner  Kinder  und  nächsten 
Verwandten  noch  einige  Jahre  theils  auf  dem  Familiengute  seiner  Speciallinie, 
Kampf  im  Waldeckischen,  theils  in  Wehlheiden  bei  Cassel  gelebt  hat,  bis  er 
hier  im  achtzigsten  Jahre  seines  Lebens  sanft  entschlafen  ist.  —  Sehr  ver- 
dienstvoll und  für  die  Geschichte  des  deutschen  Theaters  wichtig  ist  seine 
1881    erschienene  »Chronik  des  alten  Theaters  in  Oldenburg  (1833  — 1881).« 

Dr.  Reinhard  Mosen. 

Kaiser,  Victor,  Dr.  phil.,  Professor  der  Philosophie  und  Culturgeschichte, 
*  am  3.  Juli  1821  in  Solothurn,  f  daselbst  am  30.  September  1897.  —  Der 
Sohn  wackerer  Eltern,  die  sich  aus  bescheidenen  Anlangen  zu  einem  ansiehn- 
lichen  Wohlstande  emporgearbeitet   hatten   und    nichts  vernachlässigten;    um 


lg2  Kaiser. 

ihren  beiden  Söhnen   eine   tüchtige  Erziehung  zu  gewähren,  besuchte  K.  mit 
gutem  Erfolge  die  Primarschulen  und  die  aus  Gymnasium   und  Lyceum  be- 
stehende cantonale  höhere  Lehranstalt  in  Solothum.     Ohne  sich  für  ein  be- 
stimmtes Berufsstudium  entschieden  zu  haben,  ging  er  im  Herbste  1839  ^" 
die  Universität  Jena,  später  nach  Leipzig  und  Berlin.    Unter  Göttling,  Stickel, 
Gottfried  Hermann,    Moritz  Haupt,   Immanuel  Bekker   und  Lachmann    hörte 
er  philologische,   unter  Luden,  A.  Becker,    Ranke   geschichtliche  und   kunst- 
historische, unter  Hartenstein,  Chr.  Weisse,  Schelling  und  Trendelenburg  philo- 
sophische Vorlesungen.     Ferienreisen  führten  ihn  nach  Dresden  und  Kopen- 
hagen,  wo  er  in  der  Betrachtung  der  dortigen  Kunstschätze  den  Grund  zur 
Kenntniss  der  Kunstgeschichte  legte,    die  neben  der  Philosophie  der  Haupt- 
gegenstand seiner  Studien  wurde.    Nachdem  er  am  15.  Februar  1845  von  der 
Universität  Leipzig  auf  Grund  seiner  Dissertation  »De  numeris  Piatonis«  zum 
Doctor  der  Philosophie  promovirt  worden  war,  widmete  er  sich  im  folgenden 
Winter  an  der  Akademie  in  Genf  dem  Studium    der    französischen  Sprache 
und  Literatur   und    kehrte    dann    in    die  Heimat    zurück,    um    sich  auf  die 
akademische  Laufbahn  vorzubereiten.     Von    seinem  Vorhaben,    sich    an   der 
Bemer  Universität  als  Privatdocent  zu  habilitiren,  wurde  er  im  Frühling  1847 
durch  seine  Wahl  zum  Professor  der  Philosophie    und  Culturgeschichte  am 
Lyceum  in  Solothum  abgewendet,  eine  Stellung,  in  der  er  über  50  Jahre  als 
hochangesehener  Lehrer   wirken    sollte.     Seine   philosophischen  Vorträge,    in 
denen  er  sich  hauptsächlich  an  Herbart  anschloss,  erstreckten  sich  anfänglich 
in  zwei  Jahreskursen  auf  sämmdiche  Disciplinen  dieser  Wissenschaft;  die  all- 
mähliche Umgestaltung  der  höheren  Lehranstalt,   durch  welche  neue  Fächer 
in  den  Lehrplan  eingeführt  wurden,  hatte  eine-  Verminderung  der  Stunden- 
zahl und  damit  auch  eine  Beschränkung  des  philosophischen  Unterrichts  zur 
Folge.    Ebenso  anregend  und  fruchtbar  wie  als  Lehrer  der  Philosophie  wirkte 
K.  durch  seine  Vorträge  über  Culturgeschichte,    welche  die  Zeit  vom  Alter- 
thum  bis  zum  18.  Jahrhundert  umfassten  und  in  denen   er  es  in  vor^glicher 
Weise  verstand,  seine  Zuhörer  auch  mit  der  Entwickelung  der  Kunst  bekannt 
zu  machen.     Frei  von  materiellen  Sorgen  und  sich  eines  schönen  Familien- 
lebens erfreuend,  das  allerdings  durch  den  Tod  seiner  ersten  Gattin  und  eines 
Sohnes  aus  zweiter  Ehe  auch  schwere  Trübungen  erlitten  hatte,  widmete  K. 
seine   freie  Zeit  seinen  Lieblingsstudien  in  seinem  traulichen  Heim,    das    er 
allmählich  mit  reichen  Kunstschätzen  ausstattete  und  in  harmonischer  Weise 
ausschmückte.     Zahlreiche  Reisen  nach  Wien,  Berlin,  München,  Kopenhagen, 
nach  den  Niederlanden,  England  und  besonders  nach  Italien,  das  er  drei  Mal 
besuchte,  waren  eingehenden  Kunststudien  gewidmet  und  boten  ihm  Gelegen- 
heit,   seine  Kenntnisse  zu  bereichem  und  die  durch  seine  Forschungen  ge- 
wonnenen Anschauungen  zu  befestigen.    Mit  besonderer  Vorliebe  beschäftigte 
er  sich  mit  der  Philosophie  und  Kunst  der  italienischen  Renaissance,  dann 
aber  auch  mit  den  Vertretern  der  neuern  deutschen  Renaissancekunst.    Wie 
nach  K.  die  Hauptwerke  der  beiden  grössten  Meister  der  italienischen  Re- 
naissance,   Michelangelo  und  Raphael,    das    gleiche  Gepräge    ihres  Zeit- 
alters, den  Stempel  des  philosophischen  oder  platonischen  Humanismus  tragen, 
so  hängt  auch  die  neuere  deutsche  Renaissancekunst,   wenn  auch   unbewusst 
und  mittelbar,  mit  diesem  zusammen :  die  Vermittelung  zwischen  beiden  bilden 
sowohl  der  Piatonismus  in  den  Werken  Michelangelo 's  als  auch    die  antike 
Reliefkomposition    der    hellenischen  Sophrosyne,    welche  Thorwaldsen    als 
klassischen  Ausdruck  der  Menschenwürde  erkannt  und  im  Geiste  Winkelmann's 


Kaiser.     Hdchl.  lg? 

bei  seinen  Nachfolgern  Cornelius  und  Kaulbach  zur  anerkannten  Geltung 
gebracht  hat.  »So  stimmt  der  Humanismus  in  der  Kunst  der  Gegenwart 
über  Jahrhunderte  hinaus  überein  mit  dem  philosophischen  Humanismus  der 
italienischen  Renaissance  und  über  Jahrtausende  hinweg  mit  dem  Humanismus 
Piatons.«  Diesem  Grundgedanken  ist  eine  Reihe  von  Abhandlungen  gewidmet, 
welche  sowohl  von  K.*s  gründlichen  Studien,  wie  von  seinem  feinen  und  scharf- 
sinnigen Eingehen  auf  die  verborgensten  Intentionen  der  Künstler  beredtes 
Zeugniss  ablegen.  In  der  Form  von  öffentlichen  Vorträgen  abgefasst,  die  er 
in  Solothurn  gehalten  hat,  sind  folgende  von  diesen  Abhandlungen,  zum  Theil 
erweitert,  durch  den  Druck  veröffentlicht  worden*  Der  Gegensatz  der  idealen 
Humanität  zum  Materialismus.  Bern  1869;  Macbeth  und  Lady  Macbeth  in 
Shakespeares  Dichtung  und  iii  Kunstwerken  von  Cornelius  und  Kaulbach. 
Basel  1876;  Cornelius  und  Kaulbach  in  ihren  Lieblingswerken.  Basel  1877; 
Kaulbach's  Bilderkreis  der  Weltgeschichte.  Berlin  1879;  ^^^  Piatonismus 
Michelangelo's:  I.  Michelangelo' s  Adam.  11.  Michelangelo's  Jonas.  III.  Michel- 
angelo's  Medicäer.  In  Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  und  Sprachwissen- 
schaft, 15.  und  16.  Band,  Berlin  1884 — 1886;  Der  Humanismus  in  der  Kunst. 
Frauenfeld  1896;  Homer  und  die  Sybille  in  Kaulbach's  Bilderkreis  der  Welt- 
geschichte. Haumburg  1897.  Alle  diese  Abhandlungen,  die  sich  sowohl  durch 
ihren  Gedankenreichthum  wie  durch  die  formvollendete  Sprache  auszeichnen, 
bildeten  gewissermassen  die  Bausteine  zu  einem  grösseren  Werke  über  die 
Idee  der  Menschenwürde  in  der  Kunst  Italiens  und  Deutschlands,  dem  K. 
die  letzten  Jahre  seines  Lebens  zu  widmen  gedachte,  dessen  Ausführung  aber 
sein  unerwartet  rascher  Tod  verhinderte.  Zum  15.  Februar  1895  hatte  ihn 
die  philosophische  Facultät  der  Universität  Leipzig,  bei  Anlass  der  fünfzigsten 
Wiederkehr  des  Tages  seiner  Promotion,  mit  der  Erneuerung  seines  Doctor- 
diploms  und  einer  Glück wunschadresse  geehrt,  als  einen  Mann,  »qui  poeseos 
et  picturae  rationes  mutuas  eleganti*  iudicio  persecutus  est«.  Am  30.  Juli 
1896  feierte  er,  gemeinsam  mit  seinem  CoUegen  Professor  Dr.  F.  Lang,  das 
fünfzigjährige  Jubiläum  seiner  Lehrthätigkeit  an  der  Cantonsschule  von  Solo- 
thurn und  hatte  sich  der  herzlichen  Beweise  der  Anerkennung  der  Behörden 
und  Collegen  wie  der  treuen  Anhänglichkeit  seiner  Schüler,  die  zahlreich  zu 
dem  seltenen  Doppelfeste  herbeigeeilt  waren,  zu  erfreuen.  Im  Laufe  des 
folgenden  Schuljahres  reichte  er,  trotz  seiner  76  Jahre  sich  noch  voller  geistiger 
Frische  erfreuend  und  von  den  Schwächen  des  Alters  wenig  berührt,  seine 
Demission  ein,  um,  wie  er  sich  äusserte,  seine  angefangenen  wissenschafdichen 
Arbeiten  weiterzuführen  und  zu  vollenden.  Leider  sollte  ihm  das  nicht  ver- 
gönnt  sein,  und  am  Vormittag  des  30.  September  1897  starb  er,  ohne  län- 
geres vorhergehendes  Unwohlsein,  plötzlich  an  einem  Herzschlage,  tief  be- 
trauert nicht  hur  von  seiner  Familie,  sondern  auch  von  seinen  ehemaligen 
Schülern  und  allen  denen,  die  das  Glück  gehabt  hatten,  sich  des  Umgangs 
mit  dem   durch  seine  reichen  Kenntnisse,    wie  durch  seine  liebenswürdigen 

Charaktereigenschaften  ausgezeichneten  Manne  zu  erfreuen. 

Festrede,  gehalten  von  Rektor  Dr.  Kaufinann  an  der  fünfzigjährigen  Jubelfeier  der 
Herren  Professoren  Dr.  Victor  Kaiser  und  Dr.  Franz  Lang,  im  Jahresberichte  der  Kantons- 
schule von  Solothurn  fttr  das  Schuljahr  1895/96;  Festnummer  zum  »Oltner  Tagblatt«  vom 
30.  Juli  1896,  mit  der  von  P.  Dietschi  verfassten  Biographie  der  beiden  Jubilare;  Solo- 
thurner  Tagblatt  1897,  No.  229  u.  230.  MC* 

Höchl,  Anton,  Architecturmaler,  ♦  am  20.  Februar  1820  zu  München, 
f  am  21.  Februar  1897.  —   H.  war  der  Sohn    des  durch    eine  Menge  von 


i84  Höchl. 

Bauwerken  wohlbekannten  Stadtbaumeisters  Jakob  Höchl  (♦am  5.  März  1777, 
f  am   6.  Januar   1838),    welcher   als   Maurermeister   bei    vielen    Schöpfungen 
König  Ludwig  I.  thätig  war    und   durch    artistische  Privatbauten   ein    höchst 
ansehnliches  Vermögen  erwarb.     Da  der  Vater  die  Ansicht  hegte,  dass  jedes 
Handwerk  einen  goldenen  Boden  habe,  so  musste  der  reiche  Bürgersohn  von 
der  Pike  auf  dasselbe  gründlich  kennen  lernen,   frühzeitig  Mörtel  rühren  und 
Steine   tragen,    als  Maurer  in  Tagelohn    sich  zum  Palier  durcharbeiten    und 
nebenbei   wacker  zeichnen  und  rechnen.     Beides  verstand  er  bald  gründlich, 
insbesondere  das  Rechnen;    beim  Zeichnen   kam   seine   künstlerische  Anlage 
zum  Durchbruch,   welche  sich  in  anerkenneswerther  Weise  geltend  machte. 
So   fertigte  der  junge  H.  die  Modelle  zu  dem  aus  gebrannter  Ziegelerde  be- 
stehenden Prachtthore  der  königl.  Salinen-Administration  in  der  Ludwig-Strasse. 
Leider  blieb  das  schöne  Vorbild,  dieses  dem  Münchener  Clima  so  angepasste 
Material  künstlerisch  ;tu  verwerthen,  ohne  weitere  Nachfolge.    Nach  dem  Ab- 
leben des  Vaters,   eines  ausserordentlich  ernsten,  streng  rechtlichen  und  ge- 
wissenhaften Geschäftsmannes,  der  indessen  nicht  ohne  künstlerische  Interessen 
war  und  in  seiner  Jugend  mit  heljen  Augen  Italien  bereist  und  viele  interessante 
Studien  gezeichnet  und  angesammelt  hatte,    wendete   sich  H.   zur  Kunst  und 
erwählte  unter  der  Leitung  von  Michel  Neher  (1798 — 1876)  die  Architectur- 
malerei    als   dilettantischen  Lebensberuf     Den  Betrieb  seiner,  in  bester  Lage 
auf  dem  rechten  Isarufer  weit  ausgedehnten  Ziegeleien  setzte  er  fort,    auch 
aus   dem  echt  humanen  Interesse,    den  braven  Arbeitern  seines  Vaters   nicht 
den   Stuhl    vor    die   Thüxe    zu    stellen;    er  hielt  diese  Maxime  beinahe  zeit- 
lebens fest,  als  später  der  Tagelohn  bedeutend  gestiegen  war  und  die  reich 
angewachsene    Concurrenz    den    Ertrag   gewaltig    herabdrückte.      Nur    wider- 
strebend   Hess    er    sich    herbei,    seine    alten  Mietheinwohner  im  Hauszins  zu 
steigern,    obwohl    die    officielle    Einschätzung    den    wirklichen    Ertrag    seiner 
Häuser  theilweise  öfters  überschritt.     In  dieser  Beziehung  obwaltete  bei  ihm 
ein   conservatives  Element,    welches    ihn   mit   seinen  Inwohnern    in    eine   fast 
cordiale  Beziehung  brachte,  welche  sich  auch  nicht  abschwächte,  wenn  diese 
sein  Dach  und  Fach  verliessen   und  anderswohin  verzogen.     Dagegen  war  er 
freilich    kein  Freund    von    verbessernden  Neuerungen,   er  hätte  am   liebsten 
Alles    auf   dem    alten    Fusse    gelassen;    selbst  die    dringendsten   Reparaturen 
erfolgten  nur  nach  langen  Vorstellungen,  auf  besondere  Fürsprache  und  Bitte. 
Auf   seinen  kleinen  Oelbildern  und  zahlreichen  Aquarellen    schilderte   er  mit 
grosser    Vorliebe    das    alter  thümliche    Winkel  werk    Altmünchens,    mit    dessen 
Häusern,    Thoren,   Thürmen    und    Basteien,    welche    allmählich    der    Neuzeit 
weichen  mussten  und  jetzt  schon  ein  gesteigertes,  historisches  Interesse  fiir  sich 
in  Anspruch  nehmen.    Seine  Aufnahmen  waren  möglichst  treu  und  wahr;  zu  der 
minutiösen  Ausführung  seines  Lehrers  Neher  fehlte  ihm  aber  die  fleissige  Ge- 
duld;   H.  liebte  mehr  eine  behagliche  Breite  des  Vortrags,   ohne  sich  in  be- 
sondere Stimmung    allzu   ängstlich    zu   vertiefen.     Mit    gleicher  Vorliebe  und 
Umsicht    besuchte    er    auch   andere  Städte   und  Marktflecken,   Schlösser   und 
Burgen  Altbayerns  und  Frankens.     Mit  solchen  Schilderungen  beschenkte  H. 
die  historischen  Vereine,    das  National-Museum   und   andere  Sammlungen  auf 
das  Freigebigste.     Zur  unsäglichen  Freude  gereichte  es  ihm,   wenn  seine  Bil- 
der unerwarteten  Absatz  und  Käufer  fanden.    Dieses  wohlverdiente  Geld  galt 
für  ihn  als  ein  »Schatz«,    ebenso   wie  der  früher  so  schwer  erworbene  Tage- 
lohn.     Seiner    geschäftlichen   Thätigkeit    wegen,    wozu    wohl    eine    mit   dem 
Alter  zunehmende  Bequemlichkeit   mithalf,   verzichtete   er   auf  eine   lang   ge- 


Höchl.  185 

plante  Studienreise  nach  Venedig.     In  jüngeren  Jahren  machte  er  mit  seiner 
Frau    —  er  hatte  ein  ganz  armes,  braves  Mädchen  geheirathet  —  eine  Fahrt 
nach   Paris,    welche  aber  gar  keine  künstlerische  Ausbeute  und  keine  Aende- 
ning     in    seiner  Technik    und  Farbe    brachte.     Dagegen    sammelte   H.    eine 
schöne  Galerie  von  kleinen  Bildern,   womit  er  fast  alle  seine  Zeitgenossen  in 
lehrreicher  Weise  vereinte.   Hierbei  mag  ihm  bisweilen  wohl  auch  die  Charitas 
manches  Stück  geliefert  haben;    für  solche  edle  Bestrebungen  besass  er  eine 
höchst  freigebige,  aber  nicht  immer  oflfene  Hand.   Einen  verschollenen  Marine- 
maler subventionirte  H.  grossmüthig,  ohne  dass  der  Betroffene  volle  Kenntniss 
erlangte,    woher  die  Hülfe  kam.     Einem  unverschuldet  gefährdeten  Collegen 
gewährte  er    die  Mittel,    wieder  festen  Fuss   zu  fassen.     Ausser  der  Malerei 
cultivirte  H.  eine  gemüthliche  Hausmusik  und  spielte  dabei  Cello  und  Brat- 
sche   mit  überraschend  tiefer  Empfindung.     Geschichtlichen  Studien  oblag  er 
gern,    durch    ein  neidenswerthes   treues  Zahlen-  und  Datengedächtniss  unter- 
stützt.    Auf   seiner,    am  Reste    eines    ehedem    gewaltigen,    weit    verzweigten 
Stadtwaldes  liegenden  Ziegelei  gründete  er  sein  stilles  Tusculum,  aus  welchem 
er    täglich   zu   seiner  innigst  geliebten   alten  Mutter  und  in  das  benachbarte 
^Tivoli«  oder  zu  den  abendlichen  Symposien  des  Herzogs  Maximilian  (i8o8 — 88) 
fuhr,  welcher  den  sonst  so  stillen  Mann  seines  gediegenen  Wissens  und  Charakters 
wegen    schätzte.     Auf   einer    seiner    nächtlichen    Rückfahrten    wurde  H.    im 
Winter  1885  von  vier  Strolchen  überfallen    und    nur    durch    glücklichen  Zu- 
fall vor  weiterer  Gefahr  gerettet.     Von  da  an  schloss  er  sich  noch  enger  ab 
und  besuchte  nicht  einmal   mehr  seinen  schönen  Waldfrieden,    welchen  eine 
von    Heinrich  Natter   gemeisselte   Colossalstatue  Wotans   krönte.     Nach   dem 
1893  erfolgten  Ableben  seiner  Gattin  verschwand  H.  ganz  in  der  Stille  seines 
Hauses,  kaum  einigen  Auserwählten  bisweilen  einen  kurzen  Zutritt  gewährend, 
vielfach    geplagt    von    den    wirklichen    oder  auch  eingebildeten  Zufällen  und 
Launen  des  Alters,    bis   er  ohne   besondere  Krankheit  am  21.  Februar  1897 
den  unabänderlichen  Gesetzen  der  Natur  erlag.    Sein  umfangreiches  Vermögen 
und  die  Verwaltung  desselben    hatte   ihm   sicherlich   mehr  Kummer,   Sorgen 
und  Verdruss  als  Vergnügen  oder  Genuss  bereitet.    H.  hat  an  dritthalb  Hun- 
dert Bilder  gemalt.     Als  ihm   die  Ausflüge  zu  eigenen  Skizzen  und  Studien 
lästig   wurden,    sendete   er  gute  Photographen  nach  verschiedenen  Gegenden 
Altbayems  zur  Aufnahme  von  denkwürdigen  Grabdenkmalen,  Skulpturen  und 
Bauwerken  von  historischer  Bedeutung  und  stiftete  solche  Reproductionen  in 
Vereine    und    wissenschaftliche    Sammlungen    mit    unermüdlicher  Liberalität. 
Einen  grossen  Theil  seiner  umsichtig  angelegten  Gallerie  von  Gemälden  gleich- 
zeitiger Künstler    vermachte  H.  der  Königl.  Neuen  Pinakothek,    wo  sie  zur 
Erinnerung  des  Stifters    eine    ganze  Wand    in  einem  der  grösseren  Cabinete 
füllen.     Seine  nicht  bloss  Bavarica,  sondern  viele  grosse  Geschichtswerke  und 
erhebliche  Kunstliterätur  umfassende  Bibliothek  stiftete  H.  in  die  Sammlungen 
des  Historischen  Vereins  von  Oberbayern,    dazu  seine  Collection  von  älteren 
Münzen,  Waffen  und  Skulpturen,   dazu   die  ganze  Folge  seiner  von  1831  bis 
1896  laufenden  Tagebücher,    in  welchen   er  die  Hauptereignisse  aus  Politik 
und  Tagesgeschichte  verzeichnete  und  alle  berühmten,  im  Gebiete  des  Wissens 
oder  der  Kunst  verdienten  Namen   mit   charakteristischen  Zusätzen   und  Re- 
flexionen eintrug:    eine  Art  biographisches  Urkundenbuch,    welches  wohl  zu 
weiterer  Mittheilung  und  Bearbeitung  reizen  dürfte.    Mit  einer  grossen  Anzahl 
von  Legaten  bedachte  H.  eine  Menge  von  Vereinen,  gemeinnützigen  Genossen- 
schaften   und  Stiftungen,    darunter  die  Waisen-  und  Armen- Anstalten,   auch 


l88  Lossow.     BUrkner. 

freilich  ohne  dessen  Feinheit  und  Eleganz  zu  erreichen,  obwohl  L.  an  Roben, 
Spitzen  und  anderem  Beiwerk  sein  möglichstes  that.  Dadurch  unterschied  er 
sich  von  den  rohen  Fadaisen  des  Joh.  Heinrich  Ramberg,  als  dessen  tech- 
nisch verbesserte  Neuauflage  L.  öfter  bezeichnet  wurde.  Auch  bearbeitete  er 
in  »hochpikanten«  Bleistiftzeichnungen  zwölf  »Metamorphosen  nach  Homer 
und  Ovid«  (München  1884)  in^  zopfigen  Charakter,  womit  er  »den  ganzen 
Reiz  schöner  Plastik  und  weiblicher  Formvollendung  verewigte«,  und  lieferte 
amouröses  Getändel  (eine  im  Bette  liegende  Coquette  jonglirt  auf  den  Fuss- 
sohlen  ihr  Leibhündchen)  und  allerlei  trivialen  Schnickschnack,  gerade  nicht 
immer  zum  Ruhme  der  deutschen  Kunst,  welche  dergleichen  Firlefanz  besser 
unseren  westlichen  Nachbarn  überlassen  hätte.  Hohe  Aufgaben  stellte  er 
sich  nicht,  löste  sie  aber  mit  vielem  Fleiss.  In  einem  »Ich  thue,  was  ich 
will«  benannten  Oelbilde  (1874)  ist  das  eigensinnige  Handschuhanziehen  der 
fascinirenden  Reiterin  mit  bestem  Chik  dem  Leben  abgelauscht.  Die  lüster- 
nen Scenen  mit  den  »galanten«  Putzmacherinnen  und  das  ewige  Parfüm  der 
ganzen  Demimonde  enuyirte  ihn  schliesslich  selbst,  er  warf  sich  auf  Land- 
schaften, wie  sie  ihm  der  Park  von  Schieissheim,  woselbst  L.  seit  1885  als 
Galerie-Conservator  eine  Stelle  fand,  in  bereitwilliger  Auswahl  bot.  Hier  hul- 
digte er  auch  dem  Plainairiren  und  quälte  seine  armen  Modelle  mit  kalten 
in  den  von  schattigen  Kastanien   oder  mageren  Akazien  tiberu'ölbten 

Üeser  Zwitterstellung  zwischen  alter  und  modemer 

Ausstellungs-Jury  1897,  welche  seine  Einsen- 

troflfen,  verschied  der  darob  erzürnte  Künstler 

Hssheim,    worauf   das    beanstandete    mit  einer 

Bild    im  Glaspalast   Aufnahme    erhielt.     Kurz 

ckenbild  im  Directorialzimmer  des  neuerbauten 

lendet  (vgl.   »Kunst  für  Alle«   vom   i .  Juli  1 897 

'te  L.,    natürlich    in    gleichem  Genre,    auch    als 

gewerbe,    wie    zahlreiche  Blätter    und  practische 

und  Metallarbeiter  beweisen.    Viele  diese  Muster- 

ieitschrift    des   Münchener   Kunstgewerbe -Vereins 

ndere  Schöpfung  L.'s  muss  der  Juwelierladen  von 

erden,   welchen  er  als  ein  malerisch  und  plastisch 

Ästchen  ausstattete.    Auch  sonst  that  er  mit  bereit- 

überall    mit,    malte    beispielsweise    der  »Vitruvia,» 

>nd,    ebenso   die   auf  dem  Siegeswagen  von  Löwen 

en  Mittelbau    der  Kunstgewerbe- Ausstellung  (1888), 

*ten  »mit  kundigem  Geist  der  Erfindung«  und  stellte 

*n   Style    eines   Dierick  Bouts  van  Harlem.     Bei  der 

Achen  Nachlasses    im   Münchener  Kunstverein  (Januar 

ias    sehr    energisch    gemalte    Selbstportrait  L.'s,  *  eine 

^  Leistung. 

•Geschichte  der  Münchencr  Kunst«.    1888.   S.  248  ff.  —  No.  140 
^ai  1897  und  No.  10  vom  11.  Januar  1898.     »Kunst  für  Allee 
•     Kunstvereinsbericht  für  1897.    S.  75. 

Hyac.  Holland. 

Leopold  Friedrich  Heinrich,  *  am  24.  August  1818  in 

/^nuar  1897  in  Dresden,    Meister  der  Holzschneidekunst; 

*^ium  seiner  Vaterstadt,  kam  1837  nach  Düsseldorf  an  die 

^^   1839  ^^  Berlin    vorübergehend    in  Beziehung  zu  Unzel- 


Bürkner.     Alphons.  ign 

mann,  tibersiedelte  1840  nach  Dresden,  wohin  seine  Freunde  Bendemann  und 
Hübner  an  die  Akademie  berufen  worden  waren,  und  woselbst  er  bald  auch 
Ludwig  Richter  näher  trat.  1846  wurde  er  selbst  an  die  Akademie  berufen. 
1847  vermählte  er  sich  mit  einer  jungen  Berlinerin,  einer  Verwandten  von 
Eduard  Bendemann,  mit  der  er  fast  50  Jahre  in  glücklichster  Ehe  lebte.  In 
gesegneter,  reicher  Thätigkeit  gingen  aus  seiner  Werkstatt  über  1 1  000  Holz- 
schnitte hervor;  hierzu  kommen  noch  an  200  Radirungen. 

Dr.  K. Bürkner:  Hugo  Bürkner,  Biographisches  Jahrbuch  und  Deutscher  Nekrolog 
S.  22* — 42*.    Band  I.    1897. 

AlphonSy  Theodor,  Maler  und  Radirer,  ♦am  28.  October  1860  in  Krakau, 
f  am  2.  September  1897  in  Graz,  entstammte  einer  steirischen  Familie  und 
kam  im  Alter  von  sieben  Jahren  nach  Graz,  wo  er  die  Realschule  besuchte 
und  später  mit  technischen  Studien  begann.  Doch  fand  er  bald  seinen 
wahren  Beruf  und  bezog  1879  die  Wiener  Akademie:  hier  wurde  er  in  der 
Landschaftsmalerei  von  Eduard  von  Lichtenfels,  im  Kupferstich  von  Johannes 
Sonnenleiter  unterwiesen.  Bald  wandte  er  sich  aber  von  dem  strengen  Linien- 
slich,  den  Sonnenleiter  pflegt,  ab  und  erlernte  (1885)  bei  William  Unger  die 
Radirung.  Seither  gehörte  er  zu  den  ,  besten  Schülern  dieses  Meisters  und 
machte  sich  durch  seine  Radirungen  in  kurzer  Zeit  einen  guten  Namen. 
Später  nahm  er  seinen  Wohnsitz  wieder  in  Graz ;  häufige  Studienreisen  führten 
ihn  durch  Oesterreich,  Deutschland  und  Oberitalien,  Auf  einer  solchen  Reise 
wurde  er  1896  in  Nürnberg  von  einem  heftigen  Nervenleiden  befallen  und 
musste  deshalb  einige  Monate  in  der  Irrenanstalt  zu  Feldhof  bei  Graz  ver- 
bringen. Scheinbar  geheilt  entlassen  und  durch  einen  längeren  Aufenthalt 
in  Meran  und  Venedig  in  seiner  Gesundheit  gekräftigt,  kehrte  er  nach  Graz 
zurück,  machte  aber  dort  in  einem  neuerlichen  Anfalle  von  Geistesstörung 
durch  einen  Sprung  aus  dem  Fenster  seinem  Leben  ein  Ende.  A.  pflegte  als 
Maler  hauptsächlich  das  Aquarell;  nur  selten  wendete  er  die  Oeltechnik  an. 
In  seinen  Ansichten  aus  Nürnberg  und  Venedig,  aus  Wien  und  Niederösterreich, 
aus  Steiermark,  Tirol,  Salzburg,  dem  Salzkammergute  und  Böhmen  erscheint 
er  uns  als  einer  der  letzten  Ausläufer  der  alten  Wiener  Aquarellistenschule; 
sicherlich  haben  Meister  wie  die  Alt  und  Thomas  Ender  auf  ihn  eingewirkt. 
Von  seinem  Lehrer  Lichtenfels  hat  er  Manches:,  die  geschickte  Auswahl  der 
Motive  und  die  strenge  sorgfältige  Zeichnung,  dabei  aber  auch  den  geringen 
Geschmack  in  der  Farbe.  Nur  in  einzelnen  kleinen  Blättern,  in  denen  er 
ganz  einfache  Motive  darstellt,  erreicht  er  einen  Reiz  malerischer  Stimmung, 
der  auch  dem  verwöhnten  modernen  Geschmack  zu  genügen  vermag.  Diese 
Arbeiten  beweisen,  dass  er,  wenn  er  in  einer  anderen  Schule  und  Umgebung 
aufgewachsen  wäre,  auch  im  rein  Malerischen  hätte  Vortreffliches  leisten 
können. 

Auch  in  seinen  Originalradirungen  bewegt  er  sich  in  demselben  Kreise: 
es  sind  meist  Ansichten  aus  den  österreichischen  Alpen.  Seine  Blätter  grossen 
Formats  wirken  trotz  der  Sorgfalt  und  Geschicklichkeit  der  Nadelführung 
etwas  trocken.  Für  seine  gelungenste  Originalradirung  halte  ich  das  kleine 
Blatt  »Haidelandschaftc,  worin  er  durch  die  Anwendung  warmer  und  kalter 
Farbentöne  die  Stimmung  eines  kühlen,  stürmischen  und  regnerischen  Herbst- 
tages ausgezeichnet  wiedergegeben  hat.  Das  Beste  aber,  was  A.  geschaffen 
hat,  sind  die  Radirungen,  die  Gemälde  anderer  Meister  reproduciren.  Seine 
Blätter  nach  Bildern  von  Aart  Van  der  Neer,  Pettenkofen,  Schindler,  Passini, 


IQO  Alphons.     Pfotenhauer.     WeltzeL 

Defregger,    Rumpier   und  Anderen  gehören  durch  die  Treue  und  Frische  in 

der  Wiedergabe  verschiedener  Stile  zu  den  vorzüglichsten  Leistungen,  die  die 

Unger'sche  Schule  hervorgebracht  hat. 

Katalog  des  künstlerischen  Nachlasses  Th.  A.'s.  Wien,  Miethke  1898.  —  Hans 
Grasb erger  in  den  Graphischen  Künsten.    Jahrg.  XXI.    1898.    S.  67. 

G.  Glück. 

Pfotenhauer,  Friedrich  Paul,  königlich  preussischer  Archivrath,  *  am 
30.  Juli  1842  zu  Glauchau  in  Sachsen,  f  am  8.  August  1897  in  Bad  Ilmenau. 
—  P.  studirte  anfänglich  die  Rechts-  und  Kameralwissenschaften  in  Leipzig, 
dann  Geschichte  und  Germanistik  in  Heidelberg  und  Berlin.  Sommer  1866 
erwarb  er  sich  durch  eine  Abhandlung  über  den  von  Kaiser  Otto  I.  dem 
Papst  Johann  XII.  geleisteten  Eid  zu  Leipzig  die  philosophische  Doctorw'ürde 
und  wurde  darauf  mehrere  Jahre  hindurch  für  den  Codex  diplomaticus  Saxo- 
niae  regiae  verwendet.  1875  wurde  er  von  der  preussischen  Staatsarchiv- 
verwaltung zunächst  probeweise  übernommen  und  in  Schleswig  verwendet, 
dann  März  1876  zum  Hilfsarbeiter  befördert,  September  desselben  Jahres  nach 
Breslau  versetzt,  welchem  Archive  er  dann  ununterbrochen  unter  Beförderung 
in  der  üblichen  Stufenfolge  bis  zu  seinem  Tode  angehört  hat.  Pf.  widmete 
sich  nun  fast  ausschliesslich  der  schlesischen  Geschichtsforschung  und  wurde 
bald  eine  Autorität  auf  den  Gebieten  der  schlesischen  Adelsgeschichte,  der 
Wappen-  und  Siegelkunde.  Die  Ergebnisse  seiner  Studien  legte  er  vorzugs- 
weise in  der  Zeitschrift  für  schlesische  Geschichte  nieder;  als  selbständige 
Publikationen  gab  er  Namens  des  schlesischen  Geschichtsvereins  1873  »die 
schlesischen  Siegel  von  1250—1300  resp.  1327  und  1881  als  Bd.  X  des  Cod. 
dipl.  Sil.  die  »Urkunden  des  Klosters  Kamenz«  in  sorgsamer  Bearbeitung  her- 
aus. In  seinen  letzten  Lebensjahren  beschäftigte  er  sich  vornehmlich  mit  der 
Erziehungs-  und  der  Universitätsgeschichte.  Pf.  war  ein  selbstloser,  beschei- 
dener Charakter,  von  grosser  Liebenswürdigkeit  und  bereitwilligem  Entgegen- 
komlnen,  sodass  er  namentlich  durch  genealogische  Nachfragen  stark  in  An- 
spruch genommen  wurde.  In  den  letzten  Jahren  bereits  kränklich,  erlag  er 
in  der  mit  seiner  Familie  aufgesuchten  Sommerfrische  den  Folgen  eines  wieder- 
holten Schlaganfalles;  beerdigt  wurde  er  zu  Breslau. 

Nekrolog  in  der  Zeitschr.  f.  Gesch.  u.  Alterthum  Schlesiens  Bd.  XXXII,  38301 

Konrad  Wutke. 

Weltzcl,  August,  Dr.  theol.,  katholischer  Pfarrer  und  Historiker,  *  am 
9.  April  181 7  zu  Jeltsch,  Kreis  Ohlau,  f  am  4.  November  1897  zu  Tworkau, 
Kreis  Ratibor.  —  W.  widmete  sich  dem  geistlichen  Stande  und  wurde  am 
8.  Mai  1842  ordinirt.  Zuerst  als  Geistlicher  in  Stettin  thätig,  wo  er  auch 
Vorstandsmitglied  der  Gesellschaft  für  Pommersche  Geschichte  war,  erhielt  er 
1857  die  Pfarrei  Tworkau  bei  Ratibor,  wo  er  auch  bis  zu  seinem  Tode  am- 
tirt  hat.  Er  war  ein  unermüdlicher  Sammler  alles  auf  die  Geschichte  Ober- 
schlesiens bezüglichen  Materials  und  gelangte  in  den  Besitz  einer  erstaunlichen 
StofüuUe.  Er  veröffentlichte  die  Geschichte  der  Städte  Ratibor,  Kosel,  Neu- 
stadt, Guttentag,  Sohrau,  des  Archipresbyterats  Ratibor,  der  Pfarreien  Ostrog, 
Prgrzebin,  der  Propstei  Kasimir,  des  Klosters  Himmelwitz,  der  Besiedelungen 
des  nördlich  der  Oppa  gelegenen  Landes,  der  Geschlechter  Saurma,  Praschma, 
Gaschin,  Eichendorff,  Oppersdorff  (letzteres  nur  im  Manuscript),  femer  zahl- 
reiche Artikel  in  verschiedenen  Zeitschriften   u.  a.  in  der  Zeitschrift  für  Ge- 


Weltzcl.     Adamy.     von  LUtzow.  loi 

schichte  und  Alterthum  Schlesiens.  Seine  Werke  sind  meistens  Sammlungen 
einer  Ueberfülle  von  Details^  in  der  Regel  chronikartig  unter  bestimmten 
Rubriken  zusammengestellt,  deren  Benutzung  aber  durch  das  Fehlen  von  Re- 
gistern sehr  erschwert  wird.  Seine  hervorragende,  genaue  Kenntniss  der  ge- 
schichtlichen Vergangenheit  Oberschlesiens  wurde  Dank  seines  steten  bereit- 
willigen Entgegenkommens  ausgiebig  von  Behörden,  Genealogen,  Ortshistori- 
kern  etc.  lebhaft  und  mit  Erfolg  in  Anspruch  genommen. 

Nekrolog  in  der  Zeitschr.  f.  Gesch.  und  Alterthum  Schlesiens  Bd.  XXXII,  386  ff. 

Wutke. 

Adamy,  Heinrich,  Vorschullehrer,  ♦  am  27.  Januar  181 2  zu  Landeshut 
in  Schlesien,  f  am  13.  October  1897  zu  Breslau.  —  A.  war  Lehrer  in  Schweid- 
nitz,  Posen,  Hirschberg  und  Breslau  und  hat  sich  besondere  Verdienste  um 
die  Verbreitung  der  Heimathskunde  in  Schlesien  er^'orben.  Er  schrieb  eine 
kleine  Geographie  von  Schlesien  für  Volksschulen,  die  viele  Auflagen  erlebt 
hat,  femer  die  viel  umfänglichere  Schrift  »Schlesien  nach  seinen  physischen, 
geographischen  und  statistischen  Verhältnissen«  (7.  Aufl.  1893),  Heimathskunde 
von  Breslau  (1872),  Die  schlesischen  Ortsnamen,  ihre  Entstehung  und  Bedeu- 
tung (1887,  2.  Aufl.  1891). 

Nekrologe  in  der  Zeitschr.  f.  Gesch.  u.  Alterth.  Schlesiens  Bd.  XXXII,  379/380  und 
in  der  Schles.  Schulseitung. 

Wutke. 

Lützow,  Carl  von,  Kunstschriftsteller,  *  Göttingen  am  25.  December 
1832,  f  Wien  am  22.  Apil  1897.  C.  v.  L.'s  Vater  war  der  grossherzoglich 
Mecklenburgische  Kammerherr  und  Schlosshauptmann  v.  L.,  der  sich  durch 
eine  dreibändige  Geschichte  Mecklenburgs  einen  Namen  gemacht  hat,  seine 
Mutter  die  Tochter  des  Anatomen  Loder  in  Jena.  C.  v.  L.  besuchte  in 
Schwerin  die  Bürgerschule  und  das  Gymnasium  und  bezog  1851  die  Univer- 
sität zu  Göttingen,  um  classische  Philologie  und  Archäologie  zu  studiren. 
Hier  hörte  er  hauptsächlich  die  Vorlesungen  C.  F.  Hermann's,  Schneidewin's 
und  Wieseler's  und  erhielt  durch  sie  eine  treffliche  philologische  Vorbildung. 
Zur  Fortsetzung  seiner  Studien  ging  er  im  Frühjahr  1854  nach  München,  wo 
er  einen  sehr  anregenden  geselligen  Verkehr  fand.  Er  war  an  den  Phil- 
hellenen Friedrich  Wilhelm  Thiersch  und  an  den  Dichter  Friedrich  Boden- 
stedt  empfohlen  und  trat  dadurch  bald  zu  den  literarischen  und  künsterischen 
Kreisen  Münchens  in  nähere  Beziehungen.*)  Im  Sommer  1856  erhielt  er  aut 
Grund  seiner  Dissertation  De  vasis  fictilibus  antiquis  tnore  archaico  pictis 
den  Doctorgrad.  Im  folgenden  Jahre  zog  er  nach  Berlin,  um  dort  die  Antiken- 
sammlungen  zu  studiren.  Dieser  Berliner  Aufenthalt  scheint  aber  gerade  seine 
Neigung  von  der  klassischen  Archäologie  abgelenkt  und  der  Geschichte  der 
neueren  Kunst  zugewendet  zu  haben.  Sicherlich  hatten  auf  diese  Wandlung 
der  Verkehr  mit  Kugler  und  Lübke,  deren  Bekanntschaft  er  in  Berlin  machte, 
und  eine  Studienreise  nach  Italien,  die  er  mit  Schnaase  und  Lübke  unter- 
nahm, den  grössten  Einfluss.  Vorläufig  blieb  er  aber  noch  den  archäologi- 
schen Studien  treu.  1859  habilitirte  er  sich  in  München  als  Privatdocent, 
las  über  die  verschiedensten  Gegenstände  der  klassischen  Kunstgeschichte  und 
Alterthumskunde  und  gab  vom  Jahre  i86i  an  das  Prachtwerk  y*  Münchener 
Anäken^  heraus. 


*)  Vg'*  ^*''l  ^'  Ltitzow,  Erinnerungen  an  Bodenstedt,     Biographisches  Jahrbuch  und 
Deutscher  Nekrolog  1896,  42^ — 49*. 


192 


von  Lützow. 


Von  der  Richtung,  die  L.'s  Studien  unter  der  Einwirkung  von  Männern 
wie  Kugler,  Schnaase  und  Lübke  nahmen,  zeugt  sein  Buch:  Die  Meisterwerke 
der  Kirchenbaukunst  Eine  Darstellung  der  Geschichte  des  christlichen 
Kirchenbaues  durch  ihre  hauptsächlichsten  Denkmäler,  Es  ist  1862  er- 
schienen und  Wilhelm  Lübke  gewidmet.  In  diesem  Werke  zeigt  sich  schon 
L.'s  Begabung  für  eine  gemeinverständliche,  klare  und  übersichtliche  Darstel- 
lung; seine  Absicht  ist,  darin  nach  gründlichen  eigenen  Studien  und  nach 
den  Forschungen  Anderer  dem  grossen  Publikum  ein  zuverlässiges,  getreues 
Bild  der  Geschichte  der  einzelnen  Kunstdenkmäler  zu  geben  und  weniger 
durch  gelehrte  oder  ästhetische  Erörterungen,  als  durch  eingehende  Analyse 
der  Denkmäler  selbst  bei  dem  ungelehrten  Leser  ein  tieferes  Verständniss  für 
die  Kunst  zu  erwecken.  Man  kann  sagen,  dass  er  diese  Absicht,  soweit  es 
damals  die  vorhandenen  Vorstudien  zuliessen,  wirklich  erreicht  hat. 

Verschiedene  Misshelligkeiten  bewogen  L.  im  Jahre  1863  München  zu 
verlassen  und  im  Frühjahr  nach  Wien  überzusiedeln,  wo  er  zunächst  als 
Privatdocent  für  Geschichte  und  Archäologie  der  klassischen  Kunst  an  der 
Universität,  vom  folgenden  Jahre  an  auch  als  Docent  der  Kunstgeschichte  an 
der  Akademie  der  bildenden  Künste  wirkte.  1865  wurde  er  zum  Vorstände 
und  Bibliothekar  der  Akademie  ernannt.  Vom  Jahre  1867  an  bekleidete  er 
daneben  noch  die  Stelle  eines  Professors  der  Architekturgeschichte  an  der 
technischen  Hochschule  zu  Wien.  Ausser  dieser  anstrengenden  Lehrthätigkeit 
nahmen  ihn,  seitdem  er  nach  Wien  übergesiedelt  war,  redactionelle  Arbeiten 
stark  in  Anspruch:  unter  Mitwirkung  Eitelberger's,  Falke's,  Lübke's  und  Pecht's 
gab  er  die  Recensionen  mit  Mittheilungen  über  bildende  Kunst  heraus.  Als 
aber  diese  Zeitschrift  1865  zu  erscheinen  aufhörte,  gründete  C.  v.  L.  gemein- 
sam mit  dem  Leipziger  Verleger  E.  A.  Seemann  eine  neue  Zeitschrift  von 
ähnlicher  Richtung,  die  Zeitschrift  fiir  bildende  Kunst,  mit  dem  Beiblatte 
Kunstchronik.  L.  verstand  es,  in  kurzer  Zeit  eine  Zahl  von  tüchtigen  litera- 
rischen und  künstlerischen  Mitarbeitern  um  sich  zu  versammeln  und  dadurch 
seiner  Zeitschrift  bald  zu  grossem  Ansehen  zu  verhelfen;  die  Redaction  hat  er 
bis  zu  seinem  Tode,  also  mehr  als  dreissig  Jahre  lang,  fortgeführt.  Wien  ist 
C.  V.  L.  zur  zweiten  Heimat  geworden  und  bei  den  Wienern  hat  er  sich  durch 
öffentliche  Vorträge,  durch  seine  Thätigkeit  in  literarischen  und  künstlerischen 
Vereinen  und  endlich  durch  die  Feuilletons,  die  er  von  Zeit  zu  Zeit  über 
Tagesfragen  des  Kunstlebens  schrieb,  bekannt  und  beliebt  gemacht. 

Ueberblickt  man  C.  v.  L.'s  schriftstellerische  Thätigkeit,  so  muss  man 
sagen,  dass  ihr  Werth  weniger  in  selbständigen  Untersuchungen  und  For- 
schungen, weniger  in  einer  eigenartigen  Auffassung  liegt,  als  in  einer  sehr 
geschickten  und  übersichtlichen  Verwerthung  des  von  Anderen  Gefundenem 
und  Ausgesprochenen.  Nur  für  seine  Geschichte  der  kais.  königL  Akademie 
der  bildenden  Künste,  die  1877  als  Festschrift  zur  Eröffnung  des  neuen  Aka- 
demie-Gebäudes erschienen  ist,  hat  er  selbständige  archivalische  Studien  an- 
gestellt und  bisher  unausgenutzte  Quellen  verwerthet;  dadurch  ist  dieses  Werk 
zu  einem  trefflichen,  zuverlässigen  Hilfsmittel  für  die  Geschichte  der  Wiener 
Kunst  geworden.  In  seinen  übrigen  Schriften  verfolgt  er  ein  ähnliches  Ziel, 
wie  er  es  schon  in  seinen  Meisterwerken  der  Kirchenbaukunst  angestrebt 
hatte;  dahin  gehören  Die  Kunstschätze  Italiens  in  geographisch-historischer 
Ueber sieht  geschildert  (Stuttgart  1 884),  worin  er  zum  ersten  Male  die  For- 
schungen Giovanni  Morellis,  dem  das  Buch  gewidmet  ist,  dem  grossen  deut- 
schen Publikum  zugänglich  machte,  und  die  Geschichte  des  deutschen  Kupfer- 


von  Ltttzov. 


193 


Stiches  und  Holzschnittes  (erschienen  1889 — 1891  als  ein  Theil  der  Grotischen 
Geschichte  der  deutschen  Kunst),  ein  Buch,  das,  trotz  mancher  Mängel  im 
Einzelnen,  doch  als  die  erste  zusammenhängende  Darstellung  der  Entwicke- 
lung  dieser  Kunstzweige  sein  eigenes  Verdienst  hat.  Dieselbe  popularisirende 
Tendenz  haben  seine  Texte  zu  verschiedenen  Bildwerken,  wie  z.  B.  zu  den 
Denkmälern  der  Kunst  (^XxittgdiXi  1858),  die  er  gemeinsam  mit  Lübke  heraus- 
gab, zu  den  Wiener  Neubauten  (Wien  1876 — 1881),  zur  Kunst  flir  Alle 
(Stuttgart  1880,  gemeinsam  mit  L.  Weisser),  zu  Albrecht  Dürer^ s  Holzschnitt- 
werk  (Nürnberg  1883)  und  endlich  der  Text  zu  William  Unger's  Radirungen 
nach  Gemälden  der  kais.  kgl.  Gemäldegalerie  zu  Wien  (Wien  1886).  Unter 
seinen  archäologischen  Schriften  heben  wir  noch  ausser  den  schon  genannten 
die  folgenden  hervor:  Zur  Geschichte  des  Ornaments  an  den  bemalten  grie- 
chischen ThoTtgefässen,  München  1858,  und  Das  choragische  Denkmal  des 
Lysikrates  in  Athen,  Nach  Th.  Hansen's  Restaurationsentwurf.  Leipzig  1868. 
Ausserdem  hat  C.  v.  L.  einige  sorgfältige  Verzeichnisse  von  Antiken-  und  Ge- 
mäldesammlungen, Bibliotheken  und  Ausstellungen  verfasst,  unter  denen  der 
Katalog  der  Gemälde-Galerie  der  Akademie  der  bildenden  Künste  zu  Wien 
wohl  am  meisten  Anerkennung  gefunden  hat,  er  hat  femer  die  Herausgabe 
neuer  Auflagen  von  Schnaase's  und  Lübke's  Schriften  besorgt  und  endlich 
eine  grosse  Anzahl  von  kleineren  Recensionen,  Berichten,  Mittheilungen, 
Feuilletons  und  dergleichen  geschrieben.  Nach  all  dem  kann  man  nicht 
anders  als  die  ausserordentliche  Arbeitskraft  dieses  Mannes  bewundern,  und 
man  muss  darüber  staunen,  dass  die  meisten  seiner  Schriften  sich  durch  einen 
sorgfältigen,  klaren  und  flüssigen  Stil  auszeichnen. 

Ein  Hauptverdienst  C.  v.  L.'s  ist  seine  redactionelle  Thätigkeit.  Zu  dieser 
befähigte  ihn  ein  Vorzug  seiner  Natur,  den  man  aber  zugleich  auch  als  eine 
Art  liebenswürdiger  Schwäche  bezeichnen  muss.  Eis  ist  dies  seine  wahrhaft 
feurige  Vorliebe  für  alles  Neue.  War  irgend  ein  neues  Kunstwerk  entstanden, 
wogegen  die  Vorsichtigen  unter  den  Beurtheilem  noch  kühle  Zurückhaltung 
bewahrten,  oder  war  ein  Gelehrter  der  Meinung,  eine  ganz  überraschende 
Entdeckung  gemacht  zu  haben,  die  jedoch  einer  ruhigen  kritischen  Prüfung 
nicht  Stand  halten  sollte,  so  konnte  C.  v.  L.  im  ersten  Eifer  über  eine  solche 
neue  Ej^cheinung  in  eine  wahre  Begeisterung  gerathen  und  sie  auch  öffentlich 
durch  enthusiastisches  Lob  unterstützen.  Daher  kam  es,  dass  er,  ohne  es  zu 
wollen,  neben  vielem  Guten  auch  manches  Mittelmässige  förderte  oder  wenig- 
stens gelten  Hess.  Andererseits  hat  aber  die  grosse  Ehrlichkeit  seines  Charak- 
ters bewirkt,  dass  er  sich  bei  der  Leitung  seiner  Zeitschrift  von  dem  Einflüsse 
des  Clique-  und  Parteiwesens,  das  die  literarischen  und  künstlerischen  Kreise 
Deutschlands  beherrscht,  völlig  frei  gehalten  hat. 

Seine  hervorragende  redactionelle  Begabung  hat  sich  auch  die  Wiener 
Gesellschaft  für  vervielfältigende  Kunst  zu  nutze  gemacht:  sie  hat  ihm  die  Heraus- 
gabe der  Geschichte  der  vervielfältigenden  Kumte  anvertraut.  Ausserdem  hat  L. 
für  die  Zeitschrift  dieser  Gesellschaft,  die  Graphischen  Künste,  einige  werthvoUe 
grössere  Beiträge  geliefert,  wie  z.  B.  RaffaeVs  Bildungsgang  (1888),  Die  Kunst 
in  Wien  unter  der  Regierung  Franz  Josephs  L  (1889)  und  Die  Geschichte 
der  Gesellschaft  flir  vervielfältigende  Kunst  1871  — 1895  (1895). 

Zeitschrift  für  bildende  Kunst.  Neue  Folge.  VIll.  1897.  S.  233  (C.  L.).  —  Mitthei- 
lungen der  Gesellschaft  für  vervielfältigende  Kunst.  1897.  S.  21.  —  Ein  Verzeichniss  seiner 
Schriften  findet  man  in  dem  Katalog  seiner  Bibliothek,  den  Friedrich  Meyer's  Buchhandlung 

Leipzig  herausgegeben  hat. 

G.  Glück. 

Blogr.  Jahrb.  u.  Deatscher  Nekrolog.    2.  Bd.  I3 


I  g4  Duncker.     Bergstraesser. 

Duncker,  Alexander  Friedrich  Wilhelm,  Buchhändler,  *  zu  Berlin  am 
i8.  Februar  1813,  f  23.  August  1897  zu  Berlin.  —  D.,  zweiter  Sohn  des  hoch- 
geachteten Buchhändlers  Karl  Duncker,  trat  nach  absolvirter  Gymnasialbildung 
gegen  Ende  1829  in  die  Lehre  seines  väterlichen  Geschäftes  Duncker  &  Hum- 
blot,  um  später  während  mehrerer  Jahre  in  dem  berühmten  Hause  Perthes  tV 
Besser  in  Hamburg  den  Kreis  seiner  buchhändlerischen  Kenntnisse  zu  erweitem. 
Wieder  nach  Berlin  zurückgekehrt,  arbeitete  er  mehrere  Jahre  hindurch  in 
dem  väterlichen  Geschäft  und  übernahm  dann  am  i.  Januar  1837  ^^^  Sorti- 
ment desselben.  Bald  knüpfte  sich  daran  auch  Verlag,  indem  es  ihm  gelang, 
jugendliche  Dichter  und  Dichterinnen,  wie  Paul  Heyse,  Emanuel  Geibcl, 
Gustav  zu  Putlitz,  Theodor  Storm,  Wilhelm  Jensen,  Thekla  von  Gumpert,  Ida 
Gräfin  HLahn-Hahn,  Fanny  Lewald,  Marie  Petersen  u.  a.  zu  gewinnen  und 
zwar  die  meisten  zuerst  in  die  Literatur  einzufuhren.  Der  Kreis  seiner  Unter- 
nehmungen vergrösserte  sich  von  Jahr  zu  Jahr.  Es  traten  demselben  allmäh- 
lich hochbedeutsame  Kunstwerke  hinzu,  so  die  28  grossen  Kupferstiche  der 
weltberühmten  »Wandgemälde  Wilhelm  von  Kaulbach's«,  die  in  gegen  1000 
chromolithographischen  Ansichten  herausgegebenen  »Rittersitze,  Schlösser  und 
Residenzen  in  der  Preussischen  Monarchie«  (Preis  1 200  M.)  und  viele  andere 
Pracht-  und  illustrirte  Werke.  Hierzu  trat  das  für  die  Geschichte  und  Politik 
so  hochbedeutsame  Werk  der  »Politischen  Correspondenz  Friedrichs  des 
Grossen«.  1860  hatte  D.  sein  Sortiment  an  Wilhelm  Lobeck  (jetzt  Paul 
Schelter's  Buchhandlung),  1870  seinen  Buchverlag  mit  Ausnahme  der  Kunst- 
und  Prachtwerke  und  des  zuletzt  angeführten  erst  später  verlegten  Werkes  an 
Gebr.  Paetel  verkauft.  Er  leitete  dann  seine  weiteren  Unternehmungen  per- 
sönlich und  stand  bis  an  sein  Ende  mit  Rüstigkeit  und  Frische  seinem  Geschäft 
vor.  —  D.  war  nicht  bloss  eifriger  Buchhändler,  er  war  auch  mit  Leib  und 
Seele  Soldat.  Das  führte  ihn  nach  der  Schlacht  von  Königgrätz  von  Pardu- 
bitz  nach  Leipzig,  um  dem  dort  commandirenden  General  der  Occupation 
mit  seinen  Lokalkenntnissen  als  Adjutant  zur  Seite  zu  stehen.  Dies  Verhält- 
niss  gab  ihm  Gelegenheit,  sowohl  der  Stadt  Leipzig,  als  auch  seinen  Collegen 
im  Buchhandel  mancherlei  Erleichterungen  zu  verschaffen;  beispielsweise  ge- 
lang es  ihm,  die  Aufhebung  des  Verbotes  der  Gartenlaube  zunächst  in  Sachsen 
und  danach  auch  in  Preussen  herbeizuführen.  —  An  äusseren  Ehren  fehlte 
es  ihm  nicht.  Als  Landwehroffizier  hatte  er  an  den  Feldztigen  1864,  1866 
und  1870/71  theilgenommen  und  wurde  zuletzt  (1897)  zum  Obersüieutenant 
befördert.  Er  nannte  (1895)  ^7  ^™  Militär-  und  Civil verhältniss  erworbene 
Ehrenzeichen  und  Orden,  meist  höherer  Grade,  sein  eigen.  Er  war  Vor- 
sitzender verschiedener  Kunst-  und  gemeinnütziger  Vereine,  sowie  Ehrenmit- 
glied der  Akademie  der  bildenden  Künste  in  München.  —  Seine  schrift- 
stellerische Thätigkeit  umfasst  einen  in  zwei  Auflagen  erschienen  Band 
Gedichte:  »Abseits  vom  Wege«,  dann  die  Novellen:  »Angiola  Filomarino*, 
»Ihr  Bild«,  das  Drama:  »Die  Patrioten«,  kleinere  Sachen  und  Gelegenheits- 
gedichte, die  alle  eine  sehr  freundliche  Aufnahme  fanden. 

Handschriftliche  Autobiographie.  —  Börsenblatt  für  den  deutschen  Buchhandel.  1S97. 
No.  196  und  260. 

H.  Ellissen. 

Bergstraesser,  Arnold,  Buchhändler,  *  am  3.  October  1841  auf  der  Schloss- 
ruine Braeuberg  im  Odenwald,  f  5.  Januar  1897  zu  Darmstadt.  —  B.  war  der 
Sohn  des  Rentamtmanns  Friedrich  Bergstraesser.  Die  Familie  stammte  aus 
Malchen  am  Melibocus,    also   dem  Namen   entsprechend  von  der  Bergstrasse. 


Bergstraesser.  ine 

Nachdem  der  Vater  schon  1847  verstorben  war,  zog  die  Mutter  nach  Darm- 
stadt;  wo  B.  zuerst  die  katholische  Volksschule,  dann  das  Schmitz'sche 
Institut  und  1852 — 57  die  Realschule  besuchte.  Er  war  ein  tüchtiger  Schüler 
und  bei  Lehrern  und  Mitschülern  beliebt.  Nach  dem  1857  erfolgten  Tode 
seiner  Mutter  und  bestandener  Abgangsprüfung  widmete  er  sich  dem  Soldaten- 
stande, trat  zunächst  bei  der  Leibcompagnie  des  i.  Infanterie  -  Regiments 
(jetzt  115.)  ein  und  besuchte  1858/59  die  Kriegsschule.  Schon  bei  der 
Mobilmachung  1859  wurde  er  zum  Lieutenant  befördert.  1865  erwirkte  er 
einen  längeren  Urlaub  zum  Besuche  der  polytechnischen  Hochschule  in 
Zürich,  wo  er  mit  bedeutenden  Männern,  wie  Bolley,  Scherr,  Billroth,  Semper, 
Herwegh  und  Rüstow  verkehrte.  Die  Kriegsunruhen  von  1866  riefen  ihn  in 
den  Dienst  zurück.  Als  Oberlieutenant  machte  er  das  Gefecht  bei  Frohnhofen 
mit,  wurde  am  linken  Fuss  schwer  verwundet  und  nahm  infolgedessen  1867 
seinen  Abschied.  —  Seine  kurz  zuvor  erfolgte  Verlobung  mit  der  Tochter  des 
Buchhändlers  J.  P.  Diehl  in  Darmstadt  gab  Veranlassung,  sich  von  nun  an 
dem  Buchhandel  zuzuwenden.  Er  lernte  diesen  in  der  Franz'schen  Buch- 
handlung in  München  und  bei  Franz  Koehler  sen.  (K.  F.  Koehler)  in  Leipzig, 
seinem  späteren  Commissionär,  kennen  und  übernahm  1869  das  Sortiments- 
geschäft seines  Schwiegervaters.  Unter  seiner  Leitung  nahm  es  einen  be- 
deutenden Aufschwung.  Seit  1879  widmete  er  sich  auch  dem  Verlag,  in 
dem  u.  a.  das  Handbuch  der  Architectur  hervorragt.  —  Die  Ereignisse  von 
1870  führten  ihn  der  Politik  zu,  und  mit  grosser  Beredsamkeit  trat  er  in 
einer  hauptsächlich  durch  ihn  veranlassten  grossen  Volksversammlung  für  die 
Bestrebungen  der  nationalliberalen  Partei  ein.  Er  wurde  zum  Mitglied  des 
Landesausschusses  und  des  Centralausschusses  in  Berlin,  später  wiederholt 
in  die  zweite  Kammer  der  hessischen  Landesstände  gewählt  (erst  für  Höchst, 
dann  für  Darmstadt).  Krankheit  veranlasste  ihn  1896  zur  Niederlegung  seines 
Amtes.  Auch  als  Stadtverordneter  war  er  lange  thätig.  Die  höchsten  Ver- 
dienste erwarb  er  sich  um  Hebung  der  polytechnischen  Schule  in  Darmstadt, 
um  die  Universität  Giesisen,  um  Besserung  der  Lage  der  Lehrer  und  Beamten. 
—  In  hervorragender  Weise  aber  ist  B.'s  Name  besonders  mit  der  Geschichte 
des  deutschen  Buchhandels  verknüpft.  Seit  1878  war  er  an  allen  auf  Neu- 
gestaltung des  Buchhandels  gerichteten  Bestrebungen  und  Verhandlungen  in 
lebhaftester  und  erfolgreichster  Weise  betheiligt.  1885  bis  1889  und  1892 
bis  zu  seinem  Tode  wirkte  er  im  Hauptvorstande  des  Börsenvereins  für  den 
deutschen  Buchhandel  mit  und  war  seit  1895  der  erste  Vorsteher  desselben, 
ein  Ehrenposten,  dem  bei  der  gewaltigen  Corporation  des  deutschen  Buch- 
handels nur  wenige  andere  gleichkommen  dürften.  Am  5.  Januar  1897  wurde 
er  von  monatelangen  schweren  Leiden  durch  den  Tod  erlöst.  An  seinem 
Grabe  sprachen  nach  der  üblichen  geisthchen  Trauerrede  u.  a.  Oberbürger- 
meister Momeweg,  Verlagsbuchhändler  Engelhom,  der  Rector  der  Technischen 
Hochschule,  Professor  Berndt,  Hauptmann  d.  L.  Waldeck,  Reichstagsabgeord- 
neter Dr.  Osann,  Oberstlieutenant  a.  D.  Gad,  Verlagsbuchhändler  Hauptmann 
Zemin,  Schuldirector  Dr.  Meisel,  Buchhändler  Gecks.  Diese  u.  a.  zwar  wohl 
meist  mit  dem  Verewigten  persönlich  befreundeten  Herren  sprachen  hier  im 
Namen  hochangesehener  Vereine  und  Institute,  alle  voll  hoher  Anerkennung 
Bergstraesser' s  als  Mensch,  Politiker,  Buchhändler  u,  s.  w. 

Vergl.  Börsenblatt  f.  d.  deutschen  Buchhandel  1897,  No.  8  u.  62  (Nekrolog;  auch  ab- 
gedruckt im  Adressbuch  des  deutschen  Buchhandels  1898). 

H.  Ellissen. 
13* 


xn6  ^OQ  Stephan. 

Stephan,  Ernst  Heinrich  Wilhelm  von,  Staatssekretär  der  Post  des 
deutschen  Reiches,  Schöpfer  des  Weltpostvereins  und  culturgeschichtlicher 
Schriftsteller,  ♦  am  7.  Januar  1831  zu  Stolp  in  Pommern,  f  am  8.  April  1897 
in  Berlin.  —  Die  beiden  Grundzüge  in  dem  Wesen  des  ausserordentlichen 
Mannes  sind  eine  Bildung  von  hervorragender  Universalität  und  der  mächtige 
Trieb,  die  Ergebnisse  dieser  Bildung  nach  aussen  zu  wenden  und  sie  in  das 
praktische  Leben  zu  übertragen.  Unsere  Zeit  ist  reich  an  Weltverbesseren, 
die  mit  allen  ihren  Plänen  scheitern,  weil  sie  träumen.  St.  war  auch  ein 
Weltverbesserer,  aber  er  hat  in  vierzigjähriger  Arbeit  sein  Ziel  erreicht,  weil 
er  nie  geträumt  hat. 

Als  er  auf  der  Höhe  seiner  Erfolge  stand,  hat  er  einmal  der  Idee,  welche 
ihn  leitete,  einen  kurzen  Ausdruck  gegeben.  Jedes  Weltalter  hat  einen  Trieb, 
von  dem  es  beherrscht  wird.  In  der  griechischen  Zeit  war  es  die  Kunst; 
»und  das  Schöne  war  immer  der  Gott  der  Welt«,  sagt  Schiller.  In  Rom  war 
es  Recht,  Staat  und  Macht;  »die  Helden  singen  den  Herrscher  an,  und  den 
Mächtigen  suchen  die  Schwachen«,  sagt  Schiller.  Im  Mittelalter  war  es  die 
religiöse  Vertiefung;  »der  Mönch  und  die  Nonne  zergeiselten  sich;  es  war 
das  Leben  fmster  und  wild«,  sagt  Schiller.  Das  vierte  Weltalter  erklärt  St. 
anders  als  Schiller.  Heute  ist  es  der  Verkehr,  der  Alles  regiert.  Und  wer 
heute  der  Menschheit  dienen  will,  muss  dem  Verkehr  dienen.  Nach  diesen 
Gesichtspunkten  ordnete  er  sein  Leben. 

St.  war  der  Sohn  eines  Handwerkers,  eines  Schneiders,  aber  nicht  in 
trüber  Mittelmässigkeit  aufgewachsen.  Sein  Vater  hatte  sein  gutes  Auskommen, 
genoss  die  Achtung  seiner  Mitbürger  und  hat  es  zum  Rathsherm  gebracht. 
Dass  die  Mutter  eine  vortreffliche  Frau  war,  braucht  nicht  gesagt  zu  werden, 
denn  sonst  hätte  es  der  Sohn  zu  Nichts  gebracht.  Der  Vater  zeichnete  sich 
durch  zwei  Eigenschaften  aus;  hohe  Bibelfestigkeit  und  grosse  Achtung  vor 
Sprachkenntnissen;  er  Hess  seine  Söhne  früh  in  neueren  Sprachen  unterrichten, 
auch  in  solchen  die  nicht  landesüblich  waren. 

Der  Knabe  wurde  der  Wohlthat  einer  Gymnasialbildung  fähig  und  er 
eignete  sie  sich  in  vollem  Umfange  an.  Den  künftigen  Philologen  erkennt 
man  daran,  dass  er  den  Pythagoräischen  Lehrsatz  nicht  begreift;  der  künftige 
Historiker  lernt  nicht  Roggen  von  Weizen  unterscheiden.  Und  der  grosse 
Musiker  ist  ein  schlechter  Turner.  St.  war  ausgezeichnet  in  allen  Fächern; 
alte  und  neue  Sprachen,  Mathematik  und  Naturwissenschaften,  Geschichte  und 
Geographie,  Religion,  Gesang,  Zeichnen  und  Turnen.  Die  Kenntnisse,  die  er 
erworben  hatte,  blieben  ihm  treu  sein  Leben  hindurch.  Es  gab  in  seinem 
späteren  Leben  keinen  Tag,  an  welchem  er  das  Abiturientenexamen  —  nicht 
etwa  von  Neuem  hätte  machen  können;  das  wäre  eine  Kleinigkeit  gewesen, 
—  nein,  an  dem  er  es  einer  Anzahl  von  Prüflingen  nicht  hätte  abnehmen 
können. 

Zu  der  Wohlthat  der  Gymnasialbildung  noch  diejenige  der  Universitäts- 
bildung zu  ftigeh,  blieb  ihm  versagt.  Ich  nehme  an,  dass  die  Mittel  des 
Vaters  ausgereicht  hätten,  sie  ihm  zu  gewähren,  wenn  er  nur  diesen  einen 
Sohn  besessen  hätte,  aber  es  war  eine  Schaar  von  jüngeren  Kindern  da.  Jedoch 
die  Universitätsbildung,  so  schätzbar  sie  ist,  ist  nicht  alleinseligmachend;  es 
gicbt  Mittel,  sie  zu  ersetzen:  fortgesetztes  Privatstudium,  Reisen  und  ein  heller 
Blick  in  die  Welt.     Alle  diese  Mittel  hat  er  benutzt. 

Mit  sechszehn  Jahren  hatte  er  das  Gymnasium  absolvirt,  etwas  zu  früh, 
um  in  das  praktische  Leben  sofort  eintreten  zu  können ;  die  nächsten  vor  ihm 


von  Stephan.  loy 

liegenden  Monate  benutzte  er  hauptsächlich,  um  in  dem  Sortimentsbuchladen 
seiner  Vaterstadt  so  viel  Bücher  zu  lesen,  als  möglich  war. 

Ueber  seine  Berufswahl  hat  er  nicht  einen  Augenblick  geschwankt;  er 
war  überzeugt,  dass  die  Postlaufbahn,  die  unzähligen  seiner  Altersgenossen 
als  eine  öde  Schreiberei  erscheint,  ihm  volle  Befriedigung  seiner  Sehnsucht 
bringen  würde.  Der  Gedanke,  einmal  Generalpostmeister  zu  werden,  lag  ihm 
nicht  fem,  wenn  er  auch  nicht  erwartet  haben  wird,  das  Ziel  so  schnell  zu 
erreichen. 

Die  ersten  sieben  Jahre  wurde  er  in  kleinem  Dienst  beschäftigt,  in  Marien- 
burg und  Danzig,  dann  nach  abgelegter  Assistentenprüfung  am  6.  November 
1 85 1  in  Cöln,  wo  sich  sein  geistiger  Gesichtskreis  erheblich  erweitert.  Unter- 
brochen wurde  diese  Dienstzeit  auf  ein  Jahr  dadurch,  dass  er  in  Magdeburg 
seiner  militärischen  Pflicht  bei  der  Artillerie  genügte. 

Ueber  diese  sieben  Jahre  hat  die  Legende  manchen  Nebel  verbreitet, 
den  zu  zerstreuen  unmöglich  ist.  Er  soll  ab  und  zu  die  Unzufriedenheit 
eines  Vorgesetzten  in  so  hohem  Grade  auf  sich  gezogen  haben,  dass  ihm 
dieser  den  Rath  gab,  seine  Carri^re  zu  verlassen  und  Journalist  zu  werden. 
Das  Wahre  an  dieser  Legende  wird  das  sein,  dass  er  zuweilen  das  Mechani- 
sche des  Dienstes  recht  drückend  empfunden  hat,  aber  doch  auf  der  andern 
Seite  durch  einzelne  hervorragende  Leistungen  die  Aufmerksamkeit  auf  sich 
gezogen  hat.  Jedenfalls  bewegt  sich  sein  Leben  vom  13.  Januar  1855  ^^* 
wo  er  die  Prüfung  für  das  höhere  Postfach  zum  frühsten  zulässigen  Termin 
bestand,  in  stark  aufsteigender  Curve.  Er  wird  am  2.  Februar  1855  Post- 
sekretär, am  I.  Mai  1855  Postkassen-Controlleur  in  Frankfurt  a.  O.,  am 
13.  Januar  1856  Hilfsarbeiter  im  General-Postamt,  am  i.  Mai  1856  Geheimer 
expedirender  Sekretär,  am  14.  August  1858  Postrath  bei  der  Oberpostdirektion 
in  Potsdam,  1863  Oberpostrath  im  General-Postamt,  1865  Geheimer  Postrath 
und  vortragender  Rath,  am  26.  April  1870  General-Postdirektor  des  deutschen 
Bundes. 

Eine  höhere  Stellung  konnte  er  in  der  von  ihm  erwählten  Laufbahn 
nicht  mehr  erringen.  Aber  die  Stellung  selbst  hat  sich  noch  mehrfach  ver- 
ändert. Die  Erweiterung  des  Norddeutschen  Bundes  zum  deutschen  Reiche 
hatte  von  selbst  die  Folge,  dass  er  nunmehr  General-Postdirektor  des  deut- 
schen Reiches  wurde.  Die  Reservatrechte,  welche  sich  Bayern  und  Württem- 
berg in  Beziehung  auf  die  Verwaltung  der  Post  zu  erringen  gewusst  hatten, 
schlössen  nicht  aus,  dass  sie  der  Gesetzgebung  des  Reiches  unterworfen  waren. 
Im  Jahre  1875  wurde  die  Telegraphenverwaltung  mit  der  Postverwaltung  ver- 
einigt und  St.  trat  auch  an  die  Spitze  der  letzteren;  von  1876  ab  heisst  er 
nun  General-Postmeister.  Im  Jahre  1879  wurde  ein  dritter  Verwaltungszweig, 
die  Leitung  der  Reichsdruckerei  ihm  übertragen.  Im  Jahre  i88o  wird  aus 
Gründen,  die  mit  dem  Verwaltungsrecht  des  deutschen  Reiches  zusammen- 
hängen, der  Titel  abermals  verändert.  Er  heisst  fortan  Staatssekretär  des 
Keichspostamts,  und  als  solcher  ist  er  gestorben,  wie  Fürst  Bismarck  es  für 
sich  gewünscht  hat,  »in  den  Siehlen«,  noch  auf  dem  Sterbelager  mit  Amts- 
geschäften beladen. 

An  äusseren  Ehren  hat  es  ihm  nicht  gefehlt.  Die  zahlreichen  Orden, 
die  sich  bei  einer  so  hohen  Stellung  von  selbst  verstehen,  können  hier  über- 
gangen werden.  Im  Jähre  1872  wird  er  zum  Mitgliede  des  Herrenhauses 
aus  persönlichem  Vertrauen  des  Königs  ernannt;  1873  verleiht  ihm  die  Uni- 
versität Halle  durch  Ertheilung  des  philosophischen  Doktordiploms  den  wissen- 


Iq8  von  Stephan. 

schaftlichen  Adel.  Im  Jahre  1884  wird  er  als  Mitglied  in  den  Staatsrath 
berufen,  im  Jahre  1885  in  den  erblichen  Adelsstand  erhoben.  Die  Würde 
eines  Domherrn  in  Merseburg  wurde  ihm  im  Jahre  1890  verliehen.  Das  be- 
darf für  den  nichtpreussischen  Leser,  der  nicht  begreift,  wie  man  Domherr 
sein  kann,  ohne  Theolog  zu  sein,  einer  Erläuterung.  Es  bestehen  in  Preussen 
als  Reste  einer  mittelalterlichen  Vergangenheit  einige  Domstifter,  deren  Mit- 
glieder vom  Könige  ernannt  werden  und  einige  Competenzen  beziehen,  ohne 
Pflichten  zu  übernehmen.  Dass  der  König  ihm  eine  solche  Auszeichnung  ver- 
lieh, war  eine  besondere  Auszeichnung,  da  in  der  Regel  adelige  Geburt  er- 
fordert wird.     Endlich  erhielt  1895  St.  den  Rang  eines  Staatsministers. 

Absichdich  ist  der  äussere  Rahmen  dieses  Lebens  so  knapp  als  möglich 
gehalten.  Der  Inhalt  dieses  Lebens  trägt  sich  in  systematischer  Darstellung 
besser  vor,  als  in  chronologischer. 

Der  wirthschaft liehen  Grundsätze,  von  denen  St.  sich  bei  der  Ver- 
waltung der  Post  leiten  Hess,  lassen  sich  drei  aufführen.  Zunächst  muss  die 
Post  dem  Publikum  die  Gelegenheit  zu  schreiben  möglichst  nahe  rücken.  Sie 
muss  ihm  das  Schreiben  nicht  allein  erleichtem,  sondern  sie  muss  ihn  geradezu 
dazu  verführen.  Sie  hat  das  Bewusstsein,  ihn  dadurch  zu  keiner  unnützen 
Geldausgabe  zu  verführen,  denn  Briefe  zu  schreiben  ist  ein  gar  nützliches 
Werk.  Auch  der  Brief,  der  weder  dem  Schreiber  noch  dem  Empfänger  einen 
unmittelbaren  Geldgewinn  abwirft,  ist  nicht  verloren,  denn  er  dient  der  gei- 
stigen Anregung  und  der  Erhebung  des  Gemüths.  Er  unterhält  die  Beziehun- 
gen von  Mensch  zu  Mensch  und  erhöht  die  Lebensfreude.  Darum  muss, 
wenn  Mohamet  nicht  zum  Berge  kommt,  der  Berg  zu  Mohamet  kommen  und 
dem  Menschen,  der  nicht  zur  Post  kommt,  muss  die  Post  näher  kommen,  darum 
eine  starke  Vermehrung  der  Postanstalten,  der  Briefkästen,  der  Botengänge. 
Die  Postanstalten  müssen  hinausgehen  auf  das  flache  Land,  auf  die  Höhe  der 
Berge.  Der  Briefträger  muss  den  Brief  in  jede  Hütte  bringen  und  darf  von 
dem  Landbewohner  nicht  fordern,  dass  dieser  sich  seine  Correspondenz  von 
der  Post  abholen  lässt.  Nichts  erleichtert  aber  das  Briefschreiben  so  sehr, 
als  die  Benutzung  der  offenen  Postkarte,  bei  der  man  den  Briefumschlag 
und  dessen  Verschluss  erspart,  in  der  die  Kürze  aufhört  eine  Unhöflichkeit 
zu  sein  und  zur  Tugend  wird.  Die  Einführung  der  Postkarte  war  ein  Lieb- 
lingsgedanke St.'s,  als  er  sich  noch  in  untergeordneter  Stellung  befiand,  und 
nachdem  er  hier  damit  gescheitert  war,  wurde  sie  seine  erste  That,  nachdem 
er  Chef  geworden  war.  Dem  Gedanken  an  die  Einführung  der  Postkarte 
haben  noch  andere  nachgehangen,  aber  St.  war  der  Columbus,  der  das  Ei 
auf  die  Spitze  stellte. 

Der  zweite  wirthschaftliche  Gedanke  war  die  Vereinfachung  der  Be- 
triebseinrichtungen für  den  Beamten  sowohl  wie  für  das  Publikum.  IMe 
heutige  Jugend,  die  im  Besitze  des  Erworbenen  heranwächst,  hat  keine  Vor- 
stellung mehr  davon,  wie  das  Postwesen  vor  vierzig  Jahren  beschaffen  war, 
so  wenig  sie  sich  den  Zustand  des  Geldwesens  jener  Zeit  vergegenwärtigen 
kann  und  es  wäre  eine  ebenso  schwierige  als  unerfreuliche  Aufgabe,  ihr  das 
Bild  vor  die  Augen  zu  führen.  Auszurechnen  wann  ein  Brief  von  einem  Orte 
an  den  anderen  gelangen  könne,  auf  welchen  Wegen  er  geleitet  werden  müsse 
und  wie  viel  er  kosten  würde,  war  eine  Aufgabe,  die  Wissen  und  Scharfsinn 
erforderte.  Anzugeben,  wie  viel  Zöpfe  St.  abgeschnitten  hat,  würde  unnütz 
sein;  es  genügt  zu  wissen,  dass  sie  alle  am  Boden  liegen. 

Als  einer  der  wesentlichsten  Arbeiten  der  Vereinfachung  erschien  ihm  die 


von  Stephan.  ioq 

Verschmelzung  der  Post  mit  der  Telegraphie,  die  ihm  von  jeher  am  Herzen, 
gelegen  hatte.     Die  Telegraphen  Verwaltung  hatte  mit  Mangel  an  Rentabilität 
zu  kämpfen;   die    einfache  Anordnung,   dass  jeder  Postbeamte  zugleich  Tele- 
graphenbeamter ist  und  umgekehrt,  verringerte  die  Verwaltungskosten. 

Und  nun  begann  das  Bestreben,  jeder  Veränderung  des  Verkehrs  den 
Posteinrichtungen  so  eng  als  möglich  anzuschmiegen;  in  dieser  Beziehung 
hatte  St.  einen  praktischen  Blick  und  verstand  es,  die  ihm  untergeordneten 
Beamten  zu  gleich  scharfer  und  schneller  Auffassung  heranzuziehen.  Er  ver- 
lieh auch  dem  inneren  Gebiete  der  Verwaltung  die  höchste  Einfachheit,  be- 
seitigte den  schleppenden  Geschäftsstil  und  nutzlose  Schreibereien.    . 

Der  dritte  Grundsatz  endlich  war  die  Verwohlfeilerung  der  Briefe. 
Was  darüber  zu  sagen  ist  ergiebt  sich  von  selbst  und  braucht  nicht  näher 
ausgeführt  zu  werden.  Nur  der  Punkt  mag  hervorgehoben  werden,  dass  die 
Einführung  der  Worttaxe  fiir  Telegramme  sich  als  ein  wesentliches  Mittel  der 
Verwohlfeilerung  erwiesen  hat.  Früher  bestand  die  Einrichtung,  dass  zwanzig 
Worte  als  die  Mindestlänge  eines  Telegrammes  angesehen  würden  und  der 
Tarif  von  zehn  zu  zehn  Worten  fortschritt. 

Den  wirthschaftlichen  Verbesserungen  gingen  technische  zur  Seite.  Auf 
dem  Gebiete  der  Post  war  hier  weniger  zii  thun,  doch  wurde  der  zweck- 
mässigsten  Einrichtung  der  Briefkästen,  der  Postwagen  und  so  weiter  stets 
grosse  Aufmerksamkeit  zugewendet.  Der  wichtigste  Schritt  war  hier  die  Be- 
nutzung der  comprimirten  Luft  zu  Postkarten  durch  die  Einführung  der  Rohr- 
post. Durch  ein  ausgedehntes  Röhrensystem  und  die  Aufstellung  geeigneter 
Maschinen  wurde  es  möglich,  einen  Brief  in  Berlin  auf  acht  Kilometer  in 
sechszehn  Minuten  zu  befördern  und  ihn  in  weniger  als  einer  Stunde  vom 
Augenblick  der  Einlieferung  auf  der  Postanstalt  in  die  Hände  des  Empfängers 
zu  befördern. 

Wichtiger  als  für  die  Post  ist  die  Technik  für  die  Telegraphie,  denn 
diese  beruht  auf  der  jüngsten  und  lebenskräftigsten  der  Wissenschaften,  auf 
der  Elektrotechnik.  St.  war  kein  berufsmässiger  Elektrotechniker,  denn 
dieser  Beruf  erfordert  die  ungetheilte  Kraft  des  Menschen.  Er  hat  keine 
gelehrten  Entdeckungen  und  keine  scharfsinnigen  Erfindungen  gemacht.  Allein 
er  besass  eine  Gabe,  die  für  sein  Amt  unentbehrlich  war.  Ich  möchte  einen 
allgemeinen  Satz  formuliren.  Jeder  höhere  Beamte,  der  Verwaltungsbeamte 
sowohl  wie  der  Richter,  muss  von  jedem  Zweige  des  menschlichen  Wissens 
so  viel  Kenntnisse  besitzen,  dass  er  im  Stande  ist,  verständige  Fragen  zu 
stellen.  Dieser  Anforderung  genügte  St.  und  er  ging  noch  einen  Schritt 
weiter.  Der  ihm  befreundete  Grossmeister  der  Wissenschaft,  Werner  von  Sie- 
mens hat  ihm  bezeugt,  dass  er  nicht  allein  jeden  Fortschritt  der  Wissenschaft 
mit  Verständniss  gefolgt  ist,  sondern  auch  wichtige  Anregungen  gegeben  hat. 

Im  Jahre  1879  gründete  er  in  Berlin  den  elektrotechnichen  Verein, 
dessen  zweiter  Vorsitzender  er  bis  an  sein  Lebensende  geblieben  ist.  Die  von 
ihm  bei  festlichen  Veranstaltungen  hier  gehaltenen  Reden  haben  wegen  ihres 
weiten  Gesichtskreises  stets  berechtigte  Aufmerksamkeit  erregt,  und  bei  Er- 
öffnung der  elektrotechnischen  Ausstellung  in  Frankfurt  am  Main  1891  hat  er 
eine  Rede  gehalten,  die  man  als  eine  Philosophie  der  Elektrotechnik  be- 
zeichnet hat. 

Er  war  der  erste,  der  von  der  praktischen  Verwendbarkeit  des  Tele- 
phons und  von  der  Wichtigkeit  dieser  Erfindung  eine  klare  Vorstellung  ge- 
habt hat,  und  hat  für  seine  weite  Verbreitung  das  Mögliche  gethan.     Er  hat 


200  von  Stephan. 

es  sich  auch  nicht  nehmen  lassen,  der  Wittwe  des  ersten  Urhebers  dieser 
Erfindung,  des  deutschen  Volksschullehrers  Reis,  eine  Pension  zu  verschaffen. 
Vom  Jahre  1875  an  hat  er  der  Legung  unterirdischer  Kabel  seine 
Aufmerksamkeit  zugewendet  und  seine  Thätigkeit  in  dieser  Beziehung  ist  be- 
sonders bemerkenswerth,  weil  er  die  Anregung  gegeben  hat,  dass  der  deutsche 
Gewerbefleiss  sich  dieser  Thätigkeit  bemächtigt  und  darin  grosse  Erfolge  er- 
zielt hat. 

Wirthschaftliche  und  technische  Erfolge  zu  erzielen  ist  verdienstlich,  aber 
es  gentigt  für  den  Leiter  einer  grossen  Ver^'altung  nicht.  Er  muss  auch  den 
finanziellen  Erfolg  im  Auge  haben.  Der  Techniker  gleicht  nur  all  zu  oft 
dem  verliebten  Thoren,  der  Sonne,  Mond  und  alle  Sterne  dem  Liebchen  zu 
Liebe  verpufft.  St.  war  ein  guter  Finanzmann;  er  hat  stets  darauf  gehalten, 
dass  die  Post  grosse  und  wachsende  Ueberschüsse  abwarf.  Er  hat  es  nicht 
aus  fiskalischer  Engherzigkeit,  sondern  der  Sache  zu  Liebe  gethan.  Er  fand 
in  der  finanziellen  Einträglichkeit  die  sichere  Gewähr  dafür,  dass  er  mit  Fort- 
schritten stets  fortfahren  könne.  Er  war  ein  Anhänger  des  Satzes:  Qui  va 
sano  va  lontano.  Und  hier  ist  es  an  der  Zeit,  eine  Betrachtung  einzu- 
schieben. 

St.  hat  den  Höhepunkt  seiner  Popularität  überlebt.  Es  wurden  ihm  Vor- 
würfe gemacht,  dass  er  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  stillgestanden  sei. 
Diese  Vorwürfe  haben  ihn  gekränkt,  vielleicht  sogar  verbittert.  Wären  sie 
auch  in  der  Sache  begründet  gewesen,  so  wurden  sie  doch  in  einer  Form 
vorgetragen,  welche  die  Dankbarkeit  für  frühere  Verdienste  vergessen  Hess. 
Die  demagogische  Richtung  hatte  sich  der  Sache  bemächtigt. 

Es  sind  drei  Fälle  denkbar.  Entweder  die  Vorwürfe  waren  begründet 
und  St.  hat  dem  Alter  durch  Abnahme  seiner  Energie  einen  Zoll  bezahlt. 
Oder  der  Vorwurf  war  zwar  begründet,  aber  an  die  falsche  Adresse  gerichtet. 
St.  hat  die  Absicht  gehabt,  weiter  vorwärts  zu  gehen,  hat  aber  bei  der  Finanz- 
verwaltung Schwierigkeiten  gefunden.  Oder  drittens  die  Vorwürfe  waren  auch 
in  der  Sache  unbegründet.  Alles  in  der  Welt  hat  seine  Zeit,  Verschieben  hat 
seine  Zeit  und  Verschnaufen  hat  auch  seine  Zeit.  St.  hat  die  Ueberzeugung 
gewonnen,  dass  es  an  der  Zeit  sei,  mit  grösseren  Maassregeln  für  eine  Zeit 
lang  innezuhalten ;  an  kleineren  Verbesserungen  hat  es  bis  zum  letzten  Augen- 
blick nicht  gefehlt.  Welche  dieser  drei  Annahmen  die  richtige  sei,  ist  eine 
Frage,  die  noch  nicht  spruchreif  ist;  ich  neige  mich  persönlich  der  letz- 
teren zu. 

Ich  gehe  nun  weiter.  Es  ist  kurz  skizzirt,  was  St.  im  Innern  geleistet 
hat;  nun  ist  zu  zeigen,  wie  er  die  von  ihm  gehegten  Grundsätze  auf  weitere 
Kreise  übertragen  hat.  Der  kosmopolitische  Postmann  erheischt  eine  Be- 
trachtung. 

Am  17.  Juli  1866  rückte  er  mit  den  siegreichen  preussischen  Truppen  in 
Frankfurt  ein,  belegte  die  Geschäftsbücher  und  Akten  der  Thum-  und  Taxis- 
schen  Post  mit  Beschlag  und  schuf  so  die  Grundlage  für  Verhandlungen, 
welche  damit  abschlössen,  dass  die  Taxissche  Post  aufgehoben,  im  Wege  des 
Vertrages  abgelöst  und  mit  der  Preussischen,  nunmehr  Deutschen  Post  ver- 
schmolzen wurde.  Die  Posteinrichtungen,  welche  im  Jahre  1516  Fürst  Fran- 
cesco de  Taxis  geschaffen,  waren  einst  ein  gut  Stück  Fortschritt  gewesen; 
nunmehr  waren  sie  zum  Abbruch  reif.  Die  Verschmelzung  der  Post  von 
Schleswig-Holstein  und  von  Hannover  mit  der  Preussischen  machte  auch 
mancherlei  Arbeit;    tiberall    fand    man  Verschiedenheiten    der  Organisationen 


von  Stephan.  20i 

und  Instruktionen,  die  mit  kräftiger  Hand  ausgeglichen  wurden;  die  Krönung 
des  Werkes  war  aber  doch,  als  nach  abgeschlossenem  Vertrage  •  die  Taxissche 
Post  ihre  Thätigkeit  einstellte  und  nunmehr  für  den  norddeutschen  Bund  nur 
eine  einzige  Postinstitution  bestand.  Der  Abschluss  dieses  Vertrages,  den  St. 
noch  als  vortragender  Rath  vollzog,  bahnte  ihm  den  Weg  zu  seinen  höheren 
Stellungen.  Sie  war  sein  Gesellenstück,  das  wohl  fiir  ein  Meisterstück  hätte 
gelten  können,  wenn  er  es  nur  dafür  hätte  gelten  lassen  wollen. 

Bald  darauf  gab  es  neue  Arbeit.  Im  Jahre  1872  wurde  die  Badische 
Post  und  im  Jahre  1875  ^^^  elsässisch-lothringische,  die  auf  den  zwar  guten, 
aber  völlig  abweichenden  französischen  Einrichtungen  beruhte,  mit  der  deut- 
schen verschmolzen. 

Doch  Alles  das  war  nur  Vorbereitung  für  das  nahe  Meisterstück,  für  den 
Abschluss  des  Weltpostvertrages. 

Am  15.  September  1874  trat  in  Bern  die  Conferenz  zusammen,  die  den 
Grundstein  zu  diesem  grossen  Werke  legte.  Am  9.  Oktober  desselben  Jahres 
wurde  der  Vertrag  geschlossen,  durch  den  der  Allgemeine  Postverein  ge- 
gründet wurde.  St.  hatte  es  vorbereitet  und  durch  alle  Schwierigkeiten  hin- 
durchgefuhrt.  Auf  den  Postkongressen  in  Paris  (1878),  Lissabon  (1885), 
Wien  (1890),  Washington  (1897)  wurde  es  fortgeführt.  Auf  dem  letzteren 
schlössen  sich  die  letzten  Staaten,  die  kultivirt  genug  sind,  um  überhaupt 
eine  Post  zu  haben,  dem  Weltpostverein  an.  St.  hat  es  nicht  mehr  erlebt, 
aber  vorausgesehen.  Es  ist  der  erste  Vertrag,  der  die  ganze  gesittete  Welt 
umspannt,  ein  Vertrag,  der  so  lose  ist,  dass  ihn  jeder  einzelne  Staat  in  jedem 
Augenblick  mit  Jahresfrist  kündigen  darf  und  doch  so  fest,  dass  ihn  nie  ein 
Staat  kündigen  wird.  Er  lässt  jedem  Staate  die  vollständigste  Freiheit  der 
Verwaltung  und  bindet  ihn  nur  an  wenige  Grundsätze,  die  ihm  selbst  zum 
Vortheil  gereichen.  Er  schafft  einen  Posttarif,  der  für  die  ganze  Welt  gilt 
und  nur  wenige  Zeilen  umfasst,  während  fünfzig  Jahre  früher  der  Posttarif 
für  Deutschland  allein  einen  dicken  Band  bildete. 

Die  Post  bedarf,  um  ihrer  Aufgabe  gerecht  zu  werden,  gewisser  Mittel 
und  diese  Mittel  wachsen  mit  ihren  grösseren  Zielen.  Sie  bedarf  eines  Rechts, 
auf  dem  sie  fusst,  bedarf  der  Beamten  und  der  Gebäude. 

Das  Postrecht  beruht  auf  dem  Reichsgesetze  vom  28.  Oktober  1871, 
einem  überaus  trefflichen  Gesetze,  von  dem  man  mit  Bedauern  sehen  muss, 
dass  kaum  ein  Jahr  nach  St.'s  Tode  an  seinen  Grundlagen  gerüttelt  wird, 
um  einen  gesunden  privaten  Gewerbebetrieb  aus  fiskalischen  Gründen  zu  ver- 
nichten. St.  hatte  den  Grundsatz,  Nichts  für  die  Post  in  Anspruch  zu  nehmen, 
was  Private  besser  können  als  sie  und  so  Hess  er  den  lokalen  Briefverkehr 
jenen  Privatuntemehmungen.  Er  scheute  sich  dagegen  nicht,  Regalien  für 
die  Post  in  Anspruch  zu  nehmen,  wo  er  sie  für  nothwendig  hielt  und  das 
war  in  Beziehung  auf  das  Telegraphenwesen  in  sehr  umfassender  Weise  der 
Fall.  Seine  Forderungen  wurden  durch  des  Gesetz  über  das  Telegraphen- 
wesen am  6.  September  1892  erfüllt.  Die  einzelnen  ergänzenden  Gesetze  und 
Reglements  hier  aufzuführen  liegt  ausserhalb  der  gestellten  Aufgabe. 

Seinen  Beamtenstand  suchte  er  in  jeder  Weise  zu  heben.  Einerseits 
stellte  er  hohe  Anforderungen  an  die  Vorbildung  der  höheren  Beamten;  an- 
dererseits Hess  er  sich  die  Verbesserung  der  Gehälter  und  die  Schaffung  von 
Wohlfahrtsanstalten  angelegen  sein.  Krankenkassen,  Unterstützungskassen,  Ver- 
sorgungsanstalten für  Waisen,  Rentenversicherungen,  Konsumvereine  und  ähn- 
liche Anstalten    sind    durch    ihn  in  grosser  Anzahl   angeregt  und  zum  Theil 


202  von  Stephan. 

geschaffen  worden.  Ob  er  dabei  hin  und  wieder  zu  weit  gegangen  ist,  bleibt 
eine  offene  Frage.  Für  die  wissenschaftliche  Hebung  schuf  er  eine  Post- 
und  Telegraphenschule  und  eine  Postbibliothek.  Die  Criminalität  der  Post- 
beamten hat  sich  unter  seiner  Verwaltung  in  auffälliger  Weise  vermindert.  Er 
hat  einen  Stamm  von  höheren  Postbeamten  geschaffen,  der  im  Stande  ist, 
sein  Werk  in  seinem  Geiste  fortzuführen,  vorausgesetzt,  dass  nicht  störende 
Elemente  eindringen.  Auf  der  anderen  Seite  hielt  er  auf  sehr  strenge  Disciplin 
und  war  der  Ausübung  des  Vereins-  und  Petitionsrechts  durch  seine  Beamten 
abgeneigt.  Die  Zeit  muss  darüber  entscheiden,  ob  er  nicht  auch  in  dieser 
Beziehung  Recht  gehabt  hat.  Viele  einzelne  Züge  werden  von  ihm  angeführt, 
aus  denen  hervorgeht,  dass  er  gegen  Beamte,  die  zwar  gegen  eine  Vorschrift 
Verstössen  hatten,  aber  doch  mildernde  Umstände  anführen  konnten,  die  ver- 
diente Milde  walten  Hess. 

Eine  erstaunlich  umfassende  Thätigkeit  entwickelte  er  auf  dem  Gebiete 
des  Postbauwesens.  Es  sind  unter  seiner  Verwaltung  280  Postgebäude  des 
Reichs  mit  einem  Kostenaufwande  von  115  Millionen  Mark  hergestellt  worden. 
Sein  oberster  Grundsatz  dabei  war,  dass  die  Post  für  ihre  Thätigkeit  ge- 
nügenden, auch  für  absehbare  Zukunft  ausreichenden  Raum  haben  müsse. 
Daran  schloss  sich  die  zweite  Forderung,  dass  die  Räume  zweckentsprechend 
und  der  Gesundheit  nicht  nachtheilig  seien.  Die  dritte  Forderung  war  die, 
dass  die  Gebäude  solide  und  dauerhaft  aufgeführt  seien  und  daran  schloss 
sich  die  vierte,  dass  sie  so  schön  seien,  als  sich  ohne  wesentiiche  Verletzung 
von  Grundsätzen  der  Sparsamkeit  ermöglichen  lasse.  Wenn  diese  vier  Grund- 
sätze allgemein  anerkannt  wurden,  so  stiess  der  fünfte  auf  Widerspruch,  dass 
es  unter  Umständen  Nichts  schadet,  wenn  zur  Erzielung  der  Schönheit  auch 
gewisse  finanzielle  Opfer  gebracht  wurden. 

Von  künstlerischer  Seite  ist  in  der  lebhaftesten  Weise  anerkannt  worden, 
dass  die  Postbauten  sich  durch  die  Abwesenheit  jeder  Monotonie  rühmlich 
auszeichnen.  Sie  schliessen  sich  in  jeder  Stadt  dem  dort  herrschenden  Baustil 
an  und  jedes  Gebäude  trägt  einen  individuellen  Charakter.  Er  war  nicht 
abhängig  von  den  Vorschlägen  seiner  Bauräthe,  sondern  verwarf  deren  Ent- 
würfe, nöthigenfalls  mehrere  Male,  wenn  sie  seinen  Ansprüchen  nicht  genügten. 

Er  hat  heftige  Kämpfe  im  Reichstage  aus  finanziellen  und  ausserhalb 
desselben  aus  ästhetischen  Gründen  zu  bestehen  gehabt,  aber  es  lässt  sich 
wohl  abschliessend  jetzt  schon  das  Urtheil  fällen,  dass  er  auf  der  ganzen 
Linie  Sieger  geblieben  ist. 

Die  Besprechung  der  Postbauten  hat  von  selbst  dazu  geführt,  zu  be- 
merken, dass  die  Post  als  ein  wesentliches  Culturelement  Beziehungen  zur 
Kunst  hat.  St.  war  eine  künstlerisch  empfängliche  Natur;  er  übte  und  liebte 
die  Musik,  sammelte  mit  Geschmack  alte  Bilder,  Hess  sich  bei  Tischreden 
oder  sonstigen  Gelegenheiten  in  Versen  gehen  und  hat  dann  auch  unter  dem 
Namen  eines  »Poststammbuches«  eine  Sammlung  von  Gedichten  und  Auf- 
sätzen zu  Stande  gebracht,  die  sich  auf  die  Post  beziehen. 

Als  ein  Culturelement  hat  die  Post  aber  auch  Beziehungen  zur  Wissenschaft 
und  diese  hat  St.  in  der  ernstesten  Weise  gepflegt.  Die  Bedeutung,  welche  die 
Verkehrseinrichtungen  für  das  Culturleben  der  Menschheit  haben,  hat  er  im 
Geiste  zu  jeder  Zeit  erwogen.  In  einem  gedruckt  vorliegenden  Vortrage  über  »Welt- 
post und  Luftschiffahrt«  hat  er  eine  der  entzückendsten  Plaudereien  geschaffen, 
die  je  geschrieben  sind.  Von  dem  Augenblicke  an,  wo  Jemand  zum  ersten 
Male  ein  Pferd  bestieg,  oder  einen  Baumast  als  Schleife  brauchte,  bis  zu  dem 


von  Stephan.  203 

zukünftigen  Zeitpunkt,  wo  das  lenkbare  Luftschiff  die  heute  üblichen  Ver- 
kehrsmittel ersetzt,  geht  eine  Reihe  von  bunten  Bildern  an  unserem  Auge 
vorüber.  Eine  Fülle  von  Anekdoten,  geschichtiichen ,  sprachlichen,  natur- 
wissenschaftlichen Belehrungen  fluthet  über  uns  her.  Man  hat  den  Eindruck, 
dass  ein  Mann,  der  vor  einer  reich  versehenen  Speisekammer  steht,  aus  der- 
selben nur  eben  so  viel  herausnimmt,  dass  er  uns  ein  Frühstück  vorsetzen  kann, 
welches  den  Appetit  zum  Mittagessen  reizt. 

Zwei  längere  Abhandlungen  besprechen  »das  Verkehrsleben  im  Alterthum« 
und  »das  Verkehrsleben  im  Mittelalter«.  Sie  beschränken  sich  nicht  auf  das 
Gebiet  der  Verkehrseinrichtungen,  sondern  können  als  ein  Abriss  der  Han- 
delsgeschichte betrachtet  werden.  Von  Philologen  und  Historikern  sind  sie 
als  mustergiltige,  auf  Quellenstudium  beruhende  Werke  bezeichnet  worden. 

Mehr  als  achthundert  Seiten  ftillt  seine  »Geschichte  der  Preussischen 
Post«,  die  durchweg  archivalisches  Material  erschlossen  hat  und  von  Röscher 
als  ein  hervorragendes  Werk  auf  dem  Gebiete  der  Nationalökonomik  be- 
zeichnet wurde. 

Zur  Unterstützung  der  wissenschaftlichen  Erforschung  der  Verkehrsge- 
schichte schuf  er  in  Berlin  das  Postmuseum,  eine  Sammlung  von  Gegen- 
ständen jeder  Art,  die  auf  einen  Zweig  der  Post  oder  Telegraphie  Bezug 
haben.  Modelle  von  Posthäusem  und  Maschinen,  Apparate,  Abbildungen, 
Briefmarken,  Originale  alter  Briefe  und  andere  Dinge  sind  hier  systema- 
tisch vereinigt.  Die  Sammlung  steht  ohne  Gleichen  da  und  hat  vielen  Neid 
erregt. 

Die  Beschäftigung  mit  anderen  Formen  des  Verkehrs  als  Post  und  Tele- 
graphie konnte  einem  Manne  wie  St.  nicht  fem  bleiben.  Der  Dampfschiff- 
fahrt  hat  er  dadurch  Vorschub  geleistet,  dass  er  zunächst  deutsche  Dampf- 
schiffe mit  der  Beförderung  der  deutschen  Post  betraute  und  sodann  die 
deutschen  Dampferverbindungen  mit  Afrika,  Ostasien  und  Australien,  denen 
er  eine  staatliche  Subvention  verschaffte,  in  das  Leben  rief. 

Mit  dem  Eisenbahnwesen  hat  er  sich  anhaltend  in  der  Weise  beschäftigt, 
dass  er  Präsident  der  Eisenbahncommission  des  Herrenhauses  war.  Es  war 
ein  Lieblingsgedanke  von  ihm,  dass  sich  die  Eisenbahnverwaltung  in  einer 
Weise  müsse  gestalten  lassen,  die  der  Post-  und  Telegraphenverwaltung  sehr 
ähnlich  sei,  am  liebsten  sich  mit  ihr  verschmelzen  lasse.  Allem  Anschein 
nach  hatte  Fürst  Bismarck  in  einem  bestimmten  Zeitpunkte  an  ihn  be- 
stimmte Erwartungen  geknüpft,  denen  zu  entsprechen  er  sich  bemühte. 
Es  kam  dann  wohl  zu  der  auffallenden  Erscheinung,  dass  der  Staats- 
minister, der  die  Eisenbahnverwaltung  zu  leiten  hatte,  von  einem  Mitgliede 
der  Staatsregierung,  das  nicht  als  solches,  sondern  in  der  Rolle  eines  unver- 
antwortlichen Mitgliedes  des  Herrenhauses  auftrat,  sehr  heftig  angegriffen 
wurde.  Es  scheint  indessen,  als  habe  St.  allmählich  die  Ueberzeugung  ge 
Wonnen,  dass  seine  das  Eisenbahnwesen  betreffenden  Pläne  noch  nicht  hin- 
reichend ausgereift  seien,  und  er  hat  Abstand  davon  genommen,  sie  weiter 
zu  verfolgen. 

Ehe  wir  von  der  Thätigkeit,  die  er  auf  dem  Gebiete  des  Verkehrswesens 
entfaltete,  Abschied  nehmen,  haben  wir  noch  einer  Schöpfung  zu  gedenken, 
die  St.  nicht  für  die  Dauer,  sondem  für  einen  vorübergehenden  Zweck  in 
das  Leben  rief,  die  aber  hohe  Bewunderung  erregt  hat;  es  war  die  Feldpost. 
Noch  niemals  hatte  ein  kämpfendes  Heer  mit  der  Heimath  in  so  ununter- 
brochener und  enger  geistiger  Verbindung  gestanden,  als  dies  dem  deutschen 


204  ^^^  Stephan. 

Heer  wäh>*end  des  französischen  Krieges  beschieden  war.  Es  ist  kein  Zweifel, 
dass  diese  enge  Verbindung  den  Muth  und  die  Stimmung  der  Truppen 
wesenthch  gehoben  hat,  und  diese  Leistungen  sind  denn  auch  im  Reichstage 
und  an  anderen  Stellen  als  ein  Element  des  Sieges  gewürdigt  worden. 

Man  steht  nicht  ein  Menschenalter  hindurch  an  der  Spitze  eines  grossen 
Verwaltungszweiges,  man  erhält  nicht  den  Titel  eines  Staatsministers,  wird 
nicht  Mitglied  des  Staatsraths  und  des  Herrenhauses,  ohne  zugleich  zum 
Politiker  zu  werden. 

Er  hätte  es  in  noch  umfassenderer  Weise  sein  können,  als  er  es  war. 
Als  Bismarck  im  Jahre  1879  nach  der  Entlassung  Camphausen 's  einen  Finanz- 
minister  suchte,  mit  welchem  er  die  Ideen  seiner  neuen  Wirthschaftspolitik 
durchfuhren  konnte,  wurde  das  Portefeuille  auch  St.  angeboten.  Ebenso  war 
mehrfach  davon  die  Rede,  ihn  im  diplomatischen  Dienst  zu  verwenden  und 
jedenfalls  wäre  er  den  ihm  gestellten  Aufgaben  gerecht  geworden.  Seine 
Sprachkenntnisse  befähigten  ihn  ebenso  dazu  wie  die  Gewandtheit,  die  er  im 
Abschluss  von  Postverträgen  bewiesen  hatte.  Er  zog  es  vor,  Erster  im  Post- 
fach als  Zweiter  in  der  Diplomatie  zu  sein. 

Kein  anderer  Staatsmann  hat  sich  auch  nur  annähernd  so  lange  neben 
dem  Fürsten  Bismarck  auf  seinem  Posten  erhalten.  Man  kann  das  nicht 
darauf  zurückfuhren,  dass  Bismarck  mit  Allem,  was  St.  gethan,  einverstanden 
gewesen  wäre.  Im  Gegentheil,  er  hat  einmal  im  Reichstage  erklärt,  es  ge- 
schehe bei  der  Post  manches,  was  seinen  Ueberzeugungen  zuwiderlaufe,  aber 
er  vermöge  es  nicht  zu  ändern.  Das  deutet  darauf,  dass  St.  mit  diplomati- 
schem Geschick  verstanden  hat,  sich  auf  seinem  Posten  zu  erhalten.  Ueber 
politische  Fragen,  die  sein  Amt  nicht  berührten,  hat  er  sich  nicht  ausge- 
sprochen. Er  war  wohl  schwerlich  auf  irgend  ein  Parteiprogramm  einge- 
schworen; vor  eigentlich  reactionären  Velleitäten  schützte  ihn  seine  Bildung 
und  seine  Erziehung.  Aus  seinen  Schriften  geht  hervor,  dass  er  in  kirch- 
licher Beziehung  auf  einem  zwar  frommen,  aber  doch  auch  freien  Standpunkte 
stand.  Die  Bibel  und  das  Evangelium,  aber  nicht  das  Dogma  waren  ihm  an 
das  Herz  gewachsen. 

Im  Jahre  1869  wohnte  er  der  Eröffnung  des  Suezkanals  bei.  Die 
damalige  Reise  hat  als  Frucht  eine  Schrift  über  das  heutige  Aegypten  hervor- 
gebracht, die  ein  merkwürdiges  Zeugniss  für  die  umfassende  Bildung  des  Ver- 
fassers liefert.  Er  schildert  Land  und  Volk,  Landwirthschaft  und  Agrarver- 
fassung,  Regierung  und  Verwaltung,  Finanzen,  Cultus  und  Justiz,  Handel, 
Verkehr  und  Industrie.  Das  stoflfreiche  Buch  konnte  nur  in  Nebenstunden 
hingeschrieben  werden,  während  der  Verfasser  mit  Amtsgeschäften  schwer 
belastet  war.  Es  ist  ein  Menschenalter  seitdem  vergangen,  und  Aegypten 
hat  seitdem  eine  reiche  Geschichte  —  erlitten.  Die  statistischen  Notizen  sind 
zum  Theil  veraltet.  Und  dennoch  ist  das  Buch  wegen  des  weiten  Blickes, 
den  es  bekundet,  heute  noch  nicht  allein  lesbar,  sondern  auch  unterrichtend. 
Und  vor  allen  Dingen  liefert  es  einen  Beweis  dafür,  wie  St.  zu  sehen  ver- 
stand. Für  die  Sitten  des  Volkes,  für  die  Eigenthümlichkeiten  der  Flora  und 
der  Fauna,  für  Bodenverhältnisse  und  Gebirgsformationen  findet  sich  das 
gleiche  Verständniss  und  die  gleich  sichere  Herrschaft  über  die  Elemente 
des  Wissens,  welche  es  ermöglicht,  den  Vorrath  der  Kenntnisse  zu  erweitem. 

St.  war  ein  Meister  der  Sprachen,  der  fremden  wie  der  deutschen.  Bei 
einem  Festmahl  hat  er  eine  Ansprache,  die  er  hielt,  in  den  Idiomen  aller 
dort    vertretenen  Völker    wiederholt.     Von  früh  auf  hat  er  die  Fertigkeit  im 


von  Stephan.  205 

mündlichen  und  schriftlichen  Gebrauch  der  lebenden  Sprachen  geübt.  Um 
die  deutsche  Sprache  hat  er  sich  ein  Verdienst  als  deren  Reiniger  erworben. 
Die  Frage  nach  der  Berechtigung  der  Fremdwörter  ist  eine  solche,  deren 
vollständig  befriedigende  Lösung  nie  gelingen  wird.  Die  Erfahrung  spricht 
dafür,  dass  St.  das  rechte  Maass  getroffen  hat.  Er  hat  Fremdwörter  beibe- 
lialten,  fiir  welche  er  einen  guten  Ersatz  nicht  fand,  und  für  diejenigen,  die 
er  beseitigte,  haben  die  Ersatzwörter  sich  eingelebt.  Das  Beispiel,  das  er 
gegeben  hat,  wurde  in  anderen  Verwaltungszweigen,  zunächst  in  Eisenbahn 
und  Rechtspflege,  nachgeahmt.  Die  eigenen  Schriften,  welche  wir  von  ihm 
besitzen,  geben  ihm  das  Recht,  den  besten  deutschen  Stilisten  neuerer  Zeit 
zugezählt  zu  werden. 

St.  war  ein  eifriger  Jäger.  Im  Herrenhause  wurde  er  einst  zum  Bericht- 
erstatter gewählt,  als  ein  neues  Jagdgesetz  berathen  wurde.  Es  war  das  ein- 
zige Mal,  dass  er  als  Redner  in  einer  Frage  aufgetreten  ist,  die  seinem 
eigentlichen  Beruf  so  vollständig  fem  lag.  Es  lag  ein  eigenthümlicher  Humor 
darin,  dass  das  Herrenhaus  ihn  zum  Berichterstatter  gewählt  hatte,  denn 
einige  Jahre  zuvor  hatte  Graf  Brühl  bei  seinen  Standesgenossen  bewegliche 
Klage  darüber  geführt,  dass  man  bei  dem  edlen  Jagdvergnügen  so  häufig 
durch  »Krämer,  Juden,  Postschreiber  und  derartige  unangenehme  Gesellschaft« 
belästigt  werde.  Und  nun  musste  das  Herrenhaus  der  Postschreiber  Obersten 
als  die  geeignetste  Person  herausfinden,  um  Bericht  zu  erstatten  über  eine 
Angelegenheit,  die  ihm  vor  allem  wichtig  war.  St.  betonte,  dass  bei  allen 
germanischen  Nationen  das  Jagdhandwerk  als  ein  Kraftzusatz  aufgefasst  wor- 
den sei.  Selbstverständlich  war  er  kein  Sonntagsjäger.  Seine  Stellung  brachte 
ihm  den  Vortheil,  dass  er  überall  dort  eingeladen  wurde,  wo  die  Jagd  ein 
besonderes  Interesse  gewährte.  Die  Geschichtsforschung  hat  den  Tag  auf- 
gezeichnet, an  welchem  er  seine  erste  Gemse  geschossen  hat ;  es  war  der 
31.  Juli  1882. 

Unter  den  Männern  friedlicher  Arbeit,  die  sich  um  den  Kaiser  Wilhelm  I. 
gesellt  hatten,  nimmt  St.  ohne  Frage  die  erste  Stelle  ein.  Er  hinterlässt  ein 
Werk,  das  unvergänglicher  ist  als  Erz.  Den  Lorbeer  für  die  kriegerischen 
Thaten  eines  Bismarck  oder  Moltke  zollt  das  Volk,  dem  sie  zum  Vortheil 
gedient  haben;  der  Schöpfer  des  Weltpostvereins  hat  fiir  die  Menschheit  ge- 
arbeitet und  deren  Dank  verdient. 

Ueber  die  Bedeutung  seines  Werkes  hat  sich  St.  selbst  mit  der  gezie- 
menden Mischung  von  Stolz  und  Bescheidenheit  ausgesprochen.  Er  hat  die 
günstigen  Zeitumstände  betont,  die  seinen  Absichten  entgegenkamen.  Es  ist 
gewiss,  dass  der  Mensch  Wind  und  Strom  nicht  schaffen,  sondern  nur  fiir 
seine  Werke  benutzen  kann.  Fünfzig  Jahre  früher  hätte  der  genialste  Mann 
an  solche  Pläne,  wie  St.  sie  ausgeführt,  nicht  einmal  denken  können.  Aber 
umgekehrt,  die  Gunst  der  Zeit  nützt  nichts,  wenn  nicht  Jemand  da  ist,  der 
sie  auszubeuten  versteht.  Reformen  im  Postwesen  hätten  sich  am  Ende  auch 
vollzogen,  wenn  ein  St.  nie  gelebt  hätte;  vielleicht  wäre  es  sogar  auch  einmal 
zu  einem  Weltpostverein  gekommen.  Aber  Alles  hätte  sich  langsamer  und 
in  unsicherer  Weise  vollzogen.  Die  Zeit  hat  St.  ihre  volle  Gunst  gewährt, 
aber  auch  er  ist  ihr  nichts  schuldig  geblieben. 

Man  darf  wohl  sagen,  dass  er  ein  providentieller  Mann  war.  Sein  Bil- 
dungsgang, die  Eigenthümlichkeit  seiner  geistigen  Veranlagung  war  erforder- 
lich, um  eine  so  grosse  Kraft  concentrirt  auf  den  Einen  Punkt  zu  richten, 
wie    man   die  Hemmnisse  des  Verkehrs  beseitigen  könne,    den  zu  heben  die 


2o6  von  Stephan. 

vornehmste  Aufgabe  unserer  Zeit  sei.  Als  das  Werk  der  deutschen  Wäh- 
rungsreform einmal  in  das  Stocken  gerathen  war,  rief  Bamberger  aus,  er  sehne 
sich  nach  einem  Münz-Stephan.  So  sehr  war  schon  den  Zeitgenossen  der 
Name  St.  zu  einem  Typus  geworden. 

Er  ist  grossen  Zielen  nachgegangen,  deren  Erreichung,  als  sie  zuerst 
ausgesprochen  wurden,  unerreichbar  erscheinen  mochten.  Und  dennoch  ist  er 
ein  nüchterner  Realist  gewesen,  der  stets  seine  Kräfte  wohl  erwogen  hat  und 
darum  vor  Fehlschlägen  bewahrt  geblieben  ist.  Er  hat  eben  so  wenig  ge- 
rastet, als  sich  jemals  übereilt.  Er  hat  auf  dem  Gebiete,  das  er  beherrschte, 
mit  einer  Selbständigkeit  gehandelt,  die  sich  vor  jedem  Eingriff  zu  hüten 
wusste,  und  hat  der  Versuchung  widerstanden,  sich  in  andere  Gebiete  einzu- 
mischen, in  denen  er  vielleicht  auch  Tüchtiges,  aber  nichts  Unwidersprech- 
bares  geleistet  hätte. 

Er  verstand  es  nicht  allein,  gute  Gedanken  zu  fassen,  sondern  sie  auch 
zu  vertheidigen.  Er  war  im  Reichstage  einer  der  schlagfertigsten  und  erfolg- 
reichsten Redner.  Er  hat  jeden  Widerstand,  der  ihm  entgegengesetzt  wurde, 
überwunden  und  hat  wahrscheinlich  an  anderen  Stellen  manchen  Widerstand, 
der  sich  nicht  öffentlich  bemerkbar  machen  wird,  gleichfalls  überwunden. 
Eine  starke  Dosis  Humor  kam  ihm  zu  statten.  Noch  mehr  aber  entfaltete 
sich  dieser  Humor,  wo  er  sich  mit  der  Polemik  nicht  zu  paaren  hatte.  Seine 
Tischreden  waren  berühmt;  auf  poetische  Anreden  oder  Zuschriften  hatte  er 
die  Erwiderungsrede  sofort  bereit. 

Zu  seiner  reichen  geistigen  Veranlagung  gesellte  sich  eine  glückliche 
Körperbeschaffenheit.  Ein  schlanker  und  dabei  doch  muskulöser  Körper,  eine 
tiefbräunliche  Gesichtsfarbe,  die  auf  Wetterfestigkeit  deutete,  Hessen  ihn  als 
ein  Urbild  der  Gesundheit  erscheinen.  Er  war  jeder  Anstrengung,  nament- 
lich auch  auf  Reisen,  gewachsen.  Wie  im  Vorübergehn  nahm  er  häufig  die 
Revision  eines  Postamts  vor,  und  seinem  scharfen  Blicke  offenbarten  sich 
sofort  alle  Schwächen. 

Und  doch  war  diese  Gesundheit  weniger  dauerhaft  als  sie  versprach.  Es 
hatte  sich  eine  Zuckerkrankheit  eingeschlichen,  die  dadurch  verschlimmert 
wurde,  dass  der  Kranke  sich  keine  Schonung  gönnte.  Ende  1896  hatte  er 
sich  bei  dem  Ausschneiden  eines  Hühnerauges  eine  unbedeutende  Wunde  an 
einer  Zehe  zugezogen,  die,  wie  dies  bei  Zuckerkranken  häufig  vorkommt, 
nicht  wieder  verheilen  wollte.  Vom  28.  bis  zum  30.  Januar  1897  hatte  er  im 
Reichstage  in  anstrengenden  Debatten  seinen  Etat  zu  vertreten.  Am  22.  Februar 
wurde  ihm  die  erkrankte  Zehe  operirt,  und  am  3.  April  folgte  die  Amputation 
des  rechten  Unterschenkels.  Der  Kranke  hatte  bis  zum  letzten  Augenblick 
Amtsgeschäfte  erledigt,  dabei  sich  den  ärztlichen  Anordnungen  ohne  Wider- 
spruch gefügt  und  eine  heitere,  sogar  vertrauensvolle  Stimmung  bewahrt. 
Am  8.  April  machte  der  Brand  seinem  Leben  ein  Ende.  »Die  Welt  hat  ihn 
verloren!«  sagte  Kaiser  Wilhelm  11.  an  seinem  Sarge. 

Schriften.  Geschichte  der  Preussischen  Post  von  ihrem  Ursprünge  bis 
zur  Gegenwart.  Berlin  1859.  Leitfaden  für  schriftliche  Arbeiten  im  Post- 
fache. Berlin  1859.  (Genannt:  Der  kleine  Stephan.)  Verschiedene  Artikel 
über  Postwesen  in  der  dritten  Auflage  von  Rotteck  und  Welcker's  Staats- 
lexikon. Leipzig  1864  fgg.  Das  Verkehrsleben  im  Alterthum.  (In  Räumers 
historischem  Taschenbuch  für  1868.  Leipzig.)  Das  Verkehrsleben  im  Mittel- 
alter. (In  demselben  für  1869.)  Der  Suezkanal  und  seine  Eröffnung.  Zwei 
Artikel.      (In    Unsere  Zeit,    Jahrgang    1870.)      Die    Weltverkehrsstrassen    zur 


von  Stephan.     Einsle.  207 

Verbindung  des  Atiantischen  und  Stillen  Oceans.  (Ebenda.)  Das  heutige 
Aegypten.  Leipzig  1872.  Weltpost  und  Luftschiffahrt.  Berlin  1874.  Post- 
stamnibuch.  Berlin  1875.  ^^^  Fremdwörter,  Vortrag,  gehalten  im  wissen- 
schaftlichen Verein.  Berlin  1877.  Das  Reichspostgebiet.  Berlin  1878.  (Topo- 
graphisch-statistisches Handbuch.)  Die  Post  im  Reiche  der  Lüfte.  (In: 
O.  Verederius,  Das  Buch  von  der  Weltpost.  Berlin  1885.)  Orient  1891. 
Berlin  1896.  Eine  sehr  grosse  Anzahl  von  kürzeren  Aufsätzen  und  Abhand- 
lungen sind  in  den  verschiedensten  Zeitschriften,  meist  ohne  Angabe  des 
Verfassers,  erschienen.  Auch  wird  eine  Sammlung  von  lyrischen  Gedichten, 
die  nur  für  Freunde  gedruckt  ist,  und  manche  ungedruckte  Abhandlung  er- 
wähnt. 

Biographisches.  Das  werthvollste  Material  enthält  die  unter  dem  Titel  »Unter 
dem  Zeichen  des  Verkehrs«  anonym  erschienene  Schrift,  Berlin  1895.  Sie  ist  von  zwei 
Beamten  des  Reichspostamts  abgefasst  und  zum  fUnfundzwanzigjährigen  Jubiläum  der  Er- 
nennung St.'s  zum  Generalpostmeister  herausgegeben.  Aus  ihr  haben  die  zahlreichen  Ne- 
krologe geschöpft,  die  in  Zeitschriften  erschienen  sind.  Von  ihnen  mögen  erwähnt  sein 
derjenige  von  Hennicke  in  Westermann's  Monatsheften,  der  selbständige  Forschungen 
über  die  Jugendzeit  des  Gefeierten  enthält  und  derjenige  in  der  Cosmopolis,  von  dem 
Unterstaatssekretär  Fischer,  dem  nächsten  Mitarbeiter  Stephan's.  In  Buchform  erschien: 
Heinrich  von  Stephan,  ein  Lebensbild  von  E.  Krickeberg.  (Dresden  und  Leipzig  1897.) 
Eine '  besondere  Seite  behandelt:  Weise,  Stephan  als  Waidmann.  Neudamm  1898.  Eine 
ausführliche  Monographie  unter  Benutzung  des  brieflichen  Nachlasses  und  der  amtlichen 
Schriftstücke  ist  dringend  erwünscht. 

Alexander  Meyer. 

EinslCy  Anton,  Buchhändler,  *  1848  als  Sohn  des  bedeutenden  Portrait- 
und  Historienmalers  A.  Einsle  in  Wien,  f  ebenda  am  11.  October  1897.  —  Nach 
Absolvirung  der  Ober-Realschule  widmete  er  sich  dem  Studium  der  Chemie 
und  besuchte  das  Wiener  Polytechnicum,  trat  aber  auf  Wunsch  des  Vaters 
1868  als  Beamter  bei  der  Nordbahn  ein  und  war  als  Stationsassistent  zwei 
Jahre  in  Brunn  angestellt.  Nebenher  beschäftigte  er  sich  als  Violinist  eifrig 
mit  Musiktheorie  und  nahm,  nach  Wien  zurückgekehrt,  Unterricht  im  Contra- 
punkt. Nach  Ausscheidung  aus  dem  Beamtenstande  wandte  er  sich  dem 
Buchhandel  zu,  den  er  in  dem  berühmten  Antiquariat  von  C.  Helf  in  Wien 
erlernte.  187 1  eröffnete  er  mit  L.  Lang  unter  der  Firma  Lang  &  Einsle 
eine  Buchhandlung  mit  Antiquariat  in  Wien.  Er  trennte  sich  jedoch  schon 
im  folgenden  Jahre  von  seinem  Freunde  Lang,  um  in  Dresden  eine  andere 
bald  emporblühende  Buchhandlung  zu  gründen.  Schon  1876  aber  zog  es 
ihn  in  die  Heimath  zurück,  wo  er  mit  Erfolg  ein  neues  Geschäft  eröffnete. 
Besonderes  Vertrauten  besass  Einsle  als  Auctionator,  wie  die  von  ihm  ver- 
öffentlichten 84  Auctionscataloge  beweisen,  grossentheils  die  Bibliotheken  be- 
deutender Bibliophilen  und  Bibliomanen  umfassend.  Unermüdlich  war  er  in 
der  Bereicherung  seiner  Kenntnisse  auf  den  mit  dem  Buchhandel  in  Zusam- 
menhang stehenden  Gebieten.  Besonders  eifrig  betrieb  er  das  Studium  der 
Kupferstichkunde  und  der  Malerei,  und  noch  als  Siebenunddrcissiger  erlernte 
er  in  der  k.  k.  Lehr-  und  Versuchsanstalt  die  photographischen  Verfahren, 
auch  Lichtdruck-  und  Heliogravüre,  sowie  Photolithographie.  Die  den  Druck 
ausgenommen  von  ihm  hergestellte  »Biblia  pauperum«  der  Albertina  und  sein 
»Holbein's  Totentanz«  werden  als  das  Vollendetste  auf  diesem  Gebiete  ge- 
rühmt. Diese  und  andere  seiner  photographischen  Arbeiten  wurden  durch 
neun  Medaillen  anerkannt.  —  Ganz  bedeutend  war  E.  als  Bibliograph,  wofür 
seine   »Bibliographie  der  Incunabel«,  sein  »Catalogus  librorum  in  Austria  pro- 


2o8  Einsle.     Wasmuth.     Klinkhardt. 

hibitorum«  u.  a.  Arbeiten  Zeugniss  ablegen.  —  Gross  waren  seine  Verdienste 
um  die  Corporation  der  "Wiener  Buch-,  Kunst-  und  Musikalienhändler,  sowie 
des  Vereins  der  österreichisch-ungarischen  Buchhändler,  deren  Secretär  er  seit 
1886  war.  Er  war  femer  Schatzmeister  des  k.  u.  k.  Oberstmarschall-Amtes 
des  Kaisers  und  des  Wiener  Handelsgerichts.  Auch  als  langjähriger  Redacteur 
der  Oesterreichisch-Ungarischen  Buchhändler-Correspondenz  bethätigte  er  seine 
vielseitige  Arbeitskraft.  Schliesslich  ist  noch  hervorzuheben,  dass  er  1895 
und  1896  als  fortschrittlicher  Candidat  für  den  zweiten  Wahlkörper  des  Be- 
zirkes Innere  Stadt  in  den  Gemeinderath  gewählt  wurde.  E.  starb  nach 
längerem  schweren  Leiden  im  Rudolfinenhause  in  Döbling  bei  Wien. 

VergL  Friedrich  W.  Goldschmidt  im  Börsenblatt  f.  d.  deutsch.  Buchh.-  1897.  No.  237. 

H.  Ellissen. 

Wasmuth,  Ernst,  Buchhändler,  *  am  28.  März  1845  ^^  Regenthin  bei 
Woljdenberg,  Kreis  Amswalde,  f  3.  October  1897  zu  Wiesbaden.  —  W.  er- 
lernte nach  dem  Besuch  der  Gymnasien  zu  Landsberg  a.  W.  und  Frankfurt  a,  O. 
in  der  Trautwein' sehen  Buchhandlung  (Martin  Bahn)  zu  Berlin  den  Buchhan- 
del. Mitte  der  sechziger  Jahre  ging  er  nach  Paris  und  wurde  Vertreter  des 
berühmten  Hauses  Morel,  musste  aber  infolge  des  Krieges  1870  Frankreich 
verlassen.  Najch  Berlin  zurückgekehrt,  gründete  er  am  i.  Mai  1872  unter  der 
Firma  Ernst  Wasmuth  eine  Specialbuchhandlung  für  Architectur,  deren  Theil- 
haber  am  i.  April  1874  sein  am  7.  Februar  1894  verstorbener  jüngerer  Bruder 
Emil  Eduard  wurde.  Innerhalb  der  gesteckten  Grenzen  wurden  Verlag,  Sor- 
timent und  Antiquariat  betrieben,  auch  eine  artistische  Anstalt  errichtet,  die 
Photographie,  Lithographie,  Steindruckerei,  Zinkographie  und  Autotypie  um- 
fasste.  Als  Verleger  entfaltete  W.  eine  ausserordentliche  Thätigkeit.  Waren 
die  deutschen  Künstler  bisher  fast  nur  auf  französische  und  englische  Quellen 
angewiesen,  so  Hess  er  sich  angelegen  sein,  die  reichen  deutschen  Schätze  in 
grossen  Tafelwerken  zu  reproduciren  und  der  gesammten  Künsderwelt  zu  er- 
schliessen;  aber  nicht  das  allein,  er  rüstete  Expeditionen  von  Gelehrten  und 
Photographen  nach  Spanien  und  England,  nach  Italien  und  Dänemark  aus 
zur  Sammlung  von  Material  für  seine  reichhaltigen  Werke,  die  den  Bedürf- 
nissen der  Architecten,  Bildhauer  und  Maler  entgegenkamen.  Ausserdem  liess 
er  nicht  nur  ganz  Deutschland  und  Gestenreich,  sondern  die  ganze  Cultur^-elt 
bereisen,  um  seinem  Verlage  und  seinem  Hause  die  weitesten  Absatzgebiete, 
der  deutschen  Kunst  aber  immer  mehr  Geltung  zu  verschaffen.  Schon  1885 
konnte  er  sein  eigenes  Haus  in  der  Markgrafenstrasse  35  beziehen.  Sein 
2  5  jähriges  Geschäftsjubiläum  am  i.  Mai  1897  sollte  er  leider  nicht  lange  über- 
leben. Für  seine  schon  damals  angegriffene  Gesundheit  gewährte  auch  eine 
Kur  in  Wiesbaden  keine  Genesung. 

Vergl.  Börscnbl.  f.  d.  deutsch.  Buchhandel.  1897.  No.  260. 

H.  Ellissen. 

Klinkhardt,  Bruno,  Buchhändler,  war  der  zweite  Sohn  des  Verlagsbuch- 
händlers Friedrich  Julius  Klinkhardt,  *  am  24.  August  1843  ^^  Leipzig,  f  am 
17.  November  1897  ebenda.  —  1857 — 61  erlernte  er  bei  E.  Polz  in  Leipzig 
die  Buchdruckerkunst  und  war  dann  kurze  Zeit  in  der  kgl.  Hof  buchdruckerei 
von  C.  C.  Meinhold  &  Söhne  in  Dresden  beschäftigt.  Ende  1861  übernahm 
er  die  Leitung  der  von  seinem  Vater  erworbenen  früheren  Umlauf  &  Lüder- 
schen  Buch-  und  Notendruckerei,   während   sein  älterer  Bruder  Robert  schon 


Rlinkhardt.     von  Hoefler. 


209 


früher  in  das  bereits  1834  gegründete  väterliche  Geschäft  eingetreten  war. 
1870  wurden  beide  Brüder  Theilhaber,  1881,  nach  dem  Tode  des  Vaters, 
Alleinbesitzer  des  immer  mehr  emporblühenden  Geschäfts.  Hatte  dieses  sich 
schon  früh  durch  einen  bedeutenden  pädagogischen  Verlag  ausgezeichnet,  so 
Hess  Bruno  Klinkhardt,  der  bis  zu  seinem  Tode  die  technische  Abtheilung 
des  Hauses  leitete,  die  Erweiterung  der  Buchdruckerei  und  die  Errichtung 
zahlreicher  anderer  Zweige,  wie  Lithographie  und  Lichtdruckerei,  Schrift- 
giesserei,  Graviranstalt,  Stereotypie,  Galvanoplastische  Anstalt,  Messinglinien- 
fabrik, Xylographische  Anstalt,  Buchbinderei  u.  s.  w.  sicK  angelegen  sein. 
Wie  manche  Seite  der  von  ihm  ausgegebenen  grossen  Schriftprobenverzeich- 
nisse beweist,  trug  die  Schriftgiesserei  nicht  wenig  zur  Hebung  des  typo- 
graphischen Geschmackes  bei.  Neben  seiner  vielseitigen  Thätigkeit  im 
eigenen  Geschäft  machte  er  sich  besonders  auch  verdient  um  Hebung  der 
socialen  und  gewerblichen  Verhältnisse  im  Buchdruckerwesen.  Viele  im  Laufe 
der  Jahre  bekleidete  Ehrenposten  hatte  er  seinen  bedeutenden  Fachkennt- 
nissen und  dem  Vertrauen  seiner  Berufsgenossen  zu  danken.  Er  war  lange 
Jahre  Vorsitzender  der  Genossenschaft  der  Schriftgiesser-Invaliden-  und  Wittwen- 
kasse,  Vorstandsmitglied  und  Kassirer  der  Innung  Leipziger  Buchdruckerei- 
besitzer, Vorsitzender  des  Deutschen  Buchdruckervereins  und  des  Kreises  VII 
(Sachsen)  dieser  Genossenschaft.  Seine  Verdienste,  die  er  in  diesen  Stellun- 
gen sich  erwarb  (u.  a.  auch  um  das  Zustandekommen  eines  mit  den  Gehilfen 
vereinbarten  Lohntarifs)  sind  vielseitiger  Art.  Sie  wurden  beim  25  jährigen 
Jubiläum  des  Deutschen  Buchdruckervereins  u.  a.  durch  Ernennung  zum 
k.  Sachs.  Commerzienrath,  Verleihung  des  k.  preuss.  Adlerordens,  vor  allem 
aber  bei  Aufgabe  seines  Ehrenamtes  1897  vom  Deutschen  Buchdruckerverein 
durch  Stiftung  einer  vom  Bildhauer  Sturm  angefertigten  prächtigen  silbernen 
(Gedenktafel  anerkannt.  Durch  Krankheit  sah  er  in  den  letzten  Jahren  zur 
Einschränkung  seiner  Thätigkeit  sich  gezwungen.  Durch  ein  Vermächtniss 
von  40000  M.  erhöhte  er  das  Kapital  der  zum  Besten  des  Hauses  Klinkhardt 
errichteten  Hauskasse  auf  150000  M. 

Vergl.  »Den  Manen  Bruno  Klinkhardt's.  Erweiterter  Sonderabzug  aus  der  Zeitschrift 
für  Deutschlands  Buchdrucker«  (8.  20  S.  mit  Lichtdruck-Portrat).  Druck  von  Dnigulm  in 
Leipzig  (1897),  sowie  Börsenbl.  f.  d.  deutsch.  Buchhandel.  1897.  No.  71.  136.  270  u.  1898. 
No.  17). 

H.  Ellissen. 

Hoefler,  Constantin  von,  *  am  26.  März  181 1  zu  Memmingen,  f  am 
30.  Dezember  1897  zu  Prag,  der  hochverdiente  Neubegründer  deutscher  Ge- 
schichtsforschung und  Geschichtsschreibung  in  Böhmen,  der  Nestor  und  einer 
der  verdientesten  österreichischen  Historiker  überhaupt.  Mannigfacher  Schick- 
salswechsel, aber  auch  verdienstvolle  Arbeit  und  vielfacher  Erfolg  ward  ihm 
in  seinem  langen  Leben  zu  Theil.  Durch  tüchtige  Bemühung  und  unab- 
lässige Selbstzucht,  unterstützt  von  Natur  durch  einen  feinen  Verstand,  tiefes 
Empfinden,  aber  auch  durch  reiche  körperliche  Gaben,  eine  feste  Gesundheit 
und  das  männlich-schöne  Aeussere,  ist  es  ihm  vergönnt  worden,  über  manche 
Entwickelungsstufen  und  schwierige  Lebenslagen  hinauf  zur  Höhe  eines  weit- 
hin geschätzten  Gelehrten  und  hochverdienten  I^ehrers,  zur  Umsicht  und  Er- 
fahrung des  Staatsmannes,  zur  sicheren  harmonischen  Lebensführung  des 
Weisen  emporzusteigen.  War  der  Grundzug  seines  Wesens  unbegrenzte  Güte, 
so  dass  er  nicht  zuletzt  auch  dort  zu  helfen  versuchte,  wo  Förderung  unmög- 
lich oder  nicht   mehr  am  Platze  war,   so  blieb   er  um  so  sicherer  der  stets 

Biogr.  Jahrb.  a.  Deatocber  Nekrolot; .   'i.  Bd.  I  ^ 


2IO  von  Hoeflcr. 

besorgte  Berather  und  Gönner  seiner  Schüler,  der  treueste  verlässlichste  Freund, 
dabei  bei  aller  Antheilnahme  und  allem  Verdienste  auch  dem  Jüngeren  ge- 
genüber ängstlich  bemüht,  das  Individuelle  zu  respectiren,  Lehrer  im  besten 
Sinne,  stets  bestrebt,  das  Muster  feiner  Sitte  und  gerechter  Denkungsart  zu 
sein,  nicht  blos  zu  heissen. 

H.  ward  als  Sohn  des  Gerichtspräsidenten  geboren.  Ungewöhnliche  Be- 
gabung, namentlich  ein  sicheres  Gedächtniss  und  reiches  Sprachtalent,  aber 
auch  unbegrenzter  Lerneifer  und  das  lebhafteste  Interesse  für  alles  Wissenswerlhe 
Hessen  ihn  in  früher  Jugend  für  die  Gelehrtenlaufbahn  berufen  erscheinen. 
In  der  That  widmete  er  sich  nach  Absolvirung  der  Gymnasialstudien  (zu 
I^andshut  a.  d.  Isar)  den  juristischen  und  sprachlich-historischen  Fächern  in 
München  und  Göttingen,  und  fand  namentlich  an  ersterer  Universität,  wo 
Görres,  Thiersch,  DöUinger  und  Schelling  wirkten,  vielfach  reiche  Anregung, 
wobei,  wie  natürlich  nach  seiner  ganzen  Naturanlage  und  Denkweise,  der 
Einfluss  von  Schelling  voranstand.  Aber  noch  mächtiger,  als  Worte  und 
Schriften  der  akademischen  Lehrer  waren  die  Führung  durch  einen  feinsinnigen, 
hochgebildeten,  wahrhaft  liberal  denkenden  Vater  und  rasdose  Selbstthätigkeit, 
die  sich  zunächst  im  Lesen,  ja  Verschlingen  der  Historiker,  Philosophen  und 
Dichter  des  klassischen  Alterthums  und  Mittelalters  und  aller  besseren  er- 
reichbaren neueren  Geschichtswerke  kundthat.  Im  Jahre  1831  promovirte 
H.  mit  der  Dissertation:  »Ueber  die  Anfange  der  griechischen  Geschichte^. 
Auch  jetzt  wurden  die  Studien  mit  dem  früheren  Eifer  fortgesetzt.  Im  Jahre 
1834  erhielt  H.  ein  Stipendium  zum  Besuche  Italiens,  das  dann  nochmals 
erneuert  wurde.  So  vermochte  er,  im  glücklichen  Genüsse  aller  Mittel,  um 
die  Anregungen  des  klassischen  I^andes  ganz  und  voll  auf  sich  wirken  zu 
lassen,  seine  literarische  und  weltmännische  Ausbildung  zu  vollenden. 

Der  Tod  des  Vaters  zwang  H.  nach  der  Rückkehr  von  dem  ultramon- 
tanen Ministerium  Abel  die  Stelle  eines  Redakteurs  der  »Münchener  amtlichen 
Zeitung«  anzunehmen.  Doch  blieb  ihm  wenigstens  die  Müsse  zur  Fortsetzung 
seiner  wissenschaftlichen  Arbeiten,  so  dass  1838  seine  Aufnahme  als  Privat- 
docent  in  die  philosophische  Fakultät  der  Universität  München  erfolgen  konnte. 
Eine  Reihe  rasch  aufeinander  folgender  Schriften,  in  denen  allen  sich  der  Ein- 
fluss von  Görres  und  Schelling  unverkennbar  aussprach,  verschafften  H.  bereits 
1839  die  Ernennung  zum  ausserordentiichen,  1841  zum  ordentlichen  Professor 
der  Geschichte  m  München,  nachdem  er  der  journalistischen  Thätigkeit  schon 
früher  wieder  entsagt  hatte.  Obwohl  energischer  Widerspruch  namentlich  gegen 
das  Lehrbuch  der  allgemeinen  Geschichte  (Mittelalter,  Bearbeitung  des  Breyer'- 
schen  Lehrbuches)  und  »Kaiser  Friedrich  II«  nicht  ausblieb,  so  gewann  der 
junge  rastlos  thätige  Gelehrte  doch  stetig  an  Boden.  Die  Münchener  Akademie 
gewährte  ihm  die  Mitgliedschaft.  Als  Lehrer  erschloss  sich  ihm  eine  lohnende 
Thätigkeit,  der  er  mit  Begeisterung  oblag.  Er  hatte  sich  durch  seine  Ver- 
mählung mit  der  ihm  durchaus  geistesverwandten  Isabella  Hofmann  einen 
häuslichen  Herd  geschaffen,  dem  das  schönste  Familienglück  nicht  fehlte,  als 
die  Ungnade  König  Ludwig' s,  zufolge  der  Affaire  Lola  Montez,  neben  den 
anderen  Professoren  seiner  Richtung  (Döllinger,  Phillips,  Lasaulx)  auch  H. 
traf:  am  26.  März  1847  erhielt  er  seine  Pensionirung.  Erst  nach  fünf  Jahren, 
die  er  in  eifrigster  wissenschaftlicher  Thätigkeit  am  Kreisarchiv  zu  Bamberg 
zubrachte  —  die  Quellensammlung  zur  fränkischen  Geschichte,  die  fränkischen 
und  böhmischen  Studien  und  zahlreiche  Aufsätze  und  Vorträge  entstammen 
jener  Zeit  —  ward  er  der  akademischen  Thätigkeit  zurückgegeben  durch  seine 


von  Hoefler.     Herbig.  2 1 1 

Berufung  als  Professor  der  Geschichte  an  die  Universität  Prag.  Gleich  den 
anderen  damals  aus  Deutschland  berufenen  Professoren  fand  H.  in  Oester- 
reich  ein  weites,  schwieriges  aber  fruchtbares  Arbeitsfeld.  Er  hat  seine  ganze 
reiche  Kraft  daran  gesetzt,  um  es  zu  bestellen.  Er  hat  seine  Ziele  stets  höher 
gestellt  und  ist  mit  ihnen  selbst  emporgewachsen.  In  steter  wissenschaftlicher 
Arbeit,  die  der  Wiedererweckung  historischer  Studien  namentlich  unter  den 
Deutschen  in  Böhmen  galt,  als  trefflicher  Lehrer,  dem  das  Wohl  seiner 
Hörerschaft  stets  am  Herzen  lag,  als  gesinnungsfester  Parteiraann  hat  er 
sich  um  Volk  und  Vaterland,  um  Wissenschaft  und  Deutschthum  in  Oester- 
reich  das  reichste  Verdienst  erworben. 

H.'s  zahlreiche  wissenschaftliche  Arbeiten  hier  im  besondem  anzuführen, 
ist  ebenso  unmöglich,  als  die  Fülle  äusserer  Ehren  und  Auszeichnungen,  die 
ihm  zu  Theil  wurde,  aufzuzählen  wohl  überflüssig.  Beides  wird  an  betiue- 
meren  Orten  zu  geschehen  haben.  Bemerkt  sei  aber  doch  die  Herausgabe 
der  Scriptores  rerum  Hussiticarum ,  3  Bände,  1856 — 1866,  und  seine  erfolg- 
reiche Thätigkeit  für  die  Aufliellung  der  kirchlich-reformatorischen  Bestre- 
bungen innerhalb  der  romanischen  Völker  während  der  späteren  Jahrhunderte 
des  Mittelalters  der  Geschichte  der  ersten  Habsburger  auf  dem  spanischen 
Throne  und  ihrer  Familie.  In  der  Einleitung  zu  ersterer  Publikation  und  den 
damit  in  Verbindung  stehenden  Arbeiten  H.'s  trat  der  Gegensatz  zu  der  seit 
Palacky's  Darstellung  des  Hussitenkrieges  zu  so  scharfer  Ausprägung  gelangten 
Auffassung  dieser  Dinge  auf  czechisch-nationaler  Seite  scharf  hervor.  Die  Stel- 
lung H.'s  im  Landtage,  wo  er  natürlich  entschieden  für  die  Rechte  und  For- 
derungen der  Deutschen  eintrat,  verschärfte  die  Differenzen  in  hohem  Grade. 
So  ward  H.  auch  ein  gehöriges  Maass  von  Streit  und  Unannehmlichkeit  zu 
Theil,  zumal  dann  die  Deutschen  sich  den  unter  ihren  Verhältnissen  gefähr- 
lichen Luxus  gestatteten,  sich  nach  politischen  Gesichtspunkten  zu  spalten. 
H.  vertrat  dabei  die  katholisch-conservativere  Richtung,  während  die  Mehrheit 
der  Volksgenossen  in  radicalere  Bahnen  einlenkte.  Dem  wahren  Liberalismus 
ist  dabei  H.  niemals  untreu  geworden,  wie  sein  Verhalten  im  österreichischen 
Herrenhause,  in  das  er  1873  berufen  worden  war,  und  seine  Schriften  hin- 
länglich erweisen. 

H.  blieb  bis  in  das  höchste  Alter  im  Besitze  seiner  Arbeitskraft  und 
Schaffensfreudigkeit.  Seit  das  Alter  ihn  lähmte  und  er  in  seinen  Schülern 
und  in  dem  von  ihm  gegründeten  »Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in 
Böhmen«,  in  erwünschtem  Maasse  Mitarbeiter  auf  dem  Gebiete  der  deutschen 
Geschichtsforschung  und  Geschichtschreibung  in  Böhmen  gefunden  hatte,  da 
unterliess  er  es  nicht,  Volk  und  Vaterland  auf  dem  Gebiete  der  historischen 
Poesie  zu  dienen :  in  einer  Reihe  formvollendeter  und  gedankenreicher  Dramen 
suchte  er  die  historischen  Gestalten,  deren  Wesen  und  Wirken  ihm  sympathisch 
war  oder  Anderen  ein  warnendes  Exempel  sein  konnte,  poetisch  zu  vcrkör- 
j)em  und  den  reichen  Schatz  von  Lebensweisheit  und  Wissen,  den  er  gesam- 
melt, in  Epigrammen  und  Sinngedichten  zu  verkünden.  Zu  Neujahr  1897 
traf  H.  ein  Schlaganfall,  der  ihm  die  rechte  Seite  lähmte.  Doch  widerstand 
der  starke  Körper  auch  jetzt  noch  hartnäckig  dem  Uebel.  Erst  am  30.  De- 
zember 1897  ging  H.  sanft  aus  dem  Leben. 

Ad.  Bachmann. 

Herbig,  Max,  Buchhändler,  einer  hochangesehenen  alten  Buchhändler- 
familie entstammend,  *  am  15.  April  1844  in  Berlin,  f  am  2.  November  ebenda. 

14* 


212  Herbig.     Klasing.     Mohr. 

—  Nach  Absolvirung  des  Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums  erlernte  er  1861  bis 
1864  bei  Eduard  Müller  in  Bremen  den  Buchhandel,  war  dann  thätig  bei 
Eduard  Trewendt  in  Breslau  und  in  der  Hirt'schen  Sortimentsbuchhandlung 
daselbst.  Am  i.  Januar  1869  ging  die  von  Dr.  Justus  Albert  Wohlgemuth 
1839  gegründete  Verlagsbuchhandlung  in  Berlin  durch  Kauf  in  seinen  Besitz 
über.  Den  vorwiegend  pädagogischen  Verlag  weiter  ausbauend  und  den  Be- 
strebungen anderer  hochverdienter  pädagogischer  Verleger  sich  an  die  Seite 
stellend,  führte  er  das  Geschäft  unter  der  Firma  J.  A.  Wohlgemuth's  Verlags- 
buchhandlung bis  zu  seinem  nach  leider  langem  und  schwerem  Leiden  er- 
folgten Tode  fort. 

Handschrift].  Notizen.  —  Börsenbl.  f.  d.  deutsch.  Buchh.  1897.  No.  259. 

H.  Ellissen. 

Klasing,  August»  Buchhändler,  *  am  8.  October  1809  in  Bielefeld, 
f  am  5.  August  1897  ebenda,  Sohn  einer  wohlhabenden  Handwerkerfamilie, 
erlernte  nach  gediegener  Erziehung  bei  Wilhelm  Starke  in  Chemnitz  den 
Buchhandel,  bekleidete  dann  Gehilfenstellungen  bei  Johann  Ambrosius  Barth 
in  Leipzig,  bei  C.  G,  Kunze  in  Mainz  und  A.  Marcus  in  Bonn.  Am  12.  Au- 
gust 1835  ^^'  ^^  i"  ^^  seit  zwei  Jahren  bestehende  Geschäft  seines  Freunden 
August  Velhagen  in  Bielefeld  als  Gesellschafter  ein.  Die  Firma  Velhagen  & 
Klasing  beschränkte  sich  anfänglich  nur  auf  Sortiment,  gründete  bald  aber 
auch  einen  durch  bedeutende  Unternehmungen  sich  auszeichnenden  Verlag 
und  eine  Druckerei.  Zu  den  ersten  hervorragenden  Artikeln  gehörten  u.  a. 
das  Musde  frangais,  dem  sich  später  das  Theatre  fran^ais,  die  Prosateurs 
frangais  u.  a.  anschlössen,  eine  Polyglottenbibel  und  Lange's  Theologisch- 
homiletisches Bibelwerk.  Mit  der  Gründung  der  illustrirtjen  Zeitschrift  »Da- 
heim«, 1864,  begann  ein  neuer  Aufschwung  des  Hauses.  Diesem  Blatte 
widmete  K.  stets  mit  Vorliebe  seine  Aufmerksamkeit  und  wurde  viele  Jahre 
hindurch  nicht  müde,  durch  kritische  Urtheile  jeder  Nummer  der  Redaction 
fördernd  zur  Seite  zu  stehen.  Die  »Daheim-Expedition«  hatte  ihren  Haupt- 
sitz in  Leipzig,  wie  der  Verlag  überhaupt  dort  bald  selbständig  vertreten  war. 
1873  wurde  das  Geschäft  durch  Errichtung  einer  Geographischen  Anstalt  in 
Leipzig  unter  Leitung  des  berühmten  Kartographen  Dr.  Richard  Andr^e  er- 
weitert. Vielen  wichtigen  Verlagsartikeln,  besonders  auch  einem  ausgezeich- 
neten Schulbücherverlag,  dem  1882  der  Verlag  von  Stubenrauch  in  Berlin 
einverleibt  war,  wurde  nach  und  nach  auch  ein  höchst  gediegener  Jugend- 
schriften-Verlag beigefügt.  Bis  in  sein  hohes  Alter  war  K.  die  Seele  des 
weitverzweigten  Geschäftes,  kühn  überwand  er  mannichfach  sich  darbietende 
Schwierigkeiten  und  trug  wesentlich  zu  den  später  errungenen  bedeutenden 
Erfolgen  bei.  Bis  in  seine  letzten  Tage  körperlich  und  geistig  frisch  und  an 
der  Spitze  seines  angesehenen  Hauses  thätig,  beschloss  er  sein  arbeits-  und 
erfolgreiches  Leben. 

Vergl.  Börsenblatt  f.  d.  deutsch.  Buchh.  1897.  No.  181  und  Daheim  1898.  No.  5  (Ne- 
krolog von  Robert  König  mit  PortrSt). 

H.  Ellissen. 

Mohr,  Karly  Buchhändler,  ♦  am  3.  Juni  1817  als  Sohn  des  berühmten 
Buchhändlers  J.  C.  B.  Mohr  in  Heidelberg,  f  am  23.  November  1897  ebenda. 

—  M.  war  mit  seinem  älteren  1890  verstorbenen  Bruder  Ernst  Mohr  1S56 
bis  1877  Mitinhaber  und  Mitleiter  des  bedeutenden  Verlagsgeschäftes  J.  C.  B. 
Mohr.     Nach  dem  Verkauf  des  Geschäftes  an  Paul  Siebeck  widmete  er  sich 


Mohr.     Palme.  2 1 3 

vorwiegend  städtischen  Interessen,  und  hat  in  seinem  Ehrenamt  als  Stadtrath 
wesentlich  zur  Entwickelung  Heidelbergs  beigetragen.  An  seinem  achtzigsten 
Geburtstage  wurden  ihm  viele  Ehrungen  zu  theil,  leider  aber  sollte  er  ihn 
nur  um  wenige  Monate  überleben. 

VergL  Börsenblatt  f.  d.  deutschen  Buchh.  1897.  No.  131  u.  274. 

H.  Ellissen. 

Palme,  Augustin,  Historienmaler,  •  am  21.  November  1808  zu  Rochlitz 
in  Böhmen,  f  am  18.  October  1897.  —  Als  der  Sohn  armer  aber  kinderreicher 
l^andleute,  hatte  P.  eine  harte  Jugend  und  musste  frühzeitig  im  Haushalt  für 
eine  so  zahlreiche  Familie  mitarbeiten  und  schaffen.  Trotz  seiner  frühzeitig 
hervorbrechenden  Vorliebe  zu  künstlerischem  Schaffen  kostete  es  doch  viele 
Mühe,  bis  es  ihm  gelang,  bei  einem  Forzellanmaler  zu  Gebhardsdorf  (Schlesien) 
unterzukommen.  Nach  vierjähriger  Lehrzeit  zog  der  strebsame  Jüngling  1824 
als  Porzellanmaler-Gehülfe  in  die  Fremde,  fand  zu  Ronneburg  im  Altenburgi- 
schen  Arbeit  und  weitere  Förderung.  Mit  den  in  Kobur^  gemachten  wenigen 
Ersparnissen  wagte  er  sich  auf  die  Akademie  nach  Dresden;  alsbald  wieder 
mittellos  übernahm  er  die  artistische  Leitung  der  Schmidt'schen  Porzellanmal- 
Anstalt  zu  Koburg,  von  wo  der  Uebergang  nach  der  Münchener  Akademie 
und  durch  den  wackeren  Maler  Gustav  Jäger  die  Aufnahme  bei  Julius  Schnorr 
von  Carolsfeld  erfolgte.  Unter  Schnorr' s  Leitung  componirte  P.  eine  »Hoch- 
zeit des  Isaak  mit  Rebekka«,  welche  schon  1832  in  den  Kunstverein  kam; 
mit  einigen  Portraits,  einer  »Ehebrecherin  vor  Christus c  und  verschiedenen 
akademischen  Versuchen  fand  P.  wohl  freundliche  Anerkennung,  aber  gerin- 
gen Lohn,  so  dass  er  wieder  in  seine  frühere  Stellung  nach  Koburg  zurück- 
kehrte, wo  er  jedoch  durch  seine  Geschicklichkeit  im  Bildnissmalen  und 
seinen  unermüdlichen  Fleiss  hinreichend  erwarb,  um  im  Herbst  1835  die 
Fahrt  nach  dem  vielersehnten  Italien  mit  dem  Landschaftsmaler  Max  Haus- 
hofer,  dem  Bildhauer  Widnmann  und  seinem  Freunde  Gustav  Jäger  wagen 
zu  können.  In  Rom  vollendete  P.  eine  »Findung  Mosis«;  auch  sammelte  er 
eine  Menge  von  landschaftlichen  Studien  und  figürlichen  Skizzen.  Als  Flücht- 
linge vor  der  damals  Italien  durchziehenden  Cholera  wanderten  P.,  Friedrich 
Dürck  und  Gustav  Jäger  1836  in  das  Sabiner-Gebirge,  nach  Praeneste,  Olevano 
und  Civitella,  dann  nach  Neapel,  Amalfi,  Sorrent  und  dem  lieblichen  Capri, 
wo  sie  in  einer  vierwöchentlichen  Idylle  an  den  schönen  Capri-Mädchen  ge- 
lehrige Tänzerinnen  fanden  und  im  fröhlichsten  Jugendmuthe  alle  Sorgen 
verträumten,  während  am  Fusse  des  Vesuv  die  Todtenglocken  Tag  und  Nacht 
heulten.  Endlich  trennten  sich  die  Genossen  und  P.  eilte  1837  über  Man- 
fredonia  und  von  da  mit  einem  griechischen  Trabaculo  nach  Triest  und  dann 
nach  München  zurück,  um  seinem  hochverehrten  Meister  Schnorr  sowohl  bei 
den  Cartons  zu  dem  Bildercyclus  aus  dem  Leben  Karls  des  Grossen  und  deren 
Ausführung  (vgl.  Kunstblatt  1841.  S.  239),  wie  auch  an  den  Bildern  des 
sog.  Barbarossa-Saales  in  der  kgl.  Residenz  wacker  beizustehen.  Doch  ergab 
sich  immerdar  noch  Zeit,  um  neben  diesen  in  enkaustischer  Technik  ausge- 
führten Wandgemälden  eigene  Oelbilder,  Herren-  und  Damenbildnisse,  auch 
eine  »Vermählung  der  hl.  Katharina«  (vgl.  N.  67.  Kunstblatt.  Stuttgart  1839. 
S.  266)  und  eine  »Taufe  der  Clorinde«  (1843)  zu  vollenden.  Auch  entstand 
ein  »Englischer  Gruss«  für  die  Kirche  zu  Kronstadt,  ein  »hl.  Marcus«  für 
Graf  Harrach  in  Wien  (1844);  Herr  von  Veith,  der  grosse  Kunstfreund, 
welcher  eine  böhmische  Walhalla  plante,  bestellte   eine  historische  Scene  aus 


214  Palme. 

dem  Leben  des  hl.  Adalbert  (1846).  Auch  fertigte  P.  viele  Altarbilder  für 
Linz,  Böhmenkirch  (im  Wtirttemberger  Donaukreise),  Saalfelden  (bei  Salzburg^ 
und  das  Prämonstratenser-Stift  Schlägel  in  Oberösterreich,  wozu  der  Maler 
1860  eine  eigene  Studienreise  nach  Venedig  unternahm  (Kunstblatt.  1848. 
No.  35).  —  Mit  Echter,  Muhr  und  Nilson  betheiligte  sich  P.,  die  das  neuere 
Münchener  Kunstleben  darstellenden  und  häufig  auch  ironisirenden  Composi- 
tionen  W.  von  Kaulbach's  an  den  Aussenwänden  der  Neuen  Pinakothek  zu 
freskotiren.  Wind  und  Wetter  haben  seither  denselben  arg  zugesetzt  und  den 
grössten  Theil  davon  vernichtet.  Eine  selbständige,  dankenswerthe  und 
brillante  Arbeit  erwuchs  für  P.  durch  den  Auftrag,  die  berühmte  Wallfahrts- 
kirche zu  Vierzehnheiligen,  dieses  fränkische  I^oretto,  mit  Fresken  auszu- 
schmücken, eine  colossale  Leistung,  welche  P.  unter  Beihülfe  des  gewandten 
Max  Bentele  (f  am  9.  März  1893)  glücklich  vollführte.  Auch  für  die  Histo- 
rische Gallerie  des  Bayerischen  National-Museums  erhielt  P.  vier  Fresken  mit 
unmalerischen  Stoffen  1868  bestellt,  deren  künstlerische  Bewältigung  der  ge- 
wandte Mann  möglichst  versuchte.  Das  umfangreiche  Programm  dazu  hatte 
General  von  Spruner  (f  am  24.  August  1892)  unmittelbar  im  Auftrage  König 
Maximilian  IL  ausgearbeitet;  davon  trafen  auf  Palme,  »wie  Kurfürst  Johann 
Wilhelm  Düsseldorf  verschönert  und  daselbst  die  berühmte  Gemäldegallerie 
begründet«;  »Philipp  Wilhelm  von  Pfalz-Neuburg  erwirbt  Jülich,  Berg  und 
Ravenstein  und  hält  zu  Düsseldorf  1666  seinen  feierlichen  Einzug«;  »Karl 
Theodor  beschliesst  1789  die  Anlage  des  sog.  Englischen  Gartens  durch  Rum- 
ford« und  »erhebt  Mannheim  zum  Hauptsitz  der  Kunstbildung«.  Der  könig- 
liche Mäcen  und  sein  in  historischen  Fragen  immer  rathbereiter  General 
hegten  gewiss  ebenso  grosse  Pietät  für  die  Geschichte,  wie  für  die  Kunst, 
machten  es  aber  den  Künstlern  fürchterlich  schwer,  solche  der  malerischen 
Behandlung  fast  unüberwindliche  Sch>\aerigkeiten  bietende  Vorwürfe  vde  die 
ganze  Fülle  von  Klosterstiftungen,  Grundsteinlegungen  und  Staatsactionen 
u.  dgl.  zu  lösen.  Nach  Vollendung  dieser  Aufträge,  wo  P.  noch  dazu  mit 
jüngeren,  frischen  Kräften  in  Concurrenz  trat,  legte  er  rechtzeitig  Pinsel  und 
Palette  nieder  und  erfreute  sich  einer  mehr  als  behäbigen,  stolzen  Unab- 
hängigkeit. Durch  seinen  Fleiss  und  eine  glückliche  Heirath  (184 1)  frühzeitig 
in  behaglichen  Verhältnissen  —  sein  Sohn  Bonifaz  Lud\^ig  war  1850  der 
erste  Täufling  in  der  Basilica,  wobei  König  Ludwig  I.  die  Stelle  eines  Pathen 
übernahm  —  erwarb  P.  zwei  Häuser  in  reizender  Lage  nächst  dem  Botani- 
schen Garten,  welche  in  der  Folge  die  Generaldirection  der  kgl.  bayer.  Eisen- 
bahnen benöthigte  und  ankaufte.  Beim  Auszug  aus  dem  eigenen,  liebgewon- 
nenen Heim  übergab  P.  seinen  ganzen  artistischen  Besitz,  alle  eigenen 
Zeichnungen,  Cartons  und  Bilder,  kurz  alle  seine  Sammlungen,  das  gesammte 
Maler-  und  Ateliergeräthe,  in  eine  Auction  (November  1888)  und  behielt  nur 
die  Skizzenbücher,  und  einige  seiner  Lieblingsarbeiten.  Hatte  er  lange  schon 
den  Verkehr  mit  gleichstrebenden  Künstlern  auf  das  Aeusserste  beschränkt, 
so  lebte  P.  seit  dem  1879  erfolgten  Tode  seiner  P'rau,  von  seinen  Töchtern 
gepflegt,  in  schroffer  Zurückgezogenheit,  in  skeptischer  Beschaulichkeit,  einge- 
sponnen in  seine  Erinnerungen.  Trotz  der  reichsten  Müsse  dazu  schrieb  er 
seine  Erlebnisse  niemals  nieder,  obwohl  er  als  Zeuge  und  Mitarbeiter  der 
glänzendsten  Aera  vollauf  Wissen  und  Berechtigung  hatte.  Was  P.  einmal 
erfasste,  führte  er  mit  ehrgeiziger  Ausdauer  zu  Ende,  wenn  auch  seine  Empfin- 
dung oder  Ueberzeugung  nicht  bei  der  Sache  war;  so  ergab  sich  in  seinen 
Arbeiten    eine    gewisse  Ungleichheit    von    wahrem  Schönheitsgcfühl    und  con- 


Palme.     Weigand.  215 

ventioneller  Manier;    er  strebte  und  tastete,    auch  als  Colorist,    einen  neuen 

Weg  zu  finden^  doch  ohne  denselben  mit  seinen  Mitteln  zu  erreichen.  P.  starb 

nach  kurzem,  schwerem  Leiden. 

VergL  Abendblatt  292  »Allgemeine  Zeitung«  vom  21.  October  1897.  No.  241  »Augs- 
burger Postzeitung«  vom  23.  October  1897.  Reber,  Gesch.  der  neueren  Kunst.  1884.  II. 
54  u.  73.     Wurzbacb,  Biogr.  Lexicon  XXI.    245. 

Hyac.  Holland. 

Weigand,  Konrad,  Historienmaler,  •  am  12.  December  1842  zu  Nürn- 
berg, f  am  3.  December  1897  zu  München.  —  W.  erheiterte  schon  in  seinen 
Kinderjahren  den  Kreis  seiner  Spielgefährten  durch  froheste  Laune  und  allerlei 
Kunstfertigkeiten;  er  besuchte,  nach  guter  Vorbildung,  in  den  Abendstunden 
die  Kunstgewerbeschule,  tagsüber  den  Unterhalt  mit  Lithographiren  sich 
erwerbend,  bis  er  später  durch  eine  Hülfe  aus  der  Schillerstiftung  die  Schule 
den  ganzen  Tag  besuchen  konnte.  Einen  Sommer  lang  weilte  er  auf  der 
Burg  HohenzoUem,  vielbeschäftigt  mit  Wandmalereien  in  den  dortigen  Prunk- 
räumen. Frühzeitig  bethätigte  er  sich  durch  eigene  Compositionen,  Kirchen- 
bilder und  Copiren  von  Gemälden,  wozu  das  Vorbild  des  universellen  Director 
August  von  Kreling  den  feurigen  Jüngling  in  erfreulichster  Weise  förderte. 
Es  dauerte  indessen  ziemlich  lange,  bis  sein  Lieblingswunsch  nach  weiterer 
Bildung  in  München  sich  verwirklichte.  Hier  als  Schüler  bei  Prof.  Wilhelm 
von  Diez  erhielt  W.  bei  einer  Academie  -  Concurrenz  für  eine  Scene  aus 
Shakespeaie's  »Julius  Cäsar«  den  ersten  Preis.  Hierauf  folgte  als  sorgfältig 
durchgeführtes  Oelbild  ein  »Religionsgespräch«  zwischen  Ulrich  von  Hütten, 
Franz  von  Sickingen  und  Martin  Bucer,  ein  möglichst  ungünstiger  Stoff, 
welchen  W.  durch  Lebendigkeit,  Costümtreue  und  Kolorit  anziehend  löste, 
so  dass  Frhr.  von  Reischach  zu  Stuttgart  das  originelle  Gemälde  erwarb. 
Dadurch  ermuthigt  wagte  sich  der  Künsder  mit  gleichem  Glück  an  ein 
grösseres,  figurenreiches  Thema,  den  »Einzug  Luthers  in  Worms«,  dessen 
Hauptwirkung  der  Maler  nur  durch  einige  gar  zu  genremässige  Züge,  die  mit 
der  Geschichte  nichts  zu  thun  haben,  abschwächte;  doch  erregte  das  Bild 
1879  *^^  ^^^  Münchener  Kunstausstellung  die  wohlverdiente  Theilnahme  und 
Aufmerksamkeit.  Auch  lieferte  W.  die  Vignetten  zu  Franz  Trautmann's 
»Herzog  Christoph«,  einem  culturhistorischen  Roman,  welcher  1880  in  dritter 
endlich  illustrirter  Auflage  erschien.  Als  ein  edelmüthiger  Mäcen,  Frhr.  von 
Biehl  aus  Mecklenburg-Schwerin,  der  Münchener  Akademie  eine  sehr  erheb- 
liche Summe  übermittelte,  damit  in  oder  an  einem  beliebigen  Privathause  der 
Stadt  ein  Freskobild  ausgeführt  werden  sollte,  ging  W.  aus  der  Concurrenz 
siegreich  hervor.  Das  die  »Hochzeit  Albrecht  Dürer 's  zu  Nürnberg«  vor- 
stellende, vielleicht  nur  zu  figurenreiche  und  den  Einfluss  der  Piloty-Schule 
allzu  prunkhaft  verkündende  Project  kam  in  der  Vorhalle  von  August  Humpl- 
inayr*s  Kunsthandlung  in  der  Briennerstrasse  zur  gediegenen  Ausführung. 
Seine  unermüdlich  gestaltende  Phantasie  bewährte  W.  im  Wetteifer  mit  Wil- 
helm Schade  in  den  Illustrationen  zu  W.  Hauff 's  »Lichtenstein«,  auch  mit 
allerlei  kunstgewerblichen  Zeichnungen  z.  B.  mit  dem  Entwurf  zu  einer  präch- 
tigen Fahne  für  den  Männergesangverein  »Neu-Bavaria«  und  die  Schützen- 
gesellschaft »Freundschaft«  u.  s.  w.  Unterdessen  machte  sich  W.  abermals 
an  einen  grossen  historischen  Stoff,  darstellend  wie  der  heute  noch  im  Volks- 
lied besungene  »Raubritter  Hans  Schüttensamen  mit  seinen  Spiessgesellen 
1465  gefangen  in  Nürnberg  eingebracht«  wird,  eine  sehr  achtunggebietende 
Leistung,    welche  W.    im  Auftrage    des  »Vereins    für  Historische  Künste   als 


2 1 6  Weigand.     Wenban. 

grosses  Oelbild  zur  AusfÜhrurijg  brachte.  Unermüdet  schuf  W.,  immer,  selbst 
bei  kleineren  Aufträgen,  mit  derselben  Treue  und  Tüchtigkeit  seine  beste 
Kraft  einsetzend,  wir  erinnern  nur  an  die  Dlustrationen  zu  einer  »Rauber- 
geschichte« von  Würthmann  (im  »Buch  der  Jugend«,  Stuttgart  1892),  an  die 
köstliche  Adresse  der  städtischen  Collegien  für  den  General-Intendanten  Frhm. 
von  Perfall  (1893),  an  einen  Carton  für  die  Glasmalerei- Anstalt  Gustav  von 
Treek's  »Luther  im  Kreise  seiner  Familie«.  In  der  Kunstausstellung  1897 
war  W.  noch  mit  einem  Genrestück  vertreten  (»Ein  Trinker  und  sein  Lieb 
in  einer  Thurmstube«).  Der  treffliche  Künstler  starb  nach  längerer  Krank- 
heit, jedoch  schnell  und  unerwartet.  Seine  treuen  Schwestern  verbrachten 
die  Leiche  zur  Bestattung  nach  Nürnberg. 

Vergl.  Abendblatt  338  >Allgemeine  Zeitung«  vom  7.  December  1897.  Kunstrereins* 
bericht  fttr  1897.  S.  77.     »Kunst  für  Alle«  15.  Januar  1898.    S.  126. 

Hyac.  Holland. 

Wenban,  Longly  Sion,  Landschafter,  *  am  9.  März  1848  in  Cincinnati- 
Ohio,  f  am  19.  April  1897  zu  München.  —  W.  war  ein  höchst  eigenartiger 
Künstler,  welcher  zeitlebens  mit  grosser  Sorgfalt  sich  von  der  Oeffentlichkeit 
möglichst  ferne  hielt,  so  dass  erst  mit  seinem  Tode  der  Name  in  die  Welt 
trat.  Der  Sohn  eines  Wagen-Fabrikanten,  studirte  und  zeichnete  W.  an  der 
Academie  zu  New- York  bei  Professor  Wilmorth,  welcher  dem  jungen  Künstler 
den  Rath  ertheilte,  sich  in  München  weiter  zu  bilden.  Hier  erschien  W. 
1879  ^^^  besuchte  kurze  Zeit  die  Malschule  des  Prof.  Gabriel  HackI  an 
der  Akademie,  fand  auch  bei  Frank  Doubek  fördernde  Anregung,  oblag  dann 
aber  seit  1880  erst  zu  Schieissheim,  Planegg  und  anderen  umliegenden  klei- 
neren Ortschaften  seinen  durchaus  autodidaktischen  Kunstbestrebungen,  wobei 
er  sorgfaltig  jede  fremde  Einwirkung  und  Beihülfe  vermied,  um  sich  in  Technik 
und  Auffassung  durch  kein  Vorbild  auf  seinem  eigenen  Wege  beirren  zu 
lassen.  So  quälte  er  sich  mit  rastlosem  Aufwand  von  Zeit  und  Mühe,  um 
Erfolge  zu  erringen,  welche  jedem  Anderen  im  fördernden  Wetteifer  gleichsam 
von  selbst  zufallen.  Ausser  der  Oelmalerei  und  dem  Kohlenzeichnen  warf  er 
sich  ebenso  standhaft  auf  die  eigenmächtig  erworbene  Radirung.  Immer 
unzufrieden  mit  seinen  schwererrungenen  Resultaten  schliff  er  die  Platten 
wieder  ab;  dessen  ungeachtet  fanden  sich  doch  in  seinem  Nachlasse  an  drei- 
hundert derselben,  darunter  viele  von  ausserordentlich  feiner  Stimmung,  breiter 
Wirkung  und  subtiler  Ausführung.  Seit  1883  mit  einer  Tochter  des  kgl.  Bau- 
amtmanns von  Langenmantel  verheirathet,  wählte  W.  zu  seinem  ständigen 
Wohnsitz  München,  von  wo  aus  er  auf  fortgesetzten  Ausflügen  immer  neue 
Studien  zu  Bildern  sammelte.  Trotz  des  massenhaft  anwachsenden  Stoffes 
konnte  er  sich  doch  nicht  entschliessen,  dieselben  in  die  Oeffentlichkeit  zu 
bringen  oder  sich  derselben  zu  entäussern.  Erst  bei  seinem  nach  langem, 
schwerem  Leiden  erfolgten  Ableben  kam  es  zu  einer  Ausstellung  dieser  einen 
ganzen  Saal  des  Kunstvereins  füllenden  Arbeiten;  sie  erwarben  dem  Ge- 
schiedenen die  längst  verdiente  ehrenvolle  Anerkennung  seines  redlichen 
Strebens  und  tüchtigen  Könnens.  Auch  auf  der  VII.  Internationalen  Kunst- 
ausstellung zu  München  erschienen  vier  vollendete  Oelbilder:  eine  »Baum- 
gruppe mit  Bauernhaus«,  ein  »Freier  Platz  bei  Regenwetter«,  ein  »Bauern- 
haus« und  abermals  eine  »Regenstimmung«;  eine  Kohlenzeichnung  »Bei 
Schieissheim«,  zwei  Landschaften  in  Pastell,  ein  »Motiv  bei  Schieissheim« 
und  ein  »Herbstabend«,  worüber  Dr.  Gustav  Keyssner  (in  No.  296  der  »Neue- 


Wenban.  217 

sten  Nachrichten«  vom  i.  Juli  1897)  also  berichtete:  »Nicht  ohne  Wehmuth 
kann  man  diese  Landschaften  betrachten,  Bilder  von  einer  stillen,  feinen 
Vornehmheit,  die  gerade  durch  ihre  Zurückhaltung  den  aufmerksamen  Blick 
auf  sich  zieht.  Es  bedarf  keiner  Worte  zum  Lobe  dieser  Arbeiten,  die  in  so 
ruhiger,  sachgemässer  Technik  solch'  intim  beobachtete  und  empfundene 
Naturstimmungen  wiedergeben.  Alle  sind  Zeugnisse  einer  reinen,  edlen  Per- 
sönlichkeit, deren  Vorzüge  man  sich  lieber  und  vielleicht  sogar  richtiger  in 
denkbarer  Sympathie,  als  durch  zergliedernde  Analyse  bewusst  macht.  Dass 
gerade  für  solche  Menschen  und  KünsUer  an  der  Tafel  des  Glückes  kein 
Platz  zu  finden  ist,  gehört  zu  jenen  Documenten  für  die  »gebrechliche  Ein- 
richtung der  Welt«,  die  nur  um  so  tragischer  sind,  weil  ihnen  alles  laute 
Pathos  fehlt.«  Aehnlich  äusserte  sich  Jos.  Popp  (in  No.  335  des  »Bayer. 
Kurier«  vom  4.  December  1897):  »So  still  und  innerlich,  wie  diese  Zeichnungen 
und  Gemälde,  war  Wenban  selber.  Man  muss  sich  in  diese  scheinbar  an- 
spruchslosen Blätter  hineindenken  und  empfinden,  wenn  man  sie  gemessen 
will.  Die  Zeichnungen  haben  eine  ganz  hervorragende  Wärme,  die  sich  aus 
einer  originellen  Technik  entwickelt.  Und  obwohl  ganz  einfache  Naturaus- 
schnitte, wie  knorrige  Baumriesen  und  Baumgruppen,  Alleen  und  Walddurch- 
sichten überwiegen,  liegt  doch  ein  mächtiger  Stimmungsgehalt  in  ihnen.  Die 
Farbe  beherrscht  W.  in  feiner  und  poetischer  Weise.  Eigenartig  weiche  Töne 
stehen  ihm  zu  Gebote,  wenn  er  das  Träumerische  und  Einsame  verborgener 
Waldwiesen  und  Hänge  schildert,  wie  ein  süsses  Adagio  empfinden  sich 
manche  seiner  Dämmerungsstücke.  Besonders  gelingt  W.  das  Elegische  —  es 
ist,  als  ob  sich  die  eigene  Seele  in  diesen  zarten  Farbennuancen  auflösen 
wollte,  um  in  einzelnen  Zügen  das  zu  finden,  was  im  ganzen  ihm  versagt 
schien;  lebensfreudige,  temperamentvolle  Hingabe  an  dajs  Fröhliche  und  Be- 
wegte. Als  ein  besonderer  Vorzug  all'  dieser  geschickten,  interessanten  und 
vielfach  sehr  intimen  Werke  muss  noch  hervorgehoben  werden,  dass  sie,  ob- 
wohl grossentheils  Skizzen,  dennoch  als  etwas  Fertiges  wirken.«  Dr.  Karl 
Voll  (in  No.  331  »Allgemeine  Zeitung«  vom  30.  November  1897)  schildert 
W.'s  Schöpfungen,  wobei  er  seine  Bilder  noch  über  die  Radirungen  stellt: 
»Meistens  sind  es  Studien  aus  den  bayerischen  Voralpen:  kleine  Gebirgsseen, 
die  h'eben  Schlierseer  Berge,  sowohl  bei  heiterem  Wetter  als  verdeckt  von 
tief  herabhängenden  Wolken,  trauliche  Gebirgsthäler,  aus  denen  der  kokette 
grüne  Kirchthurm  eines  fernen  Dorfes  neckisch  zu  uns  herüberschaut,  einfache 
Halden  und  bescheidene  Gärten.  Vieles  ist  mit  einer  entzückenden  Frische 
geschildert,  besonders  auf  den  Stücken,  wo  er  sein  reizendes,  von  silbernem 
Duft  übergossenes  Grün  zur  Darstellung  eines  kleinen  Naturausschnittes  ver- 
wendet; weniger  gelungen,  beziehungsweise  total  misslungen  sind  die  aller- 
dings nicht  zahlreichen  Studien,  wo  den  Künstler  der  Ehrgeiz  getrieben  zu 
haben  scheint,  es  auch  einmal  mit  tiefen,  kräftigen,  fetten  Farben  zu  versuchen. 
Da  verliess  er  stets  das,  was  ausser  der  lichten  Frische  der  Empfindung  seinen 
Arbeiten  den  Werth  verleiht:  die  unmittelbare,  deutliche  Anschaulichkeit.  Er 
steht  dann  nicht  mehr  auf  festem  Boden  und  liefert  nichts  Positives.«  Gele- 
gentlich einer  Ausstellung  von  W.'s  Blättern  im  Münchener  »Verein  für 
Original-Radirung«  (welcher  dann  auch  mehrere  Platten  im  VI.  Jahrgang 
seiner  Publicationen  zum  Abdruck  brachte,  darunter  zwei  kleine  Landschaften 
und  eine  Ansicht  der  neuen  »Isarbrücke«  in  München,  letztere  wieder  in  der 
Stimmung  eines  leichten  Sprühregens),  heisst  es  im  Feuilleton  der  »Neuesten 
Nachrichten«  (No.  235  vom  22.  Mai  1897),  eine  Anzahl  dieser  Blätter  könnten 


2i8  Wenban.     Kneipp. 

auch  mit  »Rembrandt«  bezeichnet  sein  und  mit  dem  Besten  den  Vergleich 
bestehen,  sowohl  nach  Auffassung  wie  nach  positiver  Technik:  »Die  gleiche 
absichtslose,  von  jedem  manieristischen  ebenso  wie  akademischen  Hauche  freie 
Art,  die  der  grosse  Niederländer  in  seinen  Blättern  zeigt,  ist  auch  W.'s 
Arbeiten  eigen.  Er  wusste  mit  Nadel  und  Säure  so  umzugehen,  wie  bedeu- 
tende Maler  die  Farbe  handhaben.  Es  handelte  sich  für  ihn  nicht  um  die 
Erscheinung  von  Schwarz  und  Weiss,  sondern  um  den  Ausdruck  feiner  Empfin- 
dung auf  radistischem  Wege.  Und  wie  einfach  die  meisten  Arbeiten  gehalten 
sind!  Nicht  Strichelei  sondern  Strich!  Er  liebte  die  allzu  spitzen  Nadeln 
nicht,  er  war  kein  Düftler;  wo  sein  Instrument  die  Platte  anriss,  da  sass  der 
Strich  wie  hingemauert.  Dabei  ist  Alles  reine  Radirung;  nirgends  hat  er 
unter  successiver  Anwendung  verschiedenartiger  Proceduren  sein  Ziel  zu  er- 
reichen gesucht.  Immer  ist  ein  frischer  Zug,  etwas  Freudiges  in  der  Arbeit  . .« 
Persönlich  war  W.  ein  einfacher,  sympathischer,  vor  allem  ein  guter  und 
wahrer  Mensch.  Sein  ganzes  Naturell  stand  im  schärfsten  Widerspruche  zu 
dem  hastigen,  ruhelosen  Leben  und  Treiben  seines  Heimatlandes,  dahin  zurück- 
zukehren er  nie  eine  Sehnsucht  fühlte. 

Bericht  des  Mttnchener  Kunstvereins.    1897.    S.  78. 

Hyac.  Holland. 

