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I^RAPHISCHES JAHRBI
B^ VND
EUTSCHER NEKROLOi
UNTKR STANDIGER MITWIRKUNG
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1 GUIDO ADLER, F. VON BEZOLD, ALOIS BRANDL, ERNST ELSTER. AUGUST
POURNIBR, ADOLF FREY, HEINRICH FRIEDJUNG, LUDWIG GEIGER,
I KARL GLOSSY. HAX GRUBER> SlGIfUND cOnTHER, EUGEN CUGUA,
ALFRED FRSIHERRN VON HENSI, JACOB MINOR, PAUL SCHLENTHER.
ERICH SCHUIDT, ANTON E. SCHÖNBACH, GEORG WOLFP U. A.
HERAUSGEGEBEN
VON
ANTON BETTELHEIM
Va BAND
VOM I. JANUAR BIS 3t. DEZEMBER 1902
HIT DEM BILDNIS VON RUDOLF V18CH0W DI HSUOGRAVUKB
VERLAG VON GEORG REIMER, BERLIN
H 1906.
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BIOGRAPHISCHES JAHRBUCH
UND
DEUTSCHER NEKROLOG
UNTER STÄNDIGER MITWIRKUNG
VON
GUIDO ADLER, F. VON BEZOLD, ALOIS BRANDL, ERNST ELSTER,
AUGUST FOURNIER, ADOLF FREY, HEINRICH FRIED JUNG, LUDWIG
GEIGER, KARL GLOSSY, MAX GRUBER, SIGMUND GÜNTHER,
EUGEN GUGLIA, ALFRED FREIHERRN VON MENSI, JACOB MINOR,
PAUL SCHLENTHER, ERICH SCHMIDT, ANTON E. SCHÖNBACH,
GEORG WOLFF u. A.
HERAUSGEGEBEN
VON
ANTON BETTELHEIM
VII. BAND
VOM I. JANUAR BIS 31. DEZEMBER 1902
MIT DEM BILDNIS VON RUDOLF VIRCHOW IN HELIOGRAVÜRE
BERLIN
DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER
1905.
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Inhalt.
Seite
Vorrede v— vi
Deutscher Nekrolog vom i. Januar bis 31. Januar 1902 i — 361
Ergänzungen und Nachträge 362 — 465
Alphabetisches Namenverzeichnis I 466
Alphabetisches* Namenverzeichnis II 472
Totenliste 1902 i* — 132*
Vorwort
Band VI, der im Frühjahr mit den Biographien der 1901 Ge-
schiedenen veröffentlicht wurde, folgt unserem Vorsatz gemäß im
Herbst der vorliegende Band VII mit den Nekrologen der 1902 Heim-
gegangenen. Bleibt uns, woran kaum zu zweifeln ist, der Beistand
unserer fachmännischen Berater und die Bereitwilligkeit ständiger und
gelegentlicher Mitarbeiter auch in der Folge so treu wie bisher, dann
dürfen wir im Frühling 1905 Band VIII mit den Biographien der
1903 Verewigten und im Herbste des . nächsten Jahres Band IX
mit dem Deutschen Nekrolog für 1904 bringen. Derart würden wir
alle durch die zeitweilige Pause im Erscheinen des Biographischen
Jahrbuches verursachten Rückstände aufgearbeitet und neuerdings unsere
ursprüngliche Absicht verwirklicht haben, einen mit Jahr und Tag gehen-
den Nekrolog zu bieten. Daß diese Beschleunigung unserer Publikationen
der Gediegenheit des Textes keinen Eintrag tut, bezeugen die wichtig-
sten Beiträge dieses Bandes: König Albert von Sachsen wird von
Otto Kaemmel gewürdigt; die Staatsmänner Richard Belcredi,
Bennigsen, Goßler fanden in Graf Friedrich Schönborn, Her-
mann Oncken und Wilhelm Seh rader sachkundigste Biographen; den
Geschichtschreibern Adolf Beer, Büdinger, Ficker, Kalten-
brunner, Krones widmen Pribram, Bauer, Voltelini, Redlich
und Uhlirz als berufene Gewährsmänner wohlabgewogene Charakte-
ristiken; Lord Actons Lebenslauf schildert Lady Blennerhasset;
das Lebenswerk von Virchow und Buchner prüfen v. Hansemann
und Gruber. Den Lebenslauf von Bielschowsky zeichnet Gotthold
Klee, die Charakteristik von Otto Gildemeister gibt Arthur Fitgen
Über diesen Hauptartikeln wurden die anderen Biographien nicht ver-
nachlässigt. Goswina v. Berlepsch erzählt die Schicksale der unglück-
lichen Antonie Baumberg, Wolfgang Golther gibt ein Bild von
\T Vorwort.
Mathilde Wesendonk, Arthur Eloesser widmet Elsbeth Meyer-
Förster, Hugo Thimig seinem Lebensfreund Hermann Schoene
ein Gedenkblatt.
Wesentlich gefördert in unseren Bemühungen, für jede Biographie
den geeignetsten Bearbeiter zu finden, wurden wir durch alte und neue
Freunde des Deutschen Nekrologes. Einer der ältesten und verehrtesten
Schutzgeister unseres Unternehmens, Friedrich Ratzel, ist uns zu
unserem Schmerz durch jähen Tod entrissen worden. Von Anfang an
stellte er sich in den Kreis unserer Mitarbeiter: die »Biographischen
Blätter« beschenkte er mit den Studien >>Leonhard Rauwolf« und »Eduard
Vogels Tod«. Zur Umwandlung der »Biographischen Blätter« in ein Bio-
graphisches Jahrbuch und insbesondere zur Begründung des »Deutschen
Nekrologes<: gab er entscheidenden Anstoß. \ In den meisten Bänden
durften wir Beiträge aus Ratzeis Feder mitteilen: seinen Nekrologen
auf Rohlfs und Oskar Baumann, die frühere Bände schmückten, schließt
sich im vorliegenden Band sein Nachruf für Bruno Hassenstein an.
Damit war Ratzeis Anteil lange nicht erschöpft; Ratzel war ein uner-
müdlicher Berater und Fürsprecher des Deutschen Nekrologes in kleinen
und großen Fragen, dem unser Unternehmen wie die biographische
Kunst und Forschung dauernd zu Dank verpflichtet bleibt
Eine Reihe neuer ständiger Ratgeber haben wir dem Biographischen
Jahrbuch gewonnen: den Musikhistoriker Prof Guido Adler in Wien,
den Hygieniker Prof. Max Grub er in München und den Universitäts-
bibliothekar Dr. Georg Wolff in München.
Unter den Ergänzungen und Nachträgen weisen wir insbesondere
auf die Nekrologe von Kaiserin Viktoria, Fürst Chlodwig Hohen-
lohe, Lothar v. Schweinitz, Baron Hopfen, H. v. Sicherer und
W. E. Wahlberg hin, die Dank den Biographen Karl Schrader,
Ernst Hauviller, Thilo Krieg, Friedrich Schmid, Lothar
Seuffert und Edmund Benedikt dauernde Beachtung beanspruchen
dürfen.
Wien, 23. Oktober 1904. Anton Bettelheim.
DEUTSCHER NEKROLOG
VOM I. JANUAR BIS 3i. DEZEMBER
1902
Homo über de nulla re minus quam
de morte cogitat et ejus sapientia non
mortis, sed vitae meditatio est.
Spinoza. Ethices par;5 IV. Propos.
Lxvn.
BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd.
Deutscher Nekrolog vom i. Januar bis 31. Dezember 1902.
Albert, August Friedrich, König von Sachsen, * 23. April 1828 in
Dresden, f ^9- J""' 1902 in Sibyllenort. — Seine Geburt sicherte dem Alber-
tinischen Hause die Fortdauer und wurde schon deshalb im ganzen Lande
mit größter Freude begrüßt. Inmitten mehrerer bald folgender jüngerer Ge-
schwister und eines großen Verwandtenkreises wurde der junge Prinz, in
dem man schon damals den künftigen Thronfolger und König sah, aufs sorg-
fältigste und liebevollste unter den Augen seiner Eltern, des geistvollen fein-
gebildeten Prinzen Johann und seiner Gemahlin Amalie von Bayern, Tochter
des Königs Maximilian I., und seines Großvaters, des trefflichen Prinzen
Maximilian, erzogen; auch der greise König Anton (1827 — 1836), Prinz
Friedrich August, der Bruder Johanns, und Prinzessin Amalie, die Verfasserin
zahlreicher Lustspiele aus dem bürgerlichen Leben, hatten ihre Freude an
dem lebhaften, aufgeweckten, wißbegierigen Knaben, und das reiche, geistige
Leben, das damals in Dresden herrschte, übte bald einen gewissen Einfluß
auf seine Entwicklung. Noch vor Vollendung des siebenten Lebensjahres, im
Januar 1835, gab ihm der Vater einen trefflichen Erzieher in der Person des
protestantischen Juristen und Historikers Albert von Langenn und bezeich-
nete als Hauptaufgaben »die frühzeitige Erweckung des vaterländischen Sinnes,
seine tiefbegründete Achtung für positives Recht und Anknüpfung der bürger-
lichen Ordnung an ein höheres Prinzip, Bekämpfung unzeitigen Stolzes
auf die Geburtsstellung, sorgfältige humanistische Bildung, Pflege des reli-
giösen Sinnes in positiv kirchlichem Geiste, jedoch ohne allen Widerwillen
gegen andere Konfessionsverwandte«. Den Religionsunterricht erteilte der Hof-
prediger Joseph Dittrich, die Unterweisung im Latein (1838 — 43) der Kon-
rektor an der Dresdener Kreuzschule, Dr. Julius Sillig, der bald die auf-
richtige Anhänglichkeit des Knaben gewann. Früh erwachte in diesem ein
besonders lebhaftes Interesse für Geschichte. Kleine Reisen nach Prag und
München und Besuche fürstlicher Verwandter erweiterten gleichzeitig seinen
Gesichtskreis; seine Freundschaft mit dem späteren Kaiser Franz Joseph,
seinem Vetter, stammt aus dieser Knabenzeit. Bald aber trat das militärische
Interesse, obwohl es weder in der Eigenart des Vaters noch in den jüngeren
Traditionen des ganzen Hauses ein Vorbild fand, so entschieden hervor, daß
Prinz Johann ihm 1839 einen militärischen Erzieher, den Oberleutnant Fr.
A. von Minckwitz, gab und ihn militärisch planmäßig ausbilden ließ. Bald
nach seiner Firmung (22. Oktober 1842), im Sommer 1843, trat Albert beim
I*
4 König Albert.
Leibinfanterieregiment ein und erhielt am 24. Oktober desselben Jahres sein
Leutnantspatent. Es war der Anfang der glänzendsten militärischen Lauf-
bahn, die jemals ein Fürst des Hauses Wettin zurückgelegt hat. Daneben
wurde die wissenschaftliche Ausbildung sorgfältig fortgesetzt und am 13. März
1845 "^^^ einer förmlichen Reifeprüfung abgeschlossen, wie es seitdem im
sächsischen Königshause üblich geblieben ist. Nach dem Urteile seines Er-
ziehers erschien er damals als human, ernst religiös, voll Vaterlandsliebe und
Achtung vor dem Rechte, von schneller Auffassungsgabe und von lebendigem
Wirklichkeitssinne, voll Interesse für Geschichte und Politik und als ein ganzer
Soldat. Ein juristischer Kursus beim Appellationsgerichtsrat Dr. Robert
Schneider und mehr vielleicht noch zahlreiche eingehende Gespräche über
die Ereignisse der immer bewegteren Zeit, die er auf Jagden und Ausflügen
mit seinem Oheim, dem König Friedrich August II. (1836 — 54), führte, be-
reiteten ihn zu dem Besuche der Universität Bonn (seit November 1847) vor.
Im Verkehr mit fürstlichen Standesgenossen, dem Prinzen Friedrich Karl von
Preußen und dem Erbprinzen Friedrich von Baden, wie mit den angesehen-
sten Professoren der Hochschule, E. M. Arndt, M. A. v. Bethmann-Hollweg,
Fr. Chr. Dahlmann und Cl. Perthes (mit dem er auch später brieflich oft ver-
kehrte), ging ihm hier eine neue Welt auf.
Der Ausbruch der Bewegung von 1848 zwang ihn am 24. März sehr gegen
seine Neigung, Bonn zu verlassen und in die Heimat zurückzukehren. Aber
er hatte genug gelernt, um die verwirrenden Erschütterungen dieses stürmi-
schen Jahres mit besonnenem, klarem und unbefangenem Urteil zu würdigen.
Die »Braupfanne deutscher Einigkeit« nannte er das Frankfurter Parlament,
das so manchem seiner Standesgenossen schlechthin als revolutionär galt; er
beneidete »unsern Friedrich Karl«, daß er am schleswig-holsteinischen Feld-
zuge teilnehmen durfte, und erhielt voll Freude die Erlaubnis, die mobile
sächsische Brigade, die nach dem Ablaufe des Waffenstillstandes von Malmö
im März 1849 nach Schleswig auszog, als Hauptmann der Artillerie im Stabe
des Oberbefehlshabers, des Generals von Prittwitz, zu begleiten. Mit seinen
preußischen Kameraden, tapferen und gebildeten Männern, lebte er sich bald
völlig zusammen; beim Sturm auf die Höhen von Düppel am 13. April
war er mitten unter den sächsischen Truppen im Feuer, dann machte er den
Feldzug des Reichsheeres bis Aarhus in Jütland mit. »Der Krieg«, schrieb
er damals am 19. April, »ist das erste Zusammenwirken der deutschen Stämme
zu einem Ziele, es ist dies der wahre Weg der Einigung, und diese Bahn zu
eröffnen ist es Pflicht namentlich des Fürsten, vorauszugehen und gelte es das
Leben, denn die Monarchie stirbt nicht durch den Tod eines Gliedes, aber
Deutschland geht zugrunde, wagt es nicht durchzukämpfen. Für mein Volk
habe ich ein Herz.« Einen militärisch-politischen Anschluß Sachsens an
Preußen, einen engeren Bund unter der Führung Preußens mit einheitlichem
Wahlgesetz und gemeinsamer Armee, zeitweise selbst eine unbedingte Dik-
tatur hielt er damals für geboten, seinen eigenen Eintritt in die preußische
Armee für rätlich (3. Mai). Die Hülfe, die eben damals preußische Bataillone
den schwachen sächsischen Truppen zur Niederwerfung des Dresdener Mai-
aufstandes leisteten und der Abschluß des »Dreikönigsbündnisses« zwischen
Preußen, Sachsen und Hannover am 26. Mai, der Anfang des »engeren Bun-
des« unter preußischer Führung, nachdem sich das Frankfurter Parlament am
König Albert. ^
i8. Mai aufgelöst hatte, schienen seinen Gedanken die Erfüllung zu bringen.
Aber der Waffenstillstand von Berlin am lo. Juli, mit dem Preußen das be-
freite Schleswig-Holstein abermals preisgab und sein Ansehen aufs tiefste
schädigte, also die Vorbedingung jedes politischen Erfolges zerstörte, beendete
den Feldzug, und schweren Herzens kehrte Albert im Juli über Berlin nach
Dresden zurück. In einem Briefe an den Vater vom i6. August stellte Pritt-
witz seiner »Verachtung der Kriegsgefahren«, seiner Kaltblütigkeit und seinem
Geschick im Verkehr mit Offizieren und Soldaten das ehrenvollste Zeugnis
aus. In der Heimat übernahm Albert im Oktober 1849 als Major das Kom-
mando eines Infanteriebataillons in Bautzen und erlebte die neue Formierung
der ansehnlich verstärkten (fast verdoppelten) Armee in fünf Infanteriebrigaden
zu 4 Bataillonen. Sein Bataillon gegen seine preußischen Kameraden ins
Feld führen zu müssen, wie es der Abfall Sachsens vom Dreikönigsbündnis
und der Konflikt zwischen Preußen und Österreich im kurhessischen Ver-
fassungsstreit im November 1850 unvermeidlich zu machen schien, ersparte
ihm die unrühmliche Abkunft von Olmütz, also das Zurückweichen Preußens;
aber die einfache Wiederherstellung des anerkanntermaßen völlig unzuläng-
lichen Deutschen Bundes nach den ergebnislosen Dresdener Konferenzen
(Dezember 1850 bis Mai 185 1) brachte Sachsen in die gefährliche Lage, poli-
tisch sich an Österreich zu lehnen und wirtschaftlich mit Preußen durch den
Zollverein unzertrennlich verbunden zu sein. Ohne sich an den politischen
Dingen besonders zu beteiligen, widmete Albert diese Jahre vor allem seiner
weiteren militärischen Ausbildung, seit Dezember 1850 als Oberst, seit Dezem-
ber 185 1 als Generalmajor. Er wohnte im Sommer 1852 mit dem Prinzen Frie-
drich Wilhelm von Preußen den russischen Manövern bei St. Petersburg bei, im
September den österreichischen in Ungarn. In Österreich lernte er auch die
anmutige Prinzessin Carola von Wasa, die Tochter des Prinzen Gustav von
Wasa und der Prinzessin Luise von Hohenzollem, kennen, und am 18. Juni
1853 vermählte er sich mit ihr. Im nächsten Jahre rief der jähe Tod des
Königs Friedrich August am 9. August 1854 seinen jüngeren Bruder, den Prinzen
Johann, auf den Thron, und Albert wurde Kronprinz.
Damit rückten ihm nun auch die politischen Dinge näher. Er übernahm
im April 1855 den Vorsitz im Staatsrat und trat im Mai 1862 in die Erste
Kammer ein, beteiligte sich also an der Vorbereitung und der Beratung aller
der Gesetze, die in diesen Jahren das sächsische Gerichtswesen (mit Aufhebung
der Patrimonialgerichtsbarkeit) umgestalteten, 1856 ein neues Strafgesetzbuch,
1865 ein neues Bürgerliches Gesetzbuch einführten und 1861 die Gewerbefrei-
heit gewährten. Sein besonderes Interesse blieb dem Heerwesen umsomehr
zugewandt, als nach den Erschütterungen des Krimkrieges 1853 — 56 der italie-
nische Krieg 1859 Deutschland nahe berührte und die Erfahrungen bei der
vom Bundestage beschlossenen Kriegsbereitschaft die Reformbedürftigkeit der
Bundeskriegsverfassung ins hellste Licht setzten. Bildeten doch die aus den
Kontingenten mehrerer Staaten zusammengesetzten Armeekorps, das VIII.,
IX. und X., weder in Uniformierung noch in Ausrüstung und Exerzitium eine
Einheit und wurden kaum zu Manövern einmal zusammengezogen. Zum
kommandierenden General des IX. Armeekorps (Sachsen, Kurhessen, Nassau,
Luxemburg) ernannt, durchschaute Albert auf Inspektionsreisen bald die ge-
fährlichen Gebrechen dieser Zustände. Aber der mittelstaatliche Gedanke,
5 König Albert.
die Truppen der Mittel- und Kleinstaaten zu einer höheren Einheit neben
den Heeren der beiden Großmächte zusammenzufassen, also eine militärische
Trias zu bilden, scheiterte in langen Verhandlungen 1859 — 1861 ebensowohl
an der Uneinigkeit der zunächst beteiligten Staaten wie an dem Widerspruch
der beiden Großmächte, die den einfachen Anschluß der kleinstaatlichen
Truppenkörper an ihre eigenen Armeen für das zweckmäßigste hielten. Nichts-
destoweniger wurde an der Vervollkommnung des sächsischen Heerwesens
rüstig fortgearbeitet; die Infanterie erhielt eine neue kleidsamere und zweck-
mäßigere Uniform (hellblau), die Artillerie gezogene Hinterlader. Der Kron-
prinz selbst nahm 1861 an den großen preußischen Manövern in der Rhein-
provinz teil und leitete im Herbst desselben Jahres die sächsischen Manöver
in der Oberlausitz.
Auch der Gedanke einer Reform der Bundesverfassung, deren Notwendig-
keit niemand besser erkannte als König Johann und Kronprinz Albert, be-
schäftigte ihn in diesen Jahren fortwährend, und da Sachsen nach seiner ganzen
Lage bei einem feindlichen Zusammenstoß Preußens und Österreichs, der
näher und näher rückte, seitdem Preußen mit der Übernahme der Regentschaft
durch den Prinzen Wilhelm 1858 seine früheren Bestrebungen auf Begründung
eines Bundesstaates mit »preußischer Spitze« immer sichtbarer wieder aufnahm,
überaus gefährdet war, mehr als jeder andere Mittelstaat, so bemühte sich die
sächsische Politik um eine friedliche Lösung der Gegensätze und suchte
nach beiden Seiten freundliche Beziehungen zu unterhalten. Deshalb wohnte
Albert auch der Krönung König Wilhelms I. in Königsberg am 18. Oktober
1861 bei und vertrat in seiner ersten Rede, die er am 24. Juli 1862 in der
Ersten Kammer hielt, die Annahme des Handelsvertrags mit Frankreich, von
der die Erneuerung des Zollvereins abhängig war, also den engsten wirt-
schaftlichen Anschluß an Preußen. Eine vermittelnde Haltung nahm König
Johann auch auf dem Frankfurter Fürstentage im August 1863 ein, der die
Bundesreformfrage im österreichischen Sinne lösen sollte, dessen Einberufung
aber in Dresden keineswegs angenehm überraschte; als Johanns Versuch, den
König Wilhelm, seinen alten Freund, nachträglich zur Teilnahme zu bewegen,
gescheitert war und der Kronprinz in Wien erfahren hatte, daß die preu-
ßischen Gegenvorschläge vom 22. September dort nicht auf Annahme zu
rechnen hätten, da lehnte der König das Ansinnen Österreichs, das Frank-
furter Reformprogramm nunmehr auch ohne Preußen, also gegen Preußen
durchzuführen, rundweg ab, denn ein solcher Schritt würde den Riß unheil-
bar gemacht haben.
Eine peinliche Folge dieser schließlich ablehnenden Haltung der Mittel-
staaten gegenüber der österreichischen Politik trat bald hervor. Als die
schleswig-holsteinische Frage mit dem Tode König Friedrichs VII. am 15. No-
vember 1863 urplötzlich brennend wurde, und die Mittel- und Kleinstaaten,
nachdem im Dezember sächsische und hannoversche Exekutionstruppen auf
Bundesbeschluß Holstein besetzt hatten, den Antrag der beiden Großmächte,
nun auch Schleswig als Faustpfand in Besitz zu nehmen, aber nicht, um es für
Friedrich (VIII.) von Augustenburg zu sichern, sondern um die Anerkennung
des Londoner Protokolls in Kopenhagen zu erzwingen, zurückwiesen, da ver-
bündete sich Österreich am 14. Januar 1864 mit Preußen zur gemeinschaftlichen,
selbständigen Durchführung dieser Politik und schob Bundestag und Mittel-
König Albert 7
Staaten kurzweg bei seite. Aufs schmerzlichste empfand es damals Prinz
Albert, daß damit auch den sächsischen Truppen die Teilnahme an dem glän-
zenden dänischen Feldzuge versagt blieb, und er bemühte sich in Berlin, sie
noch durchzusetzen, fand aber bei der Mehrheit des Bundestages kein Gehör.
Unbeirrt dadurch trat er damals in der Ersten Kammer für die Erneuerung
des Zollvereins als Referent ein und wies andrerseits bei der Beratung über
eine Vermehrung des sächsischen Offizierkorps am 27. Mai 1864 sehr ernst auf
die ernste Lage hin, bei der es bald nicht mehr darauf ankommen könne,
was Sachsen in Industrie, Kunst und Wissenschaft leiste, sondern wo die
Frage gestellt werden würde: »Wie haben sich unsere Sachsen geschlagen?«
Das friedselige Geschlecht dieser Tage verstand ihn nicht, und doch mußte
es erleben, daß nach dem Wiener Frieden vom 30. Oktober 1864, der die
Eibherzogtümer an Preußen und Österreich abtrat, ohne jede Mitwirkung des
Bundestages, die Bundestruppen einfach aus Holstein herausgedrängt wurden
und daß Sachsen im Dezember bis dicht an den bewaffneten Konflikt mit
Preußen kam.
Seitdem im Februar 1865 der Versuch Preußens, sich mit Österreich über
Schleswig-Holstein auf Grund eines engen politischen, militärischen und wirt-
schaftlichen Anschlusses der Herzogtümer an Preußen zu verständigen, ge-
scheitert war, lenkte Österreich wieder zu den Mittelstaaten hinüber, beschwor
damit aber auch den offenen Konflikt herauf, den die Konvention von Gastein
am 14. August nur eben weiter hinausschob. Ohne Schwanken hat da Sachsen
seine Stellung genommen, da das Bundesrecht ihm am besten seine Selb-
ständigkeit zu verbürgen schien, ein Bundesstaat unter preußischer Führung
sie schmälern mußte, und mit klarer Entschlossenheit hat es seine militärischen
Vorbereitungen schon seit dem März 1866 getroffen. Seit dem 20. Mai stand
die mobilisierte sächsische Armee unter dem Oberbefehl des Kronprinzen in
enger Aufstellung bei Dresden, um, da sich die Hoffnung auf bayrische Hülfe
bald als ganz unsicher erwiesen hatte, entweder den Anmarsch der öster-
reichischen Nordarmee abzuwarten oder den Abzug nach Böhmen anzu-
treten, an demselben 20. Mai setzte sich Albert mit dem österreichischen
Oberbefehlshaber, dem Feldzeugmeister L. von Benedek, in briefliche Ver-
bindung. In seiner klaren, nüchternen Weise hatte er wenig Hoffnung auf
Sieg. Schon am 9. Mai schrieb er an den Kriegsminister Rabenhorst:
»Ruhm wird wenig zu haben sein, Ehre und Reputation aber oft auf dem
Spiele stehen«.
Am 14. Juni 1866 fiel in Frankfurt mit dem Beschlüsse, die außer-
preuflischen Kontingente zu mobilisieren, die Entscheidung, am Abend des
15. lehnte König Johann das preußische Ultimatum ab. Der preußische Ge-
sandte verließ Dresden, und in denselben Stunden trafen die preußischen
Vortruppen schon in Riesa ein. Am 16. wurde Dresden geräumt, am 18. Juni
überschritten die sächsischen Truppen auf drei Straßen die böhmische Grenze,
um über das Erzgebirge in den Teplitzer Talkessel hinabzusteigen. Aber erst
nach heißen Märschen erreichten sie an der Iser die Spitzen der österreichi-
schen Nordarmee, wo nun Albert das Kommando übernahm. Vor dem starken
Andringen der zweiten preußischen Armee unter Prinz Friedrich Karl ent-
schloß sich der Kronprinz am 28. Juni nach Gitschin zurückzugehen, wo er
für den 30. Juni die Ankunft des Gros der Nordarmee von Josephstadt her
8 König Albert.
erwarten durfte; doch kam es an demselben Tage bei Münchengrätz noch zu
einem scharfen Rückzugsgefecht. Am 29. nachmittags nahmen die Sachsen
und Österreicher bei Gitschin den Kampf auf, bis am Abend die Depesche
Benedeks eintraf, daß er angesichts des Einmarsches der Ersten preußischen
Armee unter dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm in seiner rechten Flanke
auf die Offensive verzichte und der Kronprinz sich auf die Hauptarmee bei
Königgrätz zurückziehen müsse. Hier bezogen die Sachsen schon am i.Juli
auf dem äußersten linken Flügel der Österreicher ihre Stellung bei Perschim
und Problus, die sie sorgfältig für den bevorstehenden Entscheidungskampf
vorbereiteten, und hier schlug Albert am 3. Juli tatsächlich eine fast selbstän-
dige Schlacht gegen die Eibarmee. Selbständig gab er gegen 2 Uhr, als ihm
das Zurückgehen der Feuerlinien im Nordosten zeigte, daß die Österreicher
im Weichen seien und die Kugeln schon in seinen Stab einschlugen, auch
den Befehl zum Rückzuge, den die Sachsen inmitten der allgemeinen Auf-
lösung in fester Ordnung ausführten. In der Nacht überschritt er bei Par-
dubitz die Elbe, selbst in fast verzweifelter Stimmung — »ich wollte, ich läge
tot auf dem Schlachtfelde«, sagte er; — am 11. Juli erreichte er Olmütz.
Von dort setzten die Sachsen ihren Rückzug teils geradewegs nach Wien,
teils das Waagtal hinunter durch Ungarn nach der Donau fort, aber erst
am 30. Juli war das ganze Korps östlich von Wien um das Hauptquartier
Hetzendorf wieder vereinigt.
Inzwischen war am 22. Juli der Waffenstillstand eingetreten, am 26. Juli
der Präliminarfriede von Nikolsburg abgeschlossen worden, der die Erhaltung
Sachsens unter der Bedingung seines Eintritts in den Norddeutschen Bund
zugestand. Seitdem arbeitete Albert eifrig und ehrlich an der möglichst
günstigen Regelung der neuen Verhältnisse, besonders der militärischen.
