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Vorrede.
Der erste Band unseres Biographischen Jahrbuches und Deutschen
Nekrologs ist von der berufenen Kritik über Verdienst und Erwarten
günstig aufgenommen worden. Die Entschiedenheit, mit der ein so sach-
kundiger und massgebender Richter, wie Geheimrath Otto Hartwig,
in dem von ihm herausgegebenen Centralblatt fiir Bibliothekswesen dem
Nutzen, ja der Nothwendigkeit eines solchen Unternehmens das Wort
redete, wäre für sich allein die ausgiebigste Rechtfertigung unseres Ver-
suches, dem überdies bei den Stimmführern der deutschen Presse, ebenso
wie in historischen und anderen Fachzeitschriften aufmunternde, volle
Billigung beschieden war.
Eindringende, fördernde Kritik, die im Geleitwort unseres ersten
Jahrganges erhofft und erbeten wurde, stellte sich gleichfalls ein.
Zu besonderer Genugthuung gereicht es mir, dass wir die werth-
vollsten Winke wiederum zwei alten, bewährten Gönnern unseres
Vorhabens zu danken haben: die gehaltvollen Studien, die Excellenz
V. Liliencron, No. 8 Jahrgang 1898 der Göttingischen Gelehrten
Anzeigen, und Friedrich Ratzel, No. 277 Jahrgang 1898 der Beilage
zur Münchener Allgemeinen Zeitung, im Anschluss an Band I unseres
Biographischen Jahrbuchs und Deutschen Nekrologs veröflfentlicht haben,
greifen weit über den unmittelbaren Anlass hinaus — mitunter so weit,
dass es trotz redlichsten Bemühens nicht möglich war, der Fülle ihrer
Ideen, die für alle Folge Beherztgung und Erfüllung verdienen, sofort
IV Vorrede.
und durchwegs gerecht zu werden. Im Einzelnen haben es sich Verlag
und Herausgeber allerdings angelegen sein lassen, schon im vorliegenden
Jahrgang den Anregungen und Ratschlägen dieser ebenso einsichtigen,
als nachsichtigen Fürsprecher nachzukommen.
So erging und ergeht neuerdings im Sinne Ratzeis an alle Mit-
arbeiter die Bitte, im Interesse der Gleichmässigkeit die Grundlage ein-
heitlich zu gestalten und für jeden einzelnen Nekrolog zu mindesten zu
bringen: i. Name: Familienname, Vorname, bei mehreren Vornamen
alle, doch der Rufname unterstrichen; 2. Stand oder Beruf; 3. Geburts-
und Sterbedatum; 4. die wesentlichsten äusseren Begeben-
heiten des Lebenslaufes; eine Würdigung der Persönlichkeit und
ihrer Leistungen; 5. eventuell Zusammenstellung der Werke; 6.
Quellenverzeichnis zur Biographie; bei bedeutenderen Persönlich-
keiten auch ein Wort über die erreichbaren Bildnisse. Trotz dieses
Muster- Schemas und trotz der ausdrücklich und wiederholt an alle
Geladenen gerichteten Mahnung, desselben eingedenk zu bleiben, war
es nicht möglich, in jedem einzelnen Falle dessen genaue Einhaltung
durchzusetzen. In dieser und in so mancher anderen Beziehung
erübrigt uns deshalb nur, unsere Leser zu bitten, allfällige Verbesse-
rungen und Ergänzungen dem Verlag oder dem Herausgeber freund-
lich bekannt zu geben. Ein Gleiches gilt in Betreff einer Reihe
von anderen »Redaktions-Leiden«, deren Excellenz von Liliencron in
seiner Meisterkritik gedacht hat: »Wie weit der Nekrolog auszudehnen
ist, das lässt sich meiner Ueberzeugung nach vom centralen Mittel-
punkt der Leitung des Unternehmens nur theilweise bestimmen. Zum
anderen Theil müssen hierbei solche Mitarbeiter mitwirken, welche die
einzelnen particulären Gebiete, die deutschen Lande, Grossstädte, Cultur-
centren (Universitäten!) u. s. w. vertreten. Zu überschauen, welche für
ihr Gebiet in irgendwelcher Weise beachtenswerten Persönlichkeiten
im Laufe der Tage dahingehen, ist für sie eine kleine Mühe. Dazu
verhilft ihnen schon die Tagespresse mit ihren Nekrologen und Nekro-
logien. Ein Netz von Helfern dieser Art, ausgespannt über die ganze
deutsche Welt, halte ich für ein ganz unabweisbares Bedürfnis der
Redaktion.« Dass es an dem ehrlichen Streben nicht gemangelt hat,
solche Nothhelfer zu suchen, wird der wohlwollende Leser von Band II
nicht verkennen: an Baechtolds Stelle hat Professor Adolf Krey das
Vorrede. V
Schweizer Referat übernommen, für die Siebenbürger Sachsen ist
Pfarrer Dr. F. Teutsch, fiir Schleswig-Holstein Hr. Joh. Sass auf
mein Ersuchen eingetreten. Dass und wie viel trotz alledem noch
nachzuholen bleibt für einzelne Persönlichkeiten und ganze Landstriche,
ist schwerlich Jemandem deutlicher bewusst, als dem Herausgeber.
Wohl war es mir vergönnt, die meisten der im vorigen Jahrgang ver-
heissenen Nachträge, vor Allem die Nekrologe von Camphausen, Erz-
herzog Carl Ludwig, Fürst Stolberg-Wernigerode u. s. w., rechtzeitig zu
erhalten; dagegen müssen Nekrologe wie die von Gurlitt, Victor Meyer,
W. H. Riehl, von einer Reihe deutscher Theologen und sächsischer Namen
auf den nächsten Band verspart bleiben, weil die Herren Verfasser,
Prof. W. Gurlitt, Prof. Goldschmidt, Staatssekretär z. D. Prof. G. v. Mayr,
Lic. Kohlschmidt und Dr. H. A. Lier, ihre Manuscripte nicht mehr vor
Schluss des Druckes einliefern konnten.
Am schmerzlichsten traf es aber Verleger und Herausgeber, dass
die schon für Band I geplante Todtenliste, die registermässig das
alphabetische Verzeichnis aller im Laufe des Berichtjahres geschiedenen
Deutschen von Bedeutung — einschliesslich der im Deutschen Nekrolog
nicht eingehender gewürdigten — umfassen soll, auch heuer noch
nicht erscheinen kann. Unser mit dieser mühsamen und verantwort-
lichen Aufgabe betrauter, hochgeschätzter Mitarbeiter, Bibliothekar
Dr. Georg Wolff in München, dem wir auch fiir das Mitlesen der
Correcturen verpflichtet sind, ist leider in letzter Stunde durch eine
unvorhergesehene Abhaltung ausser Stande gewesen, den weitgediehenen
Entwurf seiner Todtenliste für 1896 und 1897 druckreif abzuschliessen.
Band III wird deshalb die Todtenliste für 1896 — 1898 auf einmal
bringen.
So viele und so wichtige Beiträge derart auch zurückbleiben mussten,
so hat uns dennoch der überreiche Stoff der Nekrologie des Jahres 1897
und der Ergänzungen zum Jahrgang 1896 genöthigt, auf urkundliche und
biographische, ausserhalb der Jahre 1896/7 liegende, Mittheilungen zu
verzichten. Dessenungeachtet darf unser Band meines Erachtens mit
Fug und Recht seinen alten Obertitel »Biographisches Jahrbuch« weiter
fortführen. Angesichts der grossen Zahl künstlerisch sorgfältig ausge-
führter Einzelbiographien, wie sie. Dank der werkthätigen Förderung aus-
gezeichneter Mitarbeiter, der vorliegende Band von Jacob Burckhardt,
VI Vorrede.
Johannes Brahms, Sachs, Stephan und manchen anderen bietet, darf sich
unser Deutscher Nekrolog wohl auch als Biographisches Jahrbuch dauernd
zu den Grundsätzen bekennen, die Herder einst Schlichtegrolls Nekrolog
entgegenstellte: »Der Name Todtenliste ist schon ein trauriger Name.
Lasst Todte ihre Todte begraben; wir wollen die Gestorbenen als Lebende
betrachten, uns ihres Lebens, ihres auch nach dem Hingange noch fort-
wirkenden Lebens freuen und eben deshalb ihr bleibendes Verdienst flir
die Nachwelt aufzeichnen. Hiermit ver^vandelt sich auf einmal das Ne-
krologium in ein Athanasium, ein Mnemeion; sie sind nicht gestorben,
unsere Wohlthäter und Freunde, denn ihre Seelen, ihre Verdienste um 's
Menschengeschlecht, ihr Andenken lebet.«
Wien, 8. November 1898,
Anton Bettelheim.
Inhalt.
Seite.
Vorrede III -VI
Uebersicht der Bibliographie der biographischen Litteratur 1897
Dr. Joh. Luther i*— 55*
Deutscher Nekrolog vom i. Januar bis 31. December 1897 i — 414
Ergänzungen und Nachträge zum »Deutschen Nekrolog vom
I. Januar bis 31, December 1896« 415 — 461
Alphabetisches Namenverzeichniss I 462
Alphabetisches Namenverzeichniss II 468
Zusätze 461
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• .• /
• •
• •
Uebersicht
der •
Bibliographie der biographischen Litteratur 1897.
Zusammengestellt
von
Dr. Johannes Luther,
Bibliothekar an dor Königlichen BIbliothele Bprlin.
• •••
1 •
Die durch ein * gekennzeichneten Aufsätze sind dem I. Band, Jahrgang 1897, unseres
d Biographischen Jahrbuches und Deutschen Nekrologs« entnommen«.
• P a gel : Hans Conrad Carl Theodor Acker-
mann, Arzt u. Prof. d. pathol. Anatomie.
(S- 149—150.)
W immer. Frz. Paul: Kaiserin Adelheid,
Gemahlin Ottos I. des Grossen, in ihrem
Leben u. Wirken v. 931 — 973. 2. Aufl.
Regensburg: J. Habbel: i. Komm. 8. III,
104 S.
Zu Friedrich Adlers siebenzigstem Geburts-
tage. (Deutsche Bauzeitung. 31. Jahrg.
4. S. 518—519, 527.)
Kolb, R.: Adolph, Grossherzog v. Ludern«'
bürg, Herzog v. Nassau. Wiesbaden: (H.
Roemer.) 8. VIII, 182 S. m. Bildn.
Busi nger, L. C: Joseph Ignatz von Ah f,
15. D^z. 1834 — I. Sept. 1896. (Schweizer.
Archiv f. Volkskunde. I. Jahrg. 8. S. 91
—93-)
Hardmann: König Alberts Mitarbeit am
Aufbau des Deutschen Reiches. (Fest-
reden z. Geburtstagsfeier König Alberts
T. Sachsen. Leipzig: O. Klemm's Sort. 8.)
SchcUenberg: Ein Lebensbild unsers Kö-
nigs Albert. (Festreden z. Geburtstags-
feier Königs Albert v. Sachsen. Leipzig:
O. Klemm's Sort. 8.)
Geyer, Alb.: Albrecht der Bär. Eine Bio-
graphie. Nach d. Quellen. Berlin: E. Ehe-
ring. 8. 44 S. m. lU. [Lebensbilder aus d.
Geschichte. IL]
D u n cke r, Carl v. : Feldmarschall Erzherzog
Albrecht. Wien: F. Tempsky. 4. XII,
330 S. m. Bildn. u. Abb.
Biofr. Jahrb. n. Deutacher Nekrolog. 2. Bd.
Prinz Alforecht von Preussen, .Regent von
Braunschweig. (Zum 8. Mai 1897^) (Der
Bär. 23. Jjihrg. 4. S. 220 — 221 m. Bild.)
Prinz Albrecht von Preussen. . (Militär-
Wochenblatt. 82. Jahrg. i.Bd. 4. Sp. 1215
— 1222.)
Paulus, N.: Lorenz Albrecht. Der Ver-
fasser der ersten deutschen Grammatik. I.
II. (Hist..polit Blätter f. d. kath. Deutsch-
land. 119, Bd. 8. S. 549— 560, 625— 637.)
•-Meyer, Alexander: Siegfried Wilhelm Al-
hrecht, deutscher Politiker. (S. 203—205.)
*Granier, Hermann: Alexander, Prinz von
Preussen, General der Infanterie. (S. 418.)
Le Roi, J. F. A. de: Michael Solomon
Alexander, der erste evangelische Bischof
in Jerusalem. Gütersloh: C. Bertelsmann.
8. 3 BL, 230 S., I Bi^dn. [Schriften des
Instit. Judaicum in Berlin. Nc 22.]
RUhle, Otto: Johanna Ambrosius. Eine
menschliche Komödie. (Monatsblätter f.
deutscheLitteraturgesch. I. Jahrg. 8. S. 219
. —226.) ,
Hürbin, Jos.: Peter von Andlau, der Ver-
; fasser des ersten deutschen Reichsstaats-
rechts, Ein Beitr. z. Gesch. d. Humanis-
n|us am Oberrhein im XV. Jahrhundert.
Strassburg: J. H. Ed. Heitz. 8. XII, 286 S.,
I Taf;, I Facs,
Euler, Carl: Professor Dr. Eduard Anger-
stein. Ein Lebensbild. [Aus: Monatsschr.
f. d. Turnwesen.] Berlip: R. Gaertner. 8.
34 S. m. Bildn. .
Biographische Bibliographie.
Anzengruber, Lijdw.*" Biographisches und
Autobiographische. (L. Anzengruber : Ge-
samm. Werkfr'.^Jt'durchges. Aufl. Bd. i.
Stuttgart r.^/Öt-'Cotta Nachf. 8.)
Abels, Lud^^t Neues über Anzengruber.
(SoniK^jg^sbeil. No. 39 z. Voss. Zeitung.)
Bettel hel4p, Ant.: Anzengruber. Der
Manb,^s«1n Werk, seine Weltanschauung.
2.«'v^Fgf. Aufl. Berlin: E. Hofmann & C.
^.-.yni, 286 S. [Geisteshelden. I. Samml.
. H-4.]
^I}«»echtold, J.: J. W. Appell. (S. 3—5.)
•'•.*^itner, Rob.: Karl Armbrust. (S. 112 —
•••.^ Ernst Moritz Arndt. I-III. [Bilder aus der
Erweckungsgesch. d. religiös-kirchl. Lebens
in Deutschland in diesem Jahrhundert.
III. Reihe, i . (Allg. Evangel.-Luth. Kirchen-
zeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 291 — 296, 316
—321. 345— 350O
Bendixen, Rudolf: Ernst Moritz Arndt.
(R. Bendixen: Bilder aus d. letzten reli-
giösen Erweckung in Deutschland. Leip-
zig: Dörffling & Franke. 8. S. 2i — 62.)
M e i s n e r , Heinrich : Ernst Moritz Arndt im
Parlamente. (Der Bär. 23. Jahrg. 4. S. 448
— 450, 459—461.) (Der »Deutschen Revue«
entnommen.)
R eint haier: Ernst Moritz Arndt. (Deutsch-
evangelische Blätter. 22. Jahrg. 8. S. 233 —
249.)
Meisner, Heinrich: Ernst Moritz Arndts
Mutter. (Sonntagsbeil. No. 36 z. Voss.
Zeitung.)
Wehrmann, M.: Zur Geschichte des Bi-
schofs Arnold von Camin. Monatsblätter.
Hrsg. V. d. Ges. f. Pomm. Gesch. u. Alter-
thumskunde. 11. Jahrg. 8. S. 58 — 60.)
* H o 1 1 an d , H. : Hermann Arnold, Historien»
u. Genremaler. (S. 47 — 48.)
*Brttmmer, Franz: Andreas Ascharin.
(S. 196—197.)
Ilwof, Franz: Die Grafen von Attems,
Freiherren von Heiligenkreuz, in ihrem
Wirken in u. für Steiermark. Graz : Styria.
8. 4 Bl., 216 S., 2 Bildn. [Forschungen
z. Verfassungs- u. Verwaltungsgesch. der
Steiermark. Bd. II. H. i.]
Ilwof, Franz: Ferdinand Graf Attems (1746
— 1 820), Landeshauptmann von Steiermark.
M. Bildn. (F. Ilwof: Die Grafen von At-
tems. S. 25—136.)
Ilwof, Franz: Ignaz Maria Graf Attems
(1774 — 1861), Landeshauptmann v, Steier-
mark. M. Bildn. (F. Ilwof: Die Grafen
von Attems. S. 137 — 201.)
Schlossar, Anton: Anas tasius Grün [d.i.
Graf Anton Alexander von Auersperg]
und Josef Freiherr von Hammer-Purg-
stall. M. ungcdr. Briefen Anastasius Grüns
aus d. Jahren 1831 bis 1854. (Oesterr.-Un-
gar. Revue. 20. Bd. 8. S. 37— 57i 107 —
127.)
V. Weilen, Alexander: Anastasius Grün
[d. i. Graf v. Auersperg] und Ludwig
August Frankl. (Sonntagsbeil. No. 25 z.
Voss. Zeitung.)
Müller, Hans: Kurfürst August des Starken
Uebertritt zur römischen Kirche. Leipzig:
Buchh. des Evang. Bundes. 8. 56 S. [Flug-
schriften d. Evang. Bundes. H. 134/135
(XU. Reihe, 2/3).]
Evers, Ernst: Auguste Viktoria. Das Le-
bensbild d. deutschen Kaiserin. 3. Aufl.
Berl^: Berl. Stadtmission. 8. 188 S. mit
Bildn.
Carstanjen, Frdr. : Richard Avenarius.
Ein Nachruf. [Aus: Vierteljahrsschr. f.
wissenschaftl. Philosophie.] Leipzig: O.
R. Reisland. 8. 32 S. m. Bildn.
*Carstanjen, Fr.: Richard Heinrich Lud-
wig Avenarius. (S. 5— 12.)
Frommel, Emil: Bach s. Händel.
Wolzogen, Hans v. : Johann Sebastian Bach.
(H. V. Wolzogen : Grossmeister Deutscher
Musik. I. Bd. Hannover: Dunkmann. 4.
S. I — 27 m. Bildn.)
Jahne, Heinrich: Ferdinand Bachmann.
(Biographien Österreich. Schulmänner. Hrsg.
V. Franz Frisch. Wien: A. Pichler's Wwe
& Sohn. 8. S. 112 — 114.)
*BrUmmer, Franz: Wilhelm Emanuel Back-
haus. (S. 195—196).
Michel, Hermann : Zur Erinnerung an Jacob
Bächtold. (Das Magazin f. Litteratur.
66. Jahrg. 4. Sp. 1017— 1018.)
Münz, Bernhard: Bernhard Baehring.
(Briefe von und über Jakob Frohscham-
mer. Hrsg. v. B. Münz. Leipzig: G. H.
Meyer. 8. S. 24— 31.)
• Weech, F. v.: Karl Anton Ernst Baer,
badischer Jurist u. Parlamentarier. (S. 389
-391.)
Stölzle, Remigius: Karl Ernst von Baer
und seine Weltanschauung. Regensburg:
Nationale Verlagsanst. 8. XI, 687 S.
Stölzle: Karl Ernst von Baer und seine
Weltanschauung. (Die Natur. 46. Bd. 4.
s. 313-316.)
•Weltner, A.J.: Friederike Bäuerle. (S. 335
—336.)
• E i t n e r , Rob. : Selmar Bagge. (S. 113.)
Klaus, B.: Hans Baidung genannt Grien
oder Grün. (B.Klaus: Gmtinder Künst-
ler. II. 2. in: Württembergische Viertcl-
jahrsheftef. Landesgeschichtc. N.F.V. Jahrg.
8. S. 307 — 313, 331 — 332.)
•Posner: Cari M. Balling, Kaiserl. Königl.
Oberbergrath. (S. 411.)
Pastor, Willy : Ein Maler des Berliner Ostens
(Hans Baluschek). (Das Magazin f. Litte-
ratur. 66. Jahrg. 4. Sp. 774 — 776.)
Biographische Bibliographie.
,4!
Bussle r, W.: General - Feldmarschall Graf
Barfuss. Kurzgef. Lebensbild m. Anschluss
d. Gesch. d. nach ihm genannten 4. Westfäl.
Inf.-Reg. No. 17. Gotha: G. Schloessmann.
8. 22 S. m. Bildn.
Woldcmar Barglel, Professor, Mitglied der
König!. Akad. d. Künste. (Chronik d. Königl.
Akad. d. Künste zu Berlin. 1896/97. 8.
S. 82-83.)
Schubert, Gustav v.: Heinrich Barth, der
Bahnbrecher der deutschen Afrikaforschung.
Ein Lebens- nnd Charakterbild, auf Grund
ungedruckter Quellen entworfen. Berlin:
D. Reimer. 8. i Bl., X, 184 S., 3 Bildn.,
I Bildntaf., 6 Facs.
Bartholomä, Hermann: Erlebnisse eines ba-
dischen Lazareth-Unterofßziers im Feldzuge
1870/71. Karlsruhe: J.J. Reiflf. 8. VIS.,
I Bl., 141 S., I Kt [Badener im Feldzug
1870/71. Bd. 14.]
R. Diestelmann: Johann Bernhard Base-
dow. Leipzig: R. Voigtländer. 8. iio S.,
I Bildn. [Grosse Erzieher. Eine Darstellung
d. neueren Pädagogik in Biographien Bd. 2.]
Rubinstein, Susanna: Batz s. Main-
länder.
Speier, Max: Bauemfeld s. Grillparzer.
*Pagel: Georg Wilhelm Baum, Chirurg.
(S. ISO— 151.)
* K r a u s s , Rudolf: Eugen Baumann. S. 93
-94.)
*Meyer, Alexander: Karl Baumbach, Ober-
bürgermeister von Danzig. (S. 199 — 200.)
Gabler, Ludwig: Schulrath (Gottlob Franz)
Baunack in seinem Leben und Wirken
für die Volksschule. Tl. i : Seine Reden
bei den Jahreskonferenzen d. Lehrer d.
Schulinspektionsbezirks Oelsnitz i. V. Leip-
zig: Dürr. 8. 160 S., i Bl., i Bildn. (Tl. 2:
Sein Leben u. Wirken, ersch. 1898.)
Wilhehn Baur. [Rudolf Kögel, Emil From-
mel, Wilhelm Baur. 3.] (Allg. Evangel.-
Luth. Kirchenzeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 460
—464.)
Professor Dr. Franz v. Baur f. (Centralblatt
f. das gesammte Forstwesen. 23. Jahrg.
8. S. 90—95 m. Bildn.)
Professor Dr. (Franz) von Baur f. (Deutsche
Forst-Zeitung. 12. Bd. 8. S. 73—74.)
Fürst: Professor Dr. Franz von Baur.
(Forstwiss. Centralbl. 8. N. F. Jahrg. 19,
s. 133^136.)
Der Socialdemokrat August Bebel als Denun-
ziant Preussrscher Offiziere. Von einem
Offizier. Berlin: R. Felix. 8. i Bl., 18 S.
•Kollmann, Paul: Karl Becker. (S. 12—32.)
•Holland, H.: Moritz von Beckerath,
Historienmaler. (S. 48 — 49.)
Ritter, Herrn.: Beethoven s. Haydn.
Wol zogen, Hans v.: Ludwig van Beetho-
ven. (H. V. Wolzogen : Grossmeister deut-
scher Musik. X . Bd. Hannover : Dunkmann.
4. S. 55—82, m. Bildn.)
Meyer, Alfred Gotthold: Reinhold Begas.
Bielefeld u. Leipzig: Velhagen & Klasing.
8. 2 Bl., 128 S. m. Abb. [Künstler-Mono-
graphien. 20.]
Wolf-Harnicr, Eduard: Reinhold Begas.
Eine biograph. Skizze. M. Abb. (Der Bär.
23. Jahrg. 4. S. 570—573. 581—582, 592
— 594.)
•Weech, F. v.: Wilhelm Jacob Behaghel,
Professor der Rechte an d. Univ. Freiburg.
(S. 391— 393-)
Ratzinger, G.: Albert Behaim s. Bo-
hemus.
Bauch, Alfred: Der Aufenthalt des Malers
Sebald Beham während der Jahre 1525—
1535. (Repertorium f. Kunstwiss. 20. Bd.
8. S. 194 — 205.)
Schmidt, Wilhelm: Beiträge zur Kenn tniss
Sebald Beham's. (Repertorium f. Kunst-
wiss. 20. Bd. 8. S. 477—479.)
Edmund Behringer. 25 Jahre Rektor. (Aka-
demische Monatsblätter. IX. Jahrg. 4. S. 59
—62.)
Reiffer scheid, AI.: Zwei Anträge aus-
wärtiger Bibliothekarstellen für George
Friedrich Benecke. (Centralblatt für
Bibliothekswesen. 14. Jahrg. 8. S. 75
-83.)
•Rudolf Benedikt. (S. 322—324.)
ülzer. F.: Rudolf Benedikt (weil. Professor
an der k. k. technischen Hochschule in
Wien). (R. Benedikt: Analyse der Fette
und Wachsarten. 3. erweit. Aufl., hrsg. v.
F. ülzer. Berlin: J. Springer. 8. S. III
-VI.)
Miquel und Bennigsen s. Miquel.
Friedländer, Max J.: Bentz s. Peutz.
Felix Berber. (Musikal. Wochenblatt 28. Jahrg.
4. S. 483—484 m. Bildn.)
♦Obermayer, A. v.: Hans Ernst Graf
vonBerchem-Haimhausen. (S. 32—34.)
Schmitt, Franz Jacob: Matthias Berger,
Architekt in München, f» (Centralblatt d.
Bauverwaltung. 17. Jahrg. 4. S. 224.)
Arnold Bergsträsser f. (Deutsche Bauzei-
tung. 31. Jahrg. 4. S. 24.)
•Weltner, A. J.: Alois Berla s. Scheichl.
•Li er, H. A.: Dietrich Otto von Berlepsch,
Präsident des evang.- lutherischen Landes-
consistoriums des Königreich Sachsen.
(S. 415.)
Boehm, Willy: Götz v. Berlichingen mit
der eisernen Hand. 2. Aufl. Gütersloh:
C. Bertelsmann. 8. 152 S.
•Uhde, Hermann: Michael Bernays 1834
—1897. (S. 17*- 22*.)
Witkowsky, Georg: Michael Bernays.
(Das Magazin f. Litteratur. 66. Jahrg. 4.
Sp. 271—277.)
a*
0»
Biographische Bibliographie.
Hildebrandt, Max: Reinhard Bernhard!.
Zum Gedächtniss eines deutschen Natur-
forschers. 1797. ii.October. 1897. (Natur-
wissenschaft!. Wochenschrift. 12. Bd. 4.
S. 481—486.)
Aus dem Leben Theodor von Bernhardi's.
Tl. VI. (Aus den letzten Tagen des deut-
schen Bundes. Tagebuchblätter aus d. J.
1864— 1866.) Tl. VII. (Der Krieg 1866
gegen Oesterreich und seine unmittelbaren
Folgen. Tagebuchblätter aus d. J. 1866 u.
1867. M. e. Bildn. Bemhardis.) Leipzig:
S. Hirzel. 8. X,338 S.; XIV, 378 S., i Bildn.
Aus den Tagebüchern Theodor von Bern-
hardi's. V. (Deutsche Rundschau. 90. Bd.
8. S. 72—95-)
Brausewetter, Ernst: Elise Bernstein s.
R o s ra e r.
Gräfin Elise von Bernstorif, geb. Gräfin
von Dernath. Ein Bild aus d. Zeit von
1789 bis 1835. Aus ihren Aufzeichnungen.
3. Aufl. (Hrsg. : Elise v. d. Bussche-Kes-
sell.) Bd. I. 1789 bis 1822. M. 2 Bildn.
Bd. 2. 1823 bis 1835. M. I Bildn. Berlin:
E. S. Mittler & Sohn. 8. VIII, 340 S.,
2 Bildn.; V, 270 S., i Bildn., i Stammtaf.
Wehrmann, M.: Dietrich von Bertekow,
Pfarrer in Wusseken und Neuenkirchen
(1300 1304). (Monatsblätter. Hrsg. v. d.
Ges. f. Pomm. Gesch. u. Alterthumskunde.
II. Jahrg. 8. S. 90— 92.)
♦Brummer, Franz: Friedrich August Ber-
thelt. (S. 246—247.)
Kohut, Adolph: Friedrich Justus Bertuch.
M. 4 ungedr. Briefen Bertuchs. (Nord u.
Süd. 83. Bd. 8. S. 73—83.)
Zum achtzigsten Geburtstage von Friedrich
Beust. M. d. Bildn. Beust's. Zürich: Zür-
cher & Furrer. 8. 34 S., i Bildn.
Merian, Hans: Franz Adam Beyerlein.
(Die Gesellschaft. Jahrg. 1897, III. 8.
S. 390—395 m. Bildn.)
Professor Ernst Beyrich. (Nekrolog.) (Deut-
sche Rundschau f. Geographie u. Statistik.
19. Jahrg. 8. S. 40—42 mit Bildn.)
♦ B 1 e n c k , E. : Heinrich Ernst Beyrich, Pro-
fessor u. Geheimer Bergrath. (S. 193 — 194.)
Dr. Eduard Albert Bielz. (Deutsche Rund-
schau f. Geographie u. Statistik. 19. Jahrg.
8. S. 326—328 m. Bildn.)
*Poten, B.: Hugo Ritter Bilimek von Wais-
solm, k. u. k. Fcldmarschall- Lieutenant.
(S. 112.)
Schmidt, Geo: Schönhausen und die Fa-
milie von Bismarck. Bearb. im Auftr. d.
Familie. M. zahlr. Abb. Berlin : E. S. Mitt-
ler & Sohn. 8. VIII, 196 S.
Kaiser Wilhelm I. und Fürst Bismarck s.
Wilhelm I., Kaiser von Deutschland.
Bismarck als Redner. (Zeitschr. f. deutsche
Sprache. 10. Jahrg. 8. S. 12 — 17.)
Diest-Daber, v.: Bismarck u. Bleich-
röder. Deutsches Rcchtsbewusstscin u. d.
Gleichheit vor d. Gesetze. München: Th.
Wenng. 8. III, 201 S.
Everling: Bismarck s. Luther.
P e n z 1 e r , Jobs : Fürst Bismarck nach sei-
ner Entlassung. Leben u. Politik des Für-
sten seit seinem Scheiden aus dem Amte
auf Grund aller authentischen Kundgebun-
gen. Hrsg. u. mit histor. Erläuterungen
versehen. 5 Bde. (i : 20. März 1890 —
II. Febr. 1891; 2: 12. Febr. 1891 — 5. Dec.
1891 ; 3: 6. Dec. 1891 — 27. Juni 1892;
4: 28. Juni 1892 — 22. Febr. 1893; 5: März
1893 — Ende 1894.) Leipzig: W. Fiedler.
8. VII, 384 S.; 2 Bl., 380 S.; 2 BL, 367 S.;
400 S.; 384 S.
Poschinger, Heinr. v.: Fürst Bismarck
und der Bundesrath. (In 4 Bdn.) Bd. i — 3.
(i: Der Bundesrath des Norddeutschen
Bundes, 1867 — 1870; 2: Der Bundesrath
des Zollvereins, 1868 — 1870, u. d. Bundes-
rath des Deutschen Reiches, 1871 — 1873;
3 : Der Bundesrath des Deutschen Reiches,
1874— 1878.) Stuttgart: Deutsche Verlags-
Anst. 8. XII, 351 S.; X, 427 S.; X,
486 S.
Rohling, Carl: Otto v. Bismarck. Ernstes
u. Heiteres aus d.Leben des grossen Kanzlers.
40 Bilder (in Farbdr.). Begleitender Text
v. R. Hofmann. Berlin: A. Hofmann & C.
VII, 40 S. qu. 4.
R o s i n s k i , Adf. : Fürst Bismarcks Kampf
gegen den Grafen Caprivi u. seine
Kundgebungen üb. d. Sinken des deut-
schen Nationalgefühls u. üb. d. deutsche
Reichsverfassung, kritisiert. Berlin: Selbstv.
8. 91 S.
Rosinski, Adf.: Fürst Bismarcks Ver-
dienste u. ihre Würdigung durch den
deutschen Reichstag bei der Feier seines
80. Geburtstages, kritisch beleuchtet.
Berlin: Selbstv. 8. 26 S.
Diest-Daber, v.: Bleichröder s. Bismarck.
Zum siebzigjähr. Dienstjubiläum Seiner Ex-
cellenz des General-Feldmarschalls Grafen
V. Blumenthal am 30. Juli 1897. (Mili-
tär-Wochenblatt. 82. Jahrg. 2. Bd. 4.
Sp. 181 5— 1823.)
Frisch, Franz: Franz Bobies. (Biographien
Österreich. Schulmänner. Hrsg. v. F. Frisch.
Wien: A. Pichler's Wwe & Sohn. 8. S. 196
—203 )
Richard Werner Bode, Geh. Baurath, f.
(Centralblatt d. Bauverwaltung. 17. Jahrg.
4. S. 332.)
Schumann, Paul : Wilhelm Bode s. v. We r n e r.
Ostertag: Die Anstalten des Pastor D.
von Bodelschwingh. Berlin: Ostdeutscher
Jünglingsbund. 8. 16. S. m. Abb. [Für
Feste u. Freunde d. Inn. Mission. H. 3.J
Biographische Bibliographie.
41
•LUtzow, Carlv. : Erinnerungen an Fried-
rich Bodenstedt. S. 42* — 49*.)
Grimm, Hernian: Zum siebzigsten Geburts-
tage Arnold Böcklin*s. Schweizerische
Erinnerungen. (Deutsche Rundschau. 93. Bd.
8. S. 51-69.)
Henckell, Karl: Widmungsblatt an Arnold
Böcldin. Zürich: K. Henckell & C. 4.
12 S. m. Bildn.
Lehrs, Max: Arnold Böcklin. Ein Leit-
faden z. Verständnis seiner Kunst München :
F. Bruckmann. 8. 60. S.
Osborn, Max: Zum Boecklin-Tage. (Das
Magazin f. Litteratur. 66. Jahrg. 4.
Sp. 1 231 — 1236.)
Servaes, Franz: Meister Böcklin. Zum
siebzigsten Geburtstag. (Die Gegenwart.
52. Bd. 4. S. 249—252.)
Deussen, Paul: Jakob Böhme. Ueber sein
Leben u. seine Philosophie. Kiel : Lipsius
& Tischer. 8. 31 S.
Lassen, Adf: Jacob Böhme. Rede. Berlin:
R. Gaertner. 8. 35 S. [Vorträge u. Ab-
handlungen aus d. Comenius-Ges. 5. Jahrg.
3. Stück.]
Schönwälder: Lebensbeschreibung des be-
rühmten Schuhmachers u. Theosophen
jakob Böhme. Görlitz: (Selbstv.) 8. 14 S.
Löffler, J. H: Martin Bötzinger. Ein
Lebens- u. Zeitbild aus d. 17. Jahrh. 2 Bde.
Leipzig: F. W. Grunow. 8, 442 u. 441 S.
Ratztnger, G.: Albertus Bohemus (Albert
Bchaim). (Hist-polit. Blätter f. d. kath.
Deutschland. 119. Bd. S. 81 — 100, 177— 189,
258—272, 393—407.)
•Holland, H. : Ludwig Boller, Land-
schaftsmaler. (S. 49.)
Georg Christian August Bomhard. [Aus der
Erweckungszeit der bayerischen Landes-
kirche. IX.] (Allg. Evangel.-Luth. Kirchen-
zeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 223 — 228.)
Heinrich Bone. (Hist.-polit. Blätter f. d. kath.
Deutschland. 120. Bd. 8. S. 767 — 773.)
Kaiser, H. AL: Heinrich Bone. Lebensbild
eines deutschen Schulmannes u. Schrift-
stellers. Zug: Buchdr. J. M. Blunschi. 8.
50 S. m. Bildn.
Richard Bong 1872 — 1897. (Oesterr.-ungar.
Buchdrucker- Zeitung. XXV. Jjihrg. 4.
S. 619 — 621.)
Richard Bong 1872 — 1897. ^^^ thatkräf-
tigen Förderer d. Kunst u. Litteratur in
dankbarer Verehrung gewidmet v. einem
Freunde d. Hauses. (Berlin: Gedr. b. J.
Sittenfeld.) 4. 36. S., i BL, i Bildn.,
14 Taf.
Lcfmann, S.: Franz Bopp, sein Leben und
seine Wissenschaft. Nachtrag. M. e. Ein-
leitung u. e. vollst. Register. Berlin: G.
Reimer. 8. 2BI., XLII, 129 S. (Die früheren
zwei Hälften ersch. 1891 u. 1895.)
Stahl, Fritz: Eugen Bracht. (Die Kunst-
Halle. II. Jahrg. 4. S. 241—242.)
Jacobowski, Ludwig: Otto Brahm. Eine
Studie. (Nord u. Süd. 82. Bd. 8. S. 22
bis 36 mit Bildn.)
Johannes Brahms, Professor Dr., Mitglied
d. Königl. Akad. d. Künste. (Chronik d.
Königl.Akad. d. Künste zu Berlin. 1896/97.
8. S. 83-84.)
Zur Abwehr. Johannes Brahms und die
»Ungarischen Tänze«. Berlin: N. Sirarock.
8. 13 S.
Abel, Hedwig: Johannes Brahms. (Die
Gegenwart. 51. Bd. 4. S. 247 — 248.)
C u r t i u s , Friedrich : Johannes Brahms. (Die
Christi. Welt. 11. Jahrg. 4. Sp. 348 — 349.)
Ernst, Erich: Brahms und Wagner.
(SonntagsbeiL No. 15 z. Voss. Zeitung.)
Groth, Klaus: Erinnerungen an Johannes
Brahms. (Die Gegenwart. 52. Bd. 4.
s. 295— 299, 307-3101 327— 329O
Helm, Th.: Zum Tode Johannes Brahms*.
(Musikal. Wochenblatt. 28. Jahrg. 4.
S. 229—230.)
Krebs, Carl: Johannes Brahms. (Deutsche
Rundschau. 91. Bd. 8. S. 300—302.)
Lessmann, Otto: Johannes Brahms f.
(Allg. Musik-Zeitimg. 24. Jahrg. 4. S. 229
— 230 m. Bildn.)
Marsop, Paul: Johannes Brahms. (Die
Gegenwart. 51. Bd. 4. S. 277-— 280.)
Morin, A.: Johannes Brahms. (Johannes
Brahms. Erläuterung seiner bedeutendsten
Werke v. C. Beyer u. a. Nebst e. Dar-
stellung seines Lebensganges m. besond.
Berücks. seiner Werke. Von A. Morin.
Frankfurt a. M.: H. Bechhold. 8. S. VII
— XLIV m. Bildn. [Musiker u. ihre Werke.])
Nodnagel, Ernst Otto: Johannes Brahms.
Ein Gedächtnisworl. (Das Magazin f. Litte-
ratur. 66. Jahrg. 4. Sp. 469—472.)
Reimann', Heinrich: Johannes Brahms.
Berlin: Harmonie. 8. VIII, 104 S. m. Bildn.
u. Abb. [Berühmte Musiker. I.]
Sohle, Karl: Johannes Brahms. (Der Kunst-
wart. IG. Jahrg. 4. S. 216.)
Sohle, Carl: Johannes Brahms todtl (Mu-
sikal. WochenbL 28. Jahrg. 4. S.210— 211.)
Wichmann, H.: Noch ein Beitrag zur
Charakteristik von Brahms. (Allg. Musik-
Zeitung. 24. Jahrg. 4. S. 270—271.)
Widmann, J. V.: Erinnerungen an Johannes
Brahms. Brahms in Italien. (Deutsche
Rundschau. 92. 93. Bd. 8. 92. Bd.: S. 89
— io6; 93. Bd.: S. 120— 141, 210—227,)
WUllner, F.: Zu Johannes Brahms Gc-
dächtniss. Worte der Erinnerung, ge-
sprochen [bei d. Erinnerungsfeicr d. Con-
servatoriums d. Musik in Köln]. [Köln:]
Dr. V. M, Du Mont Schauberg. 8. 8 S.
Hösel, Kurt: Friedrich Brandes. Ein
6*
Biographische Bibliographie.
Rezensenten-Problem. In objectiver Dar-
stellung als Selbsthülfe der öffentl. Be-
urtheilung Übergeben. Dresden: A. Beyer
i. K. 8. i6 S.
♦Dr. Franz Brandner. (S. 356—358.)
Christian Philipp Heinrich Brandt. [Aus
der Erweckungszeit der bayerischen Landes-
kirche VIII.] (Allg. Evangel.-Luth. Kirchen-
zeitung. 30. Jahrg, 4. Sp. 199 — 204.)
* Brausewetter, Landgerichts -Direktor. (S.
219 — 220.)
Professor Dr. Jakob Breitenlohner f. (Cen-
tralblatt f. d. gcsammte Forstwesen. 23.
Jahrg. 8. S. 235—239 ro. Bildn.)
Roth, F. W. E.: Adolf von Breithart,
Kanzler zu Mainz, f I49l. (Görres-Ge-
sellschaft. Hist. Jahrbuch. 18. Bd. 8. S.
849-857.)
Jorde, Fritz: Johann Gregor Breuer. Ein
Lebensbild. Elberfcld: J. J. Keller. 8. 48 S.
m. Bildn.
Brandes, Ernst: John Brinckman. (Die
Grenzboten. 56. Jahrg. IV. 8. S.117— 134,
278-290, 434-435.)
Beste, Johannes: Kirchenrath. (Wilhelm)
Brodkorb f. (Braunschweig. Magazin.
3, Bd. 4. S. 57—60.)
^Rietsch, licinr.: Anton Brückner, Ton
dichter. (S. 302— 319.)
Sohle, Karl : Anton Brückner. (Der Kunst-
wart. 10, Jahrg. 4. S. 28.)
* G u g 1 i a , E. : Alexander Brückner, Kaiserl.
russ. Staatsrath u. Universitätsprof. i. R.
(S. 36-38.)
^Guglia, E. : Karl Brunnemann. (S. 44
—450
♦Emil Brunnenmeister. (S. 361 — 364.)
Kriegs-Erlebnisse aus den Feldzügen 1864,
1866, 1870/71 von J. Bubbe, ehemaliger
Vierundzwanziger. Neuruppin: Märkische
Zeitung; 8. 2 ßl., 222 S., i Bl.
*Dr. Hermann von Buchka, Gfossherzogl.
Mecklenburg. Wirkl. Geheimer Rath. (S.
214.)
Christian Friedr. Buchrucker. [Aus der
Erweckungszeit der bayerischen Landes-
kirche. V.] (Allg. Evangel.-Luth. Kirchen-
zeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 100 — 105.)
Ellissen, H.: Alexander Büchner. Zu
seinem 70. Geburtstage. (Das Magazin f.
Litteratur. 66. Jahrg. 4. Sp. 1263 — 1266.)
Furchtlos und treu. Aus dem Leben des
verstorbenen Generalsuperint. Dr. Büchsel.
(Schulblatt f. d. Prov. Brandenburg. 62.
Jahrg. 8. S. 408—410.)
BUchsel, C, Gcn.-Supcrint. : Erinnerungen
aus d. Leben e. Landgeistlichen, i. Bd.
8. Aufl. 3. Bd. 4. Aufl. Berlin: Wiegandt
& Grieben. 8. VIII, 312 S.; 327 S.
Büchsel: Erinnerungen aus meinem Berliner
Amtsleben. Bd. 4 der 'Erinnerungen aus
dem Leben e. Landgeistlichen*. 4. Aufl.
Berlin: Wiegandt & Grieben. 8. IV, 176 S.
m. Bildn.
Marsop, Paul: Hans v. Bülow und die
Musikkritik. I. II. (Sonntagsbeil. No. i. 2.
z. Voss. Zeitung.)
Thiele', Georg: Hans von Bülow als
Schriftsteller. (Die Gegenwart. Bd. 51. 4.
S. 232—234, 249—251.)
*Krauss, Rudolf: Johann Martin Bürkle.
(S. 92— 93»)
•Bürkner, K.: Hugo Bürkner. (S. 22»—
42».)
Pauli, Gustav: Der letzte Klassiker des
deutschen Holzschnittes (Hugo Bürkner.)
(Die Kunst-Halle. II. Jahrg. 4. S. 177 —
179.)
Graepp, L. W.: Johannes Bugenhagen.
E. Lebensbild aus d. Reformationszeit,
nach hist. Quellen zusammengest. u. neu
bearb. Gütersloh: C. Bertelsmann. 8. 4 BI.,
ii8 S.
♦Dr. F. A. Buhl, Gutsbesitzer in Deides-
heim, früher Mitglied des deutschen Reichs-
tags. (S. 220.)
♦Marquardsen: Franz Armand Buhl. (S.
49»- 53*.)
Diederichs, H.: Friedrich Georg von
Bunge. Gedächtnissrede. (Baltische Mo-
natsschrift 39. Jahrg. XLIV. Bd. 8. S. 357
-386.)
Schrattenholz, Josef: August Bungert.
Ein Sendschreiben an ihn. (Die Gegenwart.
51. Bd. 4. S. 166 — 169.)
Bunkofer, Wilh., Gymn.-Prof.: Mein Aus-
tritt aus d. römischen Kirche, denk. Christen
gewidmet. Wertheim : (E. Buchheim Nachf.)
8. 38 S.
♦Meyer, Alexander: Georg von Bunsen,
deutscher Politiker. (S. 34 — 36.)
♦Eitner, Rob.: Karl Burchard. (S. 114.)
Forst-Direktor Dr. Heinrich Christian Burck-
hardt. (Deutche Forst-Zeitung, XII. Bd. 8.
S. 97 — 100 m. Bildn.)
Zur Erinnerung an Herrn Prof. Dr. Jakob
Burckhardt Basel: C. F. Lendorff. 8. 22. S.-
Prof. Jakob Burckhardt, Kunstgeschichts-
forscher, f. (Centralblatt d. Bau Verwaltung.
17. Jahrg. 4. S. 364.)
Jakob Burckhardt. (Die Grenzboten. 56.
Jahrg. III. 8. S. 385-390.)
Professor Dr. Jacob Burckhardt in Basel.
(Deutsche Bauzeitung. 31. Jahrg. 4. S. 415.)
Gothein, Eberhard: Jakob Burckhardt.
(Preuss. Jahrbücher. 90. Bd. 8. S. i — 33.)
Mähly, Jacob: Jacob Burckhardt. (Das
Magazin f. Litteratur. 66. Jahrg. 4. Sp.
1039— 1045.)
Wölfflin, Heinrich: Jacob Burckhardt.
(Repertorium f. Kunstwissensch. 20. Bd. 8.
s. 341-346.)
Biographische Bibliographie.
7*
Joss, G.: [Amtsrichter Joseph Burkhalter.]
(Briefe von Jeremias Gotthelf [A. Bitzius]
an Amtsrichter Burkhalter. Zu s. loojähr.
Geburtstag 4. Okt. 1897 hrsg. v. G. Joss,
Pfarrer. M. e. Bildn. des J. Gotthelf. Bern:
K. J. Wyss. 8. S. 3-29.)
*Karl Busse, Geh. Ober-Regierungsrath u.
früherer Direktor der Reichsdruckerei in
Berlin. (S. 215.)
Koldewey, Friedrich: Joachim Heinrich
Campe. (Westermanns Illustr. Deutsche
Monatshefte. 8 1 . Bd. 8. S. 1 29 — 149 m. Bildn.
u. Abb.)
Benrath: Petrus Canisius, der erste
deutsche Jesuit. (Dcutsch-evangel. Bltftter.
22. Jahrg. 8. S. 789—801.)
Evers, Geo: Der sei. P. Petrus Canisius,
S. J., Apostel u. Patron der katholischen
Schulen Deutschlands. Osnabrück: B. Weh-
berg. 8. 64 S.
Knöppel, AI.: Der sei. Petrus Canisius,
zweiter Apostel Deutschlands. Mainz:
F. Kirchheim. 8. X, 236 S. [Lebensbilder
kathol. Erzieher. VII.]
Leute, Josef: Die verdienstvolle Thätigkeit
des seligen Petrus Canisius auf dem
Gebiet des Unterrichts- und Erziehungs-
wesens. (Hist.-pol. Blätter f. d.kath. Deutsch-
land. 119. Bd. 8. S. 483— 495.)
Mehler, J. B.: Der sei. Petrus Canisius,
e. Apostel Deutschlands. Nach d. besten
Quellen bearb. Berlin: Germania. 8. 120 S.
[Kathol. Flugschriften z. Wehr u. Lehr.
No. 117.]
Michel, L.: Vic du Bienheureux Pierre
Canisius, Ap6tre de l'Allemagne et de
Fribourg. D'apres le P. J. Boero et des
docum. ined. 111. de nombr. grav. Soc.
de St Augustin, Desclee, de Brouwer & C.
8. 494 S. m. Bildn. u. Abb.
Pfülf, Otto: Der sei. P. Petrus Canisius in
s.tugend reichen Leben dargest. Einsiedeln:
Benziger & C. 8. 126 S. m. 15 Abb.
Raffle r, Conr.: Der sei. Petrus Canisius,
S. J., Apostel Deutschlands u. ehemaliger
Domprediger in Augsburg. Eine kurze
Lebensgesch. m. bes. Berücks. seines
Wirkens in Augsburg. 2. verb. Aufl.
Augsburg: Kranzfelder. 8. 71 S.
Boit, >V.: Karl Hildebrand Frhr v. Canstein,
der Bibelfreund. Berlin: Ostdeutscher
Jünglingsbund. 8. 16 S. m. Abb. [Für
Feste u. Freunde d. Inn. Mission. H. 7.]
Rosinski, Adf: Caprivi & Bismarck.
V. Lind heim, Alfred: Erzherzog Carl
Ludwig 1833— 1896. Ein Lebensbild.
Wien: K.K. Hof- u. Staatsdr. 8. VIII, 384 S.
m. Bildn., Abb. u. Taf.
•Weltner, A. J.: Karl Ritter von Carro,
Schriftsteller u. Recitator. (S. 337— 338-)
Geiger, Theodor: Conrad Celtis in seinen
Beziehungen zur Geographie. Progr. d.
Luitpold- Kreis -Realsch. in München. 4.
42 S.
Kohlschütter, V.: Ernst Florens Fried-
rich Chladni. Hamburg: Verlagsanst. u.
Dr. A.-G. 8. 45 S. [Sammlung gemein-
verst. wissensch. Vorträge, N. F. Ser. XI.
(H. 261.)]
Kaemmercr, Ludwig: Chodowiecki. Mit
Abb. Bielefeld u. Leipzig : Velhagen & Kla-
sing. 8. 2 BL, 131 S. [Künstler-Monogra-
phien. 21.]
♦Friedjung, Heinrich: Bohuslav Graf
Chotek, Österreich. Diplomat u. Herren-
hausmitgl. (S. 131 — 132.)
* Kraus s, Rudolf: Theodor Christaller.
(S. 990
Girschner, Wilhelm: Der Wandsbecker
Bote (Matthias Claudius). (Monatsblätter
f. deutsche Litteraturgesch. I. Jahrg. 8.
S. 109 — 122.)
Lapke: Matthias Claudius, ein Volks-
schriftsteller, in seiner Bedeutung für die
Schule. (Schulblatt f. d. Prov. Branden-
burg. 62. Jahrg. 8. S. 42— 58.)
Koch, Günther: Clauren*s Einfluss auf
Hauff. (Euphorion. 4. Bd. 8. S. 804 — 812.)
* Zimmermann, P.: Heinrich Wilhelm
August Clausz, (S. 401—402.)
Kappen, Herm. Jos.: Clemens August,
Erzbischof von Köln. Ein Lebensbild.
Münster i. W. : Aschendorffsche Buch-
handlung. 8. VIII, 240 S., I Bildn.
Professor (Karl Sebastian) Cornelius f.
(Evangel. Schulblatt. 41. Bd. 8. S. 261 —
263.)
Bussler, W.: General- Feldmarschall v.
Courbiere. Kurzgefasstes Lebensbild m.
Anschluss d. Gesch. des nach ihm genannten
2. Posenschen Inf. -Reg. Nr. 19. Gotha:
G. Schloessmann. 8. 25 S. m. Bildn.
Baldensperger, W.: Karl August Credner.
Sein Leben und seine Theologie. Leipzig :
Veit & C. 99 S., I Bildn.
Julie her: Ein Märtyrer der Studirstube
(Kari August Credner.) (Die christl. Welt.
II. Jahrg. 4. Sp. 968—971.)
Wyzewa, Teodor de: Frederic Creutzer
s. de Günderode.
* Krauss, Rudolf: ErnstCurfess.(S. 94- 95.)
Ernst Curtius (f n« Jul» 1896). (Monats-
schrift f. Deutsche Beamte. 21. Jahrg. 8.
s. 352.)
B r o i c h e r , Charlotte : Erinnerungen an Ernst
Curtius. [Aus: Preuss. Jahrbücher.] Berlin:
G. Stilke. 8. II, 50 S.
Christ, W. v.: Ernst Curtius. (Nekrolog.)
(Sitzungsberichte der philos.-philol. u. d.
histor. Classe der k. b. Akademie d.
Wiss. zu München. Jahrg. 1897. Bd. i.
München: Akademie. 8. S. 299—303.)
8*
Biographische Bibliographie.
Cartius, Carl: Zur Erinnerung an Ernst
Curtius. Ein Vortrag. Lübeck: Dr. v.
H. G. Rahtgens. 8. i Bl., 29 S.
F r i t z e , H. y. : Ernst Curtius. (Westermanns
Illustr. Deutsche Monatshefte. 81. Bd. 8.
S. 449 — 464 m. Bildn.)
Köhler, Ulrich: Gedächtnissrede auf Ernst
Curtius. Aus den Abhandlungen d. königl.
Preuss. Akad. d. Wiss. zu Berlin. Berlin:
Kgl. Ak. d. Wiss. ; in Comm. b. G. Reimer.
4. 14 S.
♦Michaelis, Adolf : Ernst Curtius. (S. 56
—88.)
Plath, Konrad: Ernst Curtius und die Er-
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W. Hertz. 8. 33 S.
♦Posner: O. Curtmann. (S. 411.)
V. Baer, Karl Ernst: Lebensgeschichte
Cuviers, hrsg. v. Ludwig Stieda. [Aus:
Archiv f. Anthropologie.] Braunschweig:
F. Vieweg u. Sohn. 8. 125 S.
Zi eis dorff, Gottfried: Cuvier in Deutsch-
land. (Die Gegenwart. 51. Bd. 4. S. 134
-136.)
♦Weltner, A. J.: Ignaz Czernits, Schau-
spieler u. Theater-Director. (S. 338 — 339.)
Müller, Otto: Heinrich Damerow. Geb.
28. Dez. 1798. Gest. 22. Sept. 1866. Ein
Lebensbild. (Festschrift anlässlich des 50-
jährig. Bestehens d. Provinzial-Irren- An-
stalt zu Nietleben bei Halle a. S. v. frü-
heren ü. jetzigen Aerzten d. Anstalt.
Leipzig: F. C. W. Vogel. 8, S. i — 6 m.
Bildn.)
Meyer, Johannes: M. Otto Chr. Damius
und sein Catechismus Manuscriptus. (Zeit-
schr. d. Ges. f. niedersächs. Kirchengesch.
2. Jahrg. 8. S. 193 — 263.)
Kirchcnrath Dr. theol. Ludwig Danneel f.
(Allg. Evangel.-Lutherische Kirchenzeitung.
30. Jahrg. 4. Sp. 513—5*50
Klo SS, Erich: George Davidsohn f. (Mu-
sikalisches Wochenblatt 28. Jahrg. 4.
5. 99.)
Rosenberg, Adolf: Defregger. M. Abb.
Bielefeld u. Leipzig: Velhagen & Klasing.
8. 2 Bl., 106 S., I Titelbildn. [Künstler.
Monographien. 18.]
Schäfer, Wilh.: Richard Dehmel. (R.
Dehmel: 20 Gedichte, m. e. Geleitbrief v.
W. Schäfer u. d. Bilde des Dichters. Berlin:
Schuster & Loefflcr. 8.)
Kagerer: Georg Dengler, geistlicher Rat
u. Domvikar. (Nekrolog.) (Verhandlungen
d. histor. Ver. der Oberpfalz u, Regens-
burg. 49. Bd. 8. S. 288—295.)
*Kagerer: Georg Dengler, geistlicher Rat
u. Domvikar. (S. 399 — 401.)
Gustav Denhardt. (Deutsche Rundschau f.
Geographie u. Statistik. 19. Jahrg. 8. S.
132 — 134 m. Bildn.)
Unger, W. v.: Feldmarschall Derfflinger.
M. I Bildn. u. Skizzen. [Aus: Beiheft z.
Militär- Wochenbl.] Berlin : E. S. Mittler &
Sohn. 8. 137 S.
♦Hillern, Wilhelmine v. : Johannes Diemer.
(S. 242—243.)
Finke, Heinrich: Zur Erinnerung an Kar-
dinal Melchior von Diepenbrock. 179S
— 1898. Nach ungedr. Briefen u. s. w.
(Zeitschr. f. vaterländ. Gesch. u. Alter-
thumskunde. Hrsg. v. Ver. f. Gesch. u.
Alterthumskunde Westfalens. 55. Bd. 8.
S. 218—258.)
Kühl mann: Heinrich Adolf Diestelkanip.
(Zeugen und Zeugnisse aus d. christl.»
kirchl. Leben von Minden-Ravensbcrg im
18. u. 19. Jahrh. 2. Heft. Gadderbaum b.
Bielefeld: Anst. Bethel. 8. S. 17—36.)
♦Wcltner, A. J.: Ludmilla Dietz, geb.
Baumgartner, Schauspielerin. (S. 339 — 340.)
♦Brummer, Franz: Friedrich Dittes, einer
d. bedeutendsten Pädagogen der Neuzeit.
(S. 243-245.)
Drewke,H.: (Friedrich) Dittes. Eine Ge-
dächtnisrede. Bielefeld: A. Helmich. 8.
16 S. [Sammlung pädagogischer Vorträge.
DC. Bd. H. II.]
Frisch, Franz: Dr. Friedrich Dittes. (Bio-
graphien österr. Schulmänner. Hrsg, v. F.
Frisch. 8. S. 204—225.)
Wittram, Th.: Johann Heinrich Wilhelm
Dollen. (Nekrolog.) (Vierteljahrsschrift
d. Astronom. Ges. 32. Jahrg. 8. S. 146
— 154 m. Bildn.)
Sybel, Heinrich v.: Döllinger s. v. Giese-
b r e c h t.
Witte, Leopold: Ignaz von Döllinger.
(L. Witte: Aus Kirche u. Kunst. Leipzig:
C. Braun. 8. S. 411—453.)
Nachlese zur DÖrpfeld-Biograpbie. (Evangel.
Schulblatt. 41. Bd. 8. S. 3—6, 53 — 57»
185 — 188.)
Ca map, Anna, geb. Dörpfeld: Friedrich
Wilhelm Dörpfeld. Aus seinem Leben
und Wirken. Von seiner Tochter. Güters-
loh: C. Bertelsmann. 8. VIII, 664 S. mit
Bildn.
Schmidt, Hans G.: Fabian von Dohna.
Halle: M. Niemeyer. 8. i Bl., 225 S.,
I Bildn. (Hallesche Abhandlungen /. neu-
eren Gesch. H. 34.)
Schmidt, Hans Georg : Fabian von Dohna.
(Der Bär. 23. Jahrg. 4. S. 399-402 mit
Abb.)
Tetzncr, F.: Christian Donalitius und die
Tolminkemische Schule. (Pädagog. Blätter
f. Lehrerbildung u. Lehrerbildungsanstalten.
26. Bd. 8. S. 434—443.)
Vetter, Ferdinand: Dranmor s. Schmid,
Ferdinand.
Senatspräsident am Reichsgericht, Wirkl.
Biographische Bibliographie.
Geh. Rat, Exe. Dr. Drechsler f- (Deut-
sche Juristen-Zeitung. II. Jahrg. 4. S. 338
-339.)
K reiten, Wilhelm: Leb recht Dreves. Ein
Lebensbild. Als Beitrag z. Literatur- u.
Kirchengesch. nach d. handschriftl. Nach-
lass u. d. gedruckten Quellen entworfen.
Mit Dreves' Bildn. Freiburg i. B. : Herder.
8. VI S., I Bl., 431 S.. I Bildn.
Fick, W.: Moritz Wilhelm Drobisch f.
(EvangeL Schulblatt. 41. Bd. 8. S. 221
-224.)
Heinze, Max: Moritz Wilhelm Drobisch.
Gedächtnissrede geh. in der königl. sächs.
Ges. d. Wiss. Leipzig: S. Hirzel. 8. 25 S.
* H e rm an n y Conrad. : Moritz Wilhelm Dro-
bisch. (s. 133—135)
Kupsch, Th. : Zur Erinnerung an Annette
von Droste-HUlshoff. (Monatsblätter f.
deutsche Litteraturgesch. I. Jahrg. 8. S.
164—176.)
Meyer, Richard M.: Annette von Droste-
Httlshofi: (R. M. Meyer: Deutsche Cha-
raktere. Berlin: E. Hofmann & C. 8. S.
138—162.)
Opitz, Richard: Annette Elisabeth von
Droste-Hfilshoff. (Blätter f. literar. Unter-
haltung. Jahrg. 1897 I. 4. S. 17 — 20.)
Poppenberg, Felix: Annette v. Droste-
Hülshoff (geb. 10. Januar 1797). I. II.
(Sonntagsbeil. No. 2. 3. z. Voss. Zeitung.)
Rick, P. J.: Annette von Droste-Hülshoff.
(Der Schulfreund. 53. Jahrg. 8. S. i — 25.)
Riehemann: Annette von Droste-HttlshoiT.
Zum 100 jähr. Geburtstage der Dichterin.
(Akadem. Monatsblätter. IX. Jahrg. 4. S.
81-88.)
Treu, Thercse: Annette von Droste-Huls-
hoff. Ein Dichterbild. I— III. (Monats-
schrift ftlr kathol. Lehrerinnen. 10. Jahrg.
8. S. 36—38, 89—92» 170—175. 224—227,
289—293, m. Bildn.)
Wo rm st all, Jos.: Annette v. Droste-Hüls-
hofT im Kreise ihrer Verwandten u. Freunde.
Münster: Regensberg. 8. 28 S. mit 30
Abb.
Zottmann, A.: Deutschlands grösste Dich-
terin [d. i. Annette Freiin von Droste-
Hülshoft]. Ein Jubiläums -Gedenkblatt.
(Frankfurter xeitgemässe Broschüren. N. F.
18. Bd. 8. S. 51 — 64; H. 2, S. 19—32.)
Emil du Bois-Re>'mond f. (Der Bär. 23.
Jahrg. 4. S. 65 — 67 m. Bildn.)
Emil du Bois-Reymond f. (Naturwissen-
schaft!. Wochenschrift. 12 Bd. 4. S. 21
— 22 m. Bildn.)
Böl sehe, Wilhelm: Du-Bois-Reymond. (Das
Magazin f. Litteratur. 66. Jahrg. 4. Sp. 36
—44-)
Bum, Anton: Emil Du Bois-Reymond,
7. November 1818—26. Deceniber 1896.
(Wiener Medizin. Presse. 38. Jahrg. 4.
Sp. 25 — 26.)
Epstein, S. S.: Du Bois-Reymond und
die Encyclopaedisten. (Die Gesellschaft.
Jahrg. 1897, IL 8. S. 98—104.)
Epstein, S. S.: Emil du Bois-Re>'mond.
(1818— 1896.) (Westermanns Illustrierte
Deutsche Monatshefte. 82. Bd. 8. S. 303
— 319 m. Bildn.)
Jensen, Paul: Emil Du Bois-Reymond.
Ein Nachruf. (Die Natur. 46. Bd. 4. S. 53
— 56 m. Bildn.)
*Rosenthal, J.: Emile Heinrich du Bois-
Reymond. (S. 125—131).
Schultz, P.: Emil du Bois-Reymond,
geb. am 7. November 18 18 zu Berlin,
gest. am 26. December 1896 daselbst
(Deutsche Rundschau. 90. Bd. 8. S. 296
—301.)
Chronik der Familie Dürer. M. Dürers
Selbstbildn. v. J. 1493. (Ausgewählte
Selbstbiographien aus d. 15. bis 18. Jahrb.
Hrsg. V. Christian Meyer. Leipzig: J. J.
Weber. 8. S. 21-40.)
Conway, W.Martin: Dürcr's visit to The
Netherlands. (The fortnightly review. 62.
VoL 8. S. 358—367.)
Kalk off, Paul: Zur Lebensgeschichte Al-
brecht Dürers. (Repertorium f. Kunst-
wissenschaft. 20 Bd. 8. S. 443 — 463.)
Allerlei Bilder aus meinem Leben auf lose
Blätter gezeichnet von W. Duisberg.
Basel: Missionsbucbhandl. 8. 207 S.
Hottinger, R.: Henri Dunant. Ein Abriss
seines Lebens und Wirkens. Entstanden
aus einem unter den Auspizien des Zürcher
Friedensvereins in Zürich geb. öffentl.
Vortrag. Zürich: F. Schulthess. 8. 38 S.
•Brummer, Franz: Adolf Ebeling. (S. 194
-1950
Buchwald, Georg: D. Paul Eber, der
Freund, Mitarbeiter und Nachfolger der
Reformatoren. Ein Bild seines Lebens u.
Wirkens. Leipzig: B. Richter. 8. VI, 187
S. m. Bildn. u. Abb.
Ebers, Geo.: Die Geschichte meines Lebens.
Vom Kind bis zum Manne. Stuttgart:
Deutsche Verlagsanst. 8. VIII, 522 S. [G.
Ebers: Gesammelte Werke. Bd. 25.]
Gottschall, Rud. v. : Georg Ebers. (Litte-
raturbilder fin de siecle. 2. Bdchn. 8.)
Wehrmann, M. : Graf Ludwig von Eber-
stein als Postulat von Camin (1469 —
1480). (Monatsblätter. Hrsg. v. d. Ges. f.
Pommersche Gesch. u. Alterthumskundc.
II. Jahrg. 8. S. 33—37» 49—54-)
Bienenstein, Karl: Marie von Ebner-
Eschenbach. (Nord u. Süd. 81. Bd. 8. S.
72 — 80 m. Bildn.)
Freidhoff, Rud.: Trauerrede auf d. Hin-
scheiden d. hochw. Hm. Dekans Friedrich
lO
*
Biographische Bibliographie.
Wilhelm Eckert, Pfarrer in Königs-
heim. Tauberbischofsheim: F. X. Bott.
8. n S.
Fliedner, Georg: Diakonissin Barbara
Eckhardt. Kaiserswerth: Diakonissen-An-
stalt. 8. 15 S.
♦Holland, H.: Sigmund Eggert, Genre-
maler. (S. 49 — 50.)
♦Wolkenhauer, W.: Dr. Johann Jakob
Egli, schweizer. Geograph. (S. 367 — 368.)
Lehmann, Rudolf: Friedrich Ehrhart.
(Festschrift z, Feier des 100 jähr. Be-
stehens der Naturhist. Ges. z. Hannover.
Geschichte u. 44. — 47. Jahresbericht. Han-
nover: Hahn i. K. 8. S. 98 — 113.)
♦Pagel: Karl Eisenlohr, Arzt. (S. 151.)
Schnitze, Fr.: Dr. Karl Eisenlohr f- Ne-
krolog. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheil-
kunde. 9. Bd. S. 466 — 471.)
Koppen, Luise: Erinnerungsblätttfr an Eli-
sabeth, Fürstin zur Lippe, geb. Prinzessin
zu Schwarzburg - Rudolstadt. Detmold :
Hinrichs. 8. VI S., i Bl., 104 S., i Bildn.
Nasemann: Elisabeth Charlotte von der
Pfalz. (Deutsch-evangel. Blätter. 22. Jahrg.
8. S. 198—210.)
Wissowa, Felix: Elisabeth Christine von
Preussen (f 13. Januar 1797). (Sonntags-
beil. Nr. 3 z. Voss. Zeitung.)
♦Guglia, E.: Christian d'Elvert. (S. 45—
47.)
Stahl, Fritz: Erdmann Encke. (Wester-
manns Illustr. Deutsche Monatshefte. 81 . Bd.
8. S. 762 — 780 m. Bildn. u. Abb.)
Brinzinger: Der Maler Johann Baptist
Enderle von Donauwörth (geb. 1724 gest.
1798) und seine Fresken im Augustiner-
kloster 7U Obemdorf a. N. (Archiv f.
Christi. Kunst. 15. Jahrg. 8. S. 81 — 83.)
Dr. Ernst Engel. (Nekrolog.) (Deutsche
Rundschau f. Geographie u. Statistik. 19.
Jahrg. 8. S. 280—282 m. Bildn.)
♦Blenck, E.: Ernst Engel. (S. 221—230.)
Schröder, Karl: Johann Jakob Engel. Ein
Vortrag. Schwerin: Bärensprung. 8. 67 S.
m. I Bild.
♦Poten, B. : Heinrich Peter Franz Wilhelm
Engelhard, Kgl. Preuss. Wirkl.Gch. Kriegs-
rath. (S. HO — 112.)
Rust, Agnes: Josef Engelhard. (Die Kunst-
Halle. II. Jahrg. 4. S. 341 — 342.)
Ernst der Bekenner und die Einfuhrung
der Reformation im LUneburgischen. Als
Festschrift zur 400. Wiederkehr des Ge-
burtstages dieses gottbegnadeten Förderers
der Reformation vom Geller Lehrcrver.
Celle: (Hannoveru. Celle: Schulbuchhandl.)
8. 38 S.
Ühlhorn, G.: Herzog Ernst der Bekenner.
Vortrag zur Feier seines 400 jähr. Geburts-
tages, am 27. Juni 1897 in Celle gehalten.
(Zeitschrift d. Histor. Vereins f. Nieder-
sachsen. Jahrg. 1897. 8. S. 22 — 36.)
Zur Geschichte Herzog Ernsts des Frommen.
I. Herzog Ernst der Fromme, ein Lebens-
bild. Von A. Zeyss. 2. Ernsts des
Frommen Baumeister. Von M. Bcrbig.
3. Ein forstwirthschaftlicher Versuch Ernsts
des Frommen. Von H. Hess. Vorträge,
geh. in d. «Vereinigung f. Gothaische Ge-
schichte u. Alterthumsforschung' zu Gotha
am 2. Nov. 1897. Erstes Ergänzungsheft
zu den Blättern d. Vereinigung f. Goth.
Gesch. u. Altertumsforschung 'Aus d. Hei-
mat*. Gotha: Th. H. Wechsung Nach f.
8. 32 S.
Wert heim, Karl: Wolfram v. Eschenbach
s. Wolfram.
Die beiden Esper (Friedrich Lorenz Esper
u. Johann Friedrich Esper). [Aus der
Erweckungszeit der bayerischen Landes-
kirche. III.] (AUg. Evangel.-I^utherischc
Kirchenzeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 52 — 57.)
Nasemann: Prinz Eugen. (Deutsch-evangel.
Blätter. 22. Jahrg. 8. S. 329—341.)
♦Brummer, Franz: Johann Ludolf August
von Eye. (S. 254—255.)
Eyferth, Bruno, s. Hörn, Wilhelm.
♦Wunder: Freiherr Lothar von Faber.
(S. 423—428.)
Flaischlen: Johannes Falk, der Kinder-
freund. Berlin: Ostdeutscher jUnglings-
bund. 8. 16 S. m. Abb. [Für Feste u.
Freunde d. Inn. Mission. H. 6.]
Rademacher, C: Staatsminister DDr. Falk
und die Volksschullehrer. Zum goldenen
Amtsjubiläum des Oberlandesgerichts-
präsidenten Staatsministers DDr. Paul
Ludwig Adalbert Falk am 30. März 1897.
Bielefeld: A. Helmich. 8. 17— 32 S. [Pä-
dagog. Abhandlungen. N. F. I. Bd. Heft 2.]
Wolgast, Heinrich: Gustav Falke. (Nord
u. Sud. 82. Bd. 8. S. 174—195. M.Bildn.)
Falke, Jac. v.: Lebenserinnerungen. Leipzig:
G. H. Meyer. 8. VII, 366 S. m. Bildn.
Hofrath Jacob Ritter von Falke f« (Deut-
sche Bauzeitung. 31. Jahrg. 4. S.315 — 316.)
Jacobowski, Ludwig: Jacob von Falke.
(Blätter für literar. Unterhaltung. Jahrg.
1897. I. 4. S. 209—211.)
Philippi, Adolf: Aus den Denkwürdigkeiten
zweier Kunstforscher. (Sir Joseph Crowe
u. Jakob von Falke). (Die Grenzboten.
56. Jahrg. II. 8. S. 283—290, 324—33»)
Gustav Theodor Fechner als Humorist.
(Die Gegenwart. 51. Bd. 4. S. 312— 315.)
B öl sehe, Wilhelm: (Gustav Theodor) Fech-
ner. Ein Charakterbild. (Deutsche Rund-
schau. 92. Bd. 8. S. 344—369.)
♦Posner: Hugo Feck, Professor an der
techn. Hochschule zu Dresden. (S. 411.)
Jahne, Heinrich: Johann Ignaz Melchior
Biographische Bibliographie.
II
*
von Felbiger. (Biographien Österreich.
Schulmänner. Hrsg. v. Franz Frisch. 8.
S. I — 29.)
Rust, Agnes: Fenner. (Die Kunst-Halle.
II. Jahrg. 4. S. 324—325.)
Oberstabsarzt I. Klasse Dr. Joseph Ferber.
Nekrolog. (Kollektaneen-Blatt f. d. Gesch.
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Buchdr. »Styria«. 8. S. XI2 — 199.)
Sartorius, Ernst: Ignatz Aurelius Fessler,
Kapuziner und Generalsuperintendent. (Die
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164 S., 18 Taf., I Bl.
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H. Francke. Gütersloh: C. Bertelsmann.
8. 2BI., 48 S. [Handreichung Z.Vertiefung
christlicher Erkenntniss. H. III.]
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Schriftsteller. (S. 340—341.)
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Emmer, Jobs: Kaiser Franz Joseph I.
Lfg. I — 16. Wien: C. Daberkow. 4. 264 S,
m. Abb. u. 26 Taf.
Klopfer, Karl Ed.: Unser Kaiser. Ein Ge-
denkbuch der 50jähr. Regierung, zugleich
e. Lebens- u. Charakterbild Kaiser Franz
Josefs I. Wien: F. Schirmer. (Lfg. 1—13.)
4. 320 S. m. Abb.
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Osnabrück s. v. Wartensleben.
Geh. Oberbaurath a. D. Hermann Franz f.
(Centralblatt d. Bauverwaltung. 17. Jahrg.
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IT
Biographische Bibliographie.
Prochäzka, Radolf Frhr. : Streiflichter Ober
Robert Franz und sein Lied. (MusikaL
Wochenblatt. 28. Jahrg. 4. S. 3—4.)
IgDaz Frauenhofer, gest. 4, 5. 1897. Ne-
krolog. (Kollektaneen-Blatt f. d. Gesch.
Bayerns. 61. Jahrg. 8. S. 133 — 134.)
Meyer, Richard M.: Ferdinand Freiligrath.
(SonntagsbeiL No. 4 z. Voss. Zeitung.)
Meyer, Richard M.: Ferdinand Freiligrath.
(R. M. Meyer: Deutsche Charaktere. Berlin ;
E. Hofmann & C. 8. S. 163—176.)
Steiner, Rudolf: Karl Frenzel. Zu seinem
70. Geburtstage. (Das Magazin f. Litteratur.
66. Jahrg. 4. Sp. 1511 — 1513.)
Fuchs, G. F.: Johann Philipp Fresenius,
der hl. Schrift Doktor, Konsistorial-Rath
und des Ministerii Senior zu Frankfurt
a. M. Eine Lebensskizze. (»Halte was du
hast.« 20. Jahrg. 8. S. 489 — 499.)
Veesenmeyer: Rede am Grabe des Geh.
Hofrats Prof. Dr. R. Fresenius. (Protestant.
Monatshefte, i. Jahrg. 8. S. 301 — 304.)
Frey, Adolf: Jakob Frey. Ein Lebensbild.
140 S. m. Bildn. (Jakob Frey: Gesammelte
Erzählungen. V. Bd. Aarau: H. R. Sauer-
länder & C 8.)
♦Carl von Frey. (S. 358-3590
Bei Gustav Freytag. (Deutsche Rundschau.
90. Bd. 8. S. 343—357.)
Gustav Fre3rtag über plastische Kunst. (Die
Kunst-Halle. II. Jahrg. 4. S. 134-136.)
Schmidt, Erich : Gustav Freytag als Pri vat-
docent. (Euphorien. 4. Bd. 8. S. 91 — 98.)
V. Schmidt, Paul: KurfUrst Friedrich III.
(von Brandenburg), als König Friedrich I.
und König Friedrich Wilhelm L [P.
V. Schmidt: Die Hohenzollem als Bildner
und Erzieher des Heeres. IV.] (Jahrbücher
f. d. deutsche Armee u. Marine. 104. Bd. 8.
S. 219—245.)
Wi n k e I m a n n , Eduard : Kaiser Friedrich II.
(von Deutschland). Bd. 2. 1228 — 1233.
Leipzig: Duncker & Humblot. VIII, 529
S. (Bd. I ersch. 1889.) [Jahrbücher der
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Mischkc, Albert v.: Kaiser Friedrich III.
(von Deutschland). (Hohenzollem - Jahr-
buch. I. Jahrg. 4. S. 7—9 m. Bildn.)
Planken, G. : Friedrich III. (Kaiser von
Deutschland) s. Wilhelm L, Kaiser von
Deutschland.
V. Schmidt, Paul: Friedrich L (König v.
Prcussen) s. Friedrich III., Kurfürst vx)n
Brandenburg.
Friedrich der Grosse und das Eiscnhüttcn-
wesen. (Monjitsschrift f. Deutsche Beamte.
21. Jahrg. 8. S. 344—349. 373—376.)
Friedrich der Grosse als Geschichtschrei-
bcr. (Schulbl. f. d. Prov. Brandenburg.
62. Jahrg. 8. S. 504— 511.)
Bormann, Geo. : Kronprinz Friedrich v.
Prenssen 1730— 1740, Progr. Berlin: R.
Gaertner. 4. 37 S.
Bens sei, Adam: Friedrichs des Grossen
Annäherung an England i. J. 1755 u. die
Sendung des Herzogs v. Nivemais nach
Berlin. Giessen: J. Ricker. 8. VIII, 43 S.
[Giessener Studien auf d. Gebiete d. Ge-
schichte. H. 9.]
H fi b 1 e r : Friedrich der Grosse als Pädagog.
(Rheinische Blätter f. Erziehung u. Unter-
richt. 71. Jahrg. 8. S. 511 — 524.)
Koser, Reinhold, u. Paul Seidel: Die
äussere Erscheinung Friedrichs des
Grossen. (Hohenzollem- Jahrbuch, i. Jahrg.
4. S. 87 — 112 m. Bildnissen.)
Linz, F.: Friedrich der Grosse und Vol-
taire. Hamburg: Verlagsanst u. Dr. A.-G.
8. 35 S. [Sammlung gemein verständl.
Wissenschaft!. Vortrage. N. F. Ser. XI.
(H. 263.)]
Mebes, August: Friedrich der Grosse in
Urtheilen seiner Zeit. I. — III. (SonntagsbeiL
No. 2. 3. 4. z. Voss. Zeitung.)
Meyer, Jobs.: Friedrich der Grosse. (J.
Meyer: Das Hohenzollem -Buch. Bilder
aus d. Geschichte unseres Herrscherhauses.
Bd. I. Langensalza: Schulbuchh. 8.)
Röchling, Carl. u. Rieh. Knötel: Der
alte Fritz (Friedrich II, König v. Preusscn)
in 50 (färb.) Bildern. 23. bis 25. Taus. Berlin :
P. Kittel Nachf. Qu. 4.
V. Schmidt, Paul: König Friedrich IL
der Grosse. [P. v. Schmidt: Die Hohen-
zollem als Bildner und Erzieher des
Heeres. V.] Qahrbticher f. d. deutsche
Armee u. Marine. 105. Bd. 8. S. 1 — 27.)
Sybel, Heinrich v.: Friedrich der Grosse
im Jahre 1761. Festrede 1894. (H. v.
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chen u. Leipzig: R. Oldenbourg. 8. S. 188
—202. [Historische Bibliothek. Bd. 3.])
Streit, G.: Der Uebertritt des Kurfürsten
Friedrich August IL von Sachsen zur
katholischen Kirche, i. 2. (Die christl.
Welt. n. Jahrg. 4. Sp. 557— 562, 583—
588.)
Hashagen, Job. Frdr.: Die Hochschule des
I^eidens. Gedächtnissrede nach Ableben
Sr. königl. Höh. des Grossherzogs Frie-
drich Franz III. in der St. Marien-Kirche
zu Rostock geh. Rostock: Stiller. 8. I2 S.
Weber, O.: Friedrich Franz IIL, Oross-
herzog von Mecklenburg -Schwerin. Ge-
dächtniss-Predigt, geh. im Dom zu Schwe-
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Scheffer, S. : Erinnerungen an den Prinzen
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(Der Bär. 23. Jahrg. 4. S. 327— 330-)
Jahns, Max : Der Grosse Kurfürst (Friedrich
Wilhelm von Brandenburg) bei Fehrbellin,
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Biographische Bibliographie.
13
«
zollem- Jahrbuch, i. Jahrg. 4. S. 14 — 48
m. Bildnissen u. Abb.)
Meyer, Johs: Der Grosse Karfürst (Frie-
drich Wilhelm). (J. Meyer: Das Hohen-
zollem-Buch. Bilder aus d. Geschichte un-
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Philippson, Mart.: Der Grosse Kurfürst
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Prutz, Hans: Aus des Grossen Kurfürsten
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und Hofes, seiner Regierung und Politik.
Berlin: G. Reimer. 8. XVI, 410 S,
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grosse Kurfürst. [P.V.Schmidt: DieHohen-
zollern als Bildner und Erzieher des Heeres.
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Marine. 104. Bd. 8. S. 107— 122.)
Zimmermann, A. : Der grosse Kurfürst
(Friedrich Wilhelm) von Brandenburg.
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Fehler, A.: Herzog Friedrich Wilhelm
(von Braunschweig) und C.C.T r o 1 1. (Braun-
schweig. Magazin. 3, Bd. 4. S. 97 — loi.)
Zimmermann, Paul: Herzog Friedrich
Wilhelm (von Braunschweig) und Drost
V. Rodenberg. (Braunschweig. Magazin.
3, Bd. 4. S. 1—5, 9- 13«)
Wolff: Rede am Sarge weil. Sr. Hoheit des
Herzogs Friedrich Wilhelm zu Mecklen-
burg. Schwerin: M. Bahn. 8. 8 S.
K r a u s k e , Otto : Der Regierungsantritt Frie-
drich Wilhelms I. (König von Preussen).
(HohenzoUem-Jahrbuch. i. Jahrg. 4. S. 71
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Nasemann: Friedrich Wilhelm I. (von
Preussen). (Deutsch-evangelische Blätter.
22. Jahrg. 8. S. 666 — 679.)
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London u. Wien. III. (Forschungen z.
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8. S. 23-53-)
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König (von Preussen) s. Friedrich III.,
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Spannagel, C: Friedrich Wilhelm I. und
das Gymnasium zu Bielefeld. (Elfter Jahres-
bericht d. histor. Vereins f. d. Grafschaft
Ravensberg zu Bielefeld. 8. S. 98—100.)
W i n t e rf el d , A. V. : Zur Charakteristik König
Friedrich Wilhelms I. von Preussen. (Der
Bär. 23. Jahrg. 4. S. 316— 319.)
König, B.Emil: Der Tod König Friedrich
Wilhelms II. von Preussen. (Der Bär.
23. Jahrg. 4. S. 236—238, 248—250.)
Mebes, August: Friedrich Wilhelm II.
Gestorben den 16. November 1797. I. II.
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Meyer, Johs: König Friedrich Wilhelm II.
(J. Meyer: Das Hohenzollem-Buch. Bilder
aus d. Geschichte unseres Herrscherhauses.
Bd. 2. Langensalza: Schulbuchh. 8.)
Paul ig, F. R.: Friedrich Wilhelm II.,
König V. Preussen (1744 — 1797). Sein
Privatleben u. seine Regierung im Lichte
neuerer Forschungen. 3. Aufl. Frankfurt
a. O.: F. Paulig. 8. VIII, 365 S. [F. R.
Paulig: Familiengesch. des Hohenzollern-
schen Kaiserhauses. Bd. 4.]
V. Schmidt, Paul: Friedrich Wilhelm II.
(König V. Preussen). [P. v. Schmidt: Die
Hohenzollern als Bildner und Erzieher des
Heeres. VI.] (Jahrbücher f. d. deutsche
Armee u. Marine. 105. Bd. 8. S. 131 — 146.)
Winterfeld, A. v.: König Friedrich Wil-
helms II. (von Preussen) Verdienste um
die Hebung des Berliner Musiklebens. (Der
Bar. 23. Jahrg. 4. S. 546—548.)
V. Schmidt, Paul: König Friedrich Wil-
helm III. (von Preussen). [P. v. Schmidt:
Die Hohenzollern als Bildner u. Erzieher
des Heeres. VII.] (Jahrbücher f. d. deutsche
Armee u. Marine. 105. Bd. 8. S. 281 — 305.)
Meyer, Johs : König Friedrich Wilhelm IV.
(J. Meyer : Das Hohenzollem-Buch. Bilder
aus d. Geschichte unseres Herrscherhauses.
Bd. 2. Langensalza: Schulbuchh. 8.)
Meyer, Richard M. : Friedrich Wilhelm IV.
(König von Preussen). (R. M. Meyer:
Deutsche Charaktere. Berlin: E. Hofmann
& C. 8. S. 114— 119.)
Röchling, Carl, u. Rieh. Knötel: Der alte
Fritz s. Friedrich II. König v. Preussen.
♦Kohlschmidt: Otto Fridolin Fritzsche,
Professor der Kirchengeschichte in Zürich.
(S. 441— 443«)
Büchner, Wilhelm: Katharina Fröhlich s.
Grillparzer.
Fünfundzwanzig Jahre in Berlin. Seinen Freun-
den und Konfirmanden zur Erinnerung v.
D. EmilFrommel. 2. Aufl. Berlin: F. Rühe.
8. 47 S.
In piam memoriam. Zur Erinnerung an
Emil Frommel. Abiit non obiit 9. No-
vember 1896. Berlin: E. S. Mittler & Sohn.
8. 48 S. m. Bildn.
EmilFrommel. [Rudolf Kögel, EmilFrom-
mel, Wilhelm Baur. 2.] (Allg. Evangel.-
Luther. Kirchenzeitg. 30. Jahrg. 4. Sp. 239
—242.)
Blanckmeister, Frz: EmilFrommel. Sein
Leben u. seine Schriften. Dresden : F. Sturm
& C. 8. 16 S. m. Bildn.
Kays er, C: Emil Frommel. Ein Lebens-
bild. Karlsruhe: Evangcl. Schriftenver. 8.
2 Bl., 165 S., 2 Bildn., 8 Taf.
M
»
Biographische Bibliographie.
Mayer: Zum Gedächtnis von Emil From-
mel. (»Halte was du hast.« 20. Jahrg. 8.
S. 177-179.)
♦Poten, B.: D. Emil Frommel, Kgl. Preuss.
Oberkonsistorialrath u. Hofprediger. S. 108
--109.)
Reichard, Max: Zur Erinnerung an Emil
Frommel. Strassburg: Schriftenniederl. d.
Evang. Ges. 8. 39 S. m. Bildn.
Richter, [Maximilian]: Ein Kranz auf Emil
Frommeis Grab. Berlin: E. S. Mittler &
Sohn. 8. 44 S.
^o&gc, Christian: Zum Andenken an Emil
Frommel. (f 9. November 1896.) (Der
Bär. 23. Jahrg. 4. S. 52 — 55 m. Bildn.)
Schöttler, J.: Emil Frommel. Schlichte
Bilder aus seinem Leben, i. u. 2. Aufl.
Barmen: Wupperthaler Traktat -Ges. 8.
4BI., 141 S., I Bildn., 3 Taf.
Schöttler: Emil Frommel. Ein Erinne-
rungsblatt zum 5. Januar. (AUg. Konserv.
Monatsschrift f. d. christl. Deutschland.
54. Jahrg. I. 8. S. 20—29, ^5' — '62.)
Scholz: Erinnerungen an Emil Frommel.
(Die christliche Welt. 1 1 . Jahrg. 4. Sp. 209
— 213O
*Eitncr, Rob.: Moritz Fürstenau. (S. 114
— 115.)
♦Karl Egon (IV.) Fürst zu Fürstenberg.
(S. 393—394-)
♦Minor, J.: Ludwig Gabillon. (S. 432 —
440.)
Gruhl, E.: Erinnerungen aus dem Leben
des Geh. Ober-Reg^erungsrats u. Kurators
der Universität Bonn Dr. Otto Gandtner.
Vortrag, gehalten in der Gymnasiallehrcr-
ges. zu Berlin am 13. Mai 1896. (Zeitschr.
f. d. Gymnasial wesen. 51. Jahrg. 8. S. i
—24.)
♦Eitner, Rob.: Friedrich Gartz. (S. 115.)
Ein Gast auf Erden und sein Pilgerlauf in
der Alten und Neuen Welt. Eine Selbst-
biographie, niedergeschrieben für seine
Kinder und Kindeskinder von Leopold
Gast. Bd. 2. Gütersloh: C. Bertelsmann.
8. VI, 503 S. (Bd. I crsch. 1894.)
♦Friedrich Heinrich Geifcken, Geheimer
Justizrath. (S. 2U — 212.)
Gaedertz, Karl Theod.: Emanuel Geibel,
Sänger der Liebe, Herold des Reiches.
Ein deutsches Dichterleben. M. Abb. u.
Facs. Leipzig: G. Wigand. 8. XII, 41 2 S.)
Warncke, Paul: Emanuel Geibel in seinen
Beziehungen zu Berlin und zum deutschen
Kaiserhause. (Preussische Jahrbücher.
90. Bd. 8. S. 486 — 504.)
Wych^ram, J.: Emanuel Geibel. (Blätter
für literar. Unterhaltung. Jahrg. 1897, I.
4. s. 353—354.)
♦Holland, H.: August Geiger -Thuring,
Landschaftsmaler. (S. 50 — 51.)
Ads der Selbstbiographie des Lucas Geiz-
kofier. (Ausgewählte Selbstbiographien
aus d. 15. bis 18. Jahrh. Hrsg. v. Chri-
stian Meyer. Leipsig: J. J. Weber. 8.
S. 132-152.)
Zeiten und Menschen. Erlebnisse und Mei-
nungen v. Rudolph Genee. M. e. Bildn.
d. Vfs. aus d. J. 1868. Berlin: E. S. Mittler
& Sohn. 8. XII, 360 S.
K ö n i g , B. Emil : Militärische Ehrentafel eines
deutschen Fürsten (Herzog Georg II. von
Sachsen-Meiningen-Hildburghausen). (Der
Bär. 23. Jahrg. 4. S. 284—285 m. Bildn.)
Hüttemann, Paul: Kuriürst Georg Wil-
helm (von Brandenburg) in seiner Stel-
lung zu König Gustav Adolf von Schwe-
den. Ein geschichtlich-kritischer Streifzug.
Witten: R. Gräfe. 8. 21 S.
♦Krau SS, Rudolf: Ludwig Georgii. (S. 100.)
♦Pagel: Joseph von Gerlach, Arzt (S. 152.)
♦Eitner, Rob.: Adolf Geyer, Königl. Musik-
direktor. (S. 115.)
♦Poten, B.: Maximilian Ritter von Giehrl,
Kgl. Bayer. Generallieutenant (S. 107 —
108.)
Wieruszowski, A.: Otto Gierke. (Blätter
für literar. Unterhaltung. Jahrg. 1897, I.
4. S. 145—148.)
♦Dr. Gieschen, Mitglied der Bürgerschaft u.
Rechtsanwalt in Hamburg. (S. 213.)
Sybel, Heinrich v.: (Wilhelm v.) Giese-
brecht und Döllinger. Eröffnungsrede
zur Versammlung der Historischen Kom-
mission 1890. (H. V. Sybel: Vorträge und
Abhandlungen. München u. Leipzig: R.
Oldenbourg. 8. S. 321 — 335. [Historische
Bibliothek. Bd. 3.])
Justi, G. E.: Der Königlich preussische Bau-
gewerkschuUehrer Herr Martin Gimdt in
Idstein im Taunus als Verfasser mathema-
tischer Lehrbücher. Als Manuskript ge-
druckt Detmold: (Buchdr. Fr. Preuss.) 8.
I BL, 18 S.
Ernst Gladbach. (Deutsche Bauzeitung.
31. Jahrg. 4. S. 38—40.)
♦Albert Glatzel, Wirkl. Geh. Ober-Regie-
rungsrath u. Präsident des Preuss. Ober-
landeskulturgerichts. (S. 215 — 216.)
♦Weech, F. v.: Rudolf Gleichauf. S. 394
—396.)
♦Edmund Josef Dejanicz von Gliszczynski,
Generalmajor z. D. u. preuss. Landtags-
abgeordneter. (S. 213 — 214.)
♦Granier, Hermann: Adolf von Glümer,
Königl. Preuss. General der Infanterie.
(S. 418 — 420.)
♦ Ferdinand von Gmelin, Reichsgerichtsrath.
(S. 220—221.)
Feldmarschali Graf Neithardt v. Gneisenau.
Ein Bild aus Preussens schwerster Zeit und
ruhmreicher Erhebung. Von Prem.-Lieutn.
Biographische Bibliographie.
15'
R. 3. Aufl. Barmen: D. B. Wiemann. 8.
31 S. m. Bildn. [Aus dem Reiche für das
Reich. H. 3.]
Koch, K.: Gneisenaus Pläne zur Einfüh-
rung der Leibesübungen an den Schulen
und zur Veranstaltung von Nationalfesten.
(Monatsschrift f. d. Tumwesen. 16. Jahrg.
8. S. 321—329.)
Zernin, Gebhard: Das Leben des Königl.
Preuss. Generals der Infanterie August
V. Goeben. Bd. 2. Mit zahlr. Briefen
Goebens an seine Familie aus den Kriegen
V. 1866 u. 1870/71. M. e. Bildn. in Stahl-
stich. Berlin: E. S. Mittler & Sohn. 8. VIII,
S74 S. (Bd. I ersch. 1895.)
^Holland, H.: Heinrich Göschl, Bildhauer.
(s. 51—52.)
Blind, Karl: Goethe und Heine über die
irische Frage. (Nord u. Süd. 80. Bd. 8.
S. 312—321.)
Dase, Otto: Der vorweimarische Goethe.
(Die Gegenwart. 52. Bd. 4. S. 57 — 60.)
Ehrlich, Moriz: Goethe und Schiller«
ihr Leben u. ihre Werke. M. 111. Berlin:
G. Grotc. 8. 2 Bl., VII, 500 S. m. Bildn.
u. Abb.
Grimm, Hermann : Goethe zu Anfang dieses
Jahrhunderts. (Deutsche Rundschau. 90. Bd.
8. S. 32— 38-)
Haarhaus, Julius R.: Auf Goethes Spuren
in Italien. Th. II: Mittel-Italien. Th. III:
Unter-Italien. Leipzig: C. G. Naumann. 8.
4BI., 186 S., I Kt; 4 BL, 194 S., I Kt.
(Th. I ersch. 1896.) [Kennst du das Land?
Eine Büchersammlung für die Freunde
Italiens. Bd. VIII. IX.]
Hoffmann, Adalbert: Neues aus dem Le-
ben von Goethe. (A. Hoffmann: Deutsche
Dichter im schlesischcn Gebirge. Warm-
bninn: M. Leipelt. 8. S. 1—50 m. Bild-
nissen.)
Karpeles, Gustav: Goethe und der Maler
Moritz Oppenheim. (Berichte d. Freien
Deutschen Hochstiftes zu Frankfurt a. M.
N. F. 13. Bd. 8. S. 61—73.)
Koch, Max: Zur Feier von Goethes Ge-
burtstag. Goethe als religiöser Epiker.
(Berichte d. Freies Deutschen Hochstiftes
zu Frankfurt a. Main. N. F. 13. Bd. 8.
S. i*-3i^)
Paul, L.: Zu Goethe's politischem u. kir-
chenpolitischem Standpunkt. (Deutsch-
evangel. Blätter. 22. Jahrg. 8. S. 494 —
501.)
Preiss, Otto: Die Massenmühle im Körn-
bachthal. Ein Goethe-Gedenkblatt a. d.
Thüringer Walde. Berlin: R. Mosse. 8.
59 S. einsch. 4 Facs.
Servaes, Franz: Goethe am Ausgang des
Jahrhunderts. Berlin : S. Fischer. 8. 4 BL,
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Steiner, R.: Goethes Weltanschauung.
Weimar: E. Felber. 8. X S., 1 BL, 206 S.
Stoessl, Otto: Goethe und seine neuesten
Biographen. (Das Magazin f. Literatur.
66. Jahrg. 4. Sp. 3^1—383.)
Thalmayr, Franz: Goethe und das classi-
sche Alterthum. Die,Einwirkung der An-
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menhange mit dem Lebensgange des Dich-
ters dargestellt. Leipzig: G. Fock. 8. XI,
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Dierauer, Johannes: Ernst Götzinger. Ein
Lebensbild. M. Portr. Hrsg. v. Histor.
Ver. in St. Gallen. St. Gallen: Fehr'sche
Buchhdlg. 4. 89 S., I Bildn. [St. Galler
Neujahrsblätter. No. 37.]
Dierauer, J.: Ernst Götzinger, Germanist
u. Historiker. (S. 231 — 235.)
Lab and: Levin Goldschmidt, f. (Deutsche
Juristen-Zeitung. II. Jahrg. 4. S. 296 —
298.)
Pappenheim, Max: Levin Goldschmidt.
M. e. Bildn. Goldschmidts. Stuttgart: F.
Enke. 8. i BL, 49 S., i Bildn. (SA. aus
d. Zeitschrift f. d. Gesammte Handelsrecht
Bd. 47.)
Riesser: L. Goldschmidt. Gedächtnissrede,
gehalten in der Jurist. Gesellsch. zu Berlin.
Nebst e. Bildn. Goldschmidts. Berlin: O.
Liebmann. 8. 58 S., i Bildn.
Bendixen, Rudolf: Jobannes Evangelista
Gossner. (R. Bendixen: Bilder aus der
letzten religiösen Erweckung in Deutsch-
land. Leipzig: Dörffling & Franke. 8.
S. 167—190.)
•Engesser, Fr.: Theodor Gossweyler,
Grossherzogl. Baudirector. (S. 366.)
Zum hundertsten Geburtstag Jeremias Gott-
helfs. Inhalt: i. J. Ammann: Zur Erinne-
rung an J. Gotthelf. 2. H. Stickelberger:
Ueber die Sprache J. Gotthelfs. M. d. Bildn.
Gotthelfs. Zürich: E. SpeideL 8. i BL,
45 S. [Mitteilungen d. Gesellschaft für
deutsche Sprache in Zürich. Heft IL]
Bartels, Adolf: Jeremias Gotthelf. i — 4.
(Die Grenzboten. 56. Jahrg. III. 8. S. 268
— 278, 317—329, 409—416, 502—510.)
Gottschall, Rudolf v.: Aus meiner Studen-
tenzeit. (Die Gegenwart. 52. Bd. 4. S. 214
—218, 232—236.)
Berg er, Karl: Johann Christoph Gottsched.
(Blätter für literar. Unterhaltung. Jahrg.
1897, n. 4. S. 465— 467.)
Waniek, Gustav: Gottsched und die deut-
sche Literatur seiner Zeit. Leipzig: Breit-
kopf & Härtel. 8. XII, 698 S.
Wolff, Eugen: Gottscheds Stellung im
deutschen Bildungsleben. 2. Bd. Kiel u.
Leipzig: Lipsius & Tischer. 8. VIII, 248 S.
(Bd. I ersch. 1895.)
Hampe, Theodor: Der blinde Landsknecht-
i6*
Biographische Bibliographie.
Dichter Jörg Graff und sein Aufenthalt
in Nürnberg. (Euphorion. 4. Bd. 8. 8. 457
—472.)
Kraus, Franz Xaver: Ferdinand Gregoro-
vius. (Deutsche Rundschau. 93. Bd. 8.
S. 145—149.)
S t o e SS I , Otto : Ferdinand Gregorovius und
die Gräfin Lovatelli. (Die Gegenwart
51. Bd. 4. S. 346—347-)
Klaus, B.: Hans Baidung genannt Grien s.
Bald ung.
Büchner, Wilhelm: Grillparzer und Ka-
tharina Fröhlich. (Preussische Jahrbücher.
87. Bd. 8. S. 448— 461.)
Farinelli, Arturo: Grillparzer und Rai-
mund. Zwei Vorträge. Mit dem Bildn. d.
Dichter. Leipzig: G. H. Meyer. 8. 87 S.
Schwering, Julius : Franz Grillparzer und
Norddeutschland. (Monatsblätter f.deutsche
Litteraturgesch. I. Jahrg. 8. S. 299 — 306.)
S pcier, Max: Neues von Grillparzer,
Raimund u. Baucrnfeld. (Die Gegen-
wart. 51. Bd. 4. S. 355—3590
Busse, Karl: Hcrman Grimm und die
deutsche Culturgcschichte. (Die Gegen-
wart 52. Bd. 4. S. 344—346.)
Sybel, Heinrich v.: Zur Erinnerung an
Jakob Grimm. Vortrag in der Berliner
Akad. am Geburtstag Friedrichs des Grossen
1885. (U.V. Sybel: Vorträge und Abhand-
lungen. München u. Leipzig: R. Olden-
bourg. 8. S. 203 — 215. [Historische Biblio-
thek. Bd. 3.])
Ehrhard, Albert: Professor Dr. Joseph
Grimm. Ein Lebensbild zugleich als Bei-
trag zur theologischen Litteraturgeschichte
des 19. Jahrhunderts. (Gedcnk-Blätter zu
Ehren d. hochw. geistl. Rates Dr. Joseph
Grimm, weil. Prof. d. neutest. Exegese a.
d. Univ. WUrzburg. Zum ersten Jahrestag
seines Todes gewidmet v. Dr. Hermann
Schell u. Dr. Albert Ehrhard. Würzburg:
A. Göbel. 8. S. i — 113 m. Bildn.)
♦Holland, H.: Josef Grimm, Dr. Pro-
fessor, der neutestamentl. Exegese. (S. 52
—53.)
Groth, Klaus: Musikalische Erlebnisse. (Die
Gegenwart 52. Bd. 4. S. 279—285.)
Groth, Klaus: Erinnerungen an Johannes
Brahms s. Brahms.
Bartels, Adolf: Klaus Groth. (Die Heimat
7.Jahrg.8. S. 116—121,1 33—138 m.Bildn.)
Frisch, Wilhelm: August Wilhelm Grube.
(Biographien Österreich. Schulmänner. Hrsg.
v. Franz Frisch. Wien: A. Ptchlej*s Wwe.
& Sohn. 8. S. 115— 127.)
Anastasius Grün s. Auersperg.
Klaus, B.: Hans Baidung genannt Grien
oder Grün s. Bai düng.
♦Krauss, Rudolf: Jacob Grünenwald.
S. loi — 102.)
Wyzewa, Teodor de: Caroline de Gunde-
rode, et son aventure d'Amour avcc
Frederic Creutzer. (T. de Wyzewa:
Ecrivains etrangers.il. Serie. Paris: Perrin
& C. 8. S. 27—46.)
t Dr. jur. Otto Günther, Vorsitzender des
Directoriums d. königl. Conservatoriums
d. Musik zu Leipzig. (Musikal. Wochen-
blatt 28. Jahrg. 4. S. 505—506.)
Hoffmann, Adalbert: Neues aus dem
Leben von (Johann Christian) Günther.
(A. Hoffmann: Deutsche Dichter im schle-
sischen Gebirge. Warmbrunn: M. Leipelt
8. S. 51 -88 m. Bildnissen.)
*Pagel: Karl Günther, hervorragender
Thierarzt (S. 152—153.)
♦Pagel: Wenzel Güntner, Arzt, emerit
Prof. d. Chirurgie. (S. 153.)
Augustin Güntzers merkwürdige Lebens-
geschichte. Ein Kulturbild aus dem Jahr-
hundert des 30jähr. Krieges. Erzählt von
ihm selbst. Barmen: Wupperthaler Traktat-
. Ges. 8. 159 S., I Bl., 3 Taf. [Barmer
Bücherschatz. Bd. 3, 4.]
*Brümmer, Franz: Wilhelmine Konstanzc
Guischard. (S. 194.)
*Eitner,Rob: Ferdinand Gumbert. (S. 116.)
^Brummer. Franz: Hans Christian Emanuel
Gurlitt. (S. 245 -246.)
Börckel, Alfred: Gutenberg. Sein Leben,
sein Werk, sein Ruhm. Zur Erinnerung
an die 5oojähr. Geburt des Erfinders d.
Buchdruckerkunst für weitere Kreise dar-
gest M. 34 Abb. Giessen: £. Roth. 4.
5 Bl., 122. S., I Bildn.
Umlauft, Friedrich: Vincenz v. Haardt
(Deutsche Rundschau f. Geographie u.
Statistik. 19. Jahrg. 8. S. 518 f. m. Bildn.)
Haase, Frdr.: Was ich erlebte. 1846— 1896.
(IlL V. Frdr. Stahl.) Berlin: R. Bong. 8.
203 S.
* Johann Habert, Kirchenkomponist. (S. 162
—166.)
*Krauss, Rudolf: Gustav Hacker. (S. 95
—96.
Frommel, Emil: Händel u. Bach. Skizze.
3. Aufl. Berlin: Wiegandt & Grieben. 8.
VI, 44 S. m. Bildern. [E. Frommel: Ge-
samm. Schriften. I.]
Zum fünfzigjährigen Dienstjubilftum des
Generals der Kavallerie v. Häniscta,
Chef des Ulanenregiments von Katzler
(^chlesischen) Nr. 2 u. Kommandirenden
Generals des IV. Armeekorps am 16. Juli
1897. (Militär-Wochenblatt 82. Jalirg. 2Bd.
4. Sp. 1717 — 1720.)
S e c 1 i g c r , H. : Eduard Freiherr von Haerdtl.
(Nekrolog.) (Vierteljahrsschriftd.Aslronom.
Ges. 32. Jahrg. 8. S. 33-— 41 m. Bildn.)
Rcichard, Max: Franz Haerter. Ein Le-
bensbild aus dem Elsass. Strassburg i. E< :
Biographische Bibliographie.
17'
Buchhdlg. d. EvangeL Ges. 8. 135 S.,
I Bildn.
August Hagen. Eine Gedächtnissschrift zu
seinem hundertsten Geburtstage 12. April
1897. M. e. Bildn. Hagens. Berlin: E. S.
Mittler & Sohn. 8. 256 S., i Bildn.
Bunz, P.: Johann Ludwig Hager. Ein
Lebensbild aus den Papieren meines
Gross Vaters. M. 3 Ansichten v. Mtthl-
hausen. Stuttgart: Buchh. d. Evangel. Ge-
sellschaft. 8. 72 S.
Premierlieutenant Hugo Hahn. (Kollektaneen-
Blatt f. d. Gesch. Bayerns. 61. Jahrg. 8.
S. 134—135.)
Rehbein, Reichsgerichtsrat Dr.: Friedrich
von Hahn f. (Deutsche Juristen-Zeitung.
n. Jahrg. 4. S. 139.)
Direktor im Reichs-Postamt, Wirklicher Ge-
heimer Rath Hake f. Nachruf. (Archiv
für Post und Telegraphie. Beihefte z.
Amtsblatt des Reichs-Postamts. 25. Jahrg.
8. S. 291.)
r>irektor Karl Hammer f. (Deutsche Bau-
zeitung. 31. Jahrg. 4. S. 376.)
Karl Hammer, Direktor d. Kgl. Kunst-
gewerbeschule in Nürnberg, f. (Central-
blatt d. Bauverwaltung. 1 7. Jahrg. 4. S. 347
-348.)
Schlossar, Anton : J osef Frhr. von Hammer-
Purgstall s. Auersperg.
Hugo Hanke. (Deutsche Bauzeitung. 31. Jahrg.
4, S. 176.)
Dr. Emanuel Hannak. (Biographien Öster-
reich. Schulmänner. Hrsg. v. Franz Frisch.
Wien: A. Pichler's Wwe & Sohn 8. S. 288
—337.)
Friedländer, Max J.: Hans der Maler
zu Schwaz. Nachtrag. (Repertorium fOr
Kunstwissenschaft. 20. Bd. 8. S. 362 —
365)
Hansjakob, Heinr.: Aus meiner Jugendzeit.
Erinnerungen. 4., verb. u. erweit. Aufl.
Heidelberg: G. Weiss. 8. VIT, 287 S. mit
Bildn.
Hansjakob, Heinr.: Aus meiner Studienzeit.
Erinnerungen. 3. verb. u. erweiterte Aufl.
Heidelberg: G. Weiss. 8. VII, 326 S.
(H. Hansjakob: Ausgewählte Schriften.
Bd. 2.)
Hansjakob, Heinr.: Aus kranken Tagen.
Erinnerungen. 2., neu durchges. u. verb.
Aufl. M. e. Ans. v. Illenau. Heidelberg:
G. Weiss. 8. 297 S.
*Brflmmer, Franz: Johann Caspar Christian
Georg Harms. (S. 245.)
B endixen, Rudolf: Klaus Harms. (R. Ben-
dixen: Bilder aus der letzten religiösen
Erweckung in Deutschland. Leipzig:
Dörffling & Franke. 8. S. 126—146.)
Hase, Friedrich: Geplaudertes. (Die Gegen-
wart. 52. Bd. 4. S. 264—265.)
Biogr. Jfthrb. a. Deotacher Nekrolog. 2. Bd.
L i p s i u s , Richard Adelbert : Karl von Hase.
Ansprache an seine Zuhörer, geb. am
Morgen des 6. Januar 1890. (R. A. Lipsius:
Glauben und Wissen. Ausgewählte Vorträge
und Aufsätze. Berlin: C. A. Schwetschkc
& Sohn. 8. S. 314 — 320.)
Schreiner, Heinrich: Leopold Hasner,
Ritter von Artha (Biographien Österreich.
Schulmänner. Hrsg. v. Franz Frisch. Wien:
A. Pichler's Wwe. & Sohn. 8. S. 226—
239.)
Sybel, Heinrich, v.: Hans Daniel Hassen-
pflug. (1893). (H. V. Sybel: Vorträge
und Abhandlungen. München u. Leipzig :
R. Oldenbourg. 8. S. 216 — 235. [Histo-
rische Bibliothek. Bd. 3.])
Koch, Günther: Hau£f s. Clauren.
Bartels, Adolf: Gerhart Hauptmann. Wei-
mar: E. Felber. 8. 4 BL, 255 S.
Rode, Alb.: Hauptmann u. Nietzsche.
Ein Beitr. z. Verständnis d. »Versunkenen
Glocke«. Hamburg: J. Haring. 8. 14 S.
Woerner, U. C: Gerhart Hauptmann.
München: C. Haushalter. 8. 3 BL, 82 S.
[Forschungen z. neueren Litteraturge-
schichte. IV.]
Ritter, Herrn: Haydn, Mozart, Beet-
hoven. Ein Dreigestirn am Himmel
deutscher Tonkunst. Bamberg: Handels-
Dr. u. Verlagsh, 8. 80 S.
Aus Friedrich Hebbels Tagebüchern. Aus-
wahl. Halle a. d. S.: O. Hendel. 8. VI S.,
I Bl., 324 S., I Bildn. [Bibliothek der
Gesamtlitteratur des In- u. Auslandes.
No. ICH— 1015.]
Regierungs- und Schulrat Hechtenberg f.
(Schulblatt f. d. Prov. Brandenburg. 62.
Jahrg. 8. S. 79—82.)
*Krauss, Rudolf: Gustav Heerbrandt.
(S. 96.)
Kuhlmann: Vom blinden Wilhelm Heer-
mann. (Zeugen und Zeugnisse aus d.
christl.-kirchl. Leben v. Minden-Ravens-
berg im 18. u. 19. Jahrh. Heft 2. Gadder-
baum b. Bielefeld: Schriften-Niederl. d.
Anst. Bethel. 8. S. 87—95,)
Meyer, Richard M.:. Viktor Hehn. (R. M.
Meyer : Deutsche Charaktere. Berlin : E. Hof-
mann & C. 8. S. 177 — 181.)
Heiberg, Asta: Erinnerungen aus meinem
Leben. 2. Aufl. Berlin: C. Heymann. 8.
X S., I Bl., 271 S,
Dr. Cari Friedrich Heiberg. (Nachruf.) (Asta
Heiberg: Erinnerungen aus meinem Leben.
2. Aufl. Berlin: C Heymann. 8. S. 265
—271.)
Steiner, Rudolf: Rudolf Heidenheim.
Gest. am 13. Okt. 1897. (Das Magazin f.
Litteratur. 66. Jahrg. 4. Sp. 1327—^329)
Nettelbecks Tochter (Luise Heidler).
(Der Bär. 23. Jahrg. 4. S. 366—368.)
b
i8*
Biographische Bibliographie.
Siegerist, Georg: Ernst Ludwig Heim.
(Geboren am 22. Juli 1747.) (Sonntags-
beil. No. 29 z. Voss. Zeitung.)
Fuchs, Georg: Heinz Heim. (Die Kunst-
Halle. IL Jahrg. 4. S. 49 — 52.)
Betz, Löuis P.: H. Heine und Alfred de
Musset Eine biograph.-litterar. Parallele.
Zürich: A. Müller. 8. Vni, 117 S.
Blind, Karl: Heine über d. irische Frage
s. Goethe.
Elster, Ernst: Beiträge zu Heiners Bio-
graphie. Auf Grund ungedruckter Briefe
des Dichters. I— V. (Deutsche Rundschau.
91. 92. Bd. 8. 91. Bd.: S. 379 — 408 ,'92. Bd.:
S. 49-64.)
Elster, Ernst: Heine in England. (Das
Magazin f. Litteratur. 66. Jahrg. 4. Sp. 31
-36.)
Hüffer, Hermann: Wann ist Heinrich
Heine geboren? (Deutsche Rundschau.
93. Bd. 8. S. 451—460.)
Kaufmann, Max : Heinrich Heines Liebes-
tragödien. Litterar-histor. Studie. Zürich:
Stem's litterar. Bulletin der Schweiz. 8. 71 S.
Legras, Jules: Henri Heine. Poete. Paris:
C. Levy. 8. XXIV, 438 S.
Panizza, Osk.: Die Krankheit Heiners
(z. 100 jähr. Wiederkehr d. Geburtstages
Heine's. 13. XII. 1 797.) Zürich: Züricher Dis-
kuss. 8. 8 S. [Züricher Diskussionen No. i.]
Wyzewa, Teodor de: Henri Heine. Juge
par les ecrivains allemands. (T.de Wyzewa:
Ecrivains etrangers. II. Serie. Paris: Perrin
&C. 8. S. 136—144.)
^Liliencron, R. v. : Karl Christoph Heine-
buch, Königl. Musikdirector. (S. 1 — 3.)
Fitte, Siegfried: Kaiser Heinrich IV. und
die Humanisten. I. II. (Sonntagsbeil.
No. 19. 20. z. Voss. Zeitung.)
Schmitt, Richard: Prinz Heinrich von
Preussen als Feldherr im siebenjährigen
Kriege. II. Die Kriegsjahre 1760—1762.
Greifswald: J. Abel. 8. VIII, 322 S. (Tl. I
crsch. 1885 als Greifs walder Dissert)
Schmidt, Berthold: Graf Heinrich VL
Reuss ä. L., Der Held von Zeuta. Grössere
Ausgabe mit Urkundenbclegen. (II — V.
Jahresbericht des Vereins f. Greizer Ge-
schichte zu Greiz. 8. S. 1 — 81.)
Heinrich-Feier. Gedenkblatt an das 50 jähr.
Amtsjub. des Rektors Claus Heinrich am
I. IX. 1897. (Hrsg. V. Rekt. Seil.) Kiel:
Lipsius & Tischer. 8. «54 S. m. Bildn.
Hertling, Georg Frhr. v.: Zur Erinnerung
an Johann Baptist Heinrich. Rede, ge-
halten in der Schlusssitzung der General-
versammlung der Görres-Gesellschaft zu
Hildesheim, am 7. Oktober 1891. (G. Frhr.
v. Hertling: Kleine Schriften zur Zeit-
geschichte und Politik. Freiburg i. B. :
Herder. 8. S. 520—538.)
* Kohlschmidt: Wilhelm Heinzerling,
Oberlandesgerichtsrath. (S. 443.)
*Brümmer, Franz : Friedrich Heibig.
(S. 251.)
Grünhagen, C: (Hans von) Held s.
Zerboni.
Heemstede, C. v. : Dr. Friedrich Wilhelm
Helle. Biographisch-litterar. Skizze mit
einigen nicht streng zur Sache gehörigen,
aber keineswegs überflüssigen Glossen.
Heiligenstadt (Eichsfeld): F. W. Cordier
8. 63 S., I Bildn. [Biographien katholischer
Dichter der Gegenwart. Bdchn I.]
•Brummer, Franz: Qementine Helm»
Jugendschriftstellerin. (S. 247—248.)
Du Bois-Reymond, Emil: Hermann von
Helmholtz. Gedächtnissrede. Leipzig: Veit
& C 8. 80 S.
Hengsten berg, H.: Bilder aus dem Leben
des Evangelisten Hengstenberg nebst
einem Anhang seiner Gedichte. Witten a.
d. Ruhr: Stadtmission. 8. 2 Bl., 176 S.,
I Bildn.
Lamprecht, Karl: Karl Hengstenberg.
(K. Lamprecht: Bilder von der roten Erde.
Hamm, Westf.: C. Dietrich. 8. S. 31—47.)
Bendixen, Rudolf: Aloys Henhöfer. (R.
Bendixen : Bilder aus der letzten religiösen
Erweckung in Deutschland. Leipzig : DöHT-
ling & Franke. 8. S. 191—209.)
F r o m m e 1 , Emil : Dr. Aloys Henhöfer. Ein
süddeutsches Pfarroriginal. (E. Frommel:
Erzählungen. Ges.-Ausg. III. Stuttgart:
J. F. Steinkopf. 8. S. 284—374 m. Bildn.)
•Kr aus s, Rudolf: Philipp Jacob Wilhelm
Henke. S. 96—98.)
Eggeling, Otto: Wilhelm Henke. (Geb.
1834, gest. 1896.) (Braunschweig. Magazin.
3. Bd. 4., S. 113— 116.)
Wirkl. Geh.-R. Reichsger.- u. Senatspräs. a. D.
Dr. Henrici: Lebenserinnerungen eines
Schleswig-Holsteiners. Stuttgart: Deutsche
Verlags- Anstalt. 8. VII, 192 S.
Herbart u. die Herbartianer. E. Beitr. zur
Gesch. d. Philosophie und d. Pädagogik.
SA. aus d. encyklop. Handb. d. Pädagogik
V. W. Rein in Jena, zsgest. aus d. Arbeiten
V. Thilo, Flügel, Rein, Rüde. Langensalza:
H. Beyer & Söhne. 8. 154 S.
Hieronymus, D.: Herbarts Regierung und
Zucht oder Welche Bedeutung hat die von
Herbart durchgeführte Unterscheidung von
Regierung und Zucht für die Pädagogik,
und wie ist sie zu beurteilen? Berlin:
Buchhandlg. d. Deutschen Lehrerzeitung.
8. 27 S.
Maerkel, Paul: Herbart und der Religions-
Unterricht an höheren Lehranstalten. Progr.
Berlin: R. Gaertner. 4. 28 S.
Nehring, Adolf: Ucbcr (Sigmund Frhr. von)
Herbers tain und (Augustin) Hirsfogel.
Biographische Bibliographie.
19'
Beitrage z. Kenntnis ihres Lebens u. ihrer
Werke. M. 10 Abb. i. Text. Berlin: F.
Dümmler. 8. Will, 100 S.
Nehring, A.: HirsfogeTs Beziehungen
zu Herber8tain*s Werken. (Repertorium
f. Kunstwissenschaft. 20. Bd. 8. S, 121 --
129.)
Haug, Eduard: Herder s. Müller, Joh.
Georg.
Lamprechty K.: Herder und Kant als
Theoretiker der Geschichtswissenschaft.
(Jahrbächer für Nationalökonomie u. Sta-
tistik. 69. Bd.; III. Folge 14. Bd. 8. S. 161
—203.)
N i r s c h 1 , Jos. : Gedächtnisrede auf Cardinal
Joseph Hergenröther bei d. Enthullungs-
feier seines Grabdenkmals. Bregenz: J. N.
Teutsch. 8. 16 S.
Kirchhoff, Albrecht : Michael Hering's in
Hamburg Verbindungen mit Schweden
(161 7). (Archiv f. Geschichte d. Deutschen
Buchhandels. XIX. 8. S. 54 — 59.}
Jahne, Heinrich: Franz Herrmann. (Bio-
graphien Österreich. Schulmänner. Hrsg. ▼.
Franz Frisch. Wien: A. Pichler's Wwe &
Sohn. 8. S. 179—186.)
Autobiographie et Journal de Mathias
Hertzog, d^Egisheim, communique par
M. VAbbc Hoffmann. A. M. P. Ingold:
Miscellanea alsatica. III serie. Colmar:
H. Huffei; Paris: A. Picard & f. 8. S. 181
— 193-)
Zolling, Theophil: Georg Herwegh s.
Wagner, Richard.
^Kohlschmidt: Theodor Herzog, Dekan.
(S. 443—444.)
Erinnerungen aus dem amtlichen Leben des
Wirklichen Geheimen Rats Dr. theol.
Bernhard Hesse in Weimar. Frankfurt a. M. :
M. Diesterweg. 8. 84 S.
S Utermeister, Paul: Aus dem Leben einer
Verborgenen (Meta Heusser- Schweizer).
I — 5. (Die christL Welt. ix. Jahrg. 4.
Sp. 332—333. 345—348.)
Sauren, Wilh.: Johann Wilhelm Hey, seine
Fabeln und deren Verwendung im Dienste
der Schule. (Der Schulfreund. 53. Jahrg.
8. S. 115 — 129.)
Todt: Wilhelm Hey, der Kinderfreund.
(Schnlblatt für die Provinz Brandenburg.
62. Jahrg. 8. S. 499 — 504.)
Sommert, Hans: J(oseph) Hiebsch. (Pä-
dagog. Blätter für Lehrerbildung und
Lehrerbildungsanstalten. 26. Bd. 8. S.
755—757.)
^Weltner, A. J.: Franz Arnold Hirsch,
Schriftsteller. (S. 341 — 342.)
Ne bring, Adolf: (Augustin) Hirsfogel s.
Herberstain.
Vetter, Ferdinand: f Ludwig HirzeL (Eu-
phorion. 4. Bd. 8. S. 830—833.)
Aus dem Lebensgang eines evangelischen
Geistlichen und Gelehrten im 17.U. 18. Jahr-
hundert (d. i. Johann Ludwig Hocker,
Prediger u. Gescbichtschreiber zu Kloster
Heilsbronn in Mittelfranken.) (Ausge-
wählte Selbstbiographien aus d. 15. bis
18. Jahrh. Hrsg. v. Christian Meyer.
Leipzig: J. J. Weber. 8. S. 187—248.
Der Schluss ist von seinem Schwieger-
sohn und Amtsnachf. Johann Ludwig
Heydenreich. M. Bildn.)
* Franz Xaver Hoermann, Bildhauer. (S. 359.)
* Brummer, Franz: Nanny vom Hof. (S. 253
-254.)
Bendixen, Rudolf: Ludwig Hofacker. (R.
Bendixen : Bilder aus der letzten religiösen
Erweckung in Deutschland. Leipzig : Dörff-
ling & Franke. 8. S. 147 — 166.)
Hacker: E. H. Hoffmann f. (Deutsche
Bauzeitung 31. Jahrg. 4. S. 106 — 108.)
Marx, A. B.: Zur Beurtheilung E. T. A.
Hofiinann's als Musiker. (Allg. Musik-
Zeitung. 24. Jahrg. 4. S. 413— 414, 433
—434.)
Berg, Leo: Hans Hoffmann als Märchen-
erzähler. (Die Gegenwart. 52. Bd. 4. S. 299
—301.)
Beck, Fritz: Die Errichtung des Landgraf!.
Hessen - Darmstädt. Kreis -Regiments i. J.
1697 u. sein erster Kommandeur Hartmann
Samuel Hoffmann von Löwenfeld. Fest-
schrift z. 200 j. Jubiläum des Grosshzgl.
3. Infanterie-Rgts. (Leib-Regiment) No. 117
am 10. Juni 1897. M. e. Titelb. Darm-
stadt: Dr. V. L. C. Wittich. 8. 20 S.,
I BUdn.
Schlecht, Jos.: Der Augustiner Johann
Hofimeister als Dichter. (Der Katholik.
77. Jahrg., II. 8. S. 188—192.)
P n i o w e r , Otto : Julius Hoffory. (Das Ma-
gazin f. Literatur. 66. Jahrg. 4. Sp. 481
-487.)
Eduard R. v. Hofmann f. 27. Januar 1837
bis 27. August 1897. (Wiener Medizinische
Presse. 38. Jahrg. 4. Sp. 1112.)
Mitten zweig: Eduard von Hofmann f.
(Zeitschr. f. Medizinal-Beamte. 10. Jahrg.
8. S. 690.)
Aus meinem Leben. Aufzeichnungen des
Prinzen Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen,
weiland General der Artillerie und Gene-
raladjutant Seiner Majestät des Kaisers
und Königs Wilhelm L Bd. i. Vom
Revolutionsjahr 1848 bis zum Ende
des Kommandos in Wien 1856. Nebst
einer Lebensskizze und dem Bildniss
des Verfassers. Berlin: E. S. Mittler
& Sohn. 8. LIII, 379 S., i Bildn.,
I Stammtaf.
*Kraus, F. H.: Cardinal Hohenlohe. (S. 449
-455-)
20*
Biographische Bibliographie.
Rust, Hermann: Reichskanzler Fürst Chlod-
wig zu Hohenlohe-Schillingsfürst und
seine Brüder Herzog von Ratibor (Prinz
Victor Hohenlohe), Cardinal Hohenlohe
(Prinz Gustav Adolf H oben loh e-Schil-
lingsfUrst) und Prinz Constantin Hohen-
lohe. Düsseldorf: VV. Deiters. 8. XL,
931 S., 4 Bildn.
♦Edler, Karl Erdm. : Constantin Prinz 'zu
Hohenlohe-Schillingsfürst, erster Oberst-
hofmeister des Kaisers von Oesterreich.
(S. 176 — 191.)
Miller, Edm.: Konradin v. Hohenstaufen.
Mit 6 Illustrationen und einem Titelbl. von
Karl Behr, sowie i Plane des Schlacht-
feldes v. Tagliacozzo. Berlin : E. Ehering.
8. 108 S. m. 2 Stammtaf. [Lebensbilder
aus der Geschichte. I.]
Kelterborn, Rudolf: Hans Holbein. Sitten-
und Lebensbild aus der Reformations-
zeit. Leipzig u. Zürich: Th. Schröter. 8.
112 S.
Meissner, Franz Hermann: Hans Holbein
der Jüngere. Eine Studie. (Westermanns
lUustr. Deutsche Monatshefte. 81. Bd. 8.
S. 314—329, 465 — 477 mit Bildern und
Abbildg.)
Aus der Selbstbiographie des Elias Holl.
(Ausgewählte Selbstbiographien aus d. 15.
bis 18. Jahrh. Hrsg. v. Christian Meyer.
Leipzig: J. J. Weber. 8. S. 153 — 186 m.
I Bildnisstaf.)
Bernhard v. HoUeben gen. v. Normann f.
Königlich Sächsischer General der Infan-
terie z. D. • 30. Juli 1824 zu Unter-Köditz
in Schwarzburg-Rudolstadt, f 11. Oktober
1897 zu Dresden. (Militär - Wochenblatt.
82. Jahrg. 2. Bd. 4. Sp. 2543 — 2545.)
Zum Gedächtnis Karl Holsten's. (Der Pro-
testant. I. Jahrg. 4. Sp. 137 — 139.)
Hausrath, Adolf: Karl Holsten. Worte der
Erinnerung, gesprochen bei der Gedächt-
nisfeier am 29. Januar in d. Aula d. Uni-
versität zu Heidelberg. Heidelberg: O.
Petters. 8. 15 S.
Honig, Wilhelm: Rede am Sarge Karl Hol-
sten's. (Protestantische Monatshefte.
I. Jahrg. 8. S. 77—81.)
Mchlhorn.P.: Zum Gedächtnis Karl Hol-
sten's. I— III. (Der Protestant, i. Jahrg.
4. Sp. 215—218, 231—233, 248—251.)
Storch, O.: Karl von Holtet. Ein Gedenk-
blatt zum 24. Januar 1898. Waidenburg
i. Schi.: G. Knorrn. 8. 108 S.
♦Guglia, E.: Johann Jacob Honegger.
(S. 38-40.)
•B r U m m e r, Franz : Wilhelm Honor6. (S.254.)
Herzogl, braunschweig. Geheimer Kammer-
rat Ludwig Wilhelm Hörn f. (Forst-
wiss. Centralbl. N. F. 19. Jahrg. 8. S. 343
- 345-)
Ludwig Wilh. Hörn (Geh. Kammerrath) f.
(Centralblatt f. d. gesammte Forstwesen.
23. Jahrg. 8. S. 33^-339 m- Bildn.)
f Geheimer Kammerrat Wilhelm Hörn aus
Brciunschweig. (Deutsche Forst- Zeitung.
XIL Bd. 8. S. 268.)
Wilhelm Hom und Bruno Ey ferth f. (Braun-
schweigisches Magazin. 3. Bd. 4. S. 129
-131O
Weinitz, Franz: Theodor Hosemann. E.
kunstgesch. Studie z. Erinnerung an die
90ste Wiederkehr d. Tages seiner Geburt.
Berlin. 8. 21 S. m. Bildn. (S. A. aus:
Schriften d. Ver. f. d. Gesch. Berlins. H.
34.)
Paris ius, Ludolf: Leopold Freiherr von
Hoverbeck (geboren 1822, gestorben 1875).
Ein Beitrag z. vaterländ. Geschichte. Tl. i.
M. 3 Bildnissen. Berlin: J. Guttentag. 4 Bl.,
224 S., 3 Bildn., I Facs.
•Walzel, Oskar F.: Rudolf Graf Hoyos.
(S. 142—147.)
♦Schölermann, W.: Rudolf C. Huber,
Maler. (S. 268—274.)
Geiger, Ludwig: Aus Therese Hubers
Herzenslebcn. (Westermanns Illustr. Deut-
sche Monatshefte. 81. Bd. 8. S. 623— 642,
7x4 — 725 m. Bildn. u. Abb.)
Gedan, Paul: Johann Christian Hiittner.
Ein Beitr. z. Gesch. d. Geographie. (Mit-
teilungen d. Ver. f. Erdkunde zu Leipzig.
8. S. 1—37.)
Zur Erinnerung an die Feier des 2 5 jähr.
Jubiläums des Herrn Pfarrer H.Hugendubel
an der Nydeckkirche in Bern. Sonntags
u. Montags, d. 14. u. 15. II. 1897. Bern:
K. J. Wyss. 8. 39 S. m. Bildn.
•Conze: Carl Humann. (S. 369 — 377.)
Dr. Martin Luthers Freundschaft mit Ulrich
von Hütten s. Luther.
Roth, F. W. E.: Johann Huttich. (Eupho-
rion. 4. Bd. 8. S. 772—789.)
Hartst ein, Rudolf: Friedrich Ludwig Jahn's
Staatsexamen. Ein Beitrag zur Lebens-
geschichte des Turnvaters. (Monatsschrift
f. d. Turnwesen, 16. Jahrg. 8. S. 97 — 106,
196-203.)
Müller, Ant. : Zur Geschichte (Wenzel) Jam-
nitzers. (Görres-Gesellschaft. Historisches
Jahrbuch. 18. Bd. 8. S. 857—863.)
^Brummer, Franz: Franziska Jarke. (S.259
— 260.)
Spielmann, C: Karl v. Ibell. Lebensbild
e. deutschen Staatsmanns. 1780 — 1834. Mit
zahlr. urkundl. u. briefl. Beilagen, i Stamm-
taf. u. I Bildn. in Heliograv. Wiesbaden:
C. W. Kreidel. 8. XI, 271 S.
Jehle, Frdr., Stadtpfr.: Antnttspredigt —
m. Lebenslauf — in der Friedenskirche zu
Stuttgart geh. Stuttgart: Evangel. Gesellsch.
8. 16 S.
Biographische Bibliographie.
21
Sander, Herrn.: Zur Erinnerung an Jakob
Jehly. Innsbruck: Wagner. 8. 31 S.
Riedhauser, J. R. : Georg Jenatsch. Bio-
graphische Skizze mit einem Anhang:
Historische Gedichte. Zum 300 jähr. Ge-
burtstag desselben. Davos: H. Richter.
8. 62 S.
Fulda, Ludwig: Wilhelm Jensen als Lyri-
ker. Zu seinem 60. Geburtstag. (Sonntags-
bcil. No. 7 z. Voss. Zeitung.)
Jacobowski, Ludwig: Wilhelm Jensen.
(Das Magazin f. Literatur. 66. Jahrg. 4.
Sp. 161 — 164.)
Sosnosky, Theodor von: Wilhelm Jensen.
(Blätter f. literar. Unterhaltung. Jahrg. 1897,
I. 4. S. 97 — 100.)
Frisch, Franz: Asmus Christian Jessen.
(Biographien Österreich. Schulmänner. Hrsg.
V. F. Frisch. Wien: A. Pichler's Wwe &
Sohn. 8. S. 187 — 195.)
♦Brummer, Franz: Albert Ilg, Kunstschrift-
steller. (S. 417 — 418.)
Meyer, Richard M.: Karl Immermann.
(R. M.Meyer: Deutsche Charaktere. Ber-
lin: E. Hofmann & C. 8. S. 120—127.)
Minor, J.: Epilog zum Jubiläum Immer-
manns. (Das Magazin f. Literatur. 66.
Jahrg. 4. Sp. 759—761.)
W. H. Jobelmann, geboren am 3. Oktober
1800, gestorben am 14. August 1878. (W.
H. Jobelmann u. W. Wittpenning: Ge-
schichte der Stadt Stade. Neubearb. v. M.
Bahrfeldt. Stade: Dr. v. A. Pockwitz. 8.
S. XI-XII.)
Kuhlmann: Jobstharde, der »Tersteegen
Ravensbergs«. (Ein Bauersmann nach dem
Herzen Gottes.) (Zeugen und Zeugnisse
aus d. christl.-kirchl. Leben von Minden-
Ravensberg im 18. u. 19. Jahrh. 2. Heft.
Gadderbaum b. Bielefeld: Anst. Bethel.
8. S. 5-17.)
Baumgarten, Hermann, u. Ludwig Jolly:
Staatsminister (Julius) Jolly. Ein Lebens-
bild. Tübingen: H. Laupp. 8. VII,
294 S.
Brandes, Wilhelm: Aus den Aufzeichnungen
des Staatsministers Jolly. (Die Gegenwart.
52. Bd. 4. S. 38—41.)
Klag es, Ludwig: Wilhelm Jordan. (Die
Gegenwart. 51. Bd. 4. S. 68 — 71.)
ßright, J. Frank: Josef 11. London:
Macmillan & C 8. 222 S. [Foreign States-
men.]
Magnette, F.: Joseph II. et la liberte de
l'Escaut La France et l'Europe. Brüssel :
Lebcgue & C. II, 254 S. [Bd. 55 der
Schriften der kgl. belg. Akademie.]
Erinnerung an Gottfried Ischer, Pfarrer in
Mett 1832 — 1896. Der Kirchgemeinde Mett
gewidmet v. einigen Freunden. Biel: (E.
Kuhn). 8. 16 S. m. Bildn.
^Schlenther, Paul: Marie Kahle geb.
Kessler. (S. 294 — 296.)
Ilwof, Frz.: Franz Freiherr v. Kalchberg
(1807— 1890). Sein Leben und Wirken
im Ständewesen der Steiermark und im
Dienste des Staates. Graz : U. Moser. 8.
72 S.
V. Danckelmann, Eberhard Frhr: Kant
als Mystiker?! Eine Studie. Leipzig: H.
Haacke. 8. 24 S.
K atz er: Kants Bedeutung f. d. Protestan-
tismus. Leipzig: J. C. B. Mohr. 8. 50 S.
[Hefte z. Chrisüichen Welt. 30.]
Kronenberg, M.: Kant. Sein Leben und
seine Lehre. Manchen : C. H. Beck. 8. VII,
312 S.
L am p recht, K.: Kant s. Herder.
•Wolkenhauer, W. : Dr. Ernst Kapp.
(S. 368.)
Wehrmann, M.: Kaiser Karl IV. in seinen
Beziehungen zu Pommern. (Monatsblätter.
Hrsg. V. d. Ges. f. Pommersche Gesch. u.
Alterthumskunde. 11. Jahrg. 8. S. 113 —
121, 130-139, 152—157.)
Karl V. und die Fugger. (Die Grenzboten.
56. Jahrg. L 8. S. 520—526.)
Fitte, Siegfried: Kaiser Karl VIL (Sonn-
tagsbeil. No. 32 z. Voss. Zeitung.)
Aus dem Leben König Karls von Ru-
mänien. Aufzeichnungen eines Augen-
zeugen. 3. Bd. Stuttgart: J. G. Cotta, 8.
IV, 502 S.
Loserth, J.: Erzherzog Karl II. und die
Frage der Errichtung e. Klosterrathes f.
Innerösterreich. Nach d. Acten d. Steier-
mark. Landesarchivs. [Aus: Archiv für
österr. Gesch.] Wien : C. Gerold's Sohn i.
K. 8. 97 S.
Wastler, Josef: Erzherzog Karl (II, Herzog
V. Steiermark). (J. Wastler: Das Kunst-
leben am Hofe zu Graz unter den Her-
zogen von Steiermark, den Erzherzogen
Karl und Ferdinand. Graz : Selbstv. ; Univ.-
Buchdr. »Styria^r. 8. S. 15 — 90.)
Baurath Fr. Katz f- (Centralblatt d. Bau-
verwaltung. 17. Jahrg. 4. S. 272.)
•Posner: August Kekule, Chemiker. (S.412
-414.)
Eine Selbstbiographie Gottfried Kellers aus
dem Jahre 1847. Mit einem Brief an
Staatsarchivar Gerold Meyer von Knonau.
Veröffentlicht von Baechtold. (Sonntags-
blatt des »Bund« No. i.)
Baechtold, Jak.: Gottfried Keller's Leben.
Seine Briefe u. Tagebücher. 3. (Schluss-)
Bd.: 1861 — 1890. Berlin: W. Hertz. 8.
I Bl., 671 S.
Fässler, Ose: Drei Essais. Gottfried Kel-
ler. — Nikolaus L e n a u. — Der Stil. St.
Gallen: Fehr. 8. III, 66 S.
Hub er, Hans H.: Gottfried Keller in seinen
22
Biographische Bibliographie.
Briefen. (Die Gegenwart. $1.6(1. 4. S. i$o
-155.)
Kinzel, Karl: Gottfried Keller und seine
Novellen. (Die Grenzboten. 56. Jahrg. I.
8. S. 444— 451, 488—498, 526—542.)
Necker, Moritz: Zur Beurtheilung Gottfried
Keller's. (Blätter für literar. Unterhaltung.
Jahrg. 1897, n. 4. S. 513—516.)
Neck er, Moritz: Gottfried Kellers Leben.
(Blätter für literar. Unterhaltung. Jahrg.
1897, I. 4. S. 241 — 243, 261 — 264.)
Schott, Sigmund: Aus Gottfried Kellers
Leben. (Beilage zur [Münchener] AUgem.
Zeitung No. 81—82.)
Lebensblätter. Erinnerungen aus der Schul-
welt V. Dr. L. Kellner, weiland Geh. Re-
gierungs- und Schulrath. M. d. Bilde d.
Vfs. 3. Aufl. (Unveränd. Abdr. d. 2., er-
gänzten Aufl.) (Hrsg. V. Prof. Dr. K. A. H.
Kellner.) Freiburg i. B. : Herder. 8. VlI S.,
2 Bl., 606 S., I Bildn.
Leineweber, H., und A. Görgen: Dr.
Lorenz Kellner. Ein Gedenkbuch für seine
Freunde undVerchrer. Heiligenstadt (Eichs-
feld): F. W. Cordier. 8. VIII, 330 S.,
1 Bl., 2 Bildn., 2 Taf.
Kümmel, Konrad : Eugen Keppler f. (Ar-
chiv für christliche Kunst. XV. Jahrg.
8. S. 45-49. 59-62.)
Krau SS, Rudolf: Justinus Kerner. (Blätter
für literar. Unterhaltung. Jahrg. 1897, IL
4. s. 769-772.)
•Puschmann, Th.: Josef von Kerschen-
steiner. (S. 351—352.)
V. Hertling, Georg Frhr: Bischof Ketteier
und die katholische Socialpolitik in Deutsch-
land. Vortrag. (Histor.-polit. Blätter f. d.
kathol. Deutschland. 120. Bd. 8. S. 873—
900.)
Hans Adolph Klehne, von 187 1 bis 1883
Missionar in Indien. Hermannsburg: Mis-
sionshandlung. 8. 20 S. [Kleine Hcrmanns-
burger Missionsschriften. No 16.]
Johann Tobias Klessling. [Aus der £r-
weckungszcit der bayerischen Landeskirche.
II.] (Allg. Evangel.-Lutherische Kirchen-
zeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 31— 35-)
Jahne, Heinrich: Ferdinand Kindermann
Ritter von Schulstein. (Biographien Öster-
reich. Schulmänner. Hrsg. v. Franz Frisch.
Wien : A. Pichler's Wwe & Sohn. 8. S. 30
-55.)
Mau: Rede zur Begräbnisfeier des Herrn
Johannes Kipp. Kiel: (Chr. Donath.) 8.
2 Bl.
Der Fall des Professors v. Kirchenheim in
seiner Bedeutung f. das badische Beamten-
tum u. die politischen Parteien Badens.
Pforzheim: E. Haug. 8. 32 S.
[Burg er, Conrad:] Herrn Dr. Albrecht
Kirchhoff zur Feier des 70. Geburtstages
am 30. Januar 1897. Leipzig: Dr. t. Ramm
& Seemann. 8. 23 S., i Bildn. (SA. aus
dem Börsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel
1897, No. 24.)
Münz, Bernhard : Friedrich Kirchner. (Briefe
von und über Jakob Frohschammer. Hrsg.
V. B. Münz. Leipzig: G. H. Meyer. 8.
S. 3>— 41O
*Pagel: Moritz Kirstein, Arzt u. Geh. Sa-
nitätsrath. (S. 154.)
•Pagel: Philipp Jacob Johann Leo Klein,
Arzt u. Geh. Sanitätsrath. (S. 154 — 155.)
Franz Heinrich Kleinschmidt. Ein Missions-
leben aus Süd-Afrika. 3. Aufl. Barmen:
Missionshaus. 8. 68 S. [Rheinische Mis-
sions-Schriften. No. 81.]
Minde-Pouet, Georg: Heinrich von Kleist.
Seine Sprache und sein Stil. Weimar:
Felber. 8. VIII, 302 S.
M i n d e -Pouet, Georg : Zu Heinrich von Kleist.
(Euphorion. 4. Bd. 8. S. 537—5450
Sadger, J.: Heinrich von Kleist. Eine
pathologische Studie. (Die Gegenwart
52. Bd. 4. S. 149-153, 169—173.)
Finanzrath Otto Klette in Dresden f. (Deut-
sche Bauzeitung. 31. Jahrg. 4. S. 571 —
572. 599—600.)
Hörn, D. : Georg Klingenberg und seine
Schulgemeinde. Ein Bild aus d. niederrhein.
Schulleben. Vortrag. [Aus : Evang. Schulbl.]
Gütersloh : C. Bertelsmann. 8. 24 S.
Aus Maximilian Klingers Leben. (Die Grenz-
boten. 56. Jahrg. IV. 8. S. 29—36.)
Merian, Hans: Max Klinger. (Die Gesell-
schaft. Jahrg. 1897, I. 8. S. 84— 99 m.
Bildn.)
Vogel, Jul.: Max Klinger. [Aus: Zeitschr.
f. bildende Kunst.]. Leipzig, Seemann & C.
4. 14 S. m. 2 Taf.
Schmidt, Gg.: Hans Kaspar von Klitzing
der erste Brandenburgische General. Nach
ungedruckten Quellen. M. 3 Abb. (Der
Bär. 23. Jahrg. 4. S. 558 — 560.)
Schmalenbach, Th.: Der alte Valentin
(d. i. Johann Heinrich Klöpper). (Zeugen
und Zeugnisse aus d. christl.-kirchl. Leben
von Minden-Ravensberg im 18. u. 19. Jahrb.
2. Heft. Gadderbaum b. Bielefeld: Anst
Bethel. 8. S. 95— X07.)
Schulz, W.: Die Wiege eines Geistesheros
(Fr. Gottl. Klopstock). (Der Bär. 23. Jahrg.
4. S. 128 -131.)
Werncke, Beruh.: F. G. Klopstock. (F.
G. Klopstock: Ausgewählte Oden und Ele-
gieen nebst einigen Bruchstücken aus d.
Messias. M. erkl. Anm. u. e. Biographie
des Dichters herausg. v. Dr. B. Wemeke.
3. Aufl. Paderborn: F. Schöningh. 8.
[Schöninghs Ausgaben deutscher Klassiker.
Bd. 12.])
Verus, Just.: Vater Kneipp, sein Leben u.
Biographische Bibliographie.
23'
sein Wirken. M. e. Anh. über s. letzten
Lebenstage, die Beisetzungsfeierlichkeiten
u. d. Zukunft Wörishofens. Kempten: J.
Kösel. 8. Ausg. A. 2. Aufl. 76 S.m.Bildn. ;
Aasg. B. 2. Aufl. 167 S. m. Bildn.
Sägmüller: Prof. Dr. Franz Quirin von Ko-
her, geb. 6. März 1821, gest. 25. Januar
i^7> (Archiv f. kathol. Kirchenrecht.
67. Bd.; 3. Folge. Bd. i. 8. S. 417—421.)
Sägmüller: Zur Erinnerung an Prof. Dr.
Franz Quirin von Kober. (Theologische
Quartalschrift. 79. Jahrg. 8. S. 569 — 579.)
Rudolf Kdgel. [Rudolf Kögel, Emil Frommel,
Wilhelm Baur. i .] (Allg. Evangel.-Lutheri-
sche Kirchenzeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 237
— 239.)
Hoffmann, P.: Rudolf Kögel als Dichter.
(Die Christi. Welt. 11. Jahrg. 4. Sp. 258
— 262.)
•Kohlschmidt: Rudolph Kdgel. (S. 285
-287.)
Mayer: Zum Gedächtnis von Rudolf Kögel.
(»Halte was du hast«. XX. Jahrg. 8. S. 20
—25.)
S ellin: August Köhler. Nekrolog. (Neue
Kirch!. Zeitschrift. 8. Jahrg. 8. S. 273
— 297.)
•Poten, B.: Karl Heinrich Gustav Köhler,
König]. Preuss. Generallieutenant z. D.
(S. 106—107.)
Edgar Koenig f. (Oesterreichisch-ungarische
Buchdrucker-Zeitung. XXV. Jahrg. 4. S.459
— 460.)
Ho ff mann, Adalbert: Neues aus dem Le-
ben von (Theodor) Körner. (A. Hoffmann:
Deutsche Dichter im schlesischen Gebirge.
Warmbrunn: M. Leipelt. 8. S. 89—136
m. Bildn.)
Der Oberkirchenrat und Pfarrer Kötzschke.
Eine Darstellung des Disziplinarverfahrens
gegen Herrn Pastor Kötzschke zu Sanger-
hausen. Hrsg. unter Mitw. mehrerer Mit-
glieder eines bes. Ausschusses d. St. Ulrichs-
gemeinde zu Sangerhausen v. P. Scheven.
Erfurt: W. Wellendorf & Sohn. 8. 77 S.
Kornhuber, Andr. : Zur Erinnerung an
Josef Kolbe (11. Mai 1825 — 27. Februar
1897). (Zeitschrift f. d. Realschulwesen.
XXIL Jahrg. 8. S. 321—348 m. Bildn.)
(Auch bes. ersch.)
Bildhauer Prof. Karl Kopp f. (Deutsche
Bauzeitung. 31. Jahrg. 4. S. 128.)
Daun, Berthold: Adam Kra£ft und die
Künstler seiner Zeit. Ein Beitrag zur
Kunstgeschichte Nürnbergs. M. 48 Licht-
druckbildem auf 10 Taf. Berlin : W. Hertz.
8. I Bl., X, 143 S., IG Taf.
Daun, Berthold: Noch etwas über Adam
Krafft. (Repertorium f. Kunstwissenschaft.
20. Bd. 8. S. 366—373.)
Geheimer Baurath Theodor Krancke +. (Cen-
tralblatt d. Bauverwaltung. 17. Jahrg. 4.
S. 67.)
Alfred Krasselt. (Musikal. Wochenblatt.
28. Jahrg. 4. S. 362—363 m. Bildn.)
Berling, K.: Der Kursächsische Hofbuch-
binder Jakob Krause. Mit Unterst, d.
Königl. Ministeriums d. Innern. Dresden :
W. Hoffmann. 4. 18 S., i Bl., 12 Taf.
Ernst Kreidolf. (Der Kunstwart. 10. Jahrg.
4. S. 123—124.)
Klinkhardt, Fr.: Gerhard Kremer gen.
Mercator. Ein Beitrag zur Würdigung des
Reformators der Kartographie. (Pädagog.
Blätter f. Lehrerbildung u. Lehrerbildungs-
anstalten. XXVI. Bd. 8. S. 63—70.)
Gymnasialrektor Dr. Kreussler f. (Allg.
Evangel .-Lutherische Kirchenzeitung. 30.
Jahrg. 4. Sp. 246 — 249.)
Noch eine Erinnerung an f Professor Dr.
Otto Kreussler. (Allg. Evangel.-Luthe-
rische Kirchenzeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 395
-396.)
Geh. Baurath Eduard Kreyssig f. (Central-
blatt d. Bauverwaltung. 17. Jahrg. 4.
5. 127.)
Grimm: Geheimer Baurath Kreyssig f.
(Deutsche Bauzeitung. 31. Jahrg. 4. S. 164,
174- 1 750
Prestel, J.: Eduard Kreyssig, Stadtbau-
meister in Mainz. (Centralblatt d. Bau-
verwaltung. 17. Jahrg. 4. S. 187—188.)
Eitner, Rob.: Adam Krieger. (Monats-
hefte f. Musik-Gesch. 29. Jahrg. 8. S. 45
— 49, 61—66, 78 — 83, 112— 114.)
Eitner, Rob.: Johann Philipp Krieger.
(Monatshefte f. Musik-Gesch. 29. Jahrg.
8. S. 114— 117.)
•Meyer, AJexander: Adolph Kröber, demo-
kratischer Reichstagsabgeordneter. S. 197
— 199.)
Franz Krolop, Königl. preuss. Kammer- u.
Hofopemsänger, Lehrer an d. Königl.
Hochschule f. Musik. (Chronik d. Königl.
Akad. d. Künste zu Berlin. 1896/97. 8. S.85.)
Bogler, W.: Hartmuth von Kronberg.
Eine Charakterstudie aus der Reformations-
zeit. M, Bildn. Halle : Ver. f. Reformations-
gesch. ; Commv. v. M. Niemeycr. 8. VI S.,
I Bl., 96 S., I Bildn. [Schriften d. Vereins
f. Reformationsgesch. No 57.]
Adalbert Krueger. (Nekrolog.) (Deutsche
Rundschau f. Geographie u. Statistik.
19. Jahrg. Wien, Pest, Leipzig: A. Hart-
leben. 8. S. 134—135 m. Bildn.)
•Dr. Daniel Friedrich Krüger, ausserordentl.
Gesandter u. bevollmächtigter Minister
der Freien u. Hansestädte in Berlin. (S.216.)
^icdrich Adolf Krummacher. [Bilder aus
der Erweckungsgeschichte des religiös-
kirchlichen Lebens in Deutschland in
diesem Jahrhundert. 4.] (Allg. Evangel.-
24'
Biographische Bibliographie.
Lutherische Kirchenzeitung. 30. Jahrg. 4.
Sp. 748-752, 775-778» 79«— 802, 820
-823.)
B e n d i X c n , Rudolf: Friedrich Adolf Kinm-
macher. (R. Bendixen: Bilder aus der
letzten religiösen Erweckung in Deutsch-
land. l>eipzig: Dörffling & Franke. 8.
S. 318—361.)
* Ratze], F.: Johann Stanislaus Kubary,
Reisender u. Ethnograph. (S. 324—325.)
(Cari Frhr) Kubeck (v. Kübau) u. Metter-
nich. Denkschriften und Briefe. Hrsg.
V. Adolf Beer. [Denkschriften d. kaiserl.
Akademie d. Wissenschaften. Philos.-
histor. Classe. 45. Bd. 4. 157 S.]
Kühne, Käthe, Miss.-Lehrcrin: Tagebuch-
hlätter, beschrieben während der J. 1891
bis 1895 in Südafrika. 2. Aufl. Berlin:
Evang. Missionsges. 8. iio S. m. Abb.
Zum Ge'dächtnis an den Heimgang des
Pfarrers Kari Kahlmann, Hirten u. Seel-
sorgers der evang.-Iutherischen Gemeinde
zu Werther, gest. am 9. Januar 1897.
Gadderbaum b. Bielefeld: Schriften-Nieder-
lage d. Anstalt Bcthel. 8. 40 S. einschl.
1 Bildn.
♦Potcn, B.: Franz Freiherr Kuhn von
Kuhnenfeld, K. u. K. Feldzeugmeister.
(S. 104—106.)
Kuhlmann: Karl Ludwig Kunsemüller
und die Erweckungszeit im Kreise Lüb-
becke und besonders in der Gemeinde
OMcndorf. (Zeugen und Zeugnisse aus d.
christL-kirchl. Leben von Minden-Ravens-
berg im 18. u. 19. Jahrh. 2. Heft. Gadder-
baum b. Bielefeld: Anst. Bethel. 8. S. 36
-49.)
Seraphim, Ernst: Der Feldoberst Klaus
Kursen und seine Zeit. Ein Bild Esth-
lands in der ersten Zeit schwedischer
Herrschaft. Reval: F. Kluge. 8. X S.,
2 EL, 168 S., 3 Bl. [Bibliothek Liv-
ländischcr Geschichte. Bd. i.]
Bienenstein, Karl: Isolde Kurz. (Die
Gegenwart. 51. Bd. 4. S. 328 — 331.)
Krau SS, Rudolf: Isolde Kurz. (Deutsche
Rundschau. 92. Bd. 8. S. 300 — 303.)
•K riedjung, Heinrich: Josef Freiherr von
Kutschera - Eiclilandt. (S. 131.)
•Kohlschmidt: Otto de la Croix, Dr.
theol., Consistorialpräsident u. Oberregie-
rungsratb. (S. 441.)
Websky, Julius: Georg Längin f. (Pro-
testant. Monatshefte, i. Jahrg. 8. S. 419
— 420.)
Websky, J.: Georg Längin f. (Der Pro-
testant. I. Jahrg. 4. Sp. 728 — 730.)
Meyer, Richard M.: Paul de Lagarde. (R.
M. Meyer: Deutsche Charaktere. Berlin:
E. Hofmann & C. 8. S. 197 — 212.)
♦ G o 1 1 h e r , W. : Ludwig Laistner. (S. 1 42.)
^Lame y, D.: August Lamey. (S. 266—268.)
•Ferdinand Freiherr von Lamezan, deut-
scher Generalkonsul in Antwerpen. (S. 210
— 211.)
Rudolf Lange und die Feier seines 80. Ge-
bnrtsUges. (M.2Abb.) (DerBär. 23.Jahr^.
4. S. 292 — 294.)
Aus dem Leben des Oberforstmeisters (Jo-
hann Georg) von Langen. (Deutsche
Forst-Zeitung. 12. Bd. 8. S. 650—652.)
•Holland, H.: Diedrich Langko, Land-
schaftsmaler. (S. 537-54-)
Seillierc, Emest: Etudes sur Ferdinand
Lassalle, fondatenr du parti socialiste
allemand. Paris: E. Plön, Naurrit & C.
8. XVI, 398 S., I BL
Erinnerungen an Josef Frcihcrm von Lass-
berg. (Monatsblätter f. deutsche Literatur-
gesch. I. Jahrg. 8. S. 258—266.)
•Hans Lassen, Gutsbesitzer, früherer preuss.
Landtagsabgeordneter. (S. 218.)
Will, C.: Paul Joseph Laux. (Nekrolog.)
(Verhandlungen d. histor. Vereines der Ober-
pfalz u. Regensburg. 49. Bd. 8. S. 285 —
287.)
Funck, Heinrich: Lavater und Cagliostro.
(Nord und Süd. 83. Bd. 8. S. 41— 63.)
Haug, Eduard: Aus dem Lavater'schen
Kreise s. Müller, Job. Georg.
Müller, Gust Adf: Aus Lavaters Brief-
tasche. Neues v. Johann Kaspar Lavater.
Ungedruckte Handschriften nebst anderen
Lavater- Erinnergn. m. Facsms. hrsg. Mün-
chen: Seitz & Schauer. 8. 81 S.
Norden, J.: Ein neuer Farbensymboliker
(Melchior Lechter). (Beilage z. Baltischen
Monatsschrift, Bd. 44. 8. S. 25—33.)
Schur, Ernst: Melchior Lechter. (Ausstel-
lung im Salon Gurlitt in Berlin.) (Die
Gesellschaft Jahrg. 1897, L 8. S. 375—
390.)
V a h 1 e n : Leibnitz als Schriftsteller. (Sitzungs-
berichte der Königl. Preuss. Akad. d. Wiss.
zu Berlin. Jahrg. 1897. II. 8. S. 687— 701.)
Diakonissin Martha Leistert (1866 — 1897).
(Der Armen- u. Kranken-Freund. 49. Jahrg.
8. S. 131 f.)
Storck, Karl: Otto v. Leixner. Eine Stu-
die. Beriin: Schall & Grund. 8. 72 S.,
I Bildn.
Fässler, Ose: Nikolaus Lenau s. Keller.
Wein rieh, O. F.: Lenau's Geburtsort. (Die
Gegenwart. 52. Bd. 4. S. 75 — 77.)
Franz von Lenbach als Erzieher. Zum 60. Ge-
burtstag. Von Ernst v. der Isar. (Die
Kunst-Halle. II. Jahrg. 4. S. 83—84.)
An wand, O.: Beiträge zum Studium der
Gedichte von J. M. R. Lenz. München:
(K. Schüler.) 8. 118 S.
Meyer, Richard M.: Jakob Michael Rein-
hold Lenz. (R. M. Meyer: Deutsche Cha-
Biographische Bibliographie.
25
*
raktere. Berlin: E. Hofraann. 8. S. X05 —
"3)
*ßraminer, Franz: Ludwig Lenz. (S. 253.)
Tito: Reinhold Lepsius. (Preussische Jahr-
bücher. 90. Bd. 8. S. 524 — 527.)
Braun, Jul. W. : Lessing im Urtheile seiner
Zeitgenossen. 3. Bd. Berlin: F. Stahn. 8.
XI, 178 S.
August Wilhelm Leu. (Chronik d. Königl.
Akad. d. Künste zu Berlin. 1896/97. 8.
S. 85—87.)
Ernst, Adf Wilh.: Neue Beiträge zu Hein-
rich Leuthold's Dichterportrait. M. 49 Orig.-
Uebersetzgrn. u. m. literarhistor. Aufsätzen
Leutholds. Hamburg: C. Kloss. 8. III,
126 S.)
KUus, B.: (Gottlob) Emanuel Leutze. (B.
Klaus: Gmünder Künstler. IL 16. in:
Württembergische Vierteljahrsheftc f. Lan-
desgeschichte. N. F. V. Jahrg. 8. S. 323
-326.)
* Wolkenhauer, W.: Rudolf Leuzinger,
Schweizer Lithograph u. Kartograph. (S.
369.)
* Meyer Levy, Justizrath, Rechtsanwalt und
Notar. (S. 218—219.)
Lewaldy Fanny: Lebenserinnerungen. I — III.
(Westermanns Ulustr. Deutsche Monats-
hefte. 82. Bd. 8. S. 440—454, 616—631,
702—726.)
♦Pagel: Georg Richard Lewin, Arzt, Pro-
fessor d. Hautkrankheiten. (S. 155 — 156.)
*Dr. Otto Fr. Maximilian von Liebeherr,
Vizekanzler der Universität Rostock. (S.
217.)
Walle, Peter: Geheimrath Professor Wil-
helm Liebenow f. M. Portr. (Der Bär.
23. Jahrg. 4. S. 487.)
Norden, J.: Max Liebermann. (Beilage z.
Baltischen Monatsschrift. Bd. 44. 8. S. 291
—300.)
*Friedjttng, Heinrich: Georg Lienbacher,
Österreich. Abgeordneter. (S. 347 — 350.)
Binder, Franz: Erinnerungen an Emilic
Linder (i 797 — 1 867). Zum Säculargedächt-
niss ihrer Geburt. München: J. J. Lentner.
8. 2 BL, 96 S., I Bl.
Frisch, Franz: Dr. Gustav Adolf Lindner.
(Biographien Österreich. Schulmänner. Hrsg.
V. F. Frisch. Wien: A. Pichler's Wwe &
Sohn. 8. S. 240 — 248.)
Graf Ernst zur Lippe -Biesterfeld, der
gegenwärtige Regent und demnächstige
Thronfolger im Fürstenthum Lippe. M.
3 Abb. (Der Bär. 23. Jahrg. 4. S. 519
--521.)
•Frieda Freifrau von Lipperheide. (S. 137
Les<>ing, J.: Frieda von Lipperheide. M.
Portr. (Der Bär. 23. Jahrg. 4. S. 499 —
502.) (Der »Modenwclt« entn.)
Zur Erinnerung an Friedrich List. (Archiv
für Post und Telegraphie. Beihefte zum
Amtsblatt des Rcichs-Postamts. 25. Jahrg.
8. S. 28—30.)
Solinger, Rudolf: Friedrich List, (f 30.
November 1846.) Sein Stil. (Zeitschr.
für deutsche Sprache. 10. Jahrg. 8. S.
383-388.)
Zum fünfzigjährigen Dienstjubiläum des Ge-
neralobersten der Kavallerie Frhrn. v. Loe.
(Militär- Wochenblatt. 82. Jahrg. i. Bd.
4. Sp. 965-972, 983, 1015.)
Stenglcin: Reichsgerichtsrat a. D. Oskar
Loebell f. (Deutsche Juristen -Zeitung.
II. Jahrg. 4. S. 99.)
Bauer: Elbstrombaudirector Geh. Baurath
Jakob Loenartz f. (Centralblatt der Bau-
verwaltung. 17. Jahrg. 4. S. 516.)
Niggli, A.: Karl Löwe, der Meister der
Ballade. Ein Gedcnkblatt zur 100. Wieder-
kehr seines Geburtstages, 30. XL 1896.
Zürich: Fäsi & Beer. 4. 31 S. m. i Bildn.
[85. Neujahrsblatt d. allg. Musik -Ges. in
Zürich auf d. J. 1897.]
Zitelmann, K.: Karl Löwe s. Schubert
Franz. *
Beck, Fritz: Hartmann Samuel Hoffmann
von Löwenfeld s. Hoffmann.
Lang, W.: Rudolf Lohbauer. (Württem-
bergische Vierteljahrshefte für Landes-
geschichte. N. F. V. Jahrg. 8. S. 149 —
188.)
*Pagel: Emil Lommer, Generalarzt I. Kl.
u. Korpsarzt des IV. Armeekorps. (S. 156.)
*Otto Ferdinand Lorenz, Königl. preuss.
Oberbaudirektor u. vortr. Rath im Mini-
sterium d. Öffentl. Arbeiten. (S. 217.)
Lorm, Hieronymus: Persönliche Eindrücke.
(Die Gegenwart. 52. Bd. 4. S. 390— 393.)
Hertling, Georg Frhr v. : Zur Erinnerung
an Karl August Lossen. Rede, gehalten
zur Eröffnung der 17. Generalversamm-
lung der Görres - Gesellschaft in Fulda
am 2. October 1895. (G. Frhr. v. Hert-
ling: Kleine Schriften zur Zeitgeschichte
und Politik. Freiburg: B. Herder. 8. S.
550-561.)
Brandes, Wilhelm: Ein Professor und Jour-
nalist (Ferdinand Lotheissen). (Die Gegen-
wart. 51. Bd. 4. S. 75— 76.)
Kirstein, A.: Hermann Rudolf Lotze, ein
Repräsentant der modernen deutschen
Philosophie. (Der Katholik. 77. Jahrg. II.
8. S. 289—308.)
Kronenberg, Moritz: Zum Gedächtnisse
Lotzes. (Geboren am 21. Mai 181 7.) (Sonn-
tagsbcil. No. 21z. Voss. Zeitung.)
•Brummer, Franz: Franz Ludorff. (S. 248.)
Hertling, Georg Frhr v.: Gedächtnissrede
auf König Ludwig L, gehalten bei der
Centenarfeier im Jahre 1888 im katholi-
26*
Biographische Bibliographie.
sehen Casino ru München. (G. Frhr.
V. Hertling: Kleine Schriften zur Zeit-
geschichte und Politik. Freiburg i. B.:
Herder. 8. S. 492 — 520.)
Beyer, C: Ludwig U., König von Bayern.
Ein Charakterbild nach Mitteilungen hoch-
stehender und bekannter Persönlichkeiten
und nach anderen authentischen Quellen.
Des Königs Aufenthalt am Vierwaldstätter-
see und sein Verkehr mit Josef Kainz.
Mit Portr. Ludwigs II. in Lichtdruck u.
29 weiteren Illustrationen. 3. Aufl. Leipzig:
G. Fock. 8. 176 S., I Bildn.
Forster, J. M.: Prinz Ludwig von Bayern.
Biographie und Reden Sr. Königl. Hoheit
des Prinzen Ludwig von Bayern. 2. verra.
AuH. München: E.Pohl. 8. 122 S., i Bl,
I Bildn.
Knille, Otto: Zur Erinnerung an Heinrich
Ludwig. (Die Gegenwart. 52. Bd. 4. S. 185
-187.)
Prof. Dr. Karl von Lützow f. (Deutsche
Bauzeitung. 31. Jahrg. 4. S. 216.)
Karl V. Lützow, Prof. d. Kunstgesch. zu
Wien, f. (Ccntralblatt d. Bauverwaltung.
17. Jahrg. 4. S. 196.)
Schmid, M.: C. von Lutzow f. (Das Ma-
gazin f. Littcratur. 66. Jahrg. 4. Sp. 548
—549)
B a i 1 1 e u , Paul : Aus der Brautzeit der Königin
Luise. (Hohenzollern- Jahrbuch, i. Jahrg.
4. S. 187—195.)
Fclseneck, Marie v., (Maria Mancke): Kö-
nigin Luise. Ein Lebensbild, nach authent.
Quellen bearb. Berlin: A. Wcichcrt. 8.
160 S. m. Bildern.
Geyer, Otto: Königin Luise. Ein Lebens-
bild. Leipzig: P. Beyer. 8. 32 S.
Röchling, Carl, u. W. Friedrich: Die
Königin Luise (▼. Preussen) in 50 (färb.)
Bildern. 12. bis 18. Taus. Berlin: P. Kittel
Nachf. qu. 4.
Heidenstam, O.G.: Une soeur du Grand
Frederic. Louise-Ulrique Reine de Suede.
Avec une introduction de M. Rene Millct,
Ancien Ministre de France a Stockholm.
Portr. en heliogr. Paris: E. Plön, Nourrit
& C. 8. 3 Bl., VIII, 472 S., I Bildn.
Frisch, Franz: Dr. Josef Lukas. (Biogra-
phien Österreich. Schulmänner. Hrsg. v.
F. Frisch. Wien: A. Pichler's Wwe & Sohn.
8. S. 281 — 287.)
Dr. Martin Luthers Freundschaft mit Ulrich
von Hütten. (Der Katholik. 77. Jahrg.
IL 8. 8. 325—3350
Böhtlingk, Arth.: Doctor Martin Luther
und Ignaz v. Loyola. Eine gcschichtl.
Parallele. Heidelberg: J. Hörning. 8.
48 S.
Ehrecke, G.: Dr. Martin Luther und seine
Käthe. Ein Familienbild f. alle Volkskrcise.
Cöthen: Schriftenniederl. d. evangel. Ver-
einshauses. 8. 30 S.
Ehwald, R.: Luther s. Melanchthon.
Enders: War Luther am 24. Februar 1539
in Grimma? (Theolog. Studien u. Kritiken.
70. Jahrg. 8. S. 641 — 667.)
Everling: Luther und Bismarck, zwei
deutsche Männer. Festrede, geh. am 8. Nov.
1896 beim Lutherfest des Evang. Bürger-
Vereins im grossen Saale d. Stadthallc.
(Pfarrer Lic. Everling: Vaterländisches u.
Evangelisches aus Crefeld. Crefeld: Dr.
V. Kramer & Baum. 8. S. 5 — 16.)
Fauth, Franz: Dr. Martin Luthers Leben,
dem deutschen Volke erzählt. Mit 25 Ori-
ginal-Abb. v. Eduard Kaempffer. Leipzig:
G. Freytag. 8. 4 Bl., 228 S.
Hausrath, Adolf: Alexander und Luther
auf dem Reichstage zu Worms. E. Beitrag
zur Reformationsgeschichte. Berlin: G.
Grote. 8. 4 Bl., 392 S.
Kawerau, G.: Luther s. Melanchthon.
K ö s 1 1 i n , J. : Zur Frage über Luthers Grab.
(Theolog. Studien u. Kritiken. 70. Jahrg.
8. S. 192 — 194.)
Kuhn, F.: Les recentes polemiques sur la
mort de Luther (18. fevr. 1546). (Soc.
de l'hist. du protestantisme frang. Bulle-
tin histor. et litter. 46. T. 8. S. 57— 7 1)
Kuhn, Felix: Luther s. Melanchthon.
Lenz, Max: Martin Luther. Festschrift der
Stadt Berlin zum la November 1883. M.
e. Titelbildc. 3. verb. Aufl. Berlin: R.
Gaertner. 8. 2 Bl., 224 S., i Bildn.
Lorrenz, L. B.: La fin de Luther d'aprcs
les dernieres recherches historiques. 3. ed.,
revue et considcrablement augmentee.
Paris: V. Retaux & f.; Bruxelles: Soc. beige
de librairic. 8. VII, 210 S., i Bildn.
Ruete, H.: Martin Luther als Reformator
des religiösen, geistigen, bürgerlichen und
nationalen Lebens unseres Volkes. (Schul-
blatt f. d. Prov. Brandenburg. Jahrg. 61.
62. 8. 61 (1896): S. 61—78, 244—260;
62 (1897): S. 8—18, 134— 150O
Ruete, H. : Luther s. Melanchthon.
Schäfer, Ernst: Luther als Kirchenhisto-
riker. Ein Beitrag zur Geschichte der Wis-
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VIU, 515 S.
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ein deutsches evangelisches Freundespaar.
Zum 16. Febr. 1897. (Daheim. 33. Jahrg.
4. s. 314—318, 331—334.)
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hinein- u. wieder hinausgeführt hat. Halle:
M. Nicmeyer i. Komm. 8. 27 S. [Schrif-
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Solle, R. W. : Reformation u. Revolution.
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lung in demselben. Halle: M. Niemeyer i.
Biographische Bibliographie.
27
»
Komm. S. 82 S. [Schriften f. d. deutsche
Volk. H. 31/32.]
Tark, G.: Luthers Romfahrt in ihrer Be-
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Mich.-ProgT. d. Fürsten- u. Landesschule
St. Afra in Meissen. Meissen : gedr. b. C.
E. Kinkicht & Sohn. 4. 39 S.
Ziegler, Theob.: Luther s.Melanchthon.
Luthmer, Konr. : Die Geschichte meiner Er-
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Meyer, Justizrat: Justizrat Hermann Ma-
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Theobert Maler. (Deutsche Rundschau f.
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Hertling, Georg Frhr. v.: Hermann von
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und Politik. Freiburg i. B.: Herder. 8.
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♦Wcech , F. V.: Jacob Maisch, Oberbürger-
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Thonemann, C.: Gräfin Agnes vonMans-
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126.)
Doniel, Henri: M. Thiers, le Comte de
St.-Vailier, le general de Manteuffel. La
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cuments inedits. Paris : Colin & C. 8. XVI,
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Tagebuch des Grafen Gotthard ManteufTel,
geführt während seiner Reise aus Livland
nach Deutschland im Jahre 1783. Hrsg.
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Monatsschrift. Bd. 44. 8. S. 317 — 336.)
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I m ho f, Franz: Ludwig Manzel. (Die Kunst-
Halle. II. Jahrg. 4. S. 68.)
Jahne, Heinrich: Josef Dionys Manzer.
(Biographien Österreich. Schulmänner. Hrsg.
V. Franz Frisch. Wien : A. Pichler's Wwe.
&Sohn. 8. S. 106 ff.)
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bergischen naturforsch. Ges. in Frankfurt
a. Main. Frankfurt a. M.: Gebr. Knauer.
8. S. CXLV— CXLVIII m. i Bildn.)
W a s 1 1 e r , Josef: Erzherzogin Maria (v. Steier-
mark). (J. Wastler: Das Kunstleben am
Hofe zu Graz unter den Herzogen von
Steiermark, den Erzherzogen Karl und
Ferdinand. Graz: Selbst v. ; Uni v.-Buchdr.
»Styria«. 8. S. 91 — iil.)
B r i g h t , J. Frank : Maria Theresia. London :
Macraillan & C. 8. 224 S. [Foreign Sta-
tesmen.]
Nasemann: Maria Theresia. (Deutscb-
evangel. Blätter. 22. Jahrg. 8. S. 391 —
404.)
Thamhayn, Willy: Zur Lebens- und Fa-
miliengeschichte Fr. Wilh. Marpurg's.
(Monatshefte f. Musikgesch. 29. Jahrg. 8.
S. 105—112.)
Heinrich von Marquardsen f. (Deutsche
Juristen-Zeitung. II. Jahrg. 4. S. 488.)
Brausewetter, Ernst: Emil Marriot s.
Mataja.
Wittmann, Max. Emil: Marschner. Leip-
zig: Ph. Reclam jun. 8. 119 S. [Musiker-
Biographien. 20. Bd. Üniversal-Bibliothck.
No. 3677-]
Brandt, L. O.: Kari Marx. (Blätter für
literar. Unterhaltung. Jahrg. 1897, II. 4.
S. 737-739-)
Lange, Ernst: Karl Marx als volkswirt-
schaftlicher Theoretiker. (Jahrbücher f.
Nationalökonomie u. Statistik. Bd. 69.
3. Folge. Bd. 14. 8. S. 540—578.)
Walcker, Karl: Karl Marx. Gemeinver-
ständliche, krit. Darlegung seines Lebens
u. seiner Lehren. Leipzig: Rossberg. 8.
XVII, 43 S.
Euler, C: Hans Ferdinand Massmann.
Zu seinem hundertsten Geburtstage. (Mo-
natsschrift f. d. Turnwesen. 16. Jahrg. 8.
S. 259—265.)
Euler, C, u. R. Hartstein: Hans Ferdi-
nand Massmann. Sein Leben, seine Turn-
u. Vaterlandslieder. Zur Erinnerung an d.
100. Geburtstag hrsg. M. 5 Abb. Char-
lottenburg: R. Heinrich. 8. IV, 176 S.
Hartstein, Rudolf: Hans Ferdinand Mass-
mann. Zu seinem hundertjährigen Ge-
burtstage. M. Abb. (Der Bär. 23. Jahrg.
4. S. 402 — 403.)
Brausewetter, Ernst: Eine katholische
Romandichterin. Emilie Mataja (Emil
Marriot). (Das Magazin f. Litteratur.
66. Jahrg. 4. Sp. 952 — 958.)
Oberbaurath von Matheis in München.
(Deutsche Bauzeitung. 31. Jahrg. 4. S. iii.)
Schanzenbach, Otto: Königin Mathilde
von Württemberg und die Ludwigsburger.
2 8*
Biographische Bibliographie.
Ludwigsburg: J. Aigner. 8. 47 S. [Schan-
zenbach, O.: Alt-Ludwigsburg. [No. 2]].
•Schlenther, Paul: Cheri Maurice, Di-
rector des Thaliatheaters in Hamburg.
(S. 297—302.)
Lippmann, Edm. v.: Robert Mayer und
das Gesetz v. d. Erhaltung d. Kraft. Vortr.
[Aus: Zs. f. Naturwissensch.] Leipzig: C.
E. M. Pfeflfer. 8. 36 S.
♦Brummer, Franz: Richard von Meer-
heimb. (S. 258—259.)
Baumann, Franz Ludwig: Der bayerische
Geschichtsschreiber Karl Meichelbeck
1669 — 1734. Festrede, geh. in d. öffentl.
Sitzung d. k. b. Akad. d. Wiss. zu München.
München : K. B. Akademie. 4. 53 S.
Oberhof p red iger D. Meier. (Allg. evangel.-
lutherische Kirchenzeitung. 30. Jahrg. 4.
Sp. 1014— 1018.)
♦Eitner, Rob. : Ludwig Siegfried Meinar-
dus. (S. 116— 117.)
Philipp Melanchthon. Zum 16. Februar 1897.
(Der Protestant, i. Jahrg. 4. Sp. 107 —
109.)
Philipp Melanchthon. 16. Februar 1497.
(Beiträge v. Beyscblag, Harnack, Benrath,
Häring, Drews, Herrmann, v. Schubert,
Troeltsch, Schultz, Wendt , Gottschick,
Lobstein, Kawerau, Brieger, Köstlin, Link,
Ficker, Weizsäcker, Loofs, Kattenbusch,
Seil, Ritschi.) (Die christl. Welt. 11. Jahrg.
4. Sp. 121 — 147.)
Zum vierhundertjährigen Geburtstag Philipp
Melanchthons. (Der Bär. 23. Jahrg. 4.
5. 75—79 m. Bildn.)
Le quatricme centenaire de la naissance de
Melanchton. (Societe de l'histoire du pro-
testantisme fran^ais. Bulletin histor. et
litter. 46 T. 8. S. 113 — 117 m. Bildn. u.
Facs.)
Bacher, G. W. : Philipp Melanchthon, der
Lehrer Deutschlands. Karlsruhe: Evang.
Schriftenvcrl. 8. 32 S. m. Abb.
Bernhardt: Philipp Melanchthon als Ma-
thematiker und Physiker. Wittenberg: P.
Wunschmann. 8. VI, 74 S.
Bey schlag, Willibald: Zum vierhundert-
jähr. Geburtstag Melanchthons. Festrede
zu Halle. (Deutsch-evang. Blätter. 22. Jahrg.
8. S. 145 — 160.)
Bcyschlag, Willib.: Philipp Melanchthon
und sein Antheil an der deutschen Refor-
mation. I. — 3. Aufl. Freiburg i. B.: P.
Waetzel. 8. III, 82 S. m. i Bildn.
B ibl, Victor: Melanchthon und (Caspar von)
Nidbruck. Aus d. Handschriften der
k. k. Hofbibliothek in Wien. (Jahrbuch
der Ges. f. d. Gesch. d. Protestantismus
in Oesterreich. 18. Jahrg. 8. S. 34—47.)
Blachny, Frdr.: Philipp Melanchthon, der
Lehrer Deutschlands. Sein Leben und
Wirken, i. u. 2. Aufl. Dessau. P. Bau-
mann. 8. 48 8. m. Abb.
Blass, F.: Melanchthon als Humanist und
Pädagoge. (NeueKirchl. Zeitschr. 8. Jahrg.
8. S. 165 — 194.)
Bornemann, W.: Melanchthon als Schul-
mann. Rede. Magdeburg: Creutz. 8. 26 S.
Braun (Stuttgart): Melanchthon. Festrede.
(vHalle was du hast«. XX. Jahrg. 8. S. 350
-356.)
Brecher, Ad.: Melanchthon in Berlin. (Der
Bär. 23. Jahrg. 4. S. 79 — 80 m. Bildn.)
Buchwald, Geo.: Philipp Melanchthon.
Eine Schilderung seines Lebens u. Wirkens
in Wort u. Bild. 7. — 14. Taus. Leipzig:
B. Richter. 8. 94 S.
Cohrs, Ferdinand: Philipp Melanchthon,
Deutschlands Lehrer. Halle: Ver. f. Re-
formationsgesch. 8. VI S., i Bl., 76 S.
[Schriften d. Ver. f. Reformationsgcsch.
No 55.]
Correvon, Gh. : Philippe Melanchthon. A
propos du 400 e anniversaire de la naissance
du reformateur. (Le Chretien evangclique.
IV. Annee. 8. S. 93 — 102.)
Dorner, A.: Festrede zur 400jährigen Ge-
burtstagsfeier Melanchthons. Königsberg :
Hartungsche Vcrlagsdr. 8. 35 S.
Ehwald, R.: Philippus Melanchthon als
Gelehrter, Lehrer, Schulmann u. Genosse
Luthers. Rede. Gotha: F. A. Perthes. 8.
22 S.
Evers , Georg: Einige Kapitel aus dem Le-
ben Philipp Melanchthons. Regensburg:
Nationale Verlagsanst. 8. 86 S.
Fleischmann, Max: Zu Melanchthons
400. Geburtstag. (Die Gegenwart. 51. Bd.
4. S. 101 — 103.)
Formey, Alfr.: Philipp Melanchthon. Fest-
rede. Wien; (Leipzig: Literar. Anst., A.
Schulze.) 8. 26 S.
Gustav, G.: Melanchthon-Büchlein für die
Jugend. Zum 400jähr. Geburtstage Philipp
Melanchthons. Breslau: G. Sperber. 8.
48 S.
Gutmann, Karl A.: M. Philipp Melanch-
thons Leben u. Wirken. M. 111. v. Gco.
Krämer. Ansbach: C. Brügel & Sohn. 8.
IV, 96 S.
Hakenberg, A.: Philipp Melanchthon.
Festrede. Duisburg: J. Ewich. 8. 20 S.
m. Bildn.
Ilaering, Theodor: Rede zum vierhundert-
jährigen Geburtstag Philipp Melanchthons,
in d. Aula d. Tübinger Universität. (Zeit-
schr. f. Theologie u. Kirche. VII. Jabr^.
8. ^^. 385-397.)
Harnack, A.: Philipp Melanchthon. Rede.
geh. in d. Aula d. Königl. Friedrich-Wil-
hcIms-Universität in Berlin. Berlin: J-
Becker. 4. 22 S.
Biographische Bibliographie.
29
*
Harnack, Adolphe: Philippe Melanchthon.
(Discours prononce, le 16 fevrier 1897, ä
l'üniversite de Berlin, traduit de Tallemand
p.RenePuaux.) (Revue chrcticnne. 3. Serie.
6. T. 8. S. 161— 177.)
Hausrath, Adolf: Philipp Melanchthon.
(Protestant. Monatshefte. L Jahrg. 8. S.41
-52.)
K a w e ra u , G. : Melanchthon neben Luther.
Festrede, geh. in d. Aula d. Breslaucr
Universität. (Theolog. Studien u. Kritiken.
70 Jahrg. 8. S. 668—686.)
Keferstein, Horst: Zur Erinnerung an
Philipp Melanchthon als Praeceptor Ger-
maniae. Langensalza: H. Beyer & Söhne.
8. IV, 51 S. [Pädagogisches Magazin.
H. 91.
Kirn, Otto: Melanchthons Verdienst um
die Reformation. Rede, geh. in d. Pauliner-
kirche zu Leipzig. Leipzig: DörfFling &
Franke. 8. 31 S.
Klopp, Onno: Philipp Melanchthon 1497
— 1560. Erweit. Abdruck des gleichnami-
gen Aufsatzes in d. Wissenschaft!. Beil. d.
Germania. Berlin: Verlag der Germania.
8. 53 S.
Köstlin (Giessen): Zum Gedächtniss Me-
lanchthons. Festrede bei d. Universitäts-
feier. (»Halte was du hast«. XX. Jahrg.
8. S. 293—303.)
K ü s s n e r , Paul : Philipp Melanchthon. Ein
kurzes Lebensbild. Liegnitz : Christi. Schrif-
ten-Niederl. 8. 46 S.
Kuhn, Felix: Philippe Melanchthon, colla-
borateur de Luther. (Societe de l'histoire
du protestantisme frangais. Bulletin histori-
que et litteraire. 46. T. 8. S. 118 — 136.)
Lang, A.: Melanchthon und Calvin. I —
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Ledderhose, Karl Friedr.: Philipp Me-
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(Jahrbuch d. Ges. f. d. Gesch. d. Prote-
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Osten, H. H. v.: Philipp Melanchthon.
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Gacrtner. 4. 29 S.
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Jahne, Heinrich: Vincenz Eduard Milde.
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Hrsg. V. Franz Frisch. Wien: A. Pichler's
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Morold, Max: Stephan Milow. Eine literar.
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Seilers, Edith: Dr. von Miquel, *The
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C. Flemming. 8. VHI, 260 S., i Bildn.
Jonas, Fritz: Zum achtzigsten Geburtstage
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Hirsch, Fritz: HansMorinck. (Repertorium
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Kade, O.: Die Organistenfamilie Mors im
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der Geh. Staatsarchive zu Dresden u.
Schwerin. (Monatshefte f. Musik-Gesch.
29. Jahrg. 8. S. 43~450
Ritter, Herm.: Mozart s. Haydn.
Wolzogen, Hans v.: Wolfgang Amadeus
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32
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SchafThausen: Buchdr. v. P. Schoch. 8.
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Wustmann, Rudolf: Zu Thomas Murner
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Pickel, A.: Muthesius und die Stellung
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Heinrich Mutzenbecher in Oldenburg.
Oldenburg, Schulze. 8. 2 BL, 84 S.
Laroprecht, Karl: Bernhard Christoph
Ludwig Natorp. (K. Lamprecht: Bilder
von der roten Erde. Hamm, Westf.: C.
Dietrich. 8. S. 87—96.)
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von Natzmer. (S. 103 — 104.)
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Schmoller, Gustav: Zum Andenken an
Albert Naude. (Forschungen z. Branden-
burg, u. Preuss. Gesch. 9. Bd. 8. S, V
— xvni.)
Rust, Agnes: Ein MUnchener Portraitmaler
(Paul Nauen). (Die Kunst-Halle. II. Jahrg.
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B endixen, Rudolf: August Neander. (R.
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f Wasserbau-Direktor Nehls. (Deutsche Bau-
zeitung. 31. Jahrg. 4. S. 459—460.)
Wasserbaudirektor Johann Christian Nehls f.
(Centralblatt d. Bauverwaltung. 17. Jahrg.
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Buchheister: Wasserbaudirektor Joh. Chr.
Nehls. (Deutsche Bauzeitung. 31. Jahrg.
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Frisch, Franz: Dr. Eugen Netoliczka.
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Reichl, Anton: Goethes Faust und Agrippa
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chenzeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 121 1 — 12 19,
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Mitteilungen. (Jahrbuch f. Gesch., Sprache
u. Litt. Elsass-Lothringens. 13. Jahrg. 8.
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Zimmermann: Engelbert Pfeiffer. Gest.
i8.Oct.1896. (Die Kunst-Halle. IL Jahrg.
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* Ludwig Graf von Pfeil-Burghausz, erbliches
Mitglied und Alterspräsident des Herren-
hauses. (S. 212—213.)
Kühn, E.: Christoph Karl Ludwig v. Pfeil,
e. Edelmann nach d. Herzen Gottes. 8.
24 S. [Schillingsbticher. Hamburg: Agen-
tur d. Rauhen Hauses. No. 179.]
Marsop, Paul: Hans Pfltzner. (Die Gegen-
wart. 52. Bd. 4, S. 10—12.)
Joh. Christoph Ludwig Pflaum. [Aus d. Er-
weckungszeit der bayerischen Landeskirche.
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30. Jahrg. 4. Sp. 151 — 159.)
Turba, Gustav: Verhaftung und Gefangen-
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8. S. 107—232.)
Ankel, Otto: Graf Philipp Ludwig II. und
die Gründung von Neu-Hanau. Hanau:
Waisenhaus-Buchdr. 4. I BL, 66 S.
Ernst, Adolf Wilhelm: Adolf Pichler. (Die
Gegenwart. 52. Bd. 4. S. 166—169.)
Rusch, Gustav: Dr. Adolf Josef Pick. (Bio-
graphien Österreich. Schulmänner. Hrsg.
V. Franz Frisch. Wien: A. Pichler's Wwc
& Sohn. 8. S. 249—260.)
*Brttmmer, Franz: Alphons Friedrich Pick.
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Piper, Doktor und Professor der Theo-
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ster u. Lebensgefährtin Luise. Berlin: Buch-
handlung d. Berliner Stadtmission. 8. 63 S.,
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Steck, Rudolf: Johannes Fischer oder Pis-
cator s. Fischer.
Heussi u. Romberg: Gedächtnissreden bei
d. Trauerfeier f. d. heimgegangenen Pastor
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I. XI. 1897. Schwerin: F.Bahn. 8. 16 S.
(August Graf v.) Platens Tagebücher. (Die
Grenzboten. 56. Jahrg. III. 8. S. 71—83.)
Busse. Karl: Platens Tagebücher. (Blätter
für literar. Unterhaltung. Jahrg. 1897, I.
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Meyer, Richard M.: August Graf von Pla-
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Charaktere. Berlin: E. Hofmann & C. 8.
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Rehorn, K.: Was bedeutet uns Platen
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(Berichte d. Freien Deutschen Hochstiftes
zu Frankfurt am Main. N. F. 13. Bd. S.
S. 33*-56*.)
Rühle, Otto: Graf August von Platen.
(Monatsblätter f. deutsche Litteraturgesch.
I. Jahrg. 8. S. 128— -133.)
Aus der Selbstbiographie von Thomas und
Felix Platter. (Ausgew. Selbstbiographien
aus d. 1$, bis 18. Jahrh. Hrsg. v. Chri-
stian Meyer. Leipzig: J.J. Weber. 8. S. 41
—94 m. Bildn. d. Felix PI.)
♦Eitner.Rob.: Friedrich Plengroth.(S. 117.)
Hirschfeld, Hartwig: Salomon Plessner.
(Biblisches u. Rabbinisches aus Salomon
Plessner'sNachlass. Zu seinem hundertsten
Geburtst. hrsg. v. Rabbiner Dr. Elias Pless-
ner. M. Bildn. Frankfurt a. M.: J. KaufT-
mann. 8. S. 5 — 25.)
♦Eitner, Rob.: Dr. Richard Pohl. (S. 117
— 118.)
Smolian, Arthur: Richard Pohl. Nekrolog.
(Musikal. Wochenblatt. 28. Jahrg. 4. S. 25
— 26.)
♦Kohlschmidt: Johann Wilhelm Preger,
Oberconsistorialrath. (S. 444 — 445.)
Steiner, Rudolf: Wilhelm Prcyer. Gest.
am 15. Juli 1897. I — III. (Das Magazin f.
Litteratur. 66. Jahrgang. 4. Sp. 879—882,
911 -91 5, 943—9450
Philo vom Walde [d. i. Johannes Reinelt]:
Vincenz Priessnitz als Begrtinder des
Wasser- und Naturheilverfahrens. Eine
Studie. Berlin: W. Möller. 8. 35 S.,
I Bildn.
♦Krauss, Rudolf: Dionys Pruckner. (S. 102
-103.)
Krack, Otto: Der Flötenspieler Quanz.
(Sonntagsbeil. No 6 z. Voss. Zeitung.)
Nagel, Wilibald: (Hans Joachim Quantz.)
(Monatshefte f. Musik -Gesch. 29. Jahrg.
8. S. 69—78.)
Gerber, Paul: Wilhelm Raabe. Eine Wür-
digung seiner Dichtungen. Leipzig: W.
Friedrich. 8. VIU, 338 S.
Biographische Bibliographie.
35*
Lange, Robert: Wilhelm Raabe. (Blätter
ffir literar. Unterhaltung. Jahrg. 1897, II.
4. s, 577—579.)
Warneke, Alb.: Wilhelm Raabe. (Monats-
blätter f. deutsche Litteraturgesch. I. Jahrg.
8. S. 13—27.)
In fremdem Dienst. Erlebnisse in der fran-
zösischen Fremdenlegion. Wahrheitsgetreu
geschildert v. Theodor Leopold Raif»
Sergeant im 2. bad. Feldartillerie-Regiment
Nr. 30. Karlsruhe: J. J. Reiff. 8. VIII,
312 s.
Farinelli, Artnro: Raimund s. Grill-
parzer.
Spcier, Max: Raimund s. Grillparzer.
Ramsauer, Johannes: Kurze Skizze meines
pädagogischen Lebens. M. bes. Berttcks.
auf Pestalozzi u. seine Anstalten. (Langen-
salza: F. G. L. Gressler.) 8. VI S., i Bl.,
86 S., I Bl. [Pädagog. Quellenschriften.
Bd3.]
*Brümmer, Franz : Joseph Rank. (S. 448
—4490
Sybel, Heinrich v.: Gedächtnisrede auf
Leopold V. Ranke, geh. 1886. (H. v.
Sybel: Vorträge und Abhandlungen. Mtln-
cben und Leipzig: R. Oldenbourg. 8.
S. 290—308. [Historische Bibliothek.
Bd 3.])
*Wcltner, A. J.: Hugo Ranzenberg,
recte Ranzenberger» Schauspieler. (S. 342
-343.)
Klaus, B.: JergRatgeb. (Klaus, B.: Gmünder
Rttnstler. II. i. in: Wtlrttembergische Vier-
teljahrshefte f. Landesgesch. N. F. V. Jahrg.
8. S. 305—307.)
Zum ffinfzigj ährigen Dienstjubiläum des Ge-
nerals der Infanterie und Chefs der Land-
gendarmcrie Albert v. Rauch am 22. April
1897. (Militär-Wochenblatt. 82. Jahrg. Bd. i .
4. Sp. 1057-1058.)
Wolfsgrnber: Ein Gedenktag an Car-
dinal Rauscher. (Hist.-polit. Blätter f.
d. kath. Deutschland. 120. Bd. 8. S. 477
-497.)
•Weltner, A. J.: Heinrich Thalboth,
Pseudonym für Heinrich Razga von Rasz-
toka, Schauspieler u. Bühnendichter. (S. 343
— 344.)
*Wustmann, G.: Anton Philipp Reclam,
Buchhändler in Leipzig. (S. 88 — 89.)
Raben lechner, Michael Maria: Oscar von
Redwitz* religiöser Entwicklungsgang.
Frankfurt a. M.: P. Elreuer. 8. 31 S.
[Frankfurter zeitgem. Broschüren. Bd. 18.
H. I.]
Andreas Rehberger in Nürnberg. [Aus der
Erweckungszeit der bayerischen Landes-
kirche I.] (Allg. £vangel.-Luth. Kirchen-
zeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 5 — 8.)
*Eitner, Rob.: Adolf Reichet. (S. 118.)
Websky, Julius: Ernst Reimer f. (Pro-
testant. Monatshefte. 1. Jahrg. 8. S. 463.)
* Magnus Anton Reindl, Geistlicher Rath u.
Stadtpfarrer in Günzburg, deutscher Reichs-
tags- u. bayerischer Landtagsabgeordneter.
(S. 219.)
Ein Deutsch-Franzos. (Graf Reinhard.) (Die
Gegenwart. 52. Bd. 4. S. 136 — 139.)
*Kohlschmidt: Josef Hubert Reinkens.
(S. 287—292.)
Reinthaler, Paul: Karl Reinthaler, Königl.
Rektor des Marienstiftes in Erfurt, und
seine Familie. Aus dessen Aufzeichnungen
u. nach eigener Erinnerung. Nebst Porträt
Hamburg: Verlag d. Agentur des Rauhen
Hauses. 8. VIII, 122 S., i Bl., i Bildn.
*Eitner, Rob.: Karl Martin Reinthaler.
(S. 118— 119.)
Reitzenstein , Hans Frhr v., Oberstlieut.
a. D.: Erinnerungen u. Aufzeichnungen
aus den Kriegsj. 1870/71 als Compagnie-
Chef im Brandenburg. FUs.-Reg. Nr. 35,
jetzigen Füs.-Reg. Prinz Heinrich v. Preussen
(Brandenburg.) Nr. 35. Rathenow: M. Ba-
benzien. 8. 2 Bl., 180 S.
*Brümmer, Franz : Franziska von Reizen-
stein. (S. 256—257.)
Jostes, Franz: Meister Johannes Rellach,
ein Bibelttbersetzer des 15. Jahrhunderts.
(Görres-Gesellschaft. Hist. Jahrbuch. 18. Bd.
8. S. 133— I45O
Tielo, A. K. T.: Gustav Renner. (Die
Gegenwart. 51. Bd. 4. S. 359 — 362.)
Renouard, M. v., Oberst z. D.: Erinnerungen
eines alten Rossleber's aus den Jahren 1838
bis 1842. Berlin: Schall & Grund. 8.
98 S.
* K r a u s s , Rudolf: Wilhelm Theodor Renz.
(S. 102).
Oberforstmeister Friedrich Gustav Rettstadt.
(Deutsche Forst-Zeitung. XIL Bd. Neu-
damm: J. Neumann. 8. S. 446 — 448 m.
Bildn.)
Retzlaff, Herrn., Oberstlieut. z. D.: Aus
meinem Tagebuche. Erlebnisse u. Erinne-
rungen aus d. deutsch-französ. Kriege
1870/71. Berlin: E. S. Mittler & Sohn.
8. VII, 79 S.
Antonius, Jobs: Fritz Reuter. (Monats-
blätter f. deutsche Litteraturgesch. I. Jahrg.
8. S. 64—77.)
Gaedertz, Karl Thdr.: Aus Fritz Reuters
jungen u. alten Tagen. Neues üb. des
Dichters Leben u. Werden, auf Grund
ungedruckter Briefe u. kleiner Dichtgn.
mitgetheilt. 2. Aufl. Wismar: HinstorfT. 8.
XVI, 162 S.
Gaedertz, Karl Thdr.: Aus Fritz Reuters
jungen u. alten Tagen. 2. Folge. Wismar:
Hinstorff. 8. XV, 170 S.
Wychgram, J.: Aus den Kreisen Fritz
36*
Biogfraphtsche Bibliographie.
Reuters. (Blätter fttr literar. Unterhaitang.
Jahrg. 1897, I. 4. S. 226—228.)
B u c h w al d , Georg : Der Wittenberger Buch-
drucker Georg Rhau als »theologischer
Schriftsteller«. (Archiv f. Gesch. d. deut-
schen Buchhandels. XIX. 8. S. 38 — 44.)
Traeger, Albert: Eugen Richter. (Nord
und Süd. 83. Bd. 8. S. 32—40 m. Bildn.)
*Klarbach, Alfred Frhr. Mensi v.: Hein-
rich Richter, Königl. Professor, Hofschau-
spieler u. Regisseur am Königl. Hoftheater
zu München. (S. 279 — 284.)
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Richter's. Aus Otto Jahn's Nachlass. Ein-
geleitet n. mitgetheilt t. Ad. Michaelis.
(S. I*— II»)
Budde, K.: Ludwig Richter. (Preuss. Jahr-
bücher. 87. Bd. 8. S. 261—280.)
Erler, Jobs.: Ludwig Richter, der Maler
des deutschen Hauses. Die erziehl. Bedeu-
tung Ludwig Richters in seinem Lebens-
bilde u. in seinen Werken. Leipzig : Sieg^is-
mund & Volkening. 8. 1 63 S. m. 48 Holzschn.
Landgrebe, W.: Ludwig Richters häus-
liches Glück. Nach den Lebenserinnerungen
eines deutschen Malers. (Monatsbl&tter f.
deutsche Litteraturgesch. L Jahrg. 8. S. 552
-561.)
Mohn, V. Paul: Ludwig Richter. 2. Aufl.
Bielefeld: Velhagen & Klasing. 8. 154 S.
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D o e h 1 e r , Gottfried : Karl Louis Riedel und
seine Schriften in vogtländischer Mundart.
Eine Studie. Plauen i. V. : F. E. Ncupert.
8. I Bl., 71 S., I Bildn. [L. Riedel: Ge-
dichte u. Erzählungen in vogtl. Mundart.
35- L%0
Wendt, F. M.: Karl Riedel. (Biographien
Österreich. Schulmänner. Hrsg. v. Franz
Frisch. Wien: A. Pichler's Wwe & Sohn.
8. S. 272 — 276.)
Halm, Ph. M.: Geheimrath Dr. Wilhelm
Heinrich Ritter v. Riehl, Director d. bayer.
Nationalmuseums u. Generalconservator d.
Kunstdenkm. u. AlterthUmer Bayerns, f.
(Centralblatt d. Bauver waltung. 17. Jahrg.
4. S. 546—548.)
*Pagel: Karl Theodor Johannes Rigler,
Arzt. (S. 158—159.)
Rinck, Chrph. Frdr., Hof- u. Stadtvikar:
Studienreise 1783/84, unternommen i. A.
d. Markgrafen Karl Friedrich von Baden.
Nach dem Tagebuch d. Verf. hrsg. von
Gymn.-Prof. Dr. Mor. Geyer. Altenburg:
St. Geibel. 8. VIII, 257 S.
Lessmann, Otto: Eduard Risler. (AUg.
Musik-Zeitung. 24. Jahrg. 4. S. 333—334
m. Bildn.)
Ecke, Gustav: Albrecht Ritschi nach seiner
individuellen Eigenart als Dogmatiker.
(G.Ecke: Die theologische Schule Albrecht
Ritschis n. d. evangd. Kirche d. Gegen-
wart. 1. Bd. Berlin: Reutber & Reichard.
8. S. 13—41.)
Harnack, Adolf: Ritschi und seine Schule.
1—8. (Die Christi. Weit 11. Jahrg. 4.
Sp. 869—873. 891—897.)
Scholz, H.: Albrecht Ritschi. 1—5. (Die
Christi. Welt. 1 1 . Jahrg. 4. Sp. 604 — 611.)
* E i t n e r , Rob. : Alexander Ritter. (S. 1 1 9.)
Jacobowski, Ludwig: Emil Rittershaus.
(Das Magazin f. Litteratur. 66. Jahrg. 4.
Sp. 361-368.)
St elter, Karl: Erinnerungen an Emil Rit-
tershaus. (Die Gegenwart. 51. Bd. 4. S.202
— 204.)
^Lehmann, Alfred: Alexander Baron von
Roberts. (S. 263 — 266.)
Rodenberg, Julius: Erinnerungen aus der
Jugendzeit. I. II. (Deutsche Rundschau.
90. 91. Bd. 8. Bd. 90: S. 391—414; Bd. 91 :
S. 52—72.)
Zimmermann, Paul: v. Rodenberg s. Frie-
drich Wilhelm v. Braunschweig.
Jacobowski, Ludwig: Der Lyriker Frie-
drich Roeber. (Das Magazin f. Litteratur.
66. Jahrg. 4. Sp. 1146 — 1149.)
Engelbert Röntgen f. (Musikal. Wochenblatt.
28. Jahrg. 4. S. 698 — 699.)
Krebs, Carl: Friedrich Rösch als Erzieher.
(Sonntagsbeil. No 21 z. Voss Zeitung.)
Baurath a. D. Adalbert Roesener in Neisse
(f). (Deutsche Bauzeitung. 31. Jahrg. 4.
S. 111.)
Delbrück, Hans: Constantin Rössler.
(Preuss. Jahrbücher. 90. Bd. 8. S. 189^
212.)
*Meyer, Alexander: Constantin Rössler,
deutscher Publicist. (S. 200—203.)
^Brummer, Franz : Rudolf Röttger. (S. 249
—250.)
Aus sieben Jahrzehnten. Erinnerungen aus
meinem Leben von D. Bernhard Rogge,
Königl. Hofprediger in Potsdam. Bd. i:
Von 1831 bis 1862. Hannover, Berlin:
C Meyer. 8. VH, 308 S.
•Ratzel, F.: Gerhard Friedrich Rohlfis.
(s. 325—332.)
Schweinfurth, Georg: Zur Erinnerung an
Gerhard Rohlfs. (Westermanns Illustr.
Deutsche Monatshefte. 82. Bd. 8. S. 565
—577 m. Bildn.)
Meyer, Richard M.: Friedrich Rohmer.
(R, M. Meyer: Deutsche Charaktere. Ber-
lin: E. Hofmann & C 8. S. 1S2— 196.)
Reden, geh. an den Särgen der teuren Toten
Albrecht Romann, weil. Diakonus a. U.
L. Frauen zu Liegnitz, u. seiner Tochter
Augusta-Gottfrieda Romann. Liegnitz: E.
Scholz. 8. 16 S.
Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Ge-
neral-Feldmarschalls Kriegsministers (AI-
Biographische Bibliographie.
37'
brecht) Grafen von Roon. Sammlung von
Briefen, Schriftstücken und Erinnerungen.
(Hrsg. V. Waldemar Graf Roon, Generallt.)
4. berichtigte u. verm. Aufl. 3 Bde. Bres-
lau: £. Trewendt. 8. i : XVI, 530 S., i Bildn.,
iFacs.; 2: Vm, 572 S., i Bildn.; 3: VIII,
544 S.
* Jobannes Christian Roos, Erzbischof von
Freiburg. (S. 398—399-)
* W u 1 c k o w , Richard : Otto Roquette. (S. 1 39
—142.)
Bley, Fritz: Durch I Aus dem Leben des
Königlich Prcnssischen Generals der Ka-
vallerie Heinrich, Rudolf, Eduard, Wilhelm,
Gottschalk von Rosenberg. Berlin : F. Fon-
tane & C. 8. IX S., I Bl, 258 S., I Bildn.
*Brümmer, Franz: Hermann Rosenthal.
(S. 252—2530
Brause Wetter, Ernst: Ernst Rosmer (d« i.
Else Bernstein). (Das Magazin f. Littera-
tur. 66. Jahrg. 4. Sp. 1268— 1273.)
* W u s t m a n n , G, : Ludwig Adolf Herrmann
Rost, Buchhändler. (S. 89—90.)
Weise, O.: Der Orientalist Dr Reiuhold
Rost, sein Leben u. sein Streben. Leipzig:
B. G. Teubner i. Komm. 8. 71 S.
Sohle, Carl: Bertrand Roth. (Musikalisches
Wochenblatt. 28. Jahrg. 4. S. 106— 107 m.
BUdn.)
Cropp, Johannes: Zur Erinnerung an Richard
Rothe. (Protestant. Monatshefte. I. Jahrg.
8. S. 425—435. 481—488.)
Planitz, Ernst Edler v. der: Die volle Wahr-
heit üb. d. Tod des Kronprinzen Rudolf
von Oesterreich nach amtl. u. publicist.
Quellen, sowie den hinterlassenen Papieren.
23. Aufl. Berlin: A.Piehler&C. 8. 256 S.
m. Bildn.
*Brümmer, Franz: Ludwig Rudolph.
(S. 250.)
Beyer, Conr.: Friedrich Rückerts Leben
u. Bedeutung. (F. RUckert: Werke in 6Bdn.
Hrsg. V. C. Beyer. Leipzig: G. Fock. 8.)
Zu Leopold Immanuel Rückert's Gedächt-
nis (Protestant. Monatshefte, i. Jahrg.
8. S. 82— 83.)
Böhme, Richard: Friedrich Rückert.
(Rackert's Werke. Ausw. in 6 Bdn. M. e.
biogr. Einl. v. R. Böhme. Berlin: Bibliogr.
Anst 8.)
Kuttner, Bernh.: Friedrich Rückert. (F.
Rückert: Gedichte. Ausgew. u. erl. y. B.
Kuttner. M. e. Lebensabriss u. d. Bildn.
d. Dichters. Frankfurt a. M : J. D. Sauer-
länder. 8.)
de Lagarde, Paul: Erinnerungen an Frie-
drich Rückert. Ueber einige Berliner
Theologen, und was yon ihnen zu lernen
ist. Zwei Aufsätze. In e. neuen Abdruck
Gberreicht v. Anna de Lagarde. Göttingen :
Dr.d.Dieterichschen Univ.-Buchdr. 8. S.3
— 34« (Nicht für den Buchhandel be-
stimmt.)
*Puschmann, Th.: Nicolaus Rüdinger,
Anatom. (S. 353—354.)
* Christian Moritz Rühlmann. (S. 360—361.)
*Kohlschmidt: Louis Bernhard Rüling,
Oberconsistorialrath. (S. 445 — 446.)
1 sei in, L. E.: Carl Ludwig Rütimeyer.
Basel: R. Reich. 8. 47 S. m. Bildn.
Frisch, Franz: Karl Russheim. (Biogra-
phien- Österreich. Schulmänner. Hrsg. v.
Frisch. Wien: A. Richter's Wwe & Sohn.
8. S. 94—105.)
Richter, E.: f Anton v. Ruthner. (Mit-
theilungen des deutschen u. Österreich.
Alpenver. 23. Bd. 4. S. 287—288.)
Kirchhoff, Albrecht: Aus Johann Ryn-
mann's Geschäftsverkehr (1504). (Archiv
f. Gesch. d. deutschen Buchhandels. XIX.
8. S. 4—7.)
Hofrath Franz Ritter von Rzlha f. (Deutsche
Bauzeitung. 31. Jahrg. 4. S. 327—328,
368.)
Hofrath Franz Ritter v. Rziha, Prof. d. Eisen-
bahn- u. Tunnelbaues an d. Wiener techn.
Hochschule, f. (Centralblatt d. Bauverwal-
tung. 17. Jahrg. 4. S. 289 m. Bildn.)
Hammer, W. A.: Ferdinand v. Saar. (Lit-
teraturbilder fin de siecle. 2. Bdchn.
München: J. Schweitzer. 8.)
Minor, J.: F. von Saar als Lyriker. (Nord
u. Süd. 81. Bd. 8. S. 302—317 m. Bildn.)
Minor, Jacob: Ferdinand von Saar. IV. V.
(Soimtagsbeil. No 8. 9. z. Voss. Zeitung.)
Bieder: Georg Sabinus. (Nachtrag zur
Melanchthonfeier.) (Schulblatt f. d. Prov.
Brandenburg« 62. Jahrg. 8. S. 353 — 369,)
Zimmerer, Heinrich: Hans Sachs und sein
Gedicht von den iio Flüssen des deut-
schen Landes (1559) mit einer zeitgenössi-
schen Landkarte hrsg. u. erl. Progr. d.
Maximilians- Gymn. MUnchen. 4. 50 S. m.
Nachtr.
Julius Sachs f. (Naturwissenschaftl. Wochen-
schrift. 1 2. Bd. 4. S. 495 — 496.)
Haupt fleisch, Paul: Professor Julius
von Sachs. Gedächtnissrede, geh. in der
Physikal.-med. Gesellschaft in WUrzburg.
M. d. Bilde v. Sachs' u. e. chronol. Verz.
seiner Publicationen. Wttrzburg: Stahel. 8.
41 S., I Bildn. [Verhandlungen d. physik.-
med. Ges. zu Würzburg. N. F. Bd 31.
No 10.]
Geiger, Ludwig: Michael Sachs und Moritz
Veit. Biographie. (Michael Sachs u. Moritz
Veit. Briefwechsel, hrsg. v. L. Geiger.
Frankfurt a. M. : J. Kaufimann. 8. S. IX
—XXIV m. 2 Bildn.)
Zimmermann, Paul: Heinrich Sallentien
f. (Braunschweig. Magazin. 3. Bd. 4. S. 25
-28.)
3»*
Biognphiscfae Bibliographie
Oombaumeister K. Th. 'SUa. ?Mil?:inann f.
(Ootralblatt d. BaoTerwaltung. 17. Jahig.
4- S, 72.)
Raa«chenberg: Max Salzmamiy Dombao-
roeister zu Bremen f. (Deutsche Baozeitang.
31. Jah^ang. 4. S- 77.)
Daniel Sanders. Ein Gedenkbach. Hrsg. t.
Anna S^ert- Stein. (M. biogr. Beitr. ▼.
Franz A r z o. Reinhold O r t m a n n.) Nea-
strelitz: Bamewitz. 8. 3 BL, 68 S., 1 Bl.,
I Bildn.
Düsel, Friedrich: Daniel Sanders. (Die
Gegenwart 51. Bd. 4. S. 234—236.)
S a ch f , Karl : Daniel Sanders. (Das Magazin
f. Litteratur. 66. Jahrg. 4. Sp. 345 — 347.)
Scholl, Th.: Uakob) Sarasin s. Pfeffel.
Aus der Selbstbiographie des Bartholomäus
Sastrow. (Ausgew. Selbstbiographien.
Hrsg. ▼. Christian Meyer. Leipzig: J. J.
Weber. 8. S. 95—131.)
* ß a u e r , St. : Emannel Hans Sax, Professor.
(S. 446-447.)
Eleonore Fürstin Reu ss: Carl von Schach-
mann. Ein Bild aus dem geistigen Leben
des 18, Jahrhunderts. (Allg. Konserrat.
Monatsschrift f. d. christl. Deutschland.
54. Jahrg.. I. 8. S. 33— 45i i?» — 181.)
General der Infanterie Hans v. Schacht-
meyer f. (Militär-Wochenblatt. 82, Jahrg.
2. Bd. 4. Sp. 2701 — 2708.)
*Blumentritt, F.: Dr. Alexander Schaden-
berg, der berühmte Philippinen-Forscher.
(S. 428—430.)
Egg er t, Ed.: Oberamtmann Schäifer von
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Ende des vor. Jahrhunderts. Stuttgart:
D. Gundert. 8. 95 S. m. i Bildn. [Würt-
temberg. Neujahrsblättcr. N. F. Bl. 2.]
♦Weltner, A. J.: Alois Berla, Pseudonym
für Alois Scheichl. (S. 336—337.)
Franz, Adolph: Die katholische Charitas
und Professor Dr. Schell in Würzburg.
(Hist.-polit. Blätter f. d. kathol. Deutsch-
land. 119. Bd. 8. S, 705— 717.)
♦Brummer, Franz: Ernst Viktor Schellen-
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Wörrlein, Joh.: Gerhard Seh epmann, von
187 1 bis 1885 Missionar in Indien. Her-
mannsburg: Missionshan dig. 8. 18 S.
[Kleine Hcrrroannsburger Missionsschriften.
N015.]
Müller, Karl: Luise Scheppler, e. Magd
des Herrn. Berlin : Ostdeutscher JUnglings-
bund. 8. 16 S. m. Abb. [Für Feste u.
Freunde d. Inn. Mission. H. 8.]
Buchbinder, Max: Georges Ohnet — Jo-
hannes Sehern (Das Magazin f. Litteratur.
66. Jahrg. 4, Sp. 1308 — 1311.)
•Ferdinand Schichau. (S. 364—365.)
♦Ferdinand Schleifer, Kaiserl. Regierungs-
rath. (S. 365—366.)
♦Pagel: Montz Schilf, Ant u. einer d. be-
deotendsten Physiologen. (S. 159.)
Tfimpel: Major von Schill und die Ravens-
beiger. (Elfter Jahresbericht d. histor. Ver-
eins f. d. Grafschaft Rarensberg zu Biele-
feld. 8. S. 123—125.)
Ehrlich, Mor.: Schiller s. Goethe.
Engel, Julias: Schiller als Führer zur Welt
des Idealen. Vortrag. Charlottenbarg :
SelbstT. 8. 19 S.
Weitbrecht, Carl: Schiller in seinen
Dramen. Stuttgart: Fr. Frommann. 8. 314 S.
*Brfimmer, Franz: Anna Schimpif-Jabn.
(S. 251—252.)
Ziller, Hermann: Schinkel. Bielefeld u.
Leipzig: Velhagen & Klasing. 8. 2 BL,
114 S., 3 Taf. [Kfinster- Monographien.
28.]
Waterstraat, H.: Johann Christoph Schin-
meyer. Ein Lebensb. aus d. Zeit d. Pietis-
mus. Gotha: E. F. Thienemann. 8. 4 Bl.,
66 S.
♦Pagel: Rudolf Schirmer, Augenarzt, Pro-
fessor der Augenheilkunde. (S. 159 — 160.)
Petrich, Herrn.: Ein vergessener Missions-
direktor (August Carl Friedrich v. Schim-
ding). Berlin: Evang. Missionsges. 8. 8 S.
[Neue Missionsschriften. No 53 ]
♦Alfred Graf von Schlabrendorff- Seppau,
Mitglied des Preuss. Herrenhauses. (S. 220.)
Sulger-Gebing, Emil: Die Brüder A. W.
und F. Schlegel in ihrem Verhältnisse zur
bildenden Kunst dargest M. ungedr. Brie-
fen u. Aufs. A. W. Schlegels. Mttnchen:
C. Haushalter. 8. 4 Bl., 199 S. [For-
schungen z. neueren Litteraturgesch. III.]
L i p s i u s , Richard Adelbert : Schleiermacher
und die Romantik. 1876. (R. A. Lipsius:
Glauben und Wissen. Ausgewählte Vor-
träge U.Aufsätze. Berlin: C. A. Schwetschke
& Sohn. 8. S. 275—298.)
Thrändorf, E.: Schleiermacher in der
Schulkirchengeschichte. (Jahrbuch d. Ver.
f. wissenschaftl. Pädagogik. 29. Jahrg. 8.
S. 132—167.)
♦Pagel: Wilhelm Schlesinger, Arzt und
Schriftsteller. (S. 160.)
♦Zimmermann, P.: Heinrich Robert Eduard
Schmelzkopf. (S. 405—406.)
Vetter, Ferdinand: Ferdinand Schmid
(Dranmor). E. litterar. Studie. (Vermehrter
Sonder-Abdruck aus d. »Sonntagsbl. des
Bund« 1897.) Bern: Schmid & Francke. 8.
60 S. m. Bildn.
♦Pagel: Benno Gottlob Schmidt, Prof. d.
Chirurgie. (S. 160 — 161.)
♦ B r U m m e r , Franz : Else Schmieden. (S. 260
—261.)
♦Wolff, Wilhelm P.: Emil Schneider, Mit-
glied des Stadtheaters zu Frankfurt a. M.
(S. 284—285.)
Biographische Bibliographie.
39'
Kassner, C: Friedrich Adolph Schneider,
alleiniger rechtmässiger Inhaber der Astro-
meteorologie. (Der Bär. 23. Jahrg. 4.
s. 535-538.)
*Pagel: Johann Julius Moritz Schneller,
Arzt und Augenarzt (S. 161.)
Schaeffer, Emil: Arthur Schnitzler. Eine
Studie. (Die Gesellschaft. Jahrg. 1897,
n. 8. S. 22—33 m. Bildn.)
*Lier, H.A.: Fedor Schnorr, Commerzien-
rat, (S. 415—416.)
Dodgson, Campbell: Zum Holzschnittwerke
Erhard Schönes und Peter F 1 5t n e r 's. (Re-
pertorium f. Kunstwiss. 20. Bd. 8. S. 206
—210.)
*Posner: Emil Schöne. (S. 414.)
Job. Gottfried Schöner. [Aus der Erweckungs-
zeit d. bayerischen Landeskirche. IV.]
(AUg. Evangel.-Luth. Kirchenzeitung. 30.
Jahrg. 4. Sp. 78—82.)
Grisebach, Eduard: (Arthur) Schopen-
hauer. Geschichte seines Lebens. M. Portr.
Berlin: E. Hofmann & C. 8. XII, 332 S.
[Geisteshelden. Bd. 25/26.]
Hecker, Max F.: Schopenhauer und die
indische Philosophie. Köln: Hübscher &
Teufel. 8. 255 S.
Thiemann, K.: A. Schopenhauer, ein
Zeuge biblisch - evangelischer Wahrheit.
Stuttgart: Chr. Belser. 8. 36 S. [Zeit-
fragen d. Christi. Volkslebens. Bd. 22. H.4.]
Heinemann, Otto: Julius Max Schottky.
(Zeitschr. d. histor. Ges. f. d. Prov. Posen.
12. Jahrg. 8. S. 386-387.)
•Karl Freiherr von Schrader, preuss. Cere-
monienmeister. (S. 219.)
•Wilhelm Schröder, Geheimer Oberjustiz-
rath u. vortragender Rath im preuss. Justiz-
ministerium. (S. 217 — 218.)
Friedla ender, Max: Franz Schubert. Zu
seinem hundertsten Geburtstage. (Deutsche
Rundschau. 90. Bd. 8. S. 218—248.)
Grimm-Camap, Oscar: Franz Schubert.
Zur hundertjähr. Geburtsfeier des Ton-
dichters. Skizze. (Monatsschrift f. kath.
Lehrerinnen. 10. Jahrg. 8. S. 96— 97.)
Krebs, Carl: Franz Schubert. Geboren am
31. Januar 1797. (Sonntagsbeil. No 5 z.
Voss. Zeitung.)
Loewengard, Max: Zu Franz Schuberts
hondertjähr. Geburtstag (31. Jan. 1797).
(Das Magazin f. Litteratur. 66. Jahrg. 4.
Sp. 100 — 103.)
Reimann, Heinrich: Franz Schubert. Ein
Gedenkblatt zu s. 100. Geburtstage. (AUg.
Musik-Zeitung. 24. Jahrg. 4. S. 65 — 68,
81—83 ™- Bildn. u. Abb.)
Riemann, Hugo: Zur Erinnerung an den
31. Januar 1797 (Franz Schubert). (Musikal.
Wochenblatt. 28. Jahrg. 4. S. 77—78.)
Zitelmann, K.: Franz Schubert und Karl
Löwe. (Die Gegenwart. 51. Bd. 4. S. 52
-55.)
Holczabek, Job. W.: Karl Schubert. (Bio-
graphien Österreich. Schulmänner. Hrsg.
V. Franz Frisch. Wien : A. Pichler's Wwe
& Sohn. 8. S. 160— 171.)
B endixen, Rudolf: Gotthilf Heinrich von
Schubert. (R. Bendixen: Bilder aus d.
letzten religiösen Erweckung in Deutsch-
land. Leipzig: Dörffling& Franke. 8. S. 63
—80.)
Ein Spion Napoleon's I. (Karl Schulmeister.)
(Jahrbtlcher f. d. deutsche Armee u. Marine.
104. Bd. 8. S. 77—79.)
Schuttes, Carl : AllerleiTheater-Erinnerungen.
(Die Gegenwart. 52. Bd. 4. 8. 357 — 358.)
Neues von Robert und Clara Schumann.
(Die Gegenwart. 51. Bd. 4. S. 136 — 139.)
Franz, Ludwig : EmestineSchumann-Heink.
(Musikal. Wochenblatt. 28. Jahrg. 4. S. 2
— 3, 18 m. Bildn.)
*Eitner, Roh.: Klara Schumann. (S. 119
— "30
* Scholz, Bernhard: Clara Schumann.
(S. I2*— i6r)
^Kollmann, Paul: Matthias Schumann.
(S. X47-149.)
♦ E i t n e r , Rob. : Fried rieh Gottlieb Schwen-
cke. (S. 123.)
Hoffmann, Frz: Caspar Schwenckfelds
Leben u. Lehren, i. Th. Progr. Berlin:
R. Gaertner. 4. 29 S.
Marie Seebach. (Der Bär. 23. Jahrg. 4.
S. 550.)
Schienther, Paul : Marie Seebach (f 3. Au-
gust 1897). (Sonntagsbeil. No 34 z. Voss.
Zeitung.)
♦Wolkenhauer, W.: Arthur von Seel-
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der Universität Cordoba in Argentinien.
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Schwartz, C. v.: Karl Segebrock und
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8. II, 97 S. m. Abb. u. i färb. Kte.
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u, sein Bauherr (Bernhard Sehring). (Die
Kunst-Halle. IL Jahrg. 4. S. 22 — 24.)
♦Lier, H. A.: Traugott Jacob Hermann
Seidel, Kunst- u. Handelsgärtner in Dres-
den. (S. 416.)
Eugen Seil f. (Naturwissenschaftl. Wochen-
schrift 12. Bd. 4. S. 177— 178.)
♦Blenck, E.: Eugen Seil. (S. 209 — 210.)
Klaus, B.: EgidSeybold. (B. Klaus: Gm an-
der Künstler. II. 17. in: Wtirttembergische
Viertel] ahrsbefte f. Landesgesch. N. F.
V. Jahrg. 8. S. 326—329.)
♦Welti, Heinrich: Gustav Siehr. (S. 334
—3350
40
4t
Biographische Bibliographie.
Lebenserinnerungen von Werner Von Sie-
mens. 5. Aufl. M. d. Bildn. des Verf.
Berlin: J. Springer. 2 Bl., 298 S., i Bildn.
Amalie Sieveking. I. IL [Bilder aus d. £r-
weckungsgeschichte des religiös-kirchlichen
Lebens in Deutschland in diesem Jahr-
hundert. 6.] (Allg. cvangel.-luth. Kirchen-
zeitung. .30. Jahrg. 4. Sp. 1086 — 1092,
1 108— II 15.)
B e n d i X e n , Rudolf: Amalie Sieveking. (R.
Bendixen: Bilder aus d. letzten religiösen
Erweckung in Deutschland. Leipzig : DörfT-
ling & Franke. 8. S. 404 — 444.)
♦Ratzel, F.: Friedrich Simony. (S. 332—
334.)
Olshausen, R. : Ueber Marion Sims und
seine Verdienste um die Chirurgie. Rede.
Berlin: A. Hirsch wald. 8. 30 S.
Hofrath Karl Sing. Nekrolog. (KoUektaneen-
Blatt f. d. Gesch. Bayerns. 61. Jahrg. 8.
S. 123 — 131 m. Bildn.)
Schreiner, Heinrich: Anton Martin Slom-
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Hrsg. V. Franz Frisch. Wien: A. Pichler's
Wwe & Sohn. 8. S. 79—93.)
Baur, Joseph: Philipp (Christoph) von Sö-
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Speyer: Jäger. 8. 24*, 493 S., i Bl., i Bildn.,
I Kt
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egger. (S. 166 — 176.)
Grossherzogin Sophie von Sachsen- Weimar.
(Der Kunstwart. 10. Jahrg. 4. S. 205.)
Gross herzogin Sophie von Sachsen- Weimar
f. (Der Protestant, i. Jahrg. 4. Sp. 325
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Sophie, Grossherzogin von Sachsen. (Eupho-
non. 4. S. 441 — 444.)
Rodenberg, Julius: Die Grossherzogin
Sophie von Sachsen. (Deutsche Rund-
schau. 91. Bd. 8. S. 298 — 299.)
Steiner, Rudolf: Grossherzogin Sophie von
Sachsen. (Das Magazin f. Litteratur. 66.
Jahrg. 4. Sp. 408 — 409.)
Suphan, Bernhard: Grossherzogin Sophie
von Sachsen und Ihre Verfügungen über
das Goethe- und Schiller-Archiv. Bericht,
der zwölften Generalversammlung der
Goethe - Ges. erstattet. (Deutsche Rund-
schau. 93. Bd. 8. S. 301 — 305.)
•Puschmann, Th. : Josef Späth, Gynäko-
loge. (S. 354—355-)
Franz, Adolph: Zur Charakteristik des Erz-
bischofs Grafen Spiegel von Köln. (Hist.-
polit. Blätter f. d. kath. Deutschland.
120. Bd. 8. S. 732 — 751.)
•Dr. Paul Emanuel Spieker, Königl. Prcuss.
Oberbaudirektor. (S. 212.)
Kurzbauer, Emil: Friedrich Spielhagen
als Kritiker. (Die Gegenwart. 52. Bd. 4.
S. 3"— 3»30
Zarncke, Friedrich: Johann Spiess, der
Herausgeber des Faust-Buches, und sein
Verlag. (1883.) (F. Zarncke : Kleine Schrif-
ten. Bd. I. Goetheschriften. Leipzig: K.
Avenarius. 8. S. 289 — 299.)
Bendixen, Rudolf: Philipp Spitta. (R. Ben-
dixen : Bilder aus d. letzten religiösen Kr-
weckung in Deutschland. Leipzig: Dörff-
ling & Franke. 8. S. 254—281.)
*Wustmann, G.: Johannes August Lud-
wig Staackmann, Buchhändler. (S. 91 —
.92.)
Nagel, WUibald: Zur Biographie Joh. Sta-
den's und seiner Söhne. (Monatshefte f.
Musik-Gesch. 29. Jahrg. S. 53 — 61.)
Buchrncker: Adolf von Stahlin. (Neue
Kirchl. Zeitschrift. 8. Jahrg. 8. S. 673 —
703.)
Stähl in, Otto: D. Adolf von Stählin,
Präsident des bairischen Oberkonsistori-
ums f. I — VIL (Allg. evang. -luth. Kir-
chenzeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 916 — 921,
940—944, 963—968, 990—993, loio—
1014, 1039— 1044, 1062 — 1065.)
Brause, Alb.: Johann Gottfried Stallbaum.
Ein Beitr. z. Gesch. d. Thomasschule in
der ersten Hälfte des 19. Jahrh. Tl. i.
Progr. Leipzig: (J. C. Hinrich's Sort.)
4. 40. S.
Dechent, H.: Johann Friedrich Starck.
Ein Lebensbild aus der Zeit des spätem
Pietismus, i — 9. (Die christl. Welt. 11.
Jahrg. 4. Sp. 773-776, 796—799» 847
-852.)
♦Bachmann, A.: Fritz Staub. (S, 235 —
242.)
H o f f m a n n - Krayer , Ed. : Fritz Staub f ,
geb. d. 30. März 1826, gest. d. 3. August
1896. (Schweizer Archiv f. Volkskunde.
I. Jahrg. 8. S. 88—90.)
Laucher t, F.: Franz Anton Staudenmaier
nach seiner schriftstellerischen Thätigkeit
dargest L — IV. (Revue internat. de theo-
logie. V. Annce. 8. S. 370 — 398. 807 —
826.)
Schmid-Braunfels, Josef: Ottokar Stauf
von der March. (Die Gesellschaft. Jahrg.
1897, IL 8. S. 243—246 m. Bildn.)
Heinrich Steffens. I— III. [Bilder aus d. Er-
weckungsgeschichtc des religiös-kirchlichen
Lebens in Deutschland in diesem Jahr-
hundert. III. Reihe. 2.] (Allg. Evangel.-
luth. Kirchenzeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 364
—369. 388-393, 413— 419O
Bendixen, Rudolf: Heinrich Steffens. (R.
Bendixen : Bilder aus der letzten religiösen
Erweckung in Deutschland. Leipzig : Dörff-
ling & Franke. 8. S. 81 — 125.)
Lamprecht, Karl: Friedrich Stehfen, ein
Biographische Bibliographie.
41'
westf. Baumeister. (K. Lamprecht: Bilder
von der roten Erde. Hamm, Westf.: C.
Dietrich. 8. S. 80-86.)
Graf, J. H. : Der Mathematiker Jakob Steiner
von Utzenstorf. Ein Lebensbild u. zugleich
eine Würdigung seiner Leistungen. M. d.
Portr. u. d. Facs. eines Briefes Steiners.
Bern: K. J. Wyss. 8. 54 S., i Bildn.,
I Facs.
Steingraber, Prof^ Louis: Erinnerungen aus
meinem Künstlerleben. Graz: Selbstv. 8.
15s S.
V. Steinle, Alphons Maria: Lebensbild
Eduard von Steinle's. (E. v. Steinle's
Briefwechsel mit seinen Freunden. Hrsg.
u. durch e. Lebensbild eingeleitet v.
A. M. V. Steinle. In 2 Bdn. Bd. i. Frei-
burg i. B.: Herder. 8. S. i— 166. m. Bildn.)
*Zi mm ermann, P.: Karl Heinr. Aug.
Steinmann. (S. 406 — 407.)
^Zimmermann, P.: William Steinway.
(S. 407 — 408.)
Stenzel, Karl Gust. Wilh.: Gustav Adolf
Harald Stenzels Leben. Gotha: F. A.
Perthes. 8. XII, 491 S. m. Bildn.
Staatssecretair Heinrich von Stephan f.
(Arch. f. Post u. Telegraphie. Beihefte
z. Amtsblatt d. Reichs-Postamt. 25. Jahrg.
8. S. 205 — 207.)
Die Beisetzung des Staatssecretairs Dr. von
Stephan. (Arch. f. Post u. Telegraphie.
Beihefte z. Amtsblatt d. Keichs-Postamts.
25- Jahrg. 8. S. 237— 245.)
Erinnerungen an Dr. H. von Stephan. (Arch.
f. Post u. Telegraphie. Beihefte z. Amts-
blatt d. Reichs-Postamts. 25. Jahrg. 8.
S. 474—484.)
Staatssekretär Dr. Heinrich von Stephan.
(Deutsche Bauzeitung. 31. Jahrg. 4. S. 189
-190.)
Staatssekretair Dr. v. Stephan. (Monatsschrift
f. Deutsche Beamte. 21. Jahrg. 8. S. 241
-243O
Heinrich von Stephan f. (Monatsschrift f.
Deutsche Beamte. 21. Jahrg. 8. S; 187
-189.)
Der deutsche Generalpostmeister Dr. Hein-
rich V. Stephan. (Nekrolog.) (Deutsche
Rundschau f. Geographie u. Statistik. 19.
Jahrg. 8. S. 422 — 424 m. Bildn.)
Billig, R. : Heinrich von Stephan. (Deutsche
Rundschau. 91. Bd. 8. S. 303—306.)
Bäcker, Friedrich: Aus dem Leben und
Wirken des Staatssekretärs des Deutschen
Reichspostamts Dr. v. Stephan. (Der Bär.
23. Jahrg. 4. S. 221 — 224.)
Hartmann, Eug.: Staatssekretär Dr. v.
Stephan, General-Postmeister des Deut-
schen Reiches. Rede. Frankfurt a. M.:
Gebr. Knauer. 8. 32 S.
Krickeberg, E.: Heinrich von Stephan.
Ein Lebensbild. Dresden & Leipzig: C
Reissner. 8. 3 Bl., 320 S., i Bildn. [Männer
der Zeit. I.]
Bartels, Adolf: Adolf Stern. Eine Studie.
(Westermann s lUustr. Deutsche Monats-
hefte. 81. Bd. 8. S. 589—603 m. Bildn.)
V. Oertzcn, Friedr.: Joseph von Stichaner.
Ein Lebensbild aus dem Elsass. Mit e.
Bilde von Stichaner's. Freiburg i. B.,
Leipzig u. Tübingen: J. C. B. Mohr. 8.
78 S., I Bildn.
*Kohlschmidt: Johann Gustav Sticket.
(S. 292 — 294.)
•Eitner, Rob.: L. M. Adolf Stichle.
(S. 123.)
VVidmann, Hans: Adalbert Stitter. (Litte-
raturbilder findesiecle. 2.Bdchn. München:
J. Schweitzer. 8.)
Generallieutenant z. D. v. Stocken f. (Mili-
tär-Wochenblatt. 82. Jahrg. 2. Bd. 4.
Sp. 2987—2990.)
Witte, Carl: Prozess Witte-Stöckers. Witte.
•Posner: Cari Stölzel, Professor für tech-
nische Chemie in München. (S. 415.)
Schulz-Hasserode, W.: Fürst Otto zu Stol-
berg-Wernigerode f. (Der Bär. 23. Jahrg.
4. S. 44 — 46 m. Bildn.)
Der Wiedertäufer Nikolaus Storch und seine
Anhänger in Hof. Aus Enoch Widmanns
handschriftl. Chronik d. Stadt Hof mitget.
V. Christian Meyer. (HohenzoUerische For-
schungen. 5. Jahrg., S. 273—281.)
Berger, Karl: Theodor Storni. (Blätter ftlr
literar. Unterhaltung. Jahrg. 1897, II. 4.
5. 593- 598.)
Rem er, Paul: Theodor Storm als nord-
deutscher Dichter. Mit einem Einführungs-
gedicht V. Detlev von Liliencron. Berlin:
Schuster & LoefFler. 8. 54 S.
•Granier, Hermann: Albrecht von Stosch,
Königl. Preuss. General der Infanterie u.
Admiral. S. 422—423.)
Andrea e, C: K(arl) V(olkmar) Stoy. (Päda-
gog. Blätter f. Lehrerbildung u. Lehrer
bildungsanstalten. 26. Bd. 8. S. 343—355-)
Eck, S.: Ueber David Friedrich Strauss.
1—4. (Die Christi. Welt. 11. Jahrg. 4,
Sp. 9-12, 34—39, 54—57, 74—790
Bischoff, Hermann: Richard Strauss.
(Musikal. Wochenblatt. 28. Jahrg. 4. S. 194
— 195, 212—213, 226—228 m. Bildn.)
Wilhelm Streckfuss. (Chronik d. Königl.
Akad. d. Künste zu Berlin. 1896/97. 8.
S. 88.)
♦ P n i o w e r , Otto : Friedrich Strehlke. (S. 3 1 9
—322.)
♦Zimmermann, P.: Friedr. Herrn. Richard
Freiherr v. Strombeck. (S. 408—409.)
Maretich v. Rio-Alpon, Gedeon Frhr:
Josef Struber u. die Kämpfe in der Um-
gebung des Passes Lueg i. J. 1809. [Aus;
42'
Biographische Bibliographie.
Mittheilungen d. Ges. f. Salzburger Landes-
kunde.] Salzburg; (Wien: W. Braumüller.)
8. 138 S. m. Bildn.
Bussler, W.: General d. Inf. v. Stülp-
nagel. Kurzgefasstes Lebensbild m. An-
schluss d. Gesch. des nach ihm genannten
5. Brandenburg. Inf. Reg. Nr. 48. Gotha:
G. Schloessmann. 8. 33 S. m. Bildn.
^Brummer, Franz: Julius Karl Reinhold
Sturm. (S. 255—256.)
Tielo, A.: Julius Sturm. (Die Gegenwart.
51. Bd. 4. S. 280— -281.)
K 1 a u s , 6. : Ulrich Sturm. (B. Klaus : GmUnder
Künstler. IL 3. in : Württemberg. Viertel-
jahrsheftc f. Landesgesch. N. F. V. Jahrg.
8. S. 313-317.)
Geh, Regierungsrath Ludwig Suche f. (Cen-
tralblatt d. Bau Verwaltung. 17. Jahrg. 4.
S. 428.)
K a w e r a u , Waldemar : Hermann Sudermann.
Eine kritische Studie. Magdeburg u. Leip-
zig: W. Niemann. 8. 3 Bl., 1998.
Willibald: Sudermann. (Monatsblättcr f.
deutsche Litteraturgesch. I. Jahrg. 8. S.318
— 327.)
* Sulzer, Wirklicher Geheimer Kriegsrath.
(S. 213.)
Tschackert, Paul: Magister Johann Sutel,
(1504— 1575), Reformator von Göttingen,
Schwein furth und Northeim, erster evang.
Prediger an d. heut. Universitätskirche u.
erster Superintendent zu Gottingen. Mit
Benutzung vieler unbekannter Hand-
schriften. Nebst zwei Schriften u. z<ihl-
reichen Briefen Sutels. (Zeitschr. d. Ges.
f. niedersächs. Kirchengesch. 2. Jahrg. 8.
S. 1 — 140.) (Auch besonders ersch. Braun-
schweig: A. Limbach. 8. III, 134 S.)
Schmoller, Gustav: Gedächtnisrede auf
Heinrich von Sybel und Heinrich von
Treitschke. (Zuerst veröffentl. in d. Bei-
lage z. AUg. Zeitung v. 2. — 4. Juli 1896.)
(Forschungen z. Brandenburg, u. Preuss.
Gesch. 9. Bd. 8. S. 357—394.)
Varrentrapp, Conrad : Heinrich von Sybel.
(H, v. Sybel: Vorträge und Abhandlungen.
M. e. biographischen Einleitung v. C.
Varrentrapp. München u. Leipzig: R. Olden-
bourg. 8. S. I— 156. [Historische Biblio-
thek. Bd. 3.])
Roth, F. W. E.: Jakob Theodor von Berg-
zabern (Tabemaemontanus), s. T h e o d o r.
Schoener, Reinbold: Konrad Telmann.
(Das Magazin f. Litteratur. 66. Jahrg. 4.
Sp. 151— 159.)
Gerhard Tersteegen. Ein Gedenkblatt zu
seinem 200. Geburtstage. Kaiserswerth :
Diakonissen-Anst. 8. 32 S. [Geschichten
u. Bilder fürs deutsche Volk. No 31 '33.]
Das Leben des Gerhard Tersteegen. Ding-
lingen (Frankfurta. M.: J. Schergens). 8. 32 S.
Zum Gedächtniss Gerhard Tersteegen's,
geb. 25. November 1697. (Allg. evangel.-
luth. Kirchenzeitung. 30. Jahrg. 4. Sp. 11 30
-"34.)
Die religiöse Individualität Gerhard Ter-
steegens. (Der Protestant, i. Jahrg. 4.
Sp. 910—913.)
Auge: Tersteegen als Seelsorger. (Nach
gedruckten und un gedruckten Briefen.)
(Reformirte Kirchen -Zeitung. 20. Jahrg.
4. s. 372—373. 379—381.)
Auge, Fr.: Gerhard Tersteegen als Seel-
sorger. Erweit. Festansprache. Neukirchen :
Stursberg & C. 8. 39 S.
Grün dl er, Ad.: Gerhard Tersteegen. Zu
seinem 200 jähr. Geburtstag am 25. Novbr
1897. Berlin: Buchhandlg d. Berliner
Stadtmission. 8. 49 S., i Bl., 74 S., i Bl.
Kühn, E : Gerhard Tersteegen, der Ar-
men und Verlassenen Leibarzt Ein Le-
bensbild. Hamburg: Rauhes Haus. 8.
24 S.
Lang, A.: Gerhard Tersteegen. (Refor-
mirte Kirchen-Zeitung. 20. Jahrg. 4. S. 1 56
— 158, 162 — 164.)
Nelle, Wilh.: Gerh. Tersteegen. (G. Ter-
steegen: Geistliche Lieder. M. e. Lebens-
gesch. des Dichters u. s. Dichtung v. W.
Nelle. Gütersloh : C. Bertelsmann. 8.)
Offe: Gerhard Tersteegen. (Schulblatt f.
d. Prov, Brandenburg. 62. Jahrg. 8. S. 607
-617.)
Schimmelbusch, E. W.: Zur Würdigung
Gerh. Tersteegens als Dichters. Ein Vor-
trag mit besonderer Berücksichtigung der
NcUe'schen Schrift »G. Tersteegens Geist-
liche Lieder«. Düsseldorf: C. Schaffnit.
8. 32 S.
Werckshagcn, C. : Gerhard Tersteegen.
Lebensbeschreibung. (G. Tersteegen's Lie-
der und Sprüche. Ausgew. u. hrsg. ▼. C.
Werckshagen. Berlin: H. Friedrich. 8. S.
1-3^)
♦K raus s, Rudolf: Ludwig Thaden. (S. 93.)
W e 1 1 n e r , A. J. : Heinrich Thalboth s. R a z g a.
Roth, F. W. E.: Jakob Theodor von
Bergzabern (Tabemaemontanus). Bio-
bibliographisch geschildert. (Centr&lblatt f.
Bibliothekswesen. 14. Jahrg. 8. S.84 — 104.)
Meine Reise in den brasilianischen Tropen
v. Therese Prinzessin von Bayern (Th. von
Bayer*). Berlin: D. Reimer. 8. XVI,
544 S., I Bildn., 2 Ktn, 4 Taf.
Bendixen, Rudolf: August Tholuck. (R.
Bendixen : Bilder aus d. letzten religiösen
Erweckung in Deutschland. Leipzig: Dörff-
ling & Franke. 8. S. 210—235.)
Rougemont, H. de: Tholuck. (Le Chre-
tien evangelique. IV. Annee. 8. S. 10—
25, 68 - 83.)
Emil Thomas: 40 Jahre Schauspieler. Er-
Biographische Bibliographie.
43'
innenuigen aus meinem Leben. (Bd. 2.)
Berlin: C. Duncker. 8. i Bl.. 286, III S.
(Bd. I ersch. 1895.)
H. j. Thommen. Geb. 28. Mai 1795. Gest.
3. Nov. 1897, Personalien u. Leichenreden,
gespr. b. d. Beerdigung am Freitag, 5. Nov.
1897 zn Holstein. Liestal: (Gebr. Lüdin).
8. 16 S. m. Bildn.
[Thfimmel, Mathilde:] Julius Sigismund
Thümmel. Ein Charakterbild. Halle a.S.:
Dr. V. E. Karras. 8. 50 S.
^Schölermann, W.: Victor Oscar Tilgner.
(S. 275—279.)
Baechtold, J., a. Bachmann, A.: Lud-
wig Tobler. (L. Tobler: Kleine Schrif-
ten z. Volks- und Sprachkunde. Hrsg. v.
J. Baechtold u. A. Bachmann. M. Portr.,
Lebensabriss u. Bibliographie. Frauenfeld :
J. Huber. 8. S. VII— XVI.)
Tobler, Ludwig: Salomon Tobler. (L. Tob-
ler: Kleine Schriften z. Volks- und Sprach-
kunde. Hrsg. v. J. Baechtold u. A. Bach-
Diann. Frauenfeld: J. Huber. 8. S. 1—24.)
Umlauft, Friedrich: Dr. Franz Toula.
(Deutsche Rundschau f. Geographie u.
Statistik. 19. Jahrg. 8. S. 569 — 572 m.
Bildn.)
*Friedjung, Heinrich: Ferdinand Graf
Trauttmannsdorff; Präsident d. Österreich.
Herrenhauses. (S. 132—133.)
Bussle r, W.: Generalmajor Hennigs v.
Treffenfeld. Kurzgefasstes Lebensbild m.
Anschluss d. Gesch. des nach ihm ge-
nannten Altmärk. Ulanen -Reg. Nr. 16.
Gotha: G. Schloessmann. 8. 31 S. m.
I Abb.
•Bailleu, P.: Heinrich von Treitschke.
(S. 377-389.)
Kohl, Horst: Heinrich von Treitschke.
(Blätter für literar. Unterhaltung. Jahrg.
1897, I. H. 4. I:S. 3— 6; II: S. 468—
470.)
Schmoller, Gust.: Heinrich von Treitschke
s. V. Sybel.
S t a m p e r , Georg : Heinrich von Treitschke.
(Westermanns Illustr. Deutsche Monats-
hefte. 81. Bd. S. 271-283 m. Bildn.)
Oberst V. Trotha: Meine Bereisung von
Deutsch - Ostafrika. Vortrag. Berlin: B.
Bngl. 8. 96 S.
Fehler, A.: C. C Trott s. Friedrich
Wilhelm ▼. Braunschweig.
•Lier, H. Ä.: Heinrich August Trüben-
bach, Pfarrer. (S. 416—417.)
Bütle r , Placid : Ulrich von Eppcnstein, Abt
von St. Gallen und Patriarch von Aquileja.
(Jahrbuch f. Schweizer. Gesch. 22. Bd. 8.
S. 251—291.)
•Brummer, Franz: Carl Ulrici. (S. 262
Hartwig, Otto: Franyois Sabatier und Caro-
line Sabatier — Unger. (Deutsche Rund-
schau. 91. Bd. S. 227— 243.)
Johann August Urüperger. [Aus der Er-
weckungszeit d. bayerischen Landeskirche.
VI.] (AUg. Evangel.-luth. Kirchenzeitung.
80. Jahrg. 4. Sp. 127— 131.)
DQsel, Friedr.: Johann Peter Uz. (Zeitschr.
f. deutsche Sprache. 10. Jahrg. 8. S. 281
— 292.)
Vasen, Prof. Dr. : Aus zwei Kriegen. Selbst-
erlebtes aus 1866 u. 1870/71. Berlin:
Liebel. 8. 2 Bl., 100 S.
Geiger, Ludwig: Moritz Veit s. Sachs,
Michael.
Krosigk, Anna v.: Werner v. Veitheim.
E. Lebcnsgesch. zum Leben. Aus Tage-
büchern u. Briefen zusammengest. Bern-
burg: (O. DornblUth.) 8. 354 S.
^Zimmermann, P.: Karl Friedrich Hilmar
von Veitheim. (S. 409-411.)
B r a n k y , Franz : Theodor Vemaleken. (Bio-
graphien Österreich. Schulmänner. Herausg.
von Franz Frisch. Wien: A. Pichler's Wwe
& Sohn. 8. S. 133 — 159.)
Dahlerup, Verner: Karl (Adolf) Verner.
(Arkiv för nordisk filologi. N. F. 9. Bd.
8. S. 270-281.)
Hartwig, O.: Karl Adolf Verner als Bi-
bliothekar. (Centralbl. f. Bibliothekswesen.
14. Jahrg. 8. S. 249—263.)
•Weltner, A. J.: Anna Versing - Haupt-
mann, Schauspielerin u. Schriftstellerin.
(s. 344—345.)
Hermann v. Vicari, Erzbischof von Frei-
burg. Ein Vorkämpfer f. d. Freiheit d.
Kirche. Berlin : Germania. 8. 62 S. [Kathol.
Flugschriften z. Wehr u. Lehr. No ii8.]
Hob er, Eduard: Clara Viebig. (Das Ma-
gazin f. Litteratur. 66. Jahrg. 4. Sp. 11 15
— 1118.)
Wen dt, F. M.: Franz Michael Vierthaer.
(Biographien Österreich. Schul männer.Hrsg.
v. Franz Frisch. Wien: A. Pichler's Wwe
& Sohn. 8. S. 56 — 59.)
Zum Gedächtnis an D. Corn. Rudolf Victor.
I. Rede am Sarge v. Past. Lahusen. 2. Ge-
bet am Grabe v. Past. prim. Thikötter.
Bremen: J. Morgenbesser. 8. 15 S.
Virchow's goldenes Univcrsitäts -Jubiläum.
(Wiener Medizin. Presse. 38. Jahrg. 4.
Sp. 1483—1484.)
Seeger, Georg: Peter Vischer der Jüngere.
Ein Beitrag zur Geschichte der Erzgiesser-
familie Vischer. Mit 27 Abb. Leipzig:
E. A. Seemann. VI S., i Bl., 168 S. [Bei-
träge z. Kunstgesch. Neue Folge 23.]
Moser, Job.: Thomas Vocke, der erste evan-
gelische Pastor zu Dietersdorf. (Zeitschr. d.
Harz- Vereins f. Gesch. u. Altertumskunde.
30. Jahrg. 8. S. 50» — 505)
Bölsche, Wilhelm: Erinnerungen an Karl
44'
Biographische Bibliographie.
Vogt. (Neue Deutsche Rundschau. VIII.
Jahrg. 8. S. SS^-Söi.)
Kuhlmann: Johann Heinrich Volkening.
(Zeugen u. Zeugnisse aus d. christl.-kirchl.
Leben von Minden-Ravensberg im i8. u.
19. Jahrh. 2. Heft. Gadderbaum b. Biele-
feld: Anst. Bethd, 8. S. 63—87.)
*Fried]ung, Heinrich. Maximilian Graf
VrintSy Österreich. Diplomat u. Herren-
hausmitgl. (S. 132.^
Professor Frit« A. Wachtl. (Centralbktt
f. d. gesammte Forstwesen. 23. Jahrg. 8.
S. 1—3 m. Bildn.)
♦Pagel: Guido Richard Wagener, Professor
d. Anatomie. (S. 161 — 162.)
Büchner, Ludwig : Ein unmoderner Natur-
forscher (Adolf Wagner). (Die Gegen-
wart 52. Bd. 4. S. 218—220.)
*Brümmer, Franz: Camillo Wagner von
Freinsheim. (S. 250 — 251.)
Frank el, Ludwig: Camillo Wagner von
Fre}'nsheim, Dichter. (A. D. B. 42. Bd.
Leipzig: Duncker & Humblot S. 741 —
744«)
Geheimer Baurath Heinr. Wagner. (Deutsche
Bauzeitung. 31. Jahrg. 4. 8.164, 178—179.)
Geh. Baurath Prof. Dr. Heinrich Wagner in
Darmstadt f. (Centralblatt d. Bau Verwal-
tung. 17. Jahrg. 4. S. 147—148.)
Bulthaupt, Heinr.: Richard Wagner als
Klassiker. (Aug. GöUerich: R. Wagners
Bühnenfestspiel Der Ring der Nibelungen.
Einleitung. Leipzig: C. Wild. 8.)
Drews, Arthur: (Richard) Wagner und
Feuerbach. (Die Gegenwart. 52. Bd.
4. s. 342-344. 358—362.)
Kaefferlein, Eduard: Ein Jubiläum. Zum
22. Mai. (Richard Wagner.) (Musikal.
Wochenblatt. 28. Jahrg. 4. S. 285— 286,
297-298, 313—314, 325-326.)
Mayreder, Rosa: Richard Wagner, der
Christ. (Das Magazin f. Li tteratur. 66. Jahrg.
4. Sp. 1367--1373O
Mayreder, Rosa: Richard Wagner, der
Heide. (Das Magazin f. Litteratur. 66. Jahrg.
4. Sp. 1333- 1338.)
Monaldi, Gino : Giuseppe Verdi und Richard
Wagner. (AUg. Musik-Zeitung. 24. Jahrg.
4. S. 669— 672.)
Schmieder, Jos.: Richard Wagner und
die Oper. (Akademische Monatsblätter.
IX. Jahrg. 4. S. 253— 259.)
Zolling, Theophil: Richard Wagner und
Georg Herwegh. Mit ungedruckten
Briefen von Wagner, Herwegh, König
Ludwig II. usw. (Die Gegenwart. 51. Bd.
4. S. 8—12, 26—29.)
Münz, Bernhard : Rudolph Wagner. (Briefe
von und über Jakob Frohschammer. Hrsg.
von B. Münz. Leipzig: G. H. Meyer. 8.
5. 17—24.)
Dieter, Heinrich: Der salzburgische Dich-
ter Sylvester Wagner. Eine Skizze seines
Lebensganges m. Proben seiner Mundart-
dichtungen. Vortr. Salzburg: H. Dieter.
8. 29 S. m. Bildn.
Sybel, Heinrich v.: Georg Waitz. (H. v.
Sybel: Vorträge und Abhandlungen.
München u. Leipzig: R. Oldenbourg. 8.
S. 309—314. [Histor. Bibliothek. Bd. 3.])
Forst, H.: Lebensgang und geschichtliche
Stellung Franz Wilhelms (Grafen v. War-
tenberg, Bischofs von Osnabrück). Seine
Correspondenz. (Politische Correspondenz
des Grafen Franz Wilhelm von Warten-
berg, Bischofs von Osnabrück, aus den
Jahren 1621 — 163 1. Hrsg. v. H. Forst.
Leipzig: S. Hirzel. 8. S. IX— XVIU. [Pu-
blicationen aus den K. Preuss. Staats-
archiven. Bd. 68.])
Droysen, Joh. Gust.: Das Leben des Fcld-
marsch. Grafen York v. Wartenburg.
IG. Aufl. Neue Ausg. 2 Tle in i Bd. Leip-
zig: Veit&C 8. XIII, 462 S.; III, 467 S.
m. Bildn.
♦Eitner, Rob.: Joseph Wilhelm von Wa-
sielewsky. (S. 123—124.)
Wasiliewskl, Wilh. Jos. v.: Aus siebzig
Jahren. Lebenserinnerungen. Stuttgart :
Deutsche Verl. -Anstalt. 8. VII, 278 S. m.
BUdn.
Der Maler Friedrich Wasmann. Ein deut-
sches Kttn stierleben. (Hist.-pol. Blatt, f. d.
kath. DeutschL 119. Bd. 8. S. 561 — 581.)
Pf Ulf, Otto: Friedrich Wasmann, Künstler
und Convertit. (Stimmen aus Maria-Laach.
Bd. 53. 8. S. 62—75, 140— 154O
Steig, Reinhold: Friedr. Wasmann. (Deut-
sche Rundschau. 93. Bd. 8. S.471 — 472.)
Ernst Wasmuth. (Nekrolog.) (Deutsche Bau-
zeitung. 31. Jahrg. 4. S. 527 — 528.)
H a m p e , Theodor : Benedikt von Watt. (Eu-
phorion. 4. Bd. 8. S. 16—38.)
Keiter, Heinrich: Fr. W. Weber, der Dich-
ter von »Dreizehnlinden«. Eine Studie. 5.,
verm. u. verb. Aufl. M. d. Portr. d. Dich-
ters. Paderborn: F. Schöningh. 8. 68 S.,
I Bildn.
Wi 1 m s , Wilhelm : Friedrich Wilhelm Weber.
Ein Lebensbild. (Monatsblatter f. deutsche
Litteraturgesch. I. Jahrg. 8. S.268— 282.)
♦Frey, Ad.: Robert Weber. (8.191 — 193.)
Aus dem Tagebuch weiland des Geheimrats
und Direktors des Königl. Sächsischen
Hauptstaatsarchives Dr. Carl von Weber
in Dresden. (Allg. Konservat. Monats-
schrift f. d. christl. Deutschland. 54. Jahrg.,
I. 8. S. 239—262.)
Wolzogen, Hans v.: Karl Maria von We-
ber. (H. V. Wolzogen : Grossmeister deut-
scher Musik. Bd. I. Hannover: Dunkmann.
4. S. 83— iio m. Bildn.)
Biographische Bibliographie.
45*
Geschichte eines Offiziers im Kriege gegen
Russland 1812, in russischer Gefangen-
schaft 18 13 bis 1814, im Feldzuge gegen
Napoleon 181 5. Lebenserinnerungen v.
Carl Anton Wilhelm Grafen von Wedel.
(Herausgegeben v. Graf Ernst von Wedel.)
Berlin: A. Asher & C. 8. 1 Bl., II, 309 S.,
I Fase
Lampe, Emil: Karl Weierstrass. Gedächt-
nissrede. Leipzig: J. A. Barth. 8. 24 S.
Kaemmel, Otto: Christian Weise, ein
sächsischer Gymnasialrektor aus der Re-
fonnzeit des 17. Jahrhunderts. Leipzig:
B. G. Teubner. 8. IV, 85 S.
VVintterlin, A.: Der Bildhauer Georg Kon-
rad Weitbrecht. Ein Beitrag zur Ge-
schichte des wttrttembergischen Kunstge-
werbes. 1796— 1836. (Württemberg. Vier-
teljahrshefte f. Landesgesch. N. F. V. Jahrg
8- S. 333-359.)
Sybcl, Heinrich v.: Worte der Erinnerung
an Julius Weizsäcker. (H. v. Sybel: Vor-
träge und Abhandlungen. Mtinchen und
Leipzig: R. Oldenbourg. 8. S. 315—320.
[Historische Bibliothek. Bd. 3.]).
M e i n h o 1 d : Wellhausen. 1—5. (Die christl.
Welt II. Jahrg. 4. Sp. 461— 465, 487—
492, 539-543» 555-557, 578—583.)
Meinhold, J.: Wellhausen. Leipzig: J.
C. B. Mohr. 8. 44 S. (Verbesserter SA.)
[Hefte zur 'Christi. Welt'. No 27.]
Meyer, Ed.: Julius Wellhausen u. meine
Schrift Die Entstehung des Judenthums.
Eine Erwiderung. Halle : M. Niemeyer. 8.
26 S.
Hantzsch, Viktor: Justinian Ernst v. Welz,
Baron von Eberstein. (A. D. B. 42. Bd.
S. 744—746.)
Johann Andreas Wendel, G)'mnasialdir. in
Coburg. (A. D. B. 42. Bd. S. 746—747.)
Heinze: Amadeus Wendt, Prof. d. Philo-
sophie. (A. D. B. 42. Bd. S. 747—748.)
•Pagel: Ernst Wenzel, Professor d. Ana-
tomie. (S. 162.)
Varnhagen, Herm.: Werder gegen Bour-
baki. Der Kampf des 14. deutschen Korps
gegen die französ. Ostarmee im Jan. 1871.
Berlin: Schall & Grund. 8. VI, 104 S.
m. Abb., I Bildn. u. i eingedr. Kte.
Salis, A. V.: Peter Werenfels, Dr. theol.,
Prof. a. d. Univ. zu Basel. (A. D. B. 42. Bd.
S. 1—4.)
Salis, A. V.: Samuel Werenfels, Dr. u.
Prof. d. Theologie von Basel. (A. D. B.
42. Bd. S. 5-— 8.)
Beck, P.: Albert Werfer, kathol. Schrift-
steller u. Dichter. (A. D. B. 42. Bd. S. 8
■—IG.)
▼. Schulte: Benedict Maria Leonhard von
Werkmeister, katholischer Theolog. (A.
D. B. 42. Bd. S. II— 13.)
Pyl: Lambert von Werle, Abt des Klosters
Eldena. (A. D. B. 42. Bd. S. 13—14.)
Hart fei der, K.: Veit Werler, Humanist
u. Philologe. (A. D. B. 42. Bd. S. 14—15.)
Eisenhart: Johann Werlhof, Rechtslehrer.
(A.D. B. 42. Bd. S. 15— 16.)
Pagel: Paul Gottlieb Werlhof, berühmter
Arzt des 18. Jahrh. (A. D. B. 42. Bd.
S. 16-17.)
D i c k i n g e r : Josef Wemdl, Generaldirektor
der Österreich. Waifenfabriks-Ges. (A. D.
B. 42. Bd. S. 17— 18.)
Knott, Robert: Johann Friedrich Christian
Wemeburg, Prof. d. Mathematik. (A. D.
B. 42. Bd. S. 19.)
Hess, R.: Johann Wilhelm Adolf Weme-
burg, Forstmann. (A. D. B. 42. Bd. S. 19
-21.)
Pagel: Wilhelm Wemeck, österr. Militär-
u. Augenarzt. (A. D. B. 42. Bd. S. 21.)
Hess, W.: Franz Wemekink, Medicinal-
rath. (A. D. B. 42. Bd. S. 21—22.)
Hess, W.: Friedr. Christ. Gregor Weme-
kink, Prof. d. Medicin. (A. D. B. 42. Bd.
S. 22.)
V. Gttmbel: Abraham Gottlob Werner, Mi-
neralog. (A. D. B. 42. Bd. S. 33—39.)
Hartfelder, Karl: Adam Werner von The-
mar, humanist. Dichter u. Jurist. (A. D.
B. 42. Bd. S. 39—41.)
Bolte, J.: Adam Friedrich Werner, deut-
scher Hofpoet König Friedrichs III. von
Dänemark. (A. D. B. 42. Bd. S. 41— 42.)
Schott, Theodor: August Hermann Wer-
ner, Arzt u. Gründer v. Kinderheilanstal-
ten. (A. D. B. 42. Bd. S. 42.)
Seiffert, Max: Christoph Werner, Musiker.
(A. D. B. 42. Bd. S. 43.)
Reu seh: Franz Werner, katholischer Theo-
loge. (A. D. B. 42. Bd. S. 43—44.)
Siegfried, C: Friedrich Werner, Theo-
loge. (A. D. B. 42. Bd. S. 48.)
Hippe, Max: Friedrich Bernhard Werner,
schlesischer Zeichner. (A. D. B. 42. Bd.
s. 48—49.)
Sulger-Gebing: (Friedrich Ludwig) Za-
charias Werner. (A. D. B. 42. Bd. S. 66
—74.)
V. Hatzbach, Knoblauch: Georg Friedrich
Werner, Vorkämpfer f. d. Lehre vom Licht-
äther. (A. D. B. 42. Bd. S. 49—50-)
Mandyczewski, E.: Gregor Joseph Wer-
ner, Componist. (A. D. B. 42. Bd. S. 50.)
Schott, Theodor: Gustav Werner, evan-
gelischer Theologe. (A. D. B. 42. Bd.
S. 50—56.)
Günther: Johannes Werner, Astronom u.
Mathematiker. (A. D. B. 42. Bd. S. 56
-58,)
Pagel: Johannes Werner, Arzt, (A. D. B.
42. Bd. S. 58.)
46*
Biographische Bibliographie.
Keusch: Karl Werner, katholischer Theo-
loge. (A. D. B. 42. Bd. S. 60— 61.)
Li er, H. A.: Karl Friedrich Heinrich Wer-
ner, Aquarellmaler. (A. D. B. 42. Bd.
S. 61—63.)
Landsberg, Ernst: Michael Gottfried Wer-
ner, Jurist. (A. D. B. 42. Bd. S. 63.)
Schumann, Paul: Anton von Werner u.
Wilhelm Bode. (Der Kunstwart. 10. Jahrg.
4. s. 332—334.)
F r ä n k e 1 , Ludwig : Franz von Werner, Di-
plomat u. Dichter unter d. Namen Murad
£fendi. (A. D. B. 42. Bd. S. 44—48.)
Poten, B.: Johann Paul von Werner, kgl.
preuss. Generallieutenant. (A. D. B. 42. Bd.
S. 63-66.)
V. Györy, Joseph Freiherr von Werner,
Diplomat. (A. D. B. 42. Bd. S. 58-60.)
Gurlt, E.: Adolf Wemher, gelehrter Chi-
rurg. (A. D. B. 42. Bd. S. 80— 8i.)
Y. Eisenhart: Johann Georg Wernher,
Jurist u. Landsyndikus. (A. D. B. 42. Bd.
S. 87.)
Wernher: Johann Wilhelm Wemher,
grossherz. hess. Geh. Staatsrath. (A. D.
B. 42. Bd. S. 81—86.)
▼. Eisenhart: Michael Gottlieb Wemher,
Rechtsgelehrter. (A. D. B. 42. Bd. S. 86
-87.)
*Puschmann, Th. : Agathon Wemich.
(s. 355-356.)
Fränkel, Ludwig: Fritz Wemick, Reise-
schriftsteller. (A. D. B. 42. Bd. S.87— 90.)
Schmidt, Erich: Christian Weraicke, Epi-
grammatiker. (A. D. B. 42. Bd. 3.90—92.)
Bahlmann, P.: Christian Friedrich Wems-
dorf, Pfarrer. (A. D. B. 42. Bd. S. 95.)
Bahlmann, P.: Christian Gottlieb Wems-
dorf , Prof. d. Philosophie. (A. D. B.
42. Bd. S. 95—96.)
Bahlmann, P.: Ernst Friedrich Wemsdorf,
Prof. d. Philosophie u. Theologie. (A.
D. B. 42. Bd. S. 96.)
Bahlmann, P.: Gottlieb Wemsdorf, Prof.
der Theologie und Generalsuperint. der
Diöccse Wittenberg. (A. D. B. 42. Bd.
S. 96.)
Bahlmann, P.: Gotüieb Wemsdorf, Prof.
d. orientsd. Sprachen am akad. Gymn. zu
Danzig. (A. D. B. 42. Bd. S. 96—97.)
Bahlmann, P.: Gottlieb Wemsdorf, Prof.
d. Jurisprudenz zu Wittenberg. (A. D. B.
42. Bd. S. 97.)
Müller, Georg : Gregor Gottlieb Wemsdorf,
angesehener sächsischer Schulmann. (A.
D. B. 42. Bd. S. 97—98.)
Koldewey, Friedrich: Johann Christian
Wemsdorf, Prof. d. Eloquenz u. Poesie
zu Helmstedt. (A. D. B. 42. Bd. S. 98
— 101.)
Frensdorff, F.: August von Wersebe,
Geschichtsforscher. (A. D. B. 42. Bd.
S. 101 — 102.)
Poten, B.: Johann Graf von Werth, kur-
fürstl. bair. u. k. k. Österreich. General d.
Cavallerie. (A. D. B. 42. Bd. S. 103— 1 1 1.)
Pagel: Gustav Wertheim, Dermatolog. (A.
D. B. 42. Bd. S. III.)
Oppenheimer: Theodor Wertheim, Che-
miker. (A. D. B. 42. Bd. S. III.)
▼. Peter sdorff, H.: Heinrich August
Alexander Wilhelm Freiherr von Werther,
preussischer Diplomat. (A. D. B. 42. Bd.
S. III — 113.)
T. Peter sdorff, H.: Karl (Anton Philipp)
Freiherr von Werther, preussischer Diplo-
mat (A. D. B. 42. Bd. S. 113 — 116.)
Lippert, W.: Dietrich von Werthem,
Kanzler des deutschen Ordens u. Rath
Herzog Georgs v. Sachsen. (A. D. B.
42. Bd. S. 116— 119.)
Lippert, W.: Ernst Friedrich Karl Aemi-
lius Freiherr von Werthem, königl. sächsi-
scher Consistorialdirector, Kanzler u. Con-
ferenzminister. (A. D. B. 42. Bd. S. 122
-"5-)
Lippert, W.: Georg von Werthem, kur-
sächsischer Staatsmann. (A. D. B. 42. Bd.
S. 125 — 127.)
Lippert, W.: Georg Graf von Werthem,
kursächsischer Gesandter, Cabinetsminister
u. Kanzler. (A. D. B. 42.Bd. S. 127 — 130.)
Georg Freiherr von Werthem, Jurist u. Di-
plomat. (A. D. B. 42. Bd. S. 130—132.)
Lippert, W., Philipp von Werthem, Ju-
rist u. Diplomat. (A. D. B. 42. Bd. S. 121.)
Lippert, W.: Wolfgang von Werthem,
Diplomat und Sprachkenner. (A. D. B.
42. Bd. S. 119— 121.)
Mendheim, Max: Friedrich August Qe-
mens Werthes, Dichter. (A. D. B. 42. Bd.
S I ^12 — - 1^1^
Bolte, J.: Heinrich Wescht (A. D. B.
42. Bd. S. 134.)
Keussen: Gerhard von Wesel, Kölner
Rathsherr. (A. D. B. 42. Bd. S. 134.)
V. Eisenhart: Mathäus Wesenbeck, Rechts-
gelehrter. (A.D. B. 42 Bd. S. 134 — 138.)
Gran i er, Hermann: Matthaeus von Wesen-
beck, kurbrandenb. Staatsmann. (A. D. B.
42. Bd. S. 758- 761.)
Otto Wesendonck f. (Allg. Musik-Zeitung.
24. Jahrg. 4. S. 7—8. m. Bildn.)
Arnold Wesenfeld, Prof. in Frankfurt a. 0.
(A. D. B. 42. Bd. S. 138—139.)
B a h 1 m an n , P. : Andreas Wesling (Wisling),
Prof. d. hebräischen Sprache in Rostock.
(A. D. B. 42. Bd. S. 139.)
Pyl: Franz Wessel, Bürgermeister von
% Stralsund u. Förderer d. Reformation.
(A. D. B. 42. Bd. S. 139— 141.)
Hach, Th.: Hans Wessel (Wechsel, Wesel),
Biographische Bibliographie.
47
*
Goldschmied in Lübeck. (A. D. B. 42. Bd.
S. 141 — 142.)
Brecher: Johann Wessel, vorreformat.
Theolog u. Humanist. (A. D. B. 42 Bd.
S. 761-763.)
Müller, Rudolf: Eduard Wcssely, Bild-
hauer. (A. D. B. 42. Bd. S. 142—144.)
Li er, H. A.: Josefine Wessely, Schau-
spielerin. (A. D. B. 42. Bd. S. 145 —
146.)
Zimmermann,?.: Joseph Eduard Wessely,
Kunstschriftsteller. (A. D. B. 42. Bd. S. 144
- 1450
PageL- Moritz August Wessely, Arzt. (A.
D. B. 42. Bd. S. 146.)
Löffler, Alexander: Wolfgang Wessely,
Orientalist u. Rechtsgelehrter. (A. D. B.
42. Bd. S. 146—147.)
Kühner, Karl: Ignatz Heinr. von Wessen-
berg und seine Zeitgenossen, Lichtge-
stalten aus dem Katholizismus des 19. Jahr-
hunderts. M. I Abb. Heidelberg: J. Hör-
niog. 8. 2 Bl., 51 S., I Bildn. [Bilder aus
der evang.-prot. Landeskirche des Gross-
herzogtums Baden. IIL]
V. Schulte: Ignaz Heinrich Karl Freiherr
von Wessenberg. (A. D. B. 42. Bd. S. 147
-'57)
V. Arneth: Johann Freiherr von Wessen-
berg. (A. D. B. 42. Bd. S. 157 — 173.)
Hei gel: Lorenz von Westenrieder, Histo-
riker. (A. D. B. 42. Bd. S. 173 — 181.)
Brecher: Gerhard Westerburg, Jurist.
(A. D. B. 42. Bd. S. 182 — 184.)
Zimmermann, P.: George Westermann,
Verlagsbuchhändler. (A. D. B. 42. Bd.
S. 184—186.)
Redlich: Johann Westermann, Theologe.
(A. D. B. 42. Bd. S. 186.)
R e u sc h : Anton Westermayer, katholischer
Geisüicher. (A. D. B. 42. Bd. S. 186—187.)
Grotefend, W. : Christiane Henriette Doro-
thea Westermayr. (A. D. B. 42. Bd.
S. 187—188.)
Grotefend,W.: Daniel Jakob Westermayr
(Westermayer), Goldarbeiter. (A. D. B.
42. Bd. S. 188-189.)
Grotefend, W.: Konrad Westermayr
(Westermayer), Maler u. Kupferstecher.
(A. D. B. 42. Bd. S. 189— 191.)
Stciff, K.: Joachim Westfal, Buchdrucker.
(A D. B. 42. Bd. S. 191.)
▼. Gümbel: Christian Friedrich Gotthard
Westfeld, hannov. Obercommissär u. Klo-
steramtmann, Cameralist u. Mineralog.
(A. D. B. 42. Bd. S. 191—192.)
Keussen: Dietrich Westhof, Chronist.
(A. D. B. 42. Bd. S. 192.)
Keusch: Elbert Wilhebn Westhoff, katho-
lischer Gcbtlicher. (A.D. B. 42. Bd. S. 192
-193.)
Bahlmann, P.: (Joseph) Ferdinand West-
hoff. (A. D. B. 42. Bd. S. 193.)
Pyl: Andreas Westphal, Historiker. (A. D. B.
42. Bd. S. 196—197.)
Landsberg, Ernst: Ernst Christian West-
phal, Jurist. (A. D. B. 42. Bd. S. 197—
198.)
Joachim Westphal, lutherischer Theologe.
(A. D. B. 42. Bd. S. 198—201.)
Günther: Johann Heinrich Westphal, Astro-
nom. (A. D. B. 42. Bd. S. 202 — 203.)
Günther: Justus Georg Westphal, Astro-
nom. (A. D. B. 42. Bd. S. 203—204.)
Korn, G.: Karl (Friedrich Otto) Westphal,
Arzt. (A. D. B. 42. Bd. S. 204 — 205.)
Rossbach, A. : Rudolf (Georg Hermann)
Westphal. (A. D. B. 42. Bd. S. 205—216.)
Mendheim, Max: Engel Christine West-
phalen, Dichterin. (A. D. B. 42. Bd. S. 217
— 218.)
V. Krogh: Heinrich Christian Westphalen,
Etatsrath. (A. D. B. 42. Bd. S. 226—227.)
Günther: Hermann Libert Westphalen,
Astronom. (A. D. B. 42. Bd. S. 227—228.)
Joachim, Hermann : Nicolaus Adolf West-
phalen, Jurist u. Historiker. (A. D. B.
42. Bd. S. 228.)
Zimmermann, P.: Christian Heinrich Phi-
lipp (Edler v.) Westphalen. (A. D. B.
42. Bd. S. 228^231.)
Carstens: Ernst Joachim von Westphalen,
Gelehrter u. Staatsmann. (A. D. B. 42. Bd.
S. 218 — 221.)
Thimme, Friedrich: Ferdinand Otto Wil*
heim Henning von Westphalen, preu^si-
scher Minister. (A. D. B. 42. Bd. S. 221
— 226.)
Oppenheimer: Johann Friedr. Westrumb,
Apotheker. (A. D. B. 42. Bd. S. 231.)
Sillem, W.: Hermann Wetken, Bürger-
meister von Hamburg. (A. D. B. 42. Bd.
S. 234-237.)
Sillem, W.: Johann Wetken, Bürgermeister
von Hamburg. (A. D. B. 42. Bd. S. 231
—234.)
L i p s i u s , Richard Adelbert : Zur Säkularfeier
(Wilhelm Martin Leberecht) de Weites.
1880. (R. A. Lipsius : Glauben und Wis-
sen. Ausgewählte Vorträge u. Aufsätze.
Berlin: C. A. Schwetschke & Sohn. 8.
S. 299—313.)
Dierauer, J.: Laurenz Wetter, Landam-
mann von Appenzell-Ausserorden. (A. D.B.
42. Bd. S. 238 — 239.)
Salis, A. V.: Johann Jacob Wettstein.
Prof. der Theologie. (A. D. B. 42. Bd.
S. 251-254.)
Fäh, Franz: Johann Rudolf Wettstein,
Bürgermeister von Basel. (A. D. B. 42. Bd.
S. 240 — 248.)
Salis, A. V.: Johann Rudolf Wettstein L,
48*
Biographische Bibliographie.
Prof. d. Theologie. (A. D. B. 42. Bd.
S. 248 — 250.)
Salis, A. T.: Johann Rudolf Wettstein II.,
Prof. d. Theologie. (A.. D B. 42. Bd.
250—251.)
Metz, L.: Hieronymus Wetzel, niederhess.
refonnirter Theolog. (A.D.B. 42. B. S. 254
-256.)
Johann Caspar Wetzel, Theologe. (A. D. B.
42. Bd. S. 256— 257.)
Haeberlin, C: Johann Christian Fried-
rich Wetzel, Rector des Lyceums zu
Prenzlau. (A. D. B. 42. Bd. S. 257—259,)
Metz: Thomas Wetzel, refonnirter Geist-
licher Niederhessens. (A. D. B. 42. Bd.
S. 259—260.)
V. Györy: Heinrich Joseph Wetzer, Theo-
loge. (A. D. B. 42. Bd. S. 261—263.)
Pagel: Johann Evangelist Wetzler, Arzt.
(A. D. B. 42. Bd. S. 263.)
Klenz, Heinrich: Friedrich Karl Wex, Schul-
mann u. Philolog. (A. D. B. 42. Bd. S. 263
—265.)
▼. Schulte: Jakob Wex, Prof. d. Theolo-
gie u. Philosophie. (A.B.B. 42. Bd. S. 265
—266.)
Holland, Hyac: Wilibald Wex, Land-
schaftsmaler. (A. D. B. 42. Bd. S. 266.)
Li er, H, A.: Julius Weydc, Genremaler.
(A. D. B. 42. Bd. S. 266.)
Binz, C: Johann Weyer, Arzt. (A. D. B.
42. Bd. S. 266 — 270.)
Heyd, W.: Albrecht Weyermann, Theolog
u. Litterarhistoriker. (A. D. B. 42. Bd.
S. 270—271.)
Brummer, Franz: Friedrich Weyermüller,
Dichter geistlicher Lieder. (A. D. B. 42 . Bd.
S. 271.)
P o t e n , B : Hermann Weygand, grossherzl.
hessischer Major u. Militärschriftstellcr.