Kneipp»  Sebastian,  Naturarzt,  Pfarrer  und  Prälat,  ♦am  17.  Mai  1821  zu 
Stephansried  (bei  Ottobeuren),  f  am  17.  Juni  1897  zu  Wörishofen.  —  K. 
stammte  aus  einer  armen  Weberfamilie,  genoss,  zum  gleichen  Gewerbe  be- 
stimmt, eine  harte  Jugend.  Willige  Wohlthäter,  darunter  insbesondere  der 
nachmalige  Lycealprofessor  und  Hausprälat  Mathias  Merkle  (1816 — 1881),  ver- 
mittelten endlich  dem  wissbegierigen  Jüngling  die  nöthigen  Mittel  zum  Studium 
am  Gymnasium  zu  Dillingen,  wo  der  vielfach  kränkelnde  Candidat  die  stär- 
kenden Donaubäder  zur  Wiederherstellung  seiner  schwachen  Gesundheit  ge- 
brauchte. Während  K.  den  theologischen  Studien  am  Georgianum  zu  München 
oblag,  fiel  ihm  zufällig  Job.  Siegmund  Hahn's  »Unterricht  von  der  Kraft  und 
Wirkung  des  frischen  Wassers«  (1770)  in  die  Hände,  ein  Buch,  welches  er 
ganz  in  sich  aufnahm  und  nach  seiner  Art  verarbeitete.  Obwohl  die  Haus- 
ordnung der  Anstalt  einer  ergiebigen  Praxis  im  Wege  stand,  verschaffte  er 
sich  doch  eine  Giesskanne  —  das  Non  plus  ultra  seiner  nachmaligen  Panacee 
—  und  begann  nächtlicher  Weile  im  grossen  Gartenbassin  seine  Wassergüsse. 
Damit  war  der  Weg  betreten,  auf  welchem  K.,  anfangs  noch  unsicher,  dann 
aber  bald  zielbewusst  und  von  unerwarteten  Strömungen  erfasst,  in  das  breite 
Fahrwasser  seiner  überaus  lebendigen,  aber  doch  ziemlich  einförmigen  und 
beschränkten  Thätigkeit  getrieben  wurde.  Im  Jahre  1852  zum  Priester  ge- 
weiht, erhielt  K.  seine  erste  Stelle  als  Kaplan  in  Boos,  dann  bei  St  Moritz 
in  Augsburg  und  1855  im  Kloster  zu  Wörishofen,  woselbst  er  endlich  1880 
zum  Pfarrer  vorrückte.  Inzwischen  hatte  der  geistliche  Wassermann  fleissig 
mit  Rath  und  That  allen  Hülfesuchenden  beigestanden;  sein  Name  gewann 
aber  plötzlich  durchschlagenden  Aufschwung,  als  1885  sein  »Meine  Wasserkur« 
betiteltes  Werk  erschien,  welches  bis  1897  einundsechzig  Auflagen,  sogar  in 
besonderen  »Pracht-  und  Luxus-Ausgaben«,  erlebte  und  schon  1885  einen 
rauschenden  Zuzug  von  Fremden  nach  dem  früher  so  stillen  Wörishofen 
lockte,  die  alle,  gegen  K.'s  ursprüngliche  Intention,  den  Wundermann  sehen, 
sprechen  und  berathen  wollten.  Die  nächste  Folge  dieser  lawinenartig  an- 
wachsenden Völkerwanderung   nach   dem   abgelegenen  Wörishofen  ergab  den 


Kneipp.  219 

Missstand,  dass  allerlei  erhöhtes  Gasthofleben  und  Hotelwesen  sich  durch 
speculative  Unternehmer  breit  machten  und  der  in  allen  Schichten  und  Classen 
immer  fruchttragende  Schwindel  reichlichen  Zuwachs  erhielt.  Obwohl  sich  K. 
durch  das  zudringliche  Consultations-Fieber  nach  aussen  ärgerlich  zeigte  und 
ihm  in  Wahrheit  auch  der  bisweilen  etwas  dünne  Faden  der  Geduld  riss,  so 
fühlte  er  sich  innerlich  doch  geschmeichelt;  es  that  ihm  wohl,  der  gelehrten 
Facultät  durch  seine  Popularität  den  Rang  abgelaufen  und  einen  fühlbaren 
Streich  versetzt  zu  haben.  Trotz  seiner  kirchlichen  Obliegenheiten,  welche  er 
nie  vernachlässigte,  und  dem  rasenden  Zulauf  der  wirklich  oder  auch  imaginär 
leidenden  Menschheit,  behielt  K.  immer  noch  Zeit  zu  Ansprachen  auf  dem 
eigenen  Terrain,  zu  Wandervorträgen  auf  den  oft  ziemlich  ausgedehnten  Reise- 
ausflügen und  zur  Abfassung  neuer  Bücher,  Brochuren  und  anderer  heilge- 
schichtlicher Schriften.  Darunter  das  ebenso  gierig  aufgenommene  Opus  »So 
sollt  ihr  leben!«,  seine  »Volksgesundheitslehre«,  seine  »Oeffentliche  Vorträge«, 
sein  »Testament«  und  das  nachträgliche  »Codizill«.  Dazu  assistirte  ihm  ein 
ganzer  Schwärm  von  berufenen  und  freiwilligen  Scribenten,  welche  dem 
»Vater  Kneipp«,  dem  neuen  »Wohlthäter  der  Menschheit«,  gerne  ihre  Federn 
boten.  Während  ein  Anderer  Schätze  gehäuft  hätte,  blieb  K.  immer  edel 
und  gut,  heischte  keine  Deserviten,  nahm  nur,  was  man  ihm  freiwillig  bot 
und  behielt  nichts  fiir  sich  —  Alles  wieder  zu  gemeinnützigen,  acht  humanen 
Zwecken  verwendend.  Das  alte  Kurhaus  kostete  103000  Mark,  zum  neuen 
Kurhaus  steuerte  K.  75000  Mark  bei,  das  Kinderasyl  kostete  284000  Mark, 
das  »Kneippianum«  100 000,  die  Mädchenschule  60000  Mark.  Alle  diese 
Anstalten  gingen  schenkungsweise,  das  alte  und  das  neue  Kurhaus  und  das 
Kinderasyl  an  den  Orden  der  barmherzigen  Brüder,  das  »Kneippianum«  an 
die  armen  Franziskanerinnen  von  Mallersdorf  über.  Er  legirte  beträchtliche 
Summen  der  Armenkasse  und  gründete  in  dankbarer  Erinnerung  für  die  wäh- 
rend seiner  entbehrungsreichen  Studienzeit  empfangene  Hülfe  eine  Reihe  von 
Freiplätzen  im  Seminar  zu  Dillingen.  Seine  Mittel  erlaubten  ihm  freilich  eine 
solche  Generosität,  denn  das  Geld  floss  ihm  von  allen  Seiten  zu.  Die  Honorare 
für  seine  fortwährend  neu  aufgelegten  Bücher  bezifferten  sich  auf  280000  Mark, 
die  Licenzgebühr  für  den  Kneipp-Malzkaffee  auf  220000  Mark,  und  die  freiwilli- 
gen Ordinationsgebühren  und  Geschenke  ergaben  von  1887  — 1897  eine  jährliche 
Durchschnittsziflfer  von  16200  Mark.  Das  Alles  fand  wieder  Verwendung 
zum  Wohle  der  leidenden  Menschheit.  Hübsche  Brocken  und  Tantiemen 
verschlangen  auch  seine  ärztlichen  Beisassen,  Amanuensen  und  das  weitere 
Dienstpersonal.  Ungeheure  Summen  flössen  in  die  Hände  der  speculativen 
Hoteliers,  Fuhrwerkbesitzer,  Staats-  und  Privatbahnen.  Der  Werth  von  Grund 
und  Boden  stieg  auf  das  Unsinnigste.  Die  Fremden  aus  allen  Classen  der 
Gesellschaft  brachten  eine  Fülle  von  Geld  in  Umlauf,  welcher  mit  K.'s  Ab- 
gang natürlich  erkaltete  und  erlosch.  —  Alle  momentanen  Erfolge  wurden 
von  bereitwilligen  Organen  prunkend  der  Welt  verkündet,  dagegen  die  Unzahl 
der  in  Wörishofen  verpfuschten,  um  die  letzten  Chancen  der  Heilung  ge- 
brachten Fälle  sorgfältig  mit  dem  Mantel  der  Liebe  und  Nachsicht  geborgen, 
Recriminationen  verschwiegen.  Unerschütterlich  fest  und  begleitet  von  einer 
gewissen  Routine  stand  sein  Bewusstsein  von  der  Richtigkeit  seiner  »Wissen- 
schaft«, obwohl  diese  einen  so  massigen  Umfang  hatte,  dass  Vater  K.  bei 
dem  ersten  Rigorosum  einen  glänzenden  Durchfall  erlebt  hätte.  Seine  Er- 
klärung über  das  Entstehen  der  Cholera  oder  die  Genesis  des  überhaupt 
harmonikamässig  dehnbaren  Begriffes  der  Influenza  zeugten  von  einer  mitleid- 


2  20  Kneipp. 

erregenden  Kindlichkeit.  Sein  ganzes  System  gipfelte  in  dem  einzigen  Satze, 
dass  jede  Krankheit  auf  Störungen  des  Blutes  beruhe.  Von  anderen  that- 
sächlichen  Erscheinungen,  wie  z.  B.  einer  Zellenkrankheitslehre,  hatte  er  nicht 
die  geringste  Kenntniss;  er  leugnete  überhaupt  Alles,  was  in  seinen  einmal 
gefundenen  Kram  nicht  passte.  Dass  es  andere,  ebenso  ehrenhafte  Collegen 
mit  ihrer  Weisheit  ebenso  halten,  kann  fiir  K.  nicht  als  Entschuldigung  gelten. 
Sein  apodiktischer  Trugschluss  lautete  mit  reizender  Klarheit:  »Wie  einfach, 
uncomplicirt  und  leicht,  ich  möchte  sagen,  fast  jede  Täuschung,  jeden  Irrthum 
ausschliessend,  ist  die  Heilung,  wenn  ich  weiss,  jede  Krankheit  ruht  in  Störun- 
gen des  Blutes.  Die  Arbeit  der  Heilung  kann  nur  eine  zweifache  Aufgabe 
haben:  entweder  muss  ich  das  ungeordnet  circulirende  Blut  wieder  zum  rich- 
tigen und  normalen  Laufe  zurückkehren  lassen,  oder  ich  muss  die  schlechten 
Säfte  aus  dem  Blute  auszuscheiden  suchen.  Eine  weitere  Arbeit,  die  Kräfti- 
gung des  geschwächten  Organismus  ausgenommen,  giebt  es  nicht.  Das  Wasser, 
im  besonderen  unsere  Wasserkur,  heilt  alle  überhaupt  heilbaren  Krankheiten.« 
Das  war  nichts  Neues.  Das  wusste  schon  der  vorgenannte  Dr.  Hahn  (i6g6 
bis  1773),  dasselbe  hatte  der  schlesische  Bauer  Vincenz  Priessnitz  (1779  bis 
185 1)  verkündet,  von  welchem  eine  ganze  Stufenleiter  mehr  oder  minder 
geistreicher  Wasserärzte  bis  zu  Vater  K.  ihre  Thätigkeit  übten.  Wie  jeder 
Heilkünstler  zählte  K.  nur  seine  Erfolge;  wobei  die  gegenseitig  unbewusst 
mitspielende  Suggestion  nie  in  Betracht  kam.  Gegentheilige  Fälle  kümmerten 
ihn  nicht;  warum  waren  die  Heilsuchenden  nicht  früher  zu  ihm  gekommen, 
weshalb  hatten  sie  sich  auch  überhaupt  mit  solchen  Uebeln  eingelassen,  wo- 
gegen Barfussgehcn,  Aufgüsse,  Theil-  und  Sturzbäder  und  selbst  der  »spanische 
Mantel«  nichts  mehr  vermochten.  Dass  nicht  für  Alles  Hülfe  sei,  wussten 
schon  die  alten  Griechen  und  die  Gelehrten  von  Salerno.  Sein  System  war 
richtig,  zum  Scrupuliren  hatte  er  überhaupt  keine  Zeit;  was  weiter  geschah, 
lag  über  seiner  Sehweite,  da  ihn  ja  häufig  der  nächsUiegende  Augenschein 
täuschte.  Also  Wvat  sequensl  Man  denkt  unwillkürlich  an  das  Mephistophe- 
lische: »Der  Geist  der  Medicin  ist  leicht  zu  fassen!«  Geist  war  übrigens  in 
Wörishofen  nicht  viel  in  Circulation.  Auf  seinen  Wanderzügen  und  Ortsvor- 
trägen hielt  ein  hausbackener  Witz  und  urwüchsiger  Humor  immer  die  Lacher 
auf  seiner  Seite.  Am  liebsten  geissei te  er  unsere  den  wahren  Anforderungen 
der  Natur  abgewendete  Lebensweise,  drang  wie  J.  J.  Rousseau  zur  Rückkehr 
auf  entsprechendere  Atzung  und  Kleidung,  donnerte  gegen  den  Luxus  der 
»Mannen  und  Weiberleute«,  insbesondere  gegen  Corset  und  Frauenbeinkleid. 
Er  amüsirte  sein  bescheidenes  Publikum  köstlich.  Und  das  genügte.  Dazu 
passte  auch  der  wohlwollende,  trockene  Ausdruck  dieses  ächten,  vergnüglichen 
Schwabenkopfes.  Wenn  er  schwieg,  zeigte  seine  Physiognomie  etwas  Hauben- 
stockartiges,  ein  P^indruck,  welchen  alle  Büsten,  Oelbilder,  Zeichnungen  und 
Photographien  getreulich  wiedergeben.  Bewundemswerth  bleibt  seine  Aus- 
dauer und  Arbeitskraft.  Fanatismus  hegte  er  keinen,  nicht  einmal  für  Giess- 
kanne  und  Malzkaffee;  was  von  Conversionen  in  Wörishofen  erzählt  wird, 
gehört  in  das  Bereich  der  Mythenbildung,  welche  über  Kneipp  mit  geschäf- 
tiger Hand  unnöthig  zu  walten  begann.  Neben  seiner  nicht  unerheblichen 
priesterlichen  Amtirung  widmete  K.  viele  Sorgfalt  und  Mühe  der  Landwirth- 
schaft:  Futterbau,  Verbesserung  und  Pflege  der  Wiesen,  Bereitung  des  Düngers, 
Viehzucht  und  Bienenpfiege  fanden  an  ihm  einen  sorgfältigen  Anwalt;  durch 
Wort  und  Schrift  suchte  er  die  bäuerliche  Lage  zu  klären  und  zu  heben. 
»Ehrgeiz    und  Barmherzigkeit,    Rauhheit  und  Milde    mischten  sich  in  seinem 


Kneipp,     Menzel.  2  21 

Wesen«.  Natürlich  passt  auch  auf  ihn  das  Dichterwort,  dass  von  der  Parteien 
Gunst  und  Hass  getrübt  sein  Bild  schwanke:  während  die  Einen  ihn  als 
einen  neuen  Apostel  priesen,  fanden  die  Anderen  keine  passendere  Bezeich- 
nung als  die  eines  Charlatan,  dessen  Thun  und  Treiben  zum  Schaden  der 
menschlichen  Gesellschaft  möglichst  schnell  zu  sistiren  sei.  —  Kneipp's  Vor- 
bild übte  insbesondere  auf  den  jüngeren  Clerus  eine  stark  oscillirende  Wir- 
kung, welcher  neuestens  das  Augsburger  Diöcesan- Blatt  einen  warnenden 
Dämpfer  entgegensetzte.  —  Kneipp  erlag  einer  von  ihm  nie  diagnosticirten 
Leberkrankheit.  Wenn  man  ihm  auch  seiner  achtenswerthen  Charaktereigen- 
schaften halber  nicht  Feind  sein  konnte,  so  muss  man  doch  seinen  unwissen- 
schaftlichen Dilettantismus  bedauern,  welcher  über  eine  gewisse  einseitige 
Autodidaxie  niemals  hinauskam.    Die  Zahl  der  pro  und  contra  angewachsenen 

Tagesliteratur  ist  unübersehbar. 

Werke  s.  Börsenblatt  f.  d.  deutsch.  Buchhandel.  1897.  No.  151. 

Hyac.  Holland. 

Menzel,  Karl,  Historiker,  *  am  3.  November  1835  ^^  Speyer,  f  am 
IG.  Mai  1897  zu  Bonn.  . —  Ordentl.  Professor  der  Geschichte  und  historischen 
Hilfswissenschaften  an  der  genannten  rheinischen  Hochschule  ist  M.  nach 
längerem  Leiden  gestorben.  Einer  angesehenen  bayerischen  Beamtenfamilie 
entstammt,  bezog  er  nach  dem  Besuch  der  Gymnasien  Bayreuth  und  Speyer 
1855  die  Universität  München,  wo  bald  v.  Sybel  durch  Vorlesungen  und 
Seminar  eine  bedeutende  Anziehungskraft  auf  ihn  ausübte.  Der  gefeierte 
akademische  Lehrer  fand  an  dem  frischen,  lebensfrohen,  für  jede  höhere  An- 
regung empfänglichen  Corpsstudenten  ein  grosses  Wohlgefallen.  Wie  er  ihm 
seine  Gunst  bis  an  das  Lebensende  in  besonderem  Maasse  bewahrte,  so  blieb 
auch  M.  seinem  Gönner  in  unwandelbarer  Treue  ergeben.  Unter  dem  Druck 
politischer  Verstimmungen  folgte  v.  Sybel,  als  Kleindeutscher  und  »Neuberu- 
fener« in  München  missliebig  geworden,  im  Sommer  1861  einem  Rufe  nach 
Bonn.  Die  akademische  Jugend  sollte  ihn  nicht  sang-  und  klanglos  abziehen 
lassen,  und  M.  hat  es  mit  seinem  Einfluss  unter  der  Münchener  Studenten- 
schaft durchgesetzt,  dass  —  fast  wie  als  Demonstration  —  dem  gefeierten 
Lehrer  ein  glänzender  Fackelzug  dargebracht  wurde. 

Der  Plan,  sich  zu  habilitiren,  führte  M.  im  Jahre  1865  nach  Erlangen; 
aber  bevor  es  dazu  kam,  wurde  ihm  im  Frühjahr  1866  die  Stelle  eines 
Secretärs  am  Grossherzoglichen  Staatsarchiv  zu  Weimar  übertragen,  und  damit 
eine  ihm  sehr  zusagende  Laufbahn  eröffnet.  Hier  gründete  er  denn  auch 
seinen  mit  Kindern  reich  gesegneten  Hausstand.  Als  auf  v.  Sybel's  Antrag 
eine  ordentliche  Professur  für  Geschichte  und  historische  Hilfswissenschaften 
in  Bonn  gegründet  wurde,  hatte  es  M.  seiner  Empfehlung  zu  danken,  dass 
ihm  dieser  Lehrstuhl  1873  übertragen  wurde.  Den  speciellen  Lehrauftrag  für 
historische  Hilfswissenschaften  führte  er  so  gewissenhaft  aus,  dass  er  in  jedem 
Semester  Paläographie  oder  Diplomatik  oder  Chronologie  oder  Quellenkunde 
des  deutschen  Mittelalters,  sei  es  in  Vorlesungen,  sei  es  im  Seminar,  behan- 
delte, und  dass  er  von  Streifzügen  in  andere  Gebiete  des  historischen  Studiums 
mit  der  Zeit  ganz  und  gar  absah.  Er,  der  lebhaft  empfindende,  leicht  ge- 
staltende und  redegewandte  Süddeutsche,  mag  die  Selbstbeschränkung,  die  er 
damit  seiner  akademischen  Wirksamkeit  auferlegte,  wohl  als  Entsagung  ge- 
fühlt haben,  aber  mit  seinem  klaren  Verstand,  seinem  ruhigen  Blick  und 
seinem  nüchternen  Urtheil  hat  er  sich  frühzeitig  die  Grenzen  gezogen,  inner- 
halb deren  er  seinen  Amtspflichten  genügen  wollte. 


2  2  2  Menzel. 

Der  Lehrberuf  Hess  dem  arbeitsfrohen  Manne  Müsse  zu  ausgedehnter 
schriftstellerischer  Thätigkeit.  Noch  in  seine  Münchener  Zeit  fällt  die  preis- 
gekrönte Arbeit  »Kurfürst  Friedrich  der  Siegreiche  von  der  Pfalz  und  seine 
Beziehungen  zum  Reiche  und  zur  Reichsreform  1454  bis  1464.«  München 
1861.  Er  war  um  diese  Zeit  Mitarbeiter  bei  der  Redaction  der  Deutschen 
Reichstagsakten,  in  der  strengen  Weizsäcker' sehen  Schule  hat  er  viel  gelernt, 
und  häufige  und  langandauemde  Reisen  in  deutsche  und  auswärtige  Archive 
haben  seiner  entschiedenen  Befähigung  für  die  Beschäftigung  mit  dem  archi- 
valischen  Material  reichlich  Nahrung  geboten.  Ueberall,  wo  er  erschien,  ver- 
schaffte ihm  sein  anspruchsloses,  munteres  und  ungezwungenes  Auftreten  und 
der  Eifer  für  seine  Mission  Freunde  und  Förderung.  Noch  in  den  späteren 
Lebensjahren  unternahm  er,  wenn  auch  manchmal  unter  körperlichen  Be- 
schwerden, mit  besonderer  Vorliebe  Archivreisen.  Anlass  hiezu  boten  ihm 
die  Unternehmungen  der  Gesellschaft  für  rheinische  Geschichtskunde,  zu  deren 
kundigsten  und  eifrigsten  Mitgliedern  er  von  ihrer  Gründung  an  gehörte. 
Nachdem  er  an  der  Herausgabe  der  Ada- Handschrift  thätigen  Antheil  ge- 
nommen, sammelte  und  bearbeitete  er  die  älteren  rheinischen  Urkunden  bis 
zum  Jahre  900,  die  er  denn  auch  dem  Abdruck  sehr  nahe  gebracht  hat; 
weit  vorgeschritten  sind  ferner  seine  erzbischöfiich  kölnischen  Regesten.  Von 
längerer  Zeit  her  datiren  seine  Vorbereitungen  zur  Herausgabe  eines  zweiten 
Bandes  des  Codex  diplomaticus  Nassoicus.  Urkunden  und  Acten  —  dies 
war  so  recht  seine  Domäne,  und  dieses  Merkmal  tragen  mehr  oder  weniger 
auch  seine  darstellenden  Werke.  Es  traf  sich,  dass  er  —  abgesehen  von  einer 
1868  erschienenen  kürzeren  Monographie  über  »Diether  von  Isenburg,  Erz- 
bischof von  Mainz,  1459 — 1463«  —  die  Arbeiten  Anderer  fortsetzte,  wie 
Schliephake's  Geschichte  von  Nassau,  die  er  mit  Bd.  5,  6  und  7  bis  zum 
Jahre  1816  weiterführte  (Wiesbaden  1879.  ^4-  ^9)>  ^^^  ^^  ^"^  ^^^  ergänzt 
und  berichtigt  druckfertig  machte,  wie  Knochenhauer's  Geschichte  Thüringens 
(1039 — 1247).  Gotha  1871;  oder  erst  aus  dem  gesammelten  Rohmaterial  zu- 
sammenstellte und  der  Presse  übergab,  wie  den  literarischen  Nachlass  des  pfälzi- 
schen Dekans  Schwartz,  aus  dem  —  mit  Recht  unter  M.'s  Namen  —  die  Schrift 
»Wolfgang  von  Zweibrücken,  Pfalzgraf  bei  Rhein  1526 — 1569.  München  1893* 
in  die  Oeffentlichkeit  trat.  Diesen  zum  Theil  sehr  umfangreichen  Arbeiten 
soll  die  Anerkennung  nicht  versagt  werden,  dass  sie,  die  ihrem  Herausgeber 
Entsagung  und  Mühe  in  reichem  Maasse  brachten,  geschickt  und  umsichtig 
ausgeführt  sind  und  die  Forschung  mit  viel  Material  und  neuen  Erkenntnissen 
bereichern.  Neben  ihnen  darf  aber  die  Abhandhmg  ȟber  Ordnung  und  Ein- 
richtung der  Archive«  (Historische  Zeitschrift  22,  225 — 256)  nicht  vergessen 
werden,  mit  welcher  der  Verfasser  die  Aufgabe,  die  er  sich  gestellt,  so  trefflich 
gelöst  hat,  dass  man  fast  bedauern  möchte,  dass  dieser  Mann  mit  seinem  gesunden 
Menschenverstand,  Ordnungssinn  und  praktischen  Geschick,  seiner  Gelehrsam- 
keit und  seinem  wissenschaftlichen  Eifer  nicht  dem  Archivdienst  erhalten  blieb. 

Das  Bild,  das  wir  von  dem  Verewigten  zu  entwerfen  versuchten,  wäre 
unvollständig,  wenn  wir  nicht  auch  des  tapferen  Patrioten  gedächten,  des 
beredten  und  zu  jedem  Opfer  bereiten  Vorkämpfers  der  nationalen  Sache  in 
den  Rheinlanden.  Aber  nur  um  die  Sache  kämpfte  er:  für  das  neue  deutsche 
Reich,  für  die  Freiheit  der  religiösen  Ueberzeugung  und  für  das  Recht  des 
freien  Wortes.  Hasserfiilltes,  die  Personen  befehdendes  Parteitreiben  lag  seinem 
Wesen  fem,  in  welchem  Lauterkeit,  Geradheit  und  Wohlwollen  die  Grund- 
züge bildeten.  Kerl  er. 


Martiny.     Hirschbcrger.     Herz.  223 

Martiny,  Friedrich,  ♦  18 19,  f  am  7.  April  1897  in  Danzig.  —  Ein 
Achtundvierziger.  Als  Stadtrichter  in  Friedland  (Westpreussen)  wurde  er  in 
das  Frankfurter  Parlament  gewählt,  schloss  sich  der  äussersten  Linken  an, 
hielt  beim  Stuttgarter  Rumpfparlament  aus,  wurde  wegen  Hochverrath  an- 
geklagt und  nach  einer  Untersuchungshaft  von  19  Monaten  vom  Schwur- 
gericht in  Konitz  freigesprochen.  Er  wurde  dann  zum  Kreisrichter  in  Kau- 
kehmen  ernannt  und  im  Jahre  1861  in  das  Abgeordnetenhaus  gewählt. 
Hier  Hess  er  sich  für  die  Ideen  des  damals  noch  ziemlich  isolirt  da- 
stehenden Lassalle  gewinnen,  nach  welcher  das  Abgeordnetenhaus  die  Regie- 
rung zur  Nachgiebigkeit  im  Militärconflict  dadurch  zwingen  könne  und  solle, 
dass  .es  seine  Thätigkeit  völlig  einstelle.  Da  er  in  der  Partei  keine  Genossen 
für  diese  Ansichten  fand,  legte  er  am  10.  Februar  1862  sein  Mandat  (für 
Memel-Heydekrug)  nieder.  Man  betrachtete  ihn  seitdem  als  Anhänger  der 
Socialdemokratie  und  Lassalle  wies  ihm  in  seinem  Testament  eine  erhebliche 
Rolle  zu.  M.  zog  sich  aber  vom  öffentlichen  Leben  völlig  zurück.  Er  wurde 
1869  Rechtsanwalt  in  Danzig  und  1879  Vorsitzender  der  Westpreussischen 
Anwaltskammer. 

Alexander  Meyer. 

Hirschbcrger,  Traugott,  ♦  1811  in  Lampersdorf,  Kreis  Frankenstein 
(Schlesien),  f  am  13.  Februar  1897  in  Lübbenau.  Freisinniger  Abgeordneter.  — 
Besuchte  die  Volksschule  und  erlernte  das  Mtillerhandwerk.  Durch  eifriges 
Selbststudium  brachte  er  es  so  weit,  dass  er  das  Mühlenbauwesen  mit  eigenen 
Arbeiten  fördern  und  technischen  Unterricht  an  der  Handwerker-Fortbildungs- 
schule ertheilen  konnte.  Er  wurde  zum  Mitglied  der  Prüfungskommission  für 
Bauhandwerker  ernannt.  Von  1861  bis  1866  gehörte  er  dem  Abgeordneten- 
hause für  den  Wahlkreis  Kottbus-Spremberg  und  von  1881  bis  1884  dem 
Reichstage  für  denselben  Wahlkreis  an.  Noch  als  achtzigjähriger  Greis  hat 
er  in  Vorträgen  politischen  und  technischen  Inhalts  unermüdlich  gewirkt.  Bei 
der  Feier  der  Eröffnung  des  neuen  Reichstagshauses  war  er  der  jugendfrische 
Senior  unter  den  Anwesenden. 

Alexander  Meyer. 

Herz,  Karl,  bayerischer  Jurist  und  Abgeordneter,  ♦  am  21.  December 
1831  in  Würzburg,  f  am  8.  Mai  1897  in  Aschaffenburg.  —  Studirte  in  Heidel- 
berg und  Würzburg  Jura,  arbeitete  an  der  Staatsanwaltschaft  in  Aschaffenburg 
und  München,  wurde  1868  Bezirks-  und  Landgerichtsrath  in  Nürnberg,  im 
August  1883  Landgerichtspräsident  in  Aschaffenburg,  starb  im  Pensionsstande. 

Seit  dem  Jahre  1869  gehörte  er  dem  bayerischen  Abgeordnetenhause  an 
und  schloss  sich  der  Fortschrittspartei  an.  In  den  Reichstag  wurde  er  1871 
für  Eichstädt,  einen  überwiegend  katholischen  Wahlkreis,  1874  für  Berlin  III, 
1877  für  Ansbach,  1881  für  Forchheim  gewählt.  Dem  in  Folge  der  Auf- 
lösung von  1878  gewählten  Reichstage  hat  er  nicht  angehört.  Im  August 
1883  legte  er  in  Folge  von  Beförderung  im  Dienste  sein  Mandat  für  immer 
nieder. 

Die  Fortschrittspartei  zählte  ihn  zu  ihren  hervorragenden  Mitgliedern. 
Sie  designirte  ihn  zum  Schriftführer  des  Reichstags  und  wählte  ihn  1877  in 
einen  Ausschuss  von  zehn  Mitgliedern,  der  eine  programmatische  Erklänmg 
der  Partei  festzustellen  hatte.  Als  er  im  Jahre  1874  in  Eichstädt  durch- 
gefallen   war,    empfahl    ihn  Hoverbeck  in  einem  sehr  eindringlich  gehaltenen 


2  24  Herz.     Grillenberger.     Zinn. 

Briefe  für  eine  Nachwahl  in  Berlin  an  seiner  eigenen  Stelle,  da  er  ftir  einen 
ostpreussischen  Wahlbezirk  angenommen  hatte.  Und  als  er  hier  gewählt  war, 
wurden  in  seinem  alten  Wahlkreise  Freudenfeuer  angezündet. 

Seine  wichtigste  Thätigkeit  entfaltete  er  als  Mitglied  der  Commission  für 
die  Justizgesetze.  Er  trat  im  Plenum  ein  ftir  den  nichtconfessionellen  Eid 
(20.  November  1876),  für  die  Befugniss  des  Gerichts,  einstimmig  einen  Schuld- 
spruch der  Geschworenen  zu  kassiren  (i.  December  1876),  fiir  die  Zuständig- 
keit der  Geschworenen  in  Presssachen  (19.  December  1876),  für  die  Be- 
schränkung der  Militärgerichte  im  Frieden  auf  Dienstvergehen  der  Militär- 
personen (21.  December  1876). 

Alexander  Meyer. 

Grillenberger,  Karl,  *  am  22.  Februar  1848  in  Zirndorf  in  Bayern,  f  ^"" 
19.  October  1897  in  Nürnberg.  Socialdemokratischer  Abgeordneter  und  Re- 
dakteur. —  Besuchte  die  Volksschule,  lernte  das  Schlosserhandwerk  und  arbei- 
tete zeitweise  in  der  Gewehrfabrik  zu  Nürnberg.  Seit  1875  im  Sinne  der 
Socialdemokratie  publicistisch  thätig,  tibernahm  er  später  die  Redaktion  der 
PVankfurter  Tagespost  in  Nürnberg.  Seit  1881  bis  zu  seinem  Tode  gehörte 
er  dem  Reichstage  als  Abgeordneter  für  Nürnberg  an,  war  auch  Mitglied  des 
bayerischen  Abgeordnetenhauses. 

Er  war  ein  markiger  Redner,  der  sich  auch  in  den  der  Arbeiterversiche- 
rung betreffenden  Fragen  ein  tüchtiges  Wissen  angeeignet  hatte. 

Alexander  Meyer. 

Zinn,  August,  ♦  am  20.  August  1825  zu  Bbesheim  in  der  bayerischen 
Pfalz,  f  am  17.  November  1897  zu  Eberswalde.  Irrenarzt,  zeitweise  Reichs- 
tagsabgeordneter. —  Z.  war  der  Sohn  eines  mit  Kindern  reich  gesegneten 
Pfarrers,  den  er  frühzeitig  verlor.  Er  wurde  für  das  Forstfach  bestimmt  und 
hatte  es  schon  zu  einer  mit  kleinem  Gehalt  ausgestatteten  Beamtenstelle  ge- 
bracht, als  das  Jahr  1849  ^^^  ^^  ^^^  Strudel  der  Revolution  zog.  Er  musste 
in  die  Schweiz  flüchten  und  nahm  hier  mit  Unterstützung  einiger  Gönner  das 
Studium  der  Medicin  auf.  Er  Hess  sich  1858  als  praktischer  Arzt  in  Thal- 
weil, Kanton  Zürich,  nieder  und  heirathete  seine  Jugendgeliebte  Anna  Haas. 
Kleine  Schriften,  die  er  über  irrenärztliche  Themata  geschrieben  hatte,  ver- 
anlassten, dass  er  zum  Direktor  der  Irrenanstalt  zu  St.  Pirminsberg  (St.  Gallen) 
berufen  wurde,  um  deren  Entwickelung  er  sich  hohe  Verdienste  erworben. 
Im  Jahre  1867  wurde  er  Ehrenbürger  der  Stadt  und  des  Kantons  St.  Gallen. 
Im  Jahre  1872  wurde  er  als  Chefarzt  und  Direktor  an  die  Landesirrenanstalt 
Eberswalde  (Provinz  Brandenburg)  berufen  und  war  fünfzehn  Jahre  als  Re- 
ferent der  Brandenburgischen  Pro vinzial Verwaltung  thätig,  in  der  er  das  Me- 
dicinalwesen  bearbeitete.  Obwohl  seine  literarische  Thätigkeit  gering  war, 
hatte  er  sich  doch  in  weiten  Kreisen  den  Ruf  eines  sehr  tüchtigen  Medicinal- 
beamten  erworben. 

Von  1874  bis  1881  vertrat  er  den  Kreis  Kirchheim-Bolanden  im  Reichs- 
tag. Seine  Thätigkeit  war  hier  dadurch  bemerkenswerth,  dass  er  der  einzige 
Nicht- Jurist  war,  der  in  die  Commission  zur  Berathung  der  Justizgesetze  (Ge- 
richtsverfassung, Civil-  und  Strafpro cessordnung)  gew^ähH  wurde.  Er  leistete 
gute  Dienste  bei  allen  den  Kapiteln,  die  ärztliche  Kenntnisse  in  Anspruch 
nahmen,  allein  er  arbeitete  sich  in  das  ganze  Thema  so  vorzüglich  ein,  dass 
er  schliesslich  auch  in  rein  juristischen  Fragen  für  voll  genommen  wurde. 


Zinn.     Petri. 


225 


Er  hatte  sich,  getreu  seinen  Jugenderinnerungen,  ursprünglich  der  Fort- 
schrittspartei angeschlossen,  allein  als  Fürst  Bismarck  eine  neue  handelspoliti- 
sche Aera  in  das  Leben  rief,  zeigte  es  sich,  dass  Z.  Schutzzöllner  durch  und 
durch  war.  Seine  alten  Freunde  brachen  mit  ihm  und  er  hielt  es  nach  kur- 
zem Schwanken  gerathen,  sich  aus  dem  parlamentarischen  Leben  gänzlich 
zurückzuziehen.     Ein  langwieriges  Leiden  machte  seinem  Leben  ein  Ende. 

Schriften  und  Aufsätze:  Ueber  die  Cholera  in  Zürich;  über  die  Masernepidemie 
in  Thalweil  bei  Zürich;  über  das  öffentliche  Irrenwesen  im  Kanton  Zürich  1850;  über  die 
Staatsaufsicht  in  den  Irrenanstalten,  1877;  über  die  Stellung  des  Geistlichen  an  der  Irren- 
anstalt, 1880;  über  die  Versorgung  geisteskranker  Verbrecher,  1882;  über  die  Öffentliche 
Irrenpflege  in  Preussen,  1884;  über  Psychiatrie  und  Seelsorge,  1893;  zur  Reform  des  Irren- 
wesens in  Preussen  und  das  Verfahren  in  Entmündigungssachen  von  Geisteskranken,  1893; 
zur  Frage  der  Reform  des  Irrenwesens,  1895,  —  Ueber  ihn:  Zeitschrift  für  Psychiatrie,  1898. 

Alexander  Meyer. 

Petri,  Wilhelm  Joseph,  ♦  am  9.  October  1826  zu  Oestrich  im  Rhein- 
gau, f  am  13.  November  1897  in  Cassel.  Vorkämpfer  der  altkatholischen 
Bewegung,  Richter  und  eine  Zeit  lang  Abgeordneter.  —  Er  war  der  Sohn  eines 
Grundbesitzers  und  Oberschultheissen,  erhielt  seine  Schulbildung  in  Wiesbaden, 
Hadamar  und  Weilburg  und  studirte  in  Heidelberg,  Leipzig  und  Bonn.  Im 
Jahre  1848  machte  er  als  Soldat  im  2.  Nassauischen  Infanterie-Regiment  den 
Feldzug  gegen  die  Dänen  mit.  Im  Jahre  1849  promovirte  er  summa  cum 
laude  zum  Dr.  jur.  und  legte  bis  1854  seine  beiden  Staatsprüfungen  ab.  Er 
wurde  nach  der  Annexion  Nassaus  zum  Appellationsgerichtsrath  ernannt  und 
Ende  1881  Senatspräsident  am  Oberlandesgericht  Cassel.  Er  erhielt  1891 
den  Titel  eines  Geheimen  Ober-Justizraths  und  schied  kurz  vor  seinem  Tode, 
mit  hohen  Orden  geehrt,  aus  dem  aktiven  Dienst.  Ein  äusserst  schmerzhaftes 
carcinomöses  Leiden  hatte  ihm  die  letzten  Lebensjahre  verbittert. 

Von  1872  bis  1881  hat  er  den  Stadtkreis  Wiesbaden  im  Preussischen 
Abgeordnetenhause  vertreten,  sich  der  Fortschrittspartei  angeschlossen  und 
sich  hauptsächlich  als  Vorkämpfer  der  altkatholischen  Sache  einen  Namen 
gemacht.  Wesentlich  seiner  Anregung  war  es  zu  verdanken,  dass  das  Alt- 
katholikengesetz erla.ssen  wurde.  Selbstverständlich  wurde  er  die  Zielscheibe 
der  ultramontanen  Angriffe  und  man  hat  ihm  höhnisch  wiederholt  die  Frage 
vorgelegt,  ob  er  denn  —  mit  Ausnahme  des  Unfehlbarkeitsdogmas  —  alle 
übrigen  Dogmen  der  katholischen  Kirche  glaube.  Mit  Recht  hat  er  dieser 
unberufenen  Frage  das  Schweigen  des  Unwillens  entgegengesetzt.  P.  war  ein 
\'iel  zu  lauterer  Charakter,  als  dass  er  in  der  katholischen  Kirche  verharrt 
haben  würde,  wenn  er  nicht  die  Ueberzeugung  gehabt  hätte,  dass  er  mit 
seiner  kirchlichen  Ueberzeugung  das  Recht  gehabt  hätte,  in  ihr  zu  stehen. 
Er  nannte  den  Katholicismus  die  Religion  seiner  Väter  und  sah  in  dem  Un- 
fehlbarkeitsdogma einen  Abfall  von  der  Religion  seiner  Väter  und  er  war  der 
Mann  nicht,  um  zu  lügen.  In  der  Regel  ein  Mann  von  ruhigen  Formen  und 
ein  Gegner  des  leeren  Pathos,  machte  es  einen  grossen  Eindruck,  als  er  die 
Verse  des  Pseudo- Walther  von  der  Vogel  weide  recitirte: 

Wer  zagt,  dass  er  des  Himmels  fehle, 
Der  beuge  sich  des  Bannes  Reich, 
Ich  fürchte  Nichts  für  meine  Seele, 
Steh'  ich  zu  Kaiser  und  zu  Reich. 

Im  Jahre  1877  trat    er    aus   der  Fraktion  der  Fortschrittspartei  aus  und 
wurde  »wild«.    Gründe  für  diesen  Schritt  hat  er  nicht  angegeben ;  es  lässt  sich 

Blogr.  Jahrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.    2.  Bd.  I  c 


2  26  Petri.     Engelhorn.     Janke. 

vermuthen,  dass  ihm  auch  hier  einige  Dogmen  aufgezwängt  werden  sollten, 
die  er  verwarf,  obwohl  er  an  der  Politik  seiner  Väter,  dem  Liberalismus, 
festhielt. 

Durch  eine  erste  sehr  kurze  Ehe  wurde  P.  der  Schwager  des  Cultur- 
historikers  Riehl  und  wurde  durch  diesen  veranlasst,  in  der  Augsburger  All- 
gemeinen Zeitung  und  in  den  Annalen  des  Nassauischen  Alterthumsvereins 
einige  Aufsätze,  darunter  einen  über  die  Niederlage  der  Rheingauer  Bauern 
bei  dem  Wachholderhof  (im  Bauernkriege)  zu  schreiben.  Aus  einer  zweiten 
Ehe  mit  einem  Fräulein  Hilf  hinterliess  er  zahlreiche  Kinder. 

P.  war  ein  Mann  von  grosser  körperlicher  und  geistiger  Energie,  ein 
rüstiger  Bergsteiger.  Nebenher  einer  der  besten  Kenner  und  Käufer  rheini- 
scher Weine,  vor  dem  selbst  Karl  Braun  seine  Klinge  neigte.  Dieser  Cha- 
rakterzug gehört  noth wendig  zu  seinem  Bilde.  Seines  Umganges  konnte  man 
sich  erfreuen,  wie  eines  edlen  firmen  Weines.  So  war  Festigkeit  und  Milde 
in  seinem  Wesen  gepaart.  Um  eine  grössere  und  längere  Rolle  im  politischen 
Leben  zu  spielen,  fehlte  ihm  der  Ehrgeiz;  er  trat  hervor,  so  lange  Pflicht  und 
Gewissen  es  ihm  gebot. 

Alexander  Meyer. 

Engelhorn,  Julius,  Buchhändler,  *  am  4.  Juni  18 18  in  Mannheim,  f  am 
10.  Mai  1897  in  Stuttgart.  —  E.  war  lange  Jahre  hindurch  im  kaufmännischen 
Berufe  thätig  und  machte  sich  als  Verlagsbuchhändler  erst  im  Jahre  1860  in 
Stuttgart  selbständig.  Durch  Gründung  der  gediegenen  Kunstzeitschrift  »Ge- 
werbehalle« und  ähnliche  zeitgemässe  Unternehmungen  erzielte  er  bald  grosse 
Anerkennung  und  Erfolge.  Ausserordentlich  günstige  Aufnahme  und  Ver- 
breitung fand  das  1884  gegründete  Unternehmen:  »Engelhom's  Romanbiblio- 
thek«, eine  Sammlung  neuer  gediegener  Romane  und  Novellen  in  gleichmässigen, 
äusserst  billigen  Ausgaben.  Allen  Vorgängen  im  Buchhandel  schenkte  er  das 
lebhafteste  Interesse  und  machte  in  engeren  und  weiteren  Kreisen  um  das 
Gemeinwohl  des  Standes  in  hohem  Grade  sich  verdient.  —  Besitz  und  Lei- 
tung des  Geschäftes  gingen  1890  in  die  Hände  seines  Sohnes  und  langjährigen 
Theilhabers  Karl  Engelhorn,  Mitgliedes  des  Börsenvereins- Vorstandes,  über. 

Vergl.  Börsenblatt  f.  d.  deutsch.  Buchh.   1897,  No.  108. 

H.  Ellissen. 

Janke,  Richard,  Buchhändler,  *  1852  in  Berlin,  f  am  21.  August  1897 
ebenda.  —  J.  absolvirte  das  Gymnasium  und  erlernte  bei  Fr.  Frommann  in 
Jena  den  Buchhandel.  Später  widmete  er  sich  kurze  Zeit  dem  Bankfach, 
dann  ausschliesslich  dem  Musik alienhandel.  Nachdem  er  diesen  bei  Martin 
Bahn  in  Berlin  näher  kennen  gelernt  und  die  Sulzer'sche  Handlung  in  Biele- 
feld einige  Zeit  geleitet  hatte,  erwarb  er  die  Schmid'sche  Hofmusikalienhand- 
lung in  München,  trat  jedoch  nach  mehreren  Jahren  auf  Wunsch  seines  Vaters 
und  Bruders  in  das  hochangesehene  väterliche  Verlagsgeschäft  Otto  Janke  ein 
und  wurde  1883  dessen  Mitinhaber.  Nach  dem  Ausscheiden  des  Begründers 
(1885)  führte  er  es  bis  zu  seinem  Tode  gemeinschaftlich  mit  seinem  älteren 
Bruder  Dr.  Gustav  Janke  in  erfolgreicher  Weise  fort.  —  Im  Privatleben 
pflegte  J.  eifrig  die  Musik.  Sein  heiteres  Wesen  machte  ihn  beliebt  in  einem 
grossen  Kreise  seiner  Collegen. 

Vergl.  Börsenblatt  f.  d.  deutsch.  Buchh.   1897.  No.  196  u.  260. 

H.  Ellissen. 


Koch.     Koehler.  227 

Koch,  Eduard  Friedrich,  Buchhändler,  *  am  10.  Juli  1838  zu  Gross- 
aspach, Oberamt  Backnang,  in  Württemberg,  als  ältester  Sohn  des  Pfarrers 
Koch,  t  am  30.  November  1897  in  Stuttgart.  —  Seit  1847  besuchte  er  das 
Gymnasium  in  Heilbronn,  wohin  sein  Vater  versetzt  war.  Mit  16  Jahren  ver- 
liess  er  die  Schule,  um  sich  dem  Buchhandel  zu  widmen,  den  er  in  Heidel- 
berg erlernte.  Später  war  er  in  Braunschweig,  Leipzig  und  Freiburg  i.  Br. 
thätig.  Schon  damals  betrieb  er  nebenbei  eifrig  das  Studium  der  Natur- 
wissenschaften, besonders  das  der  Geologie,  und  legte  den  Grund  zu  einer 
späteren  grossartigen  paläontologischen  Sammlung.  1867  übernahm  er  die 
1826  gegründete  Schweizerbart'sche  Verlagshandlung  und  Druckerei  in  Stutt- 
gart. Während  der  Verlag  bisher  Schriften  des  verschiedensten  Inhalts  um- 
fasst  hatte,  pflegte  K.  fast  nur  den  naturwissenschaftlichen  Verlag.  So  ver- 
legte er  u.  a.  die  Schriften  von  Darwin  in  der  Uebersetzung  von  J.  V.  Carus, 
die  in  20  Nummern  43  Bände  umfassen  und  etwa  300  M.  kosten.  Welche 
Dienste  er  aber  besonders  der  Paläontologie  leistete,  beweisen  die  in  vielen 
Bänden  vorliegenden  »Paläontographica,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Vorzeit« 
im  Werthe  von  beinahe  3000  M.  Die  ftir  diese  u.  a.  seiner  naturwissen- 
schaftlichen Zeitschriften  vielfach  nöthigen  Abbildungen  trugen  wesentlich  zur 
Förderung  der  modernen  Reproductionsverfahren  bei.  Er  bekleidete  Ehren- 
und  Vertrauensposten  im  Verein  für  vaterländische  Naturkunde  und  im  Würt- 
tembergischen anthropologischen  Verein.  Auch  sein  Interesse  fiir  das  Gemein- 
wohl des  Buchhandels  hat  er  vielfach  an  den  Tag  gelegt. 

Vergl.  Medicinisches   Correspondenzblatt  des  WUrttembergischen   ärztlichen   Landes- 
vereins,  abgedruckt  im  Börsenblatt  f.  d.  deutsch.  Buchh.   1897.  No.  300. 

H.  Ellissen. 

Koehler,  Karl  Franz,  Buchhändler,  *  am  22.  August  1843  als  der  älteste 
Sohn  des  zweiten  Inhabers  des  grossen  Buchhändlerhauses  K.  F.  Koehler, 
Franz  Koehler  in  Leipzig,  f  am  5.  August  1897  in  Bonn.  —  Nach  strenger 
väterlicher  Erziehung,  bestand  er  eine  vierjährige  Lehrzeit  bei  Vandenhoeck 
&  Ruprecht  in  Göttingen.  Später  in  den  berühmten  Buchhandlungen  Dulau 
&  Co.  in  London,  Otto  Lorenz  in  Paris  und  Wilhelm  Braumüller  &  Sohn  in 
Wien  als  Gehilfe  thätig,  hatte  er  Gelegenheit,  seine  geschäftlichen  Kenntnisse 
in  ungewöhnlicher  Weise  zu  bereichern.  1867  trat  er  in  das  bereits  1789 
gegründete  väterliche  Geschäft  ein,  das  schon  damals  zu  den  bedeutendsten 
Leipziger  Commissions-Buchhandlungen  gehörte,  und  mit  einem  nicht  minder 
angesehenen  Antiquariat  verbunden  war;  1881  aber  wurde  es,  nachdem  1873 
das  Commissionsgeschäft  in  den  Alleinbesitz  von  Karl  Franz  übergegangen 
war,  während  sein  Bruder  Hugo  das  Antiquariat  übernommen  hatte,  noch 
wesentlich  veigrössert  durch  Erwerbung  des  Hermann  Fries' sehen  Commissions- 
geschäfts.  In  dem  1880/81  von  K.  erbauten  palastartigen  Hause  an  der 
Stephanstrasse  eröffnete  er  1887/88  ein  bald  zu  höchstem  Ansehen  gelangen- 
des Baarsortiment,  das  die  sofortige  Lieferung  aller  gangbaren  Verlagsartikel, 
meist  in  gebundenem  Zustande  und  zu  den  Verlagsnettopreisen,  an  die  Sorti- 
mentshandlungen vermittelt.  Eine  grössere  Anzahl  alljährlich  und  semester- 
weise veröffentlicher  gediegener  Cataloge  legt  Zeugniss  ftir  die  hohe  Bedeu- 
tung dieses  Geschäftszweiges  ab.  Die  gewaltige  Ausdehnung  des  Geschäftes 
führte  zur  Errichtung  eines  noch  grösseren,  ein  ganzes  Strassenviertel  am 
Täubchenweg  bedeckenden  Geschäftshauses,  das  1894  bezogen  wurde.  Unter 
fast  unaufhörlichen  Aufregungen  und  Anstrengungen  leider  schon  seit  Jahren 

15* 


228  Koehler.     Rupp.    Walch. 

erkrankt,  suchte  K.  zuletzt  in  Bonn  Heilung  von  einem  periodisch  wieder- 
kehrenden qualvollen  Uebel.  Am  8.  August  wurde  er  in  der  mit  herrlichen 
Reliefs  von  Kaffsack  geschmückten  Familiengruft  unter  unabsehbarem  Gefolge 
zur  Ruhe  bestattet. 

Vergl.  Börsenblatt  für  den  deutschen  Buchhandel  1897.  No.  181,  183,  197  und  Da- 
heim 1897,  No.  48  (mit  Portr.).  jj    Ellissen. 

Rupp,  Adolf,  Architekt,  ♦  am  14.  März  1843  als  Sohn  eines  griechischen 
Militärspitalverwalters  in  Athen,  f  am  15.  Mai  1897  zu  München.  —  R.  kam 
dreizehnjährig  zu  seiner  Ausbildung  nach  Deutschland,  wo  er  die  Realschule 
zu  Augsburg  und  dann  das  Polytechnikum  in  München  besuchte.  R.  begann 
seine  Praxis  als  Ingenieur  der  bayerischen  Staatseisenbahnen,  ging  als  Ober- 
ingenieur nach  Rumänien  und  Oesterreich,  kehrte  1875  ^^^^  Bayern  zurück 
und  Hess  sich  1888  in  München  als  Ingenieur  und  Baumeister  nieder,  wo  er 
verschiedene  grössere  Privatbauten  ausführte,  zuletzt  das  mustergilt  ige,  eine 
Sehenswürdigkeit  ersten  Ranges  bildende  »Kaufhaus  Böhmler«,  welches  im 
März  1897  vollendet  wurde.  Doch  schon  am  15.  Mai  endete  der  Tod  die 
vielseitige  Thätigkeit  des  merkwürdigen  Mannes. 

Vergl.  No.  74   »Allgemeine  Zeitung«  vom    15.  März  1897   und  No.  227  »Münchener 

Neueste  Nachrichten«  vom  18.  Mai   1897.  tt  tt    n        j 

^'  Hyac.  Holland. 

Walch,  Emanuel,  Maler,  *  am  28.  August  1862  im  hochgelegenen  Berg- 
dorf Kaisers  in  Tirol,  f  am  25.  August  1897  zu  Toblach.  —  Ein  vorzüglich 
begabter  Künstler,    welcher    trotz  seiner  kurzen  Lebenszeit  doch  schon  einen 
sehr  guten  Namen  erwarb.    In  W.  entwickelte  sich  die  fast  allen  seinen  Lands- 
leuten   eigene   Veranlagung    zur  Kunst    durch    das  Betrachten    von  Kirchen- 
gemälden und  Bücher-Illustrationen.    Die  Neigung,  selbst  Zeichner  und  Maler 
zu  werden,  führte  ihn  alsbald  in  die  Werkstätte  des  in  Vorderhombach  sess- 
haften  Malers  Karle    und    etliche  Jahre    später  an  die  Münchener  Akademie, 
wo  Ludwig  V.  Löfftz  und  insbesondere  Andreas  Müller  das  vielversprechende 
Talent    cultivirten.      Die    nöthige    Unterstützung    boten    einige    wohlgeneigte 
Gönner  und   ein  Stipendium   der  Tiroler  Landesregierung.     W.,  welcher  sich 
der  religiösen  Kunst  zuwendete,  malte  drei  Oelbilder  für  die  Kirche  zu  Mün- 
ster (Unterinnthal),  mehrere  Fresken  in  der  Kirche  zu  Vomp,  auch  eine  »hl. 
P^lisabeth«  für  eine  Villa  in  Schwaz.    Sein  energischer  Fleiss  ermöglichte  1894 
sechs  Bilder  in  der  neuen  Kirche  zu  Villach,  acht  Wandbilder  an  der  Aussen- 
seite  der  Pfarrkirche  zu  Mieming  zu  schaffen.    Schon  1893  hatte  W.  für  Obeske 
und  Szabadka  in  Ungarn  mehrere   treffliche  Fresken  geliefert,   während  viele 
Oelbilder    in    die  Kirchen  Tirols  kamen,  darunter  das  liebliche  »Rosenkranz- 
bild« für  Innervillgratten,  welches  auf  der  Ausstellung  der  »Deutschen  Gesell- 
schaft f\ir  Christliche  Kunst«  zu  München  1895  ^^^  verdiente  Würdigung  fand. 
Kleinere    Bilder    erwarb    der   Münchener   »Verein  für  Christliche  Kunst«    zu 
seinen  Verloosungen  in  den   Jahren   1889,    1894  und    1896.     Die  fortgesetzt 
anstrengenden  Arbeiten  zehrten  an  der  ohnehin  schwächlichen  Gesundheit  des 
Künstlers,    dazu    gesellten    sich    durch    einen  unglücklichen  Sturz  von  einem 
Malgerüste    häufige  Blutergüsse    und   ein  rasch  vorschreitendes  Lungenleiden. 
Sein    den    höchsten    Zielen    zugewendetes    edles    Streben    endete    schon    am 
25.  August  1897.    Er  wurde  auf  dem  stillen  Friedhofe  zu  Toblach  begraben. 

Vergl.  Max  Fürst  im  9 Rechenschaftsbericht   des  Vereins  für  christl.  Kunst«  f.   1897. 
München  1898.    S.  13. 

Hyac.  Holland. 


Sänger.     Stieler.  220 

Sänger,  Dominik,  Bildhauer,  ♦  am  6.  October  1845  zu  Berlin,  f  am 
6.  März  1897  in  München.  —  S.  kam  nach  Vollendung  der  Realschule  zu 
Breslau  in  das  Geschäft  eines  angesehenen  Steinmetzen  und  Stuccateurs  und 
mit  demselben  nach  Russland,  wo  ein  grosser  Auftrag  des  damaligen  Kaisers 
zu  erledigen  war.  Darauf  trat  S.  zu  München  im  Atelier  des  Bildhauers  Anselm 
Sickinger  (1807 — 1873)  in  Condition,  wo  er  bald  die  verdiente  Aufmerksam- 
keit erregte,  aber  schon  nach  kaum  einjähriger  Thätigkeit  durch  seine  Militär- 
j>flicht  nach  Berlin  gerufen  wurde  auf  die  Dauer  des  Feldzugs  1866.  Nach 
Ablauf  desselben  arbeitete  S.  in  Budapest,  Wien  und  abermals  zu  München 
in  verschiedenen  Ateliers,  doch  förderte  er  sich  nebenher  noch  durch  fleissigen 
Besuch  von  Akt-  und  Zeichnungsschulen.  Der  Krieg  1870  rief  ihn  abermals 
unter  die  Waffen  bei  den  Königin  Elisabeth  Garde-Grenadieren.  Nach  dem 
Frieden  eilte  S.  abermals  nach  München;  hier  gründete  er  1873  seinen  eigenen 
Herd,  beschäftigte  sich  mit  seiner  eminenten  Meisselführung  nicht  allein  bei 
WagmüUer's  Liebigdenkmal  und  ftir  Fr.  Wilh.  Wanderer,  sondern  erwarb  auch 
diu-ch  geistreich  ausgeführte  Porträtbüsten  (darunter  das  Brustbild  von  Julius 
Knorr)  und  andere  Leistungen  einen  geachteten  Namen.  Das  Dichterwort, 
dass  der  Mensch  mit  seinen  höheren  Zielen  wachse,  bewährte  sich  an  diesem 
Künstler.  In  seiner  mühevollen  Laufbahn  arbeitete  S.  voll  unermüdlichen 
Schaffens.  7>otz  seines  herkulisch  scheinenden  Körperbaus  unterlag  er  doch 
einem  tückischen  Leiden,  welches  in  den  letzten  drei  Jahren,  genährt  durch 
seinen  schweren  Beruf,  unaufhaltsam  sich  entwickelte  und  den  Künstler  am 
6.  März  1897  in  die  Arme  des  Todes  legte.  Die  köstliche  Steinskulptur 
eines  jungen  lachenden  Faunkopfes  erschien  im  Mai  1898  im  Münchener 
Kunstverein. 

Vergl.  Bericht  des  genannten  Vereins  f.  1897.    S.  76. 

Hyac.  Holland. 

Stieler,  Max,  Maler,  *  am  16.  Februar  1825,  f  am  23.  Juni  1897  zu 
München.  —  St.  war  der  älteste  Sohn  des  seiner  Zeit  so  viel  gefeierten  Por- 
trätmalers Joseph  von  Stieler  (i  781  — 1858),  besuchte  die  Akademie,  arbeitete 
im  Atelier  seines  Vaters  und  copirte  viele  Bildnisse  desselben,  litt  aber  unter 
der  Berühmtheit  des  Namens,  so  dass  er  zu  keiner  freien,  selbständigen  Thä- 
tigkeit gelangte.  Desshalb  wendete  sich  St.  zur  Genremalerei  und  lieferte 
mehrere  anspruchslose,  gemüthvolle  Bilder,  z.  B.  »Schiller  in  Ausübung 
seiner  ärztlichen  Praxis  als  Medicus  beim  Grenadier-Regiment  des  General 
Augt§,  einen  Verwundeten  verbindend« ;  eine  am  Feiertag  im  Gebetbuch 
>Lesende  Frau«  (1862);  eine  »Schnitterin«  (1864),  einen  »Zillerthaler  Bauer« 
(1872)  u.  s.  w.  Bei  verschieder^en  Künstlerfesten  trat  er  als  Redner  auf  (auch 
1868  bei  der  Trauerfeier  für  König  Ludwig  L),  dichtete  für  die  Künstler- 
genossenschaft und  Liedertafel  viele  Prologe  und  komische  Scenen,  darunter 
das  in  altbayerischer  Mundart  verfasste  Zwiegespräch  »Philemon  und  Baucis« 
(1881)  und  errang  auf  den  Bühnen  des  Residenz-  und  Volkstheaters  vielfachen 
Beifall  durch  mehrere  dramatische  Dichtungen  und  Lustspiele,  darunter  »Der 
blaue  Teufel«,  »Aus  Dazumal  und  Heute«,  »Der  Schatz«,  das  culturhis tori- 
sche Dramolet  »Gluck  in  Trianon«  und  eine  Tragödie  »Fra  Filippo«.  Aber 
auch  hier  beengte  ihn  die  glänzende  Popularität  seines  jüngeren  Bruders 
Karl  Stieler  (1842 — 1885),  der  mit  seinen  lebensprühenden  Gedichten,  ins- 
besondere in  altbayerischer  Mundart,  sich  hervorthat.  So  zog  er  sich  ganz 
von  der  OefFentlichkeit  zurück  und  begann  das  reiche  Material  zur  Geschichte 


2  70  Stielcr.     Schneidt.     Keller. 

und  Biographie  seines  Vaters  zu  ordnen,  eine  Arbeit,  welche  St.  jedoch  nicht 
mehr  zustande  brachte,  da  derselbe  nach  langen  Leiden  starb. 
Vergl.  No.  174  »Allgemeine  Zeitung«  vom  25.  Juni  1897. 

Hyac.  Holland. 

Schneidt,  Laura,  Dichterin,  f  am  12.  Mai  1897  zu  München,  73  Jahre 
und  4  Monate  alt.  —  Sie  hatte  als  Tochter  eines  Obertaxators  eine  sehr  gute 
Bildung  genossen  und  verwerthete  sie  als  Erzieherin  in  einigen  adeligen  P'ami- 
lien,  wo  man  ihr  zeitlebens  eine  dankbare  Erinnerung  bewahrte.  Als  sie 
später  erblindete,  ertheilte  sie  Unterrichtsstunden  und  sorgte  in  liebreichster 
Weise  für  ihre  ganz  gelähmte  Mutter.  Nach  dem  Tode  derselben  fand  sie 
noch  immer  Mittel  und  Wege,  um  anderen,  ärmeren  Mitmenschen  hilfreich 
unter  die  Arme  zu  greifen  und  ihnen  Trost  und  Freude  zu  bereiten.  Dess- 
halb  sammelte  sie  auch  ihre  Gedichte  und  gab  dieselben  heraus  unter  dem  Titel 
»Flora's  Tagebuch.  Zum  Besten  einiger  im  Feldzuge  1870  erblindeten  Bayern; 
von  einer  erblindeten  Compatriotin«,  München  (1875.  80  S.  12.  2.  Aufl.  1896. 
100  S.  8).  Was  ihren  nur  durch  Diktiren  in  Schrift  gebrachten  und  deshalb 
weniger  gefeilten  Dichtungen  etwa  in  formeller  Weise  abging,  ersetzten  ihre 
originellen  Gedanken,  ihre  tiefe  Auffassung  des  menschlichen  Daseins,  beson- 
ders aber  eine  wahre,  innige  Frömmigkeit,  die  allein  im  Stande  war,  der  viel- 
geprüften Dichterin  jenen  Seelenfrieden  und  jene  Ergebung  zu  verleihen, 
welche  den  Verkehr  mit  derselben  so  anmuthig  machte.  Sie  verstand  mit 
einer  den  Blinden  häufig  verliehenen  Findigkeit  den  Mangel  ihres  Augenlichtes 
geschickt  zu  verbergen  und  der  leisesten  Fühlung  ihrer  Führerin  zu  folgen, 
eine  glänzende  Conversation  zu  führen  und  eine  gute  Gesellschaft  auf  das 
Anziehendste  zu  unterhalten. 

Hyac.  Holland. 

Keller,  Franz,  schwäbischer  Dialektdichter,  *  am  24.  October  1824  als 
Sohn  eines  Weissgerbers  zu  Günzburg  an  der  Donau,  f  am  8.  October  1897 
zu  Unterroth.  —  Erst  zum  Handwerk  bestimmt,  studirte  K.  unter  vielen  Ent- 
behrungen am  (jymnasium  und  Lyceum  in  Augsburg,  immer  mit  Auszeich- 
nung, trat  als  Candidat  der  Theologie  in  das  »Georgianum«  zu  München, 
absolvirte  die  Universität,  wurde  Priester  und  Caplan  in  Altusried,  Pfarrer  in 
Haldenwang  bei  Burgau,  in  welcher  Stellung  er  zugleich  die  Hauslehreretelle 
in  der  Familie  des  Grafen  von  Freiberg  sieben  Jahre  lang  versah,  wirkte  vier- 
zehn Jahre  lang  in  Waldkirch  als  Pfarrer,  dann  mit  gleicher  Thätigkeit 
zu  Unterroth  (bei  lUertissen)  in  Schwaben,  wo  er  starb.  Wie  alle  ächten 
Dichter  dankte  auch  er  seiner  gemüthvollen  Mutter  den  poetischen  Sinn 
und  die  heitere  Laune,  die,  trotz  der  strengen  Erziehung  des  ernsten  Vaters 
und  den  durch  die  Nothlage  der  Eltern  frühe  empfundenen  Sorgen,  ihm 
immerdar  treu  verblieb  und  trotz  späteren  körperlichen  Leiden  seinen  von 
Witz  und  köstiichen  Einfällen  übersprudelnden  Humor  belebte.  K.  begann 
schon  als  Student  in  Augsburg  zu  dichten;  Andere  dadurch  zu  erheitem 
war  seine  Freude.  Und  diesen  Zweck  erreichte  er  fast  stets,  da  alle  seine  Stoße 
dem  vollen  Menschenleben  entnommen  sind  und  durch  sein  reiches  Gemüth 
die  ansprechendste  Form  erhielten.  Sie  fanden  die  beste  Aufnahme,  als  er 
allmählich  damit  sich  in  die  Oeffentlichkeit  wagte,  und  erlebte  insgesammt 
mehrfache  Auflagen,  deren  Ertrag  der  Dichter  in  acht  humaner  Weise  den 
Cretinen-  und  Blinden-Anstalten  in  Lautrach  und  Ursberg  zuwendete.    Zuerst 


Keller.     Ritter  von  Scbönherr.  231 

erschienen  die  »Doarascbleah«  (1873  bei  Jos.  Kösel  in  Kempten.  5.  Aufl.  1891), 
dann  »Etla  Hagabutza«  (1874.  4.  Aufl.  1891),  »Erdbörla«  (1875.  2.  Aufl.  1887), 
»I^uranand«  (1880.  2.  Aufl.  1891  mit  dem  Lichtdruckbildnisse  des  Dichters), 
die  »Hoidlbörla«,  »Brau'börla«  (1887)  und  »Hoidl-Börla«  (1891).  Ein  neues 
und  letztes  Sträusschen  dieser  anspruchslosen,  acht  naturwüchsigen  und  bei 
aller  heilkräftigen  Herbigkeit  doch  durchweg  acht  poetischen  Beeren,  steht 
noch  aus  dem  Nachlass  in  Aussicht.  Dieselbe  hohe  Stufe,  welche  Franz 
von  Kobell  durch  seine  in  altbayerischer  und  pfälzer  Mundart  gelieferten  Dich- 
tungen errang,  kann  auch  K.  für  seine  meisterhaften  Leistungen  in  dem  fröh- 
lich breiten  schwäbischen  Dialekt  beanspruchen.  Sie  sind  ein  treuer  Spiegel 
von  Land  und  Leuten  und  von  dem  edlen  Sinne  des  Dichters,  welcher  das 
Horazische  »prodesse  et  delectare«  nie  aus  dem  Auge  verlor  und  im  Verein 
mit  seiner  virtuosen,  urweltfrischen  Beherrschung  der  Sprache  nächst  seinem 
erst  neuerdings  gewürdigten  Landsmann  Ludwig  Aurbacher  (1784 — 1847,  Ver- 
fasser des  Volksbuches  »Die  sieben  Schwaben«),  Joh.  Peter  Hebel,  Grübel, 
Fritz  Reuter,  Karl  Stieler  und  allen  neueren  zeitgenössischen  Dialektdichtem 
genannt  zu  werden  verdient. 

Hyac.  Holland, 

Schönherr,  David,  Ritter  von,  Dr.,  k.  k.  Hofrath  und  Archivdirektor  a.  D., 
*  am  20.  October  1822  zu  Kniepass,  f  am  17.  October  1897  zu  Innsbruck. 
—  Als  Seh.  sein  thätiges  Leben  nach  kurzer,  wohlverdienter  Ruhe  beschloss, 
hatte  er  als  ächter  Patriot  einen  höchst  populären  Namen  in  Tirol  und  errang, 
als  seine  politische  Rolle  zu  Ende  ging,  durch  seine  archivalischen  Funde 
und  ihre  löbliche  Verarbeitung,  den  Ruf  eines  wackeren  Forschers  und  tüch- 
tigen Kunst-  und  Culturhistorikers.  Geboren  als  der  Sohn  ein  k.  k.  Zoll- 
beamten in  der  ehemaligen  Grenzveste  Kniepass  bei  Reutte  in  Tirol,  sammelte 
Seh.  zu  Wien  eine  schätzbare  Grundlage  von  historischen  und  artistischen 
Studien,  welche  vorläufig  freilich  nicht  zur  Reife  gediehen,  da  er  1848  beim 
Beginn  der  dortigen  Revolution,  durch  den  Tod  seiner  Mutter  in  die  Hei- 
math zurückberufen,  zu  Innsbruck  die  Redaktion  der  »Schützen-Zeitung«  über- 
nahm, welche  er  mit  seiner  publicistischen  Begabung,  in  kurzer  Frist  zum 
volksthümlichsten  und  einflussreichsten  Organ  des  Tiroler  Landes  erhob.  Durch 
eine  glückliche  Heirath  und  seine  journalistische  Tbätigkeit  ganz  an  Tirol 
gefesselt,  wendete  Seh.  sein  Augenmerk  auf  das  damals  frisch  erblühende 
Schützenwesen;  er  besuchte  alle  Schiessstände  des  Landes  und  gewann  als 
einer  der  besten  Treffer  bei  allen  P'estschiessen  nicht  nur  Schützen-Preis  und 
-Dank,  sondern  auch  die  ausgebreitesten  Bekanntschaften  aus  allen  Ständen 
und  gründliche  Einsicht  in  alle  Verhältnisse  und  in  die  wohlberechtigten  Wün- 
sche des  Volkes.  Die  freimüthige  Unerschrockenheit,  womit  Seh.  seine  Stimme 
bei  allen  Beschwerden  und  Misshelligkeiten  erhob,  zog  freilich  ein  ganzes 
Conglomerat  von  Confiscationen  und  Pressprocessen  über  den  Redakteur  der 
Schützen-Zeitung  zusammen,  welche  immer  mit  Freisprechung  endend,  nur  zur 
weiteren  Verbreitung  des  Blattes  beitrugen.  Es  ist  unglaublich,  was  damals 
als  strafwürdiges  Reat  betrachtet  wurde  und  mit  wxlch'  rüder  Gewissenlosig- 
keit Polizei  und  Regierung  im  acht  vormärzlich  bureaukratischen  Nachklange 
hausten.  —  Hatte  sich  die  Bedeutung  des  Schützenwesens  schon  1848  gegen 
den  piemontesischen  Rummel  bemerkbar  gemacht,  so  brachten  die  Jahre  1859 
und  1866  neue  Erfahrungen  und  Resultate,  welche  Seh.  als  Kreis-  und  Lan- 
des-Defensions-Commissär  sattsam  verwerthete.    Zum  fortwährenden  Exercitium 


232 


Ritter  von  Schönherr. 


in  Friedenszeiten  organisirte  Seh.  als  Schützenmeister  des  k.  k.  Landes-Haupi- 
schiessstandes    die    vom   reinsten  Patriotismus  belebten  grossen  Schützenfeste, 
so   1853    bei    der  Feier    der  Rettung  und  Wiedergenesung  des  Kaiser  Franz 
Joseph,  dann  das  Schiessen  zu  Innsbruck,  auf  welchem  der  Kaiser,  Erzherzog 
Karl  Ludwig  und  5400  aktive  Schützen  erschienen,  femer  die  »Tiroler  Schützen- 
züge«, insbesondere   1862  nach  Frankfurt  und   1868  nach  Wien.     Für  Frank- 
furt   hatte  Seh.  nicht    nur    die    prachtvollsten  Exemplare,   welche  damals  als 
»Schmerzenskinder«  mit  feuriger  Begeisterung  durchschlugen,  ausgewählt,  son- 
dern sieh   daselbst  auch  als  Meister  bewährt,    »da  er  innerhalb  drei  Stunden 
212  Punkte    gewann    und    die  Figur    auf  der  Feldscheibe    zehnmal  ununter- 
brochen  durch   die  Brust  schoss.«   —  Inzwischen  besuchte  Seh.,   um  frühere 
Versäumnisse    nachzuholen,    als    ordentlicher    Zuhörer    die    Vorlesungen    der 
rechts-    und    staatswirthschaftliehen    Faeultät    der  Universität  Innsbruck    und 
bestand    mit  Auszeichnung    das  Rigorosum,    womit  er  wohl  seine  juridische 
Laufbahn,   nicht   aber  seine  öffentliche  Thätigkeit  abschloss,   denn  seit   1857 
wirkte  Seh.  als  Curator  und  Fachdirektor  des  Landesmuseums  (Ferdinandeum:, 
seit  1864   als  Correspondent  des  »Oesterreiehischen  Museums  für  Kunst  und 
Industrie  in  Wien«  und  als  vom  Landtag  bestellter  Beirath  des  Landes-Ober- 
schützenmeisters,    ferner    als  Mitglied   verschiedener   Comit^s  in  Bewaflfhungs- 
und  Landesvertheidigungs-Angelegenheiten   —   bis   er  endlich  1871   die  Stelle 
eines  »Oberschützenmeisters  des  Landes-Hauptschiessstandes«,  fast  gleichzeitig 
mit  der  Redaktion  seiner  Zeitung  niederlegte,  um  den  schon  früher  begonnenen 
geschichtlichen  Untersuchungen  und  Forschungen  sich  ganz  zuzuwenden,  wo- 
für  das  Statthalterei- Archiv  ein  unschätzbares,   völlig  neues  Quellen -Material 
bot.    Unter  der  Beihüfe  seiner  Freunde  Prof.  Dr.  A.  Huber,  Durig,  I^dumer, 
Ign.  Zingerle  u.  A.  edirte  Seh.  fünf  Jahre  lang  die  »Zeitschrift  für  Geschichte 
und  Alterthumskunde  Tirols«.    Hier  legte  er  eine  Reihe  seiner  eigenen,  meist 
kunsthistorischen  Elaborate    nieder,    wofür    ihm  die  Universität  Tübingen  ein 
ehrenvolles  Doktor-Diplom    votirte    und   der  Fürst  von  Thum  und  Taxis  zu 
Regensburg  die  Direktion   seines  Hof-  und  Familien -Archivs  antrug.     Glück- 
licher Weise  erinnerte  man  sich  nun  auch  in  Wien  an  diese  gute,  wohl  ver- 
wendbare  Kraft,    indem    für  Seh.  die  Stelle   eines  Statthalterei -Archivars   er- 
richtet wurde.    So  blieb  er  der  Heimath  erhalten  und  schürfte  aus  dem  ihm 
wohl  vertrauten  Boden  nicht  nur  eine  Fülle  dankenswerther  Funde,    sondern 
trug    auch    wesentlich  dazu   bei,    die  Schätze  dieses  Archivs  den  aus  Oester- 
reich,  Deutschland  und  der  Schweiz  kommenden  gelehrten  Anfragen  zugäng- 
lich zu  machen  und  zu  erschliessen.     Seh. 's  Arbeiten  erschienen  in  Buchform 
oder    in    den    verschiedensten    wissenschaftlichen    Fachzeitschriften,    danmtcr 
»Franz  Sehweyger's  Chronik  der  Stadt  Hall«  (1867);   der  »Einfall   des  Chur- 
fürsten  Moriz  von  Sachsen    in  Tirol   1552«  (1868);    über  »die  Lage   der  an- 
geblich verschütteten  Römerstadt  Maja«  (1873)  u.  s.  w.     Absonderliches  Ver- 
dienst   erwarb    sich  Seh.  mit  seiner  »Geschichte  des  Grabmals  Kaiser  Maxi- 
milians I.«  und  dem  urkundlichen  Nachweis  der  dabei  verwendeten  Künsder, 
durch  seine  Theilnahme  an  der  Restauration  des  herrlichen  Schlosses  Runkel- 
stein  (1874)    und    die  Wiederherstellung  der  landesfürstlichen  Burg  in  Meran 
1882  und  1892  (vgl.  Beilage  236  »Allgemeine  Zeitung«  vom  26.  August  1893V 
Völlig  Neues  brachte  Seh.  über  den  berühmten  Tiroler-Kanzler  Biener,   über 
Treitz-Sauerwein's  Heimath  und  Familie;  über  Hans  Ried,  den  Schreiber  des 
Heldenbuchs;    über    »Die   älteste   Papierfabrikation   und  Druckerei  in  Tirol«, 
über  »Erzherzog  Ferdinand  als  Baumeister«,   über  den  »Krieg  Kaiser  Max  I. 


Ritter  von  Schönherr.     Otto. 


233 


mit  Venedig  1509«    (1876);    die   »Heirath  Jakob  III.  von  England    und    die 
Entführung    seiner  Braut    aus  Innsbruck    1719«    (1877);    »Wenzel  Jamnitzer's 
Arbeiten    für  Erzherzog  Ferdinand«;    über    einen  »Ehescheidungsprocess  aus 
dem   XV.  Jahrhundert«  (vergl.  No.  37   »Allgem.  Ztg.«  vom  6.  Februar  1882) 
und   die  kunsthistorischen  Excurse  über  »Alexander  Colin's  Leben  und  Werke 
und     seinen    Antheil    an    der    plastischen    Ausschmückung    des    Heidelberger 
Schlosses«  (1889);  über  »Tizians  nähere  Beziehungen  zu  Kaiser  Karl  V.«  (1879) 
u.  s.  w.    Sch.'s  Styl  war  schlicht  und  einfach,  wie  sein  ganzer  Charakter;  die 
Schwächen  eines  verhältnissmässig  erst  spät  zum  Durchbruch  gebrachten  Auto- 
didakten   wusste    er   in  seiner,   nur  dem  Fachgenossen  erkennbaren  Naive  tat 
geschickt    zu  decken,    auch    blieb  er  in  wissenschaftlichen  Fragen,  mit  einer 
einzigen  Ausnahme,  wo  er  aber  glorreich  sein  gutes  Recht  behauptete,   aller 
Polemik  ferne.     In  jüngeren  Jahren  lieferte   er  im  ächten  Volkston  viele  Er- 
zählungen und  Geschichten,  von  denen  eine  Auswahl  in  vier  Bändchen  1854 
erschien.     Der  Tod  seiner  Frau  (1893)  und   eine  schwere   Influenza   brachen 
die     eiserne  Arbeitskraft    des  Mannes,    welcher   im  Februar  1897    unter    den 
ehrendsten  Beweisen  des  Wohlwollens  und  der  Freundschaft  aus  seinem  Amte 
schied  und  das  »Otium  cum  dignitate«  nur  eine  kurze  Frist  genoss. 

Vergl.  Wurzbach,  Biographisches  Lexicon   des  Kaiserthums  Ocsterreich.    Wien  1876. 
XXXI,   160  ff. 

Hyac,  Holland. 

Otto,  Carl,  Doctor,   Besitzer  einer  Fabrik  feuerfester  Erzeugnisse,  *  am 
7.  März  1838  in  Jalapa  (Mexiko),  f  am   13.  November  1897  in  Ahrweiler.  — 
O.  ward  als  Sohn  des  Landrichters  Otto  geboren,  der  nach  Mexiko  geflohen 
war,  weil  er  als  Burschenschafter  in  jener  traurigen  Zeitperiode  der  deutschen 
Geschichte  verfolgt  wurde,  in  der  mancher  edle  deutsche  Mann  die  treue  Liebe 
zum  Vaterlande  schwer  büssen  musste.    Nach  dem  Tode  des  Vaters,  der,  um 
das  Unglück    voll    zu    machen,    von  Räuberhand  in  Mexiko  fiel,  trat  die  be- 
kümmerte Mutter  mit  ihrem  Sohne  Carl  und  einem  älteren  Bruder  die  Rück- 
reise   nach   Deutschland    an.     Unter    ihrer    bewunderungswürdigen  Erziehung 
wuchs  O.  frisch  und  froh  heran,  absolvirte  das  Gymnasium  und  ein  dreijähriges 
Studium  auf  der  Universität,  wo  er  im  jugendlichen  Alter  von  20  Jahren  zum 
Doctor  promovirt  wurde.    Im  Jahre  1858/59  vervollständigte  er  seine  Studien 
auf  der  Berghochschule   in  Freiberg  i.  S.  und  arbeitete  in  den  Laboratorien 
verschiedener  Hütten  der  dortigen  Umgebung.     Von    1860  bis   1872   war  er 
hierauf  zuerst  als  Chemiker,  später  als  technischer  Leiter  bei  der  Firma  J.  H. 
Vygen  &  Cie.  in  Duisburg  thätig  und  begann  dann  in  Dahlhausen  in  eigener 
Fabrik  die  Herstellung  feuerfester  Erzeugnisse.    Sein  grösstes  Verdienst  bildet 
die  Einführung  des  neuen  Industriezweiges  der  Koksherstellung  mit  gleich- 
zeitiger Gewinnung  der  Nebenerzeugnisse  (Theer,  Benzol,  Ammoniak). 
Seine  Fabrik    befasste    sich    nämlich    ausser    der  Herstellung    von  feuerfesten 
Steinen  und  anderen  feuerfesten  Fabrikaten  für  alle  metallurgischen  und  che- 
mischen Zwecke    in    erster  Linie    mit    der  Anlage  von  Koksöfen  und  bildete 
namentlich    das  System  Otto -Hoffmann    aus,  das  wesentlich  in  einer  Verbin- 
dung   von  Siemens'schen  Regeneratoren    mit  gewöhnlichen  Koksöfen  besteht. 
Seit  1876  bis  1897  wurden  seitens  der  Firma  Dr.  Otto  &  Cie.  nicht  weniger 
als  9922  Koksöfen  mit  Gewinnung  der  Nebenerzeugnisse  in  den  verschieden- 
sten Revieren  Deutschlands    ausgeführt    und    damit  dieser  Industriezweig  bei 
uns    fast    monopolisirt.     Durch  die  Gewinnung  der  Nebenerzeugnisse  Theer, 


234 


Otto.     Thielen. 


Benzol  und  Ammoniak  ist  die  Koksofenanlage,  die  früher  einen  einfachen 
Betrieb  darstellte,  in  eine  chemische  Fabrik  mit  compHcirten  Vorgängen  — 
die  Kohlendestillation  —  umgewandelt  worden.  Ihre  Anlage  erfordert  aber 
auch  die  Anwendung  bedeutender  Geldmittel,  während  man  andererseits  be- 
fürchtete, keine  lohnenden  Preise  fiir  die  Nebenerzeugnisse  zu  erhalten.  Dank 
der  durchgreifenden  Thatkraft  O.'s  ging  seine  Dahlhausener  Firma  auf  diesem 
Gebiete  bahnbrechend  vor,  indem  sie  den  Kohlenzechen  die  vollständige  An- 
lage einschliesslich  des  Zubehörs  schenkte  und  sich  nur  für  eine  gewisse  Reihe 
von  Jahren  den  Erlös  aus  dem  Verkauf  der  Nebenerzeugnisse  vorbehielt  Es 
ist  bekannt,  dass  durch  die  grossartige  Gewinnung  der  Nebenerzeugnisse  ein 
vollständig  neuer  Industriezweig  geschaffen  ist,  durch  welchen  sowohl  unser 
Gewerbsleben  als  auch  unsere  Landwirthschaft  einen  reichen  Segen  erhalten 
hat.  Haben  an  der  Lösung  der  vielen  Schwierigkeiten,  welche  sich  hierbei 
ergeben,  auch  viele  tüchtige  Männer  mitgewirkt,  so  werden  diese  alle  gerne 
anerkennen,  dass  O.  unter  ihnen  in  vorderster  Reihe  gestanden,  gekämpft  und 
die  bedeutsamsten  Erfolge  erreicht  hat.  Durch  rastlose  Arbeit  hat  er  Deutsch- 
land in  die  führende  Stellung  betreffs  dieser  Industrie  gebracht.  —  Im  Jahre 
1887  verlor  er  durch  den  Tod  seine  bewährte  Lebensgefährtin.  Der  Schmen 
und  Kummer  um  diesen  Verlust  in  Verbindung  mit  starker  Ueberarbeitung 
legte  den  Keim  zu  einer  tückischen  Krankheit,  der  er  nach  mehr  als  vier- 
jährigem Siechthum  am  13.  November  1897  in  der  Heilanstalt  zu  Ahnfc'eiler 
erlag;  ein  genialer  Mann  mit  einem  edlen  und  treuen  Herzen,  dessen  Tod 
nicht  nur  zahlreiche  Freunde,  sondern  vor  allem  auch  die  Schaaren  seiner 
Arbeiter  beklagt  haben,  die  in  ihm  nicht  nur  den  Fabrikherrn  verehrten,  son- 
dern auch  den  treuen,  väterlichen  Berather  und  allzeit  hilfbereiten  Menschen- 
freund von  ganzem  Herzen  liebten. 

Dr.  W.  Beumer. 

Thielen,  Alexander,  Generaldirektor  der  Aktien-Gesellschaft  für  Bergbau 
und  Hüttenbetrieb  »Phönix«  in  Laar  bei  Ruhrort,  ♦  am  3.  Mai  1841  zu 
Düsseldorf,  f  am  20.  Juli  1897  zu  Heidelberg.  —  Als  einer  der  begabten 
Söhne  des  Feldprobstes  Th.  zu  Düsseldorf  geboren,  trat  er  nach  rascher  Ab- 
solvirung  der  Schulen  im  Herbst  1858  in  die  Styrumer  Eisenindustrie  ein, 
arbeitete  dort  zwei  Jahre  praktisch  und  studirte  dann  drei  Jahre  auf  der  Berg- 
akademie in  Clausthal,  sowie  ein  ferneres  Jahr  auf  der  Hochschule  in  Berlin, 
wo  er  gleichzeitig  seiner  Militärpflicht  genügte.  Gegen  Ende  des  Jahres  1864 
nahm  er  eine  Betriebsassistentenstelle  auf  der  Zinkhütte  in  Latmathe  an  und 
folgte  dann  1865  einem  Rufe  aus  Swansea  in  Südwales',  um  in  die  Dienste 
von  Sir  Hussey  Vivian  einzutreten.  Dort  blieb  er  bis  März  1870  und  ging 
alsdann  im  Interesse  der  Copper  Mining  Co.  (Lim.)  nach  Südafrika.  Im 
Frühjahr  1873  kehrte  er  mit  reichen  Erfahrungen  nach  Deutschland  zurück 
und  nahm  dort  die  Stelle  eines  Direktors  der  Aktien-Gesellschaft  für  Bergbau 
und  Hüttenbetrieb  »Phönix«  in  Laar  bei  Ruhrort  an.  In  dieser  verantwor- 
tungsvollen Stellung  entfaltete  er  seine  glänzenden  Geistesgaben,  seine  Energie 
und  seine  Leutseligkeit,  und  im  Verein  mit  seinen  CoUegen  in  der  Direction 
hat  er  die  genannte  Aktien-Gesellschaft  durch  schwierige  Zeiten  hindurch  zu 
ihrer  heutigen  Blüthe  gebracht  und  sie  zu  einem  der  bedeutendsten  Unter- 
nehmen dieser  Art  gestaltet,  das  sich  im  In-  und  Auslande  durch  seine  Fa- 
brikate —  namentlich  Strassenbahn schienen  —  eines  wohlberechtigten  hohen 
Rufes    erfreut.     Aber    neben    dieser  Thätigkeit  entfaltete  Th.  auch  eine  dem 


Thielen.     Baare. 


235 


Gesammtinteresse  der  deutschen  Industrie  in  hohem  Grade  förderliche  Wirk- 
samkeit,   indem  er  namentlich  die  gemeinsamen  Bestrebungen  der  Eisenindu- 
strie in  weitblickender  Weise  unterstützte.     Frühzeitig  erkannte  er,  dass   das 
Heil  der  deutschen  Eisenindustrie,  für  deren  zunehmende  Erzeugungsfähigkeit 
lohnenden  Absatz    zu    finden    zeitweise    grosse  Schwierigkeiten   bot,   nicht  in 
gegenseitiger  Bekämpfung    und  Aufreibung,    sondern  in   der  Vereinigung  der 
widerstrebenden  Elemente  zu  suchen  sei.    Zur  Lösung  dieser  Aufgabe  war  er 
vermöge  seiner  Persönlichkeit  besonders  begabt:  neben  gewinnender  Liebens- 
würdigkeit verfügte  er  über  eine  überzeugende  Beredsamkeit,    welche,   unter- 
stützt durch  kraftvolle  Energie,  ihn  manches  Ziel  erreichen  Hess,  das  Andere 
zwar  als  wtinschenswerth  angestrebt,  aber  als  hoffnungslos  aufgegeben  hatten. 
Um  die  Mitte  der  achtziger  Jahre  schuf  er  den  rheinisch-westfälischen  Roh- 
eisenverband, aus  dem  später  das  Roheisensyndikat  hervorging  und  führte  den 
Vorsitz  in   diesem   segensreich  wirkenden  Verbände  bis  zu  seinem  Tode.     In 
den  Jahren  1884  und  1885  war  er  Vicepräsident  der  internationalen  Schienen- 
gemeinschaft, und  auch  in  anderen  Verbänden  wirkte  er  mit  grossem  Erfolge. 
In  der  ausländischen  Eisenindustrie,  namentlich  der  englischen,  war  Th.  sehr 
bekannt    und    beliebt;    er  verstand  es,    die  auf  internationalem  Gebiete  herr- 
schenden Gegensätze  geschickt    auszugleichen,    die  gemeinsamen  Berührungs- 
punkte   aufzusuchen    und    enge  Verbindungen    mit    den  ausländischen  Fach- 
genossen   herzustellen.     Infolge    dessen    wählte    man    ihn  1891  auch    in  das 
Council  des  »Iron  and  Steel  Institute«.    Gegen   ein  tückisches  Leiden  suchte 
er    vergeblich    im  Jahre  1897    in  Baden-Baden    und  Heidelberg  Heilung;    in 
letzterem  Orte  starb  er  eines  sanften  Todes,  tiefbeklagt  von  seiner  Frau  und 
zwei  Töchtern,    sowie    seinem  älteren  Bruder,  dem  preussischen  Minister  der 
öffentlichen  Arbeiten,  nicht  minder  aber  von  zahllosen  Freunden  in  der  Eisen- 
industrie der  ganzen  Welt. 

Dr.  W.  Beumer. 

Baare,  Louis,  Generaldirektor  des  Bochumer  Vereins  für  Bergbau  und  Guss- 
stahlfabrikation, *  am  12.  Juli  1821  in  Minden  i.  W.,  f  am  17.  Mai  1897.  —  Als 
Sohn  eines  Tabak fabrik an ten  geboren,  übernahm  der  22  jährige  beim  Tode  des 
Vaters  das  von  letzterem  nach  Aufgabe  des  Tabak  fabrikationsgeschäft  gegrün- 
dete Speditionsgeschäft  und  setzte  es  mit  gutem  Erfolge  fort,  bis  er  im  Jahre 
1 849  eine  Stelle  übernahm,  die  an  seine  Leistungsfähigkeit  die  denkbar  höchsten 
Anforderungen  stellte.  Die  Verwaltung  der  Köln-Mindener  Eisenbahn  übertrug 
ihm  die  Stellung  eines  gemeinsamen  Beamten  ihrer  Bahn  und  der  Königlich 
Hannoverschen  Eisenbahndirektion.  Es  lag  ihm  dabei  ob,  die  Vermittelung 
des  Güterverkehrs  zwischen  beiden  Gesellschaften  zu  übernehmen,  ebenso  wie 
die  damit  verbundenen  Zoll-  bezw.  Steuerangelegenheiten  an  der  Grenze  des 
Zollvereins  und  des  Norddeutschen  Steuervereins.  Bei  den  verwickelten  Ver- 
hältnissen, die  damals  in  Deutschland  herrschten,  war  es  keine  Kleinigkeit, 
die  vielfachen,  oft  sich  widersprechenden  Anforderungen  zu  erfüllen,  die  von 
den  vier  »Herren«  gestellt  wurden,  denen  B.  gewissermaassen  zu  »dienen« 
hatte  und  denen  er  theils  durch  Eid,  theils  durch  Handschlag  verpflichtet  war. 
Dennoch  gelang  ihm  die  Erfüllung  seiner  vielfachen  Pflichten  zu  allseitiger 
Zufriedenheit.  Er  verblieb  in  seiner  Stellung  bis  zum  Uebertritt  des  Nord- 
deutschen Steuervereins  in  den  Zollverein.  Dann  trat  er  auf  Wunsch  der 
Hannoverschen  Eisenbahndirektion  in  den  gemeinschaftlichen  Dienst  der  Eisen- 
bahndirektion   und    des  Bremer  Senats,   wobei  ihm  sein  Wohnsitz  in  Bremen 


236  Baare. 

angewiesen  wurde.  Hier  blieb  er,  bis  ihn  im  Jahre  1855  verschiedene  Eisen- 
bahndirektionen, die  zugleich  Mitglieder  des  Aufsichtsrathes  der  Bochumer 
>'Gussstahlfabrik«  waren,  nach  Bochum  beriefen  und  ihm  die  Oberleitung  der 
Fabrik  übertrugen,  die  vor  ihm  der  Regieningsassessor  v.  Sybel  ein-  halbes 
Jahr  lang  provisorisch  innegehabt  hatte.  Als  technischer  Leiter  stand  ihm 
der  Mitbegründer  der  Fabrik  Mayer  zur  Seite.  Noch  war  das  kleine  Werk 
wenig  bekannt;  200  Arbeiter  waren  in  demselben  angestellt,  imd  ein  verhält- 
nissmässig  kleines  Areal  gehörte  dazu.  Die  Grundfläche,  die  jetzt  dem  Bo- 
chumer Verein  gehört,  ist  seitdem  wohl  auf  das  200 fache  angewachsen,  und 
die  Zahl  der  Angestellten  des  Werkes  hat  in  den  sogenannten  »flotten  Jahren  • 
1873  und  1874  6000  betragen,  ist  dann  allmählich  auf  4000  heruntergegangen, 
ist  aber  seit  den  achtziger  Jahren  nieder  im  Wachsen  begriffen  gewesen. 
Welchen  schwerwiegenden  Einfluss  diese  ausserordentliche  Entwicklung  auch 
auf  das  Emporblühen  der  Stadt  haben  musste,  liegt  auf  der  Hand.  1855 
zählte  Bochum  6000  Seelen,  meist  Ackerbürger,  kleine  Fabrikanten,  Hand- 
werker und  einige  Kaufleute.  Von  nun  an  ging  es  aber  mit  ausserordent- 
licher Schnelligkeit  vorwärts.  Im  Jahre  1872  waren  24000  Einwohner  an- 
sässig, von  denen,  da  der  Bochumer  Verein  allein  6000  Arbeiter,  Meister  und 
Beamte  beschäftigte,  mindestens  die  Hälfte  von  diesem  Werke  lebte.  Damals 
entstanden  in  einem  Jahre  ganze  Strassen;  denn  wo  jetzt  ein  dichtes  Häuser- 
meer sich  befindet,  waren  vor  jener  Zeit  Gärten  und  Bauernhöfe.  Sie  alle 
sind  verschwunden,  und  an  der  Stelle,  wo  früher  das  Vieh  der  Bürger  wei- 
dete, wo  die  Schuljugend  im  Herbste  in  »die  Nüsse«  ging,  da  erheben  sich 
jetzt  riesige  Fabrikgebäude,  Hochöfen  senden  lodernde  Flammen  in  die  Luft, 
und  aus  tausend  Schloten  steigt  der  Rauch  empor.  Und  in  den  Fabrik- 
gebäuden, welch  rastloses  Hämmern  und  Schaffen  bei  Tag  und  Nacht;  in 
unermüdlicher  Arbeit  werden  die  aus  dem  Innern  der  Erde  zu  Tage  geför- 
derten reichen  Schätze  verarbeitet,  immer  neue  Absatzgebiete  erschliessen  sich 
den  daraus  genommenen  Produkten.  Eine  solche  völlige  Veränderung  der 
bestehenden  Verhältnisse  ist  im  wesentlichen  dem  Manne  zu  verdanken,  der 
an  der  Spitze  des  Unternehmens  stand.  B.  verstand  es,  durch  geschickte 
Finanzoperationen  die  Möglichkeit  einer  stetigen  Erweiterung  der  Fabriken  zu 
schaffen.  Er  wusste  an  der  rechten  Stelle  zu  sparen,  aber  schonte  in  der 
Voraussicht  künftigen  Gewinnes  keine  noch  so  grossen  Ausgaben  und  Neu- 
anlagen. Er  benutzte  die  sich  bietenden  günstigen  Conjuncturen  ohne  Zau- 
dern und  wusste  die  sich  darbietenden  Vortheile  dem  Werke  nutzbar  zu 
machen.  Auch  in  Stürmen  und  Gefahren,  die  das  Werk  im  Laufe  der  Zeit 
bedrängten,  wurde  der  Bochumer  Verein  sicher  geleitet  und  zu  erfreulicher 
Entwicklung  gebracht.  Erwähnen s wer th  sind  auch  die  Maassnahmen  zur 
PHirsorge  für  die  Arbeiter.  Auf  dem  Bochumer  Verein  ist  ein  ausserordent- 
lich grosser  Stamm  von  Arbeitern  vorhanden,  die  seit  fünfundzwanzig  Jahren 
und  länger  unausgesetzt  dort  thätig  waren.  Die  Arbeitercolonie  Stahlhausen 
ist  mit  ihren  Häuschen,  Gärten,  freien  Plätzen  und  schattigen  Wegen  ein 
Muster  derartiger  Anlagen.  Eine  weitere  Musteranstalt  ist  das  Arbeiterlogier- 
haus. Aber  B.'s  Bedeutung  geht  weit  über  Bochum  und  Westfalen  hinaus. 
Seine  Mitwirkung  an  der  socialpolitischen  Gesetzgebung  sichert  ihm  ein  dank- 
bares Andenken  in  der  Arbeiterschaft  des  gesammten  deutschen  Verbandes. 
Er  ist  es  gewesen,  der  den  Anstoss  zu  der  Unfall  Versicherungsgesetzgebung 
des  deutschen  Reiches  gab,  welche  die  lästigen  Haftpfiichtprocesse  beseitigte. 
Fürst  Bismarck,  mit  dem  er  zuerst  über  diese  Materie  verhandelte,  hat  auch 


Baare.     Brulliot. 


237 


in  der  Folgezeit  oft  seinen  Rath  gesucht,  den  B.  gerne  gab,  wie  er  auch  als 
Mitglied  des  Staatsrathes  seine  reichen  Kenntnisse  in  den  Dienst  des  Landes 
stellte.  Sein  Leben  war  Mühe  und  Arbeit  bis  in  sein  hohes  Greisenalter. 
^Arbeit  aus  Treue«  war  der  Wahlspruch  seines  Lebens. 

Dr.  W.  Beumer. 

Brulliot,  Karl,  Kgl.  Hofopemregisseur,  Professor  an  der  Kgl.  Akademie 
der  Tonkunst  in  München,  ♦  am  31.  Juli  1831,  f  am  23.  März  1897  zu 
München.  —  B.  war  der  Sohn  des  durch  mannichfache  gelehrte  Arbeiten  auf 
dem  Gebiete  der  Kupferstichkunde  und  als  langjähriger  Conservator  der  sich 
aus  kleinen  Anlangen  entwickelnden  Kgl.  Kupferstichsammlung  bekannten 
Conservators  Franz  B.  In  seiner  Vaterstadt  München  absolvirte  er  das  Wil- 
helms-Gjrmnasium  und  besuchte  als  Student  der  Rechte  die  Universität. 
Gleichzeitig  aber  trat  er  in  das  Conservatorium  ein,  um  unter  der  Leitung 
Franz  Hausers  sich  Gesangsstudien  zu  widmen.  Nach  Abschluss  derselben 
wurde  er  von  Eduard  Devrient,  dem  berühmten  Leiter  des  Karlsruher  Hof- 
theaters, als  erster  Bassist  engagirt  und  begann  im  Frühjahr  1853  dort  seine 
Laufbahn  als  Sänger,  wurde  aber  schon  damals  vielfach  auch  als  Schauspieler 
beschäftigt.  Im  Jahre  1859  wurde  er  zum  Opernregisseur  ernannt,  in  welcher 
Eigenschaft  er  in  Karlsruhe  sämmtliche  Aufführungen  der  grossherzoglichen 
Bühne  leitete;  seine  Specialität  war  die  Spieloper,  die  er  durch  feinsinniges 
Herausarbeiten  der  heiteren  Effecte  zu  grosser  Wirkung  zu  bringen  verstand. 
Im  Jahre  1872  wurde  ihm  zwischen  Kaiser's  und  Köberle's  DirectionsfÜhrung 
auch  die  selbständige  Leitung  der  Hofbühne  anvertraut.  In  diesem  Jahre 
führte  er  auch  die  Coloratursängerin  Anna  Braunhofer-Masius  als  Gattin  heim. 
Die  Anhänglichkeit  an  seine  in  München  zurückgebliebene  alte  Mutter  und 
ein  wiederholter  Ruf  veranlassten  ihn  1873,  in  gleicher  Stellung  an  das  Mün- 
chener Hoftheater  zu  übersiedeln,  wo  er  im  Laufe  der  Zeit  über  30  Opern 
in  Regie  setzte.  Daneben  war  er  immer  noch  als  Sänger  und  Schauspieler 
thätig,  bis  er  zum  Professor  an  der  Kgl.  Musikschule  ernannt  wurde.  Am 
II.  November  1892  betrat  er  als  Gordon  in  »Wallenstein's  Tod«  zum  letzten 
Male  die  Bühne.  Schon  vorher,  im  August  1892,  zwang  ihn  Kränklichkeit 
in  Pension  zu  gehen.  Am  23.  März  1897  (nicht  am  24.,  wie  der  Almanach 
der  Bühnengenossenschaft  irrigerweise  angiebt)  ist  B.  nach  langen,  schweren, 
aber  mit  bewundernswerther  Geduld  ertragenen  Leiden  in  seiner  Geburtsstadt 
gestorben.  Ein  Nachruf  sagt  von  ihm  mit  Recht:  »Alle,  die  unter  B.'s  Lei- 
tung thätig  gewesen,  rühmen  die  Ruhe,  die  Vornehmheit  und  die  durch  nichts 
zu  beirrende  Gerechtigkeit,  mit  der  er  das  Regiment  geführt  hat.  Wie  vielen 
Schülern  und  Anfanjgern  hat  er  die  Wege  geebnet,  wie  vielen  zu  schönen 
Stellen  hinaufgeholfen!  Als  Mensch  war  B.  eine  in  sich  gekehrte,  stille  Natur, 
jedoch  im  engen  Freundeskreise  durchaus  nicht  karg  und  verschlossen.  Er 
besass  eine  der  schönsten  Gottesgaben,  er  hatte  Humor,  und  die  Wirkung 
seines  Witzes  wurde  erhöht  durch  die  classische  Ruhe,  mit  der  er  ihn  brachte. 
Allerdings  konnte  er  auch  stark  sarkastisch  sein;  ein  Blick  aus  seinen  gut- 
müthigen  Augen  aber  wusste  gleich  wieder  mildernd  zu  wirken.  Alle,  die  B. 
im  Leben  näher  getreten  sind,  werden  ihm  ein  freundliches  Andenken  be- 
wahren!« B.  war,  und  dies  giebt  ihm  eine  bleibende  Bedeutung  für  die 
Münchener  Theatergeschichte,  der  erste  Regisseur  Richard  Wagner's  in  Mün- 
chen, er  kam  wenigstens  gerade  zurecht  nach  München,  um  insbesondere  den 
Sieghied  (10.  Juni  1878)  und  die  Götterdämmerung  (15.  September  1878)  in 


238  Brulliot     Hieber. 

Scene  zu  setzen.  Das  waren  neue  und  bedeutende  Aufgaben  —  die  Nibe- 
lungentrilogie,  die  nach  ihm  in  München  und  anderwärts  noch  oft  des  Studiums 
genug  gekostet.  Mit  eiserner  Thatkraft  arbeitete  er  sich,  als  der  erste  Regisseur 
nach  Wagner^  in  Bayreuth,  in  diesen  fremdartigen  und  seinem  bisherigen 
Kunstempfinden  nicht  eben  homogenen  Stoff  ein.  Jedem  Späteren  ist  o 
leichter  geworden.  Die  Adresse,  die  seine  Kunstgenossen  ihm  bei  seinem 
Scheiden  im  August  1892  überreichten,  war  von  lauter  Aufrichtigen  unter- 
schrieben —  er  war  beliebt  wie  wenige  vor  ihm,  denn  er  war  keinem  ein 
Stein  des  Anstosses  gewesen.  An  seiner  Ruhe,  an  seinem  Humor  brach  sirh 
aller  Neid  und  jede  Intrigue.  B.  war  zuletzt,  als  die  Stimmmittel  den  ge- 
steigerten Anforderungen  nicht  mehr  Stand  hielten,  kein  Sänger  ersten  Range> 
mehr.  Die  gegenwärtige  Generation  erinnert  sich  seiner  mehr  als  einer  Utilite, 
und  vor  allem  als  einer  überall  ihren  Mann  stellenden  Repräsentantenfigur. 
Es  war  ein  Vergnügen,  ihn  nur  als  Terzky'schen  Wachtmeister  zu  sehen  — 
ein  ganzer  Mann!  Er  brauchte  sich  nicht  viel  zu  schminken,  und  niemals 
veränderte  er  seinen  angegrauten  schönen  Vollbart,  denn  er  konnte  sich  kaum 
empfehlender  und  vor  allem  imponirender  herrichten  als  er  von  Natur  war. 
In  seinen  besseren  Zeiten,  an  die  sich  der  Schreiber  dieser  Zeilen  wohl  er- 
innert, dröhnte  aber  auch  seines  Basses  Grundgewalt  gar  voll  und  schön 
durch  das  grosse  Haus.  Er  ging  still  und  bescheiden  von  der  Bühne  und 
aus  dem  Leben,  wie  er  gekommen  war.  Als  er  fast  fünf  Jahre  nach  seinem 
Austritt  starb,  tauchte  sein  Name  vorübergehend  in  wenigen  kleinen  Nach- 
rufen auf,  und  wer  nicht  dem  Theater  näher  stand,  wusste  kaum,  dass  er 
noch  am  Leben  gewesen.  In  unserer  unruhigen,  nervenzerstörenden  Zeit 
könnte  ein  ruhiger  und  zielbewusster  Bühnenleiter  gleich  B.  mehr  denn  je  ein 
Vorbild  für  alle  Nachstrebenden  sein. 

Alfred  Freiherr  v.  Mensi. 

Hieber,  Otto,  Kgl.  Hofcapellmeister  und  Professor  an  der  Kgl.  Akademie 
der  Tonkunst  in  München,  ♦  daselbst  am  20.  Februar  1848,  f  am  9.  Januar 
1897  ebenda.  —  H.,  der  Sohn  des  noch  jetzt  an  der  St.  Cajetans-Hofkirche 
wirkenden  Chordirectors  Ulrich  H.  entstammte  einer  alten  und  angesehenen 
Münchener  Musikerfamilie.  Es  war  also  fast  selbstverständlich,  dass  auch  ihm 
die  Musik  Lebensberuf  wurde.  Er  kam  an  die  Kgl.  Musikschule  seiner  Vater- 
stadt, die  später  den  stolzeren  Titel  einer  Akademie  der  Tonkunst  erhielt, 
aber  seitdem  für  das  Münchener  Musikleben  lange  nicht  mehr  von  der  Be- 
deutung ist,  die  sie  in  den  ersten  Jahrzehnten  ihrer  Gründung  hatte,  nachdem 
Hans  V.  Bülow  sie  nach  den  Ideen  Richard  Wagner's  reorganisirt  hatte. 
Bülow,  Joseph  Rhcinberger,  der  noch  als  Professor  und  Inspector  wirkt,  sowie 
Franz  Wüllner  waren  H.'s  Lehrer.  Seine  Stellung  als  Capellmeister  war  ihm 
gewissermaassen  durch  Tradition  und  Erziehung  vorgezeichnet,  zum  Glück 
auch  durch  seine  Begabung.  Er  begann  in  dieser  Eigenschaft  am  Theater 
am  Gärtnerplatz,  das  Anfang  der  siebziger  Jahre  der  Kgl.  Hoftheater-Inten- 
danz aufgebürdet  wurde,  sich  aber  bald  davon  emancipiren  musste,  seine 
Laufbahn.  Im  Jahre  1877  ging  er  mit  dem  Titel  eines  kgl.  Musik directors 
an  das  Kgl.  Hoftheater  über,  wo  er  eine  stille,  dem  Publikum  verborgen  ge- 
bliebene, aber  ungemein  segensreiche  Wirksamkeit  entfaltete:  er  hatte  das 
Studium  der  Solosänger  zu  leiten,  und  manche  später  zu  Namen  und  Ruf  ge- 
langte Kraft  verdankt  H.'s  gediegener  musikalischer  und  technischer  Bildung 
erfolgreichste  Unterweisung.     Ende   der   achtziger  Jahre   vertauschte  H.  diej>e 


Hieber.     Tunner. 


239 


Thätigkeit  mit  der  eines  Directors  des  Chors,  und  damit  schien  er  seinen 
eigentlichen  Beruf  gefunden  zu  haben,  denn  als  unfehlbarer  Chorleiter  auf  der 
Bühne  wie  bei  den  Chorklassen  der  Akademie  hat  er  sich  den  besten  Namen 
im  Münchener  Musikleben  gemacht;  darin  erwies  er  sich  als  der  verständniss- 
vollste Schüler  WüUner's,  dessen  Methode  er  mit  pädagogischem  Tact  überall 
zu  verwenden  wusste.  Des  gaben  insbesondere  die  herkömmlichen  Prüfungs- 
concerte  der  Akademie  der  Tonkunst  Zeugniss,  nicht  minder  aber  die  Leistungen 
der  königlichen  Vocalcapelle,  deren  Leitung  ihm  nach  dem  Rücktritt  Rhein- 
berger's  übertragen  wurde.  Nebenher  dirigirte  er  auch  den  Oratorienverein, 
der  nach  ihm  an  Bedeutung  schnell  verloren  hat.  Auch  als  Orgelspieler  und 
-T -ehrer  war  er  überaus  geschätzt.  H.,  den  eine  jähe  Krankheit  viel  zu  früh 
dahingerafft,  war  kein  productives  musikalisches  Genie  und  kein  moderner 
damenbezaubemder  Pultvirtuose,  aber  er  war  ein  gewissenhaft  und  ehrlich 
im  Dienste  seiner  geliebten  Kunst  reproducirendes  Talent,  ein  gediegener 
Musiker  von  altem  Schrot  und  Kom,  wie  sie  immer  seltener  werden  —  gleich 
gewandt  in  der  musica  sacra  wie  in  der  profanen.  Damit  in  harmonischer 
Uebereinstimmung  stand  der  deutsche  kemhafte  Charakter  dieses  echten  Alt- 
müncheners,  dem  Zeit  seines  Lebens  jede  Pose  fremd  geblieben  ist. 

Alfred  Freiherr  v.  Mensi. 

Tunner,  Peter  v.,  k.  k.  Ministerialrath  und  jubil.  Bergakademiedirector, 
*  am  10.  Mai  1809  in  Turrach  (Steiermark),  f  am  8.  Juni  1897  zu  Leoben 
(Steiermark).  —  Sohn  des  Fürstlich  Seh warzenberg' sehen  Verwesers  Peter  Tunner 
in  Turrach,  war  T.  von  Jugend  auf  in  seiner  freien  Zeit  beim  Bergbau-  und 
Hüttenbetrieb  beschäftigt  und  in  alle  Einzelheiten  desselben  eingeführt;  seine 
wissenschaftliche  Ausbildung  erhielt  er  an  dem  k.  k.  polytechnischen  Institute 
in  Wien.  Dem  Umstände,  dass  er  in  die  Familie  des  Gewerken  M.  v.  Rosthorn 
eingeführt  wurde,  verdankte  T.  zweifellos  die  Grundlage  zu  seiner  her- 
vorragenden Fähigkeit,  technische  Fragen  von  weiten  Gesichtspunkten  aufzu- 
fassen. Nach  Vollendung  seiner  Studien  arbeitete  er  zwei  Jahre  lang  praktisch 
auf  den  Fürstlich  Seh  warzenberg*  sehen  Stahlhämmern.  Dann  war  er  einige 
Monate  auf  dem  der  Familie  v.  Rosthorn  gehörigen  Eisenwerk  in  Frautschach, 
um  daselbst  den  Harzer  Rennprocess  einzuführen,  weiterhin  Werkführer  in 
Mauterndorf,  worauf  seine  Ernennung  zum  Verweser  auf  dem  Fürstlich  Schwar- 
zenberg'schen  Stahlhammer  in  Katsch  erfolgte.  Er  hatte  sich  somit  früh- 
zeitig neben  einer  gediegenen  theoretischen  Bildung  auch  gründliche  und 
vielseitige  praktische  Kenntnisse  erworben.  Es  war  dies  besonders  maass- 
gebend,  als  es  galt,  auf  die  neu  zu  errichtende  Lehrkanzel  für  Hüttenkunde 
am  Grazer  Johanneum  eine  geeignete  Persönlichkeit  zu  stellen.  Der  um  die 
steirische  Eisenindustrie  hochverdiente  Erzherzog  Johann  entschied  sich  für 
T.  und  fuhr  1833  nach  Katsch,  um  persönlich  mit  ihm  zu  verhandeln,  worauf 
T.  sich,  ganz  gegen  den  Willen  seines  Vaters,  entschloss,  die  Stellung  anzunehmen. 

Welches  hohe  Interesse  der  Erzherzog  für  T.  gefasst  hatte,  geht  aus 
einem  Schreiben  hervor,  das  Ersterer  am  14.  September  1833  an  die  Stände 
von  Steiermark  richtete,  worin  er  u.  a.  sagte:  »Nach  meiner  Ueberzeugung 
schlage  ich  den  Peter  Tunner,  dermalen  Fürst  Schwarzenberg'scher  Verweser 
des  Hammerwerks  Katsch,  zu  diesem  Endzweck  vor.  Landeskind,  vom  besten 
moralischen  Charakter,  einer  der  vorzüglichsten  Zöglinge  des  Polytechnischen 
Instituts,  folglich  ausgerüstet  mit  den  erforderlichen  wissenschaftlichen  Kennt- 
nissen,   vollkommen    erfahren    in    der    heimischen    Eisenmanipulation,    da    er 


240  Tanner. 

längere  Zeit  als  Meister  auf  dem  Hammer  arbeitete,  von  guter  Körp»er- 
beschafienheit,  genügsam,  verbindet  er  alle  erforderiichen  Eigenschaften,  um 
den  Zweck  zu  erfüllen,  welchen  wir  beabsichtigen  müssen.  —  Diesen  trage 
ich  an,  reisen  zu  lassen  nach  Schlesien,  Schweden  und  da,  wo  es  noch  weiter 
erforderlich  sein  dürfte.  Zur  Bestreitung  dieser  Reise  dürften  die  bereits  als 
T>otirung  des  Professors  der  Hüttenkunde  bewilligten  1200  fl.  C.  M^  wozu 
noch  ein  Zuschuss  zu  kommen  hätte,  zu  verwenden  sein  .  .  .  .<  Die  Stände 
Steiermarks  kamen  dieser  Aufforderung  nach,  indem  sie  am  10.  October  1S33 
berichteten,  dass  sie  »in  Anbetracht  der  ausgezeichneten  wissenschaftlichen 
und  moralischen  Eigenschaften  dieses  Individuums«  nicht  nur  mit  dessen  An- 
stellung als  Professor,  sondern  auch  mit  dem  Antrag  Seiner  K.  K.  Hoheit, 
denselben  bis  zur  Errichtung  des  neuen  Lehrgebäudes  auf  eine  Bildungsreise 
zu  schicken,  vollkommen  einverstanden  seien.  Ungeachtet  der  kräftigsten 
Unterstützung  seitens  des  Erzherzogs  erfolgte  erst  zwei  Jahre  später  die  Er- 
nennung T.'s  zum  Professor.  Die  diesbezügliche  Urkunde  wurde  am  15.  Mai 
1835  ausgestellt.  T.  war  bei  seiner  Ernennung  erst  26  Jahre  alt;  er  hatte 
das  Glück,  dass  ihm  vor  Antritt  seiner  Professur  noch  5  Jahre  zu  seiner  Vor- 
bereitung zur  Verfügung  standen,  und  dass  ihm  zu  einer  Zeit,  in  welcher  noch 
wenige  Techniker  wissenschaftliche  Reisen  zu  unternehmen  vermochten,  aus- 
reichende Mittel  geboten  wurden,  um  die  wichtigsten  Industriebezirke  bereisen 
und  Studiren  zu  können.  Im  März  1837  trat  T.  seine  Studienreise  an,  welche 
bis  zum  December  desselben  Jahres  dauerte;  da  aber  der  Bau  der  neuen 
Lehranstalt  bei  seiner  Rückkehr  noch  nicht  weit  genug  gediehen  war,  so 
ging  er  am  20.  April  des  folgenden  Jahres  auf  seine  zweite  Reise,  von 
welcher  er  am  19.  Juli  zurückkehrte.  Eine  dritte  Studienreise  dauerte  vom 
25.  August  bis  II.  October  1838.  Auf  seinen  drei  Reisen  besuchte  er  die 
berühmtesten  Berg-  und  Hüttenwerke  Oesterreich -Ungarns*,  Deutschlands, 
Schwedens,  Englands,  Frankreichs,  Belgiens  und  Italiens.  Am  i.  November 
1840  wurde  die  neue  Lehranstalt  für  Bergbau-  und  Hüttenkunde  in  Vordem - 
berg  eingeweiht.  Neben  dem  Schulgebäude  befand  sich  eine  kleine  Lehr- 
frisch hü  tte  mit  zwei  Frischfeuem,  in  welcher  die  Schüler  unter  T.'s  persön- 
licher Anleitung  die  Frischmethoden  praktisch  einübten.  Im  Jahre  184Q 
wurde  die  Anstalt  nach  Leoben  verlegt  und  am  14.  October  1861  in  eine 
Bergakademie  umgewandelt.  Wie  innig  T.'s  ganzes  Sein  an  dem  Geschick 
der  von  ihm  begründeten  und  weit  über  die  Grenzen  der  Monarchie  bekannten 
I^ehranstalt  hing,  erhellt  am  deutlichsten  aus  dem  Ausspruch,  den  der  Alt- 
meister einst  that:  »Wenn  einmal  die  letzte  Stunde  an  mich  herantritt,  weiss 
ich  nicht,  ob  ich  mehr  an  meine  Familie  oder  an  meine  Akademie  denken 
werde.«  —  T.  war  auch  Mitbegründer  der  in  Leoben  neben  der  Akademie 
bestehenden  Berg-  und  Hüttenschule,  deren  Curatorium  er  10  Jahre  lang  als 
Obmann  vorgestanden  hat.  Die  Thätigkeit,  welche  T.  1840  als  Lehrer  der 
Eisenhüttenkunde  begann  und  auch  mehr  als  ein  Menschenalter  mit  bewun- 
dernswerther  Kraft  fortsetzte,  war  bahnbrechend ;  mit  seltenem  Geschick  wusste 
er  seine  vielseitigen  praktischen  Erfahrungen  mit  den  wissenschaftlichen  Grund- 
sätzen zu  verbinden  und  das  Ergebniss  seinen  Schülern  in  lichtvollem  Vortrag 
mitzutheilen.  Letztere  sind  über  die  ganze  Erde  vertheilt;  wo  sie  aber  auch 
immer  sein  mögen,  ihres  hochverehrten  »Peters«  gedenken  sie  alle  mit  rühren- 
der Treue  in  höchster  Anerkennung  und  Dankbarkeit.  Seine  letzten  Vorträge 
über  Eisenhüttenkunde  hielt  T.  im  Studienjahr  1865/66.  Am  20.  Juli  1874 
trat  er  in  den  bleibenden  Ruhestand. 


Tunner.     Breitenlohner. 


241 


Bei  seiner  Thätigkeit  als  Lehrer  der  Eisenhüttenkunde  hat  T.  allen 
Neuerungen  auf  diesem  Gebiete  seine  volle  Aufmerksamkeit  gewidmet.  So 
hat  er  als  einer  der  Ersten  die  Bedeutung  des  Bessemerverfahrens  erkannt 
und  dessen  Einführung  in  Oesterreich  veranlasst.  Bekannt  ist  ferner  das  von 
ihm  erfundene  Gltihfrischen. 

Auch  schriftstellerisch  war  T.  in  hervorragender  Weise  thätig.  Seine 
zahlreichen  Arbeiten  erschienen  zumeist  in  den  Leobener  berg-  und  hütten- 
männischen Jahrbüchern,  in  jenen  der  Wiener  geologischen  Reichsanstalt, 
sowie  in  anderen  Zeitschriften.  Von  Sonderschriften  seien  nur  erwähnt: 
»Ueber  die  Walzenkalibrirung«,  »lieber  die  Zukunft  des  österreichischen 
Eisenhüttenwesens«,  »Ueber  Russlands  Montanindustrie«,  »Bericht  über  die 
T^ondoner  Weltindustrieausstellung«  u.  s.  w.  Eine  seiner  letzten  Arbeiten  war 
eine  treffliche  »Darstellung  der  Eisenindustrie  in  Steiermark  und  Kärnthen«, 
welche  er  anlässlich  des  Besuches  des  »Iron  and  Steel  Institute«  in  Oester- 
reich-Ungam  im  Jahre  1884  verfasste.  Seine  letzte  grössere  Arbeit  behandelt 
das  Eisenhüttenwesen  in  den  Vereinigten  Staaten.  Seit  dem  Jahre  1845  ^^" 
suchte  T.  alle  grossen  Industrieausstellungen,  und  noch  in  seinem  69.  Lebens- 
jahre unterzog  er  sich  den  Strapazen  einer  Amerikafahrt  zum  Besuch  der 
Centennialausstellung.  Im  Jahre  1867  wurde  T.  in  den  steiermärkischen 
Landtag  und  noch  in  demselben  Jahre  auch  in  das  Abgeordnetenhaus  des 
Reichstags  gewählt. 

An  äusseren  Ehrenbezeugungen  hat  es  ihm  nicht  gefehlt.  Im  Jahre  1864 
wurde  T.  in  den  österreichischen  Ritterstand  erhoben.  Er  erhielt  zahlreiche 
in-  und  ausländische  Orden,  mehrere  Städte  und  Bergorte  machten  ihn  zu 
ihrem  Ehrenbürger,  gelehrte  Gesellschaften,  viele  wissenschaftliche  und  techni- 
sche Vereine  der  ganzen  Welt  erwählten  ihn  zum  Ehrenmitglied.  Auch  der 
Verein  deutscher  Eisenhüttenleute  ernannte  ihn  in  der  Hauptversammlung 
vom  ii.December  1881  zu  seinem  Ehrenmitgliede. 

Der  Name  »Peter  Tunner«  ist  mit  der  Geschichte  des  Eisenhtittenwesens 
unauflöslich  verknüpft.  Er  hat  klar  und  zielbewusst  in  hervorragender  und 
schöpferischer  Weise  an  der  Festlegung  der  Grundlagen  mitgewirkt,  auf 
welchen  die  machtvolle  Entwickelung  der  heutigen  Eisenindustrie  sich  aufge- 
baut hat. 

Dr.  W.  Beumer. 

Breitenlohner,  Jakob,  Professor  der  Hochschule  für  Bodencultur  in  Wien, 
♦  am  21.  Juli  1833  zu  Oberweyr,  Oberösterreich,  f  am  24.  März  1897  zu 
Wien.  —  Als  das  Kind  armer  Eltern  geboren,  verbrachte  B.  seine  Jugendzeit 
in  sehr  bescheidenen  Verhältnissen.  Auch  während  seiner  G)annasialstudien 
zu  Linz  verfolgte  ihn  die  Sorge  um  das  tägliche  Brod,  nur  unter  unsäglichen 
Entbehrungen  gelang  es  ihm  seine  Studien  zu  vollenden  und  endlich  die 
Maturitätsprtifung,  mit  ausgezeichnetem  Erfolge,  abzulegen.  Er  bezog  hier- 
auf die  Universitäten  Graz  und  Wien,  widmete  sich  dem  Studium  verschie- 
dener Gegenstände  und  promovirte  i86o  zum  Doctor  der  Chemie.  Die 
erste  Anstellung  fand  B.  1861  als  Leiter  der  Torfproduktenfabrik  des  Gra- 
fen Stadion  auf  der  Herrschaft  Chlumetz  (gegenwärtig  im  Besitze  Sr.  kaiserl. 
Hoheit  Erzherzog  Franz  Ferdinand),  woselbst  Photogen  und  Paraffin  erzeugt 
wurde.  Im  Jahre  1865  trat  B.  in  die  unter  der  Leitung  Dr.  Hanemann's 
stehende,  landwirthschaftliche  Versuchsstation  des  Fürsten  Schwarzenberg  zu 
Lobositz    in  Böhmen    als  Chemiker  ein.     In   dieser  Stellung  verblieb  er  acht 

BiogT.  Jfthrb.  a.  Dcatscher  Nekrolog.    2.  Bd.  1 6 


242 


Breitenlohner. 


Jahre  mit  Moor-,  Düngungs-,  Culturversuchen  und  mit  meteorologischen  Be- 
obachtungen beschäftigt.  Aus  dieser  Zeit  stammen  seine  ersten  wissenschaft- 
lichen Arbeiten.  Die  geringen  Einkünfte  seiner  Stellung  in  Lobositz,  \ielleicht 
aber  noch  mehr  seine  Vorhebe  zum  Lehrfache  veranlassten  ihn,  die  Stellung 
in  Lobositz  aufzugeben  und  sich  dem  Lehrfache  zu  widmen.  Im  Jahre  1875, 
im  Alter  von  41  Jahren,  wurde  er  an  der  Forstakademie  zu  Mariabrunn  als 
honorirter  Docent  angestellt  und  ihm  der  Titel  Adjunct  verliehen.  B.  war 
der  geeignete  Mann  zur  Uebemahme  der  Fächer  Meteorologie,  Klimatologic 
und  Standortlehre.  Bei  der  Errichtung  der  Hochschule  für  Bodencultur  in 
Wien  wurde  er  dorthin  übernommen,  erhielt  1881  den  Titel  eines  ausser- 
ordentlichen Professors,  1884  auch  das  hiefür  systemisirte  Gehalt.  Die  fach- 
liche Tüchtigkeit  B.'s  beruhte  nicht  allein  auf  seinem  Talente,  sondern  auch 
in  dem  Umstände,  dass  er  ausschliesslich  seiner  wissenschaftlichen  Thätigkeit 
lebte.  Für  seine  Person  war  er  von  ausserordentlicher  Bedürfnisslosigkeit, 
die  Genüsse  des  gewöhnlichen  Lebens  waren  ihm  fremd,  auch  bheb  er  un- 
vermählt. Trotz  des  geringfügigen  Einkommens,  welches  mit  seinem  Lehr- 
amte verbunden  war,  wusste  er  doch  die  Mittel  für  Studienreisen  zu  finden. 
Insbesondere  in  seiner  Ferialzeit  durchreiste  er  die  verschiedensten  Theile  der 
Monarchie.  Häufig  weilte  er  in  den  Alpen  und  war  dort  in  den  entlegensten 
Orten,  mit  der  einfachsten  im  Rucksacke  untergebrachten  Ausrüstung  und 
einem  Geologenhammer  anzutreffen.  Es  war  ihm  auf  Studienreisen  ganz 
gleichgiltig,  was  sonst  in  der  Welt  vorging,  er  wies  jeden  Brief  mit  dem  Ver- 
merk zurück:  »Auf  Ferialreisen  des  Lesens  und  Schreibens  unkundig. c  Die 
Rücksichtslosigkeit,  mit  der  er  sich  die  zu  wissenschaftlicher  Arbeit  nöthige 
Ungebundenheit  schaffte,  seine  schonungslose  Offenherzigkeit,  die  Gering- 
schätzung äusseren  Scheines,  waren  nicht  geeignet,  Femestehende  für  ihn  ein- 
zunehmen. Erst  bei  näherem  Umgang  erschloss  sich  seine  schlichte,  grund- 
ehrliche und  treuherzige  Art,  offenbarte  sich  die  ganze  Fülle  seines  Wissens. 
Durch  seinen  zwar  nicht  gerundeten  aber  doch  klaren  und  fasslichen,  durch 
mühevoll  beschaflles  Demonstrationsmaterial  anschaulich  gemachten  Vortrag 
wusste  er  seine  Schüler  ebenso  an  sich  zu  fesseln,  als  durch  das  warme  Herz 
und  das  eingehende  Verständniss,  welches  er  ihren  Interessen  entgegenbrachte. 
Der  wissenschaftlichen  Thätigkeit  B.'s  wurde  durch  seine  im  Leben  erlangten 
Stellungen  die  Richtung  gewiesen.  So  erwuchs  er  während  seiner  Anwesen- 
heit in  Chlumetz  und  Lobositz  zu  einem  namhaften  Fachmann  im  Moorwesen. 
In  Komers'  Jahrbuch  für  österreichische  Landwirthe  veröffentlichte  er  eine 
Reihe  von  Aufsätzen  über  Löss  (1869),  Basalt  (1870),  Pläner  (1872),  Moor- 
boden (1873).  In^  österreichischen  landwirthschaftlichen  Wochenblatte  IL  und 
III.  Jahrgang  (1876  und  1877)  gibt  er  eine  treffliche,  landschaftliche  und 
entwicklungsgeschichtiiche  Schilderung  des  2200  Joch  grossen  Ibmermoores 
bei  Wildshut  in  Oberösterreich  und  führt  die  Versuche  an,  dasselbe  trocken 
zu  legen.  Die  Entwässerungsarbeiten  sind  zum  grossen  Theile  an  dem  Wider- 
stände der  Bauern  gescheitert,  welche  aus  dem  Moore  Nutzen  ziehen.  B. 
meint,  dass  durch  Wanderlehrer  erst  das  richtige  Verständniss  der  Anwohner- 
schaft erweckt  werden  müsse,  um  zum  Ziele  zu  gelangen.  Bei  dergleichen 
Dingen  fiele  wohl  noch  der  Schule  eine  wichtige  Rolle  zu.  In  der  Oester- 
reicbischen  landwirthschaftlichen  Zeitung  1877  schildert  B.  unter  dem  Titel 
»Gloria  in  desertis  Deo«,  der  Ueberschrift  eines  Kirchenportal  es  mit  der 
Jahreszahl  1790,  in  Gnarrenberg,  auf  einem  inselgleich  aus  den  Mooren  auf- 
tauchenden Geestrücken,  die  Moorgegend  zwischen  Elbe  und  Weser.    Gnarren- 


Breitenlohner. 


243 


berg  ist  sozusagen  die  Markthalle  der  umliegenden  etlichen  20  Colonien  und 
Dörfer,  die  alle  ihren  Bedarf  dort  decken.  Durch  die  Canalisation  ist  den 
Mooren  ein  radikaler  Aderlass  applicirt  worden  und  zugleich  die  praktischeste 
Verkehrsstrasse  geschaffen.  Dasselbe  Element,  welches  früher  jeden  Zugang 
wehrte,  sollte  in  kluger  Benutzung  des  billigen  Transportmittels  der  Commu- 
nication  den  weitesten  Spielraum  eröffnen.  Auf  den  Kanälen  wird  der  ge- 
w^onnene  Torf  ausgeführt;  sie  erstrecken  sich  bis  zur  Weser  und  Elbe.  Neben 
der  Erörterung  der  Lebensverhältnisse  der  Moorbauem  bespricht  B.  auch  das 
Moorbrennen.  Im  Centralblatte  für  das  gesammte  Forstwesen  1877  beschäf- 
tigt sich  B.  mit  der  Aufforstung  der  Hochmoore.  Im  Jahrgange  1878  der 
Wiener  landwirthschaftlichen  Zeitung  berichtet  B.  über  einen  Besuch,  den  er 
zu  Pfingsten  dem  Hansäg,  einem  grossen  Moorboden  am  Neusiedlersee,  ab- 
gestattet hat. 

In  Lobositz  beschäftigte  sich  B.  schon  mit  geologischen  und  meteoro- 
logischen Beobachtungen  und  verfolgte  die  Niederschlagsverhältnisse,  die  ihn 
auch  späterhin  beschäftigten.  So  machte  er  darüber  in  WoUny's  Forschungen 
auf  dem  Gebiete  der  Agriculturphysik,  1886,  über  die  Hochwasserkatastrophe 
zu  Bruneck  in  Tirol  im  September  1882  eine  besondere  Mittheilung.  Seine 
Streifzüge  im  Wienerwalde  lieferten  ihm  das  Material  zu  den  »Beiträgen  zur 
Untersuchung  der  standortlichen  Verhältnisse  der  Rothbuche  im  Wienerwalde« 
im  Centralblatte  für  das  gesammte  Forstwesen  1878.  Im  Komers'schen  Jahr- 
buche 1879  kommt  er  wieder  auf  den  Wald  als  klimatischen  Factor  zurück. 
1893  fasste  er  die  von  Lorenz  gezogenen  Schlüsse  wie  folgt  zusammen:  wenn 
auch  im  Ganzen  und  Grossen  nur  eine  geringfügige  Einwirkung  des  Waldes 
in  seine  Umgebung  hieraus  sich  erkennen  lässt,  so  ist  damit  nicht  gesagt, 
dass  auch  das  Verschwinden  des  Waldes  von  ebenso  unbedeutenden  Con- 
sequenzen  begleitet  sein  würde.  Diese  Folgerung  wäre  schon  deshalb  nicht 
stichhaltig,  weil  das  Klima  der  Umgebung  bereits  unter  dem  Einflüsse  des 
vorhandenen  Waldes  steht.  Die  negativen  Folgen  einer  Entwaldung  wären 
möglicherweise  viel  deutlicher  als  die  positiven  des  Waldbestandes.  Mit  dem 
Pflanzenphysiologen  Dr.  Josef  Böhm  zusammen  unternahm  B.  eine  Untersuchung 
»Ueber  die  Baumtemperatur  in  ihrer  Abhängigkeit  von  äusseren  Einflüssen« 
(Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  Bd.  LXXV,  S.  615). 

Als  in  der  Mitte  der  siebziger  Jahre  der  jetzige  Hofrath  Wilhelm  Exner 
auf  die  volkswirthschafüiche  Bedeutung  der  Weidencultur  und  Korbflechterei 
aufmerksam  machte  und  sich  als  Vorstand  des  technologischen  Gewerbe- 
museums dieser  Sache  annahm,  fand  er  in  B.  eine  werkthätige  Unterstützung. 
Mit  der  ihm  eigenen  Gründlichkeit  erfasste  B.  das  Studium  dieses  Gebietes. 
Im  landwirthschaftlichen  Wochenblatte  (1887)  weist  er  in  einem  Aufsatze: 
»Die  Purpur-  und  Korbweide  in  Niederösterreich«  darauf  hin,  dass  die  auen- 
reiche Donau  mit  dem  Eintritte  aus  Bayern  bloss  wildes  Weidicht  zur  Schau 
trägt,  während  anderwärts  lukrative  Weidenwerder  bestehen.  Das  Stromgebiet 
der  Donau  erscheint,  was  Boden  und  Klima  betrifft,  von  Natur  aus  für  Weiden- 
plantagen gleichsam  prädestinirt,  und  Niederösterreich  wäre  allein  im  Stande, 
den  ganzen  Bedarf  an  Flechtmaterial  zu  decken.  Dieser  Thätigkeit  B.'s  ist 
im  Laufe  der  Zeit  reicher  Erfolg  erwachsen.  Die  Weidencultur  in  Oester- 
reich  ist  seither  in  der  diesseitigen  Reichshälfte  nicht  nur  in  Wsetin,  im 
Beczwathale,  in  Trpist  in  Böhmen,  im  Sanngebiete  in  Galizien,  sondern  vieler 
Orten  erblüht. 

Aus    seinen   Streifzügen    in   den   Alpen  berichtet  B.   in   einem  Vortrage: 

16* 


244 


Breitenlohner.     Fuchs. 


»Wie  Muhrbrüche  entstehen,  was  sie  anrichten  und  wie  man  sie  bändigte 
im  Vereine  zur  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kenntnisse  in  Wien  am 
7.  März  1883. 

Das  warme  Interesse  für  die  Erscheinungen  der  Hochregion  spricht  sich 
auch  in  der  Aneiferung  Rojacher's  zu  meteorologischen  Beobachtungen  aus. 
Als  das  Project  der  Errichtung  der  Station  auf  dem  Sonnblick  erwogen  wurde, 
hielt  B.  am  24.  November  1885  in  der  geographischen  Gesellschaft  in  Wien 
einen  Vortrag  (Mittheilungen  der  geographischen  Gesellschaft  in  Wien,  1886, 
XXIX.  Bd.)  darüber,  um  das  Interesse  für  diese  Unternehmung  in  der  Oeffent- 
lichkeit  anzuregen.  So  wurde  B.  das  Bindeglied  zwischen  den  weitausgreifen- 
den, anderwärts  damals  in  Verwirklichung  begriffen  gewesenen  Ideen  Hann's 
bezüglich  der  Errichtung  von  Höhenobservatorien,  und  Rojacher,  dem  Manne 
in  Oesterreich,  der  vor  der  Durchführung  eines  solchen  Unternehmens  nicht 
zurückscheute  und  es  auch  wirklich  zu  Stande  brachte. 

Nach  A.  V.  Obermayer  in  dem  6.  Jahresbericht  des  Sonnblick-Vereines,  Wien  189S. 

Fuchs,  Wilhelm,  Advokat  und  Privatdocent  der  Rechte,  ♦  am  27.  Septem- 
ber 1853  zu  Wien,  f  ebenda  am  17.  Juli  1897.  —  F.  war  einer  der  her\-or- 
ragendsten  Rechtsanwälte  Wiens,  welcher  es  vermocht  hatte,  nebst  seiner  aus- 
gedehnten advocatorischen  Praxis  die  Jurisprudenz  durch  wissenschaftliche  Bei- 
träge fortwährend  zu  bereichern  und  sich  dadurch,  sowie  durch  die  Vortreff- 
lichkeit seines  Charakters  ein  Andenken  zu  sichern,  das  ihn  lange  überleben 
wird.  F.  war  ein  Sohn  des  Dr.  Adalbert  Fuchs,  Professors  der  Landwirthschaft 
an  der  technischen  Hochschule  in  Wien.  Während  seiner  Kindheit  und  Jugend 
hatte  er  viel  mit  schweren  Krankheiten  zu  kämpfen,  die  er  nur  durch  die  auf- 
opfernde Pflege  seiner  Mutter  glücklich  überstand.  Seiner  besonderen  Begabung 
hatte  er  es  zu  danken,  dass  er  trotz  seiner  Kränklichkeit  sehr  frühzeitig  —  vor 
dem  vollendeten  1 7.  Lebensjahre  —  das  Gymnasium,  welches  er  bei  den  Schotten 
in  Wien  besuchte,  absolviren  konnte.  Die  Gymnasialfächer  hatten  ihm  übrigens 
nie  besonders  zugesagt  und  wie  ein  neues,  bis  dahin  ungeahntes  Leben  war 
es  für  ihn,  als  er  als  Hörer  an  der  juridischen  Fakultät  in  Wien  zu  den 
Füssen  einer  Anzahl  hervorragender  Rechtslehrer  sitzen  konnte.  An  der  Uni- 
versität fand  er  bald  eine  Anzahl  gl  eichgesinnter  junger  Männer,  mit  welchen 
er  für  das  ganze  Leben  innige  Freundschaft  schloss,  wie  die  Schriftsteller 
Dr.  Anton  Bettelheim  und  Dr.  Richard  v.  Kralik,  die  Advokaten  Dr.  Josei 
Schmiedl  und  Dr.  Max  v.  Schneider.  Der  Letztgenannte  hatte  die  Güte,  die 
juridische  Seite  der  Thätigkeit  seines  verstorbenen  Freundes  in  Folgendem 
kurz  zu  skizziren: 

»F.  studirte  Jus  an  der  Wiener  Universität  1870 — 1874.  Ihering  und  nach 
ihm  Exner  hatten  eben  begonnen,  abweichend  von  der  bisherigen  Uebung, 
auch  an  der  Juristenfakultät  persönliche  Beziehungen  zwischen  den  Lehrern 
und  ihren  begabteren  Hörern  anzuknüpfen,  sowie  durch  Verbindung  mit  prak- 
tischen Cursen  ihre  systematischen  Vorträge  anziehender  und  wirkungsvoller 
zu  gestalten.  F.  hing  vor  allem  an  Exner  mit  grosser  Verehrung,  sowie  auch 
Exner  grosse  Stücke  auf  ihn  hielt,  und  der  Einfluss  des  erwähnten  Gelehrten 
auf  die  Richtung  seiner  literarischen  Thätigkeit  ist  unverkennbar. 

Nach  vollendeten  Studien  besuchte  F.  im  Sommersemester  1875  ^'*^ 
Heidelberger,  im  Wintersemester  1875/76  die  Berliner  Universität.  Schon 
1877  habilitirte  er  sich  als  Privatdocent  für  österreichisches  Recht  in  Wien. 
Gleichzeitig    trat    er    in    den   praktischen  Dienst   bei  Gericht,  ging  aber  bald 


Fuchs. 


245 


darauf  zur  Advokatur  über;   1883  wurde  er  in  die  Advokatenliste  eingetragen. 

1879  veröffentlichte  er  eine  grössere  Abhandlung  »Das  Ehehinderniss  des 
bestehenden  Ehebandes  nach  österreichischem  Rechte  und  seine  Umgehung«. 
Es  ist  charakteristisch,  dass  diese  Schrift  durch  ein  Zeitungsinserat  veranlasst 
wurde.  F.  behandelte  das  Thema  unter  steter  Verweisung  auf  praktische 
Fälle  so  anschauHch,  dass  die  Arbeit  auch  in  Laienkreisen  Verbreitung  fand, 
was  ihn  veranlasste,  1889  ungefähr  den  gleichen  Stoff  unter  dem  Titel  »die 
sogenannten  siebenbürgischen  Ehen  und  andere  Arten  der  Wiederverehelichung 
geschiedener  Österreichischer  Katholiken«  in  wesentlich  erweiterter  und  ver- 
tiefter Form  nochmals  zu  bearbeiten.  Das  Buch  zeichnete  sich  durch  klare 
verständliche  Darlegung  der  meist  verwickelten  Rechtsverhältnisse  aus  und 
wird  durch  Mittheilung  eines  reichen  Quellenmateriales  für  jeden  werthvoll, 
der  diesen  Fragen  näher  treten  will. 

Die  neuere  Gesetzgebung  Ungarns  veranlasste  F.  kurz  vor  seinem  Tode 
abermals  an  eine  Umarbeitung  zu  schreiten,  die  er  leider  nicht  mehr  vollenden 
konnte.     Gleichfalls    dem  Gebiete    des  Familienrechtes  gehört  eine  im  Jahre 

1880  veröffentlichte  Abhandlung  über  »Die  Rechtsvermuthung  der  ehelichen 
Vaterschaft  nach  römischem  und  neuerem  Rechte«  an.  Sie  enthält  eine  sorg- 
fältige Darstellung  der  gesetzlichen  Bestimmungen  des  römischen  Rechtes  und 
der  modernen  Staaten,  sowie  an  der  Hand  einer  reichen  Casuistik  und  mit 
Bezug  auf  den  heutigen  Stand  der  ärztlichen  Wissenschaft  auch  werthvolle 
Vorschläge  zur  Behandlung  der  Frage  in  künftigen  Gesetzen.  1881  erschienen 
»Die  Karten  und  Marken  des  täglichen  Verkehrs«  und  »Rechtsfälle  zum  all- 
gemeinen bürgerlichen  Gesetzbuche«.  In  der  ersteren  Abhandlung  wird  zum 
ersten  Mal  und  mit  Geschick  der  Versuch  gemacht,  die  reiche  Mann  ich  faltig- 
keit dieses  Kleinlebens  systematisch  zu  bearbeiten.  Die  Rechtsfälle  sind  für 
den  akademischen  Gebrauch  bei  praktischen  Cursen  berechnet.  1883/84  gab 
F.  eine  Sammlung  von  Entscheidungen  in  Gnmdbuchsachen  heraus,  1891  eine 
Studie  aus  dem  Wiener  Leben  »Der  Hausmeister  und  sein  Recht«,  endlich 
1894  »Beiträge  zur  Lehre  von  der  Religionsfreiheit  in  der  Praxis«.  F. 's  Thä- 
tigkeit  als  Anwalt  besonders  in  Eheangelegenheiten,  wo  er  bald  allgemein  als 
Autorität  bekannt  wurde,  Hess  ihm  in  den  letzten  Jahren  weniger  Zeit  für 
grössere  schriftstellerische  Arbeiten.  Dagegen  griff  er  noch  Öfter  zur  Feder, 
um  namentlich  in  der  Fachpresse  actuelle  Fragen  zu  behandeln.  Eine  frische, 
lebendige  Schreibweise,  nicht  selten  gewürzt  durch  ätzende  Kritik  formalisti- 
scher Missgriffe,  sind  auch  diesen  Aufsätzen  eigen.  Aber  auch  den  Tagesfragen 
in  Angelegenheiten  des  Standes  brachte  er  lebhaftes  Interesse  entgegen  und 
wirkte  vielfach  anregend.  1896  berief  ihn  das  Vertrauen  seiner  Collegen  in 
den  Ausschuss  der  Advokatenkammer,  nachdem  er  nicht  ohne  Erfolg  den 
Kampf  dagegen  unternommen  hatte,  dass  die  Ehrenämter  in  der  Regel  nur 
durch  und  aus  einer  kleinen  Minorität  der  Kammermitglieder  besetzt  wurden. 
F.  war  femer  Mitglied  der  judiciellen  Staatsprüfungscommission  und  fungirte 
durch  eine  Reihe  von  Jahren  auch  als  Prüfungscommissar  bei  den  Ad- 
vokatenprüfungen. « 

F.'s  Charakter  war  ein  eigen thümliches  Gemisch  von  Strenge  auf  der 
einen  und  unendlicher  Güte  auf  der  anderen  Seite.  Die  Strenge  beruhte  auf 
seiner  Wahrheitsliebe  und  seiner  streng  logischen  Denkweise;  er  konnte  weder 
eine  Unwahrheit,  noch  einen  Denkfehler,  von  welcher  Seite  immer,  ohne  Be- 
merkung durchgehen  lassen.  Insofern  war  er  der  Mann  des  Kampfes  um  das 
Recht,    wie    er   ihn  von  seinem  Lehrer  Ihering  gelernt  hatte.     Verübtes  Un- 


2^6  Fuchs.     Peters. 

recht,  wen  immer  es  betroffen  haben  möge,  erbitterte  ihn  auf  das  Tiefete: 
die  laxe  Moral,  die  er  bei  der  Verfolgung  einzelner  Rechtssachen  in  den  öst^ 
liehen  Provinzen  des  Reiches  angetroffen  hatte,  bekämpfte  er  auf  das  äusserste, 
indem  er  bis  zu  den  obersten  Instanzen  des  Reiches  ging,  welche  seine  An- 
klagen als  gerechtfertigt  anerkennen  mussten.  —  Im  Gegensatze  zu  seiner 
Energie  gegenüber  jeder  bewussten  Unredlichkeit  stand  seine  Nachsicht  gegen- 
über den  Schwachen  und  Bedrückten,  deren  getreuer  Anwalt  er  war.  Als  der 
Rechtshilfeverein  gegründet  wurde,  dessen  Aufgabe  es  war,  Unbemittelten 
unentgeltlichen  Rechtsbeistand  zu  gewähren,  war  er  eines  der  ersten  Mitglie- 
der desselben  und  der  eifrigste  Anwalt  der  Armen  Wiens.  Gross  war  auch 
die  Zahl  derjenigen,  welchen  er  trotz  seiner  beschränkten  Mitteln  materielle 
Hilfe  leistete.  Diesem  Mitgefühl  für  die  Schwachen  entsprang  seine  Zuneigung 
zu  den  Arbeitern  und  damit  seine  socialen  Anschauungen,  welche  zum  Socia- 
lismus  hinneigten,  soweit  derselbe  innerhalb  vernünftiger  Grenzen  die  Verbesse- 
rung des  Looses  der  arbeitenden  Klasse  anstrebt.  Man  hatte  daher  öfter  in 
ihn  gedrungen,  in  diesem  Sinne  activ  an  der  Politik  sich  zu  betheiligen,  von 
welcher  ihn  aber  stets  das  niedrige  Parteigetriebe  mit  seiner  inneren  Unwahr- 
heit abschreckte. 

F.'s  theilnehmendem  Charakter  entsprach  es,  auch  bei  Anderen  Liebe 
und  Zuneigung  zu  suchen  und  zu  finden.  Er  hatte  im  Jahre  1884  die  Toch- 
ter des  Landesgerichtsrathes  Straub  geheirathet,  welche  ihm  eine  Tochter 
schenkte.  An  Frau  und  Tochter,  sowie  an  seiner  Mutter  hing  er  bis  zu  seinem 
Tode  mit  rührender  Zärtlichkeit.  Nachdem  sich  seine  früher  so  schwankende 
Gesundheit  vollkommen  gekräftigt  hatte,  verlebte  er  im  Schoosse  seiner  Fa- 
milie, geliebt  von  seinen  Freunden  und  geachtet  von  Jedermann,  eine  Reihe 
von  glücklichen  Jahren,  an  seiner  sich  immer  ausbreitenden  Thätigkeit  er- 
freuend. Viele  solcher  Jahre  schienen  ihm  noch  beschieden,  als  eine  tücki- 
sche Krankheit  ihn  erfasste.  Nach  wenigen  Tagen  schien  sein  kräftiger  Kör- 
per über  dieselbe  zu  triumphiren,  als  sie  in  neuerlichem  Ansturm  ihn  für 
immer  niederwarf. 

Nachrufe  in  den  Juristischen  Blättern  (Wien)  und  der  BeUage  zur  Allgemeinen  Zeitung 

Ouli  1897). 

Ernst  P'uchs. 

Peters,  Fritz,  bedeutender  Landwirth,  als  Förderer  und  bester  Freund 
von  Fritz  Reuter  allen  Lesern  des  berühmten  plattdeutschen  Schriftstellers 
wohlbekannt,  *  am  29.  September  18 19  auf  dem  von  seinem  Vater  gepach- 
teten gräflich  Hahn'schen  Gute  Liepen  in  Mecklenburg-Schwerin,  f  am  18.  De- 
cember  1897  in  SiedenboUentin.  —  Er  k^m  1828  nach  der  nahe  gelegenen 
Stadt  Malchin  auf  die  Schule,  wo  der  damalige  Rektor  Bülch,  ein  alter  Frei- 
heitskämpfer und  Verehrer  von  Jahn,  sowie  der  zweite  Lehrer  Susemihl  sich 
seiner  nach  jeder  Richtung  hin  annahmen  und  den  Grund  zu  seinem  tüch- 
tigen Wissen  legten;  Ersterer  sorgte  auch  für  die  Körperentwickelung  durch 
Turn-  und  Schwimmunterricht.  Beim  Eintritt  in's  vierzehnte  Jahr  sollte  der 
Knabe  confirmirt  und  in  die  Landwirthschaft  gethan  werden,  was  ihm  bei 
seiner  grossen  Passion  für  das  Studium  der  Chirurgie  gar  nicht  zusagte.  Der 
wackere  Susemihl  reiste  in  Folge  seiner  Bitte  zum  Vater,  ihn  zu  bestimmen, 
den  Sohn  doch  noch  etwas,  und  wäre  es  nur  ein  Jahr,  auf  der  Schule  zu 
lassen;  aber  auch  dies  half  nichts.  Fritz  wurde  Ostern  1834  eingesegnet  und 
Lehrling    auf  dem  Gute  Liepen,    Anfangs  traurig  über  sein  Schicksal,    später 


Peters. 


247 


seinem  seligen  Vater  vollkommen  Recht  gebend;  denn  es  stellte  sich  bald 
heraus,  dass  des  Letzteren  Leben  nicht  von  langer  Dauer  sein  sollte.  Von 
dem  Vater  in  liebevollster  Weise  mit  allen  Geschäften,  mochte  es  Ein-  oder 
Verkauf  des  fiir  die  Wirthschaft  Nöthigen,  mochten  es  Geldsachen  u.  a.  sein, 
vertraut  gemacht,  konnte  er  der  verwittweten  Mutter  eine  Stütze  werden.  Er 
selbst  schrieb  dem  Unterzeichneten:  »Meine  Jugend  war  nach  heutigen  Be- 
griffen eine  wunderbare;  nach  der  einen  Seite  hin  eine  äusserst  mühevolle, 
denn  noch  nicht  lange  war  in  Mecklenburg  die  Leibeigenschaft  aufgehoben, 
jeder  verlangte  von  sich  und  seinen  Untergebenen  ungewöhnlich  viel;  dazu 
fehlten  Communicationsmittel  und  Kunststrassen  gänzlich,  das  Ackergeräth  war 
mehr  als  primitiv,  die  Maschinen  gleich  Null,  wirthschaftlich  also  viel  Quälerei. 
Nach  der  anderen  Seite  war  mir  durch  reichliche  Mittel  und  den  häufigen 
Aufenthalt  in  Rostock,  wo  ich  das  Theater  fleissig  besuchte  und  intimen  Ver- 
kehr mit  der  akademischen  Jugend  unterhielt,  Gelegenheit  geboten,  meinen 
Geist  weiter  auszubilden.« 

Im  Jahre  1842  kam  Fritz  Reuter  zu  P.'s  Schwager,  dem  Pächter  Rust, 
auf  das  gräflich  Hahn'sche  Gut  Demzin  bei  Stavenhagen,  um,  nachdem  er 
den  Versuch,  nach  seiner  Festungszeit,  sein  Studium  wieder  aufzunehmen, 
aufgegeben  hatte,  sich  der  Land  wirthschaft  zu  widmen.  Die  Zuneigung  zwi- 
schen Fritz  Reuter  und  Fritz  P.  war  von  Anfang  an  eine  gegenseitige,  und 
da  Ersterer  auch  des  Letzteren  nachherige  Frau  Marie  geb.  0hl  kennen  lernte 
und  gleich  sehr  gern  mochte,  so*  wurde  von  dem  Tage  ihrer  Bekanntschaft 
an  ein  Band  für's  Leben  um  sie  geschlungen,  und  später  ebenfalls  um  Reu- 
ter's  Frau  Luise  geb.  Kuntze.  Jahre  lang  war  Reuter  Hausgast  bei  P.,  der 
1843  das  Gut  Thalberg  bei  Treptow  a.  Toll,  gepachtet  hatte,  1853  die  Güter 
Stolpe  und  Neuhof  unweit  Anklam  übernahm  und  schliesslich  eine  Muster- 
wirthschaft  auf  Siedenbollentin  in  Vorpommern  einrichtete,  wo  er,  als  König- 
licher Oekonomierath  bis  zuletzt  thätig,  jetzt  seiner  kurz  vorher  heimgegangenen 
Gattin  in's  Jenseits  gefolgt  ist. 

Unter  seinen  Augen  hat  Fritz  RjButer  sich  zu  dem  eigenartigen  Schrift- 
steller entwickelt,  von  ihm  mannichfache  Anregung  bekommen.  Fritz  P.  brachte 
auch  Reuter's  schwankendes  Lebensschiff  in  einen  sicheren  Hafen,  indem  er 
seine  Niederlassung  als  Lehrer  im  nahen  Treptow  betrieb;  ja  ihm  wie  seiner 
nachmaligen  Frau  Luise  stand  er  stets  treu  und  opferbereit  mit  Rath  und 
That  zur  Seite.  Jahre  hindurch  verlebten  sie  gemeinsam  fast  alle  Sonntage 
auf  dem  Gute,  Jahrzehnte  lang  jedes  Weihnachtsfest,  das  Reuter  immer  durch 
allerliebste  Julklappverse  verschönte.  Nach  den  Mittheilungen  des  P. 'sehen 
Ehepaares  habe  ich  des  Dichters  Leben  und  Treiben  auf  Thalberg  und  Sieden- 
bollentin geschildert  in  dem  Buche  »Reuter -Studien«  und  neuerdings  viele 
herzlich  anmuthende  Einzelheiten,  Briefe,  Gelegenheitspoesien,  sowie  die  Por- 
traits  der  gesammten  P. 'sehen  Familie,  von  Reuter,  der  ein  sehr  geschickter 
Zeichner  war  und  grosse  Treffsicherheit  besass,  selbst  gemalt,  dargeboten  in 
den  beiden  Bänden  »Aus  Fritz  Reuter's  jungen  und  alten  Tagen«. 

Liegt  die  Bedeutung  von  Fritz  P.  für  das  deutsche  Volk  wesentlich  in 
seiner  engen,  unzertrennlichen  Beziehung  zu  unserem  Nationaldichter,  so 
hat  er  doch  noch  ausserdem  sich  hervorragende  Verdienste  erworben,  nicht 
nur  durch  seine  praktische  erfolgreiche  Thätigkeit  als  Landwirth,  sondern 
speciell  auch  durch  seine  schriftstellerische,  die  in  Agrarierkreisen  mit  Recht 
geschätzt  worden  ist.  Den  ersten  Band  der  »Läuschen  un  Rimels«  widmete 
Reuter  bekanntlich  seinem  besten  Freunde  Fritz  Peters  zum  Andenken  an  froh 


248  Peters.     Fresenius. 

verlebte  Stunden;  P.  revanchirte  sich  durch  das  Werk  »Führung  einer  vor- 
pommerschen  Landwirthschaft  an  einem  vorhandenen  (nämlich  seinem  eigenen"^ 
Beispiele«  (Wismar,  Hinstorff)  »seinem  alten  lieben  Freunde  Fritz  Reuter  zur 
Erinnerung  an  seine  ökonomische  Laufbahn«.  Von  den  zahlreichen  P.'schen 
Publicationen  seien  aus  demselben  Verlage  noch  genannt  »Praktische  Einfüh- 
rung der  Sommerstallfütterung«  (3.  Auflage  unter  dem  Titel  c Viehzucht  und 
Milchwirthschaft  in  Verbindung  mit  Sommerstallfiitterung  und  Fruchtwechsel- 
wirthschaft«),  ferner  »Revision  der  gesammten  Wirthschaftsfiihrung«  und  vier 
Hefte  »Siedenbollentiner  Züchtungen«,  dann  die  »Abhandlung  über  Schweine- 
zucht und  Schweinemast«,  sowie  die  viel  beachtete  zeitg^mässe  Broschüre 
»lieber  die  Ursachen  der  so  allgemein  bedrückten  Lage  der  Landwirthschaft.« 
Eine  durchaus  tüchtige  Persönlichkeit  und  ein  wahrhaft  edler  Charakter 
ist  mit  Fritz  P.  dahingegangen;  er,  der  treue  Freund  in  der  Noth  und  stets 
liebenswürdige  Mensch,  wird  in  Ehren  genannt  werden,  so  lange  Fritz  Reu- 
ter's  Schöpfungen  und  Lebensgeschichte  Interesse  und  Theilnahme  erwecken. 

Karl  Theodor  Gaedertz. 

Fresenius,  Carl  Remlgius,  Chemiker,  *  am  28.  December  181 8  zu  Frank- 
furt a.  M.,  f  am  11.  Juni  1897  zu  Wiesbaden.  —  Seine  Eltern  waren  der  Advocat 
Jacob  Heinrich  Samuel  F.  und  Marie  Veronika  geb.  Finger.  Die  erste  Jugend- 
bildung erhielt  F.  auf  der  Musterschule  zu  Frankfurt  a.  M.,  dann  im  Bender'- 
schen  Institute  zu  Weinheim  an  der  Befgstrasse;  nachher  besuchte  er  das 
Gymnasium  seiner  Vaterstadt.  Im  Frühjahr  1836  trat  er  in  die  Stein*sche 
Apotheke  in  Frankfurt  a.  M.  als  Lehrling  ein,  woselbst  er  vier  Jahre  lang  die 
Pharmacie  praktisch  erlernte  und  ausübte;  zugleich  aber  besuchte  er  die  Vor- 
lesungen am  Senckenberg'schen  Institut,  insbesondere  die  über  Chemie  und 
Physik  von  Prof.  Dr.  Rudolf  Böttger  und  diejenigen  über  Botanik  von  Prof. 
Dr.  Georg  Fresenius.  Schon  damals  zog  ihn  das  Studium  der  analytischen 
Chemie  ganz  besonders  an,  und  die  wenigen  freien  Tage,  welche  ihm  blieben, 
benutzte  er  eifrig  zur  Lösung  analytisch-chemischer  Aufgaben  in  einem  kleinen 
Laboratorium,  das  er  sich  in  einem  Gartenhause  des  grossen  väterlichen 
Gartens  eingerichtet  hatte.  Im  Frühjahr  1840  bezog  er  die  Universität  Bonn, 
woselbst  er  ein  Jahr  verblieb.  Er  widmete  sich  zunächst  dem  Studium  der 
Pharmacie  und  der  Naturwissenschaften  überhaupt  unter  den  Professoren 
Gustav  Bischof,  Treviranus,  Vogel,  Nöggerath,  Marquart  u.  s.  w.,  hörte  aber 
auch  geschichtliche  und  philosophische  Vorlesungen  bei  Ernst  Moritz  Arndt, 
A.  W.  V.  Schlegel  und  Anderen.  Im  zweiten  Semester  seines  Bonner  Auf- 
enthaltes schrieb  F.  seine  Anleitung  zur  qualitativen  chemischen  Analyse,  und 
zwar  lediglich  zu  eigener  Uebung.  In  Druck  gab  er  das  Buch  erst  auf  die 
dringende  Aufforderung  Marquart's,  in  dessen  Privatlaboratorium  er  praktisch 
arbeitete,  weil  ein  Universitätslaboratorium  damals  in  Bonn  noch  nicht  exi- 
stirte.  Nachdem  während  des  Bonner  Aufenthaltes  der  Entschluss  in  ihm 
gereift  war,  sich  ganz  der  Chemie  zu  widmen,  war  nichts  natürlicher,  als  dass 
er  sich  alsbald  nach  Giessen  wandte,  wo  sich  damals  um  Liebig  die  Jünger 
dieser  Wissenschaft  von  Nah  und  Fern  zusammenschaarten.  Er  arbeitete 
unter  dem  grossen  Meister  und  hörte  ausser  bei  Liebig  Vorlesungen  bei  Bufl 
und  Kopp.  Aus  dem  ersten  Giessener  Semester  stammt  seine  Arbeit  »Ueber 
die  traubensauren  Salze«  (Annalen  der  Chemie  und  Pharmacie  41,  i).  Bereits 
im  Herbst  1841  wurde  er  Liebig's  Privatassistent,  am  i.  April  1842  staat- 
licher Unterrichtsassistent  am  Liebig'schen  Laboratorium.    In  demselben  Jahre 


Fresenius.  240 

veröffentlichte  er  die  2.  Auflage  der  Anleitung  zur  qualitativen  Analyse,  wor- 
auf ihm  am  23.  Juli  1842  die  Doctorwürde  von  der  philosophischen  Facultät 
der  Universität  Giessen  verliehen  wurde.    Am  23.  Juni  1843  habilitirte  er  sich 
als  Privatdocent    in  Giessen    und    blieb    als  solcher  in  Thätigkeit  bis  ihn  im 
September  1845  ^^^  ^^^  ^^s  Professor  der  Chemie,  Physik  und  Technologie 
an     das    herzoglich    nassauische  landwirthschaftliche  Institut  nach  Wiesbaden 
führte.     Es    war    eine    herrliche  Zeit,    die  er  in  Giessen  verlebte,  nicht  bloss 
reich   an  wissenschaftlicher  Anregung  und  Förderung,  sondern  auch  verschönt 
durch  Freundschaft   und  Liebe.     In  Giessen    knüpfte   sich  das  Freundschafts- 
band für's  Leben  zwischen  ihm,  A.  W.  Hofmann,  H.  Will  und  L.  von  Babo. 
Von  dort  führte  er  seine  Gattin  Charlotte,  geb.  Rumpf,  die  Tochter  des  Gym- 
nasialdirectors  Prof.  Dr.  Rumpf  zu  Giessen,  als  junge  Frau  nach  Wiesbaden. 
Aus  der  Giessener  Zeit  stammen  noch  eine  Reihe  von  wichtigen  literarischen 
Arbeiten,  von  denen  hier  erwähnt  sein  mögen:    »Neues  Verfahren  zur  Unter- 
scheidung  und  Trennung    des  Arsens  vom  Antimon  in  mit  dem  Marsh'schen 
Apparate  erhaltenen  Metallspiegeln«,  die  mit  Will  veröffentlichte  Schrift:  »Neue 
Verfahrungsweisen    zur   Prüfung    der  Pottasche   und   Soda,    der   Aschen,    der 
Säuren    und    des  Braunsteins«,    Heidelberg  bei  C.  F.  Winter  1843,   mehrere 
Mineralwasseruntersuchungen,    einige    davon    gemeinschafdich    mit   Will,    die 
zusammen   mit   Haidien    veröffentlichte  Arbeit:    »Ueber   die  Anwendung    des 
Cyankaliums    in    der  chemischen  Analyse«,   die  mit  v.  Babo  gemeinschaftlich 
ausgeführte  »Ueber    ein    neues  Verfahren  zur  Ausmittelung  und  quantitativen 
Bestimmung  des  Arsens  bei  Vergiftungsfällen«,   die  mit  Will  »Ueber  die  un- 
organischen Bestandtheile  der  Pflanzen.«    In  Wiesbaden  begann  F.  1845  seine 
Lehrthätigkeit  am  landwirthschaftlichen  Institut  und  hielt  ausserdem  während 
des  Winters  1845 — 4^  ^^^  Herzog  von  Nassau  an  zwei  Abenden  wöchentlich 
Experimentalvorträge  über  Chemie  in  einem  im  Schlosse  eingerichteten  Hör- 
saal.    Mit  Begeisterung   gedenken  die  Männer,   die  damals  Schüler  des  land- 
wirthschaftlichen Instituts  waren,  noch  heute  des  jungen  Professors,  der  ihnen 
das   Eindringen    in    die   Chemie    ermöglichte    und    deren   Bedeutung   für  die 
Landwirthschaft    vor  Augen    führte.     Diesem  aber  bot  die  Thätigkeit  an  der 
Anstalt,  zumal  da  sie  nur  Winterkurse  hatte,  nicht  volle  Befriedigung;  nament- 
lich   fehlte    es    ihm    an    einem  Laboratorium   und   somit  an  der  Gelegenheit, 
junge  Männer  in  die  praktische  Chemie  einführen   zu  können.     In  der  ersten 
Wiesbadener  Zeit  war  er  deshalb  besonders  schriftstellerisch  thätig,  er  gab  die 
4.  und  5.  Auflage    der    qualitativen  Analyse    heraus    und  schrieb  1846  seine 
Anleitung  zur  quantitativen  chemischen  Analyse,  von  der  bereits  im  gleichen 
Jahr  die  zweite  Auflage  erschien,  sowie  1847  ^i"  sehr  beifällig  aufgenommenes 
Lehrbuch  der  Chemie  fiir  Landwirthe,  Forstmänner  und  Cameralisten,     Das- 
selbe   war    bald    vergriffen  und  wurde  auch  in 's  Holländische  und  Englische 
übersetzt;  zur  Bearbeitung  einer  neuen  Auflage  fehlte  ihm  aber  später,  anderer 
Arbeiten    halber,    die  Zeit.     So  gut  es  die  bescheidenen  Hilfsmittel  seines  in 
einer  Miethwohnung   eingerichteten  Privatlaboratoriums  gestatteten,   führte  er 
daneben  noch  analytische  Untersuchungen  verschiedener  Art  aus,   namentlich 
solche    nassauischer  Mineralien  und  Landesprodukte,    von   denen  hier  beson- 
ders die  Analysen  einiger  vorzüglicher  Weine  des  Jahres  1846  erwähnt  seien. 
Im  Jahre  1847  fasste  F.  den  Entschluss  zur  Errichtung  eines  zum  Unterricht 
junger  Männer  in  der  Chemie  und  deren  Hilfswissenschaften  geeigneten  selbst- 
ständigen chemischen  Laboratoriums,    und  kaufte  in  Folge  dessen  das  Haus, 
in  welchem  er  seitdem  gewohnt  hat,  und  in  dem  er  auch  gestorben  ist.    Dies 


250 


Fresenius. 


Haus,  später  umgebaut  und  vergrössert,  umgeben  von  einem  in  der  Folge 
erheblich  erweiterten  Garten,  war  ein  trautes  FamiKenheim  und  auch  in  spä- 
teren Jahren,  als  die  Kinder  theil weise  auswärts  verheiratfaet  waren,  der  Mittel- 
punkt der  grossen  Familie.  Gleich  beim  Eintritt  in  die  Wiesbadener  Ver- 
hältnisse betheiligte  sich  F.  auch  rege  am  öffentlichen  Leben;  er  trat  den 
bestehenden  wissenschaftlichen  Vereinen  bei  und  gehörte  mit  zu  den  Grün- 
dern des  Gewerbe  Vereins  für  Nassau  und  anderer  gemeinnütziger  Vereine. 
Durch  das  Vertrauen  seiner  Mitbürger  wurde  er  im  Jahre  1847  von  der  Stadt 
Wiesbaden  zum  Abgeordneten  in  die  nassauische  Ständeversammlung  gewählt. 
Trotzdem  behielt  er  sein  nächstes  Ziel  un verrückt  im  Auge,  sodass  er  mitten 
in  der  stürmischen  Revolutionszeit  des  Jahres  1848  sein  Laboratorium  mit 
Unterstützung  der  nassauischen  Regierung,  aber  doch  grösstentheils  aus  eigenen 
Mitteln  einrichten  und  eröffnen  konnte.  Nun  bot  sich  ihm  der  ersehnte  Wir- 
kungskreis. Gern  hat  er  später  gelegentlich  im  Familien-  und  Freundeskreise 
von  den  bewegten  Tagen  des  Jahres  1848  erzählt,  in  denen  er  aus  den 
Sitzungen  der  Ständekammer  zur  Vorlesung  und  aus  der  Vorlesung  zur  Waffen- 
übung der  Btirgerwehr  eilte.  Im  Jahre  1849  begann  F.  seine  chemische 
Untersuchung  der  wichtigsten  Mineralwasser  des  Herzogthums  Nassau;  grössten- 
theils im  Auftrag  der  nassauischen  Regierung  ausgeführt,  theilweise  aber  auch 
auf  Wunsch  des  F>rzherzogs  Stephan  von  Oesterreich,  der  damals  auf  Schloss 
Schaumburg  residirte,  und  mit  dem  F.  bei  dieser  Gelegenheit  in  näheren 
persönlichen  Verkehr  trat.  Das  chemische  Laboratorium  wiu-de  aber  auch 
sonst  vielfach  von  Gerichten,  Verwaltungsbehörden,  von  der  Industrie  und 
von  Privaten  in  Anspruch  genommen,  und  auch  die  Zahl  der  Studirenden 
mehrte  sich  fort  und  fort,  so  dass  das  Laboratorium,  welches  ursprünglich 
mit  einem  Assistenten ,  dem  späteren  Professor  Erlenmeyer,  und  fünf  Prakti- 
kanten eröffnet  worden  war,  schon  in  kürzester  Frist  bedeutend  erweitert 
werden  musste.  Im  Frühjahr  1852  wurde  zu  diesem  Behuf  ein  Neubau  auf- 
geführt, sodass  nun  Arbeitsplätze  für  30  Praktikanten  vorhanden  waren.  Es 
würde  zu  weit  führen,  die  weitere  Entwickelung  des  Laboratoriums  im  ein- 
zelnen zu  verfolgen;  dies  alles  wurde  von  F.  selbst  in  der  1873  zur  Feier  des 
25jährigen  Bestehens  der  Anstalt  veröffentlichten  »Geschichte  des  chemischen 
I^aboratoriums  zu  Wiesbaden«  lebendig  geschildert;  in  dieser  Schrift  sind  auch 
die  aus  dem  Laboratorium  hervorgegangenen  Bücher  und  wissenschaftlichen 
Arbeiten  verzeichnet,  desgleichen  die  Docenten,  Assistenten  und  Praktikanten, 
welche  der  Anstalt  bis  zum  Jahr  1873  angehört  haben.  Die  Leitung  des  I^bora- 
toriums  stellte  neben  der  Herausgabe  neuer  Auflagen  der  qualitativen  und  quan- 
titativen Analyse  naturgemäss  hohe  Ansprüche  an  die  Arbeitskraft  des  Directors, 
sodass  er  mit  Genehmigung  der  herzoglichen  Regierung  von  1855  ab  die 
Vorlesungen  über  allgemeine  Chemie  und  Physik  am  landwirthschaftlichen 
Institut  an  Neubauer  übertrug,  während  er  selbst  die  Vorlesungen  über 
Agriculturchemie  und  landwirthschaftliche  Technologie  beibehielt,  und  dit 
im  Jahre  1852  erfolgte  Wahl  zum  Mitglied  der  ersten  Ständekammer  ab- 
lehnen musste.  Zu  manchen  wissenschaftlichen  Arbeiten  zog  F.  auch  seine 
Schüler  heran,  namentlich  zur  chemischen  Untersuchung  der  wichtigsten  Obst- 
arten, die  im  Jahre  1858  in  der  Zeitschrift  für  deutsche  Landwirthe  veröffent- 
licht wurde.  Im  Jahre  1861  fasste  F.  den  Entschluss  zur  Herausgabe  der 
Zeitschrift  für  analytische  Chemie.  Der  erste  Band  der  Zeitschrift  erschien 
1862  in  Wiesbaden  im  Verlag  von  C.  W.  Kreidel,  einem  nahen  Freunde  des 
Herausgebers.     Der    ursprünglich    entworfene  Plan    ist  in  seinen  Grundzügen 


Fresenius. 


251 


bis  heute  vollständig  beibehalten  worden ;  er  hat  sich  somit  durchaus  bewährt. 
Anfänglich  wurden  jährlich  4  Hefte  der  Zeitschrift  ausgegeben,  vom  26.  Jahr- 
gang an  erschien  sie  in  6  Heften  und  vom  36.  ab  erscheint  sie  in  12  Heften 
jährlich.  Bei  der  Herausgabe  der  Zeitschrift  wurde  F.  unterstützt  vom  20.  Band 
an  von  seinem  Sohne  Heinrich,  vom  36.  Band  an  ausserdem  noch  von  seinem 
zweiten  Sohn  Wilhelm  und  seinem  Schwiegersohn  Hintz.  Das  Geburtsjahr 
der  Zeitschrift  brachte  auch  eine  wesentliche  Erweiterung  des  Laboratoriums; 
es  wurde  mit  ihm  eine  pharmaceutische  Lehranstalt  verbunden,  die  sich  als- 
bald eines  guten  Besuches  zu  erfreuen  hatte,  aber  kurz  nach  der  Einverlei- 
bung Nassaus  in  den  preussischen  Staat  aufgehoben  wurde. 

Das  Laboratorium  hatte  sich  stets  der  wohlwollenden  Fürsorge  auch  der 
preussischen  Regierung  zu  erfreuen,  insbesondere  gewährte  das  königliche  Unter- 
richtsministerium den  Staatszuschuss  weiter  und  erhöhte  denselben  später  noch. 
Schon  kurz  nach  Errichtung  seines  Laboratoriums  war  F.  auch  mit  der  Indu- 
strie in  nahe  Beziehungen  getreten.  In  den  fünfziger  Jahren  gründete  er  mit 
einem  Neffen  in  Lorch  am  Rhein  eine  Fabrik  zur  trockenen  Destillation  des 
Holzes  und  zur  Verarbeitung  der  dabei  erzielten  Produkte,  aus  welcher  sich 
dann  nach  und  nach  der  »Verein  für  chemische  Industrie«  entwickelt  hat,  eine 
in  hoher  Blüthe  stehende  Aktiengesellschaft,  in  deren  Aufsichtsrath  F.  bis  an 
sein  Lebensende  den  Vorsitz  führte.  Auch  an  dem  »Verein  chemischer  Fa- 
briken zu  Mannheim«  war  er  betheiligt,  und  auch  dort  war  er  lange  Jahre 
Vorsitzender  des  Aufsichtsradies,  desgleichen  bei  der  Aktiengesellschaft  »Schwein- 
furter  Ultramarinfabrik«.  Nahe  Beziehungen  mit  dem  praktischen  Leben  traten 
aber  nicht  nur  hinsichtlich  der  Industrie,  sondern  auch  hinsichthch  aller  Ge- 
werbe hervor,  auf  welche  die  Chemie  von  maassgebendem  Einfluss  ist,  so 
besonders  auch  bezüglich  des  Weinbaues  und  der  Weinbereitung.  In  Folge 
davon  wurde  im  Jahre  1868  die  erste  önologische  Versuchsstation  im  An- 
schluss  an  das  Laboratorium  als  staatliche  Anstalt  errichtet,  unter  Neubauer's 
Leitung.  Im  Winter  1872/73  weilte  Kaiser  Friedrich,  damals  Kronprinz  des 
deutschen  Reiches,  in  Wiesbaden.  Die  damalige  Kronprinzessin  besuchte  in 
diesem  Winter  öfters  das  Laboratorium  und  Hess  sich  dort  von  F.  Vorlesungen 
über  Chemie  halten.  In  den  Jahren  1874/75  wurde  zur  Vergrösserung  des 
Laboratoriums  ein  geräumiger  Neubau  aufgeführt  und  bald  darauf  im  Jahre 
1877  die  Ausbildung  von  Nahrungsmittelchemikem,  wohl  zuerst  in  Deutsch- 
land, systematisch  organisirt.  Vom  5.  bis  24.  November  1877  nahm  F.  auf 
Einladung  des  Reichsgesundheitsamts  als  Mitglied  zweier  Commissi onen  an 
den  Berathungen  über  den  Gesetzentwurf,  betreffend  den  Verkehr  mit  Nah- 
rungsmitteln, Genussmitteln  und  Gebrauchsgegenständen  theil,  die  im  kaiser- 
lichen Gesundheitsamte  zu  Berlin  stattfanden.  1884  wurde  am  Laboratorium 
eine  besondere,  mit  allen  Hilfsmitteln  der  Neuzeit  ausgestattete  Abtheilung  für 
Hygiene  und  Bakteriologie  eingerichtet,  und  zwar  in  einem  weiter  angekauften, 
an  die  bisherigen  Häuser  angrenzenden  Hause. 

Die  Oberleitung  hat  F.  bis  zu  seinem  Tode  beibehalten,  aber,  um  seine 
ausgedehnte  literarische  Thätigkeit  überhaupt  zu  ermöglichen,  im  Jahre  1884 
die  specielle  Leitung  der  einzelnen  Abtheilungen  des  Laboratoriums  in  die 
Hände  seiner  Söhne  und  seines  Schwiegersohnes  gelegt. 

Wie  ausgedehnt  F.'s  literarische  Thätigkeit  war,  geht  daraus  hervor,  dass 
er  ausser  der  Zeitschrift  ftir  analytische  Chemie  im  Laufe  der  Jahre  16  Auf- 
lagen seiner  Anleitung  zur  qualitativen  chemischen  Analyse  und  6  Auflagen 
seiner    Anleitung    zur    quantitativen    chemischen  Analyse    herausgegeben   hat. 


252 


Fresenius. 


Die  qualitative  Analyse  ist  in  fast  alle  lebenden  Cultursprachen,  sogar  in  s 
Chinesische,  übersetzt  worden  und  auch  von  der  quantitativen  Analyse  sind 
zahlreiche  Auflagen  in  fremden  Sprachen  erschienen.  Kurz  nach  Errichtung 
seines  Laboratoriums  hat  F.  die  Erforschung  der  reichen  Bodenschätze  des 
Herzogthums  Nassau  in  Angriff  genommen,  insbesondere  die  Mineralwasser- 
analysen.  Der  Untersuchung  der  nassauischen  Mineralquellen  reihten  sich 
dann  im  Laufe  der  Jahre  die  chemischen  Analysen  einer  grossen  Reihe  an- 
derer Mineralquellen  an.  Ein  Verzeichniss  der  von  F.  veröffentlichten  Ori- 
ginalabhandlungen bis  zum  Jahre  1873  findet  sich  in  der  von  ihm  heraus- 
gegebenen »Geschichte  des  chemischen  Laboratoriums  zu  Wiesbaden«.  Die 
seitdem  veröffentlichten  sind  in  der  gelegentlich  des  fünfzigjährigen  Bestehens 
der  Anstalt  erschienenen  Geschichte  des  Laboratoriums  während  der  zweiten 
25  Jahre  seines  Bestehens  von  Prof.  Dr.  H.  Fresenius  zusammengestellt  mit 
den  übrigen  wissenschaftlichen  Veröffentlichungen,  welche  seitdem  aus  dem 
Laboratorium  hervorgegangen  sind. 

Besonders  erfolgreich  war  F.  auch  als  Lehrer,  zumal  da  er  seinen  Schülern 
immer  ein  wohlwollender  väterlicher  Freund  und  Berather  war.  Eine  grosse 
Schaar  dankbarer  Schüler  diesseits  und  jenseits  des  Oceans  in  den  verschie- 
densten Lebensstellungen,  in  der  Wissenschaft  und  in  der  Industrie  thätig, 
werden  ihm  stets  ein  treues  Gedenken  bewahren. 

Aus  der  Studierstube  und  aus  dem  Laboratorium  heraus  trat  F.  aber 
auch  vielfach  in's  öffentliche  Leben,  so  als  Sachverständiger  vor  Gericht, 
als  Berather  von  Staatsbehörden  und  Verwaltungskörperschaften  der  ver- 
schiedensten Art,  als  Vorstandsmitglied  von  wissenschaftlichen  und  gemein- 
nützigen Vereinen,  als  Mitglied  des  Kirchenvorstandes,  des  Communallandtages 
für  den  Regierungsbezirk  Wiesbaden,  des  Provinziallandtages  fiir  die  Provinz 
Hessen-Nassau  und  namentlich  als  Vorsitzender  der  Wiesbadener  Stadtverord- 
netenversammlung. Ausser  seiner  strengen  Gerechtigkeitsliebe,  Charakterfestig- 
keit, Arbeitsfreudigkeit  und  geschäftlichen  Gewandtheit  gewann  ihm  sein  ein- 
faches, liebenswürdiges  Wesen  die  Herzen,  so  dass  es  ihm  gelang,  Gegensäue 
auszugleichen  und  ein  erspriessliches  Zusammenarbeiten  von  Männern  zu  er- 
möglichen, welche  verschiedenen  politischen  Parteien  angehörten  und  auch 
sonst  oft  in  vielen  Dingen  verschiedener  Ansicht  waren.  Besonders  auch  im 
kirchlichen  Leben  ist  F.  öffentlich  hervorgetreten  als  hervorragendes  Mitglied 
des  deutschen  Protestantenvereins  und  Führer  der  Kirchlich -Liberalen  in 
Nassau. 

Erholung  suchte  und  fand  F.  in  seiner  Familie  und  in  der  Natur. 

»Wer  froh  durcli's  Leben  will  wallen, 
Dem  muss  es  im  Hause  gefallen« 

ist  einer  seiner  Sinnsprüche,  der  gerade  auf  ihn  selbst  trefflich  passt.  Zur 
Führung  eines  glücklichen  Familienlebens  war  er  aufs  Günstigste  veranlagt. 
Er  besass  ein  frohes,  heiteres  Gemüth,  einen  trefflichen,  nie  versiegenden 
Humor  und  eine  eigene  Gabe,  allen  Dingen  die  beste  Seite  abzugewinnen, 
dabei  aber  einen  tief  religiösen  Sinn,  der  ihn  befähigte  auch  in  schweren 
Tagen  standhaft  und  muthig  zu  bleiben.  F.  war  zweimal  verheirathet.  Mit 
seiner  ersten  Gattin,  Charlotte,  geb.  Rumpf,  konnte  er  am  21.  September  1870 
das  Fest  der  silbernen  Hochzeit  feiern.  Dieser  Ehe  entsprossen  7  Kinder, 
3  Söhne  und  4  Töchter.  Zwei  der  Söhne  und  ein  Schwiegersohn  sind,  seinem 
Beispiel  folgend,  Chemiker  geworden  und  haben  nicht  nur  als  Schüler  zu 
seinen  Füssen  gesessen,  sondern  durften  sich  auch  später  langjähriger  gemein- 


Fresenius.     Seebach. 


253 


samer  Arbeit    unter    ihm    unid  mit  ihm  an  seinem  Laboratorium  und  an  der 
Zeitschrift  für  analytische  Chemie  erfreuen. 

Nachdem  ihm  der  Tod  die  treue  Lebensgefährtin  entrissen  hatte,  ver- 
heirathete  er  sich  später  zum  zweiten  Male  mit  einer  der  Verstorbenen  wie 
ihm  selbst  und  seinen  Kindern  seit  Jahren  befreundeten  Dame,  Auguste,  geb. 
Fritze,  einer  Tochter  des  verstorbenen  Herzoglich  nassauischen  Geheimen 
Rathes  und  Leibmedicus  Dr.  Fritze.  Sie  hat  ihm  das  verödete  Haus  wieder 
zu  einem  trauten  Heim  gemacht  und  ihn  mit  sorgender  Liebe  umgeben  bis 
zu  seinem  Lebensende.  Ausser  in  der  Familie  verlebte  F.  seine  Mussestunden 
gern  in  Gottes  freier  Natur,  besonders  im  schönen  deutschen  Wald  oder  in 
seinem  mit  Sorgfalt  gepflegten  Garten.  Er  liebte  es,  wenn  ihm  dazu  Zeit 
vergönnt  war,  dem  edlen  Waidwerk  obzuliegen  und  freute  sich  seiner  mannich- 
faltigen  Jagdtrophäen,  welche  sein  Gartenhaus  zierten.  Gewiss  hat  die  Aus- 
übung der  Jagd  wesentlich  mit  dazu  beigetragen,  seinen  von  Natur  gesunden 
und  kräftigen  Körper  zu  stählen,  so  dass  er  sich  auch  im  hohen  Greisenalter 
bis  zu  seinem  Tode  nicht  nur  besonderer  geistiger  Frische,  sondern  auch 
körperiicher  Rüstigkeit  erfreute.  Dass  es  F.,  dem  Ehrenbürger  der  Stadt 
Wiesbaden,  auch  an  äusserer  Anerkennung  nicht  fehlte,  brauche  ich  wohl 
kaum  zu  erwähnen.  Soll  ich  sie  aufzählen  die  besonderen  Ehrungen,  welche 
ihm  zu  Theil  geworden  sind,  die  ihm  verliehenen  Titel  und  Würden,  die 
Orden,  welche  seine  Brust  schmückten?  Ich  glaube  man  wird  es  mir  erlassen. 
Als  F.  durch  einen  sanften  Tod  unerwartet,  mitten  aus  voller,  mit  Jugend- 
frische ausgeübter  Thätigkeit  heraus,  abgerufen  wurde,  da  hatte  ein  reiches, 
gesegnetes  Leben  seinen  Abschluss  gefunden.  Seine  sterbliche  Hülle,  die 
überhäuft  war  von  Lorbeeren,  Palmen  und  Blumen,  gespendet  von  dem  Kaiser, 
der  Kaiserin  Friedrich,  von  der  Stadt  Wiesbaden,  von  den  zahlreichen,  wissen- 
schaftlichen Gesellschaften  und  Vereinen,  deren  Ehrenmitglied  er  gewesen, 
sowie  von  seinen  vielen  Freunden  und  Verehrern  aus  allen  Berufsarten  und 
Ständen  nah  und  fem,  haben  wir  in  die  Erde  gebettet  zur  letzten  Ruhe, 
sein  verklärtes  Bild  aber  wird  in  unserem  Gedächtniss  fortleben.'] 

Sep.-Abdr.  aus  der  Zeitschr.  für  analytische  Chemie.  Vgl.  Nekrolog  von  A.  Pagen- 
s techer,  Bd.  50  des  Jahrb.  des  nass.  Vereins  für  Naturkunde;  die  Grabreden  von  Bickel 
und  Vcesenmeyer  (Wiesbaden,  1897).  Nachruf  von  E.  Fischer,  Berichte  der  Deutsch, 
ehem.  Gesellschaft,  Jahrg.  30,  No.  11.  Bildnisse  in  der  Zeitschr.  für  an.  Chemie  und  bei 
Pagenstecher.  Photographien  bei  Karl  Schipper,  Wiesbaden.  —  Bibliographische  Zusammen- 
stellungen d.  Börsenbl.  für  den  Deutschen  Buchhandel,  betr.  Verstorbener  des  Jahres  1897, 
No.  139. 

Heinrich  Fresenius. 

Seebach  (Niemann-Seebach),  Marie,  Schauspielerin,  *  am  24.  Februar 
1830  in  Riga,  f  am  3.  August  1897  in  St.  Moritz.  —  Das  Geburtsjahr  1830 
steht  urkundlich  fest;  bei  ihren  Lebzeiten  wurde  das  Jahr  1834  angegeben. 
Ihr  Vater  war  ein  Sänger,  die  Mutter  eine  Schwester  der  Schauspielerin  Frieb- 
Blumauer;  das  Eltempaar  führte  ein  herumziehendes  Comödiantenleben.  Riga 
ist  daher  nicht  als  die  eigentliche  Heimat,  sondern  nur  als  der  zufällige  Ge- 
burtsort von  M.  S.  zu  betrachten.  Die  Kinder  (ausser  Marie  war  noch  eine 
Schwester  Wilhelmine  vorhanden)  wurden  auf  der  Bühne  gross;  mit  6  Jahren 
haben  sie  schon  auf  den  Brettern  gestanden.  Der  Geistliche,  der  an  Marie's 
Grab  sprach,  rühmte  den  Eltern  nach,  dass  sie  für  die  intellectuelle  und  sitt- 
liche Erziehung  ihrer  Kinder  das  Mögliche  gethan  und  dass  diese  ernsthaft 
auf  einen   sittlichen  Lebenswandel  gehalten.     Marie  wurde  zur  Sängerin  aus- 


254 


Seebach. 


gebildet,  aber  ihre  Stimmmittel  erwiesen  sich  als  unzureichend;  nachdem  sie 
im  Jahre  1847  zuerst  auf  einer  grösseren  Bühne  in  Nürnberg  aufgetreten, 
musste  sie  sich  hier,  sowie  in  Lübeck,  Dessau,  Danzig  und  (1852)  Cassel  mit 
Soubrettenrollen  gentigen.  Von  hier  engagirte  sie  1853  Chtfri  Maurice  nach 
Hamburg  mit  der  Absicht,  ihr  erste  Rollen  im  Schauspiel  anzuvertrauen; 
nach  einer  Darstellung  der  Waise  von  Lowood  bescheinigte  ihr  Karl  Töpfer 
als  Kritiker  den  Eintritt  in  die  Meisterjahre.  Inzwischen  hatte  Laube  ihre 
persönliche  Bekanntschaft  in  Carlsbad  gemacht  und  lud  sie  ftir  den  April  1854 
zu  einem  (xastspiel  in  das  Burgtheater  ein.  Der  Erfolg,  den  es  hatte,  war 
nicht  durchschlagend,  führte  aber  doch  zu  einem  Engagement.  Bevor  sie 
dasselbe  antrat,  nahm  sie  Theil  an  dem  im  Juli  1854  von  Dingelstedt  in 
München  veranstalteten  sogenannten  Gesammtgastspiel ,  spielte  das  Clärchen. 
das  Gretchen  und  die  Luise  Millerin,  und  von  hier  ab  datirt  die  Epoche  ihres 
Ruhmes. 

Gerade  dieser  frisch  erworbene  Ruhm  wirkte  störend  auf  ihre  Verhält- 
nisse in  Wien  ein ;  sie  trat  dem  Direktor  Laube  mit  einem  gewissen  Eigensinn 
gegenüber,  den  dieser  nicht  vertrug  und  das  Publikum  befreundete  sich  mit 
der  Spielweise  der  S.  nicht.  Das  Verhältniss  wurde  bald  gelöst;  im  Jahre 
1856  gastirte  M.  S.  in  Dresden  und  im  Juni  1857  gab  sie  ein  längeres  Gast- 
spiel in  Berlin,  das  ihr  den  Enthusiasmus  des  Publikums  und  den  Beifall  der 
jüngeren  Kritik  eintrug,  während  die  älteren  Kritiker,  wie  Rötscher,  Zurück- 
haltung beobachteten.  Der  Generalintendant  von  Hülsen  wollte  auf  ihr 
Engagement  nicht  eingehen,  weil  er  an  ihr  körperliche  Vorzüge  vermisste. 
Dagegen  fand  sie  eine  feste  Stellung  bei  dem  Theater  in  Hannover.  Hier 
fasste  sie  eine  leidenschaftliche  Neigung  zu  dem  hervorragenden  Tenoristen 
Albert  Niemann  und  schloss  mit  ihm  eine  Ehe^  die  ihr  Unglück  wurde.  Der 
Gatte  wird  von  dem  Vorwurf  rauhen,  rücksichtslosen  Benehmens  nicht  frei  zu 
sprechen  sein;  andererseits  scheint  M.  S.  nicht  die  Gaben  besessen  zu  haben, 
ihrem  Gatten  eine  traute  Häuslichkeit  zu  bereiten.  Im  Jahre  1866  siedelten 
beide  nach  Berlin  über  und  bald  darauf  kam  es  zu  einer  Trennung,  die  1868 
durch  ein  gerichtliches  Scheidungsurtheil  bestätigt  wurde. 

Schon  vorher  hatte  M.  S.  an  Gastspielen  mehr  geleistet,  als  für  ihre 
künstlerische  Entwickclung  gut  gewesen  wäre.  Von  1867  ergab  sie  sich  zehn 
Jahre  lang  einem  ruhelosen  Wanderleben,  das  sie  nicht  allein  durch  ganz 
Deutschland,  sondern  auch  nach  Russland  und  den  Niederlanden  führte.  Mit 
ihren  europäischen  Erfolgen  nicht  zufrieden,  war  sie  unter  deutschen  Bühnen- 
künstlern eine  der  ersten,  die  Amerika  durchzog  und  dort  Gold  und  Lorbeer 
in  reichstem  Maasse,  freilich  auch  manche  Domen  erntete. 

Im  Jahre  1877  zog  sie  sich  von  der  Bühne  zurück  und  nahm  ihren  Auf- 
enthalt in  Dresden.  Allein  zehn  Jahre  später  nahm  sie  wiederum  ein  Engage- 
ment an  der  Berliner  Hofbühne,  nunmehr  für  Mutterrollen  an.  Schwerer 
Gram  lastete  auf  ihren  letzten  Lebensjahren.  Aus  ihrer  Ehe  mit  Albert  Nie- 
mann hatte  sie  einen  einzigen  Sohn  Oskar,  der  ihr  zur  Erziehung  verblieb, 
als  die  Gatten  sich  trennten.  Trotz  der  äusseren  Entfremdung  hatte  sie  nie 
aufgehört,  ihren  Gatten  leidenschaftlich  zu  lieben  und  trug  nun  diese  Leiden- 
schaft auf  den  gemeinsamen  Sohn  über.  Aber  dieser  Sohn  konnte  es  zu 
keinem  festen  Lebensberufe  bringen,  wurde,  sehr  jung,  in  leichtsinnige  Liebes- 
abenteuer verstrickt  und  starb  1893  an  der  Schwindsucht.  Bald  darauf  woirde 
M.  S.  in  den  Strassen  Berlins  von  einem  schwer  beladenen  Wagen  überfahren, 
erlitt    mehrfache  Knochenbrüche    und    wurde   an  ein  langes  Schmerzenslager 


Seebach. 


255 


gefesselt.  In  jedem  Sommer  suchte  sie  Erholung  im  Engadin  und  dort  hat 
sie  der  Tod  erlöst. 