Darüber begannen die Verhandlungen nach der Entlassung Beusts (am
15. August). Da sie um Mitte September gänzlich ins Stocken gerieten, wollte
der Kronprinz persönlich nach Berlin gehen, aber am 18. Oktober konnte
König Johann in Karlsbad den Entwurf der Friedensurkunde unterzeichnen,
am 21. Oktober kam der Friede in Berlin zum Abschluß und in den nächsten
Tagen rückten die sächsischen Truppen in die Heimat ab. Am 26. Oktober
kehrte König Johann mit den Seinen nach Pillnitz zurück, am 3. November
nach Dresden. Die ehrenvolle Aufnahme, die der König und der Kronprinz
am 16. Dezember in der preußischen Hauptstadt fanden, leitete das neue
Bundesverhältnis hoffnungsreich ein, und beide bewiesen durch die pünkt-
liche Gewissenhaftigkeit, mit der sie insbesondere die Neugestaltung der
sächsischen Truppen als des XII. Armeekorps des norddeutschen Bundes-
heeres nach der Konvention vom 7. Februar 1867 ausführten, daß das Ver-
trauen König Wilhelms und Bismarcks in ihr Fürsten- und Manneswort voll-
auf gerechtfertigt sei. Am i. April 1867 war die Neuformation abgeschlossen,
im Juni erhielten die neugebildeten Truppenteile ihre Fahnen, im September
konnte der Kronprinz das Armeekorps dem preußischen Inspekteur General
von Fransecky vorführen und am 8. September 1868 nahm König Wilhelm
als Bundesfeldherr in Dresden seine erste Parade über die i. sächsische Di-
vision Nr. 23 ab. Albert selbst trat 1869 als Chef des 2. ostpreußischen
Dragonerregiments Nr. 10 in persönliche Beziehungen zur preußischen Armee,
knüpfte solche auch zu Graf Bismarck und zu Moltke an. Es war ein wohl-
König Albert 9
tuender Vertrauensbeweis, daß die preußischen Okkupationstruppen 1867/68
allmählich ihre sächsischen Garnisonen bis auf den Königstein räumten.
So bewährte sich Sachsen als ein starkes und leistungsfähiges Glied des Nord-
deutschen Bundes.
Als ein solches erschien es auch in dem Nationalkriege gegen Frank-
reich 1870/71. Als Führer wie als Organisator erprobt, ging der Kronprinz
Albert an der Spitze seines XII. Armeekorps am 29. Juli ins Feld, um von
Mainz aus unter dem Oberbefehle des Prinzen Friedrich Karl durch Rhein-
hessen und die bayrische Pfalz in Frankreich einzurücken, nachdem die Siege
des 4. und 6. August die Bahn gebrochen hatten. In heißen Märschen er-
reichte er die Mosel oberhalb von Metz und auf die Hochebene im Westen
der Festung hinaufsteigend, auf die gelehnt Marschall Bazaine nach den blu-
tigen Schlachten des 14. und 16. August von St. Privat bis Gravelotte seine
feste Stellung genommen hatte, hatte er am 18. August den äußersten linken
Flügel der deutschen Armee gegenüber St. Privat inne. Hier entschied sein
Scharfblick und sein rascher Entschluß die Umgehung über Roncourt, die den
glücklichen Sturm auf St. Privat ermöglichte. Schon am nächsten Tage erhielt
Albert die Ernennung zum Oberbefehlshaber einer aus dem XII. und IV. Armee-
korps und der Garde mit der 5. und 6. Kavalleriedivision zu bildenden
selbständigen »Maasarmee«, und parallel mit der III. Armee des Kronprinzen
von Preußen trat er über Verdun den Vormarsch auf Chälons an, wo man
die französische Armee Mac Mahons vermutete. Da diese statt dessen zum
Entsätze Bazaines in Metz nach Nordosten abmarschierte, so vollzogen die
deutschen Heere die große Rechtsschwenkung, um ihr den Weg zu verlegen.
Dabei stieß die Maasarmee zuerst auf den Feind, am 24. bei Busancy, am
27. bei Nouart, und drängte am 30. August den Marschall in der Schlacht
bei Beaumont über die Maas nach Sedan zurück. Am frühen Morgen schon
des I. September faßte Albert auf die Nachricht hin, daß die III. Armee unter-
halb von Sedan die Maas zu überschreiten beabsichtige, den Entschluß, dem
Feinde »auf den Leib zu gehen«, ihn von Osten her zu fassen. So trug er
das Seinige zu dem glänzenden Siege bei, der den Kaiser Napoleon und
seine Armee zur Kapitulation zwang, und begrüßte am Nachmittage des
2. September den König Wilhelm inmitten seiner Truppen auf dem Schlacht-
felde. Als er am 4. September zu ihm ins Hauptquartier nach Vendresse
kam, verlieh ihm der König das Eiserne Kreuz erster Klasse. Bei der Ein-
schließung von Paris seit dem 19. September nahm er sein Hauptquartier erst
in Grand Tremblay bei St. D^nis, seit dem 8. Oktober in Margency, und er
verstand es, die Offiziere der verschiedensten Truppenteile, die ihn umgaben,
in warmer Verehrung für den fürstlichen Oberbefehlshaber zu vereinigen. Mit
dem Hauptquartier des Königs in Versailles (seit dem 5. Oktober) stand er
allezeit im besten Einvernehmen, und Moltke spendete ihm damals das ge-
wichtige Lob, er sei der einzige Prinz, der zu gehorchen verstehe, d. h. die
Befehle des Oberkommandos sachgemäß und doch mit selbständigem Urteil
ausführe. In der Frage über die Art und Weise des Angriffs auf Paris stand
er (mit Roon) auf Seite der »Schießer«. Aber erst nach der blutigen Ausfalls-
schlacht bei Brie und Champigny am 30. November und 2. Dezember, in der
das sächsische Armeekorps die schwersten Verluste erlitt, drang diese Ansicht
durch und am 27. Dezember wurde die Beschießung von den Batterien der
10 König Albert.
Maasarmee auf der Ostfront eröffnet, am 21. Januar 187 1 auch auf der Nord-
front, und nach der Übergabe von Paris am 28. Januar zog Albert am
29. Januar in St. D^nis ein.
Auch an den Verhandlungen, die zur Herstellung des Reichs und des
Kaisertums führten, hat er einen gewissen Anteil gehabt. Schon am 22. August
in Pont-ä-Mousson bei Metz trug ihm Graf Bismarck den Plan vor, einen
deutschen Fürstenkongreß etwa nach Nancy zu berufen, um die Friedens-
bedingungen festzustellen und die Verbindung des Norddeutschen Bundes mit
den süddeutschen Staaten vorzubereiten; dafür bat er den Kronprinzen bei
seinem Vater, dem König Johann, wirken zu wollen, was dieser bereitwillig
zusagte. Mit der dann von Bayern verlangten Sonderstellung waren übrigens
beide keineswegs einverstanden. Der Kaiserproklamation am 18. Januar 1871
wohnte mit zahlreichen deutschen Fürsten auch Kronprinz Albert neben seinem
Bruder, dem Prinzen Georg, bei.
Nach dem Abschluß des Präliminarfriedens von Versailles am 26. Februar
ritt Albert mit den am i. März einziehenden Truppen in Paris ein, am
3. März nahm er Abschied von der .Maasarmee, am 7. März führte er dem
Kaiser bei der Parade auf dem Schlachtfelde von Brie und Champigny das
XII. Armeekorps vor, dann reiste er auf wenige Tage nach der Heimat. Aber
schon am 18. März nahm er, diesmal in Begleitung seiner Gemahlin, als
Oberbefehlshaber der deutschen Okkupationsarmee sein Hauptquartier in
Compi^gne, während des Kommuneaufstandes wieder in Margency. Erst
am 3. Juni, als der Aufstand unter Greueln und Verwüstungen aller Art nieder-
gekämpft war, kehrte er nach Compi^gne zurück und legte hier am 8. Juni
sein Kommando nieder, um nach Deutschland heimzukehren. Dort warteten
seiner die höchsten Ehren. Unter den Führern der selbständigen Armeen nahm
er an dem glänzenden Triumphzuge in der Reichshauptstadt am 16, Juni teil,
am II. Juli hielt er als Generalfeldmarschall mit dem Großkreuz des Eisernen
Kreuzes geschmückt, lorbeerumkränzt an der Spitze des XII. Armeekorps,
dessen Kommando er wieder übernahm, seinen Siegeseinzug in Dresden.
Daneben aber hatte ihm Kaiser Wilhelm schon am 15. Juni die erste
Armeeinspektion (über das I., V. und VI. Armeekorps) übertragen, die er seitdem
regelmäßig ausübte. Mit dem Kaiserhofe gestalteten sich die Beziehungen
immer enger und so war der Kronprinz im September 1872 auch bei der
glänzenden Dreikaiserzusammenkunft in Berlin zugegen. Daheim wirkte er
auch als Mitglied der Ersten Kammer an der Reformgesetzgebung dieser
Jahre mit, und mehrmals vertrat er seinen greisen Vater während längerer
Abwesenheit in den Regierungsgeschäften. Noch feierte der König und mit
ihm das ganze Land in Beisein des Kaiserpaares am 10. November 1872 seine
goldene Hochzeit, dann aber trat sein altes Herzleiden bald mit großer Hef-
tigkeit auf und am Morgen des 29. Oktober 1873 verschied er im Kreise der
Seinen im Schlosse von Pillnitz. Umstrahlt von dem Siegesglanze einer großen
Zeit bestieg König Albert den Thron.
Eine Geschichte Alberts als König ist von der Geschichte Sachsens
noch nicht zu trennen — und eine solche Geschichte kann diese biographische
Skizze nicht sein wollen — , denn sein persönlicher Anteil läßt sich noch
nicht feststellen. Teilweise liegt das allerdings auch daran, daß er es nicht
liebte, persönlich stark hervorzutreten, so entschieden er auch seinen persön-
König' Albert. II
liehen Willen, wenn es darauf ankan), zur Geltung zu bringen wußte. So
lassen sich nur die allgemeinen Züge seiner Regierungsweise feststellen: ge-
wissenhafteste Beobachtung der Landesverfassung, das vielseitigste Interesse,
die Selbständigkeit des Urteils, die Pflichttreue, die Umsicht in der Wahl
seiner Minister, unter denen Männer wie Richard von Friesen, Alfred von
Fabrice, Hermann von Nostitz-Wallwitz, Ludwig von Abeken, L^once von
Könneritz, Karl von Gerber, Paul von Seydewitz in der Geschichte seiner
Regierung immer einen Ehrenplatz behaupten werden. So wurde diese Re-
gierung eine Zeit wohltätiger Reformen auf allen Gebieten, eines rüstigen
wirtschaftlichen wie geistigen Fortschritts im engsten Zusammenhange mit dem
Reiche und im Rahmen seiner Verfassung und Gesetzgebung. Ein überzeugter
und ehrlicher Anhänger der nationalen Neugestaltung, die ja seinen eigenen
Jugendidealen entsprach, und die er an so hervorragender Stelle selbst hatte
herbeiführen helfen, hat er an der Befestigung des Reichsgedankens in Sachsen
den erheblichsten Anteil gehabt, war er eines der angesehensten und einfluß-
reichsten Mitglieder jenes deutschen Fürstenrats, der zwar eine reichsver-
fassungsmäßige Existenz nicht hat, aber im stillen sehr wirksam ist. Das
beruhte vor allem auf seinem persönlichen Verhältnis zu drei Kaisern. Wie
er oft als Gast des Kaiserhofs in Berlin verweilte, so begrüßte er Kaiser
Wilhelm L zweimal, 1876 und 1882, als obersten Kriegsherrn und Oberfeld-
herrn des Reichs in seinem Land, Kaiser Wilhelm IL 1888 und 1896, und bei
jeder Feier des sächsischen Königshauses erschien Wilhelm II. in Dresden, so
1889 beim achthundertjährigen Jubiläum des Hauses Wettin, 1893 beim
50jährigen Militärjubiläum und 1898 beim fünfundzwanzigjährigen Regierungs-
jubiläum König Alberts. Zweimal, 1879 und 1887, ^^^ diesem der Ober-
befehl in einem damals drohenden Kriege gegen Rußland zugedacht, und als
der unglückliche Kaiser Friedrich III. den Tod vor Augen sah, da legte er
dem König Albert die Sorge um seinen jungen Nachfolger besonders ans
Herz. Es war der erste Akt dieser Fürsorge, daß er die deutschen Fürsten
veranlaßte, sich bei der Eröffnung des ersten Reichstages persönlich um den
Kaiser zu scharen; das Ausland sollte sehen, »daß unser Zusammenhang nie-
mals fester gewesen ist«. Mit dem Fürsten Bismarck war er seit 1866 per-
sönlich bekannt, und er gewann immer größeres Vertrauen zu ihm und zu
seiner Politik. Unmittelbar nach seinem Regierungsantritte bat er ihn auch,
sich allezeit um Rat an ihn wenden zu dürfen. »Ich will Ihnen sagen«, be-
merkte er später einmal zu einem Historiker seiner Bekanntschaft, »warum ich
so für Bismarck bin. Er ist ein großer Staatsmann, denn er hat im vollsten
Glücke Maß gehalten.« Nichtsdestoweniger verkannte er die tragische Not-
wendigkeit, die im März 1890 den Rücktritt des Reichskanzlers herbeiführte,
keineswegs. »Ich habe mich überzeugt«, sagte er unmittelbar nachher zu einem
Mitgliede der ersten Kammer, »der Kaiser konnte nicht anders, wenn er die
Zügel in der Hand behalten wollte.« Das hielt ihn indes nicht ab, den
Fürsten, als er im Juni 1892 durch Dresden kam, in einem Handschreiben
zu begrüßen und ihm für den Segen zu danken, der durch des Kanzlers
Wirken auch in sein Leben gekommen sei. Für alle Reichsangelegenheiten
hegte er das lebhafteste Interesse. Er verfolgte deshalb auch mit wacher
Sorge den Ausbau des deutschen Heeres, zu dem Sachsen seit 1899 noch
ein zweites Armeekorps, das XIX., stellte und die Neubegründung der deutschen
12 König Albert.
Flotte, denn die Notwendigkeit der neu aufsteigenden Kolonial- und Welt-
politik gerade für das hochindustrielle Sachsen war ihm vollkommen klar.
Noch im August 1900, als auch von den beiden sächsischen Armeekorps
Freiwillige nach China aufbrachen, ließ er es sich nicht nehmen, sie persön-
lich zu verabschieden, obwohl er damals schon leidend war, und ermahnte
sie, auch im fernsten Osten dem sächsischen Namen Ehre zu machen und
tapfer für die Ehre Deutschlands einzutreten. Ein König von Sachsen, der
seine Landeskinder unter dem Reichsbanner zum Kriege nach China entläßt
und das Dresdener Zeughaus mit chinesischen Trophäen schmückt: augen-
scheinlicher konnte die ungeheure Wandlung in den Geschicken Sachsens
und Deutschlands nicht hervortreten! Bei dieser seiner Stellung zu den
Dingen war es nur natürlich, daß er die höchste Popularität genoß, nicht nur
in Sachsen, sondern im ganzen Reiche. Alle die Erinnerungsfeste, die er
persönlich in diesen Jahren beging, wurden deshalb auch Feste des sächsischen
Volkes: seine silberne Hochzeit 1878, sein Militärjubiläum 1893, sein 25-
jähriges Regierungsjubiläum und sein 70. Geburtstag 1898. Nach mensch-
lichem Maßstabe gemessen war er der glücklichste Fürst des Wettinschen
Stammes.
Aber das alles war doch auch eine Wirkung seines Charakters, seiner
Persönlichkeit. Vor allem das sächsische Volk erkannte in ihm eine Ver-
körperung aller seiner eigentümlichen Vorzüge ohne einige seiner Schwächen.
Klare Verständigkeit, anspruchslose Schlichtheit, warmes und tiefes Gefühl,
diese drei Züge vereinigten sich in König Albert zu einem harmonischen
Ganzen. Mit dem den meisten Wettinem eigenen ausgezeichneten Gedächtnis,
das die Erlebnisse eines bewegten und reichen Daseins treulich bewahrte,
verband er einen kaum je trügenden Scharfblick und ein unbestechliches Ur-
teil über Menschen und Dinge. Er war sozusagen überall orientiert, und
hatte daher über die verschiedensten Dinge eine selbständige, wohlbegründete
Meinung. Das trat besonders dann hervor, wenn er sein Land bereiste und
dabei Personen aller möglichen Lebensstellungen ins Gespräch zog. Dann
hatte jeder, der Beamte, der Fabrikant, der Kaufmann, der Landwirt, der
Gelehrte, der Schulmann, der Künstler das Gefühl, mit einem Wissenden zu
reden. Wie er dieses sichere Urteil vor allem als Feldherr bewährt hat, so
trat es auch in militärischen Einzelheiten immer wieder hervor. Aber auch
in wissenschaftlichen Fragen wußte er überraschend gut Bescheid, wie das
die Professoren der Universität Leipzig, die er als ihr Rector magnificentissimus
(seit 1875) alljährlich besuchte, oft genug erfuhren, und selbst in pädagogischen
Dingen hatte er ein sicheres Urteil. »Gott erhalte uns die humanistische
Bildung«, sagte er bei der Einweihung des neuen Prachtbaues der Fürsten-
schule Grimma im September 1891, »ich werde für sie kämpfen bis an mein
Ende« und er hat dieses Wort wahrgemacht. Er verwandte große Summen
auf seine Privatbibliothek und las sehr viel, namentlich historische und bio-
graphische Werke, deren Auswahl beim Ankauf er selbst bestimmte, oft mit
charakteristischen Bemerkungen über das Buch oder den Verfasser. Dabei
ging er überall auf den Kern der Dinge, auf die Tatsachen und die Menschen.
Von historischen Theorien und Konstruktionen hielt er in seinem klaren
Wirklichkeitssinne gar nichts, und als ein Mann, der von der neuesten Geschichte
durch persönliche Erfahrung natürlich mehr und intimeres wußte, als gewöhn-
König Albert. Ij
lieh ein Historiker wissen kann, bemerkte er zu einem solchen einmal trocken,
über diese neueste Geschichte könne man wohl Vorlesungen halten, aber
nicht schreiben; so unsicher mochten ihm Kenntnis und Urteil noch erscheinen.
Er hatte auch eine vorzügliche musikalische Bildung und spielte vortrefflich
Klavier, versäumte in Leipzig auch nie den Besuch des Gewandhauskonzerts,
und obwohl er der modernen Kunstrichtung schwerlich hold war, so vermied
er doch jede Beeinflussung und ließ frei gewähren, was sich um ihn regte.
Seiner Würde war er sich durchaus bewußt und er verstand ebenso
glänzend wie vornehm zu repräsentieren, aber in seiner schlichten Weise war
er fem davon, sie besonders zu betonen. Wer mit ihm sprach und dabei
das freundliche, schöne blaue Auge auf sich gerichtet sah, der tat zuweilen
gut, sich daran zu erinnern, daß er den König vor sich habe, so ungezwungen
und natürlich war der Ton. Er hatte gar nicht das Bedürfnis, sich öffentlich
auszusprechen, aber das Notwendige und Passende wußte er in solchen Fällen
mit seiner tiefen Stimme gut, klar und kurz zu sagen; auch von anderen
waren ihm lange Reden unangenehm.
Für sich lebte er schlicht und prunklos, am liebsten in seiner einfachen
Villa in Strehlen bei Dresden, die er schon als Kronprinz erworben hatte,
oder in dem einsamen kleinen Jagdhause Rehefeld hoch oben im Erzgebirge,
einem Geschenke seiner Gemahlin. Für Pillnitz hat er wohl keine besondere
Vorliebe gehabt, aber sehr gern verweilte er im Mai in dem schönen schle-
sischen Sibyllenort bei Breslau, das ihm Herzog Wilhelm von Braunschweig
1884 vermacht hatte. Im Dresdener Residenzschlosse brachte er immer nur
wenige Wintermonate während der Hoffestlichkeiten zu. Oft genug konnte
man ihm im Großen Garten begegnen, wenn er zuweilen ganz allein, die ge-
liebte Virginia rauchend und einen großen Hund vorschriftsmäßig an kurzer
Leine führend, durch die schönen Baumgänge wandelte, und in Rehefeld
hätte in dem mittelgroßen einfachen Herrn, der in grauem Filzhut und leichter
Jagdjoppe mit seinen Hunden durch Matten und Wälder spazieren ging, nie-
mand den König erkannt. Er war ein passionierter Jäger und fühlte sich
vielleicht am allerwohlsten, wenn er nach glücklicher Jagd — eine wenig
ertragreiche pflegte ihn zu verstimmen — inmitten seiner Weidgesellen saß,
sich erzählen ließ und selbst Geschichten erzählte, übrigens sehr gut erzählte
und oft von Herzen lachte. Denn er hatte eine starke humoristische Ader
und unbefangene Freude am Komischen. Diese Schlichtheit der Empfindung
zeigte sich auch darin, daß er sich der verfassungsmäßigen und natürlichen
Grenzen seiner Macht immer bewußt blieb. Bei der Durchführung der neuen
Gerichtsverfassung 1879 bemühte sich der von ihm sehr geschätzte Bürger-
meister einer ansehnlichen Mittelstadt, das ihr versagte Landgericht noch
durch eine persönliche Verwendung beim Könige zu erlangen und sprach
ihm davon bei einer Hoffestlichkeit. Der König hörte ihm, die Hände auf
dem Rücken, wie er gern tat, ruhig zu, dann drehte er sich rasch auf dem
Absätze herum und sagte lächelnd: »Mein lieber Bürgermeister, Sie halten
mich für viel mächtiger, als ich bin.« Der Schmeichelei war diese schlichte
Natur ganz unzugänglich.
Damit verband sich eine tiefe Herzensgüte, eine warme Empfindung.
Das Andenken an den Vater war ihm heilig; er hat sich lange nicht ent-
schließen können, ein Todesurteil zu bestätigen, weil König Johann ein Gegner
14 König Albert.
der Todesstrafe gewesen war und das revidierte sächsische Strafgesetzbuch
von 1868 nach seinem Sinne sie abgeschafft hatte, während das deutsche
Strafgesetzbuch von 1870, das jenes aufhob, sie festhielt. Sein Gnadenrecht
übte König Albert in der umfassendsten, gewissenhaftesten und humansten
Weise; er ließ sich von einem Beamten des Justizministeriums über jeden Fall
in gedrängter Darstellung berichten und gab dann seine Entscheidung in
kurzen Bemerkungen, wenn irgend möglich zugunsten des Gesuches. Es ist
das schönste Zeugnis für seine Herzensgüte, daß das Letzte, womit er sich
noch auf dem Sterbebette beschäftigt hat, Gnadengesuche gewesen sind. Wie
stark dieser Charakterzug in ihm gewesen war, das empfand vor allem seine
Umgebung, niemand mehr als die hohe Frau, die ihm das noch in der
schlichten Widmungsschrift ihres letzten Kranzes bezeugt hat: »Dem einzig
geliebten Manne«. Dasselbe herzliche Wohlwollen bewährte er auch bei
Unglücksfällen. Als im Sommer 1880 ein furchtbarer Wolkenbruch die süd-
liche Oberlausitz verwüstete, da schickte er auf die ersten Telegramme noch
am Abend eine Abteilung Pioniere vom Übungsplatze weg zu Hilfe und war
schon am nächsten Morgen selbst zur Stelle, anordnend, helfend und tröstend,
stundenlang die verheerten Ortschaften auf zerrissenen, oft kaum gangbaren
Wegen mühsam durchwandernd. Wohlwollend und leutselig half er bei
Audienzen schüchternen, befangenen Leuten über die Verlegenheit hinweg.
Als ihm einmal ein alter Herr aus einem erzgebirgischen Bergstädtchen in
wohlgesetzter Rede seinen Dank für den Albrechtsorden aussprechen wollte
und nach dem ersten Satze rettungslos stecken blieb, da klopfte ihm der
König freundlich auf die Schulter und sagte: »Im übrigen gehts Ihnen aber
gut? Wie stehts denn bei Ihnen oben mit der Nickelausbeute?«, so daß er
den unbeholfenen Mann sofort ins richtige Fahrwasser brachte. Daß aller
Güte und aller gesetzlichen Fürsorge zum Trotze die Sozialdemokratie in
seinem Lande zu solcher Macht emporstieg, ist ihm immer der Gegenstand
persönlichen Schmerzes gewesen. Als er einmal in Chemnitz, offenbar gegen
seine Erwartung auch in den Arbeitervierteln warm begrüßt wurde, bemerkte
er zu einem seiner Begleiter wie erleichtert: »Ich glaube, die Leute haben
im Grunde gar nichts gegen mich.«
Nein, gegen ihn persönlich hatte niemand etwas. Auch die konfessionelle
Differenz, die ihn und sein Haus von der großen Mehrheit seiner Untertanen
trennte, hat das Verhältnis zu ihm nicht gestört. Er hat es sich immer gegen-
wärtig gehalten, daß er ein protestantisches Land regierte. Proselytenmacherei
und hierarchische Überhebung hat er nie gelitten, und die Erlaubnis, in den
Priesterstand einzutreten, hat er seinem Neffen, dem Prinzen Max, nur mit
dem äußersten Widerstreben gegeben. Hatte er, dem eigene Kinder versagt
blieben, doch auch darauf gehalten, daß die Söhne seines Bruders, des Prinzen
Georg, vor allem der mutmaßliche Thronfolger Friedrich August, in den
Hauptfächern protestantische Lehrer erhielten, wie er selbst gehabt hatte.
Auf das Regiment der evangelisch-lutherischen Landeskirche, von dem ihn
die Verfassung ausschloß, hat er niemals Einfluß zu gewinnen versucht, aber
für ihre Angelegenheiten hat er stets eine warme Teilnahme gehabt. Er ver-
kehrte gern mit protestantischen Theologen und hörte in Leipzig ihre Vor-
lesungen so gut wie die anderer Professoren. Bei festlichen Gelegenheiten
nahm er unbefangen an einem protestantischen Gottesdienste teil, und evan-
König Albert. I5
gelische Kirchen hat er im künstlerischen Interesse oft besucht. Als er kurz
nach ihrer Einweihung die Martin Luther-Kirche in Dresden -Neustadt be-
sichtigte, wollte ihn der Pfarrer ohne weitere Bemerkung an dem Medaillon-
bildnis des Reformators auf dem Altarplatz vorüberführen; der König aber
blieb stehen, betrachtete es aufmerksam und sagte: »Das ist ja ein wohl-
getroffenes Bild des Doktor Martinus«. Trat einmal der Gegensatz ungewollt
hervor, was doch nicht immer zu vermeiden war, so empfand er das sehr
peinlich. Am Tage nach der großartigen Lutherfeier im November 1883 sagte
er zu einem seiner Minister bekümmert: »Ich konnte gestern nicht mit meinem
Volke beten, da bin ich auf die Jagd gegangen«. Manche scharfen Äußerungen
der Presse über den Entschluß des Prinzen Max verletzten ihn tief. Kurz nach-
her richtete er an einen hervorragenden evangelischen Geistlichen die zweifelnde
Frage: »Habt Ihr denn noch ein bischen Vertrauen zu mir?« Tief ergriffen ver-
sicherte dieser, das stehe unerschüttert fest, und er durfte es sagen. Um so tiefer
und dankbarer empfand es der König, daß ihm auch die protestantische Geistlich-
keit bei seinem Regierungsjubiläum 1898 ihre herzlichen Glückwünsche dar-
brachte; sie habe ihn, bemerkte er, durch ihre Anhänglichkeit und Liebe geradezu
verwöhnt. Der peinlichen Frage, ob evangelische Offiziere, Soldaten und
Pagen an katholischen Kirchenfesten des Hofes teilnehmen sollten, machte
er im Widerspruch mit einem Teile seiner Umgebung kurz entschlossen und
taktvoll durch die einfache Verfügung vom 7. Juni 1900 ein Ende, daß dazu
nur K^atholiken herangezogen werden dürften. So ist nicht zum wenigsten
durch ihn Sachsen für das friedliche Nebeneinanderleben der Konfessionen,
das unserem nach dem Willen der Vorsehung kirchlich nun einmal gespaltenen
deutschen Volke unentbehrlich ist, ein Vorbild geworden.
Als Jäger und Soldat erfreute sich König Albert einer festen Gesundheit
und auf Jagden oder bei Manövern achtete er Wind und Wetter wenig.