(A. D. B. 42. Bd. S. 272—273.)
Katzenstein, Louis : Sebastian Weygandt,
Maler. (A. D. B. 42. Bd. S. 273 )
Redlich: Maximilian Friedrich Weyhe,
Botaniker u. Hofgärtner. (A. D. B. 42. Bd.
S. 277—278.)
Lange, Wilhelm Christian: Eberhard von
Weyhe, Jurist u. Staatsmann. (A. D. B.
42. Bd. S. 273—277.)
Tschackert, P.: Johann Heinrich Wey-
henmayer, luth. Prediger u. Erbauungs-
schriftstcUcr. (A. D. B. 42. Bd. S. 278.)
Li er, H. A.: Georg Gottfried Wej^en-
meyer, Bildhauer. (A. D. B. 42. Bd.
S. 279.)
Fränkel, Ludwig: Josef Weyl, Humorist
u. Uebersetzer. (A. D. B. 42. Bd. S. 280
—282.)
Sauer, W.: Joseph Weyland, päpstlicher
Hausprälat. (A. D. B. 42. Bd. S. 282 —
283.)
Ratzel, F.: Karl Weyprccht, Polarfahrer.
(A. D. B. 42. Bd. S. 763—774.)
Escherich, G. v.: Emil Wcyr, Prof. d.
Geometrie. (A. D. B. 42. Bd. S. 283— 284.)
Mayer, Christian: Stephan Weyrer, Kir-
chenmeister zu Nördlingen.(A.D.6. 42. Bd.
S. 284—285.)
Stieda, L.: (Karl Rufus) Victor Weyrich,
Arzt (A. D. B. 42. Bd. S. 285—286.)
Müller, Rud.: Qemens Ritter v. Wcy-
rother, Schriftsteller. (A. D. B. 42. Bd.
S. 286—287.)
C r i s t e , Osk. : Franz v. Weyrother, General-
major. (A. D. B. 42. Bd. S. 287—289.)
Eitner, Rob.: Christoph Ernst Friedrich
Weyse, Componist u. Musiktheoretiker.
(A. D. B. 42. Bd. S. 289—290.)
Steiff, K.: Johannes Weyssenburger, Prie-
ster u. Drucker. (A. D. R 42. Bd. S. 290
—291.)
Hantzsch, Viktor: Wolfgang Weyssen-
burger, reformirtcr Theolog u. Geograph.
(A. D. B. 42. Bd. S. 291—292.)
Anemttller: Johann Karl Wezel, Lust-
spieldichter. (A. D. B. 42. Bd. S. 292 —
293.) *
Wagner, P. : Tileman Dothias Wiarda.
(A. D. B. 42. Bd. S. 293—298.)
Günther, Rudolf: Johann Christian Wibel,
Hofprediger u. Kirchenhistoriker. (A. D. B.
42. Bd. S. 300 — 302.)
Wetzel: Peter Wiben. (A. D. B. 42. Bd.
S. 302— 303O
Pagel: Karl August Wibmer, Arzt u. Me-
dicinalbeamter. (A. D. B. 42. Bd. S. 303
-304-)
Cuno: Johannes Wichelhaus, reformirtcr
Theologe. (A.D.B. 42. Bd. S. 306—309.)
Hennig, Mart.: Johann Heinrich Wiehern,
der Herold d. Inn. Mission. Berlin: Ost-
deutscher Jttnglingsbund. 8. 16 S. ro. Abb.
[Für Feste u. Freunde der Inn. Mission.
H. I.]
Sander: Johann Hinrich Wiehern, Begrün-
der des Rauhen Hauses. (A. D. B. 42. Bd.
s. 775—780.)
Holstein, H.: George Heinrich Robert
Wiehert, Schulmann. (A. D. B. 42. Bd.
S- 309—310.)
Bolte, J.: Albert Wichgrevius, Dichter.
(A. D. B. 42. Bd. S. 310—312.)
Lier, H. A.: Adolf Wichmann, Maler.
(A. D. B. 42. Bd. S. 312—313.)
Pagel: Johann Ernst Wichmann, Arzt.
(A. D. B. 42. Bd. S. 313.)
Weisbach, Werner: Karl Friedrich Wich-
mann, Bildhauer. (A.D.B. 42. Bd. S. 313
— 314O
W e i s b a c h , Werner : Ludwig Wilhelm Wich-
mann, Bildhauer. (A.D.B. 42. Bd. S. 314
-316.)
Biographische Bibliographie.
49'
Günther: Moritz Ludwig Georg Wlch-
mann, Astronom. (A. D. B. 42. Bd.
S. 316.)
Stegfried, C: Johann (Christoph) Wich-
mannshausen. (A. D. B. 42. Bd. S. 316.)
Wunschroann, E.: Max Ernst Wichura»
preussischer Regierungsrath. (A. D. B.
42. Bd. S. 316—318.)
^Brummer, Franz: Julias von Wickede.
(8.261-262.)
Potcn, B.: Julius v. Wickede, Schrift-
steller. (A. D. B. 42. Bd. S. 318-319.)
Schäfer, Dietrich: Thomas v. Wickede,
BQrgermeister von Lübek. (A. D. B. 42. Bd.
S. 319^320.)
Ilwof, Franz: Matthias Constantin Capello
Graf von Wickenbiirg. (A. D. B. 42. Bd.
S. 320-325O
Schlossar,A.: Wilhelm ine Gräfin Wicken-
burg-Almasy, deutsch-österreichische Dich-
terin. (A. D. B. 42. Bd. S. 326—327.)
K a i n d 1 , R. F. : Franz Adolf Wickenhauser,
Geschichtsforscher. (A. D. B. 42. Bd.
S. 337-328.)
Schmidt, Erich : Jörg Wickram. (A. D. B.
42. Bd. S. 328— 336.)
Hey: Job. Goswin Widder, pfälz. Histori-
ker. (A. D. B. 42. Bd. S. 338.)
Cuno: Friedrich Widebram, reformirter
Schulmann und Dichter. (A. D. B. 42. Bd.
s. 338—340.)
Steiff, K.: Johannes Wldenast (Vydenast).
(A. D. B. 42. Bd. S. 340 — 341.)
Lauchert: Franz Xaver Widenhofer, katho-
lischer Theologe. (A. D. B. 42. Bd. S. 341
—34a.)
V. Winckel, F.: Barbara Widenman(nin)-
(A. D. B. 42. Bd. S. 342—343.)
Tschackert, Paul: Philipp Ehrenreich
Wider (Wieder), evang. Theologe. (A.D.B.
42. Bd. S. 343.)
Fränkel, L.: Achilles Jason Widman(n).
(A, D.B. 42. Bd. S. 345—346.)
Lier, H. A.: Christian Adolf Friedrich
Widmann, Dichter u. Politiker. (A. D. B.
42. Bd. S. 352— 354-)
Meyer, Christian: Enoch Widmann, Ge-
schichtsschreiber. (A. D. B. 42. Bd. S. 354
—3550
Fränkel, L.: Erasmus Widman(n), Mu-
siker u. musikaL Dichter. (A.D.B. 42. Bd.
s. 346-350 )
r. Schulte: Franz Widmann, Kanonist.
(A. D. B. 42. Bd. S. 355.)
Fränkel, L. Georg Widman(n), Chronist.
(A. D. B. 42. Bd. S. 345.)
Fränkel, L.: Georg Rudolf Widman(n),
Bearb. d. Faust - Volksbuchs. (A. D. B.
4J. Bd. S. 350—352-)
Widmann, J. V.: Erinnerungen an Johannes
Brahms. s. Brahms.
BiogT. Jfttarb. a. Deutacher Nekrolog. 2. Bd.
Heyd: Johann Widmann (Salicetus). (A.
D. B. 42. Bd. S. 355-357.)
Cantor: Johannes Widmann von Eger,
Mathematiker. (A. D. B. 42. Bd. S. 355.)
V. Oefele: Leonhart Widmann, Regens-
burger Chronist. (A. D. B. 42. Bd. S. 357.)
R i e z 1 e r : Johann Albrecht Widmanstetter,
Staatsmann u. Humanist. (A. D. B. 42. Bd.
s. 357-361.)
Lauchert: Joseph Widmer, katholischer
Theologe. (A. D. B. 42. Bd. S. 361—
362.)
Holland, Hyac: Max Ritter von Widn-
mann, Bildhauer und Akademieprofessor.
(A. D. B. 42. Bd. S. 362—364.)
▼. Hoyer, E.: Friedr. Karl Hermann Wiebe,
Ingenieur. (A. D. B. 42. Bd. S. 370 — 372 )
Frölich, H.: Johann Wilhelm v. Wiebel,
deutscher Militärarzt. (A. D. B. 42. Bd.
s. 372.)
Eitner, Rob., Friedrich Wieck, Musiker
u. Musikpädagoge. (A. D. B. 42. Bd. S. 373
—375.)
V. Hoyer, E.: Friedrich Georg Wieck, tech-
nologischer Schriftsteller u. Industrieller.
(A. D. B. 42. Bd. S. 372-373.)
Günther; Basilius Christian Bernhard
Wiedeburg, Astronom. (A D. B. 42. Bd.
S. 375-)
Wegele: Friedrich Wiedeburg, Historiker.
(A. D. B. 42. Bd. S. 375.)
Stalmann, W.: Friedrich August Wiede-
burg, Universitätsprof. u. Schulmann. (A.
D. B. 42. Bd. S. 376—377.)
Günther: Johann Bernhard Wiedeburg,
Theolog u. Astronom. (A. D. B. 42. Bd.
S. 379— 380O
Günther: Johann Ernst Basilius Wiede-
burg, Physiker u. Astronom. (A. D. B.
42. Bd. S. 380.)
Koldewey: Justus Theodor Wiedeburg.
(A. D. B. 42. Bd. S. 378—379.)
▼. Winckel, F.: Christian Rudolf Wilhelm
Wiedemann, Anatom. (A. D. B. 42. Bd.
S. 381.)
Lauchert: Georg Friedrich Wiedemann,
katholischer Theologe u. Historiker. (A.
D. B. 42. Bd. S. 381—383.)
Hess, R«: Wilhelm v. Wiedenmann, Forst-
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Schneider, Eugen: Konrad Wiederhold.
(A. D. B. 42. Bd. S. 386—388.)
Brandt, Otto: Ludwig Heinrich Wieder-
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Brandt, Otto : Johann Ludwig Wiederholdt,
hervorragender Jurist. (A. D. B. 42. Bd.
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Carstens: Karl Johannes Friedrich Wilhelm
Wieding, gelehrter Jurist. (A. D. B. 42. Bd.
s. 389-390.)
Oppenheimer, Carl: Johann Christian
d
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Biographische Bibliogiapliie.
Wiegleb, Apotheker. (A. D. B. 42. Bd.
S. 390.J
I>»aeleD, Eduard: Rudolf Wi^;iBauni, Ar-
chitekt n. Maler. TA. D. B. 42. Bd. S. 390
V. Stamford, Carl : Ernst Heinrich Wieg-
rebe, korffirstL hessischer Oberst. (A. D.
B. 42. Bd. S. 39«— 395-)
Pagel: Joseph Wiel, schweixer Arzt. (A.
D. B. 42. Bd. S. 395.;
Koch, Max: (Christoph) Martin WieUuuL
(A. D. B. 42. Bd. S. 400 — 419.)
Meyer v. Knonau: P. Johann Baptist Wie-
laod, gelehrter Benedictiner. (A. D. B.
42. Bd. S. 398—399.)
F I an kcl , Lodwig: Johann Sebastian Wie-
land , Dichter. (A. D. B. 42. Bd. S. 395
- 398.;
V. *Salis, Arnold: Kari Dietrich Wielaad,
Jurist. (A. D. B. 42. Bd. S. 399—400.)
Carstens: Ludolf Christian Wienbftrg.
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Elze, Th: Paul Wiener, Mitreformator in
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Pocke: Arnold Wienholt, Arzt. (A. D. B.
42. Bd. S. 422.)
Bah Im an n, P.: Franz Wieniewskl, Philo-
loge. (A. D. B. 42. Bd. S. 422—423.)
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auf der Pariser Weltausstellung 1867.
(Der Bär. 23. Jahrg. 4. S. 18-21.)
E i t n e r , Rob. : Wilhelm Friedrich Wieprecht,
Gcneralmusikdirector des preuss. Garde*
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S. 427.)
V. Eisenhart: Georg Stephan Wiesand,
Rechtslehrer. (A. D. B. 42. Bd. S. 427 —
429.)
•Weltner, A. J.: Wilhelm Wiesberg,
österr. Volksschriftstcller. (S. 345 — 347.)
K 1 e n z , Heinrich : Georg Walter Vicent (von)
Wiese, Kanonist, Staatsmann. (A. D. B.
42. Bd. S. 429 — 430.)
Miller, Albert: Friedrich (Jnlins Angvst
Wieseler. (A. D. R 42. Bd. S. 430—
433-)
Tschackert, Paul: Kari Georg Wteseler,
erang. Theologe. (A. D. B. 42. Bd. S. 433-'
Hacker mann: Christian Enoch Wieseaer,
Theologe n. Dickter. (A. D. B. 42. Bd.
S- 433—434-)
Landsberg, Ernst: Jost Karl Wiesen-
taaaeni, Protestant. Kanonist. (A. D. B.
42- Bd. S. 434— 435)
L auch er t: Georg Franz Wiesner, kathol.
Theologe. (A. D. B. 42. Bd. S. 435 —
436.)
M filier, Rudolf: Konrad Wiesner, Kupfer-
stecher. (A. D. B. 42. Bd. S. 436— 440k)
T. Schulte: Jakob Wlessner, Kanonist.
(.A. D. B. 42. Bd. S. 440.)
Lauch ert: Stephan Wiest, kathoL Theo-
loge. (A. D. B. 42. Bd. S. 440-442.)
L ier, H. A.: Heinrich Wtethase, Architekt.
(A. D. B. 42. Bd. S. 442.)
▼.Schulte: Maximilian Wietro wski, J esuit.
(.A. D. B. 42. Bd. S. 442.)
Pfau, Karl Fr.: Georg Wigand, Vericger.
(A. D. B. 42. Bd. S. 449—451.)
Brecher: Johann Wigand, lutherischer
Theolog. (A, D. B. 42. Bd. S. 452— 454-)
Wu nschmann, E.: (Julius Wilhelm) Albert
Wigand, Botaniker. (A. D. B. 42. Bd.
S. 445—449-)
S t i e d a , L. : Justus Heinrich Wigand, Arzt.
(A. D. B. 42. Bd. S. 454— 457-)
Pfau, Karl Fr.: Otto Wigand, Buchhänd-
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Lauchert: Martin Wigandt, kathoL Theo-
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Pagel: Franz Jacob Wigard, Arzt u. Steno-
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Klenz, Heinrich: Gustav (Adam) Friedrich
Wiggers, Theolog. (A.D.a 42. Bd. S.463
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Pagel: Heinrich Augrust Ludwig Wiggers,
Pharmakolog. (A. D. B. 42. Bd. S. 465.)
Lauchert: Johann Wiggers, kathol. Theo-
loge. (A. D. B. 42. Bd. S. 465.)
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Wiggers, Politiker (A.D.B. 42. Bd. S.465
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(A. D. B. 42. Bd. S. 489—490.)
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sänger u. Dramatiker. (A. D. B. 42. Bd.
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Professor der Rechte. (A. D. B. 42. Bd.
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berg, Arzt. (A. D. B. 42. B. S. 495.)
Gurlt, E.: Johannes Wildberger, Ortho*
päde. (A. D. B. 42. Bd. S. 495.)
Gurlt, E. : Jobann Christian Wilde, Ana-
tom. (A. B. B. 42. Bd. S. 496.)
Stieda, L.: Peter Ernst Wilde. (A. D. B.
42. Bd. S. 496—498.)
Riezler: Ritter Hans Ebran von Wilden-
berg, bairischer Chronist. (A.D.B. 42. Bd.
S. 498— 499«)
Hippe, M.t Hieronymus Gürtler von Wil-
denberg. (A. D. B. 42. Bd. S. 499.)
Fränkel, Ludwig: Karl August Wilden-
bahn, Erbauungsschriftsteller. (A. D. B.
42. Bd. S. 500—503.)
Ree: Georg Christian Wilder, Architektur-
zeichner u.- Kupferstecher. (A.D. B. 42. Bd.
S. 504.)
Schott, Theodor: Ottilie Wildermuth.
(A. D. B. 42. Bd. S. 504—507.)
Cuno: Johann Daniel Wildius, reform,
theolog. Schriftsteller. (A. D. B. 42. Bd.
S. 507.)
Hess, R.: Ludwig Karl Eberhard Heinrich
Friedrich von Wildungen, Forstmann.
(A, D. B. 42. Bd. S. 513—515.)
V. Kisenhar t: Christian Wildvogel, sächs.-
eisenach. Geheimrath, Senior d. Jenenser
Juristenfacultät. (A. D. B. 42. Bd. S. 515
-516.)
Ambrosius Wilflingseder, Diakonus u. Mu-
sikschriftsteller. (A. D. B. 42. Bd. S. 516
—517.)
Krieger: Wilhelm, Markgraf von Baden
(-Baden). (A. D. B. 42. Bd. S. 697—699.)
Poten, B: Wilhelm Ludwig August, Prinz
u. Markgraf von Baden. (A.D.B. 42. Bd.
S. 699—701.)
Poten, B. : Ludwig Wilhelm August, Prinz
von Baden. (A. D. B. 42. Bd. S. 701—
703.)
Riezler: Wilhelm III., Herzog von Baiern-
München. (A. D. B. 42. Bd. S. 703—705.)
Riezler: Wilhelm IV., Herzog v. Baiern.
(A. D. B. 42. Bd. S. 705 — 717.)
Riezler: Wilhelm V., der Fromme, Her-
zog von Baiern. (A. D. B. 42. Bd. S. 717
—723.)
Redlich: Wilhelm I., Herzog von Berg.
(A. D. B. 42. Bd. S. 723—727.)
Zimmermann, P.: Wilhelm der Aeltere,
Herzog zu Braunschweig u. Lüneburg.
(A. D. B. 42. Bd. S. 733 — 738.)
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Herzog zu Braunschweig und Lüneburg.
(A. D. B. 42. Bd. S. 738—741.)
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Wilhelm der Grosse. Ein Lebensbild. Za-
bern: A. Fuchs. 8. 32 S. m. Bild.
Kaiser Wilhelm d. Grosse. Jubiläums-Schrift
y. Sachs. Gustav -Adolf- Boten. Dresden:
F. Sturm & C. 8. 16 S. m. Abb.
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— 1882. Neue Ausg. M. e. cinl. Dichtg.
V. Jul. Wolff u. Illustr. von A, v. Hcyden.
München: F. Bruckmann. 4. 54 S. Text.
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boten. 56. Jahrg. I. 8. S. 513 — 516.)
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Zum 22. März 1897 hrsg. v. Grossen Ge-
neralstabe. Nebst Plänen. Berlin : E. S. Mitt-
ler & Sohn. 8. 82 S. [Kriegsgeschichtl.
Einzelschriften. Hrsg. v. Gr. Gcneralst.-
Abth. f. Kriegsgesch. H. 19.]
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(Der Bär. 23. Jahrg. 4. S. 162 — 164.)
Adami, Frdr. : Das Buch vom Kaiser
Wilhelm. Ein Lebensbild, nach d. Auf-
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sen. 2. [Titel-] Aufl. 2 Bde. Bielefeld:
Velhagen & Klasing. 8. V, 466 S. ; V,
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5., neu durchges. u. yerm. Aufl. Kaisers-
werth: Diakonissen -Anstalt. 8. 166 S,
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Festrede d. Universität Heidelberg. Heidel-
berg: J. Höming. 8. 25 S.
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Basel: F. E. Perthes. 8. 48 S. m. Titel-
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denkaiser. Bilder aus d. Leben d. grossen
Kaisers Wilhelm L 4.-7. Aufl. 31—65.
Taus. Herborn: Buchh. d. Nass. Col-
portagever. 8. 64 S. m. Abb.
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der Grosse. Berlin: A.Weichert. 8. 159S.
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maurer in Wort u. That. 5. unveränd. Aufl.
Hannover: A. Kiepert. 8. VIII, 80 S.
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Buchh. 8. 20 S. m. Abb.
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Berlin: A. W. Hayn's Erben. 8. III, 123 S.
m. Illustr.
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3. — 5. Aufl. Cöthen: Schriftenniederl. d.
cvang. Vereinshauses. 8. 138 S, m. i Bildn.
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Nebst urkundl. Anlagen. Berlin: E. S.
Mittler & Sohn, 4. 57 S.
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Mit 73 Text-IUustr. u. 1 Titelb. Berlin:
W. Pauli's Nachf. 8. 160 S.
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und die preussischc Volksschule. (Monats*
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wieck a./H.: A. W. Zickfeldt. 8.
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Mayen: L. Schreder. 8. 15 S.
Hoffmeyer, L.: Kaiser Wilhelm d. Grosse.
I. — 4. Aufl. Breslau: F. Hirt. 8. 48 S.
m. 18 Abb.
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Kaiser Wilhelms L Hamm: Breer & Thie-
mann. 8. 16 S. m. Bild.
Jahnke, Ernst: Festgabe zum loojähr. Ge-
burtstage Kaiser Wilhelms des Grossen.
Danzig: R. Barth. 8. 32 S. m. Abb.
J ah n k e , Herm. : Wilhelm-Gedenkbuch. Zum
Andenken an den 100 jähr. Geburtstag
Kaiser Wilhelms des Grossen. M. 1 Kunst-
beil, u. Abb. Berlin: P. Kittel. 4. Kl.
Ausg. 72 S. Gr. Ausg. 106 S.
Kohl, Horst: Kaiser Wilhelm L (Blätter
fttr literar. Unterhaltung. Jahrg. 1897, IL
4. S. 721—725.)
Kort Um, Frdr. Wilh.: Kaiser Wilhelm der
Grosse. Hannover: Göhmannsche Buchdr.
8. 36 S. m. Abb. u. Bildn.
I^Urschner, Jos.: Heil Kaiser Dirl Das
Leben und Wirken Kaiser Wilhelms I.
Berlin: H. Hillger. 8. 416 S. m. Abb.
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R. Walther. 4. 408 S.
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Hrsg. V. d. Vereinig, v. Freunden christl.
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M a r a u n , W. : Kaiser Wilhelm des Grossen
Denken u. Wollen nach Selbsteigenero
Wort und letztwilHgen Aufzeichnungen.
Herrliche Zeugnisse erhabener Seelengrösse
u. edlen, frommen Sinnes. Berlin-Schöne-
berg: Militär -Verlagsanst. 8. 72 S. m.
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kirche. BUderschmuck unter Berücks. d.
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I^ben Kaiser Wilhelms I. Leipzig: B.
Richter. 8. VII, 42 S. m. Bildn.
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kopf & Härtel. 8. IV S., I Bl,, 119 S..
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GedenkbUchlein. 15.— 25. Aufl. Dresden-
Blasewitz: Gustav-Adolf-Vcrlag. 8. 24 S.
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Str ei ssler, Frdr.: Kaiser Wilhelm der
Grosse, der Einiger Deutschlands. Reut-
lingen: R. Bardtenschlager. 8. 80 S. m.
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schichte seiner Zeit u. der von ihm ge-
führten Nationalkriege bis zu seinem Tode
m. histor. Einleitung. 2 Bde. Berlin: L.
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DEUTSCHER NEKROLOG
VOM I. JANUAR BIS 3i. DECEMBER
i897.
Homo über de nulla re minus, quam
de morte cogitat et ejus sapientia non
mortis, sed vitae roeditatio est.
Spinoza. Ethlces pars IV. Propof.
LXVII.
Biogr. Jahrb. u. Deutacher Nekrolo|f.^ 2. Bd.
• "•
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• •
Deutscher Nekrolog vom i. Januar bis 31. December 1897. 'V '•*,
Reimer, Ernst Heinrich, Buchhändler in Berlin, * in Berlin am 5. Juli
^^33» t ^^ J^^3. am 19. October 1897. — Nach einer sonnigen Kindheit, in
den weiten Räumen und Gärten des heutigen Hausministeriums, wurde Ernst
Reimer, der älteste Sohn von Georg Reimer, zunächst nicht Buchhändler,
sondern Seemann. Neigung und Wesen leiteten den lebensfrohen und leibes-
gewandten Jüngling, als er 1850 das Friedrichs- Werdersche Gymnasium ver-
liess und mit erwirkter väterlicher Zustimmung seine erste Seereise auf einem
Bremer Kauffahrteischiffe antrat. Es führte ihn — als Schiffsjungen, dann als
Matrosen — westwärts über Lima, Hongkong und Ceylon bis zum Cap der
Guten Hoffnung, wo es Havarie erlitt. Erst Februar 1854 kehrte er auf
fremdem Schiffe heim, war zweimal in Nordamerika und erwarb sich 1855
auf der Navigationsschule zu Danzig den Grad eines Obersteuermanns. Wieder
auf einer Reise nach Ostindien und China begriffen, starb ihm 1858 in der
Heimath der Bruder Max im Beginn der buchhändlerischen Ausbildung.
Das bedeutete für Ernst Reimer, dessen seelische Entwickelung die gei-
stigen Entbehrungen seines Berufes und die geselligen Härten seiner Um-
gebung mit wachsendem Unbehagen reflectirte, den freiwilligen Verzicht auf
Steuer und Compass, und es erfüllte sich ihm und dem Vater ein Wunsch,
als 1860 für den Siebenundzwanzigjährigen im Frommann 'sehen Hause in Jena
nach den Wanderjahren die Lehrjahre begannen. 1861 wurde ihm Adolf
Marcus in Bonn zum Lehrherm und vertrauten Freunde, ein Jahr darauf
arbeitete er in Leipzig bei Arthur Felix und 1863 öffnete sich dem als jungen
Gatten Heimkehrenden die Handlung des Vaters. Von da an war die Firma
Georg Reimer, die Georg Andreas Reimer — der Freund Amdt's und Schleier-
macher's — 1819 aus der Realschulbuchhandlung hatte erstehen lassen, ein
Menschenalter hindurch die Stätte seines Wirkens. 1865 wurde er Procurist,
1876 Theilhaber der Firma, von 1884 an war er ihr Allein inhaber, bis er am
1. Januar 1897 das Erbe seiner Väter der Hand anvertraute, die diese Zeilen
schreibt und die unter seiner Leitung für ihren Beruf sich schulen durfte.
Im Sommer darauf Hess er sich auf der Helgoländer Düne von den fluthen-
4 ' Reimer. Höhten.
den Wellen nochmals* -den Traum der Jugend erzählen, betrieb dann heiter
und verlangend die/Uebersiedelung nach Jena und erlag hier wenige Wochen
darauf einem Leid^*;. das schon Jahre an seiner Kraft und Spannung gezehrt
hatte. /••':-''
Ernst Reimef« war ein feinsinniger und hingebender Vertreter seines Be-
rufes, aus dei ^hule seiner Vorgänger. Das Buch, das er verlegte, war ihm
SelbstzweckjV-bestand es vor der Kritik wie vor dem eigenen Gefallen, so
hatte er -'d^iV besseren Theil seines Lohnes dahin. Zu dem Autor, für den
er verlegte," suchte er gerne ein persönlich vertieftes Verhältniss. Seinen
Verlag"*4ls Pflegstätte der Wissenschaft, wie er ihm überkommen war, zu
verw^te»* war ihm Pflicht und Genugthuung. So spannen sich unter ihm
auo^V-äie Fäden verdichtend fort, die seine Handlung mit der Preussischen
A:tjtdl?mie der Wissenschaften und dem Deutschen Archäologischen Institut
. yerl«nüpften und bei den Vertretern jener Körperschaften stand das stille
.^ Wirken des tüchtigen und bescheidenen Mannes in hoher Geltung.
• •'•!*•* Dem literarischen Sachverständigenverein gehörte Ernst Reimer, als Nach-
• !•. 'folger des Vaters, bis zu seinem Todesjahre an. In der Stadtverordneten-
versammlung, in die man ihn 1875 an Stelle des Vaters wählte, blieb er nur
fünf Jahre.
Im öffientlichen Leben war er niemals heimisch. In sich geschlossen,
ein Mann der Ueberzeugung und des klaren freien Urtheils, machte ihn doch
Widerspruch schon im engen Kreise schweigsam. Nicht aus Zaghaftigkeit,
dass man ihm wehe thue, sondern aus Besorgniss, Anderen wehe zu thun.
Aber Zartsinn hat eine leise Stimme und wo er im lauten Streit des Lebens
die Führung übernimmt, da wird ihm leichtlich die Resignation zur Zuflucht.
So erzählten wenigstens die seelenvollen Augen denen, die Ernst Reimer in
den letzten Jahren seines Lebens näher getreten. Als habe in dem harten
und treuen Kampf um sein Lebensideal die Entsagung die Oberhand be-
halten.
Conze im Archäol. Anzeiger 1897 S. 167; Diels in einer Beilage des Archivs für
Geschichte der Philosophie XI, i und des Archivs für System. Philosophie IV, i ; Laehr in
der AUgcra. Zeitschrift für Psychiatrie LIV S. 950 ; Virchow im Archiv für pathol. Ana-
tomie und Physiologie CL S. 388; Websky in den Protest. Monatsheften I S. 463.
W. de Gruyter.
Hülsten, Karl, Universitätsprofessor der Neutestamen tlichen Exegese in
Heidelberg, * am 2. April 1825 in Güstrow, f am 26. Januar 1897 in Heidel-
berg. — Unter den Verlusten, die das Jahr 1897 der evangelischen Kirche
gebracht hat, ist einer der schmerzlichsten der des gründlichen neutestament-
lichen Forschers und hochbeliebten Universitätslehrers Karl Holsten. Mit ihm
ist einer der letzten Vertreter der kritischen Schule dahingegangen, der selbst
sich als Schüler des Tübinger Meisters, Chr. Ferdinand Baur, zu bezeichnen
pflegte.
Dieser letzte grosse Vertreter der Tübinger Schule stammte aus dem
Lande der norddeutschen Orthodoxie, aus Mecklenburg. H. wurde geboren
1825 zu Güstrow in Mecklenburg. Sein Vater hatte Jurisprudenz studiert,
war aber vor Beendigung seiner Studien als freiwilliger Jäger in die Freiheits-
kriege gezogen und hatte sich dann als Notar in Güstrow niedergelassen. So
vererbten die patriotischen Erinnerungen des Vaters sich auf den Sohn, der
in den Schulen seiner Vaterstadt seine erste Bildung erhielt. Da die Mutter
mit dem grossen Hauswesen viel zu thun hatte, wurde der Kleine schon in
Holsten. e
seinem dritten Lebensjahre zur Schule geschickt. Träumerisch und in sich
gekehrt, entwickelte der Knabe sich langsam und hatte in den ersten Schul-
jahren viel unter der unverständigen und rohen Pädagogik einer wenig zu
lobenden Anstalt zu leiden. Der sehnliche Wunsch der frommen und ge-
müthstiefen Mutter war, ihren Karl als Pastor zu sehen und der Sohn, der
mit ganzer Seele an dieser Mutter hing, lebte sich durch seine Liebe zu ihr
gleichfalls in diesen Gedanken ein. Aus der Dumpfheit seiner ersten Schul-
zeit erwacht, fand er in den oberen Klassen Lehrer, die ihn verstanden und
an die er sich mit der vollen Begeisterung seines weichen Knabenherzens
anschloss. Von heilsamem Einfluss auf sein ganzes Leben wurde es, dass
einer der Apostel der edlen Tumkunst im Sinne des Turnvaters Jahn an der
Anstalt wirkte. Ihm verdankte es H., dass aus dem allzu runden und lang
verzärtelten Kinde ein straffer, elastischer, zu allen Leibesübungen geschickter
Jüngling und Mann wurde, hart gewöhnt, genügsam und ausdauernd, wie
wenige. Das deutsche Tumerthum jener Jahre war aber mehr als blosse
Leibesübung. Der Knabe las Jahn's lieben, Seume's Spaziergang nach Syracus
und um diese Helden der Enthaltsamkeit zu erreichen, fing er an, alles Ent-
behrliche abzuwerfen imd machte in der Bedürfnisslosigkeit solche Fortschritte,
dass kein Knecht, noch Taglöhner ihn in der Härte des Lagers oder Einfach-
heit der Verpflegung erreichte. Dass er alle Bettstücke ausser dem Strohsack
entfernte iind zum Kopfkissen zwar nicht einen Stein, aber sein Brettspiel
erwählte, nennt er selbst eine Thorheit, aber er verdankte diesem Sport seinen
stahlharten Körper. Die Gewohnheit mit Sonnenaufgang sich zu erheben und
den Tag mit einem gewaltigen Marsch zu beginnen, hat er bis in sein sieb-
zigstes Jahr beibehalten. Dabei nahm er alle jene Grundsätze der Jahn'schen
Schule in sich auf, die frisch, frei, fromm das Deutsch thum pflegte und die
seiner Persönlichkeit jenen Stempel der aufrichtigen und fröhlichen Tapferkeit
aufprägten, durch die er überall die Herzen, zumal die der Jugend gewann.
Im Jahre 1843 verliess er Rostock, um in Leipzig Theologie und Philologie
zu studieren. Bei einem jungen Manne dieser Art gehörten die ersten Seme-
ster dem Studentenleben und der Führung der Klinge und bis in sein Alter
freute er sich der schönen Erinnerungen, mit denen diese frohen Tage der
Jugendlust zu Leipzig, Berlin und Rostock sein Leben bereichert haben. Die
drei theologischen Fakultäten, an denen er studierte, zumal die der Heimath,
gehörten alle drei der theologischen Richtung an, der er selbst nachmals
nicht angehörte. So scheint sein Beispiel die Erfahrung zu bestätigen, dass
sich die theologische Richtung des Mannes oft im Gegensatze zu der Schule
feststellt, die der Jüngling durchlaufen. In der That wusste H. selbst mit
Humor davon zu erzählen, mit welchen Glossen er und seine Freunde so
manche Auslegung der Hengstenberg'schen Exegese begleiteten und wie wenig
Neander's wohlgemeinte Apologetik bei ihnen verfing. Dennoch hat auch er
seine entscheidenden Anregungen, wenn auch nicht im theologischen Hörsaal,
so doch im akademischen Leben erhalten. Seine Studienjahre seit 1843 fielen
in die Zeit, in der die jüngere Hegel'sche Schule ihre gewaltige Wirkung auf
die heranwachsende Generation übte und eine stürmische, mit Geist und Witz
gehandhabte Kritik gerade die begabten und lebendigen Naturen in ihre
Kreise verstrickte. Der Streit über das Leben Jesu und die christliche Cxlau-
benslehre von David Friedrich Strauss bewegte noch immer die theologische
Welt. Die Schriften von Ludwig Feuerbach, die Halle'schen Jahrbücher von
Arnold Rüge, die Tübinger Jahrbücher von Ferdinand Christian Baur, die
6 Holsten.
Paradoxieen und Quertreibereien des jungen Bruno Bauer hatten die philoso-
phischen und theologischen Studien zu einer Arena voll Kampfruf und Staub-
wirbeln gemacht und H. glich sein Leben lang einem edeln Streitross, das
die Ohren spitzt, wenn die Fanfare geblasen wird und gern dabei ist, wo
Schwert und Schild an einander klirren. Eifrig vertiefte sich schon der Ber-
liner Student in das Studium der Hegel'schen Philosophie. Namentlich die
dreibändige Geschichte der Philosophie aus Hegel's Nachlass war eines seiner
Lieblingsbücher und ihrer Grundanschauung von der Selbstentfaltung der Idee
in der Geschichte und dem Hegel'schen Begriffe der Entwickelung ist er nie-
mals untreu geworden. Aber die eigentliche Leuchte, die seinem theologi-
schen Schifflein auf der wildbewegten See die Richtung wies, wurde schliess-
lich doch Schleiermacher. So wenig der tapfere Mann alle Vermittelungen
Schleiermacher's und dessen Neigung zu vorsichtig ausbeugenden Formeln
guthiess, die Grundprincipien seiner eigenen Religionsphilosophie stammen aus
Schleiermacher's Schule. Mit diesen Anregungen, die ihn mehr aufgeregt als
geklärt hatten, kehrte er nach Rostock zurück. Er selbst bekennt, das
eigentliche ernste Studium habe iiir ihn erst in diesen späteren Semestern
begonnen.
Einem jungen Theologen von seiner Richtung konnten die Wege in der
mecklenburgischen Heimath keine leichten Wege sein, aber sein offener, fröh-
licher Sinn und eine glückliche Gabe, alle Gegensätze von ihrer humoristi-
schen Seite zu nehmen, erleichterten ihm die Schwierigkeiten, an denen eine
schwerere und minder helle Natur gescheitert wäre. Krabbe, Delitzsch, Hof-
mann, Kliefoth und wie die gestrengen Lehrer und Examinatoren alle hiessen,
seiner Liebenswürdigkeit widerstanden sie nicht. Sie wollten ihn sogar fest-
halten, wo er selbst bedenklich war. »Predigen Sie sich in's Christenthum
hinein!« sagte ihm Krabbe. Bereits aber war in ihm der forschende und
sondernde Geist erwacht, der ihn drängte, die einzelnen Vorstellungen und
Lehrbegriffe strenger in's Auge zu fassen und jeden neutestamentlichen Schrift-
steller als literarische Individualität zu studieren. So geht eine seiner epoche-
machenden Untersuchungen über den Begriff der oofpS im Neuen Testamente
in ihren Anfängen bis in die Studienzeit zurück, denn H. hatte durch
eine Preisaufgabe der theologischen Fakultät zu ihr den ersten Anstoss er-
halten. Dann war es Delitzsch, der ihn anwies, das alte Testament mit der
Feder in der Hand zu lesen, um sich über das Verhältniss der Propheten
und Psalmisten zum Ritualgesetz eine selbständige Meinung zu bilden und
ihn so darauf leitete, auch die neutestamentlichen Begriffe überall auf ihre
alttestamentliche Grundlage anzusehen. Er selbst bekennt, dass er damals
sich gewöhnt habe, jedes Problem auf Grund der Sammlung und Verarbei-
tung des gesammten thatsächlichen Materials zu lösen und nicht das Material
erst nachträglich zur Begründung seiner Ideen, oder wie er gern sagte, seiner
Blaumontagseinfälle, beizuziehen. »Nach dem zweiten theologischen Examen«,
so schreibt H. in einer eigenen Aufzeichnung, die mir vorliegt, »stand nun
zur Frage, ob er um eine Pfarre sich bewerben solle. Nun hatte«, so heisst
es in dieser eigenhändigen Niederschrift, »seit einer Reihe von Jahren das
Kliefoth' sehe Regiment in Mecklenburg ein starres Bekenntnisslutherthum zur
ausschliesslichen Herrschaft gebracht und jeden Widerstand dagegen mit der
Hilfe der Staatsregierung niedergeschlagen. In der Voraussicht, dass er mit
diesem Regimente sofort in Streit gerathen und in diesen Streit auch die
Gemeinde hineinziehen werde, entsagte er seinem ursprünglichen Lebensideale
Holsten. y
und trat in den Schuldienst.« Auch als im Laufe der nächsten Jahre dem
bereits Verheiratheten eine der schönsten Pfarreien der Heimath von der
Gemeinde angeboten wurde, lehnte er ab, nicht, weil er an seinem Rechte
zweifelte oder den Kampf für sich scheute, sondern weil er nicht Unfrieden
und Streit in eine Gemeinde tragen wollte, die sich bis dahin des Friedens
erfreut hatte. Siebzehn Jahre wirkte er so an dem Gymnasium zu Rostock,
von 1853. bis 1870, anfänglich hauptsächlich als Religionslehrer, später auch
als vortrefflicher Lehrer der deutschen und griechischen Literatur in den
Oberklassen. Er dachte wohl auch an die Herausgabe einer deutschen Gram-
matik zum Schulgebrauche. »Aber die Theologie«, so schreibt er selbst,
^blieb Herrscherin in seinem Gemüthe«. Wie aber alle seine literarischen
Impulse immer zugleich moralische waren, so war seine erste grosse Publika-
tion, durch die er das Auge der gesammten theologischen Welt auf sich
lenkte, ein Ritterdienst, den er einem Todten zu schulden glaubte. Im Jahre
1860 starb Christian Ferdinand Baur, der Theologe, den H. von allen leben-
den am höchsten stellte und dem er selbst für seine wissenschaftliche Ent-
wickelung am meisten verdankte. Landerer aber sprach in seiner Rede am
Grabe des CoUegen, Baur*s ganze Lebensarbeit sei auf Beseitigung des Wun-
ders im Neuen Testamente gerichtet gewesen. Nun habe er aber erklärt,
dass die Bekehrung des Paulus weder durch eine historische, noch logische,
noch psychologische Analyse zu begreifen sei. Und da er also ein Wunder
habe stehen lassen müssen, so habe er damit alle Wunder stehen lassen.
Seine Lebensarbeit sei also vergeblich gewesen. Das war nach H.*s eigener
Niederschrift äer Anlass zu seinem berühmten Aufsatze: »Die Christusvision
des Paulus«. Er wollte Landerer zeigen, dass die natürliche und psycholo-
gische Erklärung der Paulusvision keineswegs unmöglich sei. Gleich bei dieser
ersten grösseren Studie zeigte sich der Gewinn seines Grundsatzes, jede Frage
auf Grund des ganzen Materials zu entscheiden. Der Streit über eine Frage,
die von den Meisten auf Grund ihrer dogmatischen Principien und ihrer
ganzen Weltanschauung entschieden wird, wurde fiir ihn zu der Frage nach
der Christologie des Paulus überhaupt. Um festzustellen, wie hat Paulus den
Messias auf dem Wege nach Damaskus geschaut, fragte er, wie hat er ihn in
seinen Briefen beschrieben, denn er wird ihn nicht anders beschrieben haben,
als er ihn schaute. Dieses Christusbild des Apostels verglich er dann wieder
mit den Messiasbild em des alten Testaments, mit der Lehre vom himmlischen
und irdischen Menschen bei Philo und so wurde der Streit über eine einzelne
Thatsache für ihn der Punkt, von dem aus er überhaupt in die paulinische
Theologie eindrang. Die Abhandlung erregte das grösste Aufsehen und wurde
zum Ausgangspunkt einer neuen Phase der kritischen Schule, die mit erneu-
tem Eifer begann, von den vier grossen Paulusbriefen her sich nicht nur über
die Anschauungen des Apostels, sondern über das apostolische Zeitalter selbst
zu unterrichten. Die früheren Lichter waren durch die Strauss'sche Kritik
ausgelöscht, hier aber waren Anhaltspunkte gegeben, an denen weiter tastend
man sich im Dunkeln orientirte. Was aber H.'s Auge geschärft und ihn die
Kunst gelehrt hatte, im Dunkeln zu sehen, das war sein unermüdlicher Fleiss,
der es nicht müde wurde, jeden paulinischen Ausdruck immer und immer
wieder zu prüfen, was er enthalte und was er voraussetze. Zunächst machte
H. von den Ergebnissen seiner ersten Arbeit die Anw^endung auf die Er-
forschung des Glaubensinhalts des Judenchristenthums. Aus den Aeusserungen
des Paulus, zumal im Galaterbrief, construirte er sich die Messiasvision des
g Holsten.
Petrus, die ja gleichfalls durch Paulus bezeugt ist, und sodann das ganze
judenchristliche Dogma. Nicht aus der Apostelgeschichte, sondern aus den
paulinischen Briefen studierte er den Petrinismus. Die neue Arbeit konnte
erst 1867 erscheinen, da er eben nur die kurzen Schulferien für seine theo-
logischen Forschungen zur Verfügung hatte und das Aufrücken in den Unter-
richt der obersten Klassen vermehrte Schularbeit mit sich brachte. Bald
darauf wurde er zum Director des Gymnasiums vorgeschlagen, aber er unter-
lag mit einer einzigen Stimme; die Majorität wählte einen ansässigen Lehrer,
der in allen Stücken H.'s Widerpart war, so dass dieser sich um die Leitung
der Bürgerschule bewarb, um sich diesem misslichen Verhältnisse zu ent-
ziehen. Gerade in diesem Augenblicke kam zu H.'s Freude ein Ruf nach
der Schweiz. Der Erziehungsrath der Universität Bern, der die theologische
Fakultät lang in positivem Sinne besetzt hatte, nachdem Zeller's Berufung in
den vierziger Jahren mancherlei Schwierigkeiten bereitet hatte, war durch die
Bemühungen des Sohnes von Jeremias Gotthelf, des einflussreichen Pfarrers
Bitzius, und der beiden Berner Prediger Langhans für die Berufung H.'s ge-
wonnen worden. Auch die Züricher Theologen Hirzel, Lang, Furrer hatten
auf ihn hingewiesen, dessen Abhandlung über die Paulusvision sie als die
bedeutendste wissenschaftliche Arbeit der letzten Jahre bezeichneten. Da
zur Dotation einer neuen theologischen Stelle keine Mittel zur Verfügung
standen, wurde H. 1870 zunächst als Lehrer am Gymnasium und als Extra-
ordinarius an der Universität angestellt, trat aber schon im folgenden Jahre
als Ordinarius ganz zur theologischen Fakultät über. Die sechs Jahre seines
Aufenthalts in der Schweiz hat H. stets als eine glückliche und frohe 2^it
bezeichnet. Sein frisches und männliches Wesen gefiel den Oberländern. Er
hatte etwas Sieghaftes in seiner Erscheinung, dem sich alles von selbst unter-
ordnete. Ein schöner Mann, nicht im banalen Sinne des Wortes, sondern
von ernster Schönheit des feingeschnittenen Profils, des fesselnden Auges und
der durchgearbeiteten, streng männlichen Züge. Aber während er frei und
frank mitten im Volksleben schwamm und mit seiner herzlichen und auf-
richtigen Liebenswürdigkeit überall Freunde fand, hielt er sich doch streng
an seine Lehraufgaben und vermied so die Klippe, an der so viele Deutsche
scheiterten, er mischte sich nicht in die Fragen des Kantons. »Ihr habt stets
Zwecke«, pflegte er seinen neuen Freunden zu sagen, während er, ein Idea-
list im edelsten Sinne, sich nur für die Ideen interessirte und flir die Wahr-
heit. Wo aber in das Gebiet, das er zu vertreten hatte, die Gegner einen
Einbruch machten, da stellte er seinen Mann. So trat er schon im zweiten
Jahre seiner Berufung dem Kirchenvorstande der Münstergemeinde, der dem
Reformvereine zu seinem Festgottesdienste die Kirche mit einer sehr unduld-
samen Motivirung verweigerte, in einer Reihe von schneidigen Aufsätzen in
den »Zeitstimmen« entgegen, indem er jeden Satz des Präsidenten von Wur-
stemberger-S teiger zum Thema einer eigenen Abhandlung nalim.
Hatten seine wissenschaftlichen Arbeiten sich bis dahin auf das ganze
Gebiet der paulinischen Theologie erstreckt, so brachte es seine Lehrpflicht
nun mit sich, Semester für Semester sich auch mit den Evangelien zu be-
schäftigen. Mit gewohntem Fleiss und grossem Scharfsinn griff" er die viel-
behandelten Probleme der Evangelienkritik auf und trat auch hier den Auf-
stellungen Baur's bei, dass Matthäus das älteste Evangelium und Markus ein
Auszug aus Matthäus und Lukas sei. Das Ergebniss dieser Forschungen, die
wiederum zeigten, mit welcher geistigen Energie er jede Frage ergriff und
Holsten. o
mit welchem Fleisse er sie bis in 's Minutiöse verfolgte, war seine Schrift über
die synoptischen Evangelien, die aber erst 1885 zu Heidelberg erschien. Denn
so wohl er sich auch in der Schweiz fiihlte, dem Rufe in die Heimath wider-
stand er dennoch nicht, nachdem die neue Sonne des deutschen Reiches so
glänzend aufgegangen war. So übernahm er 1876 den Lehrstuhl für Neues
Testament an der Universität Heidelberg. Wie er in treuer Arbeit half, diese
Fakultät von ihrem geringen Besuch zu einer erfreulichen Frequenz empor-
zuheben, mit welcher jugendlichen Begeisterung er sich seinem Lehrberufe
widmete, lebt noch in der Erinnerung der theologischen Welt. Literarisch
aber sind die Heidelberger Jahre für ihn die Jahre der Ernte, in denen er
die gereiften Halme als Garben unter Dach brachte. In dem gross angelegten
Werke »Das Evangelium des Paulus« gab er seine Auslegung des Galater-
und ersten Korintherbriefes. In der Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie
begründete er eingehend seine Kritik der Aechtheit des Philipperbriefes. Die
synoptischen Studien zeitigten eine Reihe von Aufsätzen über die Grund-
begriflfe der Bergrede, Reich Ciottes, Menschensohn, Gottessohn, durch die er
in ähnlicher Weise ein Bild des Selbstbewusstseins Jesu zu zeichnen versuchte,
wie er zuvor das Selbstbewusstsein des Apostels genau beschrieben hatte.
Wohl konnte uns dabei zuweilen der Zweifel kommen, ob diese strikte Aus-
legung der griechischen Ausdrücke Geltung habe für den, der nicht griechisch,
sondern aramäisch geredet hat, doch verlor dieser Einwand viel an seiner
Schärfe bei der Gewissenhaftigkeit, mit der der Exeget der hebräischen Grund-
lage der griechischen Vorstellungen nachgegangen war und für das Verständ-
niss des griechischen Textes jedenfalls war seine gewissenhafte und tiefgehende
Untersuchung von bleibendem Werthe. Auch als einer der letzten Vertreter
der grossen spekulativen Epoche unserer Wissenschaft trat er jetzt unter uns
auf, indem er über Religionsphilosophie las und einzelne Abhandlungen aus
diesem Gebiete veröffentlichte. Erinnerte seine rein deduktive Methode an
die Hegel'sche Schule, aus der auch einer seiner Vorgänger, Daub, hervor-
gegangen war, so ist seine Definition der Religion als Gefühl der Abhängig-
keit von dem All, das dem Menschen lebenhemmend und lebenfördernd
gegenübersteht, im Wesentlichen die Schleiermachers.
So sahen wir ihn bis über sein siebzigstes Lebensjahr hinaus in reger
geistiger Arbeit, stets den Kopf voll neuer exegetischer Probleme, stets seinen
Paulus in der Hand, den er doch schliesslich völlig im Gedächtniss hatte, so
dass er weder bei der Vorlesung, noch bei dem Examen eines Textes be-
durfte. Das führt denn auf die andere Seite seiner Wirksamkeit, auf seine
Lehrthätigkeit. H. war das Ideal eines akademischen Lehrers. Nicht nur
dass er mit zündender Beredsamkeit sprach und die Hörer mit sich fortriss,
er wusste vor allem auch, wie man unterrichtet. In seiner langen Schul-
thätigkeit hatte er gelernt, wie man lehrt; er hielt nicht bloss Reden, sondern
gab Lektionen; er ging so vor, dass die Vorstellungen auch Zeit hatten,
Wurzel zu schlagen und dass er ein Fundament legte, auf dem er fortbauen
konnte. Dabei war in jedem Wort sein ganzes Herz, seine ganze liebevolle
Persönlichkeit. Wenn die Studierenden sich für ihn begeisterten wie für
keinen anderen Lehrer, so war es, weil sie wussten, dass er für jeden Theil-
nahme hatte, der sich ihm anschloss. Er hatte eine seltene (iabe, die Jugend
zu verstehen und auch unausgesprochenes Interesse herauszufühlen. So war er
auch als Lehrer ein glücklicher Mensch; wo wir Anderen oft nur Mittel-
massigkeit und Schläfrigkeit zu sehen vermochten: da sah er eine Jünglings-
I o Holsten. Baechtold.
Seele, die mit allen Keimen zum Lichte ringt und eben dadurch hob er die
jungen Leute, dass er sie von Seiten ihrer Ideale nahm und nicht von Seiten
ihrer Schwächen. Das macht, er war selbst ein Idealist, ein so reiner und
edler Idealist, wie es in unserer Zeit nur wenige gegeben hat. Dieses Sehen
des Guten war das grosse Glück seines Lebens. Es war auch ein Theil seiner
Erfolge; er wirkte das Gute, weil er an das Gute und Edle in der Menschen-
natur geglaubt hat.
A. Hausrath.
Baechtold, Jakob, Professor der deutschen Literaturgeschichte an der Univer-
sität Zürich, * am 2 7 . Januar 1 848 zu Schieitheim, f am 8. August 1 897 in Zürich. —
Dem Manne, der unserem Gottfried Keller das grossartige biographische Denk-
mal errichtet, der uns so manchen Schriftsteller der Schweiz alter und neuerer
Zeit in richtigem Lichte gezeigt, der mit so scharfem Blicke und doch mit so
viel Liebenswürdigkeit Wesen und Geist der Vergangenheit wie der Gegen-
wart unserer Literatur darzustellen vermocht hat, dem akademischen Lehrer
und dem fruchtbaren Gelehrten, der uns stets Vorbild sein wird, hier einen
Nachruf zu widmen, fühle ich mich unter dem frischen Eindruck des erlit-
tenen Verlustes weder berechtigt noch berufen. Nur der ausdrückliche
Wunsch der Leiter der Neuen Zürcher Zeitung, die es als eine Pflicht betrach-
ten, vom Leben und Wirken des Dahingeschiedenen ihren Lesern ein Bild zu
geben, kann mich veranlassen, eine biographische Skizze zu wagen, doch einfach
und prunklos, lediglich Thatsachen bietend, wie es der verstorbene Freund
und Kollege gefordert haben würde.
An einem frischen Julimorgen des Jahres 1867 — es war der 6. — eilten
wir jüngeren Schafi*hauser Gymnasiasten auf den Herrenacker, um das Schau-
spiel des Abzuges der eidgenössischen Schützenfahne uns anzusehen. Die
Spitze des Zuges war längst die »Tanne« hinunter und an der Frohnwaage
vorbeimarschiert, als die letzten den Sammelplatz verliessen, und wir in der
hintersten Reihe einen wohlbekannten älteren Mitschüler erblickten, der sich,
mit einer kleinen schwarzen Reisetasche ausgerüstet, den abziehenden Schützen
angeschlossen hatte. Als er uns sah, rief er uns zu, wir sollten nur brav in
die Schule gehen, er habe Ferien und reise mit an's eidgenössische Schützen-
fest nach Schwyz. Das weckte unseren Neid; und wenn wir auch ahnten,
dass die Festberichterstattung, zu der er sich verpflichtet hatte, nicht eitel
Freude sei, so waren verfrühte Ferien zu solchem Zwecke doch etwas Un-
erhörtes. Und als wir gar im August beim Wiederbeginn der Schule ver-
nahmen, es sei dem jungen Journalisten der sonst in allen Klassen obligate
Ferienaufsatz erlassen worden, weil er dem Lehrer des Deutschen seine Fest-
berichte im Druck zugesandt, da fingen wir an, den Bevorzugten mit ganz
besonderen Augen anzusehen. Wir wussten auch noch anderes von dem
schwarzen Lockenkopf: schon zweimal hatte er einer Zeitschrift, die damals
in alle Familien kam, Novellen zugesandt, und staunend hatten wir seine
Werke gelesen; in unserer Phantasie sahen wir bereits den künftigen berühm-
ten Romanschriftsteller: er hiess Jakob Baechtold.
B. war etwas älter als seine Klassengenossen; denn ein regelmässiger
Gang durch die auf einander folgenden Schulstufen war ihm nicht beschieden
gewesen. Am 27. Januar 1848 hatte er zu Schieitheim im Kanton Schaff"-
hausen das Licht der Welt erblickt. Man hatte sonst von den Bewohnern
jenes durch den Randen vom übrigen Kanton abgeschnittenen Thaies die
Baechtold. 1 1
Vorstellung, dass sie nicht leicht den Weg in die Weite finden. Mit B. war
es ganz anders. Sein Vater, ein angesehener Arzt, starb schon im Oktober
des folgenden Jahres; seine Mutter, eine geborene Maurer aus Aarau, eine
treffliche Frau, verheirathete sich wieder, und der Wandertrieb des Stief-
vaters brachte dem heranwachsenden Knaben ein wechselndes Herumziehen
von Schule zu Schule. Im thurgauischen Affeltrangen genoss er den Unter-
richt der Volksschule, dann war er ein Jahr lang in Aarburg, dann in Muri,
wo er die Bezirksschule durchlief, und kam von dort an's Gymnasium in
Frauenfeld. Die strenge Zucht jener Schule behielt er, trotz dem nur ein-
jährigen Aufenthalte, bleibend, aber dankbar im Gedächtniss. Schon stand
er reisefertig auf dem Bahnhofe Frauenfeld, um seiner Familie nach Schaff-
hausen zu folgen, als ihm ein Mitschüler meldete, er hätte eigentlich wegen
irgend eines kleinen Streiches noch eine Strafe abzusitzen. Der ängstliche
Schüler kehrt zurück, büsst sein Verbrechen und macht sich mit erleichter-
tem Gewissen erst mit einem späteren Zuge auf die Reise.
In Schaff hausen wehte ein anderer Geist. Die kleinen Verhältnisse ge-
währten dem Gymnasiasten merkwürdiger Weise grosse Freiheit. An der
Spitze der Schule stand ein Mann, der durch seine Person wie durch sein
Wissen und Wirken imponirte und der die Handhabung einer ängstlichen
Disciplin verschmähte. Der würdige Rektor Adolf Morstadt, ein gelehrter
Grieche, der als Kenner des Sophokles sich einen Namen en\'orben, Hess
manches geschehen, was anderswo gerügt worden wäre; er schaute mehr
auf's Ganze als auf's Einzelne — und Viele wissen ihm heute dafür noch
Dank. Die Lehrerschaft war bunt zusammengesetzt, nicht lauter pädagogische
Talente, aber unter ihnen geistreiche, tüchtige Männer, die vielleicht manch-
mal in' ihren Voraussetzungen zu hoch gingen, für den Augenblick wenig
greifbare Resultate erzielten, aber viel Anregung boten. Der hessische Flücht-
ling Adam Pfaff, später Professor in Karlsruhe, unterrichtete nicht, er trug
Geschichte vor, und zwar von der untersten Klasse an; ausser ein paar Zah-
len ftir's Examen lernte man wenig und doch trugen seine Schüler Eindrücke
davon, die fiir's Leben wohl mehr werth sind, als das reiche Examenwissen,
das andere Lehrer vermitteln. Der Germanist Frauer, vor wenigen Jahren
als Professor in Stuttgart gestorben, weckte in Baechtold das Interesse für die
ältere deutsche Literatur, während dessen Nachfolger Rümelin ihn auf die
Schönheiten Goethe's hinwies. Antistes Mezger, ein Mann von reichem Wissen
und freiem Geiste, ertheilte den Religionsunterricht, der in den obersten
Klassen vielfach in Religions-, Kultur- und Kunstgeschichte, sowie in Re-
ligionsphilosophie überging und reiche Anregung brachte. Im Gymnasialverein
war B. ein geschätztes und geliebtes Mitglied und die Annalen dieser Ver-
bindung wissen allerlei Lobenswerthes von ihm zu melden. Wer in jenen
Jahren das Schaffhauser Gymnasium verliess, war zwar nicht mit einem gleich-
massig belasteten Schulsack beschwert, das mathematische Wissen namentlich
(sofern einer nicht Talent hiefiir von Hause mitbrachte) kam zu kurz; aber
er war doch gut ausgerüstet zum Studium, hatte Freude an der Wissenschaft
und Achtung vor ihr, hatte die Geselligkeit schätzen gelernt und hatte auch
Gelegenheit gehabt, den edeln Genuss der Natur wie der Kunst, zumal der
Musik würdigen zu lernen.
In Heidelberg, wohin B. im Wintersemester 1867/68 zog, wurde Adolf
Holtzmann sein Hauptlehrer. Er trieb germanische Philologie im weitesten
Umfang, ganz nach dem Vorbilde seines Meisters. Wie dankbar er ihm ab^r
12 Baechtold.
auch war, so sprach er doch später gelegentlich mit Bedauern davon, dass
Holtzmann's Auftreten gegen die Schule Lachmann's ihm eine Uebersiedelung
nach Berlin unmöglich gemacht habe, denn ein Uebergang von Holtzmann
in den Kreis Müllenhoff's wäre einem völligen Lossagen von dem berühmten
und in seiner Art vorzüglichen Heidelberger Gelehrten gleichgekommen. Und
doch hätte B. gerne auch norddeutsches Wesen und Berliner Methode kennen
gelernt.
München bot ihm seit Herbst 1868 einen Ersatz, der seiner Art wahr-
scheinlich besser entsprach, als es die damaligen Berliner Verhältnisse ver-
mocht hätten. In Konrad Hofmann fand er einen vielseitigen Gelehrten, dem
er bald näher trat; der feinsinnige Wilhelm Hertz zog ihn an, Künstlerkreise
öffneten sich ihm und damit eine Welt, die ihn zeitlebens mit ihrem Zauber
umfangen sollte. Aus jener Zeit datirt auch das Zusammentreffen mit Hein-
rich Leuthold, dem er ein Jahrzehnt später den letzten und grössten T^iebes-
dienst, die Herausgabe seiner Gedichte, erwies. Sicher ist die Münchener
Zeit für B. die an wichtigen und nachhaltigen Eindrücken reichste gewesen;
gerne erinnerte er sich an sie und kehrte mit besonderer Vorliebe als Gast
in die Stadt zurück, der er viel verdankte und die er auch in ihren Sehens-
würdigkeiten gründlich kannte. Als wir vor einigen Jahren durch das alte
München gingen, wusste er mich auf hundert Dinge aufmerksam zu machen
und selbst bei eingebrochener Dunkelheit führte er mich noch durch einen
Thorweg, der ihm zu interessant schien, als dass man ihn hätte übergehen
dürfen.
Den äusseren Abschluss seiner Studien bezeichnete B. mit dem Markstein
einer Dissertation, die er in Tübingen einreichte, von welcher Hochschule er
den Doktortitel erhielt. »Der Lanzelet des Ulrich von Zatzikhoven« ,
Frauenfeld 1870, war damals schon eine bemerk enswerthe Schrift; heute, beim
Ueberblicken des Lebenswerkes des Verstorbenen, erhebt sie sich geradezu
zur Bedeutung eines Lebensprogrammes. Was an den sorgfältigen Forschungen
B.'s über den Thurgauer Epiker des ausgehenden zwölften Jahrhunderts (aus
Zezikon im Lauch thale) heute noch Gültigkeit hat, ist in die »Geschichte der
deutschen Literatur in der Schweiz« (S. 87 ff.) übergegangen, wo der Ver-
fasser im Gegensatze zu seiner früheren Ansicht annimmt, Ulrich sei das Vor-
bild für den grossen Hartmann von Aue geworden; für uns aber ist jetzt
wichtiger zu vernehmen, wie der zweiundzwanzigj ährige Doktorand damals
schon seine Aufgabe darin sah, der Literatur seines Vaterlandes zur richtigen
Würdigung zu verhelfen:
»Es regen sich in unseren Tagen so viele Stimmen, um Klage zu führen
über den Mangel an ästhetischer und literarischer Begabung bei den Schwei-
zern. Mit welchem Unrechte dies geschieht, davon kann uns ein Blick in
unsere heimischen sprachlichen Denkmäler überzeugen. Leider ist die Zeit
für uns noch nicht da, da wir uns dessen bewusst sind, welch einen kost-
baren Schatz wir an unserer älteren vaterländischen Literatur besitzen. Man
will sich oft nicht mehr daran erinnern, dass in der althochdeutschen Periode
St. Gallens Entwickelungsgang der Entwickelungsgang der deutschen Kultur-
und Literaturgeschichte überhaupt war; man denkt nicht an die fröhliche Zeit
der Lyrik und Epik des 13. Jahrhunderts und der folgenden Jahrzehnte, nicht
an den mächtigen Impuls, der im 16. Jahrhundert von der Schweiz aus dem
deutschen Drama gegeben wurde, nicht an unsere grossen Chronisten u. s. w.
Und dürfen wir uns darüber beschweren, dass die Fremde uns missachtc,
Baechtold. I^
wenn wir uns selbst nicht achten? Unsere Literatur schlingt um das ganze
deutsch-schweizerische Vaterland und um all unsere zerrissenen Länder und
I^ndchen innig ihr altes Band ; ihr Verständniss lehrt uns die Heimath besser
kennen, treuer lieben und soll endlich der Nation ein Segen werden I Und
diesen herbeizuführen, ist die grosse Aufgabe der deutschen Sprachforscher in
der Schweiz.«
Dann zählt B. all die Männer auf, die sich um die Erforschung der
Literatur in der Schweiz Verdienste erworben: Theodor Bibliander, Melchior
(Joldast, Christ. Heinrich Myller, J. J. Bodmer, Franz Joseph Stalder, Franz
Pfeiffer, Wilhelm Wackernagel, Mörikofer, hebt hervor, wie viel noch zu thun
sei, bis der reiche Stoff geordnet vor uns liege — — und wer will heute
bestreiten, dass unter den zahlreichen Arbeitern auf dem Gebiete schweizeri-
scher Literaturkunde kein Name besseren Klang hat als der Jakob B.'s?
Die Wellen des grossen Kriegsjahres sollten auch an das Lebensschiff
des jungen Doktors schlagen. Für die »Neue Zürcher Zeitung« reiste er nach
dem Kriegsschauplatze und gab die gewaltigen Findrücke, die er dort empfing,
in Schilderungen wieder, die mit besonderem Interesse gelesen wurden. Heute
noch erinnere ich mich, wie uns die Lebendigkeit und Unmittelbarkeit seiner
Darstellungen ergriff. Bald aber kehrte der Kriegsberichterstatter zu wissen-
schaftlicher Arbeit zurück. Er begab sich nach Paris, hörte Vorlesungen an
der Sorbonne und an der Ecole des Hautes Etudes, erging sich in den
Schätzen der Biblioth^que Nationale, erwarb sich die Freundschaft von Gaston
Paris und die Vertrautheit mit der altfranzösischen Nationalepik, zu welcher
ihn schon sein Ulrich von Zatzikhoven hinübergeleitet hatte.
Ein nur kurzer Aufenthalt in England (im Frühjahr 1872) gab B. Ver-
anlassung zu seiner zweiten wissenschaftlichen Publikation: »Deutsche Hand-
schriften aus dem Britischen Museum«, Schaffhausen 1873, in welcher er
sehr sorgfältige Nachrichten über Manuskripte der späteren mittelhochdeutschen
Zeit bietet und die Legende von Karl dem Grossen und den schottischen
Heiligen ausführlich behandelt.
So hatte der junge Gelehrte sich über sein Können und Streben hinläng-
lich ausgewiesen, um bei der Besetzung einer Gymnasiallehrerstelle in Betracht
gezogen zu werden. Nachdem er kurze Zeit hindurch bei einer Familie
Bühler im Hard (Ermatingen) Hauslehrer gewesen, schied er von dort — unter
Aufrechterhaltung der freundlichsten Beziehungen auf Lebenszeit — , um im
Herbste 1872 einem Rufe an die solothurnische Kantonsschule zu folgen, wo
er als Ersatz für den trefflichen Rektor Schlatter den Unterricht in der deut-
schen Sprache und Literatur zu übernehmen hatte.
Fünfeinhalb glückliche Jahre verbrachte B. in der alterthümlichen Stadt.
Er hatte gefunden, was seiner Art zusagte: eine lohnende Unterrichtsthätig-
keit vor nicht allzu grossen Klassen, tüchtige Kollegen, wie Franz Misteli,
Dompropst Fiala u. A., freundliche, gesellige Leute, eine schöne Umgebung,
kurz Verhältnisse, die ihn zu ernster Arbeit und heiterem Lebensgenuss in
gleicher Weise aufforderten. Für ihn bedeutete die Kleinstadt nicht Ver-
bannung; reger brieflicher Verkehr verband ihn mit Freunden und Fach-
genossen, Besuche auswärtiger Gelehrter — wie z. B. der Wilhelm Scherers
— brachten Anregung; mit dem ihm eigenthümlichen Eifer, den Boden, auf
dem er stand, auch historisch und literarisch kennen zu lernen, versenkte er
sich in die Geschichte Solothurns. Schon im zweiten Jahre seines Aufent-
14
Baechtold.
haltes hatte er die wissenschaftliche Beilage zum Schulprogramm zu schreiben
und wählte dazu den Minoriten »Georg König von Solothurn und seine Reise-
beschreibungen (1664 — 1736)«. "Wichtiger als die Abhandlung selbst ist für
uns heute die Einleitung »Ueberblick über den Antheil Solothurns an der
deutschen Literatur«, wo an bekannte Thatsachen eine Reihe von Einzel-
angaben geknüpft sind, hinter denen eine gewaltige Arbeit steckt. Er hat
später den wackeren Geistlichen »mit seiner herzgewinnenden Art, seiner oft
rührenden Naivität und seinen Anekdoten« nicht aus den Augen verloren
und im »Urkundio« weitere werthvoUe Abschnitte aus dessen Reiseschilde-
rungen veröffentlicht.
Inzwischen wandte er sich einem derberen Gesellen zu, dem Luzemer
Chronisten und Dichter Hans Salat, welcher — 1498 in Sursee geboren —
als Seiler, Wundarzt, Reisläufer, Gerichtsschreiber, katholischer Historiker,
Pamphletär und Schulmeister ein unstetes Leben geführt hatte, dessen Spuren
sich im Jahre 1552 verlieren. Trotz verschiedener Vorarbeiten und der un-
schätzbaren Mithilfe des Luzerner Staatsarchivars, Herrn Theodor von Lie-
benau, hatte B. doch auch hier wieder Bahn zu brechen und dem interessan-
ten Abenteurer und Schriftsteller seinen richtigen Platz anzuweisen. (Hans
Salat, ein schweizerischer Chronist und Dichter aus der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts. Sein Leben und seine Schriften. Hg. von Jakob Baechtold.
Basel 1876. Und später: Hans Salat' s Drama vom verlornen Sohn. Bd. 36
des Geschichtsfreundes. Einsiedeln 1881.) Es ist ein überaus wichtiger Bei-
trag zur Sittengeschichte des Reformationszeitalters, wie zur Literaturgeschichte
jenes Abschnittes, den wir hier empfangen, und der fleissige und gelehrte
Verfasser bereitete damals viel Freude durch eine Ankündigung im Vorworte,
dass er in nicht allzu ferner Zeit seinen Landsleuten eine Geschichte der
deutschen Literatur in der Schweiz »vorläufig bis zum 18. Jahrhundert« hoffe
vorlegen zu können. »Es scheint doch mehr als blosse Phrase zu sein« —
fährt er fort — , »ein solches Werk wirklich ein Bedürfniss zu nennen. Wenige
Länder werden sich rühmen können, treulicher als die Schweiz ihre Ver-
gangenheit durchforscht zu haben. Seit neuerer Zeit freuen wir uns sogar
einer Schweizerischen Kunstgeschichte, Musikgeschichte etc. Wo aber bleibt
unsere überaus reiche deutsche Literatur? Hoffentlich mag der Leser bald
einen Gang durch die erschlossenen Hallen unseres vaterländischen Schriften-
thums mit mir wagen.«
Aber es mussten noch gewaltige Bausteine herbeigeschafft werden, bevor
man zur Errichtung dieser »Hallen« schreiten konnte. Ein anderes Unter-
nehmen sollte hiezu dienen: die »Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen
Schweiz und ihres Grenzgebietes. Herausgegeben von Jakob Baechtold und
Ferdinand Vetter. Frauenfeld, Huber«. In Deutschland hatte der Stuttgarter
Literarische Verein längst Aehnliches zu Tage gefördert; neuerdings hatte der
rührige Verlag von Niemeyer in Halle unter Wilhelm Braune's Auspicien in
billigerer Form, aber deswegen nicht weniger wissenschaftlich, das Gleiche
für einen späteren Zeitabschnitt in Angriff genommen; warum sollte die
Schweiz nicht Schritt halten können? Herausgeber und Verleger waren guter
Hoffnungen voll und überschätzten in ihrer Begeisterung die Grösse der lite-
rarischen Interessen in der Schweiz und für die Schweiz, wie sie auch die
Arbeit, die zu bewältigen war, kaum hoch genug anschlugen. Auch hier war
B. wiederum mit dem grössten Einsätze an Energie und Fleiss bereit. Am
Sonntag Jubilate 1877 konnte er fröhlichen Herzens das Vorwort zum ersten
Baechtold.
15
Band, zur »Stretlinger Chronik« unterzeichnen, die unverzüglich in über-
raschender Ausstattung auf dem Büchermarkte erschien.
Darf der ileissige Kirchherr von Einigen am Thunersee, Eulogius Kibur-
ger, den Rang eines Geschichtschreibers nicht beanspruchen, so hat er doch
in seinen zwölf Kapiteln der sogenannten Stretlinger Chronik einen reichen
Schatz von erbaulichen, für Kultur- und Sittengeschichte, Sage und Mythe
bedeutsamen Erzählungen angehäuft, der wohl verdiente gehoben zu werden.
Manches was Cäsarius von Heisterbach im Dialogus miraculorum, Jacobus
de Voragine in der Legenda aurea und andere anderswo in lateinischer
Sprache niedergelegt, das wird hier um die Mitte des 15. Jahrhunderts in
fliessendem Deutsch zugänglich gemacht, und man wundert sich billig, dass
das merkwürdige Buch nicht schon früher zum Drucke befördert worden.
Als Herold für das neue Unternehmen der »Bibliothek älterer Schrift-
werke der deutschen Schweiz« eignete sich aber der Verfasser der Stretlinger
Chronik namentlich auch wegen seines zweiten Werkes, seiner Abhandlung
»Vom Herkommen der Schwyzer und Oberhasler«, einer Schrift, die längst
bekannt war, jedoch erst von B. dem wahren Verfasser zugewiesen und kritisch
herausgegeben wurde.
An zweite Stelle sollte abermals ein Bemer treten, Nikiaus Manuel
{Frauenfeld 1878. CCXXni und 467 SS.), der Freund unseres Zwingli, der
Maler, Dichter und Staatsmann, der mit Wort und Schrift so muthig für die
Sache der Reformation eingetreten war. Mit voller Begeisterung widmete sich
B. dem Studium dieses sympathischen Mannes, und imposant ist das Denkmal,
das er ihm gesetzt hat. Dankbar erkennt er an, was der geistvolle Karl
von Grüneisen (f 1878) unserem Landsmann erwiesen; doch es war nach
vierzig Jahren wohl angezeigt, mit der Forschung auf's neue einzusetzen, und
freudig hob die Kritik damals hervor, welch grossen Dienst B. der Literatur
des Reformationszeitalters im Allgemeinen durch sein Buch geleistet. Mehr
als dreissig Bibliotheken des In- und Auslandes hatte er gewissenhaft durch-
forscht, eine ganze Reihe von Einzelheiten entdeckt, mit deren Hilfe er seinen
Helden in ein völlig neues Licht zu stellen vermochte.
Von Zürich aus ist die Vorrede zu Nikiaus Manuel datirt, das Werk
selbst war noch in Solothum entstanden. Dort hatte er schon im Jahre 1873
eine Ehe geschlossen, die das Glück seines Lebens ausmachte, und was der
Verstorbene selbst in festlicher Stunde öffentlich ausgesprochen, darf auch hier
ohne Indiskretion wiederholt werden: B. fand in seiner Lebensgefährtin die
treueste Genossin und verständnissvollste Helferin auch in seinen geistigen
Arbeiten, ohne die er das riesige Werk seines Lebens nie hätte bewältigen können.
Der Uebersiedelung nach Zürich war ein Ruf an's Schaffhauser Gymna-
sium vorangegangen, den er ablehnte; eine Veränderung konnte für ihn nur
von Werth sein, wenn sie ihn in eine grössere Umgebung, in einen weiteren
Wirkungskreis versetzte. Zürich bot ihm, was es eben damals zu vergeben
hatte: eine arbeitsvolle Stelle an der kürzlich reorganisirten und durch ein
Lehrerinnenseminar erweiterten Höheren Töchterschule, und B. setzte seit
Ostern 1878 seine ganze Kraft für die neue Aufgabe ein, wohl wissend, dass
das Feld, das er hier betreten hatte, seinem Streben auch noch weitere Ziele
bot. Es ist erstaunlich, was er neben seinen Unterrichtsstunden in Deutsch
und Geschichte, deren Zahl meist tüchtig in die Zwanzig hineinging, noch
alles zu leisten im Stande war, und nur in allgemeinen Zügen vermögen wir
von hier ab seiner Thätigkeit zu folgen.
1 6 Baechtold.
Als Lehrer erwarb sich B. in Zürich rasch die Beliebtheit, deren er sich
bei seinen Schülern in Solothum erfreut hatte; er verstand es meisterhaft,
ohne Pathos und Schönrednerei die Aufmerksamkeit zu fesseln, seine reichen
und vielseitigen Kenntnisse gestatteten ihm, aus dem Vollen zu schöpfen, sein
feiner Geschmack wusste stets das Beste für seine Schüler auszuwählen. Kein
Wunder, dass alle, die seinen Schulunterricht geniessen durften, ihn aufrichtig
verehrten und verehren. Auch ausserhalb der Lehrstunde trat er für die An-
stalt ein: im Winter 1882/83 bot er den Schülerinnen und einem weiteren
Publikum von Damen einen Cyklus von sechs Vorträgen über Zürichs Be-
ziehungen zur deutschen Literatur im 18. Jahrhundert, wobei er in Einzel-
bildern behandelte: Das Bodmer'sche Haus, Klopstock in Zürich, Kleist, Wie-
land, Fichte in Zürich, Goethe in Zürich. Auch das waren Vorarbeiten zu
seinem grossen Lebenswerke. Im Winter 1885/86 sprach er an zwölf Aben-
den über Shakespeare' s Dramen, welchen Gegenstand er später auch unter
seine akademischen Vorlesungen einreihte. Zum Schulprogramm von 1888
fugte er eine feine Studie über Schiller's Demetrius.
Das Grösste jedoch, was aus B.'s Schulthätigkeit hervorgegangen, ist sein
Lesebuch. Er fing aus guten Gründen mit der obersten Stufe an; denn hier
war das Bedürfniss am dringendsten (Deutsches Lesebuch für höhere Lehr-
anstalten der Schweiz. Obere Stufe. Frauenfeld 1880). Neu sind an dieser
Sammlung besonders zwei Punkte: während man bisher meist mit den Roman-
tikern schloss und im besten Falle noch einem Freiligrath und Geibel ein
Plätzchen gewährte, überschritt B. kühn die alte Grenze und gab das Wort
auch den Neuern wie Mörike, Storm, Hebbel, Schack, Herwegh, Jakob Burck-
hardt, Gottfried Keller, C. F. Meyer, Leuthold, Dranmor, Widmann, Lingg,
Heyse, Hertz u. A., und zweitens schuf er — wie schon die aufgezählten
Namen zeigen — ein Lesebuch für die Schweiz. Nicht in ungebührlicher
Weise lässt er das einheimische Element in den Vordergrund treten, aber er
giebt ihm die Stelle, die ihm in einem schweizerischen Lehrbuch gebührte.
Kein ruhiger und sachverständiger Beurdieilcr wird B. des Chauvinismus
zeihen, sein warmer Patriotismus trübte das scharfe kritische Urtheil nicht.
Mit diesen beiden Haupteigenthümlichkeiten vereinigt das Lesebuch eine ganze
Reihe anderer Vorzüge: die früheren Jahrhunderte sind unendlich viel mannig-
faltiger illustrirt als bisher, die so lehrreiche Brief literatur ist herbeigezogen,
Reiseschilderungen und naturwissenschaftliche Beschreibungen finden eine
Stelle, Reden werden in vollem Umfange geboten, klassische Darstellungen
der literarischen Zustände früherer Jahrhunderte (von Uhland, Wackemagel,
Strauss, Frey tag, Wilhelm Scherer u. A.) sind passend eingeordnet, und in
der Poesie ist eine Vertretung der verschiedensten Gattungen und Formen
sorgfältig berücksichtigt. Ein Literaturunterricht, wie ihn B. im Vorworte
skizzirt, wird für die Oberklassen unserer schweizerischen Mittelschulen auf
lange hinaus ein Ideal bleiben, und wer nach diesem strebt, der wird kein
besseres Lehrmittel den Schülern in die Hand geben können, als B.'s Lese-
buch, eine Sammlung, die dem I^ehrer die werth vollsten Winke giebt und
dem Schüler Freude macht, »ein Buch, das nicht, sobald man den bekannten
Stuben entronnen ist, mit den verschiedenen Grammatiken und Leitfaden
ungesäumt zur Vertrödelung gelangen sollte«.
Während die obere Stufe des Lesebuches keine besonders weite Verbrei-
tung fand, wurde die nach denselben Grundsätzen bearbeitete untere und
mittlere Stufe (Frauenfeld 1881, seither wiederholt neu herausgegeben) freudig
Baechtold.
17
begrüsst. Die neue Richtung war den Lehrern an Sekundär- und Bezirks-
schulen und an den Unterklassen des Gymnasiums offenbar willkommen, was
B. für die ungenügende Theilnahme der Lehrer höherer Klassen einigermaassen
entschädigte. Die zur Mode gewordene vornehme Ablehnung des Lesebuches
zu Gunsten der Lektüre ganzer Literaturdenkmäler trat ihm in den Weg, und
doch hatte er deutlich genug erklärt, dass sein Lesebuch eben gleichzeitig
mit und neben jener Art der Lektüre eine Stelle fordere. Möglicherweise
hat ein anderer, der den B. 'sehen Gedanken wieder aufnimmt, auf der Ober-
stufe mehr Glück: unserer lernenden Jugend wäre es von Herzen zu gönnen.
Schriftstellerisch reihte B. eine Gabe an die andere. Er hatte 1879 die
Leitung des Feuilletons der »Neuen Zürcher Zeitung« übernommen und sorgte
fünf Jahre lang mit feiner Auswahl dafür, dass die Leser mit dem Gange der
neuesten deutschen und ausländischen Literatur bekannt wurden. Manchmal
mag diese Arbeit hart und mühselig gewesen sein, und er erinnerte sich später
nicht mehr gerne daran (selbst als sein ihm sonst so lieber Freund, Professor
Viktor Meyer in Heidelberg, den das Todesschicksal nun fast in derselben
Stunde wie B. ereilt hat, ihm im Jahre 1893 die hübschen »Märztage im
Canarischen Archipel« widmete und dabei auf seine Feuilletonistenthätigkeit
anspielte, verbitterte ihm das die schöne Gabe), aber jene Stellung hat ihm
doch allerlei Förderung gebracht. Er begnügte sich nicht mit Anordnung des
Stoffes, er wollte selbst auch seinen Beitrag leisten. Und wie manch hübsches
Kabinettstück hat er in jenen Jahren den gähnenden Spalten, dem »Danaiden-
fässe«, anvertraut! Was für eine feine Studie ist sein »Armer Mann in Toggen-
burg« (Februar 1882), wie prächtig schildert er uns (1884) Josua Maler (1529
bis 1599), den Lexikographen, als fahrenden Schüler, als Pfarrherm in Elgg,
Bischofifszell, Winterthur und Glattfelden! Das konnte nur ein Mann leisten,
der mit dem Geschick und Wissen des Forschers das glücklichste Erzähler-
talent vereinigte.
Dabei brachte ihn diese Art der Journalistik in Verbindung mit einer
Reihe von hervorragenden Schriftstellern und Literaten. Ueberallhin reichten
seine Fäden, immer wusste er für eine bestimmte Aufgabe auch den richtigen
Mann zu finden. So gelang es ihm, unter Fernhaltung des blöden literarischen
Tagesklatsches, dem Feuilleton seines Blattes eine höhere geistige Stellung zu
erobern und dem dort ausgesprochenen Urtheile Gewicht zu verschaffen.
Und nun zur Schule und zur Redaktionsarbeit, zur Forschung und zur
Publikation erst noch die akademische Lehrthätigkeit ! Am 19. Januar 1880
hielt B. seine Antrittsvorlesung über »Die Verdienste der Zürcher um die
deutsche Philologie und Literaturgeschichte« (vergl. Neue Zürcher Zeitung,
Feuilleton vom Januar 1880). In feierlichem Zuge führt er hier die zürche-
rischen Gelehrten an uns vorüber: Konrad Gesner (1516 — 1565) mit seinem
Mithridates, Caspar Waser, den Kenner des Gothischen und der älteren deut«
sehen Literatur, die beiden Lexikographen Johannes Fries (f 1565) und den
schon genannten Josua Maler, den sonderbaren Kauz Jakob Redinger, Pfarrer
in Dietikon (f 1688), und sein »Latinish Tütshes wortbuechlin«, den gelehr-
ten Theologen Heinrich Hottinger (f 1667), der die althochdeutsche »Exhor-
tado« zugänglich machte, Johann Baptist Ott, den Kenner des Ulfilas, Tatian,
Otfried und Notker; dann kommen Bodmer und Breitinger mit ihren über-
reichen Schätzen, Leonhard Meister, der die »Beiträge zur Geschichte der
teutschen Sprache und National-Literatur« (1777) und anderes verfasst hat,
endlich Sulzer's Schützling Christoph Heinrich Myller, der etwa 1 40 000 mittel-
Blogr. Jahrb. n. Deutscher Nekrolog. 2. Bd. 2
I g Baechtold.
hochdeutsche Verse publicirte. Es ist eine durch geistreiche Bemerkungen
belebte Uebersicht, wie sie damals nur B. geben konnte.
Als Privatdocent begann er im Sommersemester 1880 seine Vorlesungen
mit einer Einleitung in das Nibelungenlied und Erklärung ausgewählter Par-
tien, welcher er im folgenden Winter eine allgemeine Erklärung des Nibe-
lungenliedes anschloss. Auch Walther von der Vogelweide stand bald auf
dem Programm (Sommer 1881); aber die eigentliche Literaturgeschichte in
ihrem Gesammtzusammenhange war doch von Anfang an sein Ziel. Die Ge-
schichte der deutschen Literatur im Reformationszeitalter (Sommer 1880) er-
weiterte sich zu einer deutschen Literaturgeschichte des 16. Jahrhunderts
(Winter 1882/83), neben welcher er gleichzeitig über die deutsche Literatur
des 18. Jahrhunderts las, dann kam die ausfuhrliche Geschichte der alt- und
mittelhochdeutschen Literatur, bis B. (im Sommer 1885 und im Winter 1885/86)
das ganze Gebiet von den ersten Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhun-
derts vorzutragen im Stande war. Goethe's Götz und der Iphigenia auf Tauris,
die er beide in kritischen Ausgaben veröffentlicht hatte (Freiburg 1882 und
1883), widmete er eine Vorlesung im Sommersemester 1882.
B. musste an sich recht erfahren, dass der Erfolg in der akademischen
Laufbahn keineswegs vom eigenen Wissen und der persönlichen Leistungs-
fähigkeit allein abhängig sei, sondern dass der Zufall, d. h. die Wegberufung,
der Rücktritt oder Tod von Vertretern des Faches, eine weit wichtigere Rolle
spiele. Nachdem er vierzehn Semester lang mit dem denkbar besten Erfolge
gelesen, wurde ihm 1887 ein besoldetes Extraordinariat zu theil, das es ihm
möglich machte, die Hälfte seiner Schulstunden aufzugeben. Bald nachher
wurde in Basel eine Professur fiir Germanistik frei, und die dortige Fakultät
richtete ihre Augen auf B. Längere Unterhandlungen wurden gefuhrt, welchen
durch die zürcherische Regierung, die dem Begehrten ein Ordinariat anbot,
ein plötzliches Ende bereitet wurde. Damit waren B.'s Wünsche nach aussen
erfüllt, nach Ehre und Auszeichnung strebte er nicht; aber eine gesicherte
Stellung und eine abgerundete Aufgabe durfte er mit vollstem Rechte er-
warten. So lieb ihm der Unterricht an der Schule war, so hoch er sich dort
von Kollegen und Schülerinnen geschätzt wusste, seine Ziele liessen sich nicht
länger mit einem Amte vereinigen, das seine Zeit allzu sehr in Anspruch
nahm. Wenige Monate nachher, an seinem 41. Geburtstage, verfasste er in
freudigster und getrostester Stimmung seine Vita für das Album der Universität
und schloss mit den Worten: »Ich gedenke mich dieser Stelle noch recht
lange zu erfreuen.«
Der Ordinarius nahm es mit seinen Pflichten sehr ernst. Seine Kollegien-
hefte, die ein anderer vielleicht als auf Jahre hinaus genügend erachtet hätte,
wurden umgearbeitet, und unbegreiflich erschien manchmal die Klage, er
könne seine bisherigen Entwürfe und Sammlungen nicht mehr brauchen. B.
wollte immer alles selbst nachgeprüft haben, und so erwuchs ihm auf dem
Ungeheuern Gebiete, das er vertrat, täglich neue Arbeit. Scheinbar neben-
sächliche Bemerkungen waren bei ihm oft das Resultat gewissenhaftester,
langer Untersuchungen. Er taxirte seine Leistungen als Docent viel zu ge-
ring, Hess sich durch allen Beifall, durch die sich rasch steigernde Zuhörer-
zahl nicht in Sicherheit wiegen, er setzte zu, verbesserte, goss um und schuf
neu, um nach vollendetem Werke wieder von vorne zu beginnen.
Das neugegründete deutsche Seminar an der Universität hatte für ihn
grossen Reiz ; hier regte er zu einer Menge kleinerer literar-historischer Unter-
Baechtold.
19
suchungen an, hier verwerthete er in den sogenannten deutsch-pädagogischen
Uebungen seine reichen Erfahrungen als Lehrer.
Indem er die Seminarmitglieder oft an seinen eigenen Arbeiten theil-
nehmen Hess, förderte er das Interesse an solchen Studien und zog — ohne
Schule machen zu wollen — einen Kreis junger Gelehrter heran, die dem
Meister zur Ehre gereichen. Eine Reihe von Dissertationen giebt hie von be-
redtes Zeugniss, ganz besonders aber das dreibändige Werk: »Schweizerische
Schauspiele des sechszehnten Jahrhunderts. Bearbeitet durch das deutsche
Seminar der Zürcher Hochschule unter Leitung von Jakob Baechtold. Zürich
1890 — 93«.
Seit 1889 las B. gewöhnlich in vier Semestern einen Kursus über die
gesammte deutsche Literaturgeschichte; zunächst behandelte er die alt- und
mittelhochdeutische Zeit, dann die Literatur des 15. bis 17. Jahrhunderts, dann
des 18. Jahrhunderts und schliesslich die Romantik. Nebenher gingen aber
Vorlesungen von nicht geringerer Bedeutung: »Goethe's Leben und Werke«,
» Schiller* s Leben und Werke«, »aus der neueren deutschen Literatur« und —
seit Winter 1894 — »die Dramatiker des 19. Jahrhunderts«. Von dem Zeit-
punkte an, da B. sich mit dem Nachlasse und der Biographie Gottfried Kel-
ler's beschäftigte, widmete er diesem Dichter dreimal eine einstündige Vor-
lesung, welche von allen Seiten derart besucht wurde, dass das grösste Audi-
torium die Zuhörer kaum zu fassen vermochte; grosser Frequenz erfreuten
sich auch die Kollegien über Goethe's Faust und Shakespeare's Dramen,
während die Vorlesung über Johann Peter Hebel für einen intimeren Kreis
berechnet war. Da ich den Verstorbenen nur in öffentlichen Vorträgen habe
sprechen hören und als Gast eine Anzahl seiner Shakespeare- Vorlesungen be-
sucht habe, bin ich nicht im Stande diese Seite seiner Thätigkeit zu schildern.
Mir that die Wärme wohl, mit der B. sprach, das sorgfältige Vermeiden aller
Scheingelehrsamkeit und alles Pathos, die Klarheit seiner Beweisführung, aus
der die durch gewissenhaftes Studium erlangte eigene Ueberzeugung hervor-
brach, ohne dass sie einer besonderen Betonung bedurft hätte.
Das rein Grammatische und das Formale überhaupt waren nicht seine
Voriiebe. Von Zeit zu Zeit las er über Metrik und Poetik; den sprachlichen
Forschungen auf dem Gebiete des Alt- und Mittelhochdeutschen folgte er,
fühlte sich jedoch meines Wissens nie berufen, hier selber Hand anzulegen.
Das überliess er gerne anderen: flir ihn waren die Denkmäler der Literatur
zunächst um ihres Inhaltes willen da.
Immer lebhafter wandte sich B.'s literar-historisches Interesse der Neu-
zeit, der Gegenwart zu. Die Herausgabe der Gedichte Leuthold's im Spät-
jahre 1878 (Frauenfeld 1879) war die erste Arbeit dieser Art, eine Frucht,
die ihm neben dem aufrichtigen Danke Vieler auch allerlei Bitterniss eintrug.
B. hat bei Anlass der dritten Auflage (Ostern 1 884) eine Skizze des tragischen
Dichterlebens vorausgeschickt, in welcher er seine Ansichten über die Pflichten
eines Herausgebers unmissverständlich äussert. Die Zukunft wird nun lehren,
ob er den richtigen Standpunkt eingenommen; wie aber auch der Entscheid
falle, niemand wird die grossen Verdienste, die sich B. um unseren unglück-
seligen Landsmann erworben, leugnen können. Und wir Schweizer schulden
ihm besondere Anerkennung dafür, dass er das läppische Geschrei von dem
* undankbaren Vaterlande« gebührend zurückgewiesen.
Es war nicht ein blosser Zufall, der B. zum Herausgeber der Leuthold-
schen Gedichte machte; die persönliche Bekanntschaft zusammen mit Gottfried
2"
20 Baechtold.
Keller's Wunsch war lediglich die äussere Veranlassung, neben welcher die
innere Sympathie gewaltig mitwirkte. Der Dahingeschiedene stand mit seinem
Herzen kaum einer Dichtungsart näher als der Lyrik. Seine ganze Natur,
sein ganzes Empfinden schienen hiezu prädestinirt. Bei aller Begeisterung für
andere Arten der Dichtkunst trat doch seine besondere Neigung hier offen zu
Tage. Das Nachempfinden — im besten Sinne des Wortes — war seine
Stärke. Kein Wunder, dass er Mörike und Storm hoch schätzte, dass er seine
Arbeit gelegentlich auch Hölderlin zuwandte (vgl. Vierteljahrschrift für Lite-
raturgeschichte 1888). Etwa fiinfzehn Jahre zurück — wenn nicht mehr —
wird B.'s Plan zu datiren sein, ein Werk über Mörike zu schreiben. An
Sammlungen und Vorbereitungen jeglicher Art fehlte es hiezu nicht. In der
Deutschen Rundschau (XI, 2 S. 269 — 284) hatte er 1884 die Feder schon
einmal angesetzt, dann folgten in Zwischenräumen, von kleineren Arbeiten
abgesehen, der »Briefwechsel zwischen Hermann Kurz und Eduard Mörike«
(Stuttgart 1885), fünf Jahre später der »Briefwechsel zwischen Moritz v. Schwind
und Eduard Mörike« (Leipzig 1890), in welchem die romantische Phantasie
des grossen österreichischen Malers und des auf seinem Gebiete nicht minder
grossen schwäbischen Dichters sich die Hand reichen; endlich der Mörike-
Storm-Briefwechsel (Stuttgart 1891). Auch die persönlichen Beziehungen des
Verstorbenen zu Mörike' s Wittwe gaben ihm Vieles in die Hand, was der
Mörike-Biographie eigenthümlichen Werth verliehen hätte. Dass uns dieses
Werk nicht noch geschenkt worden, haben wir wohl am meisten zu bedauern.
Aber es musste vor dringenderen Aufgaben »einstweilen« zurücktreten!
Nachdem kleinere Vorarbeiten wie »die Züricher Minnesinger« (im Zürcher
Taschenbuch fiir 1883) und die Unterstützung von Karl Bartsch's prächtiger Aus-
gabe der »Schweizer Minnesänger« (Frauenfeld 1887) erledigt waren, schritt B.
zur Ausfuhrung seines grossen Planes. Den ältesten Schätzen deutscher Literatur
in St. Gallen machte er einen letzten Besuch und schrieb von dort in heiter-
ster Laune an seinen Verleger nach Frauenfeld (Neujahr 1887), der Setzer
möge sich nun rüsten, das Opus rücke an. Und in der That konnten im
Laufe jenes Jahres die beiden ersten Lieferungen der »Geschichte der deut-
schen Literatur in der Schweiz von Jakob Baechtold« ausgegeben werden. Die
Aufgabe schien genau abgegrenzt: »Dieses Buch will die Schicksale der deut-
schen Literatur in der Schweiz von der alten Zeit bis zum Anfang des neun-
zehnten Jahrhunderts erzählen«, hatte der Verfasser gleich zur Eröfihung ver-
kündet, und nach allem, was er schon geleistet, durfte er hoffen, in abseh-
barer Zeit zum Ziele zu gelangen. Doch diesmal hatte sich B. getäuscht.
Der Stoff, der anfänglich oft aus verborgenen Adern hergeleitet werden
musste, floss ihm nach und nach aus hundert Ritzen und Spalten entgegen,
kam als wilder Bergbach, als reissender Fluss herangestürmt und drohte den
Lenker der Gewässer mit fortzutragen. Da hiess es durchschauen und prüfen,
Rinnen graben und Dämme bauen, bis endlich der gewaltige Strom gebändigt
und ruhig dahinfloss. Wie oft Hessen ihn die Pioniere, die er in seinen ersten
Arbeiten rühmend genannt, gänzlich im Stiche, wie manchmal musste er For-
schungen, die er abgeschlossen glaubte, wieder von vorne beginnen! Kein
Wunder, dass ihm etwa einmal der Muth sinken wollte, wenn in dem tollen
Gewirre kein Ausweg sich zeigte, oder wenn der Setzer die kaum getrockne-
ten Zeilen von ihm forderte. Fünf Jahre lang verrichtete er die harte Arbeit,
und kein Leser wird in den prächtigen Kapiteln auch nur das leiseste Echo
der Seufzer verspüren, die sich gelegentlich der Brust des unermüdlichen
Baechtold. 2 1
Forschers entrangen. Am Tage des Sechseläutens 1892 machte er das Punk-
tum und feierte dann fröhlichsten Herzens das zürcherische Frühlingsfest,
nachdem er schalkhaft am Schlüsse der Anmerkungen den Basler Hexameter
versteckt: Est bona vox schenk in, melior trink, optima gar us!
Einer ausführlichen Werthschätzung von B.'s Geschichte der deutschen
Literatur in der Schweiz bedarf es hier nicht; wer in dem stattlichen Bande
von nahezu tausend Seiten auch nur geblättert, hat sich dessen gefreut, wer
das Ganze gelesen, der hat dem Verfasser im Geiste aufrichtig gedankt für
seine Riesenarbeit, wer einzelne Abschnitte nachgeprüft hat, der wird sich der
Bewunderung und des Staunens über diese Sorgfalt nicht enthalten können.
Keine Lobrednereil höre ich den Dahingeschiedenen warnen. Doch
dass wir uns ehrlich freuen über sein Werk, kann und will er uns sicherlich
nicht verbieten. Dass die Behandlung nicht durch den ganzen Band hindurch
eine gleichmässige ist, hat er selbst hervorgehoben; wo so Vieles noch völlig
aus dem Rohen herausgearbeitet werden musste, war es unmöglich, harmoni-
sche Ausgestaltung zu erreichen. Das schadet dem Werke auch gar nicht;
es ist auch so weit mehr, als der Verfasser uns versprochen: »Ich wollte ein
lesbares, manchmal sogar ein kurzweiliges Buch schreiben«. Es ist ein Buch,
auf das jeder Schweizer mit Stolz hinweisen darf, eine Arbeit, der man, so
weit die deutsche Sprache verstanden wird, nur rückhaltlose Anerkennung
gezollt hat.
Von einem Torso zu sprechen ist nicht billig. B. hat sich im Einver-
ständniss mit seinem Verleger vom ersten Satze an die Grenze gesteckt, bis
zu der er gelangt ist, und es ist undankbar, darüber mit ihm rechten zu
wollen. Eine Behandlung unserer Literatur im 19. Jahrhundert wäre in die-
sem Stile gar nicht wünschenswerth. Die mögliche Fortsetzung, von der er
in der Vorrede spricht, hätte ein ganz anderes Gepräge erhalten, und B. hätte
sie uns erst nach einer völligen Umarbeitung des Hauptwerkes bieten wollen.
Bedauern können wir wohl, dass dieser Plan nicht mehr verwirklicht
worden, und gleichzeitig werden wir anerkennen, dass er zu Gunsten eines
Unternehmens hat zurücktreten müssen, dessen Ausführung für den Augen-
blick viel wichtiger war: Gottfried Keller's Leben. Das Verhältniss B.'s ?u
unserem Dichter wird vielleicht einmal ein anderer schildern; die ersten gei-
stigen Beziehungen gehen jedenfalls bis in's Jahr 1867 zurück, als der Ver-
storbene seine zweite Nx)velle schrieb, die ganz von der Art Gottfried Keller's
durchdrungen ist. Was der Gelehrte herausgab, fand seinen Weg auf den
Schreibtisch des Dichters, der die Gaben mit Verständniss und Dank ent-
gegennahm. Mit besonderer Freude erfüllte ihn B.'s Manuel-Ausgabe, worüber
er sich am 17. und 18. Februar 1879 >™ Feuilleton der Neuen Zürcher Zei-
tung in warmen Worten äusserte. Jahre hindurch war der persönliche Ver-
kehr zwischen beiden ein überaus reger, bis Keller in seiner herben und
derben Art einmal den Literarhistoriker in einer Weise angriff, die ein wei-
teres Zusammengehen unmöglich machte. Wer Keller gekannt, wird dies
begreifen. Am 70. Geburtstage des Dichters hielt B. eine prächtige Festrede
in der Aula der Universität; beim Tode Keller's ergriffen andere das Wort,
und geschäftige Biographen drängten sich herbei. Und doch war für jeden Ur-
theilsfähigen die Lage klar: nur in B.'s Hände konnte der Nachlass gelegt werden.
Zunächst erschienen auf Weihnachten 1892 Gottfried Keller's nach-
gelassene Schriften und Dichtungen, und schon ein Jahr darauf konnte der
erste Band von »Gottfried Keller's Leben. Seine Briefe und Tagebücher«
2 2 Baechtold.
(Berlin, Hertz 1894) herausgegeben werden. Im Spätjahr 1896 kam die Ar-
beit zu ihrem Abschlüsse. Die drei stattlichen Bände sind in Aller Erinne-
rung und in Vieler Händen ; B. 's Methode hat Kritiker gjefunden, man glaubte
da und dort grössere Kürze, mehr Zurückhaltung fordern zu dürfen. Das
alles wird nun in den Hintergrund treten gegenüber dem grossen und blei-
benden Verdienst des Verblichenen. Den »enthusiastischen Ton«, den Keller
verabscheute, hat B. gemieden, er hat uns den Dichter, wo immer möglich,
mit seinen eigenen Worten vorgeführt; er hat uns aber gleichzeitig — und
darin sehe ich das Unvergängliche in B.'s Schöpfung — ein Bild des litera-
rischen Lebens in Zürich während eines halben Jahrhunderts gegeben, wie wir
es feiner, origineller und zuverlässiger von keiner Seite hätten empfangen können.
Man sollte glauben, mit solchen Aufgaben sei die Zeit eines Menschen
voll und ganz in Anspruch genommen, und doch brachte es B. fertig, noch
mehr zu leisten. Er war unermüdlich darin, verborgene Schätze der Literatur
an's Tageslicht zu ziehen und sie der Mit- und Nachwelt in der feinsten Po-
litur und Fassung zu überliefern. In Schaff hausen fand er unter den Papieren
Johann Georg Müller's (eines Bruders Joh. von Müller's) anmuthige Aufzeich-
nungen, die er 1881 mit der Ueberschrift »Aus dem Herder'schen Hause«
(Berlin, Weidmann) herausgab; in Zürich prüfte er den Nachlass von David
Hess (1770 — 1843), der uns allen als Verfasser der »Badenfahrt« und der
»Rose von Jericho«, wie nicht weniger als Herausgeber von Usteris Werken
lieb und theuer ist, und veröffentlichte dann die Hess'sche Biographie des
unglücklichen philanthropischen Schwärmers Joh. Caspar Schweizer (Berlin
1884). Seinem gelehrten Freunde Reinhold Köhler in Weimar brachte er
zum sechzigsten Geburtstage »Einen Mund voll kurzweiliger Schimpf- und Glimpf-
reden, observirt anno 1651 — 1652«, ein paar Blätter des köstlichsten Humors.
Von Deutschland her erging 1889 an B. durch seinen Freund Professor
Erich Schmidt in Berlin die ehrenvolle Auflforderung, sich an der kritischen
Ausgabe von Goethe's Werken, die unter der Protektion der Grossherzogin
von Sachsen-Weimar erscheinen sollte, zu betheiligen und er übernahm zu-
nächst »Wahrheit und Dichtung«, später auch die Tagebücher, zu welchem
Zwecke ein Aufenthalt in Weimar nöthig war. Damals wurde B. auch zu
Hofe geladen, und es gehörte zum Besten, was er einem Freundeskreise wid-
men konnte, wenn er sich als gewandten Hofmann schilderte.
Der Bitte um Vorträge, die an den Verstorbenen so häufig gerichtet
wurde, entsprach er in früheren Jahren stets mit der grössten Bereitwilligkeit
und hat damit Vielen genuss- und lehrreiche Abende bereitet. Wie füllten
sich die Tische in der »Antiquarischen«, wenn es hiess: Jakob Baechtold wird
sprechen! Auch für kleinere Gelegenheitspublikationen war er immer zu
haben. Dem Zürcher Taschenbuche lieferte er neben der schon erwähnten
Arbeit über die Züricher Minnesinger (i 883) noch 1 894 die Briefe von J. G.
Schulthess an Bodmer; der Stadtbibliothek verfasste er 1890 ein Neujahrsblatt
(Johannes Stumpfs Lobsprüche auf die dreizehn Orte, nebst einem Beitrag
zu seiner Biographie) ; den Antiquaren pubHcirte er eine »Liederchronik« und
gab ihnen 1880 für die »Mittheilungen« Das glückhafte Schiff von Zürich.
Nach den Quellen des Jahres 1576.
Für die Zeitschriften, die ihn um seine Mitarbeiterschaft ersuchten, hatte
er immer etwas bereit, so z. B. in den letzten Jahren für die Germania (Bd. 2 1
resp. ^^) »Einundzwanzig Fabeln, Schwanke und Erzählungen des 15. Jahr-
hunderts<i; für die »Romanischen Forschungen« Bd. V (1889) eine Studie
Baechtold.
23
»lieber die Anwendung der Bahrprobe in der Schweiz«; für die Alemannia
(Bd. 20, 1892) »Zwei Hochzeitsgedichte« (von Johannes Grob 1676 und von
Gotthard Heidegger 17 10); und wie Vieles — von kleinerem und grösserem
Umfange — findet sich nicht in der Münchener »Allgemeinen Zeitung«, im An-
zeiger für Schweizergeschichte, in Nord und Süd, in der Zeitschrift für deutsches
Alterthum, im Feuilleton der »Neuen Zürcher Zeitung«, in der Deutschen
Rundschau; und wie manchen schweizerischen Schriftsteller hat er in der All-
gemeinen deutschen Biographie nach Leben und Leistungen dargestellt^)!
Und soll ich hinzufügen, mit welchem Eifer er seinen werthvollen Rath
und seinen unermüdlichen Fleiss dem Vereine für Verbreitung guter Schriften
>Äidmete, wie gewissenhaft er die Auswahl ftir die Anschaffung deutscher
Bücher in der Museumsgesellschaft traf? Von allen Seiten werden wir nun
die Klage hören: »Ja, wenn wir nur Professor Baechtold darüber fragen könn-
ten!« Ueberall wird man seine reiche Erfahrung, seine grosse Gefälligkeit
schmerzlich vermissen.
Schon einmal haben wir ja vor dem drohenden Verluste gestanden, im
Sommer 1895, als an B. der ehrenvolle Ruf nach Leipzig ergangen war. Es
war ein harter, schwerer Kampf, den er damals zu bestehen hatte. Mit allen
Wurzeln seiner Kraft ans Vaterland festgewachsen, Schweizer bis auf den
letzten Blutstropfen, musste er doch ergriffen sein von dem grossen Vertrauen,
das ihm eine der grössten deutschen Hochschulen, geistig \aelleicht die reg-
samste, entgegenbrachte. Sollte er nicht dem Schweizernamen im Auslande
neue Ehre machen, war es nicht Pflicht gegen die Seinigen, die glänzende
Stellung anzunehmen? B. hat sich fiirs Bleiben entschieden und heute wissen
wir ihm erst recht Dank dafür. Nun, da sein Leben — und Leiden abge-
schlossen vor uns liegen, zeigt sich sein damaliger Entscheid in anderm Lichte.
Aeusserlich dem Rufe seiner Freunde folgend: »Verpflanze nicht den schönen
Baum, Gärtner! er jammert mich!« mag sich der Verstorbene innerlich ge-
sagt haben, dass der alte Stamm die Versetzung in neues Erdreich nicht
mehr ertragen würde. Schüler, Freunde, Kollegen — die weitesten Kreise
haben ihm damals gesagt, wie lieb und theuer er allen war, und selbst an-
gesichts des bittersten Verlustes freuen wir uns, dass er uns wenigstens die
zwei kostbaren Jahre noch gegönnt. Anerkennenswerth ist, wie unsere Be-
hörden sich damals bemühten, der Universität die vorzügliche Kraft zu er-
halten und wie nach dem Entscheide der Bundesrath dem Verstorbenen da-
durch seine Dankbarkeit bewies, dass er ihm unter den günstigsten Bedingungen
einen Lehrauftrag am Eidg. Polytechnikum ertheilte.
Aus B.'s Schriften, selbst aus der kleinÄen Notiz spricht überall seine
Eigenart, seine Urwüchsigkeit, und die trat im Leben vielleicht noch stärker
hervor. Das Wort, für Vortrag oder Publikation sorgsam abgewogen, entfloh
im Gespräche oft seinem Munde, ohne dass ihm die nöthige Vorsicht zur
Seite ging. Und wie er mit seinen literarischen Leistungen gelegentlich
Gegner fand, so stiess er da und dort auch mit seinen mündlichen Aeusse-
rungen auf Widerstand. Das ist das Loos der Leute, die nicht auf aus-
getretener Bahn wandeln. Aber B. war durch und durch versöhnlich; er
vergass gern und durfte erwarten, dass andere — nicht minder grossmüthig —
') Dankbar sei hier neuerdings erwähnt, dass Baechtold fUr unseren Deutschen
Nekrolog das Schweizer Referat übernahm und im vorigen Jahrgang mit aller Sorgfalt
förderte. (Vgl. Biographisches Jahrbuch, 1897, S, V und Bacchtold's Nachruf für Appell
ebenda S. 3.) D. H,
24. Baechtold.
auch ihm vergessen. Nie hat er die dargebotene Hand zurückgewiesen und
war nie glücklicher, als wenn er mit jedermann im Frieden leben konnte.
Als schönstes Geleite hatte er einen unverwüstlichen Humor stets neben
sich, einen Genossen, der ihn von seinen ersten literarischen Versuchen bis
zum letzten Federstriche nicht verliess, der im Kreise der Familie und der
Freunde, wie in der Rede bei ihm stand. Was wüssten die Wände so manch
wackerer Trinkstube in Zürich und anderswo nicht für heitere Geschichten
zu erzählen, die sie aus dem Munde Jakob B.'s vernommen! Und hinter
diesem Humor stand eben das wohlthuende Bewusstsein erfüllter Pflicht, das
gute Gewissen, dass eine tüchtige Arbeit vollbracht sei. Als das zunehmende
Herzleiden ihm kategorisch verbot, selbst an unschuldigen Gelagen theil-
zunehmen, erfreute er sich an der Lektüre humoristischer Schriftsteller. Wie
oft sprach er mir im letzten Jahre von dem Vergnügen, das ihm Dickens
bereitet !
Die Musik hat ihm manche glückliche und weihevolle Stunde geschenkt.
Als junger Mensch spricht er von der Wirkung, die der Trauermarsch aus
Händel's Saul, David's Klagegesang oder die prachtvolle Arie: »O Herr, des
Güte endlos ist!« auszuüben im Stande seien — und wohl an ihm selbst aus-
geübt hatten. In seinem Hause, wo es ihm wohl war wie nirgends, spielte
die Musik eine wichtige Rolle ; Concerte besuchte er mit Auswahl ; für Brahms,
mit dem ihn persönliche Freundschaft verband, hatte er grosse Vorliebe. In
nachmitternächtiger Zeit phantasirte er wohl auch einmal im Freundeskreise
auf dem Klaviere — und wie konnte er weidlich böse werden, wenn das
Gebrüll übermüthiger Genossen ihn daran störte!
Seit dem Rufe nach Leipzig hatte B. ein Stück seiner alten Fröhlichkeit
und Kraft eingebüsst. Er war nicht mehr im Stande, eine so ungeheure Ar-
beitslast zu tragen wie früher, sich dann wieder so ungebundener Freude
ganz hinzugeben wie ehemals. Der Anfang der Krankheit traf offenbar so
ziemlich mit jenem Entscheide zusammen, der ihm so viel Mühe machte.
»Jetzt kann ich das Thor schliessen«, meinte er muthlos kurz nachher, raffte
sich aber glücklicher Weise doch wieder auf. Ein letzter grosser Genuss war
für ihn die Fahrt nach Neapel, die er von Nervi aus zu Ostern dieses Jahres
in Gesellschaft seines lieben Freundes Viktor Meyer unternahm. Anfangs Juli
schickte er mir die Gottfried Keller-Bibliographie (Berlin, Hertz 1897. 36 S.)
hinüber; als ich ihm dankte, betonte er nur immer, wie froh er sei, auch
diese Aufgabe noch abgeschlossen zu haben. Er ordnete seine Bibliothek,
sichtete seinen reichen, werth vollen Briefwechsel und bestellte sein Haus. Die
Redensarten, man könne bei einem Herzleiden alt werden, verfingen nicht
mehr, der unerbittliche Tod hatte zu deutlich angeklopft. Da erst, als er
sich nicht mehr nach der Universität zu schleppen vermochte, gab er nach.
Eine Ruhepause von zehn bis vierzehn Tagen sollte es ihm möglich machen,
die Vorlesungen des Semesters noch zu einem ordentlichen Abschlüsse zu
bringen. Mitte Juli versuchte er's noch einmal; aber ein furchtbarer Herz-
krampf war die Folge der Pflichttreue.
Das Semester ging seinem Ende entgegen, ohne dass B. die Vorlesungen
wieder hätte aufnehmen können. Da flackerte das Lebenslicht zum letzten
Male auf. Er durfte wieder seinen kleinen Abendspaziergang unternehmen;
am 31. Juli traf ich ihn auf der Fahrt zum See, am 4. August sass er ein
Stündchen bei mir im Garten. Beide Male sprach er mit Wärme von einer
neuen Arbeit: Die »Geschichte der deutschen Literatur in der Schweiz« sollte
Bacchtold. Mai. 25
umgegossen und dann fortgesetzt werden. Er freute sich so recht, dass er
den Stoff nun völlig beherrsche und überblicke; er hoffte offenbar, der Welt
ein abgerundetes, vollkommenes Kunstwerk darbieten zu können. Noch am
Sonntag Vormittag brachte mir mein Junge, den ich mit einem Zettelchen
hinübergeschickt, die Kunde, wie fröhlich und freundlich »Papa Baechtold« sei.
Anderthalb Stunden später standen wir erschüttert an seiner Leiche.
Vor dreissig Jahren hat der Gymnasiast Jakob B. das Ende eines geist-
lichen Herrn geschildert, der seine letzte Predigt gehalten hatte. »Dann
schaute der Herr Pfarrer, als er draussen war, recht innig die blauen Wolken
und die weissen Schneeberge und sein blühendes Gärtlein an, und in seinem
Stüblein angekommen, unterhielt er sich noch einmal in liebevoller Weise mit
seiner Familie, nahm noch einmal das irdische Mittagsmahl inmitten der
Seinen ein und dann stieg er zum letzten Mal in sein Studirzimmer hinauf,
nahm sein Gesangbuch und las mit zitternder Stimme das Lied: »Wie wird
mir sein, wenn ich dich, Jesu, sehe«. Erschöpft legte er sich hin zum Mit-
tagsschläfchen, von dem er nicht wieder erwachte.« — Und wie in jenem
Pfarrhause, so schauten auch hier die rankenden Reben zum Fenster hinein,
ob der alte Freund nicht wieder komme. —
Die Angehörigen, die Freunde, die Universität, das Vaterland, die deut-
sche Wissenschaft — alle haben unendlich viel an Jakob B. verloren, und der
rasche Abschied war furchtbar; ihm aber blieben die Schrecken langen Siech-
thums erspart, und er geniesst — um sein eigenes Citat aus Goethe zu wieder-
holen — den Vortheil, »als ein ewig Tüchtiger und Kräftiger zu erscheinen;
denn in der Gestalt, wie der Mensch die Erde verlässt, wandelt er unter den
Schatten«. Auf der Höhe des Zürichberges, von wo er so oft die scheidende
Sonne geschaut, wird seine Asche unter einem bescheidenen Denksteine
ruhen; aber in seinen zahlreichen Schriften, zumal in seiner »Geschichte der
deutschen Literatur in der Schweiz« hat er sich selbst das unvergänglichste
und schönste Monument errichtet.
Mit Zustimmung des Hrn. Verfassers wiederholt aus der Neuen Zürcher Zeitung.
Theodor Vetter.
Mai, Emanuei, Antiquar, ♦ 2. Februar 181 2 in Schmiegel bei Lissa,
t 27. December 1897 in Berlin, wo er seit seinem 13. Jahre gelebt hatte. —
M. besuchte das Gymnasium Zum grauen Kloster und erwarb sich eine ge-
diegene wissenschaftliche Bildung, die er später in seinem praktischen Beruf
gründlich verwerthen konnte. Mehrere Jahre gehörte er als Lehrling und
Gehilfe der einst berühmten antiquarischen Buchhandlung von Finke an, bis
er 1836 im Hause der Polnischen Apotheke, Mittelstrasse, selbst ein Geschäft
unter der Firma seines Namens errichtete. Er hatte drei grosse uralte Biblio-
theken, eine Bülow'sche und eine Wolkenstein'sche, und die aus dem ehe-
maligen Kloster Marsberg stammende, aufgekauft, und diese bildeten den
starken Grundstock seines Lagers, das sich von Jahr zu Jahr vergrösserte.
Er kaufte das Haus Unter den Linden, in dem sich jetzt das Aquarium
befindet, und siedelte von da später nach der Mauerstrasse über, wo das
Geschäft, seit 1868 von seinem Sohne Max geleitet, noch blüht. Es gab in
Deutschland keinen Liebhaber und Sammler alter oder seltener Drucke, der
nicht mit Emanuel Mai in Verbindung gestanden hätte; jeder wusste in ihm
nicht nur den Händler, sondern auch den Kenner und Rathgeber zu schätzen.
Wie sehr M. aus eigener Liebhaberei Sammler gewesen ist, hat er gerade
2 6 Mai. Schumann.
während der letzten sechs Jahre als eifriger Mitarbeiter an den Sonntags-
beilagen zur Vossischen Zeitung bewiesen. Aus seiner reichen, nahezu voll-
ständigen Sammlung von Flugblättern und anderen Schriftstücken, die sich auf
die achtundvierziger Bewegung beziehen, hat er dort vieles seinen Zeitgenossen
in's Gedächtniss zurückgerufen und späteren Generationen zur guten Lehre
gegeben. Was er unter den Ueberschriften »Die Berliner Strassenliteratur des
Jahres 1848«, »Welke Blätter des Märzsturms«, »Die Parlamente«, »Der Prinz
von Preussen«, »Gedenkblätter aus der Zeit Friedrich Wilhelm IV.«, »Berliner
Momentbilder«, »Zum Jubiläum des Vereinigten Landtags«, »Polens Kämpfe«
veröffentlichte, entspricht nicht der wissenschaftlichen, historisch -kritischen
Methode; er gab keine zusammenhängende Darstellung der Ereignisse, keine
Charakteristik der handelnden Persönlichkeiten, sondern etwas willkürlich legte
er Blatt an Blatt und suchte so den Eindruck jener von ihm leidenschaftlich
miterlebten Tage wieder lebendig zu machen. Wie sehr ihm das gelungen
ist, wie gerade dadurch, dass er die Dokumente reden Hess, alles frisch und
eben erst dagewesen schien, haben ihm zahllose Zuschriften, Anfragen, wohl
auch kleine Berichtigungen aus dem Leserkreise bewiesen. Der alte Herr
hatte seine Freude daran und trug sich zuletzt mit dem Plane, diese Auf-
sätze, durch andere vermehrt, m einem Buch zu sammeln und es am fünfzig-
sten Gedenktage des achtzehnten März zu veröffentlichen. Bereits war er mit
einer altangesehenen Berliner Verlagsbuchhandlung deswegen in Verbindung
getreten. Da befiel ihn, ihm selbst kaum merkbar, ein schweres unheilbares
Magenübel, und kurz vor Vollendung des halben Jahrhunderts gehörte auch
er nicht mehr zu den wenigen Ueberlebenden, sondern zu der grossen Heer-
schaar »alter Achtundvierziger«, die der Hügel deckt. Noch wenige Wochen
vor seinem Tode konnte man ihn, auf seinen Stock gestützt, rüstig durch
die Strassen Berlins schreiten sehen, den kurzen, stämmigen Körper leicht
vornüber zur rechten Seite gebeugt, das schöne, klare, kluge Auge nachdenk-
lich vor sich hin gesenkt, und unter dem grossen, schwarzen Schlapphut, von
Haar und Bart lang und dunkel umwallt, ein prachtvolles Patriarchenhaupt,
das den Neid und die Freude Rembrandt's erregt hätte. Die Frage, was
aus M.'s nachgelassener Sammlung werden soll, ist für die Berliner Stadt-
verwaltung, die sich im Besitze der gleichwerthigen Friedländer'schen Samm-
lung befindet, wohl zu erwägen.
Paul Schienther.
Schumann, Albert, Professor für Geschichte und Geographie an der
Kantonsschule in Aarau, * 4. Februar 1835 ^^ Gotha, f 24. Februar 1897
in Aarau. — Seh. studirte in Jena, Bern und Göttingen Geschichte und
Germanistik und wurde Ende 1859 »wissenschaftlicher Privatsekretär« bei
Johann Martin Lappenberg. Vergeblich bewarb er sich um eine Stelle an
der Göttinger Bibliothek; allerhöchste Protection verhalf einem Untauglichen
dazu, der bald darnach in's Irrenhaus kam. Das verdross Seh. dermassen,
dass er Deutschland verliess und ein Lehramt an der Bezirksschule in Zofin-
gen annahm, wo er beinahe 22 Jahre blieb. Hierauf wirkte er 10 Jahre an
der Kantonsschule in Aarau und trat 1892 in den Ruhestand. Er war ein
sehr gewissenhafter Lehrer, aber mit innerster Neigung war er es nicht. Viel-
mehr war er nach Fähigkeit und Beruf der geborene Bibliothekar, der durch
unablässige Studien seine Kenntnisse bereicherte. Mit verhältnissmässig sehr
geringen Mitteln hat er die Stadtbibliothek Zofingen, der er 30 Jahre lang
Schumann. Rothpletz. 2 7
vorstand (von 1867 bis zu seinem Tode), zu einem wahren Schatzkästlein
gemacht. Er war in bibliographischen Dingen bewandert, wie Wenige in der
Schweiz, und besass eine ausgedehnte Bücher- und Literaturkenntniss, wie sie
nur derjenige erwirbt, dem ungezählte Bände durch die Hände gehen und
der eine Unmenge antiquarischer Kataloge zu Rathe zieht. Uebrigens kannte
er nicht nur die Titel der Bücher und Zeitschriften, sondern wusste gar wohl,
was darin stand. Er schrieb über eine beträchtliche Reihe von Männern in
die »Allgemeine deutsche Biographie«, und die noch unvollendete neue Auflage
von »Goedeke's Grundriss zur Geschichte der deutschen Literatur« verlor in ihm
einen Beistand und Nothhelfer, den der Herausgeber schwer im Stande sein wird
zu ersetzen. Er gehörte nämlich zu den seltenen Naturen, die alle die kleinen,
unansehnlichen und mühseligen Arbeiten auf sich nehmen, die eben gemacht
werden müssen, um die sich aber die Meisten gerne herumdrücken. Seine
Specialität waren die ganz kleinen Schriftsteller und Poeten, denen Niemand
gerne nachfragt und nachgräbt; seine eigenste Domäne jedoch bildete die
(beschichte und I^iteratur des Aargaus: für jene leistete er Verschiedenes in
der »Zeitschrift aus dem Wiggerthale«, die übrigens nicht lange existirte;
diese behandelte er in dem zu zwei Lieferungen herangediehenen Werk: »Aar-
gauische Schriftsteller, aus den Quellen dargestellt«. — Anderen mit seinem
reichen und wohlgeordneten Wissen beizuspringen, Hess er sich keine Mühe
verdriessen. Trug man ihm irgend ein Anliegen vor und begehrte Dieses
oder Jenes zu wissen, so notirte er sich die Sache in ein Notizbüchelchen
oder brachte wohl auch nach alter Väter Weise einen Knoten im Taschen-
tuch an. »Ich werd' einmal nachsehen«, pflegte er dann in seinem gothaisch
gefärbten Deutsch gelassen zu sagen. Er vergass nie etwas. Den Kopf ein
wenig zur Seite geneigt, die braunen Augen noch etwas freundlicher als sonst,
kam er dann mit langen Schritten und etwas in die Knie fallend auf den
Bittsteller zugegangen und brachte gewöhnlich mehr, als dieser erwartet hatte.
Häufig genug übermittelte er das Gewünschte auf's säuberlichste aufgezeichnet.
Vielleicht hat er nicht überall den gebührenden Dank gefunden, während ihn
selbst die kleinste Gefälligkeit ausserordentlich erfreute. Er hat wohl nie
Jemand etwas zu leide gethan und schwerlich einen Feind besessen.
Adolf Frey.
Rothpletz, Christian Emil, schweizerischer Oberstdivisionär und Professor
der Militärwissenschaften am eidgenössischen Polytechnicum, ♦ 21. Februar
1824 in Aarau, f 13. Oktober 1897 in Zürich. — Die Familie R. wanderte
in der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts aus Villingen im Schwarz-
wald nach Aarau, wie denn damals eine Menge der heute in der Schweiz
blühenden Geschlechter aus Süddeutschland über den Rhein zogen und in
den Bürgerschaften die Lücken füllten, welche die mörderischen italienischen
Soldkriege gerissen hatten. R.'s Vater, Johann Heinrich, war Bezirksamtmann;
die Mutter Sarah Isabella, geb. Schuster, stammte aus Neustadt an der Hardt
und überragte den Gatten an Bildung und geistiger Begabung. Als R. ein
Jahr alt war, wandte sich die Familie nach der Pfalz, wo die Verwandten
der Mutter begütert waren. Der Vater übernahm die Leitung einer chemi-
schen Fabrik, starb aber schon nach einem halben Decennium. Mit schwär-
merischer Liebe an der Schweiz hängend, begab sich die Mutter mit den
Kindern nach Aarau zurück. Hier absolvirte R. das Gymnasium und studirte
dann an verschiedenen Hochschulen Jurisprudenz, so in Heidelberg. Einq
28 Rothplct«.
tückische Brustkrankheit, die von seinen drei Brüdern zwei früh dahingerafft
hatte, bedrohte auch ihn, sodass die Aerzte einen Aufenthalt in südlichem
Klima anriethen. Er begab sich nach Madeira, fand dort die erhoffte Besse-
rung und suchte dann zu weiterer Kräftigung die Insel Helgoland auf. Hier
erreichte ihn (1847) die Nachricht vom bevorstehenden Ausbruch des schwei-
zerischen Sonderbundskrieges. Rasch der Heimath zugeeilt, meldete er sich
in Aarau als Freiwilliger einer Reservescharfschützenkompagnie und kam im
entscheidenden Gefecht bei Gislikon in's Feuer. Die Eindrücke, die ihm der
kurze Feldzug hinterliess, blieben unverlöschlich und waren für seine spätere
Laufbahn bestimmend, sodass er im Frühling 1848, zur militärischen Carriere
entschlossen, als Aspirant in die Vorbereitungsschule flir Infanterieoffiziere
trat und dann sofort einen zweiten Kurs für Artillerieaspiranten mitmachte,
dessen Leitender der Hauptmann Hans Herzog war, der spätere General.
Noch im nämlichen Sommer folgte ein Instructionskurs im Tessin. Nun aber
regte sich die noch immer nicht völlig gefestigte Gesundheit in unangenehmer
Weise wieder und nöthigte ihn abermals zum Besuch des Seebades. Unter-
wegs dahin vom Waffenlärm im insurgirten Berlin angelockt, durchwanderte
er Stadt und Umgebung, knüpfte mit dem Revolutionskomite Unterhandlungen
an und entrann schliesslich den einrückenden Truppen und vielleicht dem
Standrecht mit knapper Noth. In der Heimath forderte er seine militärische
Ausbildung mit allem Nachdruck, absolvirte eine Kavallerierekrutenschule, trat
dann zur Artillerie über, avancirte zum Oberlieutenant, 1855 ^^™ eidgenössi-
schen Artilleriehauptmann und nahm an verschiedenen Centralschulen theil.
Als Artilleriehauptmann blieb er der beständige Adjutant von Hans Herzog,
der als Waffenchef der Artillerie die Instructionsverhältnisse dieser Waffe in
der Schweiz mit einem Schlag von Grund aus umwandelte, nicht zum minde-
sten unterstützt von R. Dieser begleitete seinen Obern bei verschiedenen
Dienstanlässen, so 1856 beim Truppenzusammenzug im Thurgau und während
der Grenzbesetzung (1856/57) infolge des sog. Neuenburger Handels. Zwei Jahre
später führte ihn die Grenzbesetzung in's Tessin, wo er schon 1855 während der
Grenzoccupation fungirt hatte. 1860 wurde er Major im eidgenössischen Artil-
leriestab, 1863 eidgenössischer Oberstlieutenant, nachdem er während mehrerer
Jahre als Lehrer und Kommandant von Militärkursen, namentlich artilleristischen,
gewirkt hatte. — Gleichzeitig mit der militärischen Laufbahn begann er auch
diejenige eines Beamten, zuerst als Aarauer Stadtrath, dann als Gerichts-
präsident, seit 1854 als Oberrichter, d. h. als Mitglied des obersten kantonalen
Richterkollegiums. In dieser Stellung erhielt er, als es sich, in Vollziehung
der Staatsverfassung von 1852, um die Einführung des Schwurgerichtes han-
delte, den Auftrag, eine neue Strafprocessordnung auszuarbeiten, und wurde
1858 Präsident des Kriminalgerichts und des Schwurgerichts. In schweren
Stunden, wo er seine hoffnungslos kranke Mutter pflegte, begann er zu malen
und legte dann nach ihrem Tode alle seine Aemter nieder, um ausschliesslich
der Kunst zu leben. Er wollte in aller Form Maler werden und ging nach
München, wo er namentlich unter Berthelli's Leitung zu arbeiten begann.
Während er unverdrossen Pinsel und Palette handhabte, erhielt er 1864 vom
schweizerischen Militärdepartement den Auftrag, sich sofort auf den dänisch-
deutschen Kriegsschauplatz zu begeben. Er sah nur noch eine letzte Episode
des Krieges, da die Düppeler Schanzen schon genommen waren. Immerhin
bot sich Gelegenheit, mit Moltke und von Gablenz zusammenzutreffen. Eine
ähnliche offizielle Mission führte ihn 1866 nach dem süddeutschen Kriegs-
Rothpletz. 2()
Schauplatz. Nachdem er 1867 Oberst im eidgenössischen Generalstab ge-
worden, leitete er 1868 einen taktischen Kurs für Offiziere des Artilleriestabs;
auch befasste er sich damals mehrfach mit Arbeiten über die Landesbefesti-
gung. Er recognoscirte noch im nämlichen Jahre mit einer Kommission die
Nordfront der Schweiz und die westhche bis in's Wallis. Als 1870 Hans
Herzog die Wahl zum schweizerischen General angenommen hatte, berief er
R., dessen Ernennung zum Generalstabschef oder Generaladjutanten sich
Schwierigkeiten entgegenstellten, zu seinem Adlatus; R. arbeitete namentlich in
der operativen Sektion, musste sich aber bald nach Jahresanfang legen und
drei Monate das Bett hüten. 1872 verheirathete er sich mit Fräul. El. Wydler
von Aarau, mit der er in glücklicher Ehe lebte. Bei der Durchführung der
neuen schw^eizerischen Militärorganisation nach dem Gesetze von 1874 wurde
R. als einer der drei Obersten dem Generalstab zugetheilt, erhielt dann aber
das Kommando der V. Armeedivision und zugleich den Auftrag, mit derselben
die erste sechszehntägige Divisionsübung abzuhalten, welche Aufgabe er so
trefflich löste, dass seine Maassnahmen auf Jahre hinaus für die folgenden
Manövers von einschneidender Bedeutung blieben. Seit 1876 wurde er als
Lehrer der Centralschule IV für Oberstiieutenants verwendet, und am 7. Mai
1878 erfolgte seine Wahl zum Professor der Taktik, Strategie und Kriegs-
geschichte am schweizerischen Polytechnicum in Zürich, wohin er nun über-
siedelte. Die Schwierigkeiten und Aufgaben der neuen Stellung erwiesen sich
als so grosse, dass er sich vom praktischen Militärdienst immer mehr zurück-
zog; und Gesundheitsrücksichten veranlassten ihn 1883 seine Entlassung vom
Divisionscommando und bald darauf aus dem Armeeverband zu nehmen.
Neun Jahre später wurde ihm auch die Leitung der Oberstlieutenantsschulen
zu viel, und seit seinem siebzigsten Jahre hinderte ihn ein immer stärker wer-
dendes Herzleiden, seine Vorlesungen abzuhalten.
Der Widerstreit zwischen wissenschaftlichen und künstlerischen Interessen,
den vielseitig angelegte Naturen so oft zu kämpfen haben, wurde für R. früh
complicirt durch die militärischen Neigungen und die Erfahrungen, die er im
Sonderbundsfeldzug machte. »Diese waren mir«, schreibt er, »für meine
spätere Laufbahn von hohem Werthe. Ich habe die Leiden und Freuden,
die Leistungsfähigkeit und die Bedürfnisse eines Soldaten kennen gelernt; ich
habe gesehen, wie der Soldat die Offiziere beurtheilt, was er von ihnen er-
wartet und welche Eigenschaften der Offizier haben muss, um das Vertrauen
der Mannschaft zu erwerben und um am Tage der Gefahr Gehorsam erwarten
zu dürfen.« Von seinem dreissigsten Jahre an publicirte er eine Reihe schrift-
stellerischer Arbeiten, die sich beinahe über alle Gebiete militärischen Wissens
erstrecken: Taktik aller Waflfen, Strategie, Terrainlehre, Befestigungslehre,
Organisation. Die bedeutendste von allen, das Handbuch »Felddienst und
Taktik der eidgenössischen Artillerie« (1866) schrieb er, einer Aufforderung
seines Vorgesetzten Hans Herzog folgend, in der unglaublich kurzen Zeit von
acht Tagen und acht Nächten, freilich nicht ohne diese Ueberanstrengung
gesundheitlich lange empfindlich zu spüren. Es folgten: »Recognoscirungen«
1868. »Die schweizerische Armee im Feld« 1869. »Grundzüge der Organi-
sation des Sanitätsdienstes« 1873. »Die Führung der Armeedivision« 1876.
»Feldinstruction über den Sicherheitsdienst der Kavallerie und Infanterie« 1877.
»Eröffnungsrede zu den Vorlesungen am eidgenössischen Polytechnicum« 1878.
*Das System der Landesbefestigung, eine strategische Studie« i88o. »Das
Infanteriefeuer« 1882. »Die Terrainkunde« 1885. »Die Gefechtsmethode der
•^O Rothpletz.
drei Waffengattungen« (Geschichtliche Entwickelung 1886, Kavallerie 1886,
Infanterie 1887, Artillerie 1887). »Die strategische Theilung des schweizeri-
schen Heeres« 1891. »Die Schlacht bei Martigny« 1891. Li der Schrift
»Die strategische Theilung des schweizerischen Heeres« bekämpfte er die
damals vorgeschlagene Eintheilung des schweizerischen Heeres in vier Annee-
corps und trat für die bisherige Eintheilung in acht Divisionen ein. Er unter-
lag mit seiner Ansicht, wie er auch in der Frage der Landesbefestigung nicht
durchdrang; er plaidirte für das System der Verriegelung, während man sich
maassgebenden Ortes für dasjenige einer Centralbefestigung entschied. Er war
übrigens einer der Hauptförderer der Landesvertheidigung und Landesbefesti-
gung und ebenso (mit Welti, Herzog und Feiss) der schweizerischen Militär-
organisation von 1874. Er hat die Militärwissenschaften in operativem, wie
im technischen Sinne selbständig durchgearbeitet und theoretisch wie prak-
tisch bemeistert und sich über die Grenze seines Landes hinaus einen geach-
teten Namen als Militärschriftsteller gemacht. Originelle und lichtvolle Be-
handlung des Stoffes und schöne Form zeichnen ihn aus, wie er denn aus
innerstem Bedürfniss immer ein beträchtliches Gewicht auf die Form, ja auf
die Formel legte. Das hing eng mit seinen Künstlergaben zusammen. Es
blieb ihm zwar als Maler versagt, über das Dilettantische hinauszukommen
und geschlossene Werke hervorzubringen, sei es, weil seinem Talente eine
gewisse Grenze gezogen war, sei es, weil er erst sehr spät, schon beinahe
ein Vierziger, sich an die Bewältigung der technischen Schwierigkeiten wagte
und weil die Lehrzeit eine allzu kurze war. Aber diese Versuche schärften
seinen Blick und Geschmack, die ihn in Stand setzten, eine feine Gemälde-
sammlung anzulegen, deren Perlen weithin leuchteten. Es befand sich u. A.
darin die sog. bella Visconti, durch Weber's schönen Stich bekannt geworden,
und eine Madonna mit musicirenden Engeln von A. Feuerbach (jetzt in der
Dresdener Galerie). R. gründete den aargauischen Kunstverein und setzte
die Erwerbung manches werth vollen Bildes zu Händen des Staates durch.
Ihm ist es zu verdanken, dass Aarau in den Besitz eines der herrlichsten
Bilder Arnold Böcklin's gelangte (Muse des Anakreon), und zwar zu einer
Zeit — es war in den siebziger Jahren — , wo, Basel ausgenommen, noch
keine andere öffentliche Sammlung der Schweiz ein Werk des grossen Mei-
sters besass. Auch um die Erhaltung und Restauration der berühmten Wet-
tinger Glasgemälde machte er sich verdient. Als Präsident der schweizerischen
Kunstkommission veröffentlichte er 1890 »Betrachtungen über die Organisation
der Kunstpfiege«, worin er auf manchen Schaden auf dem Gebiete des schwei-
zerischen Kunstlebens kräftig hinwies.
Das künstlerische Bedürfniss veranlasste ihn auch zu stilgemässer Aus-
schmückung der Wohnräume im sog. Schlössle zum alten Thurm in Aarau,
einem in seinen ältesten Theilen megalolithischen Bauwerk aus dem frühsten
Mittelalter, dem spätere Jahrhunderte zwei Wohnbauten angefügt hatten. Das
Innere dieses Thurmbaus, den Gottfried Keller als einen rechten Künstler-
und Poetensitz bezeichnete, liess R. mit Getäfel wieder herrichten und stellte
da seine Gemäldesammlung auf. Gerne sah er seine Freunde bei sich, und
sie erschienen gerne, denn er war ein liebenswürdiger Wirth. Anselm Feuer-
bach, Ludwig Steub, Virchow, Hermann Grimm waren gelegentlich, der am
Aarauer Gymnasium wirkende Germanist E. L. Rochholz häufig hier; und als
sich J. V. V. Scheffel im nahen Seethal eingehaust hatte, leerten die beiden
manch fröhliches Glas zusammen, denn sie verstanden sich vorzüglich; waren
Rothpletz. NUscheler. 31
sie doch beide von Haus aus Juristen, malten und dichteten doch beide.
Auch R. nämlich liebte die Poesie und warf manchen ernsten oder heiteren
Vers hin. Seine Gedichte Hess er auch drucken, aber nur für die Seinigen
und die Freunde.
In Zürich steigerte sich der Verkehr. R. sah Gottfried Keller nicht sel-
ten bei sich und noch öfter Böcklin, der sich manches Mal Sonntags zum
Abendbrod einfand und durch heitere, liebenswürdige Laune entzückte. R.
war ein trefflicher Gesellschafter, geistreich, lebhaft, gewandt und liebens-
würdig, dazu ein schöngewachsener Mann mit bedeutendem Gesicht. Seine
gesellschaftliche Liebenswürdigkeit entsprach übrigens seiner inneren; denn er
war wohlwollend und trug einen noblen Zug an sich, dem alles Pedantische
widerstrebte. Die specifische Beschaffenheit seines Wesens beruhte wohl auf
der Mischung zweier Stämme: in die gehaltene, mehr ernste Schweizerart, die
er vom Vater geerbt, brachte die pfälzische Mutter einen leichtflüssigeren,
heiteren Schuss.
(J. Hunxiker): Oberst E. R. Zürich 1897 (nach den ziemlich umfänglichen unge-
drückten Memoiren R.'s) »Allgem. Schweizer Zeitung« 17. Okt. 1897. »Der Bund« 18. Okt.
1S97. »Schweiz. Militärische Blätter«, 10. Heft 1897. »Zum Andenken an Oberst E. R.«
(0. 0. u. J.). Ad. Frey: »J. V. v. Scheffers Briefe an Schweizer Freunde.« 1897.
Adolf Frey.
Nüscheier, Arnold^ Historiker, * 18. August 1811 in Zürich, f 30. Oktober
1897 ebendaselbst. — Ein Leben voller Arbeit hat am 30. Oktober 1897
seinen Lauf beschlossen. Mit dem »Herrn Rechenschreiber«, wie seine Mit-
bürger den Ehrendoctor nannten, ist der Nestor der Zürcherischen Historio-
graphen zur Ruhe gegangen; aber sein Bild, welches das eines lauter wohl-
wollenden, im Dienste der Wissenschaft unermüdlichen und allezeit opferwilligen
Mannes war, wird so lange leben, als es Zeugen seines Schaffens giebt. N.
ist als Sohn eines alten, geachteten Zürcher Hauses am 18. August 181 1 ge-
boren. Zum künftigen Juristenstande bestimmt, hatte er die Universitäten
Heidelberg und Berlin besucht; dann zog es ihn zu den Cameralia hin, aut
die er sich in München und wiederum in Heidelberg verlegte. Andere
Interessen drängten sich ebenfalls hervor, die Freude an Allem, was Kunst
und Cultur vergangener Jahrhunderte hinterlassen haben und ein lebhafter Zug
zu den Naturwissenschaften. Reisen, die ihn von Deutschland und Oester-
reich bis nach Dänemark und Schweden und dann wieder zurück nach Frank-
reich bis Havre und Toulon führten, trugen dem aufmerksamen Beobachter
reiche Erfahrungen und Kenntnisse ein. Seine letzte Etappe war Paris ge-
wesen; dort wurde er von schwerer Krankheit befallen, die den kaum Ge-
nesenen 1835 zur Rückkehr in die Heimath zwang.
Hier fing nun das Wirken an, welches er in gleichem Maasse für Staat
und Vaterstadt, wie für die Wissenschaft entfaltet hat. Als gründlicher
Comptable wurde er schon bald nach der Heimkehr zum Rechenschreiber,
das will sagen, zum Sekretär des kantonalen Finanzwesens ernannt, welche
Stellung er fast drei Jahrzehnte lang mit der ihm eigenen Umsicht und Ge-
wissenhaftigkeit versah. An anderen Aemtem und Würden gebrach es nicht
und seinen vielseitigen Anlagen entsprach die Zahl der Vereinigungen, in deren
meisten er ein rühriges Mitglied war. Von all den Neigungen aber, zu deren
Pflege Amt und Pflicht ein Uebriges Hessen, trat mehr und mehr die Eine
her\or, die zur Geschichte und Alterthumskunde, welche bis an's Lebensende
seine eigenste blieb.
X2 Nüscheler.
Ein Biograph hat ausgeführt, wie bald das Amt diesen Zug auf feste
Bahnen lenkte. Zu N.*s Obliegenheiten hat in der Wende der Dreissiger und
Vierziger Jahre die Untersuchung über die CoUaturverhältnisse der zürcheri-
schen Kirchen gehört. Das forderte zum Studium der einschlägigen Docu-
mente heraus, womit sich der junge Gelehrte aber nicht beschied, sondern
noch weiter fuhr, indem er über den berufsmässigen Rahmen hinaus sich auf
das systematische Studium des gesammten ihm zugänglichen Urkundenmaterials
verlegte und so den Grund zu einer Arbeit schuf, auf die sich nachmals zu-
vörderst sein Ruf begründet hat.
Es war auch eine Zeit, die solchen Bestrebungen vollauf zu Gute kam.
1837 hatte sich die Antiquarische Gesellschaft in Zürich aufgethan, in welcher
N. von 1842 — 1856 das Amt des Actuars versah. Noch war der liebens-
würdige Vertreter Zürcherischer Alterthumskunde, der Pfarrer und Kirchenrath
Salomon Vögelin am Leben, Ferdinand Keller stund in vollster Kraft, Dr.
Meyer-Ochsner, die Brüder Schulthess, Paul und Ludwig, hatten jeder nur
eine Lust, die nach dem Alten zu stöbern. Die reichen Anregungen, welche
Fremde brachten und ein freundschaftlicher Ton, der jetzt noch bei den zür-
cherischen »Antiquaren« herrscht, stimmten mit einem fast familiären Leben
überein. Es war Späteren eine Freude, die letzten dieser Herren zu sehen,
wenn sie auf dem Helmhause beim täglichen Stelldichein in Ferdinand Kel-
ler's Stüblein Funken schlugen.
In den Sitzungen dieser Gesellschaft hatte sich N. eingefunden, so lange
die körperlichen Kräfte ihn dazu fähig machten, und wie sich Ferdinand Keller
als sein Freund benahm, hat eine Episode gezeigt, die zu den köstlichsten
an jenen Samstagabenden gehörte. In den Siebziger Jahren hatte N. eine
Abhandlung über die Zürcherischen Ausgemeinden vorgetragen, deren Gründ-
lichkeit die Geduld eines gewichtigen Professors zu ausgiebig beansprucht
haben mochte. »Nun kann mir mein gelehrter Freund N. auch dieses oder
jenes sagen«, flocht er in sein Votum ein, worauf ihn Keller mit ebenso
spitziger Wendung frug: »Nun kann mir mein gelehrter Freund .... auch
sagen, was ein Absichtsdünkel ist?« und dann den Auskunftslosen belehrte,
welches Form und Gebrauch dieser auf allen Hochwachten vorhandenen Ein-
richtung war.
N. hat am liebsten still und emsig über Büchern und Schriften gesessen;
er war ein Forscher frommen und schlichten Schlages, der keine höhere Genug-
thuung als die an der Arbeit und dem Dienst fiir Andere kannte. Einem
jüngeren Freunde, der ihm noch Abends am 14. November 1874 die Kunde
von dem eben gefassten Facultätsbeschluss überbrachte, erzählt, wie dem
Ehrendoctor über seinem freudigen Schrecken beinahe die zum Empfang be-
reite Studirlampe entfallen sei. Oft habe ich ihn aus meinem Fenster durch
den Garten des angestammten Hauses zum »hinteren Magazinhofe« wandeln
sehen mit Sammtkäppchen und Schlafrock; er nahm sich wie ein Chorherr
in seinem Stiftshöfchen aus. Es hat aber auch Zeiten eines rüstigeren Daseins
gegeben, da er Seinesgleichen im Wandern suchte und unermüdlich von einem
Burgstall zum anderen und von Kirche zu Kirche gepilgert ist. Auf solchen
Gängen habe ich Anfangs der Sechsziger Jahre den Herrn Rechenschreiber
oft begleitet und manches Sämlein heimgetragen, das nachher aufgegangen ist.
Damals fingen die Vorbereitungen zu seinem Hauptwerke an, dessen
erstes Heft unter dem Titel »Die Gotteshäuser der Schweiz« im Jahre 1864
erschien, ein Verzeichniss der Kirchen, Stifter und Kapellen, nach Bisthümern
Nttscheler.
33
und Dekanaten geordnet, das aus quellenmässiger Umschau deren Geschichte
zusammenfasst und eine knappe Beschreibung der Bauten, sowie der vornehm-
sten darin enthaltenen Kunst- und Alterthumsdenkmäler enthält. Es ist, wie
alles Menschenwerk, nicht einwandsfrei, aber ein Wurf, mit dem die histori-
sche und antiquarische Forschung wohl bleibend rechnen wird. Warum es
in der begonnenen Form schon mit dem dritten Hefte schloss, ist eine Frage,
die sich aus den Betrachtungen über das Verhältniss des »Marktes« zu den
idealen Bestrebungen erhebt. Eine Fortsetzung hat N. aber doch erlebt; sie
ist für den Rest des Zürcherischen Theiles und der einschlägigen Dekanate
in dem fünförtigen »Geschichtsfreunde« und die den Aargau betreffende Sparte
in der »Argovia« erschienen und das Abendgold gewesen, an dem sich der treue
Forscher sonnen durfte.
Anderes hatte er schon früher geschenkt, Abhandlungen über die Lepro-
senhäuser im Canton Zürich und die schweizerischen Letzinen, welche die
»Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich« brachten, reiche Bei-
träge zu der neuen Auflage von Vögelin's »altem Zürich« und solche zur
Glockenkunde, die, je nach den Kantonen, aus welchen sie stammten, in den
betreffenden Vereinspublikationen und dem »BoUettino storico della Svizzera
italiana« erschienen.
Und mit solchen Veröflfentlichungen ging unausgesetzt der Ausbau seiner
Collectaneen Hand in Hand. So kam eine Quelle zu Stande, aus welcher
Bächlein auf Bächlein lief. Wer immer die Geschichte einer Gemeinde, einer
Burg, oder Kirche schrieb, der sprach zuerst bei N. vor, der seinerseits
gerne empfing, aber ebenso freigebig und neidlos schenkte. Seine Liberalität
in wissenschaftlichen Spenden kannte keine Grenzen, wenn er nur Ernst und
braves Wollen sah. Und ganz in diesem Sinne hat er dann auch über seinen
Nachlass verfugt; einen öffentlichen und zugänglichen Gewahrsam werden seine
Aufzeichnungen finden ; die Freude an dem Werden und Wachsen des Schwei-
zerischen Landesmuseums hat ihn bestimmt, dieser Anstalt seine reiche Samm-
lung von Zeichnungen, eine Auswahl von Büchern nach Belieben und kost-
bare Glasgemälde zu vermachen.
Wer möchte zweifeln, dass ein solcher Hüter keine Feinde hatte und wo
er hinkam, zu den Willkommenen gehörte. Ganz besonders in dem »histori-
schen Verein der fünf Orte« hat sich N. daheim gefühlt. Hier traf er mit
denen zusammen, die seine ständigen Correspondenten waren, geistlichen
Herren zumeist, unter denen die seligen Chorherren Lütolf, Aebi, Rohrer und
der edle Bischof Friedrich Fiala zu seinen Vertrauten zählten. Und ebenso
Treffliche hat er unter den Vertretern seines Bekenntnisses gepflegt: Pupikofer,
Mörikofer imd Sulzberger sind Männer, deren Namen sich Blatt für Blatt in
seinen Collectaneen finden und mit denen er auch persönlich auf nahem Fusse
stand. Wer immer sein Haus am Thalacker besuchte, war freundlicher Auf-
nahme gewiss. Ich höre noch die helle Stimme und den Ausruf freudigen
Willkommens, womit er die jeweiligen Berichte über meine Fahrten und ihre
Ergebnisse empfing.
Seit dem Jahre 1847 hatte er ein zweites Heim bezogen, das neue Land-
gut auf dem Homberge, das im »Amt« zwischen Rifferschwil und Mettmen-
stetten liegt, und wo er nun jeweilig seine Sommerfrische genoss. Hier hat
neben dem Antiquar der Naturfreund gehaust. So lange N. im Amte stand,
pflegte er jeweilig Samstag Abends nach dem wohl vier Stunden von Zürich
entfernten Tusculum zu pilgern und wieder zu Fuss den Heimweg zu machen.
Biogr. Jahrb. u. Dentscber Nekrolog. 3. Bd. ^
34
Nttscheler. Auerbach.
Erst als ihm das Alter den Ruhestand vergönnte, ist der Homberg sein blei-
bendes Sommerquartier geworden, von dem er aber unentwegt seine Märsche
unternahm. An die vierzig Mal ist er von hier auf den Rigi gewandert; kein
Pfad weitherum blieb unbegangen und als Botaniker kannte er sich über alle
Specialitäten aus. Auf dem Homberg selber legte er eine Pflanzung auslän-
discher Seltenheiten an, auf die er sich ebenso stolz wie auf die unvergleich-
liche Femsicht berief. Eine schönere Warte als sein Studierzimmer hätte es
auch nicht geben können, aus dem man vom Säntis bis zum Stockhom sieht,
und so recht dem Verfasser der »Gotteshäuser« war es angethan, dass er von
hier auf 24 Kirch thürme blicken konnte. Den Freunden ist der Homberg
ein offenes Haus gewesen und als sein Erbauer die Kräfte wanken fühlte, da
hat er, noch geraume Zeit vor seinem Lebensende, den traulichen Sitz seinen
Neffen und Nichten geschenkt.
Die letzten Jahre sind ihm eine Zeit des schweren Duldens gewesen.
Gehör und Auge versagten den Dienst; der bisher Unermüdliche war zum
Feiern gezwungen. Er hat aber standhaft die Prüfung ertragen und, welche
Anstrengung die immer selteneren Besuche ihm machten, doch ab und zu
eine helle Theilnahme an dem gezeigt, was vordem sein Herz so warm und
tief bewegte. Im Juni 1888 hatte er, noch vollkräftig an Leib und Seele,
sein goldenes Hochzeitsfest begangen, und der Gattin, Katharina Usteri, blieb
es beschieden, seiner hingebend und tapfer bis zu dem Stündlein zu warten,
das unerbittlich einem treuen Herzensbunde schlug.
J. R. Rahn.
Auerbach, Leopold A., Universitätsprofessor der allgemeinen Biologie,
besonders der Gewebelehre, in Breslau, ♦ am 27. April 1828 daselbst, f am
I. October 1897 ebenda. — A. studirte in seiner Vaterstadt, in Leipzig und
Berlin und erlangte 1849 ^^^ Doctorwürde. Darauf Hess er sich 1850 als Arzt
in Breslau nieder und widmete sich hier neben seiner praktischen Thätigkeit
dem Specialstudium der Histologie auf Anregung und unter Leitung seines
Lehrers Purkinje, sowie der Bearbeitung neuropathologischer Themata. 1863
habilitirte er sich als Privatdocent, 1872 wurde er zum Extraordinarius er-
nannt und war in dieser Stellung bis zu seinem Lebensende thätig. Seine
zahlreichen Arbeiten bewegen sich auf den Gebieten der Anatomie bezw.
Histologie, Physiologie, Embryologie und allgemeinen Biologie. Eine seiner
ersten Veröffentlichungen war eine Abhandlung »über psychische Thätig-
keiten des Rückenmarks« (in Günsburg's Zeitschr. f. Med. IV. 1853). 1855
folgte die grundlegende Untersuchung über die Einzelligkeit der Amöben.
Weitere Arbeiten A.*s sind betitelt: »Ueber die Erscheinungen bei örtlicher
Muskelreizung« (Abhandl. d. schles. Ges. f. vaterl. Cultur 1861 S. 291 bis
326); »Ueber Percussion der Muskeln« (Zeitschr. f. rat. Med. 1862); »Bau der
Blut- und Lymphcapillaren« (Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1865); »Lymph-
gefässe des Darms« (Virchow's Archiv XXXIIL 1865); »Wahre Muskel-
hypertrophie« (ebenda 1871), femer Studien zur Mechanik des Saugens
und der Inspiration und andere kleinere Abhandlungen in der Zeitschr. f. wiss.
Zool., in Reich ert-Du Bois' Archiv, in den Verhandl. der Berl. Med. Gesellsch.,
in den »Beiträgen zur Biologie der Pflanzen« herausg. von Ferd. Cohn u. A.
Dazu kommen die selbständig erschienenen Schriften: »Ueber einen Plexus
myentericus« (Breslau 1862) und »Organologische Studien« (ebenda 1874 Heft i
und 2); letztere enthalten Untersuchungen über Bau, chemische Reactionen
Auerbach. Albedyll. ^c
und Lebensgeschichte der Zellkerne und über die ersten Entwickelungsvor-
gänge im befruchteten Ei.
Biogr. Lex. henrorr. Aente I, S. 226.
PageL
Albedyll, Emil von, Königlich Preussischer General der Kavallerie, ♦ am
1. April 1824 zu Liebenow, Kreis Amswalde in der Neumark, f am 13. Juni
1897 zu Potsdam. — v. A. trat am 10. April 1841 beim 2. Kürassier-Regimente
zu Pasewalk in den Dienst, wurde am 9. Mai 1843 Seconde-, am 11. November
1854 Premier-Lieutenant und am 25. Mai 1858 Rittmeister. Nachdem er im
Jahre 1848 Regiments- Adjutant geworden war, als solcher den Feldzug vom
Jahre 1848 gegen Dänemark mitgemacht und von 1856 — 1859 eine Landwehr-
Eskadron geführt hatte, alsdann Adjutant der 7. Division in Magdeburg ge-
wesen war, wurde er am 22. April 1862 zur Abtheilung fiir die persönlichen
Angelegenheiten im Kriegsministerium kommandirt und gelangte damit in
einen Wirkungskreis, in welchem er länger als fünfundzwanzig Jahre hindurch
in den verschiedensten Stellungen thätig gewesen ist. Eine grosse Menschen-,
sowie eine ausgebreitete Personalkenntniss, ein vorzügliches Gedächtniss und
eine ungewöhnliche Arbeitskraft, ein lebhaftes Gefühl für Recht und Unpartei-
lichkeit, gepaart mit Wohlwollen, einnehmenden Formen und einem vortheil-
haften Aeusseren, machten ihn für die Verwendung in diesem hochwichtigen,
umfangreichen Geschäftsbetriebe ganz besonders geeignet. Schon in den
Jahren 1866 und 1867 war die Vertheilung des Zuwachses an Offizieren,
welcher auf der Gebietserweiterung Preussens, der Begründung des Nord-
deutschen Bundes und den abgeschlossenen Militärconventionen beruhte, vor-
wiegend sein Werk gewesen; nachdem er am 26. Februar 187 1 an die Spitze
der Abtheilung und ein Jahr darauf auch des bis dahin formell von jener
Abtheilung getrennt gewesenen Militärkabinets getreten war, nahmen die dem
Chef desselben obliegenden Arbeiten einen stets wachsenden Umfang an; die
Dienste, welche v. A. als solcher leistete, waren so werthvoll, dass Kaiser
Wilhelm I. seinen bewährten Mitarbeiter nicht entbehren zu können glaubte.
Um A.'s Verbleiben in der Stellung zu ermöglichen, wurde, als im März 1 883
General Bronsart von Schellendorf L, welcher jünger war als v. A., an die
Spitze des Kriegsministeriums trat, das Militärkabinet von diesem ganz ge-
trennt. Als Kaiser Wilhelm 11. die Regierung übernommen hatte, wurde
V. A., welcher inzwischen zum General der Kavallerie aufgestiegen war, am
7. August 1888 zum kommandirenden General des VH. Armeekorps ernannt,
welches er im nächstfolgenden Jahre bei den alsdann abgehaltenen Kaiser-
manövem seinem Kriegsherrn vorführen durfte. Am 3. Juni 1893 wurde er
in Genehmigung seines Abschiedsgesuches mit Pension zur Disposition ge-
stellt. Im Frontdienste war General v. A., abgesehen von einer 1869 statt-
gehabten dreimonatlichen Kommandirung zur Führung des 7. Kürassier-
Regiments, seit dem Jahre 1859 nicht verwendet gewesen; die Feldzüge von
1866 und von 1870/71 hatte er im Grossen Hauptquartiere mitgemacht. —
Den Rest seiner Tage verlebte er zu Potsdam. — An äusseren Ehren hat es
dem General von A. nicht gefehlt. So war ihm gelegentlich der Feier seines
fünfzigjährigen Dienstjubiläums der Schwarze Adlerorden verliehen, zu wel-
chem er bei seinem Ausscheiden die Brillanten empfing. Auch war er im
Genüsse einer Domherrenstelle zu Brandenburg.
B. Poten.
3*
^6 Althaas. Davidsohn.
Althaus, Friedrich, Schriftsteller, ♦am 14. Mai 1829 zu Detmold, f am
7. Juli 1897 zu London. — Sein Vater war Generalsuperintendent in Detmold.
Der Sohn machte seine Studien in Bonn und Berlin und erwarb sich in letzt-
genannter Stadt die Doktorwürde und die Freundschaft Alexander von Hum-
boldt's. Mit Empfehlungen dieses grossen Gelehrten ging er 1853 nach Eng-
land, wo er seitdem als Lehrer und Schriftsteller gelebt und auch seine letzte
Ruhestätte gefunden hat. Als Lehrer bekleidete er eine Stelle an der könig-
lichen Militär- Akademie in Woolwich und seit 1874 eine Professur für deut-
sche Sprache und Literatur am University College, examinirte auch in dem-
selben Fache viele Jahre an der »University of London«. Daneben war er als
Examinator thätig für den indischen Civil-Staatsdienst, fiir die Prüfungen des
Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, für die des Kriegsministeriums
und anderer Behörden. Als Schriftsteller arbeitete A. ausschliesslich in deut-
scher Sprache. Er schrieb eine Anzahl Artikel über englische Gegenstände
für drei Auflagen des Brockhaus' sehen Conversations-Lexikons, zahlreiche
Essays über politische, literarische und sociale Fragen in England für die
besten deutschen Zeitschriften und Zeitungen und für den »Neuen Plutarch«
(Brockhaus) die Biographien von Fox, Nelson, Lord Rüssel und Disraeli. Er
war einer der besten Kenner Englands, seiner Institutionen, seiner Staats-
männer und des Charakters des Volkes, und sein beständiges Bestreben ging
dahin, eine rechte Schätzung Englands und englischer Dinge unter seinen
Landsleuten zu verbreiten. Zeuge dessen sind seine »Englischen Charakterbilder«
(II, 1869 — 1870). Ausserdem gab er heraus »Briefwechsel und Gespräche
Alexander von Humboldt's mit einem jungen Freunde« (1869); »Samuel
Hartlib, ein deutsch-englisches Charakterbild« (1883); eine Biographie seines
Bruders, »Theodor Althaus, ein Lebensbild« (1888), endlich die »Römischen
Tagebücher« seines alten Freundes Ferdinand Gregorovius (1892), Unter
seinen Uebersetzungen ist hervorzuheben »Das Leben von Dickens von J.
Forster« (III, 187 2 ff.). Schliesslich muss noch erwähnt werden, dass A. im
Auftrage des Prinzgemahls der Königin von England im Londoner Buckingham
Palaste während der Jahre 1856 — 64 eine Sammlung von etwa 60000 Stichen
von historischen Portraits aller Zeiten und aller Nationen ordnete und den
Katalog über die Ausstellung von National-Portraits in South Kensington 1868
zusammenstellte.
The illustrated London News v. 17. Juli 1897.
Franz Brummer.
Davidsohn, George, Redacteur, ♦ am 19. December 1835 ^^ Danzig, f am
6. Februar 1897 zu Berlin. — Ursprünglich für den Beruf eines Kaufmanns
bestimmt, trat er nach Absolvirung der Petrischule seiner Vaterstadt in ein
dortiges Getreidegeschäft als Lehrling ein, war nach beendeter Lehrzeit bei
einer grossen Speditionsfirma in Königsberg i. Pr. beschäftigt und ging 1856
nach Berlin, wo er zunächst sich als Berichterstatter über Vorgänge im wirth-
schaftlichen Leben für verschiedene Zeitungen bethätigte. Im Jahre 1860 trat
er in die Redaction der »Berliner Börsenzeitung« ; wenn auch vorwiegend für
den Handelstheil derselben verwendet, fand er doch auch bald Gelegenheit,
seine feuilletonistische Begabung in der von ihm begründeten Wochenbeilage
zu dieser Zeitung, »Die Börse des Lebens« zur Geltung zu bringen. Im
Jahre 1868 schuf er den »Berliner Börsen-Courier« und leitete denselben,
auch nachdem dieser 1884 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden,
Dayidsohn. Schepss. ^ y
bis zu seinem Tode als Chefredacteur. Er war der erste, der in der Berliner
Presse für Richard Wagner und seine Werke eintrat, der auch zu den Be-
gründern des ersten Berliner Wagnervereins gehörte und später lebhaft für das
Bayreuther Unternehmen agitirte.
Richard Wrede und Hans von Reinfels: Das geistige Berlin. I. Band. Berlin 1897,
Seite 64.
Franz Brummer.
Schepss, Georg, Gymnasialprofessor, ♦ am 26. December 1852 zu Schwein-
furt, f am 4. September 1897 zu Speier. — Einer evangelischen Kaufmanns-
familie entstammend, besuchte der reich talentirte, nach dem frühzeitigen Tode
des Vaters von der Mutter mit zärtlicher Fürsorge behütete Knabe das Gym-
nasium seiner Vaterstadt, deren sämmtliche Klassen er als Primus absolvirte.
Die schon frühzeitig hervortretende Vorliebe des Knaben für das Studium des
klassischen Alterthums wurde wohl wesentlich vertieft durch den Einfluss des
als Lehrer und Philosoph gleich bedeutenden ehrwürdigen Prof. Carl Bayer, der
damals am Schweinfurter Gymnasium wirkte, und dessen entzückender Enthu-
siasmus für die Antike auch seine Schüler mitfortriss. Der fiochgestimmte
Idealismus jener Schweinfurter Jugendjahre und eine nicht geringe poetische
Begabung kam in einer reichen Fülle von lyrischen Dichtungen, die nur zum
kleinen Theile ihren Weg in die Oeffentlichkeit fanden, zum Ausdruck. Im
Herbst 1871 bezog Seh. die Universität Erlangen, an der er sich historischen
und klassisch -philologischen Studien widmete, ohne dass er jedoch als be-
geisterter Burschenschafter, der er zeitlebens blieb, dem poetischen Reize des
studentischen Lebens sich verschloss. Zu Ostern 1873 siedelte er, einem
patriotischen Herzenszuge folgend, an die neugegründete Universität Strassburg
über, wo er besonders eng an Studemund sich anschloss und im Winter 1875
promovirte. Im Sommer 1875 studirte er in München, legte im Herbste
dieses Jahres dort sein philologisches Staatsexamen ab und fand seine erste
Anstellung als Assistent am Gymnasium zu Ansbach. Im October 1876 zum
Studienlehrer an der Lateinschule zu Dinkelsbühl in Mittelfranken ernannt,
führte er dort die Jugendgeliebte heim. Die eifrigen handschriftlichen Stu-
dien an der benachbarten fürstlich Oettingen -Wallersteinischen Bibliothek in
Maihingen, denen er während seines vierjährigen Aufenthaltes in der kleinen
ehemaligen Reichsstadt nachging, sind von bestimmendem Einflüsse auf Sch.'s
ganze spätere schriftstellerische Thätigkeit geworden. Auch um die Erhaltung
und Ordnung des bislang arg verwahrlosten städtischen Archivs von Dinkels-
btihl hat Seh. sich bleibende Verdienste erworben. Seine im Jahre 1880 er-
folgte Versetzung nach Würzburg brachte neben einer vielseitigeren und an-
regenderen Berufsthätigkeit seinen wissenschaftlichen Studien durch die sich
anknüpfenden mannichfachen Beziehungen zum Universitätskreise, namentlich
aber durch die Gelegenheit, so manchen handschriftlichen Schatz der dortigen
Universitätsbibliothek zu heben, reiche Förderung. Der ihm nahegelegte
Uebertritt in die akademische Laufbahn, für die Seh. ohne Frage so ganz
berufen war, ist von ihm leider nur vorübergehend erwogen worden. Das
Jahr 1890 brachte seine Ernennung zum Gymnasialprofessor in Speier, wo er
mit reichem Erfolge im Lehrberufe wie als Forscher sieben Jahre hindurch
gewirkt hat. Nachdem Seh. noch im Herbst 1896 durch seine Berufung als
Prüfungskommissär für das philologische Specialexamen ausgezeichnet worden
var, wurde er mitten in weit aussehenden wissenschaftlichen Unternehmungen
^8 Schepss.
durch ein bösartiges Leber- und Darmleiden, das wohl schon länger unbe-
achtet an seiner Lebenskraft gezehrt, und gegen das er in heldenhafter Er-
füllung seiner Berufspflichten bis zuletzt ankämpfte, aus einem höchst glück-
lichen Familienleben am 4. September 1897 dahingerafft.
In seiner ersten literarischen Arbeit, der 1876 erschienenen Strassburger
Inauguraldissertation -iDe soloecisnto^^ hatte Seh. ein seinen Neigungen wohl
nur wenig zusagendes Thema aus der Geschichte der Grammatik der klassi-
schen Sprachen behandelt. Durch die von Dinkelsbühl aus mit rastlosem
Eifer betriebene Durchforschung der Maihinger Bibliothek wurde sein Inter-
esse auf die Denkmäler und die Geschichte der römischen, vorwiegend aber
der spätlateinischen, mittelalterlichen und humanistischen Literatur gelenkt,
die ihn fortan dauernd an sich gefesselt hat. Die ersten Früchte seiner Mai-
hinger Handschriften-Studien legte er in den Jahrgängen 1878 — 80 des »An-
zeigers für Kunde der Deutschen Vorzeit« in einer reichen Fülle von Auf-
sätzen und kleineren Mittheilungen zur Geschichte der neulateinischen Dich-
tung, zur Volkskunde, Gelehrten-, Kirchen- und Kultur-Geschichte des Mittel-
alters nieder. WerthvoUe Beiträge zur Handschriften-Kunde der klassischen
Autoren, namentlich des Sallust, Cicero, Terenz, Juvenal, Seneca und ihrer
Commentatoren, aber auch zur Geschichte des Humanismus sind in Sch.'s
zwei Dinkelsbühler Programmen (Zwei Maihinger Handschriften, 1878; Sechs
Maihinger Handschriften, 1879) enthalten. Von den in Fachzeitschriften er-
schienenen Abhandlungen aus dieser Zeit ist die wichtige Studie über den
Plautuscommentator Antonius von Palermo (Blätter f. bayer. Gymn.- u. Real-
Schulw, XVI, 1880, S. 97 — 105), sowie die Veröffentlichung eines dem 15. Jahr-
hundert angehörenden Traktates über die Pest (Deutsches Archiv f. Gesch. d.
Medicin, Bd. III, 1880, S. 348 — 356) hervorzuheben. Den Schriften des
Boethius, dem fortan der beste Theil von Sch.'s literarischer Lebensarbeit ge-
widmet sein sollte, wandte er sich 1881 mit den »Handschriften -Studien zu
Boethius de cansolaüone philosophiae^ (Würzburger Gymnasialprogramm, 1881)
zu. Unter Heranziehung bisher überhaupt nicht oder ungenügend verwertheter
\ Handschriften wurde hier die Nothwendigkeit einer neuen Gestaltung des
Textes jener Schrift dargethan, während zugleich auch die Literaturgeschichte
des frühen Mittelalters durch eine Reihe scharfsinniger Beobachtungen und
Combinationen reiche Förderung erfuhr. Eine neue Quelle für die allgemeine
und speciell die fränkische Gelehrten- und Schulgeschichte des 15. Jahrhun-
derts erschloss Seh. in den von ihm mit wahrem Bienenfleiss commentirten
-iColloquia de scholis Herbipolensibus^ des Magisters Petrus Popon (Würzburg,
1882), denen er eine Ausgabe der interessanten Gedichte jenes bisher unbe-
kannt gebliebenen Humanisten folgen Hess (Archiv des bist. Ver. von Unter-
franken und AschafTenburg, Bd. 27, 1884, S. 277 — 305). Die in der Folge
in zahlreichen Zeitschriften-Artikeln fortgesetzten Boethius-Studien Sch.'s hatten
unterdessen der Kirchenväter-Commission der Wiener Akademie Veranlassung
gegeben, Seh. mit der Ausgabe der Schriften des Boethius für das »Corpus«
der lateinischen Kirchenväter zu betrauen; der Vorbereitung dieser Ausgabe
dienten Reisen nach Paris und München, die Seh. in den Jahren 1884 und
1885 zum Studium der dortigen Handschriften unternahm. Der feurige Eifer,
mit dem sich Seh. seit seiner Uebersiedelung nach Würzburg der Durch-
forschung der dortigen Handschriften gewidmet hatte — u. A. fertigte er 1884
für die Wiener Kirchenväter-Commission einen Katalog der Würzburger pa-
tristischen Handschriften und arbeitete 1886 für den von der Bibliothek-
Schepss. Berlin. ^n
Verwaltung vorbereiteten Handschriftenkatalog die sämmtlichen dortigen Per-
gamenthandschriften durch — sollte durch eine von Seh. im Jahre 1885
gemachte Entdeckung glänzend gelohnt werden: in einer Handschrift des
5-/6. Jahrhunderts wurde von Seh. ein guter Theil der verloren geglaubten
literarischen Hinterlassenschaft des spanischen Bischofs Priscillianus entdeckt,
der 385 in Trier als Haupt einer ketzerischen Sekte hingerichtet wurde. Dem
ausserordentliches Aufsehen machenden ersten Berichte über seine Entdeckung
(Priscillian, ein neu aufgefundener lateinischer Schriftsteller des 4. Jahrhunderts.
Würzburg, 1886) Hess Seh. im Jahre 1889 im 18. Bande des -^Corpus scriptoruftt
ecclesiasticorum Latinorum€ seine Ausgabe des Priscillianus folgen, die von
der Kritik einstimmig als ein Muster philologischer Akribie bezeichnet wurde
und der Ausgangspunkt für eine von Jahr zu Jahr sich mehrende Literatur über
die religiöse Stellung des spanischen Ketzers und die kirchengeschichtliche
Bedeutung des Priscillianismus geworden ist. Von Seh. 's weiteren literarischen
Entdeckungen aus der Würzburger Zeit erwähnen wir hier noch die Veröffent-
lichung von Ph. J. Hamerer's Heldengedicht über den Schmalkaldischen Krieg
(Neues Archiv f. Sachs. Gesch. Bd. V, S. 239 — 259), einen wichtigen hand-
schriftlichen Fund zu Cicero's Briefen (Blätter f. bayer. Gymn.-Wesen XX,
1884, S. 7 — 15) und die erstmalige Herausgabe der, wie es scheint, ältesten
mittelalterlichen Literaturgeschichte, des tDialogus super auctores swe dida-
scalon€ des Konrad von Hirschau (Würzb. Gymnas.-Progr. 1889). Um die
Textkritik der neutestam entlichen Schriften machte sich die Schrift über »die
ältesten Evangelienhandschriften der Würzburger Universitätsbibliothek« (Würz-
burg, 1887) sehr verdient, in der Seh. auf die in einer Reihe alter Würzburger
Handschriften vorliegenden Spuren einer vorhieronymianischen lateinischen
Uebersetzung der Evangelien erstmals hinwies. In den letzten Lebensjahren
wurde Seh. durch die Vorbereitung seiner Ausgabe des Boethius mehr und
mehr in Anspruch genommen, neben der er jedoch immer noch Zeit für eine
lange Reihe von gehaltvollen Beiträgen, vorwiegend zur lateinischen Lexico-
graphie und zur Geschichte der spätlateinischen und patristischen Literatur
gefunden hat. Schon schwer krank, brachte er durch eine geradezu heroische
Arbeitsleistung noch vor dem völligen Zusammenbruch seiner Kräfte im Som-
mer 1897 den ersten Band seiner Boethius -Ausgabe nahezu zum Abschluss,
so dass derselbe von Freundeshand in Kurzem wird fertig gestellt und ver-
öffentlicht werden können.
Die Wissenschaft verliert in Seh. einen Forscher, der ein seltenes Maass
von Scharfsinn und Combinationsgabe mit einem rastlosen und eisernen Fleisse
und umfassendster Gelehrsamkeit verband, die Schule einen pflichtgetreuen
und erfolgreich wirkenden Lehrer. Die Lauterkeit seines Charakters, seine
bei allen Erfolgen gleichbleibende Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit, sein
wohlwollender, freundlicher Sinn und die ihn erfllllende feurige Vaterlands-
liebe werden dem ehrenfesten Manne in allen Kreisen, zu denen er in Be-
ziehung trat, ein ehrendes Andenken sichern.
Vcrgl. den Nekrolog im Archiv für lateinische Lexicographie u. Grammatik, Bd. X
(1897/98), S. 570 f., sowie den von S. Brandt zu erwartenden Nekrolog in Bursians Bio-
graphischem Jahrbuch der Alterthumskunde, Jahrg. 1898, wo auch ein Verzeichniss von
Sch.'s zahlreichen, in Zeitschriften verstreuten, kleineren Arbeiten zu finden sein wird.
Herman Haupt.
Berlin, Rudolf, Universitätsprofessor der Augenheilkunde in Rostock,
* 2. Mai 1833 zu Friedland in Mecklenburg-Strelitz, f 12. September 1897 in
40
Berlin. Boer.
Rostock. — B. studirte in Göttingen, Würzburg, Erlangen und Berlin. Nachdem
er am 8. August 1858 in Erlangen mit einer Arbeit zur Structurlehre der
Gehirnoberfläche die Doctorwtirde erworben und die Approbation als Arzt
erlangt hatte, trat er als Hilfsarzt in die Augenheilanstalt von Arnold Pagen-
stecher in Wiesbaden ein. Darauf war B. einige Zeit Assistent an der chirur-
gischen Universitätsklinik in Tübingen unter Paul Victor von Bruns. 1861
Hess er sich als Arzt in Stuttgart nieder und widmete sich hier neben der
allgemeinen Praxis noch besonders der Augenheilkunde. Er gründete eine
Privat -Augenheilanstalt und erlangte 1875 die Stellung als Docent für ver-
gleichende Augenheilkunde an der thierärztlichen Hochschule in Stuttgart.
Von hier aus folgte er 1890 dem Ruf als ordendicher Professor seines Spe-
zialfachs an Stelle des emeritirten Professors Zehender nach Rostock, wo er
bis zu seinem Lebensende wirkte. B. hat sich um die Pflege und Ausbildung
der Augenheilkunde in wissenschaftlicher und praktischer Beziehung mannig-
fache Verdienste erworben. Vor allem kommt ihm an Bau und Einrichtung
der neuen Universitätsaugenklinik -in Rostock ein erheblicher Antheil zu.
Ferner rührt von ihm eine neue Methode zur Operation des Entropium her.
Er publicirte ausserdem zahlreiche casuistische Beobachtungen über Erkran-
kungen der Orbita, über Veränderungen am Sehorgan nach Schädeltraumen
(unter besonderer Berücksichtigung der pathologisch-anatomischen Verhältnisse),
über Erschütterung der Netzhaut, über Weg und Verhalten der Fremdkörper
im Glaskörper, femer Aufsätze über Anatomie und Pathologie der Thränen-
drüse, über den anatomischen Zusammenhang zwischen Entzündungen im
Augapfel und im Gehirn, über Sinusthrombose, über die I^ehre vom Astigma-
tismus, experimentelle Untersuchungen über die Folgen der Sehnervendurch-
schneidung. Bemerkenswerth ist noch eine Reihe von Arbeiten B.*s zur ver-
gleichenden Augenheilkunde, wie: über die physikalisch -optischen Erschei-
nungen des Pferdeauges, den Augenhintergrund des Pferdes, Netzhautablösung
beim Thier, Geschwülste, Staar etc. am Thierauge, Schätzung von Entfernungen
bei Thieren; ausserdem verfasste B. Studien über die Hygiene des Schreibens
und die Physiologie der Handschrift. — B. war übrigens mit dem bekannten
Afrikaforscher und Reisenden Gustav Nachtigal innig befreundet, über welchen
B.'s Gattin Dorothea B. »Erinnerungen« veröffentlicht hat.
BiogT. Lex. hervorr. Aerzte I, S. 414; Voss. Ztg. 15. September 1897.
Pagel,
Boer, Oscar, Arzt und Hofarzt in Berlin, ♦ 1847 daselbst, f am 11. Juli
1897 ebenda. — B, besuchte das Friedrich- Werdersche Gymnasium seiner
Vaterstadt und machte von 1868 bis 1873 in Berlin und Würzburg die me-
dicinischen Studien, die durch seine Theilnahme am Feldzuge von 1870/71
unterbrochen wurden. Nach Beendigung derselben Hess er sich in Berlin als
Arzt nieder, erlangte 1874 die Stellung als »Hofarzt«, die er bis zu seinem
Lebensende bekleidete. B., der durch den Sanitätsraths- und Professortitel
ausgezeichnet wurde, hat sich besonders in seinen letzten Lebensjahren der
wissenschaftlichen Arbeit gewidmet und durch seinen Antheil an den For-
schungen im Koch'schen Institut verdient gemacht. Namentlich die Behring'-
schen Studien über Immunität und Serumtherapie half er nach Kräften im
Verein mit Ehrlich, Brieger und Wassermann ausbauen und durch kleine,
nicht unwichtige Einzelheiten erweitern. Unter anderem publicirte er eine
Experimentaluntersuchung über die Fähigkeit verschiedener chemischer Mittel,
Boer. Prinz Wilhelm von Baden.
41
die Bacillen von Typhus, Diphtherie, Erysipelas, Milzbrand und Cholera zu
beeinflussen, Studien über die quantitative Bestimmung des Diphtherie -Anti-
toxins, im Verein mit Behring über die Jodtrichloridanwendung bei künsUich
hervorgerufener Diphtherie, femer über die Reindarstellung der Toxine der
Diphtherie und des Tetanus (zusammen mit Brieger). — Die meisten dieser
Abhandlungen erschienen als Aufsätze in der »Zeitschrift fUr Hygiene« und
in der »Deutschen medicinischen Wochenschrift«.
Voss. Ztg. 13. Juli 1897. Pagel.
Baden, Ludwig Wilhelm August, Prinz von, * am 18, December 1829
zu Karlsruhe, f am 27. April 1897 ebenda. — B. war der nächstälteste Bruder
des regierenden Grossherzogs Friedrich, ist besonders militärisch hervorgetreten,
aber auch dem politischen Leben nicht fem geblieben. Seine soldatischen
Lehrjahre verlebte er im preussischen Dienste, in welchem er Ende 1849 seine
Laufbahn beim i. Garde-Regiment zu Fuss in Potsdam begann, aber schon
1853 zur Gardeartillerie in Berlin überging. Nach verschiedenartiger Ver-
wendung innerhalb dieser Truppe schied er zehn Jahre später vorläufig aus
demselben, indem er am 12. Mai 1863 von seinem Verhältnisse als Oberst
und Kommandeur der Gardeartilleriebrigade entbunden und als Generalmajor
ä la suite der Armee gestellt wurde. Am 1 1 . Februar d. J. hatte er sich zu
St. Petersburg mit Maria Maximilianowna Prinzessin Romano wskaja, einer
Tochter des Herzogs Maximilian von Leuchtenberg und dessen Gemahlin,
einer Tochter Czar Nikolaus' L, vermählt. — Das Jahr 1866 machte den
Namen des Prinzen Wilhelm in weiten Kreisen bekannt. Im November 1865
mit dem Oberbefehle über das Badische Bundescontingent bekleidet, hatte er
dieses im Sommer des nächsten Jahres als die 2. Division des VIII. Bundes-
Anneekorps unter Prinz Alexander von Hessen gegen Preussen in das Feld
zu fiiliren. Es waren 11 000 Mann mit 3200 Pferden, welche sich am unteren
Main sammelten, anfangs die linke Flankendeckung der durch den Vogels-
berg gegen Fulda rückenden süddeutschen Streitmacht bildeten, dann mit
jenem Armeekorps auf Frankfurt zurückgingen und erst bei Ausführung des
zur Vereinigung mit den Bayern unternommenen Marsches durch den Oden-
wald am 23. Juli bei Hundheim, am 24. bei Werbach, am 25. bei Gerchs-
heim zu unbedeutenden Gefechten kamen. Schon am 31. erklärte der Gross-
herzog seinen Austritt aus dem Deutschen Bunde, rief seine Truppen zurück,
machte am 17. August Frieden mit Preussen und schloss sich letzterem eng
an. Diese Schritte sowohl, wie das gesammte Verhalten der Badischen Divi-
sion und ihres Führers während des Feldzuges, gaben der ihnen verbündet
gewesenen Partei Veranlassung zu heftigen Vorwürfen und Anklagen, denen
eine in Stuttgart erschienene Schrift »Aktenmässige und interessante Enthül-
lungen über den badischen Verrath an den Deutschen Bundestruppen« scharfen
Ausdruck gab; Prinz Wilhelm antwortete darauf durch die Veröffentlichung
einer Gegenschrift unter dem Titel »Zur Beurtheilung des Verhaltens der
Badischen Felddivision im Kriege 1866« (Darmstadt 1866). — Am 31. Decem-
ber 1866 wurde dem Prinzen der Charakter als preussischer Generallieutenant
verliehen; er schied aber aus seiner Stellung als Oberbefehlshaber der badi-
schen Truppen, als an ihre Spitze der preussische General von Beyer trat,
welcher berufen wurde bei der Division alle diejenigen Einrichtungen zu
treffen, welche ihr noch fehlten, um eine vollständige Gleichstellung mit dem
zum Muster genommenen preussischen Vorbilde herbeizuführen.
^2 Prinz Wilhelm von Baden, des Barres.
Als der Krieg des Jahres 1870 gegen Frankreich ausbrach, war Prinz
Wilhelm ohne Kommando. Erst Mitte October wurde ein solches für ihn frei.
Es war das der i. Infanterie-Brigade. Am 22. d. M. konnte er an der Spitze
derselben sich an den Gefechten betheiligen, welche zum Gewinne der Linie
des Ognon führten, am 27. hatte er beim Vorgehen gegen die Sa6ne ein
weiteres Gefecht zu bestehen, am 30. nahm er wesentlichen Antheil an dem
freilich erst am nächsten Tage ohne Anwendung von Waffengewalt zum Ziele
führenden Angriffe auf Dijon, späterhin an den die Zeit bis zur Mitte des
December ausfüllenden Unternehmungen des kleinen Krieges, dann aber wurde
er am 18. d. M. im Gefechte von Nuits, noch bevor dieses zu Gunsten der
deutschen Waffen entschieden war, so schwer verwundet, dass er den ferneren
Ereignissen auf dem Kriegsschauplatze fem bleiben musste. Er brachte aber
beide Klassen des Eisernen Kreuzes in die Heimath zurück. — Als am i. Juli
1871 die Badische Division und mit ihr Prinz Wilhelm in den Verband der
preussischen Armee traten, ward der letztere zum Chef des 4. Badischen In-
fanterie-Regiments Nr. 112 ernannt und am 22. März 1873 zum General der
Infanterie befördert, auch andere militärische Ehren wurden ihm noch zu
Theil, eine Verwendung im ausübenden Truppendienste aber hat er nicht
mehr gefunden.
Dagegen hat er sich mehrfach am politischen Leben betheiligt, indem er
sowohl in seinem engeren Vaterlande wie im deutschen Reiche parlamentarisch
thätig war. In der Heimath, wo er durch seine Geburt der Ersten Kammer
angehörte, trat er schon 1860 eifrig dem Abschlüsse eines Konkordates ent-
gegen und nahm mehrfach den Vorsitz in der Kammer ein; im Deutschen
Reichstage, dessen Mitglied er von 1871 — 1873 als Vertreter des Wahlkreises
Karlsruhe-Bruchsal war, schloss er sich der deutschen Reichspartei an.
Seiner Ehe entstammen zwei Kinder; die Erbprinzessin Maria von Anhalt,
♦ 1865, und der Prinz Maximilian , Rittmeister im Garde-Kürassier-Regiment
zu Berlin, ♦ 1867.
B. Poten. i
Barres, Julius von Vallet des, Königlich Preussischer General der In-
fanterie z. D., ♦ am 5. August 1820 zu Mainz, f am 17. December 1897 zu
Wiesbaden. — des B., ein um das Müitär-Erziehungs- und Bildungswesen des
Preussischen und demnächst des Deutschen Heeres hochverdienter Offizier,
entstammte einer nach Aufhebung des Ediktes von Nantes aus Frankreich
ausgewanderten Familie, welche sich »des Barres« nannte, bis im November
1893 mehreren Angehörigen derselben gestattet wurde diesem Namen den
früher geführten Zusatz »Vallet« beizufügen, Julius des B. ward, nachdem
sein Vater, welcher als Kapitän im 36. Infanterie-Regimente stand, schon im
Jahre 1828 gestorben war, und er zunächst das Gymnasium in Mainz besucht
hatte, in den Kadettenhäusem zu Potsdam und Berlin erzogen. Aus dem
letzteren kam er am 15. August 1838 als Secondlieutenant zu dem in Mainz
garnisonirenden 35. Infanterie-Regimente, kehrte aber, nachdem er 1841/42 ein
Jahr lang zur dortigen Reserve-Pionierkompagnie kommandirt gewesen war,
im Mai 1844 in das Kadettenkorps zurück, welchem er alsdann mit einer
verhältnissmässig kurzen Unterbrechung dreissig Jahre lang angehört hat. Zu-
erst als Erzieher, darauf als Lehrer beim Kadettenhause zu Culm in West-
preussen, dann seit dem 10. Februar 1851 als Abtheilungs- Vorsteher, wie die
jetzigen Kompagniechefs damals hiessen, in Bensberg bei Cöln. Nachdem er
des Barres. Ehrlich.
43
1850 zum Premierlieutenant, 1854 zum Hauptmann aufgerückt war, tibernahm
er im Juni 1859, als Krieg gegen Frankreich in Aussicht stand, das Kom-
mando einer Kompagnie bei seinem jetzt in Luxemburg stehenden Regimente.
Damals kam es nicht zum Kampfe, dagegen war dem Hauptmann des B. im
Jahre 1864 vergönnt, an der Spitze seiner Kompagnie am Feldzuge gegen
Dänemark theilzunehmen. Er wohnte dem Treffen von Missunde und der
Belagerung der Düppeler Schanzen bei und erhielt für sein tapferes Verhalten
im Vorpostengefechte von Wiebhoi den Rothen Adlerorden 4. Klasse mit
Schwertern. Am 5. April jenes Jahres, also vor Erstürmung der Befestigungen
von Düppel, wurde er als Major zu dem damals auf der Insel Fehmam be-
findlichen 5. Brandenburgischen Infanterie-Regimen te Nr. 48 versetzt, aber schon
am Weihnachtstage jenes Jahres erfolgte seine Rückberufung in das Kadetten-
korps, indem er zum Kommandeur des schon genannten Kadettenhauses Bens-
berg ernannt wurde. Seine Thätigkeit als solcher ging bereits 1866 zu Ende,
indem er, als der Krieg Preussens gegen Oesterreich und dessen Verbündete
bevorstand, für die Dauer des mobilen Verhältnisses zum Kommandeur des
zu jenem Ende aufgestellten 4. Bataillons des 4. Garde -Grenadier-Regiments
Königin Augusta ernannt wurde und mit diesem im Verbände des 11. Reserve-
Araieekorps unter dem Grossherzoge Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin
an dem von Leipzig aus erfolgenden Einmärsche in das nördliche Bayern
theilnahm ohne zu erheblicher Thätigkeit im Felde zu kommen. Nach Frie-
densschlüsse ward er zum Kommando des Kadettenhauses zu Berlin komman-
dirt, um bei den Anordnungen verwendet zu werden, welche die Erweiterung
des Kadettenkorps infolge der Gebietsvermehrung des Staates erheischte, und
im Sommer 1867 erhielt er selbst das Kommando des Berliner Hauses. An
der Spitze desselben blieb er, seit 1868 Oberstlieutenant, seit 1870 Oberst,
bis er am 7. April 1874 dem alternden Präses der Ober-Militär-Examinations-
Kommission zu Berlin, General von Holleben, welchem die Reisen zu den
Kriegsschulprüfungen in der Provinz erspart werden sollten, als Direktor
dieser Behörde beigegeben wurde; am 27. September 1877, nachdem Hol-
leben pensionirt war, ward des B. Präses. Es war eine Stellung, für welche
er seiner ganzen Persönlichkeit nach vorzüglich geeignet war. Kenntnisse
und Arbeitskraft, Gerechtigkeit gepaart mit Wohlwollen, Takt und Weltklug-
heit, alle diese dem Inhaber der Stellung zu deren voller Ausfüllung unent-
behrlichen Eigenschaften, besass er in hohem Maasse. Sie machten den kleinen
wohlbeleibten Herrn mit den freundlichen listigen Augen bei Lehrern und
Schülern und darüber hinaus in den weiten von den Ergebnissen der Prü-
fungen zum Portepeefähnrich und zum Offizier berührten Kreisen zu einer
vielgekannten und allgemein beliebten Erscheinung. Nachdem er 1874 zum
Generalmajor, 1880 zum Generallieutenant befördert war und 1888 den Cha-
rakter als General der Infanterie erhalten hatte, wurde er am 21. August 1889
in Genehmigung seines Abschiedsgesuches und unter Stellung ä la suite des
Kadettenkorps mit Pension in den Ruhestand versetzt. Den Rest seiner Tage
hat er zu Wiesbaden verlebt.
B. Poten.
Ehrlich, H. Wilhelm, Dr., Schulmann, ♦ 1826 in Eisleben, f am 25. Juli
1897 zu Newcastle upon Tyne in England. — E. war nach Absolvirung des
Gymnasiums zu Erfurt auf die Universität Halle gegangen und befand sich noch
mitten in seinen Studien, als die politische Bewegung des Jahres 1848 herein-
AA Ehrlich. Goegg. Bezzola.
brach, der er sich mit ganzer Seele anschloss und die er durch Redaction eines
revolutionären Blattes zu fördern bestrebt war. Nach Eintritt der Reaction
flüchtete er 1849 und war ftinf Jahre in Frankreich als Lehrer thätig, bis er 1854
nach England ging. Im Royal College of Preceptors bestand er 1855 das
Examen für Deutsch und Französisch ; erhielt ein Befähigungsdiplom höchster
Klasse und 1856 für Lateinisch einen Preis. 1870 gründete er in Newcastle
upon Tyne eine sogenannte Modern School, die er mit grossem Erfolge bis
zu seinem Tode leitete. 1895 veranstalteten zahlreiche ehemalige Schüler
eine grosse Jubelfeier gelegentlich des 25 jährigen Bestehens der Schule. Auch
als Schriftsteller hat E. das anerkannt beste Lehrbuch der französischen Sprache
fiir Engländer, »French Method. Theoretical and practical« (1871) ver-
öffentlicht.
Nach Mittheüungen des Professors K. H. Schaible in Offenburg.
Franz Brummer.
Goegg, Amand, Politiker, ♦ am 7. April 1820 zu Renchen in Baden,
f am 21. Juli 1897 daselbst. — G. führte den Ursprung seiner Familie auf
den Schul theissen von Renchen Christoph von Grimmeishausen zurück, den
Verfasser von »Simplicius Simplicissimus«. Nachdem G. seit 1840 in Heidel-
berg Finanzwissenschaften studirt hatte und schon einige Jahre im badischen
Staatsdienste thätig gewesen war, betheiligte er sich in hervorragender Weise
1849 an der politischen Bewegung in seinem Heimathlande, präsidirte am
13. Mai d. J. der Offenburger Volksversammlung, wurde bald darauf Mitglied
der revolutionären Regierung und zuletzt einer der drei Dictatoren. Nach
Niederwerfung der Bewegung flüchtete G. in die Schweiz, wo er seine kleine
Schrift »Geschichte der badischen Erhebung von 1848 — 49« schrieb (1850),
die er später in erweiterter Gestalt unter dem Titel »Aufschlüsse über die
badische Revolution von 1849« (1876) erscheinen Hess. Von der Schweiz aus
begab er sich nach Paris und, 1851 hier ausgewiesen, nach London, wo er
mehrere Jahre weilte und sich an industriellen Unternehmungen betheiligte.
Dann gründete er in Genf eine Spiegelfabrik und leitete nach der allgemeinen
badischen Amnestie (1861) eine Glasfabrik in Offenburg (Baden). Sein un-
ruhiger Geist trieb ihn aber bald wieder fort in die Schweiz, wo er ein Ar-
beiterblatt »Das Felleisen« redigirte, sich mehr und mehr den socialistischen
Bestrebungen anschloss und schliesslich ein eifriger Anhänger und Agent von
Karl Marx wurde. Im Jahre 1867 betheiligte er sich an der »Friedens- und
Freiheits-Liga« in der Schweiz, vertrat 1869 auf dem internationalen Socialisten-
Congress in Basel 52 deutsch-schweizerische Arbeitervereine und ging dann
als socialistischer Wanderprediger in die Welt, nach Deutschland, England,
Nord- und Südamerika und Australien. Endlich wandermüde, kehrte er zu
Anfang der achtziger Jahre in seine kleine Vaterstadt zurück, wo er bis zu
seinem Tode lebte und auch die letzte Ruhe fand. Die Müsse des Alters
benutzte er zur Beschreibung seiner »Ueberseeischen Reisen« (1888) und zur
Darlegung seiner Stellung »Zur religiösen und socialen Frage« (1890).
Nach Mittheilungen des Prof. K. H. Schaible in Offenburg.
Franz Brummer.
Bezzola, Andreas, schweizerischer Bundesrichter, ♦ am i. April 1840 in
Zemetz, f am 10. Januar 1897. — B. entstammte den Bergen »alt fry Rhä-
tiens«. Er wurde in Zemetz geboren, dem westlichen Grenzdorfe des Unter-
BezKola.
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engadinSy von wo die sanft ansteigende Strasse in wenigen Stunden nach
dem weltberühmten Kurort St. Moritz führt und nach dem Süden die präch-
tige Strasse über den Ofenberg ins Münsterthal abzweigt mit Fortsetzung nach
Bormio. An den Ufern des mit grünen Wiesen umsäumten Inns, umgeben
von hohen, zu einem grossen Theil von mächtigen Waldungen bedeckten
Bergen (Zemetz liegt 1497 m über Meer), ist seine Wiege gestanden. Hierher,
in das herrliche Hochthal, hat es ihn immer und immer wieder gezogen, wo
er seine Jugend zugebracht und in dessen Umgebung er als eifriger Jäger
jeden Schritt und Tritt auf's genaueste kannte. Die Muttersprache B.'s war
diejenige des Ladins; sie wurde in seiner Familie immer gesprochen. Im
Kanton Graubünden beträgt die Zahl der Einwohner, die sich der rhäto-
romanischen Sprache bedienen, etwa 40000 (Gesammtbevölkerung 1888:
94810); sie zerfällt nach den zwei Stromgebieten in die zwei Hauptdialekte
des Rheins und des Inns, welche gewöhnlich Romansch und Ladin genannt
werden, beide wesentlich vom Lateinischen abstammend, aber in den Dialek-
ten doch so verschieden, dass der Unterengadiner- und der Oberländerbauer
sich kaum verstehen. Eine allgemeine rhätoromanische Schriftsprache existirt
bekanntlich nicht, nicht einmal eine gemeinsame bündnerisch-rhätische, wohl
aber eine unterengadinische, deren sich auch B. mit grossem Geschick bedient
hat. In Zemetz besuchte B. die Gemeindeschule, bis er in die Kantonschule
(Gymnasium) in Chur übertrat, wo er nun erst die deutsche Sprache kennen
lernte, die er später freilich mit der gleichen Fertigkeit handhabte wie das
Ladin und die von den etwa 45 000 deutschsprechenden Bündnem auch am
dialektfreisten gesprochen wird. Im Jahr 1860 verliess B. nach Ablegung des
Maturitätsexamens die Heimath und besuchte zum Studium der Jurisprudenz die
Universitäten Jena, Berlin, Heidelberg und Zürich. Das eigentliche Studenten-
leben genoss er in vollen Zügen in Jena, das ihm unvergesslich geblieben ist
und wo er mit einigen anderen Schweizern während mehreren Semestern
Mitglied und auch Sprecher der Burschenschaft Arminia war. Im Frühling
1864 kehrte B., der auf der Universität neben dem Fachstudium namentlich
auch Vorlesungen über Geschichte und Nationalökonomie gehört hatte, in
die Heimath zurück und Hess sich in Zemetz als Rechtsanwalt nieder, ein
Beruf, der ihm jedoch nicht recht behagte und der immer mehr durch die
mannichfaltige Inanspruchnahme Hir das öffendiche Leben verdrängt wurde.
Diesem wandte B. sich mit innerer Neigung und angeborenem Talent zu und
diente von der Pike auf als Mitglied und Präsident der Gemeindebehörde
von Zemetz bis zum Mitglied des obersten schweizerischen Gerichtshofes.
Schon an der ersten Landesgemeinde nach seiner Rückkehr wählte ihn der
Kreis Obtasna, zu dem Zemetz gehört, 1865 zum Kreispräsidenten (Land-
anunann) und zum Mitglied des grossen Rathes (gesetzgebende Behörde des
Kantons); später kam dazu das Amt eines Bezirksrichters und Bezirkspräsiden-
ten. Im grossen Rath gewaim B. rasch durch seine Tüchtigkeit, Beredsam-
keit und Noblesse des Charakters Ansehen und EinÜuss und präsidirte dem-
selben mehrere Male. Aber auch der Volksgunst Launen blieben ihm nicht
erspart. Anfangs der siebziger Jahre handelte es sich um eine Revision der
schweizerischen Bundesverfassung im Sinne einer grösseren Centralisation.
Scharf schieden sich in den Kantonen die Centralisten und Föderalisten aus.
B. gehörte zu den ersten, während die Mehrheit des Bündnervolkes von einer
strammem, eidgenössischen Centralisation nichts wissen wollte. Der vorgelegte
Verfassungsentwurf wurde im Frühling 1872 von einer kleinen Mehrheit des
^6 Bezzola.
Schweizervolkes verworfen und an der Landsgemeinde von 1873 wurde B.
wegen seiner centralistischen Gesinnung nicht mehr in den grossen Rath ge-
wählt. Dieser wählte ihn aber sofort zum Mitglied der Regierung, nach Ab-
lauf der gesetzlichen Amtsdauer in die Standeskommission , das Kantons-
gericht, den Erziehungsrath und 1881 in den schweizerischen Ständerath.
Und nochmals musste B. den Kelch der veränderlichen Volksgunst leeren;
die neue Kantonsverfassung von 1880 tiberwies die Wahl der Ständeräthe
künftighin an das Volk, das in einem einzigen Wahlkreis zu wählen hatte
und in seiner Mehrheit 1881 die beiden Candidaten der freisinnigen Partei
im Stiche Hess. Aber schon im Herbst 1881 wählte der Engadiner Wahl-
kreis B. in den schweizerischen Nationalrath, dessen Präsidentenstuhl er 1885
bestieg und dessen Mitglied er blieb bis zu seiner Wahl in das schweizerische
Bundesgericht, in das er mit dem i. October 1893 eintrat. Hier wurde er
der Kammer flir staatsrechtliche Streitigkeiten zugetheilt und er arbeitete sich
mit einem Feuereifer und (xeschick in seine neue Stellung hinein, verbunden
mit einer Liebenswürdigkeit im Umgang, dass seine Collegen sich zu ihrem
neuen Mitarbeiter nur Glück wünschen konnten. Sehr zu Statten kam ihm
dabei die vortreffliche Schule, die er in Bünden in allen Zweigen des öffent-
lichen Lebens durchgemacht hatte. B. selbst fühlte sich bei der neuen Thä-
tigkeit und im Kreise seiner Collegen ausserordentlich befriedigt und beant-
wortete eine Anfrage, ob er nicht Lust hätte, den vacant gewordenen Posten
eines schweizerischen Gesandten in Rom zu übernehmen, sofort in verneinen-
dem Sinn. Fataler Weise schien aber die neue Stellung nicht in gleicher
Weise auf seine Gesundheit einzuwirken. Im Frühling 1896 befiel ihn ein
Nervenleiden; die kräftige Gestalt, äusserlich der Typus eines gesunden, in
der Bergluft gestählten Körpers, fiel nach und nach zusammen. Er nahm
Urlaub, um in der Heimath Genesung zu suchen. Allein umsonst. Nur auf
das Drängen des Arztes und seiner Angehörigen entschloss er sich schweren
Herzens, sich in eine Privatklinik nach Zürich zu begeben. Und wirklich
trat nach und nach Besserung ein; das Interesse an der Aussenwelt und an
seinen Geschäften kehrte wieder; in kurzer Zeit hoffte der Patient nach
Lausanne zurückkehren zu können. Da packte den seit langen Monaten
geschwächten Körper eine tückische Lungenentzündung, der er am 10. Januar
1897 erlag. Tags vorher hatte der Todtkranke telegraphisch seinen Col-
legen noch einen Abschiedsgruss geschickt. —
Die Hauptwirksamkeit B.'s gehörte seinem Heimathskanton an, dem er
in allen möglichen Stellungen diente. Wir können hier auf die Details nicht
eintreten; es genüge, dass nach seinem Tode Freund und Gegner einig waren,
dass B. einer der populärsten und hervorragendsten bündnerischen Staats-
männer war. Nur eine Schöpfung wollen wir anführen, die er seit langen
Jahren anstrebte und die endlich 1892 realisirt wurde: eine neue Zusammen-
setzung und Organisation der obersten vollziehenden Behörde des Kantons.
Die Tragweite dieser Aenderung kann nur aus der Geschichte des Kantons
erfasst werden. Dieser war entstanden aus den drei Bünden: Gotteshausbund
(gegründet 1367 von der Stadt und den Thalschaften des Bisthum Chur mit
dem Domkapitel); Oberer oder Grauer Bund (1395, erneuert 1424, abge-
schlossen zwischen dem Kloster Dissentis, Volk und Adel des Vorderrhein-
thales); der Zehngerichtenbund (1436 eingegangen von den Gerichtsgemeinden
der übrigen Landestheile: Prättigau, Davos, Schanfigg und Churwalden).
Ober- und Unterengadin gehörten zum Gotteshausbund und es war in Zer-
Bezzola.
47
netz, wo derselbe 1367 gegründet worden war. Jeder dieser drei Bünde
hielt zur Vorberathung seiner Angelegenheiten Versammlungen ab (Bundestage,
Landtage), bestehend aus Abgeordneten der Gerichtsgemeinden; ebenso hatte
jeder Bund ein »Haupt« zur Leitung der Landtage und Vertretung des Bun-
des nach aussen; verbindliche, definitive Beschlüsse konnten aber allein die
Gemeinden fassen, wobei die Mehrheit der Gemeinden, nicht der Köpfe, ent-
schied. Diese drei Bünde, thatsächlich schon mit einander in Verbindung
stehend, schlössen 1524 einen Bund unter sich ab, an dessen Spitze ein aus
Gemeindeabgeordneten aller Bünde bestehender Bundestag stand, geleitet je-
weilen vom Haupt desjenigen Bundes, in welchem er seine Sitzung hatte.
Auch hier stand die definitive Entscheidung den Gemeinden zu und es
stimmten daher die Abgeordneten nach Instructionen. In der Zwischenzeit
(der Bundestag versammelte sich gewöhnlich nur einmal im Jahr) wurden die
Geschäfte von den drei Häuptern besorgt und wichtige Sachen unter Zuzug
von 3—5 Beisitzern aus jedem Bund. Diese »Häupter mit Zuzug« wurden
auch s»Beitag«, später »Congress« geheissen. Damit war vertraglich der erste,
auf demokratischer Grundlage beruhende Bundesstaat errichtet worden und
dessen Organisation blieb sich gleich bis zu Ende des vorigen Jahrhunderfcs.
Durch die Mediationsverfassung von 1803 kam Bünden als Kanton zur
schweizerischen Eidgenossenschaft und die während der Helvetik unterbrochene
alte Verfassung kam in etwas anderer Form wieder zur Geltung. Der Kanton
bestand aus den drei Bünden mit den Gerichtsgemeinden; der Bundestag
verwandelte sich in den grossen Rath, die drei Häupter bildeten den kleinen
Rath und aus den Häuptern mit Zuzug (Congress) wurde die Standeskom-
mission. Später Hess man die Ausscheidung in drei Bünde fallen : der Kanton
zerfiel nur in Bezirke, Kreise und Gemeinden; im übrigen blieb sich die Or-
ganisation, namentlich diejenige des aus drei Mitgliedern bestehenden, auf
dem Collegialsystem beruhenden kleinen Rathes nebst Standeskommission
gleich. Nach und nach machte sich aber die Schwerfälligkeit dieser compli-
cirten Regierungsmaschine in einem verhältnissmässig kleinen Staat sehr fühl-
bar. B. drang schon früh auf deren Beseitigung. Aber ein Volk verzichtet
nicht so leicht auf seit Jahrhunderten ererbte Sitten und Gewohnheiten und
so ging es bis 1892, dass Wandel geschaffen wurde. Die Standeskommission
fiel wxg, der kleine Rath wurde aus fünf, von dem Volke gewählten Mit-
gliedern bestellt, die keinen anderen Beruf oder Gewerbe ausüben dür-
fen, und die Organisation beruht auf dem Departementssystem. Die tief
in das alte Herkommen der drei Bünde eingreifende Neuerung hat sich
seither bewährt; vor deren Ausführung konnte B. sich nicht entschliessen,
den Kanton zu verlassen und er trat daher erst 1893 in das Bundesgericht
über.
Noch müssen wir eine ausserhalb der öffentlichen Thätigkeit liegende
Seite unseres Collegen berühren. B. besass eine stark ausgeprägte poetische
Ader, aus der eine Reihe von Gedichten hervorging, in ladinischer Mundart.
Anfangs der neunziger Jahre gab er 31 solcher Lieder heraus, meistens
Vaterlandslieder, die zum Theil sich auf das Engadin beziehen und die B.
den ladinischen Sängern als »Chantunz ladins« widmete. Einige derselben
sind eigentliche Volkslieder geworden, deren Dichter vom Volke kurzweg
»Mastral Andrea« genannt wird (Landamman Andreas.) Mag irgendwo im
Engadin ein Fest gefeiert werden, mögen die jungen Burschen mit den Mäd-
chen an Sonntagen auf's Land hinausziehen oder die Dorfbewohner sich nach
48 Bezzola. Brand.
des Tages Arbeit Abends zusammenfinden, überall hört man das populärste
dieser Lieder singen, beginnend mit den Worten:
Mia bella Val, mia Engiadina,
A Diou, sta bain etc.
Am 13. Januar 1897 fand in Chur unter ungewöhnlicher Betheiligung der
Bevölkerung die Beerdigung statt. Winter war's und hoher Schnee auf den
Bergen; aber das hinderte eine Schaar Zemetzer Männer nicht, darunter
solche mit grauen Haaren und verwitterten Gesichtern, unter Führung ihres
Pfarrers über den Flüelapass zu reisen, um ihrem früheren Landammann die
letzte Ehre zu erweisen. Angekommen am Abeijd vor der Beerdigung, baten
sie sich die Ehre aus, die ganze Nacht an der Todtenbahre Wache halten zu
dürfen. Und Tags darauf sangen diese Wackem am offenen Grabe ein ein-
faches ladinisches, von B. herrührendes Lied zum Abschied. Es machte einen
ergreifenden Eindruck, einen tiefem und mächtigeren, als je ein im Concert-
saal mit noch so grosser Meisterschaft vorgetragener Gesang erreichen könnte.
Lausanne, Februar 1898. Dr. Hans Weber,
Brand, Ernst, Arzt und Hydro therapeut in Stettin, ♦ 2. Januar 1827 zu
Feuchtwangen in Franken, f 7. März 1897 in Stettin. — B. studirte von 1845
bis 1851 in Erlangen, wo er 1849 klinischer Assistent von Canstatt war und
schon in dieser Eigenschaft eine kleine Abhandlung über Diabetes (Deutsche
Klinik 1849) publicirte. Später assistirte er bei Canstatt's Nachfolger Dittrich
und erlangte 185 1 mit der Inauguralabhandlung: »Die Stenose des Pylorus
vom pathologisch-anatomischen Standpunkte aus geschildert« die Doctorwürde.
Darauf machte er eine grössere wissenschaftliche Reise über Wien, Paris und
London, absolvirte das preussische Staatsexamen und habilitirte sich als Arzt
in Stettin, wo er als Geheimer Sanitätsrath verstarb. 1861 veröffentlichte er
die Aufsehen erregende Schrift »Die Hydrotherapie des Typhus«, worin er
nach langer Zeit wiederum die Aufmerksamkeit der ärztlichen Welt auf den
Werth einer rationellen Kaltwasserbehandlung, speciell zur Herabsetzung des
Fiebers beim Unterleibstyphus, lenkte. Diese Schrift hatte zur Folge, dass
die von B. angegebene Methode von hervorragenden Klinikern, wie Bartels,
Jürgensen u. A., ebenso von vielen praktischen Aerzten geprüft und mit ge-
wissen Aenderungen adoptirt wurde. Erst in der neueren Zeit ist die Kalt-
wasserbehandlung bei dem übrigens viel seltener gewordenen Abdominaltyphus
eingeschränkt bezw. ganz fallen gelassen worden. Zur Vertheidigung seines
Verfahrens gab B. noch mehrere Schriften heraus, so: »Zur Hydrotherapie
des Typhus, Bericht über die in St. Petersburg, Stettin und Luxemburg hy-
driatrisch behandelten Fälle (Stettin 1863); »Die Heilung des Typhus« (Ber-
lin 1868) nebst einem Anhange »Anweisung für die Krankenwärter bei der
Behandlung des Typhus mit Bädern«; »Was versteht man unter Wasser-
behandlung des Typhus?« (Wiener medicinische Wochenschr. 1872); »Salicyl-
oder Wasserbehandlung?« (Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1876); »Die Wasser-
behandlung der typhösen Fieber« (Tübingen 1877). — Dazu kommen noch
einige Arbeiten epidemiologischen Inhaltes, wie »Verhaltungsmassregeln wäh-
rend der Anwesenheit der Cholera-Epidemie« (Stettin 1866); »Die Meningitis
cerebro-spinalis complicirt mit Febris recurrens« (Berliner klin. Wochenschrift
1866) u. a.
Biogr. Lex. bervorr. Aerite VI, S. 540.
Pagel.
Büchner. Bernhard!.
49
Buchner, Ludwig Andreas, Ober-Medicinalrath und Universitätsprofessor
der Pharmacie in München, * am 23. Juli 181 3 in München, f am 23. Octo-
ber 1897 daselbst. — B. studirte in seiner Geburtsstadt, besonders unter
Leitung seines Vaters, des gleichfalls hervorragenden Pharmakologen Johann
Andreas B. (1783 — 1852), sowie in Paris und Giessen, wo v. Fuchs, v. Mar-
tius, Döllinger, v. Walther, Bussy und v. Liebig seine Lehrer waren. Mit
besonderer Vorliebe trieb er schon während der Studienzeit die medicinische
Chemie. 1839 erlangte er die philosophische, 1842 die medicinische Doctor-
würde. Im letztgenannten Jahre habilitirte er sich als Privatdocent in Mün-
chen, rückte bereits 1847 zum ausserordentlichen Professor der physiologischen
und pathologischen Chemie auf und erlangte ebendaselbst 1852 die ordent-
liche Professur der Pharmacie und Toxikologie, die er bis zu seiner mehrere
Jahre vor seinem Tode erfolgten Emeritirung inne hatte. 1846 wurde B.
ausserordentliches, 1869 ordentliches Mitglied der k. Bayerischen Akademie
der Wissenschaften in München. Femer war er Mitglied des Obermedicinal-
ausschusses, insbesondere hatte er das Decemat für das Apotheken wesen.
Von schriftstellerischen Arbeiten B.'s ist besonders erwähneriswerth die Fort-
führung des von seinem Vater herausgegebenen »Repertorium fiir die Phar-
macie« (München 1852 — 1876, 25 Jahrgänge), sowie ein «Commentar zur
Pharmacopoea Germanica« (München 1872, 2 Bde. mit verdeutschtem Text).
Auch veröffentlichte B. noch eine Reihe kleinerer Abhandlungen: »Betrach-
tungen über die isomeren Körper«, »Versuche über das Verhalten der Auf-
lösungen chemischer Stoffe zu Reagentien bei verschiedenen Graden der Ver-
dünnung«, über die Angelicawurzel, über die Zusammensetzung von Heil-
brunnenwässem, über die Beziehungen der Chemie zur Rechtspflege (Gelegen-
heitsrede) imd lieferte einige Beiträge zur »AUgem. Deutsch. Biographie«.
BiogT. Lex. hervorr. Aerxte I, p. 607; Voss. Ztg. 25. October 1897.
Pagel.
Bemhardi, Otto von. Königlich preussischer General der Kavallerie z. D.,
• am 6. December 1818 zu Saalfeld in Ostpreussen, f am 2. September 1897
zu Wiesbaden. — B. trat am 6. Juni 1835 bei dem in kleinen Städten Nieder-
schlesiens gamisonirenden 5. Kürassier-Regimente in den Dienst, wurde am
15. Februar 1838 Sekond-, am 13. November 1849 Premierlieutenant und,
nachdem er von April 1850 bis Februar 1854 Adjutant der 7. Division zu
Magdeburg gewesen war, Rittmeister und Eskadronchef, im Januar 1858 aber
Hauptmann im Generalstabe, in welchem er, alsbald zum Major befördert, ver-
blieb, bis er im September 1862 zum Kommandeur des Litthauischen Dragoner-
Regiments Nr. I (Prinz Albrecht von Preussen) zu Tilsit ernannt wurde. Am
17. März 1863 zum Oberstlieutenant, am S.Juni 1866 zum Oberst aufgerückt,
befehligte er das Regiment im böhmischen Feldzuge, in welchem er nament-
lich den Reiterkampf vom 27. Juni bei Trautenau gegen das Dragonerregiment
Fürst zu Windisch-Graetz bestand, ward im März 1 868 zum Kommandeur der
IG. Kavallerie-Brigade zu Posen ernannt, erhielt bei Ausbruch des Krieges
im Jahre 1870, gleichzeitig zum Generalmajor befördert, das Kommando der
aus den Ulanenregimentem Nr. i und Nr. 6 gebildeten, zu der dem Prinzen
Albrecht (Vater) unterstellten 4. Kavallerie-Division gehörenden 9. Kavallerie-
Brigade und führte diese, stets am F'einde bleibend, zunächst bei den Vor-
märschen gegen Sedan und von da auf Paris, dann gegen Orl<!ans, und in
den Kämpfen an der Loire sowie vor Le Mans; während des Monats Januar
Btogr. Jahrb. n. Deotscher Nekrolog. 2. Bd. ^
so
Bernhard!. Boltenstem.
vertrat er den erkrankten Divisionskommandeur. Nach Friedensschlüsse über-
nahm er wiederum das Kommando der lo. Kavallerie -Brigade, ward am
i8. Januar 1875 ^^"^ Generallieutenant, am 12. Mai d. J. zum Kommandeur
der 2. Division in Danzig ernannt, am 12. April 1879 ^^ Genehmigung seines
Abschiedsgesuches zur Disposition gestellt und erhielt am 12. Januar 1896 den
Charakter als General der Kavallerie.
B. Poten.
Boltenstem, Konstantin von, Königlich preussischer Generallieutenant,
* am 5. Februar 1823 zu Pasewalk, f am 31. Januar 1897 zu Görlitz. —
B. wurde im Kadettenkorps erzogen und aus diesem am 9. August 1840 als
Portepeefähnrich bei dem in Magdeburg gamisonirenden 26. Infanterie-Regi-
mente entlassen, am 14. Juni 1842 zum Sekondlieutenant ernannt, rückte,
nachdem er inzwischen mehrfach ausserhalb der Front Verwendung gefunden,
im Jahre 1866 als Hauptmann und Kompagniechef in das Feld. In der
Königgrätzer Schlacht, in welcher sein zur Brigade Fransecky gehörendes
Regiment hervorragenden Antheil an der Vertheidigung des Swipwaldes hatte,
musste B. das Kommando des Füsilierbataillons übernehmen und fand schon
damals Gelegenheit sich als ein umsichtiger und tüchtiger Offizier zu bewähren.
Noch mehr trat er als solcher im Kriege von 1870/71 gegen Frankreich hervor.
Bei der im Herbst 1 866 vorgenommenen Vermehrung des Heeres als Major in
das neugebildete 79. Infanterie-Regiment zu Hildesheim versetzt, führte er 1870
zunächst als Oberstlieutenant ein Bataillon des letzteren, focht an der Spitze des-
selben, im Verbände der Brigade Woyna und der Division Kraatz zum X. Armee-
korps unter Voigts -Rhetz und zur 11. Armee unter Prinz Friedrich Karl von
Preussen gehörend, am 16. August bei Vionville-Mars la Tour und in später
Abendstunde des 1 8. auch noch bei Saint-Privat, nahm an der Einschliessung
von Metz theil und führte sodann an Stelle des anderweit verwendeten Komman-
deurs das Regiment. Im Kampfe bei Maizi^res am 24. November leicht verwundet,
bestand er am 26. mit einer aus allen Waffengattungen zusammengesetzten Ab-
theilung gelegentlich eines ihm gewordenen Sonderauftrages ein selbständiges
Gefecht bei Lorcy, befehligte eine Zeit lang die Brigade, übernahm dann wieder
das Kommando seines Bataillons und stand mit diesem am Loir, als er am
26. December von Vendöme fiussabwärts entsandt wurde, um Ansammlungen
von Franctireurs zu zerstreuen, welche sich bei Soug^ gezeigt hatten. Nach-
dem er in Montoire übernachtet hatte, setzte er am 27. den Marsch fort und
erfüllte seinen Auftrag. Auf der Rückkehr fand er den Weg bei Montoire
durch inzwischen dort eingetroffene Truppen verlegt, schlug sich aber glück-
lich, freilich nicht ohne Verluste, durch und brachte noch Gefangene zurück
(Kriegsgeschichtliche Einzelschriften des Grossen Generalstabes, i. Heft, Berlin
1883). Bei dem im Januar 1871 unternommenen Vormarsche auf le Mans
führte er von neuem das Regiment. Mit dem Eisernen Kreuze i. Klasse
geschmückt, kehrte er in die Heimath zurück, ward im November d. J. aJs
Oberst an die Spitze des Colbergischen Grenadier-Regiments Nr. 9 gestellt,
am 22. September 1877 ^^^ Generalmajor und zum Kommandeur der
15. Infanterie-Brigade befördert und am 16. November 1880 in Genehmigung
seines Abschiedsgesuches mit Pension zur Disposition gestellt. Am fünfund-
zwanzigsten Gedächtnisstage des Kampfes von Montoire erhielt er den Cha-
rakter als Generallieutenant.
B. Poten.
Happe. Krez. e i
Happe, Franz Engelbert, Geistlicher und Dichter, * am ii. Juni 1863
zu Sendenhorst (Westfalen), f am 11. September 1897 in Südkirchen (West-
falen). — Er besuchte die Volks- und Rektoratschulen in Sendenhorst und
Borkum, von 1877 bis 1881 das Gymnasium zu Warendorf und studirte dar-
auf an der Akademie zu Münster Philologie und Theologie. Während seiner
Studienzeit war er über ein Jahr lang Vorleser bei dem blinden Professor
Chr. B. Schlüter, nach dessen Tode (1884) er sich ein Jahr lang als Erzieher
theils in Brüssel, theils im Sauerlande aufhielt. Im Herbst 1886 trat er in
das Priesterseminar zu Münster ein, erhielt im December 1887 die Priester-
weihe und kam im März 1888 als Kaplan nach Füchtorf bei Warendorf.
Hier blieb er mit Ausnahme eines halben Jahres, das er in Münster als Soldat
verbrachte, bis zum Herbste 1895, um dann als Vikar nach Südkirchen (Kreis
Lüdinghausen) zu gehen, wo er nach zwei Jahren in der Blüthe seines I^ebens
starb. — Seine Gedichte »Stimmungen und Gestalten« (1888) erschienen 1897
in einer vermehrten und verbesserten Auflage.
Persönliche Mittheilungeo*
Franz Brummer.
Krez, Konrad, General, Advokat und Dichter, * am 27. April 1828 zu
Landau in der Rheinpfalz, f am 9. März 1897 zu Milwaukee in Amerika. —
Nachdem er die Schule seiner Vaterstadt und das Gymnasium in Speyer be-
sucht hatte, ging er auf die Universität Heidelberg, um die Rechte zu stu-
diren. Aus jener Zeit stammen seine ersten Gedichtsammlungen »Domen und
Rosen von den Vogesen« (1846) und »Gesangbuch« (1848). Im Frühjahr
1848 betheiligte er sich im Freicorps des Generals von der Tann an dem
Kriege gegen Dänemark und 1849 ^" ^^^ badisch -pfälzischen Erhebung für
die Reichsverfassung, wurde deshadb »in contumaciam« zum Tode verurtheilt
und musste nach der Schweiz flüchten. Von hier ging er nach Frankreich
und kam im Winter 1850 nach New York, wo er sich der Advokatur zu-
wandte. Im Hause des Advokaten Stemmler fand er bald freundliche Auf-
nahme, und zwei Jahre später heirathete er dessen einzige Tochter. Im Jahre
1854 siedelte K. nach Sheboygan, Wisconsin, über, wo er zunächst als Ad-
vokat prakticirte. Da er sich sehr rege im demokratischen Sinne an dem
politischen Leben jener Zeit betheiligte, so beriefen ihn seine Mitbürger bald
zu verschiedenen Aemtem. Als der Bürgerkrieg ausbrach, bekleidete er das
Amt eines Staatsanwalts. Im Sommer 1862 warb er das 27. Wisconsiner
Freiwilligen-Regiment an, zu dessen Obersten er durch Gouverneur Salomon
ernannt wurde, machte mit seinem Regimen te unter Kimball die Belagerung
von Vicksburg mit, kämpfte unter Steele in Arkansas und befehligte die
3. Brigade der 3. Division des 13. Armeecorps unter Cauby gegen Mobile.
Wegen der dort geleisteten Dienste wurde er vom Präsidenten Lincoln zum
Brigadegeneral ernannt; dann ward er an den Rio Grande nach Texas be-
ordert und hier nach Beendigung des Krieges ausgemustert. Er nahm seine
Thätigkeit als Advokat in Sheboygan wieder auf und entfaltete eine eifrige
politische Thätigkeit. Im Jahre 1888 wurde er zur Praxis am obersten Ge-
richtshof der Vereinigten Staaten zugelassen. Der Präsident Cleveland betraute
K.. mit dem wichtigen und einträglichen Amte als Zollkollektor im Hafen von
Milwaukee, worauf K. auch seine Advokatur dorthin verlegte. Inmitten eines
so bewegten Lebens hatte K. immer noch Müsse und Stimmung zu bemerkens-
werthen Dichtungen gefunden, die er 1875 gesammelt unter dem Titel »Aus
4*
C2 Krez. Prinz von Thurn und Taxis. Burchardt.
Wisconsin« herausgab. »Keiner unter den hervorragenden deutsch-amerikani-
schen Dichtern hat dem Heimweh und der Liebe zum alten Vaterlande einen
so rührenden Ausdruck gegeben, wie K. in seinem Gedichte »An mein Vater-
land«, das wohl als das schönste aller auf amerikanischem Boden entstandenen
deutschen Gedichte bezeichnet werden kann.«
Dr. G. A. Zimmermann: Deutsch in Amerika. Beiträge zur Geschichte der deutsch-
amerikanischen Literatur. 2. Aufl. Chicago 1894, S. 64. — Berliner Tageblatt vom
20. März 1897.
Franz Brummer.
Thurn und Taxis, Prinz von, Franz Maximilian Lamoral, Diplomat in
königlich preussischen und deutschen Reichsdiensten; * am 2. März 1852 in
Regensburg; f am 5. Mai 1897 in Luxemburg; vermählt mit der Gräfin
Theresia Grimaud von Orsay. — Seine diplomatische Laufbahn begann er als
Sekretär bei der kaiserlich deutschen Botschaft zu Rom im Jahre 1884; dann
wurde er Sekretär bei der kaiserlich deutschen Gesandtschaft in Athen; später
bei der königlich preussischen Gesandtschaft in Dresden; hierauf königlich
preussischer Legationsrath in Constantinopel , und dann kaiserlich deutscher
Botschaftsrath in Madrid. Bald darauf wurde er Legationsrath bei der kaiser-
lich deutschen Gesandtschaft in Brüssel und endlich wurde er zum kaiserlich
deutschen Legationsrath und Minister-Residenten in Luxemburg ernannt.
C. WilL
Burchardt, Max, Augenarzt, Privatdocent und Universitätsprofessor, sowie
General -Arzt in Berlin, * am 15. Januar 1831 zu Naugard in Pommern, f am
25. September 1897 in Berlin. — B. war der Sohn eines Strafanstaltsdirectors,
besuchte die Gymnasien in Guben und Schulpforta und bezog 1851 das
ehemalige militairärztliche Friedrich-Wilhelms-Institut, die jetzige Kaiser- Wil-
helm-Akademie, von wo aus er in üblicher Weise nach Absolvirung der
Studien als Unterarzt an die Königliche Charit^ abkommandirt wurde. 1855
erlangte er mit einer Inaugural- Abhandlung über die Bauchwassersucht die
Doctorwürde, 1857 bestand er die Staatsprüfung. Nachdem er dann an
verschiedenen auswärtigen Gamisonsorten Dienst als Stabsarzt geleistet hatte,
wurde er wieder in gleicher Eigenschaft nach Berlin zurückversetzt und habi-
litirte sich hier 1864 als Privatdocent an der Universität. 1866 nahm er
an dem preussisch- österreichischen Feldzuge theil und wurde darauf nach
Königsberg in Ostpreussen versetzt, wo er 1867 gleichfalls an der Universität
docirte. Am Feldzuge von 1870/71 nahm er als Regimentsarzt theil. 1874
gelangte B. wieder nach Berlin zurück und blieb hier seitdem dauernd, suc-
cessive die Stellungen als Regimentsarzt, Oberstabsarzt bei der Militärtum-
anstalt, Chefarzt des ersten grossen Garnisonlazareths und zuletzt als erster
Gamisonarzt bekleidend, um 1896 mit dem Rang als Generalarzt aus dem
Sanitätskorps auszuscheiden. Ausserdem erhielt B. 1881 die Leitung der in
der Königlichen Charit^ eingerichteten Specialabtheilung für Augenkranke und
lehrte vorübergehend neben der Ophthalmologie auch noch nach dem Tode
von Georg Lewin bis zur Berufung von dessen Nachfolger über Haut- und
syphihtische Krankheiten. 1890 wurde B. durch den Professortitel ausge-
zeichnet. Die schriftstellerischen Arbeiten B.*s sind ebenso mannichfaltig wie
bedeutend ; sie bewegen sich hauptsächlich auf den Gebieten der Augen- und
Hautkrankheiten. Lange Jahre erstattete er den Bericht für die grossen
Virchow-Hirsch'schen Jahresberichte über acute Exantheme, ferner schrieb er:
Burchardt von BUlow. ex
»lieber eine bei Chloasma vorkommende Pilzform« (Med. Ztg. d. Vereins für
Heilkunde, 1859); »Ueber Soor und den dieser Krankheit eigenthümlichen
Pilz« (Charitd-Annalen, 1863); »Ueber Krätze und deren Behandlung mit
Perubalsam« (ebenda 1864, Berl. klin. Wochenschr. 1865, Arch. f. Dermat. u.
Syphilis 1869); »Ueber Sehproben« (Berl. klin. Wochenschr. 1869); »Neues
Verfahren zur Bestimmung der Refraction im aufrechten Bilde« (Centralbl. f.
prakt Augenheilk. 1883) ^^^ ^^^^ Reihe von Aufsätzen über Schutzpocken-
impfung, Sehschärfe bezüglich des Militärdienstes, Keuchhusten, venerische
Krankheiten beim Manne. Selbständig erschienen »Internationale Sehproben«
(Berlin 1869; 3. Aufl. 1882) und »Praktische Diagnostik der Simulationen«
(mit lithographischen Vorlagen und Stereoscop, Berlin 1875; 2. Aufl. 1878).
B. ist ansserdem noch der Erfinder eines Doppelplessimeters, eines neuen
Refractions-Augenspiegels, sowie eines Sprachapparats zur Behandlung der
Athmungs- und verwandter Organe.
Biogr. Lex. hervorr. Aerzte etc. I, S. 621.
Pagel.
Bülow, Hans Julius Adolf von, Königlich preussischer General der
Artillerie, * am 27. Februar 1816 zu Ossecken im Kreise Lauenburg in Hinter-
pommem, f 9. December 1897 zu Berlin. — v. B., ein im Frieden wie im
Kriege sehr bewährter Offizier, wurde im Kadettenkorps erzogen und aus
diesem am 5. August 1833 als Sekondlieutenant der Garde -Artillerie -Brigade
überwiesen, war nach mannichfacher Verwendung in und ausserhalb der Front
Oberst und Kommandeur des zu Münster gamisonirenden Westfälischen Feld-
artillerie-Regiments Nr. 7, als der Krieg gegen Oesterreich ausbrach. Bei der
Mobilmachung erhielt er das Kommando der Korpsartillerie des VII. Armee-
korps bei der Eibarmee, erwies sich durch die Führung derselben im Böhmischen
Feldzuge und namentlich in der Schlacht bei Königgrätz als besonders tüchtig,
ward am 14. Januar 1868 Kommandeur der 3. (Brandenburgischen) Artillerie-
Brigade, am 18. Juni 1869 Generalmajor und rückte an der Spitze jener
Brigade im Jahre 1870 gegen Frankreich in den Krieg, aus welchem er mit
der ihm allgemein gezollten Anerkennung zurückkehrte, dass er Hervorragen-
des geleistet habe und dass die Erfolge, welche das Korps errungen, nicht
zum geringen Theile auf Rechnung der von ihm geführten Waffe zu setzen
seien. So war es schon am 6. August gewesen, wo er an der Seite des
Korpskommandeurs, General Konstantin von Alvensleben, auf das Schlachtfeld
von Spicheren eilte und durch die Entsendung von zwei Batterien auf den
steilen Rothenberg zur Entscheidung des Tages erfolgreich mitwirkte. Am
blutigen Tage von Vionville-Mars la Tour, dem 16. August, waren seine Ge-
schütze der Fels im Meere, um welchen die Wogen brandeten und an dem sie
sich brachen; Alvensleben gegenüber sprach er, unerschüttert durch die er-
littenen Verluste und die Massen des Feindes, als das Zünglein der Wage
bedenklich schwankte, die feste Zuversicht aus, seine Stellung behaupten zu
können. Und er hatte sich nicht getäuscht. Nicht minder wesentlich waren
seine Leistungen und die der ihm unterstellten Truppen am 18. in der Schlacht
von Gravelotte-Saint Privat, wo er rechtzeitig in den Kampf der Artillerie des
IX. Armeekorps am Bois de la Gusse eingriff" und sich bis zur entscheidenden
Abendstunde behauptete. Glänzend war ferner seine Verwendung der Waffe
in den Kämpfen um Orleans, wo er sich namentlich am 3. December bei
ChilleuTS aux Bois als ein Meister erwies, und endlich bei dem Schlussakte
54
von Bttlow. Burckhardt.
des ganzen Krieges, als bei dem Vorgehen gegen le Mans nochmals schwere
Anforderungen an den Führer wie an die Truppe gestellt wurden. Die Ver-
leihung beider Klassen des Eisernen Kreuzes, sowie des Ordens pour le m^rite
waren äussere Zeichen der Anerkennung, welche seine Leistungen erfahren
hatten. — Nach der Heimkehr erhielt er an Stelle seines bisherigen Kommandos
das der Garde -Artillerie -Brigade, aus welcher er geschieden war, als er im
November 1859 die Stellung als Artillerieoffizier vom Platz in Koblenz mit der
des Kommandeurs der Festungsabtheilung des VI. Armeekorps vertauschte hatte.
Aber schon im Februar 1872 wurde er zu [den Offizieren von der Armee
versetzt, um dem aus der Kavallerie hervorgegangenen General von Podbielski,
welcher, als es sich um die Scheidung von Feld- und Fussartillerie handelte,
zum General-Inspekteur der Artillerie ernannt worden war, in der ersten Zeit
von dessen Dienstführung bei der Entscheidung technischer Fragen rathend
zur Seite zu stehen. Alsdann wurde er, in Berlin verbleibend, Inspekteur der
2. Artillerie- Inspektion und am 6. November 1879, ^^^ Podbielski gestorben
war, dessen Nachfolger. Meinungsverschiedenheiten mit den in Sachen der
Heeresverwaltung massgebenden Behörden aber veranlassten, dass er schon
am 12. December 1882 unter Ernennung zum General der Infanterie und
zum Chef des Pommerschen Feldartillerie -Regiments Nr. 2 in Genehmigung
seines Abschiedsgesuches mit Pension zur Disposition gestellt wurde; am
16. August 1895, ^^^ Jahrestage von Vionville-Mars la Tour verlieh ihm
Kaiser Wilhelm II. statt jenes Titels den eines Generals der Artillerie.
Aber er war mehr als der Name sagt. Er war ein Artilleriegeneral, ein
Kenner seiner Waffe, ebenso vertraut mit der Technik derselben wie mit ihrer
Taktik. Dabei einfach und anspruchslos, mit dem Herzen an der richtigen
Stelle, dem treffenden Worte auf der Zunge und in der Feder, ein Mann,
welcher schon durch seine Persönlichkeit auf die Kreise wirkte, mit denen
er in Berührung trat. Als General-Inspekteur war er in der Lage, seine her-
vorragenden Eigenschaften nach allen Richtungen hin zu entfalten. Sein
Streben beruhte auf dem Glaubenssatze, zu dem er sich schon in einer Zeit
bekannte, welche die Artillerie nur als Hilfswaffe gelten lassen wollte: »Es
liegt nur an uns der Waffe Geltung zu verschaffen«.
Eine eingehende Würdigung des Generals findet sich in F. Hoenig, Der Volkskrieg
an der Loire, 6. Band, Seite 295: Die entscheidenden Tage von Orleans (Berlin 1897).
B. Poten.
Burckhardt, Jacob Christoph, Universitätsprofessor der Geschichte und
Kunstgeschichte, * am 25. Mai 181 8 in Basel, f am 8. August 1897 ebenda.
— Ein Sohn des Pfarrers am Münster, eines gebildeten, vielseitigen, energi-
schen Mannes, der später als oberster Geistlicher der Basler Kirche bis zu
seinem Tode 1858 functionirte, sich daneben auf historischem Gebiete schrift-
stellerisch bethätigte und der Kunst reges Interesse und emsige Pflege wid-
mete, wandte sich der junge B. zunächst in Basel nach väterlichem Wunsche
dem Studium der Theologie zu; allein die Fächer der philosophischen Facul-
tät übten bald eine mächtigere Anziehungskraft auf ihn aus, und so wurde
mit Einwilligung des Vaters der Abgang an eine deutsche Universität zugleich
zum Bruche mit dem Theologiestudium und zum entschiedenen Uebergang zur
Geschichtsforschung. B. betrachtete diese ersten Basler Semester nie als einen
Verlust, sondern als eine werth volle Vorbereitung zum geschichtlichen Stu-
dium. In wie hohem Grade schon damals die Denkmäler der Kunst den
Burckhardt.
55
jungen B. beschäftigten, beweisen eine Reihe von »Bemerkungen über schwei-
zerische Kathedralen«, die der Zwanzigjährige in einer Bauzeitung erscheinen
Hess; sie betreffen neben dem Basler Münster sammt Kreuzgang das Zürcher
Grossmünster und die Kathedralen von Genf und Lausanne. Neben Jugend-
lichem findet sich in diesen kurzen Aufsätzen manch klarer Einblick in die
Welt der mittelalterlichen Baukunst und der Trieb, die einzelnen Bauwerke
möglichst in grössere Zusammenhänge des architektonischen Schaffens hin-
einzurücken; dann trifft man etwa auf einen Passus, in dem neben dem Hin-
weis auf die Bedeutsamkeit einer künstlerischen Schöpfung auch der Schön-
heit der Natur ihr Recht wird: »als besonderer Vorzug der Lausanner Kathe-
drale gilt mit Recht die herrliche Lage und Aussicht vom Thurme herab,
die allein schon der Reise werth ist. Man frage Jeden, der den Genfer See
gesehen.« Wer denkt da nicht schon an den Preis des Luganersees im »Ci-
cerone« bei Anlass von Luinis Fresken in S. Maria degli Angeli? Herbst 1839
bezog B. die Universität Berlin; mit Ausnahme des Sommersemesters 1841,
das er in Bonn zubrachte, blieb der Basler der Berliner Hochschule bis Früh-
ling 1843 treu; hier hat er seine lateinische seminarmässige Doctordissertation
über einige Streitfragen aus der Geschichte Karl Martell's ausgearbeitet; sie
wurde in Basel gedruckt und trug ihm die Doctorwürde der philosophischen
Facultät seiner vaterstädtischen Universität ein (19. Mai 1843). In der Vita
zur Dissertation schätzt sich B. glücklich, dass ihm Leopold Ranke als Lehrer
beschieden war, der nicht nur durch seine Vorlesungen, sondern auch durch
seinen kostbaren Rath seine Studien gefördert habe. Zwei Seminararbeiten
hatte B. seinem berühmten Lehrer zu Dank gemacht. Neben dem grossen
Historiker ist es ein ausgezeichneter Kunsthistoriker, dem B. sich tief ver-
pflichtet fühlte, ja man kann wohl sagen, in mancher Beziehung noch tiefer
als Ranke: Franz Kugler. £r wirkte damals noch als Professor der Kunst-
geschichte an der Akademie der Künste ; eine edle Persönlichkeit, habe er
Horizonte weit über die Kunstgeschichte hinaus eröffnet: so hat B. seinen
Lehrer charakterisirt, dem er schon damals persönlich näher trat und der
später sein theurer Freund wurde. In Ranke wie in Kugler lebte ein mäch-
tiger Trieb zum Universalhistorischen, beide hielten sich bei allem Detail-
studium den Ueberblick über ihren mächtigen Wissensbereich offen, sie ord-
neten das Specialwissen unter grosse Gesichtspunkte, sie gingen im Einzelnen
nicht unter. B. ist dieser Betrachtungsweise zeitlebens treu geblieben: die
Geschichte wie die Kunstgeschichte war und blieb für ihn ein Ganzes;
das Bewusstsein der Continuität, der geschichtlichen Zusanunenhänge erschien
ihm stets als etwas ungemein Werthvolles, ja als ein höchstes Ziel menschlicher
Erkenntniss, als ein Gradmesser unserer Geistescultur. Und es ist ausser-
ordentlich lehrreich zu sehen, wie schon in dieser Berliner und Bonner Stu-
dienzeit Historie und Kunstgeschichte neben einander den jungen Gelehrten
fesseln, beschäftigen und zu selbständigen Arbeiten anregen. Die deutsche
Universitätsstadt am herrlichen Rhein wurde für B. der Ausgangspunkt für
Studien verschiedenster Art; der enge Verkehr mit dem geistreichen und viel-
seitigen Gottfried Kinkel, der damals schon neben der Theologie die Kunst-
geschichte eifrig pflegte, bot manche Anregung: was lag näher, als dass sich
das Interesse den Denkmälern der Rheinlande zuwandte? und bei dem regen
historischen Sinne B.'s war es fast etwas Selbstverständliches, dass er über
der Kunst auch die Geschichte nicht vergass, deren Kenntniss erst jene Zeiten
vergangener Grösse verstehen liess, in denen die Kunst, voran die Architektur
56
Burckliardt.
Gewaltiges und Unvergängliches erstrebt und zum Theil auch erreicht hat.
— Im September 1842 war der Grundstein zum Ausbau des Kölner Domes
feierlich gelegt worden; die mächtige Ruine beschäftigte die Phantasie der
damaligen Menschen und weckte, um ein Wort B.*s in der gleich zu erwäh-
nenden Schrift zu gebrauchen, »eine laute nationale Begeisterung«. Er hat
sich dieser selbst nicht entzogen. Sein Blick wandte sich hin auf jenen
mächtigen Kölner Erzbischof, der im Sommer 1248 den Grund zum Dombau
gelegt hat: 1843 erschien in Bonn die erste historische Schrift B.'s »Conrad
von Hochstaden, Erzbischof von Kölln 1238 — 1261«; sie war Gottfried Kinkel
gewidmet. Noch heute wird man das Büchlein von 157 Seiten gerne lesen,
vor Allem wegen der Partien, in denen des Verfassers culturhistorische Nei-
gungen zu Tage treten: wo er die deutsche Kunst jener Zeit in allen ihren
Aeusserungen charakterisirt, wo er die Mirabilien des Cäsarius von Heister-
bach für bezeichnende Züge damaligen Lebens verwerthet, wo er den Dom-
bau schildert und im Anschluss daran von Albertus Magnus spricht, dem
»Manne der Wissenschaft im grössten Sinne«. Reiche Belesenheit in den
gedruckten Quellen — auf archivalische Nachforschungen hatte sich B. nicht
eingelassen — macht sich tiberall bemerkbar; der Autor beherrscht sein
Material, und es gewinnt Leben und Farbe unter seiner Hand. Es war ein
schöner Erstling historischer Forschung und Darstellung.
Ein Aufsatz im niederrheinischen Jahrbuch zum Besten der Bonner
Münsterkirche (^^43) unterzog dann »Die vorgothischen Kirchen am Nieder-
rhein« einer stilistischen Untersuchung und suchte deren Charakteristik fest-
zustellen; auch hier spielen naturgemäss die Kölnischen Denkmäler dieser
Gruppe eine bevorzugte Rolle : den Preis erhält der Kuppelbau von St. Gereon,
y>das Kleinod der vorgothischen Kunst« — bezeichnend genug für B., der
dann später im Centralbau und in der Kuppel die höchste Leistung der
kirchlichen Baukunst der Renaissance erblickt und verehrt hat. Bemerkens-
werth bleibt an dieser kleinen wenige Seiten umfassenden Arbeit der Zug des
Verfassers, das specielle Thema in den grossen Zusammenhang der Entwicke-
lung der Bauformensprache hineinzustellen, und ein acht B. 'scher Wunsch ist
es, »es möchte, als ein grosser Gewinn für die Culturgeschichte, eine um-
fassende Gesammtbehandlung der vorgothischen Bauten am Rhein auch diese
Uebergangsperiode mit der Zeitgeschichte in Zusammenhang bringen«. Zwölf
Jahre später bezeichnete B. im »Cicerone« das Mitleben der italienischen
Culturgeschichte als einen noch höheren Genuss für den Italienfahrer, denn
das blosse Anschauen vollkommener Formen.
Noch bevor diese beiden genannten Arbeiten, die historische und die
kunsthistorische, geschrieben wurden, hatte der eifrige Studiosus von Bonn
aus im Herbst 1841 eine Studienreise ausserhalb Deutschlands unternommen;
sie ging nach Belgien. Ihr Niederschlag war das 170 Seiten starke Büchlein
»Die Kunstwerke der belgischen Städte«; es war Franz Kugler dedicirt. B.
zeigt hier zum ersten Male seine wundervolle Cicerone-Begabung: er will dem
in Belgien Reisenden einen »kurzen Abriss« bieten von den wichtigsten kunst-
historischen Sehenswürdigkeiten der sieben grössten belgischen Städte: Lüttich,
Löwen, Mecheln, Antwerpen, Brüssel, Gent und Brügge; und er denkt dabei
sogar an »sehr eilig Reisende«, zu deren Händen er im Register den beson-
ders beachtenswerthen Kunstwerken Sternchen beigiebt. Mit feinstem Ver-
ständniss ist er der Architektur nachgegangen, die klarste Schilderung mit der
eindringendsten Kritik verbindend; und einen Satz wie den, dass der fioren-
Burckhardt.
57
tinische Renaissancebaumeister nach bestem Wissen und Gewissen die Antike
zu reproduciren glaubt, während er etwas unendlich schöneres Neues schaflft,
dürfen wir als überaus charakteristisch für B. wohl ad acta nehmen. • Der
Malerei gegenüber fühlt sich der Verfasser noch nicht so sicher; doch darf
hier vor Allem auf die umfangreiche Stelle über Rubens hingewiesen werden,
dem B. recht eigentlich eine centrale Stellung in seinen Schilderungen an-
gewiesen hat: »Eins hat er vor allen Malern voraus: die intensivste Bezeich-
nung des kräftigsten Lebens im Einzelnen und die des darzustellenden Mo-
mentes im Ganzen.« »Man vergesse nicht, dass er ein Zeitgenosse Shake-
speare*s war.« Dieser Verehrung für Rubens ist B. zeitlebens treu geblieben,
und er hat ihr noch im Greisenalter ein literarisches Denkmal gesetzt, von
dem später in Kürze die Rede sein wird. Stilistisch ist dieser belgische
Cicerone von einer merkwürdigen Reife des Ausdrucks, dessen Treffsicherheit
und Präcision oft wahrhaft überraschen; auch dem Humor lässt er an einigen
Stellen fröhlich die Zügel schiessen. Das Büchlein ist aus einem selbständigen
feinfühligen Geiste und aus einer ächten Kunstbegeisterung heraus geschrieben.
— Einer im selben Jahre wie diese Schrift in Basel anonym erschienenen
»Beschreibung der Münsterkirche und ihrer Merkwürdigkeiten in Basel« sei
hier blos der Vollständigkeit wegen gedacht. Gegenüber den früher erwähn-
ten, jugendlichen Aufsätzen B.'s über das Basler Münster zeigt diese Arbeit
deutlich den Fortschritt kunstgeschichtlicher Erkenntniss.
Die Zeit des Universitätsstudiums war für B. vorüber, seine vollgiltigen
Reifeproben hatte er abgelegt. Aus dem Lernenden — im gewöhnlichen
Sinn des Wortes — wurde ein Lehrender: der junge Doctor habilitirte sich
im Frühjahr 1844 in Basel. Ein mehrmonatlicher Aufenthalt in Paris, wo B.
u. a. wie s. Z. auch in Berlin Manuskripte der Bibliothek auf werthvolles Ma-
terial für die Schweizergeschichte durchgestöbert und excerpirt hat, war dieser
Docentenlaufbahn vorausgegangen. Neben den Universitätsvorlesungen, die
gleich Anfangs neben der Geschichte auch kunsthistorische Themata in ihren
Rahmen zogen, trat der 26jährige Gelehrte in öffentlichen Vortragscyklen vor
ein gemischtes Publikum; daneben entstanden einige kleinere Publicationen,
so, um nur diese zu nennen, für die »Mittheilungen der Antiquarischen Gesell-
schaft« die inhaltreiche, wenn auch nur wenige Seiten umfassende Monographie
über »Die Kirche zu Ottmarsheim im Elsass«, der B. auf Grund genauer
stilistischer Analyse ihre richtige Stelle anwies als einem im 11. Jahrhundert
nach dem Vorbild der Aachener Palastkapelle entstandenen Centralbau. Schon
im Frühjahr 1845 rückte B. zum ausserordentlichen Professor vor, freilich
ohne alles pecuniäre Entgelt. So kam es, dass er im folgenden Jahre einen
literarischen Auftrag Franz Kugler's, der 1843 in*s Cultusministerium berufen
worden war, annahm : die Neubearbeitungen von Kugler*s Geschichte der Malerei
und Handbuch der Kunstgeschichte. Eine längere Studienreise nach Italien,
die ihn zum ersten Male nach Rom führte, nachdem er auf früheren Reisen
nach dem Süden nur bis Florenz vorgedrungen war, diente der Vorbereitung
auf diese Arbeit. Von Italien ging es nach Berlin, wo die Bearbeitungen der
genannten Werke gefördert und vollendet wurden. Aber Kugler's Absichten
mit B. beschränkten sich nicht auf eine vorübergehende Beschäftigung des
Basler Freundes, er suchte ihn dauernd nach Berlin zu ziehen, indem er ihm
eine Anstellung an der Akademie als Lehrer der Kunstgeschichte verschaffen
und seine wissenschaftlichen Fähigkeiten zu weiteren schriftstellerischen Arbeiten
verwerthen wollte. Die Vaterstadt schien ihres hochbegabten Mitbürgers auf
eg Burckhardt.
lange hinaus, wenn nicht für immer verlustig gehen zu sollen. Allein die
maassgebenden Männer des wissenschaftlichen Basels hatten B. nicht aus
dem Auge verloren: ein Schulpensum an oberen Klassen des Gymnasiums
war frei geworden; man konnte endlich B. ein gesichertes Einkommen garan-
tiren. Und so klein dieser Gehalt war, die Liebe zur Vaterstadt wog für B.
alle die Vortheile und Annehmlichkeiten des täglichen Verkehrs mit Kugler
und seinem Hause, einem Centrum feinen geistigen Lebens, auf. Der 31jährige
kehrte nacli Basel zurück und nahm neben der Schulthätigkeit seine Vor-
lesungen an der Universität wieder auf. Das dauerte einige Jahre; da verlor
B. bei Anlass einer Schulreorganisation seine Stunden und damit sein be-
scheidenes Auskommen, eine Unbilligkeit, die er bis an sein Lebensende nicht
völlig hat verwinden können. »Da nahm ich die Kunstgeschichte wieder vor«,
fügte er einmal der Erzählung dieses kleinlichen, gehässigen Geschehnisses bei.
Ein 1 5 monatlicher Aufenthalt in Italien liess den »Cicerone« entstehen, und
dessen Erscheinen verschaffte B. den Ruf als Ordinarius der Kunstgeschichte
an das neu geschaffene Eidg. Polytechnikum in Zürich.
Vor dem »Cicerone« waren aber zwei historische Arbeiten B.'s erschienen,
deren eine zu den Glanztiteln seiner Gelehrtenlaufbahn gehört: 1850 die
Schrift »Erzbischof Andreas von Krain und der letzte Concilsversuch in Basel
1482 — 1484«, Ende 1852 »Die Zeit Constantins des Grossen«. Die erst-
genannte Studie, die das Aktenmaterial des Basler Staatsarchivs benutzt, mag
uns weniger interessiren in Bezug auf den speciellen Gegenstand, obwohl auch
dieser für die damaligen kirchlichen Zustände recht bezeichnend ist, als in
Bezug auf den glänzenden Rahmen, den B. um diese Episode herum gelegt
hat: in das Italien der Renaissance wird die abenteuerliche Gestalt des aus
Rom in die Schweiz kommenden unruhigen Concilforderers hineingestellt.
Und das Interesse B.'s gehört im Grunde jenem; und schon nimmt er an eini-
gen Stellen die grosse Verrechnung vor zwischen den Licht- und den Schatten-
seiten jener Zeit: die Päpste und ihre Umgebung mögen unsittlich, ja un-
gläubig sein; »aber das damalige Rom ist eine der Geburtsstätten der soge-
nannten Renaissance, der neueren, durch das Alterthum befruchteten An-
schauungs- und Darstellungsweise in Kunst, Literatur und Leben; und diese
Renaissance ist eine der bedeutendsten Erinnerungen der heutigen Nationen.«
Und weiterhin heisst es: »dass hier unter ganz ausnahmsweisen Bedingungen
der Boden sich vorbereitete für einen Rafael und Michelangelo, könnte uns,
historisch erwogen, allein schon mit gar manchem versöhnen.« Und von der
Schweiz des 15. Jahrhunderts liest man: »Das 15. Jahrhundert erzog Menschen
mit andren Nerven, als die unsrigen sind. Wenn ein Volk unaufhörlich
die Hand am Schwert halten, sich seines Lebens wehren muss, so bildet sich
unter dem ewigen Belagerungszustand eine andere Werthschätzung alles Thuns
und Lassens aus, als in der laulichen Temperatur eines von aussen garan-
tirten Weltfriedens.« Aehnlichen Gedankengängen über die Wechselbeziehung
von beständiger Lebensgefahr und gesteigertem Lebensgefühl und dem ent-
sprechender Genussfähigkeit wird man später in der »Cultur der Renaissance
in Italien« wieder begegnen. So hatte sich schon damals B. in die Ge-
dankenwelt und Sinnesweise derjenigen Zeit hineinzudenken vermocht, mit
deren Darstellung und Charakteristik sein Name stets wird verbunden bleiben.
Darin vor Allem liegt für uns heute der Werth der Schrift über Andreas von
Krain, wobei übrigens nicht vergessen werden soll, dass die Schrift als Dar-
stellung dieser Concilsepisode auch heute noch nicht veraltet ist; sie wird
Burckhardt.
59
wiederholt und meist mit Zustimmung von Pastor im 2. Band seiner Papst-
geschichte citirt.
Bevor jedoch B. an die gewaltige Aufgabe herantrat, die Renaissancewelt
in ihrer ganzen Tiefe und Breite zu durchforschen und zu erfassen, war es
ein anderes unendlich wichtiges Phänomen der Weltgeschichte, das seinen
Geist zu ergründen lockte: jene Epoche, da in die antike Welt das Christen-
thum als eine junge und frische Macht eindrang und sie sich unterwarf. Als
geborener Culturhistoriker hatte B. eingesehen, dass dieser welthistorische
Process nicht durch ein einfaches politisches Machtgebot Constantins des
Grossen erfolgt ist, dass vielmehr diese Proklamirung des Christen thums als
Staatsreligion nur nach Aussen das Facit zog aus der vom Christenthum be-
reits errungenen innerlichen Macht über die Geister. Diesen geistigen Sieg
der neuen Lehre zu erklären aus der ganzen Cultur der antiken Welt: das
war das grosse Problem, das sich B. stellte. Darum schrieb er auch nicht
ein Leben Constantins, sondern er schilderte »Die Zeit Constantins des
Grossen«. Ende 1852 ist dieses Buch von über 500 Seiten (in der ersten
Auflage; in der zweiten von 1880: 450 Seiten) in Basel erschienen. Es zer-
fällt in drei fast genau gleich grosse Theile. Der erste gehört der Schilde-
rung der Reichsgewalt im 3. Jahrhundert, einer glänzenden Uebersicht über die
römische Kaisergeschichte von Commodus an bis auf Diocletian; dann der
Darstellung von Diocletians Regierung und Adoptionensystem, wobei B.'s
Sympathie fiir diesen letzten grossen heidnischen Kaiser deudich zu Tage
tritt; und schliesslich in zwei Abschnitten der im klaren, kräftigen Freskostil
gehaltenen Charakteristik der Provinzen und Nachbarlande des römischen
Reiches im Westen und Osten. Nun folgt, als das Herz gleichsam des
Buches, die culturhistorische Schilderung der antiken Welt: hier lernen wir
kennen jene Processe der Göttermischung, der Einführung immer neuer Culte,
der Vermehrung der Mysterien, des erhöhten Dämonenglaubens u. s. w., die
alle zeigen, wie die Übersinnliche Welt, namentlich die Frage nach Jenseits
und Unsterblichkeit, die damalige Welt auf's tiefste beschäftigt, aufs schwerste
ängstigt. Und diese geistige Befangenheit und Bedrückung ist schliesslich
auch nur ein Symptom von dem durchgehenden Factum der »Alterung des
antiken Lebens und seiner Cultur«, der »Abenddämmerung des Heiden thums« .
üeberall giebt sie sich kund : im Physischen wie im Geistigen, in der Tracht wie
in der Kunst, und die Menschen sind überzeugt, dass sie in einer besonders
schlimmen Zeit leben. Erst nachdem der Leser in dieser Weise über die
politische Gestaltung des Weltreichs und über die geistige Stimmung, die
diesen ungeheuren Körper beseelt und beherrscht, orientirt ist, geht die Dar-
stellung in ihrem dritten Theil über zu den letzten Regierungsjahren Diocle-
tians, oder besser zu der Gewaltsmaassregel, die den Rest der sonst so ehren-
vollen Herrschaft Diocletians verdunkelt, der grossen Christenverfolgung: es
ist der letzte Kampf, den die neue Lehre um ihre Existenz gegenüber der
numerischen Uebermacht zu bestehen gehabt hat. Sie ist nicht untergegangen,
und derjenige, der ihr dann nicht nur Duldung gewährte, sondern sie zur
Staatsreligion erhob, war Constantin, der glückliche Sieger im Kampfe um
die Weltherrschaft. Die Gestalt dieses »politischen Rechners«, »der alle vor-
handenen physischen Kräfte und geistigen Mächte mit Besonnenheit zu dem
einen Zwecke benützt, sich und seine Herrschaft zu behaupten, ohne sich
irgendwo ganz hinzugeben«, »dem der Ehrgeiz und die Herrschsucht keine
nihige Stunde gönnen«, bei dem daher auch »von Christenthum und Heiden-
6o Burckfaardt.
thum, bewusster Religiosität und Irreligiosität gar nicht die Rede sein kann« :
diesen Mann lehrt uns B. kennen, in seiner Beziehung zu der nunmehr etablir-
ten chrisdichen Kirche, in seiner Stellungnahme zu den dogmatischen Streitig-
keiten, denen er innerlich völlig neutral gegenübersteht, so dass er die Par-
teien abwechselnd siegen lässt, und wobei es ihm die Hauptsache ist, »dass
man ihn und seine Macht nicht vergass«. Wir blicken in die rasche Ver-
weltlichung und Ausartung der Kirche hinein; diesen Auswüchsen und Schäden
aber schafft die Askese und ihre praktische Ausgestaltung im Einsiedlerleben
ein ideales Gegengewicht, zugleich erwächst hier der Kirche diejenige sittliche
Kraft, ohne welche der geistliche Stand und die Kirche der folgenden Jahr-
hunderte völlig verweltlicht wäre und der »rohen materiellen Gewalt hätte
unterliegen müssen«. Den Schluss des Buches bildet die Betrachtung des
neuen Hofwesens unter Constantin, der inneren Reichsverwaltung, der Grün-
dung Constantinopels, worauf eine Schilderung Roms und Athens, der beiden
klassischen Stätten, und ein Ausblick auf Palästina als das Land der frommen
Sehnsucht und andächtigen Verehrung das mächtige und weihevolle Finale
bildet.
Es ist ein grossartiges geschichtliches Gemälde, das B. hier vor unseren
Augen aufrollt, erstaunlich in der völligen Lebendigmachung und psychologi-
schen Durchdringung eines vielfach sterilen und stark tendenziös gefärbten
Quellenmaterials, erstaunlich durch die geistige Freiheit, mit der hier an Pro-
bleme und Charaktere herangetreten wird, die bisher einer einseitigen rationa-
lisirenden oder, was noch schlimmer war, einer wesentlich erbaulichen Be-
handlung ausgesetzt gewesen waren. Von beiden Tendenzen weiss sich B.
frei: er will die damalige Zeit und die damaligen Menschen verstehen; er
giebt sich ruhig und besonnen Rechenschaft von der Schwächung der antiken
Welt und von der siegreichen Kraft des Christenthums, die wesentlich darin
bestand, dass es alle die ängsdichen Fragen nach Jenseits und Unsterblichkeit,
die die weitesten Kreise des Imperiums beschäftigten und quälten, einfach
und einleuchtend beantwortete. Er erkennt in Constantin durch alle Erbau-
lichkeit und Andächtigkeit hindurch, in die ihn sein Biograph und Lobredner,
der Bischof Euseb von Cäsarea eingewickelt hat, den kalten genialen Politi-
ker, der diese ganze religiöse Frage als Machtfrage behandelt; aus seinem
Hass gegen Euseb, diesen »ersten durch und durch unredlichen Geschicht-
schreiber des Alterthums« macht B. kein Hehl, und unbarmherzig entkleidet
er seinen Helden all' des mystischen Schimmers, den die Legende um das
Haupt des ersten chrisdichen Kaisers gewoben hat. Er scheut auch nicht
davor zurück, eine für die Christen nichts weniger als schmeichelhafte Er-
klärung der Diocletianischen Verfolgung hypothetisch vorzubringen. Er nimmt
die Dinge und Personen durchgehends sehr menschlich und weiss von Ver-
tuschungen und Schönfärberei nirgends etwas. Und doch darf man nicht
behaupten, dass B.'s Sinnesweise eine eigentlich profane sei: wie schön und
tief spricht er vom Zug des Menschen nach der Einsamkeit und seiner
Aeusserung nach der religiösen Seite hin in der Askese der Einsiedler; wie
weiss er auch den dogmatischen Streitigkeiten, in welche die »kaum aus den
Verfolgungen gerettete Kirche« hineingeriet, und die — bei Anlass des Con-
cils von Nicäa — an sich als »eines der unleidlichsten Schauspiele in der
ganzen Geschichte« bezeichnet werden, ihre bedeutsame Seite abzugewinnen,
indem er in der Orthodoxie »die Seele« des nicht zukunftlosen Byzantinismus
erkennt, die Kraft, wodurch die Kirche, die stärker war als Cultur und Staat,
Burckhardt 6l
j-noch anderthalb Jahrtausende hindurch unter dem Druck fremder Barbaren
die Nationalitäten zusammenhielt«. Und den grossen Kirchenlehrern, einem
Athanasius, Hieronymus, Gregor von Nazianz u. s. w., gesteht er bei all ihrer
kirchlich bedingten Einseitigkeit »ein höheres incommensurables Lebens-
princip« zu, als dies »die grossen, ganzen, harmonischen Menschen des Alter-
thums« zeigen.
Zu allen Vorzügen des Inhaltes kommen noch die der Form hinzu, in
die B. seine Ergebnisse gekleidet hat. Sie ist durchgehend von klarster
Schönheit, voll Leben und Farbe. Dem Stoff ist alle Schwere genommen.
Die Lektüre ist lauter Genuss. Wie Mommsen, dessen Römische Geschichte
1854 zu erscheinen begann, scheut auch B. — freilich weit seltener — vor
Parallelen aus ims näher liegenden imd bekannteren Zeiten nicht zurück: der
Name Cagliostros meldet sich einmal bei Anlass des antiken Aberglaubens;
Napoleon wird mehrere Male als Vergleichsobjekt beigezogen, seine Persön-
lichkeit musste gerade bei der Schilderung eines Constantin sich fast von
selbst aufdrängen. In einer ersten Besprechung des Buches in einer Basler
Zeitung war auf die fast französische Eleganz der durchweg anziehenden,
lebhaften und geistreichen Darstellung hingewiesen worden. Die Bemerkung
ist thatsächlich begründet: B. hatte französische Historiker sich zum Vorbild
genommen, als er den RiesenstofT seines Werkes zu verarbeiten sich an-
schickte; bei Guizot und den Thierry habe man gesehen, wie man solche
Dinge angreifen müsse, um sie noch einigermaassen den Leuten interessant
zu machen ~- so hat er sich selbst mündlich geäussert. Den französischen
Schriftstellern als stilistischen Künstlern hat B. zeitlebens seine Bewunderung
gegönnt; selber ein Meister der Darstellung, fühlte er sich zu ihnen hingezogen.
Dass ein Buch wie »die Zeit Constantins des Grossen« fast dreissig Jahre
brauchte, um zum zweiten Male verlegt zu werden, darf billig in Erstaunen
setzen; um so dankbarer wollen wir sein, dass sein Verfasser sich dadurch
nicht hat abschrecken lassen, die zweite Auflage (von 1880 bei Seemann)
ohne fremde Zuhilfenahme zu bearbeiten. Das Buch muss ihm offenbar am
Herzen gelegen haben, und er freute sich auch, wenn er vernahm, dass
Männer von der kritischen Schärfe und dem ungeheuren Wissen v. Gut-
schmid's dem »Constantin« volles Lob spendeten. Nichts spricht deutlicher
för die Solidität von B.*s Arbeit als die Thatsache, dass er in den wesent-
lichen Punkten, namentlich in allem, was das Culturhistorische bedarf, sein
Buch unverändert lassen konnte^ er selbst hat die gesammten Aenderungen
auf 30 bis 50 Zeilen beziffert! Offenbare Irrthümer hat er willig corrigirt:
von seiner früheren Ansicht z. B., dass die Schrift des Lactanz von den Todes-
arten der Verfolger diesem Autor nicht gehöre, ist B. völlig zurückgekommen.
Bei seiner Hypothese von den Ursachen der Diocletianischen Christenverfolgung
aber verblieb er trotz mannichfacher Angriffe, zum Theil von solider Theologen-
grobheit; ebenso liess er sich auf ein diplomatisirendes Markten über die
grössere oder geringere Verlogenheit des Euseb nicht ein: sein Constantin-
porträt behielt die realistische Zeichnung und die lebensvollen, wenn auch
nichts weniger als anmuthenden Züge. Für neuere Versuche, den kaiserlichen
Mörder für den christlichen Glauben zu retten, hatte B. nur ein Lächeln: er
hatte zu tief in Constantins Seele gelesen.
Es muss immer auf's neue in Erstaunen setzen, wie rasch nach dem
Constantin-Buche der »Cicerone« entstanden ist. Verschiedenere Welten lassen
sich doch wohl nicht leicht denken; die eine scheint die andere fast aus-
62 Burckhardt.
ziischliessen : dort die stupende Kenntniss der späteren heidnischen Autoren,
wie der Kirchenschriftsteller, und dazu einer grossen gelehrten Literatur, im
Dienste politischer und culturgeschichtlicher Ergründung einer an Räthseln
und Problemen reichen, dem Errathen mehr als einmal Spielraum lassenden,
die höchsten Ansprüche an den psychologischen Scharfblick stellenden Ueber-
gangszeit; hier eine trotz einzelner — oflfen und ehrlich eingestandener —
Lücken geradezu imposante Kunde der Denkmäler des italischen Kunstschaf-
fens in Architektur, Skulptur und Malerei, von den Tempeln in Pästum an
bis auf die Landschaftsmalerei der Poussin und Claude Lorrain, im Dienste
der feinsten ästhetischen Bildung, eines künstlerischen Blickes von erstaunlicher
Sicherheit, einer oft wahrhaft divinatorischen Kraft des Nachempfindens und
Verstehens. Dem culturhistorischen Meisterwerk folgt das kunsthistorische. Man
zeige uns den Gelehrten, der die geistige Ausrüstung für diese beiden Ge-
biete der Geschichte und der Kunst in solcher Vollständigkeit sein eigen ge-
nannt hat.
Aus innerster Ueberzeugung heraus, wie ein Bekenntniss hat B. seinem
1855 in Basel erschienenen »Cicerone« das Pliniuswort als Motto vorgesetzt:
Haec est Italia Diis sacra. Für ihn war das Land jenseits der Alpen
heiliger Boden: mit wahrer Andacht hat er sich in seine Kunst versetzt, und
sie hat ihm ihr Innerstes offenbart; darum liegt es auch wie ein lichter
Schimmer von eigenem inneren Glück über dem ganzen Buche, darum darf
es auch ausklingen in die höchst persönlichen Worte vom Heimweh, »welches
nur zeitweise schlummert, nie stirbt, nach dem unvergesslichen Rom«: »Der
dieses schreibt, hat die Erfahrung gemacht.« Der Stoff zerfällt naturgemäss
in die drei Theile der Baukunst (mit Einschluss der Decoration), der Bild-
hauerei und der Malerei; innerhalb jedes einzelnen geht die Betrachtung
jeweilen vom Alterthum bis zum Ende des 17. Jahrhunderts als einer fort-
laufenden Kundgebung des italischen Kunstgeistes, der selbst die als etwas
Fremdartiges, fast Feindliches von vornherein empfundene Gothik in ganz
bestimmtem und originellem Sinne umzuwandeln vermocht hat. Die Antike
bleibt schliesslich doch immer die grosse Tradition, wenn sie nicht geradezu
die erlauchte Lehrmeisterin wird. Nicht umsonst entfällt denn auch von den
rund 1050 Seiten des »kleinen dicken Buches«, wie der Verfasser seinen
»Cicerone« charakterisirt hat, fast die Hälfte auf die Kunst der Renaissance
(Frührenaissance bis Barockstil); in ihr erblickte B. die grösste künstlerische
Leistung Italiens seit den 2^iten antiker Kunstübung. Hier hat aber auch an
unzähligen Stellen B. recht eigentlich als Entdecker der künftigen Forschung
die Bahn frei gemacht. Bei aller Vorliebe jedoch, die er dieser Periode, vor
allem der eigentlichen Hochrenaissance, der kurzen Periode, welche die Le-
benszeit Rafaels umschliesst, entgegenbringt, hat B. auch der Zeit des Verfalls
seinen ganzen Forschereifer und die volle Kraft seines ästhetischen Verständ-
nisses nicht vorenthalten. Wie er der italienischen Gothik ihre ganz bestimmte
Eigenart und Bedeutung endgiltig zuerkannt hat, so wusste er der Barock-
baukunst ihren ganz specifischen Werth abzugewinnen: »sie spricht dieselbe
Sprache, wie die Renaissance, aber einen verwilderten Dialekt davon«. Das
hohe Lob der Gerechtigkeit darf dem »Cicerone« nicht vorenthalten bleiben,
mit einer Ausnahme allerdings: Michelangelo kommt bei B. nicht gut weg.
Das Gewaltsame, an keine Tradition sich bindende, immer neuen Formproble-
men nachjagende Naturell dieses Künstlertitans war ihm fast unheimlich, er
spürte etwas »dämonisches« in ihm, und das sagte B. nicht zu. Unter dieser
Burckhardt. 63
Antipathie hat namentlich der Skulptor Michelangelo zu leiden gehabt. In
seinen »aus der Traumwelt der Möglichkeiten gegriffenen Gestalten« glaubte
B. nur »das Motiv als solches, nicht als passendsten Ausdruck eines gegebenen
Inhaltes« — wie dies für die antike Skulptur der »Cicerone« statuirt — zu
erblicken, und diese Absichtlichkeit war ihm antipathisch, und er führte gegen
sie in's Feld den Liebling seines Herzens, Rafael, »der den Sinn mit dem
höchsten Interesse an der Sache und das Auge mit innigstem Wohlgefallen
erfüllt, lange ehe man nur an die Mittel denkt, durch welche er sein Ziel
erreicht hat«. Von Rafael hcisst es feierlich: »die Seele des modernen
Menschen hat im Gebiet des Form-Schönen keinen höheren Herrn und Hüter
als ihn«.
Es ist hier nicht die Stelle, um ausführlicher von diesem Buche zu spre-
chen, das sich ohnehin bei allen Italienfreunden des Heimathrechts erfreut.
Nur einige Randbemerkungen wollen wir uns gestatten. In dem Widmungs-
brief der ersten Auflage »An Franz Kugler in Berlin« schreibt B.: »Du siebest,
wie ich mit unserer schon etwas bejahrten ästhetischen Sprache gekämpft
habe, um ihr ein eigen thümliches Leben abzugewinnen.« In diesen beschei-
denen Worten deutet der Verfasser auf eine Seite seines Buches hin, die nie
genug bewundert werden kann: die ganz einzigartige Prägnanz und Treff-
sicherheit des Ausdrucks. Jedes Adjektiv ist mit feinster Ueberlegung ge-
wählt und steckt voll bezeichnender Charakteristik; jeder Satz ist knapp und
doch nirgends ärmlich formulirt und deckt sich in seiner klaren Fassung völlig
mit dem Gedanken, dem Urtheil, das er vermitteln will. So ist der »Cice-
rone« eine unerschöpfliche Fundgrube gesunder ästhetischer Terminologie ge-
worden und ein stets neues Entzücken Aller, die sich ein Gefühl für Schön-
heit, Kraft und Bündigkeit des sprachlichen Ausdrucks bewahrt haben. Das
persönliche Moment in dem Buche haben wir schon oben kurz berührt; an
wie manchen Stellen überrascht uns B. mit einer Bemerkung, die wir gerade
hier nicht gesucht hätten: da lesen wir ein sehr ausfuhrliches und für B.
höchst bezeichnendes Urtheil über Dante's Göttliche Komödie; da stossen wir
auf den schon früher erwähnten warmen Preis des Luganersees, dem vor dem
»brillanten« Comersee der Vorzug gegeben wird; da treffen wir bei Anlass
Beminis eine feine Parallele oder wol besser Contrastirung der allegorischen Ge-
stalten dieses Künstlers zu denen in Calderon's Dramenwelt, und anschliessend
daran die Bemerkung, dass man auch bei Rubens bisweüen eine ähnliche,
zum Glauben zwingende Gewalt der Allegorie wie bei Calderon empfinde.
Diese wenigen Proben müssen hier genügen. An Reichthum der Gesichts-
punkte, ästhetischem Feingehalt, sprachlicher Vollendung steht der »Cicerone«
m der Kunstgeschichte unseres Jahrhunderts wohl einzig da. Von Winckel-
mann rühmt huldigend der »Cicerone«, dass »die Kunstgeschichte ihm vor
allen anderen den Schlüssel zur vergleichenden Betrachtimg, ja ihr Dasein
verdankt«; vom »Cicerone« selbst, der sich mit vollstem Recht »eine
Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens« nennen durfte, können
wir sagen, dass wir ihm in erster Linie unsere Kenntniss der italienischen
Kunst und damit vielleicht eines der höchsten Glücksgüter unseres Lebens
verdanken.
Der «Cicerone« brachte, wie schon erwähnt, B. den Ruf als Lehrer der
Kunstgeschichte an's Polytechnikum nach Zürich. Gottfried Semper war
gleichzeitig mit ihm dahin berufen worden; näher sind sich die beiden Männer
bei aller gegenseitigen Hochachtung nicht gekommen. Zu Gottfried Keller
64 Burckhardt
trat der Basler in ein gutes Verhältniss, und er freute und rühmte sich dessen
noch in seinen alten Tagen. Er hat ihn als Dichter warm verehrt und ihm
gewisse kräftige Ausfälle wie im »Verlornen Lachen« ganz besonders hoch
angerechnet. Bei allem Lehrerfolg und aller Anerkennung, die sich B. durch
Vorträge auch in weiteren Kreisen erwarb, behagte es ihm aber auf die Länge
in Zürich doch nicht, und er Hess sich im Frühjahr 1858 mit Freuden nach
Basel zurückberufen; endlich fand er in der Vaterstadt die Stellung, die seiner
Fähigkeiten würdig war: das Ordinariat der Geschichte in Verbindung mit
einem Geschichtspensum an den obersten Klassen des Gymnasiums. Im
Sommer 1858 nahm er seine Vorlesungen in Basel wieder auf. Eine Frucht
des Zürcher Aufenthalts ist eine Monographie über den Dom von Chur, er-
schienen in den Mittheilungen der Zürcher Antiquarischen Gesellschaft, leider
anonym, so dass sie, obwohl B.'s Autorschaft er^'iesen ist, in dem Publica-
tionenverzeichniss der Gesellschaft fort und fort unter der unrichtigen Flagge
Ferd. Keller's segelt. Es ist eine sorgfältige und feinsinnige Beschreibung des
baulich und um seiner Kirchenschätze willen sehenswerthen Doms in der alten
rhätischen Hauptstadt. Wichtig sind die Zürcher Jahre für B. dadurch ge-
worden, dass er dort auf der Bibliothek reichstes Material fand für seine
Renaissance-Studien. Auf Grund dieser entstand zunächst die Universitäts-
vorlesung über die Culturgeschichte Italiens vom 13. bis in's 16. Jahrhundert,
die B. im Winter 1858/59 in Basel hielt; dann erschien 1860 in Basel sein
zweites culturhistorisches Hauptwerk »Die Cultur der Renaissance in Italien«.