Das  Gebiet  ihres  Wirkens  war  kein  grosses;  die  Blüthe  ihres  Ruhmes 
war  keine  lang  ausdauernde  und  dennoch  muss  M.  S.  als  eine  in  der 
Geschichte  des  deutschen  Theaters  bahnbrechende  Künstlerin  bezeichnet 
werden. 

Das  Hofburgtheater  in  Wien  hatte  seinen  festen  Stil;  von  den  übrigen 
grossen  Bühnen  hatte  wohl  keine  einen  Stil,  aber  sie  hatten  ihre  Tradition, 
ihre  Manier.  M.  S.  brach  mit  Stil,  mit  Tradition  und  Manier.  Sie  hielt  es 
mit  dem  Goethe'schen  Worte:  »Höchstes  Glück  der  Erdenkinder  ist  doch 
die  Persönlichkeit«.  Sie  trat  den  Rollen,  die  sie  übernahm,  so  gegenüber, 
als  hätte  sie  Niemand  vor  ihr  gespielt.  Sie  suchte  mit  dem  Geiste  des  Dich- 
ters vertraute  Zwiesprache  zu  halten  und  hatte  häufig  das  Glück  von  ihm 
belehrt  zu  werden.  Der  Grund,  aus  welchem  sie  in  Wien  die  wenigsten  Er- 
folge hatte,  aus  welchem  Laube  mit  ihr  unzufrieden  war  und  Hebbel  ge- 
legentlich eine  volle  Schale  Grimm  über  sie  ausschüttete,  lag  darin,  dass  man 
in  Wien  am  festesten  an  der  Tradition  hielt.  Schon  früher  als  M.  S.  hatte 
Bogumil  Dawison  in  ähnlicher  Weise  zu  wirken  begonnen.  Ueber  ihn  wie 
über  sie  blieb  das  Urtheil  ein  getheiltes,  stritten  die  Alten  mit  den  Jungen. 
Aber  beide  haben  schliesslich  einen  nachhaltigen  Einfluss  auf  die  folgende 
Generation  geübt.  Es  ist  seither  kein  Schauspieler  und  keine  Schauspielerin 
in  Deutschland  zu  Ruhm  gelangt,  die  nicht  ihres  Geistes  einen  Hauch  ver- 
spürt hätte. 

Marie' s  genialste  Schöpfung  war  das  Clärchen  im  Egmont.  Wenn  sie 
auftrat,  hatte  man  etwa  den  Eindruck,  vor  einem  der  vorzüglichsten  Portraits 
von  Rubens  zu  stehen.  Wir  wussten  sehr  genau,  dass  wir  Alltagsmenschen 
einem  Wesen  dieser  eigenthümlichen  Art  auf  Weg  und  Steg  nirgend  begegnen 
werden  und  dass  dennoch  dieses  Wesen  in  Fleisch  und  Blut  eben  so  sicher 
existirt  hat,  wie  alle  die,  mit  denen  wir  in  täglicher  Berührung  sind. 

Dieses  Mädchen,  welches  in  den  Augen  der  Welt  als  eine  Dirne  gelten 
muss,  welches  das  Urtheil  der  Welt  gründlich  kennt  und  eben  so  gründlich 
verachtet,  weil  es  sich  durch  das,  was  man  ihr  zum  Vorwurf  macht,  gehoben 
und  geheiligt  ftihlt,  wurde  in  einer  Weise  zur  Darstellung  gebracht,  dass  zwi- 
schen den  Absichten  des  Dichters,  die  er  ja  selbst  noch  in  guter  Prosa  er- 
läutert hat,  und  der  Ausfuhrung  nicht  der  geringste  Unterschied  blieb. 

Der  Wirkungskreis  von  M.  S.  war  kein  grosser.  Versagt  blieb  ihr  das 
Heroische;  versagt  blieb  ihr  diejenige  Naivität,  in  welcher  ein  bisserl  Schalk- 
heit  gar  nicht  dabei  ist;  versagt  blieb  ihr  die  komische  Schärfe,  mit  welcher 
ihre  Tante  Frieb  so  reichlich  ausgestattet  war,  und  die  sie  sich  im  Alter  ver- 
geblich anzueignen  suchte.  Aber  innerhalb  des  Gebietes,  das  sie  beherrschte, 
lagen  die  vier  Rollen,  die  sie  in  ihren  Jugendjahren  mit  Vorliebe  spielte, 
Gretchen,  Clärchen,  Luise  Millerin  und  Desdemona,  und  zu  denen  sie  in 
späteren  Jahren  als  die  fünfte  die  Stella  gesellte.  In  jeder  dieser  Rollen  war 
sie  eine  andere,  und  in  jeder  vollendet.  Dazu  kamen  eine  Anzahl  von  Parade- 
rollen, mehr  darauf  berechnet,  die  schauspielerische  Virtuosität  zu  bekunden, 
als  einen  Dichter  zu  interpretiren,  wie  Lorle,  Jane  Eyre,  Adrienne  Lecouvreur. 
Margarethe  Western  in  Blum's  Erziehungsresultaten,  obwohl  des  poetischen 
Werthes  baar,  war  eine  erfreuliche  I^eistung,  weil  hier  eine  Fülle  liebenswür- 
diger Schelmerei  zum  Ausdruck  kam.  Shakespeare's  Julie,  die  sie  mit  Vor- 
liebe spielte,  lag  ausserhalb  der  Grenzen  ihres  Talents ;  es  war  zum  Anstaunen, 


2c6  Scebach.     xmn  der  Linde. 

wie  sie  den  Versuch  machte,  die  Rolle  sich  zurecht  zu  legen,  aber  Shake- 
speare litt  Noth. 

Die  Blüthe  ihres  Ruhmes  war  eine  kurze;  sie  konnte  den  rosenfarbenen 
Schleier  der  Jugend  nicht  entbehren.  Schon  als  nach  ihrer  Ehe  Sorge  und 
Gram  bei  ihr  einzuziehen  begannen,  begann  der  Duft  zu  schwindoi,  der  bis 
dahin  über  ihren  Schöpfungen  gelagert  war.  Sie  war  nicht  ohne  Schuld  an 
diesem  frühen  Verfall.  Ihr  unruhiges  Wanderleben  machte  ihr  eine  Entwicke- 
lung  unmöglich,  hinderte  sie,  sich  in  neue  Rollenkreise  einzuarbeiten,  nach- 
dem die  bisherigen  für  sie  unmöglich  geworden  waren. 

Sie  blieb  bis  zu  ihrem  Ende  das,  was  man  eine  gute,  verständige  Schau- 
spielerin nennt.  Sie  hatte  das  Handwerksmässige  ihrer  Kunst  vollständig  inne. 
und  besass  nebenher  eine  tüchtige  Bildung.  Gerade  das  stand  ihrem  Ruhm 
im  Wege,  dass  man  jetzt  noch  von  ihr  Leistungen  sah,  die  Achtung  verdienen, 
die  aber  Andere  eben  so  gut  aufweisen  konnten.  Man  versteht  eher,  das> 
eine  gewaltige  Kraft  gänzlich  zusammenbricht,  als  dass  sie  sich  in  die  goldene 
Mittelmä.ssigkeit  verliert.  Das  jüngere  Geschlecht  kam  auf  den  Gedanken, 
dass  die  älteren  die  Verdienste  der  S.  tibertrieben  hätten. 

Auf  der  Generalversammlung  der  Goethe- Gesellschaft  im  Jahre  1895 
brachte  ein  Verehrer,  der  sich  der  M.  S.,  wie  sie  vierzig  Jahre  früher  gewesen 
war,  sehr  genau  erinnerte,  einen  Toast  auf  sie  aus  und  sie,  sichdich  ergriffen, 
antwortete  mit  einer  improvisirten  Rede,  in  der  sie  die  Summe  ihres  Lebens 
zog,  die  Ideale,  denen  sie  nachgestrebt,  die  Enttäuschungen,  die  ihr  bereitet 
waren ;  in  der  edelsten  Sprache  zauberte  sie  wohl  auch  dem  Zweifler  ein  Bild 
von  dem  vor,  was  sie  in  ihrer  Jugend  gewesen. 

Nach  dem  Tode  ihres  Sohnes  hat  M.  S.  schon  bei  Lebzeiten  einen 
grossen  Theil  ihres  Vermögens  zu  einem  in  Weimar  errichteten  Asyl  für  in- 
valide Mitglieder  der  Bühnengenossenschaft  gewidmet  und  von  Todes  wegen 
diese  Gabe  noch  erheblich  erhöht.  Sie  hat  sich  auch  dadurch  ein  unvergess- 
liches  Andenken  gestiftet. 

Literatur:  Eine  Biographie  von  M.  S.,  die  von  den  Angehörigen  der  Künstlerin  mit 
Material  reichlich  versehen  ist,  ist  von  O.  F.  Gensichen  ausgearbeitet  und  ihr  Erscheineo 
steht  bevor. 

Alexander  Meyer. 

Linde,  Antonius  van  der,  Bibliothekar  und  Schriftsteller.  *  am  14.  No- 
vember 1833  zu  Haarlem,  f  am  13.  August  1897  zu  Wiesbaden.  —  Nachdem  L. 
den  Unterricht  der  Gelehrten  Tobias  Knuivers  und  Dirk  Harting  zu  Enkhuizen 
genossen,  legte  er  am  5.  April  1853  seine  Prüfungen  ab;  im  Jahre  1855  wandte 
er  sich  den  theologischen  Studien  zu,  die  er  in  Leyden  vollendete.  1859 
wurde  er  Pastor  einer  reformierten  Gemeinde,  legte  aber  das  Amt  schon 
nach  zwei  Jahren  nieder  und  wohnte  von  1861  ab  auf  seinem  Landgut 
Winkelsteeg  bei  Nymwegen.  Von  hier  begab  er  sich  dann  nach  Göttingen, 
von  wo  er  nach  Erwerbung  des  Doktorgrades  (1862)  wieder  in  seine  Heimat 
zurückkehrte,  jedoch  keineswegs,  um  sich  hier  der  Müsse  hinzugeben,  wie 
die  grosse  Zahl  seiner  Schriften  beweist.  Ob  ihn  sein  1870  erschienenes 
Werk  »De  Haarlemsche  Costerlegende«,  in  dem  er  seinen  Landsleuten  gegen- 
über nachwies,  dass  nicht  Laurens  Coster,  sondern  Gutenberg  die  Buchdruck- 
kunst erfunden  habe,  und  die  dadurch  hervorgerufenen  Controversen,  oder 
aber  seine  Begeisterung  für  die  deutsche  Sache  (1871)  nach  Deutschland 
drängten,    darüber  divergieren  die  vorhandenen  Quellen;    es  dürfte  aber  der 


van  der  Linde.     Malcher. 


257 


Wahrheit  mehr  entsprechen  den  ersteren  Grund  für  den  maassgebenden  zu 
halten,  denn  seine  scharfe,  in  Angriff  und  Vertheidigung  gleich  spitzige  Feder 
war  wohl  geeignet,  Anstoss  zu  erregen.  L.  wandte  sich  nach  Berlin,  wo  er 
sich  dem  Studium  des  Sanskrit  eifrig  hingab  —  dessen  er  zum  Quellen- 
studium für  die  Geschichte  des  Schachspiels  bedurfte  —  und  in  der  Königlichen 
Bibliothek  Aufnahme  fand.  1876  wurde  er  zum  Bibliothekar  der  Landes- 
bibliothek in  Wiesbaden  ernannt  und  starb  im  Alter  von  64  Jahren  in  seiner 
zweiten  Heimath  als  Oberbibliothekar  a.  D.  Er  versuchte  sich  auf  vielen 
(Gebieten  und  wandte  seine  Thätigkeit  mit  Vorliebe  Personen  und  Gegen- 
ständen zu,  die  von  Anderen  nicht  beachtet  oder  falsch  beurtheilt  worden 
waren.  Für  die  Geschichte  des  Schachspiels  gehört  er  zu  den  besten  und 
ergiebigsten  Quellen;  seine  Hauptthätigkeit  aber  entwickelte  er  in  der  Biblio- 
graphie, in  der  er  so  manches  Gebiet  erschöpfend  behandelte.  Am  meisten 
Aufsehen  erregte  seine  schon  erwähnte  »Costerlegende«,  deren  Vorarbeiten 
auch  späteren  Werken  zugutekamen:  »Gutenberg«,  »Quellenforschungen  zur 
Erfindung  der  Typographie«,  »Geschichte  der  Erfindung  der  Buchdruckkunst« ; 
auf  Grund  der  letztgenannten  Arbeit  wurde  er  auch  mit  dem  Titel  eines  Pro- 
fessors ausgezeichnet.  —  Die  2^1  seiner  Schriften  ist  eine  enorme.  In  der 
1885  erschienenen  »Selbstbibliographie«  führt  er  221  Werke  und  Aufsätze  an, 
bezüglich  deren  hier  auf  dieses  Buch  verwiesen  werden  kann;  von  den 
Werken  seiner  letzten  Lebensjahre  seien  noch  erwähnt:  »Geschichte  der  Er- 
findung der  Buchdruckkunst.«  3  Bde.  Berlin,  1886.  »Bijdrage  tot  de  ge- 
schiedenis  der  Boekdrukkunst.«  Gent,  1887.  »Kaspar  Hauser.  Eine  neu- 
geschichtliche Legende.«  2  Bde.  Wiesbaden,  1887.  »Michael  Servet,  een 
brandoflfer  der  geref.  inquisitie«.  Gron.,  1890.  »Antoinette  Bourignon.  Das 
Licht  der  Welt.«     Leyden,   1895. 

Quellen :  Die  betr.  Artikel  in :  Ad.  Hinrichsen,  Das  literar.  Deutschland,  Frederiks  und 
Branden,  Biograph.  Woordenboek  etc. ;  femer  Centralblatt  f.  BibL-Wesen,  XIV,  S.  436  und 
die  vom  Oberbibliothekar  in  Wiesbaden  freundlichst  zur  Verfügung  gestellte  Selbstbiogra- 
phie Linde's. 

H.  Bohatta. 

Malcher,  Franz  Xaver,  Bibliothekar,  *  am  3.  Dezember  1835  ^^ 
Fulnek  in  Mähren,  f  am  12.  Februar  1897  zu  Wien.  —  M.  war  der  Sohn 
eines  Kratzenerzeugers  für  Tuchfabrikanten.  Er  besuchte  zunächst  die  Volks- 
schule seines  Heimathsortes ;  von  hier  kam  er  nach  Leipnik  in  die  damals 
sogenannte  vierte  Klasse;  darauf  absolvierte  er  das  Gymnasium  in  Troppau, 
ebenso  wie  die  niederen  Schulen  durchwegs  mit  vorzüglichem  Erfolg;  die 
Gabe  des  Gesanges,  mit  der  ihn  die  Natur  beschenkt,  vernachlässigte  er 
darüber  nicht.  Die  Zeit  von  1854  bis  1856,  welche  Missemte  und  grosse 
Theuening  brachte,  drohte  dem  Lerneifer  des  Jünglings  ein  jähes  Ende 
zu  bereiten;  um  sein  Studium  nicht  aufgeben  zu  müssen,  verlegte  er  sich 
auf  das  einzige  Mittel  der  Selbsthilfe,  die  Ertheilung  von  Unterricht,  auf 
die  er  vollends  angewiesen  war,  als  bald,  nachdem  er  die  Wiener  Univer- 
sität bezogen,  1859  *^*^  Vater  starb  und  eine  Wittwe  mit  fünf  noch  un- 
versorgten Kindern  hinterliess.  An  der  Hochschule  machte  M.  die  Ge- 
schichte und  die  klassische  Philologie  zu  Gegenständen  seiner  Studien,  nach 
deren  Vollendung  er  Erzieher  in  verschiedenen  Häusern  wurde,  so  bei  Frei- 
herm  von  Bees,  dem  Grafen  Lützow  u.  s.  w.  1870  eröffnete  sich  ihm  das 
Haus  des  Erzherzogs  Carl  Ferdinand,  wo  er  die  Prinzen  Erzh.  Friedrich, 
Eugen,  Carl  Stefan,  sowie  die  Prinzessin  Erzh.  Maria  Christine  —    gegenwärtig 

Blogr.  Jahrb.  a.  Denticber  Nekrolog.   3.  Bd.  I  7 


258  Malcher.     Grossherzogin  Sophie  von  Sachsen. 

Königin  von  Spanien  —  unterrichtete.  Nachdem  er  fast  sieben  Jahre  in 
dieser  Stellung  zugebracht,  wurde  er  im  Februar  1877  in  Anerkennung  seiner 
eifrigen  Dienstleistung  Archivar  des  erzherzoglichen  Hauses  und  im  September 
1884  nach  dem  Tode  des  ehemaligen  Universitäts-Professors  Dr.  Moritz 
Thausing  dessen  Nachfolger  als  Bibliothekar  der  »Albertina«  in  Wien.  1894 
wurde  er  mit  dem  Titel  eines  Regierungsrathes  ausgezeichnet.  —  M.*s  soliden, 
bescheidenen  Charakter  schätzten  Alle,  die  mit  ihm  zu  verkehren  hatten: 
Erzherzog  Friedrich  äusserte  sich  beim  Leichenbegängnisse  gegen  den  Bru- 
der des  Verstorbenen:  »Ich  verliere  in  ihm  einen  zuverlässigen ,  auf- 
richtigen, treuen  Beamten«.  —  Im  Frühjahre  1884  wurde  er  von  den  Erz- 
herzogen Albrecht  und  Wilhelm  mit  der  Herausgabe  der  ausgewählten  Werke 
des  Erzherzogs  Carl  betraut.  Er  verfasste  ferner  eine  Biographie  des  Herzogs 
von  Sachsen-Teschen,  des  Begründers  der  »Albertina«:  »Herzog  Albrecht  zu 
Sachsen-Teschen  bis  zu  seinem  Antritt  der  Statthalterschaft  in  Ungarn 
1738 — 1766.  Eine  biographische  Skizze.  Wien,  1894«  und  eine  Biographie 
des  Erzherzogs  Albrecht  in  den  »Biographischen  Blättern«.  Seine  Schriften 
zeigen  nicht  nur  liebevolle  Auffassung  und  Behandlung  der  Stoffe,  sondern 
auch  historische  Treue  und  sorgfältige  Benutzung  der  Quellen,  unter  denen 
ihm  ja  die  besten  im  erzherzoglichen  Archive  zur  Verfügung  standen. 

Nach  freundlichen  Mittheilungen  Rudolf  Malcher's  in  Baden  bei  Wien  und  des  Custos 
der  »Albertina«,  Dr.  Jos.  Meder. 

H.  Bohatta. 

Grossherzogin  Sophie  von  Sachsen,  königliche  Prinzessin  der  Nieder- 
lande, ♦  am  8.  April  1824  im  Haag,  vermählt  am  8.  October  1842,  f  am 
23.  März  1897  zu  Weimar.  —  Die  Grossherzogin  Sophie  von  Sachsen,  eine  Toch- 
ter des  Oranisch-Nassauischen  Hauses,  war  ganz  und  gar  eine  Fürstin.  Unmittel- 
bar unter  dem  Eindruck  der  Nachricht  von  ihrem  Tode  sagte  eine  deutsche 
Fürstin  von  ihr,  dass  sie  wohl  befähigt  gewesen  sei,  wie  Maria  Theresia  über 
Millionen  zu  herrschen,  ein  Ausspruch,  den  scharf  urtheilende  Männer,  die 
der  Grossherzogin  seit  Jahren  nahe  gestanden  und  sie  von  sehr  verschiedenen 
Standpunkten  aus  zu  beurtheilen  Gelegenheit  gehabt  hatten,  bestätigt  haben. 
Solche  Herrscher-Beiähigung  lässt  sich  nicht  anlernen,  sie  ist  eine  Begabung, 
oft  das  Ergebniss  der  Abstammung.  Jedenfalls  vereinigte  die  Grossherzogin 
Sof)hie  in  sich  in  besonderem  Maasse  die  hohen  fürstlichen  und  staatsmänni- 
schen Eigenschaften,  die  den  Ruhm  des  Oranischen  Fürstenhauses,  eines 
Wilhelm  I.,  eines  Moritz,  eines  Wilhelm  II.  von  Uranien  begründet  haben: 
»was  in  ihrem  Wesen  vorbildlich  und  unvergleichlich,  grossartig  und  einzig 
war,  liegt  tief  begründet  in  ihrer  oranischen  Art  und  wurzelt  in  ihrer  orani- 
schen Abstammung«  (Kuno  Fischer).  Aber  Erziehung  hat  sicherhch  nicht 
wenig  dazu  beigetragen,  diese  Befähigung  zur  Entwickelung  zu  bringen,  die 
Erziehung  im  elterlichen  Hause,  noch  mehr  die  Erziehung,  die  sie  selbst  als 
Erbgrossherzogin  und  Grossherzogin  beständig  an  sich  ausübte. 

Die  Grossherzogin  S.  war  die  einzige  Tochter  des  Prinzen  Wilhelm  von 
Uranien,  seit  1840  König  Wilhelm  II.  der  Niederlande,  und  der  Grossfurstin 
Anna  Paulo wna  von  Russland.  Ihre  Kindheit  verfloss  zumeist  in  dem  Schloss 
Soestdyk,  das  das  Land  ihrem  Vater  nach  der  Befreiung  der  Niederlande  von 
der  französischen  Herrschaft  dargebracht  hatte.  Ihre  ersten  nachhaltigen  poli- 
tischen Eindrücke  werden  zurückzuführen  sein  auf  den  Aufstand  in  Brüssel 
und  auf  den  Feldzug  des  Vaters,  der  siegreich  die  niederländischen  Truppen 


Grossherzogin  Sophie  von  Sachsen.  259 

in  Belgien  vorwärts  führte,  bis  er  sich  vor  der  bewaffneten  Intervention  Frank- 
reichs zurückziehen  musste.  Beide  Eltern  hatten  sich  sorglich  der  Erziehung 
der  Tochter  angenommen;  besonderen  Einfluss  hat  auf  die  Entwickelung  ihrer 
politisch- fürstlichen  Sinnesart  der  lebhafte  und  anregende  Verkehr  mit  dem 
Vater  gehabt.  Die  junge,  kaum  erwachsene  Prinzessin  begleitete  diesen  nach 
der  Thronbesteigung  vielfach  auf  seinen  Reisen  im  Lande;  ihr  Geist  stärkte 
und  weitete  sich  im  Verkehr  mit  politisch  hervorragenden  Persönlichkeiten 
und  in  der  gründlichen  Beobachtung  der  Einrichtungen  und  des  wirthschaft- 
lichen  Verkehrs  des  niederländischen  Reiches,  das  durch  seine  überseeischen 
Besitzungen  ungleich  grösseren  und  lebensvolleren  Antheil  an  der  Weltpolitik 
hatte,  als  mancher  umfang-  und  bevölkerungsreichere  Festlandsbinnenstaat. 
Eine  echte  Tochter  der  Niederlande,  liebte  die  Grossherzogin  S.  das  Meer, 
die  mächtig  aufrauschende  Fluth,  die  weiten  Horizonte,  und  ihre  Individualität 
war  durchzogen  von  jenem  frischen,  kräftigenden  Hauch  der  Meerluft,  der  den 
Blick  und  die  Thatkraft  schärft.  Mit  dem  Vater  stand  sie  bis  zu  seinem 
Tode  (1849)  in  einem  wesentlich  politische  Vorkommnisse  und  Erörterungen 
umfassenden  Briefwechsel. 

Am  8.  April  1842  hatte  im  Haag  die  Verlobung  der  Prinzessin  S.  mit 
dem .  damaligen  Erbgrossherzog  Carl  Alexander  von  Sachsen  stattgefunden,  der 
am  8.  October  desselben  Jahres  die  Vermählung  folgte.  Das  junge  Paar 
führte  in  dem  ersten  Jahrzehnt  ein  durch  die  Pflege  künstlerischer  und  schön- 
geistiger Interessen  und  die  sorgfältige  Erziehung  seiner  Kinder:  Erbgross- 
herzog Carl  August  (geb.  1844,  gestorben  1894),  Prinzessin  Marie  (geb.  1849, 
vermählt  1876  mit  dem  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuss),  Prinzessin  Anna  (geb. 
185 1,  gest.  1859),  Prinzessin  Elisabeth  (geb.  1854,  vermählt  1886  mit  Herzog 
Johann  Albrecht  von  Mecklenburg-Schwerin)  vertieftes  Stillleben,  doch  wurden 
auch  grössere  Reisen  nach  Russland,  England,  Italien  unternommen:  ein  fast 
halbjähriger  Aufenthalt  in  Italien  bot  erwünschte  und  eifrig  benutzte  Gelegen- 
heit zu  ernsten  Kunststudien.  Denn  auch  ein  feines  und  tiefes  Kunstverständ- 
niss  hatte  die  Prinzessin  aus  dem  elterlichen  Hause  mitgebracht. 

Am  8.  Juli  1853  übernahm  nach  dem  Tode  seines  Vaters  Carl  Friedrich 
Grossherzog  Carl  Alexander  die  Regierung  des  Weimarischen  Staates.  Damit 
vollzog  sich  natürlich  auch  eine  bedeutende  Wandelung  in  den  Aufgaben  und 
Pflichten  der  Grossherzogin  S.  Sie  ist  immer  eine  aufmerksame  Beobachterin 
der  Vorkommnisse  auf  dem  Gebiete  der  europäischen  und  der  inneren  deut- 
schen Politik  gewesen  und  hat  selbstverständlich  lebhaftesten  Antheil  genom- 
men an  den  Angelegenheiten  des  Landes,  ohne  einen  unmittelbaren  Einfluss 
auf  sie  auszuüben.  Sie  war  dadurch,  als  in  Folge  der  Abwesenheit  des  Ge- 
mahls und  des  Sohnes  während  des  deutsch-französischen  Krieges  die  Regent- 
schaft ihr  übertragen  ward,  befähigt,  mit  voller  Sachkenntniss  die  Regierungs- 
geschäfte zu  führen,  mit  einer  Klarheit  und  Sicherheit  des  Urtheils,  die 
staunende  Bewunderung  der  Räthe  erweckte.  Aber  sie  brachte  noch  mehr 
mit,  den  Fleiss,  die  Pflichttreue,  das  Verständniss  für  die  technischen  Er- 
fordernisse der  Regierungsthätigkeit  und  jenen  feinen  Takt,  der  vorahnend 
das  Richtige  treffen  lässt,  das  Richtige  in  Bezug  auf  die  Ziele  und  das  Rich- 
tige in  Bezug  auf  die  Mittel,  wie  sie  zu  erreichen  sind,  vor  Allem  jene  fiir 
fürstliches  Wirken  wichtigste  Gabe:  die  Fähigkeit  zur  sorgfältigsten,  aber  ver- 
schwiegenen Vorbereitung  ihrer  Pläne.  Der  erste  äusserlich  wahrnehmbare 
Schritt  bei  Allem,  was  sie  that,  war  schon  ein  Glied  einer  im  Stillen  längst 
vorbereiteten  Folge,  so  dass  nichts  dem  Zufalle  überlassen  blieb.     Ein  Wort 

17* 


26o  Grossherzog^n  Sophie  von  Sachsen. 

aus  einem  ihrer  Briefe:  »il  faut  agir  en  parlant  le  moins  possible«  ist  be- 
zeichnend  für  diesen  höchst  charakterischen  Zug;  sie  war  sich  desselben  und 
seiner  Bedeutung  als  eines  Erbtheils  Wilhelms  des  Schweigers  wohl  bewusst: 
»vous  voyez,  que  mon  origine  se  fait  valoir«  setzt  sie  jenem  Worte  hinzu. 

Natüriich  hat  sie  ihre  hervorragende  Begabung  für  ein  grosses  fürstliches 
Walten  nicht  erst  und  nicht  allein  in  den  wenigen  Monaten  bekundet,  in 
denen  sie  die  Regierung  im  Grossherzogthum  Sachsen  führte.  Die  fürstlichen 
Frauen  vermögen  heute  auf  den  weiten  Gebieten  der  Wohlfahrtspflege  eine 
tief  eingreifende  Thätigkeit  zu  entfalten,  die  an  ihre  Arbeitskraft  und  an  ihre 
Arbeitsfähigkeit  grosse  Aufgaben  stellt.  Die  Grossherzogin  S.  war  sich  dessen 
wohl  bewusst  und  hat  für  Wohl fahrtsz wecke  in  hervorragendem  Maasse  gewirkt. 
Das  Grossherzogthum  Sachsen  besitzt  seit  dem  Jahre  1817  das  »Patriotische 
Institut  der  Frauenvereine«,  eine  Schöpfung  der  damaligen  Erbgrossherzogin 
Maria  Paulowna,  die  bestimmt  war,  die  Unterstützung  armer,  arbeits- 
unfähiger Personen,  die  Krankenpflege,  die  Hilfeleistung  in  Nothständen, 
die  Erziehung  und  Ausbildung  der  weiblichen  Jugend  nicht  nur  in  Hand- 
arbeit, sondern  auch  in  Haushaltungsdingen  zu  leiten.  Im  Jahre  i85q, 
nach  dem  Tode  der  Grossherzogin  Maria  Paulowna,  trat  die  Grossherzogin 
S.  an  die  Spitze  dieses  Instituts  und  hat  dasselbe  in  der  umsichtigsten  und 
zweckmässigsten  Weise  weiter  zu  entwickeln  verstanden.  Sie  hat  in  dem,  was 
die  Zeit  bewegte,  stets  das  berechtigte  und  deshalb  dauerverheissende  von 
dem  falschen  und  deshalb  vergänglichen  zu  sondern  gewusst,  ohne  sich  über 
die  Kurzlebigkeit  scheinbarer  glänzender  Erfolge  zu  täuschen.  Aus  ihrer  An- 
regung heraus  und  unter  ihrer  unmittelbarsten  persönlichen  Leitung  sind  statt- 
liche Anstalten  für  weibliche  Erziehung,  vor  Allem  fiir  Krankenpflege,  im 
Grossherzogthum  Sachsen  entstanden.  Die  überaus  segensreiche  Entwickelung 
der  in  so  vielen  Richtungen  wohlthätig  wirkenden  Gemeindepflege  lag  ihr  vor- 
nehmlich am  Herzen.  Ein  von  ihr  gegründetes  Haus  zur  Ausbildung  von 
Krankenpflegerinnen  bildet  den  Mittelpunkt  für  ein  Netz  von  Stationen  für 
Gemeindepflege  im  Lande.  Wie  sehr  der  Werth  dieser  Schöpfung  gewürdigt 
wird,  zeigt,  dass  im  Landtag  des  Grossherzogthums  nach  ihrem  Tode  die 
ansehnliche  Summe  von  1 50  000  Mark  zur  Vermehrung  der  Fonds  für  die 
Gemeindepflege  ohne  Widerspruch  bewilligt  ward.  Neben  diesem  Kranken- 
hause errichtete  die  Grossherzogin  ein  Kinderheilbad,  in  dem  viele  hundert 
bedürftige  Kinder  jährlich  Stärkung  und  Genesung  finden,  und  genehmigte 
noch  in  ihren  letzten  Tagen  die  Anlegung  einer  Volksheilstätte  für  Lungen- 
kranke. 

Wer  die  Grossherzogin  beobachten,  sehen  konnte,  wie  sie  alle  die  man- 
nichfaltigen  Aufgaben  einer  ungemein  ausgedehnten  Verwaltung,  die  ihrer 
eigenen  Besitzungen  mit  eingezogen,  mit  der  grössten  Sorgfalt  verfolgte,  in 
die  technischen  Einzelheiten  des  Unterrichtes  in  den  Handarbeiten  wie  in  die 
Detailfragen  baulicher  Constructionen  sich  vertiefte,  und  dann  aus  gründlicher 
Sachkenntniss  die  richtigen  Entscheidungen  traf,  konnte  ihr  bewundernde 
Anerkennung  nicht  versagen.  Aber  sie  war  nicht  blos  eine  bedeutende  Lei- 
terin, sie  war  eine  berufene  Organisatorin,  die  es  verstand,  die  Menschen  zur 
Thätigkeit  im  Dienste  grosser  Ideen  anzuregen.  Wodurch  sie  auf  andere 
wirkte,  das  war  im  letzten  Grund  das  Beispiel,  das  sie  gab,  das  Beispiel  rast- 
loser Arbeit  an  sich  selbst,  einer  stetigen  Selbsterziehung,  grösster  Selbst- 
beherrschung und  einer  unvergleichlichen  Selbstlosigkeit.  Ihre  Pflichten  er- 
füllen zu  dürfen  —  und  den  Kreis  derselben  erweiterte  sie  immer  mehr   — , 


Grossherzogin  Sophie  von  Sachsen.  261 

empfand  sie,  nach  ihrem  eigenen  Worte,  als  eine  Wohlthat.  Dass  eine  so 
ernste  Auffassung  ihrer  Individualität  einen  strengen  Zug  geben  musste,  ist 
begreiflich,  aber  doch  bewahrheitete  sich  auch  an  ihr,  wenn  sie  schreibt:  »Das 
Bewusstsein,  das  anvertraute  Leben  nützlich  auszufüllen,  den  christlichen 
Pflichten  nach  bestem  Wissen  und  Können  nachzukommen  bestrebt  zu  sein, 
gewährt  eine  Freudigkeit,  die  schwere  Erfahrungen  und  Prüfungen  nicht  zu 
trüben  vermögen«.  Bittem  Schmerz  hat  ihr  der  Tod  des  Sohnes  bereitet, 
einen  Schmerz,  der  die  Kräfte  des  Körpers  verzehrte,  aber  die  Freudigkeit 
in  ihrem  Wirken  vermochte  er  nicht  zu  trüben. 

Die  Grossherzogin  war  eine  Freundin  der  Literatur  und  der  Kunst  von 
Jugend  auf  und  bald  eine  wohlbewanderte  Kennerin  der  geistigen  Erzeugnisse 
der  Culturvölker.  Die  Gründung  der  deutschen  Shakespeare-Gesellschaft  (1864) 
ist  wesentlich  durch  ihr  thätiges  Eingreifen  schon  bei  den  Vorarbeiten  zu 
Stande  gekommen.  Als  Protektorin  derselben  hat  sie  ihr  bis  zu  ihrem  Tode 
stetes  Interesse  und  werkthätige  Förderung  zugewendet.  Mancher  Schrift- 
steller, mancher  Künstler  hat  bald  in  dieser,  bald  in  jener  Form  ihre  wohl- 
wollende Theilnahme  erfahren,  die  sie  mit  edlem  2^rtgeflihl  bethätigte.  Am 
Abend  ihres  Lebens  war  es  ihr  beschieden,  ihre  volle  organisatorische  Kraft 
auch  auf  literarischem  Gebiete  zu  bewähren  und  eine  Schöpfung  in  das  Leben 
zu  rufen,  die  ihrem  Namen  in  der  Geschichte  deutscher  Geistesarbeit  einen 
unvergänglichen  Ehrenplatz  sichert.  Das  Testament  des  letzten  Goethe  (gest. 
15.  April  1885)  überwies  ihr  die  literarische  Nachlassenschaft  des  Dichters. 
Eine  grosse  Aufgabe,  die  sie  gross  gelöst  hat.  Nur  wenige  Wochen  und  ihre 
anfänglich  durch  die  grosse  Verantwortung,  die  ihr  diese  Erbschaft  auferlegte, 
unruhig  bewegten  Anschauungen  über  das,  was  zu  thun  sei,  haben  bereits 
eine  feste,  klare  Gestalt  gefunden.  In  einer  Niederschrift  vom  5.  Mai  1885 
bestimmt  sie,  dass  das  Goethe -Archiv  »alsbald  mit  Rücksicht  auf  künftige 
Veröffentiichungen  wissenschaftlich  durchforscht  und  sein  gegenwärtiger  Werth 
vom  Standpunkt  der  Goethe-Wissenschaft  festgestellt«  werde:  eine  umfassende 
Goethebiographie,  die  Herausgabe  einer  grossen,  abschliessenden  Ausgabe  der 
Werke  waren  die  Ziele,  die  sie  stellte  und  zu  deren  Verwirklichung  sie  auch 
hier  mit  strenger  Folgerichtigkeit  und  wahrhaft  fürstlicher  Freigebigkeit  alles 
Erforderliche  anordnete.  Die  Goethe-Gesellschaft  wurde  noch  im  selben  Jahre 
auf  ihre  Anregung  begründet,  und  auch  in  dieser  »ist  vom  Stiftungstage  an 
nichts  wichtigeres  geschehen,  an  dem  sie  keinen  warmen,  förderlichen  Antheil 
durch  Wort  und  That  genommen  hätte«  (Erich  Schmidt).  Das  Goethe-Archiv 
erweiterte  sich  bald  durch  die  hochherzige  Schenkung  der  Freiherren  v.  Glei- 
chen-Russwurm  zum  Goethe-  und  Schiller-Archiv,  durch  kostbare  Erwerbungen 
seitens  der  Fürstin  und  werth  volle,  der  Anstalt  von  allen  Seiten  dargebrachte 
Gaben  zu  einer  Sammelstätte  für  die  Denkmale  der  neuen  deutschen  Literatur 
überhaupt,  Schätze,  für  deren  Aufbewahrung  die  Grossherzogin  entsprechend 
ihrem  schon  in  den  ersten  Tagen  nach  Antritt  der  Goethe' sehen  Erbschaft 
gefassten  Plan,  ein  monumentales  Bauwerk  errichtete,  dessen  feierliche  Ein- 
weihung sie  am  28.  Juni   1896  vollzog. 

Den  politischen  Angelegenheiten  Deutschlands  wandte  die  Grossherzogin 
S.  namentlich  seit  dem  Kriege  von  1870/71  das  lebhafteste  Interesse  zu.  Eine 
Natur  von  starkem,  politischem  Gepräge,  eine  Oranierin,  aufgewachsen  in 
dem  kraftvollen  nationalen  Bewusstsein  der  Niederländer,  hatte  sie  angesichts 
der  grossen  Bewegung,  die  durch  ganz  Deutschland  ging,  die  Tiefe  und  Be- 
deutung   unserer    nationalen  Bestrebungen    verstehen   und   damit  auch  lieben 


262  GrossherzogiD  Sophie  von  Sachsen,     von  Sachs. 

gelernt.  In  der  heiligen  Gluth  jenes  Jahres  war  Alles,  was  etwa  noch  fremd- 
ländisch in  ihr  war,  geschmolzen  und  sie  eine  deutsche  Fürstin  geworden, 
voll  lebhafter  unmittelbarster  Antheilnahme  an  den  Vorgängen  auf  politischem, 
wirthschaftlichem  und  kirchlichem  Gebiete.  Eine  echte  Oranierin,  stand  sie 
fest  in  dem  Bekenntniss  zum  evangelischen  Glauben  und  war  eine  entschie- 
dene Gegnerin  des  Ultramontanismus.  Als  Niederländerin  bewährte  sie  sich 
in  dem  Eifer,  mit  dem  sie  die  Bedeutung  tiberseeischer  Besitzungen  für 
Deutschland  voll  würdigte,  von  Anfang  an  die  Bestrebungen,  Deutschland  den 
Besitz  von  Colonien  zu  verschaffen,  in  nachdrücklichster  Weise  förderte. 

Am  8.  October  1892  beging  das  Grossherzogliche  Paar  die  Feier  der 
goldenen  Hochzeit  in  festlicher  Weise,  auf's  Herzlichste  begrüsst  von  der 
dankbaren  Bevölkerung  des  Landes  und  dem  Kreise  der  deutschen  Fürsten. 
Am  23.  März  1897,  am  Tage  nach  der  Centennarfeier  Kaiser  Wilhelms,  zu 
der  sie  noch  Abordnungen  empfangen  hatte,  um  ihrer  herzlichen  Antheil- 
nahme an  der  allgemeinen  vaterländischen  Feier  Ausdruck  zu  geben,  endete 
ein  sanfter  Tod  ihr  bedeutendes  Leben. 

Kuno  Fischer:  Kleine  Schriften,  Grossherzogin  von  Sachsen.  —  P.  ▼.  Bojanowski: 
Grossherzogin  Sophie  von  Sachsen,  Westermann's  Monatshefte  (November  1897).  —  Beriebt 
über  die  31.  Generalversammlung  des  Vaterländischen  Frauenvereins  in  Berlin  1898.  —  Jahr- 
buch der  deutschen  Shakespeare-Gesellschaft,  Bd.  XXXIII.  —  Hebbel's  Briefwechsel,  Bd.  11, 
S.  600  ff.  —  Erich  Schmidt:  Jahrbuch  der  Goethegesellschaft,  Bd.  XVIII. 

P.  von  Bojanowski. 

Sachs,  Julius  von,  Universitätsprofessor  der  Botanik,  ♦  am  2  Oktober  1832 
in  Breslau,  f  am  29.  Mai  1897  in  Würzburg.  —  Am  Morgen  des  29.  Mai  1897 
verschied  nach  kurzem  Krankenlager,  aber  langjährigen  Leiden  der  grosse 
Pflanzenphysiologe  Geheimrath  Julius  v.  S.,  dessen  Name  mit  unvergänglichen 
Lettern  in  der  Geschichte  seiner  Wissenschaft  verzeichnet  ist,  dessen  hervor- 
ragende Bedeutung  weit  über  den  Kreis  seiner  engeren  Fachgenossen  hinaus 
anerkannt  wurde  und  dessen  Tod  eine  unausftiUbare  Lücke  in  die  Reihen 
der  Naturforscher  gerissen  hat.  Mit  ihm  ist  der  Mann  dahingegangen,  der 
die  Pflanzenphysiologie  nicht  nur  begründet,  sondern  ihr  auch  die  für  viele 
Jahre  herrschende  geachtetste  Stellung  in  der  Botanik,  sowie  die]  höchste 
Achtung  und  Berücksichtigung  in  den  übrigen  Zweigen  der  Naturwissen- 
schaften errungen  hat  und  zwar  zu  einer  Zeit,  in  der  von  sehr  vielen  be- 
deutenden Botanikern  diese  Richtung  für  agrikulturchemisch  aber  nicht  für 
botanisch  gehalten  wurde.  In  Verbindung  mit  einigen  andern  Botanikern  hat 
er  seine  Wissenschaft  auf  eine  auch  in  Deutschland  bisher  nie  erreichte  Höhe 
gebracht,  die  Augen  der  ganzen  naturwissenschaftlichen  Welt  hat  er  auf  sich 
gelenkt,  und  Schüler  aus  allen  Theilen  der  Erde  haben  die  Ideen  des 
Meisters  mit  heimgenommen  in  ihr  Vaterland  und  dort  erfolgreich  ausgebaut 
und  erweitert. 

Der  äussere  Lebenslauf  dieses  bedeutenden  Mannes  weicht  ziemlich  er- 
heblich von  dem  sonst  meist  ruhig  dahinfliessenden  der  Männer  der  Wissen- 
schaften ab,  besonders  während  der  Zeit  der  Lehrjahre.  S.  wurde  in  Breslau 
als  der  zweite  Sohn  eines  Graveurs  geboren.  Die  pecuniären  Verhältnisse 
seiner  Eltern  waren  durchaus  keine  guten.  Als  sie  daher  nach  kurzem  Auf- 
enthalt in  Namslau  wieder  nach  Breslau  übersiedelten,  konnten  sie  dem  hoch- 
begabten Knaben  nur  den  Unterricht  in  der  Seminarschule  zu  theil  werden 
lassen.  Diesen  genoss  er  vom  8.  bis  12.  Jahre,  doch  war  derselbe  durchaus 
nicht  ein  ihn    auch    nur   einigermaassen  befriedigender.      Um    so    beglückter 


von  Sachs.  263 

war  er  aber,  als  es  den  unablässigen  Bemühungen  seiner  Mutter  gelang,  ihm 
den  Besuch  des  Gymnasiums  zu  ermöglichen,  ein  Vorzug,  der  keinem  seiner 
Brüder  zu  theil  wurde.  Im  Jahre  1845  trat  er  in  das  Elisabethanum  ein,  in 
dem  es  ihm  gelang,  nicht  nur  bis  zum  Jahre  1849  die  Obersecunda  zu  er- 
reichen, sondern  auch  während  dieser  Zeit  als  der  erste  in  den  Klassen 
mehrfache  Schulprämien  als  öffentliche  Anerkennung  seines  Fleisses  zu  er- 
halten. Gleichwohl  Hess  ihm  die  Schulzeit  Müsse  genug,  seiner  schon  früh 
enfc'achten  und  durch  mehrfachen  Aufenthalt  auf  dem  Lande  genährten  Vor- 
liebe für  die  Naturwissenschaften  nachzugehen.  Gefördert  wurden  diese  Nei- 
gungen weiter  durch  den  glücklichen  Umstand,  dass  zunächst  sein  älterer 
Bruder,  dann  auch  er  selbst  mit  den  Söhnen  des  in  der  Nachbarschaft 
wohnenden  grossen  Experimentalphysiologen  Purkinje  bekannt  wurde.  Die 
naturwissenschaftlichen  Bücher,  die  er  auf  diese  Weise  geliehen  erhielt,  regten 
seine  Phantasie  ausserordentlich  an,  und  das  Interesse,  das  die  Spielkameraden 
für  naturwissenschaftliche  Sammlungen  hatten,  förderte  auch  das  seinige.  Er 
lernte  von  ihnen  Pflanzen  pressen  und  begann  nun,  mit  grossem  Eifer  Feld 
und  Wald  zu  durchstreifen.  Pflanzen  zu  sammeln  und  zu  bestimmen,  und 
—  vielfach  dabei  von  seinem  Vater  unterstützt  —  ein  Herbarium  anzulegen. 
Diese  mit  grosser  Sorgfalt  zusammengebrachte  Sammlung  umfasste  schon 
gegen  300  Arten,  als  sie  ihm  gestohlen  wurde.  Dieser  Verlust,  der  ihm  den 
ersten  grossen  Seelenschmerz  seines  Lebens  bereitete,  ging  ihm  so  nahe,  dass 
er  ihm  die  Botanik  für  längere  Zeit  verleidete.  Er  konnte  sich  nicht  dazu 
entschliessen,  eine  neue  Sammlung  der  Breslauer  Flora  anzulegen,  ja  er  be- 
gann erst  wieder  Pflanzen  zu  sammeln,  als  es  ihm  in  Würzburg  darauf  an- 
kam, Herbar-  und  Demonstrationsmaterial  für  die  Vorlesungen  herzustellen. 
Dagegen  wandte  er  sich  dem  zoologischen  Gebiete  zu  und  brachte  ausser 
einer  Insektensammlung  auch  eine  solche  von  Schädeln  zusammen.  Dabei 
wurde  diese  Seite  der  Begabung  des  jungen  S.  von  der  Schule  aus  in  keiner 
Weise  unterstützt.  Der  naturwissenschaftliche  Unterricht  wurde  in  durchaus 
unzureichender  Weise  und  keineswegs  anregend  ertheilt.  Ja,  der  Lehrer  für 
dieses  Fach,  rieth  —  mit  den  positiven  Beweisen  für  die  ausserordentlichen 
Fähigkeiten  des  Schülers  in  den  Händen  —  diesem  dringend  ab,  sich  den 
Naturwissenschaften  zu  widmen;  da  gäbe  niemand  einen  Groschen  für!  — 
Wie  weit  wäre  wohl  jetzt  die  Pfianzenphysiologie,  hätte  der  Schüler  den 
Rath  des  Lehrers  befolgt!  Und  es  waren  wirklich  schlagende  Beweise  ernster 
Studien,  nicht  etwa  dilettantenhafte  Liebhabereien,  denen  der  junge  Auto- 
didakt sich  widmete.  Der  Vater  hatte  ihm  einen  gründlichen  Zeichenunter- 
richt ertheilt,  und  beim  Zeichnen  und  Malen  der  mannichfachsten  Naturgegen- 
stände —  wie  Pilze,  Blumen,  Thiere  —  übte  und  schärfte  er  nicht  nur  seine 
künstlerische,  sondern  auch  seine  naturwissenschaftliche  Begabung.  Neben- 
her gingen  praktische  Anatomirübungen  an  den  verschiedensten  Thieren,  so- 
wie theoretische  Studien,  denen  er  einen  Theil  seiner  Nachtruhe  opferte. 
Zu  jenen  Studien  gehörte  auch  das  der  naturphilosophischen  Schriften  Oken's, 
die  er  mit  grossem  Eifer  in  sich  aufnahm;  sie  haben  ihm  jedoch,  so  meinte 
er  später,  nichts  geschadet.  Vor  allen  Dingen  aber  muss  hier  eine  von  ihm 
verfasste  längere  Abhandlung  »Die  Monographie  des  Flusskrebses«  erwähnt 
werden.  Das  Manuskript  ist  noch  jetzt  vorhanden.  Es  ist  mit  zahlreichen 
Zeichnungen  versehen,  von  denen  eine  ganze  Zahl  geradezu  künstlerisch 
ausgeführt  ist.  Sein  Inhalt  ist  im  Grossen  und  Ganzen  dem  jetzigen  Stande 
der  zoologischen  Wissenschaft   noch  heute   entsprechend.      Und  diese  Arbeit 


264  ^^^  Sachs. 

wurde  ausgeführt  von  einem  jungen  Obersekundaner,  der  die  2^t  hier- 
für zwischen  den  Schulstunden  fand!  Inzwischen  war  der  Gymnasiast  durch 
seine  Schulgefährten  in  Purkinje's ')  Haus  eingeführt  worden  und  zu  letzterem 
in  nähere  Beziehung  getreten.  Dieser  hatte  die  Begabung  des  Knaben  sehr 
bald  erkannt  und  ihn  mehrfach  zur  Anfertigung  wissenschaftlicher  Zeichnungen 
herangezogen.  Diese  nähere  Bekanntschaft  wurde  ihm  von  Nutzen,  als  im 
Jahre  1848  erst  der  Vater  und  im  folgenden  Jahre  auch  die  Mutter  gestorben 
waren,  und  der  17  jährige  junge  Mann  nun  verwaist  und  völlig  mittellos  sich 
bemühte,  durch  Lithographiren,  sowie  durch  Zeichen-  und  Malunterricht  sich 
die  Mittel  nicht  nur  zum  Lebensunterhalt,  sondern  auch  zur  Fortsetzung 
seiner  Gymnasialstudien  zu  erwerben.  Das  war  nicht  leicht,  aber  es  gelang 
ihm  doch  einigermaassen,  zumal  ihn  auch  der  Bruder  etwas  unterstützte,  in- 
dem er  ihm  zu  seinen  Studien  eine  allerdings  nicht  heizbare  Dachkammer 
anwies.  Unter  diesen  schwierigen  Verhältnissen  kam  es  ihm  daher  recht  ge- 
legen, als  Purkinje  im  Jahre  1850  die  Aufforderung  an  ihn  richtete,  nach  Prag 
überzusiedeln  und  gegen  ein  Gehalt  von  1 00  Gulden  und  freier  Station  die 
Stelle  eines  Privatassistenten  zu  übernehmen.  S.  stimmte  sofort  zu  und  nach- 
dem auch  die  Vormundschaft  schliessHch  ihre  Einwilligung  gegeben  hatte, 
traf  S.  am  14.  Februar  1851  in  Prag  ein  und  fand  in  der  Familie  Purkinje's 
Aufnahme.  Doch  zu  einer  freundlichen  Heimat  wollten  sich  ihm  das 
Purkinje'sche  Haus  nicht  gestalten,  da  Lehrer  und  Schüler  zu  eigenartige 
Naturen  waren,  die  sich  menschlich  viel  zu  fern  standen,  um  eine  herzliche 
Annäherung  aufkommen  zu  lassen.  S.  hat  nie  verhehlt,  welche  Achtung  er 
vor  der  Genialität  Purkinje's  hatte  und  dass  er  ihm  vieles  verdankte,  er  hat 
es  aber  auch  nicht  verschwiegen,  welche  schwere  Arbeit  er  im  Dienste  Pur- 
kinje's leisten  musste,  so  dass  er  wohl  mehr  gegeben,  als  empfangen  hat.  L^nd 
niemals  hatte  er  sich  trotz  seiner  gewissenhaftesten  Anstrengungen,  trotz  vor- 
züglicher Leistungen  auch  nur  eines  Wortes  der  Anerkennung  und  der  Theü- 
nahme  oder  gar  der  Ermuthigung  und  des  Lobes  zu  erfreuen.  Im  wesent- 
lichen bestand  seine  Thätigkeit  in  der  Herstellung  von  Wandtafeln  für  den 
Unterricht  und  Zeichnungen  nach  mikroskopischen  Präparaten,  die  er  zum 
Theil  direkt  auf  dem  Stein  ausführte;  doch  gewann  er  auch  durch  den 
Aufenthalt  in  dem  Laboratorium  des  Begründers  der  experimentellen  Physio- 
logie eine  eingehende  Kenntniss  von  den  Forschungsmethoden  und  von  der 
Art  und  Weise  des  experimentellen  Arbeitens,  die  ihm  in  späteren  Jahren 
ausserordentlich  zu  Statten  kam.  Zunächst  allerdings  benutzte  er  den  Theü 
seiner  Zeit,  der  nicht  den  Arbeiten  Purkinje's  gewidmet  war,  zur  Vorbereitung 
für  die  Maturitätsprüfung  und  nachdem  diese  im  Herbst  1851  mit  sehr  gutem 
Erfolge  bestanden  war,  zum  Studium  an  der  Universität,  zu  dem  er  sich  — 
zum  Glück  für  die  Wissenschaft!  —  nach  langem  Schwanken,  ob  er  nicht 
lieber  naturwissenschaftlicher  Zeichner  bleiben  solle,  entschlossen  hatte. 

Aber  wie  als  Schüler,  so  ging  er  auch  als  Studio  seinen  eigenen  Weg. 
Ein  eifriger  Kollegbesucher  ist  er  nicht  gewesen.  Seine  botanischen  und 
zoologischen  Studien  trieb  er  privatim,  das  Studium  der  Physik  und  Mathe- 
matik ebenfalls ;  das  Vorlesen  des  Botanikers  Kosteletzky  war  sogar  dasjenige, 
das  am  wenigsten  einen  Reiz  auf  ihn  ausübte.      Einen  nennenswerthen  Ein- 


*)  J.  E.  Purkinje  hatte  zuerst  Philosophie,  dann  Medicin  in  Prag  studirt  und  war  von 
1823  ab  Professor  der  Physiologie  und  Pathologie  in  Breslau,  von  1850  ab  Professor  der 
Physiologie  in  Prag  (gestorben  zu  Prag  1869). 


von  Sachs.  265 

fluss  auf  ihn  gewann  dagegen  der  hervorragende  Herbartianer  Robert  Zimmer- 
mann. Durch  diesen,  dem  der  intelligente  Student  auffiel,  und  der  ihn  auch 
in  sein  Haus  zog,  wurde  die  schon  bei  S.  vorhandene  Anlage  zum  Philo- 
sophiren angeregt  und  vertieft,  und  durch  ihn  wurde  er  besonders  zum  Stu- 
dium von  Locke,  Hume,  Kant  und  Herbart  veranlasst,  und  bis  an  sein 
Lebensende  gehörte  das  Lesen  philosophischer  Werke  zu  den  Lieblingsbe- 
schäftigungen von  S.  NeJ)en  diesen  mannigfachen  Studien  vernachlässigte  er 
jedoch  auch  keineswegs  seine  künstlerische  Beanlagung  und  besonders  in  den 
ersten  Semestern  prüfte  er  sich  beim  Zeichnen  im  Antikensaal  des  Prager 
Museums,  ob  er  wohl  Talent  zum  Maler  hätte.  Nach  beendetem  Triennium 
bereitete  er  sich  trotz  seiner  ungünstigen  pecuniären  Lage,  die  er  durch 
kleinere  literarische  Arbeiten,  Anfertigung  von  Zeichnungen  zu  verbessern 
suchte,  zum  Doctorexamen  vor,  das  zu  jener  Zeit  in  Prag  sehr  schwierig  und 
vor  allem  sehr  zeitraubend  war.  Im  Sommer  1856  erfolgte  die  Promotion 
zum  Doctor  der  Philosophie,  zu  der  der  Druck  einer  Dissertation  jedoch  nicht 
erforderlich  war.  Wenn  wir  daher  eine  Doctorarbeit  von  S.  nicht  besitzen, 
so  liegen  uns  aber  doch  eine  grosse  Zahl  naturwissenschaftlicher  Aufsätze  aus 
jener  Zeit  vor.  Es  sind  das  18  Artikel,  die  in's  Czechische  tibersetzt  in  der 
von  Purkinje,  der  Seele  der  altczechischen  Bewegung,  gegründeten  Zeitschrift 
»Ziva«  veröffentlicht  wurden.  Die  erste  in  deutscher  Sprache  erschienene 
Arbeit  war  —  abgesehen  von  einem  Aufsatz  in  dem  »Lotos«  —  eine  Unter- 
suchung über  die  Entwickelungsgeschichte  einer  Flechte  (aus  dem  December 
1853),  die  in  der  »Botanischen  Zeitung«  vom  Jahre  1855  erschien.  Es  zeugt 
von  dem  grossen  Scharfblick  des  Studenten,  dass  er  in  dieser  Arbeit  schon 
das  symbiotische  Verhältniss  zwischen  den  Pilzen  und  Algen,  die  die  Flechte 
zusammensetzen,  erkannte,  eine  Entdeckung,  die  der  junge  S.  allerdings  noch 
nicht  aussprach,  aber  auch  noch  nicht  aussprechen  konnte,  da  erst  15  Jahre 
später  auf  Grund  vieler  und  umfangreicher  Untersuchungen  dieses  Resultat 
sicher  gestellt  ward. 

Da  infolge  der  Verheirathung  Emanuel  Purkinje's  der  Raum  im  Hause 
seines  Lehrers  zu  eng  wurde,  bezog  S.  einige  Zimmer  im  physiologischen  In- 
stitut, wodurch  der  tägliche  engere  Verkehr  zwischen  beiden  ein  Ende  er- 
reichte. Auch  die  immer  intensiver  werdenden  czechischen  Agitationen  Pur- 
kinje's und  sein  offen  zur  Schau  getragener  Deutschenhass  trugen  sehr  viel 
dazu  bei,  das  Verhältniss  zu  S.,  dessen  Herz  stets  begeistert  für  nationale 
deutsche  Bestrebungen  schlug,  der  ein  glühender  Verehrer  Bismarck's  war, 
noch  mehr  zu  lockern.  So  zog  er  es  denn  schliesslich  vor,  sich  ganz  von 
Purkinje  zu  trennen  und  seine  Assistentenstellung  aufzugeben.  Er  richtete 
sich  ein  Hauslaboratorium  ein,  in  dem  er  seine  ersten  physiologischen  Unter- 
suchungen begann,  während  er  sich  gleichzeitig  mit  literarischen  und  zeichne- 
rischen Arbeiten  das  Geld  zum  Lebensunterhalte  verdiente. 

Mit  dem  Auszug  aus  dem  Purkinje'schen  Laboratorium  fallen  auch  seine 
Bemühungen  wegen  seiner  Habilitation  zusammen.  Er  wollte  sich  für  Pflanzen- 
physiologie habilitiren  und  hatte  deshalb  verschiedene  Schwierigkeiten  zu  über- 
winden. Denn  dieser  Zweig  der  Wissenschaft  existirte  als  selbständiges  Fach 
noch  nirgends,  ja  er  wurde  sogar,  wenn  er  überhaupt  behandelt  wurde,  ganz 
nebenbei  abgethan.  Besonders  war  er  auch  durch  die  Behandlung,  die  er  in 
Schleidens  »Grundzügen  der  Botanik«  erfahren  hatte,  bei  der  herrschenden 
Generation  durchaus  in  Misscredit  gerathen.  Jedenfalls  gab  es  weder  einen 
öffentlichen  Vertreter  der  Pflanzenphysiologie,  noch  waren  Laboratorien  oder 


266  ▼OD  Sachs. 

Instrumente  zum  fachgemässen  Betrieb  derselben  vorhanden.  Sie  lag  über- 
haupt in  einer  Weise  darnieder,  dass  ihm  mit  Recht  der  Ordinarius  der  Chemie, 
Rochleder,  den  wohlmeinenden  Rath  gab,  lieber  etwas  anderes  als  Pflanzen- 
physiologie vorzutragen,  da  man  damit  ja  doch  in  2  bis  3  Stunden  fertig  sein 
würde.  Schliesslich  gelang  es  aber  S.  doch  Dank  der  energischen  Bemühungen 
mehrerer  Ordinarien,  die  entgegenstehenden  Schwierigkeiten  zu  beseitigen, 
und  so  war  denn  S.  nach  seiner  Habilitation  im  Wintersemester  1857  der 
erste  Vertreter  des  Faches,  das  ihm  zu  so  grossem  Ruhm  verhelfen  sollte. 
Die  Habilitationsschrift,  die  ein  mehr  physikalisches  Thema,  die  Diffusion, 
behandelte,  ist  im  Druck  nicht  erschienen. 

Eine  wesentliche,  von  Erfolg  begleitete  Lehrthätigkeit  hat  S.  als  Privat- 
docent  nicht  entfaltet,  dagegen  war  er  unermüdlich  forschend  thätig,  indem 
er  nach  Verbesserung  der  bisherigen  mikrochemischen  Methoden  sich  ein- 
gehend, und  Jahre  hindurch  die  diesbezüglichen  Untersuchungen  fortsetzend, 
mit  den  Erscheinungen  bei  der  Keimung  der  Pflanzen  beschäftigte.  Elr  wies 
darin  nach,  in  welcher  Weise  die  Umbildung  und  Wanderung  der  Stoffe 
erfolgt,  die  in  den  Keimblättern  enthalten  sind;  sie  liefern  bei  der  Keimung 
das  Material  für  die  Entuickelung  und  Ausbildung  des  Embryos,  und  es  ist 
sonach  die  Keimung  gewissermaassen  nur  die  Umgestaltung  der  in  den  Keim- 
blättern vorhandenen  Stoff"e.  Die  dabei  gewonnenen  Resultate  stellten  ganz 
neue  Thatsachen  fest  und  brachten  Licht  in  bis  dahin  ganz  unbekannte  Vor- 
gänge. Diese  Untersuchungen  brachten  ihn  auch  zur  Ueberzeugung,  dass  es 
möglich  sein  müsse.  Landpflanzen  mit  Erfolg  in  wässerigen  Losungen  zu 
cultiviren.  Zwar  waren  schon  mehrfach  vor  S.  Pflanzen  in  salzhaltigen  Wässern 
gezogen  worden,  aber  ohne  grossen  Erfolg.  Erst  von  S.  wurde  die  hohe 
Bedeutung  dieser  Methode  erkannt,  und  es  wurde  zuerst  von  ihm  gezeigt, 
dass  es  gelingt,  in  geeigneten  wässrigen  Lösungen  Landpflanzen  vom  kei- 
menden Samen  an  so  zu  erziehen,  dass  sie  sich  normal  entwickeln,  unter 
Vervielfältigung  ihres  Samengewichtes  alle  Organe  entfalten  und  schliess- 
lich neue  Samen  hervorbringen,  die  wieder  keimfähig  sind.  Anfangs  sind 
zwar  diese  Experimente  stark  angegriffen  worden,  bald  aber  wurden  sie 
von  anderen  Forschem  mit  dem  gleichen  Erfolge  ausgeführt;  die  Methode 
wurde  etwas  vervollkommnet  und  weiter  ausgebildet  und  ist  ja  von  ganz 
ausserordentlicher  Bedeutung  für  die  Land-  und  Forstwirthschaft  geworden. 
Durch  die  von  S.  angegebene  Methode  wurde  die  Ernährungslehre  der 
Pflanzen  begründet,  und  durch  diese  moderne  Emährungstheorie  haben  ja 
Land-  und  Forstwirthschaft  einen  vollständigen  Umschwung  erfahren. 

Inzwischen  hatten  sich  für  S.  die  Verhältnisse  in  Prag  zu  recht  unerträg- 
lichen gestaltet.  Die  czechische  Bewegung  hatte  ihren  Höhepunkt  erreicht 
und  S.  sah  nicht  nur  ein,  sondern  man  sagte  es  ihm  auch  direct,  dass  für 
ihn  an  einen  materiellen  Erfolg  oder  gar  an  ein  Weiterkommen  nicht  zu 
denken  sei.  Sehr  gelegen  kamen  ihm  daher  die  Bemühungen  des  Chemikers 
Hofrath  Stöckhardt  in  Tharandt,  ihn  für  die  landwirthschaftliche  Abtheilung, 
die  seit  1830  mit  der  dortigen  Forstakademie  verbunden  war,  zu  gewinnen. 
Stöckhardt  hatte  durch  den  Zoologen  Stein,  der  früher  in  Tharandt  gewesen 
war,  von  den  Wasserculturen  S.'s  erfahren  und  forderte  ihn  nun  auf,  sich  zu 
dem  sächsischen  Ministerium  in  einem  längeren  (später  auch  seitens  des 
Ministeriums  gedruckten)  Aufsatze  »Ueber  den  Nutzen  der  Pflanzenphysiologie 
für  agriculturchemische  Anstalten«  auszusprechen.  Die  von  S.  gelieferte  Ab- 
handlung brachte  ihm  den  Erfolg,  dass  er  in  das  Laboratorium  nach  Tharandt 


Ton  Sachs.  267 

berufen  wurde.  Er  trat  dort  Ende  März  ein  und  hatte  dort  die  Aufgabe, 
seine  in  Prag  begonnenen  Versuche,  Pflanzen  ohne  Erde  in  wässrigen  Lösungen 
vom  Samen  an  bis  zur  Fruchtreife  zu  erziehen,  in  Gemeinschaft  mit  Stöck- 
hardt  fortzusetzen.  Daneben  beschäftigten  ihn  aber  auch  unausgesetzt  Unter- 
suchungen auf  anderen  Feldern  des  physiologischen  Gebietes.  Er  begann 
seine  Ideen  über  die  Assimilationsfunktion  der  Chlorophyllkörper,  der  Ent- 
stehung der  Stärke  in  denselben  zu  beweisen,  während  er  gleichzeitig  wichtige 
und  fundamentale  Thatsachen  über  die  Function  der  Wurzeln  sowie  in  bezug 
auf  die  Transpiration  zu  Tage,  förderte. 

Im  emsigsten  Eifer  war  er  täglich  von  früh  4  Uhr  an  der  Arbeit,  fast 
jeder  Tag  brachte  ihm  eine  neue  Entdeckung,  auf  dem  einzig  und  allein 
von  ihm  bestellten  Acker,  und  eine  grössere  Zahl  von  Aufsätzen,  die  in  den 
»landwirthschaftlichen  Versuchsstationen«  veröffentlicht  sind,  legen  Zeugniss 
hierfür  ab.  Ungestört  von  anderen  Botanikern  bot  sich  ihm  auch  weiter  die 
Möglichkeit  dar,  neue  Gedanken  experimentell  zu  prüfen  und  zu  neuen  Ent- 
deckungen heranreifen  zu  lassen.  Die  Botaniker  waren  auf  anderen  Arbeits- 
gebieten thätig,  und  Nägeli  erklärte  sogar  die  Arbeiten  dieser  neuen  Richtung 
nicht  für  physiologische,  sondern  für  agriculturchemische. 

Ausser  diesen  Arbeiten  widmete  er  sich  in  Tharandt,  wo  ihm  seine 
Stellung  übrigens  die  Verpflichtung  auferlegte,  in  landwirthschaftlichen  Versamm- 
lungen populäre  Vorträge  zu  halten,  auch  einem  gründlichen  Studium  der 
älteren  pflanzenphysiologischen  Arbeiten.  Diese  eingehenden  Studien  Hessen 
ihn  die  völlige  Unzulänglichkeit  der  botanischen  Lehrbücher  erkennen,  und 
es  entstand  in  ihm  die  Absicht,  gemeinsam  mit  anderen  Botanikern  die  ganze 
Botanik  neu  zu  bearbeiten. 

Schon  auf  der  Naturforscherversammlung  in  Wien  1856,  wo  er  eipen  kur- 
zen pflanzenphysiologischen  Vortrag  gehalten  hatte,  war  er  mit  einigen  Haupt- 
Vertretern  der  Botanik  bekannt  geworden,  und  im  Jahre  darauf  hatte  er  den 
genialen  Hofmeister  kennen  gelernt.  EÜn  Besuch  während  des  Weihnachts- 
festes 1858  bei  diesem  in  Leipzig  hatte  die  Bekanntschaft  erneuert  und  ver- 
tieft, und  seitdem  sind  beide  bis  zu  Hofmeister's  Tode  (1877)  durch  das 
Band  der  Freundschaft  verknüpft  im  engsten  wissenschaftlichen  und  gelegent- 
lich auch  persönlichen  Verkehr  geblieben.  Dem  Freunde  Hofmeister  nun 
machte  er  im  Frühjahr  1860  den  Vorschlag,  dem  modernen  Standpunkt  der 
Wissenschaft  entsprechend  das  Gesammtgebiet  der  Botanik  in  einem  mehr- 
bändigen Handbuch  zu  bearbeiten.  Er  selbst  übernahm  die  Bearbeitung  der 
Physiologie,  während  die  übrigen  Gebiete  unter  Hofmeister,  de  Bary  und 
Irmisch  vertheilt  wurden. 

Mit  den  ersten  Vorarbeiten  zur  Physiologie  beschäftigt,  wurde  er  im 
Wintersemester  1860/61  dazu  ausersehen,  am  Polytechnikum  in  Chemnitz  die 
Leitung  der  landwirthschaftlichen  Abtheilung,  die  dort  —  ähnlich  wie  in 
Tharandt  —  eingerichtet  werden  sollte,  zu  übernehmen.  Im  Februar  1861 
ging  er  daher  nach  Chemnitz.  Die  Neueinrichtung  schien  sich  indessen  zu 
verzögern,  manche  Unzulänglichkeiten  machten  sich  bemerkbar,  und  so  löste 
er  denn  ohne  langes  Besinnen  seine  Beziehungen  zum  sächsischen  Landwirth- 
schaftsministerium,  als  er  im  März  vom  Director  der  landwirthschaftlichen 
Akademie  zu  Poppeisdorf  bei  Bonn  die  Aufforderung  erhielt,  als  Professor 
für  Botanik,  Zoologie  und  Mineralogie  hinzukommen. 

Nachdem  er  sich  in  Prag  verheirathet  hatte,  siedelte  er  im  April  nach 
Bonn  über.     Bei  einem  sehr  bescheidenen  Gehalt  hielten  sich  auch  sonst  die 


268  von  Sachs. 

Mittel,  die  ihm  dort  zur  Verfügung  gestellt  waren,  in  sehr  engen  Grenzen,  so 
dass  er  sein  Untersuchungsmaterial  dort  meist  aus  eigener  Tasche  bezahlen 
musste.  Auch  das  Gärtchen,  das  er  zu  seinen  Versuchen  benutzen  konnte, 
war  nur  klein,  doch  leistete  ihm  der  einzige,  aber  intelligente  Arbeiter  bei 
der  Bestellung  desselben  und  bei  seinen  Experimenten  recht  gute  Dienste. 

Hier  entfaltete  er  auch  zuerst  eine  sehr  erfolgreiche  Lehrthätigkeit.  Die 
Vorlesungen  erfreuten  sich  des  grössten  Beifalls  und  waren  ausserordentlich 
gut  besucht.  Da  in  Folge  dessen  das  botanische  Studium  in  Poppelsdorf 
einen  lebhaften  Aufschwung  nahm,  so  wurde  ihm  nach  zwei  Jahren  in  seiner 
Lehrthätigkeit  die  Erleichterung  zu  theil,  dass  er  von  den  Vorlesungen  über 
Zoologie  und  Mineralogie  entbunden  wurde;  er  war  nur  zu  zwei  Vorlesungen 
verpflichtet,  im  Winter  las  er  Physiologie  und  im  Sommer  Monographie  land- 
wirthschaftlicher  Pflanzen.  Auch  fand  er  hier  seine  ersten  Schüler:  seinen 
jetzigen  Nachfolger  Professor  Kraus  und  den  Ministerialdirector  Dr.  Thiel. 

Der  sechsjährige  Aufenthalt  in  Bonn  gehört  zu  den  an  wissenschaftlichen 
Untersuchungen  und  Entdeckungen  reichsten  Jahren  des  unermüdlichen  For- 
schers. Sie  sind  in  zahlreichen  Publicationen,  die  ziun  Theil  in  der  Flora 
erschienen,  niedergelegt.  Sie  behandeln  theils  Untersuchungen  über  die  Nähr- 
stoffe der  Pflanzen,  theils  die  StofRimwandelung  und  -Wanderung  in  der  Pflanze, 
vor  allem  aber  wurden  die  experimentellen  Untersuchungen  über  die  Ent- 
stehung der  Stärke  im  Chlorophyll  hier  in  Angriff  genommen  und  der  Grund 
gelegt  zu  der  jetzt  feststehenden  Ernährungslehre  der  Pflanzen. 

Neben  diesen  hochwichtigen  Arbeiten  aber  setzte  sich  S.  ein  monumen- 
tales Denkmal  in  dem  vierten  Bande  des  »Handbuchs  der  Botanik«,  in  dem 
im  Jahre  1865  erschienenen  »Handbuch  der  Experimental-Physiologie  der 
Pflanzen«,  das  seinen  Ruf  in  der  Gelehrten  weit  mit  einem  Schlage  auf  das 
festeste  begründete.  Und  wie  sehr  dieses  Werk  ein  dringendes  Bedürfniss 
war,  davon  legt  der  Umstand  Zeugniss  ab,  dass  es  sofort  nach  seinem  Er- 
scheinen auch  schon  vergriffen  war!  Leider  erfuhr  es  eine  zweite  Auflage 
nicht,  doch  enthalten  die  übrigen  grossen  Werke,  die  in  der  Folgezeit  aus 
S.'s  Feder  hervorgingen,  die  wesentlichsten  in  der  »Experimentalphysiologie« 
zuerst  zusammengestellten  Thatsachen  in  gleicher  übersichtlicher  Klarheit. 
Ausserordentlich  klare  Darstellung,  übersichtliche  logische  Gruppirung  des 
Stoffes,  vollständig  ebenmässige  Composition  in  allen  Theilen  des  Werkes 
sind  seine  Hauptvorzüge,  die  sie  mit  allen  seinen  grösseren  Werken  gemein 
haben  und  diese  zu  geradezu  klassischen  Schriften  der  Botanik  stem- 
peln! Noch  heute  ist  die  allerdings  erst  nach  fünfjähriger  literarischer 
Vorarbeit  fertiggestellte  »Experimentalphysiologie«  der  gelesenste  Theil  des 
Handbuches  der  Botanik,  noch  heute  ist  sie  ein  reicher  Born  der  Anregung 
und  Belehrung. 

Die  Hoffnung,  den  durch  Schacht's  Tod  1864  frei  gewordenen  Lehrstuhl 
der  Botanik  in  Bonn  übertragen  zu  erhalten,  erfüllte  sich  nicht.  Schacht's  Nach- 
folger wurde  Johannes  Hanstein,  mit  dem  sich  auch  ein  freundschaftliches 
Verhältniss  anspann,  während  S.  mit  dem  kränklichen  Schacht  wenig  in  Be- 
rührung gekommen  war.  Da  aber  durch  die  Geburt  zweier  Töchter  und 
eines  Sohnes  die  pecuniäre  Lage  der  Familie  sich  immer  ungünstiger  gestal- 
tete, so  begrüsste  er  es  mit  grösster  Freude,  als  er  am  Sylvesterabend  des 
Jahres  1 866  die  Nachricht  erhielt,  dass  er  zum  Nachfolger  de  Barys*  in  Frei- 
burg i.  Br.  gewählt  worden  war.  Im  Frühjahre  1867  siedelte  er  nach  dieser 
—  damals    allerdings,    wie    er  später    oft    klagte,  schlechtsten  —  Universität 


von  Sachs.  269 

Über,  um  mit  dem  Sommersemester  dort  seine  LehrtHätigkeit  zu  beginnen. 
Auch  hier  traf  er  wieder  seinen  alten  Schüler  Kraus  vor  und  ausserdem  den 
jetzigen  Professor  in  Bordeaux  Mülardet,  mit  dem  er  bis  zu  seinem  Tode 
einen  lebliaften,  wissenschaftlichen  Meinungsaustausch  aufrecht  erhielt. 

Er  war  nur  drei  Semester  lang  in  Freiburg,  und  diese  Zeit  war  fast  aus- 
schliesslich der  Herstellung  des  »Lehrbuches  der  Botanik«  gewidmet.  Mehr 
noch  als  die  »Experimentalphysiologie«,  die  sich  naturgemäss  mehr  an  die 
selbstthätigen  Forscher  wandte,  machte  dies  Lehrbuch  S.*s  Namen  populär  in 
fast  allen  Culturstaaten.  Und  mehr  noch  als  das  erstere  ward  dieses  Werk 
einem  dringenden  Bedürfniss  in  der  botanischen  Literatur  gerecht.  Denn  seit 
den  allmählich  gänzlich  veralteten  »Grundzügen  der  Botanik«  von  Schieiden 
war  eigentlich  kein  einziges  Lehrbuch  grossen  Stiles  vorhanden,  und  erst  durch 
das  »nach  dem  gegenwärtigen  Zustand«  der  botanischen  Wissenschaft  be- 
arbeitete Werk  von  S.  wurden  die  inzwischen  festgestellten  Ergebnisse  der 
Forschungen  Hofmeister's,  Nägeli's,  Schacht's,  ja  zum  Theil  auch  Mohl's  den 
Studirenden  der  Naturwissenschaften  —  und  auch  manchem  ihrer  Lehrer 
zugänglich  gemacht.  Vor  allem  wurden  auch  die  wichtigen  Entdeckungen 
der  physiologischen  Forschungen  des  Verfassers  selbst  in  weiteste  Kreise  ge- 
tragen. Und  nicht  zum  mindesten  ist  es  eine  werthvoUe  Eigenschaft  des 
Buches,  dass  auch  die  Jünger  der  Wissenschaft  mit  den  streitigen  Problemen 
und  Theorien  bekannt  gemacht  und  dadurch  zu  selbständigem  Nachdenken 
veranlasst  wurden.  Ganz  besonderen  und  ganz  allgemein  anerkannten  Werth 
aber  erhielt  das  Buch  durch  die  vorzüglichen  Abbildungen,  mit  denen  das 
Buch  in  der  reichhaltigsten  Weise  ausgestattet  war  (348  in  der  ersten,  492  in 
der  letzten  Auflage).  Diese  bisher  unübertroffenen  Abbildungen  sind  zum 
allergrössten  Theil  S.'sche  Originale;  sehr  viele  davon  sind  das  Resultat 
langwieriger  Untersuchungen.  Diese  S.'schen  Originalfiguren  sind  gewisser- 
massen  Gemeingut  der  botanischen  Welt  geworden;  sie  sind  —  allerdings 
gegen  den  Willen  des  Verfassers,  dessen  Erlaubniss  zur  Reproduction  häufig 
gar  nicht  eingeholt  wurde  —  in  die  botanischen  Lehrbücher  sämmtlicher 
cultivirten  Länder  übergegangen,  und  man  kann  heute  kaum  ein  botanisches 
Werk  aufschlagen,  ohne  S.'schen  Abbildungen  zu  begegnen.  Bietet  das  Werk 
trotz  der  ausserordendich  klaren  Darstellungsweise  dem  ganz  jungen  Anfänger 
doch  wohl  manche  Schwierigkeit,  so  machte  sich  gleichwohl  schon  nach  zwei 
Jahren  die  Herstellung  einer  zweiten,  1872  der  dritten  und  1874  der  vierten 
Auflage  nöthig.  Diese  neuen  Auflagen  trugen  selbstverständlich  den  Fort- 
schritten der  Botanik  während  dieser  Zeit  vollkommen  Rechnung,  sie  waren 
aber  auch  von  einer  steten  Vermehrung  des  Textes  und  der  vorzüglichen 
Abbildungen  begleitet.  Vor  allem  aber  nahm  von  Auflage  zu  Auflage  die 
Darstellung  der  Physiologie,  der  eigentlichen  Domäne  des  Verfassers,  einen 
breiteren  Raum  ein.  Zur  Fertigstellung  einer  fünften  Auflage  seines  auch  in 
die  verschiedensten  Sprachen  übersetzten  Lehrbuches  konnte  er  sich  jedoch 
nicht  mehr  entschliessen.  Die  Composition  hatte  aufgehört,  der  Ausdruck 
seiner  Idee  zu  sein,  wie  er  in  der  trefflichen  Vorrede  zu  den  »Vorlesungen 
über  Pflanzen-Physiologie«,  die  an  die  Stelle  des  physiologischen  Theiles  seines 
Lehrbuches  traten,  selbst  sagte,  da  die  fortschreitende  Ausbildung  seiner 
wissenschaftlichen  Ueberzeugungen  seine  »Auffassung  wichtiger  Fragen  der 
Pflanzenphysiologie  nach  verschiedenen  Richtungen  hin  geändert«  hatte.  Auch 
war  es  sein  Wunsch,  einen  weiteren  Leserkreis  in  anziehend  geschriebenen 
Essays  mit  den  bedeutenden  Fortschritten  der  Pflanzenphysiologie  bekannt  zu 


270 


von  Sachs. 


machen.  In  allgemein  verständlicher  freier  Darstellung  gehalten,  in  glänzen- 
dem Stile  geschrieben,  in  meisterhafter  Durchfuhrung  entstanden  so  die  »Vor- 
lesungen«, in  denen  er  es  sich  zur  Pflicht  machte,  »seine  eigenste  Auffassung 
des  Gegenstandes  in  den  Vordergrund  zu  stellen;  die  Hörer  wollen  und 
sollen  wissen,  wie  sich  das  Gesammtbild  der  Wissenschaft  im  Kopf  des  Vor- 
tragenden gestaltet,  es  bleibt  dabei  Nebensache,  ob  andere  ebenso  oder  an- 
ders denken.«  Dieses  Meisterwerk  hat  denn  auch  in  der  That  nicht  nur  im 
Kreise  der  Studirenden,  sondern  auch  im  gebildeten  Laienpublikum  £ingang 
und  weitere  Verbreitung  gefunden.  Die  Bearbeitung  des  anderen  Theiles, 
der  Morphologie  und  Systematik  übertrug  er  seinem  langjährigen  Schüler  und 
Freunde  Professor  Goebel.  —  Inzwischen  hatten  sich  S.'s  äussere  Verhältnisse 
erheblich  geändert.  Seines  Bleibens  war,  wie  schon  erwähnt,  nicht  lange  in 
Freiburg.  Ihm  behagten  die  dortigen  Zustände  nicht  und  so  folgte  er  denn 
gerne  dem  Ruf,  der  von  Würzburg  aus  an  ihn  erging.  Er  vertauschte  im 
Herbst  1868  Freiburg  mit  Würzburg,  um  diese  Universität  nicht  mehr  —  auch 
kaum  einmal  vorübergehend  während  der  Ferien  —  zu  verlassen.  Trotz  der 
glänzendsten  Berufungen,  die  im  Laufe  der  nächsten  Jahre  verhältnissmässig 
oft  an  ihn  ergingen,  konnte  er  sich  doch  nicht  entschliessen,  Wtirzburg  zu 
verlassen,  obwohl  er  selbst  fühlte,  dass  das  Klima  seinen  nervösen  Leiden, 
die  ihn  heftig  quälten,  nicht  zuträglich  war.  Aber  er  lehnte  sowohl  den  schon 
im  nächsten  Jahre  aus  Jena  an  ihn  ergehenden  Ruf  ab,  wie  die  nach  Heidel- 
berg 1872,  nach  Wien  1873,  nach  Berlin  1877.  Auch  für  die  landwirth- 
schaftliche  Hochschule  der  Reichshauptstadt,  für  die  Universität  Bonn  imd 
nach  Nägeli's  Tod  für  die  Universität  München  suchte  man  ihn  zu  gewinnen, 
aber  er  blieb  dem  im  Laufe  der  Zeit  liebgewonnenen  Würzburger  Institut 
und  dem  dort  von  ihm  Geschaffenen  treu.  Ueberdies  übten  die  grossen  Städte 
gar  keine  Anziehung  auf  ihn  aus,  da  er  an  die  Möglichkeit  eines  intensiven 
wissenschaftlichen  Lebens  in  einer  solchen  nicht  recht  glaubte.  Diese  An- 
hänglichkeit an  Würzburg  fand  ihre  Anerkennung  seitens  der  Regierung  in 
den  Verleihungen  des  Hofrathstitels  1873,  des  Geheinu'athstitels  1877,  sowie 
mehrerer  Orden,  mit  deren  einem  die  Führung  des  persönlichen  Adels  ver- 
bunden war.  Seine  Collegen  aber  ehrten  ihn  dadurch,  dass  sie  ihm  schon 
1871  die  Rectorwürde  übertrugen  und  ihn  auch  mehrfach  Jahre  hindurch  bis 
1895  in  den  Senat  wählten.  In  Würzburg  entfaltete  S.  seine  Lehr-  und 
Forscherthätigkeit  in  grossem  Maassstabe.  Zunächst  musste  es  aber  seine 
Sorge  sein,  das  Institut,  das  ursprünglich  nur  aus  vier  Zimmern  bestand,  zu 
vergrössern,  da  nach  der  Publication  des  »Lehrbuches«  die  Schüler  in  grosser 
Menge  ihm  :&uströmten.  Die  bayerische  Regierung  kam  ihm  dabei  in  bereit- 
williger Weise  entgegen  und  es  gelang  ihm  allmählich  das  ganze  Haus,  das 
ursprünglich  bei  S.'s  Antritt  der  Würzburger  Professur  ausser  dem  botanischen 
Institut  auch  noch  das  pharmakologische,  sowie  die  Poliklinik  beherbergt  hatte, 
allein  für  seine  Zwecke  zu  erhalten.  Auch  erfuhr  das  Haus  selbst  durch  Auf- 
bau zweier  Stockwerke  und  Anbau  eines  grossen  Hörsaales  eine  weitere  Ver- 
grösserung,  sodass  nunmehr  auch  äusserlich  die  historische  Stätte  der  Pflanzen- 
physiologie einen  einigermaassen  erträglichen  Anblick  darbietet,  wenn  sie  auch 
sonst  von  den  jetzt  allgemein  üblichen  modernen  Prachtbauten  der  neueren 
naturwissenschaftlichen  Paläste  ganz  colossal  absticht. 

In  ähnlicher  Weise  Hess  er  sich  es  sehr  angelegen  sein,  den  Garten,  der 
auf  ungünstigstem  Terrain  —  den  Mauerresten  des  alten  Festungsglacis  — 
angelegt  war,    durch  sorgfältigste  Pflege  zu  üppigem  Wachsthum  zu  bringen; 


von  Sachs.  271 

er  ist  denn  auch  im  Laufe  der  Jahre  zu  einer  viel  besuchten  Zierde  der  Stadt 
Würzbiu^g  geworden. 

Hier  sammelte  sich  nun  die  Schaar  der  jungen  Botaniker  aus  aller  Herren 
Länder,  um  auf  dem  physiologischen  Gebiete  der  Botanik  unter  der  Leitung 
des  Meisters  experimentell -physiologische  Arbeiten  selbstthätig  auszuführen. 
Die  ersten,  die  im  Sommersemester  1870  eintrafen,  waren  Schmitz,  Reinke 
und  Pfeffer.  Mit  Ausbruch  des  Krieges  leerten  sich  auch  hier  die  Sääle, 
Pfeffer  blieb  allein  zurück.  Bald  aber  gesellten  sich  ihm  de  Vries  und  Ba- 
ranetzky  zu  und  im  Laufe  der  Jahre  waren  dann  noch  weiter  unter  ihm  thätig 
Amelung,  Brefeld,  Fr.  Darwin,  Detlefsen,  Dufour,  Elfving,  Gardiner,  Godlewski, 
Goebel,  Hansen,  Hauptfleisch,  Heinricher,  Klebs,  Miliarakis,  Moll,  Müller- 
Thurgau,  Nagamatsz,  Noll,  Pedersen,  Prantl,  Scott,  Stahl,  Vines,  Marsh.  Ward, 
Woronin,  Wortmann,  Zimmermann  und  noch  einige  andere.  Eine  stattliche 
Zahl!  Und  dabei  muss  berücksichtigt  werden,  dass  S.  in  sein  Laboratorium 
nur  solche  aufnahm,  denen  es  heiliger  Ernst  mit  ihrer  Wissenschaft  war  und 
die  gewillt  waren,  sich  ausschiesslich  in  den  Dienst  der  Botanik  zu  stellen. 
Leicht  hätte  er  die  Zahl  seiner  Schüler  ausserordentlich  vermehren  können, 
wenn  es  ihm  darum  zu  thun  gewesen  wäre;  denn  sehr  gern  hätten  viele  unter 
seiner  Leitung  eine  Doctorarbeit  ausgeführt,  doch  schreckten  die  ungewöhn- 
lich hohen  Anforderungen,  die  er  an  die  Leistungsfähigkeit  seiner  Schüler  und 
an  ihre  Opferwilligkeit  für  die  Wissenschaft  stellte,  fast  jeden  ab. 

Die  Zahl  der  Hörer  seiner  Vorlesungen  aber  überstieg  stets  weit  die  100, 
und  alle  Fakultäten  entsandten  ständige  Besucher  in  sein  Auditorium.  Von 
welchem  Feuereifer,  von  welchem  Siegesbewusstsein  waren  aber  auch  stets 
und  alle  seine  Zuhörer  beseelt,  wenn  er  ihnen  in  seiner  glänzenden,  fast  po- 
pulären und  doch  —  oder  vielleicht  gerade  deshalb  —  ausserordentlich  klaren 
Vortragsweise  mit  überwältigender  Ueberzeugung,  immer  von  seinem  Stoffe 
begeistert,  immer  für  ihn  begeisternd  die  Physiologie  vortrug  oder  Lebens- 
bilder aus  der  Naturgeschichte  des  Pflanzenreiches  ausmalte.  Der  Vortrag 
fast  jeder  einzigen  Stunde  war  ein  oratorisches  Meisterstück;  niemals  verliess 
er  ohne  die  enthusiastische,  in  üblicher  studentischer  Weise  dargebrachte  Bei- 
fallsbezeugung den  Hörsaal.  Welche  Sorgfalt  verwandte  er  aber  auch  täglich 
—  bis  zum  letzten  CoUeg  —  auf  die  Vorbereitung  zu  seinen  Vorlesungen! 
Er  überdachte  —  stets  sprach  er  vollkommen  frei,  ohne  auch  nur  die  aller- 
geringste schriftliche  Aufzeichnung  oder  Notiz  —  seinen  Vorlesungsstoff  län- 
gere Zeit  hindurch  auf's  gründlichste,  so  dass  er  wohl  recht  hatte,  wenn  er 
sagte,  dass  ihn  jede  Vorlesungsstunde  3  Stunden  Vorbereitungen  koste.  Und 
mit  welch  reichhaltigen,  im  Laufe  der  Jahre  zusammengetragenen,  aber  auch 
bis  zum  letzten  Tage  vermehrten  Sammlung  von  belehrendstem  Demonstra- 
tionsmaterial pflegte  er  seine  ohnehin  schon  durchaus  lichtvollen  Vorträge 
noch  verständlicher  zu  machen  und  seinen  Worten  eine  noch  zwingendere 
Beweiskraft  zu  geben !  Welche  Fülle  von  Tafeln  hatte  er  für  seine  Vorlesungen 
gemalt  mit  Figuren  und  Abbildungen,  deren  Einzelheiten  von  der  fernsten 
Ecke  des  grossen  Hörsaales  deutlich  zu  erkennen  waren!  Viele  dieser  Tafeln 
sind  von  geradezu  künstlerischer  Vollendung,  von  einer  Pracht  der  Farben, 
.  von  einer  Naturwahrheit,  wie  sie  von  dem  genialsten  Maler  kaum  erreicht, 
geschweige  übertroffen  werden  kann.  Es  paarte  sich  bei  ihm  mit  der  Schärfe 
der  Beobachtung  des  geübten  Forschers  ein  feines  künstlerisches  Empfinden, 
dem  er  auch  durch  sein  Können  Ausdruck  zu  geben  vermochte.  So  war  es 
denn    kein  Wunder,    dass    die  Studenten    sein  Lob    hinaustrugen    an  andere 


272 


von  Sachs. 


Universitäten  und  Propaganda  machten  für  den  Besuch  der  Alma  Julia  in 
Würzburg.  Freilich,  die  Zahl  seiner  Schüler,  der  jungen  Botaniker,  nahm  in 
den  letzten  Jahren,  als  fortgesetzte  Kränklichkeit  seine  Schaffenskraft  lähmte, 
allmählich  ab,  doch  zeugen  drei  stattliche  Bände  der  »Arbeiten  des  botani- 
schen Instituts  in  Würzburg«,  sämmtlich  von  höchster  wissenschaftlicher  Be- 
deutung, von  der  intensiven  Thätigkeit  des  Lehrers  und  seiner  Schüler.  Er- 
sterer  fand  aber  daneben  noch  die  Möglichkeit,  »freilich  auf  Kosten  einiger 
Jahre  von  Arbeitskraft  und  zum  beträchtlichen  Schaden  der  Gesundheit«,  für 
die  von  der  königlichen  Akademie  der  Wissenschaften  auf  Veranlassung  und 
mit  Unterstützung  des  Königs  von  Bayern,  Maximilian  II.,  herausgegebene 
Geschichte  der  Wissenschaften  in  Deutschland  die  Bearbeitung  der  »Geschichte 
der  Botanik«  (1875)  auszuführen.  Damit  schuf  er  ein  Werk,  das  ihm  weit 
über  die  Kreise  seiner  Fachgenossen  hinaus  als  glänzendem  Schriftsteller  all- 
gemeinste Anerkennung  verschaffte  und  das  vielfach  für  das  beste  seiner 
Bücher  gehalten  wird.  Jedenfalls  zeichnet  es  sich  wie  alle  PubHcationen  des 
Verfassers  durch  lichtvolle  Klarheit  aus  und  steht  infolge  der  eigenartigen 
Auffassung  und  geistigen  Verarbeitung  des  Stoffes  thurmhoch  über  den  son- 
stigen Geschichten  der  Botanik.  Nicht  um  eine  chronologische  Aufzählung 
handelte  es  sich  ihm,  nachdem  er  das  colossale  Material  kritisch  durchgeprüft 
hatte,  sondern  er  suchte  seine  Hauptaufgabe  darin,  »die  erste  Entstehung 
wissenschaftlicher  Gedanken  aufzusuchen  und  ihre  weitere  Entwickelung  zu 
umfassenden  Theorien  zu  verfolgen«,  wie  er  selbst  in  der  Vorrede  sagt.  Und 
er  fährt  dann  an  einer  anderen  Stelle  fort:  »Ich  habe  daher  als  die  eigent- 
lichen Träger  unserer  Geschichte  diejenigen  Männer  in  den  Vordergrund  ge- 
stellt, welche  nicht  blos  neue  Thatsachen  feststellten,  sondern  fruchtbare  Ge- 
danken schufen  und  das  empirische  Material  theoretisch  verarbeiteten«.  Von 
diesem  Grundgedanken  durchweht  ist  denn  auch  S.'s  »Geschichte«  das  Ge- 
richt der  Botanik  geworden*). 

Widmete  S.  im  wesentlichen  die  Wintermonate  der  Composition  seiner 
grösseren  Werke,  so  wurden  die  Sommermonate  zur  Ausflihrung  experimen- 
teller Untersuchungen  benutzt,  bei  denen  er  theüs  den  schon  früher  in  Angriff 
genommenen  Fragen  weiter  nachging,  theils  auch  neue  Gebiete  durch  seine 
Arbeiten  erschloss.  Alle  diese  Untersuchungen  sind  wie  die  früheren  mit 
ausserordentlich  scharfsinnigen  und  meist  sehr  einfachen  Methoden  und 
Apparaten  ausgeführt.  Manche  seiner  Methoden  sind  wohl  nicht  nur  von 
Pflanzenphysiologen,  sondern  auch  von  anderen  Naturforschem  übernommen 
worden,  aber  in  keinem  pflanzenphysiologischen  Institut  fehlt  sein  sdbst- 
registrirendes  Auxanometer  (zum  Messen  des  Zuwachses  der  Pflanzen,  den  sie 
selbst  aufzeichnen),  und  sein  Klinostat  (ein  Drehapparat,  der  die  einseitige 
Wirkung  der  Schwerkraft  oder  des  Lichtes  auf  die  Pflanzen  aufzuheben  ver- 
mag), ganz  zu  schweigen  von  den  kleineren  von  ihm  ersonnenen  Apparaten, 
deren  Aufzählung  hier  indess  zu  weit  führen  würde. 

Ebenso  ist  es  unmöglich,  an  dieser  Stelle  auch  nur  in  Kürze  über  seine 


')  Das  uns  jetzt  vorliegende  Werk  kam  übrigens  in  recht  origineller  Weise  zu  stände. 
Als  das  Manuskript  —  wie  mir  S.  erzühlte  —  zur  Absendung  bereit  lag  und  er  es  eben 
einpacken  wollte,  blätterte  er  noch  ein  wenig  darin  umher.  Dabei  missfielen  ihm  einige 
Stellen  von  Sekunde  zu  Sekunde  immer  mehr,  so  dass  er  kurz  entschlossen  den  ganzen 
Stoss  der  druckfertigen  Blätter  in's  Feuer  warf.  Er  hat  dann  allerdings  das  zweite  Manu- 
skript einem  Schreiber  in  ununterbrochenem  Zuge  in  die  Feder  diktirt  und  somit  dies  Bach 
wie  aus  einem  Gusse  geschaffen. 


von  Sachs.  27% 

zahlreichen  wissenschaftlichen  publicirten  Arbeiten  (etwa  loo)  zu  berichten. 
Sie  umfassen  sämmtliche  Gebiete  der  Pflanzenphysiologie  und  enthalten  die 
Feststellung  nunmehr  allgemein  anerkannter  Thatsachen;  Thatsachen,  die 
allerdings  bisweilen  schon  gelegentlich  von  anderen  wahrgenommen  worden 
waren,  deren  Bedeutung  aber  erst  von  ihm  erkannt  wurde,  deren  sichere 
Kenntniss  wir  allein  ihm  verdanken.  Alle  diese  Arbeiten  sind  mit  derselben 
Klarheit,  'in  demselben  blendenden  Stile  geschrieben,  wie  seine  grösseren 
Werke;  fast  alle  sind  auch  heute  noch  von  der  höchsten  Bedeutung.  Die 
Feststellung  der  Entstehung  und  Thätigkeit  des  Blattgrüns,  der  Entstehung 
der  Stärke,  der  Wanderung  dieser  und  anderer  Stoffe  bei  der  Organbildung, 
der  Thätigkeit  der  Wurzeln,  des  Zweckes  und  der  Bedeutung  der  Transpira- 
tion und  vieler,  vieler  anderer  zum  Grundbestande  der  Physiologie  gehöriger 
Thatsachen,  sowie  eine  tiefere  Einsicht  in  die  Tropismen,  die  Feststellung  der 
Nachwirkung  derselben  u.  s.  w.  verdanken  wir  seinen  bedeutenden  Unter- 
suchungen. Wie  eminent  auch  vielfach  ihr  praktischer  Werth  ist,  dafür  möge 
folgender  kurzer  Hinweis  genügen.  Von  den  Landwirthen  wurde  —  auf  Lie- 
big*s  Veranlassung  —  alljährlich  allein  in  Deutschland  für  mehrere  Millionen 
Thaler  Kieselsäure  in  löslicher  Form  in  die  Erde  gesteckt,  um  das  Lagern 
des  Getreides  zu  verhindern.  S.  stellte  nun  fest,  dass  Silicium  kein  Nährstoff 
der  Pflanzen  ist,  und  dass  das  Lagern  nicht  durch  Mangel  an  Kieselsäure, 
sondern  durch  mangelhafte  Festigkeit  der  Stengel  infolge  zu  starker  Beschat- 
tung durch  zu  dichte  Aussaat  bewirkt  wird.  Die  Landwirthe  säen  nun  weiter 
und  sparen  das  Geld  für  die  Kieselsäuredüngung.  —  Wenn  auch  das  Resultat 
seiner  Untersuchungen  auf  einem  anderen  Gebiet,  seine  geistreiche  Theorie 
der  Wasserbewegung  in  den  Holzwänden  der  Pflanzenzellen,  die  Imbibitions- 
theorie,  nicht  allgemein  angenommen  wurde,  so  förderten  doch  auch  diese 
Arbeiten  viele  werthvolle  Thatsachen  zu  Tage.  Mit  Rücksicht  auf  die  grosse 
Zahl  der  von  ihm  festgestellten  Thatsachen,  die  überdies  zu  den  Fundamenten 
der  Pflanzenphysiologie  gehören,  war  es  denn  durchaus  kein  Wagniss,  wie  er 
selbst  in  der  Vorrede  fürchtete,  als  er  in  den  Jahren  1892  und  1893  seine 
Abhandlungen  über  Pflanzenphysiologie  gesammelt  herausgab;  Thatsachen 
behalten  eben  immer  ihren  Werth. 

Allmählich  wandte  er  sich  in  seinen  Publicationen  —  ohne  indess  ex- 
perimentelle Untersuchungen  ganz  zu  vernachlässigen  —  mehr  theoretischen 
Erörterungen  zu;  sein  künstlerisch  schaffender  Geist  fand  schliesslich  mehr 
Befriedigung  darin,  mit  seiner  gereiften  Erfahrung  als  Meister  am  stolzen  Bau 
der  Wissenschaft  das  gesammelte  Baumaterial  kunstvoll  einzufügen,  als  neues 
Material  zusammenzutragen.  In  diesen  Arbeiten  erweist  er  sich  denn  auch 
nicht  mehr  als  Anhänger  Darwin's,  als  welcher  er  sich,  hoch  erfreut  über  die 
Beseitigung  des  Dogmas  von  der  Constanz  der  Arten,  noch  in  der  Geschichte 
der  Botanik  zu  erkennen  gab;  dem  gereiften  Geist  konnte  die  grobsinnliche 
Weltauffassung  des  darwinschen  Materialismus  nicht  Genüge  leisten.  Er  suchte 
vielmehr  seiner  Causalitätsauffassung  der  Natur  auf's  eingehendste  Ausdruck 
zu  geben  und  beabsichtigte  seine  Anschauungen,  die  er  schon  in  den  »Phy- 
siologischen Notizen«  (Flora  1892  bis  1896)  formulirt  hatte,  in  den  gross  an- 
gelegten »Principien  der  vegetabilischen  Gestaltung«  *)  zu  vertiefen  und  zu 
verallgemeinem,    als    dem  schon  Jahre  lang  schwer  Leidenden  der  Tod  Er- 


')  Die  hierfür  schon  gesammelten  Notizen  hat  Herr  Prof.  N oll  zur  Zusammenfassung 
und  Herausgabe  erhalten. 

B'iogr.  Jahrb.  q.  Deutscher  Nekrolog.   3.  Bd.  X  8 


2j^  von  Sachs. 

lösung  brachte.  Leider  war  es  ihm  nicht  vergönnt ,  das  Manuskript  f&r  die 
»Principien«  —  wie  es  sein  heisser  Wunsch  war  —  fertig  zu  stellen,  aber  auch 
schon  in  den  »Physiologischen  Notizen«  (und  auch  schon  in  früheren  Publi- 
cationen)  beschränken  sich  seine  Erörterungen  nicht  auf  botanische  Fragen 
allein,  sondern  er  behandelte  darin  die  gesammte  Biologie,  und  seine  Ideen 
fanden  auch  bei  Anatomen  (v.  Kupffer,  v.  KöUiker)  und  Zoologen  würdigende 
Anerkennung. 

Und  alle  die  vielen  Stunden,  die  das  Durchdenken  und  Niederschreiben 
dieser  hochgeschätzten  Abhandlungen  erforderten,  musste  der  von  schweren 
Krankheiten  Heimgesuchte  den  Tagen  förmlich  abstehlen.  Seine  rastlose 
Thätigkeit,  die  weder  Körper  noch  Geist  schonte,  lange  Jahre  im  heissen 
Kampfe  um  das  tägliche  Brod,  und  schweres  Unglück  in  der  Familie  hatte 
ihn  schliesslich  langem  Siech thum  entgegengeführt.  Er  hat  sich  aber  auch 
fast  niemals  eine  Erholung  gegönnt,  selbst  dann  kaum,  als  in  späteren  Jahren 
sich  seine  pecuniäre  Lage  gebessert  hatte;  stets  hat  er  in  den  Ferien  am 
intensivsten  gearbeitet.  Dass  der  Acker  zeitweilig  brach  liegen  muss,  dass 
die  Pflanze  eine  Ruheperiode  durchmachen  muss,  davon  zog  er  für  sich  fast 
niemals  die  Nutzanwendung.  Und  wenn  er  wirklich  einmal  dem  Drängen 
seiner  Angehörigen  und  Freunde  nachgab,  um  Erholung  auf  einer  Reise  zu 
suchen  —  sehr  bald  trieb  es  ihn  wieder  zurück  in  sein  Institut,  an  seinen 
Arbeitstisch;  stets  fand  viel  früher,  als  er  geplant  hatte,  die  Reise  ihren  Ab- 
schluss.  —  Wie  schwer  leidend  er  aber  Jahre  lang  gewesen  sein  muss,  das 
zeigte  die  Section,  durch  die  eine  weitgehende  Erkrankung  fast  aller  Organe 
festgestellt  wurde.  Welche  riesige  Willensenergie  muss  ihm  zu  Gebote  ge- 
standen haben,  wenn  er  trotzdem  bis  fünf  Wochen  vor  seinem  Tode  thätig 
sein  konnte! 

Wo  Licht,    da  ist  auch  Schatten:  doch  muss  man  auch  den  Werdegang 
dieses    aussergewöhnlichen    Menschen    im    Auge    behalten,    wenn    man  seine 
Schattenseite  gerecht  beurtheilen  will.     Er  stand   in  den  letzten  Jahren  recht 
vereinsamt,    und    gar    mancher    seiner  früheren  Freunde  war  ihm  durch  die 
scharfe    und    persönlich    werdende  Kritik    entfremdet    worden.     Aber  wie  er 
selbst  in  jeder  seiner  Arbeit  nicht  nur  seine  Beobachtungen  und  Ideen,  son- 
dern   gewissermaassen    auch  sich  selbst  gab,   so  identificirte  er  nur  zu  leicht 
auch    mit    der    gegnerischen  Arbeit    den  Gegner,    dem  dann  wohl  häufig  die 
Wunde  zu   theil  wurde,   die  im  Grunde  nur  jener  zugedacht  war.     Indessen 
viel  Feind,   viel  Ehr!     Und  an    wissenschaftlichen  Ehrungen  ist  sein  Lebens- 
abend sehr  reich   gewesen.     Die  verschiedensten  Akademien  und  bedeutende 
naturforschende  Gesellschaften  ernannten  ihn  zu  ihrem  Ehrenmitglied,  wie  er 
auch  Ehrendoctor    der  Universitäten  Bonn    und  Bologna    war.     Trotz    seiner 
jahrelangen  Leiden  machte  der  nur  langsam  Dahinschreitende,  der  in  jüngeren 
Jahren    ein    bildschöner  Mann    gewesen   sein  soll,   noch  bis  zu  seinem  Tode 
einen  fascinirenden  Eindruck  auf  jeden  Vorübergehenden  und  besonders  auf 
den,  der  den  zwar  von  Leiden  durchfurchten,  aber  auch  ideal  durchgeistigten 
Zügen    mit    dem    durchdringenden  Blick    gegenübertrat.     Jeder  musste  dann 
fühlen,  dass  ein  ungewöhnlich  bedeutender  Geist  in  dieser  auch  zuletzt  noch 
imponirenden  Erscheinung  wohnte.     So  war  denn   auch  die  Trauer,   die  ihn 
zu  Grabe  leitete,  eine  tief  empfundene  und  allgemeine.    Von  warmem  Wohl- 
wollen für  seine  Mitmenschen  erfüllt,  hatte  er  so  manche  Thräne  getrocknet, 
und  manche  Thräne  der  Dankbarkeit  fiel  auf  seinen  Grabhügel.    Was  er  aber 
der  Universität  Würzburg  geworden  war,  das  fand  die  wärmste  Anerkennung 


von  Sachs.     Hensler. 


275 


in  den  begeisterten  Worten,  die  ihr  Rektor,  Prof.  Dr.  Schell,  dem  von  seinen 
Leiden  Erlösten  in  das  Grab  nachrief. 

Schrift enverzeichniss.  i.  Grössere  Werke:  Handbuch  der  Experimental-Physio- 
logie  der  Pflanzen.  Leipzig  1865.  —  Lehrbuch  der  Botanik.  Leipzig,  i.  Aufl.  1868,  2.  Aufl. 
1S70,  3.  Aufl.  1872,  4.  Aufl.  1874.  (Auch  übersetzt  in's  Englische,  Französische  u.  s.  w.).  — 
Geschichte  der  Botanik  vom  16.  Jahrhundert  bis  1860.  München  1875.  (In's  Englische 
übersetzt  1890).  —  Vorlesungen  über  Pflanzenphysiologie.  Leipzig,  i.  Aufl.  1882,  2.  Aufl. 
1887.  (In*s  Englische  übersetzt).  —  Arbeiten  des  botanischen  Instituts  in  Wttrzburg.  Leipzig. 
Erster  Band  1874,  zweiter  Band  1882,  dritter  Band  1888.  —  Gesammelte  Abhandlungen 
über  Pflanzenphysiologie.  Leipzig.  Erster  Band  1892,  zweiter  Band  1893.  —  2.  Kleinere 
wissenschaftliche  Publicationen :  18  Aufsätze  in  der  »Ziva«,  3  im  »Lotos«,  19  Abhand- 
lungen in  der  »Botanischen  Zeitung«,  23  in  der  »Flora«,  5  in  den  »Berichten  der  k.  k. 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Wien«,  3  in  den  »Berichten  der  königL  sächs.  Gesellschaft 
der  Wissenschaften«,  5  in  den  »Landwirthschaftlichen  Versuchsstationen«,  4  in  den  »Annalen 
der  Landwirthschaft  in  den  königl.  preuss.  Staaten«,  4  in  den  »Berichten  des  naturhistori- 
schen Vereins  der  preussischen  Rheinlande  und  Westphalens/,  16  in  den  verschiedenen 
Schriften  der  »Physikalisch-medicinischen  Gesellschaft«  zu  WUrzburg,  21  in  den  »Arbeiten 
des  botanischen  Instituts  in  WUrzburg«  und  noch  einige  einzelne  Aufsätze  z.  B.  in  der 
»Natur«,  den  »Pomologischen  Monatsheften«  u.  s.  w.  —  Gute  Reproductionen  seines  Bild- 
nisses nach  Photogrammen  sind  vorhanden  in:  Julius  Sachs  von  K.  Göbel.  Sonderabdruck 
aus  »Flora  oder  Allgem.  bot.  Zeitung«,  Ergänzungsband  zum  Jahrg.  1897.  84.  Band,  und 
in :  Professor  Julius  von  Sachs.  Gedächtnissrede,  gehalten  in  der  Physikal.-med.  Gesellschaft 
zu  Würzburg  von  Dr.  Paul  Hauptfleiscb.  Würzburg,  Stahel,  1897.  —  Ausserdem  ist  von 
dem  Bildhauer  Feile  in  Würzburg  eine  vorzüglich  gelungene  Büste  hergestellt  worden.  — 
Werke  und  Schriften  s.  auch  Börsenbl.  f.  d.  deutsch.  Buchh.  1897,  No.  132. 

P.  Hauptfleisch-Wtirzburg. 

Henzler,  Christian  (von),  Schulmann,  *  am  29.  September  1829  in  der 
württembergischen  Oberamtsstadt  Nürtingen,  f  3.  August  1897  zu  Stuttgart.  — 
H.,  der  Sohfl  eines  Schuhmachers,  wurde  im  Nürtinger  Seminar  zum  Volks- 
schullehrer ausgebildet  und  blickte  bereits  auf  eine  sechsjährige  praktische 
Wirksamkeit  zurück,  als  der  Wunsch  in  ihm  aufstieg,  sich  dem  höheren  Schul- 
wesen zu  widmen.  Er  bereitete  sich  von  1854 — 1857  in  Stuttgart  am  Poly- 
technikum und  in  einer  privaten  »französischen  Schule«  auf  die  Reallehrer- 
prüfung vor,  deren  ersten  Theil  er  1857  erstand.  1859  unternahm  er  zu 
seiner  weiteren  sprachlichen  Ausbildung  wissenschaftliche  Reisen  nach  Frank- 
reich und  England  und  war  dann  2  Jahre  lang  Hofmeister  in  Nordamerika. 
1861  holte  er  den  zweiten  Theil  der  Reallehrerprüfung  nach,  fand  einige  Jahre 
an  der  Stuttgarter  Realanstalt  provisorische  Verwendung,  besuchte  noch  kurze 
Zeit  die  Universitäten  Bonn  und  Heidelberg  und  unterzog  sich  1865  mit  Er- 
folg der  Professoratsprüfung  sprachlich-historischer  Richtung.  Alsbald  erhielt 
er  seine  erste  definitive  Anstellung  als  Professor  für  die  realistischen  Fächer 
am  Gymnasium  in  Ellwangen,  wurde  187 1  Vorstand  der  Nürtinger  Realschule 
und  1873  Rektor  der  Reutlinger  Realanstalt.  1876  wurde  er  als  Oberstudien- 
rath  und  realistischer  Referent  in  die  Königliche  Cul tministerialab theil ung  für 
(belehrten-  und  Realschulen  berufen.  In  einer  Zeit,  da  das  Realschulwesen 
in  Deutschland  einen  gewaltigen  Aufschwung  nahm  und  es  galt,  diese  Fort- 
schritte auch  nach  Württemberg,  der  uralten  Hochburg  des  Humanismus,  zu 
übertragen,  sah  sich  H.  vor  eine  grosse  Aufgabe  gestellt,  an  deren  Lösung  er 
sich  mit  beträchtlicher  Energie  und  CJewandtheit  betheiligte.  Daneben  war 
er  als  Mitglied  der  Commissionen  für  die  gewerblichen  Fortbildungsschulen 
und  seit  1879  für  die  höheren  Mädchenschulen  thätig.  Schriftstellerisch  trat 
er  dagegen  nicht  hervor.  Seine  beiden  letzten  Lebensjahre  verbitterte  ihm 
ein  schweres  Fussleiden,  das  ihn  zuletzt  ganz  an  das  Zimmer  fesselte.    Doch 

i8* 


2^6  HeDzler.     Klemm.     Kober. 

besorgte    er    noch    von    hier    aus    seine  Berufsgeschäfte,  bis  der  Tod   seiner 
Wirksamkeit  ein  Ziel  setzte. 

Schwäbische  Kronik  vom  23.  August  1897  (Mittagsblatt),  zerstreute  sonstige  Zeitungs- 
notizen, Correspondenzblatt  für  die  Gelehrten-  und  Realschulen  Württembergs  1897.  Heft  8. 
Seite  297. 

Rudolf  Krauss. 

Klemm,  Alfred,  wtirttembergischer  Alterthumsforscher  und  Epigraphiker, 
*  am  8.  November  1840  zu  Ellwangen,  f  am  27.  März  1897  zu  Backnang. 
—  Nachdem  K.  im  evangelischen  Stifte  zu  Tübingen  Theologie  studirt  und 
seine  Dienstprtifung  mit  Auszeichnung  bestanden  hatte,  unternahm  er  eine 
Bildungsreise  nach  Norddeutschland,  wurde  1865  Stiftsrepetent,  1869  Dia- 
konus in  Vaihingen  a.  d.  Enz,  1876  Diakonus  und  Bezirksschulinspektor  in 
Geislingen,  1887  Dekan  und  1 888  zugleich  Bezirksschulinspektor  in  Sulz,  1892 
Dekan  in  Backnang,  wo  er  einer  rasch  verlaufenden  Lungenentzündung  zum 
Opfer  fiel.  In  Vaihingen  begann  K.  sich  mit  der  heimathlichen  Special-  und 
Lokalgeschichte  zu  beschäftigen  und  zog  allmählich  deren  verschiedenste  Zweige 
in  den  Kreis  seiner  Studien,  denen  er  mit  der  Zeit  immer  grössere  Ausdeh- 
nung und  Vertiefung  verlieh.  Seine  Specialität  war  die  Baugeschichte  und 
Epigraphik  des  württembergischen  Landes  und  der  angrenzenden  Gegenden. 
Seine  Arbeiten  über  württembergische  Baumeister  und  Bildhauer  fanden  in 
Fachkreisen  die  verdiente  Beachtung.  Namentlich  verlegte  er  sich  auf  das 
Sammeln  von  Steinmetzzeichen.  Mit  rastlosem  Fleiss  und  scharfem  Spürsinn 
durchforschte  er  alle  irgendwie  zugänglichen  gedruckten,  handschriftlichen  und 
inschrifdichen  Quellen,  mochten  sie  noch  so  entlegen  sein.  Er  sah  durch 
manche  wichtige  Entdeckungen  seine  Mühe  belohnt.  Auf  diesem  Gebiete  der 
Epigraphik  war  K.  eine  Autorität  ersten  Ranges.  Besondere  Fürsorge  widmete 
er  den  Ulmer  Kunstdenkmalen.  Seine  zahlreichen  kleineren  und  grösseren 
Aufsätze  hat  er  in  allerhand  Journalen,  fachwissenschaftlichen  Zeitschriften, 
Publicationen  von  Alterthumsvereinen  und  Sammelschriften  niedergelegt,  ohne 
jemals  seine  Kraft  zu  einem  grösseren  Werke  zusammenzufassen. 

Nekrologe  in  Schwäbische  Kronik  vom  2.  April  1897  (Mittagsblatt)  und  Staats-Anz, 
für  Württemberg  vom  30.  März   1897. 

Rudolf  Krauss. 

Kober,  Franz  Quirin  (von),  Dr.,  katholischer  Theologe,  *  am  6*  März 
1821  zu  Warthausen  (im  württembergischen  Oberamt  Biberach),  f  am  25.  Ja- 
nuar 1897  zu  Tübingen.  —  Er  war  der  Sohn  einfacher  Landleute,  besuchte 
die  Biberacher  Lateinschule  und  das  Ehinger  Konvikt,  studirte  1840 — 44  im 
Tübinger  Wilhelmsstifte  Theologie  und  wurde  am  4.  September  1845  zum 
Priester  geweiht.  Er  war  zunächst  Vikar  in  Ulm,  seit  Mai  1846  Repetent  in 
Tübingen,  wo  er  zugleich  akademische  Vorlesungen  über  philologische  und 
theologische  Disciplinen  hielt.  1851  erhielt  er  einen  Lehrauftrag  für  Päda- 
gogik, Didaktik  und  Epistoralexegese ;  daneben  docirte  er  katholisches  Kirchen- 
recht. 1853  wurde  er  ausserordentlicher  Professor,  1857  Doctor  theologiae 
und  im  September  desselben  Jahres  Ordinarius;  das  Kirchenrecht  gehörte  nun 
auch  zu  seinem  Lehrauftrag.  In  den  ersten  Jahren  seiner  Docentenlaufbahn 
verwandte  er  seine  ganze  Kraft  auf  die  umfassenden  Vorlesungen,  die  er  zu 
halten  hatte.  Er  stellte  dafür  auf's  sorgfältigste  ausgearbeitete  Collegienhefte 
her,  nach  denen  er  sich  genau  richtete.  Später  entfaltete  er  auch  eine  reiche 
literarische  Thätigkeit.    Er  gehörte  zu  den  eifrigsten  Mitarbeitern  und  Redak- 


Kober.     Knosp.  277 

teuren  der  (Tübinger)  Theologischen  Quartalschrift.  Seine  meisten  Aufsätze 
bezogen  sich  auf  das  Kirchenrecht  und  im  besonderen  auf  das  kirchliche 
Strafrecht.  Dieses  behandelte  er  in  einer  Folge  von  drei  bedeutsamen  Schrif- 
ten: »Der  Kirchenbann«  (1857),  »Die  Suspension  der  Kirchendiener«  (1862), 
»Die  Deposition  und  Degradation«  (1867).  An  geschichtliche  Auseinander- 
setzungen knüpfte  er  jedesmal  ausführliche  Darlegungen  des  bestehenden 
Rechtes.  Diese  gediegenen,  nur  etwas  zu  breiten  Arbeiten  sind  erst  von  den 
entsprechenden  Partien  in  Hinschius*  Kirchenrecht  überholt  worden.  K.  zeigte 
sich  in  seinen  Forderungen  für  Freiheit  der  katholischen  Kirche  stets  maass- 
voll und  auf  Wahrung  des  confessionellen  Friedens  in  Württemberg  bedacht. 
Bei  Collegen  und  Schülern  genoss  er  Liebe  und  Verehrung.  Er  war  freund- 
lichen und  wohlwollenden  Wesens,  wenn  auch  zurückhaltend  und  wortkarg, 
hierin  und  auch  sonst  ein  echter  Schwabe.  Er  klebte  an  der  Scholle  und 
kam  über  die  Grenzen  seiner  engeren  Heimath  kaum  je  hinaus.  Zeichen  äus- 
serer Anerkennung  brauchte  er  nicht  zu  missen.  1878  wurde  er  zum  Rektor 
der  Universität  für  das  nächste  Studienjahr  gewählt,  1895  beging  er  sein  fünf- 
zigjähriges Priesterjubiläum.  Schon  damals  kränkelte  er,  im  folgenden  Sommer 
musste  6r  sich  pensioniren  lassen.  Ende  October  traf  ihn  ein  Schlaganfall, 
der  ihn  der  Sprache  beraubte.  Er  hatte  noch  ein  Vierteljahr  zu  leiden.  Am 
28.  Januar  1897  wurde  er  in  Tübingen  mit  akademischen  Ehren  zu  Grabe 
getragen. 

Professor  Dr.  SägmttUer  in  Theologische  Quartalschrift,  79.  Jahrg.  (1897)  S.  569  bis 
579;  zerstreute  Zeitungsnotizen. 

Werke  u«  Schriften  s.  Börsenbl.  f.  d.  Deutschen  Buchhandel  1897,  No.  32. 

Rudolf  Krauss. 

Knosp,  Rudolf  (von),  Grossindustrieller,  *  am  22.  Juni  1820  zu  Ludwigs- 
burg, f  am  26.  März  1897  zu  Stuttgart.  —  Er  besuchte  das  Lyceum  seiner 
Vaterstadt  und  die  Gewerbeschule  Stuttgarts,  trat  dann  in  ein  hauptstädtisches 
Indigogeschäft  als  Lehrling  ein  und  war  bei  demselben  später  als  Commis 
und  Reisender  angestellt.  Nach  seiner  1845  erfolgten  ehelichen  Verbindung 
mit  Sophie  Schmid  aus  Basel  begründete  er  in  Cannstatt  eine  eigene  Firma, 
die,  bald  nach  Stuttgart  verlegt,  von  den  kleinsten  Anfängen  aus  allmählich 
grossartigen  Umfang  gewann.  Durch  Intelligenz,  Thatkraft  und  Ausdauer 
schwang  sich  K.  zu  einem  der  ersten  und  reichsten  deutschen  Handels- 
herrn empor.  Er  rief  die  deutsche  Anilinindustrie  in's  Leben,  indem  er  zu- 
nächst die  zuvor  nur  in  Frankreich  betriebene  Fabrikation  verschiedener  Indigo- 
stoffe  einführte  und  dann  zur  Fabrikation  von  Theerprodukten  überging.  Die 
von  ihm  hergestellten  Erzeugnisse  wurden  auf  mehreren  Weltausstellungen 
ausgezeichnet.  1873  vereinigte  K.  sein  Geschäft  (zugleich  mit  dem  Heinrich 
Siegle'schen  in  Stuttgart)  mit  der  Badischen  Anilin-  und  Sodafabrik  in  Lud- 
wigshafen a.  Rh.  Diesem  grössten  deutschen,  den  Weltmarkt  beherrschenden 
Farbenfabrikations- Geschäfte  widmete  er  fortan  als  Vorsitzender  des  Verwal- 
tungsrathes  seine  Kräfte.  Ausserdem  war  er  stets  bemüht,  die  württembergi- 
sche Industrie*  durch  Rath  und  That  zu  unterstützen  und  zu  heben.  An 
zahlreichen  Unternehmungen  und  Gründungen  betheiligte  er  sich  finanziell, 
wie  als  Vorsitzender  oder  Mitglied  des  Aufsich tsrathes.  Mit  lebhaftem  Inter- 
esse für  alle  politischen  und  Verwaltungsangelegenheiten  ausgerüstet,  entzog 
er  sich  den  an  ihn  herantretenden  öffentlichen  Pflichten  nicht.  Er  gehörte 
1865 — 71  dem  hauptstädtischen  Gemeinderath  an,  ebenso  längere  Zeit  dem 
Handels-    und    Oberhandelsgerichte,    zu    Ende    der  sechziger  Jahre  den\  Ge- 


2<7g  Knosp.     Kopp. 

heimenrath  ab  technischer  Beirath.  1 868  wurde  er  vom  i .  vürttembcrgischen 
Wahlkreis  in  das  deutsche  Zollparlament  entsandt;  die  grossdeutscb-demokra* 
tische  Partei,  deren  Erwählter  K.  war,  drang  damals  in  heftigem  Wahlkampf 
gegen  die  deutsche  Partei  durch.  In  der  Folge  lernte  er  die  neu  errungene 
deutsche  Einheit  schätzen,  hielt  jedoch  an  maassvoll  piartikulanstiscfaen,  frei- 
sinnigen und  freihändlerischen  Neigungen  zeiüebens  fest.  Verleihungen  von 
Titeln  (1866  Commerzienrath,  1889  Geheimer  Commerzienrath)  und  Orden 
Hessen  nicht  auf  sich  warten.  Aber  stets  blieb  K.  der  schlichte  und  beschei- 
dene Sohn  des  Bürgerthums.  In  den  letzten  Jahren  zog  er  sich,  von  einem 
Herzleiden  gequält,  mehr  von  den  öffentlichen  Geschäften  zurück.  Er  weilte  mii 
Vorliebe  auf  seinem  1872  erworbenen  Herrensitz  am  Stamberger  See.  Seine 
Leiden  steigerten  sich  schliesslich  so  sehr,  dass  das  Ende  willkonmien  war. 

Schwäbische  Kronik  vom  30.  März  1897  (Abendblatt),  der  Beobachter  vom  29.  I^Iän 
1897,  zerstreute  Zeitungsnotizen. 

Rudolf  Krauss. 

Kopp,    Karl,    Bildhauer,    *  am  24.  October  1825  zu  Wasseralüngen    im 
württembergischen  Oberamt  Aalen),  f  am  i.  März  1897  zu  Stuttgart.  —  Er  be- 
suchte als  Jünger  der  Bildhauerkunst  das  Polytechnikum  und  die  Kunstschule 
in  Stuttgart,  wurde  von  dem  bekannten  Architekten  Zanth  beim  Bau  des  Lust- 
schlosses Wilhelma  verwendet  und  verbrachte  die  Jahre  1850 — 54  zu  Paris, 
wo  er  in  der  ficole  des  beaux-arts  seine  Ausbildung  vervollständigte  und  bei 
Lequesne    und    Toussaint    lernte.     Seinem  Pariser  Aufenthalte    verdankte    er 
namentlich    sichere  Leichtigkeit    in    der  Vortragsweise.     1854 — 1862  war   er 
Zeichenlehrer    an    der  Fortbildungsschule    in   Biberach.      1862   wurde    er   als 
Lehrer  des  Ornamentzeichnens  und  Modellirens  an  das  Stuttgarter  Polytechni- 
kum berufen,   in  welchem  Wirkungskreise  er,  seit  1868  als  Professor,   bis  an 
sein  Ende    verharrte.     Mit    seinem  Hauptamte  verband  er  das  eines  Lehrers 
für    Figurenmodelliren    an    der  Kunstgewerbeschule    und  eines  Mitglieds   der 
Kommission    von  Sachverständigen    beim  Conservatorium  der  vaterländischen 
Kunst-  und  Alterthumsdenkmale.    K.  war  ein  tüchtiger  und  geschätzter  Lehrer, 
der  den  ihm  eigenen  Sinn  für  das  Idealistische  auch  bei  seinen  Schülern  zu 
wecken    verstand.     Daneben   entfaltete  er  eine  emsige  produktive  Thätigkeit. 
Von    seinen    hauptsächlichen  Gruppenwerken,    deren  Motive  er  mit  Vorliebe 
der  antiken  Mythologie  entlehnte,    seien    Hero  und  Leander,    Der  Raub  der 
Europa,   Bacchus  und  Ariadne  hervorgehoben.     Femer  lieferte  er  Werke  für 
Kirchen    (z.  B.  Christus  am  Kreuz    in   der  Esslinger  Frauenkirche)    oder  Re- 
staurationen solcher  (z.  B.  der  württembergischen  Grafen  im  Chore  der  Stutt- 
garter Stiftskirche),  schuf  zahlreiche  Grabmonumente  und  Porträtbüsten  (z.  B. 
die  1885  enthüllte  Erzbüste  Johann  Jakob  Moser's  in  Stuttgart  und  die  1889 
enthüllte  Büste  Robert  Mayer's  vor  dem  dortigen  Polytechnikum).    Ausserdem 
betheiligte  er  sich  am  Ausschmucke  verschiedener  hauptstädtischer  Bauten,  so 
des  Hauptbahnhofes  (kolossale  Karyatiden    an    der  Fassade),  des  Polytechni- 
kums, des  Justizpalastes.    Endlich  stammen  die  Figuren  an  den  Fontänen  des 
Stuttgarter    Schlossplatzes,    Personificationen    von    acht  schwäbischen  Flüssen 
darstellend,  von  seiner  Hand.    Im  Dekorativen  leistete  K.,  der  sonst  als  aus- 
übender Künstler  ein  mittleres  Talent  war,  Verdienstvolles. 

Schwäbische  Kronik  vom  2.  März  1897  (Abendblatt),  Künstler-  und  Conversations- 
lexica,  handschriftliche  Notizen  des  Herrn  Oberstudienraths  Dr.  Wintterlin,  Oberbibliothe- 
kars in  Stuttgart. 

Rudolf  Krauss. 


Rosenthal-Bonin.     Wagner.  279 

Rosenthal-Bonin,  Hugo,  Schriftsteller,  *  am  14.  October  1840  in  Palermo 
von  deutschen  Eltern,  f  am  7.  April  1897  in  Stuttgart.  —  Er  widmete  sich 
in  Berlin  naturwissenschaftlichen,  medicinischen,  später  philosophischen .  Stu- 
dien und  machte  dann  als  Schiffsarzt  weite  Reisen  nach  Südeuropa,  Kalifor- 
nien und  Japan.  Nach  der  Rückkehr  wurde  er  Schriftsteller,  erhielt  1872  bei 
der  Deutschen  Verlagsanstalt  in  Stuttgart  Anstellung,  war  er«t  an  der  Re- 
dalction  von  »Ueber  Land  und  Meer«  betheiligt  und  leitete  dann  lange  Zeit 
die  »Illustrirte  Welt«,  in  der  er  meist  auch  seine  Romane  zuerst  veröffent- 
lichte. Nach  Kürschner's  Rücktritt  übernahm  er  die  Redaktion  der  Spemann'- 
schen  Zeitschrift  »Vom  Fels  zum  Meer«.  Die  letzten  Lebensjahre  verbrachte 
er  als  unabhängiger  Schriftsteller  zu  Stuttgart  in  völliger  Zurückgezogenheit. 
Er  verfasste  ausser  kleinen  Lustspielen  eine  lange  Reihe  von  Romanen  und 
Erzählungen,  deren  Stoffe  er  vorzugsweise  den  unerschöpflichen  Erinnerungen 
seiner  exotischen  Fahrten  verdankte.  Eine  lebhafte  Phantasie  und  die  Gabe 
des  Fabulirens,  die  er  auch  im  geselligen  Verkehre  bethätigte,  machten  seine 
Erzeugnisse,  die  übrigens  keinerlei  literarische,  nur  belletristische  Bedeutung 
haben,  zur  beliebten  Lektüre  weiter  Kreise. 

Die  Titel  seiner  Werke  sind  Tollständig  namhaft  gemacht  in  Franz  6rümmer*s  Lexicon 
der  deutschen  Dichter  und  Prosaisten  des  neunzehnten  Jahrhunderts,  4.  Ausgabe,  III,  S.  350 
und  in  Kürschner's  Deutschem  Literaturkalender;  die  biographischen  Nachrichten  ebenfalls 
bei  BrUmmer;  vergleiche  auch  die  Notizen  in  wUrttembergischen  Blättern  nach  Rosenthal- 
Bonin*s  Tod. 

Rudolf  Krauss. 

Wagner,  Heinrich,  Dr.,  Architekt,  ♦  am  5.  October  1834  in  Stuttgart, 
f  am  19.  März  1897  in  Darmstadt.  —  Er  bereitete  sich  auf  dem  Stuttgarter 
Polytechnikum,  auf  der  Pariser  £cole  des  beaux-arts  und  in  Londoner  Bau- 
ateliers auf  seinen  Beruf  vor,  war  sieben  Jahre  als  Lehrer  an  der  Baugewerk- 
schule und  zugleich  als  Hilfslehrer  am  Polytechnikum  seiner  Vaterstadt  thätig 
und  kam  1869  als  Professor  für  Architektur  an  das  Darmstädter  Polytechni- 
kum, welcher  emporblühenden  Anstalt  er  bis  zu  seinem  Tode,  zuletzt  mit 
dem  Titel  eines  Geheimen  Bauraths,  seine  Kräfte  widmete.  Er  ertheilte  Unter- 
richt im  Entwerfen,  in  der  Anlage  und  Einrichtung  von  Gebäuden,  sowie  in 
der  Bauführung.  W.  war  ein  arbeitskräftiger  und  kenntnissreicher  Mann,  der 
nicht  bloss  mit  allen  praktischen,  sondern  auch  mit  den  wissenschaftlichen 
und  künstlerischen  Aufgaben  seines  Faches  genau  vertraut  war.  Davon  legen 
auch  seine  literarischen  Leistungen  Zeugniss  ab.  Er  lieferte  Beiträge  zum 
deutschen  Bauhandbuch,  hatte  hervorragenden  Antheil  an  der  Herausgabe  und 
Bearbeitung  des  Handbuchs  der  Architektur,  verfasste  ein  Werk  über  die 
Kunstdenkmäler  des  Kreises  Büdingen.  Er  war  Mitglied  des  hessischen  Kunst- 
raths  und  verschiedener  Ausschüsse  für  Erhaltung  deutscher  Baudenkmäler, 
femer  ein  gesuchter  Preisrichter.  Als  Baumeister  hat  er  eine  Reihe  öffent- 
licher Gebäude  und  Privathäuser  in  Stuttgart  und  Darmstadt  aufgeführt,  in 
ersterer  Stadt  unter  anderem  die  Englische  Kirche,  in  letzterer  das  Haupt- 
gebäude der  technischen  Hochschule,  sein  bedeutendstes  architektonisches 
Werk. 

Centralblatt  der  Bauverwaltung  1897,  No.  13,  S.  147  f.  (woraus  auch  die  Nekrologe 
im  Schwäbischen  Merkur  Tom  i.  April  1897  (Abendblatt)  und  in  anderen  wUrttembergi- 
schen Zeitungen  geschöpft  sind). 

Rudolf  Krauss. 


2^6  Henzler.     KlemtD.     Kober. 

besorgte    er   noch    von    hier    aus    seine  Berufsgeschäfte,  bis  der  Tod  seiner 
Wirksamkeit  ein  Ziel  setzte. 

Schwäbische  Kronik  vom  23.  August  1897  (Mittagsblatt),  zerstreute  sonstige  Zeitungs- 
notizen, Correspondenzblatt  für  die  Gelehrten-  und  Realschulen  Württembergs  1S97.  Heft  S. 
Seite  297. 

Rudolf  Krauss. 

Klemm,  Alfred,  württembergischer  Alterthumsforscher  und  Epigraphiker, 
♦  am  8.  November  1840  zu  Ellwangen,  f  am  27.  März  1897  zu  Backnang. 
—  Nachdem  K.  im  evangelischen  Stifte  zu  Tübingen  Theologie  studirt  und 
seine  Dienstprüfung  mit  Auszeichnung  bestanden  hatte,  unternahm  er  eine 
Bildungsreise  nach  Norddeutschland,  wurde  1865  Stiftsrepetent,  1869  Dia- 
konus in  Vaihingen  a.  d.  Enz,  1876  Diakonus  und  Bezirksschulinspektor  in 
Geislingen,  1887  Dekan  und  1888  zugleich  Bezirksschulinspektor  in  Sulz,  1892 
Dekan  in  Backnang,  wo  er  einer  rasch  verlaufenden  Lungenentzündung  zum 
Opfer  fiel.  In  Vaihingen  begann  K.  sich  mit  der  heimathlichen  Special-  und 
Lokalgeschichte  zu  beschäftigen  und  zog  allmählich  deren  verschiedenste  Zweige 
in  den  Kreis  seiner  Studien,  denen  er  mit  der  Zeit  immer  grössere  Ausdeh- 
nung und  Vertiefung  verlieh.  Seine  Specialität  war  die  Baugeschichte  und 
Epigraphik  des  württembergischen  Landes  und  der  angrenzenden  Gegenden. 
Seine  Arbeiten  über  württembergische  Baumeister  und  Bildhauer  fanden  in 
Fachkreisen  die  verdiente  Beachtung.  Namentlich  verlegte  er  sich  auf  das 
Sammeln  von  Steinmetzzeichen.  Mit  rastlosem  Fleiss  und  scharfem  Spürsinn 
durchforschte  er  alle  irgendwie  zugänglichen  gedruckten,  handschrifdichen  und 
inschriftlichen  Quellen,  mochten  sie  noch  so  entlegen  sein.  Er  sah  durch 
manche  wichtige  Entdeckungen  seine  Mühe  belohnt.  Auf  diesem  Gebiete  der 
Epigraphik  war  K.  eine  Autorität  ersten  Ranges.  Besondere  Fürsorge  widmete 
er  den  Ulmer  Kunstdenkmalen.  Seine  zahlreichen  kleineren  und  grösseren 
Aufsätze  hat  er  in  allerhand  Journalen,  fachwissenschafdichen  Zeitschriften, 
Publicationen  von  Alterthumsvereinen  und  Sammelschriften  niedergelegt,  ohne 
jemals  seine  Kraft  zu  einem  grösseren  Werke  zusammenzufassen. 

Nekrologe  in  Schwäbische  Kronik  vom    2.  April  1897  (Mittagsblatt)  und  Staats-Anz. 
fUr  Württemberg  vom  30.  März   1897. 

Rudolf  Krauss. 

Kober,  Franz  Quirin  (von),  Dr.,  katholischer  Theologe,   ♦  am  6.  März 
1821  zu  Warthausen  (im  württembergischen  Oberamt  Biberach),  f  am  25.  Ja- 
nuar 1897  zu  Tübingen.  —  Er  war  der  Sohn  einfacher  Landleute,   besuchte 
die  Biberacher  Lateinschule  und  das  Ehinger  Konvikt,  studirte  1840 — 44  im 
Tübinger  Wilhelmsstifte  Theologie    und    wurde    am  4.  September  1845   ^^^ 
Priester  geweiht.     Er  war  zunächst  Vikar  in  Ulm,  seit  Mai  1846  Repetent  in 
Tübingen,    wo    er   zugleich  akademische  Vorlesungen  über  philologische  und 
theologische  Disciplinen  hielt.     1851  erhielt  er  einen  Lehrauftrag  für  Päda- 
gogik, Didakdk  und  Epistoralexegese;  daneben  docirte  er  katholisches  Kirchen- 
recht.    1853  wurde    er    ausserordentlicher  Professor,  1857  Doctor  theologiae 
und  im  September  desselben  Jahres  Ordinarius;  das  Kirchenrecht  gehörte  nun 
auch  zu  seinem  Lehrauftrag.     In  den  ersten  Jahren  seiner  Docentenlaufbahn 
verwandte  er  seine  ganze  Kraft  auf  die  umfassenden  Vorlesungen,  die  er  zu 
halten  hatte.    Er  stellte  dafür  auf's  sorgfältigste  ausgearbeitete  Collegienhefte 
her,  nach  denen  er  sich  genau  richtete.    Später  entfaltete  er  auch  eine  reiche 
literarische  Thätigkcit.    Er  gehörte  zu  den  eifrigsten  Mitarbeitern  und  Redak- 


Kober.     Knosp.  2  7  7 

teuren  der  (Tübinger)  Theologischen  Quartalschrift.  Seine  meisten  Aufsätze 
bezogen  sich  auf  das  Kirchenrecht  und  im  besonderen  auf  das  kirchliche 
Strafrecht.  Dieses  behandelte  er  in  einer  Folge  von  drei  bedeutsamen  Schrif- 
ten: »Der  Kirchenbann«  (1857),  »Die  Suspension  der  Kirchendiener«  (1862), 
»Die  Deposition  und  Degradation«  (1867).  An  geschichtliche  Auseinander- 
setzungen knüpfte  er  jedesmal  ausfuhrliche  Darlegungen  des  bestehenden 
Rechtes.  Diese  gediegenen,  nur  etwas  zu  breiten  Arbeiten  sind  erst  von  den 
entsprechenden  Partien  in  Hinschius'  Kirchenrecht  überholt  worden.  K.  zeigte 
sich  in  seinen  Forderungen  für  Freiheit  der  katholischen  Kirche  stets  maass- 
voll und  auf  Wahrung  des  confessionellen  Friedens  in  Württemberg  bedacht. 
Bei  CoUegen  und  Schülern  genoss  er  Liebe  und  Verehrung.  Er  war  freund- 
lichen und  wohlwollenden  Wesens,  wenn  auch  zurückhaltend  und  wortkarg, 
hierin  und  auch  sonst  ein  echter  Schwabe.  Er  klebte  an  der  Scholle  und 
kam  über  die  Grenzen  seiner  engeren  Heimath  kaum  je  hinaus.  Zeichen  äus- 
serer Anerkennung  brauchte  er  nicht  zu  missen.  1878  wurde  er  zum  Rektor 
der  Universität  für  das  nächste  Studienjahr  gewählt,  1895  beging  er  sein  fünf- 
zigjähriges Priesterjubiläum.  Schon  damals  kränkelte  er,  im  folgenden  Sommer 
musste  6r  sich  pensioniren  lassen.  Ende  October  traf  ihn  ein  Schlaganfall, 
der  ihn  der  Sprache  beraubte.  Er  hatte  noch  ein  Vierteljahr  zu  leiden.  Am 
28.  Januar  1897    wurde  er  in  Tübingen   mit  akademischen  Ehren  zu  Grabe 

getragen. 

Professor  Dr.  SägmUller  in  Theologische  Quartalschrift,  79.  Jahrg.  (1897)  S.  569  bis 
579;  zerstreute  Zeitungsnotizen. 

Werke  u.  Schriften  s.  Börsenbl.  f.  d.  Deutschen  Buchhandel  1897,  No.  32. 

Rudolf  Krauss. 

Knosp,  Rudolf  (von),  Grossindustrieller,  ♦  am  22.  Juni  1820  zu  Ludwigs- 
burg, f  am  26.  März  1897  zu  Stuttgart.  —  Er  besuchte  das  Lyceum  seiner 
Vaterstadt  und  die  Gewerbeschule  Stuttgarts,  trat  dann  in  ein  hauptstädtisches 
Indigogeschäft  als  Lehrling  ein  und  war  bei  demselben  später  als  Commis 
und  Reisender  angestellt.  Nach  seiner  1845  erfolgten  ehelichen  Verbindung 
mit  Sophie  Schmid  aus  Basel  begründete  er  in  Cannstatt  eine  eigene  Firma, 
die,  bald  nach  Stuttgart  verlegt,  von  den  kleinsten  Anfängen  aus  allmählich 
grossartigen  Umfang  gewann.  Durch  Intelligenz,  Thatkraft  und  Ausdauer 
schwang  sich  K.  zu  einem  der  ersten  und  reichsten  deutschen  Handels- 
herrn empor.  Er  rief  die  deutsche  Anilinindustrie  in's  Leben,  indem  er  zu- 
nächst die  zuvor  nur  in  Frankreich  betriebene  Fabrikation  verschiedener  Indigo- 
stoffe einführte  und  dann  zur  Fabrikation  von  Theerprodukten  überging.  Die 
von  ihm  hergestellten  Erzeugnisse  wurden  auf  mehreren  Weltausstellungen 
ausgezeichnet.  1873  vereinigte  K.  sein  Geschäft  (zugleich  mit  dem  Heinrich 
Siegle'schen  in  Stuttgart)  mit  der  Badischen  Anilin-  und  Sodafabrik  in  Lud- 
wigshafen a.  Rh.  Diesem  grössten  deutschen,  den  Weltmarkt  beherrschenden 
Farbenfabrikations- Geschäfte  widmete  er  fortan  als  Vorsitzender  des  Verwal- 
tungsrathes  seine  Kräfte.  Ausserdem  war  er  stets  bemüht,  die  württembergi- 
sche Industrie'  durch  Rath  und  That  zu  unterstützen  und  zu  heben.  An 
zahlreichen  Unternehmungen  und  Gründungen  betheiligte  er  sich  finanziell, 
wie  als  Vorsitzender  oder  Mitglied  des  Aufsichtsrathes.  Mit  lebhaftem  Inter- 
esse für  alle  politischen  und  Verwaltungsangelegenheiten  ausgerüstet,  entzog 
er  sich  den  an  ihn  herantretenden  öffenüichen  Pflichten  nicht.  Er  gehörte 
1865 — 71  dem  hauptstädtischen  Gemeinderath  an,  ebenso  längere  Zeit  dem 
Handels-    und    Oberhandelsgerichte,    zu    Ende    der  sechziger  Jahre  den\  Ge- 


2^6  Henzler.     Klemm.     Kober. 

besorgte    er   noch    von    hier    aus    seine  Berufsgeschäfte ,  bis  der  Tod  seiner 
Wirksamkeit  ein  Ziel  setzte. 

Schwäbische  Kronik  vom  23.  August  1897  (Mittagsblatt),  zerstreute  sonstige  Zeitungs- 
notizen, Correspondenzblatt  fUr  die  Gelehrten-  und  Realschulen  Württembergs  1897.  Heft  8. 
Seite  297. 

Rudolf  Krauss. 

Klemmy  Alfred,  württembergischer  Alterthumsforscher  und  Epigraphiker, 
♦  am  8.  November  1840  zu  Ellwangen,  f  am  27.  März  1897  zu  Backnang. 
—  Nachdem  K.  im  evangelischen  Stifte  zu  Tübingen  Theologie  studirt  und 
seine  Dienstprüfung  mit  Auszeichnung  bestanden  hatte,  unternahm  er  eine 
Bildungsreise  nach  Norddeutschland,  wurde  1865  Stiftsrepetent,  1869  Dia- 
konus in  Vaihingen  a.  d.  Enz,  1876  Diakonus  und  Bezirksschulinspektor  in 
Geislingen,  1887  Dekan  und  1888  zugleich  Bezirksschulinspektor  in  Sulz,  1892 
Dekan  in  Backnang,  wo  er  einer  rasch  verlaufenden  Lungenentzündung  zum 
Opfer  fiel.  In  Vaihingen  begann  K.  sich  mit  der  heimathlichen  Special-  und 
Lokalgeschichte  zu  beschäftigen  und  zog  allmählich  deren  verschiedenste  Zweige 
in  den  Kreis  seiner  Studien,  denen  er  mit  der  Zeit  immer  grössere  Ausdeh- 
nung und  Vertiefung  verlieh.  Seine  Specialität  war  die  Baugeschichte  und 
Epigraphik  des  württembergischen  Landes  und  der  angrenzenden  Gegenden. 
Seine  Arbeiten  über  wtirttembergische  Baumeister  und  Bildhauer  fanden  in 
Fachkreisen  die  verdiente  Beachtung.  Namentiich  verlegte  er  sich  auf  das 
Sammeln  von  Steinmetzzeichen.  Mit  rastlosem  Fleiss  und  scharfem  Spürsinn 
durchforschte  er  alle  irgendwie  zugänglichen  gedruckten,  handschriftlichen  und 
inschriftlichen  Quellen,  mochten  sie  noch  so  entlegen  sein.  Er  sah  durch 
manche  wichtige  Entdeckungen  seine  Mühe  belohnt.  Auf  diesem  Gebiete  der 
Epigraphik  war  K.  eine  Autorität  ersten  Ranges.  Besondere  Fürsorge  widmete 
er  den  Ulmer  Kunstdenkmalen.  Seine  zahlreichen  kleineren  und  grösseren 
Aufsätze  hat  er  in  allerhand  Journalen,  fach  wissenschaftlichen  Zeitschriften, 
Publicationen  von  Alterthumsvereinen  und  Sammelschriften  niedergelegt,  ohne 
jemals  seine  Kraft  zu  einem  grösseren  Werke  zusammenzufassen. 

Nekrologe  in  Schwäbische  Kronik  vom    2.  April  1897  (Mittagsblatt)  und  Staats-Anz. 
fUr  Württemberg  vom  30.  Mär«  1897. 

Rudolf  Krauss. 

Kober,  Franz  Quirin  (von),  Dr.,  katholischer  Theologe,   ♦  am  6.  März 
1821  zu  Warthausen  (im  württembergischen  Oberamt  Biberach),  f  am  25.  Ja- 
nuar 1897  zu  Tübingen.  —  Er  war  der  Sohn  einfacher  Landleute,   besuchte 
die  Biberacher  Lateinschule  und  das  Ehinger  Konvikt,  studirte  1840 — 44  im 
Tübinger  Wilhelmsstifte  Theologie    und    wurde    am  4.  September  1845  zum 
Priester  geweiht.     Er  war  zunächst  Vikar  in  Ulm,  seit  Mai  1846  Repetent  in 
Tübingen,    wo    er    zugleich  akademische  Vorlesungen  über  philologische  und 
theologische  Disciplinen   hielt.     185 1  erhielt  er  einen  Lehrauftrag  für  Päda- 
gogik, Didaktik  und  Epistoralexegese;  daneben  docirte  er  katholisches  Kirchen- 
recht.     1853  wurde    er    ausserordentlicher  Professor,  1857  Doctor  theologiae 
und  im  September  desselben  Jahres  Ordinarius;  das  Kirchenrecht  gehörte  nun 
auch  zu  seinem  Lehrauftrag.     In  den  ersten  Jahren  seiner  Docentenlaufbahn 
verwandte   er  seine  ganze  Kraft  auf  die  umfassenden  Vorlesungen,  die  er  zu 
halten  hatte.    Er  stellte  dafür  auf's  sorgfältigste  ausgearbeitete  Collegienhefte 
her,  nach  denen  er  sich  genau  richtete.    Später  entfaltete  er  auch  eine  reiche 
literarische  Thätigkeit.    Er  gehörte  zu  den  eifrigsten  Mitarbeitern  und  Redak- 


Kober.    Knosp.  277 

teuren  der  (Tübinger)  Theologischen  Quartalschrift.  Seine  meisten  Aufsätze 
bezogen  sich  auf  das  Kirchenrecht  und  im  besonderen  auf  das  kirchliche 
Strafrecht.  Dieses  behandelte  er  in  einer  Folge  von  drei  bedeutsamen  Schrif- 
ten: »Der  Kirchenbann«  (1857),  »Die  Suspension  der  Kirchendiener«  (1862), 
»Die  Deposition  und  Degradation«  (1867).  An  geschichtliche  Auseinander- 
setzungen knüpfte  er  jedesmal  ausfuhrliche  Darlegungen  des  bestehenden 
Rechtes.  Diese  gediegenen,  nur  etwas  zu  breiten  Arbeiten  sind  erst  von  den 
entsprechenden  Partien  in  Hinschius*  Kirchenrecht  überholt  worden.  K.  zeigte 
sich  in  seinen  Forderungen  für  Freiheit  der  katholischen  Kirche  stets  maass- 
voll und  auf  Wahrung  des  confessionellen  Friedens  in  Württemberg  bedacht. 
Bei  CoUegen  und  Schülern  genoss  er  Liebe  und  Verehrung.  Er  war  freund- 
lichen und  wohlwollenden  Wesens,  wenn  auch  zurückhaltend  und  wortkarg, 
hierin  und  auch  sonst  ein  echter  Schwabe.  Er  klebte  an  der  Scholle  und 
kam  über  die  Grenzen  seiner  engeren  Heimath  kaum  je  hinaus.  Zeichen  äus- 
serer Anerkennung  brauchte  er  nicht  zu  missen.  1878  wurde  er  zum  Rektor 
der  Universität  für  das  nächste  Studienjahr  gewählt,  1895  beging  er  sein  fünf- 
zigjähriges Priesterjubiläum.  Schon  damals  kränkelte  er,  im  folgenden  Sommer 
musste  er  sich  pensioniren  lassen.  Ende  October  traf  ihn  ein  Schlaganfall, 
der  ihn  der  Sprache  beraubte.  Er  hatte  noch  ein  Vierteljahr  zu  leiden.  Am 
28.  Januar  1897   wurde  er  in  Tübingen   mit  akademischen  Ehren  zu  Grabe 

getragen. 

Professor  Dr.  Sägmüller  in  Theologische  Quartalschrift,  79.  Jahrg.  (1897)  S.  569  bis 
579;  zerstreute  Zeitungsnotizen. 

Werke  u.  Schriften  s.  Börsenbl.  f.  d.  Deutschen  Buchhandel  1897,  No.  32. 

Rudolf  Krauss. 

Knosp,  Rudolf  (von),  Grossindustrieller,  *  am  22.  Juni  1820  zu  Ludwigs- 
burg, f  am  26.  März  1897  zu  Stuttgart.  —  Er  besuchte  das  Lyceum  seiner 
Vaterstadt  und  die  Gewerbeschule  Stuttgarts,  trat  dann  in  ein  hauptstädtisches 
Indigogeschäft  als  Lehrling  ein  und  war  bei  demselben  später  als  Commis 
und  Reisender  angestellt.  Nach  seiner  1845  erfolgten  ehelichen  Verbindung 
mit  Sophie  Schmid  aus  Basel  begründete  er  in  Cannstatt  eine  eigene  Firma, 
die,  bald  nach  Stuttgart  verlegt,  von  den  kleinsten  Anfangen  aus  allmählich 
grossartigen  Umfang  gewann.  Durch  Intelligenz,  Thatkraft  und  Ausdauer 
schwang  sich  K.  zu  einem  der  ersten  und  reichsten  deutschen  Handels- 
herrn empor.  Er  rief  die  deutsche  Anilinindustrie  in's  Leben,  indem  er  zu- 
nächst die  zuvor  nur  in  Frankreich  betriebene  Fabrikation  verschiedener  Indigo- 
stoffe einführte  und  dann  zur  Fabrikation  von  Theerprodukten  überging.  Die 
von  ihm  hergestellten  Erzeugnisse  wurden  auf  mehreren  Weltausstellungen 
ausgezeichnet.  1873  vereinigte  K.  sein  Geschäft  (zugleich  mit  dem  Heinrich 
Siegle'schen  in  Stuttgart)  mit  der  Badischen  Anilin-  und  Sodafabrik  in  Lud- 
wigshafen a.  Rh.  Diesem  grössten  deutschen,  den  Weltmarkt  beherrschenden 
Farbenfabrikations- Geschäfte  widmete  er  fortan  als  Vorsitzender  des  Verwal- 
tungsrathes  seine  Kräfte.  Ausserdem  war  er  stets  bemüht,  die  württembergi- 
sche Industrie'  durch  Rath  und  That  zu  unterstützen  und  zu  heben.  An 
zahlreichen  Unternehmungen  und  Gründungen  betheiligte  er  sich  finanziell, 
w4e  als  Vorsitzender  oder  Mitglied  des  Aufsichtsrathes.  Mit  lebhaftem  Inter- 
esse für  alle  politischen  und  Verwaltungsangelegenheiten  ausgerüstet,  entzog 
er  sich  den  an  ihn  herantretenden  öffentlichen  Pflichten  nicht.  Er  gehörte 
1865 — 71  dem  hauptstädtischen  Gemeinderath  an,  ebenso  längere  Zeit  dem 
Handels-    und    Oberhandelsgerichte,    zu    Ende    der  sechziger  Jahre  den\  Ge- 


284  Stölzel.     N.  Diez.     J.  Ch.  Diez. 

Stölzel,  Otto,  Generalmajor,  ♦am  13.  Januar  1813  zu  Offenburg,  j  am 

17.  März  1897  zu  Karlsruhe.  —  Im  badischen  Kadettenhaus  als  Sohn  eines 
Gendarmerie -Rittmeisters  erzogen,  wurde  er  1841  Lieutenant,  1847  Ober- 
lieutenant, 1855  Hauptmann,  1859  erster  Adjutant  beim  Gouvernement  Ra- 
statt, 1864  Major.  In  dieser  Stellung  machte  St.  den  Krieg  von  1866  mit. 
1870  als  Oberstlieutenant  zum  Kommandeur  des  aus  I^andwehrtruppen  ge- 
bildeten Besatzungsregiments  in  Rastatt  ernannt,   wurde  er  an  Stelle  des  am 

18.  December  bei  Nuits  gefallenen  Obersten  v.  Renz  zum  Obersten  und  Kom- 
mandeur des  2.  Infanterie-Regiments  befördert  und  machte  als  solcher  die 
Kämpfe  an  der  Lisaine  mit.  187 1  trat  er  in  dieser  Stellung  in  die  könig. 
preuss.  Armee  über.  1873  erhielt  er  den  erbetenen  Abschied  aus  dem  aktiven 
Dienst.  1875  wurde  er  zum  Kommandeur  des  badischen  Gendarmeriecorp«; 
ernannt,  welche  Stellung  er,  zum  Generalmajor  befördert,  inne  hatte,  bis  ihn 
zunehmende  körperliche  Leiden  1891  zwangen,  in  den  Ruhestand  zu  treten.  Er 
war  als  tüchtiger  und  kenntnissreicher  Officier  und  lauterer  Charakter  allgemein 
hochgeschätzt. 

Diez,  Nikodemus,  katholischer  Pfarrer  in  Stockach  (Baden),  *  zu  Katten- 
hom  am  Bodensee  am  10.  October  1806,  f  am  3.  Januar  1897  zu  Stockach. 
—  Armer  Rebleute  Sohn,  kam  D.  erst  im  Alter  von  18  Jahren  an  da5 
Gymnasium  in  Konstanz  und  fristete  sein  Leben  durch  Stundengeben  an  jün- 
gere Schüler  und  durch  Unterstützungen  wohlgesinnter  Geistlicher  (darunter 
des  Bisthumsverwesers  v.  Wessenberg  und  des  späteren  Freiburger  Erzbischofe 
V.  Vicari)  und  Konstanzer  Bürger.  Seine  weitere  Vorbereitung  erhielt  er  an 
der  Universität  Freiburg  und  dem  dortigen  Priesterseminar.  1834  empfing 
er  die  Priesterweihe,  und  er  hatte  das  Glück,  1894  den  60.  Jahrestag  der- 
selben in  voller  Rüstigkeit  zu  feiern.  Nach  dreizehnjährigem  Wirken  als 
Vicar  und  einjährigem  als  Pfarrverweser  wurde  D.  1847  Kaplan  in  ViDingen 
und  Vorstand  der  dortigen  höheren  Bürgerschule.  Mit  grosser  Entschieden- 
heit trat  er  in  den  Jahren  1848/49  der  revolutionären  Bewegung  entgegen 
und  gewann  dadurch  das  Vertrauen  der  Civil-  und  Militärbehörden,  welches 
ihm  möglich  machte,  seinen  Einfluss  zu  Gunsten  der  ViUinger  Bürgerschaft 
geltend  zu  machen,  als  die  Reaction  hereinbrach.  1850  wurde  D.  Pfarrer 
in  Nenzingen,  das  er  1866  mit  Stockach  vertauschte,  wo  er  von  nun  an 
bis  an  sein  Lebensende  segensreich  wirkte.  D.  war  ein  Priester,  der  im 
Wessenberg' sehen  Geiste  seines  Amtes  waltete,  sich  aber  doch  nie  in  direk- 
ten Gegensatz  zu  dem  Kirchenregiment  stellte.  Für  Schule,  Krankenpflege 
und  Armenflirsorge  bewies  er  stets  ein  thatkräftiges  Interesse.  Vom  politi- 
schen Leben  hielt  er  sich  grundsätzlich  fem.  Er  genoss  Vertrauen  und  Liebe 
seiner  Pfarrkinder  und  hohes  Ansehen  in  weiten  Kreisen  und  wurde  auch 
vom  Grossherzog  mehrfach  ausgezeichnet.  Als  er  im  91.  Lebensjahre  sich 
entschlossen  hatte,  seine  Zuruhesetzung  zu  erbitten  und  sich  eben  anschickte, 
das  Pfarrhaus,  in  dem  er  dreissig  Jahre  lang  gehaust,  mit  einer  Privatwohnung 
zu  vertauschen,  nahm  ihn  nach  kurzer  Krankheit  ein  sanfter  Tod  hinweg. 

Diez,  Johann  Christoph,  katholischer  Pfarrer  in  Walldürn  (Baden),  *  am 
II.  August  1826  zu  Kupprichhausen  im  badischen  Bezirksamt  Tauber- 
bischofsheim, f  am  12.  Februar  1897  in  Walldürn.  —  Sohn  von  Bauers- 
leuten wählte  D.  aus  eigenem  Antrieb  und  aus  Liebe  zum  geistlichen  Stand 
im  19.  Lebensjahre  1845    das  Studium    und  überwand    durch    grossen  Fleiss 


J.  Ch-  Diete.     Degen.     Krafft.  285 

alle  Schwierigkeiten,  so  dass  er  nach  zehn  Jahren  1855  die  Priesterweihe  er- 
langen konnte.  Von  1864  an  wirkte  er  zuerst  als  Pfarrverweser,  seit  1867  als 
Stadtpfarrer  an  dem  Wallfahrtsorte  Walldürn.  Als  im  Kriege  von  1866  die 
Cholera  ausbrach,  erwarb  er  sich  um  die  Krankenpflege  grosse  Verdienste. 
Während  vieler  Jahre  war  er  Abgeordneter  zur  Kreisversammlung,  seit  1872 
I>ekan  des  Landkapitels  Walldürn,  über  32  Jahre  stand  er  dem  dortigen 
Armenkinderhaus  vor,  mit  besonderer  Vorliebe  war  er  in  der  Krankenseel- 
sorge  thätig.  Um  den  Wallfahrtsort  erwarb  D.  sich  grosse  Verdienste,  nament- 
lich auch  durch  die  geschmackvolle  Restauration  der  Wallfahrtskirche,  wozu 
die  sehr  bedeutenden  Geldmittel  zum  grossen  Theile  durch  seine  Bemühungen 
zusammengebracht  wurden. 


Degen,  Ludwig,  kathol.  Pfarrer  in  Konstanz,  ♦  zu  Engen  in  Baden  am 
9.  August  1839,  f  zu  Konstanz  am  28.  Februar  1897,  studirte  in  Konstanz 
und  Freiburg,  wurde  1863  zum  Priester  geweiht,  war  von  1864  bis  1872 
Cooperator  und  Pfarrverweser  in  Karlsruhe  und  —  da  die  während  des  sog. 
Kulturkampfes  erlassene  Verordnung  über  das  Staatsexamen  der  Geistlichen 
seine  definitive  Anstellung  verzögerte  —  gleichfalls  in  der  Eigenschaft  als  Pfarr- 
verweser bis  1883  in  Griesheim  bei  Offenburg,  Furtwangen  und  Bruchsal. 
1883  wurde  er  Stadtpfarrer  in  Bruchsal,  1894  Stadtpfarrer  von  St.  Stephan 
in  Konstanz.  Er  war  ein  sehr  unterrichteter  und  eifriger  Priester.  Mit 
grosser  Energie  besorgte  er,  als  den  Altkatholiken  in  Furtwangen  der  Mit- 
gebrauch der  Pfarrkirche  zugesprochen  wurde,  welchen  die  Kirchenbehörde 
für  unzulässig  erklärte,  den  Bau  einer  Nothkirche  für  die  Römisch  -  Katholi- 
schen, deren  festes  Zusammenhalten  er  im  Kampfe  mit  vielen  Schwierig- 
keiten durchsetzte.  Eine  kurze  schwere  Krankheit  setzte  seinem  Leben  ein 
frühes  Ziel. 


Kraut,  Wilhelm,  Ludwig,  Consistorialrath,  Professor  Dr.  theoL,  *  am 
8.  Sept.  1821  in  Köln,  f  7.  Januar  1897  zu  Bonn.  —  Nach  vollendetem 
18.  Jahre  trat  er  1839  ^^  Bonn  das  Studium  der  Theologie  an,  um  es  bis 
1844  in  Berlin  zum  vorläufigen  akademischen  Abschluss  zu  bringen.  Von 
da  führte  ihn  eine  wissenschaftliche  Studienreise  nach  dem  heiligen  Lande  — 
damals  ein  noch  recht  umständliches  Unternehmen.  Aus  ihr  ging  seine 
Jugendschrift  über  »Die  Topographie  Jerusalems«  1846  hervor,  mit  der  er 
zugleich  in  Bonn  als  Dozent  der  Theologie  sich  habilitirte.  1850  wurde  er 
zum  ausserordentlichen  Professor  ernannt,  die  Beförderung  zum  Ordinarius 
folgte  erst  nach  9  Jahren.  Auch  Albrecht  Ritschi,  der  ein  Jahr  jünger  als 
K.  1853  als  Extraordinarius  ihm  zur  Seite  trat,  hat  bis  1860  dort  auf  die 
ordentliche  Professur  warten  müssen.  Im  Jahre  1854  Hess  K.  den  ersten 
Band  seines  weitangelegten  Werkes:  »Die  Kirchengeschichte  der  germanischen 
Völker«  erscheinen.  Es  ist  leider  bei  diesem  ersten  Theile,  von  den  »An- 
fängen der  christlichen  Kirche  bei  den  Germanen«,  verblieben.  Erst  in  den 
letzten  Jahren  hat  Hauck  in  seiner  »Kirchengeschichte  Deutschlands«  dasselbe 
Gebiet  von  Grund  aus  und  in  durchaus  selbständiger  Durchführung  zur  Dar- 
stellung gebracht.  Nach  einer  Monographie  über  »Karl  Küpper,  ein  Lebens- 
bild aus  der  rheinischen  Kirche«  (1860)  trat  K.  erst  wieder  1876  mit  einem 


286  Krafft.     Müller. 

gemeinsam  mit  seinem  Bruder  Karl  bearbeiteten  Sammelwerk:  »Briefe  und 
Documente  aus  der  Zeit  der  Reformation«  vor  der  OefFentlichkeit  henor. 
Daran  schloss  sich  im  Lutherjahre  1883  ^'^  gediegene  Studie  über  »Die 
deutsche  Bibel  vor  Luther«,  in  der  er  sich  ebenso  als  gründlichen  Kenner 
wie  als  objectiv-nüchternen  Beurtheiler  der  römischerseits  vielfach  recht  ten- 
denziös verarbeiteten  Materialien  aufs  neue  bethätigte.  Die  1886  publicine 
»Geschichte  der  Märtyrer  der  evangelischen  Kirche  Adolph  Ciarenbach  und 
Peter  Fliesteden«  (1529  in  Köln  verbrannt),  die  ich  auch  als  sein  Werk  ver- 
zeichnet fand,  stammt  jedoch  aus  der  Feder  seines  Bruders  Karl,  der  sich 
—  abgesehen  von  seiner  Mitarbeit  an  den  obengenannten  »Briefen  und  Do- 
cumenten  aus  der  Zeit  der  Reformation«  —  als  hervorragender  Mitbegründer 
des  Bergischen  Geschichtsvereins  und  des  Bonner  wissenschaftlichen  Prediger- 
vereins sowie  der  Evangelischen  Bundesorganisation  im  Wupperthal  ein  hoch- 
geachtetes Andenken  in  den  Rheinlanden  gesichert  hat.  Seit  1881  war 
K.  Mitglied  des  Consistoriums  der  Rheinprovinz,  nachdem  schon  Jahrzehnte 
zuvor  die  Leitung  des  evangelisch-theologischen  Seminars  in  Bonn  seiner 
treuen  Hand  anvertraut  war.  So  wird  bei  ungezählten  rheinischen  Geistlichen 
das  Gedächtniss  des  Brüderpaares,  insbesondere  des  »alten  Krafft«  in  Bonn 
für  lange  Zeit  unvergessen  bleiben. 

Kohlschmidt. 


Müller,  Ferdinand  Gottlob  Jacob  (von),  evangelischer  Theologe,  *  am 
9.  Juni    18 16    zu    "Winnenden    (im    württembergischen  Oberamt  Waiblingen\ 
f  am  2.  Februar  1897  zu  Stuttgart.  —  M.'s  Vater  war  Besitzer  einer  Kunst- 
und    Schönfärberei    in    Winnenden,    und    in    der    Lateinschule    dieser    Stadt 
empfing  der  Knabe  seinen  ersten  Unterricht.     Dann  wurde  er  in  Blaubeuren 
auf  das  sog.  Landexamen  vorbereitet,  nach  dessen  Erstehung  er  4  Jahre  lang 
das    niedere  Seminar  Urach    besuchte.     Herbst  1834    begann    er  als  Zögling 
des  Tübinger  Stifts    seine    theologischen  Studien,    die   er  Herbst  1838   durch 
die    erste  Dienstprtifung    mit    glänzendem  Ergebniss    zum  Abschluss    brachte. 
Nach  zweijähriger  Vikariatszeit  in  Mössingen  (Oberamt  Rottenburg)  unternahm 
er  eine  einjährige  Bildungsreise    nach  Norddeutschland,    Holland,    Schweden; 
in  den  Universitätsstädten  Bonn  und  Berlin  hielt  er  sich  längere  Zeit  auf  und 
hörte    in    letzterer  Vorlesungen    Schelling's.     Februar   1842    in    die    Heimath 
zurückgekehrt,    fand  er  zunächst  wieder  im  praktischen  Kirchendienste  provi- 
sorische Verwendung    und    versah    dann    von  Juli  1843   ^^s  September  1845 
die  Stelle  eines  Repetenten  am  Tübinger  Stift.    1844  erhielt  er  in  der  zweiten 
theologischen    Dienstprüfung    die    höchste   Note.     Von  Stuttgart  aus,    wo    er 
vorübergehend  Stadtvikar  war,  wurde  er  vom  Fürsten  von  Hohenlohe-Langen- 
burg  als  Patronatsherrn  zum  Stadtpfarrer  von  Langenburg  ernannt.    December 
1845  übernahm  er  das  Amt,   das  er,   seit  1847  ^^^  ^^^  Leitung  der  Diöcese 
betraut  und  seit  1852  Dekan,    über    8  Jahre    segensreich    und    im    innigsten 
Verkehre  mit  der  fürstlichen  Familie  verwaltete.    Einen  Ruf  auf  eine  ordent- 
liche Professur  an  der  Universität  Königsberg  lehnte  er  ab,  da  er  praktische 
Wirksamkeit  einer  bedeutenden  wissenschaftlichen  Stellung,    der    er    übrigens 
wohl  gewachsen  gewesen  wäre,  vorzog.     Am  14.  Februar  1847  vermählte  er 
sich  mit  Marie  Schelling,    einer  Tochter  des  Obermedicinalraths  Schelling  in 


Müller.     Nördlinger.  287 

Stuttgart    und  Nichte    des  Philosophen;    die    glückliche,    mit  4  Söhnen  und 
4.    Töchtern  gesegnete  Ehe  wurde  schon  1862  durch  den  Tod  der  Gattin  ge- 
löst.     1853  kam  M.  als  Garnisonpfarrer  nach  Stuttgart,    und    bald  begann  er 
in    der  Hauptstadt  eine  Wirksamkeit  im  grossen  Stile  zu  entfalten.    Zu  seinem 
Ha.\iptamte   eignete  er  sich    vermöge   äusserer  und  innerer  Eigenschaften  vor- 
zuglich.    Nachdem  er  1868  zum  Feldprobst  und  Prälat  ernannt  und  mit  der 
Inspection    und  Leitung    des    evangelischen  Feldprobstei-Sprengels    beauftragt 
worden  war,  traf  er  im  Krieg  1870/71  umfassende  Fürsorge  für  die  geistliche 
Nahrung   der  im  Felde  stehenden  wtirttembergischen  Truppen.     Dann  galten 
seine  Bemühungen    der  Errichtung    einer    neuen  Gamisonkirche    in  Stuttgart 
statt  der  alten,  wenig  würdigen;   1874  wurde  der  Bau  beschlossen  und  1879 
das     stattliche,    im  romanischen  Stil  aufgeführte  Gotteshaus  eingeweiht.     Wie 
als    Prediger  und  Seelsorger    entfaltete    er  auch  eine  erspriessliche  Thätigkeit 
als    religiöser  Lehrer    sowohl    für  die  Jugend    als   für  die  Erwachsenen  durch 
KLinderlehre,   Confirmandenunterricht,    abendliche  Versammlungsstunden;    eine 
Zeit  lang  ertheilte  er  auch  Religionsunterricht  an  der  Oberrealschule  und  am 
Polytechnikum.      Schon    1855    ^^    ^^^    theologische   Prüfungscommission    des 
k.    evangelischen  Consistoriums  berufen,    wurde  er  1861   als  Oberconsistorial- 
rath  Mitglied  dieser  Behörde  und  betheiligte  sich  Jahrzehnte  lang  mit  Energie 
am   württembergischen  Kirchenregimente.    Namentlich  stellte  er  seine  organi- 
satorischen Talente    in   den  Dienst  des  höheren  Mädchenschulwesens.     1877 
übernahm    er    die    Vorstandschaft    der    hierfiir    neugeschaflfenen    Commission, 
nachdem    er  bereits  1865  Commissär    beim    k.  Catharinenstift    und  1873  bei 
dem  damals  gegründeten  Olgastift  geworden  war.     Eine  besonders  verdienst- 
liche Schöpfung  M.'s  ist  das  mit  dem  Catharinenstift  in  Verbindung  stehende 
höhere  Lehrerinnenseminar.    Neben  allen  amtlichen  Würden  und  Bürden  fand 
der    vielseitige    und    arbeitsfrohe  Mann    noch  Zeit  und  Lust,   am  Stuttgarter 
Vereins-  und  Armenwesen  den  regsten  und  thatkräftigsten  Antheil  zu  nehmen. 
Er   that  dies  im  engen  Bunde  mit  der  hochseligen  Königin  Olga  von  Württem- 
berg,   deren    volles  Vertrauen    und    hohe    Gunst    er    bis    an    ihren  Tod    ge- 
noss.     Ende  1895  beschloss  M.,  dessen  Körperkräfte    erschöpft  waren,    seine 
öffentliche  Wirksamkeit,  der  es  an  Anerkennungen  und  Belohnungen  aller  Art 
nicht  gefehlt  hat.     Eine    längere  Leidenszeit    erwartete  ihn   nun,   so  dass  der 
Tod   als  ein  Erlöser  erschien.     M.    war   kein    pietistischer  Eiferer,    aber    ein 
fester    und    überzeugter  Christ    von  würdevollem  Ernste  im  Wesen,   daneben 
von  weltmännischer  Gewandtheit  im  Auftreten. 

Nach  dem  ausführlichen  Nekrolog    in    der  Schwäbischen  Kronik  vom  13.  März  1897 
(Sonntagsbeilage)  und  17.  März  1897  (Mittwochsbeilage). 

Rudolf  Krauss. 

Nördlinger,  Hermann  (von),  Dr.,  Oberforstrath  und  Professor,  ♦am  13.  Au- 
gust 1818  zu  Stuttgart,  f  am  19.  Januar  1897  zu  Ludwigsburg.  —  Der  Vater 
N.'s,  Oberfinanzrath  Julius  N.,  war  im  württembergischen  Finanzministerium  lang- 
jähriger Referent  fiir  Forstwesen,  so  dass  der  Knabe  schon  frühzeitig  Gelegen- 
heit hatte,  sich  für  seinen  künftigen  Beruf  zu  interessiren.  Nachdem  er  das 
Stuttgarter  Gymnasium  besucht,  auf  der  dortigen  polytechnischen  Schule  seine 
mathematischen  Kenntnisse  vervollständigt  und  sich  im  praktischen  Forstdienst 
etwas  umgesehen  hatte,  studirte  er  1838 — 1840  in  Tübingen,  wo  er  der 
Burschenschaft  angehörte,  Forst-  und  Naturwissenschaften,  und  1840/41  in 
Hohenheim  Forst-  und  Landwirthschaft,   war  1841/42  Praktikant  beim  Forst- 


288  Nördlinger. 

amt  Bebenhausen    und    erstand  1842    das  Staatsexamen.     Alsbald    erhielt  er 
einen  Ruf  als  Professor  der  Forstwirthschaft    an   die  ficole  Regionale  d*Agri- 
culture  de  Grand- Jouan  in  der  Bretagne  (Departement  Loire-Inf(^rieure).    Ehe 
er  seine  neue  Stelle  antrat,  hielt  er  sich  ein  Semester  in  Nancy  zum   Besuche 
der  dortigen  Forstschule    und    kurze   Zeit  in  Paris   auf.     Von  Frühjahr   1843 
bis  Herbst  1845  lehrte  N.  in  Grand- Jouan,  zugleich  seinen  französischen  Auf- 
enthalt   zu   wissenschafdichen  Reisen  im  Lande  benutzend.     Dann  übernahm 
er  die  zweite  forstwirthschaftliche  Professur  an  der  württembergischen  Akademie 
Hohenheim.     Nachdem    er    hierauf   einige  Jahre    im    praktischen  Staatsforst- 
dienste   zu  Oberstenfeld,    Kirchheim    unter    Teck    und  Schorndorf    verbracht 
hatte,   kehrte  er  1855    als  erster  forstwirthschaftlicher  Professor  nach   Hohen- 
heim zurück,    mit  welchem  Posten   die  Verwaltung    des  dortigen  Forstreviers 
verbunden  war.    Sein  Lehrauftrag  erstreckte  sich  auf  Forstbotanik,  Forstschuu, 
Forsteinrichtung  und  Staatsforstwirthschaftslehre.   In  den  beiden  erstgenannten 
von  ihm  bevorzugten  Fächern  leistete  er  besonders  Bedeutendes.    1866  erhielt 
er    den  Titel    eines  Forstraths.     An    der  Agitation  zu  Gunsten  der  Rückver- 
legung   des  Forststudiums    nach  Tübingen    nahm    er    lebhaften   Antheil    und 
siedelte,  als  dieses  Ziel  erreicht  war,    1881    dorthin   als   ordentliches  Mitglied 
der  staatswissenschaftlichen  Facultät  über.     1887    trat  er  vorgerückten  Alters 
wegen    als  Oberforstrath    in    den  Ruhestand,    behielt  jedoch  noch   bis    1891 
einen  Theil    seines  Lehrauftrags  bei.     Seine  geistigen  Kräfte  zerfielen   in  den 
letzten  Jahren,    und  er  fiel  schwerem   Siechthum  anheim;    ausserdem    trübte 
Familienunglück   seinen    Lebensabend.      Er    wurde    am    22.  Januar    1897    in 
Tübingen    mit  academischem  Gepränge  zu  Grabe  getragen.     Auch  im   Leben 
hatte    er  Ehrungen    in   Fülle    erfahren.     Schon  1851    hatte  ihn  die  Tübinger 
Hochschule    zum    naturwissenschaftlichen    Doctor    creirt.      Orden,    Mitglied- 
schaften   gelehrter  Gesellschaften    kamen   hinzu.     Er  war  femer    langjähriger 
Präsident   des   württembergischen  Forstvereins  und  spielte  auf  den  Versamm- 
lungen   deutscher  Forstmänner,    die    ihm   wiederholt  den  Vorsitz  übertrugen, 
eine  Rolle.     N.  hat  eine  emsige  literarische  Thätigkeit  entfaltet.    Als  Früchte 
seines  französischen  Aufenthaltes    erschienen  1845   »Memoire  sur  les  essences 
foresti^res  de  la  Bretagne«    und   1847    »Essai  sur  les  formations  göologiques 
de  Grand- Jouan«.     Seine  deutschen  Werke  zerfallen  in  4  Gruppen,     i.    1860 
gab    er    »Die    technischen   Eigenschaften    der  Hölzer«    heraus,    welches  Buch 
seinen  wissenschaftlichen  Ruf  begründet  hat.     Auf  diesem  Gebiete  wirkte  er 
bahnbrechend.     Bei  verhältnissmässig  beschränkten  Mitteln  sammelte  und  be- 
arbeitete   er    mit    unermüdlichem  Fleiss    ein   grosses  Material.     Er   veröffent- 
lichte mehrere  Sammlungen  von  Querschnitten   in-  und  ausländischer  Hölzer, 
so  namentlich    »Querschnitte  von  500  Holzarten«    (1852 — 1888,    11  Bände). 

2.  Ebenso  Bedeutendes  leistete  er  im  Fache  der  Forstbotanik.  Hierher  ge- 
hören folgende  Arbeiten:  »Der  Holzring  als  Grundlage  des  Baumkörpers« 
(1871),  »Deutsche  Forstbotanik«  (1874/76,  2  Bände),  sein  umfassendes  Haupt- 
werk auf  diesem  Feld,  »Anatomische  Merkmale  der  wichtigsten  deutschen 
Wald-  und  Gartenholzarten«  (1881),  »Die  gewerblichen  Eigenschaften  der 
Hölzer«  (1890),  eine  gedrängte  Zusammenfassung   seiner  bezüglichen  Studien. 

3.  Als  ausgezeichneten  Kenner  der  Entomologie  bewährte  sich  N.  in  nach- 
stehenden Schriften:  »Die  kleinen  Feinde  der  Landwirthschaft«  (1855,  2.  Auf- 
lage 1869),  »Nachträge  zu  Ratzeburg's  Forstinsecten  (Lebensweise  von  Forst- 
kerfen)« (1856,  2.  Auflage  1880),  »Die  Kenntniss  der  wichtigsten  kleinen 
Feinde   der  Landwirthschaft«    (187 1,    2.  Auflage    1884).     4.    »Lehrbuch  des 


Nördlinger.     SSxinger.  280 

Forstschutzes«  (1884),  ein  stark  angefochtenes  Werk.  Ausserdem  gab  er 
1860 — 1870  die  »Kritischen  Blätter  für  Forst-  und  Jagd  Wissenschaft«  heraus, 
deren  Spalten  er  vorzugsweise  mit  eigenen  Artikeln  füllte.  N.'s  grosse  wissen- 
schaftliche Bedeutung  gehört  mehr  einer  vergangenen  Zeit  an,  und  seine 
Leistungen  sind  in  der  Gegenwart  bereits  überholt. 

Forstrath   Graner   in   Forstwissenschafüiches   Centralblatt  (Juni)  1897,   S.  291  —  297, 
Allgemeine  Forst-  und  Jagdieitung  (Mai)  1897,  S.  182  f.,  Conversationslexica. 
Werke  u.  Schriften  s.  Börsenbl.  f.  d.  deutschen  Buchhandel  1897,  No.  27. 

Rudolf  Krauss, 

Säxinger,  Johann  (von),  Dr.,  Gynäkologe,  ♦am  18.  Mai  1835  ^^  Aussig 
in    Böhmen,  f  am  30.  März  1897   in  Tübingen.  —  Als  Sohn  eines  Arztes  fasste 
er    frühzeitige  Neigung  zu  diesem  Beruf  und  studirte,    nachdem   er  die  Gym- 
nasien zu  Schlackenwerth  und  Prag-Kleinseite  durchlaufen  hatte,  1854 — 1859 
Medicin    an  der  Prager  Universität.     Dann  wurde  er  auf  verschiedenen  Ab- 
theilungen des  dortigen  allgemeinen  Krankenhauses  Assistent,  später  Secundär- 
arzt    und  ging  schliesslich  als  Assistent  des  genialen  Gynäkologen  Seyfert  an 
die  geburtshilfliche  Klinik  über.     Damals  machte  er  seinen  Namen  in  wissen- 
schaftlichen Kreisen    durch  zahlreiche  Publicationen  in  Fachzeitschriften   vor- 
theilhaft  bekannt.     1862  vermählte  er  sich  mit  der  den  Gatten  überlebenden 
Rosa  Trinks  aus  Prag;  die  Ehe  blieb  kinderlos.     1866  wurde  er  Assistent  an 
der    geburtshilflichen   Klinik    für  Aerzte.     Hier  erwarb   er  sich  reiche  Erfah- 
rung   und    grosse   technische   Gewandtheit  in   seinem  Fach    und  bildete  sich 
zum    beliebten    akademischen    Lehrer    aus.      Junge    württembergische   Aerzte 
pflegten    sich   damals    nach  Beendigung  ihrer  eigentlichen  Studien  nach  Prag 
zu  begeben,   um  noch  dort  einen  geburtshilflichen  Kurs  durchzumachen.     So 
wurde  man  im  Schwabenland  auf  S.  aufmerksam,  und  als  1868  die  Professur 
der    Geburtshilfe    und    Vorstandschaft    der    geburtshilflichen    Klinik    an    der 
Tübinger    Universität    erledigt   wurde,    erhielt    der   junge    böhmische  Docent 
diese  Stelle,    zunächst    als    ausserordentlicher  Professor,    schon    seit  1869  als 
Ordinarius.  S.  hatte  in  seinem  neuen  Wirkungskreise  Gelegenheit,  sein  organisato- 
risches Geschick   zu  zeigen.     Die  geburtshilfliche  Klinik  war  äusserst  primitiv 
eingerichtet,    die  gynäkologische  erst  im  Entstehen  begriifen.     Das  alte,  bau- 
fällige Haus  wies  die  schlimmsten  sanitären  Mängel  auf,  und  eine  fortgesetzte 
Puerperalfieberepidemie    wüthete    darin.     Der  Energie  S.'s  gelang  es  schliess- 
lich, befriedigende  Gesundheits Verhältnisse  herzustellen,  so  dass  am  26.  Septem- 
ber 1886  die  tausendste  Wöchnerin  entlassen  werden  konnte,  ohne  dass  eine 
in  dieser  langen  Reihe    dem  Fieber  zum  Opfer  gefallen  war.     Doch   genügte 
das    alte  Clinicum    nicht  lange   mehr  dem   stätigen  Zuwachs   an   Gebärenden 
und  Kranken.    So  erstand  nach  S.'s  Angaben  ein  prächtiger  Neubau,  der  1890 
bezogen   wurde,  die  sogenannte  k.  Universitäts-Frauenklinik,   deren  gynäkolo- 
gische und  geburtshilfliche  Abtheilungen  zusammen  135  Betten  hatten.    Durch 
sein    freundliches,    leutseliges  Wesen    machte   sich  S.  bei  seinen  Patientinnen 
sehr  beliebt.     Als  Lehrer  war  er  nicht  weniger  geschätzt.     Für  seine  Wissen- 
schaft begeistert,  wusste  er  auf  seine  Schüler  begeisternd  zu  wirken.     Er  ver- 
fügte   über  einen   klaren,    fliessenden  Vortrag.     Er  war  ein  vorzüglicher  Dia- 
gnostiker  und    besass    jene  Sicherheit    des    Urtheils,    die    allein    aus    grosser 
Erfahrung    hervorgeht.     Bei    allem   Geschick    im  Operiren    vermied    er  doch 
jedes    vorzeitige    und    überflüssige    operative  Eingreifen.     Er    war  im   ganzen 
conservativ  und  hielt  sich  an  die  festen  Regeln  der  Prager  Schule  fiir  geburts- 

Biogr.  Jahrb.  a.  DeuUcher  Nekrolog.    2.  Bd.  X  Q 


200  Säxinger.     StraubenmüUer. 

hilfliches  Handeln.  Die  Wichtigkeit  dieser  machte  er  auch  seinen  Schülern 
einleuchtend,  deren  Erfahrung  und  Anschauung  er  mit  der  grössten  Liberalität 
förderte,  und  die  er  so  hauptsächlich  zu  tüchtigen  Praktikern  heranzog.  Er 
selbst  trat  litterarisch  nur  noch  mit  einigen  kleineren  Arbeiten  hervor.  Seine 
Absicht,  eine  geburtshilfliche  Operationslehre  erscheinen  zu  lassen,  wurde  nicht 
ausgeführt.  Doch  wurde  das  wissenschaftliche  Material  seiner  Klinik  in  vielen 
Dissertationen  von  Schülern  und  in  Arbeiten  von  Assistenzärzten  verwerthet 
S.  war  lange  Jahre  Mitglied  des  academischen  Verwaltungsausschusses,  Vor- 
stand der  medicinischen  Prüfungscommission,  1882/83  Rector  magnificus, 
zuletzt  Senior  seiner  Facultät.  Durch  Ordensverleihungen  und  andere  Ehrun- 
gen fand  sein  Wirken  Anerkennung.  November  1893  feierte  er  das  Jubiläum 
seiner  ftinfundzwanzigjährigen  Lehrthätigkeit  in  Tübingen.  Um  das  geseüige 
Leben  des  Universitätsstädtchens  erwarb  er  sich,  namenüich  als  Vorstand  der 
Museumsgesellschaft,  Verdienste.  Im  März  1897  wurde  der  scheinbar  kern- 
gesunde Mann  von  einer  Bauchfellentzündung  befallen,  der  er  binnen  1 4  Tagen 
erlag.  Die  irdischen  Reste  wurden  nach  Prag  gebracht  und  in  der  dortigen 
Familiengruft  beigesetzt. 

HaafT  in  Medicinisches  Correspondenzblatt  des  Wttrttembergischen  äntlicheo  Landes* 
Vereins,  Bd.  LXVII  (1897),  No.  37,  S.  337— 341  (mit  Bildniss),  Schwabische  Kronik  Tom 
5.  April  1897  (Abendblatt). 

Rudolf  Krauss. 