Aber allmählich bildete sich ein örtliches Leiden aus, das ihm oft große Pein
bereitete und der Kunst seiner Ärzte nicht weichen wollte, auch einen ope-
rativen Eingriff nicht zuließ. Während seines Frühjahrsaufenthalts in Sibyllen-
ort 1900 kam der erste schwere Anfall, der die ganze Größe der Gefahr
offenbarte. Noch überwand ihn seine kräftige Natur, er fuhr zuweilen auf
sorgfältig vorbereiteten Wegen noch zur Jagd, besuchte im September desselben
Jahres die Fürstenschule Grimma bei ihrem 350jährigen Jubiläum und im
Februar 1902 zum letztenmal die Universität Leipzig. Aber das Stehen wurde
ihm schon so schwer, daß er die gewohnten Empfänge einschränken mußte
und an den Hoffestlichkeiten wenig mehr teilnehmen konnte. Zu Pferde
vermochte er gar nicht mehr zu steigen, er mußte also auf Manöver und Paraden
verzichten. Mit wachsender Besorgnis bemerkten alle, die sich ihm näherten,
daß sein Gang schleppend, sein Auge matt, seine sonst blühende Gesichts-
farbe fahl wurde; geistig blieb er rege wie immer, nur daß sich auch hier
zuweilen eine gewisse Ermüdung einstellte. Die Besorgnis teilte sich dem
ganzen Lande mit, sein 74. Geburtstag wurde deshalb überall mit noch größerer
Wärme gefeiert als sonst, denn alles ahnte, daß es der letzte sei. In Sibyllen-
ort, wohin er sich im Mai 1902 nach seiner Gewohnheit begab, hoffte er sich
zu erholen. Aber in der Nacht des 5. Juni überkam ihn ein so heftiger Anfall
des Leidens, daß er sich die Sterbesakramente reichen ließ. Noch ging die
Gefahr vorüber, doch seitdem nahmen die Kräfte rasch ab und er konnte
l6 König Albert. Lord Acton.
das Lager kaum mehr verlassen. Aber er erledigte noch wichtige Regierungs-
geschäfte, mit besonderer Teilnahme Gnadengesuche, und am i8. Juni, seinem
49. Hochzeitstage, überreichte er seiner Gemahlin, die seine treueste Pflegerin
war, schweigend eine Rose. Es war seine letzte Gabe. Das Bewußtsein be-
gann zu schwinden, und am Abend des 19. Juni kurz nach 8 Uhr, während
Sturm und Regen um sein heiteres Sommerschloß tobten, verschied er sanft
ohne Kampf, im Beisein der gesamten königlichen Familie.
In zahllosen Kundgebungen äußerte sich nun weit und breit die Liebe
und Verehrung, die er genossen hatte. Von schlesischen Kürassieren eskortiert,
wurde die Leiche zum Bahnhof gebracht, am Abend des 21. Juni langte der
Königliche Trauerzug, überall unterwegs mit Glockenläuten begrüßt, in Dresden
an. In der Schloßkirche wurde die Leiche aufgebahrt und Tausende drängten
sich zwei Tage lang, um einen letzten Blick auf die geliebten Züge des Toten
zu werfen, der in düsterer Pracht, von brennenden Girandolen und zahllosen
kostbaren wie schlichten Kränzen umgeben, bewacht von seinen Getreuen,
wie schlafend im Sarge lag. Im Beisein einer glänzenden Fürstenversamm-
lung, an deren Spitze Kaiser Wilhelm IL und Kaiser Franz Joseph standen,
wurde er am Abend des 23. Juni in der Gruft der Schloßkirche feierlich bei-
gesetzt, während draußen Glockengeläute, Kanonendonner und Gewehrsalven
dem scheidenden König und Feldherrn das Geleite gaben zur letzten Ruhe-
stätte.
Eine wissenschaftliche Darstellung des Gesamtlebens König Alberts ist heute noch
nicht möglich. ' Nur für die Zeit bis zur Thionbesteigung (1828 — 1873) gibt eine solche
Paul Hassel, Aus dem Leben des König Alberts von Sachsen, 2 Bände, Berlin und Leipzig
1898, X900 (mit zwei Bildnissen), dessen Manuskript der König selbst vollständig durchge-
lesen hat, ohne etwas daran zu ändern. Über seine Tätigkeit in den Feldzügen bieten die
Werke des sächsischen Generalstabes von 1866 und des Großen Generalstabes von 1 870/1
das zuverlässigste Material. Aus persönlicher Erinnerung schöpft Max Bauer, Von der
Maasarmee, Halle 1871. Kurze populäre Darstellungen geben u. a. Max Dittrich, König
Albert und seine Sachsen im Felde (mit 8 Bildern), 3. Auflage, Berlin 1898, und Oskar
Hau ß 1er, König Albert von Sachsen und die sächsische Armee, Leipzig, 2. Auflage 1886.
Eine kurze biographische Skizze habe ich selbst versucht: Zu König Alberts Gedächtnis.
Ein Abriß seines Lebens (mit einem Porträt). Dresden 1902; ihr ist die obige Charakte-
ristik mit einigen Veränderungen entnommen. Von den zahllosen Gedächtnisreden hebe ich
die von Georg Rietschel hervor: Gedächtnisrede bei dem akademischen Trauergottesdienst
der Universität Leipzig am 29. Juni 1902. Manches habe ich auch aus persönlicher Er-
innerung geschöpft. Ein Schatz von Feldzugsbriefen des Kronprinzen an seinen Vater aus
den Jahren x866 und 1870/1 harrt noch der Erschließung. Unter seinen Bildnissen ist sicher-
lich das bedeutendste das Porträt von Franz von Lenbach im Leipziger Museum, das ihn
ganz als Feldherm faßt und deshalb die Milde in seinen Zügen nicht zum Ausdruck bringt.
Otto Kaemmel.
Lord Acton, John Emerich Dalberg, Englischer Pair, Regius Professor
für Geschichte an der Universität zu Cambridge, * 10. Januar 1834 zu Neapel,
f 19. Juni 1902 in Tegernsee bei München. — Zwischen diesen beiden Daten
verlief ein arbeitsames, unaufliörlicher geistiger Tätigkeit geweihtes Dasein,
in seiner Art wohl eines der merkwürdigsten von allen, die im XIX. Jahr-
hundert Anspruch besitzen auf ein bleibendes Andenken in der Erinnerung
der Menschen.
Lord Acton.
'7
Die Frage, welches Recht diesem Engländer zukommt, in einem deutschen
Nekrolog seine Stelle einzunehmen, muß zunächst beantwortet werden. Durch
Abkunft und Geburt, als der Sohn einer deutschen Mutter aus dem altbe-
rühmten Geschlecht, dessen ältester Zweig mit dieser Tochter des Herzogs
Dalberg auf Schloß Herrnsheim bei Worms erlosch, ging der Name Dalberg
auf ihren einzigen Erben über, dessen Vater, ein englischer ßaronet, der
Sohn des neapolitanischen Ministers Acton, früh starb. Die Mutter heiratete
in zweiter Ehe Lord Granville, den nachherigen Minister des Äußern in den
liberalen Ministerien, die vornehmlich unter Gladstones vorwaltendem Ein-
fluß in England sich folgten. Dort, bis 1848 in der Schule zu Oscott, die
von Benediktinern geleitet ist, dann in Schottland, bei einem gelehrten Kon-
vertiten aus Cambridge, Dr. Logan, wurde der junge katholische Baronet in
der Absicht herangebildet, seinen Studiengang auf einer englischen Hoch-
schule zu vollenden. Der für die Wissenschaften begeisterte Jüngling und
seine Mutter hatten ohne die Vorurteile anglikanischer Intoleranz gerechnet:
Cambridge verschloß dem römischen Katholiken seine Pforten und führte
dadurch die entscheidende Wendung in seinem Leben herbei. Zu München,
wo die mit Lady Granville verwandte Familie des Grafen zu Arco-Valley
in innigem Verkehr mit Professor Döllinger stand, wurde dieser bald bewogen,
Acton in seinem Hause aufzunehmen. Der Aufenthalt, der mit dem Besuch der
Universität verbunden war, währte von 1851 bis 1856 und ein unvergleich-
licher Lehrer gewann seinen größten Schüler. Nur ein Mann von Döllingers
Universalität des Geistes konnte den Wissensdurst eines Jünglings stillen, der
die klassischen und fünf moderne Sprachen beherrschte und bereits in diesen
Jahren des Werdens den Grund zur Bücherkenntnis legte, die mit den
Methoden strenger Forschung ausgerüstet, ohne Übertreibung auf die Durch-
arbeitung eines Foliobandes im Tag geschätzt worden ist. Unter den vielen
tausend Bänden, die Sir John Acton damals schon zu einer berühmt ge-
wordenen Bibliothek zu vereinigen begann, ist kaum einer, der nicht die Blei-
stiftzeichen seiner Lektüre aufwiese und dessen wichtigster Inhalt, sei es an
Ideen oder an Tatsachen, nicht von ihm in systematisch geführten Notizen
festgelegt worden wäre. Das Schicksal fügte es, daß diesem gelehrten Forscher-
leben alle Möglichkeiten zur Kenntnis von Welt und Menschen in ver-
schwenderischer Fülle geboten und von ihm ausgenutzt werden konnten. Mit
Lord Granville wohnte der junge Acton 1856 der Kaiserkrönung in Moskau
bei. Er bereiste Amerika, dessen Institutionen und Geschichte sein Interesse
für immer fesselten ; er verkehrte in Frankreich und Italien, welch letzteres
er wie eine zweite Heimat kannte, mit allen leitenden Persönlichkeiten der
Wissenschaft, der Literatur und der Politik ; er besuchte in Berlin, in Heidel-
berg und sonst auf deutschen Hochschulen die Berühmtheiten deutscher Geistes-
arbeit und deutscher Wissenschaft. Ranke, Droysen, Richard Rothe, Waitz,
Radowitz — wir wählen nur einige der größten Namen — , hat er ebenso
wie später Mommsen und Harnack, wie früher, in München, M. Deutinger,
Haneberg, Lasaulx persönlich gekannt und viele von ihnen geliebt und ver-
ehrt. In England blickte er, im Hause seines Stiefvaters, in das Getriebe der
Parteien and in das Räderwerk der Staatsmaschine. Einen seiner Lieblings-
aussprüche, savair le pourquoi du pourquo't, entlehnte er früh der Kurfürstin
Sophie von Hannover. Als Weltmann wie als Gelehrter blieb sein Augen-
Bio2^r. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog-. 7. Bd. 2
lg Lord Acton.
merk auf das Spiel hinter den Kulissen, auf die geheimen Triebfedern, die
Motive und komplizierten Endursachen gerichtet, von denen die Geschehnisse
so oft nur unvollkommene Erklärungen geben. Unter dem Einfluß des größten
Kirchenhistorikers der Zeit kehrte Sir John Acton mit einem bestimmten
Arbeitsprogramm nach England, zunächst nach seinem Stammsitz Aldenham
in Shropshire zurück. Mit Ausnahme Lingards besaßen seine englischen ka-
tholischen Glaubensgenossen keine Historiker von allgemeiner Bedeutung und,
seit Jahrhunderten, war das intellektuelle Leben derselben bis zum Übertritt
des größten Konvertiten des XIX. Jahrhunderts, John Henry Newman, im
kleinen Häuflein der Anhänger des alten Glaubens ins Stocken geraten.
A. war und blieb sein ganzes Leben hindurch ein begeisterter und über-
zeugter katholischer Christ. Seine Äußerung einem Freunde gegenüber, nie
habe er in seiner religiösen Überzeugung die Versuchungen des Zweifels ge-
kannt, konnte nur solche erstaunen, die seiner inneren Entwicklung und dem
Grund, auf dem sie stand, fremd blieben. Zugleich erfüllte ihn das Bewußt-
sein, daß die Erneuerung des geistigen Lebens, vor allem der historischen
Studien, fortan eine Lebensfrage für den Katholizismus sei. Mit dem voll-
ständigen Rüstzeug deutscher Schulung versehen, sammelte Acton von 1859
an die in England vorhandenen Kräfte, und stellte ihnen, als Herausgeber
oder hervorragendster Mitarbeiter, eine Reihe von Zeitschriften gelehrten In-
halts zur Verfügung. Zunächst, von 1859 bis 1861, den ^i^ Rambler*, dann, bis
1864, die *Hame and Foreign Review*,
Diese Jahre bezeichneten den Höhepunkt der von Italien und Frankreich
ausgehenden katholischen Reaktion. L. Veuillot in Paris im ^Univers*^ die
y>Civiitä cattolica<^ der Jesuiten in Rom, stellten dem Pontifikat Pius' IX. die
extremen Theorien zur Verfügung, die auf historischem Gebiet in heute
vergessenen und stets wertlosen aber typischen Erzeugnissen zur Fälschung
der Geschichte führten. A. griff ein. Für ihn war es selbstverständlich,
daß es keine katholische Wissenschaft, sondern nur die Wissenschaft, keine
andere Moralität als die Lehre des Evangeliums, die absolute, reinliche
Scheidung zwischen Recht und Unrecht gebe. Im Lauf seiner Forschungen
reifte bei ihm die Überzeugung, daß die Verquickung der geistlichen mit den
weltlichen Interessen, die Zugeständnisse und die Mitschuld an der Theorie
der Verfolgung um der religiösen Überzeugung willen, das schleichende Gift
im Erbe der Vergangenheit sei, von welchem sich loszusagen die nächste und
gebietende Pflicht der Katholiken ist. Er schrieb zunächst Beiträge über die
Waldensischen Fälschungen, über die Bartholomäusnacht, über Heinrichs VIII.
Ehescheidung, über Döllingers »Papstfabeln«, über den Ultramontanismus,
lauter Beiträge in der T»Hame and Foreign Rezneiv^i, die der herrschenden
Richtung, dem Ultramontanismus, im Augenblick den Fehdehandschuh hin-
warfen, wo der Primas der katholischen Kirche in England, Kardinal Wiseman,
unter den Einfluß eines fanatischen Konvertiten, seines späteren Nachfolgers
Manning, geriet. Nach dem Münchener katholischen Gelehrtenkongreß 1863,
dem A. beiwohnte und über den er einen denkwürdigen Bericht erstattete
{»Hbtne and Foreign Review<i^, Januar 1864), erfolgte die Antwort Roms an die
Vertreter des wissenschaftlichen Katholizismus durch Veröffentlichung des
Syllabus. A. und seine Mitarbeiter fanden es angezeigt, freiwillig auf die
Fortführung ihrer Zeitschrift mit der Erklärung zu verzichten, daß sie den im
Lord Acton. ig
päpstlichen Dokument ausgesprochenen Meinungsäußerungen beizupflichten
nicht imstande sein.
Statt wie so viele seiner Glaubensgenossen die Tragweite der päpstlichen
Worte abzuschwächen, fand A. es würdiger, die rechtmäßige Autorität nicht
durch unzeitigen Widerstand zur bestimmten Verurteilung von Doktrinen
herauszufordern, deren Weiterentwicklung er im Namen der rechtmäßigen
Freiheit des Gedankens und Gewissens für den Fortschritt der W^issenschaft
im Dienste der Religion forderte. Mit dieser denkwürdigen Erklärung: »Can-
flicts with Rome<f^ (April 1864), schloß er die ^Home and Foreign Review<^ und
mit dieser Zeitschrift den Versuch, unter konfessioneller Fahne zu kämpfen.
Im ^Chronicle^ 1867 — 68, dann in der ^North British Reinew<i^ 1869 — 1871
behandelte er neben wissenschaftlichen Fragen vor allem die italienischen
Angelegenheiten und das akute Problem der weltlichen Macht des Papsttums.
Als das Konzil eröffnet wurde, überließ er es den Theologen, mit der herrschen-
den kirchlichen Richtung, die das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit wollte,
sich auseinanderzusetzen. Er ging nach Rom, um den Lauf der Ereignisse
zu beobachten und sandte nach London und München Berichte, die, unter
dem Namen »Quirinusbriefe« veröffentlicht, eine der wichtigsten und ver-
läßigsten Quellen zur Geschichte der Vorgänge 1869 — 1870 geblieben sind.
Unmittelbar nach Proklamierung des Dogmas, im August 1870, erschien A.s
»Sendschreiben an einen deutschen Bischof«, in welchem er die Minorität
des Episkopates aufforderte, der durch ihre Haltung und ihre Proteste ins
Dasein gerufenen Opposition zur Aufrechterhaltung der alten kirchlichen Ord-
nung die gesetzlichen Führer und die künftige Richtung zu geben.
Nichts von dem geschah und A. schwieg bis 1874. Dann, im November
des Jahres, erschien Gladstones Angriff auf die vatikanischen Dekrete, durch
die nach seiner Ansicht die politische Stellung der Katholiken verändert
und ihre Loyalität als englische Staatsbürger nicht mehr gesichert erscheine,
nachdem die Emanzipation ihnen nur auf die feierliche Erklärung bewilligt
worden sei, daß die päpstliche Unfehlbarkeit nicht zum Lehrbegriff ihrer
Kirche gehöre.
Gegen diesen Angriff richtete A. seine berühmten Briefe an die »Times<(i
(8., 13., 21. November, 12. Dezember 1874). Über die Tageskontroversen weit
hinausreichend, gingen sie über auf die sich bekämpfenden Auffassungen der
Religion überhaupt und gipfeln in den Sätzen: Die Doktrinen, gegen welche
u. a. auch Gladstone sich auflehnt, begannen nicht mit dem Vatikanum. Als
der Testeid abgeschafft wurde, besaß der Papst die gleiche Macht und das-
selbe Recht wie heute, Fürsten abzusetzen, die seine Autorität verwarfen.
Die von Rom am meisten geschätzten Schriftsteller verkündeten die Doktrin
als eine Glaubenslehre; ein moderner Papst hat erklärt, sie könne nicht ohne
Makel der Häresie abgelehnt werden und er hat diejenigen, die seine Autorität
in zeitlichen Dingen in Frage stellten, schlimmer genannt als solche, die sie
in geistlichen Dingen verwarfen. Dafür sind Menschen mit dem Tode be-
straft worden, ganz ebenso wie andere für Gotteslästerungen und Atheismus.
Die jüngsten Dekrete haben diese Strafverfahren weder verschärft noch leichter
anwendbar gemacht. Für ein System, das nie in seiner Vollständigkeit zu
ihrer Kenntnis gekommen ist, für theologische Meinungen, deren Vorhanden-
sein ihnen kaum glaubwürdig erscheinen würde, können die Katholiken in
2*
20 Lord Acton.
ihrer Gesamtheit nicht verantwortlich gemacht werden. Nicht nur die Un-
gunst der Zeiten, sondern die Natur der Dinge hat den Katholizismus vor
den Konsequenzen solcher Theorien bewahrt. A.s Auseinandersetzung geht
zu historischen Tatsachen aus der Geschichte der Jahrhunderte über, um
den Beweis zu erbringen, daß nicht etwa Abtrünnige oder Feinde, sondern ka-
tholische Völker und Fürsten, Irländer, Spanier, Philipp II. und Jakob II. mit
den päpstlichen Trägern des Systems in Konflikt gerieten: »Keine Gegen-
seitigkeit des Vertrauens«, schreibt A., »ist möglich zwischen einem Mann,
der, mit der überwältigenden Mehrheit katholischer Schriftsteller, die Grund-
sätze der Moralität anerkennt, und einem Mann, der auf die Kunde, Pius V.
habe Königin Elisabeth zu ermorden befohlen, sich der Aufgabe unterzieht,
den Dekalog neu zu interpretieren. Ich beschwöre meine Glaubensgenossen,
mit welchen die Gemeinschaft mir teurer ist als das Leben, sich ernstlich die
Frage zu stellen, ob etwa die Gesetze der Inquisition nicht ein Ärgernis und
ein Schmerz für ihre Seelen sind?«
A. war vierzigjährig, als er diese Botschaft in die Welt sandte. Eine
glänzende Zukunft schien ihm gesichert. Durch persönliche Bedeutung noch
mehr als durch Abkunft und Stellung konnte er eine führende Rolle im
öffentlichen Leben beanspruchen. Bereits 1859 vertrat er den irischen Wahl-
kreis Carlow im Parlament und schloß sich, wie alle Katholiken Englands
und Irlands, der liberalen Partei an. Nachdem er 1865 einen englischen
Wahlsitz verloren hatte, verlieh ihm Gladstone 1869 die Pairs würde, unter
dem Titel eines Baron Acton. Aber er war kein Redner und den Partei-
programmen unterwarf er sich nicht. Niemand, äußerte er, stimmt mir bei
und ich vermag den andern nicht beizustimmen. Ebensowenig lockte ihn
der Ehrgeiz. Im Jahr 1873 stand ihm der Berliner Botschafterposten offen.
Er schlug ihn aus. Allen weltlichen Ehren zog er das ernste Gelehrtendasein
im Familienleben vor, das er durch die Ehe mit Gräfin Marie zu Arco-Valley
seit 1865 begründet hatte. Man erwartete von ihm ein großes Werk, eine
Geschichte der Freiheit, dessen Grundzüge die meisterhaften Vorträge, die
er 1877 in der kleinen Provinzstadt Bridgnorth hielt, entworfen hatten. In
England, in Südfrankreich, während Aufenthalte zu Cannes und in Bayern, zu
Tegernsee, wo er einen Teil jedes Sommers zuzubringen pflegte, wußte man
ihn damit beschäftigt. Mit den Besten seiner Zeit blieb er fortdauernd im
Verkehr. Einzelarbeiten von ihm, wie der Essay über »Deutsche Geschichts-
schulen« (1886), ein anderer über »Döllingers historisches Werk«, 1890 und
in dessen Todesjahr geschrieben, die Beiträge zur ^English Historical Review^i^,
die er 1886 ins Leben rief und mit kontinentaler Geschichtswissenschaft in
enger Fühlung erhielt, zeigten, was er konnte. Ungezählte Entwürfe von
Büchern und Arbeiten anderer, die ihm zur Durchsicht unterbreitet wurden,
gingen verändert aus seiner Hand hervor. Mit nie versagendem Interesse,
mit einer geradezu unerschöpflichen Kenntnis selbst des kleinsten Details
aller einschlägigen Literaturen in Büchern und Archiven, gebot er über eine
Sachkenntnis, die bei den Empfangenden den Eindruck hinterließ, der Stoff,
den sie gewählt hatten, sei der Gegenstand seiner eigenen Forschung. Die-
selbe Bereitwilligkeit, aus dem Schatz seines Wissens zu geben, trat im Um-
gang mit ihm zu Tage. Obwohl im allgemeinen schweigsam, konnte er der
anregendste Gesellschafter sein, und die feine Ironie, der Ideenreichtum seines
Lord Acton. 21
Gesprächs und die charakteristische Eigenschaft, daß er für alles Zeit und
Interesse fand, machten die mit ihm verbrachten Stunden seinen Freunden
unvergeßlich. Das Werk aber, das sie von ihm erwarteten, erschien nicht.
Es soll nicht verschwiegen werden, daß seine ungeheure, rezeptive Fähigkeit
mit zunehmenden Jahren seine Schaffenskraft lähmte, daß die Fülle des Ma-
terials ihm die Gestaltung zu einem einheitlichen Werk erschwerte und daß das
Auftauchen immer neuer Probleme ihn dazu verlockte, lieber einsam weiter
zu forschen, als einzelnes zu verarbeiten. Andere Gründe kamen hinzu. Die
Literatur als solche, t art pour T art, schätzte und kannte er, ohne sich ihr hin-
zugeben. Seine Welt war die des Gedankens und vor seiner Seele stand ein
Ideal des abstrakten Guten, das er ohne Rücksicht auf praktische Ergebnisse
hochhielt. Die kürzlich, 1904, von ihm veröffentlichten »Briefe an Mary,
Tochter des W. E. Gladstone«, lassen keinen Zweifel darüber. Seit 1870 hatte
er sich dem großen Staatsmann der liberalen Partei angeschlossen. Er glaubte
an ihn, er trieb ihn voran, und Gladstones radikale Politik hatte seine volle
Unterstützung. Aus diesen Briefen, die so viel Merkwürdiges enthalten, geht
klar hervor, daß A. an die Fähigkeit der Irländer, sich der ihnen von Glad-
stone gewollten Zugeständnisse zum Heil ihres Landes zu bedienen, nicht
geglaubt hat. Desungeachtet befürwortete er ihre völlige wirtschaftliche und
politische Emanzipation. Auch nach der Wendung, die zur Aufrechterhaltung
der Integrität des Britischen Weltreichs, zur Verwerfung von Home Rule und
zum Imperialismus führte, bis zum Ende seines Lebens, vertrat Lord A. eine
politische Richtung, die den Burenkrieg unter anderem verurteilte und den
historischen Beruf Englands, seiner Machtstellung in der Welt, die Forderungen
der Freiheit, ohne Rücksicht auf Parteiinteressen und ohne Zugeständnisse
an die nationalen Aufgaben entgegenstellte. Ganz dieselbe absolute Wertung
von Menschen und Dingen drohte, ihn 1880 fast seinem geliebten und ver-
ehrten Lehrer Döllinger zu entfremden. In einem Brief an seine Korrespon-
dentin fiel die Äußerung über Döllinger: »Milde Klarheit vermehrte sich bei ihm
mit den Jahren, obwohl sie Jahre des Konfliktes und des großen Schmerzes
gewesen sind, wie Mähner, die nicht für sich leben, ihn um der Sache willen
empfinden, für die sie gelebt haben. Auch Starkmut, obwohl in geringerem Maß
und des Fehlers wegen, der einem andern großen Manne (Kardinal Newman ist
gemeint) anhaftet. Aus einem Gefühl der Würde und der Liebe weigert er
sich, alles Schlimme, das im Menschen ist, zu sehen, und in der Absicht,
immer liebevoll, edelmütig und der sicheren Seite zugeneigt zu bleiben, ist
er nicht immer bestimmt in seinen Definitionen, noch konsequent in der An-
wendung von Grundsätzen. Er sucht die Ursachen der Meinungsunterschiede
in spekulativen Systemen, in mangelnder Kenntnis, in allem eher als in sitt-
lichen Gründen, und das trennt mich von ihm durch einen Abgrund, der
beinahe zu tief für Sympathie ist.« Für die Sünden und Irrtümer, mit einem
Wort, die unter dem Vorwand, das Gute zu fördern, begangen worden sind,
ließ A. keine Milderungsgründe gelten. Von dieser unerbittlichen Strenge
bleiben seine Weltanschauung und sein historisches Urteil bestimmt.
Eine Hofstelle politischen Charakters war alles, was Gladstone seinem
treuesten Anhänger zu geben fand. Erst Lord Rosebery durchbrach das lange
herrschend gebliebene protestantische Vorurteil und berief den Katholiken
Lord Acton 1895 als Regius Professor der modernen Geschichte nach Cam-
22 Lord Acton. Belcredi.
bridge. Dreißig Jahre früher hätte die Ernennung seinem Schicksal einen
anderen Inhalt gegeben. Auch jetzt noch empfand der Sechzigjährige die
Genugtuung als die einzige Gunst, die er gewünscht hatte. Mit dem Vortrag
»über das Studium der Geschichte« eröffnete er seine Lehrtätigkeit. Noch
sechs Jahre hindurch unterrichtete er seine akademische Jugend nach den
strengen Methoden, die er von Deutschland empfangen hatte. Er las über
die französische Revolution, über neuere Geschichte im allgemeinen. Er gab
die reifen Früchte eines phänomenalen Wissens, einer tiefen Begeisterung, eines
nimmermüden Forschergeistes. Er schulte seine Zuhörer zur Einsicht, daß
weder Partei, noch Nationalität, noch kirchliches Bekenntnis den Dienst
der Wahrheit beeinträchtigen dürfen; er lehrte sie Achtung und Verständnis
für gegnerische Anschauungen; Vorsicht, Prüfung und Selbständigkeit in der
Beurteilung derjenigen, mit welchen sie übereinstimmten. Er gab und er-
wartete die Leistungen einer hohen Kultur, die auf Vornehmheit der Gesinnung,
auf edle, reine Lebensführung und Urbanität nicht weniger Wert wie auf
geistige Vorzüge legte. Ein längst gehegter Plan näherte sich zu Cambridge
der Ausführung. Lord A. entwarf dort das Programm, und berief, vornehm-
lich in England, aber auch in Amerika und auf dem europäischen Kontinent
die berufensten Kräfte zur Mitarbeit an einer Universalgeschichte von der
Entdeckung Amerikas bis auf die Gegenwart, -^^The Cambridge History.^ Das
Werk ist auf zwölf Bände berechnet und der Stoff in einzelne Abschnitte
gesichtet. Wen der Umfang der Aufgabe und die Größe des Unternehmens
schreckte, den beruhigte ein Kollege des Regius Professor, Armstrong, der
Historiker Karls V., mit den Worten, wenn alles versagen sollte, sei Lord A.
imstande, die Niederschrift der zwölf Bände allein zu übernehmen. Doch
es war zu spät, zu spät um mindestens ein Jahrzehnt. Unter der Last ge-
häufter Aufgaben brach die Kraft des starken Mannes zusammen. Er lag seit
Monaten zu Tegernsee in deutscher Erde gebettet, als seine treuen Genossen
den Anfangsband der * Cambridge History* unter seinem Namen als Heraus-
geber 1903 veröffentlichten. Das Geschichtswerk im großen Stil bleibt das
Denkmal seines Geistes, eine Mahnung an die um ihn trauernde Jugend, die
Fackel weiter zu reichen und im Dienste der Wahrheit und Gerechtigkeit das
Reich Gottes auf Erden unter dem Zeichen des Kreuzes in Freiheit vorbereiten
zu helfen. Das ist Lord Actons Vermächtnis an die Zukunft und sichert ihm,
der für eine Idee gelebt hat, die bleibende Stelle im Reich der Ideen und
in der Welt des Guten. Lady Blennerhassett.
Belcredi, Richard Graf, Staatsmann, Präsident des österreichischen Ver-
waltungsgerichtshofs, * 12. Februar 1823 zu Ingrowitz, f 2. Dezember 1902
zu Gmundcn. — Die Familie Belcredi stammt, wie der Klang des Namens
andeutet, aus Italien, ist aber schon lange in der österreichischen Monarchie
ansässig und in Mähren begütert. Ebenda wurde im Schlosse zu Ingro-
witz an der böhmischen Grenze der Mann, dem diese Zeilen gelten, geboren
als Sohn des Grafen Eduard und der Gräfin Marie Belcredi (geb. Gräfin Fünf-
kirchen). Die Kinderjahre verbrachte Graf Richard B. im elterlichen Hause,
die Mittelschuljahre (Gymnasial-Studien, philosophischer Kurs) in dem seinem
Heimatsorte nahen böhmischen Städtchen Leitomischl. Dem dortigen Gym-
nasium, von den Piaristen geleitet, und manchem seiner damaligen Lehrer,
Belcredi.