Das Buch erfreut sich, wie man heute, da eine französische, englische, italie-
nische, ungarische und polnische Uebersetzung desselben vorliegt, wohl sagen
darf, eines Weltruhms; fünf Auflagen sind bis 1896 von ihm erschienen;
neben ihm ist, man darf mit Recht sagen »leider«, »Die 2^it Constantins des
Grossen«, in den Schatten gerückt worden, weshalb wir oben auch absicht-
lich ausfuhrlicher auf dieses Werk eingegangen sind, das so reichen Stoff zu
historischem Nachdenken bietet. Begreiflich ist diese Bevorzugung des Buches
über die Renaissancecultur allerdings, denn zum Italien jener Zeiten fühlen
wir Nordländer uns schon durch die hohe Kunst, die uns von Jugend auf in
Reproductionen berühmter Schöpfungen als etwas besonders Verehrungs-
würdiges empfohlen ist, wie durch einen geheimen Zauber hingezogen; und
von vornherein muss es uns locken. Näheres zu erfahren von einer Periode,
deren reiches Kunstschaffen nur in der Antike ihres Gleichen besitzt. Und
welchen Blick hat uns da B. eröffnet, wie ist er auch hier, wie einst schon
im »Cicerone«, der grosse Entdecker geworden 1 Heute sehen wir recht
eigentlich die Renaissance durch das Medium von B.'s Geist; und was sich
an seiner Auffassung als correcturbedürftig erwiesen hat, berührt doch nirgends
die grossen bleibenden Hauptresultate seines Culturbildes. Mag auch da und
dort im Mittelalter, etwa im Süd-Frankreich der proven^lischen Cultur, ein
individuelles Streben zum Durchbruch gekommen sein, im letzten Grunde
bleibt es eben doch für das geistige Gesammtbild des Mittelalters bei dem
berühmten Satze B.*s: »Im Mittelalter lagen die beiden Seiten des Bewusst-
seins — nach der Welt hin und nach dem Innern des Menschen selbst —
wie unter einem gemeinsamen Schleier träumend oder halbwach. Der Schleier
war gewoben aus Glauben, Kindesbefangenheit und Wahn; durch ihn hin-
durchgesehen erschienen Welt und Geschichte wundersam gefärbt. Der Mensch
aber erkannte sich nur als Ra^e, Volk, Partei, Corporation, Familie oder sonst
in irgend einer Form des Allgemeinen.« Wäre das nicht so gewesen, so
Burckhardt. 65
lÄlirde sich eben doch nie verstehen lassen, warum nur Italien die Renaissance
geschaffen hat; hier muss wirklich, wie B. es ausfuhrt, der Volksgeist ein
anderer gewesen sein als in den anderen Ländern, hier müssen Kräfte ge-
schlummert haben, die trotz aller mittelalterlicher Bande auf das Königsrecht
des Individuums, sich seiner Subjectivität bewusst zu werden und die Dinge
(lieser Welt objectiv zu betrachten und zu behandeln, sich zu besinnen die
Fähigkeit und den Muth besassen. Denn daran hält B. fest: nicht das Alter-
thum allein ist es gewesen, das, wieder erwacht, die Menschen zwang, sich
u-ieder auf sich selbst zu besinnen, sondern sein Bündniss mit dem bestehen-
den italienischen Volksgeist. In seinen Condottieren und Staatskünstlem sah
Italien zum ersten Male die Macht des Individuums wieder zur Geltung ge-
langen; daneben sind es die beiden grossen Städte-Republiken Florenz und
Venedig, vor allem das erstere, in denen der Geist der antiken Polis, der
selbstbewussten Stadtgemeinde, sich neue Formen schafft und ein neues indi-
viduelles Leben weckt. Und wie den Menschen, so entdeckt diese Renaissance
im B.'schen Sinne auch die Welt; Michelet hatte einst diese Formel für die
Renaissance geschaffen, B. aber giebt ihr als Erster den wahren, vollen In-
halt: der Blick öffnet sich für die weite Welt, für die landschaftliche Schön-
heit, wie er sich nach innen das Seelenleben des Menschen erschliesst und
diesen zum Mittelpunkt der Schilderung in Poesie und Prosa werden lässt. Und
das aUes wird nun »von der Einwirkung der antiken Welt mannichfach ge-
färbt« ; und »nur mit ihr und durch sie« ist »die Aeusserungsweise im Leben
verständlich und vorhanden«. Diesem neuen mächtigen Fluidum ist B. nach-
gegangen im dritten Abschnitt seines Buches, der von der Wiedererweckung
des Alterthums handelt. Wie sich nun diese italienische Renaissancemensch-
heit — B. denkt dabei freilich ausschliesslich an die Gebildeten des damaligen
Italiens — in concreter Weise auslebt, das schildert wunder^'ürdig der Ab-
schnitt über die Geselligkeit und die Feste. Wie ein Hauch von Sehnsucht
nach diesem glänzenden und geistvollen Treiben liegt es über diesem farben-
y>rächtigen Kapitel, das denn auch nicht vergebens ausgeht in den resignirt-
wehmüthigen Refrain aus dem berühmten Bacchus und Ariadne-Trionfo Lo-
renzo Medicis, den man auf Deutsch etwa so wiedergeben könnte: »Golden
ist der Jugend Schimmer, — Doch gar bald der Zeiten Beutel — Willst Du
froh sein, sei's drum heute, — Wer weiss, morgen bist Du nimmer.« Den
Schluss des Buches bildet eine Betrachtung von Sitte und Religion: neben
reinem Licht auch tiefer Schatten, neben geistiger Freiheit finsterer Aber-
glaube, Frevelsinn zeitweise abwechselnd mit »Bussepidemien«, neben der
Weltlichkeit im ernsten Sinne des Wortes, von der es bei B. heisst: »Es ist
eine erhabene Nothwendigkeit des modernen Geistes, dass er dieselbe gar
nicht mehr abschütteln kann, dass er zur Erforschung der Menschen und der
Dinge unwiderstehlich getrieben wird und dies für seine Bestimmung hält«,
neben dieser der mächtige Glaubenseifer Savonarola's, des Mannes mit der
gewaltigen Seele und dem engen Geiste. Aber bei allem mannichfachen
Trüben warnt B. doch durchgehend vor einer einseitigen Verurtheilung des
damaligen Italieners in sittlicher Beziehung: »Die grosse Verrechnung von
Nationalcharakter, Schuld und Gewissen bleibt eine geheime, schon weil die
Mängel eine zweite Seite haben, wo sie dann als nationale Eigenschaften, ja
als Tugenden erscheinen.« Und weiter: »Eine grosse Nation, die durch
Cultur, Thaten und Erlebnisse mit dem Leben der ganzen neueren Welt ver-
Hochten ist, überhört es, ob man sie anklage oder entschuldige; sie lebt
Blogr. Jahrb. a. DentMher Nekrolog. 3. Bd. e
66 Burckhardt.
weiter mit oder ohne Gutheissen der Theoretiker.« So will B. denn auch
alle seine Aeusserungen über Sitte und Religion der Renaissancemenschen nur
als eine Reihe von Randbemerkungen aufgefasst wissen. Er lässt bis auf einen
gewissen Grad dea Einwand gegen die Renaissance gelten, dass sie zu keiner
eigentlichen Reformation gelangt sei, aber er giebt dem gegenüber auch zu
erwägen, dass seit dem 13. Jahrhundert bis auf Savonarola »sehr viel posi-
tiver Glaubensinhalt« vorhanden war, »dem zur Reife nichts als das Glück
fehlte«. Auch an anderen Stellen, z. B. in Bezug auf die Unsittlichkeit der
damaligen Novellisten, auf das Brechen der Ehe, auf das sogenannte moderne
Heidenthum der Renaissance, weiss B. die Gegenrechnung geistreich und
überzeugend aufzustellen, ohne doch je in den Ton eines banalen Plai-
doyers zu verfallen. Davor bewahren ihn sein Geschmack und sein psycho-
logischer Scharfblick. Dass er übrigens ohne Vorbehalt und ohne mildernde
Instanzen Verwerfliches beim Namen nannte, könnte schon einzig die
Charakteristik Pietro Aretino's zeigen; so hat etwa Dante seine Verdammten
behandelt.
Der Ruhm der »Cultur der Renaissance« lässt sich gar nicht erschöpfen;
das Buch verlangt gebildete Leser und ruhige und wiederholte Lektüre: dann
erst wird man seines ungeheuren Reich thums inne. Einen Stoff, der für
mehrere Bände ausgereicht hätte, und für den vielleicht auch ursprünglich
eine breitere Darstellung vorausgesehen war, hat B. hier auf 560 Seiten zu-
sammengedrängt : jeder Satz ist mit Inhalt gesättigt, das Ganze in einer Weise
durchdacht und verarbeitet, dass das Buch wie ein grosser herrlicher Organis-
mus vor uns steht. Livre admirable, U plus complet et le plus philosopfiique
qtCon ait ecrit sur la Renaissance italienne: mit diesen Worten hat H. Taine,
auch ein Gewaltiger im Reiche des Geistes, das Buch B.'s in einer Anmer-
kung seiner Philosophie de VArt charakterisirt; und wer in Deutschland jemals
über Renaissance das Wort ergriffen, hat in lauten Worten das Verdienst
dieses Werkes gepriesen, das den Begriff der Renaissance im Grossen und
Ganzen endgiltig fixirt hat. Nur ein wahrhaft philosophischer Kopf konnte
dieses Buch schreiben und so schreiben; wir wollen damit B. nicht zu einem
Philosophen machen in der üblichen Bedeutung dieses Wortes: die philoso-
phische Speculation war seine Sache nie, und schon der Student hatte in
Berlin nur ein skeptisches Lächeln fiir den Hegel'schen Formelkram und hielt
spottend seinen Hegelianer -Freunden den »überwundenen Standpunkt« der
positiven Kenntnisse vor. Ein Philosoph aber ist B. in der Kunst, aus dem
massenhaften Stoff das WerthvoUe, Bleibende, Bezeichnende herauszuschälen,
es innerlich in Beziehung zu setzen, in einen grossen Zusammenhang zu brin-
gen und so das tiefste Wesen geschichtlicher Erscheinungen zu ergründen
und zu formuliren. Hält man so von dem Begriff des philosophischen Den-
kens alles Abstrakte, Begriffsmässige, Nüchterne und Kahle fem, so wird man
dem Ausspruch Taine's in vollem Umfange zustimmen müssen. Nur feinste
Geistesbildung hat das Renaissancebuch schaffen können und nur ein jener
Epoche in manchem congenialer Mann konnte sich so in sie hineinversetzen,
nur ein Psycholog von so intuitivem Scharfblick vermochte mit dieser Sicher-
heit in den Seelen der damaligen Menschen, in und zwischen den 2^ilen der
damaligen Literatur zu lesen. Alle Erudition wäre ohne diese Eigenschaften
unfruchtbar geblieben; unter B.'s Händen wurde sie lebendig und gab ihr
Feinstes und Werthvollstes willig her. Das macht das unvergängliche Ver-
dienst der »Cultur der Renaissance in Italien« aus.
Burckhardt. 67
B. ist, nachdem er einmal sein Werk veröffentlicht hatte, nie mehr in
seinen Vorlesungen im Zusammenhang auf diese Culturperiode zurückgekom-
men; in dem Geschieh tscoUeg, das die Zeit von 1450 bis 1598 umfasste, lag
der Accent fast ausschliesslich auf der politischen Geschichte, und nur sehr
sporadisch flocht er einzelne Bemerkungen über die culturgeschichtliche Seite
dieser Epoche und ihre Hauptvertreter ein. Es hätte ihm widerstrebt,
einen Stoff immer und immer wieder zu behandeln, den er in eigenen Büchern
fixirt hatte, oder gar seine Arbeiten citiren zu müssen. Das ist nie geschehen.
Nicht alle Hochschullehrer sind so feinfühlig. Für B. war das Problem, das
er sich gestellt hatte, erledigt; er wandte sich sofort der Erforschung einer
anderen Culturwelt zu: der griechischen. Sie wurde fortan in den Rahmen
seiner Universitätsvorlesungen aufgenommen und ersetzte mit der Zeit das
Colleg über alte Geschichte, dessen Vorbereitung bei der Fülle der neuen
Forschungen auf dem Gebiete der orientalischen Geschichte B. besondere
Mühe machte. Ein grosses Werk schuldete er freilich der Wissenschaft noch;
die kurze Einleitung zur »Cultur der Renaissance« hatte er mit dem Satz
abgeschlossen: »Der grössten Lücke dieses Buches gedenken wir in einiger
Zeit durch ein besonderes Werk über »Die Kunst der Renaissance« abzu-
helfen.« Er konnte sich getrauen, ein solches Versprechen zu geben, hatte
er doch im »Cicerone«, den er hier wie nicht vorhanden behandelt, die voll-
giltige Probe seiner Befähigung zu dieser Arbeit abgelegt. Leider hat B.
dieses Versprechen nicht im vollen Umfange eingelöst; aus dem Kunstschaffen
der Renaissance griff er ein einziges Gebiet, das ihm freilich stets besonders
am Herzen lag, heraus: die Architektur sammt der Decoration. So entstand
*Die Geschichte der Renaissance in Italien«, als 4. Band der von Kugler be-
gonnenen, von W. Lübke, B.'s Freunde, fortgesetzten »Geschichte der Bau-
kunst«. 1867 erschien das Buch, 1878 wurde eine zweite Auflage nöthig,
die dritte kam 1891 zur Ausgabe. Die »Geschichte der Renaissance« ist
dasjenige Buch B.'s, welches die grössten Ansprüche an den Leser stellt und
deshalb auch immer nur von Wenigen in seiner ganzen unvergleichlichen
Feinheit und Eigenart wird gewürdigt werden können. Indem der Verfasser
auf den Reiz der fortlaufenden Schilderung absichtlich verzichtete, den Stoff
in kurze, knappe Paragraphen und diese erläuternde und belegende Anmer-
kungen zusammendrängte, überdies die Denkmäler nach Sachen und Gat-
tungen systematisch gliederte, stellte er an den Leser die i^orderung, ein ge-
naues, anhaltendes und eindringendes Studium der Darstellung zu widmen.
Dieses Studium aber wird herrlich belohnt. Die scharfe Präcision des sprach-
lichen Ausdrucks, der in wenigen Worten immer das Wesentliche und Cha-
raktefristische zu sagen weiss; die Feinheit des formalen Empfindens; die
völlige Durchdringung und Beherrschung des Stoffes feiern hier wahre Triumphe.
Das Buch könnte von einem hochgebildeten Architekten geschrieben sein, und
doch gewinnt man den Eindruck, dass selbst ein solcher kaum Besseres und
Treffenderes zu sagen vermöchte, als dieser Laie in Bausachen, der aber die
Sprache des architektonischen Schaffens in der Anwendung der Einzelformen
wie in der Composition des Einzelnen zu einem baulichen Organismus ge-
radezu wunderbar verstand. In Fachkreisen ist deshalb auch B. um dieses
Werkes willen willig und neidlos der Ruhm einer Autorität fiir die Renais-
sancebaukunst zugestanden worden. Der Hohepriester der Renaissance, wie
Waagen einst B. genannt, hatte nochmals in herrlicher Weise seines Amtes
gewaltet.
68 Burckhardt.
Mit der »Geschichte der Renaissance in Italien« schloss B. seine wissen-
schaftlichen Publicationen ab. Der literarische Ehrgeiz hat ihn nicht geplagt,
so wenig als der specielle Gelehrtenruhm. Er empfand es überdies als eine
grosse Wohlthat, nicht »in der Knechtschaft buchhändlerischer Geschäfte
leben zu müssen«. Und so haben wir denn das merkwürdige Schauspiel, dass
ein Mann von B.'s Bedeutung vom Jahre 1867 an bis zu seinem 1897 er-
folgten Tode, also 30 Jahre lang, mit keinem neuen Werke mehr vor die
Oeffentlichkeit trat, ja, dass er die alten mit Ausnahme der »Zeit Constantins
des Grossen« und der »Geschichte der Renaissance« für die Neuauflagen so-
zusagen völlig aus seinen Händen gab; und auch bei letztgenanntem Buche
vertraute er die dritte Auflage von 1891 Professor Holtzinger an, ohne frei-
lich auf die Mitarbeit ganz zu verzichten. Die »Cultur der Renaissance«
hatte er 1869 in nahezu unveränderter Ausgabe zum zweiten Male er-
scheinen lassen; weiterhin nahm er sich dieses Werkes nicht mehr an; Prof.
Ludwig Geiger in Berlin besorgte die weiteren Auflagen, leider nicht ohne
mannichfache überflüssige Hinzufügungen und äusserliche Veränderungen, ab-
gesehen von gewissen Auslassungen, die, angeblich von dem neuen Stand der
Wissenschaften gefordert, gar nicht immer auf die Länge sich gerechtfertigt
haben. Nur der italienischen Uebersetzung des Buches durch Prof. Valbusa
in Mantua (Florenz 1876) lieh B. seine Mithilfe durch einige Hinzufügungen
und Correcturen; doch blieb das Werk in allem Wesentlichen völlig unver-
ändert. Unter diesen Umständen haben die beiden ersten deutschen Auflagen
der Renaissancecultur ihren ganz besonderen Werth. Auch dem »Ciceronest
ist es nicht tiberall gut bekommen, dass die moderne Forschung sich seiner
angenommen hat. Nachdem zuerst Alb. von Zahn die neuen Auflagen be-
sorgt und Mündler Zusatzbändchen dazu herausgegeben hatte, übernahm
Wilh. Bode, der hochverdiente Berliner Museumsdirector, die fernere Heraus-
gabe, und Anfangs des Jahres 1898 ist nunmehr die siebente »vermehrte und
verbesserte« Auflage erschienen. Es lag ja auf der Hand, dass ein Buch, das
wie der »Cicerone« den Italienfahrer zum Genuss der dortigen Kunstwerke
anleiten sollte, sich nicht völlig von den Resultaten der rastlos thätigen kunst-
geschichtlichen Forschung emancipiren konnte. Nur hätte man eben diesen
Zweck des Buches, den ästhetischen Genuss zu vermitteln, nicht allzu sehr
dem bloss wissenschaftlichen Forscher- und Sammelfleiss opfern sollen. Das
ist aber vielfach im Uebereifer des Genauigkeits- und Vollständigkeitsdranges
geschehen. Und durch diese Vermehrung in der Aufzählung von Kunst-
werken, die der Forscher aufsuchen muss, die aber der kunstfreundliche
Italienfahrer schon aus Mangel an Zeit unmöglich alle berücksichtigen kann,
da sie vielfach in entlegenen Orten zerstreut sind, hat das Buch eine Ver-
grösserung erfahren, die schon aus praktischen Gründen kaum zu begrüssen
ist. Auch die Eintheilung musste sich starke Veränderungen gefallen lassen:
für B. war, wie schon hervorgehoben wurde, die italienische Kunst ein grosses
Ganzes: die Antike und die Renaissance bilden die beiden gewaltigen ent-
scheidenden Phänomene des italischen Kunstschaffens; auf ihnen liegen die
Hauptaccente. Diesen wohlerwogenen Organismus haben die neuesten Auf-
lagen zerstört, indem sie die antike Architektur, Skulptur und Malerei in ein
gesondertes erstes Bändchen vereinigt haben; ein zweiter Band bringt dann
die Architektur und Skulptur (in der neuesten erhielt sogar die Skulptur den
Vortritt), ein dritter die Malerei der »neueren Kunst«. Ein viertes Bändchen
enthält das sorgfältige und reichhaltige Register. Die gewaltige Summe von
Burckhardt.
69
Forschung, die namentlich dem heute in der Werthschätzung so enorm gegen-
über früher gestiegenen Quattrocento gegönnt worden ist, ist auch für den
^Cicerone« bedeutungsvoll geworden: hier ist vielfach, namentlich in der
Skulptur, das alte B.'sche Buch ein neues geworden, und einzelne aus der
ersten Auflage hertibergenommene Partien oder nur Sätze nehmen sich neben
dieser dem B. des »Cicerone« von 1855 fremden Begeisterung für das Kunst-
schaffen des 15. Jahrhunderts, namentlich das realistische, manchmal recht
sonderbar aus. Aehnlich verhält es sich bei der Malerei. Den originalen B.
findet man daher nur in der ersten Auflage, und sein Urtheil wird vielleicht
neben dem historischen Werth, den es für sich beanspruchen darf, eines Tages
wieder einen actuellen gewinnen, wenn, was gar nicht unmöglich ist, der
Schwerpunkt der ästhetischen Bewunderung wieder mehr auf die eigentliche
Hochrenaissance und die von ihren Idealen inspirirten Nachzügler gelegt wird.
Dass den sog. Eklektikern z. B. heutzutage vielfach Unrecht geschehe, blieb
B.'s feste Ueberzeugung.
Hatte sich auf diese Weise der grosse Gelehrte in den letzten drei De-
cennien seines Lebens vom Büchermarkt völlig fern gehalten und sich damit
freiwillig der Gefahr des Vergessenwerdens in unserer literarisch so ungeheuer
productiven Zeit ausgesetzt, so gewann er dafür, was ihm als das Köstlichste
und WerthvoUste erschien, die Müsse für seine über alles geliebte Lehrthätig-
keit. Sie trat nunmehr beherrschend in die Mitte seiner ganzen Lebens-
aufgabe. Neben der Schule, der er von 1858 an bis 1883 als Geschichts-
lehrer an den obersten Klassen des Gymnasiums auf's treueste und mit aus-
gesprochener Sympathie seine Kraft zur Verfügung gestellt hat, war es natür-
lich in erster Linie die Universität, der sein Wirken galt. Neben der Ge-
schichte, die B. im ganzen Umfang von der alten Geschichte bis in den An-
fang des 19. Jahrhunderts — von Adam bis auf Napoleon, pflegte er scher-
zend zu sagen — in den Rahmen seiner Vorlesungen einbezogen, war es die
Kunstgeschichte, die ebenfalls von der Antike an bis in's 18. Jahrhundert
anfangs in drei, später in fünf Wochenstunden das Thema seiner Vorträge
abgab. Und in den letzten Jahren seiner akademischen Thätigkeit, als B.,
der die Last des Alters zu spüren begann, einen Theil seiner Collegien auf-
gegeben hatte (1886), war es die Kunstgeschichte, die er bis in den Frühling
1893 beibehielt. Da zwang ein asthmatisches Leiden, zusammenhängend mit
einer langsam, aber stetig fortschreitenden Herzverknöcherung, den fast 75-
jährigen auf sein teures Lehramt zu verzichten. In der Stille der Studirstube
flössen B.'s letzte Lebensjahre dahin, ein otium cum dignitate im höchsten
Sinne des Wortes; denn auch jetzt gab sich dieser reiche Geist nicht dem
völligen Ausruhen hin. Die Feder, die in den verflossenen Decennien einzig
der unablässigen Arbeit des Excerpirens der Quellenschriften und wissenschaft-
licher Bücher -und der rastlosen Präparation auf die Vorlesungen gedient hatte,
setzte sich jetzt in Bewegung, um B. vor allem am Herzen liegende Themata
schriftlich zu fixiren. Die Lust am endgiltigen Redigiren seiner unzähligen
Notizen und Aufzeichnungen lag ihm im Blut. So nahm er die griechische
Culturgeschichte, eine seiner glänzendsten Vorlesungen, wieder vor und arbei-
tete sie in einem beträchtlichen Umfange aus, leider nicht vollständig; immer-
hin ermöglicht das ziemlich druckfertig vorhandene Manuskript die Heraus-
gabe von zunächst zwei Bänden, die im Laufe des Jahres 1 898, herausgegeben
von einem Neffen des Verstorbenen, dem Philologen Dr. Jak. Oeri, erscheinen
werden; die überaus umfänglichen CoUectaneen und Dispositionen B.'s für
70
Burckhardt.
sein Colleg ermöglichen es, dass diesen zwei Bänden später noch weitere,
voraussichtlich zwei, folgen werden. Alle diejenigen, welche diese wunder-
volle Verrechnung griechischen Lebens und Geistes im Colleg B.'s zu hören
nicht das Glück hatten, werden dann wohl begreifen, wie ein Friedrich Nietz-
sche, der als Philologieprofessor in Basel und Freund B.'s die Vorlesung be-
sucht hat, dazu kam, in einer seiner Schriften B. als den ersten Kenner der
Griechen in unserer Zeit zu preisen.
Im Uebrigen galt das Interesse des alten B. der Kunstgeschichte. Und
da ist es nun fast rührend zu sehen, wie er hier in der einen Schrift zurück-
gegriffen hat auf denjenigen Meister, welcher einst in den Studienjahren schon
mächtig zu seiner Seele gesprochen: auf Peter Paul Rubens. So entstanden
die »Erinnerungen aus Rubens«, die nach des Verfassers Tode — denn zu
Lebzeiten wollte er von einer Publication nichts wissen — in Basel erschienen
sind (Weihnachten 1897, bei Lendorff), ein Buch von 300 Seiten, getragen
von der aufrichtigsten Bewunderung für den Genius des grossen Malers, der
zugleich ein grosser Mensch gewesen ist. Von den verschiedensten Seiten
und Gesichtspunkten aus suchte sich B. das Kunstvermögen des Rubens in
all seiner ungeheuren Vielseitigkeit klar zu machen. Die Liebe zu diesem in
seinem Wesen und Schaffen innerlich beglückten Meister geht wie ein Feuer-
strom durch diese Schrift hindurch, die man nach manchen Seiten hin als
ein ästhetisches Bekenntniss B.'s bezeichnen könnte. Mag auch die exacte
Wissenschaft bei diesem Buche nicht allzu viel Neues einzuheimsen haben,
der Kunstfreund geniesst es als eine in ihrer Frische und Begeisterung wahr-
haft herrliche Gabe. Wenn nach Goethe der Mensch als der glücklichste zu
preisen ist, der das Ende seines Lebens mit dem Anfang in Verbindung zu
setzen vermag, so kann man B. aufrichtig darum beneiden, dass er mit unge-
schwächten Geisteskräften des reifen Alters auf ein künsderisches Jugendideal
zurückgreifen durfte; dass er als Greis unter der Führung des gewaltigen
Peter Paul wieder in jene goldenen Zeiten der Jugendbegeisterung sich zurück-
zuversetzen vermocht hat.
Die anderen kunsthistorischen Arbeiten führten B. in die recht eigentlich
von ihm entdeckten herrlichen Gefilde der Renaissancekunst. »Das Altarbild«
behandelt die Entwickelung dieses hochwichtigen Kirchenschmuckes nach Form
und Inhalt auf Grund einer gewaltigen Fülle des B. zu Gebote stehenden
Anschauungsmaterials in geistvollster Durchdringung des riesigen Stoffes und
lichtvollster Anordnung, das Ganze durchstrahlt und erwärmt von dem Feuer
der Bewunderung für die unvergleichliche italienische Kunst. »Das Porträt«
sodann geht nach eingehendster Behandlung des Bildnisses im Italien des
Quattrocento dem grossen Problem der Stilwandelung in der Bildnisskunst
des 16. Jahrhunderts nach; die dritte Abhandlung endlich bespricht in zu-
sammenhängender Darstellung »die Sammler« der Renaissance. Diese drei
Studien werden, in einen Band vereinigt, im Sommer 1898 (ebenfalls in
Basel bei Lendorff) zur Ausgabe kommen.
Wir haben diese literarischen Früchte von B.'s letzten Lebensjahren hier
vorweggenommen, um die Bahn frei zu haben für eine zusammenfassende
Schilderung des Lehrers B. Wer den Verstorbenen nur aus seinen Büchern
kennt, wird sich nie ein völlig zutreffendes Bild von ihm zu machen ver-
mögen. B. besass eine Lehrbegabung ersten Ranges; er wusste dies selbst
sehr wohl, freute sich ihrer, fand seine höchste Befriedigung in ihr. Die
glücklichste Redegabe stand ihm zu Gebote: nicht im Sinne des Pathos, das
Burckhardt.
71
oft mehr überredet, als überzeugt, sondern im Sinne der geistvollsten Cau-
serie; er meisterte das Wort wie der Bildner den Thon, der Stilktinstler war
auch ein Wortkünstler. Ein Erzähler vollendeter Art, verstand er die Kunst
der feinen Nüancirung, die oft nur mit den delicatesten Mitteln einer stär-
keren Betonung, einer ironischen Färbung, einer Steigerung der Stimme die
feinsten und stärksten Wirkungen hervorzubringen vermag; und dann zitterte
hie und da in den Worten die tiefe Ergriffenheit des Redners nach, und der
Humor streute seine goldenen Lichter hinein. Diesem Zauber des Wortes
verband sich der Gehalt der Rede: nirgends die Phrase der Verlegenheit,
überall der von der völligen Stoffbeherrschung gesättigte plastische und tref-
fendste Ausdruck. Gestalten und Ereignisse gewannen in B.'s Munde runde
Lebensfülle und dramatische Anschaulichkeit. Das galt von den rein histori-
schen Vorlesungen so gut wie von den culturhistorischen — der herrlichen
griechischen, der, wenigstens stellenweise, ebenso glanzvollen Culturgeschichte
des frühen Mittelalters — ; in den kunsthistorischen CoUegien aber, wo die
Fülle der Abbildungen das Wort unterstützte, feierte das Vermögen B.'s, in
seinen Zuhörern die Freude an der Kunst zu wecken, die schönsten Siege.
Und dieser ganze ungeheure Wissensstoff wurde völlig frei, ohne alle und
jede Zuhilfenahme eines Manuskriptes oder hilfreicher Notizen vorgetragen.
Das erstaunliche Gedächtniss B.'s ermöglichte ihm diese Kraftleistung. Frei-
lich auch dieses würde nicht genügt |haben, wäre nicht jeder einzelnen Stunde
die sorgfältigste Präparation und theilweise die genaueste Memorirarbeit vor-
ausgegangen. Die Pflichttreue B.'s in dieser Beziehung war seiner Begabung
ebenbürtig; sie war recht eigentlich der ethische Centralpunkt seiner Persön-
lichkeit.
Neben diesen Lehrstunden an Schule und Universität einher floss der
Strom der öffentlichen Vorträge vor gemischten Auditorien, in der historisch-
antiquarischen Gesellschaft und bei anderen Gelegenheiten. Hier sah man
noch einmal hinein in das unerschöpfliche Wissen des Mannes. Geschichte,
Kunst, Literatur stellten ihm immer neuen Stoff zur Verfügung: er konnte
sprechen über Pythagoras und die Kochkunst der späteren Griechen, über
Talleyrand und über Shakespeare's Macbeth, über Byzanz im 10. Jahrhundert
und über landschaftliche Schönheit, über die Briefe der Madame de Sdvignd
und über die Weihgeschenke der Alten, über holländische Genremalerei und
über Glück und Unglück in der Weltgeschichte. Diese beliebig gewählten
Beispiele aus der fast fabelhaften Menge von B.'s Vorträgen mögen einiger-
maassen ein Bild von der Ausdehnung dieses Wissens vermitteln. Kein Wun-
der denn auch, dass alles, was in Basel Anspruch auf Bildung erhob, zu diesen
köstlichen Abendstunden herbeiströmte, kein Wunder, dass der stets dienst-
bereite Redner sich in früheren Jahren öfters zu Wiederholungen genöthigt
sah, weil das erste Mal der Saal die Menge der Zuhörer nicht zu fassen ver-
mocht hatte. Von diesen Vorträgen her rührte in erster Linie B.'s Popu-
larität; er war eine stadtbekannte Persönlichkeit, und über allen Bücherruhm
bat er die herzlichen Sympathien geschätzt, die ihm sein Lehrberuf eintrug.
So wenig als in seinen Vorlesungen an der Universität hielt B. in diesen
Vorträgen mit seinem subjectiven Urtheil hinter dem Berg. Er nannte die
Dinge bei ihrem wahren Namen und machte aus seinen Antipathien gegen
gewisse historische oder künstlerische Persönlichkeiten kein Hehl. Er konnte
dabei recht deutlich, ja derb werden. So bekam Napoleon I. seinen Wider-
willen vielfach sehr drastisch zu spüren, und mit Rembrandt ist er nicht
72
Burckhardt.
säuberlich umgegangen. Wie auch in seinen Büchern etwa ein Euseb, ein
Pietro Aretino, ein Michelangelo seine scharfe Kritik und sein unverhülltes
Missfallen zu kosten bekamen, ist schon früher hervorgehoben worden. Hier
trennt sich B. scharf von der viel gerühmten Objectivität Ranke's, die freilich
manchmal mehr einer diplomatisirenden Sinnesweise als einem besonders aus-
gebildeten Gerechtigkeitsdrange entspringt und gar nicht überall die höhere
innere Wahrheit fiir sich in Anspruch nehmen darf. B. hat sich denn auch
gelegentlich Correcturen Ranke'scher Urtheile oder Interpretationen in seinen
Vorlesungen gestattet, bei aller Bewunderung, die er für den grossen Ge-
schieh tschreiber und namentlich für dessen »Römische Päpste« empfand, das
Werk, das Ranke niemals wieder übertrofFen habe. Ohne je trivial zu werden,
hat B. als Redner in der OefFentlichkeit eine edle Popularität gepflegt; er
hatte diese Gabe, auch den einfacher Gebildeten sich verständlich zu machen,
ohne doch der Wissenschaftlichkeit etwas zu vergeben, schon in jüngeren
Jahren erwiesen, als er in einem »Neujahrsblatt« Basels Jugend die Bekehrung
der Alemannen zum Christenthum in wahrhaft reizender Weise erzählte. Das
Gesagte mag genügen, um die Bedeutung B.'s als Lehrers wenigstens ahnen
zu lassen. Hier gab er seiner Vaterstadt vom köstlichsten, was er besass, hier
hat er in seiner Weise geradezu eine Culturaufgabe erfüllt. Und das Glück
dieser Lehrthätigkeit war ftir B. ein so grosses und dauerndes, dass ihn auch
die ehrenvollsten Berufungen nicht aus Basel, der heissgeliebten Vaterstadt,
wegzulocken vermochten. U. a. hat ihn die Universität Tübingen fiir sich zu
gewinnen gesucht, und als Ranke Anfang der 1870er Jahre seine Professur
niederlegte, trat an B. unter den schmeichelhaftesten Bedingungen der Ruf
heran, dessen Lehrstuhl der Geschichte, zusammen mit G. Waitz, an der
Universität der deutschen Reichshauptstadt zu übernehmen. Aber B. blieb
auch diesmal fest; er hat es aber stets als einen hohen Beweis der Objectivität
der preussischen Regierung in wissenschaftlichen Fragen betrachtet, dass diese
vielbegehrte Stelle ihm gegeben worden wäre, wenn er nur gewollt hätte.
Irgend einen materiellen Vortheil für seine Basler Professur hat B. aus diesen
Berufungen niemals gezogen. Dazu war er zu vornehm.
Im Uebrigen verlief sein Dasein still, fast unbemerkt. In die active Po-
litik hat er nie eingegriffen; alles Hervortreten in öffentlichen Fragen war ihm
lästig, es hätte seine ruhige Gelehrtenarbeit nur stören können. In der Kunst,
sich alles Unangenehme, alles was nach zeitraubenden Verpflichtungen und
unter Umständen lastenden Verantwortlichkeiten ausserhalb seines eigentlichen
Berufs schmeckte, vom Leibe zu halten, war B. ein Meister. Ein gewisser
Mangel an Muth lässt sich hier nicht verkennen; es war eine Art feinster
Egoismus, dem B. huldigte. Goethe würde das verstanden und gebilligt
haben. Die Selbständigkeit ging B. über alles. Er hielt darum gerne zu den
Minoritäten; alles Majorisiren war ihm ein Greuel. Nicht umsonst hat er im
»Constantin« die zwei einzigen Bischöfe, die dem Nicaenum nicht beitraten,
mit Namen genannt; sie mochten ja halsstarrig sein, aber sie hatten sich
nicht von der Majorität brutalisiren lassen. Darum war auch B. alles Gewalt-
thätige, Nivellirende in Politik und Cultur widerwärtig; ein stark conservatives
Element lebte in ihm, und jeder rohe, scharfe Bruch mit der Vergangenheit
war ihm unangenehm. Man darf sich deshalb nicht wundern, dass z. B. die
Reformationsbewegung bei ihm nicht gut weg kam ; er fand allzu viel Mensch-
liches, Egoistisches und Materielles in ihren Motiven, als dass er der ideellen
Seite derselben völlig gerecht hätte werden können. Es hing dies zusammen
Burckhardt.
73
mit seiner pessimistischen Stimmung der Welt und den Menschen gegenüber.
Schon im »Constantin« Hest man, bei Anlass des Christen thums, die Worte:
^Die idealen Menschen voll geistiger Tiefe und praktischer Hingebung waren
gewiss die kleine Minderzahl, wie in allen irdischen Dingen.« Bei dieser Auf-
fassung blieb er; sie befähigte ihn dann aber auch, eben solche Ausnahme-
naturen in ihrer ganzen Grösse und Eigenart zu verstehen und zu würdigen.
Und wo dann bei solchen noch das Moment des heroischen Entsagens auf
alle Freude und Lust der Welt, der Selbstverleugnung und der Aufopferung
im Dienste Anderer hinzukam, da fanden sie in B. einen Anwalt der beredte-
sten und ergreifendsten Art. Ein solcher Mann, der in B.'s Darstellung einen
wahren Glorienschein erhielt, war der heil. Severinus, dessen Lebensbeschrei-
Imng er zu den grössten und aufregendsten Lektüren des ganzen Mittelalters
rechnete. Das Christen thum solcher Männer, die von der Welt nichts mehr
verlangen, die nur den Anderen leben und darin ihr Glück finden, das war
das Christenthum, welchem B. die grösste Hochachtung entgegenbrachte. Die
Lehre vom Leiden dieser Welt erschien ihm als der grosse ewige Grund-
gedanke des Christenthums ; es war ihm die Religion derer, die diese Welt
nicht lieb haben. Man lese nur den Schluss des Capitels über die Askese
im »Constantin«, und man wird sehen, wie von diesem Standpunkt aus B.
auch die Berechtigung der Askese betont hat. Wie er der etablirten und
staatlich garantirten Kirche im genannten Werke wenig sympathisch gegen-
über steht, so hat er auch zum concreten kirchlichen Leben Basels sich ab-
lehnend verhalten; er wollte auch hier völlig unabhängig sein; wie er aber
bei aller raschen Verknöcherung und Ausartung des Staatskirchenthums im
4. Jahrhundert in der Orthodoxie doch einen wichtigen nationalen Halt glaubte
erkennen zu dürfen, so erblickte er auch in unseren Tagen in dem Bestand
einer Orthodoxie gegenüber den freien kirchlichen Richtungen etwas Werth-
volles, und er fand gegen alles Heterodoxe scharfe Worte des Widerwillens.
Seine Stellung zum Katholicismus war dieselbe ; dem Alt- oder Christkatholi-
cismus vermochte er keine gute Seite abzugewinnen.
B.'s Lebensweise war die denkbar einfachste, in früheren Jahren eine fast
spartanische: kein Luxus irgend welcher Art in Wohnung oder Kleidung; er
behalf sich mit dem dringend Nöthigsten; er wollte auch hier kein Sklave
irgend welcher Bedürfnisse sein. Sein Junggesellen thum leistete diesem Trieb
nach Einfachheit und Frugalität kräftigen Vorschub. Der Tag verging mit
Vorbereitungen zu den Vorlesungen, mit unablässiger Quellen- und Bücher-
lektüre, mit den Collegien und Vorträgen ; am Abend spielte der Einsame in
seinem Zimmer Klavier: Compositionen seiner alten Lieblinge, der Italiener,
Mozarts, Schuberts; in früheren Jahren war er auch ein eifriger Sänger —
freilich nie in Vereinen — gewesen. Dann begab er sich gerne zu einem
Glase Wein, wobei B. nicht vorzugsweise die Gesellschaft von geistig beson-
ders bedeutenden Männern suchte ; er wollte sich auch hier ungenirt gehen lassen,
und vor allem, er liebte es, selber die Kosten der Unterhaltung zu tragen.
Als eifrigem Zeitungsleser, der sich stets auf dem Laufenden der Tagesereig-
nisse hielt, war ihm das Politisiren, und zwar oft ein sehr pessimistisches, ein
eigentliches Bedürfniss. In der Wahl seines näheren Umgangs spielte die
Sympathie und Antipathie eine maassgebende Rolle; Ansprüche erkannte er
^eine an; ihm nicht behagende Menschen wusste er sich unmissverständlich
vom Leibe zu halten. B. konnte nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch
im Leben kräftig hassen. Die aber, die ihm näher treten durften, werden
74
Burckhardt.
seine Freundlichkeit und Herzlichkeit nie vergessen. Solche konnte er unter
Umständen auch mit Proben seiner poetischen Begabung erfreuen. In B.
lebte ein Dichter. Man könnte dies leicht schon aus dieser und jener
Stelle in seinen Werken schliessen, wo das mächtige poetische Empfinden sich
Bahn bricht; wir wissen es aber auch aus zwei kleinen, anonym erschienenen
Gedichtsammlungen aus dem Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre; sie
sind aus dem Buchhandel verschwunden, und B. hat selbst für dieses Ver-
schwinden gesorgt. Es ist eine weiche, seelenvolle, zartgetönte Poesie in
formal tadellosem Gewand. Das eine dieser Gedichte »Serenade« betitelt,
eine Schöpfung reinsten Wohllautes, findet sich mitgetheilt in Baechtold's
Vorrede zu Leuthold's Gedichten; andere findet der Liebhaber B.'scher Poesie
in der Basilea poetica (Basel, Geering) abgedruckt; sie sind theils dem hoch-
deutschen Bändchen »Ferien«, theils dem in baseldeutscher Mundart ver-
fassten »£ Hämpfeli Lieder« (eine Handvoll Lieder) entnommen und unter
diesen Titeln aufgeftihrt.
B. war von eiserner Gesundheit, sein Körper gegen Hitze und Kälte gleich
abgehärtet; ein rüstiger Fussgänger, kannte er Basels Umgebung genau. Er-
holung im gewöhnlichen Sinne des Wortes existirte für ihn bis in seine letzten
Jahre hinein nicht; seine Reisen, die jährlich die Ferien ausfüllten, nach Eng-
land, Frankreich, den Niederlanden, t)eutschland, Oesterreich und vor allem
nach Italien, waren Studienreisen im vollsten Sinne des Wortes: das Notiz-
buch war B.'s treuer Begleiter, und was er im Laufe des Tages sich auf-
gezeichnet hatte, wurde am Abend sofort endgiltig redigirt. So bedeuteten
die Reisen für B.*s kunsthistorische Arbeiten und Vorlesungen, was die Quellen-
lektüre, die nie rastende und von B. immer auf*s neue seinen Hörern ein-
geschärfte und empfohlene, für die geschichtlichen Vorlesungen. Auf den
ersten Blick imponirte an dem überaus einfach, ja altmodisch gekleideten
Manne der prächtige Kopf: das in späteren Jahren immer kurz geschorene
Haar war schon früh völlig weiss geworden ; auf der hohen freien Stirn thronte
die Intelligenz; das grosse glänzende Auge verrieth das Feuer dieses immer
regen Geistes; die scharf geschwungene Nase und das kräftig entwickelte,
glatt rasirte Kinn verliehen dem Gesicht etwas Energisches, fast Kühnes. Die
unablässige Denkarbeit hatte dieses mächtige Antlitz völlig verklärt Der Tod
ist B. leise genaht; an einem stillen Sonntagnachmittag ist er zu ihm heran-
getreten und hat das bis an's Ende hell brennende Licht dieses gewaltigen
Geistes ausgelöscht. B. hat ihm mit philosophischer Ruhe und im Bewusst-
sein, ein reiches und innerlich beglücktes Leben gelebt zu haben, entgegen-
gesehen.
Bei der Leichenfeier kamen, von einem Gebet des Geistlichen begleitet, bloss die von
B. selbst verfassten kurzen biographischen Aufzeichnungen zur Verlesung; diese sind im
Druck erschienen (bei LendorfT in Basel) und werden überdies der zweiten Auflage des
Rubens-Buches, die im Mai 1898 erscheinen wird, beigegeben werden. Von weiteren
Quellen dieser Arbeit darf der Verfasser dieser biographischen Schilderung wohl zunächst
auf seine bei R. Reich in Basel erschienene 172 Seiten starke Arbeit hinweisen. Diese
enthält auch zwei Porträts B.'s: das eine von Franz Kugler gezeichnete zeigt den etwa
30jährigen B., das andere, von einem Verwandten des Verstorbenen, Maler Hans LendorfT,
gezeichnete den B. des Greisenalters. Ein weiteres Porträt nach einer photographischen
Aufnahme des genannten Malers ist dem Rubens-Buch beigegeben. Von den zahlreichen
Nekrologen über B. seien hier blos einige der wichtigsten aufgeführt: Dr. Otto Markwart,
Frankfurter Zeitung No. 238, 244, 245 (jeweilen i. Morgenblatt) vom 28, Aug. bis 4. Sept.
1897; Prof. H. Wölfflin, Repert. für Kunstwissenschaft XX. Bd. 5. Heft. 1897; Professor
K. Breysig, Zukunft vom 21. August 1897; Prof. Ad. Philippi, Grenzboten vom 2. Sept.
Burckhardt. Gttterbock. Heidenhain.
75
1^97; Prof. Eberhard Gothein, Preuss. Jahrb., October-Hcft 1897; Professor K. Neumann,
Deutsche Rundschau, Märzheft 1898.
April 1898. H. Trog-Basel.
GQterbocky Paul, Geheimer Medicinalrath und Universitäts-Professor der
Chirurgie in Berlin, ♦ am 2. Juni 1844 daselbst, f am 17. October 1897
ebenda. — G. war der Sohn des Geheimen Sanitätsraths Ludwig G. (1814
bis 1895), studirte in Berlin und Würzburg und erlangte 1865 die Doc tor-
würde. Im folgenden Jahre absolvirte er die Staatsprüfung und unternahm
dann eine längere Studienreise über Wien, Paris, London und Edinburg.
Nach der Rückkehr Hess er sich in Berlin nieder, trat als Assistent von Ro-
bert Wilms in Bethanien ein und widmete sich fortab der Chirurgie. Er
eröffnete eine chirurgische Privatklinik und habilitirte sich 1873 als Docent
für sein Specialfach. Daneben beschäftigte er sich mit Studien zur Staats-
arzneikunde und bekleidete successive die Stellungen als Hilfsarbeiter, Medi-
cinalassessor und seit 1885 als Medicinalrath beim Medicinalcollegium der
Pro\inz Brandenburg. 1894 wurde er durch den Professortitel ausgezeichnet,
1896 zum Geheimen Medicinalrath ernannt. Seine schriftstellerischen Lei-
stungen liegen auf den Gebieten der Chirurgie und der öffentlichen Gesund-
heitspflege. Specieller beschäftigte sich G. mit der Chirurgie der Hamorgane,
über die er ein grösseres, dreibändiges Werk, das Werk seines Lebens, schrieb,
dessen dritter Theil erst nach seinem Tode herauskam. Auch erstattete er
eine lange Reihe von Jahren die betreffenden Referate in Virchow-Hirsch's
grossen Jahresberichten über die Leistungen und Fortschritte in der gesammten
Medicin. Kleinere Aufsätze beziehen sich auf die Tracheotomie bei Diphtherie,
auf Hautemphysem bei Diphtherie, spontane Gelenkserkrankung bei Unterleibs-
typhus, auf die chirurgische Antisepsis, Verletzungen des Halses in gerichts-
ärztlicher Beziehung, Nekrose der langen Röhrenknochen, lupöse Erkrankung
der Finger, äusseren Hamröhrenschnitt etc. Dazu kommen Berichte über die
grösseren Amputationen im Krankenhause Bethanien und als weitere selb-
ständig erschienene Monographieen : »Die neueren Methoden der Wund-
behandlung auf statistischer Grundlage« (Berlin 1876); »Die englischen Kran-
kenhäuser« (ebenda 1881); »Die öffentliche Reconvalescentenpflege« (Leipzig
1882), sowie eine Reihe von Artikeln für die Eulenburg' sehe Realencyclopädie.
G. war mit der Literatur und Geschichte der Medicin und Chirurgie und
namendich auch mit den publicistischen Erscheinungen in England und Frank-
reich ausserordentlich vertraut. Sein Specialgebiet hat er noch durch die
Construction eines Cystoscops bereichert.
Biogr. Lex. hervorr. Aerzte II, S. 691.
Pagel.
Heidenhain, Rudolf Peter Heinrich, ordentlicher Universitäts-Professor der
Physiologie in Breslau, ♦ am 29. Januar 1834 zu Marienwerder, f am 13. October
1897. — H. war der älteste Sohn des Arztes Heinrich Jacob H. (1808 — 1868),
machte seine medicinischen Studien in Königsberg, Halle und Berlin (unter
Heintz, A. W. Volkmann und du Bois-Reymond) und erlangte an letztgenannter
Universität die Doctorwürde mit der Inaugural-Abhandlung: »De nervis organisque
centralibus cordis cordiumque ranae lymphaticorum«. Nach Absolvirung des
Staatsexamens widmete er sich ausschliesslich der Physiologie und arbeitete
fortgesetzt im physiologischen Laboratorium zu Berlin unter Leitung von
y3 von Fabrice, de Marees. Moder.
beiden erschienenen Theilen reicht der erste (München 1886) von 1725 bis
1804, der zweite (München 1896) von 1805 — 1835. Nach seiner Verabschie-
dung war General v. F. im Kriegsarchive bei den Vorarbeiten für eine bayeri-
sche Heeresgeschichte thätig.
B. Poten.
Mar£eSy Wilhelm Ludwig de, * am 14. Februar 1820 zu Dessau (An-
halt), f am 9. Juli 1897 zu Bemburg. — Er war der Sohn des Schuldirectors
und Seminarinspectors Heinrich Ludwig de M., der bereits 1825 starb, und
erhielt seine Gymnasialbildung in Dessau, Erlangen, Nürnberg und Zerbst und
studirte 1840 — 44 in Halle und Erlangen Theologie und Philologie. Im Jahre
1851 wurde er Prediger an der Hof- und Stiftskirche zu Bartholomäi in Zerbst
und rückte 1857 zum Archidiakonus an derselben auf. Seit dem Herbst 1872
Prediger zu Osmarsleben bei Bemburg, verwaltete er dieses Amt bis zum
I . November 1 890, wo er in den Ruhestand trat. Den Abend seines Lebens
verbrachte er in Bemburg. — de M. hat als Dichter nur wenig Eigenes ge-
boten, und dies Wenige sind fast ohne Ausnahme geistliche Dichtungen und
freie Nachdichtungen (»Lieder nach Heinrich Müller's geistlichen Erquickstun-
den«, 1893); dagegen hat er mehrere Sammlungen geistlicher Lieder aus dem
Lateinischen und Italienischen (»Geistliche Dichtungen«, 1867) und aus dem
Französischen (»Kreuz- und Trostlieder«, 1870 — »Geistliche Lieder«, 1890
— »Hundert geistliche Lieder«, 1895) übersetzt.
Persönliche Mittheilungen. — Karl Leirobach: Die deutschen Dichter der Neuzeit und
Gegenwart, Bd. VI, S. 87 ff.
Franz Brummer.
Moder, Auguste, Erzieherin und Dichterin, * am 2. März 1830 in Eise-
nach, f am 15. October 1897 daselbst. — M. war die Tochter eines Rau-
inspectors. Als ältestes von sechs Kindern hatte sie nach Absolvirung einer
Privattöchterschule zunächst der Mutter im Haushalt zu helfen und musste
daher lange auf die Erfüllung ihres lebhaften Wunsches, ihr Lehrerinnen-
examen zu machen und sich der Jugenderziehung zu widmen, verzichten. Ihre
Begabung wies sie aber auf's entschiedenste nach dieser Richtung hin, und
so erlaubten ihr schliesslich die Eltern, zu ihrer weiteren Ausbildung nach
Dresden gehen zu dürfen. Dort besuchte sie das Marquardt'sche Institut,
legte 1854 ihr Examen ab und ging 1855, ^"^ ^^^^ ^^" Gebrauch der eng-*
lischen Sprache anzueignen, nach London, wo sie als Lehrerin an einer Privat-
schule wirkte und auch vielfach mit den deutschen Emigrantenfamilien in
Verbindung kam. Nachdem sie seit 1857 noch ein Jahr in Paris geweilt,
kehrte sie 1858 nach Eisenach zurück, machte vor einer eigens für sie zu-
sammen berufenen Prüfungskommission ihr Staatsexamen als Schulvorsteherin
und eröffiiete noch in demselben Jahre ihre Töchterschule mit Pensionat, der
sie bis an ihr Lebensende mit Unterstützung zweier Partnerinnen vorgestan-
den hat. Ihr Unternehmen gedieh unter ihrer Leitung zu hoher Blüthe, und
die Leiterin erfreute sich der allgemeinsten Verehrung, die besonders 1883
beim 25jährigen Bestehen der Anstalt und 1894 beim 40jährigen Amtsjubi-
läum der Vorsteherin zum Ausdruck kam. Auch war A. M. schon 1864 von
England aus zum Member of the College ofPreceptors ernannt worden, eine
Auszeichnung, die sie ihrer hervorragenden Tüchtigkeit verdankte. In den
letzten Jahren vielfach kränkelnd und von schweren Schicksalsschlägen durch
Moder. Hoffory. y^
den Verlust teurer Menschen heimgesucht, erlag sie im Alter von 67 Jahren
einer Lungenentzündung. — Trotz der umfassenden und schweren Berufs-
arbeit fand A. M. dennoch Zeit, eine Reihe von Märchendichtungen und Fest-
spielen zu verfassen, die, von der Jugend aufgeführt, sich zur Verherrlichung
von Schulfesten eignen. Es sind: »Die Verwunschene. Das Rosen wunder der
heiligen Elisabeth« (1879); »Grete« (1888); »Domröschen« (1890); »Des Früh-
lings Streit mit dem Winter« (1896).
Nach Mittheilungen aus befreundeten Kreisen.
Franz Brummer.
Hoffory^ Johan Peter Julius, ausserordentlicher Professor für nordische
Philologie und allgemeine Phonetik an der Universität Berlin, * am 9. Februar
1855 in Aarhus, f am 12. April 1897 in Westend bei Berlin. — H. war von
Geburt Däne; sein Vater war aus Ungarn eingewandert, die Familie soll ur-
sprünglich in Deutschland ihren Wohnsitz gehabt haben. Er machte das
Gymnasium in Aarhus durch und empfing hier wichtige Anregungen für seine
spätere Laufbahn. Was für die ästhetische und ethische Ausbildung der
deutschen Jugend unsere Klassiker sind, war für den dänischen Gymnasiasten
der Komödiendichter Holberg. Die wohlgetroffenen Bilder, die dieser feine
Beobachter von den Männern und Frauen seiner Zeit entworfen hatte, be-
gründeten die Menschenkenntniss des Schülers und flössten ihm eine dauernde
Vorliebe für die realistische Richtung in der Dichtkunst ein. Gleichzeitig
weckte ein Lehrer sein Interesse und entdeckte sein Geschick für sprachliche
Untersuchungen. Im Jahre 1873 ging er nach Kopenhagen, um Sprachwissen-
schaft zu Studiren. Nachdem er sich einige Zeit mit den indischen Sprachen
beschäftigt hatte, trat er zur nordischen Philologie über, die damals in Kopen-
hagen durch K. Gislason, Grundtvig und Wimmer nach allen Seiten hin glän-
zend vertreten war. Am meisten glaubte er später L. Wimmer schuldig zu
sein; daneben aber wurde er durch mündlichen und brieflichen Verkehr von
seinem älteren Freunde K. Verner beeinflusst, einem der genialsten Entdecker
auf sprachlichem Gebiet; dieser mag ihn nachdrücklich auf die Sprachphysio-
logie und deren Verwerthung für grammatische Untersuchungen hingewiesen
haben. H.'s sprachliche Arbeiten erschienen — vor und nach seinem Ma-
gisterexamen im Jahre 1878 — in deutschen und dänischen Fachzeitschriften.
Als Sprachphysiolog baute er Brücke's System der Sprachlaute durch werth-
volle Beobachtungen weiter aus und nahm es gegen einen gleichzeitigen For-
scher in Schutz in seiner schneidigen Streitschrift: Professor Sievers und die
Principien der Sprachphysiologie (1884). Für die Erforschung der altnordi-
schen Grammatik sind seine Arbeiten mit grundlegend geworden und ihre
Verdienste werden von allen Richtungen freudig anerkannt. Seine Haupt-
schrift auf diesem Gebiet sind die »Oldnordiske Consonantstudier«, die ihm
als Doctordissertation in Kopenhagen und zugleich — in deutscher Ueber-
setzung — als Berliner Habilitationsschrift dienten.
Die Abfassung dieser Arbeit fällt in die Jahre, in denen H. seine Stu-
dien in Berlin und Strassburg fortsetzte. Es waren damals glückliche Zeiten
für die Berliner Germanistik. Karl Müllenhoff, aufgeschreckt durch Bang*s und
Bugge's Behauptung von der Unechtheit der eddischen Mythologie, rüstete sich
zum Feldzug gegen die Leugner der nordischen Götter; durch scharfe Kritik
und eine glänzende Interpretation der angegriffenen Eddalieder hoffte er die
Gegner vom Kampfplatz zu treiben. Wühelm Scherer arbeitete die deutsche
So Hoffory.
Literaturgeschichte aus, und seine Goethestudien reiften. Die Arbeitsfreudig-
keit der Lehrer riss auch die Schüler mit sich fort. H., der sich gern einem
Grösseren verehrend unterordnete, schloss sich voll Begeisterung an die Ber-
liner Lehrer an. MüllenhofF konnte er bei der Abfassung des 5. Bandes der
Alterthumskunde mannichfach hilfreiche Hand reichen; bei Scherer, dessen
Leistungen er noch höher schätzte als die Mtiilenhoff's, lernte er Methode
der literarhistorischen Forschung. Aus dem Studenten wurde allmählich der
Docent. Im Juni 1883 erwarb H. den Doctorgrad in Kopenhagen und da-
mit das Recht, Vorlesungen zu halten. Da ihm jedoch eine Stellung in der
Hauptstadt des deutschen Reichs verlockender schien, habilitirte er sich schon
im Juli desselben Jahres in Berlin. Im Januar 1887 wurde eine ausserordent-
liche Professur der nordischen Philologie und allgemeinen Phonetik für ihn
geschaffen. Leider sollte er sie nicht lange verwalten: Gegen Ende 1889
hatte er einen heftigen Influenzaanfall, der in einen bösartigen Typhus über-
ging. Seine ohnehin nicht bedeutende Körperkraft, die er durch eine un-
gleichmässige Lebensweise und durch wunderliche Kuren noch geschwächt
hatte, konnte die Krankheit nie ganz überwinden. Eine geistige Schwäche
blieb zurück, die es schliesslich nöthig machte, den noch jugendlichen Mann
in einer Heilanstalt zu Westend unterzubringen. Ohne sich zu geistiger Thätig-
keit aufraffen zu können, hat er dort still den Rest seiner Tage dahingelebt.
H.'s Lehrthätigkeit war trotz ihrer Kürze reich an Erfolgen. Sein Vor-
trag w^ar freilich meist matt, fesselte aber dennoch die Zuhörer durch seine
Klarheit und Uebersichtlichkeit. Trug er Ergebnisse eigner Forschungen vor,
so wurde auch seine Sprechweise belebter und erreichte nahezu die Eleganz
seiner Schriften. In den wenigen Jahren seiner Wirksamkeit hat eine verhält-
nissmässig grosse Zahl junger Germanisten sich seiner besonderen Leitung an-
vertraut; er ist ihnen allen ein hilfreicher Berather und treuer Freund ge-
wesen.
Die wissenschaftlichen Arbeiten H.'s nach seiner Habilitation gingen
grösstentheils aus von Anregungen MüUenhoff's und Scherer's. Die Edda-
erklärung des Ersteren führte er weiter in einer Reihe von Aufsätzen, die er
später als Eddastudien in einem kleinen Bande vereinigte. Manche schwierige
Eddastelle hat er darin gedeutet; er hat Beiträge zur Chronologie auf Grund
der Metrik geliefert; Lieder und Liedbruchstücke hat er darin richtig ge-
würdigt und ihnen ihre Stelle in der eddischen Literatur angewiesen. Die
schöne Entdeckung, dass in zwei dunklen Strophen der Voluspa eine mytho-
logische Schilderung der Mittemachtssonne erhalten sei, führte H. zur Mytho-
logie. Er suchte das Bild, das einst Müllenhoff im 8. Bande von Schmidt's
Zeitschrift für Geschichte vom Entwickelungsgang der germanischen Mytho-
logie entworfen hatte, zu vervollständigen in seinem geistvollen Aufsatz über
den germanischen Himmelsgott. Die Fülle der eddischen Mythen hoffte er —
hierin Uhland am ähnlichsten — aus der Natur Norwegens deuten zu können,
und er unternahm eine Nordlandreise, um mythologische Eindrücke zu em-
pfangen, lieber die Ergebnisse dieser Reise hat er sich nur andeutungsweise
im Gespräch geäussert. Bald nach seiner Rückkehr brach seine Production
jäh ab. — Was er von Scherer an literarischer Methode gelernt hatte, wandte
er in seiner Abhandlung über Holberg's Komödiendichtung an, die er der in
Gemeinschaft mit P. Schienther unternommenen deutschen Holbergausgabe
einverleibte. Hier handelte er über die Technik des Lieblingsdichters seiner
Jugend, er zeigte seine Entlehnungen auf und charakterisirte sein selbständiges
HolTory. von Hofmann. gl
SchaflTen. Jetzt stand ihm freilich ein anderer nordischer Dichter näher als
Holberg — Henrik Ibsen. In ihm bewunderte er den Meister der dramati-
schen Technik, in ihm verehrte er den realistischen Schöpfergeist, der mit
unerbittlicher Wahrheitsliebe alle Eigenheiten der menschlichen Natur auf-
gedeckt habe, der den modernen Menschen bekannt mache mit der Welt,
wie sie ist, und der daher wohl geeignet sei, ihn als warnender Führer durchs
Leben zu geleiten. In seiner Nordischen Bibliothek hat H. einen verdeutsch-
ten Ibsen erscheinen lassen, worin die Uebersetzung der »Frau vom Meer« aus
seiner Feder stammt. Für die Anerkennung seines Dichters ist er in der
Berliner Gelehrten- und Künstlerwelt mit seiner ganzen eindrucksvollen Persön-
lichkeit eingetreten.
Kein in jeder Hinsicht vollendeter Mensch ist mit H. aus dem Leben
geschieden, wohl aber ein edler Mann, ein ideenreicher Gelehrter, ein fein-
sinniger Kunstfreund.
Nekrologe H.'s sind erschienen von A. Heusler im Archiv for nordisk filologi Bd. XIV,
TOD O. Pniower im Magazin für Literatur (1897).
Osnabrück. Wilhelm Ranis>:h.
Hofmann, Eduard von, Gerichtsarzt und Universitäts- Professor der ge-
richtlichen Medicin in Wien, ♦ am 27. Januar 1837 ^^ Prag, f am 27. August
1897 in Abbazia. — H. studirte in seiner Vaterstadt unter Purkinje, Jaksch,
Treitz, Halla, Hasner, Bochdalek und Seyfert und erlangte 1861 die Doctor-
würde. Hierauf fungirte er bis 1865 als Assistent an der Lehrkanzel für ge-
richtliche Medicin, habilitirte sich danach als Privatdocent für gerichtliche
Medicin und erhielt den Auftrag, sein Fach in czechischer Sprache zu lehren.
Doch folgte er bereits 1869 einem Rufe als ordentlicher Professor der gericht-
lichen Medicin und Staatsarzneikunde nach Innsbruck, von wo er 1875 "^^h
Wien in gleicher Eigenschaft übersiedelte. H. gehört zu den hervorragendsten
Vertretern der gerichtlichen Medicin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-
derts. Sein Hauptwerk bildet das 1878 erschienene und seitdem öfters neu
aufgelegte (3. Aufl. 1884) und in mehrere fremde Sprachen übersetzte »Lehr-
buch der gerichtlichen Medicin«, welches den bekannten Werken von Casper-
Liman und v. Maschka durchaus ebenbürtig sowohl in wissenschaftlicher wie
didaktischer Beziehung sich an die Seite stellen lässt. Ausserdem bereicherte
H. die gerichtliche Medicin mit zahlreichen, werthvollen neuen Einzelheiten,
welche meist als Joumalabhandlungen erschienen sind. Er lieferte Unter-
suchungen über Verbrennungen (Prager Vierteljahrsschr. CV, Wiener medicin.
Wochenschr. 1875, 1876), über den Strangulationstod (Mittheilungen des Ver-
eins der Aerzte Niederösterreichs 1876, Wiener medicin. Wochenschr. 1876,
Wiener med. Presse 1879 — 1881), über vorzeitige Athembewegungen (Eulen-
burg's Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. XIX, XXII), forensische Untersuchung
von Blutspuren und Haaren, über die natürlichen Spalten und Ossifications-
defekte am Schädel des Neugeborenen, über Leichenerscheinungen, über Ver-
blutung aus der Nabelschnur, über Fett Wachsbild ung, Über Stichwunden, über
die Sicherstellung der Identität von Leichen, über den Effekt künstlicher
Respiration, insbesondere der Schwingungen der Neugeborenen u. v. A. Be-
sonders bemerk enswerth sind mehrere aus Anlass von Aufsehen erregenden
Criminalfällen abgegebene Gutachten H.'s, so in dem bekannten, sensationellen
Prozess zu Tisza-Eszlar wegen eines angeblich zu rituellen Zwecken ge-
Blogr. Jahrb. a. D«attcher Nekrolog. 3. Bd. 6
82 von Hofmann. Holländer. Httter. Kovacs,
schlachteten Kindes. — 1884 wurde H. durch Verleihung des Ordens der
eisernen Krone in den Ritterstand erhoben.
Biogr. Lexicon hervorr. Aerzte III, S. 250.
Pagel.
Holländer, Ludwig Heinrich, Privatdocent und Universitäts-Professor
der Zahnheilkunde in Halle, ♦ am 4. Februar 1833 in Leobschütz, f am
14. März. — H. studirte in Breslau, Würzburg und Berlin. 1856 erlangte er
in Breslau mit der Inauguralabhandlung »De corneae et scleroticae conjunctione<^
die Doctorwtirde, absolvirte 1857 die Staatsprüfung und widmete sich dann
speciell auf Anregung von v. Frerichs der Zahnheilkunde. Er habilitirte sich
fiir dieses Fach in Halle 1872 und richtete dort ein zahnärztliches Institut
ein. 1878 erhielt er den Professortitel und die Leitung der Universitätsklinik
für Zahn- und Mundkrankheiten. Bevor H, nach Halle ging, hatte er etwa
8 Jahre lang in Südafrika practicirt. Als Ergebniss des dortigen Aufenthaltes
veröffentlichte er 1866 und 1867 in der Zeitschrift »Globus« eine Reihe von
Aufsätzen zur Länderkunde und Anthropologie Südafrikas. Auf sein eigent-
liches Fach bezieht sich ein im Verein mit mehreren Mitarbeitern heraus-
gegebenes »Handbuch der Zahnheilkunde«, ferner kleinere Monographieen,
wie: »Die Zahnheilkunde und ihre Bedeutung für die innere Medicin« (1872);
»Beiträge zur Zahnheilkunde« (1881); »Die Extraction der Zähne« (1882) u. A.
Ausserdem gab er eine deutsche Uebersetzung von Tomes' »Manual of dental
anatomy« und von Kirigsley »Anomalien der Zahnstellung«.
Biogr. Lex. hervorr. Aeritc III, S. 258.
Pagel.
Hüter, Victor, Privatdocent der Gynäkologie und Titular- Universitäts-
Professor in Marburg, ♦ am 16. October 1832, f am 12. November 1897 in
Göttingen. — H. studirte und promovirte 1855 in Marburg und habilitirte sich
daselbst 1858. Ausser seiner Doctordissertation über während der Geburt ent-
standene Schädelveränderungcn rühren von ihm noch her die Habilitations-
schrift über die Ablösung der Epidermis bei Neugeborenen, eine Studie über
Fhixionen des Uterus (1870) und ein Compendium der geburtshilflichen Opera-
tionen für den Gebrauch in der Praxis (1874).
Voss. Ztg. 16. Nov. 1897.
Pagel.
Kovacs, Josef, ordentlicher Universitäts-Professor der Chirurgie in Buda-
pest, * 1832 zu Tengelicz in Ungarn, f am 6. August 1897. — K. machte
seine Studien in Wien und Pest, promovirte an erstgenanntem Orte 1858 als
Dr. med. und Magister der Geburtshilfe und an letztgenanntem als Dr. chir.
In Budapest widmete er sich speciell der Chirurgie seit 1859, wo er als
Operationszögling in Balfassa's Klinik eintrat; 1861 rückte er zum Assistenten
auf, 1862 habilitirte er sich als Privatdocent für chirurgische Operationslehre,
1867 für chirurgische Pathologie und Therapie der Beckenorgane, wirkte 1866
im Budapester Militärhospital Ludoviceum als Primararzt der i. chirurgischen
Abtheilung, wurde 1869 sup})lirender, 1870 ordentlicher Professor der chirur-
gischen Klinik und war 1874/75 Rector der Budapester Universität. Um die
Ausgestaltung des klinischen Unterrichts in der Chirurgie hat sich K., der zu
Kovics. von der Goltz. $9
den bedeutendsten Chirurgen Ungarns zählt, dadurch vornehmlich verdient
gemacht, dass er den Neubau und die Einrichtung einer chirurgischen Klinik in
Budapest veranlasste. K. ist ferner Verfasser zahlreicher Journalaufsätze über
die verschiedensten Gebiete der Chirurgie; die betreffenden Arbeiten erschienen
zum Theil in ungarischen, zum Theil in deutschen Zeitschriften. Ein bis 1889
reichendes Verzeichniss der wichtigsten findet sich in der unten genannten
Quelle.
Biogr. Lex. hervorr. Aerzte VI, S. 887.
Pagel.
Goltz, Cuno Freiherr von der, Königlich preussischer General der In-
fanterie z. D., * am 2. Februar 181 7 zu Wilhelmsthal im Kreise Orteisburg
in Ostpreussen, f am 29. October 1897 zu Ftilme an der Weser im Kreise
Minden. — v. d. G. kam aus dem Kadettenkorps zu Berlin am 14. August
1834 in das dort gamisonirende Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment
und machte, nachdem er zur Schulabtheilung (jetzt Unteroffizierschule) zu
Potsdam und zur Handwerkersektion in Sömmerda, wo damals das Zünd-
nadelgewehr versucht und hergestellt wurde, kommandirt gewesen war, im
Jahre 1848 seinen ersten Feldzug mit. Es war der gegen Dänemark, in
welchem v. d. G. als Premierlieutenant am 23. April in der Schlacht bei
Schleswig focht. Im nächstfolgenden Jahre kämpfte er an der Spitze einer
Garde-Landwehr-Kompagnie gegen die Aufständischen in der Pfalz und in
Baden; seine dortigen Leistungen wurden durch die Verleihung des Rothen
Adierordens 4. Klasse mit Schwertern anerkannt. Im October 1851 ward er
zum Hauptmann befördert, im April 1857 als solcher in das Garde-Schtitzen-
ßataillon, die sogenannten Neufchateller Jäger, zu Berlin und im Mai 1858
als Major in den Generalstab versetzt, in welchem er verblieb, bis er, in-
zwischen Oberstlieutenant geworden, im Mai 1862 Bataillonskommandeur beim
2. Westfälischen Infanterie-Regimente Nr. 15 wurde. Der Stab des Regiments
stand in Minden und v. d. G. kam damit in eine Provinz, welche so recht
seine Heimath werden sollte. Dreimal war ihm vergönnt, mit jenem Regi-
mente in das Feld zu ziehen. Zum ersten Male geschah es im Jahre 1864,
wo er den Kampf um Düppel, sowie den Uebergang nach Alsen mitmachte
und den Orden pour le m^rite erwarb; zum zweiten Male 1866, jetzt als
Oberst und Kommandeur des Regiments. Beide Male stand er unter General
von Goeben, welcher 1864 sein Brigade-, 1866 sein Divisionskommandeur war.
Die von letzterem befehligten Truppen gehörten zur Mainarmee und mit diesen
focht V. d. G., zur Brigade Wrangel gehörend, mit grosser Auszeichnung, welche
durch die Verleihung des Eichenlaubes zum Verdienstorden Anerkennung fand,
bei Dermbach, Kissingen, Laufach, Aschaffenburg und Gerchsheim. Als so-
dann der Krieg gegen Frankreich ausbrach, war v, d. G. seit Jahresfrist General
und Kommandeur der aus seinem früheren und dem 55. Regimen te gebildeten
26. Infanterie-Brigade, welche zur 13. Division des VII. Armeekorps gehörte und
der I. Armee unter General von Steinmetz zugetheilt wurde. Schon der Nach-
mittag des 6. August gab dem General v. d. G. Gelegenheit zum Eingreifen
in den Kampf von Spicheren; eine ihm besonders günstig erscheinende aber
bot sich, als er, um die nämliche Tageszeit am 14. vor Metz auf Vorposten
befindlich, Bewegungen beim Feinde wahrnahm, welche dessen Absicht, auf
die Festung zurückzugehen, erkennen Hessen. G. schritt sofort zum Angriffe
und führte dadurch den Beginn der von der oberen Heeresleitung nicht beab-
6*
g^ von der Goltz.
sichtigten Schlacht von Colombey-Nouilly herbei. Sein Verfahren ist häufiger
gelobt als getadelt: fiir seine Brigade bedeutete es eine Einbusse von 40 Offi-
zieren und 988 Mann an Todten und Verwundeten, es war ein schöner aber
theuer erkaufter Erfolg. G. trug er das Eiserne Kreuz i. Klasse ein, nach-
dem ihm die 2. schon für Spicheren verliehen war. Auch am 18. bei Gra-
velotte kam seine Brigade zu verlustreichem Gefechte. Dann nahm sie an
der EinSchliessung von Metz und den ^dabei vorfallenden Gefechten theil.
Nach der Uebergabe der Festung verblieb das VII. Armeekorps zunächst in
der dortigen Gegend, G. aber wurde mit einer aus dem 30. und dem 34. In-
fanterie-Regimen te, dem 2. Reserve-Dragoner- und dem 2. Reserve- Husaren-
Regimen te nebst 18 Geschützen zusammengesetzten »Detachement Goltz« gen
Süden entsendet, wo er fortan unter dem Oberbefehle des Generals v. Werder
am Kriege theil nahm. Am 17. November dort eingetroffen, zuerst mit der
Beobachtung von Langres beauftragt, aber bald abberufen, um im freien
Felde verwendet zu werden, hatte er zuerst am 27. November lebhaften An-
theil an dem Gefechte bei Piques gegen Garibaldi's Vogesenarmee, schlug
dann, von einem beschwerlichen Marsche durch die C6te d'Or zurückgekehrt
und beauftragt in der Richtung auf Langres für die Sicherheit in den von
den deutschen Truppen besetzten Gebieten zu sorgen, einen Theil der durch
Franctireurs verstärkten Besatzung der Festung am 16. December bei Lon-
geau, wurde, als Anfang Januar Bourbaki's Angriffsbewegungen den General
von Werder bestimmten seine Kräfte zu sammeln, nach Vesoul herangezogen,
focht am 9. d. M. bei Villersexel, vom 15. — 17. in der dreitägigen Schlacht
an der Lisaine und sollte schliesslich nochmals gegen Langres verwendet
werden, als der Waffenstillstand den Feindseligkeiten ein Ende machte. Nach
Friedensschluss wurde er zum Inspekteur der Jäger und Schützen, im April
1873 aber zum Kommandeur der i. Division in Königsberg ernannt, ver-
tauschte die letztere Stellung, nachdem er im September d. J. zum General-
lieutenant befördert worden war, mit der nämlichen an der Spitze der 13. Di-
vision zu Münster, trat im März 1880 mit dem Charakter als General der
Infanterie in den Ruhestand und nahm nun, in Westfalen verbleibend, seinen
Wohnsitz, in dem Dorfe, welches sein Sterbeort werden sollte. Im September
1889 stellte ihn Kaiser Wilhelm II. gelegentlich der in der Provinz Westfalen
abgehaltenen Kaisermanöver ä la suite des einst von ihm geführten 15. Re-
giments.
Auch am politischen Leben hat General v. d. G. sich betheiligt. Als im
Jahre 1867 der konstituirende Reichstag des Norddeutschen Bundes in Berlin
zusammentrat, entsandte ihn der Wahlkreis Minden-Ltibbecke als seinen Ver-
treter dorthin, als darauf der ordentliche Reichstag gebildet wurde, fiel die
Wahl wiederum auf den Oberst v. d. G. und als dieser im Jahre 1869, weil
er zum General und zum Brigadekommandeur befördert worden war, sein
Mandat niederlegen musste, wurde ihm dasselbe von neuem übertragen.
Seiner eigenen Ueberzeugung folgend und im Einklänge mit der Mehrheit
seiner Wähler sass er dort auf der äussersten Rechten. Die Verehrung und
die Liebe, deren er sich im Mindenschen und im Ravensbergischen erfreut hatte,
kamen auch bei seinem am i. November zu Eisbergen, dem Pfarrdorfe für
Ftilme, erfolgten Begräbnisse zum Ausdrucke; sein Freund und Kriegsgefährte
von 1870, Pastor Friedrich von Bodelschwingh, hielt dabei die Trauerrede.
B. Poten.
von Kottwitz. von Holleben.
85
Kottwitz, Hugo von, Freiherr, Königlich Preussischer General der In-
fanterie, * am 6. Januar 181 5 zu Wahlstatt in Schlesien, f am 13. Mai 1897
zu Stuttgart. — v. K. trat am 6. Januar 1832 beim 11. Infanterie-Regimente,
dem jetzigen Grenadier- Regimen te Kronprinz Friedrich Wilhelm (2. Schlesi-
sches) No. II, als Dreijährigfreiwilliger in den Dienst und gehörte diesem
Regimen te an, bis er am 3. April 1866 zum Oberst und zum Kommandeur
des 4. Westfälischen Infanterie-Regiments No. 17 ernannt wurde, an dessen
Spitze er am 3. Juli in der Schlacht bei KÖniggrätz durch die Wegnahme
des Waldes von Bor nicht unwesentlich zur Entscheidung beitrug. Bei Aus-
bruch des Krieges gegen Frankreich zum Generalmajor und Kommandeur der
aus den Hanseatischen Regimentern No. 75 und No. 76 bestehenden 35. In-
fanterie-Brigade befördert, musste er zunächst des Küstenschutzes wegen dem
Kriegsschauplatze fem bleiben; als aber die Befürchtungen, welche die fran-
zösische Flotte wachgerufen hatte, sich als grundlos erwiesen hatte, rückte die
Brigade im Verbände der 1 7. Division, später zu dem dem Grossherzoge Friedrich
Franz II. von Mecklenburg-Schwerin unterstellten XIII. Armeekorps gehörend,
ebenfalls nach Frankreich ab, nahm vom 4. bis zum 10. September an der
Einsch^essung von Metz, alsdann bis zum 20. an der Belagerung von Toul
und schliesslich an der Cemirung von Paris theil, bis der Grossherzog am
IG. November mit einer ihm unterstellten Armeeabtheilung gen Süden ent-
sandt wurde, um einem nach dem Treffen von Coulmiers etwa von Orleans
gegen Paris gerichteten Angriffe zu begegnen. Nachdem dieser ausgeblieben
war und die Brigade Kottwitz inzwischen bei dem vom Grossherzoge in der
Richtung auf le Mans gemachten Luftstosse mitgewirkt hatte, bot sich ihrem
Führer am 2. December in der Schlacht bei Loigny-Poupry die geschickt
ergriffene und mit hingebender Tapferkeit benutzte Gelegenheit durch den in
einem kritischen Augenblicke unternommenen erfolgreichen, von ihm persön-
lich geleiteten Angriff auf Loigny und die standhafte Behauptung der gewon-
nenen Oertlichkeiten zur Entscheidung des Tages wesentlich beizutragen. Seine
Brigade hatte an Todten und Verwundeten 21 Offiziere und 423 Mann ver-
loren. An den schweren Kämpfen vom 7. bis zum 11. December, welche
mit dem Gesammtnamen der Schlacht von Beaugency-Cravant bezeichnet wer-
den, und an der durch sie herbeigeführten Abwehr von Chanzy's Versuchen,
die auf dem Kriegsschauplatze an der Loire bis dahin erlittenen Niederlagen
in Sieg zu verwandeln, hatten General v. K. und seine Hanseaten vollen An-
theil, nicht minder an dem schliesslichen Zurückwerfen dieses gefährlichen
Gegners auf le Mans und an der völligen Zertrümmerung seines Heeres. Mit
dem Eisernen Kreuze i. Klasse in die Heimath zurückgekehrt, wurde der
General am 14. Juli 1874 nach Württemberg kommandirt, um das Kommando
der 26. Division zu übernehmen und am 18. Januar 1875 zum Generallieute-
nant befördert. Am 22. December 1877 von dort abberufen und an die Spitze
der I. Division in Königsberg gestellt, erbat er seine Pensionirung, welche
am 5. Februar 1878 bewilligt wurde; gleichzeitig erfolgte seine Stellung zur
Disposition und am fünfundzwanzigsten Jahrestage von Loigny seine Charakte-
risirung als General der Infanterie durch Kaiser Wilhelm II.
B. Poten.
Holleben, Bernhard von, genannt von Normann, Königlich Sächsischer
General der Infanterie z. D., ♦ am 30. Juli 1824 zu Unter-Köditz bei König-
see im Fürsten thume Sqhwarzburg-Rudolstadt, f 11. October 1897 zu Dresden,
36 von Holleben, von Kraatz-Koschlau.
— V. H. beabsichtigte in den bürgerlichen Staatsdienst seines Heimathlandes
zu treten und hatte zu diesem Ende fast vier Jahre lang zu Jena studirt, als
die im Winter 1848/49 gemachte Bekanntschaft mit den zum Zwecke der
Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in Rudolstadt befindlichen Offizieren
des Königlich Sächsischen i. Schützen-Bataillons ihn veranlasste im Juni 1849,
als Portepeejunker in die Sachsische Armee zu treten. Er hatte damit in eine
Laufbahn eingelenkt, für welche seine geistigen und körperlichen Eigenschaften
ihn vorzüglich befähigten. Sie war daher eine besonders glänzende. Noch
im nämlichen Jahre zum Unter-, am i. Juni 1854 zum Oberlieutenant be-
fördert, 1856 bis 1858 zur Fortbildungsschule des Generalstabes, 1863/64 als
Adjutant zu dem Kommandeur der Bundes -Executionstruppen in Holstein,
General -Lieutenant von Hake, kommandirt, seit 1865 zuerst als Brigade-
adjutant, dann im Generalstabe verwendet, wurde er am 29. März 1866
in letzterem zum Hauptmann ernannt und bewährte sich im Böhmischen
Feldzuge dieses Jahres im Stabe der 2. Division unter General von Stieglitz
ganz vorzüglich durch Umsicht und Entschlossenheit, wie durch seine Fürsorge
für die Truppen und durch seine Gabe mit Menschen aller Art zu verkehren.
Die ihm gewordenen Ordensauszeichnungen erkannten die von ihm geleisteten
Dienste an. Bereits am 26. März 1867, also nachdem er ein Jahr lang Haupt-
mann gewesen, zum Major ernannt, wurde er alsbald zum Grossen General-
stabe nach Berlin kommandirt und kurz vor Ausbruch des Krieges gegen
Frankreich dort zum Militärbevollmächtigten, sowie zum Bevollmächtigten
beim Bundesrathe und zum Mitgliede der Bundes -Rayonkommission ernannt;
bei der Mobilmachung wurde er dem Generalstabe des Grossen Hauptquar-
tiers zugetheilt. In dieser Stellung trat er in den Augusttagen bei Metz durch
werthvolle Leistungen hervor, erwies sich hervorragend tüchtig, als er, bei
Ausscheidung der Maasarmee unter Kronprinz Albert von Sachsen, zum Ober-
kommando der letzteren abkommandirt war (auf dem Zuge nach Sedan und
in der Schlacht vom i . September), trat vor Paris zum Grossen Hauptquartiere
zurück und gehörte zum Schlüsse dem Oberkommando der Südarmee unter
dem General Freiherrn von Man teuffei an, welche die letzte feindliche Feld-
armee über die Schweizerische Grenze drängte. Das Eiserne Kreuz i. Klasse
war die werthvoUste unter den ihm verliehenen Ordensauszeichnungen. Nach
Friedensschi uss blieb er bis zum i. Juli 1873 in seiner früheren Stellung,
jetzt beim Deutschen Reiche statt beim Norddeutschen Bunde, in Berlin und
war darauf bis zum 6. Juli 1883 Chef des Generalstabes des XIL (Königlich
Sächsischen) Armeekorps. Inzwischen zum Generalmajor aufgerückt, übernahm
er alsdann das Kommando der 2. Infanterie-Brigade Nr. 46 zu Dresden, ver-
tauschte dieses am i. April 1887, zum Generallieutenant befördert, mit dem
der dortigen 3. Division No. 32, letzteres, nach Leipzig übersiedelnd, im Ja-
nuar 1889 mit dem der 2. Division No. 24 und trat am 22. Januar 1892
durch gichtische Leiden bewogen in den Ruhestand. Gleichzeitig zum General
der Infanterie ernannt, wählte er Dresden zu seinem Wohnsitze.
Militär. Wochenblatt No. 96, Berlin 27. October 1897.
B. Poten.
Kraatz-Koschlau, Alexander von. Königlich Preussischer General der
Infanterie z. D., * am 12. Februar 181 7 zu Wenneschin im hinterpommer-
schen Kreise Lauenburg, f am 12. September 1897 zu Friedenau bei Berlin.
— K. trat an dem Tage, an welchem er sein 17. Lebensjahr vollendete,
von Kraatz-Koschlau. Lobstein. gy
als Dreijährigfreiwilliger beim 4. Infanterie- Regimen te in den Heeresdienst,
wurde am 13. Februar 1836 Sekond-, am 12. April 1849 Premier-Lieutenant
und am 12. November 1852, nachdem er die Allgemeine Kriegsschule besucht
hatte und zum Topographischen Bureau, wie zur Gewehrfabrik in Sömmerda,
in welcher damals am Zündnadelgewehre gearbeitet wurde, kommandirt ge-
wesen war, als Hauptmann in den Generalstab versetzt. Diesem hat er, mit
einer vierjährigen, von 1853 bis 1857 dauernden, durch die Verwendung als
Kompagniechef bei dem zu Trier und Luxemburg garnisonirenden 30. In-
fanterie-Regimente ausgefüllten Unterbrechung, bis 1867 angehört. Im Jahre
1866 nahm er während des Krieges gegen Oesterreichs Verbündete als
Chef des Stabes der Mainarmee eine hervorragende Stellung ein, deren
Bedeutung im ersten Theil des Feldzuges, in welchem der Oberbefehlshaber,
General Vogel von Falkenstein, thatsächlich sein eigener Generalstabschef
war, nicht in gleichem Maasse zur Geltung kam wie unter dessen Nach-
folger, dem Generallieutenant Freiherm von Man teuffei. Die Leistungen des
Obersten v. K. in diesem Kriege wurden durch die Verleihung des Ordens
pour le mdrite anerkannt. Nach Friedensschluss trat er in die von ihm schon
seit 1863 bekleidete Stellung als Chef des Generalstabes des VII. Armeekorps
zurück, verblieb in derselben noch ein Jahr, erhielt dann das Kommando der
42. Infanterie-Brigade zu Frankfurt a. M., welches er 1869 mit dem eine be-
sondere dienstliche Befähigung erfordernden der 11. zu Berlin vertauschte,
und erhielt, inzwischen Generalmajor geworden, bei Ausbruch des Krieges
vom Jahre 1870 gegen Frankreich das Kommando der zum X. Armeekorps
unter General von Voigts-Rhetz und zur IL Armee des Prinzen Friedrich Karl
von Preussen gehörenden 20. Infanterie-Division. In der Frühe des 16. Au-
gust von Pont ä Mousson aufgebrochen und nach zwölfstündigem Marsche
bei Tronville auf dem Schlachtfelde von Vionville-Mars la Tour eingetroffen,
nahm die Division unter seiner Führung an den Schlusskämpfen des Tages und
demnächst an der Einschliessung von Metz Theil. Nach dem Falle der Festung
wurde General v. K. zunächst auf dem äussersten linken Flügel der nach der
Loire abrückenden IL Armee gegen Langres entsendet, aber schon so früh
an die letztere wieder herangezogen, dass er den Kämpfen von Ende Novem-
ber und Anfang December beiwohnen konnte, welche am 4. des letzteren
Monats zur Besitznahme von Orleans führten. Um die Jahreswende stand er
Chanzy gegenüber bei Vendöme am Loir. Bei dem alsdann erfolgenden Vor-
rücken gegen le Mans hatte die 20. Division wiederum den linken Flügel der
Armee. Unter nicht allzu schweren Kämpfen, aber mittelst anstrengender
Märsche langte sie am 12. Januar vor le Mans an und drang am Nachmittage
zuerst in die Stadt ein. Mit dem Eisernen Kreuze i. Klasse geschmückt,
kehrte General v. K. nach Friedensschlüsse in die Heimath zurück, erhielt
zunächst das Kommando der 12. Division in Neisse, vertauschte dieses schon
im Sommer 1871 mit dem der 16. in Trier, rückte am 18. August d. J. zum
Generallieutenant auf und wurde am 4. März 1879 in Genehmigung seines
Abschiedsgesuches und unter Verleihung des Charakters als General der In-
fanterie mit Pension zur Disposition gestellt. Nachdem sein Vater im Jahre
1857 geadelt worden, hiess er »von Kraatz-Koschlau«, bis dahin »Kraatz«.
B. Poten.
Lobstein, Friedrich Eduard, Arzt und Dichter, * am 3. December 1826
zu Strassburg im Elsass, f am 2. October 1897 zu Heidelberg. — Er ent-
88 Lobstein. Romann.
stammte einer alt-elsässischen Familie, war von Geburt zwar Franzose, aber
im Herzen ein guter Deutscher, der sich der Wiedervereinigung seiner Hei-
math mit dem deutschen Mutterlande (1871) aufrichtig freute. Sein Vater
war der als pathologischer Anatom und Gründer des anatomisch-pathologischen
Museums in Strassburg in der medicinischen Welt rühmlichst bekannte Pro-
fessor Johann Friedrich L., nach dessen frühem Tode (1835) ^^ ^^^ ^^^
Mutter in deren Heimath und Elternhaus nach Landau in der bayrischen
Pfalz übersiedelte. Hier empfing er im Hause seines Grossvaters, des Medi-
cinalraths Dr. Pauli, den ersten Unterricht, besuchte darauf die dortige Latein-
schule, absolvirte später das Gymnasium zu Speyer und bezog dann die Uni-
versität Heidelberg, um Medicin zu studiren. In Würzburg, wo er seine
Studien fortsetzte, promovirte er 1852 und bestand zwei Jahre später die
Staatsprüfung. Inzwischen hatte er zu weiterer Ausbildung Berlin, Prag, Wien
und Paris besucht und auch das bayrische Indigenat erworben, und so Hess
er sich denn 1854 in Landau als praktischer Arzt nieder. Lobstein's dich-
terische Productivität, die bis zum Jahre 1840 zurückreicht, gewann durch
die Schillerfeier (1859) höhere Weihe und reinere Form. Mit angeborener
Vorliebe für historische, archäologische und Kunststudien widmete er sich in
berufsfreien Stunden hauptsächlich den klassischen Dichtformen hellenischer
und römischer Vorbilder. Aus der Zeit einer italienischen Reise stammen
seine »Bilder aus Neapel« (1866). Nach dem Tode seiner Mutter gab L. im
Jahre 1872 seinen ärztlichen Beruf auf und zog nach Heidelberg, wo er sich
in seiner Villa am Schlossberge ein trauliches Heim schuf. Seine Müsse wid-
mete er in der Folge theils dem städtischen Gemeinwesen, theils schriftstelle-
rischer Production. Als Denkmale der Pietät veröffen dichte er zur Säcular-
feier der Geburt seines Vaters, dessen Marmorbüste bei dieser Gelegenheit
von der medicinischen Facultät zu Strassburg in dem Neubau des Museums
gestiftet wurde, die Biographie »Johann Friedrich Lobstein. Sein Leben und
Wirken« (1878), sowie jene seines Grossoheims »Joh. Friedr. Lobstein sen.,
ein Lehrer Goethe's in Strassburg. Nebst Anhang: Zur Geschichte des Bür-
gerhospitals in Strassburg« (1880). Seine patriotische und dichterische Be-
geisterung hatte durch die grossen Ereignisse von 1870 und 187 1 und ihre
Folgen, sowie durch den unvergleichlichen Reiz seiner neuen Heimath einen
mächtigen Impuls erhalten. So gab er denn unter dem Titel »In Musse-
stunden« (1880) eine Blüthenlese elegischer und lyrische^ Dichtungen heraus.
Persönliche Mittheilungen.
Franz Brummer.
Romann, Albrecht, Geistlicher und Dichter, * am 27. März 1850 in
Ziegenhals (Schlesien), f am 11. September 1897 in Liegnitz. — Sein Vater
stand im Dienste der Judenmission in Oberschlesien, starb aber früh mit
Hinterlassung zweier Söhne, von denen Albrecht der ältere war, ein unge-
stümer Geist, aber sehr begabt. Nach dem Besuche des Magdalenengymna-
siums in Breslau, studirte er in Tübingen und Berlin Theologie und gab noch
als Student zwei Bändchen lyrischer Gedichte, »Poetische Aphorismen« (1872)
und ein Drama »Attila« (1872) heraus. Im Jahre 1875 als Geistlicher ordi-
nirt, wurde er zunächst Pfarrvikar in Borsigwerk und 1876 Diakonus an der
Liebfrauenkirche in Liegnitz, wo er 21 Jahre in grossem Segen wirkte. Er
richtete u. a. eine Sonntagsschule ein, gründete einen Arbeiter-, einen Lehr-
lings- und Jungfrauenverein, veranstaltete öffentliche Vorträge und lieferte für
I
Romann. Semmig. 89
die Vereine manche poetische Gabe, von denen namentlich das kleine vater-
landische Festspiel »Bei Sedan« (1894), das er unter dem Pseudonym Albrecht
von Gaisenberg herausgab, in weitere Kreise gedrungen ist. Auch auf theo-
logischem Gebiet hat er verschiedene Fragen in selbständigen Broschüren be-
handelt. Er erlag einem Lungenleiden.
Nach Mittheilungen des P. prim. SeyfTarth in Liegnitä.
Franz Brummer.
Semmig, Friedrich Herman, Schriftsteller und Schulmann, * am 23. Juni
1820 zu Döbeln im Königreich Sachsen, f am 22. Juni 1897 in Leipzig. — Sein
Vater betrieb neben einem bürgerlichen Gewerbe etwas Landwirthschaft. Nach-
dem der Sohn den vorbereitenden Unterricht in der Ortsschule und privatim
durch einen Kandidaten der Theologie erhalten hatte, kam er 1833 auf die
Fürstenschule in Grimma und bezog Ostern 1839 ^^^ Universität Leipzig, an
welcher er drei Jahre Theologie studirte. Dann wandte er sich dem Studium
der Geschichte zu, um später die akademische Laufbahn einzuschlagen, und trat
deshalb in das historische Seminar des Prof. Wachsmuth. Sein Eintritt in die
Burschenschaft (1842) wurde für sein ganzes späteres Leben bedeutungsvoll,
indem ihn von nun an die politische Bewegung in ihre Kreise zog; von jetzt
ab erschienen auch viele seiner, die politisch-philosophische Bewegung ab-
spiegelnden Gedichte im »Komet« (Herlosssohn), in den »Rosen« (Rob. Hel-
ler) und den Hamburger »Jahreszeiten«. Im Jahre 1843 ward S. in die letzte
sogenannte Demagogenverfolgung verwickelt und musste eine dreimonatliche
strenge Haft erdulden. An der deutschkatholischen Bewegung betheiligte er
sich durch seine Broschüre »Schlesiens Reformirung und Katholisirung« (1845).
Nach seiner Promotion zum Dr. phil. warf er sich auf das Studium der socia-
len Frage; er war der erste in Sachsen, der die Verhältnisse vom socialisti-
schen Standpunkte aus, besonders in der »Trierschen Zeitung«, besprach, und
in seiner Broschüre »Sächsische Zustände nebst Randglossen und Leucht-
kugeln« (1846) seine socialistischen Anschauungen auf den Humanismus be-
gründete. In diesem Sinne war er auch als Redacteur politischer Blätter in
Döbeln, Leipzig und Rochlitz thätig. In Leipzig gründete er 1848 den »De-
mokratischen Verein« und vertrat denselben als Deputirter auf dem Congress
der demokratischen Vereine zu Pfingsten in Frankfurt a. M., auch war er
gleichzeitig Mitglied des von Robert Blum gegründeten »Vaterlandsvereins«.
Xach der Hinrichtung dieses Freiheitskämpfers veröffentlichte er »Robert Blum.
Episches Gedicht in 4 Gesängen« (1848). Im Mai 1849 betheiligte sich S.
an dem Volksaufstande in Sachsen, floh nach Unterdrückung desselben nach
Strassburg und gab noch in demselben Jahre die Broschüre »Handwerk bringt
keinen goldenen Boden. Erlebnisse eines Handwerkers« (1849) heraus. Im
Frühjahr 1850 von der Regierung des Prinz-Präsidenten nach Nancy und Ende
des Jahres nach Nantes verwiesen, durchzog er von hier aus Frankreich zu
Fuss von Ost nach West, Sitten und Gebräuche des Landes genau studirend,
und legte dann von 1851 an seine Beobachtungen und Ansichten in den
angesehensten deutschen Blättern nieder. Auch zwei dramatische Arbeiten
'Das Lied an die Freude« (1850) und 3^ Freitag« (1850) Hess er von Nantes
aus unter dem Namen Fr. Schmidt in Deutschland erscheinen. Im Sommer
1854 wurde S. Studienaufseher am städtischen Gymnasium zu Quimper, war
1855 — 56 Sekretär eines jungen Gelehrten in Paris und Hauslehrer einer
adeligen Familie in der Vendde, hielt sich seit dem Herbst 1856 als Privat-
QO Semxnig. Brahms.
lehrer in Nantes auf und erhielt 1858 auf Verwendung des Historikers Michelet
die Stelle eines Lehrers der deutschen Sprache am Staatsgymnasium zu Le
Puy in den Sevennen. Nachdem er dann im Herbst 1860 zu Paris das Exa-
men als Oberlehrer für lebende Sprachen bestanden hatte, wurde er als solcher
am Gymnasium zu Chambt!ry in dem eben annectirten Savoyen angestellt,
von wo aus er seine »Geschichte der französischen Literatur im Mittelalter«
(1862) veröffentlichte. Im Herbst 1862 an das Lyceum in Orleans berufen,
gründete er sich hier 1866 den glücklichsten Familienheerd, wurde aber,
trotzdem er das Civilbtirgerrecht in Frankreich besass, wie alle Deutschen
1870 ausgewiesen. Ueber die Bretagne, England und Belgien kehrte er nach
Leipzig zurück und erhielt hier bald darauf eine Stelle als Lehrer an der neu
begründeten höheren Bürgerschule fiir Mädchen, die er bis zu seiner Pen-
sionirung (1882) ver^'altete. Seitdem widmete er seine Müsse literarischen
Arbeiten. Von seinen späteren Schriften sind noch zu erwähnen: »Das Kind.
Tagebuch eines Vaters« (1876) — »Das Frauenherz. Lebensbilder und Dich-
tungen« (1879) — »Cultur- und Literaturgeschichte der französischen Schweiz
und Savoyens« (1882) — »Französisches Frauenleben« (1883) — »Evas Töchter
bis auf Luther's Käthe« (1883) — »Fem von Paris. Erzählungen und No-
vellen« (1884) — »Ein Genzianenstrauss. Novellen und Reisebilder« (1885'
— »Die Jungfrau von Orleans und ihre Zeitgenossen« (1885) — »Rhein,
Rhone und Loire. Cultur- und Landschaftsbilder« (1886).
Persönliche Mittheilungen.
Franz Brummer.
Brahms, Johannes, Componist und Pianist, * am 7. Mai 1833 zu Ham-
burg, Speckstrasse 60 (früher No. 24; das Taufjournal der St. Michaelskirche
in Hamburg nennt das Haus »Specksgang — Schlütershof«), f am 3. April 1807
zu Wien. — Die Familie war früher im Holstein'schen, noch früher im Han-
nover'sehen ansässig und schrieb sich abwechselnd Brahmst, Brahms, Brams,
Bramst. Der Vater Brahms', Johann Jakob Brahms (geb. i. Juni 1806 in
Heide im Holsteinischen), bevorzugte die erste Schreibung und hatte seinen
Namen in dieser Form auf seiner Stadtmusikerfirmatafel stehen, trotzdem in
seinem »Meisterbriefe« Brahms zu lesen war. Der junge Brahms kratzte das
t von der Tafel ab, auch wenn es der alte Herr wieder herstellen Hess. End-
lich gab der Vater nach und acceptirte auch seinerseits die Lesart » Brahms ä.
Vater Brahms war Contrabassist (zuerst am Carl-Schultze-Theater, später am
Stadttheater), spielte aber auch Cello und Hörn. In dieser Eigenschaft war
er Mitglied eines Sextetts, das im Sommer im Alster-Pavillon musicirte und
für das der junge Johannes Märsche und Tänze arrangirte, einmal sogar eine
Original - Composition geliefert haben soll. Die Mutter (Johanna Henrika
Christiana) war eine geborene Nissen aus Hamburg (geb. 1789, gest. 2. Febr.
1865) eine herzensgute, einfache Frau, an der Brahms zeitlebens mit grösster
Verehrung hing. Sie betrieb im Hause P'uhlentwiel 74, wohin die Familie
übersiedelt w^ar, eine kleine Handlung mit holländischen Waaren. Die Ehe
der Eltern war, wie es scheint, keine sehr glückliche; die Eheleute gingen
Anfangs der 60 er Jahre auseinander. Der alte Brahms heirathete nach dem
Tode seiner ersten Frau noch einmal, und zwar die Wittwe Caroline Schnack
(geb. Paasch, geb. 25. October 1824), die derzeit noch in Pinneberg im Hol-
steinischen bei ihrem Sohne Fritz aus erster Ehe lebt. An vollblütigen Ge-
schwistern besass B. eine Schwester Elisabeth (geb. 11. Februar 183 1, gest.
Brabms.
91
II. Juni 1892) und einen Bruder Friedrich (geb. 26. März 1835, gest. 5. No-
vember 1886), der gleich ihm Musiker wurde, längere Zeit in Amerika, später
aber in Hamburg lebte. — Vater Brahms unterrichtete seinen Sohn im Cello-
und Homspiele. Später übernahm ein Schüler F. Marxsen's, Cossel, den
l'nterricht im Clavierspiele, welchen dann Marxsen selbst fortsetzte, der über-
diess dem jungen Manne auch die vollständige theoretische Ausbildung an-
gedeihen Hess. Höhere Schulbildung genoss B. nicht; sein späterhin viel-
bewundertes allgemeines Wissen hat er sich durch Selbststudium angeeignet.
— Um zu dem schmalen Haushalte der Eltern etwas beisteuern zu können,
spielte B. in Hamburg, Bergedorf u. s. w. in Wirthshäuseni, Matrosenkneipen
u. dgl. Am 21. September 1848 gab Johannes sein erstes Concert, dem
iim 14. April 1849 ein erfolgreiches zweites folgte. Der im Mai 1898 ver-
storbene ungarische Geiger Ed. Remdnyi soll ihn um diese Zeit gehört haben,
engagirte ihn aber jedenfalls erst 1853 zu einer mehrwöchentlichen Concert-
reise durch Norddeutschland. 1850 machte B. einen Versuch, dem zufallig
in Hamburg weilenden Rob. Schumann einige Composirionen vorzulegen. Der
Meister fand aber keine Zeit, was Brahms veranlasste, sich später etwas zu
besinnen, ehe er Schumann — wie er glaubte — lästig fallen wollte. In
Weimar machte B. (1853) die Bekanntschaft Liszt's, der ihn mit Begeisterung
aufnahm und bei dem er mehrere Wochen dieses und des nächstfolgenden
Jahres zubrachte, in Göttingen diejenige Joachim's, der nun in ihn drang sich
Schumann vorzustellen. Dies geschah aber erst, nachdem Brahms (von Juni
1853 an) eine Zeit lang mit Joachim an der Göttinger Universität Vorlesungen
gehört, und in dessen Gesellschaft eine Reise in die Schweiz und an den
Rhein unternommen hatte. Ende September oder Anfang October 1853 er-
*irhien B. bei Schumann in Düsseldorf und erregte das grösste Interesse des
Meisters und dessen Frau. Am 23. October dieses Jahres veröffentlichte
Schumann seinen berühmt gewordenen Aufsatz »Neue Bahnen«, in welchem
er die musikalische Welt auf den genialen, jungen Künstler aufmerksam
machte. Die Wirkung war nur zum Theile die beabsichtigte. Viele sprachen
von Ueberschätzung und namentlich in der »Süddeutschen Musikzeitung«
vi 854 No. II u. s. w.) erschien eine, man kann sagen, vernichtende Kridk der
durch Schumann's Befün\'ortung bei Breitkopf & Härtel in Leipzig erschienenen
ersten Compositionen, den zwei ersten Ciaviersonaten des Es-moll-Scherzos
und des Liederheftes op. 3. Um mit Verlegern in P'ühlung zu kommen, war
B. nach Leipzig gereist, und trat daselbst am 17. December 1853 zum ersten
Male als Pianist und Componist auf. Kurze Zeit darauf (4. Januar 1854)
lernte B. in Hannover Bülow kennen, mit dem ihn lebenslange Freundschaft
verband. Auch Gade, Spohr, Marschner, Löwe und Anderen trat er persön-
lich mehr oder minder nahe. Der innigste Verkehr entwickelte sich aber
zwischen B., dem Ehepaar Schumann und Joachim. Nur zu bald sollte aber
das so verheissungsvoll begonnene Verhältniss getrübt werden. Am 6. Fe-
bruar 1854 stürzte sich Schumann in den Rhein und der zwar wieder ge-
rettete, aber geistesgestörte Meister musste am 4. März der P^ndenicher Anstalt
übergeben werden. B. stand nun der Familie in Allem und Jedem bei; auch
besuchte er Schumann öfter in der Heilanstalt und machte mit ihm Spazier-
gänge; seine Besuche wirkten wohlthätig auf Schumann ein und er stellte
dieselben erst ein, als das Ende herannahte. — Inzwischen war B. als Diri-
gent eines kleinen Chores und als Musiklehrer an den Hof von Detmold be-
rufen, woselbst er eifrig an seiner eigenen Ausbildung arbeitete und eine
92
Brahms.
Reihe seiner, nach 1859 edirten Compositionen (von op. 10 an) schuf. Er
gab die Stellung nach einiger Zeit auf und lebte in Hamburg, ebenfalls
Unterricht ertheilend und dirigirend; er und sein Bruder Friedrich hatten
jeder seinen Chor und B. benutzte diese Gelegenheit, um recht viel alter Chor-
musik kennen zu lernen. In der Sommerszeit weilte er entweder in der
Schweiz, wo er mit Gottfried Keller, Kirchner u. A. verkehrte, in Baden-
Baden, wo sich Klara Schumann — in Lichtenthai — angekauft hatte und
wo er mit A. Feuerbach, Turgeniew u. A. in Beziehung trat, in Bonn und
anderen Orten.
Es war fast still von B. geworden; da trat er am 27. Januar 1859 in
einem Gewandhaus-Concerte mit seinem gewaltigen D-moll-Concerte hervor,
das er ursprünglich als Sonate für 2 Claviere gedacht hatte. Das Stück
wurde ausgezischt. B. war aber nicht der Mann, sich nur einen Augenblick
irre machen zu lassen. In rascher Folge erschienen (1860 — 61) die beiden
Serenaden, der »ßegräbnissgesang«, die Frauenchöre mit Harfe und Hom.
Simrock, mit dem B. von da an in lebenslänglicher Verlagsbeziehung und
Freundschaft beharrte, erscheint da zum ersten Male als Verleger B.'scher
Werke. — Bald veröffentlichte B. das Sextett, das ihn zunächst unter den
Kammermusikspielem populär machte. 1862 folgte B.'s erste Reise nach
Wien, jenem Orte, der von jeher auf Musiker eine magische Anziehungskraft
ausgeübt hatte und bestimmt erschien, auch B.'s zweite Heimath zu werden.
Er hatte sowohl als schaffender, wie als ausübender Künstler grossen Erfolg
und sah sich von allen Seiten geehrt. Da die »Wiener Singakademie« ihm
das Amt eines Chormeisters übertrug, übersiedelte er in die Kaiserstadt, wo
er an Hanslick einen Freund und beredten Anwalt, an Hellmesberger einen
begeisterten Interpreten gefunden hatte. Bis 1864 leitete er die Conccrte
der »Singakademie« im grössten Style und brachte, mehr als je einer seiner
Vorgänger in Wien, die Bedeutung Seb. Bach's für die Chorcomposition zur
Geltung. Aus dieser Zeit datirt seine persönliche Bekanntschaft mit R. Wag-
ner, seine Freundschaft mit Taussig und Cornelius. Nachdem er seine Be-
ziehung zur Akademie gelöst, brachte er ein paar Jahre auf — meist mit
Joachim ausgeführten — Concertreisen zu, sich zeitweilig auch auf längere
Zeit an einem Orte (so 1865 in Karlsruhe) niederlassend. Ueberall stand er
im Mittelpunkte des Musiklebens. In Karlsruhe regte er die Wiederaufführung
von Mehul's »Uthal« an, betheiligte sich an der, von seinen Freunden Len
und Devrient geplanten Don-Juan-Bearbeitung, in Göttingen veranlasste er
Ph. Spitta, damals ein blutjunger Student, sich der Musikwissenschaft zu ^dd-
men. Nach Wien zurückgekehrt, dirigirte er von 1872 an die Concerte der
»Gesellschaft der Musikfreunde«, legte 1875 die Stelle wieder nieder, blieb
aber — bis an sein Lebensende — als Directionsrath an dem Institute thätig.
— In Wien hatte sich inzwischen der Kreis von Verehrern und Freunden
des Meisters immer mehr erweitert, der anfangs mit norddeutscher Schroffheit
Auftretende hatte allgemach gar Manches vom gemüthlichen Wesen des
Oesterreichers angenommen und sich an Familien und Einzelne angeschlossen.
Zunehmende Anerkennung auf künstlerischem Gebiete hatte ihm ausserdem
manche bittere Erfahrung seiner freudlosen Jugend, seiner durch zahlreiche
Umstände getrübten Jünglingsjahre vergessen lassen. Sein immer mehr wach-
sender Ruhm war hauptsächlich durch das »deutsche Requiem« begründet
worden, das 1865 — 67 nach Worten der heiligen Schrift componirt (in dieser
Hinsicht besitzt das B.'sche Werk einen Vorgänger in Heinr. Schütz* um 1636
Brahms.
93
auf den Tod Heinr. Postumus in deutscher Sprache componirten »Musikali-
schen Exequien«) zum ersten Male am lo. April 1868 im Dom zu Bremen
unter Rheinthaler's Leitung eine von durchschlagendem Erfolge begleitete
Aufführung erlebt und zur Folge hatte, dass sich das Werk rasch über ganz
Deutschland und Oesterreich, über die ganze musikalische Welt verbreitete.
Diese denkwürdige Aufführung war übrigens nicht die erste. Herbeck hatte
in Wien im zweiten Gesellschaftsconcert der Saison 1867/68 (am i. December
1867) die drei ersten Sätze des Requiems gebracht, deren zwei erste tiefen
Eindruck machten, während der dritte (mit dem grossen Orgelpunkte) auf die
Opposition verbissener »Zöpfe« stiess. — Bei der oben erwähnten Bremer
Aufführung fehlte noch der Satz: »Ich will Euch trösten«, der erst etwas
später componirt und dem Werke eingefügt wurde. — Wie mit einem Schlage
beleuchtete nun das Verständniss, welches das deutsche Requiem gefunden
hatte, so manches anscheinend Dunkle in den anderen Werken des Meisters,
die sich nun langsam Bahn brachen. Die beiden ersten Streichquartette, das
F-moll-Clavierquintett (componirt 1863, ursprünglich Streichquintett, später
auch als Sonate für zwei Claviere veröffentlicht), die beiden Ciavierquartette,
die Orchester -Variationen über ein Haydn'sches Thema (eines der tiefsinnig-
sten contrapunktischen Werke der ganzen Orchesterliteratur), die Alt-Rhapsodie
(Text aus Goethe's »Harzreise im Winter«, componirt 1869), namentlich aber
die Lieder erfreuten sich immer steigernder Bewunderung. Das Kriegsjahr
1870 begeisterte B. — der mit Leidenschaft an Deutschland hing — zu seinem
*Triumphlied«, das zahllose Aufführungen erlebte und einen fast dem Sieges-
zug des »Requiem« ähnlichen Erfolg hatte.
Gewaltiges Aufsehen erregte die Nachricht, B. werde mit einer Symphonie
hervortreten. Nur nähere Freunde wussten, dass er sich schon in den fünf-
ziger Jahren mit einem derartigen Werke beschäftigt hatte (im Sommer 1854
schrieb er eine Symphonie in D-moll), dass er mehr als einmal im Laufe der
Jahre immer wieder darauf zurückkam. Schon 1862 hatte B. (ungefähr um
die 2^it, als er mit seinen wundervollen »Magelone-Liedern« beschäftigt war)
seine C-moll-S)miphonie begonnen, die endlich, nachdem sie mancherlei Um-
gestaltung erlebt hatte, 1876 an die Oeffentlichkeit kam. Die erste Aufführung
leitete B. am 17. December in Wien. Wie so oftmals bei B. 'sehen Werken
war die Aufnahme keine solche, die auf auch nur annäherndes Verständniss
hätte schliessen lassen. — Als B. am Pulte erschien, umbrauste ihn tausend-
stimmiger Jubel; nach den einzelnen Sätzen war weit mehr Befremden als
Begeisterung aus den Mienen der Zuhörer zu lesen. Um so unmittelbarer
wirkten die zweite und dritte Symphonie, die ihre Erstaufführungen in Wien
unter H. Richter am 10. Januar 1878 und am 2. December 1883 erlebten. —
Das Violin -Concert, 1877 oder 1878 componirt, von Joachim in die Welt
eingeführt, wurde bald als hochbedeutendes Werk erkannt und ziert dermalen
die Programme der ersten Violinspieler. Es ist das dritte der grossen Con-
certe neben dem Beethoven'schen und Mendelssohn 'sehen. —
i88i (26. December) spielte B. bei den Wiener Philharmonikern zum
ersten Male sein zweites Clavierconcert, das jubelnd aufgenommen wurde und
vielleicht das vollendetste ist, was B. in symphonischer Form geschrieben hat.
Im selben Jahre schrieb er die »Nänie« zum Gedenken des Todes Anselm
Feuerbach's. Am 25. October 1885 dirigirte B. seine vierte Symphonie
zum ersten Male in Meiningen, woselbst er durch Bülow's Intervention zu
dem kunstsinnigen Hofe in Beziehung getreten war und hoch geehrt wurde.
o6 Brahms. Marm^.
er im grossen Style vorzutragen und — wenn er gut bei Stiinmung war —
elementar hinzureissen. Düftelei und Feinarbeit waren seine Sache nicht.
Als Mensch war B. einfach, treu und von unwandelbarer Charakterfestig-
keit, bei anscheinender äusserer Rauhheit eine weiche, innige Natur, von
grösster Herzensgüte. Zahlreiche Menschen hatten sich seiner werkthätigen
Hilfe zu erfreuen; Wohlthaten erwies er immer in der Stille und nie in klei-
nem Maassstabe. Er sah sich seine Leute an, gab aber dann reichlich. — In
früheren Jahren wortkarg, wurde er späterhin mittheilsam und konnte für einen
ebenso geistreichen als liebenswürdigen Gesellschafter gelten. Er sprach vor-
trefflich und würzte seine Rede mit überraschenden, oft ziemlich sarkastischen
Einfällen. In Gesprächen über Kunst vermied er es immer, seiner selbst zu
erwähnen.
Als Quellen zur Biographie B.'s sind zu nennen: H. Deiters, Joh. B. (Sammlung
musikalischer Vorträge No. 23, 24 und 63); H. Reimann, Joh. B. (Harmonie, Verlags-
gesellschaft für Literatur und Kunst, Berlin W. 8); A. Morin, Joh. B. (Bechhold, Frank-
furt a. M.); L. Ehlert, B. (Deutsche Rundschau 1880, Heft 9); Ph. Spitta, J. Er. (»Zur
Musik« S. 387, das Erschöpfendste und Gründlichste, was Über B. geschrieben wurde);
J. V. Widmann, Sicilien (Huber in Frauenfeld) und desselben Autors »J. B. in Erinne-
rungen« (Gebr. Paetel); Alb. Dietrich, »Erinnerungen an B.« (O. Wigand); Ed. Hans-
lick, »Aus meinem Leben« (Paetel) und zahlreiche Aufsätze in desselben Autors »Ge-
schichte des Concertwesens«, »Aus dem Concertsaal« und den verschiedenen Sammel-
werken; J. B. (Neujahrsblatt der Allgem. Musikgesellscbaft in Zürich 1898); M. Kalbeck,
»Neues über Brahms« u. s. w. —
Einen C atalog sämrotlicher Werke veröffentlichte N. Simrock in Berlin; alle von B.
componirten Dichtungen erschienen von Dr. G. OphUls gesammelt unter dem Titel
»Brahms-Texte« bei Simrock.
PortrSts. Ausser zahlreichen Photographien aus den verschiedensten Lebensaltern
(die besten aus der letzten Zeit von Brasch in Berlin und Skrivanek in Wien) existiren eine
von Laurent (1853) gefertigte Silberstiftzeichnung, Radirungen von Michaiek (Heck,
Wien), Unger (H. O. Miethke, Wien), Moriz v. Eyken (Rieter-Biedermann), Büsten von
Kundmann, Tilgner, Conrat und Fellinger, eine Medaille von ScharfT.
Monumente sollen in Wien, Hamburg und Meiningen errichtet werden.
Werke und Schriften s. BÖrsenbl. f. d. dtsch. Buchh. 1897. No. 95.
R. Heuberger.
Marm6, Wilhelm, ordentlicher Universitäts-Professor der Pharmakologie und
Geheimer Medicinalrath in Göttingen, * 19. Februar 1832 zu Dierdorf (Rhein-
pro v.), f am 27. Juni 1897. — M. studirte in Bonn, Heidelberg, Berlin und
Breslau und erlangte 1857 an letztgenannter Universität mit einer unter Jacob
Moleschott's, damaligen Privatdocenten in Heidelberg, Leitung verfertigten
Experimental- Untersuchung über die Wirkung des Lichtes auf den Verlauf
biologischer Vorgänge die Doctorwürde. Nach Ablegung der Staatsprüfung
1858 widmete sich M. speciell der Pharmakologie und habilitirte sich 1865 fiir
dieses Fach in Göttingen. Ausserdem las er noch über medicinische Elektri-
citätslehre und über Geschichte der Medicin. 1872 wurde er ausserordent-
licher, 1875 ordentlicher Professor, 1892 erhielt er den Titel als Geheimer
Medicinalrath. Seit 1875 ^^ ^^ gleichzeitig Director des Göttinger pharma-
kologischen Instituts. Seine zum Theil im Verein mit Theodor Husemann
und G. Meissner verfertigten literarischen Arbeiten haben besonders pharma-
cologische, physiologische bezw. physiologisch-chemische Untersuchungen zum
Gegenstande. Unter anderem veröffentlichte er Studien über die Digitalis,
über die physiologische Wirkung des gechlorten Schwefeläthers, über das
Verhalten des Salicins im Organismus. Die meisten dieser Detailstudien sind
Marme. Michael. Oertel.
97
in den Commentarien der Göttinger Societät der Wissenschaften publicirt.
Selbständig erschienen ein kleiner Grundriss, sowie ein grösseres Lehrbuch
der Pharmakognosie.
Pagel.
Michael, J., Laryngolog in Hamburg, * 1841 daselbst als Sohn eines
Arztes, f am 6. Januar 1897. — M. studirte anfangs die Rechtswissenschaften
und erst später die Heilkunde, mit besonderer Vorliebe Ohren- und Kehl-
kopfkrankheiten nach bestandenem Staatsexamen in Wien unter A. Politzer,
Urbantschitsch, Stoerk und Joh. Schnitzler. Bei letzterem war er lange Zeit
als Assistent thätig. Darauf Hess er sich in seiner Vaterstadt als ausübender
Specialist nieder und gewann allmählich eine stattliche Clientel. Zugleich
widmete er sich auch der wissenschaftlichen Thätigkeit und publicirte eine
Reihe von schönen Arbeiten, die besonders der therapeutischen Technik zu
Gute kamen. Er gab für die Operation der adenoiden Wucherungen eine
Doppelmeisselzange an, die sich lange Zeit grosser Verbreitung erfreute, femer
empfahl er zuerst die permanente Tamponade der Trachea, ein Instrument
zur Pharynxerweiterung u. v. a. Mehrere Arbeiten M.'s beziehen sich auf die
Physiologie der Sprache und des Gesanges, unter anderem lieferte er auch
eine deutsche Uebersetzung von Mackenzie^s bekannter Abhandlung aus dem
Englischen. 1881 empfahl M. zuerst die Benutzung der Kathodenstrahlen zu
medicinischen Zwecken. Uebrigens hat er auch auf ausserhalb seines Special-
faches liegendem Gebiete gearbeitet, so über die Behandlung der Gebär-
muttervorfälle oder das Anasarka, über die Therapie der Cholera, für die er
die Infusion empfahl. Auch schrieb er für das achtzigjährige Stiftungsfest des
Hamburger ärztlichen Vereins eine ausgezeichnete Geschichte desselben. Seine
letzte grössere Publication hatte die Behandlung der Mittelohreiterungen zum
Gegenstande. M.'s Tod erfolgte ganz plötzlich an Herzlähmung mitten in
seiner Thätigkeit in der Poliklinik des jüdischen Krankenhauses zu Hamburg.
Vergl. P. Heymann in Berl. klin. Wochenschr. 1897, Nr. 12.
Pagel.
Oertel, Max Josef , Laryngolog in München und bekannter Urheber
einer besonderen diätetischen Curmethode, * am 20. März 1835 zu Dillingen
in Bayern, f am 19. Juli 1897 als ausserordentlicher Universitäts-Professor der
Kehlkopfheilkunde. — O. studirte die Heilkunde und Naturwissenschaften in
München, war schon während der Studienzeit Assistent bei Karl v. Pfeufer
(seit 1860) und erlangte 1863 die Doctorwürde, in demselben Jahre die
Approbation als Arzt. Schon vorher hatte er begonnen sich unter Czermak's
Leitung mit der damals eben inaugurirten laryngoskopischen Untersuchungs-
methode vertraut zu machen. Diese Bemühungen setzte er auch nach seiner
Niederlassung als Arzt mit solchem Erfolge fort, dass er sich bereits 1867 für
das Fach der Kehlkopfheilkunde an der Münchener Universität als Privat-
docent habilitiren konnte, und zwar war O. der Erste, der in Süddeutschland
akademischen Unterricht in diesem Sonderzweig ertheilte. Schon 1876 er-
langte er das Extraordinariat, das er bis zu seinem Lebensende bekleidete.
0. war ein ausserordentlich fruchtbarer Schriftsteller und hat zur Pflege und
zum Ausbau seines Specialfaches nicht unwesentlich sowohl als Lehrer wie
durch zahlreiche literarische Publicationen beigetragen. Doch liegt seine
eigentliche Bedeutung nicht auf diesem Felde, vielmehr hat er sich ein ge-
Blogr. Jahrb. a. Deatacher Nekrolog. 2. Bd. 7
^S Oertel. Senfft von Pilsach. von Schacbtmeyer.
schichtliches Andenken durch die Empfehlung und Ausbildung einer beson-
deren Curmethode bei gewissen StoÜwechselerkrankungen gesichert, mit der
sein Name für ewig verknüpft bleiben wird. Es handelt sich um die bekannte
Entziehungscur, speciell bei Verfettungszuständen, Herzbeschwerden etc., nie-
dergelegt und rationell begründet in der Aufsehen erregenden Schrift »Therapie
der Kreislaufstörungen« (1884), sowie in dem populär geschriebenen Buch
»Terraincurorte«. Sehr bemerkenswerth ist femer O.'s Abhandlung über
Diphtherie (als Theil von Bd. II des grossen v. Ziemssen'schen Handbuchs
der speciellen Pathologie erschienen), worin er bereits die parasitäre Aetio-
logie dieser Krankheit mit grosser Entschiedenheit vertritt, wesentlich in An-
lehnung an die Theorie von Ferdinand Cohn. — Für das v. Ziemssen'-
sche Handbuch der allgemeinen Therapie bearbeitete er die respiratorische
Therapie.
Vergl. Biogr. Lex. hervorr. Aerzte IV, S. 409; Voss. Ztg. ▼om 19. Juli 1897.
Werke u. Schriften s. Börsenbl. f. d. Deutschen Buchhandel 1897, No. 176.
Pagel.
SenfFt von Pilsach, Friedrich Moritz Adolf, Königlich Sächsischer
General der Kavallerie z. D., ♦ am 4. October 181 6 zu Coburg, f am 15. De-
cember 1897 zu Dresden. — Seit 1829 im dortigen Kadettenkorps erzogen
und aus diesem am i. Juli 1832 dem i. leichten Reiterregimente Prinz Ernst
in Marienberg als Portdpdejunker überwiesen, 1833 zum Unter-, 1839 zum
Ober-Lieutenant befördert, ward er 1847 unter Ernennung zum Rittmeister dem
noch jetzt lebenden Prinzen Georg als militärischer Führer beigegeben, ein Jahr
darauf als Adjutant zum Prinzen Albert, dem nunmehrigen Könige, komman*
dirt, welchen er im Jahre 1849 auf den Schauplatz des Krieges gegen Däne-
mark begleitete, 1853 aber zum Major und zum Königlichen Flügeladjutanten
ernannt. Nachdem er sodann die Brautwerbung seines ftirstlichen Herrn um
die Prinzessin Carola von Wasa vermittelt und bis zum Jahre 1857 dem Hof-
staate des jungen Ehepaares angehört hatte, kehrte er als Stabsoffizier beim
3. Reiterregimente in den Frontdienst zurück, wurde 1863 Oberst und Kom-
mandeur des 2. Reiterregiments und 1865 Kommandeur der 2. Reiterbrigade,
trat nach kurzer Zeit, aus Gesundheitsrücksichten, vorübergehend auf Warte-
geld, aber schon bei Ausbruch des Krieges vom Jahre 1866 von neuem in
den aktiven Dienst, war während des böhmischen Feldzuges dem Oberkom-
mando der österreichischen Nordarmee beigegeben, ward bei Neugestaltung des
Sächsischen Heeres im Jahre 1867 an die Spitze der Kavalleriedivision berufen
und leitete deren Ueberführung in die veränderten Verhältnisse, wurde 1868
Generallieutenant und im December 1869 in Genehmigung seines Abschieds-
gesuches mit Pension zur Disposition gestellt. Als König Albert 1893 sein
fünfzigjähriges militärisches Dienstjubüäum feierte, verlieh er S. den Charakter
als General der Kavallerie. Dem Verstorbenen widmete sein früherer Zögling
Prinz Georg einen warm empfundenen Nachruf. Nach A. v. S. war sein noch
lebender Bruder Wilhelm Hugo gleichfalls Kommandeur der Königlich Säch-
sischen Kavalleriedivision.
B. Poten.
, Schachtmeyer, Hans von, Königlich Preussischer General der Infanterie,
♦ am 6. November 181 6 zu Berhn, f am 8. November 1897 zu Celle. —
Am 5. August 1833 aus dem Kadettenkorps dem 2. Garde-Regimente zu Fuss,
von Schachtmeyer. qq
in welchem auch sein Vater gestanden hatte, tiberwiesen, wurde er seiner tech-
nischen Befähigung wegen schon früh bei den Anstalten und Vorarbeiten ver-
wendet, welche sich mit der Einfuhrung einer verbesserten Handfeuerwaffe zu
beschäftigen hatten und aus deren Arbeiten darnach das Zündnadelgewehr
hervorging. Von 1841 bis 1846 war er zur Gewehrfabrik zu Sömmerda, ein
Jahr darauf zu den mit jener Waffe — - im Vergleich mit dem Thouvenin-
gewehre beim Garde -Reserve- (jetzt Garde -Füsilier-) Regimente angestellten
Versuchen kommandirt; sodann zur Artillerie -Abtheilung des Kriegsministe-
riums, wo er die Anweisung zum Schulschiessen mit dem Zündnadelgewehre
bearbeitete. Und von 1855 bis 1859 stand er an der Spitze der damals zu
Spandau errichteten Gewehr-Prüfungskommission. In dieser Stellung war er der
Berather des Prinzen von Preussen, der technische Vertraute desselben, und
wenn Jenem, dem nachmaligen Kaiser Wilhelm I,, das Verdienst gebührt, durch
entschiedenes Eintreten für das Zündnadelgewehr der preussischen Armee die
Waffe verschafft zu haben, welcher sie in den nicht lange nachher beginnenden
Kriegen einen grossen Theil ihrer Erfolge dankte, so darf dabei des Prinzen
treuer Mitarbeiter nicht vergessen werden, dessen Kaiser Wilhelm selbst bis
an sein Lebensende mit grösster Anerkennung und nie erlöschendem Wohl-
wollen gedacht hat. Nachdem die Ausrüstung mit der Waffe durchgeführt
war, wurde Seh., welcher 1852 zum Hauptmann im i. Garde -Regiment zu
Fuss befördert worden war, in diesem alsdann drei Jahre lang eine Kompagnie
gefuhrt hatte, 1856 zum Major, 1860 zum Obersdieutenant aufgerückt, bei der
Mobilmachung von 1859 Bataillons-Kommandeur im i. Garde -Regimente zu
Fuss und darauf Kommandeur des Lehr-Infanterie-Bataillons gewesen war, im
Jahre 1861 zum Oberst und zum Kommandeur des in Trier gamisonirenden
Hohenzollemschen Füsilier-Regiments No. 40 ernannt, dessen kriegsmässige
Ausbildung und innerliche Tüchtigkeit nun die stetig verfolgten und glücklich
erreichten Endziele seines dienstlichen Strebens wurden. Es war ihm jedoch
nicht vergönnt das Regiment in das Feld zu führen. Vielmehr wurde er bei
Ausbruch des Krieges vom Jahre 1866 unter Beförderung zum Generalmajor
zum Kommandeur der aus den Rheinischen Regimentern No. 30 und No. 70
bestehenden, zur Division Beyer gehörenden 32. Infanterie -Brigade ernannt,
an deren Spitze er den Mainfeldzug mitmachte; aber schon am 10. Juli im
Gefechte von Hammelburg wurde er, nachdem ihm ein Pferd unter dem Leibe
erschossen und er selbst durch mehrere Kugeln kontusionirt worden war,
durch einen Schuss in die rechte Hand kampfunfähig gemacht.
Nach Friedensschluss erhielt er das Kommando der neu aufgestellten
41. Infanterie-Brigade zu Frankfurt am Main, wo er unter schwierigen Verhält-
nissen sich bald grosse Beliebtheit und Vertrauen in weiten Kreisen erwarb, und
bei Ausbruch des Krieges gegen Frankreich, gleichzeitig zum Generallieutenant
befördert, das Kommando der 21. Infanterie-Division, deren Stabsquartier eben-
falls Frankfurt gewesen war. Schon am 4. August nahm die ihm unterstellte
41. Infanterie-Brigade am Treffen von Weissenburg namhaften Antheil und
am 6. d. M. kämpfte die ganze Division bei Wörth an einem der Brenn-
punkte der Schlacht, ohne dass jedoch ihr Kommandeur, wie vielfach im
Verlaufe des Feldzuges vorkam, zu einheitlicher Verwendung der ihm unter-
stellten Truppen gelangt wäre. Aehnlich war es bei Sedan, wo General v. Seh.,
nachdem General von Gersdorff tödtlich verwundet war, das Kommando des
XI. Armeekorps übernahm. Dieses Korps führte er sodann in die Einschlies-
sungslinie von Paris, von wo aber die zweite der zu demselben gehörigen
7*
lOO von Schacbtmeyer. von Stocken.
Divisionen, die 22. unter General von Wittich, sehr bald behufs anderweiter
Verwendung abberufen wurde. Zu besonderem Hervortreten gab ihm der
Aufenthalt vor Paris keine Veranlassung, da keiner der Ausfälle der Besatzung
sich gegen die ihm bei Versailles angewiesene Stellung richtete.
Nach der Heimkehr vertauschte er das Kommando der 21. mit dem der
8. Division zu Erfurt, wurde am 25. Mai 1875 ^^^ Gouverneur von Strass-
burg, wo die Verhältnisse viel Geschick und Arbeit erforderten, am 22. März
1876 zum General der Infanterie und am 26. Januar 1878, als man vielfach
seine Laufbahn im Hinblick auf seine Harthörigkeit für abgeschlossen hielt,
zum kommandirenden General des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-
korps ernannt, eine Wahl, welche sich als eine in jeder Richtung glückliche
erwiesen hat. Als er am 15. Mai 1886 in Genehmigung seines Abschieds-
gesuches zur Disposition gestellt worden war, nahm er seinen Wohnsitz zu
Celle, wo er eine verwittwete Schwester hatte; seine Leiche wurde zu Gk>tha
verbrannt. An äusseren Ehren wurden ihm, nachdem er aus dem Kriege von
1870/71 beide Klassen des Eisernen Kreuzes und den Orden pour le merite
zurückgebracht hatte, u. a. der Schwarze Adlerorden und aus Anlass des im
Jahre 1885 abgehaltenen Kaisermanövers die Ernennung zum Chef des Pom-
merschen Füsilier-Regiments No. 34 zu theil.
Militär. Wochenblatt No. 102, Berlin 17. November 1897.
B. Poten.
Stocken, Eduard von, Königlich Preussischer Generallieutenant z. D.,
* am 27. October 1824 zu Halberstadt, f am 24. October 1897 zu Hannover.
— St. war für den Beruf seines Vaters, das Postfach, bestimmt, als die Zeit-
verhältnisse ihn zum Soldaten machten. Am i. April 1847 ^^ Einjährig-
Freiwilliger beim 10. Infanterie-Regimente zu Breslau in den Dienst getreten,
nahm er, als Sekondlieutenant beim 3. Bataillone (Sorau) des 12. LAndwehr-
Regiments, im Jahre 1 849 an der Bekämpfung der Aufständischen in der Pfalz
und in Baden theil, ward, zu den Berufsoffizieren übertretend, mit einem Pa-
tente vom 15. August 1850 in das 14. Infanterie-Regiment eingereiht und ge-
langte schon am i. October 1851, durch seine Kommandirung als »Militäreleve«
zur Central-Tumanstalt in Berlin, zur Verwendung in einem Ausbildungszweige,
zu dessen Entwickelung und Vervollkommnung er demnächst in verschiedenen
Stellungen in so hohem Grade beigetragen hat, dass er mit Recht als der
Hauptbegründer der Militärgymnastik im preussischen Heere bezeichnet wor-
den ist. Nach einander Hilfs- und Müitärlehrer , seit dem Herbst 1863
Unterrichtsdirigent der genannten Anstalt, hat er derselben bis zum Jahre
1869 mit einigen Unterbrechungen — Kommandirung von 1854 bis 1858 zur
Divisionsschule in Erfurt und Theilnahme am Feldzuge des Jahres 1866 in
Böhmen, wo er eine Kompagnie seines oben genannten Regimentes führte —
fortwährend angehört. Zum Major aufgerückt, trat er am 18. Juni 1869 ^^
Bataillonskommandeur beim 3. Brandenburgischen Infanterie-Regimente No. 20
in die Front zurück und befehligte dieses sowie zeitweise auch das Regiment
im Feldzuge gegen Frankreich mit solcher Auszeichnung, dass ihm das Eiserne
Kreuz i. Klasse und der Adelstand verliehen wurden. Namentlich am
16. August 1870 ist er hervorgetreten. An der von Vionville nach Rezon-
ville ftihrenden Strasse hat er sich mit den Resten seiner Mannschaft bis zum
Abend behauptet und dann erklärte er sich »mit Freuden bereit«, bei dem
auf Befehl des Prinzen Friedrich Karl unternommenen nächtlichen Vorstosse
von Stocken. Sievert Simiginowicz-Staufe. lOi
mitzuwirken. Gleich vortrefflich waren seine Haltung urid^ seine Leistungen
im ferneren Verlaufe des Krieges. Namentlich bei dem' Schlussakte vom
Januar 1871, welcher zur Einnahme von le Mans führte. Am 6. Januar hatte
er im Gefechte von Azay eine leichte Wunde davongetragen. /Nachdem er
sodann bis 1873 der Besatzungsarmee angehört hatte, ward ihm\ril)6 zunächst
die Führung, bald darauf das Kommando des Grenadier-Regiments'Kronprinz
(i. Ostpreussisches) No. i zu Königsberg tibertragen, welche Stellung er am
12. März 1878 mit der an der Spitze des 3. Garde- Grenadier -Regiments
Königin Elisabeth zu Spandau vertauschte; im August 1882 wurde er Kom-
mandeur der 22. Infanterie-Brigade zu Breslau, am 12. Juni 1886 trat-*cr/in
den Ruhestand. Seit 1868 Major, seit 1873 Oberstlieutenant, seit 1876 Obeiisr,
seit 1882 Generalmajor, erhielt er bei dieser Gelegenheit den Charakter als
Generallieutenant. Er nahm nun seinen Wohnsitz zu Hannover. — »Die
Königliche Central-Tumanstalt zu Berlin« hat St. im vierten Beihefte zum
Militär-Wochenblatte vom Jahre 1869 geschildert; ausserdem sind vielfach
aufgelegt die von ihm verfassten »Uebungstabellen für den systematischen Be-
trieb der Militär-G)minastik«.
Militär. Wochenblatt No. 112, Berlin 18. December 1897.
B. Poten.
Sievcrt, Auguste, Schriftstellerin und Malerin, ♦ am 31. October 1824 in
Siegen (Westfalen), f am 4. Januar 1897 in Wettin a. d. Saale. Sie war die
Tochter eines Bergbeamten aus dessen zweiter Ehe und verlor ihren Vater
schon in ihrem siebenten Lebensjahre. Die Mutter siedelte nun mit ihren
vier Kindern nach ihrem Geburtsorte Wettin über, wo sie und auch ihre
Tochter Auguste bis an ihr Lebensende verblieben. Auguste betrieb mit
vielem Talent die Malerei und war längere Zeit Schülerin von Prof. Schirmer
in Dresden; namentlich in der Kleinmalerei von Blumen (Streumuster) offen-
barte sie viel Verständniss und grosses Geschick, doch kamen ihre Arbeiten
nicht über den Kreis ihrer Freunde hinaus. Auguste S. war verlobt mit dem
Prediger Wilhelm Ewerth in Wettin, doch starb der Bräutigam 1850 kurz vor
der Hochzeit; eine weitere Werbung hat sie abgelehnt und ist unverheirathet
geblieben. Bald nach diesem schweren Verluste griff sie zur Feder und
schrieb ihre ersten Erzählungen für das Nathusius'sche »Volksblatt für Stadt
und Land«. Ihre seiner Zeit viel gelesenen Schriften sind: »Ein Waisenkind.
Eine Erzählung« (1854); »Deutsche Heldensage« (1856); »Licht und Schatten
in eines Malers Leben« (1858); »Bilder aus dem Alltagsleben« (1860); »Ger-
tmd. Eine Erzählung« (1860); »Der grüne Winkel. Eine Erzählung« (1862);
*Drei Erzählungen für Kinder« (1864).
Nach Mittheilungen aus der Familie.
Franz Brummer.
Simiginowicz-Staufe, Ludwig Adolf, der erste deutsche Poet der Buko-
wina, * am 28. Mai 1832 in Suczawa in der Bukowina, f am 19. Mai 1897
in Czemowitz. — Er war väterlicherseits rutenischer, mütterlicherseits deutscher
Abkunft, erhielt seine Bildung in der Volksschule seiner Vaterstadt und in der
Unterrealschule zu Czemowitz, wo ihn der Ausbruch der Wiener Revolution
zu seinem ersten Gedicht begeisterte, das er unter dem Namen Adolf Sand
drucken Hess, und ging dann nach Wien, wo er als ausserordentlicher Hörer
Vorlesungen an der Universität besuchte. Als Lehramtskandidat kehrte er
• • •
I02 ***•. Sixniginowicz-Staufe. Zttndt.
1850 an die Untefrpalschule in Czemowitz zurück, wurde 1851 Zeichenadjunkt
an derselben ^stsdt und 1852 Lehramtskandidat an der Schottenfelder Real-
schule in Wi^n.*'"'Hier setzte er seine Studien an der Universität fort, war
auch für die '.verschiedensten Blätter journalistisch thätig. 1856 kehrte er in
die Heimaf.Wrück, wurde Supplent am Gymnasium zu Czemowitz und gab
hier vonff&siS bis Ende 1858 die »Familienblätter« heraus. Dann wurde er
Lehrer am* Römisch-katholischen Gymnasium in Kronstadt (Siebenbürgen) und,
nachdeihi er sich 1876 an der Universität Klausenburg die Lehrbefähigung für
Ges^hiclfte, Geographie und Deutsch für ungarische Mittelschulen erworben,
npcb**in demselben Jahre Hauptlehrer an der k. k. Lehrer- und Lehrerinnen-
bjjickingsanstalt in Czemowitz. Bald darnach zum Professor emannt, verblieb
- .Qr 'in dieser Stellung bis an seinen, nach längerer schwerer Krankheit erfolgten
^-. *Tod. — Als Dichter tritt uns S. entgegen in seinen »Hymnen« (1850), in dem
* •'■ «»Album neuester Dichtungen« (1852), in den »Heimatgrüssen aus Nieder-
'*.^ Österreich« (1855) und in dem mit Moritz Amster herausgegebenen »Poeti-
schen Gedenkbuch« (1875); ^ Uebersetzer lernen wir ihn kennen durch seine
»Romanische Poeten in ihren originalen Formen und metrisch übersetzt« (1864)
und durch seine »Kleinrussischen Volkslieder« (1888), als Sammler durch seine
»Volkssagen aus der Bukowina« (1885).
Persönliche Mittheilungen. — Bukowinaer Pädagogische Blätter. 25. Jahrgang. Czer-
nowitz 1897, S. 154.
Franz Brummer.
Zündt, Ernst Anton, Publicist und Dichter, * am 12. Januar 181 9 zu
Georgenberg bei Mindelheim im Algäu, dem zu Bayern gehörigen Theile
Schwabens, f am 2. Mai 1897 zu Jefferson City in Nordamerika. — Seinen
Vater, der die Feldzüge der bayerischen Armee unter Napoleon mitgemacht,
hatte er früh verloren, und so war er denn nach München in ein Seminar
gekommen, wo er seine Erziehung erhielt und daneben das Gymnasium be-
suchte. Auch seine Studien in Philosophie und Jurisprudenz machte er an der
Universität in München. Unmittelbar darauf Hess er ein Bändchen Gedichte
unter dem Titel »Einsame Stunden« (1842) ausfliegen, die den Automamen
»Emst Zündt, Freiherr von Kenzingen« tragen. Ueber die folgenden Jahre
seines Lebens schweigen die Biographen; sie berichten nur, dass sich die
Umstände für Z. in Deutschland ungünstig gestalteten, und dass er deshalb
1857 mit Frau und zwei Knaben nach den Vereinigten Staaten auswanderte.
In Greenbay, Wisconsin, gründete er zunächst eine Zeitung, die »Greenbay
Post« , gab dieselbe aber schon nach zehn Monaten wieder auf und siedelte
nach Milwaukee über, wo er Privatunterricht ertheilte und während eines
Winters die Stelle als Regisseur beim dortigen Stadttheater bekleidete. Später
redigirte er daselbst neun Monate den »Gradaus«, arbeitete eine Zeit lang am
»Herold« und »Banner« und nahm dann eine Stelle als Lehrer an den öflfent-
lichen Schulen an, die er drei Jahre lang bekleidete. Da indessen alle diese
Stellungen ihm keine dauernde, feste Position boten, so begab er sich nach
St. Louis, wo er drei Jahre lang als Mitarbeiter an der »Westlichen Post«
thätig war, und 1868 nach Jefferson City, der Staatshauptstadt von Missouri,
wo er bis 1876 deutschen Unterricht an den öffentlichen Schulen ertheilte.
Dann ging er wieder nach St. Louis zurück. Schwere Jahre der Heimsuchung
infolge von Krankheiten und anderen Unglücksfällen warteten hier seiner, und
schliesslich war er froh, einige kleine Beamtenstellen verwalten zu können.
Zttndt. Bender.
103
Von 1886 bis 1888 lebte er als Redacteur der »Freien Presse« in Minnea-
polis; dann zog er sich nach Jefferson City zurück, um in der Familie seines
Sohnes seinen Lebensabend zu beschliessen. — »Sein bestes Können tritt uns
in seinen episch-didaktischen Dichtungen entgegen, die alle in grossem Stile
abgefasst sind. Viele seiner Gedichte sind politischen Inhalts. Sonst erinnern
seine lyrischen Gedichte vielfach an Brentano und Heine; dieselbe Ironie und
Gracie auf der einen, und der volksthümliche Ton, sowie der geheimnissvolle
Hauch auf der anderen Seite.« Die Dichtungen Zündt's liegen in zwei Samm-
lungen vor, »Lyrische und dramatische Dichtungen« (1873), worin u. a. das
Originaldrama »Jugürtha« enthalten ist, und »Dramatische und lyrische Dich-
tungen« (1879), welche Sammlung u. a. die Märchendichtungen »Aschen-
brödel«, Domröschen«, »Eisfee« enthält.
Dr. G. A. Zimmermann: Deutsch in Amerika. Beiträge zur Geschichte der deutsch-
amerikanischen Literatur. 2. Aufl. Chicago 1894, S. 121. — New Orleans, Deutsche Zei-
tung Tom 10. Mai 1897.
Franz Brummer.
Bender 9 Hermann, Dr., Gymnasialrector, * am 13. Juni 1835 '" Usfeld
(im württembergischen Oberamt Besigheim), f am 21. April 1897 in Kirch-
heim unter Teck, vermählt am 10. October 1865 in Urach mit Clotilde von
Schramm. — Der Bietigheimer Lateinschule, dem niederen Seminare Blau-
beuren und dem Tübinger Stifte verdankte er seine Ausbildung. Das philo-
logische Studium in Württemberg schmachtete damals noch völlig in den Banden
der Theologie. So sah sich B. trotz entschiedener Hinneigung zu jenem ge-
nöthigt, sich gleichzeitig dieser zu widmen und die erste theologische Dienst-
prüfung zu erstehen. Dann aber wandte er sich ganz dem humanistischen
Lehrfache zu. Nachdem er kurze Zeit als Hauslehrer in Königsberg gewirkt
hatte, wurde er 1859 Repetent a:m Uracher Seminar, 1865 Präceptor in Geis-
lingen, 1868 Professor am Tübinger Gymnasium und 1881 Rector des Ulmer
Gymnasiums. Dieser letzte Wirkungskreis befriedigte ihn in so hohem Grade,
dass er damit nicht einmal die Leitung eines hauptstädtischen Gymnasiums
vertauschen wollte. Seine Verdienste wurden durch die Ertheilung des Titels
eines Oberstudienrathes anerkannt. Am 25. October 1895 setzte ein Schlag-
anfall seiner Thätigkeit unvermuthet ein vorzeitiges Ziel. Da sich die erhoffte
Besserung nicht einstellte, musste er sich in den bleibenden Ruhestand ver-
setzen lassen und siedelte, als ein völlig gebrochener Mann, im September
1896 nach dem freundlichen Städtchen Kirchheim am Fuss der schwäbischen
Alb über. Hier kam ihm schon nach einem halben Jahre der Tod als Er-
löser. — B. war unter den württembergischen humanistischen Schulmännern
der Gegenwart einer der bedeutendsten, gleich vorzüglich als Pädagoge wie
als Philologe. Mit seinem Tübinger Schulamte hatte er seit 1877 einen er-
folgreich durchgeführten Lehrauftrag für Gymnasialpädagogik an der Univer-
sität vereinigt. 1885 bis 1895 gehörte er der Prüfungskommission für huma-
nistische Lehrämter an und zeigte dabei gleichermassen ein seltenes examina-
torisches Geschick, Schärfe des Blickes, Milde des Urtheils. In durchaus
humanem und liberalem Geiste leitete er auch die ihm unterstellte Anstalt.
Er gab Lehrern und Schülern ein Vorbild treuer, aber nicht pedantischer
Pflichterfüllung, wusste die Autorität ohne strenge Massregeln aufrecht zu er-
halten und erwarb sich die Achtung aller, die zu ihm in irgend welche Be-
ziehungen traten. Im Unterrichte wirkte der vielseitig gebildete und geistig
bewegliche Mann stets anregend; sogar ein trockener Humor war ihm eigen^
X04 Bender. Beyttenmiller.
den man ihm auf den ersten Blick nicht zutrai^te. Für sein humanistisches
Ideal trat er mit grosser Entschiedenheit in Wort und Schrift ein: bei Ver-
sammlungen von Fachgenossen, in Schulreden, in Aufsätzen. Von seinen
Gymnasialreden veranstaltete er 1887 eine Buchausgabe; seine pädagogischen
Aufsätze legte er hauptsächlich im Correspondenzblatt fiir die Gelehrten- und
Realschulen Württembergs nieder, an dessen Redaction er Jahre lang betheiligt
war. Als klassischer Philologe umspannte er das ganze weite Gebiet dieser
Wissenschaft; doch that er sich namentlich als Latinist hervor, bezogen sich
seine schriftstellerischen Arbeiten vorzugsweise auf römisches Alterthum. Sein
anziehendes Hauptwerk »Rom und römisches Leben im Alterthum« erschien
1880. Ausserdem verfasste er: »Der jüngere Plinius nach seinen Briefen«
1872, »Grundriss der römischen Literatur -Geschichte« 1876, zweite Auflage
1889, »Anthologie aus römischen Dichtem« 1884, »Römische Geschichte im
Abriss« 1891.
Schwäbische Kronik vom 22. April 1897 (Mittagsblatt), Staatsanzeiger fflr Württem-
berg vom 23. April 18971 Neues Correspondenzblatt fttr die Gelehrten- und Realschulen
Württembergs 1897, Heft 5, S. 177 f.
Rudolf Krauss.
Beyttenmiller, Theodor, Dichter, ♦ am 2. Februar 1820 im wtirttem-
bergischen Oberamtsstädtchen Weinsberg, f am 27. December 1897 in Stutt-
gart. — B. wurde von Justinus Kemer, einem Freunde seines Vaters, der in
Weinsberg Präceptor war, aus der Taufe gehoben, und seine Mutter rühmte
sich, eine Grossnichte von Schiller's Mutter zu sein. So fehlte es an glück
liehen Vorbedeutungen fiir eine künftige Poetenlaufbahn nicht. Zunächst
fasste den Knaben das Leben hart ^n. Er verlor frühzeitig seine Eltern und
musste 1828 in das Stuttgarter Waisenhaus verbracht werden. Seit 1835
wurde er in dem damit verbundenen Seminar zum Volksschullehrer heran-
gebildet, wirkte sechs Jahre als Lehrgehilfe an verschiedenen Württemberg!-
sehen Schulen und begab sich 1845 ^^^^ *^^ Stuttgarter Polytechnikum, um
sich auf das Reall ehrer examen vorzubereiten, dessen zwei Theile er 1 848 und
1849 erstand. Daneben war er von 1846 — 1850 Erzieher der beiden Söhne
des Fürsten Gortschakoff, russischen Gesandten in Stuttgart, des nachmaligen
Kanzlers. Die folgenden Jahre (1850 — 1856) verlebte er als Hofmeister im
Hause seines Gönners, des Oberststallmeisters Grafen Taubenheim. Dann trat
er in den öffentlichen Schuldienst ein und wurde nach einigen kürzeren pro-
visorischen Verwendungen 1857 in Stuttgart definitiver Elementarlehrer, später
Reallehrer an unteren Klassen, zuletzt mit dem Titel eines Oberreallehrers.
1894 in den Ruhestand versetzt, verbrachte er seinen Lebensabend in Stutt-
gart, bis eine Herzlähmung sein plötzliches Ende herbeiführte.
Als Poet trat B. in jüngeren Jahren mit zwei lyrischen Sammlungen her-
vor: »Gedichte« (Stuttgart, bei C. F. Arnold, 1846) und »Maiglöckchen«
(Cannstatt, bei L. Bosheuyer, 1854). Er verfügt über beträchtliche Gewandt-
heit im Versemachen und weiss die Worte gut zu setzen, die poetischen Rede-
blumen geschickt zu verwenden. Während das erste Buch noch durch die
vielen unreinen Reime entstellt wird, haftet dem zweiten auch dieses formelle
Gebrechen nicht mehr an. In beiden finden sich unleugbar zahlreiche schöne
und gute Gedichte. Aber man wird nicht recht warm dabei. Des Dichters
Klagen und sein Jubeln, sein Liebesschmerz und seine Liebeslust vermögen
die Seele des Lesers nicht in sympathetische Schwingung zu versetzen. Der
ganze Ton dieser Poesie ist zu weichlich schmachtend, die ganze Stimmung
Beyttenmiller. MUller. Preyer. 105
zu feierlich ernst; vergebens sehnt man sich nach einem Tropfen schwäbischen
Humors. Vor allem aber vermisst man die Ursprtinglichkeit der Begabung.
Goethe'sche, Kemer'sche Reminiscenzen sind nicht selten, und auch da, wo
sich keine direkten fremden Einflüsse nachweisen lassen, kann man sich des
Eindrucks nicht erwehren, dass der Dichter Ureigenes nicht zu bieten habe.
Die späteren, nicht mehr gesammelten Erzeugnisse B.'s waren hauptsächlich
patriotische Gelegenheitsgedichte, die er zu nationalen Fest- und Gedenktagen
für Journale oder militärische Vereine verfertigte. Ausserdem gab er 1861
das Lehr- und Handbuch »Unsere alt- und mittelhochdeutschen Dichter«,
sowie mehrere lyrische Anthologien heraus. Auch sonst entfaltete er mannich-
fache literarische Thätigkeit, so als Mitarbeiter und eine Zeit lang als Theater-
referent des Stuttgarter Neuen Tagblattes und sechs Jahre als Redakteur der
Stuttgarter Frauenblätter. Im Uebrigen lebte der einfache Mann ziemlich
still und zurückgezogen dahin. Seine letzte öffentliche That war die keines-
wegs nothwendige Begründung eines Kemervereins in Stuttgart.
Franz Brttmmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neunzehnten Jahr-
hunderts, 4. Ausgabe, I, S. 119 f., Nekrologe, namentlich im Stuttgarter Neuen Tagblatt vom
28. December 1897.
Rudolf Krauss.
Müller, Wilhelm, ein jüngeres Mitglied des einst berühmten Gebrüder
Müller-Quartetts, ♦am i. Juni 1834 zu Braunschweig, f in der zweiten Hälfte
des Jahres 1897 in New York. — Er war der Sohn von Karl Friedrich M.,
des ersten Violinisten des einst berühmten Gebrüder Müller-Quartetts, welches
in den Jahren 1831 bis 1855 Europa in Erstaunen durch seine Leistungen
setzte. Das jüngere Gebrüder Müller-Quartett trat 1855 an Stelle des älteren,
als der Bratschist Theodor Heinrich Gustav mit Tode abging. Der Herzog
von Meiningen nahm es in seine Dienste und von hier aus unternahmen sie
alljährlich ihre Concertreisen. Als Karl, der erste Violinist, 1866 nach Wies-
baden ging, folgten ihm seine Brüder, sowie später nach Rostock; als aber
Wilhelm eine Anstellung als Solo -Violoncellist und Lehrer an der Hoch-
schule für Musik in Berlin erhielt, löste sich das Quartett auf. Wilhelm ver-
einigte sich mit Joachim, De Ahna und Schiver zu dem berühmten Quartette
in Berlin, trat auch öfter in Concerten auf und bewies sich nicht nur als
Virtuose, fiir den es keine technischen Schwierigkeiten giebt, sondern auch
als Künstler, der in den geistigen Gehalt der Werke eindringt und ihnen den
entsprechenden Ausdruck verleiht. Im Jahre 1879 ß^"g ^' ^^^^ Amerika.
Anfänglich machte er sein Glück im neuen Welttheil, doch bald verschwand
sein Name aus den Zeitungen und jetzt melden sie nur ganz kurz seinen
Tod. An Compositionen ist von ihm nichts bekannt geworden, doch gab
er 187 1 eine Reihe Transcriptiojien heraus für Violoncell und Pianoforte, die
sich durch eine geschmackvolle Auswahl als geschickte Bearbeitung erweisen.
Quellen: Hugo Riemann's Lexikon, Lessmann's Musikzeitung 1897, S. 641.
Rob. Eitner.
Prcycr, Thicny William, Physiolog in Jena und Berlin, * am 4. Juli
1841 zu Moss-Side (bei Manchester), f am 15. Juli 1897 in Wiesbaden. —
P. erhielt seine wissenschaftliche Vorbildung in London, Duisburg und Bonn,
studirte dann die Heilkunde und Naturwissenschaften in Bonn, Berlin, Wien,
Heidelberg und Paris (unter Max Schultze, Helmholtz, Carl Ludwig, Brücke,
io6 Preyer. Schleis von Lowenfeld.
du Bois-Reymond, Virchow und Claude Bernard), erlangte 1862 die philoso-
phische, mit der Abhandlung über Plautus impennis, 1866 die medicinische
Doctorwürde und 1867 in Bonn die Approbation als Arzt, nachdem er hier
schon seit 1865 als Privatdocent habilitirt war. 1869 erhielt er die Berufimg
auf den ordentlichen Lehrstuhl der Physiologie in Jena, den er bis 1888 be-
hielt, um dann aus Gesundheitsrücksichten Jena mit Berlin zu vertauschen.
Hier gehörte er bis zu seinem Lebensende dem Lehrkörper der Universität
an; doch hatte er in Folge schweren Nieren- und Leberleidens die letzte Zeit
in Wiesbaden zubringen und sich von jeder wissenschaftlichen Thätigkeit zu-
rückziehen müssen. P. gehört zu den bedeutenderen Physiologen bezw. Bio-
logen der Gegenwart und hat sich besonders dadurch ein grosses Verdienst
erworben, dass er die ihm im hohen Masse eigene Gabe der populären Dar-
stellung wissenschaftlicher Probleme verwerthete, die denn auch in seinen ebenso
zahlreichen als gediegenen Schriften zum treffenden Ausdruck kommt. Er gehörte
vor Allem zu den eifrigsten Vertretern des Darwinismus und hat durch Wort
und Schrift fiir dessen Popularisinmg und Verbreitung ebenso kräftig wie er-
folgreich gesorgt. Ebenso hat P. das Verdienst^ das Problem des Hypnotismus
in wissenschaftlich rationeller Weise begründet und aufgeklärt zu haben. P.
nahm sich ferner gewisser, die allgemeine Bildung, das Unterrichts-, Schul-
wesen, die Pädagogik etc. betreffenden Angelegenheiten an und förderte diese
durch populär-wissenschaftliche Veröffentlichungen im reformatorischen Sinne,
indem er besonders die Wichtigkeit der Pflege des deutschen Sprach- und
eines naturwissenschaftlichen Unterrichts gegenüber der sogenannten humani-
stischen Bildung in den Vordergrund zu rücken suchte. Diese Arbeiten lenk-
ten seine Aufmerksamkeit zugleich auf die Psycho-physiologie des Kindes, die
er in einer grösseren Monographie unter dem Titel »Die Seele des Kindes«
(1882) darlegte. Weitere Schriften P.'s betreffen Untersuchungsresultate über
die Wirkungen der Blausäure, über Blutfarbstoff, Blutkrystalle, die Ursache
des Schlafes (die er bekanntlich von der Anhäufung gewisser Ermüdungsstoffe
im Gehirn herleiten wollte, sodass die Milchsäure nach P. ein gutes Schlaf-
mittel sein sollte), über Farben- und Temperatursinn, akustische Unter-
suchungen (über die Lehre von der Konsonanz und die untere Grenze der
Tonempfindung), graphologische Studien, Elemente der reinen Empfindungs-
lehre, Elemente der allgemeinen Physiologie (mit einer kurzen geschichtlichen
Einleitung) u. v. A.
Vergl. Biogr. Lexion hervorr. Aerzte IV, S. 625; Voss. Ztg. vom 15. Juli 1897.
Werke u. Schriften s. Börsenbl. f. d. Deutschen Buchhandel 1897, No. 174.
Pagel.
Schleis von Löwenfeld, Max Josef, Geheimer Ober-Medicinalrath in
München, vormaliger Leib -Wundarzt des Königs Maximilian, ♦ am 7. Juni
zu Sulzbach als Sohn von Christoph Raphael S. (1772 bis 1852), f am
10. Februar 1897. — Seh. studirte an der Ludwig-Maximilians-Universität zu
München und erlangte daselbst 1832 die Doctorwürde mit der von der medicini-
schen Facultät vorher preisgekrönten Dissertation: »De viis proximis ad Organa
intus posita, quae in eorum passionibus inüammatoriis vel similibus patent me-
dico in usum sanguinis evacuationis«, wurde als Privatassistent von Philipp von
Walther in die Praxis eingeführt und war von 1833 — 1836 Assistent desselben
in der Klinik am städtischen allgemeinen Krankenhause (links der Isar) in Mün-
chen. Mit Hilfe eines Staatsstipendiums machte er darauf eine grössere wissen-
Schleis von Löwenfeld. Stark, von Wachholtz. 107
schaftliche Reise, wobei er die bedeutenderen Städte Deutschlands, femer Paris,
England, Holland und Belgien besuchte. Nach der Rückkehr Hess er sich in
München als Arzt nieder, verwaltete kurze Zeit eine Bezirksarmenarztstelle
daselbst und später nach dem Abgange Stromeyer's von München nach Frei-
burg interimistisch die Stelle alle Chefarzt der chirurgischen Klinik und der
Abtheilung für Augenkranke an dem oben genannten Krankenhause. 1840
wurde er zum Königl. Hofstabschirurgen, 1848 zum Königl. Hofstabsarzt er-
nannt, 1851 als Nachfolger des verstorbenen von Walther zum Leibchirurgen
von König Max II., nach dessen Tode er von Ludwig II. 1864 mit dem
Titel und Rang eines Königl. Ober-Medicinalraths und 1882 am 50jährigen
Doctorjubiläumstage mit dem Titel eines Königl. Geheimraths ausgezeichnet
wurde. Sph. war ein fruchtbarer Schriftsteller. Von seinen Schriften, deren
Verzeichniss in der unten angegebenen Quelle nahezu vollständig zu fmden
ist, nennen wir: »Die Lithotripsie in Bezug auf Geschichte, Theorie und Praxis
derselben u. s. w. (München 1838); »Die Lethalitätszustände der Verletzungen
in gerichtsärztlicher Beziehung« (ebenda 1844); »Skizze zu einem Lehrbuch für
eine allgemeine pathologische Anatomie« (ebenda 1847); *^^^ Symptomato-
logie und Therapie der Prostatakrankheiten« (ebenda 1858).
Vergl. Biogr. Lexicon hervorr. Aerzte V, S. 233.
Pagel.
Stark, Karl, Irrenarzt, * 1837, f als Director der vereinigten Irren-
anstalten Stephansfeld -Hoerdt und Kaiserl. Sanitätsrath. — St. studirte und
promovirte in Jena, erhielt 1862 die Approbation als Arzt, war eine Zeit lang
in der Heilanstalt Kenneburg, seit 1873 als zweiter Arzt, seit 1876 als Director
der erstgenannten Anstalten thätig, ftir deren Ausbau und Reformation er
mit Energie eintrat. Auch publicirte er u. A. 1871 die Monographie: »Die
psychische Degeneration des französischen Volks, ein irrenärztlicher Beitrag
zur Völkerpathologie«.
Pagel.
Wachholtz, Robert von. Herzoglich Braunschweigischer Generallieutenant
z. D., ♦ am 16. November 18 16 zu Braunschweig, f am 28. December 1897
ebenda, ein Sohn des 1841 verstorbenen, als Verfasser interessanter Aufzeich-
nungen über seine Erlebnisse in der altpreussischen Armee und in dem Korps
des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig bekannt gewordenen Gene-
rals von Wachholtz, k^ im April 1836 aus dem Kadettenkorps als Sekond-
lieutenant in das Leibbataillon und wurde 1840 zum Premierlieutenant be-
fördert. Nachdem er von 1841 bis 1846 als Lehrer an seiner Bildungsstätte
thätig gewesen war, besuchte er 1846/47 die Generalstabsakademie zu Han-
nover, nahm im Jahre 1848 als Generalstabsoffizier am Feldzuge des X. Deut-
schen Bundesarmeekorps in Schleswig theil und ward nach Beendigung des
Krieges als Hauptmann und Kompagniechef in das Infanterie-Regiment versetzt.
Während der Jahre 1849 bis 1867 wurde er theilweise im Frontdienste, theil-
weise im Generalstabe verwendet und war zum Oberstlieutenant aufgestiegen,
als die in Gemässheit des Eintrittes Braunschweigs in den Norddeutschen
Bund erfolgende Umgestaltung des Braunschweigischen Feldkorps seine Er-
nennung zum Kommandeur des Landwehrbezirkes Braunschweig II, unter
gleichzeitiger Stellung zur Disposition, veranlasste. Aus diesem Verhältnisse
berief ihn im April 1872 Herzog Wilhelm als Flügeladjutanten in seine nächste
I08 von Wachholtz. Weiss.
Umgebung, gleichzeitig wurden ihm die Geschäfte des Generaladjutanten und
die Inspektion des Gendarmeriekorps tibertragen, 1873 rückte er zum Oberst,
1881 zum Generalmajor auf. Nach des Herzogs am 13. October 1884 erfolg-
ten Tode blieb er in gleicher Verwendung bei dem Regenten des Herzogthums,
Prinzen Albrecht von Preussen, führte die Verhandlungen auf Grund deren
eine Militärkonvention mit Preussen abgeschlossen wurde und die Braun-
schweigischen Truppen im Jahre 1886 in den Verband des Preussischen
Heeres traten, und ward am 8. Mai 1889, unter Verleihung des Charakters
als Generallieutenant, zum Generaladjutanten des Prinzregenten ernannt. General
V. W., der letzte Träger der alten schwarzen Uniform, war eine in Stadt und
Land wohlbekannte Persönlichkeit; das Vertrauen und die Werthschätzung, deren
er sich in allen Kreisen der Bevölkerung erfreute, kamen unter Anderem in
seiner Ernennung zum Ehrenvorsitzenden des Braunschweigischen Landes-
verbandes und zum Ehrenmitgliede des Bürgervereins der Stadt Braunschweig
zum Ausdrucke.
B. Poten.
Weiss, Hermann, Königlich Preussischer Geheimer Regierungsrath und
Professor, ♦ am 2. April 1822 zu Hamburg, f am 21. April 1897 zu Berlin. —
W., ein hervorragender Kenner der Kostümkunde aller Zeiten und Länder,
war der Sohn eines hochangesehenen Schauspielers, mit welchem er, als dieser
an das Königliche Theater berufen wurde, schon im Jahre 1827 nach Berlin
kam. Der Vater bestimmte den Sohn für das Maschinenfach und dieser trat
daher, nachdem er die Schule verlassen hatte, 1839 zu Berlin bei einem
Mechaniker in die Lehre. Aber die Arbeit am Schraubstocke genügte dem
von Wissensdurst und von Enthusiasmus fiir die Kunst erfüllten Jünglinge
nicht lange, er vertauschte die Werkstatt bald mit dem Atelier und wurde
Maler. Für seinen neuen Beruf bildete er sich zunächst bei dem Geschichts-
und Bildnissmaler J. F. Otto, einem Freunde seines elterlichen Hauses, aus;
im Jahre .1843 bezog er die Akademie zu Düsseldorf. Neben der Ausübung
seiner Kunst betrieb er wissenschaftliche Studien; der Verkehr mit Männern
wie Kugler, Schnaase, Waagen u. A. wirkte leitend und fördernd auf seine
Bestrebungen. Eine grössere Reise, welche W. durch die Niederlande, Belgien,
Frankreich nach Italien und über München in die Heimat zurückführte, er-
weiterte seinen Gesichtskreis und bewog ihn nach der Heimkehr den Pinsel
mit der Feder zu vertauschen und sich ganz wissenschaftlicher Arbeit hinzu-
geben. Auf Kugler's Anregung hatte er das damals noch wenig angebaute
Gebiet der Trachten und Geräthe gewählt; ein Ergebniss seiner Forschungen
war seine »Geschichte der Kostümkunde«, von welcher 1853 der erste Band
erschien. Er verdankte ihr seine 1854 erfolgte Berufung als Lehrer des Kostüms
an die Akademie zu Berlin, 1855 folgte die Ernennung zum Professor. Dann
wurde er 1858 Direktorial-Assistent des dortigen Königlichen Kupferstich-
kabinets und 1873 Direktor desselben, legte dieses Amt jedoch, da es ihm
verleidet wurde, 1877 nieder. Dafür eröffnete sich ihm zwei Jahre später ein
Wirkungskreis, welcher seinen Neigungen und Fähigkeiten in hohem Grade
entsprach: er wurde als technischer Direktor an das Berliner Zeughaus be-
rufen, welches aus einem Aufbewahrungsorte für Waffen zu einer Ruhmeshalle
für das Heer umgeschaffen werden sollte. Bei der 1883 erfolgten Eröffnung
desselben wurde W. von Kaiser Wilhelm L, der dem Fortgange der Arbeit
— wie sein Sohn, der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm — mit grossem
Weiss, von Werder. Mitterwurzer.
109
Interesse gefolgt war und dieselbe eifrig gefördert hatte, zum Direktor des
Zeughauses, neben welchem ein General als Kommandant thätig w^ar, und zum
Geheimen Regienmgsrathe ernannt. Bis zum Jahre 1895 hat er sich mit
voller Hingabe seinem Amte gewidmet, dann trat er in den Ruhestand. Bis
an sein Ende hatte er sich körperliche und geistige Frische bewahrt.
Jenes Hauptwerk seines Lebens, die »Geschichte der Kostümkunde«, ist
in 2. Auflage nicht zum Abschlüsse gekommen. Die 1 881/1883 zu Stuttgart
erschienene 2. Auflage enthält im i. Bande das Alterthum, im ^. das Mittel-
alter.
B. Poten.
Werder, Hans von, Königlich Preussischer General der Infanterie z. D.,
♦ am 29. Juli 1834 zu Beuthen an der Oder, f am 6. November 1897 zu
Görlitz. — V. W., im Kadettenkorjjs erzogen und aus diesem am 27. April
1852 als Sekondlieutenant dem 19. Infanterie-Regimente tiberwiesen, besuchte
von 1858 bis 1861 die Allgemeine Kriegsschule, bezw. Kriegsakademie, ward
sodann, inzwischen Premierlieutenant gew^orden und im Februar 1861 zum
59. Infanterie-Regimente versetzt, zum Topographischen Bureau und zum
Generalstabe kommandirt, in welchen er, am 11. Februar 1865 zum Haupt-
mann befordert, im Mai 1866 einrangirt wurde. Den Feldzug dieses Jahres
machte er als Generalstabsoffizier bei dem zur Eibarmee gehörenden VIII. Ar-
meekorps in Böhmen mit, wo er an den Gefechten bei Hünerwasser und bei
Münchengrätz, sowie an der Schlacht bei Königgrätz theil nahm. Im October
1869 erhielt er eine Kompagnie im Mecklenburgischen Füsilier-Regimente
No. 90, kam aber nach Jahresfrist als Major in den Generalstab zurück, rückte
1870 mit der zuerst vom General von Glümer, dann vom General von Both-
mer befehligten 13. Division, welche zunächst bei Metz und dann im Süden
focht, von neuem in das Feld, kehrte mit dem Eisernen Kreuze i. Klasse
geschmückt heim und verblieb nun, abgesehen von einer Verwendung im
Kriegsministerium während der Jahre 1872 bis 1875, bis zum Februar 1880
im Generalstabe, zuletzt als Chef des Generalstabes des XV. Armeekorps zu
Strassburg. Schon 1877 zum Oberst aufgerückt, erhielt er alsdann das Kom-
mando des 7. Thüringischen Infanterie-Regiments No. 96 zu Altenburg, im
December 1883 als Generalmajor das der 50. Infanterie-Brigade zu Darmstadt,
im Juli 1888 als Generallieutenant das der i. Division zu Königsberg, ver-
tauschte die letztere Stellung im Juni 1891 mit der des kommandirenden
Generals des I. Armeekorps am nämlichen Orte, ward am 2. September 1892
zum General der Infanterie befördert und am 10. Januar 1895 in Genehmigung
seines Abschiedsgesuches mit Pension zur Disposition gestellt, worauf er seinen
Wohnsitz zu Görlitz nahm.
B. Poten.
Mitterwurzer, Anton Friedrich, Schauspieler; * am 16. October 1844
zu Dresden, f am 13. Februar 1897 zu Wien. — Er stammte aus einer
tirolischen Familie, der Grossvater lebte in den ersten Decennien des Jahr-
hunderts als Kanzlist zu Sterzing am Brenner, ein Bruder der Grossmutter,
Johann B. Gänsbacher, that sich als Student im Kriege von 1797 rühmlich
hervor, ward Kapellmeister zu St. Stephan in Wien und ein geachteter Kom-
ponist. Die Grossmutter selbst, eine tief religiöse Frau, war zweimal wahn-
sinnig, einmal im Jahre 1809 ^^^ ^^ Ende ihres Lebens, als achtzigjährige
HO Mitterwurxer.
Greisin. Von ihren Kindern, die sie in harter Armuth auferzog, verfiel eine
Tochter Ursula in späteren Jahren gleichfalls in Wahnsinn, sie glaubte sich
zu ewiger Verdammniss vorherbestimmt; ein Sohn wurde Geistlicher, zwei
andere Schullehrer, von diesen war der eine, Anton, Vater unseres M.; er
verliess bald den Lehrstand und widmete sich, wohl vom Oheim bestimmt,
der Musik, wurde ein berühmter Sänger und in den vierziger, fünfziger und
sechziger Jahren war er eine Zierde des Dresdener Hoftheaters. Im Alter
wurde auch er geisteskrank, starb 1876 im Irrenhaus zu Döbling bei Wien.
Er war verheirathet mit der Schauspielerin Anna Herold aus Basel, gleichfalls
am Dresdener Theater thätig, eine Schülerin Tieck's und selbst als dramatische
Lehrerin gerühmt, den schauspielerischen Theil der grossen Partien ihres
Mannes studirte sie mit ihm ein. Der Sohn Anton Friedrich zeigte als Knabe
kein anderes Interesse als für religiöse Dinge, die erste Communion er-
schütterte ihn so tief, dass er in einen Weinkrampf fiel, er ministrirte oft
beim Gottesdienst in der Dresdener Hofkirche. Erst spät erwachte die Nei-
gung für's Theater in ihm, vom Vater nicht gern gesehen, von der Mutter
doch begünstigt — sie studirte die ersten Rollen mit ihm ein. Von den
Schauspielern, die er in Dresden sah, machte nach seiner eigenen Erzählung
Emil Devrient den grössten Eindruck auf ihn, unbewusst wird er vielleicht
eine tiefere Wirkung von Dawison empfangen haben, wenigstens wollten später
solche, die sie beide kannten, eine grosse Aehnlichkeit zwischen beiden wahr-
nehmen. Nach seiner Angabe mit 18 Jahren — also 1862 — nach anderer
erst 1864, ging er zum Theater. Zuerst trat er zu Meissen in den Unglück-
lichen des Kotzebue in einer kleinen Liebhaber- und Naturburschenrolle auf
(Gustav Falk). In raschem Wechsel gehörte er dann verschiedenen Bühnen
an, bisweilen waren es Schmieren: in einer kleinen Stadt im Riesengebirge hatte
er 1 7 Thlr. preussisch Monatsgage, später setzte ihn der Director auf 1 2 Thir.
herab. Unter anderem war er in Liegnitz, in Plauen, in Breslau. In Hamburg,
unter Maurice, durfte er zum erstenmal eine ernste Charakterrolle, den Schul-
meister in der »Deborah« Mosenthal's spielen. Doch hatte er in solchen
Rollen meist keinen Erfolg, eher in komischen. Erst in Graz, wohin er 1866
kam, gefiel er auch in jenen, hier erhielt er nach und nach alle grossen
Helden- und Charakterliebhaberrollen. 1867 durfte er ein Gastspiel in Wien
geben, er trat — es war in der letzten Zeit der Direction Laube's — als
Hamlet, als Tellheim, als Petrucchio in der »Widerspenstigen Zähmung« und
als Hauptmann Posert im IfFland'schen »Spieler« auf. Als Tellheim fiel er
durch , über die andern Darstellungen gehen die Recensionen auseinander,
interessirt scheint er darin zum mindesten zu haben. Zu einem Engagement,
das er sehnlichst wünschte, kam es damals noch nicht, er kehrte nach Graz
zurück. Als aber Laube die Direction des Leipziger Stadttheaters übernahm,
rief er M. zu sich, er spielte nun auch in Leipzig grössere Helden- und
Charakterrollen, so den Posa, den Uriel Acosta, den Waffenmeister im Wild-
feuer, die Titelrolle in Gottschall's Heftog von Weimar, die er creirte, den
Bastard im König Lear. 1871 engagirte ihn Dingelstedt für's Burgtheater.
Seine Antrittsrollen waren: Moli^re in Gutzkow's Urbild des TartufFe, Be-
nedict in Viel Lärm um Nichts und Alba im Egmont. Mit einer Unter-
brechung von 8 Monaten (i. Jänner bis 31. August 1875) gehörte er nun
dem Burgtheater bis zum Juni 1880 an. Dann war er am Wiener Stadt-
theater, am Ringtheater (das am 8. December 1881 abbrannte) und wieder
am Wiener Stadttheater engagirt. Im Herbst 1884 übernahm er mit einem
Mitterwurzer. 1 1 1
gewissen Tatarczy die Direction des Carltheaters in Wien. Von 1886 bis
1894 reiste er ads Virtuose in Deutschland, Holland und Amerika. 1894
wurde er zum drittenmal am Burgtheater engagirt, seine Antrittsrollen waren
diesmal Mephistopheles, Wallenstein und der Derblay im Hüttenbesitzer. Er
starb nach kurzer Krankheit, die Todesursache wurde auch durch die Section
nicht mit voller Gewissheit bestimmt, wahrscheinlich (unfreiwillige) Vergiftung
mit chlorsaurem Kali, das er, anstatt es bloss als Gurgel wasser zu benutzen,
als Medicament genommen haben mochte. Zum letzten Mal trat er am
4. Februar 1897 als Musikdirector Bergmann in dem »Lustspiel« von Bene-
dix auf.
Während seiner ersten beiden Burgtheaterengagements spielte er haupt-
sächlich Episodenrollen: alte Väter wie den Attinghausen, den Borotin in der
Ahnfrau, den hundertjährigen Laroque im Verarmten Edelmann, Lebemänner
und Wüstlinge wie den Gianettino Doria, den Rosen in Mosenthal's Deutschen
Komödianten, ernste und heitere Liebhaber wie den Grafen Appiani, den
Heinrich Frank in Bauemfeld's Leichtsinn aus Liebe, den Fabrice in den
Geschwistern, den Professor Oldendorf in den Journalisten, den Gustav Theo-
dor und den Fritz in Töpfer's Rosenmtiller und Finke, Tyrannen wie den
Gessler, Intriganten und Bösewichter aller Art, so den Z^wisch in König
Ottokar's Glück und Ende, den Leonhard in Hebbel's Maria Magdalena, den
König im Hamlet, den Cardinal von Winchester im Heinrich VI., den Don
Juan in Viel Lärm um Nichts, den Jacob in Sheridan's Lästerschule, den
Livius Drusus in Wilbrandt's Gracchus, Fanatiker wie den De Santo im Uriel
Acosta oder den Erzherzog Ferdinand im Bruderzwist, Kraftmenschen wie den
Caesar, den Etzel in den Nibelungen, den Gunar in Ibsen' s Nordischer Heer-
fahrt, komische Chargen wie den Malvolio in »Was ihr wollt«, den Prinzen
von Mauretanien im Kaufmann von Venedig, den Baron Flichting in Töpfer's
reichem Mann, verlotterte Gesellen und verlorene Existenzen wie den Buch-
jäger im Erbförster, den Ramsdorf im Gefangnen von Benedict, eifersüchtige
Ehemänner, d^e ihre Ehre rächen wie den Herzog in Mosenthal's Parisina
oder den Grafen Angerolles in dem französischen Schauspiel Umkehr, feine
Diplomaten wie den Macchiavell im Egmont, schwankende Charaktere wie
den König Ekiuard im Richard III., den Leicester in der Maria Stuart,
Menschen von einer tief verhaltenen Empfindung, die nur einmal übermächtig
hervorbricht wie den Kammerdiener in Kabale und Liebe, den Lieutenant
Stahl in den beiden Klingsberg, einfache edle Menschen wie den Sultan im
Nathan, den Burgund in der Jungfrau, reine Repräsentations- und Sprecher-
roilen wie den Questenberg im Wallenstein, den Fürsten in Romeo und Julia,
den Bischof im Demetrius. Von ersten Partien wurde ihm ausser dem Moli^re
im Urbild des Tartuffe, den er beibehielt, anfangs nur der Fiesko zu Theil,
den Faust spielte er einmal als Aushilfe; in seinem zweiten Engagement durfte
er auch in grossen Zwischenräumen den Shylock, den Franz Moor, den Jago,
den Richard HI., den Marinelli, den Wurm, den Carlos im Clavigo, den König
Phihpp im Don Carlos, den Macbeth, den Mephistopheles, den Narciss, den
Lord Rochester in der Waise von Lowood spielen, den Caliban im Sturm
creirte er. Im Episodenfach von Publikum und Kritik fast durchaus als aus-
gezeichnet anerkannt (bisweilen ward ihm in solchen Partien der Haupterfolg
der ganzen Vorstellung zu Theil, so als Buchjäger im Erbförster), fand er
in Darstellungen des grossen Charakterfachs damals nur etwa als Jago und
als Caliban ungetheilten Beifall, in einigen wurde er geradezu zurückgewiesen,
112 Mitterwureer.
am entschiedensten sein Mephisto, den Speidel einen »grässlichen Hans-
wurst« nannte. Doch auch die, die ihn verurtheilten, gestanden zu, dass
er immer interessant sei und die junge Generation schwärmte für ihn.
Am Stadttheater spielte er meist Bonvivants und heitere Liebhaber, so den
Conrad Bolz in den Journalisten mit grossem Erfolg, von Charakterrollen den
Pfarrer von Kirchfeld und den Coupeau in der dramatischen Bearbeitung von
Zola's Assommoir. Am Carltheater zeigte er sich als tüchtiger Regisseur. Auf
seinen Wanderungen spielte er wieder alle grossen Rollen wie einst in Graz;
die Wildenbruch'schen Dramen und Ibsen, der erst in den achtziger Jahren
in das Repertoire der deutschen Bühnen kam, lieferte ihm neue, häufig mehr
interessante als dankbare Aufgaben. Der materielle Erfolg seiner Fahrten
war wechselnd und im Ganzen nicht sehr gross, er erzählt selbst, dass er
manchen Abend loo, 50, 12 Mark, ja gar nichts eingenommen hat, in Amster-
dam, wo er den Hamlet spielen wollte, kam gar niemand. In den Jahren
1891 und 1892 spielte er als Gast im Wiener deutschen Volkstheater den
Eugen Janikow in Sudermann's Sodoms Ende, den Theaterdirector Striese in
Schönthans Raub der Sabinerinnen, den Consul Bernik in Ibsens Stützen der
Gesellschaft, den Hjalmar in dessen Wildente, den Ramseth in Heiberg's
König Midas, diesmal Hessen ihn Publikum und Kritik mit wenigen Ausnahmen
als grossen Künstler gelten. In seiner letzten Periode, am Burgtheater,
1894 — 1897, spielte er neu den Giboyer in der öffentlichen Meinung und
im Pelikan von Augier, den Derwisch im Nathan, den Fox in Gottschall's
Pitt und Fox, den Bolingbroke in Scribe's Glas Wasser, den Präsidenten im
Urbild des Tartuffe, den alten Moor, den Müller in Raupach's Müller und
sein Kind, den Holofernes in Hebbel's Judith, komische Rollen in alten
Benedixstücken, wie den Doctor Wespe, den Doctor Hagen, den Musikdirector
Bergmann, er creirte den Reisenden Kessler in- Sudermann's Schmetterlings-
schlacht, den Allmers in Ibsen's Klein Eyolf, den Tabarin von Catulle Mend^s,
den Röcknitz in Sudermann's Glück im Winkel, die Titelrolle in der franzö-
sischen Posse der Ministerialdirector, zuletzt den Fechtmeister in Rostand's
Romantischen. Auch die Episode verschmähte er nicht ganz, sein »Herr«
in Schnitzler's Liebelei war wie aus dem Repertoire seiner Frühzeit. Rollen,
die er schon früher am Burgtheater gespielt hatte, schuf er ganz oder theil-
weise um, so den Richard III., den Franz Moor, am meisten den König
Philipp, am wenigsten den Mephistopheles. Auf einer Gastspielreise im Winter
1896 spielte er zum erstenmal (in Köln) den König Lear. In den heiteren
Rollen, wie als Conrad Bolz galt er nun ganz unbestritten als Meister, aber
auch die ernsten Charakterrollen spielte er nun selbst so strengen Kritikern
wie Speidel zum Dank: seinen König Philipp bezeichnete dieser einmal als
das Ereigniss des Abends, er überragte — so urtheilte er — alle anderen
Mitspielenden um Haupteslänge. Auch seinem Giboyer, seinem Tabarin und
Röcknitz spendete er hohes' Lob. Als Röcknitz entzückte er noch als
Fünfzigjähriger alle Frauen. Nur eine kleine Gruppe von Kritikern wider-
sprach, sie warfen ihm gewaltsames Missverstehen des Dichters, Auflösung der
Rollen in eine Masse oft unvermittelter Details, ja geradezu Haschen nach
groben Effekten vor, verwiesen ihn immer wieder auf die Episode und das
Genre der Benedix' sehen Lustspielhelden.
Er war ein grosser stattlicher Mann, die linke Schulter etwas in die
Höhe gezogen, der Gang häufig etwas vorwärts geneigt, wie zum Sprung aus-
holend, doch konnte er auch kerzengerade und steif sein. Der Mimiker war
Mittcrwurzer.
"3
in ihm dem Redner entschieden überlegen, sein machtvollstes mimisches
Mittel war das Auge, es war »nicht bloss auf künstliche Vergrösserung ange-
wiesen, sondern auch halbgeöfifhet wirksam, nicht von ruhigem Feuer leuch-
tend, sondern von zuckenden Blicken belebt«, es vermochte »in weitab ge-
wandter Ruhe ferne Tiefen und Höhen zu schauen«. Das Organ, in der
Mittellage nicht ganz voll und unrein, war doch vortrefflich für scharfe Aus-
einandersetzung, eindringliche Rede, Spott und Sarkasmus, er konnte durch
Dehnen und Zerren der Worte, durch plötzliche Uebergänge aus einer Höhen-
lage in die andere die mannichfachsten Effecte hervorbringen, am ergreifendsten
aber drückte er halb unterdrückte Bewegungen aus: durch Stammeln und
Lallen, ein unheimliches Flüstern, ein zitterndes Hervorpressen, ja Heraus-
würgen der Worte. Aber es wohnte ihm auch die Kraft inne, fiir einen Augen-
blick wenigstens auch das Furchtbarste und Aeusserste zu bezeichnen, die
Stimme konnte zum Donner anschwellen, das Wort sich wie ein Blitz in
einem wilden Aufschrei enüaden. Nur rein rhetorische und lyrische Wirkung
war ihr versagt.
Namentiich in der ersten Hälfte seiner Laufbahn erregte er durch seine
VerWandlungsfähigkeit Aufsehen, es bedurfte einer langen aufmerksamen Be-
obachtung, ehe man sicher sein konnte, ihn in jeder Rolle wieder zu erkennen.
In seinen letzten Jahren legte er auf die Maske scheinbar nicht mehr so viel
Werth: er Hess fast immer sein wirkliches Gesicht sehen, nur mit ganz leisen,
feinen Pinselstrichen deutete er die Verschiedenheiten an. Gemeinsam war
allen seinen grösseren Partien ein gewisser Grundton, wenigstens in einem
Moment trat er hervor, man empfing dann den Eindruck einer hochgradigen
Nervenerregung, die bisweilen die Grenzen des Wahnsinns streifte, ihre phy-
siologischen Symptome waren ein grelles Funkeln des Auges, ein eigenthüm-
liches Dehnen aller Körpermuskeln, die Gestalt schien über ihr gewöhnliches
Maass hinauszuwachsen, die Arme und Hände geriethen in fast chiragrische
Bewegungen, um zuletzt mit krampfhaft geschlossenen Fäusten in die senk-
rechte Lage überzugehen, convulsivische Schauer durchzitterten den I^eib, die
Stimme wurde oft erstickt von einem nervösen Lachen: alles dies dauerte
bisweilen nur einen Moment, war aber nie blosse Nachahmung, immer elemen-
tare Offenbarung innerer Exaltation.
Mit dem Schlagwort »realistisch« konnte seine Darstellungsweise nicht
charakterisirt werden. Eine natürliche, ungezwungene Sprechweise war im
Burgtheater im Lustspiel, im Schauspiel, in Prosa seit langem üblich, wahr-
scheinlich hat sie M. dort erst gelernt. Neu war er nur darin, dass er diese
natürliche Sprechweise auch in die Jambentragödie übertrug. Dabei zerpflückte
er freilich oft die Verse, aber weder im Ton noch in der Geberde verfiel er
in einen gemeinen Naturalismus, wie Speidel ihm nachrühmte: eine feinge-
zogene Linie trennte ihn stets von der gewöhnlichen Wirklichkeit.
Er war auch durchaus nicht etwa der Schauspieler der Moderne. Die
Ibsenstücke gaben ihm interessante Aufgaben, Sudermann ein paar wirksame
Rollen, von Hauptmann 'sehen Schöpfungen lag nur der College Crampton
innerhalb seines Gestaltungskreises. Im Ganzen war ihm, wie ein geistreicher
Beobachter einmal sagte, die Literatur nur Vorwand zur Vorführung seiner
Persönlichkeit, Benedix und Kotzebue waren ihm da eben so sympathisch,
wie Shakespeare oder Ibsen. Die letzte Rolle, die er studirte, war der Svengali
in dem Effectstück Trilby.
Im Leben hatte er. manche Seltsamkeiten. Auch seine kirchliche
Biogr. Jahrb. n. Dcutacher Nekrolog. 2. Bd. 3
1 1 4 Mitterwurxer. Wasserfuhr.
Frömmigkeit rechnete man zu diesen, in jüngeren Jahren trug er sie wohl
mit etwas Exaltation zur Schau, später aber nicht. Häufig hatte er Anfälle
von tiefer Melancholie, wie von Verzweiflung, hielt sich fiir erblich belastet
und fürchtete auch wahnsinnig zu werden, wie Grossmutter, Tante und Vater.
Auch war er in seinen letzten Jahren immer in Angst, dass er im Alter in
Noth gerathen könnte, er lebte sehr zurückgezogen und sparsam.
Auch als dramatischer Schriftsteller hat er sich versucht und eine Reihe
von possenhaften Einactem geschrieben, von denen mehrere aufgeführt worden
sind (Ein Sieg der Geschichte, Strohfeuer, Ein Hausmittel, Der liebe Cousin);
er legte selbst keinen Werth auf die Producte. Dagegen hat er als Vorleser,
besonders von Kindermärchen, in den letzten Jahren seines Lebens sehr grosse
unbestrittene Erfolge. Als er starb, bezeichneten ihn viele als den grössten
deutschen Schauspieler der Gegenwart, Speidel schrieb: »M. ist nicht zu er-
setzen, grosse Schauspieler sind so selten wie grosse Dichter«.
Zur Familiengeschichte M. 's siehe Do man ig, Von der Grossmatter Friedrich Mitter-
wurzer' s. Reichswehr vom 27. Februar 1897. — Ueber seine Jugendzeit in Dresden siehe
einen Aufsatz im Wiener Tagblatt vom 14. Februar 1897. Eine Episode erzählt er selbst
in einem Beitrag des Decamerone des Burgtheaters (1880). Ueber die Grazer Zeit finden
sich einige Mittheilungen seines damaligen Directors K reib ig im Neuen Wiener Tagblatt
vom gleichen Datum. Ueber die Leipziger Zeit einiges in Laube's Norddeutschem Thea-
ter, Ueber seine Wirksamkeit im Wiener Stadttbeater R. Tyrolt, Chronik des Wiener
Stadttheaters a. v. O. Siehe ferner Wlassack, Chronik des Hofburgtheaters (1876). —
Die Monographie E. Guglia's, Friedrich Mitterwurzer (1896) giebt viele biographische
Einzelheiten, die der Verf. von M. selbst hatte, doch sind sie trotzdem nicht verlässlicb,
wie denn z. B. das Geburtsdatum nicht richtig gegeben ist; der Werth des Baches besteht
vielmehr darin, dass darin mehr als 50 Darstellungen Mitterwurzcr's aus den Jahren 1874
bis 1895 ausführlich geschildert werden. Zur Ergänzung dient die Recension J. Minor' s
in den Biographischen Blättern II, 2, und von Weilen 's in den Dramaturg. Blättern 1896,
der Nekrolog L. Speidel 's in der Neuen freien Presse vom 21. Februar 1897, der Auf-
satz von F. Gross über M. als Vorleser im Fremdenblatt vom 2. Februar 1895, die Er-
innerungen an Fr. Mitterwurzer von E. Guglia ebenda am 12. Februar 1898 und desselben
Verfassers, Mitterwurzer Redivivus in der Wiener Rundschau vom i. Mai 1898. — Nach
M.'s Tode sind auch mehrere Gedichte erschienen, die als Beiträge zu seiner Charakteristik
dienen können, so von F. Dorm an n in der Neuen freien Presse vom 14. Februar 1897,
von Guglia in der Wiener Rundschau vom i. März 1897 und von Hofmannsthal ebenda
am I. Mai 1898. Ein gutes Bild aus seinen letzten Jahren ist der Monographie £. Guglia's
beigegeben.
£. Guglia.
Wasserfuhr, Hermann, Hygieniker, zuletzt in Berlin, * am 14. Juli 1823
zu Stettin als ältester Sohn des verdienten Militärarztes (1787 — 1867), f am
16. Juli 1897. — W. studirte in Halle, Bonn und Berlin und erlangte am
letztgenannten Orte 1845 ^^^ Doctorwürde. Darauf machte er eine wissen-
schaftliche Reise mit längerem Aufenthalt in Prag und Wien, wo er die Kli-
niken von Oppolzer, Pitha, Arlt und Hamemjk besuchte. 1846 liess er sich
als Arzt in Stettin nieder, war während der Cholera-Epidemien von 1856 bis
1857 städtischer Leichenschauarzt, seit 1858 Kreiswundarzt des Stettiner Stadt-
und des Randow'schen Kreises, 1 866 während der Cholera-Epidemie dirigirender
Arzt des städtischen Cholera-I^azareths in Petrihof. Während des Krieges von
1870/71 wirkte er hauptsächlich als Führer und dirigirender Arzt eines Eisen-
bahn-Lazarethzuges bei der Evacuation der Verwundeten und Kranken aus
Frankreich nach Deutschland mit. 1871 erhielt W. den Auftrag zur Reorgani-
sation des Medicinalwesens in Elsass-Lothringen, siedelte nach Strassburg über
und wurde 1872 zum Regierungs- und Medicinalrath , 1879 zum Ministerial-
Wasserfuhr. Wclcker.
"5
rath in dem neugebildeten Ministerium für Elsass-Lothringen ernannt, schied
aber 1885 aus und siedelte nach Berlin tiber, wo er seit 1886 mehrere Jahre
lang das Amt eines Stadtraths bekleidete. W., der übrigens auch in seinen
militärärztlichen Stellungen bis zum Rang eines Generalarztes (1886) empor-
gerückt war, hat sich um die wissenschaftliche, schriftstellerische und prakti-
sche Pflege der öffentlichen Hygiene grosse Verdienste erworben. Er gehörte
1868 zu den Mitbegründern der deutschen Vierteljahrsschrift für öffentliche
Gesundheitspflege, für die er eine grosse Zahl von Abhandlungen und kriti-
schen Beiträgen lieferte. Femer gab er selbst ein »Archiv für öffentliche
Gesundheitspflege , in Elsass-Lothringen« (9 Bde., Strassburg 1876 — 1884) her-
aus und schilderte in 4 Bänden den Gesundheitszustand in Elsass-Lothringen
während der Jahre 1879 — 1882. Dazu kommen zahlreiche Publicationen in
anderen Zeitschriften, wie Berliner klinische Wochenschrift, Deutsche medici-
nische Wochenschrift, Deutsche Medicinal-Zeitung u. A. Ein Verzeichniss findet
sich in der unten angegebenen Quelle.
BioCT. Lex. hervorr. Aerzte VI, S. 200. -. ,
Pagel.
Wclcker, Hermann, Anatom und Anthropolog in Halle, ordentlicher
Universitäts- Professor, Director des anatomischen Instituts daselbst, ♦ am
8. April 1822 in Giessen, f am 12. September 1897 zu Winterstein im Herzog-
thum Gotha, wohin er sich zuletzt zurückgezogen hatte. — W. entstammte
einer ansehnlichen Gelehrtenfamilie; er war Neffe des Alterthumsforschers
Gottiieb Welcker, des Mitbegründers der alten Bonner Philologenschule, und
des freisinnigen Politikers und Publicisten Karl Theodor Welcker, Mitheraus-
gebers des »Staatslexicons«. Seine Studien begann W. in Bonn 1841 und
beendigte sie in seiner Vaterstadt, wo er 1851 die Doctorwürde erlangte, von
1850 — 1853 Assistent an der medicinischen Klinik war, 1853 sich für Ana-
tomie habilitirte und 1855 Prosector wurde. 1859 folgte er einem Ruf als
Prosector und Extraordinarius nach Halle, erlangte hier 1866 die ordentliche
Professur der Anatomie und war seit 1876 als Nachfolger von A. W. Volk-
mann auch Director des anatomischen Instituts, eine Stellung, die er bis zu
dem kurze Zeit vor seinem Tode aus Gesundheitsrücksichten erfolgten Rück-
tritt verwaltete. W. gehörte zu den verdientesten und vielseitigsten medicinisch-
naturwissenschaftlichen Forschem der Neuzeit. Das weit über 50 Nummern
betragende Verzeichniss von W.'s schriftstellerischen Arbeiten in der unten
genannten Quelle lehrt, dass W.*s Productivität den verschiedensten Gebieten
zu Gute gekommen ist: Optik, Mikroskopie, Histologie, Biologie, Anatomie,
Anthropologie und Ethnologie und dazu noch verschiedenen anderen Zweigen
des menschlichen Wissens. Wir heben vor Allem die schönen Arbeiten über
»Schiller's Schädel und Todtenmaske nebst Mittheilungen über Schädel und
Todtenmaske Kant's« (Braunschweig 1883), über den »Schädel Raphael's und
die Raphaelporträts« (Archiv für Anthropol. XV), über den »Schädel Dante's«
(Anthrop. Review 1867) hervor. Die Mikroskopie förderte W. durch Angabe
von Methoden zur Ausmessung des senkrechten Durchmessers mikroskopischer
Objecte und zur Unterscheidung der Erhöhungen und Vertiefungen in mikro-
skopischen Präparaten, durch Construction eines Zahlenmikrometers. Die Phy-
siologie verdankt W. wesentliche Bereicherungen in der Blutlehre; so ver-
besserte er u. A.: die Vierordt*sche Methode der Blutkörperchenzählung,
lieferte Modelle der Blutkörperchen, deren Grösse, Zahl, Oberfläche und Farbe
beim Menschen er bestimmen lehrte, untersuchte systematisch und im grösseren
8*
Ii5 Welcker. Röntgen. Bargiel.
Massstabe die Blutmenge bei Menschen und Thieren, wobei eine Reihe von
früheren Irrthtimem berichtigt wurden, und lehrte ein besonderes Färbeverfahren
zur Feststellung des Gehaltes des Blutes an gefärbten Körperchen. Zur makro-
skopischen Anatomie bezw. Anthropologie brachte W. noch Beiträge über
Himventrikel, über Bau und Entwickelung der Wirbelsäule, über Gelenke,
Untersuchungen über Bau und Wachsthum des menschlichen Schädels nebst
einem besonderen Messungssystem, mit welchem er die deutschen und hol-
ländischen Sammlungen von 1860 — 1865 durchforschte, und verschiedene an-
dere craniologische Studien.
Vcrgl. Biogr. Lex, VI, 231. Pagel.
Röntgen, Engelbert, ein bis in hohes Alter thätiger und vortrefflicher
Violinist in Leipzig; * am 30. September 1829 ^" Deventer in Holland, f am
12. December 1897 zu Leipzig im 69. Lebensjahre. — Schon in früher Jugend
begann er sich als Violinist auszuzeichnen, dennoch kam eine Zeit, in der er
sich so entschieden als talentvoller Zeichner bekundete, dass ihn die Eltern
auf die Deventer Malerschule schickten, wo er bei einer Prüfung sogar einen
Preis erwarb. Ebenso plötzlich wandte er sich aber wieder der Musik zu,
ging 1848 nach Leipzig auf's Conservatorium und wurde ein Schüler David's.
Am I. October 1853 trat er in's Theater- und Gewandhaus-Orchester als
Violinist ein, nachdem er schon seit 1850 als überschüssiger Violinist in den
Gewandhaus -Concerten im Orchester mitwirkte und mehrfach als Sologeiger
aufgetreten war. Eine gewisse Scheu vor der Oeffentiichkeit, verbunden mit
peinlicher Aengstlichkeit, bewog ihn sich sehr bald als Solist zurückzuziehen
und wie A. Dörffel sagt: nicht mit Recht, da ihm eine ebenso geklärte
Technik, als ein edler und empfindungsvoller Ausdruck zu Gebote standen.
Am 8. Januar 1869 wurde er zum Concertmeister des Stadtorchesters ernannt
und beim hundertjährigen Jubelfeste der Gewandhaus-Concerte im Jahre 1881
trat er nach vielem Zureden zum letzten Male als Solist auf. Am i. October
1875 wurde sein 2 5 jähriges Jubiläum von dem Orchester mit Bekränzung
seines Pultes, einem Tusch bei seinem Eintritt in den Saal und Ueberreichung
einer Uhr in Marmorgehäuse gefeiert, sowie 1888 sein 30Jähriges Jubiläum
durch Festreden und einem Festprogramm begangen. Auch am Conserva-
torium für Musik wirkte er als Lehrer in segensreicher Weise. Nach David's
Tode nahm er dessen Stelle ein. Das Leipziger Tageblatt vom 13. Decem-
ber schreibt: Er war der unaufhaltsam weiterstrebende, immer fortstudirende,
fiir die Interessen der Kunst begeisterte, in seinem Berufe als leuchtendes
Beispiel hervorragende Künstler, dem Leipzig für immer ein dankbares An-
denken bewahren wird. Noch im letzten Lebensjahre spielte er bei der Auf-
führung der Beethoven'schen Missa solemnis das Violinsolo im Benedictus;
diese ward seine Todtenmesse, in der That eine Fügung des Schicksals, wie
sie einem Künstler, dessen Leben ganz der Musik geweiht war, nicht schöner
bescheert sein kann.
Quellen: Dörffel, Geschichte der Gewandhaus-Concerte 1884. Leipziger Tageblatt vom
13. December.
Rob. Eitner.
Bargiel, Woldemar, Stiefbruder der Klara Schumann, geb. Wieck, ein
tüchtiger Musiker und Componist, ♦ am 3. October 1828 zu Berlin, f am
23. Februar 1897 ebendort. — Sein Vater, August Adolph B., hatte sich in
Bargiel. Behr. 1 1 y
Berlin als Musiklehrer niedergelassen und die von Wieck geschiedene Frau
geheirathet. Von Kind an in die Musik eingeweiht, wurde er in seinen
Knabenjahren Diskantist am neu errichteten Berliner Domchore, der zuerst
unter Grell's und Mendelssohn's Leitung stand, und brachte es bis zum Solo-
sänger. Im väterlichen Hause erlernte er Klavier, Orgel und Violine, und in
späteren Jahren erhielt er von S. Dehn Unterricht im Contrapunkt und der
Composition. Seine Schulwissenschaften erledigte er auf dem Joachimsthal-
schen Gymnasium. Auf den Rath seines Schwagers, Robert Schumann, be-
suchte er 1846 das Leipziger Conservatorium, wo er durch die Protection
und Vermittelung Mendelssohn's unter günstigen Bedingungen Aufnahme fand
und in einer Öffentiichen Prüfung durch ein Octett fiir Streichinstrumente
eigener Arbeit bereits die Aufmerksamkeit der Fachkenner in höchst vortheil-
hafter Weise auf sich lenkte. 1 849 kehrte er mit einem glänzenden Abgangs-
zeugnisse in seine Vaterstadt zurück und Hess sich als Musiklehrer nieder, wo
er ein geräuschloses, aber thätiges und fleissiges Leben führte. Jede freie
Zeit benützte er zum Componiren und seine edlen und hohen Ziele, die er
anstrebte, blieben nicht unbeachtet. Gegen 1850 erschien bereits sein opus i,
Charakterstücke für Pianoforte, bei Whistling in Leipzig, denen in kurzer Zeit
bis zum Jahre 1859 die opus 2 — 5, 8, 9, 11 — 13 Klavierpiecen, opus 6 ein
Trio für Pianoforte, Violine und Violoncelle, opus 10 eine Sonate ftir Piano-
forte und Violine, opus 17 eine Suite für dieselben Instrumente und opus 18
eine Ouvertüre im vierhändigen Arrangement sich anschlössen. In der äusseren
Form war Mozart und Beethoven sein Vorbild, wie auch sein Lehrer Mendels-
sohn sich streng in ihnen bewegte. Im Ausdruck lehnten sie sich an Rob.
Schumann an, nur fehlte ihnen eine lebendige, originelle und stets flüssige
Erfindungsgabe. Seine Bestrebungen waren anerkennenswerth und wurden
von Musikern und Kennern wohl geschätzt, aber einen bleibenden Werth
konnten sie sich nicht erringen. Die Nachbildung erreicht selten das Original.
Als trefflicher Musiker wurde er überall geehrt und 1859 ^^6 ^^^ Ferdinand
HÜler, eine verwandte Natur, an seine in Köln errichtete Musikschule als
Lehrer der Composition und des Contrapunkts. 1865 erhielt er einen Ruf
nach Rotterdam als Direktor des Gesangvereins und der Musikschule, die von
der Vereinigung der Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst in Holland
errichtet war. Die Stellung im fremden Lande schien ihn aber nicht zu be-
friedigen, denn als man ihm von Berlin aus den Antrag machte, eine Lehrer-
stelle an der Hochschule für Musik zu übernehmen, ging er mit Freuden
darauf ein und kehrte in den siebziger Jahren in seine Vaterstadt zurück,
wurde Vorsteher der Compositions-Abtheilung und später als Mitglied in den
Senat der Akademie der Künste aufgenommen. In allen Fächern der Musik
versuchte er sich mit Ausnahme der Oper und erreichte stets durch sein
ideales Streben die Anerkennung seiner Kunstgenossen, wenn auch das Publi-
kum wenig Antheil daran nahm. Hin und wieder fand auch eins seiner
Orchesterwerke Aufnahme in die Programme der grossen Concertinstitute,
doch auch hier war ihm ein durchschlagender Erfolg versagt.
Quellen: Mendel-Reissmann's TonkünsÜer- Lexikon, Todesanzeigen und Selbsterlebtes.
Rob. Eitner.
Behr, Heinrich, ehemaliger Opernsänger und Theaterdirektor, ♦ am
2. Juni 1821 zu Rostock, f am 13. März 1897 zu Leipzig. — Nach vollende-
ter Schulbildung wurde er Bildhauer, jedoch seine schöne ausgiebige Bariton-
iig Behr. Grunroann. Günther.
Stimme und das Zureden von Sachverständigen bewog ihn bei Eduard Man-
tius, dem bekannten einstigen Opernsänger an der Berliner Hofoper, und bei
G. W. Teschner in Berlin Gesangstudien zu machen. Im Jahre 1843 trat er
im Berliner Opemhause auf, worauf er auf drei Jahre ein Engagement an-
nahm. Nach Ablauf dieser Zeit wurde er 1846 in Leipzig angestellt und trat
dort bis 1858 auf. In komischen Rollen war er unübertrefflich. Die jtlngere
Generation kennt nur den älteren rüstigen Herrn, der einstmals Opernsänger
war, die ältere dagegen verehrte ihn als Künstler und Darsteller komischer
Rollen, der ihnen manchen vergnügten Abend bereitet hat. Nachdem er sich
mit der Schwester des Lustspieldichters Roderich Benedix verheirathet hatte,
trat er als Sänger von der Bühne zurück und wurde an verschiedenen Bühnen
als Theaterdirektor angestellt, wie zu Bremen, Köln und Rotterdam. Erst
später kehrte er nach Leipzig zurück, als Laube Theater-Intendant war und
derselbe ihn aufforderte, die Opern- und Oekonomie-Direktion zu übernehmen.
Als er dann bei herannahendem Alter vom öffentlichen Schauplatze zurück-
trat, wurde er zum Mitgliede der Direktion des Conservatoriums für Musik
gewählt. Nur eine kurze Zeit kehrte er Leipzig den Rücken und bemühte sich,
sich in die Berliner Verhältnisse einzuleben, doch es zog ihn mächtig in seine
zweite Vaterstadt zurück, in der er auch bis zu seinem Tode verblieb. Seine
Freunde schildern ihn als eine biedere, echt deutsche Kraftnatur, als treuen
Freund und prächtigen Gesellschafter.
Quellen: Signale von B. SenfT S. 305. Vossische Zeitung 1897 No. 127.
Rob. Eitner.
Grammann, Karl, ein beliebter Componist, ♦ am 3. Juni 1842 zu Lübeck,
f am 30. Januar 1897 in Dresden. — Er pflegte in der Jugend Musik nur als
Bildungsmittel, da der Vater, Kaufmann und Consul in Lübeck, ihn zur Land-
wirthschaft bestimmt hatte, und studirte vorher in Bonn und Halle. Hier
brach sich aber sein Talent Bahn und er betrieb mehr Musik als seine Fach-
studien, trat auch bereits als Componist mit den Singspielen »Der Schatz-
gräber« und »Die Eisjungfrau« auf, zu denen er auch den Text schrieb. Von
1866 bis 1871 besuchte er das Leipziger Conservatorium für Musik und hatte
Papperitz, Reinecke, David, Hauptmann, Moscheies u. A. zu Lehrern. Nach
Vollendung der Kurse ging er nach Wien und widmete sich ganz der Com-
position, schrieb zwei Sinfonien, Streichquartette, Trios, Violin - Sonaten,
Klavierpiecen und zahlreiche Lieder. Später siedelte er nach Dresden über
und hier entstanden die Opern: Melusine, Andreasfest, Thusnelda, Ingrid und
das Irrlicht, die mit wechselndem Erfolge in Wiesbaden, Dresden, Königsberg,
Frankfurt a. M., Hamburg und anderen Städten zur Auffuhrung gelangten.
Ingrid und das Irrlicht erschienen beide im Klavier-Auszuge bei J. Schuberth
& Co. Seine Gesangswerke und Instrumentalpiecen, welche die Öpuszahl 53
erreichen, veröffentlichte er vom Jahre 1876 bis 1888; dann verschwindet sein
Name aus den Verlagskatalogen. In wohlhabenden Verhältnissen lebend, hat
er sich nie um die Kritik gekümmert und so umgekehrt: die Kritiker selten
um ihn. Während andere begierig darauf lauern, ihren Namen und ihre
Werke öffentlich besprochen zu sehen, zeigte sich G. als echter Künstler, der
nicht nach äusserem Ruhme fragte und nur in der Ausübung seiner Kunst
sich selbst genug that.
Quelle: Opernbericht No. 4 des Musikverlags J. Schuberth & Co. in Leipzig, mit
Porträt. Neue Musikzeitung, Stuttgart 1897, 62 mit falschem Geburtsdatum.
Rob. Eitner.
Günther. Goldschmidt. 1 1 o
Günther, Otto Ferdinand, Dr. juris, ♦ am 4. November 1822 zu Leipzig,
f am II. September 1897 ebendort. — Ein in vieler Hinsicht fiir die Stadt
Leipzig hervorragender Bürger, begann seine Laufbahn als Jurist, erlangte den
Doktorgrad, wurde Rechtsanwalt, dann Gerichtsdirektor, dabei ein tüchtig ge-
bildeter Musikdilettant, der sich bei öffentlichen Musikaufflihrungen stets als
thätiger Organisator auszeichnete. Die Bürger wählten ihn in die Stadtver-
ordneten-Versammlung und auch hier bethätigte er sein organisatorisches
Talent, so dass man ihn zum Stadtverordneten -Vorsteher wählte, ein Amt,
das er viele Jahre hindurch bekleidete. Der fleissige Besucher der Gewand-
haus-Concerte wurde auch zum Mitgliede der Concertdirektion ernannt, und
als Schleinitz im Jahre i88i in*s Jenseits abberufen wurde, wählte man ihn
zum Direktor des einst von Mendelssohn errichteten Conservatoriums für
Musik. Hier wirkte er lange Jahre, vermehrte die Anstalt durch eine Or-
chester- und eine Opemschule und hob das Conservatorium durch um-
sichtige Leitung zu einem weltberühmten Kunstinstitute. Auch für monu-
mentale Bauten und menschenfreundliche Institute wirkte er, und so entstan-
den die Augenheilanstalt, das neue Stadttheater, das Concerthaus, das Con-
servatoriums-Gebäude, sowie das Standbild Mendelssohn's. Das Leipziger
Tageblatt schreibt am 13. September: »Der liebenswürdige, wohlwollende,
freundlich gewinnende Direktor war ein Mann von ganz besonderer Herzens-
güte. Schmerzlich wird der Heimgang dieses trefflichen Mannes alle Kreise
unserer Stadt und der gesammten Musik weit, ja darüber hinaus, berühren,
denn eine nach vielen Hunderten zählende musikstudirende Jugend hat längst
über beide Hemisphären den Ruf und den Ruhm des ausgezeichneten Leiters
unsers Musikinstitutes getragen.«
Quelle: Leipziger Tageblatt, 13. Sept. 1897 und Jahresberichte des Conservatoriums.
Rob. Eitner.
Goldschmidt, Levin, Universitätsprofessor des Handelsrechtes, Geheimer
Justizrath, ♦ am 30. Mai 1829 in Danzig, f am 16. Juli 1897 in Wilhelms-
höhe. — Mit G. ist in Deutschland die letzte der grossen Leuchten erloschen,
welche die deutsche Rechtswissenschaft der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts
zu einer Epoche unvergänglichen Ruhmes gemacht haben. Unter den Namen,
auf welchen der Glanz dieser Epoche beruht, gehören zwei der Wissenschaft
des Handelsrechtes an, Thöl und Goldschmidt; die anderen: Brinz, Ihering
und Windscheid der Civilistik. In der Meinung der Zeitgenossen überstrahlt
unter den Genannten der Name Ihering's den aller Anderen. An geschicht-
licher Bedeutung werden aber alle von G. überragt. Wenn, wie vorauszu-
sehen, sich das Urtheil der Geschichte von dem der Zeitgenossen zu Gunsten
G.'s entfernen wird, so ist daran nicht in letzter Linie der Umstand schuld,
dass dessen reifstes und grösstes Werk, die Universalgeschichte des Handels-
rechtes (Stuttgart 1892) zugleich sein letztes war, so dass die Zeit seit dessen
Erscheinen noch immer zu kurz ist, als dass seine ganze Grösse und Tiefe
sich dem Urtheile weiterer Kreise schon hätte erschliessen können.
G. war ursprünglich zum Arzte bestimmt und hat, gleich merkwürdig
vielen anderen Heroen der Wissenschaft, seinen wahren Beruf im Kampfe
mit practischen Erwägungen als Ueberläufer gefunden. Er studirte 1847 bis
185 1 in Berlin, Bonn und Heidelberg. 1851 erlangte er in Halle die Doctor-
würde auf Grund einer Dissertation: de societate en commandite. Schon in
dieser Jugendarbeit betrat er mit einer tieferen historischen Grundlegung
X20 Goldschmidt
einen flir das Gebiet des Handelsrechts neuen Weg. 1855 habilitirte sich
G. auf Grund von Untersuchungen zu 1. 122 § I D de v. o. (45, I). Es kam
eine für die deutsche Rechtsentwickelung entscheidungsvolle Zeit. Die Ent-
stehung des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches begleitete G. mit zwei
vielbemerkten und einflussreichen Arbeiten : »Kritik des Entwurfs eines Handels-
gesetzbuches für die preussischen Staaten« 1857 — 1858, »Gutachten über den
Entwurf eines deutschen Handelsgesetzbuchs« 1860. Ich habe den Eindruck,
dass G. wichtige Theile dieser vielgerühmten Arbeiten später als überholt er-
kannte und sie nicht zu seinen Ruhmestiteln rechnete. Er citirt sie nicht in
seinem Grundriss und äusserte mir gegenüber als private Erwiderung auf eine
literarische Bekämpfung, er wisse wohl, dass er damals »die Selbständigkeit
des Gesellschaftsvermögens übersehen habe«.
In die Zeit, welche zwischen den letztgenannten Arbeiten liegt, fiel die
Gründung der Zeitschrift flir das gesammte Handelsrecht und das berühmte
Gutachten über den Lucca-Pistojaactienstreit (Frankfurt 1859, Nachtrag i86i).
Erstere wurde das ausgezeichnete Muster für ähnliche ausländische Unter-
nehmungen, welchem jedoch in der guten, d. h. G.'schen Aera nur Thaller's
Annales de droit commercial annähernd gleichkamen. Die peinliche
Sorgfalt, mit welcher G. den Arbeiten der Redaction oblag, dürfte nicht
wieder erreicht worden sein. Fast jeder, der mit einer Zeile in dieser Zeit-
schrift vertreten ist, wird davon Erfahrung haben. Grünhut, der berufene
Erbe des Schiedsrichteramtes, welches G. in dieser Zeitschrift ausübte, schreibt
in der N. Fr. Presse vom 20. Juli 1897: »Die meisten Bände der Zeitschrift
wurden von ihm selbst geleitet und von seinem Geiste erfüllt; in den letzten
Jahren, wo G. dem Werke nicht mehr selbst vorstand, machte sich der
Mangel seiner leitenden Hand empfindlich fühlbar.«
1860 wurde G. ausserordentlicher, 1866 ordentlicher Professor in Heidel-
berg, wo er bis zu seiner Berufung in das Bundes-, später Reichsoberhandels-
gericht wirkte. 1862 erschien die »Encyklopädie der Rechtswissenschaft im
Grundriss« (Heidelberg). Hier zeigt sich schon jene fast hypertrophische
Fülle der Gelehrsamkeit — insbesondere der Literaturkenntniss — , welche für
ihren Träger zu einer kaum mehr zu bewältigenden Last wurde. 1864 — 1868
erschien die erste Auflage des »Handbuchs des Handelsrechts« (Erlangen).
Das Werk ist Torso geblieben. Es ist in einem Stile angelegt, welcher nicht
mit den Schranken der menschlichen Natur und der Kürze des Lebens rechnet.
Mit besonderer Freude erwähnen wir ferner aus dieser Periode den Ent-
wurf eines Reglements für internationale Schiedsgerichte, welchen G. in Griin-
hut's Zeitschrift (II, 714) veröffentlichte. Diese kleine Arbeit beweist, dass
G. seiner Zeit weit voran — nicht wie die Mehrzahl der Fachgenossen ge-
willt war, die wissenschaftliche Pflege dieser guten Sache einer Schaar von
ungelehrten Schwärmern und Enthusiasten zu überlassen.
In den Jahren 1875 — ^^77 ^^^ ^- Mitglied des deutschen Reichstags.
Im Jahre 1875 erhielt er die erste und bis heute einzige reichsdeutsche Lehr-
kanzel des Handelsrechts, die er ungefähr 20 Jahre, wie Riesser in einem
kurzen in der Nationalzeitung veröffentlichten Nachruf ergreifend sagt, »bis
zum gänzlichen Versagen seiner Kräfte«, bekleidet hat. »Bis zum gänzlichen
Versagen seiner Kräfte.« Ein tiefer Jammer und für so manchen sogar ein
Vorwurf liegt in diesen Worten. Denn nicht der ungeheuren Arbeitslast ist
G. 'nach meiner Ueberzeugung erlegen, sondern in erster Linie nutzlosen
Quengeleien und Quälereien, welche — meistens gar nicht böse gemeint
Goldschmidt 1 2 1
— im Verein mit theilweise unbehaglichen coUegialen Verhältnissen seine
selten verstandene, äusserst sensitive Natur auf eine allzu harte Probe
stellten. Als ich im Studienjahre 1890/91 in Berlin — ich weiss nicht,
ob Handelsrecht oder Goldschmidt — studirte, schien er mir nie grösser und
ehnfc'ürdiger, als wenn er seiner zahlreichen, aber nicht durchaus musterhaften
Hörerschaft die ersten Anfangsgründe seiner Wissenschaft vortrug. Ich habe
nie etwas in einem tiefen Sinne tragischer gesehen, als die schmerzhafte Ver-
zerrung seiner Züge, wenn muthwilliges, auf seine Empfindlichkeit berechnetes
Scharren den Vortrag unterbrach. Dieses Verhältniss zu einem Theile seiner
sonst aufmerksamen und lernbegierigen Hörerschaft bot mir einen Schlüssel
zu seiner Persönlichkeit mit ihren grossen Vorzügen und kleinen Schwächen.
Er war ein höchst milder und gütiger, aber ein — trotz aller grossen An-
erkennung — gequälter und gehetzter Mensch. Ungerechtigkeiten und Un-
dank, denen keiner entgeht, verstand er nicht zu ertragen. So bildete sich
um sein Gemüth scheinbar eine Kruste von Schroffheit und Misstrauen, stets
bereit dem Einzelnen gegenüber wegzuschmelzen und das edelste und gerech-
teste Herz zu offenbaren.
Von seiner Fürsorge für die nachwachsende Juristengeneration zeugt
nichts so sehr, wie sein grosses Werk über »Rechtsstudium und Prüfungs-
ordnung« Berlin 1887, welches unter dem bescheidenen Titel bedeutende
historische Ausführungen verbirgt: nach dem Urtheil eines geistreichen Eng-
länders geschrieben, with that fine thoroughness of German authors, which
is the despair of their foreign rivals and not seldom of their readers too.
Seine beiden letzten Werke waren das System des Handelsrechts im
Gnindriss (Vierte Aufl. 1895) ^"^ ^^^ Universalgeschichte des Handelsrechts
(1891) als erste Lieferung der dritten Auflage seines Handbuchs. Die erste
dieser Schriften ist ein Auszug aus dem in seiner Art einzigen Collegien-
hefte G.'s. E& enthält im ersten Theile die Paragraphen - Ueberschriften
eines äusserst feindurchdachten und umfassenden Systems des Handelsrechts
mit Einschluss des Versicherungs-, See- und Wechselrechts nebst einer ausser-
ordentlich werthvollen kritischen Bibliographie. Hie und da überrascht uns
ein Ausrufungszeichen nach dem Titel eines Buches, ein Zeichen, dass er eine
Schrift für unter jeder Kritik stehend erklärte. Wir finden dieses Zeichen
u. A. bei Schriften von unter Unkundigen und Halbkundigen wohl accredi-
tirten Autoren. So im § 21 bei Professor v. Voeldemdorff"'s bekanntem Bei-
trage in Endemann' s Handbuch des Handelsrechts. Der zweite Theil enthält
Ausflihrungen, die G. zum Theile nur um den Vortrag zu entlasten, aus seinem
CoUegienhefte abdrucken Hess, mit welchen er aber auch zum Theile Richtung
gebend in die wichtigsten schwebenden Controversen eingriff".
Sein grösster Ruhmestitel ist die Universalgeschichte. Selten hat ein
Schriftsteller ein neues Riesenmaterial in solcher Concentration auf blos 468
Seiten geboten. In einzelnen Anmerkungen ist durch Citate und Fingerzeige
der Stoff für ganze Bände eingeschlossen und harrt der Entwickelung durch
nachw^achsende Kräfte. Mit unvergleichlicher Sachkenntniss wird das Handels-
recht des Alterthums, insbesondere der Römer erörtert. Sodann folgt die
Darstellung des mittelalterlichen Handelsrechts, welche für die italienischen
Staaten bis zum 16. Jahrhundert reicht. Sie gründet sich auf eine höchst
umfassende Kenntniss der allgemeinen Cultur- und Wirthschaftsgeschichte und
auf eine tiefgehende Untersuchung aller bedeutenderen südeuropäischen Stadt-
rechte. Für diese Untersuchung sind nicht bloss die Handels- und Seeordnun-
12 2 Goldschmidt Heiser.
gen und unzähligen Innungsstatuten von Barcelona, Valencia, Sevilla, Marseille,
Avignon, Toulouse, Lyon, Oleron, Florenz, Genua, Pisa, Venedig, Verona,
Rom und viele andere, sondern auch unzählige, grösstentheils aus Notariats-
Archiven stammende Privaturkunden verwerthet worden. Ein Rechtshistoriker
vom Range G.'s, der zugleich als practischer Jurist und Kenner des geltenden
Rechts hervorragt, ist gegenüber dem politischen Historiker, der nicht, wie
Thiers und Lamartine zugleich practischer Staatsmann ist, sehr im Vortheile.
Er kennt den Gegenstand seiner historischen Betrachtung, die menschliche
Natur, wie sie sich in Verkehr und Wirthschaft offenbart, nicht bloss vom
Hörensagen, sondern aus lebendigster Anschauung.
»Das Leichenbegängniss G.'s war recht feierlich, wenn auch die Bethei-
ligung äusserst schwach war«, schreibt mir ein Augenzeuge. »Aus dem Kreise
der Studenten, denen er freilich kaum noch bekannt war, war ausser einer
Deputation von 3 Mann niemand erschienen«.
Aus der biographischen Literatur über Goldschmidt heben wir die am 13. November
1897 gehaltene Gedächtnissrede Riesser's (Berlin 1897, Verlag von Otto Liebmann) und
den Nachruf Pappenheim's, seines Nachfolgers in der Redaction der Zeitschrift für
Handelsrecht im 47. Bande dieser Zeitschrift hervor, beide mit vortreftlichen Portrait« ge-
schmückt. Die erste dieser Arbeiten beleuchtet in meisterhafter Weise die historische Be-
deutung Goldschmidt* s für die Rechtswissenschaft und darf mit Goldschmidt's ausgezeich-
netem Essay über Savigny (Bluntschli und Brater's deutschem Staats Wörterbuch) verglichen
werden. Sie enthält eine sehr vollständige Zusammenstellung der G.'schen Schriften. —
Lab and, Deutsche Juristenzeitung, IL Jahrgang No. 15.
Bibliographische Zusammenstellungen des Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel
,897. No. ,74 u. 179. Dr. K. Adler.
Heiser, Wilhelm, ein populär gewordener Liedercomponist, ♦ am 15. April
181 6 zu Berlin, f Anfang September 1897 in Friedenau bei Berlin, begraben
am 12., 81 Jahre alt. — Ein Schüler Zelter's, dann GrelPs. Da er sich als
zwölfjähriger Knabe durch eine sehr schöne Sopranstimme auszeichnete und
dabei eine überraschende Trefffertigkeit der schwierigsten Intervalle besass, so
wurde er als Chorknabe in die Königliche Oper, sowie in den kleinen Ka-
pellenchor des Königs Friedrich Wilhelm IIL, bestehend aus sechs Knaben
und sechs Männern, unter Leitung Zelter's aufgenommen; noch im Jahre 1830
sang er in der Zauberflöte von Mozart eine Parthie der drei Genien. H.
widmete sich später ganz der Bühne und trat in Schwerin und Sondershausen
auf, verliess aber sehr bald die Carri^re, ging nach Stralsund als Gesanglehrer,
1840 nach Berlin und wurde 1852 nach Rostock als Direktor der Akademie
für Gesang berufen, kehrte jedoch schon 1853 nach Berlin zurück, um eine
ihm von Wieprecht angebotene Musikmeisterstelle beim Garde-Füsilier-Regiment
zu übernehmen, auch erhielt er die Direktion des Gamison-Kirchenchores.
Nach dem Feldzuge von 1866 nahm er seinen Abschied und widmete sich
wieder dem Gesangsunterrichte und der Composition. Ausser einigen Tänzen
und Märschen schrieb er zahlreiche Lieder, von denen einige durch ganz
Deutschland wanderten und sogar in Uebersetzungen bis nach Frankreich,
England und Schweden gelangten. Die Verlags Verzeichnisse zeigen weit über
200 Opuszahlen an. Beliebt waren besonders »Das Grab auf der Haide«,
»Die Thräne«, »Zieht im Herbst die Lerche fort« und »Die beiden Grena-
diere«. Auch ein Liederspiel wurde in Berlin von ihm aufgeführt.
Quellen: von Ledebur, Berliner Tonkünstler • Lexikon und Mendel-Reissmann's Con-
versations-Lexikon. td^k u:*.«^»
KoD. Jiitner.
Hess. Kahnt. Kothe.
123
Hess, Karl, Kammervirtuose an der Dresdener Hofkapelle, ♦ am 7. Juli
1840 in Heddesheim, zwischen Mannheim und Heidelberg, der Sohn eines
badischen Schullehrers, f am 2. Q) September 1897 zu Dresden. — Schon
früh zeigte sich seine Veranlagung zur Musik und mit sechs Jahren spielte
er vom Blatt und componirte. Um 1854 schickte ihn sein Vater in die
Musikschule des Hofraths Schilling nach Stuttgart, und als Schilling, der Ver-
fasser des Conversations- Lexikon für Musik, wegen Wechselfälschung nach
Amerika entwich, besuchte er das Stuttgarter Königliche Conservatorium unter
Faifst, Pruckner und Speidel. 1861 stand er auf eigenen Füssen und Hess
sich in Dresden als Musiklehrer nieder. Er war ein tüchtiger Klaviervirtuose,
der nicht nur technisch grosse Vollkommenheit zeigte, sondern auch geistig
tiefes Eindringen in die Composition verrieth. Zu nennen sind besonders
seine Trios für Pianoforte, Violine und Violoncello, eine Sonate für Piano-
forte und Violine, Piecen flir's Violoncell, Klavierstücke, ein- und mehrstim-
mige Lieder, die im Druck erschienen und einen tüchtigen durchgebildeten
Musiker zeigen. In seinem Nachlasse finden sich zahlreiche grössere Werke
fiir Orchester und Chor, die keinen Verleger fanden, darunter eine Sinfonie,
Ouvertüren zu Romeo und Julia und zum Wintermärchen, sowie »Elfrieda«
für Soli, Chor und Orchester. Auch als thätiges Mitglied in Vereinen war er
ein eifriger Helfer, wie im Verlage der freien musikalischen Vereinigung, im
Dresdener Tonkünstler- Vereine, im Wagner-Vereine. In den letzten Jahren
war er auch Lehrer an der RoUfus'schen Musik-Akademie.
Quelle: Beriiner Signale 1897, 273 mit Porträt.
Rob. Eitner.
Kahnt, Christian Friedrich, ein bedeutender Musik Verleger und Redak-
teur der Neuen Zeitschrift für Musik, ♦ am 10. Mai 1823 in Leipzig, f am
5. Juni 1897 ebendaselbst. — K. errichtete ani 2. October 1851 in Leipzig
eine Musikalien-Verlagshandlung unter der Firma C. F. Kahnt, die sich neben
gangbaren Artikeln besonders durch den Verlag Franz Liszt'scher Com-
positionen auszeichnete. Als Robert Friese den Verlag der von Robert Schu-
mann gegründeten Neuen Zeitschrift für Musik abgab, deren Redaktion nach
Schumann Franz Brendel übernahm, ging die Zeitung in Kahnt's Verlag über,
der auch nach Brendel's Tode im November 1868 die Redaktion selbst leitete.
Von 1863 bis 1868 gab er noch eine zweite Musikzeitung »Symphonia,
Fliegende Blätter für Musiker und Musikfreunde« heraus. Seit Gründung des
Allgemeinen deutschen Musikvereins war er Direktorial-Mitglied und Kassirer
desselben. Am i. Juli 1886 verkaufte |er an Oskar Schwalm sein Geschäft
nebst der Neuen Zeitschrift für Musik, die nun unter des letzteren Redaktion
erschien, doch schon 1888 ging das Geschäft an Dr. Paul Simon über. K.
war eine liebenswürdige und geachtete Persönlichkeit und hatte sich zur Auf-
gabe gestellt, besonders junge talentvolle Componisten zu unterstützen. Auch
fürstliche Ehrenbezeugungen blieben nicht aus: als Verleger Liszt'scher Com-
positionen ernannte ihn der Grossherzog von Weimar zum Commissionsrath
und der Fürst von Schwarzburg-Sondershausen zum Hof-Musikalienhändler.
Quellen: Riemann's, Schuberth's und Mendel-Reissmann's Lexika.
Rob. Eitner.
Kothe, Bernhard, ein praktisch und theoretisch gebildeter Musiker, der
sich durch seine zahlreichen Werke einen geachteten Namen erwarb, ♦ am
124
Kotbe. Hartmann.
12. Mai 1821 zu Gröbing, Kreis Leobschütz in Schlesien, f am 25. Juli iSgy
zu Breslau. — K. kam mit 16 Jahren in's Seminar zu Oberglogau, um sich
als Schullehrer auszubilden und verliess dasselbe 1 840. Zuerst erhielt er eine
Hilfslehrerstelle in Czamovanz, Kreis Oppeln und wurde darauf am i. Juni
1842 als städtischer Lehrer in Oppeln angestellt; doch die Lust zur Musik
drängte ihn zu gründlicheren Studien und mit einem kleinen Stipendium be-
suchte er in den Jahren 1843 — 44 ^^ Königliche Kircheninstitut zu Berlin,
sah sich aber doch gezwungen wieder eine Lehrerstelle anzunehmen, bis er
eine geeignete Musikerstellung erlangen konnte. Endlich im Jahre 1850 er-
hielt er die Chordirigentenstelle an der Pfarrkirche zu Oppeln und wurde
zugleich Gesanglehrer am Gymnasium. Bald darauf gründete er einen Zweig-
verein des Regensburger Cäcilien- Vereins filr Schlesien und schrieb das Werk
»Die Musik in der katholischen Kirche«. Obiger Regensburger Cäcilienverein,
unter Franz Witt's Leitung, hatte sich zur Aufgabe gestellt, die sehr verwelt-
lichte Musik in der katholischen Kirche in bessere Bahnen zu leiten. Zum
Behufe dessen bildete er den Cäcilienverein, der sich nach und nach über
Europa ausbreitete, und alle tüchtigen Elemente wirkten durch Gründung von
Zeitschriften, mündliche Vorträge, AufRihrungen von Musterwerken und An-
fertigung von Verzeichnissen derselben in anspruchsloser Weise. Auch der
Männergesangverein in Oppeln wählte K. zum Dirigenten, und diese viel-
seitige Beschäftigung benützte er, seinen idealen Grundsätzen im Publikum
Eingang zu verschaffen. Am 7. November 1863 ernannte ihn das Ministerium
zum Königlichen Musikdirektor und am 20. Januar 1869 berief es ihn zum
Seminarlehrer für Musik nach Breslau. Hier wirkte er 28 Jahre und hat
redlich gestrebt, seine Grundsätze seinen Schülern und der Welt durch viel-
fache Schriften und Compositionen einzuimpfen. Wie sehr dieselben in der
Achtung aller Fachgenossen standen, beweisen die zahlreichen Auflagen seiner
Werke. Eine Gesanglehre für Gymnasien erreichte zehn Auflagen, das Vade-
mecum für Gesanglehrer drei, die Liedersammlung »Kinderstrauss« neun, die
Orgelschule zwei, das Handbuch für Organisten sechs, der Abriss der Musik-
geschichte fünf, die kleine Orgelbaulehre fünf, und die Musica sacra rier
Auflagen. Ausserdem erschienen noch zahlreiche geistliche Compositionen
von ihm.
Quelle: Privatnachrichten und Zeitungsreferate.
Rob. Eitner.
Hartmann, Karl Alfred Emanuel, schweizerischer Schriftsteller, * am
I. Januar 1814 in Thunstetten (Kanton Bern), f am 10. December 1897 in Solo-
thum. — Sein einem Berner Patriziergeschlecht entstammender Vater, Sieg-
mund Emanuel H., bewohnte als I^andvogt, später als Oberamtmann von
Aarwangen, das Schloss Thunstetten in der Nähe von Langenthai; seine
Mutter, in erster Ehe mit einem Herrn von Graffenried verheirathet, war
eine geborne Tscharner, ebenfalls aus Bern. Nachdem Alfred seine Jugend-
zeit im reizend gelegenen Thunstetten verlebt und dann zwei Jahre in einem
P^ziehungsinstitut in Gottstatt bei Biel zugebracht hatte, besuchte er von
1827 bis 1831 die höheren Klassen des Gymnasiums von Solothum, wohin
seine Eltern zu bleibendem Aufenthalt tibergesiedelt waren, und widmete sich
hierauf von 1831 bis 1834 auf den Universitäten von München, Heidelberg
und Berlin rechtswissenschaftlichen, im folgenden Jahre in Paris litterarischen
Studien. Nachdem er 1835 nach Solothum zurückgekehrt war, gründete er
Hartmann.
125
sich bald einen eigenen Hausstand, und, da er an der praktischen Ausübung
des juristischen Berufes kein Gefallen fand, ihm seine Verhältnisse auch ge-
statteten, ganz seinen Neigungen zu leben, fing er bald an, sich mit schrift-
stellerischen Arbeiten zu beschäftigen, denen er bis in sein hohes Alter treu
blieb. Solothum, das ihm auch durch seine Vermählung mit einer Tochter
aus angesehener Familie zur zweiten Heimath geworden war, verliess er nur
noch vorübergehend, um auf grösseren und kleineren Reisen neue Eindrücke
zu sammeln und seinen geistigen Gesichtskreis zu erweitern. — H.*s erste
litterarische Unternehmung war »Der Morgenstern«, eine »Zeitschrift für Lit-
teratur und Kritik, herausgegeben von einer litterarischen Gesellschaft«, die
es freilich nicht über den ersten Jahrgang (1836, Solothum) hinausbrachte.
Neben Beiträgen von G. Schlatter, Franz Knitter, J. J. Reithard, F. Pfeiffer u. a.,
zu denen Martin Disteli sechs Originalzeichnungen lieferte, enthält der »Mor-
genstern« mehrere Novellen von H., darunter die historische Erzählung »Die
Kronen jfresser«, femer einen dramatischen Versuch »Der Burgerlärm in Bem«
und mehrere Gedichte. Eine zweite Publication, die es ebenfalls nur auf
einen Jahrgang brachte, war die »Alpina, schweizerisches Jahrbuch für schöne
Litteratur«, die im Jahre 1841 von H., F. Krutter und G. Schlatter heraus-
gegeben wurde (Solothum, Jent und Gassmann) und mit Radierungen von
M. Disteli und H. Hess geschmückt war. Neben den drei Herausgebern,
unter denen H. mit zwei Novellen vertreten ist, hatten auch andere Schrift-
steller, die sich zum Theil bereits einen bekannten Namen gemacht hatten,
we Rochholz, Ettmüller, A. L. Folien und Jeremias Gotthelf Beiträge ge-
steuert. Von längerem Bestände als diese beiden sollte die dritte Publication
sein, zu der sich die drei Freunde H., Krutter und Schlatter von neuem ver-
einigten, das Witzblatt »Der Postheiri«, »Blätter für Gegenwart, Oeffentlich-
keit und Gefühl«, dessen erste Nummer im Juli 1845 erschien und der von
grosser Bedeutung für das Öffentliche Leben nicht nur im Kanton Solothum,
sondern in der ganzen Schweiz geworden ist. Alles was von Wichtigkeit für
die schweizerische Politik war, spiegelt sich in humoristischer Weise im »Post-
heiri« wieder, zu dem später Heinrich Jenni die Dlustrationen lieferte und der
auch ausserhalb der Schweiz bekannt geworden ist. Dreissig Jahre lang blieb
H. dem »Postheiri«, dessen Hauptredaktor er von Anfang an war, treu, und
es mag ihm oft schwer geworden sein, besonders nachdem die treuen Ge-
nossen Krutter und Schlatter aus dem Leben geschieden waren und er selbst
das sechzigste Altersjahr überschritten hatte, die Spalten des Blattes zu füllen.
Am 25. December 1875 erschien die letzte Nummer, in der H. in einem seiner
schönsten Gedichte von seinen Lesern Abschied nahm.
Auch an dem »Wochenblatt für Freunde der schönen Litteratur und
vaterländischen Geschichte«, das in drei Jahrgängen von 1845 — ^^47 ^" Solo-
thum erschien und in dem das durch historische Arbeiten und durch zahl-
reiche zum ersten Male abgedruckte Urkunden bekannte » Solothumische
Wochenblatt« (1810 — 1834) wieder aufleben sollte, betheiligte sich H. mit
novellistischen Beiträgen. Daneben redigierte er von 1847 — 1850 den vom
Landwirthschaftlichen Verein des Kantons Solothum herausgegebenen »Neuen
Bauemkalender« und korrespondirte ziemlich fleissig in die »Allgemeine Zei-
tung« und in das Stuttgarter »Morgenblatt für gebildete Leser«, in das er
neben politischen Berichten aus der Schweiz auch Reiseschilderungen und
Novellen lieferte.
Eine erste Sammlung seiner Erzählungen erschien in zwei Bänden in den
126 Hartmann.
Jahren 1852 und 1854 bei Jent und Reinert in Bern unter dem Titel »Kilt-
abendgeschichten«. Wie schon dieser Titel und dann auch die Ueberschriften
der einzelnen Erzählungen (Karlidürsen Joggi's Liseli, Dursli der Auswan-
derer, Peterli der verlorene Sohn etc.) errathen lassen, sind es Dorfgeschichten
aus der Schweiz, in welchen zum Theil auch der Dialekt zur Anwendung
kömmt und die beweisen, dass der Verfasser ein offenes Auge für das Leben
des Volkes hat, das er mit humorvollem Ernst schildert. »Der Boden, auf
welchem diese Dorfgeschichten gewachsen sind, sagt H. selbst in seinem
Vorwort, ist der sonnige Südabhang des Juragebirges. Diese Seppli und
Dursli, diese Liseli und Babeli, gehören alle der Flora des Jura an. Sie
wurzeln in warmem, lockerem Kalkgrund, während Jeremias Gotthelf*s Hans-
joggeli, Annebäbi, Mädi und Uli nur auf jenem zähen aber fruchtbaren Letten-
boden vorkommen, der sich um die Molassenhügel des »Bembiets« abgelagert
hat und welcher das Lebenselement des Bernerbauem ist.« Die »Kiltabend-
geschichten«, denen sich zehn Jahre später eine zweite Folge unter dem Titel
»Erzählungen aus der Schweiz« (Solothurn 1863) anreihte, enthalten jeden-
falls einige der besten Schöpfungen H.'s und sichern ihm einen bleibenden
ehrenvollen Rang unter den schweizerischen Volkschriftstellem.
Dazwischen veröffen dichte er im Jahre 1858 den helvetischen Roman
»Meister Putsch und seine Gesellen« (Solothurn, Jent und Gassmann) und
186 1 »Junker Hans Jakob vom Staal«, ein Lebensbild aus dem siebzehnten
Jahrhundert (Solothurn, Scherer*sche Buchhandlung). Während im erstge-
nannten grössern Werke, das in Bezug auf die Komposition nicht zu den besten
Schöpfungen H.'s gehört, aber durch die Schilderung der politischen Ereignisse
der vierziger Jahre stets sein grosses Interesse bewahren wird, der Verfasser
Dinge erzählt, die er aus eigener Anschauung kannte und miterlebt hatte,
berichtet er im zweiten in behaglichem Chronistenton, gestützt auf schrifthche
Aufzeichnungen seines Helden, die Erlebnisse des spätem solothumischen
Schultheissen Hans Jakob vom Staal d. J. — Dass H.'s Name auch in Deutsch-
land bekannt geworden war, beweist der Umstand, dass er in Otto Janke in
Berlin, dem Herausgeber der »Deutschen Romanzeitung« einen Verleger fand,
bei dem mehrere seiner Werke erschienen sind, so 1865 der historische Ro-
man »Junker und Bürger oder die letzten Tage der alten Eidgenossenschaft*,
in dem er in anschaulicher Weise und gestützt auf eingehende historische
Forschungen den Kampf zwischen den alten Anschauungen und den durch
die französische Revolution verbreiteten Ideen schildert. H. war überhaupt
ein eifriger Freund der Geschichte, und als schönste Frucht seiner Studien
auf diesem Gebiete erschienen in den Jahren 1868 und 1871 die beiden
stattlichen Fohobände seiner »Gallerie berühmter Schweizer der Neuzeit«,
mit Bildern von F. und H. Hasler (Baden, bei Fr. Hasler) mit 100 Biographien
hervorragender Schweizer meist des 19. Jahrhunderts, auf die er zum Schluss
in einem ordnenden Rückblick eine kurze Geschichte der Schweiz seit der
Helvetik folgen Hess. Die »Gallerie berühmter Schweizer« ist ein Werk von
bleibendem Werthe, auf das spätere Historiker gerne zurückgreifen werden.
Unter den Biographien befindet sich auch diejenige des Malers Martin Disteli,
dem er schon 1861 das Neujahrsblatt des Solothumer Kunstvereins gewidmet
hatte. Die Arbeit, welche diese Biographien ihm auferlegten, Hess H. wenig
Müsse zu dichterischem Schaffen, und ausser dem Schauspiel »Die Limmat-
schäfer«, das er unter der Bezeichnung »ein dramatischer Versuch« zuerst im
»Bemer Taschenbuch« für 1870 erscheinen Hess, dann aber unter dem Titel
Hartmann. 127
»Ein Pamphlet vor hundert Jahren oder Lavater und seine Freunde« separat
herausgab, hat er in dieser Zeit nichts anderes veröffentlicht. Um so rascher
folgten sich einige Jahre später neue Erzeugnisse seiner Erzählungskunst. »Die
Denkwürdigkeiten des Kanzlers Hory« (Berlin 1876), die er in der Erinnerung
an die Sonmierfrische von Combe-Varin seinem Freunde Professor E. Dessor
in Neuenburg widmete, erzählen in schlichter aber ergreifender Weise das
tragische Schicksal des im 17. Jahrhundert mächtigen und einflussreichen
Kanzlers des Fürstenthums Neuenburg, zur Zeit als dasselbe noch unter der
Herrschaft der Prinzen von Longueville stand. Wie mehrere seiner Dorf-
geschichten wurde auch dieser Roman von Gustave Revilliod ins französische
übersetzt und fand in dieser Gestalt viele Leser in der Westschweiz. Schon
ein Jahr später erschienen die »Schweizer-Novellen« (Berlin 1877), von denen
ich die am meisten bekannt gewordene Dorfgeschichte »Die Erb vettern aui
dem Aspihofe« erwähne und welchen 1879 '^Neue Schweizer Novellen« (Berlin)
folgten, unter denen sich die seither wiederholt gedruckte KJltabendgeschich^e
^ Tannenbaum und Dattelpalme« findet, die auch ins holländische tibersetzt
worden ist. Nachdem H. im nämlichen Jahre noch seinen dreibändigen
Roman »Fortunat« (Berlin 1879) hatte erscheinen lassen, welcher das Leben
an einem deutschen Fürstenhofe schildert und den kräftigen Erdgeruch ver-
missen lässt, der seine auf heimathlichem Boden spielenden Geschichten aus-
zeichnet, veröffentlichte er 1881 seinen Volksroman »Der gerechte Brannt-
weinbrenner« (Bern), in welchem er in drastischer Weise die »mit der Fusel-
fabrikation im engsten ursachlichen Zusammenhang stehende ethische und
physische Verkümmerung des Volkes« schildert und den er, sich unter ihre
Fahne stellend, der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft widmete. Dass
mit dem zunehmenden Alter die poetische Gestaltungskraft H.*s nicht erlahmt
war, bewies die dreibändige Novellensammlung »Auf Schweizererde«, welche
in den Jahren 1883 und 1885 in Bern erschien und in der sich einige vor-
treffliche Erzählungen, wie der »Wunderdoktor« und die »Aufzeichnungen des
Bruders Arsenius« finden, die ihres Lokalkolorits wegen allerdings hauptsäch-
lich ftir schweizerische und speciell für solothumische Leser ein besonderes
Interesse bieten. Mit der 1887 erschienenen Kiltabendgeschichte »Der Linden-
höfer«, die er zuerst in der von Robert Weber herausgegebenen Zeitschrift
»Helvetia« (10. Jahrgang) veröffentlichte, hatte das dichterische Schaffen H.*s
sein Ende erreicht und er durfte sich um so mehr der wohlverdienten Ruhe
hmgeben, als sein müde gewordener Leib von schweren Erkrankungen heim-
gesucht wurde, die allmählich auch seine geistige Kraft erschlaffen Hessen. Er
fühlte das selbst und schloss im Herbst 1887 seine schriftstellerische Thätigkeit
mit einem Bändchen »Reime« ab, mit dem er seine Freunde beschenkte und
das nicht in den Buchhandel gekommen ist. Er stellte darin seine zu ver-
schiedenen Zeiten und zum grössten Theil im »Postheiri« erschienenen Ge-
dichte zusammen, die er des Aufbewahrens werth hielt, und indem er das
Büchlein seinen acht Enkelkindern zueignete, hinterliess er ihnen ein von
seiner treuen Liebe zeugendes Vermächtniss. H. hatte sich eines glücklichen
Familienlebens erfreut, das allerdings 1876 durch den Tod seines einzigen
Sohnes Otto und 1887 durch den Hinscheid des mit der einzigen Tochter
vermählten Schwiegersohnes Ludwig Glutz getrübt worden war; seine Gattin
ging ihm nur wenige Jahre im Tode voraus. — Wenn H. im öffentlichen
politischen Leben auch wenig hervortrat, betheiligte er sich um so lebhafter
an den geistigen Bestrebungen seiner engeren Heimath. Ein besonderes Ver-
128 Hartmann. Rrolop.
dienst erwarb er sich durch die Leitung der hauptsächlich auf seine An-
regung hin gegründeten sog. »Töpfergesellschaft« in Solothurn, die sich zur
Aufgabe gemacht hat, regelmässig jeden Winter literarische und wissenschaft-
liche Vorträge in der kleinen Hauptstadt des Kantons zu veranstalten. Er
war auch stets bereit, sein Talent in den Dienst der Oeffentlichkeit zu stellen
und festliche Anlässe durch seine immer willkommenen poetischen Gaben zu
verschönern. Wenn er auch durch seine Familientraditionen mehr der con-
servativen Richtung anzugehören schien, war er doch ein Mann von ausge-
sprochen freisinnigem Geiste, der seine Zeit verstand und an alten Einrich-
tungen, wenn sie berechtigten modernen Anschauungen weichen mussten, nicht
starr festhielt. Davon geben sowohl seine Novellen und Romane, als beson-
ders auch seine im »Postheiri« erschienenen Gedichte Zeugniss, die er zum
Theil in seine »Reime« aufgenommen hat. Als Schrifsteller nimmt H. eine
ehrenvolle Stellung in der Geschichte der deutschen Literatur in der Schweiz
ein. Seine Bedeutung beruht weniger auf seinen grösseren Romanen, denen
es an consequenter Durchführung des Planes und scharfer Charakteristik der
Hauptfiguren fehlt, als vielmehr auf seinen Dorfgeschichten, in welchen er
sich als vortrefflichen Schilderer des schweizerischen Volkslebens bewiesen
hat, der die realistische Darstellung durch einen gesunden Humor und durch
die sittliche Tendenz, die ihr zu Grunde liegt, in glücklicher Weise zu mil-
dem verstand.
Weber, Die poetische Nationalliteratur der deutschen Schweiz, 3. Band (Glarus 1867).
— Solothumer Tagblatt 1897, No. 288 — 290. — Oltner Tagblatt 1897, No. 289. — Lu-
zerner »Vaterland« 1897, No. 283— 285. »#/-•••
M. Cxisi.
Krolop, FranZy ein ausgezeichneter Bühnensänger (Bassist) an der König-
lichen Oper zu Berlin, ♦ im September 1839 zu Troja in Böhmen, f am
30. Mai 1897 zu Berhn, 58 Jahre alt. — K. studirte in Prag Jura und be-
gann seine Carriere als Armeeauditor. Seine prächtige Bassstimme bestimmte
ihn dieselbe auszubilden; er ging 1861 zum Behufe dessen nach Wien, um
unter Richard Levy Cresangsstudien zu machen. 1863 trat er zu Troppau
als Ernani auf und entwickelte sich seitdem zu einem der angesehensten
Bassisten. Seine erste Anstellung erfolgte in Troppau, er ging dann nach
Linz, Bremen und Leipzig, bis er im Jahre 1872 eine Zierde der Berliner
Hofoper wurde. Hier war er im ernsten, wie komischen Fache gleich vor-
trefflich. Er sang im Don Juan den Gouverneur, im Figaro den I^eporello
und Masetto, in der Zauberflöte den Papageno, im Postillon den Bijou und
den Bombardon im Goldenen Kreuz. Den grössten Erfolg erreichte er in
Bizet's Carmen, in dem er den Elscamillo sang und sein Verdienst war es zum
Theil, dass die Oper so zugkräftig wurde und unzählige Wiederholungen er-
lebte. Verdient gemacht hat er sich besonders auch um die Genossenschaft
deutscher Bühnenangehöriger, sowohl als Vorstandsmitglied, wie als praktischer
Förderer der damit verbundenen Pensionsanstalt. 1868 verheirathete er sich
mit der bekannten Sängerin von Voggenhuber, die ihm aber 1888 durch den
Tod entrissen wurde, worauf er sich zum zweiten Male verheirathete. Eine
Darmfistel, die ihm grosse Schmerzen bereitete, musste durch einen operativen
Eingriff entfernt werden. Standhaft und heiteren Muthes überstand er die
Operation, starb aber nach zwei Tagen an den Folgen derselben.
Quelle : Deutsche Bühnen-Genossenschaft, Theater-Almanach derselben Genossenschaft
und Riemann's Lexikon.
Rob. Eitner.
Fischer.
129
Fischer, Johann Georg, Dichter, * am 25. October 18 16 im Marktflecken
Grosssüssen a. d. Fils (württembergisches Oberamt Geislingen), f am 4. Mai
1897 zu Stuttgart. — F. entstammte einer ländlichen Handwerkerfamilie: sein
Grossvater war Weber, sein Vater Zimmermann. Von letzterem, den ein
sinniges Wesen, Streben nach Höherem und grosse Freude an der Natur aus-
zeichneten, scheint die poetische Begabung des Sohnes eher herzurühren, als
von der Mutter, Katharina Gramer, die übrigens als wackere Frau geschildert
wird. F. wuchs in den bescheidensten Verhältnissen auf, mit ihm ein um
drei Jahre jüngerer Bruder, Jakob, der in den sechziger Jahren zu Paris ver-
storben ist. Frühzeitig verlor der Knabe den Vater. Da er in der Dorf-
schule sich hervorthat, wurde er zum Schullehrer bestimmt und trat 1831 in
das Esslinger Seminar ein. Nach absolvirtem Provisorsexamen amtete er als
Schulgehilfe in Neckarhausen (Oberamt Nürtingen) vom December 1833 bis
juIi 1836, in Ettlenschiess (Oberamt Ulm) bis November 1837, in Mehrstetten
(Oberamt Münsingen) bis December 1838, in Eningen (Oberamt Reutlingen)
bis November 1840. Dann erstand er die Schulprüfung und erhielt alsbald
die Stelle eines Unterlehrers in Bernstadt (Oberamt Ulm). Hier verlobte er
sich mit der 181 1 geborenen Auguste Neubert, einer der vielen Töchter des
Ortspfarrers. Diese Verbindung, die ihn in eine andere Gesellschaftssphäre
hob, brachte den Entschluss in ihm zur Reife, zum höheren Schulfach über-
zugehen. Er besuchte vom Herbst 1841 bis zum Frühjahr 1843 ^^ Real-
lehrerseminar in Tübingen. Trotz ausdauerndem Fleiss, trotz den beschränk-
testen Mitteln ermöglichte er es dennoch, am Studentenleben einigen Antheil
2u nehmen. Unter seinen Lehrern befanden sich Friedrich Theodor Vischer
und Adelbert Keller; mit beiden blieb er auch später in Verkehr. December
1843 unterzog er sich der Reallehrerprüfung mit Erfolg. Er wurde nun der
Reihe nach als Unterlehrer an der Mittelschule in Langenau bei Ulm, als
Vikar an der Ulmer Realschule und als Elementarlehrer in Stuttgart verwendet.
Anfang 1848 erhielt er die zweite Klasse der hauptstädtischen Elementarschule
definitiv übertragen. Am 25. April desselben Jahres konnte endlich nach
siebenjähriger Verlobung Hochzeit in Bemstadt gefeiert werden. Da seine
ökonomische Lage ihn nöthigte, auf Nebeneinktinfte bedacht zu sein, ertheilte
er von 1847 bis 1857 Singstunden an dem Gymnasium und der Realschule,
sowie seit 1853 Unterricht in deutscher Sprache und Literatur an der kauf-
männischen Fortbildungsschule. 1857 erwarb er sich den Doktorgrad bei der
philosophischen Fakultät in Tübingen. Im folgenden Jahre wurde er zum
Vorstand der Elementarschule mit dem Titel eines Schulinspektors ernannt;
sein Avancement hatte sich ungebührlich lange verzögert, Weil er infolge seiner
politischen Haltung bei König Wilhelm L von Württemberg missliebig ge-
worden war. 1859 erhielt er zugleich die Leitung der Fortbildungsschule,
die er bis 1872 beibehielt. 1861 übernahm er einen Lehrauftrag für deutsche
Sprache, Geschichte und Geographie an der oberen Stuttgarter Realschule
und trat Jahrs darauf als Professor in diesen seinen Fähigkeiten und Neigungen
zusagenden Wirkungskreis definitiv ein, noch bis 1866 die Vorstandschaft der
Elementarschule damit vereinigend. Am 15. Juni 1867 wurde F.'s glückliche
Ehe, der ein einziges Kind, der gegenwärtig als Professor an der Tübinger
Hochschule wirkende Germanist und Literarhistoriker Hermann Fischer, ent-
sprossen ist, durch den Tod der Gattin getrennt. Die Einsamkeit und Oede
des Hauses war für F. vollends unerträglich, seitdem der Sohn im Seminar
untergebracht worden war, und so entschloss er sich zu einem neuen Bunde.
Biogr. Jahrb. u. D«atacher Nekrolog. 2. Bd. n
1^0 Fischer.
Seine Wahl fiel auf die fiinfundzwanzigjährige Bertha Feucht, Wirthstöchterlein
aus Marbach, wohin ihn damals die Bemühungen für das dortige Schiller-
denkmal öfters führten. Am 15. Februar 1870 fand die Hochzeit in Marbach
statt. Die junge Frau brachte wieder Sonnenschein in das Haus, das sich
bald mit froher Jugend belebte: zwei Knaben, von denen der älteste freilich
schon siebenjährig starb, und einer Tochter. 1 885 trat F. in den Ruhestand,
als ein rüstiger und ungebeugter Greis, der nach redlich vollbrachter Lebens-
arbeit sich noch manchen schönen Tages freuen durfte. Einen schweren
Schlag versetzte ihm der Verlust der zweiten Gattin am 14. August 1890; in
der Sammlung »Auf dem Heimweg« hat er »der Rose von Marbach« einen
würdigen »Todtenkranz« gewunden. Die Tochter pflegte fortan den Vater,
bis sie sich 1894 in Stuttgart verheirathete. 1893 hatte F. eine gefährliche
Lungenentzündung durchzumachen, von der er sich jedoch vollständig erholte.
Ende April 1897 befiel ihn infolge einer Erkältung abermals eine leichte Ent-
zündung der Lungen, die ganz unerwartet zu einem sanften und schmerzlosen
Ende führte. Am Abend des 6. Mai fand auf dem Pragfriedhofe das Be-
gräbniss unter grossartiger Betheiligung der höheren Gesellschaftskreise sowie
der Bürgerschaft Stuttgarts statt, und schon sind Vorbereitungen für ein Denk-
mal im Gange, das dem Dichter in der württembergischen Hauptstadt gesetzt
werden soll.
F. gehörte zu den Männern, welchen öffentliche Wirksamkeit, öffentliche
Anerkennung ein Bedürfniss ist. Beides fand er während seines fünfzigjährigen
Stuttgarter Aufenthaltes in reichstem Maasse. Weiteren Kreisen wurde er
namentlich durch seine Beziehungen zum Liederkranze bekannt, dem er lange
Jahre als Sänger, seit 1865 als Ehrenmitglied angehörte und auf's bereit-
willigste seine poetischen und oratorischen Talente zur Verfügung stellte. Bei
dem vom Liederkranz alljährlich an Schiller's Todestag veranstalteten Maien-
Volksfest hielt er zwischen 1849 ^"^ 1893 nicht weniger als einundzwanzig
Mal die Festrede, den von ihm vergötterten Dichter in allen Tonarten mit
sich gleich bleibender Begeisterung preisend. Auch sonst machte er sich
die Verherrlichung Schiller's, mit dessen Werken er auf's innigste vertraut
war, zur Aufgabe. Zum grossen Schillerfest im Jahre 1859 verfasste er eine
von Kücken componirte Cantate und trat als Festredner im Reithause sowie
zur Emweihung des Marbacher Schillerhauses auf. Ebenso weihte er am
9. Mai 1876 das Marbacher Denkmal durch Rede und Cantate ein. Eifrig
wirkte er für die Gründung der allgemeinen Schillerstiftung, in deren Ver-
waltungsrath er eine Zeit lang sass, und noch in seinen letzten Lebensjahren
gehörte er dem Ausschusse des neu gestifteten Schwäbischen Schillervereines
an. Er betheiligte sich ferner an der Redaktion van Auswahlen aus Schiller's
Gedichten und Prosa für die Jugend und besorgte 1877 die illustrirte Hall-
bergersche Schillerausgabe. Desgleichen nahm er sich anderer schwäbischer
Dichter mit sorgender Liebe an. So bemühte er sich um ein Grabmal für
den früh in Rom verstorbenen Wilhelm Waiblinger, bereitete Hölderlin, den
er während seines Tübinger Aufenthaltes mit inniger Theilnahme gesehen
hatte, dem von ihm auf's höchste verehrten Uhland, Justinus Kemer, dessen
Gast er hin und wider in Weinsberg war, Mörike, zu dem er sich besonders
hingezogen fühlte, als Redner und Poet Huldigungen, feierte zahlreiche Freunde
und Männer öffentlichen Wirkens bei festlichen Anlässen oder an ihrem Grabe.
Das Jahr 1848 brachte ihn mit der Politik in Verbindung. Er betheiligte
sich am Volksverein, trat bei der Stuttgarter Bürgerwehr ein und brachte es
Fischer. x 3 1
zum Lieutenant, trug da und dort patriotische Gedichte vor. Uebrigens war
er zu sehr Gefühlsmensch, um zum aktiven Politiker geschaffen zu sein. Ohne
fernerhin in die Zeitbewegungen mithandelnd einzugreifen, verfolgte er doch
alle Ereignisse mit gespannter Aufmerksamkeit und begleitete sie vielfach mit
poetischen Aeusserungen. Als echter Süddeutscher sympathisirte er ursprüng-
lich mehr mit Oesterreich als mit Preussen und blieb bis 1 866 in der Haupt-
sache Grossdeutscher. Dann wandelte er sich zum begeisterten Verehrer Bis-
marck's, zum warmen Anhänger des neuen Reiches um. Im geistigen Leben
Stuttgarts spielte F. eine bedeutende Rolle. Er war in gelehrten und litera-
rischen, künstlerischen und Theaterkreisen zuhause. Zahlreichen Vereinen und
Gesellschaften gehörte er als Mitglied oder als Ehrenmitglied an. Doch nicht
in solchen lag für ihn der Schwerpunkt der Geselligkeit, vielmehr im zwang-
losen Verkehre mit geistig angeregten und anregenden Männern. Er pflegte
regelmässig Abends eine Weinstube zu besuchen, gehörte lange Jahre einem
kleinen literarischen Kränzchen an, das sich Sonntag Nachmittags von 14 zu
14 Tagen versammelte. In erster Linie standen natürlich seine Dichterfreund-
schaften, besonders die mit Mörike, Notter, Gustav Pfizer, Schönhardt, Frei-
ligrath u. s. w. Auch manches jüngere Talent hat er bereitwillig gefördert
und durch freundliche Zuvorkommenheit an sich geknüpft. Sein 60., 70. und
80. Geburtstag wurde mit steigenden Ehren gefeiert, der letzte nicht bloss
von Seiten seiner engeren Heimat, sondern von der literarischen Welt des
gesammten deutschen Vaterlands. Es gereichte ihm zur besonderen Genug-
thuung, dass sich allmählich sein Dichterruhm auch über den deutschen Nor-
den ausbreitete. An äusserer Anerkennung fehlte es ihm überhaupt nicht: er
besass mehrere Orden und war unter anderem Ehrendoktor der naturwissen-
schaftlichen Fakultät in Tübingen, Meister des freien deutschen Hochstiftes in
Frankfurt, Mitglied des Pegnesischen Blumenordens, Ehrenbürger von Marbach
und Grosssüssen. Seine Ansprüche an Lebensgenuss beschränkten sich auf
ein bescheidenes Maass. Er war ein rüstiger P'ussgänger, reiste gern im
Schwabenlande herum, besuchte wohl auch dann und wann fremde Länder
und Grossstädte. Eine innige Liebe zur Natur durchzog sein ganzes Leben.
Auf dem Lande war er ja aufgewachsen, hatte von Jugend an mit der Natur
vertrauten Verkehr gepflogen und sich mit allen Vorgängen im Naturleben
auf's genaueste bekannt gemacht, wobei ihn eine seltene Schärfe der Sinnes-
organe unterstützte. Blumen und Pflanzen und Singvögel waren seine haupt-
sächliche Liebhaberei. Sein ganzes Haus war mit blühenden und grünenden
Gewächsen ausgeschmückt, in deren Pflege es ihm kein gelernter Gärtner zu-
vorthat. Ebenso kamen ihm in der Kenntniss der einheimischen Singvögel
nur wenige gleich.
Als Dichter ist F. erstmals im 22. Lebensjahre mit einer ziemlich un-
selbständigen, noch wenig ästhetische Bildung und Geschmack verrathenden
Sammlung »Gedichte« (Münsingen, bei Johannes Hohloch, 1838) hervor-
getreten. Auf einer nicht viel höheren Stufe stehen die drei Jahre später
gedruckten »Dichtungen« (Stuttgart, bei Griesinger & Comp., 1841), worin
die Form, namentlich der Reim, noch immer äusserst mangelhaft gehandhabt
ist. F. selbst hat später an diesen beiden vorzeitigen Veröffentlichungen
wenig Freude gehabt. Geraume Zeit schwieg nun seine Muse: es kamen die
Jahre der inneren Sammlung, der höheren Ausbildung. 1851 trat er wieder
als ein anderer, Gereifterer auf den Plan, zunächst mit einzelnen Gedichten
im Morgenblatte, dessen eifriger Mitarbeiter er fortan blieb, bald auch in
9*
132
Fischer.
Prutz' Deutschem Museum und anderen Zeitschriften. 1854 erschien (Stutt-
gart und Tübingen , bei J. G. Cotta) eine neue Sammlung »Gedichte«, die F.
bereits auf der Höhe seines Könnens zeigt und seinen Ruf begründet hat.
Sie wurde, jedesmal stark vermehrt, 1858 und 1883 neu aufgelegt. Da die
letzte Ausgabe auch aus anderen Sammlungen des Dichters vervollständigt
ist, gewährt sie einen guten Ueberblick über sein gesammtes poetisches
Schaffen. Ausserdem veröffentlichte er folgende Gedichtbücher: »Neue Ge-
dichte« (Stuttgart, bei J. G. Cotta, 1865), »Den deutschen Frauen« (ebenda
1869), »Drei Kameraden« (Stuttgart, bei A. Kröner, 1870) in Gemeinschaft
mit F. Löwe und K. Schönhardt, »Aus frischer Luft« (Stuttgart, bei Karl
Grüninger, 1872), »Neue Lieder« (Stuttgart, bei J. B. Metzler, 1876), »Merlin«
(Stuttgart und Leipzig, bei Eduard Hallberger, 1877), ein der Universität
Tübingen zu ihrem vierhundertjährigen Stiftungsfeste gewidmeter Liedercyklus,
»Der Glückliche Knecht« (Stuttgart, bei Adolf Bonz & Comp., 1881), ein Idyll
in neun Gesängen, »Auf dem Heimweg« (Stuttgart, bei J. G. Cotta, 1891),
»Mit achtzig Jahren« (ebenda, 1896). In die sechziger Jahre fällt F.'s kurze
dramatische Thätigkeit. In rascher Folge erschienen vier Trauerspiele im
Buchhandel: 1862 »Saul«, 1863 "^»Friedrich der Zweite von Hohenstaufen«,
1866 »Florian Geyer der Volksheld im deutschen Bauernkrieg«, 1868 »Kaiser
Maximilian von Mexiko« (die drei ersten bei J. G. Cotta, das vierte bei
Franckh in Stuttgart). Nur Saul und Friedrich II. gingen über die Bretter.
Ersteres Drama wurde 1862/63 dreimal, letzteres 1864 zweimal und 1867/69
dreimal in Stuttgart dargestellt, Friedrich 11. ausserdem noch 1862/63 drei-
mal am Weimarer Hoftheater. F. setzte seine ganze Kraft, seinen ganzen
Ehrgeiz daran, auch auf diesem Gebiete Grosses zu leisten. Er selbst wie
seine beiden Freunde, der Dichter und Heldenspieler Feodor Löwe und der
berühmte Charakterdarsteller Karl Grunert, gaben sich bei der Einstudirung
auf der Stuttgarter Hofbühne alle Mühe. Es fehlte bei den Aufführungen
auch nicht an äusserem Erfolg, aber die nachhaltige Wirkung blieb aus, und
tief schmerzte den Dichter diese getäuschte Hoffnung. Noch bis in das
höchste Alter hinein that es ihm wohl, wenn man seiner dramatischen Schö-
pfungen rühmend gedachte. F.'s Prosaschriftstellerei beschränkte sich auf ein
feines naturpsychologisches Schriftchen »Aus dem Leben der Vögel« (Leipzig,
bei Friedrich Brandstetter, 1863) und auf Aufsätze und Kritiken meist litera-
rischen Inhalts ftir Journale, wie das Morgenblatt, die Allgemeine Zeitung, den
Schwäbischen Merkur, den Staats-Anzeiger für Württemberg. Was er vor-
brachte, hatte stets Gehalt und Charakter, aber ein Meister im Frosastile war
er keineswegs.
F. gilt mit Recht als der letzte bedeutende Vertreter der guten schwä-
bischen Dichtertradition. Wie ein gewaltiger Fels ragte er als Wahrzeichen
der grossen klassisch-romantischen Vergangenheit in die vom Naturalismus
überfluthete Gegenwart herein. Die modernsten Bestrebungen waren ihm in
der Seele zuwidefr, und es kränkte ihn tief, dass sie den Geschmack des
Publikums beherrschten, dass die idealistischen Poeten durch jene Helden der
Mode zurückgedrängt wurden. Ueber seinem eigenen Dichterrufe wachte er
eifersüchtig, und über Tadel oder mehr noch über Zurücksetzung wurde er
leicht empfindlich. Man konnte ihn wohl klagen hören, dass die Alten über
den Jungen vernachlässigt werden; gelegentlich hat er auch der Meinung
Ausdruck verliehen, dass das Schwabenthum für Ausbreitung des Ruhms ein
Hindemiss bilde (vergl. »Hermann Kurz« in »Auf dem Heimweg« S. 180).
Fischer.
133
Aber zu Concessionen Hess er sich, so sehr es ihm um Anerkennung zu thun
war, nicht herbei, und Rücksicht auf den Beifall der Menge bestimmte sein
Dichten niemals. Sein Ziel war die Verkörperung von Ideen, und der Flug,
den sein Geist nahm, führte empor zu den reinsten Höhen des Lichtes. Nicht
umsonst hatte sein Abgott von Jugend auf Schiller geheissen. Die ganze
Denkart und Lebensauffassung F. 's steht unter dem Zeichen dieses grossen
idealistischen Dichters. Doch es handelt sich dabei nur um eine allgemeine
geistige Beeinflussung: in seiner reifen Lyrik hat sich F. von Schiller sehr
weit entfernt. Da berührt er sich näher mit Goethe, Hölderlin, Mörike. Aber
es kann immer nur von Berührungspunkten die Rede sein. Denn was seiner
Lyrik eben ihren besonderen Werth verleiht, ist ihr durchaus eigenartiges
Gepräge. Schon längst hat man erkannt, dass nichts für ihn bezeichnender
sei, als die inbrünstige Liebe zur Natur und zum Weib und das geheimniss-
volle, fast mystische Ineinanderfliessen dieser beiden Gefühle. Seit seiner
Kindheit hat er die Natur beobachtet, belauscht, sich in sie versenkt, und
zum Danke dafür hat sie ihm ihr Vertrauen geschenkt, wie wenigen, ihm die
tiefsten Blicke in ihr geheimstes Walten gestattet. Alles erscheint ihm wichtig
an ihr, das Kleine so gut wie das Grosse. Er preist nicht bloss die Herr-
lichkeiten der Sonne, die schauerliche Schönheit von Sturm und Wetter, er
gewinnt auch den Lebensäusserungen jeder Pflanze, jedes Vogels Bedeutung
ab, findet zum Murmeln des Baches, zum Wehen des Windes, zum Rauschen
des Baumes in seinem Inneren die richtige Melodie. Nicht minder innig
ist sein Verhältniss zum Weibe. Schon als Dorfschüler hatte er sich, wie sein
Sohn, also gewiss ein glaubwürdiger Zeuge, berichtet, in eine Mitschülerin
verliebt, und bis zuletzt blieb er diesem unwiderstehlichen Zuge zum anderen
Geschlechte treu: hat er doch noch »mit achtzig Jahren« erotische »Herzens-
gespräche« gehalten. In endlosen Variationen malt er stufenweise alle Wonnen
des Liebeslebens von dem ersten süssen Ahnen bis zum völligen Ineinander-
fliessen der Seelen. Doch weder der Natur noch der Liebe gegenüber ver-
hält er sich nur kühl beobachtend, leidenschaftslos schildernd. Er giebt sich
vielmehr seinen Empfindungen und Stimmungen mit der raschen Begeisterung
eines erregbaren Temperaments und mit der nachhaltigen Kraft einer starken
Seele hin. Frische, gesunde Lebenslust ist ein Grundzug seines Wesens. Wohl
sind auch für ihn die Zeiten gekommen, da er sich in düsteres Grübeln ver-
loren hat, wohl haben auch ihm schwere Verluste, wie die seiner beiden
Auserkorenen, elegische Klänge entlockt: aber das waren Krisen, die vorüber-
gingen, die Freude am Dasein kehrte ihm, der vom Pessimismus nichts wusste
und nichts wissen wollte, immer wieder. Der vorherrschende Ton seiner
Poesie ist darum ein dithyrambisch jauchzender, ihm ist die Zwiesprache mit
der Muse ein Zustand der Ekstase, der göttlichen Trunkenheit. Dennoch hat
die Begeisterung ihn niemals vergessen lassen, dass das Dichten zugleich ein
künstlerischer Vorgang ist. Nach seinen verunglückten Jugendversuchen ist
ihm diese Erkenntniss aufgegangen, hat er gelernt, alle Formen zu beherr-
schen. Besonders neigt er zu antiken Maassen, die er mit Sicherheit und
Feinheit handhabt, und nicht minder gut gelingen ihm freie reimlose Rhyth-
men. So gewährt F.'s Muse einen weihevollen Genuss. Mühelos lassen sich
freilich die Früchte von seinem poetischen Baume nur selten pflücken. Das
bloss Oberflächliche, Aeusserliche hasst er, was er bietet, ist vorher durch
das Medium seines eigenen Geistes gegangen. Um ihn ganz zu verstehen,
muss man sehen und hören, denken und fühlen können, wie er. Es liegt
l^A Fischer.
etwas energisch Subjektives, etwas herb Charaktervolles in seiner Art, das
von dem Leser völlige Hingabe verlangt. In früheren Jahren glückte ihm
wohl auch manches im naiven Tone des Volksliedes, aber mehr und mehr
kam ihm dann die einfache populäre Haltung abhanden. Je tiefer er sich in
die Räthsel des Weltalls und der Frauenseele verbohrt, desto schwerer fällt
es ihm, für das, was ihm ahnend vorschwebt, den deutlichen Ausdruck zu
finden. Es ist oft ein Ringen mit dem Stoff, über den er nicht ganz Herr
wird, und der deshalb nicht zu vollkommener Plastik ausgeprägt ist. Darum
erscheint an seinen Erzeugnissen manches geschraubt und gekünstelt, hat man
bei einzelnen seiner Gedichte die Empfindung, dass in seiner Seele noch Keime
herrlicherer Poesie geschlummert haben, als seine Worte auszudrücken ver-
mögen. Namentlich mit dem beginnenden Alter macht sich der Ueberschuss
an Gedankehreichthum und damit an Reflexion geltend: in seinem ganz von
dunkler Naturmystik durchtränkten Liedercyklus »Merlin« hat diese Neigung
ihren Gipfel erreicht. Aber wunderbar ist es, wie sich F. dann wieder zur
völligen Klarheit durchgekämpft und schliesslich in der Sammlung »Mit achtzig
Jahren« seine ganze Kraft zu den reifsten und süssesten Gaben zusammen-
gefasst hat. Neben der geschilderten Lyrik, die den Kern der Poesie F.'s
bildet, hat er zeitlebens das Epigramm gepflegt, und zwar mit entschiedenem
Glück. Ob nun seine Sprüche mehr allgemein beschaulicher und lehrhafter
Natur sind, oder ob sie eine geschärfte Spitze aufweisen: immer sind sie
selbständig im Gedanken, entschieden in der Gesinnung, edel in der Form.