StraubenmüUer,  Johann,  Schulmann  und  Dichter,  *  am  1 1 .  Mai  1 8 1 4  zu 
Schwäbisch  Gmünd,  f  Anfangs  November  1897  zu  New-York.  —  Das  zwölfte 
Kind  eines  Handwerkers,  wurde  er  für  den  Lehrerstand  bestimmt.    Nach  Ab- 
solvirung  des  katholischen  Schullehrerseminars  amtete  er  zu  Ellwangen,  Stutt- 
gart, Gmünd  und  Horb.     Bald    nahm    er  an  der  politischen  Bewegung  theil 
und  verlieh  in  Gedichten,  die  namentlich  durch  Hermann  Kurz*  Vermittelung 
in  Lewald's  Europa,  doch  auch  in  sonstigen  Tagesblättem  Aufnahme  fanden, 
seinen  Gesinnungen  lebhaften  Ausdruck.    Es  ging  sogar  das  (rerücht,  er  rüste 
eine  Freischaar    aus,    mit    der    er    sich    am   badischen  Aufstande   betheiligen 
wolle.     So  wurde  ihm  der  Process  gemacht,    der  damit  endigte,    dass  er  zur 
Auswanderung    »begnadigt«    wurde.     Vergebens  bemühten  sich  CJönner  St. 's, 
ihm  eine  Stelle   in  der  Schweiz  zu  verschaffen.     Als  ihm  eine  Unterkunft  an 
einer    Stuttgarter    Lehranstalt    in    Aussicht    stand,    hinderte    es    der    Minister 
Duvemoy  mit  der  Erklärung,  solange  der  StraubenmüUer  im  Lande  sei,  gebe 
es  keine  Ruhe.     So    musste    er   sich  zur  Uebersiedelung    nach  Amerika  ent- 
schliessen,    die    er    1852    mit  Weib  und  Kind  bewerkstelligte.     Er  erhielt  in 
Baltimore  den  Posten  eines  Lehrers  und  Organisten  der  St.  Michaelsgemeinde. 
1863    wurde    er  Director    der    »Freien  deutschen  Schule«    in  New-York.     Je 
Weniger  er  seine  Ideale  in  Amerika  verwirklicht  fand,  mit  desto  treuerer  Liebe 
hing  er  an  seiner   alten  Heimat.     Er    wirkte    darum    nach   Kräften    für    Ver- 
breitung deutscher  Sprache  und  Sitte  in  Nordamerika.    Als  Dichter  gehörte  er 
zu  den  bescheidenen  Talenten.   Er  veröffentlichte  1848  »Gedichte  für  Lehrer^, 
1851   »Kinderlieder«  (mit  eigenen  Compositionen),   1859  die  erzählende  Dich- 
tung »Pocohontas,  oder:  Die  Gründung  von  Virginien«,    1867    »Gedichte  fiir 
die  liebe  Jugend«  und  1889  gesammelte  Gedichte  unter  dem  Titel  »Herbst- 
rosen«. 

Franz  Brilmmer,  Lexicon  der  deutschen  Dichter  und  Prosaisten  des  19.  Jahrhunderts, 
4.  Aus       e,  IV,  S.  164  f.,  zerstreute  Zeitungsnotizen. 

Rudolf  Krauss. 


Freiherr  von  Reitzenstcin. 


291 


Rdtzenstein,  Friedrich  Freiherr  von,  *  am  26.  März  1834  in  Berlin, 
f  am  4.  Februar  1897  im  63.  Lebensjahre  zu  Freiburg  i.  B.  —  Ein  Mann, 
der  sich  durch  seine  Bestrebungen  auf  gemeinnützigem  Gebiete  ein  unver- 
gängliches Verdienst  erworben  hat.  R.  ward  als  Sohn  des  Majors  Freiherm 
Karl  von  Reitzenstein  geboren,  besuchte,  nachdem  er  die  Reifeprüfung  am 
Gymnasium  schon  mit  16  Jahren  bestanden,  die  Universitäten  Berlin  und  Halle, 
war  als  Referendar  bei  der  Regierung  in  Königsberg  thätig,  desgleichen 
längere  Zeit  als  Assessor,  bis  er  zum  zweiten  Bürgermeister  dieser  Stadt  ge- 
wählt wurde,  wo  er  reiche  Gelegenheit  zu  einem  verdienstvollen  Wirken 
fand.  In  dieser  konmiunalen  Stellung  verheirathete  sich  R.  mit  der  Freiin 
Claudia  von  Reitzenstein  aus  München.  Nach  dem  deutsch -französischen 
Kriege  wurde  er  als  Ober-Regierungsrath  nach  Metz  berufen  und  in  Anerkennung 
seiner  besonderen  Bewährung  unter  schwierigen  politischen  Verhältnissen  im 
Jahre  1877  zum  Bezirkspräsidenten  von  Lothringen  ernannt.  Von  diesem  Amte 
trat  er  jedoch  bereits  nach  drei  Jahren  aus  Gesundheitsrücksichten  zurück,  um 
sich  nunmehr  dauernd  in  Freiburg  i.  B.  niederzulassen  und  dort  bis  zu  seinem 
Ableben  ganz  in  den  Dienst  wissenschaftlicher  und  praktischer  Untersuchungen 
auf  dem  Gebiete  der  öffentlichen  Wohlfahrtspflege  zu  stellen. 

In  besonders  hervorragender  Weise  widmete  er  seine  Zeit  und  Kraft  den 
Bestrebungen  des  »Deutschen  Vereins  für  Armenpflege  und  Wohlthätigkeit«, 
dessen  erster  stellvertretender  Vorsitzender  er  bis  zu  seinem  Tode  war,  des- 
gleichen als  Ausschussmitglied  dem  »Verein  für  Socialpolitik«.  Er  gab  den 
ersten  Anstoss  zu  der  1892  erfolgten  Gründung  der  »Arbeitsnachweis-Anstalt« 
in  Freiburg  i.  B. ;  auch  ihrem  Vorstande  gehörte  er  bis  zuletzt  an.  Ausserdem 
war  er  Mitglied  des  evangelischen  Kirchengemeinderaths,  des  evangelischen 
Arbeitervereins,  des  Arbeiterbildungsvereins,  des  Vereins  gegen  Haus-  und 
Strassenbettel,  der  Herberge  zur  Heimath,  des  Schutzvereins  flir  entlassene 
Strafgefangene  u.  a.  m.  (sämmtlich  zu  Freiburg  i.  B.). 

R.  war  ein  Mann  von  unermüdlicher  Schaffenskraft ;  selbst  während  seines 
Lebensabends  beschäftigte  er  sich  ununterbrochen  mit  ernsten,  vielfach  grund- 
legenden wissenschaftlichen  Arbeiten,  die  ihn  bald  in  die  Reihe  der  Führer 
auf  dem  Gebiete  der  Wohlfahrtspflege  und  Socialpolitik  führten. 

Von  seinen,  vorwiegend  in  fachlichen  und  wissenschaftlichen  Sammel- 
werken erschienenen  zahlreichen  Schriften  heben  wir  folgende  hervor: 

1.  Die  Armengesetzgebung  Frankreichs  in  den  Gnindzügen  ihrer  historischen  Ent- 
wickelung.  Leipzig  1881.  (Sonderabdruck  aus  dem  Jahrbuche  für  Gesetzgebung,  Ver- 
waltung und  Volkswirthschaft.) 

2.  Agrarische  Zustände  in  Frankreich  und  England.  Auf  Grund  der  neuen  Enqueten 
dargestellt  von  F.  Frhr.  v^  Reitzenstein  und  Erwin  Nasse.  Leipzig  1884.  (A.  u.  d.  T.: 
Schriften  des  Vereins  für  Socialpolitik,  Bd.  XXVU.) 

3.  Die  ländliche  Armenpflege  und  ihre  Reform.  Verhandlungen  des  deutschen  Ver- 
eins für  Armenpflege  und  Wohlthätigkeit,  sowie  der  von  ihm  niedergesetzten  Kommission. 
Im  Auftrage  des  Vereins  und  der  Kommission  herausgegeben  von  F.  Frhr.  y.  Reitzenstein. 
2  Theile  und  Anhang  in  i  Bande.     Freiburg  i.  B.  1887. 

4.  Beschäftigung  arbeitsloser  Armer  und  Arbeitsnachweis.     Freiburg  i.  B.  1887. 

5.  Das  deutsche  Wegerecht  in  seinen  Grundzügen.  Mit  Erweiterungen  versehener 
Abdruck  aus  »Stengel,  Wörterbuch  des  deutschen  Verwaltungsrechts«.  Freiburg  i.  B.  1890. 
Dasselbe,  zweite  mit  einem  Nachtrag  versehene  Ausgabe.     Ebenda  1892. 

6.  Arbeiterversicherung,  Armenpflege  imd  Armenreform.  Sondergutachten  über  die 
Präge:  In  welcher  Weise  wirkt  die  neue  soziale  Gesetzgebung  auf  die  Armengesetzgebung 
und  Armenpflege  ein?  zu  dem  von  Freund  dem  deutschen  Verein  für  Armenpflege  etc. 
erstatteten  Referate  verfasst.     Freiburg  i.  B.  1895. 

19* 


202  Freiherr  von  Reitzenstein.     Bardey. 

Die  letzten  beiden  Lebensjahre  lÄidmete  der  Verstorbene  vorwiegend  der 
Frage  des  Arbeitsnachweises,  für  die  er  ein  ungewöhnlich  reiches  Material 
gesammelt  hatte.  Das  Ergebniss  dieses  Studiums  erschien  nach  seinem  Tode 
unter  dem  Titel: 

7.  Der  Arbeitsnachweis.  Seine  Entwickelung  und  Gestaltung  im  In-  und  Auslände. 
Nach  dem  Tode  des  Verfassers  herausgegeben  von  Dr.  Rieh.  Freund.  Berlin  1897.  (.t 
u.  d.  T.:  Schriften  der  Centralstelle  für  Arbeiter- Wohlfahrtseinrichtungen,  No.  ii.) 

Zu  erwähnen  wären  auch  noch  die  seit  1891  von  Reitzenstein  mündlich 
zu  Beginn  der  Jahresversammlungen  des  Deutschen  Vereins  für  Armenpflege 
und  Wohlthätigkeit  erstatteten,  sodann  am  Eingange  der  Verhandlungen  (zu- 
letzt für  1895)  abgedruckten  Berichte  über 

8.  »Die  neueren  Entwickelungen  und  Bestrebungen,  welche  im  Gebiete  des  Armefi- 
Wesens   bei  den  für  Deutschland  wichtigsten  Staaten  des  Auslandes  hervorgetreten  sind.« 

Auch  in  dem  Dresdener  »Helfer«,  sowie  in  der  dortigen  »Social-Cor- 
respondenz«  finden  wir  viele  Beiträge  von  ihm. 

Die  Tübinger  staatswissenschaftliche  Fakultät  ernannte  Fr.  v.  R.  188S 
im  Hinblick  auf  die  wissenschaftliche  Bedeutung  seiner* Arbeiten  zum  Ehren- 
doktor. Auch  sonstige  hohe  Auszeichnungen  wurden  ihm  zu  TheiJ.  Sein 
Andenken  wird  in  den  weitesten  Kreisen  treu  bewahrt  bleiben. 

E.  Blenck. 

Bardey,  Ernst,  Dr.,  ein  in  weiten  Kreisen  bekannter  Schulmathematiker, 
♦  am    21.  Mai  1828    im  Pfarrdorfe  Muchow  (Amt  Neustadt  in  Mecklenburg- 
Schwerin),  f  am  I.  April  1897  in  Bad  Stuer  (in  Mecklenburg)  im  69.  Lebenv 
jähre.  —  B.,  Sohn  des  Pastors  seines  Geburtsortes,  absolvirte  das  Gymnasium 
zu  Parchim  und  studirte  dann,    ganz  mittellos    und  untei:    den  grössten  Ent- 
behrungen, nur  auf  Privatstunden,  Konvikt  imd  Stipendien  angewiesen  —  der 
Vater  war  früh  gestorben  —  von  Ostern   1849  ^^^  1852  in  Rostock  und  von 
Ostern  1852  bis  1855    in  Königsberg,    wo    Richelot    und  Hesse  Mathemad't 
und    Neumann    Physik    lehrten.      Schwer    an    Gelenkrheumatismus    erkrankt, 
reiste  er  April  1855  ganz  gelähmt  nach    der  von  seinem  Bruder  verwalteten 
Kalt  Wasseranstalt  Stuer,    später  nach  seinem  Heimathsorte,    wo   er  bis  1861 
krank   darniederlag.      Seinen    einst    kräftigen  Körper    vermochte    er    nur    an 
Krücken  mühsam  fortzuschleppen.    Als  sich  sein  Zustand  etwas  gebessert  hatte, 
nahm  er  eine  Hauslehrerstelle,    erst  in  Neu-Stuer,    dann  in  Hoppenrade  bei 
Schwerin  an.     Später  ging  er  von  da  als  Privatlehrer  nach  Brandenburg  a./H., 
wo  ein  anderer  Bruder  als  Zahnarzt  ansässig  war.     Während  seines  dortigen 
Aufenthalts    erschienen    bei  B.  G.  Teubner    in   Leipzig    seine    »Algebraischen 
Gleichungen«  (1868),    seine  »Methodisch   geordnete  Aufgabensammlung  über 
alle     Theile    der    Elementar- Arithmetik«     (187 1)     und     seine     »Quadratische 
Gleichungen«  (187 1).      B.  fand    in  Brandenburg    durch  Privatstunden    seinen 
guten  Unterhalt,  zumal  ihm  seine  Bücher  auch  damals  schon  etwas  Honorar 
einbrachten.     Doch    wurde    durch    die  angestrengte  Arbeit  sein  Gesundheits- 
zustand wieder  merklich  schwächer;  er  siedelte  deshalb  im  Juni  1878  wieder 
nach    Bad  Stuer  über  und    lebte    nur    seinen  Büchern.     Im  Jahre  i88i  gab 
er  noch    seine    »Arithmetischen  Aufgaben    nebst    Lehrbuch    der  Arithmetik« 
heraus.     Seine  Verhältnisse  waren  jetzt  so,  dass  er  ganz  ohne  pekuniäre  Sorgen 
leben  konnte.      Trotz   des  gebrechlichen  Körpers    hat    B.    es    dann    auf  ein 
Lebensalter  von  69  Jahren  gebracht,  die  letzten  zehn  allerdings  wieder  unter 
traurigen  körperlichen  und  auch  geistigen  Verhältnissen. 


Bardey.     Joest  203 

Seinen  Ruf  als  Schulmathematiker  hat  B.  durch  seihe  beiden  arithme- 
tischen Aufgabensammlungen  begründet.  Die  grosse  »Methodisch  geordnete 
Aufgabensammlung«  ist  gegenwärtig  in  23,  die  kleinere  Ausgabe  in  10  Auf- 
lagen an  einem  grossen  Theile  der  höheren  Schulen  Deutschlands  verbreitet; 
die  früher  vielgebrauchten  und  berühmten  Sammlungen  von  Meier  Hirsch  und 
Heis  sind  durch  diese  zu  einem  guten  Theil  verdrängt.  Ihr  wesentiicher  Vor- 
zug bestand  darin,  dass  sie  mehr  als  jene  plan-  und  stufenmässig  vom  Leichten 
zum  Schwierigen,  vom  Einfachen  zum  Verwickelten  fortschreiten.  Ohne 
Zvreifel  hat  B.,  obgleich  ganz  ausserhalb  des  öfFentiichen  Schuldienstes  stehend, 
einen  grossen  Einfluss  auf  den  Unterricht  in  der  Arithmetik  und  Algebra 
Vfc'ährend  der  letzten  drei  Jahrzehnte  ausgeübt,  und  in  einer  Geschichte  des 
mathematischen  Unterrichts  wird  sein  Name  immer  mit  Ehren  genannt 
werden. 

Vgl.  Hoffmann's  Zeitschrift  für  mathematischen  und  naturwissenschaftlichen  Unterricht 
1897,  28.  Jahrg.,  5.  Heft,  S.  392—395  und  1898,  29.  Jahrg.,  4.  Heft,  S.  241—259,  mit  Portr. 

W.  Wolkenhauer. 

Joest,  Wilhelm,  Professor,  Dr.,  Ethnolog  und  Forschungsreisender,  ♦  am 
15.  März  1852  zu  Köln  als  Sohn  des  Geh.  Kommerzienraths  Eduard  Joest, 
f  am  25.  November  1897  auf  der  zu  Melanesien  gehörigen  Santa  Cruz-Insel 
im  besten  Mannesalter.  Im  Mai  1897  hatte  er  Berlin  verlassen,  um  auf  drei- 
jährigen Reisen  weniger  bekannte  Inseln  des  Grossen  Ozeans  zu  besuchen. 
Da  kam  noch  vor  Schluss  des  Jahres  die  traurige  Kunde,  dass  er  auf  den 
Santa  Cruz-Inseln,  im  Norden  der  Neuen  Hebriden,  einem  Herzschlag  er- 
legen sei. 

Nach  Ablegung  des  Abiturientenexamens  trat  J.  als  Freiwilliger  in  das 
Königshusarenregiment  zu  Bonn  ein,  um  in  diesem  1870  den  Krieg  gegen 
Frankreich  mitzumachen.  Seinen  Neigungen  folgend  studirte  er  nach  Beendi- 
gung des  Krieges  in  Bonn,  Heidelberg  und  Berlin  Naturwissenschaften  und 
Sprachen,  wobei  schon  damals  seine  Vorliebe  für  Länder-  und  Völkerkunde 
sich  zeigte.  Da  ihm  die  grossen  Mittel  seines  Vaters  die  freiste  Bewegung 
gestatteten,  so  ging  er  nach  beendigten  Studien  auf  Reisen,  die  ihn  nach 
allen  Erdtheilen  führten  und  auf  denen  er  sich  zu  einem  tüchtigen  Ethno- 
graphen ausbildete.  J.'s  erste  grosse  Reise  (1874)  war  Aegypten  und  anderen 
afrikanischen  Mittelmeerländern  zugewandt.  Von  1876  bis  1879  besuchte  er 
dann  Nordamerika,  Kanada,  Mexiko,  Mittelamerika,  Peru,  Bolivia,  die  Ata- 
camawüste,  Chile,  die  Magellanstrasse,  Buenos-Aires,  ging  über  die  Kordilleren 
nach  Valparaiso  und  Santiago  und  wieder  zurück  nach  Buenos-Aires;  es 
folgten  Uruguay,  Paraguay  und  Rio  Grande  do  Sul  mit  seinen  deutschen  An- 
siedelungen. Ueber  Rio  de  Janeiro  und  Pemambuco  kehrte  J.  1878  nach 
Europa  zurück.  Kaum  hatte  er  in  der  Heimat  seine  ethnographischen  und 
naturwissenschaftlichen  Sammlungen  geordnet,  als  er  seine  zweite  Reise  an- 
trat, die  nach  Asien  gerichtet  war.  Er  begab  sich  zuerst  nach  Ceylon,  durch- 
reiste dann  Indien  bis  zum  Himalaya,  begleitete  das  britische  Heer  1879  ^^^ 
dessen  Feldzuge  nach  Afghanistan,  ging  nach  Birma  und  Siam,  beschäftigte 
sich  auf  Bomeo,  Ceram,  Celebes  mit  dem  Studium  der  wilden  Völkerstämme, 
wohnte  dem  Kriege  der  Holländer  gegen  Atschin  bei,  durchreiste  Kambodscha 
und  die  Philippinen  und  lebte  längere  Zeit  auf  Formosa.  Von  Peking  aus 
unternahm  er  dann  einen  Ausflug  in  die  Mongolei,  besuchte  Japan  und  kehrte 
1881  vom  russischen  Hafen  Wladiwostok  durch  die  Mandschurei,  Mongolei 
und  durch  Sibirien  nach  Köln  zurück.     Die  Berichte,  die  J.  von  den  einzelnen 


294  Joest.     Baumgarten. 

Haltestellen  auf  seiner  Weltreise  in  die  Heimat  schickte  (zum  grossen  TheÜ 
in  der  »Kölnischen  Zeitung«  erschienen),  machten  ihn  rühmlich  bekannt-  Den 
letzten  Abschnitt  seiner  Weltreise  schilderte  er  in  dem  Buche  »Aus  Japan 
nach  Deutschland  durch  Sibirien«  (Köln  1883)  ^^  lebendigen  Farben  und  oft 
mit  kräftigem  Humor,  dabei  häufig  eine  scharfe  Kritik  übend.  Mit  seiner  Studie 
»Das  Holontalo,  Gossen  und  grammatische  Skizzen.  EÜn  Beitrag  zur  Kennt- 
niss  der  Sprachen  von  Celebes«  (1884)  erwarb  er  sich  noch  nachträglich 
1883  in  Leipzig  den  philosophischen  Doktortitel. 

Nachdem  J.  während  des  Winters  1882/83  unter  Bastian's,  KJepert's 
und  Virchow's  Leitung  seine  wissenschafdichen  Kenntnisse  noch  durch  ein- 
gehende Studien  ergänzt  hatte,  trat  er  Ende  1883  seine  dritte  Reise  an. 
Afrika  und  die  Südsee-Inseln  waren  sein  Ziel.  Nachdem  er  zunächst  Madeira, 
dann  ein  Jahrlang  das  südliche  und  östliche  Afrika  bereist  hatte,  zwangen 
ihn  fortwährende  heftige  Fieberanfalle,  seine  Südseereise  vorerst  aufeugeben. 
Seine  von  dieser  Reise  an  die  »Kölnische  Zeitung«  gerichteten  und  Aufeehen 
erregenden  Berichte  erschienen  überarbeitet  und  erweitert  1885  unter  dem 
Titel  »Um  Afrika«  als  ein  selbständiges  Buch. 

Es  entstand  nun  eine  längere  Pause  in  den  Reisen  J.*s.  Im  März  18S5 
verheirathete  er  sich  und  nahm  seinen  Wohnsitz  in  Berlin,  wo  er  sich  ein 
neues  prächtiges  Haus  einrichtete,  das  er  mit  dem  kunstgewerblichen  Theile 
seiner  gesammelten  Schätze  in  einer  so  originellen,  aber  gefalligen  und  an- 
heimelnden Weise  ausschmückte,  dass  seine  Wohnung  zugleich  einem  kleinen 
Museum  glich.  Den  grössten  Theil  seiner  ethnographischen  Sammlung 
schenkte  er  an  die  Museen  in  Berlin,  Dresden,  Karlsruhe,  Braunschweig, 
Leyden,  Kopenhagen  u.a.  Er  selbst  widmete  sich  nun  vor  allem  der  wissen- 
schafUichen  Bearbeitung  seiner  eingeheimsten  Schätze.  Von  seinen  selbst- 
ständigen Werken  seien  hier  noch  folgende  aufgeführt,  zunächst  das  grosse 
Prachtwerk  »Tätowiren,  Narbenzeichnen  und  Körperbemalen«  (Berlin  1887); 
es  folgten  dann:  »Die  aussereuropäische  deutsche  Presse,  nebst  einem  Ver- 
zeichniss  sämmtlicher  ausserhalb  Europas  erscheinenden  deutschen  Zeitungen 
und  Zeitschriften«  (Köln  1888);  »Spanische  Stiergefechte.  Eine  kulturge- 
schichtliche Skizze«  (Berlin  1889);  »Weltfahrten«  (3  Bände,  Berlin  1895),  ^^"^ 
Sammlung  von  wissenschaftlichen  Aufsätzen,   meist   ethnographischen  Inhalts. 

Im  Beginne  des  Jahres  1889  unternahm  J.  abermals  eine  grössere  Reise, 
die  ihn  noch  einmal  nach  Südamerika,  und  zwar  nach  Guayana,  fuhren  sollte. 
Die  von  dieser  Reise  mitgebrachten  reichen  Sammlungen  schenkte  er  wieder 
dem  Berliner  Museum  für  Völkerkunde,  die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  legte 
er  in  der  Schrift  »Ethnographisches  und  Verwandtes  aus  Guyana«  (Leyden 
1893)  nieder.  Von  seiner  letzten  Reise  sollte  er  nicht  zurückkehren;  zu  früh 
für  die  Wissenschaft  ist  er  auf  jener  einsamen  Südseeinsel  von  uns  geschieden. 
Zumal  die  deutschen  ethnographischen  Sammlungen  sind  J.  zu  grossem  Dank 

verpflichtet. 

Vgl.  Globus,  LXXIII.  Bd.,  1898,  mit  Porträt;  ferner  Deutsche  Rundschau  für  Geogr. 
u.  Statistik,  1887,  IX,  mit  Porträt. 

W.  Wolkenhauer. 

Baumgarten,  Johannes^  Dr.,  Professor  am  Gymnasium  in  Koblenz, 
♦  am  29.  September  1829  zu  Aachen,  f  am  22.  April  1897  daselbst  im 
Alter  von  75  Jahren.  —  Er  galt  für  einen  der  besten  Kenner  der  französi- 
schen Sprache  und  Literatur.  B.  studirte  in  Bonn  und  war  dann  längere 
Zeit   in  Belgien    und  Frankreich;    1859  ward  er  Lehrer  am  Koblenzer  Gytn- 


Baumgarten.     Liebenow.     Wolter.  ^oe 

nasium.  B.  war  schriftstellerisch  ausserordentlich  thätig.  Von  seinen  sprach- 
lichen Arbeiten  sind  zu  nennen:  Glossaire  des  idiomes  populaires  du  Nord  et 
du  Centre  de  la  France;  La  France  comique  et  populaire;  Anthologie  poly- 
technique  et  militaire;  Les  Myst^res  comiques  de  la  province;  La  France 
contemporaine ;  A  travers  la  France  nouvelle;  La  France  qui  rit  u.  a.  Auch 
mehrere  Reiseschilderungen  und  Reiseführer  veröffentlichte  er,  so:  »Abenteuer- 
leben in  Guyana  und  am  Amazonas«  (2.  Aufl.  1881);  »Der  Orient«  (1882); 
»Amerika«  (1882);  »Koblenz  und  seine  Umgebung«  (2.  Aufl.  1880)  u.  a. 

W.  Wolkenhauer. 

Liebenow,  Wilhelm,  Geheimer  Regierungsrath  und  Titular-Professor,  ein 
durch  seine  zahlreichen  Karten  in  weiten  Kreisen  bekannter  Kartograph,  ♦  am 
13.   October  1822  zu  Schönfliess  in  der  Provinz  Brandenburg,  f  am  17.  Juli 
1897   zu  Schöneberg    bei  Berlin   im  Alter   von  74  Jahren.  —  L.  kam   1841 
nach  Berlin,  um  bei  Ritter,  Dove  und  Mitscherlich  Vorlesungen  zu  hören  und 
später,  nach  kurzer  aktiver  Dienstzeit,  als  Ingenieur-Geograph  bei  der  preussi- 
schen  Landesaufnahme  thätig  zu  sein.    Im  Jahre  1854  trat  er  in  das  preussi- 
sche  Ministerium  für  Handel,    Gewerbe  und  öffentliche  Arbeiten,    in  dem  er 
s])äter  viele  Jahre  Vorstand  des  kartographischen  Bureaus  für  die  Eisenbahn- 
abtheilung und  der  Plankammer  für  die  Bauabtheilung  war.    In  dieser  Dienst- 
stellung   lag    ihm   die  Bearbeitung  der  zahlreichen  kartographischen  Arbeiten 
ob,    die    vom  Ministerium    der    öffentlichen  Arbeiten    herausgegeben  werden, 
insbesondere    auch    die  »Karte  von  Centraleuropa  zur  Uebersicht  der  Eisen- 
bahnen« (i.  Blatt,   I  :  1250000),  die  jährlich  erscheint.    Bemerkenswerthe  Ar- 
beiten aus  L.'s  frühester  kartographischer  Thätigkeit  sind  seine  Karten  über 
Galiläa  für  K.  Ritter's  Erdkunde  und  seine  Skizzen  und  Modelle  zu  Mitscher- 
lich*s  Studien  über  die  vulkanische  Eifel.     Nach  Abtretvmg  der  Hohenzoller- 
schen  Lande  an  Preussen  fertigte  er  auf  Anregung  Alex.  v.  Humboldt's  eine 
Specialkarte  von  Hohenzollem  (i  :  100 000,  1854)  an,  die  Friedrich  Wilhelm  IV. 
gewidmet  wurde.    L.*s  umfassendstes  und  bekanntestes  Werk  ist  die  »Special- 
karte von  Mitteleuropa«  im  Maassstab  i  1300000,  in  164  Bl.,  lith.  und  koL, 
Hannover  1869 — 1885.     Die  ersten  20  Blätter  dieser  Karte,   die  das  Gebiet 
zwischen  Rhein  und  Paris  darstellen,  waren  1870  bei  Ausbruch  des  Krieges 
soeben   erschienen   und   haben  nach  Moltke's  Aeusserung  ftir  das  rasche  und 
sichere  Vorrücken    der    deutschen  Truppen  die  wichtigsten  Dienste  geleistet. 
Der  Verstorbene   war  1871  auch  Mitarbeiter   im  Hauptquartier   an  der  Fest- 
legung   der    neuen    deutsch -französischen  Grenze.     Andere    bekannte  Karten 
von  L.  sind    noch:    Karte    von    Schlesien,    Specialkarte    vom  Riesengebirge, 
Karte    vom  preussischen  Staate  (6.  Auflage  1876),  Karte  von  Rheinland  und 
Westfalen,  Verkehrskarte  von  Oesterreich  und  Ungarn,  Karte  von  Westdeutsch- 
land u.  a.    Bei  seinem  Uebertritt  in  den  Ruhestand  im  Jahre  1894  wurde  L., 
nachdem    er    früher  schon  den  Titel  Geheimer  Rechnungsrath  und  Professor 
erhalten  hatte,  zum  Geheimen  Regierungsrath  ernannt. 

Vgl.  Globus,  1897,  LXXII.  Bd. 

W.  Wolkenhauer. 

Wolter,  Charlotte,  verwittwete  Gräfin  O'SuUivan,  k.  u.  k.  Hofschau- 
spielerin am  Burgtheater,  ♦  am  i.  März  1834  in  Köln  a.  Rh.,  f  am  14.  Juni 
1897  in  Wien.  —  Die  grösste  deutsche  Tragödin  ihrer  Zeit  hat  aus  unge- 
mein ärmlichen  und  traurigen  Verhältnissen  sich  emporgearbeitet;  ihre  Wiege 
soll    in  der  Werkstatt  eines    mit  Kindern    reicher,    als    mit  Glücksgütern  ge- 


296  Wolter. 

segneten  Schneiders  gestanden  haben.    Wie  die  schwer  nachzuprüfende  Fama 
weiter  meldet,    soll  sie    als  Zehnjährige  zufällig    in   das  Theater  ihrer  Vater- 
stadt gekommen  sein,   beim  Vorübergehen  vom  Balletmeister  halb  im   Scherz 
aufgefordert,     mitzustatiren.      Von    Stund    an    Hess    sie    der    Coulissenzauber 
nicht    mehr   los.     Mit   16  Jahren   ging  sie  abenteuerlustig  in  die  weite  Welt. 
Ihre  erste  Lehrerin,  eine  sonst  wenig  bekannte  Burgschauspielerin  Frau  Gott- 
dank in  Wien,    richtete   ihr  Augenmerk  insbesondere    auf  schöne  Plastik  der 
Bewegungen.     Ihr  erstes  belangreicheres  Auftreten  fand   am  25.  Mai   1857  in 
Ofen  statt,  wo    sie  am    deutschen  Festungstheater    die  Jane  Eyre   gab.      Der 
Director  stellte  bald  darauf  die  Zahlungen   ein.     Die  Gesellschaft  wagte  sich 
nothgedrungen  auf  Wanderfahrten,    die  u.  A.   nach  Stuhlweissenburg   führten. 
Diese  Schmieren-Wirthschaft  brachte  der  jungen  W.  nur  Demüthigungen  und 
Enttäuschungen.    Sie  musste  ihre  geringen  Habseligkeiten  verpfänden.    Gleich- 
wohl sollte  sie  im  Strassenkleid    die  »Jungfrau  von  Orleans«  darstellen,    und 
als  sie  Miene  machte,    sich  zu  weigern,   Hess    sie  der  Stuhlrichter  durch  l>e- 
waffnete   Panduren    auf   die    Bühne    führen    und    zum   Spiele    zwingen.     Am 
nächsten  Morgen  war  sie  verschwunden,    durchgegangen.     Eine  Weile    später 
taucht    sie  wieder  in  Wien    auf.     Hier  gönnte   ihr  Nestroy   an  dem  dazuniaJ 
von    ihm    geleiteten  Carltheater  gegen    ein  Monatsgehalt    von  fünfzig  Gulden 
ein    höchst    bescheidenes  Unterkommen   für  Anmelde-    und  Zofenrollen,    die 
man  ihr  lediglich  ihrer  Schönheit  willen  anvertraute;  sonst  galt  sie  nicht  nur 
für  vollkommen    talentios,    sie    war    das  Stichblatt    schnöder  Spasse    für  den 
Director  und  die  Modesoubretten.     »Ich  gehörte  zu  jenen  Personen«,  so  be- 
kannte   hernach  Anna  Grobecker,    »die   Charlotte  W.    gar    kein    Talent    zu- 
trauten.    Ich  sah  sie  zum  erstenmal  in  der  Rolle  eines  Kammermädchens  in 
der  »Liebschaft  in  Briefen«    und  fällte   trotz  ihrer  bestechenden  Erscheinung 
ein  abfälliges  Urtheil.    Dass  sie  dort  nicht  am  Platze  war,  ahnte  meine  Weis- 
heit damals    nicht  und    so  konnte  ich    es  nicht  lassen,    sie  nach  Herzenslust 
zu  bekritteln.     Sie  trat  meiner  Meinung  nach  zu  vornehm  ein,  geruhte  einen 
Brief   abzugeben,  warf   einen  gelangweilten  Blick    in  das  Publikum  und  ging 
gravitätisch  ab,  als  ob  sie  zwei  Schleppträger  hinter  sich  hätte.     Mein  Gott, 
dachte  ich,  der  fehlt  auch  alles  zur  Kammerzofe.     Unser  Regisseur,  der  alte 
Papa  Lang,  gab  mir  auch  vollständig  Recht,  als  ich  ihm  sagte:   j^Frl.   W.  ist 
zwar  sehr  schön,   aber  sie  hat  meiner  Ansicht  nach  keinen  Funken  Talent!^ 
Frau  von  Wasso witsch,  unsere  Anstandsdame  und  eine  Lehrerin  der  W.,  war 
ausser    sich    über    meine  Aeusserung    und  rief  entrüstet:     »Was,  die  W.  hat 
kein  Talent?    Sie  hat  Talent  und  sogar  ein  bedeutendes,   von  dem  die  Welt 
noch  einmal  reden  wird.     Ihr  werdet  es  sehen,  sie  mrd  nächstens  in  Brunn 
die  Maria  Stuart  spielen«.     »Na,  das  wird  nett  werden«,  rief  die  Grobecker 
und    der    alte    Prakticus    Lang    stimmte    lachend    mit    ein.     Unbeirrt    durch 
solche    Meinungen    und   Gegenmeinungen    der  Kameraden    hatte    der    feine 
Kenner  und  Kritiker  Rudolph  Valdek    dem    verkannten  Talente    seinen  Bei- 
stand   angedeihen    lassen.     Im  Herbst  1858  forderte  ihn  der  Wiener   Literat 
Cajetan  Cerri  auf,    sich   der    vielbespöttelten    anzunehmen.     Die  W.  war   in- 
dessen Valdek  selbst  schon  vorher  aufgefallen,  sowohl  durch  die  angeborenen, 
ausserordentlichen  Naturgaben,  wie  durch  die  erstaunliche  Unbeholfenheit  im 
Gebrauch    dieser    elementaren   Mittel    der    Darstellung.     »Ein    Kopf,    dessen 
Profil  die  schönste  Kamee  würde  abgegeben  haben,  eine  mittelgrosse  Cxestalt 
von  bestem  Gefüge,  eine  wohllautende  Stimme  und  dabei  die  Schönheit  wie 
verschleiert    durch  einen    gleichsam  unbeweglichen  Ausdruck,    der  Gang  ver- 


Wolter. 


297 


nachlässigt,  Laut-  und  Satzbildung  in  hohem  Grade  mangelhaft.    Was  Wunder, 
wenn    eine  Erscheinung,   wo    die  Natur    so  fviel  versprach    und   der  Geist  so 
wenig  zu  halten  schien,    mit  Befremden  bemerkt  und  ihr  Name  in  nicht  be- 
neidenswerther  Weise  bekannt  wurde.    Dabei  war  dieses  Frl.  W.  nicht  mehr 
in  der  ersten  Jugendblüte,    denn    sie  stand  in  der  Mitte  der  Zwanziger.     Sie 
war    auch    keine  Anfängerin,    denn    seit  wohl    zehn  Jahren    gehörte    sie  der 
Bühne  an.     Im  Carltheater    trat  sie  nur  selten  und  stets  nur  in  unbedeuten- 
den Rollen  auf.    Dagegen  war  sie  jeden  Abend  im  Zuschauerraum  zu  sehen. 
In   der  ersten  Gallerie,  inr  der  Mitte  derselben,  sass  sie  da  und  sah  aufmerk- 
sam ihren  Collegen  zu,    die  drunten  Comödie   spielten,  wobei  manchmal  ein 
Zug  von    leisem  Spott  über    ihre  Lippen  glitt.«     Ein  oder  zwei  Jahre  waren 
in    so    unergiebiger  Weise    verstrichen,    als    ein  Gastspiel  Emil  Devrients  im 
Carltheater    eine    Wende    im    Leben    der    W.    herbeiführte.      »Aushilfsweise« 
hatte  sie  die  Elisabeth  in  Richard  III.  zu  übernehmen:  »welch  seltsame  Ver- 
wandlung!   Sie  sprach  zwar  so  schlecht,  wie  gewöhnlich,    aber  mit  welchem 
Nachdruck.     Wie    edel   war    ihre   Haltung,   wie    gross,    frei    und  schön  ihre 
Armbewegungen!«     Es    hiess,    sie    hätte    damals    die    Aufmerksamkeit    von 
Devrient  erregt,  wie  ein  ander  Mal   bei  einem  Gastspiel  von  Hendrichs    in 
»Macbeth«    ihre  Hexe    dem    Berliner    Heldenspieler  Eindruck    machte.     Ge- 
holfen hätten    ihr  diese  beiden  Begegnungen  wenig,  wenn  sie  sich  nicht  be- 
herzt entschlossen  hätte,  das  Carltheater  so  schnell  als  möglich  zu  verlassen, 
fleissig    an    ihrer  Ausbildung  zu    arbeiten,    grosse  Rollen  zu  lernen  und  vor 
Allem  die  rechte  Stätte  für  die  Bethätigung  ihrer  Kraft  zu  suchen.   In  diesen 
Tagen    wurde  Valdek    mit    ihr    bekannt.     Sie   wohnte    unweit    der  Leopold- 
städter Kirche  sehr  bescheiden  in  der  Jägerzeile.     Ausser  einem  halbdutzend 
tragischer  Rollen  (Adrienne  Lecouvreur,  Maria  Stuart  etc.)    lernte    sie   dazu- 
mal   auch  Französisch    »mit    eigen thümlich    gelassener  Zuversicht  und    ohne 
von    ihrer    sonstigen    Lebenslust    was    abzubrechen.     Zu  gute  kam  ihr,    dass 
sie    seit  vielen  Jahren    mit    der  Bühne  vertraut  war.     Sie  wusste    das  Hand- 
werk   in    der    Kunst    zu    schätzen    und    mit    taktfester  Ausdauer    auszuüben. 
Manchmal    kam    sie  mir  vor,  wie   eine   junge  Wittwe,    die  wieder  Braut  ge- 
worden.    Sie  war  Schauspielerin  geworden    und  wollte  es  in  höherem  Sinne 
wieder  werden.«    Nun  galt  es  vor  Allem,    den  damaligen  Director  des  Burg- 
theaters, Laube,    auf  die  W.  aufmerksam    zu   machen.     Es    dauerte  indessen 
noch  geraume  Zeit  und  bedurfte  wiederholter  Mahnungen,  bis  Laube  Valdek's 
Wink  beachtete.     Als    er  die  W.  endlich,    in  einem  Zofenröllchen,    gesehen, 
sagte  er  Tags  darauf  zu  Valdek:    »Sie  haben  Recht.     Sie  ist  eine  bildschöne 
Person.     Keine    in    unserem  Burgtheater    kann    sich    darin    mit   ihr    messen. 
Auch    scheint  Talent    in    ihr    zu    stecken.     Sagen    sie    ihr,    sie    soll    zu   mir 
kommen«.     Eine    lange  Unterredung    mit  der  W.    bestärkte  Laube  in  seiner 
günstigen  Ansicht.     Nun    hiess    es  weiter,    ein  Gastspiel    auf   einer    fremden 
Bühne  zu  veranlassen,  das  Laube  mitmachen  wollte.    Valdek's  erste  Bemühun- 
gen schlugen  fehl;  geradezu  entrüstet  schrieb  ihm  der  Director  des  Breslauer 
Stadttheaters:     »50  Gulden  für  ein  Debüt?    Ein  solches  Honorar  würde  viel- 
leicht   einer  Frau  Rettich  zugestanden,    niemals  aber  einer  unbekannten  An- 
fängerin,   die    höchstens    umsonst  auftreten    dürfe.«     »Umsonst«  waren  aber 
näher  drei  (der  W.  vom  Maler  Aigner  vermittelte)  Gastvorstellungen  in  Brunn 
zu  haben.     Als  Vertrauensmann  Laube's    fuhr  Valdek  zu  diesen  Proberollen. 
Der  Erfolg  war  echt  und  stark.     Das  Gastspiel  wurde  verlängert.     Vergnügt 
berichtete  Valdek  so  günstig,    dass  Laube    beim    damaligen  Oberstkämmerer 


298  Wolter. 

Grafen  Lanckoronski  auf  Grund    dieses  Gtttachtehs    das'  Engagement'  der  "W. 
für    das    Bürgtheatef    beantragte.     Vergebens.     Der    hohe    Herr   gerieth    bei 
dem    Ansinnen,    die    Hofbühne    durch    eine    »Nichtberühmtheit«    des    Carl- 
theaters   zu    behelligen,    in    drollige  Entrüstung.     In   Folge    dieser    schrofifen 
Abweisung    musste    sich  die  W.    nach  Berlin    wenden,  wo    sie    am  Victoria- 
theater, unter  dem  früheren  Director  der  Wiener  Hofoper,  Comet,   auftreten 
sollte.     Auch  hier  fehlte  es  zunächst  nicht  an  Hemmungen.    Ihre  Debutrolle 
musste  abgesetzt  werden,  da  der  erste  Liebhaber  erklärte,  mit  »dieser  Person« 
schlechterdings    nicht  auftreten  zu  wollen,    das  sei  die  »personifizirte  Talent- 
losigkeit«.   Am  nächsten  Tag  fällt  der  hochnäsige  Liebhaber  durch,  während 
die  W.  in  der  Neuigkeit  des  folgenden  Abends  gefiel.     Sie  spielt  nun  Rolle 
auf  Rolle,    singt    einmal  auch    in  einem  Vaudeville,    lernt    eifrig   unter  dem 
wackeren  Regisseur  Hein    und    bei    Frau  Perroni  -  Glassbrenner,    und    erregt 
grössere  Aufmerksamkeit  in  dem  Schauspiel  »Ninon  de  TEnclos«.     In  Folge 
dessen    räth    Frau    Perroni  -  Glassbrenner    der    W. ,    den    Generalintendanten 
von  Hülsen    zu  besuchen  und    sich  um  das    nach  Lina  Fuhr    erledigte  Fach 
am    königlichen  Schauspielhaus    zu    bewerben.     Herr    von  Hülsen    empfangt 
die  Unbekannte  freundlich  und  verblüfft  sie  im  Verlauf  des  Gespräches  durch 
den  plötzlichen  Anruf:    »Stehen  Sie  einmal  auf«.     Die  W.  meint,  der  Sessel 
sei  schadhaft  geworden  oder  dgl.  und  erhebt  sich  eilig.     Der  frühere  Garde- 
lieutenant   mustert    sie    einen  Augenblick    scharf,    dann    sagt   er  gemessenen 
Tones:   »Ich  kann  Sie  nicht  engagiren;  Sie  sind  mir  zu  klein;  auch  habe  ich 
bereits  Frau  Kierschner  in  Betracht  gezogen«.    Auch  einem  anderen  Theater- 
leiter flösste  die  Statur  der  W.  ursprünglich  Bedenken  ein.   Dingelstedt  war  von 
Weimar    nach  Berlin  gekommen,    um  im    Victoriatheater    seine    Bearbeitung 
von  Shakespeare's  »Wintermärchen«    zu  überwachen.     Als    ihm  für  die  Her- 
mione  die  W.  empfohlen  wurde,  sagte  er  verdriesslich  zum  Regisseur:    »Die 
soll  die  Hermione  spielen?  Sie  ist  für  diese  Rolle  um  einen  Kopf  zu  klein«^. 
Ruhig    erwiderte  Hein:    »Warten  Sie  nur!    Nach   der    ersten  Scene  wird  sie 
um  zwei  Köpfe  grösser  erscheinen«.    Hein  behielt  Recht.    Die  Hermione  der 
W.  wurde  eine  Berliner  Sehenswürdigkeit.   Ch^ri  Maurice,  der  sie  im  Winter 
1860/61  sah,    engagirte  sie  auf  diese  Leistung  hin  sofort  fest  auf  drei  Jahre 
nach  Hamburg,    wo  sie    am  19.  August  1861    zum  ersten  Mal    als  Adrienne 
Lecouvreur    mit  durchgreifendem  Erfolg  auftrat;    dann  spielte  sie  nach  Mau- 
rice's  Bericht  »Die  Waise  aus  Lowood«,  »Deborah«,  »Marie  Anne,  das  Weib 
aus    dem    Volke«,    vor    Allem    aber    die    Hermione,     die    im    Lauf    einer 
Saison    dreissig  Mal    gegeben  wurde.     »Versuche,  Charlotte    im  Lustspiel  zu 
verwenden,  wollten  nicht  recht  gelingen.     Die  für  die  Tragödie  prädestinirte 
Künstlerin    konnte  an    meiner  Bühne  in  dieser  Gattung,    welche  meine  Con- 
cession  verbot,  —  erst  1866  trat  Theaterfreiheit  ein  — ,  das  Feld  wo  später 
ihre    schönsten  Lorbeeren    blühten,    nicht    finden«.     Laube    setzte  nun  alles 
daran,    die  W.  am  Burgtheater  wenigstens  gastiren  zu  lassen:    im  Juni  1861 
trat  sie  als  Adrienne  Lecouvreur,  Jane  Eyre,  in  der  »Waisen  aus  Lowood«  und 
der  »Rutland«  in  Graf  Essex  auf,    vom  Publikum  sofort  mit  grosser  Wärme 
willkommen  geheissen,    in  der  Kritik    von  Friedrich  Uhl   in  ihrer  Bedeutung 
und  Begabung  für  die  Tragödie   richtig  erkannt:    »Die  Aussprache«    —    der 
geborenen  Rheinländerin    —    »ist  noch  nicht  genug  dialektrein  und  manch- 
mal wird  der  Effect,    der  sich  mit  der  Melodie  der  Sprache    erreichen  lässt, 
der    bestimmten    Umgrenzung    des  Wortes    geopfert;    allein    wir    haben   nur 
wenig  Schauspielerinnen    die  Adrienne    so  effectvoll  in  Haltung,    Mimik  und 


Wolter.  299 

leidenschaftlicher  Entwicklung,  namentlich  nicht  den  letzten  Akt  so  einheit- 
lich stark  und  währ  darstellen  gesehen«.  Neben  so  entschiedenem  Lob 
fehlte  auch  mäkelnde  Gegnerschaft  nicht.  Allein  Laube  zweifelte  keinen 
Augenblick  an  der  schöpferischen  Kraft  der  W.  und  er  wusste  nun  auch 
den  ehedem  so  spröden  Oberstkämmerer  von  dem  Werth  der  aufstrebenden 
Grösse  für  das  Burgtheater  zu  überzeugen.  Chdri  Maurice,  der  bis  dahin 
allen  Bitten  Dritter  um  Lösung  des  dreijährigen  Contractes  der  W.  Wider- 
stand geleistet,  Hess  sich  endlich  durch  die  Thränen  der  Künstlerin  rühren, 
sie  vom  i.  Juni  1862  ab  freizujgeben.  Sie  musste  sich  nur  verpflichten,  drei 
Jahre  nacheinander  ein  einmonadiches  Gastspiel  im  Thaliatheater  zu  ab- 
solviren.  Ihre  letzte  Hamburger  Rolle  war  gleich  der  ersten  Adrienne 
Lecouyreur.  Am  12.  Juni  1862  erschien  die  W.  in  der  Rolle  der  Iphigenie 
als  Mitglied  des  Burgtheaters,  dem  sie  fortan  durch  volle  35  Jahre  ange- 
hörte: als  Liebling  aller  Kunstfreunde,  als  die  stärkste  Stütze  der  Tragödie, 
in  den  Dichtungen  der  Klassiker  von  Sophokles  bis  auf  Shakespeare,  Racine, . 
Lessing,  Schiller,  Goethe,  ebenso  ausserordentlich  wie  in  den  neueren  und 
neuesten  Dramen  von  Grillparzer,  Hebbel,  Otto  Ludwig,  Wilbrandt,  Dumas 
fils,  Sardou,  Augier  etc.  In  127  Rollen  ist  sie  2109  Mal  aufgetreten.  Gast- 
spiele und  Ehrengastspiele  führten  sie  zunächst  in  die  österreichischen  Landes- 
hauptstädte Prag,  Pest,  Graz,  Innsbruck,  Brunn;  weiter  nach  Berlin,  Köln, 
München,  Weimar,  Coburg  etc.,  von  wo  sie  Orden,  Widmungsgeschenke  und 
unzählige  Kränze  heimbrachte,  mit  derien  Schleifen  sie  das  Stiegenhaus  ihrer 
Hietzinger  Villa  buchstäblich  tapezirte.  Nach  Amerika  ging  sie  trotz  locken- 
der Anerbietungen  niemals.  Den  fragwürdigen  Ruhm  der  Wandervirtuosin 
hat  sie  stets  verschmäht. 

Angesichts  solcher  Erfolge  und  Leistungen  begreift  man  das  stolzbeschei- 
dene Wort,  mit  dem  sie  einem  Biographen  auf  die  Bitte  um  Einzelheiten  aus 
ihrem  künstlerischem  Werdegang  erwiderte:  »Meine  ganze  Theatercarriere  liegt 
vor  den  Augen  des  Publicums.  Sie  ist  ein  aufgeschlagenes  Buch,  Lesen  auch 
Sie  daraus«.  Ueberblickt  man  diesem  Rathe  gemäss  das  (von  Albert  J.  Weltner 
veröffentlichte)  statistische  Verzeichniss  ihrer  Burgtheaterrollen  der  Zeitfolge 
nach,  dann  zeigt  sich,  dass  Laube  die  W.  nicht  nur  in  classischen  Charakteren, 
als  jugendliche  heroische  Liebhaberin  und  Heldenspielerin  hinausstellte. 
Neben  der  Iphigenie,  der  Jungfrau  von  Orleans,  der  Julia,  Maria  Stuart,  dem 
Clärchen,  der  Hero,  der  Prinzessin  im  »Tasso«,  Sappho,  Phädra,  Preciosa, 
Orsina,  Lady  Macbeth  erprobte  er  Grösse  und  Grenze  ihrer  Kraft  im  älteren 
deutschen  und  französischen  Schauspiel ;  er  liess  sie  selbst  im  Lustspiel,  in 
Moreto's  Donna  Diana,  Baiiemfeld's  »Bürgerlich  und  Romantisch«,  Töpfer's 
»Rosenmüller  und  Finkec  sich  versuchen;  er  brachte  endlich  nur  für  sie  ge- 
dachte und  gemachte  »Wolter -Stücke«,  wie  Mautner's  Eglantine,  Weilen's 
Edda,  Mosenthal's  Pietra  etc.,  ihren  Paraderollen  zuliebe,  zur  Aufführung.  Alle 
künstlerischen  Schöpfungen  der  W.  in  diesem  ersten  Jahrfünft  ihrer  Burg- 
theater-2^it  (1862 — ^^1867)  überglänzte  jedoch  ihre  Kriemhild  in  den  beiden 
ersten  Theilen  von  Hebbel' s  Nibelimgen-Trilogie.  Laube  hatte  die  mächtige 
Dichtung  viel  zu  lange  zurückgedrängt,  angeblich,  weil  ihm  die  rechte  Dar- 
stellerin für  die  Braut  und  Wittwe  Siegfrieds  fehlte.  Mit  der  W.  errang 
Hebbel's  Werk  nun  endlich  eine  geradezu  triumphale  Aufnahme.  Als  Tochter 
Utens  von  gewinnender  Sittsämkeit;  vor  dem  Münster  mit  Brunhild,  wo  sich 
die  Königinnen  schalten,  von  einer  im  Burgtheater  bis  dahin  unerhörten  Wild- 
heit; am  Sarge  Siegfrieds    zusammenbrechend    mit  dem  dazumal  zum  ersten- 


300 


Wolter. 


mal  vernommenen,  theatergeschichtlich  gewordenen  »Wolter-Schrei«    überwäl- 
tigte und  überzeugte  sie  durch  die  Wahrheit  dieser  fessellos  hinrasenden,  dämo- 
nischen Naturkraft  zumal  das  jüngere  Geschlecht.    Vergebens  höhnte  der  seither 
besser  belehrte  Ludwig  Speidel  solche   und   ähnliche  Offenbarungen  ihres  ge- 
waltigen Naturells  als  »groben  Naturalismus«.     »Kurze  eckige  Bewegungen«,  so 
schrieb  er  1864,  also  schon  nach   ihrer  Kriemhild,  über  ihre  Deborah,    »die 
einander  in  der  unschönsten  Weise  schneiden;   gewaltsame  Ausrenkungen  des 
Satzbaues,  grelle  Naturschreie,    wie  sie  der  Gipfel  der  Lust    und    die  Spitze 
des  Schmerzes  bezeichnen,   vor  denen  aber  die  Muse,   welche  auch  die  Lei- 
denschaft schön  will,  die  Ohren  verstopft!«     Der  Kritiker  vergass  bei  diesem 
maasslos  absprechenden  Urtheil,  dass  der  in  gigantischen  Wasserstürzen  nieder- 
tosende  Rheinfall  bei  Schaffhausen  durch  andere  Reize  wirkt,    als    die   maje- 
stätische Ruhe  des  Rheinstroms  bei  Köln.     Er    übersah    zugleich,    was    dem 
weisesten  und  grössten  Kenner  Altwiens,    dem  greisen  Grillparzer,    in  seiner 
einsamen  Zelle  nicht  entging:   die  Nothwendigkeit  der   neuen  Spiel  weise. 
Grillparzer    begriff  es,  dass  die  Sappho  der  W.  alle    früheren  Darstellerinnen 
in  manchen  Beziehungen  überragte,  »obschon  die  Schröder  diese  Rolle  un- 
übertrefflich und  mit   grossartigem  Schwung    gab    und    eine  Kraft  der  Rede, 
des  Organs  und  Ausdrucks  hatte,   mit  einem  Wort  eine  Meisterin  der  Decla- 
mation  war,  wie  sie  sich  kaum  wieder  findet.     Allein  es  war  dem  Geist  des 
Stückes  entgegen,  dass  ältere  oder  reizlose  Frauen  diese  Rolle  spielten,  weil 
Entsagung  in  der  Liebe  von  Seiten  der  Frau   in   reiferen  Jahren  allzusehr  in 
der  Ordnung  der  Natur  liegt,  als  dass  dadurch  das  Hauptinteresse  nicht  von 
der  Heldin  abgleiten  und  auf  die  jüngere  Melitta  übergehen  musste.«    Er  hob 
auch  gerecht  und  mild  den  Unterschied  zwischen  dem  akademischen,    hohen- 
priesterlichen Wesen   einer  Rettich    und    der  Leidenschaft  der  jüngeren  He- 
roine  hervor:    »Julie  Rettich«,    so    sagte   Grillparzer  zu   Frau    v.  Littrow- 
Bischoff,  »war  eine  hochbegabte  Frau,  in  ihrer  Jugend  ein  vortreffliches,  über 
jeden  Tadel  erhabenes  Mädchen  und  sie  hat  alles  geleistet,   was  heller  Ver- 
stand, hohes  Talent,  wahre  Bildung  und    ein   vortreffliches  Genie    zu    leisten 
vermögen.      Aber  eben    den  Anlauf   der    Begeisterung    —    welcher  oft 
dem  ihrigen  weit  untergeordneten  Charakteren  zu  Gebote   steht   —    den  An- 
lauf der  Begeisterung    zu    nehmen,    dazu    fehlte   ihr  die  Fähigkeit.     Sie  ver- 
setzte häufig    auf   den    Boden   der  Reflexion,    was    der  Phantasie    angehören 
sollte,  und  wenn  sie  den  Ausbruch  der  Leidenschaft    mit    mächtigen  Mitteln 
auch  darzustellen  wusste,  der  Ausdruck  der  leidenschaftlichen  Natur 
lag  ihrem  Wesen  fern,  wie  auch  ein  gewisser  Reiz  der  Anmuth  und  Lieb- 
lichkeit, obschon  sie  eine  interessante,    bedeutende,    ja  eine  schöne  Erschei- 
nung war!«    Als  die  Zeitungen  die  Lady  Macbeth  der  Wolter  tadelten,  schenkte 
Grillparzer  diesen  Verdammungsworten  keinen  Glauben :   »Ich  denke,  mir  würde 
ihre  Auffassung  dieser  Rolle  gefallen  haben«.     Und    noch    bevor  er  die  von 
Frau  V.  Littrow  in  seine  enge  Klause  geführte  W.  bei  sich  begrüsst  hatte  — , 
»wie  ein   alter  Märchenkönig,  der  sich   väterlich -freudig  über  die  glänzende, 
lebensvolle  Erscheinung  des  auf  dem  niedrigen  Sessel  ihm  gleichsam  zu  Füssen 
sitzenden  Feenkindes  mit  dem  Korallen-Diadem  neigte«  —  äusserte  er:   »Solch 
eine  Schauspielerin,  welche  Anmuth  und  Talent  vereint,  hätte  mich,  wenn  sie 
mir  in  meiner  Jugend  begegnet  wäre,   schon  durch  den  Wunsch,    wie  würde 
sie  Dies  und  Jenes  spielen,   zu  Vielem  begeistert  und  angeregt,    zu  Dichtun- 
gen bestimmt,    welche  durch   den   Hauch   der  Persönlichkeit  wachge- 
rufen werden  und  welche,    weil    mir  in  den  Jaliren,    da  ich  productiv  war, 
eine  solche  fehlte,  unterblieben«. 


Wolter. 


301 


Dichtergrössen,  wie  Grillparzer  und  Hebbel,  begegneten  unter  den  jun- 
gem Dramatikern  der  W.  nicht  mehr.  Allein  die  edleren  unter  ihnen,  Wil- 
li randt  und  Nissel,  sahen  ihre  Eingebungen  durch  diesen  von  Grillparzer  mit 
Recht  so  hochgerühmten  »Hauch  der  Persönlichkeit«  in  ungeahnte  Höhen 
gehoben:  die  W.  hat  die  rasende  Sinnlichkeit  der  Messalina  durch  Schönheit 
geadelt,  durch  das  Naturrecht  heidnischen  Tumultes  heissen  Blutes,  trotziger 
Abkehr  von  dem  stoischen  Tugendstolz  der  Contrastfigur  Arria  zu  einer  so 
einzigen  Gestalt  herausgearbeitet,  dass  sie  alle  Zuschauer,  selbst  die  Gegner 
des  Dramas,  fortriss,  Makart  zur  malerischen  Nachbildung  dieses  unerreich- 
baren Urbildes  anregte,  Wilbrandt  aber  zu  mehr  als  einem  Preislied  auf  ihre 
Kunst  und  Art  entzündete:  —  niemals  zu  einem  besseren  und  aufrichtigeren, 
als  dem  Festgruss  zu  Ehren  ihres  25  jährigen  (1867  feierlich  begangenen)  Burg- 
theater-Jubiläums : 

Römische  Kraft,  die  mit  den  Göttern  ringt, 
Griechische  Schönheit,  die  noch  Frevel  adelt, 
Ein  deutsch  Gewissen,  das  belehrt,  getadelt 
Rastlosen  Kampfes  Kunst  und  Stolz  bezwingt, 
So  kenn'  ich  Dich,  so  dank'  ich  Dir  von  Herzen 
Verkünd'rin  höchster  Wonnen,  tiefster  Schmerzen. 

Diesen  Hymnus  stimmte  nicht  nur  der  Dichter  und  Kenner  an.  Die 
Verse  waren  zugleich  das  Ehrenzeugniss  des  Directors.  Unter  Wilbrandt,  wie 
zuvor  unter  Laube  und  Dingelstedt,  wie  hernach  unter  Förster  und  Burck- 
hard  war  die  W.,  eifersüchtig  darauf  bedacht,  unbestritten  als  die  erste  tra- 
gische Schauspielerin  des  Burgtheaters  sich  zu  behaupten,  nimmermüde  ge- 
wesen im  Dienste  ihrer  Kirnst.  Laube's  harte  Zucht  beherzigend,  mühte  sie 
sich  bis  an  das  Ende  ihrer  Laufbahn  —  zuletzt  mit  vollem  Gelingen  —  die 
Idiotismen  der  Kölner  mundartlichen  Aussprache  abzustreifen,  die  Rhythmik 
des  Verses,  die  Melodik  der  »gesetzlich  klaren  Rede«  sich  zu  eigen  zu 
machen.  Die  ehedem  ihrer  überstürzten  Vortragsweise  halber  so  herb  An- 
gelassene beherrschte  in  den  siebziger  und  achtziger  Jahren  gebundene  und 
ungebundene  Rede  mit  gleicher  Ueberlegenheit:  das  »Parzenlied«  in  der 
Iphigenia  wirkte  in  ihrem  Munde  wie  Musik  (wohlgemerkt:  nicht  wie  Gesang); 
die  Prosa  Lessing's,  vordem  eine  Klippe  W. 'scher  Kunst,  trug  sie  späterhin 
zum  Gipfel  ihres  Könnens.  Hatte  Laube's  Einfluss  die  W.  sprechen  lehren, 
so  hob  Dingelstedt's  auf  das  fertige  Bühnenbild  gerichteter  Sinn  ihre  an- 
geborene Gabe,  Haltung  und  Tracht  künstlerisch  zu  bilden.  Niemand  hat 
diese  Fähigkeit  feiner  gewürdigt,  als  der  feinste  Wiener  Kritiker  bildender 
Kunst,  Ludwig  Hevesi:  »Laube,  der  Ausstattungsfeind,  führte  ein  gesprochenes 
Theater,  erst  unter  Dingelstedt  sah  man  ein  gestimmtes  Theater.  Gestimmt, 
in  Wien,  auf  Hans  Makart.  Der  erste  Laut  von  ihren  Lippen  fuhr  elemen- 
tar durch  die  tausend  Herzen  und,  ehe  man  noch  etwas  gesehen,  war  man 
auf  den  tragischen  Ton  gestimmt.  Durch  alle  Fibern  rieselte  der  Schauer, 
den  dieses  Organ  weckte,  als  eine  Empfindung  sinnlicher  Wohligkeit,  farbiger 
Wärme.  Das  ist  das  tönende  Bild,  modemer  Zeiten,  denn  auch  Bild  war  sie 
und  war  es  mit  unwiderstehlicher  Machtfülle.  Von  Iphigenia  bis  zur  Fedora, 
von  Maria  Stuart  bis  zu  Helena:  Bild  um  Bild,  und  immer  eine  andere 
Schönheit.«  Solcherart  trat  sie  in  stetig  steigender  Entwicklung  an  immer 
neue  Aufgaben.  Fehlschläge  gab  es  nur,  wenn  sie  ihrem  Wesen  völlig  fremde 
Rollen  (die  Jüdin  von  Toledo ,  Libussa,  Sidonie  in  Fromont  jun.  und 
Risler  sen.)  sich  aufreden  Hess.  Desto  voller  in  ihrem  Element  in  dämoni- 
schen,  Überlebensgrossen   Gestalten,    in  Shakespeare's  Historien,    in  Goethe's 


202  Wolter. 

Faust.  Erstaunt  wähnte  man  jahrelang,  dass  das  Alter  keine  Gewalt  über 
sie  habe.  Ihr  Zauber  verstärkte  sich.  »Nicht  nur  in  dem  Orgelton  ihres 
Organs,  das  von  den  Schmeichel tönen  der  Cantilene  bis  zum  Donnerhall  des 
Dies  irae  als  »böses  Gewissen«  im  Faust  sich  steigern  konnte;  nicht  nur^, 
wie  ich  gleich  nach  ihrem  Heimgang  in  der  Allg.  Ztg.  schrieb,  »in  der  Pla- 
stik ihrer  Posen,  die  Zug  und  Stil  und  zugleich  volle  Glaubwürdigkeit  und 
Naturtreue  offenbarten,  wie  die  Meisterstücke  griechischer  Bildnerkunst  —  sie 
hielt  uns  in  wachsender  Liebe  und  Bewunderung  fest  durch  den  »Ernst,  den 
keine  Mühe  bleichet«.  Sie  hat  die  Geschenke  einer  überreichen  Natur  aus- 
gemünzt im  Dienste  einer  grossen,  kerndeutschen,  das  heisst  congenial  in  den 
Geist  Aller  sich  vertiefenden  Kunstübung.  Denn  ihren  classischen  Schöpfun- 
gen ebenbürtig  waren  ihre  britischen  Charaktere,  unter  denen  ihre  Lady  Mac- 
beth obenan  steht.  Ihren  antiken  Gestalten  gesellte  sie  Typen,  wie  Sardou's 
Georgette:  eine  Cocottenfigur,  derengleichen  ich  niemals  überlegener,  ausge- 
lassener, leichtblütiger  irgendwo  auf  dem  französischen  Theater  gesehen  habe. 
Und  den  Heroinen,  Mänaden,  Teufelinnen  ihrer  jüngeren  Jahre,  der  Königin 
Margarethe  in  den  Königsdramen,  'Wilbrandt*s  Messalina  und  der  Volandinne 
in  Kriemhilds  Rache  folgten  in  ihren  letzten  Lebensjahren  Matronen :  eine  Lea 
in  den  Makkabäem,  eine  Volumnia  im  Coriolan,  die  Pastorin  in  Richard 
Voss'  Neuer  Zeit  und  die  Hamburger  Patricierin  in  Philippi's  Domenweg  — 
Erscheinungen  von  gehaltener  Würde,  wie  ich  sie  vorher  und  nachher  weder 
auf  der  deutschen,  noch  auf  einer  anderen  Bühne  je  zu  Gesicht  bekommen. 
Und  was  nicht  zu  vergessen  ist:  die  Wolter  war  in  alledem  Original.  Sehr 
empfänglich  für  gute  künstlerische  Rathschläge  ihrer  Directoren  und  Kame- 
raden, von  Laube  und  Dingelstedt  bis  auf  Wilbrandt,  Förster,  Sonnenthal 
und  Berger,  ahmte  sie  niemals  einen  fremden  Ton,  irgendein  heimisches  oder 
ausländisches  Muster  nach.  I  am  myself  alone  durfte  sie  mit  Shakespeare's 
König  sagen.  In  Costume-Fragen  hat  sie  Makart  manche  Anregung  zu  dan- 
ken. In  der  Auffassung  einzelner  Stellen  hat  sie  die  Kenner  -  Ansicht  ihres 
edlen,  auch  künstlerisch .  edel  empfindenden  Gatten  (des  belgischen  Grafen 
O'Sullivan)  beherzigt.  Im  Ganzen  hat  sie!  ihr  Bestes,  Eigenstes  nur  aus  sich 
selbst  geschöpft.« 

1894  musste  die  W.  zum  erstenmal  ihre  Wirksamkeit  am  Burgtheater 
unterbrechen.  Ein  älteres  chronisches  Nierenleiden  trat  plötzlich  acut  so 
heftig  und  qualvoll  auf,  dass  die  Aerzte  die  Möglichkeit  eines  Wiederauftretens 
bezweifelten,  jedesfalls  im  Interesse  ihres  physischen  Befindens  am  liebsten 
ein-  für  allemal  ausgeschlossen  hätten.  Stärker,  als  der  Wunsch  nach  Ge- 
nesung, war  indessen  die  Sehnsucht  nach  dem  über  Alles  geliebten  Berufe. 
Im  Winter  1895/96  trat  sie,  zunächst  in  der  »Sappho«,  auf,  mit  überströmen- 
der Herzlichkeit  willkoDOunen  geheissen  von  der  Burgtheater- Gemeinde.  Mit 
höchster  Selbstüberwindung  spielte  sie  nun  u.  A.  auch  als  neue  Rolle  die 
Johanna  Wedekind  im  Domenweg  unübertrefflich.  Hier  war  einmal  der  Geist 
stärker,  als  das  Fleisch»  In  den  Ferien  verschlimmerte  sich  aber  ihr  Zustand 
wieder  und  nun  begann  ein  monatelanges,  martervolles  Siech thum,  dem  ein 
barmherziger  Tod  erst  am  14.  Juni  1897  ein  Ziel  setzte.  Ihrem  letzten 
Wunsche  gemäss  wurde  sie  in  ihrem  reichen  goldverzierten  Costume  als  Iphi- 
genie  in  den  Sarg  gebettet  und  an  der  Seite  ihres  ihr  im  Tode  vorangegan- 
genen Gemahls  auf  dem  Hietzinger  Ortsfriedhof  bestattet.  Der  damalige 
Direktor  des  Burgtheaters,  Dr.  Burckhard,  widmete  ihr  die  folgende  würdige 
Grabrede : 


Wolter. 


303 


»Charlotte  Wolter,  die  grosse,  unsterbliche  Künstlerin,  die  so  oft  im 
Leben  spielend  den  Tod  besiegt  hat,  indem  sie  seine  Schauer  verklärend  in 
die  befreienden  Regionen  ihrer  Kunst  erhob,  sie  ist  dem  Furchtbaren  nun 
doch  erlegen.  Nicht  mit  sanftem  Kusse  schloss  er  diese  Augen,  nach  heissem 
Kampfe  hat  er  sie  gebrochen.  »Dieses  Ringens  blutige  Qual«  —  sie  blieb 
ihr  nicht  erspart.  Nur  widerstrebend  verliess  die  Seele  den  Körper,  aus 
dessen  Antlitz  bis  zu  den  letzten  Augenblicken  der  Schimmer  antiker  Schön- 
heit widerstrahlte;  der  Hauch  des  Odems  sträubte  sich,  für  immer  diesem 
klassisch  geformten  Munde  zu  entschweben,  der  ihm  tausend-  und  tausendmal 
ein  wundervolles  Instrument  gewesen,  das  er  bald  in  melodischen  Glocken- 
klängen erklingend,  bald  in  mächtigem  Orgeltone  dahinbrausend  mit  den 
herrlichsten  Symphonien  belebte,  jetzt  alle  Sinne  zu  begeistertem  Jubel  hin- 
reissend, jetzt  die  Herzen  der  athemlos  Lauschenden  mit  den  Schauern  heisse- 
ster  Leidenschaft  erfüllend  —  das  Leben  floh  nur  zögernd  aus  der  abgeklärten 
Harmonie,  die  inmitten  des  dissonirenden  Weltgetriebes  sich  in  dieser  Künstler- 
brust aufgebaut  hatte. 

Wie  hast  du  dich  selbst  erfasst,  Charlotte  Wolter,  da  du  gewünscht,  nicht 
in  den  Farben  der  Trauer  den  Weg  des  Todes,  zu  beschreiten,  sondern  mit 
hellem  Schimmer  die  Räume  füllen  zu  lassen,  von  denen  die  letzte  Fahrt 
dich  hieherftihrte,  so  den  Gedanken,  den  Altmeister  Goethe  in  seiner  Ge- 
dächtnissrede zum  brüderlichen  Andenken  Wieland's  geäussert,  für  dich  nach- 
empfindend: »Ein  festlich  geschmückter  Saal,  mit  bunten  Teppichen  und 
munteren  Kränzen,  so  froh  und  klar  als  dein  Leben,  möge  vor  den  Augen 
deiner  trauernden  Freunde  erscheinen«. 

Was  das  Leben  an  Glück,  an  Liebe,  an  Ehre,  an  Ruhm  bieten  kann,  es 
ward  dir,  Charlotte  Wolter,  in  reichstem  Maasse  zu  theil.  Nach  kurzem 
Kampfe,  wie  er  wohl  noch  keiner  Künstlerseele  erspart  blieb,  bist  du  in 
raschem  Fluge  zu  den  lichten  Sonnenhöhen  ewigen  Ruhmes  emporgeschnellt; 
es  war  dir  gegönnt,  durch  Jahre  an  der  Seite  eines  feinsinnigen,  dich  und 
deine  hehre  Kunst  voll  würdigenden  Gatten  dahinzuwandeln,  der  mit  zarter 
Fürsorge  deine  Pfade  ebnete.  Tausende,  Tausende  haben  dir  zugejubelt  und 
dich  geliebt  und  verehrt,  wie  selten  Menschen  geliebt  und  verehrt  werden; 
durch  grosse  Reiche,  über  weite  Meere  hin  flog  der  Ruhm  deines  Namens 
und  deiner  Kunst;  du  warst  durch  Decennien  der  belebende  Mittelpunkt,  um 
den  sich  ein  grosses  Kunstinstitut,  ja  um  den  sich  die  dramatische  Production 
eines  ganzen  Volkes  drehte. 

Aber  hast  du  Grosses  von  deiner  Zeit  empfangen,  so  hast  du  es  nur 
erhalten,  weil  du  ihr  Grosses  gegeben  hast.  Gedenken  wir  der  schönsten, 
der  erhabensten  Eindrücke  unseres  Lebens,  Charlotte  Wolter,  so  werden  wir 
stets  auch  deines  Namens  gedenken,  und  hast  du  uns  durch  dein  Scheiden 
Vieles  genommen,  so  hast  du  uns  Vieles  gelassen:  den  reichen  Schatz  unver- 
gänglicher Erinnerungen  an  die  Künstlerin,  mit  der  gelebt,  von  der  empfangen 
zu  haben,  noch  spätere  Geschlechter  uns  neiden  dürfen.  Nimm  unseren  Dank 
für  Alles,  was  dein  Genius  so  überreich  uns  gespendet:  durch  Jahrhunderte 
wird  dein  Name   ein  Leitstern  sein  für  Alle,   die  in  der  Schauspielkunst  das 

Höchste  anstreben.« 

Quellen:  Rudolf  Valdek:  Deutsche  Zeitung,  Wien»  14.  Mai  1887.  —  Laube: 
l^as  Burgtheater.  —  Aus  dem  persönlichen  Verkehr  mit  Franz  Grillparzer  von  Auguste 
V.  Littrow-Bischoff.  Wien  1873,  S.  54«".,  io2flf.  —  M.  Ehrenfeld:  Charlotte 
Wolter,  Wien  1887  (eine  nur  einzelner  stofflicher  Angaben  halber  zu  erwähnende  Ge- 
legenhcitsschrift).  —  Adolf  Wilbrandt:  Neue  Gedichte  (»Aus  dem  Burgtheater«,  Char- 


^o.|  Wolter.     Petzold.     Valentin.     Schönlank. 

lAic  Woher,  1874,  1887).  —  Charlotte  Wolter.  Nachruf  von  Ludwig  HcTCsi.  Wie- 
/.tf  Frcmdenblatt  vom  15.  Juni  1897.  —  Neue  freie  Presse  vom  15.  Juni  1897  (mit  Albert 
J.  Wchuer's  Kollenverzeichniss  der  Wolter).  Ebenda:  17.  Juni:  Charlotte  Wolter 
1^534  1897  von  Ludwig  Speidel  und  Bericht  über  ihre  Leichenfeier.  —  Charlotte 
Wolter  von  Paul  Schienther,  Vossische  Zeitung  vom  15.  Juni  1897.  —  Leo  Hirsch- 
fcld:  Charlotte  Wolter.  Ein  Erinnerungsblatt  mit  Illustrationen  und  einer  statistiscben 
KoHentabelle,  Wien  1897.  —  Alexander  v.  Weilen:  Allgemeine  Deutsche  Biographie 
s.  V.  Wolter.  —  Die  Bilder  und  Büsten  der  Wolter  (von  Makart,  Canon,  Angeli,  Tilg- 
ncr  etc.)  waren  in  der  Wiener  Theaterausstellung  in  einem  besonderen  Wolterzimmcr  ver- 
einigt und  in  Karl  Glossy's  Katalog  dieser  Ausstellung  verzeichnet.  —  Nach  dem  Tode  der 
W.  wurden  ihre  reichen  Kunstschätze,  einschliesslich  sämmtlicher  Porträts  ihres  Gemahls 
und  der  Meisterin,  von  H.  O.  Miethke  versteigert:  der  Katalog  ihres  Nachlas^e> 
(Wien,  H.  O.  Miethke,  1898)  reproducirt  Makart's  Bild  der  W.  als  Messalina,  Angeli's 
W.-Porträt,  Canon's  W.-Bild,  Matsch's  Oelbild  Charlotte  W.  als  Sappho,  die  W.-Büste  von 
Tilgner.  — .Bildnisse  der  W.  sind  auch  in  der  Porträt-Gallerie  des  Burgtheaters  und  im 
Wiener  städtischen  Museum. 

Anton  Bettelheim. 

Petzold,  Wilhelm,  Dr.,  ein  verdienstvoller  Förderer  der  Schulgeogra])hie, 
Professor  an  der  Ober-Realschule  in  Braunschweig,  *  am  8.  Februar  1848  im 
Pfarrhause  zu  Keutschen  bei  Weissenfeis,  f  am  24.  Juli  1897  während  eines 
Ferienaufenthaltes  zu  Pouch  bei  Bitterfeld  (Provinz  Sachsen).  —  P.  erhielt 
seine  Vorbildung  auf  der  Landesschule  zu  Schulpforta,  studirte  in  Halle, 
machte  1870  den  Feldzug  mit  und  war  hiemach  als  Lehrer  in  Neubranden- 
burg und  Weissenburg  (im  Elsass)  thätig.  Nach  einem  abermaligen  kurzen 
Studium  in  Halle  wurde  er  dann  an  die  Ober-Realschule  in  Braunschweig 
berufen.  Ausser  mehreren  schulgeographischen  Aufsätzen  schrieb  er  einen 
»Leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  astronomischen  Geographie«  (1885, 
2.  Aufl.  1891)  nebst  Fragen  und  Aufgaben  (mit  Lösungen)  aus  dem  Gebiete 
der  astronomischen  Geographie  (1892)  und  gab  kurz  vor  seinem  Tode  mit 
Professor  R.  Lehmann  den  trefflichen  »Atlas  für  Mittel-  und  Oberklassen 
höherer  Lehranstalten«  (Leipzig  1897)  heraus.  Das  Lehrbuch  der  Geographie 
von  Baenitz  und  Kopka  gab  er  neu  heraus,  revidirte  die  Bamberg'schen  Schul- 
wandkarten und  war  auch  Mitarbeiter  am  Skobel'schen  Handbuch  zu  Andree's 
Handatlas. 

Vgl.  Pädagogisches  Archiv  von  E.  Dahn   1897,  S.  643/44. 

W.  Wolkenhauer. 

Valentin,  Joh.,  Dr.,  ein  junger  deutscher  Naturforscher,  ♦  in  Frank- 
furt a.  M. ,  verunglückte  am  lo.  December  1897  auf  einer  wissenschaft- 
lichen Reise  nach  Chubut  in  Patagonien  (bei  Aguade  de  Reyes,  einem 
Punkte,  der  85  km  von  Rawson,  der  Hauptstadt  von  Chubut,  entfernt  ist).  — 
V.  studirte  in  Strassburg  und  promovirte  hier  1889  ^^^  ^^-  P^^^-  ^^^^  ^^^^ 
folgte  er  einem  Rufe  an  das  Museum  von  La  Plata  und  wurde  April  i8qS 
Sectionschef  für  Geologie  und  Mineralogie  am  Nationalmuseum  in  Buenos 
Aires. 

Vgl.  Globus  1898,  LXXIILBd.  ^    Wolkenhauer. 

Schönlank,  William,  Grosskaufmann  und  Generalconsul  für  Salvador  und 
Haiti,  *  am  6.  August  1814  in  der  kleinen  Stadt  Märkisch-Friedl and  als  Sohn 
einer  jüdischen  Familie  in  kleinen  Verhältnissen,  f  am  23.  December  1897  >" 
dem  hohen  Alter  von  84  Jahren  zu  Berlin.  —  Seh.  hatte  es  verstanden,  sich 
durch  eigene  Kraft,  Rührigkeit,  kluge  Berechnung  und  unternehmenden  Geist 


Schönlank.     Moericke,     von  Ruthner. 


305 


zu    grossem  Reichthum    und    zum  Chef  des  um  den  deutschen  Handel  ver- 
dienten Indigo -Importhauses  Sal.  Schönlank  Söhne  emporzuarbeiten.     Seiner 
kühnen  Initiative  war  es  zu  danken,  dass  das  Indigo-  und  Farbwaarengeschäft, 
welches    früher    von  England    abhängig    war,   dem  deutschen  Markte  erobert 
wurde;    er    hatte    ein  gutes  Stück  der  indischen  Production  in  seiner  Hand. 
Durch    seine    überseeischen  Handelsverbindungen    zu  allem,    was  Natur-  und 
Völkerkunde  pflegte  und  förderte,  in  Beziehung  getreten  (Gesellschaft  für  Erd- 
kunde,  Museum    für  Völkerkunde,  Museum    für  Volkstrachten,   Zoologischer 
Garten,  Handelsgeographischer  Verein  u.  a.  in  Berlin),   wurde  er  allen  dahin 
gerichteten  Bestrebungen   seit  seinem  Rücktritt  von  den  kaufmännischen  Ge- 
schäften ein  verständnissvoller  Mitarbeiter  und  freigebiger  Gönner.     1878  ge- 
hörte  S.  zu    den    sieben  Stiftern    des  Centralvereins    für  Handelsgeographie. 
Auch    Nordenskiöld's    Expeditionen    und    andere    Forschungsreisende    fanden 
seine    Unterstützung.      Wissenschaftlichen    Versammlungen    bereitete    er    gern 
einen  gastfreundschaftlichen  Empfang.    So  wurde  er  allmählich  fast  unentbehr- 
lich   für    grosse  Unternehmungen;    man   wählte    ihn  in   die  Vorstände  vieler 
wissenschaftlicher  Gesellschaften    und    überliess    ihm  mehrfach  auch  die  Ver- 
tretung  im    Auslande.     Der  Berliner  Gesellschaft    für  Erdkunde   hat    er    ein 
Legat  von  50000  Mark  als  »William  Schönlank  Stiftung«  hinterlassen. 

Vergl.  Export  1898,  No.  i ;  Verh.*,  d.  Berliner  Ges.  f.  Anthrop.  etc.  1898,  S.  27/28. 

W.  Wolkenhauer. 

Moericke,  Wilhelm,  Dr.,  Privatdocent  der  Mineralogie  an  der  Universität 
Freiburg  i.  Br.,  f  am  8.  November  1897  daselbst.  —  Nachdem  M.,  der  aus 
Stuttgart  stammt,  1889  promovirt  hatte,  ging  er  nach  Chile  zu  wissenschaft- 
lichen Studien  und  wurde  einer  der  besten  Kenner  der  chilenischen  Anden, 
über  die  er  mehrere  fachwissenschaftliche  Arbeiten  veröffentlicht  hat. 

Leopoldina  1897,  S.  163. 

W.  Wolkenhauer. 

Ruthner,  Anton  von,  Dr.,  hervorragender  Alpenforscher  und  geographi- 
scher Schriftsteller,  ♦  am  21.  Sept.  181 7  zu  Wien,  f  am  16.  Dezember  1897 
zu  Salzburg,  80  Jahre  alt.  —  R.  erhielt  seine  Vorbildung  auf  dem  Gymnasium 
zu  Linz  und  im  Stifte  Kremsmünster  und  studirte  in  Wien  die  Rechte;    von 
1848    bis   1871  war  er  Hof-  und  Gerichtsadvokat    in  Wien,   1873  übernahm 
er  eine  Advokatur  in  Steyr  in  Oberösterreich  und   1875   eine  solche  in  Salz- 
burg und  wurde   hier    1878    zum  Notar    ernannt.     Schon  als  Jüngling  hatte 
R.  einige    Ausflüge    in   das  naheliegende  Alpengebiet  unternommen,    bereits 
1841  als  junger  Doctor  den  Gross -Venediger  bestiegen,  aber  erst  1852  be- 
gann   er   systematisch    die  Durchforschung    und  Besteigung    der    österreichi- 
schen Alpen  zu  betreiben.    Ueber  300  Hochgipfel  und  Hochpässe  hat  er  be- 
treten und  überschritten,  darunter  viele,  auf  denen  vor  ihm  noch  keines  Men- 
schen Fuss  gestanden.     Im  Jahre  1862  war  R.  Mitbegründer  des  österreichi- 
schen Alpenvereins,  zu  dessen  Präsidenten  er  fünfmal  gewählt  wurde.     Noch 
grösser  wie  als  thätiger  Erschliesser  wurde  sein  Ruf  als  Schriftsteller.    Neben 
zahlreichen  Aufsätzen  in  verschiedenen  Zeitungen,  den  Jahrbüchern  des  Oester- 
reichischen  Alpenvereins  und  in  den  Mittheilungen  der  Wiener  Geographischen 
Gesellschaft  veröffentlichte  er  eine  lange  Reihe  selbständiger  Werke,  von  denen 
hier   nur   die    folgenden    hervorgehoben    werden    sollen:     »Die    Alpenländer 
Oesterreichs  und  der  Schweiz.   Eine  Parallele  der  Naturschönheiten  des  öster- 
reichischen   und    Schweizer    Hochlandes«   (Wien    1843);    *Aus    den    Tauem» 

Blogr.  Jahrb.  n.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd.  20 


3o6  von  Ruthner.     Vogel.     Graf  Thun-Hohenstein. 

Berg-  und  Gletscherreisen  in  den  österreichischen  Hochalpen«  (Wien  1864 
neue  Folge  1869);  »Das  Kaiserthum  Oesterreich«  (Wien  1871 — 1879),  ein 
geographisch -ethnographisches  Prachtwerk.  Auch  an  dem  vom  Kronprinien 
Rudolf  von  Oesterreich  ins  Leben  gerufenen  Prachtwerk  »Die  Oesterreichisch- 
Ungarische  Monarchie  in  Wort  und  Bild«  war  R.  Mitarbeiter;  er  schrieb  die 
Schilderung  von  zwei  Salzburger  Landestheilen,  des  prächtigen  Pinzgaues  und 
Lungaues.  Der  Verstorbene  war  Ehrenmitglied  der  Wiener  Geogr.  Gesell- 
schaft und  Inhaber  der  österreichischen  goldenen  Medaille  für  Kunst  und 
Wissenschaft,  sowie  der  preussischen  goldenen  Medaille  für  Wissenschaft. 

Vgl.  Deutsche  Rundschau  f.  Geogr.  u.  Statistik,  Wien,  1888,  X»  mit  Porträt;   Minh. 
d.  Deutsch-Oesterr.  Alpen  Vereins  1897,  ^o.  24. 

W.  Wolkenhauer. 

Vogel,  Karl,  Dr.,  hervorragender  Topograph,  ♦  am  4.  Mai  1828  zu  Hers- 
feld in  Hessen,  f  am  17.  Juli  1897   zu  Gotha  im  eben   vollendeten  69.  Le- 
bensjahre nach   längerem  Leiden.   —  Die  deutsche  Kartographie  hat  in  dem 
Verstorbenen    einen    ihrer    bekanntesten    und    tüchtigsten  Vertreter    verloren. 
V.  bildete  sich  zum  Landmesser    aus  und  war  schon  in  frühem  Lebensalter, 
1846  bis  1851,  bei  der  topographischen  Landesaufnahme  von  Kurhessen  unter 
der  trefflichen  Leitung  des  Oberst  Wieggrebe  thätig.     Nachdem   er  dann  für 
den  Herzog  Ernst  von  Koburg-Gotha  für  ein  beabsichtigtes  Kriegswerk  einen 
Atlas  über  die    Schlachtfelder  in  Schleswig -Holstein    (welches    Werk  jedoch 
nicht  zur  Ausgabe  gelangte)  angefertigt  hatte,  trat  er  am  i.  Februar  1853  als 
Mitarbeiter  in  die  Gothaer  geographische  Anstalt  von  Justus  Perthes  ein,  der 
er  dann  44  Jahre,  freilich  in  den  letzten  Jahren  schweren  Leidens    nur    noch 
als   Invalide,    angehört  hat.       Mit  Aug.  Petermann,    Ernst  Behm,    Hermann 
Berghaus  gehörte  V.  zu  den  Männern,   denen    die  geographische  Anstalt  von 
Justus  Perthes    die    hohe  Blüthe    der    letzten  Jahrzehnte    verdankte.      Neben 
mehreren  Karten  über  den  Thüringer  Wald  (1865/66)  und  seiner  Mitarbeit  an 
den  Terrainbildem  für  die  Schul-  und  für  andere  kleine  Atlanten  des  Instituts 
ist    vor    allem    seine  Mitwirkung   an   der  Neubearbeitung   des  weltbekannten 
Stieler*schen    Handatlas    (seit   1862)    hervorzuheben:    die   Karten    der  mittel- 
und   südeuropäischen   Staaten,   von  den  95  Blättern  des  Atlas  35,   sind  V.s 
eigenste  Arbeit.    V.*s  Meisterschaft  liegt  vor  allem  in  der  grossen  Zuverlässig- 
keit und  Treue  seiner  Karten  in  allen  Einzelheiten.    Als  die  Glanzarbeit  V.'s 
aber    ist    die  »Karte    des    Deutschen  Reichs«    in  27  Blättern  im  Maassstabe 
I  ,'500000,   die  unter  seiner  Leitung  in  zwölfjähriger  Arbeit  1893   vollendet 
wurde,  zu  nennen.    Als  einer  ihrer  grössten  Vorzüge  gilt  die  ungemein  grosse 
Einheitlichkeit  ihrer  Darstellung  und  sie  bildet  das  schönste  Denkmal,  das  er 
sich  selbst  gesetzt  hat.    Auch  literarisch  ist  V.  vielfach  thätig  gewesen,  indem 
er  in  Petermann's  Mittheilungen  zu  seinen  eigenen  Karten  Commentare  gab, 
oder  fremde  Kartenwerke  anzeigte  und  kritisirte.    Auf  dem  III.  Internationalen 
Geographen-Congress  in  Venedig  im  Jahre  1881  wurde  V.  für  seine  Leistungen 
die    grosse  Medaille   zuerkannt    und   die  Universität  Marburg  ehrte  ihn  1891 
durch  Ernennung  zum  Doctor  philosophiae  honoris  causa. 

Vgl.  Deutsche  Rundschau  f.  Geogr.  u.  Sutistik,  Wien  1892,  XIV,  mit  Porträt,  und 
Petermann*s  Mitth.  1897,  ^o«  8. 

W.  Wolkenhauer. 

Thun-Hohenstein,  Graf  Sigmund,  der  langjährige  Landespräsident  des 
Herzogthums  Salzburg,  ♦  am  11.  Juni  1827  als  Sohn  des  Grafen  Josef 
Mathias,  vom  Majorat  Klösterle,  aus    dessen  Ehe    mit  Franziska,  geb.  Gräfin 


Graf  Thun-Hohenstein. 


307 


Thun   vom  Zweige  Thun-Benatak-Ronsburg,  f  san  t.  September  1897  in  Salz- 
burg. —  Er  begann  seine  Carriere  in  derAnnee;  als  Oberlieutenant  im  9.Husaren- 
Regiiaente  bekam  er  für  sein  ausgezeichnetes  Verhalten  im  ungarischen  Feld- 
zuge 1 849  die  kaiserliche  Belobung.    Indess  verliess  er  den  Militärdienst  später- 
hin  und  wandte    sich  dem  politischen  Leben  zu.     Der  deutsche  Grossgrund- 
besitz in  Böhmen  entsandte  ihn  im  Jahre  1867   in   den  böhmischen  Landes- 
ausschusSy    wo  er    als  Stellvertreter  des  Oberstlandmarschalls    Fürsten  Adolf 
Auersperg    thätig    war.       Diese    gemeinsame    Thätigkeit    mit    dem    späteren 
Ministerpräsidenten  mag  auch  wohl  den  Grund  dazu  gelegt  haben,  dass  Graf 
"l'h.    in    den    politischen  Verwaltungsdienst    berufen  wurde.     Fürst  Auersperg 
wurde  im  Jahre  1870  als  Landespräsident  nach  Salzburg  berufen,  auf  denselben 
Posten,   den   zwei  Jahre  später  Graf  Th.  einnahm.     Im  Jahre   1870   mit  der 
Würde  eines  Geheimen  Rathes  bekleidet  und  durch  Verleihung  des  Ordens  der 
Eisernen  Krone  erster  Klasse  ausgezeichnet,   wurde    Graf  Th.    im  September 
1870    zunächst    zur  Nachfolge    des  Freiherm  v.  Poche    als  Statthalter    nach 
Brunn    berufen.     Im  October   1872,    unter    dem   Cabinet  Auersperg,    wurde 
Oraf  Th.    zum    Landespräsidenten    des    Herzogthums    Salzburg    ernannt    und 
diese  Stelle  bekleidete  er,    mit    dem  Titel    eines  Statthalters    ausgezeichnet, 
bis  zu  seinem  Tode.     Graf  Th.  war  weit  weniger  Politiker,  als  Verwaltungs- 
beamter,   seine    Statthalterschaft    wird   Salzburg    noch    auf   lange    hinaus    in 
bestem  Andenken  bleiben.    Die  wirthschaftliche  Kräftigung  dieses  Ländchens, 
seine  Eröffnung    für  den  Fremdenverkehr  ist    in  beträchtlichem  Maasse  auch 
dem  eifrigen,    unverdrossenen  Wirken  Graf  Th.'s    zu    danken.     In    die    Zeit 
seiner  Statthalterschaft  lallt  die  Eröffnung  der  Giselabahn,  der  Bau  der  Salz- 
burger Lokalbahn,    der  Ober  -  Pinzgauer  Lokalbahn,    der  Gaisbergbahn  und 
anderer  Bergbahnen  und  sonstiger  Anlagen,    durch    die    der  Fremdenverkehr 
Salzburgs,  der  Stadt  wie  des  Kronlandes,  auf  eine  vorher  kaum  geahnte  Höhe 
gebracht    wurde.     Graf  Th.  war    für    diese    Bemühungen    rastlos   thätig,    die 
starre,    unfruchtbare  Bureaukratie    konnte  in  ihm  keinen  Vertreter  erblicken. 
Welch  frischen  Sinn  er  für  den  modernen  Fortschritt  hatte,    das  zeigte  unter 
anderem   sein  Eifer  für    das  Zustandekommen   der  Elektricitätswerke  in  Salz- 
burg und  des  elektrischen  Mönchsberg-Aufzuges.     Daneben  vernachlässigte  er 
aber    auch    nicht    die  kunstgewerbliche  Hebung   des  Landes,    die  Salzburger 
Museen    schätzten    in    ihm    einen    treuen  Förderer.     Dass    er    auf  Seite    des 
liberalen  Deutschthums  stand,    das  zeigte  er  wiederholt,    unter    anderem  bei 
der   Begrüssungsrede    in    einer   Generalversammlung,    die   der  Deutsche   und 
Oesterreichische  Alpenverein  in  Salzburg  abhielt.    Späterhin  freilich,  mit  dem 
Vordringen  des  Klerikalismus,  glaubte  auch  er  sich  veranlasst,  mit  dieser  Be- 
wegung zu  paktiren,    schon  mit  Rücksicht  auf  das  Anwachsen  des  klerikalen 
Einflusses    im  Salzburger  Landtage.     Und    so    unterschieden    sich    seine  An- 
sprachen an  die  in  Salzburg  im  August  1894  bezw.  1896  abgehaltenen  Ver- 
sammlungen   der  Leo -Gesellschaft   und    des  Katholikentages    recht   merklich 
von    der   seiner    Zeit    viel    bemerkten    Alpenvereins-Rede.      Freilich    fällt    in 
die  Zwischenzeit  ein  ziemlich  tiefgehender  Systemwechsel,  über  den  der  Chef 
der  Landesregierung  sich  nicht  ganz  hinwegsetzen  konnte.    In  der  Ansprache 
an  den  Salzburger  Katholikentag  bemerkte  er,  die  Erstarkung  des  religiösen  Geistes 
sei  berufen,  die  Befreiung  aus  den  Fesseln  des  Materialismus  zu  bringen,  der 
sonst  der  Menschheit  den  Untergang  bereiten  müsste.    Die  Bestrebungen  des 
Katholikentages  entsprächen  den  Bedürfnissen   der  Gegenwart.     Als  Vertreter 
der  Regierung  könne  er  den  aufrichtigen  Wunsch  beifügen,    dass  die  hohen 


20* 


3o8  Graf  Thun-Hohenstein.     Freiherr  von  Kosjek. 

Ziele  des  Katholikentages  zum  Wohle  der  Katholiken  wie  der  Gesammt- 
bevölkerung  Oesterreichs  ihre  Verwirklichung  finden  mögen.  Diese  Anspracht 
gab  dann  Anlass  zu  einer  bei  Wiederzusammentritt  des  Reichsrathes  am 
I.  October  1896  vom  Abgeordneten  Graf  Kuenburg  eingebrachten  Inter- 
pellation, die  am  6.  d.  M.  vom  Ministerpräsidenten  Grafen  Badeni  dahin  be- 
antwortet wurde,  die  Begrüssung  sei  mit  Zustimmung  der  Regierung  erfolgt, 
doch  sei  daraus  nicht  zu  schliessen,  dass  die  Regierung  sich  mit  allen  Ver- 
handlungen und  Beschlüssen  des  Katholikentages  identificire.  Graf  Th.  war 
schon  längere  Zeit  vor  seinem  Tode  leidend.  Aus  Gastein,  seinem  alljähr- 
lichen Sommeraufenthalte,  wurde  er  auf  seinen  Wunsch  nach  Salzburg  zurück- 
gebracht. Sein  Zustand  verschlimmerte  sich  immer  mehr  und  am  7,  Septem- 
ber 1897  verschied  er.  Seiner  am  10.  Juli  1855  in  Wieschitz  geschlossener. 
Ehe  mit  Mathilde  geb.  Gräfin  Nostiz  -  Rieneck  entsprossen  zwei  Söhne,  dk 
Grafen  Josef  und  Felix  Thun-Hohenstein. 

Heinrich  Adler. 

Kosjek y  Gustav,   Freiherr  von,  Diplomat,   zuletzt  bevollmächtigter  Ge- 
sandter am  griechischen  Hofe,    ein  trefflicher  Kenner  der  Verhältnisse  des 
Orients,    in    dem    er    den    grössten   Theil    seines   Lebens   verbrachte;    ♦  am 
17.  August    1838    zu    Mittertrixen    (Kämthen),    f  am    2.  Februar    1897.  — 
Er    war  Zögling    der  Orientalischen  Akademie    und    begann    seine   Laufbahn 
am  2.  November  1859  beim  Consulate  Galatz,  von  wo  er  schon  am   11.  De- 
cember  d.  J.  als  Dolmetsch -Adjunct  zur  damaligen  Intemuntiatur  nach  Con- 
stantinopel    versetzt    wurde.      Dort    rückte    er    allmählich    bis    zum    zweiten 
Dolmetsch    (20.  December   1869)    mit    dem    Titel    und  Charakter   eines  Le- 
gations -  Sekretärs    vor    und    wurde    am    15.  April    1870    in    den     erblichen 
Ritterstand  erhoben.     Im  Laufe   der  Jahre  wurde    er  erster  Dolmetsch  und 
bekam    im  Jahre   1877    den   Charakter    eines  Legationsrathes    verliehen.     In 
demselben  Jahre   fungirte  er  auch  als  Generalconsul  in  Rustschuk,   und  er- 
regte   damals    durch    seine   Unerschrockenheit  wie   auch    durch    seine    auf- 
opfernde Fürsorge    für    die    dortige    österreichisch -ungarische  Kolonie    allge- 
meine   Aufmerksamkeit.      Im    Juni    1878    war    er    dem    Berliner    Congresse 
zugetheilt   und    wurde   danach   in  den  Freihermstand  erhoben.     Ebenso  war 
er  auch  bei  der  im  selben  Jahre   in  Constantinopel    abgehaltenen    ostrume- 
lischen  Conferenz  thätig.     Am  31.  October  1881  wurde  er  als  diplomatischer 
Agent  und  Generalconsul   I.  Kl.  nach  Kairo  versetzt,  wo  er  die  Leitung  des 
General -Consulats  übernahm,  und  schon  am   5.  Februar  1883  mit  dem  Titel 
und  Charakter  eines  ausserordentlichen  Gesandten  und  bevollmächtigten  Mini- 
sters bekleidet;  sein  Wirken  in  Aegypten  fiel  also  in  eine  ungemein  bewegte 
Zeit.    Am  4.  März  1883  wurde  er  als  ausserordentlicher  Gesandter  und  bevoll- 
mächtigter Minister  nach  Teheran  versetzt,   bis  er  schliesslich  am  26.  August 
1887    als  Gesandter   beim    griechischen    Hofe   beglaubigt    wurde.     Das   aus- 
wärtige Amt    in  Wien  besass    in  ihm  einen    gediegenen  Kenner  des  Orients; 
die  beste  Zeit  seines  Lebens  hatte  er  dort  verbracht  und  die  Wirksamkeit 
auf  den  vielen  Posten,   auf  die  man  ihn  berief,  von  Galatz  und  Ath^  bis 
Teheran,  gaben  ihm  reichlich  Gelegenheit,   mit  scharfem,  offenem  Blick  die 
Eigenheiten  der  verschiedenen  Staatsgebilde   und  Völker  des  Ostens  kennen 
zu  lernen.     Baron  K.  besass  zahlreiche  Auszeichnungen;  am   14.  Juni   i8qi 
wurde  ihm  auch  noch  das  Grosskreuz  des  Franz  Josef- Ordens,    am  30.  Juli 
die   Würde    eines    Geheimen    Rathes    verliehen.      Am    10.   September    1867 


Freiherr  von  Kosjek.     Klee.     Richter.  ^Oo 

vermählte  er  sich  in  Bujukdere  mit  Eveline  von  Klezl,  Tochter  des  Regie- 
rungs  -  Ratbes  Peter  Edlen  v.  Klezl.  Der  Ehe  entstammten  2  Söhne  und 
2   Töchter. 

Heinrich  Adler. 

Klee,  Elisabeth,  ♦  am  19.  Juli  1842  in  Posen,  f  am  10.  September  1897 
in   der  Heilanstalt  Untergöltsch  bei  Rodewisch  im  Königreich  Sachsen.  —  Sie 
war    die  Tochter    des  Geheimen  Ober-Regierungsraths    und  Präsidenten    des 
Consistoriums    der  Provinz  Posen,    Dr.  Klee,    dessen  Tod  (1855)    den  ersten 
finsteren  Schatten    in    die    sormige  Kindheit   der  Tochter    warf.     Diese   zog 
nun    mit   ihrer  Familie  nach  Halle  a.  S.,   und  nachdem  sie  drei  Jahre  später 
auch  ihre  Mutter  durch  den  Tod  verloren  hatte,  trat  sie  im  September  1859 
in    das  Gouvernanten-Institut    zu  Droyssig    ein,    um    sich  zur  Erzieherin  aus- 
zubilden.    Aber  schon  zu  Ostern  1860  musste  sie   eines  heftigen  dreimonat- 
lichen Leidens    wegen    das  Institut    verlassen    und    zunächst  für  die  Wieder- 
herstellung ihrer  Gesundheit  sorgen.    Sie  fiihrte  daher  in  den  folgenden  Jahren 
eine  Art  Wanderleben,  theils  in  Kurorten,  theils  in  den  Häusern  von  Freun- 
den und  Verwandten,    deren  Kinder    sie  unterrichtete.     Um  diese  Thätigkeit 
auch  auf  die  ihr  femer  stehende  Jugend  ausdehnen   zu  können,  legte  sie  im 
Herbste  1866  ihr  Lehrerinnenexamen  in  Danzig  ab  und  wurde  zu  Ostern  1867 
als    Lehrerin    an    einer   Privattöchterschule   in  dieser  Stadt  angestellt.     Aber 
schon    nach    anderthalb    Jahren    musste    sie    auf   den  Rath  der  Aerzte  ihren 
Beruf  aufgeben  und  im  Süden  Heilung  von  ihren  Leiden  suchen.    Das  Hoch- 
gebirge wurde  die  Geburtsstätte  der  Schriftstellerin;  doch  erst  in  Dresden,  wo 
sie   1874  ihren  dauernden  Wohnsitz  nahm,  gelangte  ihr  Jugendsehnen,  litera- 
risch   wirken    zu    können,    zu   voller  und   freier  Entfaltung  und  Befriedigung. 
Das  Hauptgebiet  ihrer  schriftstellerischen  Thätigkeit  ist  die  einfache  Erzählung, 
die  sich  auf  sittlich-religiösem  Grunde  aufbaut;  z.  B.  »Ueberwunden«  (1878); 
»Die  Heimath   im  Hochland«  (1880);    »Durch!«  (1880);   »Ein   Vermächtniss« 
(1880);    »Lehrjahre   des   Lebens«    (1881);    »Sein   und  Schein«  (1885);    »Ein 
Vierblatt«  (1886).    Das  letzte  Jahrzehnt  ihres  Lebens  zeitigte  keine  novellisti- 
schen Früchte  mehr;  ein  kränklicher  Körper  legte  dem  sonst  regen  Geiste  doch 
seine  Fesseln  an. 

Persönliche  Mittheilungen. 

Franz  Brummer. 

Richter,  Albert,  Schulmann  und  pädagogischer  Schriftsteller,  ♦  am  7.  Fe- 
bruar 1838  in  Lichtensee  bei  Grossenhain  im  Königreich  Sachsen,  f  am 
29.  Juni  1897  in  Höckendorf  bei  Tharand.  —  R.  stammte  aus  einem  Lehrer- 
hause und  widmete  sich  selbst  seit  1853  auf  dem  Seminar  in  Dresden-Friedrich- 
stadt dem  Lehrerberufe.  Noch  ehe  er  den  Seminarcursus  ganz  beendet  hatte, 
übertrug  die  Behörde  ihm  schon  1857  wegen  seines  grossen  Lehrgeschicks 
und  seiner  musikalischen  Tüchtigkeit  die  Verwaltung  einer  Lehrerstelle  in 
Höckendorf.  Von  hier  ging  R.  1860  nach  Leipzig,  wo  er  an  mehreren 
Schulen  thätig  war  (zuletzt  als  Oberlehrer  an  der  Realschule),  bis  er  1874 
zum  Direktor  der  dortigen  ersten  höheren  Mädchen-Bürgerschule  ernannt 
wurde,  die  er  mit  Umsicht  und  grosser  Treue  23  Jahre  leitete.  Zu  Ende  des 
Jahres  1895  wurde  er  auf's  Krankenlager  geworfen;  aber  selbst  eine  schwere 
Operation  gab  ihm  die  alte  Gesundheit  nicht  wieder,  und  während  eines  Er- 
holungs-Aufenthalts in  Höckendorf  nahm  ihn  der  Tod  hinweg.  —  R.'s  Thätig- 


•9X0  Richter.     Bach. 

keit  ist  für  die  Entwickelung  des  Leipziger  und  weiterhin  des  sächsischer 
Schulwesens  von  Bedeutung  gewesen;  er  gehörte  zu  Jenen,  die  durch  ihit 
scharfen  Angriffe  auf  die  überlebten  Formen  des  sächsischen  Volksschulwesert 
dessen  Reorganisation,  wie  sie  im  Schulgesetz  von  1873  ihren  Ausdruck  fand 
in  die  Wege  leiteten;  er  war  einer  der  ersten,  der  die  Einfuhrung  der  obli- 
gatorischen Fortbildungsschule  forderte  und  diese  Forderung  durch  Wort  uih. 
Schrift  mit  Erfolg  vertrat.  Aeusserst  vielseitig  war  seine  schriftstellerisck 
Thätigkeit;  er  redigirte  nicht  nur  den  »Praktischen  Schulmann«  (seit  1874 
und  daneben  später  den  »Pädagogischen  Jahresbericht«,  sondern  bot  aud 
der  Lehrerwelt  in  einer  Reihe  von  selbständigen  Schriften  eine  Fülle  vcn 
Anregungen.  Wir  erwähnen  hier  nur  seine  preisgekrönte  Schrift  »Der  Unter- 
richt in  der  Muttersprache  und  seine  nationale  Bedeutung«  (1872),  ferner 
»Ziel,  Umfang  und  Form  des  grammatischen  Unterrichts  in  der  Volksschule 
(2.  Aufl.  1886),  »Bilder  aus  der  deutschen  Culturgeschichte«  (2.  Aufl.  1884. 
»Deutsche  Redensarten.  Sprachlich  und  culturgeschichtlich  erläutert«  (1880 
und  vor  allen  sein  »Quellenbuch  zur  deutschen  Geschichte«  (1888). 
Sonntagsblatt  der  Preussischen  Lehrer-Zeitung,  Jahrgang  1897,  S.  321  AT. 

Franz  Brummer. 

Bach,  Franz  Theodor,  Schulmann,  ♦  am  7.  August  1833  in  Breslau,  fir 
der  Nacht  vom  9.  zum  10.  Juli  1897  in  Berlin.  —  Der  Vater,  Nikolaus  B.,  war 
seiner  Zeit  Oberlehrer  und  Professor  am  Matthiasgymnasium  in  Breslau,  die 
Mutter  eine  Tochter  des  bekannten  Präsidenten  Gottfried  Theodor  von  Hippel, 
des  Verfassers  des  königlichen  »Aufruf  an  mein  Volk«   (18 13).     Theodor  B. 
erhielt  seine  Schulbildung  auf  dem  Gymnasium  in  Bromberg,  studirte  an  der 
Universität  Breslau  Philologie   und  arbeitete   unter  Rossbach,   Schneider  und 
Haase    in    dem  Breslauer    philologischen  Seminar.     Nach  Beendigung    seiner 
Studien  war  B.  eine  Zeit  lang  Hauslehrer,   erwarb  sich  mit  der  Schrift  »Me- 
letemata  Platonica«   1858  die  Doktorwürde,  legte  kurz  darauf  die  Oberlehrer- 
prüfung   ab    und    erhielt  1860  eine  Lehrerstelle    am   Gymnasium   in  Lauban. 
Schon  nach  zwei  Jahren  kehrte  er  nach  Breslau  zurück,  um  das  Rektorat  der 
ersten  Mittelschule  zu  übernehmen;    der  ihm  gleichzeitig  gewordene  Auftrag'. 
diese  Schule    auf   die  Stufe    einer    höheren  Bürgerschule  zu  bringen,  war  es 
wesentlich,  der  B.  dem  Realschulwesen  zuführte,  bei  welchem  er  in  der  Folge 
dauernd  verblieb.    Noch  eine  andere  Aufgabe  erwuchs  ihm  in  Breslau.    Von 
jeher  ein  Freund  und  Förderer   des  Turnens,  wurde  er  in  den  Tumrath  ge- 
wählt   und    vom    Oberbürgermeister  Hobrecht    damit    betraut,    das  Breslauer 
Schulturnen    neu    zu    ordnen,    welche  Aufgabe    er  mit  Verständniss  und  Ge- 
schick zu  lösen  verstand.    Diesem  Unterrichtszweige  dienen  auch  seine  SchriT- 
ten  »Wanderungen,  Tumfahrten  und  Schülerreisen«  (1884)  und  sein  Lehrbuch 
der  »Schulgesundheitspflege«  (1889),    ^^    ^^    ™^  ^^^  bewährten  Medicinai- 
beamten  und  Hygieniker  Hermann  Eulenburg  verfasste,  und  das  für  das  beste 
Werk  seiner  Art  gilt.     Inzwischen  war  der  Oberbürgermeister  Hobrecht  1872 
in  die  gleiche  Stellung  der  Reichshauptstadt  berufen  worden,  und  schon  1874 
zog  er  B.  nach  Berlin,  wo  ihm  zunächst  die  Direktion  der  Sophien-Realschule 
übertragen    wurde,    bis    man    ihn    1880  an   die  Spitze   des  neu  begründeten 
Falk -Realgymnasiums    stellte,    das  er  bis  zu  seinem  Uebertritt  in  den  Ruhe- 
stand 1896  leitete.  —  Die   meisten   literarischen  Arbeiten  B.'s  sind  Gelegt"' 
heitsschriften,    so  die  »Gründung  und  Entwickelung  der  Breslauer  Burschen- 
schaft« (1867)  und  »J.  H.  Deinhardt«  (1884),  ein  Lebensbild  seines  Lehrers. 


Bach.     Zintgraff.  ^n 

Eine  ganze  Gruppe  von  Schriften  hat  B.'s  Grossvater  G.  Th.  v.  Hippel  zum 
Gegenstande.  Bei  Gelegenheit  der  Fünfzigjahrfeier  des  Beginnes  der  Freiheits- 
kriege veröffentiichte  er  über  »Gottlob  Theodor  von  Hippel«  (1863)  ein  aus- 
führliches Lebensbild.  Später  ergänzte  er  dasselbe  durch  zwei  Abhandlungen 
»Denknisse  und  Erinnerungen  aus  der  Zeit  der  Erniedrigung  Preussens«  (1886) 
und  »Denknisse  und  Erinnerungen  aus  der  Zeit  der  Erhebung  Preussens« 
(1887),  die  wesentlich  Auszüge  aus  den  nachgelassenen  Aufzeichnungen,  Brie- 
fen und  Denkschriften  Hippel's  enthalten. 

Dr.  Fritz  Abraham:  Franz  Theodor  Bach.     Gedäcbtnissrede.    Berlin  1898.  —  Vossi- 
sche Zeitung  vom  11.  Juli  1897. 

Franz  Brummer. 

Zintgraff,  Eugen,  Afrikareisender,  ♦  am  16.  Januar  1858  in  Düsseldorf, 
f  am  3.  December  1897  auf  Teneriffa.  —  Z.  besuchte  in  Düsseldorf  das  Gym- 
nasium und  vollendete  seine  Gymnasialbildung  in  Bielefeld.    Dann  bezog  er  die 
Universität  Strassburg,  wo  er  zugleich  seinen  einjährigen  Dienst  bei  den  Ulanen 
ableistete.    Er  studierte  dann  weiter  in  Bonn,  Berlin  und  Greifswald  und  machte 
seinen  juristischen  Doktor  in  Heidelberg.    Dann  beschäftigte  er  sich  einige  Zeit 
in  Berlin  journalistisch  und  bereitete  sich  durch  Sprachstudien  und  geographische 
Studien  für  eine  Afrikareise  vor,  die  er  1884  niit  dem  Oesterreicher  Chavanne 
nach  dem  unteren  Congo  antrat.    Er  hat  in  seinem  Buch  Nord-Kamerun  er- 
zählt, wie  beim  Abschluss  dieser  ersten,  nicht  durchaus  glücklich  verlaufenen 
Reise    zuerst  die  Kunde    von    dem  Flusse  Ubangi   zu    ihm    drang,    den   der 
Missionar  Grenfell  eben  bis  in  die  Breite  von  Kamerun  befahren  hatte.    »Hatte 
es  mich  hinausgetrieben,  ohne  dass  ich  die  Wirklichkeit  kannte,  wievielmehr 
musste  dies  jetzt  der  Fall  sein,    nachdem  Afrika    für    mich    nicht    mehr    ein 
verschleiertes  Bild  war!«    Er  begeisterte  sich  für  den  Gedanken  einer  Expedi- 
tion in  das  Hinterland  von  Kamerun  unter  deutscher  Flagge.     Er  legte  am 
II.  December  1885   dem  Auswärtigen  Amt    den  Plan  vor,  auf  dem  Kongo 
und  Ubangi  oder  einem  anderen  schiffbaren  Nebenfluss  des  Kongo  bis  zum 
Ende  der  Schiffbarkeit  vorzudringen    und    mit    einem  Stamm  von  20  bis  30 
Schwarzen    von    dorther   den  Marsch    über  Land    nach  Kamerun  anzutreten. 
Eine  ähnliche  Anregung    gab    einen  Monat  später  auch  die  Deutsche  Afrika- 
nische Gesellschaft.     Man    lehnte   indessen  diesen  Plan    ab,    wie    man    auch 
später   daran    festhielt,    den  Weg  ins  Innere  nur  von  der  Küste  zu  nehmen. 
Den  Anlass  zu  dieser  Beschränkung  haben  wesentlich  die  kameruner  Firmen 
gegeben,  denen  es  praktischer  schien,   ihr  Handelsgebiet  von  der  Küste  her 
auszudehnen.    Dafür  wurde  Z.  der  Vorschlag  gemacht,  zunächst  kleinere  Vor- 
stösse  zur  Erforschung  des  Küstenhinterlandes  zu    machen,    um    dann    später 
grössere  Expeditionen  ins  Hinterland  zu  führen.     Z.  verliess  am  i.  Mai  1886 
Europa  und  war  am  15.  Juni  in  Kamerun,    wo    damals   von  Soden  als  Gou- 
verneur  amtete.     Z.  machte  in  diesem  Jahr  noch  vier  Vorstösse  mit  Unter- 
stützung befreundeter  Häuptlinge.     Die  Reise  zum  oberen  Wuri    führte   ihn 
zum  ersten  Mal  über  die  Schwelle  des  damals  nahe  bei  der  Küste  beginnen- 
den Hinterlandes,  und  als  er  im  Frühling  1887  nach  Berlin  reiste,  um  grössere 
Pläne  zu  vertreten,  konnte  er  darauf  hinweisen,  dass  der  nördliche  Theil  des 
Schutzgebietes  in  einem  Halbmesser  von  etwa  125  Kilometer  in  den  Küsten- 
gebieten durchreist  war  und  die  Durchgangspunkte  wichtiger  Handelsstrassen 
nach  dem  Inneren    gefunden  waren.     Bei  der   damaligen  Beschränktheit  der 
Mittel  musste  er  froh  sein,  aus  seinem  Netze  vorgeschobener  Stationen,  deren 


312  Zintgraif. 

Plan  er  der  Kolonialabtheilung  vorlegte,   wenigstens  eine  einzige   zu  verwirk- 
lichen.    Auf  verschiedenen  Wegen  gingen   er  und  Lieutenant  Zeuner   im  I)e- 
cember   1887   zum  Elephantensee  und  gründeten  dort  die  Barombi  -  Station. 
Die  Geschichte  dieser  Gründung,  wie  sie  Z.  in  seinem  Buche  » Nord-Kamerun c 
gegeben  hat,  gehört  zu  den  anziehendsten,  auch  rein  menschlich  ansprechend- 
sten Kapiteln  unserer  Afrika-Literatur.    Man  begreift  das  Gefühl,  mit  dem  Z, 
am  Schluss  seines  zweiten  Kapitels  ausruft:  »Jahre  sind  seit  jenem  Tage  dahin 
gegangen,  wo  ich  zum  ersten  Mal  das  Krachen  der  durch  unsere  Sdhwarzen 
zu  Falle  gebrachten  Urwaldriesen  vernommen  habe.     Mancher  harten  Arbeit, 
die  ein  Wechsel  volles,  vieljähriges  Expeditionsleben  mit  sich  bringt,    habe  ich 
mich  stets  mit  Begeisterung  und  Eifer  unterzogen.     Nie  aber  wieder  empfand 
ich  eine  so  tiefinnerliche  Befriedigung  beim  Schaffen,   wie  gerade  damals  auf 
der  Barombistation.«     Die  Barombistation  war  die  erste  ihrer  Art,  sie  ist  ge- 
diehen und  wurde  in  mancher  Beziehung    das  Muster    für    andere    tiefer   im 
Innern  begründete.     Von  hier  aus  machte  Z.  im  Februar  1888   seinen  ersten 
Vorstoss  nach  Batom,  wo  er  die  ersten  Schwierigkeiten  des  Anstiegs  aus  dem 
Küstentiefland  zum  Hochland  kennen  lernte,    und   die  viel   grösseren  Sch>Äie- 
rigkeiten  wenigstens  ahnen  konnte,  die  sich  in  der  verworrenen  Völkerlagening. 
alle  40 — 50  km  eine  neue  Mundart  und  dabei  Mangel    einer    allgemein    ver- 
standenen Handelssprache,    und    in    dem  Wettbewerb    der  Handelsmonopole 
einzelner  Stämme  einst  dem  weiteren  Vordringen  entgegenstellen  sollten.   Ein 
zweiter  Vorstoss  führte  ihn  im  Juli   1888  bereits  in  ein  Gebiet  weit  abweichen- 
der Völker,  wo  jenseits  Batom  die  Küstendörfer  mit  ihren  an  breiter  Strasse 
neben  einander  stehenden  Rohrhütten  den  zerstreut  liegenden  Gehöften  Platz 
machen.     Es  äusserte  sich  darin  der  Baustil  der  Banyang,    des  kriegerischen 
Volkes,  dessen  Gefährlichkeit  das  Gerücht  bis  zur  Küste   getragen  hatte  und 
durch   dessen  Land  Z.  und  Zeuner    nach    einem    wochenlangen   gezwungenen 
Aufenthalt,    verstärkt  durch   Lagosleute,    die  Z.   von  der  Küste  geholt  hatte, 
mit  Waffengewalt    zum  ersten  Mal  ins  Grasland  den  Weg  bahnten.    Der  Tag, 
an  dem  Z.'s  aus  dem  Inneren  stammender  Dolmetscher  einen  in  hellen  bräun- 
lichen Tönen  über  die  dunkelgrünen  Waldberge  hervorsteigenden  fernen  Hö- 
henzug mit  den  Worten  begrüsst:  »Look  Massa,   my  country,  grass  live  for 
topside:  Sieh,  Herr,  meine  Heimat,  dort  oben  wächst  Gras«,  war  der  wich- 
tigste in  seinem  afrikanischen  Leben,    zugleich    ein    bedeutsamer  Tag  in  der 
Geschichte    unserer  Kolonie  Kamerun.     Seine  ziemlich  geradlinig    nordwärts 
von  Kamerun  durchgeführten  Vorstösse  brachten  ihn  hier  mit  den  ersten  Stäm- 
men des  Graslandes,  den  Babd,  in  Berührung.    Kolanüsse  als  Friedenszeichen, 
seltsam  geformte  Messer,   lange  kunstvolle  von   ihrem  Träger  unzertrennliche 
Tabakspfeifen,  viereckige  Lehmhütten  mit  Pyramidendächem,  Hirsenbier,  be- 
zeichneten   den    Eintritt    in    den    Einflussbereich    der    sudanesischen    Kultur, 
hydrographisch    den  Uebergang    aus  dem  Gebiete  der  Kamerunflüsse  in  das 
obere   Becken  des  Kalabar,  wirthschaftsgeographisch  die  Erreichung   des  Ur- 
sprungsgebietes  jener  Masse    von  Palmöl,    die    den  Kalabar    und  Gen.   den 
Namen    »Oelflüsse«    verschafft    haben.      Am    12.  Januar  1889   betrat   Z.  das 
Grasland.     »Das  OotXaxTa!  ftaXarra!  der  xenophontischen  Schaaren  kann  nicht 
froher  erklungen  sein  als  das  Grass !   Grass !   Massa !  meiner  Träger,  die  unter 
diesem  Freudengeheul,    alle  Müdigkeit  vergessend,    die  bequemen  Pfade  des 
Graslandes  dahin  eilten.«    Bald  darauf  war  Bali  erreicht,  wo  die  kräftige  Ge- 
stalt des  Häuptlings  Garrega  und  der  Empfang  im  Kreise  von  einigen  Tausend 
ebenso  kräftigen  Hochlandssöhnen  verkündeten,  dass  mit  der  Erreichung  Süd- 


Zintgrafll  ^13 

Adamauas  die  schwersten   Aufgaben   der  Expedition    erst    anhüben.      Zuerst 
folgte  der  lange  gezwungene  Aufenthält  in  Bali,   darauf  der  Bau  der  Station 
Baliburg   —    »selten  ward  wohl    auf  so  vergnügte  Art  gebaut«    —   und  die 
Beziehungen  zu  den  Bali  gestalteten  sich  ganz  harmonisch ;  aber  auf  der  einen 
Seite  war  die  Verbindung  mit  der  Barombistation    unterbrochen,    wo  Zeuner 
kommandirte,  und  auf  der  anderen  Seite  verschloss  die  Unlust  Garregas,  den 
weissen  Gast  dem  Benue  zu  ziehen  zu  lassen,  alle  Wege,  und  in  dem  behag- 
lichen Ruheleben  drohte  die  Unternehmungslust  seiner  Leute  vollständig  ein- 
zuschlafen.    Da  riss  Z.  in    einem    geschickten  Kriegspalaver,    das  in    einem 
wilden  Kriegstanz  mit  dem  Ruf  Benue!  Benue!  endigte,    seine  Leute  sammt 
den  Bali  mit  und  am  26.  April   1889  befand   er    sich    auf  dem  Marsch,    der 
nicht  ohne  Schwierigkeit  und  Irrwege,    aber    ohne  Kämpfe  nach  Donga  und 
von   da  nach  Jola  führte.     Z.  hatte  diesen  Weg  barfuss  zu  machen,   da  sein 
Schuhwerk   aufgebraucht    war.      In    dem    unbewohnten  Lande  zwischen  dem 
Gebiet  der  unabhängigen  Stämme    und    dem    südlichsten  Sultanat  Adamauas, 
Takum,  hatte  er  mit  Mangel  an  Lebensmitteln  zu  kämpfen.     Aber    er    fand 
in   Adamaua  bessere  Wege,   leichtere  Verpflegung   und  erreichte  am  28.  Mai 
Donga  und  damit  die  Verbindung  mit  Flegels  Benuereise.    Er  legte  sich  hier 
Flegels  in  Adamaua  landesüblichen  Namen  Abder  Rahmän  bei.    In  Ibi  sah  er 
den  Benue,  den  ersten  Dampfer  und  wurde  in  der  englischen  Handelsstation 
freundlich  aufgenommen.     Von  hier    konnte   er    die  Erreichung  seines  Zieles 
nach  Berlin   melden.     Von  seiner  Bereitwilligkeit  gleich  weiter  zum  Tsadsee 
zu  gehen,  wurde  kein  Gebrauch  gemacht.    Er  kehrte  um,  nachdem  er  9  über- 
flüssige Weileute  nach  Kamerun  gesandt  hatte,  und  machte  von  Gaschaka  aus 
einen  Abstecher  nach  Jola,   um   über  Bagnio,   Flegels  südlichsten  Punkt,   zu- 
rückzukehren, was  ihm  versagt  wurde. 

So  führte  er  seine  Karawane  über  Takum  nach  Bali  zurück.  Nach  manchen 
Hungertagen  und  einem  heftigen  Hagelsturm  auf  der  Höhe  von  Mabni,  der 
ihm  16  Leute  kostete,  traf  Z.  im  September  in  Baliburg  ein  und  zog  bald 
unter  Zurücklassung  einer  kleinen  Besatzung  nach  der  Küste  weiter,  nicht 
ohne  noch  einmal  einen  Angriff"  der  Banyang  erfahren  zu  haben.  Am  5.  Januar 
1890  traf  er  in  Kamerun  ein.  Auf  der  Rückreise  nach  Deutschland  führte  er 
seine  Weijungen  selbst  nach  Monrovia  zurück  und  suchte  dann  in  Berlin 
persönlich  seine  Auffassung  zu  vertreten,  dass  die  Verbindung  mit  den  Bali- 
ländem  im  wirthschaftlichen  und  Verwaltungsinteresse  der  Kolonie  offen  ge- 
halten werden  müsse,  da  sie  als  Handels-  und  als  Rekrutirungsgebiete  für  die 
Plantagen  und  die  Schutztruppe  wichtig  seien.  Z.  schlug  nun  vor,  in  Baliburg 
eine  dauernde  Vertretung  einzurichten,  und  zugleich  eine  Handelsstation  dort 
in's  Leben  zu  rufen.  Das  letztere  unternahm  die  kameruner  Firma  Jantzen 
und  Thormählen  und  das  Auswärtige  Amt  entschloss  sich,  eine  neue  Expedi- 
tion nach  Bali  zu  schicken  und  Z.  dort  als  Commissar  für  die  nördliche 
Gegend  der  Kolonie  einzusetzen,  dem  aufgetragen  wurde,  mit  den  Häupt- 
lingen freundliche  Beziehungen  anzuknüpfen,  Ruhe  und  Ordnung  im  Hinter- 
land aufrecht  zu  erhalten,  für  offene  Strassen  und  sicheren  Verkehr  nach  der 
Küste  zu  sorgen  und  den  Handel  des  Hinterlandes  nach  der  Küste  von  Ka- 
merun zu  leiten.  Nach  halbjährigem  Aufenthalt  in  Deutschland  trat  Z.  am 
I.  September  1890  seine  Reise  an.  An  die  Stelle  seines  treuen  Gefährten 
Zeuner,  der  am  23.  April  1890  auf  der  Rhede  von  Lagos  am  Tropenfieber 
gestorben  war,  trat  Lieutenant  von  Spangenberg,  und  Landwirth  Huwe  wurde 
als  Expeditionsmeister  angenommen.    Die  Handelsexpedition  leitete  unter  dem 


314  Zintgraff. 

Befehl  Z.'s  Nehber.     Nach  äusserst  mühsamer  Anwerbung  von  Wei-LeutcD 
musterte  die  Expedition   7  Europäer  und  375   Afrikaner.     Nachdem    auf  der 
Barombistation    noch    Maassregeln    für    die    Erweiterung    der    Anpflanzungen 
getroffen   waren,    aus    deren  Ertrag   ein  Theil   der  Ernährung    dieser   Mann- 
schaft   bestritten    werden    sollte,    und    der    vorausgesandte    Lieutenant   von 
Spangenberg  die  günstigsten  Nachrichten  über  die  Gesinnungen  der  Banyang 
gebracht    hatte,    brach  Ende  November   die  Expedition    auf.     Z.    führte  die 
letzte    Abtheilung,    bei    der    sich    auch    die    nun    in    ihre    Heimath    zurück- 
kehrenden Bali  befanden.    Am  9.  December  traf  er  in  Bali  ein,  wo  er  ebenso 
freundlich  wie  früher  empfangen  wurde.    Aber  in  den  umgebenden  Ländchen 
war   die  Stimmung  nicht   ebenso   günstig.     In  Bafut  wurden  zwei  Boten  Z.  s 
ermordet,  und  Z.  glaubte  die  benachbarten  Häuptlinge  von  Bafut  und  Bandeng 
züchtigen  zu  sollen.    Mit  Unterstützung  von  5000  Bali  griff  er  sie  am  31.  Januar 
an  und  erstürmte  Bandeng;  auf  dem  Rückmarsch  aber  wurde  er  vom  grössten 
Theil  seiner  Leute  abgedrängt,  diese  angegriffen  und  4  Europäer,  68  Wei  und 
100  Bali    getödtet.     Zugleich    fielen    andere  Nachbarstämme  den  Siegern  zu, 
und  die  Verluste  an  Munition  Hessen  im  Fall  eines  Angriffes  Schlimmes  be- 
fürchten.    Z.  hatte    schon  Ende   Januar,    als    die  Lage    drohend  wurde,    die 
Kolonialverwaltung    gebeten,    die    auf  der  Barombistation    lagernde  Resene- 
Munition  seiner  Expedidon  nach  Bali  oder  Banyang  zu  senden.     Es  geschah 
nicht,  auch  nachdem  Gerüchte  von  dem  unglücklichen  Gefecht  vom  31.  Ja- 
nuar   in  Kamerun    angelangt    waren.     Z.  wartete  14  Tage  vergebens,   bis  er 
selbst  nach  Kamerun  ging  und  nun  endlich  die  Absendung  der  Munition  be- 
wirkte.    Die  Ursache    des  Zögems    der  Kolonial  Verwaltung,    an  deren  Spitze 
damals  der  Gouverneur  Zimmerer  stand,  kann  der  Unbetheiligte  nur  in  der 
verschiedenen  Auslegung  der  Selbständigkeit  gegenüber  der  Kolonial venÄ'aJtung 
von  Kamerun  suchen,  die  Z.  sich  in  Berlin  eigens  hatte  verbriefen  lassen.    Auch 
scheinen  Z.'s  Ansichten  über  die  Bedeutung  seiner  Beziehungen  zu  den  Bali  für 
die  Kolonie,  sowohl  in  Kamerun  wie  in  Berlin  nicht  mehr  ganz  getheilt  worden 
zu  sein.    Es  ist  aber  nicht  zweifelhaft,  dass  der  Aufschub  jeglicher  Hilfeleistung 
die  Wiederherstellung  des  in  dem  Gefecht  bei  Bandeng  erschütterten  Einflusses 
der  Deutschen  im  Hinterland  von  Kamerun  sehr  erschwert  hat,  und  dem  deut- 
schen Ansehen  überhaupt  abträglich  gewesen  ist.    Noch  in  anderen  Beziehungen 
erhob  Z.  Vorwürfe    gegen    die    kameruner  Verwaltung,   besonders  gegen  den 
Gouverneur  Zimmerer.    Das  für  die  Entwickelung  der  Kolonie  so  nothwendige 
Herabführen  der  Bali  soll  dieser  eher  gehindert,  als  gefördert  haben.    Kleinere 
Beschwerden,  die  er  in  einer  (ohne  Jahreszahl)  zu  Hamburg  erschienenen  Schrift 
»Meine  Beschwerden  gegen  das  Kaiserliche  Gouvernement  in  Kamerun.    Bei- 
träge zu  dem  derzeitigen  bureaukratischen  Regime  in  der  Kamerunkolonie«  erhob, 
bekundeten  seine  tiefe  Verstimmung  gegen  die  leitenden  Beamten  in  Kamerun 
und  zuletzt  auch  gegen  die  Kolonialabtheilung  im  Auswärtigen  Amt,  die  seine 
Klagen    unbeachtet    Hess.     Nachdem    er    in    dieser  Schrift  beherzigenswerthe 
Winke  über  die  Reform  unserer  Kolonialbeamtenschaft  mit  grosser  Aufrichtig- 
keit ausgesprochen  und  besonders  die  damalige  Verwaltung  von  Kamerun  ads 
unfähig  bezeichnet  hatte,  war  natürlich  seines  Verbleibens  im  Dienst  der  von 
ihm    mit    so    grossem  Misstrauen    betrachteten  Verwaltung  nicht  länger.    Z., 
der  Todtgeglaubte,   war   am   i.  März    in  Kamerun  eingetroffen.      Der   lang- 
jährige Gefährte  Z.'s,    G.  Conrau,    der    zuerst    in  dieser  kritischen  Zeit  nach 
dem  unglücklichen  Gefecht  vom  Januar  1891  mit  Z.  in  Verbindung  trat,  und 
mit   ihm    nach  Baliburg  zurückkehrte,    schildert  sein  damaliges  Wesen  in  fol- 


ZintgrafT.  315 

genden  Worten:  »Er  besass  eine  Energie,  wie  man  sie  selten  findet,  mit  der 
sicli  eine  vornehme  Denkungsweise  paarte.  Seine  Unerschrockenheit  und 
Oeistesgegenwart  hat  den  Negern  gewsdtig  imponirt  und  wurde  oft  von  ihnen 
besprochen.  .  .  .  Sein  Einfluss  auf  die  Bali  war  durch  das  Gefecht  nicht  nur 
nicht  abgeschwächt,    sondern  im  Gegen theil  gewachsen.     Seine  Energie  und 

Unerschrockenheit  hatten  einen  zu  grossen  Eindruck  auf  sie  gemacht 

Ej-  war  einer  der  besten  Fussgänger.  Er  hat  auch  hierdurch  den  Negern,  die 
selbst  ausgezeichnet  zu  Fusse  sind,  sehr  imponirt.  Massa  Doctor  sabe  walk 
too  much,  passes  us  all,  hörte  man  sehr  oft.  Mit  den  Negern  verstand  er 
vorzüglich  umzugehen  und  fertig  zu  werden.  Er  wusste  vortrefflich  seine 
Pläne  ihnen  gegenüber  durchzusetzen.  Bei  diesen  Verhandlungen  kamen  ihm 
sein  Humor  und  sein  oft  sarkastischer  Witz  sehr  zu  statten.« 

Z.  verband  mit  seinem  Bericht  über  das  Gefecht,  den  er  demAuswärtigen 
Amt  einsandte,  den  Antrag  die  Bali  mit  2000  Mausergewehren  zu  bewaffnen  und 
die  gefallenen  Europäer  zu  ersetzen.     Zugleich  kam  er  auf  den  Plan  zurück, 
Mundame  am  oberen  Ende  der  allerdings  unsicheren  Schiffbarkeit  des  Mungo 
mit  Bali  durch  eine  Strasse  zu  verbinden.    Die  Kolonialverwaltung  schien  aber 
Z.'s  Entwürfen  Zweifel  entgegenzusetzen,  dieser  ging  nach  Barombi  zurück,  um 
Bali  näher  zu  sein  und  begann  dort  mit  der  Ausbesserung  des  Weges  in's  Innere. 
Kr  kam  am  23.  August  mit  Lieutenant  Hutter  nach  Bali  zurück,  und  langsam 
folgten  die  verlangten  Gewehre,  mit  denen  die  waffenfähige  Balimannschaft  ein- 
exercirt  wurde.     Gleich  in  den  ersten  Wochen  schloss  Z.  einen  Vertrag  mit 
Garega  ab,  in  dem  dieser  Z.,  dem  weissen  Freund,  die  Ausübung  aller  Gewalt 
über  die  Baliländer  übertrug.    Der  merkwürdige  Vertrag  ist  in  »Nordkamerun« 
S.  395  f.  abgedruckt.     Ende  1891    traf   in  Lieutenant  Steinäcker    ein  zweiter 
Officier  für  die  sich  mehrenden  Aufgaben  ein,  doch  wurde  der  früher  befoh- 
lene Vorstoss  zum  Tsadsee,  den  Z.  vorbereitet  hatte,  vom  Auswärtigen  Amte 
wieder  abbestellt.    Eine  ruhrartige  Seuche,  die  anfänglich  eine  gewaltige  Sterb- 
lichkeit unter  den  Bali  hervorgerufen  hatte,  wurde  überstanden  und  die  Ver- 
hältnisse entwickelten  sich  in  jeder  Weise  günstig;    Z.  verwaltete  vollständig 
unabhängig  ein  rasch  sich  erweiterndes  Gebiet.     Er  legte  Stationen  in  Tinto 
bei  den  Banyang  und  in  Mundame  an,  wohin  Jantzen  und  Thormälen  auf  dem 
Mungo  einen  Schleppdampfer  gehen  liessen,  und  auf  den  dazwischen  gebauten 
Wegen    wuchs    der    friedliche  Verkehr,    während  besonders  in  Barombi  der 
eigene  Anbau  Fortschritte  machte.     Es  fehlte  nur  die  Uebereinstimmung  mit 
der  Kolonialverwaltung,  deren  Mangel  besonders  hervortrat,  als  Bali,  die  mit 
Steinäcker  an  die  Küste  gegangen  waren,   von  den  Dualla  misshandelt  wur- 
den und  die  Kolonialverwaltung  ablehnte,  eine  Untersuchung  zu  eröffnen.    Z. 
reiste    nach  Europa,    fand    aber,    dass    man   in  Berlin  sich  auf  die  Seite  der 
kameruner  Beamten  stellte,  nahm  und  empfing  1892  seine  Endassung.    Seinem 
Versuch,  die  Culturarbeit  im  Hinterland  durch  Anleitung  zur  Anlage  von  Pflan- 
zungen an  der  Strasse  Mundame-Bali  durch  Eingeborene  und  durch  Schulung 
von  Balileuten  im  Plantagenbau,  femer  durch  wissenschaftliche  Beobachtungen 
fortzusetzen,  versagte  das  Auswärtige  Amt  die  Genehmigung  mit  der  Begründung, 
dass  es  nicht  im  Interesse  der  geordneten  Verwaltung  der  Kolonie  liege,   Z. 
jetzt   oder  in   den   nächsten  zwei  Jahren  dorthin  zurückkehren  zu  lassen.     Z. 
Hess  sich  darauf  für  einige  Zeit  in  Neu-Babelsberg  nieder,  hielt  Vorträge  über 
seine  Reisen  und  schrieb  sein  Buch  »Nordkamerun«,   das  1895  in  Berlin  er- 
schien.    1893    war    er    nach  Transvaal    gegangen,    um    die  Verhältnisse    der 
Goldfelder  kennen  zu  lernen,  und  1896  bot  sich  ihm  endlich  die  Gelegenheit 


^  1 6  Zintgraff. 

dar,  als  Direktor  der  Pflanzungsgesellschaft  Victoria  mit  E^er  und  Hösch 
nach  Kamerun  zurückzukehren.  Er  ging  neuerdings  daran,  aus  den  Bali  einer. 
Stamm  von  tüchtigen  Arbeitern  auf  Pflanzungen  heranzuziehen  und  schien 
vor  dem  erhofften  Erfolge  zu  stehen,  als  er  im  Spätjahr  1897  wegen  Krank- 
heit Urlaub  nehmen  musste.  Sein  Humor,  der  ihn  nie,  auch  nicht  in  den 
Tagen  der  Sorge  und  des  Ungemaches,  verlassen  hatte,  verliess  ihn  auch 
nicht  auf  dem  Sterbebette.  Man  erzählt,  dass,  nachdem  er  vorher  angeordnet 
hatte,  man  solle  seine  Ankunft  nach  Hause  melden,  er  bei  der  plötzlichen 
Verschlimmerung  seines  Zustandes  befohlen  habe:  »Kabelt  nach  Hause,  ich 
kann  wegen  Todesfall  nicht  kommen«. 

Z.  ist  unter  den  jüngeren  deutschen  Afrikareisenden,  deren  Thätigkeit  in 
die  koloniale  Aera  fällt,  einer  der  hervorragendsten.    Er  ist  ein  Vertreter  der 
besten  Eigenschaften  dieser  jüngeren  Generation.    Z.  war  nicht  in   erster  Linie 
Gelehrter.    Sein  Verhältniss  zu  Afrika  auch  war  nicht  das  des  kühlen  Beobach- 
ters.   Er  stand  Afrika  mit  einer  tiefen  Neigung  gegenüber.    Afrika  hatte  für  ihn 
eine  unschätzbare  Eigenschaft,  die  ihm  viele  Unannehmlichkeiten  aufwog:   »hier 
muss   der  Mensch   die  Maske  fallen  lassen   und  seinen  wahren  Charakter  zei- 
gen;   hier    weist    es  sich  aus,    wer  wahrhaft  vornehm  und  gebildet,    und  wer 
nur    mit  Cultur  oberflächlich  tibertüncht  ist.«     Er  hatte,  wie  seine  Laufbahn 
zeigt,    alle    seine  Kräfte    in  den  Dienst  Afrikas  gestellt.     »Dort  ein    tüchtiges 
Stück  Culturarbeit  zu  schaffen,  war  das  Ziel,   das  er  unentwegt  im  Auge  be- 
hielt.    Nachdem  er  aus  dem  Regierungsdienst  geschieden  war,  baute   er  Plan 
auf  Plan    mit    unermüdlichem  Eifer,    um  sich  ein  neues  Wirkungsfeld  in  der 
Kolonie    zu    schaffen.     Der  Tod    riss    ihn  weg,    als  er  eben  die  selbständige 
Arbeit    für    ein    grösseres  Plantagenuntemehmen   begonnen  hatte.     Man  kann 
die  Frage  aufwerfen,  ob  er  nicht  zu  stürmisch  und  zu  rastlos  für  eine  solche 
Stellung    war,    die    viel  Geduld    und  Ausdauer  verlangt.     Mit  seinem   Unter- 
nehmungsgeist   und    seiner    den    europäischen   Comfort    verschmähenden  An- 
spruchslosigkeit war  er  mehr  geschaffen,  Expeditionen  zu  fuhren  oder  Stationen 
in  ausgesetzter  Lage  zu  befehligen.     Dazu  kam  seine  Fähigkeit,  mit  den  Ne- 
gern  zu  verkehren.     Eine  Grausamkeit    gegen    die  Neger  hat  er  sich  nie  zu 
Schulden  kommen  lassen.     Er  strafte  wohl  streng,  wenn  es  nothwendig  war, 
die  Leute  durften  ihm  aber  auch  alle  ihre  kleinen  Sorgen  und  Wünsche  vor- 
tragen,   er    lieh   jedem   ein  geduldiges  Ohr  und  half,  wo  er  nur  konnte.     Er 
war  gefürchtet  und  geliebt«  (Conrau).     So  gut  er  mit  den  Negern  umgehen 
konnte,    so    wenig  verstand  er  dies  denen  gegenüber,  in  deren  Hand  damals 
das  Geschick    der  Kolonie    ruhte.     Diese    tadelten    seine   Ueberhebung    und 
hielten  seine  Pläne  für  utopisch.     Er    war  zu  wenig  schmiegsam  und  nach- 
giebig,   konnte    sich    nur   schlecht  einem  anderen  beugen,    war  zu  sehr  eine 
Herrennatur.     Man  hörte  ihn    wohl   sagen:    »Ich  werde  die  Leute  mit  That- 
sachen  ohrfeigen.«    Dabei  vergass  er  leider,  dass  dieselbe  Thatsache  von  ver- 
schiedenen Beurtheilem  entgegengesetzt  gedeutet  und  geschätzt  wird,   ebenso 
wie  er  übersah,  dass,  wenn  er  rücksichtslos  das  durchzusetzen  suchte,  was  er 
für  Recht  hielt,    abweichende  Meinungen  über  das  Rechte  ebenso  rücksichts- 
los   sich  unter  heftiger  Gegnerschaft  verwirklichen  wollten.     Wer  möchte  in- 
dessen   angesichts    der  Entwicklung    der  Verhältnisse  in  Kamerun  läugnen, 
dass    Z.'s    Ansichten    und    Vorgehen    in    den    Hauptpunkten     gerechtfertigt 
worden    sind?     Sein    einstiger    Gehilfe    Hutter    hat    1893    in    der    Kolonial- 
zeitung den  Bali  als  Soldatenmaterial   und  den  Ergebnissen  ihres  Exercitiuras 
ein  Lob    gespendet,    das    Z.'s    optimistischen  Auffassungen    entspricht.     Dass 


Zintgrafif.  317 

ÜCamerun  nicht  auf  die  Dauer  sich  mit  einer  Truppe  von  Wei-  oder  Dahomey- 
skla.ven  behelfen  kann,  haben  die  Ereignisse,  besonders  bei  den  verunglückten 
Ex^peditionen  von  Gravenreuth  und  Ramsay,  nur  zu  deutlich  gezeigt.  Und 
-w elcher  Vortheil  es  für  die  ganze  Kolonie  gewesen  wäre,  wenn  die  Anfänge 
Z.'s  mit  der  Schulung  der  Neger  im  kleinen  und  grossen  Plantagenbau  besserer 
Fortfuhrung  und  Unterstützung  gewürdigt  worden  wären,  lehrt  die  Geschichte 
jeder  Pflanzung  auf  dem  Boden  von  Kamerun.  Auch  was  Z.  in  dem  Schluss- 
abschnitt seines  Buches  über  Reisetechnik  sagt,  ist  als  gesund  und  praktisch 
anerkannt  worden,  wenn  auch  nicht  viele  Z.  in  der  absoluten  Enthaltung  vom 
Alkohol  folgen  oder  seine  Grundsätze  über  den  Verkehr  mit  den  Negern  in 
allen  Einzelheiten  billigen  werden. 

In  rein  politischer  Beziehung  hat  Z.  ebenso  wie  die  gleichzeitig  mit  ihm 
auf  südlicheren  Wegen  dem  Benue  zustrebenden  Kund  und  Tappenbeck  nicht 
das  geleistet,  was  man  bei  seiner  Aussendung  erwartet  hatte.  Die  Schwierig- 
keit des  Vordringens  war  in  jenen  Jahren  noch  zu  gross;  war  doch  Kamerun 
gerade  die  Stelle,  wo  das  unbekannte  Innere  des  Erdtheils  am  nächsten  an 
die  Küste  herantrat.  Zugleich  waren  die  Mittel  zu  gering.  Daher  die  merk- 
würdige Aehnlichkeit  der  Schicksale  der  Z.'schen  Bemühungen  mit  denen  der 
Kund-  und  Tappenbeck'schen  Expedition:  Zu  frühe  Ablenkung  vom  Vor- 
dringen nach  Osten  und  an  den  Tsadsee,  kriegerische  Verwickelungen,  Rück- 
schläge. Dass  Z.,  als  er  zum  zweiten  Mal  mit  stärkerer  Macht  in*s  Grasland 
vordrang,  sich  zu  früh  von  Garrega  in  Krieg  mit  anderen  Stämmen  ver- 
wickeln Hess,  ist  ihm  mit  Recht  als  ein  Fehler  angerechnet  worden.  Der 
Misserfolg  dieses  zweiten  Verstosses  ist  einer  der  Gründe,  dass  die  Deutschen 
von  den  Franzosen  am  Schari  überholt  wurden  und  überhaupt  bis  1894  nicht 
«über  den  1 5  °  ö.  L.  vorgedrungen  waren. 

Z.'s  wissenschaftliche  Ausbildung  zum  Afiikareisenden  war  nicht  so,  wie 
man  sie  in  der  Zeit  Barth's,  Nachtigal's    und   Schweinfurth's    für    nothwendig 
gehalten  hat.    Seine  Anlagen  und  Neigungen  lagen  mehr  nach  der  praktischen 
Seite,  und  was  es  hier  zu  beobachten  gab,  das  hat  er  scharf  gesehen,  richtig 
beurtheilt  und  klar  geschildert.     Der  Boden,   soweit  er  für  Pflanzungszwecke 
geeignet  war,  die  Pflanzen  und  Thiere  soweit  sie  dem  Menschen  nützen  konn- 
ten, vor  allem  aber  die  Eingeborenen  mit  ihren  Fehlem   und  Tugenden  fes- 
selten seine  Aufmerksamkeit.     Seine  Berichte  enthalten  darüber    sehr    gründ- 
liche Ausführungen,  und  das  einzige  grössere  Werk,  das  er   hinterlassen  hat, 
ist  eine  Fundgrube  von  schönen  ethnographischen  Beobachtungen.    Aber  gerade 
durch   dieses  Buch   weht  ein  freier,    froher  Geist,    der  uns   sagt:    Es  ist  das 
Buch  eines  Pfadfinders  und  Urbarmachers,  der  die  praktischste  Kolonialpolitik 
treibt.      »Bei  schönem  trockenen  Wetter,  in  bester  Gesundheit,  ein  noch  un- 
bekanntes Ziel   vor  Augen,    gefolgt  von  seiner  Trägerschar  durch  Afrika  zu 
marschieren,    das    ist    das  Schönste,    was    man  sich  auf  Gottes  Welt  denken 
kann.«    Man  erkennt  zwar  an  manchen  Stellen,  dass  das  Buch  in  einer  kurzen 
Pause  zwischen  zwei  Perioden  grosser  praktischer  Thätigkeit  ausgearbeitet  wurde. 
Es  ist  nicht  als  Ganzes  so  sorgsam  gefeilt,  wie  Barth's  oder  Nachtigal's  Werke. 
Doch  zeigt  es  eine  ausgesprochene  schriftstellerische  Begabung  in  seiner  ge- 
drängten, plastischen  Sprache,  die  fesselt  und  mitreisst.     Die  Schilderung  der 
Elephantenjagd  in  Mabum  an  der  Grenze   der  Banyang  gehört  zu   den   Ka- 
binetsstücken   afrikanischer  Natur-   und  Völkerzeichnung,    aber   nicht   minder 
auch    die   Schilderung    des   Schwerttanzes   im  Hochlandnebel   bei    den    ersten 
Graslandbewohnem,  deren  Dorf  er  betritt,  und  der  endlosen  Palmweingelage 


2l8  Zintgrafl*.     Graf  Wimpffen. 

der  Bali,  »wo  alles  auf  Kommers  und  Rundgesang  zugeschnitten  ist.«  Wn 
empfinden  mit  ihm  lebhaft  die  Wohlthat,  nach  wochenlanger  WaJdwandening 
den  ins  Baliland  führenden  Pfad  viele  Kilometer  durch  das  frische  Gras  hin 
mit  den  Augen  verfolgen  zu  können,  wie  er  auf  Kämmen  hinführte,  in  Sen- 
kungen hinabstieg  und  Höhen  hinaufkletterte;  wir  freuen  uns  mit  ihm  de> 
Blickes  auf  die  zahlreichen  grünen  Flecken  der  Siedelungen  auf  den  Anhöher, 
des  welligen  Landes  und  der  ersten  Antilopen,  die  den  Weg  kreuzen.  Gerade 
die  Fähigkeit,  uns  mitten  in  eine  fremde  Welt  hineinzuversetzen,  zeichnet  Z.  ^ 
Buch  in  besonderem  Maasse  aus.  Nach  seiner  afrikanischen  Erstlingsarbeit; 
Der  untere  Kongo  von  Banana  bis  Vivi,  die  in  den  Mittheilungen  der  Hamburger 
Geographischen  Gesellschaft  1885/86  erschien,  hat  Z.  eine  Reihe  von  Reise- 
berichten in  den  Mittheilungen  aus  den  deutschen  Schutzgebieten  von  1 888  bi^ 
1890,  im  Export  1891 ,  in  den  deutschen  Kolonialblättem  1892,  veröffent- 
licht. Im  »Ausland«  1890  erschien  von  ihm  ein  Aufsatz  »Ueber  Gesten  und 
Mienenspiel  der  Neger«  und  in  den  Mittheilungen  aus  den  deutschen  Schutz- 
gebieten veröffentlichte  er  1890  Meteorologische  Beobachtungen  auf  der  Bali- 
station. Die  geographischen  Zeitschriften  enthalten  in  der  Periode  1885  bb 
1893  eine  grosse  Anzahl  von  kleineren  Berichten  über  Z.'s  Reisen.  Ueber 
Z.'s  kolonialpolitische  Thätigkeit  vgl.  besonders  die  im  Deutschen  Koloniai- 
blatt  Bd.  V.  veröffentlichte  Denkschrift  zum  Abkommen  vom  15.  März   1804. 

Kurze  Biographien  Z.'s  stehen  in  der  Rundschau  f.  Geographie  XIV,  und  in  Wcid- 
mann's  Deutsche  Männer  in  Afrika,  1894.  Ebendas.  auch  Bildnisse.  Ein  gutes  Biidaiss 
steht  vor  »Nordkamerun«.  Fttr  die  vorliegende  Arbeit  habe  ich  Privatmittheiluogen  ver- 
werthen  können,  deren  Einsendern  ich  herzlich  danke. 

Friedrich  Ratzel. 

Wimpffen,  Victor,  Graf,  k.  k.  Hofrath  und  Corvettenkapitän  a.  D.,  ♦am 
24.  Juli  1834  in  Hietzing  (Wien)  als  Sohn   des   1870   verstorbenen   Feldzeug- 
meisters Grafen  Franz  Wimpffen,  f  am  22.  Mai  1897  zu  Battaglia.  —  Sein  Vater 
hatte  für  seine  Leistungen  im  italienischen  Feldzuge  1848/49  Ritter-  und  Kom- 
mandurkreuz  des  Maria  Theresien- Ordens   erhalten.     Er  war  mit  Maria  geb. 
Freiin  von  Eskeles  vermählt,    (jraf  Victor  v.  W.  war  schon  1849  als  Volontär 
im  Hauptquartier  seines  Vaters  thätig.     Er  trat  dann,   1850,  als  Seekadett  in 
die  österreichische  Marine,  und  rettete  in  dieser  Stellung  einen  französischen 
Kauffahrer  vor    dem  Untergange.     Die   französische  Regierung  zeichnete  den 
jungen  Seemann    dafür  mit    dem  Kreuze    der  Ehrenlegion    aus.     Ende  1851 
Fregatten-,  1854  Linienschiffs-Fähnrich,  wurde  er  1857  zum  Fregattenlieutenant 
ernannt.     Er    unternahm    grössere    Seereisen,    so   1857/58    auf   der  Corvette 
»Carolina«,  und  berichtete  darüber  in  dem  Buche:   »Skizzen  aus  einem  Tage- 
buche«   (1859;    2.  Aufl.   1870,  Verlag  Zamarski).     Im  Jahre  1859    erhielt  er, 
dem    Generalstab    der    »ersten    Armee«    zugetheilt,    ftlr    sein    Verhalten    bei 
Solferino    die    kaiserliche    Anerkennung    ausgedrückt.     Im    Jahre    1866,    bei 
Lissa,    zeichnete  er    sich  als  Kommandant  des  Dampfers  »Stadium«  aus.    In 
seiner  Brochtire    über  die  Schlacht  bei  Lissa  (»Lissa,  20.  Juli  1866«,  Verlag 
Ferrari,  Bozen)  bewährte  er  abermals  seine  Federgewandtheit.    Mit  dem  Feld- 
zuge 1866  beschloss  Graf  W.  seine  militärische  Laufbahn.     Er  verliess   den 
Militärdienst  unter  Erhalt  des  Ranges  eines  Corvettenkapitäns.    Im  Jahre  1868 
folgte  er  noch  einer  Sendung  nach  London  als  Vertreter  der  österreichischen 
Marine    bei    der    Internationalen    Conferenz     der    Hilfsvereine    des    Rothcn 
Kreuzes  und  w^urde  bei  seiner  Rückkehr  mit  dem  Orden  der  Eisernen  Krone 
III.  Kl.  ausgezeichnet.     Die  Reisen    in  seiner  Jugendzeit  hatten    in  ihm  Sinn 


Graf  Wimpffen.     Graf  Wolkenstein.     Freiherr  von  Eichhoff.  ^ig 

und   Verständniss  für  das  moderne  Verkehrsleben  gefördert.    So  fand  er  sich 
ba^ld  in    seine  neue  Stellung  als  Präsident  der  damals  neu  gebauten  Nieder- 
Österreichischen  Südwestbahnen    und    folgte    um  so    lieber    der  Berufung  als 
Hofrath  und  Generalinspektor  des  Telegraphenwesens  in's  Handelsministerium 
im    Jahre  1876,  wo  er  bis  Mitte  1880  thätig  war.     Ihm  dankt  man  die  Ein- 
führung   des    telegraphischen  Worttarifes  in  Oesterreich,    der  für  den  Fiskus 
A^'ie    für  das  telegraphische  Bedürfniss  des  Publikums  gleich  willkommen  war. 
Auch    sonst    zeigte    er    durch    zahlreiche  Verbesserungen    seinen  praktischen 
Blick  und  erwarb  sich  speciell   um  die  Telegraphistinnen  durch   Begründung 
ihrer  Altersversorgung  grosse  Verdienste.    Graf  W.  war  seiner  Zeit  durch  seine 
eifrige  Mitarbeit  in  zahlreichen   künstlerischen  Vereinigungen   und  bei  gesell- 
schaftlichen Veranstaltungen   eine  vielgekannte  Persönlichkeit.     Mehrere  Jahr- 
zehnte war  er  als  Administrator  der  Ersten  Oesterreichischen  Donau -Dampf- 
schi fifTahrts  -  Gesellschaft  thätig.     £r  verschied  auf  seinem  Gute  Battaglia  (in 
Oberitalien).     Als  Besitzer  der  Güter  Kainberg,  Reitenau  und  Eichberg  hatte 
er     sich    grosse  Verdienste    um    die  Hebung    der    steirischen    Fischzucht    er- 
worben.    Seiner  Ehe    mit  Anastasia  Freiin  von  Sina    entsprossen    die  Gräfin 
Hedwig  Anastasia  Iphigenie  und  die  Grafen  Siegfried  Simon  Franz  und  Simon 
Alf.  Victor. 

Heinrich  Adler. 

Wolkenstein  y  Heinrich ,  Graf,  Oberstjägermeister  des  Kaisers  Franz 
Josef,  ♦  am  7.  Januar  1841  als  Sohn  des  böhmischen  Herrschaftsbesitzers 
Grafen  Karl  Wolkenstein,  f  am  11.  Februar  1897  zu  Wien.  —  Er  trat  noch  in 
den  fünfziger  Jahren  in  die  Armee  und  rückte  dort  allmählich  bis  zum  Major 
(i.  Mai  1880)  vor.  Als  solcher  war  er  auch  als  Flügeladjutant  des  Kaisers 
bis  zum  Jahre  1884  thätig,  wo  er  zum  Oberstlieutenant  befördert  wurde. 
Im  Jahre  1886  trat  er  mit  dem  Titel  eines  Obersten  in  Disponibilität.  Er 
wurde  zum  Oberst-Küchenmeister  ernannt  und  mit  der  Würde  eines  Geheimen 
Rathes  ausgezeichnet.  Die  Stelle  eines  Oberst -Küchenmeisters  bekleidete  er 
bis  zum  21.  Januar  1897.  Damals  —  man  brachte  das  mit  gewissen  System- 
änderungen in  der  Verwaltung  des  Hofstaates  in  Verbindung  —  wurde  er 
seiner  Stellung  enthoben  und  zum  Oberstjägermeister  ernannt.  In  der  Nacht 
vom  II.  auf  den  12.  Februar  1897  machte  er  seinem  Leben  mit  einem 
Schuss  aus  einem  Kugelstutzen  ein  Ende.  Von  anderer  Seite  wurde  sein 
jähes  Ende  auf  schweres  Leiden  zurückgeführt.  Der  Verschiedene  war  ein 
jüngerer  Bruder  des  Botschafters  in  Paris,  Grafen  Anton  Wolkenstein. 

Heinrich  Adler. 

Eichhoif,  Josef,  Freiherr  von,  österreichischer  Politiker,  *  als  Sohn  des 
Hofkammer-Präsidenten  Peter  Josef  Freiherm  von  Eichhoff  am  28.  October  1822, 
f  am  17.  November  1897.  —  In  den  Jahren  1835 — 1840  versuchte  es  E.'s  Vater 
mit  kräftiger,  fester  Hand,  die  trostlose  Lage  des  österreichischen  Staatshaus- 
haltes zu  bessern.  Peter  Josef  Eichhoff  wurde  im  Jahre  1834  in  den  öster- 
reichischen Ritterstand  —  die  Familie  Eichhoff  stammt  aus  Bonn  —  und  1836 
in  den  Freiherrnstand  erhoben  und  im  Jahre  1839  zum  ungarischen  In- 
digena  und  Magnaten  ernannt.  Als  Vertreter  des  verfassungstreuen  mähri- 
schen Grossgrundbesitzes  trat  Baron  E.  1863  in  den  mährischen  Landtag, 
der  ihn  dann  viele  Jahre  hindurch  in  den  Reichsrath  entsandte.  Dort  be- 
sass  er  lange  Zeit  eine  führende  Stelle  als  Obmann  der  liberalen  Centrums- 
partei; seine  maassvoll  liberalen  Anschauungen  waren  von  grosser  Bedeutung 


320 


Freiherr  von  Eicbhoff.     Gerhard. 


auch  für  die  mehr  fortschrittlichen  Parteien  der  Linken.  Seit  23.  October 
1823  mit  Marie  Rosalie,  geb.  Gräfin  v.  Hohenwart  zu  Gerlachstein,  vermahlL 
also  Schwager  des  Grafen  Hohenwart,  stand  er  immerhin  in  der  ersten  Reihe 
des  Kampfes,  der  im  Sommer  1871  gegen  die  Vorbereitung  der  Fundamental- 
artikel entbrannte.  Nach  dem  Sturze  Hohenwart's  wurde  Baron  E.  vielfach 
in  die  Kabinetscombinationen  einbezogen,  als  Ministerpräsident  oder  a^ 
Minister  des  Inneren.  In  der  Aera  Taaffe  zog  E.  sich  dann  völlig  auf  seine 
Stellung  als  Führer  des  verfassungstreuen  mährischen  Grossgrundbesitzes  im 
mährischen  Landtage  zurück,  bis  er  schliesslich,  am  i.  November  1892,  in 
das  Herrenhaus  berufen  wurde.  Im  Jahre  1872  wurde  er  mit  der  Würde 
eines  Geheimen  Rathes  bekleidet.  Seine  Gemahlin  verschied  zwei  Jahre  vor 
ihm.  Ihrer  Ehe  entsprossen  Freiherr  Josef  und  Freiin  Clara.  Die  Allodiai- 
herrschaften  Czekin,  Winar,  Roketnitz  und  Przekawalk  in  Mähren  sind  frei- 
herrlich  EichhoflTsche  Besitzung. 

Heinrich  Adler. 

Gerhard,  Johannes  Dietrich  Adolar,  Rechtsanwalt  und  Schriftsteller,  ^am 
17.  Juni  1825  in  Leipzig,  f  am  8.  Mai  1897  daselbst.  —  Er  war  der  dritte  Sohn 
des  bekannten  Legationsraths  Wilhelm  G.,   eines  Weimaraners,   der  sich  der 
Freundschaft  und  Gunst  Goethe's  rühmen  durfte,  und  der  sich  durch  Ueber- 
setzungen  serbischer  und  schottischer  Balladen^  durch  Uebertragungen  aus  dem 
Mittelhochdeutschen,  sowie  durch  eigene  Gedichte,  von  denen  viele  Volkslieder 
geworden,  in  der  deutschen  Literatur  einen  Platz  gesichert  hat.    In  dem  Hause 
des  Vaters,  in  welchem  Gelehrte  und  Künstler  geselligen  Verkehr  pflegten  und 
gasdiche  Aufnahme  fanden,  gab  es  viele  poetisch  anregende  Beziehungen,  und 
in  dieser  geistigen  Atmosphäre  wuchs  Adolar  G.  auf.     Nach  Absolvining  des 
Gymnasiums  studirte  er  in  Jena  und  Leipzig  unter  Wächter,  Albrecht,  Gtintter 
u.  A.  Jurisprudenz  und  erlangte  nach  Abschluss  seiner  Studien  die  nur  selten 
gewährte  erste  Censur.    Bald  darauf  (1856)  Hess  er  sich  in  Leipzig  als  Rechts- 
anwalt nieder.     Er  war  namentlich  als  Vertheidiger  beim  Schwurgericht  eine 
gesuchte  Persönlichkeit,    da    er    bei   rascher  Geistesgegenwart  die   Gabe  der 
freien  und  schwunghaften  Rede  in  hohem  Grade  besass.    Als  warmer  Literatur- 
freund  und  einer  der  besten  Literaturkenner  wandte  er  seine  Aufmerksamkeif 
den  Rechtsfragen    zu,    welche    dieses  Gebiet  betrafen,   und  als  das  Urheber- 
gesetz vom  Jahre  1871   für  das  geistige  Eigenthum  einen  festen  Rechtsboden 
geschaffen,  da  war  er  mit  Ernst  Wiehert,  Karl  Batz    u.  A.  unter  den  ersten, 
welche    die  Gründung    der  »Genossenschaft  dramatischer  Autoren  und  Com- 
ponisten«  durchsetzten.    Und  als  sich  diese  1871  in  Leipzig  constituirt  hatte, 
wurde  G.  der  Syndikus  derselben   und  nahm  sich  ihrer  Interessen  mit  Sach- 
kenntniss   und    grosser  Uneigennützigkeit    an.     Im  Jahre  1884    legte  G.  das 
Syndikat  nieder,  und  da  er  auch  in  demselben  Jahre  Wittwer  geworden  war, 
gab    er    auch    seine  Thätigkeit    als  Rechtsanwalt  auf   und  lebte  nun  hinfort 
ganz  der  Literatur  und  der  Dichtung.    Er  konnte  sich  schon  früher  manches 
schönen  Erfolges  als  Poet  rühmen.    Das  Festspiel  »Victoria  regia«  (1858),  das 
er  für  die  Berliner  Bühne  zur  Vermählungsfeier  des  Prinzen  Friedrich  Wilhelm 
von  Preussen    und    der  Prinzessin  Victoria    von  England  geschrieben,  wurde 
mit    dem    ersten  Preise    gekrönt  und  in  den  Festmonaten   in  Berlin  wieder- 
holt   aufgeführt.     Eine    epische  Dichtung  »Der  Erlöser«   Hess  er    unter  dem 
Namen  Gerhard  Ger  (1885)  erscheinen,  während  ein  Theil  seiner  »Gedichte* 
erst  nach  seinem  Tode  herausgegeben  ward  (1898).    Im  Jahre  1894  erlitt  G. 


Gerhard.     Deeckc. 


321 


dnen  Schlaganfall,  der  ihn  linksseitig  lähmte,  aber  geistig  blieb  er  bis  wenige 

wIona.te  vor  seinem  Tode  noch  rege  und  schaffend.     Er  war  ein  Mann  von 

jcilem  Charakter  und  den  strengsten  Grundsätzen,  eine  Natur,  die  sich  mehr 

ia.ch   innen  kehrte,  ja  fast  zur  Hypochondrie  neigte  und  niemals  die  offen t- 

iclie  Anerkennung  herausforderte. 

Nach  Mittheilungen  aus  der  Familie.  —  Rudolf  von  GottschaH's  Nächruf  im  »Leip- 
Eiger    Tageblatt  und  Anzeiger«  Tom  11.  Mai  1897. 

Franz  BrÜmmer. 

Deecke,  Wilhelm,  ♦  am  i.  April  1831  in  Lübeck,  f  am  2.  Januar  1897 
in    Strassburg  i.  E.  —  Er  war  der  Sohn  des  Professors  Dr.  Deecke,  der  die 
freie   Hansestadt  auch  1848  im  Frankfurter  Parlament  vertrat.     Nach  Absol- 
virung    des    Katharineums    beaog  D.   schon    mit    17    Jahren    die  Universität 
Leipzig,  wo  er  sich  dem  Studium  der  Philologie  —  und  zwar  in  weitestem 
Umfange  —  widmete.    Im  Herbst  1849  &^S  ^^  nach  Berlin,  wo  er  bis  1852 
seine    Studien    fortsetzte,    die    sich  hier  auch  auf  Alterthumskunde  und  ver- 
gleichende Sprachwissenschaft  ausdehnte.     Ohne  seine  Studien  durch  irgend 
ein   Examen  zum  Abschluss  gebracht  zu  haben,  aber  doch  mit  einem  univer- 
sellen Wissen  ausgestattet,  kehrte  er  nach  Lübeck  zurück,  wo  er  vertretungs- 
weise Unterricht   im  Lateinischen    am  Katharineum   ertheilte,    1855  ^^^^  ^^^ 
Leitung  der  Ernestinenschule,  einer  höheren  Mädchenschule,  übernahm.    Diese, 
ursprünglich  nur  für  wenige  Jahre  beabsichtigte  Thätigkeit  wurde  ihm  mehr 
und    mehr   lieb,   so   dass  er,  nachdem  er  seinen  Hausstand  gegründet  hatte, 
15  Jahre   in   derselben    verharrte.     Diese  Zeit   wurde  nicht  nur  durch  seine 
amtliche  Thätigkeit,  sondern  auch  durch  eifrige  Beschäftigung  mit  den  früher 
erwählten  wissenschaftlichen  Fächern,  durch  Reisen  nach  England,  Frankreich, 
Holland    und  Italien,    durch    die  Theilnahme    am   öffentlichen  Leben,    durch 
Wirksamkeit  in  der  Oberschulbehörde  (seit  1865)  u.  a.  ausgefüllt  und  durch 
innigen  Verkehr  mit  Emanuel  Geibel  und  anderen  bedeutenden  Männern  ver- 
schönt.    Auch  als  Schriftsteller  bethätigte  er  sich,  besonders  in  seinem  Buch 
über  »Deutsche  Verwandtschaftsnamen«  (1870).    Nachdem  er  1870  die  preussi- 
sche  Oberlehrerprüfung  bestanden  und  sich  in  Leipzig  die  Doktorwürde  er- 
worben hatte,   erhielt  er  noch  in  demselben  Jahre  eine  Stelle  als  Oberlehrer 
an    der  Realschule    L  Ordnung   in  Elberfeld,  aber  schon  1871  wurde  er  als 
Mitdirektor    des    kaiserlichen    Lyceums    nach    Strassburg    i.  E.  berufen.      Er 
brachte  diese  Anstalt,  deren  Leitung  er  von  1879  ^"  allein  führte,  zu  hoher 
Blüthe,  so  dass  die  Schülerzahl  von  etwa  100  in  drei  Jahren  auf  500  wuchs.    Als 
aber  Meinungsverschiedenheiten  über  principielle   Schulfragen    zwischen   dem 
Statthalter    Edwin    von    Manteuffel     und    D.    entstanden    und    der    letztere 
seine  Ansicht  in  den  »Plaudereien    über  Schule    und  Haus«  (2  Hefte,   1884) 
ruhig  und  würdevoll   vertheidigte,  wurde  der  Wirksamkeit  D.'s  in  Strassburg 
schnell  ein  Ende  bereitet  und   er  als  Direktor  des  Gymnasiums  nach  Buchs- 
weiler im  Unter-Elsass  versetzt  (1884).     Erst  fünf  Jahre  später  trat  er  durch 
seine    Ernennung    zum    Direktor    des    grossen  Gymnasiums  in  Mülhausen  — 
unter    dem    Statthalter   Fürsten    Hohenlohe- Schillingsfürst  —  wieder  in  eine 
Stellung    ein,    die    der  früher  eingenommenen  gleichwerthig  war,  und  die  er 
bis   zu    seinem  Tode    inne  hatte.     Ein  schweres  Leiden  machte  Ende  d.  J, 
1896   seine  Ueberführung  in  das  Diakonissenhaus  zu  Strassburg  nöthig,  und 
hier  ist  er  wenige  Stunden  vor  der  beabsichtigten  Operation  verschieden.  — 
I>.  galt,    als  Verfasser    der    genauesten   »Jahresberichte  über  die  Fortschritte 

Biogr.  Jahrb.  n.  Deutscher  Nekrolog.   9.  Bd.  2 1 


322 


Deeeke.    Bode. 


der  lateinischen  Sprachkunde«  (1875 — 95),  als  einer  der  besten  Kenner  die»: 
Sprache.  Infolge  dessen  wurde  er  ersucht,  eine  »Lateinische  Grammatik  mr 
Erläuterungen«  (1893)  zu  schreiben.  Sein  Hauptverdienst  liegt  in  seine- 
Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  etruskischen  Sprache  und  Alterüiüme 
deren  Resultate  er  in  dem  dreibändigen  Werke  »Etruskische  Forschungen 
(1875  —  84),  in  dem  Buche  über  »Die  Falisker«  (1888)  und  anderen  Ver- 
öffentlichungen niedergelegt  hat.  Den  intimen  Beziehungen  zu  seiner  Vater- 
stadt entstammten  seine  biographischen  Arbeiten  »Wilhelm  von  Bippen,  eir. 
Gelehrtenleben«  (1867)  und  »Aus  meinen  Erinnerungen  an  Emanuel  Geibcl 
(1885),  sowie  auch  eine  Sammlung  seiner  Gedichte  »Heimathklänge c  (187c 

Lttbeckische  Bl&tter,  Jahrg.  1897,  No.  2  u.  5  vom  10.  und  31.  Januar.  —  Jahresberid:- 
des  Gymnasiums  zu  MUlhausen  im  Elsass  1896 — 97. 

Franz  Brünimer. 

Bode,    Richard  Werner,    *  am   i.  August  1842    in  Halberstadt,   f  an. 
14.  Juli  1897,   durch  längere  Krankheit  vom  Sitz  seiner  Amtsthätigkeit  ferr 
gehalten,  in  Blankenburg  am  Harz  als  vortragender  Rath  im  Ministerium  der 
öffentlichen  Arbeiten  und  Geheimer  Baurath.     Allzufrüh  hat  der  Tod   einer 
hochbegabten    Mann    abberufen,    dem    nach    pflichttreuem    und     an     Erfolg 
reichem    Wirken    eine    bedeutende  Zukunft    vorbehalten    schien.     Ex    genau 
seine  Schulbildung   auf   dem  Gymnasium    zu    Halberstadt,    bezog    1863  die 
Königliche  Bauakademie  in  Berlin  und  bestand  Ende  1865  die  erste  Staate 
Prüfung.     Schon  als  Bauführer  entschied   er  sich  für  das  Eisenbahnfach,  in 
welchem    auch    sein  Vater  als  oberster  Baubeamter  der  Magdeburg- Halber- 
städter   Eisenbahngesellschaft    hervorragend    thätig    war.      Seine    Baumeister- 
prüfung   legte  B.  kurz    vor    dem  Ausbruch  des  deutsch-französischen  Kriegen 
ab.     Nachdem    er  während  des  österreichischen  Feldzuges  der  Executivcoro- 
mission  für  grössere  Truppentransporte  im  grossen  Hauptquartier  beigeordnet 
war,    wurde    er  1870  als  Officier  der  Landwehr   der  zweiten  Feldeisenbahn- 
Abtheilung  zugetheilt  und  erwarb  auf  französischem  Boden  das  eiserne  Kreuz. 
Nach  Beendigung  des  Krieges  und  kurzer  Thätigkeit  bei  Privateisenbahnbauten 
wurde    er    1873    auf   seinen    Wunsch  in    den    preussischen    Staatseisenbahn- 
dienst berufen,    in  der  Folge  als  Abtheilungsbaumeister  beim  Bau  der  Linie 
Berlin-Nordhausen,  von  1880  ab  beim  Bau  der  Gebirgsbahn  Erfurt-Rictschen- 
hausen  —  zum    Theil    unter    aussergewöhnlich    schwierigen  Verhältnissen  — 
beschäftigt  und   nach  glücklicher  Lösung  der  ihm  gestellten  Aufgaben  durch 
Verleihung  des  Rothen  Adler-Ordens  sowie  des  sächsisch-emestinischen  Haus- 
ordens   ausgezeichnet.     1883    in  die  etatmässige  Stelle  eines  Eisenbahn-Bau- 
und  Betriebsinspectors    eingerückt,    wurde    er  1885  als  Hilfsarbeiter  und  Be- 
triebsdecement    an    das  damals  durch  den  Umbau  des  Bahnhofs  Halle  stark 
belastete    Betriebsamt    Magdeburg    (Wittenberge-Leipzig)   versetzt,    1890  zum 
Regierungs-   und    Baurath,    Vorsteher    des   betriebstechnischen   Bureaus   und 
Bahnbevollmächtigten    der    Königlichen    Eisenbahndirection    Magdeburg    und 
1892  zum  Mitgliede  dieser  Behörde  befördert.    Die  von  ihm  in  jeder  Stellung 
bewiesene  Umsicht    und  Leistungsfähigkeit,  seine  umfassenden  Kenntnisse  im 
Eisenbahnbau  und  -Betriebe,    seine  Gewandtheit   im  dienstlichen  und  ausser- 
dienstlichen  Verkehr  veranlassten  1893  seine  Entsendung  ziu*  WeltaussteUung 
in  Chicago  als  Berichterstatter  über  amerikanische  Bahn-  und  Bahnhofsanlagen 
und  1894  —  nach  vorübergehender  Beschäftigung  im  Reichs-Eisenbahnamt  — 
seine  Berufung    in    das  Ministerium  der  öffentlichen  Arbeiten  als  technischer 


Bode.    Bauer. 


323 


Referent  für  die  Directionsbezirke  Halle  und  Magdeburg  und  als  Referent  für 
cnilitärische  Angelegenheiten,    in    denen   er  infolge  seiner  früheren  Thätigkeit 
besonders  erfahren  war.     Am  i.  April  1895  wurde  B.  gelegentlich  der  Neu- 
ordnung   der    Staatseisenbahnverwaltung    zum    Geheimen    Baurath    und    vor- 
tragenden Rath  ernannt.     B.  war  ein  Mann  von  ausgezeichneter  That  und 
W^illenskraft.     Auch    ausserhalb    seines  amtlichen  Wirkungskreises  hat  er  be- 
reitwilligst sein  Können  und  Wissen  in  den  Dienst  seines  Faches  und  seiner 
Fachgenossen    gestellt.     Längere  Zeit   war    er  Vorsitzender  des  Magdeburger 
Architekten-  und  Ingenieurvereins    und    gehörte    nach    seiner  Uebersiedelung 
nach  Berlin  auch  dem  Vorstande  des  Berliner  Architektenvereins  an.    Ueberall 
hat     ihm    sein    ofifenes,    zuverlässiges    und  wohlwollendes  Wesen  Freunde  er- 
w^orben  und  die  Liebe  und  Hochachtung  seiner  Mitarbeiter  und  Berufsgenossen 
gesichert.     Als  besonderer  Beweis  seiner  Herzensgüte  ist  noch  der  Eifer  her- 
vorzuheben, mit  welchem  er  stets  bis  zur  Grenze  des  Möglichen  für  das  Wohl 
seiner  Untergebenen  eintrat,  die  ihm  dafür,  trotz  seiner  Strenge  bei  vorkom- 
menden Verschuldungen,    seltene  Anhänglichkeit    und  Verehrung  bewahrten. 
Seit    1872  war  der  Verstorbene  in  glücklichster  Ehe  verheirathet.     Von    vier 
Kindern    sind  ihm  drei  im  Tode  vorausgegangen.     Der  erst  vor  Jahresfrist 
erlittene  Verlust  seiner  ältesten,   ihm  besonders  vertrauten  Tochter   hat    die 
Widerstandskraft    des    einst   so  kernigen  Mannes  gebrochen,   und  einen  Tag 
bevor  er  das  Fest  der  silbernen  Hochzeit  hätten  feiern  sollen,  wurde  er  unter 
Betheiligung  zahlreicher  Freunde  und  Amtsgenossen  in  Suhl  in  der  Familien- 
gruft beigesetzt. 

Ccntralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  No.  30. 

Bauer,  Julius  Bruno,  Militär  und  Schriftsteller,  *  am  27.  Februar  1843 
als  Sohn  des  Packhofskommissärs  Andreas  B.,  der  als  Sergeant  im  Braunschwei- 
gischen Truppencorps  den  Feldzug  von  181 5  mitgemacht  hatte  (f  1874),   in 
Braunschweig,  f  am  15.  September  1897  in  Bad  Oeynhausen.  —  Er  besuchte 
das  Gymnasium  seiner  Vaterstadt,   das  er  Ostern  1860  mit  gutem   Zeugnisse 
verliess,  um  als  Einjährig-Freiwilliger  am  i.  April  d.  J.  beim  Braunschweigischen 
Infanterie- Regimen te  einzutreten.     Am  i.  October  1860  wurde  er  zum  Vice- 
korporal,  6.  April  1861  zum  Portepeefähnrich,  5.  November  1862  zum  Second- 
Ueutenant  ernannt.    Als  solcher  nahm  er  1866  an  dem  Marsche  nach  Bayern 
Theil.     Während  des  Feldzuges  gegen  Frankreich,  wo  er  bei  Gravelotte,  der 
Cemirung  von  Metz,  bei  Langres,  Vandome,  Le  Mans  u.  s.  w.  mitfocht  und  sich 
das  eiserne  Kreuz  errang  —  später  erhielt  er  auch  das  Ritterkreuz  des  Ordens 
Heinrichs  des  Löwen  — ,  wurde  er  unterm  5.  Januar  187 1  zum  Premier-Lieute- 
nant befördert.    Am  30.  April  1877  wurde  er  zum  Hauptmann  und  Compagnie- 
chef  eniannt.    Ein  paar  Jahre  darauf,  im  September  1879,  vermählte  er  sich  mit 
Leopoldine  Abel,   Tochter  des  Justizraths  Abel   in  Hannover.     Durch  einen 
unglücklichen  Sturz  mit  dem  Pferde,  den  er  am  12.  Mai  1880  an  der  Spitze 
seiner  Compagnie  erlitt,  zog  er  sich  einen  Bruch  des  rechten  Unterschenkels 
zu,  der  zwar  heilte,  aber  heftige  neuralgische  Schmerzen  zurückliess.     Diese 
verschlimmerten  sich  derardg,  dass  er  seit  April  1882  seinen  Dienst  nicht  mehr 
versehen  konnte.     Die  Bäder,  die  er  besuchte,   bheben  ohne  Erfolg;    es  trat 
ein  Rückenmarksleiden  hinzu,    das  eine    allmähliche   Lähmung   beider  Beine 
zur  Folge  hatte.     Da  man  den  tüchtigen  Officier  dem  Regimente  zu  erhalten 
wünschte,    so  wurde    er  diesem    unterm  29.  Januar  1883  zunächst  aggregirt. 
Da  sich  das  Leiden  aber  nicht  besserte,  so  erhielt  er  unterm  3.  October  d.  J. 

31* 


3^4. 


Bauer.     Frani. 


den  erbetenen  Abschied  mit  Pension  und  der  Regimentsuniform.  Später 
(8.  Mai  1890)  verlieh  ihm  Prinz  Albrecht  als  Regent  des  Herzogthums  Brauiv 
schweig  noch  den  Charakter  als  Major.  Nach  seiner  Entlassung  siedelte  F>. 
nach  Bad  Oe)mhausen  über,  wo  er  nach  langem,  schwerem  Leiden  gestorber» 
ist.  Sein  trauriger  Zustand  hinderte  ihn  aber  nicht  an  reger  geistiger  Thäti::- 
keit.  Er  besass  eine  vielseitige  geistige  Bildung  und  konnte  im  persönlichen 
Verkehre  trotz  einer  starken  satirischen  Ader  eine  grosse  Liebenswürdigkd: 
entfalten.  Als  Schriftsteller  ist  er  öffentlich  zuerst  nach  dem  Tode  Herzog 
Wilhelms  mit  zwei  kleinen  Schriften  hervorgetreten:  »Hohenstaufen  —  Wdfcn 
und  Hohenzollern,  eine  historisch-kritische  Studie«  (Hannover,  1885)  und  »Der 
preussische  Antrag  bezüglich  der  braunschweigischen  Erfolgefrage  und  seine 
Consequenzen,  ein  Mahnruf«  (Hannover,  1885),  ^^  denen  er  einem  friedlichcT 
Ausgleiche  zwischen  Hohenzollern  und  Weifen  das  Wort  redet  und  für  cü^ 
Recht  des  Herzogs  von  Cumberland  auf  den  Braunschweigischen  Herzogsthron 
im  Interesse  der  deutschen  Monarchien  mit  Wärme  eintritt.  Es  folgten  danr 
noch  zwei  Abhandlungen  aus  der  vaterländischen  Geschichte:  »Die  Braun- 
schweig-Lüneburger  in  den  Türkenkriegen  des  17.  Jahrhunderts«  (Hannover. 
1885)  und  »Herzog  Friedrich  Wilhelm  von  Braunschweig  in  seiner  geschicht- 
lichen Bedeutung«  (Hannover,  1891),  die  nicht  so  sehr  für  die  historische 
Wissenschaft  wie  für  die  gut  volksthümliche  Literatur  eine  Bereicherung  be- 
deuten. Als  die  gründlichste  und  umfassendste  seiner  Schriften  ist  wohl  »Dei^ 
Einfluss  Frankreichs  auf  die  preussische  Politik  und  die  Entwickelung  des 
preussischen  Staats«  (Hannover,  1888)  zu  betrachten. 

P.  Zimmermann. 

Franz )    Hermann,    Geheimer  Oberbaurath,    *  am   12.  December   1827, 
f  am  20.  Juli  1897  in  Berlin.  —  Nachdem  er  im  Jahre  1847  ^*^  Feldmesser- 
prüfung bestanden  hatte,  wurde  er  bei  Eisenbahnvorarbeiten  in  Pommern  be- 
schäftigt und  hierdurch  einer  Verwaltung  zugeführt,  in  der  er  bis  zu  seinem 
Uebertritt    in    den  Ruhestand    mit  kurzen  Unterbrechungen  thätig  war.    Die 
Baumeisterprüfung  legte  er  im  Jahre  1857  ab;  die  Ernennung  zum  Eisenbahn- 
Baumeister  erfolgte  am  18.  Februar  1864,   die  zum  Bauinspektor  am  4.  De- 
cember 1865  und  die  zum  Regierungs-  und  Baurath  am  9.  März  1870.     Be- 
reits im  Jahre  1869  war  F.  technisches  Mitglied  des  Eisenbahn-Conrniissariats 
in  Köln    geworden,    und    es   begann    hiermit  die  lange  Reihe  der  Jahre,  in 
denen  sich  die  vielseitige  Begabung  des  Verstorbenen  in  hervorragender  Weise 
bewährte.     Im  Jahre  1873  wurde  er  als  vortragender  Rath  in  die  Eisenbahn- 
Abtheilung  des  Ministeriums  der  öflfentlichen  Arbeiten  berufen,  1876  erfolgte 
seine  Ernennung    zum  Geheimen  Oberbaurath;    lange  Jahre  hindurch  war  er 
Mitglied  des  technischen  Ober-Prüfungsamts.     Vermöge  seiner  nicht  aus  dem 
Gleichgewicht  zu  bringenden  besonnenen  Ruhe,  gepaart  mit  Herzensgüte  und 
milder  Gesinnung  wirkte  der  Verstorbene  stets  ausgleichend  und   die  Sache 
fördernd.     Sein  Leben  gleicht  vom  Anfang  bis  zum  Ende  einer  köstlichen, 
edlen  Harmonie.     Leider  endete  diese  in  krassester  Weise,  indem  der  Ver- 
storbene am   20.  Juli  bei  seinem  ersten  Ausgang  in  Berlin,  nach  der  Rück- 
kehr   von    einer  Rheinreise,    auf  dem  Potsdamer  Platze    von    einem  Wagen 
überfahren  wurde  und,  ohne  wieder  voll  zum  Bewusstsein  gekommen  zu  sein, 
drei  Tage  später  an  den  Folgen  dieses  Unfalles  verstarb» 

Centralblatt  der  Bau  Verwaltung  XVII,  No.  31. 