23
z. B. dem P. German, bewahrte B. noch in späteren Jahren warmes Erinnern.
Da nach dem Tode seines Vaters die verwitwete Mutter nach Prag über-
siedelte, absolvierte er dort die Universitätsstudien (Jura) und trat ungewöhn-
lich jung — mit 19 Jahren — in den Staatsdienst, zunächst beim Kreisamte
in Brunn. Sowohl Fähigkeit als Lust zur Arbeit hatte der jugendliche Kandi-
dat in ungewöhnlich hohem Maße und brachte diese und andere gute Eigen-
schaften eines jungen Beamten so zur Geltung, daß er von seinen Vorgesetzten
mit Vorliebe zu Vertrauens-Aufgaben verwendet wurde. Die Urlaubszeit ver-
brachte B. im Kreise der Seinigen und zeigte so schon in der Jugend den
ernsten und gemütsvollen Mann, dem die Arbeit die liebste Beschäftigung,
das Familienleben die liebste Erholung ist. Im Jahre 1848 wurde B. bei der
Kreisbehörde in Olmütz angestellt. Der damalige Landeschef Graf Rudolf
Stadion gab den jungen Staatsbeamten, die adeliger Abkunft waren (ob
allen oder nur einigen, weiß ich nicht) den .seltsamen Rat, aus dem Dienste
zu treten, weil er meinte, die Anwesenheit aristokratischer Beamten könnte
die Demokraten reizen. — B. verließ den Dienst; seine schon damals ange-
griffene Gesundheit ließ übrigens eine ausgiebige Kur ratsam erscheinen, und
so verbrachte er ein Jahr in Gräfenberg, wo der berühmte Prießnitz persön-
lich ihn in seine naßkalte Behandlung nahm. Etwas später kam B. nach
Gleichenberg, dann im Jahre 185 1 nach Graz; der letztere Ort sagte ihm zu,
er ließ sich häuslich nieder und blieb einige Jahre dort. In doppelter Be-
ziehung wurde der Aufenthalt in der lieblichen Stadt, die damals noch weit
idyllischer war, als heute, bedeutungsvoll für B.s kommende Lebensjahre. —
Er begründete dort sein häusliches Glück durch seine im Jahre 1854 voll-
zogene Vermählung mit Baronin Anna Weiden, Tochter des Feldzeugmeisters
Baron Ludwig Weiden. Mit seiner Gattin, welche ihm einen Sohn und zwei
Töchter schenkte, lebte B. durch fast ein halbes Jahrhundert in innigster
Liebe vereint. Allein noch eine zweite Verbindung, der er ebenfalls bis zum
Ende treu blieb, hat B. in Graz geschlossen. Durch das consilium abeundi
seiner Vorgesetzten zu unfreiwilliger Muße verurteilt, dabei erfüllt von Tätig-
keitsdrang und Wißbegierde, widmete er sich ganz den Wissenschaften, be-
suchte, obwohl über die gewöhnlichen Hochschuljahre und Hochschulkennt-
nisse lange hinaus, fleißig die Vorlesungen an der Grazer Universität, und
studierte nach Herzenslust, was ihn eben zumeist fesselte: das war wohl vor
allem Philosophie, Geschichte, auch Mathematik. Rechtsphilosophie hörte er
bei Ahrens, allgemeine Geschichte bei J. B. Weiß, Kulturgeschichte bei Wein-
hold. Dieser Neigung zu gelehrten Studien blieb B., so gut es ging, auch
während seiner Beamtenlaufbahn treu, und diesem edlen Zeitvertreib huldigte
er noch insbesondere in den letzten Lebensjahren, trotz des leidenden Zu-
standes seiner Augen, der ihm das Lesen bisweilen sehr erschwerte. Im Jahre
1855 kehrte er wieder in den Staatsdienst zurück und trat den Posten eines
Kreishauptmanns in Znaim (Mähren) an, im Jahre 1860 wurde er zum Chef
der politischen Verwaltung in Schlesien ernannt. Beim Beginn der konsti-
tutionellen Ära im Jahre 1861 wurde B. von dem schlesischen Großgrundbe-
sitz in das Abgeordnetenhaus des Reichsrats gewählt, wo ihm gar bald seine
Teilnahme an den Arbeiten und Kämpfen der damaligen Zeit einen hervor-
ragenden Platz sicherte. Insbesondere trat er in der Debatte über das Lehens-
wesen in den Vordergrund; in Schlesien und dem ihm wohlbekannten Mähren
24 Belcredi.
hatten sich die Feudalitätsverhältnisse in ganz eigentümlicher Weise heraus-
gebildet, und B. hatte, mit seinem lebhaften Interesse für derlei geschicht-
liche Bildungen sich schätzenswerte Kenntnisse auch in dieser Richtung er-
worben. Auch über die Stellung der Kirche zum Staate hatte B. eine be-
deutungsvolle Rede gehalten; ferner sprach er sich gegen die von Schmerling
aufgestellte Behauptung aus, daß Ungarn durch den Aufstand seine alten ver-
fassungsmäßigen Rechte verwirkt habe. Er nahm schon damals die Stellung
eines ausgesprochen katholisch-konservativen Politikers ein, der seine Anschau-
ungen stets in maßvoller Weise vertrat. Im Jahre 1863 wurde B. zum Vize-
präsidenten des k. k. Statthalters in Böhmen, im folgenden Jahre zum Statt-
halter ebendort ernannt. Auf allen diesen verschiedenen Posten hat B. sich
als gewissenhafter und rühriger, von den besten Absichten geleiteter, dabei
scharfsichtiger und hochgebildeter Beamter bewährt.
Als im Jahre 1865 Schmerling demissionierte, wurde B. als Staatsminister
zu seinem Nachfolger berufen. Er trug anfänglich schwere Bedenken, das
Amt anzunehmen. Ungarn verharrte in passivem Widerstände gegen die
Februar-Verfassung und von der Unbezwinglichkeit dieses Widerstandes war
B. überzeugt; auch in den übrigen Königreichen und Ländern der Monarchie
war es zum Teil gelungen, die Verfassung durchzuführen; die Finanzen waren
in keineswegs gutem Zustande; die nationalen Zwistigkeiten, wenn auch noch
nicht so intensiv entbrannt wie heute, gaben schon damals Anlaß genug zu
schwerer Sorge. Allein dem ausgesprochenen Wunsche seines Monarchen
und dem Zureden des Ministers Grafen Moriz Esterhäzy gab er schließlich
nach, und übernahm das Amt, welches die größten Schwierigkeiten mit
sich brachte, nicht nur in politischer Richtung, sondern auch durch die
Häufung der Geschäfte, denn damals war mit dem Staatsministerium auch
die Leitung des Kultus- und Unterrichts-Ressorts, sowie das Polizei-Mini-
sterium und der Vorsitz im Ministerrat verbunden. Nur die ungewöhnliche
Arbeitskraft und der eiserne Fleiß B.s konnte dieser Aufgabe nach ihrer
materiellen Seite hin gerecht werden. — Wenn er in politischer Beziehung
nicht den erwünschten Erfolg hatte, so lag dies an den äußern, mehr als
ungünstigen Verhältnissen !
Die Sistierung der Verfassung und die Niederlage zu Königgrätz — dies
sind die zwei Vorwürfe, welche B. von vielen Seiten gemacht wurden. Es kann
nicht die Aufgabe einer biographischen Skizze sein, die Grundhältigkeit beider
Vorwürfe genau zu untersuchen. Allein ebensowenig kann ich verschweigen
wollen, daß tatsächlich schwere Anklagen dieser Art gegen B. erhoben wur-
den; und ebensowenig darf ich meine eigene Ansicht über diese Anklage ver-
bergen. Sie geht dahin, daß B.s Gegner ihn mit beiden Vorwürfen, ganz beson-
ders aber mit dem zweiten, entschieden Unrecht getan haben! — Die im Sep-
tember 1865 erfolgte Sistierung der Verfassung hatte im wesentlichen einen
deklaratorischen Charakter. Was unter seinem Vorgänger bereits bekannt war,
sprach B. durch die Sistierung offen aus, nämlich, daß die Verfassung in der
Form und Au.sdehnung, in der sie gedacht war, nicht durchgeführt werden
konnte. Der Widerstand, insbesondere von ungarischer Seite, war zu stark.
Indem B. nicht die Aufhebung sondern die Sistierung bewirkt, deutet er viel-
leicht darauf hin, daß die lebensfähigen PLlemente der Verfassung geschont
und künftig verwertet werden sollen; jedenfalls wollte er, wie seine eigenen
Belcredi. 2 5
Worte lauteten, die Bahn frei machen, um endlich den unbedingt nötigen Aus-
gleich mit Ungarn zu ermöglichen, dabei aber auch, wie es weiter in jener
Kundgebung hieß, den »gleichgewichtigen Stimmen« der übrigen Königreiche
und Länder bei der Neuordnung der staatsrechtlichen Zustände Geltung zu
verschaffen. Ob die Aufgabe unter anderen, günstigeren Umständen ge-
löst werden konnte, haben wir heute nicht zu entscheiden. Daß aber der
Gedanke, die Repräsentanten aller unter Habsburgs Szepter lebenden Völker
zu friedlicher Verhandlung und freiwilliger Einigung heranzuziehen, etwas
großes und schönes in sich hatte, sollte doch nicht geleugnet werden. Auch
das soll heute nicht entschieden werden, ob der Plan, einen außerordentlichen
Reichsrat einzuberufen und demselben das Operat des Ausgleiches mit Un-
garn vorzulegen, durchführbar war, obwohl ich glaube, daß der von B. einge-
schlagene Weg der einzig richtige war, oder doch der, auf welchem wenig-
stens relativ gute Chancen für die Lösung einer, .allerdings außerordentlich
schweren Aufgabe zu finden waren. Es ist schwer, diese Ansicht weiter darzu-
legen und ihre Richtigkeit durch zwingende Beweise darzutun. Nur soviel
möchte ich in tatsächlicher Richtung bemerken, daß B. seinerseits die Schmer-
lingsche Rechtsverwirkungstheorie und Zentralisation perhorresziert, anderer-
seits aber jenen Dualismus, wie er seither in Erscheinung getreten ist, ge-
fürchtet hat. Ihm galt die pragmatische Sanktion nicht bloß als historische
Tatsache, sondern als immanentes Lebensprinzip unserer Monarchie, die
Schwierigkeit lag für B. wie für seine Vorgänger und Nachfolger in Ungarn ;
den Ungarn aber wollte er mehr als Schmerling, weniger als Beust gewähren ;
nun kann man aber heute nicht mehr bestreiten, daß die Ungarn für die
Schmerlingsche Verfassung nicht zu haben waren; und daß der von Beust
inaugurierte Dualismus sich vollständig bewährt habe, kann, insbesondere nach
den Ergebnissen der jüngsten Zeit, wohl kaum behauptet werden I — Ein
g^:^z unberechtigter Vorwurf aber war es, nun gerade den Mann, dessen ganzes
Programm auf dem sorgfältigsten Abwägen, Vergleichen und Ausgleichen wech-
selseitiger Rechtsansprüche beruhte, des absichtlichen Rechtsbruches zu be-
schuldigen. Gleich ungerecht war oder ist der Vorwurf gewalttätiger Reaktion:
den Mann, welcher hoffte und ehrlich dahin strebte, die Schwierigkeiten durch
offene Aussprüche und freiwillige Verständigung unter den Völkern der
Monarchie zu beseitigen, mag man, wenn man will, einen Idealisten nennen,
ein Reaktionär war er gewiß nicht. — W^as den Vorwurf betrifft, B. habe
die Monarchie in den Krieg mit Preußen verwickelt, scheint mir die Wider-
legung durch die offen vorliegenden Tatsachen gegeben. Ich will nicht ein-
mal besonderes Gewicht auf den bekannten Umstand legen, daß mit der
Kriegsgefahr schon vor B.s Berufung zum Minister gerechnet wurde, ja daß
der Krieg vielen als wahrscheinlich, wo nicht als unvermeidlich galt; ein
kurzer Rückblick auf die geschichtlichen Tatsachen genügt ja, um sich da-
rüber klar zu werden, daß ein, ausschließlich mit Angelegenheiten des Innern
betrauter, im Sommer 1865 ernannter österreichischer Minister unmöglich ent-
scheidenden Einfluß für oder gegen den Krieg nehmen konnte. Der Hinweis
auf die einander gegnerische Haltung der beiden deutschen Großmächte ge-
legentlich des Frankfurter Fürstentages — um von viel älteren Gegensätzen
zu schweigen — zeigt doch deutlich, daß wenn der casus belli erst im Jahre
1866 auftaucht, die causa belli viel älter war, und viel tiefer lag. Poschingers
26 Belcredi.
Aufzeichnungen, die Denkwürdigkeiten des Fürsten Bismarck — aus der großen
Literatur seien uns diese zwei wichtigen Quellen genannt. Sie sind allge-
mein zugänglich, und wer sie benutzen will, wird zugeben müssen, daß es
wahrlich nicht der Einflüsse B.s bedurfte, um den Kampf zwischen den beiden
alten Rivalen hervorzurufen; um ihn zu hindern, hätte er ein Wunder-
täter sein müssen! — Daß aber speziell in B.s innerer Politik irgend eine
Ursache oder auch nur ein Anlaß, je ein Vorwand zum Kriege gefunden
werden konnte, darf gewiß nicht behauptet werden. B. faßte, wie erwähnt,
die Monarchie als das Österreich der pragmatischen Sanktion auf, als ein aus
virtuell gleichberechtigten Ländern bestehendes Reich, in welchem kein Volks-
stamm als solcher rechtlich vor dem andern bevorzugt war; — wenigstens
diesseits der Leitha. Nicht mit diesem Österreich aber hat Preußen Krieg
geführt, sondern mit dem spezifisch deutschen, d. h. die Vormacht im
Bunde haltenden Österreich. Ohne daß zunächst die innere Politik den Krieg
herbeiführen konnte, war doch, zwischen zweien, ein germanisierendes,
seinen deutschen Charakter stark hervorkehrendes Österreich bedenklicher
und gefährlicher für den deutschen Rivalen, als ein Österreich der nationalen
Gleichberechtigung! — Daß, wie beispielsweise Friedjung in seinem bekannten
Werk »Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland« sagt, B. auf die
Entscheidung durch die Waffen hingedrängt habe, ist, wenn es richtig ist,
doch nur cum grano salis zu nehmen. H. Friedjung selbst gibt zu, über die
internen Vorgänge im österreichischen Kabinet nicht vollständig unterrichtet
zu sein, und zwar insbesondere in bezug auf die Tage in der dritten Woche
des Monats April 1866, die er als besonders kritische Tage bezeichnet; gewiß
mit Recht, aber damals waren die Dinge schon so weit gediehen, daß ich,
ohne mich in eine Polemik mit einem gelehrten Historiker von dem Range
Fried Jungs einzulassen, doch an meiner Meinung festhalten muß, daß die
Haltung eines österreichischen mit der Leitung der äußeren Politik nicht be-
faßten Ministers keinen entscheidenden Einfluß auf den Krieg gehabt haben
wird. Gerade Friedjungs Verdienst ist es, im Zusammenhange dargestellt zu
haben, auf welcher Seite die dämonische Kraft lag, welche den Krieg von
langer Hand gewollt, geplant und durchgeführt hat. Im Frühjahr 1866
konnte man vielleicht den Kampf noch ein wenig hinausschieben — dauernd
zu verhindern war er schwerlich! — Nach dem Kriege wurden die Verhand-
lungen der Regierung mit Ungarn neuerdings aufgenommen. B. hielt an
seinem Programm fest, er blieb dabei, die ungarische Verfassung anzuerkennen,
aber die Reichseinheit möglichst zu schonen, das Abkommen mit Ungarn
aber dem außerordentlichen Reichsrat vorzulegen. Die Verhandlungen waren
vor dem Kriege vornehmlich zwischen B. einerseits und mehreren hervor-
ragenden ungarischen Politikern andererseits geführt worden. Da sie nach
dem Kriege fortgesetzt wurden, traten neue Persönlichkeiten hervor. Früher
waren es vornehmlich Altkonservative gewesen, an welche sich B. gewendet
hatte, wie Georg O. Mailäth, Jennyey, welche zum Teil von Franz D^ak be-
einflußt sein mochten; nach dem Kriege erschien der zu immer größerem
Einflüsse gelangende Graf Andrässy, ein Liberaler, auf der Bildfläche; auf
österreichischer Seite trat in die Verhandlungen der den ungarischen Forde-
rungen mehr als B. entgegenkommende frühere Botschafter Baron Hübner
ein; entscheidendes Gewicht warf insbesondere Graf Beust in die Wagschale.
Belcredi. 27
Andrdssy versuchte vergeblich, B. zu einem raschen und definitiven Abschluß
zu drängen, verhandelte dann mit Beust, und so geschah es, daß B. unter-
lag, der Ausgleich geschlossen, der außerordentliche Reichsrat aber nicht ein-
berufen wurde. Damit war der Monarchie jene dualistische Gestaltung ge-
geben, welche B. als entschiedener Vorkämpfer ihrer Einheit stets perhorres-
ziert hatte, und er gab seine Demission ein. Man erzählt, D^ak selbst sei über
das Maß des den Ungarn Gewährten erfreut, aber überrascht gewesen; wie
weit Hübner hatte gehen wollen, ist schwer fetzustellen, gewiß ist es, daß er
mit der schließlich eingetretenen Wendung der Dinge nicht einverstanden
war. Mit welcher Festigkeit und Gewandtheit B. seinen Standpunkt verfochten
hatte, geht sowohl aus den Memoiren des Grafen Beust, als aus dem Tage-
buch des auf ungarischer Seite an den Verhandlungen teilnehmenden H. von
Lönyay hervor. Nachdem B. demissioniert hatte, traf ihn das Los so vieler
gestürzten Größen; viele kehrten ihm den Rücken, doch D^ak ehrte den
alten Gegner, dessen volle Loyalität und geistige Potenz er kennen gelernt
hatte, durch einen feierlichen Besuch. B. zog sich nun ins Privatleben zu-
rück und lebte in seiner Villa in Gmunden den geliebten Studien. Die
einzige Unterbrechung dieser stillen Existenz bestand in seiner Teilnahme
an den Verhandlungen des sogenannten Hohenwartschen Landtags, die im
Jahre 187 1 zu Prag stattfanden, wo er jedoch wenig hervortrat. Erst im Jahre
1881 wurde B. dem öffentlichen Leben wiedergegeben, da er von S. Maj. dem
Kaiser zum ersten Präsidenten d. k. k. Verwaltungsgerichtshofes ernannt und
kurze Zeit darauf in das österreichische Herrenhaus als lebenslängliches Mit-
glied berufen wurde. B. führte sich als Präsident mit einer vor dem Gre-
mium des Gerichtshofes gehaltenen Ansprache ein, welche von seiner hohen
und ernsten Auffassung des Rechtes und des Richterstandes, von seiner idea-
len Gesinnung lebendiges Zeugnis gab. Sehr eifrig in der Erfüllung seiner
Amtspflichten, dabei gerecht und wohlwollend, hatte er gar bald das volle
Vertrauen des Richterkollegiums gewonnen. Unermüdlich in jeder Art von
geistiger Arbeit, dabei oft im Lesen und Schreiben durch sein Augen-
leiden gehindert, war er stets sehr zufrieden, wenn eine von ihm präsi-
dierte Sitzung recht lange dauerte, wenn der verhandelte Rechtsfall recht
gründlich durchgesprochen, von jeder möglichen Seite beleuchtet wurde, wo-
ran er gerne ausgiebigen Anteil nahm. Was von vielen andern als Last
empfunden wird, galt ihm als angenehmster Zeitvertreib. Im Herrenhause
stimmte er zumeist mit der Rechten (konservativen Partei), ohne jedoch dieser
oder jener Gruppe jemals anzugehören. Wiederholt ergriff B. das Wort, und
seine Reden wurden immer als wertvolle Beiträge zur Debatte geschätzt und
von allgemeiner Aufmerksamkeit begleitet. Auch in seinen Parlamentsreden
zeigt B. sich stets als warmer Vaterlandsfreund, als hochgebildeter erfahrener
Mann und als vorzüglicher Dialektiker. Sein Vortrag war fließend und vor-
nehm, sein Gedächtnis bewundernswert. Ich erinnere mich eines einzigen
Augenblicks, in dem er ein wenig im Reden stockte; und, höchst bezeichnend,
stockte er nur deshalb, weil er ein Zitat ausnahmsweise vorlesen wollte;
wenn er sich auf sein Erinnern verließ, begegnete ihm so was nie! — Manches,
was er ad verbum genau zitierte, hatte er nur einmal gelesen. Am meisten inter-
essierten ihn wohl die mit dem Unterrichtswesen zusammenhängenden Fragen,
doch sprach er über die verschiedensten Dinge, und .niemals ohne gründliche
28 Belcrcdi.
Vorbereitung. Seine Redeweise bevorzugte, wie es im österr. Herrenhause
und ähnlich zusammengesetzten Körperschaften naturgemäß ist, das Argument
vor dem Gefühisausd rucke; doch wußte er, wenn es darauf ankam, auch ge-
waltig zu erwärmen. Als ein verdientes Mitglied der kaiserlichen Generalität
in unwürdiger Weise öffentlich angegriffen worden war, entfesselte B. mit
einigen, der Abwehr dieser Angriffe gewidmeten Worten einen Sturm brau-
senden Beifalls, wie ich ihn in dem sonst so kühlen, nüchternen Hause im
Laufe der 24 Jahre meiner Mitgliedschaft niemals vernommen habe. — Als
die Beschwerden des Alters und zunehmende Kränklichkeit sich allzu schwer
fühlbar machten, trat B. in den bleibenden Ruhestand; nach wenigen Monaten
zu seinem Nachfolger ernannt, kann ich von der Liebe und Verehrung, die
ihm alle seine Mitarbeiter nachtragen, Zeugnis geben. Gleichzeitig mit dem
richterlichen Berufe gab B. auch jede Art politischer Wirksamkeit auf und
verlebte seine letzten Jahre in seinem geliebten Gmunden. Zum dritten Male
verwandelte sich der Mann des Öffentlichen Lebens in den stillen beschei-
denen, dabei stets zufriedenen Privatgelehrten; wie schon erwähnt, hatte B.
diese Wandlung zuerst im Jahre 1848, dann 1867 durchgemacht und vollzog
sie jetzt im Jahre 1895 zum letzten Male. Zahlreiche Freunde und Verehrer,
zu welchen sich der Schreiber dieser Zeilen rechnet, empfanden sein Scheiden
von Wien, und noch viel mehr sein im Jahre 1902 erfolgtes Scheiden aus
dem irdischen Dasein als schweren Verlust; B. war trotz seiner Gelehrten-
neigungen gesellig veranlagt, freute sich über jeden Besucher, mit dem er
ernste Dinge besprechen konnte, und wußte interessant zu reden. Aus dem
Schatze der Erinnerungen seines reichbewegten Lebens, aus dem Vorrate
edler Blüten und Früchte, die er in den Gärten der Wissenschaft gepflückt
hatte, teilte er gerne mit. Dabei traten stets die philosophische Auffassung
und das menschenfreundliche Wohlwollen B.s zu Tage. Schon während seiner
Amtszeit hatte B. sein lebhaftes Interesse an der königlichen Wissenschaft
betätigt; soviel ich mich erinnern kann, bezeichnete er in einem, an einen
damals tagenden Philosophentag gerichteten Schreiben Krause als den Philo-
sophen seiner Wahl; er war ein Bewunderer, aber kein Anhänger Hegels.
Als Statthalter in Prag war er wiederholt berufen, bei feierlichen Universitäts-
Aulen zu erscheinen. Als er einst bei einer Promotio sub auspiciis Impcratoris^
nach altem Brauche, eine lateinische Rede zu halten hatte und einer seiner
Beamten ihm andeutete, das Konzept werde von gelehrter Seite bei solchen
Anlässen diskret geliefert, erwiderte er, er wolle schon selbst dafür sorgen, und
hielt zum Staunen der gelehrten Hörer eine selbstverfaßte Rede im klassischen
Latein. Der Gelehrte und der Philosoph, aber auch der Menschenfreund und
wahre Christ, dem das Gebot der Nächstenliebe in Fleisch und Blut über-
gegangen ist, zeigt sich in der Ruhe, mit der er seine Erlebnisse, die gegen ihn
gerichteten Angriffe seiner zahlreichen Gegner besprach. Nie kam in meiner
Gegenwart auch nur ein Wort der Bitterkeit über seine Lippen; und als wir
einst über Vergangenes und Gegenwärtiges vergleichend sprachen, sagte er mit
einem mir unvergeßlichen bewegten Ernste, es sei doch schön, daß unser
Zeitalter verglichen mit früheren Epochen so barmherzig geworden sei.
Ich glaube diese Zeilen nicht besser schließen zu können, als mit diesem
Zitate, welches für B.s inneres Wesen so bezeichnend ist!
Graf Friedrich Schönborn.
Hassenstein.
29
Hassenstein, Bruno, bedeutender Kartograph, * 23. September 1839 i"
Ruhla, t 27. August 1902 zu Gotha. — Früh zur Beobachtung der Natur ge-
wöhnt und im Zeichnen geschult, trat H. mit 15 Jahren in das Geographische
Institut in Gotha ein, das eben von Petermann reorganisiert wurde. Debes
und Amthor waren seine Mitschüler, Welcker, Habenicht und andere seine
Nachfolger. Als Petermann im Jahre 1863 sein Kartenwerk über Innerafrika
herausgab, schrieb er: »Bei der Bearbeitung der mühevollen Karte habe ich
mich der Hülfe meines mir seit neun Jahren zur Seite stehenden Freundes
B. H. (den ich das Glück habe, meinen Schüler zu nennen) zu erfreuen ge-
habt, ohne dessen mehrjährigen Fleiß meine Idee nicht hätte ausgeführt
werden können.« Zu dieser Zeit handelte es sich für die Kartographie um
Aufgaben, wie sie ihr früher und später nicht gestellt worden sind. Nicht
bloß um die Fixierung von Tatsachen, sondern um die kombinatorische Aus-
füllung und Verknüpfung der Lücken war es den Männern zu tun, die selb-
ständige wissenschaftlich -kartographische Mitarbeiter eines Barth, Speke,
Schweinfurth, Junker waren. Petermann hat diese Stellung der Kartographie
in dem damaligen Zeitalter der Entdeckungen in die Worte gefaßt: »Die
topographische Aufnahmekarte ist das Höchste, was die Erdkunde hat, indem
sie die genaueste Abbildung der Erdoberfläche gibt und darum wiederum die
beste Basis für alle Kenntnis.« Es ist darin etwas Übertreibung, aber aller-
dings haben Leute wie Petermann und H. aus der Karte auch ein Werkzeug
zur Prüfung neuer Aufnahmen und Angaben gemacht. H. hat dies in vor-
trefflicher Weise in seiner Einteilung zur afrikanischen Zehnblattkarte von
1862 formuliert: »Durch die Niederlegung der Nachrichten auf der Karte
läßt sich mit ungleich größerer Sicherheit das Bessere vom Irrtümlichen unter-
scheiden, als durch bloßes Nachforschen über die Quellen.« H. hat diesen
»literarischen Charakter« der Karte, wie er ihn nannte, aufs beste ausgebildet;
öfter trägt er verschiedene Angaben nebeneinander ein, um die Differenzen
zu zeigen und zur Vergleichung anzuregen; in diesem Sinne sind zahllose
Namen und Ortslagen, Flußläufe, Völkerschaften eingezeichnet, und an manchen
Stellen findet man sogar Namen angegeben, für deren örtlichkeit einstweilen
kein Zeugnis vorlag. So war die erste große Arbeit H.s: Ostafrika zwischen
Chartum und dem Roten Meere bis Suakin und Massaua, die im fünften Er-
gänzungsheft der Geographischen Mitteilungen 1861 erschien. Man muß sich
erinnern, daß das zu einer Zeit war, wo über die Lage von Chartum und
anderen großen Orten sich die Welt noch in völliger Unbekanntheit befand.
H. fuhr fort, sich mit Afrika zu beschäftigen; sein Werk sind u. a. die vier
Karten nach den Aufnahmen der Deutschen Expedition 1861 — 62, die deren
Bericht von 1864 begleiten. Auch hier sind wertvolle »Bemerkungen« bei-
gegeben. 1865 erschien von ihm die Karte zur Reise des Fräuleins Tinne
im westlichen Nilquellengebiet. 1865 erschien das Blatt: Gebiet der Schnee-
berge Kilima-Ndjaro und Kenia mit »Bemerlwingen«, ebenso 1866 die Karte
der Wege zwischen Berber und Suakin. In derselben Zeit zeichnete H. die
Karten zu Rohlfs Reisen von Marokko nach Tuat, und durch Tuat und Tidikelt.