Aus seinen Zeitgedichten flammt ein heissblütiges Temperament, sprüht ein
feuriger Geist. Er rüttelt die Deutschen aus ihrer Trägheit und Stumpfheit
auf, er mahnt sie an die unvergänglichen Menschheitsideale. Kraftvoll liebt
er sein Vaterland, hasst dessen Feinde. Und wie versteht er zu jubeln, vnc
zu zürnen! Bismarck vor allen ist, wie schon erwähnt, sein Held. Ihn hat
er bereits im Jahr 1849 herbeigesehnt, vorausgeahnt, als er in einem seiner
berühmtesten Gedichte »Nur einen Mann aus Millionen« (erst 1865 in den
Neuen Gedichten S. 132 f. gedruckt) für sein Volk begehrte. Ihn zu bewun-
dem und zu preisen, wird er nicht müde, und mit Ingrimm erfüllt es ihn,
dass man den Einzigen vor der Zeit bei Seite geschoben hat. Ueberhaupt
verschmäht es F. nicht, seine Leier zur Feier von lokalen Begebenheiten oder
von Persönlichkeiten zu stimmen; besonders gern weiht er sein Lied dem
Andenken berühmter Männer. Doch auch in seinen Gelegenheitsgedichten
meidet er die breite Heerstrasse des Alltäglichen und Gewöhnlichen, bindet
sich durchweg an den höheren poetischen Stil und bewährt so gerade auf
diesem gefährlichen Gebiete seine volle Meisterschaft. In der lyrischen Kunst-
poesie, in der höheren Gelegenheitsdichtung und im Epigramme liegt die
Stärke F. 's. Von den epischen Gattungen sagt nur eine seiner Begabung
völlig zu: das Idyll. Die Naturbetrachtung führt ihn zur Schilderung des
bäuerlichen Lebens. Mit grosser Anschaulichkeit zeichnet er das höher stre-
bende Landvolk, dem er ja selbst entstammt ist, mit wohlthuender Wärme
frischt er Jugenderinnerungen an das Elternhaus und den Vater, das Heimat-
dorf und dessen Bewohner auf. Ein anmuthiges Landpfarridyll lässt er auch
in dem seinem ersten Schwiegervater gewidmeten »Beim alten Herrn« (in
Neue Gedichte S. 83 ff.) an uns vorüberziehen. Einige dieser Idyllen gehören
zu den eigenthümlichsten und schönsten Blüthen, die F.'s Dichtergeist ge-
trieben hat. Darüber hinaus reicht sein episches Vermögen nicht. Dass er
später die köstliche Dichtung »Beim Kirchenbauer« zu dem längeren selb-
Fischer. Ramann.
135
Ständigen Werke »Der Glückliche Knecht« gesteckt hat, ist kaum zu ihrem
Vortheil ausgeschlagen. Eigentliche Balladen und Romanzen gelingen ihm
nicht. Er giebt weniger Handlungen als Situationen, liefert nicht sowohl
fortschreitende Erzählungen als durch Monologe oder Dialoge festgehaltene
Momentbilder, darunter allerdings solche von ausgesuchter Schönheit.
An dem längst feststehenden Urtheil über F.'s Dramen ist nicht zu rüt-
teln. Sie sind reich an poetischen Vorzügen, selbst an scenisch wirksamen
Momenten im einzelnen (z. B. der Ausgang des vierten Akts in Friedrich IL),
aber der eigentliche dramatische Nerv, die sichere Gestaltungskraft fehlt, die
Mängel der Composition und Technik sind zu auffallend, um das Gefühl
vollständiger Befriedigung aufkommen zu lassen. Der Dichter hat sich grosse
und oft behandelte historische Stoffe aus den verschiedensten Weltepochen
vom orientalischen Alterthume bis zur Gegenwart ausgewählt. Dabei durch-
zieht sein dramatisches Schaffen ein gemeinsamer Grundgedanke: der Gegen-
satz zwischen den staatlichen Gewalten und dem Pries terthume. Diese Ten-
denz, hervorgerufen durch die damals Deutschland bewegenden kirchlichen
Kulturkämpfe, beherrscht sowohl im Saul als im Kaiser Maximilian (übrigens
seiner schwächsten Leistung) die ganze Handlung, wirkt im Friedrich II. mehr
latent, um im Florian Geyer hinter dem social-politischen Motive völlig zu-
rückzutreten. Die Sprache ist in dem zuletzt genannten Trauerspiel wuchtige
Prosa, deren Periodenbau freilich nicht immer durchsichtig genug ist, in den
übrigen Stücken waltet der Jambus, den F. mehr mit der Kraft und Würde
Uhland's als mit dem hinreissenden Schwünge Schiller's handhabt. Seine
klassischen Vorbilder sind im Allgemeinen, stellenweise sogar im Einzelnen
deutlich erkennbar (die Scene zwischen Karl V. imd Florian Cieyer erinnert
z. B. an die zwischen König Philipp und Marquis Posa, die Urbilder des
Obersten Lopez und der Prinzessin Salm im Kaiser Maximilian sind Buttler
und Gräfin Terzky im Wallenstein). Immerhin hat sich F. auch in diesem
Fache, das jenseits der Grenzen seines natürlichen Talentes liegt, als einen
Dichter von höchstem Streben und reinstem Wollen angekündigt.
Hexinaim Fischer, Erinnerungen an Johann Georg Fischer von seinem Sohne (Tü-
bingen, 1S971 H. Laupp'sche Buchhandlung ; mit Porträt). Aus den zahlreichen Widmungs-
artikeln bei Gelegenheit von Fischer's 80. Geburtstag und seinem Tode seien hervorgehoben:
Die Nekrologe in der Schwäbischen Chronik vom 8. Mai 1897 (Sonntagsbeilage), im Stutt-
garter Neuen Tagblatt vom 5. Mai 1897 (Adolf Palm), im Neuen Correspondenzblatt für
die Gelehrten- und Realschulen Württembergs V (1898) S. 52—58 (Otto Güntter), die
Aufsätze von Karl Busse in Die Gegenwart, 1896, No. 44, Blätter für literarische Unter-
haltung, 1896, No. 43, die Nation 15. Jahrgang (1898) No. 14/151 von Ludwig Jacobowski
in Nord und Süd, Novemberheft 1896; Alfred Biese, Lyrische Dichtung und neuere deut-
sche Lyriker, S. 82 — 93. Ueber Fischer als Dramatiker handelt ausfuhrlich Heinrich Kurz,
Geschichte der deutschen Literatur, IV (1872), S. 639 — 643.
Werke u. Schriften s. Börsenbl. f. d. Deutschen Buchhandel 1897, No. 107.
Rudolf Krauss.
Ramanny Bruno (eigentlich Adolf August Moritz) , * am 17. April 1832
zu Erfurt, f am 13. März 1897 in Dresden. — Ein vielseitig gebildeter Mu-
siker, der sich auch als Dichter auszeichnete. In Leipzig unter Moritz Haupt-
mann machte er seine Musikstudien; 1871 Hess er sich in Dresden nieder.
Von Natur schüchtern und zurückhaltend, die Verdienste anderer mit Freuden
anerkennend, trat er mit seinen eigenen Leistungen nur ungern hervor. Im
Umgange liebenswürdig und bescheiden, in seinen Arbeiten tüchtig und ge-
diegen, genoss er in Dresden, wo er als Gesanglehrer und Musikkritiker wirkte,
einen wohlverdienten Ruf und wurde von seinen Schülern in seltener Weise
1^6 Ramann. Ritter von Arneth.
verehrt. Auch als Musikkritiker erwarb er sich durch seine Unparteilichkeit,
sein mildes und schonendes Urtheil, ohne in eine allgemeine Lobhudelei zu
verfallen, die Liebe und Freundschaft aller Kunstgenossen. Als Componist
trat er mit weniger Erfolg auf und nur in den Kreisen seiner Schüler wurden
seine Lieder fleissig gesungen. Im Jahre 1891 erschien bereits das 74. Werk:
2 Klavierpiecen.
Quelle: Rabich's Blätter für Haus- und Kirchenmusik 1897, S. 71.
Rob. Eitner.
Arneth, Alfred, Ritter von, Historiker und Politiker, ♦am 10. Juli 181 9
zu Wien, f am 30. Juli 1897 ebenda. — In ihren Aufzeichnungen schildert
A.'s Mutter, Toni Adamberger, ihre erste Begegnung mit Kömer, als sie an
einem kalten, aber herrlichen Jännertage des Jahres 181 2 zur Probe in das
Burgtheater abgeholt wurde: »Die helle Sonne schien so warm und goldig,
dass ich, fröhlich in's Leben hineinblickend, Gott dankte, dass er mir er-
laubte, nach längerer Zeit wieder die kühle Luft in langen Zügen einzuathmen.
Im Theater angekommen, wurde ich mit heiterem Jubel empfangen, denn
man hatte mich wirklich lieb, und »Toni, grüss Gott, Toni«! schallte mir von
allen Seiten lustig entgegen. Alle umringten mich, und die Herzlichkeit, mit
der sie mich begrüssten, war wirklich rührend, weil sie so wahr und aufrichtig
empfunden war. — Ein junger Mann stand im Halbdunkel des Zimmers und
hatte der Scene mit lebhaftem Erstaunen zugesehen. Die grossen, ausdrucks-
vollen, tiefblauen Augen ruhten auf mir mit dem Ausdrucke höchster Ver-
wunderung. Er hatte so oft und so viel von dem Neide und der Missgunst
reden gehört, welche unter dem so reizbaren Volke der Schauspieler leben
sollten, dass ihm diese ungeheuchelte Freundschaft fiir mich ein günstiges
Urtheil für sie wie für mich abnöthigte. Ich sah ihn ebenso verwundert an,
und so standen wir einen Augenblick einander stumm gegenüber. Es war
Theodor Körner.«
Es ist bekannt, dass Toni Adamberger, die nicht nur blendend schöne,
sondern auch sittenstrenge Heroine des Burgtheaters, dem jungen Dichter und
Helden sich verlobte und ebenso bekannt ist das tragische Ende dieses kurzen
Glückes. »Als Theodor zu Tode getroffen fiel — erzählt uns Toni in ihren
Aufzeichnungen — hatte er mein Büd, von Lieder gemalt, auf der Brust,
einen Ring mit einem kleinen Herzen von mir am Finger, meine Briefe in
der Tasche.« Ueber ihren Brautstand selbst beobachtete sie Zeitlebens ein
ehrfürchtiges Schweigen.
Im Jahre 181 7 verlobte sie sich mit dem Kustoden des Münz- und An-
tikenkabinets, Josef Arneth, den sie in dem Salon der Schriftstellerin Karoline
Pichler kennen gelernt hatte, und trat aus dem Verbände des Burgtheaters.
Am 17. Juni dieses Jahres erschien sie als Jertha in der »Schuld« das letzte-
mal vor dem Publikum, von dem sie in der rührendsten Weise Abschied
nahm. In dem zu Weidlingau befindlichen Schlosse des Fürsten Dietrichstein,
des wohlwollendsten Protektors des jungen, aufstrebenden Gelehrten, dem er
auch die Erziehung seines einzigen Sohnes Josef anvertraut hatte, wurde der
neue Ehebund geschlossen. Am 16. März 1818 wurde den glücklichen Gatten
ein Sohn geschenkt, der jetzt noch lebende , angesehene Arzt Franz Rektor
von A. Das Jahr darauf, am 10. Juli erblickte Alfred von A. zu Wien das
Licht der Welt. Fast schien es, als sei er nicht zur Erreichung einer höheren
Stufe im Staatsdienst geboren ; denn der italienische Geistliche, der ihn taufte,
Ritter von Ameth.
137
sprach die in dem Rituale vorgeschriebenen Worte fehlerhaft aus und fragte:
»Widersagst du dem bösen Feinde und seinem Hofrath?«, während es »seiner
Hoffart« hätte heissen sollen. In glücklicher Kindheit wurden die ersten
Jahre des Lebens verbracht und im Konvikt von Kremsmtinster die Gymnasial-
studien vollendet. Als es sich um die Wahl des Brodstudiums handelte,
kam es nach längerem Schwanken schliesslich dazu, dass der ältere Sohn
den medicinischen, der jüngere aber den juristischen Studien obliegen sollte.
Nach deren Vollendung trat A. bei der Kameralgefällenverwaltung, der heutigen
Finanz-Landesdirection, ein. Die Geschäfte jedoch, denen sich übrigens A.
mit unermüdlichem Fleiss hingab, konnte -den nach edleren Zielen strebenden
Jüngling nicht befriedigen. War von seiner schönen Mutter ausser der Wohl-
gestalt des Körpers auch der künstlerische Sinn auf ihn vererbt worden, so
war von seinem Vater das heisse Verlangen nach einer wissenschaftlichen
Thätigkeit auf ihn übergegangen. Als er nun von seinem im Staatsarchive
angestellten Freunde Chmel erfuhr, dass bei diesem Institut eine neue Orga-
nisation in der Durchführung begriffen sei, trachtete er eifrigst, dort angestellt
zu werden. Seine Bemühungen waren von Erfolg begleitet und A. war einer
der drei Glücklichen, die je eine Praktikantenstelle mit einem Adjutum von
jähriich vierhundert Gulden erhielten.
Aber nicht lange sollte A. im Archive verbleiben. Die ausgedehnten
Sprachkenntnisse und die schöne Schrift des jungen Praktikanten bewogen
seinen obersten Chef, Fürsten Mettemich, ihm eine freigewordene Offizial-
stelle in der Staatskanzlei zu verleihen. Dies geschah im Oktober 1841.
Diese neue Wendung seines Geschicks versetzte A. in einen wahren Taumel
der Freude : denn jetzt schien ihm die Möglichkeit gewährt, das Mädchen, dem
seine erste Liebe galt, heimzufuhren als sein Weib. Es war dies eine der
Töchter des vielgesuchten Wiener Arztes Dr. von Schäffer, der Grillparzer
folgende Verse widmete:
Einst auf denselben Bänken
Sassen Dein Vater und ich;
Des Guten und Schönen zu denken,
Der Vorsatz uns nimmer entwich.
Und dass wir's nicht gänzlich verfehlten,
Das zeigte die Zeit, die verstrich,
All was wir schufen und wählten;
Und jeder lässt sterbend nach sich
Die Kinder voll Anrauth und Sitten —
Neid, weisst Du es anders, so sprich!
Ich Sapphon und Melitten,
Dein Vater, o Liebliche, Dich.
A.'s Vater wollte aus finanziellen Gründen von einer so frühen Ehe
seines Sohnes nichts wissen. Um den Widerstand des Vaters zu brechen,
hatte sich A. entschlossen, dessen bereits etwas veraltete Geschichte Oester-
reichs einer gründlichen, den neuen Anschauungen entsprechenden Umarbeitung
zu unterziehen. Nun gab auch der Vater nach. Indessen war dem Sohn zu-
gleich die Lust zu grösseren historischen Werken erwacht. Mächtig zog ihn
die romantische, ritterliche Gestalt des Feldmarschalls Grafen Guido Starhem-
berg an, und ihr galt sein erstes historisches Werk, das im April 1852 voll-
endet wurde und den Beifall der hervorragendsten Geschichtsschreiber fand.
A. sah jedoch sein Werk über Starhemberg nur als eine Vorarbeit zu einem
ähnlichen, wenngleich weit grösseren über Eugen von Savoyen an, »Uner-
138 Ritter von Araeth.
mtidlich — so erzählt er uns in seiner Selbstbiographie — kopirte und
excerpirte ich darauf los, ja während ich des Morgens in den Archiven noch
dasjenige sammelte, was sich auf die späteren Lebensjahre des Prinzen bezog,
ging ich in den Abendstunden schon an die Verarbeitung dessen, was seine
früheren Schicksale betraf.« In der Zwischenzeit veröffentlichte A. noch kleinere
Publikationen. Eine solche war der interessante Briefwechsel, den König
Karl in. von Spanien, nachmals Kaiser Karl VI., während seines Aufenthaltes
in Barcelona in den Jahren 1705 bis 1711 mit dem obersten Kanzler von
Böhmen, Grafen Johann Wenzel Wratislau, gepflogen hatte. Im December des
Jahres 1857 erschien der erste Band von A.'s »Prinz Eugen« , ihm folgten
schnell der zweite und endlich, noch im Jahre 1858, der dritte und letzte
Band. Seine schönen Leistungen auf historischem Gebiete erschlossen A. gar
bald die Pforte des ersten wissenschaftlichen Instituts der Monarchie: im Mai
1858 wurde er zum korrespondirenden Mitglied der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften gewählt. Am 20. November desselben Jahres starb Josef
Chmel, Vicedirektor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, ein Ereigniss, das in
seiner Nachwirkung einen entscheidenden, überaus günstigen Einfluss auf das
Schicksal A.'s ausübte. Allmählich war in diesem die Sehnsucht stärker ge-
worden, sich von der eigentlichen Laufbahn eines Beamten vollständig loszu-
lösen und einzig und allein der historischen Wissenschaft zu leben. Im
Staatsarchiv winkte ihm die Gelegenheit, seinen lebhaften Wunsch erfiillt zu
sehen, und eifrig trachtete er, die durch Chmel's Ableben erledigte Stelle
eines Vicedirektors zu erlangen. Aber man zögerte lange mit dem Entschlüsse,
das Staatsarchiv, das bisher sowohl vom Ministerium selbst, als von der Archiv-
verwaltung als ein Sammelpunkt ängstlich zu hütender. Staatsgeheimnisse be-
trachtet und deshalb, wenigstens insofern es die neuere Zeit anging, vor jedem
profanen Auge sorgfältig verschlossen worden war, nun plötzlich einem Manne
unbedingt zugänglich zu machen, der ganz offen als seinen Hauptzweck be-
zeichnete, die dort aufgehäuften handschriftlichen Schätze literarisch zu ver-
werthen. Noch vor Erfüllung seines Wunsches trug sich A. mit dem Plane
zu einer historischen Arbeit, die an Umfang und an Bedeutung für Oesterreich
sein Buch über den Prinzen Eugen noch weit übertreffen sollte. Es war dies
eine pragmatische Geschichte der Kaiserin Maria Theresia. Endlich nach
zweijähriger Bewerbung, am 8. November 1860, erhielt A. die Vice-Direktor-
stelle im Staatsarchiv und somit war dieser Zielpunkt seiner Sehnsucht glück-
lich erreicht. Nun konnte er sich ungestört und sogar unter den Auspizien
des auswärtigen Amtes mit seiner »Herzensdame« beschäftigen, wie sein
Bruder Maria Theresia scherzweise nannte. Durch fast zwanzig Jahre that er
dies mit rastlosem Bemühen, bis endlich Ende April 1879 die Biographie der
Kaiserin in zehn Bänden abgeschlossen vor ihm lag, ein Werk, von dem
Döllinger schrieb, es sei ein Denkmal »dauernder als Erz«. Aber A. konnte
sich der wehmüthigen Empfindung nicht entschlagen, dass die beste Arbeit
seines Lebens gethan sei und er eine ähnliche nicht mehr zu Stande bringen
werde.
Die eifrige Thätigkeit A.'s auf historischem Gebiete brachte es mit sich,
dass er der unversiegbaren Quelle, aus welcher er schöpfte, dem Staatsarchiv,
die grösste Sorgfalt widmete. Noch als Vicedirektor erwies er diesem Institut
einen überaus wichtigen Dienst, indem er ihm den rechtlichen Besitz der für
die österreichische Geschichtsforschung so bedeutenden Dispacci di Germania
zu gewinnen sich bemühte, die durch den Benediktiner P. Beda Dudik im
Ritter von Ameth.
139
Juli 1866 nach Oesterreich gebracht worden waren. Aber erst im Jahre 1868
konnte A., damals bereits Direktor des Staatsarchivs, dieses in den endgiltigen
Besitz der Dispacci bringen, die, von den Tagen Karls V. bis in das letzte
Decennium des vergangenen Jahrhunderts reichend, nicht weniger als 323
Original-Depeschenbände zählen.
Mit der Ernennung A.'s zum Direktor des k. und k. Haus-, Hof- und
Staatsarchivs begann eine neue glänzende Epoche nicht nur dieses Instituts,
sondern auch der österreichischen und deutschen Geschichtsforschung über-
haupt. Denn die Quelle, aus der diese schöpfte, war nicht mehr in ihrem
Laufe gehemmt und spendete von nun an jedem ernsten Forscher von ihrem
Reichthum. Infolge seines liberalen Systems ahmten bald die auswärtigen
Archive das Beispiel A.'s nach und öffneten ihre Schätze in freigebigerer
Weise als bisher der Wissenschaft. Angesichts solcher Leistungen war es
begreiflich, dass A. in das Präsidium der Akademie der Wissenschaften be-
nifen wurde. 1872 ging er im Auftrage der Akademie als der Repräsentant
nach Brüssel, um dem hundertjährigen Jubiläum der Stiftung der belgischen
Akademie durch die Kaiserin Maria Theresia beizuwohnen. Ihm wurde die
Aufgabe gestellt, in französischer Sprache die Rede zu halten, die man von
einem der fremden Delegirten bei dem festlichen Bankette erwartete und die
in einen Trinkspruch auf die belgische Akademie ausklingen sollte. A. ent-
sprach diesem Wunsche in einer Weise, die ihm selbst und der von ihm re-
präsentirten Wiener Akademie zu wahrer Ehre gereichte. »Die ersten Sätze
meiner Rede — sagt er selbst darüber — waren in tiefstem Stillschweigen
angehört worden. Aber je länger ich sprach, desto lebhafter wurde der Bei-
fall; schliesslich war er so stürmisch und so betäubend, dass er meine letzten
Worte vollständig unhörbar machte. Nun aber drang Alles auf mich ein,
Alles drückte mir die Hand, Alles stellte sich mir vor, alle möglichen und
unmöglichen Namen wurden mir genannt, jeder wollte mit mir anstossen, und
meine Hände waren förmlich überfluthet von dem Champagner, den man
hierbei vergoss. Als ich mich aber bei Einigen, die mich besonders lebhaft
beglückwünschten, wegen eines hie und da unterlaufenen Fehlers der Sprache
oder einer allzu deutsch gedachten Wendung der Rede entschuldigen wollte,
da antwortete mir Einer: Ach was, das ist nichts! Sie redeten zu uns in der
Sprache des Herzens, die versteht Jedermann und Jeden reisst sie hin!«
Und wirklich kam gleich darauf sein Herz in einer ihn innig rührenden
Weise in's Spiel. Kaum hatte er geendet, so näherte sich ihm der ehrwürdige
Präsident, der ihm in bewegten Worten mittheilte, nicht nur sein Name,
sondern mehr noch sein Auftreten und seine Sprechweise habe ihn an eine
Frau erinnert, mit der er vor fünfunddreissig Jahren eine Reise von München
nach Salzbiu'g zurücklegte, und deren Andenken ihm um ihrer seltenen Liebens-
würdigkeit willen unvergesslich geblieben sei. »Diese Wiederbelebung des
Bildes meiner Mutter in jener Stunde der Aufregung und des Erfolges —
lesen wir in A.'s Aufzeichnungen — hatte wirklich etwas Ueberwältigendes
für mich, und mit überströmendem Gefühl gedachte ich ihrer, der ich ja
auch den grössten Theil dessen, was mir soeben zu so vielstimmiger Aner-
kennung verholfen hatte, das bischen Redegewandtheit und die Fähigkeit
verdankte, es auch in einer fremden, der französischen Sprache, zu einiger
Cieltung zu bringen.«
Als am 23. Juli 1878 Rokitansky starb, trat A. als Vicepräsident, nach den
Satzungen der Akademie einstweilen provisorisch an die Spitze dieser Kor-
140
Ritter von Ameth.
poration, zu deren Präsidenten er später, am 27. Mai 1879 einstimmig gewählt
wurde. Seither hatte die Akademie seine Wahl zu ihrem Präsidenten nach
je drei Jahren sechsmal erneuert, so dass er sich bis zu seinem Hinscheiden
in dieser ehrenvollen Stellung befand. Im Juni 1880 aber erfolgte aus Anlass
der bevorstehenden Vollendung seines vierzigjährigen Dienstjahres seine Er-
nennung zum wirklichen geheimen Rath.
Auch ausserhalb der Monarchie drang sein Name in die wissenschaftliche
Welt und da erfüllte es A. mit grösster Freude, als die bayerische Akademie
der Wissenschaften ihn, den Oesterreicher, zum Präsidenten der historischen
Commission ernannte — eine Stelle, die vor ihm Ranke und Sybel bekleidet
hatten.
Die gesunde Weltanschauung A.'s brachte es mit sich, dass er Wider-
willen gegen diejenigen empfand, die man als Menschen der Katastrophen
bezeichnen darf. Stürmer und Dränger stiessen ihn ab, nur Vernunft, ge-
paart mit zielbewusstem , rechtschaffenem Handeln, konnte ihm Achtung
einflössen, die er in diesem Falle auch dem Gegner nicht versagte. Mit Vor-
liebe ruhte daher sein Blick auf jenen Gestalten vaterländischer Geschichte,
die nicht allein durch Staatskunst, sondern auch durch Rechtschaffenheit des
Charakters gleich ausgezeichnet waren. Sie, die nicht in den Winkelztigen
des Machiavellismus, sondern auf der geraden Bahn einer offenen und ehr-
lichen Politik die naturgemässe Ausgestaltung des Reiches anstrebten, fesselten
ihn zumeist und regten ihn an, ihre Geschichte niederzuschreiben.
Schärfer als bei Ranke tritt bei A. die Persönlichkeit in den Vorder-
grund; sie ist es, welche das Ganze beherrscht und das biographische
Moment ist es, worin A.'s eigentliche Grösse liegt. Immer wieder zog es
ihn dahin und diesem Drange verdanken wir seine Monographie Bartenstein's
(187 1), seine eigene Lebensbeschreibung (1893), sein Buch über Schmerling
(1896) und sein letztes über den Minister Wessenberg (1898).
Die Korrespondenzen, die .A. theils allein, theils mit Geffroy und
Flammermont herausgab, sind Quellenwerke, die nicht blos einen tiefen Ein-
blick in die Politik der Monarchie, sondern auch in das Innerste der Per-
sönlichkeiten gewähren, die sie leiteten. Maria Theresia, Joseph und Kaunitz
sind uns menschlich näher gertickt, wir erkennen ihre Grösse, aber auch ihre
Schwächen. Ueberdies waren diese Publikationen auch sachlich sehr er-
giebig. Sie entkräfteten vielfach irrige Anschauungen. So brachte der Brief-
wechsel mit Marie Antoinette in überzeugender Weise die Unechtheit der
Briefe an den Tag, die Hunolstein und Feuillet de Conches herausgegeben
hatten, und die geheime Korrespondenz zwischen Joseph II, Kaunitz und dem
Grafen Mercy machte endgiltig den Glauben zu nichte, dass die Königin Ein-
fluss auf die Geschäfte gehabt und sie recht eigentlich geleitet habe.
Wie A. in dem geistigen Leben seines Vaterlandes und über dieses hinaus
eine hervorragende Stellung einnahm, so hatte er auch verstanden, sich eine
gleich angesehene auf politischem Gebiet zu erringen. Die Ausschreibung der
Wahlen für das Frankfurter Parlament bot ihm 1848 zum ersten Male Ge-
legenheit, öffentlich zu sj)rechen und in schön durchdachter Rede sein poli-
tisches Glaubensbekenntniss zu enthüllen. Nicht so sehr der Beifall, der ihm
hierbei gezollt wurde, als vielmehr die Ueberzeugung, »dass es für einen
einzelnen Mann schon ein verdienstliches Unternehmen sei, das Seinige bei-
zutragen, dass wenigstens eine Stimme in einem der gesetzgebenden Körper
nicht wieder der radikalen Partei anheimfalle, sondern dass sie in gemässigtem
Ritter von Ameth. 141
Sinne abgegeben werde« bestärkte A. in dem Vorsatze, die politische Bühne
zu betreten und werkthätig an dem Aufbau eines neuen Oesterreich mitzu-
helfen. Er bewarb sich in Neunkirchen um das Abgeordnetenmandat zum
Frankfurter Parlament und trug über nicht weniger als zehn Kandidaten,
darunter Perthaler, den Sieg davon. Als A. in Frankfurt eintraf, befand sich
diese Stadt in grosser Aufregung. Die preussische Regierung hatte den Krieg,
den sie im Auftrage Deutschlands wegen Schleswig-Holstein gegen Dänemark
führte, durch den von ihr zu Malmö abgeschlossenen Waffenstillstand eigen-
mächtig abgebrochen und an das Frankfurter Parlament die Zumuthung ge-
stellt, diesen Vertrag zu ratiüciren. Als das Ministerium Schmerling nothge-
drungen nachgab und den Malmöer Vertrag dem Parlament zur Gutheissung
vorlegte, blieb es mit seinem Antrag in der Minderheit und resignirte. Der
Erzherzog-Reichsverweser beauftragte nun Schmerling, dem Parlament neuer-
dings den Waffenstillstand zur Ratification vorzulegen. Zwei Gesichtspunkte
waren es, von denen A. sich nun leiten Hess; er hielt es für seine Pflicht,
alles zu thun, um seinen Landsmann Schmerling im Amte zu erhalten und
weiter alles zu vermeiden, was der radikalen Partei die Oberhand verschaffen
konnte. Am 16. September erfolgte die entscheidende Abstimmung, die eine
Majorität von 21 Stimmen für den Waffenstillstand ergab. A. schloss sich
dem jüngsten Club an, gebildet aus den Abgeordneten, die bisher dem
Württemberger Hof angehört hatten und aus diesem wegen ihrer Abstimmung
zu Gunsten des Waffenstillstandes ausgeschieden waren. Die Clubs als solche
besassen jedoch nicht die geringste Einflussnahme auf die Geschäftsführung
des Parlaments. Dieser gemäss wurden die einzusetzenden Commissionen
nicht von der Versammlung selbst, sondern von den fünfzehn Abtheilungen
gewählt, in die sie zerfiel. Aus deren Zusammensetzung konnte A. mit grosser
Befriedigung erkennen, dass die entschiedene Majorität dem Wiener Aufstande
ungünstig gesinnt sei. Nichts destoweniger musste er sich gestehen, dass so-
wohl die deutsche Centralgewalt, als auch die Nationalversammlung den in
Oesterreich vor sich gehenden Ereignissen ohnmächtig gegenüberstanden. In
lebhafter Weise betheiligte sich A. nunmehr an der Diskussion über die
Paragraphen 2 und 3 der Reichsverfassung, wobei er sich einzig und allein
von der Ansicht leiten Hess, »dass eine Unterordnung Oesterreichs unter diese
Bestimmung eine Unmöglichkeit sei«. Hierzu kam noch das von Mühlfeld
eingebrachte Minoritätsgutachten, das von einem völkerrechtlichen Bunde
Oesterreichs mit Deutschland sprach. »Wer es gut meine mit Deutschland —
Hess er sich vernehmen — müsse alles daran setzen, um ihm das schönste,
das herrlichste seiner Länder, um ihm Oesterreich zu erhalten.« Eine Lösung
der deutschen Frage wurde aber nicht erzielt. Die Parteiunterschiede im
Parlament waren zu weitgehende, als dass eine für alle Theile gleich zufrie-
denstellende Einigung herbeigeführt worden wäre. Ein einziges Mal verschwand
jeder Parteiunterschied — dies war anlässlich der Abstimmung der Fall, die
über den Antrag erfolgte, das Reichsministerium aufzufordern, mit allem
N^achdruck Massregeln zu treffen, um die an der Verhaftung und Tödtung
des Abgeordneten Blum unmittelbar und mittelbar Schuldtragenden zur Ver-
antwortung zu ziehen und zu bestrafen. Die Verlegenheiten der Oesterreicher
mehrten sich von Tag zu Tag und wurden ganz besonders bedenklich, als
das Ministerium Schwarzenberg- Stadion vor den Kremsierer Reichstag mit
einem Programm hintrat, aus dem unschwer zu erkennen war, dass man in
Oesterreich aufrichtig und wahr den Einheitsstaat wolle und diesem ver-
142
Ritter von Ameth.
lockenden Ziele energisch zustreben werde. An die Oesterreicher trat nun-
mehr die Frage heran, ob sie angesichts der sich immer deutlicher heraus-
stellenden Gewissheit, dass sich Oesterreich in den neu zu gründenden
deutschen Bundesstaat nicht einfügen könne und werde, überhaupt noch be-
rechtigt seien, an der Gesetzgebung über diesen einen thätigen Antheil zu
nehmen. Aber erst die Octroyirung der Verfassung vom 4. März 1849 musste
sie erkennen lassen, dass ihre Mission als österreichische Abgeordnete als be-
endet zu betrachten sei. »Als Oesterreicher« — so erzählt uns A. — »freute
ich mich aufrichtig des entschiedenen Schrittes, welchen die Regierung gethan,
um einerseits den Völkern Oesterreichs den Fortgenuss der constitudonellen
Freiheiten zu sichern und anderseits wieder ein gesetzmässiges Gefiige in das
arg zerrüttete Staatswesen zu bringen.« A. legte sein Mandat nieder, indem
er von der Voraussetzung ausging, »dass es vielmehr im Interesse dieser Re-
gierung liege, einer Situation freiwillig ein Ende zu machen, welche ihrem
Einflüsse in Deutschland nicht das Mindeste nütze, ihr Ansehen aber empfind-
lich benachtheilige«. In bescheidener, jedoch entschiedener Weise trat A.
für diese seine Anschauung ein, als er sich im Ministerium des Aeussem
seinem neuen Chef, dem Fürsten Schwarzenberg, vorstellte.
Zwölf Jahre später ergab sich für A. abermals die Gelegenheit, als Po-
litiker thätig zu sein, indem er im März 1861 das Neunkirchner Mandat fiir
den Landtag, um das er sich beworben hatte, erhielt. Dass er kurz vorher,
im Jahre 1860, beauftragt worden war, den Sitzungen des verstärkten Reichs-
rathes beizuwohnen und die gehaltenen Reden zu ihrer Veröffentlichung zu
redigiren, hatte nicht wenig beigetragen, sein Urtheil nach mancher Richtung
hin zu schärfen. Auch jetzt betrachtete er als seine hauptsächlichste Aufgabe,
»das Ministerium Schmerling in seinen auf Einführung des Verfassungslebens
in Oesterreich gerichteten Bestrebungen zu unterstützen und ihm keine wie
immer gearteten Schwierigkeiten zu bereiten«. Deshalb schloss er sich mit
Pillersdorf, Pratobevera, Heinrich Perger und Schindler der Partei an, deren
Kern der Grossgrundbesitz unter Führung des Freiherm Karl von Tinti
bildete. Die zweite Partei stand unter dem überwiegenden Einfluss von
Mühlfeld und Berger. Bereits in der ersten Sitzung wurde A. das Amt eines
Berichterstatters des Ausschusses für Ausarbeitung einer Geschäftsordnung
übertragen. Bald trat an ihn die Frage heran, ob er vom Landtag in den
Reichsrath oder in den niederösterreichischen Landesausschuss gewählt werden
wolle. Umstände der verschiedensten Art bewogen ihn, eine Wahl in den
Reichsrath nicht anzunehmen, wogegen er hoffte, im Landesausschuss eine
vielleicht nicht glänzende aber erspriessliche Thätigkeit entwickeln zu können.
Am 20. April 1861 mit 42 gegen 24 Stimmen gewählt, erhielt A. am folgenden
Tage das Referat über Unterrichtsfragen.
Wenn sich auch A. durch seinen Verzicht auf eine Wahl in den Reichs-
rat von jeder grösseren Thätigkeit auf politischem Gebiete freiwillig ausge-
schlossen hatte, so hinderte ihn dies nicht, alle Vorkommnisse mit regem
Interesse zu verfolgen. Leider waren sie nicht derart, dass sie einen in alt-
österreichischen Traditionen aufgewachsenen Mann, wie A., mit grossen Hoff-
nungen für die Zukunft erfüllen konnten. Mit wachsender Besorgniss sah A.
wie sich die Kluft zwischen dem Ministerium Schmerling und der deutsch-
liberalen Partei erweiterte. Seine eigene Parteistellung charakterisirt A. selbst
in folgenden Worten: »Von dem ersten Augenblick angefangen, in welchem
ich durch meine Wahl in das Frankfurter Parlament zur Entfaltung einer po-
Ritter von Ameth.
143
lidschen Thätigkeit berufen wurde, bis auf den heutigen Tag, also fast schon
ein halbes Jahrhundert hindurch, betrachtete ich mich allzeit als ein Mitglied
und einen treuen Anhänger der deutschliberalen Verfassungspartei und bin
gewiss, dies auch bis zum Ende meiner Tage unverändert zu bleiben. Ich
habe mich zu dieser Fahne vereidigt, weil ich durch Geburt und Abstam-
mung ein Deutschösterreicher bin, und mir jede Verleugnung meiner Natio-
nalität, jede Hintansetzung ihrer berechtigten Interessen oder gar ein Bündniss
mit ihren Gegnern als eine so verwerfliche Handlung erscheint, dass ich mich
ihrer niemals schuldig machen werde. Den Reihen der gemässigten Liberalen,
der aufrichtig Constitutionen gesinnten aber gesellte ich mich zu und werde
immerdar in ihnen verbleiben, weil ich der Meinung bin, der gleichzeitig
ernste und redliche Politiker müsse sich allezeit zu dem System bekennen,
welches er nach bestem Wissen und Gewissen als das heübringendste für
den Staat und dessen Bevölkerung betrachtet.« Als nach dem Sturze
Schmerling's Graf Richard Belcredi zu dessen Nachfolger ernannt wurde und
seine Thätigkeit mit dem Patent vom 20. September 1865 eröffnete, trat an
A. die Pflicht heran, in dem bevorstehenden Konflict zwischen Regierung und
Landesvertretung Partei zu ergreifen und Farbe zu bekennen. Viele Jahre
darnach konnte sich A. nicht von dem Vorwurf freisprechen, dass die Art
und Weise, in der er den an und für sich gewiss nur zu billigenden £nt-
schluss ausführte, sich gegen das September-Patent zu erklären und mit ein-
zustimmen in das Begehren um Zurücknahme dieses, »nicht gerade Lob,
sondern eher Tadel verdiente«. »Ich verfiel hierbei in den Fehler« — gesteht
er uns — »welchen wir Deutsche so oft begehen, und der vielleicht unserer
Gewissenhaftigkeit und unserem persönlichen Charakter, nicht aber auch unserer
politischen Einsicht zur Ehre gereicht. Nichts fällt uns schwerer, nichts kostet
uns ein grösseres Opfer, als die blinde Unterordnung unter die strenge Partei-
disciplin, und doch ist sie die unerlässliche Vorbedingung, zur Erreichung von
Erfolgen auf politischem Gebiete. Auch mir ging es nicht anders.«
Unmittelbar nach Schluss der zweiten Landtagssession von 1866, am
2. Jänner 1867, wurde das kaiserliche Patent erlassen, welches die Auflösung
der Landtage und die unverzügliche Veranstaltung von Neuwahlen anordnete.
Unter solchen Verhältnissen erachtete A. es »als ein Gebot der Ehre und
der Pflicht«, sich neuerdings um das Landtagsmandat zu bewerben, das er
fui den Bezirk Neunkirchen abermals erhielt. Da enthob der Kaiser am
7. Februar den Grafen Belcredi seiner Functionen und ernannte den Myiister
des Aeusseren, Freiherm von Beust, zum Präsidenten des Ministerrathes. Es sei
uns gestattet y hier anknüpfend zu erwähnen, dass bereits im October 1864
Graf Rechberg auf seinem Posten eines Ministers der auswärtigen Angelegen-
heiten durch den Grafen Alexander Mensdorff ersetzt worden war. Dieser
war, versichert uns A. mit voller Bestimmtheit, ein Gegner der Sistirungs-
politik, des Doppelkrieges gegen Preussen und Italien, sowie der Abtretung
Venedigs an Napoleon III. In Betreff Beust's bedauerte A. auf das leb-
hafteste, »dass ein Mann in das Ministerium berufen wurde, der nach seinem
eigenen Geständnisse den inneren Verhältnissen Oesterreichs vollkommen
fremd gegenüberstand«. Mit der ihm eigenen Offenheit erklärte A. seinem
neuen Chef, und zwar von ihm selbst hierzu aufgefordert, zwei Punkte seien
es vor Allem, an welche ohne Zeitverlust Hand angelegt werden müsse: »der
erste bestand in der entschiedenen und aufrichtigen Beseitigung der Sistirungs-
polidk, in der Wiedereinführung verfassungsmässiger Zustände und in treuem
144
Ritter von Ameth.
Festhalten an denselben. Der zweite aber, in dem ernsten und unausgesetzten
Bestreben, mit Ungarn einen dauernden Ausgleich auf der Grundlage von
Bestimmungen zu Stande zu bringen, welche dem Gesammtstaate Oesterreich
wesentlich günstiger wären als diejenigen, die in den verschiedenen, grössten-
theils von dort herrührenden Staatsschriften enthalten seien.« Hinsichtlich
des ersten Punktes erklärte sich Beust mit A. einverstanden. Was den zweiten
betrifft, wobei sich A. auf Seite derer stellte, »welche auch fiir die Zukunft
einen Gesammtstaat Oesterreich erhalten wissen wollten, innerhalb dessen
Ungarn eine abgesonderte Stellung einnehmen könne«, konnte A. in Bälde
zur Ueberzeugung gelangen, dass seine Auseinandersetzungen Beust keines-
wegs zusagten. Aber dieser unterbrach in seiner echt sächsischen Höflichkeit
A. nicht, der erst dann das Gespräch abbrach, als er merkte, er dürfe Beust's
Geduld nicht länger in Anspruch nehmen.
Als die Landtage zusammentraten, legte ihnen die Regierung ein Rescript
vor, kraft dessen die Sistirungspolitik und mit ihr die Einberufung eines
aussergewöhnlichen Reichsrathes vollständig fallen gelassen wurde. Bios die
Wahlen für den legalen Reichsrath sollten vorgenommen werden. Im nieder-
österreichischen Landtag selbst besassen in Folge der während der Periode
Belcredi stattgehabten Neuwahlen nach beiden Seiten hin die extremen Rich-
tungen eine stärkere Vertretung als früher. Trotz dieser Aenderung wurde
A. abermals in den Landesausschuss entsendet. In seiner Selbstbiographie
geht A. auf die Agenden dieser sehr kurzen Landtagssession ebensowenig ein,
wie auf die Verhandlungen des Reichsrathes. Er hätte zwar gewünscht, dass
Regierung und Reichsrath etwas weniger nachgiebig gegen die Forderungen
der Ungarn gewesen wären. »Nachdem aber einmal« — lesen wir dort —
»der Ausgleich auf der Basis des Dualismus und der staatlichen Selbständig-
keit Ungarns auf gesetzlichem Wege zu Stande kam, darf man auf beiden
Seiten nichts anderes thun, als gewissenhaft an ihm festhalten.«
So wie A.'s Stellung im wissenschaftlichen Leben durch die Ernennung
zum Director des Staatsarchivs und später durch die Wahl zum Präsidenten
der Akademie der Wissenschaften die rechte Weihe erhielt, so wurde ihm
auch als Politiker die glänzendste Auszeichnung zu Theil, als ihn der Kaiser
1869 in das österreichische Herrenhaus berief. »Wer sich das Ansehen,
welches zu jener Zeit das Herrenhaus in Anbetracht seiner maassvoU frei-
sinnigen, echt staatsmännischen Haltung besass, wer sich die Summe von
Talenten nicht allein, sondern von Charakteren vergegenwärtigt, über die es
in so reichem Maasse verfügte, der wird wohl begreifen, dass es mich ebenso
mit Stolz wie mit Freude erfüllte, von nun an dieser glanzvollen Versammlung
anzugehören und im Schoosse derselben an den Berathungen über die wich-
tigsten Angelegenheiten meines Vaterlandes regen Antheil nehmen zu dürfen.
Aber nicht nur die achtunggebietende Stellung des Herrenhauses und die
Hoffnung, dort eine nicht ganz unfruchtbare Thätigkeit entwickeln zu können,
gereichten mir zur Freude; in kaum geringerem Masse trug hierzu auch die
Genugthuung bei, einer Körperschaft anzugehören, welche, wie dies auch
jetzt noch geschieht, ihre Verhandlungen in jener urbanen, rücksichtsvollen
und leidenschaftslosen Form zu führen gewohnt ist, die der Würde der ersten
politischen Corporation des Reiches allein entspricht.« Im Herrenhause sah
ihn die Linke stets auf seinem Platze und stets bereit, mit den Wortfiihrem
der feudal-klerikalen Partei die Waffen zu kreuzen. So trat er ganz entschieden
für die Aufhebung des Concordates ein, wogegen der Cardinal-Fürsterzbischof
Ritter von Ameth.
145
Rauscher — am 10. April 1874 — erklärte, dass es noch giltig und rechts-
kräftig sei. A. widerlegte dies in einer Rede, in der er der Hierarchie das
Recht bestritt, sich selbst immer als die Kirche zu betrachten. Er erinnerte
den Kirchenfürsten an dessen eigenen Ausspruch, der Clerus habe sich fem
zu halten von politischen Agitationen. Als es sich um die Errichtung der
tschechischen Universität handelte und ein Mitglied des Hauses in tschechischem
Sinne sprach und den Gedanken einer Versöhnung laut werden Hess, da er-
hob sich A., um ihm die bedeutungsvollen Worte zuzurufen: »Wenn fort-
während von Versöhnung gesprochen wird, so ist das nicht zutreffend. Die
Versöhnung setzt Feindschaft voraus und wir sind keine Feinde, sondern
politische Gegner. Wenn es da zu einer Versöhnung käme, dann müssten
die mannhaften politischen Ueberzeugungen abdiciren.« Nicht blos bei diesem
Anlass gelangten die männliche Gesinnung und der unerschütterliche Charakter
A.'s so recht zum Ausdruck. Ein Jahr später hatte sich das Herrenhaus
mit dem Liechtenstein' sehen Schulantrag und mit der Schulnovelle zu be-
fassen. A. war Berichterstatter, welches Amt er jedoch niederlegte, als es
hiess, die Regierung wolle Neuwahlen für die Schulcommission erzwingen,
um die Vorlage in irgend einer Form durchzubringen.
Selten erhob A. im Herrenhaus seine Stimme; wenn es aber der Fall
war, dann geschah es um einer guten Sache willen. So trat er am 20. Mai
1890 Jaworski entgegen, der im Abgeordnetenhaus behauptet und sich dabei
auf ihn selbst berufen hatte, Galizien sei unter Maria Theresia und Joseph 11.
von den österreichischen Beamten ausgesaugt worden. »Man war in Wien
bestrebt« — so Hess sich A. vernehmen — »das beste Beamtenmaterial, sowohl
in seinen unteren wie oberen Instanzen, nach Galizien zu entsenden. Schon
die Auswahl des ersten Gouverneurs, des Grafen Johann Anton Perger, wurde
auf die Goldwaage gelegt. Ich will aber recht gern zugestehen, dass er nicht
energisch genug war, um den Augiasstall, den fürchterlichen Zustand, in
welchem er das Land traf, in welchem es seit der Republik und nicht allein
durch das Verschulden der Republik, sondern auch durch das Verschulden
der polnischen Conföderation gerathen war, zu säubern.«
So zeichneten A. als Historiker und als Politiker die gleiche patriotische
Gesinnung, das gleiche treue Festhalten an glorreichen Ueberlieferungen aus,
und jederzeit trat er, in Wort und Schrift, für Oesterreichs Ehre und Macht-
stellung auf den Kampfplatz, für die Stärkung der Einheitsidee auf constitu-
tioneller Grundlage, für die Porderung von Unterricht und Bildung in liberalem
Sinne und für die Vertheidigung des Staates gegen die Bevormundung durch
die Kirche. Aber blutenden Herzens sah A. am Abend seines Lebens, dass
auch die Sonne seiner Ideale unterging. Der Einfluss des Clerus drang in
ein Gebiet, das ausserhalb des Machtbereichs der Kirche lag, die Fluthen
des Antisemitismus ergossen sich über die Gefilde josephinischer Aufklärung,
und an der festesten Säule des Reiches wurde gerüttelt — das deutsche
Volk in seinem Besitzstand bedroht. Da suchte er Trost in der Erfüllung
einer edlen Sendung, indem er an die Spitze eines Vereins trat, der es sich
zur Aufgabe gemacht hatte, das geistige Niveau der untersten Klassen zu
heben. So wie A. als Direktor des Staatsarchivs, als Präsident der kaiser-
lichen Akademie der Wissenschaften die Gelehrtenwelt zu fördern suchte, so
wollte er als Präsident des Volksbildungsvereins, dass mit der gesteigerten
Erkenntniss auch die politische Reife vorbereitet und das Volk in seiner Ge-
sammtheit zu einer höheren Auffassung der Dinge befähigt werde. In einem
Biogr. Jahrb. u. Deutseber Nekrolog. 2. Bd. I o
1^6 Ritt^ von Ameth. Praas.
Alter, das ihn wohl berechtigt hätte, sich von allen Geschäften zurückzuziehen,
stellte er den Glanz seines Namens in den Dienst der wissensdurstigen Menge.
Er war ein Christ im wahrsten Sinne des Wortes; nie fehlte er Sonntags in
der Kirche, wo er, nicht um den äusseren Schein zu wahren, sondern fromm
und vertrauensvoll zu Gott betete; aber mit Abscheu wendete er sich von
solchen Priestern ab, die ihr heiliges Amt missbrauchten, um aus Parteirück-
sichten das Volk in seiner Unwissenheit zu erhalten und es darin zu be-
stärken. Ungezählt sind die stillen Wohlthaten, die er im Leben seinen
Nächsten erwies und noch über das Grab hinaus über seine Schützlinge aus-
streute. Kein Makel haftete an seiner Seele, die so treu und gütig aus
blauen Augen blickte, aus dem Wohlklang seiner Stimme tönte, dass keiner,
ob Hoch, ob Nieder, einmal in seine Nähe gerückt, dem Zauber zu wider-
stehen vermochte, der in seinem Wesen lag. Für die Herzensgüte des Ver-
blichenen und für seine Sanftmuth möge auch folgendes sprechen. Trotz den
unsäglichen Schmerzen, von denen er in den letzten Tagen seines Lebens
heimgesucht war, zeigte er sich nie mürrisch, sondern gottergeben ertrug er
seine Qualen. Und als eines Morgens seine treue Pflegerin Therese Gschwandtner
in Thränen ausbrach und schluchzend rief: »Wie war' es mir leichter um's
Herz, thäten mich Excellenz so recht ausschelten, sobald die Schmerzen
kommen«, da lächelte der edle Greis und sprach: »Was können denn die
Anderen dafür, dass ich leide? Soll ich es sie entgelten lassen?« Wohl kann
von ihm gesagt werden, was Goethe den Manen Schiller's nachrief:
Und hinter ihm im wesenlosen Scheine
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.
Quellen: Ameth, Aus meinem Leben. 2 Bde. 1893. — Nekrologe: A. Dove,
Beilage zur AUgem. Ztg. August 1897. — Alfred Stern, Die Nation No. 50, 11. September
1897. — Eduard Wertheimer, Revue historique 1897. — Franz Zweybrück, Monatsblätter
des wissenschaftlichen Club in Wien. XIX. Jahrgang, No. 2. — Hans von Zwiedineck,
Deutsche Zeitschrift fttr Geschichtswissenschaft^ N. F. 1897. — Von Porträts seien
genannt: Canon (Eigenthum des StaatsarchiTs). L'Allemand (Eigenthum der Baronin
von Eiseisberg, geb. Ameth). Schmidt. Michalek. Büste von PessL Medaille von Anton
Scharff).
Dr. Hanns Schlitter.
FraaSy Oskar (von), Dr., Naturforscher, ♦ am 17. Januar 1824 zu Lorch
in Württemberg (Oberamt Welzheim), f am 22. November 1897 zu Stuttgart,
in erster, am 27. August 1850 zu Balingen geschlossener Ehe mit Fanny
Sayle, in zweiter (Leonberg 4. August 1866) mit Anna Theurer vermählt. —
Die Familie F. wanderte Ende des 17. Jahrhunderts aus Tirol nach Württem-
berg ein; die Neigung zu den Naturwissenschaften soll von alters her in ihr
heimisch gewesen sein. Auch bei dem jungen Oskar trat sie frühzeitig her-
vor. Trotzdem wurde er für den theologischen Stand, dem Grossvater und
Vater angehörten, bestimmt. Nachdem er auf der Göppinger Lateinschule
fUr das Landexamen vorbereitet worden war, besuchte er das niedere Seminar
Blaubeuren und dann das Tübinger Stift. Ohne sein Berufsstudium zu ver-
nachlässigen, erübrigte er doch Zeit, um seinen naturhistorischen Liebhabereien
nachzugehen. Schon als Seminarist beschäftigte er sich eingehend mit der
Flora von Blaubeuren und führte manchen schönen, selbst gefundenen Am-
moniten der bedeutenden Sammlung seines Vaters zu. Als Tübinger Student
hörte er bei dem damals noch jugendlichen Quenstedt Geologie und wurde
ganz für diese Wissenschaft begeistert. Mit einer gcognostischen Aufnahme
der Umgebung von Tübingen trug er einen akademischen Preis davon. Bald
Fraas.
M7
verband innige Freundschaft Lehrer und Schüler, sie unternahmen zusammen
grosse, originell ausgeführte Exkursionen weit über die Grenzen Württembergs
hinaus, in die Alpenwelt, nach Oberitalien und Südfrankreich. Nachdem F.
sein Examen bestanden hatte, that er bei seinem Vater, damals Dekan in
Balingen, Vikarsdienste, nahm jedoch dazwischen hinein 1847 einjährigen Auf-
enthalt in Paris, um die Ecole des mines zu besuchen und seine geologischen
Studien fortzusetzen, und bereiste auch die Normandie und England. 1850
bis 1854 wirkte er als Pfarrer in Laufen a. d. Eyach (Oberamt Balingen), wo
er sich einen eigenen, bald durch zahlreiche Nachkommenschaft belebten
Hausstand gründete. Das Sammeln von Versteinerungen, wozu die noch
wenig ausgebeutete Balinger Gegend besonders günstige Gelegenheit bot,
wurde eifrig fortgesetzt; F. zog die Mitglieder seiner Gemeinde dazu heran,
die sich auf diese Weise in den damaligen Hungerjahren manches Stück Geld
verdienten. Das Laufener Pfarrhaus aber wurde für Sammler und Forscher
aus Nah und Fem ein viel besuchter Anziehungspunkt. Der wachsende geo-
logische Ruf des Pfarrherm lenkte die Blicke der maassgebenden Kreise auf
ihn. Er wurde 1854 als Konservator für die geologischen und mineralogi-
schen Abtheilungen an das Stuttgarter Naturalienkabinet berufen, zunächst in
der bescheidenen Stellung eines Hilfsarbeiters, aber allmählich von Stufe zu
Stufe bis zum Vorstand der Anstalt emporsteigend. Nachdem noch sein
70. Geburtstag festlich begangen worden war, trat er April 1894 in den blei-
benden Ruhestand. Nicht mehr im Vollbesitze seiner geistigen und körper-
lichen Kräfte, verbrachte er den Rest seines Lebens still, aber heiteren Ge-
müths, bis ihn ein sanfter Tod abrief. — F. hat seine besten Kräfte der
Einrichtung des Stuttgarter Naturalienkabinets gewidmet. Er hat die geo-
logischen und mineralogischen Sammlungen dieser Anstalt auf eine bedeutende
Höhe gebracht und durch die seltensten und werthvollsten paläontologischen
und sonstigen Fundstücke bereichert. Zumal den vaterländischen Saal stattete
er in glänzender Weise aus. Wie unermüdlich durchpilgerte und durchforschte
er aber auch das ganze Land! Seine Erfolge beschränkten sich nicht auf
das geologische Gebiet. Es gelang ihm, zahlreiche Höhlen zu erschliessen,
eine prähistorische Niederlassung an der Schussenquelle auszugraben. Durch
seine fortgesetzten Exkursionen wurde der » Steiner -Fraas« oder »Höhlen-
Fraascy wie ihn der Volksmund nannte, zu einer der populärsten Persönlich-
keiten in Schwaben. Auch seine grossen Studienreisen kamen ebenso den
ihm anvertrauten Sammlungen als der Wissenschaft im Allgemeinen zu gut.
1865/66 besuchte er Egypten, die Sinai-Halbinsel und Palästina, 1875 über-
nahm er im Auftrage des Generalgouvemeurs von S}nien, Rustem Pascha, die
geologische Untersuchung des Libanon, 1882 bereiste er Südfrankreich und
Spanien. F. betrachtete es nicht bloss als seine Aufgabe, das Naturalien-
kabinet zu vergrössem und zu ordnen, sondern er bemühte sich auch, es für
die weitesten Kreise nutzbar zu, machen, auf das Volk belehrend wirken zu
lassen. Trefflich verstand er es, in allgemein fasslicher Weise seine Museen
in Wort und Schrift dem grossen Publikum vorzuführen. Neben seiner haupt-
sächlichen Wirksamkeit entwickelte der vielseitige Mann sonst noch auf zahl-
reichen wissenschaftlichen und praktischen Gebieten rege Thätigkeit, überall
einen klaren Blick und ein sicheres Urtheil zeigend. Er war seit 1859 Mit-
glied der Kommission zur Herstellung eines geognostischen Atlas von Württem-
berg, Begründer und langjähriger Vorstand des württembergischen anthro-
pologischen Vereines, seit 1872 Vorstandsmitglied der deutschen Anthropolo-
lO*
148 Fraas. tob Haldenwang.
gengesellschaft, Mitvorstand und Redaktionsmitglied des Vereins für vater-
ländische Naturkunde, Mitglied der weiteren Kommission für die Verwaltung
der Staatssammlungen vaterländischer Kunst- und Alterthumsdenkmale. Viele
Jahre lehrte er femer den Weinbau an der benachbarten Akademie Hohen-
heim, wie er auch als langjähriger Vorstand des Wtirttembergischen Weinbau-
vereins diesen Erwerbszweig förderte. Ebenso erwarb er sich um den würt-
tembergischen Eisenbahnbau als geognostischer Konsul ent der Baukommission
Verdienste. 1865 bis 1869 stand er an der Spitze des Stuttgarter Gewerbe-
Vereins. Die deutsche Partei zählte ihn zu den Ihrigen, und 187 1 wurde er
in den hauptstädtischen Gemeinderath gewählt. Ueberhaupt fehlte es ihm an
vielfacher Anerkennung und Auszeichnung nicht, denn sein Ruf war weit über
die Grenzen seiner engeren Heimat, sogar über die Deutschlands hinaus-
gedrungen. Orden schmückten ihn, viele gelehrte Gesellschaften machten ihn
zu ihrem Mitglied oder Ehrenmitglied; noch acht Tage nach seinem Tode
traf die Ernennung zum correspondirenden Mitglied der Geological Society of
London ein. 1894 überreichte ihm die Tübinger naturwissenschafüiche Fa-
kultät ihr Ehrendoktordiplom. Seine literarischen Werke wurden viel gelesen,
denn er verband mit Gediegenheit und Gründlichkeit die Gabe lebendiger
Darstellung und wusste die Ergebnisse seiner Studien und Reisen auch einem
nicht fachmännisch gebildeten Publikum in angenehmer Form zugänglich zu
machen. Die bedeutendsten Schriften F.'s sind: »Die nutzbaren Mineralien
Württembergs« 1860, »Vor der Sündfluth, eine Geschichte der Urwelt« 1864,
»Die geognostische Sammlung Württembergs« 1869, »Die Nördlinger Schlacht«
1869, »Drei Monate im Libanon« 1876, »Württembergs Eisenbahnen mit Land
und Leuten an der Bahn« 1880, »Geognostische Beschreibung von Württem-
berg, Baden und Hohenzollem« 1882, »Reisebriefe aus dem Süden« 1883.
Schwäbische Chronik vom 22. November 1897 (Abendblatt) und 1. December 1897
. (Mittwochsbeilage), Neues Tagblatt vom 23. November 1897, Schwabenland 1898, No. i,
Leopoldina XXXIV (1898) Heft l (mit einem ausftihrlichen Verzeichniss der Publikationen
Fraas*). Illustrirte Zeitung vom 9. December 1897, S. 810 f. (mit Porträt).
Rudolf Krauss.
Haldenwang, Otto von, württembergischer General, ♦ am 18. August
1828 zu Buttenhausen (Oberamt Münsingen), f am 18. April 1897 zu Stutt-
gart. — Einem Pfarrhaus entstammt, wurde H. in der Ludwigsburger Kriegs-
schule zum Offizier . herangebildet, gehörte seit 1848 als Lieutenant dem drit-
ten, dann dem ersten württembergischen Infanterie-Regiment an und machte,
1864 zum Hauptmann befördert, in letzterem den Feldzug des Jahres 1866
mit. Am deutsch-französischen Kriege nahm er als Major und Kommandeur
des I. Infanterie- (Grenadier-) Regiments Königin Olga theil, war in den
Schlachten von Wörth und Sedan und griff in die Kämpfe bei Champigny
und Villiers am 30. November und 2. December 1870 in einer Weise ein,
die seinem Namen ein bleibendes Andenken in der Geschichte jenes Krieges
gesichert hat. Nachdem am 30. November beim AngriflFe des i. Regimentes
auf die Höhe des Jägerhauses Oberst von Berger gefallen war, übernahm H.
das Kommando. Ueberzeugt von der Unmöglichkeit, bei der starken Ueber-
zahl des Feindes den Vorstoss durchzuführen, ordnete er den Rückzug nach
dem Parke von Coeuilly an. Die Parkmauer wurde besetzt, und von hier
aus überschüttete ein verheerendes Schnellfeuer den in dichten Haufen nach-
drängenden Feind, dessen Vormarsch bald zum Stehen gebracht und in Flucht
verwandelt wurde. Auch am 2. December wirkte H. durch seine Gefechts-
von Haldenwang. Hecker. 140
leitung im Parke von Villiers zum Erfolge des Tages mit. Seine entschlossene
und umsichtige Haltung wurde durch Verleihung des Militärvcrdienstordens
und eisernen Kreuzes erster Klasse belohnt. Nach Beendigung des Feldzuges
rückte er der Reihe nach zum Oberstlieutenant, Regimentsführer des 3. In-
fanterie-Regiments No. 121, Kommandeur des 8. Regin^fnts No. 126 in
Strassburg und Obersten vor. 1883 wurde er als Generalmajor zum Kom-
mandeur der 24. Infanteriebrigade in Neisse, 1887 als Generallieutenant zum
Kommandeur der 27. Division in Ulm befördert. 1890 nahm er seinen Ab-
schied, den er unter Anerkennung seiner treuen und vorzüglichen Dienste mit
dem Titel eines Generals der Infanterie erhielt. 1892 fiel ihm der Posten
eines Vorstandes des Verwaltungsrathes der wtirttembergischen Invalidenstiftung
zu. .Am 30. November 1895 wurde H., der sich natürlich im Besitze zahl-
loser Orden und Ehrenzeichen befand, zur fünfundzwanzigjährigen Gedenkfeier
des Ruhmestages von Coeuüly in den erblichen Adelstand des Königreiches
erhoben. Er starb an einem Herzschlage nach längerer Krankheit. Der ein-
fache, gerade und wohlwollende Mann, der an schwäbischer Art zeidebens
festhielt, durfte sich grosser Beliebtheit bei Vorgesetzten, Kameraden und
Untergebenen und auch in Civilkreisen erfreuen. Er war mit Pauline Eschen-
mayer vermählt; fünf dieser Ehe entsprossene Söhne bekleiden Stellungen in
der württembergischen Armee.
Nekrologe in Schwäbischer Chronik vom 20. April 1897 (Mittagsblatt), Staatsanzeiger
für Württemberg und Stuttgarter Neuen Tagblatt vom selben Tag. Auf dem grossen Ge-
mälde von Otto Faber du Faur, das den Kampf um den Park von Coeuilly darstellt (Kgl.
Staatsgalerie Stuttgart), ist H. mit voller Porträttreue verewigt.
Rudolf Krauss.
Hecker, Karl, Novellist, • am 23. November 1845 in Ulm (nicht Ess-
lingen), t am 18. November 1897 in Stuttgart. — Der Vater H.'s war Rechts-
konsulent in Ulm, später in Esslingen und Stuttgart. Den humanistischen
Lehranstalten der beiden zuletzt genannten Städte verdankte der aufgeweckte
und heiter veranlagte Knabe seine erste Ausbildung. Da ihn die militärische
Laufbahn verlockte, trat er 1861 in die damals noch bestehende Königlich
württembergische Kriegsschule zu Ludwigsburg ein. H.'s martialischen Nei-
gungen liefen bald poetische den Rang ab: seine Mussestunden benutzte er
dazu, »Des Trompeters von Säkkingen letztes Stück«, eine zwölf Gesänge lange
Fortsetzung zu Scheffel's berühmtem Werke, zu dichten; ja der Kadett fand
sogar den Muth, seine Erstlingsschöpfung durch einen Mittelsmann dem Mei-
ster vorzulegen, der sich in einem längeren Schreiben anerkennend und auf-
munternd darüber äusserte (vergl. Vom Fels zum Meer, 15. Jahrgang, 5. Heft,
S. 208—211). Doch blieb H. vorerst noch dem Soldatenstande treu und
uiirde 1865 Lieutenant in dem zu Ludwigsburg garnisonirenden i. Reiter-
Regiment König Karl, später ebendaselbst im i. württembergischen Dragoner-
Regiment (Königin Olga) No. 25, dem er für den Rest seiner Dienstzeit an-
gehörte. Er machte die Feldzüge von 1866 und 1870/71 mit. In Frankreich
verfasste er eine stattliche Reihe Kriegsbilder, die namentlich im Schwäbischen
Merkur erschienen und ihrer frischen, charakteristischen Art wegen gerne ge-
lesen wurden. Auch nach der Beendigung des Krieges setzte H. seine litera-
rische Thätigkeit fort. Seine humoristischen Skizzen und Erzählungen aus
dem Offiziersleben wurden in den bedeutendsten Blättern abgedruckt und
machten ihn bald zu einem beliebten Autor, sollen ihm jedoch von Seiten
seiner Vorgesetzten mancherlei Verdriesslichkeiten zugezogen haben. Nach-
15°
Hecker.
dem er schon 1878 zum Rittmeister befördert worden war, erhielt er 1888
mit dem Charakter eines Majors und dem Rechte, Uniform zu tragen, seinen
ehrenvollen Abschied. Jetzt konnte er ganz seinem schriftstellerischen Talente
leben. Er nahm zunächst einjährigen Aufenthalt in Berlin und trat dann in
die Dienste der gtuttgarter Verlagsgesellschaft Union als Redakteur der Zeit-
schrift Vom Fels zum Meer. Diese Thätigkeit nahm ihn so stark in Anspruch,
dass er für grössere selbständige Schöpfungen nur noch wenig Müsse erübrigte.
Die Ausarbeitung von mancherlei Entwürfen, die seinen Geist beschäftigten,
sparte er sich für spätere ruhigere Zeiten auf. Es sollte ihm nicht mehr so
gut werden. Von einem Herbstausfluge nach den Ufern der Mosel war er
mit einer Magenverstimmung heimgekehrt, der man um so weniger ernsthafte
Folgen beimaass, als seine Gesundheit unverwüstlich schien. Das Uebel ver-
schlimmerte sich jedoch und zog sich auf das Herz. H. sah sich genöthigt,
ein Spital zu beziehen, eine schwere Magenblutung kam hinzu, und führte ein
rasches Ende herbei. H. war eine in Stuttgart bekannte und in der guten Ge-
sellschaft wohl gelittene Persönlichkeit. Ein flotter Junggeselle, der, soweit
es mit der Erfüllung seiner Pflichten sich vereinigen Hess, sein Leben genoss,
hatte er selbst etwas von dem militärischen Schwerenöther an sich, den er so
köstlich zu schildern verstand. Er war ein geistreicher, witziger Kopf, und
knauserte mit seinen Talenten nicht Gesellige Kreise hiessen stets den lebens-
frohen Mann willkommen, der sich so sicher zu bewegen wusste, der so treff-
lich plauderte und erzählte, scherzte und spottete. Von den näheren Freunden
und Kollegen wurde er noch besonders seiner guten Herzenseigenschaften
wegen geschätzt. Den schriftstellerischen Ruf H.'s hat das 1887 erstmals er-
schienene, in vielen Tausenden verbreitete Buch »Aus den Memoiren eines
Lieutenants« begründet. Hackländer war sein unverkennbares Vorbild, und
bei Karl Krabbe, dem Verleger jenes, erschienen auch alle seine Schriften,
die H. Albrecht, H. Schlittgen und andere reizend illustrirt haben. H. bewährt
sich schon in seinem Erstlingswerk als Meister auf dem freilich eng begrenz-
ten Gebiete, das er sich zur Behandlung auserkoren hat. Er schildert in
humoristischen Novellen und Skizzen das deutsche Offiziersleben der Gegen-
wart mit seinen Vorzügen und Schatten, seinen ernsthaften und lächerlichen
Seiten auf ebenso unterhaltende als zuverlässige und darum kulturhistorisch
werthvolle Weise. Alles beruht auf eigener Beobachtung. Das Recht der
Uebertreibung, das der satirische Sittenschilderer von jeher gehabt hat, nimmt
natürlich auch H. für sich in Anspruch, ohne dass dadurch die Treue seiner
Porträts im Allgemeinen noth leidet. Er ist ein gewandter, flotter, frischer,
von Witz sprühender Erzähler, der nur mitunter das Niveau seiner Darstellung
dadurch herabdrückt, dass er auch jener niedersten Sorte von Witzen, die
man als Kalauer zu bezeichnen pflegt, nicht aus dem Wege geht. i888 folgte
die mehr sentimental gehaltene Erzählung »Das Kasemenblümchen«, 1889 die
Novellensammlung »Casino-Geschichten« sowie die beiden Erzählungen »Blaue
Husaren« und »Spiele nicht mit Schiessgewehren!« (in einem Bande zusammen),
1893 »Im alten Schloss und andere Erzählungen«. Einen eigentlichen Fort-
schritt bedeuten alle diese Erzeugnisse den Memoiren eines Lieutenants gegen-
über kaum. H. bewegt sich überall in der gleichen Sphäre, nur zieht er jeUt
auch mitunter die Tragik des Offizierlebens in den Kreis seiner Schilderungen,
die dann mit Duell oder Selbstmord zu enden pflegen. Nicht durch Erfin-
dungsgabe, die sich in seinen Novellen selten über das Durchschnittsmaass
erhebt, sondern durch hübsche Einkleidung und Ausführung erzielt er seine
Hecker. Zimmennann.
151
Erfolge. Gerade wenn er sich bemüht, etwas Ausserordentliches zu bieten,
besonders poetisch oder gar symbolisch zu werden, scheitert seine Kunst am
leichtesten. Doch nimmt in seinem letzten Buche seine Phantasie ein paar-
mal mit Glück einen höheren Schwung, so in der artigen Märchennovelle
»Im alten Schloss« und in der »Geschichte eines Briefes«, wo ein eigenartiger
Einfall kunstvoll durchgeführt ist. Auch unter den niemals* gesammelten Ge-
dichten H.*s findet sich manches ansprechende Stück.
Schwäbiscbe Rronik vom x8. November 1897 (Abendblatt) und sonstige Zeitungs-
notizen, Vom Fels zum Meer 17. Jahrgang, 9. Heft, S. 386 f. (mit Bildniss), Leichenrede
(mit Nachrufen), Franz Brummer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neun-
zehnten Jahrhunderts, 4. Ausgabe, 11, S. 115. In dem Lieutenant Rosen in »Spiele nicht
mit Schiessgewehren I« hat sich H. offenbar selbst gezeichnet (vergl. namentlich die Charak-
teristik auf S. 136).
Rudolf Krauss.
Zimmermann, Josef Andreas, Präsident des evangel. Oberkirchenrathes
in Wien, * am 2. Dezember 18 10 in Schässburg in Siebenbürgen, f am
i8. Mai 1897 in Hermannstadt. — Z. war ein Siebenbürger Sachse, geboren
am 2. Dezember 18 10 in Schässburg im Sachsenland in Siebenbürgen. Nach
Absolvirung des Schässburger Gymnasiums, das unter (dem spätem Bischof)
G. P. Binder eine schöne Blüthe erreichte, dem insbesonders auch Z. die
tiefsten Anregungen verdankte, besuchte er in Klausenburg die Vorlesungen
am kgl. Lyceum, dann am ref. Collegium, wo er die juridisch-politischen
Studien 1832 mit Auszeichnung absolvirte. Von 1832 — 35 beim Gubemium
in Klausenburg im Dienst, wurde er beim Magistrat in Schässburg angestellt,
gi"g 1838 nach Vasarhely, um bei der Gerichtstafel die Gerichtspraxis zu
erlernen. Dort arbeitete er auch eifrig in der Telekischen Bibliothek und
vermehrte seine schon reichen Kenntnisse der vaterländischen Geschichte.
Im Jahre 1839 wurde er als Lehrer des Rechts an das Hermannstädter Gym-
nasium berufen, von wo er 1844 ^^ ^i^ neugegründete juridische Facultät
in Hennannstadt überging.
Die Gründung dieser Facultät war ein Zeichen des neuerwachten politischen
und geistigen Lebens unter den Siebenbürger Sachsen. Im Zusammenhang mit
den Vorgängen in Ungarn empfand man auch in Siebenbürgen das Bedürfniss,
den Kampf um die von der Regierung allseitig verletzte Verfassung aufzu-
nehmen, insbesonders auch unter den Sachsen die Nöthigung, angesichts der
steigenden Forderungen der Magyaren und der Vorsorge für ihre Nationalität
fiir die Entwickelung des eigenen deutschen nationalen Lebens zu sorgen.
Eine grosse Regenerationsarbeit begann, die jene Stärkung ins Auge fasste.
Vereine auf allen Gebieten nahmen die Kräfte zusammen und die Facultät
sollte dazu dienen, der Nation geschulte Juristen zu erziehen, die das Herz
auf dem rechten Fleck geeignet wären, im politischen Kampf die nationalen
Rechte zu vertheidigen. Denn im Grunde stand die ganze Bewegung und
die ganze Arbeit jener Jahre unter dem politischen Zeichen.
Z. ist ein Hauptträger dieser Credanken gewesen. Er war es, der das alte
siebenbürgische Staatsrecht aus den verstaubten Gesetzbüchern wieder ans Licht
des Tages zog, der das sächsische Volk lehrte, das alte Recht auch als einen
Schutzwall für die eigene nationale Entwickelung anzusehn. In der Hermann-
städter Stadtvertretung und auf dem siebenbürgischen Landtag trat er für die
freiheitiiche Entwickelung gegen die verzopfte Bureaukratie des herrschenden
Beamtenthums auf, stellte in der Publizistik seinen Mann und war einer der
152
ZimmermanD.
Vordersten, die der Nation das alte Recht zurückeroberten, sich den Comes
(Nationsgrafen) frei zu wählen. Als 1848 die Revolution ausbrach, die in
Ungarn und Siebenbürgen von Seiten der Magyaren als eine Forderung die
Union Siebenbürgens mit Ungarn aufstellte, da gehörte Z. zu Jenen, die in
dieser Absicht eine schwere Gefährdung des nationalen Lebens und der selbst-
ständigen Entwickelung des sächs. Volkes sahen und die Union daher ent-
schieden bekämpften. Die Nation sandte ihn als Mitglied einer Deputation
an den kaiserlicher Hof nach Wien und Innsbruck, um die Union als gefahr-
lich für die Sachsen darzustellen und wenn möglich zu verhindern. Was der
Deputation nicht möglich gewesen war, that der Bürgerkrieg; die Union wurde
nicht durchgeführt, der Absolutismus hob jede Verfassung auf.
Z. erkannte nun mit scharfem Blick, dass in den veränderten Zeitver-
hältnissen neue Bollwerke für die nationale EntiÄ'ickelung des sächsischen
Volkes geschaffen werden müssten. Schule und Kirche und die geistigen und
sittlichen Güter, die sie in sich schliessen, müssten gestärkt werden. So half
er zunächst mit, dass der österreichische Organisationsentwurf auch für die
sächsischen Gymnasien eingeführt wurde, wodurch Einheit in diesen Anstalten
und ein neuer schöner Aufschwung ermöglicht wurde. Die Neuorganisation aber
war ohne neue grosse Mittel nicht möglich. Und da war Z. der Schöpfer der
sog. » Nationaldo tation«, d. h. der Widmung der sächsischen Nationsuniversität
(der politischen Vertretung des Sachsenlandes) vor allem zur Unterstützung der
evangelischen Gymnasien der Sachsen. Sie bestand in jährlichen 52500 fi. ö. W.
Im November 1850 wurde Z. in das Kultusministerium nach Wien berufen
und 1852 verlegte er seinen Wohnsitz dorthin. Da wurde er am Q.April 1852
Ministerialsecretär, am i. März 1855 Sectionsrath, am 20. November 1858
Ministerialrath, am i. September 1859 Leiter des evangelischen Konsistoriums,
am 13. Juni i86i Vorsitzender des Oberkirchenraths beider evangelischer Be-
kenntnisse, am 31. Juli 1867 Präsident des Oberkirchenraths mit dem Rang
eines Sectionschefs. Auf sein eigenes Ansuchen erfolgte 1874 die Versetzung
in den Ruhestand, wobei ihm das Comthurkreuz des Franz-Josefs-Ordens mit
dem Stern »in Anerkennung seines vieljährigen vorzüglichen Wirkens« ver-
liehen wurde.
Auf seiner Arbeit hat in jenen Jahren ein gut Theil des evangelischen
Lebens in Oesterreich und Siebenbürgen beruht, im letzteren längere Zeit auch
ein Theil des politischen Lebens.
Die evangelische Landeskirche A. B. in Siebenbürgen musste sich eine
neue Verfassung geben, da die Grundlage der alten durch die Revolution und
den Absolutismus, der darauf folgte, zusammengebrochen war. Zur Förderung
dieses Werkes wurde Z. 1860 nach Hermannstadt geschickt, um Vertrauens-
männer zu hören, wie die Sache am besten zu fördern sei. Die Arbeit dieser
Vertrauensmänner bildete die Grundlage für die neue presbyterial-synodale
Verfassung, die nach mannigfachen Verhandlungen mit der Regierung von
der I. Landeskirchenversammlung 1861 angenommen wurde. Z,*s Verdienst
bestand vor allem darin, dass er die Regienmg, dabei in erster Reihe den
Cultusminister Grafen Leo Thun, überzeugte, dass die Landeskirche das
Recht der Autonomie besitze und der Staat darum ihr es wiedergeben müsse.
Auch, auf den Inhalt der freien Verfassung hat Z. Einfluss genommen. Sie
legte die Zusammensetzung sämmtlicher Behörden in die freie Wahl der
Kirche, gab den Laien in den Behörden des Bezirks und den obersten Vertre-
tungen gleiche Vertretung wie den Geistlichen, selbst der Bischof wurde gewählt.
Zimmennann.
153
Diese neue Kirchenverfassung aber bildete ein neues Band auch der
nationalen Einheit für die Sachsen, als die politische Einheit im Stunn der
nächsten Jahre zusammenbrach.
Z. ist in jenen Jahren eine anerkannt führende Persönlichkeit im sächsischen
Volk gewesen. Litterarisch ungewöhnlich erfahren, der Besitzer der grössten
Privatbibliothek, die er unablässig und umsichtig vermehrte, der beste Kenner
der Rechtsentwickelung des Landes, klug und verschwiegen, mit unendlicher
Ausdauer im geheimen für die Ziele arbeitend, die er als richtig erkannt
hatte, ein Mann mit eigenen festen Anschauungen, von riesiger Gedächtniss-
kraft, eine geschlossene Persönlichkeit, die nicht die ausgetretenen Wege ging,
galt er als Autorität auch im politischen Kampf.
Als das Oktoberdiplom 1860 und dann das Februarpatent 1861 das neu-
constitutionelle einheitliche Gross-Oesterreich zu schaffen versuchte, da war Z,
ein Hauptvertreter dieser in Schmerling verkörperten Idee. Seinem Einfluss
ist es mit zu verdanken, dass die Sachsen diesen Zielen sich geneigt zeigten.
Die Durchführung dieser Pläne verbürgte, was die Union mit Ungarn eben in
Frage gestellt hatte, die nationale Entwickelung des sächsischen Volkes. Auf
dem Landtag in Hermannstadt 1863/65 war er als Regalist (Kronberufener)
anwesend und seiner Klugheit war es mit zu danken, dass das Ziel erreicht
wurde, Siebenbürgen in den Reichsrath nach Wien zu führen. Auch Z. war
unter den Abgeordneten, die Siebenbürgen vertraten.
Aber dort im Wiener Reichsrath erkannte er sehr bald, was dem neuen
Staate fehlte, sah vor allem, wie das Verhältniss Oesterreichs zu Deutschland
immer mehr der Lösung zudrängte, merkte wie die Regierung unter consti-
tutionellen Formen das freiheitliche Leben zu unterbinden versuchte und sah
sich zum Schluss in die Opposition gedrängt. Schmerlings Sturz überraschte
ihn nicht, wohl aber die neue Bahn, die nun entgegen allen Versicherungen
und Zielen der letzten Jahre eingeschlagen wurde, und die eine Verständigung
mit Ungarn auf Grund der Gesetze von 1848 anstrebte. Die Vertreter des
sächsischen Volkes sind nicht in der Lage gewesen, auf diese grossen Fragen
grossem Einfluss zu nehmen, der sich fast nur auf publizistische Theilnahme
beschränkte; sie sahen sich nach der grundsätzlichen Wendung der Politik
plötzlich vor die Thatsache gestellt, wieder Stellung zu nehmen in der Frage
der Union Siebenbürgens mit Ungarn. Denn die Anerkennung der 1848 er
Gesetze schloss diese Union in sich. »Zur endgültigen Regelung der staats-
rechtlichen Verhältnisse Siebenbürgens« wurde 1865 der Landtag nach Klau-
senburg zusammengerufen, auch Z. als Regalist in denselben berufen, doch
nahm er an den Verhandlungen keinen Antheil. Der Landtag beschloss —
gegen eine von der Mehrzahl der Sachsen eingereichte Sondermeinung, die
das Verhältniss Siebenbürgens zu Ungarn durch einen Staatsvertrag geregelt
bissen wollten — , da die Union von 1848 rechtskräftig sei, sollten die sieben-
bürgischen Abgeordneten nach Pest in den ungarischen Reichstag gerufen wer-
den, der allein das Recht habe, weiteres zu beschliessen. Im übrigen herrschte
darüber kein Zweifel, dass die Rechte auch des sächsischen Volkes, das Recht
der deutschen Sprache in Gericht und Verwaltung, die Autonomie der Kirchen
u. s. f. unantastbar seien. In Erledigung der Klausenburger Beschlüsse »ge-
stattete« die Krone 1865 die Beschickung des ungarischen Reichstages von
Siebenbürgen, eine Erlaubniss, von der die sächsischen Wahlkreise unter
Rechtsverwahrung Gebrauch machten, als sei dadurch die Union beschlossen.
Auch Z. wurde als Abgeordneter nach Pest gewählt.
154
Zimmennaiu].
Er kam dorthin mit der Ueberzeugung, die die Mehrzahl seiner Volks-
genossen theilte, dass es sich um einen verhältnissmässig kurzen Uebergang
handle, aus dem mit Nothwendigkeit eine engere Einheit, eine straffere Zu-
sammenfassung der Monarchie hervorgehen müsste. Anfangs wollte Z. sich an
den Verhandlungen nicht betheiligen, aber Schritt für Schritt zeigten sich die
Verhältnisse mächtiger als die Menschen, die Union war faktisch durchgeführt
und das sächsische Volk sah sich in einen Kampf um die nationale Existenz
hineingedrängt, die die Gegner der Union eben immer vorausgesehen oder
den sie doch für so zerstörend nicht voraussehen konnten.
Die erste Verfügung des ungarischen Reichstages am 8. März 1867 über
Siebenbürgen bestand in einem Beschluss, der dem Ministerium »freie Handc
gab, in Siebenbürgen nach Belieben zu schalten wie in einem eroberten Lande,
was das Ministerium nicht einmal verlangt hatte. Z. wies mit Entschieden-
heit die Unzulässigkeit dieses Vorgangs nach, da ja die Frage der Union
noch nicht einmal endgültig geregelt sei — aber die Mehrheit des Hauses
wollte das als Einleitung zur Union. Es ist nicht nur Zufall, sondern ein
tiefer Zusammenhang, dass Z. in den neuen Reichstag 1869 nicht mehr ein-
trat. Das formale Recht hatte seine Kraft bei jenen Männern verloren, die
Ungarns Wiedergeburt in erster Reihe durch Festhalten an jenem Recht er-
möglicht hatten — Andern gegenüber wollten sie es nicht gelten lassen, und
der Mann, der dieses Recht sein Leben lang als Talisman geschützt und ge-
hütet hatte, Z., der es einst für Siebenbürgen neu entdeckt und gefunden
hatte, schied damit aus dem öffentlichen Leben in Ungarn aus.
Seine Kraft nahm die österreichische evangelische Kirche nun ganz in
Anspruch. In dem Land, wo gegen diese Kirche Sünde auf Sünde gehäuft
worden war, und eine traurige Vergangenheit gut zu machen war, galt es mit
einer neuen Kirchenverfassung zugleich den verschiedenen nationalen Beken-
nem gerecht zu werden und zugleich das innere Leben der Kirche gegen die
vielfachen Feinde zu sichern. Z.'s Verdienst besteht darin, dass er der öster-
reichischen Kirche eine Verfassung schuf, von der Friedberg sagt, sie sei die
den Anforderungen am meisten entsprechende. Sie hat sich auch bewährt
und das evangelische Leben dort gesichert.
Sein Heimathland aber vergass Z. auch fürder nicht. Er wusste sich in der
deutschen und der magyarischen Literatur auf dem Laufenden zu erhalten und
wie er fortwährend an die evangelischen Gymnasien in Siebenbürgen grosse
Bücherspenden gemacht hatte, so schenkte er seine ganze reiche Bibliothek
1875 an die Landeskirche in Hermannstadt, wofür ihm die XII. Landeskirchen-
versammlung warmen Dank in den Worten aussprach: »Wir haben nicht ver-
gessen, was Sie einst als Lehrer, was Sie in öffentlichen Sendungen für die
geistige und sittliche Erstarkung Ihrer Nation gethan; wir wissen, was unsere
Kirche Ihrer grundlegenden Arbeit für die Widmung und Erhaltung der National-
dotation, für den Aufbau und für die Fortbildung ihrer Verfassung verdankt;
um so mehr freut unser Herz, wie wir sehen, wie Sie nicht müde werden
auch in dem würdigen otium cum dignitate, das Ihnen Gott noch lange lange
erhalten wolle, durch so reiche Widmungen wissenschaftlicher Schätze, welche
ebenso an Zahl wie durch Wahl hervorragend sind, nach dem schönen Wort
der Schrift die Seelen zu stärken und so an Ihrem Theil auch weiterhin bei-
zutragen, dass es unter uns nicht Abend werde und der Tag sich nicht neige«.
Seit seiner Pensionirung (1874) lebte er abwechselnd in Hermannstadt
und Wien, zuletzt in Hermannstadt seinen Büchern, seiner Familie und der
Zimmermann. Schmetz. Schulz.
155
Sorge um Kirche, Schule und Volksthum, bei grossen Fragen öfter rathend
und helfend.
Als der fast 87 jährige Greis, noch rüstig an Körper und Geist, am
18. Mai 1897 nach kurzer Krankheit still entschlief, da trauerte das sächsische
Volk und die evangelische Kirche an seinem Sarge um den tiefsten Kenner
und verdienten Vertheidiger seiner und ihrer Rechte, den Führer im Kampf
um die Rückeroberung der Autonomie der Kirche, den Mitbegründer ihrer
Verfassung, den Schöpfer der Nationaldotation, den ganzen Mann, wie er als
Sachse und Protestant sein Leben lang es gewesen war.
Fr. Teutsch: Denkrede auf J. A. Zimmermann. Archiv des Vereins f. siebenb. Landes-
kunde. 38. Band, S. 5.
Fr. Teutsch.
Schmetz, Johann Paul, ein fleissiger Schriftsteller im Fache der Choral-
kunde, ♦ am 2. September 1845 ^u Rott in der Rheinprovinz, f am 25. Septem-
ber 1897 zu Zell an der Mosel. — Im Jahre 1866 trat er in's Seminar zu
Kempen ein, wo er den tüchtigen Chorallehrer P. Piel zum Musiklehrer
hatte, der auch den Keim seiner späteren Thätigkeit legte. Nach vollendeten
Studien kam er als Lehrer in das Eifeldorf Halm, dann an die Sanct Albert-
schule zu Aachen, und bald darauf an die dortige Vorschule des Karls-
gymnasium. 1878 wurde er Seminarlehrer in Montabaur, und als der bekannte
Chorallehrer Severin Meister 1881 starb, wurde er dessen Nachfolger als
Musiklehrer am Seminar. Endlich erhielt er am i.Juli 1893 die Kreis-Schul-
Inspektorstelle in Zell an der Mosel, wo ihm jedoch nur wenige Jahre zu
wirken vergönnt war. Seit etwa fünfzehn Jahren ist man eifrig bemüht,
den katholischen sogenannten gregorianischen Choralgesang in seiner alten
Reinheit wieder herzustellen. Zum Behufe dessen bildeten sich in Deutsch-
land, Frankreich und England Vereine, welche sich die Aufgabe stellten aus
den ältesten noch vorhandenen Handschriften die Choralgesänge neu zu ver-
öffentlichen und die mit der alten Neume notirten in unsere heutige Noten-
schrift zu übersetzen. Es fanden sich nun auch aller Orten Männer, welche
das so gewonnene Material praktisch verwertheten und für den Gottesdienst
brauchbar machten, und neben Pothier, Piel u. A. steht auch Seh., der
nicht zum geringsten Theile dazu beigetragen hat, das Neugewonnene in wei-
tere Kreise zu verbreiten. Seine Hauptwerke sind: Dom Pothier' s Liber Gra-
dualis und seine historische und praktische Bedeutung, Mainz 1884. Die
Harmonisirung des gregorianischen Choralgesanges, Düsseldorf 1885; 2. Auf-
lage 1894. Orgelbegleitung zum Ordinarium Missae, Düsseldorf 1887; 2. Auf-
lage 1891. Orgelbegleitung zu den Melodien des Gesangbuches für die An-
gehörigen des Bisthums Limburg, Limburg 1892. Kleines Vesperbuch,
Regensburg 1893. Auch ein Liederbuch fiir Volksschulen gab er in Düssel-
dorf 1888 heraus, welches bis zum Jahre 1895 in 12. Auflage erschien.
Quelle: Frz. Xav. Haberrs Musica sacra 1897, S. 243.
Rob. Eitner.
Schulz, Ferdinand, Componist und Musikdirektor, * am 21. October 1821
zu Kossar bei Krossen, f am 27. Mai 1897 zu Berlin. — Sein Vater, Kantor
und Organist in Kossar, lehrte ihn die Anfangsgründe in der Musik, darauf
brachte er ihn auf's Gymnasium zu Züllichau, wo er unter Leitung von Mo-
ritz Kaehler imd Musikdirektor Gaebler seine Musikstudien fortsetzte. 1841
ging er nach Berlin und besuchte das Institut für Kirchenmusik unter A. W,
ie6 Schulz. Succo.
Bach und Ed. Grell, machte die Bekanntschaft mit dem Musikhistoriker Pro-
fessor Dehn, dem späteren Bibliothekar an der Königlichen Bibliothek, und
wurde von ihm in die alten Meisterwerke des sechzehnten Jahrhunderts ein-
geführt, denen er von da ab eine stete Aufmerksamkeit zuwendete, die seinen
eigenen geistlichen Compositionen den alten gläubigen Ernst verlieh. Als
König Friedrich Wilhelm IV. von Preussen im Jahre 1843 ^^" Domchor
unter Mendelssohn's und Neithardt's Leitung errichtete, wurde Schulz als
Bassist und tüchtiger Musiker angestellt, gab Gesang- und Klavierunterricht,
gründete 1856 den Männergesangverein »Cäcilia«, begann seine Compositionen
herauszugeben, die zum Theil aus kirchlichen Gesängen, theils aus Liedern
und Gesängen für eine bis vier Stimmen und theils aus Klavierpiecen be-
standen ; letztere dienten aber mehr der Geldspeculation, als der Kunst, denn
sie gehörten der untersten Gattung der Klavierpiecen an und waren dem
Geschmacke des klimpernden Damenpublikums angepasst, welches nur Sinn
für Tanzrhythmen hat. Im Jahre 1858 dirigirte er den Kirchenchor der St
Markus-Parochie und wurde bald darauf Organist an der Sophienkirche zu
Berlin. Seine geistlichen Gesangswerke zeigen einen tüchtig gebildeten Musiker
und seine Lieder errangen sich durch ihre melodische Erfindung eine weite
Verbreitung.
Quellen: von Ledebur's Berliner Tonkttnstler-Lexikon. Sängerhalle, Leipzig 1892, und
1897, S. 310.
Rob. Eitner.
Succo, Reinhold, der Sohn eines Organisten in Görlitz, * daselbst am
29. Mai 1837, f am 29. November 1897 zu Breslau. — Schon zwei Jahre
nach der Geburt des Sohnes siedelte der Vater nach Berlin über und erhielt
1846 eine Organistenstelle in Landsberg an der Warte. Reinhold besuchte
hier das Realgymnasium, da er beabsichtigte Maschinen-Ingenieur zu werden.
Nach abgelegtem Abiturienten -Examen ging er 1855 nach Berlin, diente
beim Kaiser Franz - Regiment sein Militärjahr ab und hatte während der
Zeit sich entschlossen, sich ganz der Musik zu widmen, besuchte in Berlin
das Institut für Kirchenmusik unter A. W. Bach*s Leitung und 1857 die
Königliche Akademie der Künste, Abtheüung für Musik, die unter Grell's
Leitung sich befand. Grell war ein gewandter Contrapunk tiker und nahm
seine Schüler in eine strenge Schule. S. besass Talent genug, um sich in die
strenge Contrapunktik so einzuleben, dass er zeitlebens nur in diesem Stüe
geschrieben hat. Ausserdem wurde die praktische Ausübung der Kunst nicht
vernachlässigt, doch hat S. auf keinem Instrumente eine hervorragende Technik
sich erworben; am gewandtesten war er noch auf der Orgel. Noch während
seiner Studienzeit erhielt er die Organistenstelle an der englischen Kapelle zu
Berlin und widmete sich nach Vollendung des Cursus auf der Königlichen
Akademie dem Musikunterricht, anfänglich dem Klavierspiel und Theorie,
später auch dem Gesangsunterricht. 1863 erhielt er die Organistenstelle an
der Bartholomäuskirche, 1865 an der Thomaskirche. Hier gründete und leitete
er 25 Jahre lang einen Gesangschor, der sowohl den Gottesdienst durch seine
eingelegten Chöre ausschmückte, als auch in besonderen Auflführungen in der
Kirche stets eine zahlreiche Zuhörerschaft versammelte und den Sinn für
geistliche Musik in der Gemeinde wesentlich hob. Jedoch die Geisüichkeit
sieht in jener Ausschmückung der kirchlichen Handlung eine Profanirung des
Gottesdienstes, und so sah sich schliesslich S. genöthigt den Chor zu ent-
lassen. Neben seiner Stellung als Organist bekleidete er seit 1864 die Ge-
Succo. PUckert. Hofmann.
157
sanglehrerstelle an dem neu gegründeten Luisenstädtischen Gymnasium. 1867
verheirathete er sich mit Klara Pauli, der Tochter eines schlesischen Predigers.
1873 wurde er als Lehrer der Theorie an die neu gegründete Königliche
Hochschule für Musik berufen, 1888 ernannte ihn die Akademie der Künste
zu ihrem Mitgliede und 1892 zum Senator derselben Akademie. Als Com-
ponist ist er weiteren Kreisen nur wenig bekannt geworden. Die meisten
seiner kirchlichen Compositionen schrieb er in der Zeit, als er seinen Kirchen-
chor in der Thomaskirche leitete, die auch dort allein zur Aufführung ge-
langten, doch wurden auch in den achtziger Jahren einige weltliche Lieder
von ihm gedruckt, und ein Menuett für Violoncello erlangte sogar eine wei-
tere Verbreitung. Die Königliche Hochschule führte auch einmal ein grosses
Oratorium »König Heinrich« von ihm auf. Nur mit einer schwach entwickel-
ten Erfindimgsgabe begabt, legte er selbst keinen grossen Werth auf seine
Compositionen, sondern beschäftigte sich weit eindringlicher mit der Aus-
gestaltung der kirchlichen Liturgie, besonders nach 1889, nach der Aufgabe
des Organistendienstes an der Thomaskirche. In Folge dieser Arbeiten wurde
er von den Consistorien der Provinz Brandenburg und Nassau als Mitarbeiter
und Rathgeber herangezogen. Mitten aus diesen Arbeiten wurde er durch
ein körperliches Leiden herausgerissen, und nachdem er in Breslau sich hatte
operiren lassen, machte ein Schlaganfall seinen Leiden ein schnelles Ende.
Quelle: Familien-Nachricliten und Selbsterlebtes.
Rob. Eitner.
Puckert, Wilhelm, Professor der Geschichte, ♦ am 2. Januar 1830 zu
Leipzig, f am 13. September 1897 ebenda. — P. bezog nach Absolvirung
der Gymnasialstudien die Leipziger Universität, an der er 1859 zum Doktor
promovirt wurde. Später studirte er noch in Berlin und Jena, wo besonders
Droysen auf ihn wirkte. Nach einer vorübergehenden Lehrthätigkeit an der
Dresdener Kreuzschule widmete er mehrere Jahre der weiteren Vorbereitung
fiir die wissenschaftliche Laufbahn. 1862 ward er in Leipzig als Privatdocent
zugelassen, 1867 zum ausserordentlichen Professor befördert. Verdienstlich
war seiner Zeit die Schrift »Die kurfürstliche Neutralität während des Basler
Concils. 1858«; werth voll ist noch jetzt die Studie »Das Münzwesen Sachsens
1518-— 1545. L 1862.« Eine Arbeit »über die kleine Lorscher Frankenchronik«
(Berichte über die Verhandlungen der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaft
1884) hat mit Scharfsinn in eine vielbehandelte Frage eingegriffen. In den letzten
Jahren war P. mit umfassenden Studien zum mittelalterlichen Kloster- und
Ordenswesen beschäftigt, ist indessen nicht mehr zur Veröffentlichung der
Ergebnisse gelangt. Eine vorwiegend receptive Natur, hat er eine seinem
Fleiss und seinem Wissen entsprechende literarische Thätigkeit nicht zu ent-
falten vermocht. Aber dem liebenswürdigen und bescheidenen, kenntniss-
reichen und warmfühlenden Mann werden alle, die ihn kannten, ein herzliches
Andenken bewahren.
G. Seeliger.
Hofmann, Franz, Dr., ordentlicher Professor der Rechte an der Univer-
sität in Wien, * am 20. Juni 1845 ^^ Zdaunek, Mähren, f am 25. October 1897
in Wien. — Der äusserliche Verlauf des viel zu frühe abgeschlossenen Lebens
dieses bedeutenden Mannes kann sehr kurz erzählt werden. Er war in Zdaunek
in Mähren geboren, wo sein Vater ein Landgut besass; dort verlebte er seine
158
Hofmann.
Kinderjahre, absolvirte das Gymnasium in Kremsier und begann 1862 das
Studium der Rechte an der Universität in Wien, wo er bald die Aufmerk-
samkeit von Arndts und Unger erregte und bei beiden freundliche Förderung
fand. Nachdem er im November 1867 den Doctorgrad erworben hatte, setzte
er seine Studien in Göttingen fort, wo ihn besonders Thöl anzog. Im Juli
1868 habilitirte er sich für römisches Recht in Wien auf Grund einer Ab-
handlung über das Periculum beim Kaufe, die zwei Jahre später im Druck
erschien; 1869 wurde seine venia legendi auf österreichisches allgemeines
Privatrecht, sowie auf Handels- und Wechselrecht ausgedehnt; im März 1871
wurde er ausserordentlicher Professor des österreichischen und römischen
Privatrechts; in demselben Jahre verband er sich mit Fräulein Ludmilla
Czermak zu glücklicher Ehe, der drei Kinder, ein Sohn und zwei Töchter,
entsprossen; 1877 wurde er ordentlicher Professor des österreichischen und
gemeinen Privatrechts, 1885 correspondirendes, 1890 wirkliches Mitglied der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, 1888 Ehrenmitglied des Istituto
di Diritto Romano in Rom. Von jeher von nicht sehr fester Gesundheit,
war er in den letzten fünf bis sechs Jahren oft ernstlich leidend, doch schien
sein Willen geraume Zeit stärker, als seine kranken Nerven, denn bis in den
Sommer 1895 war er — mit nur geringen Unterbrechungen — stets im
Stande, den Obliegenheiten seines Amtes nachzukommen; seither sah er sich
gezwungen, seine Lehrthätigkeit einzustellen, da seine Beweglichkeit sehr be-
einträchtigt war. Zwar schien sein Befinden sich wiederholt zum Besseren
zu wenden; im Sommer 1897 aber schwand jede Hoffnung; eine Lungenent-
zündung machte seinem Leben ein Ende.
Aber der geistige Gehalt dieses im besten Mannesalter beschlossenen
Lebens ist überreich. Vollkommen passt auf H.*s Thätigkeit, was Jakob
Grimm (Ueber Schule, Universität, Akademie; Kleinere Schriften I, S. 214)
sagt: »Alles Wissen hat eine elementarische Kraft und gleicht dem ent-
sprungenen Wasser, das unablässig fortrinnt, der Flamme, die, einmal geweckt,
Ströme von Licht und Wärme aus sich ergiesst .... Eigenheit der Elemente
ist es aber, aller Enden hin in ungemessener Weise zu wirken, und darum
verdriesst es die Wissenschaft jeder ihr in den Weg gerückten Schranke, und
sie findet sich nicht eher zufrieden gestellt, bis sie eine nach der anderen
überstiegen hat.« Die Abhandlung H.'s Zur Geschichte der Fideicommisse
(1884), welche die bedeutsamste Entdeckung enthält, die er auf rechtsge-
schichtlichem Gebiete gemacht hat, ist durch solche »elementarische Kraft«
entstanden: In seinen und meinen Excursen (ü, 2. 1880) hatte er betont,
dass zur Lösung der Frage nach der Entstehung der Fideicommisse die ganze
politische Geschichte und namentlich eine genaue Geschichte der Entwickelung
der Individualsuccession hinsichtlich aller Institute, bei denen sie vorkommt,
von der Thronfolge bis herab zum Rechte des bäuerlichen Anerben, heran-
gezogen werden müsse. »Auch wäre es« — fügte er hinzu — »wohl der Mühe
werth, zu untersuchen, ob und welchen Einfluss das spanische Recht auf die
Entwickelung der deutschen Fideicommisse gehabt habe. Gewiss ist, dass
spanische Juristen sich früher mit dem Institute beschäftigt haben, als Deutsche.
Knipschild benutzte das Werk Molina' s und in Stiftbriefen österreichischer
Fideicommisse finden sich Verweisungen auf das spanische Recht. . . Jeden-
falls hätte eine der Geschichte unseres Institutes gewidmete Specialuntersuchung
auch dieser Spur nachzugehen.« Als H, dies schrieb, dachte er noch durch-
aus nicht daran, eine solche Untersuchung selbst vorzunehmen; bald aber
Hofmann.
159
trieb es ihn unwiderstehlich, der Anregung, die er hingeworfen, selbst zu
folgen. In verhältnissmässig unglaublich kurzer Zeit hatte er eine Bibliothek
von Werken spanischer Majoratisten durchstudirt und konnte in einem in den
Jurist. Blättern 1881, 17 zur Wahrung der Priorität veröffentlichten kurzen
Aufsatz als Ergebniss seiner Forschungen mittheilen, dass die Familienfidei-
commisse spanischen Ursprungs seien. Er beabsichtigte, den eingehenden
Nachweis in einem eigenen Buche zu erbringen; dieses zu schreiben, hat ihn
allerdings zunächst manche drängendere Arbeit und dann der Tod verhindert;
aber schon die kurze Darstellung, die er im Rahmen unserer Excurse geben
konnte, war ausreichend, mehrere der hervorragendsten Germanisten von der
Richtigkeit seiner Entdeckung zu überzeugen.
Die umfassendsten Arbeiten H.'s waren der dogmatischen Darstellung
des österreichischen Privatrechts gewidmet, aber er beschränkte sich keines-
wegs auf dieses Arbeitsgebiet, Mit derselben Sorgfalt bearbeitete er auch
Stoffe der allgemeinen Rechtslehre, des griechischen, römischen, deutschen
und gemeinen Rechts, und überall verband er historische Forschung, Exegese,
Dogmengeschichte und philosophische Betrachtung. Er war auch in der That
für alles das in trefflicher Weise veranlagt, vorbereitet und ausgerüstet. Sein
Geist war lebhaft, seine Bildung vollendet, seine Kenntnisse ungewöhnlich
ausgedehnt und mannichfaltig; insbesondere waren ihm mehr als zehn Spra-
chen geläufig, so dass er die Fortschritte der scandinavischen Jurisprudenz
mit der nämlichen Leichtigkeit verfolgte, mit der er die Werke der spanischen
Majoratisten las ; sein freier Blick erfasste das Entlegenste und sein Scharfsinn
Hess den kleinsten Unterschied nicht unbeachtet; sein Denken bheb immer
klar und wenn er sich auch mit dem Stoffe einer beabsichtigten Arbeit noch
so sehr erfüllt hatte, blieb seine Unbefangenheit ungetrübt, er war Herr über
den Stoff, nicht dieser über ihn. So weckte und nährte seine Begabung in
ihm die Beschäftigung mit sehr verschiedenen Problemen der Wissenschaft
und gab ihm die Mittel, sie erfolgreich zu lösen. Und wie er in der Wissen-
schaft nur die Wahrheit suchte — »Recht ist wahr« sagt ein altes deutsches
Sprüchwort — , so war die Wahrheit auch in seinem Leben immer sein Leit-
stern; dabei war er von unbegrenzter Güte und Pflichttreue. Dass er iden-
tisch ist mit dem Dichter Heinrich Falkland, der vor etwa einem Vierteljahr-
hundert einen Band Gedichte voll tiefer, meist ernster, zuweilen melancholi-
scher Gedanken veröffentlichte, dieses mir längst mitgetheilte Geheimniss zu
verlautbaren, wurde mir erst nach seinem Tode gestattet.
Von seinen Werken nenne ich nicht einzeln die zahlreichen Recensionen,
die er (meist in Grünhut's Zeitschrift, Band i — 12 und 14, einige auch in
der Münchener kritischen Vierteljahrschrift und in der österreichischen Ge-
richtszeitung) pubücirt hat. Von sonstigen Schriften führe ich an, und hoffe,
nichts oder doch nichts Wichtiges übersehen zu haben:
Ueber das Periculum beim Kaufe. Wien 1870.
Beiträge zur Geschichte des griechischen und römischen Rechts. Wien 1870.
Ueber den Verlobungs- und Trauring. Wien 1870.
lieber dingliche und persönliche, absolute und relative Rechte: Ger.-Ztg. 1870, No. 9, 10.
Ueber das Wesen der Servituten: Ebenda No. 40.
Zwei AufsMtxe zur Theorie des Pfandrechts: Ihering's Jahrb. X. 187 1.
Die Zahlen Spielerei in der Eintheilung der Digesten.
Zur Beerbung der liberta.
2^m pr. Inst, de codic. 2. 25. (Diese drei Aufsätze in der Zeitschr. f. Rechtsgeschichte.
XI. 1873.)
Der erste nordische Juristentag: Ger.-Ztg. 1873, No. 15.
1 6o Hofmann. Ueberlee.
Zur Lehre vom titulus und modus acquirendi und von der justa causa traditionis. Wien
1873.
Die Entstehungsgründe der Obligationen, insbes. der Vertrag. Wien 1874.
üeber die Pränotation des Pfandrechtes (mit einem Nachtrag).
Zur Frage nach der Restitution einer durch Schulderlass bestellten Dos.
üeber den Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten nach § 796 B. G. B. (Diese
drei Abhandl. in Grünhut's Zeitschr. I. 1874.)
Zur Beerbung und Arrogation des libertus: Zeitschr. f. Rechtsgeschichte. XII. 1876.
Zur Zahlenmystik Justinians: Ebenda.
Wesen und Wirkung des Erbverzichts und des Erbvertrags: Grünhut's Zeitschr. III. 1876.
Commentar zum österr. allg. bürgl. G.-B. Wien 1877 ff. !• (»• «t II) i— 5-
Excurse (Beilagen zum Commentar), Wien 1877 ff. I. 1—4, IL i — 3. (Diese beiden
Werke vereint mit dem Unterzeichneten.) Aus dem letzteren Werke erschien auch
im S.-A. die erwähnte Abh. über die Entstehung der Fideicommisse.
Ludwig von Arndts. Ein Beitrag zu seiner Lebensbeschreibung: Grünhut's Zeitschrift
VL 1878.
Lehrbuch der Pandekten von Ludwig von Arndts. 10. — 14. Aufl. 1879 ff. Herausgegeben
von Pfaff und Hofmann.
Art.: Bona fides, Causa und (Familien-) Gewalt, in der 3. Aufl. von Holtzendorff's Recht»-
lexicon 1880. (Mit dem Unterzeichneten.)
Zur Lehre vom beneflcium inventarii und von der separatio bonorum: Grünhut's Zeit-
schrift Vin. 1881.
Schenkungen unter Gatten und Brautleuten: Ebenda.
Ueber Lebensversicherungspolizzen : Jurist. Blätter 1882, No. 35 — 37.
Kritische Studien im römischen Recht. Wien 1885.
Fragmentum de formula Fabiana. Herausgegeben und erläutert von Pfaff und Hofmann.
Wien 1888.
Verwandtschaft und Familie. Vortrag in der feierlichen Sitzung der Kaiserl. Akademie
der Wissenschaften. Wien 1891.
Art. Fideicommisse: Gestenreich. Staatswörterbach. I. (1894).
Literatur: Nekrolog von L. Pfaff in der (Wiener) Ger.-Zeitung 1897, No. 45.
Wien, Juni 1898. L. Pfaff.
Ueberl6e, FcHx Wilhelm Ad albert, auf seinen Compositionen findet sich
als Vorname nur der letztere, ein tüchtiger Lieder- und Chor-Componist, * am
27. Juni 1837 zu Berlin, f am 15. März 1897 zu Charlottenburg bei Berlin.
— Nachdem er das Gymnasium des grauen Klosters zu Berlin besucht hatte,
studirte er Musik am Conservatorium für Musik unter Marx, Stern und KuUack,
ging dann auf's Königliche Institut für Kirchenmusik, um das Zeugniss für Er-
langung eines Organistenpostens zu erlangen und frequentirte als Abschluss die
Königliche Akademie, Abtheilung für Musik. Hier gewann er 1862 mit einer
Gesangscomposition die silberne Medaille und 1864 mit einem Te Deum lau-
damus für Solo, Chor und Orchester den Michel-Beer'schen Preis, bestehend
in einem Stipendium zu einer Studienreise nach Italien, die er in den Jahren
1864/65 ausführte. In letzterem Jahre erlangte er kurz nach seiner Rückkehr
den Organistenposten an der Bartholomäuskirche zu Berlin, 1866 an der
Dorotheenstäd tischen Kirche, und 1867 wurde er noch Gesanglehrer an der
Louisenstädtischen Gewerbeschule. Seit 1873 ist er auch bei den sonntäg-
lichen Hausandachten in der einstigen kronprinzlichen Familie thätig. 1878
übernahm er noch die Direktion des philharmonischen Chorvereins mit Orche-
ster, der auch alljährlich für seine Mitglieder einige Aufführungen veranstaltete.
Von seinen Compositionen fanden nur die kleineren Werke einen Verleger,
während seine Oratorien »Das Wort Gottes« und »Golgatha«, sowie ein Re-
quiem und ein Stabat mater, auch einige Opern im ernsten und heiteren Stile
Manuscript blieben. Seit dem Jahre 1872 bis 1892 erschienen dagegen an
Ueberl^e. PlQddemantu tgx
85 Werke geistlichen und weltlichen Inhalts, Lieder für ein bis vier Stimmen,
ein Melodrama »Der Schutzgeist«, als opus 29 1875 in Weimar erschienen,
viele Lieder bei Challier in Berlin, zahlreiche Männerchöre, ein Magnificat fiir
achtstimmigen Chor ohne Begleitung, 1886 6 Motetten fiir gemischten Chor
als opus 81 in Leipzig. Auch für Schulen und Gymnasien gab er in Gemein-
schaft mit Otto Wangemann 1889 — 1891 drei Sammlungen heraus. Sein Stil
zeigt eine gewandte Feder, nur fehlt ihm die Bedeutung der Themen -Erfin-
dung und die Steigerung im Verlaufe der Composition. Es ist alles recht
hübsch im conventioneilen Stile geschrieben, ohne je darüber hinauszukommen.
Quellen: Mendel-Reissmann's Lexikon. Vossische Zeitung 1897 vom 18. März.
Rob. Eitner.
Plüddemann, Martin, geschätzt als Balladencomponist, ♦ am 29. Septem-
ber 1854 zu Kolberg, wo sein Vater Schiffsrheder und Consul war, f am
8. October 1897 zu Berlin. — Die Familie betrieb viel Musik und unterhielt
mit Karl Löwe, dem Stettiner Balladencomponist, einen regen persönlichen
und künstlerischen Verkehr; als Martin dem Vater seinen Wunsch zu erkennen
gab, Musiker zu werden, willfahrte ihm dieser gem. Er ging 1871 nach
Leipzig zu dem Theoretiker E. Fr. Richter und nach Vollendung seiner Stu-
dien zu den Gesanglehrem Julius Hey und Friedrich Schmitt in München,
um seine klangvolle Stimme auszubilden. Unter dem Einflüsse Mendelssohn 's,
Schumann's und Robert Franz* versuchte er sich in der Liedcomposition; als
er aber Richard Wagner's Werke kennen lernte, wurde er ein glühender Ver-
ehrer desselben, besuchte die Bayreuther Festspiele und trat in persönlichen
Verkehr mit ihm. Auf Wagner's Anregung entschloss er sich die Sängerlauf-
bahn zu betreten und begann ernsthafte Studien. Sein erstes Auftreten in
einem Concerte verhiess ihm eine schöne Zukunft, doch eine starke Erkältung
beraubte ihn der Stimme. Er warf sich nun mit verdoppeltem Eifer auf die
Gesangscomposition, die Musikschriftstellerei und Kritik. 1876 erschien die
Schrift: Das Btihnenfestspiel in Bayreuth, 1879 Aus der Zeit, 1885 Die ersten
Uebungen für die menschliche Singstimme, neben zahlreichen Aufsätzen in
Musikzeitschriften. Als Componist gab er zuerst eine Bearbeitung altdeutscher
Lieder und mehrere Hefte eigene Lieder und Gesänge heraus, bis er sich der
Balladencomposition zuwandte und eine lange Reihe von Werken schuf, die
in ihrer Eigenart volle Beachtung erheischten, die ihnen aber bisher nicht in
dem Maasse zu Theil wurde, wie sie es wohl verdient hätten. Ich nenne nur
Jung Dietrich, Einkehr, Graf Eberhard's Weissdom, Biterolf's Heimkehr, Ritter
und Königstochter, Ritter Toggenburg, Legende vom heiligen Stephan, Der
Kaiser und der Abt, Der Taucher, Barbarossa, Des Sängers Fluch, Vineta,
Volker's Nachtgesang, Ode an die preussische Armee, Der wilde Jäger u. a.
Er gab dieselben im Selbstverlage in 5 Bänden heraus, einen sechsten bereitete
er 1893 vor. Jedem Bande lässt er eine Erklärung vorangehen, die sich zum
Theil auf den historischen Thatbestand bezieht, theils auf die Auffassung
seiner Composition. P.'s Schreib- und Empfindungsweise schliesst sich dem
Dramatischen eng an, die Recitation des Textes ist meisterhaft und die Sing-
stimme in ihrer Klangfarbe wohl berechnet. Man bemerkt stets den Sänger
und tüchtigen Gesanglehrer, der Kenntniss der menschlichen Stimme hat und
ihr nur Ausführbares zumuthet. Die Klavierbegleitung ist ganz im Wagner'-
schen Stile ausgeführt, indem er darin die Situation zu verdeutlichen sucht;
auch an den kühnen plötzlichen Modulationen, welche dem Sänger eine grosse
ßiogr. Jahrb. u. Deutocher Nekrolog. 2. Bd. I i
l52 PJUddemaiin. von Hahn.
Trefifähigkeit zumuthen und an der vielfach angewandten Chromatik erkennt
man den Einfluss Wagner's, der sich aber nie zu sklavischer Nachahmung
erniedrigt, sondern stets auf eigener Eingebung beruht. Die Sänger Gura und
Bulss haben mehrfach seine Balladen öffentlich vorgetragen, doch die Schwie-
rigkeit der Ausfuhrung scheint ihnen ein Hinderniss weiterer Verbreitung zu
sein. Dagegen haben sich einige Lieder der Gunst des Publikums zu erfreuen,
wie das »Russische Lied« und »Gute Nacht«. P. dirigirte in den achtziger
Jahren die Singakademie in Ratibor, siedelte dann im Herbst 1890 als Ge-
sanglehrer nach Graz über, wo er auf Subscription seine Balladen in den
Druck brachte, und 1894 nach Berlin. 1895 hatte er die Genugthuung, dass
Richard Blatka seine Balladen in einer besonderen Schrift besprach, betitelt:
Plüddcmann und seine Balladen. Prag 1895 bei F. Ehrlich. Dessen biogra-
phische Mittheilungen sind hier benutzt worden, sowie die beiden Artikel in
den Berliner Signalen 1895 No. 14 und 1897 S. 305. Eine Autobiographie
erschien in der Wiener Musikzeitung Lyra, doch war mir dieselbe unerreichbar.
Rob. Eitner.
Hahn, Friedrich von, * am 7. Juni 1823 zu Homburg v. d. H., f am
3. März 1897 in Leipzig. — H. war der Sohn des landgräflich hessisch-hom-
burgischen Leibarztes und Geheimen Raths Dr. Philipp Franz v. Hahn; von 1837
bis 1842 hat er die Fürstenschule zu St. Afra in Meissen besucht. Lehrer und
Unterricht dort haben einen bedeutenden Einfluss auf ihn ausgeübt; er hat dieser
Schulzeit oft und gern gedacht. Nachdem er von 1842 bis 1846 in Jena
und Heidelberg studirt, promovirte er in Heidelberg am 15. August 1846
und wurde vom 4. Juni bis 24. Juli 1847 bei der landgräflichen Landes-
regierung, später bei dem Justizamt als Accessist beschäftigt. Diese Anfänge
einer später so hochbedeutsamen practischen Thätigkeit befriedigten ihn so
wenig, dass er sich am 24. November 1847 ^^^ ^^r Schrift »de diversis
testamentorum formis, quae in Germania obtinuerant« als Privatdocent in Jena
habilitirte. Der Universität Jena hat er von 1847 bis 1872 angehört. 1850
zum ausserordentlichen Professor und sehr bald zum ausserordentlichen Bei-
sitzer des SpruchcoUegiums der Juristenfacultät und des Schöppenstuhls er-
nannt, wurde er 1861 ordentlicher Honorarprofessor, am i. April 1862
ordentlicher Professor des deutschen Privatrechts und des Handelsrechts und
zugleich Mitglied des Gcsammt-Ober- Appellationsgerichts zu Jena, nachdem
sein Schwiegervater, der Oberappell ationsgerichtsrath Guyet, aus dem Gerichts-
hofe geschieden war. Von seiner Bedeutung als Docent und seinem Einfluss
auf die studirende Jugend ist wenig bekannt, v. H. selbst war in seiner
Bescheidenheit nach vielfachen mündlichen Aeusserungen nicht geneigt, sein
Lehrtalent und seinen Vortrag sehr hoch zu stellen. Dagegen fällt in diese
Zeit eine Thätigkeit, die für seinen äusseren Lebensgang wie seine wissen-
schaftliche Arbeit bestimmend gewesen ist. Als Commissar der grossherzog-
lich und herzoglich sächsischen und der anhaltischen Regierungen nahm er
an den Conferenzen zur Berathung des Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen
Handelsgesetzbuchs in Nürnberg und Hamburg von 1857 bis 1861 theil.
Ucber die Bedeutung dieser Conferenzen und der daraus hervorgegangenen
Protocolle ist kein Wort zu verlieren. Sie sind ein Stück deutscher Rechts-
entwicklung und deutscher Rechtsgeschichte, an der v. H. hervorragenden
Antheil hat. Aus dieser Zeit stammt seine im November 1860, unmittel-
bar vor der dritten Lesung aus Anlass der Controverse über die Behandlung
von Hahn, von Wilmowski. 1*63
des Frachtgeschäftes der Eisenbahnen, ohne Namen erschienene Schrift
»Das Deutsche Handelsgesetzbuch und die Eisenbahnen« (Jena), in der v. H,
lebhaft für die Beschränkung der Vertragsfreiheit den Eisenbahnen gegen-
über eintrat, wie sie jetzt auch der § 463 des Entwurfs eines Handels-
gesetzbuchs statuirt. Dieser Schrift folgte 1863 der erste Band, 1867 der
zweite Band seines Commentars zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetz-
buch, der 1871, 1875 in 2. Auflage, 1877 in 3. Auflage (Band i) erschienen,
als immer noch unerreichtes Muster der commentarmässigen Behandlung eines
Gesetzbuchs bezeichnet werden muss, unerreicht in der einfachen, klaren,
gründlichen, tief und fein durchdachten Darlegung der Entstehung und des
Inhalts des Gesetzes. Litterarisch ist v. H. sonst wenig hervorgetreten. 1856
erschien eine seinem Schwiegervater Guy et gewidmete Arbeit über »Die
materielle Uebereinstimmung der römischen und germanischen Rechtsprinci-
pien«, ausserdem in Band 29 der Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht
ein Beitrag zur Lehre vom Commissionsgeschäft. Vom i. April 1872 ab
wurde v. H.'s Kraft durch seine Thätigkeit als Richter bei dem Oberhandels-
gericht voll in Anspruch genommen. Am i. October 1879 ^^^^ ^^ "^ ^^^ ersten
Civilsenat des Reichsgerichts. Am i. October 1891 wurde er zum Senats-
präsidenten ernannt und übernahm als solcher den Vorsitz des sechsten Civil-
senats. Am i. Januar 1893 trat er in den Ruhestand. Eine kurze Erholungs-
pause von schwerer Arbeit brachte ihm Arbeitskraft und Arbeitsfreude, er-
möglichte ihm die Bearbeitung von zwei Lieferungen der vierten Auflage
seines im Buchhandel völlig vergriffenen Commentars; die Kraft dauerte aber
leider nicht lange. Die vierte Auflage sollte und wird unvollendet bleiben.
Ein gütiges Geschick hat ihn durch einen leichten Tod vor einem voraus-
sichtlich schweren und langen Leiden bewahrt. Was v. H. für die Wissen-
schaft des Handelsrechts geleistet, ist unvergänglich. Wer, wie der Schreiber
dieser Zeilen, mit ihm durch Jahre in demselben Senat gearbeitet hat, wird
des ruhigen, in Haltung und Gesinnung vornehmen Mannes eingedenk bleiben.
V. H. gab sich nur schwer. Wenige sind ihm wohl ganz nahe getreten,
keiner so nahe wie sein von ihm über Alles geschätzter und verehrter Schwieger-
vater Guy et. Sein Wesen ging in seiner Wissenschaft, in seinem Amte, in
seinem Hause und in den Seinen auf. Er wird auch ausserhalb des Kreises
der Seinen unvergessen bleiben.
Wiederholt aus der Dcutscl^en Juristenzeitung, II. Jahrgang, No. 7.
Reichsgerich tsrath Dr. Reh b ein, Leipzig.
Wilmowski, Gustav Karl Adolf von, ♦ zu Paderborn am 17. August
181 8, f am 28. Dec. 1897 zu Berlin. — v. W. studirte in Bonn und Berlin
die Rechtswissenschaft, wurde am 28. September 1838 als Auscultator beim
I^nd- und Stadtgericht zu Naumburg a. S. verpflichtet und erhielt am i . Octo-
ber 1844 eine etatsmässige Anstellung als Obergerichts-Assessor bei dem Land-
und Stadtgericht zu Wollstein. Allein seine Herzensneigung trieb ihn zur
Advocatur, und im Juli 1849 kam er als Rechtsanwalt nach Schlawe, in
welchem Oertchen er alsdann über 20 Jahre verblieb. Hier erfolgte 1867
seine Ernennung zum Justizrath und gleichzeitig die Veröffentlichung seiner
hochverdienstlichen Schrift über das Lübische Recht in Pommern. —
Endlich am i. November 1869 nach Breslau versetzt, veröffentlichte er
1870 Beiträge zum Pommerischen Lehnrecht und eine Beurtheilung des
sog. Norddeutschen Entwurfs einer Civilprocess -Ordnung, welche letztere
II*
164 ^^^ Wilmowski. Berger.
seine Wahl in die vom Bundesrathe zur definitiven Feststellung des Entwurfs
einer deutschen Civilprocess-Ordnung niedergesetzte Commission zur Folge
hatte. Bereits am i. April 1872 wurde v. W. nach Berlin versetzt, wo
er als Notar und als Rechtsanwalt beim Stadtgericht (seit 1879 Land-
gericht I) und seit Juli 1883 beim Kammergericht fungirt hat, bis er
am I. April 1891 aus dem Justizdienste schied. In Berlin entfaltete er
eine umfassende schriftstellerische Thätigkeit und trat zugleich vermöge her-
vorragender Charaktereigenschaften und vorzüglicher Befähigung für den von
ihm gewählten Beruf in die erste Reihe und schliesslich an die Spitze
seiner Berufsgenossen, welche ihn als Vorbild verehrten. Langjähriges Mit-
glied, demnächst stellvertretender Vorsitzender der Anwaltskammer des Kam-
mergerichtsbezirks, hat er in derselben in der letzten Zeit vor seinem Abgange
den Vorsitz geführt. Im Jahre 1882 zum Geheimen Justizrath ernannt, wurde
er aus Veranlassung seines Dienstjubiläums am 28. September 1888 durch
Verleihung des Kronenordens IL Klasse und seitens der Berliner Friedrich
Wilhelms-Universität durch die Ernennung zum Ehrendoctor der Rechte aus-
gezeichnet. Seinen Beruf als Schriftsteller bewährte er durch die beiden
grossen, in der Praxis zu überwiegendem Ansehen gelangten Commentare,
von welchen im Jahre 1895 der von v. W. allein verfasste Commentar zur
Reichs -Concurs- Ordnung in fünfter, der von ihm in Gemeinschaft mit
dem Justizrath M. Levy herausgegebene Commentar zur Reichs- Civüpro-
cess- Ordnung in siebenter Auflage erschienen sind. — v. W. war Mitglied
der ständigen Deputation des Juristentages, in welcher er von 1880 bis 1888
das mühevolle Schriftführeramt bekleidete. Auch nach Niederlegung seiner
Aemter blieb v. W. in rastloser Thätigkeit mit Bearbeitung der Commentare,
F'ortführung von Vermögensverwaltungen, Ertheilung von Gutachten unaus-
gesetzt beschäftigt. Daneben Schatzmeister der Juristischen Gesellschaft und
als Referent und Abtheilungsvorsitzender auf den letzten Juristentagen thätig,
ist er bis zum letzten Athemzuge mit Wort und Schrift für die Erhaltung der
Advocatur und des Richterstandes auf der Höhe ihrer Bestimmung überall
eingetreten, so noch im April 1896 in der Deutschen Juristen-Zeitung durch
den Aufsatz über die Auswahl der Gerichtsassessoren.
Wiederholt aus der Deutschen Juristenzeitung, II. Jahrgang, No. 2.
Justizrath Professor Dr. Jacobi- Charlottenburg.
Berger, Mathias, Architekt, * am 24. April 1825 in der damaligen Vor-
stadt Au (München), f am 30* April 1897. — Sohn eines Maurerpolier, be-
suchte er die Volksschule, erhielt durch den vorzüglichen Lehrer Georg Reis
(f 12. März 1872) Unterricht im Zeichnen, diente als Mörtel träger beim Bau
der Hof- und Staatsbibliothek, erregte durch seine schöne Handschrift die
Aufmerksamkeit des Direktor Fr. von Gärtner, welcher den intelligenten
Jungen schon 1838 in sein Bureau aufnahm. So ergab sich die Gelegenheit,
nicht allein zu den vielen Projecten seines Meisters, sondern auch bei Aus-
führung der Bauten des Witteisbacher Palais, der k. Villa an der Schwabinger
Landstrasse (deren weitere Adaptirung zum Prinz Leopold-Palais gleichfalls
B.'s Werk war), dem Siegesthor in der Ludwigsstrasse, verwendet zu werden.
Im Jahre 1847 bestand B. mit Erfolg die Prüfung als Civilarchitekt und trat
nach dem am 21. April 1847 erfolgten Tode seines Meisters in selbständiger
Weise auf. B. entwarf den Plan zur ersten Vergrösserung des P'riedhofes der
damaligen Vorstadt Au, machte die Zeichnungen zu den Gedenktafeln in der
Berger. 165
Auer-Kirche für König Ludwig I. und Baumeister Daniel Ohlmüller (f am
22. April 1839) ^^"^ bethätigte sich mit einer Ansicht des »Siegesthor« als
Kupferstecher, auch veröffentlichte er ein Werk mit Ansichten der merkwürdig-
sten »Grabmonumente des Münchener Gottesackers« (1852). Das erste Pro-
ject zur heutigen Maximilians-Strasse lieferte B.; er dachte dieselbe in direkter
Verbindung mit einer, später von ihm wirklich erbauten Pfarrkirche zu Haid-
hausen, welche mit ihrem hochragenden Fagadenthurm den imposanten Ab-
schluss bilden sollte; die Achse dieser Prachtstrasse hätte sich alsdann etwas
gegen Süden geneigt während sie später nach Bürklein's Plane genau parallel
der Mittellinie des Hof- und National-Theaters hergestellt wurde und als
Schluss die lange Front des Maximilianeums erhielt. Nach vielen Unterhand-
lungen wurde am 17. October 1852 der Grundstein zur Haidhauser -Kirche
gelegt, welche, da die Mittel dazu durch Almosen und freiwillige Beiträge nur
langsam flössen, 1863 im Aeussem und 1874 auch im Innern zur Vollendung
kam, jedoch erst 1879 dem Cultus übergeben wurde. Es ist ein höchst
achtenswerther, im reinen Spitzbogenstyl, völlig aus Backstein und Terracotta
aufgeführter Bau, mit einem schlanken Fagadenthurme und zwei sehr wirk-
samen kleineren, auf besonderen Wunsch König Max II. eingefügten Chor-
thürmen. Das einschiffige Langhaus mit den zum Theil nach innen gezogenen
Strebepfeilern und einem schmäleren, mit fünf Seiten des regelmässigen Acht-
eckes geschlossenem Chore, hat eine Lichtweite von achtzehn Meter, welche
von der berühmten Michaelskirche nur um vier Meter übertroffen wird. Zu
den drei, in weissem Marmor weniger wirkenden Altären stiftete ein Bürger
Haidhausens das kostbare Material. Trotz der gebotenen Sparsamkeit erzielte
der Künstler eine treffliche Wirkung, insbesondere durch die schlichte Arkatur
unter dem Dachaufsatz. Den reichen Schmuck mit Statuen (von Jos. Knabl)
an der Aussenseite besorgte der Magistrat der Stadt. Den Spitzbogenstyl
brachte B. auch bei der 1854 errichteten Pfarrkirche zu Gaimersheim (bei
Ingolstadt) und bei der 1867 — 1871 erbauten dreischiffigen Hallenkirche zu
Partenkirchen in Anwendung. Nach seinen Entwürfen und unter seiner Lei-
tung begann 1858 die Restauration der Münchener Frauenkirche, welche B.
streng im Charakter des XV. Jahrhunderts unter Ausscheidung aller späteren
stylstörenden Zuthaten auszuführen gedachte. An die Stelle des barocken,
hölzernen Orgelchores setzte er eine Steinconstruction mit feuersicherer Ein-
wölbung, und zwar in so sachgemässer Uebereinstimmung mit dem älteren
Theile der Musiktribüne, dass heute Niemand den Unterschied der Entstehungs-
zeit wahrnehmen dürfte. B. befreite die durch Kästen verdeckten Rückwände
der Chorstühle und brachte dadurch die schönen Skulpturen wieder zu Ehren;
in Uebereinstimmung damit componirte er den mit Flügelthüren ausgestatteten
Hochaltar (mit Bildern von M. von Schwind) und die beiden Seitenaltäre,
ebenso die kunstvolle Kanzel und die erzbischöfliche Cathedra; erstere wurde
von Sickinger, letztere von Wirth mit bewunderungswürdiger Technik in
Eichenholz ausgeführt. Allerlei bittere Erfahrungen, theils mit dem Restaura-
tions-Comitd und wohlmeinenden Stiftern, bewogen den Künstler, seine Thätig-
l^eit dabei niederzulegen, worauf Ludwig Foltz, nicht zum Besten der einheit-
lichen Wirkung, das Ganze vollendete. Die Erweiterung und Restauration
der Herzogspitalkirche erfolgte ohne weitere Schwierigkeiten. Nach B.'s Ent-
würfen entstanden ausserdem in und ausser der Stadt eine grosse Anzalil von
Profanbauten, das burgartige Haus des Professor Dr. Sepp (in der Schönfeld-
strasse), das heitere Bijou der Hofschauspielerin Clara Christen-Ziegler (Königin-
l66 Berger. Birlcmeyer.
Strasse), das Cafö Danner u. s. w. , wobei B. seine Vorliebe für die Fennen
des Spitzbogens mit grossem Geschick bethätigte. Zu Beginn der sechziger
Jahre gelangte an der Nymphenburger-Dachauer-Strasse die neue Maximilians-
Kaseme auf Oberwiesenfeld nach B.'s Entwürfen als stattiicher Backstein-
Rohbau zur Ausführung und das Erzbischöfliche Knabenseminar auf dem
Domberge zu Freising; in beiden Fällen bewies der Architekt, dass er auch
den Aufgaben des Profanbaues gewachsen war. Drei grosse, bis in's kleinste
Detail ausgearbeitete monumentale Projecte, einer neuen Synagoge, eines
prachtvollen Künstlerhauses und eines Justizpalastes scheiterten leider, weil
der Künstler an dem dazu als passend erwählten Terrain unerschütterlich
festhielt; sie würden der rasch aufblühenden Stadt zur bleibenden Ehre ge-
dient haben. König Maximilian würdigte die Leistungen des Meisters da-
durch, dass er ihn zum Ritter des Verdienstordens vom hl. Michael I. Klasse
ernannte. B.'s unverwüstlich scheinende Natur erlag am 30. April 1897 den
Folgen einer schleichenden Influenza. Sein gesammter artistischer Nachlass
mit allen Zeichnungen, Skizzen, Entwürfen und Plänen wurde am 28. März
18 98 durch Georg Mössel versteigert.
Vergl. Franz v. Reber: Bautechnischer Führer durch München. 1876. S. 123. Hans
Moninger: Fr. v. Gärtner. 1882. S. 105. Nekrolog von Franz Jakob Schmitt in No. 102
der Augsburger Postzeitung vom 7. Mai 1897. Rechenschaftsbericht des Vereins für
Christliche Kunst für 1897. S. I2 ff.
Hyac. Holland.
Birkmeyer, Fritz, ♦ 1848 zu Rothenburg an der Tauber, f am 9. Decem-
ber 1897. — B. absolvirte die Lateinschule, widmete sich im Atelier des am
12. December 1885 verstorbenen Bernhard Mittermaier der Glasmalerei (i863\
besuchte die Kunstschule zu Nürnberg und übersiedelte nach München. Mit
gleichem Geschick im Charakter der späteren Spitzbogenzeit wie des Renais-
sancestyles schaffend, fertigte er viele Cartonzeichnungen figürlichen Inhalts fiir
die Königliche Hofglasmalerei-Anstalt des Commerzienrath Franz Xaver Zettler
zu München. Darunter eine »Taufe Christi«, eine »Magdalena zu den Füssen
des Heilands«, sieben Darstellungen aus der Lebensgeschichte des Apostel
Paulus (für das Chorfenster des Ulmer Münsters), ein Porträt des Kaisers
Wilhelm L mit Wappenschilden und Kriegern (1883). Mit grosser Begeiste-
rung erfasste der vielseitige Künstler die Idee des von Ludwig Stark gedich-
teten »Rothenburger Festspieles« (1883), lieferte dazu Scenen und Costüme,
auch ein Erinnerungsblatt mit der Darstellung des »Meistertrunk des Bürger-
meister« und die Illustrationen zu Ludwig Stark's Sang »Der Jungherr von
Rothenburg« (Stuttgart 1891). Damit standen die ernsten Oelbilder »Tilly in
Rothenburg« und »Marodeure aus dem dreissigjährigen Kriege« (in No. 52
»lieber Land und Meer« 1889) in Zusammenhang. Im Jahre 1868 trat B.
freiwillig in das 12. bayerische Infanterie-Regiment, machte den Feldzug 1870/71
mit und erhielt im Treffen von Coulmies fünf Verwundungen. In Folge davon
zu weiterem Dienste untauglich, nahm B. wieder die Kunst auf; seine eige-
nen Kriegserlebnisse gestaltete B. zu Illustrationen und Oelbildem. So
entstanden eine »Friedliche Begegnung in der Kriegszeit« (No. 29 »Ueber
Land und Meer« 1890), eine »Requisition«, »Bayerische Soldaten vor Parisv<
(»Hurrah Paris!«); ein ^Motiv bei Artenay«; »Reiterund Weg^^^eiser« (No. 13
ebendas. 1894); »Auf Vorposten in der Christnacht« (im » Soldatenfreund <^
1895), der ergreifende »Todesritt« (ebendas.), der Finzug des General von der
Tann (»Voilä le G^ndral de Tann!«) in einer Strasse von St. Ay s. Loire im
Birkmeyer. Sohncke. 167
December 1870 und »General von Hartmann bei Moulin de la Tour«, beide
mit reichem, gleichfalls portraittreuem Gefolge. Ein »Kriegserlebniss aus
Foinard« reproducirte die »Kunst für Alle« vom 15. Januar 1898. Ein sehr
charakteristisches, friedfertiges Bild gestaltete B. aus der »Mtinchener Wacht-
]jarade«. Als Freund heiterer Geselligkeit gastete unser Künstier gerne bei
den fröhlichen Waldfesten des Gesangvereines »Germania«, und schuf ein
Banner und einen »Bardenschild«, wofür er als >^Edeling« (Ehrenmitglied) aus-
gerufen wurde. Am 3. December 1897 besuchte B. die Generalversammlung
der Künstlergenossenschaft; auf dem Heimwege brach er in der ersten Morgen-
stunde des 4. December, vom Herzschlag getroffen, zusammen; Wieder-
belebungsversuche waren vergeblich. Eine hübsche Serie von Gemälden und
Aquarellen, darunter theilweise älteres Militär, bayerische leichte und schwere
Reiter, Scenen mit Turkos und Zuaven u. s. w. brachte der Mtinchener Kunst-
verein im März 1898 zur Ausstellung. Eine grosse Sammlung von Waffen,
Säbeln, musikalischen Instrumenten, Helmen, Tschakos und Mützen, welche
B. mit bayerischen, preussischen, österreichischen, französischen, türkischen
Uniformen zusammengebracht hatte, eine ächte, reich bestellte Atelier-Ausstat-
tung, wurde am 12. Mai 1898 durch F. Haunschild versteigert.
Vgl. Abendblatt 338 »Allgemeine Zeitung« vom 7. December 1897 und Bericht des
Mttnchener Kunstverein für 1897. S. 71. — Das geistige Deutschland. Lpz. 1898. S. 55.
Hyac. Holland.
Sohncke, Leonhard, Professor der Physik an der technischen Hochschule
zu München, * am 22. Februar 1842 zu Halle a. S., f am i. November 1897
zu München. — S. gehörte unzweifelhaft zu den Zierden seiner Wissenschaft
und zählte zu den beliebtesten Universitätslehrern. Sein Vater Ludwig Adolf
Sohncke, noch heute durch seine klassische Uebersetzung von Chasles' Ge-
schichte der Geometrie bekannt, hatte an der Universität Halle a. S. eine Professur
für Mathematik inne. Schon durch die Erziehung im Eltemhause für die exacten
Wissenschaften begeistert, widmete sich Sohncke, als er bereits mit 17 Jahren
die Universität Halle bezog, den mathematischen und physikalischen Studien
und legte 1862 seine Lehramtsprüfung mit bestem Erfolge ab. Neben seinen
Hauptstudien zog ihn insbesondere die Mineralogie an — schon als Student
bekleidete er am mineralogischen Institut die Stelle eines Hilfsassistenten — und
dieser Hang, begünstigt von seinem Lehrer, dem berühmten Franz Neumann,
dem Begründer des physikalischen Seminars in Königsberg, bei welchem es ihm
vergönnt war, längere Zeit zuzubringen, gab seinen späteren Studien die ent-
scheidende Richtung. In Königsberg, das damals der Sammelplatz aller lern-
begierigen Jünger der physikalischen Wissenschaften war, erhielt S. , nachdem
er sein Probejahr abgelegt hatte, 1866 seine erste Anstellung als Gymnasial-
lehrer und gründete alsbald einen eigenen Herd, indem er sich mit einer
Verwandten verehelichte. Aber sein wissenschaftlicher Sinn fand in der Lehr-
thätigkeit an der Mittelschule nicht die genügende Befriedigung, und so habi-
litirte er sich drei Jahre später als Privatdocent der Physik an der Königs-
berger Universität mit einer Arbeit über die Cohäsion des Steinsalzes (Poggen-
dorfF's Ann. CXXXVII) und behielt nebenher seine Lehrstelle bei. Doch
dauerte diese doppelte anstrengende Lehrthätigkeit nicht lange; denn als er
durch einen glücklichen Zufall mit dem theoretischen Physiker Georg Kirchhoff
bekannt wurde, lernte ihn dieser rasch schätzen und venÄ'endete sich für ihn,
so dass er schon 1871 das Ordinariat für Physik am Polytechnikum zu Karls-
i68 Sohncke.
ruhe erhielt. Im Kreise liebenswürdiger Collegen, von denen er besonders
den Mineralogen Knop und den darstellenden Geometer Wiener hochschätzte,
fand er sich rasch in seinen akademischen Wirkungskreis und konnte mit mehr
Muse und mit reichen experimentellen Mitteln versehen, seinen wissenschaft-
lichen Arbeiten obliegen. Hier entstand auch sein bedeutendstes Werk »Ent-
wickelung einer Theorie der Krystallstructur« . Der französische Mineraloge
Bravais hatte zur Erklärung der Eigenthümlichkeit krystallisirender Medien,
nach ein und derselben Richtung stets die gleiche, nach verschiedenen Rich-
tungen aber verschiedene Eigenschaften aufzuweisen, die Zusammensetzung
eines ganzflächigen Krystalls aus unendlich vielen congruenten und gleich-
gestellten Bausteinen angenommen und nachgewiesen, dass die entstehenden
Symmetrieverhältnisse mit denen gewisser geometrischer Gitterstructuren über-*
einstimmen; doch war ihm dieser Nachweis bei den halbflächigen Krystallen
nicht gelungen. Dadurch dass nun S., durch geometrische Untersuchungen
seines Freundes Wiener angeregt, die von dem Mathematiker Camille Jordan
aufgestellten Bewegimgsgruppen in Betracht zog, welche die Auffindung aller
solcher Punktsysteme ermöglichten, gelang es ihm, die Zusammensetzung aller
bekannten Krystallstructuren, auch die der halbflächigen, durch solche Gitter-
systeme darzustellen, die er durch sinnreich erdachte Modelle veranschaulichte.
Auch später kam S. noch wiederholt auf diese seine fundamentalen Ent-
deckungen im Gebiete der Molekularphysik zurück, die ihn weitaus am meisten
fesselte, und veröffentlichte hierüber eine Reihe von Artikeln in Gerth's
Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie, in den Mathematischen An-
nalen (IX) und in Poggendorff's Annalen. In anderen Abhandlungen, die in
denselben Zeitschriften erschienen, beschäftigte er sich eingehend mit den
optischen Eigenschaften der Krystalle, sowie mit den Newton'schen Farben-
ringen, wobei er überall Neues zu Tage förderte. Auch Femerstehende suchte
er mit jenen merkwürdigen Molekularvorgängen vertraut zu machen, indem
er, unterstützt von seinem hervorragenden Darstellungstalent, wiederholt popu-
läre Aufsätze hierüber veröffentlichte (Bayrisches Industrie- und Gewerbeblatt
1891, »Nature« 1884). — S. war bei seiner Berufung nach Karlsruhe als
Nebenamt auch die theilweise Organisation und Leitung des meteorologischen
Beobachtungsnetzes in Baden übertragen worden. Dadurch war er gezwungen,
sich in ein ihm bisher fremdes Gebiet einzuarbeiten, was ihm bei seiner
Gewissenhaftigkeit und Energie in kürzester Zeit so vollständig gelang, dass
auch dieser Wissenszweig bald zu seinen Lieblingsstudien gehörte, obwohl
er die täglichen Registrir- und Büreauarbeiten, die mit der Meteorologie un-
abweislich verbunden sind, stets als eine Last empfand. Aus jener ersten
Zeit seiner Beschäftigung mit der Meteorolgie stammt ein kleines Schriftchen:
»Ueber Stürme und Sturmwarnungen« 1875, sowie »Vorschläge zur Verein-
fachung der Ableitung der barometrischen Höhen messungsformel« (Zeitschrift
für Mathematik und Physik XX). Doch trotz dieser Vorliebe für das neu ge-
wonnene Fach waren es hauptsächlich die zeitraubenden meteorologischen
Nebenarbeiten, welche ihn vermochten, einen Ruf an die Universität Jena,
der 1883 an ihn erging, anzunehmen. Daselbst wurde ihm die Leitung des
physikalischen Instituts übertragen, das er auf neuer Grundlage einzurichten
hatte. Trotz der hiermit verbundenen grossen Arbeitslast fühlte er sich in
der Freiheit des Jenaer Universitätslebens, welches seinem Charakter ganz,
besonders zusagte, stets äusserst wohl und erinnerte sich später noch oft gern
an jene Zeit. Daselbst benützte er die spärlichen Musestunden, welche ihm
Sobncke. i6o
seine Berufsarbeiten übrig Hessen, um seine in Karlsruhe begonnenen meteoro-
logischen Studien fortzusetzen und schuf seine hochbedeutende Theorie der
G^witterbildung, die er in der Monographie: »Der Ursprung der Gewitter-
elektricität«, Jena 1885, niederlegte. Dieselbe fand nicht nur bei den Fach-
männern allgemeinen Anklang, sondern machte S.'s Namen auch in weiteren
Kreisen bekannt. Die in dieser Schrift angedeuteten Grundgedanken führte
er in späteren Veröffentlichungen noch weiter aus, so in den Sitzungsberichten
der Bayerischen Akademie 1888, in der Zeitschrift »Himmel und Erde« 1889,
in der Meteorologischen Zeitschrift V und in den Abhandlungen der Mün-
chener Akademie XVIII, 3, woselbst die »Gewitterstudien auf Grund von
Ballonfahrten« erschienen. — Sein Aufenthalt in Jena dauerte nur zwei Jahre,
denn schon 1885 erhielt er einen Ruf an die technische Hochschule zu
München, dem er auch in der Aussicht auf eine ausgedehntere Lehrthätig-
keit, wenn auch nur zögernd, Folge leistete. Daselbst entfaltete er seine ganze
enomie Arbeitskraft. Denn obwohl sich infolge der beständig zunehmenden
Frequenz der Hochschule seine Berufsarbeiten bis zum Uebermaasse steigerten,
setzte er doch die Forschungen auf seinen Specialgebieten fort, in die er auch
noch andere, wie die Elektricitätslehre (Münchener Sitzungsberichte 1888) und
die Wärmelehre (ebenda 1897) miteinbezog. Auch der Optik, der er schon
früher sein Interesse geschenkt hatte (Apologie der Doppler'schen Theorie,
Poggendorff's Annalen CXXXII), trat er wieder näher, indem er einerseits mit
optischen Hilfsmitteln die Dicke einer auf Wasser sich ausbreitenden Oel-
schicht bestimmte (Münchener Sitzungsberichte 1889), andererseits eine einfache
Erklärung der Nebenbilder gab, welche man bei Betrachtung einer Abbe'schen
Diffraktionsplatte erkennt. Eine seiner letzten Arbeiten über die polarisirte
Fluorescenz (Münchener Sitzungsberichte 1896) war ebenfalls optischer Natur,
und ausserdem fesselten den gewiegten Meteorologen auch die optisch inter-
essanten meteorologischen Erscheinungen, wie z. B. das bei Sonnenuntergang
wahrzunehmende »blaugrüne Flämmchen«, wofür er eine Erklärung brachte
(Meteorologische Zeitschrift VI), und die bei Ballonfahrten nicht selten wahr-
nehmbaren Luftspiegelungen. Als ihn schon längst das unheilbare Leiden
befallen hatte, das eine rasche Abnahme seiner Kräfte bewirkte und schliess-
lich seinem Leben ein Ende setzte, sammelte der energische Mann, bis zum
letzten Augenblicke muthvoll sein Leiden bekämpfend, noch eifrig Material
für eine im kommenden Sommer zu haltende Vorlesung über meteorologische
Optik, die er in populärer Form unter dem Titel »Der Himmel«, herauszu-
geben gedachte. Ueberhaupt hat S. viel für Popularisirung seiner Wissen-
schaft im besten Sinne des Wortes gethan: seine »Gemeinverständlichen Vor-
träge aus dem Gebiete der Physik«, Jena 1892, sowie mehrere hochinter-
essante Vorträge, die in der Zeitschrift »Himmel und Erde« und in der Bei-
lage zur Allgemeinen Zeitung erschienen und in glänzender Darstellung nicht
die leichtesten Fragen behandelten, sind Zeugen von dieser für die Verbrei-
tung wissenschaftlicher Bildung so wichtigen, aber ebenso seltenen Begabung.
Doch in der schriftstellerischen Thätigkeit S., die wir wenigstens in den
Hauptzügen zu schildern versuchten, lag nicht allein seine Bedeutung für die
Wissenschaft. Er verstand es vielmehr auch im Umgang mit anderen an-
regend zu wirken und scheute keine Mühe, um seine Begeisterung für wissen-
schaftliches Streben anderen einzuflössen. So schuf er in München ein zwang-
loses physikalisches Colloquium, an dem jeder, der sich für Physik inter-
essirte und mitarbeiten wollte, theilnehmen konnte; femer war er Mit-
lyo
Sohncke. Weierstrass.
begrtinder des Münchener Vereins ftir Luftschiffahrt und wusste als erster
Vorstand desselben dem neuen Unternehmen rasch eine geachtete Stellung
zu verschaffen. Auch als Lehrer wirkte er äusserst fruchtbringend. Sein Vor-
trag war lebhaft und fliessend, seine Kunst zu experimentiren, bewundems-
werth, und der Eifer, mit dem er sein Practicum leitete, diente seinen zahl-
reichen Schülern als nachahmenswerthes Vorbild. Daher ging auch aus seinem
Laboratorium eine Reihe werthvoUer Dissertationen und Specialabhandlungen
hervor. — S. war ein gerader und energischer Charakter, von seltener Wahr-
heits- und Gerechtigkeitsliebe, dazu freundlich und gefällig, namentlich gegen
jüngere Leute, bei denen er ideales Streben erkannte, und obgleich er in Folge
seiner anstrengenden Thätigkeit am gesellschaftlichen Leben wenig theilnahm,
so war er doch in engerem Freundeskreise stets ein gern gesehener und
heiterer Gesellschafter. Die Reinheit seines Charakters und sein idealer Sinn
bedingten auch, dass er jedem Streberthum fern blieb und Ehrungen gerade-
zu aus dem Wege ging; als höchste Ehre galt ihm stets, als ernster Forscher
und als tüchtiger Lehrer anerkannt zu werden. Darum wollen wir auch von
den ungesuchten Ehrungen, die ihm zu Theil wurden, nur seine Aufnahme
in die kgl. bayerische Akademie der Wissenschaften nennen, deren Mitglied
er alsbald nach seiner Berufung nach München wurde.
Quellen: Die Nachrufe von Prof. Finsterwalder, Münchner Neueste Nachrichten 1897,
No. 519, und Prof. Günther, Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1897, No. 275, sowie persön-
liche Bekanntschaft mit Sohncke.
A. V. Braunmühl.
WeierstrasSy Karl Theodor Wilhelm, Professor der Mathematik aii
der Berliner Universität, * am 31. October 181 5 zu Ostenfelde im Regie-
rungsbezirk Münster als ältester Sohn des dortigen Bürgermeisters, f am
19. Februar 1897 zu Berlin. — Nachdem W. von 1829 — 34 das Gymna-
sium in Paderborn besucht hatte, studierte er von 1834 — 38 in Bonn Jura
und Cameralia. Doch befriedigten ihn diese Studien wenig, da seine eigent-
liche Begabung auf mathematisch-physikalischem Gebiete lag. Er begab sich
daher an die Akademie Münster und beschäftigte sich dort unter Gudemianns
privater Leitung intensiv mit seinen IJeblingsfächern. Nach Beendigung seiner
Studien bestand er 1841 das Examen pro facultate docendi in Münster, legte
dort sein Probejahr ab und wurde 1842 Lehrer am Progymnasium in Deutsch-
Krone in Westpreussen und von 1848 an Oberlehrer am Gymnasium zu Brauns-
berg in Ermeland. Aber während dieser Lehrthätigkeit an den Mittelschulen
beschäftigte er sich bereits mit den bedeutendsten Problemen der Mathematik
und veröffentlichte seine epochemachenden Resultate in der bescheidensten
Weise in den Gymnasialprogrammen. Aus jener Zeit datirt seine berühmte
Arbeit über die Theorie der analytischen Facultäten (Jahresbericht über das
Progymnasium zu Deutsch-Krone 1843), über die Umkehrprobleme der hyper-
elliptischen Functionen und vor allem sein erster Beitrag zur Theorie der
Abel'schen Integrale (Jahresbericht über das Gymnasium zu Braunsberg 1840'.
Diese Abhandlungen zeichneten sich schon durch jene Strenge der methodi-
schen Beweisführung aus, die alle seine Arbeiten in so hervorragender Weise
kennzeichnet, und lenkten die Blicke der Gelehrten auf den jungen Gymnasial-
lehrer. Er erhielt daher 1854 honoris causa den Doctorhut von der Univer-
sität Königsberg, wo der in den gleichen Fächern thätige Richelot, Jacobi's
Schüler, zuerst die Wichtigkeit von W.'s Leistungen erkannt hatte, 1856
wurde er als Professor der Mathematik an das Gewerbeinstitut zu Berlin berufen
Weicrstrass.
171
und zugleich zum Mitgliede der Berliner Akademie ernannt. 1864 wurde er
endlich, nachdem er ein in Folge von Ueberarbeitung entstandenes Nerven-
leiden glücklich überwunden hatte, ordentlicher Professor an der dortigen
Universität, woselbst er schon in seiner Stellung als Professor des Gewerbe-
institutes Vorlesungen gehalten hatte. Diese Stellung behielt er bis zu seinem
'I'ode bei. Seiner eminenten Lehrbegabung, die in seinen vorhergehenden Stel-
hmgen die beste Schulung erhalten hatte, gelang es, eine eigene mathematische
Schule zu gründen, aus welcher eine Menge der hervorragendsten und tüch-
tigsten Gelehrten hervorging. Dazu trug aber auch nicht wenig sein selbst-
loses Wesen bei, indem er stets, unbekümmert um die Wahrung der eigenen
Priorität, seine Geistesschätze mit vollen Händen unter seine Zuhörer aus-
streute. Alle seine Schüler hingen daher auch mit unbegrenzter Liebe und
Verehrung an dem Meister, der noch bis in sein hohes Alter, trotzdem sein
Nervenleiden sich immer wieder einstellte, ihre Studien mit Hingabe leitete
und unterstützte. Erst als 1887 ein Herzleiden allmählich seine ohnehin schon
geschwächte Gesundheit zu untergraben begann, musste er seine Arbeit ein-
schränken und drei Jahre später der ihm so lieb gewordenen Lehrthätigkeit
ganz entsagen. Aber selbst, als er bereits durch Wassersucht an seiner Be-
wegung gehindert war, betheiligte er sich noch lebhaft an einer Gesammt-
ausgabe seiner Schriften, welche die preussische Akademie unternommen hatte.
Mit ihm ist, nachdem seine Freunde Kummer und Kronecker ihm im Tode
vorausgingen, der letzte der drei grossen Mathematiker dahingegangen, welche
während eines Menschen alters die Zierde der Berliner Hochschule gebildet
hatten. W. war unverheirathet geblieben, führte aber mit seinen beiden
Schwestern ein trautes Familienleben, in dem sich jeder wohlfühlte, der das
Glück hatte, zu den Freunden des grossen Mannes zu zählen.
Wenn auch die Zahl von W.'s bisher im Druck erschienenen Schriften
verhältnismässig nicht gross ist, so sind dieselben doch von so hervorragender
Bedeutung, dass sie ihm den Weltruf eines der hervorragendsten Analytiker
aller Zeiten sichern. In seiner Antrittsrede in der Berliner Akademie (9. Juli
1857) sagte er selbst, dass seine Studien von den elliptischen Functionen, in
die er durch eine Vorlesung Gudermann's eingeführt worden war, ihren
Ausgang genommen hatten, und steckte sich als ferneres Ziel, die Erforschung
der Eigenschaften der nach ihrem Entdecker Abel benannten Functionen.
Aber er will diese abstrakten Gebiete nicht nur um ihrer selbst willen be-
bauen, obwohl ja jede Wissenschaft zunächst sich Selbstzweck ist, sondern
er hofft mit Zuversicht, dass seme Theorien auch praktische Anwendung
finden werden und »würde sich glücklich schätzen, wenn er späterhin nament-
lich für die Physik aus ihnen einigen Nutzen ziehen könnte«. In der That
hat er auch sowohl in Vorlesungen, als in einigen Abhandlungen (Ein die
homogenen Functionen zweiten Grades betreffendes Theorem, nebst Anwen-
dungen desselben auf die Theorie der kleinen Schwingungen. Monatsberichte
der Berliner Akademie 1858, und ebenda 1861: Die geodätischen Linien auf
dem dreiaxigen Ellipsoid) selbst Beweise für die Anwendbarkeit seiner Resul-
tate gegeben. Doch sein Hauptaugenmerk blieb immer auf die Entwickelung
der Theorie gerichtet. Dabei verschmähte er es, ja er hielt es nicht für
richtig, bei der Begründung functionen theoretischer Wahrheiten sich der
geometrischen Methoden zu bedienen, mit denen Riemann, Clebsch und
dessen Schüler .so wichtige Resultate zu Tage gefördert hatten, und konnte
sich nie mit der von jener Seite mit so vielem Glück durchgeführten jVer-
1^2 Weierstrass.
bindung von Geometrie und Analysis befreunden. Dabei hatte er jedoch nur
die »systematische Begründung« im Auge, indem er einmal ausdrücklich sagt,
»es verstehe sich von selbst, dass dem Forscher, so lange er suche, jeder
Weg gestattet sein muss«. Aber gerade diese systematische Begründung, fiir
die ihm die Einheit der Methode und der Darstellung eine unerlässliche
Nothwendigkeit schien, war ihm bei seinen Forschungen, namentlich in späterer
Zeit, fast durchweg die Hauptsache. Er ging weniger darauf aus, glänzende
neue Resultate zu erzielen, die sich übrigens bei seinen Studien wie von selbst
einstellten, als die Theorien, die er schuf, von den einfachsten Principien
ausgehend, durch strenge analytische Methoden einwandfrei zu entwickeln.
So gelang es ihm z. B. die Theorie der complexen Functionen von den ein-
fachsten Rechnungsoperationen ausgehend bis zu den allgemeinsten Theoremen
über die eindeutigen holomorphen Functionen fortzuführen, indem er allen
seinen Sätzen und Beweisen die Entwickelung in Potenzreihen zu Grunde
legte. Die Potenzreihe, das »Element«, wie er sie nannte, war ihm überhaupt
das Instrument aller seiner Untersuchungen im Gebiete der Functionentheorie.
Das stolze Gebäude dieser Theorie, das er aufgerichtet, hat an Consequenz
und Systematik des Aufbaues in der ganzen Entwickelungsgeschichte der
Mathematik nur ein ebenbürtiges Analogon: das Euklid'sche System der
Elementargeometrie.
Die Schärfe seiner Schlussweise und die Reinheit der von ihm verwen-
deten Methoden verfehlten auch nicht, ihre gute Wirkung auf die Präcisirung
mancher Resultate modemer Forschung auszuüben und überhaupt das Augen-
merk der Mathematiker wieder mehr auf die Nothwendigkeit grösserer Strenge
und Exaktheit der Beweisführung zu lenken. So hat er durch seine Abhand-
lung über das sogenannte Dirichlet'sche Princip (1870) Lücken in der bis-
herigen Beweisführung für dasselbe nachgewiesen, die dann von andern er-
gänzt wurden, und in dem Aufsatze: »lieber continuirliche Functionen eines
reellen Argumentes, die für keinen Werth des letzteren bestimmte Differential-
quotienten besitzen« (1872), löste er die wichtige Frage über den Zusammen-
hang der Stetigkeit einer Function mit der Eigenschaft, einen Differential-
quotienten zu haben, zum ersten Male in völlig befriedigender Weise. Von
grosser Bedeutung wurden auch seine Arbeiten über Schaaren quadratischer
Formen und die damit verbundenen Elementartheiler, sowie seine Aufstellung
der Gleichung algebraischer Minimal flächen, an die sich eine ganze Literatur
anknüpft.
Doch W.'s Grösse würde nicht voll erfasst werden, wenn man nur die
von ihm selbst publicirten Abhandlungen und die in ihnen niedergelegten
Theorien, von denen allein die über eindeutige Functionen zu einem gewissen
Abschlüsse gediehen ist, in Betracht zöge, sondern man muss unbedingt auch
seine zahlreichen Vorlesungen ins Auge fassen, die noch grösstentheils un-
veröffentlicht in den Händen seiner Schüler ruhen. Darunter sind vor allem
seine Vorlesungen über elliptische und Abel'sche Functionen, sowie über
Variationsrechnung zu nennen, in denen er überall neue Bahnen eingeschlagen
hat, und wenn auch die darin verwendeten Methoden bereits vielfach bekannt
geworden sind und in der verschiedensten Weise anregend gewirkt haben, so
wird doch erst eine Herausgabe derselben die volle Grösse des Geistes er-
messen lassen, der sie geschaffen hat. Hoffen wnr, dass die Publication seiner
Werke, von denen bereits zwei Bände erschienen, während der dritte schon
sehr weit gediehen ist, in nicht zu langer Zeit zu Ende geführt sein werde.
Weiersttass. Grögler. 1*^3
Trotzdem W. unablässig mit seinen tiefsinnigen analytischen Speculationen
beschäftigt war, fand er doch noch Muse, um im Auftrage der Akademie in
den Jahren 1881/82 die gesammelten Werke Steiner's herauszugeben, mit
Beihilfe seiner Schüler nach dem Tode Borchardt's die von diesem begonnene
Veröffentlichung der Werke Jacobi's fortzuführen und zu vollenden und sich
an der Redaction des Journals für Mathematik (von Band 91 — 103) zu be-
theiligen.
W. kannte den Werth seiner eigenen Leistungen sehr wohl, dessenunge-
achtet verschmähte er es, als ein Charakter von seltener Grösse, irgendwie
für seinen eigenen Ruhm zu sorgen. Daher blieb er auch dem Auslande
lange Zeit unbekannt; aber als seine Schüler den Namen des Meisters in alle
Welt getragen hatten, und die Abschriften seiner Vorlesungen, in denen sich
die ganze Gedankentiefe des grossen Mannes abspiegelt, überall hin verbreitet
wurden, erkannte man ihm neidlos die erste Stelle unter den damals lebenden
Mathematikern zu und überschüttete ihn bei seinem 80. Geburtstage mit
Ehrenbezeugungen, die er zeitlebens nie gesucht hatte. Die treue Anhäng-
lichkeit, die Liebe und der Dank seiner zahlreichen Schüler, die damals den
Greis umgaben, waren ihm, wie er selbst versicherte, der schönste Lohn für
seine mühevolle Lebensarbeit.
Quellen: Nekrologe von C. Voit, Sitzungsberichte der Münchner Akademie 1897. 2.
und von E. Lampe, Leipzig 1897; femer Leopoldina. XXXIII. S. 54 und Weierstrass'
Werke.
A. V. Braunmühl.
Grögler, Wilhelm. Am 6. Mai 1897 verschied in Folge eines Herz-
schlages der Genremaler, Zeichner und Illustrator G. im 58. Lebensjahre
und wurde am 8. Mai auf dem östlichen (Auer-) Friedhofe begraben. Trotz
vielfachen Nachfragen gelang es nicht, weitere biographische Daten zu er-
reichen. Die zuständigen Lexica ignoriren seinen Namen, auch die Listen
des Kunstvereins; G. war kein Mitglied der Künstler- Genossenschaft oder
des Kunstvereins, sein Name fehlt sogar im Münchener Adressbuch, wahr-
scheinlich weil derselbe nur als »Zimmerherr« (nach Adolf Bothe's »Adress-
i)uch der bildenden Künstler der Gegenwart« 1897) in der Augusten-
strasse 41. I. wohnte. Ueber Geburtsort und Bildungsgang schweigen die
Quellen. Aus der Manier des Vortrags und der Wahl seiner Stoffe wäre
vielleicht als Geburtsort auf Wien zu rathen; er muss sich aber auch in Ber-
lin, Strassburg und zuletzt auch in Tirol und Mähren umgethan haben. Die
Kunstausstellungskataloge kennen ihn nicht. Der Münchener Kunstverein
zeigte im August 1873 ein Oelbild »BettelmÖnch in einer Schenke«. Dagegen
erscheint sein Name häufig in illustrirten Blättern und Zeitschriften. Hier
folgen für einen späteren Biographen nur einige seiner Arbeiten, welche ich mir
zufällig angemerkt habe. 1871 : »Vor der Verlustliste« (eine junge Frau mit zwei
Kindern, sucht mit dem Ausdrucke tiefster Bekümmemiss in dem an der
Strassenecke angehefteten officiellen Verzeichniss der auf dem Felde der Ehre
verwundeten und gebliebenen Krieger; im »Daheim« 187 1. S. 61. — »Der
Ulan kommt!« in A. Schricker: »Deut. Kriegs-Ztg.« Stuttg. 1871. S. 80. —
»Wirkungen beim Vorüberziehen eines Musikkorps« in No. 7 »Ueber Land
und Meer.« 1871. XXVIL B. — 1872: »Die Schule des Waldbruders« in
»Alte und Neue Welt«. 1872. S. 353. — Illustrationen und Randzeichnungen
zu dem Liede »König Wilhelm sass ganz heiter« im «Daheimkalender« 1872
S. 48. — »Der erste Schuss« (eines Knaben auf eine Wildtaube zur Freude
1^4 Grögfler.
seines försterlichen Vaters) in »Das Neue Blatt«. S. 169. — 1873* ^^Der ver-
botene Weg« (ein junges Liebespaar übersieht die Warnungstafel, während die
Mutter im Hintergrunde durch Zuruf abmahnt) in .Hallbergers »Die Illustr.
Welt«. 1873. S. 136. — »Alte und Neue Zeit« (ein Tiroler Hühnerhändler
mit seinem Sohne und einem bepackten Esel, bestaunen einen durch die Berge
dahin sausenden Bahnzug) in »Illustr. Welt«. 1873. S. 589. — 1875: »Aus
der Münchener Bierwelt« in der »Illustr. Welt«. 1875. XXIV. S. 625, neun
Skizzen, dabei auch das Portrait der verstorbenen »Radi-Rosl«. — »Zeiten
und Menschen«. — »Ein Idyll« (ein feines Stadtfräulein, welchem ein junger
Schäfer eine Hirtenpfeife schneidet; »Zehn Jahre später« präsentirt derselbe
vor dem mit seiner Gattin vorüberfahrenden General) in No. 16 »Ueber Land
und Meer«. 1875. XXXIII. B. — 1877: »Aus dem bayerischen Hochland .
in No. 47 »Ueber Land und Meer«. XXXVIII. S. 957 (5 Scenen mit Kinder-
begräbniss, Posthalterei, Wallfahrt in Birkenstein, Schuh plattl -Tanz und Kir-
tagsschluss) und Fortsetzung in No. 2 ebendas. XXXIX. S. 32. — 187S:
Scenen aus Hermann v. Schmid's Schauspiel »Z'widerwurzen« in No. 1832
»Illustr. Zeitg.«, Leipzig 1878, S. 109 und aus dem Volksstück Franz Bonn's
»Gundel vom Königssee« in No. 1840 ebendas. vom 5. October 1878. —
»Allerhand Münchener Fahrgelegenheiten« im XV. Heft der »Alten und Neuen
Welt«. 1878. — »Eine Maus! Eine Maus!« (Schrecken in einer Mädchenschule^
in »Illustr. Welt«. 1878. S. 36. — 1879: »Der Münchener Schäfflertanz in
No. 1858 Illustr. Ztg. Leipz. vom 8. Februar 1879. — »Weibliche Typen aus
München« ebendas. No. 1861 vom i. März 1879. — 1880: »Die Gebirgs-
schützen am Grabe der in der Bauemschlacht 1705 Gefallenen auf dem Send-
linger Kirchhof« in No. 1942 ebendas. vom 18. September 1880. — 1881:
Drei Scenen aus dem Schauspiel »Die Geierwally« von Wilhelmine von Kil-
lern« nach der Aufführung im Theater am Gärtnerplatz zu München, ebendas.
No. 1962 vom 5. Februar 1881. — Zwölf Bilder »Aus den Münchener Som-
merbierkellern« in No. 38 »Ueber Land und Meer«. 1881. XL VI. B. S. 757.
— 1882: »Der Plampatsch« in No. i »Illustr. Welt«.. 1882. — »Italien in
Deutschland« in No. 46 »Ueber Land und Meer«. 1882. XLVIII. B. S. 929.
— »Die Regatta in Starnberg« ebendas. No. 47, S. 945. — 1883: »Prinz
Wilhelm von Preussen in Wien. Die Revue auf der Schmelz am 28. Ai)rilo
in No. 2081 »Illustr. Ztg.« Leipz. vom 19. Mai 1883. — »Allerseelen« ebendas.
No. 2105 vom 3. November 1883. — 1885: »Das Fasszieherfest in Nieder-
österreich« in No. 2212 »Illustr. Ztg.« Leipz. vom 21. November 1885. —
1887: »Das Todaustragen in Mähren« in No. 11 »Gartenlaube«. 1887. — »Die
letzten Garben. Aus dem Alpachthal bei Brixlegg« No. 38 ebendas. — i88q:
»Mythologisches aus dem Ballsaal« in No. 14 »Ueber Land und Meer«. LXl. B.
S. 321. — »Ein Idyll aus dem Berliner Thiergarten« (der Soldat als Kinds-
magd) in No. 27 »Ueber Land und Meer«. 1889. LXII. B. S. 581. — »Bil-
der aus dem Wiener Gasthausleben« in No. 38 »Ueber Land und Meer«. 1889.
LXII. B. S. 801. — 1890: »Dammwild-Fütterung im Hirschgarten des Königl.
Schlosses Nymphenburg« in No. 46 »Das Neue Blatt«. 1890. S. 724. — Da-
mit enden leider meine zufälligen Aufzeichnungen, welche hoflfentlich dazu
beitragen, das Interesse nachträglich auf einen Künstler zu richten, welcher
weniger durch die strenge Sicherheit der Zeichnung, als durch den gemüth-
lichen Erzählerton seines Stiftes das Leben seiner Zeit festzuhalten strebte.
Hyac. Holland.
Hirt.
175
Hirt, Johann Christian, Bildhauer, * am 4. März 1836 als der erste Sohn
eines Kammmachers zu Fürth, f am 19. August 1897 zu München. — H. that
sich schon in der Volks- und in der Gewerbe-Schule hervor, wo er Auszeich-
nungen und Prämien erhielt und durch selbstgefertigte Zeichnungen Aufmerk-
keit erregte. Erst bei einem Oheim im Kunstdrechsler-Handwerk in der Lehre,
schnitzte er viel in Elfenbein und gewann mit einem Becher auf einer Pariser
Exposition sein erstes Ehrendiplom. Im Jahre 1855 bezog H. die Münchener
Akademie und war bald an Fleiss und Können unter den Besten, ging aus
einer Concurrenz preisgekrönt hervor und bekannte sich bei Professor Max
Widnmann (gest. 3. März 1895) ^^^ idealen Plastik. Ausser mehreren sehr
lebendig und individuell behandelten Büsten that sich H. hervor mit vielen
anmuthigen und zierlichen Gruppen und Statuetten, darunter ein etwas thea-
tralischer »Faust mit Gretchen«, eine »Spinnerin«, der »Verweigerte Kuss«,
das »Haideröslein«, Hermann und Dorothea, eine Lady Macbeth, Aschen-
brödel, eine horchende Amazone, eine oberbayerische Fischerin und ein ditto
Jäger, ein Ritterfräulein mit der Laute und ein mittelalterlicher Flötenspieler.
Besonderen Beifall erwarben eine grosse »Charitas« (1872), ein mit seinem
»^Hunde spielendes Kind«, ein »Mädchen mit Zicklein« (1873), einige sehr
sinnige Grabiiguren u. s. w. In einem Cyclus schilderte H. die »Vier Jahres-
zeiten« ; Scheffel's »Ekkehard« begeisterte ihn zu einer Gruppe, wie der junge
Mönch die (vom Künstler gar zu jugendlich gedachte und in Wahrheit gar
nicht so schöne) Herzogin Hadwig von Schwaben über die Klosterschwelle
trägt. Viel glücklicher war H. in der Darstellung des ganzen Zaubers frisch
knospender, unberührter Mädchenschönheit, der unschuldigen »naked purity«,
und der vollen majestätischen Frauengestalt. Zu den beliebtesten Schöpfungen
des Künstlers gehört eine unter verschiedenen Namen wiederholte, viel bewun-
derte »Quellen -Nymphe« (vgl. Lützow's Zeitschrift 1882. XVII. 59), wovon
eine Variante für die Sammlung des Münchener Kunstvereins angekauft wurde;
(he vom Schlangenbiss verwundete »Eurydike« (1879 ^^^ lebensgrosses Gyps-
modell auf der Internationalen Kunstausstellung zu München und 1881 in
Carraramarmor für Köln ausgeführt), eine gefesselte »Andromeda« und »Are-
thusa« (nach H.'s Tode im Februar 1898 auf Staatskosten für die Königliche
('lyptothek angekauft), welche mit einem »David« und der Gruppe »Nessus
und Dejaneira« 1888 auf der Ausstellung zu München erschien. Mit Recht
rühmte die Kritik: »Der reine Geist, mit welchem der Künstler die entzücken-
den Formen des Weibes wiedergegeben und ihr die ganze Fülle des ver-
lockendsten sinnlichen Reizes verliehen hat, während doch der hohe Adel der
Auffassung dem Beschauer unmöglich macht, einer niederen Regung auch nur
für einen Augenblick Raum zu geben, kann nicht hoch genug gepriesen wer-
den.« Weitere Schöpfungen dieser Art waren eine »Klythia«, eine pfeil-
getroffene »Niobide«, eine trauernde »Eva«, büssende »Magdalena«, eine dem
Amor im Pfeilschiessen Unterricht ertheilende »Venus«, ein »Fischer und
Nixe« ; dazu ersann seine nimmer rastende Phantasie eine Anzahl kleinerer,
reizender Erosspielereien: wie der kleine Liebesgott mit dem Blasebalg, am
Schleifstein und mit der Feile seine Waffen bereitet und zu grösserer Fähr-
lichkeit glättet, eine ganze Serie von zierlichen Entwürfen, welche aus H.'s
Nachlass die Kunstgewerbeschule erstand. Für die historische Galerie des
National-Museums lieferte H. die Statue Kaiser Ludwig des Bayern und das
Standbild des Herzog Johann Wilhelm (1680), auch allerlei allegorische
Figuren zu den Prachtbauten König Ludwig IL und für viele andere
I y 6 Hirt. Herpfer.
Gebäude Münchens im mehr oder minder ausgesprochenen Decorationsstyl.
H. entschhef nach langen Leiden. Er hatte allerlei Ehrenauszeichnungen
durch Medaillen erhalten und war Mitglied der Akademie und Königl. Pro-
fessor, Ritter des Verdienstordens des hl. Michael u. s. w. Sein zahlreicher,
über 200 Nummern umfassender Nachlass mit Original -Arbeiten in Marmor
und Bronze, Gypsmodellen, Entwürfen und Skizzen wurde am 7. Februar 1898
versteigert; der deshalb von E. A. Fleischmann's Hofkunsthandlung heraus-
gegebene Katalog zeigt das Portrait und Facsimüe H.'s, wobei das Todesjahr
jedoch irrthümlich mit 1896 (statt 1897) angegeben ist.
Vgl. die Nekrologe in Abendblatt 230 »Allgemeine Zeitung« vom 20. August 1879.
»Kunst für Alle« vom 15. September 1897, S. 397 (mit Portrait) und Kunstvercinsbericht
für 1897, S. 72 ff.
Hyac. Holland.
Herpfer, Karl, Genremaler, • am 30. November 1836 als der Sohn eines
Strumpfwirkers zu Dinkelsbühl, f am 19. Juli 1897 im Wörthsee. — Obwohl zum
Geschäft des Vaters bestimmt, ftihrte H. Neigung und Befähigung bald zum künst-
lerischen Beruf. Im Alter von achtzehn Jahren bezog er die Akademie zu Mün-
chen, lernte erst bei Professor Joh. von Schraudolph und Philipp Foltz, dann bei
Arthur von Ramberg, dessen Meisterschaft in der Behandlung der Rococozeit
für ihn schliesslich maassgebend wurde. Mit Eifer und Fleiss arbeitete er un-
ausgesetzt. Seine Bilder gefielen. Mit dem »Mutterglück«, darstellend ein
vornehmes, auf der Chaiselongue ruhendes Dämchen, vor ihr die hübsche Amme
mit dem netten Sprössling (Holzschnitt von Kjiesing in No. 11 »Ueber Land
und Meer« 1872), der »Unterbrochenen Verlobungsfeier«, der »Ueberraschung
nach der Jagd« (No. 8 »lieber Land und Meer« 1875) ^^^ mehreren in
zopfigen Prunkgemächern und Antichambren spielenden amourösen Tändeleien
(»Rose in Gefahr«) machte sich H. einen beliebten Namen, welcher auch das
nicht kaufende grössere Publikum zu schätzen wusste. Seine farbenfrischen,
lebensprühenden Gemälde fanden Absatz in den Kunstvereinen und Privat-
sammlungen; für weiteren Export nach England und Amerika sorgte der
Kunsthandel. Photographie, Holzschnitt und Farbendruck boten wetteifernd
die Hand. Ein anziehender Stoff, welcher an den Beschauer gerade keine
besonderen Ansprüche auf tieferes Denken stellte, ansprechender Vortrag und
ein zierliches Colorit, insbesondere aber die überraschende Durchbildung alles
Nebensächlichen, der hübsche architektonische Hintergrund, wozu die Ge-
mächer des Schleissheimer und Nymphenburger Schlosses unerschöpflichen
Vorrath boten, nebst einem figurenreichen Beiwerk, worin sich der Maler gar
nie genug thun konnte: das Alles zählte zu den Vorzügen, welche seinen
Schöpfungen zahlreiche Freunde gewannen. Als Prototyp seiner Bilder mag
das durch einen leichten Regen gefährdete »Kellerfest« gelten (1885; Holz-
schnitt in No. 50 »Ueber Land und Meer« 1888): es ist eigentlich eine im
Costüm der Zopfzeit veranstaltete Maskerade, die ebenso gut am Rhein, in
Franken oder Schwaben sich abspielen könnte, da die Gesichter alle modernes
Gepräge zeigen und nur die Bierkrüge altbayerische Signatur tragen. Ebenso
international geben sich eine harmlose Scene »Belauscht«, die »Ankunft eines
Taufpathen« oder des »Brautwerbers« (No. 32 »Daheim« 1892), die > Vor-
stellung eines Verlobten«, eine »Dame am Schachbrett«, »Am Kamin t< oder
beim »Schachspiel«, ihren Gegner doppelt »matt« setzend. Der »Junge
Maestro an der Orgel« kann wohl Mozart heissen; der »Polterabend«, die
»Schmückung einer Braut« (»Illustr. Welt« 1897. S. 161), das »Geständnisse,
Herpfen von Bradke. lyy
die »Grtisse in die Feme«, eine »Verhaftung« und ähiilicfae Costümbildeir
glitten ihm später nur zu bereitwillig aus der Hand. Immerhin wird eiri
guter »Herpfer« noch lange seine Zugkraft bewahren. Seltsamer Weise' war
sein jüngstes, im Glaspalast 1897 ausgestelltes Bild »Sein letzter Lorbeer«:'
betitelt. H. endete während eines Bades im Wörthsee durch plötzlichen Herz-
schlag. Seine Gattin war schon am 5. Februar 1888, gleichfalls schnell und
unerwartet, aus dem Leben geschieden. Ein grosser Theil seines Nachlasses,
darunter alle Skizzen zu seinen sämmtlichen Bildern, versteigerte am i. De-
cember 1897 Carl Maurer; eine Serie von 180 Naturstudien und Zeichnungen
kam am 10. December im Münchener Kunstverein zur Ausstellung und wurde
verkauft.
Vgl. No. 170 »Allgem. Ztg.« vom 21. Juni 1897. Kunstvereinsbericht für 1897. S. 71.
— Das Geistige Deutschland. Lpz. 1898. S. 292.
Hyac. Holland.
Bradke, Peter von, Professor der indischen Philologie und vergleichen-
den Sprachwissenschaft an der Universität Giessen, • am 27. Juni 1853 zu
St. Petersburg, f am 7. März 1897 in Giessen. — Sein Vater war der einer
deutschen Familie entstammende russische Senator Georg von Bradke, der sich
um das Emporblühen der Universität Dorpat als deren Curator die höchsten
Verdienste erworben hat. In Dorpat, das ihm nach der Uebersiedelung des
Vaters die eigentliche Heimath wurde, erhielt er seine erste Ausbildung. Vom
Januar 1871 bis Ende 1875 widmete er sich an der dortigen Universität
dem Studium der klassischen und germanischen Philologie und der verglei-
chenden Sprachwissenschaft, in die er von Leo Meyer eingeführt wurde.
Nachdem er im März 1876 das Diplom eines Candidaten der vergleichenden
Sprachkunde erworben, bezog er im Sommer dieses Jahres die Universität
Tübingen, wo er zwei Jahre hindurch unter Rudolf von Roth's Leitung dem
Studium der indischen und arischen Philologie oblag, daneben aber auch
eifrig die Vorlesungen A. v. Gutschmid's über antike und orientalische Ge-
schichte hörte. Die folgenden Jahre führten v. B. zu längerem Aufenthalte
nach München, das ihm zu einer Zeit arbeithemmender körperlicher Leiden
durch seine Kunstsammlungen und den Unterricht des Altmeisters Heinrich
von Brunn Erholung und reiche Anregung bot, sodann nach Jena, wo er sich
Delbrück anschloss und den hochverdienten Sanskritisten O. von Böhtlingk
kennen lernte, der ihm ein väterlicher Freund und Berather wurde. Nachdem
er im Jahre 1882 sich in Jena die philosophische Doktorwürde , erworben,
habilitirte er sich am i. November 1884 an der Universität Giessen für Sans-
krit und vergleichende Sprachwissenschaft; zwei Jahre später wurde er dort
zum ausserordentlichen Professor, im Jahre 1894 zum ordentlichen Professor
ernannt. Mitten in erfolgreicher Berufsthätigkeit und in 'weitaussehenden
wissenschaftlichen Unternehmungen ist er durch ein bösartiges Darmleiden,
das wohl schon länger an seiner Lebenskraft zehrte, aber erst im Spätherbst
1896 zu ernsten Besorgnissen Anlass gab, nach monatelangem, heroisch er-
tragenem Leiden dahingerafft worden.
Seine literarische Thätigkeit eröffnete v. B. mit einer Untersuchung »über
das Manava-Grhya-Sutra« ^), in welcher er die Stellung dieses Ritualwerks- in
>) Zeitschrift der deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 36, i88a, S. 417 bis
477> woraus der erste Theil als Jenenser Inaugural- Dissertation im gleichen Jahre ab-
gedruckt ist.
Biogr. Jahrb. a. Dentacher Nekrolog. 9. Bd. I 2
lyg von Bradke.
der Geschichte der indischen Literatur in äusserst gründlicher Weise behandelte
(vergl. A. Barth's Bemerkungen in der Revue de l'histoire des religions, T. XI,
1885, S. 59 f.)- Ist V. B.'s Interesse auch in der Folge und bis in seine letzten
Tage dem Studium des Veda und den Problemen der Sprachgeschichte zuge-
wendet geblieben^), so nahmen ihn in den nächsten Jahren doch vor allem
Anderen Untersuchungen aus dem Gebiete der Religionsgeschichte und der indo-
germanischen Alterthumswissenschaft in Anspruch; dies erklärt es denn auch,
dass er seine weit gediehenen Vorarbeiten zu einer Herausgabe des Manava-
Grhya-Sutra seinem Freunde F. Knau^r überliess. <— Einen bedeutsamen Beitrag
zur Kenntniss der frühesten religiösen Entwicklung unseres Sprachstammes legte
V. B. in seiner Schrift »Dyäus Asura, Ahura Mazdd und die Asuras« (Halle
J885) vor'). Ausgehend von der Betrachtung des Verhältnisses des götdichen
Asura im Rigveda zu dem Ahura Mazda, dem höchsten Gott der Iranier,
gelangt die Schrift zu wichtigen Ergebnissen über die muthmaassliche älteste
Religionsform der Indogermanen, als welche v. B. einen Polytheismus mit
ausgeprägt monarchischem Charakter erschloss. Die Spitze dieses pol3rtheisd-
sehen Systems bildet nach v. B. der leuchtende Himmelsgott Dyäus Pitar
Asura, der »Herr und Vater Zeus«, von dem die Lichtgötter der Indogermanen,
die Dfivas, abstammen, die aber ihren himmlischen Vater, dessen Ehrentitel
»Asura« auf sie tibergeht und endlich im Veda zur Bezeichnung widergött-
licher Wesen dient, mit der Zeit vollständig überwuchern sollten.
Schon in der eben genannten Schrift hatte v. B. seinen Bedenken gegen
die Methode und Ergebnisse der sogenannten »linguistischen Palaeontologie&,
die aus Wortgleichungen die Cultur der arischen Urzeit reconstruiren zu
können hoffle, Ausdruck gegeben; durch die Fortführung seiner culturgeschicht-
lichen Studien*) in den folgenden Jahren wurde alsdann eine principielle
Auseinandersetzung mit dem bekanntesten Vertreter jener Richtung, O. Schrader,
dessen weit verbreitete Schriften anscheinend einer allgemeinen Zustimmung
seitens der Fachgelehrten sich erfreuen durften, für v. B. unvermeidlich.
Nachdem Schrader einen ersten in v. B.'s »Beiträgen« gegen ihn geführten
Angriff scharf zurückgewiesen hatte, entschloss sich v. B. die methodischen
Mängel der Schrader'schen »Sprachvergleichung und Urgeschichte« in grösse-
rem Zusammenhang darzulegen. Sein 1890 erschienenes Buch »Ueber Me-
thode und Ergebnisse der arischen (indogermanischen) Alterthumswissenschaft«
ist indessen weit über den Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit
') Von hierher gehörigen kleineren Arbeiten erwähnen wir: »Ein lustigfes Wagfenrennen
in Altindien« (Zeitschr. d. deutsch. morgenlMndischen Gesellschaft, Bd. 46, S. 445 — 465);
Beiträge zur altindischen Religions« und Sprachgeschichte (ebenda, Bd. 40, S. 347 — 364,
655—698); »Ueber Vorvedisches im Veda (ebenda, Bd. 45, S. 682—684); »Zur Bharata-
Sage« (ebenda, Bd. 48, S. 498 — 503); »Ueber die sanskritische Form der Wurzeln auf
skr. -ani und -£mi< (Indogermanische Forschungen V, 266 — 273); »Zwei sprachgeschicht-
liche Skizzen« (ebenda IV, 85 — 91); »Ueber den »Bindevokal« skr. i griech. a im Perfectura«
(ebenda VIII, 123 — 160); »Etymologisch-grammatikalische Bemerkungen imd Skizzen« (Zeit-
schrift L vergleich. Sprachforschg. X3CXIV, 152—159); »Etymologica« (ebenda XXVIII, 29$
bis 301); »Von der Marut wunderbarer Geburtc (In Gurupüjäkaumudi, Festgruss an R.
von Roth, S. 117— 125).
3) Ein Abschnitt dieses Buches wurde von v. B. 1884 unter dem Titel: »Ahura Mazda
und die Asuras« als Giessener Habilitationsschrift eingereicht.
') »Ueber die arische Alterthumswissenschaft und die Eigenart unseres Sprachstammes.c
Akad. Antrittsrede. Giessen 1888. »Beiträge zur Kenntniss der vorhistorischen Entwicke-
lung unseres Sprachstammes.« Festschrift für O. v. Böhtlingk. Giessen 1888. »Einige
Bemerkungen über die arische Urzeit« im »Festgruss an O. v. Böhtlingk«. Stuttgart 1888.
von Bradke. Newald.
179
dem Werke Schrader's hinausgewachsen , indem es zum ersten Male in um-
fassendster Weise die bisher kaum aufgeworfene Frage erörterte, »unter wel-
chen Bedingungen wir von der Etymologie Auskunft über die Cultur der
arischen Urzeit erwarten dürfen, was sich für diese aus sprachlichen Glei-
chungen ergiebt, und ob und inwieweit Ergebnisse dieser Art fest genug
stehen, um weitere Folgerungen tragen zu können«. Indem v. B. an der
Aufdeckung der methodischen Schwächen und Irrgänge des Schrader'schen
Werkes zeigte, wie sehr man auch in Fachkreisen die Bedeutung der Sprach-
wissenschaft für die Aufhellung der Zustände der indogermanischen Urzeit
überschätzt und wie weit man bei dieser Art von Culturgeschichtschreibung
von dem Wege strenger Methode sich entfernt hatte, darf sein Werk mit Fug
als ein »Markstein in der Geschithte der indogermanischen Alterthumswissen-
schaft« bezeichnet werden. Von den wichtigeren Einzelergebnissen der cultur-
geschichtlichen Arbeiten v. B.'s sind namentlich die in seinen »Beiträgen«
gemachten feinen Beobachtungen über das Problem der Sprach- und Völker-
mischung und über den muthmaasslichen Einfluss der Sprachen der nicht-
indogermanischen Urbevölkerung Europas auf die Entstehung der west- indo-
germanischen Dialekte hervorzuheben, femer der Nachweis der hohen Be-
deutung, welcher den religiösen Culten für die Feststellung der engeren
Zusammengehörigkeit der einzelnen indogermanischen Völkergruppen zukommt.
In seinen letzten Jahren concentrirte sich v. B. mehr und mehr auf die Vor-
arbeiten für eine ausführlichere Darstellung der indischen Religionsgeschichte.
Dass er sie nicht mehr zum Abschluss bringen durfte, ist um so schmerz-
licher zu beklagen, als man auch auf diesem Gebiete von dem Verstorbenen,
wie z. B. seine gedankenreiche, zu der modernen speculativ- ethnologischen
Betrachtungsweise der Religionsgeschichte allerdings in scharfe Opposition
tretende Besprechung von Oldenberg's »Religion des Veda« (Theolog. Literat.-
Zeitung 1895, 577 ff.) zeigt, sehr bedeutsame, aus durchaus selbständiger Ge-
dankenarbeit erwachsene Leistungen erwarten durfte.
Eine scharf ausgeprägte, innerlich vornehme Persönlichkeit, war v. B. mit
einer seltenen Empfänglichkeit für alles künstlerische Schaffen begabt und
verfügte über ein ungewöhnliches Maass von gediegenstem Wissen und Belescn-
heit. Von lauterstem Charakter, war v. B. bei aller Schärfe des Urtheils und
einer ausgesprochenen Vorliebe für sarkastischen Humor eine höchst liebens-
würdige und wohlwollende Natur von weichem und tiefem Empfinden, den
Seinen in zärdicher Liebe zugethan, ein Freund von goldener Treue, Ein
begeisterter deutscher Patriot, nahm er an allen Vorgängen des öffentlichen
Lebens den regsten Antheil; unter der Vergewaltigung seiner baltischen Hei-
math, der er sein Leben lang in treuer Liebe anhing, hat er darum auch um
so schmerzlicher gelitten.
Nekrologe: H. Hirth in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1897, No. 71; Streit-
berg in den Indogerm. Forschungen Bd. VIII, Anzeiger (1897) S. 369 f. Einen Nekrolog
aus der Feder Thumeysens wird der Jahrgang 1897 ^^^ Bursian-Mflller'schen Biographischen
Jahrbuchs für Alterthumskunde bringen.
Herman Haupt.
Newald, Julius, Dr., Ritter von, Bürgermeister von Wien, •am 11. April
1824 zu Neutitschein (Mähren), f am 17. August 1897 zu Wien. — N., Sohn
eines unbemittelten Tuchmachers, absolvirte in Troppau das Gymnasium und
in Wien die Jura, worauf er den Doctorgrad erwarb. Nach längerer Praxis
im Justiz- imd politischen Dienste, bei der Advocatur und dem Notariate,
12*
i8o Newald.
ernannte ihn die Regierung zum öffentlichen Civil- und Militäragenten in Wien
mit der Berechtigung zur Parteien Vertretung. 1857 vermählte er sich mit
Laura Dimböck , der Tochter des Gemeindevorstehers in der Wiener Alser-
vorstadt. Von 1864 an vertrat N. den ersten Wahlkörper des IX. Bezirkes im
Wiener Gemeinderathe, 1868 wurde er als zwdter, 1869 als erster Bürgermeister,
Stellvertreter erwählt. 1866 wurde er für seine Thätigkeit während des Krieges
mit dem Franz- Josefs-Orden, 1873 "^i' ^^^ eisernen Krone decorirt und in den
erblichen Ritterstand erhoben. Seine sehr gut gehende Agentur legte er 1872,
um sich ganz dem öffentlichen Leben zu widmen, zurück. Nach Felder's
Demission, Juli 1878, wurde N. mit 109 von in Stimmen unter Acclamation
des ganzen . Gemeinderathes zum Bürgermeister gewählt. Im Juli 1881
erfolgte seine Wiederwahl mit 95 von 119 Stimmen. Nach seiner erfolg-
reichen Mitwirkung am Gelingen des herrlichen Festzuges von 1879 war er
mit dem Comthurkreuze des Franz-Josefs-Ordens decorirt worden, wozu ihm
der Kaiser bei der Vermählung des Kronprinzen den Stern verlieh. — N. hat
sich im Gemeinderathe u. A. um die Dienstpragmatik und die Wiener Bau-
ordnung (beide sein Elaborat) verdient gemacht, desgleichen um die Donau-
regulirung und um andere grosse Schöpfimgen (Hochquellenleitung, Rath-
hausbau u. s. w.). Selbst N.'s Gegner mussten seine Arbeitskraft, seine Kennt-
niss der Verwaltung, seinen juristischen Scharfsinn, vor Allem aber die Makel-
losigkeit seines privaten und öffentlichen Charakters anerkennen. Als Vor-
.sitzender war er von musterhafter Objectivität. Ein ausgezeichneter Admini-
strator sah er die Aufgabe der Gemeindevertretung mehr in positiver Arbeit,
als in der Politik. Zum Parteienkampfe fehlte ihm die Schneidigkeit. Sein
conciliantes Wesen wurde oft zu haltlosem Schwanken. N.'s Sturz steht im
Zusammenhange mit der entsetzlichen Ringtheaterkatastrophe (8. December
i88j). Aus den unerquicklichen Debatten über die Verantwortung für das
namenlose Unglück entspann sich ein Notenkrieg zwischen N. und dem Statt-
halter Possinger. Als der Vertreter des Letzteren (Kronenfels) in offener
Gemeinderathssitzung den Bürgermeister actenwidriger Darstellung beschul-
digte, als N.'s eigene, die Mittelpartei, gegen ihn Stellung nahm, resignirte
er, seelisch gebrochen, auf sein Amt (24. Januar 1882). Das Schwerste sollte
aber für den Hartgeprüften erst kommen. Die Staatsanwaltschaft erhob auch
gegen N. die Anklage nach § 335 Strafgesetz (fahrlässige Tödtung), weil er
die Durchführung der seiner Zeit erlassenen Theaterordnung verzögert habe.
Der Exbürgerraeister konnte sich, — was alle Welt erwartet hatte — so voll-
kommen rechtfertigen, dass die Anklage noch vor Schluss des Processes zu-
i'ückgezogen und N. freigesprochen wurde. Er empfing damals von allen
Seiten Zeichen der Sympathie. Eine hundertköpfige Deputation von Wiener
Bürgern überreichte ihm eine mit mehr als 40000 Unterschriften bedeckte
Glück Wunschadresse. — Nachdem N. 1882 auch aus dem Niederösterreichi-
schen Landtage, dem er mehrere Jahre angehört, ausgetreten, lebte er in voller
Zurückgezogenheit, bis an sein Ende geistig und körperlich rüstig. Er erlag einer
Nierenentzündung am 17. August 1897. Seine Leiche wurde unter officieller
Betheiligung der Commune in Klosterneuburg beerdigt. Mit Recht konnte
Bürgermeister Lueger an der offenen Gruft sagen, dass hier ein Mann scheide,
dem schweres und bitteres Unrecht widerfahren war. Ein von der Gemeinde
angebotenes Ehrengrab hatte die Familie abgelehnt. N.'s Porträt, von Eugen
Felix gemalt, befindet sich in der Bürgermeistergallerie des Wiener Rath-
hauses.
— a —
Freiherr von Dälwigk. Kaiser. igi
Dalwigk, Reinhard Ludwig Karl Gustav von, Freiherr, * aXn 21. Ja-
nuar 1818 in Cassel, f am 3. Juni 1897 zu Wohlheiden bei Cassel. — Sohn
des kurhessischen Majors und Hofmarschalls Alexander Felix Freiherr v. D. zu
T^ichtenfels und der Gemahlin desselben, Hedwig, geborenen Milchling von
und zu Schönstadt. Er verlebte seine Kinderjahre grösstentheils in Arolsen,
wohin sich sein Vater zurückgezogen hatte, nachdem er beim Kurfürsten
Wilhelm 11. in Ungnade gefallen war, sowie in Weilburg und in Bielefeld, wo
er das Gymnasium besuchte. Nachdem er in Heidelberg und Marburg Jura
studirt hatte, erhielt er 1847 ^^^^ Anstellung als Kammerjunker am Gross-
herzoglichen Hofe zu Oldenburg und fasste 1848 den Entschluss den Feldzug
in Schleswig als Freiwilliger mitzumachen, wozu ihm der Urlaub in sehr gnä-
diger Form ertheilt wurde. Nachdem er in verschiedenen Gefethten und am
5. Juni in der Schlacht von Düppel mitgefochten hatte, schied er am 26. Octo-
ber 1848 mit dem Charakter als Lieutenant wieder aus und trat in den
Oldenburgischen Militär- und Hofdienst zurück. Am 15. October 1850 wurde
er zum Oberlieutenant und Cavalier Sr. Kgl. Hoheit des Erbgrossherzogs er-
nannt und trat 185 1 ganz in den Hofdienst über. Als Kammerherr begleitete
er dann Se. Kgl. Hoheit den Erbgrossherzog Nicolaus Friedrich Peter, auf
dessen Reisen nach Italien und Griechenland und darauf zu den Vermählungs-
feierlichkeiten nach Altenburg. Am 19. October 1851 heirathete er Jenny
Charlotte von Wachholtz, Tochter des Braunschweigischen Generals F. L.
von Wachholtz.
In ein näheres Verhältniss zum Publikum trat v. D. als Chef der Gross-
herzoglichen Hofkapelle (seit 1854) und als Vorstand der Grossherzoglichen
Theaterkommission (seit 1868). In dieser Eigenschaft hat v. D. mit liebevollem
Eifer viel für die Weiterentwickelung des Oldenburger Kunstlebens gethan,
da in ihm feiner, geistiger Geschmack, ideales Streben und ächter Kunsteifer
zur schönen Zusammenwirkung sich trefflich verbanden. Das Grössherzogliche
Theater; hat er stets in demselben Sinne zu leiten gesucht und gewusst, in
welchem das alte Hoftheater um die Mitte der vierziger Jahre seinen Ruhrp
begründet hatte, und für das Musikleben sorgte er fördernd namentlich
durch die Berufung von Albert Dietrich als Hofkapellmeister (1861). Nachdem
er beiden Kunstinstituten auch nach seiner Ernennung zum Oberhofmarschall,
Excellenz, (1873. 1877) noch lange Jahre vorgestanden hatte und auch ausser-
dienstlich als Vorsitzender des Kunstvereinsvorstandes in seiner feingeistigen
Weise anregend und fördernd gewirkt hatte, zwangen ihn leider Alter und
Befinden 1893 seine Chargen niederzulegen. Zum grossen Bedauern seiner
hiesigen Freunde und Bekannten verliess er dann Oldenburg und kehrte in
die alte Heimath zurück, wo er in der Nähe seiner Kinder und nächsten
Verwandten noch einige Jahre theils auf dem Familiengute seiner Speciallinie,
Kampf im Waldeckischen, theils in Wehlheiden bei Cassel gelebt hat, bis er
hier im achtzigsten Jahre seines Lebens sanft entschlafen ist. — Sehr ver-
dienstvoll und für die Geschichte des deutschen Theaters wichtig ist seine
1881 erschienene »Chronik des alten Theaters in Oldenburg (1833 — 1881).«
Dr. Reinhard Mosen.
Kaiser, Victor, Dr. phil., Professor der Philosophie und Culturgeschichte,
* am 3. Juli 1821 in Solothurn, f daselbst am 30. September 1897. — Der
Sohn wackerer Eltern, die sich aus bescheidenen Anlangen zu einem ansiehn-
lichen Wohlstande emporgearbeitet hatten und nichts vernachlässigten; um
lg2 Kaiser.
ihren beiden Söhnen eine tüchtige Erziehung zu gewähren, besuchte K. mit
gutem Erfolge die Primarschulen und die aus Gymnasium und Lyceum be-
stehende cantonale höhere Lehranstalt in Solothum. Ohne sich für ein be-
stimmtes Berufsstudium entschieden zu haben, ging er im Herbste 1839 ^"
die Universität Jena, später nach Leipzig und Berlin. Unter Göttling, Stickel,
Gottfried Hermann, Moritz Haupt, Immanuel Bekker und Lachmann hörte
er philologische, unter Luden, A. Becker, Ranke geschichtliche und kunst-
historische, unter Hartenstein, Chr. Weisse, Schelling und Trendelenburg philo-
sophische Vorlesungen. Ferienreisen führten ihn nach Dresden und Kopen-
hagen, wo er in der Betrachtung der dortigen Kunstschätze den Grund zur
Kenntniss der Kunstgeschichte legte, die neben der Philosophie der Haupt-
gegenstand seiner Studien wurde. Nachdem er am 15. Februar 1845 von der
Universität Leipzig auf Grund seiner Dissertation »De numeris Piatonis« zum
Doctor der Philosophie promovirt worden war, widmete er sich im folgenden
Winter an der Akademie in Genf dem Studium der französischen Sprache
und Literatur und kehrte dann in die Heimat zurück, um sich auf die
akademische Laufbahn vorzubereiten. Von seinem Vorhaben, sich an der
Bemer Universität als Privatdocent zu habilitiren, wurde er im Frühling 1847
durch seine Wahl zum Professor der Philosophie und Culturgeschichte am
Lyceum in Solothum abgewendet, eine Stellung, in der er über 50 Jahre als
hochangesehener Lehrer wirken sollte. Seine philosophischen Vorträge, in
denen er sich hauptsächlich an Herbart anschloss, erstreckten sich anfänglich
in zwei Jahreskursen auf sämmdiche Disciplinen dieser Wissenschaft; die all-
mähliche Umgestaltung der höheren Lehranstalt, durch welche neue Fächer
in den Lehrplan eingeführt wurden, hatte eine- Verminderung der Stunden-
zahl und damit auch eine Beschränkung des philosophischen Unterrichts zur
Folge. Ebenso anregend und fruchtbar wie als Lehrer der Philosophie wirkte
K. durch seine Vorträge über Culturgeschichte, welche die Zeit vom Alter-
thum bis zum 18. Jahrhundert umfassten und in denen er es in vor^glicher
Weise verstand, seine Zuhörer auch mit der Entwickelung der Kunst bekannt
zu machen. Frei von materiellen Sorgen und sich eines schönen Familien-
lebens erfreuend, das allerdings durch den Tod seiner ersten Gattin und eines
Sohnes aus zweiter Ehe auch schwere Trübungen erlitten hatte, widmete K.
seine freie Zeit seinen Lieblingsstudien in seinem traulichen Heim, das er
allmählich mit reichen Kunstschätzen ausstattete und in harmonischer Weise
ausschmückte. Zahlreiche Reisen nach Wien, Berlin, München, Kopenhagen,
nach den Niederlanden, England und besonders nach Italien, das er drei Mal
besuchte, waren eingehenden Kunststudien gewidmet und boten ihm Gelegen-
heit, seine Kenntnisse zu bereichem und die durch seine Forschungen ge-
wonnenen Anschauungen zu befestigen. Mit besonderer Vorliebe beschäftigte
er sich mit der Philosophie und Kunst der italienischen Renaissance, dann
aber auch mit den Vertretern der neuern deutschen Renaissancekunst. Wie
nach K. die Hauptwerke der beiden grössten Meister der italienischen Re-
naissance, Michelangelo und Raphael, das gleiche Gepräge ihres Zeit-
alters, den Stempel des philosophischen oder platonischen Humanismus tragen,
so hängt auch die neuere deutsche Renaissancekunst, wenn auch unbewusst
und mittelbar, mit diesem zusammen : die Vermittelung zwischen beiden bilden
sowohl der Piatonismus in den Werken Michelangelo 's als auch die antike
Reliefkomposition der hellenischen Sophrosyne, welche Thorwaldsen als
klassischen Ausdruck der Menschenwürde erkannt und im Geiste Winkelmann's
Kaiser. Hdchl. lg?
bei seinen Nachfolgern Cornelius und Kaulbach zur anerkannten Geltung
gebracht hat. »So stimmt der Humanismus in der Kunst der Gegenwart
über Jahrhunderte hinaus überein mit dem philosophischen Humanismus der
italienischen Renaissance und über Jahrtausende hinweg mit dem Humanismus
Piatons.« Diesem Grundgedanken ist eine Reihe von Abhandlungen gewidmet,
welche sowohl von K.*s gründlichen Studien, wie von seinem feinen und scharf-
sinnigen Eingehen auf die verborgensten Intentionen der Künstler beredtes
Zeugniss ablegen. In der Form von öffentlichen Vorträgen abgefasst, die er
in Solothurn gehalten hat, sind folgende von diesen Abhandlungen, zum Theil
erweitert, durch den Druck veröffentlicht worden* Der Gegensatz der idealen
Humanität zum Materialismus. Bern 1869; Macbeth und Lady Macbeth in
Shakespeares Dichtung und iii Kunstwerken von Cornelius und Kaulbach.
Basel 1876; Cornelius und Kaulbach in ihren Lieblingswerken. Basel 1877;
Kaulbach's Bilderkreis der Weltgeschichte. Berlin 1879; ^^^ Piatonismus
Michelangelo's: I. Michelangelo' s Adam. 11. Michelangelo's Jonas. III. Michel-
angelo's Medicäer. In Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissen-
schaft, 15. und 16. Band, Berlin 1884 — 1886; Der Humanismus in der Kunst.
Frauenfeld 1896; Homer und die Sybille in Kaulbach's Bilderkreis der Welt-
geschichte. Haumburg 1897. Alle diese Abhandlungen, die sich sowohl durch
ihren Gedankenreichthum wie durch die formvollendete Sprache auszeichnen,
bildeten gewissermassen die Bausteine zu einem grösseren Werke über die
Idee der Menschenwürde in der Kunst Italiens und Deutschlands, dem K.
die letzten Jahre seines Lebens zu widmen gedachte, dessen Ausführung aber
sein unerwartet rascher Tod verhinderte. Zum 15. Februar 1895 hatte ihn
die philosophische Facultät der Universität Leipzig, bei Anlass der fünfzigsten
Wiederkehr des Tages seiner Promotion, mit der Erneuerung seines Doctor-
diploms und einer Glück wunschadresse geehrt, als einen Mann, »qui poeseos
et picturae rationes mutuas eleganti* iudicio persecutus est«. Am 30. Juli
1896 feierte er, gemeinsam mit seinem CoUegen Professor Dr. F. Lang, das
fünfzigjährige Jubiläum seiner Lehrthätigkeit an der Cantonsschule von Solo-
thurn und hatte sich der herzlichen Beweise der Anerkennung der Behörden
und Collegen wie der treuen Anhänglichkeit seiner Schüler, die zahlreich zu
dem seltenen Doppelfeste herbeigeeilt waren, zu erfreuen. Im Laufe des
folgenden Schuljahres reichte er, trotz seiner 76 Jahre sich noch voller geistiger
Frische erfreuend und von den Schwächen des Alters wenig berührt, seine
Demission ein, um, wie er sich äusserte, seine angefangenen wissenschafdichen
Arbeiten weiterzuführen und zu vollenden. Leider sollte ihm das nicht ver-
gönnt sein, und am Vormittag des 30. September 1897 starb er, ohne län-
geres vorhergehendes Unwohlsein, plötzlich an einem Herzschlage, tief be-
trauert nicht hur von seiner Familie, sondern auch von seinen ehemaligen
Schülern und allen denen, die das Glück gehabt hatten, sich des Umgangs
mit dem durch seine reichen Kenntnisse, wie durch seine liebenswürdigen
Charaktereigenschaften ausgezeichneten Manne zu erfreuen.
Festrede, gehalten von Rektor Dr. Kaufinann an der fünfzigjährigen Jubelfeier der
Herren Professoren Dr. Victor Kaiser und Dr. Franz Lang, im Jahresberichte der Kantons-
schule von Solothurn fttr das Schuljahr 1895/96; Festnummer zum »Oltner Tagblatt« vom
30. Juli 1896, mit der von P. Dietschi verfassten Biographie der beiden Jubilare; Solo-
thurner Tagblatt 1897, No. 229 u. 230. MC*
Höchl, Anton, Architecturmaler, ♦ am 20. Februar 1820 zu München,
f am 21. Februar 1897. — H. war der Sohn des durch eine Menge von
i84 Höchl.
Bauwerken wohlbekannten Stadtbaumeisters Jakob Höchl (♦am 5. März 1777,
f am 6. Januar 1838), welcher als Maurermeister bei vielen Schöpfungen
König Ludwig I. thätig war und durch artistische Privatbauten ein höchst
ansehnliches Vermögen erwarb. Da der Vater die Ansicht hegte, dass jedes
Handwerk einen goldenen Boden habe, so musste der reiche Bürgersohn von
der Pike auf dasselbe gründlich kennen lernen, frühzeitig Mörtel rühren und
Steine tragen, als Maurer in Tagelohn sich zum Palier durcharbeiten und
nebenbei wacker zeichnen und rechnen. Beides verstand er bald gründlich,
insbesondere das Rechnen; beim Zeichnen kam seine künstlerische Anlage
zum Durchbruch, welche sich in anerkenneswerther Weise geltend machte.
So fertigte der junge H. die Modelle zu dem aus gebrannter Ziegelerde be-
stehenden Prachtthore der königl. Salinen-Administration in der Ludwig-Strasse.
Leider blieb das schöne Vorbild, dieses dem Münchener Clima so angepasste
Material künstlerisch ;tu verwerthen, ohne weitere Nachfolge. Nach dem Ab-
leben des Vaters, eines ausserordentlich ernsten, streng rechtlichen und ge-
wissenhaften Geschäftsmannes, der indessen nicht ohne künstlerische Interessen
war und in seiner Jugend mit heljen Augen Italien bereist und viele interessante
Studien gezeichnet und angesammelt hatte, wendete sich H. zur Kunst und
erwählte unter der Leitung von Michel Neher (1798 — 1876) die Architectur-
malerei als dilettantischen Lebensberuf Den Betrieb seiner, in bester Lage
auf dem rechten Isarufer weit ausgedehnten Ziegeleien setzte er fort, auch
aus dem echt humanen Interesse, den braven Arbeitern seines Vaters nicht
den Stuhl vor die Thüxe zu stellen; er hielt diese Maxime beinahe zeit-
lebens fest, als später der Tagelohn bedeutend gestiegen war und die reich
angewachsene Concurrenz den Ertrag gewaltig herabdrückte. Nur wider-
strebend Hess er sich herbei, seine alten Mietheinwohner im Hauszins zu
steigern, obwohl die officielle Einschätzung den wirklichen Ertrag seiner
Häuser theilweise öfters überschritt. In dieser Beziehung obwaltete bei ihm
ein conservatives Element, welches ihn mit seinen Inwohnern in eine fast
cordiale Beziehung brachte, welche sich auch nicht abschwächte, wenn diese
sein Dach und Fach verliessen und anderswohin verzogen. Dagegen war er
freilich kein Freund von verbessernden Neuerungen, er hätte am liebsten
Alles auf dem alten Fusse gelassen; selbst die dringendsten Reparaturen
erfolgten nur nach langen Vorstellungen, auf besondere Fürsprache und Bitte.
Auf seinen kleinen Oelbildern und zahlreichen Aquarellen schilderte er mit
grosser Vorliebe das alter thümliche Winkel werk Altmünchens, mit dessen
Häusern, Thoren, Thürmen und Basteien, welche allmählich der Neuzeit
weichen mussten und jetzt schon ein gesteigertes, historisches Interesse fiir sich
in Anspruch nehmen. Seine Aufnahmen waren möglichst treu und wahr; zu der
minutiösen Ausführung seines Lehrers Neher fehlte ihm aber die fleissige Ge-
duld; H. liebte mehr eine behagliche Breite des Vortrags, ohne sich in be-
sondere Stimmung allzu ängstlich zu vertiefen. Mit gleicher Vorliebe und
Umsicht besuchte er auch andere Städte und Marktflecken, Schlösser und
Burgen Altbayerns und Frankens. Mit solchen Schilderungen beschenkte H.
die historischen Vereine, das National-Museum und andere Sammlungen auf
das Freigebigste. Zur unsäglichen Freude gereichte es ihm, wenn seine Bil-
der unerwarteten Absatz und Käufer fanden. Dieses wohlverdiente Geld galt
für ihn als ein »Schatz«, ebenso wie der früher so schwer erworbene Tage-
lohn. Seiner geschäftlichen Thätigkeit wegen, wozu wohl eine mit dem
Alter zunehmende Bequemlichkeit mithalf, verzichtete er auf eine lang ge-
Höchl. 185
plante Studienreise nach Venedig. In jüngeren Jahren machte er mit seiner
Frau — er hatte ein ganz armes, braves Mädchen geheirathet — eine Fahrt
nach Paris, welche aber gar keine künstlerische Ausbeute und keine Aende-
ning in seiner Technik und Farbe brachte. Dagegen sammelte H. eine
schöne Galerie von kleinen Bildern, womit er fast alle seine Zeitgenossen in
lehrreicher Weise vereinte. Hierbei mag ihm bisweilen wohl auch die Charitas
manches Stück geliefert haben; für solche edle Bestrebungen besass er eine
höchst freigebige, aber nicht immer oflfene Hand. Einen verschollenen Marine-
maler subventionirte H. grossmüthig, ohne dass der Betroffene volle Kenntniss
erlangte, woher die Hülfe kam. Einem unverschuldet gefährdeten Collegen
gewährte er die Mittel, wieder festen Fuss zu fassen. Ausser der Malerei
cultivirte H. eine gemüthliche Hausmusik und spielte dabei Cello und Brat-
sche mit überraschend tiefer Empfindung. Geschichtlichen Studien oblag er
gern, durch ein neidenswerthes treues Zahlen- und Datengedächtniss unter-
stützt. Auf seiner, am Reste eines ehedem gewaltigen, weit verzweigten
Stadtwaldes liegenden Ziegelei gründete er sein stilles Tusculum, aus welchem
er täglich zu seiner innigst geliebten alten Mutter und in das benachbarte
^Tivoli« oder zu den abendlichen Symposien des Herzogs Maximilian (i8o8 — 88)
fuhr, welcher den sonst so stillen Mann seines gediegenen Wissens und Charakters
wegen schätzte. Auf einer seiner nächtlichen Rückfahrten wurde H. im
Winter 1885 von vier Strolchen überfallen und nur durch glücklichen Zu-
fall vor weiterer Gefahr gerettet. Von da an schloss er sich noch enger ab
und besuchte nicht einmal mehr seinen schönen Waldfrieden, welchen eine
von Heinrich Natter gemeisselte Colossalstatue Wotans krönte. Nach dem
1893 erfolgten Ableben seiner Gattin verschwand H. ganz in der Stille seines
Hauses, kaum einigen Auserwählten bisweilen einen kurzen Zutritt gewährend,
vielfach geplagt von den wirklichen oder auch eingebildeten Zufällen und
Launen des Alters, bis er ohne besondere Krankheit am 21. Februar 1897
den unabänderlichen Gesetzen der Natur erlag. Sein umfangreiches Vermögen
und die Verwaltung desselben hatte ihm sicherlich mehr Kummer, Sorgen
und Verdruss als Vergnügen oder Genuss bereitet. H. hat an dritthalb Hun-
dert Bilder gemalt. Als ihm die Ausflüge zu eigenen Skizzen und Studien
lästig wurden, sendete er gute Photographen nach verschiedenen Gegenden
Altbayems zur Aufnahme von denkwürdigen Grabdenkmalen, Skulpturen und
Bauwerken von historischer Bedeutung und stiftete solche Reproductionen in
Vereine und wissenschaftliche Sammlungen mit unermüdlicher Liberalität.
Einen grossen Theil seiner umsichtig angelegten Gallerie von Gemälden gleich-
zeitiger Künstler vermachte H. der Königl. Neuen Pinakothek, wo sie zur
Erinnerung des Stifters eine ganze Wand in einem der grösseren Cabinete
füllen. Seine nicht bloss Bavarica, sondern viele grosse Geschichtswerke und
erhebliche Kunstliterätur umfassende Bibliothek stiftete H. in die Sammlungen
des Historischen Vereins von Oberbayern, dazu seine Collection von älteren
Münzen, Waffen und Skulpturen, dazu die ganze Folge seiner von 1831 bis
1896 laufenden Tagebücher, in welchen er die Hauptereignisse aus Politik
und Tagesgeschichte verzeichnete und alle berühmten, im Gebiete des Wissens
oder der Kunst verdienten Namen mit charakteristischen Zusätzen und Re-
flexionen eintrug: eine Art biographisches Urkundenbuch, welches wohl zu
weiterer Mittheilung und Bearbeitung reizen dürfte. Mit einer grossen Anzahl
von Legaten bedachte H. eine Menge von Vereinen, gemeinnützigen Genossen-
schaften und Stiftungen, darunter die Waisen- und Armen- Anstalten, auch
l88 Lossow. BUrkner.
freilich ohne dessen Feinheit und Eleganz zu erreichen, obwohl L. an Roben,
Spitzen und anderem Beiwerk sein möglichstes that. Dadurch unterschied er
sich von den rohen Fadaisen des Joh. Heinrich Ramberg, als dessen tech-
nisch verbesserte Neuauflage L. öfter bezeichnet wurde. Auch bearbeitete er
in »hochpikanten« Bleistiftzeichnungen zwölf »Metamorphosen nach Homer
und Ovid« (München 1884) in^ zopfigen Charakter, womit er »den ganzen
Reiz schöner Plastik und weiblicher Formvollendung verewigte«, und lieferte
amouröses Getändel (eine im Bette liegende Coquette jonglirt auf den Fuss-
sohlen ihr Leibhündchen) und allerlei trivialen Schnickschnack, gerade nicht
immer zum Ruhme der deutschen Kunst, welche dergleichen Firlefanz besser
unseren westlichen Nachbarn überlassen hätte. Hohe Aufgaben stellte er
sich nicht, löste sie aber mit vielem Fleiss. In einem »Ich thue, was ich
will« benannten Oelbilde (1874) ist das eigensinnige Handschuhanziehen der
fascinirenden Reiterin mit bestem Chik dem Leben abgelauscht. Die lüster-
nen Scenen mit den »galanten« Putzmacherinnen und das ewige Parfüm der
ganzen Demimonde enuyirte ihn schliesslich selbst, er warf sich auf Land-
schaften, wie sie ihm der Park von Schieissheim, woselbst L. seit 1885 als
Galerie-Conservator eine Stelle fand, in bereitwilliger Auswahl bot. Hier hul-
digte er auch dem Plainairiren und quälte seine armen Modelle mit kalten
in den von schattigen Kastanien oder mageren Akazien tiberu'ölbten
Üeser Zwitterstellung zwischen alter und modemer
Ausstellungs-Jury 1897, welche seine Einsen-
troflfen, verschied der darob erzürnte Künstler
Hssheim, worauf das beanstandete mit einer
Bild im Glaspalast Aufnahme erhielt. Kurz
ckenbild im Directorialzimmer des neuerbauten
lendet (vgl. »Kunst für Alle« vom i . Juli 1 897
'te L., natürlich in gleichem Genre, auch als
gewerbe, wie zahlreiche Blätter und practische
und Metallarbeiter beweisen. Viele diese Muster-
ieitschrift des Münchener Kunstgewerbe -Vereins
ndere Schöpfung L.'s muss der Juwelierladen von
erden, welchen er als ein malerisch und plastisch
Ästchen ausstattete. Auch sonst that er mit bereit-
überall mit, malte beispielsweise der »Vitruvia,»
>nd, ebenso die auf dem Siegeswagen von Löwen
en Mittelbau der Kunstgewerbe- Ausstellung (1888),
*ten »mit kundigem Geist der Erfindung« und stellte
*n Style eines Dierick Bouts van Harlem. Bei der
Achen Nachlasses im Münchener Kunstverein (Januar
ias sehr energisch gemalte Selbstportrait L.'s, * eine
^ Leistung.
•Geschichte der Münchencr Kunst«. 1888. S. 248 ff. — No. 140
^ai 1897 und No. 10 vom 11. Januar 1898. »Kunst für Allee
• Kunstvereinsbericht für 1897. S. 75.
Hyac. Holland.
Leopold Friedrich Heinrich, * am 24. August 1818 in
/^nuar 1897 in Dresden, Meister der Holzschneidekunst;
*^ium seiner Vaterstadt, kam 1837 nach Düsseldorf an die
^^ 1839 ^^ Berlin vorübergehend in Beziehung zu Unzel-
Bürkner. Alphons. ign
mann, tibersiedelte 1840 nach Dresden, wohin seine Freunde Bendemann und
Hübner an die Akademie berufen worden waren, und woselbst er bald auch
Ludwig Richter näher trat. 1846 wurde er selbst an die Akademie berufen.
1847 vermählte er sich mit einer jungen Berlinerin, einer Verwandten von
Eduard Bendemann, mit der er fast 50 Jahre in glücklichster Ehe lebte. In
gesegneter, reicher Thätigkeit gingen aus seiner Werkstatt über 1 1 000 Holz-
schnitte hervor; hierzu kommen noch an 200 Radirungen.
Dr. K. Bürkner: Hugo Bürkner, Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog
S. 22* — 42*. Band I. 1897.
AlphonSy Theodor, Maler und Radirer, ♦am 28. October 1860 in Krakau,
f am 2. September 1897 in Graz, entstammte einer steirischen Familie und
kam im Alter von sieben Jahren nach Graz, wo er die Realschule besuchte
und später mit technischen Studien begann. Doch fand er bald seinen
wahren Beruf und bezog 1879 die Wiener Akademie: hier wurde er in der
Landschaftsmalerei von Eduard von Lichtenfels, im Kupferstich von Johannes
Sonnenleiter unterwiesen. Bald wandte er sich aber von dem strengen Linien-
slich, den Sonnenleiter pflegt, ab und erlernte (1885) bei William Unger die
Radirung. Seither gehörte er zu den , besten Schülern dieses Meisters und
machte sich durch seine Radirungen in kurzer Zeit einen guten Namen.
Später nahm er seinen Wohnsitz wieder in Graz ; häufige Studienreisen führten
ihn durch Oesterreich, Deutschland und Oberitalien, Auf einer solchen Reise
wurde er 1896 in Nürnberg von einem heftigen Nervenleiden befallen und
musste deshalb einige Monate in der Irrenanstalt zu Feldhof bei Graz ver-
bringen. Scheinbar geheilt entlassen und durch einen längeren Aufenthalt
in Meran und Venedig in seiner Gesundheit gekräftigt, kehrte er nach Graz
zurück, machte aber dort in einem neuerlichen Anfalle von Geistesstörung
durch einen Sprung aus dem Fenster seinem Leben ein Ende. A. pflegte als
Maler hauptsächlich das Aquarell; nur selten wendete er die Oeltechnik an.
In seinen Ansichten aus Nürnberg und Venedig, aus Wien und Niederösterreich,
aus Steiermark, Tirol, Salzburg, dem Salzkammergute und Böhmen erscheint
er uns als einer der letzten Ausläufer der alten Wiener Aquarellistenschule;
sicherlich haben Meister wie die Alt und Thomas Ender auf ihn eingewirkt.
Von seinem Lehrer Lichtenfels hat er Manches:, die geschickte Auswahl der
Motive und die strenge sorgfältige Zeichnung, dabei aber auch den geringen
Geschmack in der Farbe. Nur in einzelnen kleinen Blättern, in denen er
ganz einfache Motive darstellt, erreicht er einen Reiz malerischer Stimmung,
der auch dem verwöhnten modernen Geschmack zu genügen vermag. Diese
Arbeiten beweisen, dass er, wenn er in einer anderen Schule und Umgebung
aufgewachsen wäre, auch im rein Malerischen hätte Vortreffliches leisten
können.
Auch in seinen Originalradirungen bewegt er sich in demselben Kreise:
es sind meist Ansichten aus den österreichischen Alpen. Seine Blätter grossen
Formats wirken trotz der Sorgfalt und Geschicklichkeit der Nadelführung
etwas trocken. Für seine gelungenste Originalradirung halte ich das kleine
Blatt »Haidelandschaftc, worin er durch die Anwendung warmer und kalter
Farbentöne die Stimmung eines kühlen, stürmischen und regnerischen Herbst-
tages ausgezeichnet wiedergegeben hat. Das Beste aber, was A. geschaffen
hat, sind die Radirungen, die Gemälde anderer Meister reproduciren. Seine
Blätter nach Bildern von Aart Van der Neer, Pettenkofen, Schindler, Passini,
IQO Alphons. Pfotenhauer. WeltzeL
Defregger, Rumpier und Anderen gehören durch die Treue und Frische in
der Wiedergabe verschiedener Stile zu den vorzüglichsten Leistungen, die die
Unger'sche Schule hervorgebracht hat.
Katalog des künstlerischen Nachlasses Th. A.'s. Wien, Miethke 1898. — Hans
Grasb erger in den Graphischen Künsten. Jahrg. XXI. 1898. S. 67.
G. Glück.
Pfotenhauer, Friedrich Paul, königlich preussischer Archivrath, * am
30. Juli 1842 zu Glauchau in Sachsen, f am 8. August 1897 in Bad Ilmenau.
— P. studirte anfänglich die Rechts- und Kameralwissenschaften in Leipzig,
dann Geschichte und Germanistik in Heidelberg und Berlin. Sommer 1866
erwarb er sich durch eine Abhandlung über den von Kaiser Otto I. dem
Papst Johann XII. geleisteten Eid zu Leipzig die philosophische Doctorw'ürde
und wurde darauf mehrere Jahre hindurch für den Codex diplomaticus Saxo-
niae regiae verwendet. 1875 wurde er von der preussischen Staatsarchiv-
verwaltung zunächst probeweise übernommen und in Schleswig verwendet,
dann März 1876 zum Hilfsarbeiter befördert, September desselben Jahres nach
Breslau versetzt, welchem Archive er dann ununterbrochen unter Beförderung
in der üblichen Stufenfolge bis zu seinem Tode angehört hat. Pf. widmete
sich nun fast ausschliesslich der schlesischen Geschichtsforschung und wurde
bald eine Autorität auf den Gebieten der schlesischen Adelsgeschichte, der
Wappen- und Siegelkunde. Die Ergebnisse seiner Studien legte er vorzugs-
weise in der Zeitschrift für schlesische Geschichte nieder; als selbständige
Publikationen gab er Namens des schlesischen Geschichtsvereins 1873 »die
schlesischen Siegel von 1250—1300 resp. 1327 und 1881 als Bd. X des Cod.
dipl. Sil. die »Urkunden des Klosters Kamenz« in sorgsamer Bearbeitung her-
aus. In seinen letzten Lebensjahren beschäftigte er sich vornehmlich mit der
Erziehungs- und der Universitätsgeschichte. Pf. war ein selbstloser, beschei-
dener Charakter, von grosser Liebenswürdigkeit und bereitwilligem Entgegen-
komlnen, sodass er namentlich durch genealogische Nachfragen stark in An-
spruch genommen wurde. In den letzten Jahren bereits kränklich, erlag er
in der mit seiner Familie aufgesuchten Sommerfrische den Folgen eines wieder-
holten Schlaganfalles; beerdigt wurde er zu Breslau.
Nekrolog in der Zeitschr. f. Gesch. u. Alterthum Schlesiens Bd. XXXII, 38301
Konrad Wutke.
Weltzcl, August, Dr. theol., katholischer Pfarrer und Historiker, * am
9. April 181 7 zu Jeltsch, Kreis Ohlau, f am 4. November 1897 zu Tworkau,
Kreis Ratibor. — W. widmete sich dem geistlichen Stande und wurde am
8. Mai 1842 ordinirt. Zuerst als Geistlicher in Stettin thätig, wo er auch
Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Pommersche Geschichte war, erhielt er
1857 die Pfarrei Tworkau bei Ratibor, wo er auch bis zu seinem Tode am-
tirt hat. Er war ein unermüdlicher Sammler alles auf die Geschichte Ober-
schlesiens bezüglichen Materials und gelangte in den Besitz einer erstaunlichen
StofüuUe. Er veröffentlichte die Geschichte der Städte Ratibor, Kosel, Neu-
stadt, Guttentag, Sohrau, des Archipresbyterats Ratibor, der Pfarreien Ostrog,
Prgrzebin, der Propstei Kasimir, des Klosters Himmelwitz, der Besiedelungen
des nördlich der Oppa gelegenen Landes, der Geschlechter Saurma, Praschma,
Gaschin, Eichendorff, Oppersdorff (letzteres nur im Manuscript), femer zahl-
reiche Artikel in verschiedenen Zeitschriften u. a. in der Zeitschrift für Ge-
Weltzcl. Adamy. von LUtzow. loi
schichte und Alterthum Schlesiens. Seine Werke sind meistens Sammlungen
einer Ueberfülle von Details^ in der Regel chronikartig unter bestimmten
Rubriken zusammengestellt, deren Benutzung aber durch das Fehlen von Re-
gistern sehr erschwert wird. Seine hervorragende, genaue Kenntniss der ge-
schichtlichen Vergangenheit Oberschlesiens wurde Dank seines steten bereit-
willigen Entgegenkommens ausgiebig von Behörden, Genealogen, Ortshistori-
kern etc. lebhaft und mit Erfolg in Anspruch genommen.
Nekrolog in der Zeitschr. f. Gesch. und Alterthum Schlesiens Bd. XXXII, 386 ff.
Wutke.
Adamy, Heinrich, Vorschullehrer, ♦ am 27. Januar 181 2 zu Landeshut
in Schlesien, f am 13. October 1897 zu Breslau. — A. war Lehrer in Schweid-
nitz, Posen, Hirschberg und Breslau und hat sich besondere Verdienste um
die Verbreitung der Heimathskunde in Schlesien er^'orben. Er schrieb eine
kleine Geographie von Schlesien für Volksschulen, die viele Auflagen erlebt
hat, femer die viel umfänglichere Schrift »Schlesien nach seinen physischen,
geographischen und statistischen Verhältnissen« (7. Aufl. 1893), Heimathskunde
von Breslau (1872), Die schlesischen Ortsnamen, ihre Entstehung und Bedeu-
tung (1887, 2. Aufl. 1891).
Nekrologe in der Zeitschr. f. Gesch. u. Alterth. Schlesiens Bd. XXXII, 379/380 und
in der Schles. Schulseitung.
Wutke.
Lützow, Carl von, Kunstschriftsteller, * Göttingen am 25. December
1832, f Wien am 22. Apil 1897. C. v. L.'s Vater war der grossherzoglich
Mecklenburgische Kammerherr und Schlosshauptmann v. L., der sich durch
eine dreibändige Geschichte Mecklenburgs einen Namen gemacht hat, seine
Mutter die Tochter des Anatomen Loder in Jena. C. v. L. besuchte in
Schwerin die Bürgerschule und das Gymnasium und bezog 1851 die Univer-
sität zu Göttingen, um classische Philologie und Archäologie zu studiren.
Hier hörte er hauptsächlich die Vorlesungen C. F. Hermann's, Schneidewin's
und Wieseler's und erhielt durch sie eine treffliche philologische Vorbildung.
Zur Fortsetzung seiner Studien ging er im Frühjahr 1854 nach München, wo
er einen sehr anregenden geselligen Verkehr fand. Er war an den Phil-
hellenen Friedrich Wilhelm Thiersch und an den Dichter Friedrich Boden-
stedt empfohlen und trat dadurch bald zu den literarischen und künsterischen
Kreisen Münchens in nähere Beziehungen.*) Im Sommer 1856 erhielt er aut
Grund seiner Dissertation De vasis fictilibus antiquis tnore archaico pictis
den Doctorgrad. Im folgenden Jahre zog er nach Berlin, um dort die Antiken-
sammlungen zu studiren. Dieser Berliner Aufenthalt scheint aber gerade seine
Neigung von der klassischen Archäologie abgelenkt und der Geschichte der
neueren Kunst zugewendet zu haben. Sicherlich hatten auf diese Wandlung
der Verkehr mit Kugler und Lübke, deren Bekanntschaft er in Berlin machte,
und eine Studienreise nach Italien, die er mit Schnaase und Lübke unter-
nahm, den grössten Einfluss. Vorläufig blieb er aber noch den archäologi-
schen Studien treu. 1859 habilitirte er sich in München als Privatdocent,
las über die verschiedensten Gegenstände der klassischen Kunstgeschichte und
Alterthumskunde und gab vom Jahre i86i an das Prachtwerk y* Münchener
Anäken^ heraus.
*) Vg'* ^*''l ^' Ltitzow, Erinnerungen an Bodenstedt, Biographisches Jahrbuch und
Deutscher Nekrolog 1896, 42^ — 49*.
192
von Lützow.
Von der Richtung, die L.'s Studien unter der Einwirkung von Männern
wie Kugler, Schnaase und Lübke nahmen, zeugt sein Buch: Die Meisterwerke
der Kirchenbaukunst Eine Darstellung der Geschichte des christlichen
Kirchenbaues durch ihre hauptsächlichsten Denkmäler, Es ist 1862 er-
schienen und Wilhelm Lübke gewidmet. In diesem Werke zeigt sich schon
L.'s Begabung für eine gemeinverständliche, klare und übersichtliche Darstel-
lung; seine Absicht ist, darin nach gründlichen eigenen Studien und nach
den Forschungen Anderer dem grossen Publikum ein zuverlässiges, getreues
Bild der Geschichte der einzelnen Kunstdenkmäler zu geben und weniger
durch gelehrte oder ästhetische Erörterungen, als durch eingehende Analyse
der Denkmäler selbst bei dem ungelehrten Leser ein tieferes Verständniss für
die Kunst zu erwecken. Man kann sagen, dass er diese Absicht, soweit es
damals die vorhandenen Vorstudien zuliessen, wirklich erreicht hat.
Verschiedene Misshelligkeiten bewogen L. im Jahre 1863 München zu
verlassen und im Frühjahr nach Wien überzusiedeln, wo er zunächst als
Privatdocent für Geschichte und Archäologie der klassischen Kunst an der
Universität, vom folgenden Jahre an auch als Docent der Kunstgeschichte an
der Akademie der bildenden Künste wirkte. 1865 wurde er zum Vorstände
und Bibliothekar der Akademie ernannt. Vom Jahre 1867 an bekleidete er
daneben noch die Stelle eines Professors der Architekturgeschichte an der
technischen Hochschule zu Wien. Ausser dieser anstrengenden Lehrthätigkeit
nahmen ihn, seitdem er nach Wien übergesiedelt war, redactionelle Arbeiten
stark in Anspruch: unter Mitwirkung Eitelberger's, Falke's, Lübke's und Pecht's
gab er die Recensionen mit Mittheilungen über bildende Kunst heraus. Als
aber diese Zeitschrift 1865 zu erscheinen aufhörte, gründete C. v. L. gemein-
sam mit dem Leipziger Verleger E. A. Seemann eine neue Zeitschrift von
ähnlicher Richtung, die Zeitschrift fiir bildende Kunst, mit dem Beiblatte
Kunstchronik. L. verstand es, in kurzer Zeit eine Zahl von tüchtigen litera-
rischen und künstlerischen Mitarbeitern um sich zu versammeln und dadurch
seiner Zeitschrift bald zu grossem Ansehen zu verhelfen; die Redaction hat er
bis zu seinem Tode, also mehr als dreissig Jahre lang, fortgeführt. Wien ist
C. V. L. zur zweiten Heimat geworden und bei den Wienern hat er sich durch
öffentliche Vorträge, durch seine Thätigkeit in literarischen und künstlerischen
Vereinen und endlich durch die Feuilletons, die er von Zeit zu Zeit über
Tagesfragen des Kunstlebens schrieb, bekannt und beliebt gemacht.
Ueberblickt man C. v. L.'s schriftstellerische Thätigkeit, so muss man
sagen, dass ihr Werth weniger in selbständigen Untersuchungen und For-
schungen, weniger in einer eigenartigen Auffassung liegt, als in einer sehr
geschickten und übersichtlichen Verwerthung des von Anderen Gefundenem
und Ausgesprochenen. Nur für seine Geschichte der kais. königL Akademie
der bildenden Künste, die 1877 als Festschrift zur Eröffnung des neuen Aka-
demie-Gebäudes erschienen ist, hat er selbständige archivalische Studien an-
gestellt und bisher unausgenutzte Quellen verwerthet; dadurch ist dieses Werk
zu einem trefflichen, zuverlässigen Hilfsmittel für die Geschichte der Wiener
Kunst geworden. In seinen übrigen Schriften verfolgt er ein ähnliches Ziel,
wie er es schon in seinen Meisterwerken der Kirchenbaukunst angestrebt
hatte; dahin gehören Die Kunstschätze Italiens in geographisch-historischer
Ueber sieht geschildert (Stuttgart 1 884), worin er zum ersten Male die For-
schungen Giovanni Morellis, dem das Buch gewidmet ist, dem grossen deut-
schen Publikum zugänglich machte, und die Geschichte des deutschen Kupfer-
von Ltttzov.
193
Stiches und Holzschnittes (erschienen 1889 — 1891 als ein Theil der Grotischen
Geschichte der deutschen Kunst), ein Buch, das, trotz mancher Mängel im
Einzelnen, doch als die erste zusammenhängende Darstellung der Entwicke-
lung dieser Kunstzweige sein eigenes Verdienst hat. Dieselbe popularisirende
Tendenz haben seine Texte zu verschiedenen Bildwerken, wie z. B. zu den
Denkmälern der Kunst (^XxittgdiXi 1858), die er gemeinsam mit Lübke heraus-
gab, zu den Wiener Neubauten (Wien 1876 — 1881), zur Kunst flir Alle
(Stuttgart 1880, gemeinsam mit L. Weisser), zu Albrecht Dürer^ s Holzschnitt-
werk (Nürnberg 1883) und endlich der Text zu William Unger's Radirungen
nach Gemälden der kais. kgl. Gemäldegalerie zu Wien (Wien 1886). Unter
seinen archäologischen Schriften heben wir noch ausser den schon genannten
die folgenden hervor: Zur Geschichte des Ornaments an den bemalten grie-
chischen ThoTtgefässen, München 1858, und Das choragische Denkmal des
Lysikrates in Athen, Nach Th. Hansen's Restaurationsentwurf. Leipzig 1868.
Ausserdem hat C. v. L. einige sorgfältige Verzeichnisse von Antiken- und Ge-
mäldesammlungen, Bibliotheken und Ausstellungen verfasst, unter denen der
Katalog der Gemälde-Galerie der Akademie der bildenden Künste zu Wien
wohl am meisten Anerkennung gefunden hat, er hat femer die Herausgabe
neuer Auflagen von Schnaase's und Lübke's Schriften besorgt und endlich
eine grosse Anzahl von kleineren Recensionen, Berichten, Mittheilungen,
Feuilletons und dergleichen geschrieben. Nach all dem kann man nicht
anders als die ausserordentliche Arbeitskraft dieses Mannes bewundern, und
man muss darüber staunen, dass die meisten seiner Schriften sich durch einen
sorgfältigen, klaren und flüssigen Stil auszeichnen.
Ein Hauptverdienst C. v. L.'s ist seine redactionelle Thätigkeit. Zu dieser
befähigte ihn ein Vorzug seiner Natur, den man aber zugleich auch als eine
Art liebenswürdiger Schwäche bezeichnen muss. Eis ist dies seine wahrhaft
feurige Vorliebe für alles Neue. War irgend ein neues Kunstwerk entstanden,
wogegen die Vorsichtigen unter den Beurtheilem noch kühle Zurückhaltung
bewahrten, oder war ein Gelehrter der Meinung, eine ganz überraschende
Entdeckung gemacht zu haben, die jedoch einer ruhigen kritischen Prüfung
nicht Stand halten sollte, so konnte C. v. L. im ersten Eifer über eine solche
neue Ej^cheinung in eine wahre Begeisterung gerathen und sie auch öffentlich
durch enthusiastisches Lob unterstützen. Daher kam es, dass er, ohne es zu
wollen, neben vielem Guten auch manches Mittelmässige förderte oder wenig-
stens gelten Hess. Andererseits hat aber die grosse Ehrlichkeit seines Charak-
ters bewirkt, dass er sich bei der Leitung seiner Zeitschrift von dem Einflüsse
des Clique- und Parteiwesens, das die literarischen und künstlerischen Kreise
Deutschlands beherrscht, völlig frei gehalten hat.
Seine hervorragende redactionelle Begabung hat sich auch die Wiener
Gesellschaft für vervielfältigende Kunst zu nutze gemacht: sie hat ihm die Heraus-
gabe der Geschichte der vervielfältigenden Kumte anvertraut. Ausserdem hat L.
für die Zeitschrift dieser Gesellschaft, die Graphischen Künste, einige werthvoUe
grössere Beiträge geliefert, wie z. B. RaffaeVs Bildungsgang (1888), Die Kunst
in Wien unter der Regierung Franz Josephs L (1889) und Die Geschichte
der Gesellschaft flir vervielfältigende Kunst 1871 — 1895 (1895).
Zeitschrift für bildende Kunst. Neue Folge. VIll. 1897. S. 233 (C. L.). — Mitthei-
lungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. 1897. S. 21. — Ein Verzeichniss seiner
Schriften findet man in dem Katalog seiner Bibliothek, den Friedrich Meyer's Buchhandlung
Leipzig herausgegeben hat.
G. Glück.
Blogr. Jahrb. u. Deatscher Nekrolog. 2. Bd. I3
I g4 Duncker. Bergstraesser.
Duncker, Alexander Friedrich Wilhelm, Buchhändler, * zu Berlin am
i8. Februar 1813, f 23. August 1897 zu Berlin. — D., zweiter Sohn des hoch-
geachteten Buchhändlers Karl Duncker, trat nach absolvirter Gymnasialbildung
gegen Ende 1829 in die Lehre seines väterlichen Geschäftes Duncker & Hum-
blot, um später während mehrerer Jahre in dem berühmten Hause Perthes tV
Besser in Hamburg den Kreis seiner buchhändlerischen Kenntnisse zu erweitem.
Wieder nach Berlin zurückgekehrt, arbeitete er mehrere Jahre hindurch in
dem väterlichen Geschäft und übernahm dann am i. Januar 1837 ^^^ Sorti-
ment desselben. Bald knüpfte sich daran auch Verlag, indem es ihm gelang,
jugendliche Dichter und Dichterinnen, wie Paul Heyse, Emanuel Geibcl,
Gustav zu Putlitz, Theodor Storm, Wilhelm Jensen, Thekla von Gumpert, Ida
Gräfin HLahn-Hahn, Fanny Lewald, Marie Petersen u. a. zu gewinnen und
zwar die meisten zuerst in die Literatur einzufuhren. Der Kreis seiner Unter-
nehmungen vergrösserte sich von Jahr zu Jahr. Es traten demselben allmäh-
lich hochbedeutsame Kunstwerke hinzu, so die 28 grossen Kupferstiche der
weltberühmten »Wandgemälde Wilhelm von Kaulbach's«, die in gegen 1000
chromolithographischen Ansichten herausgegebenen »Rittersitze, Schlösser und
Residenzen in der Preussischen Monarchie« (Preis 1 200 M.) und viele andere
Pracht- und illustrirte Werke. Hierzu trat das für die Geschichte und Politik
so hochbedeutsame Werk der »Politischen Correspondenz Friedrichs des
Grossen«. 1860 hatte D. sein Sortiment an Wilhelm Lobeck (jetzt Paul
Schelter's Buchhandlung), 1870 seinen Buchverlag mit Ausnahme der Kunst-
und Prachtwerke und des zuletzt angeführten erst später verlegten Werkes an
Gebr. Paetel verkauft. Er leitete dann seine weiteren Unternehmungen per-
sönlich und stand bis an sein Ende mit Rüstigkeit und Frische seinem Geschäft
vor. — D. war nicht bloss eifriger Buchhändler, er war auch mit Leib und
Seele Soldat. Das führte ihn nach der Schlacht von Königgrätz von Pardu-
bitz nach Leipzig, um dem dort commandirenden General der Occupation
mit seinen Lokalkenntnissen als Adjutant zur Seite zu stehen. Dies Verhält-
niss gab ihm Gelegenheit, sowohl der Stadt Leipzig, als auch seinen Collegen
im Buchhandel mancherlei Erleichterungen zu verschaffen; beispielsweise ge-
lang es ihm, die Aufhebung des Verbotes der Gartenlaube zunächst in Sachsen
und danach auch in Preussen herbeizuführen. — An äusseren Ehren fehlte
es ihm nicht. Als Landwehroffizier hatte er an den Feldztigen 1864, 1866
und 1870/71 theilgenommen und wurde zuletzt (1897) zum Obersüieutenant
befördert. Er nannte (1895) ^7 ^™ Militär- und Civil verhältniss erworbene
Ehrenzeichen und Orden, meist höherer Grade, sein eigen. Er war Vor-
sitzender verschiedener Kunst- und gemeinnütziger Vereine, sowie Ehrenmit-
glied der Akademie der bildenden Künste in München. — Seine schrift-
stellerische Thätigkeit umfasst einen in zwei Auflagen erschienen Band
Gedichte: »Abseits vom Wege«, dann die Novellen: »Angiola Filomarino*,
»Ihr Bild«, das Drama: »Die Patrioten«, kleinere Sachen und Gelegenheits-
gedichte, die alle eine sehr freundliche Aufnahme fanden.
Handschriftliche Autobiographie. — Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 1S97.
No. 196 und 260.
H. Ellissen.
Bergstraesser, Arnold, Buchhändler, * am 3. October 1841 auf der Schloss-
ruine Braeuberg im Odenwald, f 5. Januar 1897 zu Darmstadt. — B. war der
Sohn des Rentamtmanns Friedrich Bergstraesser. Die Familie stammte aus
Malchen am Melibocus, also dem Namen entsprechend von der Bergstrasse.
Bergstraesser. ine
Nachdem der Vater schon 1847 verstorben war, zog die Mutter nach Darm-
stadt; wo B. zuerst die katholische Volksschule, dann das Schmitz'sche
Institut und 1852 — 57 die Realschule besuchte. Er war ein tüchtiger Schüler
und bei Lehrern und Mitschülern beliebt. Nach dem 1857 erfolgten Tode
seiner Mutter und bestandener Abgangsprüfung widmete er sich dem Soldaten-
stande, trat zunächst bei der Leibcompagnie des i. Infanterie - Regiments
(jetzt 115.) ein und besuchte 1858/59 die Kriegsschule. Schon bei der
Mobilmachung 1859 wurde er zum Lieutenant befördert. 1865 erwirkte er
einen längeren Urlaub zum Besuche der polytechnischen Hochschule in
Zürich, wo er mit bedeutenden Männern, wie Bolley, Scherr, Billroth, Semper,
Herwegh und Rüstow verkehrte. Die Kriegsunruhen von 1866 riefen ihn in
den Dienst zurück. Als Oberlieutenant machte er das Gefecht bei Frohnhofen
mit, wurde am linken Fuss schwer verwundet und nahm infolgedessen 1867
seinen Abschied. — Seine kurz zuvor erfolgte Verlobung mit der Tochter des
Buchhändlers J. P. Diehl in Darmstadt gab Veranlassung, sich von nun an
dem Buchhandel zuzuwenden. Er lernte diesen in der Franz'schen Buch-
handlung in München und bei Franz Koehler sen. (K. F. Koehler) in Leipzig,
seinem späteren Commissionär, kennen und übernahm 1869 das Sortiments-
geschäft seines Schwiegervaters. Unter seiner Leitung nahm es einen be-
deutenden Aufschwung. Seit 1879 widmete er sich auch dem Verlag, in
dem u. a. das Handbuch der Architectur hervorragt. — Die Ereignisse von
1870 führten ihn der Politik zu, und mit grosser Beredsamkeit trat er in
einer hauptsächlich durch ihn veranlassten grossen Volksversammlung für die
Bestrebungen der nationalliberalen Partei ein. Er wurde zum Mitglied des
Landesausschusses und des Centralausschusses in Berlin, später wiederholt
in die zweite Kammer der hessischen Landesstände gewählt (erst für Höchst,
dann für Darmstadt). Krankheit veranlasste ihn 1896 zur Niederlegung seines
Amtes. Auch als Stadtverordneter war er lange thätig. Die höchsten Ver-
dienste erwarb er sich um Hebung der polytechnischen Schule in Darmstadt,
um die Universität Giesisen, um Besserung der Lage der Lehrer und Beamten.
— In hervorragender Weise aber ist B.'s Name besonders mit der Geschichte
des deutschen Buchhandels verknüpft. Seit 1878 war er an allen auf Neu-
gestaltung des Buchhandels gerichteten Bestrebungen und Verhandlungen in
lebhaftester und erfolgreichster Weise betheiligt. 1885 bis 1889 und 1892
bis zu seinem Tode wirkte er im Hauptvorstande des Börsenvereins für den
deutschen Buchhandel mit und war seit 1895 der erste Vorsteher desselben,
ein Ehrenposten, dem bei der gewaltigen Corporation des deutschen Buch-
handels nur wenige andere gleichkommen dürften. Am 5. Januar 1897 wurde
er von monatelangen schweren Leiden durch den Tod erlöst. An seinem
Grabe sprachen nach der üblichen geisthchen Trauerrede u. a. Oberbürger-
meister Momeweg, Verlagsbuchhändler Engelhom, der Rector der Technischen
Hochschule, Professor Berndt, Hauptmann d. L. Waldeck, Reichstagsabgeord-
neter Dr. Osann, Oberstlieutenant a. D. Gad, Verlagsbuchhändler Hauptmann
Zemin, Schuldirector Dr. Meisel, Buchhändler Gecks. Diese u. a. zwar wohl
meist mit dem Verewigten persönlich befreundeten Herren sprachen hier im
Namen hochangesehener Vereine und Institute, alle voll hoher Anerkennung
Bergstraesser' s als Mensch, Politiker, Buchhändler u, s. w.
Vergl. Börsenblatt f. d. deutschen Buchhandel 1897, No. 8 u. 62 (Nekrolog; auch ab-
gedruckt im Adressbuch des deutschen Buchhandels 1898).
H. Ellissen.
13*
xn6 ^OQ Stephan.
Stephan, Ernst Heinrich Wilhelm von, Staatssekretär der Post des
deutschen Reiches, Schöpfer des Weltpostvereins und culturgeschichtlicher
Schriftsteller, ♦ am 7. Januar 1831 zu Stolp in Pommern, f am 8. April 1897
in Berlin. — Die beiden Grundzüge in dem Wesen des ausserordentlichen
Mannes sind eine Bildung von hervorragender Universalität und der mächtige
Trieb, die Ergebnisse dieser Bildung nach aussen zu wenden und sie in das
praktische Leben zu übertragen. Unsere Zeit ist reich an Weltverbesseren,
die mit allen ihren Plänen scheitern, weil sie träumen. St. war auch ein
Weltverbesserer, aber er hat in vierzigjähriger Arbeit sein Ziel erreicht, weil
er nie geträumt hat.
Als er auf der Höhe seiner Erfolge stand, hat er einmal der Idee, welche
ihn leitete, einen kurzen Ausdruck gegeben. Jedes Weltalter hat einen Trieb,
von dem es beherrscht wird. In der griechischen Zeit war es die Kunst;
»und das Schöne war immer der Gott der Welt«, sagt Schiller. In Rom war
es Recht, Staat und Macht; »die Helden singen den Herrscher an, und den
Mächtigen suchen die Schwachen«, sagt Schiller. Im Mittelalter war es die
religiöse Vertiefung; »der Mönch und die Nonne zergeiselten sich; es war
das Leben fmster und wild«, sagt Schiller. Das vierte Weltalter erklärt St.
anders als Schiller. Heute ist es der Verkehr, der Alles regiert. Und wer
heute der Menschheit dienen will, muss dem Verkehr dienen. Nach diesen
Gesichtspunkten ordnete er sein Leben.
St. war der Sohn eines Handwerkers, eines Schneiders, aber nicht in
trüber Mittelmässigkeit aufgewachsen. Sein Vater hatte sein gutes Auskommen,
genoss die Achtung seiner Mitbürger und hat es zum Rathsherm gebracht.
Dass die Mutter eine vortreffliche Frau war, braucht nicht gesagt zu werden,
denn sonst hätte es der Sohn zu Nichts gebracht. Der Vater zeichnete sich
durch zwei Eigenschaften aus; hohe Bibelfestigkeit und grosse Achtung vor
Sprachkenntnissen; er Hess seine Söhne früh in neueren Sprachen unterrichten,
auch in solchen die nicht landesüblich waren.
Der Knabe wurde der Wohlthat einer Gymnasialbildung fähig und er
eignete sie sich in vollem Umfange an. Den künftigen Philologen erkennt
man daran, dass er den Pythagoräischen Lehrsatz nicht begreift; der künftige
Historiker lernt nicht Roggen von Weizen unterscheiden. Und der grosse
Musiker ist ein schlechter Turner. St. war ausgezeichnet in allen Fächern;
alte und neue Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften, Geschichte und
Geographie, Religion, Gesang, Zeichnen und Turnen. Die Kenntnisse, die er
erworben hatte, blieben ihm treu sein Leben hindurch. Es gab in seinem
späteren Leben keinen Tag, an welchem er das Abiturientenexamen — nicht
etwa von Neuem hätte machen können; das wäre eine Kleinigkeit gewesen,
— nein, an dem er es einer Anzahl von Prüflingen nicht hätte abnehmen
können.
Zu der Wohlthat der Gymnasialbildung noch diejenige der Universitäts-
bildung zu ftigeh, blieb ihm versagt. Ich nehme an, dass die Mittel des
Vaters ausgereicht hätten, sie ihm zu gewähren, wenn er nur diesen einen
Sohn besessen hätte, aber es war eine Schaar von jüngeren Kindern da. Jedoch
die Universitätsbildung, so schätzbar sie ist, ist nicht alleinseligmachend; es
gicbt Mittel, sie zu ersetzen: fortgesetztes Privatstudium, Reisen und ein heller
Blick in die Welt. Alle diese Mittel hat er benutzt.
Mit sechszehn Jahren hatte er das Gymnasium absolvirt, etwas zu früh,
um in das praktische Leben sofort eintreten zu können ; die nächsten vor ihm
von Stephan. loy
liegenden Monate benutzte er hauptsächlich, um in dem Sortimentsbuchladen
seiner Vaterstadt so viel Bücher zu lesen, als möglich war.
Ueber seine Berufswahl hat er nicht einen Augenblick geschwankt; er
war überzeugt, dass die Postlaufbahn, die unzähligen seiner Altersgenossen
als eine öde Schreiberei erscheint, ihm volle Befriedigung seiner Sehnsucht
bringen würde. Der Gedanke, einmal Generalpostmeister zu werden, lag ihm
nicht fem, wenn er auch nicht erwartet haben wird, das Ziel so schnell zu
erreichen.
Die ersten sieben Jahre wurde er in kleinem Dienst beschäftigt, in Marien-
burg und Danzig, dann nach abgelegter Assistentenprüfung am 6. November
1 85 1 in Cöln, wo sich sein geistiger Gesichtskreis erheblich erweitert. Unter-
brochen wurde diese Dienstzeit auf ein Jahr dadurch, dass er in Magdeburg
seiner militärischen Pflicht bei der Artillerie genügte.
Ueber diese sieben Jahre hat die Legende manchen Nebel verbreitet,
den zu zerstreuen unmöglich ist. Er soll ab und zu die Unzufriedenheit
eines Vorgesetzten in so hohem Grade auf sich gezogen haben, dass ihm
dieser den Rath gab, seine Carri^re zu verlassen und Journalist zu werden.
Das Wahre an dieser Legende wird das sein, dass er zuweilen das Mechani-
sche des Dienstes recht drückend empfunden hat, aber doch auf der andern
Seite durch einzelne hervorragende Leistungen die Aufmerksamkeit auf sich
gezogen hat. Jedenfalls bewegt sich sein Leben vom 13. Januar 1855 ^^*
wo er die Prüfung für das höhere Postfach zum frühsten zulässigen Termin
bestand, in stark aufsteigender Curve. Er wird am 2. Februar 1855 Post-
sekretär, am I. Mai 1855 Postkassen-Controlleur in Frankfurt a. O., am
13. Januar 1856 Hilfsarbeiter im General-Postamt, am i. Mai 1856 Geheimer
expedirender Sekretär, am 14. August 1858 Postrath bei der Oberpostdirektion
in Potsdam, 1863 Oberpostrath im General-Postamt, 1865 Geheimer Postrath
und vortragender Rath, am 26. April 1870 General-Postdirektor des deutschen
Bundes.
Eine höhere Stellung konnte er in der von ihm erwählten Laufbahn
nicht mehr erringen. Aber die Stellung selbst hat sich noch mehrfach ver-
ändert. Die Erweiterung des Norddeutschen Bundes zum deutschen Reiche
hatte von selbst die Folge, dass er nunmehr General-Postdirektor des deut-
schen Reiches wurde. Die Reservatrechte, welche sich Bayern und Württem-
berg in Beziehung auf die Verwaltung der Post zu erringen gewusst hatten,
schlössen nicht aus, dass sie der Gesetzgebung des Reiches unterworfen waren.
Im Jahre 1875 wurde die Telegraphenverwaltung mit der Postverwaltung ver-
einigt und St. trat auch an die Spitze der letzteren; von 1876 ab heisst er
nun General-Postmeister. Im Jahre 1879 wurde ein dritter Verwaltungszweig,
die Leitung der Reichsdruckerei ihm übertragen. Im Jahre i88o wird aus
Gründen, die mit dem Verwaltungsrecht des deutschen Reiches zusammen-
hängen, der Titel abermals verändert. Er heisst fortan Staatssekretär des
Keichspostamts, und als solcher ist er gestorben, wie Fürst Bismarck es für
sich gewünscht hat, »in den Siehlen«, noch auf dem Sterbelager mit Amts-
geschäften beladen.
An äusseren Ehren hat es ihm nicht gefehlt. Die zahlreichen Orden,
die sich bei einer so hohen Stellung von selbst verstehen, können hier über-
gangen werden. Im Jähre 1872 wird er zum Mitgliede des Herrenhauses
aus persönlichem Vertrauen des Königs ernannt; 1873 verleiht ihm die Uni-
versität Halle durch Ertheilung des philosophischen Doktordiploms den wissen-
Iq8 von Stephan.
schaftlichen Adel. Im Jahre 1884 wird er als Mitglied in den Staatsrath
berufen, im Jahre 1885 in den erblichen Adelsstand erhoben. Die Würde
eines Domherrn in Merseburg wurde ihm im Jahre 1890 verliehen. Das be-
darf für den nichtpreussischen Leser, der nicht begreift, wie man Domherr
sein kann, ohne Theolog zu sein, einer Erläuterung. Es bestehen in Preussen
als Reste einer mittelalterlichen Vergangenheit einige Domstifter, deren Mit-
glieder vom Könige ernannt werden und einige Competenzen beziehen, ohne
Pflichten zu übernehmen. Dass der König ihm eine solche Auszeichnung ver-
lieh, war eine besondere Auszeichnung, da in der Regel adelige Geburt er-
fordert wird. Endlich erhielt 1895 St. den Rang eines Staatsministers.
Absichdich ist der äussere Rahmen dieses Lebens so knapp als möglich
gehalten. Der Inhalt dieses Lebens trägt sich in systematischer Darstellung
besser vor, als in chronologischer.
Der wirthschaft liehen Grundsätze, von denen St. sich bei der Ver-
waltung der Post leiten Hess, lassen sich drei aufführen. Zunächst muss die
Post dem Publikum die Gelegenheit zu schreiben möglichst nahe rücken. Sie
muss ihm das Schreiben nicht allein erleichtem, sondern sie muss ihn geradezu
dazu verführen. Sie hat das Bewusstsein, ihn dadurch zu keiner unnützen
Geldausgabe zu verführen, denn Briefe zu schreiben ist ein gar nützliches
Werk. Auch der Brief, der weder dem Schreiber noch dem Empfänger einen
unmittelbaren Geldgewinn abwirft, ist nicht verloren, denn er dient der gei-
stigen Anregung und der Erhebung des Gemüths. Er unterhält die Beziehun-
gen von Mensch zu Mensch und erhöht die Lebensfreude. Darum muss,
wenn Mohamet nicht zum Berge kommt, der Berg zu Mohamet kommen und
dem Menschen, der nicht zur Post kommt, muss die Post näher kommen, darum
eine starke Vermehrung der Postanstalten, der Briefkästen, der Botengänge.
Die Postanstalten müssen hinausgehen auf das flache Land, auf die Höhe der
Berge. Der Briefträger muss den Brief in jede Hütte bringen und darf von
dem Landbewohner nicht fordern, dass dieser sich seine Correspondenz von
der Post abholen lässt. Nichts erleichtert aber das Briefschreiben so sehr,
als die Benutzung der offenen Postkarte, bei der man den Briefumschlag
und dessen Verschluss erspart, in der die Kürze aufhört eine Unhöflichkeit
zu sein und zur Tugend wird. Die Einführung der Postkarte war ein Lieb-
lingsgedanke St.'s, als er sich noch in untergeordneter Stellung befiand, und
nachdem er hier damit gescheitert war, wurde sie seine erste That, nachdem
er Chef geworden war. Dem Gedanken an die Einführung der Postkarte
haben noch andere nachgehangen, aber St. war der Columbus, der das Ei
auf die Spitze stellte.
Der zweite wirthschaftliche Gedanke war die Vereinfachung der Be-
triebseinrichtungen für den Beamten sowohl wie für das Publikum. IMe
heutige Jugend, die im Besitze des Erworbenen heranwächst, hat keine Vor-
stellung mehr davon, wie das Postwesen vor vierzig Jahren beschaffen war,
so wenig sie sich den Zustand des Geldwesens jener Zeit vergegenwärtigen
kann und es wäre eine ebenso schwierige als unerfreuliche Aufgabe, ihr das
Bild vor die Augen zu führen. Auszurechnen wann ein Brief von einem Orte
an den anderen gelangen könne, auf welchen Wegen er geleitet werden müsse
und wie viel er kosten würde, war eine Aufgabe, die Wissen und Scharfsinn
erforderte. Anzugeben, wie viel Zöpfe St. abgeschnitten hat, würde unnütz
sein; es genügt zu wissen, dass sie alle am Boden liegen.
Als einer der wesentlichsten Arbeiten der Vereinfachung erschien ihm die
von Stephan. ioq
Verschmelzung der Post mit der Telegraphie, die ihm von jeher am Herzen,
gelegen hatte. Die Telegraphen Verwaltung hatte mit Mangel an Rentabilität
zu kämpfen; die einfache Anordnung, dass jeder Postbeamte zugleich Tele-
graphenbeamter ist und umgekehrt, verringerte die Verwaltungskosten.
Und nun begann das Bestreben, jeder Veränderung des Verkehrs den
Posteinrichtungen so eng als möglich anzuschmiegen; in dieser Beziehung
hatte St. einen praktischen Blick und verstand es, die ihm untergeordneten
Beamten zu gleich scharfer und schneller Auffassung heranzuziehen. Er ver-
lieh auch dem inneren Gebiete der Verwaltung die höchste Einfachheit, be-
seitigte den schleppenden Geschäftsstil und nutzlose Schreibereien. .
Der dritte Grundsatz endlich war die Verwohlfeilerung der Briefe.
Was darüber zu sagen ist ergiebt sich von selbst und braucht nicht näher
ausgeführt zu werden. Nur der Punkt mag hervorgehoben werden, dass die
Einführung der Worttaxe fiir Telegramme sich als ein wesentliches Mittel der
Verwohlfeilerung erwiesen hat. Früher bestand die Einrichtung, dass zwanzig
Worte als die Mindestlänge eines Telegrammes angesehen würden und der
Tarif von zehn zu zehn Worten fortschritt.
Den wirthschaftlichen Verbesserungen gingen technische zur Seite. Auf
dem Gebiete der Post war hier weniger zii thun, doch wurde der zweck-
mässigsten Einrichtung der Briefkästen, der Postwagen und so weiter stets
grosse Aufmerksamkeit zugewendet. Der wichtigste Schritt war hier die Be-
nutzung der comprimirten Luft zu Postkarten durch die Einführung der Rohr-
post. Durch ein ausgedehntes Röhrensystem und die Aufstellung geeigneter
Maschinen wurde es möglich, einen Brief in Berlin auf acht Kilometer in
sechszehn Minuten zu befördern und ihn in weniger als einer Stunde vom
Augenblick der Einlieferung auf der Postanstalt in die Hände des Empfängers
zu befördern.
Wichtiger als für die Post ist die Technik für die Telegraphie, denn
diese beruht auf der jüngsten und lebenskräftigsten der Wissenschaften, auf
der Elektrotechnik. St. war kein berufsmässiger Elektrotechniker, denn
dieser Beruf erfordert die ungetheilte Kraft des Menschen. Er hat keine
gelehrten Entdeckungen und keine scharfsinnigen Erfindungen gemacht. Allein
er besass eine Gabe, die für sein Amt unentbehrlich war. Ich möchte einen
allgemeinen Satz formuliren. Jeder höhere Beamte, der Verwaltungsbeamte
sowohl wie der Richter, muss von jedem Zweige des menschlichen Wissens
so viel Kenntnisse besitzen, dass er im Stande ist, verständige Fragen zu
stellen. Dieser Anforderung genügte St. und er ging noch einen Schritt
weiter. Der ihm befreundete Grossmeister der Wissenschaft, Werner von Sie-
mens hat ihm bezeugt, dass er nicht allein jeden Fortschritt der Wissenschaft
mit Verständniss gefolgt ist, sondern auch wichtige Anregungen gegeben hat.
Im Jahre 1879 gründete er in Berlin den elektrotechnichen Verein,
dessen zweiter Vorsitzender er bis an sein Lebensende geblieben ist. Die von
ihm bei festlichen Veranstaltungen hier gehaltenen Reden haben wegen ihres
weiten Gesichtskreises stets berechtigte Aufmerksamkeit erregt, und bei Er-
öffnung der elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main 1891 hat er
eine Rede gehalten, die man als eine Philosophie der Elektrotechnik be-
zeichnet hat.
Er war der erste, der von der praktischen Verwendbarkeit des Tele-
phons und von der Wichtigkeit dieser Erfindung eine klare Vorstellung ge-
habt hat, und hat für seine weite Verbreitung das Mögliche gethan. Er hat
200 von Stephan.
es sich auch nicht nehmen lassen, der Wittwe des ersten Urhebers dieser
Erfindung, des deutschen Volksschullehrers Reis, eine Pension zu verschaffen.
Vom Jahre 1875 an hat er der Legung unterirdischer Kabel seine
Aufmerksamkeit zugewendet und seine Thätigkeit in dieser Beziehung ist be-
sonders bemerkenswerth, weil er die Anregung gegeben hat, dass der deutsche
Gewerbefleiss sich dieser Thätigkeit bemächtigt und darin grosse Erfolge er-
zielt hat.
Wirthschaftliche und technische Erfolge zu erzielen ist verdienstlich, aber
es gentigt für den Leiter einer grossen Ver^'altung nicht. Er muss auch den
finanziellen Erfolg im Auge haben. Der Techniker gleicht nur all zu oft
dem verliebten Thoren, der Sonne, Mond und alle Sterne dem Liebchen zu
Liebe verpufft. St. war ein guter Finanzmann; er hat stets darauf gehalten,
dass die Post grosse und wachsende Ueberschüsse abwarf. Er hat es nicht
aus fiskalischer Engherzigkeit, sondern der Sache zu Liebe gethan. Er fand
in der finanziellen Einträglichkeit die sichere Gewähr dafür, dass er mit Fort-
schritten stets fortfahren könne. Er war ein Anhänger des Satzes: Qui va
sano va lontano. Und hier ist es an der Zeit, eine Betrachtung einzu-
schieben.
St. hat den Höhepunkt seiner Popularität überlebt. Es wurden ihm Vor-
würfe gemacht, dass er in den letzten Jahren seines Lebens stillgestanden sei.
Diese Vorwürfe haben ihn gekränkt, vielleicht sogar verbittert. Wären sie
auch in der Sache begründet gewesen, so wurden sie doch in einer Form
vorgetragen, welche die Dankbarkeit für frühere Verdienste vergessen Hess.
Die demagogische Richtung hatte sich der Sache bemächtigt.
Es sind drei Fälle denkbar. Entweder die Vorwürfe waren begründet
und St. hat dem Alter durch Abnahme seiner Energie einen Zoll bezahlt.
Oder der Vorwurf war zwar begründet, aber an die falsche Adresse gerichtet.
St. hat die Absicht gehabt, weiter vorwärts zu gehen, hat aber bei der Finanz-
verwaltung Schwierigkeiten gefunden. Oder drittens die Vorwürfe waren auch
in der Sache unbegründet. Alles in der Welt hat seine Zeit, Verschieben hat
seine Zeit und Verschnaufen hat auch seine Zeit. St. hat die Ueberzeugung
gewonnen, dass es an der Zeit sei, mit grösseren Maassregeln für eine Zeit
lang innezuhalten ; an kleineren Verbesserungen hat es bis zum letzten Augen-
blick nicht gefehlt. Welche dieser drei Annahmen die richtige sei, ist eine
Frage, die noch nicht spruchreif ist; ich neige mich persönlich der letz-
teren zu.
Ich gehe nun weiter. Es ist kurz skizzirt, was St. im Innern geleistet
hat; nun ist zu zeigen, wie er die von ihm gehegten Grundsätze auf weitere
Kreise übertragen hat. Der kosmopolitische Postmann erheischt eine Be-
trachtung.
Am 17. Juli 1866 rückte er mit den siegreichen preussischen Truppen in
Frankfurt ein, belegte die Geschäftsbücher und Akten der Thum- und Taxis-
schen Post mit Beschlag und schuf so die Grundlage für Verhandlungen,
welche damit abschlössen, dass die Taxissche Post aufgehoben, im Wege des
Vertrages abgelöst und mit der Preussischen, nunmehr Deutschen Post ver-
schmolzen wurde. Die Posteinrichtungen, welche im Jahre 1516 Fürst Fran-
cesco de Taxis geschaffen, waren einst ein gut Stück Fortschritt gewesen;
nunmehr waren sie zum Abbruch reif. Die Verschmelzung der Post von
Schleswig-Holstein und von Hannover mit der Preussischen machte auch
mancherlei Arbeit; tiberall fand man Verschiedenheiten der Organisationen
von Stephan. 20i
und Instruktionen, die mit kräftiger Hand ausgeglichen wurden; die Krönung
des Werkes war aber doch, als nach abgeschlossenem Vertrage • die Taxissche
Post ihre Thätigkeit einstellte und nunmehr für den norddeutschen Bund nur
eine einzige Postinstitution bestand. Der Abschluss dieses Vertrages, den St.
noch als vortragender Rath vollzog, bahnte ihm den Weg zu seinen höheren
Stellungen. Sie war sein Gesellenstück, das wohl fiir ein Meisterstück hätte
gelten können, wenn er es nur dafür hätte gelten lassen wollen.
Bald darauf gab es neue Arbeit. Im Jahre 1872 wurde die Badische
Post und im Jahre 1875 ^^^ elsässisch-lothringische, die auf den zwar guten,
aber völlig abweichenden französischen Einrichtungen beruhte, mit der deut-
schen verschmolzen.
Doch Alles das war nur Vorbereitung für das nahe Meisterstück, für den
Abschluss des Weltpostvertrages.
Am 15. September 1874 trat in Bern die Conferenz zusammen, die den
Grundstein zu diesem grossen Werke legte. Am 9. Oktober desselben Jahres
wurde der Vertrag geschlossen, durch den der Allgemeine Postverein ge-
gründet wurde. St. hatte es vorbereitet und durch alle Schwierigkeiten hin-
durchgefuhrt. Auf den Postkongressen in Paris (1878), Lissabon (1885),
Wien (1890), Washington (1897) wurde es fortgeführt. Auf dem letzteren
schlössen sich die letzten Staaten, die kultivirt genug sind, um überhaupt
eine Post zu haben, dem Weltpostverein an. St. hat es nicht mehr erlebt,
aber vorausgesehen. Es ist der erste Vertrag, der die ganze gesittete Welt
umspannt, ein Vertrag, der so lose ist, dass ihn jeder einzelne Staat in jedem
Augenblick mit Jahresfrist kündigen darf und doch so fest, dass ihn nie ein
Staat kündigen wird. Er lässt jedem Staate die vollständigste Freiheit der
Verwaltung und bindet ihn nur an wenige Grundsätze, die ihm selbst zum
Vortheil gereichen. Er schafft einen Posttarif, der für die ganze Welt gilt
und nur wenige Zeilen umfasst, während fünfzig Jahre früher der Posttarif
für Deutschland allein einen dicken Band bildete.
Die Post bedarf, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, gewisser Mittel
und diese Mittel wachsen mit ihren grösseren Zielen. Sie bedarf eines Rechts,
auf dem sie fusst, bedarf der Beamten und der Gebäude.
Das Postrecht beruht auf dem Reichsgesetze vom 28. Oktober 1871,
einem überaus trefflichen Gesetze, von dem man mit Bedauern sehen muss,
dass kaum ein Jahr nach St.'s Tode an seinen Grundlagen gerüttelt wird,
um einen gesunden privaten Gewerbebetrieb aus fiskalischen Gründen zu ver-
nichten. St. hatte den Grundsatz, Nichts für die Post in Anspruch zu nehmen,
was Private besser können als sie und so Hess er den lokalen Briefverkehr
jenen Privatuntemehmungen. Er scheute sich dagegen nicht, Regalien für
die Post in Anspruch zu nehmen, wo er sie für nothwendig hielt und das
war in Beziehung auf das Telegraphenwesen in sehr umfassender Weise der
Fall. Seine Forderungen wurden durch des Gesetz über das Telegraphen-
wesen am 6. September 1892 erfüllt. Die einzelnen ergänzenden Gesetze und
Reglements hier aufzuführen liegt ausserhalb der gestellten Aufgabe.
Seinen Beamtenstand suchte er in jeder Weise zu heben. Einerseits
stellte er hohe Anforderungen an die Vorbildung der höheren Beamten; an-
dererseits Hess er sich die Verbesserung der Gehälter und die Schaffung von
Wohlfahrtsanstalten angelegen sein. Krankenkassen, Unterstützungskassen, Ver-
sorgungsanstalten für Waisen, Rentenversicherungen, Konsumvereine und ähn-
liche Anstalten sind durch ihn in grosser Anzahl angeregt und zum Theil
202 von Stephan.
geschaffen worden. Ob er dabei hin und wieder zu weit gegangen ist, bleibt
eine offene Frage. Für die wissenschaftliche Hebung schuf er eine Post-
und Telegraphenschule und eine Postbibliothek. Die Criminalität der Post-
beamten hat sich unter seiner Verwaltung in auffälliger Weise vermindert. Er
hat einen Stamm von höheren Postbeamten geschaffen, der im Stande ist,
sein Werk in seinem Geiste fortzuführen, vorausgesetzt, dass nicht störende
Elemente eindringen. Auf der anderen Seite hielt er auf sehr strenge Disciplin
und war der Ausübung des Vereins- und Petitionsrechts durch seine Beamten
abgeneigt. Die Zeit muss darüber entscheiden, ob er nicht auch in dieser
Beziehung Recht gehabt hat. Viele einzelne Züge werden von ihm angeführt,
aus denen hervorgeht, dass er gegen Beamte, die zwar gegen eine Vorschrift
Verstössen hatten, aber doch mildernde Umstände anführen konnten, die ver-
diente Milde walten Hess.
Eine erstaunlich umfassende Thätigkeit entwickelte er auf dem Gebiete
des Postbauwesens. Es sind unter seiner Verwaltung 280 Postgebäude des
Reichs mit einem Kostenaufwande von 115 Millionen Mark hergestellt worden.
Sein oberster Grundsatz dabei war, dass die Post für ihre Thätigkeit ge-
nügenden, auch für absehbare Zukunft ausreichenden Raum haben müsse.