Graf  von  Neipperg.  725 

Neipperg,    Erwin   Franz    Ludwig '  Bernhard    Ernst    Graf  von,    öster- 
reicliischer  General,   ♦   am   6.  April  1813,  f  am   2.  März  1897    auf  Schloss 
SchMraigem.    —    Der   Vater    des    Grafen    Erwin    N.    ist    jener    Graf  Adam, 
der,     18 15    der    Kaiserin    Maria    Louise    als  Begleiter  auf  ihrer  Reise    nach 
Parma  mitgegeben,   die  Gunst  der  Gemahlin  Napoleons  I.  gewann  und    sie 
nacli    dessen    Tode    1821    als    Gattin    heimführte.      Die    Söhne    des    Grafen 
aus     erster   Ehe    trugen    den    alten    Namen    der   Familie,    die    einem    ritter- 
lichen Geschlechte    aus  Schwaben    entstammt;    die    aus  der  Ehe  mit   Maria 
Louise    hervorgegangenen    Kinder    erhielten    den    Namen    von    Grafen    von 
Aloritenuovo   (italienische  Uebersetzung  von   Neuberg  =  Neipperg)    und  die- 
ser    Zweig   ist   seit   1864  gefürstet.     Zu    den    alten    Familienbesitzungen    der 
Neipperg'schen  Familie  gehört  das  Gut  Schwaigern  in  Württemberg  und  hier 
-wurde  der  spätere  österreichische  General  Graf  Erwin,  geboren  und  hier  ver- 
schied er  auch  als  8 4 jähriger  Greis.     Seine  militärische  Bildung  erhielt  er  in 
der    k.  k.  Ingenieur- Akademie  zu  Wien  und  trat  1830  in  das  österreichische 
Husaren-Regiment  No.  8  als  Lieutenant,  wurde  1836  Rittmeister,  1847  Major, 
in    welcher  Eigenschaft  er  1848  bei  dem  Kampfe  um  Krakau  und  später  bei 
der    Einnahme  Wiens   thätig  war.     Im  Feldzuge  von  1849    stand    er    uiiter 
Radetzky  in  Italien.     Dann  stieg  er  1850  zum  Obersten,  1854  zum  General- 
major und   1863  zum  Feldmarschalllieutenant  auf.     In   letzterer  Eigenschaft 
nahm    er  an  dem  Feldzuge  gegen  Dänemark  Theil,  war  bei  der  Berennung 
von   Fridericia  thätig,  besetzte  die  Festung  und  commandirte  am  8.  März  bei 
Veile  die  linke  Angriffscolonne.     Da  er  seit  1864  Commandant  der  Bundes- 
festiing  Mainz  war,  so  ergab  es  sich  von  selbst,  dass  er  1866  das  Commando 
einer  Abtheilung  auf  dem  westdeutschen    Kriegsschauplatze    übernahm.     Es 
war  das  die  4.  Division  des  achten  Bundescorps,  das  bekanntlich  von   dem 
Prinzen    Alexander    von    Hessen    befehligt    wurde.      Nach    dem    Siege    von 
Kissingen  am  10.  Juli  zog  es  der  preussische  General  Vogel  von  Falckenstein 
vor,    die  geschlagenen  Bayern  unverfolgt  zu  lassen  und  sich  dem  »Springer 
auf  dem  Schachbrett«  vergleichbar  mit  grosser  Schnelligkeit  gegen  Frankfurt 
auf  das  achte  Bundescorps  (Oesterreicher,  Hessen,  Württemberger,   Badenser 
und    Nassauer)    zu    werfen.      Dabei    stiess    die    vordere    preussische  Division 
Göben  bei  Lausach  zuerst  auf  die  Hessen-Darmstädter  unter  Generallieutenant 
Perglas,  schlug  sie  aus  dem  Felde  und  ihr  nächster  Stoss  traf  bei  Aschafien- 
burg    die  Division  des  Grafen  N.     Diese  bestand  eigentlich  aus  der  öster- 
reichischen Brigade  Hahn    und    aus    der  nassauischen  Brigade,  letztere  aber 
war  auf  Wunsch  ihres  Herzogs  zur  Vertheidigung  Wiesbadens  abcommandirt. 
Graf  N.  konnte  aber  hoffen,   dass  er  bei  der  Vertheidigung  Aschaffenburgs 
nicht  bloss  auf  seine  Oesterreicher,  sondern  auch  auf  die  Hessen  unter  Perglas 
zählen  könne,  die,  wenn  auch  geschlagen,  doch  nach  Abrede  seinen  Rücken 
und    seine  Flanke  decken  konnten.     So  wollte  er  Aschaffenburg  und  seine 
wichtigen  Mainbrücken  halten,  bis  auch  die  Württemberger  und  Badenser  zur 
Stelle  seien.     Göben  zögerte  nicht,  ihn  in  der  Frühe  des   14.  Juli  rüstig  an- 
zugreifen und    da  N.  nur  über  7  Bataillone  gegen  13  feindliche  verfügte,  so' 
sah  er  seine  Truppen  nach  tapferem  Widerstände  auf  der  rechten  Flanke  um- 
gangen und  somit  in  Gefahr,   von   den  Mainbrücken  abgeschnitten   und    ge- 
fangen zu  werden.     Zu  spät  erfuhr  er,   dass  Perglas  die  Hessen  ohne  jeden 
Anlass  mainabwärts  weggeführt  und  ihn  schmählich  im  Stiche  gelassen  hatte. 
Ein  Theil  der  Oesterreicher  zog  nun  über  die  Mainbrücken  ab,  aber  da  sich 
die  Preussen    der   näheren    derselben    rasch    bemächtigten,    fielen    die    noch 


^26  Graf  von  Neipperg.     Graf  Chorinsky. 

weiter  zurückgebliebenen  österreichischen  AbtheOungen  dem  Feinde  in  i^ 
Hand.  N.'s  Anordnungen  waren  sachgemäss  gewesen;  man  konnte  ihr 
höchstens  zum  Vorwurfe  machen,  dass  er  als  rangälterer  General  dem  hessi- 
schen General  nicht  bestimmte  Befehle  gesendet  hatte;  aber  da  ihm  der 
Oberbefehl  nicht  ausdrücklich  übertragen  war,  wollte  er  den  Bundesgenossr 
nicht  durch  eine  Eigenmächtigkeit  verletzen  und  vertraute  auf  dessen  miliu- 
risches  Pflichtgefühl.  So  triöl  ihn  denn  keine  Schuld  an  dem  Verluste  d^ 
Treffens.  An  dem  Gefechte  von  Tauber -Bischofsheim  am  24.  Juli  nahm  Cz 
Division  Neipperg  nur  in  der  Reserve  und  durch  ihre  Artillerie  Theil,  be 
Gerchsheim  am  25.  Juli  erhielt  sie  noch  vor  ihrem  Eingreifen  von  dem  Cor|> 
Commandanten  Prinzen  von  Hessen  den  Befehl  zum  Rückzuge  —  diesnn 
hatten  nämlich  wieder  die  Badenser  vorschnell  den  Kampfplatz  verlassen  und 
den  Verlust  des  Gefechtes  herbeigeführt.  Unter  diesen  Umständen  hat:? 
FML.  Graf  N.  keine  Lorbeeren  holen  können,  aber  überall  das  Seinige  Me- 
than; die  Verleihung  des  Leopoldordens  durch  den  Kaiser  sollte  das  be- 
kunden.    Er  übernahm  1867  das  Commando  der  14.  Division    in  Pressbuis 

1869  auf  kurze  Zeit  das  Generalcommahdo  in  Wien,  bis  er  1869  an  tin 
Spitze  des  Armeecorps  in  'Lemhetg  trat.  Der  Ausbildung  seines  Corps  wid- 
mete er  sich  mit  allem  Eifer,  und  wurde  als  solcher  1869  Geheimer  Raih 

1870  General  der  Cavallerie.  Im  Jahre  1878  erhielt  er  die  EhrensteUunt 
eines  Capitäns  der  k.  u.  k.  Trabanten -Leibgarde  und  wurde  1879  ^^^^^^' 
längliches  Mitglied  des  Herrenhauses.  Seit  1873  Ritter  des  Goldenen  Vlicsse< 
erhielt  er  aus  Anlass  seines  60jährigen  Dienstjubiläums  im  Heere  das  Gross- 
kreuz  des  Stephansordens.  Bis  in  sein  hohes  Alter  rüstig  und  geistig  thät^r 
verschied  er  am  2.  März  1897  als  ältester  General  der  österreichisch -ungari- 
schen Armee. 

H.  Friedjung. 

Chorinsky,  Karl  Graf,  Mitglied  des  österreichischen  Herrenhauses  und 
Präsident  des  Wiener  Oberlandesgerichts,  ♦am  18.  Oc  tober  1838,  t  ^ 
10.  September  1897.  —  Ch.  studirte  an  der  Wiener  Universität,  trat  sodann 
in  den  Staatsdienst  und  widmete  sich  der  richterlichen  Laufbahn.  Nach 
mehrjähriger  Thätigkeit  zu  Wien  und  Krems  wurde  er  1874  Landesgerichts- 
rath  und  1881  Oberlandesgerichtsrath  in  Wien.  Im  Jahre  1878  trat  er  durch 
die  Wahl  des  Landgemeindenbezirks  Werfen  in  den  Salzburger  Landtag,  bald 
darauf,  1880,  wurde  er  vom  Kaiser  zum  Landeshauptmann  von  Salzburg  er- 
nannt. Gemeinsam  mit  Lienbacher  leitete  er  die  clericale  Partei  in  Salzburg. 
Bald  aber  stellte  sich  heftige  persönliche  Gegnerschaft  zwischen  den  beiden 
Männern  ein,  zumal  da  Ch.  mit  Umgehung  Lienbacher's  1886  mit  der  Leitung 
des  Landesgerichts  in  Salzburg  betraut  wurde. 

Dieser  Gegensatz  verschärfte  sich,  als  Lienbacher  immer  bestimmter 
gegen  die  slavenfreundliche  Politik  der  Clericalen  auftrat,  und  führte  bei  der 
Wahl  von  1890  zu  einem  Siege  der  Anschauungen  Lienbacher's.  1887  wurde 
Ch.  zum  lebenslänglichen  Mitgliede  des  Herrenhauses  ernannt  und  erhielt 
im  Herbst  1890  die  Stelle  eines  Präsidenten  des  Oberlandesgerichts  in 
Wien. 

Im  Herrenhause  nahm  er  neben  dem  Grafen  Belcredi  eine  leitende  Stel- 
lung in  der  conservativ-clericalen  Partei  ein  und  betheiligte  sich  zu  wieder- 
holten Malen  bei  der  Berathung  legislatorischer  Aufgaben.  Er  gehörte  jener 
Richtung  der  clericalen  Partei  an,  welche  im   Sinne  Hitze's  und  Hcrtling's 


Graf  Chorinsky.    Pfeiffer.     Rittershaus.  ^2  7 

len  socialen  Aufgaben  des  Staates  besondere  Aufmerksamkeit  zuwendet 
n  einer  Rede  im  Herrenhause,  in  der  er  für  das  Höferecht  eintrat,  sagte  er: 
.ucH  die  Rechtsprechung  bedürfe  eines  Tropfens  sociaJen  Oeles,  der  rein 
»riva^trechtliche  Standpunkt  sei  in  ihr  nicht  immer  festzuhalten.  In  den 
cHriftstellerischen  Arbeiten  Ch.*s  trat  neben  dieser  Gesinnung  auch  eine 
cliroffe  Ablehnimg  des  liberalen  Standpunktes  zu  Tage.  Unter  seinen 
^cliriften  sind  zu  nennen:  »Wucher  in  Oesterreichc,  Wien  1877;  »Das  No- 
:axia.t  und  die  Verlassenschaftsabhandlung  in  Oesterreich«,  1877;  »Das  Vor- 
kTwindschaftsrecht  in  Oesterreich  vom  16.  Jahrh.  bis  zum  Erscheinen  des 
foseflnischen  Gesetzbuches«,  Wien  1878;  »Der  österr.  Executiönsprocess.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  der  allgemeinen  Gerichtsordnung«,  Wien  1879. 

Pfeiffer,  Franz,  österreichischer  Abgeordneter,   ♦  in  Rumburg  (Deutsche 
Böhmen)   1832,    f  in  Wien  am    13.  Februar   1897.  —    Er  widmete  sich    in 
Prag    technischen  Studien  und  betheiUgte  sich  an  der  Bewegung  von  1848, 
trat    1849  als  Cadett  in  die  österreichische  Armee  und  machte  den  Feldzug 
von    1849  in  Ungarn  und  den  von  1859  in  Italien  mit.    Im  Jahre  1861  nahm 
eT   ads  Obetlieutenant  den  Abschied  und  leitete  von  da  an  sein  Gut  Aujed 
bei    Tuschkau.     Er  wurde  vom  böhmischen  Grossgrundbesitze   1872   in    den 
Landtag  gewählt,  dem  er  bis  1882   angehörte;  dieselbe  Wahlcurie  vertrat  er 
1879 — ^885  im  Reichsrathe.     Dem  böhmischen  Landtage  gehörte  er  auch  in 
der  jetzt  tagenden  Session  an.     Er  erwarb  sich  dadurch  Verdienste,  dass  er 
sich  an  der  Organisation  der  deutschen  Landwirthe  Böhmens  kräftig  bethei- 
Hgte,    so  dass  er  von  der  Gründung  an  Präsident  des  landwirthschaftlichen 
Centralverbandes  der  Deutschen  Böhmens  war.     Alle  wirthschafdichen    und 
nationalen  Anregungen  und  Reformen  fanden  in  ihm  einen  eifrigen  Förderer. 
So  stellte  er  sich  an  die  Spitze  der  Action,  die  darauf  drang,  dass  der  böh- 
mische Landesculturrath  (die  höchste  landwirthschaftiiche  Behörde  Böhmens) 
in    eine    deutsche    und    eine   tschechische   Section  getheilt  wurde.     Als  dies 
durch  den  Ausgleich  von  1890  erreicht  war,  wurde  er  von  seinen  Stammes- 
genossen zum  Präsidenten  der  deutschen  Section  gewählt,  eine  Stelle,  die  er 
bis  an  seinen  Tod   1897  bekleidete.     Sein  Leichnam  wurde    in  Gotha  ver- 
brannt. 

Rittershaas,  Emil,  Dichter,  ♦  am  3.  April  1834,  f  am  8.  März  1897  in 
Barmen.    —    Er  stammt  aus  einem  der  ältesten  Geschlechter  des  bergischen 
Landes.     Sein  Vater,    ein  Bandfabrikant,   erzog  den  Knaben  in  ernst  -  christ- 
lichem Sinn.     Seine  Mutter  verlor  er,  als  er  6  Jahre  alt  war;  an  ihrer  Stelle 
übernahm  die  Grossmutter  das  Werk  der  Erziehung.    In  ihrem  Hause  wurde 
R.  durch  den  Privatlehrer  Borckel  für  die  Stadtschule  vorbereitet,  die  er  von 
1842 — 1848  besuchte.     Sein  Wunsch,  Naturwissenschaft  zu  studiren,    konnte 
nicht  erfüllt  werden.     Er  musste  in  das  väterliche  Geschäft  treten  und  Kauf- 
mann werden.     Im  Alter  von  19  Jahren    machte    er    bereits    grössere  Reisen 
für    dasselbe.      1854    verlobte    er    sich    mit    Hedwig    Lukas    aus    Elberfeld, 
heirathete  1856  und  gründete  ein  eigenes  Agentur-  und  Commissionsgeschäft 
in  Elberfeld,    6  Jahre    später    siedelte    er    mit    seiner  Familie  dauernd  nach 
Barmen  über.    Zwischen  geschäftlichen  Arbeiten  und  dichterischer  Thätigkeit 
floss   sein  Leben   ruhig   dahin.     Tags  war    er  Kaufmann,    abends  Poet    und 
Schriftsteller.     Er  schrieb  Kunstberichte  für  die  Zeitschrift  »lieber  Land  und 
Meer«,    correspondirte    mit  verschiedenen  Zeitungen  des  In-    und  Auslandes 


j28  Rittershaus. 

und  dichtete  herzige  Lieder.  Gegen  Ende  der  sechziger  Jahre  hatte  er  ein: 
schwere  geschäftliche  Krisis  durchzumachen,  die  er  mit  Hilfe  treuer  Freucct 
glücklich  überstand.  Bei  aller  geschäftlichen  und  poetischen  Arbeit  vergas^ 
er  die  Pflichten  des  Bürgers  nicht.  Unter  anderem  rief  er  den  »Verein  fj: 
wissenschaftliche  Vorlesungen«  und  den  »Allgemeinen  Bürgervereinc  ?=: 
Barmen  in's  Leben;  im  letzteren  war  er  bis  an  sein  Ende  Vorsitzende 
Dabei  war  er  ein  thätiges  Mitglied  der  Loge,  insbesondere  der  Legt 
»Lessing«  zu  Barmen,  in  der  er  eine  lange  Reihe  von  Jahren  den  erster 
Hammer  führte.  Manche  Reise  machte  er  im  Dienste  der  Kunst  ur»! 
Wissenschaft,  indem  er  Vorträge  oder  poetische  Ansprachen  hielt.  iS^- 
erkrankte  R.  an  einem  schmerzlichen  Herzleiden,  für  das  er  in  Wiesbaär 
Genesung  fand.  1888  half  er  den  Frühstücksverein  für  arme  Kinder  grur- 
den  und  stellte  seine  Muse  in  dessen  Dienst.  1894  feierte  er  unter  grosser 
Betheiligung  von  nah  und  fem  seinen  sechzigsten  Geburtstag.  Leider  verlor 
er  schon  ein  Jahr  darauf  seine  inniggeliebte  Frau,  die  eine  echte  Stütze  seiJlt^ 
Daseins  war,  und  die  ihm  sieben  Kinder  geschenkt  hat,  von  denen  heute 
noch  sechs,  drei  Söhne  und  drei  Töchter,  am  Leben  sind.  Der  Verlust  dtr 
Gattin  schmerzte  ihn  tief,  zudem  hatte  sich  das  alte  Leiden  wieder  einge- 
stellt, das  sich  bei  seinem  untröstiichen  Seelenzustand  immer  mehr  vei- 
schlimmerte.  Seine  Pflege  übernahm  an  Stelle  der  Heimgegangenen  die 
Schwester  seines  Schwiegersohns,  des  Professors  Schaper  in  Berlin.  In  den 
ersten  Monaten  des  Jahres  1897  steigerten  sich  die  Athmungsbeschwerden  fr 
unerträglicher  Weise,  bis  der  Tod  ihnen  am  8.  März  ein  Ende  machte. 
Gleich  nach  seinem  Heimgange  bildete  sich  ein  Comitd  zur  Errichtung  eines 
Denkmals  für  den  Dichter  in  den  Anlagen  seiner  Vaterstadt  Barmen,  dessen 
Ausführung  vor  kurzem  dem  Professor  Schaper  übertragen  worden   ist. 

lieber  R.'s  poetischen  Werdegang  ist  folgendes  zu  berichten.     Die  erste 
Einwirkung    auf  den  Knaben    übte  seine  Mutter    aus.     Von  ihr  hatte  er  die 
Lust  zum  Fabuliren    und  die  rheinische  Frohnatur  geerbt.     Stundenlang  sass 
er  als  Kind  zu  ihren  Füssen  und  hörte  ihren  Liedern-  und  Märchenerzählun- 
gen zu;    bei  ihr  lernte  er    auch  die  ersten  für  sein  junges  Fassungsvermögen 
passenden  Gedichte.     Er  selbst  hat  den  Einfiuss  seiner  Mutter  nie  vergessen, 
und    noch  in  späteren  Jahren  sagt  er  von  ihr,    dass  sie  die  Saat  zu  seinen 
Liedern    in  seine  Brust    gestreut    habe.     Dem  Vater  verdankt    er  seine  Lust 
und  Liebe    an    der  Natur.     Schon  früh  nahm    ihn  dieser  mit    in  Wald    und 
Feld,  lehrte  ihn  der  Vögel  Sang,  der  Blumen  Sprache,  der  Blätter  Rauschen 
verstehen.    Einen  weiteren  Einfluss  auf  des  Knaben  Gemüth  übte  sein  Privat- 
lehrer Fr.  von  Borckel  aus.     Er  wusste  mit  den  Gaben  der  deutschen  Muse, 
besonders  durch    Gedichte    Herder's,    Klopstock's    und    Hölty's,    und    durch 
Schilderungen  femer  Länder,  die  er  aus  eigener  Erfahrung  kannte,  des  Jungen 
Phantasie  anzuregen   und  zu  nähren.     In  der  Stadtschule  wirkte  sein  Lehrer 
Ewich    durch  Vorlesung    und  Erklärung  Arndt' scher  Poesien    auf   das   junge 
Gemüth  ein,   und  in  der  Nachbarschaft  seines  elterlichen  Hauses  setzte  Frau 
Ungermann,  eine  Marketenderin  aus  den  Freiheitskriegen,  durch  Schilderungen 
ihrer  Erlebnisse  seine  Phantasie  in  lebhafte  Thätigkeit.     Was  Wunder,  wen/? 
der  Knabe    schon  früh    seine  Dichterschwingen  zu  regen  versuchte,  wenn  er 
schon  als  Schüler  der  unteren  Klassen  sich  im  Versemachen  übte!    Man  er- 
zählt, dass  R.  schon  als  Junge  von  zehn  Jahren  die  Gesellschaft,   in  die  ihn 
sein  Vater  mitgenommen,  durch  seine  Improvisation  —  ein  besonderes  Talent 
des  Dichters    —    in  Erstaunen    gesetzt   habe.    —    Mit    dem  Eintritt    in  den 


Rittershaus.  920 

Klaufmannsstand  liess  sich  seine  Liebe  zur  Dichtkunst  nicht  bannen.     Durch 
fleissiges  Studium  der  Literatur  füllte  er  die  Abendstunden  aus:    Freiligrath, 
Geibel,    Grün,  Herwegh,  Dingelstedt    und  Prutz  waren    dem    herangereiften 
Knaben  schon  bekannt,    und  das  Feuer  dieser  freisinnigen  Poeten  ging  auch 
in     seine  Adern    über.     In    einer  Reihe    von  Gedichten,    die    er    unter  dem 
Mantel    der  Anonymität    in    den   Lokalblättern    erscheinen    liess,    machte    er 
seinen  Gedanken  Luft.     Neue  Nahrung  erhielten  seine  poetischen  Neigungen 
durch  den  Anschluss  an  die    älteren  Dichter  des  Wupperthals,    an  Friedrich 
Röber,  Reinhart  Neuhaus,  Adolf  Schults  und  an  den  Maler  Seel.   Unter  den 
Anregungen  dieses  Kreises,    in  den  auch  sein  Freund  Karl  Siebel  trat,    ver- 
gingen sechs  Jahre  fleissigster  Thätigkeit,    und  die  Entwickelung  des  Poeten 
R.   machte    grosse  Fortschritte    und  gab  sich    in  einer  Reihe  von  Gedichten 
kund.     An  Prutz,    Gutzkow,    Meissner,  Vischer  u.  A.  sandte  er  seine  Verse, 
und     die  Urtheile    dieser   ihm  wohlgesinnten  Männer    reiften    ihn  mehr    und 
mehr.     Geschäftliche  Reisen,  die  ihn  durch  ganz  Westeuropa  führten,  brach- 
ten  ihm  eine  reiche  Welt-  und  Menschenkenntniss  ein  und  machten  ihn  schon 
früh   mit  manchen  gleichlebenden  Dichtem  persönlich  bekannt.   Die  religiösen 
und     politischen  Strömungen  Ende    der  vierziger  Jahre    blieben  auch  für  ihn 
nicht    ohne  Einwirkung;    doch  trat  er  mit  seinen  Gedichten  nicht  so  in  den 
Vordergrund  wie  seine  Freunde  Neuhaus  und  Siebel.     Seine  immer  zur  Ver- 
mittelung  neigende  GemÜthsanlage  machte  es  ihm  unmöglich ,  Dichter  irgend 
einer  Partei  zu  sein.     Freiligrath,    den  er  in  London  kennen  lernte,    den  er 
verehrte  und  dem  er  bis  an  dessen  Ende  nahe  stand,  war  es  besonders,  der 
seine    freiheitlichen  Anschauungen    in  die  rechten  Bahnen  lenkte.    —    Einen 
ganz  besondem,  wohl  den  bedeutendsten  Einfluss  auf  seine  Dichternatur  hat 
seine  von  ihm  iimigst  geliebte  Gattin  vom  Beginn  ihrer  Bekanntschaft  bis  an 
ihr  Lebensende    ausgeübt.     Hatte  er  sich  bis  zum  Jahre  1854  in  der  Sturm- 
und Drangperiode  befunden,   so  begann  mit  der  Zeit  seiner  Verlobung  seine 
Dichtkunst    einen  höheren  Schwung    zu  nehmen;    die  Töne  seiner  Leyer  er- 
klangen voller  und  harmonischer,  und  seine  geliebte  Hedwig  wusste  sie  immer 
von  neuem  in  Schwingung  zu  bringen.     Alle  seine  Lieder  gipfeln  von  da  ab 
in  der  Schilderung  der  Liebe  zu  seiner  Braut,  seiner  Anhänglichkeit  an  Frau 
und  Kinder  und  eines  glücklichen  Familienlebens.   Auf  seinen  ferneren  Reisen, 
die  er  seit  1856  für  das  eigene  Geschäft  zu  machen  hatte,   lernte  er  weitere 
hervorragende  politische  und  dichterische  Persönlichkeiten  kennen,   die  seine 
Phantasie    nach  verschiedenen  Seiten    befruchteten.     Bedeutende  Geister  der 
Kunst    und  der  Feder  verkehrten    seit  dem  Jahre  1862   in  seinem  Hause  zu 
Barmen,  darunter  Bogumil  Goltz,    Emil  Devrient,  Karl  Vogt,  Marie  Seebach, 
Robert  Prutz,    Paul  Lindau,    die  Maler  Scheuren,   Tidemand,  Valentin  u.  A. 
Mit  den  Dichtem  Keller,  Groth,  Storm,  Hofifmann,  Geibel,  Scheffel,  Gottfried 
und  Johanna  Kinkel,  Annette  von  Droste-Hülshoff  u.  A.  stand  er  in  persön- 
lichem  oder    schriftlichem  Verkehr.     Alle    diese  Geistesgrössen    haben    mehr 
oder  weniger  anregend,  fordernd  und  veredelnd  auf  ihn  gewirkt.   Im  Wesent- 
lichen aber  hat  sich  R.   an  Goethe,    Geibel,   Rückert,   Freiligrath  und  Her- 
wegh,   sowie  am  Umgang  mit  dem  Dichter  Siebel  und  dem  Maler  Seel  ge- 
büdct.  —  Die  epische  Poesie  ist  bei  R.  nur  durch  Bilder  und  poetische  Er- 
zählungen vertreten,    von    denen    nach    seiner    eigenen  Angabe    nur    wenige 
wirklich  gelungen  sind.     Der  Hauptwerth    des  Dichters  liegt  in  seiner  Lyrik, 
die  auch  den   grössten  Theil  seiner  Werke  ausfüllt.     Auf  der  Grenze  Rhein- 
lands und  Westfalens  geboren  und  lebend,  hat  er  in  treuer  Liebe  zur  Heimat 


^^o  Rittershaus« 

des  Rheines  Herrlichkeit  und  Westfalens  markige  Kraft  gepriesen.  Aber  vie 
wenige  hat  er  auch  den  traulichen  Reiz  und  das  stille  Glück  des  deutschen 
Hauses,  deutsche  Liebe,  deutsche  Freundschaft,  deutschen  Frohsinn  besungen, 
und  über  den  Rahmen  von  Haus  und  Heimat  hinaus  hat  er  die  flammenden 
und  erhebenden  Worte  seiner  Dichtung  in  den  Dienst  der  idealen  Mächte 
deutschen  Volkslebens  gestellt,  so  dass  er  mit  Recht  über  den  engen  Kici« 
der  Heimath  hinausgehoben  und  ein  deutscher  Dichter  genannt  werden  karin. 
Wenn  sich  auch  unter  dem  Weizen  seiner  Dichtungen  hie  und  da  Sprci: 
findet  —  er  selbst  hat  sich  das  niemals  verhehlt  —  so  athmen  doch  alk 
einen  überzeugungstreuen,  warmen  Ton,  der  im  Herzen  des  Lesers  uiwi 
Hörers  Wiederhall  finden  muss.  Formell  gehören  die  R/schen  Gedichte  i\: 
dem  Besten,  was  die  deutsche  Lyrik  hervorgebracht  hat.  Die  Verse  sind 
leicht  und  flüssig  geschrieben.  Versmaass,  Strophenzahl  und  Reime  zeigen 
reiche  Abwechselung.  Eine  grosse  Gewandtheit  und  dabei  doch  erstaunliche 
Natürlichkeit  offenbart  sich  im  Gebrauch  der  dichterischen  Sprache,  die  sich 
durch  Bilderreichthum  auszeichnet  und  in  nicht  wenigen  Gedichten  einen 
sanglichen  Charakter  annimmt.  Mit  Recht  sagt  daher  der  Professor  und 
Literarhistoriker  Dr.  Kreyssig  von  ihm:  »Die  Virtuosität  seiner  Spra<:he,  die 
leichte,  freie  Behandlung  des  Reims  wird  von  keinem  Zeitgenossen  über- 
trofFen  und  von  nicht  mehr  als  einem  halben  Dutzend  erreicht«  Manche 
seiner  Gedichte  sind  bereits  komponirt,  viele  verdienen  es,  noch  in  Musik 
gesetzt  zu  werden. 

Was  nun  die  lyrischen  Dichtungen  R.'s  im  einzelnen  betrifft,  so  nehmen 
die  Naturlieder  und  die  Reflexionen  über  die  Natur  einen  breiten  Raum  ein. 
Der  Dichter  feiert  in  reizender  Weise  den  Einzug  des  Frühlings,  schildert  in 
glühenden  Farben  den  Lenzmorgen,  den  Lenzabend  und  die  Lenznacht  und 
malt  das  Leben  und  Treiben,  Kämpfen  und  Siegen  der  Frühlingsnatur  in 
lebendigen  Strichen.  Zartere  Töne  verwendet  er  bei  der  [Beschreibung  des 
Sommers,  besonders  bei  Schilderung  der  vom  sanften  Mondschein  durch- 
flossenen  Sommernächte,  während  in  den  Herbstliedem  der  Harfenton  der 
Wehmuth  süss  klagend  wiederklingt.  Bei  seinen  Reflexionen  über  das  Ver- 
hältniss  der  Natur  zum  Menschen  ist  er  zu  tiefen  Gedanken  gekommen,  denen 
er  überall  einen  stimmungsvollen  Ausdruck  verleiht. 

Den  Lenz  lässt  er  zur  Freude  mahnen,  den  Sommer  zum  Genuss  rufen. 
Darum  heisst  es  bei  ihm,  Missmuth  und  Kleinmuth  bei  Seite  zu  setzen,  sieb 
der  Liebe  und  Lust  zu  ergeben  und  der  Freude  schöne  Lippen  zu  küssen 
mit  einem  Kuss,  der  bis  in's  Mark  zu  spüren  ist.  Die  fallenden  Blätter  sind 
ihm  ein  Sinnbild  begrabener  Hoffnungen  und  bitterer  Enttäuschungen.  Doch 
wie  die  Herbstesnebel  manchmal  den  milden  Sonnenstrahlen  weichen  müssen, 
so  sollen  auch  Gemüth  und  Sinn  des  Menschen  sich  im  Herbste  des  Lebens 
freuen,  und  die  Seele  soll  die  letzten  milden  Sonnenstrahlen  in  sich  schlürfen. 
Auch  zu  Gott  setzt  der  Dichter  die  Natur  in  Beziehung.  —  Umfangreicher 
als  die  Naturlieder  sind  die  Lieder,  die  der  Liebe,  speciell  der  Liebe  des 
Weibes  und  zum  Weibe  gewidmet  sind.  Sie  sind  vor  allem  wahr;  denn  hier 
steht  R.  auf  dem  Boden  der  Wirklichkeit  und  der  eigenen  Erfahrung.  In 
schwärmerischer  Weise  singt  er  von  der  jungen  Triebe ;  in  begeisterten  Versen 
schildert  er  die  Maienseligkeit,  die  Zeit  der  Liebesträume,  und  in  glühenden 
Farben  malt  er  die  Rosen,  die  auf  der  Liebsten  Wangen  blühen.  Leiden- 
schaftlich wird  die  Sprache,  wenn  er  das  Werben  und  Ringen  um  das  Mäd- 
chen   schildert,    in    dessen  braunen  Augen  für  ihn  seine  Lebenssonne,   sein 


Rittersbaus« 


331 


Lebensglück  liegt.     In  überschwänglichen  Tönen  klingt  das  Geständniss  der 
Liebe  und  die  Freude  über  die  Erhörung  aus.     Ernster  und  bestimmter  wird 
<ier  Ausdruck  in  der  Charakterisirung  der  echten,  dauernden  Liebe,  der  Liebe 
z  irischen  Mann  und  Weib,   die  nach  ihm  aushält  in  Schmerz  und  Leid  und 
cla.viert  bis  zum  Tod.     Ausser    dieser  Liebe  preist    er    in  glühenden  Worten 
die    Freundesliebe  und  die  allgemeine  Menschenliebe.     Letztere    predigt    er 
besonders  in  seinen  maurerischen  Gedichten  mit  laut  vernehmbarer  Stimme.  — 
In    seinen  Vaterlandsliedern  zeigt  sich  der  Dichter  als  ein  Verehrer  und  be- 
geisterter   Anhänger    der    deutschen    Freiheits-    und    Einigkeitsbestrebungen. 
r)abei  ist  er  ein  Feind  aller  verschwommenen  Ideen  und  Reden,   mit  denen 
nichts  erreicht  wird.     Schon  i86i  kündet  er  in  prophetischem  Geist  die  Neu- 
gestaltung der  deutschen  Verhältnisse  durch  Blut  und  Eisen  an,  1866  legt  er 
sein  Veto  gegen  eine  Zweitheilung  Deutschlands  ein  und  verlangt  Ende  der 
sechziger  Jahre  ein  Vaterland,   das  eins  in  seinen   Stämmen,   frei  im  Geiste 
sei.     Während  der  Jahre  70/71   Hess  er  seine  Harfe  in  hoher    patriotischer 
Begeisterung  erklingen,  und  die  Erfüllung  seiner  Prophezeiung  fachte  ihn  zu 
Freuden-  und  Dankliedem  an.     Wie  fest  er  zu  Kaiser  und  Reich  stand,  hat 
er  in  seinen  zur  Einweihung  des  Nationaldenkmals  auf  dem  Niederwald  ge- 
schriebenen   und    anderen  Liedern  deutlich  ausgedrückt.   —   Spricht  sich  in 
den  Natur-,   Liebes-  und  Vaterlandsliedern  durchschnittlich  eine  ernste  Stim- 
mung aus,   so  gewähren  die  Gesänge,  die  der  Dichter  der  Freude  und  dem 
Weine  widmet,  einen  Einblick  in  seine  Frohnatur,  und  an  manchen  Stellen 
tritt  dabei  der  Humorist  hervor.     »Will  zechen,  lieben,  leben  am  Rhein,  am 
deutschen  Rhein«,   das  ist  der  Grund  ton,   der  sich  durch  alle  diese  Lieder, 
besonders  durch  die  Sammlung  »Am  Rhein  und   beim  Wein«   hindurchzieht. 
R.  kennt  und  besingt  die  verschiedensten  Sorten  des  Rheinweins  neben  ihren 
begeisternden  Wirkungen  und  bringt  alles  in  echt  poetischer  Weise  zur  An- 
schauung.    Aber  auch  dem  Moselwein  ist  er  nicht  abhold,  besonders  liebt  er 
das  schlanke  Moselblümchen.     In  humoristischer  Weise  giebt  er  Lehren,  wie 
viel,  wann  und  was  für  Wein   man  trinken  soll.  —  Die  echt  männliche  An- 
schauung des  Dichters  vom  Leben  spiegeln  eine  lange  Reihe  von  Gedichten 
wieder  —  »Gedenke  zu  leben!«     Dies  Wort  Goethe*s  setzt  er  an  die  Spitze 
seiner  ersten  Gedichtsammlung,  und  in  einem  seiner  Gedichte  ruft  er  selbst 
aus:  Lass  leben  stets  den  Zweck  des  Lebens  sein;   die  Gegenwart  ist  dein! 
—  Leben  ist  für  ihn  ein  stetes  Ringen  und  Streben.     Es  erfordert  Männer, 
die  Vertrauen  zu  sich  selbst  haben  und  auch  im  Unglück  Geisteskraft  und 
Herzensmuth  bewahren.    Kommt  auf  tausend  Schmerzen  nach  seiner  Meinung 
nur  eine  Lust,  so  muss  der  Mensch  auf  seinem  Lebensweg  sich  selbst  die 
Rosen  streuen  und  das  Glück  der  Stunde  ergreifen.    Einen  besonderen  Werth 
legt  R.  auf  die  Pflichterfüllung;  denn  sie  schafft  inneren  Frieden  und  ein  rein 
Gewissen.     Wenn  auch  die  Sorgen  des  Lebens  das  Herz  bedrücken,   so  soll 
man   doch  den  Muth  nicht  sinken  lassen,  sich  in  das  Geschick  ergeben  und 
auf  bessere  Zeiten  hoffen.    Dabei  verlangt  der  Dichter,  dass  ein  echter  Mann 
immer  seinen  Weg  gerade  aus  gehe.     Er  verurtheilt  die  niedere,  knechtische 
Gesinnung  und  ist  ein   aufrichtiger  Freund  der  Wahrheit.     Er  ermahnt,  den 
jugendlichen   Sinn  sich  zu  bewahren,  wenn  auch  das  Alter  graue  Fäden  in 
die  Locken  flicht.  —  Zum  Schluss  sei  noch  auf  die  religiöse  Seite  hingewiesen, 
die  uns  in  R.'s  Lyrik  entgegentritt.     Wir  begegnen  da  einem  Entwickelungs- 
gang  vom  krassesten  Rationalismus  bis  zum  strengsten  Positivismus,  der  in 
den  Worten    gipfelt:    Du  bist  der  Weg,    die  Wahrheit  und  das  Leben.     In 


35^ 

djefcoi  Gianben  wurzeln  auch  die  Gedicfate,  in  denen  R.  seineK  festen  Gon- 
vertrauen  Ausdruck  rerieiht,  in  dem  er  toD  Ergctrang  aiamfai  Vartn:  So  vie 
e«  kzm,  v>  war  es  gat.  —  Ausser  der  grossen  Mei^  liiiw-bci  Ergösse,  die 
die  rerscJuedensien  Gebiete  des  roensrhürhen  Denkens,  Empfeidens  uthI 
ißbuilßer»  benihren,  isi  die  IL'sclie  Mose  in  einer  langen  Reihe  toq  Gdcge^ 
hejugedscliten  henrorgetreten,  die  alle  den  Sconpel  der  Wahrlich  and  Schön- 
heit an  sich  tragen  und  zum  Theil  in  die  Samminngen  aa%eDOinmen  sind 
Im  Bachhandel  sind  von  E.  R.  folgende  Gedicfatsammhmgcn  erschienen: 

Ccdicbte,  8.  Auflage  fEdaard  Trevcndt,  Breslaa). 

Kojc  Gedickte,  5,  Aofl^e  (E.  KciTs  Nackfolgcr.  Ldpcig). 

A»  Rkein  aod  behn  Wein,  3.  Anfl^e  /^Straas«,  Bonn). 

Buch  der  I^eidenschaft,  4.  Auflage;  Aus  den  Sommerta^cii,  4.  Anflage  (Schahe  [Sdvarx] 

Oldenburg), 
Freimaiirerifcbe    Dichtungen,    5.  Auflage;   Li  Bradeiliebe  und   Bradcmeue,    3.  Auflag 

(Mzx  HeMe,  Leipzig). 
Werke  n.  Schriften  ».  Böneablatt  C  d.  deutsch.  BnchhaadeL  1897.  No.  57. 

Dr.  G.  Hoertcr,  Barmen. 

Nehlfly  Johann  Christian,  Wasserbau-Direktor.     ^  am  29.  September  1S41 
in    dem  Dorfc  Schülp  bei  Nortorf  in  Holstein,    f  am  5.  September  1897  z« 
Wilhelmshöhe,  —  In  ländlichen  Verhältnissen  aufgewachsen,  sprach  er  später 
auch  oft    und  mit  Liebe  von  der  einfachen  Entwickelung  seiner  Jugendzeit; 
doch  konnte  der  rege  Geist  des  Heranwachsenden  durch  das  Einleben  in  die 
heimatlic:hen    Verhältnisse    nicht    befriedigt    werden.       Während    Eltern    und 
Lehrer  seiner  Begabung  genug  zu  thun    glaubten,    indem    sie   ihn    statt    des 
landwirths<:haftlichen    Berufes    den    eines    Volksschullehrers    ergreifen    Hessen, 
gingen   «eine  eigenen  Wünsche  wesentlich  weiter.     Entschiedene  Neigung  zu 
mathemati5M:hen  und  technischen  Studien  Hess  N.  alle  Schwierigkeiten    über- 
winden; nach  einer  Vorbereitungszeit,  die  er  in  Göttingen  verlebte,  bezog  er 
1861   die    technische  Hochschule  in  Hannover    und  bestand    nach  Abschluss 
seiner  Studien    die    erste    hannoversche  Staatsprüfung.     In    die  Praxis    einge- 
treten,    fand  er  1868   bei  dem  Ausbau  des  Sandthorhafens  in  Hamburg  eine 
Anstellung,    die    für    sein  Leben    entscheidende   Bedeutung    gewinnen    sollte. 
Johannes  Dalmann,  der  Um-  und  Ausgestalter  des  hamburgischen  Strom-  und 
Hafenbauwesens,    stand  damals  auf  dem  Höhepunkt    seiner  Wirksamkeit  als 
Wasserbau-Direktor  und  wusste  die  tüchtigen  Leistungen    seines  jungen  Mit- 
arbeiters zu  schätzen.     1871  wurde  N.  zum  technischen  Bureauvorsteher  der 
Section  für  Strom-  und  Hafenbau  erwählt,  und  er  fühlte  sich  in  dieser  Stellung 
an  der  Seite  Dalmann's  so  wohl,  dass  er  1873  einen  auf  Grund  seiner  fach- 
schriftstellerischen Leistungen  an  ihn  ergangenen  Ruf,    als  Professor  an  die 
technische  Hochschule  nach  Riga  überzusiedeln,  ablehnte.     Am  i.  April  1875 
wurde  er  zum  hamburgischen  Wasserbauinspektor  ernannt,    und  als  in  dem- 
selben Jahre  Dalmann  nach  rasch  sich  entwickelnder  Krankheit  gestorben  war, 
ward    N.    im    Alter    von    34  Jahren    zum  Wasserbau-Direktor    erwählt.     Fast 
gleichzeitig    stellte    sich,    zum  Theil  wenigstens   veranlasst    durch   jahrelange 
Ueberarbeitung,    eine  tückische  Lungenkrankheit  ein,    die  N.  in   den  Jahren 
1876  und  1877  zu  wiederholtem  langdauerndem  Aufenthalt  in  Italien  zwang. 
Er  genas  zwar,   aber  die  Folgen  dieser  Krankheit  sind  nie  dauernd  behoben 
worden,    und    es    bedurfte    der    eisernen  Natur  des  Verstorbenen,    um    trotz 
wiederholter     körperlicher    Beschwerden     durch    volle    zwei    Jahrzehnte    die 
Lasten   seiner  verantwortungsreichen  Stellung  mit  Erfolg  zu  tragen.     Die  mit 


Nehls.     V.  R2iha. 


333 


der   ganz   ungewöhnlichen  Entwickelung   des  Hamburger  Hafens  Schritt   hal- 
tende hauptamtliche  Thätigkeit   des  Wasserbau -Direktors    N.    bedarf  keiner 
eingehenden  Erläuterung   und  Würdigung.     Scharfe   Urtheilskraft,    Geradheit 
des  Charakters  und  der  Mangel  jedes  kleinlichen  Ehrgeizes  kennzeichnen  die 
Wirksamkeit   des  Verstorbenen.     Diese  Eigenschaften    kamen    indessen    auch 
ausserhalb  des  engeren  Wirkungskreises,  bei  Verhandlungen  mit  auswärtigen 
Behörden,  bei  den  Elbstrombereisungen  und  bei  seiner  Thätigkeit  als  ständiges 
ausserordendiches  Mitglied  der  Königlichen  preussischen  Akademie  des  Bau^ 
Wesens    in  hervorragender  Weise  zur  (Geltung.     Wie    an    den  Verhandlungen 
der  Akademie  des  Bauwesens,    zu  deren  Mitglied  N.  1880    vom  Kaiser  und 
König  ernannt  ward,  hat  er  auch  an  den  Arbeiten  des  1892  vom  Kaiser  ein- 
gesetzten Ausschusses   zur  Untersuchung   der  Wasserverhältnisse    in   den    der 
Ueberschwemmungsgefahr  besonders  ausgesetzten  Flussgebieten  lebhaften  An- 
theil  genommen.     Schriftstellerisch  hat  sich  N.  auf  technischem  Gebiete  be- 
kannt  gemacht  durch  die  1878  veröffentlichte  Uebersetzung  von  Stevenson's 
»Illumination  of  Lighthouses«,  der  er  auf  Grund  eigener  Arbeiten  wesentliche 
Zusätze  beifügte.     Aus  neuerer  Zeit  ist  die  in  dem  hydrologischen  Jahresbe- 
richte  von    der  Elbe  1896    enthaltene  Bearbeitung    der  Sturmfiuthen   in  der 
Elbe  zu  erwähnen.     Verschiedenen   in  Zeitschriften   veröffentlichten  Arbeiten 
technischen  Inhalts  schliessen    sich  dann  rein  theoretische  Arbeiten  an.    Als 
grössere  Werke   sind    auf   diesem    Gebiete  u.  a.    zu    erwähnen:    »Graphische 
Integration«,  Hannover  1877,  und  »Der  einfache  Balken  auf  zwei  Endstützen 
unter  ruhender  und  bewegter  Last«,  Hamburg  1885.     N.  hat  dauernd  einen 
Theil  seiner  Mussezeit  mathematischen  Studien  gewidmet  und  namentlich  auf 
dem  Gebiete  der   graphischen  Integration  mit    Erfolg  selbständig  gearbeitet. 
Der  Zug  nach  den  exakten  Wissenschaften  fand  für  das  Wesen  des  Verstor- 
benen   übrigens    eine  vortheilhafte  Ergänzung    durch    seine  Vorliebe    für   die 
schöne  Literatur.     N.  war  mit  den  Schätzen  unserer  Nationalliteratur  in  über- 
raschender Weise  vertraut  und  hat  sein  Verweilen  im  Süden  erfolgreich  dazu 
benutzt,    sich  auch  mit  der    italienischen  Sprache  und  Literatur  bekannt  zu 
machen.     Dieser  doppelten  Richtung  seiner  Neigungen  entsprach  sein  ganzes 
Wesen:  Klugheit,  gepaart  mit  Freundlichkeit. 

Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  No.  37.  — n — 

Riiha,  Franz  v.,  Professor  des  Eisenbahn-  und  Tunnelbaues  an  der  Wiener 
technischen  Hochschule,  Hofrath,  ♦  am  28.  März  1831  in  Hainspach  in  Böhmen, 
f  am  22.  Juni  1897  in  der  Umgebung  von  Wien  auf  dem  Semmering.  —  R.  be- 
suchte die  technische  Hochschule  in  Prag,  trat  1851  beim  Baue  der  Semmering- 
bahn  in  die  Praxis,  ging  dann  zum  Bau  der  Karstbahn  und  zeichnete  sich  schon 
damals  bei  der  Durchführung  schwieriger  Tunnelbauten  aus.  Im  Jahre  1856 
wurde  er  zum  Bau  der  Wilhelmsbahn  nach  Preussen,  und  zwar  zunächst  zum 
Bau  des  Czemitzer  Tunnels  bei  Ratibor  berufen.  Von  1857  ab  baute  er  sodann 
als  Unternehmer  an  der  Ruhr -Sieg -Bahn  in  Westfalen  und  trat  1861  in  den 
Braunschweiger  Staatsdienst,  wo  er  zuerst  als  Oberingenieur  beim  Bau  der 
Linie  Kreiensen-Holzminden  und  von  1866  ab  als  Herzoglicher  Oberberg- 
meister  in  der  Verwaltung  der  umfangreichen  staatlichen  Kohlengruben  thätig 
war.  In  die  Zeit  seines  Aufenthaltes  in  Deutschland  fallt  die  von  R.  zuerst 
durchgeführte  Anwendung  des  Eisens  beim  Tunnelbau  und  die  Erfindung  der 
nach  ihm  benannten  Tunnelbau-Methode,  die  er  zum  ersten  Male  1861  beim 
Bau    der  Bahn  von  Kreiensen  nach  Holzminden    anwandte.     Im  Jahre  1869 


334 


y.  Rzihsu 


kehrte  R.  in  Folge  des  Verkaufes  der  braunschweigischen  Staatsgruben   nach 
Oesterreich  zurück,  machte  die  Vorarbeiten  zu  mehreren  grossen  Bahnstrecken 
in  Böhmen    und    den  benachbarten  Theilen    von  Sachsen,    baute    als  Unter- 
nehmer die  Strecken:  Prag-Lieben,  Rumburg-Schluckenau,  Rumburg-Ebersbach 
und  Dux-Kommotau  und  wurde  1874  unter  dem  Minister  Banhans  als  Ober- 
ingenieur in  das  k.  k.  Handelsministerium  berufen.     1878   erfolgte    seine  Er- 
nennung zum  Professor  des  Eisenbahn-  und  Tunnelbaues  an  der  technischen 
Hochschule  in  Wien,  und  hier  hat  er  in  den  nahezu  20  Jahren    seiner  Lehr- 
thätigkeit  eine  grosse  Zahl  von   österreichischen  Eisenbahningenieuren   heran- 
gebildet.    Seine  Bedeutung  auf  dem  Gebiete  des  Eisenbahnbaues  ist  nament- 
lich von  Max  Maria  v.  Weber  in  seiner  Geschichte  des  Eisenbahnwesens  her- 
vorgehoben und  gewürdigt  worden.     R.  war  wohl  der  bedeutendste  Fachmann 
auf  dem  Gebiete  des  Tunnelbaues.     1871  erschien  sein  »Lehrbuch  der  Tunnel- 
baukunst«, ein  geradezu  klassisches  Werk,  durch  welches  dieser  Wissenszweig 
eigentlich  erst  begründet  und  aus  dem  Stande  des  blossen  Handwerks  empor- 
gehoben  wurde.     Seine  späteren  schriftstellerischen  Arbeiten    sind    ungemein 
zahlreich,  wenn  sie  auch  nicht    mehr    die  Bedeutung  jenes  Hauptwerkes  er- 
reichen.    Sie  sind  zum  grossen  Theile  durch  die  Pflege    der    geschichtlichen 
Richtung  ausgezeichnet,  und  insbesondere  sein  dreibändiges  Werk  über  Eisen- 
bahn-Ober- und  Unterbau  zeugt  von  der  grossen  Gründlichkeit,  mit   der  R. 
dem  Quellenstudium  nachging,  und  von  dem  philosophischen  Geiste,    den  er 
in    die  Behandlung    technischer  Aufgaben    legte.     Seine    letzten  Forschungen 
waren  einer  wissenschaftlichen  Vertiefung  der  Gewinnungsarbeiten  im  Erdbaue 
gewidmet.     Hierher  gehören  die  Abhandlungen  über  Gewinnungs-  und  Bohr- 
festigkeit, über  Sprengarbeit,  über  die  menschliche  Arbeitsleistung  im  Taglohne 
u.  s.  w.     Er  war  eifrig  an  dem  weiteren  Ausbau  dieser  wissenschaftlichen  Aus- 
gestaltung der  Lehre   vom  Erdbau  thätig   und  sein    rastlos  arbeitender  Geist 
fand  hier  immer  wieder  neue  Fragen  und  Aufgaben,    die  er  in    den  Bereich 
seiner  Untersuchungen  zog.     Aber  auch  an    den    grösseren  Bauausführungen, 
die  während  der  Zeit  seiner  Professur  in  Oesterreich  vorfielen,  nahm  R.  regen 
Antheil  und  war  dabei  vielfach  als  Sachverständiger  und  Berather  thätig,  so 
beim  Bau  des  Arlberg-Tunnels,  bei  der  Bewältigung  des  Wassereinbruches  in 
den  Ossegger  Schächten  u.  s.  w.     Ueber  mehrere  für  das  Wiener  Gemeinwesen 
wichtige  technische  Fragen  hat  er  Gutachten  abgegeben,  so  über  die  Wasser- 
versorgung,   über  die  Nothwendigkeit,   sämmtliche  Arbeiten  der  Wiener  Ver- 
kehrsanlagen   nach    einem    einheitlichen    Plane    durchzuführen    u.  s.  w.       Die 
wissenschaftlichen  Bestrebungen  und  praktischen  Leistungen  R.*s  wurden  vom 
Kaiser  durch  die  Verleihung  des  Franz-Josefs-Ordens,  des  Ordens  der  eisernen 
Krone  und  des  Hofrathstitels,  sowie  durch   die  Erhebung  in  den  Ritterstand, 
von  den  Königen  von  Preussen,   Sachsen  und  Bayern  durch  Ordensauszeich- 
nungen anerkannt.     Der  Berliner  Verein  für  Eisenbahnkimde  ernannte  ihn  zu 
seinem  korrespondirenden  Mitgliede.     An  der  Stätte,  wo  R.  als  junger  Tech- 
niker   unter  Meister  Ghega's  Leitung  zum    ersten  Male   im  Dienste    des   ge- 
flügelten Rades  stand,  fand  er  auch  seine  letzte  Ruhestätte.     Nur  eine  kurze 
Strecke  abseits  von  der  grossen  Schienenstrasse,  die  er  bauen  half,  bei  Maria- 
Schutz  im  Semmeringgebiete,  liegt  sein  Grab,  ringsum  eingeschlossen  von  den 
Bergen,    durch  welche  er  der  Lokomotive    einstmals    den  Weg  bahnte.    An 
der    Leichenfeier    des   Meisters    nahmen    die   Techniker  Oesterreichs    in  ent- 
sprechender Vertretung  Antheil.     Schüler,    die  schon  vor  langen  Jahren  des 
Meisters  Kunst  von  ihm  selbst  erlernt,    und    zahlreiche  Vertreter    der    hohen 


V,  Rziha.     Hammer.     Richter. 


335 


Schule,  an  welcher  er  bis  zu  seinem  Tode  gewirkt  hat,  Professoren,  Assistenten 
und  Hörer  gaben  ihm  das  letzte  Geleite.  Die  Südbahn-Gesellschaft  hatte 
einen  Sonderzug  gestellt,  der  die  zahlreichen  Trauergäste  nach  der  Station 
Semmering  brachte. 

Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,   No.  37.  —  R.  t.  Reckenschuss :   Zeitschr.  des 
Oest.  Ingenieur-  und  Architekten- Vereins  1897,  No.  21. 

Hammer,  Karl,  Direktor  der  Königlichen  Kunstgewerbeschule  in  Nürnberg, 
^  am  6.  März  1845  ^^  Nürnberg,  f  am  16.  Juli  1897  ebenda,  wenige  Monate 
nach  Vollendung  des  von  ihm  und  Konradin  Walther  in  den  edelsten  Formen 
der   deutschen  Renaissance  erbauten  neuen  Schulgebäudes,  das  bei  dem  be- 
deutenden Aufschwünge,  den  die  im  17.  Jahrhundert  gegründete  Malerakade- 
mie  im  Laufe  unseres  Jahrhunderts  als  Fflegstätte  des  Kunstgewerbes  genom- 
men hatte,  schon  längst  ein  dringendes  Bedürfniss  war.    In  seiner  Vaterstadt, 
an  der  damals  von  v.  Kreling  geleiteten  Nürnberger  Kunstgewerbeschule  zum 
Künstler   erzogen.    Übernahm  H.  deren  Leitung  im  Jahre  1885,    nachdem  er 
eine  Reihe  von  Jahren  (1872  bis  1878)  als  Beamter  der  Vorbildersammlung 
des  bayerischen  Gewerbeihuseums  in  Nürnberg  und  nachher  als  Professor  der 
Grossherzoglichen  Kunstgewerbeschule  in  Karlsruhe  thätig  gewesen  war.    Hier 
wie    in    den    zwölf  Jahren  seiner  Nürnberger  Lehrthätigkeit  war  es  ihm  vor- 
nehmlich darum  zu  thun,  die  Schüler  dazu  anzuregen,  in  liebevoller  Anleh- 
nung   an    die    Werke    der  Vergangenheit,    vor    allem    an   die    mustergiltigen 
Schöpfungen  der  deutschen  Renaissance,  in  frischer  und  unmittelbarer  Weise 
selbstschöpferisch  thätig  zu  sein.     Das  Hauptgewicht  legte  er  auf  die  Farbe, 
und  seinen  eigenen  Schöpfungen  ist  eine  besonders  malerische  Wirkung  eigen. 
Er  war  eine  echt  decorative  Kraft  und  da  am  grössten,  wo  es  sich  um  rein 
decorative  Aufgaben  handelte.    Bei  Festzügen  und  Saalausschmückungen  hatte 
man  Gelegenheit,  seine  Kunst  auf  diesem  Gebiete  zu  bewundem.    Von  seinen 
Arbeiten,  welche  den  verschiedensten  Zweigen  des  Kunstgewerbes  angehören, 
seien  die  in  grosser  Zahl  geschaffenen  Diplome  und  Ehrenurkunden,   die  in 
den    letzten    Jahren    flir    das  Germanische  Museum,    das  Rathhaus    und    die 
Christuskirche  in  Nürnberg  ausgeführten  Glasmalereien  und  die  Wandmalereien 
zur  inneren  Ausstattung  des  Nürnberger  Hofes  (Tucherbräu)  in  Berlin  beson- 
ders hervorgehoben.     Die  Stadt  Nürnberg  hat  mit  H.,  den  sie  mit  Stolz  den 
Ihren    nennt,    eine    ihrer    tüchtigsten  künstlerischen  Kräfte  verloren,  und  mit 
ihr  beklagt  das  deutsche  Kunstgewerbe  den  frühen  Heimgang  des  Verewigten. 

Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVH,  S.  347.  —  Jahresbericht  der  Königl.  Kunst- 
gewerbeschule in  Nürnberg  1898. 

Richter,  Albert ,  Vicebürgermeister  von  Wien,  ♦  am  1.  November  1843 
zu  Chotzen  in  Böhmen,  f  am  3.  März  1897  zu  Wien.  Die  Familie  R.'s 
stammt  aus  Schlesien;  er  wurde  in  Böhmen  geboren,  aber  durch  Erziehung 
und  Lebensauffassung  ging  er  ganz  in  Wiener  Art  auf.  Er  besuchte  das 
Gymnasium  zu  Wien  und  zu  Melk,  studirte  an  der  Wiener  Universität  zuerst 
Medicin,  bald  aber  Jura  und  erwarb  hier  den  Doctorgrad  der  Rechte.  Nicht 
lange  darauf  trat  er  als  Concipient  in  die  Advocaturkanzlei  des  damaligen 
Gemeinderathes  und  späteren  Bürgermeisters  von  Wien,  Prix.  Dies  wurde 
für  seine  ganze  Zukunft  entscheidend;  denn  nachdem  er  sich  selbst  als  Ad- 
vocat  in  Wien  niedergelassen  hatte,  wurde  er  unter  Förderung  Prix*  1885 
in  den  Wiener  Gemeinderath  gewählt  und  stand  bald  als  einer  der  fähigsten 


19^5  Richter. 

und  streitbarsten  Anhänger  des  energischen  Mannes  inmitten  der  leidenschaft- 
lichen Parteikämpfe  der  Stadt.  In  der  Discussion  stellte  R.,  dessen  Stärke 
eine  kräftige,  stets  durch  Laune  gewürzte  Dialectik  war,  seinen  Mann;  dabei 
befähigte  ihn  seine  rasche  Auffassung,  sich  in  die  mannigfachen  Beziehungen 
eines  grossen  Gemeinwesens  schnell  hineinzuarbeiten.  Wichtige  Referate,  be- 
sonders das  über  die  Wasserversorgung  Wiens,  wurden  ihm  anvertraut;  und 
er  war  ebenso  schnell  bereit,  sich  nach  kurzer  Orientirung  in  der  Materie 
eine  allgemeine,  für  die  Discussion  ausreichende  Kenntniss  zu  erwarben,  als 
sich  bei  wichtigen  Anlässen  in  gründliche  Studien  zu  vertiefen.  Das  war 
seine  Stärke  und  seine  Schwäche;  er  nahm  es  ernst  mit  ernsten  Dingen, 
aber  er  konnte  sich  auch  mit  aller  äusserer  Sicherheit  in  eine  Discussion 
über  Gegenstände  stürzen,  die  er  nicht  beherrschte,  was  er  jedoch  nur 
that,  wenn  ein  tactisches  Interesse  der  liberalen  Partei  ihn  dazu  zwang,  der 
er  sich  mit  Wärme  anschloss.  Mit  allen  diesen  Eigenschaften  war  er  ganz 
darnach  geartet,  um  bei  den  heftigen  Debatten  im  Wiener  Gemeinderathe 
und  bald  darauf  im  niederösterreichischen  Landtage  dem  Führer  der  Antise- 
miten Lueger  Widerpart  zu  halten.  Er  gab  diesem  Gegner  nur  wenig  an 
Frische  und  Schlagfertigkeit,  an  Laune  und  Treffsicherheit  des  Ausdruckes 
nach,  wenn  er  auch  dessen  erstaunliche  Zähigkeit  in  der  Agitation  nicht  be- 
sass;  dabei  hielt  R.  stets  die  Grenzen  der  Schicklichkeit  ein  und  verharrte 
stetig  auf  seinem  politischen  Standpunkte,  Rücksichten,  deren  souveräner 
Nichtbeachtung  in  der  Sache,  wie  in  der  Form  Lueger  einen  guten  Theil 
seiner  agitatorischen  Erfolge  verdankt.  Insbesondere  waren  die  Debatten 
über  die  1891  beschlossene  Einverleibung  der  Vororte  in  Wien  und  über  die 
Schaffung  von  Gross -Wien  ein  fortgesetztes  Duell  der  Wortführer  der  beiden 
Parteien,  da  R.  1891  Referent  über  dieses  Gesetz  im  niederösterreichischen 
Landtag  war.  Als  Gross-Wien  gebildet  war,  drang  Bürgermeister  Prix  ent- 
schieden darauf,  dass  ihm  R.  nunmehr  als  zweiter  Vicebürgermeister,  neben 
Borschke  als  erstem,  als  Gehülfe  zur  Seite  gesetzt  werde.  Der  Bürgermeister 
hatte  sich  nicht  getäuscht,  denn  während  Borschke  kurz  darauf  siechte  und 
bald  nachher  starb,  war  R.  bei  seiner  Gewandtheit  und  nie  versagenden 
Arbeitslust  seine  eigentliche  Stütze  bei  den  legislatorischen  und  organisatori- 
schen Arbeiten  in  der  Einrichtung  des  grossen  Gemeinwesens.  So  rückte  R. 
an  Borschkes  Stelle  zum  ersten  Vicebürgermeister  vor.  Als  Prix  1894,  den 
Aufregungen  seines  seines  Amtes  erliegend,  unerwartet  durch  einen  Herzschlag 
hinweggerafft  wurde,  besass  R.  nun  die  Anwartschaft  auf  das  Amt  des  Bürger- 
meisters, das  nach  der  Gemeindeverfassung  Wiens  eine  weit  grössere  Selbststän- 
digkeit und  höhere  politische  Bedeutung  besitzt,  als  das  des  Oberbürgermeisters 
in  reichsdeutschen  Städten.  Da  trat  ihm  ein  Umstand  aus  seinem  Familien- 
leben störend  in  den  Weg.  Er  hatte  sich  als  junger  Mann  mit  einem  Mäd- 
chen aus  einer  armen  jüdischen  Familie  verlobt,  war,  da  die  Familie  der 
Braut  sich  deren  Uebertritte  zum  Christenthum  widersetzte  und  nach  öster- 
reichischen Gesetzen  eine  Ehe  zwischen  Christen  und  Juden  verboten  ist, 
confessionslos  geworden  und  hatte  so  eine  Nothcivilehe  eingegangen.  Trotz 
des  wiederholten  Drängens  seines  voraussichtigen  Freimdes  Prix  hatte  er  stets 
hinausgeschoben,  was  wohl  gleich  ursprünglich  seine  Absicht  gewesen  war, 
zu  gelegener  Zeit  wieder  den  formellen  Schritt  der  Rückkehr  zur  katholischen 
Kirche  zu  machen.  Dies  nun  türmte  sich  ihm  als  Hemmnis  zur  Erlangung 
des  höchsten  Gemeindeamtes  auf:  ein  confessionsloser  Bürgermeister  Wiens  ist 
in  Oesterreich    schwerer    möglich,    als    selbst  ein  protestantisches  Oberhaupt. 


Richter. 


337 


Wien  schien  ihm  indessen  eine  Messe  werth  und  er  beeilte  sich  unmittelbar 
nach  dem  Tode  Prix'  1894,  die  Anstalten  zu  seinem  Wiedereintritte  in  die 
Kirche  und  zur  kirchlichen  Einsegnung  seiner  Ehe  zu  treffen.  Die  kirchlichen 
Behörden  gingen  nicht  allzurasch  auf  sein  Verlangen  ein  und  die  Btirgermeister- 
wahl  musste  stattfinden,  bevor  seine  Absicht  erfüllt  war.  Die  liberale  Mehr- 
heit des  Gemeinderathes  wählte  ihn  zwar  nahezu  einstimmig  zum  Bürger- 
meister, aber  die  Regierung  verweigerte  mit  dem  ausdrücklichen  Hinweis  auf 
jene  Verhältnisse  die  Bestätigung. 

Und  nun  ergossen  sich  über  R.  von  allen  Seiten  gehässige  Anklagen. 
Viele  Liberale,  und  gerade  die  unbefugtesten,  bezeichneten  es  als  Verleug- 
nung seiner  Grundsätze,  dass  er  in  diesem  Augenblicke  eine  confessionelle 
Ehe  eingehen  wollte,  und  Clericale  wie  Antisemiten  stürzten  sich  höhnisch 
auf  ihren  energischen  und  oft  schonungslosen  Gegner,  um  ihm  den  Weg  zu 
seinem  Ziele  für  immer  zu  verrammeln.  R.  bat  unter  diesen  Umständen  selbst 
seine  Freunde,  von  seiner  beabsichtigten  Wiederwahl  abzusehen  und  forderte 
zur  Wahl  seines  Freundes  Grübl  zum  Bürgermeister  auf,  neben  dem  er  erster 
Vicebürgermeister  blieb.  Die  gelassene  Würde,  mit  der  R.  damals  die  bös- 
artigsten Angriffe,  von  denen  auch  seine  Familie  nicht  verschont  blieb,  hin- 
nahm, versöhnte  viele,  die  sich  sonst  an  seiner  parteimässigen  Auffassung  po- 
litischer Dinge  gestossen  hatten. 

Grübl  blieb  kaum  ein  Jahr  Bürgermeister.  Denn  bei  der  Drittelergän- 
zung des  Gemeinderathes  siegten  die  Antisemiten.  Den  Liberalen  blieb  nur 
eine  kleine,  in  sich  uneinige  Mehrheit,  und  als  R.  bei  der  nothwendig  ge- 
wordenen Neuwahl  am  15,  Mai  1895  blos  mit  einer  Stimme  Majorität  aber- 
mals zum  Vicebürgermeister  gewählt  wurde,  lehnte  er  das  Amt  ab.  Die  libe- 
rale Mehrheit  war  bereits  so  zerbröckelt,  dass  darauf  durch  den  Uebertritt 
einiger  ihrer  Mitglieder  Lueger  zum  Vicebürgermeister  gewählt  wurde.  Dies 
gab  den  Anlass  zum  Rücktritte  Grübl's  vom  Bürgermeisteramt  und  in  wei- 
terer Folge  zur  Auflösung  des  Gemeinderathes. 

Bei  den  Neuwahlen  entfaltete  R.,  dem  in  dieser  bewegten  Zeit  die  Lei- 
tung der  liberalen  Partei  zufiel,  eine  ausserordentliche  Thätigkeit,  aber  seine 
Sache  unterlag,  und  in  der  neugewählten  Körperschaft  wurde  Lueger  1896 
zum  Bürgermeister  gewählt. 

R.'s  Gesundheit  hatte  unter  diesen  Aufregungen  schwer  gelitten,  zumal 
da  ihm  bei  der  gehässigen  und  persönlichen  Art  der  Wiener  Parteikämpfe 
keinerlei  Bitterkeit  erspart  blieb.  Eine  schwere  Krankheit  befiel  ihn,  von  der 
er  scheinbar  genas.  Er  legte  nun  am  27.  November  1896  sein  Gemeinde- 
rathsmandat  nieder,  um  sich  ganz  seinem  Berufe  als  Advokat  zu  widmen, 
den  er  zur  schweren  Schädigung  seiner  Vermögensverhältnisse  während  seines 
aufreibenden  politischen  Wirkens  hatte  vernachlässigen  müssen.  Aber  sein 
Zustand  verschlimmerte  sich  immer  mehr,  und  sein  Krankenbett  wurde  von 
der  Sorge  für  seine  zahlreiche  mittellose  Familie  verdüstert.  Einem  Freunde 
sagte  er  wenige  Tage  vor  seinem  Tode:  »Auf  allen  Vieren  möchte  ich  krie- 
chen —  nur  leben  möchte  ich  —  wegen  meiner  Familie!«  Als  er  am 
3.  März  1897  starb,  war  die  Trauer  über  das  Hinscheiden  des  kräftigen 
Mannes  allgemein.  So  viel  Hass  sich  auch  gegen  seine  politische  Thätigkeit 
geäussert  hatte,  so  war  er  doch  bei  seinen  Gegnern  persönlich  nicht  unbeliebt, 
da  die  humoristische  Art,  mit  der  er  sich  auch  nach  hitzigen  Debatten  mit 
ihnen  auseinanderzusetzen  verstand.  Vieles  gut  zu  machen  wusste.  Seine  Gesin- 
nungsgenossen schätzten  sein  herzliches  und  gewinnendes  Wesen,  seine  frische^ 

Biogr,  Jfthrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.   3,  Bd.  2  2 


j^g  Richter.     Majr.'    Bernays. 

Laune  und  freuten  sich  seiner  kräftigen,  stets  natürlichen  Persönlichkeit.  Da 
er  trotz  der  Bekleidung  zahlreicher  Ehrenstellen  seine  Angehörigen  fast  in 
Dürftigkeit  zurückliess,  so  mussten  auch  seine  Gegner  anerkennen,  dass  die 
Motive  seines  öffentlichen  Wirkens  rein  gewesen  waren. 

Heinrich  Friedjung. 

Ma)rr,  Ambros,  Dr.,  österreichischer  Abgeordneter,  ♦  am  8.  Mai  1849  in 
Sill  (Tirol),  f  am  30.  October  1897  zu  Wien.  —  M.  studirte  in  Salzburg,  Inns- 
bruck und  Wien,  wurde  Gymnasialprofessor  in  Komotau,  Bozen,  Troppau  und 
zuletzt  in  Trient.  Im  Jahre  1897  wurde  er  von  den  Landgemeinden  Schwaz 
in  Tirol  in's  Abgeordnetenhaus  entsendet,  wo  er  sich  der  clericalen  Partei 
anschloss.  Er  gab  mehrere  Bändchen  lyrischer  Gedichte  heraus,  eines  unter 
dem  Namen  »Hundert  Lieder«,  ein  anderes  »Selige  Stunden«.  Unter  dem 
Titel  »Tiroler  Dichterbuch«  erschien  eine  von  ihm  veranstaltete  Sammlung 
von  Gedichten  Tiroler  Autoren.  Von  zeitgeschichtlichem  Werthe  ist  die  von 
ihm  veröffentlichte  Biographie  seines  Landsmannes  Hans  Perthalers,  des  her- 
vorragendsten Mitarbeiters  Schmerling's  bei  dem  Entwürfe  der  österreichischen 
Verfassung  von  1861. 

Bernays y  Michael ,  Universitäts -Professor  der  Literaturgeschichte,    ^  am 
27.  November   1834    zu  Hamburg,   f   am   25.  Februar  1897    zu   Karlsruhe. 
—    Sein    Vater,    Isaac    Bernays    (1793    bis    1849),    ^^    geistlicher    Beamter 
der  israelitischen    Gemeinde;    in  Folge   seines    frühen   Todes    hat    sein    Ein- 
iluss  kaum  Spuren  in  dem  Leben   des   Sohnes   hinterlassen.     Dagegen    hing 
Michael  mit  schwärmerischer  Liebe  an  seiner  Mutter  Sara  (1803  bis  1858^; 
denn    sie    erkannte    schon    früh    die    Begabung    ihres    jüngsten    Sohnes     und 
hat    seine    Entwicklung    wesentlich    gefördert,    wie    er    denn   ihrem  wohllau- 
tenden Vortrage   die   Anfänge  seiner    späteren   Meisterschaft   der    Rede    ver- 
dankte.    Den  ersten  Unterricht  erhielt  B.  in  einer  kleineren  Schule,  später 
durch  Privatlehrer,  von  denen  er  Dr.  Reinstorff  in  dankbarer  Erinnerung  be- 
hielt.    Nur  die  oberste  Klasse  des  Gymnasiums    hat   er  besucht.     Trotzdem 
waren  diese    zwei  Jahre  von  wesentlicher  Bedeutung  für  ihn;    denn  in  dem 
Direktor  Dr.  Friedrich  Karl  Kraft  und  Professor  Ullrich    gewann    er  Lehrer. 
die    mit  begeisterter  Hingabe   an   die  Ideale  der  humanistischen  Bildung  ein 
warmes  persönliches  Interesse  fUr  ihre  Schüler  verbanden.     Beweis  dafür  ist 
die  Art,  wie  Kraft  den  begabten  B.  zur  Hilfeleistung  bei  eigener  wissenschaft- 
licher Arbeit  heranzuziehen  wusste,    und  wie  andererseits    die  Schüler  ihren 
Direktor  unter  dem  philologischen  Beirathe  Ullrichs  und  der  dramaturgischen 
Hilfe  Carl  Töpfers    mit    einer  Aufführung  der  Sophokleischen  »Antigene«  in 
griechischer  Sprache  feierten,  von  deren  würdevollem  Eindruck  nicht  nur  da- 
malige Berichte,   sondern  auch  B.'s  eigenes  Tagebuch   noch  32  Jahre    später 
bei  Gelegenheit  einer  ähnlichen   münchener  Auffuhrung  Zeugniss  ablegt.     B. 
war  die  Rolle  des  Kreon  zugefallen.     Aber  auch  abgesehen  von  dieser  ausser- 
ordentlichen Gelegenheit  wurde    er  auf  dem  Johanneum   wie    auf  das    sorg- 
fältige Studium  des  Wortes,  so  auch  auf  feine  Ausbildung  eines  sinngemässen 
und    wohllautenden    Vortrags    hingewiesen.     Eine    »Redeübung«    pflegte    das 
Schuljahr  zu  beschliessen,    und   so  lesen  wir  in  dem  Programm  dieses  feier- 
lichen Schulaktes  vom  31.  März  1853:    »M.  B.,    abgehender  Primaner,    wird 
in  einem  deutschen  Vortrage  über  Goethes  Torquato  Tasso  das  Wechselver- 
hältniss,    in  welchem  der  Dichter    und  sein  Werk   steht,    zu    entwickeln  ver- 
suchen, und  am  Schluss  von  der  Schule  und  ihren  Lehrern  Abschied  nehmen«. 


Bcmays.  339 

Trotz    des    vorzüglichen    Abgangszeugnisses,    das    Direktor    Kraft    dem 
»wackem,  hofihungsvollen  Jüngling«  mitgeben  konnte,    gelang  es  B.  nur  mit 
Mühe,    seinen  Herzenswunsch,    eine  Universität   zu    beziehen,    durchzusetzen. 
Seine  Vormünder  hatten  ihn  zum  Kaufmann  bestimmt  und  wurden  darin  von 
seinem    10  Jahre    älteren  Bruder  Jakob,    dem    berühmten  Bonner  Philologen 
(1824 — 1881),  bestärkt.     Hier  ist  der  erste  Grund  zu  der  späteren  Verstim- 
mung zwischen  den  Brüdern  zu  suchen,  und  Michael   hat  von  diesem  Zeit- 
punkte an  seinen  weiteren  Bildungsgang  weniger  unter  dem  EÜnfluss,  als  viel- 
mehr   im  Gegensatze    zu  Jakob  gewählt.     Erschwert    wurde    dies    wesentlich 
durch  die  beschränkten  Mittel,  die  B.  zu  Gebote  standen.     Thatkräftig  nahm 
sich  aber  Direktor  Kraft  seiner  an;  er  erwirkte  ihm  das  Averhoffeche  Stipendium 
und  empfahl    ihn    so  warm,    dass  B.  bei    allen  Professoren  die  freundlichste 
Aufnahme  fand.     Das  Sommersemester  1853  verbrachte  B.  als  Studiosus  der 
Rechtswissenschaft  in  Bonn;   aber  neben  den  Institutionen  bei  Böcking  hörte 
er  schon  hier  althochdeutsche  Grammatik  bei  Diez  und  Geschichte  der  Reli- 
gion der  Griechen  bei  Leopold  Schmidt.     Auch  in  Heidelberg,  wohin  er  sich 
auf  seines  Bruders  Jakob  Rath  von  Bonn  aus  wandte,  Hess  er  sich  am  7.  No- 
vember 1853  als  Jurist  immatrikuliren;  doch  entdecken  wir  in  den  Vorlesungen, 
die  er  hier  belegte,  keine  Berechtigung  mehr  zu  dieser  Bezeichnung,  vielmehr 
prägt  sich  sein  Ziel  jetzt  in  der  Wahl  seiner  Kollegien  deutlich  aus:  ein  um- 
fassendes Studium  der   deutschen  Literatur  im  Zusammenhang  mit  der  poli- 
tischen Geschichte   und  auf   der  Grundlage    der   klassischen  Philologie.     So 
hörte   er  in   den  Jahren   1854 — 56   neben    manchem    spezielleren  Colleg  bei 
A.  Holtzmann  Geschichte  der  deutschen  Literatur,   bei  L.  Häusser  deutsche 
Geschichte  und  bei  J.  Chr.  F.  Bahr  griechische  und  römische  Literatur.     Der 
Genuss  und  die  Anregung  dieser  Vorlesungen    war  freilich  nur  massig;    viel 
werthvoUer  war    ihm  der    persönliche  Umgang    mit  den    genannten  Lehrern, 
femer  mit  Gervinus,  Geh.  Rath  v.  Leonhard  u.  A.,  sowie  die  uneingeschränkte 
Benützung    der    Universitäts-Bibliothek.     In    engem    Freundeskreise,    zu    dem 
auch  Treitschke  gehörte,  hielt  B.  im  Winter  1854/55  seinen  ersten  Vortrags- 
cyklus  über  deutsche  Literaturgeschichte,  der  ihm  die  freudigste  Anerkennung 
seiner  Hörer  eintrug.     Ein  Verleger  forderte  ihn  auf,  Oesers  Kunstgeschichte 
neu  zu  bearbeiten;    Gervinus  sollte   die  Einleitung  dazu  schreiben   —  allein 
in  B.  überwog  die  Lust  zu  lernen  weitaus  den  Drang  zur  eigenen  literarischen 
Bethätigung.    Auch  nachdem  er  am  20.  Mai  1856  summa  cum  laude  promo- 
virt  hatte'),  als  Gervinus,  Löbell  und  andere  berufene  Männer  ihn  drängten, 
sich  als  Privatdocent  zu  habilitiren,  konnte   er  sich   nicht  genug  thun   in  un- 
ermüdlicher  Arbeit  einer  vielverheissenden  Vorbereitung  und  verzichtete  noch 
anderthalb  Jahrzehnte  lang  auf  ein  Hervortreten  als  akademischer  Lehrer. 

Kurz  nach  seiner  Promotion  that  B.  einen  Schritt,  der  ihm  ein  inneres 
Bedürfniss  befriedigte,  seine  äussere  Lage  aber  in  ungünstiger  Weise  be- 
einflusste.  Am  21.  August  1856  Hess  er  sich  zu  Mainz  von  dem  zwei- 
ten evangelischen  Pfarrer  Vonweiler  taufen;  seine  Pathen  waren  Henriette 
B'euerbach,  geb.  Heydenreich,  vertreten  durch  den  Mainzer  Advokaten  Dr. 
Heinrich  Bemays,  und  der  Kaufmann  August  Friedrich  Höster.     Dass  innere 


1)  Nach  einer  gefälligen  Mittheilung  des  Sekretariats  der  Universität  Heidelberg  hat 
B.  ohne  Dissertation  promovirt,  wie  das  damals  dort  möglich  war.  Seine  Examinatoren 
waren  Bahr,  Reichlin-Meldegg,  Häusser,  Kirchhoff,  Stark,  Rau,  Holtzmann,  Kortüm,  Bunsen, 
Bronn,  Leonhard. 

22* 


X40  Bem^rs. 

Uefoerzeugung  und  keine  äussere  Rücksicht  ihn  bei  diesem  Schritte  leitete, 
erhellt  am  klarsten  aus  dem  grossen  Opfer,  das  er  damit  brachte,  aus  dem 
völligen  Bruch  mit  seiner  ganzen  Familie,  selbst  der  geliebten  Mutter.  Hatte 
er  auch  gerade  in  seinem  Vaterhause  seinen  starken  religiösen  Sinn  festigen 
und  ausbilden  können,  so  herrschte  dort  doch  die  strenge  Rechtglaubigkeic 
des  alten  Testaments.  So  war  er  den  Seinen  jetzt  ein  Abtrünniger,  toh  dem 
sie  gänzlich  die  Hand  abzogen.  Er  aber  hat  sich  noch  in  spateren  Jahren 
zu  dem  Entschlüsse  geneigt,  Prediger  zu  werden,  und  stets  die  lebendige 
Ueberzeugung  vertreten:  »Die  grösste  Thatsache  in  der  Geschichte  der 
Erdenvölker  —  das  Christenthum.« 

Nach  seinem  Uebertritt  ziun  Christenthimae  waren  die  Verhältnisse,  in 
denen  B.  in  Bonn  lebte,  bei  einer  drückenden  pekuniären  Lage  und  grossen» 
damit  verbundenen  Entbehrungen  nur  erträglich  durch  die  Fülle  geisdger 
Anregung  und  warmer  persönlicher  Freundschaft,  die  sie  ihm  brachten. 
Ritschi,  der  ihm  einmal  eine  Unterredung  mit  Jakob  Grimm  vermittelte. 
Welcker,  dem  er  sein  Festspiel  zu  Schillers  Säculartag  widmete,  Simrock,  bei 
dessen  Tode  er  von  vielen  als  der  berufenste  Nachfolger  erklärt  wurde,  waren 
jetzt,  nach  dem  Abschluss  seiner  Studentenzeit,  seine  Lehrer  und  Gönner, 
aus  deren  Umgang  er  reichen  Gewinn  zog.  In  den  rheinischen  Künstler- 
kreisen, bei  Vauder  und  Sohn,  fand  er  verständnissvolle  Hörer  und  Freunde. 
Mit  Henriette  Feuerbach  verbanden  ihn  innige  Beziehungen,  und  für  ihres 
Stiefsohnes  künstlerische  Grösse  trat  er  früh  mit  nachdrücklicher  Ueber- 
zeugung ein.  Auch  von  seiner  Freundschaft  mit  Friederike  Gossmann  (Frau 
V.  Prokesch- Osten)  haben  wir  im  Cottaschen  »Morgenblatt«  1863  und  1865 
sachlich  wie  persönlich  ansprechende  Belege.  Seine  Liebe  zur  Musik  fand 
in  den  rheinischen  Musikfesten  reiche  Anregung  und  in  Clara  Schumann 
eine  Künstlerin,  deren  menschlicher  Adel  ihn  unwiderstehlich  auch  an  die 
Person  fesselte.  Und  an  Beziehungen  zu  den  vornehmsten  Kreisen,  in  deren 
sicherem,  gemessen  freien  Wesen  sich  B.  immer  besonders  wohl  fühlte,  fehlte 
es  ebenfalls  nicht;  so  gehörten  General  von  Strubberg  in  Coblenz  und  vor 
allem  der  Gouverneur  von  Mainz,  Prinz  von  Glücksburg,  zu  seinen  Gönnern, 
bei  denen  er  wiederholt  weilte ;  das  Andenken,  das  ihm  der  Prinz  von  Glücks- 
burg geschenkt,  eine  Ausgabe  des  »Faust«,  die  B.  immer  hoch  in  Ehren  hielt, 
haben  ihm  liebende  Hände  noch  in  den  Sarg  mitgegeben. 

Was  ihm  aber  diese  rheinischen  Jahre  am  reichsten  verschönte,  war  sein 
herzlicher  Verkehr  im  Hause  des  alten  Ernst  Moritz  Arndt,  zu  dessen  Enkelin 
Lotte  er  eine  innige  Neigung  fasste.  Oft  kam  er  nach  der  Verlobung  zu  ihr 
nach  Trier  und  verlebte  dort  seine  glücklichsten  Tage;  um  so  tiefer  musste 
es  ihn  treffen,  als  Lotte  die  Verbindung  wieder  löste,  um  einem  anderen 
Manne  die  Hand  zu  reichen.  — 

So  abgeneigt  B.  der  eiligen  Arbeit  der  Journalistik  war,  so  drängte  ihn 
doch  der  Zwang  der  Verhältnisse,  auf  diesem  Wege  einigen  Verdienst  zu 
suchen.  Das  Schriftenverzeichniss,  das  G.  Witkowski  dem  2.  Bande  von  B.'s 
»Schriften  zur  Kritik  und  Literaturgeschichte«  mit  der  dankenswerthesten 
Sorgfalt  beigesteuert  hat,  lässt  uns  erkennen,  wie  B.  in  den  Jahren  1862 — 1872 
in  den  angesehensten  Organen  der  deutschen  Presse,  im  »Morgenblatt«,  den 
»Grenzboten«,  der  »Kölnischen  Zeitung«,  der  »Allgemeinen  Zeitungc  und 
»Im  neuen  Reich«,  eine  Reihe  von  Aufsätzen  und  Besprechungen  veröffent- 
lichte, die  ohne  jenen  äusseren  Zwang  grossentheils  wohl  schwerlich  ent- 
standen wären;  wenigstens  verschwinden  mit  seiner  Ernennung  zum  Professor 


Bemays.  ^^j 

solche  Arbeiten  des  Tages  vollständig  aus  seinen  Werken.  Aber  keiner  der 
Gegenstände,  mit  denen  sich  B.  in  diesen  Artikeln  beschäftigt,  ist  unbedeutend 
und  unwürdig  seines  klärenden  Wortes,  und  gerade  diese  rasch  verfassten 
Oelegenheitsarbeiten  gelangen  ihm  nach  Alfred  Doves  eher  scharfem  als  liebe- 
vollem Urtheil  schriftstellerisch  am  ungezwungensten  und  besten.  Trotzdem 
konnte  er  sich  nicht  entschliessen,  seine  Kräfte  nach  dieser  Seite  zu  binden. 
Sowohl  einen  Antrag,  in  die  Redaction  der  »Preussischen  Jahrbücher«  ein- 
zutreten, wie  Gustav  Freytags  Einladung,  die  Besprechung  der  Bücher  philo- 
logischen Inhalts  für  die  »Grenzboten«  zu  übernehmen,  lehnte  er  ab.  Sein 
ganzes  Wesen  drängte  ihn  zur  Wirksamkeit  mit  dem  gesprochenen,  nicht  dem 
geschriebenen  Worte. 

War  es  ihm  seit  seinen  Heidelberger  Studententagen  der  reinste  Genuss 
geblieben,  im  Kreise  Gleichgesinnter  die  Werke  unserer  grossen  Dichter  oder 
die    eigene  historische  Auffassung  der  Entwickelung  unserer  Literatur  vorzu- 
tragen,   so  musste  ihm  jetzt  die  im    engeren  Kreise    oft    bewährte    und    be- 
wunderte Kunst  der  Rede  die  äussere  Grundlage  seiner  Existenz  bieten.     Sein 
ständiger  Wohnsitz  blieb  Bonn;    aber  seine  Vortragsreisen   führten  ihn  durch 
die    verschiedensten  Theile  Deutschlands    und   Hessen  ihn  manche  neue,    be- 
deutungsvolle Bekanntschaft  und  Freundschaft    schliessen.     Gewöhnlich    hielt 
er  einen  Cyklus  von  Vorträgen,  hauptsächlich  über  Goethe,  Schiller,  Klopstock, 
Lessing.     Der  natürliche  Ausgangspunkt  seiner  Fahrten  waren  die  rheinischen 
Städte  von  Köln  bis  Mainz;  doch  kam  er  auch  nach  Karlsruhe,  wo  er  schon 
damals   die  Theilnahme   des  grossherzoglichen  Hofes  erfuhr,    nach  Stuttgart, 
wo  Mörike  ihm  zu  seinem  Stolze  das  brüderliche  Du  antrug,  nach  Frankfurt, 
nach  Weimar,    wo  ihn  Preller,    die  Odyssee  in  der  Hand,    zeichnete,    nach 
Lübeck,  wo  er  mit  Geibel  verkehrte,    und  Bremen,    wo  er  mit  Gildemeister 
feste  Freundschaft  schloss.     Den  angenehmsten  Kreis  fand  er  jedoch  in  Leipzig, 
wo    er    viel    bei   Brockhaus,  vor  allem    aber    mit  Salomon  Hirzel    verkehrte. 
Was  dieser  letztere  ihm  gewesen,  das  charakterisiren  am  besten  seine  Tage- 
buchaufzeichnungen   bei    Hirzels  Tode:    »Der  Hingang  Hirzels    ist   für   mich 
eines  jener  Ereignisse,  die  einen  ganzen  Kreis  werther  und  würdiger  Lebens- 
beziehungen zerstören,   die  eine  ganze  Reihe  von  Zuständen,    welche  in  das 
gesammte  Dasein  innigst  verschlungen  waren,  traurig  abschliessen.     Im  Jahre 
1862    ward    unsere    persönliche    Verbindung    eingeleitet.       Während    meines 
späteren  Aufenthaltes  in  Leipzig  vergingen  selten  einige  Tage,  in  denen  wir 
uns  nicht  persönlich  berührten.     Das  Verhältniss,   das  sich  zwischen  uns  bü- 
dete,  war  nicht  blos  ein  solches,  wie  es  aus  der  Gemeinsamkeit  wissenschaft- 
licher Neigungen  zu  entstehen  pflegt;    es    hatte    einen  viel    höheren  mensch- 
lichen  Werth    und    eine    innerlichere    Bedeutung.     Ich    unternahm    in   jenen 
Jahren  nichts,  an  dem  er  nicht,  fördernd  oder  rathend,  Antheil  gehabt  hätte. 
Nur  meinetwegen  kam  er  später  nach  München,   es  geschah  zuletzt  im  Jahre 
1875.     Der  Ton,  auf  den  unser  Verkehr  gestimmt  war,  blieb  immer  derselbe. 
Obgleich  eigendich  meist  von  gewichtigen  und  ernsten  Dingen  zwischen  uns 
die  Rede  war,  so  ging  doch  eine  Grundstimmung  von  Heiterkeit  durch  unsere 
Unterhaltungen  und  Verhandlungen.     Wie    von    einer    sicheren  Höhe    herab 
liess  Hirzel  nach  allen  Seiten  hin  seinen  Humor,  seine  Ironie,  seinen  oft  ver- 
nichtenden Witz  spielen  und  treffen.     Dabei  blieb  sein  Urtheil  fest  und  ge- 
messen; und  immer  gleich  bewunderungswürdig  blieb  die  Klarheit  des  Blicks, 
den  er  mit  derselben  Sicherheit  auf  Menschen  und  Dinge,  auf  die  Zustände 
des  Lebens  wie  der  Wissenschaft  richtete.    Hirzels  eigentlicher  Freundeskreis 


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SV^rr.  H:jzf^  »arrr.  c»  r;  La^ziz  Freyaz^  S;. ^gu.  E«r 

-..  *,  ».,  Ij-*:  3;:.t  rTr-rxif^-LiTLr^h-cT  T-»rI::ir-=K  -irji  t:/«^  Vs 
C.^  B^*-,-. .'.^  urr-'«'  A-fzabc  «err.tm  bestrtL r::Än  :.-r2c=-  Vi 
*-^ra/r.  <  irx  t'>f  •crr-tn:  T«>ie  des  W^iasch  azs,  B-  = 

v'h   a,*'»i'.,*rr.   C-rf't,   was   ihm   forderlsch   setn   kocnici     A; 

>rr.r>r.  Kr*n»«   a;><T  ^eiiann  B.  r;   d«D   Er:^rinz«r    t:-   Mcirj=jpcr:,    -zc^     *| 

0;ijxr,i.%  •T.^>:v,h-m  LV-tittTicht  gab,  cir.ca  otc-j«:  Fre^r.-d  ~s 

%Vk*^':,.Ti  in  re;rer  hnir^chcr  A*.:*«;,  rar  he,  ranr.eni^ch  rrc  Pclid"^ 
h,j*:r/,      j^rtzt   trat    B,  at^-.h    irJt    r»ei    a-issercüten,    errebrisaeicbcTS    W:::^-:" 
h^rrvr^,    Sdr^  ^<hnft   »Uebcr  Kritik  ur.d  Cieschichic  des  Goetfaeschcn  Tex-.- 
iS'^^iy,  die  N'icoia-is  iJeli'iÄ  geindmet  mar.  mie  seine  Au5«>die  vt-    •<>:•::*"- 
Bn^*m  an  Friedrir.h  Au;rjst  Wolf«     i86S  ,  die  er  Heinrich  toc  Syb 
nete,  fr»'-».*Ur  d'm  \Vun.v,h,  ihn  auf  dem  Kaüieder  zu  sehen,  noch 
Kfid.ich  er.tv.hl^/s»  er  sich  zur  Habilitation,  Zamcke  war  ihm  dabei  beh:.~: 
urA   am   4,  Voveml^er  1872   mard   ihm  die  renia  legendi   fiir  das   Fach 
(/eviiuJjte  der  neueren  Literatur  crtheilL 

IJCT  Krfolg  vf^  B.'s  Vorlesungen  an  der  Universitäc  in  Leipzig  war  z'-~* 
aijwrrordc-ntlich,  obgleich  man  zuerst  darüber  spM>ttelte,  dass  er  mehr  als  \:c: 
St  jfid':n  allein  der  Betrachtung  Klopstocks  widmete.  Aber  nicht  blo>  •-.= 
S»»j^J'.Tit/.'n  «ktrömten  schaaren weise  in  seine  Hörsäle,  auch  die  maassgcber  "er 
Krcis^r  v.henkten  ihm  s^jfort  die  gebührende  Beachtung.  Ministerialrat h  I'r 
von  Volle,  der  sich  als  Referent  ül>er  die  Universitäten  die  grössten  Verdie-:^:t 
um  Bayern  und  um  die  Wissenschaft  erworben  hat,  bemühte  sich,  B.  na» 
Bayern  zu  ziehen.  In  Würzburg  sollte  ihm  eine  Professur  errichtet  werde--.: 
d'K:h  äusserte  Konig  Ludwig  IL,  als  er  von  B/s  Bedeutimg  hörte,  den  Wuns«  h, 
ihn  nar:h  München  selbst  zu  berufen.  So  wurde  Carriere  zur  Begutachti^n.' 
nach  l^ipzig  gesandt;  seinem  Vorschlage  stimmte  die  philosophische  Fakulu: 
München  zu,  und  so  konnte  schon  am  19.  Juni  I873  B.  seine  Antrittsvorlesur.« 
als  ausserordentlicher  Professor  an  der  Universität  München  halten.  Fir. 
halbes  Jahr  später,  am  7.  Februar  1874,  unter  dem  Rectorate  W\  H.  RiehK 
wurde  B.  zum  »ordentlichen  Professor  für  neuere  Sprachen  und  Literaturen, 
ernannt. 

»Freuen  Sie  sich  mit  mir!«  schrieb  damals  B.  in  froher  Genugthuung  ar. 
seinen    väterlichen    Freund    Hirzel.       »Und    zwar    nicht    blos    meinetwegen! 
Durch  meine  Ernennung  ist  zugleich  den  Studien,  die  ich  vertrete,  für  immer 
ein  Ordinariat  gesichert.     Ks    ist   also  wahrhaft    ein  Sieg  erfochten,    und  der 
Traum    meiner   Jugend    in   Erfüllung    gegangen.«     Mit  Recht    konnte  B.    so 
sprechen.     Denn  wenn  ihm  jetzt  die  erste  ordentliche  Professur  für  sein  Fach 
in  Deutschland  zu  theil  wurde,  so  durfte  er  sich  sagen,  dass  er  dieses  Fach 
von  seinen  Gymnasiastentagen  an  erst  begründen  geholfen.     »Bei  allen  meinen 
Arbeiten«,  schreibt  er  einmal  im  Jahre  1875  —  doch  es  gilt  schon  für  seine 
früheste  Zeit  — ,  »bei  allen  meinen  Arbeiten  verfolge  ich  den  einen  Zweck: 
die  Verbindung  der  Literaturgeschichte  mit  der  philologischen  Kritik    zu  be- 
gründen.    Diesem  Zwecke  ist  auch  meine  akademische  Thätigkeit  gewidmet, 
mit  welcher  ich  es  überaus  ernst  nehme.     Das  Katheder  ist  der  Ort,  wo  ich 
mich  am  liebsten  und  am  freisten  mittheile,  und  den  Pflichten  des  akademi- 


Bernays.  343 

sehen  Lehrers  müssen  die  Wünsche  des  Schriftstellers  sich  unbedingt  unter- 
ordnen.« »Das  Lehren  mit  lebendigem  Worte«,  schreibt  er  ein  ander 
Mal  an  einen  Freund,  »der  Verkehr  mit  einem  jugendlichen  Kreise,  in 
v;eleiiem  wenigstens  die  Besten  zu  geistigem  Sein  und  Schaffen  aufstre- 
ben, dieser  rege  Wechsel  von  geistigem  Empfangen  und  wissenschaftlicher 
Mittheilung  —  das  alles  ist  mir  zum  unentbehrlichen  Elemente  des  Daseins 
geworden.« 

So  konnte  nun  B.  in  würdigem  Wirkungskreise  frei  seine  Kräfte  entfalten, 
und     wenn    wir    seine  Charakteristik    von  Friedrich  August  Wolf   als  Lehrer 
lesen,  steigt  uns  unwillkürlich  das  Bild  seiner  eigenen  unvergleichlich  persön- 
lichen, unmittelbaren  Wirkung  auf.    Karl  Stieler,  der,  damals  B.'s  Hörer,  mit 
klarem  Blick  seine  Berufung  als  »eine  That  in  der  akademischen  Geschichte 
Münchens«  bezeichnete,  hat  uns  in  der  »Schlesischen  Zeitung«  ein  anschau- 
liches Bild  der  eigenartigen  Weise  von  B.*s  Auftreten  gezeichnet:  »Mit  dem  Ernst 
eines  Priesters,  der  sein  Amt  beginnt,  mit  einer  Sammlung,  die  ihm  eine  förmliche 
Immunität  verleiht,  schreitet  der  hagere  gedankenvolle  Mann  durch  die  Reihen 
seiner  Schüler,  den  Blick  zu  Boden  gesenkt,  schon  jetzt  ganz  in  den  Gegenstand 
versunken.    Diese  verschlossene  Kraft  aber  wird  mit  einem  Male  lebendig,  sowie 
er  auf  das  Katheder  tritt,  und  zeigt  sich  in  einer  Gliederung,  die  von  dem  leise- 
sten Herzenslaut  bis  an  die  Grenze  elementarer  Gewalt  reicht.    B.  liest  gegen- 
wärtig über  die  deutsche  Literatur  des  i8.  Jalirhunderts;  nicht  über  Klopstock, 
Lessing,  Goethe  und  Schiller,  sondern  in  seiner  Hand  gestaltet  sich  der  be- 
deutende Stoff  zu  jener  grossen  inneren  Einheit,  die  nur  der  echte  historische 
Blick  erkennt.     Den  geheimsten  Zusammenhang  mit  der  Seele  des  Volkes  und 
der  Geschichte  der  Zeit  deckt  er  uns  auf.     Wir  leben  nicht  nur  in  der  Mitte 
jener  grossen  Schöpfungen,  sondern  in  der  Mitte  jenes  grossen  Schaffens  selbst. 
Das    Einzelnste,    das  Kleinste    erhält    seine  Beziehung    zum  Ganzen.     Neben 
diesem    geistigen    Gehalte    aber    steht    ein    Formtalent,    das    künstlerisch    im 
höchsten  Sinne  des  Wortes  ist.     Der  veredelnde  Einfluss,  den  der  stete  Ver- 
kehr mit  den  Besten  unsereres  Volkes  übt,  tritt  allenthalben  ungesucht  hervor 
und  hat  der  Sprache  eine  Läuterung  gegeben,   die  mehr  ist  als  akademische 
Formvollendung.     B.  spricht  völlig  frei,  aber  das  Charakteristische  an  seinem 
Vortrage  ist  nicht,  da.ss  er  dies  kann,  sondern  dass  er  es  nicht  anders  könnte ; 
so  sehr  ist  er  mit  dem  Stoffe  eins,  so  sehr  giebt  er  aus  der  inneren  Fülle, 
dass  jede    äussere  Handhabe    ihn  nur  hemmen  müsste.     Man  fühlt  es  wohl, 
dass    diese  Rede    nicht    vorbereitet    ist    nach    dem    engen  Maassstabe    einer 
Stunde;  in  der  Jahre  langen  Arbeit,  in  der  einsamen  Vertiefung  eines  ganzen 
Lebens,  in  der  schrankenlosen  Liebe  für  seinen  Stoflf  liegt  die  wahre  Vorbe- 
reitung zum  Lehrer«.  .  .  .     Dabei  imponirte  die  ungeheure  Weite    und  Zu- 
veriässigkeit  seines  staunenswerthen  Gedächtnisses  dem  Schüler  so,  dass  er  in 
den  Ruf  ausbricht:  »Er  ist  allwissend  in  unserer  Literatur«. 

In  der  That  hatte  dieses  unvergleichliche  Gedächtniss  einen  jnicht  un- 
wesentlichen Antheil  an  der  souveränen  Sicherheit  von  B.'s  Auftreten.  Es 
ermöglichte  ihm  ohne  jeden  schriftlichen  Behelf  jederzeit  die  Anführung 
jedes  erwünschten  Citates,  jede  entlegenste  Combination;  ja  sogar  umfang- 
reiche Werke  Goethes  und  Schillers,  aber  auch  ganze  Gesänge  aus  Homer 
und  Dante,  ganze  Scenen  aus  Sophokles  und  Shakespeare  waren  ihm  mit 
unfehlbarer  Sicherheit  eingeprägt,  von  der  Unzahl  kleinerer  Gedichte  aus 
allen  Literaturen,  die  er  auswendig  wusste,  ganz  zu  geschweigen.  Und  wie 
verstand  er  es,    sie  vorzutragen!    Er  war  mit  seinem  machtvollen   und  bieg- 


244  Bemajr». 

samen  Organ  zweifellos  einer  der  bedeutendsten  Recitatoren  seiner  Zeit. 
Wie  er  seine  wissenschaftlichen  Untersuchungen  in  einer  geradezu  künst- 
lerischen Ausgestaltung  bot  und  in  feiner  Zuspitzung,  in  klarer  objektiver 
Gestaltung,  vor  allem  aber  in  strömendem  Pathos  jede  gewollte  Wirkung 
erzielte,  so  verstand  er  auch  vieles  durch  den  blosen  Vortrag  zu  verdeut- 
lichen, was  keine  kritische  Ausführung  hätte  klar  machen  können.  Kein 
Wunder,  dass  in  München  wie  in  Leipzig  sein  grosses  Kolleg  stets  von 
Hunderten  von  Hörern  aller  Fakultäten  besucht  warl  »Der  lauscJienden 
Jugend  entging  das  Gewollte  an  so  hoher  Kunst,  das  Selbstgetällige  an  so 
vielem  Reize  keineswegs«,  sagt  Alfred  Dove  treffend;  »aber  der  im  Grunde 
echte  Schwung  der  Begeisterung  riss  sie  nichtdestoweniger  mit  sich  fort  — 
in  dieser  Weise  ward  ihr  ähnliches  niemals  geboten.« 

Damit  ist  aber  B.'s  Bedeutung  als  Lehrer  keineswegs  erschöpfend  ge- 
kennzeichnet. Sein  Eigenstes  gab  er  vielmehr  erst  im  engeren  Kreise  seiner 
Schüler  im  Seminar,  dessen  Uebungen  er  in  seiner  eigenen  ungemein  reichen 
Bibliothek  abhielt.  Der  ganze  Nachdruck  lag  hier  auf  der  persönlichen  An- 
regung und  Mitteilung,  auf  Erweckung  der  Selbstthätigkeit  der  Theilnehmer. 
Die  zwanglosesten  Wanderungen  durch  die  weitesten  Gebiete  der  Literatur- 
geschichte wechselten  mit  der  sorgsamsten  Untersuchung  methodisch  lehrreicher 
Einzelheiten,  unterstützt  von  dem  Anschauungsmaterial  des  grossen  Bücher- 
schatzes, der  noch  jetzt  durch  die  Pietät  und  Selbstlosigkeit  der  Wittwe 
ungetheilt  erhalten  geblieben  ist.  Auf  jedes  Einzelnen  Eigenart  wurde 
Rücksicht  genommen  und  ihr  neue  Nahrung  geboten;  kurz,  es  sollte  alles 
lebendige  Anregung,  nicht  autoritativer  Unterricht  sein.  Und  ähnlich  ge- 
staltete sich  das  meist  nur  vor  einer  kleinen  Hörerschaar  abgehaltene 
Shakespeare-Kolleg,  das  B.  stets  besondere  Freude  machte.  Auch  hier 
konnte  er  zwanglos  mit,  nicht  zu  seinen  Hörern  sprechen;  auch  hier  Hess 
er  in  freiem  Wechsel  bald  textkritische,  grammatische  oder  metrische  Einzel- 
heiten, bald  weitausgreifende  Quellenuntersuchungen,  bald  ästhetisch-kritische 
Betrachtungen  in  den  Vordergrund  treten.  »Keine  Frage«,  bemerkt  er  einmal 
in  seinem  Tagebuch,  in  dem  er  sich  mit  peinlicher  Gewissenhaftigkeit  über 
Werth  oder  Unwerth  seiner  Kollegien  selbst  Rechenschaft  ablegte,  »keine 
Frage,  dass  ich  dann  das  Beste  und  Meiste  gebe,  wenn  aller  äussere  Ajy- 
parat  der  sog.  Vorlesung  wegfällt.« 

So  fühlte  sich  B.  ganz  eingewoben  in  die  Lebensthätigkeit,  die  er  selbst 
als  sein  höchstes  Lebensbedürfniss  bezeichnet  hat.  Trotzdem  blieb  ihm  in 
seinen  damaligen  Verhältnissen  zeitweilig  ein  gewisses  Gefühl  der  Entbehrung 
nicht  erspart,  das  ihm  einmal  in  einem  schönen  Briefe  an  seinen  Freund  Uhde 
das  Geständnis  entriss:  »Ich  bedarf  in  meinem  Leben,  dem  keine  heitere 
Jugendzeit  vorangegangen,  und  das  auch  noch  jetzt  fast  alles  das  entbehrt, 
was  der  grosse  Haufe  der  Menschen  Glück  zu  nennen  pflegt  —  auch  ich 
bedarf  oft  genug  der  ermunternden  und  aufrichtenden  Teilnahme.  Ich  sage 
das  nicht  im  Sinne  der  Klage,  diese  ist  mir  gänzlich  fremd,  und  die  Art 
meines  Lebens  und  Thuns  möchte  ich  mit  keiner  anderen  —  und  wenn 
mir  der  höchste  Preis  geboten  würde  —  jemals  vertauschen. .  . .  Oft  verwundere 
ich  mich  darüber,  wie  ich  mir  so  viele  Frische  und  Heiterkeit  habe  erhalten 
können.  Aber  diese  Heiterkeit  hat  auch  wenig  gemein  mit  dem,  was  man 
herkömmlicherweise  so  nennt.  Sie  ist  ganz  geistiger  Art,  sie  fliesst  aus  der 
innigen  Verbindung,  in  welche  ich  mein  Leben  mit  meiner  Wissenschaft 
gebracht  habe.     Die  mit  jedem  Tage  neu  aufwachende  Liebe  zu  dem,    was 


Bemays.  ^/^c 

mir  Wissenschaft  ist,  entschädigt  mich  für  alles,  was  ich  ehedem  im  Kampfe 
des  Lebens  gelitten,  für  alles,  was  ich  jetzt  entbehre.« 

Erst  am  4.  Dezember  i88o    gewann  B.  durch  die  Vermählung   mit  der 
"Wittwe    Hermann  Uhdes,    Luise,    geb.   Rübke,    ein   eigenes  Heim,    das  dem 
rastlos  thätigen  Manne  in  der  treuen  Fürsorge  einer  verständnissvollen  Gattin  das 
häusliche  Behagen  bot,    das    er    solange  entbehrt  hatte.     War  es  ihm  schon 
vorher  Bedürfhiss  gewesen,  am  geselligen  Leben  regen  Anteil  zu  nehmen,  so 
wurde  jetzt  sein  eigenes  Haus  der  Mittelpunkt  eines  der  geistigen  Bedeutung 
wie  der  Zahl  nach  gleich  hervorragenden  Kreises.     Von  den  Kollegen  standen 
ihm  Bursian,  Christ,  Wölfflin,  Giesebrecht,  Brinz,  Ratzel,  Rudolf  Scholl,  Halm 
besonders  nahe.     Zu   dem  Kaulbach'schen   Hause,    namentlich  auch  zu  Frau 
v.  Volk  und    ihrem  geistvollen  Gatten   unterhielt  er  rege  Beziehungen.     Von 
der  alten  Frau  von  Thiersch  liess  er  sich  noch  mancherlei  von  der  klassischen 
Vergangenheit  des  literarischen  Deutschland  erzählen;  an  Lady  Blennerhassets 
literarischen  Arbeiten  nahm  er  den  regsten  Antheil  und  wies  sie  immer  wieder 
auf  Chateaubriand   als    würdigsten   Gegenstand    ihrer    geistvollen    Darstellung 
hin.     Wilhelm  Hertz  war  ihm  als  Mensch  und  Dichter  gleich  werth;  Ludwig 
Laistners  früher  Tod  bereitete  ihm  tiefen  Schmerz.     Mit  Conrad  Fiedler,  der 
später  ein  so  jähes  Ende  finden  sollte, verkehrte  er  besonders  gern:  »Im  Ge- 
spräche   mit    ihm    weiss  man  doch,    wozu  man    die  Lippen   bewegt.     Er  ist 
wirklich  ein    bedeutender    und  selbstständiger  Denker.  .  .  .  einer  der  gehalt- 
reichsten   Menschen,    die   jetzt    leben.«      Sehr  innig  war    das  Verhältniss    zu 
Paul    Heyse;    sie    kamen    sehr    viel    zusammen,    besprachen    sich    über    ihre 
Arbeiten  und  gerne    nahm  Heyse    bei    seinen  Uebersetzungen    des  Freundes 
Rath  in  Anspruch.     Heyse  ist    auch    neben    dem  Erbprinzen  von  Meiningen 
Pathe  von  B.'s  Sohne  Ulrich,  der  neben  einer  Tochter  Marie  in  dem  behag- 
lichen Hause  an  der  Fürstenstrasse  heranwuchs. 

Nicht  nur  Gelehrte  und  Dichter,  auch  Schauspieler  und  Musiker  weilten 
oft  in  dem  B.'schen  Kreise.  Hermine  Bland  konnte  im  gewissen  Sinne  sogar 
seine  Schülerin  genannt  werden;  beim  Einstudieren  ihrer  vornehmsten  Rollen 
wie  Iphigenie,  Leonore  von  Este  u.  a.  stand  B.  ihr  mit  seiner  eingehenden 
Interpretation  und  seiner  vollendeten  Vortragskunst  lange  zur  Seite.  Die 
edle  Art  dieser  bedeutenden  Künstlerin  entsprach  seinem  Wesen  in  seltenem 
Maasse;  sonst  freilich  hat  er,  abgesehen  von  Lewinsky,  Sonnen thal  und 
wenigen  andern  Künstlern,  sich  wenig  an  schauspielerischen  Leistungen 
erbaut.  Sein  StilgeRihl  wurde  durch  die  immer  häufiger  geübte  Uebertragung 
modern  realistischer  Kunstübung  auf  die  klassischen  Dramen  empfindlich  ver- 
letzt, und  solch  »denkender  Künstler«  war  ihm  ein  Greuel.  Während  er  sich 
daher  mit  den  Jahren,  im  Genüsse  der  Dramatiker  aller  Zeiten  am  unge- 
trübtesten sich  selbst  genügend,  dem  Schauspiel  der  Bühne  immer  mehr 
entfremdete,  wurde  sein  Verhältniss  zur  Musik  immer  inniger  und  fester. 

Schon  aus  dem  Jahre  1862  haben  wir  in  dem  »Verbindenden  Texte 
fUr  Beethovens  Musik  zu  Goethes  Egmont«  einen  Beweis,  mit  welchem  Ernste 
sich  B.  in  die  gewaltigen  Werke  der  Tonkunst  vertiefte.  Diese  Verse,  denen 
wie  den  übrigen  Festspielen  B.'s  —  »zur  Säcularfeier  von  Schillers  Geburts- 
tag« (1859),  »Shakespeares  Geburt«  (1864),  »Prolog  zu  Mozarts  Requiem« 
(1892)  —  mehr  die  rhetorische  Macht  und  Würde  der  Sprache  und  der 
Gedanken,  als  eigentlich  dichterische  Eigenschaften  das  Gepräge  geben,  ent- 
standen auf  Otto  Jahns  Anregung,  um  den  nüchternen  Verbindungstext 
F.  Mosengeils    zu    ersetzen    —    ein  Zweck,    den    sie  in  der  angemessensten 


346  Bemajrs. 

Welse  erfüllten.  Zu  einer  noch  wirksameren  Theilnahme  an  musikalischer^ 
Fragen  musste  sich  aber  B.  angeregt  fühlen,  als  er  in  München  in  den 
Bannkreis  Richard  Wagners  trat.  Durch  seinen  Verkehr  mit  Levyt  Porge< 
u.  a.  wurde  B.  immer  tiefer  in  die  Bestrebungen  des  Meisters  hineingezogen; 
selten  versäumte  er  eine  Aufiühsung  seiner  Werke  an  der  Mtinchcner  Op»er 
und  versenkte  sich  mit  tiefer  Bewunderung  in  die  grossartige  Persönlichkeit, 
die  sich  ihm  hier  offenbarte.  Zwar  hat  er  sich  eine  gewisse  Zurückhaltung 
gegenüber  den  künstlerischen  Neuerungen  Wagners  bewahrt;  seine  Worte  für 
die  Errichtung  einer  Schule  für  Musik  imd  Drama  in  Bayreuth  sind  rein  sach- 
lich und  vorsichtig  abgewogen.  Aber  bei  seinen  wiederholten  Berührungen  mit 
Richard  Wagner  selbst,  als  dessen  Gast  er  mehrfach  in  Wahnfried  weilte, 
empfand  er  den  vollen  Zauber  einer  genialen  Persönlichkeit,  und  rückhaltlos 
huldigte  er  dem  reinen  Künsderthum  in  dem  Schöpfer  des  Tondramas. 
»Wie  alle  Künstler  höchsten  Ranges«,  schreibt  B.  einmal  an  Uhde,  »wendet 
sich  Wagner  unmittelbar  an  die  Phantasie.  Er  wäre  schon  allein  desha]L> 
hochzuhalten,  weil  er  einer  von  den  Wenigen  ist,  die  noch  einen  reinen 
Enthusiasmus  zu  entzünden  wissen. c  Und  in  defer  Ej-griffenheit  hat  B.  bei 
der  Nachricht  von  Wagners  Tode  in  seinem  Kolleg  dem  grossen  Toten  einen 
Nachruf  geweiht,  der  zu  dem  Würdigsten  und  Besten  gehört,  was  über 
Wagner  gesagt  worden  ist.  Ohne  sich  auf  einzelne  Fragen  einzulassen,  stellte 
hier  B.  den  Meister  als  unsterbliches  Muster  hin  dessen,  »was  der  wollende 
Mensch  vermag«.  Die  menschliche  Grösse  mit  ihrem  unerschütterlich  sieg- 
haften Willen  .stand  ihm  noch  höher  als  die  künsderischen  Ziele  Wagners. 
Damals  war  B.  der  einzige  Professor  einer  Universität,  der  auf  seinem 
Katheder  von  Wagner  zu  sprechen  sich  gedrungen  fühlte;  durch  diese  That- 
sache  erhöht  sich  noch  das  Gewicht  seiner  Worte. 

Mochte  aber  B.  mit   noch    so    ernster  Hingabe    sich    in   Wagners    neue 
Kunstform  einzuleben  bemühen,  den  reinsten  Genuss  bot  ihm  doch  »Fideliov, 
bot   ihm   die  Musik,    wo  sie  ihm  als  Herrscherin,    als  Selbstzweck    entgegen 
trat.     »Mir  wird    die  Musik   immer  mehr  Bedürfniss«,    schreibt  er  im  Jahre 
1877  aus  München.     »Die  Töne    umspülen    mir    den  Geist    wie    sänfdgende 
Wellen;    er  lässt  sich  gelind  von  ihnen   forttragen,    und  doch  ist    es  keines- 
wegs ein  wollüstiges  Nichtsthun,    dem    er  sich  hingiebt.     Denn    ich  verstehe 
von  der  Musik  gerade  so  viel,    um    der  Entwicklung  der  musikalischen    Ge- 
danken folgen  zu  können,  aber  nicht  genug,  um  mir  überall  von  den  Mitteln 
der  Ausführung    Rechenschaft    zu    geben.      So    finde    ich    erquickende     Be- 
schwichtigung und. zugleich  eine  Anregung,    die  den  Geist  beschäftigt,  ohne 
ihn  zu  eigendicher  Thätigkeit  zu  spannen.     Keiner  Kunst  gegenüber  ist  mein 
Urtheil  oder  vielmehr  meine  Empfindung    so    streng    als    bei    dieser.     Diese 
Strenge  gilt  aber  nicht  dem  Vortrag,  sondern  dem  Gehalt  des  Vorgetragenen. 
Eben  weil  ich  von  der  Technik  der    musikalischen  Behandlung,    die  ja  dem 
Kenner  schon    an  und  für    sich    ein  Interesse    abgewinnen    kann,    zu    wenig 
verstehe,  so  kann  mich  nur  der  lebendige  Gedanken-  und  Empfindungsgehalt, 
der  die  Formen  erfüllt,  berühren  und  ergreifen.     Hier  habe    ich  das  Recht, 
wirklich    nur    mit    dem  Trefflichsten    vorlieb    zu    nehmen..    Und    in  welcher 
Kunst  ist  das  Treffliche  so  reichlich  ausgesäet  wie  in  dieser?« 

Die  musikalischen  Darbietungen  von  Eduard  Reuss,  die  ihm  die  letzten 
Werke  Beethovens  immer  mehr  erschlossen,  gehörten  dann  in  den  Tagen 
seiner  Müsse  in  Karlsruhe  zu  seinen  reinsten  Genüssen.  Aber  auch  in 
München  hat  er  eine  Reihe  von  Musikern    an  sich    zu  ziehen  gewusst,    und 


Bernays.  347 

die  Liebe  zur  Musik,  die  besonders  aus  Shakespeare  immer  gerne  neue  Nah- 
rung sog,  hat  in  seiner  ganzen  Art  der  Geselligkeit  unverkennbare  Spuren 
hinterlassen. 

So  vereinigten  sich  künstlerische  und  wissenschaftliche  Interessen  in 
seinem  Hause,  um  es  zu  einem  Sammelpunkte  zu  machen,  an  dem  durch- 
reisende Männer  von  Bedeutung  wie  Paul  Stapfer,  Frz.  X.  Kraus,  Waitz, 
Liszt  u.  s.  w.  immer  einen  Theil  der  geistigen  Elite  Münchens  anzutreffen 
sicher  sein  durften.  Daneben  aber  zog  B.  auch  diejenigen  von  seinen 
Schülern,  die  ihm  im  Seminar  näher  getreten  waren,  ebenfalls  in  den 
persönlichen  Verkehr  mit  ein  und  lebte  im  vollsten  Behagen,  wenn  er  von 
seinen  geistigen  Schätzen  anderen  verschwenderisch  mittheilen  konnte.  Schon 
im  Winter  1879/80  hielt  er  alle  14  Tage  in  einem  auserlesenen  Kreise  an 
einem  Abende  Vorträge  über  und  aus  Goethes  Faust.  Solche  Recitationen 
pflegten  später  seine  Gesellschaftsabende  im  eigenen  Hause  abzuschliessen, 
während  er  seit  der  Uebernahme  des  akademischen  Lehramtes  wie  auf 
journalistische  Bethätigung,  so  auch  auf  öffentliche  Vorträge  gänzlich  ver- 
zichtet hatte. 

Nur  dreimal  noch  ist  B.  mit  Vorträgen  vor  ein  grösseres  Publikum  ge- 
treten, jedesmal  einem  äusseren  Anlass  folgend.  Im  März  1880  forderte  ihn 
Lützow  auf,  nach  Wien  zu  kommen,  wo  durch  Karl  Tomascheks  Tod  die 
Professur  für  Literaturgeschichte  erledigt  war.  Man  hoffte,  B.  dafür  gewinnen 
zu  können,  und  die  Studentenschaft  feierte  ihn,  nachdem  er  drei  Vorträge 
in  Wien  gehalten  hatte  (über  die  Epochen  der  Goethe'schen  Lyrik,  über  den 
IL  Theil  des  »Faust«  und  über  Lessing's  Stil),  bereits  mit  jugendlicher  Zu- 
versicht als  den  Ihren.  Aber  'die  Sache  zerschlug  sich;  dauernder  Gewinn 
jener  Wiener  Tage  aber  blieb  neben  anderen  neuen  Beziehungen  u.  a.  auch 
zu  Brahms,  eine  herzliche  Freundschaft  mit  Lewinsky. 

Widerwillig  übernahm  B.  im  Jahre  1889  den  Festvortrag  bei  jener  be- 
deutungsvollen Generalversammlung  der  Goethe -Gesellschaft  in  Weimar, 
welche  die  Erweiterung  des  Goethe- Archivs  zum  Goethe -Schiller -Archiv 
brachte.  Keine  Zeile  ist  uns  in  B.'s  Handschrift  von  dieser  Rede  über 
Goethe's  Farbenlehre  erhalten;  nur  im  Kopfe  hatte  er  sie  ausgearbeitet  und 
auf  die  Stütze  schriftlicher  Fixirung  verzichtet.  Aber  indem  sie  die  Ge- 
schichte der  Farbenlehre  nur  als  ein  Symbol  der  Geschichte  des  Wissens 
überhaupt  betrachtete,  erschloss  sie  in  überraschend  eindringlicher  Weise  die 
Bedeutung  eines  grossen  Arbeitsfeldes  Goethe's,  das  sonst  nur  allzu  sehr 
unterschätzt  wird. 

Zum  letzten  Male  sprach  B.  vor  der  breiten  Oeffentlichkeit  bei  der  Ent- 
hüllung des  Scheffeldenkmals  in  Karlsruhe  am  19.  November  1892.  Auch 
zu  dieser  Festrede  hatte  er  sich  nur  ungern  bestimmen  lassen,  aber  sie  be- 
währte noch  einmal  die  hinreissende  Macht  seiner  Rede  und  seine  grossen, 
weiten  Gesichtspunkte  bei  jedem  sich  ihm  bietenden  Gegenstande.  »Im 
Zeitlichen  das  Ewige  zu  erforschen,  das  ist  die  Aufgabe  aller  Geschichte  und 
vor  allem  der  Literaturgeschichte«  —  unter  diesem  Motto  stehen  alle  Aeuse- 
rungen  seiner  unermüdlichen  Thätigkeit.  —  — 

In  München  verlief  B.'s  Leben  in  gleichmässigen  Bahnen.  Die  Lehr- 
thätigkeit  befriedigte  ihn;  das  regste  gesellige  Leben  umgab  ihn;  eine  aus- 
gebreitete Korrespondenz  verband  ihn  mit  einer  ausser  gewöhnlichen  Anzahl 
bedeutender  Zeitgenossen.  Verschiedene  Reisen  nach  der  Schweiz,  nach 
Hamburg,  Dresden,  Frankfurt  brachten  ihn  mit  alten  und  neuen  Freunden  in 


348  Bcmays. 

Berührung,  mit  Adolf  Stern,  Devrient,  Stockhausen,  Haym,  Köhler,  Simson 
u.  a.  m.  Den  Herbst  pflegte  er  in  Baden-Baden  zuzubringen.  Dort  versammelte 
sich  während  der  Anwesenheit  der  Kaiserin  Augusta  ein  auserlesener  Kreis, 
in  dem  B.  gern  verkehrte;  auch  von  der  Kaiserin  selbst  wurde  er  wiederholt 
empfangen.  Karlsruhe  war  dann  der  Ort,  der  ihm  bei  seinem  Rücktritt 
vom  Lehramte  am  besten  die  gewünschte  Müsse  zu  versprechen  schien. 

Verschiedene  Umstände  wirkten  zusammen,  den  Mann,  der  so  ganz  in 
seiner  akademischen  Thätigkeit  aufzugehen  schien,  zu  dem  Entschlüsse  zu 
bringen,  seine  Professur  niederzulegen  und  München  zu  verlassen.  B.  fühlte 
die  Verpflichtung,  auch  in  der  Schrift  dauernd  einen  Theil  der  Schätze 
niederzulegen,  die  er  bisher  nur  mündlich  ausgestreut.  Seine  innige  Hingabe 
an  die  Lehrthätigkeit  aber  Hess  ihm  dazu  keine  Müsse,  und  so  entsagte  er 
ihr  mit  kraftvollem  Entschluss.  Allerlei  persönliche  Momente  kamen  hinzu, 
die  auf  beiden  Seiten,  bei  dem  Scheidenden  wie  den  Verlassenen,  eine  ge- 
wisse Verstimmung  zurückliessen.  Mit  Bekümmemiss  sahen  viele  seiner  Ge- 
treuen voraus,  dass  er  bei  seiner  Eigenart  doch  nicht  zu  dem  verheissenen 
grossen,  zusammenfassenden  Werke  kommen  werde,  dass  er  dem  besten 
Theile  seiner  Wirksamkeit  ohne  gleichwerthigen  Ersatz  sich  selbst  entriss. 
Trotzdem  konnte  ihn  nichts  mehr  von  seinem  Entschluss,  der  seit  dem  Tode 
des  von  ihm  innig  verehrten  Königs  Ludwig  IL  in  ihm  reifte,  abbringen : 
am  II.  März  1890  hielt  er  seine  Abschiedsvorlesung  unter  einem  Zudrang 
und  unter  Huldigungen  der  Studentenschaft,  wie  sie  nicht  leicht  einen  anderen 
Lehrer  zu  Theil  geworden  sind. 

Für  die  Geselligkeit,  die  er  in  München  aufgegeben,  fand  B.  in  Karls- 
ruhe Ersatz  durch  einen  Freundeskreis,  in  dem  neben  manchen  Mitgliedern 
der  Hofgesellschaft  Eduard  Reuss,  der  Pianist,  voranstand,  zu  dem  sich  aber 
auch  häufig  Uhlig,  Wunderlich,  Frhr.  v.  Waldberg  aus  Heidelberg,  Brandl 
aus  Strassburg  und  mancher  andere  ferne  Freund  oder  Schüler  besuchsweise 
gesellte.  Die  Sammlung  der  »Schriften  zur  Kritik  und  Literaturgeschichte« 
ward  mit  einem  gehaltvollen,  Erich  Schmidt  zugeeigneten,  Bande  eröffnet 
(1895);  seinen  Fachgenossen  war  B.  mit  der  unvergleichlichen  Fülle  seines 
Wissens  ein  stets  hülfsbereiter  und  fast  untrüglicher  Berather.  Einen  beson- 
deren Reiz  aber  gewann  das  Leben  der  letzten  Jahre  durch  den  Verkehr  mit 
dem  grossherzoglichen  Paare.  Dieser  Verkehr  gestaltete  sich  durch  das  ver- 
trauen- und  verständnissvolle  Entgegenkommen  der  hohen  Herrschaften  und 
durch  B.'s  Freiheit  von  jeder  amtlichen  Stellung  ungezwungen  und  wahrhaft 
freundschaftlich.  Oft  verbrachte  B.  Sonntags  einige  Stunden  des  Abends 
allein  bei  dem  grossherzoglichen  Paare.  Das  waren  für  ihn  stets  köstliche 
Stunden.  Das  Gespräch  bewegte  sich  frei  und  rückhaltlos  über  die  wichtig- 
sten Dinge;  die  grössten  Werke  unserer  klassischen  Dichter,  aber  auch 
Wordsworth  u.  a.,  wurden  durchgenommen.  B.  durfte  sich  ganz  unbefangen 
gehen  lassen,  weil  er  sicher  war,  immer  verstanden  zu  werden. 

So  gestalteten  sich  die  letzten  Jahre  seines  Lebens  ruhig  und  erquick- 
lich; er  hat  seinen  folgenschweren  Schritt  vom  Jahre  1890  nicht  bereut.  Un- 
erwartet rasch  nahte  das  Ende  heran.  Im  Februar  1897  erkrankte  er  schwer, 
nachdem  vorher  nur  die  Vertrautesten  geahnt  hatten,  dass  ein  inneres  Leiden 
unaufhaltsame  Fortschritte  machte.  Stundenlang  recitirte  er  im  Fieber  Verse 
aus  seinen  geliebten  Dichtern.  Die  letzte  Freude  war  ihm  der  theilnehmende 
Besuch  des  Grossherzogs.  Am  25.  Februar  1897  verschied  er  an  einer 
Herzlähmung. 


Bemays.  34Q 

Die  Betheiligung  an  seiner  Bestattung  war  nur  gering,  wie  ihm  ja  auch 
in  seinem  Leben  nicht  viele  äussere  Ehren  zu  Theil  geworden  waren  *).  Aber 
herbeigeeilte  Schüler  und  Nachfolger,  Muncker  aus  München  und  Witkowski 
aus  Leipzig,  sprachen  an  seinem  Grabe  in  wannen  Worten  aus,  was  ihre 
Universitäten  und  was  die  Wissenschaft  an  dem  Verstorbenen  besessen.  Und 
schon  bei  B.'s  Rücktritt  von  seiner  Professur  hatte  Erich  Schmidt  im  Namen 
eines  grossen  Kreises  von  Fachgenossen  in  einer  nun  zum  Mnemeion  ge- 
wordenen Adresse  in  scharfen  Strichen  die  Bedeutung  B.'s  als  eines  der  her- 
vorragendsten Begründer  seiner  ebenso  gelehrt  wie  schwungvoll  erfassten 
Disciplin  gezeichnet. 

»Der    durch  Wort    und    Schrift    für    die    philologische    Begründung    der 
neueren  Literaturgeschichte  Wirkende  —  so  darf  ich  mich  ohne  Anmaassung 
nennen.     Habe  ich  ein  Verdienst,  so  besteht  es  darin,  dass  ich  die  im  Studium 
der  altklassischen  Literatur  erworbenen,  streng  kritischen  Grundsätze  auf  das 
Studium  der  neueren  zu   übertragen  suche.«     So    schrieb  B.  im  Jahre  1877 
an  einen  Freund,    und  seine  Schriften  sind  der  bleibende  Beleg  für   die  Be- 
rechtigung dieser  Worte.     Sie  verwenden  auf  jede  Silbe  der  neueren  Autoren 
dieselbe  Sorgfalt,  die  man  bisher  nur  den  Alten  zu  widmen  gewohnt  war,  ja 
die  gar  manchem  nur  beim  klassischen  Alterthume  berechtigt,  in  ihrer  Ueber- 
tragung  auf  die  Neuzeit  aber  überflüssig  oder  wichtigthuerisch  und  pedantisch 
erschien.     Für  B.  aber  war  die  Kritik,   das  Absondern   des  Echten   vom  Un- 
echten,   auch    hier    nach  Goethe's  Wort    in  der  Geschichte    der  Farbenlehre 
»wohl  die  höchste  Function  des  Verstandes«,  und  indem  er  sie  in  glänzender 
Weise  an  seinen  Texten  exprobte,  gelangte  er  zu  einer  Tiefe  der  Einsicht  in 
das  Schafifen  des  Dichters  und  das  Werden  des  Kunstwerkes,    die  ihm  Über 
die  Einzelheiten  textkritischer  Fragen  hinaus  die  weitesten  und  freiesten  Aus- 
blicke über  die  Geschichte    des    menschlichen  Geistes  eröffnete.     Oft  hat  er 
betont:    wissenschaftliche  Werke    gewinnen  Dauer   durch    ihre  Form,    künst- 
lerische durch  ihren  Gehalt.     Aber    »aus  der  vollkommenen  geistigen  Durch- 
dringung des  Stoffies    muss    sich    die  Form    ergeben«.     (Zur  Lehre    von    den 
Citaten  und  Noten.)     So  muss  also  die  volle  Erklärung  der  Form  bis  in  ihre 
kleinsten  Züge  auch  zur  sicheren  Erkenntniss  des  Gehaltes  bis  in  seine  leise- 
sten Aeusserungen  führen.     Niemand  hat    diese  gegenseitige  Bedingung  von 
Form  und  Gehalt  klarer  formulirt,  als  Schiller,  von  der  Wichtigkeit  der  Pro- 
sodie  sprechend,   in  seinem  Briefe  an  Goethe  vom  9.  August  1799:    »Es  hat 
mit  der  Reinheit  des  Silbenmaasses  die  eigene  Bewandtniss,  dass  sie  zu  einer 
sinnlichen  Darstellung  der  inneren  Noth wendigkeit  des  Gedankens  dient,   da 
im  Gegentheil  eine  Lizenz  gegen  das  Silbenmaass  eine  gewisse  Willkürlichkeit 
fühlbar  macht.     Aus  diesem  Gesichtspunkt    ist    sie    ein    grosses  Moment  und 
berührt  sich  mit  den  innersten  Kunstgesetzen.«     Aus  diesem  Gesichtspunkte 
leitete  auch  B.  die  Berechtigung  und  Pflicht  zur  sorgsamen  Kritik  der  sprach- 
lichen Form  ab  und  hat  dadurch  seiner  Wissenschaft  in  seinen  textkritischen 
Arbeiten,    die  in  geringem  Umfang  eine  Fülle  mühsamer  Sorgfalt  und  geist- 
voller Combination  zusammenfassen,  die  einzig  sichere  Grundlage  erobern  helfen. 
Es  darf  bei  den  textreinigenden  Bemühungen  B.'s  seiner  Vorgänger  nicht 
vergessen    werden.     Lachmann's    Lessingausgabe,    mag    sie   jetzt    auch    noch 

*)  Am  31.  December  1879  war  ihm  der  bayerische  Orden  vom  hl.  Michael  i.  Kl. 
(ä.  O.},  am  19.  November  1892  das  Commandeurkreuz  2.  KI.  des  badischen  Ordens  vom 
Zähringer  Löwen  verliehen  worden. 


SCO  Bernays. 

reiche  Verbesserungen  erfahren,  und  Joachim  Meyer' s  Bemühungen  um  Schiller 
hatten  zuerst  den  richtigen  methodischen  Weg  gezeigt.  Für  Goethe  hat  ihn 
B.  als  erster  betreten  und  mit  einer  Energie  und  Umsicht  gesäubert,  dass 
man  getrost  sagen  kann:  ohne  ihn  wäre  die  grosse  Weimarer  Goetheausgabe 
nicht  möglich  geworden.  Adolf  Scholl  hebt  denn  auch  seine  Anzeige  von 
B.'s  Schrift  »Ueber  Kritik  und  Geschichte  des  Goethe*schen  Textes«  (»Grenz- 
boten« 1867)  mit  den  Worten  an:  »M.  B.  hat  in  der  vorstehenden  Schrift 
nicht  etwa  einen  Beitrag  zur  Kritik  des  Goethe'schen  Textes  geliefert,  sondern 
die  Kritik,  welche  diesen  Namen  verdient,  erst  begründet  und  die  bisherige 
bodenlose  Kritik  beseitigt.«  Und  nachdem  er  die  reichen  Ergebnisse  der 
Untersuchung,  welche  die  ganze  verschlungene  Filiation  der  verschiedenen 
Ausgaben  und  damit  die  Quelle  der  späteren  Textverderbnisse  wie  die  Wege 
zu  ihrer  Heilung  nachweist,  charakterisirt  und  ihren  Triumph  über  Düntzer's 
mangelhafte  Versuche  verkündet  hat,  betont  er  nachdrücklich,  dass  nicht  un- 
verdientes Finderglück  zu  so  sicheren  Resultaten  geführt  hatte;  nein,  »gerade 
die  methodische  Verknüpfung  der  äusseren  Kritik  mit  der  inneren  ist  dxs 
Verdienst  von  B.«. 

Noch  in  einem  zweiten  Punkte  sollte  B.  der  grossen  Goetheausgabe, 
deren  Entstehen  wir  jetzt  mit  sicherer  Siegeszuversicht  verfolgen,  den  Leit- 
punkt geben,  lange  bevor  noch  an  sie  zu  denken  war,  durch  seinen  und 
Salomon  Hirzels  »Jungen  Goethe«  (1875).  ^^^^  war  nicht  nur  ein  gründlich 
gereinigter  Text,  so  weit  erreichbar  die  Urform  der  Werke  des  Stürmers  und 
Drängers  geboten,  hier  waren  zum  ersten  Male  die  Briefe  mit  den  poetischen 
Werken  zu  untheilbarer  Einheit  zusammengefasst,  die  Erkenn tniss  der  vollen 
Persönlichkeit,  nicht  blos  der  ästhetische  Genuss  an  den  Dichtungen  der 
Zweck  des  ganzen  Buches.  Wie  viel  des  Verdienstes  jedem  einzelnen  von 
den  beiden  Herausgebern  der  Sammlung  zukommt,  bleibt  unentschieden;  sie 
treten  beide  mit  ihren  gewissenhaften  Bemühungen  um  die  Reinheit  des 
Textes,  um  die  Sicherung  zweifelhafter  Datirungen  u.  s.  w.  vollständig  hinter 
dem  Dichter  zurück.  Nur  die  Einleitung,  die  eine  Fülle  von  Anregungen  und 
Anleitungen  nicht  blos  zum  Verständniss  des  jungen  Goethe  in  weitumfas- 
senden Ausführungen  enthält,  hat  B.  unterzeichnet.  So  darf  man  denn  auch 
ihm  in  erster  Linie  danken,  dass  dies  köstliche  Buch  den  Anstoss  gab  zu 
einer  nachhaltigen  Erfrischung  der  Goethe-Studien. 

Charakteristisch  ist  das  Bibliothekzeichen,  das  sich  B.  wählte:  der  Kopf 
Goethe*s  neben  dem  Homer's.  Wie  in  allen  seinen  die  ganze  Weltliteratur 
umspannenden  Studien,  so  hielt  er  auch  bei  der  Betrachtung  Goethe*s,  der 
ihm  immer  im  Mittelpunkte  des  Interesses  stand,  den  Blick  auf  das  Alterthum 
zurückgewendet.  Aber  nicht  blos  Goethe's  Verhältniss  zur  klassischen  Phi- 
lologie, zur  homerischen  und  der  gesammten  antiken  Welt  entwickelt  B.  in 
der  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  der  »Briefe  Goethe's  an  Friedrich  August 
Wolf«  (1868),  er  sucht  vielmehr  zugleich  die  schöpferische  Kraft  der  ver- 
jüngten Alterthumswissenschaft  an  einem  leuchtenden  Beispiele  zu  erklären. 
Und  welche  Bedeutung  der  deutsche  Homer  für  die  gesammte  deutsche 
Dichtung  und  Bildung  besitzt,  welch  harten  und  zähen  Ringens  es  bedurfte, 
um  diesen  köstlichen  Gewinn  zu  erlangen,  das  hat  er  in  der  Einleitung  zu 
seiner  mustergültigen  Jubiläumsausgabe  der  ältesten  Gestalt  der  Vossischen 
Odyssee  (1881)  auf  das  anziehendste  geschildert.  Ihm  genügte  es  nicht,  eine 
Dichtung  in  ihrer  Zeit  zu  begreifen;  er  glaubte  sie  erst  dann  zu  besitzen, 
wenn    er    auch  den  Wandel  ihrer  Wirksamkeit    in    den  verschiedenen  Zeiten 


Beroays.  ^«I 

und  Völkern  verfolgt  hatte.  »Homer  in  der  Weltliteratur«,  das  ist  das  grosse 
Lebenswerk,  das  er  liebevoll  lange  Jahre  im  Sinne  trug  und  das  ungeschrieben 
mit  ihm  ins  Grab  gesunken  ist. 

Die  zweite  grosse  Aufgabe,  die  zu  lösen  kaum  ein  anderer  so  berufen 
war  wie  er,  war  eine  zusammenfassende  Biographie  Goethe's.  Wer  die  schon 
erwähnten  Arbeiten  über  Goethe  abwägt  und  die  in  einer  Reihe  von  Auf- 
sätzen, namentlich  der  fast  den  Umfang  eines  Buches  erreichenden  Ab- 
handlung über  den  »französischen  und  deutschen  Mahomet«  (1893/94) 
niedergelegten  Betrachtungen  hinzunimmt,  wer*  theilnehmen  durfte  an  seinen 
mündlichen  Auseinandersetzungen  über  die  einzelnen  Dichtungen  Goethe's 
und  dabei  erfahren  hat,  wie  innig  er  die  Schönheiten  Goethe'scher  Lyrik 
seinen  Hörern  recitirend  »vorfühlte«,  wie  er  selbst  spröden  Werken  wie  der 
»Natürlichen  Tochter«,  den  Maskenzügen  oder  der  Farbenlehre  das  innere 
Leben  abzulauschen  verstand,  und  wie  scharfsinnig  er  die  Einheit  der 
Goethe'schen  Persönlichkeit  als  Dichter,  Gelehrter  und  Mensch  darzuthun 
wusste,  der  wird  das  Unterbleiben  dieses  Werkes  fast  ebenso  beklagen  wie 
den  ungeschriebenen  »Homer  in  der  Weltliteratur«.  Nur  einen  kurzen  Abriss 
von  Goethe's  Leben  hat  B.  in  der  »Allgemeinen  deutschen  Biographie«  (1879) 
gegeben;  so  schön  uns  darin  das  Werden  des  jungen  Goethe  entwickelt  ist, 
so  schmerzlich  empfinden  wir  bei  der  Behandlung  des  mächtigen  Mannes  und 
des  olympischen  Greises  die  Beengung  des  knapp  zugemessenen  Raumes  und 
den  Drang  des  festgestellten  Termins,  unter  dem  arbeitend  B.  oft  kaum  anzu- 
deuten vermochte,  was  er  zu  sagen  gehabt  hätte.  Und  wohldurchdacht, 
aber  unausgeführt  hat  B.  noch  ein  drittes  Werk  mit  sich  ins  Grab  ge- 
nommen, eine  Würdigung  seines  geliebten  Wordsworth,  den  er  auch  den 
Deutschen  näher  bringen  wollte. 

Denn  nicht  auf  die  heimische  und  antike  Literatur  beschränkte  sich  die 
Gelehrsamkeit  und  das  Interesse  des  unermüdlichen  Mannes;  in  gleicher 
Weise  war  er  in  der  englischen  und  den  romanischen  Literaturen  zu  Hause. 
Nie  erblickte  er  die  erste  Aufgabe  der  Kritik  im  Zersetzen  und  Bemängeln 
des  Unvollkommenen,  sondern  in  der  reinen  Loslösung  des  Bleibenden  aus 
den  Schlacken  des  Vergänglichen.  Mit  unvergleichlichem  Anempfindungs- 
vermögen  ergriff  er  daher  von  Herzen  das  Schöne  und  Bedeutende,  wo  er 
es  fand,  und  verstand  so  ganz  einzigartig  auch  in  den  Geist  fremder  Litera- 
turen einzudringen,  ihre  Vorzüge  und  Eigenart  zu  erfassen  und  zu  erleuchten 
und  dabei  doch  vornehmlich  germanischem  Wesen  zu  huldigen.  In  seinen 
ersten  Lehrsemestem  las  er  eigene  CoUegien  über  die  Tragödie  Frankreichs 
und  Englands;  später  lösten  sich  diese  Studien,  wie  die  zur  spanischen  und 
italienischen  Literatur,  zu  weit  ausgreifenden  Excursen  in  den  Vorlesungen 
über  die  deutsche  Literaturgeschichte  vom  Zeitalter  des  Humanismus  bis  zu 
Goethe's  Tode  auf,  woneben  sich  nur  noch  ein  zweistündiges  Shakespeare- 
Colleg  und  das  Seminar  erhielten.  Shakespeare  ist  denn  auch,  wenn  wir 
von  der  grossen  Auseinandersetzung  mit  der  französischen  Tragödie  anlässlich 
der  Goethe'schen  Mahometübersetzung  absehen,  der  einzige  moderne  Dichter 
des  Auslandes,   dem  B.  eine  grössere  schriftstellerische  Arbeit  gewidmet  hat. 

Wie  meistens  geht  B.  auch  in  dem  Buche  »Zur  Textgeschichte  des 
Schlegel'schen  Shakespeare«  (1872)  von  textkritischen  Fragen  aus;  und  wieder 
gestaltet  sich  die  gründliche  sorgsame  Textreinigung,  der  wir  seine  muster- 
hafte Ausgabe  der  Seh legel-Tieck' sehen  Uebersetzung  (1891)  verdanken,  nicht 
blos  zu  der  Entstehungsgeschichte  eines  hervorragenden  Werkes,    sondern  zu 


352  Bemays. 

einer  Erklärung  der  nach  Luther  und  Voss  noch  möglichen  dritten  Art  der 
Uebersetzungskunst,  die  diese  beiden  entgegengesetzten  Meister  zu  versöhnen 
weiss.  B.  entfaltet  hier  den  ganzen  Reiz,  der  nie  ausbleibt,  wo  ein  fnicht- 
verheissendes  Werden  sich  darstellt,  und  zeigt  uns  »das  Erwachsen  und  die 
schrittweise  Ausbildung  einer  Kunst,  die,  nahe  an  die  Wissenschaft  rührend, 
dazu  mitwirken  sollte,  die  Weltstellung  zu  begründen,  welche  seit  dem  Be- 
ginne des  Jahrhunderts  unsere  Literatur  aus  eigener  Kraft  unter  den  Litera- 
turen der  Erdenvölker  behauptet«.  Nirgends  hat  B.  glänzender  bewährt  als 
hier,  wie  er,  nach  Eugen  WoHTs  treffendem  Wort,  »die  Andacht  zum  Kleinen 
und  KJeinsten  mit  Geist  und  weit  ausschauendem  Blick  vereint«. 

Wie  die  Vossische  Odyssee  ist  hier  der  Schlegel'sche  Shakespeare  als 
ein  Werk  unserer  vaterländischen  Literatur  beleuchtet.  Und  wie  in  jener 
Einleitung,  wie  in  den  meisten  grösseren  Arbeiten  B.'s  führt  uns  auch  hier 
der  Gang  der  Untersuchung  auf  vielfach  verschlungenen  Pfaden,  manch  un- 
beachteten Ausblick  berührend,  unter  mancherlei  scheinbarem  und  wirklichen 
Umweg  ans  Ziel.  Diese  Neigung,  Entlegenes  überraschend,  aber  doch  stets 
zur  inneren  Bereicherung  in  die  Darstellung  einzubeziehen,  hat  sich  am 
deutlichsten  in  B.'s  letzten  Arbeiten,  den  geistvollen  Bemerkungen  »Zur  Lehre 
von  den  Citaten  und  Noten«  (1892)  und  der  Untersuchung  des  »Französischen 
und  deutschen  Mahomet«,  ausgeprägt;  im  Kerne  war  sie  aber  auch  schon 
in  seinen  frühesten  Schriften  zu  bemerken,  und  nicht  mit  Unrecht  sagt 
Albert  Köster:  »Seine  Schriftstellerei  hat  keine  Geschichte  gehabt;  sein 
erstes  Werk  ist  geradeso  geartet  und  so  reif  wie  sein  letztes.«  Sein  Stil  hat 
sich  wenig  gewandelt;  an  gewählter  Sorgfalt  und  äusserer  Klangfülle  kann 
er  kaum  übertroffen  werden,  aber  es  mangelt  ihm  an  der  leichten  Anmuth, 
die  ungezwungen  und  wechselreich  mit  der  Gegenwart  entsteht  und  den 
Augenblick  festhält.  Der  ganze  Vortrag  ist  würdevoll  pathetisch.  Es  fehlen 
alle  leichteren  Töne,  und  wo  einmal  ein  Scherz  versucht  wird,  geräth  er 
meist  allzu  ernsthaft  und  ungraziös.  Mit  Recht  hat  B.  selbst  einmal  gesagt, 
dass  ihm  »unter  allen  Deutschen  nur  Gottsched  an  Witzmangel  gleichkommt, <. 
Er  kann  nur  in  festlicher  Weihe  als  ein  fast  priesterlicher  Redner  alle  seine 
Gegenstände  sub  specie  aetemitatis  beleuchten.  So  sind  seine  Schriften  bei 
der  würdevollen  Gemessenheit  und  anspruchsvollen  Breite  ihrer  Form  wie 
der  Ueberfülle  ihres  Gehaltes,  die  das  Wesentliche  manchmal  fast  von  den 
Beigaben  überwuchern  lässt,  nur  mit  gesammeltem  Ernste  und  hingebender 
Arbeit  zu  lesen. 

So  stellt  der  Schriftsteller  hohe  Anforderungen  an  seine  Leser;  so  that 
es  auch  der  Mensch  gegenüber  seiner  Umgebung,  Er  ging  so  völlig  auf  im 
Dienste  der  schönen  Literatur,  dass  er  sich  auch  im  Alltagsleben  diesem 
Bannkreis  nicht  zu  entziehen  vermochte.  Er  forderte  von  seinem  Kreise 
rückhaltloses  Eingehen  auf  seine  Interessen,  während  ihm,  sich  anderen  an- 
zupassen, nicht  beschieden  war.  Er  bedurfte  zum  vollen  Wohlgefuhle  nicht 
blos  ruhiger  Arbeit  im  Dienste  der  Wissenschaft,  sondern  auch  lauter  Zu- 
stimmung und  Anerkennung.  Das  hat  ihm  manche  Spötter  erweckt,  die 
solch  selbstbewusster  Einseitigkeit  verständnisslos  gegenüberstanden.  Aber 
gerade  aus  dieser  Einseitigkeit  sog  er  seine  Kraft.  Seine  Grösse  beruhte 
nicht  so  sehr  auf  einer  schöpferischen  Genialität,  als  auf  einer  bewunderungs- 
würdigen Concentrirung  aller  Kräfte  seines  eisernen  Willens  auf  die  eine 
grosse  Lebensaufgabe,  der  er  seine  hervorragenden  Geistesgaben  dienstbar 
machte.     Solche    Grösse    wird    immer    selbstbewusst    sein,    und    wenn    dies 


Bernays.  353 

Selbstgefühl  auch  bei  B.  manchmal  in  befremdenden  Formen  zum  Ausdruck 
kam,  so  hinderte  es  ihn  doch  nie,  neidlos  das  Verdienst  anderer  anzuerkennen, 
weil  es  eben  seinen  Ursprung  in  einer  ehrlichen,  lebendigen  Begeisterung  für 
alles  Schöne  und  Grosse  hatte.  Er  huldigte  überall  nur  der  Macht  seiner 
Wissenschaft  und  dem  Genius  der  Dichtkunst  als  ein  enthusiastischer  Diener 
und  forderte  auch  von  anderen  eifrig  den  schuldigen  Tribut  ein,  den  er  selbst 
so  gerne  entrichtete. 

Die  innere  Selbsdosigkeit  seines  manchmal  sich  so  selbstgeiällig  ge- 
berdenden Wesens  tritt  nirgends  überzeugender  vor  Augen,  als  bei  einem 
kritischen  Ueberblick  über  seine  Werke.  Sie  alle  sind  entweder  mühselige 
Textreinigungen  oder  Einleitungen  und  Anmerkungen  zu  den  grossen 
Dichtern  der  Weltiiteratur,  sie  alle  ordnen  sich  dem  höheren  Werke  unter, 
dem  sie  dienen.  Man  hat  diesen  Charakter  einer  fortlaufenden  Anmerkungs- 
schriftstellerei  tadelnd  auf  ein  Unvermögen  zu  eigenen  grossen  zusammen- 
fassenden Werken  zurückgeführt,  und  gewiss  ist  die  Schwäche,  die  darin 
Hegt,  nicht  zu  verkennen.  Wer  aber  näher  zusieht  und  all  die  Anregungen 
und  Hinweise  nur  einigermassen  verfolgt,  die  hier  dieser  vielseitigste  Literatur- 
kenner unserer  Zeit  verstreut,  wer  ausserdem  weiss,  welch  weitreichende,  viel 
umfassende  und  doch  in  sich  gerundete  Betrachtungen  B.  in  seinen  CoUegien 
seinen  Hörern  bot,  der  kann  sich  auch  der  Erkenntniss  nicht  verschliessen, 
dass  wir  in  dem,  was  B.  geschrieben,  oft  nur  Kapitelüberschriften,  kaum 
Bruchstücke  der  Werke  besitzen,  die  er  zu  schreiben  befähigt  war.  Nicht 
nur  die  Lust  an  mündlicher  Mittheilung,  an  persönlicher  Wirkung,  worin  er 
denn  auch  sein  Höchstes  geleistet  hat,  lähmte  seine  literarische  Produktions- 
kraft, sondern  vor  allem  die  unermüdliche  Freude  am  Vorwärtsstreben,  am 
eigenen  Lernen.  Nicht  die  errungene  Erkenntniss  war  seine  grösste  Freude, 
»ihn  reizte  die  Untersuchung,  das  Finden«  (Max  Koch.)  Mit  Lessing  würde 
er  für  den  Besitz  der  vollen  Wahrheit  doch  nicht  das  Streben  nach  Wahrheit 
hingegeben  haben.  »Die  ganze  ungeheure  Masse  des  Gelesenen  ist  ihm 
immer  nur  Mittel  zum  Zwecke  einer  harmonischen  Ausbildung  seiner  Per- 
sönlichkeit« (Albert  Köster).  Und  so  wird  jeder,  der  ihn  gekannt,  mit 
August  Sauer  die  tiefe  persönliche  Bedeutung  einer  Stelle  in  seinem  Aufsatz 
»Zur  Kenntniss  Jakob  Grimms«  empfinden,  »die  daran  rührt,  was  wir  die 
Tragik  seines  Lebens  nennen  dürfen«:  »Wenn  ihn  die  Wonne  des  Lernens 
wie  mit  dämonischer  Gewalt  übermeisterte,  dann  ward  sie  wohl  zuweilen 
auch  ihm  getrübt  durch  die  Erkenntniss,  die  selbst  dem  reichsten  und  em- 
pfänglichsten Geiste  aufgenöthigt  wird.  Denn  selbst  ein  solcher  muss  zu  der 
trüben  Einsicht  gelangen,  wie  eng  begrenzt  das  Auffassungsvermögen  bleibt, 
mit  welchem  der  Mensch  sich  dem  unbegrenzbaren  Reichthum  der  Wissen- 
schaft gegenüber  stellt.  Und  wer,  der  aus  innerem  Drange  den  Mächten 
der  Kunst  und  Wissenschaft  dient,  wer  hat  ihn  nicht  empfunden  den  edlen 
Schmerz,  der  unvermeidlich  uns  ergreift  bei  dem  Gedanken,  dass  wir  in 
das  Dunkel  des  Todes  eingehen  müssen,  ehe  wir  so  manches  Hohe  und 
Höchste,  das  der  gottdurchdrungene  Menschensinn  geschaffen,  uns  aneignen 
konnten!« 

Wenn  B.  sich  in  dieser  Gesinnung  mit  voller  Hingabe  dem  Dienste  der 
Wissenschaft  weihte,  so  hat  er  dadurch  doch  nicht  den  Zusammenhang  mit 
den  grossen  Fragen  des  öffentlichen  Lebens  verloren.  In  seinen  Abschieds- 
worten am  II.  März  1890  sprach  er  die  bedeutsamen  Worte:  »Ich  kann  das 
Verhältniss  deutscher  Wissenschaft  zum  deutschen  Leben  nicht  denken,  ohne 

Biogr.  Jahrb.  u.  Deatscber  Nekrolog.   2.  Bd.  23 


^CA  Bernays. 

von  neuem  es  mir  zu  vergegenwärtigen,    dass  die  deutsche  Wissenschaft   un- 
geheure ethisch   nationale  Aufgaben   zu  lösen    hat.«     In    diesem   Sinne   hatte 
er  stets  seine  Aufgabe  erfasst.     Mit  historischem  Tiefblick  wusste  er  die  Be- 
ziehungen der  Literatur  zur  politischen  Geschichte  darzulegen,  und  wohl  kein 
anderer  hat  den  Anteil  unserer  Dichtung  und  Wissenschaft  an  der  Erhebung 
des    deutschen   Wesens    gegen  Napoleon  I.  und  III.  und    an    der    Einigung 
Deutschlands  so   begeistert    und  überzeugend  geschildert  wie  er.     Und  nicht 
blos  literarhistorische  Gedenktage  wie  der  loo.  Geburtstag  Uhlands  oder  der 
loo.  Todestag  Lessings  gaben  ihm  Anlass,  den  Gang  seiner  Vorlesungen  mit, 
dem  Genius  der  Stunde  geweihten,  Betrachtungen  zu  unterbrechen;  auch  den 
i8.  Januar  liess  er  kaum   je   vorübergehen,    ohne    des   Tages  als   Geburtstag 
des  neuen  Reiches  in  würdigen,    oft  hinreissenden  Ausführungen  zu  gedenken. 
Die  Aufzeichnungen  seiner  Tagebücher  verrathen,  mit  welch  gespannter  Aufmerk- 
samkeit er  dem  politischen  Leben  folgte,  stets  von  glühender  nationaler  Begeiste- 
rung erfüllt.  »Wer  sollte  sich  nicht  aufgerufen  fühlen«,  schreibt  er  i.  J.   1878 
zürnend,  »gegen  die  wiederbeginnende  Selbstzerfleisch ung  Deutschlands  zu  reden 
und  zu  handeln?  Welche  Zerfahrenheit  der  Gesinnungen !  Welche  Umnachtung 
der  Geister!    Das   ist  noch  immer  dasselbe  Volk,   das  den  30jährigen  Krieg 
erzeugte.«      Und.  im   März    des  Jahres   1888    findet    sich    folgender  Eintrag: 
»Ich    gedachte    fortwährend    der    grossen   Wendung   in   den  Geschicken    des 
deutschen  Reiches.     Unwillkührlich    erinnere    ich   mich    der  Worte   Niebuhrs 
aus    dem   Jahre    1830,    die  ich    schon    einmal   in   einem  politischen  Aufsätze 
angewandt:  Griechenland  —  das  Deutschland  des  Alterthums  —  absit  omenl. 
Mit  Bekümmemiss  verfolgte  er  das  Erstarken  des  Ultramontanismus,  der  ihm 
zuerst    im   Jahre    1870    als   die    grösste  Gefahr  Deutschlands  erschienen   war. 
Lag  ihm    auch    seinem   Wesen    nach    der  Humanismus  näher  als  die  Refor- 
mation,   Erasmus    näher    als   Luther,    so    war    es    doch    seine    unzerstörbare 
Ueberzeugung :  »In  der  Reformation  hat  der  deutsche  Geist  seinen  Ausdruck 
gefunden.      Sie    ist    die    Bedingung    für    alles    Grosse    geworden,    was     der 
deutsche  Genius  seitdem  geleistet.«     So  musste  ihn  denn  der  Uebergang  des 
Präsidiums  des  deutschen  Reichstages  an  einen  Ultramontanen   mit  dem   tief- 
sten Schmerze  erfüllen. 

Wenn  B.  so  den  Gefahren  der  inneren  Zwietracht  und  der  äusseren  Politik 
sorgend  den  Blick  zuwandte,  so  erschien  ihm  doch  die  soziale  Bewegung  der 
Gegenwart  in  noch  höherem  Grade  bestimmt,  die  Zukunft  der  ganzen  Welt 
zu  beherrschen.  Auch  auf  diesem  Gebiete  wusste  er  die  Erscheinungen  seiner 
Zeit  stets  im  Zusammenhange  mit  dem  ganzen  politisch-socialen  Zustande  des 
Jahrhunderts  zu  betrachten.  »Ein  weltgeschichtlicher  Gegenschlag  gegen  die 
französische  Revolution  und  ihre  Prinzipien  oder  eine  gewaltsame  Fortbildung 

derselben  bereitet  sich  vor«,  schrieb  er  i.  J.   1878  an  einen  Freund 

»Die  Frage  nach  Recht  und  Besitz  nimmt  eine  greifbare,  furchtbar  drohende 
Gestalt  an.  Doch  vertraue  ich  fest  auf  den  endlichen  Sieg  der  erhaltenden 
Kräfte;  denn  in  den  Massen  der  Gegner  ist  offenbar  nur  ein  sinnliches  Ver- 
langen, aber  keine  lebengebende  Idee  mächtig.« 

Bei  diesen  tief  begründeten  Anschauungen,  bei  dieser  warmen  Ergriffen- 
heit von  der  Grösse  der  Zeit,  in  der  er  lebte,  mag  es  verwunderHch  er- 
scheinen, dass  er  sich  darauf  beschränkte,  in  seiner  Lehrthätigkeit  stets  die 
nationalen  Gesichtspunkte  zu  betonen,  und  auf  ein  selbständiges  Eingreifen  in 
das  politische  Leben  verzichtete.  »Aber  ein  jeder  dient  dem  Vaterlande  auf 
seine  Weise«,  führte  er  dem  gegenüber  schon  in  seiner  ersten  Schrifl  (1866' 


Bernays.     Mertens.  ^  c  c 

aus.  »Nicht  allen  wird  es  beschieden,  mit  dem  Wort  oder  mit  dem  Schwert 
unmittelbar  zu  kämpfen  für  die  Entscheidung  der  grossen  Angelegenheiten, 
an  welche  das  Schicksal  der  Nation  geknüpft  ist.  Auch  wir,  die  der  stillen, 
aber  nie  stillstehenden  geistigen  Arbeit  hingegeben  sind,  auch  wir  dienen 
dem  Vaterlande;  zu  seinem  Wohle,  zu  seinem  Ruhme  muss  alles  ausschlagen, 
was  wir  Heilsames  und  Würdiges  unternehmen.  In  der  glorreichen  Zeit,  die 
über  Deutschland  leuchtend  heraufzusteigen  beginnt,  soll  das  lebendige  Fort- 
wirken der  grossen  Geister,  die  uns  eine  neue  Epoche  der  Bildung  begründet 
haben,  allen  Kreisen  unseres  Volkes  einen  immer  reicheren  geistigen  Segen 
bringen.«  Und  so  glaubte  er  auch  hier  Goethe  recht  zu  verstehen,  wie  er 
in  der  Universalität  seiner  Literaturstudien  Goethes  Gedanken  einer  Welt- 
literatur folgte.  B.  hat  uns  begreifen  gelehrt,  dass  Goethe  im  höchsten  Sinne 
wahren  Patriotismus  bewährte,  als  er  bei  dem  politischen  Zusammenbruch 
im  ganzen  alten  Reiche  unermüdlich  in  strenger  Arbeit  nicht  blos  die  eigene 
geistige  Freiheit  behauptete,  sondern  sie  auch  anderen  Genossen  wie 
Fr.  Aug.  Wolf  durch  seine  Ermuthigung  und  sein  Beispiel  wiedergewann 
und  somit  die  Kraft  festigte  und  stärkte,  die  allein  Deutschlands  Wieder- 
geburt ermöglicht  hat.  So  konnte  für  B.  auch  wieder  Goethe  der  Heros  sein, 
unter  dessen  Zeichen  er  auch  das  neue  Reich  erblickte.  In  diesem  Sinne  er- 
hob er  im  August  1871  als  erster  seine  Stimme  für  die  Gründung  einer  Goethe- 
gesellschaft. Ist  auch  dieser  Gedanke  erst  viele  Jahre  später  verwirklicht 
worden,  so  wird  doch  ein  Geschichtschreiber  der  Nachwirkung  Goethes  in 
Deutschland  stets  nachdrücklich  auf  diese  Anregung  hinweisen  müssen.  Sie 
giebt  der  Bedeutung,  die  unsere  Dichtung  fiir  das  gesammte  deutsche  Volks- 
leben besitzt,  den  sinnenfälligsten,  klarsten  Ausdruck;  sie  ist  auch  eine  schöne 
Probe,  von  welch  hohen,  weit  über  die  Grenzen  seiner  Fachwissenschaft 
hinausweisenden  Gesichtspunkten  aus  B.  seine  Lebensaufgabe  erfasst  hatte, 
die  er  denn  auch,  trotz  der  Nichtvollendung  so  manchen  Werkes,  das  er  ver- 
heissen,  in  lebendig  fortwirkender  Weise  gelöst  hat. 

Ein  sehr  ähnliches  und  charakteristisches  Porträt  B.'s  ist  dem  2.  Bande  seiner  »Schriften 
zur  Kritik  und  Literaturgeschichte«  beigegeben,  der  auch,  wie  erwähnt,  ein  zuverlässiges, 
von  G.  Witkowski  zusammengestelltes  Schriftenverzeichniss  enthält  Von  den  in  Tages- 
blättern und  Zeitschriften  erschienenen  Nekrologen  mögen  hervorgehoben  sein  die  Aufsätze 
von  Hermann  Uhde,  B.'s  Stiefsohne,  im  »Biographischen  Jahrbuch«,  i.  Jahrgang,  S.  I7*ff. ; 
von  G.  Witkowski  im  »Magazin  für  Literatur«  1897,  No.  10;  von  Alfred  Dove  in  der 
Beilage  zur  »Allg.  Ztg.«  1897,  No.  46;  von  Max  Koch  im  Shakespeare-Jahrbuch,  33.  Jahrg., 
S.  260  fr. 

Erich  Petzet. 

MertenSy  Franz,  Architekt,  ♦  1808  in  Düsseldorf,  f  am  30.  Mai  1897  in  Berlin 
im  90.  Lebensjahre.  —  Man  darf  ihn  den  Begründer  der  Geschichte  der  mittel- 
alterlichen Baukunst  nennen.  Nachdem  er  aus  Darstellungen  mittelalterlicher 
Kirchen  in  den  Werken  von  Wiebeking  und  Chapuy  erkannt  hatte,  dass  der 
Ursprung  der  sog.  gothischen  Baukunst  nicht,  wie  man  bis  dahin  annahm, 
in  Deutschland,  England  oder  Spanien,  sondern  in  Nord -Frankreich  zu 
suchen  sei,  ist  er  unermüdlich  in  Erforschung  der  mittelalterlichen  Baudenk- 
mäler thätig  gewesen.  Freilich  sind  die  äusseren  Erfolge,  die  seine  ersten 
verdienstvollen  Untersuchungen  und  Veröffentlichungen  erwarten  Hessen,  nicht 
in  Erfüllung  gegangen.  Persönliche  Fehden,  drückende  materielle  Sorgen, 
in  die  er  gerathen  war,  und  überhaupt  ein  hoffnungsloses  Missverhältniss 
zur  Aussenwelt  haben  lähmend  auf  seine  rastlose  Arbeit  eingewirkt   und  ver- 

23* 


356  Mertens. 

ursacht,  dass  sein  Name  wie  seine  Thaten  sogar  manchem  Kunstgelehrten 
bis  heute  unbekannt  geblieben  sind.  Auf  der  Berliner  Bauakademie  aus- 
gebildet, gab  er  1835  ^^^  Baufach  zu  Gunsten  der  Kunstforschung  auf  und 
ging,  nachdem  er  in  demselben  Jahre  in  Kugler's  »Museum«  einen  kritischen 
Aufsatz  über  seine  bisherigen  Studien  veröffentlicht  hatte,  nach  Paris.  Von 
dort  aus  nahm  er  gründliche  Untersuchungen  der  mittelalterlichen  Baudenk- 
mäler vor  und  arbeitete  bis  1840  ein  vollständiges  chronologisches  und  geo- 
graphisches System  der  mittelalterlichen  Baukunst  des  Abendlandes  aus,  ge- 
ordnet nach  Stilen,  Volksstämmen,  Schulen  und  Provinzialismen  sc^^de  nach 
Schöpfungs-  und  Nachahmungsbauten,  und  zwar  in  dem  Sinne,  dass  die 
romanische  Baukunst  (zuerst  der  Schule  von  Franzien,  dann  auch  der  Schule 
der  Normandie)  hinsichtlich  der  Massentheilung  und  der  Gewölbesysteme  im 
II.  und  12.  Jahrhundert  die  Gothik  vorgebildet  hätte.  Der  Uebergang  zur 
Gothik  habe  sich  1235  bis  1250  an  der  Abteikirche  von  St.  Denis  voll- 
zogen, die  weitere  Ausbildung  des  neuen  Stiles  sei  dann  an  anderen  Bau- 
werken Frankreichs,  seine  Ausbreitung  schliesslich  seit  11 74  in  England,  seit 
1208  und  in  durchgebildeter  Weise  seit  1227  in  Deutschland  erfolgt,  und 
zwar  damit,  dass  durch  ihn  die  bis  dahin  herrschenden  abendländischen 
Schulen  aus  ihrer  Uebung  verdrängt  worden  seien.  —  Fast  gleichzeitig  mit 
M.  und  unabhängig  von  ihm,  jedoch  ohne  gründliche  Ausführung,  äusserte 
übrigens  1835  Wetter  in  Mainz,  dass  die  sog.  gothische  Baukunst  aus  Frank- 
reich stammen  müsse,  und  Dahl  veröifendichte  eine  Urkunde  über  die 
gothische  Stiftskirche  in  Wimpfen,  nach  welcher  diese  (um  1262  bis  1278''. 
von  einem  aus  Paris  gekommenen  geschickten  (deutschen)  Baumeister  in 
französischer  Bauart  errichtet  sei.  Auch  zeigte  sich  später,  dass  schon  1809 
der  Engländer  Wittington  auf  die  seit  1235  erbaute  Abteikirche  in  St.  Denis 
als  wahrscheinlich  ältesten  gothischen  Bau  hingewiesen  hatte.  Hatte  M. 
bereits  in  Frankreich,  u.  a.  bei  M^rimöe,  Eifersucht  wegen  seiner  ergebniss- 
reichen Forschung  erfahren,  so  erging  es  ihm  ähnlich  in  Deutschland,  wo 
Kugler  und  Schnaase  früher  gehegte  Anschauungen  den  M.'schen  Ent- 
deckungen gegenüber  aufgeben  mussten  und  aufgaben,  ohne  M.'s  Vorrang 
in  dieser  Beziehung  anzuerkennen.  Diese  Versagurig  gebührender  Anerkennung 
trägt  wesentlich  Schuld  an  seiner  Verbitterung  und  an  seinem  Misstrauen 
gegen  die  Aussenwelt.  M.  schrieb  dann  auch  Baugeschichtliches  über  Prag, 
Salzburg  und  Serbien  und  verfasste  sonst  noch  kleinere  wissenschaftliche 
Schriften.  Als  Hauptarbeit  seines  Lebens  hatte  der  Verstorbene  ein  grosses 
Werk  über  die  Baukunst  des  Mittelalters  in  Angriff  genommen,  von  dem  aber 
nur  die  chronographischen  Tafeln  über  Deutschland  nebst  Text  (Berlin  185 1' 
und  die.  Denkmalkarte  nebst  Text  (Berlin  1864  und  1876)  zur  Herausgabe 
kamen.  Das  Uebrige  sowie  eine  verbesserte  Ausgabe  der  Tafeln  über 
Deutschland  hielt  er  misstrauisch  zurück,  und  es  ist  unbekannt,  was  er 
testamentarisch  über  etwaige  Veröffentlichung  der  Bruchstücke  dieses  Werkes 
bestimmt  hat.  Seine  letzten  Veröffentlichungen  betrafen  die  Gründung  des 
Kölner  Domes  und  den  ersten  Kölner  Dombaumeister  (2^itschrift  für  Bau- 
wesen 1862)  sowie  die  Grenze  deutscher  und  französischer  Baukunst  in 
Lothringen  (Deutsche  Bauzeitung  1870).  —  Der  verdiente  Forscher  ruht 
nun  in  kühler  Erde  aus  von  seiner  rastlosen  Arbeit.  Eine  kleine  Schaar 
von  Anhängern  und  Freunden  nur  gab  seiner  sterblichen  Hülle  auf  den 
katholischen  Friedhof  in  Weissensee  das  letzte  Geleit.  Sein  Name  aber  wird, 
unzertrennlich  von  der  Forschung  mittelalterlicher  Architekturgeschichte,  fort- 


Mertens.     Loenartz.     Krancke. 


357 


leben   und  an  Anerkennung  und  Bedeutung  gewinnen  von  Geschlecht  zu  Ge- 
schlecht. 

Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  23.  Mff. 

Loenartz,  Jakob,  Geheimer  Baurath,  ♦  am  5.  März  1835  ^"  Ernst  an  der 
Mosel  als  Sohn  eines  Weingutsbesitzers,  f  am  31.  Oktober  1897  in  Magdeburg. 
—    Ursprünglich   für  den  Beruf  des   Vaters  bestimmt,   wandte  er  sich  später 
nus   eigenstem  Antriebe  dem  Studium    des  Baufaches  mit  bestem  Erfolge  zu. 
Er    wurde    im  April    1861    zum   Bauführer,    im  März   1864  zum  Feldmesser 
lind  im  Januar  1869    zum  Baumeister    ernannt.      Als  Bauführer    war    er  bei 
dem   Bau    verschiedener  Strassen    und  Bahnlinien    im  Rheinlande    sowie  mit 
Wasserbauten  an  Rhein  und  Mosel  beschäftigt,  als  Baumeister  kurze  Zeit  bei 
der  städtischen  Verwaltung  in  Berlin.     Im  März  1869  siedelte  er  dann  nach 
Ungarn    über,    das   ihm    sechs  Jahre  lang  eine  neue  Heimath  und  ein  Feld 
reicher  Thätigkeit  werden  sollte.     Er  hat  dort  anfangs  als  Abtheilungs-,  dann 
als    Ober-    und   Chefingenieur    bei    zahlreichen   Bahnbauten    mitgewirkt  und 
sprach  stets  mit  besonderer  Freude  von  dieser  Zeit  fröhlichen  Schaffens.    Im 
Juni    1875  in    den   preussischen  Staatsdienst  zurückgekehrt,   übernahm  er  die 
Kreisbaumeisterstelle  in  Frankenstein  in  Schlesien,  wo  er  im  September  1875 
zum  Kreisbaumeister  ernannt  wurde.     Im  Januar  1878   trat  er  zur  Elbstrom- 
bau Verwaltung  über,    wurde    im  Juni  1878  zum  Wasserbauinspektor  ernannt 
und    waltete  bis  Juli  1882    als  ständiger  Vertreter  des  Elbstrombaudirektors- 
Dann  wurde  er  als  Regierungs-  und  Baurath  nach  Gumbinnen  berufen,    wo 
er   fünf  Jahre  thätig  war.     Im  November   1887  erfolgte  auf  seinen  Wunsch 
seine  Versetzung  in  gleicher  Eigenschaft  nach  Danzig  und  im  Juli  1889  nach 
Oppeln.     1890  ward    ihm    der  Rothe  Adler-Orden    und  im  December  1891 
der  Charakter  als  Geheimer  Baurath  verliehen.     In  seiner  Stellung  in  Oppeln 
hat    der    Verstorbene    sich    besondere    Verdienste    durch    den    Ausbau    des 
Klodnitz-Canals  erworben.     Auch  fand  er  hier  reichlich  Gelegenheit,  seine  in 
Ungarn  erworbenen  Kenntnisse  bei  den  zahreichen  Bahnbauten  in  den  ober- 
schlesischen  Industriebezirken    zu  verwerthen.     Eine  mit    grossem  Fleisse  zu- 
sammengetragene   Denkschrift    über    die  Neisse    entstammt   gleichfalls   dieser 
Zeit,    und    auch  an  den  Arbeiten    zur  Canalisirung   der    oberen  Oder  hat  er 
thätigen  Antheil    genommen.     Am   i.  Juli  1896    wurde    er  als  Elbstrombau- 
direktor    nach   Magdeburg    berufen,    und    gerade    diese  Versetzung    in  einen 
ihm  besonders  zusagenden  Wirkungskreis  war  ihm,   wie  er  oft  und  gern  aus- 
sprach,   eine    grosse    Freude.     Er    betrachtete    sie  als  ein  Zeichen   ganz  be- 
sonderen  Wohlwollens  seiner  vorgesetzten   Behörde.      In    der    schönen    Luft 
des  Eibstromes  und    auf   den  Dampferfahrten,    die  der  neue  Dienst  mit  sich 
brachte,  hoffte  er  Heilung  zu  finden  von  einem  Unterleibs-  und  Magenleiden, 
das    er  sich    bei  den    ungezählten    anstrengenden   Wagenfahrten    in    seinem 
früheren  Wirkungskreise  zugezogen    hatte.     Die  Hoffnung  erfüllte  sich  leider 
nicht.     Asthma    und  Herzkrankheit    gesellten   sich  hinzu  und   rafften  ihn  un- 
erwartet mitten  aus  freudigem  Schaffen  hinweg. 

Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  45  A. 

Bauer. 

Krancke,  Theodor,  Geheimer  Baurath,  *  am  18.  Februar  1820  in 
Hannover,  f  am  28.  Januar  1897  zu  Berlin  im  hohen  Alter  von  fast  77 
Jahren.  —  Abermals  hat  sich  die  Gruft  geschlossen  über  einem  jener  nur 
noch  wenigen  Veteranen  des  Eisenbahnwesens,    deren  ganzer  Lebensweg  ge- 


358  Krancke. 

wissermaassen  Schritt  hielt  mit    der  Entwicklung    ihres  Faches.     K.   geno?» 
seine  Schulbildung    auf   dem  Lyceum    und    bezog    dann   die    polytechnbchc 
Schule  seiner  Vaterstadt.     Im  Jahre  1845  zum  hannoverschen  Bauconducteui 
ernannt,    baute  er   die  Kettenbrücke  in  Hameln,    was  die  Veranlassung  gar, 
dass  die  Stadt  Mannheim  ihn  bald  darauf  mit  dem  Bau  der  dortigen  Ketten- 
brücke   betraute,    neben    der    Hamelner  Brücke    eines  der   ersten    Bau  werte 
dieser  Gattung  in  Deutschland.     Nachdem  er  dann  als  Ingenieur  im   Diemie 
der  Hannoverschen  Staatsbahn  die  Leinebrücken  bei  Herrenhausen  ausgefiihn 
und   bei  den  Bauten  der  Südbahn    thätig  gewesen  war,    wurde  er    1854  zun 
Betriebsinspector,    1856    zum   Betriebsdirector    in  Göttingen    ernannt  und  als 
solcher  1864  nach  Bremen  versetzt.     1866  trat  er  in  den  preussischen  Staats- 
dienst über,  verliess  diesen  aber  bereits  im  folgenden  Jahre,  um  als  Betrieb- 
director   und  Mitglied    des  Directoriums  der  Magdeburg-Leipziger  Bahn  nach 
Magdeburg  überzusiedeln.     Nach  der  Verstaatlichung  des  Magdeburg-Halhei- 
städter  Unternehmens    im  Jahre    1880  trat    er  als  Regierungs-   und   Baurnt> 
wieder    in    den   preussischen   Staatsdienst  ein,    wurde    1881    als  Oberbaumth 
und   Dirigent    der   III.  Abtheilung    an    die  Direction  Berlin  versetzt  und  ver- 
blieb   in    dieser  Stellung    —  seit  1885    als  Vertreter  des  Präsidenten    — ,  I»b 
er  am  i.  April   1895  bei   der  Neuordnung  der  Staatsbahn  Verwaltung  als  Ge- 
heimer Baurath   zur  Verfügung  gestellt  wurde.     K.  war  als  Zeitgenosse  von 
Funk,    Durlach  und  Buresch    an  dem  Ausbau  des  hannoverschen  Bahnnetzes 
hervorragend    betheiligt    und  war  demnächst  in  Bremen  und  Magdeburg  fast 
ausschliesslich  im  Betriebe  thätig,  bis  ihn  sein  Wirkungskreis  in  Berlin  weder 
mehr  der  Bauthätigkeit  nahe  brachte.     In  dieser  Zeit  entwickelte  er  auch  im 
geschäftsführenden  Ausschuss    des  Vereins  deutscher  Eisenbahn- Verwaltungen 
eine  umfassende  Thätigkeit.     Seine   reiche  Erfahrung  auf  fast  allen  Gebieten 
des  Eisenbahnwesens,  seine  Liebenswürdigkeit  im  dienstlichen  Verkehr,    seine 
selbst  im  vorgerückten  Lebensalter  noch  erstaunliche  geistige  Frische  sicherten 
ihm    stets    allseitige   Anerkennung,    die   von   Seiten  des  Staates    auch    durch 
Verleihung    des   Rothen   Adler-Ordens  III.  Klasse    mit    der  Schleife  und  des 
Kronen-Ordens  II.  Klasse  Ausdruck  fand.     Man  würde  aber  kein  vollständige^ 
Bild    von    der    Persönlichkeit    des   Verstorbenen    gewinnen,    wenn    man   ihr. 
lediglich  im  Lichte  seines  fachlichen  Wirkens  betrachten  wollte.     Ei  war  eine 
reich  veranlagte  Natur,  in  künstlerischer  Beziehung  wie  im  geselligen  Verkehr. 
Besonders  seine  musikalische  Begabung,  verbunden  mit  einer  herrlichen  Bass- 
stimme, kam  schon  im  Künstlerverein  in  Hannover  hervorragend  zur  Geltung 
und  führte  zu   engeren  Beziehungen   mit  namhaften  Musikern  und  Künsüem. 
wie  Marschner,  Lachner,  Niemann  und  Wachtel,  während  als  sein  vertrautester 
Freund    aus    jener   Zeit    der  jugendfrische    »alte  Haase«  zu    nennen  ist.     In 
geselligen  Kreisen  war   er  infolge  seiner  liebenswürdigen  persönlichen  Eigen- 
schaften überaus  beliebt,   namentlich  auch  wegen  seines  Humors,   der  beson- 
ders in  gelegentlichen  launigen  Tischreden  zum  Ausdruck   kam.     Auch  seine 
Wirksamkeit    als  Vorsitzender    des  Magdeburger  Architekten-  und  Ingenieur- 
vereins lebt  in   dankbarer  Erinnerung.     Trotz   seiner  umfangreichen  geschäft- 
lichen Thätigkeit  fand  K.  doch  Zeit,   sich  einem  ausserordentlich  glücklichen 
Familienleben   mit  voller  Hingabe   zu   widmen,    die   ihm    denn   auch   in  den 
schweren  Tagen   des  langen  Leidens,  das  ihn   endlich   dahingerafft   hat,    von 
den  Seinigen  mit  sorgender,  aufopferndster  Liebe  gelohnt  worden  ist. 
Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  6. 


Suche.     Salzmann.  ^Ko 

Suche,  Ludwig,  Geheimer  Regieningsrath,  ♦1822  in  Wehlau,  Ostpreussen, 
y    am   10.  September  1897  in  Bromberg.  —  S.  widihete    sich    zunächst    dem 
Forstfache,  trat  dann  aber  in  bereits  vorgerückterem  Lebensalter  zum  Baufache 
über    und  wurde  im  Jahre  1857  zum  Baumeister    ernannt.     Die  lange  Reihe 
von   Jahren,  in  denen  er,  anfänglich  im  Dienste  der  Stettiner  Eisenbahngesell- 
schaft, später  im  preussischen  Staatseisenbahndienste,  meist  in  der  Nähe  seiner 
Heimath  als  Beamter  thätig  war,  sind  durch  ein  aussergewöhnlich  reiches  und 
erspriessliches  Wirken  auf  dem  Gebiete  des  Eisenbahnbaues  ausgefüllt.    Während 
"dieser  Zeit  wurde  er  1867  zum  Eisenbahn-Baumeister,    1868  zum  Eisenbahn- 
Bau-   und  Betriebsinspektor,    1873  zum  Baurath,    1875  zum  Regierungs-  und 
Baurath,  1 888  zum  Geheimen  Regierungsrath  befördert.    Besonders  im  Brücken- 
bau   war  S.  ein  anerkannter  Meister,  wie  dieses  die  von  ihm  oder  unter  seiner 
Oberleitung  ausgeführten  Brücken  über  die  Oder  bei  Stettin,   die  Memel  bei 
Tilsit,  die  Weichsel  bei  Thom,  Graudenz,  Dirschau  und  Fordon  sowie  zahl- 
reiche kleinere  Bauwerke  auf  den  östlichen  Eisenbahnstrecken  beweisen.     Seine 
hervorragenden  Leistungen  haben  allseitige  Anerkennung  gefunden   und  sind 
mehrfach,    zuletzt    noch    bei    seinem   Scheiden  aus  dem   Dienst,   durch  Ver- 
leihung des  Kronen-Ordens  IL  Klasse  belohnt  worden.     Nachdem   er  in  den 
letzten  vierzehn  Jahren  seiner  langen,   mühevollen,  aber  erfolgreichen  Dienst- 
laufbahn als  Dirigent  der  Neubauabtheilung  der  Königlichen  Eisenbahndirection 
in  Bromberg  gewirkt  hatte,  wurde  er  am  i.  April  1895  zur  Verfügung  gestellt. 
Der    ihm  hierdurch  zu  Theil  gewordenen,   wohlverdienten  Ruhe  hat  er  sich 
leider  nicht  lange  mehr  erfreuen  sollen. 

Ccntralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  38.  — b — 

Salzmann,  Max,  Dombaumeister,  ♦  am  20.  August  1850  in  Breslau,  f  am 
6.  P'ebruar  1897  in  Bremen.  —  Seit  dem  Spätsommer  vorigen  Jahres  an 
einem  bösartigen  Hautübel  erkrankt,  hat  er  in  den  verschiedensten  Heilanstalten 
der  Schweiz,  Hamburgs  und  seines  Wohnortes  vergebens  Genesung  gesucht. 
Am  Sonnabend  Nachmittag  ist  er  im  Bremer  Stadtkrankenhause  einer  hinzu- 
getretenen Gehirnaffection  erlegen.  S.  stand  erst  im  47.  Lebensjahre.  Noch 
ist  es  in  aller  Erinnerung,  wie  er  im  Jahre  1888  als  Sieger  in  der  Preisbe- 
werbung um  die  Wiederherstellung  des  Bremer  Domes  aus  seinem  stillen 
Wirkungskreise  in  Marienwerder,  wo  er  Bauinspektor  war,  nach  Bremen  be- 
rufen, zum  Dombaumeister  ernannt  und  mit  der  Ausführung  seines  Entwurfes 
betraut  wurde.  Seit  jener  Zeit  hat  er  an  diesem  seinem  Lebenswerke  mit 
hingebendem  Eifer  und  hervorragendem  künstlerischen  wie  technischen  Können 
geschaffen.  Bereits  sind  die  Haupttheile  des  Erneuerungsbaues,  vor  allem  die 
Westfront  mit  den  beiden  ernsten  romanischen  Thürmen  glücklich  durchge- 
führt, und  man  ist  soeben  beschäftigt,  die  Pfeiler  des  Vierungsthurmes  zu 
unterfahren.  Die  Vollendung  seines  Werkes  sollte  der  Dombaumeister  nicht 
erleben ;  noch  zweier  Jahre  etwa  wird  es  bis  zur  Beendigung  der  sämmtlichen 
geplanten  Wiederherstellungsarbeiten  bedürfen.  Der  Dombau  ist  aber  nicht 
das  einzige  Werk,  das  S.  in  Bremen  hinterlässt.  Die  vor  kurzem  vollendete 
Rathsapotheke  mit  ihret  prächtigen  neuen  Schauseite,  die  Wiederherstellung 
der  Front  der  Liebfrauenkirche,  mehrere  Privatbauten,  der  nach  seinen  Plänen 
begonnene  Umbau  des  Schüttings  am  Marktplatze  zeugen  davon,  wie  fest  S. 
in  Bremen  bereits  Wurzel  gefasst  hatte,  und  werden  sein  Gedächtniss  dort 
und  in. weiten  Kreisen  dauernd  fortleben  lassen. 

Centralblatt  der  Bau  Verwaltung  XVII,  6A. 


^fg  Krancke. 

wissennaassen  Schritt  hielt  mit    der  Entwickelung   ihres  Faches.     K.   genoss 
seine  Schulbildung    auf   dem  Lyceum    und    bezog    dann   die   polytechnische 
Schule  seiner  Vaterstadt.     Im  Jahre  1845  ^^^  hannoverschen  Bauconducteur 
ernannt,    baute  er   die  Kettenbrücke  in  Hameln,    was  die  Veranlassung  gab, 
dass  die  Stadt  Mannheim  ihn  bald  darauf  mit  dem  Bau  der  dortigen  Ketten- 
brücke   betraute,    neben    der    Hamelner  Brücke    eines  der  ersten   Bauwerke 
dieser  Gattung  in  Deutschland.     Nachdem  er  dann  als  Ingenieur  im  Dienste 
der  Hannoverschen  Staatsbahn  die  Leinebrücken  bei  Herrenhausen  ausgeführt 
und  bei  den  Bauten  der  Südbahn    thätig  gewesen  war,    wurde  er  1854  zum 
Betriebsinspector,    1856    zum  Betriebsdirector    in  Göttingen    ernannt  und  als 
solcher  1864  nach  Bremen  versetzt.     1866  trat  er  in  den  preussischen  Staats- 
dienst über,  verliess  diesen  aber  bereits  im  folgenden  Jahre,  um  als  Betriebs- 
director und  Mitglied    des  Directoriums  der  Magdeburg-Leipziger  Bahn  nach 
Magdeburg  überzusiedeln.     Nach  der  Verstaatlichung  des  Magdeburg-HaJber- 
städter  Unternehmens    im  Jahre    1880   trat    er  als  Rcgierungs-  und  Baurath 
wieder    in    den   preussischen   Staatsdienst  ein,    wurde    1881    als  Oberbaurath 
und  Dirigent    der  III.  Abtheilung    an    die  Direction  Berlin  versetzt  und  ver- 
blieb   in    dieser  Stellung   —  seit  1885    als  Vertreter  des  Präsidenten   — ,  bis 
er  am  i.  April   1895  ^^'   ^^^  Neuordnung  der  Staatsbahnverwaltung  als  Ge- 
heimer Baurath  zur  Verfügimg  gestellt  wurde.     K.  war  als  Zeitgenosse  von 
Funk,    Durlach  und  Buresch    an  dem  Ausbau  des  hannoverschen  Bahnnetzes 
hervorragend    betheiligt    und  war  demnächst  in  Bremen  und  Magdeburg  fast 
ausschliesslich  im  Betriebe  thätig,  bis  ihn  sein  Wirkungskreis  in  Berlin  weder 
mehr  der  Bauthätigkeit  nahe  brachte.     In  dieser  Zeit  entwickelte  er  auch  im 
geschäftsführenden  Ausschuss    des  Vereins  deutscher  Eisenbahn-Verwaltungen 
eine  umfassende  Thätigkeit.     Seine  reiche  Erfahrung  auf  fast  allen  Gebieten 
des  Eisenbahnwesens,  seine  Liebenswürdigkeit  im  dienstlichen  Verkehr,    seine 
selbst  im  vorgerückten  Lebensalter  noch  erstaunliche  geistige  Frische  sicherten 
ihm    stets    allseitige   Anerkennung,    die  von   Seiten  des  Staates    auch    durch 
Verleihung    des   Rothen  Adler-Ordens  III.  Klasse    mit    der  Schleife  und  des 
Kronen-Ordens  IL  Klasse  Ausdruck  fand.     Man  würde  aber  kein  vollständige> 
Bild    von    der    Persönlichkeit    des   Verstorbenen    gewinnen,    wenn    man   ihn 
lediglich  im  Lichte  seines  fachlichen  Wirkens  betrachten  wollte.     &  war  eine 
reich  veranlagte  Natur,  in  künstlerischer  Beziehung  wie  im  geselligen  Verkehr. 
Besonders  seine  musikalische  Begabung,  verbunden  mit  einer  herrlichen  Bass- 
stimme, kam  schon  im  Künstlerverein  in  Hannover  hervorragend  zur  Geltung 
und  führte  zu   engeren  Beziehungen   mit  namhaften  Musikern  und  Künstlern, 
wie  Marschner,  Lachner,  Niemann  und  Wachtel,  während  als  sein  vertrautester 
Freund    aus    jener  Zeit    der  jugendfrische    »alte  Haase«  zu    nennen  ist.    In 
geselligen  Kreisen  war   er  infolge  seiner  liebenswürdigen  persönlichen  Eigen- 
schaften überaus  beliebt,   namentiich  auch  wegen  seines  Humors,   der  beson- 
ders in  gelegentlichen  launigen  Tischreden  zum  Ausdruck  kam.     Auch  seine 
Wirksamkeit    als  Vorsitzender    des  Magdeburger  Architekten-  und  Ingenieui- 
vercins  lebt  in   dankbarer  Erinnerung.     Trotz  seiner  umfangreichen  geschäft- 
lichen Thätigkeit  fand  K.  doch  Zeit,   sich  einem  ausserordentlich  glücklichen 
Familienleben  mit  voller  Hingabe  zu  widmen,    die   ihm    denn  auch  in  den 
schweren  Tagen  des  langen  Leidens,  das  ihn   endlich  dahingerast   hat,   von 
den  Seinigen  mit  sorgender,  aufopferndster  Liebe  gelohnt  worden  ist. 
Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  6. 