1866 unterbrach für kurze Zeit eine Übersiedelung nach Berlin diese Tätigkeit.
Er begann hier seine wundervollen Karten zu v. d. Deckens großem Reisewerk
zu zeichnen. Dieselben sind zu ihrem und ihres Verfassers Schaden erst 187 1
veröffentlicht worden. Manche kleine Karte ist in Berlin entstanden und
30 Hassenstein.
ZU viel Zeit widmete H. dort der Arbeit an einem systematischen Schulatlas.
1868 kehrte H. nach Gotha zurück und beschäftigte sich viel mit der Zeichnung
historischer Karten zum Historischen Atlas von Spruner und Menke. Der
Tod Petermanns 1878 änderte H.s Stellung und Aufgaben. H. übernahm nun
die Leitung des kartographischen Teils der Mitteilungen. Er redigierte zahl-
reiche Karten, deren Zeichnung jüngeren Kräften zuüel. Nach dem Tode
Behms übernahm H. die Redaktion sämtlicher Karten der Mitteilungen selb-
ständig. Unter seinen größeren Werken aus dieser Zeit sei die Vierblattkarte
zu Junkers Berichten genannt (1889), der die Bearbeitung von Emin Paschas
und Bohndorffs Berichten vorangegangen war. 1891 folgten Karten zu
Wissmanns Reisen, 1894 zu Baumanns Reisen im nördlichen Deutsch-Ostafrika.
Sven Hedins zentralasiatische Reisen 1894 — 97 gaben H. Veranlassung sich
in die Geographie Zentralasiens hineinzuarbeiten, und das Ergebnis waren
die sechs Karten im 131. Ergänzungsheft der Geographischen Mitteilungen mit
ausgezeichneten »Bemerkungen«. Die Gebirgskarte Zentralasiens zu Futterers
Studien (1896) gehört demselben Kreis an. Ein monumentales Werk für sich
ist der Atlas von Japan in i : 1 000000 (1887), den J. J. Rein als ein kritisches
und technisch ausgezeichnetes Werk rühmt. Das Lob, das die Namenschrei-
bung gerade dieser Karte gefunden hat, erinnert uns daran, daß H. diesem
so oft vernachlässigten Gegenstand die sorgsamste Beachtung gewidmet hat.
H. behandelte eben die Orts- und Völkernamen gerade so kritisch wie die
Länder- oder Flußformen; und außerdem wird man seine Karten immer daran
erkennen, daß die Schriftarten mit feinem Gefühl gewählt und dem Gelände
angepaßt sind. Es entsprach nur H.s künstlerisch-wissenschaftlicher Natur,
daß er die unvermeidliche Schrift, die so manche Kartographen mit Ärger
ansehen, ästhetisch-wissenschaftlich in die Karte einpaßte. Hervorragende
Werke der letzten Periode sind auch noch die Karten zu den Reisewerken
von Hans Meyer und Oskar Baumann 1890 und 1894.
Als H. in das Geographische Institut eintrat, hatte eben dessen Aufschwung
unter der Leitung Petermanns begonnen. An jenen Arbeiten, die geschichtlich
bleiben werden: Konstruktion und Zeichnung der Barthschen Aufnahmen und
der zahlreichen Karten zu Afrikareisen, die im Laufe der nächsten zwanzig Jahre
sich drängten, nahm H. immer selbständigeren Anteil. Gleich seinem Lehrer
war er mit dem Herzen bei dieser Aufgabe und die Gebiete, an denen er sich
früh versucht hatte, wie das äquatoriale Ostafrika, umfaßte er bis zuletzt mit
einer besonderen, rührenden Vorliebe. Als Petermann sich mehr und mehr
den Polarfragen und den damit zusammenhängenden wissenschaftlichen Dis-
kussionen und halbpolitischen Agitationen zuwandte, blieb H. dem dunklen
Erdteil treu. Und als Petermann viel zu früh seiner reichen Tätigkeit entrissen
wurde, war H. sein geborener Nachfolger in der kartographischen Abteilung
der Geographischen Mitteilungen. H. war der begabteste und tätigste Schüler
Pet^rmanns. Er hat die Überlieferungen seines Lehrers bis an das Ende seiner
Laufbahn bewährt und weitergebildet. In der Kunst der Kartenkonstruktion
auf Grund der oft unvollkommenen Routenaufnahmen und mit Berücksich-
tigung alles in der Literatur vorliegenden Materials übertraf er noch weit
Petermann, denn es lag in seiner Natur, sich viel ruhiger in die einzelnen
Aufgaben zu vertiefen. Ich möchte ihn aber doch keinen gelehrten Karto-
graphen nennen, denn die künstlerischen Intentionen halten bei ihm den
Hassenstein.
31
wissenschaftlichen das Gleichgewicht, ebenso wie er kritisch und künstlerisch
zugleich beanlagt war. Einzelne Karten H.s bieten wahrhaft ästhetische Bilder.
Er hat allerdings auch nicht die Vielseitigkeit Petermanns erreicht, denn sein
Hauptgebiet blieb Afrika, auch als er sich später Japan und Innerasien zu-
wandte.
H. hat seine ganze Tätigkeit dem berühmten Perthesschen Institut in
Gotha gewidmet. So sind die Hauptabschnitte seines Lebens bestimmt
durch die Geschichte dieser Anstalt: als Lehrling hat er die Anfänge der
Geographischen Mitteilungen mitgemacht, als Gehilfe hat er zu den glänzendsten
Leistungen Petermanns beigetragen, als Meister setzte er dessen Tradition
fort. Was sich da in der Entdeckungsgeschichte, in der Geographie und in
der Kartographie ereignete und veränderte, das warf Licht und Schatten in
dieses Leben. H. empfand es manchmal als einen Zwang, daß er an Gotha
und an das Institut gebunden war, als Mensch und Künstler hätte er in einer
großen Stadt und besonders in Süddeutschland mehr gefunden. Es gab
Momente, wo er die Tragik eines Lebens empfand, das von einem kleinen
Punkte aus die ganze Welt betrachtete und beurteilte. Doch haben wir auch
Äußerungen von ihm, die erkennen lassen, daß er recht wohl wußte, was das
Geographische Institut für ihn bedeutete. Wir können ihn uns jedenfalls nur
in dieser Umgebung und unter diesen Einflüssen so vorstellen, wie wir ihn
kannten. Allerdings war H.s Leben in Gotha äußerst einfach, ja einförmig
und bildete so einen starken Gegensatz zu seinen weltumfassenden wissen-
schaftlichen und menschlichen Beziehungen. H. besuchte gelegentlich einen
geographischen Kongreß oder Geographentag, aber die wichtigsten Abschnitte
seines Lebens in Gotha waren die Besuche der wissenschaftlichen Reisenden,
mit denen er in regem Briefwechsel stand. Einst waren Heuglin, Beurmann,
Rohlfs, Kersten seine Freunde, später traten an deren Stelle Männer wie
Junker, Emin Pascha, Oskar Baumann, Hans Meyer, Sven Hedin. H. war
eine Sammlernatur, Briefe, Bilder, ethnographische Gegenstände trug er als
Früchte dieses Verkehrs rastlos zusammen. Nicht unempfindlich für äußere
Ehrungen, dafür war er viel zu natürlich und ungekünstelt, freute er sich 1887
über den Ehrendoktor von Göttingen, 189 1 über die Karl Ritter-Medaille der
Berliner G. f. Erdkunde. Professorentitel und Ordensauszeichnungen fehlten
ihm nicht. Die zahlreichen Anerkennungen, die dem Geographischen Institut
in der ganzen Welt zuteil wurden, durfte er auch auf sich beziehen. Man
kann nicht sagen, daß sein Schaffen unanerkannt und unbelohnt geblieben
sei. H.s Gesundheit war nie kräftig gewesen und litt schon früh unter der
sitzenden Lebensweise seines Berufes und seiner Neigung. Als er am
27. August 1902 in Gotha starb, hatte er zwar Jahre schleichender Leiden
hinter sich, und die fröhliche Schaffenskraft früherer Zeiten war ihm lange
vorher entschwunden. Aber so wie sein Äußeres bis zuletzt einen jugendlichen
Zug sich bewahrte und sein mittelgroßer, schlanker, fast schmächtiger Körper
elastisch beweglich blieb, so bewahrte er sich auch innerlich die frische Farbe
und die hellen Augen der Jugend, und entglühte an neuen kartographischen
Aufgaben zum alten Schaffensdrang. Blicken wir auf sein Leben zurück, so
sehen wir zwar nichts von dem rastlosen Organisieren und Agitieren eines
Petermann, es ist aber auch nicht das stille Dasein des Büchergelehrten,
wie es sein Kollege Behm führte; H. ist vermöge seiner künstlerisch und zu-
32
Hassenstein. Gildemeister.
gleich kritisch beanlägten Natur, deren Freude Sammeln und Sichten reicher
Stoffe war, als wissenschaftlich verarbeitender Kartograph über Lehrer und
Mitstrebende hinausgewachsen. Gewissenhaftigkeit und feiner Spürsinn für
das Unbestimmte oder Unrichtige der Angaben werden uns aus seinen Karten
noch lange ebenso klar ansprechen, wie die Schönheit der Ausführung.
Bildnisse von H. brachten die Illustrierte Zeitung vom 4. September 1902 und die
D. Rundschau für Geographie 1902. Friedrich Ratzel.
Gildemeister, Otto, Dr. phil., Bürgermeister von Bremen, * 13. März 1823,
f 26. August 1902 in Bremen. — Nach vollendeten Studien in seine Heimat
zurückgekehrt, übernahm G. zunächst die Redaktion der damals gegründeten
Weser-Zeitung. Seine klaren, vornehmen und stilistisch unübertrefflichen
Artikel erregten alsbald ein weit über Bremen hinausgehendes Interesse. Seine
journalistische Tätigkeit hat er bis an sein Lebensende ausgeübt; auch als er
längst aufgehört hatte, die Zeitung persönlich zu leiten, schrieb er fast ohne
Unterbrechung wöchentlich zwei Aufsätze für sie; außerdem noch manches für
»Die Nation« und andere hervorragende Zeitschriften. Alle seine Schriften
atmen den Geist des Liberalismus, edelster Humanität und eines weisen
Sinnes für Recht und Billigkeit. 1852 wurde G. Regierungssekretär, 1857
Senator. Zu wiederholten Malen hat er Bremen im Bundesrat vertreten.
Welche Stellung, welche amtliche Obliegenheit er auch übernommen hat, stets
hat er sein Geschäft mustergültig sans phrase geführt.
Im Februar 1890 legte er sein Amt nieder; aber sein Einfluß blieb be-
stehen. Bis in sein hohes Alter hat er sich eine wunderbare Schärfe des
Gedächtnisses und der Sinne, sowie eine weltmännische Würde bewahrt, die
auch nicht durch einen Schatten von Senilität getrübt wurde. Seine letzte
Krankheit ist auch seine einzige gewesen.
Aber nicht der bremische Staatsmann, nicht der geistvolle Verfasser so
vieler hundert glänzender Leitartikel und Essays ist es, der G.s Ruhm im
deutschen Volke begründet hat und bewahren wird. Das ist der Übersetzer.
Hier steht G. einzig da. Paul Heyse nennt ihn : der Übersetzer-Gilde Meister.
Ihn in dieser Eigenschaft näher zu schildern, lassen wir einen der Nachrufe
folgen, welche die »Nation« ihm gewidmet hat.
Im Jahre 1893 wurde dem Verfasser dieser Zeilen die Ehre, zu Otto G.s
siebenzigstem Geburtstage ein Porträt des Gefeierten mit ein paar großen
Federstrichen zu entwerfen. Die Aufgabe war an sich nicht eben schwierig;
denn wesentlich von einander abweichende Auffassungen konnten nicht wohl
stattfinden; seine Züge waren so wenig von der Parteien Gunst und Haß ver-
wirrt, daß man nur das Beste zu sagen brauchte, was von einem Philosophen,
von einem still schaffenden Künstler zu sagen ist, um einer Ähnlichkeit sicher
zu sein. Nur G. selbst war oder schien wenigstens nicht der Ansicht; er
sagte: »Ihr Bild ist sehr gut gemalt; aber ich glaube nicht, daß es ähnlich
ist.« Mit der vollendeten Höflichkeit dieser Wendung hatte er dem Verfasser
ein liebenswürdiges Kompliment gemacht und doch von sich allen Anschein
abgewiesen, als ob er die Huldigung jenes Aufsatzes selbstgefällig als ge-
bührenden Weihrauchtribut einschlürfe. Wir jedoch sind nach wie vor weit
mehr als von der guten Malerei von der Ähnlichkeit des Porträts überzeugt
Oildemeister.
33
und finden auch nicht einen Punkt, wo wir nun, nachdem er in die Ewigkeit
gegangen, mit etwaigen Retouchen noch nachzuhelfen hätten.
G.s Person war, da er ja sein Bremen fast niemals zu verlassen pflegte
und er, wie Kant, der äußeren Umgebung kaum einen Einfluß auf sein Geistes-
leben einräumte, sondern die Welt nur durch ein Fernglas zu betrachten ge-
wohnt war, den weiten Kreisen des Publikums fast unbekannt; selbst in
Bremen haben gewiß Hunderte die paar Schritte, die er täglich von seinem
Hause zum Rathause und zum Museum ging (und weiter ging er nie), gekreuzt,
ohne zu wissen, wem sie begegneten. Darin unterschied er sich in hohem
Grade von anderen unserer hervorragenden Bürger, H. H. Meier, Heinrich
Müller, H. A. Schumacher, daß er alles ablehnte, was nach Pose aussah.
Ein eigener Zauber von Würde und Feinheit umwob ihn und machte jedem,
der sich etwa täppisch und dummdreist mit einem schalen Witz vertraulich
sich hätte heranmachen wollen, alle Annäherung unmöglich; wenn er dagegen
jenen Zauberbannkreis löste, Interesse an dem zeigte, was andere beschäftigte
oder von den großen Goldbarren seines Geistes einiges in Kleingeld umsetzte, und
dieses in glänzender Unterhaltung zum besten gab, dann gewann er alle Herzen.
G.s Charakteristik ist mit einem Worte zu geben. »Was er leistete,
leistete er vollendet.« Er blieb niemals hinter dem, was er gewollt hatte,
zurück, weil er etwa seine Kräfte überschätzt hätte ; und wenn der gigantische
Gang der Weltbegebenheiten nicht immer seinen Idealen entsprach und die
Dinge, namentlich die wirtschaftlichen Angelegenheiten Deutschlands sich in
Richtungen bewegten, die er als falsch und verhängnisvoll erkannt hatte, so
hat er doch nicht einen Augenblick sich von dem Ausdruck seiner Über-
zeugung abhalten oder gar sich dahin bringen lassen, in finsterem Unmute
zu schweigen. Mit klassischer Klarheit sein cetcrum censeo auszusprechen, ist
er nie müde geworden, ja, fast buchstäblich ist es zu nehmen, daß er nicht
müde geworden bis zum letzten Hauch. Dieses beharrliche Eintreten für die
Wahrheit, auch wenn sie von einer Welt von Feinden bekämpft wird, ist ein
der treuesten Nachahmung würdiger Heroismus. Denn gar zu leicht übt auf
Seelen von schwächlicher Überzeugung das tausendstimmige Gebrause der
sogenannten öffentlichen und in ihren einzelnen Schichten sich gegenseitig
elektrisch steigernden Meinung eine lähmende Wirkung aus; sie zweifeln, sie
schwanken: »Kann, wenn ein so ungeheurer Haufe so laut sein ,KreuzigeM
schreit, das Anathema wohl ungerecht sein?« Lautes Geschrei hat seit je in
religiösen wie in politischen, wirtschaftlichen und künstlerischen Fragen eine
große Rolle gespielt und entgegenstehende Meinungen, wenn nicht zum Ein-
stimmen, so doch zum Schweigen gebracht. Und Schweigen jenen Mächten
gegenüber, mit denen Götter selbst vergebens kämpfen, ist für aristokratisch-
exklusive Naturen, wie G. eine war, eine große Versuchung. Er ist dieser
Versuchung nicht unterlegen; er hat nicht abgelassen, für seine Überzeugung
Zeugnis abzulegen und das immer und ohne Ausnahme in vollendeter, von
jedem persönlichen Haß, von jedem Revanchebedürfnis absehender, sich streng
an die Sache haltender Ritterlichkeit und Höflichkeit. Ob es ihm schwer
geworden ist, sich zu dieser Weisheit durchzuringen? Wer vermag es zu
sagen? Vielleicht hat frühzeitige stoische Selbsterziehung ihn dahin gewöhnt,
vielleicht ist leidenschaftlicher Sturm und Drang seiner Seele von Haus aus
fremd gewesen.
Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog^. 7. Bd. ß
^A Gildemeister.
Wir glauben aus verschiedenen Anzeichen auf letzteres schließen zu
dürfen. Wenn ein Mann das ausgesuchteste Rüstzeug der Sprache in Vers
und Prosa in Händen hält, Rüstzeug, das in Stärke und Glanz von Hephästos
selber geschmiedet scheint, und es nie gebraucht, einer in der Tiefe des
Herzens sich regenden dichterischen Leidenschaft Bahn zu brechen in die
freie Luft der Außenwelt, so hat diese Leidenschaft, wenn sie überhaupt vor-
handen war, gewiß nicht diejenige Allgewalt besessen, ohne die eben ein
vollendetes Gedicht nicht entstehen kann. Deshalb sah er, in dessen Augen
nur das Vollendete Wert hatte, er, der vollendete Schriftsteller, davon ab,
ein Dichter sein zu wollen. Der beste politische Tagesschriftsteller seiner Zeit,
das ist ein wahrlich nicht geringer Ehrentitel; ,auch ein Dichter', das hätte
ihm keinen Glanz hinzugefügt. G. wußte, daß ein großer Dichter ohne ein
tobendes Herz nicht denkbar ist; da jedoch sein Herz nicht tobte, so versagte
er sich — gelegentliche geistreiche Epigramme und Festverse ausgenommen —
die dichterische Produktion völlig. Selbstkritik! Selbstkritik! Dabei jedoch
war seine sprachliche Begabung so reich, daß er in eigener Überfülle hätte
ersticken müssen, wenn er sich nur auf Leitartikel und Essays hätte beschränken
wollen. Von früh auf war ihm das Gebiet der Übersetzung vertraut; eine
Don Juan-Übersetzung, die allerdings mit der späteren, berühmten wenig
mehr gemein hat, fällt bereits in seine Gymnasiastenzeit. In der Übersetzung
konnte er wiederum das, worauf es ihm einzig ankam, das Vollendete leisten.
Hier konnte er unter den vielen Meistern der Übersetzungskunst, deren
sich vor allen anderen die deutsche Sprache rühmen darf, der erste werden.
Und so wendete sich der ganze Reichtum der Prägnanz und des Wohlklanges,
der seiner Seele eingeboren war, Schöpfungen zu, die bereits von anderer
Seite alles, was einem Gedicht unerläßlich ist, besaßen. Für den Schrei der
Leidenschaft, für Hohngelächter und glühende Farben der Schilderung hatte
Lord Byron, für den ewig sich erneuernden Regenbogen der Phantasie hatte
Ariost, für die furchtbare Stimme des Weltrichters hatte Dante gesorgt; es
kam nur darauf an, diese ungeheuren und allem Anschein nach von dem
heimatlichen Boden und Wesen ihrer Sprache untrennbaren Elemente trotz
aller Hindernisse dennoch zu verpflanzen und sie so zu pflegen, daß sie auf
unserer eigenen Scholle gewachsen schienen. In welch eminentem Maße G.
das erreicht hat, braucht hier nicht abermals ausgesprochen zu werden. Es
ist von keiner Seite je bestritten worden; die Kritik hat jedes seiner Werke
mit uneingeschränktem Lobe aufgenommen. Außer den Shakespeareschen
Königsstücken (Bodenstedtsche Ausgabe) hat er noch vier Dramen Shakespeares
übersetzt, deren Herausgabe bevorsteht. Erwähnt sei auch noch eine höchst
graziöse Plauderei von Alfred de Musset, die sich liest wie ein Original
dieses eigentlich unübersetzbaren Dichters.
Dennoch war G. keineswegs überzeugt, daß seine Übersetzungen ein
wirklich treues Spiegelbild der Originale seien, und er war eine viel zu
schlichte und gerade Natur, um nur so die übliche Bescheidenheit zu affektieren.
Ihm stand der Geist der fremden Sprachen eben so nahe, wie der der eigenen;
er empfand alle die durch kein Lexikon und keine Grammatik zu kon-
trollierenden Imponderabilien des fremden Idioms, jenen Hauch einer einzigen
Wendung, die über einen ganzen Vers einen Schatten oder einen Lichtstrahl
ausgießen konnte, und er empfand, was tausend aus gröberem Stoff geschaffene
Gildemeister. ^e
Leser wohl schwerlich nachempfunden haben, daß die deutsche Wendung
der fremden nicht ganz gerecht würde. Dann verglich er wohl die Über-
setzung mit dem Klavierauszuge eines Orchesterwerkes und resignierte sich
dabei: »Besser, wenn das deutsche Volk die großen fremden Dichter in Über-
setzungen mit den dieser Literaturgattung nun einmal anhaftenden Unzulänglich-
keiten hat, als wenn es sie gar nicht hätte. Mehr als die Hälfte unserer
Bildung beruht ja auf Übersetzungsliteratur.« Und als ich daran anknüpfend
über die banausische Geringschätzung spottete, die neulich bei der Eröffnung
unserer neuen Kunsthalle in hochoffiziellen Reden den Nachbildungen nach
der Antike zuteil geworden war, da blitzte in seinen klugen Augen ein lustiges
Feuer auf: »Die Antike hat schon viel überlebt, sie wird auch den heutigen
Torfbauernkultus überleben.« Ich dachte in diesem Augenblick der paar
wunderschönen Abgüsse, welche die vornehme Anspruchslosigkeit seines eigenen
Treppenhauses schmücken, und setzte dann im Geiste ein modernes Torfschiff
an ihre Stelle. O Musen und Grazien 1
Nicht etwa, daß G. kein Herz für unsere heimische plattdeutsche Art
gehabt und nur in höheren klassischen Regionen sich wohlgefühlt' hätte.
O, nein! Als tagen-baren Bremer Kind hat er sein Bremertum niemals ver-
leugnet; das trat schon im Klange seiner Sprache hervor, die einen ganz
speziell bremischen Timbre verriet, und wie ihm alles Affektierte widerwärtig
war, auch nicht von dem leisesten Anflug jenes dialektlosen Theaterdeutsch
überschminkt war, das man gelegentlich als Kennzeichen feinerer Bildung
ausgeben zu wollen scheint. Er sprach ein tadelloses Plattdeutsch, und
ihn Fritz Reuter vorlesen zu hören, war ein großer Genuß.
G.s literarisches Lebenswerk ist einstweilen nicht zu übersehen, und ganz
vollständig wird es sich auch niemals feststellen lassen. Der überwiegende
Teil seiner Schriften besteht in einzelnen Artikeln, die er in erster Linie für
die »Weser-Zeitung« schrieb; ihre Zahl berechnet Alexander Meyer auf 5700;
auch in dem, in den fünfziger und sechziger Jahren blühenden, Bremer
Sonntagsblatt waren seine Aufsätze stets die Juwelen; in der »Nation« ver-
hüllte er oft seinen Namen Otto Gi. in dem amüsanten Anagramm Giotto.
Dem Tagesschriftsteller jedoch wie dem Mimen flicht die Nachwelt keine
Kränze. Wie viele große Männer, die jedem Tage das zu reichen imstande
waren, was jeder Tag an Nahrung erforderte, sind samt ihren Gaben vom Tage
endlich verschlungen worden und zum Orkus gewandert! Denken wir z. B.
an einen ihrer allergrößten, an Voltaire. Hat jemals ein Schriftsteller mächtiger
auf seine Zeit gewirkt, ihre ganze Geistesrichtung gewaltiger aus dem Qualm
der Autodafes und Justizmorde emporgerissen als er? Er ist ein gar nicht
wieder hinwegzudenkender Sauerteig des achtzehnten Jahrhunderts. Und
wer liest heute Voltaire? Georg Brandes sagte einmal lachend zu dem Ver-
fasser dieser Zeilen: »Sie sind der einzige lebende Mensch, der die ganze Henri-
ade gelesen hat.« Und neben Voltaire, wie viele haben geleuchtet und sind
untergegangen? Von den großen Franzosen und Engländern zu schweigen:
wer liest heute Wieland, wer liest Herder, ja selbst Lessing 1 wer liest außer
seinen unsterblichen Dichtungen noch seine ästhetischen und philosophischen
Schriften? Achl Und ein erneuertes Studium des Laokoon wäre so nötig I Ach!
Nur das auf sich selbst ruhende Kunstwerk trotzt der Vergänglichkeit; das
Heilsamste und Weiseste jedoch, was, gleichviel in welcher Form, und sei sie
3*
ß5 Gildemeister. Eckmaim.
die abgeklärteste und geschliffenste, dem Tage gedient hat, wird mit dem
Tage dahingerafft. So werden wir uns wohl das schmerzliche Eingeständnis
nicht ersparen können, daß viele, viele Erzeugnisse des G.schen Geistes, die
uns einst zu heller Freude entzückt haben, nunmehr unwiederbringlich dahin
sind. Wollte auch dankbare Pietät sie sammeln, als eine Art Memoiren, als
Dokumente ihrer Zeit sie herausgeben, — ein unter dem Texte schwerfällig
einherrollender Beiwagen sachlicher Anmerkungen würde alle Freude ver-
derben. Ein spontaner Seitenblick, eine Anspielung auf diese oder jene
Lächerlichkeit kann zur rechten Zeit den Leser in die beste Stimmung ver-
setzen; allein man muß sie nicht zwanzig, dreißig Jahre nach ihrer Entstehung
erläutern wollen. Ein Herbarium wird niemals wieder ein Blumenbeet.
Dennoch findet sich unter der reichen Fülle von Aufsätzen und Essays noch
eine Menge, die wohl geeignet wäre, den Schatz zu ergänzen, der vor ein
paar Jahren unter dem Titel »Essays von Otto Gildemeister« bei W. Hertz
erschienen ist. G. selbst fand großes Interesse daran, alte Zeitschriften, z. B.
Bände der i>Rarue des deux mondes<i^ aus den vierziger Jahren wieder zu
lesen: *Man erlebt seine Jugend gewissermaßen zum zweiten Male«, sagte er.
Auch in seinen Aufsätzen, wie viel würden wir wieder erleben! Von dem
reinen Genuß, in dieser Zeit der Sprachverrohung unser Deutsch in seiner
schlichten, gesunden Schönheit zu empfangen, ganz abgesehen!
Ludwig Bamberger: Charakteristiken, Berlin 1897. 3^9 — 328.
Unter Otto G.s Namen in Buchform erschienene Übersetzungen sind anzuführen: Lord
Byron. Berlin, Georg Reimer. 1864 I. u. II. Band; 1865 III. u. IV. Band, V. u.
VI. Band (Don Juan). — Shakespeares Dramen, herausgegeben von F. Bodenstedt. Leipzig,
F. A. Brockhaus. 1867 König Johann, König Heinrich der Zweite; 1868 König Heinrich
der Vierte, erster und zweiter Teil, König Heinrich der Fünfte; 1869 König Heinrich der
Sechste, zwei Teile, König Richard der Dritte, König Heinrich der Achte, Was ihr wollt;
1870 Verlorne Liebesmüh, Das Wintermärchen ; 1871 Julius Cäsar; 1876 Shakespeares Sonette.
— Ariosto. Berlin, Wilh. Hertz. 1882 Rasender Roland. — 1888 Dante. Göttliche Comoedia.
— Essays von Otto Gildemeister. 1896, 1897, Herausgegeben von Freunden. Zwei Bände.
Horn bei Bremen. A. Fitger.
Eckmann, Otto, Professor, Maler, Dekorationskünstler, ♦ 19. November
1865 in Hamburg, ^ \\, Juni 1902 in Badenweiler. — Der Lebenslauf und
die Geschichte der künstlerischen Entwicklung E.s bieten eine Erscheinung,
die sich heute im Leben zahlreicher modemer Künstler zeigt: mit der rea-
listischen Malerei wird begonnen, man gerät in die Symbolistik, verläßt
diese ganze hohe Kunst und widmet fortan seine künstlerische Kraft der an-
gewandten Kunst. E. und mit ihm gleichzeitig Hermann Obrist gehören zu
den ersten, die diesen Schritt taten, im vollen Bewußtsein, dadurch den
Wert ihrer Leistung nicht zu beeinträchtigen und ihre Arbeit nicht einem
untergeordneten Ziel dienstbar zu machen. In den Dienst der angewandten
Kunst stellte er seine malerischen Fähigkeiten, feine Farbenempfindung,
schmiegsame Eleganz der Linie, intimes Naturstudium, das ihn fem von jeder
Schultradition hielt, sowie die dem Kunstgewerbe speziell günstigen Gaben,
ein angebornes dekoratives Talent und einen lebendigen praktischen Sinn.
Dem zartnervigen Empfinden seiner Zeit kam er mit der gesteigerten Sensi-
bilität seines kranken Organismus noch zuvor und eroberte sich so im Sturm-
schritt einen hervorragenden Posten unter den deutschen Künstlern. Der
Eckmann.