Daran schloss sich die zweite Forderung, dass die Räume zweckentsprechend
und der Gesundheit nicht nachtheilig seien. Die dritte Forderung war die,
dass die Gebäude solide und dauerhaft aufgeführt seien und daran schloss
sich die vierte, dass sie so schön seien, als sich ohne wesentiiche Verletzung
von Grundsätzen der Sparsamkeit ermöglichen lasse. Wenn diese vier Grund-
sätze allgemein anerkannt wurden, so stiess der fünfte auf Widerspruch, dass
es unter Umständen Nichts schadet, wenn zur Erzielung der Schönheit auch
gewisse finanzielle Opfer gebracht wurden.
Von künstlerischer Seite ist in der lebhaftesten Weise anerkannt worden,
dass die Postbauten sich durch die Abwesenheit jeder Monotonie rühmlich
auszeichnen. Sie schliessen sich in jeder Stadt dem dort herrschenden Baustil
an und jedes Gebäude trägt einen individuellen Charakter. Er war nicht
abhängig von den Vorschlägen seiner Bauräthe, sondern verwarf deren Ent-
würfe, nöthigenfalls mehrere Male, wenn sie seinen Ansprüchen nicht genügten.
Er hat heftige Kämpfe im Reichstage aus finanziellen und ausserhalb
desselben aus ästhetischen Gründen zu bestehen gehabt, aber es lässt sich
wohl abschliessend jetzt schon das Urtheil fällen, dass er auf der ganzen
Linie Sieger geblieben ist.
Die Besprechung der Postbauten hat von selbst dazu geführt, zu be-
merken, dass die Post als ein wesentliches Culturelement Beziehungen zur
Kunst hat. St. war eine künstlerisch empfängliche Natur; er übte und liebte
die Musik, sammelte mit Geschmack alte Bilder, Hess sich bei Tischreden
oder sonstigen Gelegenheiten in Versen gehen und hat dann auch unter dem
Namen eines »Poststammbuches« eine Sammlung von Gedichten und Auf-
sätzen zu Stande gebracht, die sich auf die Post beziehen.
Als ein Culturelement hat die Post aber auch Beziehungen zur Wissenschaft
und diese hat St. in der ernstesten Weise gepflegt. Die Bedeutung, welche die
Verkehrseinrichtungen für das Culturleben der Menschheit haben, hat er im
Geiste zu jeder Zeit erwogen. In einem gedruckt vorliegenden Vortrage über »Welt-
post und Luftschiffahrt« hat er eine der entzückendsten Plaudereien geschaffen,
die je geschrieben sind. Von dem Augenblicke an, wo Jemand zum ersten
Male ein Pferd bestieg, oder einen Baumast als Schleife brauchte, bis zu dem
von Stephan. 203
zukünftigen Zeitpunkt, wo das lenkbare Luftschiff die heute üblichen Ver-
kehrsmittel ersetzt, geht eine Reihe von bunten Bildern an unserem Auge
vorüber. Eine Fülle von Anekdoten, geschichtiichen , sprachlichen, natur-
wissenschaftlichen Belehrungen fluthet über uns her. Man hat den Eindruck,
dass ein Mann, der vor einer reich versehenen Speisekammer steht, aus der-
selben nur eben so viel herausnimmt, dass er uns ein Frühstück vorsetzen kann,
welches den Appetit zum Mittagessen reizt.
Zwei längere Abhandlungen besprechen »das Verkehrsleben im Alterthum«
und »das Verkehrsleben im Mittelalter«. Sie beschränken sich nicht auf das
Gebiet der Verkehrseinrichtungen, sondern können als ein Abriss der Han-
delsgeschichte betrachtet werden. Von Philologen und Historikern sind sie
als mustergiltige, auf Quellenstudium beruhende Werke bezeichnet worden.
Mehr als achthundert Seiten ftillt seine »Geschichte der Preussischen
Post«, die durchweg archivalisches Material erschlossen hat und von Röscher
als ein hervorragendes Werk auf dem Gebiete der Nationalökonomik be-
zeichnet wurde.
Zur Unterstützung der wissenschaftlichen Erforschung der Verkehrsge-
schichte schuf er in Berlin das Postmuseum, eine Sammlung von Gegen-
ständen jeder Art, die auf einen Zweig der Post oder Telegraphie Bezug
haben. Modelle von Posthäusem und Maschinen, Apparate, Abbildungen,
Briefmarken, Originale alter Briefe und andere Dinge sind hier systema-
tisch vereinigt. Die Sammlung steht ohne Gleichen da und hat vielen Neid
erregt.
Die Beschäftigung mit anderen Formen des Verkehrs als Post und Tele-
graphie konnte einem Manne wie St. nicht fem bleiben. Der Dampfschiff-
fahrt hat er dadurch Vorschub geleistet, dass er zunächst deutsche Dampf-
schiffe mit der Beförderung der deutschen Post betraute und sodann die
deutschen Dampferverbindungen mit Afrika, Ostasien und Australien, denen
er eine staatliche Subvention verschaffte, in das Leben rief.
Mit dem Eisenbahnwesen hat er sich anhaltend in der Weise beschäftigt,
dass er Präsident der Eisenbahncommission des Herrenhauses war. Es war
ein Lieblingsgedanke von ihm, dass sich die Eisenbahnverwaltung in einer
Weise müsse gestalten lassen, die der Post- und Telegraphenverwaltung sehr
ähnlich sei, am liebsten sich mit ihr verschmelzen lasse. Allem Anschein
nach hatte Fürst Bismarck in einem bestimmten Zeitpunkte an ihn be-
stimmte Erwartungen geknüpft, denen zu entsprechen er sich bemühte.
Es kam dann wohl zu der auffallenden Erscheinung, dass der Staats-
minister, der die Eisenbahnverwaltung zu leiten hatte, von einem Mitgliede
der Staatsregierung, das nicht als solches, sondern in der Rolle eines unver-
antwortlichen Mitgliedes des Herrenhauses auftrat, sehr heftig angegriffen
wurde. Es scheint indessen, als habe St. allmählich die Ueberzeugung ge
Wonnen, dass seine das Eisenbahnwesen betreffenden Pläne noch nicht hin-
reichend ausgereift seien, und er hat Abstand davon genommen, sie weiter
zu verfolgen.
Ehe wir von der Thätigkeit, die er auf dem Gebiete des Verkehrswesens
entfaltete, Abschied nehmen, haben wir noch einer Schöpfung zu gedenken,
die St. nicht für die Dauer, sondem für einen vorübergehenden Zweck in
das Leben rief, die aber hohe Bewunderung erregt hat; es war die Feldpost.
Noch niemals hatte ein kämpfendes Heer mit der Heimath in so ununter-
brochener und enger geistiger Verbindung gestanden, als dies dem deutschen
204 ^^^ Stephan.
Heer wäh>*end des französischen Krieges beschieden war. Es ist kein Zweifel,
dass diese enge Verbindung den Muth und die Stimmung der Truppen
wesenthch gehoben hat, und diese Leistungen sind denn auch im Reichstage
und an anderen Stellen als ein Element des Sieges gewürdigt worden.
Man steht nicht ein Menschenalter hindurch an der Spitze eines grossen
Verwaltungszweiges, man erhält nicht den Titel eines Staatsministers, wird
nicht Mitglied des Staatsraths und des Herrenhauses, ohne zugleich zum
Politiker zu werden.
Er hätte es in noch umfassenderer Weise sein können, als er es war.
Als Bismarck im Jahre 1879 nach der Entlassung Camphausen 's einen Finanz-
minister suchte, mit welchem er die Ideen seiner neuen Wirthschaftspolitik
durchfuhren konnte, wurde das Portefeuille auch St. angeboten. Ebenso war
mehrfach davon die Rede, ihn im diplomatischen Dienst zu verwenden und
jedenfalls wäre er den ihm gestellten Aufgaben gerecht geworden. Seine
Sprachkenntnisse befähigten ihn ebenso dazu wie die Gewandtheit, die er im
Abschluss von Postverträgen bewiesen hatte. Er zog es vor, Erster im Post-
fach als Zweiter in der Diplomatie zu sein.
Kein anderer Staatsmann hat sich auch nur annähernd so lange neben
dem Fürsten Bismarck auf seinem Posten erhalten. Man kann das nicht
darauf zurückfuhren, dass Bismarck mit Allem, was St. gethan, einverstanden
gewesen wäre. Im Gegentheil, er hat einmal im Reichstage erklärt, es ge-
schehe bei der Post manches, was seinen Ueberzeugungen zuwiderlaufe, aber
er vermöge es nicht zu ändern. Das deutet darauf, dass St. mit diplomati-
schem Geschick verstanden hat, sich auf seinem Posten zu erhalten. Ueber
politische Fragen, die sein Amt nicht berührten, hat er sich nicht ausge-
sprochen. Er war wohl schwerlich auf irgend ein Parteiprogramm einge-
schworen; vor eigentlich reactionären Velleitäten schützte ihn seine Bildung
und seine Erziehung. Aus seinen Schriften geht hervor, dass er in kirch-
licher Beziehung auf einem zwar frommen, aber doch auch freien Standpunkte
stand. Die Bibel und das Evangelium, aber nicht das Dogma waren ihm an
das Herz gewachsen.
Im Jahre 1869 wohnte er der Eröffnung des Suezkanals bei. Die
damalige Reise hat als Frucht eine Schrift über das heutige Aegypten hervor-
gebracht, die ein merkwürdiges Zeugniss für die umfassende Bildung des Ver-
fassers liefert. Er schildert Land und Volk, Landwirthschaft und Agrarver-
fassung, Regierung und Verwaltung, Finanzen, Cultus und Justiz, Handel,
Verkehr und Industrie. Das stoflfreiche Buch konnte nur in Nebenstunden
hingeschrieben werden, während der Verfasser mit Amtsgeschäften schwer
belastet war. Es ist ein Menschenalter seitdem vergangen, und Aegypten
hat seitdem eine reiche Geschichte — erlitten. Die statistischen Notizen sind
zum Theil veraltet. Und dennoch ist das Buch wegen des weiten Blickes,
den es bekundet, heute noch nicht allein lesbar, sondern auch unterrichtend.
Und vor allen Dingen liefert es einen Beweis dafür, wie St. zu sehen ver-
stand. Für die Sitten des Volkes, für die Eigenthümlichkeiten der Flora und
der Fauna, für Bodenverhältnisse und Gebirgsformationen findet sich das
gleiche Verständniss und die gleich sichere Herrschaft über die Elemente
des Wissens, welche es ermöglicht, den Vorrath der Kenntnisse zu erweitem.
St. war ein Meister der Sprachen, der fremden wie der deutschen. Bei
einem Festmahl hat er eine Ansprache, die er hielt, in den Idiomen aller
dort vertretenen Völker wiederholt. Von früh auf hat er die Fertigkeit im
von Stephan. 205
mündlichen und schriftlichen Gebrauch der lebenden Sprachen geübt. Um
die deutsche Sprache hat er sich ein Verdienst als deren Reiniger erworben.
Die Frage nach der Berechtigung der Fremdwörter ist eine solche, deren
vollständig befriedigende Lösung nie gelingen wird. Die Erfahrung spricht
dafür, dass St. das rechte Maass getroffen hat. Er hat Fremdwörter beibe-
lialten, fiir welche er einen guten Ersatz nicht fand, und für diejenigen, die
er beseitigte, haben die Ersatzwörter sich eingelebt. Das Beispiel, das er
gegeben hat, wurde in anderen Verwaltungszweigen, zunächst in Eisenbahn
und Rechtspflege, nachgeahmt. Die eigenen Schriften, welche wir von ihm
besitzen, geben ihm das Recht, den besten deutschen Stilisten neuerer Zeit
zugezählt zu werden.
St. war ein eifriger Jäger. Im Herrenhause wurde er einst zum Bericht-
erstatter gewählt, als ein neues Jagdgesetz berathen wurde. Es war das ein-
zige Mal, dass er als Redner in einer Frage aufgetreten ist, die seinem
eigentlichen Beruf so vollständig fem lag. Es lag ein eigenthümlicher Humor
darin, dass das Herrenhaus ihn zum Berichterstatter gewählt hatte, denn
einige Jahre zuvor hatte Graf Brühl bei seinen Standesgenossen bewegliche
Klage darüber geführt, dass man bei dem edlen Jagdvergnügen so häufig
durch »Krämer, Juden, Postschreiber und derartige unangenehme Gesellschaft«
belästigt werde. Und nun musste das Herrenhaus der Postschreiber Obersten
als die geeignetste Person herausfinden, um Bericht zu erstatten über eine
Angelegenheit, die ihm vor allem wichtig war. St. betonte, dass bei allen
germanischen Nationen das Jagdhandwerk als ein Kraftzusatz aufgefasst wor-
den sei. Selbstverständlich war er kein Sonntagsjäger. Seine Stellung brachte
ihm den Vortheil, dass er überall dort eingeladen wurde, wo die Jagd ein
besonderes Interesse gewährte. Die Geschichtsforschung hat den Tag auf-
gezeichnet, an welchem er seine erste Gemse geschossen hat ; es war der
31. Juli 1882.
Unter den Männern friedlicher Arbeit, die sich um den Kaiser Wilhelm I.
gesellt hatten, nimmt St. ohne Frage die erste Stelle ein. Er hinterlässt ein
Werk, das unvergänglicher ist als Erz. Den Lorbeer für die kriegerischen
Thaten eines Bismarck oder Moltke zollt das Volk, dem sie zum Vortheil
gedient haben; der Schöpfer des Weltpostvereins hat fiir die Menschheit ge-
arbeitet und deren Dank verdient.
Ueber die Bedeutung seines Werkes hat sich St. selbst mit der gezie-
menden Mischung von Stolz und Bescheidenheit ausgesprochen. Er hat die
günstigen Zeitumstände betont, die seinen Absichten entgegenkamen. Es ist
gewiss, dass der Mensch Wind und Strom nicht schaffen, sondern nur fiir
seine Werke benutzen kann. Fünfzig Jahre früher hätte der genialste Mann
an solche Pläne, wie St. sie ausgeführt, nicht einmal denken können. Aber
umgekehrt, die Gunst der Zeit nützt nichts, wenn nicht Jemand da ist, der
sie auszubeuten versteht. Reformen im Postwesen hätten sich am Ende auch
vollzogen, wenn ein St. nie gelebt hätte; vielleicht wäre es sogar auch einmal
zu einem Weltpostverein gekommen. Aber Alles hätte sich langsamer und
in unsicherer Weise vollzogen. Die Zeit hat St. ihre volle Gunst gewährt,
aber auch er ist ihr nichts schuldig geblieben.
Man darf wohl sagen, dass er ein providentieller Mann war. Sein Bil-
dungsgang, die Eigenthümlichkeit seiner geistigen Veranlagung war erforder-
lich, um eine so grosse Kraft concentrirt auf den Einen Punkt zu richten,
wie man die Hemmnisse des Verkehrs beseitigen könne, den zu heben die
2o6 von Stephan.
vornehmste Aufgabe unserer Zeit sei. Als das Werk der deutschen Wäh-
rungsreform einmal in das Stocken gerathen war, rief Bamberger aus, er sehne
sich nach einem Münz-Stephan. So sehr war schon den Zeitgenossen der
Name St. zu einem Typus geworden.
Er ist grossen Zielen nachgegangen, deren Erreichung, als sie zuerst
ausgesprochen wurden, unerreichbar erscheinen mochten. Und dennoch ist er
ein nüchterner Realist gewesen, der stets seine Kräfte wohl erwogen hat und
darum vor Fehlschlägen bewahrt geblieben ist. Er hat eben so wenig ge-
rastet, als sich jemals übereilt. Er hat auf dem Gebiete, das er beherrschte,
mit einer Selbständigkeit gehandelt, die sich vor jedem Eingriff zu hüten
wusste, und hat der Versuchung widerstanden, sich in andere Gebiete einzu-
mischen, in denen er vielleicht auch Tüchtiges, aber nichts Unwidersprech-
bares geleistet hätte.
Er verstand es nicht allein, gute Gedanken zu fassen, sondern sie auch
zu vertheidigen. Er war im Reichstage einer der schlagfertigsten und erfolg-
reichsten Redner. Er hat jeden Widerstand, der ihm entgegengesetzt wurde,
überwunden und hat wahrscheinlich an anderen Stellen manchen Widerstand,
der sich nicht öffentlich bemerkbar machen wird, gleichfalls überwunden.
Eine starke Dosis Humor kam ihm zu statten. Noch mehr aber entfaltete
sich dieser Humor, wo er sich mit der Polemik nicht zu paaren hatte. Seine
Tischreden waren berühmt; auf poetische Anreden oder Zuschriften hatte er
die Erwiderungsrede sofort bereit.
Zu seiner reichen geistigen Veranlagung gesellte sich eine glückliche
Körperbeschaffenheit. Ein schlanker und dabei doch muskulöser Körper, eine
tiefbräunliche Gesichtsfarbe, die auf Wetterfestigkeit deutete, Hessen ihn als
ein Urbild der Gesundheit erscheinen. Er war jeder Anstrengung, nament-
lich auch auf Reisen, gewachsen. Wie im Vorübergehn nahm er häufig die
Revision eines Postamts vor, und seinem scharfen Blicke offenbarten sich
sofort alle Schwächen.
Und doch war diese Gesundheit weniger dauerhaft als sie versprach. Es
hatte sich eine Zuckerkrankheit eingeschlichen, die dadurch verschlimmert
wurde, dass der Kranke sich keine Schonung gönnte. Ende 1896 hatte er
sich bei dem Ausschneiden eines Hühnerauges eine unbedeutende Wunde an
einer Zehe zugezogen, die, wie dies bei Zuckerkranken häufig vorkommt,
nicht wieder verheilen wollte. Vom 28. bis zum 30. Januar 1897 hatte er im
Reichstage in anstrengenden Debatten seinen Etat zu vertreten. Am 22. Februar
wurde ihm die erkrankte Zehe operirt, und am 3. April folgte die Amputation
des rechten Unterschenkels. Der Kranke hatte bis zum letzten Augenblick
Amtsgeschäfte erledigt, dabei sich den ärztlichen Anordnungen ohne Wider-
spruch gefügt und eine heitere, sogar vertrauensvolle Stimmung bewahrt.
Am 8. April machte der Brand seinem Leben ein Ende. »Die Welt hat ihn
verloren!« sagte Kaiser Wilhelm 11. an seinem Sarge.
Schriften. Geschichte der Preussischen Post von ihrem Ursprünge bis
zur Gegenwart. Berlin 1859. Leitfaden für schriftliche Arbeiten im Post-
fache. Berlin 1859. (Genannt: Der kleine Stephan.) Verschiedene Artikel
über Postwesen in der dritten Auflage von Rotteck und Welcker's Staats-
lexikon. Leipzig 1864 fgg. Das Verkehrsleben im Alterthum. (In Räumers
historischem Taschenbuch für 1868. Leipzig.) Das Verkehrsleben im Mittel-
alter. (In demselben für 1869.) Der Suezkanal und seine Eröffnung. Zwei
Artikel. (In Unsere Zeit, Jahrgang 1870.) Die Weltverkehrsstrassen zur
von Stephan. Einsle. 207
Verbindung des Atiantischen und Stillen Oceans. (Ebenda.) Das heutige
Aegypten. Leipzig 1872. Weltpost und Luftschiffahrt. Berlin 1874. Post-
stamnibuch. Berlin 1875. ^^^ Fremdwörter, Vortrag, gehalten im wissen-
schaftlichen Verein. Berlin 1877. Das Reichspostgebiet. Berlin 1878. (Topo-
graphisch-statistisches Handbuch.) Die Post im Reiche der Lüfte. (In:
O. Verederius, Das Buch von der Weltpost. Berlin 1885.) Orient 1891.
Berlin 1896. Eine sehr grosse Anzahl von kürzeren Aufsätzen und Abhand-
lungen sind in den verschiedensten Zeitschriften, meist ohne Angabe des
Verfassers, erschienen. Auch wird eine Sammlung von lyrischen Gedichten,
die nur für Freunde gedruckt ist, und manche ungedruckte Abhandlung er-
wähnt.
Biographisches. Das werthvollste Material enthält die unter dem Titel »Unter
dem Zeichen des Verkehrs« anonym erschienene Schrift, Berlin 1895. Sie ist von zwei
Beamten des Reichspostamts abgefasst und zum fUnfundzwanzigjährigen Jubiläum der Er-
nennung St.'s zum Generalpostmeister herausgegeben. Aus ihr haben die zahlreichen Ne-
krologe geschöpft, die in Zeitschriften erschienen sind. Von ihnen mögen erwähnt sein
derjenige von Hennicke in Westermann's Monatsheften, der selbständige Forschungen
über die Jugendzeit des Gefeierten enthält und derjenige in der Cosmopolis, von dem
Unterstaatssekretär Fischer, dem nächsten Mitarbeiter Stephan's. In Buchform erschien:
Heinrich von Stephan, ein Lebensbild von E. Krickeberg. (Dresden und Leipzig 1897.)
Eine ' besondere Seite behandelt: Weise, Stephan als Waidmann. Neudamm 1898. Eine
ausführliche Monographie unter Benutzung des brieflichen Nachlasses und der amtlichen
Schriftstücke ist dringend erwünscht.
Alexander Meyer.
EinslCy Anton, Buchhändler, * 1848 als Sohn des bedeutenden Portrait-
und Historienmalers A. Einsle in Wien, f ebenda am 11. October 1897. — Nach
Absolvirung der Ober-Realschule widmete er sich dem Studium der Chemie
und besuchte das Wiener Polytechnicum, trat aber auf Wunsch des Vaters
1868 als Beamter bei der Nordbahn ein und war als Stationsassistent zwei
Jahre in Brunn angestellt. Nebenher beschäftigte er sich als Violinist eifrig
mit Musiktheorie und nahm, nach Wien zurückgekehrt, Unterricht im Contra-
punkt. Nach Ausscheidung aus dem Beamtenstande wandte er sich dem
Buchhandel zu, den er in dem berühmten Antiquariat von C. Helf in Wien
erlernte. 187 1 eröffnete er mit L. Lang unter der Firma Lang & Einsle
eine Buchhandlung mit Antiquariat in Wien. Er trennte sich jedoch schon
im folgenden Jahre von seinem Freunde Lang, um in Dresden eine andere
bald emporblühende Buchhandlung zu gründen. Schon 1876 aber zog es
ihn in die Heimath zurück, wo er mit Erfolg ein neues Geschäft eröffnete.
Besonderes Vertrauten besass Einsle als Auctionator, wie die von ihm ver-
öffentlichten 84 Auctionscataloge beweisen, grossentheils die Bibliotheken be-
deutender Bibliophilen und Bibliomanen umfassend. Unermüdlich war er in
der Bereicherung seiner Kenntnisse auf den mit dem Buchhandel in Zusam-
menhang stehenden Gebieten. Besonders eifrig betrieb er das Studium der
Kupferstichkunde und der Malerei, und noch als Siebenunddrcissiger erlernte
er in der k. k. Lehr- und Versuchsanstalt die photographischen Verfahren,
auch Lichtdruck- und Heliogravüre, sowie Photolithographie. Die den Druck
ausgenommen von ihm hergestellte »Biblia pauperum« der Albertina und sein
»Holbein's Totentanz« werden als das Vollendetste auf diesem Gebiete ge-
rühmt. Diese und andere seiner photographischen Arbeiten wurden durch
neun Medaillen anerkannt. — Ganz bedeutend war E. als Bibliograph, wofür
seine »Bibliographie der Incunabel«, sein »Catalogus librorum in Austria pro-
2o8 Einsle. Wasmuth. Klinkhardt.
hibitorum« u. a. Arbeiten Zeugniss ablegen. — Gross waren seine Verdienste
um die Corporation der "Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler, sowie
des Vereins der österreichisch-ungarischen Buchhändler, deren Secretär er seit
1886 war. Er war femer Schatzmeister des k. u. k. Oberstmarschall-Amtes
des Kaisers und des Wiener Handelsgerichts. Auch als langjähriger Redacteur
der Oesterreichisch-Ungarischen Buchhändler-Correspondenz bethätigte er seine
vielseitige Arbeitskraft. Schliesslich ist noch hervorzuheben, dass er 1895
und 1896 als fortschrittlicher Candidat für den zweiten Wahlkörper des Be-
zirkes Innere Stadt in den Gemeinderath gewählt wurde. E. starb nach
längerem schweren Leiden im Rudolfinenhause in Döbling bei Wien.
VergL Friedrich W. Goldschmidt im Börsenblatt f. d. deutsch. Buchh.- 1897. No. 237.
H. Ellissen.
Wasmuth, Ernst, Buchhändler, * am 28. März 1845 ^^ Regenthin bei
Woljdenberg, Kreis Amswalde, f 3. October 1897 zu Wiesbaden. — W. er-
lernte nach dem Besuch der Gymnasien zu Landsberg a. W. und Frankfurt a, O.
in der Trautwein' sehen Buchhandlung (Martin Bahn) zu Berlin den Buchhan-
del. Mitte der sechziger Jahre ging er nach Paris und wurde Vertreter des
berühmten Hauses Morel, musste aber infolge des Krieges 1870 Frankreich
verlassen. Najch Berlin zurückgekehrt, gründete er am i. Mai 1872 unter der
Firma Ernst Wasmuth eine Specialbuchhandlung für Architectur, deren Theil-
haber am i. April 1874 sein am 7. Februar 1894 verstorbener jüngerer Bruder
Emil Eduard wurde. Innerhalb der gesteckten Grenzen wurden Verlag, Sor-
timent und Antiquariat betrieben, auch eine artistische Anstalt errichtet, die
Photographie, Lithographie, Steindruckerei, Zinkographie und Autotypie um-
fasste. Als Verleger entfaltete W. eine ausserordentliche Thätigkeit. Waren
die deutschen Künstler bisher fast nur auf französische und englische Quellen
angewiesen, so Hess er sich angelegen sein, die reichen deutschen Schätze in
grossen Tafelwerken zu reproduciren und der gesammten Künsderwelt zu er-
schliessen; aber nicht das allein, er rüstete Expeditionen von Gelehrten und
Photographen nach Spanien und England, nach Italien und Dänemark aus
zur Sammlung von Material für seine reichhaltigen Werke, die den Bedürf-
nissen der Architecten, Bildhauer und Maler entgegenkamen. Ausserdem liess
er nicht nur ganz Deutschland und Gestenreich, sondern die ganze Cultur^-elt
bereisen, um seinem Verlage und seinem Hause die weitesten Absatzgebiete,
der deutschen Kunst aber immer mehr Geltung zu verschaffen. Schon 1885
konnte er sein eigenes Haus in der Markgrafenstrasse 35 beziehen. Sein
2 5 jähriges Geschäftsjubiläum am i. Mai 1897 sollte er leider nicht lange über-
leben. Für seine schon damals angegriffene Gesundheit gewährte auch eine
Kur in Wiesbaden keine Genesung.
Vergl. Börscnbl. f. d. deutsch. Buchhandel. 1897. No. 260.
H. Ellissen.
Klinkhardt, Bruno, Buchhändler, war der zweite Sohn des Verlagsbuch-
händlers Friedrich Julius Klinkhardt, * am 24. August 1843 ^^ Leipzig, f am
17. November 1897 ebenda. — 1857 — 61 erlernte er bei E. Polz in Leipzig
die Buchdruckerkunst und war dann kurze Zeit in der kgl. Hof buchdruckerei
von C. C. Meinhold & Söhne in Dresden beschäftigt. Ende 1861 übernahm
er die Leitung der von seinem Vater erworbenen früheren Umlauf & Lüder-
schen Buch- und Notendruckerei, während sein älterer Bruder Robert schon
Rlinkhardt. von Hoefler.
209
früher in das bereits 1834 gegründete väterliche Geschäft eingetreten war.
1870 wurden beide Brüder Theilhaber, 1881, nach dem Tode des Vaters,
Alleinbesitzer des immer mehr emporblühenden Geschäfts. Hatte dieses sich
schon früh durch einen bedeutenden pädagogischen Verlag ausgezeichnet, so
Hess Bruno Klinkhardt, der bis zu seinem Tode die technische Abtheilung
des Hauses leitete, die Erweiterung der Buchdruckerei und die Errichtung
zahlreicher anderer Zweige, wie Lithographie und Lichtdruckerei, Schrift-
giesserei, Graviranstalt, Stereotypie, Galvanoplastische Anstalt, Messinglinien-
fabrik, Xylographische Anstalt, Buchbinderei u. s. w. sicK angelegen sein.
Wie manche Seite der von ihm ausgegebenen grossen Schriftprobenverzeich-
nisse beweist, trug die Schriftgiesserei nicht wenig zur Hebung des typo-
graphischen Geschmackes bei. Neben seiner vielseitigen Thätigkeit im
eigenen Geschäft machte er sich besonders auch verdient um Hebung der
socialen und gewerblichen Verhältnisse im Buchdruckerwesen. Viele im Laufe
der Jahre bekleidete Ehrenposten hatte er seinen bedeutenden Fachkennt-
nissen und dem Vertrauen seiner Berufsgenossen zu danken. Er war lange
Jahre Vorsitzender der Genossenschaft der Schriftgiesser-Invaliden- und Wittwen-
kasse, Vorstandsmitglied und Kassirer der Innung Leipziger Buchdruckerei-
besitzer, Vorsitzender des Deutschen Buchdruckervereins und des Kreises VII
(Sachsen) dieser Genossenschaft. Seine Verdienste, die er in diesen Stellun-
gen sich erwarb (u. a. auch um das Zustandekommen eines mit den Gehilfen
vereinbarten Lohntarifs) sind vielseitiger Art. Sie wurden beim 25 jährigen
Jubiläum des Deutschen Buchdruckervereins u. a. durch Ernennung zum
k. Sachs. Commerzienrath, Verleihung des k. preuss. Adlerordens, vor allem
aber bei Aufgabe seines Ehrenamtes 1897 vom Deutschen Buchdruckerverein
durch Stiftung einer vom Bildhauer Sturm angefertigten prächtigen silbernen
(Gedenktafel anerkannt. Durch Krankheit sah er in den letzten Jahren zur
Einschränkung seiner Thätigkeit sich gezwungen. Durch ein Vermächtniss
von 40000 M. erhöhte er das Kapital der zum Besten des Hauses Klinkhardt
errichteten Hauskasse auf 150000 M.
Vergl. »Den Manen Bruno Klinkhardt's. Erweiterter Sonderabzug aus der Zeitschrift
für Deutschlands Buchdrucker« (8. 20 S. mit Lichtdruck-Portrat). Druck von Dnigulm in
Leipzig (1897), sowie Börsenbl. f. d. deutsch. Buchhandel. 1897. No. 71. 136. 270 u. 1898.
No. 17).
H. Ellissen.
Hoefler, Constantin von, * am 26. März 181 1 zu Memmingen, f am
30. Dezember 1897 zu Prag, der hochverdiente Neubegründer deutscher Ge-
schichtsforschung und Geschichtsschreibung in Böhmen, der Nestor und einer
der verdientesten österreichischen Historiker überhaupt. Mannigfacher Schick-
salswechsel, aber auch verdienstvolle Arbeit und vielfacher Erfolg ward ihm
in seinem langen Leben zu Theil. Durch tüchtige Bemühung und unab-
lässige Selbstzucht, unterstützt von Natur durch einen feinen Verstand, tiefes
Empfinden, aber auch durch reiche körperliche Gaben, eine feste Gesundheit
und das männlich-schöne Aeussere, ist es ihm vergönnt worden, über manche
Entwickelungsstufen und schwierige Lebenslagen hinauf zur Höhe eines weit-
hin geschätzten Gelehrten und hochverdienten I^ehrers, zur Umsicht und Er-
fahrung des Staatsmannes, zur sicheren harmonischen Lebensführung des
Weisen emporzusteigen. War der Grundzug seines Wesens unbegrenzte Güte,
so dass er nicht zuletzt auch dort zu helfen versuchte, wo Förderung unmög-
lich oder nicht mehr am Platze war, so blieb er um so sicherer der stets
Biogr. Jahrb. a. Deatocber Nekrolot; . 'i. Bd. I ^
2IO von Hoeflcr.
besorgte Berather und Gönner seiner Schüler, der treueste verlässlichste Freund,
dabei bei aller Antheilnahme und allem Verdienste auch dem Jüngeren ge-
genüber ängstlich bemüht, das Individuelle zu respectiren, Lehrer im besten
Sinne, stets bestrebt, das Muster feiner Sitte und gerechter Denkungsart zu
sein, nicht blos zu heissen.
H. ward als Sohn des Gerichtspräsidenten geboren. Ungewöhnliche Be-
gabung, namentlich ein sicheres Gedächtniss und reiches Sprachtalent, aber
auch unbegrenzter Lerneifer und das lebhafteste Interesse für alles Wissenswerlhe
Hessen ihn in früher Jugend für die Gelehrtenlaufbahn berufen erscheinen.
In der That widmete er sich nach Absolvirung der Gymnasialstudien (zu
I^andshut a. d. Isar) den juristischen und sprachlich-historischen Fächern in
München und Göttingen, und fand namentlich an ersterer Universität, wo
Görres, Thiersch, DöUinger und Schelling wirkten, vielfach reiche Anregung,
wobei, wie natürlich nach seiner ganzen Naturanlage und Denkweise, der
Einfluss von Schelling voranstand. Aber noch mächtiger, als Worte und
Schriften der akademischen Lehrer waren die Führung durch einen feinsinnigen,
hochgebildeten, wahrhaft liberal denkenden Vater und rasdose Selbstthätigkeit,
die sich zunächst im Lesen, ja Verschlingen der Historiker, Philosophen und
Dichter des klassischen Alterthums und Mittelalters und aller besseren er-
reichbaren neueren Geschichtswerke kundthat. Im Jahre 1831 promovirte
H. mit der Dissertation: »Ueber die Anfange der griechischen Geschichte^.
Auch jetzt wurden die Studien mit dem früheren Eifer fortgesetzt. Im Jahre
1834 erhielt H. ein Stipendium zum Besuche Italiens, das dann nochmals
erneuert wurde. So vermochte er, im glücklichen Genüsse aller Mittel, um
die Anregungen des klassischen I^andes ganz und voll auf sich wirken zu
lassen, seine literarische und weltmännische Ausbildung zu vollenden.
Der Tod des Vaters zwang H. nach der Rückkehr von dem ultramon-
tanen Ministerium Abel die Stelle eines Redakteurs der »Münchener amtlichen
Zeitung« anzunehmen. Doch blieb ihm wenigstens die Müsse zur Fortsetzung
seiner wissenschaftlichen Arbeiten, so dass 1838 seine Aufnahme als Privat-
docent in die philosophische Fakultät der Universität München erfolgen konnte.
Eine Reihe rasch aufeinander folgender Schriften, in denen allen sich der Ein-
fluss von Görres und Schelling unverkennbar aussprach, verschafften H. bereits
1839 die Ernennung zum ausserordentiichen, 1841 zum ordentlichen Professor
der Geschichte m München, nachdem er der journalistischen Thätigkeit schon
früher wieder entsagt hatte. Obwohl energischer Widerspruch namentlich gegen
das Lehrbuch der allgemeinen Geschichte (Mittelalter, Bearbeitung des Breyer'-
schen Lehrbuches) und »Kaiser Friedrich II« nicht ausblieb, so gewann der
junge rastlos thätige Gelehrte doch stetig an Boden. Die Münchener Akademie
gewährte ihm die Mitgliedschaft. Als Lehrer erschloss sich ihm eine lohnende
Thätigkeit, der er mit Begeisterung oblag. Er hatte sich durch seine Ver-
mählung mit der ihm durchaus geistesverwandten Isabella Hofmann einen
häuslichen Herd geschaffen, dem das schönste Familienglück nicht fehlte, als
die Ungnade König Ludwig' s, zufolge der Affaire Lola Montez, neben den
anderen Professoren seiner Richtung (Döllinger, Phillips, Lasaulx) auch H.
traf: am 26. März 1847 erhielt er seine Pensionirung. Erst nach fünf Jahren,
die er in eifrigster wissenschaftlicher Thätigkeit am Kreisarchiv zu Bamberg
zubrachte — die Quellensammlung zur fränkischen Geschichte, die fränkischen
und böhmischen Studien und zahlreiche Aufsätze und Vorträge entstammen
jener Zeit — ward er der akademischen Thätigkeit zurückgegeben durch seine
von Hoefler. Herbig. 2 1 1
Berufung als Professor der Geschichte an die Universität Prag. Gleich den
anderen damals aus Deutschland berufenen Professoren fand H. in Oester-
reich ein weites, schwieriges aber fruchtbares Arbeitsfeld. Er hat seine ganze
reiche Kraft daran gesetzt, um es zu bestellen. Er hat seine Ziele stets höher
gestellt und ist mit ihnen selbst emporgewachsen. In steter wissenschaftlicher
Arbeit, die der Wiedererweckung historischer Studien namentlich unter den
Deutschen in Böhmen galt, als trefflicher Lehrer, dem das Wohl seiner
Hörerschaft stets am Herzen lag, als gesinnungsfester Parteiraann hat er
sich um Volk und Vaterland, um Wissenschaft und Deutschthum in Oester-
reich das reichste Verdienst erworben.
H.'s zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten hier im besondem anzuführen,
ist ebenso unmöglich, als die Fülle äusserer Ehren und Auszeichnungen, die
ihm zu Theil wurde, aufzuzählen wohl überflüssig. Beides wird an betiue-
meren Orten zu geschehen haben. Bemerkt sei aber doch die Herausgabe
der Scriptores rerum Hussiticarum , 3 Bände, 1856 — 1866, und seine erfolg-
reiche Thätigkeit für die Aufliellung der kirchlich-reformatorischen Bestre-
bungen innerhalb der romanischen Völker während der späteren Jahrhunderte
des Mittelalters der Geschichte der ersten Habsburger auf dem spanischen
Throne und ihrer Familie. In der Einleitung zu ersterer Publikation und den
damit in Verbindung stehenden Arbeiten H.'s trat der Gegensatz zu der seit
Palacky's Darstellung des Hussitenkrieges zu so scharfer Ausprägung gelangten
Auffassung dieser Dinge auf czechisch-nationaler Seite scharf hervor. Die Stel-
lung H.'s im Landtage, wo er natürlich entschieden für die Rechte und For-
derungen der Deutschen eintrat, verschärfte die Differenzen in hohem Grade.
So ward H. auch ein gehöriges Maass von Streit und Unannehmlichkeit zu
Theil, zumal dann die Deutschen sich den unter ihren Verhältnissen gefähr-
lichen Luxus gestatteten, sich nach politischen Gesichtspunkten zu spalten.
H. vertrat dabei die katholisch-conservativere Richtung, während die Mehrheit
der Volksgenossen in radicalere Bahnen einlenkte. Dem wahren Liberalismus
ist dabei H. niemals untreu geworden, wie sein Verhalten im österreichischen
Herrenhause, in das er 1873 berufen worden war, und seine Schriften hin-
länglich erweisen.
H. blieb bis in das höchste Alter im Besitze seiner Arbeitskraft und
Schaffensfreudigkeit. Seit das Alter ihn lähmte und er in seinen Schülern
und in dem von ihm gegründeten »Verein für Geschichte der Deutschen in
Böhmen«, in erwünschtem Maasse Mitarbeiter auf dem Gebiete der deutschen
Geschichtsforschung und Geschichtschreibung in Böhmen gefunden hatte, da
unterliess er es nicht, Volk und Vaterland auf dem Gebiete der historischen
Poesie zu dienen : in einer Reihe formvollendeter und gedankenreicher Dramen
suchte er die historischen Gestalten, deren Wesen und Wirken ihm sympathisch
war oder Anderen ein warnendes Exempel sein konnte, poetisch zu vcrkör-
j)em und den reichen Schatz von Lebensweisheit und Wissen, den er gesam-
melt, in Epigrammen und Sinngedichten zu verkünden. Zu Neujahr 1897
traf H. ein Schlaganfall, der ihm die rechte Seite lähmte. Doch widerstand
der starke Körper auch jetzt noch hartnäckig dem Uebel. Erst am 30. De-
zember 1897 ging H. sanft aus dem Leben.
Ad. Bachmann.
Herbig, Max, Buchhändler, einer hochangesehenen alten Buchhändler-
familie entstammend, * am 15. April 1844 in Berlin, f am 2. November ebenda.
14*
212 Herbig. Klasing. Mohr.
— Nach Absolvirung des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums erlernte er 1861 bis
1864 bei Eduard Müller in Bremen den Buchhandel, war dann thätig bei
Eduard Trewendt in Breslau und in der Hirt'schen Sortimentsbuchhandlung
daselbst. Am i. Januar 1869 ging die von Dr. Justus Albert Wohlgemuth
1839 gegründete Verlagsbuchhandlung in Berlin durch Kauf in seinen Besitz
über. Den vorwiegend pädagogischen Verlag weiter ausbauend und den Be-
strebungen anderer hochverdienter pädagogischer Verleger sich an die Seite
stellend, führte er das Geschäft unter der Firma J. A. Wohlgemuth's Verlags-
buchhandlung bis zu seinem nach leider langem und schwerem Leiden er-
folgten Tode fort.
Handschrift]. Notizen. — Börsenbl. f. d. deutsch. Buchh. 1897. No. 259.
H. Ellissen.
Klasing, August» Buchhändler, * am 8. October 1809 in Bielefeld,
f am 5. August 1897 ebenda, Sohn einer wohlhabenden Handwerkerfamilie,
erlernte nach gediegener Erziehung bei Wilhelm Starke in Chemnitz den
Buchhandel, bekleidete dann Gehilfenstellungen bei Johann Ambrosius Barth
in Leipzig, bei C. G, Kunze in Mainz und A. Marcus in Bonn. Am 12. Au-
gust 1835 ^^' ^^ i" ^^ seit zwei Jahren bestehende Geschäft seines Freunden
August Velhagen in Bielefeld als Gesellschafter ein. Die Firma Velhagen &
Klasing beschränkte sich anfänglich nur auf Sortiment, gründete bald aber
auch einen durch bedeutende Unternehmungen sich auszeichnenden Verlag
und eine Druckerei. Zu den ersten hervorragenden Artikeln gehörten u. a.
das Musde frangais, dem sich später das Theatre fran^ais, die Prosateurs
frangais u. a. anschlössen, eine Polyglottenbibel und Lange's Theologisch-
homiletisches Bibelwerk. Mit der Gründung der illustrirtjen Zeitschrift »Da-
heim«, 1864, begann ein neuer Aufschwung des Hauses. Diesem Blatte
widmete K. stets mit Vorliebe seine Aufmerksamkeit und wurde viele Jahre
hindurch nicht müde, durch kritische Urtheile jeder Nummer der Redaction
fördernd zur Seite zu stehen. Die »Daheim-Expedition« hatte ihren Haupt-
sitz in Leipzig, wie der Verlag überhaupt dort bald selbständig vertreten war.
1873 wurde das Geschäft durch Errichtung einer Geographischen Anstalt in
Leipzig unter Leitung des berühmten Kartographen Dr. Richard Andr^e er-
weitert. Vielen wichtigen Verlagsartikeln, besonders auch einem ausgezeich-
neten Schulbücherverlag, dem 1882 der Verlag von Stubenrauch in Berlin
einverleibt war, wurde nach und nach auch ein höchst gediegener Jugend-
schriften-Verlag beigefügt. Bis in sein hohes Alter war K. die Seele des
weitverzweigten Geschäftes, kühn überwand er mannichfach sich darbietende
Schwierigkeiten und trug wesentlich zu den später errungenen bedeutenden
Erfolgen bei. Bis in seine letzten Tage körperlich und geistig frisch und an
der Spitze seines angesehenen Hauses thätig, beschloss er sein arbeits- und
erfolgreiches Leben.
Vergl. Börsenblatt f. d. deutsch. Buchh. 1897. No. 181 und Daheim 1898. No. 5 (Ne-
krolog von Robert König mit PortrSt).
H. Ellissen.
Mohr, Karly Buchhändler, ♦ am 3. Juni 1817 als Sohn des berühmten
Buchhändlers J. C. B. Mohr in Heidelberg, f am 23. November 1897 ebenda.
— M. war mit seinem älteren 1890 verstorbenen Bruder Ernst Mohr 1S56
bis 1877 Mitinhaber und Mitleiter des bedeutenden Verlagsgeschäftes J. C. B.
Mohr. Nach dem Verkauf des Geschäftes an Paul Siebeck widmete er sich
Mohr. Palme. 2 1 3
vorwiegend städtischen Interessen, und hat in seinem Ehrenamt als Stadtrath
wesentlich zur Entwickelung Heidelbergs beigetragen. An seinem achtzigsten
Geburtstage wurden ihm viele Ehrungen zu theil, leider aber sollte er ihn
nur um wenige Monate überleben.
VergL Börsenblatt f. d. deutschen Buchh. 1897. No. 131 u. 274.
H. Ellissen.
Palme, Augustin, Historienmaler, • am 21. November 1808 zu Rochlitz
in Böhmen, f am 18. October 1897. — Als der Sohn armer aber kinderreicher
l^andleute, hatte P. eine harte Jugend und musste frühzeitig im Haushalt für
eine so zahlreiche Familie mitarbeiten und schaffen. Trotz seiner frühzeitig
hervorbrechenden Vorliebe zu künstlerischem Schaffen kostete es doch viele
Mühe, bis es ihm gelang, bei einem Forzellanmaler zu Gebhardsdorf (Schlesien)
unterzukommen. Nach vierjähriger Lehrzeit zog der strebsame Jüngling 1824
als Porzellanmaler-Gehülfe in die Fremde, fand zu Ronneburg im Altenburgi-
schen Arbeit und weitere Förderung. Mit den in Kobur^ gemachten wenigen
Ersparnissen wagte er sich auf die Akademie nach Dresden; alsbald wieder
mittellos übernahm er die artistische Leitung der Schmidt'schen Porzellanmal-
Anstalt zu Koburg, von wo der Uebergang nach der Münchener Akademie
und durch den wackeren Maler Gustav Jäger die Aufnahme bei Julius Schnorr
von Carolsfeld erfolgte. Unter Schnorr' s Leitung componirte P. eine »Hoch-
zeit des Isaak mit Rebekka«, welche schon 1832 in den Kunstverein kam;
mit einigen Portraits, einer »Ehebrecherin vor Christus c und verschiedenen
akademischen Versuchen fand P. wohl freundliche Anerkennung, aber gerin-
gen Lohn, so dass er wieder in seine frühere Stellung nach Koburg zurück-
kehrte, wo er jedoch durch seine Geschicklichkeit im Bildnissmalen und
seinen unermüdlichen Fleiss hinreichend erwarb, um im Herbst 1835 die
Fahrt nach dem vielersehnten Italien mit dem Landschaftsmaler Max Haus-
hofer, dem Bildhauer Widnmann und seinem Freunde Gustav Jäger wagen
zu können. In Rom vollendete P. eine »Findung Mosis«; auch sammelte er
eine Menge von landschaftlichen Studien und figürlichen Skizzen. Als Flücht-
linge vor der damals Italien durchziehenden Cholera wanderten P., Friedrich
Dürck und Gustav Jäger 1836 in das Sabiner-Gebirge, nach Praeneste, Olevano
und Civitella, dann nach Neapel, Amalfi, Sorrent und dem lieblichen Capri,
wo sie in einer vierwöchentlichen Idylle an den schönen Capri-Mädchen ge-
lehrige Tänzerinnen fanden und im fröhlichsten Jugendmuthe alle Sorgen
verträumten, während am Fusse des Vesuv die Todtenglocken Tag und Nacht
heulten. Endlich trennten sich die Genossen und P. eilte 1837 über Man-
fredonia und von da mit einem griechischen Trabaculo nach Triest und dann
nach München zurück, um seinem hochverehrten Meister Schnorr sowohl bei
den Cartons zu dem Bildercyclus aus dem Leben Karls des Grossen und deren
Ausführung (vgl. Kunstblatt 1841. S. 239), wie auch an den Bildern des
sog. Barbarossa-Saales in der kgl. Residenz wacker beizustehen. Doch ergab
sich immerdar noch Zeit, um neben diesen in enkaustischer Technik ausge-
führten Wandgemälden eigene Oelbilder, Herren- und Damenbildnisse, auch
eine »Vermählung der hl. Katharina« (vgl. N. 67. Kunstblatt. Stuttgart 1839.
S. 266) und eine »Taufe der Clorinde« (1843) zu vollenden. Auch entstand
ein »Englischer Gruss« für die Kirche zu Kronstadt, ein »hl. Marcus« für
Graf Harrach in Wien (1844); Herr von Veith, der grosse Kunstfreund,
welcher eine böhmische Walhalla plante, bestellte eine historische Scene aus
214 Palme.
dem Leben des hl. Adalbert (1846). Auch fertigte P. viele Altarbilder für
Linz, Böhmenkirch (im Wtirttemberger Donaukreise), Saalfelden (bei Salzburg^
und das Prämonstratenser-Stift Schlägel in Oberösterreich, wozu der Maler
1860 eine eigene Studienreise nach Venedig unternahm (Kunstblatt. 1848.
No. 35). — Mit Echter, Muhr und Nilson betheiligte sich P., die das neuere
Münchener Kunstleben darstellenden und häufig auch ironisirenden Composi-
tionen W. von Kaulbach's an den Aussenwänden der Neuen Pinakothek zu
freskotiren. Wind und Wetter haben seither denselben arg zugesetzt und den
grössten Theil davon vernichtet. Eine selbständige, dankenswerthe und
brillante Arbeit erwuchs für P. durch den Auftrag, die berühmte Wallfahrts-
kirche zu Vierzehnheiligen, dieses fränkische I^oretto, mit Fresken auszu-
schmücken, eine colossale Leistung, welche P. unter Beihülfe des gewandten
Max Bentele (f am 9. März 1893) glücklich vollführte. Auch für die Histo-
rische Gallerie des Bayerischen National-Museums erhielt P. vier Fresken mit
unmalerischen Stoffen 1868 bestellt, deren künstlerische Bewältigung der ge-
wandte Mann möglichst versuchte. Das umfangreiche Programm dazu hatte
General von Spruner (f am 24. August 1892) unmittelbar im Auftrage König
Maximilian IL ausgearbeitet; davon trafen auf Palme, »wie Kurfürst Johann
Wilhelm Düsseldorf verschönert und daselbst die berühmte Gemäldegallerie
begründet«; »Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg erwirbt Jülich, Berg und
Ravenstein und hält zu Düsseldorf 1666 seinen feierlichen Einzug«; »Karl
Theodor beschliesst 1789 die Anlage des sog. Englischen Gartens durch Rum-
ford« und »erhebt Mannheim zum Hauptsitz der Kunstbildung«. Der könig-
liche Mäcen und sein in historischen Fragen immer rathbereiter General
hegten gewiss ebenso grosse Pietät für die Geschichte, wie für die Kunst,
machten es aber den Künstlern fürchterlich schwer, solche der malerischen
Behandlung fast unüberwindliche Sch>\aerigkeiten bietende Vorwürfe vde die
ganze Fülle von Klosterstiftungen, Grundsteinlegungen und Staatsactionen
u. dgl. zu lösen. Nach Vollendung dieser Aufträge, wo P. noch dazu mit
jüngeren, frischen Kräften in Concurrenz trat, legte er rechtzeitig Pinsel und
Palette nieder und erfreute sich einer mehr als behäbigen, stolzen Unab-
hängigkeit. Durch seinen Fleiss und eine glückliche Heirath (184 1) frühzeitig
in behaglichen Verhältnissen — sein Sohn Bonifaz Lud\^ig war 1850 der
erste Täufling in der Basilica, wobei König Ludwig I. die Stelle eines Pathen
übernahm — erwarb P. zwei Häuser in reizender Lage nächst dem Botani-
schen Garten, welche in der Folge die Generaldirection der kgl. bayer. Eisen-
bahnen benöthigte und ankaufte. Beim Auszug aus dem eigenen, liebgewon-
nenen Heim übergab P. seinen ganzen artistischen Besitz, alle eigenen
Zeichnungen, Cartons und Bilder, kurz alle seine Sammlungen, das gesammte
Maler- und Ateliergeräthe, in eine Auction (November 1888) und behielt nur
die Skizzenbücher, und einige seiner Lieblingsarbeiten. Hatte er lange schon
den Verkehr mit gleichstrebenden Künstlern auf das Aeusserste beschränkt,
so lebte P. seit dem 1879 erfolgten Tode seiner P'rau, von seinen Töchtern
gepflegt, in schroffer Zurückgezogenheit, in skeptischer Beschaulichkeit, einge-
sponnen in seine Erinnerungen. Trotz der reichsten Müsse dazu schrieb er
seine Erlebnisse niemals nieder, obwohl er als Zeuge und Mitarbeiter der
glänzendsten Aera vollauf Wissen und Berechtigung hatte. Was P. einmal
erfasste, führte er mit ehrgeiziger Ausdauer zu Ende, wenn auch seine Empfin-
dung oder Ueberzeugung nicht bei der Sache war; so ergab sich in seinen
Arbeiten eine gewisse Ungleichheit von wahrem Schönheitsgcfühl und con-
Palme. Weigand. 215
ventioneller Manier; er strebte und tastete, auch als Colorist, einen neuen
Weg zu finden^ doch ohne denselben mit seinen Mitteln zu erreichen. P. starb
nach kurzem, schwerem Leiden.
VergL Abendblatt 292 »Allgemeine Zeitung« vom 21. October 1897. No. 241 »Augs-
burger Postzeitung« vom 23. October 1897. Reber, Gesch. der neueren Kunst. 1884. II.
54 u. 73. Wurzbacb, Biogr. Lexicon XXI. 245.
Hyac. Holland.
Weigand, Konrad, Historienmaler, • am 12. December 1842 zu Nürn-
berg, f am 3. December 1897 zu München. — W. erheiterte schon in seinen
Kinderjahren den Kreis seiner Spielgefährten durch froheste Laune und allerlei
Kunstfertigkeiten; er besuchte, nach guter Vorbildung, in den Abendstunden
die Kunstgewerbeschule, tagsüber den Unterhalt mit Lithographiren sich
erwerbend, bis er später durch eine Hülfe aus der Schillerstiftung die Schule
den ganzen Tag besuchen konnte. Einen Sommer lang weilte er auf der
Burg HohenzoUem, vielbeschäftigt mit Wandmalereien in den dortigen Prunk-
räumen. Frühzeitig bethätigte er sich durch eigene Compositionen, Kirchen-
bilder und Copiren von Gemälden, wozu das Vorbild des universellen Director
August von Kreling den feurigen Jüngling in erfreulichster Weise förderte.
Es dauerte indessen ziemlich lange, bis sein Lieblingswunsch nach weiterer
Bildung in München sich verwirklichte. Hier als Schüler bei Prof. Wilhelm
von Diez erhielt W. bei einer Academie - Concurrenz für eine Scene aus
Shakespeaie's »Julius Cäsar« den ersten Preis. Hierauf folgte als sorgfältig
durchgeführtes Oelbild ein »Religionsgespräch« zwischen Ulrich von Hütten,
Franz von Sickingen und Martin Bucer, ein möglichst ungünstiger Stoff,
welchen W. durch Lebendigkeit, Costümtreue und Kolorit anziehend löste,
so dass Frhr. von Reischach zu Stuttgart das originelle Gemälde erwarb.
Dadurch ermuthigt wagte sich der Künsder mit gleichem Glück an ein
grösseres, figurenreiches Thema, den »Einzug Luthers in Worms«, dessen
Hauptwirkung der Maler nur durch einige gar zu genremässige Züge, die mit
der Geschichte nichts zu thun haben, abschwächte; doch erregte das Bild
1879 *^^ ^^^ Münchener Kunstausstellung die wohlverdiente Theilnahme und
Aufmerksamkeit. Auch lieferte W. die Vignetten zu Franz Trautmann's
»Herzog Christoph«, einem culturhistorischen Roman, welcher 1880 in dritter
endlich illustrirter Auflage erschien. Als ein edelmüthiger Mäcen, Frhr. von
Biehl aus Mecklenburg-Schwerin, der Münchener Akademie eine sehr erheb-
liche Summe übermittelte, damit in oder an einem beliebigen Privathause der
Stadt ein Freskobild ausgeführt werden sollte, ging W. aus der Concurrenz
siegreich hervor. Das die »Hochzeit Albrecht Dürer 's zu Nürnberg« vor-
stellende, vielleicht nur zu figurenreiche und den Einfluss der Piloty-Schule
allzu prunkhaft verkündende Project kam in der Vorhalle von August Humpl-
inayr*s Kunsthandlung in der Briennerstrasse zur gediegenen Ausführung.
Seine unermüdlich gestaltende Phantasie bewährte W. im Wetteifer mit Wil-
helm Schade in den Illustrationen zu W. Hauff 's »Lichtenstein«, auch mit
allerlei kunstgewerblichen Zeichnungen z. B. mit dem Entwurf zu einer präch-
tigen Fahne für den Männergesangverein »Neu-Bavaria« und die Schützen-
gesellschaft »Freundschaft« u. s. w. Unterdessen machte sich W. abermals
an einen grossen historischen Stoff, darstellend wie der heute noch im Volks-
lied besungene »Raubritter Hans Schüttensamen mit seinen Spiessgesellen
1465 gefangen in Nürnberg eingebracht« wird, eine sehr achtunggebietende
Leistung, welche W. im Auftrage des »Vereins für Historische Künste als
2 1 6 Weigand. Wenban.
grosses Oelbild zur AusfÜhrurijg brachte. Unermüdet schuf W., immer, selbst
bei kleineren Aufträgen, mit derselben Treue und Tüchtigkeit seine beste
Kraft einsetzend, wir erinnern nur an die Dlustrationen zu einer »Rauber-
geschichte« von Würthmann (im »Buch der Jugend«, Stuttgart 1892), an die
köstliche Adresse der städtischen Collegien für den General-Intendanten Frhm.
von Perfall (1893), an einen Carton für die Glasmalerei- Anstalt Gustav von
Treek's »Luther im Kreise seiner Familie«. In der Kunstausstellung 1897
war W. noch mit einem Genrestück vertreten (»Ein Trinker und sein Lieb
in einer Thurmstube«). Der treffliche Künstler starb nach längerer Krank-
heit, jedoch schnell und unerwartet. Seine treuen Schwestern verbrachten
die Leiche zur Bestattung nach Nürnberg.
Vergl. Abendblatt 338 >Allgemeine Zeitung« vom 7. December 1897. Kunstrereins*
bericht fttr 1897. S. 77. »Kunst für Alle« 15. Januar 1898. S. 126.
Hyac. Holland.
Wenban, Longly Sion, Landschafter, * am 9. März 1848 in Cincinnati-
Ohio, f am 19. April 1897 zu München. — W. war ein höchst eigenartiger
Künstler, welcher zeitlebens mit grosser Sorgfalt sich von der Oeffentlichkeit
möglichst ferne hielt, so dass erst mit seinem Tode der Name in die Welt
trat. Der Sohn eines Wagen-Fabrikanten, studirte und zeichnete W. an der
Academie zu New- York bei Professor Wilmorth, welcher dem jungen Künstler
den Rath ertheilte, sich in München weiter zu bilden. Hier erschien W.
1879 ^^^ besuchte kurze Zeit die Malschule des Prof. Gabriel HackI an
der Akademie, fand auch bei Frank Doubek fördernde Anregung, oblag dann
aber seit 1880 erst zu Schieissheim, Planegg und anderen umliegenden klei-
neren Ortschaften seinen durchaus autodidaktischen Kunstbestrebungen, wobei
er sorgfaltig jede fremde Einwirkung und Beihülfe vermied, um sich in Technik
und Auffassung durch kein Vorbild auf seinem eigenen Wege beirren zu
lassen. So quälte er sich mit rastlosem Aufwand von Zeit und Mühe, um
Erfolge zu erringen, welche jedem Anderen im fördernden Wetteifer gleichsam
von selbst zufallen. Ausser der Oelmalerei und dem Kohlenzeichnen warf er
sich ebenso standhaft auf die eigenmächtig erworbene Radirung. Immer
unzufrieden mit seinen schwererrungenen Resultaten schliff er die Platten
wieder ab; dessen ungeachtet fanden sich doch in seinem Nachlasse an drei-
hundert derselben, darunter viele von ausserordentlich feiner Stimmung, breiter
Wirkung und subtiler Ausführung. Seit 1883 mit einer Tochter des kgl. Bau-
amtmanns von Langenmantel verheirathet, wählte W. zu seinem ständigen
Wohnsitz München, von wo aus er auf fortgesetzten Ausflügen immer neue
Studien zu Bildern sammelte. Trotz des massenhaft anwachsenden Stoffes
konnte er sich doch nicht entschliessen, dieselben in die Oeffentlichkeit zu
bringen oder sich derselben zu entäussern. Erst bei seinem nach langem,
schwerem Leiden erfolgten Ableben kam es zu einer Ausstellung dieser einen
ganzen Saal des Kunstvereins füllenden Arbeiten; sie erwarben dem Ge-
schiedenen die längst verdiente ehrenvolle Anerkennung seines redlichen
Strebens und tüchtigen Könnens. Auch auf der VII. Internationalen Kunst-
ausstellung zu München erschienen vier vollendete Oelbilder: eine »Baum-
gruppe mit Bauernhaus«, ein »Freier Platz bei Regenwetter«, ein »Bauern-
haus« und abermals eine »Regenstimmung«; eine Kohlenzeichnung »Bei
Schieissheim«, zwei Landschaften in Pastell, ein »Motiv bei Schieissheim«
und ein »Herbstabend«, worüber Dr. Gustav Keyssner (in No. 296 der »Neue-
Wenban. 217
sten Nachrichten« vom i. Juli 1897) also berichtete: »Nicht ohne Wehmuth
kann man diese Landschaften betrachten, Bilder von einer stillen, feinen
Vornehmheit, die gerade durch ihre Zurückhaltung den aufmerksamen Blick
auf sich zieht. Es bedarf keiner Worte zum Lobe dieser Arbeiten, die in so
ruhiger, sachgemässer Technik solch' intim beobachtete und empfundene
Naturstimmungen wiedergeben. Alle sind Zeugnisse einer reinen, edlen Per-
sönlichkeit, deren Vorzüge man sich lieber und vielleicht sogar richtiger in
denkbarer Sympathie, als durch zergliedernde Analyse bewusst macht. Dass
gerade für solche Menschen und KünsUer an der Tafel des Glückes kein
Platz zu finden ist, gehört zu jenen Documenten für die »gebrechliche Ein-
richtung der Welt«, die nur um so tragischer sind, weil ihnen alles laute
Pathos fehlt.« Aehnlich äusserte sich Jos. Popp (in No. 335 des »Bayer.
Kurier« vom 4. December 1897): »So still und innerlich, wie diese Zeichnungen
und Gemälde, war Wenban selber. Man muss sich in diese scheinbar an-
spruchslosen Blätter hineindenken und empfinden, wenn man sie gemessen
will. Die Zeichnungen haben eine ganz hervorragende Wärme, die sich aus
einer originellen Technik entwickelt. Und obwohl ganz einfache Naturaus-
schnitte, wie knorrige Baumriesen und Baumgruppen, Alleen und Walddurch-
sichten überwiegen, liegt doch ein mächtiger Stimmungsgehalt in ihnen. Die
Farbe beherrscht W. in feiner und poetischer Weise. Eigenartig weiche Töne
stehen ihm zu Gebote, wenn er das Träumerische und Einsame verborgener
Waldwiesen und Hänge schildert, wie ein süsses Adagio empfinden sich
manche seiner Dämmerungsstücke. Besonders gelingt W. das Elegische — es
ist, als ob sich die eigene Seele in diesen zarten Farbennuancen auflösen
wollte, um in einzelnen Zügen das zu finden, was im ganzen ihm versagt
schien; lebensfreudige, temperamentvolle Hingabe an dajs Fröhliche und Be-
wegte. Als ein besonderer Vorzug all' dieser geschickten, interessanten und
vielfach sehr intimen Werke muss noch hervorgehoben werden, dass sie, ob-
wohl grossentheils Skizzen, dennoch als etwas Fertiges wirken.« Dr. Karl
Voll (in No. 331 »Allgemeine Zeitung« vom 30. November 1897) schildert
W.'s Schöpfungen, wobei er seine Bilder noch über die Radirungen stellt:
»Meistens sind es Studien aus den bayerischen Voralpen: kleine Gebirgsseen,
die h'eben Schlierseer Berge, sowohl bei heiterem Wetter als verdeckt von
tief herabhängenden Wolken, trauliche Gebirgsthäler, aus denen der kokette
grüne Kirchthurm eines fernen Dorfes neckisch zu uns herüberschaut, einfache
Halden und bescheidene Gärten. Vieles ist mit einer entzückenden Frische
geschildert, besonders auf den Stücken, wo er sein reizendes, von silbernem
Duft übergossenes Grün zur Darstellung eines kleinen Naturausschnittes ver-
wendet; weniger gelungen, beziehungsweise total misslungen sind die aller-
dings nicht zahlreichen Studien, wo den Künstler der Ehrgeiz getrieben zu
haben scheint, es auch einmal mit tiefen, kräftigen, fetten Farben zu versuchen.
Da verliess er stets das, was ausser der lichten Frische der Empfindung seinen
Arbeiten den Werth verleiht: die unmittelbare, deutliche Anschaulichkeit. Er
steht dann nicht mehr auf festem Boden und liefert nichts Positives.« Gele-
gentlich einer Ausstellung von W.'s Blättern im Münchener »Verein für
Original-Radirung« (welcher dann auch mehrere Platten im VI. Jahrgang
seiner Publicationen zum Abdruck brachte, darunter zwei kleine Landschaften
und eine Ansicht der neuen »Isarbrücke« in München, letztere wieder in der
Stimmung eines leichten Sprühregens), heisst es im Feuilleton der »Neuesten
Nachrichten« (No. 235 vom 22. Mai 1897), eine Anzahl dieser Blätter könnten
2i8 Wenban. Kneipp.
auch mit »Rembrandt« bezeichnet sein und mit dem Besten den Vergleich
bestehen, sowohl nach Auffassung wie nach positiver Technik: »Die gleiche
absichtslose, von jedem manieristischen ebenso wie akademischen Hauche freie
Art, die der grosse Niederländer in seinen Blättern zeigt, ist auch W.'s
Arbeiten eigen. Er wusste mit Nadel und Säure so umzugehen, wie bedeu-
tende Maler die Farbe handhaben. Es handelte sich für ihn nicht um die
Erscheinung von Schwarz und Weiss, sondern um den Ausdruck feiner Empfin-
dung auf radistischem Wege. Und wie einfach die meisten Arbeiten gehalten
sind! Nicht Strichelei sondern Strich! Er liebte die allzu spitzen Nadeln
nicht, er war kein Düftler; wo sein Instrument die Platte anriss, da sass der
Strich wie hingemauert. Dabei ist Alles reine Radirung; nirgends hat er
unter successiver Anwendung verschiedenartiger Proceduren sein Ziel zu er-
reichen gesucht. Immer ist ein frischer Zug, etwas Freudiges in der Arbeit . .«
Persönlich war W. ein einfacher, sympathischer, vor allem ein guter und
wahrer Mensch. Sein ganzes Naturell stand im schärfsten Widerspruche zu
dem hastigen, ruhelosen Leben und Treiben seines Heimatlandes, dahin zurück-
zukehren er nie eine Sehnsucht fühlte.
Bericht des Mttnchener Kunstvereins. 1897. S. 78.
Hyac. Holland.
Kneipp» Sebastian, Naturarzt, Pfarrer und Prälat, ♦am 17. Mai 1821 zu
Stephansried (bei Ottobeuren), f am 17. Juni 1897 zu Wörishofen. — K.
stammte aus einer armen Weberfamilie, genoss, zum gleichen Gewerbe be-
stimmt, eine harte Jugend. Willige Wohlthäter, darunter insbesondere der
nachmalige Lycealprofessor und Hausprälat Mathias Merkle (1816 — 1881), ver-
mittelten endlich dem wissbegierigen Jüngling die nöthigen Mittel zum Studium
am Gymnasium zu Dillingen, wo der vielfach kränkelnde Candidat die stär-
kenden Donaubäder zur Wiederherstellung seiner schwachen Gesundheit ge-
brauchte. Während K. den theologischen Studien am Georgianum zu München
oblag, fiel ihm zufällig Job. Siegmund Hahn's »Unterricht von der Kraft und
Wirkung des frischen Wassers« (1770) in die Hände, ein Buch, welches er
ganz in sich aufnahm und nach seiner Art verarbeitete. Obwohl die Haus-
ordnung der Anstalt einer ergiebigen Praxis im Wege stand, verschaffte er
sich doch eine Giesskanne — das Non plus ultra seiner nachmaligen Panacee
— und begann nächtlicher Weile im grossen Gartenbassin seine Wassergüsse.
Damit war der Weg betreten, auf welchem K., anfangs noch unsicher, dann
aber bald zielbewusst und von unerwarteten Strömungen erfasst, in das breite
Fahrwasser seiner überaus lebendigen, aber doch ziemlich einförmigen und
beschränkten Thätigkeit getrieben wurde. Im Jahre 1852 zum Priester ge-
weiht, erhielt K. seine erste Stelle als Kaplan in Boos, dann bei St Moritz
in Augsburg und 1855 im Kloster zu Wörishofen, woselbst er endlich 1880
zum Pfarrer vorrückte. Inzwischen hatte der geistliche Wassermann fleissig
mit Rath und That allen Hülfesuchenden beigestanden; sein Name gewann
aber plötzlich durchschlagenden Aufschwung, als 1885 sein »Meine Wasserkur«
betiteltes Werk erschien, welches bis 1897 einundsechzig Auflagen, sogar in
besonderen »Pracht- und Luxus-Ausgaben«, erlebte und schon 1885 einen
rauschenden Zuzug von Fremden nach dem früher so stillen Wörishofen
lockte, die alle, gegen K.'s ursprüngliche Intention, den Wundermann sehen,
sprechen und berathen wollten. Die nächste Folge dieser lawinenartig an-
wachsenden Völkerwanderung nach dem abgelegenen Wörishofen ergab den
Kneipp. 219
Missstand, dass allerlei erhöhtes Gasthofleben und Hotelwesen sich durch
speculative Unternehmer breit machten und der in allen Schichten und Classen
immer fruchttragende Schwindel reichlichen Zuwachs erhielt. Obwohl sich K.
durch das zudringliche Consultations-Fieber nach aussen ärgerlich zeigte und
ihm in Wahrheit auch der bisweilen etwas dünne Faden der Geduld riss, so
fühlte er sich innerlich doch geschmeichelt; es that ihm wohl, der gelehrten
Facultät durch seine Popularität den Rang abgelaufen und einen fühlbaren
Streich versetzt zu haben. Trotz seiner kirchlichen Obliegenheiten, welche er
nie vernachlässigte, und dem rasenden Zulauf der wirklich oder auch imaginär
leidenden Menschheit, behielt K. immer noch Zeit zu Ansprachen auf dem
eigenen Terrain, zu Wandervorträgen auf den oft ziemlich ausgedehnten Reise-
ausflügen und zur Abfassung neuer Bücher, Brochuren und anderer heilge-
schichtlicher Schriften. Darunter das ebenso gierig aufgenommene Opus »So
sollt ihr leben!«, seine »Volksgesundheitslehre«, seine »Oeffentliche Vorträge«,
sein »Testament« und das nachträgliche »Codizill«. Dazu assistirte ihm ein
ganzer Schwärm von berufenen und freiwilligen Scribenten, welche dem
»Vater Kneipp«, dem neuen »Wohlthäter der Menschheit«, gerne ihre Federn
boten. Während ein Anderer Schätze gehäuft hätte, blieb K. immer edel
und gut, heischte keine Deserviten, nahm nur, was man ihm freiwillig bot
und behielt nichts fiir sich — Alles wieder zu gemeinnützigen, acht humanen
Zwecken verwendend. Das alte Kurhaus kostete 103000 Mark, zum neuen
Kurhaus steuerte K. 75000 Mark bei, das Kinderasyl kostete 284000 Mark,
das »Kneippianum« 100 000, die Mädchenschule 60000 Mark. Alle diese
Anstalten gingen schenkungsweise, das alte und das neue Kurhaus und das
Kinderasyl an den Orden der barmherzigen Brüder, das »Kneippianum« an
die armen Franziskanerinnen von Mallersdorf über. Er legirte beträchtliche
Summen der Armenkasse und gründete in dankbarer Erinnerung für die wäh-
rend seiner entbehrungsreichen Studienzeit empfangene Hülfe eine Reihe von
Freiplätzen im Seminar zu Dillingen. Seine Mittel erlaubten ihm freilich eine
solche Generosität, denn das Geld floss ihm von allen Seiten zu. Die Honorare
für seine fortwährend neu aufgelegten Bücher bezifferten sich auf 280000 Mark,
die Licenzgebühr für den Kneipp-Malzkaffee auf 220000 Mark, und die freiwilli-
gen Ordinationsgebühren und Geschenke ergaben von 1887 — 1897 eine jährliche
Durchschnittsziflfer von 16200 Mark. Das Alles fand wieder Verwendung
zum Wohle der leidenden Menschheit. Hübsche Brocken und Tantiemen
verschlangen auch seine ärztlichen Beisassen, Amanuensen und das weitere
Dienstpersonal. Ungeheure Summen flössen in die Hände der speculativen
Hoteliers, Fuhrwerkbesitzer, Staats- und Privatbahnen. Der Werth von Grund
und Boden stieg auf das Unsinnigste. Die Fremden aus allen Classen der
Gesellschaft brachten eine Fülle von Geld in Umlauf, welcher mit K.'s Ab-
gang natürlich erkaltete und erlosch. — Alle momentanen Erfolge wurden
von bereitwilligen Organen prunkend der Welt verkündet, dagegen die Unzahl
der in Wörishofen verpfuschten, um die letzten Chancen der Heilung ge-
brachten Fälle sorgfältig mit dem Mantel der Liebe und Nachsicht geborgen,
Recriminationen verschwiegen. Unerschütterlich fest und begleitet von einer
gewissen Routine stand sein Bewusstsein von der Richtigkeit seiner »Wissen-
schaft«, obwohl diese einen so massigen Umfang hatte, dass Vater K. bei
dem ersten Rigorosum einen glänzenden Durchfall erlebt hätte. Seine Er-
klärung über das Entstehen der Cholera oder die Genesis des überhaupt
harmonikamässig dehnbaren Begriffes der Influenza zeugten von einer mitleid-
2 20 Kneipp.
erregenden Kindlichkeit. Sein ganzes System gipfelte in dem einzigen Satze,
dass jede Krankheit auf Störungen des Blutes beruhe. Von anderen that-
sächlichen Erscheinungen, wie z. B. einer Zellenkrankheitslehre, hatte er nicht
die geringste Kenntniss; er leugnete überhaupt Alles, was in seinen einmal
gefundenen Kram nicht passte. Dass es andere, ebenso ehrenhafte Collegen
mit ihrer Weisheit ebenso halten, kann fiir K. nicht als Entschuldigung gelten.
Sein apodiktischer Trugschluss lautete mit reizender Klarheit: »Wie einfach,
uncomplicirt und leicht, ich möchte sagen, fast jede Täuschung, jeden Irrthum
ausschliessend, ist die Heilung, wenn ich weiss, jede Krankheit ruht in Störun-
gen des Blutes. Die Arbeit der Heilung kann nur eine zweifache Aufgabe
haben: entweder muss ich das ungeordnet circulirende Blut wieder zum rich-
tigen und normalen Laufe zurückkehren lassen, oder ich muss die schlechten
Säfte aus dem Blute auszuscheiden suchen. Eine weitere Arbeit, die Kräfti-
gung des geschwächten Organismus ausgenommen, giebt es nicht. Das Wasser,
im besonderen unsere Wasserkur, heilt alle überhaupt heilbaren Krankheiten.«
Das war nichts Neues. Das wusste schon der vorgenannte Dr. Hahn (i6g6
bis 1773), dasselbe hatte der schlesische Bauer Vincenz Priessnitz (1779 bis
185 1) verkündet, von welchem eine ganze Stufenleiter mehr oder minder
geistreicher Wasserärzte bis zu Vater K. ihre Thätigkeit übten. Wie jeder
Heilkünstler zählte K. nur seine Erfolge; wobei die gegenseitig unbewusst
mitspielende Suggestion nie in Betracht kam. Gegentheilige Fälle kümmerten
ihn nicht; warum waren die Heilsuchenden nicht früher zu ihm gekommen,
weshalb hatten sie sich auch überhaupt mit solchen Uebeln eingelassen, wo-
gegen Barfussgehcn, Aufgüsse, Theil- und Sturzbäder und selbst der »spanische
Mantel« nichts mehr vermochten. Dass nicht für Alles Hülfe sei, wussten
schon die alten Griechen und die Gelehrten von Salerno. Sein System war
richtig, zum Scrupuliren hatte er überhaupt keine Zeit; was weiter geschah,
lag über seiner Sehweite, da ihn ja häufig der nächsUiegende Augenschein
täuschte. Also Wvat sequensl Man denkt unwillkürlich an das Mephistophe-
lische: »Der Geist der Medicin ist leicht zu fassen!« Geist war übrigens in
Wörishofen nicht viel in Circulation. Auf seinen Wanderzügen und Ortsvor-
trägen hielt ein hausbackener Witz und urwüchsiger Humor immer die Lacher
auf seiner Seite. Am liebsten geissei te er unsere den wahren Anforderungen
der Natur abgewendete Lebensweise, drang wie J. J. Rousseau zur Rückkehr
auf entsprechendere Atzung und Kleidung, donnerte gegen den Luxus der
»Mannen und Weiberleute«, insbesondere gegen Corset und Frauenbeinkleid.
Er amüsirte sein bescheidenes Publikum köstlich. Und das genügte. Dazu
passte auch der wohlwollende, trockene Ausdruck dieses ächten, vergnüglichen
Schwabenkopfes. Wenn er schwieg, zeigte seine Physiognomie etwas Hauben-
stockartiges, ein P^indruck, welchen alle Büsten, Oelbilder, Zeichnungen und
Photographien getreulich wiedergeben. Bewundemswerth bleibt seine Aus-
dauer und Arbeitskraft. Fanatismus hegte er keinen, nicht einmal für Giess-
kanne und Malzkaffee; was von Conversionen in Wörishofen erzählt wird,
gehört in das Bereich der Mythenbildung, welche über Kneipp mit geschäf-
tiger Hand unnöthig zu walten begann. Neben seiner nicht unerheblichen
priesterlichen Amtirung widmete K. viele Sorgfalt und Mühe der Landwirth-
schaft: Futterbau, Verbesserung und Pflege der Wiesen, Bereitung des Düngers,
Viehzucht und Bienenpfiege fanden an ihm einen sorgfältigen Anwalt; durch
Wort und Schrift suchte er die bäuerliche Lage zu klären und zu heben.
»Ehrgeiz und Barmherzigkeit, Rauhheit und Milde mischten sich in seinem
Kneipp, Menzel. 2 21
Wesen«. Natürlich passt auch auf ihn das Dichterwort, dass von der Parteien
Gunst und Hass getrübt sein Bild schwanke: während die Einen ihn als
einen neuen Apostel priesen, fanden die Anderen keine passendere Bezeich-
nung als die eines Charlatan, dessen Thun und Treiben zum Schaden der
menschlichen Gesellschaft möglichst schnell zu sistiren sei. — Kneipp's Vor-
bild übte insbesondere auf den jüngeren Clerus eine stark oscillirende Wir-
kung, welcher neuestens das Augsburger Diöcesan- Blatt einen warnenden
Dämpfer entgegensetzte. — Kneipp erlag einer von ihm nie diagnosticirten
Leberkrankheit. Wenn man ihm auch seiner achtenswerthen Charaktereigen-
schaften halber nicht Feind sein konnte, so muss man doch seinen unwissen-
schaftlichen Dilettantismus bedauern, welcher über eine gewisse einseitige
Autodidaxie niemals hinauskam. Die Zahl der pro und contra angewachsenen
Tagesliteratur ist unübersehbar.
Werke s. Börsenblatt f. d. deutsch. Buchhandel. 1897. No. 151.
Hyac. Holland.
Menzel, Karl, Historiker, * am 3. November 1835 ^^ Speyer, f am
IG. Mai 1897 zu Bonn. . — Ordentl. Professor der Geschichte und historischen
Hilfswissenschaften an der genannten rheinischen Hochschule ist M. nach
längerem Leiden gestorben. Einer angesehenen bayerischen Beamtenfamilie
entstammt, bezog er nach dem Besuch der Gymnasien Bayreuth und Speyer
1855 die Universität München, wo bald v. Sybel durch Vorlesungen und
Seminar eine bedeutende Anziehungskraft auf ihn ausübte. Der gefeierte
akademische Lehrer fand an dem frischen, lebensfrohen, für jede höhere An-
regung empfänglichen Corpsstudenten ein grosses Wohlgefallen. Wie er ihm
seine Gunst bis an das Lebensende in besonderem Maasse bewahrte, so blieb
auch M. seinem Gönner in unwandelbarer Treue ergeben. Unter dem Druck
politischer Verstimmungen folgte v. Sybel, als Kleindeutscher und »Neuberu-
fener« in München missliebig geworden, im Sommer 1861 einem Rufe nach
Bonn. Die akademische Jugend sollte ihn nicht sang- und klanglos abziehen
lassen, und M. hat es mit seinem Einfluss unter der Münchener Studenten-
schaft durchgesetzt, dass — fast wie als Demonstration — dem gefeierten
Lehrer ein glänzender Fackelzug dargebracht wurde.
Der Plan, sich zu habilitiren, führte M. im Jahre 1865 nach Erlangen;
aber bevor es dazu kam, wurde ihm im Frühjahr 1866 die Stelle eines
Secretärs am Grossherzoglichen Staatsarchiv zu Weimar übertragen, und damit
eine ihm sehr zusagende Laufbahn eröffnet. Hier gründete er denn auch
seinen mit Kindern reich gesegneten Hausstand. Als auf v. Sybel's Antrag
eine ordentliche Professur für Geschichte und historische Hilfswissenschaften
in Bonn gegründet wurde, hatte es M. seiner Empfehlung zu danken, dass
ihm dieser Lehrstuhl 1873 übertragen wurde. Den speciellen Lehrauftrag für
historische Hilfswissenschaften führte er so gewissenhaft aus, dass er in jedem
Semester Paläographie oder Diplomatik oder Chronologie oder Quellenkunde
des deutschen Mittelalters, sei es in Vorlesungen, sei es im Seminar, behan-
delte, und dass er von Streifzügen in andere Gebiete des historischen Studiums
mit der Zeit ganz und gar absah. Er, der lebhaft empfindende, leicht ge-
staltende und redegewandte Süddeutsche, mag die Selbstbeschränkung, die er
damit seiner akademischen Wirksamkeit auferlegte, wohl als Entsagung ge-
fühlt haben, aber mit seinem klaren Verstand, seinem ruhigen Blick und
seinem nüchternen Urtheil hat er sich frühzeitig die Grenzen gezogen, inner-
halb deren er seinen Amtspflichten genügen wollte.
2 2 2 Menzel.
Der Lehrberuf Hess dem arbeitsfrohen Manne Müsse zu ausgedehnter
schriftstellerischer Thätigkeit. Noch in seine Münchener Zeit fällt die preis-
gekrönte Arbeit »Kurfürst Friedrich der Siegreiche von der Pfalz und seine
Beziehungen zum Reiche und zur Reichsreform 1454 bis 1464.« München
1861. Er war um diese Zeit Mitarbeiter bei der Redaction der Deutschen
Reichstagsakten, in der strengen Weizsäcker' sehen Schule hat er viel gelernt,
und häufige und langandauemde Reisen in deutsche und auswärtige Archive
haben seiner entschiedenen Befähigung für die Beschäftigung mit dem archi-
valischen Material reichlich Nahrung geboten. Ueberall, wo er erschien, ver-
schaffte ihm sein anspruchsloses, munteres und ungezwungenes Auftreten und
der Eifer für seine Mission Freunde und Förderung. Noch in den späteren
Lebensjahren unternahm er, wenn auch manchmal unter körperlichen Be-
schwerden, mit besonderer Vorliebe Archivreisen. Anlass hiezu boten ihm
die Unternehmungen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde, zu deren
kundigsten und eifrigsten Mitgliedern er von ihrer Gründung an gehörte.
Nachdem er an der Herausgabe der Ada- Handschrift thätigen Antheil ge-
nommen, sammelte und bearbeitete er die älteren rheinischen Urkunden bis
zum Jahre 900, die er denn auch dem Abdruck sehr nahe gebracht hat;
weit vorgeschritten sind ferner seine erzbischöfiich kölnischen Regesten. Von
längerer Zeit her datiren seine Vorbereitungen zur Herausgabe eines zweiten
Bandes des Codex diplomaticus Nassoicus. Urkunden und Acten — dies
war so recht seine Domäne, und dieses Merkmal tragen mehr oder weniger
auch seine darstellenden Werke. Es traf sich, dass er — abgesehen von einer
1868 erschienenen kürzeren Monographie über »Diether von Isenburg, Erz-
bischof von Mainz, 1459 — 1463« — die Arbeiten Anderer fortsetzte, wie
Schliephake's Geschichte von Nassau, die er mit Bd. 5, 6 und 7 bis zum
Jahre 1816 weiterführte (Wiesbaden 1879. ^4- ^9)> ^^^ ^^ ^"^ ^^^ ergänzt
und berichtigt druckfertig machte, wie Knochenhauer's Geschichte Thüringens
(1039 — 1247). Gotha 1871; oder erst aus dem gesammelten Rohmaterial zu-
sammenstellte und der Presse übergab, wie den literarischen Nachlass des pfälzi-
schen Dekans Schwartz, aus dem — mit Recht unter M.'s Namen — die Schrift
»Wolfgang von Zweibrücken, Pfalzgraf bei Rhein 1526 — 1569. München 1893*
in die Oeffentlichkeit trat. Diesen zum Theil sehr umfangreichen Arbeiten
soll die Anerkennung nicht versagt werden, dass sie, die ihrem Herausgeber
Entsagung und Mühe in reichem Maasse brachten, geschickt und umsichtig
ausgeführt sind und die Forschung mit viel Material und neuen Erkenntnissen
bereichern. Neben ihnen darf aber die Abhandhmg ȟber Ordnung und Ein-
richtung der Archive« (Historische Zeitschrift 22, 225 — 256) nicht vergessen
werden, mit welcher der Verfasser die Aufgabe, die er sich gestellt, so trefflich
gelöst hat, dass man fast bedauern möchte, dass dieser Mann mit seinem gesunden
Menschenverstand, Ordnungssinn und praktischen Geschick, seiner Gelehrsam-
keit und seinem wissenschaftlichen Eifer nicht dem Archivdienst erhalten blieb.
Das Bild, das wir von dem Verewigten zu entwerfen versuchten, wäre
unvollständig, wenn wir nicht auch des tapferen Patrioten gedächten, des
beredten und zu jedem Opfer bereiten Vorkämpfers der nationalen Sache in
den Rheinlanden. Aber nur um die Sache kämpfte er: für das neue deutsche
Reich, für die Freiheit der religiösen Ueberzeugung und für das Recht des
freien Wortes. Hasserfiilltes, die Personen befehdendes Parteitreiben lag seinem
Wesen fem, in welchem Lauterkeit, Geradheit und Wohlwollen die Grund-
züge bildeten. Kerl er.
Martiny. Hirschbcrger. Herz. 223
Martiny, Friedrich, ♦ 18 19, f am 7. April 1897 in Danzig. — Ein
Achtundvierziger. Als Stadtrichter in Friedland (Westpreussen) wurde er in
das Frankfurter Parlament gewählt, schloss sich der äussersten Linken an,
hielt beim Stuttgarter Rumpfparlament aus, wurde wegen Hochverrath an-
geklagt und nach einer Untersuchungshaft von 19 Monaten vom Schwur-
gericht in Konitz freigesprochen. Er wurde dann zum Kreisrichter in Kau-
kehmen ernannt und im Jahre 1861 in das Abgeordnetenhaus gewählt.
Hier Hess er sich für die Ideen des damals noch ziemlich isolirt da-
stehenden Lassalle gewinnen, nach welcher das Abgeordnetenhaus die Regie-
rung zur Nachgiebigkeit im Militärconflict dadurch zwingen könne und solle,
dass .es seine Thätigkeit völlig einstelle. Da er in der Partei keine Genossen
für diese Ansichten fand, legte er am 10. Februar 1862 sein Mandat (für
Memel-Heydekrug) nieder. Man betrachtete ihn seitdem als Anhänger der
Socialdemokratie und Lassalle wies ihm in seinem Testament eine erhebliche
Rolle zu. M. zog sich aber vom öffentlichen Leben völlig zurück. Er wurde
1869 Rechtsanwalt in Danzig und 1879 Vorsitzender der Westpreussischen
Anwaltskammer.
Alexander Meyer.
Hirschbcrger, Traugott, ♦ 1811 in Lampersdorf, Kreis Frankenstein
(Schlesien), f am 13. Februar 1897 in Lübbenau. Freisinniger Abgeordneter. —
Besuchte die Volksschule und erlernte das Mtillerhandwerk. Durch eifriges
Selbststudium brachte er es so weit, dass er das Mühlenbauwesen mit eigenen
Arbeiten fördern und technischen Unterricht an der Handwerker-Fortbildungs-
schule ertheilen konnte. Er wurde zum Mitglied der Prüfungskommission für
Bauhandwerker ernannt. Von 1861 bis 1866 gehörte er dem Abgeordneten-
hause für den Wahlkreis Kottbus-Spremberg und von 1881 bis 1884 dem
Reichstage für denselben Wahlkreis an. Noch als achtzigjähriger Greis hat
er in Vorträgen politischen und technischen Inhalts unermüdlich gewirkt. Bei
der Feier der Eröffnung des neuen Reichstagshauses war er der jugendfrische
Senior unter den Anwesenden.
Alexander Meyer.
Herz, Karl, bayerischer Jurist und Abgeordneter, ♦ am 21. December
1831 in Würzburg, f am 8. Mai 1897 in Aschaffenburg. — Studirte in Heidel-
berg und Würzburg Jura, arbeitete an der Staatsanwaltschaft in Aschaffenburg
und München, wurde 1868 Bezirks- und Landgerichtsrath in Nürnberg, im
August 1883 Landgerichtspräsident in Aschaffenburg, starb im Pensionsstande.
Seit dem Jahre 1869 gehörte er dem bayerischen Abgeordnetenhause an
und schloss sich der Fortschrittspartei an. In den Reichstag wurde er 1871
für Eichstädt, einen überwiegend katholischen Wahlkreis, 1874 für Berlin III,
1877 für Ansbach, 1881 für Forchheim gewählt. Dem in Folge der Auf-
lösung von 1878 gewählten Reichstage hat er nicht angehört. Im August
1883 legte er in Folge von Beförderung im Dienste sein Mandat für immer
nieder.
Die Fortschrittspartei zählte ihn zu ihren hervorragenden Mitgliedern.
Sie designirte ihn zum Schriftführer des Reichstags und wählte ihn 1877 in
einen Ausschuss von zehn Mitgliedern, der eine programmatische Erklänmg
der Partei festzustellen hatte. Als er im Jahre 1874 in Eichstädt durch-
gefallen war, empfahl ihn Hoverbeck in einem sehr eindringlich gehaltenen
2 24 Herz. Grillenberger. Zinn.
Briefe für eine Nachwahl in Berlin an seiner eigenen Stelle, da er ftir einen
ostpreussischen Wahlbezirk angenommen hatte. Und als er hier gewählt war,
wurden in seinem alten Wahlkreise Freudenfeuer angezündet.
Seine wichtigste Thätigkeit entfaltete er als Mitglied der Commission für
die Justizgesetze. Er trat im Plenum ein ftir den nichtconfessionellen Eid
(20. November 1876), für die Befugniss des Gerichts, einstimmig einen Schuld-
spruch der Geschworenen zu kassiren (i. December 1876), fiir die Zuständig-
keit der Geschworenen in Presssachen (19. December 1876), für die Be-
schränkung der Militärgerichte im Frieden auf Dienstvergehen der Militär-
personen (21. December 1876).
Alexander Meyer.
Grillenberger, Karl, * am 22. Februar 1848 in Zirndorf in Bayern, f ^""
19. October 1897 in Nürnberg. Socialdemokratischer Abgeordneter und Re-
dakteur. — Besuchte die Volksschule, lernte das Schlosserhandwerk und arbei-
tete zeitweise in der Gewehrfabrik zu Nürnberg. Seit 1875 im Sinne der
Socialdemokratie publicistisch thätig, tibernahm er später die Redaktion der
PVankfurter Tagespost in Nürnberg. Seit 1881 bis zu seinem Tode gehörte
er dem Reichstage als Abgeordneter für Nürnberg an, war auch Mitglied des
bayerischen Abgeordnetenhauses.
Er war ein markiger Redner, der sich auch in den der Arbeiterversiche-
rung betreffenden Fragen ein tüchtiges Wissen angeeignet hatte.
Alexander Meyer.
Zinn, August, ♦ am 20. August 1825 zu Bbesheim in der bayerischen
Pfalz, f am 17. November 1897 zu Eberswalde. Irrenarzt, zeitweise Reichs-
tagsabgeordneter. — Z. war der Sohn eines mit Kindern reich gesegneten
Pfarrers, den er frühzeitig verlor. Er wurde für das Forstfach bestimmt und
hatte es schon zu einer mit kleinem Gehalt ausgestatteten Beamtenstelle ge-
bracht, als das Jahr 1849 ^^^ ^^ ^^^ Strudel der Revolution zog. Er musste
in die Schweiz flüchten und nahm hier mit Unterstützung einiger Gönner das
Studium der Medicin auf. Er Hess sich 1858 als praktischer Arzt in Thal-
weil, Kanton Zürich, nieder und heirathete seine Jugendgeliebte Anna Haas.
Kleine Schriften, die er über irrenärztliche Themata geschrieben hatte, ver-
anlassten, dass er zum Direktor der Irrenanstalt zu St. Pirminsberg (St. Gallen)
berufen wurde, um deren Entwickelung er sich hohe Verdienste erworben.
Im Jahre 1867 wurde er Ehrenbürger der Stadt und des Kantons St. Gallen.
Im Jahre 1872 wurde er als Chefarzt und Direktor an die Landesirrenanstalt
Eberswalde (Provinz Brandenburg) berufen und war fünfzehn Jahre als Re-
ferent der Brandenburgischen Pro vinzial Verwaltung thätig, in der er das Me-
dicinalwesen bearbeitete. Obwohl seine literarische Thätigkeit gering war,
hatte er sich doch in weiten Kreisen den Ruf eines sehr tüchtigen Medicinal-
beamten erworben.
Von 1874 bis 1881 vertrat er den Kreis Kirchheim-Bolanden im Reichs-
tag. Seine Thätigkeit war hier dadurch bemerkenswerth, dass er der einzige
Nicht- Jurist war, der in die Commission zur Berathung der Justizgesetze (Ge-
richtsverfassung, Civil- und Strafpro cessordnung) gew^ähH wurde. Er leistete
gute Dienste bei allen den Kapiteln, die ärztliche Kenntnisse in Anspruch
nahmen, allein er arbeitete sich in das ganze Thema so vorzüglich ein, dass
er schliesslich auch in rein juristischen Fragen für voll genommen wurde.
Zinn. Petri.
225
Er hatte sich, getreu seinen Jugenderinnerungen, ursprünglich der Fort-
schrittspartei angeschlossen, allein als Fürst Bismarck eine neue handelspoliti-
sche Aera in das Leben rief, zeigte es sich, dass Z. Schutzzöllner durch und
durch war. Seine alten Freunde brachen mit ihm und er hielt es nach kur-
zem Schwanken gerathen, sich aus dem parlamentarischen Leben gänzlich
zurückzuziehen. Ein langwieriges Leiden machte seinem Leben ein Ende.
Schriften und Aufsätze: Ueber die Cholera in Zürich; über die Masernepidemie
in Thalweil bei Zürich; über das öffentliche Irrenwesen im Kanton Zürich 1850; über die
Staatsaufsicht in den Irrenanstalten, 1877; über die Stellung des Geistlichen an der Irren-
anstalt, 1880; über die Versorgung geisteskranker Verbrecher, 1882; über die Öffentliche
Irrenpflege in Preussen, 1884; über Psychiatrie und Seelsorge, 1893; zur Reform des Irren-
wesens in Preussen und das Verfahren in Entmündigungssachen von Geisteskranken, 1893;
zur Frage der Reform des Irrenwesens, 1895, — Ueber ihn: Zeitschrift für Psychiatrie, 1898.
Alexander Meyer.
Petri, Wilhelm Joseph, ♦ am 9. October 1826 zu Oestrich im Rhein-
gau, f am 13. November 1897 in Cassel. Vorkämpfer der altkatholischen
Bewegung, Richter und eine Zeit lang Abgeordneter. — Er war der Sohn eines
Grundbesitzers und Oberschultheissen, erhielt seine Schulbildung in Wiesbaden,
Hadamar und Weilburg und studirte in Heidelberg, Leipzig und Bonn. Im
Jahre 1848 machte er als Soldat im 2. Nassauischen Infanterie-Regiment den
Feldzug gegen die Dänen mit. Im Jahre 1849 promovirte er summa cum
laude zum Dr. jur. und legte bis 1854 seine beiden Staatsprüfungen ab. Er
wurde nach der Annexion Nassaus zum Appellationsgerichtsrath ernannt und
Ende 1881 Senatspräsident am Oberlandesgericht Cassel. Er erhielt 1891
den Titel eines Geheimen Ober-Justizraths und schied kurz vor seinem Tode,
mit hohen Orden geehrt, aus dem aktiven Dienst. Ein äusserst schmerzhaftes
carcinomöses Leiden hatte ihm die letzten Lebensjahre verbittert.
Von 1872 bis 1881 hat er den Stadtkreis Wiesbaden im Preussischen
Abgeordnetenhause vertreten, sich der Fortschrittspartei angeschlossen und
sich hauptsächlich als Vorkämpfer der altkatholischen Sache einen Namen
gemacht. Wesentlich seiner Anregung war es zu verdanken, dass das Alt-
katholikengesetz erla.ssen wurde. Selbstverständlich wurde er die Zielscheibe
der ultramontanen Angriffe und man hat ihm höhnisch wiederholt die Frage
vorgelegt, ob er denn — mit Ausnahme des Unfehlbarkeitsdogmas — alle
übrigen Dogmen der katholischen Kirche glaube. Mit Recht hat er dieser
unberufenen Frage das Schweigen des Unwillens entgegengesetzt. P. war ein
\'iel zu lauterer Charakter, als dass er in der katholischen Kirche verharrt
haben würde, wenn er nicht die Ueberzeugung gehabt hätte, dass er mit
seiner kirchlichen Ueberzeugung das Recht gehabt hätte, in ihr zu stehen.
Er nannte den Katholicismus die Religion seiner Väter und sah in dem Un-
fehlbarkeitsdogma einen Abfall von der Religion seiner Väter und er war der
Mann nicht, um zu lügen. In der Regel ein Mann von ruhigen Formen und
ein Gegner des leeren Pathos, machte es einen grossen Eindruck, als er die
Verse des Pseudo- Walther von der Vogel weide recitirte:
Wer zagt, dass er des Himmels fehle,
Der beuge sich des Bannes Reich,
Ich fürchte Nichts für meine Seele,
Steh' ich zu Kaiser und zu Reich.
Im Jahre 1877 trat er aus der Fraktion der Fortschrittspartei aus und
wurde »wild«. Gründe für diesen Schritt hat er nicht angegeben ; es lässt sich
Blogr. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog. 2. Bd. I c
2 26 Petri. Engelhorn. Janke.
vermuthen, dass ihm auch hier einige Dogmen aufgezwängt werden sollten,
die er verwarf, obwohl er an der Politik seiner Väter, dem Liberalismus,
festhielt.
Durch eine erste sehr kurze Ehe wurde P. der Schwager des Cultur-
historikers Riehl und wurde durch diesen veranlasst, in der Augsburger All-
gemeinen Zeitung und in den Annalen des Nassauischen Alterthumsvereins
einige Aufsätze, darunter einen über die Niederlage der Rheingauer Bauern
bei dem Wachholderhof (im Bauernkriege) zu schreiben. Aus einer zweiten
Ehe mit einem Fräulein Hilf hinterliess er zahlreiche Kinder.
P. war ein Mann von grosser körperlicher und geistiger Energie, ein
rüstiger Bergsteiger. Nebenher einer der besten Kenner und Käufer rheini-
scher Weine, vor dem selbst Karl Braun seine Klinge neigte. Dieser Cha-
rakterzug gehört noth wendig zu seinem Bilde. Seines Umganges konnte man
sich erfreuen, wie eines edlen firmen Weines. So war Festigkeit und Milde
in seinem Wesen gepaart. Um eine grössere und längere Rolle im politischen
Leben zu spielen, fehlte ihm der Ehrgeiz; er trat hervor, so lange Pflicht und
Gewissen es ihm gebot.
Alexander Meyer.
Engelhorn, Julius, Buchhändler, * am 4. Juni 18 18 in Mannheim, f am
10. Mai 1897 in Stuttgart. — E. war lange Jahre hindurch im kaufmännischen
Berufe thätig und machte sich als Verlagsbuchhändler erst im Jahre 1860 in
Stuttgart selbständig. Durch Gründung der gediegenen Kunstzeitschrift »Ge-
werbehalle« und ähnliche zeitgemässe Unternehmungen erzielte er bald grosse
Anerkennung und Erfolge. Ausserordentlich günstige Aufnahme und Ver-
breitung fand das 1884 gegründete Unternehmen: »Engelhom's Romanbiblio-
thek«, eine Sammlung neuer gediegener Romane und Novellen in gleichmässigen,
äusserst billigen Ausgaben. Allen Vorgängen im Buchhandel schenkte er das
lebhafteste Interesse und machte in engeren und weiteren Kreisen um das
Gemeinwohl des Standes in hohem Grade sich verdient. — Besitz und Lei-
tung des Geschäftes gingen 1890 in die Hände seines Sohnes und langjährigen
Theilhabers Karl Engelhorn, Mitgliedes des Börsenvereins- Vorstandes, über.
Vergl. Börsenblatt f. d. deutsch. Buchh. 1897, No. 108.
H. Ellissen.
Janke, Richard, Buchhändler, * 1852 in Berlin, f am 21. August 1897
ebenda. — J. absolvirte das Gymnasium und erlernte bei Fr. Frommann in
Jena den Buchhandel. Später widmete er sich kurze Zeit dem Bankfach,
dann ausschliesslich dem Musik alienhandel. Nachdem er diesen bei Martin
Bahn in Berlin näher kennen gelernt und die Sulzer'sche Handlung in Biele-
feld einige Zeit geleitet hatte, erwarb er die Schmid'sche Hofmusikalienhand-
lung in München, trat jedoch nach mehreren Jahren auf Wunsch seines Vaters
und Bruders in das hochangesehene väterliche Verlagsgeschäft Otto Janke ein
und wurde 1883 dessen Mitinhaber. Nach dem Ausscheiden des Begründers
(1885) führte er es bis zu seinem Tode gemeinschaftlich mit seinem älteren
Bruder Dr. Gustav Janke in erfolgreicher Weise fort. — Im Privatleben
pflegte J. eifrig die Musik. Sein heiteres Wesen machte ihn beliebt in einem
grossen Kreise seiner Collegen.
Vergl. Börsenblatt f. d. deutsch. Buchh. 1897. No. 196 u. 260.
H. Ellissen.
Koch. Koehler. 227
Koch, Eduard Friedrich, Buchhändler, * am 10. Juli 1838 zu Gross-
aspach, Oberamt Backnang, in Württemberg, als ältester Sohn des Pfarrers
Koch, t am 30. November 1897 in Stuttgart. — Seit 1847 besuchte er das
Gymnasium in Heilbronn, wohin sein Vater versetzt war. Mit 16 Jahren ver-
liess er die Schule, um sich dem Buchhandel zu widmen, den er in Heidel-
berg erlernte. Später war er in Braunschweig, Leipzig und Freiburg i. Br.
thätig. Schon damals betrieb er nebenbei eifrig das Studium der Natur-
wissenschaften, besonders das der Geologie, und legte den Grund zu einer
späteren grossartigen paläontologischen Sammlung. 1867 übernahm er die
1826 gegründete Schweizerbart'sche Verlagshandlung und Druckerei in Stutt-
gart. Während der Verlag bisher Schriften des verschiedensten Inhalts um-
fasst hatte, pflegte K. fast nur den naturwissenschaftlichen Verlag. So ver-
legte er u. a. die Schriften von Darwin in der Uebersetzung von J. V. Carus,
die in 20 Nummern 43 Bände umfassen und etwa 300 M. kosten. Welche
Dienste er aber besonders der Paläontologie leistete, beweisen die in vielen
Bänden vorliegenden »Paläontographica, Beiträge zur Geschichte der Vorzeit«
im Werthe von beinahe 3000 M. Die ftir diese u. a. seiner naturwissen-
schaftlichen Zeitschriften vielfach nöthigen Abbildungen trugen wesentlich zur
Förderung der modernen Reproductionsverfahren bei. Er bekleidete Ehren-
und Vertrauensposten im Verein für vaterländische Naturkunde und im Würt-
tembergischen anthropologischen Verein. Auch sein Interesse fiir das Gemein-
wohl des Buchhandels hat er vielfach an den Tag gelegt.
Vergl. Medicinisches Correspondenzblatt des WUrttembergischen ärztlichen Landes-
vereins, abgedruckt im Börsenblatt f. d. deutsch. Buchh. 1897. No. 300.
H. Ellissen.
Koehler, Karl Franz, Buchhändler, * am 22. August 1843 als der älteste
Sohn des zweiten Inhabers des grossen Buchhändlerhauses K. F. Koehler,
Franz Koehler in Leipzig, f am 5. August 1897 in Bonn. — Nach strenger
väterlicher Erziehung, bestand er eine vierjährige Lehrzeit bei Vandenhoeck
& Ruprecht in Göttingen. Später in den berühmten Buchhandlungen Dulau
& Co. in London, Otto Lorenz in Paris und Wilhelm Braumüller & Sohn in
Wien als Gehilfe thätig, hatte er Gelegenheit, seine geschäftlichen Kenntnisse
in ungewöhnlicher Weise zu bereichern. 1867 trat er in das bereits 1789
gegründete väterliche Geschäft ein, das schon damals zu den bedeutendsten
Leipziger Commissions-Buchhandlungen gehörte, und mit einem nicht minder
angesehenen Antiquariat verbunden war; 1881 aber wurde es, nachdem 1873
das Commissionsgeschäft in den Alleinbesitz von Karl Franz übergegangen
war, während sein Bruder Hugo das Antiquariat übernommen hatte, noch
wesentlich veigrössert durch Erwerbung des Hermann Fries' sehen Commissions-
geschäfts. In dem 1880/81 von K. erbauten palastartigen Hause an der
Stephanstrasse eröffnete er 1887/88 ein bald zu höchstem Ansehen gelangen-
des Baarsortiment, das die sofortige Lieferung aller gangbaren Verlagsartikel,
meist in gebundenem Zustande und zu den Verlagsnettopreisen, an die Sorti-
mentshandlungen vermittelt. Eine grössere Anzahl alljährlich und semester-
weise veröffentlicher gediegener Cataloge legt Zeugniss ftir die hohe Bedeu-
tung dieses Geschäftszweiges ab. Die gewaltige Ausdehnung des Geschäftes
führte zur Errichtung eines noch grösseren, ein ganzes Strassenviertel am
Täubchenweg bedeckenden Geschäftshauses, das 1894 bezogen wurde. Unter
fast unaufhörlichen Aufregungen und Anstrengungen leider schon seit Jahren
15*
228 Koehler. Rupp. Walch.
erkrankt, suchte K. zuletzt in Bonn Heilung von einem periodisch wieder-
kehrenden qualvollen Uebel. Am 8. August wurde er in der mit herrlichen
Reliefs von Kaffsack geschmückten Familiengruft unter unabsehbarem Gefolge
zur Ruhe bestattet.
Vergl. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1897. No. 181, 183, 197 und Da-
heim 1897, No. 48 (mit Portr.). jj Ellissen.
Rupp, Adolf, Architekt, ♦ am 14. März 1843 als Sohn eines griechischen
Militärspitalverwalters in Athen, f am 15. Mai 1897 zu München. — R. kam
dreizehnjährig zu seiner Ausbildung nach Deutschland, wo er die Realschule
zu Augsburg und dann das Polytechnikum in München besuchte. R. begann
seine Praxis als Ingenieur der bayerischen Staatseisenbahnen, ging als Ober-
ingenieur nach Rumänien und Oesterreich, kehrte 1875 ^^^^ Bayern zurück
und Hess sich 1888 in München als Ingenieur und Baumeister nieder, wo er
verschiedene grössere Privatbauten ausführte, zuletzt das mustergilt ige, eine
Sehenswürdigkeit ersten Ranges bildende »Kaufhaus Böhmler«, welches im
März 1897 vollendet wurde. Doch schon am 15. Mai endete der Tod die
vielseitige Thätigkeit des merkwürdigen Mannes.
Vergl. No. 74 »Allgemeine Zeitung« vom 15. März 1897 und No. 227 »Münchener
Neueste Nachrichten« vom 18. Mai 1897. tt tt n j
^' Hyac. Holland.
Walch, Emanuel, Maler, * am 28. August 1862 im hochgelegenen Berg-
dorf Kaisers in Tirol, f am 25. August 1897 zu Toblach. — Ein vorzüglich
begabter Künstler, welcher trotz seiner kurzen Lebenszeit doch schon einen
sehr guten Namen erwarb. In W. entwickelte sich die fast allen seinen Lands-
leuten eigene Veranlagung zur Kunst durch das Betrachten von Kirchen-
gemälden und Bücher-Illustrationen. Die Neigung, selbst Zeichner und Maler
zu werden, führte ihn alsbald in die Werkstätte des in Vorderhombach sess-
haften Malers Karle und etliche Jahre später an die Münchener Akademie,
wo Ludwig V. Löfftz und insbesondere Andreas Müller das vielversprechende
Talent cultivirten. Die nöthige Unterstützung boten einige wohlgeneigte
Gönner und ein Stipendium der Tiroler Landesregierung. W., welcher sich
der religiösen Kunst zuwendete, malte drei Oelbilder für die Kirche zu Mün-
ster (Unterinnthal), mehrere Fresken in der Kirche zu Vomp, auch eine »hl.
P^lisabeth« für eine Villa in Schwaz. Sein energischer Fleiss ermöglichte 1894
sechs Bilder in der neuen Kirche zu Villach, acht Wandbilder an der Aussen-
seite der Pfarrkirche zu Mieming zu schaffen. Schon 1893 hatte W. für Obeske
und Szabadka in Ungarn mehrere treffliche Fresken geliefert, während viele
Oelbilder in die Kirchen Tirols kamen, darunter das liebliche »Rosenkranz-
bild« für Innervillgratten, welches auf der Ausstellung der »Deutschen Gesell-
schaft f\ir Christliche Kunst« zu München 1895 ^^^ verdiente Würdigung fand.
Kleinere Bilder erwarb der Münchener »Verein für Christliche Kunst« zu
seinen Verloosungen in den Jahren 1889, 1894 und 1896. Die fortgesetzt
anstrengenden Arbeiten zehrten an der ohnehin schwächlichen Gesundheit des
Künstlers, dazu gesellten sich durch einen unglücklichen Sturz von einem
Malgerüste häufige Blutergüsse und ein rasch vorschreitendes Lungenleiden.
Sein den höchsten Zielen zugewendetes edles Streben endete schon am
25. August 1897. Er wurde auf dem stillen Friedhofe zu Toblach begraben.
Vergl. Max Fürst im 9 Rechenschaftsbericht des Vereins für christl. Kunst« f. 1897.
München 1898. S. 13.
Hyac. Holland.
Sänger. Stieler. 220
Sänger, Dominik, Bildhauer, ♦ am 6. October 1845 zu Berlin, f am
6. März 1897 in München. — S. kam nach Vollendung der Realschule zu
Breslau in das Geschäft eines angesehenen Steinmetzen und Stuccateurs und
mit demselben nach Russland, wo ein grosser Auftrag des damaligen Kaisers
zu erledigen war. Darauf trat S. zu München im Atelier des Bildhauers Anselm
Sickinger (1807 — 1873) in Condition, wo er bald die verdiente Aufmerksam-
keit erregte, aber schon nach kaum einjähriger Thätigkeit durch seine Militär-
j>flicht nach Berlin gerufen wurde auf die Dauer des Feldzugs 1866. Nach
Ablauf desselben arbeitete S. in Budapest, Wien und abermals zu München
in verschiedenen Ateliers, doch förderte er sich nebenher noch durch fleissigen
Besuch von Akt- und Zeichnungsschulen. Der Krieg 1870 rief ihn abermals
unter die Waffen bei den Königin Elisabeth Garde-Grenadieren. Nach dem
Frieden eilte S. abermals nach München; hier gründete er 1873 seinen eigenen
Herd, beschäftigte sich mit seiner eminenten Meisselführung nicht allein bei
WagmüUer's Liebigdenkmal und ftir Fr. Wilh. Wanderer, sondern erwarb auch
diu-ch geistreich ausgeführte Porträtbüsten (darunter das Brustbild von Julius
Knorr) und andere Leistungen einen geachteten Namen. Das Dichterwort,
dass der Mensch mit seinen höheren Zielen wachse, bewährte sich an diesem
Künstler. In seiner mühevollen Laufbahn arbeitete S. voll unermüdlichen
Schaffens. 7>otz seines herkulisch scheinenden Körperbaus unterlag er doch
einem tückischen Leiden, welches in den letzten drei Jahren, genährt durch
seinen schweren Beruf, unaufhaltsam sich entwickelte und den Künstler am
6. März 1897 in die Arme des Todes legte. Die köstliche Steinskulptur
eines jungen lachenden Faunkopfes erschien im Mai 1898 im Münchener
Kunstverein.
Vergl. Bericht des genannten Vereins f. 1897. S. 76.
Hyac. Holland.
Stieler, Max, Maler, * am 16. Februar 1825, f am 23. Juni 1897 zu
München. — St. war der älteste Sohn des seiner Zeit so viel gefeierten Por-
trätmalers Joseph von Stieler (i 781 — 1858), besuchte die Akademie, arbeitete
im Atelier seines Vaters und copirte viele Bildnisse desselben, litt aber unter
der Berühmtheit des Namens, so dass er zu keiner freien, selbständigen Thä-
tigkeit gelangte. Desshalb wendete sich St. zur Genremalerei und lieferte
mehrere anspruchslose, gemüthvolle Bilder, z. B. »Schiller in Ausübung
seiner ärztlichen Praxis als Medicus beim Grenadier-Regiment des General
Augt§, einen Verwundeten verbindend« ; eine am Feiertag im Gebetbuch
>Lesende Frau« (1862); eine »Schnitterin« (1864), einen »Zillerthaler Bauer«
(1872) u. s. w. Bei verschieder^en Künstlerfesten trat er als Redner auf (auch
1868 bei der Trauerfeier für König Ludwig L), dichtete für die Künstler-
genossenschaft und Liedertafel viele Prologe und komische Scenen, darunter
das in altbayerischer Mundart verfasste Zwiegespräch »Philemon und Baucis«
(1881) und errang auf den Bühnen des Residenz- und Volkstheaters vielfachen
Beifall durch mehrere dramatische Dichtungen und Lustspiele, darunter »Der
blaue Teufel«, »Aus Dazumal und Heute«, »Der Schatz«, das culturhis tori-
sche Dramolet »Gluck in Trianon« und eine Tragödie »Fra Filippo«. Aber
auch hier beengte ihn die glänzende Popularität seines jüngeren Bruders
Karl Stieler (1842 — 1885), der mit seinen lebensprühenden Gedichten, ins-
besondere in altbayerischer Mundart, sich hervorthat. So zog er sich ganz
von der OefFentlichkeit zurück und begann das reiche Material zur Geschichte
2 70 Stielcr. Schneidt. Keller.
und Biographie seines Vaters zu ordnen, eine Arbeit, welche St. jedoch nicht
mehr zustande brachte, da derselbe nach langen Leiden starb.
Vergl. No. 174 »Allgemeine Zeitung« vom 25. Juni 1897.
Hyac. Holland.
Schneidt, Laura, Dichterin, f am 12. Mai 1897 zu München, 73 Jahre
und 4 Monate alt. — Sie hatte als Tochter eines Obertaxators eine sehr gute
Bildung genossen und verwerthete sie als Erzieherin in einigen adeligen P'ami-
lien, wo man ihr zeitlebens eine dankbare Erinnerung bewahrte. Als sie
später erblindete, ertheilte sie Unterrichtsstunden und sorgte in liebreichster
Weise für ihre ganz gelähmte Mutter. Nach dem Tode derselben fand sie
noch immer Mittel und Wege, um anderen, ärmeren Mitmenschen hilfreich
unter die Arme zu greifen und ihnen Trost und Freude zu bereiten. Dess-
halb sammelte sie auch ihre Gedichte und gab dieselben heraus unter dem Titel
»Flora's Tagebuch. Zum Besten einiger im Feldzuge 1870 erblindeten Bayern;
von einer erblindeten Compatriotin«, München (1875. 80 S. 12. 2. Aufl. 1896.
100 S. 8). Was ihren nur durch Diktiren in Schrift gebrachten und deshalb
weniger gefeilten Dichtungen etwa in formeller Weise abging, ersetzten ihre
originellen Gedanken, ihre tiefe Auffassung des menschlichen Daseins, beson-
ders aber eine wahre, innige Frömmigkeit, die allein im Stande war, der viel-
geprüften Dichterin jenen Seelenfrieden und jene Ergebung zu verleihen,
welche den Verkehr mit derselben so anmuthig machte. Sie verstand mit
einer den Blinden häufig verliehenen Findigkeit den Mangel ihres Augenlichtes
geschickt zu verbergen und der leisesten Fühlung ihrer Führerin zu folgen,
eine glänzende Conversation zu führen und eine gute Gesellschaft auf das
Anziehendste zu unterhalten.
Hyac. Holland.
Keller, Franz, schwäbischer Dialektdichter, * am 24. October 1824 als
Sohn eines Weissgerbers zu Günzburg an der Donau, f am 8. October 1897
zu Unterroth. — Erst zum Handwerk bestimmt, studirte K. unter vielen Ent-
behrungen am (jymnasium und Lyceum in Augsburg, immer mit Auszeich-
nung, trat als Candidat der Theologie in das »Georgianum« zu München,
absolvirte die Universität, wurde Priester und Caplan in Altusried, Pfarrer in
Haldenwang bei Burgau, in welcher Stellung er zugleich die Hauslehreretelle
in der Familie des Grafen von Freiberg sieben Jahre lang versah, wirkte vier-
zehn Jahre lang in Waldkirch als Pfarrer, dann mit gleicher Thätigkeit
zu Unterroth (bei lUertissen) in Schwaben, wo er starb. Wie alle ächten
Dichter dankte auch er seiner gemüthvollen Mutter den poetischen Sinn
und die heitere Laune, die, trotz der strengen Erziehung des ernsten Vaters
und den durch die Nothlage der Eltern frühe empfundenen Sorgen, ihm
immerdar treu verblieb und trotz späteren körperlichen Leiden seinen von
Witz und köstiichen Einfällen übersprudelnden Humor belebte. K. begann
schon als Student in Augsburg zu dichten; Andere dadurch zu erheitem
war seine Freude. Und diesen Zweck erreichte er fast stets, da alle seine Stoße
dem vollen Menschenleben entnommen sind und durch sein reiches Gemüth
die ansprechendste Form erhielten. Sie fanden die beste Aufnahme, als er
allmählich damit sich in die Oeffentlichkeit wagte, und erlebte insgesammt
mehrfache Auflagen, deren Ertrag der Dichter in acht humaner Weise den
Cretinen- und Blinden-Anstalten in Lautrach und Ursberg zuwendete. Zuerst
Keller. Ritter von Scbönherr. 231
erschienen die »Doarascbleah« (1873 bei Jos. Kösel in Kempten. 5. Aufl. 1891),
dann »Etla Hagabutza« (1874. 4. Aufl. 1891), »Erdbörla« (1875. 2. Aufl. 1887),
»I^uranand« (1880. 2. Aufl. 1891 mit dem Lichtdruckbildnisse des Dichters),
die »Hoidlbörla«, »Brau'börla« (1887) und »Hoidl-Börla« (1891). Ein neues
und letztes Sträusschen dieser anspruchslosen, acht naturwüchsigen und bei
aller heilkräftigen Herbigkeit doch durchweg acht poetischen Beeren, steht
noch aus dem Nachlass in Aussicht. Dieselbe hohe Stufe, welche Franz
von Kobell durch seine in altbayerischer und pfälzer Mundart gelieferten Dich-
tungen errang, kann auch K. für seine meisterhaften Leistungen in dem fröh-
lich breiten schwäbischen Dialekt beanspruchen. Sie sind ein treuer Spiegel
von Land und Leuten und von dem edlen Sinne des Dichters, welcher das
Horazische »prodesse et delectare« nie aus dem Auge verlor und im Verein
mit seiner virtuosen, urweltfrischen Beherrschung der Sprache nächst seinem
erst neuerdings gewürdigten Landsmann Ludwig Aurbacher (1784 — 1847, Ver-
fasser des Volksbuches »Die sieben Schwaben«), Joh. Peter Hebel, Grübel,
Fritz Reuter, Karl Stieler und allen neueren zeitgenössischen Dialektdichtem
genannt zu werden verdient.
Hyac. Holland,
Schönherr, David, Ritter von, Dr., k. k. Hofrath und Archivdirektor a. D.,
* am 20. October 1822 zu Kniepass, f am 17. October 1897 zu Innsbruck.
— Als Seh. sein thätiges Leben nach kurzer, wohlverdienter Ruhe beschloss,
hatte er als ächter Patriot einen höchst populären Namen in Tirol und errang,
als seine politische Rolle zu Ende ging, durch seine archivalischen Funde
und ihre löbliche Verarbeitung, den Ruf eines wackeren Forschers und tüch-
tigen Kunst- und Culturhistorikers. Geboren als der Sohn ein k. k. Zoll-
beamten in der ehemaligen Grenzveste Kniepass bei Reutte in Tirol, sammelte
Seh. zu Wien eine schätzbare Grundlage von historischen und artistischen
Studien, welche vorläufig freilich nicht zur Reife gediehen, da er 1848 beim
Beginn der dortigen Revolution, durch den Tod seiner Mutter in die Hei-
math zurückberufen, zu Innsbruck die Redaktion der »Schützen-Zeitung« über-
nahm, welche er mit seiner publicistischen Begabung, in kurzer Frist zum
volksthümlichsten und einflussreichsten Organ des Tiroler Landes erhob. Durch
eine glückliche Heirath und seine journalistische Tbätigkeit ganz an Tirol
gefesselt, wendete Seh. sein Augenmerk auf das damals frisch erblühende
Schützenwesen; er besuchte alle Schiessstände des Landes und gewann als
einer der besten Treffer bei allen P'estschiessen nicht nur Schützen-Preis und
-Dank, sondern auch die ausgebreitesten Bekanntschaften aus allen Ständen
und gründliche Einsicht in alle Verhältnisse und in die wohlberechtigten Wün-
sche des Volkes. Die freimüthige Unerschrockenheit, womit Seh. seine Stimme
bei allen Beschwerden und Misshelligkeiten erhob, zog freilich ein ganzes
Conglomerat von Confiscationen und Pressprocessen über den Redakteur der
Schützen-Zeitung zusammen, welche immer mit Freisprechung endend, nur zur
weiteren Verbreitung des Blattes beitrugen. Es ist unglaublich, was damals
als strafwürdiges Reat betrachtet wurde und mit wxlch' rüder Gewissenlosig-
keit Polizei und Regierung im acht vormärzlich bureaukratischen Nachklange
hausten. — Hatte sich die Bedeutung des Schützenwesens schon 1848 gegen
den piemontesischen Rummel bemerkbar gemacht, so brachten die Jahre 1859
und 1866 neue Erfahrungen und Resultate, welche Seh. als Kreis- und Lan-
des-Defensions-Commissär sattsam verwerthete. Zum fortwährenden Exercitium
232
Ritter von Schönherr.
in Friedenszeiten organisirte Seh. als Schützenmeister des k. k. Landes-Haupi-
schiessstandes die vom reinsten Patriotismus belebten grossen Schützenfeste,
so 1853 bei der Feier der Rettung und Wiedergenesung des Kaiser Franz
Joseph, dann das Schiessen zu Innsbruck, auf welchem der Kaiser, Erzherzog
Karl Ludwig und 5400 aktive Schützen erschienen, femer die »Tiroler Schützen-
züge«, insbesondere 1862 nach Frankfurt und 1868 nach Wien. Für Frank-
furt hatte Seh. nicht nur die prachtvollsten Exemplare, welche damals als
»Schmerzenskinder« mit feuriger Begeisterung durchschlugen, ausgewählt, son-
dern sieh daselbst auch als Meister bewährt, »da er innerhalb drei Stunden
212 Punkte gewann und die Figur auf der Feldscheibe zehnmal ununter-
brochen durch die Brust schoss.« — Inzwischen besuchte Seh., um frühere
Versäumnisse nachzuholen, als ordentlicher Zuhörer die Vorlesungen der
rechts- und staatswirthschaftliehen Faeultät der Universität Innsbruck und
bestand mit Auszeichnung das Rigorosum, womit er wohl seine juridische
Laufbahn, nicht aber seine öffentliche Thätigkeit abschloss, denn seit 1857
wirkte Seh. als Curator und Fachdirektor des Landesmuseums (Ferdinandeum:,
seit 1864 als Correspondent des »Oesterreiehischen Museums für Kunst und
Industrie in Wien« und als vom Landtag bestellter Beirath des Landes-Ober-
schützenmeisters, ferner als Mitglied verschiedener Comit^s in Bewaflfhungs-
und Landesvertheidigungs-Angelegenheiten — bis er endlich 1871 die Stelle
eines »Oberschützenmeisters des Landes-Hauptschiessstandes«, fast gleichzeitig
mit der Redaktion seiner Zeitung niederlegte, um den schon früher begonnenen
geschichtlichen Untersuchungen und Forschungen sich ganz zuzuwenden, wo-
für das Statthalterei- Archiv ein unschätzbares, völlig neues Quellen -Material
bot. Unter der Beihüfe seiner Freunde Prof. Dr. A. Huber, Durig, I^dumer,
Ign. Zingerle u. A. edirte Seh. fünf Jahre lang die »Zeitschrift für Geschichte
und Alterthumskunde Tirols«. Hier legte er eine Reihe seiner eigenen, meist
kunsthistorischen Elaborate nieder, wofür ihm die Universität Tübingen ein
ehrenvolles Doktor-Diplom votirte und der Fürst von Thum und Taxis zu
Regensburg die Direktion seines Hof- und Familien -Archivs antrug. Glück-
licher Weise erinnerte man sich nun auch in Wien an diese gute, wohl ver-
wendbare Kraft, indem für Seh. die Stelle eines Statthalterei -Archivars er-
richtet wurde. So blieb er der Heimath erhalten und schürfte aus dem ihm
wohl vertrauten Boden nicht nur eine Fülle dankenswerther Funde, sondern
trug auch wesentlich dazu bei, die Schätze dieses Archivs den aus Oester-
reich, Deutschland und der Schweiz kommenden gelehrten Anfragen zugäng-
lich zu machen und zu erschliessen. Seh. 's Arbeiten erschienen in Buchform
oder in den verschiedensten wissenschaftlichen Fachzeitschriften, danmtcr
»Franz Sehweyger's Chronik der Stadt Hall« (1867); der »Einfall des Chur-
fürsten Moriz von Sachsen in Tirol 1552« (1868); über »die Lage der an-
geblich verschütteten Römerstadt Maja« (1873) u. s. w. Absonderliches Ver-
dienst erwarb sich Seh. mit seiner »Geschichte des Grabmals Kaiser Maxi-
milians I.« und dem urkundlichen Nachweis der dabei verwendeten Künsder,
durch seine Theilnahme an der Restauration des herrlichen Schlosses Runkel-
stein (1874) und die Wiederherstellung der landesfürstlichen Burg in Meran
1882 und 1892 (vgl. Beilage 236 »Allgemeine Zeitung« vom 26. August 1893V
Völlig Neues brachte Seh. über den berühmten Tiroler-Kanzler Biener, über
Treitz-Sauerwein's Heimath und Familie; über Hans Ried, den Schreiber des
Heldenbuchs; über »Die älteste Papierfabrikation und Druckerei in Tirol«,
über »Erzherzog Ferdinand als Baumeister«, über den »Krieg Kaiser Max I.
Ritter von Schönherr. Otto.
233
mit Venedig 1509« (1876); die »Heirath Jakob III. von England und die
Entführung seiner Braut aus Innsbruck 1719« (1877); »Wenzel Jamnitzer's
Arbeiten für Erzherzog Ferdinand«; über einen »Ehescheidungsprocess aus
dem XV. Jahrhundert« (vergl. No. 37 »Allgem. Ztg.« vom 6. Februar 1882)
und die kunsthistorischen Excurse über »Alexander Colin's Leben und Werke
und seinen Antheil an der plastischen Ausschmückung des Heidelberger
Schlosses« (1889); über »Tizians nähere Beziehungen zu Kaiser Karl V.« (1879)
u. s. w. Sch.'s Styl war schlicht und einfach, wie sein ganzer Charakter; die
Schwächen eines verhältnissmässig erst spät zum Durchbruch gebrachten Auto-
didakten wusste er in seiner, nur dem Fachgenossen erkennbaren Naive tat
geschickt zu decken, auch blieb er in wissenschaftlichen Fragen, mit einer
einzigen Ausnahme, wo er aber glorreich sein gutes Recht behauptete, aller
Polemik ferne. In jüngeren Jahren lieferte er im ächten Volkston viele Er-
zählungen und Geschichten, von denen eine Auswahl in vier Bändchen 1854
erschien. Der Tod seiner Frau (1893) und eine schwere Influenza brachen
die eiserne Arbeitskraft des Mannes, welcher im Februar 1897 unter den
ehrendsten Beweisen des Wohlwollens und der Freundschaft aus seinem Amte
schied und das »Otium cum dignitate« nur eine kurze Frist genoss.
Vergl. Wurzbach, Biographisches Lexicon des Kaiserthums Ocsterreich. Wien 1876.
XXXI, 160 ff.
Hyac, Holland.
Otto, Carl, Doctor, Besitzer einer Fabrik feuerfester Erzeugnisse, * am
7. März 1838 in Jalapa (Mexiko), f am 13. November 1897 in Ahrweiler. —
O. ward als Sohn des Landrichters Otto geboren, der nach Mexiko geflohen
war, weil er als Burschenschafter in jener traurigen Zeitperiode der deutschen
Geschichte verfolgt wurde, in der mancher edle deutsche Mann die treue Liebe
zum Vaterlande schwer büssen musste. Nach dem Tode des Vaters, der, um
das Unglück voll zu machen, von Räuberhand in Mexiko fiel, trat die be-
kümmerte Mutter mit ihrem Sohne Carl und einem älteren Bruder die Rück-
reise nach Deutschland an. Unter ihrer bewunderungswürdigen Erziehung
wuchs O. frisch und froh heran, absolvirte das Gymnasium und ein dreijähriges
Studium auf der Universität, wo er im jugendlichen Alter von 20 Jahren zum
Doctor promovirt wurde. Im Jahre 1858/59 vervollständigte er seine Studien
auf der Berghochschule in Freiberg i. S. und arbeitete in den Laboratorien
verschiedener Hütten der dortigen Umgebung. Von 1860 bis 1872 war er
hierauf zuerst als Chemiker, später als technischer Leiter bei der Firma J. H.
Vygen & Cie. in Duisburg thätig und begann dann in Dahlhausen in eigener
Fabrik die Herstellung feuerfester Erzeugnisse. Sein grösstes Verdienst bildet
die Einführung des neuen Industriezweiges der Koksherstellung mit gleich-
zeitiger Gewinnung der Nebenerzeugnisse (Theer, Benzol, Ammoniak).
Seine Fabrik befasste sich nämlich ausser der Herstellung von feuerfesten
Steinen und anderen feuerfesten Fabrikaten für alle metallurgischen und che-
mischen Zwecke in erster Linie mit der Anlage von Koksöfen und bildete
namentlich das System Otto -Hoffmann aus, das wesentlich in einer Verbin-
dung von Siemens'schen Regeneratoren mit gewöhnlichen Koksöfen besteht.
Seit 1876 bis 1897 wurden seitens der Firma Dr. Otto & Cie. nicht weniger
als 9922 Koksöfen mit Gewinnung der Nebenerzeugnisse in den verschieden-
sten Revieren Deutschlands ausgeführt und damit dieser Industriezweig bei
uns fast monopolisirt. Durch die Gewinnung der Nebenerzeugnisse Theer,
234
Otto. Thielen.
Benzol und Ammoniak ist die Koksofenanlage, die früher einen einfachen
Betrieb darstellte, in eine chemische Fabrik mit compHcirten Vorgängen —
die Kohlendestillation — umgewandelt worden. Ihre Anlage erfordert aber
auch die Anwendung bedeutender Geldmittel, während man andererseits be-
fürchtete, keine lohnenden Preise fiir die Nebenerzeugnisse zu erhalten. Dank
der durchgreifenden Thatkraft O.'s ging seine Dahlhausener Firma auf diesem
Gebiete bahnbrechend vor, indem sie den Kohlenzechen die vollständige An-
lage einschliesslich des Zubehörs schenkte und sich nur für eine gewisse Reihe
von Jahren den Erlös aus dem Verkauf der Nebenerzeugnisse vorbehielt Es
ist bekannt, dass durch die grossartige Gewinnung der Nebenerzeugnisse ein
vollständig neuer Industriezweig geschaffen ist, durch welchen sowohl unser
Gewerbsleben als auch unsere Landwirthschaft einen reichen Segen erhalten
hat. Haben an der Lösung der vielen Schwierigkeiten, welche sich hierbei
ergeben, auch viele tüchtige Männer mitgewirkt, so werden diese alle gerne
anerkennen, dass O. unter ihnen in vorderster Reihe gestanden, gekämpft und
die bedeutsamsten Erfolge erreicht hat. Durch rastlose Arbeit hat er Deutsch-
land in die führende Stellung betreffs dieser Industrie gebracht. — Im Jahre
1887 verlor er durch den Tod seine bewährte Lebensgefährtin. Der Schmen
und Kummer um diesen Verlust in Verbindung mit starker Ueberarbeitung
legte den Keim zu einer tückischen Krankheit, der er nach mehr als vier-
jährigem Siechthum am 13. November 1897 in der Heilanstalt zu Ahnfc'eiler
erlag; ein genialer Mann mit einem edlen und treuen Herzen, dessen Tod
nicht nur zahlreiche Freunde, sondern vor allem auch die Schaaren seiner
Arbeiter beklagt haben, die in ihm nicht nur den Fabrikherrn verehrten, son-
dern auch den treuen, väterlichen Berather und allzeit hilfbereiten Menschen-
freund von ganzem Herzen liebten.
Dr. W. Beumer.
Thielen, Alexander, Generaldirektor der Aktien-Gesellschaft für Bergbau
und Hüttenbetrieb »Phönix« in Laar bei Ruhrort, ♦ am 3. Mai 1841 zu
Düsseldorf, f am 20. Juli 1897 zu Heidelberg. — Als einer der begabten
Söhne des Feldprobstes Th. zu Düsseldorf geboren, trat er nach rascher Ab-
solvirung der Schulen im Herbst 1858 in die Styrumer Eisenindustrie ein,
arbeitete dort zwei Jahre praktisch und studirte dann drei Jahre auf der Berg-
akademie in Clausthal, sowie ein ferneres Jahr auf der Hochschule in Berlin,
wo er gleichzeitig seiner Militärpflicht genügte. Gegen Ende des Jahres 1864
nahm er eine Betriebsassistentenstelle auf der Zinkhütte in Latmathe an und
folgte dann 1865 einem Rufe aus Swansea in Südwales', um in die Dienste
von Sir Hussey Vivian einzutreten. Dort blieb er bis März 1870 und ging
alsdann im Interesse der Copper Mining Co. (Lim.) nach Südafrika. Im
Frühjahr 1873 kehrte er mit reichen Erfahrungen nach Deutschland zurück
und nahm dort die Stelle eines Direktors der Aktien-Gesellschaft für Bergbau
und Hüttenbetrieb »Phönix« in Laar bei Ruhrort an. In dieser verantwor-
tungsvollen Stellung entfaltete er seine glänzenden Geistesgaben, seine Energie
und seine Leutseligkeit, und im Verein mit seinen CoUegen in der Direction
hat er die genannte Aktien-Gesellschaft durch schwierige Zeiten hindurch zu
ihrer heutigen Blüthe gebracht und sie zu einem der bedeutendsten Unter-
nehmen dieser Art gestaltet, das sich im In- und Auslande durch seine Fa-
brikate — namentlich Strassenbahn schienen — eines wohlberechtigten hohen
Rufes erfreut. Aber neben dieser Thätigkeit entfaltete Th. auch eine dem
Thielen. Baare.
235
Gesammtinteresse der deutschen Industrie in hohem Grade förderliche Wirk-
samkeit, indem er namentlich die gemeinsamen Bestrebungen der Eisenindu-
strie in weitblickender Weise unterstützte. Frühzeitig erkannte er, dass das
Heil der deutschen Eisenindustrie, für deren zunehmende Erzeugungsfähigkeit
lohnenden Absatz zu finden zeitweise grosse Schwierigkeiten bot, nicht in
gegenseitiger Bekämpfung und Aufreibung, sondern in der Vereinigung der
widerstrebenden Elemente zu suchen sei. Zur Lösung dieser Aufgabe war er
vermöge seiner Persönlichkeit besonders begabt: neben gewinnender Liebens-
würdigkeit verfügte er über eine überzeugende Beredsamkeit, welche, unter-
stützt durch kraftvolle Energie, ihn manches Ziel erreichen Hess, das Andere
zwar als wtinschenswerth angestrebt, aber als hoffnungslos aufgegeben hatten.
Um die Mitte der achtziger Jahre schuf er den rheinisch-westfälischen Roh-
eisenverband, aus dem später das Roheisensyndikat hervorging und führte den
Vorsitz in diesem segensreich wirkenden Verbände bis zu seinem Tode. In
den Jahren 1884 und 1885 war er Vicepräsident der internationalen Schienen-
gemeinschaft, und auch in anderen Verbänden wirkte er mit grossem Erfolge.
In der ausländischen Eisenindustrie, namentlich der englischen, war Th. sehr
bekannt und beliebt; er verstand es, die auf internationalem Gebiete herr-
schenden Gegensätze geschickt auszugleichen, die gemeinsamen Berührungs-
punkte aufzusuchen und enge Verbindungen mit den ausländischen Fach-
genossen herzustellen. Infolge dessen wählte man ihn 1891 auch in das
Council des »Iron and Steel Institute«. Gegen ein tückisches Leiden suchte
er vergeblich im Jahre 1897 in Baden-Baden und Heidelberg Heilung; in
letzterem Orte starb er eines sanften Todes, tiefbeklagt von seiner Frau und
zwei Töchtern, sowie seinem älteren Bruder, dem preussischen Minister der
öffentlichen Arbeiten, nicht minder aber von zahllosen Freunden in der Eisen-
industrie der ganzen Welt.
Dr. W. Beumer.
Baare, Louis, Generaldirektor des Bochumer Vereins für Bergbau und Guss-
stahlfabrikation, * am 12. Juli 1821 in Minden i. W., f am 17. Mai 1897. — Als
Sohn eines Tabak fabrik an ten geboren, übernahm der 22 jährige beim Tode des
Vaters das von letzterem nach Aufgabe des Tabak fabrikationsgeschäft gegrün-
dete Speditionsgeschäft und setzte es mit gutem Erfolge fort, bis er im Jahre
1 849 eine Stelle übernahm, die an seine Leistungsfähigkeit die denkbar höchsten
Anforderungen stellte. Die Verwaltung der Köln-Mindener Eisenbahn übertrug
ihm die Stellung eines gemeinsamen Beamten ihrer Bahn und der Königlich
Hannoverschen Eisenbahndirektion. Es lag ihm dabei ob, die Vermittelung
des Güterverkehrs zwischen beiden Gesellschaften zu übernehmen, ebenso wie
die damit verbundenen Zoll- bezw. Steuerangelegenheiten an der Grenze des
Zollvereins und des Norddeutschen Steuervereins. Bei den verwickelten Ver-
hältnissen, die damals in Deutschland herrschten, war es keine Kleinigkeit,
die vielfachen, oft sich widersprechenden Anforderungen zu erfüllen, die von
den vier »Herren« gestellt wurden, denen B. gewissermaassen zu »dienen«
hatte und denen er theils durch Eid, theils durch Handschlag verpflichtet war.
Dennoch gelang ihm die Erfüllung seiner vielfachen Pflichten zu allseitiger
Zufriedenheit. Er verblieb in seiner Stellung bis zum Uebertritt des Nord-
deutschen Steuervereins in den Zollverein. Dann trat er auf Wunsch der
Hannoverschen Eisenbahndirektion in den gemeinschaftlichen Dienst der Eisen-
bahndirektion und des Bremer Senats, wobei ihm sein Wohnsitz in Bremen
236 Baare.
angewiesen wurde. Hier blieb er, bis ihn im Jahre 1855 verschiedene Eisen-
bahndirektionen, die zugleich Mitglieder des Aufsichtsrathes der Bochumer
>'Gussstahlfabrik« waren, nach Bochum beriefen und ihm die Oberleitung der
Fabrik übertrugen, die vor ihm der Regieningsassessor v. Sybel ein- halbes
Jahr lang provisorisch innegehabt hatte. Als technischer Leiter stand ihm
der Mitbegründer der Fabrik Mayer zur Seite. Noch war das kleine Werk
wenig bekannt; 200 Arbeiter waren in demselben angestellt, imd ein verhält-
nissmässig kleines Areal gehörte dazu. Die Grundfläche, die jetzt dem Bo-
chumer Verein gehört, ist seitdem wohl auf das 200 fache angewachsen, und
die Zahl der Angestellten des Werkes hat in den sogenannten »flotten Jahren •
1873 und 1874 6000 betragen, ist dann allmählich auf 4000 heruntergegangen,
ist aber seit den achtziger Jahren nieder im Wachsen begriffen gewesen.
Welchen schwerwiegenden Einfluss diese ausserordentliche Entwicklung auch
auf das Emporblühen der Stadt haben musste, liegt auf der Hand. 1855
zählte Bochum 6000 Seelen, meist Ackerbürger, kleine Fabrikanten, Hand-
werker und einige Kaufleute. Von nun an ging es aber mit ausserordent-
licher Schnelligkeit vorwärts. Im Jahre 1872 waren 24000 Einwohner an-
sässig, von denen, da der Bochumer Verein allein 6000 Arbeiter, Meister und
Beamte beschäftigte, mindestens die Hälfte von diesem Werke lebte. Damals
entstanden in einem Jahre ganze Strassen; denn wo jetzt ein dichtes Häuser-
meer sich befindet, waren vor jener Zeit Gärten und Bauernhöfe. Sie alle
sind verschwunden, und an der Stelle, wo früher das Vieh der Bürger wei-
dete, wo die Schuljugend im Herbste in »die Nüsse« ging, da erheben sich
jetzt riesige Fabrikgebäude, Hochöfen senden lodernde Flammen in die Luft,
und aus tausend Schloten steigt der Rauch empor. Und in den Fabrik-
gebäuden, welch rastloses Hämmern und Schaffen bei Tag und Nacht; in
unermüdlicher Arbeit werden die aus dem Innern der Erde zu Tage geför-
derten reichen Schätze verarbeitet, immer neue Absatzgebiete erschliessen sich
den daraus genommenen Produkten. Eine solche völlige Veränderung der
bestehenden Verhältnisse ist im wesentlichen dem Manne zu verdanken, der
an der Spitze des Unternehmens stand. B. verstand es, durch geschickte
Finanzoperationen die Möglichkeit einer stetigen Erweiterung der Fabriken zu
schaffen. Er wusste an der rechten Stelle zu sparen, aber schonte in der
Voraussicht künftigen Gewinnes keine noch so grossen Ausgaben und Neu-
anlagen. Er benutzte die sich bietenden günstigen Conjuncturen ohne Zau-
dern und wusste die sich darbietenden Vortheile dem Werke nutzbar zu
machen. Auch in Stürmen und Gefahren, die das Werk im Laufe der Zeit
bedrängten, wurde der Bochumer Verein sicher geleitet und zu erfreulicher
Entwicklung gebracht. Erwähnen s wer th sind auch die Maassnahmen zur
PHirsorge für die Arbeiter. Auf dem Bochumer Verein ist ein ausserordent-
lich grosser Stamm von Arbeitern vorhanden, die seit fünfundzwanzig Jahren
und länger unausgesetzt dort thätig waren. Die Arbeitercolonie Stahlhausen
ist mit ihren Häuschen, Gärten, freien Plätzen und schattigen Wegen ein
Muster derartiger Anlagen. Eine weitere Musteranstalt ist das Arbeiterlogier-
haus. Aber B.'s Bedeutung geht weit über Bochum und Westfalen hinaus.
Seine Mitwirkung an der socialpolitischen Gesetzgebung sichert ihm ein dank-
bares Andenken in der Arbeiterschaft des gesammten deutschen Verbandes.
Er ist es gewesen, der den Anstoss zu der Unfall Versicherungsgesetzgebung
des deutschen Reiches gab, welche die lästigen Haftpfiichtprocesse beseitigte.
Fürst Bismarck, mit dem er zuerst über diese Materie verhandelte, hat auch
Baare. Brulliot.
237
in der Folgezeit oft seinen Rath gesucht, den B. gerne gab, wie er auch als
Mitglied des Staatsrathes seine reichen Kenntnisse in den Dienst des Landes
stellte. Sein Leben war Mühe und Arbeit bis in sein hohes Greisenalter.
^Arbeit aus Treue« war der Wahlspruch seines Lebens.
Dr. W. Beumer.
Brulliot, Karl, Kgl. Hofopemregisseur, Professor an der Kgl. Akademie
der Tonkunst in München, ♦ am 31. Juli 1831, f am 23. März 1897 zu
München. — B. war der Sohn des durch mannichfache gelehrte Arbeiten auf
dem Gebiete der Kupferstichkunde und als langjähriger Conservator der sich
aus kleinen Anlangen entwickelnden Kgl. Kupferstichsammlung bekannten
Conservators Franz B. In seiner Vaterstadt München absolvirte er das Wil-
helms-Gjrmnasium und besuchte als Student der Rechte die Universität.
Gleichzeitig aber trat er in das Conservatorium ein, um unter der Leitung
Franz Hausers sich Gesangsstudien zu widmen. Nach Abschluss derselben
wurde er von Eduard Devrient, dem berühmten Leiter des Karlsruher Hof-
theaters, als erster Bassist engagirt und begann im Frühjahr 1853 dort seine
Laufbahn als Sänger, wurde aber schon damals vielfach auch als Schauspieler
beschäftigt. Im Jahre 1859 wurde er zum Opernregisseur ernannt, in welcher
Eigenschaft er in Karlsruhe sämmtliche Aufführungen der grossherzoglichen
Bühne leitete; seine Specialität war die Spieloper, die er durch feinsinniges
Herausarbeiten der heiteren Effecte zu grosser Wirkung zu bringen verstand.
Im Jahre 1872 wurde ihm zwischen Kaiser's und Köberle's DirectionsfÜhrung
auch die selbständige Leitung der Hofbühne anvertraut. In diesem Jahre
führte er auch die Coloratursängerin Anna Braunhofer-Masius als Gattin heim.
Die Anhänglichkeit an seine in München zurückgebliebene alte Mutter und
ein wiederholter Ruf veranlassten ihn 1873, in gleicher Stellung an das Mün-
chener Hoftheater zu übersiedeln, wo er im Laufe der Zeit über 30 Opern
in Regie setzte. Daneben war er immer noch als Sänger und Schauspieler
thätig, bis er zum Professor an der Kgl. Musikschule ernannt wurde. Am
II. November 1892 betrat er als Gordon in »Wallenstein's Tod« zum letzten
Male die Bühne. Schon vorher, im August 1892, zwang ihn Kränklichkeit
in Pension zu gehen. Am 23. März 1897 (nicht am 24., wie der Almanach
der Bühnengenossenschaft irrigerweise angiebt) ist B. nach langen, schweren,
aber mit bewundernswerther Geduld ertragenen Leiden in seiner Geburtsstadt
gestorben. Ein Nachruf sagt von ihm mit Recht: »Alle, die unter B.'s Lei-
tung thätig gewesen, rühmen die Ruhe, die Vornehmheit und die durch nichts
zu beirrende Gerechtigkeit, mit der er das Regiment geführt hat. Wie vielen
Schülern und Anfanjgern hat er die Wege geebnet, wie vielen zu schönen
Stellen hinaufgeholfen! Als Mensch war B. eine in sich gekehrte, stille Natur,
jedoch im engen Freundeskreise durchaus nicht karg und verschlossen. Er
besass eine der schönsten Gottesgaben, er hatte Humor, und die Wirkung
seines Witzes wurde erhöht durch die classische Ruhe, mit der er ihn brachte.
Allerdings konnte er auch stark sarkastisch sein; ein Blick aus seinen gut-
müthigen Augen aber wusste gleich wieder mildernd zu wirken. Alle, die B.
im Leben näher getreten sind, werden ihm ein freundliches Andenken be-
wahren!« B. war, und dies giebt ihm eine bleibende Bedeutung für die
Münchener Theatergeschichte, der erste Regisseur Richard Wagner's in Mün-
chen, er kam wenigstens gerade zurecht nach München, um insbesondere den
Sieghied (10. Juni 1878) und die Götterdämmerung (15. September 1878) in
238 Brulliot Hieber.
Scene zu setzen. Das waren neue und bedeutende Aufgaben — die Nibe-
lungentrilogie, die nach ihm in München und anderwärts noch oft des Studiums
genug gekostet. Mit eiserner Thatkraft arbeitete er sich, als der erste Regisseur
nach Wagner^ in Bayreuth, in diesen fremdartigen und seinem bisherigen
Kunstempfinden nicht eben homogenen Stoff ein. Jedem Späteren ist o
leichter geworden. Die Adresse, die seine Kunstgenossen ihm bei seinem
Scheiden im August 1892 überreichten, war von lauter Aufrichtigen unter-
schrieben — er war beliebt wie wenige vor ihm, denn er war keinem ein
Stein des Anstosses gewesen. An seiner Ruhe, an seinem Humor brach sirh
aller Neid und jede Intrigue. B. war zuletzt, als die Stimmmittel den ge-
steigerten Anforderungen nicht mehr Stand hielten, kein Sänger ersten Range>
mehr. Die gegenwärtige Generation erinnert sich seiner mehr als einer Utilite,
und vor allem als einer überall ihren Mann stellenden Repräsentantenfigur.
Es war ein Vergnügen, ihn nur als Terzky'schen Wachtmeister zu sehen —
ein ganzer Mann! Er brauchte sich nicht viel zu schminken, und niemals
veränderte er seinen angegrauten schönen Vollbart, denn er konnte sich kaum
empfehlender und vor allem imponirender herrichten als er von Natur war.
In seinen besseren Zeiten, an die sich der Schreiber dieser Zeilen wohl er-
innert, dröhnte aber auch seines Basses Grundgewalt gar voll und schön
durch das grosse Haus. Er ging still und bescheiden von der Bühne und
aus dem Leben, wie er gekommen war. Als er fast fünf Jahre nach seinem
Austritt starb, tauchte sein Name vorübergehend in wenigen kleinen Nach-
rufen auf, und wer nicht dem Theater näher stand, wusste kaum, dass er
noch am Leben gewesen. In unserer unruhigen, nervenzerstörenden Zeit
könnte ein ruhiger und zielbewusster Bühnenleiter gleich B. mehr denn je ein
Vorbild für alle Nachstrebenden sein.
Alfred Freiherr v. Mensi.
Hieber, Otto, Kgl. Hofcapellmeister und Professor an der Kgl. Akademie
der Tonkunst in München, ♦ daselbst am 20. Februar 1848, f am 9. Januar
1897 ebenda. — H., der Sohn des noch jetzt an der St. Cajetans-Hofkirche
wirkenden Chordirectors Ulrich H. entstammte einer alten und angesehenen
Münchener Musikerfamilie. Es war also fast selbstverständlich, dass auch ihm
die Musik Lebensberuf wurde. Er kam an die Kgl. Musikschule seiner Vater-
stadt, die später den stolzeren Titel einer Akademie der Tonkunst erhielt,
aber seitdem für das Münchener Musikleben lange nicht mehr von der Be-
deutung ist, die sie in den ersten Jahrzehnten ihrer Gründung hatte, nachdem
Hans V. Bülow sie nach den Ideen Richard Wagner's reorganisirt hatte.
Bülow, Joseph Rhcinberger, der noch als Professor und Inspector wirkt, sowie
Franz Wüllner waren H.'s Lehrer. Seine Stellung als Capellmeister war ihm
gewissermaassen durch Tradition und Erziehung vorgezeichnet, zum Glück
auch durch seine Begabung. Er begann in dieser Eigenschaft am Theater
am Gärtnerplatz, das Anfang der siebziger Jahre der Kgl. Hoftheater-Inten-
danz aufgebürdet wurde, sich aber bald davon emancipiren musste, seine
Laufbahn. Im Jahre 1877 ging er mit dem Titel eines kgl. Musik directors
an das Kgl. Hoftheater über, wo er eine stille, dem Publikum verborgen ge-
bliebene, aber ungemein segensreiche Wirksamkeit entfaltete: er hatte das
Studium der Solosänger zu leiten, und manche später zu Namen und Ruf ge-
langte Kraft verdankt H.'s gediegener musikalischer und technischer Bildung
erfolgreichste Unterweisung. Ende der achtziger Jahre vertauschte H. diej>e
Hieber. Tunner.
239
Thätigkeit mit der eines Directors des Chors, und damit schien er seinen
eigentlichen Beruf gefunden zu haben, denn als unfehlbarer Chorleiter auf der
Bühne wie bei den Chorklassen der Akademie hat er sich den besten Namen
im Münchener Musikleben gemacht; darin erwies er sich als der verständniss-
vollste Schüler WüUner's, dessen Methode er mit pädagogischem Tact überall
zu verwenden wusste. Des gaben insbesondere die herkömmlichen Prüfungs-
concerte der Akademie der Tonkunst Zeugniss, nicht minder aber die Leistungen
der königlichen Vocalcapelle, deren Leitung ihm nach dem Rücktritt Rhein-
berger's übertragen wurde. Nebenher dirigirte er auch den Oratorienverein,
der nach ihm an Bedeutung schnell verloren hat. Auch als Orgelspieler und
-T -ehrer war er überaus geschätzt. H., den eine jähe Krankheit viel zu früh
dahingerafft, war kein productives musikalisches Genie und kein moderner
damenbezaubemder Pultvirtuose, aber er war ein gewissenhaft und ehrlich
im Dienste seiner geliebten Kunst reproducirendes Talent, ein gediegener
Musiker von altem Schrot und Kom, wie sie immer seltener werden — gleich
gewandt in der musica sacra wie in der profanen. Damit in harmonischer
Uebereinstimmung stand der deutsche kemhafte Charakter dieses echten Alt-
müncheners, dem Zeit seines Lebens jede Pose fremd geblieben ist.
Alfred Freiherr v. Mensi.
Tunner, Peter v., k. k. Ministerialrath und jubil. Bergakademiedirector,
* am 10. Mai 1809 in Turrach (Steiermark), f am 8. Juni 1897 zu Leoben
(Steiermark). — Sohn des Fürstlich Seh warzenberg' sehen Verwesers Peter Tunner
in Turrach, war T. von Jugend auf in seiner freien Zeit beim Bergbau- und
Hüttenbetrieb beschäftigt und in alle Einzelheiten desselben eingeführt; seine
wissenschaftliche Ausbildung erhielt er an dem k. k. polytechnischen Institute
in Wien. Dem Umstände, dass er in die Familie des Gewerken M. v. Rosthorn
eingeführt wurde, verdankte T. zweifellos die Grundlage zu seiner her-
vorragenden Fähigkeit, technische Fragen von weiten Gesichtspunkten aufzu-
fassen. Nach Vollendung seiner Studien arbeitete er zwei Jahre lang praktisch
auf den Fürstlich Seh warzenberg* sehen Stahlhämmern. Dann war er einige
Monate auf dem der Familie v. Rosthorn gehörigen Eisenwerk in Frautschach,
um daselbst den Harzer Rennprocess einzuführen, weiterhin Werkführer in
Mauterndorf, worauf seine Ernennung zum Verweser auf dem Fürstlich Schwar-
zenberg'schen Stahlhammer in Katsch erfolgte. Er hatte sich somit früh-
zeitig neben einer gediegenen theoretischen Bildung auch gründliche und
vielseitige praktische Kenntnisse erworben. Es war dies besonders maass-
gebend, als es galt, auf die neu zu errichtende Lehrkanzel für Hüttenkunde
am Grazer Johanneum eine geeignete Persönlichkeit zu stellen. Der um die
steirische Eisenindustrie hochverdiente Erzherzog Johann entschied sich für
T. und fuhr 1833 nach Katsch, um persönlich mit ihm zu verhandeln, worauf
T. sich, ganz gegen den Willen seines Vaters, entschloss, die Stellung anzunehmen.
Welches hohe Interesse der Erzherzog für T. gefasst hatte, geht aus
einem Schreiben hervor, das Ersterer am 14. September 1833 an die Stände
von Steiermark richtete, worin er u. a. sagte: »Nach meiner Ueberzeugung
schlage ich den Peter Tunner, dermalen Fürst Schwarzenberg'scher Verweser
des Hammerwerks Katsch, zu diesem Endzweck vor. Landeskind, vom besten
moralischen Charakter, einer der vorzüglichsten Zöglinge des Polytechnischen
Instituts, folglich ausgerüstet mit den erforderlichen wissenschaftlichen Kennt-
nissen, vollkommen erfahren in der heimischen Eisenmanipulation, da er
240 Tanner.
längere Zeit als Meister auf dem Hammer arbeitete, von guter Körp»er-
beschafienheit, genügsam, verbindet er alle erforderiichen Eigenschaften, um
den Zweck zu erfüllen, welchen wir beabsichtigen müssen. — Diesen trage
ich an, reisen zu lassen nach Schlesien, Schweden und da, wo es noch weiter
erforderlich sein dürfte. Zur Bestreitung dieser Reise dürften die bereits als
T>otirung des Professors der Hüttenkunde bewilligten 1200 fl. C. M^ wozu
noch ein Zuschuss zu kommen hätte, zu verwenden sein . . . .< Die Stände
Steiermarks kamen dieser Aufforderung nach, indem sie am 10. October 1S33
berichteten, dass sie »in Anbetracht der ausgezeichneten wissenschaftlichen
und moralischen Eigenschaften dieses Individuums« nicht nur mit dessen An-
stellung als Professor, sondern auch mit dem Antrag Seiner K. K. Hoheit,
denselben bis zur Errichtung des neuen Lehrgebäudes auf eine Bildungsreise
zu schicken, vollkommen einverstanden seien. Ungeachtet der kräftigsten
Unterstützung seitens des Erzherzogs erfolgte erst zwei Jahre später die Er-
nennung T.'s zum Professor. Die diesbezügliche Urkunde wurde am 15. Mai
1835 ausgestellt. T. war bei seiner Ernennung erst 26 Jahre alt; er hatte
das Glück, dass ihm vor Antritt seiner Professur noch 5 Jahre zu seiner Vor-
bereitung zur Verfügung standen, und dass ihm zu einer Zeit, in welcher noch
wenige Techniker wissenschaftliche Reisen zu unternehmen vermochten, aus-
reichende Mittel geboten wurden, um die wichtigsten Industriebezirke bereisen
und Studiren zu können. Im März 1837 trat T. seine Studienreise an, welche
bis zum December desselben Jahres dauerte; da aber der Bau der neuen
Lehranstalt bei seiner Rückkehr noch nicht weit genug gediehen war, so
ging er am 20. April des folgenden Jahres auf seine zweite Reise, von
welcher er am 19. Juli zurückkehrte. Eine dritte Studienreise dauerte vom
25. August bis II. October 1838. Auf seinen drei Reisen besuchte er die
berühmtesten Berg- und Hüttenwerke Oesterreich -Ungarns*, Deutschlands,
Schwedens, Englands, Frankreichs, Belgiens und Italiens. Am i. November
1840 wurde die neue Lehranstalt für Bergbau- und Hüttenkunde in Vordem -
berg eingeweiht. Neben dem Schulgebäude befand sich eine kleine Lehr-
frisch hü tte mit zwei Frischfeuem, in welcher die Schüler unter T.'s persön-
licher Anleitung die Frischmethoden praktisch einübten. Im Jahre 184Q
wurde die Anstalt nach Leoben verlegt und am 14. October 1861 in eine
Bergakademie umgewandelt. Wie innig T.'s ganzes Sein an dem Geschick
der von ihm begründeten und weit über die Grenzen der Monarchie bekannten
I^ehranstalt hing, erhellt am deutlichsten aus dem Ausspruch, den der Alt-
meister einst that: »Wenn einmal die letzte Stunde an mich herantritt, weiss
ich nicht, ob ich mehr an meine Familie oder an meine Akademie denken
werde.« — T. war auch Mitbegründer der in Leoben neben der Akademie
bestehenden Berg- und Hüttenschule, deren Curatorium er 10 Jahre lang als
Obmann vorgestanden hat. Die Thätigkeit, welche T. 1840 als Lehrer der
Eisenhüttenkunde begann und auch mehr als ein Menschenalter mit bewun-
dernswerther Kraft fortsetzte, war bahnbrechend ; mit seltenem Geschick wusste
er seine vielseitigen praktischen Erfahrungen mit den wissenschaftlichen Grund-
sätzen zu verbinden und das Ergebniss seinen Schülern in lichtvollem Vortrag
mitzutheilen. Letztere sind über die ganze Erde vertheilt; wo sie aber auch
immer sein mögen, ihres hochverehrten »Peters« gedenken sie alle mit rühren-
der Treue in höchster Anerkennung und Dankbarkeit. Seine letzten Vorträge
über Eisenhüttenkunde hielt T. im Studienjahr 1865/66. Am 20. Juli 1874
trat er in den bleibenden Ruhestand.
Tunner. Breitenlohner.
241
Bei seiner Thätigkeit als Lehrer der Eisenhüttenkunde hat T. allen
Neuerungen auf diesem Gebiete seine volle Aufmerksamkeit gewidmet. So
hat er als einer der Ersten die Bedeutung des Bessemerverfahrens erkannt
und dessen Einführung in Oesterreich veranlasst. Bekannt ist ferner das von
ihm erfundene Gltihfrischen.
Auch schriftstellerisch war T. in hervorragender Weise thätig. Seine
zahlreichen Arbeiten erschienen zumeist in den Leobener berg- und hütten-
männischen Jahrbüchern, in jenen der Wiener geologischen Reichsanstalt,
sowie in anderen Zeitschriften. Von Sonderschriften seien nur erwähnt:
»Ueber die Walzenkalibrirung«, »lieber die Zukunft des österreichischen
Eisenhüttenwesens«, »Ueber Russlands Montanindustrie«, »Bericht über die
T^ondoner Weltindustrieausstellung« u. s. w. Eine seiner letzten Arbeiten war
eine treffliche »Darstellung der Eisenindustrie in Steiermark und Kärnthen«,
welche er anlässlich des Besuches des »Iron and Steel Institute« in Oester-
reich-Ungam im Jahre 1884 verfasste. Seine letzte grössere Arbeit behandelt
das Eisenhüttenwesen in den Vereinigten Staaten. Seit dem Jahre 1845 ^^"
suchte T. alle grossen Industrieausstellungen, und noch in seinem 69. Lebens-
jahre unterzog er sich den Strapazen einer Amerikafahrt zum Besuch der
Centennialausstellung. Im Jahre 1867 wurde T. in den steiermärkischen
Landtag und noch in demselben Jahre auch in das Abgeordnetenhaus des
Reichstags gewählt.
An äusseren Ehrenbezeugungen hat es ihm nicht gefehlt. Im Jahre 1864
wurde T. in den österreichischen Ritterstand erhoben. Er erhielt zahlreiche
in- und ausländische Orden, mehrere Städte und Bergorte machten ihn zu
ihrem Ehrenbürger, gelehrte Gesellschaften, viele wissenschaftliche und techni-
sche Vereine der ganzen Welt erwählten ihn zum Ehrenmitglied. Auch der
Verein deutscher Eisenhüttenleute ernannte ihn in der Hauptversammlung
vom ii.December 1881 zu seinem Ehrenmitgliede.
Der Name »Peter Tunner« ist mit der Geschichte des Eisenhtittenwesens
unauflöslich verknüpft. Er hat klar und zielbewusst in hervorragender und
schöpferischer Weise an der Festlegung der Grundlagen mitgewirkt, auf
welchen die machtvolle Entwickelung der heutigen Eisenindustrie sich aufge-
baut hat.
Dr. W. Beumer.
Breitenlohner, Jakob, Professor der Hochschule für Bodencultur in Wien,
♦ am 21. Juli 1833 zu Oberweyr, Oberösterreich, f am 24. März 1897 zu
Wien. — Als das Kind armer Eltern geboren, verbrachte B. seine Jugendzeit
in sehr bescheidenen Verhältnissen. Auch während seiner G)annasialstudien
zu Linz verfolgte ihn die Sorge um das tägliche Brod, nur unter unsäglichen
Entbehrungen gelang es ihm seine Studien zu vollenden und endlich die
Maturitätsprtifung, mit ausgezeichnetem Erfolge, abzulegen. Er bezog hier-
auf die Universitäten Graz und Wien, widmete sich dem Studium verschie-
dener Gegenstände und promovirte i86o zum Doctor der Chemie. Die
erste Anstellung fand B. 1861 als Leiter der Torfproduktenfabrik des Gra-
fen Stadion auf der Herrschaft Chlumetz (gegenwärtig im Besitze Sr. kaiserl.
Hoheit Erzherzog Franz Ferdinand), woselbst Photogen und Paraffin erzeugt
wurde. Im Jahre 1865 trat B. in die unter der Leitung Dr. Hanemann's
stehende, landwirthschaftliche Versuchsstation des Fürsten Schwarzenberg zu
Lobositz in Böhmen als Chemiker ein. In dieser Stellung verblieb er acht
BiogT. Jfthrb. a. Dcatscher Nekrolog. 2. Bd. 1 6
242
Breitenlohner.
Jahre mit Moor-, Düngungs-, Culturversuchen und mit meteorologischen Be-
obachtungen beschäftigt. Aus dieser Zeit stammen seine ersten wissenschaft-
lichen Arbeiten. Die geringen Einkünfte seiner Stellung in Lobositz, \ielleicht
aber noch mehr seine Vorhebe zum Lehrfache veranlassten ihn, die Stellung
in Lobositz aufzugeben und sich dem Lehrfache zu widmen. Im Jahre 1875,
im Alter von 41 Jahren, wurde er an der Forstakademie zu Mariabrunn als
honorirter Docent angestellt und ihm der Titel Adjunct verliehen. B. war
der geeignete Mann zur Uebemahme der Fächer Meteorologie, Klimatologic
und Standortlehre. Bei der Errichtung der Hochschule für Bodencultur in
Wien wurde er dorthin übernommen, erhielt 1881 den Titel eines ausser-
ordentlichen Professors, 1884 auch das hiefür systemisirte Gehalt. Die fach-
liche Tüchtigkeit B.'s beruhte nicht allein auf seinem Talente, sondern auch
in dem Umstände, dass er ausschliesslich seiner wissenschaftlichen Thätigkeit
lebte. Für seine Person war er von ausserordentlicher Bedürfnisslosigkeit,
die Genüsse des gewöhnlichen Lebens waren ihm fremd, auch bheb er un-
vermählt. Trotz des geringfügigen Einkommens, welches mit seinem Lehr-
amte verbunden war, wusste er doch die Mittel für Studienreisen zu finden.
Insbesondere in seiner Ferialzeit durchreiste er die verschiedensten Theile der
Monarchie. Häufig weilte er in den Alpen und war dort in den entlegensten
Orten, mit der einfachsten im Rucksacke untergebrachten Ausrüstung und
einem Geologenhammer anzutreffen. Es war ihm auf Studienreisen ganz
gleichgiltig, was sonst in der Welt vorging, er wies jeden Brief mit dem Ver-
merk zurück: »Auf Ferialreisen des Lesens und Schreibens unkundig. c Die
Rücksichtslosigkeit, mit der er sich die zu wissenschaftlicher Arbeit nöthige
Ungebundenheit schaffte, seine schonungslose Offenherzigkeit, die Gering-
schätzung äusseren Scheines, waren nicht geeignet, Femestehende für ihn ein-
zunehmen. Erst bei näherem Umgang erschloss sich seine schlichte, grund-
ehrliche und treuherzige Art, offenbarte sich die ganze Fülle seines Wissens.
Durch seinen zwar nicht gerundeten aber doch klaren und fasslichen, durch
mühevoll beschaflles Demonstrationsmaterial anschaulich gemachten Vortrag
wusste er seine Schüler ebenso an sich zu fesseln, als durch das warme Herz
und das eingehende Verständniss, welches er ihren Interessen entgegenbrachte.
Der wissenschaftlichen Thätigkeit B.'s wurde durch seine im Leben erlangten
Stellungen die Richtung gewiesen. So erwuchs er während seiner Anwesen-
heit in Chlumetz und Lobositz zu einem namhaften Fachmann im Moorwesen.
In Komers' Jahrbuch für österreichische Landwirthe veröffentlichte er eine
Reihe von Aufsätzen über Löss (1869), Basalt (1870), Pläner (1872), Moor-
boden (1873). In^ österreichischen landwirthschaftlichen Wochenblatte IL und
III. Jahrgang (1876 und 1877) gibt er eine treffliche, landschaftliche und
entwicklungsgeschichtiiche Schilderung des 2200 Joch grossen Ibmermoores
bei Wildshut in Oberösterreich und führt die Versuche an, dasselbe trocken
zu legen. Die Entwässerungsarbeiten sind zum grossen Theile an dem Wider-
stände der Bauern gescheitert, welche aus dem Moore Nutzen ziehen. B.
meint, dass durch Wanderlehrer erst das richtige Verständniss der Anwohner-
schaft erweckt werden müsse, um zum Ziele zu gelangen. Bei dergleichen
Dingen fiele wohl noch der Schule eine wichtige Rolle zu. In der Oester-
reicbischen landwirthschaftlichen Zeitung 1877 schildert B. unter dem Titel
»Gloria in desertis Deo«, der Ueberschrift eines Kirchenportal es mit der
Jahreszahl 1790, in Gnarrenberg, auf einem inselgleich aus den Mooren auf-
tauchenden Geestrücken, die Moorgegend zwischen Elbe und Weser. Gnarren-
Breitenlohner.
243
berg ist sozusagen die Markthalle der umliegenden etlichen 20 Colonien und
Dörfer, die alle ihren Bedarf dort decken. Durch die Canalisation ist den
Mooren ein radikaler Aderlass applicirt worden und zugleich die praktischeste
Verkehrsstrasse geschaffen. Dasselbe Element, welches früher jeden Zugang
wehrte, sollte in kluger Benutzung des billigen Transportmittels der Commu-
nication den weitesten Spielraum eröffnen. Auf den Kanälen wird der ge-
w^onnene Torf ausgeführt; sie erstrecken sich bis zur Weser und Elbe. Neben
der Erörterung der Lebensverhältnisse der Moorbauem bespricht B. auch das
Moorbrennen. Im Centralblatte für das gesammte Forstwesen 1877 beschäf-
tigt sich B. mit der Aufforstung der Hochmoore. Im Jahrgange 1878 der
Wiener landwirthschaftlichen Zeitung berichtet B. über einen Besuch, den er
zu Pfingsten dem Hansäg, einem grossen Moorboden am Neusiedlersee, ab-
gestattet hat.
In Lobositz beschäftigte sich B. schon mit geologischen und meteoro-
logischen Beobachtungen und verfolgte die Niederschlagsverhältnisse, die ihn
auch späterhin beschäftigten. So machte er darüber in WoUny's Forschungen
auf dem Gebiete der Agriculturphysik, 1886, über die Hochwasserkatastrophe
zu Bruneck in Tirol im September 1882 eine besondere Mittheilung. Seine
Streifzüge im Wienerwalde lieferten ihm das Material zu den »Beiträgen zur
Untersuchung der standortlichen Verhältnisse der Rothbuche im Wienerwalde«
im Centralblatte für das gesammte Forstwesen 1878. Im Komers'schen Jahr-
buche 1879 kommt er wieder auf den Wald als klimatischen Factor zurück.
1893 fasste er die von Lorenz gezogenen Schlüsse wie folgt zusammen: wenn
auch im Ganzen und Grossen nur eine geringfügige Einwirkung des Waldes
in seine Umgebung hieraus sich erkennen lässt, so ist damit nicht gesagt,
dass auch das Verschwinden des Waldes von ebenso unbedeutenden Con-
sequenzen begleitet sein würde. Diese Folgerung wäre schon deshalb nicht
stichhaltig, weil das Klima der Umgebung bereits unter dem Einflüsse des
vorhandenen Waldes steht. Die negativen Folgen einer Entwaldung wären
möglicherweise viel deutlicher als die positiven des Waldbestandes. Mit dem
Pflanzenphysiologen Dr. Josef Böhm zusammen unternahm B. eine Untersuchung
»Ueber die Baumtemperatur in ihrer Abhängigkeit von äusseren Einflüssen«
(Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, Bd. LXXV, S. 615).
Als in der Mitte der siebziger Jahre der jetzige Hofrath Wilhelm Exner
auf die volkswirthschafüiche Bedeutung der Weidencultur und Korbflechterei
aufmerksam machte und sich als Vorstand des technologischen Gewerbe-
museums dieser Sache annahm, fand er in B. eine werkthätige Unterstützung.
Mit der ihm eigenen Gründlichkeit erfasste B. das Studium dieses Gebietes.
Im landwirthschaftlichen Wochenblatte (1887) weist er in einem Aufsatze:
»Die Purpur- und Korbweide in Niederösterreich« darauf hin, dass die auen-
reiche Donau mit dem Eintritte aus Bayern bloss wildes Weidicht zur Schau
trägt, während anderwärts lukrative Weidenwerder bestehen. Das Stromgebiet
der Donau erscheint, was Boden und Klima betrifft, von Natur aus für Weiden-
plantagen gleichsam prädestinirt, und Niederösterreich wäre allein im Stande,
den ganzen Bedarf an Flechtmaterial zu decken. Dieser Thätigkeit B.'s ist
im Laufe der Zeit reicher Erfolg erwachsen. Die Weidencultur in Oester-
reich ist seither in der diesseitigen Reichshälfte nicht nur in Wsetin, im
Beczwathale, in Trpist in Böhmen, im Sanngebiete in Galizien, sondern vieler
Orten erblüht.
Aus seinen Streifzügen in den Alpen berichtet B. in einem Vortrage:
16*
244
Breitenlohner. Fuchs.
»Wie Muhrbrüche entstehen, was sie anrichten und wie man sie bändigte
im Vereine zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien am
7. März 1883.
Das warme Interesse für die Erscheinungen der Hochregion spricht sich
auch in der Aneiferung Rojacher's zu meteorologischen Beobachtungen aus.
Als das Project der Errichtung der Station auf dem Sonnblick erwogen wurde,
hielt B. am 24. November 1885 in der geographischen Gesellschaft in Wien
einen Vortrag (Mittheilungen der geographischen Gesellschaft in Wien, 1886,
XXIX. Bd.) darüber, um das Interesse für diese Unternehmung in der Oeffent-
lichkeit anzuregen. So wurde B. das Bindeglied zwischen den weitausgreifen-
den, anderwärts damals in Verwirklichung begriffen gewesenen Ideen Hann's
bezüglich der Errichtung von Höhenobservatorien, und Rojacher, dem Manne
in Oesterreich, der vor der Durchführung eines solchen Unternehmens nicht
zurückscheute und es auch wirklich zu Stande brachte.
Nach A. V. Obermayer in dem 6. Jahresbericht des Sonnblick-Vereines, Wien 189S.
Fuchs, Wilhelm, Advokat und Privatdocent der Rechte, ♦ am 27. Septem-
ber 1853 zu Wien, f ebenda am 17. Juli 1897. — F. war einer der her\-or-
ragendsten Rechtsanwälte Wiens, welcher es vermocht hatte, nebst seiner aus-
gedehnten advocatorischen Praxis die Jurisprudenz durch wissenschaftliche Bei-
träge fortwährend zu bereichern und sich dadurch, sowie durch die Vortreff-
lichkeit seines Charakters ein Andenken zu sichern, das ihn lange überleben
wird. F. war ein Sohn des Dr. Adalbert Fuchs, Professors der Landwirthschaft
an der technischen Hochschule in Wien. Während seiner Kindheit und Jugend
hatte er viel mit schweren Krankheiten zu kämpfen, die er nur durch die auf-
opfernde Pflege seiner Mutter glücklich überstand. Seiner besonderen Begabung
hatte er es zu danken, dass er trotz seiner Kränklichkeit sehr frühzeitig — vor
dem vollendeten 1 7. Lebensjahre — das Gymnasium, welches er bei den Schotten
in Wien besuchte, absolviren konnte. Die Gymnasialfächer hatten ihm übrigens
nie besonders zugesagt und wie ein neues, bis dahin ungeahntes Leben war
es für ihn, als er als Hörer an der juridischen Fakultät in Wien zu den
Füssen einer Anzahl hervorragender Rechtslehrer sitzen konnte. An der Uni-
versität fand er bald eine Anzahl gl eichgesinnter junger Männer, mit welchen
er für das ganze Leben innige Freundschaft schloss, wie die Schriftsteller
Dr. Anton Bettelheim und Dr. Richard v. Kralik, die Advokaten Dr. Josei
Schmiedl und Dr. Max v. Schneider. Der Letztgenannte hatte die Güte, die
juridische Seite der Thätigkeit seines verstorbenen Freundes in Folgendem
kurz zu skizziren:
»F. studirte Jus an der Wiener Universität 1870 — 1874. Ihering und nach
ihm Exner hatten eben begonnen, abweichend von der bisherigen Uebung,
auch an der Juristenfakultät persönliche Beziehungen zwischen den Lehrern
und ihren begabteren Hörern anzuknüpfen, sowie durch Verbindung mit prak-
tischen Cursen ihre systematischen Vorträge anziehender und wirkungsvoller
zu gestalten. F. hing vor allem an Exner mit grosser Verehrung, sowie auch
Exner grosse Stücke auf ihn hielt, und der Einfluss des erwähnten Gelehrten
auf die Richtung seiner literarischen Thätigkeit ist unverkennbar.
Nach vollendeten Studien besuchte F. im Sommersemester 1875 ^'*^
Heidelberger, im Wintersemester 1875/76 die Berliner Universität. Schon
1877 habilitirte er sich als Privatdocent für österreichisches Recht in Wien.
Gleichzeitig trat er in den praktischen Dienst bei Gericht, ging aber bald
Fuchs.
245
darauf zur Advokatur über; 1883 wurde er in die Advokatenliste eingetragen.
1879 veröffentlichte er eine grössere Abhandlung »Das Ehehinderniss des
bestehenden Ehebandes nach österreichischem Rechte und seine Umgehung«.
Es ist charakteristisch, dass diese Schrift durch ein Zeitungsinserat veranlasst
wurde. F. behandelte das Thema unter steter Verweisung auf praktische
Fälle so anschauHch, dass die Arbeit auch in Laienkreisen Verbreitung fand,
was ihn veranlasste, 1889 ungefähr den gleichen Stoff unter dem Titel »die
sogenannten siebenbürgischen Ehen und andere Arten der Wiederverehelichung
geschiedener Österreichischer Katholiken« in wesentlich erweiterter und ver-
tiefter Form nochmals zu bearbeiten. Das Buch zeichnete sich durch klare
verständliche Darlegung der meist verwickelten Rechtsverhältnisse aus und
wird durch Mittheilung eines reichen Quellenmateriales für jeden werthvoll,
der diesen Fragen näher treten will.
Die neuere Gesetzgebung Ungarns veranlasste F. kurz vor seinem Tode
abermals an eine Umarbeitung zu schreiten, die er leider nicht mehr vollenden
konnte. Gleichfalls dem Gebiete des Familienrechtes gehört eine im Jahre
1880 veröffentlichte Abhandlung über »Die Rechtsvermuthung der ehelichen
Vaterschaft nach römischem und neuerem Rechte« an. Sie enthält eine sorg-
fältige Darstellung der gesetzlichen Bestimmungen des römischen Rechtes und
der modernen Staaten, sowie an der Hand einer reichen Casuistik und mit
Bezug auf den heutigen Stand der ärztlichen Wissenschaft auch werthvolle
Vorschläge zur Behandlung der Frage in künftigen Gesetzen. 1881 erschienen
»Die Karten und Marken des täglichen Verkehrs« und »Rechtsfälle zum all-
gemeinen bürgerlichen Gesetzbuche«. In der ersteren Abhandlung wird zum
ersten Mal und mit Geschick der Versuch gemacht, die reiche Mann ich faltig-
keit dieses Kleinlebens systematisch zu bearbeiten. Die Rechtsfälle sind für
den akademischen Gebrauch bei praktischen Cursen berechnet. 1883/84 gab
F. eine Sammlung von Entscheidungen in Gnmdbuchsachen heraus, 1891 eine
Studie aus dem Wiener Leben »Der Hausmeister und sein Recht«, endlich
1894 »Beiträge zur Lehre von der Religionsfreiheit in der Praxis«. F. 's Thä-
tigkeit als Anwalt besonders in Eheangelegenheiten, wo er bald allgemein als
Autorität bekannt wurde, Hess ihm in den letzten Jahren weniger Zeit für
grössere schriftstellerische Arbeiten. Dagegen griff er noch Öfter zur Feder,
um namentlich in der Fachpresse actuelle Fragen zu behandeln. Eine frische,
lebendige Schreibweise, nicht selten gewürzt durch ätzende Kritik formalisti-
scher Missgriffe, sind auch diesen Aufsätzen eigen. Aber auch den Tagesfragen
in Angelegenheiten des Standes brachte er lebhaftes Interesse entgegen und
wirkte vielfach anregend. 1896 berief ihn das Vertrauen seiner Collegen in
den Ausschuss der Advokatenkammer, nachdem er nicht ohne Erfolg den
Kampf dagegen unternommen hatte, dass die Ehrenämter in der Regel nur
durch und aus einer kleinen Minorität der Kammermitglieder besetzt wurden.
F. war femer Mitglied der judiciellen Staatsprüfungscommission und fungirte
durch eine Reihe von Jahren auch als Prüfungscommissar bei den Ad-
vokatenprüfungen. «
F.'s Charakter war ein eigen thümliches Gemisch von Strenge auf der
einen und unendlicher Güte auf der anderen Seite. Die Strenge beruhte auf
seiner Wahrheitsliebe und seiner streng logischen Denkweise; er konnte weder
eine Unwahrheit, noch einen Denkfehler, von welcher Seite immer, ohne Be-
merkung durchgehen lassen. Insofern war er der Mann des Kampfes um das
Recht, wie er ihn von seinem Lehrer Ihering gelernt hatte. Verübtes Un-
2^6 Fuchs. Peters.
recht, wen immer es betroffen haben möge, erbitterte ihn auf das Tiefete:
die laxe Moral, die er bei der Verfolgung einzelner Rechtssachen in den öst^
liehen Provinzen des Reiches angetroffen hatte, bekämpfte er auf das äusserste,
indem er bis zu den obersten Instanzen des Reiches ging, welche seine An-
klagen als gerechtfertigt anerkennen mussten. — Im Gegensatze zu seiner
Energie gegenüber jeder bewussten Unredlichkeit stand seine Nachsicht gegen-
über den Schwachen und Bedrückten, deren getreuer Anwalt er war. Als der
Rechtshilfeverein gegründet wurde, dessen Aufgabe es war, Unbemittelten
unentgeltlichen Rechtsbeistand zu gewähren, war er eines der ersten Mitglie-
der desselben und der eifrigste Anwalt der Armen Wiens. Gross war auch
die Zahl derjenigen, welchen er trotz seiner beschränkten Mitteln materielle
Hilfe leistete. Diesem Mitgefühl für die Schwachen entsprang seine Zuneigung
zu den Arbeitern und damit seine socialen Anschauungen, welche zum Socia-
lismus hinneigten, soweit derselbe innerhalb vernünftiger Grenzen die Verbesse-
rung des Looses der arbeitenden Klasse anstrebt. Man hatte daher öfter in
ihn gedrungen, in diesem Sinne activ an der Politik sich zu betheiligen, von
welcher ihn aber stets das niedrige Parteigetriebe mit seiner inneren Unwahr-
heit abschreckte.
F.'s theilnehmendem Charakter entsprach es, auch bei Anderen Liebe
und Zuneigung zu suchen und zu finden. Er hatte im Jahre 1884 die Toch-
ter des Landesgerichtsrathes Straub geheirathet, welche ihm eine Tochter
schenkte. An Frau und Tochter, sowie an seiner Mutter hing er bis zu seinem
Tode mit rührender Zärtlichkeit. Nachdem sich seine früher so schwankende
Gesundheit vollkommen gekräftigt hatte, verlebte er im Schoosse seiner Fa-
milie, geliebt von seinen Freunden und geachtet von Jedermann, eine Reihe
von glücklichen Jahren, an seiner sich immer ausbreitenden Thätigkeit er-
freuend. Viele solcher Jahre schienen ihm noch beschieden, als eine tücki-
sche Krankheit ihn erfasste. Nach wenigen Tagen schien sein kräftiger Kör-
per über dieselbe zu triumphiren, als sie in neuerlichem Ansturm ihn für
immer niederwarf.
Nachrufe in den Juristischen Blättern (Wien) und der BeUage zur Allgemeinen Zeitung
Ouli 1897).
Ernst P'uchs.
Peters, Fritz, bedeutender Landwirth, als Förderer und bester Freund
von Fritz Reuter allen Lesern des berühmten plattdeutschen Schriftstellers
wohlbekannt, * am 29. September 18 19 auf dem von seinem Vater gepach-
teten gräflich Hahn'schen Gute Liepen in Mecklenburg-Schwerin, f am 18. De-
cember 1897 in SiedenboUentin. — Er k^m 1828 nach der nahe gelegenen
Stadt Malchin auf die Schule, wo der damalige Rektor Bülch, ein alter Frei-
heitskämpfer und Verehrer von Jahn, sowie der zweite Lehrer Susemihl sich
seiner nach jeder Richtung hin annahmen und den Grund zu seinem tüch-
tigen Wissen legten; Ersterer sorgte auch für die Körperentwickelung durch
Turn- und Schwimmunterricht. Beim Eintritt in's vierzehnte Jahr sollte der
Knabe confirmirt und in die Landwirthschaft gethan werden, was ihm bei
seiner grossen Passion für das Studium der Chirurgie gar nicht zusagte. Der
wackere Susemihl reiste in Folge seiner Bitte zum Vater, ihn zu bestimmen,
den Sohn doch noch etwas, und wäre es nur ein Jahr, auf der Schule zu
lassen; aber auch dies half nichts. Fritz wurde Ostern 1834 eingesegnet und
Lehrling auf dem Gute Liepen, Anfangs traurig über sein Schicksal, später
Peters.
247
seinem seligen Vater vollkommen Recht gebend; denn es stellte sich bald
heraus, dass des Letzteren Leben nicht von langer Dauer sein sollte. Von
dem Vater in liebevollster Weise mit allen Geschäften, mochte es Ein- oder
Verkauf des fiir die Wirthschaft Nöthigen, mochten es Geldsachen u. a. sein,
vertraut gemacht, konnte er der verwittweten Mutter eine Stütze werden. Er
selbst schrieb dem Unterzeichneten: »Meine Jugend war nach heutigen Be-
griffen eine wunderbare; nach der einen Seite hin eine äusserst mühevolle,
denn noch nicht lange war in Mecklenburg die Leibeigenschaft aufgehoben,
jeder verlangte von sich und seinen Untergebenen ungewöhnlich viel; dazu
fehlten Communicationsmittel und Kunststrassen gänzlich, das Ackergeräth war
mehr als primitiv, die Maschinen gleich Null, wirthschaftlich also viel Quälerei.
Nach der anderen Seite war mir durch reichliche Mittel und den häufigen
Aufenthalt in Rostock, wo ich das Theater fleissig besuchte und intimen Ver-
kehr mit der akademischen Jugend unterhielt, Gelegenheit geboten, meinen
Geist weiter auszubilden.«
Im Jahre 1842 kam Fritz Reuter zu P.'s Schwager, dem Pächter Rust,
auf das gräflich Hahn'sche Gut Demzin bei Stavenhagen, um, nachdem er
den Versuch, nach seiner Festungszeit, sein Studium wieder aufzunehmen,
aufgegeben hatte, sich der Land wirthschaft zu widmen. Die Zuneigung zwi-
schen Fritz Reuter und Fritz P. war von Anfang an eine gegenseitige, und
da Ersterer auch des Letzteren nachherige Frau Marie geb. 0hl kennen lernte
und gleich sehr gern mochte, so* wurde von dem Tage ihrer Bekanntschaft
an ein Band für's Leben um sie geschlungen, und später ebenfalls um Reu-
ter's Frau Luise geb. Kuntze. Jahre lang war Reuter Hausgast bei P., der
1843 das Gut Thalberg bei Treptow a. Toll, gepachtet hatte, 1853 die Güter
Stolpe und Neuhof unweit Anklam übernahm und schliesslich eine Muster-
wirthschaft auf Siedenbollentin in Vorpommern einrichtete, wo er, als König-
licher Oekonomierath bis zuletzt thätig, jetzt seiner kurz vorher heimgegangenen
Gattin in's Jenseits gefolgt ist.
Unter seinen Augen hat Fritz RjButer sich zu dem eigenartigen Schrift-
steller entwickelt, von ihm mannichfache Anregung bekommen. Fritz P. brachte
auch Reuter's schwankendes Lebensschiff in einen sicheren Hafen, indem er
seine Niederlassung als Lehrer im nahen Treptow betrieb; ja ihm wie seiner
nachmaligen Frau Luise stand er stets treu und opferbereit mit Rath und
That zur Seite. Jahre hindurch verlebten sie gemeinsam fast alle Sonntage
auf dem Gute, Jahrzehnte lang jedes Weihnachtsfest, das Reuter immer durch
allerliebste Julklappverse verschönte. Nach den Mittheilungen des P. 'sehen
Ehepaares habe ich des Dichters Leben und Treiben auf Thalberg und Sieden-
bollentin geschildert in dem Buche »Reuter -Studien« und neuerdings viele
herzlich anmuthende Einzelheiten, Briefe, Gelegenheitspoesien, sowie die Por-
traits der gesammten P. 'sehen Familie, von Reuter, der ein sehr geschickter
Zeichner war und grosse Treffsicherheit besass, selbst gemalt, dargeboten in
den beiden Bänden »Aus Fritz Reuter's jungen und alten Tagen«.
Liegt die Bedeutung von Fritz P. für das deutsche Volk wesentlich in
seiner engen, unzertrennlichen Beziehung zu unserem Nationaldichter, so
hat er doch noch ausserdem sich hervorragende Verdienste erworben, nicht
nur durch seine praktische erfolgreiche Thätigkeit als Landwirth, sondern
speciell auch durch seine schriftstellerische, die in Agrarierkreisen mit Recht
geschätzt worden ist. Den ersten Band der »Läuschen un Rimels« widmete
Reuter bekanntlich seinem besten Freunde Fritz Peters zum Andenken an froh
248 Peters. Fresenius.
verlebte Stunden; P. revanchirte sich durch das Werk »Führung einer vor-
pommerschen Landwirthschaft an einem vorhandenen (nämlich seinem eigenen"^
Beispiele« (Wismar, Hinstorff) »seinem alten lieben Freunde Fritz Reuter zur
Erinnerung an seine ökonomische Laufbahn«. Von den zahlreichen P.'schen
Publicationen seien aus demselben Verlage noch genannt »Praktische Einfüh-
rung der Sommerstallfütterung« (3. Auflage unter dem Titel c Viehzucht und
Milchwirthschaft in Verbindung mit Sommerstallfiitterung und Fruchtwechsel-
wirthschaft«), ferner »Revision der gesammten Wirthschaftsfiihrung« und vier
Hefte »Siedenbollentiner Züchtungen«, dann die »Abhandlung über Schweine-
zucht und Schweinemast«, sowie die viel beachtete zeitg^mässe Broschüre
»lieber die Ursachen der so allgemein bedrückten Lage der Landwirthschaft.«
Eine durchaus tüchtige Persönlichkeit und ein wahrhaft edler Charakter
ist mit Fritz P. dahingegangen; er, der treue Freund in der Noth und stets
liebenswürdige Mensch, wird in Ehren genannt werden, so lange Fritz Reu-
ter's Schöpfungen und Lebensgeschichte Interesse und Theilnahme erwecken.
Karl Theodor Gaedertz.
Fresenius, Carl Remlgius, Chemiker, * am 28. December 181 8 zu Frank-
furt a. M., f am 11. Juni 1897 zu Wiesbaden. — Seine Eltern waren der Advocat
Jacob Heinrich Samuel F. und Marie Veronika geb. Finger. Die erste Jugend-
bildung erhielt F. auf der Musterschule zu Frankfurt a. M., dann im Bender'-
schen Institute zu Weinheim an der Befgstrasse; nachher besuchte er das
Gymnasium seiner Vaterstadt. Im Frühjahr 1836 trat er in die Stein*sche
Apotheke in Frankfurt a. M. als Lehrling ein, woselbst er vier Jahre lang die
Pharmacie praktisch erlernte und ausübte; zugleich aber besuchte er die Vor-
lesungen am Senckenberg'schen Institut, insbesondere die über Chemie und
Physik von Prof. Dr. Rudolf Böttger und diejenigen über Botanik von Prof.
Dr. Georg Fresenius. Schon damals zog ihn das Studium der analytischen
Chemie ganz besonders an, und die wenigen freien Tage, welche ihm blieben,
benutzte er eifrig zur Lösung analytisch-chemischer Aufgaben in einem kleinen
Laboratorium, das er sich in einem Gartenhause des grossen väterlichen
Gartens eingerichtet hatte. Im Frühjahr 1840 bezog er die Universität Bonn,
woselbst er ein Jahr verblieb. Er widmete sich zunächst dem Studium der
Pharmacie und der Naturwissenschaften überhaupt unter den Professoren
Gustav Bischof, Treviranus, Vogel, Nöggerath, Marquart u. s. w., hörte aber
auch geschichtliche und philosophische Vorlesungen bei Ernst Moritz Arndt,
A. W. V. Schlegel und Anderen. Im zweiten Semester seines Bonner Auf-
enthaltes schrieb F. seine Anleitung zur qualitativen chemischen Analyse, und
zwar lediglich zu eigener Uebung. In Druck gab er das Buch erst auf die
dringende Aufforderung Marquart's, in dessen Privatlaboratorium er praktisch
arbeitete, weil ein Universitätslaboratorium damals in Bonn noch nicht exi-
stirte. Nachdem während des Bonner Aufenthaltes der Entschluss in ihm
gereift war, sich ganz der Chemie zu widmen, war nichts natürlicher, als dass
er sich alsbald nach Giessen wandte, wo sich damals um Liebig die Jünger
dieser Wissenschaft von Nah und Fern zusammenschaarten. Er arbeitete
unter dem grossen Meister und hörte ausser bei Liebig Vorlesungen bei Bufl
und Kopp. Aus dem ersten Giessener Semester stammt seine Arbeit »Ueber
die traubensauren Salze« (Annalen der Chemie und Pharmacie 41, i). Bereits
im Herbst 1841 wurde er Liebig's Privatassistent, am i. April 1842 staat-
licher Unterrichtsassistent am Liebig'schen Laboratorium. In demselben Jahre
Fresenius. 240
veröffentlichte er die 2. Auflage der Anleitung zur qualitativen Analyse, wor-
auf ihm am 23. Juli 1842 die Doctorwürde von der philosophischen Facultät
der Universität Giessen verliehen wurde. Am 23. Juni 1843 habilitirte er sich
als Privatdocent in Giessen und blieb als solcher in Thätigkeit bis ihn im
September 1845 ^^^ ^^^ ^^s Professor der Chemie, Physik und Technologie
an das herzoglich nassauische landwirthschaftliche Institut nach Wiesbaden
führte. Es war eine herrliche Zeit, die er in Giessen verlebte, nicht bloss
reich an wissenschaftlicher Anregung und Förderung, sondern auch verschönt
durch Freundschaft und Liebe. In Giessen knüpfte sich das Freundschafts-
band für's Leben zwischen ihm, A. W. Hofmann, H. Will und L. von Babo.
Von dort führte er seine Gattin Charlotte, geb. Rumpf, die Tochter des Gym-
nasialdirectors Prof. Dr. Rumpf zu Giessen, als junge Frau nach Wiesbaden.
Aus der Giessener Zeit stammen noch eine Reihe von wichtigen literarischen
Arbeiten, von denen hier erwähnt sein mögen: »Neues Verfahren zur Unter-
scheidung und Trennung des Arsens vom Antimon in mit dem Marsh'schen
Apparate erhaltenen Metallspiegeln«, die mit Will veröffentlichte Schrift: »Neue
Verfahrungsweisen zur Prüfung der Pottasche und Soda, der Aschen, der
Säuren und des Braunsteins«, Heidelberg bei C. F. Winter 1843, mehrere
Mineralwasseruntersuchungen, einige davon gemeinschafdich mit Will, die
zusammen mit Haidien veröffentlichte Arbeit: »Ueber die Anwendung des
Cyankaliums in der chemischen Analyse«, die mit v. Babo gemeinschaftlich
ausgeführte »Ueber ein neues Verfahren zur Ausmittelung und quantitativen
Bestimmung des Arsens bei Vergiftungsfällen«, die mit Will »Ueber die un-
organischen Bestandtheile der Pflanzen.« In Wiesbaden begann F. 1845 seine
Lehrthätigkeit am landwirthschaftlichen Institut und hielt ausserdem während
des Winters 1845 — 4^ ^^^ Herzog von Nassau an zwei Abenden wöchentlich
Experimentalvorträge über Chemie in einem im Schlosse eingerichteten Hör-
saal. Mit Begeisterung gedenken die Männer, die damals Schüler des land-
wirthschaftlichen Instituts waren, noch heute des jungen Professors, der ihnen
das Eindringen in die Chemie ermöglichte und deren Bedeutung für die
Landwirthschaft vor Augen führte. Diesem aber bot die Thätigkeit an der
Anstalt, zumal da sie nur Winterkurse hatte, nicht volle Befriedigung; nament-
lich fehlte es ihm an einem Laboratorium und somit an der Gelegenheit,
junge Männer in die praktische Chemie einführen zu können. In der ersten
Wiesbadener Zeit war er deshalb besonders schriftstellerisch thätig, er gab die
4. und 5. Auflage der qualitativen Analyse heraus und schrieb 1846 seine
Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse, von der bereits im gleichen
Jahr die zweite Auflage erschien, sowie 1847 ^i" sehr beifällig aufgenommenes
Lehrbuch der Chemie fiir Landwirthe, Forstmänner und Cameralisten, Das-
selbe war bald vergriffen und wurde auch in 's Holländische und Englische
übersetzt; zur Bearbeitung einer neuen Auflage fehlte ihm aber später, anderer
Arbeiten halber, die Zeit. So gut es die bescheidenen Hilfsmittel seines in
einer Miethwohnung eingerichteten Privatlaboratoriums gestatteten, führte er
daneben noch analytische Untersuchungen verschiedener Art aus, namentlich
solche nassauischer Mineralien und Landesprodukte, von denen hier beson-
ders die Analysen einiger vorzüglicher Weine des Jahres 1846 erwähnt seien.
Im Jahre 1847 fasste F. den Entschluss zur Errichtung eines zum Unterricht
junger Männer in der Chemie und deren Hilfswissenschaften geeigneten selbst-
ständigen chemischen Laboratoriums, und kaufte in Folge dessen das Haus,
in welchem er seitdem gewohnt hat, und in dem er auch gestorben ist. Dies
250
Fresenius.
Haus, später umgebaut und vergrössert, umgeben von einem in der Folge
erheblich erweiterten Garten, war ein trautes FamiKenheim und auch in spä-
teren Jahren, als die Kinder theil weise auswärts verheiratfaet waren, der Mittel-
punkt der grossen Familie. Gleich beim Eintritt in die Wiesbadener Ver-
hältnisse betheiligte sich F. auch rege am öffentlichen Leben; er trat den
bestehenden wissenschaftlichen Vereinen bei und gehörte mit zu den Grün-
dern des Gewerbe Vereins für Nassau und anderer gemeinnütziger Vereine.
Durch das Vertrauen seiner Mitbürger wurde er im Jahre 1847 von der Stadt
Wiesbaden zum Abgeordneten in die nassauische Ständeversammlung gewählt.
Trotzdem behielt er sein nächstes Ziel un verrückt im Auge, sodass er mitten
in der stürmischen Revolutionszeit des Jahres 1848 sein Laboratorium mit
Unterstützung der nassauischen Regierung, aber doch grösstentheils aus eigenen
Mitteln einrichten und eröffnen konnte. Nun bot sich ihm der ersehnte Wir-
kungskreis. Gern hat er später gelegentlich im Familien- und Freundeskreise
von den bewegten Tagen des Jahres 1848 erzählt, in denen er aus den
Sitzungen der Ständekammer zur Vorlesung und aus der Vorlesung zur Waffen-
übung der Btirgerwehr eilte. Im Jahre 1849 begann F. seine chemische
Untersuchung der wichtigsten Mineralwasser des Herzogthums Nassau; grössten-
theils im Auftrag der nassauischen Regierung ausgeführt, theilweise aber auch
auf Wunsch des F>rzherzogs Stephan von Oesterreich, der damals auf Schloss
Schaumburg residirte, und mit dem F. bei dieser Gelegenheit in näheren
persönlichen Verkehr trat. Das chemische Laboratorium wiu-de aber auch
sonst vielfach von Gerichten, Verwaltungsbehörden, von der Industrie und
von Privaten in Anspruch genommen, und auch die Zahl der Studirenden
mehrte sich fort und fort, so dass das Laboratorium, welches ursprünglich
mit einem Assistenten , dem späteren Professor Erlenmeyer, und fünf Prakti-
kanten eröffnet worden war, schon in kürzester Frist bedeutend erweitert
werden musste. Im Frühjahr 1852 wurde zu diesem Behuf ein Neubau auf-
geführt, sodass nun Arbeitsplätze für 30 Praktikanten vorhanden waren. Es
würde zu weit führen, die weitere Entwickelung des Laboratoriums im ein-
zelnen zu verfolgen; dies alles wurde von F. selbst in der 1873 zur Feier des
25jährigen Bestehens der Anstalt veröffentlichten »Geschichte des chemischen
I^aboratoriums zu Wiesbaden« lebendig geschildert; in dieser Schrift sind auch
die aus dem Laboratorium hervorgegangenen Bücher und wissenschaftlichen
Arbeiten verzeichnet, desgleichen die Docenten, Assistenten und Praktikanten,
welche der Anstalt bis zum Jahr 1873 angehört haben. Die Leitung des I^bora-
toriums stellte neben der Herausgabe neuer Auflagen der qualitativen und quan-
titativen Analyse naturgemäss hohe Ansprüche an die Arbeitskraft des Directors,
sodass er mit Genehmigung der herzoglichen Regierung von 1855 ab die
Vorlesungen über allgemeine Chemie und Physik am landwirthschaftlichen
Institut an Neubauer übertrug, während er selbst die Vorlesungen über
Agriculturchemie und landwirthschaftliche Technologie beibehielt, und dit
im Jahre 1852 erfolgte Wahl zum Mitglied der ersten Ständekammer ab-
lehnen musste. Zu manchen wissenschaftlichen Arbeiten zog F. auch seine
Schüler heran, namentlich zur chemischen Untersuchung der wichtigsten Obst-
arten, die im Jahre 1858 in der Zeitschrift für deutsche Landwirthe veröffent-
licht wurde. Im Jahre 1861 fasste F. den Entschluss zur Herausgabe der
Zeitschrift für analytische Chemie. Der erste Band der Zeitschrift erschien
1862 in Wiesbaden im Verlag von C. W. Kreidel, einem nahen Freunde des
Herausgebers. Der ursprünglich entworfene Plan ist in seinen Grundzügen
Fresenius.
251
bis heute vollständig beibehalten worden ; er hat sich somit durchaus bewährt.
Anfänglich wurden jährlich 4 Hefte der Zeitschrift ausgegeben, vom 26. Jahr-
gang an erschien sie in 6 Heften und vom 36. ab erscheint sie in 12 Heften
jährlich. Bei der Herausgabe der Zeitschrift wurde F. unterstützt vom 20. Band
an von seinem Sohne Heinrich, vom 36. Band an ausserdem noch von seinem
zweiten Sohn Wilhelm und seinem Schwiegersohn Hintz. Das Geburtsjahr
der Zeitschrift brachte auch eine wesentliche Erweiterung des Laboratoriums;
es wurde mit ihm eine pharmaceutische Lehranstalt verbunden, die sich als-
bald eines guten Besuches zu erfreuen hatte, aber kurz nach der Einverlei-
bung Nassaus in den preussischen Staat aufgehoben wurde.
Das Laboratorium hatte sich stets der wohlwollenden Fürsorge auch der
preussischen Regierung zu erfreuen, insbesondere gewährte das königliche Unter-
richtsministerium den Staatszuschuss weiter und erhöhte denselben später noch.
Schon kurz nach Errichtung seines Laboratoriums war F. auch mit der Indu-
strie in nahe Beziehungen getreten. In den fünfziger Jahren gründete er mit
einem Neffen in Lorch am Rhein eine Fabrik zur trockenen Destillation des
Holzes und zur Verarbeitung der dabei erzielten Produkte, aus welcher sich
dann nach und nach der »Verein für chemische Industrie« entwickelt hat, eine
in hoher Blüthe stehende Aktiengesellschaft, in deren Aufsichtsrath F. bis an
sein Lebensende den Vorsitz führte. Auch an dem »Verein chemischer Fa-
briken zu Mannheim« war er betheiligt, und auch dort war er lange Jahre
Vorsitzender des Aufsichtsradies, desgleichen bei der Aktiengesellschaft »Schwein-
furter Ultramarinfabrik«. Nahe Beziehungen mit dem praktischen Leben traten
aber nicht nur hinsichtlich der Industrie, sondern auch hinsichthch aller Ge-
werbe hervor, auf welche die Chemie von maassgebendem Einfluss ist, so
besonders auch bezüglich des Weinbaues und der Weinbereitung. In Folge
davon wurde im Jahre 1868 die erste önologische Versuchsstation im An-
schluss an das Laboratorium als staatliche Anstalt errichtet, unter Neubauer's
Leitung. Im Winter 1872/73 weilte Kaiser Friedrich, damals Kronprinz des
deutschen Reiches, in Wiesbaden. Die damalige Kronprinzessin besuchte in
diesem Winter öfters das Laboratorium und Hess sich dort von F. Vorlesungen
über Chemie halten. In den Jahren 1874/75 wurde zur Vergrösserung des
Laboratoriums ein geräumiger Neubau aufgeführt und bald darauf im Jahre
1877 die Ausbildung von Nahrungsmittelchemikem, wohl zuerst in Deutsch-
land, systematisch organisirt. Vom 5. bis 24. November 1877 nahm F. auf
Einladung des Reichsgesundheitsamts als Mitglied zweier Commissi onen an
den Berathungen über den Gesetzentwurf, betreffend den Verkehr mit Nah-
rungsmitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen theil, die im kaiser-
lichen Gesundheitsamte zu Berlin stattfanden. 1884 wurde am Laboratorium
eine besondere, mit allen Hilfsmitteln der Neuzeit ausgestattete Abtheilung für
Hygiene und Bakteriologie eingerichtet, und zwar in einem weiter angekauften,
an die bisherigen Häuser angrenzenden Hause.
Die Oberleitung hat F. bis zu seinem Tode beibehalten, aber, um seine
ausgedehnte literarische Thätigkeit überhaupt zu ermöglichen, im Jahre 1884
die specielle Leitung der einzelnen Abtheilungen des Laboratoriums in die
Hände seiner Söhne und seines Schwiegersohnes gelegt.
Wie ausgedehnt F.'s literarische Thätigkeit war, geht daraus hervor, dass
er ausser der Zeitschrift ftir analytische Chemie im Laufe der Jahre 16 Auf-
lagen seiner Anleitung zur qualitativen chemischen Analyse und 6 Auflagen
seiner Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse herausgegeben hat.
252
Fresenius.
Die qualitative Analyse ist in fast alle lebenden Cultursprachen, sogar in s
Chinesische, übersetzt worden und auch von der quantitativen Analyse sind
zahlreiche Auflagen in fremden Sprachen erschienen. Kurz nach Errichtung
seines Laboratoriums hat F. die Erforschung der reichen Bodenschätze des
Herzogthums Nassau in Angriff genommen, insbesondere die Mineralwasser-
analysen. Der Untersuchung der nassauischen Mineralquellen reihten sich
dann im Laufe der Jahre die chemischen Analysen einer grossen Reihe an-
derer Mineralquellen an. Ein Verzeichniss der von F. veröffentlichten Ori-
ginalabhandlungen bis zum Jahre 1873 findet sich in der von ihm heraus-
gegebenen »Geschichte des chemischen Laboratoriums zu Wiesbaden«. Die
seitdem veröffentlichten sind in der gelegentlich des fünfzigjährigen Bestehens
der Anstalt erschienenen Geschichte des Laboratoriums während der zweiten
25 Jahre seines Bestehens von Prof. Dr. H. Fresenius zusammengestellt mit
den übrigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, welche seitdem aus dem
Laboratorium hervorgegangen sind.
Besonders erfolgreich war F. auch als Lehrer, zumal da er seinen Schülern
immer ein wohlwollender väterlicher Freund und Berather war. Eine grosse
Schaar dankbarer Schüler diesseits und jenseits des Oceans in den verschie-
densten Lebensstellungen, in der Wissenschaft und in der Industrie thätig,
werden ihm stets ein treues Gedenken bewahren.
Aus der Studierstube und aus dem Laboratorium heraus trat F. aber
auch vielfach in's öffentliche Leben, so als Sachverständiger vor Gericht,
als Berather von Staatsbehörden und Verwaltungskörperschaften der ver-
schiedensten Art, als Vorstandsmitglied von wissenschaftlichen und gemein-
nützigen Vereinen, als Mitglied des Kirchenvorstandes, des Communallandtages
für den Regierungsbezirk Wiesbaden, des Provinziallandtages fiir die Provinz
Hessen-Nassau und namentlich als Vorsitzender der Wiesbadener Stadtverord-
netenversammlung. Ausser seiner strengen Gerechtigkeitsliebe, Charakterfestig-
keit, Arbeitsfreudigkeit und geschäftlichen Gewandtheit gewann ihm sein ein-
faches, liebenswürdiges Wesen die Herzen, so dass es ihm gelang, Gegensäue
auszugleichen und ein erspriessliches Zusammenarbeiten von Männern zu er-
möglichen, welche verschiedenen politischen Parteien angehörten und auch
sonst oft in vielen Dingen verschiedener Ansicht waren. Besonders auch im
kirchlichen Leben ist F. öffentlich hervorgetreten als hervorragendes Mitglied
des deutschen Protestantenvereins und Führer der Kirchlich -Liberalen in
Nassau.
Erholung suchte und fand F. in seiner Familie und in der Natur.
»Wer froh durcli's Leben will wallen,
Dem muss es im Hause gefallen«
ist einer seiner Sinnsprüche, der gerade auf ihn selbst trefflich passt. Zur
Führung eines glücklichen Familienlebens war er aufs Günstigste veranlagt.
Er besass ein frohes, heiteres Gemüth, einen trefflichen, nie versiegenden
Humor und eine eigene Gabe, allen Dingen die beste Seite abzugewinnen,
dabei aber einen tief religiösen Sinn, der ihn befähigte auch in schweren
Tagen standhaft und muthig zu bleiben. F. war zweimal verheirathet. Mit
seiner ersten Gattin, Charlotte, geb. Rumpf, konnte er am 21. September 1870
das Fest der silbernen Hochzeit feiern. Dieser Ehe entsprossen 7 Kinder,
3 Söhne und 4 Töchter. Zwei der Söhne und ein Schwiegersohn sind, seinem
Beispiel folgend, Chemiker geworden und haben nicht nur als Schüler zu
seinen Füssen gesessen, sondern durften sich auch später langjähriger gemein-
Fresenius. Seebach.
253
samer Arbeit unter ihm unid mit ihm an seinem Laboratorium und an der
Zeitschrift für analytische Chemie erfreuen.
Nachdem ihm der Tod die treue Lebensgefährtin entrissen hatte, ver-
heirathete er sich später zum zweiten Male mit einer der Verstorbenen wie
ihm selbst und seinen Kindern seit Jahren befreundeten Dame, Auguste, geb.
Fritze, einer Tochter des verstorbenen Herzoglich nassauischen Geheimen
Rathes und Leibmedicus Dr. Fritze. Sie hat ihm das verödete Haus wieder
zu einem trauten Heim gemacht und ihn mit sorgender Liebe umgeben bis
zu seinem Lebensende. Ausser in der Familie verlebte F. seine Mussestunden
gern in Gottes freier Natur, besonders im schönen deutschen Wald oder in
seinem mit Sorgfalt gepflegten Garten. Er liebte es, wenn ihm dazu Zeit
vergönnt war, dem edlen Waidwerk obzuliegen und freute sich seiner mannich-
faltigen Jagdtrophäen, welche sein Gartenhaus zierten. Gewiss hat die Aus-
übung der Jagd wesentlich mit dazu beigetragen, seinen von Natur gesunden
und kräftigen Körper zu stählen, so dass er sich auch im hohen Greisenalter
bis zu seinem Tode nicht nur besonderer geistiger Frische, sondern auch
körperiicher Rüstigkeit erfreute. Dass es F., dem Ehrenbürger der Stadt
Wiesbaden, auch an äusserer Anerkennung nicht fehlte, brauche ich wohl
kaum zu erwähnen. Soll ich sie aufzählen die besonderen Ehrungen, welche
ihm zu Theil geworden sind, die ihm verliehenen Titel und Würden, die
Orden, welche seine Brust schmückten? Ich glaube man wird es mir erlassen.
Als F. durch einen sanften Tod unerwartet, mitten aus voller, mit Jugend-
frische ausgeübter Thätigkeit heraus, abgerufen wurde, da hatte ein reiches,
gesegnetes Leben seinen Abschluss gefunden. Seine sterbliche Hülle, die
überhäuft war von Lorbeeren, Palmen und Blumen, gespendet von dem Kaiser,
der Kaiserin Friedrich, von der Stadt Wiesbaden, von den zahlreichen, wissen-
schaftlichen Gesellschaften und Vereinen, deren Ehrenmitglied er gewesen,
sowie von seinen vielen Freunden und Verehrern aus allen Berufsarten und
Ständen nah und fem, haben wir in die Erde gebettet zur letzten Ruhe,
sein verklärtes Bild aber wird in unserem Gedächtniss fortleben.']
Sep.-Abdr. aus der Zeitschr. für analytische Chemie. Vgl. Nekrolog von A. Pagen-
s techer, Bd. 50 des Jahrb. des nass. Vereins für Naturkunde; die Grabreden von Bickel
und Vcesenmeyer (Wiesbaden, 1897). Nachruf von E. Fischer, Berichte der Deutsch,
ehem. Gesellschaft, Jahrg. 30, No. 11. Bildnisse in der Zeitschr. für an. Chemie und bei
Pagenstecher. Photographien bei Karl Schipper, Wiesbaden. — Bibliographische Zusammen-
stellungen d. Börsenbl. für den Deutschen Buchhandel, betr. Verstorbener des Jahres 1897,
No. 139.
Heinrich Fresenius.
Seebach (Niemann-Seebach), Marie, Schauspielerin, * am 24. Februar
1830 in Riga, f am 3. August 1897 in St. Moritz. — Das Geburtsjahr 1830
steht urkundlich fest; bei ihren Lebzeiten wurde das Jahr 1834 angegeben.
Ihr Vater war ein Sänger, die Mutter eine Schwester der Schauspielerin Frieb-
Blumauer; das Eltempaar führte ein herumziehendes Comödiantenleben. Riga
ist daher nicht als die eigentliche Heimat, sondern nur als der zufällige Ge-
burtsort von M. S. zu betrachten. Die Kinder (ausser Marie war noch eine
Schwester Wilhelmine vorhanden) wurden auf der Bühne gross; mit 6 Jahren
haben sie schon auf den Brettern gestanden. Der Geistliche, der an Marie's
Grab sprach, rühmte den Eltern nach, dass sie für die intellectuelle und sitt-
liche Erziehung ihrer Kinder das Mögliche gethan und dass diese ernsthaft
auf einen sittlichen Lebenswandel gehalten. Marie wurde zur Sängerin aus-
254
Seebach.
gebildet, aber ihre Stimmmittel erwiesen sich als unzureichend; nachdem sie
im Jahre 1847 zuerst auf einer grösseren Bühne in Nürnberg aufgetreten,
musste sie sich hier, sowie in Lübeck, Dessau, Danzig und (1852) Cassel mit
Soubrettenrollen gentigen. Von hier engagirte sie 1853 Chtfri Maurice nach
Hamburg mit der Absicht, ihr erste Rollen im Schauspiel anzuvertrauen;
nach einer Darstellung der Waise von Lowood bescheinigte ihr Karl Töpfer
als Kritiker den Eintritt in die Meisterjahre. Inzwischen hatte Laube ihre
persönliche Bekanntschaft in Carlsbad gemacht und lud sie ftir den April 1854
zu einem (xastspiel in das Burgtheater ein. Der Erfolg, den es hatte, war
nicht durchschlagend, führte aber doch zu einem Engagement. Bevor sie
dasselbe antrat, nahm sie Theil an dem im Juli 1854 von Dingelstedt in
München veranstalteten sogenannten Gesammtgastspiel , spielte das Clärchen.
das Gretchen und die Luise Millerin, und von hier ab datirt die Epoche ihres
Ruhmes.
Gerade dieser frisch erworbene Ruhm wirkte störend auf ihre Verhält-
nisse in Wien ein ; sie trat dem Direktor Laube mit einem gewissen Eigensinn
gegenüber, den dieser nicht vertrug und das Publikum befreundete sich mit
der Spielweise der S. nicht. Das Verhältniss wurde bald gelöst; im Jahre
1856 gastirte M. S. in Dresden und im Juni 1857 gab sie ein längeres Gast-
spiel in Berlin, das ihr den Enthusiasmus des Publikums und den Beifall der
jüngeren Kritik eintrug, während die älteren Kritiker, wie Rötscher, Zurück-
haltung beobachteten. Der Generalintendant von Hülsen wollte auf ihr
Engagement nicht eingehen, weil er an ihr körperliche Vorzüge vermisste.
Dagegen fand sie eine feste Stellung bei dem Theater in Hannover. Hier
fasste sie eine leidenschaftliche Neigung zu dem hervorragenden Tenoristen
Albert Niemann und schloss mit ihm eine Ehe^ die ihr Unglück wurde. Der
Gatte wird von dem Vorwurf rauhen, rücksichtslosen Benehmens nicht frei zu
sprechen sein; andererseits scheint M. S. nicht die Gaben besessen zu haben,
ihrem Gatten eine traute Häuslichkeit zu bereiten. Im Jahre 1866 siedelten
beide nach Berlin über und bald darauf kam es zu einer Trennung, die 1868
durch ein gerichtliches Scheidungsurtheil bestätigt wurde.
Schon vorher hatte M. S. an Gastspielen mehr geleistet, als für ihre
künstlerische Entwickclung gut gewesen wäre. Von 1867 ergab sie sich zehn
Jahre lang einem ruhelosen Wanderleben, das sie nicht allein durch ganz
Deutschland, sondern auch nach Russland und den Niederlanden führte. Mit
ihren europäischen Erfolgen nicht zufrieden, war sie unter deutschen Bühnen-
künstlern eine der ersten, die Amerika durchzog und dort Gold und Lorbeer
in reichstem Maasse, freilich auch manche Domen erntete.
Im Jahre 1877 zog sie sich von der Bühne zurück und nahm ihren Auf-
enthalt in Dresden. Allein zehn Jahre später nahm sie wiederum ein Engage-
ment an der Berliner Hofbühne, nunmehr für Mutterrollen an. Schwerer
Gram lastete auf ihren letzten Lebensjahren. Aus ihrer Ehe mit Albert Nie-
mann hatte sie einen einzigen Sohn Oskar, der ihr zur Erziehung verblieb,
als die Gatten sich trennten. Trotz der äusseren Entfremdung hatte sie nie
aufgehört, ihren Gatten leidenschaftlich zu lieben und trug nun diese Leiden-
schaft auf den gemeinsamen Sohn über. Aber dieser Sohn konnte es zu
keinem festen Lebensberufe bringen, wurde, sehr jung, in leichtsinnige Liebes-
abenteuer verstrickt und starb 1893 an der Schwindsucht. Bald darauf woirde
M. S. in den Strassen Berlins von einem schwer beladenen Wagen überfahren,
erlitt mehrfache Knochenbrüche und wurde an ein langes Schmerzenslager
Seebach.
255
gefesselt. In jedem Sommer suchte sie Erholung im Engadin und dort hat
sie der Tod erlöst.
Das Gebiet ihres Wirkens war kein grosses; die Blüthe ihres Ruhmes
war keine lang ausdauernde und dennoch muss M. S. als eine in der
Geschichte des deutschen Theaters bahnbrechende Künstlerin bezeichnet
werden.
Das Hofburgtheater in Wien hatte seinen festen Stil; von den übrigen
grossen Bühnen hatte wohl keine einen Stil, aber sie hatten ihre Tradition,
ihre Manier. M. S. brach mit Stil, mit Tradition und Manier. Sie hielt es
mit dem Goethe'schen Worte: »Höchstes Glück der Erdenkinder ist doch
die Persönlichkeit«. Sie trat den Rollen, die sie übernahm, so gegenüber,
als hätte sie Niemand vor ihr gespielt. Sie suchte mit dem Geiste des Dich-
ters vertraute Zwiesprache zu halten und hatte häufig das Glück von ihm
belehrt zu werden. Der Grund, aus welchem sie in Wien die wenigsten Er-
folge hatte, aus welchem Laube mit ihr unzufrieden war und Hebbel ge-
legentlich eine volle Schale Grimm über sie ausschüttete, lag darin, dass man
in Wien am festesten an der Tradition hielt. Schon früher als M. S. hatte
Bogumil Dawison in ähnlicher Weise zu wirken begonnen. Ueber ihn wie
über sie blieb das Urtheil ein getheiltes, stritten die Alten mit den Jungen.
Aber beide haben schliesslich einen nachhaltigen Einfluss auf die folgende
Generation geübt. Es ist seither kein Schauspieler und keine Schauspielerin
in Deutschland zu Ruhm gelangt, die nicht ihres Geistes einen Hauch ver-
spürt hätte.
Marie' s genialste Schöpfung war das Clärchen im Egmont. Wenn sie
auftrat, hatte man etwa den Eindruck, vor einem der vorzüglichsten Portraits
von Rubens zu stehen. Wir wussten sehr genau, dass wir Alltagsmenschen
einem Wesen dieser eigenthümlichen Art auf Weg und Steg nirgend begegnen
werden und dass dennoch dieses Wesen in Fleisch und Blut eben so sicher
existirt hat, wie alle die, mit denen wir in täglicher Berührung sind.
Dieses Mädchen, welches in den Augen der Welt als eine Dirne gelten
muss, welches das Urtheil der Welt gründlich kennt und eben so gründlich
verachtet, weil es sich durch das, was man ihr zum Vorwurf macht, gehoben
und geheiligt ftihlt, wurde in einer Weise zur Darstellung gebracht, dass zwi-
schen den Absichten des Dichters, die er ja selbst noch in guter Prosa er-
läutert hat, und der Ausfuhrung nicht der geringste Unterschied blieb.
Der Wirkungskreis von M. S. war kein grosser. Versagt blieb ihr das
Heroische; versagt blieb ihr diejenige Naivität, in welcher ein bisserl Schalk-
heit gar nicht dabei ist; versagt blieb ihr die komische Schärfe, mit welcher
ihre Tante Frieb so reichlich ausgestattet war, und die sie sich im Alter ver-
geblich anzueignen suchte. Aber innerhalb des Gebietes, das sie beherrschte,
lagen die vier Rollen, die sie in ihren Jugendjahren mit Vorliebe spielte,
Gretchen, Clärchen, Luise Millerin und Desdemona, und zu denen sie in
späteren Jahren als die fünfte die Stella gesellte. In jeder dieser Rollen war
sie eine andere, und in jeder vollendet. Dazu kamen eine Anzahl von Parade-
rollen, mehr darauf berechnet, die schauspielerische Virtuosität zu bekunden,
als einen Dichter zu interpretiren, wie Lorle, Jane Eyre, Adrienne Lecouvreur.
Margarethe Western in Blum's Erziehungsresultaten, obwohl des poetischen
Werthes baar, war eine erfreuliche I^eistung, weil hier eine Fülle liebenswür-
diger Schelmerei zum Ausdruck kam. Shakespeare's Julie, die sie mit Vor-
liebe spielte, lag ausserhalb der Grenzen ihres Talents ; es war zum Anstaunen,
2c6 Scebach. xmn der Linde.
wie sie den Versuch machte, die Rolle sich zurecht zu legen, aber Shake-
speare litt Noth.
Die Blüthe ihres Ruhmes war eine kurze; sie konnte den rosenfarbenen
Schleier der Jugend nicht entbehren. Schon als nach ihrer Ehe Sorge und
Gram bei ihr einzuziehen begannen, begann der Duft zu schwindoi, der bis
dahin über ihren Schöpfungen gelagert war. Sie war nicht ohne Schuld an
diesem frühen Verfall. Ihr unruhiges Wanderleben machte ihr eine Entwicke-
lung unmöglich, hinderte sie, sich in neue Rollenkreise einzuarbeiten, nach-
dem die bisherigen für sie unmöglich geworden waren.
Sie blieb bis zu ihrem Ende das, was man eine gute, verständige Schau-
spielerin nennt. Sie hatte das Handwerksmässige ihrer Kunst vollständig inne.
und besass nebenher eine tüchtige Bildung. Gerade das stand ihrem Ruhm
im Wege, dass man jetzt noch von ihr Leistungen sah, die Achtung verdienen,
die aber Andere eben so gut aufweisen konnten. Man versteht eher, das>
eine gewaltige Kraft gänzlich zusammenbricht, als dass sie sich in die goldene
Mittelmä.ssigkeit verliert. Das jüngere Geschlecht kam auf den Gedanken,
dass die älteren die Verdienste der S. tibertrieben hätten.
Auf der Generalversammlung der Goethe- Gesellschaft im Jahre 1895
brachte ein Verehrer, der sich der M. S., wie sie vierzig Jahre früher gewesen
war, sehr genau erinnerte, einen Toast auf sie aus und sie, sichdich ergriffen,
antwortete mit einer improvisirten Rede, in der sie die Summe ihres Lebens
zog, die Ideale, denen sie nachgestrebt, die Enttäuschungen, die ihr bereitet
waren ; in der edelsten Sprache zauberte sie wohl auch dem Zweifler ein Bild
von dem vor, was sie in ihrer Jugend gewesen.
Nach dem Tode ihres Sohnes hat M. S. schon bei Lebzeiten einen
grossen Theil ihres Vermögens zu einem in Weimar errichteten Asyl für in-
valide Mitglieder der Bühnengenossenschaft gewidmet und von Todes wegen
diese Gabe noch erheblich erhöht. Sie hat sich auch dadurch ein unvergess-
liches Andenken gestiftet.
Literatur: Eine Biographie von M. S., die von den Angehörigen der Künstlerin mit
Material reichlich versehen ist, ist von O. F. Gensichen ausgearbeitet und ihr Erscheineo
steht bevor.
Alexander Meyer.
Linde, Antonius van der, Bibliothekar und Schriftsteller. * am 14. No-
vember 1833 zu Haarlem, f am 13. August 1897 zu Wiesbaden. — Nachdem L.
den Unterricht der Gelehrten Tobias Knuivers und Dirk Harting zu Enkhuizen
genossen, legte er am 5. April 1853 seine Prüfungen ab; im Jahre 1855 wandte
er sich den theologischen Studien zu, die er in Leyden vollendete. 1859
wurde er Pastor einer reformierten Gemeinde, legte aber das Amt schon
nach zwei Jahren nieder und wohnte von 1861 ab auf seinem Landgut
Winkelsteeg bei Nymwegen. Von hier begab er sich dann nach Göttingen,
von wo er nach Erwerbung des Doktorgrades (1862) wieder in seine Heimat
zurückkehrte, jedoch keineswegs, um sich hier der Müsse hinzugeben, wie
die grosse Zahl seiner Schriften beweist. Ob ihn sein 1870 erschienenes
Werk »De Haarlemsche Costerlegende«, in dem er seinen Landsleuten gegen-
über nachwies, dass nicht Laurens Coster, sondern Gutenberg die Buchdruck-
kunst erfunden habe, und die dadurch hervorgerufenen Controversen, oder
aber seine Begeisterung für die deutsche Sache (1871) nach Deutschland
drängten, darüber divergieren die vorhandenen Quellen; es dürfte aber der
van der Linde. Malcher.
257
Wahrheit mehr entsprechen den ersteren Grund für den maassgebenden zu
halten, denn seine scharfe, in Angriff und Vertheidigung gleich spitzige Feder
war wohl geeignet, Anstoss zu erregen. L. wandte sich nach Berlin, wo er
sich dem Studium des Sanskrit eifrig hingab — dessen er zum Quellen-
studium für die Geschichte des Schachspiels bedurfte — und in der Königlichen
Bibliothek Aufnahme fand. 1876 wurde er zum Bibliothekar der Landes-
bibliothek in Wiesbaden ernannt und starb im Alter von 64 Jahren in seiner
zweiten Heimath als Oberbibliothekar a. D. Er versuchte sich auf vielen
(Gebieten und wandte seine Thätigkeit mit Vorliebe Personen und Gegen-
ständen zu, die von Anderen nicht beachtet oder falsch beurtheilt worden
waren. Für die Geschichte des Schachspiels gehört er zu den besten und
ergiebigsten Quellen; seine Hauptthätigkeit aber entwickelte er in der Biblio-
graphie, in der er so manches Gebiet erschöpfend behandelte. Am meisten
Aufsehen erregte seine schon erwähnte »Costerlegende«, deren Vorarbeiten
auch späteren Werken zugutekamen: »Gutenberg«, »Quellenforschungen zur
Erfindung der Typographie«, »Geschichte der Erfindung der Buchdruckkunst« ;
auf Grund der letztgenannten Arbeit wurde er auch mit dem Titel eines Pro-
fessors ausgezeichnet. — Die 2^1 seiner Schriften ist eine enorme. In der
1885 erschienenen »Selbstbibliographie« führt er 221 Werke und Aufsätze an,
bezüglich deren hier auf dieses Buch verwiesen werden kann; von den
Werken seiner letzten Lebensjahre seien noch erwähnt: »Geschichte der Er-
findung der Buchdruckkunst.« 3 Bde. Berlin, 1886. »Bijdrage tot de ge-
schiedenis der Boekdrukkunst.« Gent, 1887. »Kaspar Hauser. Eine neu-
geschichtliche Legende.« 2 Bde. Wiesbaden, 1887. »Michael Servet, een
brandoflfer der geref. inquisitie«. Gron., 1890. »Antoinette Bourignon. Das
Licht der Welt.« Leyden, 1895.
Quellen : Die betr. Artikel in : Ad. Hinrichsen, Das literar. Deutschland, Frederiks und
Branden, Biograph. Woordenboek etc. ; femer Centralblatt f. BibL-Wesen, XIV, S. 436 und
die vom Oberbibliothekar in Wiesbaden freundlichst zur Verfügung gestellte Selbstbiogra-
phie Linde's.
H. Bohatta.
Malcher, Franz Xaver, Bibliothekar, * am 3. Dezember 1835 ^^
Fulnek in Mähren, f am 12. Februar 1897 zu Wien. — M. war der Sohn
eines Kratzenerzeugers für Tuchfabrikanten. Er besuchte zunächst die Volks-
schule seines Heimathsortes ; von hier kam er nach Leipnik in die damals
sogenannte vierte Klasse; darauf absolvierte er das Gymnasium in Troppau,
ebenso wie die niederen Schulen durchwegs mit vorzüglichem Erfolg; die
Gabe des Gesanges, mit der ihn die Natur beschenkt, vernachlässigte er
darüber nicht. Die Zeit von 1854 bis 1856, welche Missemte und grosse
Theuening brachte, drohte dem Lerneifer des Jünglings ein jähes Ende
zu bereiten; um sein Studium nicht aufgeben zu müssen, verlegte er sich
auf das einzige Mittel der Selbsthilfe, die Ertheilung von Unterricht, auf
die er vollends angewiesen war, als bald, nachdem er die Wiener Univer-
sität bezogen, 1859 *^*^ Vater starb und eine Wittwe mit fünf noch un-
versorgten Kindern hinterliess. An der Hochschule machte M. die Ge-
schichte und die klassische Philologie zu Gegenständen seiner Studien, nach
deren Vollendung er Erzieher in verschiedenen Häusern wurde, so bei Frei-
herm von Bees, dem Grafen Lützow u. s. w. 1870 eröffnete sich ihm das
Haus des Erzherzogs Carl Ferdinand, wo er die Prinzen Erzh. Friedrich,
Eugen, Carl Stefan, sowie die Prinzessin Erzh. Maria Christine — gegenwärtig
Blogr. Jahrb. a. Denticber Nekrolog. 3. Bd. I 7
258 Malcher. Grossherzogin Sophie von Sachsen.
Königin von Spanien — unterrichtete. Nachdem er fast sieben Jahre in
dieser Stellung zugebracht, wurde er im Februar 1877 in Anerkennung seiner
eifrigen Dienstleistung Archivar des erzherzoglichen Hauses und im September
1884 nach dem Tode des ehemaligen Universitäts-Professors Dr. Moritz
Thausing dessen Nachfolger als Bibliothekar der »Albertina« in Wien. 1894
wurde er mit dem Titel eines Regierungsrathes ausgezeichnet. — M.*s soliden,
bescheidenen Charakter schätzten Alle, die mit ihm zu verkehren hatten:
Erzherzog Friedrich äusserte sich beim Leichenbegängnisse gegen den Bru-
der des Verstorbenen: »Ich verliere in ihm einen zuverlässigen , auf-
richtigen, treuen Beamten«. — Im Frühjahre 1884 wurde er von den Erz-
herzogen Albrecht und Wilhelm mit der Herausgabe der ausgewählten Werke
des Erzherzogs Carl betraut. Er verfasste ferner eine Biographie des Herzogs
von Sachsen-Teschen, des Begründers der »Albertina«: »Herzog Albrecht zu
Sachsen-Teschen bis zu seinem Antritt der Statthalterschaft in Ungarn
1738 — 1766. Eine biographische Skizze. Wien, 1894« und eine Biographie
des Erzherzogs Albrecht in den »Biographischen Blättern«. Seine Schriften
zeigen nicht nur liebevolle Auffassung und Behandlung der Stoffe, sondern
auch historische Treue und sorgfältige Benutzung der Quellen, unter denen
ihm ja die besten im erzherzoglichen Archive zur Verfügung standen.
Nach freundlichen Mittheilungen Rudolf Malcher's in Baden bei Wien und des Custos
der »Albertina«, Dr. Jos. Meder.
H. Bohatta.
Grossherzogin Sophie von Sachsen, königliche Prinzessin der Nieder-
lande, ♦ am 8. April 1824 im Haag, vermählt am 8. October 1842, f am
23. März 1897 zu Weimar. — Die Grossherzogin Sophie von Sachsen, eine Toch-
ter des Oranisch-Nassauischen Hauses, war ganz und gar eine Fürstin. Unmittel-
bar unter dem Eindruck der Nachricht von ihrem Tode sagte eine deutsche
Fürstin von ihr, dass sie wohl befähigt gewesen sei, wie Maria Theresia über
Millionen zu herrschen, ein Ausspruch, den scharf urtheilende Männer, die
der Grossherzogin seit Jahren nahe gestanden und sie von sehr verschiedenen
Standpunkten aus zu beurtheilen Gelegenheit gehabt hatten, bestätigt haben.
Solche Herrscher-Beiähigung lässt sich nicht anlernen, sie ist eine Begabung,
oft das Ergebniss der Abstammung. Jedenfalls vereinigte die Grossherzogin
Sof)hie in sich in besonderem Maasse die hohen fürstlichen und staatsmänni-
schen Eigenschaften, die den Ruhm des Oranischen Fürstenhauses, eines
Wilhelm I., eines Moritz, eines Wilhelm II. von Uranien begründet haben:
»was in ihrem Wesen vorbildlich und unvergleichlich, grossartig und einzig
war, liegt tief begründet in ihrer oranischen Art und wurzelt in ihrer orani-
schen Abstammung« (Kuno Fischer). Aber Erziehung hat sicherhch nicht
wenig dazu beigetragen, diese Befähigung zur Entwickelung zu bringen, die
Erziehung im elterlichen Hause, noch mehr die Erziehung, die sie selbst als
Erbgrossherzogin und Grossherzogin beständig an sich ausübte.
Die Grossherzogin S. war die einzige Tochter des Prinzen Wilhelm von
Uranien, seit 1840 König Wilhelm II. der Niederlande, und der Grossfurstin
Anna Paulo wna von Russland. Ihre Kindheit verfloss zumeist in dem Schloss
Soestdyk, das das Land ihrem Vater nach der Befreiung der Niederlande von
der französischen Herrschaft dargebracht hatte. Ihre ersten nachhaltigen poli-
tischen Eindrücke werden zurückzuführen sein auf den Aufstand in Brüssel
und auf den Feldzug des Vaters, der siegreich die niederländischen Truppen
Grossherzogin Sophie von Sachsen. 259
in Belgien vorwärts führte, bis er sich vor der bewaffneten Intervention Frank-
reichs zurückziehen musste. Beide Eltern hatten sich sorglich der Erziehung
der Tochter angenommen; besonderen Einfluss hat auf die Entwickelung ihrer
politisch- fürstlichen Sinnesart der lebhafte und anregende Verkehr mit dem
Vater gehabt. Die junge, kaum erwachsene Prinzessin begleitete diesen nach
der Thronbesteigung vielfach auf seinen Reisen im Lande; ihr Geist stärkte
und weitete sich im Verkehr mit politisch hervorragenden Persönlichkeiten
und in der gründlichen Beobachtung der Einrichtungen und des wirthschaft-
lichen Verkehrs des niederländischen Reiches, das durch seine überseeischen
Besitzungen ungleich grösseren und lebensvolleren Antheil an der Weltpolitik
hatte, als mancher umfang- und bevölkerungsreichere Festlandsbinnenstaat.
Eine echte Tochter der Niederlande, liebte die Grossherzogin S. das Meer,
die mächtig aufrauschende Fluth, die weiten Horizonte, und ihre Individualität
war durchzogen von jenem frischen, kräftigenden Hauch der Meerluft, der den
Blick und die Thatkraft schärft. Mit dem Vater stand sie bis zu seinem
Tode (1849) in einem wesentlich politische Vorkommnisse und Erörterungen
umfassenden Briefwechsel.
Am 8. April 1842 hatte im Haag die Verlobung der Prinzessin S. mit
dem . damaligen Erbgrossherzog Carl Alexander von Sachsen stattgefunden, der
am 8. October desselben Jahres die Vermählung folgte. Das junge Paar
führte in dem ersten Jahrzehnt ein durch die Pflege künstlerischer und schön-
geistiger Interessen und die sorgfältige Erziehung seiner Kinder: Erbgross-
herzog Carl August (geb. 1844, gestorben 1894), Prinzessin Marie (geb. 1849,
vermählt 1876 mit dem Prinzen Heinrich VII. Reuss), Prinzessin Anna (geb.
185 1, gest. 1859), Prinzessin Elisabeth (geb. 1854, vermählt 1886 mit Herzog
Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin) vertieftes Stillleben, doch wurden
auch grössere Reisen nach Russland, England, Italien unternommen: ein fast
halbjähriger Aufenthalt in Italien bot erwünschte und eifrig benutzte Gelegen-
heit zu ernsten Kunststudien. Denn auch ein feines und tiefes Kunstverständ-
niss hatte die Prinzessin aus dem elterlichen Hause mitgebracht.
Am 8. Juli 1853 übernahm nach dem Tode seines Vaters Carl Friedrich
Grossherzog Carl Alexander die Regierung des Weimarischen Staates. Damit
vollzog sich natürlich auch eine bedeutende Wandelung in den Aufgaben und
Pflichten der Grossherzogin S. Sie ist immer eine aufmerksame Beobachterin
der Vorkommnisse auf dem Gebiete der europäischen und der inneren deut-
schen Politik gewesen und hat selbstverständlich lebhaftesten Antheil genom-
men an den Angelegenheiten des Landes, ohne einen unmittelbaren Einfluss
auf sie auszuüben. Sie war dadurch, als in Folge der Abwesenheit des Ge-
mahls und des Sohnes während des deutsch-französischen Krieges die Regent-
schaft ihr übertragen ward, befähigt, mit voller Sachkenntniss die Regierungs-
geschäfte zu führen, mit einer Klarheit und Sicherheit des Urtheils, die
staunende Bewunderung der Räthe erweckte. Aber sie brachte noch mehr
mit, den Fleiss, die Pflichttreue, das Verständniss für die technischen Er-
fordernisse der Regierungsthätigkeit und jenen feinen Takt, der vorahnend
das Richtige treffen lässt, das Richtige in Bezug auf die Ziele und das Rich-
tige in Bezug auf die Mittel, wie sie zu erreichen sind, vor Allem jene fiir
fürstliches Wirken wichtigste Gabe: die Fähigkeit zur sorgfältigsten, aber ver-
schwiegenen Vorbereitung ihrer Pläne. Der erste äusserlich wahrnehmbare
Schritt bei Allem, was sie that, war schon ein Glied einer im Stillen längst
vorbereiteten Folge, so dass nichts dem Zufalle überlassen blieb. Ein Wort
17*
26o Grossherzog^n Sophie von Sachsen.
aus einem ihrer Briefe: »il faut agir en parlant le moins possible« ist be-
zeichnend für diesen höchst charakterischen Zug; sie war sich desselben und
seiner Bedeutung als eines Erbtheils Wilhelms des Schweigers wohl bewusst:
»vous voyez, que mon origine se fait valoir« setzt sie jenem Worte hinzu.
Natüriich hat sie ihre hervorragende Begabung für ein grosses fürstliches
Walten nicht erst und nicht allein in den wenigen Monaten bekundet, in
denen sie die Regierung im Grossherzogthum Sachsen führte. Die fürstlichen
Frauen vermögen heute auf den weiten Gebieten der Wohlfahrtspflege eine
tief eingreifende Thätigkeit zu entfalten, die an ihre Arbeitskraft und an ihre
Arbeitsfähigkeit grosse Aufgaben stellt. Die Grossherzogin S. war sich dessen
wohl bewusst und hat für Wohl fahrtsz wecke in hervorragendem Maasse gewirkt.
Das Grossherzogthum Sachsen besitzt seit dem Jahre 1817 das »Patriotische
Institut der Frauenvereine«, eine Schöpfung der damaligen Erbgrossherzogin
Maria Paulowna, die bestimmt war, die Unterstützung armer, arbeits-
unfähiger Personen, die Krankenpflege, die Hilfeleistung in Nothständen,
die Erziehung und Ausbildung der weiblichen Jugend nicht nur in Hand-
arbeit, sondern auch in Haushaltungsdingen zu leiten. Im Jahre i85q,
nach dem Tode der Grossherzogin Maria Paulowna, trat die Grossherzogin
S. an die Spitze dieses Instituts und hat dasselbe in der umsichtigsten und
zweckmässigsten Weise weiter zu entwickeln verstanden. Sie hat in dem, was
die Zeit bewegte, stets das berechtigte und deshalb dauerverheissende von
dem falschen und deshalb vergänglichen zu sondern gewusst, ohne sich über
die Kurzlebigkeit scheinbarer glänzender Erfolge zu täuschen. Aus ihrer An-
regung heraus und unter ihrer unmittelbarsten persönlichen Leitung sind statt-
liche Anstalten für weibliche Erziehung, vor Allem fiir Krankenpflege, im
Grossherzogthum Sachsen entstanden. Die überaus segensreiche Entwickelung
der in so vielen Richtungen wohlthätig wirkenden Gemeindepflege lag ihr vor-
nehmlich am Herzen. Ein von ihr gegründetes Haus zur Ausbildung von
Krankenpflegerinnen bildet den Mittelpunkt für ein Netz von Stationen für
Gemeindepflege im Lande. Wie sehr der Werth dieser Schöpfung gewürdigt
wird, zeigt, dass im Landtag des Grossherzogthums nach ihrem Tode die
ansehnliche Summe von 1 50 000 Mark zur Vermehrung der Fonds für die
Gemeindepflege ohne Widerspruch bewilligt ward. Neben diesem Kranken-
hause errichtete die Grossherzogin ein Kinderheilbad, in dem viele hundert
bedürftige Kinder jährlich Stärkung und Genesung finden, und genehmigte
noch in ihren letzten Tagen die Anlegung einer Volksheilstätte für Lungen-
kranke.
Wer die Grossherzogin beobachten, sehen konnte, wie sie alle die man-
nichfaltigen Aufgaben einer ungemein ausgedehnten Verwaltung, die ihrer
eigenen Besitzungen mit eingezogen, mit der grössten Sorgfalt verfolgte, in
die technischen Einzelheiten des Unterrichtes in den Handarbeiten wie in die
Detailfragen baulicher Constructionen sich vertiefte, und dann aus gründlicher
Sachkenntniss die richtigen Entscheidungen traf, konnte ihr bewundernde
Anerkennung nicht versagen. Aber sie war nicht blos eine bedeutende Lei-
terin, sie war eine berufene Organisatorin, die es verstand, die Menschen zur
Thätigkeit im Dienste grosser Ideen anzuregen. Wodurch sie auf andere
wirkte, das war im letzten Grund das Beispiel, das sie gab, das Beispiel rast-
loser Arbeit an sich selbst, einer stetigen Selbsterziehung, grösster Selbst-
beherrschung und einer unvergleichlichen Selbstlosigkeit. Ihre Pflichten er-
füllen zu dürfen — und den Kreis derselben erweiterte sie immer mehr — ,
Grossherzogin Sophie von Sachsen. 261
empfand sie, nach ihrem eigenen Worte, als eine Wohlthat. Dass eine so
ernste Auffassung ihrer Individualität einen strengen Zug geben musste, ist
begreiflich, aber doch bewahrheitete sich auch an ihr, wenn sie schreibt: »Das
Bewusstsein, das anvertraute Leben nützlich auszufüllen, den christlichen
Pflichten nach bestem Wissen und Können nachzukommen bestrebt zu sein,
gewährt eine Freudigkeit, die schwere Erfahrungen und Prüfungen nicht zu
trüben vermögen«. Bittem Schmerz hat ihr der Tod des Sohnes bereitet,
einen Schmerz, der die Kräfte des Körpers verzehrte, aber die Freudigkeit
in ihrem Wirken vermochte er nicht zu trüben.
Die Grossherzogin war eine Freundin der Literatur und der Kunst von
Jugend auf und bald eine wohlbewanderte Kennerin der geistigen Erzeugnisse
der Culturvölker. Die Gründung der deutschen Shakespeare-Gesellschaft (1864)
ist wesentlich durch ihr thätiges Eingreifen schon bei den Vorarbeiten zu
Stande gekommen. Als Protektorin derselben hat sie ihr bis zu ihrem Tode
stetes Interesse und werkthätige Förderung zugewendet. Mancher Schrift-
steller, mancher Künstler hat bald in dieser, bald in jener Form ihre wohl-
wollende Theilnahme erfahren, die sie mit edlem 2^rtgeflihl bethätigte. Am
Abend ihres Lebens war es ihr beschieden, ihre volle organisatorische Kraft
auch auf literarischem Gebiete zu bewähren und eine Schöpfung in das Leben
zu rufen, die ihrem Namen in der Geschichte deutscher Geistesarbeit einen
unvergänglichen Ehrenplatz sichert. Das Testament des letzten Goethe (gest.
15. April 1885) überwies ihr die literarische Nachlassenschaft des Dichters.
Eine grosse Aufgabe, die sie gross gelöst hat. Nur wenige Wochen und ihre
anfänglich durch die grosse Verantwortung, die ihr diese Erbschaft auferlegte,
unruhig bewegten Anschauungen über das, was zu thun sei, haben bereits
eine feste, klare Gestalt gefunden. In einer Niederschrift vom 5. Mai 1885
bestimmt sie, dass das Goethe -Archiv »alsbald mit Rücksicht auf künftige
Veröffentiichungen wissenschaftlich durchforscht und sein gegenwärtiger Werth
vom Standpunkt der Goethe-Wissenschaft festgestellt« werde: eine umfassende
Goethebiographie, die Herausgabe einer grossen, abschliessenden Ausgabe der
Werke waren die Ziele, die sie stellte und zu deren Verwirklichung sie auch
hier mit strenger Folgerichtigkeit und wahrhaft fürstlicher Freigebigkeit alles
Erforderliche anordnete. Die Goethe-Gesellschaft wurde noch im selben Jahre
auf ihre Anregung begründet, und auch in dieser »ist vom Stiftungstage an
nichts wichtigeres geschehen, an dem sie keinen warmen, förderlichen Antheil
durch Wort und That genommen hätte« (Erich Schmidt). Das Goethe-Archiv
erweiterte sich bald durch die hochherzige Schenkung der Freiherren v. Glei-
chen-Russwurm zum Goethe- und Schiller-Archiv, durch kostbare Erwerbungen
seitens der Fürstin und werth volle, der Anstalt von allen Seiten dargebrachte
Gaben zu einer Sammelstätte für die Denkmale der neuen deutschen Literatur
überhaupt, Schätze, für deren Aufbewahrung die Grossherzogin entsprechend
ihrem schon in den ersten Tagen nach Antritt der Goethe' sehen Erbschaft
gefassten Plan, ein monumentales Bauwerk errichtete, dessen feierliche Ein-
weihung sie am 28. Juni 1896 vollzog.
Den politischen Angelegenheiten Deutschlands wandte die Grossherzogin
S. namentlich seit dem Kriege von 1870/71 das lebhafteste Interesse zu. Eine
Natur von starkem, politischem Gepräge, eine Oranierin, aufgewachsen in
dem kraftvollen nationalen Bewusstsein der Niederländer, hatte sie angesichts
der grossen Bewegung, die durch ganz Deutschland ging, die Tiefe und Be-
deutung unserer nationalen Bestrebungen verstehen und damit auch lieben
262 GrossherzogiD Sophie von Sachsen, von Sachs.
gelernt. In der heiligen Gluth jenes Jahres war Alles, was etwa noch fremd-
ländisch in ihr war, geschmolzen und sie eine deutsche Fürstin geworden,
voll lebhafter unmittelbarster Antheilnahme an den Vorgängen auf politischem,
wirthschaftlichem und kirchlichem Gebiete. Eine echte Oranierin, stand sie
fest in dem Bekenntniss zum evangelischen Glauben und war eine entschie-
dene Gegnerin des Ultramontanismus. Als Niederländerin bewährte sie sich
in dem Eifer, mit dem sie die Bedeutung tiberseeischer Besitzungen für
Deutschland voll würdigte, von Anfang an die Bestrebungen, Deutschland den
Besitz von Colonien zu verschaffen, in nachdrücklichster Weise förderte.
Am 8. October 1892 beging das Grossherzogliche Paar die Feier der
goldenen Hochzeit in festlicher Weise, auf's Herzlichste begrüsst von der
dankbaren Bevölkerung des Landes und dem Kreise der deutschen Fürsten.
Am 23. März 1897, am Tage nach der Centennarfeier Kaiser Wilhelms, zu
der sie noch Abordnungen empfangen hatte, um ihrer herzlichen Antheil-
nahme an der allgemeinen vaterländischen Feier Ausdruck zu geben, endete
ein sanfter Tod ihr bedeutendes Leben.
Kuno Fischer: Kleine Schriften, Grossherzogin von Sachsen. — P. ▼. Bojanowski:
Grossherzogin Sophie von Sachsen, Westermann's Monatshefte (November 1897). — Beriebt
über die 31. Generalversammlung des Vaterländischen Frauenvereins in Berlin 1898. — Jahr-
buch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd. XXXIII. — Hebbel's Briefwechsel, Bd. 11,
S. 600 ff. — Erich Schmidt: Jahrbuch der Goethegesellschaft, Bd. XVIII.
P. von Bojanowski.
Sachs, Julius von, Universitätsprofessor der Botanik, ♦ am 2 Oktober 1832
in Breslau, f am 29. Mai 1897 in Würzburg. — Am Morgen des 29. Mai 1897
verschied nach kurzem Krankenlager, aber langjährigen Leiden der grosse
Pflanzenphysiologe Geheimrath Julius v. S., dessen Name mit unvergänglichen
Lettern in der Geschichte seiner Wissenschaft verzeichnet ist, dessen hervor-
ragende Bedeutung weit über den Kreis seiner engeren Fachgenossen hinaus
anerkannt wurde und dessen Tod eine unausftiUbare Lücke in die Reihen
der Naturforscher gerissen hat. Mit ihm ist der Mann dahingegangen, der
die Pflanzenphysiologie nicht nur begründet, sondern ihr auch die für viele
Jahre herrschende geachtetste Stellung in der Botanik, sowie die] höchste
Achtung und Berücksichtigung in den übrigen Zweigen der Naturwissen-
schaften errungen hat und zwar zu einer Zeit, in der von sehr vielen be-
deutenden Botanikern diese Richtung für agrikulturchemisch aber nicht für
botanisch gehalten wurde. In Verbindung mit einigen andern Botanikern hat
er seine Wissenschaft auf eine auch in Deutschland bisher nie erreichte Höhe
gebracht, die Augen der ganzen naturwissenschaftlichen Welt hat er auf sich
gelenkt, und Schüler aus allen Theilen der Erde haben die Ideen des
Meisters mit heimgenommen in ihr Vaterland und dort erfolgreich ausgebaut
und erweitert.
Der äussere Lebenslauf dieses bedeutenden Mannes weicht ziemlich er-
heblich von dem sonst meist ruhig dahinfliessenden der Männer der Wissen-
schaften ab, besonders während der Zeit der Lehrjahre. S. wurde in Breslau
als der zweite Sohn eines Graveurs geboren. Die pecuniären Verhältnisse
seiner Eltern waren durchaus keine guten. Als sie daher nach kurzem Auf-
enthalt in Namslau wieder nach Breslau übersiedelten, konnten sie dem hoch-
begabten Knaben nur den Unterricht in der Seminarschule zu theil werden
lassen. Diesen genoss er vom 8. bis 12. Jahre, doch war derselbe durchaus
nicht ein ihn auch nur einigermaassen befriedigender. Um so beglückter
von Sachs. 263
war er aber, als es den unablässigen Bemühungen seiner Mutter gelang, ihm
den Besuch des Gymnasiums zu ermöglichen, ein Vorzug, der keinem seiner
Brüder zu theil wurde. Im Jahre 1845 trat er in das Elisabethanum ein, in
dem es ihm gelang, nicht nur bis zum Jahre 1849 die Obersecunda zu er-
reichen, sondern auch während dieser Zeit als der erste in den Klassen
mehrfache Schulprämien als öffentliche Anerkennung seines Fleisses zu er-
halten. Gleichwohl Hess ihm die Schulzeit Müsse genug, seiner schon früh
enfc'achten und durch mehrfachen Aufenthalt auf dem Lande genährten Vor-
liebe für die Naturwissenschaften nachzugehen. Gefördert wurden diese Nei-
gungen weiter durch den glücklichen Umstand, dass zunächst sein älterer
Bruder, dann auch er selbst mit den Söhnen des in der Nachbarschaft
wohnenden grossen Experimentalphysiologen Purkinje bekannt wurde. Die
naturwissenschaftlichen Bücher, die er auf diese Weise geliehen erhielt, regten
seine Phantasie ausserordentlich an, und das Interesse, das die Spielkameraden
für naturwissenschaftliche Sammlungen hatten, förderte auch das seinige. Er
lernte von ihnen Pflanzen pressen und begann nun, mit grossem Eifer Feld
und Wald zu durchstreifen. Pflanzen zu sammeln und zu bestimmen, und
— vielfach dabei von seinem Vater unterstützt — ein Herbarium anzulegen.
Diese mit grosser Sorgfalt zusammengebrachte Sammlung umfasste schon
gegen 300 Arten, als sie ihm gestohlen wurde. Dieser Verlust, der ihm den
ersten grossen Seelenschmerz seines Lebens bereitete, ging ihm so nahe, dass
er ihm die Botanik für längere Zeit verleidete. Er konnte sich nicht dazu
entschliessen, eine neue Sammlung der Breslauer Flora anzulegen, ja er be-
gann erst wieder Pflanzen zu sammeln, als es ihm in Würzburg darauf an-
kam, Herbar- und Demonstrationsmaterial für die Vorlesungen herzustellen.
Dagegen wandte er sich dem zoologischen Gebiete zu und brachte ausser
einer Insektensammlung auch eine solche von Schädeln zusammen. Dabei
wurde diese Seite der Begabung des jungen S. von der Schule aus in keiner
Weise unterstützt. Der naturwissenschaftliche Unterricht wurde in durchaus
unzureichender Weise und keineswegs anregend ertheilt. Ja, der Lehrer für
dieses Fach, rieth — mit den positiven Beweisen für die ausserordentlichen
Fähigkeiten des Schülers in den Händen — diesem dringend ab, sich den
Naturwissenschaften zu widmen; da gäbe niemand einen Groschen für! —
Wie weit wäre wohl jetzt die Pfianzenphysiologie, hätte der Schüler den
Rath des Lehrers befolgt! Und es waren wirklich schlagende Beweise ernster
Studien, nicht etwa dilettantenhafte Liebhabereien, denen der junge Auto-
didakt sich widmete. Der Vater hatte ihm einen gründlichen Zeichenunter-
richt ertheilt, und beim Zeichnen und Malen der mannichfachsten Naturgegen-
stände — wie Pilze, Blumen, Thiere — übte und schärfte er nicht nur seine
künstlerische, sondern auch seine naturwissenschaftliche Begabung. Neben-
her gingen praktische Anatomirübungen an den verschiedensten Thieren, so-
wie theoretische Studien, denen er einen Theil seiner Nachtruhe opferte.
Zu jenen Studien gehörte auch das der naturphilosophischen Schriften Oken's,
die er mit grossem Eifer in sich aufnahm; sie haben ihm jedoch, so meinte
er später, nichts geschadet. Vor allen Dingen aber muss hier eine von ihm
verfasste längere Abhandlung »Die Monographie des Flusskrebses« erwähnt
werden. Das Manuskript ist noch jetzt vorhanden. Es ist mit zahlreichen
Zeichnungen versehen, von denen eine ganze Zahl geradezu künstlerisch
ausgeführt ist. Sein Inhalt ist im Grossen und Ganzen dem jetzigen Stande
der zoologischen Wissenschaft noch heute entsprechend. Und diese Arbeit
264 ^^^ Sachs.
wurde ausgeführt von einem jungen Obersekundaner, der die 2^t hier-
für zwischen den Schulstunden fand! Inzwischen war der Gymnasiast durch
seine Schulgefährten in Purkinje's ') Haus eingeführt worden und zu letzterem
in nähere Beziehung getreten. Dieser hatte die Begabung des Knaben sehr
bald erkannt und ihn mehrfach zur Anfertigung wissenschaftlicher Zeichnungen
herangezogen. Diese nähere Bekanntschaft wurde ihm von Nutzen, als im
Jahre 1848 erst der Vater und im folgenden Jahre auch die Mutter gestorben
waren, und der 17 jährige junge Mann nun verwaist und völlig mittellos sich
bemühte, durch Lithographiren, sowie durch Zeichen- und Malunterricht sich
die Mittel nicht nur zum Lebensunterhalt, sondern auch zur Fortsetzung
seiner Gymnasialstudien zu erwerben. Das war nicht leicht, aber es gelang
ihm doch einigermaassen, zumal ihn auch der Bruder etwas unterstützte, in-
dem er ihm zu seinen Studien eine allerdings nicht heizbare Dachkammer
anwies. Unter diesen schwierigen Verhältnissen kam es ihm daher recht ge-
legen, als Purkinje im Jahre 1850 die Aufforderung an ihn richtete, nach Prag
überzusiedeln und gegen ein Gehalt von 1 00 Gulden und freier Station die
Stelle eines Privatassistenten zu übernehmen. S. stimmte sofort zu und nach-
dem auch die Vormundschaft schliessHch ihre Einwilligung gegeben hatte,
traf S. am 14. Februar 1851 in Prag ein und fand in der Familie Purkinje's
Aufnahme. Doch zu einer freundlichen Heimat wollten sich ihm das
Purkinje'sche Haus nicht gestalten, da Lehrer und Schüler zu eigenartige
Naturen waren, die sich menschlich viel zu fern standen, um eine herzliche
Annäherung aufkommen zu lassen. S. hat nie verhehlt, welche Achtung er
vor der Genialität Purkinje's hatte und dass er ihm vieles verdankte, er hat
es aber auch nicht verschwiegen, welche schwere Arbeit er im Dienste Pur-
kinje's leisten musste, so dass er wohl mehr gegeben, als empfangen hat. L^nd
niemals hatte er sich trotz seiner gewissenhaftesten Anstrengungen, trotz vor-
züglicher Leistungen auch nur eines Wortes der Anerkennung und der Theü-
nahme oder gar der Ermuthigung und des Lobes zu erfreuen. Im wesent-
lichen bestand seine Thätigkeit in der Herstellung von Wandtafeln für den
Unterricht und Zeichnungen nach mikroskopischen Präparaten, die er zum
Theil direkt auf dem Stein ausführte; doch gewann er auch durch den
Aufenthalt in dem Laboratorium des Begründers der experimentellen Physio-
logie eine eingehende Kenntniss von den Forschungsmethoden und von der
Art und Weise des experimentellen Arbeitens, die ihm in späteren Jahren
ausserordentlich zu Statten kam. Zunächst allerdings benutzte er den Theü
seiner Zeit, der nicht den Arbeiten Purkinje's gewidmet war, zur Vorbereitung
für die Maturitätsprüfung und nachdem diese im Herbst 1851 mit sehr gutem
Erfolge bestanden war, zum Studium an der Universität, zu dem er sich —
zum Glück für die Wissenschaft! — nach langem Schwanken, ob er nicht
lieber naturwissenschaftlicher Zeichner bleiben solle, entschlossen hatte.
Aber wie als Schüler, so ging er auch als Studio seinen eigenen Weg.
Ein eifriger Kollegbesucher ist er nicht gewesen. Seine botanischen und
zoologischen Studien trieb er privatim, das Studium der Physik und Mathe-
matik ebenfalls ; das Vorlesen des Botanikers Kosteletzky war sogar dasjenige,
das am wenigsten einen Reiz auf ihn ausübte. Einen nennenswerthen Ein-
*) J. E. Purkinje hatte zuerst Philosophie, dann Medicin in Prag studirt und war von
1823 ab Professor der Physiologie und Pathologie in Breslau, von 1850 ab Professor der
Physiologie in Prag (gestorben zu Prag 1869).
von Sachs. 265
fluss auf ihn gewann dagegen der hervorragende Herbartianer Robert Zimmer-
mann. Durch diesen, dem der intelligente Student auffiel, und der ihn auch
in sein Haus zog, wurde die schon bei S. vorhandene Anlage zum Philo-
sophiren angeregt und vertieft, und durch ihn wurde er besonders zum Stu-
dium von Locke, Hume, Kant und Herbart veranlasst, und bis an sein
Lebensende gehörte das Lesen philosophischer Werke zu den Lieblingsbe-
schäftigungen von S. NeJ)en diesen mannigfachen Studien vernachlässigte er
jedoch auch keineswegs seine künstlerische Beanlagung und besonders in den
ersten Semestern prüfte er sich beim Zeichnen im Antikensaal des Prager
Museums, ob er wohl Talent zum Maler hätte. Nach beendetem Triennium
bereitete er sich trotz seiner ungünstigen pecuniären Lage, die er durch
kleinere literarische Arbeiten, Anfertigung von Zeichnungen zu verbessern
suchte, zum Doctorexamen vor, das zu jener Zeit in Prag sehr schwierig und
vor allem sehr zeitraubend war. Im Sommer 1856 erfolgte die Promotion
zum Doctor der Philosophie, zu der der Druck einer Dissertation jedoch nicht
erforderlich war. Wenn wir daher eine Doctorarbeit von S. nicht besitzen,
so liegen uns aber doch eine grosse Zahl naturwissenschaftlicher Aufsätze aus
jener Zeit vor. Es sind das 18 Artikel, die in's Czechische tibersetzt in der
von Purkinje, der Seele der altczechischen Bewegung, gegründeten Zeitschrift
»Ziva« veröffentlicht wurden. Die erste in deutscher Sprache erschienene
Arbeit war — abgesehen von einem Aufsatz in dem »Lotos« — eine Unter-
suchung über die Entwickelungsgeschichte einer Flechte (aus dem December
1853), die in der »Botanischen Zeitung« vom Jahre 1855 erschien. Es zeugt
von dem grossen Scharfblick des Studenten, dass er in dieser Arbeit schon
das symbiotische Verhältniss zwischen den Pilzen und Algen, die die Flechte
zusammensetzen, erkannte, eine Entdeckung, die der junge S. allerdings noch
nicht aussprach, aber auch noch nicht aussprechen konnte, da erst 15 Jahre
später auf Grund vieler und umfangreicher Untersuchungen dieses Resultat
sicher gestellt ward.
Da infolge der Verheirathung Emanuel Purkinje's der Raum im Hause
seines Lehrers zu eng wurde, bezog S. einige Zimmer im physiologischen In-
stitut, wodurch der tägliche engere Verkehr zwischen beiden ein Ende er-
reichte. Auch die immer intensiver werdenden czechischen Agitationen Pur-
kinje's und sein offen zur Schau getragener Deutschenhass trugen sehr viel
dazu bei, das Verhältniss zu S., dessen Herz stets begeistert für nationale
deutsche Bestrebungen schlug, der ein glühender Verehrer Bismarck's war,
noch mehr zu lockern. So zog er es denn schliesslich vor, sich ganz von
Purkinje zu trennen und seine Assistentenstellung aufzugeben. Er richtete
sich ein Hauslaboratorium ein, in dem er seine ersten physiologischen Unter-
suchungen begann, während er sich gleichzeitig mit literarischen und zeichne-
rischen Arbeiten das Geld zum Lebensunterhalte verdiente.
Mit dem Auszug aus dem Purkinje'schen Laboratorium fallen auch seine
Bemühungen wegen seiner Habilitation zusammen. Er wollte sich für Pflanzen-
physiologie habilitiren und hatte deshalb verschiedene Schwierigkeiten zu über-
winden. Denn dieser Zweig der Wissenschaft existirte als selbständiges Fach
noch nirgends, ja er wurde sogar, wenn er überhaupt behandelt wurde, ganz
nebenbei abgethan. Besonders war er auch durch die Behandlung, die er in
Schleidens »Grundzügen der Botanik« erfahren hatte, bei der herrschenden
Generation durchaus in Misscredit gerathen. Jedenfalls gab es weder einen
öffentlichen Vertreter der Pflanzenphysiologie, noch waren Laboratorien oder
266 ▼OD Sachs.
Instrumente zum fachgemässen Betrieb derselben vorhanden. Sie lag über-
haupt in einer Weise darnieder, dass ihm mit Recht der Ordinarius der Chemie,
Rochleder, den wohlmeinenden Rath gab, lieber etwas anderes als Pflanzen-
physiologie vorzutragen, da man damit ja doch in 2 bis 3 Stunden fertig sein
würde. Schliesslich gelang es aber S. doch Dank der energischen Bemühungen
mehrerer Ordinarien, die entgegenstehenden Schwierigkeiten zu beseitigen,
und so war denn S. nach seiner Habilitation im Wintersemester 1857 der
erste Vertreter des Faches, das ihm zu so grossem Ruhm verhelfen sollte.
Die Habilitationsschrift, die ein mehr physikalisches Thema, die Diffusion,
behandelte, ist im Druck nicht erschienen.
Eine wesentliche, von Erfolg begleitete Lehrthätigkeit hat S. als Privat-
docent nicht entfaltet, dagegen war er unermüdlich forschend thätig, indem
er nach Verbesserung der bisherigen mikrochemischen Methoden sich ein-
gehend, und Jahre hindurch die diesbezüglichen Untersuchungen fortsetzend,
mit den Erscheinungen bei der Keimung der Pflanzen beschäftigte. Elr wies
darin nach, in welcher Weise die Umbildung und Wanderung der Stoffe
erfolgt, die in den Keimblättern enthalten sind; sie liefern bei der Keimung
das Material für die Entuickelung und Ausbildung des Embryos, und es ist
sonach die Keimung gewissermaassen nur die Umgestaltung der in den Keim-
blättern vorhandenen Stoff"e. Die dabei gewonnenen Resultate stellten ganz
neue Thatsachen fest und brachten Licht in bis dahin ganz unbekannte Vor-
gänge. Diese Untersuchungen brachten ihn auch zur Ueberzeugung, dass es
möglich sein müsse. Landpflanzen mit Erfolg in wässerigen Losungen zu
cultiviren. Zwar waren schon mehrfach vor S. Pflanzen in salzhaltigen Wässern
gezogen worden, aber ohne grossen Erfolg. Erst von S. wurde die hohe
Bedeutung dieser Methode erkannt, und es wurde zuerst von ihm gezeigt,
dass es gelingt, in geeigneten wässrigen Lösungen Landpflanzen vom kei-
menden Samen an so zu erziehen, dass sie sich normal entwickeln, unter
Vervielfältigung ihres Samengewichtes alle Organe entfalten und schliess-
lich neue Samen hervorbringen, die wieder keimfähig sind. Anfangs sind
zwar diese Experimente stark angegriffen worden, bald aber wurden sie
von anderen Forschem mit dem gleichen Erfolge ausgeführt; die Methode
wurde etwas vervollkommnet und weiter ausgebildet und ist ja von ganz
ausserordentlicher Bedeutung für die Land- und Forstwirthschaft geworden.
Durch die von S. angegebene Methode wurde die Ernährungslehre der
Pflanzen begründet, und durch diese moderne Emährungstheorie haben ja
Land- und Forstwirthschaft einen vollständigen Umschwung erfahren.
Inzwischen hatten sich für S. die Verhältnisse in Prag zu recht unerträg-
lichen gestaltet. Die czechische Bewegung hatte ihren Höhepunkt erreicht
und S. sah nicht nur ein, sondern man sagte es ihm auch direct, dass für
ihn an einen materiellen Erfolg oder gar an ein Weiterkommen nicht zu
denken sei. Sehr gelegen kamen ihm daher die Bemühungen des Chemikers
Hofrath Stöckhardt in Tharandt, ihn für die landwirthschaftliche Abtheilung,
die seit 1830 mit der dortigen Forstakademie verbunden war, zu gewinnen.
Stöckhardt hatte durch den Zoologen Stein, der früher in Tharandt gewesen
war, von den Wasserculturen S.'s erfahren und forderte ihn nun auf, sich zu
dem sächsischen Ministerium in einem längeren (später auch seitens des
Ministeriums gedruckten) Aufsatze »Ueber den Nutzen der Pflanzenphysiologie
für agriculturchemische Anstalten« auszusprechen. Die von S. gelieferte Ab-
handlung brachte ihm den Erfolg, dass er in das Laboratorium nach Tharandt
Ton Sachs. 267
berufen wurde. Er trat dort Ende März ein und hatte dort die Aufgabe,
seine in Prag begonnenen Versuche, Pflanzen ohne Erde in wässrigen Lösungen
vom Samen an bis zur Fruchtreife zu erziehen, in Gemeinschaft mit Stöck-
hardt fortzusetzen. Daneben beschäftigten ihn aber auch unausgesetzt Unter-
suchungen auf anderen Feldern des physiologischen Gebietes. Er begann
seine Ideen über die Assimilationsfunktion der Chlorophyllkörper, der Ent-
stehung der Stärke in denselben zu beweisen, während er gleichzeitig wichtige
und fundamentale Thatsachen über die Function der Wurzeln sowie in bezug
auf die Transpiration zu Tage, förderte.
Im emsigsten Eifer war er täglich von früh 4 Uhr an der Arbeit, fast
jeder Tag brachte ihm eine neue Entdeckung, auf dem einzig und allein
von ihm bestellten Acker, und eine grössere Zahl von Aufsätzen, die in den
»landwirthschaftlichen Versuchsstationen« veröffentlicht sind, legen Zeugniss
hierfür ab. Ungestört von anderen Botanikern bot sich ihm auch weiter die
Möglichkeit dar, neue Gedanken experimentell zu prüfen und zu neuen Ent-
deckungen heranreifen zu lassen. Die Botaniker waren auf anderen Arbeits-
gebieten thätig, und Nägeli erklärte sogar die Arbeiten dieser neuen Richtung
nicht für physiologische, sondern für agriculturchemische.
Ausser diesen Arbeiten widmete er sich in Tharandt, wo ihm seine
Stellung übrigens die Verpflichtung auferlegte, in landwirthschaftlichen Versamm-
lungen populäre Vorträge zu halten, auch einem gründlichen Studium der
älteren pflanzenphysiologischen Arbeiten. Diese eingehenden Studien Hessen
ihn die völlige Unzulänglichkeit der botanischen Lehrbücher erkennen, und
es entstand in ihm die Absicht, gemeinsam mit anderen Botanikern die ganze
Botanik neu zu bearbeiten.
Schon auf der Naturforscherversammlung in Wien 1856, wo er eipen kur-
zen pflanzenphysiologischen Vortrag gehalten hatte, war er mit einigen Haupt-
Vertretern der Botanik bekannt geworden, und im Jahre darauf hatte er den
genialen Hofmeister kennen gelernt. EÜn Besuch während des Weihnachts-
festes 1858 bei diesem in Leipzig hatte die Bekanntschaft erneuert und ver-
tieft, und seitdem sind beide bis zu Hofmeister's Tode (1877) durch das
Band der Freundschaft verknüpft im engsten wissenschaftlichen und gelegent-
lich auch persönlichen Verkehr geblieben. Dem Freunde Hofmeister nun
machte er im Frühjahr 1860 den Vorschlag, dem modernen Standpunkt der
Wissenschaft entsprechend das Gesammtgebiet der Botanik in einem mehr-
bändigen Handbuch zu bearbeiten. Er selbst übernahm die Bearbeitung der
Physiologie, während die übrigen Gebiete unter Hofmeister, de Bary und
Irmisch vertheilt wurden.
Mit den ersten Vorarbeiten zur Physiologie beschäftigt, wurde er im
Wintersemester 1860/61 dazu ausersehen, am Polytechnikum in Chemnitz die
Leitung der landwirthschaftlichen Abtheilung, die dort — ähnlich wie in
Tharandt — eingerichtet werden sollte, zu übernehmen. Im Februar 1861
ging er daher nach Chemnitz. Die Neueinrichtung schien sich indessen zu
verzögern, manche Unzulänglichkeiten machten sich bemerkbar, und so löste
er denn ohne langes Besinnen seine Beziehungen zum sächsischen Landwirth-
schaftsministerium, als er im März vom Director der landwirthschaftlichen
Akademie zu Poppeisdorf bei Bonn die Aufforderung erhielt, als Professor
für Botanik, Zoologie und Mineralogie hinzukommen.
Nachdem er sich in Prag verheirathet hatte, siedelte er im April nach
Bonn über. Bei einem sehr bescheidenen Gehalt hielten sich auch sonst die
268 von Sachs.
Mittel, die ihm dort zur Verfügung gestellt waren, in sehr engen Grenzen, so
dass er sein Untersuchungsmaterial dort meist aus eigener Tasche bezahlen
musste. Auch das Gärtchen, das er zu seinen Versuchen benutzen konnte,
war nur klein, doch leistete ihm der einzige, aber intelligente Arbeiter bei
der Bestellung desselben und bei seinen Experimenten recht gute Dienste.
Hier entfaltete er auch zuerst eine sehr erfolgreiche Lehrthätigkeit. Die
Vorlesungen erfreuten sich des grössten Beifalls und waren ausserordentlich
gut besucht. Da in Folge dessen das botanische Studium in Poppelsdorf
einen lebhaften Aufschwung nahm, so wurde ihm nach zwei Jahren in seiner
Lehrthätigkeit die Erleichterung zu theil, dass er von den Vorlesungen über
Zoologie und Mineralogie entbunden wurde; er war nur zu zwei Vorlesungen
verpflichtet, im Winter las er Physiologie und im Sommer Monographie land-
wirthschaftlicher Pflanzen. Auch fand er hier seine ersten Schüler: seinen
jetzigen Nachfolger Professor Kraus und den Ministerialdirector Dr. Thiel.
Der sechsjährige Aufenthalt in Bonn gehört zu den an wissenschaftlichen
Untersuchungen und Entdeckungen reichsten Jahren des unermüdlichen For-
schers. Sie sind in zahlreichen Publicationen, die ziun Theil in der Flora
erschienen, niedergelegt. Sie behandeln theils Untersuchungen über die Nähr-
stoffe der Pflanzen, theils die StofRimwandelung und -Wanderung in der Pflanze,
vor allem aber wurden die experimentellen Untersuchungen über die Ent-
stehung der Stärke im Chlorophyll hier in Angriff genommen und der Grund
gelegt zu der jetzt feststehenden Ernährungslehre der Pflanzen.
Neben diesen hochwichtigen Arbeiten aber setzte sich S. ein monumen-
tales Denkmal in dem vierten Bande des »Handbuchs der Botanik«, in dem
im Jahre 1865 erschienenen »Handbuch der Experimental-Physiologie der
Pflanzen«, das seinen Ruf in der Gelehrten weit mit einem Schlage auf das
festeste begründete. Und wie sehr dieses Werk ein dringendes Bedürfniss
war, davon legt der Umstand Zeugniss ab, dass es sofort nach seinem Er-
scheinen auch schon vergriffen war! Leider erfuhr es eine zweite Auflage
nicht, doch enthalten die übrigen grossen Werke, die in der Folgezeit aus
S.'s Feder hervorgingen, die wesentlichsten in der »Experimentalphysiologie«
zuerst zusammengestellten Thatsachen in gleicher übersichtlicher Klarheit.
Ausserordentlich klare Darstellung, übersichtliche logische Gruppirung des
Stoffes, vollständig ebenmässige Composition in allen Theilen des Werkes
sind seine Hauptvorzüge, die sie mit allen seinen grösseren Werken gemein
haben und diese zu geradezu klassischen Schriften der Botanik stem-
peln! Noch heute ist die allerdings erst nach fünfjähriger literarischer
Vorarbeit fertiggestellte »Experimentalphysiologie« der gelesenste Theil des
Handbuches der Botanik, noch heute ist sie ein reicher Born der Anregung
und Belehrung.