Suche.     Salzmann. 


359 


Suche,  Ludwig,  Geheimer  Regierungsrath,  ♦1822  in  Wehlau,  Ostpreussen, 
t  am  10.  September  1897  in  Bromberg.  —  S.  widihete  sich  zunächst  dem 
Forstfache,  trat  dann  aber  in  bereits  vorgerückterem  Lebensalter  zum  Baufache 
über  und  wurde  im  Jahre  1857  zum  Baumeister  ernannt.  Die  lange  Reihe 
von  Jahren,  in  denen  er,  anfänglich  im  Dienste  der  Stettiner  Eisenbalingesell- 
schaft,  später  im  preussischen  Staatseisenbahndienste,  meist  in  der  Nähe  seiner 
Heimath  als  Beamter  thätig  war,  sind  durch  ein  aussergewöhnlich  reiches  und 
erspriessliches  Wirken  auf  dem  Gebiete  des  Eisenbahnbaues  ausgefüllt.  Während 
dieser  Zeit  wurde  er  1867  zum  Eisenbahn-Baumeister,  1868  zum  Eisenbahn- 
Bau-  und  Betriebsinspektor,  1873  zum  Baurath,  1875  ^"^  Regierungs-  und 
Baurath,  1888  zum  Geheimen  Regierungsrath  befördert.  Besonders  im  Brücken- 
bau war  S.  ein  anerkannter  Meister,  wie  dieses  die  von  ihm  oder  unter  seiner 
Oberleitung  ausgeführten  Brücken  über  die  Oder  bei  Stettin,  die  Memel  bei 
Tilsit,  die  Weichsel  bei  Thom,  Graudenz,  Dirschau  und  Fordon  sowie  zahl- 
reiche kleinere  Bauwerke  auf  den  östlichen  Eisenbahnstrecken  beweisen.  Seine 
hervorragenden  Leistungen  haben  allseitige  Anerkennung  gefunden  und  sind 
mehrfach,  zuletzt  noch  bei  seinem  Scheiden  aus  dem  Dienst,  durch  Ver- 
leihung des  Kronen-Ordens  IL  Klasse  belohnt  worden.  Nachdem  er  in  den 
letzten  vierzehn  Jahren  seiner  langen,  mühevollen,  aber  erfolgreichen  Dienst- 
laufbahn als  Dirigent  der  Neubauabtheilung  der  Königlichen  Eisenbahndirection 
in  Bromberg  gewirkt  hatte,  wurde  er  am  i.  April  1895  zur  Verfügung  gestellt. 
Der  ihm  hierdurch  zu  Theil  gewordenen,  wohlverdienten  Ruhe  hat  er  sich 
leider  nicht  lange  mehr  erfreuen  sollen. 

Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  38.  — b— 

Salzmann,  Max,  Dombaumeister,  ♦  am  20.  August  1850  in  Breslau,  f  am 
6.  Februar  1897  in  Bremen.  —  Seit  dem  Spätsommer  vorigen  Jahres  an 
einem  bösartigen  Hautübel  erkrankt,  hat  er  in  den  verschiedensten  Heilanstalten 
der  Schweiz,  Hamburgs  und  seines  Wohnortes  vergebens  Genesung  gesucht. 
Am  Sonnabend  Nachmittag  ist  er  im  Bremer  Stadtkrankenhause  einer  hinzu- 
getretenen Gehimaflfection  erlegen.  S.  stand  erst  im  47.  Lebensjahre.  Noch 
ist  es  in  aller  Erinnerung,  wie  er  im  Jahre  1888  als  Sieger  in  der  Preisbe- 
werbung um  die  Wiederherstellung  des  Bremer  Domes  aus  seinem  stillen 
Wirkungskreise  in  Marienwerder,  wo  er  Bauinspektor  war,  nach  Bremen  be- 
rufen, zum  Dombaumeister  ernannt  und  mit  der  Ausführung  seines  Entwurfes 
betraut  wurde.  Seit  jener  Zeit  hat  er  an  diesem  seinem  Lebenswerke  mit 
hingebendem  Eifer  und  hervorragendem  künstlerischen  wie  technischen  Können 
geschaffen.  Bereits  sind  die  Haupttheile  des  Erneuerungsbaues,  vor  allem  die 
Westfront  mit  den  beiden  ernsten  romanischen  Thürmen  glücklich  durchge- 
führt, und  man  ist  soeben  beschäftigt,  die  Pfeüer  des  Vierungsthurmes  zu 
unterfahren.  Die  Vollendung  seines  Werkes  sollte  der  Dombaumeister  nicht 
erleben;  noch  zweier  Jahre  etwa  wird  es  bis  zur  Beendigung  der  sämmtlichen 
geplanten  Wiederherstellungsarbeiten  bedürfen.  Der  Dombau  ist  aber  nicht 
das  einzige  Werk,  das  S.  in  Bremen  hinterlässt.  Die  vor  kurzem  vollendete 
Rathsapotheke  mit  ihret  prächtigen  neuen  Schauseite,  die  Wiederherstellung 
der  Front  der  Liebfrauenkirche,  mehrere  Privatbauten,  der  nach  seinen  Plänen 
begonnene  Umbau  des  Schüttings  am  Marktplatze  zeugen  davon,  wie  fest  S. 
in  Bremen  bereits  Wurzel  gefasst  hatte,  und  werden  sein  Gedächtniss  dort 
und  in. weiten  Kreisen  dauernd  fortleben  lassen. 

Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  6A. 


360  Katz.     Brodkorb. 

Katz,  Fr.,  Baurath,  früher  Wasserbauinspektor  des  Elbstrombaubezirks 
Hitzacker,  ♦  am  28.  Mäi  1828  in  Hameln,  f  am  30.  Mai  1897  in  Hamburg. 
—  K.  war  nach  Vollendung  seiner  Studien  in  den  Jahren  1850  bis  1856  ai> 
Wasserbauführer  mit  Vermessungen  in  verschiedenen  Wasserbauinsjjectionen 
thätig  und  wurde  1857  zum  hannoverschen  Wasserbauconducteur,  1860  zum 
Wasserbauinspector  ernannt.  Im  Jahre  1868  in  den  preussischen  Staatsdienst 
übernommen,  hat  er  von  da  ab  bis  zu  seinem  Uebertritt  in  den  Ruhestand 
am  I.  April  1895  ununterbrochen  die  Wasserbauinspection  Bleckede  bezw. 
Hitzacker  verwaltet.  In  dieser  Stelle  hat  er  sich  durch  Sorgfalt  und  Geschick 
in  der  Behandlung  von  Correctionsbauten  und  Verbessenmg  der  Fahrstrasst 
der  Elbe,  sowie  durch  tüchtige  Ausbildung  der  ihm  unterstellten  Beamten 
grosse  Verdienste  erworben. 

Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  24  b. 

Brodkorb,   Karl  Wilhelm  Julius   Theodor,  Theologe,   *  am    11.  März 
1806  zu  Wolfenbüttel,  f  am   18.  März  1897  zu  Braunschweig.  —  Er  stammte 
aus  gutbürgerlichen  Kreisen;   sein  Vater  Joh.  Andr.  Seb.  B.  (f  4.  Oct.    1S40 
war  Perrückenmachermeister,    seine   Mutter    die  Tochter  des    Bäckermeisters 
Paulmann  in  Braunschweig.     Nachdem  der   Sohn  bis  Ostern   1824  das  Gym- 
nasium seiner  Vaterstadt  besucht  hatte,    bezog   er  die   Universität  Gottingen, 
um  einer  frühen  Neigung  folgend  Theologie  zu  studiren.    Er  hat  hier  beson- 
ders den  Unterricht   des  Professors  Eichhorn  genossen,   sich  aber  auch  eifrig 
an  den  Uebungen  der  societas  theologica  latina  betheiligt.     Anfangs  bewegte 
sich  sein  Studium  ganz  in  den  hergebrachten  rationalistischen  Geleisen,  doch 
gelang  es  ihm,  allmählich,  nicht  ohne  innere  Kämpfe,  zu  festem  kirchlichem 
(ilauben  sich  durchzuringen.     Am   14.  December  1827  bestand  er  in  Wolfen- 
büttel die   »vorläufige  Prüfung«.     Er  begab    sich    dann    nach    Berlin,    wo  er 
insbesondere  durch  die  Lehre  Schleiermachers  und  Neanders  eine  wesentliche 
Vertiefung  seiner  theologischen  Auffassung  erhalten  sollte.    Nachdem  er  dann 
bei  Pastor  Breithaupt  in  Watzum  eine  Zeit  lang  als  Hauslehrer  gewirkt  hatte, 
bestand  er  am  i.  Juli  183 1   das  »theologische  Hauptexamen«  mit  der  seltenen 
Nummer  »wohlbestanden«.    Sein  entschieden  positiver  kirchlicher  Standpunkt 
war  schon  damals  bekannt  und  wohl  der  Anlass,  dass  er  sich  in  Braunschweig 
zweimal    vergeblich    um    eine    Stadtadjunctur    bewarb.     Doch    war    der    Abt 
HofFmeister  trotz   abweichenden  Anschauungen   gerecht    genug,    dem  eifrigen 
und  tüchtigen  Jünglinge  die  neu  begründete  Gefängnisspredigerstelle  in  Wolfen- 
büttel   zu    verschaffen.     Am    11.  December  1831    ward    er    für    sie    ordinirt. 
Schon  bei  dieser  Gelegenheit  zeigte  sich  B.'s  ehrlicher,  fester  Charakter,   der 
nur  im  eigenen  Gewissen  die  Richtschnur  seines  Handelns  fand.    Er  weigerte 
sich,  das  Corpus  doctrinae  Julium  mit  der  seit  1709  vorgeschriebenen  scharfen 
Verpflichtungsformel,    an  der    schon    viele  Geistliche    stülschweigend  Anstoss 
genommen  hatten,    zu   unterzeichnen,    und   setzte  es  durch,    dass  in  Zukunft 
eine  mildere  Fassung  gewählt  wurde,  die  nicht  auf  den  Wortlaut  der  Kirchen- 
ordnung, sondern  auf   die  darin   enthaltene    evangelische  Lehre  verpflichtete. 
Neben  seinem  geistlichen  Amte  hatte  B.  auch   an  der  Bürger-  und  Töchter- 
schule Unterricht  zu  ertheilen.    Bereits  in  dieser  Zeit  versuchte  er  mit  einigen 
Gleichgesinnten  eine  Bibel-  und  Missionsgesellschaft  ins  Leben  zu  rufen,  doch 
gelang  nur  die  Gründung  einer  Bibelgesellschaft,  während  eine  Landesmissions- 
gesellschaft   im   Braunschweigischen    erst   1848   nachfolgte.     Als   er   1835    ^^^ 
Pfarre    in    Berel    erhalten  hatte,    vermählte    er  sich  am  23.  August  d.  J.  mit 


Brodkorb.  361 

Emilie  Salomon,    der  Tochter    des    Rentners  Salomon    in  Wolfenbüttel.     Im 
Jahre    1846  ward    er  Superintendent    in  Bevem.     Von  hier    aus    hat  er  sich 
eifrig    an   den  Verhandlungen    des  Amelunxbomer  Predigervereins   betheiligt, 
von    dem  manche  heilsame  Anregungen,  die  Bitte  um  Gewährung  einer  Pres- 
byter ialverfassung  u.  a.  ausgingen.    Das  Gesetz  vom  30.  November  1851  über 
die    Errichtung  von  Kirchenvorständen  ist  z.  Th.  dadurch  veranlasst.    Um  das 
kirchliche  Leben    zu    fördern    gab   B.  seit  Februar  1850    in  Verbindung  mit 
mehreren  Geistlichen  das  »Kirchenblatt  f.  d.  evang.-lutherische  Gemeinde  des 
Herzogthums  Braunschweig«    heraus;    seit  1851  führte  er   die  Redaction  nur 
noch  zusammen  mit  E.  J.  L.  Fr.  WolfF,  dem  er  sie  dann  1853,  nicht  zum  Vor- 
iheile  des  Blattes,  ganz  allein  überliess.    Als  am  i.  September  1852  in  Braun- 
sch>veig  die  Conferenz    von  Dienern  und  Freunden    der    lutherischen  Kirche 
zusammen  trat,   ward  B.  zum  Vorsitzenden   der  ersten  Versammlung  gewählt, 
und   er  hat  bis  zu   seinem  Tode    zu  den  Vorstandsmitgliedern  der  Conferenz 
gehört.     Da  mit  der  Zeit  seine  Kinder  heranwuchsen,   sah  B.  sich  genöthigt, 
zu   einer  einträglicheren  Pfarre  sich  zu  melden.    Im  Herbste  1858  wurde  ihm 
die   zu  Benzingerode  am  Harze  zu  Theil,  die  er  noch  fast  30  Jahre  verwaltete. 
l^as   Vertrauen    aber,   das  er  sich   in  seiner  früheren  Wirkensstätte    erworben 
hatte,  zeigte    sich    später    noch    darin,    dass    ihn    die  Geistlichen   der  Kreise 
Holzminden  und  Gandersheim  1869   in   die  Landes  Versammlung  wählten,  der 
er  l)is    Herbst  1875   angehörte.     Hier  trat   er  besonders   am   30.  März  1871 
hervor,    wo   er   bei  Berathung    eines  Antrags  auf  Aenderung  des  Thronfolge- 
rechts,   der  von   dem  Notar  A.  Müller  gestellt  war,    aber  nicht  angenommen 
wurde,    unbeirrt    durch    die    herrschenden    Tagesmeinungen    seinen    strengen 
legitim-monarchischen  Standpunkt  mit  Entschiedenheit  vertrat  und  insbesondere 
durch  den  kräftigen  Hinweis  auf  den  dem  Könige  (Jeorg  V.  schon  geschworenen 
Krbhuldigungseid  auch  bei  Andersgesinnten  einen  grossen  Eindruck  hervorrief. 
Ein  Zeichen  der  von  ihm  nichts  weniger  als  beabsichtigten  Anerkennung  war 
die  kurz    darauf   erfolgte  Verleihung    des    Ordens  Heinrichs   des  Löwen  von 
Seiten  des  Herzogs  Wilhelm,    eine  Auszeichnung,    die  bis  dahin    einem  ein- 
fachen Geistlichen    noch    nicht    zu  Theil    geworden    war.     Eine  selbständige 
Haltung  bewies  er  auch  bei  Berathung  des  Antrags,  den  Herzog  um  Abschluss 
einer  Militärconvention  mit  Preussen  zu  bitten;  er  und  ein  geistlicher  College 
stimmten  allein  gegen  den  Antrag. 

Durch  ein  eifriges  Studium  der  Bekenntnissschriften  war  er  immer  mehr 
zu  einem  bewifesten  Lutheraner  geworden.  Daher  suchte  er  nicht  nur  im 
Lande,  sondern  auch  ausserhalb  desselben  die  Sache  des  Lutherthums  nach 
Kräften  zu  unterstützen.  Als  im  ehemaligen  Kurfürstenthum  Hessen  1873 
eine  Anzahl  lutherischer  Geistlicher  ihres  Amtes  entsetzt  waren,  weil  sie  gegen 
die  Bildung  des  Consistoriums  aus  lutherischen,  reformirten  und  unirten  Mit- 
gliedern beharrlich  Protest  einlegten,  war  er  vor  Allem  mit  dabei  thätig, 
durch  öffentlichen  Aufruf  einen  Unterstützungsfonds  für  jene  Männer  zusammen 
zu  bringen.  Er  zog  sich  dadurch  zwar  einen  Verweis  seiner  vorgesetzten 
Behörde  zu,  hatte  aber  die  Freude,  dass  jener  Schritt  von  gutem  Erfolge  für 
die  Glaubensbrüder  begleitet  war.  Eifrig  wachte  er  über  die  Aufrechterhaltung 
kirchlicher  Rechte,  wo  immer  sie  ihm  bedroht  schienen.  Dahin  zielten  be- 
sonders zwei  Broschüren,  die  er  »zur  Beleuchtung  des  Civilstandsgesetzes« 
(1879)  und  »zur  Wahrung  des  kirchlichen  Rechts  und  der  kirchlichen  Ver- 
wendung des  Braunschweigischen  Klosterfonds«  (1885)  verfasste.  Am  18.  De- 
cember  1881  zur  Feier  seines  50jährigen  Dienstjubiläums  erhielt  er  den  Titel 


362  Brodkorb.     Otto-Thatc. 

eines  Kirchenraths.  Im  Herbste  1886  trat  er  in  den  Ruhestand.  Er  zog 
nach  Braunschweig,  wo  er  als  »Blätter  vom  Baume  des  Lebens«  1888  eine 
Sammlung  von  Predigten  über  die  Evangelien  des  Kirchenjahres  veröffentlichte. 
Ihn  tiberlebte  seine  Wittwe,  mit  der  er  das  seltene  Fest  der  diamantenen 
Hochzeit  hatte  feiern  können. 

Vergl.    J.  Beste   im  Braunschw.   Magazin    1897    No.  8,   S.  57 — 60;      Bntnonia    1897 
No.  20—24. 

P.  Zimmermann. 

Otto-Thate,  Karoline  Christiane,  Schauspielerin,  *  am  i.  März  1822  zu 
Braunschweig,  f  am  19.  März  1897  zu  Stuttgart.  —  Sie  war  die  Tochter  eines  Satt- 
lermeisters. Da  sie  früh  eine  grosse  Neigung  für  die  Bühne  zeigte,  so  ging  sie 
nach  Bremen  zu  ihrem  Oheim,  Friedrich  Lemcke,  der  als  Väter-  und  Charakter- 
spieler am  dortigen  Theater  angestellt  war.  Nachdem  sie  dessen  Unterricht  drei 
Monate  genossen,  trat  sie  bereits  (1842)  als  »Toni«  in  Kömers  gleichnamigem 
Drama  mit  bestem  Erfolge  auf  und  fand  nun  in  Bremen  für  das  Fach  der  ju- 
gendlichen Liebhaberinnen  Verwendung.  Etwa  ein  halbes  Jahr  später  (Som- 
mer 1843)  zeigte  sie  sich  als  Marie  in  »Muttersegen«  in  ihrer  Vaterstadt.  Ks 
wurde  ihr  hier  sogar  ein  Engagement  angeboten,  das  sie  jedoch  ablehnen 
musste,  da  sie  sich  bereits  für  die  unter  Leitung  Friedrich  Spielberger's  und 
Roderich  Benedix'  stehenden  vereinigten  Stadttheater  von  Köln  und  Elberfeld 
verpflichtet  hatte.  Im  December  1846  gastirte  sie  als  »Griseldis«  am  kur- 
fürstlichen Theater  zu  Kassel,  worauf  sie  hier  eine  glänzende  Stellung  fand 
und  bis  zum  Jahre  185 1  verblieb.  Dann  trat  sie  bei  dem  Hoftheater  zu 
Hannover  ein.  Die  Hoftrauer,  die  nach  dem  Tode  König  Ernst  August' s 
(f  18.  November  1851)  gehalten  wurde,  veranlasste  sie  zu  einem  Gastspiele 
in  Braunschweig.  Hier  war  seit  dem  Tode  der  gefeierten  Joh.  Grösser 
(f  I.  October  1850)  kein  würdiger  Ersatz  gefunden.  Ein  solcher  schien  den 
Braunsch weigern  jetzt  in  Fräulein  Th.  gekommen.  Der  Beifall,  den  sie  errang, 
führte  zu  einem  Engagement.  Am  12.  November  1852  war  die  Margarethe 
in  den  »Erzählungen  der  Königin  von  Navarra«  ihre  Antrittsrolle  am  Braun- 
schweiger Hoftheater.  Diesem  ist  sie  dann  ihr  Leben  lang  treu  geblieben. 
Mit  dem  gleichen  Erfolge,  wie  anfangs  die  Heldinnen  und  jugendlichen  Salon- 
damen, spielte  sie  später  die  älteren  Heroinen  und  Charakterrollen;  sie  ist 
viele  Jahre  eine  der  Hauptstützen  des  Schauspiels  wie  des  Lustspiels  am  Hof- 
theater gewesen.  Verschiedene  Anerbietungen  von  anderen  Bühnen  konnten 
sie  nicht  bewegen,  aus  ihrer  Vaterstadt  zu  scheiden.  Hier  hat  sie  sich  auch 
am  12.  Juni  1859  mit  dem  Schriftsteller  Dr.  Reinhard  Otto,  dem  Redacteur 
der  »Reichszeitung«,  verheirathet.  Sie  nahm  nun  den  Namen  Otto-Thate  an. 
Als  sie  am  12.  November  1877  ihr  2 5 jähriges  Jubiläum  an  der  Braunschweiger 
Bühne  gefeiert  hatte,  trat  sie  gegen  Ende  des  folgenden  Jahres  von  der  Buhne 
zurück.  Eine  Abschiedsfeier  fand  nicht  statt;  ihre  letzte  Rolle  war  am 
17.  December  1878  »Mutter  Fadet«  in  der  »Grille«.  Sie  hat  dann  wieder- 
holt ihren  Aufenthaltsort  gewechselt,  in  Köln,  in  Frankfurt  a./M.,  wo  am 
2.  September  1885  ihr  Gatte  starb,  in  Rostock,  in  Hamburg,  in  Chemnitz 
und  zuletzt  in  Stuttgart  geweilt,  wo  sie  bei  ihrem  Pflegesohne,  dem  König- 
lichen Hofschauspieler  Egmont  Richter,   an   der  Influenza  verschieden  ist. 

P.  Zimmermann. 


Stobbe.     Bercht.  ^63 

Stobbe,  Karl  Friedrich  August,  Journalist,  *  am  3.  November  1830  zu 
(Irtinwalde  bei  Labiau  in  Ostpreussen,  f  am  16.  October  1897  zu  Wiesbaden. 
—  Er  war  der  Sohn  eines  kleinen  Grundbesitzers,  Karl  St.  und  besuchte  das 
Kneiphöfische  Stadtgymnasium  zu  Königsberg,  auf  dem  er  Ostern  1851  das  Abi- 
turientenexamen bestand.  Dann  ging  er  auf  die  dortige  Universität  über.  Er 
studirte  anfangs  Philosophie  und  Geschichte,  sodann  die  Rechte;  den  nachhal- 
tigsten Einfluss  haben  auf  ihn  die  Vorträge  des  Hegelianers  Karl  Rosenkranz  aus- 
geübt. Nachdem  er  im  October  1854  das  erste  juristische  Examen  gemacht  hatte, 
wurde  er  als  Referendar  beim  Stadtgerichte  zu  Königsberg  beschäftigt.  Zugleich 
war  er  journalistisch  thätig,  und  weil  damals  die  juristische  Laufbahn  nur 
geringe  Aussicht  auf  schnelle  Anstellung  bot,  so  entschloss  er  sich  sie  auf- 
zugeben. Er  wurde  ständiger  Mitarbeiter  der  Königsbergischen  Hartungschen 
Zeitung  und  verfasste  kleinere  Lustspiele  (»Männer  und  Frauen«,  »Parlamen- 
tarische Studien«),  die  in  Königsberg,  beim  Wallner-Theater  in  Berlin  u.  a. 
zur  Auffuhrung  kamen.  Im  Jahre  1861  übernahm  er  die  Redaction  der  in 
Gumbinnen  erscheinenden  »Preussisch-Littauischen  Zeitung« ;  einige  Jahre  später 
wurde  er  erster  Redacteur  der  »Königsberger  Neuen  Zeitung«,  bis  er  1867 
nach  Berlin  übersiedelte  und  hier  eine  Stellung  bei  dem  Reuterschen  Tele- 
graphen-Bureau erhielt,  wo  er  hauptsächlich  die  ausländischen  Depeschen  zu 
redigiren  hatte.  In  dieser  Zeit  (18.  October  1868)  verheirathete  er  sich  mit 
Bertha  Engelmann,  einer  Tochter  des  Dr.  med.  Siegfr.  E.  in  Tilsit.  Anfang  März 
1872  kam  er  nach  Braunschweig  als  Redacteur  der  neu  begründeten  »Braun- 
schweiger Zeitung«.  Als  diese  nach  etwa  einem  Jahre  wieder  einging,  wurde  er 
von  dem  herzoglichen  Staatsministerium  aufgefordert,  für  die  amtlichen  »Braun- 
schweigischen Anzeigen«  ein  politisches  Beiblatt  einzurichten.  Ein  officiöses 
Pressorgan  war  der  Zeit  in  Braunschweig  etwas  völlig  unbekanntes.  Es  wurde 
daher  jene  Erweiterung  der  Anzeigen  etwas  misstrauisch  aufgenommen.  Dennoch 
hielt  sich  das  Blatt  nicht  nur,  sondern  es  arbeitete  sich  allmählich  zu  einer 
umfassenden  angesehenen  Tageszeitung  hindurch.  Das  Verdienst  an  diesem 
Erfolge  gebührt  neben  dem  damaligen  Polizeidirector,  späteren  Wirklichen 
(}eheimrathe  Eduard  Meyer,  vor  Allem  der  Redaction  St.'s.  Er  führte  die 
Redaction  bis  zum  Herbst  1890,  wo  ihn  ein  nervöses  Leiden  zwang,  aus 
seiner  verdienstlichen  Thätigkeit  zu  scheiden.  Das  Ministerium  bewilligte  ihm 
eine  lebenslängliche  Gratification.  Am  i.  September  1892  siedelte  St.  nach 
Wiesbaden  über,  wo  seine  Gesundheit  sich  besserte  und  er  noch  manche 
Gedichte  und  Feuilletons  für  Wiesbadener  und  Königsberger  Blätter  verfasste, 
bis  ein  Herz-  und  Nierenleiden  sich  einstellte,  das  nach  längerer  Krankheit 
ihm  den  Tod  brachte. 

Im  Buchhandel  sind  von  St.  erschienen:  »Lustspiele  und  Gedichte«  (Königsberg 
1865),  »Ernst  Moritz  Arndt,  eine  Gedenkschrift«  (Berlin  1869),  »Festspiel  zur  75 jährigen 
Jubelfeier  des  Herzogl.  Braunschw.  Infanterie-Regiments«  (Braunschweig  1884)  und  »Blätter 
der  Erinnerung.  Gedichte  Braunschweig  gewidmet«  (Braunschweig  1888).  —  Vgl.  Braun- 
schw. Anzeigen  1895,  No.  6,  S.  35. 

P.  Zimmermann. 

Berchty  Ludwig  Julius,  Schauspieler,  *  am  4.  Mai  181 1  auf  dem  Gute 
Prödel  in  der  Kreishauptmannschaft  Leipzig  als  Sohn  des  dortigen  Guts- 
besitzers Dr.  phil.  Joh.  Christian  Bercht,  f  am  6.  Mai  1897  zu  Braunschweig.  — 
Da  der  Vater  später  unter  dem  Titel  eines  Kriegsraths  eine  höhere  Verwal- 
tungsstelle an  der  Pepiniere  zu  Berlin  einnahm,  so  erhielt  der  Sohn  in  dieser 
Stadt  seine  wissenschaftliche  Ausbildung.    Ursprünglich  war  er  für  das  Studium 


364  Bcrcht. 

der  Medicin  bestimmt,    doch    war    seine  Neigung    für    das  Theater  so  stark, 
dass  er  alle  Schwierigkeiten  überwand  und  sich  der  Bühne  widmete.      Schon 
im  Jahre  1827  trat  er  im  Königstädtischen  Theater  zu  Berlin  als   »Wittwer 
in  dem  Lustspiele  »Wittwer  und  Wittwe«  auf.      Er    wurde    dann    von    dem 
Director  Hurey  engagirt,  der  die  Städte  Königsberg,  Memel  und  Danzig  mit 
seiner  Truppe   besuchte.     Ein  Gastspiel    im    Königlichen  Schauspielhause  zu 
Berlin,  wo  er  den  »Tempelherrn«  im  »Nathan«  spielte,  führte  1830  zu  einem 
fünfjährigen  Engagement  für  das  Fach  der  jugendlichen  Liebhaber.    Da  B.  eine 
schöne  Baritonstimme  besass,  so  half  er  bei  der  Aufführung  von  Auber's  Oper 
»Lodoisca«,    die  zum  Geburtstage  König  Friedrich  Wilhelms  IIL  anbefohlen, 
durch  den  Contractbruch  des  Baritonisten  Hammermeister  aber  gefährdet  war, 
in  der  Verlegenheit  aus,  und  zwar  mit  solchem  Erfolge,  dass  er  seitdem  wie 
dem    Schauspiel-,    so    auch    dem    Opempersonale    eingereiht    wurde.       Seine 
Hauptrollen  waren  hier  die  des  »Figaro«,  des  »Papageno«  u.  a.     Da  er  sich 
nach  Ablauf  seines  Contractes    mit   der  Intendanz    nicht    einigen    konnte,  so 
schied  er  von  BerKn  und  ging  an    das   deutsche  Theater  in  Amsterdam,   wo 
er  zugleich  in  der  Oper  und  im  Schauspiel,    zuerst   auch  in  dem  Fache  der 
komischen  Charakterrollen  wirkte.     Im  Jahre  1837  kam  er  auf  vier  Jahre  an 
das  Stadttheater  zu  Düsseldorf;  er  trat  hier  mit  den  Künstlern  der  Akademie, 
besonders  mit  Andreas  Achenbach,  in  Verkehr  und  wurde  auch  in  den  »Ver- 
ein Malkasten«  aufgenommen.    Vom  Stadttheater  in  Breslau  aus,  dem  er  dann 
eine  Zeit  lang  angehörte,  gab  er  am  20.  September  1843  *^  »Baron  Scara- 
bäus«  in   »der  unterbrochenen  Whistpartie«  und  als  »Adam«  im  »Dorf barbier« 
eine  Gastrolle  in  Braunschweig,  wo  für  den  am  11.  September  1840  verstor- 
benen Karl  Günther   noch    immer    kein    würdiger  Nachfolger   gefunden  war. 
B.'s  Spiel  sprach  so  sehr  an,  dass  er  sofort  engagirt  wurde;  am  8.  November 
trat  er  in    Braunschweig    seine    neue    Stellung  an,    der    er  vortheilhafter  An- 
erbietungen ungeachtet   sein  übriges  Leben  lang  treu  geblieben  ist.     In  den 
ersten  Jahren  wurde  er  auch  noch  viel  in  der  Oper  beschäftigt,   später  ging 
er  ganz  in  das  feinkomische  Charakterfach  über,  das  er  in  meisterhafter  Weise 
vertrat.     Rollen  wie  die  des  Wirths  in  »Minna  von  Barnhelm«,  des  »Adam« 
im    »Zerbrochenen    Krug«    u.   s.   w.    waren    seine    besten    Leistungen.       Am 
6.  November  1868  feierte  er  sein  2 5  jähriges  Jubiläum  als  Mitglied  der  Braun- 
schweiger Hofbühne  und  am  25.  September  1877,  dem  Tage  seines  50jährigen 
Künstlerjubiläums,  nahm  er  als  »Parlamentsrath  Desperri^res«  im  zweiten  Akte 
des  »Vicomte  von  L^toridres«  und  als  »Bader  Schelle«  in  Raupach's  »Schleich- 
händlern« Abschied  vom  Theater.    Er  ging  nun  zunächst  nach  Charlottenburg 
zu  einer  Tochter,  die  dort  an  den  Ingenieur  G.  Ehrenberg  verheirathet  war. 
Als  diese  1887  nach   Braunschweig  zogen,    kehrte   er  mit  der  Familie  dahin 
zurück.     Er  besass    hier  einen    zahlreichen    Freundeskreis    und    erfreute  sich 
wegen  der  Vorzüge  seines  Geistes  und  Charakters,   sowie  der  Liebenswürdig- 
keit seines  Wesens  allgemeiner  Achtung  und   Beliebtheit.     Er  war  seit  1S77 
Ehrenmitglied  des  Kunstclubs.   Ausser  seinen  Schauspieler-Gaben  besass  er  auch 
dichterische  Talente.     Veröffentlicht  ist  bisher  nur  ein  Werk  von  ihm:     »Der 
goldene  Mai.     Eine  Frühlingsphantasie«    (Braunschweig  1861),   das  dem  Mal- 
kasten in  Düsseldorf  gewidmet  ist.    In  den  letzten  3 — 4  Jahren  seines  Lebens 
hat  zunehmende  körperliche  Schwäche  B.  an  das  Bett  gefesselt;   doch  bheb 
sein  Geist    bis    zuletzt  frisch.     Seine  Frau  Karoline,    eine    Tochter    des  Hof- 
opemsängers  J.  C.  Grünbaum    und    der    berühmten  Kammersängerin  Therese 
Grünbaum,  Enkelin  Wenzel  MüUer's,  des  beliebten  österreichischen  Componisten 


Bercht.     Wattenbach.  365 

.  »Iksth timlicher  Theatermusik,  war  selbst  als  Sängerin  an  der  Königlichen 
'.  ihne  in  Berlin  engagirt  gewesen,  bis  sie  sich  am  13.  Juni  1844  mit  B.,  der 
-ie  schon  in  seiner  Berliner  Zeit  ins  Herz  geschlossen  hatte,  verheirathete. 
Ihrer  Ehe  entstammte  als  ältester  Sohn  Alfred  Bercht,  der,  zu  Braunschweig 
.im  II.  December  1845  geboren  und  unter  Kullak  auf  dem  Konservatorium 
in  Berlin  ausgebildet,  ein  tüchtiger  Tonkünsüer  wurde,  durch  eine  Sympho- 
nie grosse  Hof?hungen  erregte,  aber  leider  schon  in  früher  Jugend,  am  21.  Sep- 
tember 1866,  in  Berlin  verstarb. 

P.  Zimmermann. 


Wattenbach,  Wilhelm,  Historiker,  ♦am  22.  September  18 19  zu  Ranzau  in 
Holstein,  f  am  20.  September  1897  zu  Frankfurt  am  Main.  —  Mit  W.  ist  einer 
der  letzten  Geschichtsschreiber  aus  der  grossen  Zeit  unserer  deutschen  Historio- 
graphie dahingegangen.  Der  Schule  Ranke's,  wenn  auch  nur  indirekt  angehörend, 
zählt  er  neben  Waitz,  Sybel,  Giesebrecht  zu  ihren  glänzendsten  Vertretern 
sowohl  als  musterhafter  Editor  deutscher  Geschichtsquellen,  wie  als  bester 
Kenner  dieser  selbst,  als  ein  philologisch  geschulter  Historiker,  dem  wir  zu- 
gleich aus  dem  Gebiete  der  historischen  Hilfswissenschaften,  in  erster  Linie 
der  Palaeographie ,  Werke  von  dauerndem  Werthe  verdanken.  Keiner  hat 
endlich  wie  er  die  Geistes-  und  Kulturgeschichte  unseres  Mittelalters  gekannt 
und  durchforscht  und  die  Ergebnisse  seiner  Forschung  uns  zugänglich  ge- 
macht, freilich  nur  in  Form  von  Beiträgen,  die  in  seinem  Buche  über  »Deutsch- 
lands Geschichtsquellen  im  Mittelalter  bis  zur  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts« 
zerstreut  zu  finden  sind,  ohne  uns  das  Hauptwerk  selbst,  eine  Kultur- 
geschichte des  Mittelalters,  die  zu  schreiben  er  wie  kein  Anderer  berufen  ge- 
wesen wäre,  zu  hinterlassen. 

W.  ist  als  Sohn  eines  Hamburger  Kaufmannes  auf  der  von  seinem  müt- 
terlichen Grossvater,  August  von  Hennings,  administrirten  Grafschaft  Ranzau 
geboren.  Nach  dem  frühen  Tode  seines  Vaters  zog  die  Mutter  mit  dem  jungen 
Knaben  nach  Lübeck,  und  hier  empfing  dieser  seine  Gymnasialbildung  und 
trat  in  den  Freundeskreis  der  beiden  Brüder  Ernst  und  Georg  Curtius  und 
Emanuel  Geibel's  ein.  Das  Studium  des  klassischen  Alterthums,  zu  dem 
ihn  sein  Schwager  und  Lehrer  Professor  Classen  anregte,  bildete  die  frucht- 
bare Grundlage  seines  Wissens,  und  gerade  diesen  philologischen  Kenntnissen  ver- 
danken wir  die  besten  Werke  seiner  Feder.  Im  Herbst  1836  verliess  W. 
die  Lübecker  Schule,  ging  noch  fiir  ein  Jahr  auf  das  akademische  Gymnasium 
nach  Hamburg  und  trat  darauf  zur  Universität  über,  zunächst  in  Bonn,  dem 
Eldorado  der  klassischen  Philologie.  Meister  dieses  Faches  wie  Welcker  und 
Lassen  wurden  hier  seine  Lehrer  in  der  Alterthums  Wissenschaft,  wie  im  San- 
skrit und  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft.  Dann  zog  es  ihn  nach  Göt- 
tingen, wo  es  ihm  vergönnt  war  zu  Füssen  Otfried  Müll  er' s  zu  sitzen  und 
dessen  Vorlesungen  über  Archaeologie  zu  hören.  Nach  Otfried  Müller's  auf 
einer  Reise  in  Athen  erfolgtem  Tode  wandte  sich  W.  nach  Berlin.  Auch 
hier  übte  wieder  die  Philologie  die  grösste  Anziehungskraft  auf  den  jungen 
Studenten  aus;  Sprachwissenschaft  wie  Alterthumskunde  trieb  er  mit  Eifer 
und  Erfolg  bei  Bopp,  Lachmann,  Jakob  Grimm  und  Boeckh.  Hier  in  Berlin 
wurde  aber  zum  ersten  Male  auch  seine  Liebe  zur  Geschichte  geweckt  und 
zwar  durch  keinen  (geringeren  als  durch  Ranke  selbst.  Seine  Dissertation: 
De  quadringentorum  Athenis  factione,    die   1842   erschien,  war  freilich  noch 


9  66  Wattenbacb. 

ganz  eine  philologische  Arbeit,  allein  nach  Ablegung  der  Prüfung  für  da> 
höhere  Schulamt  und  nach  einem  ersten  Probejahre  als  Lehrer  am  Joachims- 
thal'schen  Gymnasium  zu  Berlin  brachte  ihn  sein  College  Giesebrecht  1S43 
in  Verbindung  mit  Pertz,  der  dem  jungen  Philologen  damals  an  Stelle  de> 
nach  Kiel  berufenen  Waitz  einen  Platz  unter  den  Mitarbeitern  der  Monu- 
menta  Germaniae  historica  verschaffte  und  ihn  so  der  mittelalterlichen  Ge- 
schichte in  die  Arme  führte. 

Den  Uebergang  von  der  Philologie  zur  eigentlichen  Geschichtsforschung 
vollzog  W.  rasch  und  mit  Glück  und  das  ihm  zugewiesene  Feld  der  Thatig- 
keit,  Quellenpublication,  konnte  gerade  gut  und  gründlich  mit  Hilfe  seiner  1 
philologischen  Kenntnisse  bebaut  werden.  Im  Jahre  1847  trat  W.  seine 
erste  Reise  im  Interesse  der  Monumenta  Germaniae  an.  Oesterreich  war 
das  Ziel  derselben,  die  österreichischen  Kloster-Bibliotheken  sollten  durch  den 
jungen  deutschen  Forscher  zum  ersten  Male  ausgiebig  benutzt  und  die  in 
ihnen  aufgespeicherten  Schätze  mittelalterlicher  Annalistik  gehoben  werden. 
In  Admont,  in  St.  Florian,  in  Kremsmünster  arbeitete  Wattenbach  und  fand 
bei  der  Geistlichkeit  Oesterreichs  gastliche  und  freundliche  Aufnahme,  so 
dass  er  Tage  reinen  Genusses  und  hoher  Befriedigung  in  jenen  stillen,  der 
Arbeit  günstigen  Klosterräumen  verleben  durfte.  Die  Ergebnisse  seiner  For- 
schungen wie  seiner  persönlichen  Erfahrungen  über  das  Klosterleben,  das 
sich  noch  immer  in  den  Geleisen  unserer  mittleren  Zeiten  bewegte,  waren 
erhebliche  und  kamen  unserer  Kenntniss  über  die  deutsche  Annalisdk,  uie 
über  das  Geistesleben  des  Mittelalters  zu  Gute.  In  Wien  schloss  \V. 
1848  seine  Studien  ab,  die  Revolution  vertrieb  ihn  von  dort,  die  Poli- 
tik verdrängte  bei  dem  jungen  Gelehrten  für  einige  Zeit  die  Wissen- 
schaft. Dagegen  kam  es  damals  nicht,  wie  der  neue  österreichische  Un- 
terrichtsminister Graf  Leo  Thun  versuchte,  zu  einer  Anstellung  W.'s  in 
Oesterreich.  Der  junge  Gelehrte  ging  daher  nach  Norddeutschland  zurück 
und  Hess  sich  1851  in  Berlin  als  Privatdocent  nieder,  um  nun  die  Früchte 
seiner  Studien  und  Arbeiten  für  Andere  zu  verwerthen.  Eine  Uebersicht  über 
die  Quellen  neuerer  mittelalterlicher  Geschichte,  ferner  Diplomatik  und  Palaeo- 
graphie  bildeten  die  Gegenstände  seiner  ersten  Vorlesungen.  Da  die  Aus- 
sichten auf  eine  Professur  auch  in  Preussen  sich  nicht  verwirklichten,  entsagte 
W.  nach  vier  Jahren  seiner  akademischen  Laufbahn  in  Berlin  und  ging  als 
kgl.  preussischer  Provinzialarchivar  1855  nach  Breslau.  Hier  entfaltete  er 
bald  eine  reiche  schriftstellerische  Thätigkeit,  die  hauptsächlich  der  schlesi- 
sehen  Geschichte  gewidmet  war.  Die  Herausgabe  schlesischer  Geschichts- 
quellen und  die  Aufhellung  einzelner  Epochen  der  schlesischen  Geschichte 
werden  ihm  verdankt.  Hier  in  Breslau  reifte  femer  das  Haupt>\'erk  seines 
Lebens,  die  Geschichtsquellen  Deutschlands  im  Mittelalter,  heran.  Angeregt 
durch  eine  Preisaufgabe  der  Wedekind-Stiftung  in  Göttingen  hat  W^  im 
Jahre  1858  das  schwierige  Thema  gelöst.  Es  galt  einen  ungeheueren, 
weit  zerstreuten  Quellenstoff  zu  sammeln,  zu  sichten,  kritisch  zu  ordnen,  die 
Quellenkunde  nicht  auf  deutschen  Boden  zu  beschränken,  sondern  auch  die 
Nachbarländer  Frankreich,  Italien,  den  slavischen  Osten,  alle  die  Staaten  und 
Völker,  die  im  Mittelalter  in  mehr  oder  weniger  nähere  Beziehungen  zu 
Deutschland  traten,  in  den  Kreis  der  Betrachtung  zu  ziehen.  W.  verstand 
es  zugleich,  die  ihm  gestellte  Aufgabe  in  höherem  Sinne  und  Geiste  zu  fassen, 
nicht  an  einer  trockenen  Aufzählung  der  Quellen  kleben  zu  bleiben,  sondern 
ihre  Schätze  uns   in    anziehender,    abgerundeter,    das    ganze  Kulturleben  des 


Wattenbach.  367 

Mittelalters  beleuchtender  Darstellung  vor  die  Augen  zu  fuhren.  So  ist  das 
Werk  nicht  nur  ein  Handbuch  geworden  für  jeden  Historiker,  der  sich  mit 
dem  Quellenmaterial  unseres  Mittelalters  vertraut  machen  muss,  sondern  zu- 
gleich eine  Fundgrube  für  die  Geistes-  und  für  die  Sittengeschichte  unserer 
mittleren  Zeiten.  Das  Werk  hatte  einen  solchen  Erfolg,  dass  bis  zum  Hin- 
scheiden seines  Verfassers  fünf  weitere,  stets  vermehrte  und  erweiterte  Auf- 
lagen desselben  noth wendig  wurden. 

Auch  seine  Rückkehr  zu  der  in  Berlin  verlassenen  akademischen  Carriere, 
seine     1862    erfolgte   Berufung    als    ordentlicher  Professor  der  Geschichte  an 
die  Universität  Heidelberg  hatte  W.  diesem  Werke  zu  verdanken.     Hier  trat 
er  in  den  Kreis  ausgezeichneter  CoUegen  wie  Gervinus,  Häusser,  Zeller,  Stark, 
Wundt,    der    später  nach  Häusser's  frühem   Hinscheiden  durch  Heinrich  von 
Treitschke  ergänzt  wurde;   hier  genoss  er  zugleich  in  gemeinsamem  Haushalt 
mit  den  Schwestern  Sophie,  die  durch  Geist,    und   Caecilie,    die    durch  An- 
muth  der  äusseren  Erscheinung  und  des  Gemüthes  hervorragte   und  nachdem 
sie    dem    Geliebten    ihrer    Jugendtage    Emanuel    Geibel    entsagt    hatte,    jetzt 
ihr  Leben  dem  Bruder  weihte,  die  Freuden  des  Familienglückes.    Die  Heidel- 
berger Tage  zählen  zu  W.s  glücklichsten;   akademische  und  schriftstellerische 
Thätigkeit    füllten    sie    in    befriedigender  Weise    aus.     W.  hat  in  Heidelberg 
den  Kreis  seiner  Vorlesungen  erheblich  weiter  gezogen.    Neben  Palaeographie, 
in  der  er  an  der  Hand  der  Handschriftenschätze  der  Heidelberger  Bibliothek 
und   mit  Hilfe   photographischer   Wiedergaben  berühmter  Handschriften  vor- 
treflflich  zu  unterweisen  wusste,  neben  Quellenkunde  und  kritischen  Uebungen 
in  der  Durchforschung    mittelalterlicher    Schriftsteller    las    er  auch   Collegien 
allgemeineren  Inhalts  wie  Geschichte  des  Mittelalters.    Man  kann  nicht  sagen, 
dass  er  ein  glänzender  Docent  gewesen  ist;  an  Treitschke's  hinreissende  Dic- 
tion  reichte  er  nicht  im  Entferntesten  heran,  er  blieb  auch  auf  dem  Katheder 
stets  der  bedachtsame,  fast  schüchterne  Gelehrte,  der  von  seinem  Wissen  den 
Schülern  nur    soviel    gab,    als    er    nach  strenger  kritischer  Durchprüfung  der 
Quellen  verantworten  zu  können  glaubte.     Dabei  bewahrte  er  sich    stets    ein 
selbständiges,  originelles  Urtheil  über  Menschen  wie  Dinge  und  gab    oft    ein 
Bild    unserer    grossen    historischen  Persönlichkeiten  und  Zustände  des  Mittel- 
alters,   das  dem  weniger  Eingeweihten  paradox  erscheinen  konnte.     Am  an- 
regendsten war  W.  im  näheren  Verkehr  mit  seinen  Schülern,    sei  es    in   den 
palaeographischen  und  historischen  Uebungen,  die  er  im  Seminar  abhielt,  sei 
es  im  privaten  Verkehr.    Dabei  hatte  er  ein  warmes,  persönliches  Verhältniss 
zu  jedem  Einzelnen   und  wusste    ihn  in  Arbeit  und  Fortkommen  durch  Rath 
und  That  zu  fördern,  soviel  er  konnte.     So  hat  sich  bald    ein    grosser  Kreis 
von  Schülern   um   ihn   versammelt,    die    dankbaren    Sinnes    noch    heute    der 
Stunden    gedenken    werden,    in    denen    es  ihnen  vergönnt  war,    den  Lehren 
des  Meisters,  die  sich  auf  streng  kritische  historische  Methode  in  erster  Linie 
bezogen,  zu  lauschen. 

Seine  freie  Zeit  war  in  Heidelberg  fruchtbarer,  schriftstellerischer  Arbeit 
gewidmet  und  hat  manches  Werk  von  dauerndem  Werthe  zu  Tage  gefördert. 
Die  enormen  Kenntnisse,  die  sich  W.  durch  jahrelange  Uebung  und  uner- 
müdlichen Fleiss  in  der  Handschriftenkunde  unseres  Mittelalters  erworben 
hatte,  legte  er  in  dem  Buche  über  das  Schriftwesen  im  Mittelalter  nieder, 
das  uns  ein  anziehendes  Bild  mittelalterlicher  Kulturgeschichte  vor  die  Augen 
führt  und  in  den  Jahren  187 1  — 1896  in  drei  vom  Verfasser  selbst  bearbeite- 
ten Auflagen   erschien.     Der  Anleitung  zum  Studium  der  Schrift    galten    die 


358  Krancke. 

wissermaassen  Schritt  hielt  mit  der  Entwickelung  ihres  Faches.  K.  genoss 
seine  Schulbildung  auf  dem  Lyceum  und  bezog  dann  die  polytechnische 
Schule  seiner  Vaterstadt.  Im  Jahre  1845  zum  hannoverschen  Bauconducteur 
ernannt,  baute  er  die  Kettenbrücke  in  Hameln,  was  die  Veranlassung  gab, 
dass  die  Stadt  Mannheim  ihn  bald  darauf  mit  dem  Bau  der  dortigen  Ketten- 
brücke betraute,  neben  der  Hamelner  Brücke  eines  der  ersten  Bauwerke 
dieser  Gattung  in  Deutschland.  Nachdem  er  dann  als  Ingenieur  im  Dienste 
der  Hannoverschen  Staatsbahn  die  Leinebrücken  bei  Herrenhausen  ausgeführt 
und  bei  den  Bauten  der  Südbahn  thätig  gewesen  war,  wurde  er  1854  zum 
Betriebsinspector,  1856  zum  Betriebsdirector  in  Göttingen  ernannt  und  als 
solcher  1864  nach  Bremen  versetzt.  1866  trat  er  in  den  preussischen  Staats- 
dienst über,  verliess  diesen  aber  bereits  im  folgenden  Jahre,  um  als  Betriebs- 
director und  Mitglied  des  Directoriums  der  Magdeburg-Leipziger  Bahn  nach 
Magdeburg  überzusiedeln.  Nach  der  Verstaatlichung  des  Magdeburg-Halber- 
städter Unternehmens  im  Jahre  1880  trat  er  als  Regierungs-  und  Baurath 
wieder  in  den  preussischen  Staatsdienst  ein,  wurde  1881  als  Oberbaurath 
und  Dirigent  der  III.  Abtheilung  an  die  Direction  Berlin  versetzt  und  ver- 
blieb in  dieser  Stellung  —  seit  1885  als  Vertreter  des  Präsidenten  — ,  bis 
er  am  i.  April  1895  bei  der  Neuordnung  der  Staatsbahnverwaltung  als  Ge- 
heimer Baurath  zur  Verfügung  gestellt  wurde.  K.  war  als  Zeitgenosse  von 
P'unk,  Durlach  und  Buresch  an  dem  Ausbau  des  hannoverschen  Bahnnetzes 
hervorragend  betheiligt  und  war  demnächst  in  Bremen  und  Magdeburg  fast 
ausschliesslich  im  Betriebe  thätig,  bis  ihn  sein  Wirkungskreis  in  Berlin  wieder 
mehr  der  Bauthätigkeit  nahe  brachte.  In  dieser  Zeit  ent^'ickelte  er  auch  im 
geschäftsführenden  Ausschuss  des  Vereins  deutscher  Eisenbahn- Verwaltungen 
eine  umfassende  Thätigkeit.  Seine  reiche  Erfahrung  auf  fast  allen  Gebieten 
des  Eisenbahnwesens,  seine  Liebenswürdigkeit  im  dienstlichen  Verkehr,  seine 
selbst  im  vorgerückten  Lebensalter  noch  erstaunliche  geistige  Frische  sicherten 
ihm  stets  allseitige  Anerkennung,  die  von  Seiten  des  Staates  auch  durch 
Verleihung  des  Rothen  Adler-Ordens  III.  Klasse  mit  der  Schleife  und  des 
Kronen-Ordens  IL  Klasse  Ausdruck  fand.  Man  würde  aber  kein  vollständiges 
Bild  von  der  Persönlichkeit  des  Verstorbenen  gewinnen,  wenn  man  ihn 
lediglich  im  Lichte  seines  fachlichen  Wirkens  betrachten  wollte.  &  war  eine 
reich  veranlagte  Natur,  in  künstlerischer  Beziehung  wie  im  geselligen  Verkehr. 
Besonders  seine  musikalische  Begabung,  verbunden  mit  einer  herrlichen  Bass- 
stimme, kam  schon  im  Künstlerverein  in  Hannover  hervorragend  zur  Geltung 
und  führte  zu  engeren  Beziehungen  mit  namhaften  Musikern  und  Künstlern, 
wie  Marschner,  Lachner,  Niemann  und  Wachtel,  während  als  sein  vertrautester 
Freund  aus  jener  Zeit  der  jugendfrische  »alte  Haase«  zu  nennen  ist.  In 
geselligen  Kreisen  war  er  infolge  seiner  liebenswürdigen  persönlichen  Eigen- 
schaften überaus  beliebt,  namentlich  auch  wegen  seines  Humors,  der  beson- 
ders in  gelegentlichen  launigen  Tischreden  zum  Ausdruck  kam.  Auch  seine 
Wirksamkeit  als  Vorsitzender  des  Magdeburger  Architekten-  und  Ingenieur- 
vereins lebt  in  dankbarer  Erinnerung.  Trotz  seiner  umfangreichen  geschäft- 
lichen Thätigkeit  fand  K.  doch  Zeit,  sich  einem  ausserordentlich  glücklichen 
Familienleben  mit  voller  Hingabe  zu  widmen,  die  ihm  denn  auch  in  den 
schweren  Tagen  des  langen  Leidens,  das  ihn  endlich  dahingeraflt  hat,  von 
den  Seinigen  mit  sorgender,  aufopferndster  Liebe  gelohnt  worden  ist. 
Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  6. 


Suche.     Salzmann.  ^cq 

Suche,  Ludwig,  Geheimer  Regierungsrath,  ♦1822  in  Wehlau,  Ostpreussen, 
f  am  10.  September  1897  in  Bromberg.  —  S.  widrtiete  sich  zunächst  dem 
Forstfache,  trat  dann  aber  in  bereits  vorgerückterem  Lebensalter  zum  Baufache 
über  und  wurde  im  Jahre  1857  zum  Baumeister  ernannt.  Die  lange  Reihe 
von  Jahren,  in  denen  er,  anfänglich  im  Dienste  der  Stettiner  Eisenbahngesell- 
schaft, später  im  preussischen  Staatseisenbahndienste,  meist  in  der  Nähe  seiner 
Heimath  als  Beamter  thätig  war,  sind  durch  ein  aussergewöhnlich  reiches  und 
erspriessliches  Wirken  auf  dem  Gebiete  des  Eisenbahnbaues  ausgefüllt.  Während 
dieser  Zeit  wurde  er  1867  zum  Eisenbahn-Baumeister,  1868  zum  Eisenbahn- 
Bau-  und  Betriebsinspektor,  1873  zum  Baurath,  1875  zum  Regierungs-  und 
Baurath,  1 888  zum  Geheimen  Regierungsrath  befördert.  Besonders  im  Brücken- 
bau war  S.  ein  anerkannter  Meister,  wie  dieses  die  von  ihm  oder  unter  seiner 
Oberleitung  ausgeführten  Brücken  über  die  Oder  bei  Stettin,  die  Memel  bei 
Tilsit,  die  Weichsel  bei  Thom,  Graudenz,  Dirschau  und  Fordon  sowie  zahl- 
reiche kleinere  Bauwerke  auf  den  östlichen  Eisenbahnstrecken  beweisen.  Seine 
hervorragenden  Leistungen  haben  allseitige  Anerkennung  gefunden  und  sind 
mehrfach,  zuletzt  noch  bei  seinem  Scheiden  aus  dem  Dienst,  durch  Ver- 
leihung des  Kronen-Ordens  IL  Klasse  belohnt  worden.  Nachdem  er  in  den 
letzten  vierzehn  Jahren  seiner  langen,  mühevollen,  aber  erfolgreichen  Dienst- 
laufbahn als  Dirigent  der  Neubauabtheilung  der  Königlichen  Eisenbahndirection 
in  Bromberg  gewirkt  hatte,  wurde  er  am  i.  April  1895  ^ur  Verfügung  gestellt. 
Der  ihm  hierdurch  zu  Theil  gewordenen,  wohlverdienten  Ruhe  hat  er  sich 
leider  nicht  lange  mehr  erfreuen  sollen. 

Centralblatt  der  Bauverwaltung  XVII,  38.  — b — 

Salzmann,  Max,  Dombaumeister,  *  am  20.  August  1850  in  Breslau,  f  am 
6.  Februar  1897  in  Bremen.  —  Seit  dem  Spätsommer  vorigen  Jahres  an 
einem  bösartigen  Hautübel  erkrankt,  hat  er  in  den  verschiedensten  Heilanstalten 
der  Schweiz,  Hamburgs  und  seines  Wohnortes  vergebens  Genesung  gesucht. 
Am  Sonnabend  Nachmittag  ist  er  im  Bremer  Stadtkrankenhause  einer  hinzu- 
getretenen Gehimaffection  erlegen.  S.  stand  erst  im  47.  Lebensjahre.  Noch 
ist  es  in  aller  Erinnerung,  wie  er  im  Jahre  1888  als  Sieger  in  der  Preisbe- 
werbung um  die  Wiederherstellung  des  Bremer  Domes  aus  seinem  stillen 
Wirkungskreise  in  Marienwerder,  wo  er  Bauinspektor  war,  nach  Bremen  be- 
rufen, zum  Dombaumeister  ernannt  und  mit  der  Ausführung  seines  Entwurfes 
betraut  wurde.  Seit  jener  Zeit  hat  er  an  diesem  seinem  Lebenswerke  mit 
hingebendem  Eifer  und  hervorragendem  künstlerischen  wie  technischen  Können 
geschaffen.  Bereits  sind  die  Haupttheile  des  Emeuerungsbaues,  vor  allem  die 
Westfront  mit  den  beiden  ernsten  romanischen  Thürmen  glücklich  durchge- 
führt, und  man  ist  soeben  beschäftigt,  die  Pfeiler  des  Vierungsthurmes  zu 
unterfahren.  Die  Vollendung  seines  Werkes  sollte  der  Dombaumeister  nicht 
erleben;  noch  zweier  Jahre  etwa  wird  es  bis  zur  Beendigung  der  sämmtlichen 
geplanten  Wiederherstellungsarbeiten  bedürfen.  Der  Dombau  ist  aber  nicht 
das  einzige  Werk,  das  S.  in  Bremen  hinterlässt.  Die  vor  kurzem  vollendete 
Rathsapotheke  mit  ihret  prächtigen  neuen  Schauseite,  die  Wiederherstellung 
der  Front  der  Liebfrauenkirche,  mehrere  Privatbauten,  der  nach  seinen  Plänen 
begonnene  Umbau  des  Schüttings  am  Marktplatze  zeugen  davon,  wie  fest  S. 
in  Bremen  bereits  Wurzel  gefasst  hatte,  und  werden  sein  Gedächtniss  dort 
und  in. weiten  Kreisen  dauernd  fortleben  lassen. 

Centralblatt  der  Bau  Verwaltung  XVII,  6A. 


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Jrr.  ]>.':. TK  i'^/^i  '^^*jtrr>^:.zu  er  eine  Reise  r-2ch  CHur-dien.  xim  häer  an  C»r:   z^ '. 
hv,.  e  Aroi.,  \j*,:,^r/i.  ^z.z  -r.d  A-j^f-hr  der  J-ie  zu  sndiren    und   die  >tr:c. 
z-    eTÄ^^j'er,,    »ie    r::e  Her*tel--r£    eir.es  T-teniirktes    in  Deutächlaad    zi:  er- 
ir:'y ;.-.<:. er.    sei;    im    fol^'r-den  Jahre  ersürtetc  er  bia-'yr-er  an  den  de«5<:h-.-r 
Pei'h-.<i'z.eT  elren  aj-f:r.r.;'.her.  Bench:.     Die  PLar.e,    auf  die  er  hioiiur/r 
'^*:V::.TX  -»  .rde,  vor  A.iem  d:e  direkte  Kir.fuhr  vcn  Rohjute  zu  eocicfaen   u-  : 
«\*t^u  ^^".zen  Ir.d: -triez*  ei^e  nationale  Seih  stand:  ^keit  zu  erriDgen,  «aren  wo:: 
der  Or^nd,    da^^   er  am   \.\:.Ä   1890   seine  Stellung  in  Braunschweig  nieder- 
leifte,  um  r.a/,h  Hamh-r;?  t:  herzu  siedeln.      Der  Verem   deutscher  Industrieller, 
in  dem  tx  jttzt  glei'^h falls  den  Vorsitz  aufgab,    erkannte    seine    grossen  Ver- 
dienste d'irch  d:e  Verleihung  der  Khrenmitgliedschaft  an.   Schon  froher  hatte 
rjie  I>andcsregierjng,    die  ihn   1882  zum  Commerzienrath    ernannte,    gieicher 
Gesinnung  Aus^irurk  gegeben.    Hervorzuheben  ist  dabei  noch  der  hingebende 
Kifer,    mit    dem    crr    sich   an   der  Begründung  verschiedener  wiithschaitiichcr 
Vereinigungen  l^etheiligte  und  die  social  politischen  Forderungen  und  Wünsche 
der  Gegenwart  bei  den  von  ihm  geleiteten  Unternehmen  zu  verwirklichen  be- 
strebt war.     Von  Hamburg  siedelte  Sp.   später    nach  London    über,    wo    er 
unter  der  Firma  »Spiegelberg   und  Co.«  ein  grosses  Jutegeschäft  b^jündete. 
lJo<:h  hatte  er  nicht  den  gewünschten  Erfolg;   er  eriitt  sehr  bedeutende  Ver- 
luste.    Er  starb  auf  der  Reise  an   einem   plötzHchen  Schlaganfall  und  wurde 
auf  dem  Central friedhofe  zu  Braunschweig  l>estattet.    Verheirathet  war  er  seit 
1866  mit  Rosa  Wainwright,  einer  Engländerin,  die  ihn  mit  mehreren  Kindern 
tiberlebte;    um  die  Zeit  dieser  Heirath   scheint  er  zum  Christenthum  überge- 
treten zu  sein. 

P.  Zimmermann. 

Eyferth,  Oscar  Bruno,  Bergbeamter  und  naturwissenschafdicher  Schrift- 
steller, ♦  am  23.  Juni  1826  zu  Holzminden,  f  am  17.  Juni  1897  zu  Braun- 
schweig.  —  Sein  Vater  Karl  Phil.  Theod.  Eyferth  war  Inspector  der  dortigen 


Eyferth.     Sallentien.  ^yi 

Stahl-  und  Eisenfabrik,  seine  Mutter  eine  gebome  Häberle.    Als  der  Vater  1835 
als    Hütteninspector  nach  Zorge  versetzt  wurde,  besuchte  der  Sohn  die  Schule 
daselbst;  dann  kam  er  Mich.  1838  auf  das  Gymnasium  zu  Blankenburg,  das  er 
Ostern  1840  mit  dem  Progymnasium  zu  Braunschweig  vertauschte.   Nachdem  er 
dieses  i  '/^  Jahr  lang  und  darauf  die  gleiche  Zeit  das  Realgymnasium  besucht 
hatte,  schied  er  aus  der  ersten  Klasse  des  letzteren  zu  Ostern  1843  aus,  um  sich 
dem  Berg-  und  Hüttenfache  zu  widmen.    Er  meldete  sich  zunächst  bei  der  sog. 
Communionverwaltung,  der  die  Hannover  und  Braunschweig  gemeinschaftlich 
gehörigen  unterharzischen  Berg-,  Hütten-  und  Salzwerke  unterstanden,  ward  hier 
jedoch  abgewiesen,  da  der  Andrang  von  Bewerbern  ein  überaus  grosser  war  und 
die  Gestalt  E.'s,  der,  sonst  gesund,  an  einer  geringen  Krümmung  der  oberen 
Brustwirbel  litt,  für  den  Dienst  nicht  kräftig  genug  erschien.    Er  wurde  dann 
in  Braunschweig  zugelassen,  wo  er  die  erste  der  vorgeschriebenen  Prüfungen, 
das  sog.  Hüttenelevenexamen,  im  Juni  1844  sehr  gut  bestand.     Nachdem  er 
dann  eine  Zeit  lang  als  Hütteneleve  in  Zorge  beschäftigt  war,  bezog  er  Ostern 
1846  zu  theoretisch    wissenschaftlicher  Ausbildung  das  Collegium  Carolinum 
in   Braunschweig,   wo  er  mehrere  Jahre  verweilte.     Im  Juni  1852  bestand  er 
sodann  das  zweite,  das  sog.  Hüttenofficiantenexamen;    seine  wissenschaftliche 
Bildung    ward    hier    als    eine    hervorragende    bezeichnet,    und    er  würde  das 
Prädicat  »ausgezeichnet«  erhalten  haben,  wenn  er  ftir  den  praktischen  Hütten- 
dienst eine  ganz  gleiche  Befähigung  nachgewiesen  hätte.    Noch  im  September 
d.  J.  ward  er  als  Hüttengehülfe    bei    der  Oberhütteninspection    in  Rübeland 
angestellt,  am  26.  November  1854  aber  als  Hüttenschreiber  nach  Zorge  ver- 
setzt.   Von  hier  kam  er  1861  als  Kammersekretär  nach  Braunschweig,  wo  er 
dann  seine  übrige  Lebenszeit  geblieben  ist.    Im  Jahre  1876  wurde  er  Assessor 
und  endlich  unterm  12.  December  1889  Kammerassessor    und    ausserordent- 
liches Mitglied  der  Direction  der  Bergwerke;  zum  8.  Mai  1896  erhielt  er  den 
Titel  eines  Bergraths.     In  der  letzten    Zeit  war    er  mitunter  kränklich,  doch 
hat  er  noch  immer    mit   der    grössten  Pflichttreue    seine  Geschäfte  versehen, 
bis  ihm  eine    Herzlähmung    den  Tod  brachte.     In  seinen  Mussestunden  be- 
schäftigte sich  E.  eifrig    mit    naturwissenschaftlichen  Studien,    besonders  mit 
der  Naturgeschichte  der  mikroskopischen  Süsswasserbewohner.    So  lange  seine 
Augen    es   gestatteten,    trieb    er  bis  zu   dem  Ende   auf  das  emsigste  mikro- 
skopische Untersuchungen.    Die  Ergebnisse  seiner  Arbeiten  hat  er  in  mehreren 
Werken  niedergelegt,  die  in   Fachkreisen  nicht  nur  in  Deutschland,  sondern, 
wie  die  Uebersetzung  eines  seiner  Bücher  in  das  Englische  beweist,  auch  im 
Auslande  verdiente  Anerkennung    fanden.     Er  gehörte  1862  zu  den  Begrün- 
dern des  Vereins  für  Naturwissenschaft   in  Braunschweig  und  bis  zum  Jahre 
i868  zu  dessen  Vorstande. 

Vcrgl.  Braunschweig.  Magazin  1897   No,   17   S.   130,   wo   auch  die  von  E.  veröffent- 
lichten Schriften  verzeichnet  sind, 

F.  Zimmermann. 

Sallentien,  Karl  Heinrich  Ludwig  Eduard,  Theologe,  *  am  12.  Mai  1825 
zu  Braunschweig,  f  am  3.  Februar  1897  in  Wolfenbüttel.  —  S.  stammte  nach 
einer  Familienüberlieferung  aus  einem  Salzburger  Emigrantengeschlechte.  Sein 
Gross vater  war  als  Stadtprediger  in  Blankenburg  1788  gestorben,  sein  Vater, 
Karl  Ludw.  Ferd.  S.,  als  Generalsuperintendent  zu  Braunschweig  am  16.  April 
1848;  seine  Mutter  Friederike  Charlotte  war  eine  gebome  Witting.  Nach- 
dem   der  Sohn   die  Bürgerschule    und  das  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  be- 

24* 


372 


Sallentien. 


sucht    hatte,    bezog    er  zu  Michaelis    1844  die  Universität  Jena,    wo  er  sich 
nach    dem    Vorbilde    des  Vaters    und    aus    innerer  Neigung«  der  Theologie 
widmete.     Hier  wurde  er  ausser  durch  Rtickert's  Auslegung  des  alten  Testa- 
ments besonders  durch  Karl  Hase  angeregt,  der  gerade  einen  neuen  kirchen- 
geschichtlichen Cursus  begonnen  hatte.    Noch  tiefere  Eindrücke  sollte  er  drei 
Semester    später    durch    die  Professoren  Tholuck  und  Julius  Müller    in  Halle 
erhalten,    wo   er    den  Rest  seiner  Studienzeit  verlebte,    die  er  wegen    einer 
schweren  Krankheit  im  Winter  1846 — 47  für  ein  Halbjahr  unterbrechen  musste. 
Zu  Tholuck  durfte    er    bald    in   ein   näheres  Verhältniss   treten;    hier  war  es 
besonders  der  persönliche  Verkehr,  der  ihn  förderte,  während  ihn  bei  Müller 
hauptsächlich  die  Vorlesungen  und  die  Uebungen  des  homiletischen  Seminars 
anzogen.     Ostern    1848    kehrte  S.  in   die  Heimat  zurück  und    bestand    hier 
im   September    die    erste   theologische  Prüfung.     Da  die  Aussichten  auf  An- 
stellung   damals  für    die  Geistlichen  äusserst  schlecht  waren,    so  wandte  er 
sich  zunächst  dem  Lehrfache  zu. .  Nachdem  er  eine  Zeit  lang  an  der  Unter- 
richts- und  Erziehungsanstalt  des  Pastors  Kellner   in  Barbecke  gewirkt  hatte. 
übernahm  er  in  Braunschweig  zuerst  die  Aufsicht  über  die  beiden  Söhne  des 
Freiherm  v.  Minnigerode    (von  denen  der  eine  sich  später  als  Parlamentarier 
bekannt    machte),    dann    (1851)    die    Erziehung    des    Erbgrafen    zu   Erbach- 
Schönberg,  der  von  1852  bis  Michaelis  1858  das  Gymnasium  in  Braunschweig 
besuchte.     Da  hier  jetzt  gerade  eine  Lehrkraft  fehlte,    so    übernahm    er  von 
Michaelis    1858   bis  Ostern    1860  in   den  beiden  untersten  Klassen  des  Pro- 
gymnasiums   eine   Reihe  von  Unterrichtsstunden.     Hierdurch    wurde  die  Ab- 
legung der  zweiten   theologischen  Prüfung  weit  hinausgeschoben;    er  bestand 
sie  erst  im  Februar  i86o.     Im  Mai    des  Jahres  wurde   er  dann  Mitglied   des 
Predigerseminars  in  Wolfenbüttel,    in  dem  er  später  zum  Subsenior  aufrückte 
und  bis  April  1863  verblieb.     Zum  i.  Mai  1863  wurde   er  dann  endlich   als 
Pastoradjunkt    an    der  Stadtpfarre  zu  Blankenburg  angestellt;    im  Nebenamte 
hatte    er    noch    die  Direction    der  dortigen  Bürgerschulen  zu  versehen.     Im 
folgenden  Jahre  (19.  October)  vermählte  er  sich  mit  Elisabeth  Maensz,  einer 
Predigertochter  aus  Hohendodeleben.     Gegen  Ende    des  Jahres   1870  bekam 
er    die  Pfarre  zu  Gross-Vahlberg   und   Bansleben,  aber  auch  nur    als  Pastor- 
adjunct,  wenn  auch  mit  der  Hoöhung  auf  Nachfolge.     Dieise  sollte  sich  nicht 
melir  erfüllen.     Denn  bevor  sein  Vorgänger  1879  starb,  war  S.  schon  unterm 
7.    Mai    1875    ^^s  Nachfolger    des   Abts    D.  Hille    zum    Consistorialrath    in 
Wolfenbüttel  ernannt  worden.     In  dieser  Stellung  hat  er  eine  äusserst  segens- 
reiche Thätigkeit    entfaltet.     Er    bearbeitete    die    geistlichen  Angelegenheiten 
zunächst  mit  dem  Abte  Emesti,  nach  dessen  Tode  (August  1880)  er  in  seine 
Stelle  einrückte,  wobei  Karl  Rohde  ihm  als  Consistorialrath  zur  Seite  trat.    In 
gesetzgeberischer  Hinsicht  führte  er  vor  allem  die  Ausarbeitung  der  liturgischen 
Ordnungen  weiter,  die  bereits  von  Emesti  und  Hille  begonnen  worden  waren. 
In  der  theologischen  Prüfungscommission,  die  wesentiich  durch  ihn  ins  Leben 
gerufen   wurde,    führte   er    bis  zu  seinem  Tode  den  Vorsitz.     Er  hatte  dann 
diese  Gesetze  und   einen  grossen  Theil    der    sonstigen  Wirksamkeit  des  Con- 
sistoriums  auch  in  der  Landessynode  zu  vertreten.     Vor  Allem    nahmen    ihn 
aber    die    laufenden    G^eschäfte    der    Kirchenverwaltung,    die  er  schnell  und 
schlank  erledigte,    in  Anspruch.     Seine  Erlasse    und  Berichte  zeichneten  sich 
hier  immer    durch   Klarheit    und  bündige  Kürze   aus.     Er    zeigte  sich   auch 
sonst  in  der  Kjrchenverwaltung  als  ein  klarer  Kopf  und  ein  fester  Charakter; 
er  liebte,  wie  er  zu  sagen  pflegte,   »reinliche  Verhältnisse« ;  alle  unklaren  ver- 


Sallentien. 


373 


sch>vommenen  Ideen  waren  ihm  zuwider,  und  kein  Mann  nach  seinem  Herzen, 
ciem    er  nicht    ein  festes  Rückgrat  zutrauen  durfte.     In    religiöser  Beziehung 
stand  er  fest  auf  konfessionellem  Boden,    und    er  hielt  es  für  seine  Pflicht, 
diesen   auch   der  Kirche,    an  deren  Spitze  er    gestellt  war,    nach  Kräften  zu 
erhalten.     Er  hatte    sich  in    ernstem  Streben    zu  diesem  Standpunkte  durch- 
gerungen.    Das  hinderte  ihn  aber  nicht,   sondern  befähigte  ihn  um  so  mehr, 
abweichenden  Richtungen  und  Auffassungen  Verständniss    zu  zeigen    und  ge- 
recht zu  werden.    Er  war  niemals  ein  einseitiger  Parteimann  und  weit  davon 
entfernt,  seine  einflussreiche  Stellung  im  Partei-Interesse  auszunutzen.    Bei  der 
Besetzung    von    kirchenregimentlichen  Stellen    sah  er  in    erster  Linie  auf  die 
persönliche  Tüchtigkeit,  und  er  trug,  wo  er  diese  fand,  kein  Bedenken,  die  Er- 
nennung   liberaler    Geistlicher  zu    Superintendenten    und  zu   Mitgliedern    der 
Prüfungscommission    in  Vorschlag  zu    bringen,  ja  sogar  einmal  auch  die  Be- 
stätigung   eines  Geistlichen    durchzusetzen,    dem    diese  in    Berlin    verweigert 
worden  war.     In  dem  Predigerseminare,  dessen  Mitleitung  ihm  oblag,  wusste 
er   auf  den   jungen    theologischen  Nachwuchs    des  Landes    durch  Lehre  und 
Vorbild  auf  das  Vortheilhafteste  einzuwirken;    vielen  von  seinen  Schülern  ist 
er     hier  als.  väterlicher  Freund   nahe  getreten.     Auch  ein  grosser  Theil  der 
älteren   Geistlichkeit    stand    noch    unter  seiner  besonderen   Leitung,    da   ihm 
vom  I.  Januar  1879  ab  die  Generalsuperintendentur  zu  Wolfenbüttel,  unterm 
13.   März  1891  auch  die  zu  Blankenburg  übertragen  wurde.     Hier  hat  er  bei 
den  Inspections-  und  Prediger-Synoden  durch  seine    persönliche  Betheiligung 
in   höchst  erfolgreicher  und  wohlthätiger  Weise  eingewirkt.     Ausserhalb  seiner 
amtlichen  Thätigkeit  lag  ihm  die  Förderung  aller  Bestrebungen  auf  religiösem 
Gebiete,  auf  dem  der  innern  Mission,  der  christiichen  Liebesthätigkeit  u.  s.  w. 
warm    am    Herzen.     Eine  Zeit    lang    war  S.  auch    Mitglied    der  Oberschul- 
commission,  doch  trat  er  aus  ihr  wegen  der  Uebergriffe  eines  Kollegen  schon 
nach  zwei  Jahren  wieder  aus.    Ueber  die  Grenzen  des  Braunschweiger  Landes 
hinaus    geht    die  Thätigkeit,    die    er    nach  Emesti's  Tode  als   Mitglied    der 
deutschen    evangelischen  Kirchenkonferenz    in  Eisenach    entfaltete.     Welches 
Ansehen  S.  in  diesem  Kreise  der  Vertreter  der  deutschen  Kirchenregierungen 
genoss,  geht  deutlich  daraus  hervor,  dass  ihm  seit  1890  regelmässig  der  Vor- 
sitz in  dieser  Versammlung  übertragen  wurde.     Auch    sonst  hat  es  ihm,    ob- 
wohl   er    gar    nicht  danach  strebte,    an  äusserer  Anerkennung    nicht  gefehlt. 
Unterm  25.  April   1881  wurde  ihm  von  Herzog  Wilhelm,  der  ihn  in  Blanken- 
burg kennen  und  schätzen  gelernt  hatte,    die  Würde  eines  Abts  von  Marien- 
thal verliehen.     Die    theologische  Facultät    der  Universität  Rostock  ernannte 
ihn  am  9.  April  1884  zum  Doctor  der  Theologie  honoris  causa.    Am  i.  April 

1890  wurde  er  Vicepräsident  des  herzoglichen  Consistoriums  und  zum  8.  Mai 

1891  erhielt  er  das  Kommandeurkreuz  des  Ordens  Heinrichs  des  Löwen. 
Seit  dem  Jahre  1875  ^^^  S-  auch  Mitglied  der  Landesversammlung,  der  er 
bis  zum  Jahre  1894  ununterbrochen  angehörte.  Im  Allgemeinen  ist  er  hier 
wenig  hervorgetreten.  Durchaus  lt)yaler  und  konservativer  Gesinnung  hat  er 
zumeist  im  Sinne  der  Regierung  gestimmt  und  nur  selten,  wenn  es  sich  nicht 
um  Angelegenheiten  der  Kirche  oder  Schule  handelte,  das  Wort  ergriffen, 
obwohl  ihm  dies  gut  zu  Gebote  stand,  und  es  ihm  auch  an  Schlagfertigkeit 
keineswegs  fehlte.  Ebenso  wenig  mangelte  es  ihm  an  persönlichem  Muthe. 
Das  zeigte  sich  deutlich  in  den  Fällen,  wo  er  es  für  eine  Gewissenspflicht 
hielt,  mit  seiner  Ansicht  offen  hervorzutreten;  da  konnten  ihn  keine  Anfein- 
dungen, kein  Drohen,  kein  Spott  und  Hohn  davon  zurückhalten,  rücksichtslos 


374 


Sallentieo. 


seiner  Ueberzeugung  Ausdruck  zu  geben.     Das  sollte  sich  vor  allem  bei  rvei 
Gelegenheiten    zeigen.     Zunächst    nach  dem  Tode  Herzog  Wilhelms  vor  der 
Regentenwahl.     S.    war    ein  überzeugter  Anhänger  der  legitimen  Monarchie; 
er  stand  fest  auf  dem  Boden  der  deutschen  Reichsverfassung,  hatte  die  Eini- 
gung der  deutschen  Stämme  zu  einem  mächtigen  Reiche  und  alle  die  grossen 
Errungenschaften    der    neuen  Zeit    mit  Freuden    begrüsst    und  war  aBen  Be- 
strebungen völlig  abhold,    die  diese    in  Frage  stellen   mussten.     Aber  ebenso 
entschieden    war  er  für  die  Aufrechterhaltung    der    heimischen  Landesrechte 
und    die  Innehaltung    der   Braunschweigischen  Landesverfassung,    die   er  be- 
schworen hatte.     Das  war  ihm  eine  heilige  G^wissenssache.     Er  sah  ein  und 
gab  unumwunden  zu,  dass  von  Braunschweigischer  Seite  die  Thronbesteigung 
des    berechtigten    Thronfolgers    nicht  erzwungen    werden  konnte,    dass  somit 
der  Fall    eintrat,    für  den  zu   ungestörter  Fortführung    der    Landesverwaltung 
und  sicherer  Aufrechterhaltung  der  Rechte  der  legitimen  Dynastie  das  Regent- 
schaftsgesetz vom    i6.  Februar  1879    gegeben  worden  war.     Aber  ihn    hätte 
keine  Gewalt  der  Erde  dazu  vermocht,    eine  Massregel    gut  zu  heissen,     die 
auf  eine   Vereitelung   jener  Thronfolgerechte    abgezielt    hätte.      Und   als    die 
thatsächliche  Verhinderung  des  berechtigten  Thronfolgers  zur  sofortigen  Ueber- 
nahme  der  Regierung    vorläufig    anerkannt    und   ein  Regent  gewählt   werden 
musste,  da  konnte  er  sich  nicht  dazu  verstehen,  die  Schuld  an  dieser  Zwangs- 
lage dem  unglücklichen  Herzoge  von  Cumberland  aufzubürden.     Das  geschah 
in  dem  Antrage  der  staatsrechtlichen  Commission,  der  am  20.  October  1885 
zur  Verhandlung  kam.  Mochten  auch  viele  von  der  inneren  Ungerechtigkeit  dieses 
dem  Herzoge  gemachten  Vorwurfs  bei  sich  überzeugt    sein:    den  Muth,    sich 
offen  dagegen  zu  erklären,    fanden  nur  S.  und  sein  Freund,    der  Abt  Thiele. 
Noch    klarer    trat    sein   edler  Mannesmuth    bei    den  Berathungen    über    den 
Huldigungseid    für    den   Prinzregenten    zu    Tage.     Um    sich    und   vielen    ge- 
ängstigten Herzen,    namentlich    auch    unter  der  Geistlichkeit,    Beruhigung  zu 
verschaffen,  hielt  er  es  für  seine  Pflicht,  über  das  Verhältniss  des  neuen  Eides 
zu  dem  alten  dem  Hause  Braunschweig  geschworenen  Erbhuldigungseide  eine 
authentische  Erklärung  zu  verlangen,   und  seinem  entschiedenen  Auftreten  ist 
es  zu  danken,  dass  damals  von  dem  Vorsitzenden  des  Staatsministeriums,  der 
auffallenderweise    erst    einer    offenen    Aussprache    auswich,    dann    doch    dem 
neuen    Huldigungseide    eine  Erklärung    gegeben  wurde,    nach    der  ohne  Ge- 
wissensbedenken   auch    alle    diejenigen    ihn  hätten   leisten  können,    die    den 
alten  Erbhuldigungseid  in  fester  Treue  zu  halten  gewillt  waren.     Das  hat  im 
ganzen  Lande    zahlreiche    besorgte   Gemüther    von  drückender  Sorge  befreit 
und  ihm  in  weiten  Kreisen,  zu  denen  auch  Schreiber  dieser  Zeilen  lebenslang 
sich  rechnen  wird,   aufrichtigen  Dank  und  innige  Verehrung  erworben.     Dass 
bei    dieser    offen    bethätigten    legitim  -  monarchischen   Gesinnung    sowohl   der 
Regent  des  Herzogthums,   Prinz  Albrecht,    wie   dessen  Gemahlin  S.  stets  mit 
der  grössten  Auszeichnung  behandelten  und  wiederholt  eines  besonderen  Ver- 
trauens würdigten,  mag  manchen  überrascht  haben,  hat  aber  nicht  zum  min- 
desten   dazu  beigetragen,    dem  Regenten    volles  Zutrauen   und  wahre  Hoch- 
achtung gerade    in  legitimistischen  Kreisen  zu    gewinnen.     Sonst  hat  sich  S. 
von    allem    politischen  Treiben   geflissentlich   fem  gehalten.     Jede  Thätigkeit 
der  Art  schien  ihm  nicht  im  Einklänge  zu  stehen  mit  den  Pflichten,  die  ihm 
die  Würde    seines    hohen  Kirchenamtes    auferlegte.     Dieser    äusserlich  und 
innerlich  zu  genügen,    war  er  stets  auf  das  eifrigste  bedacht,    aber,    was  das 
schönste  dabei  war,    ohne   dass  jemand  etwas  davon  merkte.     Eine  Achtung 


Sallentien.     von  Wegele.  ^nc 

gebietende  Würde  war  ihm  angeboren;    er  war  nie  besorgt,   sie  zu  verHeren, 
und  verband  damit  eine  so  anspruchslose  Einfachheit  und  Natürlichkeit,  einen 
so    feinen  Takt,  so  gewinnende  Formen,  dass  sogleich  ein  jeder  unwillkürlich 
sich    zu    ihm    hingezogen    fühlte.     Hinzu   kam,    dass    auch   die   Güte    seines 
Herzens,    die  Vornehmheit    seiner  Gesinnung    in  seinem  Wesen   unwillkürlich 
zum   Vorschein  kamen.     Er    war    eine    glücklich  harmonische  Natur,    in  der 
ciie    Kräfte  des  Geistes    und  Gemüthes    in   schönstem   Gleichmaasse    standen; 
dabei  besass  er  einen  fröhlichen,  heiteren  Sinn,    war  er   auch  für    ein    harm- 
loses Scherzwort  stets   aufgeschlossen  und  verstand  es,    schlagfertig    sofort  in 
gleichem  Tone  zu  erwidern.     Die  liebste  Erholung    von    seinem  Berufe  fand 
er    in  dem   glücklichen  Familienkreise,    der  ihn  umgab,    dessen   Seele  er  war 
und  dem  er  durch  sein  ernstes  und  doch  heiteres  Wesen  den  Charakter  eines 
christlichen  Hauses    im  besten  Sinne    des  Wortes    verlieh.     Für  ein  schweres 
Unterleibsleiden,    das    er  mit  bewundemswerther  Geduld  und  Standhaftigkeit 
trug,    hatte    ein  wiederholter  Besuch  des  Bades  Wildungen  ihm  keine  völlige 
Oesundung  bringen  können.     Im   letzten  Jahre    Hessen    seine  Kräfte  merklich 
nach  und  am  Morgen  des  3.  Februar  1897  machte  der  Tod  seinem  arbeits- 
reichen und  gesegneten  Leben  ein  Ende. 

Braunschw.  Magazin    1897,   S.  25  —  28.  —  Brunonia  1897,   No.  7.  —   Evang.-luther. 
Wochenblätter  1897,  S.  26 — 31. 

P.  Zimmermann. 

Wegele,  Franz  Xaver  von,  Historiker,  *  am  28.  October  1823  zu 
Landsberg  am  Lech,  f  am  16.  October  1897  zu  Wtirzburg.  —  Am  16.  October 
1897  verlor  die  Universität  Würzburg  einen  ihrer  verdientesten  Lehrer,  eines 
ihrer  charaktervollsten  Mitglieder,  Franz  Xaver  von  Wegele.  Sein  reines, 
arbeitsreiches  Leben  war  eine  lange  Spanne  Zeit  der  fränkischen  Hochschule 
gewidmet,  in  erster  Linie  im  Gelehrtenleben,  dann  aber  auch  bedeutsam 
durch  seinen  politischen  Inhalt,  durch  das  feste  und  unentwegte  Eintreten  für 
Recht  und  Billigkeit,  für  eine  freiere  Auffassung  der  Dinge,  als  man  sie  im 
Königreich  Bayern  in  jenen  Tagen  gewohnt  war.  Es  ist  daher  Pflicht  der 
Nachlebenden,  seinen  fleckenlosen,  an  Verdiensten  und  Erfolgen  reichen 
Lebensgang  in  Worten  festzuhalten  und  künftigen  Geschlechtern  als  Beispiel 
dafür,  was  auch  ein  schlichter,  deutscher  Gelehrter  an  fruchtbarem  Samen  in 
seinem  Vaterlande  ausstreuen  kann,  hinzustellen. 

W.  wurde  in  dem  alten,  malerischen  und  an  historischen  Erinnerungen 
nicht  allzu  armen  Städtchen  Landsberg  am  Lech  in  Oberbayem,  als  Sohn 
eines  Metzgermeisters,  geboren.  Seine  Gymnasialbildung  empfing  er  auf  dem 
Benedictiner-Gymnasium  zu  St.  Stephan  in  Augsburg.  Hier  sind  es  besonders 
einige  aus  Oesterreich  berufene  Lehrer,  deren  Unterricht  von  Werth  für  seine 
Ausbildung  wurde.  Im  Uebrigen  nimmt  sein  Jugendleben  den  gewöhnlichen 
Verlauf  und  wir  sind  nicht  im  Stande  zu  sehen,  welche  Anregungen  ihn  auf 
den  künftigen  Beruf  als  Historiker  gebracht  haben.  Vielleicht  dürften  die 
historischen  Erinnerungen  in  Landsberg,  mehr  noch  wohl  die  Augsburgs  in 
ihm  die  Liebe  zur  Geschichte  geweckt  haben.  Welche  Personen  auf  ihn  in 
der  Jugend  Einfluss  gehabt  haben,  bleibt  uns  ebenfalls  leider  verborgen.  Ein 
besonders  nahes  Verhältniss  hat  ihn  mit  der  Mutter  verbunden,  die  ein  hohes 
Alter  erreicht  hat  und  der  er  stets  mit  aufrichtiger  Liebe  und  Verehrung 
anhing.  Nach  Beendigung  seiner  Gymnasialstudien  bezog  W.  1842  die  Uni- 
versitäten München  und  Heidelberg,    und  hier    am   Neckar  war  es,  wo  vor 


376  von  Wegele. 

Allem  drei  Männer  die  Richtung  seiner  Geistesbildung  bestimmten,  Schlosser, 
Gervinus  und  der  noch  jugendliche  Ludwig  Häusser.  Früh  von  der  Neiping 
zur  Litteraturgeschichte  erfüllt,  bot  ihm  dafür  besonders  Gervinus  Anregung 
und  W.'s  spätere  Arbeiten  haben  gezeigt,  dass  er  dieser  Vorliebe  stets  treu 
geblieben  ist.  Die  universalhistorische  Richtung  Schlossers  hat  W.  dahin 
gebracht,  nie  an  Einzelheiten  kleben  zu  bleiben,  sondern  den  Blick  odfen  zu 
halten  für  die  Gesammtentwickelung  der  Menschheitsgeschichte.  Daneben 
trat  dann  die  politische  Geschichte,  deren  glänzender  Vertreter  Häusser  war, 
in  ihre  Rechte  und  erfüllte  den  jungen  Studenten  mit  Begeisterung.  An 
dem  Vorbilde  Häusser' s  hat  sich  dann  auch  der  junge  Docent  W.  ausgebildet 
und  die  glänzenden  Eigenschaften  des  Häusser'schen  Vortrages  sind  auf  den 
Jüngeren  übergegangen  und  haben  ihn  in  seiner  akademischen  Laufbahn  ru 
einem  anregenden  und  gewandten  Lehrer  gemacht.  Nachdem  er  in  Heidel- 
berg den  Doctortitel  erworben,  suchte  sich  W.,  von  Häusser  dazu  angeregt, 
im  praktischen  politischen  Leben  umzusehen  und  begab  sich  zu  diesem 
Zwecke  im  Jahre  1848  nach  Frankfurt  am  Main,  das  damals  für  einige  Zeit 
durch  das  eben  versammelte  deutsche  Parlament  der  Mittelpunkt  des  poli- 
tischen Lebens  unserer  Nation  wurde  und  einem  offenen  Kopfe  w^ie  dem  W/s 
einen  Einblick  in  die  politischen  Vorgänge  der  Zeit  bot,  wie  er  günstiger 
damals  nicht  zu  gewinnen  war.  In  den  verschiedenen  politischen  Clubs  der 
Mainstadt  gab  es  viel  zu  beobachten  und  zu  lernen,  und  daraus  hat  der 
junge  Gelehrte  bleibende  und  fruchtbringende  Eindrücke  für  alle  Zukunft 
gesammelt. 

Im  Jahre  1849  wandte  sich  W.  nach  Thüringen  und  Hess  sich  in  Jena 
als  Privatdocent  der  Geschichte  nieder.  1851  wurde  er  hier  ausserordent- 
licher Professor.  Seine  öffentliche  Wirksamkeit  als  akademischer  Lehrer  und 
seine  wissenschaftliche  Laufbahn  als  historischer  Schriftsteller  nahmen  nun 
ihren  Anfang.  Der  Geist  der  kleinen,  aber  vielseitig  angeregten  Musenstadt 
Jena  erfüllte  bald  auch  W.  Hier  hatte  einst  Schiller  als  Historiker  gewirkt, 
hier  wehte  noch  die  litterarische  Luft  des  XVTU.  Jahrhunderts  und  begann 
auf  den  jungen  Docenten  ihren  Zauber  auszuüben.  Zunächst  geht  er  ganz 
auf  in  der  akademischen  Thätigkeit.  Vorlesungen  über  die  Geschichte  der 
deutschen  Historiographie,  die  sich  später  zu  einem  Buche  auswachsen  sollten, 
damals  aber  in  Ermangelung  guter  Hilfsmittel  noch  mühsam  aus  dem  Rohen 
zusammengetragen  und  verarbeitet  werden  mussten,  füllten  die  erste  Zeit  aus 
und  welchen  Erfolg  er  damit  hatte,  zeigte  ihm  schon  früh  die  Dankbarkeit 
und  Anhänglichkeit  der  Schüler,  unter  denen  später  zur  Bedeutung  gelangte 
Historiker,  wie  die  schwäbischen  Vettern  Otto  und  Siegurd  Abel  sich  be- 
fanden. Auch  an  den  nahen  Weimarer  Hof  wurde  W.  zur  Abhaltung  eines 
Vortrages  berufen. 

Bald  ist  es  die  thüringische  Geschichte,  die  den  jungen  Gelehrten  be- 
sonders anzog  und  die  seine  ersten  historischen  Schriften  hervorrief.  Karl 
August  von  Weimar  eröffnete  die  Reihe  derselben.  Litteratur  wie  Politik, 
die  beiden  Dinge,  die  W.  von  Anfang  an  anzogen  und  in  deren  Verbindung 
sich  seine  Geistesrichtung  am  Deutlichsten  ausprägte,  sind  in  diesem  Ftirsten- 
leben  so  eng  mit  einander  verknüpft,  dass  es  für  W.  einen  besonderen  Reiz 
haben  musste,  sich  gerade  an  diesem  Stoffe  zu  versuchen  und  die  ersten 
Sporen  zu  verdienen  und  dieser  Versuch  ist  dem  jungen  Manne  trefflich  ge- 
lungen. Scharf  umrissen  tritt  uns  die  Gestalt  des  Weimarer  Fürsten  entgegen : 
die  stürmische  Jugend,  der  Bund  mit  Goethe,  die  Abklärung  im  reifen  Alter, 


von  Wegele.  oyy 

die  Vielseitigkeit  der  geistig -litterarischen  wie  der  politisch -landesväterlichen 
Interessen  dieses  ideal  angelegten  Wettiners,  ihnen  allen  weiss  W.  gerecht  zu 
w-erden  und  uns  das  Bild  eines  unserer  besten  deutschen  Herrscher  lieb  und 
wert  zu  machen.  Für  einen  so  jungen  Gelehrten  wie  W.  war,  legt  das  Buch 
Zeugniss  ab  von  einer  merkwürdig  scharfen  Beobachtungsgabe  und  von  durch- 
dringendem, politischem  Urtheil.  Der  Jenenser  Aufenthalt  zeitigte  ausserdem 
noch  einige  Publikationen,  welche  uns  die  Quellen  zur  älteren  thüringischen 
Oeschichte  —  denn  W.  verband  mit  allgemeinen  Gesichtspunkten  und  For- 
schungen auch  gerne  das  Naheliegende,  durch  das  lokale  historische  Interesse 
Oebotene  —  erschlossen  haben.  Ich  meine  die  Ausgaben  der  Annales  Rein- 
hardsbrunnenses  und  der  Chronik  des  Erfurter  Mönches  Nikolaus  von  Siegen, 
die  er  in  den  Thüringischen  Geschichtsquellen  Band  I  und  II  erscheinen  Hess. 
Auf  denselben  Studienkreis  bezog  sich  dann  das  später  entstandene  Werk: 
P'riedrich  der  Freidige,  Markgraf  von  Meissen,  Landgraf  von  Thüringen  und 
die  Wettiner  seiner  Zeit  (1247 — ^3^S)r  ^^  ^^^  ^^^  einem  der  wichtigsten 
Abschnitte  der  mittelalterlichen  sächsisch -thüringischen  Geschichte  in  sorg- 
fältiger Forschung  bekannt  machte.  Den  territorialen  Zusammenschluss  der 
sächsisch  -  thüringischen  Lande  unter  der  Führung  des  Markgrafen  Friedrich 
des  Freidigen,  der  mit  zäher  Energie  an  den  Rechten  seines  Hauses  festhielt 
und  dadurch  den  Grund  zur  Wettinischen  Hausmacht  in  Mitteldeutschland 
legte,  wird  uns  in  einem  anziehenden  biographisch -historischem  Bilde 
dargelegt. 

Ebenfalls  dem  Jenenser  Aufenthalt  gehört  endlich  ein  Werk  an,  das  die 
Kigenart  W.*s,  die  in  einer  feinen  Beobachtung  der  Litteraturgeschichte  ver- 
bunden mit  universalhistorischen  Gesichtspunkten  besteht,  besonders  deutlich 
darlegt,  ich  meine  Dante  Alighieri's  Leben  und  Werke.  Das  Buch  erfreute 
sich  eines  solchen  allgemeinen  Beifalls,  dass  es  1879  ^^  dritter  Auflage  er- 
scheinen konnte.  Dante  der  Mensch,  der  Politiker,  der  Dichter,  ein  mittel- 
alterlicher Geist  mit  bereits  modernem  Gepräge,  wird  uns  an  der  Hand  der 
besten  Quellen  klar  vor  die  Augen  gestellt.  Aber  nicht  nur  sein  Leben, 
seine  politische  Rolle  erfahren  die  beste  Beleuchtung  durch  die  Kunst  des 
kenntnissreichen  Historikers,  die  um  so  höher  anzuschlagen  ist,  als  W.,  auch 
darin  ein  echter  deutscher  Gelehrter,  niemals  den  Boden  Italiens,  dem  sein 
Held  entsprossen  war,  betreten,  niemals  die  Schauplätze  von  Dantes  Leben  und 
Wirken,  Florenz,  Verona,  Ravenna  mit  eigenen  Augen  geschaut  hat;  auch  seine 
Werke  der  Dichtkunst  wie  der  Prosa  werden  von  W.'s  Hand  zerlegt  und  in 
ihrem  geistigen  Inhalt,  der  der  Menschheit  angehört,  vorgeführt.  Mit  Hilfe 
dieses  Buches  ist  zum  ersten  Male  das  Leben  Dantes  und  das  Werk  seines 
Lebens  aus  dem  Dunkel  der  Vergangenheit  in  das  Licht  des  hellen  Tages 
gezogen  worden  und  noch  heute  ist  ein  Verständniss  Dantes  nicht  möglich 
ohne  Benutzung  dieses  Buches.  Das  hat  auch  neuerdings  der  jüngste  Biograph 
Dantes,  Franz  Xaver  Kraus,  mit  warmen  Worten  anerkannt  und  daran  wird 
die  Gegnerschaft  anderer  Dante-Forscher,  die  mit  Geringschätzung  auf  W.'s 
Leistung  herabblicken  zu  müssen  meinten,  nichts  zu  ändern  vermögen.  Grund- 
legend für  alle  weitere  Forschung  bleibt  W.'s  Dante-Biographie,  vermag  auch 
neu  hinzukommendes  Material  hie  und  da  in  dem  Gesammtbilde  einen  neuen 
Zug  hineinzuzeichnen. 

Der  Jenenser  Aufenthalt  W.'s  ging  nun  nach  Vollendung  des  Dante 
seinem  Ende  entgegen,  nicht  ohne  das  persönliche  Leben  des  jungen  Ge- 
lehrten bereichert  zu  haben.     In  Jena  führte  W.  seine  erste  Gattin  heim,  um 


378  von  Wegele. 

mit  ihr  glückliche  Jahre  zu  verleben  und  sie  dann  früh  hingeben  zu  müssen. 
Drei  Söhne  sind  aus  dieser  ersten  Ehe  hervorgegangen,  der  Stolz  und  die 
Freude  des  Vaters,  zugleich  einer,  der  älteste,  sein  Schmerzenskind,  das  er 
in  dessen  Jünglingsalter  jählings  verlieren  musste.  So  blieben  auch  diesem 
Glückskinde  die  Prüfungen  unseres  irdischen  Lebens  nicht  völlig  erspart.  Sie 
hinderten  ihn  aber  nicht,  seinen  Berufs-  und  literarischen  Pflichten  mit  un- 
geschmälertem Eifer  nachzukommen,  spornten  ihn  vielmehr  an,  in  öffentlicher, 
wissenschaftlicher  Thätigkeit  den  Trost  gegen  Menschenschicksal  zu  suchen 
und  zu  finden. 

Ein  neuer  Lebens-Abschnitt  beginnt  für  W.  mit  der  Berufung  als  ordent- 
licher Professor  der  Geschichte  an  die  Universität  Wtirzburg  im  Jahre  1857. 
Seine  bayerische  Heimat  hatte  in  der  Zeit,  wo  er  sie  gemieden,  eine  beachten>- 
werthe  Umwandlung  durchlebt.  Das  reactionäre  Regiment  König  Ludwigs  L. 
der  nach  den  stürmischen  Tagen  der  Jugend,  in  denen  er' sich  fiir  die  Ik- 
freiung  des  deutschen  Bodens  von  der  französischen  Fremdherrschaft 
Napoleons  L  begeisterte,  bald  finsteren  Mächten  verfiel  und,  eine  autokratische 
Natur,  sein  Land  und  Volk  auf  seine  Weise  zu  beglücken  trachtete,  war  von  den 
Stürmen  der  Revolution  des  Jahres  1848  hinweggefegt  worden,  sein  Sohn, 
Maximilian  IL,  sass  jetzt  auf  dem  bayerischen  Thron.  Mit  ihm  begann  ein 
freierer  Geist  über  Bayern  zu  wehen  und  vor  Allem  suchte  der  junge  König, 
dem  Beispiele  seiner  erlauchten  Ahnen  folgend,  der  Wissenschaft  in  erster 
Linie  und  neben  ihr  der  Kunst,  eine  Heimat  in  seinem  Bayemlande  zu 
gründen.  Männer  der  Wissenschaft  trachtete  Maximilian  n.  um  sich  zu  ver- 
sammeln, mit  ihnen  in  zwanglosem  Verkehr  geistigen  Austausch  zu  pflegen 
und  sich  mit  Vorliebe  in  philosophische,  historische  und  politische  Fragen  zu 
vertiefen.  In  diesem  Kreise  entstand  nun  der  Plan,  auch  W.'s  Kräfte  seinem 
Vaterlande  nutzbar  zu  machen.  So  wurde  er  von  Jena  als  ordentlicher  Pro- 
fessor der  Geschichte  nach  Wtirzburg  berufen,  auf  einen  Lehrstuhl,  den  er 
40  Jahre  lang  ohne  Unterbrechung  mit  immer  steigendem  Erfolge  ein- 
nehmen sollte. 

W.  hatte  schon  in  Jena  durch  eine  Arbeit,  welche  die  rheinfränkische 
Geschichte  berührte,  gezeigt,  dass  er  besonders  geeignet  war,  an  der  fränki- 
schen Hochschule  das  Interesse  für  die  engere  vaterländische  Geschichte  Ost- 
frankens zu  heben  und  zu  pflegen.  1855  Hess  er  die  Monographie  über 
Arnold  von  Selenhofen,  Erzbischof  von  Mainz  (11 53  — 11 60),  erscheinen.  Er 
schildert  darin  die  schweren  Kämpfe,  die  dieser  stolze  und  autokratische  Prälat 
mit  der  Stadt  Mainz  fuhrt  und  in  denen  er  schliesslich  unterliegt.  Ein  düsteres 
Bild  aus  der  Reichs-  und  Territorialgeschichte  des  XII.  Jahrhunderts  wird  vor 
uns  aufgerollt,  ein  Kampf  geschildert,  wie  er  im  Mittelalter  so  manche  deutsche 
Stadt  durchtobt  hat  und  mit  wechselndem  Glücke  von  den  Bürgerschaften 
geführt  wurde. 

In  erster  Linie  widmete  W.  in  Würzburg  seine  Kräfte  der  akademischen 
Thätigkeit  und  er  war  dazu  wie  Wenige  geschaffen.  Schon  seine  äussere 
Erscheinung  hatte  etwas  Imponirendes  und  Anziehendes  zugleich.  Die  hoch- 
ragende Gestalt,  der  ausdrucksvolle  Kopf  mit  der  kühnen  Adlernase  und  den 
dunklen,  sprühenden  Augen  nahmen  für  ihn  ein,  noch  mehr  der  reiche  und 
anregende  Inhalt  seiner  Vorträge.  Er  erweiterte  jetzt  bedeutend  den  Kiey^ 
seiner  Vorlesungen  und  nahm  mit  Vorliebe  Themata  aus  der  neueren  und 
neuesten  Geschichte  zum  Gegenstand  des  Vortrages.  Französische  Revolution 
und  Geschichte  Napoleons  I.,  Geschichte  des  XIX.  Jahrhunderts  von  1815  ab 


von  Wegele.  ^yo 

wurden  von  ihm  häufig  traktirt,  daneben  aber  auch  die  Geschichte  des  Mittel- 
alters,   der  Reformation    und    der  Gegenreformation  mit  dem  dreissigj ährigen 
Kriege,  das  Zeitalter  Friedrich   des  Grossen  nicht  vernachlässigt.     Aber  auch 
in     die    englische  Geschichte  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  englischen 
Revolution  griff  er  gerne  hinüber  und  aus  dem  Gebiete  der  Culturgeschichte 
zog    ihn   vor  Allem  das  Zeitalter  der  Renaissance  als  Geburtsstätte  des  mo- 
dernen Geistes  an.     Aber  nicht  nur  als  Lehrer  der  studentischen  Jugend  trat 
W.   in  Würzburg  auf,  auch  seinen  Mitbürgern  bot  er  mannichfache  Anregung 
in   Vorlesungen,  die  eben  für  diese  weiteren  Kreise  speciell  berechnet  waren. 
Hier  las  er  über  Dante,  Macchiavelli,  über  literaturgeschichtiiche  Gegenstände, 
wie     Shakespeare's    Königsdramen,    über    die    historisch    sich    entwickelnden 
Wechselbeziehungen  zweier  so  hervorragender  Staatsgebilde,   wie  Deutschland 
und   Frankreich.     Für    das    wissenschaftliche  Studium    der  Geschichte  an  der 
Würzburger  Hochschule  erwarb  sich  W.  endlich   ein  grosses  Verdienst  durch 
die   Gründung  eines  historischen  Seminars,   in  welchem   die  Grundlagen  der 
historischen  Wissenschaft,   die  Einführung   in    die  Methode    der  historischen 
Forschung    den  Schülern    gelehrt    wurden.     Neben    historischer  Propädeutik 
wurden  eifrig  die  Quellen  zur  mittelalterlichen  Geschichte  gelesen,  erklärt  und 
kritisch  beleuchtet,   ebenso   die   historischen  Hilfswissenschaften  wie   Chrono- 
logie, Paläographie  und  Diplomatik,   letztere  an  der  Hand  der  archivalischen 
Schätze  in  Würzburg,   in  den  Kreis  der  Studien  gezogen.     Der  moderne  Be- 
trieb der  historischen  Wissenschaft  hat  erst  durch  W.  in  Würzburg  eine  Stätte 
gefunden.    Gründlichkeit  in  der  Durchforschung  des  Quellenmaterials,  kritische 
Methode,  Objectivität  in  der  Betrachtung  der  historischen  Vergangenheit,  das 
waren  die  obersten  Grundsätze,  die  er  seinen  Schülern  beizubringen  trachtete; 
daneben    pflegte    er    als    ein  Mann   von  literarischer  Begabung  und  von  Ge- 
schmack die  schöne  Form  des  Ausdrucks  und  der  Darstellung.    Ein  würdiges 
äusseres  Kleid    ftir    die    aus    dem  Rohmaterial   herausgearbeiteten  Ergebnisse 
kritischer  Forschung    hat  W.  nie  verschmäht    und    dafür  sowohl   durch  seine 
künstlerisch  abgerundeten  und  formvollendeten  Vorlesungen,   wie  durch  seine 
gut    geschriebenen  Werke    ein    leuchtendes,    zur    Nacheiferung    anspornendes 
Beispiel  gegeben. 

Aber  W.  ging  nicht  auf  in  der  Thätigkeit  für  seine  Zuhörer,  auch  um 
die  Organisation  der  Körperschaft,  der  anzugehören  er  immer  als  eine  be- 
sondere Ehre  angesehen  hat,  der  Universität,  war  er  in  hervorragendem  Maasse, 
mit  regstem  Eifer  und  als  ein  Mann  von  festem  Charakter  bemüht.  Er  hielt 
es  mit  für  seine  Hauptaufgabe,  in  Würzburg  dafür  zu  sorgen,  dass  die  Uni- 
versität auf  einer  hohen  Warte  stehen  und  allein  der  Wissenschaft,  der  Er- 
forschung der  Wahrheit,  so  weit  diese  überhaupt  für  uns  Sterbliche  zu  er- 
mitteln und  zu  ergründen  ist,  dienen  müsse  ohne  jede  Rücksicht  auf  con- 
fessionelle  oder  auf  politische  Schranken.  Man  war  in  Bayern  im  XIX.  Jahr- 
hundert nicht  immer  gewillt,  einen  so  hohen  und  idealen  Standpunkt  im 
Leben  der  Universitäten  einzunehmen;  W.  gebührt  das  Verdienst  stets  darauf 
als  beste  Bürgschaft  für  die  Blüthe  des  Geisteslebens  hingewiesen  zu  haben 
und  die  Universität  über  das  Getriebe  der  Parteien  in  die  reine  Luft  der 
Wissenschaftiichkeit  zu  heben.  Das  zeigte  sich  vor  Allem  in  seiner  Thätigkeit 
als  Dekan  und  Senator  bei  Berufungen,  wo  er  nur  den  wissenschaftlich  Lei- 
stungsfähigen für  würdig  hielt,  in  die  Körperschaft  seiner  alma  mater  Julia 
einzutreten,  ebenso  bei  der  Verwaltung  des  Rektorates,  mit  der  ihn  bereits 
in  jungen  Jahren  1863  seine  Collegen  betrauten.     Diesen  Grundsätzen  ist  W. 


380  von  Wegclc. 

treu  geblieben  bis  an  sein  Grab  und  mit  Schmerz  und  Trauer  sah  er  die 
Möglichkeit  voraus,  dass  nach  seinem  Tode  andere  und  kleinliche  Gesicht- 
punkte die  herrschenden  werden  und  die  Blüthe  des  Universitätslebens  ver- 
derben könnten,  wie  denn  auch  seine  Voraussicht  leider  eingetreten  und  W.  ^ 
Lehrstuhl  durch  den  bayerischen  Cultusminister  einer  Parteirichtung  schlimin- 
ster  Art  ausgeliefert  worden  ist. 

Neben  der  Sorge  ftir  den  Unterricht  der  akademischen  Jugend ,  für  die 
geistige  Bildung  seiner  Mitbürger  und  für  die  Aufrechterhaltung  der  Blüthe 
der  Universität  Würzburg  entfaltete  W.  in  seiner  neuen  Stellung  auch  eint 
ungewöhnlich  reiche  literarische  Arbeitskraft,  die  der  Geschichte  Thüringen'« 
wie  Frankens,  der  Würzburger  Universität  und  der  Entwickelung  unsere: 
deutschen  Geschichtsschreibung  überhaupt  zu  Gute  kam.  Wie  er  einst  b 
Jena  gern  auf  die  Erforschung  der  thüringischen  Lokalgeschichte  einging  urü 
jetzt  noch  in  Erinnerung  an  vergangene  Tage  der  heiligen  Elisabeth  vcn 
Thüringen  ein  würdiges  biographisches  Denkmal  setzte,  war  er  bemüht,  auch 
die  Geschichte  Ostfrankens  durch  Veröffentlichung  bisher  unbekannter  Quellen 
derselben  und  durch  Darstellung  hervorragender  und  charakteristischer  Epocher. 
und  Personen  im  Verlaufe  ihrer  Entwickelung  aufzuhellen.  So  entstanden 
Publicationen  wie  die  Monumenta  Eberacensia,  das  Corpus  Regulae  seu  Cii- 
lendarium  Domus  S.  Kiliani  Würceburgensis  saecula  K  —  XIV  amplecteav 
Durch  zahlreiche  Abhandlungen  und  Aufsätze  suchte  er  die  Griuidlage  für 
eine  beabsichtigte,  aber  leider  unausgeführt  gebliebene,  umfassende  Geschichte 
Ostfrankens  zu  gewinnen.  Dahin  gehören  Abhandlungen  wie:  Zur  Literatur 
und  Kritik  der  fränkischen  Nekrologien,  biographische  Studien  über  hervor- 
ragende Persönlichkeiten  der  fränkischen  Cxeschichte,  wie  Wilhelm  von  Gnim- 
bach,  Bischof  Gerhard  von  Würzburg,  aus  dessen  Leben  und  Regierung  er 
den  Städtekrieg  im  Hochstifte  Würzburg  herausgriff,  Götz  von  Berlichingen, 
dessen  Leben  er  an  der  Hand  seiner  eigenen  Denkwürdigkeiten  klar  zu  legen 
suchte,  endlich  zahlreiche  biographische  Artikel  in  der  von  der  historischen 
Commissi on  in  München  auf  Anregung  Ranke's  herausgegebenen  und  von  ihm 
im  Verein  mit  Liliencron  redigirten  Allgemeinen  deutschen  Biographie.  Wün- 
burger  Stadtgeschichte  behandeln :  der  Hof  zum  Grafen  Eckard  zu  Würzburp. 
Würzburg  im  XH.  Jahrhundert.  Der  Geschichte  Thüringens  wie  Ostfrankens 
kamen  endlich  auch  seine  in  Sybel's  historischer  Zeitschrift  ab  und  zu  er- 
scheinenden Besprechungen  der  neueren  historischen  Literatur  dieser  beiden 
Landschaften  zu  Gute.  Dem  ersten  Geschichtsschreiber  Bayerns,  Aventin, 
widmete  er  ein  biographisches  Denkmal,  das  in  der  deutschen  Gelehrten- 
geschichte stets  einen  würdigen  Platz  einnehmen  wird.  Und  wie  er  literatur- 
geschichtliche Betrachtung  neben  politischer  Geschichte  von  Anfang  an  ge- 
liebt hatte,  so  entstanden  nun  zwei  Werke  aus  seiner  Feder,  die  von  seiner 
Begabung  für  diese  Richtung  der  Geschichtsschreibung  Zeugniss  ablegen.  Als 
im  Jahre  1882  die  Universität  Würzburg  ihr  dreihundertjähriges  Jubiläum  zu 
feiern  sich  anschickte,  wurde  W.  der  ehrenvolle  Auftrag  zu  Theil,  die  Ge- 
schichte derselben  zu  schreiben.  Er  hat  diese  Aufgabe  in  würdiger  Weise 
gelöst  und  uns  ein  zweibändiges  Werk,  in  dem  er  die  Geschichte  der  alma 
mater  Julia  bis  1806  herunterführt  und  uns  auch  die  nöthigen  Belege  durch 
die  Veröffentlichung  des  urkundlichen  Materials  bietet,  geschenkt.  Wie  die 
Universität  des  Fürstbischofs  Julius  Echter  von  Mespelbrunn  auf  der  Grund- 
lage älterer  Stiftungen  aufgebaut  wurde,  wie  sie  als  Hort  des  Katholicismu.« 
im  Zeitalter  der  Gegenreformation  gedacht  war,   wie  sie  sich  im  Laufe   ihrer 


von  Wcgele.  ^Si 

ersten  drei  Jahrhunderte  bis  1806  im  Dienste  verschiedener  Geistesrichtungen 
entwickelt  hat,  wird  uns  an  der  Hand  reichen  Quellenmaterials  dargelegt  und 
bietet    einen    wichtigen    Ausschnitt    aus    der    Geschichte    unseres    deutschen 
Geisteslebens.     Leider    ist    es  W.  nicht    mehr    vergönnt    gewesen,    in   einem 
dritten  Bande,    mit    dessen  Abfassung    ihn    seine   CoUegen    ebenfalls    betraut 
hatten,   die  Geschichte  der  Universität  Würzburg  bis  auf  unsere  Tage  herab- 
zufiihren.     Er  hätte  uns  hier  einen  hochinteressanten  Einblick  in  die  Cultur- 
und  Geistesgeschichte  unserer  Zeit  verschaffen  können,  wie  kaum  ein  Anderer, 
da    er    als  Zeitgenosse    mit  seinem  scharfen  und  freien  Blick  in  manche  Ab- 
gründe bayerischer  Staatsverwaltung  hineingeleuchtet  und  nachgewiesen  hätte, 
mit  wie  geringer  Weisheit  oft  die  Geschicke  der  Völker  geleitet  werden.     Es 
wäre  wtinschenswerth,  dass  wenigstens  der  vollendete  Theil  des  Manuscriptes, 
der    sich    auf   der  Königlichen  Universitäts-Bibliothek  zu  Würzburg    befinden 
soll,    noch    einmal    an  den  Tag  käme  und  von  einem  gleich  charakterfesten 
und  wahrheitsliebenden  Geschichtsschreiber,  wie  es  W.  war,  vollendet  würde. 
Er  würde  einen  wichtigen  Beitrag  zu  unserer  modernen  Geschichte  abgeben. 
Das   zweite    literarhistorische   Werk    schrieb  W.   im   Auftrage    der  Mün- 
chener historischen  Commission,  die  Geschichte  der  deutschen  Historiographie. 
Hier    dürfte    es    am  Platze  sein,    mit  ein  Paar  Worten  auf  die  Stellung  W.'s 
innerhalb  der  Commission  einzugehen.    Durch  König  Max  II.  von  Bayern  in's 
lieben  gerufen  und  unterstützt,  wurde  die  Münchener  historische  Commission 
bald  der  Mittelpunkt  der  historischen  Studien   und  Arbeiten   in  Deutschland, 
und    der  Kreis    von    deutschen  Gelehrten,  aus  dem  sie  sich  zusammensetzte, 
zeigt  uns  die  Elite  der  deutschen  Geschichtsschreiber  unter  der  Führung  des 
der  Wissenschaft  ergebenen  bayerischen  Königs.     W.  war   eines  der  ältesten 
Mitglieder  dieser  Commission,  nachdem  er  schon  vorher  in  den  Verband  der 
Mtinchener    Akademie    der   Wissenschaften    aufgenommen  worden  war.     Eng 
schloss  er  sich  hier  an  die  älteren  Genossen  an,  so  an  Ranke,  Waitz,  Sybel, 
Giesebrecht;  besonders  innige  Freundschaft  aber  verband  ihn  mit  Karl  von  Hegel. 
Er  pries  die  Münchener  Tage,  deren  Besuch  er  niemals  verabsäumte,  als  die 
glücklichsten    seines  Lebens,    da    sie    ihm  den  anregenden  und  erfrischenden 
Gedankenaustausch  mit  gl  eichgesinnten   Fachgenossen  brachten.     Bald   sehen 
wir  W.  auch  eifrig  an  den  Publicationen  der  historischen  Commission  betheiligt. 
Er  wurde  Mitherausgeber  der  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte,  welche 
es    sich  zur  Aufgabe  machten,    verdienstvolle  Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der 
deutschen  Geschichte  zu  veröffentlichen.    Er  leitete  im  Verein  mit  Liliencron 
die  von  Ranke  in*s  Leben  gerufene  Allgemeine  deutsche  Biographie,   eine  in 
lexikographischer  Anordnung  geschriebene  Sammlung  von  Lebensbildern  aller 
bisher  verstorbener  deutscher  Persönlichkeiten  von  Bedeutung.    Viele  Artikel, 
vor  Allem  aus  dem  Gebiete   der  ostfränkischen  Geschichte,  hat  W.  selbst  zu 
dem  Sammelwerke  beigesteuert.    Endlich  übernahm  er  es,  für  die  Geschichte 
der  Wissenschaften    in  Deutschland,    welche    die    historische  Commission  be- 
arbeiten   Hess,    eine  Geschichte    der    deutschen  Historiographie  zu  schreiben, 
die   1885    erschien.     Man    kann    nicht    behaupten,    dass  dieses  Werk  zu  den 
gelungenen  Leistungen  W.'s  gehört.     Es    fehlt    die    rechte  Verarbeitung  des 
schwerfälligen  und  spröden  Stoffes,  die  gleichmässige  Behandlung  der  langen 
Entwickelungsgeschichte  unserer  vaterländischen  Geschichtsschreibung,  Flüch- 
tigkeiten aller  Art  lassen  die  sonst  bei  W.  vorhandene  deutsche  Gründlichkeit 
vermissen.     Aber  daneben  muss  zugegeben  werden,  dass  es  W.  gelungen  ist, 
unsere    deutsche  Geschichtsschreibung    in    die    allgemeine    geistige  Bewegung 


382  ▼©»  Wcgcle. 

unseres  Volkes  richtig  einzureihen  und  besonders  Abschnitte,  in  denen  er 
selbständige  Studien  gemacht  hat,  so  die  über  unsere  Geschichtsschreibung  irr. 
XVIII.  und  XIX.  Jahrhundert,  sind  als  gut  gezeichnet  anzuerkennen.  Wem. 
W.  über  Goethe  und  Schiller  als  Historiker  spricht  oder  die  Verdienste  eine? 
Johannes  von  Müller  klarzulegen  hat,  leistet  er  in  diesem  Werke  Vorzügliche> 
Dass  es  keinen  höheren  Grad  der  Vollendung  erreicht  hat,  ist  weniger  & 
Schuld  des  Verfassers,  als  des  Stoffes,  der  weitzerstreut  erst  von  W.  mühsaiL 
zusammengetragen  und  verarbeitet  werden  musste.  Als  ein  erster  Versuch, 
die  Geschichte  unserer  Historiographie  im  Zusammenhange  darzustellen,  blei* : 
das  Werk  von  dauerndem  Werth  und  wird  künftigen  Bearbeitern  desselber 
Stoffes  als  unentbehrliche  Grundlage  dienen. 

Die  letzte  Hauptarbeit  seines  Lebens  war  mit  diesem  Werke  gethan.    W. 
widmete  sich  in  seinen  letzten  Lebensjähren  hauptsächlich  seinen  akademischen 
Pflichten.    Noch  blieb  eine  Aufgabe  übrig,  eine  Sammlung  seiner  an  verschie- 
denen Orten  gehaltenen  und  erschienenen  Vorträge  und  Abhandlungen,   do<.h 
ein  schweres  Leiden,  das  ihn  erfasste  und  seine  Kräfte  lähmte,   hinderte  ihr 
an    der  Ausführung.     So    hat    erst    nach  W.*s  Tod    eine  Freundeshand    ihm 
diesen  Liebesdienst  leisten  können.    Graf  Du  Moulin  Eckart  gab  die  Vorträge 
und  Abhandlungen  heraus  und  dankbar  ist  anzuerkennen,    dass  uns  dadurch 
eine  Fülle   von   kenntnissreichen  kleineren  Arbeiten  W.'s   dargeboten    worden 
ist.     Neben    manchen    uns    schon    bekannten  Aufsätzen  begrtissen  wir  einige 
hier  zum  ersten  Male,    so  den  über  Kaiser  Friedrich  I.  Barbarossa,    der  uns 
ein   treffliches  Charakterbild   eines  unserer  grössten  Kaiser  und  eine  gerechte 
Würdigung  seiner  Regierung  bietet.    Ebenfalls  der  staufischen  Geschichte  ge- 
hören  an:    Kanzler  Konrad   und   die  Sage  von  der  Wiederkunft  Kaiser  Frie- 
drichs II.     Auf  das  Gebiet  der  Literaturgeschichte    greifen    über:    Graf  Otto 
von  Hennenberg -Botenlauben,  die  deutsche  Memoirenliteratur,  die  uns  einen 
trefflichen  Ueberblick   über  alte  und  neue  autobiographische  Werke  in  deut- 
scher Zunge  giebt,  Frau  Baron  von  Oberkirch.     Biographische  Arbeiten  ül^r 
P'ranz    Qberthür,    Eulogius    Schneider,    die  Töchter    des  Hauses  Witteisbach 
schliessen   sich  an.     Der  Geschichte  der  Universität  Würzburg  sind    die  Re- 
formation der  Universität  Würzburg  und  ein  mit  Humor  geschriebener  Artikel : 
Kin  Frauenkrieg  an  der  Universität  Würzburg  entnommen.     Alexis  von  Toc- 
queville  ist  ein   seine   politische  und  historiographische  Wirksamkeit  beleuch- 
tender Aufsatz  gewidmet.     Wie  vertraut  W.  mit  der  neuesten  Cieschichte  i>t, 
erweist  er  in   der  Abhandlung:  Zur  Kritik   der  neuesten  Literatur  über   den 
Rastadter  Gesandtenmord,  wo  er  mit  scharfem  Messer  all'  den  Märchen  und 
Sagen,    die    sich    über    dieses  denkwürdige  Ereigniss  gebildet  haben,  an  den 
Ivcib  geht  und  auch  die  Phantasien  modemer  Geschichtsschreiber  über  diesen 
Gegenstand  abfertigt  und  aus  dem  Dunstkreis  ihrer  Darstellungen  den  wahren 
und  echten  Kern  herausschält.     W.  zeigt  sich  uns   in  diesem  nachgelassenen 
Werke  von  einer  neuen  Seite,   die  man  bisher  nur  aus  den  Berichten  seiner 
Schüler  gekannt  hatte,  als  Essayist,   und  zwar  von  hervorragender  Begabung. 
Die  sorgsam  ausgearbeiteten,  wohlabgerundeten  Bilder,    die  er  uns  in  seinen 
Aufsätzen  hinterlässt,  sind  das  Werk  eines  feingebildeten  Geistes,  der  in  seiner 
I^eichtigkeit  und  Beweglichkeit  des  Ausdruckes  fast  an  französische  Eigenart 
erinnert.     Sehr  verdienstvoll  ist  es,   dass  Graf  Du  Moulin   der  Sammlung  ein 
chronologisches  Verzeichniss  der  von  W.  veröffentlichten  Schriften  beigegeben 
hat,    aus    dem    man   sich  zuverlässig  über  seine  reiche  literarische  Thätigkeit 
unterrichten    kann.     Ich    vermisse    in  diesem  Verzeichnisse  nur  den  Aufsau: 


von  Wegcle.     Peter.  383 

Die  Beziehungen  der  Wettiner  zu  den  Ghibellinen  Italiens  in  der  Zeit  Dante's, 
Jahrbuch  der  deutschen  Dante-Gesellschaft  I,  21  ff.,  der  hiermit  nachgetragen 
werden  soll. 

Wir  stehen  am  Schlüsse  von  W.'s  arbeitsreichem  Leben,  und  wenn  wir 
es  nochmals  rückblickend  tiberschauen,  werden  wir  sagen  dürfen,  es  war  ein 
lieben  voll  Erfolg  und  Glück.  Früh  schon  in  die  richtige  Lebensstellung 
gelangt,  kann  W.  alle  seine  Kräfte  frei  sich  ausbilden  lassen,  als  Lehrer  an 
deutschen  Hochschulen,  wie  als  fruchtbarer  historischer  Schriftsteller.  Wie 
sein  öffentliches  Leben  glatt  und  ruhig  dahingeht,  so  ist  auch  sein  persön- 
liches Leben  mit  Glück  und  Harmonie  gesegnet.  Das  Unglück  hat  freilich 
auch  W.  nicht  verschont;  aber  an  der  Seite  einer  zweiten  Frau  erblüht  ihm  in 
Würzburg  neues  häusliches  Glück  und  auf  seine  heranwachsenden  Kinder  und 
Enkel  durfte  er  mit  Freude  und  Stolz  blicken.  Erst  die  letzten  Lebensjahre 
wurden  dem  allmählich  alternden  Gelehrten  durch  schwere  Leiden  getrübt; 
ein  gütiges  Geschick  hat  ihn  bald  davon  erlöst.  Unversöhnt  mit  seiner  Kirche, 
deren  äussere  Werkheiligkeit  seinem  nach  echter  Frömmigkeit  und  nach  Wahr- 
heit ringendem  Geiste  niemals  etwas  bieten  konnte,  ist  er  heimgegangen  und 
hat  so  noch  in  der  Sterbestunde  bewiesen,  dass  ihm  sein  ganzes  Leben  hin- 
durch nichts  höher  stand,  als  die  Wahrheit  und  deren  Erforschung.  Wollte 
man  ihm  eine  passende  Grabschrift  schreiben,  so  wäre  es  sein  oberster  Grund- 
satz, den  er  in  allen  Lagen  seines  Lebens  hoch  hielt:  die  Wahrheit  über 
Alles  I 

Ab  Quellen  habe  ich  benutzt:  Mittheilungen  der  Familie  Wegele.  —  Die  Leichen- 
reden der  Würzburger  Professoren  Prym,  Hantzsch,  Henner  und  des  protestantischen  Geist- 
lichen. —  Aufsätze  und  Notizen  in  der  Würzburger,  der  MUnchener  Allgemeinen  Zeitung 
und  der  Zeitschrift:  Das  Deutschthum  im  Auslande,  Mittheilungen  des  Allgemeinen  deut- 
schen Schulvereins  zur  Erhaltung  des  Dcutschthums  im  Auslande.  —  Endlich  den  soeben 
erschienenen  Lebensabriss  von  Graf  Du  Moulin  Eckart  in  Allgemeine  deutsche  Biographie 
XLIV,  443  ff. 

Baden-Baden,  den  i.  September  1898. 

Victor  Bayer. 

Pctcr,  Carl  Lorenz,  Kirchenrath  und  Pfarrer  in  Spöck  bei  Karlsruhe 
(Baden),  *  5.  September  181 2  in  Karlsruhe,  f  26.  August  1897  in  Oeschelbronn 
bei  Pforzheim.  —  Einer  kleinbürgerlichen  Familie  entstammend,  studirte  P. 
in  Halle  und  Heidelberg  Theologie  und  trat  nach  mehrjähriger  erzieherischer 
Thätigkeit  und  einem  halbjährigen  Aufenthalt  in  Berlin  1839  ^"  ^^"  Dienst 
der  badischen  evangelischen  Landeskirche.  Sechs  Jahre  lang  wirkte  er  als 
Stadtvikar  in  Karlsruhe  und  wurde  1847  als  Pfarrer  nach  Schallbach  bei 
Lörrach  versetzt,  wo  ihn  sein  muthiges  Auftreten  gegen  den  revolutionären 
Geist  jener  Zeit  vorübergehend  ins  Gefängniss  brachte.  Von  1853  bis  1863 
war  er  im  Dienste  der  Basler  Mission  als  Lehrer  am  Missionshause,  litera- 
rischer Sekretär  und  Reiseprediger  thätig.  Ein  Halsleiden  nöthigte  ihn,  diese 
Arbeit  aufzugeben;  er  nahm  einen  Ruf  der  badischen  evangelischen  Gemeinde 
Spöck  an  und  trat  hier  wieder  ins  Pfarramt  ein  als  Nachfolger  des  bekann- 
ten Convertiten  und  späteren  Erweckungspredigers  Aloys  Henhöfer.  Hier 
wirkte  er  bis  kurz  vor  seinem  Tode,  in  seiner  Gemeinde  wie  ein  Patriarch, 
in  weiteren  Kreisen  der  Landeskirche  als  Haupt  und  Berater  hochangesehen, 
auch  vom  Fürstenhause  geschätzt.  Literarisch  trat  er  selten  hervor,  und  dies 
nur  durch  Veröffentlichung  einzelner  Vorträge  und  zeitweilige  Mitarbeit  an 
kirchlichen  Blättern.     Auch   in  das  äussere  Leben  der  Landeskirche   griff  er 


jg^  Peter.     Schwanz. 

selten  ein;  1881/82  war  er  Mitglied  der  Generalsynode.  Um  so  nachhaltiger 
war  sein  unmittelbar  persönliches  Wirken,  das  sich  ihm  ungesucfat  durch  ae 
Ausstrahlung  seiner  durch  und  durch  lauteren  Personhchkeit  ergab.  Er  w:i: 
eine  der  edelsten  Erscheinungen  des  süddeutschen,  speziell  des  badischo 
Pietismus,  in  seinem  Gedankenleben,  wie  in  seiner  peisonUchen  Betfaätigu^.. 
stets  orientirt  an  der  heiligen  Schrift,  in  deren  Inhalt  er  wie  wendige  einge- 
drungen war.  Hatte  ihn  in  seinen  Studienjahren  die  damals  herrschende  >pc- 
culative  Philosophie  dem  biblischen  Christenthum  vorübergehend  entfremder 
so  suchte  er,  namentlich  durch  Gossners  Predigten  in  Berlin  demselben  r> 
rückgewonnen,  mit  dem  als  wahr  Erkannten  nunmehr  vollen  Ernst  zu  macber. 
In  Karlsruhe  und  Schallbach  bereitete  ihm  diese  rücksichtslose  Wahrheit^ 
liebe,  die  er  in  seinen  Predigten  bethätigte,  manche  Schwierigkeit.  In  seine- 
späteren  Jahren,  bei  einer  weniger  widerstrebenden  Umgebung,  äusserte  sich 
sein  biblischer  Realismus  vor  allem  in  der  Hervorhebung  der  ILönigsherr- 
Schaft  Jesu  Christi,  die  jetzt  noch  im  Kampfe  liegt  mit  den  widergöttlieheri 
Mächten  in  der  Welt,  einst  aber  nach  gewaltigen  Katastrophen  sich  siegreic: 
und  nunmehr  ungehemmt  entfalten  wird.  Diese  Gedankenreihen,  deren  uni- 
verseller Zug  wohl  durch  die  Mitarbeit  an  der  Basler  Mission  wesentlich  ge- 
fördert war,  entwickelten  sich  ganz  besonders  im  vertrauten  Umgang  mit  der 
prophetischen  Literatur  des  Alten  und  Neuen  Testaments,  die  er  gernt 
auch  zum  Gegenstande  seiner  Vorträge  und  Abhandlungen  machte.  Mi]de 
und  weitherzig  in  persönlichen  Fragen,  betrachtete  er  mit  tiefem  Ernste  die 
Erscheinungen  seiner  Zeit  und  ist  so  für  viele  zum  Berather  und  Warner  ge- 
worden. Insbesondere  waren  es  die  pietistischen  Gemeinschaften  der  alten 
'  Markgrafschaft  Baden,  die  in  ihm  ihr  geistiges  Haupt  bis  zuletzt  verehrten. 

Ein  Nekrolog  ist  im  Verlag  Ton  J.  J.  Reiff  in  Karlsruhe  erschienen.  Ein  Vortr^ 
über  »Die  Wichtigkeit  des  Studiums  der  alt-  und  neutestamentlichen  Prophetie  für  Kirche 
und  Theologie«  erschien  1869  bei  Hugo  Klein  in  Barmen.  In  den  »Bifittheilungen  de: 
evangelischen  Gesellschaft  für  Deutschland«  1870  und  1871  (Barmen)  ist  der  Prophet 
Sacharja  von  P.  ausgelegt. 

Mühlhäusser. 

Schwartz,  Joh.  Heinrich  Karl  Christian  Albert,  Theologe,  ♦  am  1 1 .  Octo- 
ber  1826   zu  Braunschweig,   f  am  13.  December  1897  in  Gross -Winnigstedt 
Sein  Vater,  der  181 5  als  Sergeant  die  Schlachten  bei  Quatrebras  und  Waterloo 
mitgemacht    hatte,    war    Kanzlist,    später   Registrator    beim  Herzogl.   Kriegs- 
kollegium   (f  1870);    seine  Mutter,    Joh.  Aug.  Juliane    war    die  Tochter  des 
Schmiedemeisters    Joh.  Christoph  Schütze   in   Braunschweig;    sein    Grossvatcr 
Joh.  Christian  Aug.  Schwartz  war    hier  um  die  Wende    des  Jahrhunderts  ein 
beliebter    Porträtmaler,    dessen  Gattin  Henriette  Karoline  eine  Schwester  de> 
bekannten  Kupferstechers    Karl    Schröder.     Albert    S.  besuchte    die    Bürger- 
schule, und  dann  das  Gymnasium  Martino-Catharineum  seiner  Vaterstadt,  da5 
er    zu    Michaelis    1844    mit    dem    Reifezeugniss   verliess,    um    in    Göttingen 
Theologie    zu    studiren.      Er  genoss  hier    drei  Jahre  lang  hauptsächlich  den 
Unterricht  des  Abts  Fr.  Lücke,    der  Professoren  Wieseler  und  Ehrenfeuchter. 
Von  lebendigem  Eifer  für  die  Sache  erftillt,  schloss  er  sich  schon  damals  der 
Missionsgesellschaft  an  und  hatte  nicht  übel  Lust,    als  Missionar  auszuziehen. 
Michaelis   1847    übernahm    er  zu  Eppendorf   bei   Hamburg   eine  Lehrerstelle 
am  Institute  des  Dr.  Busse,  eines  Freundes  seines  Vaters,  und  er  blieb  auch, 
als  er  am  18.  Februar  1848  das    erste  theologische  Examen  in  Wolfenbüttel 
bestanden  hatte,  noch  sechs  Jahre  in  dieser  Stellung,    da  die  Aussichten  auf 


Schwartz.  ^85 

Anstellung  bei  der  ungeheuren  Zahl  der  Kandidaten  der  Zeit  nur  sehr  gering 
waren.     Im  Jahre  1854  wurde  er  Hauslehrer    bei  dem  Herrn  v.  Veitheim  in 
Destedt.     Von  hier  aus    nahm    er  regen  Antheil  an  der  aufsteigenden  kirch- 
lichen   Bewegung    in    Braunschweig,    an  den   Conferenzen    von  Dienern   und 
Freunden  der  evangelisch-lutherischen  Kirche,  den  Landesmissionsfesten  u.  s.  w., 
die  gerade  um  diese  Zeit  ihren  Anfang  nahmen.     Nachdem  er  am  1 6.  Januar 
1857   die  zweite  theologische  Prüfung  gemacht  hatte,  wurde  er  im  folgenden 
Jahre  Hülfsprediger  beim  Pastor  Rohde    in  Denstorf.     Erst  vier  Jahre  später 
erhielt  er  die  erste  Pfarre,    die  zu  Brunkensen  und  Hohenbüchen,    in  die  er 
am  9.  April  1862  eingeführt  wurde.     Bald  darauf  verheirathete    er  sich    (am 
20.   Mai   1862)    mit  Marie  Busse,    der  Tochter    seines    früheren    Hamburger 
I^irectors.     Seine  Thätigkeit    in    der  Gemeinde    war    eine    sehr    erfolgreiche, 
aber  auch  sehr  anstrengende,  dabei  das  Einkommen  ein  sehr  geringes;    zwei 
Mal  zog  er  sich  wohl  durch  die  winterlichen  Wanderungen    nach  der  Filiale 
und  den  Aufenthalt   in  der    kalten  Kirche    einen  hitzigen  Rheumatismus  zu. 
Er  bewarb    sich  daher    später    um  die  Pfarre  zu  Gross-Vahlberg    und  Bans- 
leben,   die    er   1875   erhielt,    jedoch  erst   nach  dem  Tode    des     emeritirten 
Pastors  Friedrich,  des  Vaters  des  Schriftstellers  Friedrich  Friedrich,  (f  10.  Sep- 
tember 1879)  ™i^  voller  Einnahme.     Jetzt  endlich  kam  er  in  eine  sorgenfreie 
Lage,  die  sich  dann  noch  mehr  verbesserte,    als  er  am  7.  October  1888  die 
Pfarre  zu  Gross- Winnigstedt  bekam.    Trotzdem  hat  sich  S.  durch  die  äusseren 
Verhältnisse,  die  lange  Zeit  auf  ihm  lasteten,  nicht  niederdrücken  lassen.    Er 
besass  eine  grosse  Elasticität  des  Geistes,  einen  angeborenen  heiteren  Lebens- 
muth  und  eine  rührende  Anspruchslosigkeit,    die  ihm  im  Verein  mit  strenger 
Sparsamkeit  über  viele  Schwierigkeiten  hinweghalf.     So  brachte    er  es  fertig, 
dass  er  drei  Söhne  erziehen  konnte,  die  er  zu  seiner  Freude  sämmtlich  noch 
im  geistlichen  Amte  erblickte.  —  Seinen  Haupteinfluss  auf  die  Braunschweigische 
Landeskirche  hat  S.  durch  die  »Evangelisch-lutherischen  Monatsblätter«  aus- 
geübt,   die  er  seit  dem  i.  Januar  1881   anfangs  in  Verbindung  mit  Eissfeldt, 
Lachmund    und    Palmer,    dann    auch    (i.  Januar  1887)    mit  Job.  Beste    und 
(October  1889)    ^^^  J*  Stölting  herausgab.     Vom  Januar  1894  ab,  wo  S.  die 
Redaction  im  Wesentlichen    allein    mit  Hülfe    seiner  Söhne  besorgte,    wurde 
das  Blatt,    das  immer  der  positiven  Richtung  gedient  hatte,    ausdrücklich  als 
»Organ    der    Evangelisch-lutherischen    Vereinigung   im  Lande  Braunschweig« 
bezeichnet,  deren  Vorstande  S.  von  Anfang  an  angehört  hatte.    Mit  dem  An- 
fange des  Jahres  1896  erschien  es  wöchentlich  unter  dem  Titel:  »Evangelisch- 
lutherische Wochenblätter«.     In  weiteren  Kreisen  wurde  S.'s  Name  nach  dem 
Tode  Herzog  Wilhelms    im  sogen.  Regentschaftsjahre   bekannt.     Er  hing  mit 
ganzem  Herzen  an  seiner  Braunschweigischen  Heimat  und  dem  angestammten 
Fürstenhause;  insbesondere  machte  ihm  der  diesem  geschworene  Erbhuldigungs- 
cid  schwere  Gewissensbedenken.     Er  wünschte    darüber  eine  Aussprache  mit 
gleichgesinnten  Männern  und    forderte  daher  öffentlich  in  seiner  Zeitung  die 
Geistlichen  für  den  25.  Februar  1885  zu  einer  Conferenz  über  die  Frage  auf: 
»Was  dürfen,    können  und  sollen    wir  Geistlichen  thun  in  der  gegenwärtigen 
Krisis   unseres    Landes?«     Die  Abhaltung    der  Versammlung  wurde  von  der 
Regierung,  die,  wie  man  sagte,  Gegenkundgebungen  fürchtete,   durch  polizei- 
liche Maassregeln  verhindert,    aber  zur  Stärkung  der  Gewissen,    Einschärfung 
der  bestehenden  Eidespflicht  hat  auch    dieser  vergebliche  Versuch    zweifellos 
beigetragen.     S.    zog    die  Angelegenheit    mancherlei  Anfeindung  zu.     Er  be- 
wahrte   diesen    wie    anderen  Angriffen    gegenüber    einen  bewundemswerthen 

Biogr.  Jahrb.  n.  Doutscher  Nekrolog.    3.  Bd.  25 


I 

I 


jgö  Scbwartr.     Petzold. 

Gleichmuth.     Im    persÖnHchen  Verkehr    war  er    von   natuTwädisi^cr  Fn^:- 
Wegen  der  Vorzüge  seines  Charakters  hat  er,  eine  der  Haaptscntzcn  des  :  ..• 
tistisch-orthodoxen   Kirchenthums,  auch   bei  den  Gegnern   anfiiclitige   H     ' 

achtung  besessen. 

Job.  Beste  im  »Braanschw.  Magazin«    1S98,  No.  2,  S.  9ff.  —  >BninoBia«    1S91S,  N 
bis  14.  —  EvaDg.-luther.  Wochenblätter  1897,  No.  51.22;  i$9S,  No.  i,  Bcü. 

P.  Zimmermann. 

Petzold,  Karl  Wilhelm,  Schulmann,  ^  am  9.  Februar  1848  zn  K^eus^?: 
l>ei  Weissenfeis  als  Sohn  des  dortigen  Predigers  Johann  Karl  P.,  +  am   24.  ' 
1897  zu  Pouch  bei  Bitterfeld.  —  Nachdem  er  die  Schule  seines  Heimat>.  ':.' 
besucht  hatte,  ging  er  nach  der  Sitte  seiner  Familie  auf  die  LandesschuJc  . 
Pforta  über.    Schon  während  dieser  Zeit  verlor  er  20.  Februar  1865  ^'^  M-::rr 
19.  September  1866  den  Vater,  so  dass  er,  als  er  Ostem  1869  die  Reilcpn::'-'. 
bestanden  hatte,  sein  Studium  unter  dürftigen  Verhältnissen  beginnen  mi:5>:. 
Kr  ging    nach  Halle,    um  sich    hier  der  llicologie    zu  widmen.     Doch    bx . 
unterbrach  der  Krieg  sein  Studium.     Er  trat  1870  sogleich  in  das  Schles«:^- 
Holsteinsche  Füsilier-Regiment  No.  86  ein,    in  dem  er   den  ganzen   Feld/— 
insbesondere    die  Belagerung    von  Paris    und    das  Gefecht    von  Epinay    ir.::- 
machte.     Dann    kehrte    er    nach    Halle    zurück,    wo  er  sich  jetzt   aber  der 
Studium  der  Mathematik  und  der  Natur^'issenschaften  zuwandte.    Zu  >Iichac':> 
1874    erhielt  er    am  Gymnasium    zu  Neu-Brandenburg    eine  Hülfslehrersitilc. 
der  aber  schon  zu  Neujahr  1875,    nachdem   er    inzwischen  das  Staatsexamen 
für  Chemie  und  beschreibende  Natur\^issenschaften  bestanden  hatte,  die  fe>:e 
Anstellung  folgte.     Im  Sommer  1876  wurde  er  auf  Grund  einer  Abhandlung 
''über    die    Vertheilung    des   Gerbstoffe    in   den  diesjährigen  Trieben    unserer 
Holzgewächse«    in  Halle  a.  S.  zum   Doctor    der  Philosophie    promovirt.     Z. 
Ostem  des  folgenden  Jahres  lÄ'urde  er,  da  er  sich  in  Strassburg  für  eine  de: 
Schulen  der  neugewonnenen  Reichslande  zur  Verfügung  gestellt  hatte,  an  djL< 
Gymnasium  zu  Weissenburg  i.  E.  berufen.     Doch  verliess  er  diese  Stelle  schon 
zu  Michaelis  1879  wieder,    um  nochmals    ein  Semester  in  Halle,    jetzt    unter 
Professor  Kirchhoff 's  Leitung,   Erdkunde  zu  studieren.     Es  geschsüi  dies  auf 
Wunsch  der  städtischen  Behörden  von  Braunschweig,  die  ihm  dann  zu  Ostem 
1880  provisorisch,  ein  Jahr  darauf  fest  an  der  damaligen  Realschule  (seit  18S7 
Oberrcalschule)  anstellten.     Hier    hat    er  dann    lange  Jahre  eine  erfolgreiche, 
vielfach  anerkannte  Wirksamkeit  entfaltet.     Auch  ausserhalb  der  Schule  nahm 
er   an  den  wissenschaftlichen   Bestrebungen   in  der  Stadt  Braunschweig  regen 
Antheil,  besonders  an  den  Verhandlungen  des  Naturwissenschaftlichen  Vereins 
dessen  Vorstande  er  seit  1884  meist  angehörte    und    dessen  Vorsitz   er  2*  ei 
Jahre  (1886/87  und  1891/92)  geführt  hat.     Seine  wissenschaftliche  Thätigkeii 
war  anfangs  hauptsächlich  der  Chemie  und  der  Naturkunde  gewidmet,  wandte 
sich  dann   aber  immer    mehr  der  Erdkunde   zu.     Auf  diesem  Gebiete  hat  er 
sich  vor  Allem    einen    angesehenen   Namen    in    der    Wissenschaft    errungen. 
Seine  letzte  Arbeit  über  »Die  allgemeinen  topisch-geographischen  Verhältnisse 
des  nördlichen  Haupttheiles  vom  Herzogthum  Braunschweig«  erschien  in  der 
P'estschrift  für    die  69.  Versammlung    deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in 
Braunschweig    (S.  66 — 74),    für  die  er  die  Leitung  der  Abtheilung  für  Erd- 
kunde übernommen  hatte.    Er  sollte  nicht  mehr  dazu  kommen;  in  der  Nacht 
vom  23.  zum  24.  Juli  machte    ein  Herzschlag    seinem  Leben    im    Pfarrhause 
zu  Pouch  bei  Bitterfeld  ein  plötzliches  Ende.     Seit  dem  7.  Juli  1880  war  P. 


Petzold.     Freiherr  v.  Sterneck.  2 8 7 

mit  Susanne  Lange,  Tochter  des  Dompredigers  L.  in  Halberstadt,  verheirathet, 
die    ihn  überlebte. 

Jahresbericht  über  die  Stadt  Oberrealschale  zu  Braunschweig,  Ostern  1898,  S.  21  bis 
24,    ivo  auch  ein  genaues  Verzeichniss  der  Schriften  Petzold's  gegeben  ist. 

P.  Zimmermann. 

Daublebsky  von  Stemeck  zu  Ehrenstein,    Maximilian,    Freiherr  von, 

k.    u.   k.  Admiral,    Marine-Kommandant    und    als    solcher    Chef   der    Marine- 
Section  des  k.  u.  k.  Reichskriegs-Ministeriums.     St.  entstammt  der  Kärnten'- 
schen  Linie  des  Hauses  Sterneck   zu  Ehrenstein;    ♦  am  14.  Februar  1829  zu 
Klagenfurt,  als  jüngster  Sohn  des  im  Jahre  1848  gestorbenen  k.  u.  k.  wirklichen 
Oeheimen  Rathes  und  Landeshauptmanns  von  Kärnten  Josef  St.  aus  dessen  zwei- 
ter Ehe  mit  Franziska  Freiin  von  Kaiserstein,  f  zu  Wien  am  5.  December  1897. 
—    Seine  maritime  Erziehung  erhielt  St.  im  Marine-Kollegium  in  Venedig,  von 
wo   er  nach  vollendeten  Studien  im  Jahre  1847  als  provisorischer  Marine-Kadet 
in   die  k.  u.  k.  Kriegs-Marine    eingereiht  wurde.      Noch    in  demselben  Jahre 
wurde  er  auf  der  Fregatte  Bellona  eingeschifft.     Am  i.  Mai  1848   wurde  St. 
zum    ofßziersdienstthuenden  Kadetten  ernannt;   von  diesem  Jahre  an  beginnt 
die  kriegsmaritime  Thätigkeit  St.'s,  in  der  er,  so  oft  sich  eben  bei  den  wechseln- 
den politischen  Verhältnissen  Gelegenheit  bot,  bis  zum  Jahre  1866  verwendet 
wurde.     Im  Jahre  1848  machte  St.  die  Expedition  gegen  Ancona  mit,  wobei 
er  als  Kommandant  eines  der  drei  den  Dampfer  Curtatone  begleitenden  mit 
Geschützraketen  bestückten    Boote,    durch    sein   consequentes,    während  der 
Nacht  unterhaltenes  Feuer    gegen  die  Batterien    des  Hafens  wesentlich    dazu 
beitrug,    dass    diese    den  Curtatone    in    seinem  AngrifFsmanöver  nicht  stören 
konnten.     Ancona  fiel  am  19.  Juni.      Diese  erste  Waffenthat  St.'s,   so  wenig 
bedeutend    sie    vom    Standpunkte    der    Beurtheilung    grosser    Kämpfe    und 
bedeutender  Streitkräfte  war,   zeigte  doch  schon  den  Charakter  des  Mannes, 
der  sich  im  Laufe  der  späteren  Jahre  wohl  immer  mehr  entwickelte,  in  den 
Hauptzügen  aber  stets  das  gleiche  Merkmal  behielt:  Festigkeit  bis  zur  Härte 
in  der  Durchführung    des  gefassten    Entschlusses,  Rücksichtslosigkeit    im  Ge- 
brauche der  Mittel  hierzu.      Zur    stetigen  Ausbildung    dieser    die  Bedeutung 
eines  Soldaten    in  hohem  Maasse  bestimmenden  Charaktereigenschaften   trug 
nicht  unwesendich  die  Dienstesverwendung  während  der  bis  zum  Jahre  1859 
dauernden  Friedensjahre  bei.     St.  war   während    dieser  Zeit    nahezu    immer 
eingeschifft:    kein  besseres  Mittel    giebt    es  wohl  im  Frieden  fUr  die  Bildung 
eines  selbständigen,  muthigen  Charakters,    eines  klaren,    durch  keine  Ueber- 
raschung  aus  dem  Gleichgewicht  gerathenden  Geistes.     Während  seiner  Reisen 
wurde  St.  im  Jahre  1852  Fregattenfähnrich,  drei  Jahre  darauf  Schiffslieutenant, 
am  24.  November  1859    Corvetten-    und    ein    halbes  Jahr    später    Fregatten- 
kapitän.    Alle    diese   Rangstufen    hatte    St.    in    der    damals    in    der    Kriegs- 
Marine  gang  und  gäben  Weise  erstiegen.      Erst  das  Jahr  1864    brachte  ihm 
eine  Auszeichnung,    indem  er  der  Kommandant  der  Fregatte  Schwarzenberg 
wurde  und    so  bereits  damals  Flaggenkapitän    des    nach  dem  Seetreffen  von 
Helgoland  zum  Contre-Admiral    ernannten  Wilhelm  von  Tegetthoff  war.      In 
der  Eigenschaft  des  Flaggenkapitäns  des  Escadrekommandanten    verblieb  St. 
auch  nach  seiner  Beförderung  zum  Linienschiffskapitän,   die  am  4.  Mai  1866 
erfolgte.     Als  solcher  kommandirte  er  während  des  Krieges  1866  das  Admiral- 
schiff  Tegetthoff's,  den  Panzer  Erzherzog  Ferdinand  Max.    In  der  am  20.  Juli 
bei  Lissa  zwischen    der    österreichischen    und    italienischen    Flotte    erfolgten 

25* 


388 


Freiherr  t.  Stemeck. 


Schlacht  war   es  vornehmlich    der  Thätigkeit  St.*s    ab  Flaggenkapitan    zuzu- 
schreiben, dass  der  Tag    Air    die  kleine  österreichiscbe  Escadre   in  so  mhz.- 
voller  Weise  endete.      Wie  in  jedem  Kampfe   hatten    auch  bei    lissa   beid; 
Theile  eine  Reihe  von  Krisen  durchzumachen,  denen  schliesslich  die  italienischer 
Kräfte  erlagen,  während  es  der  Geistesgegenwart,    der  Entschlossenheit   ur. 
zum  nicht  geringen  Theile  der  Waghalsigkeit  und  dem  Glucke  der  österrnch:- 
schen  Kommandanten  und  Mannschaften  zuzuschreiben  war,    dass  von  ihntr 
ein  grosser  Sieg  errungen  wurde.   Zu  Beginn  der  Schlacht  wurde  vom  Escadre- 
kommandanten  der  Befehl  »Panzerschiffe  den  Feind  anrennen  und  zum  Sinke^. 
bringen«   ausgegeben;  St.  vollführte  diesen  Befehl   in  Kenntniss  der  gering. 
Artilleriewirkung  seines  Schiffes,   ohne  sich  vorher  auf  eine  zeitraubende  Bc> 
schiessung  der  feindlichen  Panzer  einzulassen.      Er  wählte  die  zweite  Schiis^- 
Waffe,  die  »Ramme«,   als  die  entscheidendere,  allerdings  auch  viel  sdiwercr 
zu    gebrauchende:    denn    um    das    zum    Angrifltobjekt    bestimmte    feindliche 
Schiff  mit  Aussicht  auf  Erfolg  anzurennen,  zu  »rammen«    und  wcHnö^ich  in 
den  Grund  zu  bohren,  oder  doch  wenigstens  kampfunfähig  zu  machen,  mussie 
das  eigene  Schiff  möglichst  senkrecht  auf  die  feindliche  Bordwand  auftreffeiu 
und    dies    mit   der    grössten    Geschwindigkeit,    deren    das    Schiff   übeiiiau}*' 
fähig  war;  eine  weitere  Schwierigkeit  dieses  taktischen  Manövers  ist  es  aber. 
nach  erfolgtem  Rammen  je  eher  je  besser  die  verlorene  Actionsfahigkeit  wieder 
zu  gewinnen,  um  nicht    von  den  Unglückställen,   denen  das  feindliche  Schif 
infolge  des  Stosses  ausgesetzt  ist,  in  Mitleidenschaft  gezogen  zu  werden,    ir. 
welch  hohem  Grade  die  Kühnheit  und  das  Gefühl  der  Verantwortlichkeit  de< 
Schiffskommandanten    fiir    ein    solches    Manöver    in    Frage    konmien,    ertieih 
überdies  aus  dem  einfachen  Umstände,  dass  selbst  bei  ^ücklicher  Ausführung 
das    eigene    Schiff  schwere    Havarien   erleiden    kann,    die    es    kampfunfähig 
machen;  es  hat  dann  die  Schwächung    des  Gegners    mit  dem  eigenen  Tode 
bezahlt.     Allerdings  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  in  solchen,  über  den  Ausgang 
eines  Kampfes  und  den  damit  verbundenen  Folgeerscheinungen  entscheidenden 
Augenblicken  das  Gefühl  der  Verantwortlichkeit  hinter  jenem  einer  oft  waghal- 
sigen  Entschlossenheit   zurücktritt,    oder  dass  sich  hinter  jenem  Gefühle  der 
Selbsterhaltungstrieb  geltend  macht.     St.  war  der  Mann,  der  vor   der  Wahl 
des  gefahr%'o]lsten,  weil  den  entscheidenden  Erfolg  am  ehesten  herbeiführen- 
den, Mittels  nicht  zurückschrak.     Kurz    nach  erhaltenem  Befehl,    den  Feind 
anzurennen,  steuerte  St.  sofort  gegen  ein  feindliches  Panzerscfaifl^  das  er  zvar 
vorne    rammte,    jedoch  in  schiefer  Richtung:    der    hierdurcfa    abgeschwächte 
Stoss  vermochte  dem  feindhchen  Schiffe  —  es  war,  wie  sich  nach  der  Schlacht 
herausstellte,  der  R^  d'Italia  —  wohl  einige  Havarien  beizubringen,  ohne  es  aber 
kampfunfähig  zu  machen.     Kaum  hatte  sich  der  Ferdinand  Max  von  diesem 
feindlichen  Panzer  losgemacht,  als  der  Befehl  des  Contreadmiral  v.  Tegetboff 
erfolgte:   ^Holzdi\ision  unterstützen c.     St.  nunmte  in  Ausführung    dieses  Be- 
fehls ein  zweites  Panzerschiff,  diesmal  achter  an  Steuai>ord.     Der  Stoss  war 
besser  gelungen,  als  der  erste.     Der  Palestro,  dies  war  der  feindliche  Panzer, 
verlor     mehrere    Panzerplatten,     seine    Kreuzmarsstange     und     Besahngaffel; 
letztere  mit  einer  Trikolore  stürzte  auf  das  Vorderkastell  des  Ferdinand  Max 
wo    sie    festiiebunden    als    Trophäe  zurückbheb,    nachdem  sich    die    beiden 
Schirre    getrennt    hatten.      Seit  Beginn  des  Kampfes    war   hauptsächlich   der 
Re  d  lt.ilia    d.is  zuerst  von  St.  gerammte  Schifft  den  man  österreichischaseits 
tur  ii.is  fcintiiiche  Admiralsschiff  hielt,  dos  Ziel  der  .\ngTiflfe  der  osterrcichischeD 
Panzerdivision.     Die  Freijatte  Re  d  Iiolio,  von  der  sich  Admiral  Graf  Pcrsano, 


Freiherr  v.  Stemeck. 


389 


der    italienische  Escadrekommandant,  vor  Beginn  der  Schlacht  auf  den  Affon- 
datore  begeben  hatte,    hatte    auch  infolge  dieser  fortgesetzten  Angriffe    sehr 
gelitten.     Der  erste  Stoss  St.*s  und  das  Feuer  der    sie  umgebenden  anderen 
drei    österreichischen  Panzerschiffe    hatten    ihr  Steuerruder   unbrauchbar    ge- 
macht und  sie  zugleich  von    den  übrigen  italienischen  Panzern    isolirt.      Die 
Fregatte  wehrte  sich  gegen  die  vier  sie  umgebenden  Panzer,  indem  sie  volle 
Breitseiten  nach  beiden  Seiten  abfeuerte  und  die  ganze  Equipage  auf  Deck 
berief,  um  eine  Enterung  abzuweisen.     Während  so  der  R^  d'ItaJia  steuerlos 
auf  und  nieder  trieb,  kreuzte  er  den  Kurs  der  Ferdinand  Max.    St.  sah  dies 
von    der  halben  Höhe    der  Besahnwanten.      Rasch    folgten    die    Kommandos 
zum    Rammen.     Noch  einmal  versuchte    die  feindliche  Fregatte    dem    heran- 
nahenden Stosse  auszuweichen,    indem    sie  die  einzige  ihr  noch    zu  Gebote 
stehende  Bewegung  (die  vor-  bez.  rückwärts)  ausführte,  doch  es  war  bereits 
zu   spät.     In  demselben  Momente,    als    die  feindliche  Fregatte  aus  der  eben 
angetretenen  Vorwärtsbewegung  gegen  die  sich  ihr  ein  österreichisches  Schiff 
vorgelegt  hatte,  in  jene  nach  rückwärts  übergehen  wollte,    also  zur  Zeit,   da 
sie   sozusagen  still  stand,    traf  der  Ferdinand  Max  unter    lautem  Getöse  ihre 
Backbordseite,  bohrte  sich  tief  ein.     Panzer,  Fütterung,  Planken  und  Rippen 
\tfaren  zerschmettert.     Wie  der  Stoss,  so  war  auch  das  darauf  folgende  Los- 
trennen vom  gerammten  Schiffe  vollends  gelungen. 

Der   Sporn,    der    sich    67j    Fuss    in    die    feindliche   Planke    eingebohrt 
hatte,  löste    sich    bald    aus    dem    feindlichen  Schifi&körper,    der    in  weniger 
als   2  7j  Minuten  versank.    Noch  einmal  hatte  St.  in  dieser  Schlacht  Gelegen- 
heit,  seine  Manövrirkunst,    diesmal  nicht  zur  Führung  des  Stosses,    sondern 
um     ihm   auszuweichen,    in    glänzendem    Lichte    zu    zeigen.     Als    die    Vor- 
kehrungen   zur  Rettung    der  Mannschaft    des  R6  d'Italia    getroffen    wurden, 
versuchte    der    feindliche    Panzer   Ancona    das    kaiserliche    Admiralschiff   zu 
rammen.     St.   gelang    es,    dem  Stosse  auszuweichen;    wie    blitzartig  das  Er- 
kennen   der  Gefahr,    das  Ertheilen  der  Befehle,    um  ihr  auszuweichen,    und 
deren  Durchführung  einander  folgten  zeigt  am  besten  der  Umstand,  dass  die 
beiden  Schiffe  so  dicht  Bord  an  Bord  aneinander  vorbeiglitten,  dass  die  Be- 
dienungsmannschaft   der  Backbordbatterie    des  Ferdinand  Max    die  Setzer  in 
die  Geschützmündungen  nicht  einführen  konnte.   Das  Verdienst  St.'s  an  dem 
Gelingen  des  Kampfes   wurde  durch  Verleihung  des  Ritterkreuzes  des  militäri- 
schen Maria-Theresienordens  anerkannt.    St.*s  kriegerische  Thätigkeit  bei  Lissa 
war  die  letzte  seines  Lebens.    Als  Schiffskommandant  war  St.  in  der  Schlacht 
lediglich  in    der  Lage,    seine    hervorragenden    taktischen    Fähigkeiten    zur 
Geltung   zu    bringen.     Damals  war    der  Kampf  zwischen  den  beiden  Waffen 
des  Schiffes,  der  Ramme  und  dem  Artilleriefeuer,  (jetzt  zählt  man  hierzu  noch 
eine  dritte:    das  Torpedo)    noch  nicht    zu  jener  Schärfe  gediehen,    wie  zwei 
Decennien  später;  immerhin  aber  gab  es  genug  Stimmen,  die  bereits  damals 
die  Bedeutung    der  Ramme    als  Schiffswaffe   jener   des  Artilleriefeuers  unter- 
ordneten.   St.  erkannte  aber,  dass  das  Artilleriefeuer  bisher  noch  nicht  bis  zu 
dieser  Prädsion  und  Schnelligkeit  gediehen  sei,  und  dass  daher  zur  Erzielung 
eines    raschen    und    entscheidenden  Erfolges    die  Ramme   noch    immer    die 
vorzuziehende,    wenn    auch    gefahrlichere  Waffe   war.     Seine  Auffassung  trug 
den  Sieg    davon.     Die  Persönlichkeit  des  Kapitäns  hatte  sich  bis  zu  diesem 
Zeitpunkt    zu   jenem  typischen  Bilde  von  Kraft,   Unbeugsamkeit  und  Härte, 
von  Klarheit  des  Verstandes  und  natürlicher,  gesunder  Logik  entwickelt,  das 
ihm  bis  zu  seinem  Tode  treu  blieb;  allerdings  war  es  unvermeidlich,  dass  die 


Schattenseiten    eines    solchen  Charakters    in    langer  Friedenszeit    scharfer  n 
Tage  treten  als  es  in  kriegerischer  Arbeit  der  Fall  gewesen  wäre. 

Die  lange,  dem  Feldzuge  von  Lissa  folgende  Friedensepocbe  war  \:' 
Anfang  an  vorwiegend  der  organisatorischen  Umgestaltung  unserer  Flotte 
gewidmet.  Der  erste  auf  den  Aufbau  der  Flotte  und  der  damit  in  Ver- 
bindung stehenden  Küstenvertheidigungsmaassnahmen  bezugncfamaide  Ki- 
rührte  vom  Contre  -  Admiral  von  Tegetthoff  her.  Nach  demselben  sollte  ir 
erster  Linie  die  Vertheidigungskraft  der  adriatischen  Küste  gesteigert  werdr:. 
und  zwar  sowohl  durch  den  Neubau  von  Befestigungen  wie  auch  durch  der 
der  Flotte,  damit  diese,  activ  vorgehend,  die  Vertheidigung  untostützen  kör^e 
femer  aber  hatte  W.  v.  TegetthoflF  die  Vergrösserung  der  Flotte,  um  sie  auc: 
zu  einer  strategischen  Offensive  zu  befähigen,  in's  Auge  gefasst:  ausser 
der  zur  Küstenvertheidigung  nöthigen  Elscadre  sollte  auch  eine  Flotte  ge- 
schaffen werden,  die  in  allen  Theilen  des  Mittelländischen  Meeres,  eventuel 
auch  ausserhalb  desselben,  thätig  werden  konnte.  Dieser  Grundgedanke  eüies 
Flottenplanes  blieb  durch  alle  folgenden  Jahre  bis  auf  den  heutigen  Tag  de: 
leitende  Gesichtspunkt  für  die  Arbeiten  aller  sich  im  Laufe  der  Zeit  folgen- 
den Marinekommandanten;  seine  Verwirklichung  schreitet  wohl  vorwärts,  aber 
so  langsam,  dass  die  rascher  sich  entwickelnden  Zeitideen  uns  stets  um  dz 
gutes  Stück  Weges  voraus  sind. 

An  der  Thätigkeit  v.  Tegetthoff' s  nach  dem  Kriege  nahm  St.   regen  An- 
theil.      Er    wurde    Militärhafenkommandant   in    Pola    und    wirkte    in     dieser 
Stellung,  sowie  als  Leiter  sämmtlicher  Schulschiffe  vorwiegend  dadurch,  dass 
er  die  Ausbildung  von  Officieren  und  Mannschaft  auf  neue  den  gegenwärtigen 
Anforderungen    entsprechenden  Grundlagen    stellte.     Nachdem  St    im    Jahre 
187 1  von    der    Fahrt,    die    er    nach  Nowaja  Semlja    mit    dem    Grafen  Hans 
Wilczek  unternommen  hatte,  um  dem  Nordpolfahrer  Weyprecht  Lebensmittel 
zuzuführen,    zurückgekehrt  war,  wurde  er  zum  Contre-Adüniral  ernannt.     Ah 
solcher  wurde  er  Escadrekommandant  und  im  Jahre  1873  in  die  spanischer. 
Gewässer    entsandt,    um    bei    den    bestehenden    Wirren    die    Interessen    der 
Monarchie  zu  wahren.    Im  Jahre  1883   wurde  St.  Viceadmiral  und  Chef  der 
Marinesection  des  Reichskriegsministeriums  und  Marinekommandant.     Eis  war 
nunmehr  für  ihn  die  Zeit  gekommen,    an  die  Ausgestaltung  und  Realisirung 
der  Tegetthoff'schen  Pläne    zu  schreiten.     Seit  Tegetthoff  hatte    eine  Schifis- 
waffe,  das  Torpedo,  immer  mehr  die  Aufmerksamkeit  der  Fachmäimer  auf 
sich  gezogen,    und  zum  grossen  Theile  die  Ansichten  über  den  Schifiskampf 
und  die  Seetaktik  von  Grund  auf  umgeändert,  zum  anderen  Theile  auch  für 
die    grosse    Seekriegführung,    sowohl    für    die    Defensive,    also    vornehmlich 
die  Küstenvertheidigung,    wie    auch  für    die  Offensive,  neue  Gesichtspunkte 
geschaffen.     Ein  Plan,    nach  dem  unter  diesen    geänderten  Verhältnissen  die 
Monarchie  ihren  Interessen,    sowie    ihrem  Ansehen    als    Grossmacht    gerecht 
werden  konnte,    wurde    von  St.  bald    nach  Uebemahme  der  Geschäfte  dem 
Kaiser    überreicht.     In    erster  Linie  war    es  die  Ausgestaltung  der  Küsten- 
vertheidigung, die  in  Betracht  kam,  und  zwar  sowohl,  was  deren  defensive 
Streitkräfte,  d.  i.  Befestigung  der  Küste,  als  auch  deren  offensive  Kampfinittei 
anbelangt,  d.  i.  eine  Escadre,   die  frei  sich  längs  der  ganzen  Küste  bewegen 
kann,    um  immer  dort  rechtzeitig  zu  erscheinen,    wo  sie  Angriffe   oder  Lan- 
dungsversuche der  Gegner  abweisen  soll;  weiter  dachte  aber  St.  daran,  eine 
Flotte  zu  schaffen,    die  unabhängig  von  den  Küsten  der  Monarchie  und  den 
Vorgängen,    die  sich  im  Bereiche  derselben   abspielen,    die  feindliche  Flotte 


Freiherr  v,  Sterneck.  301 

überall    im  mittelländischen  Meere    aufsuchen  und    angreifen  könne    und  die 
natürlich  ebenso  in  der  Lage  sei,  dorthin,  wo  es  das  wirthschaftliche  Interesse 
oiier    das  blosse  Ansehen   der  Monarchie  erfordere    die  nöthige  Zahl  Schifife 
zu    schaffen.     Bei  der  praktischen  Durchführung  dieses  Planes  war  es  nöthig 
die    Befestigungen    der  Küste    zu    vervollständigen,    eine    Torpedoflottille    zu 
schaffen,    und    den  Um-  sowie  Neubau    der  vorhandenen  Flotte    nach  Kraft 
undi  Zeit  so  durchzuführen,  dass  sie  ihrer  defensiv-  sowie  offensiv-strategischen 
Aufgabe    gerecht   werden    könne.      Es    war   jedoch    der    nahezu    18  jährigen 
Thätigkeit  St.'s  nicht  gegönnt,    die  Durchführung  seiner  Ideen,    ja  auch  nur 
einen    bedeutenden    Fortschritt    in    derselben    zu    erleben.      Die    misslichen 
budgetären  Verhältnisse  der  Monarchie  traten  stets  den  Wünschen  der  Marine- 
Leitung    entgegen;    nur    die    bescheidensten    derselben    gingen    in  Erfüllung. 
Um    so  unumschränkter  Hess  St.  seinem  reformatorischen  Drange  und  seinem 
natürlichen  Verlangen    nach    tüchtiger,    anstrengender  Arbeit    in  der  inneren 
Ver^raltung  der  Marine  freien  Lauf.    Er  führte  die  jährlichen  Flottenmanöver 
ein,     die    allein    geeignet  sind,    die  höheren  Kommandanten  in  der  Führung 
von   Schiff  oder  Escadre,  wie  sie  in  der  Schlacht  oder  während  des  Krieges 
überhaupt    nöthig  ist,    zu  schulen.     In  der  Erkenntniss,    dass  einem  Mangel 
an   Zahl  in  erster  Linie  durch  eine  höhere  Leistungsfähigkeit  und  Tüchtigkeit 
des   Personals  abgeholfen  werden  könnte,    sorgte  St.  dafür,  dass  Offider  und 
Mann  auf  Schul-,   wie  auf  Missionsschiffen  eine  gründliche  seemännische  und 
taktische  Ausbildung    erhielten.     In    rascher  Folge    schuf   er    zum    Theil    in 
Ausgestaltung    der  noch  in    früherer  Zeit   von  ihm  als  Häfenkommandanten 
in  Pola  begonnenen  Einrichtungen:    Marineschulen    verschiedener   Kategorie, 
ferner  Arbeiterhäuser,  Wohnhäuser  für  Unteroffiziere  u.  s.  w.    Im  Jahre  1888 
wurde  St.  zum  Admiral    ernannt  und    hatte  somit    die    höchste  Stufe    seiner 
militärischen  Carriere  erreicht.     Im  Jahre  1896  vermählte  er  sich  mit  seiner 
Nichte.     Ein  Jahr  darauf,    am  5.  December,    starb    er  in  Folge    einer  Herz- 
lähmung. 

Wenn  es  auch  zum  grossen  Theile  dem  geistesgegenwärtigen,  entschlossenen 
Vorgehen  St.'s  in  der  Schlacht  von  Lissa  zuzuschreiben  war,  dass  die  italienische 
Flotte  an  diesem  Tage  vollständig  geschlagen  wurde,  und  so  hoch  auch  in  Folge 
dieser  bewiesenen  kriegerischen  Tüchtigkeit  die  Bedeutung  St.'s  als  Taktiker  auf 
dem  seemännischen  Gebiete  hochgeschätzt  werden  muss,  so  tritt  sie  gegenüber 
seiner  langjährigen  Friedensthätigkeit,  die  sich  vornehmlich  auf  dem  organi- 
satorischen Gebiete  zeigte,  zurück.  Es  muss  auffallen,  dass  bei  der  Beur- 
theilung  eines  Mannes,  der  die  höchste  militär-maritime  Stellung  der  Monar- 
chie inne  hatte,  und  daher  in  einem  Kriegsfalle  berufen  gewesen  wäre,  die 
gesammte  k.  u.  k.  Flotte  zu  kommandiren,  von  seiner  strategischen  Bedeu- 
tung, d.  i.  jener  den  grossen  Seekrieg  zu  führen,  nichts  eingehenderes  gesagt 
wurde;  dieser  Umstand  rechtfertigt  sich  dadurch,  dass  sich  die  Thätigkeit  D.'s 
bei  Lissa  lediglich  auf  die  Führung  eines  Schiffes  beschränkte,  also  nur  vom 
taktischen  Standpunkte  beurtheilt  werden  kann,  und  dass  in  der  Führung 
von  Flotten  oder  Escadren  das  Schicksal  ihm  keine  kriegerische  und  auch 
nur  eine  (mit  den  politischen  und  wirthschaftlichen  Verhältnissen  der  Monar- 
chie zusammenhängende)   nur  wenig  umfangreiche   Friedensthätigkeit  gönnte. 

Quellen:    J.  Lukes,    Militärischer  Maria  Theresien -  Orden.     Wien  1890.     Wurzbach* 
Biographisches  Lexikon  des  Kaiserthums  Oesterrcich.    1878. 

K.  Wollanka. 


-JQ2  Freiherr  v.  Catty. 

Catty,  Adolf  Freiherr  von,    k.  u.  k.  Feldzeugmeister    und  vor    seinem 
Rücktritte  aus  dem  activen  Dienste  Commandant  des  5.  Corps  und  comman- 
dirender  General  in  Pressburg,  ♦  als  Sohn  eines  Hauptmanns  zu  Gross-Enzers- 
dorf  in  Niederösterreich  am  23.  October  1823,  f  in  Wien  am  9.  Mai  1S97.  — 
Er  trat  im  Jahre  1835  ^^  ^*^  theresianische  Militär-Akademie  in  Wr.  Neustadt 
ein,  die  er  nach  siebenjähriger  Militär-Erziehung  als  Lieutenant  im  Infanterie- 
Regiment  Hoch-  und  Deutschmeister  Nr.  4  verliess.     Im  Jahre  1848  wurde  er 
zum  Oberlieutenant    befördert    und    in    das  Generalquartiermeister -Amt    ein- 
getheilt.    C.  war  es  vergönnt,  von  früh  auf  die  Bethätigung  seiner  militärischen 
Eigenschaften  in  ernster,  kriegerischer  Beschäftigung  zu  finden.     Die  Kriegs- 
jahre 1848  und  1849  machte  er  bei  der  Armee  in  Ungarn  mit.     Das  tüchtige 
Verhalten  C.'s  bei  den  sich  abspielenden  Affairen,  wie  in  den  Gefechten  vor. 
Nowosielica  am  20.  und  21.  März  und  Munkäcs  am  22.  April  und  endlich  in  der 
Schlacht  von  Komom  am  11.  Juli  1849   ^'^g  ^^™  ^^  Anerkennung  die  Ver- 
leihung des  Militärverdienstkreuzes  ein.    Im  Jahre  1859  war  C.  Oberstlieutenani 
im  Generalstabe  und  Chef  des  3.  Armee-Corps.     Die  verdienstvolle  Thätigkcit 
C.'s  während  der  beiden  Abschnitte  dieses  Feldzuges  fand  nach  der  Schlacht 
von    Magenta    ihre    Anerkennung    durch    Verleihung    des    Ritterkreuzes     des 
Leopold-Ordens,  während  ihm  nach  der  Schlacht  von  Solferino  der  Orden 
der  Eisernen  Krone  3.  Klasse   und  wenige  Monate  darauf  ebenfalls  in   Wür- 
digung der  in  der  genannten  Schlacht   bewiesenen   Tüchtigkeit  die  höchste 
militärische  Auszeichnung,   das  Ritterkreuz  des   Maria-Theresia-Ordens    zuer- 
kannt wurde.     Mit  der  Verleihung  dieses  Ordens  war  statutengemäss  die  Er- 
hebung in  den  Adelstand  verbunden.     Die  Waffen that  C.'s  bei  Solferino  ver- 
dient als  Zeichen    der  hohen  militärischen  Befähigung  dieses  Mannes,    sowie 
seines    kühnen,    entschlossenen  Charakters    kurz    geschildert   zu  werden.     Es 
war  in  den  Vormittagsstunden  des  24.  Juni,  als  das  3.  Armee-Corps,  das  rechts 
von    dem    den    linken    Flügel    der    österreichischen    Sohlachtlinie    bildenden 
9.  Corps  focht,   alle  seine  Kräfte  verausgabt  hatte.     Links  der  Strasse  Gui- 
dizzolo-Castiglione  hatte  sich  die  Division  FML.  Habermann  des  Corps   ent- 
wickelt,  während  rechts  von  ihr  FML.  Schönberger  mit  der  zweiten  Division 
des  Corps  im  Kampfe  gegen  den  die  Linie  Quagliara^Casa  nuova-Rebecco  und 
Morino  haltenden  Gegner  stand.     Ohne  jede  Reserve  konnte  das  Commando 
des  3.  Corps  keine  andere  Absicht  haben,   als  sich  in  der  ihm  zugewiesenen 
Aufstellung  ä  cheval   der  Strasse  so  lange  zu  behaupten,  bis   das  11.  Corps, 
das  als  Reserve  heranrückte,  zur  Stelle  wäre.     C.  war  die  Schlachtlinie  seines 
Corps  vom  rechten  Flügel  an,  bei  dem  die  Verhältnisse  günstiger  waren,  als  bei 
den  anderen  Theilen  des  Corps,  abreitend  eben  im  Begriffe,  die  Strasse  zu  über- 
setzen   und    die    Situation    dem    Commandanten    Fürsten    Schwarzenberg   zu 
melden,  als  das  knapp  links  der  Strasse  gegen  Casa  nuova  vorgehende  zweite 
Bataillon  Hessen-Infanterie  vom  Feinde  zurückgeworfen  wurde.     Die  Schlappe 
war  so  gross,  dass  die  Eroberung  mehrerer  Geschütze  seitens  des  heftig  nach- 
drängenden  Gegners    nicht  verhindert   werden    konnte   und    dass   die  Gefahr 
nahe   lag,    der   Feind  könne,   seinen   plötzlich   errungenen  Vortheil   energisch 
verfolgend,    die  Mitte    des   Corps  vollends    durchbrechen.     C.    erkannte  die 
kritische   Situation;    notwendig  war    rasche  Hilfe,    wenn   auch  mit  noch  so 
wenig  Kräften,    da  dem  plötzlichen  Gegenangriffe    der  siegreiche,    blind    ver- 
folgende Gegner  am   ehesten  weichen  musste.     C.    stellte    sich    daher,   ohne 
einen  höheren  Befehl  einzuholen,  an  die  Spitze  der  zunächst  befindlichen  in- 
takten Truppe,   es  war  eine  Division    Belgien-Infanterie,    führte  sie   links   der 


Freiherr  v.  Catty.     Engerth.  ^03 

Strasse  vor  und  warf  im  Verein  mit  den  sich  um  diese  Division  sammelnden, 
durch  den  vehementen  Angriff  der  Franzosen  zersplitterten  Truppen,  die 
Feinde  wieder  nach  Casa  nuova  zurück,  wobei  diese  die  eroberten  Geschütze 
im  Stiche  lassen  mussten.  Durch  diese  Waffen that  C.'s  war  die  Schlacht  im 
Centrum  wieder  hergestellt  und  dadurch  zugleich  einer  Katastrophe  vorgebeugt. 
Im  Kriege  1866  gegen  Preussen  war  Oberst  C.  Generalstabschef  des  Erz- 
herzogs Ernst,  der  das  3.  Corps  commandirte.  In  rascher  Folge  erstieg  C. 
während  der  nun  folgenden  Friedensjahre  die  Stufenleiter  der  militärischen 
Würden.  Im  Jahre  1874  finden  wir  ihn  als  Stellvertreter  des  Chefs  des 
Generalstabes,  von  welcher  Stellung  er  auf  eigene  Bitte  im  Jahre  1876  ent- 
hoben wurde.  Bis  zu  seinem  im  Jahre  1889  erfolgten  Rücktritte  vom  activen 
Dienste  war  C.  zuerst  Divisions-  und  dann  Corps-Commandant  in  Pressburg. 
Den  im  Kriege  erworbenen  hohen  Auszeichnungen  gesellten  sich  nun  während 
der  der  Erziehung  des  Soldaten  zu  seinem  schweren  Berufe  gewidmeten 
Friedensjahre  in  rascher  Folge  ehrenvolle  Anerkennungen  des  Kriegsherrn  bei. 
C.  wurde  1882  Geheimer  Rath,  bald  darauf  Oberst-Inhaber  des  Infanterie- 
Regiments  No.  102  und  ein  Jahr  darauf  Feldzeugmeister  und  lebenslängliches 
Herrenhausmitglied,  in  welcher  Körperschaft  er  sich  der  Mittelpartei  anschloss. 
Nach  seinem  Rücktritte  vom  activen  Dienste,  wobei  sich  aber  der  Kaiser 
die  Wiederverwendung  C.'s  vorbehielt,  wählte  dieser  Wien  zu  seinem  ständigen 
Aufenthalte,  wo  er  am  9.  Mai  1897  starb. 

Quellen:  J.  Lukes,  Militärischer  Maria  Theresien-Orden.     Wien  1890. 

K.  Wollanka. 

Engerth,  Eduard,  Ritter  von,  Maler  und  Galeriedirektor  in  Wien,  *  am 
13.  Mai  181 8  zu  Pless  in  Preussisch-Schlesien ,  f  am  29.  Juli  1897  auf  dem 
Semmering,  war  der  Sohn  eines  in  Pless  ansässigen  Malers,  wanderte  in 
früher  Jugend  nach  Gestenreich  aus  und  bezog  im  December  1837  die 
Wiener  Akademie.  Hier  wurden  Führich  und  Kupelwieser  seine  Lehrer. 
Schon  1844  erhielt  er  fiir  sein  Gemälde  »Josefs  Traumdeutung«  die  goldene 
Staatsmedaille.  1846  malte  er  im  Auftrage  Erzherzog  Carls  »Die  Kaiser- 
krönung Rudolfs  von  Habsburg«.  Im  folgenden  Jahre  ging  er  mit  einem 
kaiserlichen  Reisestipendium  auf  6  Jahre  nach  Italien.  In  Rom  verkehrte 
er  viel  bei  Cornelius;  auch  trat  er  damals  in  freundschaftliche  Beziehungen  zu 
Victor  von  Scheffel,  dessen  Bildniss  er  in  einer  Bleistiftzeichnung  festhielt. 
Diese  Zeichnung  ist  später  von  Th.  Hrncir  radirt  worden.  Das  Hauptwerk 
seiner  römischen  Zeit,  und  wohl  auch  das  seines  Lebens,  ist  das  grosse  Bild, 
das  sich  heute  in  der  kaiserlichen  Gemäldegalerie  zu  Wien  befindet:  «Helene, 
die  Gemahlin  Manfreds,  wird  mit  ihren  Kindern  von  den  Kriegern  Karls 
von  Anjou  gefangen  genommen«  (gemalt  1851  bis  1853).  Es  erregte 
sowohl  bei  seinem  ersten  Erscheinen  in  Rom,  als  auch  bei  einer  Rund- 
reise durch  Europa  das  grösste  Aufsehen  und  machte  bald  den  Namen  des 
jungen  Künstlers  bekannt,  ja  berühmt.  Es  ist  heute  schwer,  dieses  Aufsehen 
zu  begreifen,  uns  erscheint  schon  der  Gegenstand  für  ein  grosses  Gemälde 
allzu  anekdotenhaft,  das  hohle  Pathos  mit  den  rollenden  Augen  und  den 
theatralischen  Gebärden  stösst  uns  ab,  und  auch  in  der  an  sich  trefflichen 
Malerei  finden  wir  wenig  feinen  künstlerischen  Geschmack.  Das  Ganze  wirkt 
auf  uns  nicht  viel  anders,  als  die  vielen  Kunstvereinsblätter  aus  jener  Zeit, 
wo  Kaulbach,  Lessing  und  Piloty  das  künsderische  Leben  Deutschlands  fast 


394  ^*  Engerth. 

völlig  beherrschten.  Damals  bewunderte  man  aber  daran  den  lebendigen 
Ausdruck  und  ganz  besonders  den  Naturalismus  in  der  Malerei  der  historischen 
Kostüme  und  des  Beiwerks.  Merkwürdig  ist  das  Urtheil  des  alten  Cornelius, 
der  an  E.'s  Gemälde  die  Komposition  gut,  die  Darstellung  ergreifend,  die 
Malerei  aber  schlecht  fand,  wegen  des  Uebermaasses  an  Naturalistik  und 
Glanz  der  Farbe,  die  nach  seiner  Meinung  die  Wirkung  der  Zeichnung  zu 
nichte  machten.  Wie  sehr  haben  sich  doch  seit  jener  Zeit  die  Begriffe  von 
Naturalistik  der  Farbe  geändert;  was  würde  Cornelius  zu  unsem  heutigen 
NaturaHsten  sagen! 

Diesem  Erfolge  hatte  es  E.  zu  danken,    dass    man    ihn  Ende   1853    als 
Direktor  der  Akademie    nach  Prag    berief,    wo    er    der  Nachfolger  Christian 
Ruben's  wurde.     In  der  folgenden  Zeit  wirkte  er  dann  an  der  Ausschmückung 
der  Altlerchenfelder  Kirche  zu  Wien  mit.     Das  linke  Seitenschiff  dieser  Kirche 
malte    er    nach    eigenen  Entwürfen,    das  Presbyterium    nach    Kompositionen 
seines  Lehrers  Führich  aus.      Daneben  schuf  er  eine  grössere  Zahl  von   Bild- 
nissen   böhmischer   Adeliger,  im  Jahre  1861    auch    das  Bildniss    des  Kaisers 
Franz  Joseph  im  Toisonordensomate,    ein    ziemlich  langweiliges  Ceremonien- 
bild  (jetzt  im  Landtagssaale    zu  Prag).      In    den    Jahren   1860  bis  1865   ent- 
stand   das    grosse,    28  Fuss    lange  Gemälde:     »Prinz  Eugen    übersendet    die 
Botschaft    des  Sieges    bei  Zenta    an    den  Kaiser«   (jetzt    im  kgl.   Schlosse  zu 
Ofen).    1865  wurde  E.  als  Professor  an  die  Akademie  der  bildenden  Künste  zu 
Wien  berufen.     Hier  fiel  ihm  die  ehrenvolle  Aufgabe  zu,  neben  Schwind  an 
der  Ausschmückung  des  neuen  Opernhauses  mit  Fresken  mitzuarbeiten.     Für 
die  sogenannte  Kaisertreppe  entwarf  er  zwölf  Darstellungen  aus  der  Orpheus- 
sage;   sie    verrathen    einigen    dekorativen  Geschmack,    sind    aber  im  Ganzen 
etwas  langweilig  und  süsslich.     Besser  sind  die  sieben  Scenen  aus  der  Hoch- 
zeit des  Figaro,    mit  denen   er  den  Kaisersaal    des  Opernhauses  zierte.      Sie 
zeugen  von  dem  Einflüsse  Schwinds,  haben  Humor  und  fallen  nur  selten  ins 
Theatralische.     Den  Vergleich  mit  Schwinds  köstlichen  Schöpfungen  vermögen 
sie  freilich  nicht  auszuhalten.     Im  Jahre  1867  malte  E.  noch  die  »Krönungs- 
feierlichkeiten   Ihrer    Majestäten    in    Ofen«,    ein    Gemälde,    das    sich    gegen- 
wärtig im  kgl.  Schlosse  zu  Ofen  befindet.      Seitdem    hat    er    ausser    einigen 
Bildnissen,  worunter  wir  das  seines  Lehrers  Führich  hervorheben,   nur  wenig 
mehr  gemalt. 