37
Erfolg begleitete ihn überall; fast alle seine Pläne schlugen ein und die
öffentliche Anerkennung wurde ihm durch die Lehrstelle am Kunstgewerbe-
museum in Berlin zuteil. In der kurzen Zeit von acht Jahren hatte er sich
auf allen Gebieten der dekorativen Kunst eingearbeitet und in einigen vor-
bildlich gewirkt; der Fleiß und die Energie des vom Tode gezeichneten
Mannes — er starb an einem Lungenleiden — waren besonders in den letzten
Jahren staunenswert. Noch auf dem Krankenbette war er fortwährend tätig,
skizzierte Entwürfe und besprach sich mit den ausführenden Handwerkern, in
den letzten Tagen machte er Pläne für ein großes Frühlingsbild; hätte ihn
vielleicht eine fernere Lebenszeit wieder zu der Malerei, von der er aus-
gegangen, zurückgeführt?
In der Geschichte der Reorganisation der angewandten Kunst in Deutsch-
land wird Eckmanns Name wohl stets an einer der ersten Stellen genannt
werden und seinen Werken kommt ein historischer Wert zu, insofern sie
Marksteine einer bedeutenden Entwicklungsphase der deutschen Kunst dar-
stellen und einen Ausgangspunkt für die weitere Gestaltung der Dekorations-
prinzipien bilden. Als Bahnbrecher nach verschiedenen Richtungen im Ur-
walde der herabgekommenen deutschen Handwerkskunst wird E. immer gelten
müssen, mag auch mancher Zug seiner reformatorischen Tätigkeit fremden An-
regungen entsprungen sein; wie als Maler der holländischen Kunst, so hatte er als
Kunstgewerbler den Japanern, der englischen Innendekoration, der heimischen
deutschen Möbelkunst von 1830 viel zu verdanken. Seine Richtung ist auch
keineswegs das einzige Ideal, zu dem alle Versuche der modernen Dekora-
tionskunst hinstreben, ja gerade an der Hauptstätte seiner Wirksamkeit, in
Berlin, hatte er einen harten Kampf gegen eine ganz entgegengesetzte Stil-
form, gegen seinen Antipoden Van de Velde zu führen; das Eckmannsche
Prinzip, direkte Verwertung von Naturmotiven, botanischen und zoologischen,
in leichter Stilisierung, und des belgischen Künstlers Dogma von der reinen
Linie und dem abstrakten vorbildlosen Ornament rangen als unversöhnliche
Gegner — solche waren persönlich auch die Autoren — um die Gunst des
Publikums. Van de Velde nennt Eckmanns Art, die er mit dessen Tode er-
loschen glaubt, die Sentimentalität in der Ornamentik; E. dagegen, der un-
ermüdlich auf der Suche nach neuen Motiven und Anwendungen war, dem
auch die geistreiche Ideenassoziation, die innere Beziehung auf den Gegen-
stand in das Ornament hineinspielte, mußte die Manier des Gegners als
kahle Einförmigkeit empfinden.
E.s künstlerische Entwicklung durchlief mehrere Metamorphosen und war
bei seinem frühen Tode wohl nicht zu Ende. Mit klarem Verständnis er-
kannte er sofort, wann ihm eine fruchtbringende Anregung in den Weg kam
und wußte sie sich leicht anzueignen und persönlich zu verarbeiten. Das
angebome Talent zeigte sich früh; als Sohn eines Hamburger Kaufmanns
sollte er für den gleichen Beruf ausgebildet werden, setzte aber seinen Wunsch,
die Künstlerlaufbahn zu betreten, durch. Es liegt in ,der Natur der Zeit-
umstände und seiner selbständigen Anlage, daß E. der Schule nicht viel zu
verdanken hatte, die noch ganz im Banne der alten Traditionen lag; er be-
suchte die Kunstgewerbeschule in Nürnberg und die Akademie in München.
Desto reicher mögen die Anregungen gewesen sein, die er aus dem Milieu
seiner Vaterstadt empfing, wo ja nach Lichtwarks Beobachtung die alte gute
2 8 Eckmaniu
Tradition von 1830 nie ganz verloren ging und Anläufe zur Erneuerung der
dekorativen Kunst sich früh zeigten. In den neunziger Jahren erschienen in
München seine ersten Bilder, meist Plein-air-Landschaften ernsten schwer-
mütigen Charakters; in der ersten Zeit stand er, wie er selbst angibt, unter
dem Einfluß der modernen holländischen Landschaftsmalerei. Schon in
diesen Stimmungsbildern läßt sich von Anfang an ein stilisierender Zug nicht
verkennen, der die geschlossene Form, die einfache ornamentale Linie, die
dekorativ abgestimmte Farbengebung bevorzugt. Bald kam dazu auch eine
ausgesprochene Neigung zu symbolistischer Naturauffassung, die ihrerseits
die Vereinfachung des Nebensächlichen und Hervorhebung des Charakteristi-
schen anstreben mußte, um den gedanklichen Inhalt auszudrücken. Sein
größtes Werk in dieser Art, welches diese Hauptrichtungen seiner Malerei
zeigt, zugleich eine seiner letzten rein malerischen Arbeiten, ist ein sechs-
teiliger Bilderzyklus, die vier Lebensalter darstellend, aus dem Jahre 1894;
in Linie und Farbe dekorativ, zum Teil stilisierte Formen, der Inhalt eine
symbolische Beziehung zwischen der Natur und dem Menschen. Die vier
Lebensalter sind dargestellt durch entsprechende Menschengestalten in Land-
schaften, die den Charakter der vier Jahreszeiten tragen.
Mit diesem Zyklus endigt E.s Tätigkeit als Landschaftsmaler, plötzlich
und absichtlich vollzieht sich eine Wandlung im Schaffen des Künstlers, die
er nach außen in wunderlicher humoristischer Weise kundgibt. Im November
1894 veranstaltet er bei Rudolf Bangel in Frankfurt a. M. eine Versteigerung
seiner sämtlichen Ölbilder, etwa zwanzig, und Zeichnungen; die Besucher
der Auktion erhalten einen Katalog in schwarzem Umschlag, auf dem in
hellem Rot gezeichnete Besen das Moment des Auskehrens satirisch an-
deuten, während spöttische Begleitworte die Versteigerung seines »künst-
lerischen Nachlasses« ankündigen. »Da sich mein künstlerischer Nachlaß im
Laufe der Jahre in etwas plat^aubender Weise vermehrt hat, sehe ich mich
veranlaßt, denselben schon jetzt bei Lebzeiten in Auktion zu geben, wodurch
mir erstens Raum zu weiterem Nachlaß wird, und zweitens das seltene Glück
zufällt, mein eigener Erbe zu sein.« Nun vollzieht sich, zuerst auf dem
Gebiet der graphischen Arbeiten, seine Wendung zur dekorativen Kunst, die
von nun an die einzige Betätigung des Künstlers bleibt. Auf sein empfäng-
liches Talent war es von entscheidender Wirkung gewesen, als Direktor
Brinckmann den Künstler auf die japanischen Farbenholzschnitte aufmerksam
machte und ihm die Kenntnis dieser Technik vermittelte. Hier fand er die
stilisierende Vereinfachung, das graziöse Linienspiel in vollendeter Ausbildung,
das sich schon in seinen Landschaften gezeigt hatte und bald erfolgte darauf
eine eifrige Tätigkeit in der neuen Bahn. Es erschienen seine ersten 'deko-
rativen Farbenholzschnitte, die Schwäne auf schwarzem Wasser, die Schwäne
auf blauem Wasser. Ganz nach dem Vorbild der Japaner schnitt er die
Zeichnung selb.st in das Holz, so viele Platten als Farben, färbte sie selbst
ein und druckte die Abzüge eigenhändig mit dem Reiber auf japanischem
Papier. Das Blatt mit den schwarzen Schwänen ist eine stilisierte Studie
über das Motiv des schwankenden Linienspiels im Wasser, das er auch
späterhin noch oft verwendet hat, z. B. in einer Tapete »Wasserringe« ge-
nannt. Die Spiegelung der Schwäne im Wasser, das Strauchwerk am Ufer,
alles ist stilisierte Natur. Auf dem zweiten Blatt interessiert ihn dagegen
Eckmaniu
39
eine rasche Bewegung; das Schwanenmännchen schwimmt mit gesträubtem
Gefieder eilig dem Weibchen nach. Der Erfolg dieser Blätter brachte dem
Künstler bald Bestellungen von Buchhändlern und Zeitschriften und ein
reiches Feld für seine omamentale Phantasie eröffnete sich, als die Zeit-
schriften »Der Pan« und »Die Jugend« gegründet wurden und ihn als
Zeichner gewannen. 1895 im »Pan«, 1896 und 1897 in der »Jugend« trat
er zuerst mit seinem originellen omamentalen Buchschmuck auf, der sich in
Randleisten, Seitenumrahmungen, Initialen und Schluß Vignetten reich entfaltet.
Ein dritter Holzschnitt »Schwertlilien« in schwarz und gelb gedruckt, erschien
1895 als Beilage zum Pan, ebenso der nächste, auch in zwei Farben, drei
graue Nachtreiher auf rot beleuchtetem Wasser. 1897 erschien ein neuer
Farbenholzschnitt »Mondschein auf dem Wasser«, der eine graugrüne, mond-
beleuchtete Wasserfläche und ein Stück Kahn enthält. Im ersten Jahrgang
des Pan brachte Eckmann auch eine farbige Lithographie »Wenn der Frühling
kommt«, ein nacktes Mädchen in einer Frühlingslandschaft; es zeigt sich
hier wie anderwärts, dafi seine Kunst dem Figürlichen nicht gewachsen war. Das
Gebiet des Buchschmucks, Titelblätter, Exlibris, Signete u. dgl., wie überhaupt
die Flächendekoration blieb auch späterhin Eckmanns Haupterfolg, das kon-
struktive, architektonische Moment wußte er nicht immer glücklich zu treffen
oder nur in Anlehnung an vorhandene Vorbilder, während er in der Flächen-
omamentik einen persönlichen, reizvollen Stil entfaltete. Ausgehend vom
sorgfältigsten Naturstudium läßt er auch in der dekorativen Umgestaltung den
lebendigen Reiz der Pflanze nachzittem, indem er sie nicht in die vollen,
gerundeten Linienzüge der alten Ornamentstile zwängt, sondern sie in den
schwankenden, kapriziös geschwungenen oder eckig abbiegenden Linien des
Naturvorbildes in die Fläche legt. Mit Vorliebe verwendete er auch die
einfachsten heimischen Blüten und Gräser, Farrenkräuter, Kresse, Wicke u. a.
In diesen graphischen Arbeiten bringt er meistens im Ornament Anspielungen
und Beziehungen zum Inhalt des Blattes an. Das Gedicht »Heimweh« (Pan)
umgibt er mit schweren, sich neigenden gelben Tulpen, die Randleiste bildet
eine Blüte am geknickten Stengel; das Gedicht »Tal der Flammen« (Pan)
hat eine Umrahmung von emporlodernden Flammen; verschiedene Ornamente
im Ausstellungskatalog des Krefelder Kaiser Wilhelm-Museums enthalten die
Kornblume, die Lieblingsblume des alten Kaisers; eine Seitenverzierung zeigt
obeji in der Mitte einen Schwan, welcher sich putzt und längs der Mittel-
linie Fedem herabfallen läßt, die sich die Raben auf der unteren Randleiste
ins schwarze Gefieder stecken. In den Zierleisten der Jugend und ander-
wärts verwendete er auch viele Tiermotive, Fisch, Frosch, Pelikan, Marabu,
Libelle, Flamingo, Pfau, Schmetterling u. a., auch zum Teil als satirische
Anspielung.
Nach und nach ging er zu den anderen Zweigen des Kunstgewerbes
über, zuerst Töpferei, dann Metallgegenstände, Textiles und Möbel, bis
schließlich zur Gesamt-Innenausstattung. Auf allen Gebieten wurde er ein
Herold der jetzt allgemein anerkannten Forderungen, wenn er auch in der
praktischen Ausführung oft nicht gleich das Richtige traf. Als erster Grund-
satz galt ihm, daß die Bestimmung des Gegenstandes für Form und Aus-
führung maßgebend sei und daraus die zweckmäßige Gestalt entwickelt
werde; weiter stellte er die Anpassung an das Material in den Vordergrund,
^0 Eckmann.
und ging an kein neues Gebiet heran, ohne sich mit dem Material und
seiner Technik bekannt gemacht zu haben; die heute klar bewußte Not-
wendigkeit rein technischer Studien hatte er erfaßt und wurde auf jedem
neuen Gebiet zuift Handwerker. Auf der Münchener Kunstausstellung 1897
hatte er mit Knüpfteppichen, Scherrebecker Teppichen und schmiedeeisernen
Leuchtern den ersten großen Erfolg, und früh kam er auch zu größeren Auf-
trägen. Von größter Tragweite für die Entfaltung seiner eigenen Tätigkeit
und die Ausbreitung der neuen Prinzipien war es, als Eckmann 1897 zum
Professor der Fachklasse für dekorative Malerei an die Kunstschule des
Berliner Kunstgewerbemuseums berufen wurde ; es war zugleich eine öffentliche
Bestätigung der Tatsache, daß man sich an ausschlaggebender Stelle der
Notwendigkeit einer Reform bewußt war, eine Sanktion der aufblühenden
Bestrebungen. In seiner Lehrtätigkeit führte E. mit Eifer seine Methoden
ein, Vorlagen wurden verbannt, die Schüler mußten die Motive selbst aus
dem Naturvorbild entwickeln. Neben seinem Amt setzte der Künstler die
kunstgewerblichen Arbeiten in Berlin fort, die in München angefangen hatten.
In viele Industrien, die sich bisher mit Marktware begnügt hatten, drang
jetzt die Einsicht, daß es einer Neubefruchtung durch künstlerische Anregung
bedürfe und den Künstlern bot sich reiche Gelegenheit, unbebaute Terrains
zu kultivieren. Eine durchaus praktische Kraft, wie E., dem es ge^
geben war, sich sowohl den Forderungen jedes Zwecks und Materials fein-
fühlig anzupassen, als auch den hergebrachten Wünschen des Publikums mit
Verständnis entgegenzukommen, war zu solchen Neuschöpfungen höchst
geeignet. Neben schmiedeeisernen Lampen und Leuchtern, Blumenständern,
Lampen in Kupfer, Messing und Bronze und Silbergegenständen entwarf er
Kartons für Glasfenster, Wandfliesen, malte Deckenfüllungen im Modebazar
Gerson und eine Salondecke in Guben und erledigte Aufträge für ganze
Zimmereinrichtungen. In den letzteren zeigt sich deutlich, daß ihn keines-
wegs die selbstherrliche Neuerungssucht wie manchen seiner Genossen fortriß,
sondern daß er das Gute der alten Tradition wohl mit den neuen Errungen-
schaften zu verbinden wußte. Die Empiremöbel der Patrizierwohnungen
vom Anfang des vorigen Jahrhunderts leben in dem Arbeitszimmer für den
Großherzog von Hessen in neuem Gewände wieder auf. Eine Herzensaufgabe
war ihm die Schöpfung eines Musikraumes, die er dreimal ausführte, für
seine eigene Wohnung, ein Musiksalon für Keller und Reiner und Musikmöbel
für den neuen Konzertsaal der königlichen Hochschule für Musik in Charlotten-
burg, die zur Weltausstellung in Paris waren. Unter den Neuerungen, die
er in der Raumkunst plante, fand eine neue zierliche Säulenbildung, ohne
ausgeprägtes Kapital, vielfach Eingang.
Den weitaus größten Erfolg aber, den E. errang — wieder auf dem
Gebiet der Flächendekoration — , brachten ihm seine Teppiche und seine
Tapeten. Die Gründung der Webereischule in Scherrebeck, eine Wiederbe-
lebung der uralten, primitiven norwegischen Handweberei auf senkrechtem
Webstuhl stellte an den Musterzeichner besondere Anforderungen. Diese müh-
same häusliche Wirktechnik, die von altersher zumeist zweifarbige Beiderwand-
Vorhänge mit geometrischen und Blumenmustern herstellte, hat den Vorteil,
daß man nicht auf gebundene Muster beschränkt ist, sondern bildmäßige
gobelinartige Vorlagen verwenden kann. Leistikow, Alfred Mohrbutter,
Eckmann.
41
Christiansen und E. fanden sich jeder nach seiner Manier iri die Eigenart
dieser Aufgabe, mit schlichten, naiven Motiven und gewissermaßen eckiger,
unbeholfener Zeichnung dem altertümlichen Charakter dieser Handweberei
gerecht zu werden und zugleich den modernen Geist festzuhalten. Auf der
Pariser Weltausstellung hatte E. einen solchen Teppich »Rückkehr des Früh-
lings«. Ein Pfeilerbehang E.s wurde besonders bekannt, welcher einen Wald-
bach mit Bäumen am Ufer, von Schwänen belebt, darstellt. Ganz anders
als bei diesen hängenden Wandteppichen gestaltet sich die Aufgabe beim
Fußteppich; in seinen Knüpfteppichen für die Vereinigten Smjrnateppich-
fabriken bot E. seine vollendetsten Leistungen. Seiner Kunst gelang es, den
bis dahin verbreiteten Teppich mit den grellen Nachahmungen orientalischer
Motive oder den plastischen Darstellungen von Blumenstücken, Architekturen,
und dergleichen als künstlerische Unmöglichkeit gründlich zu besiegen und
mit wie einfachen Mitteln! Vor allem stellt er sich den Zweck des Liege-
teppichs vor Augen: eine ruhige F'läche als Untergrund für die Möbel, mit
abgeschlossener Zeichnung, die dem Darauftreten nicht widerstrebt. Als
Füllung verwendet er zumeist Flachstilisierung von Pflanzen, Wasserringen,
Pfauenfedern oder auch nur nebeneinander gestimmte Farbenflächen von den
feinsten mattverschleierten Tönen bis zu kräftigen Farbenwirkungen. Ebenso
klar und präzise wie beim Teppich nahm der Künstler auch bei den Tapeten-
entwürfen Bedacht auf den Zweck. Er unterscheidet eine Wand, auf der
Bilder gehängt werden sollen, von einer solchen, die ohne Schmuck künst-
lerisch wirken kann und stimmt demgemäß die Zeichnung. Für die erstereh
gibt er ruhige, mattfarbige Flächen mit leichtem, vertikalstrebendem Muster,
für die andern bewegteres Ornament in lebhafter Färbung. Auch hier nimmt
er meist Pflanzenmotive, für jede Tapete einen Fries, der das gleiche Motiv
freier und naturalistischer wieder variiert. Im Sommer 1898 erschienen zum
ersten Mal auf der kleinen Darmstädter Ausstellung die neuen Tapeten von
E., gedruckt von Engelhard in Mannheim, nach den verschiedenen Motiven
benannt: Margueriten, Kastanien, Flamingo, Löwenzahn, 1899 darauf Crocus,
Ahorn, Erbse, Grasnelke u. a.; in den Tapeten von 1900 und später, wie
überhaupt in den Arbeiten E.s aus dieser Zeit, zeigt sich eine strengere Stili-
sierung, z. B. Widder, Helleborus, Palmette u. a. Als gelegentlich der Aus-
stellung im Berliner Kunstgewerbemuseum 1902 Tapeten von E. neben solchen
Leistikows direkt zu vergleichen waren, traten die Vorzüge der ersteren
deutlich hervor, deren Erfolg bis nach Amerika reichte. Daneben entstanden
Muster für Velvets und Cretons, Tapestrystoffe, Leinendamaste und seidene
Kleiderstoffe. Den graphischen Arbeiten blieb auch inmitten dieser vielver-
zweigten Tätigkeit in Berlin ein großer Raum. Der Buchschmuck, der ja
auch aus langem Schlummer zu neuem Leben erweckt werden mußte, hat
E. manche Anregung zu verdanken, sowohl die innere Verzierung, als auch
der Einband und das Vorsatzpapier; denn auch hier ging der Künstler auf
das Ganze der Aufgabe ein und gestaltete es einheitlich, wendete die gleiche
Sorgfalt dem Buchrücken und dem Hinterdeckel zu, wie der Hauptfläche.
Die Belebung der Zeichnung durch satirische oder ernste Beziehung auf den
Inhalt spielt in diesen Arbeiten eine große Rolle. Der Umschlag zu dem
Buche »Deutschland und seine Kolonien« (Dietrich Reimer) zeigt eine Zeich-
nung junger Farrenkrautpflänzchen, als Symbol der angehenden Entwicklung
A2 Eckmann.
der Kolonien; eine große Anzahl von Kopfleisten in dem Werk »Berlin
und seine Arbeit«, von demselben Verlag, stellt die Erfolge modemer
Maschinentechnik den Handwerkserzeugnissen von früher gegenüber. Durch
einen stilisierten Tunnel fährt ein ornamental rauchender Eisenbahnzug,
dessen Schienenkurven zwei Bilder begrenzen, das alte Segelschiff und der
neue Dampfer; oder stilisierte Flammen umspielen die keramischen Gefäße
im Brennofen, die in der Mitte die Drehbank einschließen; ebenso stellt
er neben die Holzbrücke die eiserne Hängebrücke, neben das gepanzerte
Tumierpferd das leicht gezäumte Reitpferd usw. Mehrere Verlagseinbände
für S. Fischer in Berlin sind auch mit symbolischen Verzierungen geschmückt,
so »Die versunkene Glocke«, »Die drei Reiherfedem«, »Frau Sorge«, während
die Ibsenausgabe und anderes ganz einfach ausgestattet erscheinen. Ein Um-
schlag eines Reklameheftes für die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft in
Berlin. zeigt rote Blitze, die zwischen den blauen Isolatoren der elektrischen
Leitungen zucken. In manchen Textumrahmungen ist allerdings zu viel ge-
boten, so daß die Einfassung zu schwer wirkt. Auch bei den Geschäftsmarken
und Besitzzeichen waltet die sinnreiche Anspielung im Ornament vor. Für
Dr. Uhle zeichnet er das U mit einer Eule, oder als Hinweis auf das Fischerei-
liebhabertum ein reizendes Exlibris mit Fischreihern und Fischen. Wer die
ungemein zahlreichen Schöpfungen dieser Art durchsieht, die E. mit spielender
Leichtigkeit ausstreute, staunt über die Fülle immer neuer omamentaler Ge-
danken und launiger Einfälle, auch das reine Linienomament, nur durch zier-
lichen Schwung und durch das An- und Abschwellen des Striches wirkend,
stand ihm zu Gebote, in Rahmen, Leisten und im Buchstaben. Hiermit
kommen wir in der langen Reihe seiner Erfolge zu einem der stärksten, die
lang gesuchte Ausbildung einer neuen Schrift. Seiner feinen ästhetischen Emp-
findung lag es nahe zu erkennen, daß in den graphischen Arbeiten die
geschmackvollste Verzierung nur als unorganischer Aufputz wirken muß, so
bald nicht die Hauptsache, die Schrift selbst, sich gefällig in den Raum
schmiegt, ja daß eine Schrift allein durch ihre Form und das Satzbild als
Schmuck dienen kann. Aus dieser Empfindung heraus hatte er schon manchen
von ihm verzierten Text, im Pan und auf Karten und Einbänden in dazu
passender Schrift selbst eingezeichnet. Als daraufhin die Rudhardsche Schrift-
gießerei in Offenbach den Künstler aufforderte, eine neue Druckschrift für sie
zu entwerfen, ging er in Gemeinschaft mit den ausführenden Kräften eifrig
an die Arbeit und bildete in jahrelangen Versuchen eine Schrift aus,
die dem Geschmack und den Ansprüchen seiner Zeit zusagt. (Satzprobe in
»Kunst und Dekoration«, VI. S. 62, im Archiv für Buchgewerbe, 39. Bd.
Heft 8 ist ein Artikel in Eckmannschrift gedruckt.) In dem Begleitwort zu
seiner neuen Type gibt E. Erläuterungen und stellt als oberste Grundprin-
zipien für eine gute Druckschrift Leserlichkeit und Schönheit auf. Das lücken-
los geschlossene Seitenbild erreicht er durch die schmiegsame Form und die
Vermeidung harter gerader Linien, wie in seinem Ornament bewegt er die
Striche durch zarte Schwingung und wechselnde Schwellung und Einziehung,
so daß sie lebendig bewegt fließen. Dazu zeichnete er als passendes Buch-
omament viele typographische Zierstücke, Leisten, Rahmen, Initialen und
Vignetten. Ein Beispiel für die dekorativ wirksame Form von Schriftzeichen
ist die von E. stammende Zahl Sieben auf dem Umschlag der »Woche«. E.
Eckmann. v. Ziemssen. ^3
war gleich Hermann Obrist auch bestrebt, in Vorträgen, Zeitungsartikeln und
Begleitworten zu seinen Katalogen und Prospekten dem Publikum über seine
Ideen Rechenschaft zu geben oder auch sich gegen die Angriffe und den
Spott, wie er jedem Neuerer zuteil wird, zu verteidigen. Der oft sehr gereizte,
kühn persönliche Stil mag teils einer impulsiven Natur, teils der Nervosität
des Leidenden zugerechnet werden, einen Anspruch auf bleibenden Wert
haben diese Schriften nicht, da ihnen das ruhige, objektive Urteil fehlt. Als
bei der Weltausstellung in Paris seine Arbeiten keinen günstigen Eindruck
machten, zum Teil wegen schlechter Aufstellung, teils infolge wirklicher
Mängel, schrieb er eine heftige Broschüre: »Der Weltjahrmarkt Paris 1900.«
In einer Folge von Vorbildern »Neue Formen« (1897) gab er Entwürfe für
dekorative Wandmalereien heraus, die eine Fülle von omamentalen Tier- und
Pflanzenformen darbieten. Bezeichnend ist auch hier das Vorwort: »Diese
Entwürfe sind weder von alten Meistern entlehnt, noch von mitlebenden ge-
stohlen, sondern sind aus der umgebenden Natur entstanden.«
Der künstlerische Nachlaß an Studien und Entwürfen ist von dem Ham-
burger Museum für Kunst und Gewerbe, von dem Krefelder Kaiser Wilhelm-
Museum und von der Bibliothek des Berliner Kunstgewerbemuseums über-
nommen worden. Seinen Entwicklungsgang und damit zugleich das Werden
des modernen Ornaments kann man im Pan und in der Jugend verfolgen,
Abbildungen seiner Tapeten, Teppiche und graphischen Arbeiten finden sich
in allen Kunstzeitschriften vom Ende des Jahrhunderts und weiter.
Entsprechend seiner überall eingreifenden und und wirkungsvollen Tätigkeit wird man
Nachrichten über E. in vielen kunstgewerblichen Artikeln und Schriften antreffen, aus denen
im Folgenden nur einige erwähnt seien:
Kunst und Kunsthandwerk, 1900 (Brttning über Tapeten); 1901 (Brüning, E.s neueste
Arbeiten). Kunstgewerbeblatt XIII (Leistikow). Kunstchronik XIII (Leistikow). Archiv
für Buchgewerbe, 39. Band Heft 8, Eckmann-Sonderheft Qean Loubier). Deutsche Kunst
und Dekoration 1897, 1901, 1902; April 1900, Sonderheft über E. (Zimmermann. Osbom).
Die Nation Nr. 38, 1902 (F. Poppenberg). Dekorative Kunst 1902. Innendekoration 1902
(Nachruf von Van de Velde). Kunst für Alle 1902 — 3. Jahrbuch der bildenden Kunst 1903.
Chronique des Arts et de la Curiosite 1902. Die Krisis im Kunstgewerbe (R. Graul) 1901.
Hugo Schmerber.
Ziemssen, Hugo v., Kliniker, * 13. Dezember 1829 in Greifswald,
t 21. Januar 1902 in München.
Z. entstammte einer ursprünglich aus Schweden eingewanderten Familie
und wurde in Greifswald als fünftes Kind des schwedischen Hofgerichtsrates,
späteren preußischen Geheimen Justizrates Wilhelm Ziemssen geboren. Nach
den glänzend absolvierten Gymnasialstudien bezog er 1848 zunächst die Uni-
versität seiner Vaterstadt, dann Berlin, um sich entgegen den Traditionen
seiner Familie, aber ganz erfüllt von früherwachtem Natursinn, den medizinischen
Studien hinzugeben. Entscheidungsvoll für sein ganzes Leben wurde seine
Übersiedelung nach Würzburg, im Herbst 1850, woselbst damals der junge
Virchow wirkte und in einem Kreise aufstrebender Forscher die Hauptsätze
seiner nachmals bahnbrechenden Krankheitsauffassung entwickelte. Als Privat-
assistent des jungen Meisters hatte Z. das Glück persönlicher Unterweisung
in den neuen Forschungsmethoden der Pathologie und nahm den regsten An-
teil an den grundlegenden Untersuchungen des großen Pfadfinders. Neben
Ai^ V. Ziemssen.
Liberalität, mit welcher Magistrat und Staat seinen Wünschen entgegenkamen,
konnte Z. nicht bloß die wissenschaftliche Forschung in höherem Stile mit
reicheren Mitteln betreiben, es war ihm auch möglich, die Gedanken zu ver-
wirklichen, welche sein Organisationstalent in bezug auf Verbesserung des
Unterrichts, in bezug auf Prophylaxe, Hygiene und Therapie ersonnen hatte.