Die Hoffnung, den durch Schacht's Tod 1864 frei gewordenen Lehrstuhl
der Botanik in Bonn übertragen zu erhalten, erfüllte sich nicht. Schacht's Nach-
folger wurde Johannes Hanstein, mit dem sich auch ein freundschaftliches
Verhältniss anspann, während S. mit dem kränklichen Schacht wenig in Be-
rührung gekommen war. Da aber durch die Geburt zweier Töchter und
eines Sohnes die pecuniäre Lage der Familie sich immer ungünstiger gestal-
tete, so begrüsste er es mit grösster Freude, als er am Sylvesterabend des
Jahres 1 866 die Nachricht erhielt, dass er zum Nachfolger de Barys* in Frei-
burg i. Br. gewählt worden war. Im Frühjahre 1867 siedelte er nach dieser
— damals allerdings, wie er später oft klagte, schlechtsten — Universität
von Sachs. 269
Über, um mit dem Sommersemester dort seine LehrtHätigkeit zu beginnen.
Auch hier traf er wieder seinen alten Schüler Kraus vor und ausserdem den
jetzigen Professor in Bordeaux Mülardet, mit dem er bis zu seinem Tode
einen lebliaften, wissenschaftlichen Meinungsaustausch aufrecht erhielt.
Er war nur drei Semester lang in Freiburg, und diese Zeit war fast aus-
schliesslich der Herstellung des »Lehrbuches der Botanik« gewidmet. Mehr
noch als die »Experimentalphysiologie«, die sich naturgemäss mehr an die
selbstthätigen Forscher wandte, machte dies Lehrbuch S.*s Namen populär in
fast allen Culturstaaten. Und mehr noch als das erstere ward dieses Werk
einem dringenden Bedürfniss in der botanischen Literatur gerecht. Denn seit
den allmählich gänzlich veralteten »Grundzügen der Botanik« von Schieiden
war eigentlich kein einziges Lehrbuch grossen Stiles vorhanden, und erst durch
das »nach dem gegenwärtigen Zustand« der botanischen Wissenschaft be-
arbeitete Werk von S. wurden die inzwischen festgestellten Ergebnisse der
Forschungen Hofmeister's, Nägeli's, Schacht's, ja zum Theil auch Mohl's den
Studirenden der Naturwissenschaften — und auch manchem ihrer Lehrer
zugänglich gemacht. Vor allem wurden auch die wichtigen Entdeckungen
der physiologischen Forschungen des Verfassers selbst in weiteste Kreise ge-
tragen. Und nicht zum mindesten ist es eine werthvoUe Eigenschaft des
Buches, dass auch die Jünger der Wissenschaft mit den streitigen Problemen
und Theorien bekannt gemacht und dadurch zu selbständigem Nachdenken
veranlasst wurden. Ganz besonderen und ganz allgemein anerkannten Werth
aber erhielt das Buch durch die vorzüglichen Abbildungen, mit denen das
Buch in der reichhaltigsten Weise ausgestattet war (348 in der ersten, 492 in
der letzten Auflage). Diese bisher unübertroffenen Abbildungen sind zum
allergrössten Theil S.'sche Originale; sehr viele davon sind das Resultat
langwieriger Untersuchungen. Diese S.'schen Originalfiguren sind gewisser-
massen Gemeingut der botanischen Welt geworden; sie sind — allerdings
gegen den Willen des Verfassers, dessen Erlaubniss zur Reproduction häufig
gar nicht eingeholt wurde — in die botanischen Lehrbücher sämmtlicher
cultivirten Länder übergegangen, und man kann heute kaum ein botanisches
Werk aufschlagen, ohne S.'schen Abbildungen zu begegnen. Bietet das Werk
trotz der ausserordendich klaren Darstellungsweise dem ganz jungen Anfänger
doch wohl manche Schwierigkeit, so machte sich gleichwohl schon nach zwei
Jahren die Herstellung einer zweiten, 1872 der dritten und 1874 der vierten
Auflage nöthig. Diese neuen Auflagen trugen selbstverständlich den Fort-
schritten der Botanik während dieser Zeit vollkommen Rechnung, sie waren
aber auch von einer steten Vermehrung des Textes und der vorzüglichen
Abbildungen begleitet. Vor allem aber nahm von Auflage zu Auflage die
Darstellung der Physiologie, der eigentlichen Domäne des Verfassers, einen
breiteren Raum ein. Zur Fertigstellung einer fünften Auflage seines auch in
die verschiedensten Sprachen übersetzten Lehrbuches konnte er sich jedoch
nicht mehr entschliessen. Die Composition hatte aufgehört, der Ausdruck
seiner Idee zu sein, wie er in der trefflichen Vorrede zu den »Vorlesungen
über Pflanzen-Physiologie«, die an die Stelle des physiologischen Theiles seines
Lehrbuches traten, selbst sagte, da die fortschreitende Ausbildung seiner
wissenschaftlichen Ueberzeugungen seine »Auffassung wichtiger Fragen der
Pflanzenphysiologie nach verschiedenen Richtungen hin geändert« hatte. Auch
war es sein Wunsch, einen weiteren Leserkreis in anziehend geschriebenen
Essays mit den bedeutenden Fortschritten der Pflanzenphysiologie bekannt zu
270
von Sachs.
machen. In allgemein verständlicher freier Darstellung gehalten, in glänzen-
dem Stile geschrieben, in meisterhafter Durchfuhrung entstanden so die »Vor-
lesungen«, in denen er es sich zur Pflicht machte, »seine eigenste Auffassung
des Gegenstandes in den Vordergrund zu stellen; die Hörer wollen und
sollen wissen, wie sich das Gesammtbild der Wissenschaft im Kopf des Vor-
tragenden gestaltet, es bleibt dabei Nebensache, ob andere ebenso oder an-
ders denken.« Dieses Meisterwerk hat denn auch in der That nicht nur im
Kreise der Studirenden, sondern auch im gebildeten Laienpublikum £ingang
und weitere Verbreitung gefunden. Die Bearbeitung des anderen Theiles,
der Morphologie und Systematik übertrug er seinem langjährigen Schüler und
Freunde Professor Goebel. — Inzwischen hatten sich S.'s äussere Verhältnisse
erheblich geändert. Seines Bleibens war, wie schon erwähnt, nicht lange in
Freiburg. Ihm behagten die dortigen Zustände nicht und so folgte er denn
gerne dem Ruf, der von Würzburg aus an ihn erging. Er vertauschte im
Herbst 1868 Freiburg mit Würzburg, um diese Universität nicht mehr — auch
kaum einmal vorübergehend während der Ferien — zu verlassen. Trotz der
glänzendsten Berufungen, die im Laufe der nächsten Jahre verhältnissmässig
oft an ihn ergingen, konnte er sich doch nicht entschliessen, Wtirzburg zu
verlassen, obwohl er selbst fühlte, dass das Klima seinen nervösen Leiden,
die ihn heftig quälten, nicht zuträglich war. Aber er lehnte sowohl den schon
im nächsten Jahre aus Jena an ihn ergehenden Ruf ab, wie die nach Heidel-
berg 1872, nach Wien 1873, nach Berlin 1877. Auch für die landwirth-
schaftliche Hochschule der Reichshauptstadt, für die Universität Bonn imd
nach Nägeli's Tod für die Universität München suchte man ihn zu gewinnen,
aber er blieb dem im Laufe der Zeit liebgewonnenen Würzburger Institut
und dem dort von ihm Geschaffenen treu. Ueberdies übten die grossen Städte
gar keine Anziehung auf ihn aus, da er an die Möglichkeit eines intensiven
wissenschaftlichen Lebens in einer solchen nicht recht glaubte. Diese An-
hänglichkeit an Würzburg fand ihre Anerkennung seitens der Regierung in
den Verleihungen des Hofrathstitels 1873, des Geheinu'athstitels 1877, sowie
mehrerer Orden, mit deren einem die Führung des persönlichen Adels ver-
bunden war. Seine Collegen aber ehrten ihn dadurch, dass sie ihm schon
1871 die Rectorwürde übertrugen und ihn auch mehrfach Jahre hindurch bis
1895 in den Senat wählten. In Würzburg entfaltete S. seine Lehr- und
Forscherthätigkeit in grossem Maassstabe. Zunächst musste es aber seine
Sorge sein, das Institut, das ursprünglich nur aus vier Zimmern bestand, zu
vergrössern, da nach der Publication des »Lehrbuches« die Schüler in grosser
Menge ihm :&uströmten. Die bayerische Regierung kam ihm dabei in bereit-
williger Weise entgegen und es gelang ihm allmählich das ganze Haus, das
ursprünglich bei S.'s Antritt der Würzburger Professur ausser dem botanischen
Institut auch noch das pharmakologische, sowie die Poliklinik beherbergt hatte,
allein für seine Zwecke zu erhalten. Auch erfuhr das Haus selbst durch Auf-
bau zweier Stockwerke und Anbau eines grossen Hörsaales eine weitere Ver-
grösserung, sodass nunmehr auch äusserlich die historische Stätte der Pflanzen-
physiologie einen einigermaassen erträglichen Anblick darbietet, wenn sie auch
sonst von den jetzt allgemein üblichen modernen Prachtbauten der neueren
naturwissenschaftlichen Paläste ganz colossal absticht.
In ähnlicher Weise Hess er sich es sehr angelegen sein, den Garten, der
auf ungünstigstem Terrain — den Mauerresten des alten Festungsglacis —
angelegt war, durch sorgfältigste Pflege zu üppigem Wachsthum zu bringen;
von Sachs. 271
er ist denn auch im Laufe der Jahre zu einer viel besuchten Zierde der Stadt
Würzbiu^g geworden.
Hier sammelte sich nun die Schaar der jungen Botaniker aus aller Herren
Länder, um auf dem physiologischen Gebiete der Botanik unter der Leitung
des Meisters experimentell -physiologische Arbeiten selbstthätig auszuführen.
Die ersten, die im Sommersemester 1870 eintrafen, waren Schmitz, Reinke
und Pfeffer. Mit Ausbruch des Krieges leerten sich auch hier die Sääle,
Pfeffer blieb allein zurück. Bald aber gesellten sich ihm de Vries und Ba-
ranetzky zu und im Laufe der Jahre waren dann noch weiter unter ihm thätig
Amelung, Brefeld, Fr. Darwin, Detlefsen, Dufour, Elfving, Gardiner, Godlewski,
Goebel, Hansen, Hauptfleisch, Heinricher, Klebs, Miliarakis, Moll, Müller-
Thurgau, Nagamatsz, Noll, Pedersen, Prantl, Scott, Stahl, Vines, Marsh. Ward,
Woronin, Wortmann, Zimmermann und noch einige andere. Eine stattliche
Zahl! Und dabei muss berücksichtigt werden, dass S. in sein Laboratorium
nur solche aufnahm, denen es heiliger Ernst mit ihrer Wissenschaft war und
die gewillt waren, sich ausschiesslich in den Dienst der Botanik zu stellen.
Leicht hätte er die Zahl seiner Schüler ausserordentlich vermehren können,
wenn es ihm darum zu thun gewesen wäre; denn sehr gern hätten viele unter
seiner Leitung eine Doctorarbeit ausgeführt, doch schreckten die ungewöhn-
lich hohen Anforderungen, die er an die Leistungsfähigkeit seiner Schüler und
an ihre Opferwilligkeit für die Wissenschaft stellte, fast jeden ab.
Die Zahl der Hörer seiner Vorlesungen aber überstieg stets weit die 100,
und alle Fakultäten entsandten ständige Besucher in sein Auditorium. Von
welchem Feuereifer, von welchem Siegesbewusstsein waren aber auch stets
und alle seine Zuhörer beseelt, wenn er ihnen in seiner glänzenden, fast po-
pulären und doch — oder vielleicht gerade deshalb — ausserordentlich klaren
Vortragsweise mit überwältigender Ueberzeugung, immer von seinem Stoffe
begeistert, immer für ihn begeisternd die Physiologie vortrug oder Lebens-
bilder aus der Naturgeschichte des Pflanzenreiches ausmalte. Der Vortrag
fast jeder einzigen Stunde war ein oratorisches Meisterstück; niemals verliess
er ohne die enthusiastische, in üblicher studentischer Weise dargebrachte Bei-
fallsbezeugung den Hörsaal. Welche Sorgfalt verwandte er aber auch täglich
— bis zum letzten CoUeg — auf die Vorbereitung zu seinen Vorlesungen!
Er überdachte — stets sprach er vollkommen frei, ohne auch nur die aller-
geringste schriftliche Aufzeichnung oder Notiz — seinen Vorlesungsstoff län-
gere Zeit hindurch auf's gründlichste, so dass er wohl recht hatte, wenn er
sagte, dass ihn jede Vorlesungsstunde 3 Stunden Vorbereitungen koste. Und
mit welch reichhaltigen, im Laufe der Jahre zusammengetragenen, aber auch
bis zum letzten Tage vermehrten Sammlung von belehrendstem Demonstra-
tionsmaterial pflegte er seine ohnehin schon durchaus lichtvollen Vorträge
noch verständlicher zu machen und seinen Worten eine noch zwingendere
Beweiskraft zu geben ! Welche Fülle von Tafeln hatte er für seine Vorlesungen
gemalt mit Figuren und Abbildungen, deren Einzelheiten von der fernsten
Ecke des grossen Hörsaales deutlich zu erkennen waren! Viele dieser Tafeln
sind von geradezu künstlerischer Vollendung, von einer Pracht der Farben,
. von einer Naturwahrheit, wie sie von dem genialsten Maler kaum erreicht,
geschweige übertroffen werden kann. Es paarte sich bei ihm mit der Schärfe
der Beobachtung des geübten Forschers ein feines künstlerisches Empfinden,
dem er auch durch sein Können Ausdruck zu geben vermochte. So war es
denn kein Wunder, dass die Studenten sein Lob hinaustrugen an andere
272
von Sachs.
Universitäten und Propaganda machten für den Besuch der Alma Julia in
Würzburg. Freilich, die Zahl seiner Schüler, der jungen Botaniker, nahm in
den letzten Jahren, als fortgesetzte Kränklichkeit seine Schaffenskraft lähmte,
allmählich ab, doch zeugen drei stattliche Bände der »Arbeiten des botani-
schen Instituts in Würzburg«, sämmtlich von höchster wissenschaftlicher Be-
deutung, von der intensiven Thätigkeit des Lehrers und seiner Schüler. Er-
sterer fand aber daneben noch die Möglichkeit, »freilich auf Kosten einiger
Jahre von Arbeitskraft und zum beträchtlichen Schaden der Gesundheit«, für
die von der königlichen Akademie der Wissenschaften auf Veranlassung und
mit Unterstützung des Königs von Bayern, Maximilian II., herausgegebene
Geschichte der Wissenschaften in Deutschland die Bearbeitung der »Geschichte
der Botanik« (1875) auszuführen. Damit schuf er ein Werk, das ihm weit
über die Kreise seiner Fachgenossen hinaus als glänzendem Schriftsteller all-
gemeinste Anerkennung verschaffte und das vielfach für das beste seiner
Bücher gehalten wird. Jedenfalls zeichnet es sich wie alle PubHcationen des
Verfassers durch lichtvolle Klarheit aus und steht infolge der eigenartigen
Auffassung und geistigen Verarbeitung des Stoffes thurmhoch über den son-
stigen Geschichten der Botanik. Nicht um eine chronologische Aufzählung
handelte es sich ihm, nachdem er das colossale Material kritisch durchgeprüft
hatte, sondern er suchte seine Hauptaufgabe darin, »die erste Entstehung
wissenschaftlicher Gedanken aufzusuchen und ihre weitere Entwickelung zu
umfassenden Theorien zu verfolgen«, wie er selbst in der Vorrede sagt. Und
er fährt dann an einer anderen Stelle fort: »Ich habe daher als die eigent-
lichen Träger unserer Geschichte diejenigen Männer in den Vordergrund ge-
stellt, welche nicht blos neue Thatsachen feststellten, sondern fruchtbare Ge-
danken schufen und das empirische Material theoretisch verarbeiteten«. Von
diesem Grundgedanken durchweht ist denn auch S.'s »Geschichte« das Ge-
richt der Botanik geworden*).
Widmete S. im wesentlichen die Wintermonate der Composition seiner
grösseren Werke, so wurden die Sommermonate zur Ausflihrung experimen-
teller Untersuchungen benutzt, bei denen er theüs den schon früher in Angriff
genommenen Fragen weiter nachging, theils auch neue Gebiete durch seine
Arbeiten erschloss. Alle diese Untersuchungen sind wie die früheren mit
ausserordentlich scharfsinnigen und meist sehr einfachen Methoden und
Apparaten ausgeführt. Manche seiner Methoden sind wohl nicht nur von
Pflanzenphysiologen, sondern auch von anderen Naturforschem übernommen
worden, aber in keinem pflanzenphysiologischen Institut fehlt sein sdbst-
registrirendes Auxanometer (zum Messen des Zuwachses der Pflanzen, den sie
selbst aufzeichnen), und sein Klinostat (ein Drehapparat, der die einseitige
Wirkung der Schwerkraft oder des Lichtes auf die Pflanzen aufzuheben ver-
mag), ganz zu schweigen von den kleineren von ihm ersonnenen Apparaten,
deren Aufzählung hier indess zu weit führen würde.
Ebenso ist es unmöglich, an dieser Stelle auch nur in Kürze über seine
') Das uns jetzt vorliegende Werk kam übrigens in recht origineller Weise zu stände.
Als das Manuskript — wie mir S. erzühlte — zur Absendung bereit lag und er es eben
einpacken wollte, blätterte er noch ein wenig darin umher. Dabei missfielen ihm einige
Stellen von Sekunde zu Sekunde immer mehr, so dass er kurz entschlossen den ganzen
Stoss der druckfertigen Blätter in's Feuer warf. Er hat dann allerdings das zweite Manu-
skript einem Schreiber in ununterbrochenem Zuge in die Feder diktirt und somit dies Bach
wie aus einem Gusse geschaffen.
von Sachs. 27%
zahlreichen wissenschaftlichen publicirten Arbeiten (etwa loo) zu berichten.
Sie umfassen sämmtliche Gebiete der Pflanzenphysiologie und enthalten die
Feststellung nunmehr allgemein anerkannter Thatsachen; Thatsachen, die
allerdings bisweilen schon gelegentlich von anderen wahrgenommen worden
waren, deren Bedeutung aber erst von ihm erkannt wurde, deren sichere
Kenntniss wir allein ihm verdanken. Alle diese Arbeiten sind mit derselben
Klarheit, 'in demselben blendenden Stile geschrieben, wie seine grösseren
Werke; fast alle sind auch heute noch von der höchsten Bedeutung. Die
Feststellung der Entstehung und Thätigkeit des Blattgrüns, der Entstehung
der Stärke, der Wanderung dieser und anderer Stoffe bei der Organbildung,
der Thätigkeit der Wurzeln, des Zweckes und der Bedeutung der Transpira-
tion und vieler, vieler anderer zum Grundbestande der Physiologie gehöriger
Thatsachen, sowie eine tiefere Einsicht in die Tropismen, die Feststellung der
Nachwirkung derselben u. s. w. verdanken wir seinen bedeutenden Unter-
suchungen. Wie eminent auch vielfach ihr praktischer Werth ist, dafür möge
folgender kurzer Hinweis genügen. Von den Landwirthen wurde — auf Lie-
big*s Veranlassung — alljährlich allein in Deutschland für mehrere Millionen
Thaler Kieselsäure in löslicher Form in die Erde gesteckt, um das Lagern
des Getreides zu verhindern. S. stellte nun fest, dass Silicium kein Nährstoff
der Pflanzen ist, und dass das Lagern nicht durch Mangel an Kieselsäure,
sondern durch mangelhafte Festigkeit der Stengel infolge zu starker Beschat-
tung durch zu dichte Aussaat bewirkt wird. Die Landwirthe säen nun weiter
und sparen das Geld für die Kieselsäuredüngung. — Wenn auch das Resultat
seiner Untersuchungen auf einem anderen Gebiet, seine geistreiche Theorie
der Wasserbewegung in den Holzwänden der Pflanzenzellen, die Imbibitions-
theorie, nicht allgemein angenommen wurde, so förderten doch auch diese
Arbeiten viele werthvolle Thatsachen zu Tage. Mit Rücksicht auf die grosse
Zahl der von ihm festgestellten Thatsachen, die überdies zu den Fundamenten
der Pflanzenphysiologie gehören, war es denn durchaus kein Wagniss, wie er
selbst in der Vorrede fürchtete, als er in den Jahren 1892 und 1893 seine
Abhandlungen über Pflanzenphysiologie gesammelt herausgab; Thatsachen
behalten eben immer ihren Werth.
Allmählich wandte er sich in seinen Publicationen — ohne indess ex-
perimentelle Untersuchungen ganz zu vernachlässigen — mehr theoretischen
Erörterungen zu; sein künstlerisch schaffender Geist fand schliesslich mehr
Befriedigung darin, mit seiner gereiften Erfahrung als Meister am stolzen Bau
der Wissenschaft das gesammelte Baumaterial kunstvoll einzufügen, als neues
Material zusammenzutragen. In diesen Arbeiten erweist er sich denn auch
nicht mehr als Anhänger Darwin's, als welcher er sich, hoch erfreut über die
Beseitigung des Dogmas von der Constanz der Arten, noch in der Geschichte
der Botanik zu erkennen gab; dem gereiften Geist konnte die grobsinnliche
Weltauffassung des darwinschen Materialismus nicht Genüge leisten. Er suchte
vielmehr seiner Causalitätsauffassung der Natur auf's eingehendste Ausdruck
zu geben und beabsichtigte seine Anschauungen, die er schon in den »Phy-
siologischen Notizen« (Flora 1892 bis 1896) formulirt hatte, in den gross an-
gelegten »Principien der vegetabilischen Gestaltung« *) zu vertiefen und zu
verallgemeinem, als dem schon Jahre lang schwer Leidenden der Tod Er-
') Die hierfür schon gesammelten Notizen hat Herr Prof. N oll zur Zusammenfassung
und Herausgabe erhalten.
B'iogr. Jahrb. q. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. X 8
2j^ von Sachs.
lösung brachte. Leider war es ihm nicht vergönnt , das Manuskript f&r die
»Principien« — wie es sein heisser Wunsch war — fertig zu stellen, aber auch
schon in den »Physiologischen Notizen« (und auch schon in früheren Publi-
cationen) beschränken sich seine Erörterungen nicht auf botanische Fragen
allein, sondern er behandelte darin die gesammte Biologie, und seine Ideen
fanden auch bei Anatomen (v. Kupffer, v. KöUiker) und Zoologen würdigende
Anerkennung.
Und alle die vielen Stunden, die das Durchdenken und Niederschreiben
dieser hochgeschätzten Abhandlungen erforderten, musste der von schweren
Krankheiten Heimgesuchte den Tagen förmlich abstehlen. Seine rastlose
Thätigkeit, die weder Körper noch Geist schonte, lange Jahre im heissen
Kampfe um das tägliche Brod, und schweres Unglück in der Familie hatte
ihn schliesslich langem Siech thum entgegengeführt. Er hat sich aber auch
fast niemals eine Erholung gegönnt, selbst dann kaum, als in späteren Jahren
sich seine pecuniäre Lage gebessert hatte; stets hat er in den Ferien am
intensivsten gearbeitet. Dass der Acker zeitweilig brach liegen muss, dass
die Pflanze eine Ruheperiode durchmachen muss, davon zog er für sich fast
niemals die Nutzanwendung. Und wenn er wirklich einmal dem Drängen
seiner Angehörigen und Freunde nachgab, um Erholung auf einer Reise zu
suchen — sehr bald trieb es ihn wieder zurück in sein Institut, an seinen
Arbeitstisch; stets fand viel früher, als er geplant hatte, die Reise ihren Ab-
schluss. — Wie schwer leidend er aber Jahre lang gewesen sein muss, das
zeigte die Section, durch die eine weitgehende Erkrankung fast aller Organe
festgestellt wurde. Welche riesige Willensenergie muss ihm zu Gebote ge-
standen haben, wenn er trotzdem bis fünf Wochen vor seinem Tode thätig
sein konnte!
Wo Licht, da ist auch Schatten: doch muss man auch den Werdegang
dieses aussergewöhnlichen Menschen im Auge behalten, wenn man seine
Schattenseite gerecht beurtheilen will. Er stand in den letzten Jahren recht
vereinsamt, und gar mancher seiner früheren Freunde war ihm durch die
scharfe und persönlich werdende Kritik entfremdet worden. Aber wie er
selbst in jeder seiner Arbeit nicht nur seine Beobachtungen und Ideen, son-
dern gewissermaassen auch sich selbst gab, so identificirte er nur zu leicht
auch mit der gegnerischen Arbeit den Gegner, dem dann wohl häufig die
Wunde zu theil wurde, die im Grunde nur jener zugedacht war. Indessen
viel Feind, viel Ehr! Und an wissenschaftlichen Ehrungen ist sein Lebens-
abend sehr reich gewesen. Die verschiedensten Akademien und bedeutende
naturforschende Gesellschaften ernannten ihn zu ihrem Ehrenmitglied, wie er
auch Ehrendoctor der Universitäten Bonn und Bologna war. Trotz seiner
jahrelangen Leiden machte der nur langsam Dahinschreitende, der in jüngeren
Jahren ein bildschöner Mann gewesen sein soll, noch bis zu seinem Tode
einen fascinirenden Eindruck auf jeden Vorübergehenden und besonders auf
den, der den zwar von Leiden durchfurchten, aber auch ideal durchgeistigten
Zügen mit dem durchdringenden Blick gegenübertrat. Jeder musste dann
fühlen, dass ein ungewöhnlich bedeutender Geist in dieser auch zuletzt noch
imponirenden Erscheinung wohnte. So war denn auch die Trauer, die ihn
zu Grabe leitete, eine tief empfundene und allgemeine. Von warmem Wohl-
wollen für seine Mitmenschen erfüllt, hatte er so manche Thräne getrocknet,
und manche Thräne der Dankbarkeit fiel auf seinen Grabhügel. Was er aber
der Universität Würzburg geworden war, das fand die wärmste Anerkennung
von Sachs. Hensler.
275
in den begeisterten Worten, die ihr Rektor, Prof. Dr. Schell, dem von seinen
Leiden Erlösten in das Grab nachrief.
Schrift enverzeichniss. i. Grössere Werke: Handbuch der Experimental-Physio-
logie der Pflanzen. Leipzig 1865. — Lehrbuch der Botanik. Leipzig, i. Aufl. 1868, 2. Aufl.
1S70, 3. Aufl. 1872, 4. Aufl. 1874. (Auch übersetzt in's Englische, Französische u. s. w.). —
Geschichte der Botanik vom 16. Jahrhundert bis 1860. München 1875. (In's Englische
übersetzt 1890). — Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. Leipzig, i. Aufl. 1882, 2. Aufl.
1887. (In*s Englische übersetzt). — Arbeiten des botanischen Instituts in Wttrzburg. Leipzig.
Erster Band 1874, zweiter Band 1882, dritter Band 1888. — Gesammelte Abhandlungen
über Pflanzenphysiologie. Leipzig. Erster Band 1892, zweiter Band 1893. — 2. Kleinere
wissenschaftliche Publicationen : 18 Aufsätze in der »Ziva«, 3 im »Lotos«, 19 Abhand-
lungen in der »Botanischen Zeitung«, 23 in der »Flora«, 5 in den »Berichten der k. k.
Akademie der Wissenschaften zu Wien«, 3 in den »Berichten der königL sächs. Gesellschaft
der Wissenschaften«, 5 in den »Landwirthschaftlichen Versuchsstationen«, 4 in den »Annalen
der Landwirthschaft in den königl. preuss. Staaten«, 4 in den »Berichten des naturhistori-
schen Vereins der preussischen Rheinlande und Westphalens/, 16 in den verschiedenen
Schriften der »Physikalisch-medicinischen Gesellschaft« zu WUrzburg, 21 in den »Arbeiten
des botanischen Instituts in WUrzburg« und noch einige einzelne Aufsätze z. B. in der
»Natur«, den »Pomologischen Monatsheften« u. s. w. — Gute Reproductionen seines Bild-
nisses nach Photogrammen sind vorhanden in: Julius Sachs von K. Göbel. Sonderabdruck
aus »Flora oder Allgem. bot. Zeitung«, Ergänzungsband zum Jahrg. 1897. 84. Band, und
in : Professor Julius von Sachs. Gedächtnissrede, gehalten in der Physikal.-med. Gesellschaft
zu Würzburg von Dr. Paul Hauptfleiscb. Würzburg, Stahel, 1897. — Ausserdem ist von
dem Bildhauer Feile in Würzburg eine vorzüglich gelungene Büste hergestellt worden. —
Werke und Schriften s. auch Börsenbl. f. d. deutsch. Buchh. 1897, No. 132.
P. Hauptfleisch-Wtirzburg.
Henzler, Christian (von), Schulmann, * am 29. September 1829 in der
württembergischen Oberamtsstadt Nürtingen, f 3. August 1897 zu Stuttgart. —
H., der Sohfl eines Schuhmachers, wurde im Nürtinger Seminar zum Volks-
schullehrer ausgebildet und blickte bereits auf eine sechsjährige praktische
Wirksamkeit zurück, als der Wunsch in ihm aufstieg, sich dem höheren Schul-
wesen zu widmen. Er bereitete sich von 1854 — 1857 in Stuttgart am Poly-
technikum und in einer privaten »französischen Schule« auf die Reallehrer-
prüfung vor, deren ersten Theil er 1857 erstand. 1859 unternahm er zu
seiner weiteren sprachlichen Ausbildung wissenschaftliche Reisen nach Frank-
reich und England und war dann 2 Jahre lang Hofmeister in Nordamerika.
1861 holte er den zweiten Theil der Reallehrerprüfung nach, fand einige Jahre
an der Stuttgarter Realanstalt provisorische Verwendung, besuchte noch kurze
Zeit die Universitäten Bonn und Heidelberg und unterzog sich 1865 mit Er-
folg der Professoratsprüfung sprachlich-historischer Richtung. Alsbald erhielt
er seine erste definitive Anstellung als Professor für die realistischen Fächer
am Gymnasium in Ellwangen, wurde 187 1 Vorstand der Nürtinger Realschule
und 1873 Rektor der Reutlinger Realanstalt. 1876 wurde er als Oberstudien-
rath und realistischer Referent in die Königliche Cul tministerialab theil ung für
(belehrten- und Realschulen berufen. In einer Zeit, da das Realschulwesen
in Deutschland einen gewaltigen Aufschwung nahm und es galt, diese Fort-
schritte auch nach Württemberg, der uralten Hochburg des Humanismus, zu
übertragen, sah sich H. vor eine grosse Aufgabe gestellt, an deren Lösung er
sich mit beträchtlicher Energie und CJewandtheit betheiligte. Daneben war
er als Mitglied der Commissionen für die gewerblichen Fortbildungsschulen
und seit 1879 für die höheren Mädchenschulen thätig. Schriftstellerisch trat
er dagegen nicht hervor. Seine beiden letzten Lebensjahre verbitterte ihm
ein schweres Fussleiden, das ihn zuletzt ganz an das Zimmer fesselte. Doch
i8*
2^6 HeDzler. Klemm. Kober.
besorgte er noch von hier aus seine Berufsgeschäfte, bis der Tod seiner
Wirksamkeit ein Ziel setzte.
Schwäbische Kronik vom 23. August 1897 (Mittagsblatt), zerstreute sonstige Zeitungs-
notizen, Correspondenzblatt für die Gelehrten- und Realschulen Württembergs 1897. Heft 8.
Seite 297.
Rudolf Krauss.
Klemm, Alfred, wtirttembergischer Alterthumsforscher und Epigraphiker,
* am 8. November 1840 zu Ellwangen, f am 27. März 1897 zu Backnang.
— Nachdem K. im evangelischen Stifte zu Tübingen Theologie studirt und
seine Dienstprtifung mit Auszeichnung bestanden hatte, unternahm er eine
Bildungsreise nach Norddeutschland, wurde 1865 Stiftsrepetent, 1869 Dia-
konus in Vaihingen a. d. Enz, 1876 Diakonus und Bezirksschulinspektor in
Geislingen, 1887 Dekan und 1 888 zugleich Bezirksschulinspektor in Sulz, 1892
Dekan in Backnang, wo er einer rasch verlaufenden Lungenentzündung zum
Opfer fiel. In Vaihingen begann K. sich mit der heimathlichen Special- und
Lokalgeschichte zu beschäftigen und zog allmählich deren verschiedenste Zweige
in den Kreis seiner Studien, denen er mit der Zeit immer grössere Ausdeh-
nung und Vertiefung verlieh. Seine Specialität war die Baugeschichte und
Epigraphik des württembergischen Landes und der angrenzenden Gegenden.
Seine Arbeiten über württembergische Baumeister und Bildhauer fanden in
Fachkreisen die verdiente Beachtung. Namentlich verlegte er sich auf das
Sammeln von Steinmetzzeichen. Mit rastlosem Fleiss und scharfem Spürsinn
durchforschte er alle irgendwie zugänglichen gedruckten, handschriftlichen und
inschrifdichen Quellen, mochten sie noch so entlegen sein. Er sah durch
manche wichtige Entdeckungen seine Mühe belohnt. Auf diesem Gebiete der
Epigraphik war K. eine Autorität ersten Ranges. Besondere Fürsorge widmete
er den Ulmer Kunstdenkmalen. Seine zahlreichen kleineren und grösseren
Aufsätze hat er in allerhand Journalen, fachwissenschaftlichen Zeitschriften,
Publicationen von Alterthumsvereinen und Sammelschriften niedergelegt, ohne
jemals seine Kraft zu einem grösseren Werke zusammenzufassen.
Nekrologe in Schwäbische Kronik vom 2. April 1897 (Mittagsblatt) und Staats-Anz,
für Württemberg vom 30. März 1897.
Rudolf Krauss.
Kober, Franz Quirin (von), Dr., katholischer Theologe, * am 6* März
1821 zu Warthausen (im württembergischen Oberamt Biberach), f am 25. Ja-
nuar 1897 zu Tübingen. — Er war der Sohn einfacher Landleute, besuchte
die Biberacher Lateinschule und das Ehinger Konvikt, studirte 1840 — 44 im
Tübinger Wilhelmsstifte Theologie und wurde am 4. September 1845 zum
Priester geweiht. Er war zunächst Vikar in Ulm, seit Mai 1846 Repetent in
Tübingen, wo er zugleich akademische Vorlesungen über philologische und
theologische Disciplinen hielt. 1851 erhielt er einen Lehrauftrag für Päda-
gogik, Didaktik und Epistoralexegese ; daneben docirte er katholisches Kirchen-
recht. 1853 wurde er ausserordentlicher Professor, 1857 Doctor theologiae
und im September desselben Jahres Ordinarius; das Kirchenrecht gehörte nun
auch zu seinem Lehrauftrag. In den ersten Jahren seiner Docentenlaufbahn
verwandte er seine ganze Kraft auf die umfassenden Vorlesungen, die er zu
halten hatte. Er stellte dafür auf's sorgfältigste ausgearbeitete Collegienhefte
her, nach denen er sich genau richtete. Später entfaltete er auch eine reiche
literarische Thätigkeit. Er gehörte zu den eifrigsten Mitarbeitern und Redak-
Kober. Knosp. 277
teuren der (Tübinger) Theologischen Quartalschrift. Seine meisten Aufsätze
bezogen sich auf das Kirchenrecht und im besonderen auf das kirchliche
Strafrecht. Dieses behandelte er in einer Folge von drei bedeutsamen Schrif-
ten: »Der Kirchenbann« (1857), »Die Suspension der Kirchendiener« (1862),
»Die Deposition und Degradation« (1867). An geschichtliche Auseinander-
setzungen knüpfte er jedesmal ausführliche Darlegungen des bestehenden
Rechtes. Diese gediegenen, nur etwas zu breiten Arbeiten sind erst von den
entsprechenden Partien in Hinschius* Kirchenrecht überholt worden. K. zeigte
sich in seinen Forderungen für Freiheit der katholischen Kirche stets maass-
voll und auf Wahrung des confessionellen Friedens in Württemberg bedacht.
Bei Collegen und Schülern genoss er Liebe und Verehrung. Er war freund-
lichen und wohlwollenden Wesens, wenn auch zurückhaltend und wortkarg,
hierin und auch sonst ein echter Schwabe. Er klebte an der Scholle und
kam über die Grenzen seiner engeren Heimath kaum je hinaus. Zeichen äus-
serer Anerkennung brauchte er nicht zu missen. 1878 wurde er zum Rektor
der Universität für das nächste Studienjahr gewählt, 1895 beging er sein fünf-
zigjähriges Priesterjubiläum. Schon damals kränkelte er, im folgenden Sommer
musste 6r sich pensioniren lassen. Ende October traf ihn ein Schlaganfall,
der ihn der Sprache beraubte. Er hatte noch ein Vierteljahr zu leiden. Am
28. Januar 1897 wurde er in Tübingen mit akademischen Ehren zu Grabe
getragen.
Professor Dr. SägmttUer in Theologische Quartalschrift, 79. Jahrg. (1897) S. 569 bis
579; zerstreute Zeitungsnotizen.
Werke u« Schriften s. Börsenbl. f. d. Deutschen Buchhandel 1897, No. 32.
Rudolf Krauss.
Knosp, Rudolf (von), Grossindustrieller, * am 22. Juni 1820 zu Ludwigs-
burg, f am 26. März 1897 zu Stuttgart. — Er besuchte das Lyceum seiner
Vaterstadt und die Gewerbeschule Stuttgarts, trat dann in ein hauptstädtisches
Indigogeschäft als Lehrling ein und war bei demselben später als Commis
und Reisender angestellt. Nach seiner 1845 erfolgten ehelichen Verbindung
mit Sophie Schmid aus Basel begründete er in Cannstatt eine eigene Firma,
die, bald nach Stuttgart verlegt, von den kleinsten Anfängen aus allmählich
grossartigen Umfang gewann. Durch Intelligenz, Thatkraft und Ausdauer
schwang sich K. zu einem der ersten und reichsten deutschen Handels-
herrn empor. Er rief die deutsche Anilinindustrie in's Leben, indem er zu-
nächst die zuvor nur in Frankreich betriebene Fabrikation verschiedener Indigo-
stoffe einführte und dann zur Fabrikation von Theerprodukten überging. Die
von ihm hergestellten Erzeugnisse wurden auf mehreren Weltausstellungen
ausgezeichnet. 1873 vereinigte K. sein Geschäft (zugleich mit dem Heinrich
Siegle'schen in Stuttgart) mit der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Lud-
wigshafen a. Rh. Diesem grössten deutschen, den Weltmarkt beherrschenden
Farbenfabrikations- Geschäfte widmete er fortan als Vorsitzender des Verwal-
tungsrathes seine Kräfte. Ausserdem war er stets bemüht, die württembergi-
sche Industrie* durch Rath und That zu unterstützen und zu heben. An
zahlreichen Unternehmungen und Gründungen betheiligte er sich finanziell,
wie als Vorsitzender oder Mitglied des Aufsich tsrathes. Mit lebhaftem Inter-
esse für alle politischen und Verwaltungsangelegenheiten ausgerüstet, entzog
er sich den an ihn herantretenden öffentlichen Pflichten nicht. Er gehörte
1865 — 71 dem hauptstädtischen Gemeinderath an, ebenso längere Zeit dem
Handels- und Oberhandelsgerichte, zu Ende der sechziger Jahre den\ Ge-
2<7g Knosp. Kopp.
heimenrath ab technischer Beirath. 1 868 wurde er vom i . vürttembcrgischen
Wahlkreis in das deutsche Zollparlament entsandt; die grossdeutscb-demokra*
tische Partei, deren Erwählter K. war, drang damals in heftigem Wahlkampf
gegen die deutsche Partei durch. In der Folge lernte er die neu errungene
deutsche Einheit schätzen, hielt jedoch an maassvoll piartikulanstiscfaen, frei-
sinnigen und freihändlerischen Neigungen zeiüebens fest. Verleihungen von
Titeln (1866 Commerzienrath, 1889 Geheimer Commerzienrath) und Orden
Hessen nicht auf sich warten. Aber stets blieb K. der schlichte und beschei-
dene Sohn des Bürgerthums. In den letzten Jahren zog er sich, von einem
Herzleiden gequält, mehr von den öffentlichen Geschäften zurück. Er weilte mii
Vorliebe auf seinem 1872 erworbenen Herrensitz am Stamberger See. Seine
Leiden steigerten sich schliesslich so sehr, dass das Ende willkonmien war.
Schwäbische Kronik vom 30. März 1897 (Abendblatt), der Beobachter vom 29. I^Iän
1897, zerstreute Zeitungsnotizen.
Rudolf Krauss.
Kopp, Karl, Bildhauer, * am 24. October 1825 zu Wasseralüngen im
württembergischen Oberamt Aalen), f am i. März 1897 zu Stuttgart. — Er be-
suchte als Jünger der Bildhauerkunst das Polytechnikum und die Kunstschule
in Stuttgart, wurde von dem bekannten Architekten Zanth beim Bau des Lust-
schlosses Wilhelma verwendet und verbrachte die Jahre 1850 — 54 zu Paris,
wo er in der ficole des beaux-arts seine Ausbildung vervollständigte und bei
Lequesne und Toussaint lernte. Seinem Pariser Aufenthalte verdankte er
namentlich sichere Leichtigkeit in der Vortragsweise. 1854 — 1862 war er
Zeichenlehrer an der Fortbildungsschule in Biberach. 1862 wurde er als
Lehrer des Ornamentzeichnens und Modellirens an das Stuttgarter Polytechni-
kum berufen, in welchem Wirkungskreise er, seit 1868 als Professor, bis an
sein Ende verharrte. Mit seinem Hauptamte verband er das eines Lehrers
für Figurenmodelliren an der Kunstgewerbeschule und eines Mitglieds der
Kommission von Sachverständigen beim Conservatorium der vaterländischen
Kunst- und Alterthumsdenkmale. K. war ein tüchtiger und geschätzter Lehrer,
der den ihm eigenen Sinn für das Idealistische auch bei seinen Schülern zu
wecken verstand. Daneben entfaltete er eine emsige produktive Thätigkeit.
Von seinen hauptsächlichen Gruppenwerken, deren Motive er mit Vorliebe
der antiken Mythologie entlehnte, seien Hero und Leander, Der Raub der
Europa, Bacchus und Ariadne hervorgehoben. Femer lieferte er Werke für
Kirchen (z. B. Christus am Kreuz in der Esslinger Frauenkirche) oder Re-
staurationen solcher (z. B. der württembergischen Grafen im Chore der Stutt-
garter Stiftskirche), schuf zahlreiche Grabmonumente und Porträtbüsten (z. B.
die 1885 enthüllte Erzbüste Johann Jakob Moser's in Stuttgart und die 1889
enthüllte Büste Robert Mayer's vor dem dortigen Polytechnikum). Ausserdem
betheiligte er sich am Ausschmucke verschiedener hauptstädtischer Bauten, so
des Hauptbahnhofes (kolossale Karyatiden an der Fassade), des Polytechni-
kums, des Justizpalastes. Endlich stammen die Figuren an den Fontänen des
Stuttgarter Schlossplatzes, Personificationen von acht schwäbischen Flüssen
darstellend, von seiner Hand. Im Dekorativen leistete K., der sonst als aus-
übender Künstler ein mittleres Talent war, Verdienstvolles.
Schwäbische Kronik vom 2. März 1897 (Abendblatt), Künstler- und Conversations-
lexica, handschriftliche Notizen des Herrn Oberstudienraths Dr. Wintterlin, Oberbibliothe-
kars in Stuttgart.
Rudolf Krauss.
Rosenthal-Bonin. Wagner. 279
Rosenthal-Bonin, Hugo, Schriftsteller, * am 14. October 1840 in Palermo
von deutschen Eltern, f am 7. April 1897 in Stuttgart. — Er widmete sich
in Berlin naturwissenschaftlichen, medicinischen, später philosophischen . Stu-
dien und machte dann als Schiffsarzt weite Reisen nach Südeuropa, Kalifor-
nien und Japan. Nach der Rückkehr wurde er Schriftsteller, erhielt 1872 bei
der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart Anstellung, war er«t an der Re-
dalction von »Ueber Land und Meer« betheiligt und leitete dann lange Zeit
die »Illustrirte Welt«, in der er meist auch seine Romane zuerst veröffent-
lichte. Nach Kürschner's Rücktritt übernahm er die Redaktion der Spemann'-
schen Zeitschrift »Vom Fels zum Meer«. Die letzten Lebensjahre verbrachte
er als unabhängiger Schriftsteller zu Stuttgart in völliger Zurückgezogenheit.
Er verfasste ausser kleinen Lustspielen eine lange Reihe von Romanen und
Erzählungen, deren Stoffe er vorzugsweise den unerschöpflichen Erinnerungen
seiner exotischen Fahrten verdankte. Eine lebhafte Phantasie und die Gabe
des Fabulirens, die er auch im geselligen Verkehre bethätigte, machten seine
Erzeugnisse, die übrigens keinerlei literarische, nur belletristische Bedeutung
haben, zur beliebten Lektüre weiter Kreise.
Die Titel seiner Werke sind Tollständig namhaft gemacht in Franz 6rümmer*s Lexicon
der deutschen Dichter und Prosaisten des neunzehnten Jahrhunderts, 4. Ausgabe, III, S. 350
und in Kürschner's Deutschem Literaturkalender; die biographischen Nachrichten ebenfalls
bei BrUmmer; vergleiche auch die Notizen in wUrttembergischen Blättern nach Rosenthal-
Bonin*s Tod.
Rudolf Krauss.
Wagner, Heinrich, Dr., Architekt, ♦ am 5. October 1834 in Stuttgart,
f am 19. März 1897 in Darmstadt. — Er bereitete sich auf dem Stuttgarter
Polytechnikum, auf der Pariser £cole des beaux-arts und in Londoner Bau-
ateliers auf seinen Beruf vor, war sieben Jahre als Lehrer an der Baugewerk-
schule und zugleich als Hilfslehrer am Polytechnikum seiner Vaterstadt thätig
und kam 1869 als Professor für Architektur an das Darmstädter Polytechni-
kum, welcher emporblühenden Anstalt er bis zu seinem Tode, zuletzt mit
dem Titel eines Geheimen Bauraths, seine Kräfte widmete. Er ertheilte Unter-
richt im Entwerfen, in der Anlage und Einrichtung von Gebäuden, sowie in
der Bauführung. W. war ein arbeitskräftiger und kenntnissreicher Mann, der
nicht bloss mit allen praktischen, sondern auch mit den wissenschaftlichen
und künstlerischen Aufgaben seines Faches genau vertraut war. Davon legen
auch seine literarischen Leistungen Zeugniss ab. Er lieferte Beiträge zum
deutschen Bauhandbuch, hatte hervorragenden Antheil an der Herausgabe und
Bearbeitung des Handbuchs der Architektur, verfasste ein Werk über die
Kunstdenkmäler des Kreises Büdingen. Er war Mitglied des hessischen Kunst-
raths und verschiedener Ausschüsse für Erhaltung deutscher Baudenkmäler,
femer ein gesuchter Preisrichter. Als Baumeister hat er eine Reihe öffent-
licher Gebäude und Privathäuser in Stuttgart und Darmstadt aufgeführt, in
ersterer Stadt unter anderem die Englische Kirche, in letzterer das Haupt-
gebäude der technischen Hochschule, sein bedeutendstes architektonisches
Werk.
Centralblatt der Bauverwaltung 1897, No. 13, S. 147 f. (woraus auch die Nekrologe
im Schwäbischen Merkur Tom i. April 1897 (Abendblatt) und in anderen wUrttembergi-
schen Zeitungen geschöpft sind).
Rudolf Krauss.
2^6 Henzler. KlemtD. Kober.
besorgte er noch von hier aus seine Berufsgeschäfte, bis der Tod seiner
Wirksamkeit ein Ziel setzte.
Schwäbische Kronik vom 23. August 1897 (Mittagsblatt), zerstreute sonstige Zeitungs-
notizen, Correspondenzblatt für die Gelehrten- und Realschulen Württembergs 1S97. Heft S.
Seite 297.
Rudolf Krauss.
Klemm, Alfred, württembergischer Alterthumsforscher und Epigraphiker,
♦ am 8. November 1840 zu Ellwangen, f am 27. März 1897 zu Backnang.
— Nachdem K. im evangelischen Stifte zu Tübingen Theologie studirt und
seine Dienstprüfung mit Auszeichnung bestanden hatte, unternahm er eine
Bildungsreise nach Norddeutschland, wurde 1865 Stiftsrepetent, 1869 Dia-
konus in Vaihingen a. d. Enz, 1876 Diakonus und Bezirksschulinspektor in
Geislingen, 1887 Dekan und 1888 zugleich Bezirksschulinspektor in Sulz, 1892
Dekan in Backnang, wo er einer rasch verlaufenden Lungenentzündung zum
Opfer fiel. In Vaihingen begann K. sich mit der heimathlichen Special- und
Lokalgeschichte zu beschäftigen und zog allmählich deren verschiedenste Zweige
in den Kreis seiner Studien, denen er mit der Zeit immer grössere Ausdeh-
nung und Vertiefung verlieh. Seine Specialität war die Baugeschichte und
Epigraphik des württembergischen Landes und der angrenzenden Gegenden.
Seine Arbeiten über württembergische Baumeister und Bildhauer fanden in
Fachkreisen die verdiente Beachtung. Namentlich verlegte er sich auf das
Sammeln von Steinmetzzeichen. Mit rastlosem Fleiss und scharfem Spürsinn
durchforschte er alle irgendwie zugänglichen gedruckten, handschrifdichen und
inschriftlichen Quellen, mochten sie noch so entlegen sein. Er sah durch
manche wichtige Entdeckungen seine Mühe belohnt. Auf diesem Gebiete der
Epigraphik war K. eine Autorität ersten Ranges. Besondere Fürsorge widmete
er den Ulmer Kunstdenkmalen. Seine zahlreichen kleineren und grösseren
Aufsätze hat er in allerhand Journalen, fachwissenschafdichen Zeitschriften,
Publicationen von Alterthumsvereinen und Sammelschriften niedergelegt, ohne
jemals seine Kraft zu einem grösseren Werke zusammenzufassen.
Nekrologe in Schwäbische Kronik vom 2. April 1897 (Mittagsblatt) und Staats-Anz.
fUr Württemberg vom 30. März 1897.
Rudolf Krauss.
Kober, Franz Quirin (von), Dr., katholischer Theologe, ♦ am 6. März
1821 zu Warthausen (im württembergischen Oberamt Biberach), f am 25. Ja-
nuar 1897 zu Tübingen. — Er war der Sohn einfacher Landleute, besuchte
die Biberacher Lateinschule und das Ehinger Konvikt, studirte 1840 — 44 im
Tübinger Wilhelmsstifte Theologie und wurde am 4. September 1845 ^^^
Priester geweiht. Er war zunächst Vikar in Ulm, seit Mai 1846 Repetent in
Tübingen, wo er zugleich akademische Vorlesungen über philologische und
theologische Disciplinen hielt. 1851 erhielt er einen Lehrauftrag für Päda-
gogik, Didakdk und Epistoralexegese; daneben docirte er katholisches Kirchen-
recht. 1853 wurde er ausserordentlicher Professor, 1857 Doctor theologiae
und im September desselben Jahres Ordinarius; das Kirchenrecht gehörte nun
auch zu seinem Lehrauftrag. In den ersten Jahren seiner Docentenlaufbahn
verwandte er seine ganze Kraft auf die umfassenden Vorlesungen, die er zu
halten hatte. Er stellte dafür auf's sorgfältigste ausgearbeitete Collegienhefte
her, nach denen er sich genau richtete. Später entfaltete er auch eine reiche
literarische Thätigkcit. Er gehörte zu den eifrigsten Mitarbeitern und Redak-
Kober. Knosp. 2 7 7
teuren der (Tübinger) Theologischen Quartalschrift. Seine meisten Aufsätze
bezogen sich auf das Kirchenrecht und im besonderen auf das kirchliche
Strafrecht. Dieses behandelte er in einer Folge von drei bedeutsamen Schrif-
ten: »Der Kirchenbann« (1857), »Die Suspension der Kirchendiener« (1862),
»Die Deposition und Degradation« (1867). An geschichtliche Auseinander-
setzungen knüpfte er jedesmal ausfuhrliche Darlegungen des bestehenden
Rechtes. Diese gediegenen, nur etwas zu breiten Arbeiten sind erst von den
entsprechenden Partien in Hinschius' Kirchenrecht überholt worden. K. zeigte
sich in seinen Forderungen für Freiheit der katholischen Kirche stets maass-
voll und auf Wahrung des confessionellen Friedens in Württemberg bedacht.
Bei CoUegen und Schülern genoss er Liebe und Verehrung. Er war freund-
lichen und wohlwollenden Wesens, wenn auch zurückhaltend und wortkarg,
hierin und auch sonst ein echter Schwabe. Er klebte an der Scholle und
kam über die Grenzen seiner engeren Heimath kaum je hinaus. Zeichen äus-
serer Anerkennung brauchte er nicht zu missen. 1878 wurde er zum Rektor
der Universität für das nächste Studienjahr gewählt, 1895 beging er sein fünf-
zigjähriges Priesterjubiläum. Schon damals kränkelte er, im folgenden Sommer
musste 6r sich pensioniren lassen. Ende October traf ihn ein Schlaganfall,
der ihn der Sprache beraubte. Er hatte noch ein Vierteljahr zu leiden. Am
28. Januar 1897 wurde er in Tübingen mit akademischen Ehren zu Grabe
getragen.
Professor Dr. SägmUller in Theologische Quartalschrift, 79. Jahrg. (1897) S. 569 bis
579; zerstreute Zeitungsnotizen.
Werke u. Schriften s. Börsenbl. f. d. Deutschen Buchhandel 1897, No. 32.
Rudolf Krauss.
Knosp, Rudolf (von), Grossindustrieller, ♦ am 22. Juni 1820 zu Ludwigs-
burg, f am 26. März 1897 zu Stuttgart. — Er besuchte das Lyceum seiner
Vaterstadt und die Gewerbeschule Stuttgarts, trat dann in ein hauptstädtisches
Indigogeschäft als Lehrling ein und war bei demselben später als Commis
und Reisender angestellt. Nach seiner 1845 erfolgten ehelichen Verbindung
mit Sophie Schmid aus Basel begründete er in Cannstatt eine eigene Firma,
die, bald nach Stuttgart verlegt, von den kleinsten Anfängen aus allmählich
grossartigen Umfang gewann. Durch Intelligenz, Thatkraft und Ausdauer
schwang sich K. zu einem der ersten und reichsten deutschen Handels-
herrn empor. Er rief die deutsche Anilinindustrie in's Leben, indem er zu-
nächst die zuvor nur in Frankreich betriebene Fabrikation verschiedener Indigo-
stoffe einführte und dann zur Fabrikation von Theerprodukten überging. Die
von ihm hergestellten Erzeugnisse wurden auf mehreren Weltausstellungen
ausgezeichnet. 1873 vereinigte K. sein Geschäft (zugleich mit dem Heinrich
Siegle'schen in Stuttgart) mit der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Lud-
wigshafen a. Rh. Diesem grössten deutschen, den Weltmarkt beherrschenden
Farbenfabrikations- Geschäfte widmete er fortan als Vorsitzender des Verwal-
tungsrathes seine Kräfte. Ausserdem war er stets bemüht, die württembergi-
sche Industrie' durch Rath und That zu unterstützen und zu heben. An
zahlreichen Unternehmungen und Gründungen betheiligte er sich finanziell,
wie als Vorsitzender oder Mitglied des Aufsichtsrathes. Mit lebhaftem Inter-
esse für alle politischen und Verwaltungsangelegenheiten ausgerüstet, entzog
er sich den an ihn herantretenden öffenüichen Pflichten nicht. Er gehörte
1865 — 71 dem hauptstädtischen Gemeinderath an, ebenso längere Zeit dem
Handels- und Oberhandelsgerichte, zu Ende der sechziger Jahre den\ Ge-
2^6 Henzler. Klemm. Kober.
besorgte er noch von hier aus seine Berufsgeschäfte , bis der Tod seiner
Wirksamkeit ein Ziel setzte.
Schwäbische Kronik vom 23. August 1897 (Mittagsblatt), zerstreute sonstige Zeitungs-
notizen, Correspondenzblatt fUr die Gelehrten- und Realschulen Württembergs 1897. Heft 8.
Seite 297.
Rudolf Krauss.
Klemmy Alfred, württembergischer Alterthumsforscher und Epigraphiker,
♦ am 8. November 1840 zu Ellwangen, f am 27. März 1897 zu Backnang.
— Nachdem K. im evangelischen Stifte zu Tübingen Theologie studirt und
seine Dienstprüfung mit Auszeichnung bestanden hatte, unternahm er eine
Bildungsreise nach Norddeutschland, wurde 1865 Stiftsrepetent, 1869 Dia-
konus in Vaihingen a. d. Enz, 1876 Diakonus und Bezirksschulinspektor in
Geislingen, 1887 Dekan und 1888 zugleich Bezirksschulinspektor in Sulz, 1892
Dekan in Backnang, wo er einer rasch verlaufenden Lungenentzündung zum
Opfer fiel. In Vaihingen begann K. sich mit der heimathlichen Special- und
Lokalgeschichte zu beschäftigen und zog allmählich deren verschiedenste Zweige
in den Kreis seiner Studien, denen er mit der Zeit immer grössere Ausdeh-
nung und Vertiefung verlieh. Seine Specialität war die Baugeschichte und
Epigraphik des württembergischen Landes und der angrenzenden Gegenden.
Seine Arbeiten über wtirttembergische Baumeister und Bildhauer fanden in
Fachkreisen die verdiente Beachtung. Namentiich verlegte er sich auf das
Sammeln von Steinmetzzeichen. Mit rastlosem Fleiss und scharfem Spürsinn
durchforschte er alle irgendwie zugänglichen gedruckten, handschriftlichen und
inschriftlichen Quellen, mochten sie noch so entlegen sein. Er sah durch
manche wichtige Entdeckungen seine Mühe belohnt. Auf diesem Gebiete der
Epigraphik war K. eine Autorität ersten Ranges. Besondere Fürsorge widmete
er den Ulmer Kunstdenkmalen. Seine zahlreichen kleineren und grösseren
Aufsätze hat er in allerhand Journalen, fach wissenschaftlichen Zeitschriften,
Publicationen von Alterthumsvereinen und Sammelschriften niedergelegt, ohne
jemals seine Kraft zu einem grösseren Werke zusammenzufassen.
Nekrologe in Schwäbische Kronik vom 2. April 1897 (Mittagsblatt) und Staats-Anz.
fUr Württemberg vom 30. Mär« 1897.
Rudolf Krauss.
Kober, Franz Quirin (von), Dr., katholischer Theologe, ♦ am 6. März
1821 zu Warthausen (im württembergischen Oberamt Biberach), f am 25. Ja-
nuar 1897 zu Tübingen. — Er war der Sohn einfacher Landleute, besuchte
die Biberacher Lateinschule und das Ehinger Konvikt, studirte 1840 — 44 im
Tübinger Wilhelmsstifte Theologie und wurde am 4. September 1845 zum
Priester geweiht. Er war zunächst Vikar in Ulm, seit Mai 1846 Repetent in
Tübingen, wo er zugleich akademische Vorlesungen über philologische und
theologische Disciplinen hielt. 185 1 erhielt er einen Lehrauftrag für Päda-
gogik, Didaktik und Epistoralexegese; daneben docirte er katholisches Kirchen-
recht. 1853 wurde er ausserordentlicher Professor, 1857 Doctor theologiae
und im September desselben Jahres Ordinarius; das Kirchenrecht gehörte nun
auch zu seinem Lehrauftrag. In den ersten Jahren seiner Docentenlaufbahn
verwandte er seine ganze Kraft auf die umfassenden Vorlesungen, die er zu
halten hatte. Er stellte dafür auf's sorgfältigste ausgearbeitete Collegienhefte
her, nach denen er sich genau richtete. Später entfaltete er auch eine reiche
literarische Thätigkeit. Er gehörte zu den eifrigsten Mitarbeitern und Redak-
Kober. Knosp. 277
teuren der (Tübinger) Theologischen Quartalschrift. Seine meisten Aufsätze
bezogen sich auf das Kirchenrecht und im besonderen auf das kirchliche
Strafrecht. Dieses behandelte er in einer Folge von drei bedeutsamen Schrif-
ten: »Der Kirchenbann« (1857), »Die Suspension der Kirchendiener« (1862),
»Die Deposition und Degradation« (1867). An geschichtliche Auseinander-
setzungen knüpfte er jedesmal ausfuhrliche Darlegungen des bestehenden
Rechtes. Diese gediegenen, nur etwas zu breiten Arbeiten sind erst von den
entsprechenden Partien in Hinschius* Kirchenrecht überholt worden. K. zeigte
sich in seinen Forderungen für Freiheit der katholischen Kirche stets maass-
voll und auf Wahrung des confessionellen Friedens in Württemberg bedacht.
Bei CoUegen und Schülern genoss er Liebe und Verehrung. Er war freund-
lichen und wohlwollenden Wesens, wenn auch zurückhaltend und wortkarg,
hierin und auch sonst ein echter Schwabe. Er klebte an der Scholle und
kam über die Grenzen seiner engeren Heimath kaum je hinaus. Zeichen äus-
serer Anerkennung brauchte er nicht zu missen. 1878 wurde er zum Rektor
der Universität für das nächste Studienjahr gewählt, 1895 beging er sein fünf-
zigjähriges Priesterjubiläum. Schon damals kränkelte er, im folgenden Sommer
musste er sich pensioniren lassen. Ende October traf ihn ein Schlaganfall,
der ihn der Sprache beraubte. Er hatte noch ein Vierteljahr zu leiden. Am
28. Januar 1897 wurde er in Tübingen mit akademischen Ehren zu Grabe
getragen.
Professor Dr. Sägmüller in Theologische Quartalschrift, 79. Jahrg. (1897) S. 569 bis
579; zerstreute Zeitungsnotizen.
Werke u. Schriften s. Börsenbl. f. d. Deutschen Buchhandel 1897, No. 32.
Rudolf Krauss.
Knosp, Rudolf (von), Grossindustrieller, * am 22. Juni 1820 zu Ludwigs-
burg, f am 26. März 1897 zu Stuttgart. — Er besuchte das Lyceum seiner
Vaterstadt und die Gewerbeschule Stuttgarts, trat dann in ein hauptstädtisches
Indigogeschäft als Lehrling ein und war bei demselben später als Commis
und Reisender angestellt. Nach seiner 1845 erfolgten ehelichen Verbindung
mit Sophie Schmid aus Basel begründete er in Cannstatt eine eigene Firma,
die, bald nach Stuttgart verlegt, von den kleinsten Anfangen aus allmählich
grossartigen Umfang gewann. Durch Intelligenz, Thatkraft und Ausdauer
schwang sich K. zu einem der ersten und reichsten deutschen Handels-
herrn empor. Er rief die deutsche Anilinindustrie in's Leben, indem er zu-
nächst die zuvor nur in Frankreich betriebene Fabrikation verschiedener Indigo-
stoffe einführte und dann zur Fabrikation von Theerprodukten überging. Die
von ihm hergestellten Erzeugnisse wurden auf mehreren Weltausstellungen
ausgezeichnet. 1873 vereinigte K. sein Geschäft (zugleich mit dem Heinrich
Siegle'schen in Stuttgart) mit der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Lud-
wigshafen a. Rh. Diesem grössten deutschen, den Weltmarkt beherrschenden
Farbenfabrikations- Geschäfte widmete er fortan als Vorsitzender des Verwal-
tungsrathes seine Kräfte. Ausserdem war er stets bemüht, die württembergi-
sche Industrie' durch Rath und That zu unterstützen und zu heben. An
zahlreichen Unternehmungen und Gründungen betheiligte er sich finanziell,
w4e als Vorsitzender oder Mitglied des Aufsichtsrathes. Mit lebhaftem Inter-
esse für alle politischen und Verwaltungsangelegenheiten ausgerüstet, entzog
er sich den an ihn herantretenden öffentlichen Pflichten nicht. Er gehörte
1865 — 71 dem hauptstädtischen Gemeinderath an, ebenso längere Zeit dem
Handels- und Oberhandelsgerichte, zu Ende der sechziger Jahre den\ Ge-
284 Stölzel. N. Diez. J. Ch. Diez.
Stölzel, Otto, Generalmajor, ♦am 13. Januar 1813 zu Offenburg, j am
17. März 1897 zu Karlsruhe. — Im badischen Kadettenhaus als Sohn eines
Gendarmerie -Rittmeisters erzogen, wurde er 1841 Lieutenant, 1847 Ober-
lieutenant, 1855 Hauptmann, 1859 erster Adjutant beim Gouvernement Ra-
statt, 1864 Major. In dieser Stellung machte St. den Krieg von 1866 mit.
1870 als Oberstlieutenant zum Kommandeur des aus I^andwehrtruppen ge-
bildeten Besatzungsregiments in Rastatt ernannt, wurde er an Stelle des am
18. December bei Nuits gefallenen Obersten v. Renz zum Obersten und Kom-
mandeur des 2. Infanterie-Regiments befördert und machte als solcher die
Kämpfe an der Lisaine mit. 187 1 trat er in dieser Stellung in die könig.
preuss. Armee über. 1873 erhielt er den erbetenen Abschied aus dem aktiven
Dienst. 1875 wurde er zum Kommandeur des badischen Gendarmeriecorp«;
ernannt, welche Stellung er, zum Generalmajor befördert, inne hatte, bis ihn
zunehmende körperliche Leiden 1891 zwangen, in den Ruhestand zu treten. Er
war als tüchtiger und kenntnissreicher Officier und lauterer Charakter allgemein
hochgeschätzt.
Diez, Nikodemus, katholischer Pfarrer in Stockach (Baden), * zu Katten-
hom am Bodensee am 10. October 1806, f am 3. Januar 1897 zu Stockach.
— Armer Rebleute Sohn, kam D. erst im Alter von 18 Jahren an da5
Gymnasium in Konstanz und fristete sein Leben durch Stundengeben an jün-
gere Schüler und durch Unterstützungen wohlgesinnter Geistlicher (darunter
des Bisthumsverwesers v. Wessenberg und des späteren Freiburger Erzbischofe
V. Vicari) und Konstanzer Bürger. Seine weitere Vorbereitung erhielt er an
der Universität Freiburg und dem dortigen Priesterseminar. 1834 empfing
er die Priesterweihe, und er hatte das Glück, 1894 den 60. Jahrestag der-
selben in voller Rüstigkeit zu feiern. Nach dreizehnjährigem Wirken als
Vicar und einjährigem als Pfarrverweser wurde D. 1847 Kaplan in ViDingen
und Vorstand der dortigen höheren Bürgerschule. Mit grosser Entschieden-
heit trat er in den Jahren 1848/49 der revolutionären Bewegung entgegen
und gewann dadurch das Vertrauen der Civil- und Militärbehörden, welches
ihm möglich machte, seinen Einfluss zu Gunsten der ViUinger Bürgerschaft
geltend zu machen, als die Reaction hereinbrach. 1850 wurde D. Pfarrer
in Nenzingen, das er 1866 mit Stockach vertauschte, wo er von nun an
bis an sein Lebensende segensreich wirkte. D. war ein Priester, der im
Wessenberg' sehen Geiste seines Amtes waltete, sich aber doch nie in direk-
ten Gegensatz zu dem Kirchenregiment stellte. Für Schule, Krankenpflege
und Armenflirsorge bewies er stets ein thatkräftiges Interesse. Vom politi-
schen Leben hielt er sich grundsätzlich fem. Er genoss Vertrauen und Liebe
seiner Pfarrkinder und hohes Ansehen in weiten Kreisen und wurde auch
vom Grossherzog mehrfach ausgezeichnet. Als er im 91. Lebensjahre sich
entschlossen hatte, seine Zuruhesetzung zu erbitten und sich eben anschickte,
das Pfarrhaus, in dem er dreissig Jahre lang gehaust, mit einer Privatwohnung
zu vertauschen, nahm ihn nach kurzer Krankheit ein sanfter Tod hinweg.
Diez, Johann Christoph, katholischer Pfarrer in Walldürn (Baden), * am
II. August 1826 zu Kupprichhausen im badischen Bezirksamt Tauber-
bischofsheim, f am 12. Februar 1897 in Walldürn. — Sohn von Bauers-
leuten wählte D. aus eigenem Antrieb und aus Liebe zum geistlichen Stand
im 19. Lebensjahre 1845 das Studium und überwand durch grossen Fleiss
J. Ch- Diete. Degen. Krafft. 285
alle Schwierigkeiten, so dass er nach zehn Jahren 1855 die Priesterweihe er-
langen konnte. Von 1864 an wirkte er zuerst als Pfarrverweser, seit 1867 als
Stadtpfarrer an dem Wallfahrtsorte Walldürn. Als im Kriege von 1866 die
Cholera ausbrach, erwarb er sich um die Krankenpflege grosse Verdienste.
Während vieler Jahre war er Abgeordneter zur Kreisversammlung, seit 1872
I>ekan des Landkapitels Walldürn, über 32 Jahre stand er dem dortigen
Armenkinderhaus vor, mit besonderer Vorliebe war er in der Krankenseel-
sorge thätig. Um den Wallfahrtsort erwarb D. sich grosse Verdienste, nament-
lich auch durch die geschmackvolle Restauration der Wallfahrtskirche, wozu
die sehr bedeutenden Geldmittel zum grossen Theile durch seine Bemühungen
zusammengebracht wurden.
Degen, Ludwig, kathol. Pfarrer in Konstanz, ♦ zu Engen in Baden am
9. August 1839, f zu Konstanz am 28. Februar 1897, studirte in Konstanz
und Freiburg, wurde 1863 zum Priester geweiht, war von 1864 bis 1872
Cooperator und Pfarrverweser in Karlsruhe und — da die während des sog.
Kulturkampfes erlassene Verordnung über das Staatsexamen der Geistlichen
seine definitive Anstellung verzögerte — gleichfalls in der Eigenschaft als Pfarr-
verweser bis 1883 in Griesheim bei Offenburg, Furtwangen und Bruchsal.
1883 wurde er Stadtpfarrer in Bruchsal, 1894 Stadtpfarrer von St. Stephan
in Konstanz. Er war ein sehr unterrichteter und eifriger Priester. Mit
grosser Energie besorgte er, als den Altkatholiken in Furtwangen der Mit-
gebrauch der Pfarrkirche zugesprochen wurde, welchen die Kirchenbehörde
für unzulässig erklärte, den Bau einer Nothkirche für die Römisch - Katholi-
schen, deren festes Zusammenhalten er im Kampfe mit vielen Schwierig-
keiten durchsetzte. Eine kurze schwere Krankheit setzte seinem Leben ein
frühes Ziel.
Kraut, Wilhelm, Ludwig, Consistorialrath, Professor Dr. theoL, * am
8. Sept. 1821 in Köln, f 7. Januar 1897 zu Bonn. — Nach vollendetem
18. Jahre trat er 1839 ^^ Bonn das Studium der Theologie an, um es bis
1844 in Berlin zum vorläufigen akademischen Abschluss zu bringen. Von
da führte ihn eine wissenschaftliche Studienreise nach dem heiligen Lande —
damals ein noch recht umständliches Unternehmen. Aus ihr ging seine
Jugendschrift über »Die Topographie Jerusalems« 1846 hervor, mit der er
zugleich in Bonn als Dozent der Theologie sich habilitirte. 1850 wurde er
zum ausserordentlichen Professor ernannt, die Beförderung zum Ordinarius
folgte erst nach 9 Jahren. Auch Albrecht Ritschi, der ein Jahr jünger als
K. 1853 als Extraordinarius ihm zur Seite trat, hat bis 1860 dort auf die
ordentliche Professur warten müssen. Im Jahre 1854 Hess K. den ersten
Band seines weitangelegten Werkes: »Die Kirchengeschichte der germanischen
Völker« erscheinen. Es ist leider bei diesem ersten Theile, von den »An-
fängen der christlichen Kirche bei den Germanen«, verblieben. Erst in den
letzten Jahren hat Hauck in seiner »Kirchengeschichte Deutschlands« dasselbe
Gebiet von Grund aus und in durchaus selbständiger Durchführung zur Dar-
stellung gebracht. Nach einer Monographie über »Karl Küpper, ein Lebens-
bild aus der rheinischen Kirche« (1860) trat K. erst wieder 1876 mit einem
286 Krafft. Müller.
gemeinsam mit seinem Bruder Karl bearbeiteten Sammelwerk: »Briefe und
Documente aus der Zeit der Reformation« vor der OefFentlichkeit henor.
Daran schloss sich im Lutherjahre 1883 ^'^ gediegene Studie über »Die
deutsche Bibel vor Luther«, in der er sich ebenso als gründlichen Kenner
wie als objectiv-nüchternen Beurtheiler der römischerseits vielfach recht ten-
denziös verarbeiteten Materialien aufs neue bethätigte. Die 1886 publicine
»Geschichte der Märtyrer der evangelischen Kirche Adolph Ciarenbach und
Peter Fliesteden« (1529 in Köln verbrannt), die ich auch als sein Werk ver-
zeichnet fand, stammt jedoch aus der Feder seines Bruders Karl, der sich
— abgesehen von seiner Mitarbeit an den obengenannten »Briefen und Do-
cumenten aus der Zeit der Reformation« — als hervorragender Mitbegründer
des Bergischen Geschichtsvereins und des Bonner wissenschaftlichen Prediger-
vereins sowie der Evangelischen Bundesorganisation im Wupperthal ein hoch-
geachtetes Andenken in den Rheinlanden gesichert hat. Seit 1881 war
K. Mitglied des Consistoriums der Rheinprovinz, nachdem schon Jahrzehnte
zuvor die Leitung des evangelisch-theologischen Seminars in Bonn seiner
treuen Hand anvertraut war. So wird bei ungezählten rheinischen Geistlichen
das Gedächtniss des Brüderpaares, insbesondere des »alten Krafft« in Bonn
für lange Zeit unvergessen bleiben.
Kohlschmidt.
Müller, Ferdinand Gottlob Jacob (von), evangelischer Theologe, * am
9. Juni 18 16 zu "Winnenden (im württembergischen Oberamt Waiblingen\
f am 2. Februar 1897 zu Stuttgart. — M.'s Vater war Besitzer einer Kunst-
und Schönfärberei in Winnenden, und in der Lateinschule dieser Stadt
empfing der Knabe seinen ersten Unterricht. Dann wurde er in Blaubeuren
auf das sog. Landexamen vorbereitet, nach dessen Erstehung er 4 Jahre lang
das niedere Seminar Urach besuchte. Herbst 1834 begann er als Zögling
des Tübinger Stifts seine theologischen Studien, die er Herbst 1838 durch
die erste Dienstprtifung mit glänzendem Ergebniss zum Abschluss brachte.
Nach zweijähriger Vikariatszeit in Mössingen (Oberamt Rottenburg) unternahm
er eine einjährige Bildungsreise nach Norddeutschland, Holland, Schweden;
in den Universitätsstädten Bonn und Berlin hielt er sich längere Zeit auf und
hörte in letzterer Vorlesungen Schelling's. Februar 1842 in die Heimath
zurückgekehrt, fand er zunächst wieder im praktischen Kirchendienste provi-
sorische Verwendung und versah dann von Juli 1843 ^^s September 1845
die Stelle eines Repetenten am Tübinger Stift. 1844 erhielt er in der zweiten
theologischen Dienstprüfung die höchste Note. Von Stuttgart aus, wo er
vorübergehend Stadtvikar war, wurde er vom Fürsten von Hohenlohe-Langen-
burg als Patronatsherrn zum Stadtpfarrer von Langenburg ernannt. December
1845 übernahm er das Amt, das er, seit 1847 ^^^ ^^^ Leitung der Diöcese
betraut und seit 1852 Dekan, über 8 Jahre segensreich und im innigsten
Verkehre mit der fürstlichen Familie verwaltete. Einen Ruf auf eine ordent-
liche Professur an der Universität Königsberg lehnte er ab, da er praktische
Wirksamkeit einer bedeutenden wissenschaftlichen Stellung, der er übrigens
wohl gewachsen gewesen wäre, vorzog. Am 14. Februar 1847 vermählte er
sich mit Marie Schelling, einer Tochter des Obermedicinalraths Schelling in
Müller. Nördlinger. 287
Stuttgart und Nichte des Philosophen; die glückliche, mit 4 Söhnen und
4. Töchtern gesegnete Ehe wurde schon 1862 durch den Tod der Gattin ge-
löst. 1853 kam M. als Garnisonpfarrer nach Stuttgart, und bald begann er
in der Hauptstadt eine Wirksamkeit im grossen Stile zu entfalten. Zu seinem
Ha.\iptamte eignete er sich vermöge äusserer und innerer Eigenschaften vor-
zuglich. Nachdem er 1868 zum Feldprobst und Prälat ernannt und mit der
Inspection und Leitung des evangelischen Feldprobstei-Sprengels beauftragt
worden war, traf er im Krieg 1870/71 umfassende Fürsorge für die geistliche
Nahrung der im Felde stehenden wtirttembergischen Truppen. Dann galten
seine Bemühungen der Errichtung einer neuen Gamisonkirche in Stuttgart
statt der alten, wenig würdigen; 1874 wurde der Bau beschlossen und 1879
das stattliche, im romanischen Stil aufgeführte Gotteshaus eingeweiht. Wie
als Prediger und Seelsorger entfaltete er auch eine erspriessliche Thätigkeit
als religiöser Lehrer sowohl für die Jugend als für die Erwachsenen durch
KLinderlehre, Confirmandenunterricht, abendliche Versammlungsstunden; eine
Zeit lang ertheilte er auch Religionsunterricht an der Oberrealschule und am
Polytechnikum. Schon 1855 ^^ ^^^ theologische Prüfungscommission des
k. evangelischen Consistoriums berufen, wurde er 1861 als Oberconsistorial-
rath Mitglied dieser Behörde und betheiligte sich Jahrzehnte lang mit Energie
am württembergischen Kirchenregimente. Namentlich stellte er seine organi-
satorischen Talente in den Dienst des höheren Mädchenschulwesens. 1877
übernahm er die Vorstandschaft der hierfiir neugeschaflfenen Commission,
nachdem er bereits 1865 Commissär beim k. Catharinenstift und 1873 bei
dem damals gegründeten Olgastift geworden war. Eine besonders verdienst-
liche Schöpfung M.'s ist das mit dem Catharinenstift in Verbindung stehende
höhere Lehrerinnenseminar. Neben allen amtlichen Würden und Bürden fand
der vielseitige und arbeitsfrohe Mann noch Zeit und Lust, am Stuttgarter
Vereins- und Armenwesen den regsten und thatkräftigsten Antheil zu nehmen.
Er that dies im engen Bunde mit der hochseligen Königin Olga von Württem-
berg, deren volles Vertrauen und hohe Gunst er bis an ihren Tod ge-
noss. Ende 1895 beschloss M., dessen Körperkräfte erschöpft waren, seine
öffentliche Wirksamkeit, der es an Anerkennungen und Belohnungen aller Art
nicht gefehlt hat. Eine längere Leidenszeit erwartete ihn nun, so dass der
Tod als ein Erlöser erschien. M. war kein pietistischer Eiferer, aber ein
fester und überzeugter Christ von würdevollem Ernste im Wesen, daneben
von weltmännischer Gewandtheit im Auftreten.
Nach dem ausführlichen Nekrolog in der Schwäbischen Kronik vom 13. März 1897
(Sonntagsbeilage) und 17. März 1897 (Mittwochsbeilage).
Rudolf Krauss.
Nördlinger, Hermann (von), Dr., Oberforstrath und Professor, ♦am 13. Au-
gust 1818 zu Stuttgart, f am 19. Januar 1897 zu Ludwigsburg. — Der Vater
N.'s, Oberfinanzrath Julius N., war im württembergischen Finanzministerium lang-
jähriger Referent fiir Forstwesen, so dass der Knabe schon frühzeitig Gelegen-
heit hatte, sich für seinen künftigen Beruf zu interessiren. Nachdem er das
Stuttgarter Gymnasium besucht, auf der dortigen polytechnischen Schule seine
mathematischen Kenntnisse vervollständigt und sich im praktischen Forstdienst
etwas umgesehen hatte, studirte er 1838 — 1840 in Tübingen, wo er der
Burschenschaft angehörte, Forst- und Naturwissenschaften, und 1840/41 in
Hohenheim Forst- und Landwirthschaft, war 1841/42 Praktikant beim Forst-
288 Nördlinger.
amt Bebenhausen und erstand 1842 das Staatsexamen. Alsbald erhielt er
einen Ruf als Professor der Forstwirthschaft an die ficole Regionale d*Agri-
culture de Grand- Jouan in der Bretagne (Departement Loire-Inf(^rieure). Ehe
er seine neue Stelle antrat, hielt er sich ein Semester in Nancy zum Besuche
der dortigen Forstschule und kurze Zeit in Paris auf. Von Frühjahr 1843
bis Herbst 1845 lehrte N. in Grand- Jouan, zugleich seinen französischen Auf-
enthalt zu wissenschafdichen Reisen im Lande benutzend. Dann übernahm
er die zweite forstwirthschaftliche Professur an der württembergischen Akademie
Hohenheim. Nachdem er hierauf einige Jahre im praktischen Staatsforst-
dienste zu Oberstenfeld, Kirchheim unter Teck und Schorndorf verbracht
hatte, kehrte er 1855 als erster forstwirthschaftlicher Professor nach Hohen-
heim zurück, mit welchem Posten die Verwaltung des dortigen Forstreviers
verbunden war. Sein Lehrauftrag erstreckte sich auf Forstbotanik, Forstschuu,
Forsteinrichtung und Staatsforstwirthschaftslehre. In den beiden erstgenannten
von ihm bevorzugten Fächern leistete er besonders Bedeutendes. 1866 erhielt
er den Titel eines Forstraths. An der Agitation zu Gunsten der Rückver-
legung des Forststudiums nach Tübingen nahm er lebhaften Antheil und
siedelte, als dieses Ziel erreicht war, 1881 dorthin als ordentliches Mitglied
der staatswissenschaftlichen Facultät über. 1887 trat er vorgerückten Alters
wegen als Oberforstrath in den Ruhestand, behielt jedoch noch bis 1891
einen Theil seines Lehrauftrags bei. Seine geistigen Kräfte zerfielen in den
letzten Jahren, und er fiel schwerem Siechthum anheim; ausserdem trübte
Familienunglück seinen Lebensabend. Er wurde am 22. Januar 1897 in
Tübingen mit academischem Gepränge zu Grabe getragen. Auch im Leben
hatte er Ehrungen in Fülle erfahren. Schon 1851 hatte ihn die Tübinger
Hochschule zum naturwissenschaftlichen Doctor creirt. Orden, Mitglied-
schaften gelehrter Gesellschaften kamen hinzu. Er war femer langjähriger
Präsident des württembergischen Forstvereins und spielte auf den Versamm-
lungen deutscher Forstmänner, die ihm wiederholt den Vorsitz übertrugen,
eine Rolle. N. hat eine emsige literarische Thätigkeit entfaltet. Als Früchte
seines französischen Aufenthaltes erschienen 1845 »Memoire sur les essences
foresti^res de la Bretagne« und 1847 »Essai sur les formations göologiques
de Grand- Jouan«. Seine deutschen Werke zerfallen in 4 Gruppen, i. 1860
gab er »Die technischen Eigenschaften der Hölzer« heraus, welches Buch
seinen wissenschaftlichen Ruf begründet hat. Auf diesem Gebiete wirkte er
bahnbrechend. Bei verhältnissmässig beschränkten Mitteln sammelte und be-
arbeitete er mit unermüdlichem Fleiss ein grosses Material. Er veröffent-
lichte mehrere Sammlungen von Querschnitten in- und ausländischer Hölzer,
so namentlich »Querschnitte von 500 Holzarten« (1852 — 1888, 11 Bände).
2. Ebenso Bedeutendes leistete er im Fache der Forstbotanik. Hierher ge-
hören folgende Arbeiten: »Der Holzring als Grundlage des Baumkörpers«
(1871), »Deutsche Forstbotanik« (1874/76, 2 Bände), sein umfassendes Haupt-
werk auf diesem Feld, »Anatomische Merkmale der wichtigsten deutschen
Wald- und Gartenholzarten« (1881), »Die gewerblichen Eigenschaften der
Hölzer« (1890), eine gedrängte Zusammenfassung seiner bezüglichen Studien.
3. Als ausgezeichneten Kenner der Entomologie bewährte sich N. in nach-
stehenden Schriften: »Die kleinen Feinde der Landwirthschaft« (1855, 2. Auf-
lage 1869), »Nachträge zu Ratzeburg's Forstinsecten (Lebensweise von Forst-
kerfen)« (1856, 2. Auflage 1880), »Die Kenntniss der wichtigsten kleinen
Feinde der Landwirthschaft« (187 1, 2. Auflage 1884). 4. »Lehrbuch des
Nördlinger. SSxinger. 280
Forstschutzes« (1884), ein stark angefochtenes Werk. Ausserdem gab er
1860 — 1870 die »Kritischen Blätter für Forst- und Jagd Wissenschaft« heraus,
deren Spalten er vorzugsweise mit eigenen Artikeln füllte. N.'s grosse wissen-
schaftliche Bedeutung gehört mehr einer vergangenen Zeit an, und seine
Leistungen sind in der Gegenwart bereits überholt.
Forstrath Graner in Forstwissenschafüiches Centralblatt (Juni) 1897, S. 291 — 297,
Allgemeine Forst- und Jagdieitung (Mai) 1897, S. 182 f., Conversationslexica.
Werke u. Schriften s. Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel 1897, No. 27.
Rudolf Krauss,
Säxinger, Johann (von), Dr., Gynäkologe, ♦am 18. Mai 1835 ^^ Aussig
in Böhmen, f am 30. März 1897 in Tübingen. — Als Sohn eines Arztes fasste
er frühzeitige Neigung zu diesem Beruf und studirte, nachdem er die Gym-
nasien zu Schlackenwerth und Prag-Kleinseite durchlaufen hatte, 1854 — 1859
Medicin an der Prager Universität. Dann wurde er auf verschiedenen Ab-
theilungen des dortigen allgemeinen Krankenhauses Assistent, später Secundär-
arzt und ging schliesslich als Assistent des genialen Gynäkologen Seyfert an
die geburtshilfliche Klinik über. Damals machte er seinen Namen in wissen-
schaftlichen Kreisen durch zahlreiche Publicationen in Fachzeitschriften vor-
theilhaft bekannt. 1862 vermählte er sich mit der den Gatten überlebenden
Rosa Trinks aus Prag; die Ehe blieb kinderlos. 1866 wurde er Assistent an
der geburtshilflichen Klinik für Aerzte. Hier erwarb er sich reiche Erfah-
rung und grosse technische Gewandtheit in seinem Fach und bildete sich
zum beliebten akademischen Lehrer aus. Junge württembergische Aerzte
pflegten sich damals nach Beendigung ihrer eigentlichen Studien nach Prag
zu begeben, um noch dort einen geburtshilflichen Kurs durchzumachen. So
wurde man im Schwabenland auf S. aufmerksam, und als 1868 die Professur
der Geburtshilfe und Vorstandschaft der geburtshilflichen Klinik an der
Tübinger Universität erledigt wurde, erhielt der junge böhmische Docent
diese Stelle, zunächst als ausserordentlicher Professor, schon seit 1869 als
Ordinarius. S. hatte in seinem neuen Wirkungskreise Gelegenheit, sein organisato-
risches Geschick zu zeigen. Die geburtshilfliche Klinik war äusserst primitiv
eingerichtet, die gynäkologische erst im Entstehen begriifen. Das alte, bau-
fällige Haus wies die schlimmsten sanitären Mängel auf, und eine fortgesetzte
Puerperalfieberepidemie wüthete darin. Der Energie S.'s gelang es schliess-
lich, befriedigende Gesundheits Verhältnisse herzustellen, so dass am 26. Septem-
ber 1886 die tausendste Wöchnerin entlassen werden konnte, ohne dass eine
in dieser langen Reihe dem Fieber zum Opfer gefallen war. Doch genügte
das alte Clinicum nicht lange mehr dem stätigen Zuwachs an Gebärenden
und Kranken. So erstand nach S.'s Angaben ein prächtiger Neubau, der 1890
bezogen wurde, die sogenannte k. Universitäts-Frauenklinik, deren gynäkolo-
gische und geburtshilfliche Abtheilungen zusammen 135 Betten hatten. Durch
sein freundliches, leutseliges Wesen machte sich S. bei seinen Patientinnen
sehr beliebt. Als Lehrer war er nicht weniger geschätzt. Für seine Wissen-
schaft begeistert, wusste er auf seine Schüler begeisternd zu wirken. Er ver-
fügte über einen klaren, fliessenden Vortrag. Er war ein vorzüglicher Dia-
gnostiker und besass jene Sicherheit des Urtheils, die allein aus grosser
Erfahrung hervorgeht. Bei allem Geschick im Operiren vermied er doch
jedes vorzeitige und überflüssige operative Eingreifen. Er war im ganzen
conservativ und hielt sich an die festen Regeln der Prager Schule fiir geburts-
Biogr. Jahrb. a. DeuUcher Nekrolog. 2. Bd. X Q
200 Säxinger. StraubenmüUer.
hilfliches Handeln. Die Wichtigkeit dieser machte er auch seinen Schülern
einleuchtend, deren Erfahrung und Anschauung er mit der grössten Liberalität
förderte, und die er so hauptsächlich zu tüchtigen Praktikern heranzog. Er
selbst trat litterarisch nur noch mit einigen kleineren Arbeiten hervor. Seine
Absicht, eine geburtshilfliche Operationslehre erscheinen zu lassen, wurde nicht
ausgeführt. Doch wurde das wissenschaftliche Material seiner Klinik in vielen
Dissertationen von Schülern und in Arbeiten von Assistenzärzten verwerthet
S. war lange Jahre Mitglied des academischen Verwaltungsausschusses, Vor-
stand der medicinischen Prüfungscommission, 1882/83 Rector magnificus,
zuletzt Senior seiner Facultät. Durch Ordensverleihungen und andere Ehrun-
gen fand sein Wirken Anerkennung. November 1893 feierte er das Jubiläum
seiner ftinfundzwanzigjährigen Lehrthätigkeit in Tübingen. Um das geseüige
Leben des Universitätsstädtchens erwarb er sich, namenüich als Vorstand der
Museumsgesellschaft, Verdienste. Im März 1897 wurde der scheinbar kern-
gesunde Mann von einer Bauchfellentzündung befallen, der er binnen 1 4 Tagen
erlag. Die irdischen Reste wurden nach Prag gebracht und in der dortigen
Familiengruft beigesetzt.
HaafT in Medicinisches Correspondenzblatt des Wttrttembergischen äntlicheo Landes*
Vereins, Bd. LXVII (1897), No. 37, S. 337— 341 (mit Bildniss), Schwabische Kronik Tom
5. April 1897 (Abendblatt).
Rudolf Krauss.
StraubenmüUer, Johann, Schulmann und Dichter, * am 1 1 . Mai 1 8 1 4 zu
Schwäbisch Gmünd, f Anfangs November 1897 zu New-York. — Das zwölfte
Kind eines Handwerkers, wurde er für den Lehrerstand bestimmt. Nach Ab-
solvirung des katholischen Schullehrerseminars amtete er zu Ellwangen, Stutt-
gart, Gmünd und Horb. Bald nahm er an der politischen Bewegung theil
und verlieh in Gedichten, die namentlich durch Hermann Kurz* Vermittelung
in Lewald's Europa, doch auch in sonstigen Tagesblättem Aufnahme fanden,
seinen Gesinnungen lebhaften Ausdruck. Es ging sogar das (rerücht, er rüste
eine Freischaar aus, mit der er sich am badischen Aufstande betheiligen
wolle. So wurde ihm der Process gemacht, der damit endigte, dass er zur
Auswanderung »begnadigt« wurde. Vergebens bemühten sich CJönner St. 's,
ihm eine Stelle in der Schweiz zu verschaffen. Als ihm eine Unterkunft an
einer Stuttgarter Lehranstalt in Aussicht stand, hinderte es der Minister
Duvemoy mit der Erklärung, solange der StraubenmüUer im Lande sei, gebe
es keine Ruhe. So musste er sich zur Uebersiedelung nach Amerika ent-
schliessen, die er 1852 mit Weib und Kind bewerkstelligte. Er erhielt in
Baltimore den Posten eines Lehrers und Organisten der St. Michaelsgemeinde.
1863 wurde er Director der »Freien deutschen Schule« in New-York. Je
Weniger er seine Ideale in Amerika verwirklicht fand, mit desto treuerer Liebe
hing er an seiner alten Heimat. Er wirkte darum nach Kräften für Ver-
breitung deutscher Sprache und Sitte in Nordamerika. Als Dichter gehörte er
zu den bescheidenen Talenten. Er veröffentlichte 1848 »Gedichte für Lehrer^,
1851 »Kinderlieder« (mit eigenen Compositionen), 1859 die erzählende Dich-
tung »Pocohontas, oder: Die Gründung von Virginien«, 1867 »Gedichte fiir
die liebe Jugend« und 1889 gesammelte Gedichte unter dem Titel »Herbst-
rosen«.
Franz Brilmmer, Lexicon der deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhunderts,
4. Aus e, IV, S. 164 f., zerstreute Zeitungsnotizen.
Rudolf Krauss.
Freiherr von Reitzenstcin.
291
Rdtzenstein, Friedrich Freiherr von, * am 26. März 1834 in Berlin,
f am 4. Februar 1897 im 63. Lebensjahre zu Freiburg i. B. — Ein Mann,
der sich durch seine Bestrebungen auf gemeinnützigem Gebiete ein unver-
gängliches Verdienst erworben hat. R. ward als Sohn des Majors Freiherm
Karl von Reitzenstein geboren, besuchte, nachdem er die Reifeprüfung am
Gymnasium schon mit 16 Jahren bestanden, die Universitäten Berlin und Halle,
war als Referendar bei der Regierung in Königsberg thätig, desgleichen
längere Zeit als Assessor, bis er zum zweiten Bürgermeister dieser Stadt ge-
wählt wurde, wo er reiche Gelegenheit zu einem verdienstvollen Wirken
fand. In dieser konmiunalen Stellung verheirathete sich R. mit der Freiin
Claudia von Reitzenstein aus München. Nach dem deutsch -französischen
Kriege wurde er als Ober-Regierungsrath nach Metz berufen und in Anerkennung
seiner besonderen Bewährung unter schwierigen politischen Verhältnissen im
Jahre 1877 zum Bezirkspräsidenten von Lothringen ernannt. Von diesem Amte
trat er jedoch bereits nach drei Jahren aus Gesundheitsrücksichten zurück, um
sich nunmehr dauernd in Freiburg i. B. niederzulassen und dort bis zu seinem
Ableben ganz in den Dienst wissenschaftlicher und praktischer Untersuchungen
auf dem Gebiete der öffentlichen Wohlfahrtspflege zu stellen.
In besonders hervorragender Weise widmete er seine Zeit und Kraft den
Bestrebungen des »Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit«,
dessen erster stellvertretender Vorsitzender er bis zu seinem Tode war, des-
gleichen als Ausschussmitglied dem »Verein für Socialpolitik«. Er gab den
ersten Anstoss zu der 1892 erfolgten Gründung der »Arbeitsnachweis-Anstalt«
in Freiburg i. B. ; auch ihrem Vorstande gehörte er bis zuletzt an. Ausserdem
war er Mitglied des evangelischen Kirchengemeinderaths, des evangelischen
Arbeitervereins, des Arbeiterbildungsvereins, des Vereins gegen Haus- und
Strassenbettel, der Herberge zur Heimath, des Schutzvereins flir entlassene
Strafgefangene u. a. m. (sämmtlich zu Freiburg i. B.).
R. war ein Mann von unermüdlicher Schaffenskraft ; selbst während seines
Lebensabends beschäftigte er sich ununterbrochen mit ernsten, vielfach grund-
legenden wissenschaftlichen Arbeiten, die ihn bald in die Reihe der Führer
auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege und Socialpolitik führten.
Von seinen, vorwiegend in fachlichen und wissenschaftlichen Sammel-
werken erschienenen zahlreichen Schriften heben wir folgende hervor:
1. Die Armengesetzgebung Frankreichs in den Gnindzügen ihrer historischen Ent-
wickelung. Leipzig 1881. (Sonderabdruck aus dem Jahrbuche für Gesetzgebung, Ver-
waltung und Volkswirthschaft.)
2. Agrarische Zustände in Frankreich und England. Auf Grund der neuen Enqueten
dargestellt von F. Frhr. v^ Reitzenstein und Erwin Nasse. Leipzig 1884. (A. u. d. T.:
Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. XXVU.)
3. Die ländliche Armenpflege und ihre Reform. Verhandlungen des deutschen Ver-
eins für Armenpflege und Wohlthätigkeit, sowie der von ihm niedergesetzten Kommission.
Im Auftrage des Vereins und der Kommission herausgegeben von F. Frhr. y. Reitzenstein.
2 Theile und Anhang in i Bande. Freiburg i. B. 1887.
4. Beschäftigung arbeitsloser Armer und Arbeitsnachweis. Freiburg i. B. 1887.
5. Das deutsche Wegerecht in seinen Grundzügen. Mit Erweiterungen versehener
Abdruck aus »Stengel, Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts«. Freiburg i. B. 1890.
Dasselbe, zweite mit einem Nachtrag versehene Ausgabe. Ebenda 1892.
6. Arbeiterversicherung, Armenpflege imd Armenreform. Sondergutachten über die
Präge: In welcher Weise wirkt die neue soziale Gesetzgebung auf die Armengesetzgebung
und Armenpflege ein? zu dem von Freund dem deutschen Verein für Armenpflege etc.
erstatteten Referate verfasst. Freiburg i. B. 1895.
19*
202 Freiherr von Reitzenstein. Bardey.
Die letzten beiden Lebensjahre lÄidmete der Verstorbene vorwiegend der
Frage des Arbeitsnachweises, für die er ein ungewöhnlich reiches Material
gesammelt hatte. Das Ergebniss dieses Studiums erschien nach seinem Tode
unter dem Titel:
7. Der Arbeitsnachweis. Seine Entwickelung und Gestaltung im In- und Auslände.
Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben von Dr. Rieh. Freund. Berlin 1897. (.t
u. d. T.: Schriften der Centralstelle für Arbeiter- Wohlfahrtseinrichtungen, No. ii.)
Zu erwähnen wären auch noch die seit 1891 von Reitzenstein mündlich
zu Beginn der Jahresversammlungen des Deutschen Vereins für Armenpflege
und Wohlthätigkeit erstatteten, sodann am Eingange der Verhandlungen (zu-
letzt für 1895) abgedruckten Berichte über
8. »Die neueren Entwickelungen und Bestrebungen, welche im Gebiete des Armefi-
Wesens bei den für Deutschland wichtigsten Staaten des Auslandes hervorgetreten sind.«
Auch in dem Dresdener »Helfer«, sowie in der dortigen »Social-Cor-
respondenz« finden wir viele Beiträge von ihm.
Die Tübinger staatswissenschaftliche Fakultät ernannte Fr. v. R. 188S
im Hinblick auf die wissenschaftliche Bedeutung seiner* Arbeiten zum Ehren-
doktor. Auch sonstige hohe Auszeichnungen wurden ihm zu TheiJ. Sein
Andenken wird in den weitesten Kreisen treu bewahrt bleiben.
E. Blenck.
Bardey, Ernst, Dr., ein in weiten Kreisen bekannter Schulmathematiker,
♦ am 21. Mai 1828 im Pfarrdorfe Muchow (Amt Neustadt in Mecklenburg-
Schwerin), f am I. April 1897 in Bad Stuer (in Mecklenburg) im 69. Lebenv
jähre. — B., Sohn des Pastors seines Geburtsortes, absolvirte das Gymnasium
zu Parchim und studirte dann, ganz mittellos und untei: den grössten Ent-
behrungen, nur auf Privatstunden, Konvikt imd Stipendien angewiesen — der
Vater war früh gestorben — von Ostern 1849 ^^^ 1852 in Rostock und von
Ostern 1852 bis 1855 in Königsberg, wo Richelot und Hesse Mathemad't
und Neumann Physik lehrten. Schwer an Gelenkrheumatismus erkrankt,
reiste er April 1855 ganz gelähmt nach der von seinem Bruder verwalteten
Kalt Wasseranstalt Stuer, später nach seinem Heimathsorte, wo er bis 1861
krank darniederlag. Seinen einst kräftigen Körper vermochte er nur an
Krücken mühsam fortzuschleppen. Als sich sein Zustand etwas gebessert hatte,
nahm er eine Hauslehrerstelle, erst in Neu-Stuer, dann in Hoppenrade bei
Schwerin an. Später ging er von da als Privatlehrer nach Brandenburg a./H.,
wo ein anderer Bruder als Zahnarzt ansässig war. Während seines dortigen
Aufenthalts erschienen bei B. G. Teubner in Leipzig seine »Algebraischen
Gleichungen« (1868), seine »Methodisch geordnete Aufgabensammlung über
alle Theile der Elementar- Arithmetik« (187 1) und seine »Quadratische
Gleichungen« (187 1). B. fand in Brandenburg durch Privatstunden seinen
guten Unterhalt, zumal ihm seine Bücher auch damals schon etwas Honorar
einbrachten. Doch wurde durch die angestrengte Arbeit sein Gesundheits-
zustand wieder merklich schwächer; er siedelte deshalb im Juni 1878 wieder
nach Bad Stuer über und lebte nur seinen Büchern. Im Jahre i88i gab
er noch seine »Arithmetischen Aufgaben nebst Lehrbuch der Arithmetik«
heraus. Seine Verhältnisse waren jetzt so, dass er ganz ohne pekuniäre Sorgen
leben konnte. Trotz des gebrechlichen Körpers hat B. es dann auf ein
Lebensalter von 69 Jahren gebracht, die letzten zehn allerdings wieder unter
traurigen körperlichen und auch geistigen Verhältnissen.
Bardey. Joest 203
Seinen Ruf als Schulmathematiker hat B. durch seihe beiden arithme-
tischen Aufgabensammlungen begründet. Die grosse »Methodisch geordnete
Aufgabensammlung« ist gegenwärtig in 23, die kleinere Ausgabe in 10 Auf-
lagen an einem grossen Theile der höheren Schulen Deutschlands verbreitet;
die früher vielgebrauchten und berühmten Sammlungen von Meier Hirsch und
Heis sind durch diese zu einem guten Theil verdrängt. Ihr wesentiicher Vor-
zug bestand darin, dass sie mehr als jene plan- und stufenmässig vom Leichten
zum Schwierigen, vom Einfachen zum Verwickelten fortschreiten. Ohne
Zvreifel hat B., obgleich ganz ausserhalb des öfFentiichen Schuldienstes stehend,
einen grossen Einfluss auf den Unterricht in der Arithmetik und Algebra
Vfc'ährend der letzten drei Jahrzehnte ausgeübt, und in einer Geschichte des
mathematischen Unterrichts wird sein Name immer mit Ehren genannt
werden.
Vgl. Hoffmann's Zeitschrift für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht
1897, 28. Jahrg., 5. Heft, S. 392—395 und 1898, 29. Jahrg., 4. Heft, S. 241—259, mit Portr.
W. Wolkenhauer.
Joest, Wilhelm, Professor, Dr., Ethnolog und Forschungsreisender, ♦ am
15. März 1852 zu Köln als Sohn des Geh. Kommerzienraths Eduard Joest,
f am 25. November 1897 auf der zu Melanesien gehörigen Santa Cruz-Insel
im besten Mannesalter. Im Mai 1897 hatte er Berlin verlassen, um auf drei-
jährigen Reisen weniger bekannte Inseln des Grossen Ozeans zu besuchen.
Da kam noch vor Schluss des Jahres die traurige Kunde, dass er auf den
Santa Cruz-Inseln, im Norden der Neuen Hebriden, einem Herzschlag er-
legen sei.
Nach Ablegung des Abiturientenexamens trat J. als Freiwilliger in das
Königshusarenregiment zu Bonn ein, um in diesem 1870 den Krieg gegen
Frankreich mitzumachen. Seinen Neigungen folgend studirte er nach Beendi-
gung des Krieges in Bonn, Heidelberg und Berlin Naturwissenschaften und
Sprachen, wobei schon damals seine Vorliebe für Länder- und Völkerkunde
sich zeigte. Da ihm die grossen Mittel seines Vaters die freiste Bewegung
gestatteten, so ging er nach beendigten Studien auf Reisen, die ihn nach
allen Erdtheilen führten und auf denen er sich zu einem tüchtigen Ethno-
graphen ausbildete. J.'s erste grosse Reise (1874) war Aegypten und anderen
afrikanischen Mittelmeerländern zugewandt. Von 1876 bis 1879 besuchte er
dann Nordamerika, Kanada, Mexiko, Mittelamerika, Peru, Bolivia, die Ata-
camawüste, Chile, die Magellanstrasse, Buenos-Aires, ging über die Kordilleren
nach Valparaiso und Santiago und wieder zurück nach Buenos-Aires; es
folgten Uruguay, Paraguay und Rio Grande do Sul mit seinen deutschen An-
siedelungen. Ueber Rio de Janeiro und Pemambuco kehrte J. 1878 nach
Europa zurück. Kaum hatte er in der Heimat seine ethnographischen und
naturwissenschaftlichen Sammlungen geordnet, als er seine zweite Reise an-
trat, die nach Asien gerichtet war. Er begab sich zuerst nach Ceylon, durch-
reiste dann Indien bis zum Himalaya, begleitete das britische Heer 1879 ^^^
dessen Feldzuge nach Afghanistan, ging nach Birma und Siam, beschäftigte
sich auf Bomeo, Ceram, Celebes mit dem Studium der wilden Völkerstämme,
wohnte dem Kriege der Holländer gegen Atschin bei, durchreiste Kambodscha
und die Philippinen und lebte längere Zeit auf Formosa. Von Peking aus
unternahm er dann einen Ausflug in die Mongolei, besuchte Japan und kehrte
1881 vom russischen Hafen Wladiwostok durch die Mandschurei, Mongolei
und durch Sibirien nach Köln zurück. Die Berichte, die J. von den einzelnen
294 Joest. Baumgarten.
Haltestellen auf seiner Weltreise in die Heimat schickte (zum grossen TheÜ
in der »Kölnischen Zeitung« erschienen), machten ihn rühmlich bekannt- Den
letzten Abschnitt seiner Weltreise schilderte er in dem Buche »Aus Japan
nach Deutschland durch Sibirien« (Köln 1883) ^^ lebendigen Farben und oft
mit kräftigem Humor, dabei häufig eine scharfe Kritik übend. Mit seiner Studie
»Das Holontalo, Gossen und grammatische Skizzen. EÜn Beitrag zur Kennt-
niss der Sprachen von Celebes« (1884) erwarb er sich noch nachträglich
1883 in Leipzig den philosophischen Doktortitel.
Nachdem J. während des Winters 1882/83 unter Bastian's, KJepert's
und Virchow's Leitung seine wissenschafdichen Kenntnisse noch durch ein-
gehende Studien ergänzt hatte, trat er Ende 1883 seine dritte Reise an.
Afrika und die Südsee-Inseln waren sein Ziel. Nachdem er zunächst Madeira,
dann ein Jahrlang das südliche und östliche Afrika bereist hatte, zwangen
ihn fortwährende heftige Fieberanfalle, seine Südseereise vorerst aufeugeben.
Seine von dieser Reise an die »Kölnische Zeitung« gerichteten und Aufeehen
erregenden Berichte erschienen überarbeitet und erweitert 1885 unter dem
Titel »Um Afrika« als ein selbständiges Buch.
Es entstand nun eine längere Pause in den Reisen J.*s. Im März 18S5
verheirathete er sich und nahm seinen Wohnsitz in Berlin, wo er sich ein
neues prächtiges Haus einrichtete, das er mit dem kunstgewerblichen Theile
seiner gesammelten Schätze in einer so originellen, aber gefalligen und an-
heimelnden Weise ausschmückte, dass seine Wohnung zugleich einem kleinen
Museum glich. Den grössten Theil seiner ethnographischen Sammlung
schenkte er an die Museen in Berlin, Dresden, Karlsruhe, Braunschweig,
Leyden, Kopenhagen u.a. Er selbst widmete sich nun vor allem der wissen-
schafUichen Bearbeitung seiner eingeheimsten Schätze. Von seinen selbst-
ständigen Werken seien hier noch folgende aufgeführt, zunächst das grosse
Prachtwerk »Tätowiren, Narbenzeichnen und Körperbemalen« (Berlin 1887);
es folgten dann: »Die aussereuropäische deutsche Presse, nebst einem Ver-
zeichniss sämmtlicher ausserhalb Europas erscheinenden deutschen Zeitungen
und Zeitschriften« (Köln 1888); »Spanische Stiergefechte. Eine kulturge-
schichtliche Skizze« (Berlin 1889); »Weltfahrten« (3 Bände, Berlin 1895), ^^"^
Sammlung von wissenschaftlichen Aufsätzen, meist ethnographischen Inhalts.
Im Beginne des Jahres 1889 unternahm J. abermals eine grössere Reise,
die ihn noch einmal nach Südamerika, und zwar nach Guayana, fuhren sollte.
Die von dieser Reise mitgebrachten reichen Sammlungen schenkte er wieder
dem Berliner Museum für Völkerkunde, die wissenschaftlichen Ergebnisse legte
er in der Schrift »Ethnographisches und Verwandtes aus Guyana« (Leyden
1893) nieder. Von seiner letzten Reise sollte er nicht zurückkehren; zu früh
für die Wissenschaft ist er auf jener einsamen Südseeinsel von uns geschieden.
Zumal die deutschen ethnographischen Sammlungen sind J. zu grossem Dank
verpflichtet.
Vgl. Globus, LXXIII. Bd., 1898, mit Porträt; ferner Deutsche Rundschau für Geogr.
u. Statistik, 1887, IX, mit Porträt.
W. Wolkenhauer.
Baumgarten, Johannes^ Dr., Professor am Gymnasium in Koblenz,
♦ am 29. September 1829 zu Aachen, f am 22. April 1897 daselbst im
Alter von 75 Jahren. — Er galt für einen der besten Kenner der französi-
schen Sprache und Literatur. B. studirte in Bonn und war dann längere
Zeit in Belgien und Frankreich; 1859 ward er Lehrer am Koblenzer Gytn-
Baumgarten. Liebenow. Wolter. ^oe
nasium. B. war schriftstellerisch ausserordentlich thätig. Von seinen sprach-
lichen Arbeiten sind zu nennen: Glossaire des idiomes populaires du Nord et
du Centre de la France; La France comique et populaire; Anthologie poly-
technique et militaire; Les Myst^res comiques de la province; La France
contemporaine ; A travers la France nouvelle; La France qui rit u. a. Auch
mehrere Reiseschilderungen und Reiseführer veröffentlichte er, so: »Abenteuer-
leben in Guyana und am Amazonas« (2. Aufl. 1881); »Der Orient« (1882);
»Amerika« (1882); »Koblenz und seine Umgebung« (2. Aufl. 1880) u. a.
W. Wolkenhauer.
Liebenow, Wilhelm, Geheimer Regierungsrath und Titular-Professor, ein
durch seine zahlreichen Karten in weiten Kreisen bekannter Kartograph, ♦ am
13. October 1822 zu Schönfliess in der Provinz Brandenburg, f am 17. Juli
1897 zu Schöneberg bei Berlin im Alter von 74 Jahren. — L. kam 1841
nach Berlin, um bei Ritter, Dove und Mitscherlich Vorlesungen zu hören und
später, nach kurzer aktiver Dienstzeit, als Ingenieur-Geograph bei der preussi-
schen Landesaufnahme thätig zu sein. Im Jahre 1854 trat er in das preussi-
sche Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, in dem er
s])äter viele Jahre Vorstand des kartographischen Bureaus für die Eisenbahn-
abtheilung und der Plankammer für die Bauabtheilung war. In dieser Dienst-
stellung lag ihm die Bearbeitung der zahlreichen kartographischen Arbeiten
ob, die vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten herausgegeben werden,
insbesondere auch die »Karte von Centraleuropa zur Uebersicht der Eisen-
bahnen« (i. Blatt, I : 1250000), die jährlich erscheint. Bemerkenswerthe Ar-
beiten aus L.'s frühester kartographischer Thätigkeit sind seine Karten über
Galiläa für K. Ritter's Erdkunde und seine Skizzen und Modelle zu Mitscher-
lich*s Studien über die vulkanische Eifel. Nach Abtretvmg der Hohenzoller-
schen Lande an Preussen fertigte er auf Anregung Alex. v. Humboldt's eine
Specialkarte von Hohenzollem (i : 100 000, 1854) an, die Friedrich Wilhelm IV.
gewidmet wurde. L.*s umfassendstes und bekanntestes Werk ist die »Special-
karte von Mitteleuropa« im Maassstab i 1300000, in 164 Bl., lith. und koL,
Hannover 1869 — 1885. Die ersten 20 Blätter dieser Karte, die das Gebiet
zwischen Rhein und Paris darstellen, waren 1870 bei Ausbruch des Krieges
soeben erschienen und haben nach Moltke's Aeusserung ftir das rasche und
sichere Vorrücken der deutschen Truppen die wichtigsten Dienste geleistet.
Der Verstorbene war 1871 auch Mitarbeiter im Hauptquartier an der Fest-
legung der neuen deutsch -französischen Grenze. Andere bekannte Karten
von L. sind noch: Karte von Schlesien, Specialkarte vom Riesengebirge,
Karte vom preussischen Staate (6. Auflage 1876), Karte von Rheinland und
Westfalen, Verkehrskarte von Oesterreich und Ungarn, Karte von Westdeutsch-
land u. a. Bei seinem Uebertritt in den Ruhestand im Jahre 1894 wurde L.,
nachdem er früher schon den Titel Geheimer Rechnungsrath und Professor
erhalten hatte, zum Geheimen Regierungsrath ernannt.
Vgl. Globus, 1897, LXXII. Bd.
W. Wolkenhauer.
Wolter, Charlotte, verwittwete Gräfin O'SuUivan, k. u. k. Hofschau-
spielerin am Burgtheater, ♦ am i. März 1834 in Köln a. Rh., f am 14. Juni
1897 in Wien. — Die grösste deutsche Tragödin ihrer Zeit hat aus unge-
mein ärmlichen und traurigen Verhältnissen sich emporgearbeitet; ihre Wiege
soll in der Werkstatt eines mit Kindern reicher, als mit Glücksgütern ge-
296 Wolter.
segneten Schneiders gestanden haben. Wie die schwer nachzuprüfende Fama
weiter meldet, soll sie als Zehnjährige zufällig in das Theater ihrer Vater-
stadt gekommen sein, beim Vorübergehen vom Balletmeister halb im Scherz
aufgefordert, mitzustatiren. Von Stund an Hess sie der Coulissenzauber
nicht mehr los. Mit 16 Jahren ging sie abenteuerlustig in die weite Welt.
Ihre erste Lehrerin, eine sonst wenig bekannte Burgschauspielerin Frau Gott-
dank in Wien, richtete ihr Augenmerk insbesondere auf schöne Plastik der
Bewegungen. Ihr erstes belangreicheres Auftreten fand am 25. Mai 1857 in
Ofen statt, wo sie am deutschen Festungstheater die Jane Eyre gab. Der
Director stellte bald darauf die Zahlungen ein. Die Gesellschaft wagte sich
nothgedrungen auf Wanderfahrten, die u. A. nach Stuhlweissenburg führten.
Diese Schmieren-Wirthschaft brachte der jungen W. nur Demüthigungen und
Enttäuschungen. Sie musste ihre geringen Habseligkeiten verpfänden. Gleich-
wohl sollte sie im Strassenkleid die »Jungfrau von Orleans« darstellen, und
als sie Miene machte, sich zu weigern, Hess sie der Stuhlrichter durch l>e-
waffnete Panduren auf die Bühne führen und zum Spiele zwingen. Am
nächsten Morgen war sie verschwunden, durchgegangen. Eine Weile später
taucht sie wieder in Wien auf. Hier gönnte ihr Nestroy an dem dazuniaJ
von ihm geleiteten Carltheater gegen ein Monatsgehalt von fünfzig Gulden
ein höchst bescheidenes Unterkommen für Anmelde- und Zofenrollen, die
man ihr lediglich ihrer Schönheit willen anvertraute; sonst galt sie nicht nur
für vollkommen talentios, sie war das Stichblatt schnöder Spasse für den
Director und die Modesoubretten. »Ich gehörte zu jenen Personen«, so be-
kannte hernach Anna Grobecker, »die Charlotte W. gar kein Talent zu-
trauten. Ich sah sie zum erstenmal in der Rolle eines Kammermädchens in
der »Liebschaft in Briefen« und fällte trotz ihrer bestechenden Erscheinung
ein abfälliges Urtheil. Dass sie dort nicht am Platze war, ahnte meine Weis-
heit damals nicht und so konnte ich es nicht lassen, sie nach Herzenslust
zu bekritteln. Sie trat meiner Meinung nach zu vornehm ein, geruhte einen
Brief abzugeben, warf einen gelangweilten Blick in das Publikum und ging
gravitätisch ab, als ob sie zwei Schleppträger hinter sich hätte. Mein Gott,
dachte ich, der fehlt auch alles zur Kammerzofe. Unser Regisseur, der alte
Papa Lang, gab mir auch vollständig Recht, als ich ihm sagte: j^Frl. W. ist
zwar sehr schön, aber sie hat meiner Ansicht nach keinen Funken Talent!^
Frau von Wasso witsch, unsere Anstandsdame und eine Lehrerin der W., war
ausser sich über meine Aeusserung und rief entrüstet: »Was, die W. hat
kein Talent? Sie hat Talent und sogar ein bedeutendes, von dem die Welt
noch einmal reden wird. Ihr werdet es sehen, sie mrd nächstens in Brunn
die Maria Stuart spielen«. »Na, das wird nett werden«, rief die Grobecker
und der alte Prakticus Lang stimmte lachend mit ein. Unbeirrt durch
solche Meinungen und Gegenmeinungen der Kameraden hatte der feine
Kenner und Kritiker Rudolph Valdek dem verkannten Talente seinen Bei-
stand angedeihen lassen. Im Herbst 1858 forderte ihn der Wiener Literat
Cajetan Cerri auf, sich der vielbespöttelten anzunehmen. Die W. war in-
dessen Valdek selbst schon vorher aufgefallen, sowohl durch die angeborenen,
ausserordentlichen Naturgaben, wie durch die erstaunliche Unbeholfenheit im
Gebrauch dieser elementaren Mittel der Darstellung. »Ein Kopf, dessen
Profil die schönste Kamee würde abgegeben haben, eine mittelgrosse Cxestalt
von bestem Gefüge, eine wohllautende Stimme und dabei die Schönheit wie
verschleiert durch einen gleichsam unbeweglichen Ausdruck, der Gang ver-
Wolter.
297
nachlässigt, Laut- und Satzbildung in hohem Grade mangelhaft. Was Wunder,
wenn eine Erscheinung, wo die Natur so fviel versprach und der Geist so
wenig zu halten schien, mit Befremden bemerkt und ihr Name in nicht be-
neidenswerther Weise bekannt wurde. Dabei war dieses Frl. W. nicht mehr
in der ersten Jugendblüte, denn sie stand in der Mitte der Zwanziger. Sie
war auch keine Anfängerin, denn seit wohl zehn Jahren gehörte sie der
Bühne an. Im Carltheater trat sie nur selten und stets nur in unbedeuten-
den Rollen auf. Dagegen war sie jeden Abend im Zuschauerraum zu sehen.
In der ersten Gallerie, inr der Mitte derselben, sass sie da und sah aufmerk-
sam ihren Collegen zu, die drunten Comödie spielten, wobei manchmal ein
Zug von leisem Spott über ihre Lippen glitt.« Ein oder zwei Jahre waren
in so unergiebiger Weise verstrichen, als ein Gastspiel Emil Devrients im
Carltheater eine Wende im Leben der W. herbeiführte. »Aushilfsweise«
hatte sie die Elisabeth in Richard III. zu übernehmen: »welch seltsame Ver-
wandlung! Sie sprach zwar so schlecht, wie gewöhnlich, aber mit welchem
Nachdruck. Wie edel war ihre Haltung, wie gross, frei und schön ihre
Armbewegungen!« Es hiess, sie hätte damals die Aufmerksamkeit von
Devrient erregt, wie ein ander Mal bei einem Gastspiel von Hendrichs in
»Macbeth« ihre Hexe dem Berliner Heldenspieler Eindruck machte. Ge-
holfen hätten ihr diese beiden Begegnungen wenig, wenn sie sich nicht be-
herzt entschlossen hätte, das Carltheater so schnell als möglich zu verlassen,
fleissig an ihrer Ausbildung zu arbeiten, grosse Rollen zu lernen und vor
Allem die rechte Stätte für die Bethätigung ihrer Kraft zu suchen. In diesen
Tagen wurde Valdek mit ihr bekannt. Sie wohnte unweit der Leopold-
städter Kirche sehr bescheiden in der Jägerzeile. Ausser einem halbdutzend
tragischer Rollen (Adrienne Lecouvreur, Maria Stuart etc.) lernte sie dazu-
mal auch Französisch »mit eigen thümlich gelassener Zuversicht und ohne
von ihrer sonstigen Lebenslust was abzubrechen. Zu gute kam ihr, dass
sie seit vielen Jahren mit der Bühne vertraut war. Sie wusste das Hand-
werk in der Kunst zu schätzen und mit taktfester Ausdauer auszuüben.
Manchmal kam sie mir vor, wie eine junge Wittwe, die wieder Braut ge-
worden. Sie war Schauspielerin geworden und wollte es in höherem Sinne
wieder werden.« Nun galt es vor Allem, den damaligen Director des Burg-
theaters, Laube, auf die W. aufmerksam zu machen. Es dauerte indessen
noch geraume Zeit und bedurfte wiederholter Mahnungen, bis Laube Valdek's
Wink beachtete. Als er die W. endlich, in einem Zofenröllchen, gesehen,
sagte er Tags darauf zu Valdek: »Sie haben Recht. Sie ist eine bildschöne
Person. Keine in unserem Burgtheater kann sich darin mit ihr messen.
Auch scheint Talent in ihr zu stecken. Sagen sie ihr, sie soll zu mir
kommen«. Eine lange Unterredung mit der W. bestärkte Laube in seiner
günstigen Ansicht. Nun hiess es weiter, ein Gastspiel auf einer fremden
Bühne zu veranlassen, das Laube mitmachen wollte. Valdek's erste Bemühun-
gen schlugen fehl; geradezu entrüstet schrieb ihm der Director des Breslauer
Stadttheaters: »50 Gulden für ein Debüt? Ein solches Honorar würde viel-
leicht einer Frau Rettich zugestanden, niemals aber einer unbekannten An-
fängerin, die höchstens umsonst auftreten dürfe.« »Umsonst« waren aber
näher drei (der W. vom Maler Aigner vermittelte) Gastvorstellungen in Brunn
zu haben. Als Vertrauensmann Laube's fuhr Valdek zu diesen Proberollen.
Der Erfolg war echt und stark. Das Gastspiel wurde verlängert. Vergnügt
berichtete Valdek so günstig, dass Laube beim damaligen Oberstkämmerer
298 Wolter.
Grafen Lanckoronski auf Grund dieses Gtttachtehs das' Engagement' der "W.
für das Bürgtheatef beantragte. Vergebens. Der hohe Herr gerieth bei
dem Ansinnen, die Hofbühne durch eine »Nichtberühmtheit« des Carl-
theaters zu behelligen, in drollige Entrüstung. In Folge dieser schrofifen
Abweisung musste sich die W. nach Berlin wenden, wo sie am Victoria-
theater, unter dem früheren Director der Wiener Hofoper, Comet, auftreten
sollte. Auch hier fehlte es zunächst nicht an Hemmungen. Ihre Debutrolle
musste abgesetzt werden, da der erste Liebhaber erklärte, mit »dieser Person«
schlechterdings nicht auftreten zu wollen, das sei die »personifizirte Talent-
losigkeit«. Am nächsten Tag fällt der hochnäsige Liebhaber durch, während
die W. in der Neuigkeit des folgenden Abends gefiel. Sie spielt nun Rolle
auf Rolle, singt einmal auch in einem Vaudeville, lernt eifrig unter dem
wackeren Regisseur Hein und bei Frau Perroni - Glassbrenner, und erregt
grössere Aufmerksamkeit in dem Schauspiel »Ninon de TEnclos«. In Folge
dessen räth Frau Perroni - Glassbrenner der W. , den Generalintendanten
von Hülsen zu besuchen und sich um das nach Lina Fuhr erledigte Fach
am königlichen Schauspielhaus zu bewerben. Herr von Hülsen empfangt
die Unbekannte freundlich und verblüfft sie im Verlauf des Gespräches durch
den plötzlichen Anruf: »Stehen Sie einmal auf«. Die W. meint, der Sessel
sei schadhaft geworden oder dgl. und erhebt sich eilig. Der frühere Garde-
lieutenant mustert sie einen Augenblick scharf, dann sagt er gemessenen
Tones: »Ich kann Sie nicht engagiren; Sie sind mir zu klein; auch habe ich
bereits Frau Kierschner in Betracht gezogen«. Auch einem anderen Theater-
leiter flösste die Statur der W. ursprünglich Bedenken ein. Dingelstedt war von
Weimar nach Berlin gekommen, um im Victoriatheater seine Bearbeitung
von Shakespeare's »Wintermärchen« zu überwachen. Als ihm für die Her-
mione die W. empfohlen wurde, sagte er verdriesslich zum Regisseur: »Die
soll die Hermione spielen? Sie ist für diese Rolle um einen Kopf zu klein«^.
Ruhig erwiderte Hein: »Warten Sie nur! Nach der ersten Scene wird sie
um zwei Köpfe grösser erscheinen«. Hein behielt Recht. Die Hermione der
W. wurde eine Berliner Sehenswürdigkeit. Ch^ri Maurice, der sie im Winter
1860/61 sah, engagirte sie auf diese Leistung hin sofort fest auf drei Jahre
nach Hamburg, wo sie am 19. August 1861 zum ersten Mal als Adrienne
Lecouvreur mit durchgreifendem Erfolg auftrat; dann spielte sie nach Mau-
rice's Bericht »Die Waise aus Lowood«, »Deborah«, »Marie Anne, das Weib
aus dem Volke«, vor Allem aber die Hermione, die im Lauf einer
Saison dreissig Mal gegeben wurde. »Versuche, Charlotte im Lustspiel zu
verwenden, wollten nicht recht gelingen. Die für die Tragödie prädestinirte
Künstlerin konnte an meiner Bühne in dieser Gattung, welche meine Con-
cession verbot, — erst 1866 trat Theaterfreiheit ein — , das Feld wo später
ihre schönsten Lorbeeren blühten, nicht finden«. Laube setzte nun alles
daran, die W. am Burgtheater wenigstens gastiren zu lassen: im Juni 1861
trat sie als Adrienne Lecouvreur, Jane Eyre, in der »Waisen aus Lowood« und
der »Rutland« in Graf Essex auf, vom Publikum sofort mit grosser Wärme
willkommen geheissen, in der Kritik von Friedrich Uhl in ihrer Bedeutung
und Begabung für die Tragödie richtig erkannt: »Die Aussprache« — der
geborenen Rheinländerin — »ist noch nicht genug dialektrein und manch-
mal wird der Effect, der sich mit der Melodie der Sprache erreichen lässt,
der bestimmten Umgrenzung des Wortes geopfert; allein wir haben nur
wenig Schauspielerinnen die Adrienne so effectvoll in Haltung, Mimik und
Wolter. 299
leidenschaftlicher Entwicklung, namentlich nicht den letzten Akt so einheit-
lich stark und währ darstellen gesehen«. Neben so entschiedenem Lob
fehlte auch mäkelnde Gegnerschaft nicht. Allein Laube zweifelte keinen
Augenblick an der schöpferischen Kraft der W. und er wusste nun auch
den ehedem so spröden Oberstkämmerer von dem Werth der aufstrebenden
Grösse für das Burgtheater zu überzeugen. Chdri Maurice, der bis dahin
allen Bitten Dritter um Lösung des dreijährigen Contractes der W. Wider-
stand geleistet, Hess sich endlich durch die Thränen der Künstlerin rühren,
sie vom i. Juni 1862 ab freizujgeben. Sie musste sich nur verpflichten, drei
Jahre nacheinander ein einmonadiches Gastspiel im Thaliatheater zu ab-
solviren. Ihre letzte Hamburger Rolle war gleich der ersten Adrienne
Lecouyreur. Am 12. Juni 1862 erschien die W. in der Rolle der Iphigenie
als Mitglied des Burgtheaters, dem sie fortan durch volle 35 Jahre ange-
hörte: als Liebling aller Kunstfreunde, als die stärkste Stütze der Tragödie,
in den Dichtungen der Klassiker von Sophokles bis auf Shakespeare, Racine, .
Lessing, Schiller, Goethe, ebenso ausserordentlich wie in den neueren und
neuesten Dramen von Grillparzer, Hebbel, Otto Ludwig, Wilbrandt, Dumas
fils, Sardou, Augier etc. In 127 Rollen ist sie 2109 Mal aufgetreten. Gast-
spiele und Ehrengastspiele führten sie zunächst in die österreichischen Landes-
hauptstädte Prag, Pest, Graz, Innsbruck, Brunn; weiter nach Berlin, Köln,
München, Weimar, Coburg etc., von wo sie Orden, Widmungsgeschenke und
unzählige Kränze heimbrachte, mit derien Schleifen sie das Stiegenhaus ihrer
Hietzinger Villa buchstäblich tapezirte. Nach Amerika ging sie trotz locken-
der Anerbietungen niemals. Den fragwürdigen Ruhm der Wandervirtuosin
hat sie stets verschmäht.
Angesichts solcher Erfolge und Leistungen begreift man das stolzbeschei-
dene Wort, mit dem sie einem Biographen auf die Bitte um Einzelheiten aus
ihrem künstlerischem Werdegang erwiderte: »Meine ganze Theatercarriere liegt
vor den Augen des Publicums. Sie ist ein aufgeschlagenes Buch, Lesen auch
Sie daraus«. Ueberblickt man diesem Rathe gemäss das (von Albert J. Weltner
veröffentlichte) statistische Verzeichniss ihrer Burgtheaterrollen der Zeitfolge
nach, dann zeigt sich, dass Laube die W. nicht nur in classischen Charakteren,
als jugendliche heroische Liebhaberin und Heldenspielerin hinausstellte.
Neben der Iphigenie, der Jungfrau von Orleans, der Julia, Maria Stuart, dem
Clärchen, der Hero, der Prinzessin im »Tasso«, Sappho, Phädra, Preciosa,
Orsina, Lady Macbeth erprobte er Grösse und Grenze ihrer Kraft im älteren
deutschen und französischen Schauspiel ; er liess sie selbst im Lustspiel, in
Moreto's Donna Diana, Baiiemfeld's »Bürgerlich und Romantisch«, Töpfer's
»Rosenmüller und Finkec sich versuchen; er brachte endlich nur für sie ge-
dachte und gemachte »Wolter -Stücke«, wie Mautner's Eglantine, Weilen's
Edda, Mosenthal's Pietra etc., ihren Paraderollen zuliebe, zur Aufführung. Alle
künstlerischen Schöpfungen der W. in diesem ersten Jahrfünft ihrer Burg-
theater-2^it (1862 — ^^1867) überglänzte jedoch ihre Kriemhild in den beiden
ersten Theilen von Hebbel' s Nibelimgen-Trilogie. Laube hatte die mächtige
Dichtung viel zu lange zurückgedrängt, angeblich, weil ihm die rechte Dar-
stellerin für die Braut und Wittwe Siegfrieds fehlte. Mit der W. errang
Hebbel's Werk nun endlich eine geradezu triumphale Aufnahme. Als Tochter
Utens von gewinnender Sittsämkeit; vor dem Münster mit Brunhild, wo sich
die Königinnen schalten, von einer im Burgtheater bis dahin unerhörten Wild-
heit; am Sarge Siegfrieds zusammenbrechend mit dem dazumal zum ersten-
300
Wolter.
mal vernommenen, theatergeschichtlich gewordenen »Wolter-Schrei« überwäl-
tigte und überzeugte sie durch die Wahrheit dieser fessellos hinrasenden, dämo-
nischen Naturkraft zumal das jüngere Geschlecht. Vergebens höhnte der seither
besser belehrte Ludwig Speidel solche und ähnliche Offenbarungen ihres ge-
waltigen Naturells als »groben Naturalismus«. »Kurze eckige Bewegungen«, so
schrieb er 1864, also schon nach ihrer Kriemhild, über ihre Deborah, »die
einander in der unschönsten Weise schneiden; gewaltsame Ausrenkungen des
Satzbaues, grelle Naturschreie, wie sie der Gipfel der Lust und die Spitze
des Schmerzes bezeichnen, vor denen aber die Muse, welche auch die Lei-
denschaft schön will, die Ohren verstopft!« Der Kritiker vergass bei diesem
maasslos absprechenden Urtheil, dass der in gigantischen Wasserstürzen nieder-
tosende Rheinfall bei Schaffhausen durch andere Reize wirkt, als die maje-
stätische Ruhe des Rheinstroms bei Köln. Er übersah zugleich, was dem
weisesten und grössten Kenner Altwiens, dem greisen Grillparzer, in seiner
einsamen Zelle nicht entging: die Nothwendigkeit der neuen Spiel weise.
Grillparzer begriff es, dass die Sappho der W. alle früheren Darstellerinnen
in manchen Beziehungen überragte, »obschon die Schröder diese Rolle un-
übertrefflich und mit grossartigem Schwung gab und eine Kraft der Rede,
des Organs und Ausdrucks hatte, mit einem Wort eine Meisterin der Decla-
mation war, wie sie sich kaum wieder findet. Allein es war dem Geist des
Stückes entgegen, dass ältere oder reizlose Frauen diese Rolle spielten, weil
Entsagung in der Liebe von Seiten der Frau in reiferen Jahren allzusehr in
der Ordnung der Natur liegt, als dass dadurch das Hauptinteresse nicht von
der Heldin abgleiten und auf die jüngere Melitta übergehen musste.« Er hob
auch gerecht und mild den Unterschied zwischen dem akademischen, hohen-
priesterlichen Wesen einer Rettich und der Leidenschaft der jüngeren He-
roine hervor: »Julie Rettich«, so sagte Grillparzer zu Frau v. Littrow-
Bischoff, »war eine hochbegabte Frau, in ihrer Jugend ein vortreffliches, über
jeden Tadel erhabenes Mädchen und sie hat alles geleistet, was heller Ver-
stand, hohes Talent, wahre Bildung und ein vortreffliches Genie zu leisten
vermögen. Aber eben den Anlauf der Begeisterung — welcher oft
dem ihrigen weit untergeordneten Charakteren zu Gebote steht — den An-
lauf der Begeisterung zu nehmen, dazu fehlte ihr die Fähigkeit. Sie ver-
setzte häufig auf den Boden der Reflexion, was der Phantasie angehören
sollte, und wenn sie den Ausbruch der Leidenschaft mit mächtigen Mitteln
auch darzustellen wusste, der Ausdruck der leidenschaftlichen Natur
lag ihrem Wesen fern, wie auch ein gewisser Reiz der Anmuth und Lieb-
lichkeit, obschon sie eine interessante, bedeutende, ja eine schöne Erschei-
nung war!« Als die Zeitungen die Lady Macbeth der Wolter tadelten, schenkte
Grillparzer diesen Verdammungsworten keinen Glauben : »Ich denke, mir würde
ihre Auffassung dieser Rolle gefallen haben«. Und noch bevor er die von
Frau V. Littrow in seine enge Klause geführte W. bei sich begrüsst hatte — ,
»wie ein alter Märchenkönig, der sich väterlich -freudig über die glänzende,
lebensvolle Erscheinung des auf dem niedrigen Sessel ihm gleichsam zu Füssen
sitzenden Feenkindes mit dem Korallen-Diadem neigte« — äusserte er: »Solch
eine Schauspielerin, welche Anmuth und Talent vereint, hätte mich, wenn sie
mir in meiner Jugend begegnet wäre, schon durch den Wunsch, wie würde
sie Dies und Jenes spielen, zu Vielem begeistert und angeregt, zu Dichtun-
gen bestimmt, welche durch den Hauch der Persönlichkeit wachge-
rufen werden und welche, weil mir in den Jaliren, da ich productiv war,
eine solche fehlte, unterblieben«.
Wolter.
301
Dichtergrössen, wie Grillparzer und Hebbel, begegneten unter den jun-
gem Dramatikern der W. nicht mehr. Allein die edleren unter ihnen, Wil-
li randt und Nissel, sahen ihre Eingebungen durch diesen von Grillparzer mit
Recht so hochgerühmten »Hauch der Persönlichkeit« in ungeahnte Höhen
gehoben: die W. hat die rasende Sinnlichkeit der Messalina durch Schönheit
geadelt, durch das Naturrecht heidnischen Tumultes heissen Blutes, trotziger
Abkehr von dem stoischen Tugendstolz der Contrastfigur Arria zu einer so
einzigen Gestalt herausgearbeitet, dass sie alle Zuschauer, selbst die Gegner
des Dramas, fortriss, Makart zur malerischen Nachbildung dieses unerreich-
baren Urbildes anregte, Wilbrandt aber zu mehr als einem Preislied auf ihre
Kunst und Art entzündete: — niemals zu einem besseren und aufrichtigeren,
als dem Festgruss zu Ehren ihres 25 jährigen (1867 feierlich begangenen) Burg-
theater-Jubiläums :
Römische Kraft, die mit den Göttern ringt,
Griechische Schönheit, die noch Frevel adelt,
Ein deutsch Gewissen, das belehrt, getadelt
Rastlosen Kampfes Kunst und Stolz bezwingt,
So kenn' ich Dich, so dank' ich Dir von Herzen
Verkünd'rin höchster Wonnen, tiefster Schmerzen.
Diesen Hymnus stimmte nicht nur der Dichter und Kenner an. Die
Verse waren zugleich das Ehrenzeugniss des Directors. Unter Wilbrandt, wie
zuvor unter Laube und Dingelstedt, wie hernach unter Förster und Burck-
hard war die W., eifersüchtig darauf bedacht, unbestritten als die erste tra-
gische Schauspielerin des Burgtheaters sich zu behaupten, nimmermüde ge-
wesen im Dienste ihrer Kirnst. Laube's harte Zucht beherzigend, mühte sie
sich bis an das Ende ihrer Laufbahn — zuletzt mit vollem Gelingen — die
Idiotismen der Kölner mundartlichen Aussprache abzustreifen, die Rhythmik
des Verses, die Melodik der »gesetzlich klaren Rede« sich zu eigen zu
machen. Die ehedem ihrer überstürzten Vortragsweise halber so herb An-
gelassene beherrschte in den siebziger und achtziger Jahren gebundene und
ungebundene Rede mit gleicher Ueberlegenheit: das »Parzenlied« in der
Iphigenia wirkte in ihrem Munde wie Musik (wohlgemerkt: nicht wie Gesang);
die Prosa Lessing's, vordem eine Klippe W. 'scher Kunst, trug sie späterhin
zum Gipfel ihres Könnens. Hatte Laube's Einfluss die W. sprechen lehren,
so hob Dingelstedt's auf das fertige Bühnenbild gerichteter Sinn ihre an-
geborene Gabe, Haltung und Tracht künstlerisch zu bilden. Niemand hat
diese Fähigkeit feiner gewürdigt, als der feinste Wiener Kritiker bildender
Kunst, Ludwig Hevesi: »Laube, der Ausstattungsfeind, führte ein gesprochenes
Theater, erst unter Dingelstedt sah man ein gestimmtes Theater. Gestimmt,
in Wien, auf Hans Makart. Der erste Laut von ihren Lippen fuhr elemen-
tar durch die tausend Herzen und, ehe man noch etwas gesehen, war man
auf den tragischen Ton gestimmt. Durch alle Fibern rieselte der Schauer,
den dieses Organ weckte, als eine Empfindung sinnlicher Wohligkeit, farbiger
Wärme. Das ist das tönende Bild, modemer Zeiten, denn auch Bild war sie
und war es mit unwiderstehlicher Machtfülle. Von Iphigenia bis zur Fedora,
von Maria Stuart bis zu Helena: Bild um Bild, und immer eine andere
Schönheit.« Solcherart trat sie in stetig steigender Entwicklung an immer
neue Aufgaben. Fehlschläge gab es nur, wenn sie ihrem Wesen völlig fremde
Rollen (die Jüdin von Toledo , Libussa, Sidonie in Fromont jun. und
Risler sen.) sich aufreden Hess. Desto voller in ihrem Element in dämoni-
schen, Überlebensgrossen Gestalten, in Shakespeare's Historien, in Goethe's
202 Wolter.
Faust. Erstaunt wähnte man jahrelang, dass das Alter keine Gewalt über
sie habe. Ihr Zauber verstärkte sich. »Nicht nur in dem Orgelton ihres
Organs, das von den Schmeichel tönen der Cantilene bis zum Donnerhall des
Dies irae als »böses Gewissen« im Faust sich steigern konnte; nicht nur^,
wie ich gleich nach ihrem Heimgang in der Allg. Ztg. schrieb, »in der Pla-
stik ihrer Posen, die Zug und Stil und zugleich volle Glaubwürdigkeit und
Naturtreue offenbarten, wie die Meisterstücke griechischer Bildnerkunst — sie
hielt uns in wachsender Liebe und Bewunderung fest durch den »Ernst, den
keine Mühe bleichet«. Sie hat die Geschenke einer überreichen Natur aus-
gemünzt im Dienste einer grossen, kerndeutschen, das heisst congenial in den
Geist Aller sich vertiefenden Kunstübung. Denn ihren classischen Schöpfun-
gen ebenbürtig waren ihre britischen Charaktere, unter denen ihre Lady Mac-
beth obenan steht. Ihren antiken Gestalten gesellte sie Typen, wie Sardou's
Georgette: eine Cocottenfigur, derengleichen ich niemals überlegener, ausge-
lassener, leichtblütiger irgendwo auf dem französischen Theater gesehen habe.
Und den Heroinen, Mänaden, Teufelinnen ihrer jüngeren Jahre, der Königin
Margarethe in den Königsdramen, 'Wilbrandt*s Messalina und der Volandinne
in Kriemhilds Rache folgten in ihren letzten Lebensjahren Matronen : eine Lea
in den Makkabäem, eine Volumnia im Coriolan, die Pastorin in Richard
Voss' Neuer Zeit und die Hamburger Patricierin in Philippi's Domenweg —
Erscheinungen von gehaltener Würde, wie ich sie vorher und nachher weder
auf der deutschen, noch auf einer anderen Bühne je zu Gesicht bekommen.
Und was nicht zu vergessen ist: die Wolter war in alledem Original. Sehr
empfänglich für gute künstlerische Rathschläge ihrer Directoren und Kame-
raden, von Laube und Dingelstedt bis auf Wilbrandt, Förster, Sonnenthal
und Berger, ahmte sie niemals einen fremden Ton, irgendein heimisches oder
ausländisches Muster nach. I am myself alone durfte sie mit Shakespeare's
König sagen. In Costume-Fragen hat sie Makart manche Anregung zu dan-
ken. In der Auffassung einzelner Stellen hat sie die Kenner - Ansicht ihres
edlen, auch künstlerisch . edel empfindenden Gatten (des belgischen Grafen
O'Sullivan) beherzigt. Im Ganzen hat sie! ihr Bestes, Eigenstes nur aus sich
selbst geschöpft.«
1894 musste die W. zum erstenmal ihre Wirksamkeit am Burgtheater
unterbrechen. Ein älteres chronisches Nierenleiden trat plötzlich acut so
heftig und qualvoll auf, dass die Aerzte die Möglichkeit eines Wiederauftretens
bezweifelten, jedesfalls im Interesse ihres physischen Befindens am liebsten
ein- für allemal ausgeschlossen hätten. Stärker, als der Wunsch nach Ge-
nesung, war indessen die Sehnsucht nach dem über Alles geliebten Berufe.
Im Winter 1895/96 trat sie, zunächst in der »Sappho«, auf, mit überströmen-
der Herzlichkeit willkoDOunen geheissen von der Burgtheater- Gemeinde. Mit
höchster Selbstüberwindung spielte sie nun u. A. auch als neue Rolle die
Johanna Wedekind im Domenweg unübertrefflich. Hier war einmal der Geist
stärker, als das Fleisch» In den Ferien verschlimmerte sich aber ihr Zustand
wieder und nun begann ein monatelanges, martervolles Siech thum, dem ein
barmherziger Tod erst am 14. Juni 1897 ein Ziel setzte. Ihrem letzten
Wunsche gemäss wurde sie in ihrem reichen goldverzierten Costume als Iphi-
genie in den Sarg gebettet und an der Seite ihres ihr im Tode vorangegan-
genen Gemahls auf dem Hietzinger Ortsfriedhof bestattet. Der damalige
Direktor des Burgtheaters, Dr. Burckhard, widmete ihr die folgende würdige
Grabrede :
Wolter.
303
»Charlotte Wolter, die grosse, unsterbliche Künstlerin, die so oft im
Leben spielend den Tod besiegt hat, indem sie seine Schauer verklärend in
die befreienden Regionen ihrer Kunst erhob, sie ist dem Furchtbaren nun
doch erlegen. Nicht mit sanftem Kusse schloss er diese Augen, nach heissem
Kampfe hat er sie gebrochen. »Dieses Ringens blutige Qual« — sie blieb
ihr nicht erspart. Nur widerstrebend verliess die Seele den Körper, aus
dessen Antlitz bis zu den letzten Augenblicken der Schimmer antiker Schön-
heit widerstrahlte; der Hauch des Odems sträubte sich, für immer diesem
klassisch geformten Munde zu entschweben, der ihm tausend- und tausendmal
ein wundervolles Instrument gewesen, das er bald in melodischen Glocken-
klängen erklingend, bald in mächtigem Orgeltone dahinbrausend mit den
herrlichsten Symphonien belebte, jetzt alle Sinne zu begeistertem Jubel hin-
reissend, jetzt die Herzen der athemlos Lauschenden mit den Schauern heisse-
ster Leidenschaft erfüllend — das Leben floh nur zögernd aus der abgeklärten
Harmonie, die inmitten des dissonirenden Weltgetriebes sich in dieser Künstler-
brust aufgebaut hatte.
Wie hast du dich selbst erfasst, Charlotte Wolter, da du gewünscht, nicht
in den Farben der Trauer den Weg des Todes, zu beschreiten, sondern mit
hellem Schimmer die Räume füllen zu lassen, von denen die letzte Fahrt
dich hieherftihrte, so den Gedanken, den Altmeister Goethe in seiner Ge-
dächtnissrede zum brüderlichen Andenken Wieland's geäussert, für dich nach-
empfindend: »Ein festlich geschmückter Saal, mit bunten Teppichen und
munteren Kränzen, so froh und klar als dein Leben, möge vor den Augen
deiner trauernden Freunde erscheinen«.
Was das Leben an Glück, an Liebe, an Ehre, an Ruhm bieten kann, es
ward dir, Charlotte Wolter, in reichstem Maasse zu theil. Nach kurzem
Kampfe, wie er wohl noch keiner Künstlerseele erspart blieb, bist du in
raschem Fluge zu den lichten Sonnenhöhen ewigen Ruhmes emporgeschnellt;
es war dir gegönnt, durch Jahre an der Seite eines feinsinnigen, dich und
deine hehre Kunst voll würdigenden Gatten dahinzuwandeln, der mit zarter
Fürsorge deine Pfade ebnete. Tausende, Tausende haben dir zugejubelt und
dich geliebt und verehrt, wie selten Menschen geliebt und verehrt werden;
durch grosse Reiche, über weite Meere hin flog der Ruhm deines Namens
und deiner Kunst; du warst durch Decennien der belebende Mittelpunkt, um
den sich ein grosses Kunstinstitut, ja um den sich die dramatische Production
eines ganzen Volkes drehte.
Aber hast du Grosses von deiner Zeit empfangen, so hast du es nur
erhalten, weil du ihr Grosses gegeben hast. Gedenken wir der schönsten,
der erhabensten Eindrücke unseres Lebens, Charlotte Wolter, so werden wir
stets auch deines Namens gedenken, und hast du uns durch dein Scheiden
Vieles genommen, so hast du uns Vieles gelassen: den reichen Schatz unver-
gänglicher Erinnerungen an die Künstlerin, mit der gelebt, von der empfangen
zu haben, noch spätere Geschlechter uns neiden dürfen. Nimm unseren Dank
für Alles, was dein Genius so überreich uns gespendet: durch Jahrhunderte
wird dein Name ein Leitstern sein für Alle, die in der Schauspielkunst das
Höchste anstreben.«
Quellen: Rudolf Valdek: Deutsche Zeitung, Wien» 14. Mai 1887. — Laube:
l^as Burgtheater. — Aus dem persönlichen Verkehr mit Franz Grillparzer von Auguste
V. Littrow-Bischoff. Wien 1873, S. 54«"., io2flf. — M. Ehrenfeld: Charlotte
Wolter, Wien 1887 (eine nur einzelner stofflicher Angaben halber zu erwähnende Ge-
legenhcitsschrift). — Adolf Wilbrandt: Neue Gedichte (»Aus dem Burgtheater«, Char-
^o.| Wolter. Petzold. Valentin. Schönlank.
lAic Woher, 1874, 1887). — Charlotte Wolter. Nachruf von Ludwig HcTCsi. Wie-
/.tf Frcmdenblatt vom 15. Juni 1897. — Neue freie Presse vom 15. Juni 1897 (mit Albert
J. Wchuer's Kollenverzeichniss der Wolter). Ebenda: 17. Juni: Charlotte Wolter
1^534 1897 von Ludwig Speidel und Bericht über ihre Leichenfeier. — Charlotte
Wolter von Paul Schienther, Vossische Zeitung vom 15. Juni 1897. — Leo Hirsch-
fcld: Charlotte Wolter. Ein Erinnerungsblatt mit Illustrationen und einer statistiscben
KoHentabelle, Wien 1897. — Alexander v. Weilen: Allgemeine Deutsche Biographie
s. V. Wolter. — Die Bilder und Büsten der Wolter (von Makart, Canon, Angeli, Tilg-
ncr etc.) waren in der Wiener Theaterausstellung in einem besonderen Wolterzimmcr ver-
einigt und in Karl Glossy's Katalog dieser Ausstellung verzeichnet. — Nach dem Tode der
W. wurden ihre reichen Kunstschätze, einschliesslich sämmtlicher Porträts ihres Gemahls
und der Meisterin, von H. O. Miethke versteigert: der Katalog ihres Nachlas^e>
(Wien, H. O. Miethke, 1898) reproducirt Makart's Bild der W. als Messalina, Angeli's
W.-Porträt, Canon's W.-Bild, Matsch's Oelbild Charlotte W. als Sappho, die W.-Büste von
Tilgner. — .Bildnisse der W. sind auch in der Porträt-Gallerie des Burgtheaters und im
Wiener städtischen Museum.
Anton Bettelheim.
Petzold, Wilhelm, Dr., ein verdienstvoller Förderer der Schulgeogra])hie,
Professor an der Ober-Realschule in Braunschweig, * am 8. Februar 1848 im
Pfarrhause zu Keutschen bei Weissenfeis, f am 24. Juli 1897 während eines
Ferienaufenthaltes zu Pouch bei Bitterfeld (Provinz Sachsen). — P. erhielt
seine Vorbildung auf der Landesschule zu Schulpforta, studirte in Halle,
machte 1870 den Feldzug mit und war hiemach als Lehrer in Neubranden-
burg und Weissenburg (im Elsass) thätig. Nach einem abermaligen kurzen
Studium in Halle wurde er dann an die Ober-Realschule in Braunschweig
berufen. Ausser mehreren schulgeographischen Aufsätzen schrieb er einen
»Leitfaden für den Unterricht in der astronomischen Geographie« (1885,
2. Aufl. 1891) nebst Fragen und Aufgaben (mit Lösungen) aus dem Gebiete
der astronomischen Geographie (1892) und gab kurz vor seinem Tode mit
Professor R. Lehmann den trefflichen »Atlas für Mittel- und Oberklassen
höherer Lehranstalten« (Leipzig 1897) heraus. Das Lehrbuch der Geographie
von Baenitz und Kopka gab er neu heraus, revidirte die Bamberg'schen Schul-
wandkarten und war auch Mitarbeiter am Skobel'schen Handbuch zu Andree's
Handatlas.
Vgl. Pädagogisches Archiv von E. Dahn 1897, S. 643/44.
W. Wolkenhauer.
Valentin, Joh., Dr., ein junger deutscher Naturforscher, ♦ in Frank-
furt a. M. , verunglückte am lo. December 1897 auf einer wissenschaft-
lichen Reise nach Chubut in Patagonien (bei Aguade de Reyes, einem
Punkte, der 85 km von Rawson, der Hauptstadt von Chubut, entfernt ist). —
V. studirte in Strassburg und promovirte hier 1889 ^^^ ^^- P^^^- ^^^^ ^^^^
folgte er einem Rufe an das Museum von La Plata und wurde April i8qS
Sectionschef für Geologie und Mineralogie am Nationalmuseum in Buenos
Aires.
Vgl. Globus 1898, LXXIILBd. ^ Wolkenhauer.
Schönlank, William, Grosskaufmann und Generalconsul für Salvador und
Haiti, * am 6. August 1814 in der kleinen Stadt Märkisch-Friedl and als Sohn
einer jüdischen Familie in kleinen Verhältnissen, f am 23. December 1897 >"
dem hohen Alter von 84 Jahren zu Berlin. — Seh. hatte es verstanden, sich
durch eigene Kraft, Rührigkeit, kluge Berechnung und unternehmenden Geist
Schönlank. Moericke, von Ruthner.
305
zu grossem Reichthum und zum Chef des um den deutschen Handel ver-
dienten Indigo -Importhauses Sal. Schönlank Söhne emporzuarbeiten. Seiner
kühnen Initiative war es zu danken, dass das Indigo- und Farbwaarengeschäft,
welches früher von England abhängig war, dem deutschen Markte erobert
wurde; er hatte ein gutes Stück der indischen Production in seiner Hand.
Durch seine überseeischen Handelsverbindungen zu allem, was Natur- und
Völkerkunde pflegte und förderte, in Beziehung getreten (Gesellschaft für Erd-
kunde, Museum für Völkerkunde, Museum für Volkstrachten, Zoologischer
Garten, Handelsgeographischer Verein u. a. in Berlin), wurde er allen dahin
gerichteten Bestrebungen seit seinem Rücktritt von den kaufmännischen Ge-
schäften ein verständnissvoller Mitarbeiter und freigebiger Gönner. 1878 ge-
hörte S. zu den sieben Stiftern des Centralvereins für Handelsgeographie.
Auch Nordenskiöld's Expeditionen und andere Forschungsreisende fanden
seine Unterstützung. Wissenschaftlichen Versammlungen bereitete er gern
einen gastfreundschaftlichen Empfang. So wurde er allmählich fast unentbehr-
lich für grosse Unternehmungen; man wählte ihn in die Vorstände vieler
wissenschaftlicher Gesellschaften und überliess ihm mehrfach auch die Ver-
tretung im Auslande. Der Berliner Gesellschaft für Erdkunde hat er ein
Legat von 50000 Mark als »William Schönlank Stiftung« hinterlassen.
Vergl. Export 1898, No. i ; Verh.*, d. Berliner Ges. f. Anthrop. etc. 1898, S. 27/28.
W. Wolkenhauer.
Moericke, Wilhelm, Dr., Privatdocent der Mineralogie an der Universität
Freiburg i. Br., f am 8. November 1897 daselbst. — Nachdem M., der aus
Stuttgart stammt, 1889 promovirt hatte, ging er nach Chile zu wissenschaft-
lichen Studien und wurde einer der besten Kenner der chilenischen Anden,
über die er mehrere fachwissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht hat.
Leopoldina 1897, S. 163.
W. Wolkenhauer.
Ruthner, Anton von, Dr., hervorragender Alpenforscher und geographi-
scher Schriftsteller, ♦ am 21. Sept. 181 7 zu Wien, f am 16. Dezember 1897
zu Salzburg, 80 Jahre alt. — R. erhielt seine Vorbildung auf dem Gymnasium
zu Linz und im Stifte Kremsmünster und studirte in Wien die Rechte; von
1848 bis 1871 war er Hof- und Gerichtsadvokat in Wien, 1873 übernahm
er eine Advokatur in Steyr in Oberösterreich und 1875 eine solche in Salz-
burg und wurde hier 1878 zum Notar ernannt. Schon als Jüngling hatte
R. einige Ausflüge in das naheliegende Alpengebiet unternommen, bereits
1841 als junger Doctor den Gross -Venediger bestiegen, aber erst 1852 be-
gann er systematisch die Durchforschung und Besteigung der österreichi-
schen Alpen zu betreiben. Ueber 300 Hochgipfel und Hochpässe hat er be-
treten und überschritten, darunter viele, auf denen vor ihm noch keines Men-
schen Fuss gestanden. Im Jahre 1862 war R. Mitbegründer des österreichi-
schen Alpenvereins, zu dessen Präsidenten er fünfmal gewählt wurde. Noch
grösser wie als thätiger Erschliesser wurde sein Ruf als Schriftsteller. Neben
zahlreichen Aufsätzen in verschiedenen Zeitungen, den Jahrbüchern des Oester-
reichischen Alpenvereins und in den Mittheilungen der Wiener Geographischen
Gesellschaft veröffentlichte er eine lange Reihe selbständiger Werke, von denen
hier nur die folgenden hervorgehoben werden sollen: »Die Alpenländer
Oesterreichs und der Schweiz. Eine Parallele der Naturschönheiten des öster-
reichischen und Schweizer Hochlandes« (Wien 1843); *Aus den Tauem»
Blogr. Jahrb. n. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. 20
3o6 von Ruthner. Vogel. Graf Thun-Hohenstein.
Berg- und Gletscherreisen in den österreichischen Hochalpen« (Wien 1864
neue Folge 1869); »Das Kaiserthum Oesterreich« (Wien 1871 — 1879), ein
geographisch -ethnographisches Prachtwerk. Auch an dem vom Kronprinien
Rudolf von Oesterreich ins Leben gerufenen Prachtwerk »Die Oesterreichisch-
Ungarische Monarchie in Wort und Bild« war R. Mitarbeiter; er schrieb die
Schilderung von zwei Salzburger Landestheilen, des prächtigen Pinzgaues und
Lungaues. Der Verstorbene war Ehrenmitglied der Wiener Geogr. Gesell-
schaft und Inhaber der österreichischen goldenen Medaille für Kunst und
Wissenschaft, sowie der preussischen goldenen Medaille für Wissenschaft.
Vgl. Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Statistik, Wien, 1888, X» mit Porträt; Minh.
d. Deutsch-Oesterr. Alpen Vereins 1897, ^o. 24.
W. Wolkenhauer.
Vogel, Karl, Dr., hervorragender Topograph, ♦ am 4. Mai 1828 zu Hers-
feld in Hessen, f am 17. Juli 1897 zu Gotha im eben vollendeten 69. Le-
bensjahre nach längerem Leiden. — Die deutsche Kartographie hat in dem
Verstorbenen einen ihrer bekanntesten und tüchtigsten Vertreter verloren.
V. bildete sich zum Landmesser aus und war schon in frühem Lebensalter,
1846 bis 1851, bei der topographischen Landesaufnahme von Kurhessen unter
der trefflichen Leitung des Oberst Wieggrebe thätig. Nachdem er dann für
den Herzog Ernst von Koburg-Gotha für ein beabsichtigtes Kriegswerk einen
Atlas über die Schlachtfelder in Schleswig -Holstein (welches Werk jedoch
nicht zur Ausgabe gelangte) angefertigt hatte, trat er am i. Februar 1853 als
Mitarbeiter in die Gothaer geographische Anstalt von Justus Perthes ein, der
er dann 44 Jahre, freilich in den letzten Jahren schweren Leidens nur noch
als Invalide, angehört hat. Mit Aug. Petermann, Ernst Behm, Hermann
Berghaus gehörte V. zu den Männern, denen die geographische Anstalt von
Justus Perthes die hohe Blüthe der letzten Jahrzehnte verdankte. Neben
mehreren Karten über den Thüringer Wald (1865/66) und seiner Mitarbeit an
den Terrainbildem für die Schul- und für andere kleine Atlanten des Instituts
ist vor allem seine Mitwirkung an der Neubearbeitung des weltbekannten
Stieler*schen Handatlas (seit 1862) hervorzuheben: die Karten der mittel-
und südeuropäischen Staaten, von den 95 Blättern des Atlas 35, sind V.s
eigenste Arbeit. V.*s Meisterschaft liegt vor allem in der grossen Zuverlässig-
keit und Treue seiner Karten in allen Einzelheiten. Als die Glanzarbeit V.'s
aber ist die »Karte des Deutschen Reichs« in 27 Blättern im Maassstabe
I ,'500000, die unter seiner Leitung in zwölfjähriger Arbeit 1893 vollendet
wurde, zu nennen. Als einer ihrer grössten Vorzüge gilt die ungemein grosse
Einheitlichkeit ihrer Darstellung und sie bildet das schönste Denkmal, das er
sich selbst gesetzt hat. Auch literarisch ist V. vielfach thätig gewesen, indem
er in Petermann's Mittheilungen zu seinen eigenen Karten Commentare gab,
oder fremde Kartenwerke anzeigte und kritisirte. Auf dem III. Internationalen
Geographen-Congress in Venedig im Jahre 1881 wurde V. für seine Leistungen
die grosse Medaille zuerkannt und die Universität Marburg ehrte ihn 1891
durch Ernennung zum Doctor philosophiae honoris causa.
Vgl. Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Sutistik, Wien 1892, XIV, mit Porträt, und
Petermann*s Mitth. 1897, ^o« 8.
W. Wolkenhauer.
Thun-Hohenstein, Graf Sigmund, der langjährige Landespräsident des
Herzogthums Salzburg, ♦ am 11. Juni 1827 als Sohn des Grafen Josef
Mathias, vom Majorat Klösterle, aus dessen Ehe mit Franziska, geb. Gräfin
Graf Thun-Hohenstein.
307
Thun vom Zweige Thun-Benatak-Ronsburg, f san t. September 1897 in Salz-
burg. — Er begann seine Carriere in derAnnee; als Oberlieutenant im 9.Husaren-
Regiiaente bekam er für sein ausgezeichnetes Verhalten im ungarischen Feld-
zuge 1 849 die kaiserliche Belobung. Indess verliess er den Militärdienst später-
hin und wandte sich dem politischen Leben zu. Der deutsche Grossgrund-
besitz in Böhmen entsandte ihn im Jahre 1867 in den böhmischen Landes-
ausschusSy wo er als Stellvertreter des Oberstlandmarschalls Fürsten Adolf
Auersperg thätig war. Diese gemeinsame Thätigkeit mit dem späteren
Ministerpräsidenten mag auch wohl den Grund dazu gelegt haben, dass Graf
"l'h. in den politischen Verwaltungsdienst berufen wurde. Fürst Auersperg
wurde im Jahre 1870 als Landespräsident nach Salzburg berufen, auf denselben
Posten, den zwei Jahre später Graf Th. einnahm. Im Jahre 1870 mit der
Würde eines Geheimen Rathes bekleidet und durch Verleihung des Ordens der
Eisernen Krone erster Klasse ausgezeichnet, wurde Graf Th. im September
1870 zunächst zur Nachfolge des Freiherm v. Poche als Statthalter nach
Brunn berufen. Im October 1872, unter dem Cabinet Auersperg, wurde
Oraf Th. zum Landespräsidenten des Herzogthums Salzburg ernannt und
diese Stelle bekleidete er, mit dem Titel eines Statthalters ausgezeichnet,
bis zu seinem Tode. Graf Th. war weit weniger Politiker, als Verwaltungs-
beamter, seine Statthalterschaft wird Salzburg noch auf lange hinaus in
bestem Andenken bleiben. Die wirthschaftliche Kräftigung dieses Ländchens,
seine Eröffnung für den Fremdenverkehr ist in beträchtlichem Maasse auch
dem eifrigen, unverdrossenen Wirken Graf Th.'s zu danken. In die Zeit
seiner Statthalterschaft lallt die Eröffnung der Giselabahn, der Bau der Salz-
burger Lokalbahn, der Ober - Pinzgauer Lokalbahn, der Gaisbergbahn und
anderer Bergbahnen und sonstiger Anlagen, durch die der Fremdenverkehr
Salzburgs, der Stadt wie des Kronlandes, auf eine vorher kaum geahnte Höhe
gebracht wurde. Graf Th. war für diese Bemühungen rastlos thätig, die
starre, unfruchtbare Bureaukratie konnte in ihm keinen Vertreter erblicken.
Welch frischen Sinn er für den modernen Fortschritt hatte, das zeigte unter
anderem sein Eifer für das Zustandekommen der Elektricitätswerke in Salz-
burg und des elektrischen Mönchsberg-Aufzuges. Daneben vernachlässigte er
aber auch nicht die kunstgewerbliche Hebung des Landes, die Salzburger
Museen schätzten in ihm einen treuen Förderer. Dass er auf Seite des
liberalen Deutschthums stand, das zeigte er wiederholt, unter anderem bei
der Begrüssungsrede in einer Generalversammlung, die der Deutsche und
Oesterreichische Alpenverein in Salzburg abhielt. Späterhin freilich, mit dem
Vordringen des Klerikalismus, glaubte auch er sich veranlasst, mit dieser Be-
wegung zu paktiren, schon mit Rücksicht auf das Anwachsen des klerikalen
Einflusses im Salzburger Landtage. Und so unterschieden sich seine An-
sprachen an die in Salzburg im August 1894 bezw. 1896 abgehaltenen Ver-
sammlungen der Leo -Gesellschaft und des Katholikentages recht merklich
von der seiner Zeit viel bemerkten Alpenvereins-Rede. Freilich fällt in
die Zwischenzeit ein ziemlich tiefgehender Systemwechsel, über den der Chef
der Landesregierung sich nicht ganz hinwegsetzen konnte. In der Ansprache
an den Salzburger Katholikentag bemerkte er, die Erstarkung des religiösen Geistes
sei berufen, die Befreiung aus den Fesseln des Materialismus zu bringen, der
sonst der Menschheit den Untergang bereiten müsste. Die Bestrebungen des
Katholikentages entsprächen den Bedürfnissen der Gegenwart. Als Vertreter
der Regierung könne er den aufrichtigen Wunsch beifügen, dass die hohen
20*
3o8 Graf Thun-Hohenstein. Freiherr von Kosjek.
Ziele des Katholikentages zum Wohle der Katholiken wie der Gesammt-
bevölkerung Oesterreichs ihre Verwirklichung finden mögen. Diese Anspracht
gab dann Anlass zu einer bei Wiederzusammentritt des Reichsrathes am
I. October 1896 vom Abgeordneten Graf Kuenburg eingebrachten Inter-
pellation, die am 6. d. M. vom Ministerpräsidenten Grafen Badeni dahin be-
antwortet wurde, die Begrüssung sei mit Zustimmung der Regierung erfolgt,
doch sei daraus nicht zu schliessen, dass die Regierung sich mit allen Ver-
handlungen und Beschlüssen des Katholikentages identificire. Graf Th. war
schon längere Zeit vor seinem Tode leidend. Aus Gastein, seinem alljähr-
lichen Sommeraufenthalte, wurde er auf seinen Wunsch nach Salzburg zurück-
gebracht. Sein Zustand verschlimmerte sich immer mehr und am 7, Septem-
ber 1897 verschied er. Seiner am 10. Juli 1855 in Wieschitz geschlossener.
Ehe mit Mathilde geb. Gräfin Nostiz - Rieneck entsprossen zwei Söhne, dk
Grafen Josef und Felix Thun-Hohenstein.
Heinrich Adler.
Kosjek y Gustav, Freiherr von, Diplomat, zuletzt bevollmächtigter Ge-
sandter am griechischen Hofe, ein trefflicher Kenner der Verhältnisse des
Orients, in dem er den grössten Theil seines Lebens verbrachte; ♦ am
17. August 1838 zu Mittertrixen (Kämthen), f am 2. Februar 1897. —
Er war Zögling der Orientalischen Akademie und begann seine Laufbahn
am 2. November 1859 beim Consulate Galatz, von wo er schon am 11. De-
cember d. J. als Dolmetsch -Adjunct zur damaligen Intemuntiatur nach Con-
stantinopel versetzt wurde. Dort rückte er allmählich bis zum zweiten
Dolmetsch (20. December 1869) mit dem Titel und Charakter eines Le-
gations - Sekretärs vor und wurde am 15. April 1870 in den erblichen
Ritterstand erhoben. Im Laufe der Jahre wurde er erster Dolmetsch und
bekam im Jahre 1877 den Charakter eines Legationsrathes verliehen. In
demselben Jahre fungirte er auch als Generalconsul in Rustschuk, und er-
regte damals durch seine Unerschrockenheit wie auch durch seine auf-
opfernde Fürsorge für die dortige österreichisch -ungarische Kolonie allge-
meine Aufmerksamkeit. Im Juni 1878 war er dem Berliner Congresse
zugetheilt und wurde danach in den Freihermstand erhoben. Ebenso war
er auch bei der im selben Jahre in Constantinopel abgehaltenen ostrume-
lischen Conferenz thätig. Am 31. October 1881 wurde er als diplomatischer
Agent und Generalconsul I. Kl. nach Kairo versetzt, wo er die Leitung des
General -Consulats übernahm, und schon am 5. Februar 1883 mit dem Titel
und Charakter eines ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Mini-
sters bekleidet; sein Wirken in Aegypten fiel also in eine ungemein bewegte
Zeit. Am 4. März 1883 wurde er als ausserordentlicher Gesandter und bevoll-
mächtigter Minister nach Teheran versetzt, bis er schliesslich am 26. August
1887 als Gesandter beim griechischen Hofe beglaubigt wurde. Das aus-
wärtige Amt in Wien besass in ihm einen gediegenen Kenner des Orients;
die beste Zeit seines Lebens hatte er dort verbracht und die Wirksamkeit
auf den vielen Posten, auf die man ihn berief, von Galatz und Ath^ bis
Teheran, gaben ihm reichlich Gelegenheit, mit scharfem, offenem Blick die
Eigenheiten der verschiedenen Staatsgebilde und Völker des Ostens kennen
zu lernen. Baron K. besass zahlreiche Auszeichnungen; am 14. Juni i8qi
wurde ihm auch noch das Grosskreuz des Franz Josef- Ordens, am 30. Juli
die Würde eines Geheimen Rathes verliehen. Am 10. September 1867
Freiherr von Kosjek. Klee. Richter. ^Oo
vermählte er sich in Bujukdere mit Eveline von Klezl, Tochter des Regie-
rungs - Ratbes Peter Edlen v. Klezl. Der Ehe entstammten 2 Söhne und
2 Töchter.
Heinrich Adler.
Klee, Elisabeth, ♦ am 19. Juli 1842 in Posen, f am 10. September 1897
in der Heilanstalt Untergöltsch bei Rodewisch im Königreich Sachsen. — Sie
war die Tochter des Geheimen Ober-Regierungsraths und Präsidenten des
Consistoriums der Provinz Posen, Dr. Klee, dessen Tod (1855) den ersten
finsteren Schatten in die sormige Kindheit der Tochter warf. Diese zog
nun mit ihrer Familie nach Halle a. S., und nachdem sie drei Jahre später
auch ihre Mutter durch den Tod verloren hatte, trat sie im September 1859
in das Gouvernanten-Institut zu Droyssig ein, um sich zur Erzieherin aus-
zubilden. Aber schon zu Ostern 1860 musste sie eines heftigen dreimonat-
lichen Leidens wegen das Institut verlassen und zunächst für die Wieder-
herstellung ihrer Gesundheit sorgen. Sie fiihrte daher in den folgenden Jahren
eine Art Wanderleben, theils in Kurorten, theils in den Häusern von Freun-
den und Verwandten, deren Kinder sie unterrichtete. Um diese Thätigkeit
auch auf die ihr femer stehende Jugend ausdehnen zu können, legte sie im
Herbste 1866 ihr Lehrerinnenexamen in Danzig ab und wurde zu Ostern 1867
als Lehrerin an einer Privattöchterschule in dieser Stadt angestellt. Aber
schon nach anderthalb Jahren musste sie auf den Rath der Aerzte ihren
Beruf aufgeben und im Süden Heilung von ihren Leiden suchen. Das Hoch-
gebirge wurde die Geburtsstätte der Schriftstellerin; doch erst in Dresden, wo
sie 1874 ihren dauernden Wohnsitz nahm, gelangte ihr Jugendsehnen, litera-
risch wirken zu können, zu voller und freier Entfaltung und Befriedigung.
Das Hauptgebiet ihrer schriftstellerischen Thätigkeit ist die einfache Erzählung,
die sich auf sittlich-religiösem Grunde aufbaut; z. B. »Ueberwunden« (1878);
»Die Heimath im Hochland« (1880); »Durch!« (1880); »Ein Vermächtniss«
(1880); »Lehrjahre des Lebens« (1881); »Sein und Schein« (1885); »Ein
Vierblatt« (1886). Das letzte Jahrzehnt ihres Lebens zeitigte keine novellisti-
schen Früchte mehr; ein kränklicher Körper legte dem sonst regen Geiste doch
seine Fesseln an.
Persönliche Mittheilungen.
Franz Brummer.
Richter, Albert, Schulmann und pädagogischer Schriftsteller, ♦ am 7. Fe-
bruar 1838 in Lichtensee bei Grossenhain im Königreich Sachsen, f am
29. Juni 1897 in Höckendorf bei Tharand. — R. stammte aus einem Lehrer-
hause und widmete sich selbst seit 1853 auf dem Seminar in Dresden-Friedrich-
stadt dem Lehrerberufe. Noch ehe er den Seminarcursus ganz beendet hatte,
übertrug die Behörde ihm schon 1857 wegen seines grossen Lehrgeschicks
und seiner musikalischen Tüchtigkeit die Verwaltung einer Lehrerstelle in
Höckendorf. Von hier ging R. 1860 nach Leipzig, wo er an mehreren
Schulen thätig war (zuletzt als Oberlehrer an der Realschule), bis er 1874
zum Direktor der dortigen ersten höheren Mädchen-Bürgerschule ernannt
wurde, die er mit Umsicht und grosser Treue 23 Jahre leitete. Zu Ende des
Jahres 1895 wurde er auf's Krankenlager geworfen; aber selbst eine schwere
Operation gab ihm die alte Gesundheit nicht wieder, und während eines Er-
holungs-Aufenthalts in Höckendorf nahm ihn der Tod hinweg. — R.'s Thätig-
•9X0 Richter. Bach.
keit ist für die Entwickelung des Leipziger und weiterhin des sächsischer
Schulwesens von Bedeutung gewesen; er gehörte zu Jenen, die durch ihit
scharfen Angriffe auf die überlebten Formen des sächsischen Volksschulwesert
dessen Reorganisation, wie sie im Schulgesetz von 1873 ihren Ausdruck fand
in die Wege leiteten; er war einer der ersten, der die Einfuhrung der obli-
gatorischen Fortbildungsschule forderte und diese Forderung durch Wort uih.
Schrift mit Erfolg vertrat. Aeusserst vielseitig war seine schriftstellerisck
Thätigkeit; er redigirte nicht nur den »Praktischen Schulmann« (seit 1874
und daneben später den »Pädagogischen Jahresbericht«, sondern bot aud
der Lehrerwelt in einer Reihe von selbständigen Schriften eine Fülle vcn
Anregungen. Wir erwähnen hier nur seine preisgekrönte Schrift »Der Unter-
richt in der Muttersprache und seine nationale Bedeutung« (1872), ferner
»Ziel, Umfang und Form des grammatischen Unterrichts in der Volksschule
(2. Aufl. 1886), »Bilder aus der deutschen Culturgeschichte« (2. Aufl. 1884.
»Deutsche Redensarten. Sprachlich und culturgeschichtlich erläutert« (1880
und vor allen sein »Quellenbuch zur deutschen Geschichte« (1888).
Sonntagsblatt der Preussischen Lehrer-Zeitung, Jahrgang 1897, S. 321 AT.
Franz Brummer.
Bach, Franz Theodor, Schulmann, ♦ am 7. August 1833 in Breslau, fir
der Nacht vom 9. zum 10. Juli 1897 in Berlin. — Der Vater, Nikolaus B., war
seiner Zeit Oberlehrer und Professor am Matthiasgymnasium in Breslau, die
Mutter eine Tochter des bekannten Präsidenten Gottfried Theodor von Hippel,
des Verfassers des königlichen »Aufruf an mein Volk« (18 13). Theodor B.
erhielt seine Schulbildung auf dem Gymnasium in Bromberg, studirte an der
Universität Breslau Philologie und arbeitete unter Rossbach, Schneider und
Haase in dem Breslauer philologischen Seminar. Nach Beendigung seiner
Studien war B. eine Zeit lang Hauslehrer, erwarb sich mit der Schrift »Me-
letemata Platonica« 1858 die Doktorwürde, legte kurz darauf die Oberlehrer-
prüfung ab und erhielt 1860 eine Lehrerstelle am Gymnasium in Lauban.
Schon nach zwei Jahren kehrte er nach Breslau zurück, um das Rektorat der
ersten Mittelschule zu übernehmen; der ihm gleichzeitig gewordene Auftrag'.
diese Schule auf die Stufe einer höheren Bürgerschule zu bringen, war es
wesentlich, der B. dem Realschulwesen zuführte, bei welchem er in der Folge
dauernd verblieb. Noch eine andere Aufgabe erwuchs ihm in Breslau. Von
jeher ein Freund und Förderer des Turnens, wurde er in den Tumrath ge-
wählt und vom Oberbürgermeister Hobrecht damit betraut, das Breslauer
Schulturnen neu zu ordnen, welche Aufgabe er mit Verständniss und Ge-
schick zu lösen verstand. Diesem Unterrichtszweige dienen auch seine SchriT-
ten »Wanderungen, Tumfahrten und Schülerreisen« (1884) und sein Lehrbuch
der »Schulgesundheitspflege« (1889), ^^ ^^ ™^ ^^^ bewährten Medicinai-
beamten und Hygieniker Hermann Eulenburg verfasste, und das für das beste
Werk seiner Art gilt. Inzwischen war der Oberbürgermeister Hobrecht 1872
in die gleiche Stellung der Reichshauptstadt berufen worden, und schon 1874
zog er B. nach Berlin, wo ihm zunächst die Direktion der Sophien-Realschule
übertragen wurde, bis man ihn 1880 an die Spitze des neu begründeten
Falk -Realgymnasiums stellte, das er bis zu seinem Uebertritt in den Ruhe-
stand 1896 leitete. — Die meisten literarischen Arbeiten B.'s sind Gelegt"'
heitsschriften, so die »Gründung und Entwickelung der Breslauer Burschen-
schaft« (1867) und »J. H. Deinhardt« (1884), ein Lebensbild seines Lehrers.
Bach. Zintgraff. ^n
Eine ganze Gruppe von Schriften hat B.'s Grossvater G. Th. v. Hippel zum
Gegenstande. Bei Gelegenheit der Fünfzigjahrfeier des Beginnes der Freiheits-
kriege veröffentiichte er über »Gottlob Theodor von Hippel« (1863) ein aus-
führliches Lebensbild. Später ergänzte er dasselbe durch zwei Abhandlungen
»Denknisse und Erinnerungen aus der Zeit der Erniedrigung Preussens« (1886)
und »Denknisse und Erinnerungen aus der Zeit der Erhebung Preussens«
(1887), die wesentlich Auszüge aus den nachgelassenen Aufzeichnungen, Brie-
fen und Denkschriften Hippel's enthalten.
Dr. Fritz Abraham: Franz Theodor Bach. Gedäcbtnissrede. Berlin 1898. — Vossi-
sche Zeitung vom 11. Juli 1897.
Franz Brummer.
Zintgraff, Eugen, Afrikareisender, ♦ am 16. Januar 1858 in Düsseldorf,
f am 3. December 1897 auf Teneriffa. — Z. besuchte in Düsseldorf das Gym-
nasium und vollendete seine Gymnasialbildung in Bielefeld. Dann bezog er die
Universität Strassburg, wo er zugleich seinen einjährigen Dienst bei den Ulanen
ableistete. Er studierte dann weiter in Bonn, Berlin und Greifswald und machte
seinen juristischen Doktor in Heidelberg. Dann beschäftigte er sich einige Zeit
in Berlin journalistisch und bereitete sich durch Sprachstudien und geographische
Studien für eine Afrikareise vor, die er 1884 niit dem Oesterreicher Chavanne
nach dem unteren Congo antrat. Er hat in seinem Buch Nord-Kamerun er-
zählt, wie beim Abschluss dieser ersten, nicht durchaus glücklich verlaufenen
Reise zuerst die Kunde von dem Flusse Ubangi zu ihm drang, den der
Missionar Grenfell eben bis in die Breite von Kamerun befahren hatte. »Hatte
es mich hinausgetrieben, ohne dass ich die Wirklichkeit kannte, wievielmehr
musste dies jetzt der Fall sein, nachdem Afrika für mich nicht mehr ein
verschleiertes Bild war!« Er begeisterte sich für den Gedanken einer Expedi-
tion in das Hinterland von Kamerun unter deutscher Flagge. Er legte am
II. December 1885 dem Auswärtigen Amt den Plan vor, auf dem Kongo
und Ubangi oder einem anderen schiffbaren Nebenfluss des Kongo bis zum
Ende der Schiffbarkeit vorzudringen und mit einem Stamm von 20 bis 30
Schwarzen von dorther den Marsch über Land nach Kamerun anzutreten.
Eine ähnliche Anregung gab einen Monat später auch die Deutsche Afrika-
nische Gesellschaft. Man lehnte indessen diesen Plan ab, wie man auch
später daran festhielt, den Weg ins Innere nur von der Küste zu nehmen.
Den Anlass zu dieser Beschränkung haben wesentlich die kameruner Firmen
gegeben, denen es praktischer schien, ihr Handelsgebiet von der Küste her
auszudehnen. Dafür wurde Z. der Vorschlag gemacht, zunächst kleinere Vor-
stösse zur Erforschung des Küstenhinterlandes zu machen, um dann später
grössere Expeditionen ins Hinterland zu führen. Z. verliess am i. Mai 1886
Europa und war am 15. Juni in Kamerun, wo damals von Soden als Gou-
verneur amtete. Z. machte in diesem Jahr noch vier Vorstösse mit Unter-
stützung befreundeter Häuptlinge. Die Reise zum oberen Wuri führte ihn
zum ersten Mal über die Schwelle des damals nahe bei der Küste beginnen-
den Hinterlandes, und als er im Frühling 1887 nach Berlin reiste, um grössere
Pläne zu vertreten, konnte er darauf hinweisen, dass der nördliche Theil des
Schutzgebietes in einem Halbmesser von etwa 125 Kilometer in den Küsten-
gebieten durchreist war und die Durchgangspunkte wichtiger Handelsstrassen
nach dem Inneren gefunden waren. Bei der damaligen Beschränktheit der
Mittel musste er froh sein, aus seinem Netze vorgeschobener Stationen, deren
312 Zintgraif.
Plan er der Kolonialabtheilung vorlegte, wenigstens eine einzige zu verwirk-
lichen. Auf verschiedenen Wegen gingen er und Lieutenant Zeuner im I)e-
cember 1887 zum Elephantensee und gründeten dort die Barombi - Station.
Die Geschichte dieser Gründung, wie sie Z. in seinem Buche » Nord-Kamerun c
gegeben hat, gehört zu den anziehendsten, auch rein menschlich ansprechend-
sten Kapiteln unserer Afrika-Literatur. Man begreift das Gefühl, mit dem Z,
am Schluss seines zweiten Kapitels ausruft: »Jahre sind seit jenem Tage dahin
gegangen, wo ich zum ersten Mal das Krachen der durch unsere Sdhwarzen
zu Falle gebrachten Urwaldriesen vernommen habe. Mancher harten Arbeit,
die ein Wechsel volles, vieljähriges Expeditionsleben mit sich bringt, habe ich
mich stets mit Begeisterung und Eifer unterzogen. Nie aber wieder empfand
ich eine so tiefinnerliche Befriedigung beim Schaffen, wie gerade damals auf
der Barombistation.« Die Barombistation war die erste ihrer Art, sie ist ge-
diehen und wurde in mancher Beziehung das Muster für andere tiefer im
Innern begründete. Von hier aus machte Z. im Februar 1888 seinen ersten
Vorstoss nach Batom, wo er die ersten Schwierigkeiten des Anstiegs aus dem
Küstentiefland zum Hochland kennen lernte, und die viel grösseren Sch>Äie-
rigkeiten wenigstens ahnen konnte, die sich in der verworrenen Völkerlagening.
alle 40 — 50 km eine neue Mundart und dabei Mangel einer allgemein ver-
standenen Handelssprache, und in dem Wettbewerb der Handelsmonopole
einzelner Stämme einst dem weiteren Vordringen entgegenstellen sollten. Ein
zweiter Vorstoss führte ihn im Juli 1888 bereits in ein Gebiet weit abweichen-
der Völker, wo jenseits Batom die Küstendörfer mit ihren an breiter Strasse
neben einander stehenden Rohrhütten den zerstreut liegenden Gehöften Platz
machen. Es äusserte sich darin der Baustil der Banyang, des kriegerischen
Volkes, dessen Gefährlichkeit das Gerücht bis zur Küste getragen hatte und
durch dessen Land Z. und Zeuner nach einem wochenlangen gezwungenen
Aufenthalt, verstärkt durch Lagosleute, die Z. von der Küste geholt hatte,
mit Waffengewalt zum ersten Mal ins Grasland den Weg bahnten. Der Tag,
an dem Z.'s aus dem Inneren stammender Dolmetscher einen in hellen bräun-
lichen Tönen über die dunkelgrünen Waldberge hervorsteigenden fernen Hö-
henzug mit den Worten begrüsst: »Look Massa, my country, grass live for
topside: Sieh, Herr, meine Heimat, dort oben wächst Gras«, war der wich-
tigste in seinem afrikanischen Leben, zugleich ein bedeutsamer Tag in der
Geschichte unserer Kolonie Kamerun. Seine ziemlich geradlinig nordwärts
von Kamerun durchgeführten Vorstösse brachten ihn hier mit den ersten Stäm-
men des Graslandes, den Babd, in Berührung. Kolanüsse als Friedenszeichen,
seltsam geformte Messer, lange kunstvolle von ihrem Träger unzertrennliche
Tabakspfeifen, viereckige Lehmhütten mit Pyramidendächem, Hirsenbier, be-
zeichneten den Eintritt in den Einflussbereich der sudanesischen Kultur,
hydrographisch den Uebergang aus dem Gebiete der Kamerunflüsse in das
obere Becken des Kalabar, wirthschaftsgeographisch die Erreichung des Ur-
sprungsgebietes jener Masse von Palmöl, die den Kalabar und Gen. den
Namen »Oelflüsse« verschafft haben. Am 12. Januar 1889 betrat Z. das
Grasland. »Das OotXaxTa! ftaXarra! der xenophontischen Schaaren kann nicht
froher erklungen sein als das Grass ! Grass ! Massa ! meiner Träger, die unter
diesem Freudengeheul, alle Müdigkeit vergessend, die bequemen Pfade des
Graslandes dahin eilten.« Bald darauf war Bali erreicht, wo die kräftige Ge-
stalt des Häuptlings Garrega und der Empfang im Kreise von einigen Tausend
ebenso kräftigen Hochlandssöhnen verkündeten, dass mit der Erreichung Süd-
Zintgrafll ^13
Adamauas die schwersten Aufgaben der Expedition erst anhüben. Zuerst
folgte der lange gezwungene Aufenthält in Bali, darauf der Bau der Station
Baliburg — »selten ward wohl auf so vergnügte Art gebaut« — und die
Beziehungen zu den Bali gestalteten sich ganz harmonisch ; aber auf der einen
Seite war die Verbindung mit der Barombistation unterbrochen, wo Zeuner
kommandirte, und auf der anderen Seite verschloss die Unlust Garregas, den
weissen Gast dem Benue zu ziehen zu lassen, alle Wege, und in dem behag-
lichen Ruheleben drohte die Unternehmungslust seiner Leute vollständig ein-
zuschlafen. Da riss Z. in einem geschickten Kriegspalaver, das in einem
wilden Kriegstanz mit dem Ruf Benue! Benue! endigte, seine Leute sammt
den Bali mit und am 26. April 1889 befand er sich auf dem Marsch, der
nicht ohne Schwierigkeit und Irrwege, aber ohne Kämpfe nach Donga und
von da nach Jola führte. Z. hatte diesen Weg barfuss zu machen, da sein
Schuhwerk aufgebraucht war. In dem unbewohnten Lande zwischen dem
Gebiet der unabhängigen Stämme und dem südlichsten Sultanat Adamauas,
Takum, hatte er mit Mangel an Lebensmitteln zu kämpfen. Aber er fand
in Adamaua bessere Wege, leichtere Verpflegung und erreichte am 28. Mai
Donga und damit die Verbindung mit Flegels Benuereise. Er legte sich hier
Flegels in Adamaua landesüblichen Namen Abder Rahmän bei. In Ibi sah er
den Benue, den ersten Dampfer und wurde in der englischen Handelsstation
freundlich aufgenommen. Von hier konnte er die Erreichung seines Zieles
nach Berlin melden. Von seiner Bereitwilligkeit gleich weiter zum Tsadsee
zu gehen, wurde kein Gebrauch gemacht. Er kehrte um, nachdem er 9 über-
flüssige Weileute nach Kamerun gesandt hatte, und machte von Gaschaka aus
einen Abstecher nach Jola, um über Bagnio, Flegels südlichsten Punkt, zu-
rückzukehren, was ihm versagt wurde.
So führte er seine Karawane über Takum nach Bali zurück. Nach manchen
Hungertagen und einem heftigen Hagelsturm auf der Höhe von Mabni, der
ihm 16 Leute kostete, traf Z. im September in Baliburg ein und zog bald
unter Zurücklassung einer kleinen Besatzung nach der Küste weiter, nicht
ohne noch einmal einen Angriff" der Banyang erfahren zu haben. Am 5. Januar
1890 traf er in Kamerun ein. Auf der Rückreise nach Deutschland führte er
seine Weijungen selbst nach Monrovia zurück und suchte dann in Berlin
persönlich seine Auffassung zu vertreten, dass die Verbindung mit den Bali-
ländem im wirthschaftlichen und Verwaltungsinteresse der Kolonie offen ge-
halten werden müsse, da sie als Handels- und als Rekrutirungsgebiete für die
Plantagen und die Schutztruppe wichtig seien. Z. schlug nun vor, in Baliburg
eine dauernde Vertretung einzurichten, und zugleich eine Handelsstation dort
in's Leben zu rufen. Das letztere unternahm die kameruner Firma Jantzen
und Thormählen und das Auswärtige Amt entschloss sich, eine neue Expedi-
tion nach Bali zu schicken und Z. dort als Commissar für die nördliche
Gegend der Kolonie einzusetzen, dem aufgetragen wurde, mit den Häupt-
lingen freundliche Beziehungen anzuknüpfen, Ruhe und Ordnung im Hinter-
land aufrecht zu erhalten, für offene Strassen und sicheren Verkehr nach der
Küste zu sorgen und den Handel des Hinterlandes nach der Küste von Ka-
merun zu leiten. Nach halbjährigem Aufenthalt in Deutschland trat Z. am
I. September 1890 seine Reise an. An die Stelle seines treuen Gefährten
Zeuner, der am 23. April 1890 auf der Rhede von Lagos am Tropenfieber
gestorben war, trat Lieutenant von Spangenberg, und Landwirth Huwe wurde
als Expeditionsmeister angenommen. Die Handelsexpedition leitete unter dem
314 Zintgraff.
Befehl Z.'s Nehber. Nach äusserst mühsamer Anwerbung von Wei-LeutcD
musterte die Expedition 7 Europäer und 375 Afrikaner. Nachdem auf der
Barombistation noch Maassregeln für die Erweiterung der Anpflanzungen
getroffen waren, aus deren Ertrag ein Theil der Ernährung dieser Mann-
schaft bestritten werden sollte, und der vorausgesandte Lieutenant von
Spangenberg die günstigsten Nachrichten über die Gesinnungen der Banyang
gebracht hatte, brach Ende November die Expedition auf. Z. führte die
letzte Abtheilung, bei der sich auch die nun in ihre Heimath zurück-
kehrenden Bali befanden. Am 9. December traf er in Bali ein, wo er ebenso
freundlich wie früher empfangen wurde. Aber in den umgebenden Ländchen
war die Stimmung nicht ebenso günstig. In Bafut wurden zwei Boten Z. s
ermordet, und Z. glaubte die benachbarten Häuptlinge von Bafut und Bandeng
züchtigen zu sollen. Mit Unterstützung von 5000 Bali griff er sie am 31. Januar
an und erstürmte Bandeng; auf dem Rückmarsch aber wurde er vom grössten
Theil seiner Leute abgedrängt, diese angegriffen und 4 Europäer, 68 Wei und
100 Bali getödtet. Zugleich fielen andere Nachbarstämme den Siegern zu,
und die Verluste an Munition Hessen im Fall eines Angriffes Schlimmes be-
fürchten. Z. hatte schon Ende Januar, als die Lage drohend wurde, die
Kolonialverwaltung gebeten, die auf der Barombistation lagernde Resene-
Munition seiner Expedidon nach Bali oder Banyang zu senden. Es geschah
nicht, auch nachdem Gerüchte von dem unglücklichen Gefecht vom 31. Ja-
nuar in Kamerun angelangt waren. Z. wartete 14 Tage vergebens, bis er
selbst nach Kamerun ging und nun endlich die Absendung der Munition be-
wirkte. Die Ursache des Zögems der Kolonial Verwaltung, an deren Spitze
damals der Gouverneur Zimmerer stand, kann der Unbetheiligte nur in der
verschiedenen Auslegung der Selbständigkeit gegenüber der Kolonial venÄ'aJtung
von Kamerun suchen, die Z. sich in Berlin eigens hatte verbriefen lassen. Auch
scheinen Z.'s Ansichten über die Bedeutung seiner Beziehungen zu den Bali für
die Kolonie, sowohl in Kamerun wie in Berlin nicht mehr ganz getheilt worden
zu sein. Es ist aber nicht zweifelhaft, dass der Aufschub jeglicher Hilfeleistung
die Wiederherstellung des in dem Gefecht bei Bandeng erschütterten Einflusses
der Deutschen im Hinterland von Kamerun sehr erschwert hat, und dem deut-
schen Ansehen überhaupt abträglich gewesen ist. Noch in anderen Beziehungen
erhob Z. Vorwürfe gegen die kameruner Verwaltung, besonders gegen den
Gouverneur Zimmerer. Das für die Entwickelung der Kolonie so nothwendige
Herabführen der Bali soll dieser eher gehindert, als gefördert haben. Kleinere
Beschwerden, die er in einer (ohne Jahreszahl) zu Hamburg erschienenen Schrift
»Meine Beschwerden gegen das Kaiserliche Gouvernement in Kamerun. Bei-
träge zu dem derzeitigen bureaukratischen Regime in der Kamerunkolonie« erhob,
bekundeten seine tiefe Verstimmung gegen die leitenden Beamten in Kamerun
und zuletzt auch gegen die Kolonialabtheilung im Auswärtigen Amt, die seine
Klagen unbeachtet Hess. Nachdem er in dieser Schrift beherzigenswerthe
Winke über die Reform unserer Kolonialbeamtenschaft mit grosser Aufrichtig-
keit ausgesprochen und besonders die damalige Verwaltung von Kamerun ads
unfähig bezeichnet hatte, war natürlich seines Verbleibens im Dienst der von
ihm mit so grossem Misstrauen betrachteten Verwaltung nicht länger. Z.,
der Todtgeglaubte, war am i. März in Kamerun eingetroffen. Der lang-
jährige Gefährte Z.'s, G. Conrau, der zuerst in dieser kritischen Zeit nach
dem unglücklichen Gefecht vom Januar 1891 mit Z. in Verbindung trat, und
mit ihm nach Baliburg zurückkehrte, schildert sein damaliges Wesen in fol-
ZintgrafT. 315
genden Worten: »Er besass eine Energie, wie man sie selten findet, mit der
sicli eine vornehme Denkungsweise paarte. Seine Unerschrockenheit und
Oeistesgegenwart hat den Negern gewsdtig imponirt und wurde oft von ihnen
besprochen. . . . Sein Einfluss auf die Bali war durch das Gefecht nicht nur
nicht abgeschwächt, sondern im Gegen theil gewachsen. Seine Energie und
Unerschrockenheit hatten einen zu grossen Eindruck auf sie gemacht
Ej- war einer der besten Fussgänger. Er hat auch hierdurch den Negern, die
selbst ausgezeichnet zu Fusse sind, sehr imponirt. Massa Doctor sabe walk
too much, passes us all, hörte man sehr oft. Mit den Negern verstand er
vorzüglich umzugehen und fertig zu werden. Er wusste vortrefflich seine
Pläne ihnen gegenüber durchzusetzen. Bei diesen Verhandlungen kamen ihm
sein Humor und sein oft sarkastischer Witz sehr zu statten.«
Z. verband mit seinem Bericht über das Gefecht, den er demAuswärtigen
Amt einsandte, den Antrag die Bali mit 2000 Mausergewehren zu bewaffnen und
die gefallenen Europäer zu ersetzen. Zugleich kam er auf den Plan zurück,
Mundame am oberen Ende der allerdings unsicheren Schiffbarkeit des Mungo
mit Bali durch eine Strasse zu verbinden. Die Kolonialverwaltung schien aber
Z.'s Entwürfen Zweifel entgegenzusetzen, dieser ging nach Barombi zurück, um
Bali näher zu sein und begann dort mit der Ausbesserung des Weges in's Innere.
Kr kam am 23. August mit Lieutenant Hutter nach Bali zurück, und langsam
folgten die verlangten Gewehre, mit denen die waffenfähige Balimannschaft ein-
exercirt wurde. Gleich in den ersten Wochen schloss Z. einen Vertrag mit
Garega ab, in dem dieser Z., dem weissen Freund, die Ausübung aller Gewalt
über die Baliländer übertrug. Der merkwürdige Vertrag ist in »Nordkamerun«
S. 395 f. abgedruckt. Ende 1891 traf in Lieutenant Steinäcker ein zweiter
Officier für die sich mehrenden Aufgaben ein, doch wurde der früher befoh-
lene Vorstoss zum Tsadsee, den Z. vorbereitet hatte, vom Auswärtigen Amte
wieder abbestellt. Eine ruhrartige Seuche, die anfänglich eine gewaltige Sterb-
lichkeit unter den Bali hervorgerufen hatte, wurde überstanden und die Ver-
hältnisse entwickelten sich in jeder Weise günstig; Z. verwaltete vollständig
unabhängig ein rasch sich erweiterndes Gebiet. Er legte Stationen in Tinto
bei den Banyang und in Mundame an, wohin Jantzen und Thormälen auf dem
Mungo einen Schleppdampfer gehen liessen, und auf den dazwischen gebauten
Wegen wuchs der friedliche Verkehr, während besonders in Barombi der
eigene Anbau Fortschritte machte. Es fehlte nur die Uebereinstimmung mit
der Kolonialverwaltung, deren Mangel besonders hervortrat, als Bali, die mit
Steinäcker an die Küste gegangen waren, von den Dualla misshandelt wur-
den und die Kolonialverwaltung ablehnte, eine Untersuchung zu eröffnen. Z.
reiste nach Europa, fand aber, dass man in Berlin sich auf die Seite der
kameruner Beamten stellte, nahm und empfing 1892 seine Endassung. Seinem
Versuch, die Culturarbeit im Hinterland durch Anleitung zur Anlage von Pflan-
zungen an der Strasse Mundame-Bali durch Eingeborene und durch Schulung
von Balileuten im Plantagenbau, femer durch wissenschaftliche Beobachtungen
fortzusetzen, versagte das Auswärtige Amt die Genehmigung mit der Begründung,
dass es nicht im Interesse der geordneten Verwaltung der Kolonie liege, Z.
jetzt oder in den nächsten zwei Jahren dorthin zurückkehren zu lassen. Z.
Hess sich darauf für einige Zeit in Neu-Babelsberg nieder, hielt Vorträge über
seine Reisen und schrieb sein Buch »Nordkamerun«, das 1895 in Berlin er-
schien. 1893 war er nach Transvaal gegangen, um die Verhältnisse der
Goldfelder kennen zu lernen, und 1896 bot sich ihm endlich die Gelegenheit
^ 1 6 Zintgraff.
dar, als Direktor der Pflanzungsgesellschaft Victoria mit E^er und Hösch
nach Kamerun zurückzukehren. Er ging neuerdings daran, aus den Bali einer.
Stamm von tüchtigen Arbeitern auf Pflanzungen heranzuziehen und schien
vor dem erhofften Erfolge zu stehen, als er im Spätjahr 1897 wegen Krank-
heit Urlaub nehmen musste. Sein Humor, der ihn nie, auch nicht in den
Tagen der Sorge und des Ungemaches, verlassen hatte, verliess ihn auch
nicht auf dem Sterbebette. Man erzählt, dass, nachdem er vorher angeordnet
hatte, man solle seine Ankunft nach Hause melden, er bei der plötzlichen
Verschlimmerung seines Zustandes befohlen habe: »Kabelt nach Hause, ich
kann wegen Todesfall nicht kommen«.
Z. ist unter den jüngeren deutschen Afrikareisenden, deren Thätigkeit in
die koloniale Aera fällt, einer der hervorragendsten. Er ist ein Vertreter der
besten Eigenschaften dieser jüngeren Generation. Z. war nicht in erster Linie
Gelehrter. Sein Verhältniss zu Afrika auch war nicht das des kühlen Beobach-
ters. Er stand Afrika mit einer tiefen Neigung gegenüber. Afrika hatte für ihn
eine unschätzbare Eigenschaft, die ihm viele Unannehmlichkeiten aufwog: »hier
muss der Mensch die Maske fallen lassen und seinen wahren Charakter zei-
gen; hier weist es sich aus, wer wahrhaft vornehm und gebildet, und wer
nur mit Cultur oberflächlich tibertüncht ist.« Er hatte, wie seine Laufbahn
zeigt, alle seine Kräfte in den Dienst Afrikas gestellt. »Dort ein tüchtiges
Stück Culturarbeit zu schaffen, war das Ziel, das er unentwegt im Auge be-
hielt. Nachdem er aus dem Regierungsdienst geschieden war, baute er Plan
auf Plan mit unermüdlichem Eifer, um sich ein neues Wirkungsfeld in der
Kolonie zu schaffen. Der Tod riss ihn weg, als er eben die selbständige
Arbeit für ein grösseres Plantagenuntemehmen begonnen hatte. Man kann
die Frage aufwerfen, ob er nicht zu stürmisch und zu rastlos für eine solche
Stellung war, die viel Geduld und Ausdauer verlangt. Mit seinem Unter-
nehmungsgeist und seiner den europäischen Comfort verschmähenden An-
spruchslosigkeit war er mehr geschaffen, Expeditionen zu fuhren oder Stationen
in ausgesetzter Lage zu befehligen. Dazu kam seine Fähigkeit, mit den Ne-
gern zu verkehren. Eine Grausamkeit gegen die Neger hat er sich nie zu
Schulden kommen lassen. Er strafte wohl streng, wenn es nothwendig war,
die Leute durften ihm aber auch alle ihre kleinen Sorgen und Wünsche vor-
tragen, er lieh jedem ein geduldiges Ohr und half, wo er nur konnte. Er
war gefürchtet und geliebt« (Conrau). So gut er mit den Negern umgehen
konnte, so wenig verstand er dies denen gegenüber, in deren Hand damals
das Geschick der Kolonie ruhte. Diese tadelten seine Ueberhebung und
hielten seine Pläne für utopisch. Er war zu wenig schmiegsam und nach-
giebig, konnte sich nur schlecht einem anderen beugen, war zu sehr eine
Herrennatur. Man hörte ihn wohl sagen: »Ich werde die Leute mit That-
sachen ohrfeigen.« Dabei vergass er leider, dass dieselbe Thatsache von ver-
schiedenen Beurtheilem entgegengesetzt gedeutet und geschätzt wird, ebenso
wie er übersah, dass, wenn er rücksichtslos das durchzusetzen suchte, was er
für Recht hielt, abweichende Meinungen über das Rechte ebenso rücksichts-
los sich unter heftiger Gegnerschaft verwirklichen wollten. Wer möchte in-
dessen angesichts der Entwicklung der Verhältnisse in Kamerun läugnen,
dass Z.'s Ansichten und Vorgehen in den Hauptpunkten gerechtfertigt
worden sind? Sein einstiger Gehilfe Hutter hat 1893 in der Kolonial-
zeitung den Bali als Soldatenmaterial und den Ergebnissen ihres Exercitiuras
ein Lob gespendet, das Z.'s optimistischen Auffassungen entspricht. Dass
Zintgrafif. 317
ÜCamerun nicht auf die Dauer sich mit einer Truppe von Wei- oder Dahomey-
skla.ven behelfen kann, haben die Ereignisse, besonders bei den verunglückten
Ex^peditionen von Gravenreuth und Ramsay, nur zu deutlich gezeigt. Und
-w elcher Vortheil es für die ganze Kolonie gewesen wäre, wenn die Anfänge
Z.'s mit der Schulung der Neger im kleinen und grossen Plantagenbau besserer
Fortfuhrung und Unterstützung gewürdigt worden wären, lehrt die Geschichte
jeder Pflanzung auf dem Boden von Kamerun. Auch was Z. in dem Schluss-
abschnitt seines Buches über Reisetechnik sagt, ist als gesund und praktisch
anerkannt worden, wenn auch nicht viele Z. in der absoluten Enthaltung vom
Alkohol folgen oder seine Grundsätze über den Verkehr mit den Negern in
allen Einzelheiten billigen werden.
In rein politischer Beziehung hat Z. ebenso wie die gleichzeitig mit ihm
auf südlicheren Wegen dem Benue zustrebenden Kund und Tappenbeck nicht
das geleistet, was man bei seiner Aussendung erwartet hatte. Die Schwierig-
keit des Vordringens war in jenen Jahren noch zu gross; war doch Kamerun
gerade die Stelle, wo das unbekannte Innere des Erdtheils am nächsten an
die Küste herantrat. Zugleich waren die Mittel zu gering. Daher die merk-
würdige Aehnlichkeit der Schicksale der Z.'schen Bemühungen mit denen der
Kund- und Tappenbeck'schen Expedition: Zu frühe Ablenkung vom Vor-
dringen nach Osten und an den Tsadsee, kriegerische Verwickelungen, Rück-
schläge. Dass Z., als er zum zweiten Mal mit stärkerer Macht in*s Grasland
vordrang, sich zu früh von Garrega in Krieg mit anderen Stämmen ver-
wickeln Hess, ist ihm mit Recht als ein Fehler angerechnet worden. Der
Misserfolg dieses zweiten Verstosses ist einer der Gründe, dass die Deutschen
von den Franzosen am Schari überholt wurden und überhaupt bis 1894 nicht
«über den 1 5 ° ö. L. vorgedrungen waren.
Z.'s wissenschaftliche Ausbildung zum Afiikareisenden war nicht so, wie
man sie in der Zeit Barth's, Nachtigal's und Schweinfurth's für nothwendig
gehalten hat. Seine Anlagen und Neigungen lagen mehr nach der praktischen
Seite, und was es hier zu beobachten gab, das hat er scharf gesehen, richtig
beurtheilt und klar geschildert. Der Boden, soweit er für Pflanzungszwecke
geeignet war, die Pflanzen und Thiere soweit sie dem Menschen nützen konn-
ten, vor allem aber die Eingeborenen mit ihren Fehlem und Tugenden fes-
selten seine Aufmerksamkeit. Seine Berichte enthalten darüber sehr gründ-
liche Ausführungen, und das einzige grössere Werk, das er hinterlassen hat,
ist eine Fundgrube von schönen ethnographischen Beobachtungen. Aber gerade
durch dieses Buch weht ein freier, froher Geist, der uns sagt: Es ist das
Buch eines Pfadfinders und Urbarmachers, der die praktischste Kolonialpolitik
treibt. »Bei schönem trockenen Wetter, in bester Gesundheit, ein noch un-
bekanntes Ziel vor Augen, gefolgt von seiner Trägerschar durch Afrika zu
marschieren, das ist das Schönste, was man sich auf Gottes Welt denken
kann.« Man erkennt zwar an manchen Stellen, dass das Buch in einer kurzen
Pause zwischen zwei Perioden grosser praktischer Thätigkeit ausgearbeitet wurde.
Es ist nicht als Ganzes so sorgsam gefeilt, wie Barth's oder Nachtigal's Werke.
Doch zeigt es eine ausgesprochene schriftstellerische Begabung in seiner ge-
drängten, plastischen Sprache, die fesselt und mitreisst. Die Schilderung der
Elephantenjagd in Mabum an der Grenze der Banyang gehört zu den Ka-
binetsstücken afrikanischer Natur- und Völkerzeichnung, aber nicht minder
auch die Schilderung des Schwerttanzes im Hochlandnebel bei den ersten
Graslandbewohnem, deren Dorf er betritt, und der endlosen Palmweingelage
2l8 Zintgrafl*. Graf Wimpffen.
der Bali, »wo alles auf Kommers und Rundgesang zugeschnitten ist.« Wn
empfinden mit ihm lebhaft die Wohlthat, nach wochenlanger WaJdwandening
den ins Baliland führenden Pfad viele Kilometer durch das frische Gras hin
mit den Augen verfolgen zu können, wie er auf Kämmen hinführte, in Sen-
kungen hinabstieg und Höhen hinaufkletterte; wir freuen uns mit ihm de>
Blickes auf die zahlreichen grünen Flecken der Siedelungen auf den Anhöher,
des welligen Landes und der ersten Antilopen, die den Weg kreuzen. Gerade
die Fähigkeit, uns mitten in eine fremde Welt hineinzuversetzen, zeichnet Z. ^
Buch in besonderem Maasse aus. Nach seiner afrikanischen Erstlingsarbeit;
Der untere Kongo von Banana bis Vivi, die in den Mittheilungen der Hamburger
Geographischen Gesellschaft 1885/86 erschien, hat Z. eine Reihe von Reise-
berichten in den Mittheilungen aus den deutschen Schutzgebieten von 1 888 bi^
1890, im Export 1891 , in den deutschen Kolonialblättem 1892, veröffent-
licht. Im »Ausland« 1890 erschien von ihm ein Aufsatz »Ueber Gesten und
Mienenspiel der Neger« und in den Mittheilungen aus den deutschen Schutz-
gebieten veröffentlichte er 1890 Meteorologische Beobachtungen auf der Bali-
station. Die geographischen Zeitschriften enthalten in der Periode 1885 bb
1893 eine grosse Anzahl von kleineren Berichten über Z.'s Reisen. Ueber
Z.'s kolonialpolitische Thätigkeit vgl. besonders die im Deutschen Koloniai-
blatt Bd. V. veröffentlichte Denkschrift zum Abkommen vom 15. März 1804.
Kurze Biographien Z.'s stehen in der Rundschau f. Geographie XIV, und in Wcid-
mann's Deutsche Männer in Afrika, 1894. Ebendas. auch Bildnisse. Ein gutes Biidaiss
steht vor »Nordkamerun«. Fttr die vorliegende Arbeit habe ich Privatmittheiluogen ver-
werthen können, deren Einsendern ich herzlich danke.
Friedrich Ratzel.
Wimpffen, Victor, Graf, k. k. Hofrath und Corvettenkapitän a. D., ♦am
24. Juli 1834 in Hietzing (Wien) als Sohn des 1870 verstorbenen Feldzeug-
meisters Grafen Franz Wimpffen, f am 22. Mai 1897 zu Battaglia. — Sein Vater
hatte für seine Leistungen im italienischen Feldzuge 1848/49 Ritter- und Kom-
mandurkreuz des Maria Theresien- Ordens erhalten. Er war mit Maria geb.
Freiin von Eskeles vermählt, (jraf Victor v. W. war schon 1849 als Volontär
im Hauptquartier seines Vaters thätig. Er trat dann, 1850, als Seekadett in
die österreichische Marine, und rettete in dieser Stellung einen französischen
Kauffahrer vor dem Untergange. Die französische Regierung zeichnete den
jungen Seemann dafür mit dem Kreuze der Ehrenlegion aus. Ende 1851
Fregatten-, 1854 Linienschiffs-Fähnrich, wurde er 1857 zum Fregattenlieutenant
ernannt. Er unternahm grössere Seereisen, so 1857/58 auf der Corvette
»Carolina«, und berichtete darüber in dem Buche: »Skizzen aus einem Tage-
buche« (1859; 2. Aufl. 1870, Verlag Zamarski). Im Jahre 1859 erhielt er,
dem Generalstab der »ersten Armee« zugetheilt, ftlr sein Verhalten bei
Solferino die kaiserliche Anerkennung ausgedrückt. Im Jahre 1866, bei
Lissa, zeichnete er sich als Kommandant des Dampfers »Stadium« aus. In
seiner Brochtire über die Schlacht bei Lissa (»Lissa, 20. Juli 1866«, Verlag
Ferrari, Bozen) bewährte er abermals seine Federgewandtheit. Mit dem Feld-
zuge 1866 beschloss Graf W. seine militärische Laufbahn. Er verliess den
Militärdienst unter Erhalt des Ranges eines Corvettenkapitäns. Im Jahre 1868
folgte er noch einer Sendung nach London als Vertreter der österreichischen
Marine bei der Internationalen Conferenz der Hilfsvereine des Rothcn
Kreuzes und w^urde bei seiner Rückkehr mit dem Orden der Eisernen Krone
III. Kl. ausgezeichnet. Die Reisen in seiner Jugendzeit hatten in ihm Sinn
Graf Wimpffen. Graf Wolkenstein. Freiherr von Eichhoff. ^ig
und Verständniss für das moderne Verkehrsleben gefördert. So fand er sich
ba^ld in seine neue Stellung als Präsident der damals neu gebauten Nieder-
Österreichischen Südwestbahnen und folgte um so lieber der Berufung als
Hofrath und Generalinspektor des Telegraphenwesens in's Handelsministerium
im Jahre 1876, wo er bis Mitte 1880 thätig war. Ihm dankt man die Ein-
führung des telegraphischen Worttarifes in Oesterreich, der für den Fiskus
A^'ie für das telegraphische Bedürfniss des Publikums gleich willkommen war.
Auch sonst zeigte er durch zahlreiche Verbesserungen seinen praktischen
Blick und erwarb sich speciell um die Telegraphistinnen durch Begründung
ihrer Altersversorgung grosse Verdienste. Graf W. war seiner Zeit durch seine
eifrige Mitarbeit in zahlreichen künstlerischen Vereinigungen und bei gesell-
schaftlichen Veranstaltungen eine vielgekannte Persönlichkeit. Mehrere Jahr-
zehnte war er als Administrator der Ersten Oesterreichischen Donau -Dampf-
schi fifTahrts - Gesellschaft thätig. £r verschied auf seinem Gute Battaglia (in
Oberitalien). Als Besitzer der Güter Kainberg, Reitenau und Eichberg hatte
er sich grosse Verdienste um die Hebung der steirischen Fischzucht er-
worben. Seiner Ehe mit Anastasia Freiin von Sina entsprossen die Gräfin
Hedwig Anastasia Iphigenie und die Grafen Siegfried Simon Franz und Simon
Alf. Victor.
Heinrich Adler.
Wolkenstein y Heinrich , Graf, Oberstjägermeister des Kaisers Franz
Josef, ♦ am 7. Januar 1841 als Sohn des böhmischen Herrschaftsbesitzers
Grafen Karl Wolkenstein, f am 11. Februar 1897 zu Wien. — Er trat noch in
den fünfziger Jahren in die Armee und rückte dort allmählich bis zum Major
(i. Mai 1880) vor. Als solcher war er auch als Flügeladjutant des Kaisers
bis zum Jahre 1884 thätig, wo er zum Oberstlieutenant befördert wurde.
Im Jahre 1886 trat er mit dem Titel eines Obersten in Disponibilität. Er
wurde zum Oberst-Küchenmeister ernannt und mit der Würde eines Geheimen
Rathes ausgezeichnet. Die Stelle eines Oberst -Küchenmeisters bekleidete er
bis zum 21. Januar 1897. Damals — man brachte das mit gewissen System-
änderungen in der Verwaltung des Hofstaates in Verbindung — wurde er
seiner Stellung enthoben und zum Oberstjägermeister ernannt. In der Nacht
vom II. auf den 12. Februar 1897 machte er seinem Leben mit einem
Schuss aus einem Kugelstutzen ein Ende. Von anderer Seite wurde sein
jähes Ende auf schweres Leiden zurückgeführt. Der Verschiedene war ein
jüngerer Bruder des Botschafters in Paris, Grafen Anton Wolkenstein.
Heinrich Adler.
Eichhoif, Josef, Freiherr von, österreichischer Politiker, * als Sohn des
Hofkammer-Präsidenten Peter Josef Freiherm von Eichhoff am 28. October 1822,
f am 17. November 1897. — In den Jahren 1835 — 1840 versuchte es E.'s Vater
mit kräftiger, fester Hand, die trostlose Lage des österreichischen Staatshaus-
haltes zu bessern. Peter Josef Eichhoff wurde im Jahre 1834 in den öster-
reichischen Ritterstand — die Familie Eichhoff stammt aus Bonn — und 1836
in den Freiherrnstand erhoben und im Jahre 1839 zum ungarischen In-
digena und Magnaten ernannt. Als Vertreter des verfassungstreuen mähri-
schen Grossgrundbesitzes trat Baron E. 1863 in den mährischen Landtag,
der ihn dann viele Jahre hindurch in den Reichsrath entsandte. Dort be-
sass er lange Zeit eine führende Stelle als Obmann der liberalen Centrums-
partei; seine maassvoll liberalen Anschauungen waren von grosser Bedeutung
320
Freiherr von Eicbhoff. Gerhard.
auch für die mehr fortschrittlichen Parteien der Linken. Seit 23. October
1823 mit Marie Rosalie, geb. Gräfin v. Hohenwart zu Gerlachstein, vermahlL
also Schwager des Grafen Hohenwart, stand er immerhin in der ersten Reihe
des Kampfes, der im Sommer 1871 gegen die Vorbereitung der Fundamental-
artikel entbrannte. Nach dem Sturze Hohenwart's wurde Baron E. vielfach
in die Kabinetscombinationen einbezogen, als Ministerpräsident oder a^
Minister des Inneren. In der Aera Taaffe zog E. sich dann völlig auf seine
Stellung als Führer des verfassungstreuen mährischen Grossgrundbesitzes im
mährischen Landtage zurück, bis er schliesslich, am i. November 1892, in
das Herrenhaus berufen wurde. Im Jahre 1872 wurde er mit der Würde
eines Geheimen Rathes bekleidet. Seine Gemahlin verschied zwei Jahre vor
ihm. Ihrer Ehe entsprossen Freiherr Josef und Freiin Clara. Die Allodiai-
herrschaften Czekin, Winar, Roketnitz und Przekawalk in Mähren sind frei-
herrlich EichhoflTsche Besitzung.
Heinrich Adler.
Gerhard, Johannes Dietrich Adolar, Rechtsanwalt und Schriftsteller, ^am
17. Juni 1825 in Leipzig, f am 8. Mai 1897 daselbst. — Er war der dritte Sohn
des bekannten Legationsraths Wilhelm G., eines Weimaraners, der sich der
Freundschaft und Gunst Goethe's rühmen durfte, und der sich durch Ueber-
setzungen serbischer und schottischer Balladen^ durch Uebertragungen aus dem
Mittelhochdeutschen, sowie durch eigene Gedichte, von denen viele Volkslieder
geworden, in der deutschen Literatur einen Platz gesichert hat. In dem Hause
des Vaters, in welchem Gelehrte und Künstler geselligen Verkehr pflegten und
gasdiche Aufnahme fanden, gab es viele poetisch anregende Beziehungen, und
in dieser geistigen Atmosphäre wuchs Adolar G. auf. Nach Absolvining des
Gymnasiums studirte er in Jena und Leipzig unter Wächter, Albrecht, Gtintter
u. A. Jurisprudenz und erlangte nach Abschluss seiner Studien die nur selten
gewährte erste Censur. Bald darauf (1856) Hess er sich in Leipzig als Rechts-
anwalt nieder. Er war namentlich als Vertheidiger beim Schwurgericht eine
gesuchte Persönlichkeit, da er bei rascher Geistesgegenwart die Gabe der
freien und schwunghaften Rede in hohem Grade besass. Als warmer Literatur-
freund und einer der besten Literaturkenner wandte er seine Aufmerksamkeif
den Rechtsfragen zu, welche dieses Gebiet betrafen, und als das Urheber-
gesetz vom Jahre 1871 für das geistige Eigenthum einen festen Rechtsboden
geschaffen, da war er mit Ernst Wiehert, Karl Batz u. A. unter den ersten,
welche die Gründung der »Genossenschaft dramatischer Autoren und Com-
ponisten« durchsetzten. Und als sich diese 1871 in Leipzig constituirt hatte,
wurde G. der Syndikus derselben und nahm sich ihrer Interessen mit Sach-
kenntniss und grosser Uneigennützigkeit an. Im Jahre 1884 legte G. das
Syndikat nieder, und da er auch in demselben Jahre Wittwer geworden war,
gab er auch seine Thätigkeit als Rechtsanwalt auf und lebte nun hinfort
ganz der Literatur und der Dichtung. Er konnte sich schon früher manches
schönen Erfolges als Poet rühmen. Das Festspiel »Victoria regia« (1858), das
er für die Berliner Bühne zur Vermählungsfeier des Prinzen Friedrich Wilhelm
von Preussen und der Prinzessin Victoria von England geschrieben, wurde
mit dem ersten Preise gekrönt und in den Festmonaten in Berlin wieder-
holt aufgeführt. Eine epische Dichtung »Der Erlöser« Hess er unter dem
Namen Gerhard Ger (1885) erscheinen, während ein Theil seiner »Gedichte*
erst nach seinem Tode herausgegeben ward (1898). Im Jahre 1894 erlitt G.
Gerhard. Deeckc.
321
dnen Schlaganfall, der ihn linksseitig lähmte, aber geistig blieb er bis wenige
wIona.te vor seinem Tode noch rege und schaffend. Er war ein Mann von
jcilem Charakter und den strengsten Grundsätzen, eine Natur, die sich mehr
ia.ch innen kehrte, ja fast zur Hypochondrie neigte und niemals die offen t-
iclie Anerkennung herausforderte.
Nach Mittheilungen aus der Familie. — Rudolf von GottschaH's Nächruf im »Leip-
Eiger Tageblatt und Anzeiger« Tom 11. Mai 1897.
Franz BrÜmmer.
Deecke, Wilhelm, ♦ am i. April 1831 in Lübeck, f am 2. Januar 1897
in Strassburg i. E. — Er war der Sohn des Professors Dr. Deecke, der die
freie Hansestadt auch 1848 im Frankfurter Parlament vertrat. Nach Absol-
virung des Katharineums beaog D. schon mit 17 Jahren die Universität
Leipzig, wo er sich dem Studium der Philologie — und zwar in weitestem
Umfange — widmete. Im Herbst 1849 &^S ^^ nach Berlin, wo er bis 1852
seine Studien fortsetzte, die sich hier auch auf Alterthumskunde und ver-
gleichende Sprachwissenschaft ausdehnte. Ohne seine Studien durch irgend
ein Examen zum Abschluss gebracht zu haben, aber doch mit einem univer-
sellen Wissen ausgestattet, kehrte er nach Lübeck zurück, wo er vertretungs-
weise Unterricht im Lateinischen am Katharineum ertheilte, 1855 ^^^^ ^^^
Leitung der Ernestinenschule, einer höheren Mädchenschule, übernahm. Diese,
ursprünglich nur für wenige Jahre beabsichtigte Thätigkeit wurde ihm mehr
und mehr lieb, so dass er, nachdem er seinen Hausstand gegründet hatte,
15 Jahre in derselben verharrte. Diese Zeit wurde nicht nur durch seine
amtliche Thätigkeit, sondern auch durch eifrige Beschäftigung mit den früher
erwählten wissenschaftlichen Fächern, durch Reisen nach England, Frankreich,
Holland und Italien, durch die Theilnahme am öffentlichen Leben, durch
Wirksamkeit in der Oberschulbehörde (seit 1865) u. a. ausgefüllt und durch
innigen Verkehr mit Emanuel Geibel und anderen bedeutenden Männern ver-
schönt. Auch als Schriftsteller bethätigte er sich, besonders in seinem Buch
über »Deutsche Verwandtschaftsnamen« (1870). Nachdem er 1870 die preussi-
sche Oberlehrerprüfung bestanden und sich in Leipzig die Doktorwürde er-
worben hatte, erhielt er noch in demselben Jahre eine Stelle als Oberlehrer
an der Realschule L Ordnung in Elberfeld, aber schon 1871 wurde er als
Mitdirektor des kaiserlichen Lyceums nach Strassburg i. E. berufen. Er
brachte diese Anstalt, deren Leitung er von 1879 ^" allein führte, zu hoher
Blüthe, so dass die Schülerzahl von etwa 100 in drei Jahren auf 500 wuchs. Als
aber Meinungsverschiedenheiten über principielle Schulfragen zwischen dem
Statthalter Edwin von Manteuffel und D. entstanden und der letztere
seine Ansicht in den »Plaudereien über Schule und Haus« (2 Hefte, 1884)
ruhig und würdevoll vertheidigte, wurde der Wirksamkeit D.'s in Strassburg
schnell ein Ende bereitet und er als Direktor des Gymnasiums nach Buchs-
weiler im Unter-Elsass versetzt (1884). Erst fünf Jahre später trat er durch
seine Ernennung zum Direktor des grossen Gymnasiums in Mülhausen —
unter dem Statthalter Fürsten Hohenlohe- Schillingsfürst — wieder in eine
Stellung ein, die der früher eingenommenen gleichwerthig war, und die er
bis zu seinem Tode inne hatte. Ein schweres Leiden machte Ende d. J,
1896 seine Ueberführung in das Diakonissenhaus zu Strassburg nöthig, und
hier ist er wenige Stunden vor der beabsichtigten Operation verschieden. —
I>. galt, als Verfasser der genauesten »Jahresberichte über die Fortschritte
Biogr. Jahrb. n. Deutscher Nekrolog. 9. Bd. 2 1
322
Deeeke. Bode.
der lateinischen Sprachkunde« (1875 — 95), als einer der besten Kenner die»:
Sprache. Infolge dessen wurde er ersucht, eine »Lateinische Grammatik mr
Erläuterungen« (1893) zu schreiben. Sein Hauptverdienst liegt in seine-
Forschungen auf dem Gebiete der etruskischen Sprache und Alterüiüme
deren Resultate er in dem dreibändigen Werke »Etruskische Forschungen
(1875 — 84), in dem Buche über »Die Falisker« (1888) und anderen Ver-
öffentlichungen niedergelegt hat. Den intimen Beziehungen zu seiner Vater-
stadt entstammten seine biographischen Arbeiten »Wilhelm von Bippen, eir.
Gelehrtenleben« (1867) und »Aus meinen Erinnerungen an Emanuel Geibcl
(1885), sowie auch eine Sammlung seiner Gedichte »Heimathklänge c (187c
Lttbeckische Bl&tter, Jahrg. 1897, No. 2 u. 5 vom 10. und 31. Januar. — Jahresberid:-
des Gymnasiums zu MUlhausen im Elsass 1896 — 97.
Franz Brünimer.
Bode, Richard Werner, * am i. August 1842 in Halberstadt, f an.
14. Juli 1897, durch längere Krankheit vom Sitz seiner Amtsthätigkeit ferr
gehalten, in Blankenburg am Harz als vortragender Rath im Ministerium der
öffentlichen Arbeiten und Geheimer Baurath. Allzufrüh hat der Tod einer
hochbegabten Mann abberufen, dem nach pflichttreuem und an Erfolg
reichem Wirken eine bedeutende Zukunft vorbehalten schien. Ex genau
seine Schulbildung auf dem Gymnasium zu Halberstadt, bezog 1863 die
Königliche Bauakademie in Berlin und bestand Ende 1865 die erste Staate
Prüfung. Schon als Bauführer entschied er sich für das Eisenbahnfach, in
welchem auch sein Vater als oberster Baubeamter der Magdeburg- Halber-
städter Eisenbahngesellschaft hervorragend thätig war. Seine Baumeister-
prüfung legte B. kurz vor dem Ausbruch des deutsch-französischen Kriegen
ab. Nachdem er während des österreichischen Feldzuges der Executivcoro-
mission für grössere Truppentransporte im grossen Hauptquartier beigeordnet
war, wurde er 1870 als Officier der Landwehr der zweiten Feldeisenbahn-
Abtheilung zugetheilt und erwarb auf französischem Boden das eiserne Kreuz.
Nach Beendigung des Krieges und kurzer Thätigkeit bei Privateisenbahnbauten
wurde er 1873 auf seinen Wunsch in den preussischen Staatseisenbahn-
dienst berufen, in der Folge als Abtheilungsbaumeister beim Bau der Linie
Berlin-Nordhausen, von 1880 ab beim Bau der Gebirgsbahn Erfurt-Rictschen-
hausen — zum Theil unter aussergewöhnlich schwierigen Verhältnissen —
beschäftigt und nach glücklicher Lösung der ihm gestellten Aufgaben durch
Verleihung des Rothen Adler-Ordens sowie des sächsisch-emestinischen Haus-
ordens ausgezeichnet. 1883 in die etatmässige Stelle eines Eisenbahn-Bau-
und Betriebsinspectors eingerückt, wurde er 1885 als Hilfsarbeiter und Be-
triebsdecement an das damals durch den Umbau des Bahnhofs Halle stark
belastete Betriebsamt Magdeburg (Wittenberge-Leipzig) versetzt, 1890 zum
Regierungs- und Baurath, Vorsteher des betriebstechnischen Bureaus und
Bahnbevollmächtigten der Königlichen Eisenbahndirection Magdeburg und
1892 zum Mitgliede dieser Behörde befördert. Die von ihm in jeder Stellung
bewiesene Umsicht und Leistungsfähigkeit, seine umfassenden Kenntnisse im
Eisenbahnbau und -Betriebe, seine Gewandtheit im dienstlichen und ausser-
dienstlichen Verkehr veranlassten 1893 seine Entsendung ziu* WeltaussteUung
in Chicago als Berichterstatter über amerikanische Bahn- und Bahnhofsanlagen
und 1894 — nach vorübergehender Beschäftigung im Reichs-Eisenbahnamt —
seine Berufung in das Ministerium der öffentlichen Arbeiten als technischer
Bode. Bauer.
323
Referent für die Directionsbezirke Halle und Magdeburg und als Referent für
cnilitärische Angelegenheiten, in denen er infolge seiner früheren Thätigkeit
besonders erfahren war. Am i. April 1895 wurde B. gelegentlich der Neu-
ordnung der Staatseisenbahnverwaltung zum Geheimen Baurath und vor-
tragenden Rath ernannt. B. war ein Mann von ausgezeichneter That und
W^illenskraft. Auch ausserhalb seines amtlichen Wirkungskreises hat er be-
reitwilligst sein Können und Wissen in den Dienst seines Faches und seiner
Fachgenossen gestellt. Längere Zeit war er Vorsitzender des Magdeburger
Architekten- und Ingenieurvereins und gehörte nach seiner Uebersiedelung
nach Berlin auch dem Vorstande des Berliner Architektenvereins an. Ueberall
hat ihm sein ofifenes, zuverlässiges und wohlwollendes Wesen Freunde er-
w^orben und die Liebe und Hochachtung seiner Mitarbeiter und Berufsgenossen
gesichert. Als besonderer Beweis seiner Herzensgüte ist noch der Eifer her-
vorzuheben, mit welchem er stets bis zur Grenze des Möglichen für das Wohl
seiner Untergebenen eintrat, die ihm dafür, trotz seiner Strenge bei vorkom-
menden Verschuldungen, seltene Anhänglichkeit und Verehrung bewahrten.
Seit 1872 war der Verstorbene in glücklichster Ehe verheirathet. Von vier
Kindern sind ihm drei im Tode vorausgegangen. Der erst vor Jahresfrist
erlittene Verlust seiner ältesten, ihm besonders vertrauten Tochter hat die
Widerstandskraft des einst so kernigen Mannes gebrochen, und einen Tag
bevor er das Fest der silbernen Hochzeit hätten feiern sollen, wurde er unter
Betheiligung zahlreicher Freunde und Amtsgenossen in Suhl in der Familien-
gruft beigesetzt.
Ccntralblatt der Bauverwaltung XVII, No. 30.
Bauer, Julius Bruno, Militär und Schriftsteller, * am 27. Februar 1843
als Sohn des Packhofskommissärs Andreas B., der als Sergeant im Braunschwei-
gischen Truppencorps den Feldzug von 181 5 mitgemacht hatte (f 1874), in
Braunschweig, f am 15. September 1897 in Bad Oeynhausen. — Er besuchte
das Gymnasium seiner Vaterstadt, das er Ostern 1860 mit gutem Zeugnisse
verliess, um als Einjährig-Freiwilliger am i. April d. J. beim Braunschweigischen
Infanterie- Regimen te einzutreten. Am i. October 1860 wurde er zum Vice-
korporal, 6. April 1861 zum Portepeefähnrich, 5. November 1862 zum Second-
Ueutenant ernannt. Als solcher nahm er 1866 an dem Marsche nach Bayern
Theil. Während des Feldzuges gegen Frankreich, wo er bei Gravelotte, der
Cemirung von Metz, bei Langres, Vandome, Le Mans u. s. w. mitfocht und sich
das eiserne Kreuz errang — später erhielt er auch das Ritterkreuz des Ordens
Heinrichs des Löwen — , wurde er unterm 5. Januar 187 1 zum Premier-Lieute-
nant befördert. Am 30. April 1877 wurde er zum Hauptmann und Compagnie-
chef eniannt. Ein paar Jahre darauf, im September 1879, vermählte er sich mit
Leopoldine Abel, Tochter des Justizraths Abel in Hannover. Durch einen
unglücklichen Sturz mit dem Pferde, den er am 12. Mai 1880 an der Spitze
seiner Compagnie erlitt, zog er sich einen Bruch des rechten Unterschenkels
zu, der zwar heilte, aber heftige neuralgische Schmerzen zurückliess. Diese
verschlimmerten sich derardg, dass er seit April 1882 seinen Dienst nicht mehr
versehen konnte. Die Bäder, die er besuchte, bheben ohne Erfolg; es trat
ein Rückenmarksleiden hinzu, das eine allmähliche Lähmung beider Beine
zur Folge hatte. Da man den tüchtigen Officier dem Regimente zu erhalten
wünschte, so wurde er diesem unterm 29. Januar 1883 zunächst aggregirt.
Da sich das Leiden aber nicht besserte, so erhielt er unterm 3. October d. J.
31*
3^4.
Bauer. Frani.
den erbetenen Abschied mit Pension und der Regimentsuniform. Später
(8. Mai 1890) verlieh ihm Prinz Albrecht als Regent des Herzogthums Brauiv
schweig noch den Charakter als Major. Nach seiner Entlassung siedelte F>.
nach Bad Oe)mhausen über, wo er nach langem, schwerem Leiden gestorber»
ist. Sein trauriger Zustand hinderte ihn aber nicht an reger geistiger Thäti::-
keit. Er besass eine vielseitige geistige Bildung und konnte im persönlichen
Verkehre trotz einer starken satirischen Ader eine grosse Liebenswürdigkd:
entfalten. Als Schriftsteller ist er öffentlich zuerst nach dem Tode Herzog
Wilhelms mit zwei kleinen Schriften hervorgetreten: »Hohenstaufen — Wdfcn
und Hohenzollern, eine historisch-kritische Studie« (Hannover, 1885) und »Der
preussische Antrag bezüglich der braunschweigischen Erfolgefrage und seine
Consequenzen, ein Mahnruf« (Hannover, 1885), ^^ denen er einem friedlichcT
Ausgleiche zwischen Hohenzollern und Weifen das Wort redet und für cü^
Recht des Herzogs von Cumberland auf den Braunschweigischen Herzogsthron
im Interesse der deutschen Monarchien mit Wärme eintritt. Es folgten danr
noch zwei Abhandlungen aus der vaterländischen Geschichte: »Die Braun-
schweig-Lüneburger in den Türkenkriegen des 17. Jahrhunderts« (Hannover.
1885) und »Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig in seiner geschicht-
lichen Bedeutung« (Hannover, 1891), die nicht so sehr für die historische
Wissenschaft wie für die gut volksthümliche Literatur eine Bereicherung be-
deuten. Als die gründlichste und umfassendste seiner Schriften ist wohl »Dei^
Einfluss Frankreichs auf die preussische Politik und die Entwickelung des
preussischen Staats« (Hannover, 1888) zu betrachten.
P. Zimmermann.
Franz ) Hermann, Geheimer Oberbaurath, * am 12. December 1827,
f am 20. Juli 1897 in Berlin. — Nachdem er im Jahre 1847 ^*^ Feldmesser-
prüfung bestanden hatte, wurde er bei Eisenbahnvorarbeiten in Pommern be-
schäftigt und hierdurch einer Verwaltung zugeführt, in der er bis zu seinem
Uebertritt in den Ruhestand mit kurzen Unterbrechungen thätig war. Die
Baumeisterprüfung legte er im Jahre 1857 ab; die Ernennung zum Eisenbahn-
Baumeister erfolgte am 18. Februar 1864, die zum Bauinspektor am 4. De-
cember 1865 und die zum Regierungs- und Baurath am 9. März 1870. Be-
reits im Jahre 1869 war F. technisches Mitglied des Eisenbahn-Conrniissariats
in Köln geworden, und es begann hiermit die lange Reihe der Jahre, in
denen sich die vielseitige Begabung des Verstorbenen in hervorragender Weise
bewährte. Im Jahre 1873 wurde er als vortragender Rath in die Eisenbahn-
Abtheilung des Ministeriums der öflfentlichen Arbeiten berufen, 1876 erfolgte
seine Ernennung zum Geheimen Oberbaurath; lange Jahre hindurch war er
Mitglied des technischen Ober-Prüfungsamts. Vermöge seiner nicht aus dem
Gleichgewicht zu bringenden besonnenen Ruhe, gepaart mit Herzensgüte und
milder Gesinnung wirkte der Verstorbene stets ausgleichend und die Sache
fördernd. Sein Leben gleicht vom Anfang bis zum Ende einer köstlichen,
edlen Harmonie. Leider endete diese in krassester Weise, indem der Ver-
storbene am 20. Juli bei seinem ersten Ausgang in Berlin, nach der Rück-
kehr von einer Rheinreise, auf dem Potsdamer Platze von einem Wagen
überfahren wurde und, ohne wieder voll zum Bewusstsein gekommen zu sein,
drei Tage später an den Folgen dieses Unfalles verstarb»
Centralblatt der Bau Verwaltung XVII, No. 31.
Graf von Neipperg. 725
Neipperg, Erwin Franz Ludwig ' Bernhard Ernst Graf von, öster-
reicliischer General, ♦ am 6. April 1813, f am 2. März 1897 auf Schloss
SchMraigem. — Der Vater des Grafen Erwin N. ist jener Graf Adam,
der, 18 15 der Kaiserin Maria Louise als Begleiter auf ihrer Reise nach
Parma mitgegeben, die Gunst der Gemahlin Napoleons I. gewann und sie
nacli dessen Tode 1821 als Gattin heimführte. Die Söhne des Grafen
aus erster Ehe trugen den alten Namen der Familie, die einem ritter-
lichen Geschlechte aus Schwaben entstammt; die aus der Ehe mit Maria
Louise hervorgegangenen Kinder erhielten den Namen von Grafen von
Aloritenuovo (italienische Uebersetzung von Neuberg = Neipperg) und die-
ser Zweig ist seit 1864 gefürstet. Zu den alten Familienbesitzungen der
Neipperg'schen Familie gehört das Gut Schwaigern in Württemberg und hier
-wurde der spätere österreichische General Graf Erwin, geboren und hier ver-
schied er auch als 8 4 jähriger Greis. Seine militärische Bildung erhielt er in
der k. k. Ingenieur- Akademie zu Wien und trat 1830 in das österreichische
Husaren-Regiment No. 8 als Lieutenant, wurde 1836 Rittmeister, 1847 Major,
in welcher Eigenschaft er 1848 bei dem Kampfe um Krakau und später bei
der Einnahme Wiens thätig war. Im Feldzuge von 1849 stand er uiiter
Radetzky in Italien. Dann stieg er 1850 zum Obersten, 1854 zum General-
major und 1863 zum Feldmarschalllieutenant auf. In letzterer Eigenschaft
nahm er an dem Feldzuge gegen Dänemark Theil, war bei der Berennung
von Fridericia thätig, besetzte die Festung und commandirte am 8. März bei
Veile die linke Angriffscolonne. Da er seit 1864 Commandant der Bundes-
festiing Mainz war, so ergab es sich von selbst, dass er 1866 das Commando
einer Abtheilung auf dem westdeutschen Kriegsschauplatze übernahm. Es
war das die 4. Division des achten Bundescorps, das bekanntlich von dem
Prinzen Alexander von Hessen befehligt wurde. Nach dem Siege von
Kissingen am 10. Juli zog es der preussische General Vogel von Falckenstein
vor, die geschlagenen Bayern unverfolgt zu lassen und sich dem »Springer
auf dem Schachbrett« vergleichbar mit grosser Schnelligkeit gegen Frankfurt
auf das achte Bundescorps (Oesterreicher, Hessen, Württemberger, Badenser
und Nassauer) zu werfen. Dabei stiess die vordere preussische Division
Göben bei Lausach zuerst auf die Hessen-Darmstädter unter Generallieutenant
Perglas, schlug sie aus dem Felde und ihr nächster Stoss traf bei Aschafien-
burg die Division des Grafen N. Diese bestand eigentlich aus der öster-
reichischen Brigade Hahn und aus der nassauischen Brigade, letztere aber
war auf Wunsch ihres Herzogs zur Vertheidigung Wiesbadens abcommandirt.
Graf N. konnte aber hoffen, dass er bei der Vertheidigung Aschaffenburgs
nicht bloss auf seine Oesterreicher, sondern auch auf die Hessen unter Perglas
zählen könne, die, wenn auch geschlagen, doch nach Abrede seinen Rücken
und seine Flanke decken konnten. So wollte er Aschaffenburg und seine
wichtigen Mainbrücken halten, bis auch die Württemberger und Badenser zur
Stelle seien. Göben zögerte nicht, ihn in der Frühe des 14. Juli rüstig an-
zugreifen und da N. nur über 7 Bataillone gegen 13 feindliche verfügte, so'
sah er seine Truppen nach tapferem Widerstände auf der rechten Flanke um-
gangen und somit in Gefahr, von den Mainbrücken abgeschnitten und ge-
fangen zu werden. Zu spät erfuhr er, dass Perglas die Hessen ohne jeden
Anlass mainabwärts weggeführt und ihn schmählich im Stiche gelassen hatte.
Ein Theil der Oesterreicher zog nun über die Mainbrücken ab, aber da sich
die Preussen der näheren derselben rasch bemächtigten, fielen die noch
^26 Graf von Neipperg. Graf Chorinsky.
weiter zurückgebliebenen österreichischen AbtheOungen dem Feinde in i^
Hand. N.'s Anordnungen waren sachgemäss gewesen; man konnte ihr
höchstens zum Vorwurfe machen, dass er als rangälterer General dem hessi-
schen General nicht bestimmte Befehle gesendet hatte; aber da ihm der
Oberbefehl nicht ausdrücklich übertragen war, wollte er den Bundesgenossr
nicht durch eine Eigenmächtigkeit verletzen und vertraute auf dessen miliu-
risches Pflichtgefühl. So triöl ihn denn keine Schuld an dem Verluste d^
Treffens. An dem Gefechte von Tauber -Bischofsheim am 24. Juli nahm Cz
Division Neipperg nur in der Reserve und durch ihre Artillerie Theil, be
Gerchsheim am 25. Juli erhielt sie noch vor ihrem Eingreifen von dem Cor|>
Commandanten Prinzen von Hessen den Befehl zum Rückzuge — diesnn
hatten nämlich wieder die Badenser vorschnell den Kampfplatz verlassen und
den Verlust des Gefechtes herbeigeführt. Unter diesen Umständen hat:?
FML. Graf N. keine Lorbeeren holen können, aber überall das Seinige Me-
than; die Verleihung des Leopoldordens durch den Kaiser sollte das be-
kunden. Er übernahm 1867 das Commando der 14. Division in Pressbuis
1869 auf kurze Zeit das Generalcommahdo in Wien, bis er 1869 an tin
Spitze des Armeecorps in 'Lemhetg trat. Der Ausbildung seines Corps wid-
mete er sich mit allem Eifer, und wurde als solcher 1869 Geheimer Raih
1870 General der Cavallerie. Im Jahre 1878 erhielt er die EhrensteUunt
eines Capitäns der k. u. k. Trabanten -Leibgarde und wurde 1879 ^^^^^^'
längliches Mitglied des Herrenhauses. Seit 1873 Ritter des Goldenen Vlicsse<
erhielt er aus Anlass seines 60jährigen Dienstjubiläums im Heere das Gross-
kreuz des Stephansordens. Bis in sein hohes Alter rüstig und geistig thät^r
verschied er am 2. März 1897 als ältester General der österreichisch -ungari-
schen Armee.
H. Friedjung.
Chorinsky, Karl Graf, Mitglied des österreichischen Herrenhauses und
Präsident des Wiener Oberlandesgerichts, ♦am 18. Oc tober 1838, t ^
10. September 1897. — Ch. studirte an der Wiener Universität, trat sodann
in den Staatsdienst und widmete sich der richterlichen Laufbahn. Nach
mehrjähriger Thätigkeit zu Wien und Krems wurde er 1874 Landesgerichts-
rath und 1881 Oberlandesgerichtsrath in Wien. Im Jahre 1878 trat er durch
die Wahl des Landgemeindenbezirks Werfen in den Salzburger Landtag, bald
darauf, 1880, wurde er vom Kaiser zum Landeshauptmann von Salzburg er-
nannt. Gemeinsam mit Lienbacher leitete er die clericale Partei in Salzburg.
Bald aber stellte sich heftige persönliche Gegnerschaft zwischen den beiden
Männern ein, zumal da Ch. mit Umgehung Lienbacher's 1886 mit der Leitung
des Landesgerichts in Salzburg betraut wurde.
Dieser Gegensatz verschärfte sich, als Lienbacher immer bestimmter
gegen die slavenfreundliche Politik der Clericalen auftrat, und führte bei der
Wahl von 1890 zu einem Siege der Anschauungen Lienbacher's. 1887 wurde
Ch. zum lebenslänglichen Mitgliede des Herrenhauses ernannt und erhielt
im Herbst 1890 die Stelle eines Präsidenten des Oberlandesgerichts in
Wien.
Im Herrenhause nahm er neben dem Grafen Belcredi eine leitende Stel-
lung in der conservativ-clericalen Partei ein und betheiligte sich zu wieder-
holten Malen bei der Berathung legislatorischer Aufgaben. Er gehörte jener
Richtung der clericalen Partei an, welche im Sinne Hitze's und Hcrtling's
Graf Chorinsky. Pfeiffer. Rittershaus. ^2 7
len socialen Aufgaben des Staates besondere Aufmerksamkeit zuwendet
n einer Rede im Herrenhause, in der er für das Höferecht eintrat, sagte er:
.ucH die Rechtsprechung bedürfe eines Tropfens sociaJen Oeles, der rein
»riva^trechtliche Standpunkt sei in ihr nicht immer festzuhalten. In den
cHriftstellerischen Arbeiten Ch.*s trat neben dieser Gesinnung auch eine
cliroffe Ablehnimg des liberalen Standpunktes zu Tage. Unter seinen
^cliriften sind zu nennen: »Wucher in Oesterreichc, Wien 1877; »Das No-
:axia.t und die Verlassenschaftsabhandlung in Oesterreich«, 1877; »Das Vor-
kTwindschaftsrecht in Oesterreich vom 16. Jahrh. bis zum Erscheinen des
foseflnischen Gesetzbuches«, Wien 1878; »Der österr. Executiönsprocess. Ein
Beitrag zur Geschichte der allgemeinen Gerichtsordnung«, Wien 1879.
Pfeiffer, Franz, österreichischer Abgeordneter, ♦ in Rumburg (Deutsche
Böhmen) 1832, f in Wien am 13. Februar 1897. — Er widmete sich in
Prag technischen Studien und betheiUgte sich an der Bewegung von 1848,
trat 1849 als Cadett in die österreichische Armee und machte den Feldzug
von 1849 in Ungarn und den von 1859 in Italien mit. Im Jahre 1861 nahm
eT ads Obetlieutenant den Abschied und leitete von da an sein Gut Aujed
bei Tuschkau. Er wurde vom böhmischen Grossgrundbesitze 1872 in den
Landtag gewählt, dem er bis 1882 angehörte; dieselbe Wahlcurie vertrat er
1879 — ^885 im Reichsrathe. Dem böhmischen Landtage gehörte er auch in
der jetzt tagenden Session an. Er erwarb sich dadurch Verdienste, dass er
sich an der Organisation der deutschen Landwirthe Böhmens kräftig bethei-
Hgte, so dass er von der Gründung an Präsident des landwirthschaftlichen
Centralverbandes der Deutschen Böhmens war. Alle wirthschafdichen und
nationalen Anregungen und Reformen fanden in ihm einen eifrigen Förderer.
So stellte er sich an die Spitze der Action, die darauf drang, dass der böh-
mische Landesculturrath (die höchste landwirthschaftiiche Behörde Böhmens)
in eine deutsche und eine tschechische Section getheilt wurde. Als dies
durch den Ausgleich von 1890 erreicht war, wurde er von seinen Stammes-
genossen zum Präsidenten der deutschen Section gewählt, eine Stelle, die er
bis an seinen Tod 1897 bekleidete. Sein Leichnam wurde in Gotha ver-
brannt.
Rittershaas, Emil, Dichter, ♦ am 3. April 1834, f am 8. März 1897 in
Barmen. — Er stammt aus einem der ältesten Geschlechter des bergischen
Landes. Sein Vater, ein Bandfabrikant, erzog den Knaben in ernst - christ-
lichem Sinn. Seine Mutter verlor er, als er 6 Jahre alt war; an ihrer Stelle
übernahm die Grossmutter das Werk der Erziehung. In ihrem Hause wurde
R. durch den Privatlehrer Borckel für die Stadtschule vorbereitet, die er von
1842 — 1848 besuchte. Sein Wunsch, Naturwissenschaft zu studiren, konnte
nicht erfüllt werden. Er musste in das väterliche Geschäft treten und Kauf-
mann werden. Im Alter von 19 Jahren machte er bereits grössere Reisen
für dasselbe. 1854 verlobte er sich mit Hedwig Lukas aus Elberfeld,
heirathete 1856 und gründete ein eigenes Agentur- und Commissionsgeschäft
in Elberfeld, 6 Jahre später siedelte er mit seiner Familie dauernd nach
Barmen über. Zwischen geschäftlichen Arbeiten und dichterischer Thätigkeit
floss sein Leben ruhig dahin. Tags war er Kaufmann, abends Poet und
Schriftsteller. Er schrieb Kunstberichte für die Zeitschrift »lieber Land und
Meer«, correspondirte mit verschiedenen Zeitungen des In- und Auslandes
j28 Rittershaus.
und dichtete herzige Lieder. Gegen Ende der sechziger Jahre hatte er ein:
schwere geschäftliche Krisis durchzumachen, die er mit Hilfe treuer Freucct
glücklich überstand. Bei aller geschäftlichen und poetischen Arbeit vergas^
er die Pflichten des Bürgers nicht. Unter anderem rief er den »Verein fj:
wissenschaftliche Vorlesungen« und den »Allgemeinen Bürgervereinc ?=:
Barmen in's Leben; im letzteren war er bis an sein Ende Vorsitzende
Dabei war er ein thätiges Mitglied der Loge, insbesondere der Legt
»Lessing« zu Barmen, in der er eine lange Reihe von Jahren den erster
Hammer führte. Manche Reise machte er im Dienste der Kunst ur»!
Wissenschaft, indem er Vorträge oder poetische Ansprachen hielt. iS^-
erkrankte R. an einem schmerzlichen Herzleiden, für das er in Wiesbaär
Genesung fand. 1888 half er den Frühstücksverein für arme Kinder grur-
den und stellte seine Muse in dessen Dienst. 1894 feierte er unter grosser
Betheiligung von nah und fem seinen sechzigsten Geburtstag. Leider verlor
er schon ein Jahr darauf seine inniggeliebte Frau, die eine echte Stütze seiJlt^
Daseins war, und die ihm sieben Kinder geschenkt hat, von denen heute
noch sechs, drei Söhne und drei Töchter, am Leben sind. Der Verlust dtr
Gattin schmerzte ihn tief, zudem hatte sich das alte Leiden wieder einge-
stellt, das sich bei seinem untröstiichen Seelenzustand immer mehr vei-
schlimmerte. Seine Pflege übernahm an Stelle der Heimgegangenen die
Schwester seines Schwiegersohns, des Professors Schaper in Berlin. In den
ersten Monaten des Jahres 1897 steigerten sich die Athmungsbeschwerden fr
unerträglicher Weise, bis der Tod ihnen am 8. März ein Ende machte.
Gleich nach seinem Heimgange bildete sich ein Comitd zur Errichtung eines
Denkmals für den Dichter in den Anlagen seiner Vaterstadt Barmen, dessen
Ausführung vor kurzem dem Professor Schaper übertragen worden ist.
lieber R.'s poetischen Werdegang ist folgendes zu berichten. Die erste
Einwirkung auf den Knaben übte seine Mutter aus. Von ihr hatte er die
Lust zum Fabuliren und die rheinische Frohnatur geerbt. Stundenlang sass
er als Kind zu ihren Füssen und hörte ihren Liedern- und Märchenerzählun-
gen zu; bei ihr lernte er auch die ersten für sein junges Fassungsvermögen
passenden Gedichte. Er selbst hat den Einfiuss seiner Mutter nie vergessen,
und noch in späteren Jahren sagt er von ihr, dass sie die Saat zu seinen
Liedern in seine Brust gestreut habe. Dem Vater verdankt er seine Lust
und Liebe an der Natur. Schon früh nahm ihn dieser mit in Wald und
Feld, lehrte ihn der Vögel Sang, der Blumen Sprache, der Blätter Rauschen
verstehen. Einen weiteren Einfluss auf des Knaben Gemüth übte sein Privat-
lehrer Fr. von Borckel aus. Er wusste mit den Gaben der deutschen Muse,
besonders durch Gedichte Herder's, Klopstock's und Hölty's, und durch
Schilderungen femer Länder, die er aus eigener Erfahrung kannte, des Jungen
Phantasie anzuregen und zu nähren. In der Stadtschule wirkte sein Lehrer
Ewich durch Vorlesung und Erklärung Arndt' scher Poesien auf das junge
Gemüth ein, und in der Nachbarschaft seines elterlichen Hauses setzte Frau
Ungermann, eine Marketenderin aus den Freiheitskriegen, durch Schilderungen
ihrer Erlebnisse seine Phantasie in lebhafte Thätigkeit. Was Wunder, wen/?
der Knabe schon früh seine Dichterschwingen zu regen versuchte, wenn er
schon als Schüler der unteren Klassen sich im Versemachen übte! Man er-
zählt, dass R. schon als Junge von zehn Jahren die Gesellschaft, in die ihn
sein Vater mitgenommen, durch seine Improvisation — ein besonderes Talent
des Dichters — in Erstaunen gesetzt habe. — Mit dem Eintritt in den
Rittershaus. 920
Klaufmannsstand liess sich seine Liebe zur Dichtkunst nicht bannen. Durch
fleissiges Studium der Literatur füllte er die Abendstunden aus: Freiligrath,
Geibel, Grün, Herwegh, Dingelstedt und Prutz waren dem herangereiften
Knaben schon bekannt, und das Feuer dieser freisinnigen Poeten ging auch
in seine Adern über. In einer Reihe von Gedichten, die er unter dem
Mantel der Anonymität in den Lokalblättern erscheinen liess, machte er
seinen Gedanken Luft. Neue Nahrung erhielten seine poetischen Neigungen
durch den Anschluss an die älteren Dichter des Wupperthals, an Friedrich
Röber, Reinhart Neuhaus, Adolf Schults und an den Maler Seel. Unter den
Anregungen dieses Kreises, in den auch sein Freund Karl Siebel trat, ver-
gingen sechs Jahre fleissigster Thätigkeit, und die Entwickelung des Poeten
R. machte grosse Fortschritte und gab sich in einer Reihe von Gedichten
kund. An Prutz, Gutzkow, Meissner, Vischer u. A. sandte er seine Verse,
und die Urtheile dieser ihm wohlgesinnten Männer reiften ihn mehr und
mehr. Geschäftliche Reisen, die ihn durch ganz Westeuropa führten, brach-
ten ihm eine reiche Welt- und Menschenkenntniss ein und machten ihn schon
früh mit manchen gleichlebenden Dichtem persönlich bekannt. Die religiösen
und politischen Strömungen Ende der vierziger Jahre blieben auch für ihn
nicht ohne Einwirkung; doch trat er mit seinen Gedichten nicht so in den
Vordergrund wie seine Freunde Neuhaus und Siebel. Seine immer zur Ver-
mittelung neigende GemÜthsanlage machte es ihm unmöglich , Dichter irgend
einer Partei zu sein. Freiligrath, den er in London kennen lernte, den er
verehrte und dem er bis an dessen Ende nahe stand, war es besonders, der
seine freiheitlichen Anschauungen in die rechten Bahnen lenkte. — Einen
ganz besondem, wohl den bedeutendsten Einfluss auf seine Dichternatur hat
seine von ihm iimigst geliebte Gattin vom Beginn ihrer Bekanntschaft bis an
ihr Lebensende ausgeübt. Hatte er sich bis zum Jahre 1854 in der Sturm-
und Drangperiode befunden, so begann mit der Zeit seiner Verlobung seine
Dichtkunst einen höheren Schwung zu nehmen; die Töne seiner Leyer er-
klangen voller und harmonischer, und seine geliebte Hedwig wusste sie immer
von neuem in Schwingung zu bringen. Alle seine Lieder gipfeln von da ab
in der Schilderung der Liebe zu seiner Braut, seiner Anhänglichkeit an Frau
und Kinder und eines glücklichen Familienlebens. Auf seinen ferneren Reisen,
die er seit 1856 für das eigene Geschäft zu machen hatte, lernte er weitere
hervorragende politische und dichterische Persönlichkeiten kennen, die seine
Phantasie nach verschiedenen Seiten befruchteten. Bedeutende Geister der
Kunst und der Feder verkehrten seit dem Jahre 1862 in seinem Hause zu
Barmen, darunter Bogumil Goltz, Emil Devrient, Karl Vogt, Marie Seebach,
Robert Prutz, Paul Lindau, die Maler Scheuren, Tidemand, Valentin u. A.
Mit den Dichtem Keller, Groth, Storm, Hofifmann, Geibel, Scheffel, Gottfried
und Johanna Kinkel, Annette von Droste-Hülshoff u. A. stand er in persön-
lichem oder schriftlichem Verkehr. Alle diese Geistesgrössen haben mehr
oder weniger anregend, fordernd und veredelnd auf ihn gewirkt. Im Wesent-
lichen aber hat sich R. an Goethe, Geibel, Rückert, Freiligrath und Her-
wegh, sowie am Umgang mit dem Dichter Siebel und dem Maler Seel ge-
büdct. — Die epische Poesie ist bei R. nur durch Bilder und poetische Er-
zählungen vertreten, von denen nach seiner eigenen Angabe nur wenige
wirklich gelungen sind. Der Hauptwerth des Dichters liegt in seiner Lyrik,
die auch den grössten Theil seiner Werke ausfüllt. Auf der Grenze Rhein-
lands und Westfalens geboren und lebend, hat er in treuer Liebe zur Heimat
^^o Rittershaus«
des Rheines Herrlichkeit und Westfalens markige Kraft gepriesen. Aber vie
wenige hat er auch den traulichen Reiz und das stille Glück des deutschen
Hauses, deutsche Liebe, deutsche Freundschaft, deutschen Frohsinn besungen,
und über den Rahmen von Haus und Heimat hinaus hat er die flammenden
und erhebenden Worte seiner Dichtung in den Dienst der idealen Mächte
deutschen Volkslebens gestellt, so dass er mit Recht über den engen Kici«
der Heimath hinausgehoben und ein deutscher Dichter genannt werden karin.
Wenn sich auch unter dem Weizen seiner Dichtungen hie und da Sprci:
findet — er selbst hat sich das niemals verhehlt — so athmen doch alk
einen überzeugungstreuen, warmen Ton, der im Herzen des Lesers uiwi
Hörers Wiederhall finden muss. Formell gehören die R/schen Gedichte i\:
dem Besten, was die deutsche Lyrik hervorgebracht hat. Die Verse sind
leicht und flüssig geschrieben. Versmaass, Strophenzahl und Reime zeigen
reiche Abwechselung. Eine grosse Gewandtheit und dabei doch erstaunliche
Natürlichkeit offenbart sich im Gebrauch der dichterischen Sprache, die sich
durch Bilderreichthum auszeichnet und in nicht wenigen Gedichten einen
sanglichen Charakter annimmt. Mit Recht sagt daher der Professor und
Literarhistoriker Dr. Kreyssig von ihm: »Die Virtuosität seiner Spra<:he, die
leichte, freie Behandlung des Reims wird von keinem Zeitgenossen über-
trofFen und von nicht mehr als einem halben Dutzend erreicht« Manche
seiner Gedichte sind bereits komponirt, viele verdienen es, noch in Musik
gesetzt zu werden.
Was nun die lyrischen Dichtungen R.'s im einzelnen betrifft, so nehmen
die Naturlieder und die Reflexionen über die Natur einen breiten Raum ein.
Der Dichter feiert in reizender Weise den Einzug des Frühlings, schildert in
glühenden Farben den Lenzmorgen, den Lenzabend und die Lenznacht und
malt das Leben und Treiben, Kämpfen und Siegen der Frühlingsnatur in
lebendigen Strichen. Zartere Töne verwendet er bei der [Beschreibung des
Sommers, besonders bei Schilderung der vom sanften Mondschein durch-
flossenen Sommernächte, während in den Herbstliedem der Harfenton der
Wehmuth süss klagend wiederklingt. Bei seinen Reflexionen über das Ver-
hältniss der Natur zum Menschen ist er zu tiefen Gedanken gekommen, denen
er überall einen stimmungsvollen Ausdruck verleiht.
Den Lenz lässt er zur Freude mahnen, den Sommer zum Genuss rufen.
Darum heisst es bei ihm, Missmuth und Kleinmuth bei Seite zu setzen, sieb
der Liebe und Lust zu ergeben und der Freude schöne Lippen zu küssen
mit einem Kuss, der bis in's Mark zu spüren ist. Die fallenden Blätter sind
ihm ein Sinnbild begrabener Hoffnungen und bitterer Enttäuschungen. Doch
wie die Herbstesnebel manchmal den milden Sonnenstrahlen weichen müssen,
so sollen auch Gemüth und Sinn des Menschen sich im Herbste des Lebens
freuen, und die Seele soll die letzten milden Sonnenstrahlen in sich schlürfen.
Auch zu Gott setzt der Dichter die Natur in Beziehung. — Umfangreicher
als die Naturlieder sind die Lieder, die der Liebe, speciell der Liebe des
Weibes und zum Weibe gewidmet sind. Sie sind vor allem wahr; denn hier
steht R. auf dem Boden der Wirklichkeit und der eigenen Erfahrung. In
schwärmerischer Weise singt er von der jungen Triebe ; in begeisterten Versen
schildert er die Maienseligkeit, die Zeit der Liebesträume, und in glühenden
Farben malt er die Rosen, die auf der Liebsten Wangen blühen. Leiden-
schaftlich wird die Sprache, wenn er das Werben und Ringen um das Mäd-
chen schildert, in dessen braunen Augen für ihn seine Lebenssonne, sein
Rittersbaus«
331
Lebensglück liegt. In überschwänglichen Tönen klingt das Geständniss der
Liebe und die Freude über die Erhörung aus. Ernster und bestimmter wird
<ier Ausdruck in der Charakterisirung der echten, dauernden Liebe, der Liebe
z irischen Mann und Weib, die nach ihm aushält in Schmerz und Leid und
cla.viert bis zum Tod. Ausser dieser Liebe preist er in glühenden Worten
die Freundesliebe und die allgemeine Menschenliebe. Letztere predigt er
besonders in seinen maurerischen Gedichten mit laut vernehmbarer Stimme. —
In seinen Vaterlandsliedern zeigt sich der Dichter als ein Verehrer und be-
geisterter Anhänger der deutschen Freiheits- und Einigkeitsbestrebungen.
r)abei ist er ein Feind aller verschwommenen Ideen und Reden, mit denen
nichts erreicht wird. Schon i86i kündet er in prophetischem Geist die Neu-
gestaltung der deutschen Verhältnisse durch Blut und Eisen an, 1866 legt er
sein Veto gegen eine Zweitheilung Deutschlands ein und verlangt Ende der
sechziger Jahre ein Vaterland, das eins in seinen Stämmen, frei im Geiste
sei. Während der Jahre 70/71 Hess er seine Harfe in hoher patriotischer
Begeisterung erklingen, und die Erfüllung seiner Prophezeiung fachte ihn zu
Freuden- und Dankliedem an. Wie fest er zu Kaiser und Reich stand, hat
er in seinen zur Einweihung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald ge-
schriebenen und anderen Liedern deutlich ausgedrückt. — Spricht sich in
den Natur-, Liebes- und Vaterlandsliedern durchschnittlich eine ernste Stim-
mung aus, so gewähren die Gesänge, die der Dichter der Freude und dem
Weine widmet, einen Einblick in seine Frohnatur, und an manchen Stellen
tritt dabei der Humorist hervor. »Will zechen, lieben, leben am Rhein, am
deutschen Rhein«, das ist der Grund ton, der sich durch alle diese Lieder,
besonders durch die Sammlung »Am Rhein und beim Wein« hindurchzieht.
R. kennt und besingt die verschiedensten Sorten des Rheinweins neben ihren
begeisternden Wirkungen und bringt alles in echt poetischer Weise zur An-
schauung. Aber auch dem Moselwein ist er nicht abhold, besonders liebt er
das schlanke Moselblümchen. In humoristischer Weise giebt er Lehren, wie
viel, wann und was für Wein man trinken soll. — Die echt männliche An-
schauung des Dichters vom Leben spiegeln eine lange Reihe von Gedichten
wieder — »Gedenke zu leben!« Dies Wort Goethe*s setzt er an die Spitze
seiner ersten Gedichtsammlung, und in einem seiner Gedichte ruft er selbst
aus: Lass leben stets den Zweck des Lebens sein; die Gegenwart ist dein!
— Leben ist für ihn ein stetes Ringen und Streben. Es erfordert Männer,
die Vertrauen zu sich selbst haben und auch im Unglück Geisteskraft und
Herzensmuth bewahren. Kommt auf tausend Schmerzen nach seiner Meinung
nur eine Lust, so muss der Mensch auf seinem Lebensweg sich selbst die
Rosen streuen und das Glück der Stunde ergreifen. Einen besonderen Werth
legt R. auf die Pflichterfüllung; denn sie schafft inneren Frieden und ein rein
Gewissen. Wenn auch die Sorgen des Lebens das Herz bedrücken, so soll
man doch den Muth nicht sinken lassen, sich in das Geschick ergeben und
auf bessere Zeiten hoffen. Dabei verlangt der Dichter, dass ein echter Mann
immer seinen Weg gerade aus gehe. Er verurtheilt die niedere, knechtische
Gesinnung und ist ein aufrichtiger Freund der Wahrheit. Er ermahnt, den
jugendlichen Sinn sich zu bewahren, wenn auch das Alter graue Fäden in
die Locken flicht. — Zum Schluss sei noch auf die religiöse Seite hingewiesen,
die uns in R.'s Lyrik entgegentritt. Wir begegnen da einem Entwickelungs-
gang vom krassesten Rationalismus bis zum strengsten Positivismus, der in
den Worten gipfelt: Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben. In
35^
djefcoi Gianben wurzeln auch die Gedicfate, in denen R. seineK festen Gon-
vertrauen Ausdruck rerieiht, in dem er toD Ergctrang aiamfai Vartn: So vie
e« kzm, v> war es gat. — Ausser der grossen Mei^ liiiw-bci Ergösse, die
die rerscJuedensien Gebiete des roensrhürhen Denkens, Empfeidens uthI
ißbuilßer» benihren, isi die IL'sclie Mose in einer langen Reihe toq Gdcge^
hejugedscliten henrorgetreten, die alle den Sconpel der Wahrlich and Schön-
heit an sich tragen und zum Theil in die Samminngen aa%eDOinmen sind
Im Bachhandel sind von E. R. folgende Gedicfatsammhmgcn erschienen:
Ccdicbte, 8. Auflage fEdaard Trevcndt, Breslaa).
Kojc Gedickte, 5, Aofl^e (E. KciTs Nackfolgcr. Ldpcig).
A» Rkein aod behn Wein, 3. Anfl^e /^Straas«, Bonn).
Buch der I^eidenschaft, 4. Auflage; Aus den Sommerta^cii, 4. Anflage (Schahe [Sdvarx]
Oldenburg),
Freimaiirerifcbe Dichtungen, 5. Auflage; Li Bradeiliebe und Bradcmeue, 3. Auflag
(Mzx HeMe, Leipzig).
Werke n. Schriften ». Böneablatt C d. deutsch. BnchhaadeL 1897. No. 57.
Dr. G. Hoertcr, Barmen.
Nehlfly Johann Christian, Wasserbau-Direktor. ^ am 29. September 1S41
in dem Dorfc Schülp bei Nortorf in Holstein, f am 5. September 1897 z«
Wilhelmshöhe, — In ländlichen Verhältnissen aufgewachsen, sprach er später
auch oft und mit Liebe von der einfachen Entwickelung seiner Jugendzeit;
doch konnte der rege Geist des Heranwachsenden durch das Einleben in die
heimatlic:hen Verhältnisse nicht befriedigt werden. Während Eltern und
Lehrer seiner Begabung genug zu thun glaubten, indem sie ihn statt des
landwirths<:haftlichen Berufes den eines Volksschullehrers ergreifen Hessen,
gingen «eine eigenen Wünsche wesentlich weiter. Entschiedene Neigung zu
mathemati5M:hen und technischen Studien Hess N. alle Schwierigkeiten über-
winden; nach einer Vorbereitungszeit, die er in Göttingen verlebte, bezog er
1861 die technische Hochschule in Hannover und bestand nach Abschluss
seiner Studien die erste hannoversche Staatsprüfung. In die Praxis einge-
treten, fand er 1868 bei dem Ausbau des Sandthorhafens in Hamburg eine
Anstellung, die für sein Leben entscheidende Bedeutung gewinnen sollte.
Johannes Dalmann, der Um- und Ausgestalter des hamburgischen Strom- und
Hafenbauwesens, stand damals auf dem Höhepunkt seiner Wirksamkeit als
Wasserbau-Direktor und wusste die tüchtigen Leistungen seines jungen Mit-
arbeiters zu schätzen. 1871 wurde N. zum technischen Bureauvorsteher der
Section für Strom- und Hafenbau erwählt, und er fühlte sich in dieser Stellung
an der Seite Dalmann's so wohl, dass er 1873 einen auf Grund seiner fach-
schriftstellerischen Leistungen an ihn ergangenen Ruf, als Professor an die
technische Hochschule nach Riga überzusiedeln, ablehnte. Am i. April 1875
wurde er zum hamburgischen Wasserbauinspektor ernannt, und als in dem-
selben Jahre Dalmann nach rasch sich entwickelnder Krankheit gestorben war,
ward N. im Alter von 34 Jahren zum Wasserbau-Direktor erwählt. Fast
gleichzeitig stellte sich, zum Theil wenigstens veranlasst durch jahrelange
Ueberarbeitung, eine tückische Lungenkrankheit ein, die N. in den Jahren
1876 und 1877 zu wiederholtem langdauerndem Aufenthalt in Italien zwang.
Er genas zwar, aber die Folgen dieser Krankheit sind nie dauernd behoben
worden, und es bedurfte der eisernen Natur des Verstorbenen, um trotz
wiederholter körperlicher Beschwerden durch volle zwei Jahrzehnte die
Lasten seiner verantwortungsreichen Stellung mit Erfolg zu tragen. Die mit
Nehls. V. R2iha.
333
der ganz ungewöhnlichen Entwickelung des Hamburger Hafens Schritt hal-
tende hauptamtliche Thätigkeit des Wasserbau -Direktors N. bedarf keiner
eingehenden Erläuterung und Würdigung. Scharfe Urtheilskraft, Geradheit
des Charakters und der Mangel jedes kleinlichen Ehrgeizes kennzeichnen die
Wirksamkeit des Verstorbenen. Diese Eigenschaften kamen indessen auch
ausserhalb des engeren Wirkungskreises, bei Verhandlungen mit auswärtigen
Behörden, bei den Elbstrombereisungen und bei seiner Thätigkeit als ständiges
ausserordendiches Mitglied der Königlichen preussischen Akademie des Bau^
Wesens in hervorragender Weise zur (Geltung. Wie an den Verhandlungen
der Akademie des Bauwesens, zu deren Mitglied N. 1880 vom Kaiser und
König ernannt ward, hat er auch an den Arbeiten des 1892 vom Kaiser ein-
gesetzten Ausschusses zur Untersuchung der Wasserverhältnisse in den der
Ueberschwemmungsgefahr besonders ausgesetzten Flussgebieten lebhaften An-
theil genommen. Schriftstellerisch hat sich N. auf technischem Gebiete be-
kannt gemacht durch die 1878 veröffentlichte Uebersetzung von Stevenson's
»Illumination of Lighthouses«, der er auf Grund eigener Arbeiten wesentliche
Zusätze beifügte. Aus neuerer Zeit ist die in dem hydrologischen Jahresbe-
richte von der Elbe 1896 enthaltene Bearbeitung der Sturmfiuthen in der
Elbe zu erwähnen. Verschiedenen in Zeitschriften veröffentlichten Arbeiten
technischen Inhalts schliessen sich dann rein theoretische Arbeiten an. Als
grössere Werke sind auf diesem Gebiete u. a. zu erwähnen: »Graphische
Integration«, Hannover 1877, und »Der einfache Balken auf zwei Endstützen
unter ruhender und bewegter Last«, Hamburg 1885. N. hat dauernd einen
Theil seiner Mussezeit mathematischen Studien gewidmet und namentlich auf
dem Gebiete der graphischen Integration mit Erfolg selbständig gearbeitet.
Der Zug nach den exakten Wissenschaften fand für das Wesen des Verstor-
benen übrigens eine vortheilhafte Ergänzung durch seine Vorliebe für die
schöne Literatur. N. war mit den Schätzen unserer Nationalliteratur in über-
raschender Weise vertraut und hat sein Verweilen im Süden erfolgreich dazu
benutzt, sich auch mit der italienischen Sprache und Literatur bekannt zu
machen. Dieser doppelten Richtung seiner Neigungen entsprach sein ganzes
Wesen: Klugheit, gepaart mit Freundlichkeit.
Centralblatt der Bauverwaltung XVII, No. 37. — n —
Riiha, Franz v., Professor des Eisenbahn- und Tunnelbaues an der Wiener
technischen Hochschule, Hofrath, ♦ am 28. März 1831 in Hainspach in Böhmen,
f am 22. Juni 1897 in der Umgebung von Wien auf dem Semmering. — R. be-
suchte die technische Hochschule in Prag, trat 1851 beim Baue der Semmering-
bahn in die Praxis, ging dann zum Bau der Karstbahn und zeichnete sich schon
damals bei der Durchführung schwieriger Tunnelbauten aus. Im Jahre 1856
wurde er zum Bau der Wilhelmsbahn nach Preussen, und zwar zunächst zum
Bau des Czemitzer Tunnels bei Ratibor berufen. Von 1857 ab baute er sodann
als Unternehmer an der Ruhr -Sieg -Bahn in Westfalen und trat 1861 in den
Braunschweiger Staatsdienst, wo er zuerst als Oberingenieur beim Bau der
Linie Kreiensen-Holzminden und von 1866 ab als Herzoglicher Oberberg-
meister in der Verwaltung der umfangreichen staatlichen Kohlengruben thätig
war. In die Zeit seines Aufenthaltes in Deutschland fallt die von R. zuerst
durchgeführte Anwendung des Eisens beim Tunnelbau und die Erfindung der
nach ihm benannten Tunnelbau-Methode, die er zum ersten Male 1861 beim
Bau der Bahn von Kreiensen nach Holzminden anwandte. Im Jahre 1869
334
y. Rzihsu
kehrte R. in Folge des Verkaufes der braunschweigischen Staatsgruben nach
Oesterreich zurück, machte die Vorarbeiten zu mehreren grossen Bahnstrecken
in Böhmen und den benachbarten Theilen von Sachsen, baute als Unter-
nehmer die Strecken: Prag-Lieben, Rumburg-Schluckenau, Rumburg-Ebersbach
und Dux-Kommotau und wurde 1874 unter dem Minister Banhans als Ober-
ingenieur in das k. k. Handelsministerium berufen. 1878 erfolgte seine Er-
nennung zum Professor des Eisenbahn- und Tunnelbaues an der technischen
Hochschule in Wien, und hier hat er in den nahezu 20 Jahren seiner Lehr-
thätigkeit eine grosse Zahl von österreichischen Eisenbahningenieuren heran-
gebildet. Seine Bedeutung auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues ist nament-
lich von Max Maria v. Weber in seiner Geschichte des Eisenbahnwesens her-
vorgehoben und gewürdigt worden. R. war wohl der bedeutendste Fachmann
auf dem Gebiete des Tunnelbaues. 1871 erschien sein »Lehrbuch der Tunnel-
baukunst«, ein geradezu klassisches Werk, durch welches dieser Wissenszweig
eigentlich erst begründet und aus dem Stande des blossen Handwerks empor-
gehoben wurde. Seine späteren schriftstellerischen Arbeiten sind ungemein
zahlreich, wenn sie auch nicht mehr die Bedeutung jenes Hauptwerkes er-
reichen. Sie sind zum grossen Theile durch die Pflege der geschichtlichen
Richtung ausgezeichnet, und insbesondere sein dreibändiges Werk über Eisen-
bahn-Ober- und Unterbau zeugt von der grossen Gründlichkeit, mit der R.
dem Quellenstudium nachging, und von dem philosophischen Geiste, den er
in die Behandlung technischer Aufgaben legte. Seine letzten Forschungen
waren einer wissenschaftlichen Vertiefung der Gewinnungsarbeiten im Erdbaue
gewidmet. Hierher gehören die Abhandlungen über Gewinnungs- und Bohr-
festigkeit, über Sprengarbeit, über die menschliche Arbeitsleistung im Taglohne
u. s. w. Er war eifrig an dem weiteren Ausbau dieser wissenschaftlichen Aus-
gestaltung der Lehre vom Erdbau thätig und sein rastlos arbeitender Geist
fand hier immer wieder neue Fragen und Aufgaben, die er in den Bereich
seiner Untersuchungen zog. Aber auch an den grösseren Bauausführungen,
die während der Zeit seiner Professur in Oesterreich vorfielen, nahm R. regen
Antheil und war dabei vielfach als Sachverständiger und Berather thätig, so
beim Bau des Arlberg-Tunnels, bei der Bewältigung des Wassereinbruches in
den Ossegger Schächten u. s. w. Ueber mehrere für das Wiener Gemeinwesen
wichtige technische Fragen hat er Gutachten abgegeben, so über die Wasser-
versorgung, über die Nothwendigkeit, sämmtliche Arbeiten der Wiener Ver-
kehrsanlagen nach einem einheitlichen Plane durchzuführen u. s. w. Die
wissenschaftlichen Bestrebungen und praktischen Leistungen R.*s wurden vom
Kaiser durch die Verleihung des Franz-Josefs-Ordens, des Ordens der eisernen
Krone und des Hofrathstitels, sowie durch die Erhebung in den Ritterstand,
von den Königen von Preussen, Sachsen und Bayern durch Ordensauszeich-
nungen anerkannt. Der Berliner Verein für Eisenbahnkimde ernannte ihn zu
seinem korrespondirenden Mitgliede. An der Stätte, wo R. als junger Tech-
niker unter Meister Ghega's Leitung zum ersten Male im Dienste des ge-
flügelten Rades stand, fand er auch seine letzte Ruhestätte. Nur eine kurze
Strecke abseits von der grossen Schienenstrasse, die er bauen half, bei Maria-
Schutz im Semmeringgebiete, liegt sein Grab, ringsum eingeschlossen von den
Bergen, durch welche er der Lokomotive einstmals den Weg bahnte. An
der Leichenfeier des Meisters nahmen die Techniker Oesterreichs in ent-
sprechender Vertretung Antheil. Schüler, die schon vor langen Jahren des
Meisters Kunst von ihm selbst erlernt, und zahlreiche Vertreter der hohen
V, Rziha. Hammer. Richter.