Von  nun  an  beschränkte  er  seine  künstlerische  Wirksamkeit  fast  ausschliess- 
lich auf  seine  Lehrthätigkeit  an  der  Akademie  der  bildenden  Künste.  Unter 
seinen  Schülern  heben  wir  Karger,  Charlemont  und  Rumpier  hervor.  In  den 
Jahren  1874 — 1876  war  er  Rektor  dieser  Anstalt,  erst  1877  trat  er  als  Professor 
in  den  Ruhestand.  Daneben  bekleidete  er  verschiedene  Ehrenstellen.  1866 
wurde  er  Vorstand  der  Wiener  Künstlergenossenschaft,  1867  Kurator  des 
österreichischen  Museums  für  Kunst  und  Industrie,  1869  Ehrenmitglied  der 
Münchener  Künstlergenossenschaft;  auch  betheiligte  er  sich  an  der  Jury  der 
Pariser  Ausstellung  (1867)  und  an  der  der  Wiener  Weltausstellung  (1873). 
In  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  nahm  ihn  ein  Amt,  das  ausserhalb  des 
eigentlichen  Kreises  seiner  künstlerischen  Wirksamkeit  liegt,  stark  in  Anspruch. 
Seit  1871  war  er  Direktor  der  kaiserl.  Gemäldegalerie  im  Belvedere.  Von  sei- 
ner Thätigkeit  als  solcher  zeugt  das  dreibändige  »Beschreibende  Verzeichniss. 
der  ihm  anvertrauten  Galerie,  das  in  den  Jahren  1882  bis  1886  erschienen 
ist.  Diese  Arbeit  hat  ihre  grossen  Fehler,  sie  ist  weitschweifig  und  langathmig, 
im  Einzelnen  aber,  besonders    in    der  Angabe    der  Provenienz    und  der  Re- 


V.  Engertb.     Schönn.  -iqc 

Produktionen  der  einzelnen  Gemälde,  nicht  ganz  verlässlich;  auch  gebrach  es 
E.  an  Kritik  und  Kennerschaft,  so  dass  er  sich  bei  Sachverständigen,  wie 
z.  B.  Crowe  und  Cavalcaselle,  Raths  erholen  musste;  dass  die  letztgenannten 
nicht  immer  Recht  behalten  haben,  ist  freilich  nicht  E.'s  Schuld.  Uebrigens 
steckt  sonst  viel  Fleiss  und  Sorgfalt  in  diesem  Verzeichnisse,  und  man  kann 
es  als  eine  verdienstiiche  und  nützliche  Vorarbeit  zu  einem  zu  erwartenden 
kritischen  Kataloge  der  Wiener  Gemäldesammlung  betrachten.  Wenig  Glück 
hatte  £.  mit  der  Neuaufstellung  der  Galerie,  die  er  1891  aus  Anlass  der 
Uebersiedlung  der  Sammlung  in  das  neuerbaute  prunkvolle  kunsthistorische 
Hofmuseum  durchführte.  Der  alte  Herr  hatte  die  ganze  Neuordnung  auf 
dem  Papier  ausgemessen  und  ausgerechnet  und  danach  die  Bilder  in  den 
Räumen  vertheilt.  Als  aber  das  Museum  eröfihet  worden  war,  wurden  bald 
von  allen  Seiten  Klagen  über  die  Aufstellung  laut,  und  man  musste  sich 
dazu  entschliessen ,  die  Bilder  ganz  neu  zu  hängen.  Noch  vor  dieser  Neu- 
aufstellung trat  £.  aus  Gesundheitsrücksichten  in  den  Ruhestand.  Den  Rest 
seines  Lebens  verbrachte  er  in  Zurückgezogenheit. 

A.  SchäfTer,  Die  kaiserliche  Gemälde  -  Galerie  in  Wien.  Moderne  Meister.  1893  ff. 
S.  28.  —  C.  Karger,  Erinnerungen  an  E.  v.  E.,  Neue  Freie  Presse,  12.  August  1897.  — 
Wiener  Zeitung,  29.  Juli  1897.  —  Zeitschrift  für  bildende  Kunst  III.  1868  S.  5:  Engerths 
Fresken  aus  Figaros  Hochzeit  (B). 

Gustav  Glück. 


Schönn,  AloiSy  Maler,  »zu  Wien  am  11.  März  1826,  f  zu  Krumpendorf 
am  Wörthersee  in  Kämthen  am  16.  September  1897,  war  der  Sohn  des 
k.  k.  Oberamtscontrolors  Johann  S.  und  seiner  Gattin  Anna,  geb.  Hauffer, 
genoss  im  Hause  seiner  Eltern  eine  sorgfältige  Erziehung  und  kam  im  Herbst 
1845  ^^  ^^^  Wiener  Akademie,  wo  er  länger  als  zwei  Jahre  verblieb  und  be- 
sonders bei  Führich  studirte.  Als  im  Winter  1848  die  Akademie  in  Folge 
der  Revolution  geschlossen  wurde,  ging  der  junge  S.  zur  Vertheidigung  Tirols 
an  die  italienische  Grenze.  Der  kleine  Feldzug,  den  er  hier  mitmachte,  bot 
ihm  reiche  künstlerische  Anregung,  bestärkte  seine  Neigung  zur  Schlachten- 
malerei und  gab  ihm  die  Vorwürfe  zu  seinen  ersten  Bildern.  Bald  nach 
seiner  Rückkehr  malte  er  den  »Rückzug  aus  dem  Gefechte  von  Ponte  Te- 
desco«,  ein  Gemälde,  das  der  Verein  für  bildende  Kunst  um  eine  stattliche 
Summe  erwarb,  und  »Die  Erstürmung  des  verschanzten  Lagers  von  Lodrone«, 
die  vom  Kaiser  für  die  Belvedere- Galerie  angekauft  wurde.  Diese  Erfolge 
bewogen  ihn,  auch  den  Kriegsschauplatz  in  Ungarn  aufzusuchen,  wo  er  sich 
neue  Vorwürfe  zu  seinen  Schlachtenbildem  holen  wollte.  Hier  war  er  jedoch 
weniger  glücklich:  er  wurde  bei  Komom  von  den  Aufständischen  gefangen 
genommen  und  als  Spion  zum  Tode  verurtheilt;  nur  das  Einrücken  der  kai- 
serlichen Truppen  rettete  ihm  das  Leben.  Aus  Erinnerungen  und  Studien, 
die  er  von  dieser  Reise  mitbrachte,  entstand  das  Bild:  »Eine  ungarische 
Familie  kehrt  nach  Beendigung  des  Krieges  in  die  Heimath  zurück«.  Im 
Jahre  1850  begab  sich  S,  nach  Paris,  wo  er  bis  1851  blieb,  ein  Aufent- 
halt, der  sicherHch  für  sein  ferneres  Schaffen  von  grösster  Bedeutung  war. 
Wie  er  selbst  angab,  hat  er  dort  am  meisten  von  Horace  Vernet  gelernt; 
die  grossen  Schlachtendarstellungen  dieses  damals  sehr  gefeierten  Meisters 
müssen  den  jungen  Künstler  stark  angezogen  haben.  Freilich  hat  er  gerade 
seit  seiner  Pariser  Reise  fast  gar  keine  Schlachtenbilder  mehr  gemalt.  Wich- 
tiger ist  aber  für  S.'s  Laufbahn  etwas  anderes  geworden,  was  er  Vernet  ver- 


■2  06  Schönn. 

dankt,  nämlich  seine  grosse  Vorliebe  für  den  Orient,  der  er  zeitlebens  treu 
geblieben  ist.  Vemet  hatte  den  Aufsehen  erregenden  Versuch  gemacht,  seine 
biblischen  Darstellungen  in  das  Gewand  von  Scenen  aus  dem  wirklichen  Orient 
zu  kleiden;  solche  Bilder  mögen  wohl  in  S.  den  Wunsch  erweckt  haben,  den 
Orient  aus  eigener  Anschauung  kennen  zu  lernen  und  zu  schüdem.  Die 
Orientmalerei  war  ja  auch  damals  in  Paris  nichts  neues  mehr;  früher  als 
Vemet  hatte  der  geniale  Alexander  Decamps  den  Orient  und  das  Leben  des 
Orients  mit  den  Augen  eines  grossen  Malers  angesehen  und  mit  den  glühend- 
sten Farben  geschildert.  Hätte  S.  nicht  selbst  gesagt,  dass  er  in  Paris  am 
meisten  von  Vemet  beeinflusst  worden  sei,  so  müssten  wir  glauben,  dass  ihm 
Decamps  viel  mehr  gewesen  sei,  als  der  malerisch  weit  weniger  begabte 
Vemet.  In  der  That  stossen  wir  in  S.'s  Bildern,  selbst  in  denen  seines  Al- 
ters, immer  und  immer  wieder  auf  Decamps'  Einfluss:  von  niemand  anderm 
hat  S.  den  feinen  Geschmack,  der  sich  in  der  Wahl  oft  unscheinbarer,  male- 
risch aber  höchst  wirksamer  Motive  zeigt,  wie  es  z.  B.  Ansichten  von  ver- 
fallenem Gemäuer,  schmutzigen  Höfen  und  Innenräumen,  elenden  Werkstätten 
und  dergl.  sind;  auch  die  breite,  kräftige  Malweise  und  die  etwas  tiefe  Fär- 
bung der  Bilder  S.'s  erinnert  sehr  an  Decamps*  Art. 

Wie  dem  auch  sei,    es  ist  ohne  Zweifel  S.'s  eigenes  Verdienst,    dass    er 
zuerst  den  Orient  in  die  österreichische  Malerei  eingeführt  hat,    etwa  wie   es 
Decamps  für  die  französische  und  Wilhelm  Gentz    für    die    deutsche    Malerei 
gethan    haben.    S.    ist  in  Oesterreich  der    erste    wirkliche  Orientmaler;    \-iel 
später  erst  sind    ihm    auf  diesem  Gebiete  österreichische  Maler  wie  Leopold 
C.  Müller  und  C.  Huber  gefolgt.     Schon    1852    hat  S.  seine    erste  Reise    in 
den  Orient  unternommen  und  seither  fast  den  ganzen  Orient  auf  wiederholten 
Reisen    kennen    gelernt    und    studirt:    Syrien,  Aegypten,   Nubien,  der  Sudan, 
Tunis,   die  Türkei  und  die  Balkanländer  haben  ihm  Stoffe  zu  seinen  Bildern 
geliefert.     Er  liebte  den  Süden ;  nicht  nur  die  sonnige,  heitere  Landschaft  zog 
ihn  an,  sondern  noch  viel  mehr  das  südlich  lebendige,  fluthende  Treiben  des 
Volkes  bei  Versammlungen,  Festen,   Märkten,    Weinlesen,  Theatervorstellun- 
gen u.  s.  w.     Einige  Titel  solcher  BUder  mögen  hier  angefUhrt  werden,  weil 
sie  uns  am  besten  die  Gegenstände  seiner  Schilderungen  aus  dem  Orient  vor 
Augen    führen   können:     »Märchen -Erzähler«,    »Türkisches  Caf^«,    »Der  tür- 
kische   Bazar«    (jetzt    in    der   Akademie    der    bildenden    Künste    zu    Wien), 
»Pferdemarkt    in    Tunis«,     »Der    orientalische    Obstmarkt«,     »Der    Wüsten- 
brunnen«, »Türkische  Weinlese«  u.  a.  m.    Aber  nicht  nur  den  Orient  hat  er 
malerisch  dargestellt,  sondern  er  fand  auch  Gegenstände    für    seine  Gemälde 
überall,  wo  er  noch  ursprüngliche  Volksbräuche  und  -sitten  beobachten  konnte: 
in  Ungarn,  Siebenbürgen,  Galizien,  Bosnien,  Dalmatien,  in  Italien,  wovon  er 
besonders  Rom,   Capri,  Palermo,  Taormina  und  Chioggia  liebte,   endlich  in 
Kärnthen  und  selbst  in  Wien.    Seine  Entwicklung  war  etwa  der  Pettenkofens 
parallel  gegangen;  wie  dieser,  ist  er  vom  Schlachtendarsteller  zum  Maler  des 
Volkslebens  geworden.     Am  meisten  Erfolg    hatte    er  mit  seinen  Bildern  aus 
Italien:    das    Gemälde    »An    der   genuesischen  Küste«    wurde   1872    für  die 
Belvedere- Galerie  angekauft,   das    »Volkstheater    in    Chioggia«    brachte    ihm 
1874    in  Berlin  die  goldene  Medaille,   das   »Volksfest  an  der  Riviera«   1878 
in  Paris  das  Ritterkreuz  der  Ehrenlegion,    die  »Römischen  Winzer«   1883  >" 
Wien  die  Karl -Ludwigs -Medaille.     Ein  weiteres  Feld,   worin  S.  seine  feine 
Beobachtungsgabe  verwerthen  konnte,    bot    ihm  die  Schilderung  des  Lebens 
der  Wallachen,   Zigeuner  und  galizischen  Juden.     Dahin  gehören  die  Bilder: 


Schönn.     Meyer.  ^97 

»Die  drei  Zigeuner«,  »Vorhof  einer  Synagoge«,  »Judenverfolgung«,  »Gänse- 
markt  in  Krakau«  u.  s.  w.  Am  Ende  seines  Lebens,  wo  ihm  Reisen  an- 
fingen, beschwerlich  zu  werden,  hat  er  sich  auf  die  Schilderung  des  Wiener 
Volkslebens  geworfen;  davon  zeugen  die  Gemälde:  »Abschied  auf  dem  Süd- 
bahnhofe zu  Wien«,  »Auf  der  Freyung«  und  »Am  Schanzl«  (die  beiden 
letztgenannten  im  Besitze  der  Stadt  Wien).  Das  letzte  Bild,  das  er  gemalt 
hat,  ist  das  »Kirchweihfest  in  Luzia  in  Kämthen«. 

S.  nimmt  unter  den  österreichischen  Malern  der  zweiten  Hälfte  unseres 
Jahrhunderts  eine  hervorragende  Stellung  ein.  Seine  künstlerische  Persönlich- 
keit zeichnet  sich  nicht  so  sehr  durch  auffallende  Originalität  oder  feuriges 
Temperament  aus,  als  viel  mehr  durch  Ernst,  Ruhe,  Tüchtigkeit,  Ehrlichkeit 
und  Fleiss.  Diese  Eigenschaften  haben  aus  ihm  einen  vorzüglichen  Maler  ge- 
macht. Die  Färbung  seiner  Bilder  war  Anfangs  schwer  und  kühl  und  durch 
bleierne  graue  Schatten  entstellt;  später  wird  sie  Dank  seinem  Studium  italie- 
nischer Luft  und  Landschaft  harmonischer,  tiefer  und  wärmer.  Seine  Mal- 
weise ist  immer  breit  und  kräftig  und  verfällt  nie  ins  Glatte  und  Kleinliche. 
Dadurch  nähert  er  sich  etwas  den  Modernen,  ohne  freilich  weit  über  die 
Tradition  der  französischen  Malerei  des  zweiten  Kaiserreiches  hinauszugehen. 
Wirkliches  Freilicht  sucht  man  in  seinen  Gemälden  vergeblich;  wohl  aber 
findet  man  es  in  seinen  Studien.  Gerade  diese  Naturstudien,  wovon  man 
eine  grosse  Anzahl  auf  der  Ausstellung  seines  Nachlasses  in  Wien  im  Winter 
1898  bewundern  konnte,  geben  aber  den  besten  Begriff  von  seinem  grossen 
malerischen  Können. 

C.  Ton  Vincenti,  Wiener  Konstrenaissance  Wien  1876  S.  341.  —  A.  Schäffer,  Die  kaiser- 
liche Gemälde- Galerie  in  Wien.  Moderne  Meister.  18930*.  8.  83.  —  Katalog  des  künst- 
lerischen Nachlasses  A.  S.'s.  Wien,  Miethke  1898  (mit  Abbildungen).  —  Neue  Freie  Presse, 
22.  Februar  1898  (Abendblatt):  Der  Nachlass  des  Malers  Schönn  (v.  V.). 

Gustav  Glück. 

Meyer,  Jürgen  Bona,  Philosoph,  ^  am  25.  October  1829,  Sohn  des  gleich- 
namigen Kaufmannes  in  Hamburg,  f  am  22.  Juni  1897  in  Bonn.  —  Von 
1842  — 1849  besuchte  er  das  Hamburger  Johanneum.  Dann  studirte  er  zu 
Bonn  vom  Herbst  1849 — '^5^  Medizin  und  Naturwissenschaft,  und  in  Berlin 
bis  Herbst  1853  Naturwissenschaft  und  Philosophie.  Nach  einem  halbjährigen 
Aufenthalt  in  Hamburg  promovirte  er  am  19.  Juni  1854  zu  Berlin  auf  Grund 
einer  Dissertation  »De  principiis  Aristotelis  in  distributione  animalium  ad- 
hibitis«  als  Doctor  der  Philosophie.  Diese  Dissertation  wurde  die  Grundlage 
zu  einem  grösseren  Werke  »Aristoteles'  Thierkunde.  Ein  Beitrag  zur  Ge- 
schichte der  Zoologie,  Physiologie  und  alten  Philosophie.«  Berlin  1855. 
250  S.  —  Vor  Beendigung  des  Druckes  dieses  Werkes  begab  sich  M.  im 
Januar  1855  nach  Paris,  um  dort  Vorstudien  zu  einer  CJeschichte  der  neueren 
Philosophie  in  Frankreich  zu  machen,  als  deren  Ergebniss  bald  einige  Artikel 
in  der  »Zeitschrift  für  Philosophie  und  philosophische  Kritik«  erschienen. 
Von  Herbst  1855  bis  Winter  1862  lebte  M.,  abgesehen  von  einem  halbjähri- 
gen Berliner  Aufenthalt  und  verschiedenen  Reisen  in  der  Schweiz  und  Nord- 
italien, in  Hamburg  als  Privatgelehrter.  Im  Winter  1856  hielt  er  am  Ham- 
burger akademischen  Gymnasium  öffentliche  Vorträge  »zum  Streit  über  Leib 
und  Seele«,  die  dann  auch,  unter  diesem  Titel,  im  Druck  erschienen  (Ham- 
burg 1856.  130  S.).  Eis  waren  Worte  der  Kritik,  die  auf  Kant's  Kriticismus 
zurückwiesen.     Zugleich  erschien  eine  Schrift  »Voltaire  uud  Rousseau  in  ihrer 


39S  Meyer. 

socialen  Bedeutung«  (Berlin  1856.  184  S.),  gleichfalls  aus  wissenschaftlichen 
Vorträgen  hervorgegangen.  Letztere  Schrift  war  in  ihrer  Richtung,  speziell 
in  ihrer  Werthschätzung  Voltaire's,  ein  Vorläufer  des  VTerkes  von  David  Strauss 
über  Voltaire.  Die  wissenschaftliche  Hauptthätigkeit  dieser  Zeit  galt  der  Mit- 
arbeit am  Index  zum  Aristoteles,  den  die  Berliner  Akademie  veranstaltete. 
M.  übernahm  die  naturgeschichtlichen  Artikel.  Im  Jahre  1860  bedieüigte 
sich  M.  an  der  Königsberger  Naturforscherversammlung  mit  einenoi  Vortrage 
über  die  »Principien  der  Stufenordnung  der  Thiere«.  Im  gleichen  Jahre 
veröffentlichte  er  eine  Schrift  »Gedanken  über  eine  zeitgemässe  Entwicklung 
der  deutschen  Universitäten«,  die  den  Anfang  bildete  zu  einer  dauernden 
Beschäftigung  mit  der  Frage  der  Universitäten  und  ihrer  Geschichte. 

Damals  schon  regte  sich  in  M.  der  Gedanke  der  Habilitation  .an  einer 
Universität.  Doch  blieb  er  noch  einige  Jahre  in  seiner  Vaterstadt,  theils 
wissenschaftlichen  Studien  hingegeben,  theils  bemüht,  allerlei  gemeinnützige 
ideale  Bestrebungen,  wie  die  Errichtung  einer  Kunsthalle,  eines  Schillerdenk- 
males, einer  Volksbibliothek,  einer  Fortbildungsanstalt  für  junge  Kaufleute, 
eines  öffentlichen  Leseinstitutes  des  Athenäums,  insbesondere  aber  die  auf 
eine  Schulreform  gerichteten  Bestrebungen  zu  unterstützen.  Jenen  verschie- 
denartigen Bestrebungen  sollte  auch  die  Herausgabe  des  Hamburger  Wochen- 
blattes (gemeinsam  mit  Emil  Lohmann)  dienen.  Das  Interesse  an  der  Schul- 
reform veranlasste  M.  zur  Veröffentlichung  der  Schriften  »Staat  und  Kirche 
im  Streit  um  die  Schule  in  Hamburg«  und  »Grundzüge  der  Schulreform 
unserer  Zeit  mit  Rücksicht  auf  die  Geschichte  des  Schulwesens  in  Ham- 
burg« (beide  1861).  M.'s  damalige  pädagogische  Studien  fanden  ihren  vor- 
läufigen Abschluss  in  dem  Buche  über  »Religionsbekenntniss  und  Schule«  1882. 

Herbst  1862  endlich  habilitirte  sich  M.  in  Berlin  als  Privatdozent  fiir 
Philosophie.  Gleichzeitig  wurde  ihm  die  Funktion  eines  Lehrers  der  Philo- 
sophie an  der  Berliner  Kriegsakademie  übertragen.  1867  wurde  er  Trendelen- 
burg's  Nachfolger  als  Mitglied  der  ausserordentlichen  Prüfungscommission  für 
das  Oberlehrerexamen.  Auch  in  Berlin  betheiligte  sich  M.,  soweit  es  die 
neue  Lehrthätigkeit  gestattete,  durch  öffentliche  Vorträge  an  gemeinnützigen 
Bestrebungen,  vor  allen  solchen,  die  auf  Hebung  der  Volksbildung  gerichtet 
waren.  Einer  dieser  Vorträge  erschien  unter  dem  Titel  »Volksbildung  und 
Wissenschaft  in  Deutschland  während  des  letzten  Jahrhunderts«  1866.  Im 
Februar  1868  wurde  M.  als  Brandis'  Nachfolger  ordentlicher  Professor  der 
Philosophie  in  Bonn.  Die  Antrittsrede  über  »die  Gemeinschaft  der  Facul täten- 
erschien  1869  in  Bonn.  Im  folgenden  Jahre  veröffentlichte  M.  ein  Buch  über 
»Kant's  Psychologie«,  das  in  eindringlicher  und  einleuchtender  Weise  auf  das 
Psychologische  in  Kant's  Untersuchungen  hinwies  und  dadurch  für  die  Beurthei- 
lung  der  Kant'schen  Philosophie  grundlegende  Bedeutung  gewonnen  hat.  Von 
1869 — 1882  war  M.  Mitglied  der  wissenschaftlichen  Prüfungscommission  für 
das  Oberlehrerexamen,  betraut  mit  der  Prüfung  in  Philosophie  und  Pädago- 
gik ;  nach  Einführung  der  wissenschaftlichen  Staatsprüfung  der  Theologen  auch 
Mitglied  der  dafür  bestellten  Prüfungscommission  (1874 — 1880).  In  den 
Jahren  1877  ^"^  1878  war  M.  einer  der  Lehrer  des  Prinzen  Wilhelm  von 
Preussen. 

Neben  der  akademischen  Wirksamkeit  war  M.,  besonders  seit  187 1,  von 
der  Theilnahme  an  gemeinnützigen  Bildungsbeatrebungen  und  dem  Interesse 
an  der  deutschen  Kirchen-  und  Schulpolitik  in  Anspruch  genommen.  Thäti- 
gen  Antheil  nahm  er  sofort  an  der  1871  gegründeten  Gesellschaft  zur  Ver- 


Heyer.  399 

breitung  von  Volksbildung.  Auf  der  zweiten  Generalversammlung  dieser  Ge- 
sellschaft in  Darmstadt  1872  trat  er  energisch  für  die  obligatorische  Fortbil- 
dungsschule ein,  die  dann  auch  bald  darauf  in  Hessen  gesetzlich  eingeführt 
wurde.  Der  dort  gehaltene  Vortrag  erschien  in  den  »Deutschen  Zeit-  und 
Streitfragen«  1873.  Seit  1872  war  M.  Mitglied  des  Centralausschusses  der 
genannten  Gesellschaft.  Anfang  Januar  1871  begründete  er  mit  Anderen  den 
Bonner  Bildungsverein,  und  war  dann  ein  Jahrzehnt  Vorsitzender  desselben. 
Von  1872  — 1876  war  er  zugleich  Vorsitzender  des  Verbandes  der  Bildungs- 
vereine Rheinlands  und  Westfalens,  der  sich  in  dieser  Zeit  besonders  der 
Förderung  der  Fortbildungsschulen,  der  Volksbibliotheken  und  des  Simultan- 
schulwesens annahm.  Nach  dem  Umschwung  der  Kirchen-  und  Schulpolitik 
der  preussischen  Regierung  wurde  auf  seine  Anregung  zum  Zweck  der  Fest- 
haltung des  Errungenen  im  Januar  i88i  der  liberale  Schulverein  Rheinlands 
und  Westfalens  gegründet,  dem  er  gleichfalls  als  Vorsitzender  angehörte.  Zu- 
gleich suchte  er  als  Ausschussmitglied  des  »Deutschen  Vereins«  und  bis  1884 
auch  als  Mitglied  des  nationalliberalen  Provinzialcomitds  die  politischen  Be- 
mühungen des  gemässigten  Liberalismus  zu  fördern. 

Die  Schriften  der  bezeichneten  Vereine  geben  von  M.*s  reicher  Antheil- 
nahme  an  ihren  Bestrebungen  Zeugniss.  Besonders  hervorzuheben  sind  folgende 
hierhergehörige  Arbeiten:  Zum  Bildungskampfe  unserer  Zeit,  Bonn  1878;  Die 
Simultanschulfrage  (Deutsche  Zeit-  und  Streitfragen  VIII,  1880);  Die  Behand- 
lung der  Schule  auf  den  letzten  Generalsynoden  Rheinlands  und  Westfalens, 
1 88 1 ;  Der  Kampf  um  die  Schule ;  historische  und  pädagogische  Erörterun- 
gen über  die  Fragen:  Staatsschule  oder  Kirchenschule?  Religionsunterricht 
und  Staatsschule?  Bonn  1882;  Die  angebliche  sittliche  Verwilderung  der  Ju- 
gend unserer  Zeit  und  die  behauptete  Mitschuld  der  Schule  an  derselben, 
Bonn  1884.  In  Bonn  erschien  auch  das  seit  1883  von  M.  herausgegebene 
Monatsblatt  des  liberalen  Schulvereins  Rheinlands  und  Westfalens.  Neben  die- 
sen weitverzweigten,  überall  wissenschaftlich  fundirten,  aber  doch  zunächst  auf 
das  Praktische  und  die  brennenden  Tagesfragen  gerichtete  Thätigkeit  ging 
doch  jederzeit  die  spezifisch  wissenschaftliche  Arbeit  des  Philosophen  und 
Pädagogen  einher.  Ein  gross  und  umfassend  angelegtes  Werk  über  Pä- 
dagogik und  ihre  Geschichte  schwebte  M.  lange  Jahre  hindurch  als  sein 
eigentliches  I^ebenswerk  vor.  Endloses  Material  wurde  von  ihm  gesam- 
melt und  da  und  dort  im  Einzelnen  verarbeitet.  Seine  Vorlesungen  an  der 
Universität  und  allerlei  öffentliche  Vorträge  gaben  von  der  Beherrschung  des 
Stoffes,  der  Klarheit  der  grossen  Gesichtspunkte,  der  Tiefe  des  Blickes  für 
das  charakteristisch  Einzelne  Zeugniss.  Eine  gelegentliche,  hierhin  gehörige 
Arbeit  ist  das  Buch  »Friedrich's  des  Grossen  pädagogische  Schriften,  aus 
dem  Französischen  übersetzt  mit  einer  Abhandlung  über  Friedrich's  des 
Cirossen  Schulregiment«  erschienen  in  der  Bibliothek  pädagogischer  Klassiker 
(Langensalza  1885).  Dass  das  grosse  Werk  nicht  zum  Abschluss  gelangte, 
hat  zum  Theil  seinen  Grund  in  M.'s  Art,  in  seiner  wissenschaftlichen  Ge- 
wissenhaftigkeit sich  nie  genug  zu  thun,  von  jeder  Arbeit  über  den  Gegen- 
stand Kenntniss  nehmen,  Allem  gerecht  werden  zu  wollen. 

Zum  Anderen  liegt  der  Grund  hierfür  in  dem  Umstände,  dass  von  einer 
gewissen  Zeit  an  der  Gedanke  an  ein  anderes  grösseres  Werk,  einen  »Grundriss 
der  Philosophie«  in  den  Vordergrund  seines  Interesses  rückte.  Dies  Buch 
sollte  in  einen  historischen  und  einen  systematischen  Theil  zerfallen.  Jener 
sollte  die  letzten  überhaupt  möglichen  Gegensätze  der  philosophischen  Welt- 


400  Meyer.     Telmann. 

und  Lebensauffassung  aufzeigen  und  ein  Bild  ihrer  geschichtlichen  £nt- 
wickelung  zeichnen,  dieser  von  den  Ergebnissen  der  philosophischen  Disd- 
plinen  ein  Bild  geben,  und  des  Verfassers  eigene  philosophischen  Ueberzeu- 
gungen  im  Zusammenhang  darlegen.  Auch  hierfür  sind  umfassende  Vorarbei- 
ten von  M.  gemacht  und  allerlei  dahin  Gehöriges  ist  von  ihm  früher  uno 
später  veröffendicht  worden.  Vor  allem  sind  zu  nennen  sein  grösseres  Werk 
:» Philosophische  Zeitfragen«,  und  die  »Probleme  der  Lebensweisheit «,  die 
beide  in  populärer  Form,  jenes  in  zusammenhängenderer  Darstellung,  diese  m 
loserer  AneinanderfUgung  der  einzelnen  Fragen  wichtige  Probleme  der  philo- 
sophischen Welt-  und  Lebensauffassung  beleuchten  und  dem  Verständnis^ 
näher  bringen.  Dazu  treten  dann  ausserordendich  zahlreiche  kleinere  Schnf- 
ten,  Aufsätze  und  Vorträge  über  einzelne  Philosophen,  vor  allem  über  Kant 
und  die  Philosophie  nach  Kant,  andererseits  über  die  verschiedensten  ])sycho- 
logischen  und  psychologisch-ethischen  Thatsachen  und  Probleme.  Aber  aud 
dieses  zweite  grosse  Werk  ist  nicht  zum  Ende  gediehen.  Es  war  in  M.'s  philo- 
sophischen Anschauungen  eine  Gährung  eingetreten.  Sein  ursprünglicher  philo- 
sophischer Dualismus  war  ihm,  zum  Theil  unter  dem  Einfluss  modemer  ]>sycho- 
logischer  Untersuchungen,  deren  Gang  er  eifrig  verfolgte,  wankend  geworden. 
Der  Monismus  gewann  über  ihn  grössere  Macht.  Eine  Revision  seiner  An- 
schauungen, ein  nochmaliges  Durchdenken  derselben  schien  ihm  nothwendig. 
Da  lähmte  im  Januar  1895  ^^^  Schlaganfall  seine  körperliche,  später  eine 
mehrfache  Wiederholung  desselben  auch  seine  geistige  Kraft. 

M.'s  Vorlesungen  erstreckten  sich  auf  die  Pädagogik  und  ihre  Geschichte, 
die  Geschichte  der  Philosophie,  die  Logik,  die  Psychologie.  Von  den  der 
Geschichte  angehörigen  Philosophen  stand  Kant  im  Mittelpunkte  seines 
Interesses.  Unter  den  Disciplinen  der  systematischen  Philosophie  war  ihm 
die  Psychologie  die  grundlegende.  Grossen  Erfolg  hatten  dann  vor  allem 
auch  seine  Vorlesungen  über  akademisches  Leben  und  Studium.  M.  war  ein 
anregender  Lehrer  und  treuer  Freund  der  studirenden  Jugend,  immer  bereit 
zur  Förderung  ihrer  Interessen  und  zu  versöhnendem  Ausgleich  der  Ge- 
gensätze. 

Alle,  die  M.  persönlich  näher  kannten,  schätzten  in  ihm  die  Reinheit 
des  Charakters.  Er  war  ein  anima  Candida  und  eine  optimistische  Natur, 
liebenswürdig,  das  Beste  Aller  wollend,  ein  weiches  Gemüth,  vertrauend, 
Gutes  anerkennend,  Kränkungen  leicht  vergessend,  den  Seinen  in  treuer  Liebe 
ergel)en,  von  grossem  Freundschaftsbedürfniss,  und  treu  festhaltend  an  seinen 
Freunden.     So  lebt  er  in  ihrem  Andenken. 

Theodor  Lipps. 

Telmann,  Konrad,  Schriftsteller,  ♦  am  26.  November  1854  in  Stettin, 
f  am  24.  Januar  1897  in  Rom.  —  Der  Name  »Konrad  Telmann«  ist  ursprüng- 
lich ein  Deckname  für  den  Schriftsteller  Ernst  Otto  Konrad  Zitelmann,  ist 
aber  in  späteren  Jahren  von  dem  Autor  auch  im  bürgerlichen  Leben  geführt 
worden.  Sein  Vater  war  der  Justizrath  und  Generallandschafts  -  Syndicus 
Zitelmann,  seine  Mutter  eine  Tochter  des  Dichters  und  Geschichtsschreiber 
Ludwig  (iisebrecht.  Er  besuchte  das  Mariengymnasium  seiner  Vaterstadt  und 
studirte  seit  Ostern  1873  an  den  Universitäten  Berlin,  Leipzig,  Heidelberg 
und  Grcifswald  die  Rechte.  Obwohl  seine  Gymnasial-,  und  noch  mehr  die 
IJnivcrnitätszeit  durch  häufige  Krankheit  sehr  getrübt  wurde,    so  dass   mehr- 


Telmann.     Hirzel. 


% 


401 


fache  Unterbrechungen  seiner  Studien  und  wiederholter  Aufenthalt  in  der 
deutschen  und  französischen  Schweiz,  in  Meran,  im  bayrischen  Hochlande,  in  ver- 
schiedenen Bädern  nöthig  wurden,  bestand  er  doch  schon  1876  sein  erstes 
juristisches  Examen  und  trat  als  Gerichtsreferendar,  zuerst  in  einer  Kleinstadt 
Pommerns,  dann  in  Stettin,  in  den  Staatsdienst.  Indessen  hatte  das  er- 
zwungene Femhalten  von  wissenschaftlichen  Studien  seine  früh  entwickelte 
Neigung  zu  poetischer  Production  begünstigt,  so  dass  er  in  Rücksicht  sowohl 
auf  diese  Neigung  als  auch  auf  seine  Gesundheit  schon  zu  Neujahr  1878  aus 
dem  Justizdienste  schied ,  um  hinfort  als  Schriftsteller  zu  wirken.  In 
den  folgenden  Jahren  lebte  er  meist  auf  Reisen  durch  Deutschland,  die 
Schweiz,  Frankreich  und  Italien,  weilte  besonders  längere  Zeit  auf  Sicilien, 
bis  er  sich  1883  in  Mentone  (Südfrankreich)  sesshaft  machte.  Nach  seiner 
Verheirathung  mit  der  bekannten  Malerin  und  Dichterin  Hermine  von  Preu- 
schen  (1891)  lebte  er  zeitweise  in  Höckendorf  bei  Stettin,  vorwiegend  aber 
in  Rom,  und  in  der  ewigen  Stadt  hat  er  auf  dem  italienischen  Friedhof  auch 
seine  letzte  Ruhestätte  gefunden.  —  T.  war  ein  sehr  fruchtbarer  Schriftstel- 
ler; er  hat  in  24  Jahren  nicht  weniger  als  69  Werke  in  93  Bänden  veröffent- 
licht, vorwiegend  Novellen,  für  welche  Dichtungsform  er  ganz  besondere  Be- 
gabung zeigte. 

Persönliche  Mittheilungen. 

Franz  Brummer. 

Hirzel  y    Ludwig ,    Universitätsprofessor    der    deutschen  Literatur,    *  am 
23.  Februar  1838  in  Zürich,  f  am  i.  Juni  1897  in  Bern.  —  H.  stammte  aus 
einem  alten  Züricher   Geschlecht,     lieber  seinen   Grossvater,  den  Chorherm 
und  Professor  der  Philosophie  Heinrich  H.  (1766 — 1833),  hat  Ludwig  selbst 
im  Nachruf  auf  seinen  Oheim  Salomon  Hirzel  geschrieben.   Er  war  der  Sohn 
jenes  Heinrich  H.  (f  1790),  der,  als  nicht  unbegabter  Maler,  für  Kunst  und 
Wissenschaft  rege  Theilnahme  hatte  und  der  Freund  des  Fabeldichters  Meyer 
von  Knonau  war.     Der  Chorherr    machte    sich  durch  die   Schrift  »Eugenias 
Briefe«,  die  181 9  die  3.  Auflage  erlebten,    bekannt,    auch    gab    er  Goethe's 
Briefe   an    Lavater,    freilich    nicht   vollständig,    heraus.     Der  Vater  H.'s  war 
Theolog  und  Philolog,   nach  4 jährigem  Studium  in    Leipzig   wurde    er   Pro- 
fessor der  Theologie  am  Karolinum  in  Zürich  und  Lehrer  am  oberen  Gym- 
nasium.    Ein  mir  vorliegender  Nachruf  betont,  dass  sein  Glaube  im  Bedürf- 
niss    eines    liebenden    Herzens    wurzelte.      Der    oft    kränkelnde   Mann    starb 
40 jährig    1841.      Den  Sohn  erzog    die    heitere,    gebildete    und    sicherstellige 
Mutter  Agnes,  eine  geb.  Lorenz  aus  Leipzig,  die  H.  aufs  innigste  geliebt  und 
verehrt  hat.     Im  Jahre  1844  siedelte  sie  mit  dem  Sohn    und    einer  Tochter 
nach  Leipzig  über,  wo   von  den  Brüdern  des  Vaters  besonders  der  jüngste, 
der  bekannte  Goetheforscher  Salomon  H.,  auf  den  heranwachsenden  Knaben 
und    Jüngling   grossen  Einfluss    ausübte.     Salomon    H.    war   nicht   bloss    ein 
kluger,  weltgewandter  Buchhändler,  sondern  auch  reich  an  Bildung  und  Scharf- 
sinn, an  Gemüth  und  Humor,  den  Männer  wie  Gustav  Freytag,  Otto  Jahn, 
Moritz  Haupt,  Theodor  Mommsen  ihren  Freund  nannten.     Nach  Beendigung 
der  Schulzeit  kam  Ludwig  H.,  19 jährig,  nach  Zürich,  um  alte  Philologie  und 
Sprachwissenschaft  zu  studiren.     H.  Schweizer-Sidler,  H.  Köchly  waren  seine 
Lehrer,  der  Aesthetiker  Vischer  war  ihm  besonders  lieb.     Mit  den  in  Zürich 
lebenden  deutschen  Dichtern  und  Künstlern,    die    von    radikalster  Gesinnung 
waren,  trat  der  junge  Student  in  Verkehr:  so  mit  Richard  Wagner  und  Georg 

Biogr.  Jahrb.  a.  Dentacher  Nekrolog.    2.  Bd.  2  6 


402  -   Hirxd. 

Herwegh;  auch  Gottfried  Keller's  Eigenart  ging  nicht  spurlos  an  ihm  vorüber. 
Um  der  Mutter  und  der  geliebten  Schwester,  die  durch  ihre  Liebe  zum  Bru- 
der,   durch    ihr   Wesen,    wie    durch  ein  Jugenderlebniss  an  Komelie  Goethe 
erinnerte,  nahe  zu  sein,  bezog  Ludwig  1858  die  Universität  Jena.   Dort  lernte 
er  Heinrich  Motz,    einen  Mecklenburger  von  Geburt,    kennen,    der  ihm  ein 
Freund  für  das  Leben  wurde.     Motz  war  damals  noch  Theolog,   ging   später 
aber    ganz    zur  Philologie    über    und   wurde  in  seinen  Anschauungen    immer 
radikaler,    während  H.  im  Laufe  der  Zeit  inmier  mehr  und  mehr  zu  histori- 
scher Betrachtung  der  Dinge  geneigt  war.    Dass  der  in  sich  gekehrte,  finster- 
blickende    und    scheinbar    so    strenge  Student  den  Schelm  im  Nacken  hatte, 
und  dass  er  oft  auch  keck,  übermüthig  und  verwegen  sein  konnte,    wussten 
wenige  so  gut  wie  Motz.     Von  den  Lehrern    in    Jena  wirkte    vor    allen    auf 
H.    der    freigesinnte    Sprachforscher    August    Schleicher,    auch    bei    Gottling 
und  Kuno  Fischer  hörte  er  Vorlesungen.    Nach  vier  Semestern  gingen  beide 
Freunde  nach  Berlin,  dort  schlössen  sich  ihnen    dd*  Theolog  Kradolfer,  spä- 
ter Prediger  in  Bremen,  und  der  junge  Zürcher  Arzt  K.  Meyer  eng  an;  auch 
andere  Schweizer,  die  sich  später  einen  Namen  machten,  verkehrten  mit  ihnen. 
Wie    weit    sich    H.,    wenn    er    gut    aufgelegt  war,    im  Üebermuth  vorwagen 
konnte,  geht  aus  vielen  Geschichten    hervor,    die  Motz  berichtet;    eine  stehe 
hier  mit  seinen  Worten:   »Er  hatte  mit  Dr.  Meyer   eine  Wette    gemacht,    er 
wolle  in  der  belebten  Friedrichstrasse,  auf  einer  bestimmten  Strecke,  Männer 
und  Frauen  bestimmen,  über  seinen  vorgehaltenen  Stock  zu  springen.     Und 
durch  finstere  Drohung,  jovialen  Scherz,  bestrickende  Schmeichelei  und  possier- 
liche Bitte  überwand    er    aUe,    nicht  ohne  schändlicher  Weise  den  über  ihre 
eigene  Gefälligkeit  Verblüfften  mit  seinem  Stock  auf  der  Rückseite  noch  einen 
unerwarteten  Dank    abzustatten.«     In  Berlin  waren  Boeckh,    Müllenhoff  und 
Friedrichs  seine  Lehrer;    durch  Adalbert  Kuhn  wurde  er  in  seinen  speciellen 
Studien  besonders  gefördert.     Seine  Doctordissertation    reichte    er  der  philo- 
sophischen Facultät  in  Zürich  ein.     Im  Herbst  1862  folgte  er  einem  Ruf  an 
das    Gymnasium    in    Frauenfeld    im    Kanton    Thurgau,    auf  Anrathen    seines 
Oheims;  er  empfand  freilich,  wie  er  Motz  schrieb,    ein   leises    Grauen,    wie 
wenn  man  ins  Wasser  geht  und  nicht  weiss,  wie  tief  es  ist.   Vier  Jahre  blieb 
er  dort,    oft  unzufrieden  und  sich  manchmal  in  der  ersten  Zeit  wie  ein  Ver- 
bannter fühlend.     Er    lernte   die   »realen  Mächte  des  Lebens«  kennen:    »ich 
hasse  sie  aber«,  so  schrieb  er  aa  Motz.    Aber  Freunde,  die  H.  immer  gefunden 
hat,    linderten  das  Missbehagen,    so  Böckel    aus  Jever,    später  Mitglied  des 
deutschen  Reichstages,    und  Jäckel,    der  1848  aus  Sachsen    geflüchtet    war. 
Ausflüge    nach  München,    wo    H.    ein    Bild    von  Böcklin  zum  Aerger  seines 
Freundes  Kekul^  bewunderte,  und  nach  Oberitalien  mit  Motz,   entschädigten 
ihn  für  fehlende  Anregung.    Nach  Uhland's  Tode  hielt  er,  dazu  aufgefordert, 
einen  Vortrag  über  den  von  ihm  immer  verehrten  Dichter.     Im  Januar  1863 
schrieb  er  Motz:    »Ich    habe    mich   in  Uhland  mit  Liebe  versenkt  imd  habe 
ihn  deshalb  wohl  nicht  ganz  missverstanden;    ist  dies  der  Fall,    so  kann  ich 
auch  andern,   die   ihn  bisher  nicht  so  lieben  gelernt,    etwas  Neues  und  viel- 
leicht Wahres  sagen«.     Immer   mehr    ging    er  von  sprachvergleichenden  Stu- 
dien zur  Literaturgeschichte  über.     Zunächst  beschäftigten  ihn  Erscheinungen 
des  16.  Jahrhunderts.   Für  das  Leben  des  schweizerischen  Humanisten  Petrus 
Dasypodius    sammelte    er    sorgsam    und  machte   zu  diesem  Zweck  auch  eine 
Reise  nach  Strassburg.     »Interessant  ist  es  doch«,  so    schreibt   er  im  Januar 
1866  an  Motz,  der  damals  in  Bergamo  weilte,   »aus  einzelnen  Steinchen,  die 


Hirzel. 


403 


man  hier  und  da    findet,    ein   Bild   zusammenzusetzen.«     In  demselben  Brief 
äusserte  er,    die  Zeit  in  Frauenfeld  sei  doch  nicht  nutzlos  vorübergegangen: 
»Im  Grunde  schadet  es  einem  gar  nichts,  wenn  man  überall  ein  wenig  herum- 
guckt, weiss  man  nur  immer  festen  Stand  zu  behalten«.    In  demselben  Jahre 
1866  ,  in  dem  sein  Aufsatz  Über  Dasypodius  erschien,  erhielt  H.  einen  Ruf 
an  die  Kantonsschule  in  Aarau.     Die  8  Jahre,    die    er    dort  verlebte,    waren 
reich  an  Arbeit,    aber  auch  an  Erfolgen.     Man    schätzte    nicht    bloss    seinen 
Unterricht,  auch  die  Feinheit  seines  Auftretens,   das  zuverlässige  Wesen  des 
jungen    Professors    machten    auf   die  Bewohner  der    bildungsfrohen,    kleinen 
Hauptstadt  den  günstigsten  Eindruck.    Uhlig,  jetzt  in  Heidelberg,  wirkte  noch 
an  der  Schule;  Männer,  wie  E.  L.  Rochholz  und  H.  Kurz,  die  damals  noch 
lebten,    schärften    die  Arbeitslust.     Der    gesellige   Verkehr    verscheuchte    die 
Neigung  zur  Melancholie  und  machte  ihn  heiter  und  selbstbewusst.     Seltener 
wurden  die  Stunden  des  Missmuthes    und    mangelnder   innerer  Befriedigung. 
Ein  Kreis  tüchtiger  und  nicht  gewöhnlicher  Männer,  die  H.  mehr  oder  weni- 
ger nahe  standen,  umgab  ihn;  am  »Storchentische«  wurde  brav  gezecht,  aber 
auch  manches  kluge,  gute  und  anregende  Wort  gesprochen.    Wie  oft  erfreute 
H.  durch  beissende  Wendungen  und  durch  seinen  schalkhaften  Humor!     Die 
Mischung  von  Gemüthlichkeit  und  scharfem  Witz,  die  er  selbst  seinem  Gross- 
vater und  zum  Theil  auch  dem  Oheim  Salomon  zuspricht,  war  ein  Grundzug 
seiner  eigenen,   liebenswerthen  Persönlichkeit.     Auch   für  Fragen  der  Politik 
hatte    H.    grosses    Interesse.     Männer,    wie   Augustin    Keller,    Feer- Herzog, 
Haberstich,  Oberst  Rothpletz  und  Stadtammann  Erwin  Tanner  —  diese  beiden 
nähere  Bekannte  H.'s  —  spielten  im  öffentlichen  Leben  des  Kantons  eine  Rolle. 
Trotz  seinen  demokratischen  Anschauungen  stand  H.  im  Jahre  1870  durch- 
aus auf  deutscher  Seite  und  bekämpfle  mit  Feuereifer  die  Franzosenfreunde. 
Im  Herbst  1869  hatte  er  Paris  besucht,   wie  ein  Brief  an  Motz  vom  22.  Oc- 
tober    aus    dem  Cafd  Rohan  mir  zeigt.     Auf  den   Strassen    sah    er    fröhliche 
Gesichter;     »wie    in    einem    furchtbaren   Kriegsgetümmel«     befand    er    sich 
bei  einem  Besuch  der  Börse;  die  Gemäldegalerie  entzückte  ihn.   Seine  Freunde, 
die  Italiener,  sah  er  aufs  glänzendste  vertreten,  »man  kann  kaum  Athem  schöpfen, 
und  noch  viel  weniger  in  der  Antiken-Sammlung;    ausruhen    aber    lässt    sich 
vortrefflich  bei  unserer  lieben  Frau  von  Milo,  die  ganz  allein  in  einem  Saale 
steht,  erhaben  über  alles  Lob«.     Es  war  für  H.'s  Freunde   ein  grosser  Ver- 
lust, als  er  im  Jahre  1874  als  Professor    der  deutschen  Literatur  nach  Bern 
ging.     Im  Frühling    nahm    er    noch  an   der  begeisterten  Feier    bei    der  An- 
nahme der  neuen  Bundesverfassung  theil  und  Hess  ein  Gedicht  drucken,   als 
öffentlicher  Redner  aber  trat  er  nicht  auf.      Der  Abschied  wurde  ihm  nicht 
leicht ;  die  Aussicht  jedoch  auf  grössere  Wirksamkeit  erhob  ihn.   Ich  erinnere 
mich  genau,    wie  er  mir,    als  die  Berufung  gewiss  war,    mit  freudigem  Blick 
entgegen  rief:  ich  hän  min  lohen!     Die   erste  Zeit   in  Bern    war    ihm    nicht 
immer  behaglich.     In  Briefen    klagte    er    oft   über  Vereinsamung;    dass    das 
Publikum  in  Bern  geistigen  Bestrebungen  nicht  geneigt  sei ;  auch  darüber,  dass 
die  Zuhörer   für  die  Vorlesung    nicht    genug    vorbereitet  seien:    ihren    guten 
Willen  aber  und  ihren  Fleiss  hat  er  wiederholt  gerühmt.     So  oft  es  möglich 
war,  kam  er  mit  Motz    und  dessen  Frau,    wie    mit    andern  Freunden  zusam- 
men.    Ein  neues  freudiges  Leben  aber  begann  für  ihn  durch  die   1877  voll- 
zogene Vermählung  mit  Anna  Arndt  aus  Bremen.   An  der  Seite  dieser  Frau, 
die  ihn  ganz  verstand,    wuchs  seine  Arbeitskraft.     In   einem  Briefe   an  Motz 
gegen  Ende  des  Jahres    bemerkt    er,    die  Beschäftigung  mit  Albrecht  Haller 

26* 


404 

sei  jetzt   ^die  Gespielin  seiner  Nebenstunden  ^ ;   «zu  mehr  hat  den  alten  Hil.rr 
die  jun^e  Hirzeln  nicht  kommen  lassen,    und  gliicklicher  Weise   ni<dit,    a'trr 
mit   1S7S  gehe  ich  ernstlich  an  die  Arbeit,    und    da    soll    manches  Nene  z^ 
Tage  gebracht  werden.     Ich  freue   mich    auf  die  Arbeite.     Die  Freundschar 
feiner  mit  dem  jetzigen  C^eneralstabschef  Arnold  Keller  und  seiner  Frau.  'i:. 
von  Aarau  nach  Bern  gezogen  varen,  var  für  H.,  wie  er  wiederholt  versieh -^r: 
hat,  eine  Quelle  dauernder  Befriedigung.    Die  Geburt  eines  Sohnes»  der  seir.cr 
Namen  erhielt,  erhöhte  sein  Glück.     Rector  der  Hochschule  wurde  er    1S70 
und  zeigte  sich,  so  urtheilt  Professor  Steck  in  Bern,    in   den  Geschäften  a^ 
ein  sorgfaltiger  und  einsichtsvoller  Arbeiter,  der  viel  Gutes  für  die  Universi'ä: 
wirkte.     Nur  zu  bald  aber  verdüsterte    sich    diese    sonnige   Lebenszeit.      P.c 
geliebte  Mutter     starb    am    30.   November    1881.     »Dein  Briefe,    schrieb    er 
damals  an  Motz,   »^ird   mir  ein   treues  Pfand  Deiner  unwand^baren  Freur.d- 
Schaft  bleiben. c     Schwereres  aber  stand   bevor.     Seine  Frau  starb   am  Herz- 
schlag am  3.  October  des  folgenden  Jahres.     Von  einer  Reise  zurückgerufen, 
fand  er  sie  todt,  die  er  scheinbar  ganz  wohl  verlassen  hatte.     »Mit  aUer  Ar- 
strengung«,  so  schrieb  er  mir  am  30.  November,  »fand  ich  die  Kraft,  meiner, 
nächsten  Verwandten  die  näheren  Umstände  mitzutheilen,  unter  denen   meine 
süsse,  liebe  Frau  ihr  Leben  so  früh  beschliessen  musste.     Wie  mir  zu  Muthe 
ist,  nachdem  mein  kurzes  Glück  so  jäh  geendet,  können  Sie  ermessen,    auch 
ohne    dass  ich  das  Unfassbare  in  Worte    zu  fassen  versuche.     Ich    lebe    nuri 
so  für  mich  hin.     Mein  Knabe  ist  mir  alles.     Im  übrigen  habe  ich  mit  dem 
Leben  selber  abgeschlossen.«    Damals  konnte  ihn  die  Thatsache  nicht  trösten. 
dass    seine    zu   Beginn    des  Jahres    1882    erschienene  Ausgabe    der  Gedichte 
Haller's  allgemeine  Anerkennung  fand.   In  der  Arbeit  suchte  er  Vergessenheit. 
Im  Jahre  1883  machte  er  eine  Reise  nach  Deutschland  zu  dem  Verzeichniss 
einer  Goethebibliothek;  in  Leipzig  that  man  alles,  wie  er  an  Motz  am  13.  Mai 
schrieb,   um  ihn  aufzuheitern,    in   Berlin,    das    er    weit    grossstädtischer    und 
eleganter  fand  als  früher,    sah    er    ^iel    »Neues  imd   Schönes«.     »Für  meine 
Arbeit  habe  ich  gute  Ausbeute  gehabt;    wie    viele   Mühe    es    gemacht,    wird 
man  dem  kleinen  Buche  nicht  ansehn «.      Im  Jahre    1884  war  er  in   Helgo- 
land :   »er  sei  gesunder«  schrieb  er  mir,   »aber  fröhlich  zu  sein  habe  er  längst 
verlernter.     Eifrig  widmete    er    sich    seinen   Arbeiten    wie  seinem   Lehrberuf: 
»ich  habe   10  Stunden   zu   lesen,    daher  viel  zu  thun«     (1885).     Ein  hellerer 
Stern   leuchtete    erst  wieder   über  seinem  Leben,    als  Elisabeth  Focke,    eine 
Freundin    seiner  Frau,    am   26.  October    1886    seine    Gattin    geworden    war. 
Dieser   Bund    brachte    ihm    wieder  Ruhe    und  Frieden.      Sein    ganzes   Glück 
suchte    und   fand    er  bei    den   Seinen    im    engsten   Kreise;    ein  Töchterchen, 
Anneli,  wuchs  neben  seinem  Ludwig  auf.     Auch   seine  Gesundheit  war  gut, 
aber  nach  3  Jahren   erlitt   sie  durch    die  Influenza  einen  schweren  Stoss.     Im 
Mai  1891   klagte  er  Motz  über  einen  neuen  heftigen  Anfall,  über  Brust-  und 
Rückenschmerzen.    Leiden  lähmten  seine  Arbeitslust  nicht,  aber  der  Frohsinn 
der  Jugend  war  hinweg.     Eine  Reise  nach  Rom  konnte  ihm  nicht  mehr  den 
Genuss    bringen    wie    im  Jahre    1876.      Die  Krankheit    ruhte    nicht;    starkes 
Asthma,    die    Folge    der  Verkalkung    der  Arterien,    machte    ihm,    besonders 
Nachts,    unsägliche  Qualen.      »Ich  bin  wie  eine  matte  Fliege  vor  Eintritt  des 
Winters«,  so  schreibt  er  am  27.  Juni   1896  an  Motz.     Dennoch   that   er,   mit 
Aufbietung  aller  Kräfte,  seine  Pflicht  weiter.     An  Bemays,  mit  dem  er,  auch 
wissenschaftlich,  intim  verkehrte,  diktirtc  er  Briefe,  als  ihm  das  Schreiben  zu 
schwer  wurde.     Am  3.  August  1896  begrüsste    ich   ihn  und   seine  Familie  in 


Hirzel. 


405 


Leissigen  am  Thunersee.  Er  litt  schwer;  Hess  aber  die  Athemnoth  nach,  dann 
war  sein  Geist  scharf  und  klar,  sein  Wesen  warm  und  gütig  wie  sonst.  Beim 
letzten  Abschied  ahnte  ich  nicht,  dass  die  Schatten  des  Todes  schon  nahten. 
Gegen  Ende  des  Jahres  erhielt  ich  von  ihm  die  letzte  Nachricht,  es  gehe 
ihm  etwas  besser,  aber  noch  immer  schlecht  genug.  Viel  hat  der  Gute  noch 
in  den  letzten  Monaten  gelitten;  die  Vorlesungen  gab  er  auf,  die  amtlichen 
Geschäfte  aber  besorgte  er  noch  14  Tage  vor  seinem  Tode.  Dieser  kam  als 
Befreier  am  i.  Juni  1897.  Nach  7  Wochen  betrat  ich  die  Stadt,  in  der  ich 
den  Freund  immer  zuerst  gesucht  hatte.  Als  wir  an  seinem  Grabe  auf  dem 
Bremgartener  Friedhof  standen,  regnete  es  leise  und  die  Wolken  flogen;  die 
Freiburger  Alpen  wurden  sichtbar.  Beim  Verlassen  des  Friedhofes  lasen  wir 
auf  dem  Granitblock  über  dem  Grabe  des  Bundesrathes  Stämpfli  die  Worte 
aus    Shakespeare's  Cäsar:  Ihr  liebtet  all  ihn  einst  nicht  ohne  Grund. 

Wer  H.  ganz    gekannt    und  Verständniss    für    sein    Wesen    gehabt    hat, 
musste  ihn  lieben.   Als  Gelehrter  wie  als  Mensch  war  er  der  gleiche.    Schwer 
erschloss  er  sich,  aber  erprobten  Freunden  vertraute   er  ganz.     Allem  Schein 
und  leerer  Aeusserlichkeit  abgeneigt,  war  er  tief  von  des  Dichterwortes  Wahr- 
heit durchdrungen:  lasst  uns  die  Göttöi*  bitten    um    ein    einfach   Herz.     Frei 
von   Gelehrtendünkel  und  Eitelkeit,  hat  er  es   mit  der  Wissenschaft  ernst  wie 
w^enige  gemeint,   daher  konnte  er  Tadel  so  gut  vertragen,   daher  ärgerte  ihn 
inhaldoses  Lob.     Des  Lebens  Freuden  liebte  er  trotz  dem  durch  körperliche 
Leiden  oft  gesteigerten  Ernst   seines  Wesens,    aber    er   schränkte    sich    früh 
durch  Selbstzucht  ein,  und  ruhige  Männlichkeit  bei  wärmstem  Innenleben  war 
für  ihn  kennzeichnend.    Durchaus  unabhängig  und  selbständig,  hasste  er  alles 
Posiren,  Hofiren  und  Scharwenzeln;  seinem  Vaterland  und  seinen  Einrichtun- 
gen treu    ergeben,    war    er    kein  Schmeichler  seiner  Landsleute.     Voll  zarter 
Rücksicht  und  von  feinstem  Taktgefühl,    trat    er,    der    die  Formen  des  Ver- 
kehrs zu  wahren   gewohnt  war,    nicht    selten    herb    und    schroff  Unlauterkeit 
und  Falschheit  entgegen,  und  manche  Erscheinungen  unserer  Zeit  behandelte 
er  mit  einer  Rücksichtslosigkeit,   die  um  so  wohler  that,  weil  sie  der  vollste 
Ausdruck  uneigennütziger  und  muthiger  Wahrheitsliebe  war.     Daher  war  der 
grosse  Bemer  Albrecht  Haller  ihm  so  werth,  weil  er  alles  das  geisselte,  wo- 
durch, nach  H.'s  Worten,  Recht  und  Gesetz  in   Verachtung    zu    sinken    und 
die  öffentliche  Sittlichkeit  Schaden  zu  leiden  droht.     In    der  Jugend    durch- 
aus radikal,  ja  revolutionär  gesinnt,  verwarf  er  den  Goethe'schen  Standpunkt 
der  Entwickelung;    in  reiferen  Jahren  aber    wurde    er   ruhiger  und  geneigter, 
die  historischen  Mächte  zu  würdigen.     Das  Jahr  1870  hat  auf  ihn    tief   und 
entscheidend  gewirkt.     Immer  aber    blieb   er  seinen  freien  Anschauungen  ge- 
treu, ohne  einer  bestimmten  Partei  anzugehören,  und  Gottfiied  Keller's  Wort 
gilt  auch  von  ihm:    »Mit  dem  Vaterland   und  allen  Freien  ging  er  stets  dem 
goldenen  Licht  entgegen«.    So  wirkte  auf  jeden,  der  wenigstens  einen  Hauch 
seines  Geistes    verspürte,    seine    reife  Menschlichkeit  und  Männlichkeit;    kein 
Wunder  daher,  dass  ihm  die  Gunst    gerade    der    edleren  Frauen    zufiel,    die 
Kraft  mit  Weichheit,  Kernigkeit  mit  Milde  und  Gemüthstiefe  gepaart,  immer 
zu  schätzen  wissen. 

Wie  H.  seiner  Abstammung  nach  halb  Schweizer,  halb  Deutscher  war, 
so  mischten  sich  in  ihm  schweizerische  und  deutsche  Art.  Das  deutsche 
Nationalgeflihl  war  in  ihm  stark  lebendig.  Was  die  Schweiz  dem  deutschen 
Geiste  verdankt,  dessen  war  er  sich  zu  jeder  Zeit  bewusst:  die  Beziehungen 
hervorragender  Schweizer  zu  unsern  Dichtem  aufzuweisen,   betrachtete   er  als 


4o6  Hirzcl. 

seine  wesentliche  Aufgabe.     Ihr  sind  die  meisten  seiner  Schriften  gewidmet, 
von  denen  ich  zum  Schluss  die  wichtigen  alle  anfllhren  will.     Seine  Disser- 
tation »zur  Beurtheilung    des    äolischen  Dialektes«    erschien   1862  in  Leipzig 
im  Verlag  seines  Oheims;    Kuhn,  G.  Curtius,  Schleicher,  Schweizer-Sidler  be- 
urtheilten   sie  sehr  günstig.     Noch    1868   lobt  sie  Wilhelm  Scherer  »zur  Ge- 
schichte der  deutschen  Sprache«,  und  Benfey  erwähnt  sie  in  der  »Geschichte 
der  Sprachwissenschaft«.     Der    in   Kuhn's  Zeitschrift  1863  gedruckte  Aufsatz 
zum  »Futurum  im  Indogermanischen«  verdient  insofern  Beachtung,  als  Schlei- 
cher im  Lehrbuch  der  vergleichenden  Grammatik  sich  auf  H.'s  Deutung   der 
Futurform    beruft.     Die  Arbeit    über    den    Frauenfelder  Amtsgenossen  Petrus 
Dasypodius    (f  1559),    die    im  »Neuen  Schweizer  Museum«  Basel   1866   ge- 
druckt wurde,  hat  Scherer  in  Wagner' s  Archiv  für  deutsche  .Sprache  gerühmt 
und  seine  Abhandlung  »Dasypodius  als  Dramatiker«  H.  1874  zugeeignet.    Nach- 
dem H.    sich  dem   Studium    des    18.  Jahrhunderts    eingehender   zugewendet 
hatte,  erschien  der  Vortrag,  den  er  zuerst  mit  Beifall  in  Aarau  gehalten  hatte, 
»Goethe's  italienische  Reise«,    Basel   187 1.     Ein  Jahr  darauf  zu^  Aarau    das 
Programm    »Ueber  Schiller's  Beziehungen    zum  Alterthum«.     Schiller  hat   H. 
geehrt  und  geliebt,  seine  Rhetorik  imponirte  ihm,    aber  Goethe's  Grösse  hat 
er  nie  verkannt.     Vorher    waren    1870    in  den  Leipziger  Grenzboten   und   in 
Schnorr's  Archiv  f.  Literaturgeschichte  einige  das  Leben  Wieland's  betreffende 
Aufsätze  erschienen.     Eine    grössere  Arbeit  des  Jahres  1876  war  ein  Beitrag 
zur  Goetheliteratur:    er    erzählte    das  Leben    und  würdigte  die  Aufsätze   des 
Luzemers  Karl  Ruckstuhl,    der,  ein  Bundesgenosse  Goethe's  gegen  die  neu- 
deutsche Richtung  und  den  Purismus,   durch  Geist  und  kräftiges  Wirken  des 
Dichters  Theilnahme    errang.     Im    folgenden    Jahre    schrieb    er    den    Aufsatz 
»Nachträgliches   über  Ruckstuhl«.     Die  grössere  Schrift  war  Salomon  H.  als 
Gruss  aus  der  Schweiz  gewidmet:  nicht  lange  darauf  starb  der  geliebte  Oheim 
am  8.  Februar  1877.     Ludwig  widmete    ihm    einen  warmen  Nachruf  im  An- 
zeiger für  deutsches  Alt.   und   deutsche  Literaturgeschichte  Bd.  IV.     In  dem- 
selben Jahre    1877    schrieb    er    für    dieselbe  Zeitschrift    den  Aufsatz   »Jakob 
Grimm  und  J.  R.  Wyss«,  und  zeichnete  als  Beitrag  zur  Festschrift  für  Haller 
kurz  und   scharf:   »Albrecht  v.  Haller's  Bedeutung  als  Dichter«    (Bern   1877). 
Daneben  fand  er  noch  die  Zeit  zur  Mitarbeit  an  der  Zeitschrift    »Im    neuen 
Reich«,  für  die  er  alle  wichtigen  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  neueren 
Literatur,    nicht  bloss  die   unsere   Klassiker  betreffenden   Schriften,   anzeigte. 
Manches    Urtheil    ist    charakteristisch.      So    seine    Vorliebe    für    Mörike    (im 
Neuen  Reich  1878),  für  den  von  Heyse  meisterhaft  übersetzten  Giusti,  dessen 
Charakterfestigkeit  er  preist  (ebenda  1875),  ™^  ^^^  ^^  ^^®  Lumpe  und  Wind- 
beutel   aller  Sorten   in   ihrer  Erbärmlichkeit  aufzeigt;  R.  Königes  Literaturge- 
schichte ärgert  ihn  durch  ihre  Flüchtigkeit  und  die  Art,  mit  der  »den  Hütern 
und  Wächtern    des    freien  Gedankens    und  des  nationalen  Sinnes  in    elender 
Zeit«   im  Grabe  noch  die  Ehre  abgeschnitten  wird.     In  der  Anzeige  der  Ge- 
dichte Leuthold's  (1879)  l^eisst  es:   »ein  Schönfärber  der  heimischen  Zustände 
ist  L.  nicht.   Gerade  diese  Gedichte  aber  machen  ihn  vielen  Schweizern  werth, 
denen  dei^  Dichter  das  Wort  von  der  Zunge  genommen«.    Sein  Werk  »Albrecht 
V.  Haller's  Gedichte«  erschien  als  III.  Band  der  Bibliothek  älterer  Schriftwerke 
der   deutschen   Schweiz  zu  Frauenfeld   1882.     Bis  zum  Herbst  erschienen  21 
Recensionen  des  Buches,   in  dem  H.  durch  die  Fülle  neuer  Aufschlüsse  über 
Haller,    durch    die    eingehende  Würdigung  der    ganzen  Persönlichkeit  seinen 
Namen    für    immer    mit    dem    des    gedankentiefen    Dichters    verbunden    hat. 


Hirzel.    v.  Ablefeld.  ^07 

Scherer    rechnete    die  Einleitung    »zu    den    bedeutendsten    literarhistorischen 
Arbeiten  der    letzten   Jahre«,    und  A.  Sauer  schrieb  in  den  Gott,  gelehrten 
Anzeigen:    »das  Ideal  einer  kritischen  Ausgabe  ist  hier  erreicht«.     Dass  H. 
aus  bisher  unbekannten  Quellen  geschöpft  hatte,  bezeugte   auch  die  Heraus- 
gabe der  »Tagebücher  Haller's,  seine  Reisen  nach  Deutschland,  Holland  und 
England«  (Sonntagsblatt  des  »Bund«    1882   und   Leipzig  1883),    die    für    die 
Biographie  so  wichtig  sind  wie  für  die  Kenntniss  der  Zustände  der  besuchten 
Länder.     Im  Jahre  1884  gab  er  dann   »Salomon  Hirzel's  Verzeichniss    einer 
Goethe-Bibliothek  mit  Nachträgen  und  Fortsetzung«  heraus  und  arbeitete  an 
einer  neuen  Schrift  »Goethe's  Beziehungen  zu  Zürich  und  zu  Bewohnern  der 
Stadt  und  Landschaft  Zürich«.     Sie    erschien    als    Neujahrsblatt    der    Stadt- 
bibliothek in  Zürich  auf  das  Jahr  1888.     Briefe  des  Herzogs  Karl  August  an 
K.  T.  V.  Sinner  in  Bern  wurden  durch    ihn    1890    in  der  Vierteljahrsschrift 
f.  Litg.   Bd.  ni  bekannt.     Dann   folgte    ein  Buch  über  Wieland.     Schon  in 
früheren  Jahren  hatte  er  das  Verhältniss  des  Dichters  zur  Schweiz  behandelt. 
Sein    1891    zu    Leipzig   gedrucktes  Buch   »Wieland  und  Martin   und  Regula 
Künzli.   Ungedruckte  Briefe  und  wieder  aufgefundene  Aktenstücke«  ist  für  die 
ganze  Zeitgeschichte  bedeutsam :  nicht  bloss  Wieland  und  die  Familie  Künzli, 
auch    Bodmer,    der  Satiriker  Waser,    über  den  H.   in   der  Vierteljahrschr.  f. 
Litg.*  Bd.  V  nachträglich  schrieb,  und  andere  Schweizer  treten  lebendig  her- 
vor.    Wieland's  »Geschichte  der  Gelehrtheit  seinen  Schülern  diktirt«,   die  er 
1891   (Frauenfeld)   herausgab,    zeigt    uns  Wieland's    ernsthafte    pädagogische 
Bemühungen.     H.'s  Verdienste    wird    keiner    besser    würdigen    als  Wieland's 
künftiger  Biograph  Seuffert.     Auch  in  der  Leidenszeit  erlahmte  H.  nicht.    So 
lenkte  er  1893  auf  einen  bisher  völlig  übersehenen  Roman  des   17.  Jalirhun- 
derts  von  F.  R.  Gasser  aus  Schwyz  die  Aufmerksamkeit  (Sonntagsblatt  des 
»Bund«  und  separat),    und    ein   Jahr  darauf  zeichnete  er  ein  sorgsames  Bild 
von  Heinrich  Zschokke    in  der   »Schweizerischen  Rundschau«,    welchem    da- 
mals in  Aarau  ein  Denkmal  errichtet  wurde.     1894  machte  er  »zwei  Briefe 
von  Uhland«  bekannt  in  der  Zeitschr.  f.  deutsches  Alt.,  und  das  Buch  seines 
Schülers  Rud.  Ischer  gab  Anlass    zu    dem  Aufsatz    »Johann  Georg  Zimmer- 
mann«   im    Sonntagsbl.    des   »Bund«.     Noch   1896  erschien  ebenda:    »Nach 
Amerika.     Aus  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts«. 

Nekrolog  des  Vf.  im  Goethe*Jahrbuch  1898.  Neues  Material  verdankt  er  den  unge- 
druckten Aufzeichnungen  des  Prof.  H.  Motz  in  Zürich,  der  ihm  auch  Briefe  H/s  an  ihn 
freundlich  anvertraut  hat«  Neuerdings  vgl.  O.  v.  Greyerz  im  28.  Jahresheft  des  Vereins 
schweizerischer  Gymnasiallehrer.     Aarau  1898  S.  33  f. 

Daniel  Jacoby. 

Ahlefeld,  Karl  Wilhelm  von.  Wirklicher  Geheimer  Rath,  erster  Landes- 
director  der  Provinz  Schleswig-Holstein,  um  die  er  sich  in  2  2  jähriger  rastloser 
und  segensreicher  Thätigkeit  hohe  Verdienste  erworben  hat,  *  am  19.  Januar 
181 8  in  Schleswig,  f  in  Kiel  am  5.  Februar  1897.  A.  bestand  1841  das  juristi- 
sche Amtsexamen,  worauf  er  als  Auscultant  bei  der  schleswig-holsteinischen 
Regierung  eintrat.  Später  wurde  er  Senator  und  Polizeimeister  in  Schleswig, 
nahm  lebhaften  Antheil  an  der  schleswig-holsteinischen  Bewegung  der  Jahre 
1848 — 51,  wurde  in  Folge  dessen  1851  von  der  Amnestie  ausgeschlossen  und 
lebte  nach  Verlust  seines  Amtes  eis  Privatmann  in  Uetersen.  1863  zum 
KJosterpropst  des  dortigen  adeligen  Klosters  berufen,  wurde  er  1864  vorüber- 
gehend als  Amtmann  des  Amtes  Flensburg    constituirt    und   1872    vom  Pro- 


4o8  ▼.  AUckkL     Otaf 


TTanaHandfag    zcm    1  aiwtfviuecior   der  Piutnu 

1S84   fand  seme  ossdnniii^  VTiedervahl  statt. 

gan^  for  sem  gesammtes  Wirken  uad  Screbcn  var 

Cjef^".!,  in  dem  das  ganze  Wesen  des  Mannrs  wcneize:  die  Ti 

Seiner  Heiniai  galt  die  Arbeit  seines  Leber»,  zs  ibr  scmd 

fcfavcren  Ringens  cm  Freiheit  und  Recht,   ihr  diente  er,  . 

Vervalnin^  gestell:,  gerecht  und    treu«   mit  ToILer, 

Ziele.     Eies  schmückte  ihn  besonders:  das  sein 

sir.ne  er.t^prir^ecde  varme  Sfitzef Jhl  für  das  Elend 

thatkrafnzer,  barmherziger  Hand  suchte  er  za 

nur    korkte.     Er  var  es,  der  for  das  Ur.terk« 

Sch]esvig>Hol>tein  in  den  Bielefelder  Anstalten  Sorge  tr=;g:    (fie  Erw^ixrziL: 

der  Provinzial'Irrenanstalt  ist  sein  Werk,    ebenso  die  Föideraig   cnd   F^^z 

der  Blirxlenanstalt  cnd  die  Errichmn^  einer  Anstalt  fjr  veibacfac  Epucpcikär 

—  Die  Heimatdiiebe  des  Verstorbenen  zeine  sich  aach  in  dem  re^en  Int<r- 

t?5»e,  das  er  für  die  Geschi-rbte  seiner  Heimatspnninz    bekcndete.      >UebcT 

25  Jahre  hat  er  als  Präsident  der  Gesellichaft   fjr  Sch:es«ig-Fiokicin->Laner.- 

L'jrziache  Geschichte  höchst  erfolgreich  gewirkt,  die  Veröäentüchang  vicfati^^r 

Oj-tllen werke  und  Urkundensamml^r.zen  durch  -üe  GeseCscfaaft  ermö^ächt  iirc 

ihre  Bestrel  ingen  bis  an  sein  Lebersende  mit  irarmer  Tbeifaiahiiie  m>d  grosser 

Fachkenntnis    begleitete       Auch     di-c    cezenwardz    in    frischem    Anfblöher. 

iMT^ricene  Provinzial-BiLüothek  für  Schjesiiii:-Ho]stein  ist  eine  Scfaöpfang  A.'s. 

Von   dtrm   Amte  des   Landesdiiectors   trat  er   a;is  ngsgmH>witsHW4-qrfcei>w  ^m 

I.  Febnuir  1^05  z^r jck. 

30.  iJectsioeT  i5->7  (^cLIcFwig-HoI$tcaischc^  Xefc-jwcg  1^7.- 

Joh.  Sass. 

Holstein,  CoBrad  Graf  tob,  einer  der  angesehensten  Vertreter  der  Schleswig- 
h«: lateinischen  Rirrerschaft,  *  am  10.  I>ecember  1S25  zu  Ncferstortf' in  Holstein, 
-r  am  7.  Set'tetnL-er  1S07  ^-^  Watemeverstc  rfl  —  Er  besuchte  das  Gymnasicm 
in  Luieck,  bezcz  CHiem  1S46  die  Uriveräiit  Heidelberg,  mn  die  Rechte  m 
stuiiren,  betht;:l:rte  si:h  in  den  Jjihren  iS-iS — 51  als  Dra^oncr-Officier  an 
dem  Unabh^ingi^keitskan:;  fe  der  Herz  ^rihumer  ge^en  E>äneinark,  trat  nach 
Betrrdij'jr.z  des  FeMrjzes  in  das  PriTatleben  r^irjck  mid  öbcmahm  die  Be- 
m-irth54:hjLir.:nz  seines  im  Kreise  Plön  belegenen  G'Jtes  WatemerersttMff.  Selbst 
ein  herv'orruer.d  praktischer  Landvinh  von  Toriililicher  Töchtigkcit  nnd  als 
s-.Icher  seit  dem  Tihrc  1S71  E^irecdons-  nnd  st.ater  Ehrenmitidied  des  schles- 
wijt-hcliteinischen  Lmiik'inhs'zhifilichen  General  Vereins,  war  er  för  die  Hebung 
der  Landwirthi-ihaft  in  seiner  er.zeren  Heimat  unablässig  nnd  in  auibpfemdster 
Weise  than^.  I^ie  Herrschift  Wj^iemeverstcrn  gestaltete  er  zn  einer  Muster- 
wirthschaft  ersten  R-mzcs.  Musterhaft  war  vor  Allem  auch  das  Verfaalmiss 
des  Gutsherrn  zu  seinen  Art  eitern,  f-ir  deren  Wohl  er  in  wahlhaft  TäterÜcher 
Weise  s:rzte.  Für  Je^ien,  auch  d-^n  Geringsten,  hane  er  ein  thednehmendes 
Herz  und  eine  cnene  Hin-i,  Alle  hinjren  an  ihm  mit  Liebe  und  Vertrauen. 
I>er  Xame  'unser  Gräfe,  wie  er  allgemein  jl\ii  dem  Gute  hiess,  legt  davon 
ein  schönes  Zeugniss  ab.  Seilst  die  Soriiliem okraten  haben  gdcgeuüich 
diese  Seite  seiner  eiler.  Natur,  die  Fur^:rj:e  für  seine  Arbeiter,  unumschränkt 
anerkennen  müssen.  Sch:n  fmh  »i-imete  er  sich  auch  den  öfientticben  Inter- 
essen sei-:er  Heimats:  rovinz,    deren  Wc  rl   MrA  Wehe  ihm  hst  mdir  als  das 


Graf  V.  Holstein.     Schütze.     Gätke.  ^oo 

eigene  am  Herzen  lag.  Einer  der  eifrigsten  Vorkämpfer  für  den  engen  An- 
schluss  an  Preussen  und  die  unauflösliche  Zusammenfügung  Schleswig-Holsteins 
mit  der  Krone  der  HohenzoUern,  hat  er  bis  zuletzt,  trotz  Schmerzen  und 
Krankheit,  seine  besten  Kräfte  in  den  Dienst  seiner  Heimat  gestellt.  Von 
1853 — 63  gehörte  er  der  holsteinischen  Ständeversammlung,  seit  1867  dem 
Pro vinzialland tage  an  und  seit  1877  war  er  als  Vertreter  des  9.  schleswig- 
holsteinischen Wahlkreises  Mitglied  des  deutschen  Reichstages.  Hier  wurde 
er  ein  Mitbegründer  und  Führer  der  conservativen  Partei,  für  die  sein  Hin- 
scheiden einen  unersetzlichen  Verlust  bedeutet.  Wohl  selten  hat  ein  Ab- 
geordneter in  solchem  Maasse  die  Hochachtung  aller  Fractionen  besessen. 
C  Jraf  H.  war  eine  schleswig-holsteinische  Kemnatur  von  vornehmster  Gesinnung, 
ein  Eldel-  und  Ehrenmann  im  besten  Sinne  des  Worts,  der  den  Adel  seiner 
Geburt  stets  nur  als  Ansporn  zu  erhöhter  Pflichterfüllung  gegenüber  der  Ge- 
sammtheit  betrachtete.  »Gottesfurcht,  Weisheit  und  Treue  vereinigten  sich 
in  seinem  Wesen  mit  edler  Schlichtheit,  Wahrhaftigkeit  und  Herzensgüte.« 
Die  Provinz  Schleswig -Holstein  hat  mit  ihm  einen  ihrer  besten  Söhne  ver- 
loren. 

Vgl.  Hamburgischer  Correspondent,  9.  September  1897,  Abend-Ausg.;  Kieler  Zeitung, 
9.  September  1897,  Abend-Ausg.;  Kölnisclie  Zeitung  vom  10.  September  1897,  Abend- 
Ausg.;  Landwirtbscbaftliches  Wochenblatt  fUr  Schleswig-Holstein,  1S97,  Nr.  38. 

Joh.Sass. 

Schütze,  Theodor  Reinhold,  Jurist,  *  am  1 2.  Januar  1827  zu Uetersen  in  Hol- 
stein als  Sohn  eines  Predigers,  f  zu  Graz  am  16.  December  1897.  —  Er  besuchte 
das  Gymnasium  in  Hadersleben,  studirte  in  Kiel  und  München  Jurisprudenz, 
bestand  1853/54  das  juristische  Amtsexamen  für  Holstein  und  Schleswig  mit 
dem  ersten  Charakter  und  habilitirte  sich  in  Kiel,  wo  er  1853  zum  Dr.  jur. 
promovirt  war,  als  Privatdocent  der  Rechte.  Unter  dem  14.  Januar  1855 
wurde  er  zum  Professor  des  römischen  und  schleswigschen  Rechts  an  der 
Universität  Kopenhagen  ernannt,  von  diesem  Amte  jedoch  in  Folge  der  Ein- 
ziehung des  betreffenden  Lehrstuhls  am  i.  April  1866  mit  Wartegeld  entlassen. 
Mit  Beginn  des  Jahres  1867  ^^^  ^r  wieder  als  Privatdocent  in  Kiel  auf  und 
bekleidete  dann  auch  mehrere  Jahre  hindurch  das  Amt  eines  Syndicus  der 
dortigen  Handelskammer.  1876  folgte  er  einem  Rufe  als  Professor  für  Straf- 
recht und  Strafprocess  nach  Graz,  wo  er  bis  zu  seinem  Tode  gewirkt  hat. 
Seh.  hat  zahlreiche  Schriften  besonders  auf  dem  Gebiete  des  Strafrechts  ver- 
öffentlicht; er  war  Mitarbeiter  an  einer  ganzen  Reihe  von  juristischen  Zeit- 
schriften. Weitere  Verbreitung  fand  namentlich  sein  »Lehrbuch  des  deutschen 
Strafrechts  auf  Grund  des  Reichsstrafgesetzbuchs«  (Leipzig  1870  —  71;  2.  Aufl. 
1874). 

Vgl.  Alberti,  Lexikon  der  Schleswig-Holstein-Lauenburgischen  Schriftsteller,  1829 — 66, 
Abth.  2,  S.  370  u.  1866—82,  Bd.  2,  S.  245/46.  Daselbst  auch  eine  Uebersicht  über  Sch.'s 
Schriften  und  die  von  ihm  in  Zeitschriften  publicirten  Artikel.  Siehe  auch  Kukula,  Biblio- 
graphisches Jahrbuch  der  deutschen  Hochschulen.     Innsbruck  1892.     S.  839/40. 

Joh.  Sass. 

Gätke,  Heinrich,  der  »Vogel Wärter  von  Helgoland«,  einer  der  bedeutend- 
sten Omithologen  der  Gegenwart,  *  am  19.  Mai  1814  zu  Pritzwalk  in  der 
Mark  Brandenburg,  f  am  i.  Januar  1897.  —  Schon  der  Knabe  verrieth  den 
künftigen  Naturforscher.     Die    freie  Natur    war    sein  Lieblingsaufenthalt,    ihr 


4IO 


Gätke. 


tausendfältiges  Leben  und  Weben  zu    belauschen    und .  zu    beobachten  seine 
liebste  Beschäftigung.     Er  botanisirte  und  legte  Sammlungen   von  Eiern  und 
Schmetterlingen  an;   daneben   zeichnete  er  mit  besonderer  Vorliebe  nach  der 
Natur,  wofür  er  ein  hervorragendes  Talent  besass.     Eben  dieses   gewann  zu- 
nächst die  Oberhand  und  bestimmte  ihn,  sich  nach  Absolvirung   der  Schulen 
seiner  Vaterstadt  ganz  der  Malerei  zu  widmen.     1837    ging    er  als    Seemale: 
nach  Helgoland,  um  dort  in  möglichster  Nähe   des   Meeres    eine    Reihe    von 
Jahren    hindurch    gründliche  Seestudien    zu    machen.     Das  wogenumrauschtc 
Felseneiland  sollte  seine  zweite  Heimat  werden.     Sein  ganzes  übriges  Leben, 
fast  60  Jahre,    hat  er  daselbst  zugebracht,    nachdem    er  als  Gouvemements- 
Secretär  eine  sichere  Stellung  gefunden  und  sich  einen  eigenen  Herd  gegründet 
hatte.     Wie  dann  aus  dem  Maler  allmählich  ein  gelehrter  Omithologe  wurde, 
darüber    berichtet    er    selbst  in  der  Vorbemerkung   zu    seinem    Buche    »Die 
Vogelwarte  Helgoland«  (herausgegeben  von  Rudolf  Blasius,  Braunschweig  iSqi 
in  folgender  Weise:   »Der  Hang  des  Künsüers  zur  freien  Natur  brachte  mich 
unvermeidlich  in  Berührung  mit  der  so  wunderbar  reichen  Ornis  Helgolands. 
Diesem  folgte  ebenso  unvermeidlich  der  Wunsch,  eines  oder  das   andere  der 
in  ihrer  Gestalt,  ihrem  ganzen  Thun  und  Treiben  so    unendlich    anmutbigen 
Geschöpfe  zu  besitzen:  so  entstand  eine  kleine  Sammlung.     Mit  dem  Besitze 
erwachte  aber  das  Verlangen  nach  gründlicherer  Kenntniss  des  Gesammelten^ 
und    das    während    einer  Reihe   von  Jahren    fortgesetzte   eifrige  Studium   der 
hiesigen  VogelWelt,  sowie  der  Vergleich  derselben  mit  anderen  Local-A\dfaunen 
Hess    mich    nicht    allein    erkennen,    welch   ein   nie    geahnter   Reichthum    des 
Kennenswerthen  sich  hier  zusammenfinde,  wie  unendlich  der  kleine  Fels  darin 
die    stolzesten  Reiche    überrage,   sondern  es  ward  mir  auch  mehr  und  mehr 
klar,  dass  dem,  welchem  ausnahmsweise  Umstände   eine  so   vollständige  Ein- 
sicht   und   Erkenntniss    eines    hervorragenden  Feldes  der  Naturwissenschaften 
gewährten,  damit  auch  die  Pflicht  auferlegt  sei,   seine  Erfahrungen  nicht  mit 
sich  selbst  wieder  verschwinden  zu  lassen,    sondern  dieselben  den  Forschem 
auf  gleichem  Gebiet  zu  erhalten  —  nur  das  Gefühl  dieser  Pflicht    veranlasst 
mich  zur  Veröffentlichung  meiner  Erfahrungen.«     So    hatte    ihm,    dem    nacli 
seinen  eigenen  Worten  im  Leben  nichts  ferner  gelegen  haben  würde,  als  der 
Gedanke    ein   Buch    zu    schreiben,    die  Natur    selbst   die  Feder  in  die  Hand 
gedrückt,  und  es  kam  auf  Grund    eingehendster,    fast  50  Jahre  hindurch    mit 
gi^sster  Sorgfalt  gepflegter  Beobachtungen  jenes  Werk   zu  Stande,    mit    dem 
er  sich  in  der    wissenschaftlichen  Welt  ein    unvergängliches  Denkmal   gesetzt 
hat.     Die  Entdeckungen  G.'s,   namentlich   in  Bezug  auf  die  Wanderzüge   der 
Vögel,  waren  von  geradezu  epochemachender  Bedeutung  und  fanden  bei  allen 
Ornithologen    des  In-   und  Auslands    allgemeinste  Anerkennung.     G.  war  ein 
Naturforscher,  man  möchte  sagen,  mehr  mit  dem  Herzen  als  mit  dem  Kopfe. 
Die  unendlich  tiefe  und  feine  Poesie  des  Naturlebens,   besonders  des  Lebens 
der  Vögel,  war  es,  die   ihn,   der    selbst    wie    ein  Stück    ursprünglicher  Natur 
erscheint,  vor  Allem  fesselte.     Immer  wieder  klingt  diese  poetische  Auflassung 
auch  in  den  warmen  Schilderungen  seines  Buches  durch.     Es  hat  etwas   un- 
gemein Anziehendes,  sich  das  Bild  dieses  Mannes,  den  zugleich  in  Gesinnung 
und  Auftreten  die  grösste  Bescheidenheit  zierte,  und  sein  inniges  Zusammen- 
leben mit  seinen    gefiederten   Lieblingen    zu    vergegenwärtigen,  wie  er  bis  in 
sein  hohes  Greisenalter  hinauf  Jahr  aus  Jahr  ein  Tag  für  Tag    sein    scharfes 
Auge  über  Meer  und  Himmel    hinschweifen  lässt,    damit  ihm  kein  Wanderer 
der  Lüfte  entgehe,  wie  er  das  Thun  und  Treiben  der  auf  der  Insel  rastendes 


Gätke.     von  Marquardsen.  ^ii 

Vögel  bis  ins  Kleinste  verfolgt,  wie  er  sie  hegt  und  pflegt  und  sich  liebevoll 
in  alle  Eigen thümlichkeiten  jedes  Einzelnen  versenkt.  Auch  die  Schlussworte 
der  »Vogelwarte«  sind  für  dies  ganz  einzigartige  Freundschaftsverhältniss,  wae 
man  es  wohl  mit  Fug  nennen  möchte,  höchst  .charakteristisch.  »Hiermit«, 
heist  es,  »ist  dieser  Bericht  über  die  Vögel  Helgolands  abgeschlossen.  Nicht 
ohne  eine  gewisse  Trauer  scheide  ich  von  ihnen,  die  mir  während  einer  so 
langen  Reihe  von  Jahren  liebe  Gefährten  gewesen,  und  deren  hundertfältige, 
so  wohl  gekannte  Stimmen  während  mancher  späten  Abendstunde,  die  ich 
an  meinem  Pulte  über  diesen  Blättern  verbrachte,  mir  wie  Freundesgrüsse 
aus  femer  Höhe  herabklangen,  wenn  sie  in  ungezählten  Schaaren  über  das 
Oberlicht  meines  Atelier-Museums  dahinzogen.«  —  Hand  in  Hand  mit  den 
Beobaciitungen  G.*s  ging  die  stetige  Vergrösserung  seiner  Vogelsammlung, 
wobei  ihm  seine  leidenschaftliche  Neigung  zur  Jagd  zu  Gute  kam.  1891  hat 
das  deutsche  Reich  diese  in  der  Welt  einzig  dastehenden  Sammlungen  er- 
worben und  damit  die  damals  schon  nahe  gerückte  Gefahr,  dass  dieselben  ins 
Ausland  wandern  könnten,  für  immer  beseitigt.  In  seinen  letzten  Lebens- 
jahren plante  G.  noch  eine  Arbeit  über  das  Flugbild  der  Möven  und  See- 
schwalben für  den  Verein  zum  Schutze  der  deutschen  Hochseefischerei.  Das 
Werk  sollte  gleichsam  ein  Lehrbuch  und  Führer  für  die  deutschen  Seefischer 
werden.  Doch  es  war  ihm  nicht  vergönnt,  dasselbe  zu  vollenden.  Von  einem 
Influenza-Anfall,  der  ihn  1896  traf,  vermochte  er  sich  nicht  wieder  zu  erholen. 
Ein  in  seinem  äusseren  Verlaufe  unendlich  einfaches  und  dennoch  unendlich 
reiches  und  bedeutungsvolles  Leben  fand  damit  seinen  Abschluss. 

Vgl.  Omlthologische  Monatsschrift,  1897,  S.  120:  Zum  Andenken  an  drei  tbeure  Ver- 
storbene, u.  189S,  S.  49ff.:  Nachruf  von  Rudolf  Blasius,  mit  Bildniss.  Die  englische  Aus- 
gabe der  »Vogelwarte«  erschien  1895  in  Edinburg  unter  dem  Titel:  Heligoland  as  an 
ornithological  observatory.     The  result  of  fifty  years  experience  by  Heinrich  Gätke. 

Joh.  Sass. 

Marquardsen,  Heinrich,  von,  ordentlicher  Professor  des  Staatsrechts  an 
der  Universität  Erlangen.  *  25.  Oktober  1825  in  Schleswig,  f  30.  November 
1897  in  Erlangen,  lebte  ein  an  Arbeit,  Erfahrung  und  Bewegung  reiches 
Leben.  Sein  Vater  war  im  Besitze  eines  von  den  Voreltern  übernommenen 
kleinen  Landgutes  vor  den  Thoren  von  Schleswig  und  auch  seine  Mutter 
stammte  aus  gleicher  Gegend  und  so  war  es  der  Wunsch  der  beiden  Eltern, 
dass  auch  ihr  Sohn,  ihr  einziges  Kind,  auf  heimischer  Erde  bleibe  und  in  die 
Fusstapfen  des  Vaters  als  Kleingutsbesitzer  trete.  Der  Knabe  musste  in  land- 
wirthschaftlicher  Arbeit  früh  mit  anpacken  und  durfte  die  Gelehrtenschule  in 
Schleswig  nicht  besuchen.  Allein  mächtiger  als  die  väterliche  Bestimmung 
war  der  Wissenstrieb,  welcher  den  Jungen  beseelte.  Abends,  wenn  die  Familie 
zur  Ruhe  gegangen  war,  sass  er  eifrig  studierend  in  seinem  Kämmerchen.  Ohne 
alle  Hilfe  lernte  er  aus  Büchern  älterer  Vettern,  die  die  Vorschule  in  Schles- 
wig besuchten,  Latein  und  Griechisch,  Englisch,  Französisch  und  Mathematik. 
Kaum  12  Jahre  alt,  ging  er  dann  einmal  unter  dem  Vorwand,  die  Tante  zu 
besuchen,  in  die  Stadt  und  machte  die  Aufnahmsprüfung  in  Sekunda.  Der 
Wille  des  Vaters  war  damit  gebrochen.  Noch  nicht  ganz  14,  kam  M.  in  Prima, 
musste  dort  aber  wegen  seiner  grossen  Jugend  zweieinhalb  Jahre  ausharren. 
Mit  1674  J^lu^cn  ward  er  Student.  Zuerst  in  Kiel  immatrikulirt,  wandte  er 
sich  bald  nach  Heidelberg,  der  Stadt,  die  ihm  die  liebste  seines  Lebens 
wurde.    Dort  begründete  er  seine  durch  das  ganze  Leben  währende  Freund- 


^12  ▼on  Bfarqnardsen. 

Schaft  mit  Kussmaul,  dem  berühmten,  nun  in  Ruhestand  wieder  in  Heidelber; 
leidenden   inneren    Kliniker,    und   mit  Aegidi,    dem  bekannten   Politiker   ur  : 
Leiter  des  Press wesens  des  Aus^'ärtigen  Amtes,  in  den  Jahren  1871 — 77.    Am 
2.  Februar  1848  schloss  M.  seine  Universitätsbildung  durch  seine  Promotion 
zum  Doctor  beider  Rechte  der  Heidelberger  Juristenlakultät  ab.     Vangero» 
tmd  Mittermaier  waren  die  Lehrer  gewesen,  die  ihn  für  die  akademische  Lauf- 
bahn begeisterten.    Der  Vorbereitung  auf  diese  gehörten  die  Jahre  1848 — 51. 
Dieselben  waren  zu  Reisen  am  Rhein,  nach  Belgien   und  nach  Engiand  ver- 
wandt, um  in  längerer  eigener  Anschauung  und  Uebung  das  öffentliche  mün*:- 
liche  Strafverfahren  dortselbst  kennen  zu  lernen.     Von  jener  Zeit  datiert  M-5 
intime  Beziehung  zu  einem  der  jetzt  höchsten  englischen  Richter,  dem  Lor^- 
appellrichter  Hannen,  der  erst  vor  kurzem  als  einer  der  Schiedsrichter  -in  dem 
englisch-amerikanischen  Beringsmeerstreit  hervortrat.    Wintersemester  1851  52 
habilitirte  sich  M.  in  Heidelberg  mit  einer  Arbeit  »über  Haft  und  Bürgschdf: 
bei  den  Angelsachsen«,  die  eine  Einleitung  zu  einer  Geschichte  des  Habeas- 
Korpus-Rechtes  und  damit  des  Rechtsgutes  werden  sollte,  in  dem  noch  der 
Engländer  heutigen  Tages   seinen  höchsten  politischen  Besitz  erblickt.      M.5 
Vorlesungen  betrafen  Straf-  und  alsbald   auch  Völker-  und  Staatsrecht.     An 
den  allgemeinen  Fragen  der  Rechtswissenschaft  nahm  er  durch  Mitbegründung 
und  Mitherausgabe  der  seit  1855   erschienenen  »Kritischen  Zeitschrift  für  die 
gesammte  Rechtswissenschaft«   teil,   einer  Zeitschrift,  die,    nachmals  mit   der 
»Kritischen    Ueberschaif«    vereinigt,    noch    heute    als    Mtinchener    »Kritische 
Vierteljahrsschrift    für  Gesetzgebung    und    Rechtswissenschaft«    fortlebt.      Ein 
Jahr  vorher  hatte  er  mit  der  Tochter  des  in  jungen  Jahren  dahingerafften 
Privatdozenten    für    englische    Literaturgeschichte,    Wiss,    eines    Neffen     des 
englischen  Dichters  Camble,   die  denkbar  glücklichste  Ehe  eingegangen.     In 
Stintzing  und  Goldschmidt,  den  späteren  Professoren  der  Rechte  in  Bonn  und 
Berlin,    erwarb    er    treue  Freunde  und  Fachgenossen.      1857   ward  M.   zum 
ausserordentlichen  Professor  befördert,  1861  erhielt  er  einen  Ruf  als  ordent- 
licher Professor  für  Staatsrecht  nach  Erlangen  und  dieser  Hochschule   blieb 
er  bis  ans  Lebensende  treu.    In  den  ersten  Jahren  entwickelte  er  auch  hier- 
selbst  eine  eifrige  und  fruchtbringende  Dozententhätigkeit  —  er  las  insbesondere 
auch   über  Politik  und   Enzyklopädie  der  Staatswissenschaften  — ,   von   186S 
an  gehörte  aber  seine  Thätigkeit  nahezu  ausschliesslich  dem  parlamentarischen 
Leben  an.    Am  27.  April  1868  trat  M.  für  den  Wahlkreis  Fürth-Erlangen  in 
.das    deutsche    Zollparlament,    am    21.   September    1869    für    den    Wahlkreis 
Erlangen  in  die  bayerische  Abgeordnetenkammer  ein;  von    187 1    an    war  er 
Mitglied    des    Reichstags.      Mitglied   dieses  blieb   er,    den  Wahlkreis  Fürth- 
Erlangen  im  Laufe  der  Zeit  mit  den  Wahlkreisen  Worms  und  Kusel   (in  der 
Rheinpfalz)  vertauschend,    bis  zu  seinem  Lebensende;  bayerischer  Landtags- 
abgeordneter und  zwar  später  für  den  Wahlkreis  Kempten  war  er  bis  1893. 
M.'s  parlamentarische  Arbeit  hatte  drei  Richtungen.     In  erster  Linie  gehörte 
sie  der  Partei.     National  und  liberal  in  der  Worte  bester  Bedeutung,  zählte 
er    zu    den    berufensten  Kräften   der  nationalliberalen  Partei    während    ihrer 
ganzen  Entwicklung;  den  verschiedensten  Organisationen  derselben,  dem  Vor- 
stand   der    nationalliberalen    Reichstagsfraktion,     dem    Central  vorstand    der 
nationalliberalen   Partei    überhaupt    und    dem  Landesausschuss    derselben    in 
Bayern  gehörte  er  als  Vorstandsmitglied   bezw.   als  Vorsitzender  an.     In  der 
Reichstagsfraktion  lag  seine  vorwiegende  Thätigkeit  in  informatorischen  Vor- 
trägen   an    die    Fraktionsgenossen    über    die    jeweils    zur    parlamentarischen 


von  Marquardsen.  ^13 

Behandlung    stehenden   Gesetzesvorlagen    juristisch  -  politischen   Inhalts.     Mit 
das   wichtigste  Aktenstück,  welches  die  Geschichte  der  nationalliberalen  Partei 
kennt,    ist  die   einen   Wendepunkt  in  ihrem  Programm   darstellende  Heidel- 
berger Erklärung  vom  23.  März  1884.      An  ihrem  Zustandekommen  war  M. 
neben  Miquel    der    hervorragendst  Betheiligte.     Stammte  der  erste  Entwurf 
derselben  aus  Miquels  Feder,  so  gab  ihr  M.  die  Fassung,  in  welcher  sie  mit 
einer   einzigen   Ergänzung   wörtlich    auf  dem   Parteitage    angenommen   ward. 
In   zweiter  Linie  gehörte   seine  Thätigkeit  den  Reichstagsverhandlungen.     Er 
wirkte  in  den   verschiedensten  Kommissionen,    insbesondere  in   den  für  die 
Justiz-    und    Strafprozessgesetzgebung    niedergesetzten.       In    der    Reichstags- 
kommission   über  das  Pressgesetz  war  er  Berichterstatter;    der  Wahlprüfungs- 
kommission   stand   er   seit  mehreren  Legislaturperioden  vor.     Im  Plenum  trat 
M.  in  juristischen  und   allgemein   politischen  Fragen   als  Fraktionsredner   auf, 
eine  sonore,  kräftige  Stimme  und  die  Kunst  des  ridendo  dicere  verum  waren 
ihm   eigen.      In   den  letzten  Jahren  sprach  er  vor   allem  zu  der  versuchten 
Strafprozessreform    —   er  war   ein  Gegner   der  Berufung  in   Strafsachen   — , 
zu  den  Anträgen   über  Aufhebung  des  Jesuitengesetzes  und  zuletzt  über  die 
Frage  der  mehr  unitarisch  oder  mehr  föderalistisch  zu  gestaltenden  Organisation 
der  Kontrole  über  die  Auswanderungsuntemehmungen.     Drittens  aber  pflegte 
er  die  Vertretung  der  Partei  nach  Aussen,  gegenüber  den  übrigen  Fraktionen 
des  Reichstags,  gegenüber  d^r  Regierung  und  besonders  gegenüber  der  Presse. 
Nicht  nur  von  den  Parteien,  sondern  auch  von  Bismarck  war  er  als  politischer 
Mittler  in  Vertrauensmänner- Versammlungen  geschätzt.  Seine  freie  ungezwungene 
Art,  in  der  M.  nicht  nur  zu  geben,  sondern  auch  zu  nehmen  verstand,  machte 
ihn  hierzu  besonders  geeignet.    Persönliche  Feinde  hatte  M.  nicht.    Selbst  bei 
politischer  Trennung  blieb  die  persönliche  Freundschaft  erhalten.    Noch  her- 
vorragender   >\ar    aber    seine    Thätigkeit    als  politischer  Tages-    und   Partei- 
schriftsteller.     Die    meisten    kritisch    würdigenden    Artikel    der    »Kölnischen 
Zeitung«    über   Reichstagsvorlagen,    die    prägnant    und    feinsinnig    stilisirten, 
auftretende  Personen  und  behandelte  Sachen  vorzüglich   schildernden  Reichs- 
tagsberichte des  gleichen  Organes  hatten  M.  zum  Verfasser*).    Seine  politischen 
Verdienste  hat  die  bayerische  Regierung  1888  durch  die  Verleihung  des  mit 
persönlichem  Adel  verbundenen  Verdienstordens  anerkannt.    Es  ist  begreiflich, 
dass  bei  solch  reicher  politischer  Thätigkeit   für  die  Wissenschaft  wenig  Zeit 
blieb.     Nichtsdestoweniger  gab  er  auch  ihr  Anregung.     1874   wurde   er  zum 
Mitglied  des  Instituts  für  Völkerrecht  gewählt,  an  dessen  Sitzungen  im  Haag 
(1875),   in  Turin   (1882),   in  München   (1883),    in  Hamburg    (1891)    und    in 
Venedig  (1896)  er  sich  eifrig  beteiligte.     Ende  der  siebziger  Jahre  veranlasste 
er  die  Herausgabe  eines  grossen  seinen  Namen  tragenden  Sammelwerks,  des 
»Handbuchs  des  öffentlichen  Rechts   der  Gegenwart«.     Die  letzte   parlamen- 
tarische Thätigkeit  M.'s  sollte  nach   seiner  Absicht  die   deutsche  Militärstraf- 
gerichtsordnung sein.    An  ihrem  Zustandekommen  wollte  er  noch  mitwirken; 
dem  Strafprozess  hatten  seine  ersten  litterarischen  Arbeiten  gegolten,  ihm  sollte 
auch  die  letzte   parlamentarische  Thätigkeit  gewidmet  sein.     Dann  wollte  er 
vom  politischen  Leben  Abschied  nehmen.    Der  neue  Kurs  und  auch  die  zu- 
nehmende Verarmung    des   Reichstags    an    ideal    angelegteren    und    politisch 
vorgebildeten  Mitgliedern  hatten  ihm  die  parlamentarische  Thätigkeit  verleidet; 


♦)    Band  I    unseres    Biographischen    Jahrbuches    und    Deutschen    Nekrologs    (1897, 
S.  49*  ff.)  verdankt  Marquardsen  den  Nachruf  auf  Franz  Armand  Buhl.     D.  H. 


^14  ▼on  Marquardsen. 

vor  Allem  vermisste  er  den  immer  stärker  auftretenden  Mangel  an  Abge- 
ordneten, die  zu  wirklich  erspriesslicher  Kommissionsarbeit  geeignet  waren. 
Doch  es  kam  anders.  Am  Tage  vor  Eröffnung  der  Wintersession  des  Reichs- 
tags setzte  ein  Gehirnschlag  dem  Leben  des  noch  völlig  frischen  und 
schaffensfreudigen  Mannes  ein  Ziel.  Auch  seine  Absicht,  nach  Ausscheiden 
aus  dem  parlamentarischen  Beruf,  an  die  Abfassung  von  Lebenserinnerungen 
zu  gehen,  blieb  so  unerfüllt.  Um  den  Entschlafenen  trauerte  tief  die  WittTÄC 
mit  dem  einen  ihr  verbliebenen  Sohn  (ein  anderer  war  M.  1883  entrissen), 
die  Fakultät,  die  Partei,  am  meisten  aber  das  Vaterland.  Dies  schuldete  ihm 
am  meisten. 

Seh  r  i  ft  en. 

i)  VV.  M.  Best's  GrundzQge  des  englischen  Beweisrechts,  Übersetzt  1851. 

2)  Ueber  Haft  und  Bürgschaft  bei  den  Angelsachsen,  1852. 

3)  Aufsätze  und  Artikel  im  > Archiv  des  Kriminalrechts«,  »GerichtssaaU,  »Zeitschrift  für 
die  gesammte  Rechtswissenschaftc,  Rottecks  und  Weickers  » Staatslexikon c  (3.  Aoflage), 
Bluntschli's  und  Brater's  »Staatswörterbuch«. 

4)  Der  Trentfall,  1862. 

5)  Das  englische  Oberhaus  uud  die  Wissenschaft,  1862. 

6)  Reichspressgesetz  vom  7.  Mai  1874  mit  Einleitung  und  Kommentar. 

7)  Spencer,  Einleitung  in  das  Studium  der  Sociologie,  2  Theile,  übersetzt  1875. 

8)  Handbuch  des  öffentlichen  Rechts  der  Gegenwart,  herausgegeben  von  M.  (von  ihm 
selbst  nur  die  einleitenden  Worte),  1883  ff. 

9)  In  mcmoriam  (Erinnerungsblätter  auf  Vangerow  und*Mohl),   1886. 

10)  Art.  Mohl  in  der  »Allg.  Deutschen  Biographie«,  Band  15  (1887). 

11)  Die  nationale  Bedeutung  des  Reichscivilgesetzbuches  in  der  deutschen  Juristenzeitnng, 
I.  Jahrgang  (1896)  Nr.  17. 

12)  Ueber  die  Verjährung  bei  Pressdelikten  (ebd.  Nr.  23). 

Vergl.  Rchm,    Heinrich  von  Marquardsen   in  der  Beilage  zur  »Allgemeinen    Zeitung« 
1897  Nr.  291  und  im  »Juristischen  Litteraturblatte«  (Berlin)  vom  15.  April  189S. 

Erlangen.  H.    R  e  h  m. 


Ergänzungen  und  Nachträge  zum 
,, Deutschen  Nekrolog  vom   i.  Januar  bis  31.  December  1896" 


Seidel,  Ludwig,    Philipp    von,    Professor   der  Mathematik    und    kgl.- 
bayerischer    Geheimrath,    *  am    24.  October   182 1    zu    Zweibrücken,    f  am 
13.  August  1896  in  München.  —  Als  Sohn  eines  kgl.  Postverwalters  geboren, 
entschied  er  sich  schon  während  seiner  Gymnasialstudien,  die  er  in  Nürnberg 
begann  und  in  Hof  vollendete,  wie  er  sagt  »angezogen  durch  den  belebenden 
Vortrag  des  Professors  Schnürlein«,  für  das  Studium  der  Mathematik,  in  das 
ihn  jener  wackere  Lehrer,  selbst  ein  Schüler  von  Gauss,  in  einem  2  Y,  jährigen 
Privatunterricht  einführte.     Um  auf  der  gewonnenen  soliden  Grundlage  weiter- 
zubauen,   begab  er  sich  1840    an  die  Universität  Berlin,    wo   ihn    besonders 
Encke's  Vorträge  über  Astronomie  und  Lejeune-Dirichlet's  Vorlesungen  über 
reine  ]!|^thematik  anzogen.       Namentiich   aber   war    es  die  Astronomie,    die 
ihn  schon  damals  fesselte,    so    dass    er  von  Encke  bereits  mit  verschiedenen 
astronomischen  Arbeiten  beauftragt  wurde,  die  er,    wie  aus  einem  noch  vor- 
handenen Zeugnisse  desselben  hervorgeht,  zu  dessen  vollster  Befriedigung  er- 
ledigte.    1842  begab    er  sich  nach  Königsberg,    um  bei  Bessel,    Jacobi  und 
Franz    Neumann    seine    astronomisch-mathematische   Ausbildung    zu    vervoll- 
ständigen, was  ihm  auch  auf's  beste  gelang,  da  er  von  Berlin  aus  warm  em- 
pfohlen, nicht  nur  die  Vorlesungen  dieser  bedeutenden  Männer  hörte,  sondern 
auch  von  denselben  auf  das  liebenswürdigste  empfangen  wurde  und  mit  ihnen 
in  enge    persönliche  Beziehung    trat.      Damals    gab    es    in    Deutschland    nur 
drei  Universitäten,    Göttingen,    Berlin  Und  Königsberg,    an   denen    man    mit 
Nutzen  Mathematik    studiren  konnte;   aber    während  der  gewaltige  Gauss,  zu 
sehr  mit  eigenen  Arbeiten  beschäftigt    und  wenig  zugänglich,    es    nicht    ver- 
mochte, in  Göttingen  eine  eigentliche  mathematische  Schule  zu  gründen  und 
nur  wenige,  wenn  auch  sehr  bedeutende  Männer,  zu  seinen  Schülern    zählte, 
so  war  dies  zum  erstenmale  Jacobi  und  Dirichlet  für  reine  Mathematik,  Neu- 
mann für  physikalisch-mathematische  Studien  durch  Gründung  ihrer  Seminare 
gelungen.     S.  aber    durfte  sich    mit  Stolz   als    einen    hervorragenden  Schüler 
dieser  grossen  Männer  bezeichnen,    denen  der  Aufschwung  und  die  grössere 
Verbreitung  mathematischer  Studien  in  Deutschland  in  erster  Linie  zu  danken 


41 6  von  Seidel. 

ist.     Nach  einjährigem  Aufenthalt  in  Königsberg  wandte^ich  S.  nach  München 
um  sich  dort  nach  Erlangung  der  Doktorwürde  zu  habilitiren.     Durch  Bessel 
wurde  er  an  Steinheil,  einen  früheren  Schüler  des  letzteren,  auf  das  wärmste 
empfohlen  und    von   diesem  sogleich    in    sein  Arbeitsgebiet,    die  Anwenduni; 
der  Mathematik  auf  physikalische  Probleme  eingeführt.     Steinheil   hatte  183  t 
das  Photometer  erfunden,  und  es  handelte  sich  darum,  mit  dem  neuen  Apparate 
Messungen  vorzunehmen,  wozu  sich   S.  sofort  anschickte.     Nebenbei    löste  er 
eine. von    der    philosophischen  Fakultät    der  Münchener  Universität    ges^elltt 
Preisfrage  und  promovirte  1846  mit  einer  Arbeit  »lieber  die  beste  Form  de: 
Spiegel  in  Teleskopen«.     Im  gleichen  Jahre  habüitirte  er  sich  mit  einer   auf  die 
Studien  bei  Dirichlet  zurückzuführenden  Arbeit:    »Untersuchungen  über  Con- 
vergenz    und    Divergenz    der    Kettenbrüche«    und    veröffentlichte    1848    eine 
weitere  demselben  Gebiete  angehörige  Abhandlung:   »Ueber  neue  Eigenschaftet: 
der  Reihen,    welche    discontinuirliche   Functionen  darstellen«,    worin   er  zun 
ersten  male    den  Begriff   der    ungleichmässigen    Convergenz    einführte    —  eine 
Entdeckung,  die  später  von  Weierstrass,   der  S.'s  Arbeit    nicht    kannte,     von 
neuem  gemacht  wurde  und    nach    dem  Urtheil  von  Professor  Lindemann  z'l 
S.'s  bedeutendsten  rein  mathematischen  Leistungen  gehört.     Später  *hat  er  sich 
nur  gelegentUch    mit  Untersuchungen    ähnlichen  Charakters    beschäftigt,    die 
sich  niedergelegt  finden  im  XI.  Bande,  der  Abh.  der  bayer.  Ak.  der  W.  vor. 
1871,    in    den    Sitzungsberichten    derselben    von    1877    und    im    Journal  für 
Mathematik  Bd.  73.     Aus  der  gemeinsamen  Arbeit  mit  Steinheil,  der  S.  sehr 
rasch  schätzen    lernte,    so  dass  beide    bald    eine  enge  Freundschaft  verband 
ging  eine  Reihe  praktischer  Arbeiten  hervor:  so  eine  Abhandlung  zur  Theorie 
des  Steinheü'schen  Passage-Prismas  1846,    ferner    Tafeln    zur    Reduction  der 
Wägungen  von  Steinheil  und  S.  1848,  und  vor  allem  seine  wichtigen  photo- 
metrischen   Untersuchungen,    von    denen    »Erste    Resultate    photometrischer 
Messungen    am  Stemenhinraiel«    1846    und    die    umfassende    Arbeit    »Unter- 
suchungen über    die  gegenseitige  Helligkeit    der  Fixsterne  erster  Grösse    und 
über  die  Exstinction  des  Lichtes  in  der  Atmosphäre«,  1852  in  den  Berichten 
und  den  Abhandl.  der  bayer.  Ak.  erschienen.      Es    sind  dies  die    ersten  be- 
deutenden Messungen   dieser  Art  und    haben    ihren  Werth    bis    heute  beibe- 
halten.    Später  hat  S.  diese  Untersuchungen  auch  auf  die  Planeten  ausgedehnt, 
(Gelehrte  Anz.    der    Ak.  1853   und  Monum.  Saec.    der    Akad.  II.  KJ.   iSso^i 
und  weiter  publicirte  er  noch  »Resultate  photometrischer  Messungen  an  20S 
der  vorzüglichsten  Fixsterne  (Abhandl.  d.  bayer.  Ak.  1862  und  1867).     EQeran 
schlössen    sich    nicht  weniger  bedeutende  dioptrische  Arbeiten,    die  ebenfalls 
von  Steinheil  veranlasst    wurden,    und  einerseits    zur  Verbesserung    der  Her- 
stellungsmethoden optischer  Instrumente,    andererseits    ftir  die  heute    so  viel- 
fach   in    der  Astronomie  verwendete  Photographie    von  bedeutendem  Nutzen 
sind.     Sie  erschienen  theilweise  in  den» Jahrgängen  1853  und  1856  der  astro- 
nomischen Nachrichten,  theils  in  den  Sitzungsberichten  und  Abhandl.  d.  bayer. 
Ak.  von  1848  bis  1873. 

In  engem  Zusammenhang  mit  diesen  praktischen  Anwendungen  standen 
S.'s  Arbeiten  über  Wahrscheinlichkeitsrechnung  und  die  Methode  der 
kleinsten  Quadrate,  die  ebenfalls  in  den  Sitzungsberichten  von  1863,  in 
den  Abhandlungen  der  bayerischen  Akademie  von  1874  und  1876  und  in 
den  astronomischen  Nachrichten  1874  erschienen.  Auch  in  ihnen  sind  ver- 
schiedene neue  Gedanken  und  Methoden  niedergelegt.  Noch  müssen  wir 
hier  die  Anwendung  derselben  auf  die  Bearbeitung  des  statistischen  Materials 


von  Seidel.    Noe. 


417 


er^^ähnen,  welches  auf  Anregung  des  Hygienikers  Pettenkofer  angesammelt 
^^orden  war,  um  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  zwischen  der  Häufigkeit  der 
Typhusfälle  in  München  und  dem  Stande  des  Grundwassers  einerseits  und  der 
Menge  der  atmosphärischen  Niederschläge  andererseits  ein  Zusammenhang  be- 
stehe. Nach  Pettenkofer's  Urtheil  hat  gerade  diese  Bearbeitung  der  Frage 
durch  S.  hauptsächlich  dazu  beigetragen,  den  Ruf  Münchens  in  sanitärer 
Richtung  zu  heben. 

Diesen    hervorragenden  Leistungen  S.'s  in  den  verschiedensten  Gebieten 
würden  sich  sicher  noch  manch  andere  gleich  bedeutende  zugesellt  haben,  hätte 
nicht  ein  schweres  Augenleiden,  zu  welchem  er  den  Keim  durch  seine  inten- 
siven astronomischen  Arbeiten  legte,  frühzeitig  seine  Thätigkeit  eingeschränkt 
und  allmählich  ganz  gehemmt.     Dieses  tückische  Leiden  war  es  auch,  welches 
in    späteren  Jahren  seine  so  segensreiche  Lehrthätigkeit  schwer  beeinträchtigte, 
die  er  1847    als    ausserordentlicher  Professor    an    der  Münchener  Universität 
begann  und  seit  1855  ^^^  Ordinarius  bis  zu  seinem  70.  Lebensjahre  fortsetzte. 
Ks   war  dies    um  so  mehr    zu  bedauern,    als   der  durch  die    oben  genannten 
grossen  Männer    in  Deutschland  angebahnte  Aufschwung    der  Mathematik    in 
Bayern  in  S.'s  Person  den    ersten    hervorragenden  Vertreter    gefunden  hatte; 
und  in  der  That  waren  auch  seine  bedeutende  Lehrbegabung  und  das  Interesse, 
das    er    dem  Unterrichtswesen    entgegenbrachte,    in  hohem  Maasse    geeignet, 
einerseits  die  damals  gänzlich  damiederliegende  Heranbildung  junger  Mathe- 
matiker für  das  Lehrfach  zu  heben  und  andererseits  dem  an  den  Mittelschulen 
bisher  so  wenig  berücksichtigten  Fache  die  ihm  zukommende  Bedeutung    zu 
verschaffen.     Trotz  seines  schweren  Leidens  hat  S.  diese  wichtigen  Ziele  seiner 
Berufsthätigkeit    nie  aus    dem  Auge  verloren,    wenn    ihm    auch    theils    jenes 
T^eiden,  theils  der  Wechsel  der  Verhältnisse  nicht  gestatteten,  alle  seine  dies- 
bezüglichen Wünsche  erfüllt  zu  sehen.     Dass  es  so  bedeutenden  Fähigkeiten 
und  hervorragenden  Leistungen  auf  verschiedenen  Gebieten  nicht  an  äusseren 
Anerkennungen  fehlte,  ist  selbstverständlich;  wir  sehen  von  Orden  und  Titeln  ab 
und  nennen  nur  diejenigen,  die  er,  der  Gelehrte,  selbst  am  höchsten  schätzte: 
so  wurde  er  185 1  Mitglied  der  bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften,   1867 
Mitglied  der  europäischen  Gradmessungskommission,  ferner  korrespondirendes 
Mitglied  der  kgl.  Societät  der  Wissenschaften  zu  Göttingen,  der  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Berlin  und  der  Leopoldinischen  Akademie  der  Naturforscher. 
S.    war  unvermählt  geblieben,  aber  um  so  mehr  widmete  er  sein  ganzes 
Interesse,    seine    ganze  kraftvolle  Individualität    seiner  Berufsthätigkeit.      Die 
Integrität  seines  Charakters,    die  Festigkeit  und  Willensstärke,    die  aus  allen 
seinen  Handlungen  sprach,  und  andererseits  seine  Liebenswürdigkeit  im  Um- 
gang verschafften  ihm    die  Achtung    und    Zuneigung    aller,    die    mit    ihm    in 
näheren  Verkehr  traten,    und  lassen   ihn  namentlich  bei  seinen  Schülern  un- 
vergessen bleiben. 

Quellen:  Almanach  der  bayer.  Akademie  der  Wissenscb.  Gedächtnissrede,  gfehalten 
von  Prof.  Dr.  F.  Lindemann  in  der  k.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften  am  27.  März  1897. 
München,  Ackermann  1898. 

A.  V.  Braunmühl. 
Noe,  Heinrich,  August*),  Dr.,  ♦  am   16.  JuH  1835  ^^  München,  f  26. 

*)  Vergl.  Band  I,  S.  447;  mit  der  Aufnahme  eines  zweiten,  von  berufener  Freundes- 
hand herrührenden  Nekrologes  Noe's,  willfahren  wir  einem  Wunsche  Friedrich  Ratzel's 
(Beilage  zur  Allg.  Ztg.   1898,  No.  277). 

Biogr.  Jahrb.  n.  Deutacher  Nekrolog.     2.  Bd.  2  7 


41 8  Noe. 

August  1896  zu  Bozen,  entstammte  einem  stramm-hugenottischen  Auswanderer- 
geschlecht. Er  hat  mir  gelegentlich  selbst  erzählt,  wie  ihn,  nachdem  er  den 
P)rrenäen  und  den  carlistischen  Wirren  den  Rücken  gekehrt,  auf  französischem 
Boden  plötzlich  ein  wohliges  Heimatgefühl  überkommen  habe,  das  er  sich 
nicht  anders  erklären  mochte,  als  dass  er  es  mit  der  Station  Chäteau  Not 
in  Zusammenhang  brachte,  an  der  er  bald  darnach  vorübergefahren.  Sein 
Vater  war  königlicher  Beamter,  Schlossverwalter  in  Aschaffenburg,  und  hatte 
seinen  Amtssitz  zuletzt  in  Ansbach.  Der  Studien  weg  führte  Heinrich  über 
Augsburg,  Aschaffenburg  nach  Erlangen,  wo  er  statt  Theologie,  wie  die  EUtem 
gern  gesehen  hätten,  lieber  Naturwissenschaften  und  Sprachen  hörte.  Promo^irt 
hat  er  erst  1864.  Sein  Sprachentalent  ging  in  die  Tiefe  wie  in  die  Breite; 
es  wurzelte  im  Sanskrit  —  seine  Erstlingsschriften  bezeugen  es  —  und  um- 
fasste  allgemach  achtzehn  Idiome.  Er  hat  Tjutschew's  lyrische  Gedichte 
übersetzt,  1861.  Seine  Sprachkunde  namentlich  empfahl  ihn  der  Hofbibliothek 
in  München,  an  der  er  unter  Director  Halm  von  1857  bis  gegen  1863  als 
Assistent  thätig  war  und  die  ausländischen  Besucher  als  redegewandter  Cicerone 
überraschte.  Da  war  es  auch,  wo  er  einen  in  Frankreich  herausgekommenen, 
vorgeblich  aztekischen  Zeichencodex  als  das  erkannte,  was  er  war,  nämlich  als 
modern-europäisches  Kindergekritzel.  Der  Bibliotheksvorstand  hielt  grosse 
Stücke  auf  ihn;  er  beförderte  ihn  an*s  britische  Museum  in  London.  Er 
konnte  sich  hier  gut  stehen,  aber  er  vertrug  das  Klima  nicht,  und  in  die 
alten  Münchener  Verhältnisse  zurückgekehrt,  gewahrte  er,  dass  auf  die  Seh- 
kraft seiner  Augen  kein  rechter  Verlass  sei.  Der  Drang  nach  Freiheit  imd 
Ungebundenheit  that  das  Uebrige  dazu,  um  aus  dem  Bureaumenschen  den 
Reiseschriftsteller,  den  berühmten  Alpenwanderer  zu  machen,  zum  Verdrusse 
seiner  Eltern,  die  ihn  in  einer  sicheren  Stellung  wissen  wollten,  und  mit 
gänzlicher  Umgestaltung  seines  Lebensstiles;  denn  der  junge  Mann,  der  einen 
angeborenen  Sinn  und  ein  allseitiges  Verständnis  für  vornehme  Lebensführung 
hatte,  schlug  trotzig,  schlug  mit  klarem  Bewusstsein  zu  einem  Bohdmien  um, 
wie  solcher  auf  die  Wanderschaft  und  in  die  Berge  passte. 

Nicht  jeder  Wirth  witterte  hinter  diesem  gleich  auch  den  Bildungsmenschen, 
wiewohl  seine  adelige  Gestalt  sofort  auffallen  musste.  »Gewaltig  könnt*  er 
schreiten  und  war  von  hohem  Wuchs.«  Seine  Stirn  blieb  schön  und  glatt 
bis  in  seine  letzten  Tage;  sein  nussbraunes  Haar  legte  sich  mit  einer  Charakter- 
locke vor  und  wich  niemals  weit  zurück.  Seine  Adlernase  hatte  mehr  einen 
gallischen  als  bajuvarischen  oder  tirolischen  Schwung.  Die  dunklen  Augen 
blickten  scharf  aus;  freisam,  muthig  und  doch  zugleich  wohlwollend  grüssten 
sie,  doch  gern  zuckten  auch  die  Lichter  von  Schalkhaftigkeit,  Laune  und 
Spott  in  ihnen  hin  und  wieder  —  spät  erst  verriethen  sie  Weinseligkeit. 
Sein  Mund  war  zart,  sein  Kinn  kräftig;  über  ersterem  bog  sich  buschig  der 
Schnurbart  herab,  dem  ein  etwas  massigerer  Bestand  unterhalb  entsprach. 
Er  trug  Blouse  oder  Joppe,  schlang  sich  die  Binde  lässig  um  den  Hals  und 
der  weiche,  breitkämpige  Filzhut  wusste  stets  von  allen  möglichen  Wetter- 
unbilden zu  erzählen.  Er  zog  nicht  wie  ein  Künstler  einher,  auch  nicht  wie 
ein  Holzknecht,  aber  zwischendurch  tauchte  seine  eigenartige  Erscheinung  auf. 
Und  wie  gesagt,  sie  hatte  Stil.  Wer  ihn  je  im  vollem  Wichs  gesehen,  muss 
ein  Sonntagskind  sein;  aber  auch  da  wird  er  seinen  Mann  gestellt,  d.  h.  eine 
gute  Figur  gemacht  haben. 

Bei  der  Arbeit   gehörte  N.   ganz  sich  und  dem    eben  zu  behandelnden 
Gegenstande  an;    aber  wie  lebte  er  auf,    wie  verjüngte    er  sich,    wie  sprühte 


Noc.  4.  IQ 

sein    Geist  tischüber  in  geselligem  Kreise  bei    einem    gutem  Tropfen!      Da 
zog  er  mit  J^eichtigkeit  alle  Register  seines  reichen  Wissens,   da  war  ihm  in 
allen  Tagesfragen  ein  stichkräftiger  Trumpf  zur  Hand,  da  entwickelte  er  Laune 
und  geistige  Anmut.   Als  Causeur  war  er  unvergleichlich,  fesselnd,  entzückend, 
erobernd,  gleichviel,  ob  er  verwöhnte  städtische  Sommersiedler  oder  schlau- 
schlichte Landleute  um  sich  hatte.     Und  sein  süsser  beredter  Mund  that's  auch 
Frauen  an.    Er  hatte  Glück  bei  dem  schönen  Geschlecht.    Aber  so  viele  Ge- 
legenheiten ihm  auch  nahe  gelegt  wurden,  so  viele  Freiheiten  er  sich  auch  nahm, 
er  blieb  doch  zeitlebens  ein  Gebundener,  und  in  einzelnen  Fällen  kam  es  zu 
tragischen  Ausgängen,  wiewohl  das  Geschick  nicht  eigens   heraufbeschworen 
worden.  So  ging  1880  das  Gerede,  dass  seinethalben  sich  eine  begabte  Schrift- 
stellerin das  Leben  genommen  —  seinethalben,  doch  kaum  durch  seine  Schuld. 
Was  N.   zu    seinem    neuen  Berufe  mitbrachte,    war    ungewöhnlich    viel: 
umfassende    naturwissenschaftliche    Kenntnisse,    geschichtliches     und     ethno- 
graphisches Interesse,  Gewandtheit  in  den  Sprachen,   ein  treues  Gedächtniss, 
das   sich   fort  und  fort  durch  sachliche  Tagebuch-Eintragungen  festigte,    ein 
männlich-poetisches  Empfinden  und  eine  Darstellung,   die  unschwer  die  Ver- 
bindung zwischen  Nahem  und  Fernem  aufgriff  und  das  scheinbar  Entlegenste 
zu  einem  einheitlichen  stimmungsvollen  Ganzen  zu  verweben  verstand;  während 
sie  eine  Gegend  im  Zauber  der  gegebenen  Jahreszeit  schildert,  liegt  für  sie 
zugleich  der  geologische  und  geschichtliche  Urgrund  derselben  zu  Tage,  und 
wie  sie  stilgemäss  dem  sonnigen  Süden  und  der  heroischen  Vorwelt  beikommt, 
weiss  sie  auch  das  rauhgewaltige  Naturwalten  der  nördlichen  Alpenwelt  zu  fassen. 
»In  den  Voralpen«    ist  wohl    das   erste   Buch,    das  N.   als    erwandertes 
herausgegeben,   obwohl  dasselbe  erst  in  der  Ausgabe  von  187 1  weitere  Ver- 
breitung gefunden  zu  haben  scheint.      So  geht  ja  auch  das    »bayrische  See- 
buch« (1865)  naturgemäss  dem  »österreichischen«    und    »italienischen«  (1867 
und  1874)  voraus.     Gleich  die   erste  zu  den  Alpen  aufstrebende  Publication 
trug  dem  Autor  auf  Verwendung   des  Directors  Halm   ein   königliches  Reise- 
stipendium ein.      Die  Fahrt  ging  nach  Dalmatien,    Italien  und  zwar  hier  zu 
Fuss  nach  Rom.     So  wirkte  wohl  Seume  nach  und  als  Früchte  dieser  Reise 
sind   das   »Brennerbuch  1869«    und  »Dalmatien    und    seine  Inselwelt,    nebst 
Wanderungen  in  die  schwarzen  Berge«  zu  betrachten. 

Aber  mittlerweile  hatte  sich  der  Wanderer  daheim  die  Finger  verbrannt. 
Die  beiden  in's  Zeitgeschichtliche  einschneidenden  Broschüren  »Ach  wie  dumm 
gehts  in  Bayern  zu«  und  »Gottes  Zorn«  konnten  ihm  nicht  Freunde  erwecken, 
weiss  man  doch,  dass  selbst  dem  vorsichtigeren  grimmen  Fallmerayer  seine 
verdeckten  Ausfälle  gegen  das  bajuwarische  »Derwischabad«  nicht  wenig 
eingetränkt  worden  sind.  N.  zog  sich  an  die  Österreichische  Grenze  nach 
Mittenwald  zurück,  das,  von  Fahrten  nach  Spanien  und  nach  Italien  abgesehen, 
sechs  bis  sieben  Jahre  sein  Aufenthalt  geblieben.  Auch  Lehrgeld  zahlen 
musste  der  junge  Alpenwanderer.  Wir  erzählen  mit  den  Worten  seiner  Frau 
Schwester,  die  so  treu  und  liebevoll  sein  Gedächtniss  wahrt;  »Im  Jahre  1865 
auf  66  in  der  Sylvestemacht  verirrte  er  sich  auf  einem  Uebergangsjoch  zum 
Achensee.  Er  stiess  auf  eine  Holzhütte,  machte  Feuer  darin  und  gewahrte, 
dass  ihm  die  Füsse  erfroren.  Erschöpft,  ohne  Lebensmittel,  sah  er  sich  dem 
Tode  nahe.  Grenzwächter,  die  das  Feuer  bemerkt,  vermutheten  Schmuggler 
in  der  Hütte  auf  der  Höhe  und  fanden  so  meinen  armen  Bruder.  Er  lebte 
noch,  wurde  zu  Thal  gebracht  und  von  da  weiter  nach  Ansbach  zu  den  Eltern 
befördert.     Anfangs  glaubte  man,   dass  man  ihm  die  Füsse  werde  abnehmen 

27* 


420 


Noe. 


müssen,  doch  der  mütterlichen  Pflege  gelang  es,  ihn  wiedo*  auf  gesunde  Beirt 
zu  bringen.  Die  Zeitungen  berichteten  über  den  Ung^ncksfall  myi  scbcm  da- 
mals kamen  Beileidsschreiben  aus  Nah  imd  Fem,  sogar  aus  Russland.  Bei 
dieser  Gelegenheit  sah  ich  meinen  Bruder  zum  ersten  Mal,  ich  1 1  Jahre  alt 
Heinrich  um  20  Jahre  älter  — .c    (S.  auch  > Gartenlaube c   1865.) 

Schon    auf  seiner    ersten    grösseren  Wanderung   schrieb  N.    PetdDetor.«. 
landschaftliche,  Reisefeuilletons.     Sie  wurden  gleich  beachtet    and     mic   dem 
damit  erzielten  Honorar    spann    er  wohl    den  Faden    seiner  Fahrten    weiter. 
Und  der  Feuilletonist  brachte  es  rasch  zu  anerkannter  Metsteischaft   and  ba) : 
verstand  er  sich  zu   ausgesprochen  feuilletonistischen  Aufträgen  und   Tounrr. 
Er  wurde  zum  Feuilletonbten,  wie  Fallmerayer  zum  Fragmentisten  g^evorden 
Und  wie  diesem  standen  ihm  in  der  besten  Zeit    die    angesehensten  Blätter 
zur  Verfugung,  Allg.  Ztg.,  Gartenlaube,  N.  Fr.  Pr.,  Wiener  Ztg.  u.  s.  w.     Und 
man  las  den  Feuilletonisten  N.  lieber  als  dessen  Bücher,  denn  er  brachte  stet> 
das  Frischeste,  Neueste,   das  eben  ActueDe  und  Saisongemasse.    Also  machte 
der  Buchautor  durch  seine  FeuiUetons  sich  selbst  die  wirksamste  Concurreiu, 
und  sodann  nahmen  seine  FeuiUetons  auf  die  Gestaltung  seiner  Bücher  EÜnfluss. 
Nicht   wenige    derselben    entbehren    nemlich  des  einigenden   Buchgedankens 
und  sind  nur  aufgesammelte,  mehr  oder  minder  glücklich  verbundene  Feuilletons. 
So  gleich  sein  Hauptwerk,   das  vierbändige  »Deutsche  Alpenbuchc   1875 — ^^• 
In  diesem  erscheinen  einzelne  Länder,  einzelne  Partien  wesentlich  bevorzugt, 
andere  empfindlich  zurückgesetzt.     Das  gegen  vierzig  Jahre  ältere,   fast   ritel- 
gleiche,    funfbändige  Werk  A.  Schaubach's  »Die  deutschen  Alpen«    ist    ent- 
schieden gleichmässiger  gearbeitet.     Aber  freilich,  auf  diesem  liegt  sozusagen 
eine    und    dieselbe  Jahreszeit,    der  Sommerglanz,    während  N.   mit  Fug   und 
Recht  auf  die   »verschiedenartige  Beleuchtung«   hinweisen  kann,    »in  welcher 
Landschaften  und  Menschen  erscheinen«;    da   er  sein  Alpenbuch    »nicht    als 
Sommer-  oder  Ferientourist«  geschrieben,  vielmehr  »von  einer  Wintersonnen- 
wende bis  zur  anderen  keinen  Monat,  ja  keine  Woche,  keinen  Tag«  vorüber- 
gehen Hess,    »an  welchem   er  sich  seinen  Gegenstand  nicht  beschaut  hättCv. 
Ersichdich  feuilletonistischen  Gefüges  ist  das  »Tagebuch  aus  Abbazia«   18S4 
und  sind  auch  »Die  Jahreszeiten«,  1888,  was  gleichwohl  gerade  dieses  Buch 
nicht  hindert,  ein's  der  gehalt-  und  stimmungsvollsten  zu  sein,  womit  uns  der 
Autor  beschenkt  hat. 

»Ich  bin  kein  Dichter«,  pflegte  N.  zu  sagen.  Dieser  Meinung  oder  diesem 
Vorurtheil  ist  es  wohl  zuzuschreiben,  dass  er  die  Reihe  seiner  Roman-  und 
Novellendichtungen  sobald  abbrach;  auf  »die  Brüder«,  »den  Zauberer  des 
Hochgebirges«  und  die  »Gasteiner  Novellen«  (1873 — 75)  folgte  Ende  der 
Siebzigerjahre  der  »Robinson  in  den  Tauem«,  wohl  sein  bekanntestes  er- 
zählendes Werk,  in  drei  Bänden.  Es  wiegt  viel  und  man  legt  es  nicht  zu 
den  gelesenen  abgethanen  Sachen.  Der  Held  ist  ein  MÜitärflüchtling  zur 
2^it  der  Napoleon'schen  Gewaltherrschaft.  Er  lässt  sich  von  der  Salzburgcr 
Veste  herab,  er  durchirrt,  verfolgt  und  geächtet,  die  Wildnisse  des  Salzburger 
Landes;  der  Pfleger  von  Werfen  ist  eine  Prachtgestalt,  ein  nächtliches  Eflfect- 
stück  die  Schmuggler  und  der  Sturm  auf  dem  Zeller  See,  und  so  ist  hier  des 
Gehaltvollen  noch  viel,  vielleicht  allzuviel  für  eine  leichte  Unterhaltungslekttire, 
die  am  ehesten  Aussicht  hat,  populär  zu  werden.  In  den  Achtzigeijahren 
schrieb  N.  als  Erzähler  nur  noch  in  kl.  8®,  wörtlich  und  figürlich  gesprochen, 
d.  h.  er  ging  unter  die  Jugendschriftsteller,  und  beispielsweise,  wer  mit  den 
»Pionieren  der  Unterwelt«  auszieht,  kann  das  Fürchten  lernen. 


Noe.  ^21 

Als  getreuer  Eckart  der  Alpenwelt  hat  N.  überall  hin  fördernden,  weisen- 
den Ausblick  gehalten.    Wo  eine  neue  Bahnlinie  angelegt  oder  ein  interessanter 
Gebirgswinkel    erschlossen    wurde,    wo    eine  Gegend,    ein   Ort  zu   Ruf   und 
Besuch   gelangte,  wo  immer  der  sommerliche  Fremdenschwarm  sich  hinlenkte, 
überall   tauchte  fast  ungesäumt  die  reisige  Gestalt  unseres  Autors  als  kundiger, 
williger  Geleitsmann  auf.    Daher  seine  vielen  »Führer«  und  Ortsmonographien, 
die    alle  tiefer  gegriffen    und    eigenartiger    gefasst  sind    als    die  gewöhnliche 
touristische  Marktwaare.     Wir  heben  »Elsass-Lothringen«,  »Gastein  und  seine 
Nebenthäler«,  »Gossensass«,  »Innsbruck«,  »Arco«,  »Görz  und  seine  Umgebung«, 
die    »illustrirten  Führer  auf  den  Linien  der  österreichischen  Eisenbahnen«  und 
eine    stattliche  Reihe  der  bekannten  Füssli'schen  Reisehefte  hervor,    letztere 
aus  den  ersten  Achtziger  Jahren.     Doch  dies  und  Aehnliches  hätte  immerhin 
auch    ein  anderer  behender  Schriftsteller  im  Dienste  des  augenblicklichen  Be- 
darfes leisten  können.     Aber  N.  war    zugleich  Pfadfinder;    in    ihm    stak    ein 
Stück  Aeskulap ;  er  wurde  zum  Wohlthäter  an  der  erholungsbedürftigen  Mensch- 
heit,  zum  Gründer  mittlerweile  berühmt  gewordener  Luftkurorte  und  Sommer- 
frischen, solcher,  die  wir  uns  unmöglich  mehr  wegdenken  können.    Wir  nennen 
Semmering,   Toblach,  Vahm,  Abbazia,    das  Kurhaus    in  Görz,    Madonna  di 
Campiglio.     Die  Mehrzahl  dieser  Trost-  und  Heilstätten,   sicher  Semmering, 
Toblach  und  Abbazia  sind  Gründungen  N.'s  durch   die  Südbahn,   mit  deren 
Generaldirector  Schüler  er  nach  dem  bosnischen  Feldzuge   diesen   menschen- 
freundlichen Eroberungsplan  besprochen  und  vereinbart  hatte.    Wie  beispiels- 
>*reise  Abbazia  erworben  und  ausgestaltet  wurde,  erzählt  N.  selbst  gelegentlich, 
natürlich  mit  bescheidener  Zurückstellung  seines  eigenen  Verdienstes.    Er  hat 
sich  trotzdem  wohl  bereichert  bei  diesen  Gründungen?   Durch  ungefähr  acht 
Jahre  ein  Honorar  von  je  1200  fl.,    ein  kleines,    feuchtes  Haus  in  Abbazia, 
darin    sich    seine    älteste,    seine  Lieblingstochter  den  Todeskeim  holte,    und 
etwa  die  Erwirkung    der  einen  oder   anderen  Schnellzugshalte-Stelle,  das  ist 
Alles,  was  er  von  seinem  Zusammen'^irken  mit  der  Südbahn  hatte. 

Besonders  beachtenswert  sind  die  Bücher  vorwiegend  naturwissenschaftlich- 
lehrhaften Inhalts.  So  schon  aus  der  ersten  Zeit:  »Wie  soll  man  die  deutschen 
Alpen  bereisen?«  und  »Neue  Studien  aus  den  Alpen« ;  so  »Gossensass«  mit 
den  Erinnerungen  an  Tirols  Gletscherwelt;  so  das  »Geleitbuch  nach  dem 
Süden«  mit  ganz  einzig  schönen  Kapiteln  über  den  Karst  und  die  Karstnatur 
im  allgemeinen,  und  so  auch  die  »Geschichten  aus  der  Unterwelt«,  die  mit 
dem  Karstwesen  zusammenhängen. 

Wieder  in  anderen  Büchern  überwiegt  N.'s  lyrische,  erinnerungsselige 
Natur;  wir  nennen  diesbezüglich  neben  den  schon  erwähnten  Jahreszeiten  die 
»Bergfahrten  und  Raststätten«,  das  »Deutsche  Waldbuch«  und  »Edelweiss 
und  Lorbeer«,  ein  Spätwerk  (1895),  darin  schon  merklich  die  Schatten  länger 
werden. 

Auf  Tirol  entfällt  ein  überwiegender  Theil  von  N.'s  Schriften;  er  zog 
dies  Land  immer  vor  und  in  den  letzteren  Jahren  mehr  und  mehr  den  Süden 
desselben  und  das  Küstenland.  Anfangs  schrieb  er,  wie  überhaupt,  detail- 
reich über  Tirol,  dann  aber  wurden  seine  Schilderungen  immer  grosszügiger, 
sinnbildlicher.  Schon  aus  1890  stammt  »Sinnbildliches  aus  der  Alpenwelt«, 
wenn  auch  aus  demselben  Jahre  noch  der  »Frühling  in  Meran«  datirt  mit 
der  berühmten  Bismarck-Novelle.  Gerade  bezüglich  Tirols  hatte  N.  einen 
gewichtigen  und  berühmten  Rivalen  an  L.  Steub.  Ludwig  von  Hör  mann, 
selbst  eine  Autorität  in  allen  ethnographischen  und  kulturhistorischen  Dingen 


42  2  Noc. 

seiner  Heimat,  kennzeichnet  und  unterscheidet  die  beiden  Ranzenden   alpinen 
Schriftsteller  bestens  in  folgenden  Sätzen:     »Die  Frage,  welcher   von    beiden 
bedeutender  war,  halte  ich  für  überflüssig,  jeder  ist  in  seiner  Eigenart  gross. 
Bewundem  wir  bei  Steub   die  freie  Zeichnung,    die  in  wenigen  Strichen   ein 
I^ndschaftsbild  treu  wiedergibt,  so  fesselt  bei  N.  die  farbengesättigte  ^laJerei 
mit    der    reichen  Detailausführung;    finden    beim  Ethnographen    und   Literar- 
historiker Steub  mehr  die  Menschen   und  ihre  Schöpfungen  Berücksichtigunc 
so   beschäftigt   den  Naturforscher  N.   mehr  die  Natur  in  ihrem  Werden  und 
Vergehen;    dem  Humoristen  und  Satiriker  Steub   antwortet   der  Denker    und 
Philosoph  N.,  dem  in  der  gewaltigen  Natur  und  ihrem  geheimnisvollen  Welen 
eine    verwandte  Saite  entgegentönt.     Und   wenn    der  Ethnograph  Steub    aus 
verwitterten  Grabsteinen  und  Wappen  die  Namen  ausgestorbener  Geschlechter 
entziffert  oder  in  räthselhaft  klingenden  Ortsnamen  den  Resten  untergegangener 
Völker  nachspürt,  so  mahnt  den  Geologen  N.  die  marmorne  Tischplatte,  auf 
deren  abgeschliffenen  Ueberresten  versteinerter  Ammoniten  sein  Weinglas  einen 
rothen  Rand  gezeichnet,  an  das  Mittelalter  unserer  Erde,  sowie  sein  ahnender 
Blick  beim  Herabkollem  der  Steinlawine  die  Zeit  kommen  sieht,  da  im  Ver- 
laufe  der  Jahrtausende  der  schöne  Alpsee  vom  Gerolle    ausgefüllt    und    ver- 
schwunden sein  wird.     Ueberall   auf  seinen  Wanderungen   begleitet    uns   der 
ernst  angelegte  denkende  Mensch,  der  grübelnde,  etwas  zum  Mysticismus  ge- 
neigte Geist  im  Gegensatz  zu  Steub,  dessen  Humor  wie  heiterer  Sonnenglanz 
seine  Schöpfungen  belebt.« 

Diese  nach  beiden  Seiten  hin  gleich  zutreffende  Charakteristik  findet  sich  im 
Vorwort  zur  N. 'sehen  Nachlassschrift  »Bozen  und  Umgebung«,  die  soeben  das 
Heinrich  No^-Denkmal-Comitd  in  Bozen  herausgibt.  Sie  ist  mit  N.*s  letztem 
Bildniss  nach  der  Originalfarbenskizze  von  Carl  Amonn  geschmückt,  bringt 
auch  zwei  figurale  Beiträge  von  Defregger  und  enthält  überdies  drei  Land- 
schaftsschilderungen von  N.*s  verstorbener  Lieblingstochter  Maria  Walpurgis, 
Man  braucht  blos  das  erste  Kapitel  dieses  posthumen  Buches  zu  lesen,  um 
inne  zu  werden,  was  unter  dem  Stich  ins  Mystische  zu  verstehen  ist.  Ein 
möglichst  vollständiges  Verzeichniss  der  N.'schen  Schriften  macht  diese  pietats- 
volle  Publication  besonders  werthvoll. 

Selbst  N.'s  ehrlichste  Freunde  und  Würdiger  werden  kaum  alle  seine 
Schriften  gelesen  haben;  er  hätte  es  auch  keinem  zugemuthet.  Denn  klein- 
liche Eitelkeit  lag  ihm  fem,  und  er  wusste  selbst  zu  gut  auch,  dass  neben 
den  Sachen  von  bleibendem  Werthe  viel  Gelegentliches  mit  einherlief  Er 
war  arbeitsam  aus  Drang  und  Noth,  aber  er  hielt  nicht  Ordnung,  und  bei 
seinem  Nomadenleben  war  dies  auch  ein  Ding  der  Unmöglichkeit.  An  dem 
Unstäten  aber  hing  er  eben  so  eigensinnig  als  unbekümmert,  nachdem  er  ein- 
mal sich  selbst  zu  einer  Art  Declassirten  gemacht.  Bei  ihm  konnte  man 
ebenso  wenig  eine  Sammlung  seiner  Werke  suchen  wollen,  als  sich  in  seinem 
Nachlasse  Verlagsbriefe  und  dergleichen  vorfand. 

Doch  es  ist  noch  manches  Biographisches  nachzuholen.  Ich  lernte  den 
längst  verehrten  Meister  1877  ^^  Velden  am  Wörthersee  persönlich  kennen. 
Er  war  eben  vom  russisch-türkischen  Kriegsschauplatz  zurückgekehrt,  wo  es 
ihm  knapp  an  den  Hals  gegangen,  und  noch  vor  Plewna  wars.  Er  redigirte 
eine  kärntnerische  Wochenschrift,  litt  zuweilen  an  Fieber  und  sommersiedelte 
in  einem  abseits  stehenden  Bauernhäuschen  mit  seiner  Frau,  die  ihm  ein 
Töchterchen  geboren.  Er  hatte  1870  oder  72  in  Zara  geheiratet  und  zwar 
seine  Sekretärin    und  Reisebegleiterin.     Die  Ehe  war    keine    glückliche.    Er 


Noe.  423 

hatte  aber  Münchner  Freunde  um  sich,  du  Prel,  die  Maler  Oppel  und  Flüggen. 
Mit  diesen  galt's  ein  rüstiges,  wildes  Naturkneipen.  Man  badete  unter  dem 
vruchtigen  Wassersturz  des  oberen  Sees,  man  kampirte  nachts  im  Walde  bei 
einem  lebhaften  Feuer  und  liess  die  Flasche  Rothweins  kreisen,  man  setzte 
im  Costüm  von  Wilden  über  den  gedachten  See  und  schlief  in  einem,  diesem 
zu,  offenen  Holzverschlag.  Den  Zutritt  zur  Banda  vermittelte  der  Losungs- 
ruf »Arkas«,  nach  dem  Sohne  der  Kallisto.  Mich,  der  doch  auch  zur 
zahmeren  Gesellschaft  im  Orte  hielt,  schalt  der  Meister  »Weiberknecht«. 

Schon  1878  ging  N.*s  Ehe  in  die  Brüche  —  sie  ist  ihm  durchgegangen, 
hiess  es;  er  hat  sie  fortgeschickt,  verlautete  von  anderer  Seite,  und  das 
dürfte  wohl  das  Richtigere  sein.  Zu  einer  förmlichen  Scheidung  oder  Tren- 
nung kam  es  nicht;  Fristversäumniss,  Kosten  und  Schuldbewustsein  wohl  auch 
auf  Seiten  des  Mannes  standen  dem  im  Wege.  Vom  lieben  Kinde  konnte 
sich  N.  nicht  trennen,  obwohl  dasselbe  bei  seiner  mittlerweile  verheiratheten 
Schwester  gut  aufgehoben  gewesen  wäre.  Das  dreijährige  Töchterchen  brauchte 
aber  eine  Pflegerin  und  Erzieherin,  N.  selbst  eine  geübte  Schreibkraft.  Das 
Alles  fand  sich  in  einem  feinen  gebildeten  Fräulein,  doch  die  Verbindung 
mit  demselben  konnte  nur  eine  Gewissensehe  sein  und  ist  eine  solche  geblieben. 
Es  war  daher  nur  ein  wohlwollendes  Gerücht,  welches  wissen  wollte,  N.  habe 
zum  zweiten  Male  sich  in  St.  Ruprecht  bei  Klagenfurt  trauen  lassen  und  da- 
bei sein  Erlanger  Doctordiplom  vorgewiesen.  So  ist  es  aber  gekommen,  dass 
die  beiden  hinterlassenen  Töchter  Karoline  und  Henriette  nicht  ihres  Vaters 
berühmten  Namen  führen,  während  ihn  noch  eine  Unwürdige  trägt. 

Bald  nach  Velden  siedelte  N.  auf  einer  Höhe  über  Brixen.  Er  und  seine 
Kameraden  wurden  als  Ketzer  denunzirt,  aber  man  kam  damit  an  einen  gut- 
müthigen  Geistlichen,  der  den  Ausspruch  that:  »Lasst  sie  —  irgendwo 
müssen  sie  ja  doch  sein!«  Bald  nach  der  Besetzung  Bosniens  brachte  N., 
der  Erste,  aus  diesem  schönen  Berglande  deutsche  Kunde.  Man  lese  beispiels- 
weise im  heurigen  Schul vereins-Kalender  das  Nachlassstück  »Eine  türkische 
Geschichte«.  Später  hatte  N.  sein  Heim  in  Görz.  1893  leitete  er  kurze  Zeit 
die  amtliche  Laibacher  Zeitung,  bis  ihn  nämlich  der  slo venische  Uebermuth 
anwiderte.  Bald  darnach  that  er  bei  Römerbad  einen  bösen  Fall  vom  Con- 
ducteurhüttchen  eines  Waggons  herab  —  man  witterte  ein  slovenisches  Atten- 
tat —  richtiger  trug  aber  einfache  Schlummerseligkeit  das  Verschulden.  Die 
Narbe  quer  die  linke  Wange  herab  rührt  von  daher,  nicht  von  einer  Studenten- 
mensur. 

1894  verlor  N.  seine  geliebte  legitime  Tochter  Maria  Walpurgis.  Von 
da  an  war  er  nicht  mehr  derselbe.  Er  fühlte  Arbeitskraft  und  -Mut  schwinden; 
eine  rührselige  Stimmung  überkam  ihn,  den  sonst  so  sicheren  Mann;  der 
Stich  in's  Mystische  vertiefte  sich,  so  dass  sich  ihm  beispielsweise  die  Augen 
feuchteten,  wenn  er  aus  dem  Todtenritual  bei  dem  Begängnisse  seiner  Tochter 
der  tröstenden  Worte  gedachte:  »Du  wirst  den  Tod  nicht  sehen,  ob  Du 
gleich  stürbest«;  er  suchte  Trost  beim  Weine  und  vertrug  nicht  mehr  das 
gewohnte  Mass.  Eine  Kaltwasserkur  in  Thalkirchen  bei  München  im  Sommer 
1896  festigte  ihn  wenig.  Auf  dem  Rückwege  nach  Bozen  verweilte  er  noch 
vierzehn  Tage  in  Niedemdorf.  Er  starb  in  Bozen  Nachts  12  Uhr  am  26. 
August  1896,  nicht  in  seiner  Wohnung,  sondern  als  Gast  im  Krankenhause 
—  erstere  war  nicht  in  Ordnung!  Der  Arzt  erkannte  auf  Gehirnerweichung, 
Gehirnschlag. 

N.  ruht  auf  dem  protestantischen  Friedhof;    Begängniss    und  Grabstelle 


^24  Noe.     Lcithc.     Volkmann. 

hat  die  Curcommission  in  Gries  bestritten.  Mutter  und  Kinder  sind  mittellos 
hinterblieben.  Spontane  Anerkennung  rafft  sich  zu  einem  Denkmal  fiir  den 
Hingeschiedenen  auf  und  das  ist  tröstlich^  aber  kein  Ehrenstein  gleicht  aus, 
was  an  ihm  das  Leben  verschuldet. 

Lit.  Zur  Erinnerung  an  Heinrich  Noe.     Von  Friedrich  Ratzel.     Beilage  sur  AUgcxn. 
Zeitung,  No.  148  vom  7.  Juli  1898. 

Hans  Grasberger. 

Leithe,  Friedrich,  ♦  am  28.  März  1828  zu  Fieberbrunn  in  Tirol,    j  am 
15.  Dezember  1896  in  Innsbruck,  Bibliothekar.    L*s.  Vater  war  k.  k.  Gubemial- 
rath  und  jubil.  Eisenwerkdirector.     Nachdem  L.  seine  Studien  an  der  \littel- 
schule  vollendet,  bezog  er  die  Wiener  Universität,  an  der  er  die  juridischen 
Prüfungen  mit  ausgezeichnetem   Erfolge  ablegte   und    1852   die  Doktorwiirde 
der  Philosophie    erwarb.      Von  da  ab    widmete   er  seine  ganze    Kraft    dem 
Bibliothekswesen,    dem    er    sich    ungetheilt    bis    an    sein  Lebensende    ergab. 
Nach   mehr  als  dreijähriger  Dienstzeit  als  Hilfsarbeiter  an  der  Hofbibliothek 
in   Wien,  wurde  er  im  Februar  1857   zum   Amanuensis  an   der  Universitäts- 
bibliothek   daselbst,  April    1857    zum    Scriptor   ernannt.      Schon    in    diesen 
Stellungen  that  er  sich  derart  hervor,  dass  er  nicht  nur  durch  eine   ministe- 
rielle Belobung,    sondern  auch    durch  Verleihung    einer   Bibliothekarstelle   an 
der    Universitätsbibliothek  in   Innsbruck  (Jänner    1868)  ausgezeichnet    wurde, 
ein  Avancement,  bei  dem  er  die  Stelle  eines  Custos  übersprang.     1874   wurde 
ihm    die    Leitung    der    Wiener    Universitätsbibliothek,    März    1885    die    der 
Bibliothek  der  technischen  Hochschule  in  Wien  anvertraut.     Ueber  ein  Jahr 
quälte  ihn  ein  Leiden,  das  ihn  dienstunfähig  machte,  bis  ihn  der  Tod  davon 
erlöste.     Jeder,    der  L.  kannte,    schätzte  ihn  als  einen  Mann   von  peinlicher 
Gewissenhaftigkeit  und  Pflichttreue,  den  die  Freude  an  seinem  Dienste  beseelte. 
Als  Vorstand  der  grossen  Institute,  die  er  leitete,  zeigte  er  Sinn    für  Organi- 
sation und   Blick    für  all  das,    was  das    Ansehen    und   die  Leistungsfähigkeit 
dieser  Anstalten  zu  heben  vermochte.     Dabei  hielt  er  auch  als  Vorstand   an 
seinem  unermüdlichen  Eifer  fest;  von  früh  morgens  bis  in  den  späten  Abend 
hinein  sass  er  in  seinem  Bureau,  wo  er  die  wichtigsten  Amtsgeschäfte   selbst 
erledigte.     Er  führte  die   Korrespondenz,   besorgte   den  Einkauf  der  Bücher, 
sowie  einen  Theil  der  Katalogisirung;  dabei  war  er  stets  in  der  Bibliographie 
genau  orientirt  und  wusste  über  alle  Fragen,  die  ihm   zur  Entscheidung  vor- 
gelegt   wurden,  Auskunft  zu    geben.     Auch    seine    vorgesetzte    Behörde,    das 
Unterrichts-Ministerium,  schätzte  den  Umfang  seiner  Kenntnisse    und  befragte 
ihn  oft  in  wichtigen  Bibliotheks- Angelegenheiten.     1873   war  er  Mitglied  der 
Tiroler   Landeskommission    für  die   Wiener  Weltausstellung,    im    Jahre    1893 
erhielt  er  den  Titel  eines  Regierungsrathes   u.  s.  w.  —  Sein  Werk  »Die  k.  k. 
Universitäts  -  Bibliothek  in  Wien.     Wien,   1877«   ist  durch  genaue  Sachkennt- 
niss  und  sorgfältige  Benutzung  aller  Quellen   ausgezeichnet. 

Quellen:  Neue  freie  Presse  vom  21.  Dezember  1896  und  unveröffentlichte  Akten. 

H.  Bohatta. 

Volkmann,  Wilhelm,  Buchhändler,  ♦  am  12.  Juni  1837  in  Leipzig  als  Sohn 
des  berühmten  Anatomen  und  Physiologen  Alfred  Wilhelm  Volkmann  (bis  1837  in 
Leipzig,  bis  1843  in  Dorpat,  bis  zu  seinem  Tode,  1897  in  Halle)  und  jüngerer 
Bruder  des  berühmten  Chirurgen  und  Dichters  Richard  Volkmann  (ps.  R.  Lean- 
der), f  am  24.  December  1896  zu  Leipzig.     Er  besuchte  das  Pädagogium  in 


Volkmann.     Fürst  Stolberg-VVernigerode.  425 

Halle   und   die  Klosterschule  in  Zerbst,  erhielt  auch  später  noch  Privatunter- 
richt.    Von    1856 — 59   erlernte    er   bei    Eduard  Anton    in    Halle   den  Buch- 
handel, studirte  in  Leipzig  Literatur  und  Geschichte,   war  kurze  Zeit  in  der 
Burdach'schen  Hofbuchhandlung  in  Dresden  thätig  und   trat   1860,   zunächst 
zur  Erlernung  des  Buchdrucks,   bei  Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig   ein.     Als 
Enkel  Gottfried  Härteis  wurde  er  1867  Procurist,   1873  Teilhaber,   1884  Mit- 
besitzer der  Firma,    der  er  seit   i88o  mit   seinem  Vetter  und  Gesellschafter, 
Dr.   Oskar  von  Hase,  bis  kurz  vor   seinem  Tode  1896  als  ältester  Chef  vor- 
stand.    Er   trug  wesentlich    zur  Erhöhung    der  Leistungsfähigkeit   der  Buch- 
druckerei bei,  war  aber  auch  sonst  für  das  weitverzweigte,  mit  verschiedenen 
technischen  Nebenzweigen    verbundene    Geschäft    unermüdlich    thätig.      Den 
allgemeinen  Interessen    seines   Berufes    und    der   städtischen  Angelegenheiten 
widmete  er  sich  mit  regstem  Eifer.     Von    1875 — ^4  verwaltete  er  das  Amt 
eines  Rechnungsführers  des  Deutschen  Buchdruckervereins.     Er  war  Prinzipal- 
vorsitzender  und  Rendant  der  Unterstützungskassen  für  Buchdruckergehilfen. 
Seit   1894  bekleidete  er  besonders  auch  das  wichtige  und  verantwortungsreiche 
Amt   des  ersten  Schatzmeisters  im  Börsenverein  der  deutschen  Buchhändler. 
Seit    1874   war  er  in  städtischen  Ehrenämtern  thätig.     1876   wurde    er  zum 
Stadtverordneten,  1880  zum  Stadtrath  gewählt.     In  segensreicher  Weise  machte 
er  hauptsächlich  für  die  Armenfürsorge  und,  wie  im  eigenen  gegen  600  Per- 
sonen   beschäftigenden    Hause,    um  mancherlei  Wohlfahrtseinrichtungen    und 
milde  Stiftungen  sich  verdient. 

Vgl.  M[ax]  E[vers]  im  Adressbuch  des  Deutschen  Buchhandels  1898  und  Börsenblatt 
f.  d.  D.  Buchhandel  1896  Nr.  300. 

H.  Ellissen. 

Stolberg-Wemigerode,  Otto,  Fürst  zu,  General  der  Cavallerie  ä  la  suite 
der  Armee,  erbliches  Mitglied  des  preussischen  Herrenhauses  und  der  ersten 
Kammer  der  Stände  des  Grossherzogthums  Hessen,  ♦  30.  Oktober  1837  zu 
Gedem  am  Vogelsberge,  f  zu  Wernigerode  am  19.  November  1896.  Sein 
in  gleicher  Weise  durch  geistige  Anlagen  und  edle  Gaben  des  Herzens  und 
Gemüths  wie  durch  Geschäftstüchtigkeit  ausgezeichneter  Vater,  der  Erbgraf 
Hermann,  wurde  ihm  schon  am  24.  Oktober  1841  entrissen,  während  ihm 
seine  Mutter,  die  Erbgräfin  Emma,  geb.  Gräfin  zu  Erbach-Fürstenau,  eine 
äusserlich  und  innerlich  hohe  Erscheinung,  bis  zur  Schwelle  seines  53.  Lebens- 
jahrs erhalten  blieb.  Da  Graf  Otto  einen  Monat  vor  dem  Vater  auch  einen 
älteren  Bruder,  den  Grafen  Albrecht,  verloren  hatte,  so  trat  er  als  voraus- 
sichtliches künftiges  regierendes  Haupt  des  Hauses  an  dessen- Stelle  und  es 
nahm  nun  neben  der  Mutter,  die  aufs  treueste  über  der  Entwicklung  seines 
Geistes  und  Gemüths  wachte,  der  den  Vater  bis  zum  16.  Februar  1854  über- 
lebende Grossvater,  Graf  Henrich,  die  Ausbildung  des  Enkels  mit  grosser 
Sorgfalt  in  die  Hände.  Seit  1839  von  einem  Informator  auf  dem  Marien- 
hofe zu  Ilsenburg  erzogen,  besuchte  er  darnach  kürzere  Zeit  das  unter  der 
Leitung  des  Regierungsraths  Eilers  stehende  Privatinstitut  zu  Freienfelde  bei 
Halle  a.  d.  Saale.  Von  1851  bis  1856  war  er  dem  Gymnasium  zu  Duisburg 
am  Niederrhein  anvertraut,  das  sich  damals  unter  der  Leitung  des  tüchtigen 
Direktors  Eichhoff  eines  besonderen  Rufes  erfreute. 

Nach  wohlbestandener  Reifeprüfung  —  das  mündliche  Examen  war  ihm 
erlassen  worden  —  bezog  Graf  O.  im  Herbst  1856  die  Universität  Göttingen. 
Die  Studienfächer    waren    die    Rechte  und  die    Kameral Wissenschaft,    wobei 


^^26  Fürst  Stolberg- Wernigerode. 

jedoch  der  Kreis  der  gehörten  Vorlesungen  ziemlich  weit  gezogen  wurde. 
Nicht  nur  hörte  er  Encyklopädie  des  Rechts  bei  dem  Privatdozenten  Aegidi 
Nationalökonomie  bei  Hassenstein,  sondern  auch  geschichtiiche  Vorlesunger. 
bei  Waitz,  Physiologie  bei  Rudolf  Wagner,  Chemie  bei  Wöhler  und  tri" 
phi1osoi)hisches  Privatissimum  bei  Lotze.  In  dankbarer  Erinnerung  behie": 
er  nationalökonomische  Vorträge  vom  Professor  Hanssen.  Auch  fanden  Au.^ 
flüge  in  die  Umgegend,  so  nach  dem  landwirthschaftlichen  Gut  Wehnde,  stat: 
und  es  wurde  ein  reger  Verkehr  in  Gesellschaften  bei  höheren  Beamten  und 
Professoren  gepflogen,  auch  öfter  bei  Hoffesten  das  leicht  erreichbare  Hannover 
aufgesucht.  Auf  die  Göttingische  Zeit  folgte  1858  noch  ein  Sommersemester 
in  Heidelberg,    wo   der  junge  Graf  sich   dem    Corps  Saxoborussia  anschlo>< 

Schon  während  der  Duisburger  Zeit  war  Graf  O.  Erbe  der  Stammguter 
des  Hauses  und  regierender  Herr  geworden,  doch  hatte  während  seiner  l'n- 
miindigkeit  sein  Oheim  Graf  Botho  mit  grosser  Ge^-issenhaftigkeit  und  Treie 
die  Vormundschaft  geführt.  Er  selbst  aber  hatte  sich  früh  Einsicht  in  die 
seiner  wartenden  Aufgaben  und  in  die  Verhältnisse  seiner  Besitzungen  verschafit- 

Ehe  wir  jedoch  unsem  Blick  auf  die  Verwerthung  seiner  Kenntnisse 
und  (»aben  für  den  Beruf  richten,  für  welchen  ihn  Geburt  und  Vorbildu^ii 
zunächst  bestimmt  hatten,  ^ird  es  sich  besonders  an  dieser  Stelle  empfehlen, 
uns  zunächst  den  Aufgaben  und  Leistungen  zuzuwenden,  die  Graf  O.  au^ 
freier  Entschliessung  und  zum  grossen  Theil  veranlasst  durch  die  Bedürfni>se 
der  ausserordentlichen  Zeit,  die  ihm  zu  durchleben  beschieden  war,  auf  sich 
nahm. 

So  gross  auch  der  in  seiner  Eigenschaft  als  Haupt  seines  Hauses  sich 
erötJhende  Wirkungskreis  war,  so  fiihlte  er  sich  doch  gedrungen ,  aus  freier 
Wahl  ein  paar  Jahre  im  preussischen  Heere  zu  dienen.  So  trat  er  denn  al> 
Lieutenant  bei  dem  Regiment  der  Gardes  du  corps  ein,  wo  er  1859  bi^ 
1S61  K\ld  in  Berlin,  bald  in  Potsdam  stand.  Im  letzteren  Jahre  kam  er  aber, 
um  den  dringenden  Pflichten  tlir  die  Grafschaft  Wernigerode  genügen  zu 
können,  um  Enilassving  aus  dem  activen  Militärdienst  ein  und  trat  hinfort  in 
d.is  Verh.utr.iss  ä  la  suite  der  Armee,  worin  er,  mit  der  Berechtigung  die 
Uniform  der  Gardes  du  corj^s  weiter  zu  tragen,  bis  zum  General  der  CaTallerie 
em|x>rsneg. 

Mi;  dem  Jahre  1S64  beginnt  nun  aber  die  Reihe  grosser  Elreignisse. 
durvh  welche  Graf  O.  zu  opfertreudiper  Hingabe  an  König  und  Vaterland 
veranlasst  \i-"urde,  7w.\r  der  Feldmc  m  Schles^^i:  eab  ihm  nur  in  bescheidenem 
M.isse  Geleiienhei:  durch  cie  Aufnahme  und  Pne^re  verwundeter  Rri^er  Opfer 
der  Varer'.anvisliele  cLirrurrincen :  al^er  um  so  reichere  bot  der  Kri^  des 
I .ihres  iSoo.  AI>  IVIe^rlner  ces  >L:'::ar-lr>rec:eurs  der  freiwilligen  Kranken- 
r^e^e  bei  der  MA'>Amiee  \k-ur.ie  er  den?.  S:abe  des  Generals  Vo^  v.  Falken- 
stein  beu^^ehen.  n.vhm  in  dieser  F:^en<ch.if:  an  verschiedenen  Gefechten, 
Wie  H.unn:el>;:r^.  >io  er  ori^^nanririe,  A>chA!tenrurz,  Rissin,2en  theü,  und  nach 
her4:et?:ey.:eni  Fr.e.ien  an  dent  Fin.-Uiie  vier  Tr^ry-en  in  Berlin.  Jener  seinem 
Wesen  viurvhaus  enisyrxvhenien  rr.-.ttiivc::  rur  Linderung  der  Schrecken  de> 
Kr.eces  h,;:  er  dann  in  <iei"*er  Frcenikh-ir:  als  Mitglied  des  TohanniterordenN 
in  uelvhens  er  s<n:  i>r>  v::e  S:c*'e  eines  Conintendarors  für  die  ProWni 
Sv;oh>en,  von  i5*i  b:>  i55?  vV.e  v:e<  vV.ier5'van_rIers  einjiahm.  sowie  als  Vor- 
c>    Cenn\»I-Conv.:c->    d^r    vie^tschen   Ven*ine,    wie    besonders    des 

Vorx:•^>  \.nn  r.:"'*e-"  Kreur,   :;>  an  <c"in  F.nde  mit  panier  Kncabe 

^-  ^* 


X   «N     -•  *>•       Jfc    '--»J*»^ 


Fürst  Stolberg-Wemigerode.  427 

Aber  neben  dem  über  den  Streit  der  Parteien  und  Sonderinteressen  er- 
habenen christlich-humanen  Wirken  galt  es  auch  im  parlamentarischen  und 
staatsmännischen  Leben  in  höheren  Stellungen  Dienste  zu  leisten,  wobei  es 
tlem  Verewigten  eine  willkommene  und  oft  mit  grossem  Erfolge  gelöste  Auf- 
gabe war,  in  dem  Kampfe  der  Parteien  und  gegenüber  starken  Abneigungen 
und  Sonderinteressen  vermittelnd  und  versöhnend  einzuwirken.  Bei  den 
Wahlen  zum  constituirenden  Reichstage  des  Norddeutschen  Bundes  wurde 
ihm  1867  mit  grosser  Stimmenmehrheit  das  Mandat  des  Wahlkreises  Oschers- 
1  eben-Halberstadt- Wernigerode  übertragen. 

Eine  besonders  schwere  verantwortungsvolle  Last  wurde  aber  auf  seine 
Schultern  gelegt,  als  er  die  Stellung  eines  ersten  Oberpräsidenten  der  eben 
erst  dem  preussischem  Staate  angegliederten  Provinz  Hannover  übernahm, 
ein  Amt,  das  er  vom  September  1867  bis  Februar  1873  versah.  Es  galt 
hier  starke  Abneigungen  zu  überwinden,  zu  versöhnen  und  den  Bewohnern  der 
grossen  Provinz  den  Uebergang  in  die  neuen  Verhältnisse  möglichst  zu  er- 
leichtem. Durch  unermüdliche  Thätigkeit,  th unliebst  beschleunigten  Ge- 
schäftsgang und  hingebende  Sorge  für  die  praktischen  und  geistigen  Bedürf- 
nisse des  Landes  wurde  das  erstrebte  Ziel  in  einem  Masse  erreicht,  wie  es 
sich  nur  irgend  erwarten  Hess.  Ein  schöner  Beweis  ftir  das  Vertrauen,  welches 
der  Oberpräsident  sich  im  Lande  erworben  hatte,  ist  es  gewiss,  dass  derselbe 
von  1871  bis  1878,  d.  h.  bis  sein  Uebergang  in  neue  Verhältnisse  ihm  eine 
Fortführung  dieser  Mandate  unmöglich  machte,  als  Vertreter  der  hannoverschen 
Wahlkreise  Melle-Diepholz  und  Goslar-Klaus thal  Mitglied  des  deutschen 
Reichstags  war.  Eine  grössere  Anerkennung  aber  konnte  sein  Wirken  kaum 
finden,  als  in  dem  Petitionssturm,  der  sich  erhob,  um  den  durch  andere 
Aufgaben  zu  sehr  in  Anspruch  genommenen  zum  Verbleiben  in  seiner  Stellung 
zu  bewegen. 

Mittlerweile  war  allerdings  durch  den  Krieg  gegen  Frankreich,  abgesehen 
von  den  äusseren  Veränderungen,  eine  grosse  Wandlung  in  den  Stimmungen 
hervorgerufen.  Graf  O.  selbst  begrüsste  es  mit  grosser  Freude,  als  auf  dem 
Boden  Frankreichs  in  dem  neuen  deutschen  Reiche  eine  edle  Friedensfrucht 
gereift  war.  Wohl  kannte  und  schätzte  er  die  trefflichen  Eigenschaften  und 
Vorzüge  des  strammen  altpreusischen  Wesens,  aber  er  wusste,  dass  sich  auch 
anderswo  in  Deutschland  viel  Gutes  finde,  das  nun,  nach  Vereinigung  der 
deutschen  Fürsten  und  Stämme  unter  preussischer  Führung,  dem  geeinten 
Reiche  als  segensreiche  Morgengabe  zufiel. 

Zunächst  diente  er  dem  Gesammtvaterlande  noch  in  seiner  Stellung  in 
Hannover,  wo  ihm  der  Krieg  noch  besondere  Gelegenheit  zur  Errichtung 
von  Lazarethen  in  Hannover  und  Göttingen  darbot,  dann  auch  in  der 
oben  bezeichneten  Weise  als  Mitglied  des  deutschen  Reichstags,  in  welchem 
er  sich  in  politischen  Fragen  der  freiconservativen  Partei  anschloss.  Von 
1872  bis  1877  war  er  ausserdem  zum  erstenmal  als  Nachfolger  seines  Vetters 
Graf  Eberhard  zu  St.-W.  Präsident  des  Herrenhauses,  eine  Aufgabe,  der  er 
sich  mit  ganz  besonderer  Freude  unterzog.  Als  dann  die  orientalischen 
Wirren  in  Sicht  traten,  wurde  er  im  Jahre  1876  zum  Botschafter  am  Kaiserlich 
österreichischen  und  Königlich  ungarischen  Hofe  in  Wien  ernannt.  In  dieser 
Stellung  trug  er  viel  dazu  bei,  das  Verhältnis  zwischen  dem  deutschen  und 
österreichisch-ungarischen  Reiche  freundlich  zu  gestalten.  Das  beste  Zeugnis 
für  den  Erfolg  dieser  Sendung  ist  es,  dass  er  zur  Zeit  einer  grossen  Spannung, 
als   es    sich    um    den  Abschluss  eines  deutschen  Bündnisses  mit  Oesterreich 


^28  Fürst  Stolberg-Wernigerode. 

handelte,  im  Jahre  1878  zum  allgemeinen  Stellvertreter  des  Reichskanzlers 
ernannt  wurde,  was  er  bis  zum  i.  Juni  1881  war.  In  dieser  Eigenschaft 
hat  er  es  durch  sein  eifriges  Bemühen  und  durch  das  grosse  Vertrauen,  das 
er  bei  dem  Haupt  des  deutschen  Reiches  genoss,  vermocht,  Kaiser  Wilhelm 
in  Baden-Baden  zur  Unterschreibung  dieses  wichtigen  Bündnisses  zu  bewegen. 

Von  seinen  letzten  hohen  Stellungen  zurückgetreten,  übernahm  er  nach 
drei  Jahren  wieder  auf  den  besonderen  Wunsch  des  Kaisers  und  Königs  das 
Amt  eines  Oberstkämmerers  Seiner  Majestät,  das  er  wieder  bis  zu  des  Kaisers 
Ableben  mit  freudiger  Hingabe  verwaltete  und  dann  bis  zum  Jahre  i8q2 
bei  Kaiser  Wilhelm  IL  fortführte.  Ausserdem  war  er  als  Nachfolger  de< 
Grafen  v.  Schleinitz  von  1885  bis  1888  mit  der  Leitung  des  Königlichen 
Hausministeriums  betraut.  Nach  der  auf  sein  Gesuch  erfolgten  Enthebung 
von  dem  Amte  eines  Oberstkämmerers  bekleidete  er  von  allgemeineren  öffent- 
lichen Aemtern  und  Stellungen  nur  noch  die  eines  Präsidenten  des  Herren- 
hauses und  eines  Vorsitzenden  der  deutschen  und  preussischen  Vereine  vom 
Rothen  Kreuz,  in  welcher  letzteren  Eigenschaft  er  auch  bei  den  internationalen 
Congressen  dieser  Vereinigung  in  Karlsruhe  (1887)  und  Rom  (April  18921 
als  Vorsitzender  betheiligt  war.  Seit  1891  war  er  auch,  als  Nachfolger  des 
Generalfeldmarschalls  Graf  Moltke,  Kanzler  des  hohen  Ordens  vom  Schwarzen 
Adler,  der  ihm  noch  von  Kaiser  Wilhelm  I.  zu  Neujahr  1888  war  verliehen 
worden. 

Aber  in  seinen  hier  kurz  angedeuteten  Leistungen  für  Kaiser  und  Reich, 
für  Preussen  und  für  das  allgemeine  Werk  der  Verwundeten-  und  Kranken- 
pflege war  keineswegs  sein  ganzes  Thun  beschlossen.  Ausser  seinem  Wirken 
für  das  grosse  Ganze  wandte  er  auch  den  Angelegenheiten  der  heimischen 
Provinz  sein  lebhaftes  Interesse  zu.  Dieses  war  bereits  im  Hause  erblich 
geworden.  Schon  beim  ersten  sächsischen  Provinziallandtage  im  Jahre  1827 
hatte  sein  Grossvater  Graf  Henrich  den  Vorsitz  geführt  und  der  Vater,  der 
Erbgraf  Hermann,  an  den  Verhandlungen  theilgenommen.  Sein  Grossoheim. 
Graf  Anton,  hatte  sich  als  Oberpräsident  grosse  Verdienste  um  die  Provinz 
erworben.  Er  selbst  nahm  seit  1862  öfter  an  dem  Provinziallandtage  theü; 
von  1871  bis  1875  führte  er  als  Landtagsmarschall  der  Provinzialstände  in 
Merseburg  den  Vorsitz,  1876  war  er  Vorsitzender  des  Landtages  der  Provinz 
und  des  Provinzialausschusses.  Bei  der  Bildung  einer  Kommission  für  den 
Denkmälerschutz  in  der  Provinz  wurde  er  auch  deren  Mitglied.  Die  zwei- 
malige Absendung  eines  Gelehrten  nach  Rom  zur  Benutzung  des  vatikanischen 
Archivs  seitens  des  Geschichtsausschusses  der  Provinz  geschah  auf  seine  per- 
sönliche Anregung  hin.  Unerwähnt  darf  hier  auch  nicht  bleiben  sein  Geschick 
und  sein  Verdienst  bei  wiederholter  Leitung  der  Provinzialsynode.  Seine 
Betheiligung  an  den  Angelegenheiten  der  Provinz  machten  ihm  stets  eine 
besondere  Freude. 

Bei  allem  Wirken  und  Streben  in  weiteren  und  weitesten  Kreisen  war 
er  doch  zunächst  seit  erlangter  Volljährigkeit  regierender  Graf  zu  Stolberg 
und  Haupt  der  älteren  Linie  des  Hauses  und  es  geschah  nicht  ohne  Opfer, 
wenn  er  durch  allgemeinere  dem  Gemeinwohl  und  für  Kaiser  und  Reich  ge- 
leistete Dienste  von  der  Erfüllung  der  ihm  zunächst  durch  Geburt  und  Erb- 
schaft zugefallenen  Aufgaben  abgezogen  wurde.  Seine  wemigerödische  Stellung 
war  eine  eigenartige.  Durch  Verträge  zwischen  der  Krone  Preussen  und  dem 
Grafen  zu  Stolberg-Wernigerode  von  17 14  und  1822  war  dem  letzteren  gegen 
Verzicht  auf  wichtige   vorher   besessene  Rechte   noch   eine  ziemliche  Summe 


Fürst  Stolberg- Wernigerode.  429 

von  Hoheitsrechten  gebheben,  die  durch  einen  besonderen  gräflichen  Re- 
gierungskörper ausgeübt  wurden.  Durch  die  poHtische  Entwickelung,  welche 
Preussen  seit  Errichtung  des  deutschen  Reiches  gewann,  insbesondere  durch 
die  neue  Kreisordnung,  wurde  den  meisten  dieser  vertragsmässig  zugesicherten 
Rechte  der  Boden  entzogen.  Dadurch  sah  sich  der  Graf  im  Jahre  1876  ge- 
drungen, auf  seine  Regierungsrechte  zu  verzichten,  die  dann  mit  dem  i. 
Oktober  d.  J.  theils  auf  die  königlichen  Behörden,  theils  auf  neu  eingerichtete 
Selbstverwaltungsorgane  tibergingen.  Was  bei  diesem  Uebergange  nicht  aus- 
drücklich aufgehoben  wurde,  blieb  nach  Massgabe  jener  älteren  Vergleiche 
in  Kraft.  Insbesondere  blieb  das  besondere  Fürstliche  Consistorium  und  die 
Aufsicht  über  Kirchen  und  Schulen  bestehen. 

Noch  in  demselben  Jahre  errichtete  Graf  O.  ein  Hausstatut,  in  welchem 
ein  gutes  Stück  alten  Herrenrechts  festgestellt  wurde.  Durchdrungen  von  der 
Bedeutung  und  den  besonderen  Aufgaben  seines  Geburtsstandes,  erschien  er 
als  der  geeignete  Nachfolger  des  Fürsten  zu  Fürstenberg  als  Vorsitzender  des 
Vereins  deutscher  Standesherren,  was  er  bis  zu  seinem  Ableben  war.  Im 
Jahre  1890  nahm  er  mit  allerhöchster  Genehmigung  den  fürstlichen  Titel  an, 
dessen  im  Jahre  1742  durch  Kaiser  Karl  VII.  erfolgte  Verleihung  an  die 
Nebenlinie  Stolberg-Gedem  sich  auch  auf  seinen  directen  Vorfahren,  Graf 
Christian  Ernst  (17 10 — 1771)  erstreckt  hatte,  von  diesem  aber  nicht  an- 
genommen war.  Bei  dem  im  Jahre  1890  vom  deutschen  Kaiser  ausgestellten 
Diplom  fand  auch  eine  vom  Fürsten  veranlasste  angemessenere  neue  Formation 
des  Familienwappens  statt.  Nach  derselben  Urkunde  erstreckt  sich  der  fürst- 
liche Charakter  nur  auf  den  Fürsten  O.  und  seine  Nachfolger  im  Stammgut 
Stolberg -Wernigerode  erster  Generation,  sowie  auch  auf  die  Nachkommen 
erster  Generation  des  jedesmaligen  erstgeborenen  Sohnes  und  präsumtiven 
Nachfolgers  im  Stammgute. 

Den  Aufgaben  seiner  eigenen  Verwaltung  widmete  sich  der  Fürst  mit 
eben  so  grossem  Eifer  als  Geschäftstüchtigkeit,  hierbei  unterstützt  von  treuen 
Beamten,  auf  welche  naturgemäss  sein  Vorbild  segensreich  einwirkte.  Wir 
müssen  es  uns  versagen,  auf  das  schöne  Verhältnis,  das  zwischen  Herrn  und 
Diener  waltete,  näher  einzugehen,  wie  denn  auch  hier  nicht  die  innere 
Thätigkeit  der  flirsthchen  Verwaltung,  so  die  neue  Ordnung  des  Rechnungs- 
wesens, verfolgt  werden  kann.  Wohl  aber  ist  auf  verschiedene  Schöpfungen 
und  Erwerbungen  des  Fürsten  hinzuweisen.  Hervorragend  sind  die  Werke 
seiner  eifrigen  Bauthätigkeit,  die  ums  Jahr  1862  begann  und  mit  der  am 
4.  April  1880  erfolgten  Einweihung  der  Wemigeröder  Schlosskirche  der  Haupt- 
sache nach  ihren  Abschluss  fand.  An  einer  der  schönsten  Stellen  Nord- 
deutschlands angesichts  des  erhabenen  Brockens  und  des  weiten  Hasseröder 
Thals  gelegen,  war  der  alte  Grafensitz  durch  die  schweren  Geschicke  des  17. 
und  den  geringen  architektonischen  Kunstsinn  des  vorigen  Jahrhunderts  zum 
unschönen  Rumpf  entstellt.  Mit  pietätvoller  Schonung  aller  auf  irgend 
welchen  Kunst-  und  geschichtlichen  Wert  Anspruch  verdienenden  Reste 
wurde  dieses  Bauwerk  mit  sehr  erheblichen  Kosten  so  grossartig  und  schön 
gegliedert  im  gothischen  Style  ausgebaut,  dass  es  nunmehr  als  das  schönste 
Bergschloss  in  Norddeutschland  dasteht.  Wir  können  nur  kurz  des  roma- 
nischen Bothobaus  bei  dem  ehemaligen  Benediktinerkloster  Ilsenburg,  der 
Wiederherstellung  der  Drübecker  Klosterkirchthürme,  des  allein  auf  fürstliche 
Kosten  ausgeführten  Baues  der  Kirche  in  Schierke  gedenken,  desgleichen 
des    Baues    von    Strassen    im    Lande    und    im    Gebirge    (Hagenstrasse    nach 


43 o  Ffirst  Stolberg- Wernigerode. 

Schierke).  Durch  ein  grossartiges  Opfer  an  Grund  und  Boden  sicherte  er 
auch  das  Unternehmen  der  Harzquer-  und  Brockenbahn.  Mit  noch  grösseren 
Opfern  war  die  Uebemahme  des  Patronats  des  früher  städtischen  Gymnasiums 
zu  Wernigerode  im  Jahre  1867  verknüpfe.  Damit  verbunden  war  die  Auf- 
führung eines  neuen  Schulgebäudes,  eines  mit  einem  Kostenaufwande  von 
300,000  M.  ausgeführten  Monumentalbaues  in  frühgothischem  Stile. 