Die Hebung des klinischen Unterrichtes gelang ihm besonders durch die
Gründung des »Klinischen Instituts« (1877) d. h. einer Zentralstelle, in welcher
alle für den Unterricht und die wissenschaftliche Arbeit bestimmten Räume
und Mittel vereinigt sind, wo einerseits die Studierenden Gelegenheit haben,
die naturwissenschaftliche Methode in ihrer Gesamtheit kennen zu lernen und
andererseits Dozenten und Assistenten alle notwendigen Behelfe, sei es zum
Unterricht, sei es zur selbständigen Forschung vorfinden. In dieser Muster-
anstalt entstand eine Fülle von wertvollen physiologischen und klinischen
Arbeiten, welche, soweit dieselben von Z. selbst herrühren, besonders thera-
peutische Maßnahmen oder diagnostische Methoden, also vorwiegend praktische
Zwecke betreffen. Berühmt sind namentlich die Versuche über den Einfluß
konstanter Ströme auf das Herz und die Untersuchungen über intravenöse
und subkutane Blutinjektionen zum Zwecke der Blutverbesserung. Derartige
Arbeiten wurden später im »Handbuch der allgemeinen Therapie« (Leipzig
1880 — 84) verwertet und erschienen in großer Zahl im »D. Arch. f. klin.
Medizin«, »Virchows Archiv«, in der Berliner und Münchener klinischen
Wochenschrift, in den 1878 begründeten »Annalen der städtischen allgemeinen
Krankenhäuser« usw. Wie vielseitig das Arbeitsgebiet Z.s war, erhellt daraus,
daß sich seine Publikationen unter anderem auf Sykosis und Mentagra,
Neuralgie und Neuritis bei Diabetes, seltene Formen der Pleuritis, Cholera,
Syphilis des Nervensystems, Ätiologie der Tuberkulose, Bewegungsvorgänge
am menschlichen Herzen, Laryngologisches und Laryngotherapeuthisches,
Morbiditäts- und Mortalitätsverhältnisse von Variola, Typhus, Pneumonie,
Pleuritis, Bronchitis, Angina, Behandlung der Infektionskrankheiten usw. be-
zogen. Zahlreiche Aufsätze und Reden behandelten auch das Krankenhaus-
Rekonvaleszentenanstaltswesen, sowie insbesondere Fragen des klinischen
Unterrichts.
Was Z. als Lehrer war, mit welcher Liebe er sich der Erziehung des
medizinischen Nachwuchses widmete, wie er für die Ausbildung der Studenten
in der Technik diagnostischer und therapeutischer Methoden sorgte, das kann
auch der Fernstehende aus den »25 klinischen Vorträgen« entnehmen, die das
getreueste Bild von der Art entwerfen, wie in München der Hochschulunter-
richt aufgefaßt wurde. Ähnlich wie die Wiener Kliniker, liebte es Z. keines-
wegs, systematische Vorträge zu halten, sondern begann stets mit der ein-
gehenden Untersuchung und Besprechung eines bestimmten Falles, an welche
sich dann erst ein Überblick über größere Krankheitsgruppen und thera-
peutische Maßnahmen anschloß. Wenigstens einmal im Jahre sprach er auch
über die »Aufgaben der ärztlichen Praxis« und über »Ethik des ärztlichen
Standes«, wobei er wärmere Töne anschlug und die Herzen seiner Hörer zur
Begeisterung entflammte. Alle seine Patienten rühmten die seltene Gewissen-
haftigkeit, das warme Interesse, welches der große Arzt ihnen entgegenbrachte,
jeder, auch der schlichteste Praktiker erfreute sich daran, welchen Anteil
der illustre Kollege an der Entwicklung des ärztlichen Standes nahm, und
V. Ziemssen. 47
selbst der Neuling an der Klinik konnte schon in den ersteh Tagen erkennen,
mit welcher Hingebung Z. seinem aus reinster Neigung gewählten Beruf an-
hing. Sein Einfluß wuchs täglich, das Vertrauen, das ihm Patienten und
Kollegen entgegenbrachten, erreichte den Höhepunkt, wozu allerdings die
von vornherein einnehmende Persönlichkeit, in welcher männlicher Ernst mit
Milde, starkes Selbstbewußtsein mit Freundlichkeit seltsam vereint waren,
vieles beitrug; diejenigen, welche das Glück hatten, näheren Verkehr zu
pflegen, wußten, daß Z. trotz aller Hingabe nicht gänzlich im ärztlichen Be-
ruf aufging, sondern durch lebhafte Anteilnahme an allem Guten und
Schönen, an Kunst und Literatur, an Politik und geselligem Leben seinen
vielseitig veranlagten Geist zur harmonischen Ausgestaltung brachte, kurz ein
Vollmensch in des Wortes edelster Bedeutung war.
Das brachte ihn, den Norddeutschen, den Münchnern näher, und mehr
und mehr wußte er sich, ähnlich wie Billroth in Wien, in die Isarstadt mit
ihren besonderen Eigentümlichkeiten einzuleben. Die Liebe zur deutschen
Kunststadt brachte er dadurch zum Ausdruck, daß er alle wissenschaftlichen
Hebel in Bewegung setzte, um München, den einstigen Typhusherd, getreu
den Anregungen Pettenkofers in eine »gesunde Stadt« umzuwandeln. Z., der
zuerst dieses Schlagwort münzte, hat neben Pettenkofer am meisten zu dessen
Verwirklichung beigetragen, indem er die Früchte seiner hygienischen Studien,
die in dem (mit Pettenkofer herausgegebenen) »Handbuch der Hygiene und
der Gewerbekrankheiten« (3 Teile, Leipzig 1882 — 86) niedergelegt sind, zum
Wohle Münchens verwertete. Als Mitglied des Ober-Medizinalausschusses
und Gesundheitsrates, als Krankenhausleiter beteiligte er sich mit Rat und
Tat an den sanitären Verbesserungen, welche in den letzten 25 Jahren vor-
genommen wurden, und förderte hierdurch auch indirekt den Wohlstand seiner
zweiten Heimat, die ihn in berechtigter Anerkennung zum Ehrenbürger erhob.
Noch bis in die letzten Tage widmete sich Z. mit Eifer den Angelegen-
heiten des Münchner Spitals, das unter seiner Leitung durch zahlreiche Neu-
bauten vergrößert, durch Errichtung eines »physikalischen Therapeutikums«
zu einer Musteranstalt wurde. Seine Fürsorge erstreckte sich weitergehend
sogar auf die gebessert entlassenen Spitalspatienten, die bis zur völligen Er-
holung in eigenen Rekonvaleszentenheimen (Harlaching) untergebracht werden.
Darin, sowie in der Errichtung einer Volksheilstätte für Brustkranke (in Planegg)
nach den Intentionen und Plänen von Z.s ging München mancher Großstadt
voran.
Inmitten der Arbeit hat ihn der Tod überrascht. Am 7. Januar 1902 hielt
er die erste Klinik im neuen Jahre — es sollte seine letzte sein. Am 10. Januar
erkrankte er unter dem Bilde einer Influenzabronchitis, zu der sich bald
schmerzhafte Gelenkschwellungen und multiple Lobulärpneumonien gesellten.
Die letzten Tage seines Lebens bewußtlos, schlummerte er am 21. Januar
sanft hinüber. An Beifall der Besten unter seinen Zeitgenossen, an Ehrungen
von Seite der Kollegen und Mitbürger, an hohen Auszeichnungen durch
wohlgesinnte Fürsten hat es ihm nicht gefehlt. Den schönsten Lohn aber
trug Z. in sich, im stolzen Bewußtsein, seine herrlichen Geistesgaben zum
Wohle seiner Mitmenschen und zur Förderung seiner Wissenschaft verwendet
zu haben, in Ausübung des ärztlichen Berufes, welchen er selbst mit den
Worten charakterisiert hat: »Er allein verleiht das hohe Bewußtsein, frei zu
^g V. Ziemssen. Baumberg.
sein und aus freiem Willen dem Dienste seiner Mitmenschen sein Bestes,
sein Leben zu opfern, getreu dem schönen Sinnbilde, welches Nikolaus van
Tulp erwählte, der brennenden Kerze, welche anderen leuchtet, indem sie
sich selbst verzehrt.«
Zusammenstellung der Schriften gab A. Schmid im Deutschen Archiv f. klin. Medizin
Band 66.
Nekrologe: Berl. klin. VV. Nr. 8 S, 176 — 178; Deutsche Mcdiz, Wochenschr. Nr. 6
S. 105; Deutsch. Arch. f. klin. Mediz. Bd. 72, S. VI — VIII; Prager med. Wochenschrift
Nr. 5, S. 59; Klin. therap. Woch. Nr. 5, S. 163; Wiener klin. Wochenschr. Nr. 10,
S. 267; Zeitschr. f. klin. Med. XI.V, S. V — VII; Wiener med. Wochenschr. Nr. 4, S. 192.
Max Neuburger.
Baumberg, Antonie, Schriftstellerin, geb. Poisard, vermählte Kreiml,
• 24. April 1859 zu Baumgartenberg bei Berg in Oberösterreich, f '5- April
1902 in Wien. — Am 2. Januar 1899 machte die Erstaufführung einer drama-
tischen Frauenarbeit am Kaiser- Jubiläums -Stadttheater in Wien — »Eine
Liebesheirat« — auf einen Schlag einen Namen bekannt, den zuvor kaum
jemand gehört hatte. A. Baumberg — man wußte nicht, wer das war, nicht
einmal, ob es ein Mann, eine Frau sei. Das Stück gefiel, ja es machte einen
starken Eindruck, der von Akt zu Akt sich steigerte. Der Verfasser wurde
gerufen. Da erschien eine Frau in mittleren Jahren, mit verhärmten aber
schönen Zügen, die sich zaghaft, offenbar ganz benommen von dem glänzen-
den Erfolg, wieder, immer wieder verbeugte. Ein Paar große dunkle, flackernde
Augen blickten fast erschrocken hinaus auf die beifallklatschende Menge. Sie
schienen zu fragen: Ist's wirklich wahr, was da vorgeht? — Träume ich nicht? —
Am folgenden Tage besprachen die Wiener Blätter den Erfolg dieser ersten
Novität des zwei Wochen zuvor, nicht gerade unter günstigen Auspizien er-
öffneten Theaters. (Das Kaiser -Jubiläums -Stadttheater war von der anti-
semitischen Partei Wiens, unter Proklamation der schärfsten Parteibegrenzung
in künstlerischen Dingen geschaffen worden.) Die »Liebesheirat« wurde ein
Zugstück dieser Bühne, das in kurzer Zeit seine 25 Aufführungen erlebte und
von über hundert auswärtigen Bühnen mit teilweise großem Erfolg aufge-
führt wurde.
Es klingt beinahe unwahrscheinlich, daß die Arbeit einer Frau, die vor
der Erstaufführung ihres ersten Stückes kaum zwanzigmal überhaupt in einem
Theater gewesen war, zu solcher Wirkung gelangen konnte, ohne künstlerische
Beratung und vor allem ohne die in Wien überall gesuchte Protektion, hier
speziell die Protektion der Presse, die sich z. T. durch ihre Parteistellung
der genannten Bühne gegenüber ganz schweigend verhielt.
Eine Sport-Posse »Trab Trab« war B.s erster dramatischer Versuch ge-
wesen, der am Raimund-Theater im Mai 1897 aufgeführt wurde, doch ohne
Erfolg. In der nächsten Arbeit »Eine Liebesheirat« erkannte der Direktor des
Jubiläums-Theaters, A. Müller-Guttenbrunn, das starke dramatische Talent der
Verfasserin und erwarb nach dem Glück, welches das eine Stück an seiner
Bühne machte, die folgenden sozusagen gleich von der Feder weg. Es wurde
sogar ein bindender Kontrakt in dem Sinne aufgesetzt, daß B. sich verpflichtete,
jede neue Arbeit zuerst dem Jubiläums- Theater anzubieten. So kam schon
im Herbst desselben Jahres, Oktober 1899, das Volksstück »Familie Bollmann«
zur Aufführung, ebenfalls mit unbestrittenem Erfolg, obgleich das neue Werk
Baumberg. aq
in seinem Gesamteindruck den der »Liebesheirat« nicht erreichte. Es brachte
stärkere Effekte und an einigen Stellen tendenziös gedeutete Worte, die, wie
man bemerkte, im antiliberalen Lager, also beim Stammpublikum dieser Partei-
bühne, Ärgernis hervorriefen. Kurz »Familie BoUmann«, die man ihrem Bühnen-
wert nach neben Anzengrubersche Volksstücke setzte, vermochte sich nicht
lange zu behaupten. Aber die Verfasserin hatte schon ein neues dramatisches
Geschoß in Bereitschaft. Am 21. November 1900 folgte die Aufführung des
Schauspiels »Das Kind«. Ein interessanter, so recht für ein Frauentalent an-
ziehender Stoff, der die Fragen zwischen dem physischen und moralischen
Elternrechte auf ein armes, vernachlässigtes und verlassenes, von barmherzigen
Menschen dann liebreich aufgezogenes Kind behandelt. Das Schauspiel
hatte ungemein packende, ächte Momente, neben theatralisch allzu grell wir-
kenden. Man sah an diesem Stück wieder das Talent, wie das schier rätsel-
haft sprudelnde Hervorbringen der Verfasserin, die, einmal ergriffen vom Fieber
des Erfolges, sich nicht Zeit ließ — wohl auch nicht lassen konnte, — ihre
Werke ausreifen zu lassen. »Das Kind« erlebte, wie »Familie BoUmann«, keine
lange Reihe von Aufführungen. Es brachte den Namen der Autorin aber
wiederum zu Ehren. Fast gleichzeitig mit dieser Aufführung kam am Raimund-
Theater, I. Dezember 1900, eine neue Posse B.s »Vier Strolche« auf die Bretter.
Das Stück, dessen Titel schon abstoßend klang, hatte einen ausgesprochenen
Mißerfolg, sodaß die Verfasserin selbst das Stück vom Spielplan zurückzog.
Nun folgte eine Pause von anderthalb Jahren, in welcher B. nichts neues auf
die Bühne brachte, obgleich sie an allerlei »Problemen« arbeitete, fertige
Sachen ganz umstürzte, von neuen Seiten anfaßte, alles dies rasch, impulsiv,
mit unglaublicher Leichtigkeit der Produktion. Daneben schrieb sie kleine
Sachen für Zeitungen, oft wahre Meisterstücke des Humors und drastischer
Darstellung. Mit diesen für den Vortrag geschaffenen kürzeren Dichtungen er-
schien sie nun fleißig am Vorlesetisch vor dem Wiener Publikum und erntete
hellen Beifall mit ihren köstlichen Geschichten aus dem Bauern- und Klein-
leben der Großstadt, die sie im Dialekt geradezu brillant vortrug. Sie hatte
das Vorlesen so wenig bei einem Meister gelernt, wie die Grundlagen für ihr
literarisches Schaffen. Das schoß alles frisch, mit elementarer Kraft auf, wie
eine Quelle, die sich Bahn bricht, — und dies unter Lebensverhältnissen und
in einem Alter, wo sonst dergleichen Wunder selten geschehen. Mit ihren Vor-
lesungen eroberte sich die B. erst recht eigentlich das Wiener Publikum. Sie
wurde »Mode«, wurde überall eingeladen, gehätschelt. Aus der Frau, die vor
kurzer Zeit erst aus ihrem kleinen dunklen Los hervorgetreten war, wurde eine
interessante Erscheinung, die in den Salons die Aufmerksamkeit auf sich zog.
Das war vielleicht der einzige kurze lichtvolle Abschnitt ihres Lebens, den
sie ohne Aufregung, ohne Zittern wirklich genoß. Dann trieb es sie doch
unwiderstehlich wieder zur Bühne. Sie hatte einen sehr hübschen Dialekt-
Einakter »Nur aus Trutz« geschrieben, auch eine Satire »Max Wiebrecht«.
Dazu kam ein Zweiakter »Der Nachtwächter von Schlurn« nach der gleich-
namigen Novelle von G. v. Berlepsch (aus dem Bande »Bergvolk«. Stuttgart,
Deutsche Verlags-Anstalt, 1898), mit deren Dramatisierung sie eines Tages die
Verfasserin überraschte. Diese drei Stücke wurden — nach gemeinsamer
Umarbeitung des letzteren — beim Deutschen Volkstheater in Wien einge-
reicht und von dieser Bühne im Zeitraum weniger Tage angenommen. Das
Bioffr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd. a
tQ Baurabergf.
war vielverheißend I Aber bald zeigte es sich, daß hinter der geplanten Auf-
führung allerlei Schatten standen. Sie wurde wiederholt hinausgeschoben,
durch Kassenerfolge von Zugstücken wie »Alt-Heidelberg«, durch Ereignisse
wie die Aufführung von Bjömsons »Über unsere Kraft«. Endlich brachte es
die fieberhafte Ungeduld und Energie B.s dahin, daß die drei Stücke am
12. April 1902 zur Aufführung kamen. Aber unter welchen Auspizien! Für
das laufende Spieljahr halb erbettelt, halb erzwungen, — zwischen Stücke
eingeschoben, die einerseits durch ihre Zugkraft, anderseits durch ihre Wucht
die armen kleinen Neulinge erdrückten. Und was endlich noch ausschlag-
gebend war: Die Erstaufführung fand, ohne vorherige Vereinbarung oder auch
nur Benachrichtigung der beteiligten Verfasser, zugunsten der deutsch-öster-
reichischen Schriftsteller-Genossenschaft statt, einer Vereinigung, die durch ihre
antisemitischen Tendenzen im Gegensatz zu einem bedeutenden Teil des
Stammpublikums des Deutschen Volkstheaters stand. Der Effekt dieser »Gunst«
war, daß am Tage der Aufführung, wie auf eine ausgegebene Parole, eine
große Anzahl Stammsitze an die Kasse zurückgelangte, und daß darauf »wegen
ungenügender Kasseneinnahme« sofort die übliche dritte Aufführung abgesetzt
wurde. Nur wer das Wiener Parteileben kennt, vermag hinter diesen Tat-
sachen die Motive zu erkennen, die hier spielten, und leider nicht allein die
achtungswerten Arbeiten einer hochbegabten Schriftstellerin zu Falle brachten
— sondern sie selbst.
An dem Tage, wo die Absetzung der Stücke in den Zeitungen stand,
erschoß sich B. Sie hatte sehnsüchtige Hoffnungen auf die Arbeiten gesetzt,
die so viel verheißend rasch angenommen worden waren. Sie kam über das
Rätsel dieses Mißerfolges, der für sie schwerwiegende Konsequenzen hatte,
nicht hinaus.
Die Frau, die mit kleinen, drückenden Verhältnissen ringend, plötzlich,
wie durch ein Wunder, ihr Talent entdeckt, sich endlich Licht und Luft,
wenigstens zeitweise und nach einzelnen Seiten hin, geschaffen hatte, durch
heiße, fieberhafte rastlose Arbeit, ertrug diesen Sturz nicht. Ihre Widerstands-
kraft, ihre vor kurzem noch merkwürdige Elastizität waren aufgerieben im ehr-
geizigen Kampf um Geltung und — um Brot. Sie war krank, hatte wenige
Wochen vor der Aufführung eine Operation durchgemacht und im Bett, sobald
es irgend möglich war, wieder zu arbeiten begonnen. Sie wollte Herr ihres
Schicksals werden um jeden Preis, wollte es mit dem ganzen licht- und
schattenreichen Temperament der Künstlerin. Es war umsonst! — Sie, die
lange Jahre zäh ausgehalten, mit allen möglichen Qualen und Widerwärtig-
keiten des Lebens gerungen, durch ihrer Hände Arbeit sich tapfer durchge-
schlagen — sie arbeitete u. A. eine Zeit hindurch in einem entfernten Vor-
orte Wiens mit der Strickmaschine, — erlag jetzt der einen Enttäuschung über
Erwartungen, an die sich ihr Glaube an die Zukunft, an sich selbst festge-
klammert hatte. Und seltsam! Der Anfang wie das Ende des meteorhaften
Aufleuchtens dieses starken Talentes standen im Zeichen des Wiener Partei-
lebens, dem es seinem ganzen Wesen nach innerlich fremd war. Der erste
Triumph an einer Bühne, die semitische Autoren und Schauspieler prinzipiell
ausschloß, — das Ende an einer solchen, wo durch das Hineinspielen ent-
gegengesetzter Parteisachen der Erfolg untergraben wurde.
Als das Traurige geschehen war, beschäftigte sich die öffentliche Meinung
Baumberg. Nachbaur. c j
laut tönend mit dem Ereignis, mit den Motiven der Tat und mit Betrach-
tungen über manche Wiener Verhältnisse, die bei dieser Gelegenheit wieder
in schärferes Licht gerückt wurden. Der Fall B. beschäftigte einige Tage
hindurch ganz Wien. Man widmete ihr prächtige Nachrufe, rühmte ihre be-
deutende Begabung, nannte sie neben den besten Meistern österreichisch-volks-
tümlicher Dichtung. Dann — nach einem wahrhaft pompösen Begräbnis, das
Hunderte von Leidtragenden und Neugierigen auf die Beine brachte, — legten
sich die Wogen der Erregung. Und als Nachklang dieses tragischen Lebens-
schlusses blieb bald nur noch, wenn da und dort die herzerquickenden Dialekt-
geschichten B.s vorgetragen wurden, ein befreiendes, fröhliches Lachen und
etwa ein Wort: »Wie schad* ist*s um siel«
Freunde und Kollegen setzten der Toten am ersten Jahrestage ihres Heim-
ganges ein hübsches Denkmal. Sie selbst hatte sich aber auch eins gesetzt,
kurze Zeit bevor sie die Augen schloß. Es ist das einzige Buch, was von
ihr existiert (Wien. Verlag Karl Konegen), eine Auswahl ihrer kleineren und
größeren ausgezeichneten Erzählungen, aus denen das österreichertum in
seinem besten Sinne, Gemüt und ein wundervoller Humor leuchtet und lacht.
Goswina v. Berlepsch.
Nachbaur, Fr^nz, kgl. bayr. Hofopem- und Kammersänger, * 26. März
1835 auf Schloß Gießen (Württemberg), f 21. März 1902 in München. —
Nach N.s eigener Erzählung ist er am 26. März 1835 auf Schloß Montfort
oder auch auf Schloß Gießen als Sohn eines Oberamtsrichters, der eine
große Landwirtschaft besaß, geboren, aber N. gehörte zu jenen nicht gar
seltenen Bühnenkünstlern, die mit ihrem Alter und mitunter auch mit ihrer
Herkunft zeitlebens gern Verstecken spielen. Sicher ist das Geburtsdatum
unrichtig, denn N. feierte plötzlich zur allgemeinen Überraschung schon ein
paar Jahre vor seinem Tode unter vielen Ehren seinen 70. Geburtstag, den
er doch, wäre seine Angabe richtig gewesen, überhaupt nicht mehr erlebt
hätte. Auch seine Herkunft ist dunkel, denn als kurz nach seinem Tode
das angesehenste Blatt Württembergs, der »Schwäbische Merkur«, unter dem
Titel »Künstlerschwächen« behauptete: Franz Nachbaur sei als Ignaz Nach-
bauer und Sohn eines einfachen Zimmermanns, Mühlebauers oder wie man
dort auch sagt »Mühlarzts«, der zugleich Acciser gewesen, im Weiler Gießen bei
Tettnang geboren, erfolgte von keiner Seite ein Widerspruch. In den Ruinen
des in der Nähe der Gießenbrücke an der Argen gelegenen Schlosses, in
denen sein Vater damals hauste, wurde N. vermutlich schon 1830 geboren.
Auf dem Chor der heimatlichen Dorfkirche sang der achtjährige Knabe
häufig mit und zeigte die ersten Spuren musikalischer Begabung. Nach
seiner Angabe studierte und absolvierte er aber später das Polytechnikum
in Stuttgart, da er Ingenieur werden wollte. In der württembergischen
Hauptstadt besuchte er fleißig die Oper und dort scheinen die Triumphe
Sontheims die entscheidende Wendung in seinem Leben vorbereitet zu
haben. Er ließ sich von Pischek prüfen und wollte Chorist mit 15 Gulden
Monatsgage werden — ein gewiß bescheidener Wunsch, der ihm aber nicht
einmal erfüllt wurde, da der gestrenge Chordirektor ihm Stimme und Talent
vollständig absprach. Aber das Selbstvertrauen, das ihn später zu so großen
Erfolgen führen sollte, scheint schon damals im jungen N. wach geworden
4*
52
Nachbaur.
ZU sein: mit viel Mut und leeren Taschen zog er von Stuttgart fort
und fand 1856 in Basel die gewünschte Anstellung als Chorist bei einer
reisenden Opemtruppe, deren Direktor zuletzt den verhängnisvollen Entschluß
faßte, in Paris deutsche Opernvorstellungen zu geben. Der unvermeidliche
Bankerott war die Folge; der Direktor ließ seine Truppe mittellos, kaum
der Landessprache mächtig, in Paris zurück. So lernte N. früh das Wander-
bühnenelend kennen. Mit drei jungen Leidensgenossen bildete er ein Solo-
quartett und sang nachts in den Bierhäusern und Cafes, um sich und den
hungernden Kollegen Brot zu verdienen. Ihm, als dem jüngsten, fiel daneben
die Aufgabe zu, mit dem Teller absammeln zu gehen. In diese Zeit des
höchsten Elends fiel aber gerade die entscheidende Wendung im Schicksale
des jungen Musensohnes. Ein reicher Bankier aus Basel, Alfons Passavant,
hörte seinen schönen Tenor, als N. gerade wieder mit seinen Kollegen
deutsche Quartette in einem Cafe sang, nahm sich wie ein Vater seiner an
und sandte ihn zu Lamperti nach Mailand, wo er zwei Jahre lang fleißig
studierte. Der Winter 1858/59 sieht ihn bereits als Mitglied des Meininger
Hoftheaters, und nun war er geborgen. Nach einem kurzen Gastspiel in
Köln und einem ebenfalls nur kurzen Aufenthalt in Hannover, wo der noch
ungelenke Kunstjünger neben der alles überragenden Erscheinung Niemanns
natürlich nicht aufkommen konnte, stellte er sich am 14. Mai 1860 als Lionel
(Martha) in Prag vor, wo er außerordentlich gefiel, sich seine erste Frau
holte und dadurch den Grundstein zu seinem Reichtum legte. Aber schon
drei Jahre später verließ er Prag wieder, um einem vorteilhafteren Rufe
nach Darmstadt zu folgen, wo er bis 1868 blieb. Im Mai 1867 ließ
er sich als Gast an der Hofbühne Berlins hören und in demselben Jahre
kam er auch nach München. Hier hörte ihn König Ludwig IL und das
war für die weitere Zukunft N.s entscheidend. Im nächsten Jahre erhielt er
die Einladung, in der Uraufführung der Meistersinger (21. Juni 1868) den
Walther Stoltzing zu übernehmen. Nun ließen ihn Wagner und sein könig-
licher Mäcen nicht mehr von München fort. Es war die Glanzzeit der
Münchener Oper, und Nachbaur gehörte fortan zu den Lieblingen des
Publikums wie des Königs. Wohl führten ihn Gastspiele noch an manche
Bühne (u. a. sang er 1878 im Apollo-Theater zu Rom den Lohengrin), aber
München ist er seitdem treu geblieben. Im ganzen trat er looi mal in 62
verschiedenen Rollen auf. Am 14. November 1883 feierte er unter großen
Ehren sein 25 jähriges Künstlerjubiläum, und am 13. Oktober 1890 verab-
schiedete er sich als Postillon von Lonjumeau nur ungern von der Stätte
seiner Triumphe. Die Wahl dieser Rolle war für N. bezeichnend. Sie ist
trotz Wagner stets seine Lieblingsrolle geblieben. N. war ungleich seinem
gleichzeitigen Kollegen Heinrich Vogl, der bis zu seinem Tode sang (s. Biogr.
Jahrb. V. Bd. S. 96 — 98), eigentlich weder ein besonders musikalischer
noch sehr intelligenter Sänger, aber er übertraf seinen jüngeren Kollegen
durch die glänzendere Erscheinung und den echteren Tenorklang seiner
Stimme. Während Vogl, eine durch und durch musikalische und künstlerische
Natur, in Wagner lebte und in der Überwindung der schwersten Aufgaben
seine höchste Freude fand, zog N., wenn er wählen konnte, jene Rollen
vor, wo, wie in der italienischen und französischen Oper, Höhe und Brillanz
der Stimme am schönsten zur Geltung kommen. Die Leibrolle Wachtels,
Nachbaur.