335
Schule, an welcher er bis zu seinem Tode gewirkt hat, Professoren, Assistenten
und Hörer gaben ihm das letzte Geleite. Die Südbahn-Gesellschaft hatte
einen Sonderzug gestellt, der die zahlreichen Trauergäste nach der Station
Semmering brachte.
Centralblatt der Bauverwaltung XVII, No. 37. — R. t. Reckenschuss : Zeitschr. des
Oest. Ingenieur- und Architekten- Vereins 1897, No. 21.
Hammer, Karl, Direktor der Königlichen Kunstgewerbeschule in Nürnberg,
^ am 6. März 1845 ^^ Nürnberg, f am 16. Juli 1897 ebenda, wenige Monate
nach Vollendung des von ihm und Konradin Walther in den edelsten Formen
der deutschen Renaissance erbauten neuen Schulgebäudes, das bei dem be-
deutenden Aufschwünge, den die im 17. Jahrhundert gegründete Malerakade-
mie im Laufe unseres Jahrhunderts als Fflegstätte des Kunstgewerbes genom-
men hatte, schon längst ein dringendes Bedürfniss war. In seiner Vaterstadt,
an der damals von v. Kreling geleiteten Nürnberger Kunstgewerbeschule zum
Künstler erzogen. Übernahm H. deren Leitung im Jahre 1885, nachdem er
eine Reihe von Jahren (1872 bis 1878) als Beamter der Vorbildersammlung
des bayerischen Gewerbeihuseums in Nürnberg und nachher als Professor der
Grossherzoglichen Kunstgewerbeschule in Karlsruhe thätig gewesen war. Hier
wie in den zwölf Jahren seiner Nürnberger Lehrthätigkeit war es ihm vor-
nehmlich darum zu thun, die Schüler dazu anzuregen, in liebevoller Anleh-
nung an die Werke der Vergangenheit, vor allem an die mustergiltigen
Schöpfungen der deutschen Renaissance, in frischer und unmittelbarer Weise
selbstschöpferisch thätig zu sein. Das Hauptgewicht legte er auf die Farbe,
und seinen eigenen Schöpfungen ist eine besonders malerische Wirkung eigen.
Er war eine echt decorative Kraft und da am grössten, wo es sich um rein
decorative Aufgaben handelte. Bei Festzügen und Saalausschmückungen hatte
man Gelegenheit, seine Kunst auf diesem Gebiete zu bewundem. Von seinen
Arbeiten, welche den verschiedensten Zweigen des Kunstgewerbes angehören,
seien die in grosser Zahl geschaffenen Diplome und Ehrenurkunden, die in
den letzten Jahren flir das Germanische Museum, das Rathhaus und die
Christuskirche in Nürnberg ausgeführten Glasmalereien und die Wandmalereien
zur inneren Ausstattung des Nürnberger Hofes (Tucherbräu) in Berlin beson-
ders hervorgehoben. Die Stadt Nürnberg hat mit H., den sie mit Stolz den
Ihren nennt, eine ihrer tüchtigsten künstlerischen Kräfte verloren, und mit
ihr beklagt das deutsche Kunstgewerbe den frühen Heimgang des Verewigten.
Centralblatt der Bauverwaltung XVH, S. 347. — Jahresbericht der Königl. Kunst-
gewerbeschule in Nürnberg 1898.
Richter, Albert , Vicebürgermeister von Wien, ♦ am 1. November 1843
zu Chotzen in Böhmen, f am 3. März 1897 zu Wien. Die Familie R.'s
stammt aus Schlesien; er wurde in Böhmen geboren, aber durch Erziehung
und Lebensauffassung ging er ganz in Wiener Art auf. Er besuchte das
Gymnasium zu Wien und zu Melk, studirte an der Wiener Universität zuerst
Medicin, bald aber Jura und erwarb hier den Doctorgrad der Rechte. Nicht
lange darauf trat er als Concipient in die Advocaturkanzlei des damaligen
Gemeinderathes und späteren Bürgermeisters von Wien, Prix. Dies wurde
für seine ganze Zukunft entscheidend; denn nachdem er sich selbst als Ad-
vocat in Wien niedergelassen hatte, wurde er unter Förderung Prix* 1885
in den Wiener Gemeinderath gewählt und stand bald als einer der fähigsten
19^5 Richter.
und streitbarsten Anhänger des energischen Mannes inmitten der leidenschaft-
lichen Parteikämpfe der Stadt. In der Discussion stellte R., dessen Stärke
eine kräftige, stets durch Laune gewürzte Dialectik war, seinen Mann; dabei
befähigte ihn seine rasche Auffassung, sich in die mannigfachen Beziehungen
eines grossen Gemeinwesens schnell hineinzuarbeiten. Wichtige Referate, be-
sonders das über die Wasserversorgung Wiens, wurden ihm anvertraut; und
er war ebenso schnell bereit, sich nach kurzer Orientirung in der Materie
eine allgemeine, für die Discussion ausreichende Kenntniss zu erwarben, als
sich bei wichtigen Anlässen in gründliche Studien zu vertiefen. Das war
seine Stärke und seine Schwäche; er nahm es ernst mit ernsten Dingen,
aber er konnte sich auch mit aller äusserer Sicherheit in eine Discussion
über Gegenstände stürzen, die er nicht beherrschte, was er jedoch nur
that, wenn ein tactisches Interesse der liberalen Partei ihn dazu zwang, der
er sich mit Wärme anschloss. Mit allen diesen Eigenschaften war er ganz
darnach geartet, um bei den heftigen Debatten im Wiener Gemeinderathe
und bald darauf im niederösterreichischen Landtage dem Führer der Antise-
miten Lueger Widerpart zu halten. Er gab diesem Gegner nur wenig an
Frische und Schlagfertigkeit, an Laune und Treffsicherheit des Ausdruckes
nach, wenn er auch dessen erstaunliche Zähigkeit in der Agitation nicht be-
sass; dabei hielt R. stets die Grenzen der Schicklichkeit ein und verharrte
stetig auf seinem politischen Standpunkte, Rücksichten, deren souveräner
Nichtbeachtung in der Sache, wie in der Form Lueger einen guten Theil
seiner agitatorischen Erfolge verdankt. Insbesondere waren die Debatten
über die 1891 beschlossene Einverleibung der Vororte in Wien und über die
Schaffung von Gross -Wien ein fortgesetztes Duell der Wortführer der beiden
Parteien, da R. 1891 Referent über dieses Gesetz im niederösterreichischen
Landtag war. Als Gross-Wien gebildet war, drang Bürgermeister Prix ent-
schieden darauf, dass ihm R. nunmehr als zweiter Vicebürgermeister, neben
Borschke als erstem, als Gehülfe zur Seite gesetzt werde. Der Bürgermeister
hatte sich nicht getäuscht, denn während Borschke kurz darauf siechte und
bald nachher starb, war R. bei seiner Gewandtheit und nie versagenden
Arbeitslust seine eigentliche Stütze bei den legislatorischen und organisatori-
schen Arbeiten in der Einrichtung des grossen Gemeinwesens. So rückte R.
an Borschkes Stelle zum ersten Vicebürgermeister vor. Als Prix 1894, den
Aufregungen seines seines Amtes erliegend, unerwartet durch einen Herzschlag
hinweggerafft wurde, besass R. nun die Anwartschaft auf das Amt des Bürger-
meisters, das nach der Gemeindeverfassung Wiens eine weit grössere Selbststän-
digkeit und höhere politische Bedeutung besitzt, als das des Oberbürgermeisters
in reichsdeutschen Städten. Da trat ihm ein Umstand aus seinem Familien-
leben störend in den Weg. Er hatte sich als junger Mann mit einem Mäd-
chen aus einer armen jüdischen Familie verlobt, war, da die Familie der
Braut sich deren Uebertritte zum Christenthum widersetzte und nach öster-
reichischen Gesetzen eine Ehe zwischen Christen und Juden verboten ist,
confessionslos geworden und hatte so eine Nothcivilehe eingegangen. Trotz
des wiederholten Drängens seines voraussichtigen Freimdes Prix hatte er stets
hinausgeschoben, was wohl gleich ursprünglich seine Absicht gewesen war,
zu gelegener Zeit wieder den formellen Schritt der Rückkehr zur katholischen
Kirche zu machen. Dies nun türmte sich ihm als Hemmnis zur Erlangung
des höchsten Gemeindeamtes auf: ein confessionsloser Bürgermeister Wiens ist
in Oesterreich schwerer möglich, als selbst ein protestantisches Oberhaupt.
Richter.
337
Wien schien ihm indessen eine Messe werth und er beeilte sich unmittelbar
nach dem Tode Prix' 1894, die Anstalten zu seinem Wiedereintritte in die
Kirche und zur kirchlichen Einsegnung seiner Ehe zu treffen. Die kirchlichen
Behörden gingen nicht allzurasch auf sein Verlangen ein und die Btirgermeister-
wahl musste stattfinden, bevor seine Absicht erfüllt war. Die liberale Mehr-
heit des Gemeinderathes wählte ihn zwar nahezu einstimmig zum Bürger-
meister, aber die Regierung verweigerte mit dem ausdrücklichen Hinweis auf
jene Verhältnisse die Bestätigung.
Und nun ergossen sich über R. von allen Seiten gehässige Anklagen.
Viele Liberale, und gerade die unbefugtesten, bezeichneten es als Verleug-
nung seiner Grundsätze, dass er in diesem Augenblicke eine confessionelle
Ehe eingehen wollte, und Clericale wie Antisemiten stürzten sich höhnisch
auf ihren energischen und oft schonungslosen Gegner, um ihm den Weg zu
seinem Ziele für immer zu verrammeln. R. bat unter diesen Umständen selbst
seine Freunde, von seiner beabsichtigten Wiederwahl abzusehen und forderte
zur Wahl seines Freundes Grübl zum Bürgermeister auf, neben dem er erster
Vicebürgermeister blieb. Die gelassene Würde, mit der R. damals die bös-
artigsten Angriffe, von denen auch seine Familie nicht verschont blieb, hin-
nahm, versöhnte viele, die sich sonst an seiner parteimässigen Auffassung po-
litischer Dinge gestossen hatten.
Grübl blieb kaum ein Jahr Bürgermeister. Denn bei der Drittelergän-
zung des Gemeinderathes siegten die Antisemiten. Den Liberalen blieb nur
eine kleine, in sich uneinige Mehrheit, und als R. bei der nothwendig ge-
wordenen Neuwahl am 15, Mai 1895 blos mit einer Stimme Majorität aber-
mals zum Vicebürgermeister gewählt wurde, lehnte er das Amt ab. Die libe-
rale Mehrheit war bereits so zerbröckelt, dass darauf durch den Uebertritt
einiger ihrer Mitglieder Lueger zum Vicebürgermeister gewählt wurde. Dies
gab den Anlass zum Rücktritte Grübl's vom Bürgermeisteramt und in wei-
terer Folge zur Auflösung des Gemeinderathes.
Bei den Neuwahlen entfaltete R., dem in dieser bewegten Zeit die Lei-
tung der liberalen Partei zufiel, eine ausserordentliche Thätigkeit, aber seine
Sache unterlag, und in der neugewählten Körperschaft wurde Lueger 1896
zum Bürgermeister gewählt.
R.'s Gesundheit hatte unter diesen Aufregungen schwer gelitten, zumal
da ihm bei der gehässigen und persönlichen Art der Wiener Parteikämpfe
keinerlei Bitterkeit erspart blieb. Eine schwere Krankheit befiel ihn, von der
er scheinbar genas. Er legte nun am 27. November 1896 sein Gemeinde-
rathsmandat nieder, um sich ganz seinem Berufe als Advokat zu widmen,
den er zur schweren Schädigung seiner Vermögensverhältnisse während seines
aufreibenden politischen Wirkens hatte vernachlässigen müssen. Aber sein
Zustand verschlimmerte sich immer mehr, und sein Krankenbett wurde von
der Sorge für seine zahlreiche mittellose Familie verdüstert. Einem Freunde
sagte er wenige Tage vor seinem Tode: »Auf allen Vieren möchte ich krie-
chen — nur leben möchte ich — wegen meiner Familie!« Als er am
3. März 1897 starb, war die Trauer über das Hinscheiden des kräftigen
Mannes allgemein. So viel Hass sich auch gegen seine politische Thätigkeit
geäussert hatte, so war er doch bei seinen Gegnern persönlich nicht unbeliebt,
da die humoristische Art, mit der er sich auch nach hitzigen Debatten mit
ihnen auseinanderzusetzen verstand. Vieles gut zu machen wusste. Seine Gesin-
nungsgenossen schätzten sein herzliches und gewinnendes Wesen, seine frische^
Biogr, Jfthrb. u. Deutscher Nekrolog. 3, Bd. 2 2
j^g Richter. Majr.' Bernays.
Laune und freuten sich seiner kräftigen, stets natürlichen Persönlichkeit. Da
er trotz der Bekleidung zahlreicher Ehrenstellen seine Angehörigen fast in
Dürftigkeit zurückliess, so mussten auch seine Gegner anerkennen, dass die
Motive seines öffentlichen Wirkens rein gewesen waren.
Heinrich Friedjung.
Ma)rr, Ambros, Dr., österreichischer Abgeordneter, ♦ am 8. Mai 1849 in
Sill (Tirol), f am 30. October 1897 zu Wien. — M. studirte in Salzburg, Inns-
bruck und Wien, wurde Gymnasialprofessor in Komotau, Bozen, Troppau und
zuletzt in Trient. Im Jahre 1897 wurde er von den Landgemeinden Schwaz
in Tirol in's Abgeordnetenhaus entsendet, wo er sich der clericalen Partei
anschloss. Er gab mehrere Bändchen lyrischer Gedichte heraus, eines unter
dem Namen »Hundert Lieder«, ein anderes »Selige Stunden«. Unter dem
Titel »Tiroler Dichterbuch« erschien eine von ihm veranstaltete Sammlung
von Gedichten Tiroler Autoren. Von zeitgeschichtlichem Werthe ist die von
ihm veröffentlichte Biographie seines Landsmannes Hans Perthalers, des her-
vorragendsten Mitarbeiters Schmerling's bei dem Entwürfe der österreichischen
Verfassung von 1861.
Bernays y Michael , Universitäts -Professor der Literaturgeschichte, ^ am
27. November 1834 zu Hamburg, f am 25. Februar 1897 zu Karlsruhe.
— Sein Vater, Isaac Bernays (1793 bis 1849), ^^ geistlicher Beamter
der israelitischen Gemeinde; in Folge seines frühen Todes hat sein Ein-
iluss kaum Spuren in dem Leben des Sohnes hinterlassen. Dagegen hing
Michael mit schwärmerischer Liebe an seiner Mutter Sara (1803 bis 1858^;
denn sie erkannte schon früh die Begabung ihres jüngsten Sohnes und
hat seine Entwicklung wesentlich gefördert, wie er denn ihrem wohllau-
tenden Vortrage die Anfänge seiner späteren Meisterschaft der Rede ver-
dankte. Den ersten Unterricht erhielt B. in einer kleineren Schule, später
durch Privatlehrer, von denen er Dr. Reinstorff in dankbarer Erinnerung be-
hielt. Nur die oberste Klasse des Gymnasiums hat er besucht. Trotzdem
waren diese zwei Jahre von wesentlicher Bedeutung für ihn; denn in dem
Direktor Dr. Friedrich Karl Kraft und Professor Ullrich gewann er Lehrer.
die mit begeisterter Hingabe an die Ideale der humanistischen Bildung ein
warmes persönliches Interesse fUr ihre Schüler verbanden. Beweis dafür ist
die Art, wie Kraft den begabten B. zur Hilfeleistung bei eigener wissenschaft-
licher Arbeit heranzuziehen wusste, und wie andererseits die Schüler ihren
Direktor unter dem philologischen Beirathe Ullrichs und der dramaturgischen
Hilfe Carl Töpfers mit einer Aufführung der Sophokleischen »Antigene« in
griechischer Sprache feierten, von deren würdevollem Eindruck nicht nur da-
malige Berichte, sondern auch B.'s eigenes Tagebuch noch 32 Jahre später
bei Gelegenheit einer ähnlichen münchener Auffuhrung Zeugniss ablegt. B.
war die Rolle des Kreon zugefallen. Aber auch abgesehen von dieser ausser-
ordentlichen Gelegenheit wurde er auf dem Johanneum wie auf das sorg-
fältige Studium des Wortes, so auch auf feine Ausbildung eines sinngemässen
und wohllautenden Vortrags hingewiesen. Eine »Redeübung« pflegte das
Schuljahr zu beschliessen, und so lesen wir in dem Programm dieses feier-
lichen Schulaktes vom 31. März 1853: »M. B., abgehender Primaner, wird
in einem deutschen Vortrage über Goethes Torquato Tasso das Wechselver-
hältniss, in welchem der Dichter und sein Werk steht, zu entwickeln ver-
suchen, und am Schluss von der Schule und ihren Lehrern Abschied nehmen«.
Bcmays. 339
Trotz des vorzüglichen Abgangszeugnisses, das Direktor Kraft dem
»wackem, hofihungsvollen Jüngling« mitgeben konnte, gelang es B. nur mit
Mühe, seinen Herzenswunsch, eine Universität zu beziehen, durchzusetzen.
Seine Vormünder hatten ihn zum Kaufmann bestimmt und wurden darin von
seinem 10 Jahre älteren Bruder Jakob, dem berühmten Bonner Philologen
(1824 — 1881), bestärkt. Hier ist der erste Grund zu der späteren Verstim-
mung zwischen den Brüdern zu suchen, und Michael hat von diesem Zeit-
punkte an seinen weiteren Bildungsgang weniger unter dem EÜnfluss, als viel-
mehr im Gegensatze zu Jakob gewählt. Erschwert wurde dies wesentlich
durch die beschränkten Mittel, die B. zu Gebote standen. Thatkräftig nahm
sich aber Direktor Kraft seiner an; er erwirkte ihm das Averhoffeche Stipendium
und empfahl ihn so warm, dass B. bei allen Professoren die freundlichste
Aufnahme fand. Das Sommersemester 1853 verbrachte B. als Studiosus der
Rechtswissenschaft in Bonn; aber neben den Institutionen bei Böcking hörte
er schon hier althochdeutsche Grammatik bei Diez und Geschichte der Reli-
gion der Griechen bei Leopold Schmidt. Auch in Heidelberg, wohin er sich
auf seines Bruders Jakob Rath von Bonn aus wandte, Hess er sich am 7. No-
vember 1853 als Jurist immatrikuliren; doch entdecken wir in den Vorlesungen,
die er hier belegte, keine Berechtigung mehr zu dieser Bezeichnung, vielmehr
prägt sich sein Ziel jetzt in der Wahl seiner Kollegien deutlich aus: ein um-
fassendes Studium der deutschen Literatur im Zusammenhang mit der poli-
tischen Geschichte und auf der Grundlage der klassischen Philologie. So
hörte er in den Jahren 1854 — 56 neben manchem spezielleren Colleg bei
A. Holtzmann Geschichte der deutschen Literatur, bei L. Häusser deutsche
Geschichte und bei J. Chr. F. Bahr griechische und römische Literatur. Der
Genuss und die Anregung dieser Vorlesungen war freilich nur massig; viel
werthvoUer war ihm der persönliche Umgang mit den genannten Lehrern,
femer mit Gervinus, Geh. Rath v. Leonhard u. A., sowie die uneingeschränkte
Benützung der Universitäts-Bibliothek. In engem Freundeskreise, zu dem
auch Treitschke gehörte, hielt B. im Winter 1854/55 seinen ersten Vortrags-
cyklus über deutsche Literaturgeschichte, der ihm die freudigste Anerkennung
seiner Hörer eintrug. Ein Verleger forderte ihn auf, Oesers Kunstgeschichte
neu zu bearbeiten; Gervinus sollte die Einleitung dazu schreiben — allein
in B. überwog die Lust zu lernen weitaus den Drang zur eigenen literarischen
Bethätigung. Auch nachdem er am 20. Mai 1856 summa cum laude promo-
virt hatte'), als Gervinus, Löbell und andere berufene Männer ihn drängten,
sich als Privatdocent zu habilitiren, konnte er sich nicht genug thun in un-
ermüdlicher Arbeit einer vielverheissenden Vorbereitung und verzichtete noch
anderthalb Jahrzehnte lang auf ein Hervortreten als akademischer Lehrer.
Kurz nach seiner Promotion that B. einen Schritt, der ihm ein inneres
Bedürfniss befriedigte, seine äussere Lage aber in ungünstiger Weise be-
einflusste. Am 21. August 1856 Hess er sich zu Mainz von dem zwei-
ten evangelischen Pfarrer Vonweiler taufen; seine Pathen waren Henriette
B'euerbach, geb. Heydenreich, vertreten durch den Mainzer Advokaten Dr.
Heinrich Bemays, und der Kaufmann August Friedrich Höster. Dass innere
1) Nach einer gefälligen Mittheilung des Sekretariats der Universität Heidelberg hat
B. ohne Dissertation promovirt, wie das damals dort möglich war. Seine Examinatoren
waren Bahr, Reichlin-Meldegg, Häusser, Kirchhoff, Stark, Rau, Holtzmann, Kortüm, Bunsen,
Bronn, Leonhard.
22*
X40 Bem^rs.
Uefoerzeugung und keine äussere Rücksicht ihn bei diesem Schritte leitete,
erhellt am klarsten aus dem grossen Opfer, das er damit brachte, aus dem
völligen Bruch mit seiner ganzen Familie, selbst der geliebten Mutter. Hatte
er auch gerade in seinem Vaterhause seinen starken religiösen Sinn festigen
und ausbilden können, so herrschte dort doch die strenge Rechtglaubigkeic
des alten Testaments. So war er den Seinen jetzt ein Abtrünniger, toh dem
sie gänzlich die Hand abzogen. Er aber hat sich noch in spateren Jahren
zu dem Entschlüsse geneigt, Prediger zu werden, und stets die lebendige
Ueberzeugung vertreten: »Die grösste Thatsache in der Geschichte der
Erdenvölker — das Christenthum.«
Nach seinem Uebertritt ziun Christenthimae waren die Verhältnisse, in
denen B. in Bonn lebte, bei einer drückenden pekuniären Lage und grossen»
damit verbundenen Entbehrungen nur erträglich durch die Fülle geisdger
Anregung und warmer persönlicher Freundschaft, die sie ihm brachten.
Ritschi, der ihm einmal eine Unterredung mit Jakob Grimm vermittelte.
Welcker, dem er sein Festspiel zu Schillers Säculartag widmete, Simrock, bei
dessen Tode er von vielen als der berufenste Nachfolger erklärt wurde, waren
jetzt, nach dem Abschluss seiner Studentenzeit, seine Lehrer und Gönner,
aus deren Umgang er reichen Gewinn zog. In den rheinischen Künstler-
kreisen, bei Vauder und Sohn, fand er verständnissvolle Hörer und Freunde.
Mit Henriette Feuerbach verbanden ihn innige Beziehungen, und für ihres
Stiefsohnes künstlerische Grösse trat er früh mit nachdrücklicher Ueber-
zeugung ein. Auch von seiner Freundschaft mit Friederike Gossmann (Frau
V. Prokesch- Osten) haben wir im Cottaschen »Morgenblatt« 1863 und 1865
sachlich wie persönlich ansprechende Belege. Seine Liebe zur Musik fand
in den rheinischen Musikfesten reiche Anregung und in Clara Schumann
eine Künstlerin, deren menschlicher Adel ihn unwiderstehlich auch an die
Person fesselte. Und an Beziehungen zu den vornehmsten Kreisen, in deren
sicherem, gemessen freien Wesen sich B. immer besonders wohl fühlte, fehlte
es ebenfalls nicht; so gehörten General von Strubberg in Coblenz und vor
allem der Gouverneur von Mainz, Prinz von Glücksburg, zu seinen Gönnern,
bei denen er wiederholt weilte ; das Andenken, das ihm der Prinz von Glücks-
burg geschenkt, eine Ausgabe des »Faust«, die B. immer hoch in Ehren hielt,
haben ihm liebende Hände noch in den Sarg mitgegeben.
Was ihm aber diese rheinischen Jahre am reichsten verschönte, war sein
herzlicher Verkehr im Hause des alten Ernst Moritz Arndt, zu dessen Enkelin
Lotte er eine innige Neigung fasste. Oft kam er nach der Verlobung zu ihr
nach Trier und verlebte dort seine glücklichsten Tage; um so tiefer musste
es ihn treffen, als Lotte die Verbindung wieder löste, um einem anderen
Manne die Hand zu reichen. —
So abgeneigt B. der eiligen Arbeit der Journalistik war, so drängte ihn
doch der Zwang der Verhältnisse, auf diesem Wege einigen Verdienst zu
suchen. Das Schriftenverzeichniss, das G. Witkowski dem 2. Bande von B.'s
»Schriften zur Kritik und Literaturgeschichte« mit der dankenswerthesten
Sorgfalt beigesteuert hat, lässt uns erkennen, wie B. in den Jahren 1862 — 1872
in den angesehensten Organen der deutschen Presse, im »Morgenblatt«, den
»Grenzboten«, der »Kölnischen Zeitung«, der »Allgemeinen Zeitungc und
»Im neuen Reich«, eine Reihe von Aufsätzen und Besprechungen veröffent-
lichte, die ohne jenen äusseren Zwang grossentheils wohl schwerlich ent-
standen wären; wenigstens verschwinden mit seiner Ernennung zum Professor
Bemays. ^^j
solche Arbeiten des Tages vollständig aus seinen Werken. Aber keiner der
Gegenstände, mit denen sich B. in diesen Artikeln beschäftigt, ist unbedeutend
und unwürdig seines klärenden Wortes, und gerade diese rasch verfassten
Oelegenheitsarbeiten gelangen ihm nach Alfred Doves eher scharfem als liebe-
vollem Urtheil schriftstellerisch am ungezwungensten und besten. Trotzdem
konnte er sich nicht entschliessen, seine Kräfte nach dieser Seite zu binden.
Sowohl einen Antrag, in die Redaction der »Preussischen Jahrbücher« ein-
zutreten, wie Gustav Freytags Einladung, die Besprechung der Bücher philo-
logischen Inhalts für die »Grenzboten« zu übernehmen, lehnte er ab. Sein
ganzes Wesen drängte ihn zur Wirksamkeit mit dem gesprochenen, nicht dem
geschriebenen Worte.
War es ihm seit seinen Heidelberger Studententagen der reinste Genuss
geblieben, im Kreise Gleichgesinnter die Werke unserer grossen Dichter oder
die eigene historische Auffassung der Entwickelung unserer Literatur vorzu-
tragen, so musste ihm jetzt die im engeren Kreise oft bewährte und be-
wunderte Kunst der Rede die äussere Grundlage seiner Existenz bieten. Sein
ständiger Wohnsitz blieb Bonn; aber seine Vortragsreisen führten ihn durch
die verschiedensten Theile Deutschlands und Hessen ihn manche neue, be-
deutungsvolle Bekanntschaft und Freundschaft schliessen. Gewöhnlich hielt
er einen Cyklus von Vorträgen, hauptsächlich über Goethe, Schiller, Klopstock,
Lessing. Der natürliche Ausgangspunkt seiner Fahrten waren die rheinischen
Städte von Köln bis Mainz; doch kam er auch nach Karlsruhe, wo er schon
damals die Theilnahme des grossherzoglichen Hofes erfuhr, nach Stuttgart,
wo Mörike ihm zu seinem Stolze das brüderliche Du antrug, nach Frankfurt,
nach Weimar, wo ihn Preller, die Odyssee in der Hand, zeichnete, nach
Lübeck, wo er mit Geibel verkehrte, und Bremen, wo er mit Gildemeister
feste Freundschaft schloss. Den angenehmsten Kreis fand er jedoch in Leipzig,
wo er viel bei Brockhaus, vor allem aber mit Salomon Hirzel verkehrte.
Was dieser letztere ihm gewesen, das charakterisiren am besten seine Tage-
buchaufzeichnungen bei Hirzels Tode: »Der Hingang Hirzels ist für mich
eines jener Ereignisse, die einen ganzen Kreis werther und würdiger Lebens-
beziehungen zerstören, die eine ganze Reihe von Zuständen, welche in das
gesammte Dasein innigst verschlungen waren, traurig abschliessen. Im Jahre
1862 ward unsere persönliche Verbindung eingeleitet. Während meines
späteren Aufenthaltes in Leipzig vergingen selten einige Tage, in denen wir
uns nicht persönlich berührten. Das Verhältniss, das sich zwischen uns bü-
dete, war nicht blos ein solches, wie es aus der Gemeinsamkeit wissenschaft-
licher Neigungen zu entstehen pflegt; es hatte einen viel höheren mensch-
lichen Werth und eine innerlichere Bedeutung. Ich unternahm in jenen
Jahren nichts, an dem er nicht, fördernd oder rathend, Antheil gehabt hätte.
Nur meinetwegen kam er später nach München, es geschah zuletzt im Jahre
1875. Der Ton, auf den unser Verkehr gestimmt war, blieb immer derselbe.
Obgleich eigendich meist von gewichtigen und ernsten Dingen zwischen uns
die Rede war, so ging doch eine Grundstimmung von Heiterkeit durch unsere
Unterhaltungen und Verhandlungen. Wie von einer sicheren Höhe herab
liess Hirzel nach allen Seiten hin seinen Humor, seine Ironie, seinen oft ver-
nichtenden Witz spielen und treffen. Dabei blieb sein Urtheil fest und ge-
messen; und immer gleich bewunderungswürdig blieb die Klarheit des Blicks,
den er mit derselben Sicherheit auf Menschen und Dinge, auf die Zustände
des Lebens wie der Wissenschaft richtete. Hirzels eigentlicher Freundeskreis
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SV^rr. H:jzf^ »arrr. c» r; La^ziz Freyaz^ S;. ^gu. E«r
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C.^ B^*-,-. .'.^ urr-'«' A-fzabc «err.tm bestrtL r::Än :.-r2c=- Vi
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v'h a,*'»i'.,*rr. C-rf't, was ihm forderlsch setn kocnici A;
>rr.r>r. Kr*n»« a;><T ^eiiann B. r; d«D Er:^rinz«r t:- Mcirj=jpcr:, -zc^ *|
0;ijxr,i.% •T.^>:v,h-m LV-tittTicht gab, cir.ca otc-j«: Fre^r.-d ~s
%Vk*^':,.Ti in re;rer hnir^chcr A*.:*«;, rar he, ranr.eni^ch rrc Pclid"^
h,j*:r/, j^rtzt trat B, at^-.h irJt r»ei a-issercüten, errebrisaeicbcTS W:::^-:"
h^rrvr^, Sdr^ ^<hnft »Uebcr Kritik ur.d Cieschichic des Goetfaeschcn Tex-.-
iS'^^iy, die N'icoia-is iJeli'iÄ geindmet mar. mie seine Au5«>die vt- •<>:•::*"-
Bn^*m an Friedrir.h Au;rjst Wolf« i86S , die er Heinrich toc Syb
nete, fr»'-».*Ur d'm \Vun.v,h, ihn auf dem Kaüieder zu sehen, noch
Kfid.ich er.tv.hl^/s» er sich zur Habilitation, Zamcke war ihm dabei beh:.~:
urA am 4, Voveml^er 1872 mard ihm die renia legendi fiir das Fach
(/eviiuJjte der neueren Literatur crtheilL
IJCT Krfolg vf^ B.'s Vorlesungen an der Universitäc in Leipzig war z'-~*
aijwrrordc-ntlich, obgleich man zuerst darüber spM>ttelte, dass er mehr als \:c:
St jfid':n allein der Betrachtung Klopstocks widmete. Aber nicht blo> •-.=
S»»j^J'.Tit/.'n «ktrömten schaaren weise in seine Hörsäle, auch die maassgcber "er
Krcis^r v.henkten ihm s^jfort die gebührende Beachtung. Ministerialrat h I'r
von Volle, der sich als Referent ül>er die Universitäten die grössten Verdie-:^:t
um Bayern und um die Wissenschaft erworben hat, bemühte sich, B. na»
Bayern zu ziehen. In Würzburg sollte ihm eine Professur errichtet werde--.:
d'K:h äusserte Konig Ludwig IL, als er von B/s Bedeutimg hörte, den Wuns« h,
ihn nar:h München selbst zu berufen. So wurde Carriere zur Begutachti^n.'
nach l^ipzig gesandt; seinem Vorschlage stimmte die philosophische Fakulu:
München zu, und so konnte schon am 19. Juni I873 B. seine Antrittsvorlesur.«
als ausserordentlicher Professor an der Universität München halten. Fir.
halbes Jahr später, am 7. Februar 1874, unter dem Rectorate W\ H. RiehK
wurde B. zum »ordentlichen Professor für neuere Sprachen und Literaturen,
ernannt.
»Freuen Sie sich mit mir!« schrieb damals B. in froher Genugthuung ar.
seinen väterlichen Freund Hirzel. »Und zwar nicht blos meinetwegen!
Durch meine Ernennung ist zugleich den Studien, die ich vertrete, für immer
ein Ordinariat gesichert. Ks ist also wahrhaft ein Sieg erfochten, und der
Traum meiner Jugend in Erfüllung gegangen.« Mit Recht konnte B. so
sprechen. Denn wenn ihm jetzt die erste ordentliche Professur für sein Fach
in Deutschland zu theil wurde, so durfte er sich sagen, dass er dieses Fach
von seinen Gymnasiastentagen an erst begründen geholfen. »Bei allen meinen
Arbeiten«, schreibt er einmal im Jahre 1875 — doch es gilt schon für seine
früheste Zeit — , »bei allen meinen Arbeiten verfolge ich den einen Zweck:
die Verbindung der Literaturgeschichte mit der philologischen Kritik zu be-
gründen. Diesem Zwecke ist auch meine akademische Thätigkeit gewidmet,
mit welcher ich es überaus ernst nehme. Das Katheder ist der Ort, wo ich
mich am liebsten und am freisten mittheile, und den Pflichten des akademi-
Bernays. 343
sehen Lehrers müssen die Wünsche des Schriftstellers sich unbedingt unter-
ordnen.« »Das Lehren mit lebendigem Worte«, schreibt er ein ander
Mal an einen Freund, »der Verkehr mit einem jugendlichen Kreise, in
v;eleiiem wenigstens die Besten zu geistigem Sein und Schaffen aufstre-
ben, dieser rege Wechsel von geistigem Empfangen und wissenschaftlicher
Mittheilung — das alles ist mir zum unentbehrlichen Elemente des Daseins
geworden.«
So konnte nun B. in würdigem Wirkungskreise frei seine Kräfte entfalten,
und wenn wir seine Charakteristik von Friedrich August Wolf als Lehrer
lesen, steigt uns unwillkürlich das Bild seiner eigenen unvergleichlich persön-
lichen, unmittelbaren Wirkung auf. Karl Stieler, der, damals B.'s Hörer, mit
klarem Blick seine Berufung als »eine That in der akademischen Geschichte
Münchens« bezeichnete, hat uns in der »Schlesischen Zeitung« ein anschau-
liches Bild der eigenartigen Weise von B.*s Auftreten gezeichnet: »Mit dem Ernst
eines Priesters, der sein Amt beginnt, mit einer Sammlung, die ihm eine förmliche
Immunität verleiht, schreitet der hagere gedankenvolle Mann durch die Reihen
seiner Schüler, den Blick zu Boden gesenkt, schon jetzt ganz in den Gegenstand
versunken. Diese verschlossene Kraft aber wird mit einem Male lebendig, sowie
er auf das Katheder tritt, und zeigt sich in einer Gliederung, die von dem leise-
sten Herzenslaut bis an die Grenze elementarer Gewalt reicht. B. liest gegen-
wärtig über die deutsche Literatur des i8. Jalirhunderts; nicht über Klopstock,
Lessing, Goethe und Schiller, sondern in seiner Hand gestaltet sich der be-
deutende Stoff zu jener grossen inneren Einheit, die nur der echte historische
Blick erkennt. Den geheimsten Zusammenhang mit der Seele des Volkes und
der Geschichte der Zeit deckt er uns auf. Wir leben nicht nur in der Mitte
jener grossen Schöpfungen, sondern in der Mitte jenes grossen Schaffens selbst.
Das Einzelnste, das Kleinste erhält seine Beziehung zum Ganzen. Neben
diesem geistigen Gehalte aber steht ein Formtalent, das künstlerisch im
höchsten Sinne des Wortes ist. Der veredelnde Einfluss, den der stete Ver-
kehr mit den Besten unsereres Volkes übt, tritt allenthalben ungesucht hervor
und hat der Sprache eine Läuterung gegeben, die mehr ist als akademische
Formvollendung. B. spricht völlig frei, aber das Charakteristische an seinem
Vortrage ist nicht, da.ss er dies kann, sondern dass er es nicht anders könnte ;
so sehr ist er mit dem Stoffe eins, so sehr giebt er aus der inneren Fülle,
dass jede äussere Handhabe ihn nur hemmen müsste. Man fühlt es wohl,
dass diese Rede nicht vorbereitet ist nach dem engen Maassstabe einer
Stunde; in der Jahre langen Arbeit, in der einsamen Vertiefung eines ganzen
Lebens, in der schrankenlosen Liebe für seinen Stoflf liegt die wahre Vorbe-
reitung zum Lehrer«. . . . Dabei imponirte die ungeheure Weite und Zu-
veriässigkeit seines staunenswerthen Gedächtnisses dem Schüler so, dass er in
den Ruf ausbricht: »Er ist allwissend in unserer Literatur«.
In der That hatte dieses unvergleichliche Gedächtniss einen jnicht un-
wesentlichen Antheil an der souveränen Sicherheit von B.'s Auftreten. Es
ermöglichte ihm ohne jeden schriftlichen Behelf jederzeit die Anführung
jedes erwünschten Citates, jede entlegenste Combination; ja sogar umfang-
reiche Werke Goethes und Schillers, aber auch ganze Gesänge aus Homer
und Dante, ganze Scenen aus Sophokles und Shakespeare waren ihm mit
unfehlbarer Sicherheit eingeprägt, von der Unzahl kleinerer Gedichte aus
allen Literaturen, die er auswendig wusste, ganz zu geschweigen. Und wie
verstand er es, sie vorzutragen! Er war mit seinem machtvollen und bieg-
244 Bemajr».
samen Organ zweifellos einer der bedeutendsten Recitatoren seiner Zeit.
Wie er seine wissenschaftlichen Untersuchungen in einer geradezu künst-
lerischen Ausgestaltung bot und in feiner Zuspitzung, in klarer objektiver
Gestaltung, vor allem aber in strömendem Pathos jede gewollte Wirkung
erzielte, so verstand er auch vieles durch den blosen Vortrag zu verdeut-
lichen, was keine kritische Ausführung hätte klar machen können. Kein
Wunder, dass in München wie in Leipzig sein grosses Kolleg stets von
Hunderten von Hörern aller Fakultäten besucht warl »Der lauscJienden
Jugend entging das Gewollte an so hoher Kunst, das Selbstgetällige an so
vielem Reize keineswegs«, sagt Alfred Dove treffend; »aber der im Grunde
echte Schwung der Begeisterung riss sie nichtdestoweniger mit sich fort —
in dieser Weise ward ihr ähnliches niemals geboten.«
Damit ist aber B.'s Bedeutung als Lehrer keineswegs erschöpfend ge-
kennzeichnet. Sein Eigenstes gab er vielmehr erst im engeren Kreise seiner
Schüler im Seminar, dessen Uebungen er in seiner eigenen ungemein reichen
Bibliothek abhielt. Der ganze Nachdruck lag hier auf der persönlichen An-
regung und Mitteilung, auf Erweckung der Selbstthätigkeit der Theilnehmer.
Die zwanglosesten Wanderungen durch die weitesten Gebiete der Literatur-
geschichte wechselten mit der sorgsamsten Untersuchung methodisch lehrreicher
Einzelheiten, unterstützt von dem Anschauungsmaterial des grossen Bücher-
schatzes, der noch jetzt durch die Pietät und Selbstlosigkeit der Wittwe
ungetheilt erhalten geblieben ist. Auf jedes Einzelnen Eigenart wurde
Rücksicht genommen und ihr neue Nahrung geboten; kurz, es sollte alles
lebendige Anregung, nicht autoritativer Unterricht sein. Und ähnlich ge-
staltete sich das meist nur vor einer kleinen Hörerschaar abgehaltene
Shakespeare-Kolleg, das B. stets besondere Freude machte. Auch hier
konnte er zwanglos mit, nicht zu seinen Hörern sprechen; auch hier Hess
er in freiem Wechsel bald textkritische, grammatische oder metrische Einzel-
heiten, bald weitausgreifende Quellenuntersuchungen, bald ästhetisch-kritische
Betrachtungen in den Vordergrund treten. »Keine Frage«, bemerkt er einmal
in seinem Tagebuch, in dem er sich mit peinlicher Gewissenhaftigkeit über
Werth oder Unwerth seiner Kollegien selbst Rechenschaft ablegte, »keine
Frage, dass ich dann das Beste und Meiste gebe, wenn aller äussere Ajy-
parat der sog. Vorlesung wegfällt.«
So fühlte sich B. ganz eingewoben in die Lebensthätigkeit, die er selbst
als sein höchstes Lebensbedürfniss bezeichnet hat. Trotzdem blieb ihm in
seinen damaligen Verhältnissen zeitweilig ein gewisses Gefühl der Entbehrung
nicht erspart, das ihm einmal in einem schönen Briefe an seinen Freund Uhde
das Geständnis entriss: »Ich bedarf in meinem Leben, dem keine heitere
Jugendzeit vorangegangen, und das auch noch jetzt fast alles das entbehrt,
was der grosse Haufe der Menschen Glück zu nennen pflegt — auch ich
bedarf oft genug der ermunternden und aufrichtenden Teilnahme. Ich sage
das nicht im Sinne der Klage, diese ist mir gänzlich fremd, und die Art
meines Lebens und Thuns möchte ich mit keiner anderen — und wenn
mir der höchste Preis geboten würde — jemals vertauschen. . . . Oft verwundere
ich mich darüber, wie ich mir so viele Frische und Heiterkeit habe erhalten
können. Aber diese Heiterkeit hat auch wenig gemein mit dem, was man
herkömmlicherweise so nennt. Sie ist ganz geistiger Art, sie fliesst aus der
innigen Verbindung, in welche ich mein Leben mit meiner Wissenschaft
gebracht habe. Die mit jedem Tage neu aufwachende Liebe zu dem, was
Bemays. ^/^c
mir Wissenschaft ist, entschädigt mich für alles, was ich ehedem im Kampfe
des Lebens gelitten, für alles, was ich jetzt entbehre.«
Erst am 4. Dezember i88o gewann B. durch die Vermählung mit der
"Wittwe Hermann Uhdes, Luise, geb. Rübke, ein eigenes Heim, das dem
rastlos thätigen Manne in der treuen Fürsorge einer verständnissvollen Gattin das
häusliche Behagen bot, das er solange entbehrt hatte. War es ihm schon
vorher Bedürfhiss gewesen, am geselligen Leben regen Anteil zu nehmen, so
wurde jetzt sein eigenes Haus der Mittelpunkt eines der geistigen Bedeutung
wie der Zahl nach gleich hervorragenden Kreises. Von den Kollegen standen
ihm Bursian, Christ, Wölfflin, Giesebrecht, Brinz, Ratzel, Rudolf Scholl, Halm
besonders nahe. Zu dem Kaulbach'schen Hause, namentlich auch zu Frau
v. Volk und ihrem geistvollen Gatten unterhielt er rege Beziehungen. Von
der alten Frau von Thiersch liess er sich noch mancherlei von der klassischen
Vergangenheit des literarischen Deutschland erzählen; an Lady Blennerhassets
literarischen Arbeiten nahm er den regsten Antheil und wies sie immer wieder
auf Chateaubriand als würdigsten Gegenstand ihrer geistvollen Darstellung
hin. Wilhelm Hertz war ihm als Mensch und Dichter gleich werth; Ludwig
Laistners früher Tod bereitete ihm tiefen Schmerz. Mit Conrad Fiedler, der
später ein so jähes Ende finden sollte, verkehrte er besonders gern: »Im Ge-
spräche mit ihm weiss man doch, wozu man die Lippen bewegt. Er ist
wirklich ein bedeutender und selbstständiger Denker. . . . einer der gehalt-
reichsten Menschen, die jetzt leben.« Sehr innig war das Verhältniss zu
Paul Heyse; sie kamen sehr viel zusammen, besprachen sich über ihre
Arbeiten und gerne nahm Heyse bei seinen Uebersetzungen des Freundes
Rath in Anspruch. Heyse ist auch neben dem Erbprinzen von Meiningen
Pathe von B.'s Sohne Ulrich, der neben einer Tochter Marie in dem behag-
lichen Hause an der Fürstenstrasse heranwuchs.
Nicht nur Gelehrte und Dichter, auch Schauspieler und Musiker weilten
oft in dem B.'schen Kreise. Hermine Bland konnte im gewissen Sinne sogar
seine Schülerin genannt werden; beim Einstudieren ihrer vornehmsten Rollen
wie Iphigenie, Leonore von Este u. a. stand B. ihr mit seiner eingehenden
Interpretation und seiner vollendeten Vortragskunst lange zur Seite. Die
edle Art dieser bedeutenden Künstlerin entsprach seinem Wesen in seltenem
Maasse; sonst freilich hat er, abgesehen von Lewinsky, Sonnen thal und
wenigen andern Künstlern, sich wenig an schauspielerischen Leistungen
erbaut. Sein StilgeRihl wurde durch die immer häufiger geübte Uebertragung
modern realistischer Kunstübung auf die klassischen Dramen empfindlich ver-
letzt, und solch »denkender Künstler« war ihm ein Greuel. Während er sich
daher mit den Jahren, im Genüsse der Dramatiker aller Zeiten am unge-
trübtesten sich selbst genügend, dem Schauspiel der Bühne immer mehr
entfremdete, wurde sein Verhältniss zur Musik immer inniger und fester.
Schon aus dem Jahre 1862 haben wir in dem »Verbindenden Texte
fUr Beethovens Musik zu Goethes Egmont« einen Beweis, mit welchem Ernste
sich B. in die gewaltigen Werke der Tonkunst vertiefte. Diese Verse, denen
wie den übrigen Festspielen B.'s — »zur Säcularfeier von Schillers Geburts-
tag« (1859), »Shakespeares Geburt« (1864), »Prolog zu Mozarts Requiem«
(1892) — mehr die rhetorische Macht und Würde der Sprache und der
Gedanken, als eigentlich dichterische Eigenschaften das Gepräge geben, ent-
standen auf Otto Jahns Anregung, um den nüchternen Verbindungstext
F. Mosengeils zu ersetzen — ein Zweck, den sie in der angemessensten
346 Bemajrs.
Welse erfüllten. Zu einer noch wirksameren Theilnahme an musikalischer^
Fragen musste sich aber B. angeregt fühlen, als er in München in den
Bannkreis Richard Wagners trat. Durch seinen Verkehr mit Levyt Porge<
u. a. wurde B. immer tiefer in die Bestrebungen des Meisters hineingezogen;
selten versäumte er eine Aufiühsung seiner Werke an der Mtinchcner Op»er
und versenkte sich mit tiefer Bewunderung in die grossartige Persönlichkeit,
die sich ihm hier offenbarte. Zwar hat er sich eine gewisse Zurückhaltung
gegenüber den künstlerischen Neuerungen Wagners bewahrt; seine Worte für
die Errichtung einer Schule für Musik imd Drama in Bayreuth sind rein sach-
lich und vorsichtig abgewogen. Aber bei seinen wiederholten Berührungen mit
Richard Wagner selbst, als dessen Gast er mehrfach in Wahnfried weilte,
empfand er den vollen Zauber einer genialen Persönlichkeit, und rückhaltlos
huldigte er dem reinen Künsderthum in dem Schöpfer des Tondramas.
»Wie alle Künstler höchsten Ranges«, schreibt B. einmal an Uhde, »wendet
sich Wagner unmittelbar an die Phantasie. Er wäre schon allein desha]L>
hochzuhalten, weil er einer von den Wenigen ist, die noch einen reinen
Enthusiasmus zu entzünden wissen. c Und in defer Ej-griffenheit hat B. bei
der Nachricht von Wagners Tode in seinem Kolleg dem grossen Toten einen
Nachruf geweiht, der zu dem Würdigsten und Besten gehört, was über
Wagner gesagt worden ist. Ohne sich auf einzelne Fragen einzulassen, stellte
hier B. den Meister als unsterbliches Muster hin dessen, »was der wollende
Mensch vermag«. Die menschliche Grösse mit ihrem unerschütterlich sieg-
haften Willen .stand ihm noch höher als die künsderischen Ziele Wagners.
Damals war B. der einzige Professor einer Universität, der auf seinem
Katheder von Wagner zu sprechen sich gedrungen fühlte; durch diese That-
sache erhöht sich noch das Gewicht seiner Worte.
Mochte aber B. mit noch so ernster Hingabe sich in Wagners neue
Kunstform einzuleben bemühen, den reinsten Genuss bot ihm doch »Fideliov,
bot ihm die Musik, wo sie ihm als Herrscherin, als Selbstzweck entgegen
trat. »Mir wird die Musik immer mehr Bedürfniss«, schreibt er im Jahre
1877 aus München. »Die Töne umspülen mir den Geist wie sänfdgende
Wellen; er lässt sich gelind von ihnen forttragen, und doch ist es keines-
wegs ein wollüstiges Nichtsthun, dem er sich hingiebt. Denn ich verstehe
von der Musik gerade so viel, um der Entwicklung der musikalischen Ge-
danken folgen zu können, aber nicht genug, um mir überall von den Mitteln
der Ausführung Rechenschaft zu geben. So finde ich erquickende Be-
schwichtigung und. zugleich eine Anregung, die den Geist beschäftigt, ohne
ihn zu eigendicher Thätigkeit zu spannen. Keiner Kunst gegenüber ist mein
Urtheil oder vielmehr meine Empfindung so streng als bei dieser. Diese
Strenge gilt aber nicht dem Vortrag, sondern dem Gehalt des Vorgetragenen.
Eben weil ich von der Technik der musikalischen Behandlung, die ja dem
Kenner schon an und für sich ein Interesse abgewinnen kann, zu wenig
verstehe, so kann mich nur der lebendige Gedanken- und Empfindungsgehalt,
der die Formen erfüllt, berühren und ergreifen. Hier habe ich das Recht,
wirklich nur mit dem Trefflichsten vorlieb zu nehmen.. Und in welcher
Kunst ist das Treffliche so reichlich ausgesäet wie in dieser?«
Die musikalischen Darbietungen von Eduard Reuss, die ihm die letzten
Werke Beethovens immer mehr erschlossen, gehörten dann in den Tagen
seiner Müsse in Karlsruhe zu seinen reinsten Genüssen. Aber auch in
München hat er eine Reihe von Musikern an sich zu ziehen gewusst, und
Bernays. 347
die Liebe zur Musik, die besonders aus Shakespeare immer gerne neue Nah-
rung sog, hat in seiner ganzen Art der Geselligkeit unverkennbare Spuren
hinterlassen.
So vereinigten sich künstlerische und wissenschaftliche Interessen in
seinem Hause, um es zu einem Sammelpunkte zu machen, an dem durch-
reisende Männer von Bedeutung wie Paul Stapfer, Frz. X. Kraus, Waitz,
Liszt u. s. w. immer einen Theil der geistigen Elite Münchens anzutreffen
sicher sein durften. Daneben aber zog B. auch diejenigen von seinen
Schülern, die ihm im Seminar näher getreten waren, ebenfalls in den
persönlichen Verkehr mit ein und lebte im vollsten Behagen, wenn er von
seinen geistigen Schätzen anderen verschwenderisch mittheilen konnte. Schon
im Winter 1879/80 hielt er alle 14 Tage in einem auserlesenen Kreise an
einem Abende Vorträge über und aus Goethes Faust. Solche Recitationen
pflegten später seine Gesellschaftsabende im eigenen Hause abzuschliessen,
während er seit der Uebernahme des akademischen Lehramtes wie auf
journalistische Bethätigung, so auch auf öffentliche Vorträge gänzlich ver-
zichtet hatte.
Nur dreimal noch ist B. mit Vorträgen vor ein grösseres Publikum ge-
treten, jedesmal einem äusseren Anlass folgend. Im März 1880 forderte ihn
Lützow auf, nach Wien zu kommen, wo durch Karl Tomascheks Tod die
Professur für Literaturgeschichte erledigt war. Man hoffte, B. dafür gewinnen
zu können, und die Studentenschaft feierte ihn, nachdem er drei Vorträge
in Wien gehalten hatte (über die Epochen der Goethe'schen Lyrik, über den
IL Theil des »Faust« und über Lessing's Stil), bereits mit jugendlicher Zu-
versicht als den Ihren. Aber 'die Sache zerschlug sich; dauernder Gewinn
jener Wiener Tage aber blieb neben anderen neuen Beziehungen u. a. auch
zu Brahms, eine herzliche Freundschaft mit Lewinsky.
Widerwillig übernahm B. im Jahre 1889 den Festvortrag bei jener be-
deutungsvollen Generalversammlung der Goethe -Gesellschaft in Weimar,
welche die Erweiterung des Goethe- Archivs zum Goethe -Schiller -Archiv
brachte. Keine Zeile ist uns in B.'s Handschrift von dieser Rede über
Goethe's Farbenlehre erhalten; nur im Kopfe hatte er sie ausgearbeitet und
auf die Stütze schriftlicher Fixirung verzichtet. Aber indem sie die Ge-
schichte der Farbenlehre nur als ein Symbol der Geschichte des Wissens
überhaupt betrachtete, erschloss sie in überraschend eindringlicher Weise die
Bedeutung eines grossen Arbeitsfeldes Goethe's, das sonst nur allzu sehr
unterschätzt wird.
Zum letzten Male sprach B. vor der breiten Oeffentlichkeit bei der Ent-
hüllung des Scheffeldenkmals in Karlsruhe am 19. November 1892. Auch
zu dieser Festrede hatte er sich nur ungern bestimmen lassen, aber sie be-
währte noch einmal die hinreissende Macht seiner Rede und seine grossen,
weiten Gesichtspunkte bei jedem sich ihm bietenden Gegenstande. »Im
Zeitlichen das Ewige zu erforschen, das ist die Aufgabe aller Geschichte und
vor allem der Literaturgeschichte« — unter diesem Motto stehen alle Aeuse-
rungen seiner unermüdlichen Thätigkeit. — —
In München verlief B.'s Leben in gleichmässigen Bahnen. Die Lehr-
thätigkeit befriedigte ihn; das regste gesellige Leben umgab ihn; eine aus-
gebreitete Korrespondenz verband ihn mit einer ausser gewöhnlichen Anzahl
bedeutender Zeitgenossen. Verschiedene Reisen nach der Schweiz, nach
Hamburg, Dresden, Frankfurt brachten ihn mit alten und neuen Freunden in
348 Bcmays.
Berührung, mit Adolf Stern, Devrient, Stockhausen, Haym, Köhler, Simson
u. a. m. Den Herbst pflegte er in Baden-Baden zuzubringen. Dort versammelte
sich während der Anwesenheit der Kaiserin Augusta ein auserlesener Kreis,
in dem B. gern verkehrte; auch von der Kaiserin selbst wurde er wiederholt
empfangen. Karlsruhe war dann der Ort, der ihm bei seinem Rücktritt
vom Lehramte am besten die gewünschte Müsse zu versprechen schien.
Verschiedene Umstände wirkten zusammen, den Mann, der so ganz in
seiner akademischen Thätigkeit aufzugehen schien, zu dem Entschlüsse zu
bringen, seine Professur niederzulegen und München zu verlassen. B. fühlte
die Verpflichtung, auch in der Schrift dauernd einen Theil der Schätze
niederzulegen, die er bisher nur mündlich ausgestreut. Seine innige Hingabe
an die Lehrthätigkeit aber Hess ihm dazu keine Müsse, und so entsagte er
ihr mit kraftvollem Entschluss. Allerlei persönliche Momente kamen hinzu,
die auf beiden Seiten, bei dem Scheidenden wie den Verlassenen, eine ge-
wisse Verstimmung zurückliessen. Mit Bekümmemiss sahen viele seiner Ge-
treuen voraus, dass er bei seiner Eigenart doch nicht zu dem verheissenen
grossen, zusammenfassenden Werke kommen werde, dass er dem besten
Theile seiner Wirksamkeit ohne gleichwerthigen Ersatz sich selbst entriss.
Trotzdem konnte ihn nichts mehr von seinem Entschluss, der seit dem Tode
des von ihm innig verehrten Königs Ludwig IL in ihm reifte, abbringen :
am II. März 1890 hielt er seine Abschiedsvorlesung unter einem Zudrang
und unter Huldigungen der Studentenschaft, wie sie nicht leicht einen anderen
Lehrer zu Theil geworden sind.
Für die Geselligkeit, die er in München aufgegeben, fand B. in Karls-
ruhe Ersatz durch einen Freundeskreis, in dem neben manchen Mitgliedern
der Hofgesellschaft Eduard Reuss, der Pianist, voranstand, zu dem sich aber
auch häufig Uhlig, Wunderlich, Frhr. v. Waldberg aus Heidelberg, Brandl
aus Strassburg und mancher andere ferne Freund oder Schüler besuchsweise
gesellte. Die Sammlung der »Schriften zur Kritik und Literaturgeschichte«
ward mit einem gehaltvollen, Erich Schmidt zugeeigneten, Bande eröffnet
(1895); seinen Fachgenossen war B. mit der unvergleichlichen Fülle seines
Wissens ein stets hülfsbereiter und fast untrüglicher Berather. Einen beson-
deren Reiz aber gewann das Leben der letzten Jahre durch den Verkehr mit
dem grossherzoglichen Paare. Dieser Verkehr gestaltete sich durch das ver-
trauen- und verständnissvolle Entgegenkommen der hohen Herrschaften und
durch B.'s Freiheit von jeder amtlichen Stellung ungezwungen und wahrhaft
freundschaftlich. Oft verbrachte B. Sonntags einige Stunden des Abends
allein bei dem grossherzoglichen Paare. Das waren für ihn stets köstliche
Stunden. Das Gespräch bewegte sich frei und rückhaltlos über die wichtig-
sten Dinge; die grössten Werke unserer klassischen Dichter, aber auch
Wordsworth u. a., wurden durchgenommen. B. durfte sich ganz unbefangen
gehen lassen, weil er sicher war, immer verstanden zu werden.
So gestalteten sich die letzten Jahre seines Lebens ruhig und erquick-
lich; er hat seinen folgenschweren Schritt vom Jahre 1890 nicht bereut. Un-
erwartet rasch nahte das Ende heran. Im Februar 1897 erkrankte er schwer,
nachdem vorher nur die Vertrautesten geahnt hatten, dass ein inneres Leiden
unaufhaltsame Fortschritte machte. Stundenlang recitirte er im Fieber Verse
aus seinen geliebten Dichtern. Die letzte Freude war ihm der theilnehmende
Besuch des Grossherzogs. Am 25. Februar 1897 verschied er an einer
Herzlähmung.
Bemays. 34Q
Die Betheiligung an seiner Bestattung war nur gering, wie ihm ja auch
in seinem Leben nicht viele äussere Ehren zu Theil geworden waren *). Aber
herbeigeeilte Schüler und Nachfolger, Muncker aus München und Witkowski
aus Leipzig, sprachen an seinem Grabe in wannen Worten aus, was ihre
Universitäten und was die Wissenschaft an dem Verstorbenen besessen. Und
schon bei B.'s Rücktritt von seiner Professur hatte Erich Schmidt im Namen
eines grossen Kreises von Fachgenossen in einer nun zum Mnemeion ge-
wordenen Adresse in scharfen Strichen die Bedeutung B.'s als eines der her-
vorragendsten Begründer seiner ebenso gelehrt wie schwungvoll erfassten
Disciplin gezeichnet.
»Der durch Wort und Schrift für die philologische Begründung der
neueren Literaturgeschichte Wirkende — so darf ich mich ohne Anmaassung
nennen. Habe ich ein Verdienst, so besteht es darin, dass ich die im Studium
der altklassischen Literatur erworbenen, streng kritischen Grundsätze auf das
Studium der neueren zu übertragen suche.« So schrieb B. im Jahre 1877
an einen Freund, und seine Schriften sind der bleibende Beleg für die Be-
rechtigung dieser Worte. Sie verwenden auf jede Silbe der neueren Autoren
dieselbe Sorgfalt, die man bisher nur den Alten zu widmen gewohnt war, ja
die gar manchem nur beim klassischen Alterthume berechtigt, in ihrer Ueber-
tragung auf die Neuzeit aber überflüssig oder wichtigthuerisch und pedantisch
erschien. Für B. aber war die Kritik, das Absondern des Echten vom Un-
echten, auch hier nach Goethe's Wort in der Geschichte der Farbenlehre
»wohl die höchste Function des Verstandes«, und indem er sie in glänzender
Weise an seinen Texten exprobte, gelangte er zu einer Tiefe der Einsicht in
das Schafifen des Dichters und das Werden des Kunstwerkes, die ihm Über
die Einzelheiten textkritischer Fragen hinaus die weitesten und freiesten Aus-
blicke über die Geschichte des menschlichen Geistes eröffnete. Oft hat er
betont: wissenschaftliche Werke gewinnen Dauer durch ihre Form, künst-
lerische durch ihren Gehalt. Aber »aus der vollkommenen geistigen Durch-
dringung des Stoffies muss sich die Form ergeben«. (Zur Lehre von den
Citaten und Noten.) So muss also die volle Erklärung der Form bis in ihre
kleinsten Züge auch zur sicheren Erkenntniss des Gehaltes bis in seine leise-
sten Aeusserungen führen. Niemand hat diese gegenseitige Bedingung von
Form und Gehalt klarer formulirt, als Schiller, von der Wichtigkeit der Pro-
sodie sprechend, in seinem Briefe an Goethe vom 9. August 1799: »Es hat
mit der Reinheit des Silbenmaasses die eigene Bewandtniss, dass sie zu einer
sinnlichen Darstellung der inneren Noth wendigkeit des Gedankens dient, da
im Gegentheil eine Lizenz gegen das Silbenmaass eine gewisse Willkürlichkeit
fühlbar macht. Aus diesem Gesichtspunkt ist sie ein grosses Moment und
berührt sich mit den innersten Kunstgesetzen.« Aus diesem Gesichtspunkte
leitete auch B. die Berechtigung und Pflicht zur sorgsamen Kritik der sprach-
lichen Form ab und hat dadurch seiner Wissenschaft in seinen textkritischen
Arbeiten, die in geringem Umfang eine Fülle mühsamer Sorgfalt und geist-
voller Combination zusammenfassen, die einzig sichere Grundlage erobern helfen.
Es darf bei den textreinigenden Bemühungen B.'s seiner Vorgänger nicht
vergessen werden. Lachmann's Lessingausgabe, mag sie jetzt auch noch
*) Am 31. December 1879 war ihm der bayerische Orden vom hl. Michael i. Kl.
(ä. O.}, am 19. November 1892 das Commandeurkreuz 2. KI. des badischen Ordens vom
Zähringer Löwen verliehen worden.
SCO Bernays.
reiche Verbesserungen erfahren, und Joachim Meyer' s Bemühungen um Schiller
hatten zuerst den richtigen methodischen Weg gezeigt. Für Goethe hat ihn
B. als erster betreten und mit einer Energie und Umsicht gesäubert, dass
man getrost sagen kann: ohne ihn wäre die grosse Weimarer Goetheausgabe
nicht möglich geworden. Adolf Scholl hebt denn auch seine Anzeige von
B.'s Schrift »Ueber Kritik und Geschichte des Goethe*schen Textes« (»Grenz-
boten« 1867) mit den Worten an: »M. B. hat in der vorstehenden Schrift
nicht etwa einen Beitrag zur Kritik des Goethe'schen Textes geliefert, sondern
die Kritik, welche diesen Namen verdient, erst begründet und die bisherige
bodenlose Kritik beseitigt.« Und nachdem er die reichen Ergebnisse der
Untersuchung, welche die ganze verschlungene Filiation der verschiedenen
Ausgaben und damit die Quelle der späteren Textverderbnisse wie die Wege
zu ihrer Heilung nachweist, charakterisirt und ihren Triumph über Düntzer's
mangelhafte Versuche verkündet hat, betont er nachdrücklich, dass nicht un-
verdientes Finderglück zu so sicheren Resultaten geführt hatte; nein, »gerade
die methodische Verknüpfung der äusseren Kritik mit der inneren ist dxs
Verdienst von B.«.
Noch in einem zweiten Punkte sollte B. der grossen Goetheausgabe,
deren Entstehen wir jetzt mit sicherer Siegeszuversicht verfolgen, den Leit-
punkt geben, lange bevor noch an sie zu denken war, durch seinen und
Salomon Hirzels »Jungen Goethe« (1875). ^^^^ war nicht nur ein gründlich
gereinigter Text, so weit erreichbar die Urform der Werke des Stürmers und
Drängers geboten, hier waren zum ersten Male die Briefe mit den poetischen
Werken zu untheilbarer Einheit zusammengefasst, die Erkenn tniss der vollen
Persönlichkeit, nicht blos der ästhetische Genuss an den Dichtungen der
Zweck des ganzen Buches. Wie viel des Verdienstes jedem einzelnen von
den beiden Herausgebern der Sammlung zukommt, bleibt unentschieden; sie
treten beide mit ihren gewissenhaften Bemühungen um die Reinheit des
Textes, um die Sicherung zweifelhafter Datirungen u. s. w. vollständig hinter
dem Dichter zurück. Nur die Einleitung, die eine Fülle von Anregungen und
Anleitungen nicht blos zum Verständniss des jungen Goethe in weitumfas-
senden Ausführungen enthält, hat B. unterzeichnet. So darf man denn auch
ihm in erster Linie danken, dass dies köstliche Buch den Anstoss gab zu
einer nachhaltigen Erfrischung der Goethe-Studien.
Charakteristisch ist das Bibliothekzeichen, das sich B. wählte: der Kopf
Goethe*s neben dem Homer's. Wie in allen seinen die ganze Weltliteratur
umspannenden Studien, so hielt er auch bei der Betrachtung Goethe*s, der
ihm immer im Mittelpunkte des Interesses stand, den Blick auf das Alterthum
zurückgewendet. Aber nicht blos Goethe's Verhältniss zur klassischen Phi-
lologie, zur homerischen und der gesammten antiken Welt entwickelt B. in
der Einleitung zu seiner Ausgabe der »Briefe Goethe's an Friedrich August
Wolf« (1868), er sucht vielmehr zugleich die schöpferische Kraft der ver-
jüngten Alterthumswissenschaft an einem leuchtenden Beispiele zu erklären.
Und welche Bedeutung der deutsche Homer für die gesammte deutsche
Dichtung und Bildung besitzt, welch harten und zähen Ringens es bedurfte,
um diesen köstlichen Gewinn zu erlangen, das hat er in der Einleitung zu
seiner mustergültigen Jubiläumsausgabe der ältesten Gestalt der Vossischen
Odyssee (1881) auf das anziehendste geschildert. Ihm genügte es nicht, eine
Dichtung in ihrer Zeit zu begreifen; er glaubte sie erst dann zu besitzen,
wenn er auch den Wandel ihrer Wirksamkeit in den verschiedenen Zeiten
Beroays. ^«I
und Völkern verfolgt hatte. »Homer in der Weltliteratur«, das ist das grosse
Lebenswerk, das er liebevoll lange Jahre im Sinne trug und das ungeschrieben
mit ihm ins Grab gesunken ist.
Die zweite grosse Aufgabe, die zu lösen kaum ein anderer so berufen
war wie er, war eine zusammenfassende Biographie Goethe's. Wer die schon
erwähnten Arbeiten über Goethe abwägt und die in einer Reihe von Auf-
sätzen, namentlich der fast den Umfang eines Buches erreichenden Ab-
handlung über den »französischen und deutschen Mahomet« (1893/94)
niedergelegten Betrachtungen hinzunimmt, wer* theilnehmen durfte an seinen
mündlichen Auseinandersetzungen über die einzelnen Dichtungen Goethe's
und dabei erfahren hat, wie innig er die Schönheiten Goethe'scher Lyrik
seinen Hörern recitirend »vorfühlte«, wie er selbst spröden Werken wie der
»Natürlichen Tochter«, den Maskenzügen oder der Farbenlehre das innere
Leben abzulauschen verstand, und wie scharfsinnig er die Einheit der
Goethe'schen Persönlichkeit als Dichter, Gelehrter und Mensch darzuthun
wusste, der wird das Unterbleiben dieses Werkes fast ebenso beklagen wie
den ungeschriebenen »Homer in der Weltliteratur«. Nur einen kurzen Abriss
von Goethe's Leben hat B. in der »Allgemeinen deutschen Biographie« (1879)
gegeben; so schön uns darin das Werden des jungen Goethe entwickelt ist,
so schmerzlich empfinden wir bei der Behandlung des mächtigen Mannes und
des olympischen Greises die Beengung des knapp zugemessenen Raumes und
den Drang des festgestellten Termins, unter dem arbeitend B. oft kaum anzu-
deuten vermochte, was er zu sagen gehabt hätte. Und wohldurchdacht,
aber unausgeführt hat B. noch ein drittes Werk mit sich ins Grab ge-
nommen, eine Würdigung seines geliebten Wordsworth, den er auch den
Deutschen näher bringen wollte.
Denn nicht auf die heimische und antike Literatur beschränkte sich die
Gelehrsamkeit und das Interesse des unermüdlichen Mannes; in gleicher
Weise war er in der englischen und den romanischen Literaturen zu Hause.
Nie erblickte er die erste Aufgabe der Kritik im Zersetzen und Bemängeln
des Unvollkommenen, sondern in der reinen Loslösung des Bleibenden aus
den Schlacken des Vergänglichen. Mit unvergleichlichem Anempfindungs-
vermögen ergriff er daher von Herzen das Schöne und Bedeutende, wo er
es fand, und verstand so ganz einzigartig auch in den Geist fremder Litera-
turen einzudringen, ihre Vorzüge und Eigenart zu erfassen und zu erleuchten
und dabei doch vornehmlich germanischem Wesen zu huldigen. In seinen
ersten Lehrsemestem las er eigene CoUegien über die Tragödie Frankreichs
und Englands; später lösten sich diese Studien, wie die zur spanischen und
italienischen Literatur, zu weit ausgreifenden Excursen in den Vorlesungen
über die deutsche Literaturgeschichte vom Zeitalter des Humanismus bis zu
Goethe's Tode auf, woneben sich nur noch ein zweistündiges Shakespeare-
Colleg und das Seminar erhielten. Shakespeare ist denn auch, wenn wir
von der grossen Auseinandersetzung mit der französischen Tragödie anlässlich
der Goethe'schen Mahometübersetzung absehen, der einzige moderne Dichter
des Auslandes, dem B. eine grössere schriftstellerische Arbeit gewidmet hat.
Wie meistens geht B. auch in dem Buche »Zur Textgeschichte des
Schlegel'schen Shakespeare« (1872) von textkritischen Fragen aus; und wieder
gestaltet sich die gründliche sorgsame Textreinigung, der wir seine muster-
hafte Ausgabe der Seh legel-Tieck' sehen Uebersetzung (1891) verdanken, nicht
blos zu der Entstehungsgeschichte eines hervorragenden Werkes, sondern zu
352 Bemays.
einer Erklärung der nach Luther und Voss noch möglichen dritten Art der
Uebersetzungskunst, die diese beiden entgegengesetzten Meister zu versöhnen
weiss. B. entfaltet hier den ganzen Reiz, der nie ausbleibt, wo ein fnicht-
verheissendes Werden sich darstellt, und zeigt uns »das Erwachsen und die
schrittweise Ausbildung einer Kunst, die, nahe an die Wissenschaft rührend,
dazu mitwirken sollte, die Weltstellung zu begründen, welche seit dem Be-
ginne des Jahrhunderts unsere Literatur aus eigener Kraft unter den Litera-
turen der Erdenvölker behauptet«. Nirgends hat B. glänzender bewährt als
hier, wie er, nach Eugen WoHTs treffendem Wort, »die Andacht zum Kleinen
und KJeinsten mit Geist und weit ausschauendem Blick vereint«.
Wie die Vossische Odyssee ist hier der Schlegel'sche Shakespeare als
ein Werk unserer vaterländischen Literatur beleuchtet. Und wie in jener
Einleitung, wie in den meisten grösseren Arbeiten B.'s führt uns auch hier
der Gang der Untersuchung auf vielfach verschlungenen Pfaden, manch un-
beachteten Ausblick berührend, unter mancherlei scheinbarem und wirklichen
Umweg ans Ziel. Diese Neigung, Entlegenes überraschend, aber doch stets
zur inneren Bereicherung in die Darstellung einzubeziehen, hat sich am
deutlichsten in B.'s letzten Arbeiten, den geistvollen Bemerkungen »Zur Lehre
von den Citaten und Noten« (1892) und der Untersuchung des »Französischen
und deutschen Mahomet«, ausgeprägt; im Kerne war sie aber auch schon
in seinen frühesten Schriften zu bemerken, und nicht mit Unrecht sagt
Albert Köster: »Seine Schriftstellerei hat keine Geschichte gehabt; sein
erstes Werk ist geradeso geartet und so reif wie sein letztes.« Sein Stil hat
sich wenig gewandelt; an gewählter Sorgfalt und äusserer Klangfülle kann
er kaum übertroffen werden, aber es mangelt ihm an der leichten Anmuth,
die ungezwungen und wechselreich mit der Gegenwart entsteht und den
Augenblick festhält. Der ganze Vortrag ist würdevoll pathetisch. Es fehlen
alle leichteren Töne, und wo einmal ein Scherz versucht wird, geräth er
meist allzu ernsthaft und ungraziös. Mit Recht hat B. selbst einmal gesagt,
dass ihm »unter allen Deutschen nur Gottsched an Witzmangel gleichkommt, <.
Er kann nur in festlicher Weihe als ein fast priesterlicher Redner alle seine
Gegenstände sub specie aetemitatis beleuchten. So sind seine Schriften bei
der würdevollen Gemessenheit und anspruchsvollen Breite ihrer Form wie
der Ueberfülle ihres Gehaltes, die das Wesentliche manchmal fast von den
Beigaben überwuchern lässt, nur mit gesammeltem Ernste und hingebender
Arbeit zu lesen.
So stellt der Schriftsteller hohe Anforderungen an seine Leser; so that
es auch der Mensch gegenüber seiner Umgebung, Er ging so völlig auf im
Dienste der schönen Literatur, dass er sich auch im Alltagsleben diesem
Bannkreis nicht zu entziehen vermochte. Er forderte von seinem Kreise
rückhaltloses Eingehen auf seine Interessen, während ihm, sich anderen an-
zupassen, nicht beschieden war. Er bedurfte zum vollen Wohlgefuhle nicht
blos ruhiger Arbeit im Dienste der Wissenschaft, sondern auch lauter Zu-
stimmung und Anerkennung. Das hat ihm manche Spötter erweckt, die
solch selbstbewusster Einseitigkeit verständnisslos gegenüberstanden. Aber
gerade aus dieser Einseitigkeit sog er seine Kraft. Seine Grösse beruhte
nicht so sehr auf einer schöpferischen Genialität, als auf einer bewunderungs-
würdigen Concentrirung aller Kräfte seines eisernen Willens auf die eine
grosse Lebensaufgabe, der er seine hervorragenden Geistesgaben dienstbar
machte. Solche Grösse wird immer selbstbewusst sein, und wenn dies
Bernays. 353
Selbstgefühl auch bei B. manchmal in befremdenden Formen zum Ausdruck
kam, so hinderte es ihn doch nie, neidlos das Verdienst anderer anzuerkennen,
weil es eben seinen Ursprung in einer ehrlichen, lebendigen Begeisterung für
alles Schöne und Grosse hatte. Er huldigte überall nur der Macht seiner
Wissenschaft und dem Genius der Dichtkunst als ein enthusiastischer Diener
und forderte auch von anderen eifrig den schuldigen Tribut ein, den er selbst
so gerne entrichtete.
Die innere Selbsdosigkeit seines manchmal sich so selbstgeiällig ge-
berdenden Wesens tritt nirgends überzeugender vor Augen, als bei einem
kritischen Ueberblick über seine Werke. Sie alle sind entweder mühselige
Textreinigungen oder Einleitungen und Anmerkungen zu den grossen
Dichtern der Weltiiteratur, sie alle ordnen sich dem höheren Werke unter,
dem sie dienen. Man hat diesen Charakter einer fortlaufenden Anmerkungs-
schriftstellerei tadelnd auf ein Unvermögen zu eigenen grossen zusammen-
fassenden Werken zurückgeführt, und gewiss ist die Schwäche, die darin
Hegt, nicht zu verkennen. Wer aber näher zusieht und all die Anregungen
und Hinweise nur einigermassen verfolgt, die hier dieser vielseitigste Literatur-
kenner unserer Zeit verstreut, wer ausserdem weiss, welch weitreichende, viel
umfassende und doch in sich gerundete Betrachtungen B. in seinen CoUegien
seinen Hörern bot, der kann sich auch der Erkenntniss nicht verschliessen,
dass wir in dem, was B. geschrieben, oft nur Kapitelüberschriften, kaum
Bruchstücke der Werke besitzen, die er zu schreiben befähigt war. Nicht
nur die Lust an mündlicher Mittheilung, an persönlicher Wirkung, worin er
denn auch sein Höchstes geleistet hat, lähmte seine literarische Produktions-
kraft, sondern vor allem die unermüdliche Freude am Vorwärtsstreben, am
eigenen Lernen. Nicht die errungene Erkenntniss war seine grösste Freude,
»ihn reizte die Untersuchung, das Finden« (Max Koch.) Mit Lessing würde
er für den Besitz der vollen Wahrheit doch nicht das Streben nach Wahrheit
hingegeben haben. »Die ganze ungeheure Masse des Gelesenen ist ihm
immer nur Mittel zum Zwecke einer harmonischen Ausbildung seiner Per-
sönlichkeit« (Albert Köster). Und so wird jeder, der ihn gekannt, mit
August Sauer die tiefe persönliche Bedeutung einer Stelle in seinem Aufsatz
»Zur Kenntniss Jakob Grimms« empfinden, »die daran rührt, was wir die
Tragik seines Lebens nennen dürfen«: »Wenn ihn die Wonne des Lernens
wie mit dämonischer Gewalt übermeisterte, dann ward sie wohl zuweilen
auch ihm getrübt durch die Erkenntniss, die selbst dem reichsten und em-
pfänglichsten Geiste aufgenöthigt wird. Denn selbst ein solcher muss zu der
trüben Einsicht gelangen, wie eng begrenzt das Auffassungsvermögen bleibt,
mit welchem der Mensch sich dem unbegrenzbaren Reichthum der Wissen-
schaft gegenüber stellt. Und wer, der aus innerem Drange den Mächten
der Kunst und Wissenschaft dient, wer hat ihn nicht empfunden den edlen
Schmerz, der unvermeidlich uns ergreift bei dem Gedanken, dass wir in
das Dunkel des Todes eingehen müssen, ehe wir so manches Hohe und
Höchste, das der gottdurchdrungene Menschensinn geschaffen, uns aneignen
konnten!«
Wenn B. sich in dieser Gesinnung mit voller Hingabe dem Dienste der
Wissenschaft weihte, so hat er dadurch doch nicht den Zusammenhang mit
den grossen Fragen des öffentlichen Lebens verloren. In seinen Abschieds-
worten am II. März 1890 sprach er die bedeutsamen Worte: »Ich kann das
Verhältniss deutscher Wissenschaft zum deutschen Leben nicht denken, ohne
Biogr. Jahrb. u. Deatscber Nekrolog. 2. Bd. 23
^CA Bernays.
von neuem es mir zu vergegenwärtigen, dass die deutsche Wissenschaft un-
geheure ethisch nationale Aufgaben zu lösen hat.« In diesem Sinne hatte
er stets seine Aufgabe erfasst. Mit historischem Tiefblick wusste er die Be-
ziehungen der Literatur zur politischen Geschichte darzulegen, und wohl kein
anderer hat den Anteil unserer Dichtung und Wissenschaft an der Erhebung
des deutschen Wesens gegen Napoleon I. und III. und an der Einigung
Deutschlands so begeistert und überzeugend geschildert wie er. Und nicht
blos literarhistorische Gedenktage wie der loo. Geburtstag Uhlands oder der
loo. Todestag Lessings gaben ihm Anlass, den Gang seiner Vorlesungen mit,
dem Genius der Stunde geweihten, Betrachtungen zu unterbrechen; auch den
i8. Januar liess er kaum je vorübergehen, ohne des Tages als Geburtstag
des neuen Reiches in würdigen, oft hinreissenden Ausführungen zu gedenken.
Die Aufzeichnungen seiner Tagebücher verrathen, mit welch gespannter Aufmerk-
samkeit er dem politischen Leben folgte, stets von glühender nationaler Begeiste-
rung erfüllt. »Wer sollte sich nicht aufgerufen fühlen«, schreibt er i. J. 1878
zürnend, »gegen die wiederbeginnende Selbstzerfleisch ung Deutschlands zu reden
und zu handeln? Welche Zerfahrenheit der Gesinnungen ! Welche Umnachtung
der Geister! Das ist noch immer dasselbe Volk, das den 30jährigen Krieg
erzeugte.« Und. im März des Jahres 1888 findet sich folgender Eintrag:
»Ich gedachte fortwährend der grossen Wendung in den Geschicken des
deutschen Reiches. Unwillkührlich erinnere ich mich der Worte Niebuhrs
aus dem Jahre 1830, die ich schon einmal in einem politischen Aufsätze
angewandt: Griechenland — das Deutschland des Alterthums — absit omenl.
Mit Bekümmemiss verfolgte er das Erstarken des Ultramontanismus, der ihm
zuerst im Jahre 1870 als die grösste Gefahr Deutschlands erschienen war.
Lag ihm auch seinem Wesen nach der Humanismus näher als die Refor-
mation, Erasmus näher als Luther, so war es doch seine unzerstörbare
Ueberzeugung : »In der Reformation hat der deutsche Geist seinen Ausdruck
gefunden. Sie ist die Bedingung für alles Grosse geworden, was der
deutsche Genius seitdem geleistet.« So musste ihn denn der Uebergang des
Präsidiums des deutschen Reichstages an einen Ultramontanen mit dem tief-
sten Schmerze erfüllen.
Wenn B. so den Gefahren der inneren Zwietracht und der äusseren Politik
sorgend den Blick zuwandte, so erschien ihm doch die soziale Bewegung der
Gegenwart in noch höherem Grade bestimmt, die Zukunft der ganzen Welt
zu beherrschen. Auch auf diesem Gebiete wusste er die Erscheinungen seiner
Zeit stets im Zusammenhange mit dem ganzen politisch-socialen Zustande des
Jahrhunderts zu betrachten. »Ein weltgeschichtlicher Gegenschlag gegen die
französische Revolution und ihre Prinzipien oder eine gewaltsame Fortbildung
derselben bereitet sich vor«, schrieb er i. J. 1878 an einen Freund
»Die Frage nach Recht und Besitz nimmt eine greifbare, furchtbar drohende
Gestalt an. Doch vertraue ich fest auf den endlichen Sieg der erhaltenden
Kräfte; denn in den Massen der Gegner ist offenbar nur ein sinnliches Ver-
langen, aber keine lebengebende Idee mächtig.«
Bei diesen tief begründeten Anschauungen, bei dieser warmen Ergriffen-
heit von der Grösse der Zeit, in der er lebte, mag es verwunderHch er-
scheinen, dass er sich darauf beschränkte, in seiner Lehrthätigkeit stets die
nationalen Gesichtspunkte zu betonen, und auf ein selbständiges Eingreifen in
das politische Leben verzichtete. »Aber ein jeder dient dem Vaterlande auf
seine Weise«, führte er dem gegenüber schon in seiner ersten Schrifl (1866'
Bernays. Mertens. ^ c c
aus. »Nicht allen wird es beschieden, mit dem Wort oder mit dem Schwert
unmittelbar zu kämpfen für die Entscheidung der grossen Angelegenheiten,
an welche das Schicksal der Nation geknüpft ist. Auch wir, die der stillen,
aber nie stillstehenden geistigen Arbeit hingegeben sind, auch wir dienen
dem Vaterlande; zu seinem Wohle, zu seinem Ruhme muss alles ausschlagen,
was wir Heilsames und Würdiges unternehmen. In der glorreichen Zeit, die
über Deutschland leuchtend heraufzusteigen beginnt, soll das lebendige Fort-
wirken der grossen Geister, die uns eine neue Epoche der Bildung begründet
haben, allen Kreisen unseres Volkes einen immer reicheren geistigen Segen
bringen.« Und so glaubte er auch hier Goethe recht zu verstehen, wie er
in der Universalität seiner Literaturstudien Goethes Gedanken einer Welt-
literatur folgte. B. hat uns begreifen gelehrt, dass Goethe im höchsten Sinne
wahren Patriotismus bewährte, als er bei dem politischen Zusammenbruch
im ganzen alten Reiche unermüdlich in strenger Arbeit nicht blos die eigene
geistige Freiheit behauptete, sondern sie auch anderen Genossen wie
Fr. Aug. Wolf durch seine Ermuthigung und sein Beispiel wiedergewann
und somit die Kraft festigte und stärkte, die allein Deutschlands Wieder-
geburt ermöglicht hat. So konnte für B. auch wieder Goethe der Heros sein,
unter dessen Zeichen er auch das neue Reich erblickte. In diesem Sinne er-
hob er im August 1871 als erster seine Stimme für die Gründung einer Goethe-
gesellschaft. Ist auch dieser Gedanke erst viele Jahre später verwirklicht
worden, so wird doch ein Geschichtschreiber der Nachwirkung Goethes in
Deutschland stets nachdrücklich auf diese Anregung hinweisen müssen. Sie
giebt der Bedeutung, die unsere Dichtung fiir das gesammte deutsche Volks-
leben besitzt, den sinnenfälligsten, klarsten Ausdruck; sie ist auch eine schöne
Probe, von welch hohen, weit über die Grenzen seiner Fachwissenschaft
hinausweisenden Gesichtspunkten aus B. seine Lebensaufgabe erfasst hatte,
die er denn auch, trotz der Nichtvollendung so manchen Werkes, das er ver-
heissen, in lebendig fortwirkender Weise gelöst hat.
Ein sehr ähnliches und charakteristisches Porträt B.'s ist dem 2. Bande seiner »Schriften
zur Kritik und Literaturgeschichte« beigegeben, der auch, wie erwähnt, ein zuverlässiges,
von G. Witkowski zusammengestelltes Schriftenverzeichniss enthält Von den in Tages-
blättern und Zeitschriften erschienenen Nekrologen mögen hervorgehoben sein die Aufsätze
von Hermann Uhde, B.'s Stiefsohne, im »Biographischen Jahrbuch«, i. Jahrgang, S. I7*ff. ;
von G. Witkowski im »Magazin für Literatur« 1897, No. 10; von Alfred Dove in der
Beilage zur »Allg. Ztg.« 1897, No. 46; von Max Koch im Shakespeare-Jahrbuch, 33. Jahrg.,
S. 260 fr.
Erich Petzet.
MertenSy Franz, Architekt, ♦ 1808 in Düsseldorf, f am 30. Mai 1897 in Berlin
im 90. Lebensjahre. — Man darf ihn den Begründer der Geschichte der mittel-
alterlichen Baukunst nennen. Nachdem er aus Darstellungen mittelalterlicher
Kirchen in den Werken von Wiebeking und Chapuy erkannt hatte, dass der
Ursprung der sog. gothischen Baukunst nicht, wie man bis dahin annahm,
in Deutschland, England oder Spanien, sondern in Nord -Frankreich zu
suchen sei, ist er unermüdlich in Erforschung der mittelalterlichen Baudenk-
mäler thätig gewesen. Freilich sind die äusseren Erfolge, die seine ersten
verdienstvollen Untersuchungen und Veröffentlichungen erwarten Hessen, nicht
in Erfüllung gegangen. Persönliche Fehden, drückende materielle Sorgen,
in die er gerathen war, und überhaupt ein hoffnungsloses Missverhältniss
zur Aussenwelt haben lähmend auf seine rastlose Arbeit eingewirkt und ver-
23*
356 Mertens.
ursacht, dass sein Name wie seine Thaten sogar manchem Kunstgelehrten
bis heute unbekannt geblieben sind. Auf der Berliner Bauakademie aus-
gebildet, gab er 1835 ^^^ Baufach zu Gunsten der Kunstforschung auf und
ging, nachdem er in demselben Jahre in Kugler's »Museum« einen kritischen
Aufsatz über seine bisherigen Studien veröffentlicht hatte, nach Paris. Von
dort aus nahm er gründliche Untersuchungen der mittelalterlichen Baudenk-
mäler vor und arbeitete bis 1840 ein vollständiges chronologisches und geo-
graphisches System der mittelalterlichen Baukunst des Abendlandes aus, ge-
ordnet nach Stilen, Volksstämmen, Schulen und Provinzialismen sc^^de nach
Schöpfungs- und Nachahmungsbauten, und zwar in dem Sinne, dass die
romanische Baukunst (zuerst der Schule von Franzien, dann auch der Schule
der Normandie) hinsichtlich der Massentheilung und der Gewölbesysteme im
II. und 12. Jahrhundert die Gothik vorgebildet hätte. Der Uebergang zur
Gothik habe sich 1235 bis 1250 an der Abteikirche von St. Denis voll-
zogen, die weitere Ausbildung des neuen Stiles sei dann an anderen Bau-
werken Frankreichs, seine Ausbreitung schliesslich seit 11 74 in England, seit
1208 und in durchgebildeter Weise seit 1227 in Deutschland erfolgt, und
zwar damit, dass durch ihn die bis dahin herrschenden abendländischen
Schulen aus ihrer Uebung verdrängt worden seien. — Fast gleichzeitig mit
M. und unabhängig von ihm, jedoch ohne gründliche Ausführung, äusserte
übrigens 1835 Wetter in Mainz, dass die sog. gothische Baukunst aus Frank-
reich stammen müsse, und Dahl veröifendichte eine Urkunde über die
gothische Stiftskirche in Wimpfen, nach welcher diese (um 1262 bis 1278''.
von einem aus Paris gekommenen geschickten (deutschen) Baumeister in
französischer Bauart errichtet sei. Auch zeigte sich später, dass schon 1809
der Engländer Wittington auf die seit 1235 erbaute Abteikirche in St. Denis
als wahrscheinlich ältesten gothischen Bau hingewiesen hatte. Hatte M.
bereits in Frankreich, u. a. bei M^rimöe, Eifersucht wegen seiner ergebniss-
reichen Forschung erfahren, so erging es ihm ähnlich in Deutschland, wo
Kugler und Schnaase früher gehegte Anschauungen den M.'schen Ent-
deckungen gegenüber aufgeben mussten und aufgaben, ohne M.'s Vorrang
in dieser Beziehung anzuerkennen. Diese Versagurig gebührender Anerkennung
trägt wesentlich Schuld an seiner Verbitterung und an seinem Misstrauen
gegen die Aussenwelt. M. schrieb dann auch Baugeschichtliches über Prag,
Salzburg und Serbien und verfasste sonst noch kleinere wissenschaftliche
Schriften. Als Hauptarbeit seines Lebens hatte der Verstorbene ein grosses
Werk über die Baukunst des Mittelalters in Angriff genommen, von dem aber
nur die chronographischen Tafeln über Deutschland nebst Text (Berlin 185 1'
und die. Denkmalkarte nebst Text (Berlin 1864 und 1876) zur Herausgabe
kamen. Das Uebrige sowie eine verbesserte Ausgabe der Tafeln über
Deutschland hielt er misstrauisch zurück, und es ist unbekannt, was er
testamentarisch über etwaige Veröffentlichung der Bruchstücke dieses Werkes
bestimmt hat. Seine letzten Veröffentlichungen betrafen die Gründung des
Kölner Domes und den ersten Kölner Dombaumeister (2^itschrift für Bau-
wesen 1862) sowie die Grenze deutscher und französischer Baukunst in
Lothringen (Deutsche Bauzeitung 1870). — Der verdiente Forscher ruht
nun in kühler Erde aus von seiner rastlosen Arbeit. Eine kleine Schaar
von Anhängern und Freunden nur gab seiner sterblichen Hülle auf den
katholischen Friedhof in Weissensee das letzte Geleit. Sein Name aber wird,
unzertrennlich von der Forschung mittelalterlicher Architekturgeschichte, fort-
Mertens. Loenartz. Krancke.
357
leben und an Anerkennung und Bedeutung gewinnen von Geschlecht zu Ge-
schlecht.
Centralblatt der Bauverwaltung XVII, 23. Mff.
Loenartz, Jakob, Geheimer Baurath, ♦ am 5. März 1835 ^" Ernst an der
Mosel als Sohn eines Weingutsbesitzers, f am 31. Oktober 1897 in Magdeburg.
— Ursprünglich für den Beruf des Vaters bestimmt, wandte er sich später
nus eigenstem Antriebe dem Studium des Baufaches mit bestem Erfolge zu.
Er wurde im April 1861 zum Bauführer, im März 1864 zum Feldmesser
lind im Januar 1869 zum Baumeister ernannt. Als Bauführer war er bei
dem Bau verschiedener Strassen und Bahnlinien im Rheinlande sowie mit
Wasserbauten an Rhein und Mosel beschäftigt, als Baumeister kurze Zeit bei
der städtischen Verwaltung in Berlin. Im März 1869 siedelte er dann nach
Ungarn über, das ihm sechs Jahre lang eine neue Heimath und ein Feld
reicher Thätigkeit werden sollte. Er hat dort anfangs als Abtheilungs-, dann
als Ober- und Chefingenieur bei zahlreichen Bahnbauten mitgewirkt und
sprach stets mit besonderer Freude von dieser Zeit fröhlichen Schaffens. Im
Juni 1875 in den preussischen Staatsdienst zurückgekehrt, übernahm er die
Kreisbaumeisterstelle in Frankenstein in Schlesien, wo er im September 1875
zum Kreisbaumeister ernannt wurde. Im Januar 1878 trat er zur Elbstrom-
bau Verwaltung über, wurde im Juni 1878 zum Wasserbauinspektor ernannt
und waltete bis Juli 1882 als ständiger Vertreter des Elbstrombaudirektors-
Dann wurde er als Regierungs- und Baurath nach Gumbinnen berufen, wo
er fünf Jahre thätig war. Im November 1887 erfolgte auf seinen Wunsch
seine Versetzung in gleicher Eigenschaft nach Danzig und im Juli 1889 nach
Oppeln. 1890 ward ihm der Rothe Adler-Orden und im December 1891
der Charakter als Geheimer Baurath verliehen. In seiner Stellung in Oppeln
hat der Verstorbene sich besondere Verdienste durch den Ausbau des
Klodnitz-Canals erworben. Auch fand er hier reichlich Gelegenheit, seine in
Ungarn erworbenen Kenntnisse bei den zahreichen Bahnbauten in den ober-
schlesischen Industriebezirken zu verwerthen. Eine mit grossem Fleisse zu-
sammengetragene Denkschrift über die Neisse entstammt gleichfalls dieser
Zeit, und auch an den Arbeiten zur Canalisirung der oberen Oder hat er
thätigen Antheil genommen. Am i. Juli 1896 wurde er als Elbstrombau-
direktor nach Magdeburg berufen, und gerade diese Versetzung in einen
ihm besonders zusagenden Wirkungskreis war ihm, wie er oft und gern aus-
sprach, eine grosse Freude. Er betrachtete sie als ein Zeichen ganz be-
sonderen Wohlwollens seiner vorgesetzten Behörde. In der schönen Luft
des Eibstromes und auf den Dampferfahrten, die der neue Dienst mit sich
brachte, hoffte er Heilung zu finden von einem Unterleibs- und Magenleiden,
das er sich bei den ungezählten anstrengenden Wagenfahrten in seinem
früheren Wirkungskreise zugezogen hatte. Die Hoffnung erfüllte sich leider
nicht. Asthma und Herzkrankheit gesellten sich hinzu und rafften ihn un-
erwartet mitten aus freudigem Schaffen hinweg.
Centralblatt der Bauverwaltung XVII, 45 A.
Bauer.
Krancke, Theodor, Geheimer Baurath, * am 18. Februar 1820 in
Hannover, f am 28. Januar 1897 zu Berlin im hohen Alter von fast 77
Jahren. — Abermals hat sich die Gruft geschlossen über einem jener nur
noch wenigen Veteranen des Eisenbahnwesens, deren ganzer Lebensweg ge-
358 Krancke.
wissermaassen Schritt hielt mit der Entwicklung ihres Faches. K. geno?»
seine Schulbildung auf dem Lyceum und bezog dann die polytechnbchc
Schule seiner Vaterstadt. Im Jahre 1845 zum hannoverschen Bauconducteui
ernannt, baute er die Kettenbrücke in Hameln, was die Veranlassung gar,
dass die Stadt Mannheim ihn bald darauf mit dem Bau der dortigen Ketten-
brücke betraute, neben der Hamelner Brücke eines der ersten Bau werte
dieser Gattung in Deutschland. Nachdem er dann als Ingenieur im Diemie
der Hannoverschen Staatsbahn die Leinebrücken bei Herrenhausen ausgefiihn
und bei den Bauten der Südbahn thätig gewesen war, wurde er 1854 zun
Betriebsinspector, 1856 zum Betriebsdirector in Göttingen ernannt und als
solcher 1864 nach Bremen versetzt. 1866 trat er in den preussischen Staats-
dienst über, verliess diesen aber bereits im folgenden Jahre, um als Betrieb-
director und Mitglied des Directoriums der Magdeburg-Leipziger Bahn nach
Magdeburg überzusiedeln. Nach der Verstaatlichung des Magdeburg-Halhei-
städter Unternehmens im Jahre 1880 trat er als Regierungs- und Baurnt>
wieder in den preussischen Staatsdienst ein, wurde 1881 als Oberbaumth
und Dirigent der III. Abtheilung an die Direction Berlin versetzt und ver-
blieb in dieser Stellung — seit 1885 als Vertreter des Präsidenten — , I»b
er am i. April 1895 bei der Neuordnung der Staatsbahn Verwaltung als Ge-
heimer Baurath zur Verfügung gestellt wurde. K. war als Zeitgenosse von
Funk, Durlach und Buresch an dem Ausbau des hannoverschen Bahnnetzes
hervorragend betheiligt und war demnächst in Bremen und Magdeburg fast
ausschliesslich im Betriebe thätig, bis ihn sein Wirkungskreis in Berlin weder
mehr der Bauthätigkeit nahe brachte. In dieser Zeit entwickelte er auch im
geschäftsführenden Ausschuss des Vereins deutscher Eisenbahn- Verwaltungen
eine umfassende Thätigkeit. Seine reiche Erfahrung auf fast allen Gebieten
des Eisenbahnwesens, seine Liebenswürdigkeit im dienstlichen Verkehr, seine
selbst im vorgerückten Lebensalter noch erstaunliche geistige Frische sicherten
ihm stets allseitige Anerkennung, die von Seiten des Staates auch durch
Verleihung des Rothen Adler-Ordens III. Klasse mit der Schleife und des
Kronen-Ordens II. Klasse Ausdruck fand. Man würde aber kein vollständige^
Bild von der Persönlichkeit des Verstorbenen gewinnen, wenn man ihr.
lediglich im Lichte seines fachlichen Wirkens betrachten wollte. Ei war eine
reich veranlagte Natur, in künstlerischer Beziehung wie im geselligen Verkehr.
Besonders seine musikalische Begabung, verbunden mit einer herrlichen Bass-
stimme, kam schon im Künstlerverein in Hannover hervorragend zur Geltung
und führte zu engeren Beziehungen mit namhaften Musikern und Künsüem.
wie Marschner, Lachner, Niemann und Wachtel, während als sein vertrautester
Freund aus jener Zeit der jugendfrische »alte Haase« zu nennen ist. In
geselligen Kreisen war er infolge seiner liebenswürdigen persönlichen Eigen-
schaften überaus beliebt, namentlich auch wegen seines Humors, der beson-
ders in gelegentlichen launigen Tischreden zum Ausdruck kam. Auch seine
Wirksamkeit als Vorsitzender des Magdeburger Architekten- und Ingenieur-
vereins lebt in dankbarer Erinnerung. Trotz seiner umfangreichen geschäft-
lichen Thätigkeit fand K. doch Zeit, sich einem ausserordentlich glücklichen
Familienleben mit voller Hingabe zu widmen, die ihm denn auch in den
schweren Tagen des langen Leidens, das ihn endlich dahingerafft hat, von
den Seinigen mit sorgender, aufopferndster Liebe gelohnt worden ist.
Centralblatt der Bauverwaltung XVII, 6.
Suche. Salzmann. ^Ko
Suche, Ludwig, Geheimer Regieningsrath, ♦1822 in Wehlau, Ostpreussen,
y am 10. September 1897 in Bromberg. — S. widihete sich zunächst dem
Forstfache, trat dann aber in bereits vorgerückterem Lebensalter zum Baufache
über und wurde im Jahre 1857 zum Baumeister ernannt. Die lange Reihe
von Jahren, in denen er, anfänglich im Dienste der Stettiner Eisenbahngesell-
schaft, später im preussischen Staatseisenbahndienste, meist in der Nähe seiner
Heimath als Beamter thätig war, sind durch ein aussergewöhnlich reiches und
erspriessliches Wirken auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues ausgefüllt. Während
"dieser Zeit wurde er 1867 zum Eisenbahn-Baumeister, 1868 zum Eisenbahn-
Bau- und Betriebsinspektor, 1873 zum Baurath, 1875 zum Regierungs- und
Baurath, 1 888 zum Geheimen Regierungsrath befördert. Besonders im Brücken-
bau war S. ein anerkannter Meister, wie dieses die von ihm oder unter seiner
Oberleitung ausgeführten Brücken über die Oder bei Stettin, die Memel bei
Tilsit, die Weichsel bei Thom, Graudenz, Dirschau und Fordon sowie zahl-
reiche kleinere Bauwerke auf den östlichen Eisenbahnstrecken beweisen. Seine
hervorragenden Leistungen haben allseitige Anerkennung gefunden und sind
mehrfach, zuletzt noch bei seinem Scheiden aus dem Dienst, durch Ver-
leihung des Kronen-Ordens IL Klasse belohnt worden. Nachdem er in den
letzten vierzehn Jahren seiner langen, mühevollen, aber erfolgreichen Dienst-
laufbahn als Dirigent der Neubauabtheilung der Königlichen Eisenbahndirection
in Bromberg gewirkt hatte, wurde er am i. April 1895 zur Verfügung gestellt.
Der ihm hierdurch zu Theil gewordenen, wohlverdienten Ruhe hat er sich
leider nicht lange mehr erfreuen sollen.
Ccntralblatt der Bauverwaltung XVII, 38. — b —
Salzmann, Max, Dombaumeister, ♦ am 20. August 1850 in Breslau, f am
6. P'ebruar 1897 in Bremen. — Seit dem Spätsommer vorigen Jahres an
einem bösartigen Hautübel erkrankt, hat er in den verschiedensten Heilanstalten
der Schweiz, Hamburgs und seines Wohnortes vergebens Genesung gesucht.
Am Sonnabend Nachmittag ist er im Bremer Stadtkrankenhause einer hinzu-
getretenen Gehirnaffection erlegen. S. stand erst im 47. Lebensjahre. Noch
ist es in aller Erinnerung, wie er im Jahre 1888 als Sieger in der Preisbe-
werbung um die Wiederherstellung des Bremer Domes aus seinem stillen
Wirkungskreise in Marienwerder, wo er Bauinspektor war, nach Bremen be-
rufen, zum Dombaumeister ernannt und mit der Ausführung seines Entwurfes
betraut wurde. Seit jener Zeit hat er an diesem seinem Lebenswerke mit
hingebendem Eifer und hervorragendem künstlerischen wie technischen Können
geschaffen. Bereits sind die Haupttheile des Erneuerungsbaues, vor allem die
Westfront mit den beiden ernsten romanischen Thürmen glücklich durchge-
führt, und man ist soeben beschäftigt, die Pfeiler des Vierungsthurmes zu
unterfahren. Die Vollendung seines Werkes sollte der Dombaumeister nicht
erleben ; noch zweier Jahre etwa wird es bis zur Beendigung der sämmtlichen
geplanten Wiederherstellungsarbeiten bedürfen. Der Dombau ist aber nicht
das einzige Werk, das S. in Bremen hinterlässt. Die vor kurzem vollendete
Rathsapotheke mit ihret prächtigen neuen Schauseite, die Wiederherstellung
der Front der Liebfrauenkirche, mehrere Privatbauten, der nach seinen Plänen
begonnene Umbau des Schüttings am Marktplatze zeugen davon, wie fest S.
in Bremen bereits Wurzel gefasst hatte, und werden sein Gedächtniss dort
und in. weiten Kreisen dauernd fortleben lassen.
Centralblatt der Bau Verwaltung XVII, 6A.
^fg Krancke.
wissennaassen Schritt hielt mit der Entwickelung ihres Faches. K. genoss
seine Schulbildung auf dem Lyceum und bezog dann die polytechnische
Schule seiner Vaterstadt. Im Jahre 1845 ^^^ hannoverschen Bauconducteur
ernannt, baute er die Kettenbrücke in Hameln, was die Veranlassung gab,
dass die Stadt Mannheim ihn bald darauf mit dem Bau der dortigen Ketten-
brücke betraute, neben der Hamelner Brücke eines der ersten Bauwerke
dieser Gattung in Deutschland. Nachdem er dann als Ingenieur im Dienste
der Hannoverschen Staatsbahn die Leinebrücken bei Herrenhausen ausgeführt
und bei den Bauten der Südbahn thätig gewesen war, wurde er 1854 zum
Betriebsinspector, 1856 zum Betriebsdirector in Göttingen ernannt und als
solcher 1864 nach Bremen versetzt. 1866 trat er in den preussischen Staats-
dienst über, verliess diesen aber bereits im folgenden Jahre, um als Betriebs-
director und Mitglied des Directoriums der Magdeburg-Leipziger Bahn nach
Magdeburg überzusiedeln. Nach der Verstaatlichung des Magdeburg-HaJber-
städter Unternehmens im Jahre 1880 trat er als Rcgierungs- und Baurath
wieder in den preussischen Staatsdienst ein, wurde 1881 als Oberbaurath
und Dirigent der III. Abtheilung an die Direction Berlin versetzt und ver-
blieb in dieser Stellung — seit 1885 als Vertreter des Präsidenten — , bis
er am i. April 1895 ^^' ^^^ Neuordnung der Staatsbahnverwaltung als Ge-
heimer Baurath zur Verfügimg gestellt wurde. K. war als Zeitgenosse von
Funk, Durlach und Buresch an dem Ausbau des hannoverschen Bahnnetzes
hervorragend betheiligt und war demnächst in Bremen und Magdeburg fast
ausschliesslich im Betriebe thätig, bis ihn sein Wirkungskreis in Berlin weder
mehr der Bauthätigkeit nahe brachte. In dieser Zeit entwickelte er auch im
geschäftsführenden Ausschuss des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen
eine umfassende Thätigkeit. Seine reiche Erfahrung auf fast allen Gebieten
des Eisenbahnwesens, seine Liebenswürdigkeit im dienstlichen Verkehr, seine
selbst im vorgerückten Lebensalter noch erstaunliche geistige Frische sicherten
ihm stets allseitige Anerkennung, die von Seiten des Staates auch durch
Verleihung des Rothen Adler-Ordens III. Klasse mit der Schleife und des
Kronen-Ordens IL Klasse Ausdruck fand. Man würde aber kein vollständige>
Bild von der Persönlichkeit des Verstorbenen gewinnen, wenn man ihn
lediglich im Lichte seines fachlichen Wirkens betrachten wollte. & war eine
reich veranlagte Natur, in künstlerischer Beziehung wie im geselligen Verkehr.
Besonders seine musikalische Begabung, verbunden mit einer herrlichen Bass-
stimme, kam schon im Künstlerverein in Hannover hervorragend zur Geltung
und führte zu engeren Beziehungen mit namhaften Musikern und Künstlern,
wie Marschner, Lachner, Niemann und Wachtel, während als sein vertrautester
Freund aus jener Zeit der jugendfrische »alte Haase« zu nennen ist. In
geselligen Kreisen war er infolge seiner liebenswürdigen persönlichen Eigen-
schaften überaus beliebt, namentiich auch wegen seines Humors, der beson-
ders in gelegentlichen launigen Tischreden zum Ausdruck kam. Auch seine
Wirksamkeit als Vorsitzender des Magdeburger Architekten- und Ingenieui-
vercins lebt in dankbarer Erinnerung. Trotz seiner umfangreichen geschäft-
lichen Thätigkeit fand K. doch Zeit, sich einem ausserordentlich glücklichen
Familienleben mit voller Hingabe zu widmen, die ihm denn auch in den
schweren Tagen des langen Leidens, das ihn endlich dahingerast hat, von
den Seinigen mit sorgender, aufopferndster Liebe gelohnt worden ist.
Centralblatt der Bauverwaltung XVII, 6.
Suche. Salzmann.
359
Suche, Ludwig, Geheimer Regierungsrath, ♦1822 in Wehlau, Ostpreussen,
t am 10. September 1897 in Bromberg. — S. widihete sich zunächst dem
Forstfache, trat dann aber in bereits vorgerückterem Lebensalter zum Baufache
über und wurde im Jahre 1857 zum Baumeister ernannt. Die lange Reihe
von Jahren, in denen er, anfänglich im Dienste der Stettiner Eisenbalingesell-
schaft, später im preussischen Staatseisenbahndienste, meist in der Nähe seiner
Heimath als Beamter thätig war, sind durch ein aussergewöhnlich reiches und
erspriessliches Wirken auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues ausgefüllt. Während
dieser Zeit wurde er 1867 zum Eisenbahn-Baumeister, 1868 zum Eisenbahn-
Bau- und Betriebsinspektor, 1873 zum Baurath, 1875 ^"^ Regierungs- und
Baurath, 1888 zum Geheimen Regierungsrath befördert. Besonders im Brücken-
bau war S. ein anerkannter Meister, wie dieses die von ihm oder unter seiner
Oberleitung ausgeführten Brücken über die Oder bei Stettin, die Memel bei
Tilsit, die Weichsel bei Thom, Graudenz, Dirschau und Fordon sowie zahl-
reiche kleinere Bauwerke auf den östlichen Eisenbahnstrecken beweisen. Seine
hervorragenden Leistungen haben allseitige Anerkennung gefunden und sind
mehrfach, zuletzt noch bei seinem Scheiden aus dem Dienst, durch Ver-
leihung des Kronen-Ordens IL Klasse belohnt worden. Nachdem er in den
letzten vierzehn Jahren seiner langen, mühevollen, aber erfolgreichen Dienst-
laufbahn als Dirigent der Neubauabtheilung der Königlichen Eisenbahndirection
in Bromberg gewirkt hatte, wurde er am i. April 1895 zur Verfügung gestellt.
Der ihm hierdurch zu Theil gewordenen, wohlverdienten Ruhe hat er sich
leider nicht lange mehr erfreuen sollen.
Centralblatt der Bauverwaltung XVII, 38. — b—
Salzmann, Max, Dombaumeister, ♦ am 20. August 1850 in Breslau, f am
6. Februar 1897 in Bremen. — Seit dem Spätsommer vorigen Jahres an
einem bösartigen Hautübel erkrankt, hat er in den verschiedensten Heilanstalten
der Schweiz, Hamburgs und seines Wohnortes vergebens Genesung gesucht.
Am Sonnabend Nachmittag ist er im Bremer Stadtkrankenhause einer hinzu-
getretenen Gehimaflfection erlegen. S. stand erst im 47. Lebensjahre. Noch
ist es in aller Erinnerung, wie er im Jahre 1888 als Sieger in der Preisbe-
werbung um die Wiederherstellung des Bremer Domes aus seinem stillen
Wirkungskreise in Marienwerder, wo er Bauinspektor war, nach Bremen be-
rufen, zum Dombaumeister ernannt und mit der Ausführung seines Entwurfes
betraut wurde. Seit jener Zeit hat er an diesem seinem Lebenswerke mit
hingebendem Eifer und hervorragendem künstlerischen wie technischen Können
geschaffen. Bereits sind die Haupttheile des Erneuerungsbaues, vor allem die
Westfront mit den beiden ernsten romanischen Thürmen glücklich durchge-
führt, und man ist soeben beschäftigt, die Pfeüer des Vierungsthurmes zu
unterfahren. Die Vollendung seines Werkes sollte der Dombaumeister nicht
erleben; noch zweier Jahre etwa wird es bis zur Beendigung der sämmtlichen
geplanten Wiederherstellungsarbeiten bedürfen. Der Dombau ist aber nicht
das einzige Werk, das S. in Bremen hinterlässt. Die vor kurzem vollendete
Rathsapotheke mit ihret prächtigen neuen Schauseite, die Wiederherstellung
der Front der Liebfrauenkirche, mehrere Privatbauten, der nach seinen Plänen
begonnene Umbau des Schüttings am Marktplatze zeugen davon, wie fest S.
in Bremen bereits Wurzel gefasst hatte, und werden sein Gedächtniss dort
und in. weiten Kreisen dauernd fortleben lassen.
Centralblatt der Bauverwaltung XVII, 6A.
360 Katz. Brodkorb.
Katz, Fr., Baurath, früher Wasserbauinspektor des Elbstrombaubezirks
Hitzacker, ♦ am 28. Mäi 1828 in Hameln, f am 30. Mai 1897 in Hamburg.
— K. war nach Vollendung seiner Studien in den Jahren 1850 bis 1856 ai>
Wasserbauführer mit Vermessungen in verschiedenen Wasserbauinsjjectionen
thätig und wurde 1857 zum hannoverschen Wasserbauconducteur, 1860 zum
Wasserbauinspector ernannt. Im Jahre 1868 in den preussischen Staatsdienst
übernommen, hat er von da ab bis zu seinem Uebertritt in den Ruhestand
am I. April 1895 ununterbrochen die Wasserbauinspection Bleckede bezw.
Hitzacker verwaltet. In dieser Stelle hat er sich durch Sorgfalt und Geschick
in der Behandlung von Correctionsbauten und Verbessenmg der Fahrstrasst
der Elbe, sowie durch tüchtige Ausbildung der ihm unterstellten Beamten
grosse Verdienste erworben.
Centralblatt der Bauverwaltung XVII, 24 b.
Brodkorb, Karl Wilhelm Julius Theodor, Theologe, * am 11. März
1806 zu Wolfenbüttel, f am 18. März 1897 zu Braunschweig. — Er stammte
aus gutbürgerlichen Kreisen; sein Vater Joh. Andr. Seb. B. (f 4. Oct. 1S40
war Perrückenmachermeister, seine Mutter die Tochter des Bäckermeisters
Paulmann in Braunschweig. Nachdem der Sohn bis Ostern 1824 das Gym-
nasium seiner Vaterstadt besucht hatte, bezog er die Universität Gottingen,
um einer frühen Neigung folgend Theologie zu studiren. Er hat hier beson-
ders den Unterricht des Professors Eichhorn genossen, sich aber auch eifrig
an den Uebungen der societas theologica latina betheiligt. Anfangs bewegte
sich sein Studium ganz in den hergebrachten rationalistischen Geleisen, doch
gelang es ihm, allmählich, nicht ohne innere Kämpfe, zu festem kirchlichem
(ilauben sich durchzuringen. Am 14. December 1827 bestand er in Wolfen-
büttel die »vorläufige Prüfung«. Er begab sich dann nach Berlin, wo er
insbesondere durch die Lehre Schleiermachers und Neanders eine wesentliche
Vertiefung seiner theologischen Auffassung erhalten sollte. Nachdem er dann
bei Pastor Breithaupt in Watzum eine Zeit lang als Hauslehrer gewirkt hatte,
bestand er am i. Juli 183 1 das »theologische Hauptexamen« mit der seltenen
Nummer »wohlbestanden«. Sein entschieden positiver kirchlicher Standpunkt
war schon damals bekannt und wohl der Anlass, dass er sich in Braunschweig
zweimal vergeblich um eine Stadtadjunctur bewarb. Doch war der Abt
HofFmeister trotz abweichenden Anschauungen gerecht genug, dem eifrigen
und tüchtigen Jünglinge die neu begründete Gefängnisspredigerstelle in Wolfen-
büttel zu verschaffen. Am 11. December 1831 ward er für sie ordinirt.
Schon bei dieser Gelegenheit zeigte sich B.'s ehrlicher, fester Charakter, der
nur im eigenen Gewissen die Richtschnur seines Handelns fand. Er weigerte
sich, das Corpus doctrinae Julium mit der seit 1709 vorgeschriebenen scharfen
Verpflichtungsformel, an der schon viele Geistliche stülschweigend Anstoss
genommen hatten, zu unterzeichnen, und setzte es durch, dass in Zukunft
eine mildere Fassung gewählt wurde, die nicht auf den Wortlaut der Kirchen-
ordnung, sondern auf die darin enthaltene evangelische Lehre verpflichtete.
Neben seinem geistlichen Amte hatte B. auch an der Bürger- und Töchter-
schule Unterricht zu ertheilen. Bereits in dieser Zeit versuchte er mit einigen
Gleichgesinnten eine Bibel- und Missionsgesellschaft ins Leben zu rufen, doch
gelang nur die Gründung einer Bibelgesellschaft, während eine Landesmissions-
gesellschaft im Braunschweigischen erst 1848 nachfolgte. Als er 1835 ^^^
Pfarre in Berel erhalten hatte, vermählte er sich am 23. August d. J. mit
Brodkorb. 361
Emilie Salomon, der Tochter des Rentners Salomon in Wolfenbüttel. Im
Jahre 1846 ward er Superintendent in Bevem. Von hier aus hat er sich
eifrig an den Verhandlungen des Amelunxbomer Predigervereins betheiligt,
von dem manche heilsame Anregungen, die Bitte um Gewährung einer Pres-
byter ialverfassung u. a. ausgingen. Das Gesetz vom 30. November 1851 über
die Errichtung von Kirchenvorständen ist z. Th. dadurch veranlasst. Um das
kirchliche Leben zu fördern gab B. seit Februar 1850 in Verbindung mit
mehreren Geistlichen das »Kirchenblatt f. d. evang.-lutherische Gemeinde des
Herzogthums Braunschweig« heraus; seit 1851 führte er die Redaction nur
noch zusammen mit E. J. L. Fr. WolfF, dem er sie dann 1853, nicht zum Vor-
iheile des Blattes, ganz allein überliess. Als am i. September 1852 in Braun-
sch>veig die Conferenz von Dienern und Freunden der lutherischen Kirche
zusammen trat, ward B. zum Vorsitzenden der ersten Versammlung gewählt,
und er hat bis zu seinem Tode zu den Vorstandsmitgliedern der Conferenz
gehört. Da mit der Zeit seine Kinder heranwuchsen, sah B. sich genöthigt,
zu einer einträglicheren Pfarre sich zu melden. Im Herbste 1858 wurde ihm
die zu Benzingerode am Harze zu Theil, die er noch fast 30 Jahre verwaltete.
l^as Vertrauen aber, das er sich in seiner früheren Wirkensstätte erworben
hatte, zeigte sich später noch darin, dass ihn die Geistlichen der Kreise
Holzminden und Gandersheim 1869 in die Landes Versammlung wählten, der
er l)is Herbst 1875 angehörte. Hier trat er besonders am 30. März 1871
hervor, wo er bei Berathung eines Antrags auf Aenderung des Thronfolge-
rechts, der von dem Notar A. Müller gestellt war, aber nicht angenommen
wurde, unbeirrt durch die herrschenden Tagesmeinungen seinen strengen
legitim-monarchischen Standpunkt mit Entschiedenheit vertrat und insbesondere
durch den kräftigen Hinweis auf den dem Könige (Jeorg V. schon geschworenen
Krbhuldigungseid auch bei Andersgesinnten einen grossen Eindruck hervorrief.
Ein Zeichen der von ihm nichts weniger als beabsichtigten Anerkennung war
die kurz darauf erfolgte Verleihung des Ordens Heinrichs des Löwen von
Seiten des Herzogs Wilhelm, eine Auszeichnung, die bis dahin einem ein-
fachen Geistlichen noch nicht zu Theil geworden war. Eine selbständige
Haltung bewies er auch bei Berathung des Antrags, den Herzog um Abschluss
einer Militärconvention mit Preussen zu bitten; er und ein geistlicher College
stimmten allein gegen den Antrag.
Durch ein eifriges Studium der Bekenntnissschriften war er immer mehr
zu einem bewifesten Lutheraner geworden. Daher suchte er nicht nur im
Lande, sondern auch ausserhalb desselben die Sache des Lutherthums nach
Kräften zu unterstützen. Als im ehemaligen Kurfürstenthum Hessen 1873
eine Anzahl lutherischer Geistlicher ihres Amtes entsetzt waren, weil sie gegen
die Bildung des Consistoriums aus lutherischen, reformirten und unirten Mit-
gliedern beharrlich Protest einlegten, war er vor Allem mit dabei thätig,
durch öffentlichen Aufruf einen Unterstützungsfonds für jene Männer zusammen
zu bringen. Er zog sich dadurch zwar einen Verweis seiner vorgesetzten
Behörde zu, hatte aber die Freude, dass jener Schritt von gutem Erfolge für
die Glaubensbrüder begleitet war. Eifrig wachte er über die Aufrechterhaltung
kirchlicher Rechte, wo immer sie ihm bedroht schienen. Dahin zielten be-
sonders zwei Broschüren, die er »zur Beleuchtung des Civilstandsgesetzes«
(1879) und »zur Wahrung des kirchlichen Rechts und der kirchlichen Ver-
wendung des Braunschweigischen Klosterfonds« (1885) verfasste. Am 18. De-
cember 1881 zur Feier seines 50jährigen Dienstjubiläums erhielt er den Titel
362 Brodkorb. Otto-Thatc.
eines Kirchenraths. Im Herbste 1886 trat er in den Ruhestand. Er zog
nach Braunschweig, wo er als »Blätter vom Baume des Lebens« 1888 eine
Sammlung von Predigten über die Evangelien des Kirchenjahres veröffentlichte.
Ihn tiberlebte seine Wittwe, mit der er das seltene Fest der diamantenen
Hochzeit hatte feiern können.
Vergl. J. Beste im Braunschw. Magazin 1897 No. 8, S. 57 — 60; Bntnonia 1897
No. 20—24.
P. Zimmermann.
Otto-Thate, Karoline Christiane, Schauspielerin, * am i. März 1822 zu
Braunschweig, f am 19. März 1897 zu Stuttgart. — Sie war die Tochter eines Satt-
lermeisters. Da sie früh eine grosse Neigung für die Bühne zeigte, so ging sie
nach Bremen zu ihrem Oheim, Friedrich Lemcke, der als Väter- und Charakter-
spieler am dortigen Theater angestellt war. Nachdem sie dessen Unterricht drei
Monate genossen, trat sie bereits (1842) als »Toni« in Kömers gleichnamigem
Drama mit bestem Erfolge auf und fand nun in Bremen für das Fach der ju-
gendlichen Liebhaberinnen Verwendung. Etwa ein halbes Jahr später (Som-
mer 1843) zeigte sie sich als Marie in »Muttersegen« in ihrer Vaterstadt. Ks
wurde ihr hier sogar ein Engagement angeboten, das sie jedoch ablehnen
musste, da sie sich bereits für die unter Leitung Friedrich Spielberger's und
Roderich Benedix' stehenden vereinigten Stadttheater von Köln und Elberfeld
verpflichtet hatte. Im December 1846 gastirte sie als »Griseldis« am kur-
fürstlichen Theater zu Kassel, worauf sie hier eine glänzende Stellung fand
und bis zum Jahre 185 1 verblieb. Dann trat sie bei dem Hoftheater zu
Hannover ein. Die Hoftrauer, die nach dem Tode König Ernst August' s
(f 18. November 1851) gehalten wurde, veranlasste sie zu einem Gastspiele
in Braunschweig. Hier war seit dem Tode der gefeierten Joh. Grösser
(f I. October 1850) kein würdiger Ersatz gefunden. Ein solcher schien den
Braunsch weigern jetzt in Fräulein Th. gekommen. Der Beifall, den sie errang,
führte zu einem Engagement. Am 12. November 1852 war die Margarethe
in den »Erzählungen der Königin von Navarra« ihre Antrittsrolle am Braun-
schweiger Hoftheater. Diesem ist sie dann ihr Leben lang treu geblieben.
Mit dem gleichen Erfolge, wie anfangs die Heldinnen und jugendlichen Salon-
damen, spielte sie später die älteren Heroinen und Charakterrollen; sie ist
viele Jahre eine der Hauptstützen des Schauspiels wie des Lustspiels am Hof-
theater gewesen. Verschiedene Anerbietungen von anderen Bühnen konnten
sie nicht bewegen, aus ihrer Vaterstadt zu scheiden. Hier hat sie sich auch
am 12. Juni 1859 mit dem Schriftsteller Dr. Reinhard Otto, dem Redacteur
der »Reichszeitung«, verheirathet. Sie nahm nun den Namen Otto-Thate an.
Als sie am 12. November 1877 ihr 2 5 jähriges Jubiläum an der Braunschweiger
Bühne gefeiert hatte, trat sie gegen Ende des folgenden Jahres von der Buhne
zurück. Eine Abschiedsfeier fand nicht statt; ihre letzte Rolle war am
17. December 1878 »Mutter Fadet« in der »Grille«. Sie hat dann wieder-
holt ihren Aufenthaltsort gewechselt, in Köln, in Frankfurt a./M., wo am
2. September 1885 ihr Gatte starb, in Rostock, in Hamburg, in Chemnitz
und zuletzt in Stuttgart geweilt, wo sie bei ihrem Pflegesohne, dem König-
lichen Hofschauspieler Egmont Richter, an der Influenza verschieden ist.
P. Zimmermann.
Stobbe. Bercht. ^63
Stobbe, Karl Friedrich August, Journalist, * am 3. November 1830 zu
(Irtinwalde bei Labiau in Ostpreussen, f am 16. October 1897 zu Wiesbaden.
— Er war der Sohn eines kleinen Grundbesitzers, Karl St. und besuchte das
Kneiphöfische Stadtgymnasium zu Königsberg, auf dem er Ostern 1851 das Abi-
turientenexamen bestand. Dann ging er auf die dortige Universität über. Er
studirte anfangs Philosophie und Geschichte, sodann die Rechte; den nachhal-
tigsten Einfluss haben auf ihn die Vorträge des Hegelianers Karl Rosenkranz aus-
geübt. Nachdem er im October 1854 das erste juristische Examen gemacht hatte,
wurde er als Referendar beim Stadtgerichte zu Königsberg beschäftigt. Zugleich
war er journalistisch thätig, und weil damals die juristische Laufbahn nur
geringe Aussicht auf schnelle Anstellung bot, so entschloss er sich sie auf-
zugeben. Er wurde ständiger Mitarbeiter der Königsbergischen Hartungschen
Zeitung und verfasste kleinere Lustspiele (»Männer und Frauen«, »Parlamen-
tarische Studien«), die in Königsberg, beim Wallner-Theater in Berlin u. a.
zur Auffuhrung kamen. Im Jahre 1861 übernahm er die Redaction der in
Gumbinnen erscheinenden »Preussisch-Littauischen Zeitung« ; einige Jahre später
wurde er erster Redacteur der »Königsberger Neuen Zeitung«, bis er 1867
nach Berlin übersiedelte und hier eine Stellung bei dem Reuterschen Tele-
graphen-Bureau erhielt, wo er hauptsächlich die ausländischen Depeschen zu
redigiren hatte. In dieser Zeit (18. October 1868) verheirathete er sich mit
Bertha Engelmann, einer Tochter des Dr. med. Siegfr. E. in Tilsit. Anfang März
1872 kam er nach Braunschweig als Redacteur der neu begründeten »Braun-
schweiger Zeitung«. Als diese nach etwa einem Jahre wieder einging, wurde er
von dem herzoglichen Staatsministerium aufgefordert, für die amtlichen »Braun-
schweigischen Anzeigen« ein politisches Beiblatt einzurichten. Ein officiöses
Pressorgan war der Zeit in Braunschweig etwas völlig unbekanntes. Es wurde
daher jene Erweiterung der Anzeigen etwas misstrauisch aufgenommen. Dennoch
hielt sich das Blatt nicht nur, sondern es arbeitete sich allmählich zu einer
umfassenden angesehenen Tageszeitung hindurch. Das Verdienst an diesem
Erfolge gebührt neben dem damaligen Polizeidirector, späteren Wirklichen
(}eheimrathe Eduard Meyer, vor Allem der Redaction St.'s. Er führte die
Redaction bis zum Herbst 1890, wo ihn ein nervöses Leiden zwang, aus
seiner verdienstlichen Thätigkeit zu scheiden. Das Ministerium bewilligte ihm
eine lebenslängliche Gratification. Am i. September 1892 siedelte St. nach
Wiesbaden über, wo seine Gesundheit sich besserte und er noch manche
Gedichte und Feuilletons für Wiesbadener und Königsberger Blätter verfasste,
bis ein Herz- und Nierenleiden sich einstellte, das nach längerer Krankheit
ihm den Tod brachte.
Im Buchhandel sind von St. erschienen: »Lustspiele und Gedichte« (Königsberg
1865), »Ernst Moritz Arndt, eine Gedenkschrift« (Berlin 1869), »Festspiel zur 75 jährigen
Jubelfeier des Herzogl. Braunschw. Infanterie-Regiments« (Braunschweig 1884) und »Blätter
der Erinnerung. Gedichte Braunschweig gewidmet« (Braunschweig 1888). — Vgl. Braun-
schw. Anzeigen 1895, No. 6, S. 35.
P. Zimmermann.
Berchty Ludwig Julius, Schauspieler, * am 4. Mai 181 1 auf dem Gute
Prödel in der Kreishauptmannschaft Leipzig als Sohn des dortigen Guts-
besitzers Dr. phil. Joh. Christian Bercht, f am 6. Mai 1897 zu Braunschweig. —
Da der Vater später unter dem Titel eines Kriegsraths eine höhere Verwal-
tungsstelle an der Pepiniere zu Berlin einnahm, so erhielt der Sohn in dieser
Stadt seine wissenschaftliche Ausbildung. Ursprünglich war er für das Studium
364 Bcrcht.
der Medicin bestimmt, doch war seine Neigung für das Theater so stark,
dass er alle Schwierigkeiten überwand und sich der Bühne widmete. Schon
im Jahre 1827 trat er im Königstädtischen Theater zu Berlin als »Wittwer
in dem Lustspiele »Wittwer und Wittwe« auf. Er wurde dann von dem
Director Hurey engagirt, der die Städte Königsberg, Memel und Danzig mit
seiner Truppe besuchte. Ein Gastspiel im Königlichen Schauspielhause zu
Berlin, wo er den »Tempelherrn« im »Nathan« spielte, führte 1830 zu einem
fünfjährigen Engagement für das Fach der jugendlichen Liebhaber. Da B. eine
schöne Baritonstimme besass, so half er bei der Aufführung von Auber's Oper
»Lodoisca«, die zum Geburtstage König Friedrich Wilhelms IIL anbefohlen,
durch den Contractbruch des Baritonisten Hammermeister aber gefährdet war,
in der Verlegenheit aus, und zwar mit solchem Erfolge, dass er seitdem wie
dem Schauspiel-, so auch dem Opempersonale eingereiht wurde. Seine
Hauptrollen waren hier die des »Figaro«, des »Papageno« u. a. Da er sich
nach Ablauf seines Contractes mit der Intendanz nicht einigen konnte, so
schied er von BerKn und ging an das deutsche Theater in Amsterdam, wo
er zugleich in der Oper und im Schauspiel, zuerst auch in dem Fache der
komischen Charakterrollen wirkte. Im Jahre 1837 kam er auf vier Jahre an
das Stadttheater zu Düsseldorf; er trat hier mit den Künstlern der Akademie,
besonders mit Andreas Achenbach, in Verkehr und wurde auch in den »Ver-
ein Malkasten« aufgenommen. Vom Stadttheater in Breslau aus, dem er dann
eine Zeit lang angehörte, gab er am 20. September 1843 *^ »Baron Scara-
bäus« in »der unterbrochenen Whistpartie« und als »Adam« im »Dorf barbier«
eine Gastrolle in Braunschweig, wo für den am 11. September 1840 verstor-
benen Karl Günther noch immer kein würdiger Nachfolger gefunden war.
B.'s Spiel sprach so sehr an, dass er sofort engagirt wurde; am 8. November
trat er in Braunschweig seine neue Stellung an, der er vortheilhafter An-
erbietungen ungeachtet sein übriges Leben lang treu geblieben ist. In den
ersten Jahren wurde er auch noch viel in der Oper beschäftigt, später ging
er ganz in das feinkomische Charakterfach über, das er in meisterhafter Weise
vertrat. Rollen wie die des Wirths in »Minna von Barnhelm«, des »Adam«
im »Zerbrochenen Krug« u. s. w. waren seine besten Leistungen. Am
6. November 1868 feierte er sein 2 5 jähriges Jubiläum als Mitglied der Braun-
schweiger Hofbühne und am 25. September 1877, dem Tage seines 50jährigen
Künstlerjubiläums, nahm er als »Parlamentsrath Desperri^res« im zweiten Akte
des »Vicomte von L^toridres« und als »Bader Schelle« in Raupach's »Schleich-
händlern« Abschied vom Theater. Er ging nun zunächst nach Charlottenburg
zu einer Tochter, die dort an den Ingenieur G. Ehrenberg verheirathet war.
Als diese 1887 nach Braunschweig zogen, kehrte er mit der Familie dahin
zurück. Er besass hier einen zahlreichen Freundeskreis und erfreute sich
wegen der Vorzüge seines Geistes und Charakters, sowie der Liebenswürdig-
keit seines Wesens allgemeiner Achtung und Beliebtheit. Er war seit 1S77
Ehrenmitglied des Kunstclubs. Ausser seinen Schauspieler-Gaben besass er auch
dichterische Talente. Veröffentlicht ist bisher nur ein Werk von ihm: »Der
goldene Mai. Eine Frühlingsphantasie« (Braunschweig 1861), das dem Mal-
kasten in Düsseldorf gewidmet ist. In den letzten 3 — 4 Jahren seines Lebens
hat zunehmende körperliche Schwäche B. an das Bett gefesselt; doch bheb
sein Geist bis zuletzt frisch. Seine Frau Karoline, eine Tochter des Hof-
opemsängers J. C. Grünbaum und der berühmten Kammersängerin Therese
Grünbaum, Enkelin Wenzel MüUer's, des beliebten österreichischen Componisten
Bercht. Wattenbach. 365
. »Iksth timlicher Theatermusik, war selbst als Sängerin an der Königlichen
'. ihne in Berlin engagirt gewesen, bis sie sich am 13. Juni 1844 mit B., der
-ie schon in seiner Berliner Zeit ins Herz geschlossen hatte, verheirathete.
Ihrer Ehe entstammte als ältester Sohn Alfred Bercht, der, zu Braunschweig
.im II. December 1845 geboren und unter Kullak auf dem Konservatorium
in Berlin ausgebildet, ein tüchtiger Tonkünsüer wurde, durch eine Sympho-
nie grosse Hof?hungen erregte, aber leider schon in früher Jugend, am 21. Sep-
tember 1866, in Berlin verstarb.
P. Zimmermann.
Wattenbach, Wilhelm, Historiker, ♦am 22. September 18 19 zu Ranzau in
Holstein, f am 20. September 1897 zu Frankfurt am Main. — Mit W. ist einer
der letzten Geschichtsschreiber aus der grossen Zeit unserer deutschen Historio-
graphie dahingegangen. Der Schule Ranke's, wenn auch nur indirekt angehörend,
zählt er neben Waitz, Sybel, Giesebrecht zu ihren glänzendsten Vertretern
sowohl als musterhafter Editor deutscher Geschichtsquellen, wie als bester
Kenner dieser selbst, als ein philologisch geschulter Historiker, dem wir zu-
gleich aus dem Gebiete der historischen Hilfswissenschaften, in erster Linie
der Palaeographie , Werke von dauerndem Werthe verdanken. Keiner hat
endlich wie er die Geistes- und Kulturgeschichte unseres Mittelalters gekannt
und durchforscht und die Ergebnisse seiner Forschung uns zugänglich ge-
macht, freilich nur in Form von Beiträgen, die in seinem Buche über »Deutsch-
lands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur Mitte des XIII. Jahrhunderts«
zerstreut zu finden sind, ohne uns das Hauptwerk selbst, eine Kultur-
geschichte des Mittelalters, die zu schreiben er wie kein Anderer berufen ge-
wesen wäre, zu hinterlassen.
W. ist als Sohn eines Hamburger Kaufmannes auf der von seinem müt-
terlichen Grossvater, August von Hennings, administrirten Grafschaft Ranzau
geboren. Nach dem frühen Tode seines Vaters zog die Mutter mit dem jungen
Knaben nach Lübeck, und hier empfing dieser seine Gymnasialbildung und
trat in den Freundeskreis der beiden Brüder Ernst und Georg Curtius und
Emanuel Geibel's ein. Das Studium des klassischen Alterthums, zu dem
ihn sein Schwager und Lehrer Professor Classen anregte, bildete die frucht-
bare Grundlage seines Wissens, und gerade diesen philologischen Kenntnissen ver-
danken wir die besten Werke seiner Feder. Im Herbst 1836 verliess W.
die Lübecker Schule, ging noch fiir ein Jahr auf das akademische Gymnasium
nach Hamburg und trat darauf zur Universität über, zunächst in Bonn, dem
Eldorado der klassischen Philologie. Meister dieses Faches wie Welcker und
Lassen wurden hier seine Lehrer in der Alterthums Wissenschaft, wie im San-
skrit und der vergleichenden Sprachwissenschaft. Dann zog es ihn nach Göt-
tingen, wo es ihm vergönnt war zu Füssen Otfried Müll er' s zu sitzen und
dessen Vorlesungen über Archaeologie zu hören. Nach Otfried Müller's auf
einer Reise in Athen erfolgtem Tode wandte sich W. nach Berlin. Auch
hier übte wieder die Philologie die grösste Anziehungskraft auf den jungen
Studenten aus; Sprachwissenschaft wie Alterthumskunde trieb er mit Eifer
und Erfolg bei Bopp, Lachmann, Jakob Grimm und Boeckh. Hier in Berlin
wurde aber zum ersten Male auch seine Liebe zur Geschichte geweckt und
zwar durch keinen (geringeren als durch Ranke selbst. Seine Dissertation:
De quadringentorum Athenis factione, die 1842 erschien, war freilich noch
9 66 Wattenbacb.
ganz eine philologische Arbeit, allein nach Ablegung der Prüfung für da>
höhere Schulamt und nach einem ersten Probejahre als Lehrer am Joachims-
thal'schen Gymnasium zu Berlin brachte ihn sein College Giesebrecht 1S43
in Verbindung mit Pertz, der dem jungen Philologen damals an Stelle de>
nach Kiel berufenen Waitz einen Platz unter den Mitarbeitern der Monu-
menta Germaniae historica verschaffte und ihn so der mittelalterlichen Ge-
schichte in die Arme führte.
Den Uebergang von der Philologie zur eigentlichen Geschichtsforschung
vollzog W. rasch und mit Glück und das ihm zugewiesene Feld der Thatig-
keit, Quellenpublication, konnte gerade gut und gründlich mit Hilfe seiner 1
philologischen Kenntnisse bebaut werden. Im Jahre 1847 trat W. seine
erste Reise im Interesse der Monumenta Germaniae an. Oesterreich war
das Ziel derselben, die österreichischen Kloster-Bibliotheken sollten durch den
jungen deutschen Forscher zum ersten Male ausgiebig benutzt und die in
ihnen aufgespeicherten Schätze mittelalterlicher Annalistik gehoben werden.
In Admont, in St. Florian, in Kremsmünster arbeitete Wattenbach und fand
bei der Geistlichkeit Oesterreichs gastliche und freundliche Aufnahme, so
dass er Tage reinen Genusses und hoher Befriedigung in jenen stillen, der
Arbeit günstigen Klosterräumen verleben durfte. Die Ergebnisse seiner For-
schungen wie seiner persönlichen Erfahrungen über das Klosterleben, das
sich noch immer in den Geleisen unserer mittleren Zeiten bewegte, waren
erhebliche und kamen unserer Kenntniss über die deutsche Annalisdk, uie
über das Geistesleben des Mittelalters zu Gute. In Wien schloss \V.
1848 seine Studien ab, die Revolution vertrieb ihn von dort, die Poli-
tik verdrängte bei dem jungen Gelehrten für einige Zeit die Wissen-
schaft. Dagegen kam es damals nicht, wie der neue österreichische Un-
terrichtsminister Graf Leo Thun versuchte, zu einer Anstellung W.'s in
Oesterreich. Der junge Gelehrte ging daher nach Norddeutschland zurück
und Hess sich 1851 in Berlin als Privatdocent nieder, um nun die Früchte
seiner Studien und Arbeiten für Andere zu verwerthen. Eine Uebersicht über
die Quellen neuerer mittelalterlicher Geschichte, ferner Diplomatik und Palaeo-
graphie bildeten die Gegenstände seiner ersten Vorlesungen. Da die Aus-
sichten auf eine Professur auch in Preussen sich nicht verwirklichten, entsagte
W. nach vier Jahren seiner akademischen Laufbahn in Berlin und ging als
kgl. preussischer Provinzialarchivar 1855 nach Breslau. Hier entfaltete er
bald eine reiche schriftstellerische Thätigkeit, die hauptsächlich der schlesi-
sehen Geschichte gewidmet war. Die Herausgabe schlesischer Geschichts-
quellen und die Aufhellung einzelner Epochen der schlesischen Geschichte
werden ihm verdankt. Hier in Breslau reifte femer das Haupt>\'erk seines
Lebens, die Geschichtsquellen Deutschlands im Mittelalter, heran. Angeregt
durch eine Preisaufgabe der Wedekind-Stiftung in Göttingen hat W^ im
Jahre 1858 das schwierige Thema gelöst. Es galt einen ungeheueren,
weit zerstreuten Quellenstoff zu sammeln, zu sichten, kritisch zu ordnen, die
Quellenkunde nicht auf deutschen Boden zu beschränken, sondern auch die
Nachbarländer Frankreich, Italien, den slavischen Osten, alle die Staaten und
Völker, die im Mittelalter in mehr oder weniger nähere Beziehungen zu
Deutschland traten, in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. W. verstand
es zugleich, die ihm gestellte Aufgabe in höherem Sinne und Geiste zu fassen,
nicht an einer trockenen Aufzählung der Quellen kleben zu bleiben, sondern
ihre Schätze uns in anziehender, abgerundeter, das ganze Kulturleben des
Wattenbach. 367
Mittelalters beleuchtender Darstellung vor die Augen zu fuhren. So ist das
Werk nicht nur ein Handbuch geworden für jeden Historiker, der sich mit
dem Quellenmaterial unseres Mittelalters vertraut machen muss, sondern zu-
gleich eine Fundgrube für die Geistes- und für die Sittengeschichte unserer
mittleren Zeiten. Das Werk hatte einen solchen Erfolg, dass bis zum Hin-
scheiden seines Verfassers fünf weitere, stets vermehrte und erweiterte Auf-
lagen desselben noth wendig wurden.
Auch seine Rückkehr zu der in Berlin verlassenen akademischen Carriere,
seine 1862 erfolgte Berufung als ordentlicher Professor der Geschichte an
die Universität Heidelberg hatte W. diesem Werke zu verdanken. Hier trat
er in den Kreis ausgezeichneter CoUegen wie Gervinus, Häusser, Zeller, Stark,
Wundt, der später nach Häusser's frühem Hinscheiden durch Heinrich von
Treitschke ergänzt wurde; hier genoss er zugleich in gemeinsamem Haushalt
mit den Schwestern Sophie, die durch Geist, und Caecilie, die durch An-
muth der äusseren Erscheinung und des Gemüthes hervorragte und nachdem
sie dem Geliebten ihrer Jugendtage Emanuel Geibel entsagt hatte, jetzt
ihr Leben dem Bruder weihte, die Freuden des Familienglückes. Die Heidel-
berger Tage zählen zu W.s glücklichsten; akademische und schriftstellerische
Thätigkeit füllten sie in befriedigender Weise aus. W. hat in Heidelberg
den Kreis seiner Vorlesungen erheblich weiter gezogen. Neben Palaeographie,
in der er an der Hand der Handschriftenschätze der Heidelberger Bibliothek
und mit Hilfe photographischer Wiedergaben berühmter Handschriften vor-
treflflich zu unterweisen wusste, neben Quellenkunde und kritischen Uebungen
in der Durchforschung mittelalterlicher Schriftsteller las er auch Collegien
allgemeineren Inhalts wie Geschichte des Mittelalters. Man kann nicht sagen,
dass er ein glänzender Docent gewesen ist; an Treitschke's hinreissende Dic-
tion reichte er nicht im Entferntesten heran, er blieb auch auf dem Katheder
stets der bedachtsame, fast schüchterne Gelehrte, der von seinem Wissen den
Schülern nur soviel gab, als er nach strenger kritischer Durchprüfung der
Quellen verantworten zu können glaubte. Dabei bewahrte er sich stets ein
selbständiges, originelles Urtheil über Menschen wie Dinge und gab oft ein
Bild unserer grossen historischen Persönlichkeiten und Zustände des Mittel-
alters, das dem weniger Eingeweihten paradox erscheinen konnte. Am an-
regendsten war W. im näheren Verkehr mit seinen Schülern, sei es in den
palaeographischen und historischen Uebungen, die er im Seminar abhielt, sei
es im privaten Verkehr. Dabei hatte er ein warmes, persönliches Verhältniss
zu jedem Einzelnen und wusste ihn in Arbeit und Fortkommen durch Rath
und That zu fördern, soviel er konnte. So hat sich bald ein grosser Kreis
von Schülern um ihn versammelt, die dankbaren Sinnes noch heute der
Stunden gedenken werden, in denen es ihnen vergönnt war, den Lehren
des Meisters, die sich auf streng kritische historische Methode in erster Linie
bezogen, zu lauschen.
Seine freie Zeit war in Heidelberg fruchtbarer, schriftstellerischer Arbeit
gewidmet und hat manches Werk von dauerndem Werthe zu Tage gefördert.
Die enormen Kenntnisse, die sich W. durch jahrelange Uebung und uner-
müdlichen Fleiss in der Handschriftenkunde unseres Mittelalters erworben
hatte, legte er in dem Buche über das Schriftwesen im Mittelalter nieder,
das uns ein anziehendes Bild mittelalterlicher Kulturgeschichte vor die Augen
führt und in den Jahren 187 1 — 1896 in drei vom Verfasser selbst bearbeite-
ten Auflagen erschien. Der Anleitung zum Studium der Schrift galten die
358 Krancke.
wissermaassen Schritt hielt mit der Entwickelung ihres Faches. K. genoss
seine Schulbildung auf dem Lyceum und bezog dann die polytechnische
Schule seiner Vaterstadt. Im Jahre 1845 zum hannoverschen Bauconducteur
ernannt, baute er die Kettenbrücke in Hameln, was die Veranlassung gab,
dass die Stadt Mannheim ihn bald darauf mit dem Bau der dortigen Ketten-
brücke betraute, neben der Hamelner Brücke eines der ersten Bauwerke
dieser Gattung in Deutschland. Nachdem er dann als Ingenieur im Dienste
der Hannoverschen Staatsbahn die Leinebrücken bei Herrenhausen ausgeführt
und bei den Bauten der Südbahn thätig gewesen war, wurde er 1854 zum
Betriebsinspector, 1856 zum Betriebsdirector in Göttingen ernannt und als
solcher 1864 nach Bremen versetzt. 1866 trat er in den preussischen Staats-
dienst über, verliess diesen aber bereits im folgenden Jahre, um als Betriebs-
director und Mitglied des Directoriums der Magdeburg-Leipziger Bahn nach
Magdeburg überzusiedeln. Nach der Verstaatlichung des Magdeburg-Halber-
städter Unternehmens im Jahre 1880 trat er als Regierungs- und Baurath
wieder in den preussischen Staatsdienst ein, wurde 1881 als Oberbaurath
und Dirigent der III. Abtheilung an die Direction Berlin versetzt und ver-
blieb in dieser Stellung — seit 1885 als Vertreter des Präsidenten — , bis
er am i. April 1895 bei der Neuordnung der Staatsbahnverwaltung als Ge-
heimer Baurath zur Verfügung gestellt wurde. K. war als Zeitgenosse von
P'unk, Durlach und Buresch an dem Ausbau des hannoverschen Bahnnetzes
hervorragend betheiligt und war demnächst in Bremen und Magdeburg fast
ausschliesslich im Betriebe thätig, bis ihn sein Wirkungskreis in Berlin wieder
mehr der Bauthätigkeit nahe brachte. In dieser Zeit ent^'ickelte er auch im
geschäftsführenden Ausschuss des Vereins deutscher Eisenbahn- Verwaltungen
eine umfassende Thätigkeit. Seine reiche Erfahrung auf fast allen Gebieten
des Eisenbahnwesens, seine Liebenswürdigkeit im dienstlichen Verkehr, seine
selbst im vorgerückten Lebensalter noch erstaunliche geistige Frische sicherten
ihm stets allseitige Anerkennung, die von Seiten des Staates auch durch
Verleihung des Rothen Adler-Ordens III. Klasse mit der Schleife und des
Kronen-Ordens IL Klasse Ausdruck fand. Man würde aber kein vollständiges
Bild von der Persönlichkeit des Verstorbenen gewinnen, wenn man ihn
lediglich im Lichte seines fachlichen Wirkens betrachten wollte. & war eine
reich veranlagte Natur, in künstlerischer Beziehung wie im geselligen Verkehr.
Besonders seine musikalische Begabung, verbunden mit einer herrlichen Bass-
stimme, kam schon im Künstlerverein in Hannover hervorragend zur Geltung
und führte zu engeren Beziehungen mit namhaften Musikern und Künstlern,
wie Marschner, Lachner, Niemann und Wachtel, während als sein vertrautester
Freund aus jener Zeit der jugendfrische »alte Haase« zu nennen ist. In
geselligen Kreisen war er infolge seiner liebenswürdigen persönlichen Eigen-
schaften überaus beliebt, namentlich auch wegen seines Humors, der beson-
ders in gelegentlichen launigen Tischreden zum Ausdruck kam. Auch seine
Wirksamkeit als Vorsitzender des Magdeburger Architekten- und Ingenieur-
vereins lebt in dankbarer Erinnerung. Trotz seiner umfangreichen geschäft-
lichen Thätigkeit fand K. doch Zeit, sich einem ausserordentlich glücklichen
Familienleben mit voller Hingabe zu widmen, die ihm denn auch in den
schweren Tagen des langen Leidens, das ihn endlich dahingeraflt hat, von
den Seinigen mit sorgender, aufopferndster Liebe gelohnt worden ist.
Centralblatt der Bauverwaltung XVII, 6.
Suche. Salzmann. ^cq
Suche, Ludwig, Geheimer Regierungsrath, ♦1822 in Wehlau, Ostpreussen,
f am 10. September 1897 in Bromberg. — S. widrtiete sich zunächst dem
Forstfache, trat dann aber in bereits vorgerückterem Lebensalter zum Baufache
über und wurde im Jahre 1857 zum Baumeister ernannt. Die lange Reihe
von Jahren, in denen er, anfänglich im Dienste der Stettiner Eisenbahngesell-
schaft, später im preussischen Staatseisenbahndienste, meist in der Nähe seiner
Heimath als Beamter thätig war, sind durch ein aussergewöhnlich reiches und
erspriessliches Wirken auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues ausgefüllt. Während
dieser Zeit wurde er 1867 zum Eisenbahn-Baumeister, 1868 zum Eisenbahn-
Bau- und Betriebsinspektor, 1873 zum Baurath, 1875 zum Regierungs- und
Baurath, 1 888 zum Geheimen Regierungsrath befördert. Besonders im Brücken-
bau war S. ein anerkannter Meister, wie dieses die von ihm oder unter seiner
Oberleitung ausgeführten Brücken über die Oder bei Stettin, die Memel bei
Tilsit, die Weichsel bei Thom, Graudenz, Dirschau und Fordon sowie zahl-
reiche kleinere Bauwerke auf den östlichen Eisenbahnstrecken beweisen. Seine
hervorragenden Leistungen haben allseitige Anerkennung gefunden und sind
mehrfach, zuletzt noch bei seinem Scheiden aus dem Dienst, durch Ver-
leihung des Kronen-Ordens IL Klasse belohnt worden. Nachdem er in den
letzten vierzehn Jahren seiner langen, mühevollen, aber erfolgreichen Dienst-
laufbahn als Dirigent der Neubauabtheilung der Königlichen Eisenbahndirection
in Bromberg gewirkt hatte, wurde er am i. April 1895 ^ur Verfügung gestellt.
Der ihm hierdurch zu Theil gewordenen, wohlverdienten Ruhe hat er sich
leider nicht lange mehr erfreuen sollen.
Centralblatt der Bauverwaltung XVII, 38. — b —
Salzmann, Max, Dombaumeister, * am 20. August 1850 in Breslau, f am
6. Februar 1897 in Bremen. — Seit dem Spätsommer vorigen Jahres an
einem bösartigen Hautübel erkrankt, hat er in den verschiedensten Heilanstalten
der Schweiz, Hamburgs und seines Wohnortes vergebens Genesung gesucht.
Am Sonnabend Nachmittag ist er im Bremer Stadtkrankenhause einer hinzu-
getretenen Gehimaffection erlegen. S. stand erst im 47. Lebensjahre. Noch
ist es in aller Erinnerung, wie er im Jahre 1888 als Sieger in der Preisbe-
werbung um die Wiederherstellung des Bremer Domes aus seinem stillen
Wirkungskreise in Marienwerder, wo er Bauinspektor war, nach Bremen be-
rufen, zum Dombaumeister ernannt und mit der Ausführung seines Entwurfes
betraut wurde. Seit jener Zeit hat er an diesem seinem Lebenswerke mit
hingebendem Eifer und hervorragendem künstlerischen wie technischen Können
geschaffen. Bereits sind die Haupttheile des Emeuerungsbaues, vor allem die
Westfront mit den beiden ernsten romanischen Thürmen glücklich durchge-
führt, und man ist soeben beschäftigt, die Pfeiler des Vierungsthurmes zu
unterfahren. Die Vollendung seines Werkes sollte der Dombaumeister nicht
erleben; noch zweier Jahre etwa wird es bis zur Beendigung der sämmtlichen
geplanten Wiederherstellungsarbeiten bedürfen. Der Dombau ist aber nicht
das einzige Werk, das S. in Bremen hinterlässt. Die vor kurzem vollendete
Rathsapotheke mit ihret prächtigen neuen Schauseite, die Wiederherstellung
der Front der Liebfrauenkirche, mehrere Privatbauten, der nach seinen Plänen
begonnene Umbau des Schüttings am Marktplatze zeugen davon, wie fest S.
in Bremen bereits Wurzel gefasst hatte, und werden sein Gedächtniss dort
und in. weiten Kreisen dauernd fortleben lassen.
Centralblatt der Bau Verwaltung XVII, 6A.
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f;r ^:.c i:j'>*^'"ü'e Krr»-:'.'£l-r^' der deutsche" ju jcir d^isnie gewcrie:: >'i
Jrr. ]>.':. TK i'^/^i '^^*jtrr>^:.zu er eine Reise r-2ch CHur-dien. xim häer an C»r: z^ '.
hv,. e Aroi., \j*,:,^r/i. ^z.z -r.d A-j^f-hr der J-ie zu sndiren und die >tr:c.
z- eTÄ^^j'er,, »ie r::e Her*tel--r£ eir.es T-teniirktes in Deutächlaad zi: er-
ir:'y ;.-.<:. er. sei; im fol^'r-den Jahre ersürtetc er bia-'yr-er an den de«5<:h-.-r
Pei'h-.<i'z.eT elren aj-f:r.r.;'.her. Bench:. Die PLar.e, auf die er hioiiur/r
'^*:V::.TX -» .rde, vor A.iem d:e direkte Kir.fuhr vcn Rohjute zu eocicfaen u- :
«\*t^u ^^".zen Ir.d: -triez* ei^e nationale Seih stand: ^keit zu erriDgen, «aren wo::
der Or^nd, da^^ er am \.\:.Ä 1890 seine Stellung in Braunschweig nieder-
leifte, um r.a/,h Hamh-r;? t: herzu siedeln. Der Verem deutscher Industrieller,
in dem tx jttzt glei'^h falls den Vorsitz aufgab, erkannte seine grossen Ver-
dienste d'irch d:e Verleihung der Khrenmitgliedschaft an. Schon froher hatte
rjie I>andcsregierjng, die ihn 1882 zum Commerzienrath ernannte, gieicher
Gesinnung Aus^irurk gegeben. Hervorzuheben ist dabei noch der hingebende
Kifer, mit dem crr sich an der Begründung verschiedener wiithschaitiichcr
Vereinigungen l^etheiligte und die social politischen Forderungen und Wünsche
der Gegenwart bei den von ihm geleiteten Unternehmen zu verwirklichen be-
strebt war. Von Hamburg siedelte Sp. später nach London über, wo er
unter der Firma »Spiegelberg und Co.« ein grosses Jutegeschäft b^jündete.
lJo<:h hatte er nicht den gewünschten Erfolg; er eriitt sehr bedeutende Ver-
luste. Er starb auf der Reise an einem plötzHchen Schlaganfall und wurde
auf dem Central friedhofe zu Braunschweig l>estattet. Verheirathet war er seit
1866 mit Rosa Wainwright, einer Engländerin, die ihn mit mehreren Kindern
tiberlebte; um die Zeit dieser Heirath scheint er zum Christenthum überge-
treten zu sein.
P. Zimmermann.
Eyferth, Oscar Bruno, Bergbeamter und naturwissenschafdicher Schrift-
steller, ♦ am 23. Juni 1826 zu Holzminden, f am 17. Juni 1897 zu Braun-
schweig. — Sein Vater Karl Phil. Theod. Eyferth war Inspector der dortigen
Eyferth. Sallentien. ^yi
Stahl- und Eisenfabrik, seine Mutter eine gebome Häberle. Als der Vater 1835
als Hütteninspector nach Zorge versetzt wurde, besuchte der Sohn die Schule
daselbst; dann kam er Mich. 1838 auf das Gymnasium zu Blankenburg, das er
Ostern 1840 mit dem Progymnasium zu Braunschweig vertauschte. Nachdem er
dieses i '/^ Jahr lang und darauf die gleiche Zeit das Realgymnasium besucht
hatte, schied er aus der ersten Klasse des letzteren zu Ostern 1843 aus, um sich
dem Berg- und Hüttenfache zu widmen. Er meldete sich zunächst bei der sog.
Communionverwaltung, der die Hannover und Braunschweig gemeinschaftlich
gehörigen unterharzischen Berg-, Hütten- und Salzwerke unterstanden, ward hier
jedoch abgewiesen, da der Andrang von Bewerbern ein überaus grosser war und
die Gestalt E.'s, der, sonst gesund, an einer geringen Krümmung der oberen
Brustwirbel litt, für den Dienst nicht kräftig genug erschien. Er wurde dann
in Braunschweig zugelassen, wo er die erste der vorgeschriebenen Prüfungen,
das sog. Hüttenelevenexamen, im Juni 1844 sehr gut bestand. Nachdem er
dann eine Zeit lang als Hütteneleve in Zorge beschäftigt war, bezog er Ostern
1846 zu theoretisch wissenschaftlicher Ausbildung das Collegium Carolinum
in Braunschweig, wo er mehrere Jahre verweilte. Im Juni 1852 bestand er
sodann das zweite, das sog. Hüttenofficiantenexamen; seine wissenschaftliche
Bildung ward hier als eine hervorragende bezeichnet, und er würde das
Prädicat »ausgezeichnet« erhalten haben, wenn er ftir den praktischen Hütten-
dienst eine ganz gleiche Befähigung nachgewiesen hätte. Noch im September
d. J. ward er als Hüttengehülfe bei der Oberhütteninspection in Rübeland
angestellt, am 26. November 1854 aber als Hüttenschreiber nach Zorge ver-
setzt. Von hier kam er 1861 als Kammersekretär nach Braunschweig, wo er
dann seine übrige Lebenszeit geblieben ist. Im Jahre 1876 wurde er Assessor
und endlich unterm 12. December 1889 Kammerassessor und ausserordent-
liches Mitglied der Direction der Bergwerke; zum 8. Mai 1896 erhielt er den
Titel eines Bergraths. In der letzten Zeit war er mitunter kränklich, doch
hat er noch immer mit der grössten Pflichttreue seine Geschäfte versehen,
bis ihm eine Herzlähmung den Tod brachte. In seinen Mussestunden be-
schäftigte sich E. eifrig mit naturwissenschaftlichen Studien, besonders mit
der Naturgeschichte der mikroskopischen Süsswasserbewohner. So lange seine
Augen es gestatteten, trieb er bis zu dem Ende auf das emsigste mikro-
skopische Untersuchungen. Die Ergebnisse seiner Arbeiten hat er in mehreren
Werken niedergelegt, die in Fachkreisen nicht nur in Deutschland, sondern,
wie die Uebersetzung eines seiner Bücher in das Englische beweist, auch im
Auslande verdiente Anerkennung fanden. Er gehörte 1862 zu den Begrün-
dern des Vereins für Naturwissenschaft in Braunschweig und bis zum Jahre
i868 zu dessen Vorstande.
Vcrgl. Braunschweig. Magazin 1897 No, 17 S. 130, wo auch die von E. veröffent-
lichten Schriften verzeichnet sind,
F. Zimmermann.
Sallentien, Karl Heinrich Ludwig Eduard, Theologe, * am 12. Mai 1825
zu Braunschweig, f am 3. Februar 1897 in Wolfenbüttel. — S. stammte nach
einer Familienüberlieferung aus einem Salzburger Emigrantengeschlechte. Sein
Gross vater war als Stadtprediger in Blankenburg 1788 gestorben, sein Vater,
Karl Ludw. Ferd. S., als Generalsuperintendent zu Braunschweig am 16. April
1848; seine Mutter Friederike Charlotte war eine gebome Witting. Nach-
dem der Sohn die Bürgerschule und das Gymnasium seiner Vaterstadt be-
24*
372
Sallentien.
sucht hatte, bezog er zu Michaelis 1844 die Universität Jena, wo er sich
nach dem Vorbilde des Vaters und aus innerer Neigung« der Theologie
widmete. Hier wurde er ausser durch Rtickert's Auslegung des alten Testa-
ments besonders durch Karl Hase angeregt, der gerade einen neuen kirchen-
geschichtlichen Cursus begonnen hatte. Noch tiefere Eindrücke sollte er drei
Semester später durch die Professoren Tholuck und Julius Müller in Halle
erhalten, wo er den Rest seiner Studienzeit verlebte, die er wegen einer
schweren Krankheit im Winter 1846 — 47 für ein Halbjahr unterbrechen musste.
Zu Tholuck durfte er bald in ein näheres Verhältniss treten; hier war es
besonders der persönliche Verkehr, der ihn förderte, während ihn bei Müller
hauptsächlich die Vorlesungen und die Uebungen des homiletischen Seminars
anzogen. Ostern 1848 kehrte S. in die Heimat zurück und bestand hier
im September die erste theologische Prüfung. Da die Aussichten auf An-
stellung damals für die Geistlichen äusserst schlecht waren, so wandte er
sich zunächst dem Lehrfache zu. . Nachdem er eine Zeit lang an der Unter-
richts- und Erziehungsanstalt des Pastors Kellner in Barbecke gewirkt hatte.
übernahm er in Braunschweig zuerst die Aufsicht über die beiden Söhne des
Freiherm v. Minnigerode (von denen der eine sich später als Parlamentarier
bekannt machte), dann (1851) die Erziehung des Erbgrafen zu Erbach-
Schönberg, der von 1852 bis Michaelis 1858 das Gymnasium in Braunschweig
besuchte. Da hier jetzt gerade eine Lehrkraft fehlte, so übernahm er von
Michaelis 1858 bis Ostern 1860 in den beiden untersten Klassen des Pro-
gymnasiums eine Reihe von Unterrichtsstunden. Hierdurch wurde die Ab-
legung der zweiten theologischen Prüfung weit hinausgeschoben; er bestand
sie erst im Februar i86o. Im Mai des Jahres wurde er dann Mitglied des
Predigerseminars in Wolfenbüttel, in dem er später zum Subsenior aufrückte
und bis April 1863 verblieb. Zum i. Mai 1863 wurde er dann endlich als
Pastoradjunkt an der Stadtpfarre zu Blankenburg angestellt; im Nebenamte
hatte er noch die Direction der dortigen Bürgerschulen zu versehen. Im
folgenden Jahre (19. October) vermählte er sich mit Elisabeth Maensz, einer
Predigertochter aus Hohendodeleben. Gegen Ende des Jahres 1870 bekam
er die Pfarre zu Gross-Vahlberg und Bansleben, aber auch nur als Pastor-
adjunct, wenn auch mit der Hoöhung auf Nachfolge. Dieise sollte sich nicht
melir erfüllen. Denn bevor sein Vorgänger 1879 starb, war S. schon unterm
7. Mai 1875 ^^s Nachfolger des Abts D. Hille zum Consistorialrath in
Wolfenbüttel ernannt worden. In dieser Stellung hat er eine äusserst segens-
reiche Thätigkeit entfaltet. Er bearbeitete die geistlichen Angelegenheiten
zunächst mit dem Abte Emesti, nach dessen Tode (August 1880) er in seine
Stelle einrückte, wobei Karl Rohde ihm als Consistorialrath zur Seite trat. In
gesetzgeberischer Hinsicht führte er vor allem die Ausarbeitung der liturgischen
Ordnungen weiter, die bereits von Emesti und Hille begonnen worden waren.
In der theologischen Prüfungscommission, die wesentiich durch ihn ins Leben
gerufen wurde, führte er bis zu seinem Tode den Vorsitz. Er hatte dann
diese Gesetze und einen grossen Theil der sonstigen Wirksamkeit des Con-
sistoriums auch in der Landessynode zu vertreten. Vor Allem nahmen ihn
aber die laufenden G^eschäfte der Kirchenverwaltung, die er schnell und
schlank erledigte, in Anspruch. Seine Erlasse und Berichte zeichneten sich
hier immer durch Klarheit und bündige Kürze aus. Er zeigte sich auch
sonst in der Kjrchenverwaltung als ein klarer Kopf und ein fester Charakter;
er liebte, wie er zu sagen pflegte, »reinliche Verhältnisse« ; alle unklaren ver-
Sallentien.
373
sch>vommenen Ideen waren ihm zuwider, und kein Mann nach seinem Herzen,
ciem er nicht ein festes Rückgrat zutrauen durfte. In religiöser Beziehung
stand er fest auf konfessionellem Boden, und er hielt es für seine Pflicht,
diesen auch der Kirche, an deren Spitze er gestellt war, nach Kräften zu
erhalten. Er hatte sich in ernstem Streben zu diesem Standpunkte durch-
gerungen. Das hinderte ihn aber nicht, sondern befähigte ihn um so mehr,
abweichenden Richtungen und Auffassungen Verständniss zu zeigen und ge-
recht zu werden. Er war niemals ein einseitiger Parteimann und weit davon
entfernt, seine einflussreiche Stellung im Partei-Interesse auszunutzen. Bei der
Besetzung von kirchenregimentlichen Stellen sah er in erster Linie auf die
persönliche Tüchtigkeit, und er trug, wo er diese fand, kein Bedenken, die Er-
nennung liberaler Geistlicher zu Superintendenten und zu Mitgliedern der
Prüfungscommission in Vorschlag zu bringen, ja sogar einmal auch die Be-
stätigung eines Geistlichen durchzusetzen, dem diese in Berlin verweigert
worden war. In dem Predigerseminare, dessen Mitleitung ihm oblag, wusste
er auf den jungen theologischen Nachwuchs des Landes durch Lehre und
Vorbild auf das Vortheilhafteste einzuwirken; vielen von seinen Schülern ist
er hier als. väterlicher Freund nahe getreten. Auch ein grosser Theil der
älteren Geistlichkeit stand noch unter seiner besonderen Leitung, da ihm
vom I. Januar 1879 ab die Generalsuperintendentur zu Wolfenbüttel, unterm
13. März 1891 auch die zu Blankenburg übertragen wurde. Hier hat er bei
den Inspections- und Prediger-Synoden durch seine persönliche Betheiligung
in höchst erfolgreicher und wohlthätiger Weise eingewirkt. Ausserhalb seiner
amtlichen Thätigkeit lag ihm die Förderung aller Bestrebungen auf religiösem
Gebiete, auf dem der innern Mission, der christiichen Liebesthätigkeit u. s. w.
warm am Herzen. Eine Zeit lang war S. auch Mitglied der Oberschul-
commission, doch trat er aus ihr wegen der Uebergriffe eines Kollegen schon
nach zwei Jahren wieder aus. Ueber die Grenzen des Braunschweiger Landes
hinaus geht die Thätigkeit, die er nach Emesti's Tode als Mitglied der
deutschen evangelischen Kirchenkonferenz in Eisenach entfaltete. Welches
Ansehen S. in diesem Kreise der Vertreter der deutschen Kirchenregierungen
genoss, geht deutlich daraus hervor, dass ihm seit 1890 regelmässig der Vor-
sitz in dieser Versammlung übertragen wurde. Auch sonst hat es ihm, ob-
wohl er gar nicht danach strebte, an äusserer Anerkennung nicht gefehlt.
Unterm 25. April 1881 wurde ihm von Herzog Wilhelm, der ihn in Blanken-
burg kennen und schätzen gelernt hatte, die Würde eines Abts von Marien-
thal verliehen. Die theologische Facultät der Universität Rostock ernannte
ihn am 9. April 1884 zum Doctor der Theologie honoris causa. Am i. April
1890 wurde er Vicepräsident des herzoglichen Consistoriums und zum 8. Mai
1891 erhielt er das Kommandeurkreuz des Ordens Heinrichs des Löwen.
Seit dem Jahre 1875 ^^^ S- auch Mitglied der Landesversammlung, der er
bis zum Jahre 1894 ununterbrochen angehörte. Im Allgemeinen ist er hier
wenig hervorgetreten. Durchaus lt)yaler und konservativer Gesinnung hat er
zumeist im Sinne der Regierung gestimmt und nur selten, wenn es sich nicht
um Angelegenheiten der Kirche oder Schule handelte, das Wort ergriffen,
obwohl ihm dies gut zu Gebote stand, und es ihm auch an Schlagfertigkeit
keineswegs fehlte. Ebenso wenig mangelte es ihm an persönlichem Muthe.
Das zeigte sich deutlich in den Fällen, wo er es für eine Gewissenspflicht
hielt, mit seiner Ansicht offen hervorzutreten; da konnten ihn keine Anfein-
dungen, kein Drohen, kein Spott und Hohn davon zurückhalten, rücksichtslos
374
Sallentieo.
seiner Ueberzeugung Ausdruck zu geben. Das sollte sich vor allem bei rvei
Gelegenheiten zeigen. Zunächst nach dem Tode Herzog Wilhelms vor der
Regentenwahl. S. war ein überzeugter Anhänger der legitimen Monarchie;
er stand fest auf dem Boden der deutschen Reichsverfassung, hatte die Eini-
gung der deutschen Stämme zu einem mächtigen Reiche und alle die grossen
Errungenschaften der neuen Zeit mit Freuden begrüsst und war aBen Be-
strebungen völlig abhold, die diese in Frage stellen mussten. Aber ebenso
entschieden war er für die Aufrechterhaltung der heimischen Landesrechte
und die Innehaltung der Braunschweigischen Landesverfassung, die er be-
schworen hatte. Das war ihm eine heilige G^wissenssache. Er sah ein und
gab unumwunden zu, dass von Braunschweigischer Seite die Thronbesteigung
des berechtigten Thronfolgers nicht erzwungen werden konnte, dass somit
der Fall eintrat, für den zu ungestörter Fortführung der Landesverwaltung
und sicherer Aufrechterhaltung der Rechte der legitimen Dynastie das Regent-
schaftsgesetz vom i6. Februar 1879 gegeben worden war. Aber ihn hätte
keine Gewalt der Erde dazu vermocht, eine Massregel gut zu heissen, die
auf eine Vereitelung jener Thronfolgerechte abgezielt hätte. Und als die
thatsächliche Verhinderung des berechtigten Thronfolgers zur sofortigen Ueber-
nahme der Regierung vorläufig anerkannt und ein Regent gewählt werden
musste, da konnte er sich nicht dazu verstehen, die Schuld an dieser Zwangs-
lage dem unglücklichen Herzoge von Cumberland aufzubürden. Das geschah
in dem Antrage der staatsrechtlichen Commission, der am 20. October 1885
zur Verhandlung kam. Mochten auch viele von der inneren Ungerechtigkeit dieses
dem Herzoge gemachten Vorwurfs bei sich überzeugt sein: den Muth, sich
offen dagegen zu erklären, fanden nur S. und sein Freund, der Abt Thiele.
Noch klarer trat sein edler Mannesmuth bei den Berathungen über den
Huldigungseid für den Prinzregenten zu Tage. Um sich und vielen ge-
ängstigten Herzen, namentlich auch unter der Geistlichkeit, Beruhigung zu
verschaffen, hielt er es für seine Pflicht, über das Verhältniss des neuen Eides
zu dem alten dem Hause Braunschweig geschworenen Erbhuldigungseide eine
authentische Erklärung zu verlangen, und seinem entschiedenen Auftreten ist
es zu danken, dass damals von dem Vorsitzenden des Staatsministeriums, der
auffallenderweise erst einer offenen Aussprache auswich, dann doch dem
neuen Huldigungseide eine Erklärung gegeben wurde, nach der ohne Ge-
wissensbedenken auch alle diejenigen ihn hätten leisten können, die den
alten Erbhuldigungseid in fester Treue zu halten gewillt waren. Das hat im
ganzen Lande zahlreiche besorgte Gemüther von drückender Sorge befreit
und ihm in weiten Kreisen, zu denen auch Schreiber dieser Zeilen lebenslang
sich rechnen wird, aufrichtigen Dank und innige Verehrung erworben. Dass
bei dieser offen bethätigten legitim - monarchischen Gesinnung sowohl der
Regent des Herzogthums, Prinz Albrecht, wie dessen Gemahlin S. stets mit
der grössten Auszeichnung behandelten und wiederholt eines besonderen Ver-
trauens würdigten, mag manchen überrascht haben, hat aber nicht zum min-
desten dazu beigetragen, dem Regenten volles Zutrauen und wahre Hoch-
achtung gerade in legitimistischen Kreisen zu gewinnen. Sonst hat sich S.
von allem politischen Treiben geflissentlich fem gehalten. Jede Thätigkeit
der Art schien ihm nicht im Einklänge zu stehen mit den Pflichten, die ihm
die Würde seines hohen Kirchenamtes auferlegte. Dieser äusserlich und
innerlich zu genügen, war er stets auf das eifrigste bedacht, aber, was das
schönste dabei war, ohne dass jemand etwas davon merkte. Eine Achtung
Sallentien. von Wegele. ^nc
gebietende Würde war ihm angeboren; er war nie besorgt, sie zu verHeren,
und verband damit eine so anspruchslose Einfachheit und Natürlichkeit, einen
so feinen Takt, so gewinnende Formen, dass sogleich ein jeder unwillkürlich
sich zu ihm hingezogen fühlte. Hinzu kam, dass auch die Güte seines
Herzens, die Vornehmheit seiner Gesinnung in seinem Wesen unwillkürlich
zum Vorschein kamen. Er war eine glücklich harmonische Natur, in der
ciie Kräfte des Geistes und Gemüthes in schönstem Gleichmaasse standen;
dabei besass er einen fröhlichen, heiteren Sinn, war er auch für ein harm-
loses Scherzwort stets aufgeschlossen und verstand es, schlagfertig sofort in
gleichem Tone zu erwidern. Die liebste Erholung von seinem Berufe fand
er in dem glücklichen Familienkreise, der ihn umgab, dessen Seele er war
und dem er durch sein ernstes und doch heiteres Wesen den Charakter eines
christlichen Hauses im besten Sinne des Wortes verlieh. Für ein schweres
Unterleibsleiden, das er mit bewundemswerther Geduld und Standhaftigkeit
trug, hatte ein wiederholter Besuch des Bades Wildungen ihm keine völlige
Oesundung bringen können. Im letzten Jahre Hessen seine Kräfte merklich
nach und am Morgen des 3. Februar 1897 machte der Tod seinem arbeits-
reichen und gesegneten Leben ein Ende.
Braunschw. Magazin 1897, S. 25 — 28. — Brunonia 1897, No. 7. — Evang.-luther.
Wochenblätter 1897, S. 26 — 31.
P. Zimmermann.
Wegele, Franz Xaver von, Historiker, * am 28. October 1823 zu
Landsberg am Lech, f am 16. October 1897 zu Wtirzburg. — Am 16. October
1897 verlor die Universität Würzburg einen ihrer verdientesten Lehrer, eines
ihrer charaktervollsten Mitglieder, Franz Xaver von Wegele. Sein reines,
arbeitsreiches Leben war eine lange Spanne Zeit der fränkischen Hochschule
gewidmet, in erster Linie im Gelehrtenleben, dann aber auch bedeutsam
durch seinen politischen Inhalt, durch das feste und unentwegte Eintreten für
Recht und Billigkeit, für eine freiere Auffassung der Dinge, als man sie im
Königreich Bayern in jenen Tagen gewohnt war. Es ist daher Pflicht der
Nachlebenden, seinen fleckenlosen, an Verdiensten und Erfolgen reichen
Lebensgang in Worten festzuhalten und künftigen Geschlechtern als Beispiel
dafür, was auch ein schlichter, deutscher Gelehrter an fruchtbarem Samen in
seinem Vaterlande ausstreuen kann, hinzustellen.
W. wurde in dem alten, malerischen und an historischen Erinnerungen
nicht allzu armen Städtchen Landsberg am Lech in Oberbayem, als Sohn
eines Metzgermeisters, geboren. Seine Gymnasialbildung empfing er auf dem
Benedictiner-Gymnasium zu St. Stephan in Augsburg. Hier sind es besonders
einige aus Oesterreich berufene Lehrer, deren Unterricht von Werth für seine
Ausbildung wurde. Im Uebrigen nimmt sein Jugendleben den gewöhnlichen
Verlauf und wir sind nicht im Stande zu sehen, welche Anregungen ihn auf
den künftigen Beruf als Historiker gebracht haben. Vielleicht dürften die
historischen Erinnerungen in Landsberg, mehr noch wohl die Augsburgs in
ihm die Liebe zur Geschichte geweckt haben. Welche Personen auf ihn in
der Jugend Einfluss gehabt haben, bleibt uns ebenfalls leider verborgen. Ein
besonders nahes Verhältniss hat ihn mit der Mutter verbunden, die ein hohes
Alter erreicht hat und der er stets mit aufrichtiger Liebe und Verehrung
anhing. Nach Beendigung seiner Gymnasialstudien bezog W. 1842 die Uni-
versitäten München und Heidelberg, und hier am Neckar war es, wo vor
376 von Wegele.
Allem drei Männer die Richtung seiner Geistesbildung bestimmten, Schlosser,
Gervinus und der noch jugendliche Ludwig Häusser. Früh von der Neiping
zur Litteraturgeschichte erfüllt, bot ihm dafür besonders Gervinus Anregung
und W.'s spätere Arbeiten haben gezeigt, dass er dieser Vorliebe stets treu
geblieben ist. Die universalhistorische Richtung Schlossers hat W. dahin
gebracht, nie an Einzelheiten kleben zu bleiben, sondern den Blick odfen zu
halten für die Gesammtentwickelung der Menschheitsgeschichte. Daneben
trat dann die politische Geschichte, deren glänzender Vertreter Häusser war,
in ihre Rechte und erfüllte den jungen Studenten mit Begeisterung. An
dem Vorbilde Häusser' s hat sich dann auch der junge Docent W. ausgebildet
und die glänzenden Eigenschaften des Häusser'schen Vortrages sind auf den
Jüngeren übergegangen und haben ihn in seiner akademischen Laufbahn ru
einem anregenden und gewandten Lehrer gemacht. Nachdem er in Heidel-
berg den Doctortitel erworben, suchte sich W., von Häusser dazu angeregt,
im praktischen politischen Leben umzusehen und begab sich zu diesem
Zwecke im Jahre 1848 nach Frankfurt am Main, das damals für einige Zeit
durch das eben versammelte deutsche Parlament der Mittelpunkt des poli-
tischen Lebens unserer Nation wurde und einem offenen Kopfe w^ie dem W/s
einen Einblick in die politischen Vorgänge der Zeit bot, wie er günstiger
damals nicht zu gewinnen war. In den verschiedenen politischen Clubs der
Mainstadt gab es viel zu beobachten und zu lernen, und daraus hat der
junge Gelehrte bleibende und fruchtbringende Eindrücke für alle Zukunft
gesammelt.
Im Jahre 1849 wandte sich W. nach Thüringen und Hess sich in Jena
als Privatdocent der Geschichte nieder. 1851 wurde er hier ausserordent-
licher Professor. Seine öffentliche Wirksamkeit als akademischer Lehrer und
seine wissenschaftliche Laufbahn als historischer Schriftsteller nahmen nun
ihren Anfang. Der Geist der kleinen, aber vielseitig angeregten Musenstadt
Jena erfüllte bald auch W. Hier hatte einst Schiller als Historiker gewirkt,
hier wehte noch die litterarische Luft des XVTU. Jahrhunderts und begann
auf den jungen Docenten ihren Zauber auszuüben. Zunächst geht er ganz
auf in der akademischen Thätigkeit. Vorlesungen über die Geschichte der
deutschen Historiographie, die sich später zu einem Buche auswachsen sollten,
damals aber in Ermangelung guter Hilfsmittel noch mühsam aus dem Rohen
zusammengetragen und verarbeitet werden mussten, füllten die erste Zeit aus
und welchen Erfolg er damit hatte, zeigte ihm schon früh die Dankbarkeit
und Anhänglichkeit der Schüler, unter denen später zur Bedeutung gelangte
Historiker, wie die schwäbischen Vettern Otto und Siegurd Abel sich be-
fanden. Auch an den nahen Weimarer Hof wurde W. zur Abhaltung eines
Vortrages berufen.
Bald ist es die thüringische Geschichte, die den jungen Gelehrten be-
sonders anzog und die seine ersten historischen Schriften hervorrief. Karl
August von Weimar eröffnete die Reihe derselben. Litteratur wie Politik,
die beiden Dinge, die W. von Anfang an anzogen und in deren Verbindung
sich seine Geistesrichtung am Deutlichsten ausprägte, sind in diesem Ftirsten-
leben so eng mit einander verknüpft, dass es für W. einen besonderen Reiz
haben musste, sich gerade an diesem Stoffe zu versuchen und die ersten
Sporen zu verdienen und dieser Versuch ist dem jungen Manne trefflich ge-
lungen. Scharf umrissen tritt uns die Gestalt des Weimarer Fürsten entgegen :
die stürmische Jugend, der Bund mit Goethe, die Abklärung im reifen Alter,
von Wegele. oyy
die Vielseitigkeit der geistig -litterarischen wie der politisch -landesväterlichen
Interessen dieses ideal angelegten Wettiners, ihnen allen weiss W. gerecht zu
w-erden und uns das Bild eines unserer besten deutschen Herrscher lieb und
wert zu machen. Für einen so jungen Gelehrten wie W. war, legt das Buch
Zeugniss ab von einer merkwürdig scharfen Beobachtungsgabe und von durch-
dringendem, politischem Urtheil. Der Jenenser Aufenthalt zeitigte ausserdem
noch einige Publikationen, welche uns die Quellen zur älteren thüringischen
Oeschichte — denn W. verband mit allgemeinen Gesichtspunkten und For-
schungen auch gerne das Naheliegende, durch das lokale historische Interesse
Oebotene — erschlossen haben. Ich meine die Ausgaben der Annales Rein-
hardsbrunnenses und der Chronik des Erfurter Mönches Nikolaus von Siegen,
die er in den Thüringischen Geschichtsquellen Band I und II erscheinen Hess.
Auf denselben Studienkreis bezog sich dann das später entstandene Werk:
P'riedrich der Freidige, Markgraf von Meissen, Landgraf von Thüringen und
die Wettiner seiner Zeit (1247 — ^3^S)r ^^ ^^^ ^^^ einem der wichtigsten
Abschnitte der mittelalterlichen sächsisch -thüringischen Geschichte in sorg-
fältiger Forschung bekannt machte. Den territorialen Zusammenschluss der
sächsisch - thüringischen Lande unter der Führung des Markgrafen Friedrich
des Freidigen, der mit zäher Energie an den Rechten seines Hauses festhielt
und dadurch den Grund zur Wettinischen Hausmacht in Mitteldeutschland
legte, wird uns in einem anziehenden biographisch -historischem Bilde
dargelegt.
Ebenfalls dem Jenenser Aufenthalt gehört endlich ein Werk an, das die
Kigenart W.*s, die in einer feinen Beobachtung der Litteraturgeschichte ver-
bunden mit universalhistorischen Gesichtspunkten besteht, besonders deutlich
darlegt, ich meine Dante Alighieri's Leben und Werke. Das Buch erfreute
sich eines solchen allgemeinen Beifalls, dass es 1879 ^^ dritter Auflage er-
scheinen konnte. Dante der Mensch, der Politiker, der Dichter, ein mittel-
alterlicher Geist mit bereits modernem Gepräge, wird uns an der Hand der
besten Quellen klar vor die Augen gestellt. Aber nicht nur sein Leben,
seine politische Rolle erfahren die beste Beleuchtung durch die Kunst des
kenntnissreichen Historikers, die um so höher anzuschlagen ist, als W., auch
darin ein echter deutscher Gelehrter, niemals den Boden Italiens, dem sein
Held entsprossen war, betreten, niemals die Schauplätze von Dantes Leben und
Wirken, Florenz, Verona, Ravenna mit eigenen Augen geschaut hat; auch seine
Werke der Dichtkunst wie der Prosa werden von W.'s Hand zerlegt und in
ihrem geistigen Inhalt, der der Menschheit angehört, vorgeführt. Mit Hilfe
dieses Buches ist zum ersten Male das Leben Dantes und das Werk seines
Lebens aus dem Dunkel der Vergangenheit in das Licht des hellen Tages
gezogen worden und noch heute ist ein Verständniss Dantes nicht möglich
ohne Benutzung dieses Buches. Das hat auch neuerdings der jüngste Biograph
Dantes, Franz Xaver Kraus, mit warmen Worten anerkannt und daran wird
die Gegnerschaft anderer Dante-Forscher, die mit Geringschätzung auf W.'s
Leistung herabblicken zu müssen meinten, nichts zu ändern vermögen. Grund-
legend für alle weitere Forschung bleibt W.'s Dante-Biographie, vermag auch
neu hinzukommendes Material hie und da in dem Gesammtbilde einen neuen
Zug hineinzuzeichnen.
Der Jenenser Aufenthalt W.'s ging nun nach Vollendung des Dante
seinem Ende entgegen, nicht ohne das persönliche Leben des jungen Ge-
lehrten bereichert zu haben. In Jena führte W. seine erste Gattin heim, um
378 von Wegele.
mit ihr glückliche Jahre zu verleben und sie dann früh hingeben zu müssen.
Drei Söhne sind aus dieser ersten Ehe hervorgegangen, der Stolz und die
Freude des Vaters, zugleich einer, der älteste, sein Schmerzenskind, das er
in dessen Jünglingsalter jählings verlieren musste. So blieben auch diesem
Glückskinde die Prüfungen unseres irdischen Lebens nicht völlig erspart. Sie
hinderten ihn aber nicht, seinen Berufs- und literarischen Pflichten mit un-
geschmälertem Eifer nachzukommen, spornten ihn vielmehr an, in öffentlicher,
wissenschaftlicher Thätigkeit den Trost gegen Menschenschicksal zu suchen
und zu finden.
Ein neuer Lebens-Abschnitt beginnt für W. mit der Berufung als ordent-
licher Professor der Geschichte an die Universität Wtirzburg im Jahre 1857.
Seine bayerische Heimat hatte in der Zeit, wo er sie gemieden, eine beachten>-
werthe Umwandlung durchlebt. Das reactionäre Regiment König Ludwigs L.
der nach den stürmischen Tagen der Jugend, in denen er' sich fiir die Ik-
freiung des deutschen Bodens von der französischen Fremdherrschaft
Napoleons L begeisterte, bald finsteren Mächten verfiel und, eine autokratische
Natur, sein Land und Volk auf seine Weise zu beglücken trachtete, war von den
Stürmen der Revolution des Jahres 1848 hinweggefegt worden, sein Sohn,
Maximilian IL, sass jetzt auf dem bayerischen Thron. Mit ihm begann ein
freierer Geist über Bayern zu wehen und vor Allem suchte der junge König,
dem Beispiele seiner erlauchten Ahnen folgend, der Wissenschaft in erster
Linie und neben ihr der Kunst, eine Heimat in seinem Bayemlande zu
gründen. Männer der Wissenschaft trachtete Maximilian n. um sich zu ver-
sammeln, mit ihnen in zwanglosem Verkehr geistigen Austausch zu pflegen
und sich mit Vorliebe in philosophische, historische und politische Fragen zu
vertiefen. In diesem Kreise entstand nun der Plan, auch W.'s Kräfte seinem
Vaterlande nutzbar zu machen. So wurde er von Jena als ordentlicher Pro-
fessor der Geschichte nach Wtirzburg berufen, auf einen Lehrstuhl, den er
40 Jahre lang ohne Unterbrechung mit immer steigendem Erfolge ein-
nehmen sollte.
W. hatte schon in Jena durch eine Arbeit, welche die rheinfränkische
Geschichte berührte, gezeigt, dass er besonders geeignet war, an der fränki-
schen Hochschule das Interesse für die engere vaterländische Geschichte Ost-
frankens zu heben und zu pflegen. 1855 Hess er die Monographie über
Arnold von Selenhofen, Erzbischof von Mainz (11 53 — 11 60), erscheinen. Er
schildert darin die schweren Kämpfe, die dieser stolze und autokratische Prälat
mit der Stadt Mainz fuhrt und in denen er schliesslich unterliegt. Ein düsteres
Bild aus der Reichs- und Territorialgeschichte des XII. Jahrhunderts wird vor
uns aufgerollt, ein Kampf geschildert, wie er im Mittelalter so manche deutsche
Stadt durchtobt hat und mit wechselndem Glücke von den Bürgerschaften
geführt wurde.
In erster Linie widmete W. in Würzburg seine Kräfte der akademischen
Thätigkeit und er war dazu wie Wenige geschaffen. Schon seine äussere
Erscheinung hatte etwas Imponirendes und Anziehendes zugleich. Die hoch-
ragende Gestalt, der ausdrucksvolle Kopf mit der kühnen Adlernase und den
dunklen, sprühenden Augen nahmen für ihn ein, noch mehr der reiche und
anregende Inhalt seiner Vorträge. Er erweiterte jetzt bedeutend den Kiey^
seiner Vorlesungen und nahm mit Vorliebe Themata aus der neueren und
neuesten Geschichte zum Gegenstand des Vortrages. Französische Revolution
und Geschichte Napoleons I., Geschichte des XIX. Jahrhunderts von 1815 ab
von Wegele. ^yo
wurden von ihm häufig traktirt, daneben aber auch die Geschichte des Mittel-
alters, der Reformation und der Gegenreformation mit dem dreissigj ährigen
Kriege, das Zeitalter Friedrich des Grossen nicht vernachlässigt. Aber auch
in die englische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der englischen
Revolution griff er gerne hinüber und aus dem Gebiete der Culturgeschichte
zog ihn vor Allem das Zeitalter der Renaissance als Geburtsstätte des mo-
dernen Geistes an. Aber nicht nur als Lehrer der studentischen Jugend trat
W. in Würzburg auf, auch seinen Mitbürgern bot er mannichfache Anregung
in Vorlesungen, die eben für diese weiteren Kreise speciell berechnet waren.
Hier las er über Dante, Macchiavelli, über literaturgeschichtiiche Gegenstände,
wie Shakespeare's Königsdramen, über die historisch sich entwickelnden
Wechselbeziehungen zweier so hervorragender Staatsgebilde, wie Deutschland
und Frankreich. Für das wissenschaftliche Studium der Geschichte an der
Würzburger Hochschule erwarb sich W. endlich ein grosses Verdienst durch
die Gründung eines historischen Seminars, in welchem die Grundlagen der
historischen Wissenschaft, die Einführung in die Methode der historischen
Forschung den Schülern gelehrt wurden. Neben historischer Propädeutik
wurden eifrig die Quellen zur mittelalterlichen Geschichte gelesen, erklärt und
kritisch beleuchtet, ebenso die historischen Hilfswissenschaften wie Chrono-
logie, Paläographie und Diplomatik, letztere an der Hand der archivalischen
Schätze in Würzburg, in den Kreis der Studien gezogen. Der moderne Be-
trieb der historischen Wissenschaft hat erst durch W. in Würzburg eine Stätte
gefunden. Gründlichkeit in der Durchforschung des Quellenmaterials, kritische
Methode, Objectivität in der Betrachtung der historischen Vergangenheit, das
waren die obersten Grundsätze, die er seinen Schülern beizubringen trachtete;
daneben pflegte er als ein Mann von literarischer Begabung und von Ge-
schmack die schöne Form des Ausdrucks und der Darstellung. Ein würdiges
äusseres Kleid ftir die aus dem Rohmaterial herausgearbeiteten Ergebnisse
kritischer Forschung hat W. nie verschmäht und dafür sowohl durch seine
künstlerisch abgerundeten und formvollendeten Vorlesungen, wie durch seine
gut geschriebenen Werke ein leuchtendes, zur Nacheiferung anspornendes
Beispiel gegeben.
Aber W. ging nicht auf in der Thätigkeit für seine Zuhörer, auch um
die Organisation der Körperschaft, der anzugehören er immer als eine be-
sondere Ehre angesehen hat, der Universität, war er in hervorragendem Maasse,
mit regstem Eifer und als ein Mann von festem Charakter bemüht. Er hielt
es mit für seine Hauptaufgabe, in Würzburg dafür zu sorgen, dass die Uni-
versität auf einer hohen Warte stehen und allein der Wissenschaft, der Er-
forschung der Wahrheit, so weit diese überhaupt für uns Sterbliche zu er-
mitteln und zu ergründen ist, dienen müsse ohne jede Rücksicht auf con-
fessionelle oder auf politische Schranken. Man war in Bayern im XIX. Jahr-
hundert nicht immer gewillt, einen so hohen und idealen Standpunkt im
Leben der Universitäten einzunehmen; W. gebührt das Verdienst stets darauf
als beste Bürgschaft für die Blüthe des Geisteslebens hingewiesen zu haben
und die Universität über das Getriebe der Parteien in die reine Luft der
Wissenschaftiichkeit zu heben. Das zeigte sich vor Allem in seiner Thätigkeit
als Dekan und Senator bei Berufungen, wo er nur den wissenschaftlich Lei-
stungsfähigen für würdig hielt, in die Körperschaft seiner alma mater Julia
einzutreten, ebenso bei der Verwaltung des Rektorates, mit der ihn bereits
in jungen Jahren 1863 seine Collegen betrauten. Diesen Grundsätzen ist W.
380 von Wegclc.
treu geblieben bis an sein Grab und mit Schmerz und Trauer sah er die
Möglichkeit voraus, dass nach seinem Tode andere und kleinliche Gesicht-
punkte die herrschenden werden und die Blüthe des Universitätslebens ver-
derben könnten, wie denn auch seine Voraussicht leider eingetreten und W. ^
Lehrstuhl durch den bayerischen Cultusminister einer Parteirichtung schlimin-
ster Art ausgeliefert worden ist.
Neben der Sorge ftir den Unterricht der akademischen Jugend , für die
geistige Bildung seiner Mitbürger und für die Aufrechterhaltung der Blüthe
der Universität Würzburg entfaltete W. in seiner neuen Stellung auch eint
ungewöhnlich reiche literarische Arbeitskraft, die der Geschichte Thüringen'«
wie Frankens, der Würzburger Universität und der Entwickelung unsere:
deutschen Geschichtsschreibung überhaupt zu Gute kam. Wie er einst b
Jena gern auf die Erforschung der thüringischen Lokalgeschichte einging urü
jetzt noch in Erinnerung an vergangene Tage der heiligen Elisabeth vcn
Thüringen ein würdiges biographisches Denkmal setzte, war er bemüht, auch
die Geschichte Ostfrankens durch Veröffentlichung bisher unbekannter Quellen
derselben und durch Darstellung hervorragender und charakteristischer Epocher.
und Personen im Verlaufe ihrer Entwickelung aufzuhellen. So entstanden
Publicationen wie die Monumenta Eberacensia, das Corpus Regulae seu Cii-
lendarium Domus S. Kiliani Würceburgensis saecula K — XIV amplecteav
Durch zahlreiche Abhandlungen und Aufsätze suchte er die Griuidlage für
eine beabsichtigte, aber leider unausgeführt gebliebene, umfassende Geschichte
Ostfrankens zu gewinnen. Dahin gehören Abhandlungen wie: Zur Literatur
und Kritik der fränkischen Nekrologien, biographische Studien über hervor-
ragende Persönlichkeiten der fränkischen Cxeschichte, wie Wilhelm von Gnim-
bach, Bischof Gerhard von Würzburg, aus dessen Leben und Regierung er
den Städtekrieg im Hochstifte Würzburg herausgriff, Götz von Berlichingen,
dessen Leben er an der Hand seiner eigenen Denkwürdigkeiten klar zu legen
suchte, endlich zahlreiche biographische Artikel in der von der historischen
Commissi on in München auf Anregung Ranke's herausgegebenen und von ihm
im Verein mit Liliencron redigirten Allgemeinen deutschen Biographie. Wün-
burger Stadtgeschichte behandeln : der Hof zum Grafen Eckard zu Würzburp.
Würzburg im XH. Jahrhundert. Der Geschichte Thüringens wie Ostfrankens
kamen endlich auch seine in Sybel's historischer Zeitschrift ab und zu er-
scheinenden Besprechungen der neueren historischen Literatur dieser beiden
Landschaften zu Gute. Dem ersten Geschichtsschreiber Bayerns, Aventin,
widmete er ein biographisches Denkmal, das in der deutschen Gelehrten-
geschichte stets einen würdigen Platz einnehmen wird. Und wie er literatur-
geschichtliche Betrachtung neben politischer Geschichte von Anfang an ge-
liebt hatte, so entstanden nun zwei Werke aus seiner Feder, die von seiner
Begabung für diese Richtung der Geschichtsschreibung Zeugniss ablegen. Als
im Jahre 1882 die Universität Würzburg ihr dreihundertjähriges Jubiläum zu
feiern sich anschickte, wurde W. der ehrenvolle Auftrag zu Theil, die Ge-
schichte derselben zu schreiben. Er hat diese Aufgabe in würdiger Weise
gelöst und uns ein zweibändiges Werk, in dem er die Geschichte der alma
mater Julia bis 1806 herunterführt und uns auch die nöthigen Belege durch
die Veröffentlichung des urkundlichen Materials bietet, geschenkt. Wie die
Universität des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn auf der Grund-
lage älterer Stiftungen aufgebaut wurde, wie sie als Hort des Katholicismu.«
im Zeitalter der Gegenreformation gedacht war, wie sie sich im Laufe ihrer
von Wcgele. ^Si
ersten drei Jahrhunderte bis 1806 im Dienste verschiedener Geistesrichtungen
entwickelt hat, wird uns an der Hand reichen Quellenmaterials dargelegt und
bietet einen wichtigen Ausschnitt aus der Geschichte unseres deutschen
Geisteslebens. Leider ist es W. nicht mehr vergönnt gewesen, in einem
dritten Bande, mit dessen Abfassung ihn seine CoUegen ebenfalls betraut
hatten, die Geschichte der Universität Würzburg bis auf unsere Tage herab-
zufiihren. Er hätte uns hier einen hochinteressanten Einblick in die Cultur-
und Geistesgeschichte unserer Zeit verschaffen können, wie kaum ein Anderer,
da er als Zeitgenosse mit seinem scharfen und freien Blick in manche Ab-
gründe bayerischer Staatsverwaltung hineingeleuchtet und nachgewiesen hätte,
mit wie geringer Weisheit oft die Geschicke der Völker geleitet werden. Es
wäre wtinschenswerth, dass wenigstens der vollendete Theil des Manuscriptes,
der sich auf der Königlichen Universitäts-Bibliothek zu Würzburg befinden
soll, noch einmal an den Tag käme und von einem gleich charakterfesten
und wahrheitsliebenden Geschichtsschreiber, wie es W. war, vollendet würde.
Er würde einen wichtigen Beitrag zu unserer modernen Geschichte abgeben.
Das zweite literarhistorische Werk schrieb W. im Auftrage der Mün-
chener historischen Commission, die Geschichte der deutschen Historiographie.
Hier dürfte es am Platze sein, mit ein Paar Worten auf die Stellung W.'s
innerhalb der Commission einzugehen. Durch König Max II. von Bayern in's
lieben gerufen und unterstützt, wurde die Münchener historische Commission
bald der Mittelpunkt der historischen Studien und Arbeiten in Deutschland,
und der Kreis von deutschen Gelehrten, aus dem sie sich zusammensetzte,
zeigt uns die Elite der deutschen Geschichtsschreiber unter der Führung des
der Wissenschaft ergebenen bayerischen Königs. W. war eines der ältesten
Mitglieder dieser Commission, nachdem er schon vorher in den Verband der
Mtinchener Akademie der Wissenschaften aufgenommen worden war. Eng
schloss er sich hier an die älteren Genossen an, so an Ranke, Waitz, Sybel,
Giesebrecht; besonders innige Freundschaft aber verband ihn mit Karl von Hegel.
Er pries die Münchener Tage, deren Besuch er niemals verabsäumte, als die
glücklichsten seines Lebens, da sie ihm den anregenden und erfrischenden
Gedankenaustausch mit gl eichgesinnten Fachgenossen brachten. Bald sehen
wir W. auch eifrig an den Publicationen der historischen Commission betheiligt.
Er wurde Mitherausgeber der Forschungen zur deutschen Geschichte, welche
es sich zur Aufgabe machten, verdienstvolle Arbeiten aus dem Gebiete der
deutschen Geschichte zu veröffentlichen. Er leitete im Verein mit Liliencron
die von Ranke in*s Leben gerufene Allgemeine deutsche Biographie, eine in
lexikographischer Anordnung geschriebene Sammlung von Lebensbildern aller
bisher verstorbener deutscher Persönlichkeiten von Bedeutung. Viele Artikel,
vor Allem aus dem Gebiete der ostfränkischen Geschichte, hat W. selbst zu
dem Sammelwerke beigesteuert. Endlich übernahm er es, für die Geschichte
der Wissenschaften in Deutschland, welche die historische Commission be-
arbeiten Hess, eine Geschichte der deutschen Historiographie zu schreiben,
die 1885 erschien. Man kann nicht behaupten, dass dieses Werk zu den
gelungenen Leistungen W.'s gehört. Es fehlt die rechte Verarbeitung des
schwerfälligen und spröden Stoffes, die gleichmässige Behandlung der langen
Entwickelungsgeschichte unserer vaterländischen Geschichtsschreibung, Flüch-
tigkeiten aller Art lassen die sonst bei W. vorhandene deutsche Gründlichkeit
vermissen. Aber daneben muss zugegeben werden, dass es W. gelungen ist,
unsere deutsche Geschichtsschreibung in die allgemeine geistige Bewegung
382 ▼©» Wcgcle.
unseres Volkes richtig einzureihen und besonders Abschnitte, in denen er
selbständige Studien gemacht hat, so die über unsere Geschichtsschreibung irr.
XVIII. und XIX. Jahrhundert, sind als gut gezeichnet anzuerkennen. Wem.
W. über Goethe und Schiller als Historiker spricht oder die Verdienste eine?
Johannes von Müller klarzulegen hat, leistet er in diesem Werke Vorzügliche>
Dass es keinen höheren Grad der Vollendung erreicht hat, ist weniger &
Schuld des Verfassers, als des Stoffes, der weitzerstreut erst von W. mühsaiL
zusammengetragen und verarbeitet werden musste. Als ein erster Versuch,
die Geschichte unserer Historiographie im Zusammenhange darzustellen, blei* :
das Werk von dauerndem Werth und wird künftigen Bearbeitern desselber
Stoffes als unentbehrliche Grundlage dienen.
Die letzte Hauptarbeit seines Lebens war mit diesem Werke gethan. W.
widmete sich in seinen letzten Lebensjähren hauptsächlich seinen akademischen
Pflichten. Noch blieb eine Aufgabe übrig, eine Sammlung seiner an verschie-
denen Orten gehaltenen und erschienenen Vorträge und Abhandlungen, do<.h
ein schweres Leiden, das ihn erfasste und seine Kräfte lähmte, hinderte ihr
an der Ausführung. So hat erst nach W.*s Tod eine Freundeshand ihm
diesen Liebesdienst leisten können. Graf Du Moulin Eckart gab die Vorträge
und Abhandlungen heraus und dankbar ist anzuerkennen, dass uns dadurch
eine Fülle von kenntnissreichen kleineren Arbeiten W.'s dargeboten worden
ist. Neben manchen uns schon bekannten Aufsätzen begrtissen wir einige
hier zum ersten Male, so den über Kaiser Friedrich I. Barbarossa, der uns
ein treffliches Charakterbild eines unserer grössten Kaiser und eine gerechte
Würdigung seiner Regierung bietet. Ebenfalls der staufischen Geschichte ge-
hören an: Kanzler Konrad und die Sage von der Wiederkunft Kaiser Frie-
drichs II. Auf das Gebiet der Literaturgeschichte greifen über: Graf Otto
von Hennenberg -Botenlauben, die deutsche Memoirenliteratur, die uns einen
trefflichen Ueberblick über alte und neue autobiographische Werke in deut-
scher Zunge giebt, Frau Baron von Oberkirch. Biographische Arbeiten ül^r
P'ranz Qberthür, Eulogius Schneider, die Töchter des Hauses Witteisbach
schliessen sich an. Der Geschichte der Universität Würzburg sind die Re-
formation der Universität Würzburg und ein mit Humor geschriebener Artikel :
Kin Frauenkrieg an der Universität Würzburg entnommen. Alexis von Toc-
queville ist ein seine politische und historiographische Wirksamkeit beleuch-
tender Aufsatz gewidmet. Wie vertraut W. mit der neuesten Cieschichte i>t,
erweist er in der Abhandlung: Zur Kritik der neuesten Literatur über den
Rastadter Gesandtenmord, wo er mit scharfem Messer all' den Märchen und
Sagen, die sich über dieses denkwürdige Ereigniss gebildet haben, an den
Ivcib geht und auch die Phantasien modemer Geschichtsschreiber über diesen
Gegenstand abfertigt und aus dem Dunstkreis ihrer Darstellungen den wahren
und echten Kern herausschält. W. zeigt sich uns in diesem nachgelassenen
Werke von einer neuen Seite, die man bisher nur aus den Berichten seiner
Schüler gekannt hatte, als Essayist, und zwar von hervorragender Begabung.
Die sorgsam ausgearbeiteten, wohlabgerundeten Bilder, die er uns in seinen
Aufsätzen hinterlässt, sind das Werk eines feingebildeten Geistes, der in seiner
I^eichtigkeit und Beweglichkeit des Ausdruckes fast an französische Eigenart
erinnert. Sehr verdienstvoll ist es, dass Graf Du Moulin der Sammlung ein
chronologisches Verzeichniss der von W. veröffentlichten Schriften beigegeben
hat, aus dem man sich zuverlässig über seine reiche literarische Thätigkeit
unterrichten kann. Ich vermisse in diesem Verzeichnisse nur den Aufsau:
von Wegcle. Peter. 383
Die Beziehungen der Wettiner zu den Ghibellinen Italiens in der Zeit Dante's,
Jahrbuch der deutschen Dante-Gesellschaft I, 21 ff., der hiermit nachgetragen
werden soll.
Wir stehen am Schlüsse von W.'s arbeitsreichem Leben, und wenn wir
es nochmals rückblickend tiberschauen, werden wir sagen dürfen, es war ein
lieben voll Erfolg und Glück. Früh schon in die richtige Lebensstellung
gelangt, kann W. alle seine Kräfte frei sich ausbilden lassen, als Lehrer an
deutschen Hochschulen, wie als fruchtbarer historischer Schriftsteller. Wie
sein öffentliches Leben glatt und ruhig dahingeht, so ist auch sein persön-
liches Leben mit Glück und Harmonie gesegnet. Das Unglück hat freilich
auch W. nicht verschont; aber an der Seite einer zweiten Frau erblüht ihm in
Würzburg neues häusliches Glück und auf seine heranwachsenden Kinder und
Enkel durfte er mit Freude und Stolz blicken. Erst die letzten Lebensjahre
wurden dem allmählich alternden Gelehrten durch schwere Leiden getrübt;
ein gütiges Geschick hat ihn bald davon erlöst. Unversöhnt mit seiner Kirche,
deren äussere Werkheiligkeit seinem nach echter Frömmigkeit und nach Wahr-
heit ringendem Geiste niemals etwas bieten konnte, ist er heimgegangen und
hat so noch in der Sterbestunde bewiesen, dass ihm sein ganzes Leben hin-
durch nichts höher stand, als die Wahrheit und deren Erforschung. Wollte
man ihm eine passende Grabschrift schreiben, so wäre es sein oberster Grund-
satz, den er in allen Lagen seines Lebens hoch hielt: die Wahrheit über
Alles I
Ab Quellen habe ich benutzt: Mittheilungen der Familie Wegele. — Die Leichen-
reden der Würzburger Professoren Prym, Hantzsch, Henner und des protestantischen Geist-
lichen. — Aufsätze und Notizen in der Würzburger, der MUnchener Allgemeinen Zeitung
und der Zeitschrift: Das Deutschthum im Auslande, Mittheilungen des Allgemeinen deut-
schen Schulvereins zur Erhaltung des Dcutschthums im Auslande. — Endlich den soeben
erschienenen Lebensabriss von Graf Du Moulin Eckart in Allgemeine deutsche Biographie
XLIV, 443 ff.
Baden-Baden, den i. September 1898.
Victor Bayer.
Pctcr, Carl Lorenz, Kirchenrath und Pfarrer in Spöck bei Karlsruhe
(Baden), * 5. September 181 2 in Karlsruhe, f 26. August 1897 in Oeschelbronn
bei Pforzheim. — Einer kleinbürgerlichen Familie entstammend, studirte P.
in Halle und Heidelberg Theologie und trat nach mehrjähriger erzieherischer
Thätigkeit und einem halbjährigen Aufenthalt in Berlin 1839 ^" ^^" Dienst
der badischen evangelischen Landeskirche. Sechs Jahre lang wirkte er als
Stadtvikar in Karlsruhe und wurde 1847 als Pfarrer nach Schallbach bei
Lörrach versetzt, wo ihn sein muthiges Auftreten gegen den revolutionären
Geist jener Zeit vorübergehend ins Gefängniss brachte. Von 1853 bis 1863
war er im Dienste der Basler Mission als Lehrer am Missionshause, litera-
rischer Sekretär und Reiseprediger thätig. Ein Halsleiden nöthigte ihn, diese
Arbeit aufzugeben; er nahm einen Ruf der badischen evangelischen Gemeinde
Spöck an und trat hier wieder ins Pfarramt ein als Nachfolger des bekann-
ten Convertiten und späteren Erweckungspredigers Aloys Henhöfer. Hier
wirkte er bis kurz vor seinem Tode, in seiner Gemeinde wie ein Patriarch,
in weiteren Kreisen der Landeskirche als Haupt und Berater hochangesehen,
auch vom Fürstenhause geschätzt. Literarisch trat er selten hervor, und dies
nur durch Veröffentlichung einzelner Vorträge und zeitweilige Mitarbeit an
kirchlichen Blättern. Auch in das äussere Leben der Landeskirche griff er
jg^ Peter. Schwanz.
selten ein; 1881/82 war er Mitglied der Generalsynode. Um so nachhaltiger
war sein unmittelbar persönliches Wirken, das sich ihm ungesucfat durch ae
Ausstrahlung seiner durch und durch lauteren Personhchkeit ergab. Er w:i:
eine der edelsten Erscheinungen des süddeutschen, speziell des badischo
Pietismus, in seinem Gedankenleben, wie in seiner peisonUchen Betfaätigu^..
stets orientirt an der heiligen Schrift, in deren Inhalt er wie wendige einge-
drungen war. Hatte ihn in seinen Studienjahren die damals herrschende >pc-
culative Philosophie dem biblischen Christenthum vorübergehend entfremder
so suchte er, namentlich durch Gossners Predigten in Berlin demselben r>
rückgewonnen, mit dem als wahr Erkannten nunmehr vollen Ernst zu macber.
In Karlsruhe und Schallbach bereitete ihm diese rücksichtslose Wahrheit^
liebe, die er in seinen Predigten bethätigte, manche Schwierigkeit. In seine-
späteren Jahren, bei einer weniger widerstrebenden Umgebung, äusserte sich
sein biblischer Realismus vor allem in der Hervorhebung der ILönigsherr-
Schaft Jesu Christi, die jetzt noch im Kampfe liegt mit den widergöttlieheri
Mächten in der Welt, einst aber nach gewaltigen Katastrophen sich siegreic:
und nunmehr ungehemmt entfalten wird. Diese Gedankenreihen, deren uni-
verseller Zug wohl durch die Mitarbeit an der Basler Mission wesentlich ge-
fördert war, entwickelten sich ganz besonders im vertrauten Umgang mit der
prophetischen Literatur des Alten und Neuen Testaments, die er gernt
auch zum Gegenstande seiner Vorträge und Abhandlungen machte. Mi]de
und weitherzig in persönlichen Fragen, betrachtete er mit tiefem Ernste die
Erscheinungen seiner Zeit und ist so für viele zum Berather und Warner ge-
worden. Insbesondere waren es die pietistischen Gemeinschaften der alten
' Markgrafschaft Baden, die in ihm ihr geistiges Haupt bis zuletzt verehrten.
Ein Nekrolog ist im Verlag Ton J. J. Reiff in Karlsruhe erschienen. Ein Vortr^
über »Die Wichtigkeit des Studiums der alt- und neutestamentlichen Prophetie für Kirche
und Theologie« erschien 1869 bei Hugo Klein in Barmen. In den »Bifittheilungen de:
evangelischen Gesellschaft für Deutschland« 1870 und 1871 (Barmen) ist der Prophet
Sacharja von P. ausgelegt.
Mühlhäusser.
Schwartz, Joh. Heinrich Karl Christian Albert, Theologe, ♦ am 1 1 . Octo-
ber 1826 zu Braunschweig, f am 13. December 1897 in Gross -Winnigstedt
Sein Vater, der 181 5 als Sergeant die Schlachten bei Quatrebras und Waterloo
mitgemacht hatte, war Kanzlist, später Registrator beim Herzogl. Kriegs-
kollegium (f 1870); seine Mutter, Joh. Aug. Juliane war die Tochter des
Schmiedemeisters Joh. Christoph Schütze in Braunschweig; sein Grossvatcr
Joh. Christian Aug. Schwartz war hier um die Wende des Jahrhunderts ein
beliebter Porträtmaler, dessen Gattin Henriette Karoline eine Schwester de>
bekannten Kupferstechers Karl Schröder. Albert S. besuchte die Bürger-
schule, und dann das Gymnasium Martino-Catharineum seiner Vaterstadt, da5
er zu Michaelis 1844 mit dem Reifezeugniss verliess, um in Göttingen
Theologie zu studiren. Er genoss hier drei Jahre lang hauptsächlich den
Unterricht des Abts Fr. Lücke, der Professoren Wieseler und Ehrenfeuchter.
Von lebendigem Eifer für die Sache erftillt, schloss er sich schon damals der
Missionsgesellschaft an und hatte nicht übel Lust, als Missionar auszuziehen.
Michaelis 1847 übernahm er zu Eppendorf bei Hamburg eine Lehrerstelle
am Institute des Dr. Busse, eines Freundes seines Vaters, und er blieb auch,
als er am 18. Februar 1848 das erste theologische Examen in Wolfenbüttel
bestanden hatte, noch sechs Jahre in dieser Stellung, da die Aussichten auf
Schwartz. ^85
Anstellung bei der ungeheuren Zahl der Kandidaten der Zeit nur sehr gering
waren. Im Jahre 1854 wurde er Hauslehrer bei dem Herrn v. Veitheim in
Destedt. Von hier aus nahm er regen Antheil an der aufsteigenden kirch-
lichen Bewegung in Braunschweig, an den Conferenzen von Dienern und
Freunden der evangelisch-lutherischen Kirche, den Landesmissionsfesten u. s. w.,
die gerade um diese Zeit ihren Anfang nahmen. Nachdem er am 1 6. Januar
1857 die zweite theologische Prüfung gemacht hatte, wurde er im folgenden
Jahre Hülfsprediger beim Pastor Rohde in Denstorf. Erst vier Jahre später
erhielt er die erste Pfarre, die zu Brunkensen und Hohenbüchen, in die er
am 9. April 1862 eingeführt wurde. Bald darauf verheirathete er sich (am
20. Mai 1862) mit Marie Busse, der Tochter seines früheren Hamburger
I^irectors. Seine Thätigkeit in der Gemeinde war eine sehr erfolgreiche,
aber auch sehr anstrengende, dabei das Einkommen ein sehr geringes; zwei
Mal zog er sich wohl durch die winterlichen Wanderungen nach der Filiale
und den Aufenthalt in der kalten Kirche einen hitzigen Rheumatismus zu.
Er bewarb sich daher später um die Pfarre zu Gross-Vahlberg und Bans-
leben, die er 1875 erhielt, jedoch erst nach dem Tode des emeritirten
Pastors Friedrich, des Vaters des Schriftstellers Friedrich Friedrich, (f 10. Sep-
tember 1879) ™i^ voller Einnahme. Jetzt endlich kam er in eine sorgenfreie
Lage, die sich dann noch mehr verbesserte, als er am 7. October 1888 die
Pfarre zu Gross- Winnigstedt bekam. Trotzdem hat sich S. durch die äusseren
Verhältnisse, die lange Zeit auf ihm lasteten, nicht niederdrücken lassen. Er
besass eine grosse Elasticität des Geistes, einen angeborenen heiteren Lebens-
muth und eine rührende Anspruchslosigkeit, die ihm im Verein mit strenger
Sparsamkeit über viele Schwierigkeiten hinweghalf. So brachte er es fertig,
dass er drei Söhne erziehen konnte, die er zu seiner Freude sämmtlich noch
im geistlichen Amte erblickte. — Seinen Haupteinfluss auf die Braunschweigische
Landeskirche hat S. durch die »Evangelisch-lutherischen Monatsblätter« aus-
geübt, die er seit dem i. Januar 1881 anfangs in Verbindung mit Eissfeldt,
Lachmund und Palmer, dann auch (i. Januar 1887) mit Job. Beste und
(October 1889) ^^^ J* Stölting herausgab. Vom Januar 1894 ab, wo S. die
Redaction im Wesentlichen allein mit Hülfe seiner Söhne besorgte, wurde
das Blatt, das immer der positiven Richtung gedient hatte, ausdrücklich als
»Organ der Evangelisch-lutherischen Vereinigung im Lande Braunschweig«
bezeichnet, deren Vorstande S. von Anfang an angehört hatte. Mit dem An-
fange des Jahres 1896 erschien es wöchentlich unter dem Titel: »Evangelisch-
lutherische Wochenblätter«. In weiteren Kreisen wurde S.'s Name nach dem
Tode Herzog Wilhelms im sogen. Regentschaftsjahre bekannt. Er hing mit
ganzem Herzen an seiner Braunschweigischen Heimat und dem angestammten
Fürstenhause; insbesondere machte ihm der diesem geschworene Erbhuldigungs-
cid schwere Gewissensbedenken. Er wünschte darüber eine Aussprache mit
gleichgesinnten Männern und forderte daher öffentlich in seiner Zeitung die
Geistlichen für den 25. Februar 1885 zu einer Conferenz über die Frage auf:
»Was dürfen, können und sollen wir Geistlichen thun in der gegenwärtigen
Krisis unseres Landes?« Die Abhaltung der Versammlung wurde von der
Regierung, die, wie man sagte, Gegenkundgebungen fürchtete, durch polizei-
liche Maassregeln verhindert, aber zur Stärkung der Gewissen, Einschärfung
der bestehenden Eidespflicht hat auch dieser vergebliche Versuch zweifellos
beigetragen. S. zog die Angelegenheit mancherlei Anfeindung zu. Er be-
wahrte diesen wie anderen Angriffen gegenüber einen bewundemswerthen
Biogr. Jahrb. n. Doutscher Nekrolog. 3. Bd. 25
I
I
jgö Scbwartr. Petzold.
Gleichmuth. Im persÖnHchen Verkehr war er von natuTwädisi^cr Fn^:-
Wegen der Vorzüge seines Charakters hat er, eine der Haaptscntzcn des : ..•
tistisch-orthodoxen Kirchenthums, auch bei den Gegnern anfiiclitige H '
achtung besessen.
Job. Beste im »Braanschw. Magazin« 1S98, No. 2, S. 9ff. — >BninoBia« 1S91S, N
bis 14. — EvaDg.-luther. Wochenblätter 1897, No. 51.22; i$9S, No. i, Bcü.
P. Zimmermann.
Petzold, Karl Wilhelm, Schulmann, ^ am 9. Februar 1848 zn K^eus^?:
l>ei Weissenfeis als Sohn des dortigen Predigers Johann Karl P., + am 24. '
1897 zu Pouch bei Bitterfeld. — Nachdem er die Schule seines Heimat>. ':.'
besucht hatte, ging er nach der Sitte seiner Familie auf die LandesschuJc .
Pforta über. Schon während dieser Zeit verlor er 20. Februar 1865 ^'^ M-::rr
19. September 1866 den Vater, so dass er, als er Ostem 1869 die Reilcpn::'-'.
bestanden hatte, sein Studium unter dürftigen Verhältnissen beginnen mi:5>:.
Kr ging nach Halle, um sich hier der llicologie zu widmen. Doch bx .
unterbrach der Krieg sein Studium. Er trat 1870 sogleich in das Schles«:^-
Holsteinsche Füsilier-Regiment No. 86 ein, in dem er den ganzen Feld/—
insbesondere die Belagerung von Paris und das Gefecht von Epinay ir.::-
machte. Dann kehrte er nach Halle zurück, wo er sich jetzt aber der
Studium der Mathematik und der Natur^'issenschaften zuwandte. Zu >Iichac':>
1874 erhielt er am Gymnasium zu Neu-Brandenburg eine Hülfslehrersitilc.
der aber schon zu Neujahr 1875, nachdem er inzwischen das Staatsexamen
für Chemie und beschreibende Natur\^issenschaften bestanden hatte, die fe>:e
Anstellung folgte. Im Sommer 1876 wurde er auf Grund einer Abhandlung
''über die Vertheilung des Gerbstoffe in den diesjährigen Trieben unserer
Holzgewächse« in Halle a. S. zum Doctor der Philosophie promovirt. Z.
Ostem des folgenden Jahres lÄ'urde er, da er sich in Strassburg für eine de:
Schulen der neugewonnenen Reichslande zur Verfügung gestellt hatte, an djL<
Gymnasium zu Weissenburg i. E. berufen. Doch verliess er diese Stelle schon
zu Michaelis 1879 wieder, um nochmals ein Semester in Halle, jetzt unter
Professor Kirchhoff 's Leitung, Erdkunde zu studieren. Es geschsüi dies auf
Wunsch der städtischen Behörden von Braunschweig, die ihm dann zu Ostem
1880 provisorisch, ein Jahr darauf fest an der damaligen Realschule (seit 18S7
Oberrcalschule) anstellten. Hier hat er dann lange Jahre eine erfolgreiche,
vielfach anerkannte Wirksamkeit entfaltet. Auch ausserhalb der Schule nahm
er an den wissenschaftlichen Bestrebungen in der Stadt Braunschweig regen
Antheil, besonders an den Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins
dessen Vorstande er seit 1884 meist angehörte und dessen Vorsitz er 2* ei
Jahre (1886/87 und 1891/92) geführt hat. Seine wissenschaftliche Thätigkeii
war anfangs hauptsächlich der Chemie und der Naturkunde gewidmet, wandte
sich dann aber immer mehr der Erdkunde zu. Auf diesem Gebiete hat er
sich vor Allem einen angesehenen Namen in der Wissenschaft errungen.
Seine letzte Arbeit über »Die allgemeinen topisch-geographischen Verhältnisse
des nördlichen Haupttheiles vom Herzogthum Braunschweig« erschien in der
P'estschrift für die 69. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in
Braunschweig (S. 66 — 74), für die er die Leitung der Abtheilung für Erd-
kunde übernommen hatte. Er sollte nicht mehr dazu kommen; in der Nacht
vom 23. zum 24. Juli machte ein Herzschlag seinem Leben im Pfarrhause
zu Pouch bei Bitterfeld ein plötzliches Ende. Seit dem 7. Juli 1880 war P.
Petzold. Freiherr v. Sterneck. 2 8 7
mit Susanne Lange, Tochter des Dompredigers L. in Halberstadt, verheirathet,
die ihn überlebte.
Jahresbericht über die Stadt Oberrealschale zu Braunschweig, Ostern 1898, S. 21 bis
24, ivo auch ein genaues Verzeichniss der Schriften Petzold's gegeben ist.
P. Zimmermann.
Daublebsky von Stemeck zu Ehrenstein, Maximilian, Freiherr von,
k. u. k. Admiral, Marine-Kommandant und als solcher Chef der Marine-
Section des k. u. k. Reichskriegs-Ministeriums. St. entstammt der Kärnten'-
schen Linie des Hauses Sterneck zu Ehrenstein; ♦ am 14. Februar 1829 zu
Klagenfurt, als jüngster Sohn des im Jahre 1848 gestorbenen k. u. k. wirklichen
Oeheimen Rathes und Landeshauptmanns von Kärnten Josef St. aus dessen zwei-
ter Ehe mit Franziska Freiin von Kaiserstein, f zu Wien am 5. December 1897.
— Seine maritime Erziehung erhielt St. im Marine-Kollegium in Venedig, von
wo er nach vollendeten Studien im Jahre 1847 als provisorischer Marine-Kadet
in die k. u. k. Kriegs-Marine eingereiht wurde. Noch in demselben Jahre
wurde er auf der Fregatte Bellona eingeschifft. Am i. Mai 1848 wurde St.
zum ofßziersdienstthuenden Kadetten ernannt; von diesem Jahre an beginnt
die kriegsmaritime Thätigkeit St.'s, in der er, so oft sich eben bei den wechseln-
den politischen Verhältnissen Gelegenheit bot, bis zum Jahre 1866 verwendet
wurde. Im Jahre 1848 machte St. die Expedition gegen Ancona mit, wobei
er als Kommandant eines der drei den Dampfer Curtatone begleitenden mit
Geschützraketen bestückten Boote, durch sein consequentes, während der
Nacht unterhaltenes Feuer gegen die Batterien des Hafens wesentlich dazu
beitrug, dass diese den Curtatone in seinem AngrifFsmanöver nicht stören
konnten. Ancona fiel am 19. Juni. Diese erste Waffenthat St.'s, so wenig
bedeutend sie vom Standpunkte der Beurtheilung grosser Kämpfe und
bedeutender Streitkräfte war, zeigte doch schon den Charakter des Mannes,
der sich im Laufe der späteren Jahre wohl immer mehr entwickelte, in den
Hauptzügen aber stets das gleiche Merkmal behielt: Festigkeit bis zur Härte
in der Durchführung des gefassten Entschlusses, Rücksichtslosigkeit im Ge-
brauche der Mittel hierzu. Zur stetigen Ausbildung dieser die Bedeutung
eines Soldaten in hohem Maasse bestimmenden Charaktereigenschaften trug
nicht unwesendich die Dienstesverwendung während der bis zum Jahre 1859
dauernden Friedensjahre bei. St. war während dieser Zeit nahezu immer
eingeschifft: kein besseres Mittel giebt es wohl im Frieden fUr die Bildung
eines selbständigen, muthigen Charakters, eines klaren, durch keine Ueber-
raschung aus dem Gleichgewicht gerathenden Geistes. Während seiner Reisen
wurde St. im Jahre 1852 Fregattenfähnrich, drei Jahre darauf Schiffslieutenant,
am 24. November 1859 Corvetten- und ein halbes Jahr später Fregatten-
kapitän. Alle diese Rangstufen hatte St. in der damals in der Kriegs-
Marine gang und gäben Weise erstiegen. Erst das Jahr 1864 brachte ihm
eine Auszeichnung, indem er der Kommandant der Fregatte Schwarzenberg
wurde und so bereits damals Flaggenkapitän des nach dem Seetreffen von
Helgoland zum Contre-Admiral ernannten Wilhelm von Tegetthoff war. In
der Eigenschaft des Flaggenkapitäns des Escadrekommandanten verblieb St.
auch nach seiner Beförderung zum Linienschiffskapitän, die am 4. Mai 1866
erfolgte. Als solcher kommandirte er während des Krieges 1866 das Admiral-
schiff Tegetthoff's, den Panzer Erzherzog Ferdinand Max. In der am 20. Juli
bei Lissa zwischen der österreichischen und italienischen Flotte erfolgten
25*
388
Freiherr t. Stemeck.
Schlacht war es vornehmlich der Thätigkeit St.*s ab Flaggenkapitan zuzu-
schreiben, dass der Tag Air die kleine österreichiscbe Escadre in so mhz.-
voller Weise endete. Wie in jedem Kampfe hatten auch bei lissa beid;
Theile eine Reihe von Krisen durchzumachen, denen schliesslich die italienischer
Kräfte erlagen, während es der Geistesgegenwart, der Entschlossenheit ur.
zum nicht geringen Theile der Waghalsigkeit und dem Glucke der österrnch:-
schen Kommandanten und Mannschaften zuzuschreiben war, dass von ihntr
ein grosser Sieg errungen wurde. Zu Beginn der Schlacht wurde vom Escadre-
kommandanten der Befehl »Panzerschiffe den Feind anrennen und zum Sinke^.
bringen« ausgegeben; St. vollführte diesen Befehl in Kenntniss der gering.
Artilleriewirkung seines Schiffes, ohne sich vorher auf eine zeitraubende Bc>
schiessung der feindlichen Panzer einzulassen. Er wählte die zweite Schiis^-
Waffe, die »Ramme«, als die entscheidendere, allerdings auch viel sdiwercr
zu gebrauchende: denn um das zum Angrifltobjekt bestimmte feindliche
Schiff mit Aussicht auf Erfolg anzurennen, zu »rammen« und wcHnö^ich in
den Grund zu bohren, oder doch wenigstens kampfunfähig zu machen, mussie
das eigene Schiff möglichst senkrecht auf die feindliche Bordwand auftreffeiu
und dies mit der grössten Geschwindigkeit, deren das Schiff übeiiiau}*'
fähig war; eine weitere Schwierigkeit dieses taktischen Manövers ist es aber.
nach erfolgtem Rammen je eher je besser die verlorene Actionsfahigkeit wieder
zu gewinnen, um nicht von den Unglückställen, denen das feindliche Schif
infolge des Stosses ausgesetzt ist, in Mitleidenschaft gezogen zu werden, ir.
welch hohem Grade die Kühnheit und das Gefühl der Verantwortlichkeit de<
Schiffskommandanten fiir ein solches Manöver in Frage konmien, ertieih
überdies aus dem einfachen Umstände, dass selbst bei ^ücklicher Ausführung
das eigene Schiff schwere Havarien erleiden kann, die es kampfunfähig
machen; es hat dann die Schwächung des Gegners mit dem eigenen Tode
bezahlt. Allerdings ist nicht zu leugnen, dass in solchen, über den Ausgang
eines Kampfes und den damit verbundenen Folgeerscheinungen entscheidenden
Augenblicken das Gefühl der Verantwortlichkeit hinter jenem einer oft waghal-
sigen Entschlossenheit zurücktritt, oder dass sich hinter jenem Gefühle der
Selbsterhaltungstrieb geltend macht. St. war der Mann, der vor der Wahl
des gefahr%'o]lsten, weil den entscheidenden Erfolg am ehesten herbeiführen-
den, Mittels nicht zurückschrak. Kurz nach erhaltenem Befehl, den Feind
anzurennen, steuerte St. sofort gegen ein feindliches Panzerscfaifl^ das er zvar
vorne rammte, jedoch in schiefer Richtung: der hierdurcfa abgeschwächte
Stoss vermochte dem feindhchen Schiffe — es war, wie sich nach der Schlacht
herausstellte, der R^ d'Italia — wohl einige Havarien beizubringen, ohne es aber
kampfunfähig zu machen. Kaum hatte sich der Ferdinand Max von diesem
feindlichen Panzer losgemacht, als der Befehl des Contreadmiral v. Tegetboff
erfolgte: ^Holzdi\ision unterstützen c. St. nunmte in Ausführung dieses Be-
fehls ein zweites Panzerschiff, diesmal achter an Steuai>ord. Der Stoss war
besser gelungen, als der erste. Der Palestro, dies war der feindliche Panzer,
verlor mehrere Panzerplatten, seine Kreuzmarsstange und Besahngaffel;
letztere mit einer Trikolore stürzte auf das Vorderkastell des Ferdinand Max
wo sie festiiebunden als Trophäe zurückbheb, nachdem sich die beiden
Schirre getrennt hatten. Seit Beginn des Kampfes war hauptsächlich der
Re d lt.ilia d.is zuerst von St. gerammte Schifft den man österreichischaseits
tur ii.is fcintiiiche Admiralsschiff hielt, dos Ziel der .\ngTiflfe der osterrcichischeD
Panzerdivision. Die Freijatte Re d Iiolio, von der sich Admiral Graf Pcrsano,
Freiherr v. Stemeck.
389
der italienische Escadrekommandant, vor Beginn der Schlacht auf den Affon-
datore begeben hatte, hatte auch infolge dieser fortgesetzten Angriffe sehr
gelitten. Der erste Stoss St.*s und das Feuer der sie umgebenden anderen
drei österreichischen Panzerschiffe hatten ihr Steuerruder unbrauchbar ge-
macht und sie zugleich von den übrigen italienischen Panzern isolirt. Die
Fregatte wehrte sich gegen die vier sie umgebenden Panzer, indem sie volle
Breitseiten nach beiden Seiten abfeuerte und die ganze Equipage auf Deck
berief, um eine Enterung abzuweisen. Während so der R^ d'ItaJia steuerlos
auf und nieder trieb, kreuzte er den Kurs der Ferdinand Max. St. sah dies
von der halben Höhe der Besahnwanten. Rasch folgten die Kommandos
zum Rammen. Noch einmal versuchte die feindliche Fregatte dem heran-
nahenden Stosse auszuweichen, indem sie die einzige ihr noch zu Gebote
stehende Bewegung (die vor- bez. rückwärts) ausführte, doch es war bereits
zu spät. In demselben Momente, als die feindliche Fregatte aus der eben
angetretenen Vorwärtsbewegung gegen die sich ihr ein österreichisches Schiff
vorgelegt hatte, in jene nach rückwärts übergehen wollte, also zur Zeit, da
sie sozusagen still stand, traf der Ferdinand Max unter lautem Getöse ihre
Backbordseite, bohrte sich tief ein. Panzer, Fütterung, Planken und Rippen
\tfaren zerschmettert. Wie der Stoss, so war auch das darauf folgende Los-
trennen vom gerammten Schiffe vollends gelungen.
Der Sporn, der sich 67j Fuss in die feindliche Planke eingebohrt
hatte, löste sich bald aus dem feindlichen Schifi&körper, der in weniger
als 2 7j Minuten versank. Noch einmal hatte St. in dieser Schlacht Gelegen-
heit, seine Manövrirkunst, diesmal nicht zur Führung des Stosses, sondern
um ihm auszuweichen, in glänzendem Lichte zu zeigen. Als die Vor-
kehrungen zur Rettung der Mannschaft des R6 d'Italia getroffen wurden,
versuchte der feindliche Panzer Ancona das kaiserliche Admiralschiff zu
rammen. St. gelang es, dem Stosse auszuweichen; wie blitzartig das Er-
kennen der Gefahr, das Ertheilen der Befehle, um ihr auszuweichen, und
deren Durchführung einander folgten zeigt am besten der Umstand, dass die
beiden Schiffe so dicht Bord an Bord aneinander vorbeiglitten, dass die Be-
dienungsmannschaft der Backbordbatterie des Ferdinand Max die Setzer in
die Geschützmündungen nicht einführen konnte. Das Verdienst St.'s an dem
Gelingen des Kampfes wurde durch Verleihung des Ritterkreuzes des militäri-
schen Maria-Theresienordens anerkannt. St.*s kriegerische Thätigkeit bei Lissa
war die letzte seines Lebens. Als Schiffskommandant war St. in der Schlacht
lediglich in der Lage, seine hervorragenden taktischen Fähigkeiten zur
Geltung zu bringen. Damals war der Kampf zwischen den beiden Waffen
des Schiffes, der Ramme und dem Artilleriefeuer, (jetzt zählt man hierzu noch
eine dritte: das Torpedo) noch nicht zu jener Schärfe gediehen, wie zwei
Decennien später; immerhin aber gab es genug Stimmen, die bereits damals
die Bedeutung der Ramme als Schiffswaffe jener des Artilleriefeuers unter-
ordneten. St. erkannte aber, dass das Artilleriefeuer bisher noch nicht bis zu
dieser Prädsion und Schnelligkeit gediehen sei, und dass daher zur Erzielung
eines raschen und entscheidenden Erfolges die Ramme noch immer die
vorzuziehende, wenn auch gefahrlichere Waffe war. Seine Auffassung trug
den Sieg davon. Die Persönlichkeit des Kapitäns hatte sich bis zu diesem
Zeitpunkt zu jenem typischen Bilde von Kraft, Unbeugsamkeit und Härte,
von Klarheit des Verstandes und natürlicher, gesunder Logik entwickelt, das
ihm bis zu seinem Tode treu blieb; allerdings war es unvermeidlich, dass die
Schattenseiten eines solchen Charakters in langer Friedenszeit scharfer n
Tage treten als es in kriegerischer Arbeit der Fall gewesen wäre.
Die lange, dem Feldzuge von Lissa folgende Friedensepocbe war \:'
Anfang an vorwiegend der organisatorischen Umgestaltung unserer Flotte
gewidmet. Der erste auf den Aufbau der Flotte und der damit in Ver-
bindung stehenden Küstenvertheidigungsmaassnahmen bezugncfamaide Ki-
rührte vom Contre - Admiral von Tegetthoff her. Nach demselben sollte ir
erster Linie die Vertheidigungskraft der adriatischen Küste gesteigert werdr:.
und zwar sowohl durch den Neubau von Befestigungen wie auch durch der
der Flotte, damit diese, activ vorgehend, die Vertheidigung untostützen kör^e
femer aber hatte W. v. TegetthoflF die Vergrösserung der Flotte, um sie auc:
zu einer strategischen Offensive zu befähigen, in's Auge gefasst: ausser
der zur Küstenvertheidigung nöthigen Elscadre sollte auch eine Flotte ge-
schaffen werden, die in allen Theilen des Mittelländischen Meeres, eventuel
auch ausserhalb desselben, thätig werden konnte. Dieser Grundgedanke eüies
Flottenplanes blieb durch alle folgenden Jahre bis auf den heutigen Tag de:
leitende Gesichtspunkt für die Arbeiten aller sich im Laufe der Zeit folgen-
den Marinekommandanten; seine Verwirklichung schreitet wohl vorwärts, aber
so langsam, dass die rascher sich entwickelnden Zeitideen uns stets um dz
gutes Stück Weges voraus sind.
An der Thätigkeit v. Tegetthoff' s nach dem Kriege nahm St. regen An-
theil. Er wurde Militärhafenkommandant in Pola und wirkte in dieser
Stellung, sowie als Leiter sämmtlicher Schulschiffe vorwiegend dadurch, dass
er die Ausbildung von Officieren und Mannschaft auf neue den gegenwärtigen
Anforderungen entsprechenden Grundlagen stellte. Nachdem St im Jahre
187 1 von der Fahrt, die er nach Nowaja Semlja mit dem Grafen Hans
Wilczek unternommen hatte, um dem Nordpolfahrer Weyprecht Lebensmittel
zuzuführen, zurückgekehrt war, wurde er zum Contre-Adüniral ernannt. Ah
solcher wurde er Escadrekommandant und im Jahre 1873 in die spanischer.
Gewässer entsandt, um bei den bestehenden Wirren die Interessen der
Monarchie zu wahren. Im Jahre 1883 wurde St. Viceadmiral und Chef der
Marinesection des Reichskriegsministeriums und Marinekommandant. Eis war
nunmehr für ihn die Zeit gekommen, an die Ausgestaltung und Realisirung
der Tegetthoff'schen Pläne zu schreiten. Seit Tegetthoff hatte eine Schifis-
waffe, das Torpedo, immer mehr die Aufmerksamkeit der Fachmäimer auf
sich gezogen, und zum grossen Theile die Ansichten über den Schifiskampf
und die Seetaktik von Grund auf umgeändert, zum anderen Theile auch für
die grosse Seekriegführung, sowohl für die Defensive, also vornehmlich
die Küstenvertheidigung, wie auch für die Offensive, neue Gesichtspunkte
geschaffen. Ein Plan, nach dem unter diesen geänderten Verhältnissen die
Monarchie ihren Interessen, sowie ihrem Ansehen als Grossmacht gerecht
werden konnte, wurde von St. bald nach Uebemahme der Geschäfte dem
Kaiser überreicht. In erster Linie war es die Ausgestaltung der Küsten-
vertheidigung, die in Betracht kam, und zwar sowohl, was deren defensive
Streitkräfte, d. i. Befestigung der Küste, als auch deren offensive Kampfinittei
anbelangt, d. i. eine Escadre, die frei sich längs der ganzen Küste bewegen
kann, um immer dort rechtzeitig zu erscheinen, wo sie Angriffe oder Lan-
dungsversuche der Gegner abweisen soll; weiter dachte aber St. daran, eine
Flotte zu schaffen, die unabhängig von den Küsten der Monarchie und den
Vorgängen, die sich im Bereiche derselben abspielen, die feindliche Flotte
Freiherr v, Sterneck. 301
überall im mittelländischen Meere aufsuchen und angreifen könne und die
natürlich ebenso in der Lage sei, dorthin, wo es das wirthschaftliche Interesse
oiier das blosse Ansehen der Monarchie erfordere die nöthige Zahl Schifife
zu schaffen. Bei der praktischen Durchführung dieses Planes war es nöthig
die Befestigungen der Küste zu vervollständigen, eine Torpedoflottille zu
schaffen, und den Um- sowie Neubau der vorhandenen Flotte nach Kraft
undi Zeit so durchzuführen, dass sie ihrer defensiv- sowie offensiv-strategischen
Aufgabe gerecht werden könne. Es war jedoch der nahezu 18 jährigen
Thätigkeit St.'s nicht gegönnt, die Durchführung seiner Ideen, ja auch nur
einen bedeutenden Fortschritt in derselben zu erleben. Die misslichen
budgetären Verhältnisse der Monarchie traten stets den Wünschen der Marine-
Leitung entgegen; nur die bescheidensten derselben gingen in Erfüllung.
Um so unumschränkter Hess St. seinem reformatorischen Drange und seinem
natürlichen Verlangen nach tüchtiger, anstrengender Arbeit in der inneren
Ver^raltung der Marine freien Lauf. Er führte die jährlichen Flottenmanöver
ein, die allein geeignet sind, die höheren Kommandanten in der Führung
von Schiff oder Escadre, wie sie in der Schlacht oder während des Krieges
überhaupt nöthig ist, zu schulen. In der Erkenntniss, dass einem Mangel
an Zahl in erster Linie durch eine höhere Leistungsfähigkeit und Tüchtigkeit
des Personals abgeholfen werden könnte, sorgte St. dafür, dass Offider und
Mann auf Schul-, wie auf Missionsschiffen eine gründliche seemännische und
taktische Ausbildung erhielten. In rascher Folge schuf er zum Theil in
Ausgestaltung der noch in früherer Zeit von ihm als Häfenkommandanten
in Pola begonnenen Einrichtungen: Marineschulen verschiedener Kategorie,
ferner Arbeiterhäuser, Wohnhäuser für Unteroffiziere u. s. w. Im Jahre 1888
wurde St. zum Admiral ernannt und hatte somit die höchste Stufe seiner
militärischen Carriere erreicht. Im Jahre 1896 vermählte er sich mit seiner
Nichte. Ein Jahr darauf, am 5. December, starb er in Folge einer Herz-
lähmung.
Wenn es auch zum grossen Theile dem geistesgegenwärtigen, entschlossenen
Vorgehen St.'s in der Schlacht von Lissa zuzuschreiben war, dass die italienische
Flotte an diesem Tage vollständig geschlagen wurde, und so hoch auch in Folge
dieser bewiesenen kriegerischen Tüchtigkeit die Bedeutung St.'s als Taktiker auf
dem seemännischen Gebiete hochgeschätzt werden muss, so tritt sie gegenüber
seiner langjährigen Friedensthätigkeit, die sich vornehmlich auf dem organi-
satorischen Gebiete zeigte, zurück. Es muss auffallen, dass bei der Beur-
theilung eines Mannes, der die höchste militär-maritime Stellung der Monar-
chie inne hatte, und daher in einem Kriegsfalle berufen gewesen wäre, die
gesammte k. u. k. Flotte zu kommandiren, von seiner strategischen Bedeu-
tung, d. i. jener den grossen Seekrieg zu führen, nichts eingehenderes gesagt
wurde; dieser Umstand rechtfertigt sich dadurch, dass sich die Thätigkeit D.'s
bei Lissa lediglich auf die Führung eines Schiffes beschränkte, also nur vom
taktischen Standpunkte beurtheilt werden kann, und dass in der Führung
von Flotten oder Escadren das Schicksal ihm keine kriegerische und auch
nur eine (mit den politischen und wirthschaftlichen Verhältnissen der Monar-
chie zusammenhängende) nur wenig umfangreiche Friedensthätigkeit gönnte.
Quellen: J. Lukes, Militärischer Maria Theresien - Orden. Wien 1890. Wurzbach*
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterrcich. 1878.
K. Wollanka.
-JQ2 Freiherr v. Catty.
Catty, Adolf Freiherr von, k. u. k. Feldzeugmeister und vor seinem
Rücktritte aus dem activen Dienste Commandant des 5. Corps und comman-
dirender General in Pressburg, ♦ als Sohn eines Hauptmanns zu Gross-Enzers-
dorf in Niederösterreich am 23. October 1823, f in Wien am 9. Mai 1S97. —
Er trat im Jahre 1835 ^^ ^*^ theresianische Militär-Akademie in Wr. Neustadt
ein, die er nach siebenjähriger Militär-Erziehung als Lieutenant im Infanterie-
Regiment Hoch- und Deutschmeister Nr. 4 verliess. Im Jahre 1848 wurde er
zum Oberlieutenant befördert und in das Generalquartiermeister -Amt ein-
getheilt. C. war es vergönnt, von früh auf die Bethätigung seiner militärischen
Eigenschaften in ernster, kriegerischer Beschäftigung zu finden. Die Kriegs-
jahre 1848 und 1849 machte er bei der Armee in Ungarn mit. Das tüchtige
Verhalten C.'s bei den sich abspielenden Affairen, wie in den Gefechten vor.
Nowosielica am 20. und 21. März und Munkäcs am 22. April und endlich in der
Schlacht von Komom am 11. Juli 1849 ^'^g ^^™ ^^ Anerkennung die Ver-
leihung des Militärverdienstkreuzes ein. Im Jahre 1859 war C. Oberstlieutenani
im Generalstabe und Chef des 3. Armee-Corps. Die verdienstvolle Thätigkcit
C.'s während der beiden Abschnitte dieses Feldzuges fand nach der Schlacht
von Magenta ihre Anerkennung durch Verleihung des Ritterkreuzes des
Leopold-Ordens, während ihm nach der Schlacht von Solferino der Orden
der Eisernen Krone 3. Klasse und wenige Monate darauf ebenfalls in Wür-
digung der in der genannten Schlacht bewiesenen Tüchtigkeit die höchste
militärische Auszeichnung, das Ritterkreuz des Maria-Theresia-Ordens zuer-
kannt wurde. Mit der Verleihung dieses Ordens war statutengemäss die Er-
hebung in den Adelstand verbunden. Die Waffen that C.'s bei Solferino ver-
dient als Zeichen der hohen militärischen Befähigung dieses Mannes, sowie
seines kühnen, entschlossenen Charakters kurz geschildert zu werden. Es
war in den Vormittagsstunden des 24. Juni, als das 3. Armee-Corps, das rechts
von dem den linken Flügel der österreichischen Sohlachtlinie bildenden
9. Corps focht, alle seine Kräfte verausgabt hatte. Links der Strasse Gui-
dizzolo-Castiglione hatte sich die Division FML. Habermann des Corps ent-
wickelt, während rechts von ihr FML. Schönberger mit der zweiten Division
des Corps im Kampfe gegen den die Linie Quagliara^Casa nuova-Rebecco und
Morino haltenden Gegner stand. Ohne jede Reserve konnte das Commando
des 3. Corps keine andere Absicht haben, als sich in der ihm zugewiesenen
Aufstellung ä cheval der Strasse so lange zu behaupten, bis das 11. Corps,
das als Reserve heranrückte, zur Stelle wäre. C. war die Schlachtlinie seines
Corps vom rechten Flügel an, bei dem die Verhältnisse günstiger waren, als bei
den anderen Theilen des Corps, abreitend eben im Begriffe, die Strasse zu über-
setzen und die Situation dem Commandanten Fürsten Schwarzenberg zu
melden, als das knapp links der Strasse gegen Casa nuova vorgehende zweite
Bataillon Hessen-Infanterie vom Feinde zurückgeworfen wurde. Die Schlappe
war so gross, dass die Eroberung mehrerer Geschütze seitens des heftig nach-
drängenden Gegners nicht verhindert werden konnte und dass die Gefahr
nahe lag, der Feind könne, seinen plötzlich errungenen Vortheil energisch
verfolgend, die Mitte des Corps vollends durchbrechen. C. erkannte die
kritische Situation; notwendig war rasche Hilfe, wenn auch mit noch so
wenig Kräften, da dem plötzlichen Gegenangriffe der siegreiche, blind ver-
folgende Gegner am ehesten weichen musste. C. stellte sich daher, ohne
einen höheren Befehl einzuholen, an die Spitze der zunächst befindlichen in-
takten Truppe, es war eine Division Belgien-Infanterie, führte sie links der
Freiherr v. Catty. Engerth. ^03
Strasse vor und warf im Verein mit den sich um diese Division sammelnden,
durch den vehementen Angriff der Franzosen zersplitterten Truppen, die
Feinde wieder nach Casa nuova zurück, wobei diese die eroberten Geschütze
im Stiche lassen mussten. Durch diese Waffen that C.'s war die Schlacht im
Centrum wieder hergestellt und dadurch zugleich einer Katastrophe vorgebeugt.
Im Kriege 1866 gegen Preussen war Oberst C. Generalstabschef des Erz-
herzogs Ernst, der das 3. Corps commandirte. In rascher Folge erstieg C.
während der nun folgenden Friedensjahre die Stufenleiter der militärischen
Würden. Im Jahre 1874 finden wir ihn als Stellvertreter des Chefs des
Generalstabes, von welcher Stellung er auf eigene Bitte im Jahre 1876 ent-
hoben wurde. Bis zu seinem im Jahre 1889 erfolgten Rücktritte vom activen
Dienste war C. zuerst Divisions- und dann Corps-Commandant in Pressburg.
Den im Kriege erworbenen hohen Auszeichnungen gesellten sich nun während
der der Erziehung des Soldaten zu seinem schweren Berufe gewidmeten
Friedensjahre in rascher Folge ehrenvolle Anerkennungen des Kriegsherrn bei.
C. wurde 1882 Geheimer Rath, bald darauf Oberst-Inhaber des Infanterie-
Regiments No. 102 und ein Jahr darauf Feldzeugmeister und lebenslängliches
Herrenhausmitglied, in welcher Körperschaft er sich der Mittelpartei anschloss.
Nach seinem Rücktritte vom activen Dienste, wobei sich aber der Kaiser
die Wiederverwendung C.'s vorbehielt, wählte dieser Wien zu seinem ständigen
Aufenthalte, wo er am 9. Mai 1897 starb.
Quellen: J. Lukes, Militärischer Maria Theresien-Orden. Wien 1890.
K. Wollanka.
Engerth, Eduard, Ritter von, Maler und Galeriedirektor in Wien, * am
13. Mai 181 8 zu Pless in Preussisch-Schlesien , f am 29. Juli 1897 auf dem
Semmering, war der Sohn eines in Pless ansässigen Malers, wanderte in
früher Jugend nach Gestenreich aus und bezog im December 1837 die
Wiener Akademie. Hier wurden Führich und Kupelwieser seine Lehrer.
Schon 1844 erhielt er fiir sein Gemälde »Josefs Traumdeutung« die goldene
Staatsmedaille. 1846 malte er im Auftrage Erzherzog Carls »Die Kaiser-
krönung Rudolfs von Habsburg«. Im folgenden Jahre ging er mit einem
kaiserlichen Reisestipendium auf 6 Jahre nach Italien. In Rom verkehrte
er viel bei Cornelius; auch trat er damals in freundschaftliche Beziehungen zu
Victor von Scheffel, dessen Bildniss er in einer Bleistiftzeichnung festhielt.
Diese Zeichnung ist später von Th. Hrncir radirt worden. Das Hauptwerk
seiner römischen Zeit, und wohl auch das seines Lebens, ist das grosse Bild,
das sich heute in der kaiserlichen Gemäldegalerie zu Wien befindet: «Helene,
die Gemahlin Manfreds, wird mit ihren Kindern von den Kriegern Karls
von Anjou gefangen genommen« (gemalt 1851 bis 1853). Es erregte
sowohl bei seinem ersten Erscheinen in Rom, als auch bei einer Rund-
reise durch Europa das grösste Aufsehen und machte bald den Namen des
jungen Künstlers bekannt, ja berühmt. Es ist heute schwer, dieses Aufsehen
zu begreifen, uns erscheint schon der Gegenstand für ein grosses Gemälde
allzu anekdotenhaft, das hohle Pathos mit den rollenden Augen und den
theatralischen Gebärden stösst uns ab, und auch in der an sich trefflichen
Malerei finden wir wenig feinen künstlerischen Geschmack. Das Ganze wirkt
auf uns nicht viel anders, als die vielen Kunstvereinsblätter aus jener Zeit,
wo Kaulbach, Lessing und Piloty das künsderische Leben Deutschlands fast
394 ^* Engerth.
völlig beherrschten. Damals bewunderte man aber daran den lebendigen
Ausdruck und ganz besonders den Naturalismus in der Malerei der historischen
Kostüme und des Beiwerks. Merkwürdig ist das Urtheil des alten Cornelius,
der an E.'s Gemälde die Komposition gut, die Darstellung ergreifend, die
Malerei aber schlecht fand, wegen des Uebermaasses an Naturalistik und
Glanz der Farbe, die nach seiner Meinung die Wirkung der Zeichnung zu
nichte machten. Wie sehr haben sich doch seit jener Zeit die Begriffe von
Naturalistik der Farbe geändert; was würde Cornelius zu unsem heutigen
NaturaHsten sagen!
Diesem Erfolge hatte es E. zu danken, dass man ihn Ende 1853 als
Direktor der Akademie nach Prag berief, wo er der Nachfolger Christian
Ruben's wurde. In der folgenden Zeit wirkte er dann an der Ausschmückung
der Altlerchenfelder Kirche zu Wien mit. Das linke Seitenschiff dieser Kirche
malte er nach eigenen Entwürfen, das Presbyterium nach Kompositionen
seines Lehrers Führich aus. Daneben schuf er eine grössere Zahl von Bild-
nissen böhmischer Adeliger, im Jahre 1861 auch das Bildniss des Kaisers
Franz Joseph im Toisonordensomate, ein ziemlich langweiliges Ceremonien-
bild (jetzt im Landtagssaale zu Prag). In den Jahren 1860 bis 1865 ent-
stand das grosse, 28 Fuss lange Gemälde: »Prinz Eugen übersendet die
Botschaft des Sieges bei Zenta an den Kaiser« (jetzt im kgl. Schlosse zu
Ofen). 1865 wurde E. als Professor an die Akademie der bildenden Künste zu
Wien berufen. Hier fiel ihm die ehrenvolle Aufgabe zu, neben Schwind an
der Ausschmückung des neuen Opernhauses mit Fresken mitzuarbeiten. Für
die sogenannte Kaisertreppe entwarf er zwölf Darstellungen aus der Orpheus-
sage; sie verrathen einigen dekorativen Geschmack, sind aber im Ganzen
etwas langweilig und süsslich. Besser sind die sieben Scenen aus der Hoch-
zeit des Figaro, mit denen er den Kaisersaal des Opernhauses zierte. Sie
zeugen von dem Einflüsse Schwinds, haben Humor und fallen nur selten ins
Theatralische. Den Vergleich mit Schwinds köstlichen Schöpfungen vermögen
sie freilich nicht auszuhalten. Im Jahre 1867 malte E. noch die »Krönungs-
feierlichkeiten Ihrer Majestäten in Ofen«, ein Gemälde, das sich gegen-
wärtig im kgl. Schlosse zu Ofen befindet. Seitdem hat er ausser einigen
Bildnissen, worunter wir das seines Lehrers Führich hervorheben, nur wenig
mehr gemalt.
Von nun an beschränkte er seine künstlerische Wirksamkeit fast ausschliess-
lich auf seine Lehrthätigkeit an der Akademie der bildenden Künste. Unter
seinen Schülern heben wir Karger, Charlemont und Rumpier hervor. In den
Jahren 1874 — 1876 war er Rektor dieser Anstalt, erst 1877 trat er als Professor
in den Ruhestand. Daneben bekleidete er verschiedene Ehrenstellen. 1866
wurde er Vorstand der Wiener Künstlergenossenschaft, 1867 Kurator des
österreichischen Museums für Kunst und Industrie, 1869 Ehrenmitglied der
Münchener Künstlergenossenschaft; auch betheiligte er sich an der Jury der
Pariser Ausstellung (1867) und an der der Wiener Weltausstellung (1873).
In den letzten Jahren seines Lebens nahm ihn ein Amt, das ausserhalb des
eigentlichen Kreises seiner künstlerischen Wirksamkeit liegt, stark in Anspruch.
Seit 1871 war er Direktor der kaiserl. Gemäldegalerie im Belvedere. Von sei-
ner Thätigkeit als solcher zeugt das dreibändige »Beschreibende Verzeichniss.
der ihm anvertrauten Galerie, das in den Jahren 1882 bis 1886 erschienen
ist. Diese Arbeit hat ihre grossen Fehler, sie ist weitschweifig und langathmig,
im Einzelnen aber, besonders in der Angabe der Provenienz und der Re-
V. Engertb. Schönn. -iqc
Produktionen der einzelnen Gemälde, nicht ganz verlässlich; auch gebrach es
E. an Kritik und Kennerschaft, so dass er sich bei Sachverständigen, wie
z. B. Crowe und Cavalcaselle, Raths erholen musste; dass die letztgenannten
nicht immer Recht behalten haben, ist freilich nicht E.'s Schuld. Uebrigens
steckt sonst viel Fleiss und Sorgfalt in diesem Verzeichnisse, und man kann
es als eine verdienstiiche und nützliche Vorarbeit zu einem zu erwartenden
kritischen Kataloge der Wiener Gemäldesammlung betrachten. Wenig Glück
hatte £. mit der Neuaufstellung der Galerie, die er 1891 aus Anlass der
Uebersiedlung der Sammlung in das neuerbaute prunkvolle kunsthistorische
Hofmuseum durchführte. Der alte Herr hatte die ganze Neuordnung auf
dem Papier ausgemessen und ausgerechnet und danach die Bilder in den
Räumen vertheilt. Als aber das Museum eröfihet worden war, wurden bald
von allen Seiten Klagen über die Aufstellung laut, und man musste sich
dazu entschliessen , die Bilder ganz neu zu hängen. Noch vor dieser Neu-
aufstellung trat £. aus Gesundheitsrücksichten in den Ruhestand. Den Rest
seines Lebens verbrachte er in Zurückgezogenheit.
A. SchäfTer, Die kaiserliche Gemälde - Galerie in Wien. Moderne Meister. 1893 ff.
S. 28. — C. Karger, Erinnerungen an E. v. E., Neue Freie Presse, 12. August 1897. —
Wiener Zeitung, 29. Juli 1897. — Zeitschrift für bildende Kunst III. 1868 S. 5: Engerths
Fresken aus Figaros Hochzeit (B).
Gustav Glück.
Schönn, AloiSy Maler, »zu Wien am 11. März 1826, f zu Krumpendorf
am Wörthersee in Kämthen am 16. September 1897, war der Sohn des
k. k. Oberamtscontrolors Johann S. und seiner Gattin Anna, geb. Hauffer,
genoss im Hause seiner Eltern eine sorgfältige Erziehung und kam im Herbst
1845 ^^ ^^^ Wiener Akademie, wo er länger als zwei Jahre verblieb und be-
sonders bei Führich studirte. Als im Winter 1848 die Akademie in Folge
der Revolution geschlossen wurde, ging der junge S. zur Vertheidigung Tirols
an die italienische Grenze. Der kleine Feldzug, den er hier mitmachte, bot
ihm reiche künstlerische Anregung, bestärkte seine Neigung zur Schlachten-
malerei und gab ihm die Vorwürfe zu seinen ersten Bildern. Bald nach
seiner Rückkehr malte er den »Rückzug aus dem Gefechte von Ponte Te-
desco«, ein Gemälde, das der Verein für bildende Kunst um eine stattliche
Summe erwarb, und »Die Erstürmung des verschanzten Lagers von Lodrone«,
die vom Kaiser für die Belvedere- Galerie angekauft wurde. Diese Erfolge
bewogen ihn, auch den Kriegsschauplatz in Ungarn aufzusuchen, wo er sich
neue Vorwürfe zu seinen Schlachtenbildem holen wollte. Hier war er jedoch
weniger glücklich: er wurde bei Komom von den Aufständischen gefangen
genommen und als Spion zum Tode verurtheilt; nur das Einrücken der kai-
serlichen Truppen rettete ihm das Leben. Aus Erinnerungen und Studien,
die er von dieser Reise mitbrachte, entstand das Bild: »Eine ungarische
Familie kehrt nach Beendigung des Krieges in die Heimath zurück«. Im
Jahre 1850 begab sich S, nach Paris, wo er bis 1851 blieb, ein Aufent-
halt, der sicherHch für sein ferneres Schaffen von grösster Bedeutung war.
Wie er selbst angab, hat er dort am meisten von Horace Vernet gelernt;
die grossen Schlachtendarstellungen dieses damals sehr gefeierten Meisters
müssen den jungen Künstler stark angezogen haben. Freilich hat er gerade
seit seiner Pariser Reise fast gar keine Schlachtenbilder mehr gemalt. Wich-
tiger ist aber für S.'s Laufbahn etwas anderes geworden, was er Vernet ver-
■2 06 Schönn.
dankt, nämlich seine grosse Vorliebe für den Orient, der er zeitlebens treu
geblieben ist. Vemet hatte den Aufsehen erregenden Versuch gemacht, seine
biblischen Darstellungen in das Gewand von Scenen aus dem wirklichen Orient
zu kleiden; solche Bilder mögen wohl in S. den Wunsch erweckt haben, den
Orient aus eigener Anschauung kennen zu lernen und zu schüdem. Die
Orientmalerei war ja auch damals in Paris nichts neues mehr; früher als
Vemet hatte der geniale Alexander Decamps den Orient und das Leben des
Orients mit den Augen eines grossen Malers angesehen und mit den glühend-
sten Farben geschildert. Hätte S. nicht selbst gesagt, dass er in Paris am
meisten von Vemet beeinflusst worden sei, so müssten wir glauben, dass ihm
Decamps viel mehr gewesen sei, als der malerisch weit weniger begabte
Vemet. In der That stossen wir in S.'s Bildern, selbst in denen seines Al-
ters, immer und immer wieder auf Decamps' Einfluss: von niemand anderm
hat S. den feinen Geschmack, der sich in der Wahl oft unscheinbarer, male-
risch aber höchst wirksamer Motive zeigt, wie es z. B. Ansichten von ver-
fallenem Gemäuer, schmutzigen Höfen und Innenräumen, elenden Werkstätten
und dergl. sind; auch die breite, kräftige Malweise und die etwas tiefe Fär-
bung der Bilder S.'s erinnert sehr an Decamps* Art.
Wie dem auch sei, es ist ohne Zweifel S.'s eigenes Verdienst, dass er
zuerst den Orient in die österreichische Malerei eingeführt hat, etwa wie es
Decamps für die französische und Wilhelm Gentz für die deutsche Malerei
gethan haben. S. ist in Oesterreich der erste wirkliche Orientmaler; \-iel
später erst sind ihm auf diesem Gebiete österreichische Maler wie Leopold
C. Müller und C. Huber gefolgt. Schon 1852 hat S. seine erste Reise in
den Orient unternommen und seither fast den ganzen Orient auf wiederholten
Reisen kennen gelernt und studirt: Syrien, Aegypten, Nubien, der Sudan,
Tunis, die Türkei und die Balkanländer haben ihm Stoffe zu seinen Bildern
geliefert. Er liebte den Süden ; nicht nur die sonnige, heitere Landschaft zog
ihn an, sondern noch viel mehr das südlich lebendige, fluthende Treiben des
Volkes bei Versammlungen, Festen, Märkten, Weinlesen, Theatervorstellun-
gen u. s. w. Einige Titel solcher BUder mögen hier angefUhrt werden, weil
sie uns am besten die Gegenstände seiner Schilderungen aus dem Orient vor
Augen führen können: »Märchen -Erzähler«, »Türkisches Caf^«, »Der tür-
kische Bazar« (jetzt in der Akademie der bildenden Künste zu Wien),
»Pferdemarkt in Tunis«, »Der orientalische Obstmarkt«, »Der Wüsten-
brunnen«, »Türkische Weinlese« u. a. m. Aber nicht nur den Orient hat er
malerisch dargestellt, sondern er fand auch Gegenstände für seine Gemälde
überall, wo er noch ursprüngliche Volksbräuche und -sitten beobachten konnte:
in Ungarn, Siebenbürgen, Galizien, Bosnien, Dalmatien, in Italien, wovon er
besonders Rom, Capri, Palermo, Taormina und Chioggia liebte, endlich in
Kärnthen und selbst in Wien. Seine Entwicklung war etwa der Pettenkofens
parallel gegangen; wie dieser, ist er vom Schlachtendarsteller zum Maler des
Volkslebens geworden. Am meisten Erfolg hatte er mit seinen Bildern aus
Italien: das Gemälde »An der genuesischen Küste« wurde 1872 für die
Belvedere- Galerie angekauft, das »Volkstheater in Chioggia« brachte ihm
1874 in Berlin die goldene Medaille, das »Volksfest an der Riviera« 1878
in Paris das Ritterkreuz der Ehrenlegion, die »Römischen Winzer« 1883 >"
Wien die Karl -Ludwigs -Medaille. Ein weiteres Feld, worin S. seine feine
Beobachtungsgabe verwerthen konnte, bot ihm die Schilderung des Lebens
der Wallachen, Zigeuner und galizischen Juden. Dahin gehören die Bilder:
Schönn. Meyer. ^97
»Die drei Zigeuner«, »Vorhof einer Synagoge«, »Judenverfolgung«, »Gänse-
markt in Krakau« u. s. w. Am Ende seines Lebens, wo ihm Reisen an-
fingen, beschwerlich zu werden, hat er sich auf die Schilderung des Wiener
Volkslebens geworfen; davon zeugen die Gemälde: »Abschied auf dem Süd-
bahnhofe zu Wien«, »Auf der Freyung« und »Am Schanzl« (die beiden
letztgenannten im Besitze der Stadt Wien). Das letzte Bild, das er gemalt
hat, ist das »Kirchweihfest in Luzia in Kämthen«.
S. nimmt unter den österreichischen Malern der zweiten Hälfte unseres
Jahrhunderts eine hervorragende Stellung ein. Seine künstlerische Persönlich-
keit zeichnet sich nicht so sehr durch auffallende Originalität oder feuriges
Temperament aus, als viel mehr durch Ernst, Ruhe, Tüchtigkeit, Ehrlichkeit
und Fleiss. Diese Eigenschaften haben aus ihm einen vorzüglichen Maler ge-
macht. Die Färbung seiner Bilder war Anfangs schwer und kühl und durch
bleierne graue Schatten entstellt; später wird sie Dank seinem Studium italie-
nischer Luft und Landschaft harmonischer, tiefer und wärmer. Seine Mal-
weise ist immer breit und kräftig und verfällt nie ins Glatte und Kleinliche.
Dadurch nähert er sich etwas den Modernen, ohne freilich weit über die
Tradition der französischen Malerei des zweiten Kaiserreiches hinauszugehen.
Wirkliches Freilicht sucht man in seinen Gemälden vergeblich; wohl aber
findet man es in seinen Studien. Gerade diese Naturstudien, wovon man
eine grosse Anzahl auf der Ausstellung seines Nachlasses in Wien im Winter
1898 bewundern konnte, geben aber den besten Begriff von seinem grossen
malerischen Können.
C. Ton Vincenti, Wiener Konstrenaissance Wien 1876 S. 341. — A. Schäffer, Die kaiser-
liche Gemälde- Galerie in Wien. Moderne Meister. 18930*. 8. 83. — Katalog des künst-
lerischen Nachlasses A. S.'s. Wien, Miethke 1898 (mit Abbildungen). — Neue Freie Presse,
22. Februar 1898 (Abendblatt): Der Nachlass des Malers Schönn (v. V.).
Gustav Glück.
Meyer, Jürgen Bona, Philosoph, ^ am 25. October 1829, Sohn des gleich-
namigen Kaufmannes in Hamburg, f am 22. Juni 1897 in Bonn. — Von
1842 — 1849 besuchte er das Hamburger Johanneum. Dann studirte er zu
Bonn vom Herbst 1849 — '^5^ Medizin und Naturwissenschaft, und in Berlin
bis Herbst 1853 Naturwissenschaft und Philosophie. Nach einem halbjährigen
Aufenthalt in Hamburg promovirte er am 19. Juni 1854 zu Berlin auf Grund
einer Dissertation »De principiis Aristotelis in distributione animalium ad-
hibitis« als Doctor der Philosophie. Diese Dissertation wurde die Grundlage
zu einem grösseren Werke »Aristoteles' Thierkunde. Ein Beitrag zur Ge-
schichte der Zoologie, Physiologie und alten Philosophie.« Berlin 1855.
250 S. — Vor Beendigung des Druckes dieses Werkes begab sich M. im
Januar 1855 nach Paris, um dort Vorstudien zu einer CJeschichte der neueren
Philosophie in Frankreich zu machen, als deren Ergebniss bald einige Artikel
in der »Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik« erschienen.
Von Herbst 1855 bis Winter 1862 lebte M., abgesehen von einem halbjähri-
gen Berliner Aufenthalt und verschiedenen Reisen in der Schweiz und Nord-
italien, in Hamburg als Privatgelehrter. Im Winter 1856 hielt er am Ham-
burger akademischen Gymnasium öffentliche Vorträge »zum Streit über Leib
und Seele«, die dann auch, unter diesem Titel, im Druck erschienen (Ham-
burg 1856. 130 S.). Eis waren Worte der Kritik, die auf Kant's Kriticismus
zurückwiesen. Zugleich erschien eine Schrift »Voltaire uud Rousseau in ihrer
39S Meyer.
socialen Bedeutung« (Berlin 1856. 184 S.), gleichfalls aus wissenschaftlichen
Vorträgen hervorgegangen. Letztere Schrift war in ihrer Richtung, speziell
in ihrer Werthschätzung Voltaire's, ein Vorläufer des VTerkes von David Strauss
über Voltaire. Die wissenschaftliche Hauptthätigkeit dieser Zeit galt der Mit-
arbeit am Index zum Aristoteles, den die Berliner Akademie veranstaltete.
M. übernahm die naturgeschichtlichen Artikel. Im Jahre 1860 bedieüigte
sich M. an der Königsberger Naturforscherversammlung mit einenoi Vortrage
über die »Principien der Stufenordnung der Thiere«. Im gleichen Jahre
veröffentlichte er eine Schrift »Gedanken über eine zeitgemässe Entwicklung
der deutschen Universitäten«, die den Anfang bildete zu einer dauernden
Beschäftigung mit der Frage der Universitäten und ihrer Geschichte.
Damals schon regte sich in M. der Gedanke der Habilitation .an einer
Universität. Doch blieb er noch einige Jahre in seiner Vaterstadt, theils
wissenschaftlichen Studien hingegeben, theils bemüht, allerlei gemeinnützige
ideale Bestrebungen, wie die Errichtung einer Kunsthalle, eines Schillerdenk-
males, einer Volksbibliothek, einer Fortbildungsanstalt für junge Kaufleute,
eines öffentlichen Leseinstitutes des Athenäums, insbesondere aber die auf
eine Schulreform gerichteten Bestrebungen zu unterstützen. Jenen verschie-
denartigen Bestrebungen sollte auch die Herausgabe des Hamburger Wochen-
blattes (gemeinsam mit Emil Lohmann) dienen. Das Interesse an der Schul-
reform veranlasste M. zur Veröffentlichung der Schriften »Staat und Kirche
im Streit um die Schule in Hamburg« und »Grundzüge der Schulreform
unserer Zeit mit Rücksicht auf die Geschichte des Schulwesens in Ham-
burg« (beide 1861). M.'s damalige pädagogische Studien fanden ihren vor-
läufigen Abschluss in dem Buche über »Religionsbekenntniss und Schule« 1882.
Herbst 1862 endlich habilitirte sich M. in Berlin als Privatdozent fiir
Philosophie. Gleichzeitig wurde ihm die Funktion eines Lehrers der Philo-
sophie an der Berliner Kriegsakademie übertragen. 1867 wurde er Trendelen-
burg's Nachfolger als Mitglied der ausserordentlichen Prüfungscommission für
das Oberlehrerexamen. Auch in Berlin betheiligte sich M., soweit es die
neue Lehrthätigkeit gestattete, durch öffentliche Vorträge an gemeinnützigen
Bestrebungen, vor allen solchen, die auf Hebung der Volksbildung gerichtet
waren. Einer dieser Vorträge erschien unter dem Titel »Volksbildung und
Wissenschaft in Deutschland während des letzten Jahrhunderts« 1866. Im
Februar 1868 wurde M. als Brandis' Nachfolger ordentlicher Professor der
Philosophie in Bonn. Die Antrittsrede über »die Gemeinschaft der Facul täten-
erschien 1869 in Bonn. Im folgenden Jahre veröffentlichte M. ein Buch über
»Kant's Psychologie«, das in eindringlicher und einleuchtender Weise auf das
Psychologische in Kant's Untersuchungen hinwies und dadurch für die Beurthei-
lung der Kant'schen Philosophie grundlegende Bedeutung gewonnen hat. Von
1869 — 1882 war M. Mitglied der wissenschaftlichen Prüfungscommission für
das Oberlehrerexamen, betraut mit der Prüfung in Philosophie und Pädago-
gik ; nach Einführung der wissenschaftlichen Staatsprüfung der Theologen auch
Mitglied der dafür bestellten Prüfungscommission (1874 — 1880). In den
Jahren 1877 ^"^ 1878 war M. einer der Lehrer des Prinzen Wilhelm von
Preussen.
Neben der akademischen Wirksamkeit war M., besonders seit 187 1, von
der Theilnahme an gemeinnützigen Bildungsbeatrebungen und dem Interesse
an der deutschen Kirchen- und Schulpolitik in Anspruch genommen. Thäti-
gen Antheil nahm er sofort an der 1871 gegründeten Gesellschaft zur Ver-
Heyer. 399
breitung von Volksbildung. Auf der zweiten Generalversammlung dieser Ge-
sellschaft in Darmstadt 1872 trat er energisch für die obligatorische Fortbil-
dungsschule ein, die dann auch bald darauf in Hessen gesetzlich eingeführt
wurde. Der dort gehaltene Vortrag erschien in den »Deutschen Zeit- und
Streitfragen« 1873. Seit 1872 war M. Mitglied des Centralausschusses der
genannten Gesellschaft. Anfang Januar 1871 begründete er mit Anderen den
Bonner Bildungsverein, und war dann ein Jahrzehnt Vorsitzender desselben.