Das  grösste  sichtbare  Denkmal   einer  durch  mehr  als  drei  Jahrhunderte 
im  Hause  Stolberg  geübten  Pflege  der  Wissenschaft,  besondeis  der  kirchlichen 
und  geschichtlichen,  ist  die  über  108,000  Bände  starke  Fürstliche  Bibliothek 
in   dem  grossen  ehemaligen  Orangerie-Saale.     40,000  Bände  wurden    hiervon 
durch  den  Fürsten  O.   erworben.     Durch  Vereinigung   und  Vermehrung    ver- 
schiedener,   theilweise  schon   älterer  geschichtlich-antiquarischer  Sammlungen 
wurde  ein  werthvoller  wissenschaftlicher  Schatz  gesammelt,  fiir  dessen  Unter- 
bringung geeignete  Räume  bestimmt  wurden  und  der  von  des  gegen ^irärtigen 
Fürsten  Christian  Ernst  Durchlaucht  zur  Ehrung  der  Verdienste  des  verewigten 
Vaters    mit    dem    Namen  Fürst   Otto -Museum    belegt    und    der    öffentlichen 
Benutzung    zugänglich  gemacht  wurde.      Theils  unmittelbar    theils    mittelbar 
geschah  es  durch  seine  Anregung,  auch  durch  seine  grossmüthige  Unterstützung, 
dass  zur  Zeit  seines  Waltens  eine  Reihe  von  Urkundensammlungen  und   dar- 
stellenden Schriften  zur  Geschichte  des  Hauses  Stolberg  und  seiner  Besitzungen 
ans  Licht  trat.  Ganz  besonders  war  es  das  persönliche  Interesse  an  der  Sache  — 
weit    weniger  materielle   Unterstützung    —    was    für    das    Gedeihen    des    im 
Jahre  1868  zu  Wernigerode  gegründeten  Harzvereins  für  Geschichte  und  Alter- 
thumskunde    fördernd  wirkte.      Das  seit  der  Gründung  geführte  Protektorat 
war  eben  so   wenig  ein   blosser  Name  als  die    mit  der  Fürstungsurkunde  als 
Schildhalter    aufgenommenen    Wilden    Männer    eine   unwesentliche   Zier:     sie 
versinnbildlichen  das  innere  Verhältniss  des  erlauchten  Herrn  und  seines  Hauses 
zum  Harz  und  seiner  Geschichte. 

In  grossem  Umfange  verfolgte  er  die  Abnindung  und  Vermehrung  der 
Besitzungen,  sowohl  des  Stammguts  als  der  Eigengüter.  So  enft'arb  er  im 
Jahre  1867  durch  Tausch  mit  dem  preussischen  Fiscus  das  seit  1694  von 
der  Grafschaft  abgekommene  Waldgebiet  der  Oberförsterei  Hasserode,  in 
eben  demselben  gegen  Verzicht  auf  weiter  reichende  Ansprüche  eine  bequem 
an  das  Wemigerödische  sich  anschliessende  Waldfläche  von  über  funftehalb- 
tausend  Morgen  im  Amt  Elbingerode.  Ein  paar  Jahre  vorher  war  schon  im  O. 
der  Grafschaft  Wernigerode  das  benzingerödische  Forstgebiet  angekauft  worden. 
Dazu  erwarb  Fürst  O.,  abgesehen  von  Besitzungen  in  Westpreussen  und  in 
Posen,  im  Jahre  1880  eine  über  hunderttausend  Morgen  (rund  28,900  ha"^ 
grosse  Waldherrschaft  in  den  Kreisen  Gross-Strehlitz  und  Lublinitz,  Pro%inz 
Schlesien,  welche  durch  des  jetzt  regierenden  Fürsten  Christian  Ernst,  Durch- 
laucht, den  Namen  Ottowald  erhalten  hat. 

Zwar  müssen  wir  es  uns  hier  versagen,  auf  Einzelnes  in  der  gräflichen 
und  füistlichen  Verwaltung  einzugehen,  doch  sei  daran  erinnert,  dass  das 
ganze  Rechnungswesen  neu  eingerichtet  wurde  und  dass  der  Verewigte  stets 
bestrebt  war,  bei  der  Verwaltung  alle  Besserungen  durchzuführen,  welche  er 
nach  dem  Rath  erfahrener  Beamter  und  Räthe  als  die  den  Forderungen  der 
Gegenwart  entsprechenden  erkannte. 

Von  dem  mannigfaltigen  und  reichen  Wirken  für  Kaiser  und  Reich, 
Provinz  und  eigenen  Besitzungen,  für  Kunst  und  Wissenschaft  wenden  wir 
uns  zu   dem   engen    persönlichen  Verhältniss,   welches  zwischen  dem   grossen 


Fürst  Stolberg-Wernigerode.  4^1 

Kaiser  und  Könige  und  seinem  erlauchten  Bannerträger  bestand  und  mit  der 
Zeit  sich  immer  inniger  gestaltete.  Dieses  Friedensidyll  in  einer  grossen, 
bewegten  Zeit  wird  den  tiefer  blickenden  nicht  nur  wohlthuend  berühren,  es 
wird  auch  bei  dem  allgemein  bekannten  treuen  Festhalten  Kaiser  Wilhelms 
an  Personen,  die  sein  ganzes  Vertrauen  gewonnen  hatten,  nicht  als  bedeutungs- 
los anerkannt  werden.  Handelte  es  sich  doch  hier  um  das  besondere  Ver- 
trauen zu  einer  Persönlichkeit,  die  durch  Geburt  und  Stellung  eine  der  höchst- 
gestellten im  Staate  war. 

Die  näheren  Beziehungen  zwischen  Kaiser  und  Fürst  sind  fast  durch  ein 
Menschenalter  zu  verfolgen.     Schon  als  Graf  O.  im  Regiment  der  Gardes  du 
Corps  theils  in  Berlin,  theils  in  Potsdam  weilte,  erzeigte   der  Prinzregent  sich 
l)esonders  gnädig  gegen  ihn  und  gewann   ihn  lieb.     Im  October  1861    folgte 
er   des  Königs  Rufe  zum  Krönungsfeste  in  Königsberg.     Als  er  dann  im  Jahre 
1865   an  dem  in  Verbindung  mit  dem  Königsmanöver  stattfindenden  Stände- 
feste in  Merseburg   theilnahm,    hatte   er  zum   erstenmal  den  König  öffentlich 
anzureden.      Als  dieser  bei   der  Eröffnung   des  deutsch-französischen  Krieges 
Hannover  berührte,  nahm  er  huldvollst  die  Pathenstelle  bei  dem  am  23.  Juli 
d.  J.  geborenen  Sohn   des  Grafen,    dem  Prinzen  Wilhelm,    an.      Mittlerweile 
hatten   seit  dem   Jahre    1868   die    herbstlichen  Königsbesuche,    die    bald    zu 
Kaiserbesuchen  wurden,    begonnen,    die  theilweise    mit  Besuchen  des  Kron- 
prinzen Friedrich  Wilhelm   und  des  Prinzen  Wilhelm   verbunden   waren   oder 
damit  abwechselten  und  bis  zum  Jahr  1887  fortgesetzt  wurden.      So  bedeut- 
sam  erschienen  diese    erhebenden  Wemigeröder  Kaisertage,    dass    der  Fürst 
sich    gedrungen  fühlte,    die  Erinnerung  daran   durch   ein  Denkmal    an   einer 
vielbesuchten  Stelle  festzulegen,  dessen  Enthüllung  (am  19.  Juni   1890)  durch 
die    Anwesenheit    des    Kaisers  und   der  Kaiserin  Wilhelm  II.  eine  feierliche 
Weihe  erhielt.     Für  den  erlauchten  Urheber  handelte  es  sich  hierbei  ganz  be- 
sonders   um    einen    Denkstein    dankbarer    Erinnerung    an    den    ebenso   innig 
verehrten  als  geliebten  erhabenen  Gast. 

Die  stets  mit  dem  erfrischenden  Weidwerk  in  den  wemigerödischen 
Harzforsten  verbundenen  Kaiserbesuche  führten  den  hohen  Monarchen 
zugleich  in  den  trauten  Familienkreis  seines  erlauchten  Wirthes  ein.  Der 
spätere  Fürst  O.  war  seit  dem  Jahre  1863  mit  der  Prinzessin  Anna  Elisabeth, 
Tochter  des  Prinzen  Heinrich  LXIII.  Reuss  j.  L.  und  der  Gräfin  Karoline  zu 
Stolberg-Wemigerode  (geb.  9.  Januar  1837),  vermählt.  Es  war  ein  aus  wahrer 
innerer' Neigung  geschlossener  überaus  glücklicher  Bund.  Von  sieben  dem- 
selben geschenkten  Kindern,  vier  Söhnen  und  drei  Töchtern,  starb  im  zarten 
Alter  nur  ein  Graf  Heinrich.  Der  Erbgraf,  nunmehrige  Fürst  Christian  Ernst, 
wurde  am  28.  September  1864  geboren. 

Ziemlich  ausgedehnt  war  der  Kreis  der  Länder,  die  Fürst  O.  in  seinem 
Leben  sah.  Mochten  seine  Reisen  der  Erholung  dienen,  durch  Einladungen 
zur  Jagd  oder  durch  seine  Staats-  und  Ehrenämter  veranlasst  sein,  stets  suchte 
er  dabei  sein  Streben  nach  Selbstbelehrung  zu  befriedigen.  Süddeutschland, 
die  Schweiz,  Frankreich,  England,  Holland,  Oesterreich-Ungam,  Italien,  Russ- 
land hat  er  aus  dem  einen  oder  anderen  Anlass  kennen  gelernt. 

Als  nach  dem  Rücktritt  vom  Oberstkämmereramte  der  Fürst  die  Lasten 
hoher  Staats-  und  Hofämter  hinter  sich  hatte,  auch  die  hauptsächlichsten 
Monumentalbauten  hergestellt  waren,  schien  für  ihn  eine  zwar  immerhin  ge- 
schäftsreiche aber  doch  ruhige,  lediglich  der  Verwaltung  seiner  Besitzungen 
sowie  der  Verschönerung  der   dem  Schloss  unmittelbar  benachbarten  Gärten 


432  Forst  Stolberg-Wemigerode. 

und  Anlagen  gewidmete  Zeit  anzubrechen,  als  sich  im  Herbst  1895  die 
Spuren  eines  schweren  Herzleidens  zeigten,  das  nur  zu  schnell  einen  gefähr- 
lichen Charakter  annahm.  Vergebens  wurde  in  Dresden,  dann  in  Baden- 
Baden  Heilung  gesucht.  Kaum  mit  Hoffnung  auf  völlige  Wiedergenesun^, 
kehrte  er  am  Sonnabend  vor  Pfingsten  1896  nach  Schloss  Wernigerode  zurück. 
In  christlich  heldenhafter  Weise  ertrug  er  das  ein  volles  Jahr  anhaltende 
schwere  Leiden.  So  oft  nur  auf  kurze  Frist  eine  Besserung  eintrat  und  in- 
folge angewandter  Mittel  die  Kräfte  sich  fiir  einzelne  Stunden  hoben,  offen- 
barte er  sein  liebevolles  leutseliges  W^esen  und  es  schien  als  ob  er,  seiner 
baldigen  Auflösung  versichert,  nach  und  nach  planmässig  einen  Kreis  von 
Personen  vor  sich  beschied,  um  gewissermassen  von  ihnen  Abschied  zu  nehmcR. 

Donnerstag  den  19.  November  10*/^  Uhr  abends  schlug  des  sanft  im 
Tode  entschlummernden  Erlösungsstunde  von  solcher  Gebundenheit,  nachdem 
er  sein  Leben  nur  auf  59  Jahre  gebracht  hatte.  Mit  seinen  nächsten  An- 
gehörigen wurde  die  ganze  Grafschaft  und  weitere  Kreise  in  tiefe  Trauer  ver- 
setzt. Die  feierliche  Aufbahrung  in  der  Schlosskirche  erfolgte  am  Sonnabemi. 
und  Scharen  von  Männern  und  Frauen  zogen  in  endlosem  Zuge  hinauf,  uro 
das  mit  friedlichem  Ausdruck  daliegende  Antlitz  des  theuem  Herrn  no<h 
einmal  zu  sehen.  Wir  können  hier  der  mannigfachen  Zurüstungen  der  Trauer- 
feier nicht  im  Einzelnen  gedenken.  Einen  tiefen  Eindruck  machte  es,  als  am 
Sonntage  um  Mittemacht  die  Leiche  in  aller  Stille  mit  kleinem  Trauergeleite 
vom  Schlosse  in  das  älteste  Gotteshaus  der  Stadt,  die  Oberpfarrkirche,  über- 
geführt wurde.  Montag  den  23.  November  fand  das  feierliche  I^ichen- 
begängnis  statt.  Die  grosse  Zahl  der  dazu  erschienenen  hohen  Fürstlichkeiten, 
der  Vertreter  der  königlichen  Staatsbehörden,  des  Heeres,  des  Herrenhauses, 
Hess  mit  Wehmut  der  Tage  gedenken,  an  denen  der  Verewigte  einst  mit 
wahrhaft  fürstlicher  Gastlichkeit  die  hohen  und  höchsten  Persönlichkeiten  hier 
oder  auch  in  seinem  Berliner  Palais  bewirttet  hatte. 

Von  den  Beileidsbezeugungen  möge  wenigstens  des  überaus  herzlichen 
umfangreichen  Telegramms  Seiner  Majestät  des  Kaisers  gedacht  werden,  vnc 
sich  denn  auch  unter  den  Trauerspenden  die  gewaltigen  Veilchenkränze  Seiner 
Majestät  des  Kaisers  und  Ihrer  Majestät  der  Kaiserin  Auguste  Victoria,  auch 
ein  Kranz  der  Kaiserin  Friedrich  vor  allen  anderen  auszeichneten.  Der 
Johanniterorden  hatte  ein  Blumenkissen  mit  dem  weissen  Kreuz  auf  rothem 
Grunde  gestiftet.  Die  später  dem  Druck  übergebene  Trauerrede  hielt  Herr 
Hofprediger  Dr.  Renner  über  Jes.  57,2. 

Bei  Beurtheilung  der  Person  und  öffentlichen  Wirksamkeit  Fürst  O.^ 
werden  hinsichtlich  der  letzteren  die  aussergewöhnlichen  Umstände  nicht  über- 
sehen werden  dürfen,  unter  denen  sie  ausgeübt  wurde.  In  einer  grossen, 
bewegten  Zeit  durch  das  besondere  Vertrauen  seines  königlichen  Herrn  in 
verantwortungsvolle,  theilweise  besonders  schwierige  Stellungen  berufen,  w.u 
er  nicht  in  der  Lage,  wie  andere  Diplomaten  und  Staatsmänner,  durch  einen 
gewissen  Stufengang  vorbereitender  Prüfungen  und  Aemter  dahin  zu  gelangen. 
Dagegen  setzte  er,  wissenschaftlich  und  geschäftlich  für  die  Verwaltung 
seiner  Besitzungen  wohl  vorbereitet  und  von  Jugend  auf  an  hohe  Ge- 
sichtspunkte und  Auffassungen  gewöhnt  und  mit  einem  klaren  geschäftlichen 
Blick  und  schneller  Auffassung  begabt,  seine  ganze  Person  und  rüstige  Ar- 
beitskraft für  das  ihm  anvertraute  Werk  ein.  Es  galt  bei  Erfüllung  dieser 
vaterländischen  Pflichten  viel  Selbstverleugnung  zu  üben,  und  es  ist  ihm  theil- 
weise von  nahestehenden  diese  Hingabe  an   den   Staatsdienst   sogar    verdacht 


Fttrst  Stolbcrg- Wernigerode.  433 

worden.  Der  grosse  Erfolg  seines  Wirkens  in  Hannover  lag,  abgesehen  von 
seinem  gewinnenden  Wesen,  seiner  Unparteilichkeit  und  Gerechtigkeit,  auch 
in  seiner  unermüdlichen  Thätigkeit  und  Arbeitskraft  begründet.  Wir  selbst 
hörten  Hülfesuchende  den  beschleunigten  Geschäftsgang,  die  Pünktiichkeit  und 
Schnelligkeit  rühmen,  mit  welcher  Personen  aller  Gesellschaftskreise  zu  Gehör 
kamen. 

In  seinem  Wesen  war  manches  harmonisch  vereinigt,  was  sich  nicht  so 
leicht  zusammenfindet.  Es  wäre  verkehrt,  wollte  man  ihn  populär  im  ge- 
wöhnlichen Sinne  des  Wortes  nennen :  er  war  durchdrungen  von  der  Bedeutung 
seines  Geburtsstandes  und  hielt  streng  auf  die  Beobachtung  der  dadurch  ge- 
botenen Formen  und  Rücksichten,  war  aber  dabei  ungezwungen  leutselig 
gegen  Jedermann,  Jedem  zugänglich  und  zur  Gewährung  von  Recht  und 
Hülfe  bereit.  Der  erlauchte  Herr,  der  Kaiser  und  Fürsten  fürstlich  bewirthete, 
sah  gelegentlich  gern  den  schlichten  Bürger  und  Landmann  an  seiner  Tafel, 
wenn  es  galt.  Beweise  der  Treue  und  Anhänglichkeit  zu  belohnen.  Regelmässig 
nahm  er,  theilweise  mit  den  Seinigen,  an  gewissen  Volksfesten  der  Grafschaft 
Antheil.  So  war  er  denn  allerdings  im  edleren  Sinne  des  Wortes  volksthümlich, 
und  seine  persönliche  Feiern  —  wir  gedenken  beispielsweise  des  silbernen 
Ehejubiläums  und  des  25.  Jahrestages  seines  Regierungsantritts  —  wurden 
dann  in  einer  Weise  zu  Volksfesten,  wie  man  es  gerade  in  unserer  Zeit 
nicht  oft  finden  mag. 

Voll  tiefen  sittlichen  Ernstes  jeden  unziemlichen  Scherz  oder  zweideutige 
Rede  aus  seiner  Umgebung  verbannend,    war    der  Fürst    doch    ein   Freund 
sinnigen   Spiels,    geistvoller  Unterhaltung    und    prächtiger    farbenreicher  Auf- 
führungen, bei  denen  auch  wohl  harmloser  fröhlicher  Scherz  zu  seinem  Rechte 
kam.     Was  wir  ihn  selbst   als  festen  Grundsatz  aussprechen  hörten,   dass  er 
den  Einraunungen   und  Urtheilen    über  mitlebende,    besonders  dienstlich  ab- 
hängige Personen  sein  Ohr  verschliesse,   dieses  an  hoher  Stelle  wie  Gold  zu 
schätzende  Kleinod,  wird  ein  unbefangenes  Zeugniss  als  ihm  eigen  anerkennen 
müssen.     Sein   ethisches  Wesen    ruhte    auf   tief   religiösem  Grunde.     In   den 
Aeusserungen  seines  Glaubens  und  Empfindens  beobachtete  der  Fürst  durchaus 
eine  keusche  Zurückhaltung;  aber  dieses  höchste  in  seinem  Wesen  wurde  bei 
jeder  sich  darbietenden  Gelegenheit  in  Thaten  ausgeprägt,  wo  es  sich  darum 
handelte,  für  die  evangelische  Kirche  und  Schule  und  für  christliche  Liebes- 
werke Opfer  darzubringen.     In  christlich-kirchlicher  Beziehung  folgte   er  treu 
den  Spuren  edler  Ahnen  von  Jahrhunderten  her.    Aber  während  sich  manches 
Edle   und   Gute  am  Menschen  in  mehr  natürlicher  Weise  von  Geschlecht  zu 
Geschlecht  vererbt,    nimmt    das    religiöse  Glauben    und  Bekennen   die  ganze 
Persönlichkeit  in  Anspruch,    und    nirgends    mehr    als  hier  gilt  es,   in   treuer 
Hingebung  selbst  zu  erwerben  und  zu  erringen,  was  voll  und  ganz  nicht  ver- 
erbt, sondern  nur  als  leuchtendes  Vorbild  dem  empfänglichen  Gemüthe  nahe 
gebracht  werden  kann.     Dass  in   den  Fragen   des  Glaubens   sein  Standpunkt 
mit  dem  seiner  politischen  Parteigenossen  durchaus  nicht  überall  zusammentraf, 
war  keineswegs  unbekannt.    Ebenso  wusste  nicht  nur  die  heimische  Grafschaft 
und  Provinz,   sondern   die   gesammte  evangelische  Landeskirche,    was    sie  an 
diesem   Bekenner  ihres  Glaubens  besass.     Als    letztere  daher  im  Jahre  1875 
zum  Zweck  einer  Neueinrichtung  eine  Generalsynode  veranstaltete,   wurde  er 
einmüthig  zum  Vorsitzenden  erwählt,  eine  Aufgabe,  der  er  sich  zu  allgemeiner 
Befriedigung  entledigte.     Seinem   inneren  Verhältnis  zur   Kirche  entsprach  es 
denn  auch,  wenn  er  bei  der  am  31.  October  1892  erfolgten  Einweihung  der 

Blogr.  Jahrb.  n.  Dtntsch«!  Nekrolog,    i.  Band.  28 


434  Fürst  Stolberg-Wemigerode.     Richter. 

würdig  wieder  hergestellten  Schlosskirche  zu  Wittenberg  den  Vorsitz  des 
Festausschusses  übernahm.  Seinem  gerechten  und  unparteiischen  Wesen  ge- 
mäss war  er  aber  durchaus  rücksichtsvoll  gegen  die  Bekenner  eines  anderen 
Glaubens. 

Bei  Gelegenheit  der  Wittenberger  Feier  fanden  wir  in  politischen  Organen 
mit  Anerkennung  des  Interesses  und  grossen  Entgegenkommens  gedacht, 
welches  er  der  Presse  angedeihen  Hess.  Das  lag  in  seinem  Wesen  tief  be- 
gründet. Gewiss  konnten  ihm  die  Schattenseiten  des  Zeitungswesens  nicht 
entgehen,  aber  da  er  eine  festgegründete  eigene  Meinung  vertrat,  so  achtete 
er  auch  die  unabhängige  Meinung  andersdenkender.  Ohne  Uebertreibung 
konnte  nach  seinem  Ableben  eine  wernigerödische  Stimme  sagen,  dass  des 
Fürsten  Dahinscheiden  einen  grossen  und  schweren  Verlust  für  Kaiser,  König 
und  Vaterland,  das  erlauchte  Fürstenhaus  und  die  Grafschaft  Wernigerode 
bedeute  und  hinzufiigen:  »Er  war  eine  feste  Säule,  auf  der  viel  ruhte.«  In 
gleichem  Sinne  äusserte  der  Vizepräsident  Freiherr  von  ManteufTel  in  der 
Sitzung  des  Herrenhauses  am  20.  November  1896,  dass  in  ihm  das  Vaterland 
einen  seiner  besten  Männer,  das  Herrenhaus  eines  seiner  vorzüglichsten  Mit- 
glieder, seinen  besten  Präsidenten  verloren  habe  und  hob  unter  seinen  Eigen- 
schaften Liebenswürdigkeit,  Unparteilichkeit,  strenge  Gerechtigkeit  nach  jeder 
Seite,  Pflichterfüllung,  Sachkenntnis  auch  in  den  kleinsten  Details  hervor. 
Einen  warmen  Nachruf  widmete  ihm  der  Reichsanzeiger,  worin  es  heisst: 
»Durch  seine  Geburt  auf  die  Höhe  des  Lebens  gestellt,  hat  der  Entschlafene 
stets  seine  besten  Kräfte  in  den  Dienst  des  allgemeinen  vaterländischen  In- 
teresses gestellt  und  damit  ein  leuchtendes  Beispiel  edler,  wahrhaft  vater- 
ländischer Interessen  gegeben.«  Den  herben  Verlust,  welchen  das  Central- 
comitd  der  preussischen  Vereine  vom  rothen  Kreuz  durch  den  Tod  seines 
ersten  Vorsitzenden  erlitten,  hebt  unter  Anerkennung  seiner  Verdienste  ein  aller- 
höchstes Handschreiben  Ihrer  Majestät  der  Kaiserin  und  Königin  vom  30. 
November  1896  hervor.  Wir  verzichten  im  Uebrigen  auf  die  so  angenehme 
als  leichte  Aufgabe,  einen  Kranz  ehrender  und  anerkennender  Urtheile  über 
den  Fürsten  aus  den  mannigfaltigsten  Organen  und  verschiedenen  Gegenden, 
aus  Pommern  und  Schlesien,  Rheinland  und  Westfalen,  Bayern  und  dem 
Königreich  Sachsen,  Strassburg  und  Mühlhausen  i.  E.  zusammenzuflechten. 
Besonders  wohlthuend  ist  aber  die  Beobachtung,  dass  die  Urtheile  aus  der 
engeren  Heimath  mit  denen  aus  weiterer  Entfernung  durchaus  nicht  im  W^ider- 
spruch  stehen. 

Die  äussere  Erscheinung  des  Fürsten  ist,  wie  zu  erwarten,  durch  mannigfache  im 
Familienbesitz  befindliche  Kunstwerke  nachgebildet.  Die  zahlreichen  als  Einzelblätter, 
meist  aber  in  Zeitschriften  veröffentlichten  Porträts  sind  nach  den  gegenwärtigen  Ansprachen 
an  eine  mit  Geschmack  verbundene  Naturwahrheit  nicht  als  genügend  zu  bezeichnen.  Ein 
gutes  Bild,  KniestUck,  welches  den  Fürsten  in  jüngeren  Jahren  in  der  Uniform  der  Gardcs 
du  Corps  darstellt,  ist  in  Steindruck  ausgefllhrt.  Als  ein  gutes  Bild  zu  bezeichnen  ist  eine 
vielverbreitete  Photographie  von  Scharwächter  in  Berlin,  die  auch  bei  F.  Gottsched  und 
Photograph  F.  Mässer  in  Wernigerode  erhältlich  ist.  Auch  eine  Modellirung  von  Schott 
ist  in  photographischer  Nachbildung  in  den  Handel  gekommen. 

Ed.  Jacobs. 

Richter,  Heinrich,  kgl.  Professor,  Hofschauspieler  und  Regisseur  am 
kgl.  Hoftheater  zu  München,  f  22.  Mai  1896  (vergl.  I.Band  1897  p.  279— 
284).  —  Es  hat  sich  inzwischen  herausgestellt,  dass  die  von  mir  zu  meinem 
Nachruf  benutzte  Quelle,    das    vom  Sohne  des  Verstorbenen   herausgegebene 


Richter,     von  Camphausen.  ^^c 

Buch  »Heinrich  Richter.  Erinnerungen  aus  dessen  Leben  und  Wirken«. 
(Dannstadt,  Selbstverlag  1897)  noch  viel  unzuverlässiger  ist,  als  ich  sie  in 
meinem  Artikel  charakterisirt  hatte.  Ich  sehe  mich  deshalb  genöthigt,  einige 
aus  dieser  Schrift  herübergenommene  Irrthümer  nachträglich  zu  berichtigen. 
So  ist  die  von  Heinrich  Richter  junior  (pag.  43 )  erzählte  Anekdote  vom  Zu- 
sammentreffen seines  Vaters  mit  dem  jungen  Kritiker  Adolf  Wilbrandt  (pag.  281) 
entweder  apokryph  oder  wenigstens  in  der  Jahrzahl  unrichtig,  denn  im  Jahre 
1850,  als  Richter  Wilbrandt  den  Romeo  kritisiren  lässt,  war  dieser  unmöglich 
»ein  junger,  hübscher  Mann  mit  dem  Bande  des  Corpsstudenten  über  der 
Brust«,  sondern  erst  13  Jahre  alt,  da  Wilbrandt  am  24.  August  1837  geboren 
ist.  —  Ein  weiterer  Irrthum  ist,  dass  Heinrich  Richter  den  Obersten  Schwartze 
in  Sudermanns  »Heimath«  gespielt  und  dass  ihn  in  dieser  Rolle  nach  einer  Vor- 
stellung Ende  August  1893  der  Schlag  getroffen  habe.  Richter  hat  in  allen 
Vorstellungen  der  »Heimath«  bis  zu  seinem  Tode  die  kleine  Rolle  des  Gene- 
rals V.  Klebs  und  nie  den  Vater  Schwartze  gespielt.  In  dieser  kleinen  Epi- 
sodenrolle ist  er  am  19.  Juni  1893,  ohne  es  zu  ahnen  zum  letzten  Male,  vor 
das  Publikum  getreten,  nicht  am  11.  Juni  1893  als  Advokat  Bachelin  in 
Ohnets  »Hüttenbesitzer«,  wie  in  der  Biographie  seines  Sohnes  und  in  meinem 
Nekrolog  zu  lesen  ist. 

Alfred  Freiherr  v.  Mensi. 

Camphausen,  Otto  von,  Preussischer  Staatsmann,  *  21.  Oktober  181 2  in 
Hünshoven  (Regierungsbezirk  Aachen),  f  18.  Mai  1896  in  Berlin.  Einem 
rheinischen  in  Handel  und  Industrie  hervorragenden  Geschlecht  entsprossen, 
ein  jüngerer  Bruder  Ludolf  Camphausens,  der  1848  kurze  Zeit  Ministerpräsident 
wurde,  widmete  er  sich  dem  Studium  der  Jurisprudenz  und  dem  Staatsdienst, 
behielt  dabei  aber  ein  reges  Interesse  ftir  Volkswirthschaft.  Er  hat  in  Bonn, 
Heidelberg,  München  und  Berlin  studirt,  in  Magdeburg,  Koblenz  und  Trier 
als  Beamter  gearbeitet.  Schon  im  Jahr  1840  wurde  er  vorübergehend  als 
Hilfsarbeiter  in  das  Finanzministerium  berufen  und  dann  1845  wiederum  in 
demselben  beschäftigt  und  zum  Geheimen  Finanzrath  ernannt.  Im  Jahre  1847 
arbeitete  er  den  ersten  Entwurf  eines  preussischen  Einkommensteuergesetzes 
aus,  der  dem  vereinigten  Landtage  vorgelegt  wurde,  zwar  unerledigt  blieb, 
aber  einige  Jahre  später  in  veränderter  Gestalt  Gesetz  wurde.  Die  folgenden 
Jahre  riefen  ihn  in  das  politische  Leben;  er  war  von  1850  bis  1852  Mitglied 
der  preussischen  Kammer,  im  Jahre  1850  auch  Mitglied  des  Erfurter  Par- 
laments, welches  die  Verfassung  des  Dreikönigsbundes  berieth.  Hier  erinnerte 
er  sich  mehr  daran,  dass  er  rheinischer  Bürger,  als  dass  er  preussischer  Be- 
amter war  und  entwickelte  ein  Maass  von  Liberalismus,  das  zwar  an  sich  sehr 
massig,  aber  doch  ausreichend  war,  um  von  seinen  Vorgesetzten  als  lästig 
empfunden  zu  werden.  Er  wurde  kalt  gestellt,  indem  man  ihn  1854  zum 
Präsidenten  der  Seehandlung  machte,  eine  Stellung,  die  ehrenvoll  und  ein- 
träglich genug,  aber  ohne  Arbeit  und  Einfluss  ist. 

Im  Jahre  1860,  als  der  Widerstand  des  Herrenhauses  gegen  die  Grund- 
steuer-Regulierung einen  Pairsschub  nöthig  machte,  wurde  er  zum  lebensläng- 
lichen Mitglied  des  Hauses  aus  Allerhöchstem  Vertrauen  berufen  und  auf  diese 
Weise  mit  den  politischen  Tagesfragen  wieder  in  Berührung  gebracht. 

Im  Herbst  1869  hatte  der  damalige  Finanzminister  von  der  Heydt  mit 
einer  Reihe  von  Steucrvorlagen,  sowie  mit  einem  Anleiheprojekt,  für  welches 
er  die  Form  der  Prämienanleihe  gewählt  hatte,  vollständiges  Fiasko  gemacht. 

28* 


4j6  ^^^  Camphausen. 

Er  hatte  bei  allen  Parteien  das  Zutrauen  verloren  und  sah  sich  genötigt  seinen 
Abschied  einzureichen.  Fürst  Bismarck  sah  sich  damals  in  einer  Lage»  die 
es  ihm  wünschenswerth  machte,  den  Liberalen  einen  kleinen  Schritt  entgegen 
zu  kommen  und  schlug  dem  Könige  C.  zum  Finanzminister  vor.  Dieser  hat 
das  Amt  bis  zum  Februar  1878  verwaltet. 

Sein  erster  Erfolg  war  ein  sehr  glücklicher;  das  schwebende  Deficit  be- 
seitigte er  durch  ein  einfaches  Mittel.  Er  konvertirte  einen  Theil  der  ver- 
zinslichen Staatschuld  in  eine  unkündbare  Rente  und  sah  diese  Operation 
von  glänzendem  Erfolg  gekrönt.  In  den  folgenden  Jahren  hatte  die  Finanz- 
verwaltung in  Folge  der  Milliardenzahlungen  eine  leichte  Aufgabe.  C.  gewann 
Bismarcks  Zutrauen,  da  ihm  alle  seine  Pläne  glückten,  er  dem  Landtage 
gegenüber  eine  bequeme  Stellung  hatte,  obwohl  er  dem  Liberalismus  keine 
Zugeständnisse  machte,  vielmehr  sich  lediglich  als  Fachminister  gab.  Fürst 
Bismarck  rühmte  ihm  eine  nicht  gouvemementale  Stellung  nach  und  bewirkte, 
nachdem  Graf  Roon  sich  1873  aus  dem  politischen  Leben  zurückgezogen 
hatte,    C.'s  Ernennung  zum  Vicepräsidenten  des  Staatsministeriums. 

C.'s  Finanzverwaltung  hatte  Licht-  und  Schattenseiten.  Er  war  ein 
Beamter  aus  der  altpreussischen  Schule,  der  Maassen,  Motz  und  Kühne  und 
hielt  an  den  Traditionen  fest.  Er  hielt  vortreffliche  Ordnung  in  den  Finanzen 
und  wehrte  Eingriffe  in  die  wirthschaftliche  Freiheit  ab.  Er  war  der  letzte 
Repräsentant  dieser  alten  Schule  und  in  ruhigen  Zeiten  wäre  er  ein  vor- 
trefflicher Finanzminister  gewesen. 

Aber  ausserordentlichen  Aufgaben  war  sein  Genius  nicht  gewachsen. 
Darauf,  dass  er  den  gewaltigen  Rückschlag,  den  die  Milliardenzahlungen  hervor- 
rufen musste,  nicht  vorausgesehen  und  Vorbeugungsmassregeln  ergriffen  hat, 
ist  vielleicht  weniger  Werth  zu  legen.  Diese  Schuld  theilt  er  mit  vielen ; 
ausser  Bamberger  hat  vielleicht  Niemand  klar  eingesehen,  dass  es  nothwendig 
war,  die  Zahlungstermine  zu  verschieben.  Aber  bei  der  Reform  des  Bank- 
und  Münzwesens  hat  C,  wenn  nicht  für  die  Dauer  schädlich,  so  doch  hemmend 
gewirkt.  Er  hat  zu  einseitige  Rücksicht  auf  die  fiskalischen  Interessen 
Preussens  genommen. 

Er  begriff  nicht  die  unab weisliche  Nothwendigkeit,  eine  Reichsbank  zu 
schaffen  und  wollte  die  preussische  Bank  erhalten.  Der  Streit  darüber  hat 
zu  eitler  grossen  Krisis  geführt  und  vorübergehend  den  Rücktritt  Forckenbecks 
vom  Präsidentenstuhl  herbeigeführt.  Gegen  die  Goldwährung  hat  sich  C. 
nicht  abmahnend,  aber  doch  kühl  verhalten  und  es  unterlassen,  die  noth- 
wendigen  Silber-Verkäufe  schnell  genug  herbeizuführen.  Er  hat  dadurch  Zu- 
stände heraufbeschworen,  in  denen  die  Erhaltung  der  Goldwährung  ernstlich 
gefährdet  war;  dass  diese  Gefahr  vorübergegangen  ist,  war  nicht  sein  Verdienst. 

Diese  Fehlgriffe  haben  kein  Zerwürfniss  zwischen  ihm  und  dem  Fürsten 
Bismarck  herbeigeführt;  vielmehr  hat  der  Reichskanzler  ihm  zur  Seite  ge- 
standen. Aber  der  Bruch  kam  von  einer  anderen  Seite  her.  Fürst  Bismarck 
hatte  von  langer  Hand  her  den  Plan  vorbereitet,  die  Reichsausgaben  wesentlich 
zu  erhöhen  und  zu  diesem  Zweck  neue  Steuern,  namentlich  indirekte,  auf- 
zuerlegen. C.  begriff  diesen  Plan  und  entschloss  sich,  ihm  einen  zähen, 
stillen  Widerstand  entgegenzusetzen.  Ihm  schien  dieser  Plan  unvereinbar  mit 
den  preussischen  Finanztraditionen.  Er  wollte  weder  die  vermehrten  Ausgaben 
noch  die  indirekten  Steuern  billigen.  Die  Aufforderung,  neue  Steuerprojekte 
auszuarbeiten,  die  ihm  Bismarck  durch  den  Minister  Bülow  zugehen  Hess, 
beantM'ortete  er  dahin,  dass  er  bereit  sei,  Steuerprojekte,  die  man  ihm  unter 


von  Camphausen.     von  GrUn.  ^^y 

breite,  zu  prüfen.    Im  Jahre  1875  arbeitete  er  den  Plan  einer  erhöhten  Tabak- 
steuer aus,  den  Bismarck  zurückwies,  weil  er  völlig  ungenügend  sei. 

Ende  1877  gelang  es  dem  Fürsten  Bismarck,  C.  zu  der  Ausarbeitung 
eines  umfassenden  Steuerprogramms  zu  bewegen,  das  wiederum  mit  der  Er- 
höhung der  Tabaksteuer  beginnen  sollte.  Aber  gleichzeitig  hatte  Bismarck, 
ungeduldig  geworden,  mit  Bennigsen  in  Varzin  Verhandlungen  angeknüpft, 
um  diesen  in  sein  Ministerium  zu  ziehen. 

Am  22.  und  23.  Februar  1878,  als  C.'s  Tabaksteuergesetzentwurf  berathen 
^'urde,  kam  es  im  Reichstage  zu  hochdramatischen  Scenen,  in  denen  Bismarck 
sich  bitter  über  ungenügende  Unterstützung  beklagte,  aber  auch  Lasker  sehr 
heftige  Angriffe  gegen  C.  richtete.  Dieser  sah  sich  genöthigt,  seinen  Abschied 
zu  verlangen.  Zu  der  Berufung  Bennigsen's  kam  es  aber  nicht,  vielmehr 
war  nun  die  Bahn  frei  geworden  für  die  schutzzöllnerischen  Projekte,  die 
Bismarck  im  Auge  gehabt  hatte. 

Am  17.  Februar  1881  kam  es  im  Herrenhause  zu  einer  heftigen  Aus- 
einandersetzung zwischen  Bismarck  und  C.  Dieser  griff  die  neue  Finanz- 
politik heftig  an;  Bismarck  erwiderte  mit  einer  ebenso  heftigen  Kritik  der 
C.*schen  Verwaltung.  Seitdem  war  C.  aus  dem  politischen  Leben  ausgeschieden. 
Er  musste  erkennen,  dass  die  dilatorische  Politik,  die  er  trieb,  unzureichend 
war,  die  Bismarck'schen  Pläne  zu  beseitigen,  da  Bismarck  noch  volle  zwölf 
Jahre  im  Amte  blieb. 

Das  Zeugniss  redlichen  Verdienstes  hat  C.  in  das  Grab  genommen.  Nach 
seinem  Rücktritt  vom  Amte  wurde  ihm  noch  die  Anerkennung  zu  Theil,  dass 
er  den  Schwarzen  Adlerorden  und  damit  das  adlige  Prädikat  erhielt.  Ver- 
erben hat  er  es  nicht  können,  denn  er  ist  als  Junggeselle  gestorben. 

Eine  behaglich  liebenswürdige .  Natur  ist  er  gewesen.  Wenn  er  seinen 
parlamentarischen  Gästen  Rheinwein  vorsetzte,  pflegte  er  hinzuzufügen,  dass 
er  diesen  Wein  nicht  von  seinem  Ministergehalt  bezahlen  könne.  Weder 
der  böse  Aerger,  den  er  erlebt,  noch  der  gute  Rheinwein,  den  er  getrunken, 
haben  ihn  gehindert,  ein  hohes  friedliches  Alter  zu  erreichen. 

Alexander  Meyer. 

Grün,  Dionysius  von,  emer.  Professor  der  Geographie  an  der  deutschen 
Universität  zu  Prag.  ♦18.  Januar  1819  als  Sohn  jüdischer  Eltern  zu  Prerau 
in  Mähren,  f  am  26.  Februar  1896  im  Alter  von  77  Jahren  zu  Prag.  G, 
wurde  zuerst  Landwirth,  ging  aber  als  zwanzigjähriger  junger  Mann  noch  auf 
das  Gymnasium  zu  Pressburg  und  studirte  1845 — '^47  unter  fortwährendem 
Kampfe  um  seine  Existenz  an  der  Universität  zu  Prag.  Die  beiden  folgenden 
Jahre  war  er  als  Hauslehrer  in  Dresden  thätig,  setzte  dann  1849  seine  Stu- 
dien in  Berlin  fort,  wo  er  auch  bei  Dove  und  Karl  Ritter  hörte  und  sich 
deshalb  später  gern  einen  Schüler  Ritters  nannte,  da  dieser  in  ihm  die  Liebe 
zur  Geographie  weckte.  Durch  Zeitungsartikel  und  andere  kleine  literarische 
Arbeiten  musste  er  seinen  Unterhalt  verdienen.  Einige  in  Berlin  erschienene 
Aufsätze  über  die  Revolution  in  Ungarn  hatten  zur  Folge,  dass  er  nach  seiner 
Rückkehr  nach  Oesterreich  einige  Zeit  in  Untersuchungshaft  kam.  Nachdem 
G.  bereits  in  Berlin  zum  katholischen  Glauben  übergetreten  und  von  der  Ab- 
sicht, die  literarische  Laufbahn  einzuschlagen,  zurückgekommen  war,  gelang 
es  ihm  im  Jahre  1853,  eine  Lehrerstelle  an  dem  erzbischöflichen  Gymnasium 
in  Leutschau  in  Oberungarn  zu  erlangen.  Zwei  Jahre  später,  1855,  wurde 
er  daim  an    das  akademische  Gymnasium    in  Wien   berufen,   wo  er  zwanzig 


^^8  von  Grün.     Klirosch.     Hopfgarten. 

Jahre  lang  als  Lehrer  der  Geographie  und  Geschichte  thätig  war.  Im  Jahre 
1872  wurde  er  zum  Lehrer  des  Kronprinzen  Rudolf  ernannt,  den  er  drei 
Jahre  in  dessen  Lieblingsfache  Geographie  unterrichtete.  Nach  Abschluss 
desselben  wurde  er  1875  ^^^  Kaiser  in  den  Adelstand  erhoben  und  von 
der  Universität  Prag  zum  Professor  auf  den  neu  geschaffenen  Lehrstuhl  füi 
Geographie  berufen.  Kränklichkeit  zwang  ihn  im  Jahre  1885,  in  den  Ruhe- 
stand zu  treten.  Von  seinen  Arbeiten  sind  nur  zu  nennen  »Länder-  und  Völ- 
kerkunde« (1870),  eine  Abhandlung  über  die  »Tabula  Peutingeriana«  und 
seine  Antrittsvorlesung  »Die  Geographie  als  selbständige  Wissenschaft«  (Prag 
1875,  ^^  ^O-  Seine  ungefähr  1500  Nummern  zählende  werthvolle  Bibliothek 
hat  er  dem  Verein  der  Geographen  an  der  Universität  Wien   vermacht. 

Vgl.    den  Nekrolog    im  Bericht    über  das  XXII.  Vereinsjahr    1895/96   erstattet    vom 
Vereine  der  Geographen  an  der  Universität  Wien  (Wien,  1897). 

W.  Wolkenhauer. 

Klimsch,  Eugen  Job.  Georg,  Maler,  ♦  am  29.  November  1839  in 
Frankfurt  a.  M.,  f  am  9.  Juli  1896  ebendaselbst.  K.  genoss  zunächst  den  Un- 
terricht seines  Vaters  F.  C.  Klimsch  im  Zeichnen  und  in  den  graphischen 
Künsten,  besuchte  die  Zeichenklasse  des  Staedel'schen  Kunstinstituts  unter 
Jak.  Becker,  vom  Jahre  1854  an  den  Aktsaal  unter  Steinle  und  Zwerger,  kam 
1860  nach  München  zum  Historienmaler  Andreas  Müller,  dem  »Komponir- 
müller«,  und  errang  seine  ersten  Erfolge  in  der  Kleinmalerei  auf  Pergament. 
Später  war  er  in  den  verschiedensten  Zweigen  der  Malerei  thätig,  der  modernen 
Kunstrichtung  prinzipiell  abgeneigt.  Von  1865  bis  zu  seinem  Tode  lebte  er 
in  seiner  Vaterstadt,  war  einige  Jahre  Lehrer  an  der  Kunstgewerbeschule  da- 
selbst und  in  seinen  letzten  Jahren  als  Nachfolger  von  Frank  Kirchbach  Lehrer 
der  Malerei  am  Staedel'schen  Kunstinstitut.  Von  seinen  Werlcen  sind  hervor- 
zuheben: Deckengemälde  im  Hause  des  Generalkonsuls  Oppenheimer  in 
Frankfurt  a.  M.  (Apotheose  der  Britannia),  die  Deckengemälde  im  Gesellschafts- 
haus des  Palmengartens  zu  Frankfurt  a.  M.,  die  Entwürfe  für  die  Wand- 
malereien der  Restauration  Alemannia  in  Frankfurt  a.M.,  die  Ausmalung  mehrerer 
Lloyd-Dampfer;  ferner  die  Staffeleigemälde:  Der  Frauenraub  des  Kentauren 
(im  Besitz  des  Prof.  W.  Widemann  zu  Berlin),  Parkscene,  Picknick  im  Walde. 
K.  schuf  auch  einige  Porträts  und  viele  Illustrationen,  z.  B.  zu  Goethe, 
Schiller,  Scott,  den  Grimm'schen  Märchen,  den  Opern  Freischütz  und 
PMdelio,  für  die  Spinnstube  (Frankfurt  a.  M.  Sauerländer). 

Kunst  für  Alle,  Jg.  8,  S.  113  — 116  (Franz  GraQ,  Jg.  11.  S.  347;  Kunst  uns.  Zeit, 
]g.  7,  S.  45—60  (E.  Ph.  J.  Hallenstein).  Allg.  Künstler-Lex.,  3.  Aufl.  von  Müller  und 
Singer.    Bd.  2,   1896  S.  351. 

Dr.  Berghoeffer. 

Hopfgarten,  August  Ferdinand,  Geschichts-  und  Genremaler,  *  den  17. 
März  1807  in  Beriin,  f  den  26.  Juli  1896  ebendaselbst.  H.  war  anfangs  Schüler 
von  Ruscheweyh,  einem  Bruder  des  Kupferstechers,  studirte  seit  1820  an  der 
dortigen  Akademie  unter  Dähling  und  Niedlich,  später  bei  Wilhelm  Wach. 
1825  erhielt  er  einen  akademischen  Preis,  begab  sich  1827  nach  Rom  und  blieb 
dort  bis  zum  Jahre  1833.  1835  kehrte  er  nach  Berlin  zurück  und  entfaltete 
eine  reiche  Thätigkeit.  Von  seinen  Werken  seien  erwähnt:  Raffael  findet  d;i5 
Modell  zur  Madonna  della  Sedia,  Schmtickung  einer  Braut,  Schwäne  fütternde 
Mädchen,  die  Auffindung  des  Moses,  Boas  und  Ruth,  Tasso  wird  von  Leonore 


Hopfgarten.     Hofifmann.     Eissenhardt.  ^^q 

d'Este  begrüsst  (1839,  Berliner  Nationalgalerie),  die  Rosen  der  heil.  Elisabeth, 
Arminia  bei  den  Hirten.  Auch  betheiligte  er  sich  an  den  Fresken  der 
Schlosskapelle  in  Berlin  und  an  der  Ausschmückung  des  neuen  Museums. 
1853  erhielt  er  den  Auftrag,  für  den  Herzog  Adolf  von  Nassau  die  Grab- 
kapelle der  verstorbenen  Herzogin  Elisabeth  auf  dem  Neroberg  bei  Wiesbaden 
zu  schmücken. 

Allg.  Künstler-Lcx.  3.  Aufl.  von  Müller  u.  Singer,  Bd.  2,  1896,  S.  205;  Müller,  H.  A, 
Biogr.  jCünstler-Lex.,  2.  Aufl.,  1884,  S.  266;  Konversationslexika. 

Dr.  Berghoeffer. 


Hofitnann,  Heinrich  Adolf  Valentin,  Landschaftsmaler,  ♦  den  1 8.  Oktober 

181 4  zu  Frankfurt  a.  M.,  f  den  10.  Juni  1896  ebendaselbst.    H.  war  anfangs 

Zimmermaler,   besuchte    1843  bis  1850  das  Staedel'sche  Institut  unter  Jakob 

Becker,  machte  Naturstudien  auf  Reisen  im  Taunus,  Odenwald,  Schwarzwald, 

am  Rhein,  der  Mosel,   der  Ahr,    später  in  der  Schweiz  und  in   Tirol.     Die 

meisten  seiner  Werke  befinden  sich  in  Frankfurter  Privatbesitz. 

Allg.  Künstler-Lex.,  3.  Aufl.  von  Müller  u.  Singer,  Bd.  2,  1896,  S.  191;  Meyers  Kon- 
versationslex.,  4.  Aufl.,  Bd.  17,  1890  S.  435. 

Dr.  Berghoeffen 


Eissenhardt,  Johannes,  Kupferstecher  und  Radirer,  ♦  am  8.  November 
1824  in  Frankfurt  a.  M,,  f  am  11.  Oktober  1896  ebendaselbst.  E.  war  Schüler 
des  Staedel'schen  Kunstinstituts  unter  Eugen  Eduard  Schaeflfer.  1863  folgte 
er  einer  Berufung  nach  Petersburg  zum  Stich  der  Bildnisse  auf  den  Rubel- 
scheinen. Da  diese  Beschäftigung  ihn  nicht  völlig  befriedigen  konnte  und  er 
ausserdem  künstlerische  Anregung  vermisste,  so  kehrte  er  1869  nach  Frank- 
furt zurück.  Doch  begab  er  sich  im  Jahre  1889  noch  einmal,  einem  wieder- 
holt an  ihn  ergangenen  Ruf  folgend,  auf  ein  Jahr  nach  der  russischen  Haupt- 
stadt. In  Frankfurt  war  er  lange  Jahre  Lehrer  für  Radirung  und  Kupferstich 
am  Staedel'schen  Institut.  Angeregt  durch  Frank  Kirchbach,  begann  er  etwa 
im  Jahre  1888  sich  auch  mit  der  Malerei  zu  beschäftigen  und  fertigte  Porträts 
und  Studienköpfe.  Er  radirte  und  stach  nach  Zeichnungen  und  Gemälden 
von  Ph.  Veit,  A.  Goebel,  E.  Steinle,  Leop.  Bode,  M.  v.  Schwind,  J.  B.  Scholl, 
M.  Oppenheim,  A.  Burger,  Ph.  Rumpf,  J.  F.  Dielmann,  Ad.  Schreyer,  H. 
Kauflfmann,  van  Muyden  (Refektorium),  A.  Elsheimer,  Sandro  Botticelli  (Ma- 
donna mit  sieben  Engeln),  Paolo  Veronese  u.  a.  E.  gab  in  Buchform  heraus: 
Album  des  Frankfurter  Kunstvereins.  Nach  einer  Auswahl  verloster  Gemälde 
radirt  von  J.  Eissenhardt.  Frankfurt  a.  M.,  Jügel  1864;  die  Staedel'sche 
Galerie  zu  Frankfurt  a,  M.  in  ihren  Meisterwerken  älterer  Malerei.  32  Ra- 
dirungen. Text  von  Veit  Valentin.  Leipzig,  Seemann,  1878;  Radirungen  nach 
Zeichnungen  von  A.  Burger  in  Cronberg  von  J.  Eissenhardt.  Frankfurt  a.  M. 
Prestel.  Eine  reichhaltige,  nahezu  vollständige  Sammlung  seiner  Werke  besitzt 
das  Staedel'sche  Kunstinstitut. 

Private  Mittheilungen.  Die  vervielf.  Kunst  der  Gegenw.  11.  1891,  S.  71  (R.  Muther); 
Frankf.  Zeitung  vom  25.  Juni  1897  Feuilleton;  Allg.  KUnstler-Lex.  von  Müller  u.  Singer, 
I.  1895,  S,  393;  Müller,  H.  A.  Biogr.  Künstler-Lex.  1884,  S.  156;  Konversationslexika; 
Zeitschr.  für  bild.  Kunst,  Bd.  17,  S.  64;  Bd.  13,  S.  192,  256,  288;  Bd.  15,  S.  260;  Bd.  12, 
S.  227  f.,  323  f. 

Dr.  Berghoeffer. 


^^o  Baerwald.     Becker.     Sonderland.     Liodlar.     Kops. 

Baerwald,  Robert,  Bildhauer,  ♦  den  2.  Dezember  1858  in  Salwin  bei 
Bromberg,  f  den  11,  November  1896  in  Wilmersdorf  bei  Berlin.  B.  besuchte 
1880 — 84  die  Kunstakademie  zu  Berlin,  wo  indes  nur  Reinhold  Begas  tieferen 
Eindruck  auf  ihn  machte.  Entschiedene  Anregung  fand  er  dagegen  in  Schlüters 
Berliner  Schöpfungen.  1886 — 88  schuf  er  bereits  für  Posen  ein  Denkmal 
Kaiser  Wilhelm's  I.,  1893  vollendete  er  die  Reiterstatue  desselben  Kaisers 
für  Bremen.,  Kaiserstatuen  schuf  er  ausserdem  für  Altenburg,  Pforzheim, 
Ravensburg,  ferner  mehrere  Bismarckdenkmäler. 

Kunst  fttr  Alle,  Jg.  12,  S.  io2f.  (M.  Schmid).  Allg.  Kfinstler-Lex.,  Bd.  i,  1895,  S.  55; 
Kunstchronik,  Bd.  22,  Sp.  668f,  N.  F.  Bd.  5  Sp.  113 — 116. 

Dr.  Berghoeffer. 

Becker,  Ernst  Albert,  Genre-,  Landschäfts-  und  Thiermaler,  *  den 
22.  Oktober  1830  in  Berlin,  f  den  i.  September  1896  ebendaselbst.  B.  besuchte 
die  Berliner  Akademie,  war  Schüler  und  Gehilfe  A.  v.  Klöber's,  hielt  sich  in 
den  60  er  Jahren  in  Paris  auf  und  widmete  sich  vorzugsweise  der  Darstellung 
von  Hausthieren.  Da  er  gern  Kühe  malte,  wurde  er  von  seinen  Kunstgenossen 
»Kuh-Becker«  genannt.     Seitdem  signirte  er  Q.  Becker. 

Müller,  H.  A.,  Biogr.  Künstler-Lex.,  1884,  S.  35;  Allg.  Künstler-Lez.,  3.  Aufl.  von 
MUUer  u.  Singer,  Bd.  i   1895,  S.  88. 

Dr.  Berghoeffer. 

Sonderland,  Fritz,  Genremaler,  *  20.  September  1836  in  Düsseldorf, 
f  13.  Juni  1896  ebendaselbst.  S.  war  der  Sohn  des  Malers  Joh.  Bapt.  S-, 
studirte  anfangs  Ingenieurwissenschaft,  trat  1855  in  die  Düsseldorfer  Akademie, 
war  Schüler  Bendemanns,  dann  Hiddemanns  und  machte  Studien  an  der 
Mosel,  in  Westfalen  und  im  Schwarzwald.  S.  malte  anfangs  Scenen  aus  dem 
Bauernleben  im  Genre  Hiddemanns,  pflegte  später  das  elegante  Genre. 

Kunst  f.  Alle,  Jahrg.  11,  316;  Seubert,  A  Allg.  Künstler-Lex.  1882,  Bd.  3,  335; 
Muller,  H.  A.,  Ktlnstler-Lex.  1884,  S.  497.  Konv.-Lex. 

Dr.  Berghoeffer. 

Lindlar,  Johann  Wilhelm,  Landschaftsmaler,  *  im  Jahre  1816  in 
M.-Gladbach,  f  23.  April  1896  in  Düsseldorf.  L.  war  Lehrer  an  der  Dom- 
schule in  Köln,  später  an  der  rhein.  Ritterakademie  in  Bedburg,  kam  1845 
auf  die  Düsseldorfer  Kunstakademie,  wo  er  J.  W.  Schirmer's  Schüler  wurde. 
Seit  1851  arbeitete  er  selbstständig  in  Düsseldorf.  Er  entnahm  seine  Vorwürfe 
meist  der  Alpenwelt. 

Kunst  f.  Alle,  Jg.  11,  270;  Seubert,  A.,  Allg.  Künstler-Lex.,  Bd.  2,  1882,  S.  459; 
Müller,  H.  A.,  Künstler-Lex.  1884,  S.  339. 

Dr.  Berghoeffer. 

Kops,  Franz,  Porträt-  und  Genremaler,  ♦  14.  Juli  1846  zu  Berlin, 
f  24.  August  1896  in  Dresden.  K.  besuchte  die  Weimarer  Kunstschule  unter 
Pauwels,  bereiste  Norddeutschland,  Hess  sich  Ende  der  70  er  Jahre  in  Dresden 
nieder  und  gründete  hier  eine  Malschule  für  Damen.  Von  seinen  Genre- 
bildern seien  erwähnt:  Der  Hahn  im  Korbe,  Ein  neuer  Menzel,  Der  Fisch- 
'mann,  Kartenspielende  Bauern,  ferner  die  Bildnisse  der  Königin  Karola,  des 
;Prof.  H.  Bürkner,  des  Ludw.  Bamay,  Uhle,  Guido  Hammer. 

(  Kunst  f.  Alle,  Jg.  12,  S.  14:  Allg.  Künstler-Lex.,  3.  Aufl.  von  Müller  u.  Singer.  Bd.  2. 

1896,  S.  381. 

Dr.  Berghoeffer. 


Simonson.     Pfeiffer.     Munthe.     Jernberg.     Keller.  aai 

Simonson,  David,  Porträt-  und  Genremaler,  ♦  15.  März  1831  in  Dresden, 
-f-  im  Februar  1896  ebendaselbst.  S.  besuchte  die  Dresdener  Kunstakademie, 
l> ereiste,  22  Jahre  alt,  mit  dem  Michael  Beer'schen  Stipendium  Italien  und 
Aegypten,  hielt  sich  kurze  Zeit  in  London  auf  und  Hess  sich  dauernd  in  seiner 
Vaterstadt  nieder. 

Kunst  f.  Alle,  11,  S.  206  f. 

Dr.  Berghoeffer. 

Pfeiffer,  Engelbert,  Bildhauer,  *  etwa  1830  in  Hamburg,  f  17.  Oktober 
1  896  ebendaselbst.  P.  studirte  unter  Heidel  in  Berlin,  war  zwei  Jahre  Leiter 
der  Femsichter  Thonwaarenfabrik  in  Kellinghusen  bei  Kiel,  Hess  sich  dann 
in  Hamburg  nieder.  Werke:  Markus,  Johannes,  Albr.  Dürer  für  die  Nikolai- 
Kirche  in  Hamburg,  Modell  einer  Schiilerstatue  für  Kiel,  elf  Kolossalstatuen 
für  das  Schloss  des  H.  Bölkow  in  Morton  Hall,  vier  lebensgrosse  Statuen, 
die  vier  Menschenalter  vorstellend,  für  den  Generalkonsul  Reimers  (England), 
Büste  des  Herzogs  Friedrich  von  Augustenburg,  Denkmal  des  Majors  Jung- 
mann  in  Hamburg. 

Allg.  Kttnstler-Lex.  von  Seubert,  Bd.  3,  1882,  S.  60;  MuUer,  H.  A.  KUnstler-Lex. 
1884,  S.  415. 

Dr.  Berghoeffer. 

Munthe,  Ludwig,  Landschaftsmaler,  *  11.  März  1841  in  Aaröen  bei 
Bergen  (Norwegen),  f  30.  März  1896  in  Düsseldorf.  M.  war  zuerst  Schüler  von 
F.  Schiertz  in  Bergen,  kam  186 1  nach  Düsseldorf  und  war  kurze  Zeit  Schüler 
von  Alb.  Flamm,  bildete  sich  selbständig  weiter  und  machte  Studienreisen 
in  Belgien,  Holland,  Frankreich,  Dänemark,  Schweden,  Norwegen  und  Italien. 
Hervorragender  Stimmungslandschafter  von  realistischer  Auffassung  und  vor- 
trefflicher Meisterschaft  in  der  Wiedergabe  feuchtglänzender  Lichteffekte, 
besonders  in  seinen  Schneelandschaften  bei  Thauwetter. 

KonversatioDslexika;  Seubert,  AUg.  KUnstler-Lex.  Bd.  2.,  1882,  S.  618;  Müller,  H.  A. 
Künstler-Lex.,  1884,  S.  386,  Vapereau  1893,  S.  1147;  Zs.  f.  biid.  Kunst  N.  F.  Jg.  2.,  S.  248; 
111,  Ztg.,  Bd.  106,  S.  469  (L.  Schütze);  Kunst  f.  Alle,  Jg.  11,  S.  238,  Jg.  12,  S.  293. 

Dr.  Berghoeffer. 

Jernberg,  August,  Maler,  ♦  16.  September  1826  in  Stockholm,  f  22.  Juni 
1896  in  Düsseldorf.  J.  erhielt  seine  Ausbildung  auf  der  Kunstakademie  seiner 
Vaterstadt,  dann  in  Paris  unter  Couture  und  seit  185 1  in  Düsseldorf,  wo  er 
mit  wenigen  Unterbrechungen  seinen  ständigen  Wohnsitz  nahm.  Er  malte  anfangs 
Historienbilder,  Motive  aus  der  schwedischen  Geschichte,  später  wandte  er 
sich  der  Genremalerei  zu  und  malte  besonders  westfälische  Dorfscenen,  ausser- 
dem auch  Stillleben. 

Kunst  f.  Alle,  Jg.  11,  S.  316;  Allg.  Künstler-Lex.,  3.  Aufl.  von  Müller  u.  Singer, 
Bd.  2,  1896,  S.  270;  Müller,  A.  KUnstlcr-Lex.  1884  S.  283;  Konversationslexika. 

Dr.  Berghoeffer. 

Keller,  Franz,  Kupferstecher,  ♦  im  Jahre  182 1  in  Linz  am  Rhein, 
f  3.  November  1896  in  Düsseldorf.  K.  war  Schüler  seines  Bruders  Joseph 
Keller  (f  1873)  in  der  Kupferstecher-Klasse  der  Düsseldorfer  Kunstakademie. 
Arbeitete  ausschliesslich  in  der  sog.  Zeichnungs-  oder  Kartonmanier.  Von 
seinen  Arbeiten  sind  hervorzuheben:     Der  Heiland  als  guter  Hirte  nach  der 


^4  2  Keller.     Roeting.     Pilz. 

Zeichnung  Steinle's  (1845),  ^^^  Friedrich  Barbarossa's  nach  Alfred  Retbcl 
(1849),  I^^r  Schutzengel  nach  Joseph  Führich  (1865),  Die  Himmelskönigin 
nach  Ernst  Deger,  Bildniss  des  N.  v.  d.  Fltie. 

Kunst  f.  Alle,  Jg.  12,  S.  93;  AUg.  KUnstler-Lcx.  3.  Aufl.  von  Müller  u  Singer,  Bd.  2. 
1896,  S.  320;  Muller,  A.  Biogr.  KUnstler-Lex.   1884,  S.  296. 

Dr.  Berghoeffer. 

Roeting,  Julius  Robert,  Geschieh ts-  und  Bildnissmaler,  ♦  13.  September 
1822  (nach  anderen  7.  September  1821)  in  Dresden,  f  22.  Mai  1896  in 
Düsseldorf.  R.  erhielt  seine  erste  künstlerische  Ausbildung  auf  der  Kunstakademie 
seiner  Vaterstadt  bei  Bendemann,  kam  1850  nach  Düsseldorf  und  wirkte  sei: 
1868  als  Professor  an  der  Akademie  daselbst.  Hauptwerke:  Columbus  vor 
dem  hohen  Rath  in  Salamanka  (185 1,  Museum  zu  Dresden),  Grablegurp 
Christi  (1866,  Kunsthalle  zu  Düsseldorf),  Christus  am  Kreuze  (in  der  Kirche 
zu  Leuten  in  Kurland),  die  Porträts  von  E.  M.  Arndt  (1859),  Emanuel 
Leutze  (1847),  Wilh.  v.  Schadow,  K.  F.  Lessing  (1852,  Kunsthalle  zu 
Düsseldorf)  und  Johannes  Ronge. 

Kunstchron.  Jg.  i,  S.  76 f.  Kunst  f.  Alle,  Jg.  8,  S.  42,  Jg.  11,  S.  302 f.;  AUg. 
Künstler-Lex.  von  A.  Seubert,  Bd.  3,  1882,  S.  159;  Müller,  H.  A,  Biogr.  Kttnstlcr-Lex- 
1884,  S.  45of.     Vapereau,  G.  Dict.  des  conteroporains,  1893,  S.  1358.  Meyers  Konv.-Lcx. 

Dr.  Berghoeffer. 

Pilz,  Vincenz,  Bildhauer,  ♦  den  14.  November  181 6  in  Wamsdorf  (Böh- 
men), f  den  27.  April   1896  in  Wien.    P.  bezog  1837  die  Wiener  Akademie, 
wo  er  in  der  Malschule  beginnen  musste,  bis  er  in  der  Bildhauerschule  Platz 
fand.     Hier  lieferte  er  unter  Kähssmann  und  Bauer  die  Basreliefs  »David  und 
Abigail«  und  »Die  Wiederberufung  des  Cincinnatus«,   erhielt  damit  den  Rei- 
chelpreis und  den  Hofpreis    und  ging  1849  mit  Staatsmitteln  nach  Rom,   wo 
Tenerani  und  Cornelius  seine  Lehrer  wurden.     Er  schuf  hier  die  Statue  Ulrichs 
V.  Liechtenstein,    ein  Basrelief  der  heil,  drei  Könige  und  den  Hausaltar    der 
Kaiserin  Elisabeth.      1855  l^ehrte  er  nach  Wien  zurück,  schloss  sich  anfangs 
mehr  an  Führich,    später  an  Rahl    an  und  entfaltete  eine  reiche  Thätigkeit. 
Im  Jahre    1864  unternahm  er  eine  Reise    nach  Italien,   Frankreich,   Holland. 
Von  seinen  ausserordentlich  zahlreichen  Werken  seien  ausser  den  bereits  an- 
geführten noch  die  folgenden  erwähnt:  Kreuzabnahme   flir  den  Fürsten  Liech- 
tenstein,   die   zwölf  Apostel   für  Graf  Brenner,  Meister  Pilgram    (Erbauer    der 
St.  Stephanskirche  in  Wien),  vier  Sandsteinreliefs  für  den  Dom  zu  Speyer,  die 
Bronzegruppe  Wissenschaft  und  Handel  (Geschenk  des  Kaisers  an  die  Königin 
Viktoria  von  England),  das  Staudigldenkmal  auf  dem  Matzleinsdorfer  Friedhof, 
die  vier  Evangelisten  für  die  evangelische  Schule  in  Wien,  die  Statuen  Hannib.al. 
Haynau,  Wenzel  und  Joh.  v.  Liechtenstein  für  das  Arsenal,  die  zwei  Flügel- 
rösse für  die  Loggienterrasse    des  Hofopernhauses  (jetzt  auf  der  Treppe   der 
Memorial  Hall  in  Philadelphia),  die  Statue  des  Fürstbischofs  Karl  Kollonitsch 
für  die  Elisabethbrücke  in  Wien,  die   Statue  des  Kaisers  Franz  Josef  für  die 
Stiftskaseme  in  Wien,  die  Statuen  des  Phidias  und  Perikles  für  die  Akademie, 
sechs  Statuen  für  das  kunsthistorische  Museum,   zehn  Statuen  von  Tondichtem 
für  das  Musikvereinsgebäude. 

Wurzbach,  C.  t.,  Biogr.  Lex.  d.  Kaiserthums  Oesterreich  Th.  22.  S.  308 — 312;  Allg. 
Künstler-Lex.  2.  Afl.  Ton  Seubert  Bd.  3.  1882.  S.  71  f.;  Müller,  H.  A.  Künstler-Lex.  2.  Ausg. 
1884.  S.  419;   Eisenberg  u.  Groncr,  Das  geist.  Wien  1889.  S.  155. 

Dr.  Berghoeffer. 


Rumpf.     Streckfuss.     Schweinitz.  ^^^ 

Rumpf,  Peter  Philipp,  Maler,  ♦  den  19.  Dez.  1821  in  Frankfurt  a.  M., 
-f-  cien  16.  Jan.  1896  ebendaselbst.  R.  war  Conditor,  lernte  die  Bildhauerkunst 
vinter  Zwerger,  wurde  1838  Schüler  des  Staedel'schen  Kunstinstituts  unter 
Rüstige,  leitete  15  Jahre  lang  in  Frankfurt  a.  M.  eine  Privatkunstschule, 
machte  Studienreisen  nach  München,  Dresden,  Paris  und  Oberitalien  und  Hess 
sich  1875  in  Kronberg  bei  Frankfurt  a.  M.  nieder.  Er  malte  Landschaften, 
Portraits  und  Familiengenrebilder. 

Allg.  Künstler-Lez.  2.  Aufl.  von  A.  Seubert  Bd.  3.  1882  S.  182 f.;  MUller,  H.  A. 
Künstler-Lex.  d.  Gegen w.  2.  Aufl.  1884.  S.  453;  Kaulen,  W.  Freud  u.  Leid  im  Leben 
deutscher  Künstler.  1878.  S.  306 — 309. 

Dr.  Berghoeffer. 

Streckfuss,  Karl  Wilhelm,  Bildniss-  und  Landschaftsmaler,  ♦  den  3.  No- 
vember 1817  in  Merseburg,  f  den  6.  November  1896  in  Friedenau  bei  Berlin. 
S.  begann  1836  seine  Studien  in  Berlin  unter  Herbig,  ging  1837  nach  Düssel- 
dorf, wo  er  als  Schüler  Sohns  historische  Darstellungen  malte.     1840  ging  er 
nach   Berlin,  1841  nach  Paris,  wo  er  unter  Delaroche   arbeitete,  1843  nach 
Italien  und  Hess  sich   1844  in  Berlin  nieder.     Er  schuf  u.a.  folgende  Werke: 
Undine  (1838),  Ruth  und  Naemi  (1839),  Romulus  und  Remus  von  der  Wölfin 
gesäugt,    die  \Hier  Jahreszeiten,   Glaube  Liebe  Hoffnung,   Anna  v.  Oesterreich 
dem  empörten  Volke  Ludwig  XIV.  zeigend,  Mühle  bei  Petersdorf  in  Schlesien, 
Morgendämmerung  im  Urwald,  Blick  auf  Usedom.     1863  erfand  er  die  s.  g. 
Fluchtpunktschiene  zur  Zeichnung  perspektivischer  Parallelen. 

Allg.    Künstler- Lex.    2.  Aufl.   von   Seubert.     Bd.  3.     1882.     S.  379;    Müller,   H.  A. 
Künstler-Lex.  1884.  S.  509. 

Dr.  Berghoeffer 

Schweinitz,  Rudolf,  Bildhauer,  ♦  den   15.  Jan.  1839  i"  Charlottenburg, 
f  den  7.  Januar  1896  in  Berlin.     S.  war  Schüler  der  Berliner  Akademie  und 
Schievelbeins  (1855 — 65),  machte  Studienreisen  nach  Paris,  Rom,  Kopenhagen, 
München  und  Wien  (1865 — 66).     Er  war   Schievelbein    namentlich    bei  Aus- 
führung des  Steindenkmals  behilf  lieh  und  schuf  folgende  Hauptwerke :  Aehren- 
lesende  Ruth,  betende  Italienerin,  Psyche  (1871),  Gruppe  der  drei  bildenden 
Künste    für    das  Giebeldreieck    der  Nationalgalerie,    eine   Germania    für  das 
Kriegerdenkmal  der  Stadt  Gera  (1874),  drei  Kolossalgruppen  für  die  Königs- 
brücke zu  Berlin  (Rhein,  Oder  und  Kampf),  das  Standbild  des  Hochmeisters 
Hermann  v.  Salza  und   die  Reliefs  mit  der  Gründung  der  Stadt  Thom  und 
dem   Kampf  des  deutschen   Ordens  gegen  die  heidnischen  Preussen   für  die 
Weichselbrücke    in  Thom,    zehn   Statuen    für    das  Postament    des  Denkmals 
Friedrich  Wilhelms  III.  in  Köln  (Schoen,  Solms,  Scharnhorst,  Beuth,  W.  Hum- 
boldt, A.  Humboldt,  Niebuhr,  Gneisenau,  Arndt,  Motz,  1878),  Reliefs  aus  der 
Geschichte  Berlins  an  der  Balkonbrüstung  des  Berliner  Rathhauses,    der  ge- 
fährdete Amor  (Nationalgalerie,   1881),  tanzende  Bajadere,  Eva,   Marmorbüste 
des  Kronprinzen  Friedrich   Wilhelm  (1872),   des  Kaisers   Wilhelm  I.   (1882), 
Bronzebtisten   der  Feldmarschälle  Moritz  v.   Dessau,   Keith,    Gessler  für  die 
Ruhmeshalle  (1882 — 83),  Doppeldenkmal  der  Kaiser  Wilhelml.  und  Friedrich III. 
für  Fürstenwalde  (1893). 

Allg.  Künstler-Lex.  2.  Aufl.  von  A.  Seubert  Bd.  3.  1882.  S.  284;  Müller,  H.A.  Künst- 
ler-I^x.  2.  Ausg.  1884.  S.  483;    Konversationslexika. 

Dr.  Berghoeffer. 


^^^  SticharL     Trossin.     Vosz.     Erzherzog  Karl  Ludwig. 

Stichart y    Alexander,    Historienmaler,     *    im    Jahre    1838     xu    Werl:. 

i.  S.,  f  2.  Juli  1896  in  Jöhstadt  i.  S.  S.  besuchte  die  Dresdener  Akademi: 
unter  Schnorr  v.  Carobfeld,  studirte  dann  in  München  und  Anrvrerpcn  c^: 
van  Lerius,  arbeitete  einige  Jahre  bei  Griepenkerl  in  Wien  und  liess  sie'*: 
Anfang  der  70er  Jahre  in  Dresden  nieder.  S.  malte  religiöse  Bilder  und  Samme'- 
bilder  zu  Märchen.  Er  gehörte  dem  Verein  bfldender  Künstler  £>resde!^ 
(Secession)  an. 

Kunst  f.  Alle,  Jg.  ii,  332. 

Dr.  Berghoeffcr- 

Trossin,  Robert,  Kupferstecher,  *  14.  Mai  1820  in  Bromberg,  t  i-  Fe- 
bruar 1896  in  Berlin.  T.  war  in  Berlin  1835 — 44  Buchhom's,  1844 — 4^  blande!  ^ 
Schüler,  wurde  im  Jahre  1850  zur  Leitung  der  Kupferstechschule  nach 
Königsberg  berufen,  wo  er  35  Jahre  lang  als  Lehrer  wirkte,  um  dstnn  nach 
Berlin  zurückzukehren.  Stiche:  Italienischer  Fischerknabe  nach  Magnus  '1846  . 
Bildniss  A.  v.  Humboldt*s  (1850),  Bildniss  des  Grafen  v.  Kayserling  für  die 
neue  Ausgabe  der  Werke  Friedrich's  des  Grossen,  Mater  dolorosa  nach  Guido 
Reni  (1852),  Quirl  Verkäuferin  aus  dem  Harzgebirge  nach  Fjd.  Meyerbeim  zu- 
sammen mit  G.  Michaelis  (1855),  die  Tochter  Jephta's  nach  Jul.  Schrader 
(1859),  der  betende  Mönch  am  Sarge  Heinrich's  P/.  nach  Lessing,  Dilettanten- 
quartett  nach  Hiddemann  (1868),  Sonntagnachmittag  in  einem  schwäbischen 
Dorf  nach  Vautier,  ein  Tierstück  nach  Frdr.  Voltz,  der  Morgengruss  nach 
Carl  Becker,  Vision  des  heil.  Antonius  von  Padua  nach  dem  Berliner  Bilde 
des  Murillo  (1877),  Venetianerin  nach  Savoldo,  Carl's  I.  Tochter  nach  %"an 
Dyck,  im  Witt^'enschleier  nach  Defregger. 

Die  venrielfUt  Kunst  der  Gegenw.  II,  1891,  S.  89 f.  (R.  Mather);  Seubert  A.,  Allg. 
Künstler-Lex.  Bd.  3,  1882,  S.  451  f.;  Müller,  A.  Kfinsüer-Lex.  1884,  S.  526. 

Dr.  Berghoeffer. 

Vosz,  Karl,    Bildhauer,    *   5.  November   1825  zu  Dünnwald  bei  Köln, 

f  22.  August  1896  in  Bonn.    V.  studirte  in  München,  Brüssel  und  Rom.    Flr 

bethätigte  sich  ausschliesslich  in  der  antik isirenden  Richtung.    Werke:  Brunnen 

im  Centralpark    zu  Boston,    Bacchantin    mit  dem  jungen  Bacchus   scherzend 

(Schloss  zu  Berlin),  Ganymed  (Orangerie  in  Potsdam),  Hebe  den  Adler  tränkend, 

Amor  und  Psyche  (die  beiden  letzteren  im  Museum  zu  Köln),    Rebekka    am 

Brunnen,  Loreley,  Ruth  (für  den  Freiherm  von  Di ergardt- Viersen),  Sappho. 

Kunst  f.  Alle,  Jg.  12,  28;  Seubert,  Allg.  Künsüer-Lex.,  Bd.  3,   1882,  S.  536;  Malier, 
A.  Künstler-Lex.  1884,  S.  541. 

Dr.  Berghoeffer. 

Karl  Ludwig,  Erzherzog  von  Oesterreich,  *  am  30.  Juli  1833  zu  Schön- 
brunn, f  am  19.  Mai  1896  in  Wien.  —  Der  Vater,  £rzherzog  Franz  Karl, 
♦  am  27.  December  1802,  hatte  sich  am  24.  November  1824  mit  der  neun- 
zehnjährigen Prinzessin  Sophie  von  Bayern,  Tochter  des  Königs  Maximilian  I. 
und  der  zweiten  Gemahlin  desselben,  Prinzessin  Karoline  von  Baden,  in  sei- 
nem 22.  Lebensjahre  vermählt.  Nachdem  am  18.  August  1830  Kaiser  Franz 
Josef  und  am  6.  Juli  1832  Erzherzog  Ferdinand  Max,  Kaiser  von  Mexico,  ge- 
boren waren,  erblickte  Erzherzog  K.  L.  als  dritter  Sohn  das  Licht  der  Welt. 
Der  junge  Erzherzog  war  von  schwacher  Gesundheit;  er  hatte  die  Kinderkrank- 
heiten zu  überstehen  und  bekam  einen  Typhus,  bei  dem  man  für  sein  Leben 


Erzherzog  Karl  Ludwig.  44  e 

fürchtete.     Nach  der  Genesung  aber  entwickelte  er  sich  alsbald  um  so  kräf- 
tiger   und  gedieh  in  den  Jiinglingsjahren  zu  besonderer  Rüstigkeit.    Einen  vor- 
trefflichen Einfluss  übte  auf  das  Gemüth   des  jungen  Prinzen  Baronin  Marie 
l^ouise  Sturmfeder,   Tochter  des  kurpfälzischen  Geheimen  Rathes  Karl  Theo- 
dor Freiherm  Sturmfeder  von  und  zu  Oppersweiler,  die  als  Aja  den  Erzherzog 
sowie  die  älteren  Prinzen  während  der  Kinderjahre  leitete.    Erzherzog  K.  L. 
bewahrte  ihr  die  kindliche  Anhänglichkeit  für  immer,  und  1866  erwies  er  ihr, 
nacHdem  er  zwei  Tage  an  ihrem  Sterbelager  geweilt  hatte,  auf  dem  Schmelzer 
Friedhofe  die  letzte   Ehre.      Als  der  junge  Erzherzog  unter  männliche  Hand 
kommen  sollte,  wurde  er  dem  Grafen  Heinrich  Franz  Bombelles,  einem  edel- 
gesinnten, gründlich  gebildeten  Manne,  anvertraut,  der  bereits  seit  1836,  nach- 
dem er  zuletzt  Gesandter  in  Turin  gewesen,    im   Hause   als  Ajo  der  beiden 
älteren  Prinzen  thätig  war.    Drei  Dienstkämmerer   des  Erzherzogs  Franz  Karl 
waren  zur  Unterstützung  und  gemeinsamen  Dienstleistung  beigegeben,  indessen 
war  jeder  einem  der  Erzherzoge  besonders  zugetheilt.     Dem  Erzherzoge  Franz 
Josef  war  Reichsgraf  Johann  Baptist  Alexius  von  Coronin i-Cronberg,  dem  Erz- 
herzog K.  L.  Graf  Karl  Morzin  zugewiesen.     Den  ersten  Unterricht  gab  der 
Oberfeuerwerker  Johann  Ritter  von  Wittek,  nachmals  Oberlieutenant  der  Tra- 
l>antenleibgarde.    Erzherzogin  Sophie  nahm  an  der  Organisation  des  Unterrichts 
den  regsten  Antheil  und  war  häufig  bei  den  Lectionen  anwesend.     Um  auch 
den  Wetteifer  anzuregen,  hatte  sie  die  Einrichtung  getroffen,  dass  die  gleich- 
alterigen  Spielgenossen  der  hohen  Zöglinge  dem  Unterrichte  beiwohnen  durften. 
Der  junge  Graf  Franz  Coronini,  nachmals  Präsident  des  Abgeordnetenhauses, 
nahm  an  den  Lemstunden  des  Erzherzogs  K.  L.  theil.  Der  Unterricht  wurde 
fachmännischen  Kräften  Übertragen.     Religion  lehrte  der  Domherr  Columbus, 
Geschichte  Professor  Fick.     Für  den  Unterricht  in  der  Philosophie  wurde,  als 
Krzherzog  Franz  Josef  im  fünfzehnten    Lebensjahre  stand,   der  Director  der 
Orientalischen  Akademie,  Abt  Rauscher,  der  nachmalige  Cardinal  und  Fürst- 
erzbischof von  Wien,  berufen.    »Ich  sehe  mich  also  genöthigt«   —  so  schrieb 
Rauscher  1844  an  Cardinal  Schwarzenberg  nach   einer  Bemerkung  Über  den 
damaligen  Stand  der  philosophischen  Litteratur  —  »zum  Behufe  meiner  Vor- 
träge einen  Abriss  der  Philosophie  zu  verfassen,  und  ich  brauche  Eurer  Emi- 
nenz nicht  zu  sagen,  dass  dies  keine  kleine  Aufgabe  ist.«    Im  Herbst  1845  unter- 
nahm der  Erzherzog  mit  seinen  älteren  Brüdern  eine  Reise  nach  Italien  und  machte 
1 847  eine  Fahrt  nach  Böhmen.     Die  inzwischen  fortgesetzten  Studien  wurden 
bald  durch  die  Märztage  und  deren  Folgen  gestört.    Am  25.  April  1848  wohnte 
der  Erzherzog  mit  seinem  Vater  und  ältesten  Bruder  der  Revue  über  die  Na- 
tionalbtirgergarde  und  Studentenlegion  auf  dem  Glacis  bei  und  nahm  an  dem 
Feldgottesdienste  zur  Feier  der  Constitution  theil.     Doch  schon  am  18.  Mai 
reiste,  nachdem  sich  Erzherzog  Franz  Josef  auf  den  italienischen  Kriegsschau- 
platz begeben  hatte,    Erzherzog  K.  L.   mit   seinem  Bruder  Ferdinand  Max, 
den  Eltern  und  dem  kaiserlichen  Hofe   von  Wien  nach  Innsbruck.     Der  be- 
geisterte Empfang,  den  die  Bevölkerung  hier  dem  Hofe  bereitete,  machte  auf 
den  Erzherzog  einen  bis  ans  Lebensende  nachhaltenden  Eindruck.     Während 
des  elfwöchentlichen  Aufenthaltes  in  dem  schönen,  kaisertreuen  Tirol  gewann 
er  für  das  Land  und  dessen  Bewohner  eine  Vorliebe,  die  vermuthlich  eine  Ur- 
sache war,  dass  er  grade  hier  seine  staatsmännische  Thätigkeit  beginnen  sollte. 
Am  8.  August  reiste  der  Hof  von  Innsbruck  zurück  und  bezog  das  Lustschloss 
Schönbrunn,   aber  schon   am   6.  October  wurde  die  Reise  nach  Olmütz  an- 
getreten,   wo    die   kaiserliche   Familie    mit    dem    erzherzoglichen    Hause    am 


^^6  Erzherzog  Karl  Ludwig. 

14.  October  ankam.  Die  Studien  nahmen  ihren  Fortgang.  Neben  dem  Unter- 
richt in  fremden  Sprachen,  der  erprobten  Meistern  aus  Wien  anvertraut  war, 
wurden  mihtärwissenschaftliche  Fächer  von  dem  Hauptmann  Baron  Safi&an 
gelehrt.  Rauscher,  der  zu  den  Vorträgen  über  Philosophie  auch  die  für  Ge- 
schichte übernommen  hatte,  wurde  gleichfalls  an  das  Hoflager  nach  Olmütz 
berufen.  Höchst  erfreut  war  der  fünfzehnjährige  Erzherzog,  als  er  1848  zum 
Oberst- Inhaber  des  zweiten  Cheveauxlegers- Regimentes  (Ulanen -Regimentes 
Nr.  7)  ernannt  wurde.  Obwohl  er  sich  damals  für  militärische  Dinge  sehr 
interessirte,  so  war  die  militärische  Laufbahn  nicht  seine  Bestimmung.  Die 
Betheiligung  an  der  obersten  Staatsverwaltung  ward  schon  bei  seiner  Vorbil- 
dung in  Aussicht  genommen.  Bezüglich  des  Thronwechsels,  der  sich  am  2.  De- 
cember  1848  in  Olmütz  vollzog,  liegt  keine  Aeusserung  des  Erzherzogs  vor. 
Im  Mai  kehrte  das  erzherzogliche  Haus  nach  Schönbrunn  zurück  und  übersie- 
delte am  28.  November  in  die  Hofburg  nach  Wien.  Die  philosophischen 
Studien  fanden  ihren  Abschluss,  als  Rauscher  im  April  1849  ^^^  Fürstbischof 
von  Seckau  consecrirt  worden  war.  Bald  darauf  ward  Johann  von  Perthaler 
berufen,  den  beiden  Erzherzogen  Ferdinand  Max  und  K.  L.  Vorträge  über 
Rechts-  und  Staatswissenschaften  zu  halten.  Er  war  eben  aus  dem  Frankfurter 
Parlament,  wo  er  durch  die  Schrift  »Das  Erbkaiserthum  Kleindeutschland«, 
den  grossdeutschen  Standpunkt  vertreten  hatte,  zurückgekommen  und  im  Mai 
1849  wieder  ins  Justizministerium  eingetreten,  als  er,  durch  Freiherm  von 
Pratobevera  empfohlen,  die  ehrenvolle  Berufung  an  den  Hof  erhielt.  Auch 
nach  Abschluss  dieser  Vorträge,  1853,  blieb  der  Erzherzog  mit  Perthaler  bis 
zu  dessen  Tode,  1862,  in  regem  Verkehr.  Er  erhielt  von  ihm  geistvolle  Briefe 
in  Lemberg  während  des  Krimkrieges  und  in  Innsbruck  über  die  Administration 
Tirols.  Ausser  den  sechs  an  den  Erzherzog  gerichteten  Briefen,  die  unter 
den  nachgelassenen  Schriften  Perthalers  veröffentlicht  wurden,  befinden  sich  im 
Nachlasse  des  Erzherzogs  noch  zahlreiche  Briefe,  die  einer  besonderen  Publi- 
cation  vorbehalten  sein  mögen  und  um  so  interessanter  sind,  als  Perthaler  seit 
1859  Schmerling  beim  Entwurf  der  Verfassung  zur  Seite  stand  und  wichtige 
Staatsschriften,  wie  das  Februarpatent,  die  Adresse  des  Gesammtministeriums 
an  den  Kaiser  sowie  besonders  die  Thronrede  vom  1.  Mai  1861  abfasste.  Im 
Herbst  1850  bereiste  der  Erzherzog  mit  seinem  Bruder  F'erdinand  Max  den 
Orient.  Die  jungen  Erzherzoge  fuhren  über  Triest  nach  Athen  und  Srnj-ma. 
Nachdem  Erzherzog  K.  L.  1852  mit  dem  Orden  des  goldenen  Vlieses  geschmückt 
worden  war,  wurde  er,  um  in  den  praktischen  Verwaltungsdienst  eingeführt 
zu  werden,  der  galizischen  Statthalterei  zugetheilt.  Während  seines  Aufenthaltes 
in  Lemberg,  wo  er  am  23.  December  1853  eintraf,  legte  er  durch  sein  ge\vin- 
nendes  Wesen  den  Grund  zu  jener  Beliebtheit,  deren  er  sich  bei  den  Polen 
durch  sein  ganzes  Leben  erfreute.  Mit  dem  Statthalter  Grafen  Goluchowski 
nahm  er  mehrere  Bereisungen  des  Landes  vor.  Den  Orientkrieg,  der  sich  in 
jener  Zeit  entwickelte  und  das  Grenzland  so  nahe  anging,  verfolgte  der  Erz- 
herzog mit  lebhaftem  Interesse.  Er  Hess  sich  über  die  Stimmung  der  pol- 
nischen und  der  Tuthenischen  Bevölkerung,  über  alle  Vorkehrungen  finanzieller 
und  militärischer  Art  ausführlich  berichten.  Im  Januar  1854,  als  die  West- 
mächte ihre  Flotten  ins  Schwarze  Meer  gesendet  hatten,  machte  Perthaler  den 
Erzherzog  auf  die  Absichten  Russlands  aufmerksam  und  setzte  ihm  die  An- 
sprüche Oesterreichs  auseinander,  die  Mettemich  zur  Zeit  des  Friedens  von 
Adrianopel  1829  nicht  zu  wahren  gewusst  hatte.  Er  schrieb:  »Ueberall  hört 
man  von  Uneigennützigkeit,   und  doch  ist    allenthalben    nur  Gierde  nach  der 


Erzhersog  Karl  Ludwig.  44  y 

Xieute  zu  erkennen.    Und  ist  auch  nur  ein  Schatten  von  Recht  für  diesen  Besitz- 
n ehmungseifer  der  genannten  Staaten  vorhanden?    Wenn  irgend  ein  Staat  ein 
TR^echt    geltend  machen  kann,    so    ist   es  Oesterreich    und  Oesterreich    allein. 
Eis  ist  ein  weltgeschichtliches  Entscheidungsrecht,  welches  von  Oesterreich  in 
die  Wagschale  gelegt    werden  kann  .  .  .    Mit    österreichischem  Blute    ist    die 
I^'reiheit  Europas    vom    türkischen  Uebermuthe   erkauft,    und    wenn    nun    die 
t:lirkischen  Barbaren  aus  Europa  weichen,  so  hat  Oesterreich  allein  das  Recht, 
zu    sagen:    Kraft    eines    unleugbaren  Entschädigungsrechtes    gebürt    das    ver- 
lassene Lager  mir!    Oesterreich  hat  noch  keinen  Preis  für  dieses  sein  helden- 
müthiges  Ringen,    es    hat   noch  nicht  einmal  den  Ersatz  dessen  erlangt,    was 
es    für   sich    und  Europa   im  Kampfe    mit    der  Türkei    eingesetzt   hat  .  .  .« 
Doch  spricht  Perthaler    mit   Rücksicht    auf   die    damalige  Lage  den  Wunsch 
a.us,   dass  Oesterreich  neutral  bleiben  möge.     Es  soll  damals  die  Absicht  be- 
standen   haben,    dem   Kronlande    Galizien    eine    grössere    Selbständigkeit    zu 
verleihen    und  den  Erzherzog  als  Vicekönig  oder  Gouverneur    an    die  Spitze 
dieses  Königreiches  zu  stellen.    Wenn  aber  dieses  Project  überhaupt  ernstlich 
ins  Auge  gefasst  wvu'de,  so  Hessen  die  Beziehungen  zu  anderen  Mächten  und 
die  Consequenzen  für  die  innere  Politik  die  Ausführung  eines  solchen  Planes 
nicht  rathsam  erscheinen.     Erzherzog  K.  L.  wurde  am  30.  Juli  1855,    als  er 
eben    sein  22.  Lebensjahr  vollendet   hatte,    zum  Statthalter  des  Landes  Tirol 
ernannt,    unter   gleichzeitiger    Beförderung    zum  Generalmajor.     Nachdem    er 
die   schon   längst  beabsichtigte  Reise   in  die   Bukowina  unternommen    hatte, 
verliess  er  Lemberg  am  19.  August  1855. 

Die  Tiroler  empfanden  die  Ernennung  des  neuen  Statthalters  als  Beweis 
besonderer  kaiserlicher  Gnade  und  als  Bürgschaft  der  Abhilfe  und  Errettung 
aus  Zuständen  und  Verhältnissen,  von  denen  sie  sich  bedrückt  fühlten,  und 
bereiteten  dem  Erzherzog,  als  er  im  September  erschien,  einen  überaus  be- 
geisterten Empfang.  Im  October  unternahm  der  Erzherzog  die  erste  grosse 
Bereisung  seines  Verwaltungsgebietes,  1856  machte  er  noch  eine  besondere 
Reise  nach  Vorarlberg,  1857  ins  Pusterthal,  1858  nach  Südtirol.  Er  ver- 
schaffte sich  stets  genaue  Kenntniss  aller  Verhältnisse.  In  den  Kreisämtem 
und  Präturen  sah  er  die  Acten  durch  und  gewann  Einblick  in  die  Amts- 
führung; er  besuchte  Gefängnisse,  Spitäler  und  Kinderasyle,  schenkte  den 
Schulen,  namentlich  den  Gymnasien,  besondere  Aufmerksamkeit  und  nahm 
P^abriken  und  Gewerkschaften,  Uferschutzbauten  und  Strassenanlagen  in 
Augenschein.  Für  den  Bauernstand,  der  mit  harter  Arbeit  sein  Dasein 
fristet,  hatte  er  ein  warmfuhlendes  Herz.  An  der  Ausdehnung  und  Verschö- 
nerung der  Landeshauptstadt  nahm  er  regen  Antheil.  Das  Statthalterei- 
gebäude in  Innsbruck  erweiterte  er  durch  einen  wichtigen  Zubau  und  brachte 
das  werthvolle  Archiv  in  zweckdienlich  eingerichteten  Räumen  unter.  Im 
Schlosse  Ambras  nahm  er  nach  Förster's  Entwürfen  die  nothwendigen  Aen- 
derungen  vor,  um  es  bewohnbar  zu  machen.  Er  bemühte  sich,  leider  ohne 
Erfolg,  die  Rücksendung  der  Ambraser  Sammlung  von  Wien  nach  Tirol 
durchzusetzen.  Die  Erhaltung  alter  Bauten,  historischer  und  Kunstdenkmäler 
liess  er  sich  immer  angelegen  sein.  Zur  Wiederherstellung  der  landesfürst- 
lichen Burg  in  Meran  widmete  er  einen  namhaften  Betrag  und  den  Altar 
zu  St.  Katharina  in  der  Scharte  liess  er  auf  eigene  Kosten  neu  herrichten. 
Für  die  Restaurirung  des  Domes  in  Trient  verdankt  man  ihm  die  Essen- 
wein'schen  Pläne.  Besonders  war  er  auch  auf  die  Förderung  der  Gewerbe 
bedacht.    Durch  ihn  wurde  zum  erstenmal    in  Tirol  der  erst  34  Jahre  später 


^^8  Enhenog  Karl  Ludwig. 

verwirklichte  Plan  angeregt,    eine  Landesausstellung  für  Kunst,   Industrie  und 
Gewerbe    zu  veranstalten.     Es  war  der  15.  Mai   1859  als  Tag  der  Ejöflhung 
festgesetzt,  und  nur  der  Krieg  verhinderte  die  Ausfuhrung.    Hohe  Veixücnste 
erwarb  er  sich  um  die  Ausbildung  der  ständischen  Verfassung  und  der  Landes- 
vertretung.     Schon  1858  hatte  er  einen  Preis  von  25  Ducaten    für  die  beste 
Bearbeitung    der    »Geschichte    der    Entwickelung    der    tirolischen    StändeTcr- 
fassung    vom    14.    Jahrhundert    bis    einschliesslich    zum    sogenannten     ofiener. 
Landtag  des  Jahres  1790«  ausgeschrieben.     Inzwischen  brach  der  italienische 
Krieg  aus,    und    mit  der  Organisation  der  Landesvertheidigung  liess   sich  zu- 
nächst die  Erweiterung  des  Landesausschusses  verbinden.     Als  der  Erzherzog 
von  seiner  Reise,    die  er  nach  dem  Tode  seiner  ersten  Gemahlin  nach   Rom 
unternommen  hatte,    1859  in   aller  Stille  nach  Innsbruck    zurückgekehrt  war, 
begannen    die  Truppenmärsche  ins  Venezianische.     Mit  grösstem  Eifer  setzte 
der  Erzherzog    alle  Kräfte    ein,   um  die  Tiroler  und  Vorarlberger  Landesver- 
theidigung   zu  reorganisiren  und  ihr  die  Wehrkraft    zu  verleihen,    die     dieser 
alten  Einrichtung  entsprach.     Im  Mai  1859    brachte    der  Erzherzog   die  vom 
Kaiser     genehmigte    Landesvertheidigungsordnung     bereits     zur     allgemeinen 
Kenntniss.     Sie  war  so  vortrefflich  eingerichtet,  dass  unter  freier  Bethätigung 
der  Gemeinden    und  Berücksichtigimg    der  Leistungsfähigkeit    die  Aufstellung 
der    ganzen  Mannschaft  von  24  000  Köpfen    keinerlei  Schwierigkeiten     bieten 
konnte.     Als    Garibaldi    die    tirolische    Grenze    bedrohte,    veröffentlichte    der 
Erzherzog-Statthalter    das  vom  i.  Juni  1859   aus  Verona  datirte  Manifest  des 
Kaisers    »An    Meine    treuen  Tiroler   und  Vorarlberger«,    durch    welches    die 
I^andesschützen    zu    den  Waffen    gerufen  wurden.     Sodann    bereiste  der  Erz- 
herzog alle  Thäler  und  betrieb  persönlich  die  Bildung  der  Schützencompagnien. 
Am  Tage  nach  der  Schlacht  von  Solferino    befand  er  sich  auf  der  Reise  ins 
Pusterthal,    wo  sich  italienische  Emissäre  und  Spione  als  Holzhändler  herum- 
trieben.    Nachdem    am    12.  Juli    der    Waffenstillstand    von    Villafranca    dem 
Kampfe  ein  unerwartetes  Ende  bereitet  hatte,  kehrte  der  Prinz  am  18.  Juh   von 
Bozen  nach  Innsbruck  zurück.     Ueberall  hatte  er  die  Tiroler    zu  stürmischer 
Begeisterung  entflammt.     Eine  bewunderungswürdige  Opferwilligkeit  und   Hin- 
gebung   war    die  Folge    seiner    persönlichen  Einflussnahme  gewesen.     In  der 
kurzen  Zeit  waren    50  Schützencompagnien    mit  7500  Mann    an    die  Grenze 
marschirt,    8  Compagnien  standen  marschbereit,  und  in  wenigen  Tagen   wäre 
das  ganze  Contingent  von  24  000  Mann  kampfbereit  dem  Feinde  gegenüber- 
gestanden.    Noch  am   12.  Juli  drückte  der  Kaiser  von  Verona  aus  durch  ein 
Handschreiben  den  Tirolern  für  die  bewiesene  Opferwilligkeit  in  höchst  gnä- 
digen Worten    seinen    Dank    aus.     Erzherzog  K.  L.  gab    zahlreiche    Beweise 
der  Erkenntlichkeit  in  Wort  und  That.     Als  das  nach  der  Entlassung  Bach 's 
berufene  Ministerium  Goluchowski  ständische  Vertretungen    für  die  einzelnen 
Länder  verhiess,  besass  Tirol  bereits  den  durch  das  Eingreifen  des  Erzherzog- 
Statthalters  verstärkten  Ausschuss.    Es  war  eine  verdiente  Anerkennung,  dass 
der  Kaiser  dem  Erzherzog  am  21.  September  1859  *^  ^*^  vielen  Verdienste, 
die  sich  der  Erzherzog  als  Statthalter  und  in  der  letzten  bewegten  Zjeit  durch 
unermüdete  Fürsorge  fiir  das  Beste  des  Landes  erworben  hat«,  das  Grosskreuz 
des  St.  Stephansordens  verlieh.    Der  Wunsch  des  Landes  nach  Verminderung 
der  Uebertragungsgebüren    fiir   bäuerlichen    Grundbesitz  ward    durch   kaiser- 
lichen Gnadenact    vom    11.  Januar   1860    erfüllt.      Die   Frage   der  Ansässig- 
machung    von  Akatholiken    oder    die  Aufrechterhaltung   der    Glaubenseinheit 
im  Lande  wurde   als    eine    nach    den  Worten    des  Kaisers   von   allen  Seiten 


Erzherzog  Karl  Ludwig.  44 q 

reiflicher  Erwägung  bedürftige  Angelegenheit  dem  künftigen  Landtage  zur  Be- 
handlung   zugewiesen.     Die  Berathungen    über    die  Landesordnung    erfolgten 
unterdessen  im  Landhause  unter  dem  Vorsitze  des  Erzherzogs.     Am  20.  Oc- 
tober   1860  wurde  die  neue  Landesordnung  gleichzeitig  mit  dem  Erscheinen 
des   die    Reichsverfassung  betreffenden  Diploms  vom  Kaiser  genehmigt.     Als 
indessen    am    13.    December     1860    Graf  Goluchowski   zurückgetreten    und 
Schncierling  als  Staatsminister  berufen  worden  war,   trat  der  reichseinheitliche 
Gedanke  in  den  Vordergrund  und  durch  das  Februarpatent  vom  26.  Februar 
1861,    das  neue  Staatsgrundgesetz    für   die  Reichs-    und  Landesvertretungen, 
wurde  die  tirolische  Landesverfassung  erweitert  und  abgeändert.    Am  6.  April 
1861    eröffnete  Erzherzog  K.  L.  unter  grossen  Feierlichkeiten  den  neuen  Land- 
tag.   Zwei  Tage  darauf  erschien  das  Patent  vom  8.  April  1861,  durch  welches 
den  Protestanten  in  allen  deutschen  und  slavischen  Erbländem,  unter  denen 
Tirol    ausdrücklich    genannt   war,    freie    Religionsübung    zugesichert   wurde. 
Doch  glaubte  der  tirolische  Landtag  im  Hinblick  darauf,  dass  die  Religions- 
frage   durch    das  kaiserliche  Handschreiben    vom  7.  September  1859    seiner 
Berathung  zugewiesen  worden  war,  bei  der  früheren  Resolution  des  ständischen 
Ausschusses    beharren    zu   können,    und  erhob  am  17.  April  den  durch  den 
Hinweis    auf  Tirols  Privilegien  und  entsprechende  Zustände  in  Mecklenburg, 
Sachsen- Weimar  und  anderwärts  begründeten  Antrag  des  Fürstbischofs  Vincenz 
Gasser  von  Brixen  zum  Beschlüsse,    dass    das  Recht    der  Oeflfentlichkeit  der 
Religionsübung  in  Tirol  nur  der  katholischen  Kirche   zustehe.     Der  Landtag 
wurde  am  24.  April  geschlossen.      Der  Erzherzog-Statthalter  dankte,   als  die 
Deputation  des  Landtages  von  ihm    in  Audienz  empfangen  wurde,    dem  Be- 
richterstatter des  Ausschusses  in  der  Religionsfrage,  über  dessen  Eintreten  für 
die  Glaubenseinheit  erfreut,  und  drückte  seine  Sympathie  aus.  An  demselben  Tage 
reiste  er  nach  Wien,  um  über  die  Ergebnisse  der  Landtagssession  zu  berichten 
und  bei  der  Eröfihung  des  Reichsrathes  am  i.  Mai  1861    anwesend  zu  sein. 
Der  Erzherzog  sah  alsbald,  dass  die  Dinge,  die  sich  in  Wien  vollzogen,  mit 
den  Anschauungen  und  Empfindungen  des  von  ihm  verwalteten  Landes  nicht 
in  Einklang  zu  bringen  sein  würden,  und  bemühte  sich,  zunächst  beruhigend 
und   beschwichtigend    auf   die  Bevölkerung  Tirols    einzuwirken.     Er    erklärte 
dem  Fürstbischof  brieflich,  er  bleibe  seiner  bekannten  Ueberzeugung  in  Bezug 
auf  die  Glaubenseinheit  in  Tirol  treu,    aber    die  Agitation   gegen  das  Patent 
vom  8.  April  1861  dürfe  er  nicht  dulden,    sie  sei   unklug  und   ungesetzlich. 
Als  der  Fürstbischof  am  18.  Juni  seine  Antwort  an   den  Erzherzog  abgehen 
Hess,  erhielt  er  den  Erlass  Schmerling' s,  dass  dem  Landtagsbeschluss  vom  1 7 . 
April  die  Allerhöchste  Sanction  nicht   ertheilt  worden  sei.     Erzherzog  K.  L. 
richtete  am  17.  Juni  von  Schönbrunn  aus  an   die  Bezirksämter  Tirols    einen 
Erlass,    in    welchem  er  bezüglich    der  Sammlung    von  Unterschriften  für  ein 
die  Glaubenseinheit  betreflendes  Majestätsgesuch,  das  man  dem  Kaiser  durch 
eine  Deputation  überreichen  wolle,   erklärte,   dass  der  Kaiser  die  Absendung 
einer  solchen  Deputation  nicht  billige.    Am  19.  Juni  beantwortete  Schmerling 
eine  Interpellation  über  den  Beschluss  des  tirolischen  Landtages  mit  der  Eröffnung, 
der  Kaiser    habe    die  Sanction  abgelehnt    und    den  Erzherzog-Statthalter  an- 
gewiesen, die  Agitation  zu  Gunsten  des  Beschlusses  nicht  zu  dulden.     Durch 
einen  neuen  Erlass  vom    23.  Juni  i86i    forderte    der  Erzherzog    die  Tiroler 
Bezirksämter  auf,  die  Bevölkerung  mit  Ernst  und  Nachdruck  zu  belehren,  sie 
möge    sich  vor    übereilten  Schritten    bewahren,    damit    strengere  Massregeln 
überflüssig  würden,   und   die  Bevölkerung   möge  sich  diesfalls  mit  den  kirch- 

Blogr«  Jalirb.  a.  Dentscher  Nekrolog.    2.  Bd.  20 


4 CO  Erzherzog  Karl  Ludwig. 

liehen  Organen  ins  Einvernehmen  setzen.     Schon  seit  dem  Herbst    1859,  <b 
die  Arbeiten  für  die  Verfassung  ihren  Anfang  nahmen,  waren  Befurchtunges 
laut  geworden,    dass    die  Stellung    eines  kaiserlichen  Prinzen   mit    dem  Arzt 
eines  Statthalters  künftig  nicht  mehr  würde  vereinbar  sein,   da  mit    der  Ei> 
führung  der  Reichsverfassung  nicht  allein  die  Provinzialverwaltung  eingeschränki 
würde,  sondern  insbesondere  auch  die  Statthalter  in  dienstliche  Abhängigker 
von  dem  Ministerium,  das  dem  Reichsrath  verantwortlich  ist,  gerathen  musster. 
Der  Erzherzog-Statthalter,    der    die    Folgen    der    geänderten  Verhältnisse  er- 
kannte, huldigte  einer  streng  conservativen  Richtung  und  vertrat  den  reichs- 
einheitlichen Standpunkt  der  pragmatischen  Sanction;  doch  wollte  er  die  be- 
rechtigten   Eigenthümlichkeiten    der   Länder    gewahrt    und    geschont    wisser. 
Er  wünschte  nicht  nur,  dass  alle  Völker  des  Reiches  zu  strenger  Einheit  ge- 
fügt und  mit  den  unlöslichen  Banden   der  gemeinsamen  Interessen   fest    um- 
schlossen   seien,    sondern    auch,    dass    die  Besonderheiten    aller  Länder  dci 
Monarchie  erhalten    und  veredelt  würden,    in    der  Ueberzeugung,    dass    (^t 
Sonderinteressen  der  Theile  unter  der  Macht  der  Gerechtigkeit  und  des  Wohl- 
wollens einander  nicht  widerstreiten.    Bei  der  hohen  Achtung,  von  der  er  Pir 
die  Majestät  des  Kaisers   erfüllt  war,    bei    der    innigen    und  wechselseitig^^n 
Liebe,  die  ihn    mit  dem  kaiserlichen  Bruder  verband,  bei  dem  strengen  Gt- 
horsam,    mit    dem  er  sich  dessen  Befehlen  unterwarf,  schloss  er  sich  in  der 
schwierigen    Verfassungsfragen    stets  den  EntSchliessungen    des    Kaisers    aui- 
innigste  an.     Da  er  die   durch  die  Verfassung  geänderte  Stellung  mit   seine: 
Würde  als  Mitglied  des  regierenden  Herrscherhauses  nicht    mehr    vereinbar 
fand,   bat  er  seinen  kaiserlichen  Bruder  um  Enthebung  von  der  Statthalter- 
schaft in  Tirol.    Am  11.  Juli  i86i   gewährte  der  Kaiser  die  Bitte  und  sprach 
für  die  unter  schwierigen  Verhältnissen  mit  erprobter  Hingebung  und  Umsiebt 
geleisteten  ausgezeichneten  Dienste  zugleich  seinen  anerkennenden  Dank  aus. 
Rührend  waren  die  Beweise  der  Dankbarkeit  des  Landes  und  besonders  der 
Stadt  Innsbruck  beim  Scheiden  des  geliebten  Erzherzogs,    der  seinerseits  das 
ihn  vergötternde  Volk  niemals  vergass.    Der  Erzherzog  sah  Tirol  1863  "bieder, 
da  er  als  Stellvertreter  des  Kaisers  zur  Jubelfeier  der  500jährigen  Vereinigung 
Tirols    mit    Oesterreich    erschien.      Zum   zweitenmal    hatte    er    Gelegenheit, 
wiederum  nach  Tirol  zu  kommen,   als   er  vom  Kaiser  1866   entsandt  wurde, 
um  bei  den  Vorbereitungen  zur  Landesvertheidigung  anwesend  zu  sein,  da  die 
Grenzen  wieder  bedroht  waren.    Es  war  eine  schwere  Zeit.    In  Innsbruck,  wo 
er  am  14.  Juni  abends  ankam,  und  in  der  Burg,  in  der  auch  Kaiser  Ferdinand 
und  Kaiserin  Maria  Anna  residirten,    dieselben  Gemächer  bewohnte,    die  er 
als  Statthalter  inne  hatte,  besichtigte  er  an  den  folgenden  Tagen  die  Schützoi- 
compagnien,  Stadt  und  Bezirk  Innsbruck,  Stubaierthal,  Lans,  Schwaz,   Ratten- 
berg,  dann  die  Studentencompagnie,   sowie  die  Tiroler  Freiwillige  Schützen- 
compagnie  aus  Wien  und  hielt  dabei  begeisternde  Ansprachen.     Vom  20.  Jur.i 
bis  6.  Juli  bereiste  er  die  Thäler,    um    die  marschfertigen    Compagnien    zu 
ermuthigen    und    die   Aufstelluug    der    noch    in  Bildung    begriffenen    zu    be- 
schleunigen.    Schmerzlich    berührt  von   den  betrübenden,    wenn    auch    noch 
unbestimmten  Nachrichten  vom   nördlichen  Kriegsschauplatz,    die    nach    den 
erfreulichen  Meldungen  über  den  Tag  von  Custozza  nur  schwerer  empfunden 
wurden,  setzte  er  um  so  eifriger  seine  Thätigkeit  fort.    Fast  niederschmetternd 
aber  wirkten    auf  den  edlen  Prinzen    die  Mittheilungen,    die    er    bei    seiner 
Rückkehr  nach  Innsbruck  vom  Statthalter  erhielt,   wonach  Oesterreich  bereit 
sei,  infolge  der  Schlacht  bei  Königgrätz  Venezien  abzutreten.    Der  Erzherzog 


Enherzog  Karl  Ludwig.  ^qi 

:hickte  sich  zur  Heimkehr  an.  Er  fuhr  nach  Penzing,  um  in  Schönhrunn 
Drzusprechen.  Der  Kaiser  befand  sich  in  der  Stadt,  die  Kaiserin  war  in 
Her  Frühe  nach  Ofen  gereist,  um  Verwundete  zu  besuchen.  Erzherzog  K.  L. 
egat>  sich  zum  Könige  von  Sachsen,  der  im  Meidlinger  Tract  wohnte.  Bald 
arauf  kam  der  Kaiser,  sichtlich  ergriffen,  und  ging  mit  seinem  Bruder  in 
en  reservirten  Charten  vor  der  Wohnung  der  Kaiserin,  wo  er  lange  Zeit  mit 
nm    sprach. 

üie  Entwickelung  der  Verfassung,  die  nach  dem  Kriege  1859  ihren  An- 
ang    nahm  und  jetzt  nach  dem  Kriege  von  1866  eine  vorläufig  abschliessende 
Üestalt  erhielt,  verfolgte  der  Erzherzog  mit  lebhaftem  Interesse.     Nachdem  er 
Luf    sein  Amt  als  Statthalter  verzichtet  hatte,  nahm  er  noch    in  demselben 
Vlonat,  Juli  i86i,  an  der  Sitzung  des  Herrenhauses,  in  der  über  die  Geschäfts- 
>rdnung  berathen  wurde,  und  ebenso  im  September  1861  an  der  Berathung 
iber   die  Aufhebung  des  Lehensverbandes  theil  und  gab  seine  Stimme  in  con- 
servativem  Sinne  ab.     Doch  zog  er  es  späterhin  vor,  von  dem  Rechte  seiner 
Geburt  und  Stellung  Gebrauch  machend,   seine  Ansichten  in  allen  wichtigen 
politischen  Fragen  unmittelbar  zur  Kenntniss  des  Kaisers  gelangen  zu  lassen. 
Seiner  religiösen  Ueberzeugung  gemäss  versäumte  er  es  niemals,  in  den  kirchen- 
politischen Angelegenheiten  seinen  kaiserlichen  Bruder   in   dem  Sinne  zu  be- 
rathen,  dass  er  seine  Anschauungen  über  die  Rechte  der  Kirche   freimüthig 
äusserte.     Da  seine  Meinung  immer  gerne  einvernommen  wurde,   so  schrieb 
er  in  wichtigen  Fällen  ausfuhrliche,   auf  gründlichen  Studien  beruhende  Vor- 
steUungen,  wie  über  Congrua,  Civilehe  und  ähnliche  Gegenstände,   und  legte 
so    seinen    eingehend  motivirten  Rath    an    den  Stufen    des  Thrones    nieder. 
Gegenüber  den  Vertretern  anderer  politischer  Ansichten  verhielt  sich  der  Erz- 
herzog in  ritterlichem  Edelmuth  zurückhaltend.     In  zweifelhaften  Fällen  kam 
es  vor,  dass  er  die  eigene,    selbst  viel    bessere  Meinung    den  Anschauungen 
anderer   unterordnete.     Doch    trat  er  mit  den  Beweisen  seiner  Dankbarkeit 
gegen  diejenigen  hervor,  die  das  Wohl  des  Staates  nach  conservativen  Grund- 
sätzen gefördert  und  sich  in  leitender  Stellung  Verdienste  erworben  hatten. 
Dem  Minister  Alexander  Freiherm  von  Bach  bewahrte  er  sein   erkenntliches 
Wohlwollen  und  blieb  mit  ihm  bis  zu  dessen  Tode  in  freundschaftlichem  Ver- 
kehre.    Mit    dem    feinsinnigen    und    schneidigen    Linzer  Bischof  Franz  Josef 
Rudigier,    dessen  treue  Anhänglichkeit    an    das  Kaiserhaus    er   hochschätzte, 
stand  er  lange  im  Briefwechsel. 

Mit  grösstem  Eifer  widmete  sich  der  Erzherzog  den  auswärtigen  Verhält- 
nissen und  benützte  jede  in  seiner  Sphäre  sich  darbietende  Gelegenheit,   die 
äussere  Machtstellung  des  Reiches  zu  fördern.     In  der  Pflege  der  guten  Be- 
ziehungen zum  Auslande  hatte  er  bemerk enswerthe  Erfolge.     Am  12.  October 
1861  reiste  er  in  Vertretung  seines  kaiserlichen  Bruders  zur  Feier  der  Krö- 
nung Wilhelms  I.  als  Königs  von  Preussen  nach  Königsberg,  und  begab  sich 
wiederholt  nach  England  und  Frankreich,  sowie  an  verschiedene  Ftirstenhöfe 
Deutschlands.     Mit  dem  Prinzen  Albrecht  von  Preussen  war  er  sehr  befreundet 
und  stand    mit  ihm  in   Correspondenz.     Viermal  wurde  der  Erzherzog  nach 
Russland  gesendet.     Er  war  bei  der  Bestattung  des  Czars  Alexander  II.  1881 
zugegen  und  wohnte  1894  der  Beisetzung  des  Czars  Alexander  HI.  bei.    Von 
besonderer  Wichtigkeit  aber  waren  die  beiden  Reisen,   die  er  in  freudigeren 
Tagen  mit  seiner  Gemahlin,  Erzherzogin  Maria  Theresia,  nach  Russland  unter- 
nahm, um  an  der  Feier  der  Krönung  Alexanders  UI.  1883   in  Moskau  theil- 
zunehmen  und  um  in  besonderem  Auftrage  1886   einen  Besuch   in  Peterhof 

29* 


452  \  Eriherzog  Karl  Ludwig. 

abzustatten.     Hatte  schon  die  Anwesenheit  bei  der  Krönung,  bei  der  das  en- 
herzogliche  Paar  durch  Aufmerksamkeiten  aller  Art  ausgezeichnet  wurde,  einer 
auffallenden  Erfolg,  so  hatte  der  Besuch  in  Peterhof  den  besonderen  Zwecl, 
die  freundschaftlichen  Beziehungen  Oesterreichs  mit  Russland  noch   inniger  r. 
gestalten  und  das  gute  Einvernehmen  vor  der  Welt  zu  bekunden.      Der  En- 
herzog  pflegte  mit  Befriedigung  auf  das  Ergebniss  dieser  Reise  zurückzublicken 
und  freute  sich  des  Erfolges  umso  mehr,  als  diesem  Besuche  absichtlich  nich: 
der  Charakter  einer  officiellen  Sendung  beigelegt  wurde.     Die  innige  Freim<i- 
schaft    mit    dem   russischen  Kaiserhof,    mit    den   Grossfursten   Wladimir  unc 
Michael,  wurde  auch  durch  die  Spannung  nicht  getrübt,  die  man  von  andere: 
Seite  in  unverhohlener  Eifersucht  zwischen  den  beiden  Regierungen   hervorrid 
und  bis  zu   einer  gefahrdrohenden  Wendung  zu  steigern    suchte.       Der  Erz- 
herzog war  auch  sehr   darauf  bedacht,    mit  den  BevoUmächtigten    der  au>- 
wärtigen  Staaten   in  Wien    persönlich  auf   die  liebenswürdigste   und   verbind- 
lichste Weise    zu  verkehren.     Auch  die  Gesandten  des  Kaisers    zeichnete  er 
durch  Ehrungen  aus.     Der  Botschafter  in  Konstantinopel,  Freiherr  von  Calire. 
der  das  besondere  Vertrauen  des  Sultans  geniesst,  wurde  vom  Erzherzog  K.  L. 
immer  in  der  herzlichsten  Weise  empfangen,  so  oft  er  sich  in  Wien  aufhieli. 
Nicht  minder  lag  dem  Erzherzog  die  Wehrkraft  des  Reiches  am  Herzeiu 
Ohne  ein  Commando  inne  zu  haben,    betheiligte  er  sich  alle  Jahre    an  den 
Manövern  und  Detail inspicirungen.     Seit  1884  war  er  General  der  Cavallent 
und  ertheilte  später  jeden  Sonntag  regelmässig  militärische  Audienzen,   durcr 
die  er  allen  höheren  Officieren  Gelegenheit  gab,   sich  über  militärische  An- 
gelegenheiten zu  äussern.    Mit  dem  Feldzeugmeister  Freiherm  von  Kuhn  stanö 
er  in  langjährigem  Briefwechsel  und  dem  Marinecommandanten  Admiral  Frei- 
herm von  Stemeck,    den  er  öfter  bei  sich  sah,    erwies   er  die  grössten  Auf- 
merksamkeiten.     In    ähnlicher  Weise    ehrte    er    die  Grenerale    der  Cavallerie 
Grafen    Clam-Gallas,    Seine    Erlaucht    Grafen    Erwin  Neipperg  u.  a.       Hohe 
Verdienste  erwarb  er  sich  um  die  Armee,  indem  er  als  Protector-Stellvertreter 
der  Vereine  vom  Rothen  Kreuze  und  als  Protector  der  Gesellschaft  vom  Weisser. 
Kreuze  eine  stets  eingreifende,  erfolgreich  anregende  Thätigkeit  entfaltete  und 
diese  vorzüglichen  Institute  der  Sanitätspflege  in  einer  für  andere  Staaten  muster- 
giltigen  Weise  ausgestaltete.     Er  trat  mit  der  Bundesleitung  und  den  Vereins- 
leitungen in  persönlichen  Verkehr,  indem  er  die  Länder  bereiste,  um  in  den 
Stand  des  Hilfswesens  Einblick  zu  gewinnen.     Er  ermöglichte  die  Erbauunj; 
von  Magazinen  für  den  Fahrpark  der  Verwundeten-  imd  Material-Transport- 
colonnen   im  Prater  auf  einem  Bauplatz,   welcher  Eigenthum   des  Kaisers  ist. 
In  seinem  Palais  in  der  Favoritenstrasse  errichtete  er  eine  eigene  Kanzlei  für 
den  Dienst  des  Rothen  Kreuzes,   indem  er  zweckmässige  Räume  des  Hauses 
dazu  hergab.     Hier  liefen  alle  Geschäftsstücke  der  Gesellschaft  ein  und  wurden 
vom  Erzherzog  selbst  ohne  Ausnahme    und    unverweilt    erledigt,     lieber  die 
Oesterreichische  Gesellschaft  vom  Weissen  Kreuze  übernahm  Erzherzog  K.  L. 
das  Protectorat  am  3.  December  1889,    und  in  den  folgenden  sechs  Jahren 
nahm  die  Gesellschaft  einen  ungeahnten  Aufschwung.     Auf  Betreiben  des  Erz- 
herzogs wurden  dem  Unternehmen  grosse  Spenden  aus  der  Staatswohlthätig- 
keitslotterie  zugewendet.     Schon  Ende  1895  waren  sechs  neue  Curhäuser  ent- 
standen,   es  hatten  sich  zahlreiche  Zweigvereine  gebildet,   und  das  Vermögen 
der  Gesellschaft  war  auf  mehr  als  das  Doppelte  angewachsen.     Die  Bereisungen 
und  Unterstützungen,    die    mit   der    Führung    dieser  Protectorate    verbunden 
waren,  verursachten  dem  Erzherzog  persönlich  erhebliche  materielle  Opfer  und 


Erzherzog  Karl  Ludwig.  ^c^ 

erheischten  bedeutende  Geldauslagen,  die  der  Erzherzog  aus  seiner  Privatkasse 
ohne   jede  Compensation  bestritt. 

Je  mehr  die  Macht  der  Verhältnisse   den   politischen  Wirkungskreis  be- 
schränkte, mit  um  so  grösserer  Hingebung  widmete  sich   der  Erzherzog  den 
höheren   Aufgaben   des  Culturlebens.      Er   forderte   zunächst  vom  Adel    eine 
nivistergiltige  Verwaltung   des   eigenen   Besitzes,    welche    andern    als   Vorbild 
dienen    müsse.      Er   besuchte    gern   die  gut  administrirten    Herrschaften   der 
Fürsten    Liechtenstein    in  Vaduz    und    Eisgrub,    Schwarzenberg    in    Krumau, 
Wittingau  und  Frauenberg,  Lobkowitz  in  Raudnitz  u.  a.     Er  wünschte  weiter, 
dass     die   jüngeren  Talente    den  Studien  oblagen,    um    sich    im    öflfentlichen 
Leben  nützlich  zu  machen,  entweder  in  den  politischen  Verwaltungsdienst  zu 
treten  oder  den  diplomatischen  Beruf  zu  ergreifen,  einer  conservativen  parla- 
mentarischen Thätigkeit  sich  zu  widmen  oder  sich  an  die  Spitze  irgend  einer 
dem   Gesammtwohl  heilsamen  Bestrebung  zu  stellen.     Er    trat    auch    in    der 
Wintersaison  mit  den  hohen  Familien  in  Fühlung,  um  die  Anschauungen  und 
Stimmungen  dieser  Kreise  in  allen  Fragen  des  öffentlichen  Lebens  kennen  zu 
lernen.     Meist    verkehrte    er    in    den    Salons    der    Obersthofmeisterin    Gräfin 
Ooess,  der  Prinzessin  Rosa  Thum  und  Taxis,  der  Gräfinnen  Wilczek-Reischach, 
dlam-Dietrichstein,  Czernin-Paar  und  der  Markgräfin  Pallavicini- Fürstenberg. 
In    den  hohen  civilisatorischen  Aufgaben,   die    er  zu   den  Pflichten  des  Adels 
rechnete,  ging  er  selbst  mit  leuchtendem  Beispiele  voran.     Die  Förderung  der 
ICunst  und  Wissenschaft,  die  Unterstützung  der  Industrie  und  des  Handwerks, 
die  Begünstigung  des  Handels,  die  Hebung  der  Land-  und  Forstwirthschaft, 
die  Bethätigung  der  Nächstenliebe    gegenüber  den    Bedürftigen  galt    ihm  als 
-wichtige  Standesobliegenheit,    deren   Erfüllung    ihm    nicht    nur    zur  höchsten 
Befriedigung  gereichte,   sondern   auch   als  erste  Forderung  einer  gedeihlichen 
Wirthschaftspolitik  vorschwebte.     Seinen  Kunstsinn   bethätigte  er  durch  seine 
lebhafte  Antheilnahme  an  den  Bestrebungen  der  Genossenschaft  der  bildenden 
Künstler  Wiens.     Seit  1867  durch  fast  dreissig  Jahre  führte  er  das  Protectorat, 
und  da  er  auch  drei  goldene  Medaillen,  jede  zu  30  Ducaten,  mit  dem  Capital 
von   1 2  000  Gulden    zur  Vertheilung  bei  der  Jahresausstellung  für  die  besten 
Leistungen  stiftete,    wird    sein    Andenken    in    der  Wiener  Künstlerschaft    für 
immer   fortleben.     Bedeutenderen  Werken    der    Architektur,    Bildhauerei   und 
Malerei  wandte  er    schon  im  Entwürfe  sein  höchstes  Interesse  zu  und  folgte 
der  Ausführung  mit  steigender  Aufmerksamkeit.     Er  erschien  in   den  Ateliers 
der  Künstler  und  besuchte  nicht  allein  die  hervorragenden  Meister,  wie  Alt, 
Makart,  Blaas,  Amerling,  Felix,  L'Allemand,  Angeli,  ferner  Kundmann,  Zum- 
busch,  Tilgner  u.  a.,  sondern  suchte  auch  die  in  Bescheidenheit  zurückgezogenen 
und    vom  Glücke    minder  begünstigten    Künstler    in    deren  Wohnungen    auf. 
Das    Hofburgtheater    erfreute    sich    der    besonderen    Gunst    des    kaiserlichen 
Prinzen.     Er  setzte  Laube  durch  seine  Bühnenkenntniss  in  Erstaunen.    Ueber 
der  Bewunderung    der    alten  Grössen    der    Schauspielkunst,    eines    Anschütz, 
Löwe,  Laroche,   Fichtner,   versäumte    er    nicht    die  Förderung    der   jüngeren 
Kräfte,  der  Wolter  und  Hohenfels,  der  Künstlerpaare  Gabillon  und  Hartmann 
u.  a.     Er  hatte    die  Gnade,  Sonnenthal  und  Gabillon   gelegentlich    nicht  nur 
in  sein  Haus  zu  laden,    sondern    auch  durch  seinen  Besuch    in   deren   Heim 
auszuzeichnen.     Als    er  1892  über  die    in  ihrer  Art  einzig  dastehende  Inter- 
nationale Musik-  und  Theaterausstellung  in  Wien  das  Protectorat  übernommen 
hatte,  widmete  er  durch  persönliches  Eingreifen  dem  Entwürfe  des  Programmes, 
den  Bauten,    der    Gliederung  der  Referate,    der    finanziellen    Dotirung    um- 


454  Erzherzog  Karl  Ludwig, 

fassende  und    eingehende  Fürsorge.     Auch  Dichtem    war    der  Erzherzog    ein 
Gönner;  oft  verkehrte  er  mit  Weilen  und  Redwitz.     Neben  den  Künsten  ge- 
nossen auch  die  Wissenschaften    seinen  Schutz.     Als  Protector   der  Krakauer 
Akademie  der  Wissenschaften  (1872)  und  der  Böhmischen  Kaiser  Franz  Josef- 
Akademie  der  Wissenschaft,  Litteratur    und  Kunst  (1890),    als   Ehrenmitglied 
der  Kaiserlichen  Akademie    der  Wissenschaften   in  Wien,    als  Protector    der 
Geographischen  Gesellschaft  bekundete  er  sein   eifriges  Interesse    auf   diesem 
Gebiete.     Er    begünstigte  Arneth,  Baron  Helfert,    J.  B.  von  Weiss;  er  lenkte 
Hirn    auf   ein    Arbeitsgebiet,    das  bestimmend    für    dessen    Richtung    wurde. 
Neben  der  Geschichte  zog  ihn  die  Geographie  besonders  an.     Seine  eigenen 
Reisen,  mochten    sie  nun    durch  Mission    an  fremde  Höfe    oder    durch  Aus- 
übung seiner  Protectorate  über  Ausstellungen,  wie  1867  und  1878  nach  Paris, 
1883  mit  Erzherzogin    Maria  Theresia    nach  Amsterdam,   1885    mit    der  Erz- 
herzogin   nach    Antwerpen,    1888  nach  Barcelona,    oder    durch    persönliches 
Interesse,  wie  mit  dem  Historiker  Weiss   1865   nach  Frankreich,  1872    nach 
Konstantinopel,.   1880    nebst    Gemahlin    und  Tochter   Erzherzogin   Margarete 
nach  Sicilien,    1890   mit  Erzherzog  Ferdinand  Karl    ans  Nordcap,  1896    mit 
der  Familie    nach  Aegypten    und  Palästina,  veranlasst  worden  sein,  brachten 
immer    infolge    der    Gründlichkeit,    mit  der    er  alles  ansah,  und    bei  seinem 
ausserordentlichen  Gedächtnisse  einen  bedeutenden  Ertrag.  —  Die  Förderung 
der  Industrie  und  des  Handels  war  vielleicht  die  erfolgreichste  Thätigkeit  de> 
Erzherzogs.     Jedenfalls  leistete    er    als  Protector  der  wichtigsten  Gebiete  der 
Volkswirthschaft  durch  seinen  anregenden  Einfluss  und  sein  thätiges  Eingreifen 
den  wirthschaftlichen  Interessen  der  Monarchie  bedeutende  Dienste.     Es  war 
seine  Ueberzeugung,  dass  die  Arbeit  eine  Nothwendigkeit  und  Pflicht  für  alle 
Menschen,  eben  darum  auch  eine  Wohlthat  und  Quelle  des  Glückes  sei.    Er 
verabscheute    die     hartherzige    Ausbeutung     der     Arbeitskräfte     von     Seiten 
des    Unternehmers    und    verlangte  vom   Fabriksherrn    die  pflichtmässige  OK 
sorge    für    das    geistige    und    leibliche    Wohl    der    ihm    dienenden    Arbeiter, 
Die     Bemdorfer     Metallwaarenfabrik     des     Commercialrathes    Arthur   Krupp 
schien    ihm    in    dieser    Hinsicht    musterhaft.     Besondere    Fürsorge    widmete 
er     dem     Niederösterreichischen    Gewerbeverein,    dem   er    schon,    als    nocJi 
Erzherzog     Franz    Karl    Protector     war,     Beweise     seiner     Gunst     gegeben 
hatte.     Er  gehörte  dem  Verein  als  Gründer  und  seit  19.  Mai  1869  als  Ehren- 
mitglied  an.     Zur  Erinnerung    an   den  Tag,    an    dem   er  zum   erstenmal  die 
Vertheilung  der  Preise    für  hervorragende  Leistungen    der  Arbeiter  vornahm, 
machte    er   1873  eine  Stiftung,    aus  deren  Erträgnisse    gute  Schüler  der  ge- 
werblichen Fachschulen  alljährlich  am  2  7 .  September  prämiiert  werden  sollten. 
Nach  dem  Tode  seines  Vaters,   der  mehr  als  40  Jahre  Protector  war,    über- 
nahm er  30.  Juni  1878  das  Protectorat,  mit  dem  er  sich  bleibende  Verdienste 
erwarb.     Das  Technologische  Gewerbemuseum  ist  vorzugsweise  als  sein  Werk 
zu  betrachten.     Nur  der  eifrigen  Thätigkeit  des  Erzherzogs  ist  es  zu  danken, 
dass  die    im  Gewerbeverein    aufgetauchte  Idee   der  Gründung    einer    solchen 
Anstalt  verwirklicht  und  das  Museum   aus  bescheidenen  Anfangen    zu  einer 
grossartigen  Schöpfung,   einem  der  vornehmsten  Institute    des   Reiches,    aus- 
gestaltet wurde.     Auch   dem   Nordböhmischen   Gewerbemuseum   in    Reichen- 
berg war    er   als  Protector  gewogen.     Das  Orientalische  Museum,    das  1873 
aus   der  orientalischen   Abtheilung    der  Weltausstellung    her\'orgegangen  war, 
fand  an  dem  Erzherzog  einen  eifrigen  Gönner  und  Beschützer.     Er  bemühte 
sich,  das  Museum  mit  Erweiterung  des  Wirkungskreises  zu  einem  allgemeinen 


£rzli erzog  Karl  Ludwig.  ^rc 

ianclelsmuseum  auszubilden  und  ihm  ein  eigenes  Haus  zu  verschaffen.   Er  stellte 
ich  aji  die  Spitze  einer  Enquete,  die  er  zur  Berathung  der  die  Erweiterung  be- 
reffenden  Fragen  einberief.    Er  genehmigte  die  Statuten  des  so  vergrösserten  In- 
tituts,    und  der  Kaiser  bewilligte  am  20.  Mai  1887,  dass  die  Anstalt  den  Namen 
•k.    k.    Oesterreichisches  Handelsmuseum«  führe.    Als  der  Anstalt  am  21.  Oct. 
1895     die  Miete   in  dem  Börsegebäude  gekündigt  wurde,    eröffnete  der  Erz- 
lerzog     eine   Subscription  mit  eigener  Zeichnung  und  brachte  in   kurzer  Zeit 
irine  Summe  zustande,  welche  die  Erwerbung  des  früher  dem  Grafen  Festetics 
yi^ehörigen  Hauses  ermöglichte.     So  ist  das  Handelsmuseum,   das  dem  Tech- 
nologischen   Gewerbemuseum    ergänzend  zur  Seite  steht,  gleichfalls  ein  Werk 
des    Erzherzogs.     Auch  die  Standesinteressen  der  Handelsleute    war  der  Erz- 
herzog   zu  schützen  und  zu  heben  bereit,  indem  er  1891  das  Protectorat  über 
den  ICaufmännischen  Verein  in  Wien  übernahm.     Erfolgreich  interessierte  er  sich 
für   die  Weltausstellungen.    Gelegentlich  der  für  1867  geplanten  Pariser  Welt- 
ausstellung  wurde    er  fiir    die  Betheiligung  Oesterreichs    an  künftigen  Welt- 
ausstellungen sowie  für  die  Wiener  Weltausstellung  1873  und  sonstige  grössere 
Ausstellungen  zum  Protector  ernannt.    Schon  für  die  Pariser  Ausstellung  1867 
entwickelte  er  einen  ausserordentiichen  Eifer,  unterstützt  vom  Grafen  Wicken- 
burg   und  Hofrath  Eitelberger.     Durch   die  drei  Jahre  der  Vorbereitung  für 
cUg    Wiener  Weltausstellung  aber  entfaltete  er  eine  Thätigkeit,   deren   Schil- 
üeiung  leider  der  hier  bemessene  Raum  nicht  gestattet.    Für  die  Beschickung 
der  Ausstellung  in  Philadelphia  1876  und  in  Sydney  1879  eifrig  thätig,    för- 
derte  er  besonders  die  Betheiligung  Oesterreichs  an  der  Pariser  Ausstellung 
1878,  die  er  auch  selbst  besichtigte.     Auch  zu  den  Ausstellungen  in  Amster- 
dam   1883  und  in  Antwerpen   1885  reiste  er  und  1888  besuchte  er  die  Aus- 
stellung in  Barcelona,   womit  er  eine   grössere  Bereisung  Spaniens  und  einen 
Aufenthalt  am  Hofe  in  Madrid  verband.     Lebhaft   interessirte   er  sich  dann 
1 893  für  die  Ausstellung  in  Chicago,  die  von  Erzherzogin  Maria  Theresia  mit 
einem   von   ihr  gemalten  Paravent  beschickt  und   von  Erzherzog   Franz  Fer- 
dinand d'Este  besucht  wurde,  der  seine  Wahrnehmungen  in  seinem  geistreichen 
Prachtwerk  »Tagebuch  meiner  Reise  um  die  Erde«  II,  S.  513 — 523  mittheilt. 
Auch    der  Kleinbetrieb  im  Gewerbe  wurde  durch   den  Erzherzog  gefördert. 
Die  minder   umfangreichen  Special-   und  Regionalausstellungen   schienen   ihm 
zur   Anregung  des  Wetteifers   in 'dieser  Richtung    geeignet.     Sein   Verdienst 
ist  die  Gründung  und  Ausgestaltung  der  mit  dem  Technologischen  Gewerbe- 
museum   verbundenen    Fachschulen,    und    die    nach    Tausenden    zählenden 
Schüler    und   Berathenen   des   Instituts  sind   ihm    zu   Danke   verpflichtet.  — 
Der  Erzherzog  wandte  femer  auch  dem  Ackerbau  und  dem  Forstwesen  seine 
Aufmerksamkeit    zu.      Er    war    Protector  der  Landwirthschafts-Gesellschaften 
in  Wien  und  Innsbruck,  der  Gartenbaugesellschaft  in  Wien,  der  er  alljährlich 
zwei  goldene  und  zwei  silberne  Medaillen  zur  Vertheilung  bei  der  Frühjahrs- 
ausstellung widmete,  des  niederösterr.  Land es-Obstbau Vereins  und  der  Acker- 
baugesellschaft in  Görz.      Er  selbst  hatte  Freude  am  Land-  und  Gartenbau. 
In    Artstetten    wie    in    Wartholz    schuf    er    auf   höchst    ungünstigem    Boden 
jene   schönen  Parkanlagen,    die    m    kurzer  Zeit  erstaunlich    gediehen.      Sein 
neu    erworbenes  Gut  Kis-Tapolcsäny    gestaltete  sich    unter    sorgsamer    Ver- 
waltung in   land-    und    forstwirthschaftlicher  Hinsicht    nach    wenigen    Jahren 
zu   einem   ertragsreicheren    Besitze.      Dem    Bauernstände   in    Tirol   und  Vor- 
arlberg gab    er    als   Statthalter    viele    Beweise    seiner    Fürsorge.      Auch    der 
Hauswirthschaft  in  der  Grossstadt,  besonders  der  Frage  der  Wohnungsreform 


^cS  Erzherzog  Karl  Ludwig. 

in  Wien,  wandte  der  Erzherzog  sein  Interesse  zu.  Er  übernahm  das  Prot^- 
torat  über  den  Wiener  Cottage-Verein  und  half  demselben  durch  wohlwollen- 
des Einschreiten  manchen  Nachtheil  abzuwenden.  Unter  seinem  Schutze 
wiu-de  auch  1883  gelegentlich  der  Gedenkfeier  der  Türkenbelagerung  der  Pari 
auf  der  Türkenschanze  in  der  Nähe  der  Cottages  angelegt  und  1888  vorc 
Kaiser  eröffnet.  —  Sobald  der  Frühling  erwachte,  zog  es  den  Erzherzog  hinait 
auf  seinen  ländlichen  Besitz.  Den  grössten  Genuss  hatten  ihm  in  jüngerer 
Jahren  die  Fusswanderungen  in  Tirol  gewährt,  aber  auch  in  späteren  Jahren 
pflegte  er  von  Wartholz  aus  tüchtige  Märsche  und  Bergtouren  zu  untemehmer 
Indem  er  den  Bau  eines  Schutzhauses  auf  der  Rax,  das  nach  ihm  benannt 
wurde,  anregte  und  förderte,  trat  er  dem  Oesterreichischen  Touristen-Oüb 
näher  und  verkehrte  als  Protector  mit  diesem  Verein  in  zwanglosen  Former 
und  nahezu  familiärem  Tone.  —  Von  segensreichem  Erfolge  war  das  Wirken 
des  Erzherzogs  auf  dem  Gebiete  der  Nächstenliebe  und  Barmherzigkeit.  Wenn 
die  Bittgesuche  bei  dem  bekannten  Wohlthätigkeitssinn  des  edlen  Prinzen  schon 
immer  überaus  zahlreich  waren,  so  mehrten  sich  die  Ansprüche  an  die  Mild- 
thätigkeit  seit  dem  Tode  des  Kronprinzen,  da  er  als  Thronfolger  nun  auch 
dessen  Clientel  zu  versorgen  hatte.  Was  der  Erzherzog  zu  Lasten  des  eigenen 
Vermögens  an  milden  Gaben  spendete,  dürfte  sich  auf  eine  Million  GuJdcn 
belaufen.  In  seinem  Schlosse  Persenbeug  liess  er  während  des  bosnischen 
Feldzuges  vierzig  Schwerverwundete  pflegen.  Als  Schutzherr  überwachte  und 
unterstützte  er  das  Erzherzogin-Sophien-Spital  in  Wien  und  das  Margaretinum 
in  Innsbruck,  Anstalten,  die  ihm  in  der  Erinnerung  an  seine  Mutter  und  seine 
erste  Gemahlin  besonders  am  Herzen  lagen.  Als  sich  1890  der  Verein  zur 
Errichtung  und  Erhaltung  einer  klimatischen  Heilanstalt  für  Brustkranke  ge- 
bildet hatte,  gelang  es  ihm,  die  Bestrebungen  des  Vereins  so  zu  unterstützen, 
dass  bald  ein  geeignetes  Haus  in  Alland  gebaut  werden  konnte.  Er  förderte 
aufs  wirksamste  den  Verein  zur  Errichtung  von  Seehospizen  und  Asylen  für 
skrophulose  und  rhachi tische  Kinder,  der  unter  dem  Protectorat  der  Erz- 
herzogin Maria  Theresia  steht,  und  hatte  unter  seinem  besonderen  Schutze 
noch  eine  Reihe  anderer  Wohlthätigkeitsanstalten. 

Von  so  vielseitiger,  rastloser  Thätigkeit  im  Dienste  des  öffentlichen  Wohles 
kehrte  der  Erzherzog  gern  in  den  Kreis  seiner  Familie  zurück,  in  der  er  stets 
sein  Glück  und  seine  Zufriedenheit  fand.  •  Der  Erzherzog  war  dreimal  ver- 
heirathet.  Die  erste  Ehe,  die  nur  zwei  Jahre  dauerte,  blieb  kinderlos.  Als 
Statthalter  vermählte  er  sich,  23  Jahre  alt,  am  4.  November  1856  zu  Dresden 
mit  Prinzessin  Margarete,  der  am  24.  Mai  1840  geborenen  Tochter  desKöni^^ 
Johann  von  Sachsen.  Während  eines  Besuches,  den  sie  bei  Erzherzog  Ferdi- 
nand Max  und  dessen  Gemahlin  Charlotte  in  der  kaiserlichen  Villa  zu  Monza 
abstattete,  erkrankte  sie  an  Typhus  und  starb  nach  zwei  Tagen  am  15.  Sep- 
tember 1858.  Der  Erzherzog,  aufs  tiefste  erschüttert,  trug  sich  mit  dem 
Gedanken,  in  ein  Kloster  einzutreten.  Nach  einem  Besuch  in  Sachsen  bei 
König  Johann  reiste  er  nach  Rom,  wo  ihn  Pius  IX.  durch  trostreichen  Zu- 
spruch aufrichtete.  Nach  dem  Rücktritt  von  dem  Statthalterposten  ging  er 
eine  Zeit  lang  auf  Reisen,  dann  wurde  das  Augarten -Palais  für  ihn  instand 
gesetzt.  Am  21.  October  1862  vermählte  er  sich  zu  Venedig  mit  Prinzessin 
Maria  Annunziata  von  Bourbon,  der  am  24.  März  1843  geborenen  Tochter 
des  Königs  Ferdinand  II.  von  Neapel  und  Sicilien.  Das  erzherzogliche  Paar 
nahm  zunächst  in  Görz  Aufenthalt,  weil  der  Erzherzog  seine  Gemahlin  unter 
dem  Einflüsse    des    milderen  Klimas    während    des  Winters    auf   das    Leben 


Erzherzog  Karl  Ludwig.  4^7 

xintcr    rauheren  Himmelsstrichen  vorbereiten  wollte.     »Ich    habe    stets    mehr 
Sinn  für  solches  Leben  in  Stille   und  Ruhe   gehabt;    daher  verstehe  ich   die 
Freude  daran  und  weiss  es  zu  schätzen.     Hier  in  Görz  bringen  wir  auch  so 
unser  Leben  zu,  ungestört  von  der  grossen  Welt,  viel  beschäftigt  mit  Lesen 
und  Schreiben;    sonst    auch    mit  Bewegung   in  der  schönen  Natur.     .  .  Wir 
denken  —  so  heisst  es  in  einem  Brief  des  Erzherzogs,    der    damals    an    einer 
Ajrbeit  über  seinen  Aufenthalt  in  Galizien  schrieb,  —  bis  zum  Frühjahr  hier, 
^Ä^o   es  uns  in  der  Stille  eben  sehr  gut  gefällt,    zu  bleiben  und  wollen  dann 
über  Wien,  wo  einiger  Aufenthalt  sein  wird,  nach  Artstetten  in  Niederöster- 
reich .  .  .«      Von  Artstetten,    wohin    sie  Ende  Mai  1863    übersiedelt    waren, 
fingen  sie  Anfang  October  nach  Wien.     Der  Erzherzog  hatte  hier  1863  von 
dem  Herzoge  Leopold  von  Sachsen-Koburg  das  Haus  in  der  Favoritenstrasse 
käuflich    erworben    und  liess  es  durch  den  Architekten  Friedrich  umbauen. 
Knde  October  fuhr  er  mit  seiner  Gemahlin  nach  Graz  und  blieb  hier  nahezu 
drei  Jahre.     Daselbst  wurden  die  beiden  ältesten  Söhne,  Erzherzog  Franz  Fer- 
dinand von  Oesterreich-Este  i8.  December  1863  und  Erzherzog  Otto  21.  April 
1865  geboren.     Seit  12.  April  1866  nahm  der  Erzherzog  ständigen  Aufenthalt 
in  seinem  neuen  Haus  in  Wien.     Hier  erblickte  der  dritte  und  jüngste  Sohn, 
Erzherzog  Ferdinand   Karl  Ludwig  27.  December  1868   das  Licht  der  Welt. 
Auf  Schloss  Artstetten,    wo    der  Erzherzog   die    Sommermonate    verbrachte, 
-wurde  am  13.  Mai  1870  Erzherzogin  Margarete  Sophia  geboren,  die  sich  am 
24.  Januar   1893   mit  Herzog  Albrecht  von  Württemberg  vermählte.     Schon 
nach  einem  Jahre,  am  4.  Mai  1871,  ward  dem  Erzherzog  die  Lebensgefährtin 
entrissen,  die  in  dem  jugendlichen  Alter  von  28  Jahren  starb.     Im  folgenden 
Jahre  am  28.  Mai  1872  starb   auch   die  Mutter,   Erzherzogin  Sophie,  im   68. 
Lebensjahre,    und    am   9.  Februar  1873    die  Kaiserin  Karolina  Augusta,    die 
geliebte  Grossmama.      In    den  letzten  Jahren  seit   1867   hatte  der  Erzherzog 
die   Sommerfrische  gern  in  Reichenau   am  Fusse  der  Rax    und   des   Schnee- 
berges aufgesucht.     Er  baute  sich   in  diesem  Thale,   um  wegen   der  Studien 
der  Kinder  in   der  Nähe  von  Wien   zu   sein,    1872   nach  Ferstels  Plänen   die 
Villa  Wartholz.     Am  23.  Juli  1873   vermählte  er  sich  zu  Heubach  auf  dem 
Schlosse  des  Fürsten  Karl  zu  Löwenstein -Wertheim-Rosenberg  mit  Ihrer  König- 
lichen Hoheit  der  Infantin  Maria  Theresia  von  Portugal,   der  am   24.  August 
1855   geborenen  Tochter  des  Königs  Dom  Miguel  I.  von  Portugal,  Herzogs 
von  Bragan^.     Die  Trauung  fand  in  der  mit  Fresken  von  Steinle  geschmückten 
Schlosskirche  zu  Heubach  statt  und  wurde  vom  Bischof  von  Mainz,  Wilhelm 
Emanuel  Freiherrn  von  Ketteier,  unter  grosser  Feierlichkeit  vollzogen.     Mit 
Erzherzogin  Maria  Theresia  kehrte  Glück   und  Freude   in  Wartholz  ein,   den 
verwaisten  Kindern  erschien  die  liebende  Mutter,   dem  reizenden  Sommersitz 
ward  die  sorgsam  waltende  Herrin.     Wartholz  begrüsste  dann  auch  öfter  die 
Besuche   der  Verwandten    aus  der  Nachbarschaft.      Aus  Frohsdorf   kam    der 
Graf  Chambord,    und    auf  nicht  weit  entfernten  Schlössern   verbrachten    die 
Schwestern    der  Erzherzogin    die  Sommermonate.      In  Wartholz  wurden    die 
beiden  Kinder  der  dritten  Ehe  geboren,   Erzherzogin  Maria  Annunziata   am 
31.  Juli  1876,  Erzherzogin  Elisabeth  am   7.  Juli  1878.    Während  Wartholz  meist 
im  Juni  bezogen  wurde,  bot  das  Schloss  Rottenstein   in  Obermais  bei  Meran 
mit  seinem  herrlichen  Park  für  die  erste  Frühlingszeit  einen  schönen  Aufent- 
halt.    Die  Kaiserin  Karolina  Augusta  hatte  es  in  den  Sechziger  Jahren  ange- 
kauft und   1866  dem  Erzherzog  K.  L.  überlassen.     In  Meran  weilte  im  Früh- 
jahr auch  Herzog  Karl  Theodor  in  Bayern,  der  berühmte  Augenarzt,  mit  seiner 


^e8  Erzherzog  Karl  Ladwig. 

Gemahlin  Infantin  Maria  Jos^,    und  die  doppelt  verschwägerten   Heirschafte:^ 
sahen  sich  hier  häufig.  —  Die  Sorge    um   die  Erziehung  und  den  Unterrii  h; 
seiner  Kinder  war  dem  Erzherzog  die  wichtigste  Aufgabe  in  seinem  Familien- 
leben.    Er  verkehrte  persönlich  mit  den  Lehrkräften,  besprach  die  Organisation 
des  Unterrichts  und  machte  auf  besondere  Begabung  aufmerksam.     Die  Lehr- 
pläne der  öffentlichen    Anstalten    wurden    zugrunde    gelegt.     Für    besondere 
weitere  Ausbildung  wurde  ein  Plan  angefertigt  und  vom  Erzherzog  selbst  er- 
wogen und  besprochen.     Der    Erzherzog  besuchte    die  Lehrstunden  in  allen 
Cregenständen  häufig  und    blieb  bisweilen  zwei,    selbst  drei  Stunden  bei  den 
Lectionen,    Fragen    stellend    und    Bemerkungen    einstreuend.      Ausser    den: 
Religionsunterricht  widmete  er  dem  Unterricht  in  der  Universalgeschichte  und 
in  der  Geschichte  Oesterreichs  hohes  Interesse.     Besonderen  Antheil  nahm  er 
auch  am  Unterricht  in  der  Geschichte  der  Kunst  und  Litteratur.     Bei  seiner 
grossen    Vorliebe    für    das  Theater    drang  er  darauf,    dass    die  dramatischer. 
Meisterwerke    aus  der  Auflfilhrung    im    Burgtheater    kennen    gelernt    würden. 
So  grosse  Freude  es  ihm  machte,  eine  Tochter  ins  Theater  führen  zu  können, 
so  strenge    waren    er   und    seine  Gemahlin    in  der  Auswahl  der  Stücke.     Er 
sah  es  gern,    wenn   bei    festlichen  Anlässen    in  Wartholz    die  erzherzoglichen 
Kinder  auf   der  Hausbühne    ein  Theaterstück  aufführten   oder  auch  nur  eine 
Gelegenheitsdichtung  vortrugen.     Er    war  der  Ansicht,    dass  die  Jugend   sich 
auf  diese  Weise  an    den  Vortrag   vor    einer  aufmerksamen  Zuhörerschaft  ge- 
wöhne und  in  das  Verständniss  der  Dichtung  einlebe.     Er  hielt  \ie\  auf  das 
Erlernen  der  Sprachen  der  grossen  Culturvölker  wie  der  Landessprachen  des 
Reiches,  und  freute  sich  der  Erfolge  im  Zeichnen    und  Malen.     Dabei  wani 
auf  körperliche  Ausbildung  durch  Reiten,  Turnen,  Schwimmen,    Schlittschuh- 
laufen    und     Lawn-Tennis    Bedacht    genommen.     Aus     einem    Vorarlberger 
Bauernhaus    der  Wiener  Weltausstellung  errichtete  der  Erzherzog  beim   Ort- 
bauer den  Karlshof,   in  dem  sich  die  Kinder  bisweilen  ohne  Bedienung  auf- 
halten und  allein  behelfen  sollten.  —  Die  eigene  Tageseintheilung  war  genau 
geregelt.     Seit    1863  führte   er  ein  Tagebuch,    in  das   er   die  Vorkommnisse 
des  vergangenen  Tages  eintrug  oder  durch  den  Secretär,   Leibjäger,  Kammer- 
diener   nach    seinen    Dictaten    einschreiben    Hess.     Während    seiner   Todes- 
krankheit   führte    er  es  bis  zum  13.  Mai.      An  diesem  Tage  beschäftigte  ihn 
der    Gedanke,    nach    Schönbrunn     übersiedeln    zu    können.      Fürst    Rudolf 
Liechtenstein  sei  vom  Kaiser  aus  Budapest  gesandt  worden,  um  die  Wünsche 
in  dieser  Hinsicht  entgegenzunehmen;  die   Kaiserin    sei    gekommen,    sich   zu 
erkundigen;  Erzherzogin  Maria  Theresia  sei  mit  der  Altgräfin  Gabrielle  Salm 
nach  Schönbrunn  gefahren  und  habe  nach  der  Rückkehr  von  den  Wohnungs- 
verhältnissen gesprochen  ebenso  wie  Dr.  Rollett,  der  die  Räume  dort  gleich- 
falls   angesehen   habe.      »Für    mich    grosse   Beruhigung,    um    bald   von    hier 
wegzukommen,    als  Uebergang    nach  Wartholz.«     Die  Aufzeichnungen    dieses 
Tages  schliessen    mit    den  Worten:     »M.  Th.  —  bei    mir.     Früh    mich    zur 
Ruhe  begeben.«     Sämmtliche  Jahrgänge    des  Tagebuchs  sind   im  Besitze  des 
Erzherzogs  Ferdinand  Karl.  —  Mit  Aufmerksamkeit  überwachte  der  Erzherzog 
die  Oekonomie  in  seinem  Hauswesen.     Während  die  Anforderungen  der  Re- 
präsentation, der  Protectorate  und    der  Wohlthätigkeit  schwere  Lasten  aufer- 
legten, stellte  der  Erzherzog  wie  seine  Gemahlin  Erzherzogin   Maria  Theresia 
die  geringsten   Ansprüche    an    das  Leben,   und    auch    in    der  Erziehung    der 
Kinder   wurde    zu    haushälterischem  Verbrauch   der   vorhandenen    Mittel    an- 
geleitet. 


Erzherzog  Karl  Ludwig.  ^cg 

Wo  immer  der  Erzherzog  waltete,  gab  er  sich  mit  seinem  ganzen  Wesen, 
in  dem  er  ebenso  sehr  seine  warme,  gefühlvolle  Theilnahme,  wie  seinen  pflicht- 
gremässen,    sachlichen   Eifer  bekundete.      Bewundemswerth  war  sein  strenges 
I* flieh tgefühl,   bekannt  seine  Aufmerksamkeit  und  Herablassung  in  Audienzen 
\inci   Versammlungen,  seine  Ausdauer  und  Geduld  bei  Besichtigungen  in  Aus- 
stellungen und  bei  Besuchen  in  Fabriken  und  Ateliers.     Mit  grosser  Vorsicht 
l>ilciete  der  Erzherzog  sein  Urtheil.    Er  hörte  die  Meinungen  anderer,  dann  erst 
legte  er  sich  auf  Grund  eigener  Beobachtung  seine  Ansicht  zurecht.    Kamen 
^Persönlichkeiten  in  Betracht,   so  wusste   er  sein  Urtheil  so  zu  fassen,   dass  es 
nicht  verletzte.    Seine  Urtheile  pflegten  als  zutreffend  und  gerecht  empfunden 
zu    werden.     Niemals  drängte  er  seine  Meinung  auf,   nie    stellte   er  sie  kate- 
gorisch hin.    Bei  Personen,  die  sein  Vertrauen  besassen,  äusserte  er  sich  gern 
mit  Offenheit.    Er  Hess  sich  bereit  finden,  ein  Urtheil  in  die  That  umzusetzen, 
>venn  man  damit,    ohne  jemandem  zu   schaden,    einen  Nutzen  erzielte,    und 
trat  für  alle  Folgen  mit  dem  Gewichte  seines  Ansehens  ein.     Der  Erzherzog 
liatte  ein  zartes,   empfängliches,   warmes  und  tiefes  Gemüth.      Er  zollte  gern 
Anerkennung  und  erwies  treue  Dankbarkeit.     Wer  ihm   einen  Dienst   leistete 
oder  eine  angenehme  Ueberraschung  bereitete,  durfte  auf  seine  Erkenntlichkeit 
rechnen.      Er   führte   eine  vornehme,    liebenswürdige  Conversation  und  hörte 
sie  gern  von  andern;  er  bemühte  sich,  im  Gespräch  immer  zu  fördern   und 
zu  ermuntern,    zu  interessiren  und   anzuregen.      Er    liebte   dabei  auch  einen 
heiteren  Ton,  und   mancher    hat  wohl  durch   gesellige  Unterhaltung  bei   ihm 
Gefallen  gefunden.     Er  hielt  auf  die  hergebrachte  Etiquette,   doch  wusste  er 
deren  Härten  durch  persönliche  Liebenswürdigkeit  zu  mildern.    Der  Erzherzog 
war  das  Muster  eines  pflichteifrigen  Familienvaters;  seine  Gemahlin  wie  seine 
Kinder  liebte   er   über  alles.      Er  war  das  Beispiel   eines  treuen  Unterthans; 
feinem    kaiserlichen  Bruder    war    er    mit    der    innigsten  Anhänglichkeit    und 
wärmsten  Liebe,   in  aufrichtiger  Verehrung  und  strengem  Gehorsam  ergeben. 
Er  war  tief  religiös,   fromm  und  überzeugungstreu.     Er  ging  oft  zu  den  Sa- 
cramenten,   und   nie  trat  er  eine  Reise  an,   ohne  gebeichtet  zu   haben;   stets 
hatte    er    sein    Leben    und    sein  Handeln   Gott    anvertraut.     Gegen   Anders- 
denkende war  er  tolerant,  und  als  guter  Katholik  unterschied  er  den  Irrthum 
von  dem  Irrenden. 

Eine  Reise  nach  Palästina  war  der  höchste  Wunsch  seines  Lebens.  Als 
Erzherzog  Franz  Ferdinand  von  Este  zur  Erholung  nach  seiner  langen  Welt- 
reise einen  Winter  in  Oberägypten  verbrachte,  entstand  das  Verlangen,  den 
Sohn  während  seines  Aufenthaltes  in  Assuan  zu  besuchen  und  mit  der  Reise 
nach  Aegypten  eine  Fahrt  nach  Palästina  zu  verbinden.  Frohen  Herzens  trat 
Erzherzog  K.  L.  mit  seiner  Gemahlin,  Erzherzogin  Maria  Theresia,  seinem 
jüngsten  Sohn,  Erzherzog  Ferdinand  Karl,  und  den  Töchtern,  Erzherzoginnen 
Annunziata  und  Elisabeth,  am  21.  Januar  1896  die  Reise  an.  Am  26.  kamen 
sie  in  Alexandrien  an  und  benutzten  die  Nilfahrt  zugleich  zur  Besichtigung  der 
Denkmäler  des  alten  Wunderlandes.  Beglückend  war  das  Wiedersehen  mit 
Erzherzog  Franz  Ferdinand,  dessen  vortreffliches  Aussehen  und  Befinden 
grosse  Freude  machte.  Bis  Assuan  erstreckte  sich  die  Nilreise  und  nach 
längerem  Aufenthalte  in  Kairo  verabschiedete  sich  Erzherzog  K.  L.  mit  Ge- 
mahlin und  Töchtern  von  beiden  Söhnen  am  4.  März  1896,  um  über  Ismailiya 
und  Port  Satd  nach  Palästina  zu  reisen.  Der  Erzherzog  umarmte  seinen 
ältesten  Sohn  Franz  Ferdinand,  der  erst  viel  später  die  Heimkehr  antreten 
sollte,   wiederholt;    er    sah  ihn   hier   zum  letztenmal.     Die  Reise    ging    über 


^6o  Erzherzog  Karl  Ludwig. 

Beirut    nach    Damaskus,    dann    von  Beirut    über  Jafifa    nach  Jerusalem.     Am 
i8.  März  ward  die  Via  dolorosa  begangen,  am  19.  die  Reise  nach  Bethlehem, 
zum  Todten  Meere  und  nach  Jericho  gemacht.     Am  21.  März   kam   der  Erz- 
herzog   sammt    den   Reisegenossen    frohen  Muthes   und   in    bestem  Wohlsein 
über  Bethania  zu  Pferde  in  Jerusalem  an  und  besprach   noch  am  Abend  um 
8  Uhr  mit  dem  Rector,  des   österreichischen  Pilgerhauses  den  Plan    fiix  die 
weiteren  Besichtigungen.     Sonntag,  22.  März,  begaben  sich  alle  in  die  Kirche 
des  heil.  Grabes,  und  nachmittags  machten  sie  eine  Ausfahrt  nach  den   öst- 
lich von  Jerusalem  gelegenen  Heiligthümem  und  dem  Oelberg.    Als  die  Sonne 
schon  untergegangen  war,  kehrten  sie  von  Bethania  zu  Wagen  nach  Jerusalem 
zurück.      Generalconsul  Cischini  war  zum  Diner  geladen,   und   der  Erzherzog 
unterhielt  sich   sehr  angenehm  mit  ihm.     Um  |ii  Uhr  begab  sich   der  Erz- 
herzog, von  den  Besichtigungen  ermüdet,   zur  Ruhe.     Als  er  sich  am  folgen- 
den Morgen,  Montag,  23.  März,  erhob,  fühlte  er  sich  etwas  unwohl.     Er  ging 
jedoch,   wie  er  schon  bestimmt  hatte,    früh    in  das  Hospiz  und  empfing  da- 
selbst die  Sacramente.     Er  frühstückte  im  Salon  des  Pilgerhauses  eine  Cho- 
colade,   die  ihm  sehr  mundete.      Darauf  begab   er  sich   mit  dem  Rector  in 
die  h.  Grabkirche,    wo    sich    die  Damen    befanden.     Es  wurden    an    diesem 
Tage    noch    der    Tempelplatz    mit    der    Sachrä  -  Moschee    und    der    Basilika 
Mariae  Opferung    (El    Aksa),     sowie     die    Annakirche    nebst     dem    Institut 
der  Weissen  Väter  besucht  und  ein  Ausflug    nach   St.  Johann    im    Gebirge 
unternommen.     Dienstag,  24.  März,  erfolgte  die  Abreise  nach  Jaffa,   wo  unter 
ungünstigen  Witterungsverhältnissen   die   »Thalia«   bestiegen  wurde,   die  nach 
Smyma  in    See   ging.     Das    Unwohlsein,   das  ohne  jede   erkennbare  äussere 
Ursache  sich  eingestellt  hatte,    entwickelte    sich  als  Enteritis,    die  in  müder 
Form  auftrat,  jedoch  einen  schleppenden  Verlauf  nahm.    Der  Schififsarzt  wid- 
mete dem  Erzherzog  sorgfältige  Pflege   und  verblieb   im  Gefolge  bis  zur  An- 
kunft in  Wien.    Die  Ostertage,  vom  29.  März  bis  6.  April,  wurden  in  Smyma 
verbracht,  die  folgende  Woche,  vom  Osterdienstag,  7.  April,  bis  Samstag,  einem 
Besuch  der  königlichen  Familie  in  Athen  und  den  Besichtigungen  der  Alter- 
thümer  daselbst  gewidmet.     Am    11.  April  wurde  auf  Korfu   Ihrer  Majestät 
der   Kaiserin  Elisabeth    im   Schlosse  Achilleion    ein  Besuch    abgestattet  und 
dann   über  Pola  die  Rückreise  nach   Wien   angetreten,    wo   die  Ankunft  am 
17.  April    abends    erfolgte.     Der    Hausarzt    des    Erzherzogs,    Regierungsrath 
Dr.  Rollett,  übernahm  sofort  am   18.  die  ärztiiche  Behandlung.     Doch  konnte 
der  Erzherzog  Ausfahrten  machen  und  Audienzen  ertheilen.     Am    24.  April 
begab  er  sich  mit  Erzherzogin  Elisabeth  ins  Oesterreichische  Museum,  wo  er 
nochmals  die  Congressausstellung  sah,    und  abends  fuhr  er  mit  Erzherzogin 
Annunziata  ins  Hofburgtheater,  wo  5^  Schach  dem  König«  gegeben  wurde.    Spät 
am  Abend  des  24.  trat  die  erste  Fieberbewegung  auf,  und  als  am  folgenden 
Morgen  die  Temperaturmessung  38.3  °  ergab,  Hess  Erzherzogin  Maria  Theresia 
auch  den  Hofrath  Baron  Widerhofer  und  dann  den  Professor  Neusser  berufen. 
Doch  verschlimmerte  sich  die  Krankheit  und   hatte   eine  fortschreitende  Ab- 
nahme der  Kräfte  zur  Folge,    die  den   Tod  herbeiführte.     Seine   Gemahlin, 
Erzherzogin  Maria  Theresia,   war  Tag  und  Nacht  nicht  von  seinem  Bett  ge- 
wichen ;    ihre  sorgsame  und  geschickte  Pflege,  neben  welcher  er  keine  andere 
pflegende  Hand  duldete,  hatte  ihn  mit  solchem  Vertrauen  erfüllt,  dass  er  auf 
Genesung  hoßte,   und  erst  als  die  bedrohliche  Herzschwäche   eintrat,   sah  er 
voll  Ergebung  und  wohlvorbereitet  dem  Tode  entgegen. 


Erzherzog  Karl  Ludwig.  a^i 

Briefe  des  Erzherzogs  an  Johann  von  Wittek,  Grafen  Franz  Coronini,  Grafen  Karl 
Ooronini,  Karl  Mosch,  Grafen  Moriz  Dzieduszycki.  Acten  der  Statthaltereien  in  Lemberg 
C^^osch)  und  Innsbruck  (Mayr).  Acten  des  erzherzoglichen  Secretariats.  Tagebuch  des 
Elrzberzogs.     Mündliche  Berichte  und  eigene  Erlebnisse. 

Bflcher:  Hans  von  Perthaler's  Auserlesene  Schriften,  hrsg.  von  A.  Mayr.  Wien  1883. 
I_  368-  —  Wolfsgniber,  Cardinal  Rauscher.  Freiburg  i.  B.  1888.  —  Zobl,  Vincenz  Gasser, 
Köi^tbischof  von  Brixen.  Brixen  1883.  —  Wurzbach,  Biogr.  Lex.  —  Erzherzog  Karl  Ludwig 
1833 — 1896.  Ein  Lebensbild,  hrsg.  von  A.  von  Lindheim.  Wien  1897.  —  Weiss,  Weltge- 
i>obiclite,  5.  Aufl.  II.  Band  1896,  Vorw.     6.  Aufl.  I.  Bd.  Vorw. 

Franz  Weihrich. 


Zusätze. 


Zu  S.  79— 81.  Zu  den  Nekrologen  über  Hoffory  vgl.  den  seither  im  Goethe- 
Jahrbuch,  XIX.  Band,  1898,  veröffentlichten  Nachruf  von  Richard  M.  Meyer  (1.  c. 
318  —  320). 

Zu  S.  295—304.  Zu  den  Quellen  des  Wolter-Nekrologes  vgl.  den  seither  im 
Jahrbuch  der  Grillparzer-Gesellschaft  (redigirt  von  Carl  Glossy.  Achter  Jahr- 
gang, Wien  1898)  veröffentlichten  Nachruf  von  J.  Minor  (184 — 211). 

Zu  S.  304  und  386.  Durch  ein  Versehen  wurde  der  Artikel  Petzold  zweimal,  als 
Pctzold  Wilhelm  vom  Fachreferenten  und  als  Petzold  Karl  Wilhelm  vom  Provinzial- 
referenten,  behandelt;  dabei  wird  als  Geburtstag  einmal  der  8.,  das  anderemal  der 
9.  Februar  1848  angegeben;  Birschens  Litteraturkalender  verzeichnet,  wohl  nach  Petzolds 
eig^enen  Mittheilungen,  den  9.  Februar  als  Geburtstag. 


L)  Alpliabetisclies  Namenverzeichniss 


zum 


Deutschen  Nekrolog  vom  i.  Januar  bis  31.  December  1897. 


Nam  e 

Adamy,  Heinrich 
Ahlefcld,  Karl  Wilhelm  v. 
Albedyll,  Emil  ▼. 
Alphons,  Theodor 
Althaus,  Friedrich 
Ameth,  Alfred  Ritter  ▼. 
Auerbach,  Leopold  A. 

Baare,  Louis 
Bach,  Franz  Theodor 
Baechtold,  Jakob 
Bargiel,  Woldemar 
Bardey,  Ernst 

Barres,  Julius  von  Vallet  des 
Bassermann,  Anton 
Bauer,  Julius  Bruno 
Baimigarten,  Johannes 
Behr,  Heinrich 
Bender,  Hermann 
Bercht,  Ludwig  Julius 
Berger,  Mathias 
Bergstraesser,  Arnold 
Berlin,  Rudolf 
Bemays,  Michael 
Bernhardi,  Otto  v. 
BeytenmiUer,  Theodor 
Bezzola,  Andreas 
Birkmeyer,  Fritz 
Bode,  Richard  Werner 
Boer,  Oskar 


Verfasser 

Seit 

PVutke 

191 

Joh,  Sass 

407 

B.  Poten 

3S 

G,  Glück 

189 

FranM  Brummer 

36 

Hans  Schütter 

136 

Paget 

34 

Dr.   W.  Beumer 

235 

Franz  Brummer 

310 

Theodor  Vetter 

10 

Rob,  Eitner 

116 

W.   Wolkenhatter 

292 

B.  PoUn 

42 

F.  V.   IVeech 

280 

P,  Zimmermann 

323 

W,   Wolkenhauer 

294 

Rob.  Eitner 

"7 

Rudo^  Krauss 

103 

/*.  Zimmermann 

363 

Hyac.  Holland 

164 

H  EllUsen 

194 

Paget 

39 

Erich  Petzet 

338 

B.  Poten 

49 

Rudolf  Krauss 

104 

Dr.  Hans  Weber 

44 

Hyac.  Holland 

166 

3« 

Paget 

40 

Inhalt. 


463 


N  am  e 

Verfasser 

Seite. 

Bolten Stern,  Konstantin  v. 

B.  Poten 

50 

Bradke.    Peter  v. 

Hermann  Haupt 

177 

Brahms,  Johannes 

Rickard  Heuherger 

90 

Brand,    Ernst 

Pagel 

48 

Breitenlohner,  Jakob 

241 

Brink,    ten  Karl 

h\  V,   Weech 

281 

Brodkorb,  Karl  Wilhelm  Julius  Theodor 

P.  Zimmermann 

360 

BruUiot.  Karl 

Alfred  Freiherr  v.  Mensi 

237 

Buclmer,  Ludwig  Andreas 

Pagel 

49 

Bülow,  Hans  Julius  Adolf  v. 

B,  PoUn 

53 

Bürkner,  Hugo  Leopold  Friedrich  Hein- 

rich 

188 

BurcUardt,  Max 

Pagel 

52 

Burckbardt,  Jacob  Christoph 

H,   Trog-Basel 

54 

Catty,  Adolf  Freiherr  ▼. 

K,   Woltanka 

392 

Cborinsky,  Karl  Graf 

326 

Dalwigk,  Reinhard  Ludwig  Karl  Gus- 

tav Freiherr  v. 

Dr.  Reinhard  Afosen 

181 

r>aiinenberg,  Clemens  Freiherr  v. 

B.  PoUn 

76 

Davidsohn,  George 

Franx  Brummer 

36 

Deecke,  Wilhehn 

FranM  Brummer 

321 

Degen,  Ludwig 

285 

Diez,  Johann  Christoph 

284 

Dicz,  Nikodemus 

284 

Duncker,  Alexander  Friedrich  Wilhelm 

H.  Ellissen 

194 

Ehrlich,  a  Wilhehn 

Franz  Brummer 

43 

Eichhoff,  Joseph  Freiherr  v. 

Heinrich  Adler 

3*9 

Einsle,  Anton 

H  Ellissen 

207 

Engelhom,  Julius 

H  Ellissen 

226 

Engerth,  Eduard  Ritter  v. 

G.  Glück 

393 

Eyferth,  Oscar  Bruno 

P,  Zimmermann 

370 

Fabricc,  Friedrich  v. 

B,  PoUn 

77 

Fischer,  Johann  Georg 

Rudof  Krauss 

129 

Fraas,  Oscar  v. 

Rudolf  Krauss 

146 

Franz,  Hermann 

324 

Fresenius,  Carl  Remigius 

Heinrick  Fresenius 

248 

Fuchs,  WUhelm 

Ernst  Fucks 

244 

Gätke,  Heinrich 

Jok,  Sass 

409 

Gemehl^  Berthold 

283 

Gerhard,  Johannes  Dietrich  Adolar 

Franz  Brummer 

320 

Goeggt  Amand 

Franz  Brummer 

44 

Goldschmidt,  Levin 

Dr.  Karl  AdUr 

119 

Goltz,  Cuno  Freiherr  von  der 

B,  Poten 

83 

464 


IrnkdiL 


Name 
Graimnaitw,  Kazl 

Größer,  Wilhelm 


Verf asse  r 


Seite. 
118 


Gfiothcr.  Otto  Ferdinand 

iM.  EiäKr 

Gfttnbock,  Paol 

Pkgil 

Hahn,  Friedrich  t. 

Dr.  RiUtim 

Haldenwan^  Otto  t. 

R^dß^  K^amss 

HanuBcr,  Karl 

Rappe,  Franz  Kngelbeit 

Frmmz  Brwmmer 

M.  Gisi 

Hecker,  Kari 

J^d^  Krmus 

Hci<ienhafn.  Radolf  Peter  Heinrich 

D^ 

Heiicr,  Wilhelm 

JM.  Eiimer 

Henxler.  Christian  t. 

l^d^  Krmus 

Herbi^,  Max 

Herpfer,  Kari 

Ifyac,  IblUmd 

Herz,  Kari 

AUxmtder  Meyer 

Hess,  Kari 

Ret,  EUmer 

Hieber,  Otto 

Afred  Freiherr  r 

Hirschbeiiger.  Trangott 

Akxmmder  Meyer 

Hirt,  Johann  Christian 

ihmc,  OflloMd 

Hirxei,  Lodwig 

Damiel  Jac^Sy 

Höchl,  Anton 

fffoc.  aUiamd 

Hocfler,  Constantin  t. 

AJc&'  Backmamm 

Hofforr,  Johann  Peter  Julius 

iruke:m  RdmiuA 

Hofmann,  Eduard  r. 

Fagri 

Hofmann,  Franz 

Le^fcui  Ifaf 

Hollander,  Ludwig  Heinrich 

Fi^i 

HoUeben,  Bernhard  t. 

B.  Pojem 

Holstein,  Conrad  Graf  t. 

JeJL  Sass 

Holsten.  Karl 

A,  Hamsratk 

Hiter,  Victor 

P'^g'i 

Janke,  Richard 

ff.  FJIissfu 

Joest.  Wilhelm 

H\   IVeHemkamer 

Kahnt,  Christian  Friedrich 

Ri^Arrt  Eiimer 

Kaiser,  Victor 

M.  Gisi 

Katz,  Fr. 

Keller,  Franz 

ff.  ffcliamd 

Klasing,  Angnst 

ff.  EUivttn 

Klee,  Elisabeth 

Frmmx  Brummer 

Klemm,  Alfred 

RkJa^"^  ÄjroMSs 

Klinkhardt,  Bnino 

ff.  Fluttem 

Kneipp,  Sebastian 

fffiMc.  ffoüand 

Knosp,  Radolf  von 

Rmd>^'  Kramss 

Kober,  Franz  Quirin 

Rudolf  Armus 

«73 

IIQ 

75 

162 
148 

335 

5« 

»*4 

149 

75 
122 

275 

211 

176 

223 

123 
238 
223 

«75 
401 

«83 
209 

79 
Si 

«57 

$2 

85 
408 

4 
82 

226 
«93 

««3 
iSi 

360 

230 

212 

309 
276 


21$ 

277 
276 


Inhalt. 


4<i5 


Name 
Kocli,    £duard  Friedrich 
K.oeliler,  Karl  Franz 
Kopp,    Karl 

Kosjek.«  Gustav  Freiherr  v. 
Kotb««   Bernhard 
Kott^iritz,  Hugo  Freiherr  v. 
Kovacft,  Josef 
KraAtE-KoschlaUy  Alexander  v. 
ICrafft,   Wilhelm  Ludwig 
Krauicke,  Theodor 
Krez,    Konrad 
Krolop,  Franz 

'L^oprechting,  Marquard  Freiherr  v. 
Liebenow,  Wilhelm 
l^inde,  Antonius  van  der 

Lobstein,  Friedrich  Eduard 

Loenartz,  Jakob 

Losftow,  Heinrich 

Latsow,  Karl  v. 

Mai,  Emanuel 

Malcher,  Franz  Xaver 

Maries,  Wilhelm  Ludwig  de 

Mana^»  Wilhelm 

Marquardsen,  Heinrich  v. 

Martinjr,  Friedrich 

Mayr»  Ambros 

Menzel,  Karl 

Mertens,  Franz 

Meyer,  Jürgen  Bona 

Michael,  J. 

Mitterwurzer,  Anton  Friedrich 

Moder,  Auguste 

Moericke,  Wilhelm 

Mohr,  Karl 

Muller,  Ferdinand  Gottlob  Jakob  v. 

Müller,  Wilhelm 

Nehls,  Johann  Christian 
Neipperg,  Erwin  Graf  v. 
Newald,  Julius  v. 
Nördlinger,  Hermann  v. 
Nascheier,  Arnold 

Oertel,  Max  Josef 

Otto,  Carl 

Otto-Thate,  Karoline  Christiane 

Palme,  Augustin 
Peter,  Carl  Lorenz 

Biogr.  Jahrb.  n.  Deotsoher  Nekrolog.    2*  Bdt 


V  e  r f as  ser 

Seite. 

H.  EUissen 

227 

H.  Elissen 

227 

Oudfi^  Kraust 

378 

Heinrich  Adler 

308 

Rob,  Eitner 

"3 

Ä  PoUn 

85 

Fägti 

82 

B.  PoUn 

86 

Kohbchmidt 

^8$ 

357 

Franz  Brummer 

51 

Robert  Eitner 

128 

Hyae,  Holland 

186 

W.   Wolkenkauer 

295 

ff.  Bohalta 

256 

Franz  Brummer 

87 

Bamr 

357 

Ifyat,  ffolland 

187 

G.  Glück 

191 

Paul  SchUnther 

35 

ff.  Bohatta 

257 

Franz  Brummer 

78 

Paget 

96 

ff.  Rehm 

411 

Alexander  Meyer 

223 

338 

Kerler 

221 

Mff. 

355 

Theodor  Lipps 

397 

Paget 

97 

Eugen  Gugtia 

109 

Franz  Brummer 

78 

W.   Wolkenhauer 

30s 

ff.  EUissen 

212 

Rud.  Krauss 

286 

Rob.  Eitner 

105 

33* 

ff.  Friedjung 

3*5 

—  Ö — 

t79 

Rudolf  Krauss 

a87 

y.  Ä  Rahn 

31 

Pagel 

97 

Dr.   W.  Beumer 

233 

P,  Zimmermann 

362 

B^ae.  ffolland 

213 

Muhlhäuseer 

383 

30 


466 


Inhalt. 


Name 
PetorSy  Fritz 
Petfj,  Wilhelm  Joseph 
Petzold,  Wilhelm 
Petzoia,  Wilhelm 
Pfeiffet,  Franz 

Pfotenhaucr,  Friedrich  Paul 
PlU ddemann,  Martin 
Preyer,  Thicrry  William 
Pücjcert,  Wilhelm 

Ramann,  Bruno 

Regenauer,  Eugen  ▼. 

Reimer,  Ernst  Heinrich 

Reitzenstein,  Friedrich  Freiherr  ▼. 

Richter,  Albert 

Richter,  Albert 

Rittershaus,  Emil 

Röntgen,  Engelbert 

Romann  Albrecht 

Rosenthal -Bonin,  Hugo 

Rothpletz,  Christian  Emil 

Rupp,  Adolf 

Ruthner,  Anton  v. 

Rziha,  Franz  v. 

Sachs,  Julius  v. 

Sänger,  Dominik 

Säxinger,  Johann 

Sallentien,Karl  Heinrich  LudwigEduard 

Salzmann,  Max 

Schachtmeyer,  Hans  v. 

Schepss,  Georg 

Schleis  von  Löwenfeld,   Max  Josef 

Schmetz,  Johann  Paul 

Schneidt,  Laura 

Schönherr,  David  R.  v. 

Schönlank,  William 

Schönn,  Alois 

Schütze,  Theodor  Reinhold 

Schuh,  Ferdinand 

Schumann,  Albert 

Schwartz,  Job.  Albert 

Seebach-Niemann,  Marie 

Semmig,  Friedrich  Hermann 

Senfft  V.  Pilsach  Friedrich  Moritz  Adolf 

Sievert,  Auguste 

Simiginowicz-Staufe,  Ludwig  Adolf 

Sohncke,  Leonhard 

Sophie,  Grossherzogin  V.  Sachsen- Weimar 


Verfasser 

Seite 

Karl  Theodor  Gaedertz 

246 

Alexander  Meyer 

22s 

W.   Wolktnhauer 

304 

P,  Zimmirmann 

386 

327 

/Conrad  Wuike 

190 

Roh,  Eitner 

161 

Pagel 

105 

G,  Seeliger 

»57 

R,  Eitner 

135 

F,  V.   Weech 

281 

IV,  de  Gruyter 

3 

E.  BUnck 

291 

Franz  Brummer 

309 

Heinrich  Friedjung 

335 

Dr.  G.  Hoerter 

327 

Rob.  Eitner 

116 

• 

Franz  Brummer 

88 

Rudolf  Krauss 

279 

Adolf  Frey 

27 

Hyac.  Holland 

228 

IV,   mikenhauer 

305 

333 

Paul  Hauppieisch 

262 

Hyac,  Holland 

229 

Rudolf  Krauss 

289 

P,  Zimmermann 

371 

359 

B.  Polen 

98 

Hermann  Haupt 

37 

Paget 

106 

Rob,  Eitner 

155 

Hyac,  Holland 

230 

Hyac.  Holland 

231 

IV.   Wolkenhauer 

304 

Gustav  Glück 

395 

Joh,  Sass 

409 

Rob.  Eitner 

155 

Adolf  Frey 

26 

P,  Zimmermann 

384 

4l^xander  Meyer 

253 

Franz  Brummer 

89 

B,  Polen 

98 

Franz  Brummer 

lOI 

Franz  Brummer 

lOI 

A.  V,  Braunmühl 

167 

P.  V,  Bojanowski 

258 

Inhalt. 


467 


N  am  e 

Verfasser 

Seite. 

piegelberg,  Julius 

P,  Zimmermann 

369 

tark,   Karl 

Pagtl 

107 

tepban,   Krnst  Heinrich  Wilhelm  ▼. 

Alexander  Meyer 

196 

xteroeck    Daublebsky    von,    Maximilian 

Freiherr  v. 

Karl  Wollanka 

387 

Stieler,   Max 

Hyac.  Holland 

229 

Stobbe,   Karl  Friedrich  August 

P,  Zimmermann 

363 

Stocken,   Eduard  ▼. 

B,  Polen 

100 

Stölzel,   Otto 

284 

4 

Straubenm aller,  Johann 

Rudolf  Krauss 

290 

Succo,  Rein  hold 

Rob,  Eitner 

156 

Suche,   Ludwig 

359 

TelmanD,  Konrad 

Franz  Brummer 

400 

Thielen,  Alexander 

Dr.   W,  Beumer 

234 

Thun  llohenstein,  Graf  Sigmund 

Heinrich  Adler 

306 

Tunner,  Peter  ▼. 

Dr,   H^,  Beumer 

239 

Thurn  und  Taxis,  Prinz  v.  Franz  Max. 

" 

I«amoral 

C   Will 

52 

Übcrlee,  Felix  Wilhelm  Adalbert 

Rob,  Eitner 

160 

Valentin,  Johann 

W.   Wolkenkauer 

304 

Vogel,  Karl 

IV, '  IVolkenhauer 

306 

Wachholtz,  Robert  v. 

B,  Boten 

107 

Wagner,  Heinrich 

Rudo^  Krauss 

279 

Walch,  Emanuel 

Hyac.  Holland 

228 

Wasmuth,  Ernst 

//  Ellissen 

208 

Wasserfuhr,  Hermann 

Pagel 

114 

Wattenbach,  Wilhelm 

Victor  Bayer 

365 

Wegelc,  Franz  Xaver  v. 

Victor  Bayer 

375 

Weierstrass,  Karl  Theodor  Wilhelm 

A.  V.  Braunmühl 

170 

Weigand,  Konrad 

Hyac.  Holland 

215 

Weiss,  Hermann 

B.  Polen 

108 

Welcker,  Hermann 

Pagel 

"5 

Weltrel,  August 

Wutke 

190 

Wcnban,  Longly  Sion 

Hyac.  Holland 

216 

Werder,  Hans  v. 

B.  Polen 

109 

Wilhelm  Ludwig  August,  Prinz  v.  Baden 

B.  Boten 

41 

Wilmowski,  Gustav  Karl  Adolf  v. 

yacobi 

163 

Wimpffen,  Victor  Graf 

Heinrich  Adler 

318 

Wolkenstein,  Heinrich  Graf  v. 

Heinrich  Adler 

3'9 

Wolter,  Charlotte  Gräfin  O'Sullivan 

Anton  Bettelheim 

295 

Zimmermann,  Josef  Andreas 

Friedrich   Teulsch 

15» 

Zinn,  August 

Alexander  Meyer 

224 

Zintgraflf,  Eugen 

Friedrich  Ratzel 

3" 

ZUndt,  Ernst  Anton 

Franz  Brummer 

102 

IL)  AlpliabetisclLes  Namenverzeiclmiss 


der 


Ergänzungen  und  Nachträge  zum 
„Deutschen  Nekrolog  vom  i.  Januar  bis  31.  December  1896 


Name 

Ve  r f ass  e  r 

Seite. 

Baerwald,  Robert 

Dr,  Berghoher 

440 

Becker,  Ernst  Albert 

Dr.  Berghoegfer 

440 

Camphausen,  Otto  von 

Alexander  Meyer 

435 

Eissenbardt,  Johannes 

Dr,  Berghoeffer 

439 

Grün,  Dionysius  von 

W.   Wclkenhauer 

437 

Hoffmann,  Heinrich  Adolf  Valentin 

Dr,  Berghoeffer 

439 

Hopfgarten,  August  Ferdinand 

Dr.  Berghoher 

438 

Jemberg,  August 

Dr,  Berghoeffer 

441 

Karl   Ludwig,  Erzherzog  v.  Ocsterreich 

Franz  Weikrich 

444 

Keller,  Franz 

Dr,  Berghoeffer 

44« 

Klimsch,  Eugen  Joh.  Georg 

Dr,  Berghoeffer 

438 

KopSi  Franz 

Dr,  Berghoeffer 

440 

Leithe,  Friedrich 

H.  Bohaita 

4M 

Lindlar,  Joh.  Wilhelm 

Dr.  Berghoher 

440 

Munthe,  Ludwig 

Dr.  Berghoeffer 

44» 

Noe,  Heinrich  August 

Harn  Grasberger 

417 

Pfeifier,  Engelbert 

Dr*  Berghoeffer 

44" 

Pilz,  Vincenz 

Dr.  Berghoeffer 

44a 

Richter,  Heinrich 

Alfred  Freiherr  von  Afensi 

434 

Roeting,  Julius  Robert 

Dr*  Berghoeffer 

44« 

Rumpf,  Peter  Philipp 

Dr*  Berghoeffer 

443 

Schweinitz,  Rudolf 

Dr.  Berghoeffer 

443 

Seidel,  Ludwig  Philipp  ▼. 

A*  V.  Braunmühl 

415 

Simonson,  David 

Dr.  Berghoeffer 

441 

Sonderland,  Fritz 

Dr*  Berghoeffer 

440 

Stichart,  Alexander 

Dr.  Berghoeffer 

444 

Stolberg-Wernigerode,  Otto  Fürst  zu 

Ed.  Jacobs 

425 

Streckfuss,  Karl  Wilhelm 

Dr,  Berghoeffer 

443 

Trossin,  Robert 

Dr,  Berghoher 

444 

Volkmann,  Wilhelm 

H.  Ellissen 

4*4 

Vosi,  Karl 

Dr*  Berghoeffer 

444 

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