Von 1872 — 1876 war er zugleich Vorsitzender des Verbandes der Bildungs-
vereine Rheinlands und Westfalens, der sich in dieser Zeit besonders der
Förderung der Fortbildungsschulen, der Volksbibliotheken und des Simultan-
schulwesens annahm. Nach dem Umschwung der Kirchen- und Schulpolitik
der preussischen Regierung wurde auf seine Anregung zum Zweck der Fest-
haltung des Errungenen im Januar i88i der liberale Schulverein Rheinlands
und Westfalens gegründet, dem er gleichfalls als Vorsitzender angehörte. Zu-
gleich suchte er als Ausschussmitglied des »Deutschen Vereins« und bis 1884
auch als Mitglied des nationalliberalen Provinzialcomitds die politischen Be-
mühungen des gemässigten Liberalismus zu fördern.
Die Schriften der bezeichneten Vereine geben von M.*s reicher Antheil-
nahme an ihren Bestrebungen Zeugniss. Besonders hervorzuheben sind folgende
hierhergehörige Arbeiten: Zum Bildungskampfe unserer Zeit, Bonn 1878; Die
Simultanschulfrage (Deutsche Zeit- und Streitfragen VIII, 1880); Die Behand-
lung der Schule auf den letzten Generalsynoden Rheinlands und Westfalens,
1 88 1 ; Der Kampf um die Schule ; historische und pädagogische Erörterun-
gen über die Fragen: Staatsschule oder Kirchenschule? Religionsunterricht
und Staatsschule? Bonn 1882; Die angebliche sittliche Verwilderung der Ju-
gend unserer Zeit und die behauptete Mitschuld der Schule an derselben,
Bonn 1884. In Bonn erschien auch das seit 1883 von M. herausgegebene
Monatsblatt des liberalen Schulvereins Rheinlands und Westfalens. Neben die-
sen weitverzweigten, überall wissenschaftlich fundirten, aber doch zunächst auf
das Praktische und die brennenden Tagesfragen gerichtete Thätigkeit ging
doch jederzeit die spezifisch wissenschaftliche Arbeit des Philosophen und
Pädagogen einher. Ein gross und umfassend angelegtes Werk über Pä-
dagogik und ihre Geschichte schwebte M. lange Jahre hindurch als sein
eigentliches I^ebenswerk vor. Endloses Material wurde von ihm gesam-
melt und da und dort im Einzelnen verarbeitet. Seine Vorlesungen an der
Universität und allerlei öffentliche Vorträge gaben von der Beherrschung des
Stoffes, der Klarheit der grossen Gesichtspunkte, der Tiefe des Blickes für
das charakteristisch Einzelne Zeugniss. Eine gelegentliche, hierhin gehörige
Arbeit ist das Buch »Friedrich's des Grossen pädagogische Schriften, aus
dem Französischen übersetzt mit einer Abhandlung über Friedrich's des
Cirossen Schulregiment« erschienen in der Bibliothek pädagogischer Klassiker
(Langensalza 1885). Dass das grosse Werk nicht zum Abschluss gelangte,
hat zum Theil seinen Grund in M.'s Art, in seiner wissenschaftlichen Ge-
wissenhaftigkeit sich nie genug zu thun, von jeder Arbeit über den Gegen-
stand Kenntniss nehmen, Allem gerecht werden zu wollen.
Zum Anderen liegt der Grund hierfür in dem Umstände, dass von einer
gewissen Zeit an der Gedanke an ein anderes grösseres Werk, einen »Grundriss
der Philosophie« in den Vordergrund seines Interesses rückte. Dies Buch
sollte in einen historischen und einen systematischen Theil zerfallen. Jener
sollte die letzten überhaupt möglichen Gegensätze der philosophischen Welt-
400 Meyer. Telmann.
und Lebensauffassung aufzeigen und ein Bild ihrer geschichtlichen £nt-
wickelung zeichnen, dieser von den Ergebnissen der philosophischen Disd-
plinen ein Bild geben, und des Verfassers eigene philosophischen Ueberzeu-
gungen im Zusammenhang darlegen. Auch hierfür sind umfassende Vorarbei-
ten von M. gemacht und allerlei dahin Gehöriges ist von ihm früher uno
später veröffendicht worden. Vor allem sind zu nennen sein grösseres Werk
:» Philosophische Zeitfragen«, und die »Probleme der Lebensweisheit «, die
beide in populärer Form, jenes in zusammenhängenderer Darstellung, diese m
loserer AneinanderfUgung der einzelnen Fragen wichtige Probleme der philo-
sophischen Welt- und Lebensauffassung beleuchten und dem Verständnis^
näher bringen. Dazu treten dann ausserordendich zahlreiche kleinere Schnf-
ten, Aufsätze und Vorträge über einzelne Philosophen, vor allem über Kant
und die Philosophie nach Kant, andererseits über die verschiedensten ])sycho-
logischen und psychologisch-ethischen Thatsachen und Probleme. Aber aud
dieses zweite grosse Werk ist nicht zum Ende gediehen. Es war in M.'s philo-
sophischen Anschauungen eine Gährung eingetreten. Sein ursprünglicher philo-
sophischer Dualismus war ihm, zum Theil unter dem Einfluss modemer ]>sycho-
logischer Untersuchungen, deren Gang er eifrig verfolgte, wankend geworden.
Der Monismus gewann über ihn grössere Macht. Eine Revision seiner An-
schauungen, ein nochmaliges Durchdenken derselben schien ihm nothwendig.
Da lähmte im Januar 1895 ^^^ Schlaganfall seine körperliche, später eine
mehrfache Wiederholung desselben auch seine geistige Kraft.
M.'s Vorlesungen erstreckten sich auf die Pädagogik und ihre Geschichte,
die Geschichte der Philosophie, die Logik, die Psychologie. Von den der
Geschichte angehörigen Philosophen stand Kant im Mittelpunkte seines
Interesses. Unter den Disciplinen der systematischen Philosophie war ihm
die Psychologie die grundlegende. Grossen Erfolg hatten dann vor allem
auch seine Vorlesungen über akademisches Leben und Studium. M. war ein
anregender Lehrer und treuer Freund der studirenden Jugend, immer bereit
zur Förderung ihrer Interessen und zu versöhnendem Ausgleich der Ge-
gensätze.
Alle, die M. persönlich näher kannten, schätzten in ihm die Reinheit
des Charakters. Er war ein anima Candida und eine optimistische Natur,
liebenswürdig, das Beste Aller wollend, ein weiches Gemüth, vertrauend,
Gutes anerkennend, Kränkungen leicht vergessend, den Seinen in treuer Liebe
ergel)en, von grossem Freundschaftsbedürfniss, und treu festhaltend an seinen
Freunden. So lebt er in ihrem Andenken.
Theodor Lipps.
Telmann, Konrad, Schriftsteller, ♦ am 26. November 1854 in Stettin,
f am 24. Januar 1897 in Rom. — Der Name »Konrad Telmann« ist ursprüng-
lich ein Deckname für den Schriftsteller Ernst Otto Konrad Zitelmann, ist
aber in späteren Jahren von dem Autor auch im bürgerlichen Leben geführt
worden. Sein Vater war der Justizrath und Generallandschafts - Syndicus
Zitelmann, seine Mutter eine Tochter des Dichters und Geschichtsschreiber
Ludwig (iisebrecht. Er besuchte das Mariengymnasium seiner Vaterstadt und
studirte seit Ostern 1873 an den Universitäten Berlin, Leipzig, Heidelberg
und Grcifswald die Rechte. Obwohl seine Gymnasial-, und noch mehr die
IJnivcrnitätszeit durch häufige Krankheit sehr getrübt wurde, so dass mehr-
Telmann. Hirzel.
%
401
fache Unterbrechungen seiner Studien und wiederholter Aufenthalt in der
deutschen und französischen Schweiz, in Meran, im bayrischen Hochlande, in ver-
schiedenen Bädern nöthig wurden, bestand er doch schon 1876 sein erstes
juristisches Examen und trat als Gerichtsreferendar, zuerst in einer Kleinstadt
Pommerns, dann in Stettin, in den Staatsdienst. Indessen hatte das er-
zwungene Femhalten von wissenschaftlichen Studien seine früh entwickelte
Neigung zu poetischer Production begünstigt, so dass er in Rücksicht sowohl
auf diese Neigung als auch auf seine Gesundheit schon zu Neujahr 1878 aus
dem Justizdienste schied , um hinfort als Schriftsteller zu wirken. In
den folgenden Jahren lebte er meist auf Reisen durch Deutschland, die
Schweiz, Frankreich und Italien, weilte besonders längere Zeit auf Sicilien,
bis er sich 1883 in Mentone (Südfrankreich) sesshaft machte. Nach seiner
Verheirathung mit der bekannten Malerin und Dichterin Hermine von Preu-
schen (1891) lebte er zeitweise in Höckendorf bei Stettin, vorwiegend aber
in Rom, und in der ewigen Stadt hat er auf dem italienischen Friedhof auch
seine letzte Ruhestätte gefunden. — T. war ein sehr fruchtbarer Schriftstel-
ler; er hat in 24 Jahren nicht weniger als 69 Werke in 93 Bänden veröffent-
licht, vorwiegend Novellen, für welche Dichtungsform er ganz besondere Be-
gabung zeigte.
Persönliche Mittheilungen.
Franz Brummer.
Hirzel y Ludwig , Universitätsprofessor der deutschen Literatur, * am
23. Februar 1838 in Zürich, f am i. Juni 1897 in Bern. — H. stammte aus
einem alten Züricher Geschlecht, lieber seinen Grossvater, den Chorherm
und Professor der Philosophie Heinrich H. (1766 — 1833), hat Ludwig selbst
im Nachruf auf seinen Oheim Salomon Hirzel geschrieben. Er war der Sohn
jenes Heinrich H. (f 1790), der, als nicht unbegabter Maler, für Kunst und
Wissenschaft rege Theilnahme hatte und der Freund des Fabeldichters Meyer
von Knonau war. Der Chorherr machte sich durch die Schrift »Eugenias
Briefe«, die 181 9 die 3. Auflage erlebten, bekannt, auch gab er Goethe's
Briefe an Lavater, freilich nicht vollständig, heraus. Der Vater H.'s war
Theolog und Philolog, nach 4 jährigem Studium in Leipzig wurde er Pro-
fessor der Theologie am Karolinum in Zürich und Lehrer am oberen Gym-
nasium. Ein mir vorliegender Nachruf betont, dass sein Glaube im Bedürf-
niss eines liebenden Herzens wurzelte. Der oft kränkelnde Mann starb
40 jährig 1841. Den Sohn erzog die heitere, gebildete und sicherstellige
Mutter Agnes, eine geb. Lorenz aus Leipzig, die H. aufs innigste geliebt und
verehrt hat. Im Jahre 1844 siedelte sie mit dem Sohn und einer Tochter
nach Leipzig über, wo von den Brüdern des Vaters besonders der jüngste,
der bekannte Goetheforscher Salomon H., auf den heranwachsenden Knaben
und Jüngling grossen Einfluss ausübte. Salomon H. war nicht bloss ein
kluger, weltgewandter Buchhändler, sondern auch reich an Bildung und Scharf-
sinn, an Gemüth und Humor, den Männer wie Gustav Freytag, Otto Jahn,
Moritz Haupt, Theodor Mommsen ihren Freund nannten. Nach Beendigung
der Schulzeit kam Ludwig H., 19 jährig, nach Zürich, um alte Philologie und
Sprachwissenschaft zu studiren. H. Schweizer-Sidler, H. Köchly waren seine
Lehrer, der Aesthetiker Vischer war ihm besonders lieb. Mit den in Zürich
lebenden deutschen Dichtern und Künstlern, die von radikalster Gesinnung
waren, trat der junge Student in Verkehr: so mit Richard Wagner und Georg
Biogr. Jahrb. a. Dentacher Nekrolog. 2. Bd. 2 6
402 - Hirxd.
Herwegh; auch Gottfried Keller's Eigenart ging nicht spurlos an ihm vorüber.
Um der Mutter und der geliebten Schwester, die durch ihre Liebe zum Bru-
der, durch ihr Wesen, wie durch ein Jugenderlebniss an Komelie Goethe
erinnerte, nahe zu sein, bezog Ludwig 1858 die Universität Jena. Dort lernte
er Heinrich Motz, einen Mecklenburger von Geburt, kennen, der ihm ein
Freund für das Leben wurde. Motz war damals noch Theolog, ging später
aber ganz zur Philologie über und wurde in seinen Anschauungen immer
radikaler, während H. im Laufe der Zeit inmier mehr und mehr zu histori-
scher Betrachtung der Dinge geneigt war. Dass der in sich gekehrte, finster-
blickende und scheinbar so strenge Student den Schelm im Nacken hatte,
und dass er oft auch keck, übermüthig und verwegen sein konnte, wussten
wenige so gut wie Motz. Von den Lehrern in Jena wirkte vor allen auf
H. der freigesinnte Sprachforscher August Schleicher, auch bei Gottling
und Kuno Fischer hörte er Vorlesungen. Nach vier Semestern gingen beide
Freunde nach Berlin, dort schlössen sich ihnen dd* Theolog Kradolfer, spä-
ter Prediger in Bremen, und der junge Zürcher Arzt K. Meyer eng an; auch
andere Schweizer, die sich später einen Namen machten, verkehrten mit ihnen.
Wie weit sich H., wenn er gut aufgelegt war, im Üebermuth vorwagen
konnte, geht aus vielen Geschichten hervor, die Motz berichtet; eine stehe
hier mit seinen Worten: »Er hatte mit Dr. Meyer eine Wette gemacht, er
wolle in der belebten Friedrichstrasse, auf einer bestimmten Strecke, Männer
und Frauen bestimmen, über seinen vorgehaltenen Stock zu springen. Und
durch finstere Drohung, jovialen Scherz, bestrickende Schmeichelei und possier-
liche Bitte überwand er aUe, nicht ohne schändlicher Weise den über ihre
eigene Gefälligkeit Verblüfften mit seinem Stock auf der Rückseite noch einen
unerwarteten Dank abzustatten.« In Berlin waren Boeckh, Müllenhoff und
Friedrichs seine Lehrer; durch Adalbert Kuhn wurde er in seinen speciellen
Studien besonders gefördert. Seine Doctordissertation reichte er der philo-
sophischen Facultät in Zürich ein. Im Herbst 1862 folgte er einem Ruf an
das Gymnasium in Frauenfeld im Kanton Thurgau, auf Anrathen seines
Oheims; er empfand freilich, wie er Motz schrieb, ein leises Grauen, wie
wenn man ins Wasser geht und nicht weiss, wie tief es ist. Vier Jahre blieb
er dort, oft unzufrieden und sich manchmal in der ersten Zeit wie ein Ver-
bannter fühlend. Er lernte die »realen Mächte des Lebens« kennen: »ich
hasse sie aber«, so schrieb er aa Motz. Aber Freunde, die H. immer gefunden
hat, linderten das Missbehagen, so Böckel aus Jever, später Mitglied des
deutschen Reichstages, und Jäckel, der 1848 aus Sachsen geflüchtet war.
Ausflüge nach München, wo H. ein Bild von Böcklin zum Aerger seines
Freundes Kekul^ bewunderte, und nach Oberitalien mit Motz, entschädigten
ihn für fehlende Anregung. Nach Uhland's Tode hielt er, dazu aufgefordert,
einen Vortrag über den von ihm immer verehrten Dichter. Im Januar 1863
schrieb er Motz: »Ich habe mich in Uhland mit Liebe versenkt imd habe
ihn deshalb wohl nicht ganz missverstanden; ist dies der Fall, so kann ich
auch andern, die ihn bisher nicht so lieben gelernt, etwas Neues und viel-
leicht Wahres sagen«. Immer mehr ging er von sprachvergleichenden Stu-
dien zur Literaturgeschichte über. Zunächst beschäftigten ihn Erscheinungen
des 16. Jahrhunderts. Für das Leben des schweizerischen Humanisten Petrus
Dasypodius sammelte er sorgsam und machte zu diesem Zweck auch eine
Reise nach Strassburg. »Interessant ist es doch«, so schreibt er im Januar
1866 an Motz, der damals in Bergamo weilte, »aus einzelnen Steinchen, die
Hirzel.
403
man hier und da findet, ein Bild zusammenzusetzen.« In demselben Brief
äusserte er, die Zeit in Frauenfeld sei doch nicht nutzlos vorübergegangen:
»Im Grunde schadet es einem gar nichts, wenn man überall ein wenig herum-
guckt, weiss man nur immer festen Stand zu behalten«. In demselben Jahre
1866 , in dem sein Aufsatz Über Dasypodius erschien, erhielt H. einen Ruf
an die Kantonsschule in Aarau. Die 8 Jahre, die er dort verlebte, waren
reich an Arbeit, aber auch an Erfolgen. Man schätzte nicht bloss seinen
Unterricht, auch die Feinheit seines Auftretens, das zuverlässige Wesen des
jungen Professors machten auf die Bewohner der bildungsfrohen, kleinen
Hauptstadt den günstigsten Eindruck. Uhlig, jetzt in Heidelberg, wirkte noch
an der Schule; Männer, wie E. L. Rochholz und H. Kurz, die damals noch
lebten, schärften die Arbeitslust. Der gesellige Verkehr verscheuchte die
Neigung zur Melancholie und machte ihn heiter und selbstbewusst. Seltener
wurden die Stunden des Missmuthes und mangelnder innerer Befriedigung.
Ein Kreis tüchtiger und nicht gewöhnlicher Männer, die H. mehr oder weni-
ger nahe standen, umgab ihn; am »Storchentische« wurde brav gezecht, aber
auch manches kluge, gute und anregende Wort gesprochen. Wie oft erfreute
H. durch beissende Wendungen und durch seinen schalkhaften Humor! Die
Mischung von Gemüthlichkeit und scharfem Witz, die er selbst seinem Gross-
vater und zum Theil auch dem Oheim Salomon zuspricht, war ein Grundzug
seiner eigenen, liebenswerthen Persönlichkeit. Auch für Fragen der Politik
hatte H. grosses Interesse. Männer, wie Augustin Keller, Feer- Herzog,
Haberstich, Oberst Rothpletz und Stadtammann Erwin Tanner — diese beiden
nähere Bekannte H.'s — spielten im öffentlichen Leben des Kantons eine Rolle.
Trotz seinen demokratischen Anschauungen stand H. im Jahre 1870 durch-
aus auf deutscher Seite und bekämpfle mit Feuereifer die Franzosenfreunde.
Im Herbst 1869 hatte er Paris besucht, wie ein Brief an Motz vom 22. Oc-
tober aus dem Cafd Rohan mir zeigt. Auf den Strassen sah er fröhliche
Gesichter; »wie in einem furchtbaren Kriegsgetümmel« befand er sich
bei einem Besuch der Börse; die Gemäldegalerie entzückte ihn. Seine Freunde,
die Italiener, sah er aufs glänzendste vertreten, »man kann kaum Athem schöpfen,
und noch viel weniger in der Antiken-Sammlung; ausruhen aber lässt sich
vortrefflich bei unserer lieben Frau von Milo, die ganz allein in einem Saale
steht, erhaben über alles Lob«. Es war für H.'s Freunde ein grosser Ver-
lust, als er im Jahre 1874 als Professor der deutschen Literatur nach Bern
ging. Im Frühling nahm er noch an der begeisterten Feier bei der An-
nahme der neuen Bundesverfassung theil und Hess ein Gedicht drucken, als
öffentlicher Redner aber trat er nicht auf. Der Abschied wurde ihm nicht
leicht ; die Aussicht jedoch auf grössere Wirksamkeit erhob ihn. Ich erinnere
mich genau, wie er mir, als die Berufung gewiss war, mit freudigem Blick
entgegen rief: ich hän min lohen! Die erste Zeit in Bern war ihm nicht
immer behaglich. In Briefen klagte er oft über Vereinsamung; dass das
Publikum in Bern geistigen Bestrebungen nicht geneigt sei ; auch darüber, dass
die Zuhörer für die Vorlesung nicht genug vorbereitet seien: ihren guten
Willen aber und ihren Fleiss hat er wiederholt gerühmt. So oft es möglich
war, kam er mit Motz und dessen Frau, wie mit andern Freunden zusam-
men. Ein neues freudiges Leben aber begann für ihn durch die 1877 voll-
zogene Vermählung mit Anna Arndt aus Bremen. An der Seite dieser Frau,
die ihn ganz verstand, wuchs seine Arbeitskraft. In einem Briefe an Motz
gegen Ende des Jahres bemerkt er, die Beschäftigung mit Albrecht Haller
26*
404
sei jetzt ^die Gespielin seiner Nebenstunden ^ ; «zu mehr hat den alten Hil.rr
die jun^e Hirzeln nicht kommen lassen, und gliicklicher Weise ni<dit, a'trr
mit 1S7S gehe ich ernstlich an die Arbeit, und da soll manches Nene z^
Tage gebracht werden. Ich freue mich auf die Arbeite. Die Freundschar
feiner mit dem jetzigen C^eneralstabschef Arnold Keller und seiner Frau. 'i:.
von Aarau nach Bern gezogen varen, var für H., wie er wiederholt versieh -^r:
hat, eine Quelle dauernder Befriedigung. Die Geburt eines Sohnes» der seir.cr
Namen erhielt, erhöhte sein Glück. Rector der Hochschule wurde er 1S70
und zeigte sich, so urtheilt Professor Steck in Bern, in den Geschäften a^
ein sorgfaltiger und einsichtsvoller Arbeiter, der viel Gutes für die Universi'ä:
wirkte. Nur zu bald aber verdüsterte sich diese sonnige Lebenszeit. P.c
geliebte Mutter starb am 30. November 1881. »Dein Briefe, schrieb er
damals an Motz, »^ird mir ein treues Pfand Deiner unwand^baren Freur.d-
Schaft bleiben. c Schwereres aber stand bevor. Seine Frau starb am Herz-
schlag am 3. October des folgenden Jahres. Von einer Reise zurückgerufen,
fand er sie todt, die er scheinbar ganz wohl verlassen hatte. »Mit aUer Ar-
strengung«, so schrieb er mir am 30. November, »fand ich die Kraft, meiner,
nächsten Verwandten die näheren Umstände mitzutheilen, unter denen meine
süsse, liebe Frau ihr Leben so früh beschliessen musste. Wie mir zu Muthe
ist, nachdem mein kurzes Glück so jäh geendet, können Sie ermessen, auch
ohne dass ich das Unfassbare in Worte zu fassen versuche. Ich lebe nuri
so für mich hin. Mein Knabe ist mir alles. Im übrigen habe ich mit dem
Leben selber abgeschlossen.« Damals konnte ihn die Thatsache nicht trösten.
dass seine zu Beginn des Jahres 1882 erschienene Ausgabe der Gedichte
Haller's allgemeine Anerkennung fand. In der Arbeit suchte er Vergessenheit.
Im Jahre 1883 machte er eine Reise nach Deutschland zu dem Verzeichniss
einer Goethebibliothek; in Leipzig that man alles, wie er an Motz am 13. Mai
schrieb, um ihn aufzuheitern, in Berlin, das er weit grossstädtischer und
eleganter fand als früher, sah er ^iel »Neues imd Schönes«. »Für meine
Arbeit habe ich gute Ausbeute gehabt; wie viele Mühe es gemacht, wird
man dem kleinen Buche nicht ansehn «. Im Jahre 1884 war er in Helgo-
land : »er sei gesunder« schrieb er mir, »aber fröhlich zu sein habe er längst
verlernter. Eifrig widmete er sich seinen Arbeiten wie seinem Lehrberuf:
»ich habe 10 Stunden zu lesen, daher viel zu thun« (1885). Ein hellerer
Stern leuchtete erst wieder über seinem Leben, als Elisabeth Focke, eine
Freundin seiner Frau, am 26. October 1886 seine Gattin geworden war.
Dieser Bund brachte ihm wieder Ruhe und Frieden. Sein ganzes Glück
suchte und fand er bei den Seinen im engsten Kreise; ein Töchterchen,
Anneli, wuchs neben seinem Ludwig auf. Auch seine Gesundheit war gut,
aber nach 3 Jahren erlitt sie durch die Influenza einen schweren Stoss. Im
Mai 1891 klagte er Motz über einen neuen heftigen Anfall, über Brust- und
Rückenschmerzen. Leiden lähmten seine Arbeitslust nicht, aber der Frohsinn
der Jugend war hinweg. Eine Reise nach Rom konnte ihm nicht mehr den
Genuss bringen wie im Jahre 1876. Die Krankheit ruhte nicht; starkes
Asthma, die Folge der Verkalkung der Arterien, machte ihm, besonders
Nachts, unsägliche Qualen. »Ich bin wie eine matte Fliege vor Eintritt des
Winters«, so schreibt er am 27. Juni 1896 an Motz. Dennoch that er, mit
Aufbietung aller Kräfte, seine Pflicht weiter. An Bemays, mit dem er, auch
wissenschaftlich, intim verkehrte, diktirtc er Briefe, als ihm das Schreiben zu
schwer wurde. Am 3. August 1896 begrüsste ich ihn und seine Familie in
Hirzel.
405
Leissigen am Thunersee. Er litt schwer; Hess aber die Athemnoth nach, dann
war sein Geist scharf und klar, sein Wesen warm und gütig wie sonst. Beim
letzten Abschied ahnte ich nicht, dass die Schatten des Todes schon nahten.
Gegen Ende des Jahres erhielt ich von ihm die letzte Nachricht, es gehe
ihm etwas besser, aber noch immer schlecht genug. Viel hat der Gute noch
in den letzten Monaten gelitten; die Vorlesungen gab er auf, die amtlichen
Geschäfte aber besorgte er noch 14 Tage vor seinem Tode. Dieser kam als
Befreier am i. Juni 1897. Nach 7 Wochen betrat ich die Stadt, in der ich
den Freund immer zuerst gesucht hatte. Als wir an seinem Grabe auf dem
Bremgartener Friedhof standen, regnete es leise und die Wolken flogen; die
Freiburger Alpen wurden sichtbar. Beim Verlassen des Friedhofes lasen wir
auf dem Granitblock über dem Grabe des Bundesrathes Stämpfli die Worte
aus Shakespeare's Cäsar: Ihr liebtet all ihn einst nicht ohne Grund.
Wer H. ganz gekannt und Verständniss für sein Wesen gehabt hat,
musste ihn lieben. Als Gelehrter wie als Mensch war er der gleiche. Schwer
erschloss er sich, aber erprobten Freunden vertraute er ganz. Allem Schein
und leerer Aeusserlichkeit abgeneigt, war er tief von des Dichterwortes Wahr-
heit durchdrungen: lasst uns die Göttöi* bitten um ein einfach Herz. Frei
von Gelehrtendünkel und Eitelkeit, hat er es mit der Wissenschaft ernst wie
w^enige gemeint, daher konnte er Tadel so gut vertragen, daher ärgerte ihn
inhaldoses Lob. Des Lebens Freuden liebte er trotz dem durch körperliche
Leiden oft gesteigerten Ernst seines Wesens, aber er schränkte sich früh
durch Selbstzucht ein, und ruhige Männlichkeit bei wärmstem Innenleben war
für ihn kennzeichnend. Durchaus unabhängig und selbständig, hasste er alles
Posiren, Hofiren und Scharwenzeln; seinem Vaterland und seinen Einrichtun-
gen treu ergeben, war er kein Schmeichler seiner Landsleute. Voll zarter
Rücksicht und von feinstem Taktgefühl, trat er, der die Formen des Ver-
kehrs zu wahren gewohnt war, nicht selten herb und schroff Unlauterkeit
und Falschheit entgegen, und manche Erscheinungen unserer Zeit behandelte
er mit einer Rücksichtslosigkeit, die um so wohler that, weil sie der vollste
Ausdruck uneigennütziger und muthiger Wahrheitsliebe war. Daher war der
grosse Bemer Albrecht Haller ihm so werth, weil er alles das geisselte, wo-
durch, nach H.'s Worten, Recht und Gesetz in Verachtung zu sinken und
die öffentliche Sittlichkeit Schaden zu leiden droht. In der Jugend durch-
aus radikal, ja revolutionär gesinnt, verwarf er den Goethe'schen Standpunkt
der Entwickelung; in reiferen Jahren aber wurde er ruhiger und geneigter,
die historischen Mächte zu würdigen. Das Jahr 1870 hat auf ihn tief und
entscheidend gewirkt. Immer aber blieb er seinen freien Anschauungen ge-
treu, ohne einer bestimmten Partei anzugehören, und Gottfiied Keller's Wort
gilt auch von ihm: »Mit dem Vaterland und allen Freien ging er stets dem
goldenen Licht entgegen«. So wirkte auf jeden, der wenigstens einen Hauch
seines Geistes verspürte, seine reife Menschlichkeit und Männlichkeit; kein
Wunder daher, dass ihm die Gunst gerade der edleren Frauen zufiel, die
Kraft mit Weichheit, Kernigkeit mit Milde und Gemüthstiefe gepaart, immer
zu schätzen wissen.
Wie H. seiner Abstammung nach halb Schweizer, halb Deutscher war,
so mischten sich in ihm schweizerische und deutsche Art. Das deutsche
Nationalgeflihl war in ihm stark lebendig. Was die Schweiz dem deutschen
Geiste verdankt, dessen war er sich zu jeder Zeit bewusst: die Beziehungen
hervorragender Schweizer zu unsern Dichtem aufzuweisen, betrachtete er als
4o6 Hirzcl.
seine wesentliche Aufgabe. Ihr sind die meisten seiner Schriften gewidmet,
von denen ich zum Schluss die wichtigen alle anfllhren will. Seine Disser-
tation »zur Beurtheilung des äolischen Dialektes« erschien 1862 in Leipzig
im Verlag seines Oheims; Kuhn, G. Curtius, Schleicher, Schweizer-Sidler be-
urtheilten sie sehr günstig. Noch 1868 lobt sie Wilhelm Scherer »zur Ge-
schichte der deutschen Sprache«, und Benfey erwähnt sie in der »Geschichte
der Sprachwissenschaft«. Der in Kuhn's Zeitschrift 1863 gedruckte Aufsatz
zum »Futurum im Indogermanischen« verdient insofern Beachtung, als Schlei-
cher im Lehrbuch der vergleichenden Grammatik sich auf H.'s Deutung der
Futurform beruft. Die Arbeit über den Frauenfelder Amtsgenossen Petrus
Dasypodius (f 1559), die im »Neuen Schweizer Museum« Basel 1866 ge-
druckt wurde, hat Scherer in Wagner' s Archiv für deutsche .Sprache gerühmt
und seine Abhandlung »Dasypodius als Dramatiker« H. 1874 zugeeignet. Nach-
dem H. sich dem Studium des 18. Jahrhunderts eingehender zugewendet
hatte, erschien der Vortrag, den er zuerst mit Beifall in Aarau gehalten hatte,
»Goethe's italienische Reise«, Basel 187 1. Ein Jahr darauf zu^ Aarau das
Programm »Ueber Schiller's Beziehungen zum Alterthum«. Schiller hat H.
geehrt und geliebt, seine Rhetorik imponirte ihm, aber Goethe's Grösse hat
er nie verkannt. Vorher waren 1870 in den Leipziger Grenzboten und in
Schnorr's Archiv f. Literaturgeschichte einige das Leben Wieland's betreffende
Aufsätze erschienen. Eine grössere Arbeit des Jahres 1876 war ein Beitrag
zur Goetheliteratur: er erzählte das Leben und würdigte die Aufsätze des
Luzemers Karl Ruckstuhl, der, ein Bundesgenosse Goethe's gegen die neu-
deutsche Richtung und den Purismus, durch Geist und kräftiges Wirken des
Dichters Theilnahme errang. Im folgenden Jahre schrieb er den Aufsatz
»Nachträgliches über Ruckstuhl«. Die grössere Schrift war Salomon H. als
Gruss aus der Schweiz gewidmet: nicht lange darauf starb der geliebte Oheim
am 8. Februar 1877. Ludwig widmete ihm einen warmen Nachruf im An-
zeiger für deutsches Alt. und deutsche Literaturgeschichte Bd. IV. In dem-
selben Jahre 1877 schrieb er für dieselbe Zeitschrift den Aufsatz »Jakob
Grimm und J. R. Wyss«, und zeichnete als Beitrag zur Festschrift für Haller
kurz und scharf: »Albrecht v. Haller's Bedeutung als Dichter« (Bern 1877).
Daneben fand er noch die Zeit zur Mitarbeit an der Zeitschrift »Im neuen
Reich«, für die er alle wichtigen Erscheinungen auf dem Gebiete der neueren
Literatur, nicht bloss die unsere Klassiker betreffenden Schriften, anzeigte.
Manches Urtheil ist charakteristisch. So seine Vorliebe für Mörike (im
Neuen Reich 1878), für den von Heyse meisterhaft übersetzten Giusti, dessen
Charakterfestigkeit er preist (ebenda 1875), ™^ ^^^ ^^ ^^® Lumpe und Wind-
beutel aller Sorten in ihrer Erbärmlichkeit aufzeigt; R. Königes Literaturge-
schichte ärgert ihn durch ihre Flüchtigkeit und die Art, mit der »den Hütern
und Wächtern des freien Gedankens und des nationalen Sinnes in elender
Zeit« im Grabe noch die Ehre abgeschnitten wird. In der Anzeige der Ge-
dichte Leuthold's (1879) l^eisst es: »ein Schönfärber der heimischen Zustände
ist L. nicht. Gerade diese Gedichte aber machen ihn vielen Schweizern werth,
denen dei^ Dichter das Wort von der Zunge genommen«. Sein Werk »Albrecht
V. Haller's Gedichte« erschien als III. Band der Bibliothek älterer Schriftwerke
der deutschen Schweiz zu Frauenfeld 1882. Bis zum Herbst erschienen 21
Recensionen des Buches, in dem H. durch die Fülle neuer Aufschlüsse über
Haller, durch die eingehende Würdigung der ganzen Persönlichkeit seinen
Namen für immer mit dem des gedankentiefen Dichters verbunden hat.
Hirzel. v. Ablefeld. ^07
Scherer rechnete die Einleitung »zu den bedeutendsten literarhistorischen
Arbeiten der letzten Jahre«, und A. Sauer schrieb in den Gott, gelehrten
Anzeigen: »das Ideal einer kritischen Ausgabe ist hier erreicht«. Dass H.
aus bisher unbekannten Quellen geschöpft hatte, bezeugte auch die Heraus-
gabe der »Tagebücher Haller's, seine Reisen nach Deutschland, Holland und
England« (Sonntagsblatt des »Bund« 1882 und Leipzig 1883), die für die
Biographie so wichtig sind wie für die Kenntniss der Zustände der besuchten
Länder. Im Jahre 1884 gab er dann »Salomon Hirzel's Verzeichniss einer
Goethe-Bibliothek mit Nachträgen und Fortsetzung« heraus und arbeitete an
einer neuen Schrift »Goethe's Beziehungen zu Zürich und zu Bewohnern der
Stadt und Landschaft Zürich«. Sie erschien als Neujahrsblatt der Stadt-
bibliothek in Zürich auf das Jahr 1888. Briefe des Herzogs Karl August an
K. T. V. Sinner in Bern wurden durch ihn 1890 in der Vierteljahrsschrift
f. Litg. Bd. ni bekannt. Dann folgte ein Buch über Wieland. Schon in
früheren Jahren hatte er das Verhältniss des Dichters zur Schweiz behandelt.
Sein 1891 zu Leipzig gedrucktes Buch »Wieland und Martin und Regula
Künzli. Ungedruckte Briefe und wieder aufgefundene Aktenstücke« ist für die
ganze Zeitgeschichte bedeutsam : nicht bloss Wieland und die Familie Künzli,
auch Bodmer, der Satiriker Waser, über den H. in der Vierteljahrschr. f.
Litg.* Bd. V nachträglich schrieb, und andere Schweizer treten lebendig her-
vor. Wieland's »Geschichte der Gelehrtheit seinen Schülern diktirt«, die er
1891 (Frauenfeld) herausgab, zeigt uns Wieland's ernsthafte pädagogische
Bemühungen. H.'s Verdienste wird keiner besser würdigen als Wieland's
künftiger Biograph Seuffert. Auch in der Leidenszeit erlahmte H. nicht. So
lenkte er 1893 auf einen bisher völlig übersehenen Roman des 17. Jalirhun-
derts von F. R. Gasser aus Schwyz die Aufmerksamkeit (Sonntagsblatt des
»Bund« und separat), und ein Jahr darauf zeichnete er ein sorgsames Bild
von Heinrich Zschokke in der »Schweizerischen Rundschau«, welchem da-
mals in Aarau ein Denkmal errichtet wurde. 1894 machte er »zwei Briefe
von Uhland« bekannt in der Zeitschr. f. deutsches Alt., und das Buch seines
Schülers Rud. Ischer gab Anlass zu dem Aufsatz »Johann Georg Zimmer-
mann« im Sonntagsbl. des »Bund«. Noch 1896 erschien ebenda: »Nach
Amerika. Aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts«.
Nekrolog des Vf. im Goethe*Jahrbuch 1898. Neues Material verdankt er den unge-
druckten Aufzeichnungen des Prof. H. Motz in Zürich, der ihm auch Briefe H/s an ihn
freundlich anvertraut hat« Neuerdings vgl. O. v. Greyerz im 28. Jahresheft des Vereins
schweizerischer Gymnasiallehrer. Aarau 1898 S. 33 f.
Daniel Jacoby.
Ahlefeld, Karl Wilhelm von. Wirklicher Geheimer Rath, erster Landes-
director der Provinz Schleswig-Holstein, um die er sich in 2 2 jähriger rastloser
und segensreicher Thätigkeit hohe Verdienste erworben hat, * am 19. Januar
181 8 in Schleswig, f in Kiel am 5. Februar 1897. A. bestand 1841 das juristi-
sche Amtsexamen, worauf er als Auscultant bei der schleswig-holsteinischen
Regierung eintrat. Später wurde er Senator und Polizeimeister in Schleswig,
nahm lebhaften Antheil an der schleswig-holsteinischen Bewegung der Jahre
1848 — 51, wurde in Folge dessen 1851 von der Amnestie ausgeschlossen und
lebte nach Verlust seines Amtes eis Privatmann in Uetersen. 1863 zum
KJosterpropst des dortigen adeligen Klosters berufen, wurde er 1864 vorüber-
gehend als Amtmann des Amtes Flensburg constituirt und 1872 vom Pro-
4o8 ▼. AUckkL Otaf
TTanaHandfag zcm 1 aiwtfviuecior der Piutnu
1S84 fand seme ossdnniii^ VTiedervahl statt.
gan^ for sem gesammtes Wirken uad Screbcn var
Cjef^".!, in dem das ganze Wesen des Mannrs wcneize: die Ti
Seiner Heiniai galt die Arbeit seines Leber», zs ibr scmd
fcfavcren Ringens cm Freiheit und Recht, ihr diente er, .
Vervalnin^ gestell:, gerecht und treu« mit ToILer,
Ziele. Eies schmückte ihn besonders: das sein
sir.ne er.t^prir^ecde varme Sfitzef Jhl für das Elend
thatkrafnzer, barmherziger Hand suchte er za
nur korkte. Er var es, der for das Ur.terk«
Sch]esvig>Hol>tein in den Bielefelder Anstalten Sorge tr=;g: (fie Erw^ixrziL:
der Provinzial'Irrenanstalt ist sein Werk, ebenso die Föideraig cnd F^^z
der Blirxlenanstalt cnd die Errichmn^ einer Anstalt fjr veibacfac Epucpcikär
— Die Heimatdiiebe des Verstorbenen zeine sich aach in dem re^en Int<r-
t?5»e, das er für die Geschi-rbte seiner Heimatspnninz bekcndete. >UebcT
25 Jahre hat er als Präsident der Gesellichaft fjr Sch:es«ig-Fiokicin->Laner.-
L'jrziache Geschichte höchst erfolgreich gewirkt, die Veröäentüchang vicfati^^r
Oj-tllen werke und Urkundensamml^r.zen durch -üe GeseCscfaaft ermö^ächt iirc
ihre Bestrel ingen bis an sein Lebersende mit irarmer Tbeifaiahiiie m>d grosser
Fachkenntnis begleitete Auch di-c cezenwardz in frischem Anfblöher.
iMT^ricene Provinzial-BiLüothek für Schjesiiii:-Ho]stein ist eine Scfaöpfang A.'s.
Von dtrm Amte des Landesdiiectors trat er a;is ngsgmH>witsHW4-qrfcei>w ^m
I. Febnuir 1^05 z^r jck.
30. iJectsioeT i5->7 (^cLIcFwig-HoI$tcaischc^ Xefc-jwcg 1^7.-
Joh. Sass.
Holstein, CoBrad Graf tob, einer der angesehensten Vertreter der Schleswig-
h«: lateinischen Rirrerschaft, * am 10. I>ecember 1S25 zu Ncferstortf' in Holstein,
-r am 7. Set'tetnL-er 1S07 ^-^ Watemeverstc rfl — Er besuchte das Gymnasicm
in Luieck, bezcz CHiem 1S46 die Uriveräiit Heidelberg, mn die Rechte m
stuiiren, betht;:l:rte si:h in den Jjihren iS-iS — 51 als Dra^oncr-Officier an
dem Unabh^ingi^keitskan:; fe der Herz ^rihumer ge^en E>äneinark, trat nach
Betrrdij'jr.z des FeMrjzes in das PriTatleben r^irjck mid öbcmahm die Be-
m-irth54:hjLir.:nz seines im Kreise Plön belegenen G'Jtes WatemerersttMff. Selbst
ein herv'orruer.d praktischer Landvinh von Toriililicher Töchtigkcit nnd als
s-.Icher seit dem Tihrc 1S71 E^irecdons- nnd st.ater Ehrenmitidied des schles-
wijt-hcliteinischen Lmiik'inhs'zhifilichen General Vereins, war er för die Hebung
der Landwirthi-ihaft in seiner er.zeren Heimat unablässig nnd in auibpfemdster
Weise than^. I^ie Herrschift Wj^iemeverstcrn gestaltete er zn einer Muster-
wirthschaft ersten R-mzcs. Musterhaft war vor Allem auch das Verfaalmiss
des Gutsherrn zu seinen Art eitern, f-ir deren Wohl er in wahlhaft TäterÜcher
Weise s:rzte. Für Je^ien, auch d-^n Geringsten, hane er ein thednehmendes
Herz und eine cnene Hin-i, Alle hinjren an ihm mit Liebe und Vertrauen.
I>er Xame 'unser Gräfe, wie er allgemein jl\ii dem Gute hiess, legt davon
ein schönes Zeugniss ab. Seilst die Soriiliem okraten haben gdcgeuüich
diese Seite seiner eiler. Natur, die Fur^:rj:e für seine Arbeiter, unumschränkt
anerkennen müssen. Sch:n fmh »i-imete er sich auch den öfientticben Inter-
essen sei-:er Heimats: rovinz, deren Wc rl MrA Wehe ihm hst mdir als das
Graf V. Holstein. Schütze. Gätke. ^oo
eigene am Herzen lag. Einer der eifrigsten Vorkämpfer für den engen An-
schluss an Preussen und die unauflösliche Zusammenfügung Schleswig-Holsteins
mit der Krone der HohenzoUern, hat er bis zuletzt, trotz Schmerzen und
Krankheit, seine besten Kräfte in den Dienst seiner Heimat gestellt. Von
1853 — 63 gehörte er der holsteinischen Ständeversammlung, seit 1867 dem
Pro vinzialland tage an und seit 1877 war er als Vertreter des 9. schleswig-
holsteinischen Wahlkreises Mitglied des deutschen Reichstages. Hier wurde
er ein Mitbegründer und Führer der conservativen Partei, für die sein Hin-
scheiden einen unersetzlichen Verlust bedeutet. Wohl selten hat ein Ab-
geordneter in solchem Maasse die Hochachtung aller Fractionen besessen.
C Jraf H. war eine schleswig-holsteinische Kemnatur von vornehmster Gesinnung,
ein Eldel- und Ehrenmann im besten Sinne des Worts, der den Adel seiner
Geburt stets nur als Ansporn zu erhöhter Pflichterfüllung gegenüber der Ge-
sammtheit betrachtete. »Gottesfurcht, Weisheit und Treue vereinigten sich
in seinem Wesen mit edler Schlichtheit, Wahrhaftigkeit und Herzensgüte.«
Die Provinz Schleswig -Holstein hat mit ihm einen ihrer besten Söhne ver-
loren.
Vgl. Hamburgischer Correspondent, 9. September 1897, Abend-Ausg.; Kieler Zeitung,
9. September 1897, Abend-Ausg.; Kölnisclie Zeitung vom 10. September 1897, Abend-
Ausg.; Landwirtbscbaftliches Wochenblatt fUr Schleswig-Holstein, 1S97, Nr. 38.
Joh.Sass.
Schütze, Theodor Reinhold, Jurist, * am 1 2. Januar 1827 zu Uetersen in Hol-
stein als Sohn eines Predigers, f zu Graz am 16. December 1897. — Er besuchte
das Gymnasium in Hadersleben, studirte in Kiel und München Jurisprudenz,
bestand 1853/54 das juristische Amtsexamen für Holstein und Schleswig mit
dem ersten Charakter und habilitirte sich in Kiel, wo er 1853 zum Dr. jur.
promovirt war, als Privatdocent der Rechte. Unter dem 14. Januar 1855
wurde er zum Professor des römischen und schleswigschen Rechts an der
Universität Kopenhagen ernannt, von diesem Amte jedoch in Folge der Ein-
ziehung des betreffenden Lehrstuhls am i. April 1866 mit Wartegeld entlassen.
Mit Beginn des Jahres 1867 ^^^ ^r wieder als Privatdocent in Kiel auf und
bekleidete dann auch mehrere Jahre hindurch das Amt eines Syndicus der
dortigen Handelskammer. 1876 folgte er einem Rufe als Professor für Straf-
recht und Strafprocess nach Graz, wo er bis zu seinem Tode gewirkt hat.
Seh. hat zahlreiche Schriften besonders auf dem Gebiete des Strafrechts ver-
öffentlicht; er war Mitarbeiter an einer ganzen Reihe von juristischen Zeit-
schriften. Weitere Verbreitung fand namentlich sein »Lehrbuch des deutschen
Strafrechts auf Grund des Reichsstrafgesetzbuchs« (Leipzig 1870 — 71; 2. Aufl.
1874).
Vgl. Alberti, Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Schriftsteller, 1829 — 66,
Abth. 2, S. 370 u. 1866—82, Bd. 2, S. 245/46. Daselbst auch eine Uebersicht über Sch.'s
Schriften und die von ihm in Zeitschriften publicirten Artikel. Siehe auch Kukula, Biblio-
graphisches Jahrbuch der deutschen Hochschulen. Innsbruck 1892. S. 839/40.
Joh. Sass.
Gätke, Heinrich, der »Vogel Wärter von Helgoland«, einer der bedeutend-
sten Omithologen der Gegenwart, * am 19. Mai 1814 zu Pritzwalk in der
Mark Brandenburg, f am i. Januar 1897. — Schon der Knabe verrieth den
künftigen Naturforscher. Die freie Natur war sein Lieblingsaufenthalt, ihr
4IO
Gätke.
tausendfältiges Leben und Weben zu belauschen und . zu beobachten seine
liebste Beschäftigung. Er botanisirte und legte Sammlungen von Eiern und
Schmetterlingen an; daneben zeichnete er mit besonderer Vorliebe nach der
Natur, wofür er ein hervorragendes Talent besass. Eben dieses gewann zu-
nächst die Oberhand und bestimmte ihn, sich nach Absolvirung der Schulen
seiner Vaterstadt ganz der Malerei zu widmen. 1837 ging er als Seemale:
nach Helgoland, um dort in möglichster Nähe des Meeres eine Reihe von
Jahren hindurch gründliche Seestudien zu machen. Das wogenumrauschtc
Felseneiland sollte seine zweite Heimat werden. Sein ganzes übriges Leben,
fast 60 Jahre, hat er daselbst zugebracht, nachdem er als Gouvemements-
Secretär eine sichere Stellung gefunden und sich einen eigenen Herd gegründet
hatte. Wie dann aus dem Maler allmählich ein gelehrter Omithologe wurde,
darüber berichtet er selbst in der Vorbemerkung zu seinem Buche »Die
Vogelwarte Helgoland« (herausgegeben von Rudolf Blasius, Braunschweig iSqi
in folgender Weise: »Der Hang des Künsüers zur freien Natur brachte mich
unvermeidlich in Berührung mit der so wunderbar reichen Ornis Helgolands.
Diesem folgte ebenso unvermeidlich der Wunsch, eines oder das andere der
in ihrer Gestalt, ihrem ganzen Thun und Treiben so unendlich anmutbigen
Geschöpfe zu besitzen: so entstand eine kleine Sammlung. Mit dem Besitze
erwachte aber das Verlangen nach gründlicherer Kenntniss des Gesammelten^
und das während einer Reihe von Jahren fortgesetzte eifrige Studium der
hiesigen VogelWelt, sowie der Vergleich derselben mit anderen Local-A\dfaunen
Hess mich nicht allein erkennen, welch ein nie geahnter Reichthum des
Kennenswerthen sich hier zusammenfinde, wie unendlich der kleine Fels darin
die stolzesten Reiche überrage, sondern es ward mir auch mehr und mehr
klar, dass dem, welchem ausnahmsweise Umstände eine so vollständige Ein-
sicht und Erkenntniss eines hervorragenden Feldes der Naturwissenschaften
gewährten, damit auch die Pflicht auferlegt sei, seine Erfahrungen nicht mit
sich selbst wieder verschwinden zu lassen, sondern dieselben den Forschem
auf gleichem Gebiet zu erhalten — nur das Gefühl dieser Pflicht veranlasst
mich zur Veröffentlichung meiner Erfahrungen.« So hatte ihm, dem nacli
seinen eigenen Worten im Leben nichts ferner gelegen haben würde, als der
Gedanke ein Buch zu schreiben, die Natur selbst die Feder in die Hand
gedrückt, und es kam auf Grund eingehendster, fast 50 Jahre hindurch mit
gi^sster Sorgfalt gepflegter Beobachtungen jenes Werk zu Stande, mit dem
er sich in der wissenschaftlichen Welt ein unvergängliches Denkmal gesetzt
hat. Die Entdeckungen G.'s, namentlich in Bezug auf die Wanderzüge der
Vögel, waren von geradezu epochemachender Bedeutung und fanden bei allen
Ornithologen des In- und Auslands allgemeinste Anerkennung. G. war ein
Naturforscher, man möchte sagen, mehr mit dem Herzen als mit dem Kopfe.
Die unendlich tiefe und feine Poesie des Naturlebens, besonders des Lebens
der Vögel, war es, die ihn, der selbst wie ein Stück ursprünglicher Natur
erscheint, vor Allem fesselte. Immer wieder klingt diese poetische Auflassung
auch in den warmen Schilderungen seines Buches durch. Es hat etwas un-
gemein Anziehendes, sich das Bild dieses Mannes, den zugleich in Gesinnung
und Auftreten die grösste Bescheidenheit zierte, und sein inniges Zusammen-
leben mit seinen gefiederten Lieblingen zu vergegenwärtigen, wie er bis in
sein hohes Greisenalter hinauf Jahr aus Jahr ein Tag für Tag sein scharfes
Auge über Meer und Himmel hinschweifen lässt, damit ihm kein Wanderer
der Lüfte entgehe, wie er das Thun und Treiben der auf der Insel rastendes
Gätke. von Marquardsen. ^ii
Vögel bis ins Kleinste verfolgt, wie er sie hegt und pflegt und sich liebevoll
in alle Eigen thümlichkeiten jedes Einzelnen versenkt. Auch die Schlussworte
der »Vogelwarte« sind für dies ganz einzigartige Freundschaftsverhältniss, wae
man es wohl mit Fug nennen möchte, höchst .charakteristisch. »Hiermit«,
heist es, »ist dieser Bericht über die Vögel Helgolands abgeschlossen. Nicht
ohne eine gewisse Trauer scheide ich von ihnen, die mir während einer so
langen Reihe von Jahren liebe Gefährten gewesen, und deren hundertfältige,
so wohl gekannte Stimmen während mancher späten Abendstunde, die ich
an meinem Pulte über diesen Blättern verbrachte, mir wie Freundesgrüsse
aus femer Höhe herabklangen, wenn sie in ungezählten Schaaren über das
Oberlicht meines Atelier-Museums dahinzogen.« — Hand in Hand mit den
Beobaciitungen G.*s ging die stetige Vergrösserung seiner Vogelsammlung,
wobei ihm seine leidenschaftliche Neigung zur Jagd zu Gute kam. 1891 hat
das deutsche Reich diese in der Welt einzig dastehenden Sammlungen er-
worben und damit die damals schon nahe gerückte Gefahr, dass dieselben ins
Ausland wandern könnten, für immer beseitigt. In seinen letzten Lebens-
jahren plante G. noch eine Arbeit über das Flugbild der Möven und See-
schwalben für den Verein zum Schutze der deutschen Hochseefischerei. Das
Werk sollte gleichsam ein Lehrbuch und Führer für die deutschen Seefischer
werden. Doch es war ihm nicht vergönnt, dasselbe zu vollenden. Von einem
Influenza-Anfall, der ihn 1896 traf, vermochte er sich nicht wieder zu erholen.
Ein in seinem äusseren Verlaufe unendlich einfaches und dennoch unendlich
reiches und bedeutungsvolles Leben fand damit seinen Abschluss.
Vgl. Omlthologische Monatsschrift, 1897, S. 120: Zum Andenken an drei tbeure Ver-
storbene, u. 189S, S. 49ff.: Nachruf von Rudolf Blasius, mit Bildniss. Die englische Aus-
gabe der »Vogelwarte« erschien 1895 in Edinburg unter dem Titel: Heligoland as an
ornithological observatory. The result of fifty years experience by Heinrich Gätke.
Joh. Sass.
Marquardsen, Heinrich, von, ordentlicher Professor des Staatsrechts an
der Universität Erlangen. * 25. Oktober 1825 in Schleswig, f 30. November
1897 in Erlangen, lebte ein an Arbeit, Erfahrung und Bewegung reiches
Leben. Sein Vater war im Besitze eines von den Voreltern übernommenen
kleinen Landgutes vor den Thoren von Schleswig und auch seine Mutter
stammte aus gleicher Gegend und so war es der Wunsch der beiden Eltern,
dass auch ihr Sohn, ihr einziges Kind, auf heimischer Erde bleibe und in die
Fusstapfen des Vaters als Kleingutsbesitzer trete. Der Knabe musste in land-
wirthschaftlicher Arbeit früh mit anpacken und durfte die Gelehrtenschule in
Schleswig nicht besuchen. Allein mächtiger als die väterliche Bestimmung
war der Wissenstrieb, welcher den Jungen beseelte. Abends, wenn die Familie
zur Ruhe gegangen war, sass er eifrig studierend in seinem Kämmerchen. Ohne
alle Hilfe lernte er aus Büchern älterer Vettern, die die Vorschule in Schles-
wig besuchten, Latein und Griechisch, Englisch, Französisch und Mathematik.
Kaum 12 Jahre alt, ging er dann einmal unter dem Vorwand, die Tante zu
besuchen, in die Stadt und machte die Aufnahmsprüfung in Sekunda. Der
Wille des Vaters war damit gebrochen. Noch nicht ganz 14, kam M. in Prima,
musste dort aber wegen seiner grossen Jugend zweieinhalb Jahre ausharren.
Mit 1674 J^lu^cn ward er Student. Zuerst in Kiel immatrikulirt, wandte er
sich bald nach Heidelberg, der Stadt, die ihm die liebste seines Lebens
wurde. Dort begründete er seine durch das ganze Leben währende Freund-
^12 ▼on Bfarqnardsen.
Schaft mit Kussmaul, dem berühmten, nun in Ruhestand wieder in Heidelber;
leidenden inneren Kliniker, und mit Aegidi, dem bekannten Politiker ur :
Leiter des Press wesens des Aus^'ärtigen Amtes, in den Jahren 1871 — 77. Am
2. Februar 1848 schloss M. seine Universitätsbildung durch seine Promotion
zum Doctor beider Rechte der Heidelberger Juristenlakultät ab. Vangero»
tmd Mittermaier waren die Lehrer gewesen, die ihn für die akademische Lauf-
bahn begeisterten. Der Vorbereitung auf diese gehörten die Jahre 1848 — 51.
Dieselben waren zu Reisen am Rhein, nach Belgien und nach Engiand ver-
wandt, um in längerer eigener Anschauung und Uebung das öffentliche mün*:-
liche Strafverfahren dortselbst kennen zu lernen. Von jener Zeit datiert M-5
intime Beziehung zu einem der jetzt höchsten englischen Richter, dem Lor^-
appellrichter Hannen, der erst vor kurzem als einer der Schiedsrichter -in dem
englisch-amerikanischen Beringsmeerstreit hervortrat. Wintersemester 1851 52
habilitirte sich M. in Heidelberg mit einer Arbeit »über Haft und Bürgschdf:
bei den Angelsachsen«, die eine Einleitung zu einer Geschichte des Habeas-
Korpus-Rechtes und damit des Rechtsgutes werden sollte, in dem noch der
Engländer heutigen Tages seinen höchsten politischen Besitz erblickt. M.5
Vorlesungen betrafen Straf- und alsbald auch Völker- und Staatsrecht. An
den allgemeinen Fragen der Rechtswissenschaft nahm er durch Mitbegründung
und Mitherausgabe der seit 1855 erschienenen »Kritischen Zeitschrift für die
gesammte Rechtswissenschaft« teil, einer Zeitschrift, die, nachmals mit der
»Kritischen Ueberschaif« vereinigt, noch heute als Mtinchener »Kritische
Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft« fortlebt. Ein
Jahr vorher hatte er mit der Tochter des in jungen Jahren dahingerafften
Privatdozenten für englische Literaturgeschichte, Wiss, eines Neffen des
englischen Dichters Camble, die denkbar glücklichste Ehe eingegangen. In
Stintzing und Goldschmidt, den späteren Professoren der Rechte in Bonn und
Berlin, erwarb er treue Freunde und Fachgenossen. 1857 ward M. zum
ausserordentlichen Professor befördert, 1861 erhielt er einen Ruf als ordent-
licher Professor für Staatsrecht nach Erlangen und dieser Hochschule blieb
er bis ans Lebensende treu. In den ersten Jahren entwickelte er auch hier-
selbst eine eifrige und fruchtbringende Dozententhätigkeit — er las insbesondere
auch über Politik und Enzyklopädie der Staatswissenschaften — , von 186S
an gehörte aber seine Thätigkeit nahezu ausschliesslich dem parlamentarischen
Leben an. Am 27. April 1868 trat M. für den Wahlkreis Fürth-Erlangen in
.das deutsche Zollparlament, am 21. September 1869 für den Wahlkreis
Erlangen in die bayerische Abgeordnetenkammer ein; von 187 1 an war er
Mitglied des Reichstags. Mitglied dieses blieb er, den Wahlkreis Fürth-
Erlangen im Laufe der Zeit mit den Wahlkreisen Worms und Kusel (in der
Rheinpfalz) vertauschend, bis zu seinem Lebensende; bayerischer Landtags-
abgeordneter und zwar später für den Wahlkreis Kempten war er bis 1893.
M.'s parlamentarische Arbeit hatte drei Richtungen. In erster Linie gehörte
sie der Partei. National und liberal in der Worte bester Bedeutung, zählte
er zu den berufensten Kräften der nationalliberalen Partei während ihrer
ganzen Entwicklung; den verschiedensten Organisationen derselben, dem Vor-
stand der nationalliberalen Reichstagsfraktion, dem Central vorstand der
nationalliberalen Partei überhaupt und dem Landesausschuss derselben in
Bayern gehörte er als Vorstandsmitglied bezw. als Vorsitzender an. In der
Reichstagsfraktion lag seine vorwiegende Thätigkeit in informatorischen Vor-
trägen an die Fraktionsgenossen über die jeweils zur parlamentarischen
von Marquardsen. ^13
Behandlung stehenden Gesetzesvorlagen juristisch - politischen Inhalts. Mit
das wichtigste Aktenstück, welches die Geschichte der nationalliberalen Partei
kennt, ist die einen Wendepunkt in ihrem Programm darstellende Heidel-
berger Erklärung vom 23. März 1884. An ihrem Zustandekommen war M.
neben Miquel der hervorragendst Betheiligte. Stammte der erste Entwurf
derselben aus Miquels Feder, so gab ihr M. die Fassung, in welcher sie mit
einer einzigen Ergänzung wörtlich auf dem Parteitage angenommen ward.
In zweiter Linie gehörte seine Thätigkeit den Reichstagsverhandlungen. Er
wirkte in den verschiedensten Kommissionen, insbesondere in den für die
Justiz- und Strafprozessgesetzgebung niedergesetzten. In der Reichstags-
kommission über das Pressgesetz war er Berichterstatter; der Wahlprüfungs-
kommission stand er seit mehreren Legislaturperioden vor. Im Plenum trat
M. in juristischen und allgemein politischen Fragen als Fraktionsredner auf,
eine sonore, kräftige Stimme und die Kunst des ridendo dicere verum waren
ihm eigen. In den letzten Jahren sprach er vor allem zu der versuchten
Strafprozessreform — er war ein Gegner der Berufung in Strafsachen — ,
zu den Anträgen über Aufhebung des Jesuitengesetzes und zuletzt über die
Frage der mehr unitarisch oder mehr föderalistisch zu gestaltenden Organisation
der Kontrole über die Auswanderungsuntemehmungen. Drittens aber pflegte
er die Vertretung der Partei nach Aussen, gegenüber den übrigen Fraktionen
des Reichstags, gegenüber d^r Regierung und besonders gegenüber der Presse.
Nicht nur von den Parteien, sondern auch von Bismarck war er als politischer
Mittler in Vertrauensmänner- Versammlungen geschätzt. Seine freie ungezwungene
Art, in der M. nicht nur zu geben, sondern auch zu nehmen verstand, machte
ihn hierzu besonders geeignet. Persönliche Feinde hatte M. nicht. Selbst bei
politischer Trennung blieb die persönliche Freundschaft erhalten. Noch her-
vorragender >\ar aber seine Thätigkeit als politischer Tages- und Partei-
schriftsteller. Die meisten kritisch würdigenden Artikel der »Kölnischen
Zeitung« über Reichstagsvorlagen, die prägnant und feinsinnig stilisirten,
auftretende Personen und behandelte Sachen vorzüglich schildernden Reichs-
tagsberichte des gleichen Organes hatten M. zum Verfasser*). Seine politischen
Verdienste hat die bayerische Regierung 1888 durch die Verleihung des mit
persönlichem Adel verbundenen Verdienstordens anerkannt. Es ist begreiflich,
dass bei solch reicher politischer Thätigkeit für die Wissenschaft wenig Zeit
blieb. Nichtsdestoweniger gab er auch ihr Anregung. 1874 wurde er zum
Mitglied des Instituts für Völkerrecht gewählt, an dessen Sitzungen im Haag
(1875), in Turin (1882), in München (1883), in Hamburg (1891) und in
Venedig (1896) er sich eifrig beteiligte. Ende der siebziger Jahre veranlasste
er die Herausgabe eines grossen seinen Namen tragenden Sammelwerks, des
»Handbuchs des öffentlichen Rechts der Gegenwart«. Die letzte parlamen-
tarische Thätigkeit M.'s sollte nach seiner Absicht die deutsche Militärstraf-
gerichtsordnung sein. An ihrem Zustandekommen wollte er noch mitwirken;
dem Strafprozess hatten seine ersten litterarischen Arbeiten gegolten, ihm sollte
auch die letzte parlamentarische Thätigkeit gewidmet sein. Dann wollte er
vom politischen Leben Abschied nehmen. Der neue Kurs und auch die zu-
nehmende Verarmung des Reichstags an ideal angelegteren und politisch
vorgebildeten Mitgliedern hatten ihm die parlamentarische Thätigkeit verleidet;
♦) Band I unseres Biographischen Jahrbuches und Deutschen Nekrologs (1897,
S. 49* ff.) verdankt Marquardsen den Nachruf auf Franz Armand Buhl. D. H.
^14 ▼on Marquardsen.
vor Allem vermisste er den immer stärker auftretenden Mangel an Abge-
ordneten, die zu wirklich erspriesslicher Kommissionsarbeit geeignet waren.
Doch es kam anders. Am Tage vor Eröffnung der Wintersession des Reichs-
tags setzte ein Gehirnschlag dem Leben des noch völlig frischen und
schaffensfreudigen Mannes ein Ziel. Auch seine Absicht, nach Ausscheiden
aus dem parlamentarischen Beruf, an die Abfassung von Lebenserinnerungen
zu gehen, blieb so unerfüllt. Um den Entschlafenen trauerte tief die WittTÄC
mit dem einen ihr verbliebenen Sohn (ein anderer war M. 1883 entrissen),
die Fakultät, die Partei, am meisten aber das Vaterland. Dies schuldete ihm
am meisten.
Seh r i ft en.
i) VV. M. Best's GrundzQge des englischen Beweisrechts, Übersetzt 1851.
2) Ueber Haft und Bürgschaft bei den Angelsachsen, 1852.
3) Aufsätze und Artikel im > Archiv des Kriminalrechts«, »GerichtssaaU, »Zeitschrift für
die gesammte Rechtswissenschaftc, Rottecks und Weickers » Staatslexikon c (3. Aoflage),
Bluntschli's und Brater's »Staatswörterbuch«.
4) Der Trentfall, 1862.
5) Das englische Oberhaus uud die Wissenschaft, 1862.
6) Reichspressgesetz vom 7. Mai 1874 mit Einleitung und Kommentar.
7) Spencer, Einleitung in das Studium der Sociologie, 2 Theile, übersetzt 1875.
8) Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, herausgegeben von M. (von ihm
selbst nur die einleitenden Worte), 1883 ff.
9) In mcmoriam (Erinnerungsblätter auf Vangerow und*Mohl), 1886.
10) Art. Mohl in der »Allg. Deutschen Biographie«, Band 15 (1887).
11) Die nationale Bedeutung des Reichscivilgesetzbuches in der deutschen Juristenzeitnng,
I. Jahrgang (1896) Nr. 17.
12) Ueber die Verjährung bei Pressdelikten (ebd. Nr. 23).
Vergl. Rchm, Heinrich von Marquardsen in der Beilage zur »Allgemeinen Zeitung«
1897 Nr. 291 und im »Juristischen Litteraturblatte« (Berlin) vom 15. April 189S.
Erlangen. H. R e h m.
Ergänzungen und Nachträge zum
,, Deutschen Nekrolog vom i. Januar bis 31. December 1896"
Seidel, Ludwig, Philipp von, Professor der Mathematik und kgl.-
bayerischer Geheimrath, * am 24. October 182 1 zu Zweibrücken, f am
13. August 1896 in München. — Als Sohn eines kgl. Postverwalters geboren,
entschied er sich schon während seiner Gymnasialstudien, die er in Nürnberg
begann und in Hof vollendete, wie er sagt »angezogen durch den belebenden
Vortrag des Professors Schnürlein«, für das Studium der Mathematik, in das
ihn jener wackere Lehrer, selbst ein Schüler von Gauss, in einem 2 Y, jährigen
Privatunterricht einführte. Um auf der gewonnenen soliden Grundlage weiter-
zubauen, begab er sich 1840 an die Universität Berlin, wo ihn besonders
Encke's Vorträge über Astronomie und Lejeune-Dirichlet's Vorlesungen über
reine ]!|^thematik anzogen. Namentiich aber war es die Astronomie, die
ihn schon damals fesselte, so dass er von Encke bereits mit verschiedenen
astronomischen Arbeiten beauftragt wurde, die er, wie aus einem noch vor-
handenen Zeugnisse desselben hervorgeht, zu dessen vollster Befriedigung er-
ledigte. 1842 begab er sich nach Königsberg, um bei Bessel, Jacobi und
Franz Neumann seine astronomisch-mathematische Ausbildung zu vervoll-
ständigen, was ihm auch auf's beste gelang, da er von Berlin aus warm em-
pfohlen, nicht nur die Vorlesungen dieser bedeutenden Männer hörte, sondern
auch von denselben auf das liebenswürdigste empfangen wurde und mit ihnen
in enge persönliche Beziehung trat. Damals gab es in Deutschland nur
drei Universitäten, Göttingen, Berlin Und Königsberg, an denen man mit
Nutzen Mathematik studiren konnte; aber während der gewaltige Gauss, zu
sehr mit eigenen Arbeiten beschäftigt und wenig zugänglich, es nicht ver-
mochte, in Göttingen eine eigentliche mathematische Schule zu gründen und
nur wenige, wenn auch sehr bedeutende Männer, zu seinen Schülern zählte,
so war dies zum erstenmale Jacobi und Dirichlet für reine Mathematik, Neu-
mann für physikalisch-mathematische Studien durch Gründung ihrer Seminare
gelungen. S. aber durfte sich mit Stolz als einen hervorragenden Schüler
dieser grossen Männer bezeichnen, denen der Aufschwung und die grössere
Verbreitung mathematischer Studien in Deutschland in erster Linie zu danken
41 6 von Seidel.
ist. Nach einjährigem Aufenthalt in Königsberg wandte^ich S. nach München
um sich dort nach Erlangung der Doktorwürde zu habilitiren. Durch Bessel
wurde er an Steinheil, einen früheren Schüler des letzteren, auf das wärmste
empfohlen und von diesem sogleich in sein Arbeitsgebiet, die Anwenduni;
der Mathematik auf physikalische Probleme eingeführt. Steinheil hatte 183 t
das Photometer erfunden, und es handelte sich darum, mit dem neuen Apparate
Messungen vorzunehmen, wozu sich S. sofort anschickte. Nebenbei löste er
eine. von der philosophischen Fakultät der Münchener Universität ges^elltt
Preisfrage und promovirte 1846 mit einer Arbeit »lieber die beste Form de:
Spiegel in Teleskopen«. Im gleichen Jahre habüitirte er sich mit einer auf die
Studien bei Dirichlet zurückzuführenden Arbeit: »Untersuchungen über Con-
vergenz und Divergenz der Kettenbrüche« und veröffentlichte 1848 eine
weitere demselben Gebiete angehörige Abhandlung: »Ueber neue Eigenschaftet:
der Reihen, welche discontinuirliche Functionen darstellen«, worin er zun
ersten male den Begriff der ungleichmässigen Convergenz einführte — eine
Entdeckung, die später von Weierstrass, der S.'s Arbeit nicht kannte, von
neuem gemacht wurde und nach dem Urtheil von Professor Lindemann z'l
S.'s bedeutendsten rein mathematischen Leistungen gehört. Später *hat er sich
nur gelegentUch mit Untersuchungen ähnlichen Charakters beschäftigt, die
sich niedergelegt finden im XI. Bande, der Abh. der bayer. Ak. der W. vor.
1871, in den Sitzungsberichten derselben von 1877 und im Journal für
Mathematik Bd. 73. Aus der gemeinsamen Arbeit mit Steinheil, der S. sehr
rasch schätzen lernte, so dass beide bald eine enge Freundschaft verband
ging eine Reihe praktischer Arbeiten hervor: so eine Abhandlung zur Theorie
des Steinheü'schen Passage-Prismas 1846, ferner Tafeln zur Reduction der
Wägungen von Steinheil und S. 1848, und vor allem seine wichtigen photo-
metrischen Untersuchungen, von denen »Erste Resultate photometrischer
Messungen am Stemenhinraiel« 1846 und die umfassende Arbeit »Unter-
suchungen über die gegenseitige Helligkeit der Fixsterne erster Grösse und
über die Exstinction des Lichtes in der Atmosphäre«, 1852 in den Berichten
und den Abhandl. der bayer. Ak. erschienen. Es sind dies die ersten be-
deutenden Messungen dieser Art und haben ihren Werth bis heute beibe-
halten. Später hat S. diese Untersuchungen auch auf die Planeten ausgedehnt,
(Gelehrte Anz. der Ak. 1853 und Monum. Saec. der Akad. II. KJ. iSso^i
und weiter publicirte er noch »Resultate photometrischer Messungen an 20S
der vorzüglichsten Fixsterne (Abhandl. d. bayer. Ak. 1862 und 1867). EQeran
schlössen sich nicht weniger bedeutende dioptrische Arbeiten, die ebenfalls
von Steinheil veranlasst wurden, und einerseits zur Verbesserung der Her-
stellungsmethoden optischer Instrumente, andererseits ftir die heute so viel-
fach in der Astronomie verwendete Photographie von bedeutendem Nutzen
sind. Sie erschienen theilweise in den» Jahrgängen 1853 und 1856 der astro-
nomischen Nachrichten, theils in den Sitzungsberichten und Abhandl. d. bayer.
Ak. von 1848 bis 1873.
In engem Zusammenhang mit diesen praktischen Anwendungen standen
S.'s Arbeiten über Wahrscheinlichkeitsrechnung und die Methode der
kleinsten Quadrate, die ebenfalls in den Sitzungsberichten von 1863, in
den Abhandlungen der bayerischen Akademie von 1874 und 1876 und in
den astronomischen Nachrichten 1874 erschienen. Auch in ihnen sind ver-
schiedene neue Gedanken und Methoden niedergelegt. Noch müssen wir
hier die Anwendung derselben auf die Bearbeitung des statistischen Materials
von Seidel. Noe.
417
er^^ähnen, welches auf Anregung des Hygienikers Pettenkofer angesammelt
^^orden war, um die Frage zu entscheiden, ob zwischen der Häufigkeit der
Typhusfälle in München und dem Stande des Grundwassers einerseits und der
Menge der atmosphärischen Niederschläge andererseits ein Zusammenhang be-
stehe. Nach Pettenkofer's Urtheil hat gerade diese Bearbeitung der Frage
durch S. hauptsächlich dazu beigetragen, den Ruf Münchens in sanitärer
Richtung zu heben.
Diesen hervorragenden Leistungen S.'s in den verschiedensten Gebieten
würden sich sicher noch manch andere gleich bedeutende zugesellt haben, hätte
nicht ein schweres Augenleiden, zu welchem er den Keim durch seine inten-
siven astronomischen Arbeiten legte, frühzeitig seine Thätigkeit eingeschränkt
und allmählich ganz gehemmt. Dieses tückische Leiden war es auch, welches
in späteren Jahren seine so segensreiche Lehrthätigkeit schwer beeinträchtigte,
die er 1847 als ausserordentlicher Professor an der Münchener Universität
begann und seit 1855 ^^^ Ordinarius bis zu seinem 70. Lebensjahre fortsetzte.
Ks war dies um so mehr zu bedauern, als der durch die oben genannten
grossen Männer in Deutschland angebahnte Aufschwung der Mathematik in
Bayern in S.'s Person den ersten hervorragenden Vertreter gefunden hatte;
und in der That waren auch seine bedeutende Lehrbegabung und das Interesse,
das er dem Unterrichtswesen entgegenbrachte, in hohem Maasse geeignet,
einerseits die damals gänzlich damiederliegende Heranbildung junger Mathe-
matiker für das Lehrfach zu heben und andererseits dem an den Mittelschulen
bisher so wenig berücksichtigten Fache die ihm zukommende Bedeutung zu
verschaffen. Trotz seines schweren Leidens hat S. diese wichtigen Ziele seiner
Berufsthätigkeit nie aus dem Auge verloren, wenn ihm auch theils jenes
T^eiden, theils der Wechsel der Verhältnisse nicht gestatteten, alle seine dies-
bezüglichen Wünsche erfüllt zu sehen. Dass es so bedeutenden Fähigkeiten
und hervorragenden Leistungen auf verschiedenen Gebieten nicht an äusseren
Anerkennungen fehlte, ist selbstverständlich; wir sehen von Orden und Titeln ab
und nennen nur diejenigen, die er, der Gelehrte, selbst am höchsten schätzte:
so wurde er 185 1 Mitglied der bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1867
Mitglied der europäischen Gradmessungskommission, ferner korrespondirendes
Mitglied der kgl. Societät der Wissenschaften zu Göttingen, der Akademie der
Wissenschaften zu Berlin und der Leopoldinischen Akademie der Naturforscher.
S. war unvermählt geblieben, aber um so mehr widmete er sein ganzes
Interesse, seine ganze kraftvolle Individualität seiner Berufsthätigkeit. Die
Integrität seines Charakters, die Festigkeit und Willensstärke, die aus allen
seinen Handlungen sprach, und andererseits seine Liebenswürdigkeit im Um-
gang verschafften ihm die Achtung und Zuneigung aller, die mit ihm in
näheren Verkehr traten, und lassen ihn namentlich bei seinen Schülern un-
vergessen bleiben.
Quellen: Almanach der bayer. Akademie der Wissenscb. Gedächtnissrede, gfehalten
von Prof. Dr. F. Lindemann in der k. bayer. Akademie der Wissenschaften am 27. März 1897.
München, Ackermann 1898.
A. V. Braunmühl.
Noe, Heinrich, August*), Dr., ♦ am 16. JuH 1835 ^^ München, f 26.
*) Vergl. Band I, S. 447; mit der Aufnahme eines zweiten, von berufener Freundes-
hand herrührenden Nekrologes Noe's, willfahren wir einem Wunsche Friedrich Ratzel's
(Beilage zur Allg. Ztg. 1898, No. 277).
Biogr. Jahrb. n. Deutacher Nekrolog. 2. Bd. 2 7
41 8 Noe.
August 1896 zu Bozen, entstammte einem stramm-hugenottischen Auswanderer-
geschlecht. Er hat mir gelegentlich selbst erzählt, wie ihn, nachdem er den
P)rrenäen und den carlistischen Wirren den Rücken gekehrt, auf französischem
Boden plötzlich ein wohliges Heimatgefühl überkommen habe, das er sich
nicht anders erklären mochte, als dass er es mit der Station Chäteau Not
in Zusammenhang brachte, an der er bald darnach vorübergefahren. Sein
Vater war königlicher Beamter, Schlossverwalter in Aschaffenburg, und hatte
seinen Amtssitz zuletzt in Ansbach. Der Studien weg führte Heinrich über
Augsburg, Aschaffenburg nach Erlangen, wo er statt Theologie, wie die EUtem
gern gesehen hätten, lieber Naturwissenschaften und Sprachen hörte. Promo^irt
hat er erst 1864. Sein Sprachentalent ging in die Tiefe wie in die Breite;
es wurzelte im Sanskrit — seine Erstlingsschriften bezeugen es — und um-
fasste allgemach achtzehn Idiome. Er hat Tjutschew's lyrische Gedichte
übersetzt, 1861. Seine Sprachkunde namentlich empfahl ihn der Hofbibliothek
in München, an der er unter Director Halm von 1857 bis gegen 1863 als
Assistent thätig war und die ausländischen Besucher als redegewandter Cicerone
überraschte. Da war es auch, wo er einen in Frankreich herausgekommenen,
vorgeblich aztekischen Zeichencodex als das erkannte, was er war, nämlich als
modern-europäisches Kindergekritzel. Der Bibliotheksvorstand hielt grosse
Stücke auf ihn; er beförderte ihn an*s britische Museum in London. Er
konnte sich hier gut stehen, aber er vertrug das Klima nicht, und in die
alten Münchener Verhältnisse zurückgekehrt, gewahrte er, dass auf die Seh-
kraft seiner Augen kein rechter Verlass sei. Der Drang nach Freiheit imd
Ungebundenheit that das Uebrige dazu, um aus dem Bureaumenschen den
Reiseschriftsteller, den berühmten Alpenwanderer zu machen, zum Verdrusse
seiner Eltern, die ihn in einer sicheren Stellung wissen wollten, und mit
gänzlicher Umgestaltung seines Lebensstiles; denn der junge Mann, der einen
angeborenen Sinn und ein allseitiges Verständnis für vornehme Lebensführung
hatte, schlug trotzig, schlug mit klarem Bewusstsein zu einem Bohdmien um,
wie solcher auf die Wanderschaft und in die Berge passte.
Nicht jeder Wirth witterte hinter diesem gleich auch den Bildungsmenschen,
wiewohl seine adelige Gestalt sofort auffallen musste. »Gewaltig könnt* er
schreiten und war von hohem Wuchs.« Seine Stirn blieb schön und glatt
bis in seine letzten Tage; sein nussbraunes Haar legte sich mit einer Charakter-
locke vor und wich niemals weit zurück. Seine Adlernase hatte mehr einen
gallischen als bajuvarischen oder tirolischen Schwung. Die dunklen Augen
blickten scharf aus; freisam, muthig und doch zugleich wohlwollend grüssten
sie, doch gern zuckten auch die Lichter von Schalkhaftigkeit, Laune und
Spott in ihnen hin und wieder — spät erst verriethen sie Weinseligkeit.
Sein Mund war zart, sein Kinn kräftig; über ersterem bog sich buschig der
Schnurbart herab, dem ein etwas massigerer Bestand unterhalb entsprach.
Er trug Blouse oder Joppe, schlang sich die Binde lässig um den Hals und
der weiche, breitkämpige Filzhut wusste stets von allen möglichen Wetter-
unbilden zu erzählen. Er zog nicht wie ein Künstler einher, auch nicht wie
ein Holzknecht, aber zwischendurch tauchte seine eigenartige Erscheinung auf.
Und wie gesagt, sie hatte Stil. Wer ihn je im vollem Wichs gesehen, muss
ein Sonntagskind sein; aber auch da wird er seinen Mann gestellt, d. h. eine
gute Figur gemacht haben.
Bei der Arbeit gehörte N. ganz sich und dem eben zu behandelnden
Gegenstande an; aber wie lebte er auf, wie verjüngte er sich, wie sprühte
Noc. 4. IQ
sein Geist tischüber in geselligem Kreise bei einem gutem Tropfen! Da
zog er mit J^eichtigkeit alle Register seines reichen Wissens, da war ihm in
allen Tagesfragen ein stichkräftiger Trumpf zur Hand, da entwickelte er Laune
und geistige Anmut. Als Causeur war er unvergleichlich, fesselnd, entzückend,
erobernd, gleichviel, ob er verwöhnte städtische Sommersiedler oder schlau-
schlichte Landleute um sich hatte. Und sein süsser beredter Mund that's auch
Frauen an. Er hatte Glück bei dem schönen Geschlecht. Aber so viele Ge-
legenheiten ihm auch nahe gelegt wurden, so viele Freiheiten er sich auch nahm,
er blieb doch zeitlebens ein Gebundener, und in einzelnen Fällen kam es zu
tragischen Ausgängen, wiewohl das Geschick nicht eigens heraufbeschworen
worden. So ging 1880 das Gerede, dass seinethalben sich eine begabte Schrift-
stellerin das Leben genommen — seinethalben, doch kaum durch seine Schuld.
Was N. zu seinem neuen Berufe mitbrachte, war ungewöhnlich viel:
umfassende naturwissenschaftliche Kenntnisse, geschichtliches und ethno-
graphisches Interesse, Gewandtheit in den Sprachen, ein treues Gedächtniss,
das sich fort und fort durch sachliche Tagebuch-Eintragungen festigte, ein
männlich-poetisches Empfinden und eine Darstellung, die unschwer die Ver-
bindung zwischen Nahem und Fernem aufgriff und das scheinbar Entlegenste
zu einem einheitlichen stimmungsvollen Ganzen zu verweben verstand; während
sie eine Gegend im Zauber der gegebenen Jahreszeit schildert, liegt für sie
zugleich der geologische und geschichtliche Urgrund derselben zu Tage, und
wie sie stilgemäss dem sonnigen Süden und der heroischen Vorwelt beikommt,
weiss sie auch das rauhgewaltige Naturwalten der nördlichen Alpenwelt zu fassen.
»In den Voralpen« ist wohl das erste Buch, das N. als erwandertes
herausgegeben, obwohl dasselbe erst in der Ausgabe von 187 1 weitere Ver-
breitung gefunden zu haben scheint. So geht ja auch das »bayrische See-
buch« (1865) naturgemäss dem »österreichischen« und »italienischen« (1867
und 1874) voraus. Gleich die erste zu den Alpen aufstrebende Publication
trug dem Autor auf Verwendung des Directors Halm ein königliches Reise-
stipendium ein. Die Fahrt ging nach Dalmatien, Italien und zwar hier zu
Fuss nach Rom. So wirkte wohl Seume nach und als Früchte dieser Reise
sind das »Brennerbuch 1869« und »Dalmatien und seine Inselwelt, nebst
Wanderungen in die schwarzen Berge« zu betrachten.
Aber mittlerweile hatte sich der Wanderer daheim die Finger verbrannt.
Die beiden in's Zeitgeschichtliche einschneidenden Broschüren »Ach wie dumm
gehts in Bayern zu« und »Gottes Zorn« konnten ihm nicht Freunde erwecken,
weiss man doch, dass selbst dem vorsichtigeren grimmen Fallmerayer seine
verdeckten Ausfälle gegen das bajuwarische »Derwischabad« nicht wenig
eingetränkt worden sind. N. zog sich an die Österreichische Grenze nach
Mittenwald zurück, das, von Fahrten nach Spanien und nach Italien abgesehen,
sechs bis sieben Jahre sein Aufenthalt geblieben. Auch Lehrgeld zahlen
musste der junge Alpenwanderer. Wir erzählen mit den Worten seiner Frau
Schwester, die so treu und liebevoll sein Gedächtniss wahrt; »Im Jahre 1865
auf 66 in der Sylvestemacht verirrte er sich auf einem Uebergangsjoch zum
Achensee. Er stiess auf eine Holzhütte, machte Feuer darin und gewahrte,
dass ihm die Füsse erfroren. Erschöpft, ohne Lebensmittel, sah er sich dem
Tode nahe. Grenzwächter, die das Feuer bemerkt, vermutheten Schmuggler
in der Hütte auf der Höhe und fanden so meinen armen Bruder. Er lebte
noch, wurde zu Thal gebracht und von da weiter nach Ansbach zu den Eltern
befördert. Anfangs glaubte man, dass man ihm die Füsse werde abnehmen
27*
420
Noe.
müssen, doch der mütterlichen Pflege gelang es, ihn wiedo* auf gesunde Beirt
zu bringen. Die Zeitungen berichteten über den Ung^ncksfall myi scbcm da-
mals kamen Beileidsschreiben aus Nah imd Fem, sogar aus Russland. Bei
dieser Gelegenheit sah ich meinen Bruder zum ersten Mal, ich 1 1 Jahre alt
Heinrich um 20 Jahre älter — .c (S. auch > Gartenlaube c 1865.)
Schon auf seiner ersten grösseren Wanderung schrieb N. PetdDetor.«.
landschaftliche, Reisefeuilletons. Sie wurden gleich beachtet and mic dem
damit erzielten Honorar spann er wohl den Faden seiner Fahrten weiter.
Und der Feuilletonist brachte es rasch zu anerkannter Metsteischaft and ba) :
verstand er sich zu ausgesprochen feuilletonistischen Aufträgen und Tounrr.
Er wurde zum Feuilletonbten, wie Fallmerayer zum Fragmentisten g^evorden
Und wie diesem standen ihm in der besten Zeit die angesehensten Blätter
zur Verfugung, Allg. Ztg., Gartenlaube, N. Fr. Pr., Wiener Ztg. u. s. w. Und
man las den Feuilletonisten N. lieber als dessen Bücher, denn er brachte stet>
das Frischeste, Neueste, das eben ActueDe und Saisongemasse. Also machte
der Buchautor durch seine FeuiUetons sich selbst die wirksamste Concurreiu,
und sodann nahmen seine FeuiUetons auf die Gestaltung seiner Bücher EÜnfluss.
Nicht wenige derselben entbehren nemlich des einigenden Buchgedankens
und sind nur aufgesammelte, mehr oder minder glücklich verbundene Feuilletons.
So gleich sein Hauptwerk, das vierbändige »Deutsche Alpenbuchc 1875 — ^^•
In diesem erscheinen einzelne Länder, einzelne Partien wesentlich bevorzugt,
andere empfindlich zurückgesetzt. Das gegen vierzig Jahre ältere, fast ritel-
gleiche, funfbändige Werk A. Schaubach's »Die deutschen Alpen« ist ent-
schieden gleichmässiger gearbeitet. Aber freilich, auf diesem liegt sozusagen
eine und dieselbe Jahreszeit, der Sommerglanz, während N. mit Fug und
Recht auf die »verschiedenartige Beleuchtung« hinweisen kann, »in welcher
Landschaften und Menschen erscheinen«; da er sein Alpenbuch »nicht als
Sommer- oder Ferientourist« geschrieben, vielmehr »von einer Wintersonnen-
wende bis zur anderen keinen Monat, ja keine Woche, keinen Tag« vorüber-
gehen Hess, »an welchem er sich seinen Gegenstand nicht beschaut hättCv.
Ersichdich feuilletonistischen Gefüges ist das »Tagebuch aus Abbazia« 18S4
und sind auch »Die Jahreszeiten«, 1888, was gleichwohl gerade dieses Buch
nicht hindert, ein's der gehalt- und stimmungsvollsten zu sein, womit uns der
Autor beschenkt hat.
»Ich bin kein Dichter«, pflegte N. zu sagen. Dieser Meinung oder diesem
Vorurtheil ist es wohl zuzuschreiben, dass er die Reihe seiner Roman- und
Novellendichtungen sobald abbrach; auf »die Brüder«, »den Zauberer des
Hochgebirges« und die »Gasteiner Novellen« (1873 — 75) folgte Ende der
Siebzigerjahre der »Robinson in den Tauem«, wohl sein bekanntestes er-
zählendes Werk, in drei Bänden. Es wiegt viel und man legt es nicht zu
den gelesenen abgethanen Sachen. Der Held ist ein MÜitärflüchtling zur
2^it der Napoleon'schen Gewaltherrschaft. Er lässt sich von der Salzburgcr
Veste herab, er durchirrt, verfolgt und geächtet, die Wildnisse des Salzburger
Landes; der Pfleger von Werfen ist eine Prachtgestalt, ein nächtliches Eflfect-
stück die Schmuggler und der Sturm auf dem Zeller See, und so ist hier des
Gehaltvollen noch viel, vielleicht allzuviel für eine leichte Unterhaltungslekttire,
die am ehesten Aussicht hat, populär zu werden. In den Achtzigeijahren
schrieb N. als Erzähler nur noch in kl. 8®, wörtlich und figürlich gesprochen,
d. h. er ging unter die Jugendschriftsteller, und beispielsweise, wer mit den
»Pionieren der Unterwelt« auszieht, kann das Fürchten lernen.
Noe. ^21
Als getreuer Eckart der Alpenwelt hat N. überall hin fördernden, weisen-
den Ausblick gehalten. Wo eine neue Bahnlinie angelegt oder ein interessanter
Gebirgswinkel erschlossen wurde, wo eine Gegend, ein Ort zu Ruf und
Besuch gelangte, wo immer der sommerliche Fremdenschwarm sich hinlenkte,
überall tauchte fast ungesäumt die reisige Gestalt unseres Autors als kundiger,
williger Geleitsmann auf. Daher seine vielen »Führer« und Ortsmonographien,
die alle tiefer gegriffen und eigenartiger gefasst sind als die gewöhnliche
touristische Marktwaare. Wir heben »Elsass-Lothringen«, »Gastein und seine
Nebenthäler«, »Gossensass«, »Innsbruck«, »Arco«, »Görz und seine Umgebung«,
die »illustrirten Führer auf den Linien der österreichischen Eisenbahnen« und
eine stattliche Reihe der bekannten Füssli'schen Reisehefte hervor, letztere
aus den ersten Achtziger Jahren. Doch dies und Aehnliches hätte immerhin
auch ein anderer behender Schriftsteller im Dienste des augenblicklichen Be-
darfes leisten können. Aber N. war zugleich Pfadfinder; in ihm stak ein
Stück Aeskulap ; er wurde zum Wohlthäter an der erholungsbedürftigen Mensch-
heit, zum Gründer mittlerweile berühmt gewordener Luftkurorte und Sommer-
frischen, solcher, die wir uns unmöglich mehr wegdenken können. Wir nennen
Semmering, Toblach, Vahm, Abbazia, das Kurhaus in Görz, Madonna di
Campiglio. Die Mehrzahl dieser Trost- und Heilstätten, sicher Semmering,
Toblach und Abbazia sind Gründungen N.'s durch die Südbahn, mit deren
Generaldirector Schüler er nach dem bosnischen Feldzuge diesen menschen-
freundlichen Eroberungsplan besprochen und vereinbart hatte. Wie beispiels-
>*reise Abbazia erworben und ausgestaltet wurde, erzählt N. selbst gelegentlich,
natürlich mit bescheidener Zurückstellung seines eigenen Verdienstes. Er hat
sich trotzdem wohl bereichert bei diesen Gründungen? Durch ungefähr acht
Jahre ein Honorar von je 1200 fl., ein kleines, feuchtes Haus in Abbazia,
darin sich seine älteste, seine Lieblingstochter den Todeskeim holte, und
etwa die Erwirkung der einen oder anderen Schnellzugshalte-Stelle, das ist
Alles, was er von seinem Zusammen'^irken mit der Südbahn hatte.
Besonders beachtenswert sind die Bücher vorwiegend naturwissenschaftlich-
lehrhaften Inhalts. So schon aus der ersten Zeit: »Wie soll man die deutschen
Alpen bereisen?« und »Neue Studien aus den Alpen« ; so »Gossensass« mit
den Erinnerungen an Tirols Gletscherwelt; so das »Geleitbuch nach dem
Süden« mit ganz einzig schönen Kapiteln über den Karst und die Karstnatur
im allgemeinen, und so auch die »Geschichten aus der Unterwelt«, die mit
dem Karstwesen zusammenhängen.
Wieder in anderen Büchern überwiegt N.'s lyrische, erinnerungsselige
Natur; wir nennen diesbezüglich neben den schon erwähnten Jahreszeiten die
»Bergfahrten und Raststätten«, das »Deutsche Waldbuch« und »Edelweiss
und Lorbeer«, ein Spätwerk (1895), darin schon merklich die Schatten länger
werden.
Auf Tirol entfällt ein überwiegender Theil von N.'s Schriften; er zog
dies Land immer vor und in den letzteren Jahren mehr und mehr den Süden
desselben und das Küstenland. Anfangs schrieb er, wie überhaupt, detail-
reich über Tirol, dann aber wurden seine Schilderungen immer grosszügiger,
sinnbildlicher. Schon aus 1890 stammt »Sinnbildliches aus der Alpenwelt«,
wenn auch aus demselben Jahre noch der »Frühling in Meran« datirt mit
der berühmten Bismarck-Novelle. Gerade bezüglich Tirols hatte N. einen
gewichtigen und berühmten Rivalen an L. Steub. Ludwig von Hör mann,
selbst eine Autorität in allen ethnographischen und kulturhistorischen Dingen
42 2 Noc.
seiner Heimat, kennzeichnet und unterscheidet die beiden Ranzenden alpinen
Schriftsteller bestens in folgenden Sätzen: »Die Frage, welcher von beiden
bedeutender war, halte ich für überflüssig, jeder ist in seiner Eigenart gross.
Bewundem wir bei Steub die freie Zeichnung, die in wenigen Strichen ein
I^ndschaftsbild treu wiedergibt, so fesselt bei N. die farbengesättigte ^laJerei
mit der reichen Detailausführung; finden beim Ethnographen und Literar-
historiker Steub mehr die Menschen und ihre Schöpfungen Berücksichtigunc
so beschäftigt den Naturforscher N. mehr die Natur in ihrem Werden und
Vergehen; dem Humoristen und Satiriker Steub antwortet der Denker und
Philosoph N., dem in der gewaltigen Natur und ihrem geheimnisvollen Welen
eine verwandte Saite entgegentönt. Und wenn der Ethnograph Steub aus
verwitterten Grabsteinen und Wappen die Namen ausgestorbener Geschlechter
entziffert oder in räthselhaft klingenden Ortsnamen den Resten untergegangener
Völker nachspürt, so mahnt den Geologen N. die marmorne Tischplatte, auf
deren abgeschliffenen Ueberresten versteinerter Ammoniten sein Weinglas einen
rothen Rand gezeichnet, an das Mittelalter unserer Erde, sowie sein ahnender
Blick beim Herabkollem der Steinlawine die Zeit kommen sieht, da im Ver-
laufe der Jahrtausende der schöne Alpsee vom Gerolle ausgefüllt und ver-
schwunden sein wird. Ueberall auf seinen Wanderungen begleitet uns der
ernst angelegte denkende Mensch, der grübelnde, etwas zum Mysticismus ge-
neigte Geist im Gegensatz zu Steub, dessen Humor wie heiterer Sonnenglanz
seine Schöpfungen belebt.«
Diese nach beiden Seiten hin gleich zutreffende Charakteristik findet sich im
Vorwort zur N. 'sehen Nachlassschrift »Bozen und Umgebung«, die soeben das
Heinrich No^-Denkmal-Comitd in Bozen herausgibt. Sie ist mit N.*s letztem
Bildniss nach der Originalfarbenskizze von Carl Amonn geschmückt, bringt
auch zwei figurale Beiträge von Defregger und enthält überdies drei Land-
schaftsschilderungen von N.*s verstorbener Lieblingstochter Maria Walpurgis,
Man braucht blos das erste Kapitel dieses posthumen Buches zu lesen, um
inne zu werden, was unter dem Stich ins Mystische zu verstehen ist. Ein
möglichst vollständiges Verzeichniss der N.'schen Schriften macht diese pietats-
volle Publication besonders werthvoll.
Selbst N.'s ehrlichste Freunde und Würdiger werden kaum alle seine
Schriften gelesen haben; er hätte es auch keinem zugemuthet. Denn klein-
liche Eitelkeit lag ihm fem, und er wusste selbst zu gut auch, dass neben
den Sachen von bleibendem Werthe viel Gelegentliches mit einherlief Er
war arbeitsam aus Drang und Noth, aber er hielt nicht Ordnung, und bei
seinem Nomadenleben war dies auch ein Ding der Unmöglichkeit. An dem
Unstäten aber hing er eben so eigensinnig als unbekümmert, nachdem er ein-
mal sich selbst zu einer Art Declassirten gemacht. Bei ihm konnte man
ebenso wenig eine Sammlung seiner Werke suchen wollen, als sich in seinem
Nachlasse Verlagsbriefe und dergleichen vorfand.
Doch es ist noch manches Biographisches nachzuholen. Ich lernte den
längst verehrten Meister 1877 ^^ Velden am Wörthersee persönlich kennen.
Er war eben vom russisch-türkischen Kriegsschauplatz zurückgekehrt, wo es
ihm knapp an den Hals gegangen, und noch vor Plewna wars. Er redigirte
eine kärntnerische Wochenschrift, litt zuweilen an Fieber und sommersiedelte
in einem abseits stehenden Bauernhäuschen mit seiner Frau, die ihm ein
Töchterchen geboren. Er hatte 1870 oder 72 in Zara geheiratet und zwar
seine Sekretärin und Reisebegleiterin. Die Ehe war keine glückliche. Er
Noe. 423
hatte aber Münchner Freunde um sich, du Prel, die Maler Oppel und Flüggen.
Mit diesen galt's ein rüstiges, wildes Naturkneipen. Man badete unter dem
vruchtigen Wassersturz des oberen Sees, man kampirte nachts im Walde bei
einem lebhaften Feuer und liess die Flasche Rothweins kreisen, man setzte
im Costüm von Wilden über den gedachten See und schlief in einem, diesem
zu, offenen Holzverschlag. Den Zutritt zur Banda vermittelte der Losungs-
ruf »Arkas«, nach dem Sohne der Kallisto. Mich, der doch auch zur
zahmeren Gesellschaft im Orte hielt, schalt der Meister »Weiberknecht«.
Schon 1878 ging N.*s Ehe in die Brüche — sie ist ihm durchgegangen,
hiess es; er hat sie fortgeschickt, verlautete von anderer Seite, und das
dürfte wohl das Richtigere sein. Zu einer förmlichen Scheidung oder Tren-
nung kam es nicht; Fristversäumniss, Kosten und Schuldbewustsein wohl auch
auf Seiten des Mannes standen dem im Wege. Vom lieben Kinde konnte
sich N. nicht trennen, obwohl dasselbe bei seiner mittlerweile verheiratheten
Schwester gut aufgehoben gewesen wäre. Das dreijährige Töchterchen brauchte
aber eine Pflegerin und Erzieherin, N. selbst eine geübte Schreibkraft. Das
Alles fand sich in einem feinen gebildeten Fräulein, doch die Verbindung
mit demselben konnte nur eine Gewissensehe sein und ist eine solche geblieben.
Es war daher nur ein wohlwollendes Gerücht, welches wissen wollte, N. habe
zum zweiten Male sich in St. Ruprecht bei Klagenfurt trauen lassen und da-
bei sein Erlanger Doctordiplom vorgewiesen. So ist es aber gekommen, dass
die beiden hinterlassenen Töchter Karoline und Henriette nicht ihres Vaters
berühmten Namen führen, während ihn noch eine Unwürdige trägt.
Bald nach Velden siedelte N. auf einer Höhe über Brixen. Er und seine
Kameraden wurden als Ketzer denunzirt, aber man kam damit an einen gut-
müthigen Geistlichen, der den Ausspruch that: »Lasst sie — irgendwo
müssen sie ja doch sein!« Bald nach der Besetzung Bosniens brachte N.,
der Erste, aus diesem schönen Berglande deutsche Kunde. Man lese beispiels-
weise im heurigen Schul vereins-Kalender das Nachlassstück »Eine türkische
Geschichte«. Später hatte N. sein Heim in Görz. 1893 leitete er kurze Zeit
die amtliche Laibacher Zeitung, bis ihn nämlich der slo venische Uebermuth
anwiderte. Bald darnach that er bei Römerbad einen bösen Fall vom Con-
ducteurhüttchen eines Waggons herab — man witterte ein slovenisches Atten-
tat — richtiger trug aber einfache Schlummerseligkeit das Verschulden. Die
Narbe quer die linke Wange herab rührt von daher, nicht von einer Studenten-
mensur.
1894 verlor N. seine geliebte legitime Tochter Maria Walpurgis. Von
da an war er nicht mehr derselbe. Er fühlte Arbeitskraft und -Mut schwinden;
eine rührselige Stimmung überkam ihn, den sonst so sicheren Mann; der
Stich in's Mystische vertiefte sich, so dass sich ihm beispielsweise die Augen
feuchteten, wenn er aus dem Todtenritual bei dem Begängnisse seiner Tochter
der tröstenden Worte gedachte: »Du wirst den Tod nicht sehen, ob Du
gleich stürbest«; er suchte Trost beim Weine und vertrug nicht mehr das
gewohnte Mass. Eine Kaltwasserkur in Thalkirchen bei München im Sommer
1896 festigte ihn wenig. Auf dem Rückwege nach Bozen verweilte er noch
vierzehn Tage in Niedemdorf. Er starb in Bozen Nachts 12 Uhr am 26.
August 1896, nicht in seiner Wohnung, sondern als Gast im Krankenhause
— erstere war nicht in Ordnung! Der Arzt erkannte auf Gehirnerweichung,
Gehirnschlag.
N. ruht auf dem protestantischen Friedhof; Begängniss und Grabstelle
^24 Noe. Lcithc. Volkmann.
hat die Curcommission in Gries bestritten. Mutter und Kinder sind mittellos
hinterblieben. Spontane Anerkennung rafft sich zu einem Denkmal fiir den
Hingeschiedenen auf und das ist tröstlich^ aber kein Ehrenstein gleicht aus,
was an ihm das Leben verschuldet.
Lit. Zur Erinnerung an Heinrich Noe. Von Friedrich Ratzel. Beilage sur AUgcxn.
Zeitung, No. 148 vom 7. Juli 1898.
Hans Grasberger.
Leithe, Friedrich, ♦ am 28. März 1828 zu Fieberbrunn in Tirol, j am
15. Dezember 1896 in Innsbruck, Bibliothekar. L*s. Vater war k. k. Gubemial-
rath und jubil. Eisenwerkdirector. Nachdem L. seine Studien an der \littel-
schule vollendet, bezog er die Wiener Universität, an der er die juridischen
Prüfungen mit ausgezeichnetem Erfolge ablegte und 1852 die Doktorwiirde
der Philosophie erwarb. Von da ab widmete er seine ganze Kraft dem
Bibliothekswesen, dem er sich ungetheilt bis an sein Lebensende ergab.
Nach mehr als dreijähriger Dienstzeit als Hilfsarbeiter an der Hofbibliothek
in Wien, wurde er im Februar 1857 zum Amanuensis an der Universitäts-
bibliothek daselbst, April 1857 zum Scriptor ernannt. Schon in diesen
Stellungen that er sich derart hervor, dass er nicht nur durch eine ministe-
rielle Belobung, sondern auch durch Verleihung einer Bibliothekarstelle an
der Universitätsbibliothek in Innsbruck (Jänner 1868) ausgezeichnet wurde,
ein Avancement, bei dem er die Stelle eines Custos übersprang. 1874 wurde
ihm die Leitung der Wiener Universitätsbibliothek, März 1885 die der
Bibliothek der technischen Hochschule in Wien anvertraut. Ueber ein Jahr
quälte ihn ein Leiden, das ihn dienstunfähig machte, bis ihn der Tod davon
erlöste. Jeder, der L. kannte, schätzte ihn als einen Mann von peinlicher
Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue, den die Freude an seinem Dienste beseelte.
Als Vorstand der grossen Institute, die er leitete, zeigte er Sinn für Organi-
sation und Blick für all das, was das Ansehen und die Leistungsfähigkeit
dieser Anstalten zu heben vermochte. Dabei hielt er auch als Vorstand an
seinem unermüdlichen Eifer fest; von früh morgens bis in den späten Abend
hinein sass er in seinem Bureau, wo er die wichtigsten Amtsgeschäfte selbst
erledigte. Er führte die Korrespondenz, besorgte den Einkauf der Bücher,
sowie einen Theil der Katalogisirung; dabei war er stets in der Bibliographie
genau orientirt und wusste über alle Fragen, die ihm zur Entscheidung vor-
gelegt wurden, Auskunft zu geben. Auch seine vorgesetzte Behörde, das
Unterrichts-Ministerium, schätzte den Umfang seiner Kenntnisse und befragte
ihn oft in wichtigen Bibliotheks- Angelegenheiten. 1873 war er Mitglied der
Tiroler Landeskommission für die Wiener Weltausstellung, im Jahre 1893
erhielt er den Titel eines Regierungsrathes u. s. w. — Sein Werk »Die k. k.
Universitäts - Bibliothek in Wien. Wien, 1877« ist durch genaue Sachkennt-
niss und sorgfältige Benutzung aller Quellen ausgezeichnet.
Quellen: Neue freie Presse vom 21. Dezember 1896 und unveröffentlichte Akten.
H. Bohatta.
Volkmann, Wilhelm, Buchhändler, ♦ am 12. Juni 1837 in Leipzig als Sohn
des berühmten Anatomen und Physiologen Alfred Wilhelm Volkmann (bis 1837 in
Leipzig, bis 1843 in Dorpat, bis zu seinem Tode, 1897 in Halle) und jüngerer
Bruder des berühmten Chirurgen und Dichters Richard Volkmann (ps. R. Lean-
der), f am 24. December 1896 zu Leipzig. Er besuchte das Pädagogium in
Volkmann. Fürst Stolberg-VVernigerode. 425
Halle und die Klosterschule in Zerbst, erhielt auch später noch Privatunter-
richt. Von 1856 — 59 erlernte er bei Eduard Anton in Halle den Buch-
handel, studirte in Leipzig Literatur und Geschichte, war kurze Zeit in der
Burdach'schen Hofbuchhandlung in Dresden thätig und trat 1860, zunächst
zur Erlernung des Buchdrucks, bei Breitkopf & Härtel in Leipzig ein. Als
Enkel Gottfried Härteis wurde er 1867 Procurist, 1873 Teilhaber, 1884 Mit-
besitzer der Firma, der er seit i88o mit seinem Vetter und Gesellschafter,
Dr. Oskar von Hase, bis kurz vor seinem Tode 1896 als ältester Chef vor-
stand. Er trug wesentlich zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Buch-
druckerei bei, war aber auch sonst für das weitverzweigte, mit verschiedenen
technischen Nebenzweigen verbundene Geschäft unermüdlich thätig. Den
allgemeinen Interessen seines Berufes und der städtischen Angelegenheiten
widmete er sich mit regstem Eifer. Von 1875 — ^4 verwaltete er das Amt
eines Rechnungsführers des Deutschen Buchdruckervereins. Er war Prinzipal-
vorsitzender und Rendant der Unterstützungskassen für Buchdruckergehilfen.
Seit 1894 bekleidete er besonders auch das wichtige und verantwortungsreiche
Amt des ersten Schatzmeisters im Börsenverein der deutschen Buchhändler.
Seit 1874 war er in städtischen Ehrenämtern thätig. 1876 wurde er zum
Stadtverordneten, 1880 zum Stadtrath gewählt. In segensreicher Weise machte
er hauptsächlich für die Armenfürsorge und, wie im eigenen gegen 600 Per-
sonen beschäftigenden Hause, um mancherlei Wohlfahrtseinrichtungen und
milde Stiftungen sich verdient.
Vgl. M[ax] E[vers] im Adressbuch des Deutschen Buchhandels 1898 und Börsenblatt
f. d. D. Buchhandel 1896 Nr. 300.
H. Ellissen.
Stolberg-Wemigerode, Otto, Fürst zu, General der Cavallerie ä la suite
der Armee, erbliches Mitglied des preussischen Herrenhauses und der ersten
Kammer der Stände des Grossherzogthums Hessen, ♦ 30. Oktober 1837 zu
Gedem am Vogelsberge, f zu Wernigerode am 19. November 1896. Sein
in gleicher Weise durch geistige Anlagen und edle Gaben des Herzens und
Gemüths wie durch Geschäftstüchtigkeit ausgezeichneter Vater, der Erbgraf
Hermann, wurde ihm schon am 24. Oktober 1841 entrissen, während ihm
seine Mutter, die Erbgräfin Emma, geb. Gräfin zu Erbach-Fürstenau, eine
äusserlich und innerlich hohe Erscheinung, bis zur Schwelle seines 53. Lebens-
jahrs erhalten blieb. Da Graf Otto einen Monat vor dem Vater auch einen
älteren Bruder, den Grafen Albrecht, verloren hatte, so trat er als voraus-
sichtliches künftiges regierendes Haupt des Hauses an dessen- Stelle und es
nahm nun neben der Mutter, die aufs treueste über der Entwicklung seines
Geistes und Gemüths wachte, der den Vater bis zum 16. Februar 1854 über-
lebende Grossvater, Graf Henrich, die Ausbildung des Enkels mit grosser
Sorgfalt in die Hände. Seit 1839 von einem Informator auf dem Marien-
hofe zu Ilsenburg erzogen, besuchte er darnach kürzere Zeit das unter der
Leitung des Regierungsraths Eilers stehende Privatinstitut zu Freienfelde bei
Halle a. d. Saale. Von 1851 bis 1856 war er dem Gymnasium zu Duisburg
am Niederrhein anvertraut, das sich damals unter der Leitung des tüchtigen
Direktors Eichhoff eines besonderen Rufes erfreute.
Nach wohlbestandener Reifeprüfung — das mündliche Examen war ihm
erlassen worden — bezog Graf O. im Herbst 1856 die Universität Göttingen.
Die Studienfächer waren die Rechte und die Kameral Wissenschaft, wobei
^^26 Fürst Stolberg- Wernigerode.
jedoch der Kreis der gehörten Vorlesungen ziemlich weit gezogen wurde.
Nicht nur hörte er Encyklopädie des Rechts bei dem Privatdozenten Aegidi
Nationalökonomie bei Hassenstein, sondern auch geschichtiiche Vorlesunger.
bei Waitz, Physiologie bei Rudolf Wagner, Chemie bei Wöhler und tri"
phi1osoi)hisches Privatissimum bei Lotze. In dankbarer Erinnerung behie":
er nationalökonomische Vorträge vom Professor Hanssen. Auch fanden Au.^
flüge in die Umgegend, so nach dem landwirthschaftlichen Gut Wehnde, stat:
und es wurde ein reger Verkehr in Gesellschaften bei höheren Beamten und
Professoren gepflogen, auch öfter bei Hoffesten das leicht erreichbare Hannover
aufgesucht. Auf die Göttingische Zeit folgte 1858 noch ein Sommersemester
in Heidelberg, wo der junge Graf sich dem Corps Saxoborussia anschlo><
Schon während der Duisburger Zeit war Graf O. Erbe der Stammguter
des Hauses und regierender Herr geworden, doch hatte während seiner l'n-
miindigkeit sein Oheim Graf Botho mit grosser Ge^-issenhaftigkeit und Treie
die Vormundschaft geführt. Er selbst aber hatte sich früh Einsicht in die
seiner wartenden Aufgaben und in die Verhältnisse seiner Besitzungen verschafit-
Ehe wir jedoch unsem Blick auf die Verwerthung seiner Kenntnisse
und (»aben für den Beruf richten, für welchen ihn Geburt und Vorbildu^ii
zunächst bestimmt hatten, ^ird es sich besonders an dieser Stelle empfehlen,
uns zunächst den Aufgaben und Leistungen zuzuwenden, die Graf O. au^
freier Entschliessung und zum grossen Theil veranlasst durch die Bedürfni>se
der ausserordentlichen Zeit, die ihm zu durchleben beschieden war, auf sich
nahm.
So gross auch der in seiner Eigenschaft als Haupt seines Hauses sich
erötJhende Wirkungskreis war, so fiihlte er sich doch gedrungen , aus freier
Wahl ein paar Jahre im preussischen Heere zu dienen. So trat er denn al>
Lieutenant bei dem Regiment der Gardes du corps ein, wo er 1859 bi^
1S61 K\ld in Berlin, bald in Potsdam stand. Im letzteren Jahre kam er aber,
um den dringenden Pflichten tlir die Grafschaft Wernigerode genügen zu
können, um Enilassving aus dem activen Militärdienst ein und trat hinfort in
d.is Verh.utr.iss ä la suite der Armee, worin er, mit der Berechtigung die
Uniform der Gardes du corj^s weiter zu tragen, bis zum General der CaTallerie
em|x>rsneg.
Mi; dem Jahre 1S64 beginnt nun aber die Reihe grosser Elreignisse.
durvh welche Graf O. zu opfertreudiper Hingabe an König und Vaterland
veranlasst \i-"urde, 7w.\r der Feldmc m Schles^^i: eab ihm nur in bescheidenem
M.isse Geleiienhei: durch cie Aufnahme und Pne^re verwundeter Rri^er Opfer
der Varer'.anvisliele cLirrurrincen : al^er um so reichere bot der Kri^ des
I .ihres iSoo. AI> IVIe^rlner ces >L:'::ar-lr>rec:eurs der freiwilligen Kranken-
r^e^e bei der MA'>Amiee \k-ur.ie er den?. S:abe des Generals Vo^ v. Falken-
stein beu^^ehen. n.vhm in dieser F:^en<ch.if: an verschiedenen Gefechten,
Wie H.unn:el>;:r^. >io er ori^^nanririe, A>chA!tenrurz, Rissin,2en theü, und nach
her4:et?:ey.:eni Fr.e.ien an dent Fin.-Uiie vier Tr^ry-en in Berlin. Jener seinem
Wesen viurvhaus enisyrxvhenien rr.-.ttiivc:: rur Linderung der Schrecken de>
Kr.eces h,;: er dann in <iei"*er Frcenikh-ir: als Mitglied des TohanniterordenN
in uelvhens er s<n: i>r> v::e S:c*'e eines Conintendarors für die ProWni
Sv;oh>en, von i5*i b:> i55? vV.e v:e< vV.ier5'van_rIers einjiahm. sowie als Vor-
c> Cenn\»I-Conv.:c-> d^r vie^tschen Ven*ine, wie besonders des
Vorx:•^> \.nn r.:"'*e-" Kreur, :;> an <c"in F.nde mit panier Kncabe
^- ^*
X «N -• *>• Jfc '--»J*»^
Fürst Stolberg-Wemigerode. 427
Aber neben dem über den Streit der Parteien und Sonderinteressen er-
habenen christlich-humanen Wirken galt es auch im parlamentarischen und
staatsmännischen Leben in höheren Stellungen Dienste zu leisten, wobei es
tlem Verewigten eine willkommene und oft mit grossem Erfolge gelöste Auf-
gabe war, in dem Kampfe der Parteien und gegenüber starken Abneigungen
und Sonderinteressen vermittelnd und versöhnend einzuwirken. Bei den
Wahlen zum constituirenden Reichstage des Norddeutschen Bundes wurde
ihm 1867 mit grosser Stimmenmehrheit das Mandat des Wahlkreises Oschers-
1 eben-Halberstadt- Wernigerode übertragen.
Eine besonders schwere verantwortungsvolle Last wurde aber auf seine
Schultern gelegt, als er die Stellung eines ersten Oberpräsidenten der eben
erst dem preussischem Staate angegliederten Provinz Hannover übernahm,
ein Amt, das er vom September 1867 bis Februar 1873 versah. Es galt
hier starke Abneigungen zu überwinden, zu versöhnen und den Bewohnern der
grossen Provinz den Uebergang in die neuen Verhältnisse möglichst zu er-
leichtem. Durch unermüdliche Thätigkeit, th unliebst beschleunigten Ge-
schäftsgang und hingebende Sorge für die praktischen und geistigen Bedürf-
nisse des Landes wurde das erstrebte Ziel in einem Masse erreicht, wie es
sich nur irgend erwarten Hess. Ein schöner Beweis ftir das Vertrauen, welches
der Oberpräsident sich im Lande erworben hatte, ist es gewiss, dass derselbe
von 1871 bis 1878, d. h. bis sein Uebergang in neue Verhältnisse ihm eine
Fortführung dieser Mandate unmöglich machte, als Vertreter der hannoverschen
Wahlkreise Melle-Diepholz und Goslar-Klaus thal Mitglied des deutschen
Reichstags war. Eine grössere Anerkennung aber konnte sein Wirken kaum
finden, als in dem Petitionssturm, der sich erhob, um den durch andere
Aufgaben zu sehr in Anspruch genommenen zum Verbleiben in seiner Stellung
zu bewegen.
Mittlerweile war allerdings durch den Krieg gegen Frankreich, abgesehen
von den äusseren Veränderungen, eine grosse Wandlung in den Stimmungen
hervorgerufen. Graf O. selbst begrüsste es mit grosser Freude, als auf dem
Boden Frankreichs in dem neuen deutschen Reiche eine edle Friedensfrucht
gereift war. Wohl kannte und schätzte er die trefflichen Eigenschaften und
Vorzüge des strammen altpreusischen Wesens, aber er wusste, dass sich auch
anderswo in Deutschland viel Gutes finde, das nun, nach Vereinigung der
deutschen Fürsten und Stämme unter preussischer Führung, dem geeinten
Reiche als segensreiche Morgengabe zufiel.
Zunächst diente er dem Gesammtvaterlande noch in seiner Stellung in
Hannover, wo ihm der Krieg noch besondere Gelegenheit zur Errichtung
von Lazarethen in Hannover und Göttingen darbot, dann auch in der
oben bezeichneten Weise als Mitglied des deutschen Reichstags, in welchem
er sich in politischen Fragen der freiconservativen Partei anschloss. Von
1872 bis 1877 war er ausserdem zum erstenmal als Nachfolger seines Vetters
Graf Eberhard zu St.-W. Präsident des Herrenhauses, eine Aufgabe, der er
sich mit ganz besonderer Freude unterzog. Als dann die orientalischen
Wirren in Sicht traten, wurde er im Jahre 1876 zum Botschafter am Kaiserlich
österreichischen und Königlich ungarischen Hofe in Wien ernannt. In dieser
Stellung trug er viel dazu bei, das Verhältnis zwischen dem deutschen und
österreichisch-ungarischen Reiche freundlich zu gestalten. Das beste Zeugnis
für den Erfolg dieser Sendung ist es, dass er zur Zeit einer grossen Spannung,
als es sich um den Abschluss eines deutschen Bündnisses mit Oesterreich
^28 Fürst Stolberg-Wernigerode.
handelte, im Jahre 1878 zum allgemeinen Stellvertreter des Reichskanzlers
ernannt wurde, was er bis zum i. Juni 1881 war. In dieser Eigenschaft
hat er es durch sein eifriges Bemühen und durch das grosse Vertrauen, das
er bei dem Haupt des deutschen Reiches genoss, vermocht, Kaiser Wilhelm
in Baden-Baden zur Unterschreibung dieses wichtigen Bündnisses zu bewegen.
Von seinen letzten hohen Stellungen zurückgetreten, übernahm er nach
drei Jahren wieder auf den besonderen Wunsch des Kaisers und Königs das
Amt eines Oberstkämmerers Seiner Majestät, das er wieder bis zu des Kaisers
Ableben mit freudiger Hingabe verwaltete und dann bis zum Jahre i8q2
bei Kaiser Wilhelm IL fortführte. Ausserdem war er als Nachfolger de<
Grafen v. Schleinitz von 1885 bis 1888 mit der Leitung des Königlichen
Hausministeriums betraut. Nach der auf sein Gesuch erfolgten Enthebung
von dem Amte eines Oberstkämmerers bekleidete er von allgemeineren öffent-
lichen Aemtern und Stellungen nur noch die eines Präsidenten des Herren-
hauses und eines Vorsitzenden der deutschen und preussischen Vereine vom
Rothen Kreuz, in welcher letzteren Eigenschaft er auch bei den internationalen
Congressen dieser Vereinigung in Karlsruhe (1887) und Rom (April 18921
als Vorsitzender betheiligt war. Seit 1891 war er auch, als Nachfolger des
Generalfeldmarschalls Graf Moltke, Kanzler des hohen Ordens vom Schwarzen
Adler, der ihm noch von Kaiser Wilhelm I. zu Neujahr 1888 war verliehen
worden.
Aber in seinen hier kurz angedeuteten Leistungen für Kaiser und Reich,
für Preussen und für das allgemeine Werk der Verwundeten- und Kranken-
pflege war keineswegs sein ganzes Thun beschlossen. Ausser seinem Wirken
für das grosse Ganze wandte er auch den Angelegenheiten der heimischen
Provinz sein lebhaftes Interesse zu. Dieses war bereits im Hause erblich
geworden. Schon beim ersten sächsischen Provinziallandtage im Jahre 1827
hatte sein Grossvater Graf Henrich den Vorsitz geführt und der Vater, der
Erbgraf Hermann, an den Verhandlungen theilgenommen. Sein Grossoheim.
Graf Anton, hatte sich als Oberpräsident grosse Verdienste um die Provinz
erworben. Er selbst nahm seit 1862 öfter an dem Provinziallandtage theü;
von 1871 bis 1875 führte er als Landtagsmarschall der Provinzialstände in
Merseburg den Vorsitz, 1876 war er Vorsitzender des Landtages der Provinz
und des Provinzialausschusses. Bei der Bildung einer Kommission für den
Denkmälerschutz in der Provinz wurde er auch deren Mitglied. Die zwei-
malige Absendung eines Gelehrten nach Rom zur Benutzung des vatikanischen
Archivs seitens des Geschichtsausschusses der Provinz geschah auf seine per-
sönliche Anregung hin. Unerwähnt darf hier auch nicht bleiben sein Geschick
und sein Verdienst bei wiederholter Leitung der Provinzialsynode. Seine
Betheiligung an den Angelegenheiten der Provinz machten ihm stets eine
besondere Freude.
Bei allem Wirken und Streben in weiteren und weitesten Kreisen war
er doch zunächst seit erlangter Volljährigkeit regierender Graf zu Stolberg
und Haupt der älteren Linie des Hauses und es geschah nicht ohne Opfer,
wenn er durch allgemeinere dem Gemeinwohl und für Kaiser und Reich ge-
leistete Dienste von der Erfüllung der ihm zunächst durch Geburt und Erb-
schaft zugefallenen Aufgaben abgezogen wurde. Seine wemigerödische Stellung
war eine eigenartige. Durch Verträge zwischen der Krone Preussen und dem
Grafen zu Stolberg-Wernigerode von 17 14 und 1822 war dem letzteren gegen
Verzicht auf wichtige vorher besessene Rechte noch eine ziemliche Summe
Fürst Stolberg- Wernigerode. 429
von Hoheitsrechten gebheben, die durch einen besonderen gräflichen Re-
gierungskörper ausgeübt wurden. Durch die poHtische Entwickelung, welche
Preussen seit Errichtung des deutschen Reiches gewann, insbesondere durch
die neue Kreisordnung, wurde den meisten dieser vertragsmässig zugesicherten
Rechte der Boden entzogen. Dadurch sah sich der Graf im Jahre 1876 ge-
drungen, auf seine Regierungsrechte zu verzichten, die dann mit dem i.
Oktober d. J. theils auf die königlichen Behörden, theils auf neu eingerichtete
Selbstverwaltungsorgane tibergingen. Was bei diesem Uebergange nicht aus-
drücklich aufgehoben wurde, blieb nach Massgabe jener älteren Vergleiche
in Kraft. Insbesondere blieb das besondere Fürstliche Consistorium und die
Aufsicht über Kirchen und Schulen bestehen.
Noch in demselben Jahre errichtete Graf O. ein Hausstatut, in welchem
ein gutes Stück alten Herrenrechts festgestellt wurde. Durchdrungen von der
Bedeutung und den besonderen Aufgaben seines Geburtsstandes, erschien er
als der geeignete Nachfolger des Fürsten zu Fürstenberg als Vorsitzender des
Vereins deutscher Standesherren, was er bis zu seinem Ableben war. Im
Jahre 1890 nahm er mit allerhöchster Genehmigung den fürstlichen Titel an,
dessen im Jahre 1742 durch Kaiser Karl VII. erfolgte Verleihung an die
Nebenlinie Stolberg-Gedem sich auch auf seinen directen Vorfahren, Graf
Christian Ernst (17 10 — 1771) erstreckt hatte, von diesem aber nicht an-
genommen war. Bei dem im Jahre 1890 vom deutschen Kaiser ausgestellten
Diplom fand auch eine vom Fürsten veranlasste angemessenere neue Formation
des Familienwappens statt. Nach derselben Urkunde erstreckt sich der fürst-
liche Charakter nur auf den Fürsten O. und seine Nachfolger im Stammgut
Stolberg -Wernigerode erster Generation, sowie auch auf die Nachkommen
erster Generation des jedesmaligen erstgeborenen Sohnes und präsumtiven
Nachfolgers im Stammgute.
Den Aufgaben seiner eigenen Verwaltung widmete sich der Fürst mit
eben so grossem Eifer als Geschäftstüchtigkeit, hierbei unterstützt von treuen
Beamten, auf welche naturgemäss sein Vorbild segensreich einwirkte. Wir
müssen es uns versagen, auf das schöne Verhältnis, das zwischen Herrn und
Diener waltete, näher einzugehen, wie denn auch hier nicht die innere
Thätigkeit der flirsthchen Verwaltung, so die neue Ordnung des Rechnungs-
wesens, verfolgt werden kann. Wohl aber ist auf verschiedene Schöpfungen
und Erwerbungen des Fürsten hinzuweisen. Hervorragend sind die Werke
seiner eifrigen Bauthätigkeit, die ums Jahr 1862 begann und mit der am
4. April 1880 erfolgten Einweihung der Wemigeröder Schlosskirche der Haupt-
sache nach ihren Abschluss fand. An einer der schönsten Stellen Nord-
deutschlands angesichts des erhabenen Brockens und des weiten Hasseröder
Thals gelegen, war der alte Grafensitz durch die schweren Geschicke des 17.
und den geringen architektonischen Kunstsinn des vorigen Jahrhunderts zum
unschönen Rumpf entstellt. Mit pietätvoller Schonung aller auf irgend
welchen Kunst- und geschichtlichen Wert Anspruch verdienenden Reste
wurde dieses Bauwerk mit sehr erheblichen Kosten so grossartig und schön
gegliedert im gothischen Style ausgebaut, dass es nunmehr als das schönste
Bergschloss in Norddeutschland dasteht. Wir können nur kurz des roma-
nischen Bothobaus bei dem ehemaligen Benediktinerkloster Ilsenburg, der
Wiederherstellung der Drübecker Klosterkirchthürme, des allein auf fürstliche
Kosten ausgeführten Baues der Kirche in Schierke gedenken, desgleichen
des Baues von Strassen im Lande und im Gebirge (Hagenstrasse nach
43 o Ffirst Stolberg- Wernigerode.
Schierke). Durch ein grossartiges Opfer an Grund und Boden sicherte er
auch das Unternehmen der Harzquer- und Brockenbahn. Mit noch grösseren
Opfern war die Uebemahme des Patronats des früher städtischen Gymnasiums
zu Wernigerode im Jahre 1867 verknüpfe. Damit verbunden war die Auf-
führung eines neuen Schulgebäudes, eines mit einem Kostenaufwande von
300,000 M. ausgeführten Monumentalbaues in frühgothischem Stile.
Das grösste sichtbare Denkmal einer durch mehr als drei Jahrhunderte
im Hause Stolberg geübten Pflege der Wissenschaft, besondeis der kirchlichen
und geschichtlichen, ist die über 108,000 Bände starke Fürstliche Bibliothek
in dem grossen ehemaligen Orangerie-Saale. 40,000 Bände wurden hiervon
durch den Fürsten O. erworben. Durch Vereinigung und Vermehrung ver-
schiedener, theilweise schon älterer geschichtlich-antiquarischer Sammlungen
wurde ein werthvoller wissenschaftlicher Schatz gesammelt, fiir dessen Unter-
bringung geeignete Räume bestimmt wurden und der von des gegen ^irärtigen
Fürsten Christian Ernst Durchlaucht zur Ehrung der Verdienste des verewigten
Vaters mit dem Namen Fürst Otto -Museum belegt und der öffentlichen
Benutzung zugänglich gemacht wurde. Theils unmittelbar theils mittelbar
geschah es durch seine Anregung, auch durch seine grossmüthige Unterstützung,
dass zur Zeit seines Waltens eine Reihe von Urkundensammlungen und dar-
stellenden Schriften zur Geschichte des Hauses Stolberg und seiner Besitzungen
ans Licht trat. Ganz besonders war es das persönliche Interesse an der Sache —
weit weniger materielle Unterstützung — was für das Gedeihen des im
Jahre 1868 zu Wernigerode gegründeten Harzvereins für Geschichte und Alter-
thumskunde fördernd wirkte. Das seit der Gründung geführte Protektorat
war eben so wenig ein blosser Name als die mit der Fürstungsurkunde als
Schildhalter aufgenommenen Wilden Männer eine unwesentliche Zier: sie
versinnbildlichen das innere Verhältniss des erlauchten Herrn und seines Hauses
zum Harz und seiner Geschichte.
In grossem Umfange verfolgte er die Abnindung und Vermehrung der
Besitzungen, sowohl des Stammguts als der Eigengüter. So enft'arb er im
Jahre 1867 durch Tausch mit dem preussischen Fiscus das seit 1694 von
der Grafschaft abgekommene Waldgebiet der Oberförsterei Hasserode, in
eben demselben gegen Verzicht auf weiter reichende Ansprüche eine bequem
an das Wemigerödische sich anschliessende Waldfläche von über funftehalb-
tausend Morgen im Amt Elbingerode. Ein paar Jahre vorher war schon im O.
der Grafschaft Wernigerode das benzingerödische Forstgebiet angekauft worden.
Dazu erwarb Fürst O., abgesehen von Besitzungen in Westpreussen und in
Posen, im Jahre 1880 eine über hunderttausend Morgen (rund 28,900 ha"^
grosse Waldherrschaft in den Kreisen Gross-Strehlitz und Lublinitz, Pro%inz
Schlesien, welche durch des jetzt regierenden Fürsten Christian Ernst, Durch-
laucht, den Namen Ottowald erhalten hat.
Zwar müssen wir es uns hier versagen, auf Einzelnes in der gräflichen
und füistlichen Verwaltung einzugehen, doch sei daran erinnert, dass das
ganze Rechnungswesen neu eingerichtet wurde und dass der Verewigte stets
bestrebt war, bei der Verwaltung alle Besserungen durchzuführen, welche er
nach dem Rath erfahrener Beamter und Räthe als die den Forderungen der
Gegenwart entsprechenden erkannte.
Von dem mannigfaltigen und reichen Wirken für Kaiser und Reich,
Provinz und eigenen Besitzungen, für Kunst und Wissenschaft wenden wir
uns zu dem engen persönlichen Verhältniss, welches zwischen dem grossen
Fürst Stolberg-Wernigerode. 4^1
Kaiser und Könige und seinem erlauchten Bannerträger bestand und mit der
Zeit sich immer inniger gestaltete. Dieses Friedensidyll in einer grossen,
bewegten Zeit wird den tiefer blickenden nicht nur wohlthuend berühren, es
wird auch bei dem allgemein bekannten treuen Festhalten Kaiser Wilhelms
an Personen, die sein ganzes Vertrauen gewonnen hatten, nicht als bedeutungs-
los anerkannt werden. Handelte es sich doch hier um das besondere Ver-
trauen zu einer Persönlichkeit, die durch Geburt und Stellung eine der höchst-
gestellten im Staate war.
Die näheren Beziehungen zwischen Kaiser und Fürst sind fast durch ein
Menschenalter zu verfolgen. Schon als Graf O. im Regiment der Gardes du
Corps theils in Berlin, theils in Potsdam weilte, erzeigte der Prinzregent sich
l)esonders gnädig gegen ihn und gewann ihn lieb. Im October 1861 folgte
er des Königs Rufe zum Krönungsfeste in Königsberg. Als er dann im Jahre
1865 an dem in Verbindung mit dem Königsmanöver stattfindenden Stände-
feste in Merseburg theilnahm, hatte er zum erstenmal den König öffentlich
anzureden. Als dieser bei der Eröffnung des deutsch-französischen Krieges
Hannover berührte, nahm er huldvollst die Pathenstelle bei dem am 23. Juli
d. J. geborenen Sohn des Grafen, dem Prinzen Wilhelm, an. Mittlerweile
hatten seit dem Jahre 1868 die herbstlichen Königsbesuche, die bald zu
Kaiserbesuchen wurden, begonnen, die theilweise mit Besuchen des Kron-
prinzen Friedrich Wilhelm und des Prinzen Wilhelm verbunden waren oder
damit abwechselten und bis zum Jahr 1887 fortgesetzt wurden. So bedeut-
sam erschienen diese erhebenden Wemigeröder Kaisertage, dass der Fürst
sich gedrungen fühlte, die Erinnerung daran durch ein Denkmal an einer
vielbesuchten Stelle festzulegen, dessen Enthüllung (am 19. Juni 1890) durch
die Anwesenheit des Kaisers und der Kaiserin Wilhelm II. eine feierliche
Weihe erhielt. Für den erlauchten Urheber handelte es sich hierbei ganz be-
sonders um einen Denkstein dankbarer Erinnerung an den ebenso innig
verehrten als geliebten erhabenen Gast.
Die stets mit dem erfrischenden Weidwerk in den wemigerödischen
Harzforsten verbundenen Kaiserbesuche führten den hohen Monarchen
zugleich in den trauten Familienkreis seines erlauchten Wirthes ein. Der
spätere Fürst O. war seit dem Jahre 1863 mit der Prinzessin Anna Elisabeth,
Tochter des Prinzen Heinrich LXIII. Reuss j. L. und der Gräfin Karoline zu
Stolberg-Wemigerode (geb. 9. Januar 1837), vermählt. Es war ein aus wahrer
innerer' Neigung geschlossener überaus glücklicher Bund. Von sieben dem-
selben geschenkten Kindern, vier Söhnen und drei Töchtern, starb im zarten
Alter nur ein Graf Heinrich. Der Erbgraf, nunmehrige Fürst Christian Ernst,
wurde am 28. September 1864 geboren.
Ziemlich ausgedehnt war der Kreis der Länder, die Fürst O. in seinem
Leben sah. Mochten seine Reisen der Erholung dienen, durch Einladungen
zur Jagd oder durch seine Staats- und Ehrenämter veranlasst sein, stets suchte
er dabei sein Streben nach Selbstbelehrung zu befriedigen. Süddeutschland,
die Schweiz, Frankreich, England, Holland, Oesterreich-Ungam, Italien, Russ-
land hat er aus dem einen oder anderen Anlass kennen gelernt.
Als nach dem Rücktritt vom Oberstkämmereramte der Fürst die Lasten
hoher Staats- und Hofämter hinter sich hatte, auch die hauptsächlichsten
Monumentalbauten hergestellt waren, schien für ihn eine zwar immerhin ge-
schäftsreiche aber doch ruhige, lediglich der Verwaltung seiner Besitzungen
sowie der Verschönerung der dem Schloss unmittelbar benachbarten Gärten
432 Forst Stolberg-Wemigerode.
und Anlagen gewidmete Zeit anzubrechen, als sich im Herbst 1895 die
Spuren eines schweren Herzleidens zeigten, das nur zu schnell einen gefähr-
lichen Charakter annahm. Vergebens wurde in Dresden, dann in Baden-
Baden Heilung gesucht. Kaum mit Hoffnung auf völlige Wiedergenesun^,
kehrte er am Sonnabend vor Pfingsten 1896 nach Schloss Wernigerode zurück.
In christlich heldenhafter Weise ertrug er das ein volles Jahr anhaltende
schwere Leiden. So oft nur auf kurze Frist eine Besserung eintrat und in-
folge angewandter Mittel die Kräfte sich fiir einzelne Stunden hoben, offen-
barte er sein liebevolles leutseliges W^esen und es schien als ob er, seiner
baldigen Auflösung versichert, nach und nach planmässig einen Kreis von
Personen vor sich beschied, um gewissermassen von ihnen Abschied zu nehmcR.
Donnerstag den 19. November 10*/^ Uhr abends schlug des sanft im
Tode entschlummernden Erlösungsstunde von solcher Gebundenheit, nachdem
er sein Leben nur auf 59 Jahre gebracht hatte. Mit seinen nächsten An-
gehörigen wurde die ganze Grafschaft und weitere Kreise in tiefe Trauer ver-
setzt. Die feierliche Aufbahrung in der Schlosskirche erfolgte am Sonnabemi.
und Scharen von Männern und Frauen zogen in endlosem Zuge hinauf, uro
das mit friedlichem Ausdruck daliegende Antlitz des theuem Herrn no<h
einmal zu sehen. Wir können hier der mannigfachen Zurüstungen der Trauer-
feier nicht im Einzelnen gedenken. Einen tiefen Eindruck machte es, als am
Sonntage um Mittemacht die Leiche in aller Stille mit kleinem Trauergeleite
vom Schlosse in das älteste Gotteshaus der Stadt, die Oberpfarrkirche, über-
geführt wurde. Montag den 23. November fand das feierliche I^ichen-
begängnis statt. Die grosse Zahl der dazu erschienenen hohen Fürstlichkeiten,
der Vertreter der königlichen Staatsbehörden, des Heeres, des Herrenhauses,
Hess mit Wehmut der Tage gedenken, an denen der Verewigte einst mit
wahrhaft fürstlicher Gastlichkeit die hohen und höchsten Persönlichkeiten hier
oder auch in seinem Berliner Palais bewirttet hatte.
Von den Beileidsbezeugungen möge wenigstens des überaus herzlichen
umfangreichen Telegramms Seiner Majestät des Kaisers gedacht werden, vnc
sich denn auch unter den Trauerspenden die gewaltigen Veilchenkränze Seiner
Majestät des Kaisers und Ihrer Majestät der Kaiserin Auguste Victoria, auch
ein Kranz der Kaiserin Friedrich vor allen anderen auszeichneten. Der
Johanniterorden hatte ein Blumenkissen mit dem weissen Kreuz auf rothem
Grunde gestiftet. Die später dem Druck übergebene Trauerrede hielt Herr
Hofprediger Dr. Renner über Jes. 57,2.
Bei Beurtheilung der Person und öffentlichen Wirksamkeit Fürst O.^
werden hinsichtlich der letzteren die aussergewöhnlichen Umstände nicht über-
sehen werden dürfen, unter denen sie ausgeübt wurde. In einer grossen,
bewegten Zeit durch das besondere Vertrauen seines königlichen Herrn in
verantwortungsvolle, theilweise besonders schwierige Stellungen berufen, w.u
er nicht in der Lage, wie andere Diplomaten und Staatsmänner, durch einen
gewissen Stufengang vorbereitender Prüfungen und Aemter dahin zu gelangen.
Dagegen setzte er, wissenschaftlich und geschäftlich für die Verwaltung
seiner Besitzungen wohl vorbereitet und von Jugend auf an hohe Ge-
sichtspunkte und Auffassungen gewöhnt und mit einem klaren geschäftlichen
Blick und schneller Auffassung begabt, seine ganze Person und rüstige Ar-
beitskraft für das ihm anvertraute Werk ein. Es galt bei Erfüllung dieser
vaterländischen Pflichten viel Selbstverleugnung zu üben, und es ist ihm theil-
weise von nahestehenden diese Hingabe an den Staatsdienst sogar verdacht
Fttrst Stolbcrg- Wernigerode. 433
worden. Der grosse Erfolg seines Wirkens in Hannover lag, abgesehen von
seinem gewinnenden Wesen, seiner Unparteilichkeit und Gerechtigkeit, auch
in seiner unermüdlichen Thätigkeit und Arbeitskraft begründet. Wir selbst
hörten Hülfesuchende den beschleunigten Geschäftsgang, die Pünktiichkeit und
Schnelligkeit rühmen, mit welcher Personen aller Gesellschaftskreise zu Gehör
kamen.
In seinem Wesen war manches harmonisch vereinigt, was sich nicht so
leicht zusammenfindet. Es wäre verkehrt, wollte man ihn populär im ge-
wöhnlichen Sinne des Wortes nennen : er war durchdrungen von der Bedeutung
seines Geburtsstandes und hielt streng auf die Beobachtung der dadurch ge-
botenen Formen und Rücksichten, war aber dabei ungezwungen leutselig
gegen Jedermann, Jedem zugänglich und zur Gewährung von Recht und
Hülfe bereit. Der erlauchte Herr, der Kaiser und Fürsten fürstlich bewirthete,
sah gelegentlich gern den schlichten Bürger und Landmann an seiner Tafel,
wenn es galt. Beweise der Treue und Anhänglichkeit zu belohnen. Regelmässig
nahm er, theilweise mit den Seinigen, an gewissen Volksfesten der Grafschaft
Antheil. So war er denn allerdings im edleren Sinne des Wortes volksthümlich,
und seine persönliche Feiern — wir gedenken beispielsweise des silbernen
Ehejubiläums und des 25. Jahrestages seines Regierungsantritts — wurden
dann in einer Weise zu Volksfesten, wie man es gerade in unserer Zeit
nicht oft finden mag.
Voll tiefen sittlichen Ernstes jeden unziemlichen Scherz oder zweideutige
Rede aus seiner Umgebung verbannend, war der Fürst doch ein Freund
sinnigen Spiels, geistvoller Unterhaltung und prächtiger farbenreicher Auf-
führungen, bei denen auch wohl harmloser fröhlicher Scherz zu seinem Rechte
kam. Was wir ihn selbst als festen Grundsatz aussprechen hörten, dass er
den Einraunungen und Urtheilen über mitlebende, besonders dienstlich ab-
hängige Personen sein Ohr verschliesse, dieses an hoher Stelle wie Gold zu
schätzende Kleinod, wird ein unbefangenes Zeugniss als ihm eigen anerkennen
müssen. Sein ethisches Wesen ruhte auf tief religiösem Grunde. In den
Aeusserungen seines Glaubens und Empfindens beobachtete der Fürst durchaus
eine keusche Zurückhaltung; aber dieses höchste in seinem Wesen wurde bei
jeder sich darbietenden Gelegenheit in Thaten ausgeprägt, wo es sich darum
handelte, für die evangelische Kirche und Schule und für christliche Liebes-
werke Opfer darzubringen. In christlich-kirchlicher Beziehung folgte er treu
den Spuren edler Ahnen von Jahrhunderten her. Aber während sich manches
Edle und Gute am Menschen in mehr natürlicher Weise von Geschlecht zu
Geschlecht vererbt, nimmt das religiöse Glauben und Bekennen die ganze
Persönlichkeit in Anspruch, und nirgends mehr als hier gilt es, in treuer
Hingebung selbst zu erwerben und zu erringen, was voll und ganz nicht ver-
erbt, sondern nur als leuchtendes Vorbild dem empfänglichen Gemüthe nahe
gebracht werden kann. Dass in den Fragen des Glaubens sein Standpunkt
mit dem seiner politischen Parteigenossen durchaus nicht überall zusammentraf,
war keineswegs unbekannt. Ebenso wusste nicht nur die heimische Grafschaft
und Provinz, sondern die gesammte evangelische Landeskirche, was sie an
diesem Bekenner ihres Glaubens besass. Als letztere daher im Jahre 1875
zum Zweck einer Neueinrichtung eine Generalsynode veranstaltete, wurde er
einmüthig zum Vorsitzenden erwählt, eine Aufgabe, der er sich zu allgemeiner
Befriedigung entledigte. Seinem inneren Verhältnis zur Kirche entsprach es
denn auch, wenn er bei der am 31. October 1892 erfolgten Einweihung der
Blogr. Jahrb. n. Dtntsch«! Nekrolog, i. Band. 28
434 Fürst Stolberg-Wemigerode. Richter.
würdig wieder hergestellten Schlosskirche zu Wittenberg den Vorsitz des
Festausschusses übernahm. Seinem gerechten und unparteiischen Wesen ge-
mäss war er aber durchaus rücksichtsvoll gegen die Bekenner eines anderen
Glaubens.
Bei Gelegenheit der Wittenberger Feier fanden wir in politischen Organen
mit Anerkennung des Interesses und grossen Entgegenkommens gedacht,
welches er der Presse angedeihen Hess. Das lag in seinem Wesen tief be-
gründet. Gewiss konnten ihm die Schattenseiten des Zeitungswesens nicht
entgehen, aber da er eine festgegründete eigene Meinung vertrat, so achtete
er auch die unabhängige Meinung andersdenkender. Ohne Uebertreibung
konnte nach seinem Ableben eine wernigerödische Stimme sagen, dass des
Fürsten Dahinscheiden einen grossen und schweren Verlust für Kaiser, König
und Vaterland, das erlauchte Fürstenhaus und die Grafschaft Wernigerode
bedeute und hinzufiigen: »Er war eine feste Säule, auf der viel ruhte.« In
gleichem Sinne äusserte der Vizepräsident Freiherr von ManteufTel in der
Sitzung des Herrenhauses am 20. November 1896, dass in ihm das Vaterland
einen seiner besten Männer, das Herrenhaus eines seiner vorzüglichsten Mit-
glieder, seinen besten Präsidenten verloren habe und hob unter seinen Eigen-
schaften Liebenswürdigkeit, Unparteilichkeit, strenge Gerechtigkeit nach jeder
Seite, Pflichterfüllung, Sachkenntnis auch in den kleinsten Details hervor.
Einen warmen Nachruf widmete ihm der Reichsanzeiger, worin es heisst:
»Durch seine Geburt auf die Höhe des Lebens gestellt, hat der Entschlafene
stets seine besten Kräfte in den Dienst des allgemeinen vaterländischen In-
teresses gestellt und damit ein leuchtendes Beispiel edler, wahrhaft vater-
ländischer Interessen gegeben.« Den herben Verlust, welchen das Central-
comitd der preussischen Vereine vom rothen Kreuz durch den Tod seines
ersten Vorsitzenden erlitten, hebt unter Anerkennung seiner Verdienste ein aller-
höchstes Handschreiben Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin vom 30.
November 1896 hervor. Wir verzichten im Uebrigen auf die so angenehme
als leichte Aufgabe, einen Kranz ehrender und anerkennender Urtheile über
den Fürsten aus den mannigfaltigsten Organen und verschiedenen Gegenden,
aus Pommern und Schlesien, Rheinland und Westfalen, Bayern und dem
Königreich Sachsen, Strassburg und Mühlhausen i. E. zusammenzuflechten.
Besonders wohlthuend ist aber die Beobachtung, dass die Urtheile aus der
engeren Heimath mit denen aus weiterer Entfernung durchaus nicht im W^ider-
spruch stehen.
Die äussere Erscheinung des Fürsten ist, wie zu erwarten, durch mannigfache im
Familienbesitz befindliche Kunstwerke nachgebildet. Die zahlreichen als Einzelblätter,
meist aber in Zeitschriften veröffentlichten Porträts sind nach den gegenwärtigen Ansprachen
an eine mit Geschmack verbundene Naturwahrheit nicht als genügend zu bezeichnen. Ein
gutes Bild, KniestUck, welches den Fürsten in jüngeren Jahren in der Uniform der Gardcs
du Corps darstellt, ist in Steindruck ausgefllhrt. Als ein gutes Bild zu bezeichnen ist eine
vielverbreitete Photographie von Scharwächter in Berlin, die auch bei F. Gottsched und
Photograph F. Mässer in Wernigerode erhältlich ist. Auch eine Modellirung von Schott
ist in photographischer Nachbildung in den Handel gekommen.
Ed. Jacobs.
Richter, Heinrich, kgl. Professor, Hofschauspieler und Regisseur am
kgl. Hoftheater zu München, f 22. Mai 1896 (vergl. I.Band 1897 p. 279—
284). — Es hat sich inzwischen herausgestellt, dass die von mir zu meinem
Nachruf benutzte Quelle, das vom Sohne des Verstorbenen herausgegebene
Richter, von Camphausen. ^^c
Buch »Heinrich Richter. Erinnerungen aus dessen Leben und Wirken«.
(Dannstadt, Selbstverlag 1897) noch viel unzuverlässiger ist, als ich sie in
meinem Artikel charakterisirt hatte. Ich sehe mich deshalb genöthigt, einige
aus dieser Schrift herübergenommene Irrthümer nachträglich zu berichtigen.
So ist die von Heinrich Richter junior (pag. 43 ) erzählte Anekdote vom Zu-
sammentreffen seines Vaters mit dem jungen Kritiker Adolf Wilbrandt (pag. 281)
entweder apokryph oder wenigstens in der Jahrzahl unrichtig, denn im Jahre
1850, als Richter Wilbrandt den Romeo kritisiren lässt, war dieser unmöglich
»ein junger, hübscher Mann mit dem Bande des Corpsstudenten über der
Brust«, sondern erst 13 Jahre alt, da Wilbrandt am 24. August 1837 geboren
ist. — Ein weiterer Irrthum ist, dass Heinrich Richter den Obersten Schwartze
in Sudermanns »Heimath« gespielt und dass ihn in dieser Rolle nach einer Vor-
stellung Ende August 1893 der Schlag getroffen habe. Richter hat in allen
Vorstellungen der »Heimath« bis zu seinem Tode die kleine Rolle des Gene-
rals V. Klebs und nie den Vater Schwartze gespielt. In dieser kleinen Epi-
sodenrolle ist er am 19. Juni 1893, ohne es zu ahnen zum letzten Male, vor
das Publikum getreten, nicht am 11. Juni 1893 als Advokat Bachelin in
Ohnets »Hüttenbesitzer«, wie in der Biographie seines Sohnes und in meinem
Nekrolog zu lesen ist.
Alfred Freiherr v. Mensi.
Camphausen, Otto von, Preussischer Staatsmann, * 21. Oktober 181 2 in
Hünshoven (Regierungsbezirk Aachen), f 18. Mai 1896 in Berlin. Einem
rheinischen in Handel und Industrie hervorragenden Geschlecht entsprossen,
ein jüngerer Bruder Ludolf Camphausens, der 1848 kurze Zeit Ministerpräsident
wurde, widmete er sich dem Studium der Jurisprudenz und dem Staatsdienst,
behielt dabei aber ein reges Interesse ftir Volkswirthschaft. Er hat in Bonn,
Heidelberg, München und Berlin studirt, in Magdeburg, Koblenz und Trier
als Beamter gearbeitet. Schon im Jahr 1840 wurde er vorübergehend als
Hilfsarbeiter in das Finanzministerium berufen und dann 1845 wiederum in
demselben beschäftigt und zum Geheimen Finanzrath ernannt. Im Jahre 1847
arbeitete er den ersten Entwurf eines preussischen Einkommensteuergesetzes
aus, der dem vereinigten Landtage vorgelegt wurde, zwar unerledigt blieb,
aber einige Jahre später in veränderter Gestalt Gesetz wurde. Die folgenden
Jahre riefen ihn in das politische Leben; er war von 1850 bis 1852 Mitglied
der preussischen Kammer, im Jahre 1850 auch Mitglied des Erfurter Par-
laments, welches die Verfassung des Dreikönigsbundes berieth. Hier erinnerte
er sich mehr daran, dass er rheinischer Bürger, als dass er preussischer Be-
amter war und entwickelte ein Maass von Liberalismus, das zwar an sich sehr
massig, aber doch ausreichend war, um von seinen Vorgesetzten als lästig
empfunden zu werden. Er wurde kalt gestellt, indem man ihn 1854 zum
Präsidenten der Seehandlung machte, eine Stellung, die ehrenvoll und ein-
träglich genug, aber ohne Arbeit und Einfluss ist.
Im Jahre 1860, als der Widerstand des Herrenhauses gegen die Grund-
steuer-Regulierung einen Pairsschub nöthig machte, wurde er zum lebensläng-
lichen Mitglied des Hauses aus Allerhöchstem Vertrauen berufen und auf diese
Weise mit den politischen Tagesfragen wieder in Berührung gebracht.
Im Herbst 1869 hatte der damalige Finanzminister von der Heydt mit
einer Reihe von Steucrvorlagen, sowie mit einem Anleiheprojekt, für welches
er die Form der Prämienanleihe gewählt hatte, vollständiges Fiasko gemacht.
28*
4j6 ^^^ Camphausen.
Er hatte bei allen Parteien das Zutrauen verloren und sah sich genötigt seinen
Abschied einzureichen. Fürst Bismarck sah sich damals in einer Lage» die
es ihm wünschenswerth machte, den Liberalen einen kleinen Schritt entgegen
zu kommen und schlug dem Könige C. zum Finanzminister vor. Dieser hat
das Amt bis zum Februar 1878 verwaltet.
Sein erster Erfolg war ein sehr glücklicher; das schwebende Deficit be-
seitigte er durch ein einfaches Mittel. Er konvertirte einen Theil der ver-
zinslichen Staatschuld in eine unkündbare Rente und sah diese Operation
von glänzendem Erfolg gekrönt. In den folgenden Jahren hatte die Finanz-
verwaltung in Folge der Milliardenzahlungen eine leichte Aufgabe. C. gewann
Bismarcks Zutrauen, da ihm alle seine Pläne glückten, er dem Landtage
gegenüber eine bequeme Stellung hatte, obwohl er dem Liberalismus keine
Zugeständnisse machte, vielmehr sich lediglich als Fachminister gab. Fürst
Bismarck rühmte ihm eine nicht gouvemementale Stellung nach und bewirkte,
nachdem Graf Roon sich 1873 aus dem politischen Leben zurückgezogen
hatte, C.'s Ernennung zum Vicepräsidenten des Staatsministeriums.
C.'s Finanzverwaltung hatte Licht- und Schattenseiten. Er war ein
Beamter aus der altpreussischen Schule, der Maassen, Motz und Kühne und
hielt an den Traditionen fest. Er hielt vortreffliche Ordnung in den Finanzen
und wehrte Eingriffe in die wirthschaftliche Freiheit ab. Er war der letzte
Repräsentant dieser alten Schule und in ruhigen Zeiten wäre er ein vor-
trefflicher Finanzminister gewesen.
Aber ausserordentlichen Aufgaben war sein Genius nicht gewachsen.
Darauf, dass er den gewaltigen Rückschlag, den die Milliardenzahlungen hervor-
rufen musste, nicht vorausgesehen und Vorbeugungsmassregeln ergriffen hat,
ist vielleicht weniger Werth zu legen. Diese Schuld theilt er mit vielen ;
ausser Bamberger hat vielleicht Niemand klar eingesehen, dass es nothwendig
war, die Zahlungstermine zu verschieben. Aber bei der Reform des Bank-
und Münzwesens hat C, wenn nicht für die Dauer schädlich, so doch hemmend
gewirkt. Er hat zu einseitige Rücksicht auf die fiskalischen Interessen
Preussens genommen.
Er begriff nicht die unab weisliche Nothwendigkeit, eine Reichsbank zu
schaffen und wollte die preussische Bank erhalten. Der Streit darüber hat
zu eitler grossen Krisis geführt und vorübergehend den Rücktritt Forckenbecks
vom Präsidentenstuhl herbeigeführt. Gegen die Goldwährung hat sich C.
nicht abmahnend, aber doch kühl verhalten und es unterlassen, die noth-
wendigen Silber-Verkäufe schnell genug herbeizuführen. Er hat dadurch Zu-
stände heraufbeschworen, in denen die Erhaltung der Goldwährung ernstlich
gefährdet war; dass diese Gefahr vorübergegangen ist, war nicht sein Verdienst.
Diese Fehlgriffe haben kein Zerwürfniss zwischen ihm und dem Fürsten
Bismarck herbeigeführt; vielmehr hat der Reichskanzler ihm zur Seite ge-
standen. Aber der Bruch kam von einer anderen Seite her. Fürst Bismarck
hatte von langer Hand her den Plan vorbereitet, die Reichsausgaben wesentlich
zu erhöhen und zu diesem Zweck neue Steuern, namentlich indirekte, auf-
zuerlegen. C. begriff diesen Plan und entschloss sich, ihm einen zähen,
stillen Widerstand entgegenzusetzen. Ihm schien dieser Plan unvereinbar mit
den preussischen Finanztraditionen. Er wollte weder die vermehrten Ausgaben
noch die indirekten Steuern billigen. Die Aufforderung, neue Steuerprojekte
auszuarbeiten, die ihm Bismarck durch den Minister Bülow zugehen Hess,
beantM'ortete er dahin, dass er bereit sei, Steuerprojekte, die man ihm unter
von Camphausen. von GrUn. ^^y
breite, zu prüfen. Im Jahre 1875 arbeitete er den Plan einer erhöhten Tabak-
steuer aus, den Bismarck zurückwies, weil er völlig ungenügend sei.
Ende 1877 gelang es dem Fürsten Bismarck, C. zu der Ausarbeitung
eines umfassenden Steuerprogramms zu bewegen, das wiederum mit der Er-
höhung der Tabaksteuer beginnen sollte. Aber gleichzeitig hatte Bismarck,
ungeduldig geworden, mit Bennigsen in Varzin Verhandlungen angeknüpft,
um diesen in sein Ministerium zu ziehen.
Am 22. und 23. Februar 1878, als C.'s Tabaksteuergesetzentwurf berathen
^'urde, kam es im Reichstage zu hochdramatischen Scenen, in denen Bismarck
sich bitter über ungenügende Unterstützung beklagte, aber auch Lasker sehr
heftige Angriffe gegen C. richtete. Dieser sah sich genöthigt, seinen Abschied
zu verlangen. Zu der Berufung Bennigsen's kam es aber nicht, vielmehr
war nun die Bahn frei geworden für die schutzzöllnerischen Projekte, die
Bismarck im Auge gehabt hatte.
Am 17. Februar 1881 kam es im Herrenhause zu einer heftigen Aus-
einandersetzung zwischen Bismarck und C. Dieser griff die neue Finanz-
politik heftig an; Bismarck erwiderte mit einer ebenso heftigen Kritik der
C.*schen Verwaltung. Seitdem war C. aus dem politischen Leben ausgeschieden.
Er musste erkennen, dass die dilatorische Politik, die er trieb, unzureichend
war, die Bismarck'schen Pläne zu beseitigen, da Bismarck noch volle zwölf
Jahre im Amte blieb.
Das Zeugniss redlichen Verdienstes hat C. in das Grab genommen. Nach
seinem Rücktritt vom Amte wurde ihm noch die Anerkennung zu Theil, dass
er den Schwarzen Adlerorden und damit das adlige Prädikat erhielt. Ver-
erben hat er es nicht können, denn er ist als Junggeselle gestorben.
Eine behaglich liebenswürdige . Natur ist er gewesen. Wenn er seinen
parlamentarischen Gästen Rheinwein vorsetzte, pflegte er hinzuzufügen, dass
er diesen Wein nicht von seinem Ministergehalt bezahlen könne. Weder
der böse Aerger, den er erlebt, noch der gute Rheinwein, den er getrunken,
haben ihn gehindert, ein hohes friedliches Alter zu erreichen.
Alexander Meyer.
Grün, Dionysius von, emer. Professor der Geographie an der deutschen
Universität zu Prag. ♦18. Januar 1819 als Sohn jüdischer Eltern zu Prerau
in Mähren, f am 26. Februar 1896 im Alter von 77 Jahren zu Prag. G,
wurde zuerst Landwirth, ging aber als zwanzigjähriger junger Mann noch auf
das Gymnasium zu Pressburg und studirte 1845 — '^47 unter fortwährendem
Kampfe um seine Existenz an der Universität zu Prag. Die beiden folgenden
Jahre war er als Hauslehrer in Dresden thätig, setzte dann 1849 seine Stu-
dien in Berlin fort, wo er auch bei Dove und Karl Ritter hörte und sich
deshalb später gern einen Schüler Ritters nannte, da dieser in ihm die Liebe
zur Geographie weckte. Durch Zeitungsartikel und andere kleine literarische
Arbeiten musste er seinen Unterhalt verdienen. Einige in Berlin erschienene
Aufsätze über die Revolution in Ungarn hatten zur Folge, dass er nach seiner
Rückkehr nach Oesterreich einige Zeit in Untersuchungshaft kam. Nachdem
G. bereits in Berlin zum katholischen Glauben übergetreten und von der Ab-
sicht, die literarische Laufbahn einzuschlagen, zurückgekommen war, gelang
es ihm im Jahre 1853, eine Lehrerstelle an dem erzbischöflichen Gymnasium
in Leutschau in Oberungarn zu erlangen. Zwei Jahre später, 1855, wurde
er daim an das akademische Gymnasium in Wien berufen, wo er zwanzig
^^8 von Grün. Klirosch. Hopfgarten.
Jahre lang als Lehrer der Geographie und Geschichte thätig war. Im Jahre
1872 wurde er zum Lehrer des Kronprinzen Rudolf ernannt, den er drei
Jahre in dessen Lieblingsfache Geographie unterrichtete. Nach Abschluss
desselben wurde er 1875 ^^^ Kaiser in den Adelstand erhoben und von
der Universität Prag zum Professor auf den neu geschaffenen Lehrstuhl füi
Geographie berufen. Kränklichkeit zwang ihn im Jahre 1885, in den Ruhe-
stand zu treten. Von seinen Arbeiten sind nur zu nennen »Länder- und Völ-
kerkunde« (1870), eine Abhandlung über die »Tabula Peutingeriana« und
seine Antrittsvorlesung »Die Geographie als selbständige Wissenschaft« (Prag
1875, ^^ ^O- Seine ungefähr 1500 Nummern zählende werthvolle Bibliothek
hat er dem Verein der Geographen an der Universität Wien vermacht.
Vgl. den Nekrolog im Bericht über das XXII. Vereinsjahr 1895/96 erstattet vom
Vereine der Geographen an der Universität Wien (Wien, 1897).
W. Wolkenhauer.
Klimsch, Eugen Job. Georg, Maler, ♦ am 29. November 1839 in
Frankfurt a. M., f am 9. Juli 1896 ebendaselbst. K. genoss zunächst den Un-
terricht seines Vaters F. C. Klimsch im Zeichnen und in den graphischen
Künsten, besuchte die Zeichenklasse des Staedel'schen Kunstinstituts unter
Jak. Becker, vom Jahre 1854 an den Aktsaal unter Steinle und Zwerger, kam
1860 nach München zum Historienmaler Andreas Müller, dem »Komponir-
müller«, und errang seine ersten Erfolge in der Kleinmalerei auf Pergament.
Später war er in den verschiedensten Zweigen der Malerei thätig, der modernen
Kunstrichtung prinzipiell abgeneigt. Von 1865 bis zu seinem Tode lebte er
in seiner Vaterstadt, war einige Jahre Lehrer an der Kunstgewerbeschule da-
selbst und in seinen letzten Jahren als Nachfolger von Frank Kirchbach Lehrer
der Malerei am Staedel'schen Kunstinstitut. Von seinen Werlcen sind hervor-
zuheben: Deckengemälde im Hause des Generalkonsuls Oppenheimer in
Frankfurt a. M. (Apotheose der Britannia), die Deckengemälde im Gesellschafts-
haus des Palmengartens zu Frankfurt a. M., die Entwürfe für die Wand-
malereien der Restauration Alemannia in Frankfurt a.M., die Ausmalung mehrerer
Lloyd-Dampfer; ferner die Staffeleigemälde: Der Frauenraub des Kentauren
(im Besitz des Prof. W. Widemann zu Berlin), Parkscene, Picknick im Walde.
K. schuf auch einige Porträts und viele Illustrationen, z. B. zu Goethe,
Schiller, Scott, den Grimm'schen Märchen, den Opern Freischütz und
PMdelio, für die Spinnstube (Frankfurt a. M. Sauerländer).
Kunst für Alle, Jg. 8, S. 113 — 116 (Franz GraQ, Jg. 11. S. 347; Kunst uns. Zeit,
]g. 7, S. 45—60 (E. Ph. J. Hallenstein). Allg. Künstler-Lex., 3. Aufl. von Müller und
Singer. Bd. 2, 1896 S. 351.
Dr. Berghoeffer.
Hopfgarten, August Ferdinand, Geschichts- und Genremaler, * den 17.
März 1807 in Beriin, f den 26. Juli 1896 ebendaselbst. H. war anfangs Schüler
von Ruscheweyh, einem Bruder des Kupferstechers, studirte seit 1820 an der
dortigen Akademie unter Dähling und Niedlich, später bei Wilhelm Wach.
1825 erhielt er einen akademischen Preis, begab sich 1827 nach Rom und blieb
dort bis zum Jahre 1833. 1835 kehrte er nach Berlin zurück und entfaltete
eine reiche Thätigkeit. Von seinen Werken seien erwähnt: Raffael findet d;i5
Modell zur Madonna della Sedia, Schmtickung einer Braut, Schwäne fütternde
Mädchen, die Auffindung des Moses, Boas und Ruth, Tasso wird von Leonore
Hopfgarten. Hofifmann. Eissenhardt. ^^q
d'Este begrüsst (1839, Berliner Nationalgalerie), die Rosen der heil. Elisabeth,
Arminia bei den Hirten. Auch betheiligte er sich an den Fresken der
Schlosskapelle in Berlin und an der Ausschmückung des neuen Museums.
1853 erhielt er den Auftrag, für den Herzog Adolf von Nassau die Grab-
kapelle der verstorbenen Herzogin Elisabeth auf dem Neroberg bei Wiesbaden
zu schmücken.
Allg. Künstler-Lcx. 3. Aufl. von Müller u. Singer, Bd. 2, 1896, S. 205; Müller, H. A,
Biogr. jCünstler-Lex., 2. Aufl., 1884, S. 266; Konversationslexika.
Dr. Berghoeffer.
Hofitnann, Heinrich Adolf Valentin, Landschaftsmaler, ♦ den 1 8. Oktober
181 4 zu Frankfurt a. M., f den 10. Juni 1896 ebendaselbst. H. war anfangs
Zimmermaler, besuchte 1843 bis 1850 das Staedel'sche Institut unter Jakob
Becker, machte Naturstudien auf Reisen im Taunus, Odenwald, Schwarzwald,
am Rhein, der Mosel, der Ahr, später in der Schweiz und in Tirol. Die
meisten seiner Werke befinden sich in Frankfurter Privatbesitz.
Allg. Künstler-Lex., 3. Aufl. von Müller u. Singer, Bd. 2, 1896, S. 191; Meyers Kon-
versationslex., 4. Aufl., Bd. 17, 1890 S. 435.
Dr. Berghoeffen
Eissenhardt, Johannes, Kupferstecher und Radirer, ♦ am 8. November
1824 in Frankfurt a. M,, f am 11. Oktober 1896 ebendaselbst. E. war Schüler
des Staedel'schen Kunstinstituts unter Eugen Eduard Schaeflfer. 1863 folgte
er einer Berufung nach Petersburg zum Stich der Bildnisse auf den Rubel-
scheinen. Da diese Beschäftigung ihn nicht völlig befriedigen konnte und er
ausserdem künstlerische Anregung vermisste, so kehrte er 1869 nach Frank-
furt zurück. Doch begab er sich im Jahre 1889 noch einmal, einem wieder-
holt an ihn ergangenen Ruf folgend, auf ein Jahr nach der russischen Haupt-
stadt. In Frankfurt war er lange Jahre Lehrer für Radirung und Kupferstich
am Staedel'schen Institut. Angeregt durch Frank Kirchbach, begann er etwa
im Jahre 1888 sich auch mit der Malerei zu beschäftigen und fertigte Porträts
und Studienköpfe. Er radirte und stach nach Zeichnungen und Gemälden
von Ph. Veit, A. Goebel, E. Steinle, Leop. Bode, M. v. Schwind, J. B. Scholl,
M. Oppenheim, A. Burger, Ph. Rumpf, J. F. Dielmann, Ad. Schreyer, H.
Kauflfmann, van Muyden (Refektorium), A. Elsheimer, Sandro Botticelli (Ma-
donna mit sieben Engeln), Paolo Veronese u. a. E. gab in Buchform heraus:
Album des Frankfurter Kunstvereins. Nach einer Auswahl verloster Gemälde
radirt von J. Eissenhardt. Frankfurt a. M., Jügel 1864; die Staedel'sche
Galerie zu Frankfurt a, M. in ihren Meisterwerken älterer Malerei. 32 Ra-
dirungen. Text von Veit Valentin. Leipzig, Seemann, 1878; Radirungen nach
Zeichnungen von A. Burger in Cronberg von J. Eissenhardt. Frankfurt a. M.
Prestel. Eine reichhaltige, nahezu vollständige Sammlung seiner Werke besitzt
das Staedel'sche Kunstinstitut.
Private Mittheilungen. Die vervielf. Kunst der Gegenw. 11. 1891, S. 71 (R. Muther);
Frankf. Zeitung vom 25. Juni 1897 Feuilleton; Allg. KUnstler-Lex. von Müller u. Singer,
I. 1895, S, 393; Müller, H. A. Biogr. Künstler-Lex. 1884, S. 156; Konversationslexika;
Zeitschr. für bild. Kunst, Bd. 17, S. 64; Bd. 13, S. 192, 256, 288; Bd. 15, S. 260; Bd. 12,
S. 227 f., 323 f.
Dr. Berghoeffer.
^^o Baerwald. Becker. Sonderland. Liodlar. Kops.
Baerwald, Robert, Bildhauer, ♦ den 2. Dezember 1858 in Salwin bei
Bromberg, f den 11, November 1896 in Wilmersdorf bei Berlin. B. besuchte
1880 — 84 die Kunstakademie zu Berlin, wo indes nur Reinhold Begas tieferen
Eindruck auf ihn machte. Entschiedene Anregung fand er dagegen in Schlüters
Berliner Schöpfungen. 1886 — 88 schuf er bereits für Posen ein Denkmal
Kaiser Wilhelm's I., 1893 vollendete er die Reiterstatue desselben Kaisers
für Bremen., Kaiserstatuen schuf er ausserdem für Altenburg, Pforzheim,
Ravensburg, ferner mehrere Bismarckdenkmäler.
Kunst fttr Alle, Jg. 12, S. io2f. (M. Schmid). Allg. Kfinstler-Lex., Bd. i, 1895, S. 55;
Kunstchronik, Bd. 22, Sp. 668f, N. F. Bd. 5 Sp. 113 — 116.
Dr. Berghoeffer.
Becker, Ernst Albert, Genre-, Landschäfts- und Thiermaler, * den
22. Oktober 1830 in Berlin, f den i. September 1896 ebendaselbst. B. besuchte
die Berliner Akademie, war Schüler und Gehilfe A. v. Klöber's, hielt sich in
den 60 er Jahren in Paris auf und widmete sich vorzugsweise der Darstellung
von Hausthieren. Da er gern Kühe malte, wurde er von seinen Kunstgenossen
»Kuh-Becker« genannt. Seitdem signirte er Q. Becker.
Müller, H. A., Biogr. Künstler-Lex., 1884, S. 35; Allg. Künstler-Lez., 3. Aufl. von
MUUer u. Singer, Bd. i 1895, S. 88.
Dr. Berghoeffer.
Sonderland, Fritz, Genremaler, * 20. September 1836 in Düsseldorf,
f 13. Juni 1896 ebendaselbst. S. war der Sohn des Malers Joh. Bapt. S-,
studirte anfangs Ingenieurwissenschaft, trat 1855 in die Düsseldorfer Akademie,
war Schüler Bendemanns, dann Hiddemanns und machte Studien an der
Mosel, in Westfalen und im Schwarzwald. S. malte anfangs Scenen aus dem
Bauernleben im Genre Hiddemanns, pflegte später das elegante Genre.
Kunst f. Alle, Jahrg. 11, 316; Seubert, A Allg. Künstler-Lex. 1882, Bd. 3, 335;
Muller, H. A., Ktlnstler-Lex. 1884, S. 497. Konv.-Lex.
Dr. Berghoeffer.
Lindlar, Johann Wilhelm, Landschaftsmaler, * im Jahre 1816 in
M.-Gladbach, f 23. April 1896 in Düsseldorf. L. war Lehrer an der Dom-
schule in Köln, später an der rhein. Ritterakademie in Bedburg, kam 1845
auf die Düsseldorfer Kunstakademie, wo er J. W. Schirmer's Schüler wurde.
Seit 1851 arbeitete er selbstständig in Düsseldorf. Er entnahm seine Vorwürfe
meist der Alpenwelt.
Kunst f. Alle, Jg. 11, 270; Seubert, A., Allg. Künstler-Lex., Bd. 2, 1882, S. 459;
Müller, H. A., Künstler-Lex. 1884, S. 339.
Dr. Berghoeffer.
Kops, Franz, Porträt- und Genremaler, ♦ 14. Juli 1846 zu Berlin,
f 24. August 1896 in Dresden. K. besuchte die Weimarer Kunstschule unter
Pauwels, bereiste Norddeutschland, Hess sich Ende der 70 er Jahre in Dresden
nieder und gründete hier eine Malschule für Damen. Von seinen Genre-
bildern seien erwähnt: Der Hahn im Korbe, Ein neuer Menzel, Der Fisch-
'mann, Kartenspielende Bauern, ferner die Bildnisse der Königin Karola, des
;Prof. H. Bürkner, des Ludw. Bamay, Uhle, Guido Hammer.
( Kunst f. Alle, Jg. 12, S. 14: Allg. Künstler-Lex., 3. Aufl. von Müller u. Singer. Bd. 2.
1896, S. 381.
Dr. Berghoeffer.
Simonson. Pfeiffer. Munthe. Jernberg. Keller. aai
Simonson, David, Porträt- und Genremaler, ♦ 15. März 1831 in Dresden,
-f- im Februar 1896 ebendaselbst. S. besuchte die Dresdener Kunstakademie,
l> ereiste, 22 Jahre alt, mit dem Michael Beer'schen Stipendium Italien und
Aegypten, hielt sich kurze Zeit in London auf und Hess sich dauernd in seiner
Vaterstadt nieder.
Kunst f. Alle, 11, S. 206 f.
Dr. Berghoeffer.
Pfeiffer, Engelbert, Bildhauer, * etwa 1830 in Hamburg, f 17. Oktober
1 896 ebendaselbst. P. studirte unter Heidel in Berlin, war zwei Jahre Leiter
der Femsichter Thonwaarenfabrik in Kellinghusen bei Kiel, Hess sich dann
in Hamburg nieder. Werke: Markus, Johannes, Albr. Dürer für die Nikolai-
Kirche in Hamburg, Modell einer Schiilerstatue für Kiel, elf Kolossalstatuen
für das Schloss des H. Bölkow in Morton Hall, vier lebensgrosse Statuen,
die vier Menschenalter vorstellend, für den Generalkonsul Reimers (England),
Büste des Herzogs Friedrich von Augustenburg, Denkmal des Majors Jung-
mann in Hamburg.
Allg. Kttnstler-Lex. von Seubert, Bd. 3, 1882, S. 60; MuUer, H. A. KUnstler-Lex.
1884, S. 415.
Dr. Berghoeffer.
Munthe, Ludwig, Landschaftsmaler, * 11. März 1841 in Aaröen bei
Bergen (Norwegen), f 30. März 1896 in Düsseldorf. M. war zuerst Schüler von
F. Schiertz in Bergen, kam 186 1 nach Düsseldorf und war kurze Zeit Schüler
von Alb. Flamm, bildete sich selbständig weiter und machte Studienreisen
in Belgien, Holland, Frankreich, Dänemark, Schweden, Norwegen und Italien.
Hervorragender Stimmungslandschafter von realistischer Auffassung und vor-
trefflicher Meisterschaft in der Wiedergabe feuchtglänzender Lichteffekte,
besonders in seinen Schneelandschaften bei Thauwetter.
KonversatioDslexika; Seubert, AUg. KUnstler-Lex. Bd. 2., 1882, S. 618; Müller, H. A.
Künstler-Lex., 1884, S. 386, Vapereau 1893, S. 1147; Zs. f. biid. Kunst N. F. Jg. 2., S. 248;
111, Ztg., Bd. 106, S. 469 (L. Schütze); Kunst f. Alle, Jg. 11, S. 238, Jg. 12, S. 293.
Dr. Berghoeffer.
Jernberg, August, Maler, ♦ 16. September 1826 in Stockholm, f 22. Juni
1896 in Düsseldorf. J. erhielt seine Ausbildung auf der Kunstakademie seiner
Vaterstadt, dann in Paris unter Couture und seit 185 1 in Düsseldorf, wo er
mit wenigen Unterbrechungen seinen ständigen Wohnsitz nahm. Er malte anfangs
Historienbilder, Motive aus der schwedischen Geschichte, später wandte er
sich der Genremalerei zu und malte besonders westfälische Dorfscenen, ausser-
dem auch Stillleben.
Kunst f. Alle, Jg. 11, S. 316; Allg. Künstler-Lex., 3. Aufl. von Müller u. Singer,
Bd. 2, 1896, S. 270; Müller, A. KUnstlcr-Lex. 1884 S. 283; Konversationslexika.
Dr. Berghoeffer.
Keller, Franz, Kupferstecher, ♦ im Jahre 182 1 in Linz am Rhein,
f 3. November 1896 in Düsseldorf. K. war Schüler seines Bruders Joseph
Keller (f 1873) in der Kupferstecher-Klasse der Düsseldorfer Kunstakademie.
Arbeitete ausschliesslich in der sog. Zeichnungs- oder Kartonmanier. Von
seinen Arbeiten sind hervorzuheben: Der Heiland als guter Hirte nach der
^4 2 Keller. Roeting. Pilz.
Zeichnung Steinle's (1845), ^^^ Friedrich Barbarossa's nach Alfred Retbcl
(1849), I^^r Schutzengel nach Joseph Führich (1865), Die Himmelskönigin
nach Ernst Deger, Bildniss des N. v. d. Fltie.
Kunst f. Alle, Jg. 12, S. 93; AUg. KUnstler-Lcx. 3. Aufl. von Müller u Singer, Bd. 2.
1896, S. 320; Muller, A. Biogr. KUnstler-Lex. 1884, S. 296.
Dr. Berghoeffer.
Roeting, Julius Robert, Geschieh ts- und Bildnissmaler, ♦ 13. September
1822 (nach anderen 7. September 1821) in Dresden, f 22. Mai 1896 in
Düsseldorf. R. erhielt seine erste künstlerische Ausbildung auf der Kunstakademie
seiner Vaterstadt bei Bendemann, kam 1850 nach Düsseldorf und wirkte sei:
1868 als Professor an der Akademie daselbst. Hauptwerke: Columbus vor
dem hohen Rath in Salamanka (185 1, Museum zu Dresden), Grablegurp
Christi (1866, Kunsthalle zu Düsseldorf), Christus am Kreuze (in der Kirche
zu Leuten in Kurland), die Porträts von E. M. Arndt (1859), Emanuel
Leutze (1847), Wilh. v. Schadow, K. F. Lessing (1852, Kunsthalle zu
Düsseldorf) und Johannes Ronge.
Kunstchron. Jg. i, S. 76 f. Kunst f. Alle, Jg. 8, S. 42, Jg. 11, S. 302 f.; AUg.
Künstler-Lex. von A. Seubert, Bd. 3, 1882, S. 159; Müller, H. A, Biogr. Kttnstlcr-Lex-
1884, S. 45of. Vapereau, G. Dict. des conteroporains, 1893, S. 1358. Meyers Konv.-Lcx.
Dr. Berghoeffer.
Pilz, Vincenz, Bildhauer, ♦ den 14. November 181 6 in Wamsdorf (Böh-
men), f den 27. April 1896 in Wien. P. bezog 1837 die Wiener Akademie,
wo er in der Malschule beginnen musste, bis er in der Bildhauerschule Platz
fand. Hier lieferte er unter Kähssmann und Bauer die Basreliefs »David und
Abigail« und »Die Wiederberufung des Cincinnatus«, erhielt damit den Rei-
chelpreis und den Hofpreis und ging 1849 mit Staatsmitteln nach Rom, wo
Tenerani und Cornelius seine Lehrer wurden. Er schuf hier die Statue Ulrichs
V. Liechtenstein, ein Basrelief der heil, drei Könige und den Hausaltar der
Kaiserin Elisabeth. 1855 l^ehrte er nach Wien zurück, schloss sich anfangs
mehr an Führich, später an Rahl an und entfaltete eine reiche Thätigkeit.
Im Jahre 1864 unternahm er eine Reise nach Italien, Frankreich, Holland.
Von seinen ausserordentlich zahlreichen Werken seien ausser den bereits an-
geführten noch die folgenden erwähnt: Kreuzabnahme flir den Fürsten Liech-
tenstein, die zwölf Apostel für Graf Brenner, Meister Pilgram (Erbauer der
St. Stephanskirche in Wien), vier Sandsteinreliefs für den Dom zu Speyer, die
Bronzegruppe Wissenschaft und Handel (Geschenk des Kaisers an die Königin
Viktoria von England), das Staudigldenkmal auf dem Matzleinsdorfer Friedhof,
die vier Evangelisten für die evangelische Schule in Wien, die Statuen Hannib.al.
Haynau, Wenzel und Joh. v. Liechtenstein für das Arsenal, die zwei Flügel-
rösse für die Loggienterrasse des Hofopernhauses (jetzt auf der Treppe der
Memorial Hall in Philadelphia), die Statue des Fürstbischofs Karl Kollonitsch
für die Elisabethbrücke in Wien, die Statue des Kaisers Franz Josef für die
Stiftskaseme in Wien, die Statuen des Phidias und Perikles für die Akademie,
sechs Statuen für das kunsthistorische Museum, zehn Statuen von Tondichtem
für das Musikvereinsgebäude.
Wurzbach, C. t., Biogr. Lex. d. Kaiserthums Oesterreich Th. 22. S. 308 — 312; Allg.
Künstler-Lex. 2. Afl. Ton Seubert Bd. 3. 1882. S. 71 f.; Müller, H. A. Künstler-Lex. 2. Ausg.
1884. S. 419; Eisenberg u. Groncr, Das geist. Wien 1889. S. 155.
Dr. Berghoeffer.
Rumpf. Streckfuss. Schweinitz. ^^^
Rumpf, Peter Philipp, Maler, ♦ den 19. Dez. 1821 in Frankfurt a. M.,
-f- cien 16. Jan. 1896 ebendaselbst. R. war Conditor, lernte die Bildhauerkunst
vinter Zwerger, wurde 1838 Schüler des Staedel'schen Kunstinstituts unter
Rüstige, leitete 15 Jahre lang in Frankfurt a. M. eine Privatkunstschule,
machte Studienreisen nach München, Dresden, Paris und Oberitalien und Hess
sich 1875 in Kronberg bei Frankfurt a. M. nieder. Er malte Landschaften,
Portraits und Familiengenrebilder.
Allg. Künstler-Lez. 2. Aufl. von A. Seubert Bd. 3. 1882 S. 182 f.; MUller, H. A.
Künstler-Lex. d. Gegen w. 2. Aufl. 1884. S. 453; Kaulen, W. Freud u. Leid im Leben
deutscher Künstler. 1878. S. 306 — 309.
Dr. Berghoeffer.
Streckfuss, Karl Wilhelm, Bildniss- und Landschaftsmaler, ♦ den 3. No-
vember 1817 in Merseburg, f den 6. November 1896 in Friedenau bei Berlin.
S. begann 1836 seine Studien in Berlin unter Herbig, ging 1837 nach Düssel-
dorf, wo er als Schüler Sohns historische Darstellungen malte. 1840 ging er
nach Berlin, 1841 nach Paris, wo er unter Delaroche arbeitete, 1843 nach
Italien und Hess sich 1844 in Berlin nieder. Er schuf u.a. folgende Werke:
Undine (1838), Ruth und Naemi (1839), Romulus und Remus von der Wölfin
gesäugt, die \Hier Jahreszeiten, Glaube Liebe Hoffnung, Anna v. Oesterreich
dem empörten Volke Ludwig XIV. zeigend, Mühle bei Petersdorf in Schlesien,
Morgendämmerung im Urwald, Blick auf Usedom. 1863 erfand er die s. g.
Fluchtpunktschiene zur Zeichnung perspektivischer Parallelen.
Allg. Künstler- Lex. 2. Aufl. von Seubert. Bd. 3. 1882. S. 379; Müller, H. A.
Künstler-Lex. 1884. S. 509.
Dr. Berghoeffer
Schweinitz, Rudolf, Bildhauer, ♦ den 15. Jan. 1839 i" Charlottenburg,
f den 7. Januar 1896 in Berlin. S. war Schüler der Berliner Akademie und
Schievelbeins (1855 — 65), machte Studienreisen nach Paris, Rom, Kopenhagen,
München und Wien (1865 — 66). Er war Schievelbein namentlich bei Aus-
führung des Steindenkmals behilf lieh und schuf folgende Hauptwerke : Aehren-
lesende Ruth, betende Italienerin, Psyche (1871), Gruppe der drei bildenden
Künste für das Giebeldreieck der Nationalgalerie, eine Germania für das
Kriegerdenkmal der Stadt Gera (1874), drei Kolossalgruppen für die Königs-
brücke zu Berlin (Rhein, Oder und Kampf), das Standbild des Hochmeisters
Hermann v. Salza und die Reliefs mit der Gründung der Stadt Thom und
dem Kampf des deutschen Ordens gegen die heidnischen Preussen für die
Weichselbrücke in Thom, zehn Statuen für das Postament des Denkmals
Friedrich Wilhelms III. in Köln (Schoen, Solms, Scharnhorst, Beuth, W. Hum-
boldt, A. Humboldt, Niebuhr, Gneisenau, Arndt, Motz, 1878), Reliefs aus der
Geschichte Berlins an der Balkonbrüstung des Berliner Rathhauses, der ge-
fährdete Amor (Nationalgalerie, 1881), tanzende Bajadere, Eva, Marmorbüste
des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (1872), des Kaisers Wilhelm I. (1882),
Bronzebtisten der Feldmarschälle Moritz v. Dessau, Keith, Gessler für die
Ruhmeshalle (1882 — 83), Doppeldenkmal der Kaiser Wilhelml. und Friedrich III.
für Fürstenwalde (1893).
Allg. Künstler-Lex. 2. Aufl. von A. Seubert Bd. 3. 1882. S. 284; Müller, H.A. Künst-
ler-I^x. 2. Ausg. 1884. S. 483; Konversationslexika.
Dr. Berghoeffer.
^^^ SticharL Trossin. Vosz. Erzherzog Karl Ludwig.
Stichart y Alexander, Historienmaler, * im Jahre 1838 xu Werl:.
i. S., f 2. Juli 1896 in Jöhstadt i. S. S. besuchte die Dresdener Akademi:
unter Schnorr v. Carobfeld, studirte dann in München und Anrvrerpcn c^:
van Lerius, arbeitete einige Jahre bei Griepenkerl in Wien und liess sie'*:
Anfang der 70er Jahre in Dresden nieder. S. malte religiöse Bilder und Samme'-
bilder zu Märchen. Er gehörte dem Verein bfldender Künstler £>resde!^
(Secession) an.
Kunst f. Alle, Jg. ii, 332.
Dr. Berghoeffcr-
Trossin, Robert, Kupferstecher, * 14. Mai 1820 in Bromberg, t i- Fe-
bruar 1896 in Berlin. T. war in Berlin 1835 — 44 Buchhom's, 1844 — 4^ blande! ^
Schüler, wurde im Jahre 1850 zur Leitung der Kupferstechschule nach
Königsberg berufen, wo er 35 Jahre lang als Lehrer wirkte, um dstnn nach
Berlin zurückzukehren. Stiche: Italienischer Fischerknabe nach Magnus '1846 .
Bildniss A. v. Humboldt*s (1850), Bildniss des Grafen v. Kayserling für die
neue Ausgabe der Werke Friedrich's des Grossen, Mater dolorosa nach Guido
Reni (1852), Quirl Verkäuferin aus dem Harzgebirge nach Fjd. Meyerbeim zu-
sammen mit G. Michaelis (1855), die Tochter Jephta's nach Jul. Schrader
(1859), der betende Mönch am Sarge Heinrich's P/. nach Lessing, Dilettanten-
quartett nach Hiddemann (1868), Sonntagnachmittag in einem schwäbischen
Dorf nach Vautier, ein Tierstück nach Frdr. Voltz, der Morgengruss nach
Carl Becker, Vision des heil. Antonius von Padua nach dem Berliner Bilde
des Murillo (1877), Venetianerin nach Savoldo, Carl's I. Tochter nach %"an
Dyck, im Witt^'enschleier nach Defregger.
Die venrielfUt Kunst der Gegenw. II, 1891, S. 89 f. (R. Mather); Seubert A., Allg.
Künstler-Lex. Bd. 3, 1882, S. 451 f.; Müller, A. Kfinsüer-Lex. 1884, S. 526.
Dr. Berghoeffer.
Vosz, Karl, Bildhauer, * 5. November 1825 zu Dünnwald bei Köln,
f 22. August 1896 in Bonn. V. studirte in München, Brüssel und Rom. Flr
bethätigte sich ausschliesslich in der antik isirenden Richtung. Werke: Brunnen
im Centralpark zu Boston, Bacchantin mit dem jungen Bacchus scherzend
(Schloss zu Berlin), Ganymed (Orangerie in Potsdam), Hebe den Adler tränkend,
Amor und Psyche (die beiden letzteren im Museum zu Köln), Rebekka am
Brunnen, Loreley, Ruth (für den Freiherm von Di ergardt- Viersen), Sappho.
Kunst f. Alle, Jg. 12, 28; Seubert, Allg. Künsüer-Lex., Bd. 3, 1882, S. 536; Malier,
A. Künstler-Lex. 1884, S. 541.
Dr. Berghoeffer.
Karl Ludwig, Erzherzog von Oesterreich, * am 30. Juli 1833 zu Schön-
brunn, f am 19. Mai 1896 in Wien. — Der Vater, £rzherzog Franz Karl,
♦ am 27. December 1802, hatte sich am 24. November 1824 mit der neun-
zehnjährigen Prinzessin Sophie von Bayern, Tochter des Königs Maximilian I.
und der zweiten Gemahlin desselben, Prinzessin Karoline von Baden, in sei-
nem 22. Lebensjahre vermählt. Nachdem am 18. August 1830 Kaiser Franz
Josef und am 6. Juli 1832 Erzherzog Ferdinand Max, Kaiser von Mexico, ge-
boren waren, erblickte Erzherzog K. L. als dritter Sohn das Licht der Welt.
Der junge Erzherzog war von schwacher Gesundheit; er hatte die Kinderkrank-
heiten zu überstehen und bekam einen Typhus, bei dem man für sein Leben
Erzherzog Karl Ludwig. 44 e
fürchtete. Nach der Genesung aber entwickelte er sich alsbald um so kräf-
tiger und gedieh in den Jiinglingsjahren zu besonderer Rüstigkeit. Einen vor-
trefflichen Einfluss übte auf das Gemüth des jungen Prinzen Baronin Marie
l^ouise Sturmfeder, Tochter des kurpfälzischen Geheimen Rathes Karl Theo-
dor Freiherm Sturmfeder von und zu Oppersweiler, die als Aja den Erzherzog
sowie die älteren Prinzen während der Kinderjahre leitete. Erzherzog K. L.
bewahrte ihr die kindliche Anhänglichkeit für immer, und 1866 erwies er ihr,
nacHdem er zwei Tage an ihrem Sterbelager geweilt hatte, auf dem Schmelzer
Friedhofe die letzte Ehre. Als der junge Erzherzog unter männliche Hand
kommen sollte, wurde er dem Grafen Heinrich Franz Bombelles, einem edel-
gesinnten, gründlich gebildeten Manne, anvertraut, der bereits seit 1836, nach-
dem er zuletzt Gesandter in Turin gewesen, im Hause als Ajo der beiden
älteren Prinzen thätig war. Drei Dienstkämmerer des Erzherzogs Franz Karl
waren zur Unterstützung und gemeinsamen Dienstleistung beigegeben, indessen
war jeder einem der Erzherzoge besonders zugetheilt. Dem Erzherzoge Franz
Josef war Reichsgraf Johann Baptist Alexius von Coronin i-Cronberg, dem Erz-
herzog K. L. Graf Karl Morzin zugewiesen. Den ersten Unterricht gab der
Oberfeuerwerker Johann Ritter von Wittek, nachmals Oberlieutenant der Tra-
l>antenleibgarde. Erzherzogin Sophie nahm an der Organisation des Unterrichts
den regsten Antheil und war häufig bei den Lectionen anwesend. Um auch
den Wetteifer anzuregen, hatte sie die Einrichtung getroffen, dass die gleich-
alterigen Spielgenossen der hohen Zöglinge dem Unterrichte beiwohnen durften.
Der junge Graf Franz Coronini, nachmals Präsident des Abgeordnetenhauses,
nahm an den Lemstunden des Erzherzogs K. L. theil. Der Unterricht wurde
fachmännischen Kräften Übertragen. Religion lehrte der Domherr Columbus,
Geschichte Professor Fick. Für den Unterricht in der Philosophie wurde, als
Krzherzog Franz Josef im fünfzehnten Lebensjahre stand, der Director der
Orientalischen Akademie, Abt Rauscher, der nachmalige Cardinal und Fürst-
erzbischof von Wien, berufen. »Ich sehe mich also genöthigt« — so schrieb
Rauscher 1844 an Cardinal Schwarzenberg nach einer Bemerkung Über den
damaligen Stand der philosophischen Litteratur — »zum Behufe meiner Vor-
träge einen Abriss der Philosophie zu verfassen, und ich brauche Eurer Emi-
nenz nicht zu sagen, dass dies keine kleine Aufgabe ist.« Im Herbst 1845 unter-
nahm der Erzherzog mit seinen älteren Brüdern eine Reise nach Italien und machte
1 847 eine Fahrt nach Böhmen. Die inzwischen fortgesetzten Studien wurden
bald durch die Märztage und deren Folgen gestört. Am 25. April 1848 wohnte
der Erzherzog mit seinem Vater und ältesten Bruder der Revue über die Na-
tionalbtirgergarde und Studentenlegion auf dem Glacis bei und nahm an dem
Feldgottesdienste zur Feier der Constitution theil. Doch schon am 18. Mai
reiste, nachdem sich Erzherzog Franz Josef auf den italienischen Kriegsschau-
platz begeben hatte, Erzherzog K. L. mit seinem Bruder Ferdinand Max,
den Eltern und dem kaiserlichen Hofe von Wien nach Innsbruck. Der be-
geisterte Empfang, den die Bevölkerung hier dem Hofe bereitete, machte auf
den Erzherzog einen bis ans Lebensende nachhaltenden Eindruck. Während
des elfwöchentlichen Aufenthaltes in dem schönen, kaisertreuen Tirol gewann
er für das Land und dessen Bewohner eine Vorliebe, die vermuthlich eine Ur-
sache war, dass er grade hier seine staatsmännische Thätigkeit beginnen sollte.
Am 8. August reiste der Hof von Innsbruck zurück und bezog das Lustschloss
Schönbrunn, aber schon am 6. October wurde die Reise nach Olmütz an-
getreten, wo die kaiserliche Familie mit dem erzherzoglichen Hause am
^^6 Erzherzog Karl Ludwig.
14. October ankam. Die Studien nahmen ihren Fortgang. Neben dem Unter-
richt in fremden Sprachen, der erprobten Meistern aus Wien anvertraut war,
wurden mihtärwissenschaftliche Fächer von dem Hauptmann Baron Safi&an
gelehrt. Rauscher, der zu den Vorträgen über Philosophie auch die für Ge-
schichte übernommen hatte, wurde gleichfalls an das Hoflager nach Olmütz
berufen. Höchst erfreut war der fünfzehnjährige Erzherzog, als er 1848 zum
Oberst- Inhaber des zweiten Cheveauxlegers- Regimentes (Ulanen -Regimentes
Nr. 7) ernannt wurde. Obwohl er sich damals für militärische Dinge sehr
interessirte, so war die militärische Laufbahn nicht seine Bestimmung. Die
Betheiligung an der obersten Staatsverwaltung ward schon bei seiner Vorbil-
dung in Aussicht genommen. Bezüglich des Thronwechsels, der sich am 2. De-
cember 1848 in Olmütz vollzog, liegt keine Aeusserung des Erzherzogs vor.
Im Mai kehrte das erzherzogliche Haus nach Schönbrunn zurück und übersie-
delte am 28. November in die Hofburg nach Wien. Die philosophischen
Studien fanden ihren Abschluss, als Rauscher im April 1849 ^^^ Fürstbischof
von Seckau consecrirt worden war. Bald darauf ward Johann von Perthaler
berufen, den beiden Erzherzogen Ferdinand Max und K. L. Vorträge über
Rechts- und Staatswissenschaften zu halten. Er war eben aus dem Frankfurter
Parlament, wo er durch die Schrift »Das Erbkaiserthum Kleindeutschland«,
den grossdeutschen Standpunkt vertreten hatte, zurückgekommen und im Mai
1849 wieder ins Justizministerium eingetreten, als er, durch Freiherm von
Pratobevera empfohlen, die ehrenvolle Berufung an den Hof erhielt. Auch
nach Abschluss dieser Vorträge, 1853, blieb der Erzherzog mit Perthaler bis
zu dessen Tode, 1862, in regem Verkehr. Er erhielt von ihm geistvolle Briefe
in Lemberg während des Krimkrieges und in Innsbruck über die Administration
Tirols. Ausser den sechs an den Erzherzog gerichteten Briefen, die unter
den nachgelassenen Schriften Perthalers veröffentlicht wurden, befinden sich im
Nachlasse des Erzherzogs noch zahlreiche Briefe, die einer besonderen Publi-
cation vorbehalten sein mögen und um so interessanter sind, als Perthaler seit
1859 Schmerling beim Entwurf der Verfassung zur Seite stand und wichtige
Staatsschriften, wie das Februarpatent, die Adresse des Gesammtministeriums
an den Kaiser sowie besonders die Thronrede vom 1. Mai 1861 abfasste. Im
Herbst 1850 bereiste der Erzherzog mit seinem Bruder F'erdinand Max den
Orient. Die jungen Erzherzoge fuhren über Triest nach Athen und Srnj-ma.
Nachdem Erzherzog K. L. 1852 mit dem Orden des goldenen Vlieses geschmückt
worden war, wurde er, um in den praktischen Verwaltungsdienst eingeführt
zu werden, der galizischen Statthalterei zugetheilt. Während seines Aufenthaltes
in Lemberg, wo er am 23. December 1853 eintraf, legte er durch sein ge\vin-
nendes Wesen den Grund zu jener Beliebtheit, deren er sich bei den Polen
durch sein ganzes Leben erfreute. Mit dem Statthalter Grafen Goluchowski
nahm er mehrere Bereisungen des Landes vor. Den Orientkrieg, der sich in
jener Zeit entwickelte und das Grenzland so nahe anging, verfolgte der Erz-
herzog mit lebhaftem Interesse. Er Hess sich über die Stimmung der pol-
nischen und der Tuthenischen Bevölkerung, über alle Vorkehrungen finanzieller
und militärischer Art ausführlich berichten. Im Januar 1854, als die West-
mächte ihre Flotten ins Schwarze Meer gesendet hatten, machte Perthaler den
Erzherzog auf die Absichten Russlands aufmerksam und setzte ihm die An-
sprüche Oesterreichs auseinander, die Mettemich zur Zeit des Friedens von
Adrianopel 1829 nicht zu wahren gewusst hatte. Er schrieb: »Ueberall hört
man von Uneigennützigkeit, und doch ist allenthalben nur Gierde nach der
Erzhersog Karl Ludwig. 44 y
Xieute zu erkennen. Und ist auch nur ein Schatten von Recht für diesen Besitz-
n ehmungseifer der genannten Staaten vorhanden? Wenn irgend ein Staat ein
TR^echt geltend machen kann, so ist es Oesterreich und Oesterreich allein.
Eis ist ein weltgeschichtliches Entscheidungsrecht, welches von Oesterreich in
die Wagschale gelegt werden kann . . . Mit österreichischem Blute ist die
I^'reiheit Europas vom türkischen Uebermuthe erkauft, und wenn nun die
t:lirkischen Barbaren aus Europa weichen, so hat Oesterreich allein das Recht,
zu sagen: Kraft eines unleugbaren Entschädigungsrechtes gebürt das ver-
lassene Lager mir! Oesterreich hat noch keinen Preis für dieses sein helden-
müthiges Ringen, es hat noch nicht einmal den Ersatz dessen erlangt, was
es für sich und Europa im Kampfe mit der Türkei eingesetzt hat . . .«
Doch spricht Perthaler mit Rücksicht auf die damalige Lage den Wunsch
a.us, dass Oesterreich neutral bleiben möge. Es soll damals die Absicht be-
standen haben, dem Kronlande Galizien eine grössere Selbständigkeit zu
verleihen und den Erzherzog als Vicekönig oder Gouverneur an die Spitze
dieses Königreiches zu stellen. Wenn aber dieses Project überhaupt ernstlich
ins Auge gefasst wvu'de, so Hessen die Beziehungen zu anderen Mächten und
die Consequenzen für die innere Politik die Ausführung eines solchen Planes
nicht rathsam erscheinen. Erzherzog K. L. wurde am 30. Juli 1855, als er
eben sein 22. Lebensjahr vollendet hatte, zum Statthalter des Landes Tirol
ernannt, unter gleichzeitiger Beförderung zum Generalmajor. Nachdem er
die schon längst beabsichtigte Reise in die Bukowina unternommen hatte,
verliess er Lemberg am 19. August 1855.
Die Tiroler empfanden die Ernennung des neuen Statthalters als Beweis
besonderer kaiserlicher Gnade und als Bürgschaft der Abhilfe und Errettung
aus Zuständen und Verhältnissen, von denen sie sich bedrückt fühlten, und
bereiteten dem Erzherzog, als er im September erschien, einen überaus be-
geisterten Empfang. Im October unternahm der Erzherzog die erste grosse
Bereisung seines Verwaltungsgebietes, 1856 machte er noch eine besondere
Reise nach Vorarlberg, 1857 ins Pusterthal, 1858 nach Südtirol. Er ver-
schaffte sich stets genaue Kenntniss aller Verhältnisse. In den Kreisämtem
und Präturen sah er die Acten durch und gewann Einblick in die Amts-
führung; er besuchte Gefängnisse, Spitäler und Kinderasyle, schenkte den
Schulen, namentlich den Gymnasien, besondere Aufmerksamkeit und nahm
P^abriken und Gewerkschaften, Uferschutzbauten und Strassenanlagen in
Augenschein. Für den Bauernstand, der mit harter Arbeit sein Dasein
fristet, hatte er ein warmfuhlendes Herz. An der Ausdehnung und Verschö-
nerung der Landeshauptstadt nahm er regen Antheil. Das Statthalterei-
gebäude in Innsbruck erweiterte er durch einen wichtigen Zubau und brachte
das werthvolle Archiv in zweckdienlich eingerichteten Räumen unter. Im
Schlosse Ambras nahm er nach Förster's Entwürfen die nothwendigen Aen-
derungen vor, um es bewohnbar zu machen. Er bemühte sich, leider ohne
Erfolg, die Rücksendung der Ambraser Sammlung von Wien nach Tirol
durchzusetzen. Die Erhaltung alter Bauten, historischer und Kunstdenkmäler
liess er sich immer angelegen sein. Zur Wiederherstellung der landesfürst-
lichen Burg in Meran widmete er einen namhaften Betrag und den Altar
zu St. Katharina in der Scharte liess er auf eigene Kosten neu herrichten.
Für die Restaurirung des Domes in Trient verdankt man ihm die Essen-
wein'schen Pläne. Besonders war er auch auf die Förderung der Gewerbe
bedacht. Durch ihn wurde zum erstenmal in Tirol der erst 34 Jahre später
^^8 Enhenog Karl Ludwig.
verwirklichte Plan angeregt, eine Landesausstellung für Kunst, Industrie und
Gewerbe zu veranstalten. Es war der 15. Mai 1859 als Tag der Ejöflhung
festgesetzt, und nur der Krieg verhinderte die Ausfuhrung. Hohe Veixücnste
erwarb er sich um die Ausbildung der ständischen Verfassung und der Landes-
vertretung. Schon 1858 hatte er einen Preis von 25 Ducaten für die beste
Bearbeitung der »Geschichte der Entwickelung der tirolischen StändeTcr-
fassung vom 14. Jahrhundert bis einschliesslich zum sogenannten ofiener.
Landtag des Jahres 1790« ausgeschrieben. Inzwischen brach der italienische
Krieg aus, und mit der Organisation der Landesvertheidigung liess sich zu-
nächst die Erweiterung des Landesausschusses verbinden. Als der Erzherzog
von seiner Reise, die er nach dem Tode seiner ersten Gemahlin nach Rom
unternommen hatte, 1859 in aller Stille nach Innsbruck zurückgekehrt war,
begannen die Truppenmärsche ins Venezianische. Mit grösstem Eifer setzte
der Erzherzog alle Kräfte ein, um die Tiroler und Vorarlberger Landesver-
theidigung zu reorganisiren und ihr die Wehrkraft zu verleihen, die dieser
alten Einrichtung entsprach. Im Mai 1859 brachte der Erzherzog die vom
Kaiser genehmigte Landesvertheidigungsordnung bereits zur allgemeinen
Kenntniss. Sie war so vortrefflich eingerichtet, dass unter freier Bethätigung
der Gemeinden und Berücksichtigimg der Leistungsfähigkeit die Aufstellung
der ganzen Mannschaft von 24 000 Köpfen keinerlei Schwierigkeiten bieten
konnte. Als Garibaldi die tirolische Grenze bedrohte, veröffentlichte der
Erzherzog-Statthalter das vom i. Juni 1859 aus Verona datirte Manifest des
Kaisers »An Meine treuen Tiroler und Vorarlberger«, durch welches die
I^andesschützen zu den Waffen gerufen wurden. Sodann bereiste der Erz-
herzog alle Thäler und betrieb persönlich die Bildung der Schützencompagnien.
Am Tage nach der Schlacht von Solferino befand er sich auf der Reise ins
Pusterthal, wo sich italienische Emissäre und Spione als Holzhändler herum-
trieben. Nachdem am 12. Juli der Waffenstillstand von Villafranca dem
Kampfe ein unerwartetes Ende bereitet hatte, kehrte der Prinz am 18. Juh von
Bozen nach Innsbruck zurück. Ueberall hatte er die Tiroler zu stürmischer
Begeisterung entflammt. Eine bewunderungswürdige Opferwilligkeit und Hin-
gebung war die Folge seiner persönlichen Einflussnahme gewesen. In der
kurzen Zeit waren 50 Schützencompagnien mit 7500 Mann an die Grenze
marschirt, 8 Compagnien standen marschbereit, und in wenigen Tagen wäre
das ganze Contingent von 24 000 Mann kampfbereit dem Feinde gegenüber-
gestanden. Noch am 12. Juli drückte der Kaiser von Verona aus durch ein
Handschreiben den Tirolern für die bewiesene Opferwilligkeit in höchst gnä-
digen Worten seinen Dank aus. Erzherzog K. L. gab zahlreiche Beweise
der Erkenntlichkeit in Wort und That. Als das nach der Entlassung Bach 's
berufene Ministerium Goluchowski ständische Vertretungen für die einzelnen
Länder verhiess, besass Tirol bereits den durch das Eingreifen des Erzherzog-
Statthalters verstärkten Ausschuss. Es war eine verdiente Anerkennung, dass
der Kaiser dem Erzherzog am 21. September 1859 *^ ^*^ vielen Verdienste,
die sich der Erzherzog als Statthalter und in der letzten bewegten Zjeit durch
unermüdete Fürsorge fiir das Beste des Landes erworben hat«, das Grosskreuz
des St. Stephansordens verlieh. Der Wunsch des Landes nach Verminderung
der Uebertragungsgebüren fiir bäuerlichen Grundbesitz ward durch kaiser-
lichen Gnadenact vom 11. Januar 1860 erfüllt. Die Frage der Ansässig-
machung von Akatholiken oder die Aufrechterhaltung der Glaubenseinheit
im Lande wurde als eine nach den Worten des Kaisers von allen Seiten
Erzherzog Karl Ludwig. 44 q
reiflicher Erwägung bedürftige Angelegenheit dem künftigen Landtage zur Be-
handlung zugewiesen. Die Berathungen über die Landesordnung erfolgten
unterdessen im Landhause unter dem Vorsitze des Erzherzogs. Am 20. Oc-
tober 1860 wurde die neue Landesordnung gleichzeitig mit dem Erscheinen
des die Reichsverfassung betreffenden Diploms vom Kaiser genehmigt. Als
indessen am 13. December 1860 Graf Goluchowski zurückgetreten und
Schncierling als Staatsminister berufen worden war, trat der reichseinheitliche
Gedanke in den Vordergrund und durch das Februarpatent vom 26. Februar
1861, das neue Staatsgrundgesetz für die Reichs- und Landesvertretungen,
wurde die tirolische Landesverfassung erweitert und abgeändert. Am 6. April
1861 eröffnete Erzherzog K. L. unter grossen Feierlichkeiten den neuen Land-
tag. Zwei Tage darauf erschien das Patent vom 8. April 1861, durch welches
den Protestanten in allen deutschen und slavischen Erbländem, unter denen
Tirol ausdrücklich genannt war, freie Religionsübung zugesichert wurde.
Doch glaubte der tirolische Landtag im Hinblick darauf, dass die Religions-
frage durch das kaiserliche Handschreiben vom 7. September 1859 seiner
Berathung zugewiesen worden war, bei der früheren Resolution des ständischen
Ausschusses beharren zu können, und erhob am 17. April den durch den
Hinweis auf Tirols Privilegien und entsprechende Zustände in Mecklenburg,
Sachsen- Weimar und anderwärts begründeten Antrag des Fürstbischofs Vincenz
Gasser von Brixen zum Beschlüsse, dass das Recht der Oeflfentlichkeit der
Religionsübung in Tirol nur der katholischen Kirche zustehe. Der Landtag
wurde am 24. April geschlossen. Der Erzherzog-Statthalter dankte, als die
Deputation des Landtages von ihm in Audienz empfangen wurde, dem Be-
richterstatter des Ausschusses in der Religionsfrage, über dessen Eintreten für
die Glaubenseinheit erfreut, und drückte seine Sympathie aus. An demselben Tage
reiste er nach Wien, um über die Ergebnisse der Landtagssession zu berichten
und bei der Eröfihung des Reichsrathes am i. Mai 1861 anwesend zu sein.
Der Erzherzog sah alsbald, dass die Dinge, die sich in Wien vollzogen, mit
den Anschauungen und Empfindungen des von ihm verwalteten Landes nicht
in Einklang zu bringen sein würden, und bemühte sich, zunächst beruhigend
und beschwichtigend auf die Bevölkerung Tirols einzuwirken. Er erklärte
dem Fürstbischof brieflich, er bleibe seiner bekannten Ueberzeugung in Bezug
auf die Glaubenseinheit in Tirol treu, aber die Agitation gegen das Patent
vom 8. April 1861 dürfe er nicht dulden, sie sei unklug und ungesetzlich.
Als der Fürstbischof am 18. Juni seine Antwort an den Erzherzog abgehen
Hess, erhielt er den Erlass Schmerling' s, dass dem Landtagsbeschluss vom 1 7 .
April die Allerhöchste Sanction nicht ertheilt worden sei. Erzherzog K. L.
richtete am 17. Juni von Schönbrunn aus an die Bezirksämter Tirols einen
Erlass, in welchem er bezüglich der Sammlung von Unterschriften für ein
die Glaubenseinheit betreflendes Majestätsgesuch, das man dem Kaiser durch
eine Deputation überreichen wolle, erklärte, dass der Kaiser die Absendung
einer solchen Deputation nicht billige. Am 19. Juni beantwortete Schmerling
eine Interpellation über den Beschluss des tirolischen Landtages mit der Eröffnung,
der Kaiser habe die Sanction abgelehnt und den Erzherzog-Statthalter an-
gewiesen, die Agitation zu Gunsten des Beschlusses nicht zu dulden. Durch
einen neuen Erlass vom 23. Juni i86i forderte der Erzherzog die Tiroler
Bezirksämter auf, die Bevölkerung mit Ernst und Nachdruck zu belehren, sie
möge sich vor übereilten Schritten bewahren, damit strengere Massregeln
überflüssig würden, und die Bevölkerung möge sich diesfalls mit den kirch-
Blogr« Jalirb. a. Dentscher Nekrolog. 2. Bd. 20
4 CO Erzherzog Karl Ludwig.
liehen Organen ins Einvernehmen setzen. Schon seit dem Herbst 1859, <b
die Arbeiten für die Verfassung ihren Anfang nahmen, waren Befurchtunges
laut geworden, dass die Stellung eines kaiserlichen Prinzen mit dem Arzt
eines Statthalters künftig nicht mehr würde vereinbar sein, da mit der Ei>
führung der Reichsverfassung nicht allein die Provinzialverwaltung eingeschränki
würde, sondern insbesondere auch die Statthalter in dienstliche Abhängigker
von dem Ministerium, das dem Reichsrath verantwortlich ist, gerathen musster.
Der Erzherzog-Statthalter, der die Folgen der geänderten Verhältnisse er-
kannte, huldigte einer streng conservativen Richtung und vertrat den reichs-
einheitlichen Standpunkt der pragmatischen Sanction; doch wollte er die be-
rechtigten Eigenthümlichkeiten der Länder gewahrt und geschont wisser.
Er wünschte nicht nur, dass alle Völker des Reiches zu strenger Einheit ge-
fügt und mit den unlöslichen Banden der gemeinsamen Interessen fest um-
schlossen seien, sondern auch, dass die Besonderheiten aller Länder dci
Monarchie erhalten und veredelt würden, in der Ueberzeugung, dass (^t
Sonderinteressen der Theile unter der Macht der Gerechtigkeit und des Wohl-
wollens einander nicht widerstreiten. Bei der hohen Achtung, von der er Pir
die Majestät des Kaisers erfüllt war, bei der innigen und wechselseitig^^n
Liebe, die ihn mit dem kaiserlichen Bruder verband, bei dem strengen Gt-
horsam, mit dem er sich dessen Befehlen unterwarf, schloss er sich in der
schwierigen Verfassungsfragen stets den EntSchliessungen des Kaisers aui-
innigste an. Da er die durch die Verfassung geänderte Stellung mit seine:
Würde als Mitglied des regierenden Herrscherhauses nicht mehr vereinbar
fand, bat er seinen kaiserlichen Bruder um Enthebung von der Statthalter-
schaft in Tirol. Am 11. Juli i86i gewährte der Kaiser die Bitte und sprach
für die unter schwierigen Verhältnissen mit erprobter Hingebung und Umsiebt
geleisteten ausgezeichneten Dienste zugleich seinen anerkennenden Dank aus.
Rührend waren die Beweise der Dankbarkeit des Landes und besonders der
Stadt Innsbruck beim Scheiden des geliebten Erzherzogs, der seinerseits das
ihn vergötternde Volk niemals vergass. Der Erzherzog sah Tirol 1863 "bieder,
da er als Stellvertreter des Kaisers zur Jubelfeier der 500jährigen Vereinigung
Tirols mit Oesterreich erschien. Zum zweitenmal hatte er Gelegenheit,
wiederum nach Tirol zu kommen, als er vom Kaiser 1866 entsandt wurde,
um bei den Vorbereitungen zur Landesvertheidigung anwesend zu sein, da die
Grenzen wieder bedroht waren. Es war eine schwere Zeit. In Innsbruck, wo
er am 14. Juni abends ankam, und in der Burg, in der auch Kaiser Ferdinand
und Kaiserin Maria Anna residirten, dieselben Gemächer bewohnte, die er
als Statthalter inne hatte, besichtigte er an den folgenden Tagen die Schützoi-
compagnien, Stadt und Bezirk Innsbruck, Stubaierthal, Lans, Schwaz, Ratten-
berg, dann die Studentencompagnie, sowie die Tiroler Freiwillige Schützen-
compagnie aus Wien und hielt dabei begeisternde Ansprachen. Vom 20. Jur.i
bis 6. Juli bereiste er die Thäler, um die marschfertigen Compagnien zu
ermuthigen und die Aufstelluug der noch in Bildung begriffenen zu be-
schleunigen. Schmerzlich berührt von den betrübenden, wenn auch noch
unbestimmten Nachrichten vom nördlichen Kriegsschauplatz, die nach den
erfreulichen Meldungen über den Tag von Custozza nur schwerer empfunden
wurden, setzte er um so eifriger seine Thätigkeit fort. Fast niederschmetternd
aber wirkten auf den edlen Prinzen die Mittheilungen, die er bei seiner
Rückkehr nach Innsbruck vom Statthalter erhielt, wonach Oesterreich bereit
sei, infolge der Schlacht bei Königgrätz Venezien abzutreten. Der Erzherzog
Enherzog Karl Ludwig. ^qi
:hickte sich zur Heimkehr an. Er fuhr nach Penzing, um in Schönhrunn
Drzusprechen. Der Kaiser befand sich in der Stadt, die Kaiserin war in
Her Frühe nach Ofen gereist, um Verwundete zu besuchen. Erzherzog K. L.
egat> sich zum Könige von Sachsen, der im Meidlinger Tract wohnte. Bald
arauf kam der Kaiser, sichtlich ergriffen, und ging mit seinem Bruder in
en reservirten Charten vor der Wohnung der Kaiserin, wo er lange Zeit mit
nm sprach.
üie Entwickelung der Verfassung, die nach dem Kriege 1859 ihren An-
ang nahm und jetzt nach dem Kriege von 1866 eine vorläufig abschliessende
Üestalt erhielt, verfolgte der Erzherzog mit lebhaftem Interesse. Nachdem er
Luf sein Amt als Statthalter verzichtet hatte, nahm er noch in demselben
Vlonat, Juli i86i, an der Sitzung des Herrenhauses, in der über die Geschäfts-
>rdnung berathen wurde, und ebenso im September 1861 an der Berathung
iber die Aufhebung des Lehensverbandes theil und gab seine Stimme in con-
servativem Sinne ab. Doch zog er es späterhin vor, von dem Rechte seiner
Geburt und Stellung Gebrauch machend, seine Ansichten in allen wichtigen
politischen Fragen unmittelbar zur Kenntniss des Kaisers gelangen zu lassen.
Seiner religiösen Ueberzeugung gemäss versäumte er es niemals, in den kirchen-
politischen Angelegenheiten seinen kaiserlichen Bruder in dem Sinne zu be-
rathen, dass er seine Anschauungen über die Rechte der Kirche freimüthig
äusserte. Da seine Meinung immer gerne einvernommen wurde, so schrieb
er in wichtigen Fällen ausfuhrliche, auf gründlichen Studien beruhende Vor-
steUungen, wie über Congrua, Civilehe und ähnliche Gegenstände, und legte
so seinen eingehend motivirten Rath an den Stufen des Thrones nieder.
Gegenüber den Vertretern anderer politischer Ansichten verhielt sich der Erz-
herzog in ritterlichem Edelmuth zurückhaltend. In zweifelhaften Fällen kam
es vor, dass er die eigene, selbst viel bessere Meinung den Anschauungen
anderer unterordnete. Doch trat er mit den Beweisen seiner Dankbarkeit
gegen diejenigen hervor, die das Wohl des Staates nach conservativen Grund-
sätzen gefördert und sich in leitender Stellung Verdienste erworben hatten.
Dem Minister Alexander Freiherm von Bach bewahrte er sein erkenntliches
Wohlwollen und blieb mit ihm bis zu dessen Tode in freundschaftlichem Ver-
kehre. Mit dem feinsinnigen und schneidigen Linzer Bischof Franz Josef
Rudigier, dessen treue Anhänglichkeit an das Kaiserhaus er hochschätzte,
stand er lange im Briefwechsel.
Mit grösstem Eifer widmete sich der Erzherzog den auswärtigen Verhält-
nissen und benützte jede in seiner Sphäre sich darbietende Gelegenheit, die
äussere Machtstellung des Reiches zu fördern. In der Pflege der guten Be-
ziehungen zum Auslande hatte er bemerk enswerthe Erfolge. Am 12. October
1861 reiste er in Vertretung seines kaiserlichen Bruders zur Feier der Krö-
nung Wilhelms I. als Königs von Preussen nach Königsberg, und begab sich
wiederholt nach England und Frankreich, sowie an verschiedene Ftirstenhöfe
Deutschlands. Mit dem Prinzen Albrecht von Preussen war er sehr befreundet
und stand mit ihm in Correspondenz. Viermal wurde der Erzherzog nach
Russland gesendet. Er war bei der Bestattung des Czars Alexander II. 1881
zugegen und wohnte 1894 der Beisetzung des Czars Alexander HI. bei. Von
besonderer Wichtigkeit aber waren die beiden Reisen, die er in freudigeren
Tagen mit seiner Gemahlin, Erzherzogin Maria Theresia, nach Russland unter-
nahm, um an der Feier der Krönung Alexanders UI. 1883 in Moskau theil-
zunehmen und um in besonderem Auftrage 1886 einen Besuch in Peterhof
29*
452 \ Eriherzog Karl Ludwig.
abzustatten. Hatte schon die Anwesenheit bei der Krönung, bei der das en-
herzogliche Paar durch Aufmerksamkeiten aller Art ausgezeichnet wurde, einer
auffallenden Erfolg, so hatte der Besuch in Peterhof den besonderen Zwecl,
die freundschaftlichen Beziehungen Oesterreichs mit Russland noch inniger r.
gestalten und das gute Einvernehmen vor der Welt zu bekunden. Der En-
herzog pflegte mit Befriedigung auf das Ergebniss dieser Reise zurückzublicken
und freute sich des Erfolges umso mehr, als diesem Besuche absichtlich nich:
der Charakter einer officiellen Sendung beigelegt wurde. Die innige Freim<i-
schaft mit dem russischen Kaiserhof, mit den Grossfursten Wladimir unc
Michael, wurde auch durch die Spannung nicht getrübt, die man von andere:
Seite in unverhohlener Eifersucht zwischen den beiden Regierungen hervorrid
und bis zu einer gefahrdrohenden Wendung zu steigern suchte. Der Erz-
herzog war auch sehr darauf bedacht, mit den BevoUmächtigten der au>-
wärtigen Staaten in Wien persönlich auf die liebenswürdigste und verbind-
lichste Weise zu verkehren. Auch die Gesandten des Kaisers zeichnete er
durch Ehrungen aus. Der Botschafter in Konstantinopel, Freiherr von Calire.
der das besondere Vertrauen des Sultans geniesst, wurde vom Erzherzog K. L.
immer in der herzlichsten Weise empfangen, so oft er sich in Wien aufhieli.
Nicht minder lag dem Erzherzog die Wehrkraft des Reiches am Herzeiu
Ohne ein Commando inne zu haben, betheiligte er sich alle Jahre an den
Manövern und Detail inspicirungen. Seit 1884 war er General der Cavallent
und ertheilte später jeden Sonntag regelmässig militärische Audienzen, durcr
die er allen höheren Officieren Gelegenheit gab, sich über militärische An-
gelegenheiten zu äussern. Mit dem Feldzeugmeister Freiherm von Kuhn stanö
er in langjährigem Briefwechsel und dem Marinecommandanten Admiral Frei-
herm von Stemeck, den er öfter bei sich sah, erwies er die grössten Auf-
merksamkeiten. In ähnlicher Weise ehrte er die Grenerale der Cavallerie
Grafen Clam-Gallas, Seine Erlaucht Grafen Erwin Neipperg u. a. Hohe
Verdienste erwarb er sich um die Armee, indem er als Protector-Stellvertreter
der Vereine vom Rothen Kreuze und als Protector der Gesellschaft vom Weisser.
Kreuze eine stets eingreifende, erfolgreich anregende Thätigkeit entfaltete und
diese vorzüglichen Institute der Sanitätspflege in einer für andere Staaten muster-
giltigen Weise ausgestaltete. Er trat mit der Bundesleitung und den Vereins-
leitungen in persönlichen Verkehr, indem er die Länder bereiste, um in den
Stand des Hilfswesens Einblick zu gewinnen. Er ermöglichte die Erbauunj;
von Magazinen für den Fahrpark der Verwundeten- imd Material-Transport-
colonnen im Prater auf einem Bauplatz, welcher Eigenthum des Kaisers ist.
In seinem Palais in der Favoritenstrasse errichtete er eine eigene Kanzlei für
den Dienst des Rothen Kreuzes, indem er zweckmässige Räume des Hauses
dazu hergab. Hier liefen alle Geschäftsstücke der Gesellschaft ein und wurden
vom Erzherzog selbst ohne Ausnahme und unverweilt erledigt, lieber die
Oesterreichische Gesellschaft vom Weissen Kreuze übernahm Erzherzog K. L.
das Protectorat am 3. December 1889, und in den folgenden sechs Jahren
nahm die Gesellschaft einen ungeahnten Aufschwung. Auf Betreiben des Erz-
herzogs wurden dem Unternehmen grosse Spenden aus der Staatswohlthätig-
keitslotterie zugewendet. Schon Ende 1895 waren sechs neue Curhäuser ent-
standen, es hatten sich zahlreiche Zweigvereine gebildet, und das Vermögen
der Gesellschaft war auf mehr als das Doppelte angewachsen. Die Bereisungen
und Unterstützungen, die mit der Führung dieser Protectorate verbunden
waren, verursachten dem Erzherzog persönlich erhebliche materielle Opfer und
Erzherzog Karl Ludwig. ^c^
erheischten bedeutende Geldauslagen, die der Erzherzog aus seiner Privatkasse
ohne jede Compensation bestritt.
Je mehr die Macht der Verhältnisse den politischen Wirkungskreis be-
schränkte, mit um so grösserer Hingebung widmete sich der Erzherzog den
höheren Aufgaben des Culturlebens. Er forderte zunächst vom Adel eine
nivistergiltige Verwaltung des eigenen Besitzes, welche andern als Vorbild
dienen müsse. Er besuchte gern die gut administrirten Herrschaften der
Fürsten Liechtenstein in Vaduz und Eisgrub, Schwarzenberg in Krumau,
Wittingau und Frauenberg, Lobkowitz in Raudnitz u. a. Er wünschte weiter,
dass die jüngeren Talente den Studien oblagen, um sich im öflfentlichen
Leben nützlich zu machen, entweder in den politischen Verwaltungsdienst zu
treten oder den diplomatischen Beruf zu ergreifen, einer conservativen parla-
mentarischen Thätigkeit sich zu widmen oder sich an die Spitze irgend einer
dem Gesammtwohl heilsamen Bestrebung zu stellen. Er trat auch in der
Wintersaison mit den hohen Familien in Fühlung, um die Anschauungen und
Stimmungen dieser Kreise in allen Fragen des öffentlichen Lebens kennen zu
lernen. Meist verkehrte er in den Salons der Obersthofmeisterin Gräfin
Ooess, der Prinzessin Rosa Thum und Taxis, der Gräfinnen Wilczek-Reischach,
dlam-Dietrichstein, Czernin-Paar und der Markgräfin Pallavicini- Fürstenberg.
In den hohen civilisatorischen Aufgaben, die er zu den Pflichten des Adels
rechnete, ging er selbst mit leuchtendem Beispiele voran. Die Förderung der
ICunst und Wissenschaft, die Unterstützung der Industrie und des Handwerks,
die Begünstigung des Handels, die Hebung der Land- und Forstwirthschaft,
die Bethätigung der Nächstenliebe gegenüber den Bedürftigen galt ihm als
-wichtige Standesobliegenheit, deren Erfüllung ihm nicht nur zur höchsten
Befriedigung gereichte, sondern auch als erste Forderung einer gedeihlichen
Wirthschaftspolitik vorschwebte. Seinen Kunstsinn bethätigte er durch seine
lebhafte Antheilnahme an den Bestrebungen der Genossenschaft der bildenden
Künstler Wiens. Seit 1867 durch fast dreissig Jahre führte er das Protectorat,
und da er auch drei goldene Medaillen, jede zu 30 Ducaten, mit dem Capital
von 1 2 000 Gulden zur Vertheilung bei der Jahresausstellung für die besten
Leistungen stiftete, wird sein Andenken in der Wiener Künstlerschaft für
immer fortleben. Bedeutenderen Werken der Architektur, Bildhauerei und
Malerei wandte er schon im Entwürfe sein höchstes Interesse zu und folgte
der Ausführung mit steigender Aufmerksamkeit. Er erschien in den Ateliers
der Künstler und besuchte nicht allein die hervorragenden Meister, wie Alt,
Makart, Blaas, Amerling, Felix, L'Allemand, Angeli, ferner Kundmann, Zum-
busch, Tilgner u. a., sondern suchte auch die in Bescheidenheit zurückgezogenen
und vom Glücke minder begünstigten Künstler in deren Wohnungen auf.
Das Hofburgtheater erfreute sich der besonderen Gunst des kaiserlichen
Prinzen. Er setzte Laube durch seine Bühnenkenntniss in Erstaunen. Ueber
der Bewunderung der alten Grössen der Schauspielkunst, eines Anschütz,
Löwe, Laroche, Fichtner, versäumte er nicht die Förderung der jüngeren
Kräfte, der Wolter und Hohenfels, der Künstlerpaare Gabillon und Hartmann
u. a. Er hatte die Gnade, Sonnenthal und Gabillon gelegentlich nicht nur
in sein Haus zu laden, sondern auch durch seinen Besuch in deren Heim
auszuzeichnen. Als er 1892 über die in ihrer Art einzig dastehende Inter-
nationale Musik- und Theaterausstellung in Wien das Protectorat übernommen
hatte, widmete er durch persönliches Eingreifen dem Entwürfe des Programmes,
den Bauten, der Gliederung der Referate, der finanziellen Dotirung um-
454 Erzherzog Karl Ludwig,
fassende und eingehende Fürsorge. Auch Dichtem war der Erzherzog ein
Gönner; oft verkehrte er mit Weilen und Redwitz. Neben den Künsten ge-
nossen auch die Wissenschaften seinen Schutz. Als Protector der Krakauer
Akademie der Wissenschaften (1872) und der Böhmischen Kaiser Franz Josef-
Akademie der Wissenschaft, Litteratur und Kunst (1890), als Ehrenmitglied
der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, als Protector der
Geographischen Gesellschaft bekundete er sein eifriges Interesse auf diesem
Gebiete. Er begünstigte Arneth, Baron Helfert, J. B. von Weiss; er lenkte
Hirn auf ein Arbeitsgebiet, das bestimmend für dessen Richtung wurde.
Neben der Geschichte zog ihn die Geographie besonders an. Seine eigenen
Reisen, mochten sie nun durch Mission an fremde Höfe oder durch Aus-
übung seiner Protectorate über Ausstellungen, wie 1867 und 1878 nach Paris,
1883 mit Erzherzogin Maria Theresia nach Amsterdam, 1885 mit der Erz-
herzogin nach Antwerpen, 1888 nach Barcelona, oder durch persönliches
Interesse, wie mit dem Historiker Weiss 1865 nach Frankreich, 1872 nach
Konstantinopel,. 1880 nebst Gemahlin und Tochter Erzherzogin Margarete
nach Sicilien, 1890 mit Erzherzog Ferdinand Karl ans Nordcap, 1896 mit
der Familie nach Aegypten und Palästina, veranlasst worden sein, brachten
immer infolge der Gründlichkeit, mit der er alles ansah, und bei seinem
ausserordentlichen Gedächtnisse einen bedeutenden Ertrag. — Die Förderung
der Industrie und des Handels war vielleicht die erfolgreichste Thätigkeit de>
Erzherzogs. Jedenfalls leistete er als Protector der wichtigsten Gebiete der
Volkswirthschaft durch seinen anregenden Einfluss und sein thätiges Eingreifen
den wirthschaftlichen Interessen der Monarchie bedeutende Dienste. Es war
seine Ueberzeugung, dass die Arbeit eine Nothwendigkeit und Pflicht für alle
Menschen, eben darum auch eine Wohlthat und Quelle des Glückes sei. Er
verabscheute die hartherzige Ausbeutung der Arbeitskräfte von Seiten
des Unternehmers und verlangte vom Fabriksherrn die pflichtmässige OK
sorge für das geistige und leibliche Wohl der ihm dienenden Arbeiter,
Die Bemdorfer Metallwaarenfabrik des Commercialrathes Arthur Krupp
schien ihm in dieser Hinsicht musterhaft. Besondere Fürsorge widmete
er dem Niederösterreichischen Gewerbeverein, dem er schon, als nocJi
Erzherzog Franz Karl Protector war, Beweise seiner Gunst gegeben
hatte. Er gehörte dem Verein als Gründer und seit 19. Mai 1869 als Ehren-
mitglied an. Zur Erinnerung an den Tag, an dem er zum erstenmal die
Vertheilung der Preise für hervorragende Leistungen der Arbeiter vornahm,
machte er 1873 eine Stiftung, aus deren Erträgnisse gute Schüler der ge-
werblichen Fachschulen alljährlich am 2 7 . September prämiiert werden sollten.
Nach dem Tode seines Vaters, der mehr als 40 Jahre Protector war, über-
nahm er 30. Juni 1878 das Protectorat, mit dem er sich bleibende Verdienste
erwarb. Das Technologische Gewerbemuseum ist vorzugsweise als sein Werk
zu betrachten. Nur der eifrigen Thätigkeit des Erzherzogs ist es zu danken,
dass die im Gewerbeverein aufgetauchte Idee der Gründung einer solchen
Anstalt verwirklicht und das Museum aus bescheidenen Anfangen zu einer
grossartigen Schöpfung, einem der vornehmsten Institute des Reiches, aus-
gestaltet wurde. Auch dem Nordböhmischen Gewerbemuseum in Reichen-
berg war er als Protector gewogen. Das Orientalische Museum, das 1873
aus der orientalischen Abtheilung der Weltausstellung her\'orgegangen war,
fand an dem Erzherzog einen eifrigen Gönner und Beschützer. Er bemühte
sich, das Museum mit Erweiterung des Wirkungskreises zu einem allgemeinen
£rzli erzog Karl Ludwig. ^rc
ianclelsmuseum auszubilden und ihm ein eigenes Haus zu verschaffen. Er stellte
ich aji die Spitze einer Enquete, die er zur Berathung der die Erweiterung be-
reffenden Fragen einberief. Er genehmigte die Statuten des so vergrösserten In-
tituts, und der Kaiser bewilligte am 20. Mai 1887, dass die Anstalt den Namen
•k. k. Oesterreichisches Handelsmuseum« führe. Als der Anstalt am 21. Oct.
1895 die Miete in dem Börsegebäude gekündigt wurde, eröffnete der Erz-
lerzog eine Subscription mit eigener Zeichnung und brachte in kurzer Zeit
irine Summe zustande, welche die Erwerbung des früher dem Grafen Festetics
yi^ehörigen Hauses ermöglichte. So ist das Handelsmuseum, das dem Tech-
nologischen Gewerbemuseum ergänzend zur Seite steht, gleichfalls ein Werk
des Erzherzogs. Auch die Standesinteressen der Handelsleute war der Erz-
herzog zu schützen und zu heben bereit, indem er 1891 das Protectorat über
den ICaufmännischen Verein in Wien übernahm. Erfolgreich interessierte er sich
für die Weltausstellungen. Gelegentlich der für 1867 geplanten Pariser Welt-
ausstellung wurde er fiir die Betheiligung Oesterreichs an künftigen Welt-
ausstellungen sowie für die Wiener Weltausstellung 1873 und sonstige grössere
Ausstellungen zum Protector ernannt. Schon für die Pariser Ausstellung 1867
entwickelte er einen ausserordentiichen Eifer, unterstützt vom Grafen Wicken-
burg und Hofrath Eitelberger. Durch die drei Jahre der Vorbereitung für
cUg Wiener Weltausstellung aber entfaltete er eine Thätigkeit, deren Schil-
üeiung leider der hier bemessene Raum nicht gestattet. Für die Beschickung
der Ausstellung in Philadelphia 1876 und in Sydney 1879 eifrig thätig, för-
derte er besonders die Betheiligung Oesterreichs an der Pariser Ausstellung
1878, die er auch selbst besichtigte. Auch zu den Ausstellungen in Amster-
dam 1883 und in Antwerpen 1885 reiste er und 1888 besuchte er die Aus-
stellung in Barcelona, womit er eine grössere Bereisung Spaniens und einen
Aufenthalt am Hofe in Madrid verband. Lebhaft interessirte er sich dann
1 893 für die Ausstellung in Chicago, die von Erzherzogin Maria Theresia mit
einem von ihr gemalten Paravent beschickt und von Erzherzog Franz Fer-
dinand d'Este besucht wurde, der seine Wahrnehmungen in seinem geistreichen
Prachtwerk »Tagebuch meiner Reise um die Erde« II, S. 513 — 523 mittheilt.
Auch der Kleinbetrieb im Gewerbe wurde durch den Erzherzog gefördert.
Die minder umfangreichen Special- und Regionalausstellungen schienen ihm
zur Anregung des Wetteifers in 'dieser Richtung geeignet. Sein Verdienst
ist die Gründung und Ausgestaltung der mit dem Technologischen Gewerbe-
museum verbundenen Fachschulen, und die nach Tausenden zählenden
Schüler und Berathenen des Instituts sind ihm zu Danke verpflichtet. —
Der Erzherzog wandte femer auch dem Ackerbau und dem Forstwesen seine
Aufmerksamkeit zu. Er war Protector der Landwirthschafts-Gesellschaften
in Wien und Innsbruck, der Gartenbaugesellschaft in Wien, der er alljährlich
zwei goldene und zwei silberne Medaillen zur Vertheilung bei der Frühjahrs-
ausstellung widmete, des niederösterr. Land es-Obstbau Vereins und der Acker-
baugesellschaft in Görz. Er selbst hatte Freude am Land- und Gartenbau.
In Artstetten wie in Wartholz schuf er auf höchst ungünstigem Boden
jene schönen Parkanlagen, die m kurzer Zeit erstaunlich gediehen. Sein
neu erworbenes Gut Kis-Tapolcsäny gestaltete sich unter sorgsamer Ver-
waltung in land- und forstwirthschaftlicher Hinsicht nach wenigen Jahren
zu einem ertragsreicheren Besitze. Dem Bauernstände in Tirol und Vor-
arlberg gab er als Statthalter viele Beweise seiner Fürsorge. Auch der
Hauswirthschaft in der Grossstadt, besonders der Frage der Wohnungsreform
^cS Erzherzog Karl Ludwig.
in Wien, wandte der Erzherzog sein Interesse zu. Er übernahm das Prot^-
torat über den Wiener Cottage-Verein und half demselben durch wohlwollen-
des Einschreiten manchen Nachtheil abzuwenden. Unter seinem Schutze
wiu-de auch 1883 gelegentlich der Gedenkfeier der Türkenbelagerung der Pari
auf der Türkenschanze in der Nähe der Cottages angelegt und 1888 vorc
Kaiser eröffnet. — Sobald der Frühling erwachte, zog es den Erzherzog hinait
auf seinen ländlichen Besitz. Den grössten Genuss hatten ihm in jüngerer
Jahren die Fusswanderungen in Tirol gewährt, aber auch in späteren Jahren
pflegte er von Wartholz aus tüchtige Märsche und Bergtouren zu untemehmer
Indem er den Bau eines Schutzhauses auf der Rax, das nach ihm benannt
wurde, anregte und förderte, trat er dem Oesterreichischen Touristen-Oüb
näher und verkehrte als Protector mit diesem Verein in zwanglosen Former
und nahezu familiärem Tone. — Von segensreichem Erfolge war das Wirken
des Erzherzogs auf dem Gebiete der Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Wenn
die Bittgesuche bei dem bekannten Wohlthätigkeitssinn des edlen Prinzen schon
immer überaus zahlreich waren, so mehrten sich die Ansprüche an die Mild-
thätigkeit seit dem Tode des Kronprinzen, da er als Thronfolger nun auch
dessen Clientel zu versorgen hatte. Was der Erzherzog zu Lasten des eigenen
Vermögens an milden Gaben spendete, dürfte sich auf eine Million GuJdcn
belaufen. In seinem Schlosse Persenbeug liess er während des bosnischen
Feldzuges vierzig Schwerverwundete pflegen. Als Schutzherr überwachte und
unterstützte er das Erzherzogin-Sophien-Spital in Wien und das Margaretinum
in Innsbruck, Anstalten, die ihm in der Erinnerung an seine Mutter und seine
erste Gemahlin besonders am Herzen lagen. Als sich 1890 der Verein zur
Errichtung und Erhaltung einer klimatischen Heilanstalt für Brustkranke ge-
bildet hatte, gelang es ihm, die Bestrebungen des Vereins so zu unterstützen,
dass bald ein geeignetes Haus in Alland gebaut werden konnte. Er förderte
aufs wirksamste den Verein zur Errichtung von Seehospizen und Asylen für
skrophulose und rhachi tische Kinder, der unter dem Protectorat der Erz-
herzogin Maria Theresia steht, und hatte unter seinem besonderen Schutze
noch eine Reihe anderer Wohlthätigkeitsanstalten.
Von so vielseitiger, rastloser Thätigkeit im Dienste des öffentlichen Wohles
kehrte der Erzherzog gern in den Kreis seiner Familie zurück, in der er stets
sein Glück und seine Zufriedenheit fand. • Der Erzherzog war dreimal ver-
heirathet. Die erste Ehe, die nur zwei Jahre dauerte, blieb kinderlos. Als
Statthalter vermählte er sich, 23 Jahre alt, am 4. November 1856 zu Dresden
mit Prinzessin Margarete, der am 24. Mai 1840 geborenen Tochter desKöni^^
Johann von Sachsen. Während eines Besuches, den sie bei Erzherzog Ferdi-
nand Max und dessen Gemahlin Charlotte in der kaiserlichen Villa zu Monza
abstattete, erkrankte sie an Typhus und starb nach zwei Tagen am 15. Sep-
tember 1858. Der Erzherzog, aufs tiefste erschüttert, trug sich mit dem
Gedanken, in ein Kloster einzutreten. Nach einem Besuch in Sachsen bei
König Johann reiste er nach Rom, wo ihn Pius IX. durch trostreichen Zu-
spruch aufrichtete. Nach dem Rücktritt von dem Statthalterposten ging er
eine Zeit lang auf Reisen, dann wurde das Augarten -Palais für ihn instand
gesetzt. Am 21. October 1862 vermählte er sich zu Venedig mit Prinzessin
Maria Annunziata von Bourbon, der am 24. März 1843 geborenen Tochter
des Königs Ferdinand II. von Neapel und Sicilien. Das erzherzogliche Paar
nahm zunächst in Görz Aufenthalt, weil der Erzherzog seine Gemahlin unter
dem Einflüsse des milderen Klimas während des Winters auf das Leben
Erzherzog Karl Ludwig. 4^7
xintcr rauheren Himmelsstrichen vorbereiten wollte. »Ich habe stets mehr
Sinn für solches Leben in Stille und Ruhe gehabt; daher verstehe ich die
Freude daran und weiss es zu schätzen. Hier in Görz bringen wir auch so
unser Leben zu, ungestört von der grossen Welt, viel beschäftigt mit Lesen
und Schreiben; sonst auch mit Bewegung in der schönen Natur. . . Wir
denken — so heisst es in einem Brief des Erzherzogs, der damals an einer
Ajrbeit über seinen Aufenthalt in Galizien schrieb, — bis zum Frühjahr hier,
^Ä^o es uns in der Stille eben sehr gut gefällt, zu bleiben und wollen dann
über Wien, wo einiger Aufenthalt sein wird, nach Artstetten in Niederöster-
reich . . .« Von Artstetten, wohin sie Ende Mai 1863 übersiedelt waren,
fingen sie Anfang October nach Wien. Der Erzherzog hatte hier 1863 von
dem Herzoge Leopold von Sachsen-Koburg das Haus in der Favoritenstrasse
käuflich erworben und liess es durch den Architekten Friedrich umbauen.
Knde October fuhr er mit seiner Gemahlin nach Graz und blieb hier nahezu
drei Jahre. Daselbst wurden die beiden ältesten Söhne, Erzherzog Franz Fer-
dinand von Oesterreich-Este i8. December 1863 und Erzherzog Otto 21. April
1865 geboren. Seit 12. April 1866 nahm der Erzherzog ständigen Aufenthalt
in seinem neuen Haus in Wien. Hier erblickte der dritte und jüngste Sohn,
Erzherzog Ferdinand Karl Ludwig 27. December 1868 das Licht der Welt.
Auf Schloss Artstetten, wo der Erzherzog die Sommermonate verbrachte,
-wurde am 13. Mai 1870 Erzherzogin Margarete Sophia geboren, die sich am
24. Januar 1893 mit Herzog Albrecht von Württemberg vermählte. Schon
nach einem Jahre, am 4. Mai 1871, ward dem Erzherzog die Lebensgefährtin
entrissen, die in dem jugendlichen Alter von 28 Jahren starb. Im folgenden
Jahre am 28. Mai 1872 starb auch die Mutter, Erzherzogin Sophie, im 68.
Lebensjahre, und am 9. Februar 1873 die Kaiserin Karolina Augusta, die
geliebte Grossmama. In den letzten Jahren seit 1867 hatte der Erzherzog
die Sommerfrische gern in Reichenau am Fusse der Rax und des Schnee-
berges aufgesucht. Er baute sich in diesem Thale, um wegen der Studien
der Kinder in der Nähe von Wien zu sein, 1872 nach Ferstels Plänen die
Villa Wartholz. Am 23. Juli 1873 vermählte er sich zu Heubach auf dem
Schlosse des Fürsten Karl zu Löwenstein -Wertheim-Rosenberg mit Ihrer König-
lichen Hoheit der Infantin Maria Theresia von Portugal, der am 24. August
1855 geborenen Tochter des Königs Dom Miguel I. von Portugal, Herzogs
von Bragan^. Die Trauung fand in der mit Fresken von Steinle geschmückten
Schlosskirche zu Heubach statt und wurde vom Bischof von Mainz, Wilhelm
Emanuel Freiherrn von Ketteier, unter grosser Feierlichkeit vollzogen. Mit
Erzherzogin Maria Theresia kehrte Glück und Freude in Wartholz ein, den
verwaisten Kindern erschien die liebende Mutter, dem reizenden Sommersitz
ward die sorgsam waltende Herrin. Wartholz begrüsste dann auch öfter die
Besuche der Verwandten aus der Nachbarschaft. Aus Frohsdorf kam der
Graf Chambord, und auf nicht weit entfernten Schlössern verbrachten die
Schwestern der Erzherzogin die Sommermonate. In Wartholz wurden die
beiden Kinder der dritten Ehe geboren, Erzherzogin Maria Annunziata am
31. Juli 1876, Erzherzogin Elisabeth am 7. Juli 1878. Während Wartholz meist
im Juni bezogen wurde, bot das Schloss Rottenstein in Obermais bei Meran
mit seinem herrlichen Park für die erste Frühlingszeit einen schönen Aufent-
halt. Die Kaiserin Karolina Augusta hatte es in den Sechziger Jahren ange-
kauft und 1866 dem Erzherzog K. L. überlassen. In Meran weilte im Früh-
jahr auch Herzog Karl Theodor in Bayern, der berühmte Augenarzt, mit seiner
^e8 Erzherzog Karl Ladwig.
Gemahlin Infantin Maria Jos^, und die doppelt verschwägerten Heirschafte:^
sahen sich hier häufig. — Die Sorge um die Erziehung und den Unterrii h;
seiner Kinder war dem Erzherzog die wichtigste Aufgabe in seinem Familien-
leben. Er verkehrte persönlich mit den Lehrkräften, besprach die Organisation
des Unterrichts und machte auf besondere Begabung aufmerksam. Die Lehr-
pläne der öffentlichen Anstalten wurden zugrunde gelegt. Für besondere
weitere Ausbildung wurde ein Plan angefertigt und vom Erzherzog selbst er-
wogen und besprochen. Der Erzherzog besuchte die Lehrstunden in allen
Cregenständen häufig und blieb bisweilen zwei, selbst drei Stunden bei den
Lectionen, Fragen stellend und Bemerkungen einstreuend. Ausser den:
Religionsunterricht widmete er dem Unterricht in der Universalgeschichte und
in der Geschichte Oesterreichs hohes Interesse. Besonderen Antheil nahm er
auch am Unterricht in der Geschichte der Kunst und Litteratur. Bei seiner
grossen Vorliebe für das Theater drang er darauf, dass die dramatischer.
Meisterwerke aus der Auflfilhrung im Burgtheater kennen gelernt würden.
So grosse Freude es ihm machte, eine Tochter ins Theater führen zu können,
so strenge waren er und seine Gemahlin in der Auswahl der Stücke. Er
sah es gern, wenn bei festlichen Anlässen in Wartholz die erzherzoglichen
Kinder auf der Hausbühne ein Theaterstück aufführten oder auch nur eine
Gelegenheitsdichtung vortrugen. Er war der Ansicht, dass die Jugend sich
auf diese Weise an den Vortrag vor einer aufmerksamen Zuhörerschaft ge-
wöhne und in das Verständniss der Dichtung einlebe. Er hielt \ie\ auf das
Erlernen der Sprachen der grossen Culturvölker wie der Landessprachen des
Reiches, und freute sich der Erfolge im Zeichnen und Malen. Dabei wani
auf körperliche Ausbildung durch Reiten, Turnen, Schwimmen, Schlittschuh-
laufen und Lawn-Tennis Bedacht genommen. Aus einem Vorarlberger
Bauernhaus der Wiener Weltausstellung errichtete der Erzherzog beim Ort-
bauer den Karlshof, in dem sich die Kinder bisweilen ohne Bedienung auf-
halten und allein behelfen sollten. — Die eigene Tageseintheilung war genau
geregelt. Seit 1863 führte er ein Tagebuch, in das er die Vorkommnisse
des vergangenen Tages eintrug oder durch den Secretär, Leibjäger, Kammer-
diener nach seinen Dictaten einschreiben Hess. Während seiner Todes-
krankheit führte er es bis zum 13. Mai. An diesem Tage beschäftigte ihn
der Gedanke, nach Schönbrunn übersiedeln zu können. Fürst Rudolf
Liechtenstein sei vom Kaiser aus Budapest gesandt worden, um die Wünsche
in dieser Hinsicht entgegenzunehmen; die Kaiserin sei gekommen, sich zu
erkundigen; Erzherzogin Maria Theresia sei mit der Altgräfin Gabrielle Salm
nach Schönbrunn gefahren und habe nach der Rückkehr von den Wohnungs-
verhältnissen gesprochen ebenso wie Dr. Rollett, der die Räume dort gleich-
falls angesehen habe. »Für mich grosse Beruhigung, um bald von hier
wegzukommen, als Uebergang nach Wartholz.« Die Aufzeichnungen dieses
Tages schliessen mit den Worten: »M. Th. — bei mir. Früh mich zur
Ruhe begeben.« Sämmtliche Jahrgänge des Tagebuchs sind im Besitze des
Erzherzogs Ferdinand Karl. — Mit Aufmerksamkeit überwachte der Erzherzog
die Oekonomie in seinem Hauswesen. Während die Anforderungen der Re-
präsentation, der Protectorate und der Wohlthätigkeit schwere Lasten aufer-
legten, stellte der Erzherzog wie seine Gemahlin Erzherzogin Maria Theresia
die geringsten Ansprüche an das Leben, und auch in der Erziehung der
Kinder wurde zu haushälterischem Verbrauch der vorhandenen Mittel an-
geleitet.
Erzherzog Karl Ludwig. ^cg
Wo immer der Erzherzog waltete, gab er sich mit seinem ganzen Wesen,
in dem er ebenso sehr seine warme, gefühlvolle Theilnahme, wie seinen pflicht-
gremässen, sachlichen Eifer bekundete. Bewundemswerth war sein strenges
I* flieh tgefühl, bekannt seine Aufmerksamkeit und Herablassung in Audienzen
\inci Versammlungen, seine Ausdauer und Geduld bei Besichtigungen in Aus-
stellungen und bei Besuchen in Fabriken und Ateliers. Mit grosser Vorsicht
l>ilciete der Erzherzog sein Urtheil. Er hörte die Meinungen anderer, dann erst
legte er sich auf Grund eigener Beobachtung seine Ansicht zurecht. Kamen
^Persönlichkeiten in Betracht, so wusste er sein Urtheil so zu fassen, dass es
nicht verletzte. Seine Urtheile pflegten als zutreffend und gerecht empfunden
zu werden. Niemals drängte er seine Meinung auf, nie stellte er sie kate-
gorisch hin. Bei Personen, die sein Vertrauen besassen, äusserte er sich gern
mit Offenheit. Er Hess sich bereit finden, ein Urtheil in die That umzusetzen,
>venn man damit, ohne jemandem zu schaden, einen Nutzen erzielte, und
trat für alle Folgen mit dem Gewichte seines Ansehens ein. Der Erzherzog
liatte ein zartes, empfängliches, warmes und tiefes Gemüth. Er zollte gern
Anerkennung und erwies treue Dankbarkeit. Wer ihm einen Dienst leistete
oder eine angenehme Ueberraschung bereitete, durfte auf seine Erkenntlichkeit
rechnen. Er führte eine vornehme, liebenswürdige Conversation und hörte
sie gern von andern; er bemühte sich, im Gespräch immer zu fördern und
zu ermuntern, zu interessiren und anzuregen. Er liebte dabei auch einen
heiteren Ton, und mancher hat wohl durch gesellige Unterhaltung bei ihm
Gefallen gefunden. Er hielt auf die hergebrachte Etiquette, doch wusste er
deren Härten durch persönliche Liebenswürdigkeit zu mildern. Der Erzherzog
war das Muster eines pflichteifrigen Familienvaters; seine Gemahlin wie seine
Kinder liebte er über alles. Er war das Beispiel eines treuen Unterthans;
feinem kaiserlichen Bruder war er mit der innigsten Anhänglichkeit und
wärmsten Liebe, in aufrichtiger Verehrung und strengem Gehorsam ergeben.
Er war tief religiös, fromm und überzeugungstreu. Er ging oft zu den Sa-
cramenten, und nie trat er eine Reise an, ohne gebeichtet zu haben; stets
hatte er sein Leben und sein Handeln Gott anvertraut. Gegen Anders-
denkende war er tolerant, und als guter Katholik unterschied er den Irrthum
von dem Irrenden.
Eine Reise nach Palästina war der höchste Wunsch seines Lebens. Als
Erzherzog Franz Ferdinand von Este zur Erholung nach seiner langen Welt-
reise einen Winter in Oberägypten verbrachte, entstand das Verlangen, den
Sohn während seines Aufenthaltes in Assuan zu besuchen und mit der Reise
nach Aegypten eine Fahrt nach Palästina zu verbinden. Frohen Herzens trat
Erzherzog K. L. mit seiner Gemahlin, Erzherzogin Maria Theresia, seinem
jüngsten Sohn, Erzherzog Ferdinand Karl, und den Töchtern, Erzherzoginnen
Annunziata und Elisabeth, am 21. Januar 1896 die Reise an. Am 26. kamen
sie in Alexandrien an und benutzten die Nilfahrt zugleich zur Besichtigung der
Denkmäler des alten Wunderlandes. Beglückend war das Wiedersehen mit
Erzherzog Franz Ferdinand, dessen vortreffliches Aussehen und Befinden
grosse Freude machte. Bis Assuan erstreckte sich die Nilreise und nach
längerem Aufenthalte in Kairo verabschiedete sich Erzherzog K. L. mit Ge-
mahlin und Töchtern von beiden Söhnen am 4. März 1896, um über Ismailiya
und Port Satd nach Palästina zu reisen. Der Erzherzog umarmte seinen
ältesten Sohn Franz Ferdinand, der erst viel später die Heimkehr antreten
sollte, wiederholt; er sah ihn hier zum letztenmal. Die Reise ging über
^6o Erzherzog Karl Ludwig.
Beirut nach Damaskus, dann von Beirut über Jafifa nach Jerusalem. Am
i8. März ward die Via dolorosa begangen, am 19. die Reise nach Bethlehem,
zum Todten Meere und nach Jericho gemacht. Am 21. März kam der Erz-
herzog sammt den Reisegenossen frohen Muthes und in bestem Wohlsein
über Bethania zu Pferde in Jerusalem an und besprach noch am Abend um
8 Uhr mit dem Rector, des österreichischen Pilgerhauses den Plan fiix die
weiteren Besichtigungen. Sonntag, 22. März, begaben sich alle in die Kirche
des heil. Grabes, und nachmittags machten sie eine Ausfahrt nach den öst-
lich von Jerusalem gelegenen Heiligthümem und dem Oelberg. Als die Sonne
schon untergegangen war, kehrten sie von Bethania zu Wagen nach Jerusalem
zurück. Generalconsul Cischini war zum Diner geladen, und der Erzherzog
unterhielt sich sehr angenehm mit ihm. Um |ii Uhr begab sich der Erz-
herzog, von den Besichtigungen ermüdet, zur Ruhe. Als er sich am folgen-
den Morgen, Montag, 23. März, erhob, fühlte er sich etwas unwohl. Er ging
jedoch, wie er schon bestimmt hatte, früh in das Hospiz und empfing da-
selbst die Sacramente. Er frühstückte im Salon des Pilgerhauses eine Cho-
colade, die ihm sehr mundete. Darauf begab er sich mit dem Rector in
die h. Grabkirche, wo sich die Damen befanden. Es wurden an diesem
Tage noch der Tempelplatz mit der Sachrä - Moschee und der Basilika
Mariae Opferung (El Aksa), sowie die Annakirche nebst dem Institut
der Weissen Väter besucht und ein Ausflug nach St. Johann im Gebirge
unternommen. Dienstag, 24. März, erfolgte die Abreise nach Jaffa, wo unter
ungünstigen Witterungsverhältnissen die »Thalia« bestiegen wurde, die nach
Smyma in See ging. Das Unwohlsein, das ohne jede erkennbare äussere
Ursache sich eingestellt hatte, entwickelte sich als Enteritis, die in müder
Form auftrat, jedoch einen schleppenden Verlauf nahm. Der Schififsarzt wid-
mete dem Erzherzog sorgfältige Pflege und verblieb im Gefolge bis zur An-
kunft in Wien. Die Ostertage, vom 29. März bis 6. April, wurden in Smyma
verbracht, die folgende Woche, vom Osterdienstag, 7. April, bis Samstag, einem
Besuch der königlichen Familie in Athen und den Besichtigungen der Alter-
thümer daselbst gewidmet. Am 11. April wurde auf Korfu Ihrer Majestät
der Kaiserin Elisabeth im Schlosse Achilleion ein Besuch abgestattet und
dann über Pola die Rückreise nach Wien angetreten, wo die Ankunft am
17. April abends erfolgte. Der Hausarzt des Erzherzogs, Regierungsrath
Dr. Rollett, übernahm sofort am 18. die ärztiiche Behandlung. Doch konnte
der Erzherzog Ausfahrten machen und Audienzen ertheilen. Am 24. April
begab er sich mit Erzherzogin Elisabeth ins Oesterreichische Museum, wo er
nochmals die Congressausstellung sah, und abends fuhr er mit Erzherzogin
Annunziata ins Hofburgtheater, wo 5^ Schach dem König« gegeben wurde. Spät
am Abend des 24. trat die erste Fieberbewegung auf, und als am folgenden
Morgen die Temperaturmessung 38.3 ° ergab, Hess Erzherzogin Maria Theresia
auch den Hofrath Baron Widerhofer und dann den Professor Neusser berufen.
Doch verschlimmerte sich die Krankheit und hatte eine fortschreitende Ab-
nahme der Kräfte zur Folge, die den Tod herbeiführte. Seine Gemahlin,
Erzherzogin Maria Theresia, war Tag und Nacht nicht von seinem Bett ge-
wichen ; ihre sorgsame und geschickte Pflege, neben welcher er keine andere
pflegende Hand duldete, hatte ihn mit solchem Vertrauen erfüllt, dass er auf
Genesung hoßte, und erst als die bedrohliche Herzschwäche eintrat, sah er
voll Ergebung und wohlvorbereitet dem Tode entgegen.
Erzherzog Karl Ludwig. a^i
Briefe des Erzherzogs an Johann von Wittek, Grafen Franz Coronini, Grafen Karl
Ooronini, Karl Mosch, Grafen Moriz Dzieduszycki. Acten der Statthaltereien in Lemberg
C^^osch) und Innsbruck (Mayr). Acten des erzherzoglichen Secretariats. Tagebuch des
Elrzberzogs. Mündliche Berichte und eigene Erlebnisse.
Bflcher: Hans von Perthaler's Auserlesene Schriften, hrsg. von A. Mayr. Wien 1883.
I_ 368- — Wolfsgniber, Cardinal Rauscher. Freiburg i. B. 1888. — Zobl, Vincenz Gasser,
Köi^tbischof von Brixen. Brixen 1883. — Wurzbach, Biogr. Lex. — Erzherzog Karl Ludwig
1833 — 1896. Ein Lebensbild, hrsg. von A. von Lindheim. Wien 1897. — Weiss, Weltge-
i>obiclite, 5. Aufl. II. Band 1896, Vorw. 6. Aufl. I. Bd. Vorw.
Franz Weihrich.
Zusätze.
Zu S. 79— 81. Zu den Nekrologen über Hoffory vgl. den seither im Goethe-
Jahrbuch, XIX. Band, 1898, veröffentlichten Nachruf von Richard M. Meyer (1. c.
318 — 320).
Zu S. 295—304. Zu den Quellen des Wolter-Nekrologes vgl. den seither im
Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft (redigirt von Carl Glossy. Achter Jahr-
gang, Wien 1898) veröffentlichten Nachruf von J. Minor (184 — 211).
Zu S. 304 und 386. Durch ein Versehen wurde der Artikel Petzold zweimal, als
Pctzold Wilhelm vom Fachreferenten und als Petzold Karl Wilhelm vom Provinzial-
referenten, behandelt; dabei wird als Geburtstag einmal der 8., das anderemal der
9. Februar 1848 angegeben; Birschens Litteraturkalender verzeichnet, wohl nach Petzolds
eig^enen Mittheilungen, den 9. Februar als Geburtstag.
L) Alpliabetisclies Namenverzeichniss
zum
Deutschen Nekrolog vom i. Januar bis 31. December 1897.
Nam e
Adamy, Heinrich
Ahlefcld, Karl Wilhelm v.
Albedyll, Emil ▼.
Alphons, Theodor
Althaus, Friedrich
Ameth, Alfred Ritter ▼.
Auerbach, Leopold A.
Baare, Louis
Bach, Franz Theodor
Baechtold, Jakob
Bargiel, Woldemar
Bardey, Ernst
Barres, Julius von Vallet des
Bassermann, Anton
Bauer, Julius Bruno
Baimigarten, Johannes
Behr, Heinrich
Bender, Hermann
Bercht, Ludwig Julius
Berger, Mathias
Bergstraesser, Arnold
Berlin, Rudolf
Bemays, Michael
Bernhardi, Otto v.
BeytenmiUer, Theodor
Bezzola, Andreas
Birkmeyer, Fritz
Bode, Richard Werner
Boer, Oskar
Verfasser
Seit
PVutke
191
Joh, Sass
407
B. Poten
3S
G, Glück
189
FranM Brummer
36
Hans Schütter
136
Paget
34
Dr. W. Beumer
235
Franz Brummer
310
Theodor Vetter
10
Rob, Eitner
116
W. Wolkenhatter
292
B. PoUn
42
F. V. IVeech
280
P, Zimmermann
323
W, Wolkenhauer
294
Rob. Eitner
"7
Rudo^ Krauss
103
/*. Zimmermann
363
Hyac. Holland
164
H EllUsen
194
Paget
39
Erich Petzet
338
B. Poten
49
Rudolf Krauss
104
Dr. Hans Weber
44
Hyac. Holland
166
3«
Paget
40
Inhalt.
463
N am e
Verfasser
Seite.
Bolten Stern, Konstantin v.
B. Poten
50
Bradke. Peter v.
Hermann Haupt
177
Brahms, Johannes
Rickard Heuherger
90
Brand, Ernst
Pagel
48
Breitenlohner, Jakob
241
Brink, ten Karl
h\ V, Weech
281
Brodkorb, Karl Wilhelm Julius Theodor
P. Zimmermann
360
BruUiot. Karl
Alfred Freiherr v. Mensi
237
Buclmer, Ludwig Andreas
Pagel
49
Bülow, Hans Julius Adolf v.
B, PoUn
53
Bürkner, Hugo Leopold Friedrich Hein-
rich
188
BurcUardt, Max
Pagel
52
Burckbardt, Jacob Christoph
H, Trog-Basel
54
Catty, Adolf Freiherr ▼.
K, Woltanka
392
Cborinsky, Karl Graf
326
Dalwigk, Reinhard Ludwig Karl Gus-
tav Freiherr v.
Dr. Reinhard Afosen
181
r>aiinenberg, Clemens Freiherr v.
B. PoUn
76
Davidsohn, George
Franx Brummer
36
Deecke, Wilhehn
FranM Brummer
321
Degen, Ludwig
285
Diez, Johann Christoph
284
Dicz, Nikodemus
284
Duncker, Alexander Friedrich Wilhelm
H. Ellissen
194
Ehrlich, a Wilhehn
Franz Brummer
43
Eichhoff, Joseph Freiherr v.
Heinrich Adler
3*9
Einsle, Anton
H Ellissen
207
Engelhom, Julius
H Ellissen
226
Engerth, Eduard Ritter v.
G. Glück
393
Eyferth, Oscar Bruno
P, Zimmermann
370
Fabricc, Friedrich v.
B, PoUn
77
Fischer, Johann Georg
Rudof Krauss
129
Fraas, Oscar v.
Rudolf Krauss
146
Franz, Hermann
324
Fresenius, Carl Remigius
Heinrick Fresenius
248
Fuchs, WUhelm
Ernst Fucks
244
Gätke, Heinrich
Jok, Sass
409
Gemehl^ Berthold
283
Gerhard, Johannes Dietrich Adolar
Franz Brummer
320
Goeggt Amand
Franz Brummer
44
Goldschmidt, Levin
Dr. Karl AdUr
119
Goltz, Cuno Freiherr von der
B, Poten
83
464
IrnkdiL
Name
Graimnaitw, Kazl
Größer, Wilhelm
Verf asse r
Seite.
118
Gfiothcr. Otto Ferdinand
iM. EiäKr
Gfttnbock, Paol
Pkgil
Hahn, Friedrich t.
Dr. RiUtim
Haldenwan^ Otto t.
R^dß^ K^amss
HanuBcr, Karl
Rappe, Franz Kngelbeit
Frmmz Brwmmer
M. Gisi
Hecker, Kari
J^d^ Krmus
Hci<ienhafn. Radolf Peter Heinrich
D^
Heiicr, Wilhelm
JM. Eiimer
Henxler. Christian t.
l^d^ Krmus
Herbi^, Max
Herpfer, Kari
Ifyac, IblUmd
Herz, Kari
AUxmtder Meyer
Hess, Kari
Ret, EUmer
Hieber, Otto
Afred Freiherr r
Hirschbeiiger. Trangott
Akxmmder Meyer
Hirt, Johann Christian
ihmc, OflloMd
Hirxei, Lodwig
Damiel Jac^Sy
Höchl, Anton
fffoc. aUiamd
Hocfler, Constantin t.
AJc&' Backmamm
Hofforr, Johann Peter Julius
iruke:m RdmiuA
Hofmann, Eduard r.
Fagri
Hofmann, Franz
Le^fcui Ifaf
Hollander, Ludwig Heinrich
Fi^i
HoUeben, Bernhard t.
B. Pojem
Holstein, Conrad Graf t.
JeJL Sass
Holsten. Karl
A, Hamsratk
Hiter, Victor
P'^g'i
Janke, Richard
ff. FJIissfu
Joest. Wilhelm
H\ IVeHemkamer
Kahnt, Christian Friedrich
Ri^Arrt Eiimer
Kaiser, Victor
M. Gisi
Katz, Fr.
Keller, Franz
ff. ffcliamd
Klasing, Angnst
ff. EUivttn
Klee, Elisabeth
Frmmx Brummer
Klemm, Alfred
RkJa^"^ ÄjroMSs
Klinkhardt, Bnino
ff. Fluttem
Kneipp, Sebastian
fffiMc. ffoüand
Knosp, Radolf von
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Kober, Franz Quirin
Rudolf Armus
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148
335
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149
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223
123
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226
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iSi
360
230
212
309
276
21$
277
276
Inhalt.
4<i5
Name
Kocli, £duard Friedrich
K.oeliler, Karl Franz
Kopp, Karl
Kosjek.« Gustav Freiherr v.
Kotb«« Bernhard
Kott^iritz, Hugo Freiherr v.
Kovacft, Josef
KraAtE-KoschlaUy Alexander v.
ICrafft, Wilhelm Ludwig
Krauicke, Theodor
Krez, Konrad
Krolop, Franz
'L^oprechting, Marquard Freiherr v.
Liebenow, Wilhelm
l^inde, Antonius van der
Lobstein, Friedrich Eduard
Loenartz, Jakob
Losftow, Heinrich
Latsow, Karl v.
Mai, Emanuel
Malcher, Franz Xaver
Maries, Wilhelm Ludwig de
Mana^» Wilhelm
Marquardsen, Heinrich v.
Martinjr, Friedrich
Mayr» Ambros
Menzel, Karl
Mertens, Franz
Meyer, Jürgen Bona
Michael, J.
Mitterwurzer, Anton Friedrich
Moder, Auguste
Moericke, Wilhelm
Mohr, Karl
Muller, Ferdinand Gottlob Jakob v.
Müller, Wilhelm
Nehls, Johann Christian
Neipperg, Erwin Graf v.
Newald, Julius v.
Nördlinger, Hermann v.
Nascheier, Arnold
Oertel, Max Josef
Otto, Carl
Otto-Thate, Karoline Christiane
Palme, Augustin
Peter, Carl Lorenz
Biogr. Jahrb. n. Deotsoher Nekrolog. 2* Bdt
V e r f as ser
Seite.
H. EUissen
227
H. Elissen
227
Oudfi^ Kraust
378
Heinrich Adler
308
Rob, Eitner
"3
Ä PoUn
85
Fägti
82
B. PoUn
86
Kohbchmidt
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357
Franz Brummer
51
Robert Eitner
128
Hyae, Holland
186
W. Wolkenkauer
295
ff. Bohalta
256
Franz Brummer
87
Bamr
357
Ifyat, ffolland
187
G. Glück
191
Paul SchUnther
35
ff. Bohatta
257
Franz Brummer
78
Paget
96
ff. Rehm
411
Alexander Meyer
223
338
Kerler
221
Mff.
355
Theodor Lipps
397
Paget
97
Eugen Gugtia
109
Franz Brummer
78
W. Wolkenhauer
30s
ff. EUissen
212
Rud. Krauss
286
Rob. Eitner
105
33*
ff. Friedjung
3*5
— Ö —
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Rudolf Krauss
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31
Pagel
97
Dr. W. Beumer
233
P, Zimmermann
362
B^ae. ffolland
213
Muhlhäuseer
383
30
466
Inhalt.
Name
PetorSy Fritz
Petfj, Wilhelm Joseph
Petzold, Wilhelm
Petzoia, Wilhelm
Pfeiffet, Franz
Pfotenhaucr, Friedrich Paul
PlU ddemann, Martin
Preyer, Thicrry William
Pücjcert, Wilhelm
Ramann, Bruno
Regenauer, Eugen ▼.
Reimer, Ernst Heinrich
Reitzenstein, Friedrich Freiherr ▼.
Richter, Albert
Richter, Albert
Rittershaus, Emil
Röntgen, Engelbert
Romann Albrecht
Rosenthal -Bonin, Hugo
Rothpletz, Christian Emil
Rupp, Adolf
Ruthner, Anton v.
Rziha, Franz v.
Sachs, Julius v.
Sänger, Dominik
Säxinger, Johann
Sallentien,Karl Heinrich LudwigEduard
Salzmann, Max
Schachtmeyer, Hans v.
Schepss, Georg
Schleis von Löwenfeld, Max Josef
Schmetz, Johann Paul
Schneidt, Laura
Schönherr, David R. v.
Schönlank, William
Schönn, Alois
Schütze, Theodor Reinhold
Schuh, Ferdinand
Schumann, Albert
Schwartz, Job. Albert
Seebach-Niemann, Marie
Semmig, Friedrich Hermann
Senfft V. Pilsach Friedrich Moritz Adolf
Sievert, Auguste
Simiginowicz-Staufe, Ludwig Adolf
Sohncke, Leonhard
Sophie, Grossherzogin V. Sachsen- Weimar
Verfasser
Seite
Karl Theodor Gaedertz
246
Alexander Meyer
22s
W. Wolktnhauer
304
P, Zimmirmann
386
327
/Conrad Wuike
190
Roh, Eitner
161
Pagel
105
G, Seeliger
»57
R, Eitner
135
F, V. Weech
281
IV, de Gruyter
3
E. BUnck
291
Franz Brummer
309
Heinrich Friedjung
335
Dr. G. Hoerter
327
Rob. Eitner
116
•
Franz Brummer
88
Rudolf Krauss
279
Adolf Frey
27
Hyac. Holland
228
IV, mikenhauer
305
333
Paul Hauppieisch
262
Hyac, Holland
229
Rudolf Krauss
289
P, Zimmermann
371
359
B. Polen
98
Hermann Haupt
37
Paget
106
Rob, Eitner
155
Hyac, Holland
230
Hyac. Holland
231
IV. Wolkenhauer
304
Gustav Glück
395
Joh, Sass
409
Rob. Eitner
155
Adolf Frey
26
P, Zimmermann
384
4l^xander Meyer
253
Franz Brummer
89
B, Polen
98
Franz Brummer
lOI
Franz Brummer
lOI
A. V, Braunmühl
167
P. V, Bojanowski
258
Inhalt.
467
N am e
Verfasser
Seite.
piegelberg, Julius
P, Zimmermann
369
tark, Karl
Pagtl
107
tepban, Krnst Heinrich Wilhelm ▼.
Alexander Meyer
196
xteroeck Daublebsky von, Maximilian
Freiherr v.
Karl Wollanka
387
Stieler, Max
Hyac. Holland
229
Stobbe, Karl Friedrich August
P, Zimmermann
363
Stocken, Eduard ▼.
B, Polen
100
Stölzel, Otto
284
4
Straubenm aller, Johann
Rudolf Krauss
290
Succo, Rein hold
Rob, Eitner
156
Suche, Ludwig
359
TelmanD, Konrad
Franz Brummer
400
Thielen, Alexander
Dr. W, Beumer
234
Thun llohenstein, Graf Sigmund
Heinrich Adler
306
Tunner, Peter ▼.
Dr, H^, Beumer
239
Thurn und Taxis, Prinz v. Franz Max.
"
I«amoral
C Will
52
Übcrlee, Felix Wilhelm Adalbert
Rob, Eitner
160
Valentin, Johann
W. Wolkenkauer
304
Vogel, Karl
IV, ' IVolkenhauer
306
Wachholtz, Robert v.
B, Boten
107
Wagner, Heinrich
Rudo^ Krauss
279
Walch, Emanuel
Hyac. Holland
228
Wasmuth, Ernst
// Ellissen
208
Wasserfuhr, Hermann
Pagel
114
Wattenbach, Wilhelm
Victor Bayer
365
Wegelc, Franz Xaver v.
Victor Bayer
375
Weierstrass, Karl Theodor Wilhelm
A. V. Braunmühl
170
Weigand, Konrad
Hyac. Holland
215
Weiss, Hermann
B. Polen
108
Welcker, Hermann
Pagel
"5
Weltrel, August
Wutke
190
Wcnban, Longly Sion
Hyac. Holland
216
Werder, Hans v.
B. Polen
109
Wilhelm Ludwig August, Prinz v. Baden
B. Boten
41
Wilmowski, Gustav Karl Adolf v.
yacobi
163
Wimpffen, Victor Graf
Heinrich Adler
318
Wolkenstein, Heinrich Graf v.
Heinrich Adler
3'9
Wolter, Charlotte Gräfin O'Sullivan
Anton Bettelheim
295
Zimmermann, Josef Andreas
Friedrich Teulsch
15»
Zinn, August
Alexander Meyer
224
Zintgraflf, Eugen
Friedrich Ratzel
3"
ZUndt, Ernst Anton
Franz Brummer
102
IL) AlpliabetisclLes Namenverzeiclmiss
der
Ergänzungen und Nachträge zum
„Deutschen Nekrolog vom i. Januar bis 31. December 1896
Name
Ve r f ass e r
Seite.
Baerwald, Robert
Dr, Berghoher
440
Becker, Ernst Albert
Dr. Berghoegfer
440
Camphausen, Otto von
Alexander Meyer
435
Eissenbardt, Johannes
Dr, Berghoeffer
439
Grün, Dionysius von
W. Wclkenhauer
437
Hoffmann, Heinrich Adolf Valentin
Dr, Berghoeffer
439
Hopfgarten, August Ferdinand
Dr. Berghoher
438
Jemberg, August
Dr, Berghoeffer
441
Karl Ludwig, Erzherzog v. Ocsterreich
Franz Weikrich
444
Keller, Franz
Dr, Berghoeffer
44«
Klimsch, Eugen Joh. Georg
Dr, Berghoeffer
438
KopSi Franz
Dr, Berghoeffer
440
Leithe, Friedrich
H. Bohaita
4M
Lindlar, Joh. Wilhelm
Dr. Berghoher
440
Munthe, Ludwig
Dr. Berghoeffer
44»
Noe, Heinrich August
Harn Grasberger
417
Pfeifier, Engelbert
Dr* Berghoeffer
44"
Pilz, Vincenz
Dr. Berghoeffer
44a
Richter, Heinrich
Alfred Freiherr von Afensi
434
Roeting, Julius Robert
Dr* Berghoeffer
44«
Rumpf, Peter Philipp
Dr* Berghoeffer
443
Schweinitz, Rudolf
Dr. Berghoeffer
443
Seidel, Ludwig Philipp ▼.
A* V. Braunmühl
415
Simonson, David
Dr. Berghoeffer
441
Sonderland, Fritz
Dr* Berghoeffer
440
Stichart, Alexander
Dr. Berghoeffer
444
Stolberg-Wernigerode, Otto Fürst zu
Ed. Jacobs
425
Streckfuss, Karl Wilhelm
Dr, Berghoeffer
443
Trossin, Robert
Dr, Berghoher
444
Volkmann, Wilhelm
H. Ellissen
4*4
Vosi, Karl
Dr* Berghoeffer
444
•;i
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V »V .
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