53
des ersten Postillons, war denn auch seine Lieblingsrolle. Das Postillonslied
mit Peitschenknailbegleitung war sein Schwanenlied auf der Bühne und,
durch eine merkwürdige Fügung, auch im Tode. Oft und oft noch sang es
N. im Freundeskreise und als der alte Herr es, ein paar Tage vor seinem
Tode, noch in einer musikalischen Gesellschaft bei seinem Nachfolger
Dr. Walter gesungen, sprang ihm in der Anstrengung beim Nehmen der
höchsten Lage, wie es scheint, eine Kopfader, er stürzte und schwebte noch
einige Tage zwischen Tod und Leben bis er sanft entschlief. Obwohl
etwa 15 Jahre älter als sein Kollege Vogl, sah er bis zuletzt mit seinem
immer dunklen Lockenkopf und seiner stattlichen aufrechten Figur viel
jünger aus. Niemand würde in ihm einen heimlichen Siebziger erkannt
haben. Fast bis zu seinem Tode war es ihm vergönnt, der herkömmlich
schöne erste Tenor der alten Oper bleiben zu dürfen, in wie außer der
Bühne. Es hat wenige Künstler gegeben, die den Ruhm so bis zur Neige
geschlürft haben, wie Franz N. Sein König, der für eine glänzende Er-
scheinung bekanntlich nicht unempfindlich war, überschüttete ihn mit Ehren
und Geschenken. Die silberne Lohengrinrüstung N.s, ein Geschenk Ludwigs IL,
war weltbekannt. Als der Künstler einmal erkrankte, schrieb ihm der König:
»Schonen Sie sich! Tun Sie es Ihrer Familie und der Erhaltung Ihrer gott-
vollen Stimme, tun Sie es Mir zu Liebe, Ich bitte Sie darum. Ich, der
König, der sonst nicht zu bitten gewohnt ist« — oder ein andermal: »Wir
beide sind Feinde alles Gemeinen und Schlechten und erglühen in heiligem,
gottentflammtem Feuer für alles Hohe, Reine und Ideale. Deshalb wollen
wir auch unser Leben lang treue und aufrichtige Freunde bleiben.« Nach
jeder neuen Rolle sandte ihm der König die kostbarsten Geschenke, und N.,
der eine kindische Freude an Schmuck hatte und ihn gern, wo es anging,
zeigte, wurde deshalb im Freundeskreise oft mit seinem Spitznamen der
Brillanten-Nazi genannt. In der Ahnengalerie des Münchener Hof- und
Nationaltheaters ist Franz Ignaz N. als Walther Stoltzing verewigt, und mit
Recht, denn für ihn wie für die Bühne, die zu seiner zweiten Heimat gewor-
den, ist diese Rolle zur entscheidenden geworden; daneben aber hat er auch
den Rienzi, Erik, Tannhäuser, Lohengrin, Siegmund, sowie das lyrische und
zum Teil auch heroische Tenorfach der vorwagnerischen Oper beherrscht,
soweit es bei der ausgesprocheneren und universelleren Begabung seines
Kollegen und Rivalen Heinrich Vogl nicht diesem zufiel. Persönlich war
N. ein guter und liebenswürdiger Mensch, hülfsbereit wo er konnte und, bei
aller Eitelkeit, nicht ohne gutmütige Anerkennung fremden Verdienstes. In
den behaglichsten Verhältnissen lebend, liebte er eine, vorzüglich musika-
lische Geselligkeit und trug selbst gern dazu bei. Sein bis in die höchsten
Lagen schöner Tenor, der auf den Grundlagen des Belcanto und nicht des
Wagnerischen Sprechgesanges ausgebildet war — N. ist auf der Bühne nie
ein guter Sprecher gewesen — hielt bis ins Alter stand. In der Geschichte
der Münchener Oper wird der Name N.s mit der Premiere der Meistersinger
und mit den größeren Richard Wagners und König Ludwigs IL fort-
leben.
(Biographien und Nekrologe haben der Neue Theater- Alm anach der Deutschen
Bühnengenossenschaft, 14. Jahrg. 1903, S. 151, Ludwig Eisenbergs Großes Biographisches
Lexikon der deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert, S. 707 und die Münchener Blätter aus
CA Nachbaur. Oechelhaeuser.
Anlaß seiner Jubiläen und seines Todes gebracht. Allen ist das falsche Geburtsdatum
gemein.)
München. Alfred Fuhr. v. Mensi.
Oechelhaeuser, Wilhelm, Dr. phil. hon. c, Königl. Preuß. Geheimer
Kommerzienrat, • 26. August 1820 in Siegen (Westfalen), f 25. September
1902 in Niederwalluf (Rheingau). — Unter den vielen tüchtigen Männern,
die Westfalens rote Erde dem deutschen Vaterlande geschenkt hat, darf
Wilhelm O. einen ersten Platz beanspruchen. Als ein echter Sohn seiner
Heimat verband er mit einem geraden, klugen Sinn einen festen Willen und
einen unerschütterlichen, emsigen Fleiß; mit solchen Eigenschaften und vom
Glück begünstigt, erklomm er allmählich Stufe auf Stufe der irdischen Ehren-
leiter. So sehr aber auch ein scharfer Verstand ein hervorstechender Zug in
seinem Charakterbilde war, so tief war andererseits sein echt humanes und sein
im Hang zum Schönen wurzelndes Empfinden. Dieser glücklichen Mischung
eines praktischen Verstandes mit natürlicher Begeisterung für die idealen
Schätze des Lebens und einer aus dem Herzen quellenden Güte ist es zuzu-
schreiben, daß er neben seinem eigentlichen Schaffensgebiete, dem industri-
ellen, auch noch die Grenzgebiete der Politik, Volkswirtschaft und Sozial-
politik, sowie das weiter abliegende der Literatur mit großen und fast gleichen
Erfolgen bearbeiten konnte.
O. entstammt einer alten, angesehenen, industriellen Familie des Sieger-
landes. Mit 14 Jahren verließ er bereits die Schule um als Lehrling in die
Papier- und Maschinenfabrik seines Vaters einzutreten, da die Familie derzeit
sehr zahlreich war und er suchen mußte, so frühzeitig als möglich selbständig
zu werden. Unter der Leitung des Vaters, der der Erfinder des Strohpapier-
Maschinensystems war, fand er gute Gelegenheit, sich nicht nur kaufmännisch,
sondern auch technisch völlig auszubilden, was ihm namentlich für seine
spätere Lebensstellung als Leiter einer der größten deutschen industriellen
Gesellschaften von Nutzen geworden ist. Seinen in der väterlichen Fabrik
erworbenen tüchtigen Fachkenntnissen, die er durch wissenschaftliche Studien
auf der Universität Königsberg während seines Militärdienstes als Einjährig-
Freiwilliger ergänzte, sowie größeren Reisen, die seinen Horizont frühzeitig
erweiterten, verdankte er es, daß ihm, dem kaum Vierundzwanzigjährigen,
bereits im Jahre 1844/45 seitens des preußischen Finanzministeriums der ehren-
volle Auftrag zu teil wurde, England und Frankreich zwecks Studiums der
dortigen Papierindustrie zu besuchen. In der dem »Freiheitsjahre« 1848 vor-
angehenden allgemeinen wirtschaftlichen Krisis, in der Handel und Verkehr
stockten, gingen aber auch O.s Aussichten auf Begründung eines eigenen Ge-
schäftes unter, sodaß er sich veranlaßt sah, am 4. April 1848 seine Heimat
in den westfälischen Bergen zu verlassen und sich einen neuen Wirkungskreis
zu suchen. In Berlin, wohin er sich zuerst gewandt hatte, schlugen seine
Hoffnungen allerdings fehl, er kehrte aber am 21. Juni dahin zurück, nach-
dem er in der Zwischenzeit in Österreich vergeblich versucht hatte, neue Ge-
schäftsverbindungen auf Grundlage alter Beziehungen anzuknüpfen, da die
dortigen wirtschaftlichen und politischen Zustände fast noch trostloser waren
als in Deutschland.
Oechelhaeuser. c e
Von Berlin aus richtete O. nunmehr sein Augenmerk auf Frankfurt a. M.,
dem damaligen Zentralsitz des politischen und parlamentarischen Lebens.
Er traf am ii. Juli dort ein und erreichte durch geschickte Benutzung einer
ihm von Freundesseite an den Reichsminister des Handels und der Marine,
Herrn Duckwitz, gegebenen Empfehlung und durch eine von ihm über ein
handelspolitisches Thema gefertigte Arbeit, die sich mit den Wasserstraßen
von den Emshäfen nach dem Rhein, bezw. zwischen Nord- und Ostsee be-
schäftigte, daß er Ende September 1848 zunächst »zur Probe« beschäftigt
und am 23. Dezember 1848 zum »Reichsministerialsekretär« ernannt wurde.
Damit hatte er das Ziel seines damaligen Wünschens erreicht; sein Eintritt
in den Staatsdienst leitete aber zugleich einen völlig neuen Abschnitt seines
Lebens ein. Aus dem freien Industriellen, der allerdings trotz gediegenster
Kenntnisse und fleißigster Arbeit zu keiner Selbständigkeit zu gelangen ver-
mochte, war für die nächste Zeit ein Beamter geworden. Aber sein draußen
im Kampfe des Lebens erworbener praktischer Blick und seine mannigfachen
Erfahrungen und geläuterten Anschauungen waren ihm für seine neue Lauf-
bahn gerade von größtem Werte, denn sie befähigten ihn, sowohl in seiner
Staats-, als in seiner späteren kommunalen und industriellen Stellung den
jeweiligen Verhältnissen stets ein schnelles und sicheres Verständnis und,
falls er von ihrer Notwendigkeit überzeugt war, ein frisches Ergreifen und
eine rasche Durchführung entgegenzubringen. Mit solchen Eigenschaften
fügte er sich allerdings manchmal nur schwer dem eigenartigen Getriebe der
damaligen deutschen Zentralgewalt ein; verständigerweise benutzte er aber
die ihm in seiner dienstlichen Stellung vielfach verbleibende Muße, um sich
in der Nationalökonomie und Handelspolitik gründlich auszubilden. Im
Sommer 1849 besuchte er im Auftrage des Reichsministeriums die französische
Industrieausstellung in Paris und beantragte auf Grund seines später darüber
erstatteten Berichtes und weil er sich dadurch gesicherter in seiner Lebens-
stellung fühlte, seine Ernennung zum »Reichsministerial-Assessor«. Es glückte
ihm auch, dieses Patent zu erhalten, das — nach O.s eigenen Worten — das
einzige Exemplar dieser Spezies war, welches die deutsche Zentralgewalt ge-
züchtet hat. Aus dem immer mehr zur Posse gewordenen Zustand in Frank-
furt, der für O.s dienstliche Stellung fast absolutes Nichtstun mit sich brachte,
das er jedoch durch emsiges Weiterstudium und eine rege private Mitarbeit
an dem handelspolitischen Teile der Frankfurter Oberpostamtszeitung auszu-
füllen suchte, führte ihn im Januar 1850 das Anerbieten des diplomatischen
Vertreters bei der schweizerischen Eidgenossenschaft wegen Übernahme einer
politischen und handelspolitischen Mission nach der Schweiz. Die indirekte
Veranlassung hierzu war die Annahme der republikanischen Verfassung seitens
der Stadt Neuchätel und ihr daraus resultierender Abfall von der Souveränität
der Könige von Preußen, der sie seit 1707 unterstanden hatte. Die preußische
Regierung sah sich nach erfolglosen Bemühungen, den Status quo ante auf
diplomatischem Wege wieder herbeizuführen, veranlaßt, ihren Vertreter aus
der Schweiz offiziell abzuberufen. Bei der Wichtigkeit der wechselseitigen
Interessen beider Länder hielt sie es hinwiederum aber doch für angezeigt,
eine geeignete Persönlichkeit sowohl mit der politischen Berichterstattung
über die öffentlichen Vorgänge und Bewegungen in der Schweiz, als auch
mit einer Untersuchung und Begutachtung des am i. Februar 1850 in Kraft
56
Oechelhaeuser.
getretenen neuen schweizerischen Zollsystems zu beauftragen, und hierzu ward O.
ausersehen, der sich seiner interessanten Aufgabe mit Umsicht und Geschick
unterzog und das Gesamtresultat seiner Beobachtungen in drei ausführlicher?
Denkschriften niederlegte. Die erste behandelte die Vorzüge der neuen
Bundesverfassung und die Stellung der Parteien zu derselben; die zweite be-
sprach die Neuchateier Frage, die erst im Pariser Vertrage vom 26. Mai 1857
ihre endgültige Erledigung durch fast bedingungslose Verzichtleistung des
Königs von Preußen finden sollte, und die dritte, mit ausführlichen, statistischen
Daten belegte Denkschrift ließ der neuen Zolleinigung der Schweiz volle Ge-
rechtigkeit widerfahren und hob deren Vorteile wie einzelne Nachteile für die
Zollvereinsinteressen hervor. Letztere Denkschrift ließ das Ministerium des
Äußern an alle übrigen Zollvereinsregierun gen versenden. Einen erneuten
Antrag, zur weiteren Berichterstattung nach der Schweiz zurückzukehren,
mußte O. ablehnen, da er sein Beamtenverhältnis bei der Bundeskommission
dadurch gefährdet sah und die preußische Regierung ihm die zur Übernahme
in ihren Dienst erforderlichen Staatsexamina nicht glaubte erlassen zu können.
So verblieb O. auf seinem dienstfreien Reichministerialassessorposten und
studierte, mit scharfem Blick die von Österreich insgeheim beabsichtigte
Sprengung des Zollvereins erkennend, unter Zuhilfenahme der Protokolle der
Zoll Vereinskonferenzen das gesamte Material aller einschlägigen Fragen. Die
im November 1850 zwischen öesterreich und Preußen ausbrechenden Feind-
seligkeiten, welche in Olmütz ihr bekanntes, für Preußen so schmachvolles
Ende fanden, verursachten O.s Eintritt als Landwehroffizier in die Armee.
Als ein Zeichen der preußischen Schwäche, bezw. der preußischen Mitglieder
in der Bundeszentralkommission muß es gelten, daß er noch während dieser
Zeit militärischer Pflichterfüllung in der zweiten Hälfte des Dezember 1850
seine P^ntlassung aus den Diensten der Bundeszentralkommission erhielt. Die
zweieinviertel Jahre, die O. in dem verfahrenen Frankfurter Reichsministerium
zubrachte, waren ihm persönlich jedoch immerhin von Vorteil. Denn als er
nach seiner Entlassung aus dem Bundesdienst im Frühjahr 185 1 zwei Bro-
schüren veröffentlichte, welche neben allgemeinen wirtschaftlichen und zoU-
poli tischen Fragen speziell auch den von Österreich gefährdeten Zollverein
behandelten, wurde er infolgedessen, und in Erinnerung an seine Berichter-
stattung über die 1849er Pariser Industrieausstellung und an seine Begut-
achtungen über das Schweizer Zollwesen sowie seine sonstigen nationalöko-
nomischen Arbeiten zum Mitgliede der Zollvereinskommission bei der ersten
Londoner Weltausstellung von 1851 gewählt; drei Jahre später (1854) wurde
er Miglied der Münchener Industrieausstellung. Das Bekanntwerden seines
Namens in weiteren Kreisen war indirekt also unstreitig eine Folge seines
I**rankfurter Aufenthaltes. Als es ihm aber geglückt war, 1852 als Bürgermeister
der rheinischen Stadt Mülheim a. Ruhr gewählt zu werden, da wurde ihm
der gleiche Grund fast zum Nachteil, indem der damalige Oberpräsident von
Westfalen, Staatsminister v. Düesberg, die Genehmigung dieser Wahl beim Könige
nicht beantragen wollte. Der freundschaftlichen Vermittlung jenes früheren
diplomatischen Vertreters bei der schweizerischen Eidgenossenschaft, dem O.
seine 1850er Mission verdankte, gelang es jedoch, die schweren ministeriellen
Hedenken zu zerstreuen, sodaß die Bestätigung schließlich doch noch erfolgte.
So war O. nun Bürgermeister im rheinischen Heimatlande. Aber auch
Oechelhaeuser.
57
in dieser neuen voraussichtlichen Lebensstellung sollte seines Bleibens nur
vier und ein halbes Jahr sein. Wie er diese verhältnismäßig kurze Zeit in
einer ihm zunächst völlig fremden Sphäre zum Segen der Stadt aber zu nutzen
verstand, das hat die Stadtverwaltung von Mülheim selbst anerkannt, als sie ihm
1881, gelegentlich des 25jährigen Amtsjubiläums in seiner späteren industriellen
Stellung, in Erinnerung an das Geschaffene schrieb, daß er »viel, sehr viel
für die Entwicklung der Stadt getan habe, wofür sie ihm noch heute zu
großem Danke verpflichtet sei« und femer seine vielfachen Bemühungen um
das Eisenbahnwesen und die Schiffahrt von Mülheim, ferner seine Mitwirkung
zu dem vollständigen inneren und äußern Ausbau der dortigen Realschule
und seine großen Verdienste um das städtische Beleuchtungswesen hervorhob.
Aus der Aufzählung dieser Tatsachen und der Art und Weise ihrer Durch-
fiihrung leuchtet uns überall der weitsichtige Kaufmann und Organisator, so-
wie der praktische Techniker entgegen. Sein Verdienst um die städtischen
Interessen Mülheims, besonders dasjenige um das Beleuchtungswesen, trug
schnelle Frucht, indem es ihm den Übergang in seine Hauptlebensstellung
anbahnte. Der damalige erste Direktor der »Deutschen Kontinental-Gas-
gesellschaft«, Regierungs- und Baurat Hans Victor von Unruh — auch ein
1848er — , hatte O. beim Abschluß des Mülheimer Gasbeleuchtungsvertrages
»als eine hervorragende Persönlichkeit« kennen gelernt und bot ihm im
August 1856, wo das am 12. März 1855 neu gegründete Unternehmen »im
vollen Schwünge« war, die Stelle eines verwaltenden, dritten Direktors an.
O. nahm das Anerbieten an, obschon er sich »in einer Stellung befand, die
ihm für jetzt und alle Zukunft eine gesicherte Existenz und einen sehr schönen
Wirkungskreis bot, der ihm in persönlicher und sachlicher Beziehung wirk-
lich ans Herz gewachsen war«. Das Ausschlaggebende dafür, daß er sich
dennoch zum Wechsel der Stellung entschloß, war »die alte Anhänglichkeit
an das kaufmännische und technische P'ach, dem er ursprünglich angehörte«,
sowie daß »die Dessauer Gasgesellschaft auf solidester Grundlage errichtet
war und einen neuen Gewerbszweig ausbeutete, der eine große Zukunft vor
sich hatte und ihm ebenfalls einen schönen Spielraum für lohnende Tätigkeit
bot, wie *er auf dem Gebiete der Industrie selten gefunden werden kann.«
Wer O.s Lebensgange bis hierher mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, sieht auch
in diesen seinen persönlichen Äußerungen, daß er nicht eine Natur war,
welche eine ihr zugefallene auskömmliche und befriedigende Stellung freudig
und ruhig genoß, sondern ein Mann, der sie mutig daran gab, wenn er auf
einem größeren Schaffensgebiet, auch wenn es erst in der Entwicklung be-
griffen war, sein »geistiges Pfund« glaubte besser verwerten zu können. So
trat er denn am 14. November 1856 der exekutiven Spitze der Dessauer Gas-
gesellschaft zunächst als drittes Mitglied bei. Als aber kaum sechs Wochen
später Herr von Unruh von der Stellung eines verwaltenden Direktors zurück-
trat und auch der zweite Direktor an der Leitung der laufenden Geschäfte
keinen Anteil mehr nahm, war O. vom i. Januar 1857 ab tatsächlich alleiniger
Direktor der Gesellschaft. Am 15. März 1858 wurde er zum Generaldirektor
gewählt, der er bis zum 31. Dezember 1889 verblieb. Was er in diesen ^^
Jahren für die Dessauer Gasgesellschaft geleistet hat, das kann im Rahmen
dieser biographischen Skizze nur kurz dahin zusammengefaßt werden, daß
sein Name in diesem langen Zeiträume untrennbar mit allem verknüpft ist,
c8 Oechelhaeuser.
was der Gesellschaft in technischer und administrativer Hinsicht nicht nur
zu ihrer besonderen, sondern auch zu ihrer allgemeinen Bedeutung in der
Gasindustrie verholfen hat. Für den Fachmann sei hinzugefügt, daß sich die
Gesamtgasproduktion der Gesellschaft von 705444 cbm im Jahre 1856 in
6 Gasanstalten auf 32 Millionen cbm im Jahre 1889 in 14 Gasanstalten im
anlande und 3 Anstalten im Auslande hob. Daß ein derartiges Aufblühen
eines neuen industriellen Unternehmens die größte Umsicht und den regsten
Fleiß selbst eines so geschäfts- und welterfahrenen Leiters, wie es O. war, er-
forderte, bedarf kaum der Erwähnung. Auf die Jahre des Sorgens und Mühens
kamen aber auch Jahre ruhigeren Besitzes und diese Zeiten benutzte der Rast-
lose und Nimmermüde, um seinen persönlichen schöngeistigen Neigungen
mehr als bisher zu huldigen.
O.s Vorliebe für das Theater ist bekannt. Seine Lieblingslektüre in
frühester Jugend waren einige Übersetzungen Shakespearescher Dramen; dies,
sowie seine spätere pflichtgemäße Beschäftigung mit der englischen Sprache,
sein Besuch Englands in den Jahren 1844^45 und seine allgemeine künst-
lerische Neigung wirkten zusammen, um ihn ganz besonders auf Shakespeare
hinzuleiten. >^In dem der großen Jubelfeier von Shakespeares 300. Geburtstag
vorangehenden Jahre 1863 faßte er den Plan, der Gründung einer deutschen
Shakespeare-Gesellschaft näherzutreten«, wobei er von seinen Freunden Dingel-
stedt, R. V. Gottschall, A. v. Loen, F. A. Brockhaus, H. Markgraf u. a. lebhaft
unterstützt wurde. Die von O. ^tworfenen und versandten »Ideen zur Grün-
dung einer deutschen Shakespeare-Gesellschaft« fanden derartigen Beifall, daß
am 23. April 1864 auf Weimars klassischem Boden, der Bühne Goethes und
Schillers, die O. mit 18 Jahren von Erfurt aus, als Schüler einer technischen
Lehranstalt, zum ersten Male besucht hatte, mit Unterstützung des Groß-
herzogs Karl Alexander und namentlich der Großherzogin Sophie die Grün-
dung tatsächlich erfolgte. Was die Shakespeare-Gesellschaft in den vierzig
Jahren ihres Bestehens für das deutsche Geistesleben geworden ist und wie
sie allmählich Einfluß auf die breitesten Volksschichten gewonnen hat, das
ist zumeist ein Verdienst O.s, der — obwohl nach seinen eigenen Worten
nur ein Autodidakt auf dem Gebiete der Shakespeareforschung — * an ihrer
Tätigkeit stets hervorragenden und bestimmenden Anteil nahm. Zwölf Jahre
hindurch (seit 1890) war er Präsident der Gesellschaft. Einen Lieblings-
wunsch seiner letzten Leben.sjahre, die Errichtung eines Shakespearedenkmals
auf Weimars Boden, konnte O. nur vorbereiten helfen; seine FMülIung, die
Enthüllung des Denkmals im Jahre 1904, erlebte er leider nicht mehr.
Mit dem gleichen Feuereifer, den O. seinen Shakespearestudien entgegen-
brachte, ergriff er auch das weitschichtige Gebiet der Politik, als ihm 1878
nach Beendigung einer Bühnenbearbeitung sämtlicher 27 zur Aufführung ge-
eigneter Shakespearedramen der IL anhaltische Wahlkreis ein Reichstags-
mandat antrug. Seine ersten politischen Sporen hatte sich ()., wie wir weiter
oben sahen, 1850 bei der Schweizer Mission verdient; in der späteren Zeit
seiner Bürgermeisterschaft war er Mitglied des preußischen Abgeordneten-
hauses für die Kreise Mülheim a. Ruhr und Rees gewesen. Sein Reichstags-
mandat war also gewissermaßen nur eine Fortsetzung seines früheren po-
litischen Wirkens und er behielt es ununterbrochen bis zum Jahre 1893;
während dieser Zeit hat O. im deutschen Parlament eine seiner Person und
Oechelhaeuser.
59
seinem Wissen entsprechende einflußreiche Tätigkeit entfaltet. Wie er seinen
politischen Standpunkt von jeher bei den Parteien des gemäßigten Liberalis-
mus gefunden hatte, so schloß er sich auch als Parlamentarier der national-
liberalen Partei an und blieb ihr bis zu seinem Lebensende treu. Seine
engen persönlichen Beziehungen zu Rudolf von Bennigsen sind bekannt.
»Eine politische Wandlung — schreibt O. 1892 in seinen »Erinnerungen« —
habe ich nie durchgemacht; denn noch heute bekenne ich mich zu den
gleichen, allerdings durch Erfahrung geläuterten Grundsätzen wie beim Ein-
tritt in jene große Bewegung«. Als positive Ergebnisse seiner parlamentarischen
Tätigkeit seien hier vor allem seine wesentliche Anteilnahme an der Reform
der Aktiengesetzgebung, sowie seine Urheberschaft an dem Reichsgesetz be-
treffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und seine rastlosen Be-
mühungen auf sozialpolitischem Gebiete genannt, die eine praktische Durch-
führung der Kaiserlichen Botschaft vom 4. Februar 1890 bezweckten. Namentlich
auf letzterem Gebiete war O. ein weitsichtiger Politiker und ein unerschrockener
Mahner des Großbürgertumes und der Großindustrie, indem er offen aussprach,
daß sozialpolitische Bestrebungen ohne materielle und ideelle Opfer auf
Seiten der Arbeitgeber jeder Basis entbehrten. Sein Ausspruch: »Was für
den Arbeiter geschieht, soll auch durch ihn geschehen (»Soziale Tagesfragen«)
dient seither allen modernen sozialpolitischen Bestrebungen zur Richtschnur.
Aus dieser Erkenntnis heraus gründete er im Dezember 1887 mit Gleich-
gesinnten den »Verein anhaltischer Arbeitgeber«, der den größten Teil der
anhaltischen Großindustrie umschließt, und durch seine Fundamentaleinrich-
tungen: »Arbeiterausschüsse« und »Ergänzende Hilfskassen« vorbildlich für
eine ganze Reihe ähnlicher Schöpfungen über ganz Deutschland und dessen
Grenzen hinaus geworden ist. Seinem weitausspannendem Geiste entsprach
es femer, daß er auch das lebhafteste Interesse an der kolonialen Entwick-
lung Deutschlands nahm und als Mitglied des Kolonialrates Mitschöpfer der
Deutsch-Ostafrikani selben Gesellschaft wurde, auch Mitglied einer großen An-
zahl Plantagengesellschaften war. O. selbst legte eine eigene Plantage in
Kamerun an (Oechelhausen bei Isongo). Die letzten eifrigen Bemühungen
seines Lebens auf kolonialem Gebiete betrafen die Schaffung einer Ostafrika-
nischen Zentraleisenbahn, deren erste Strecke — im Jahre 1904 — vom
Deutschen Reichstage nach langen Kämpfen genehmigt worden ist.
Es konnte nicht ausbleiben, daß einem so vielseitigen, mit reichen Geistes-
gaben ausgestatteten Manne, der, wohin ihn auch sein Schicksal rief, überall
mit voller Kraft sein ganzes Wissen und Können einsetzte und damit, soviel
menschliches Wirken vermag, zumeist auch den Erfolg an sich zog, äußere
Ehren in reicher Zahl zu teil wurden. 1874 wurde er Königl. Preußischer
Geheimer Kommerzienrat; 188 1 verlieh ihm die Stadt Dessau das Ehren-
bürgerrecht; 1883 erhielt er vom Herzoge von Anhalt den erblichen Adel,
den er für seine beiden Söhne annahm, auf dessen Führung er für seine
Person aber verzichtete; 1893 erhielt er wegen seiner Shakespeare-Forschungen
und seiner literarischen Tätigkeit auf wirtschaftlichem und sozialpolitischem
Gebiete von der Universität Erlangen das Diplom als philosophischer Ehren-
doktor. Daneben besaß O. vielfache und hohe Ordensauszeichnungen.
Emil Rittershaus sagt in seinem »Westfalenliede«: »Gradaus, das ist West-
falenbrauch!« Diesen Heimatspruch hatte auch O. zum Ziel und Inhalt seines
6o Oechelhaeuser.
Lebens gemacht und sein ganzes Sinnen und Wirken danach eingerichtet.
In der reichsdienstlichen Stellung haßte er »die patriotische Phrase«, die da-
mals das Parlament sowie weite Kreise des Volkes und der Regierung be-
herrschte; als Bürgermeister ging ihm das städtische Interesse jedem andern
voran, und bei seiner Entschließung, die Stellung eines leitenden Direktors
bei der Dessauer Gasgesellschaft anzunehmen, war für ihn das Bestimmendste,
daß die Gesellschaft »auf solidester Grundlage errichtet war«. Nicht minder
läßt sich der gleiche Grundzug seines Charakters in der offenen Freimütig-
keit wiederfinden, mit der er seine politischen und sozialpolitischen Ansichten
zu ergreifen und zu verfechten pflegte. Wo dieser Zug seines Wesens aber
am schönsten und lautersten hervorbrach, das war im Umgang mit der
großen Zahl seiner persönlichen Freunde, denen er vollste Aufrichtigkeit und
anhängliche Treue entgegenbrachte. In dieser Beziehung hatte er sich einen
Spruch aus Richard IL gewählt, den er oft und. gern anwendete:
»Ich achte mich in keinem Stück so glücklich,
als daß mein Sinn der Freunde treu gedenkt.«
Dieses treue Gedenken, das er für seine Freunde hatte, werden auch
diese ihm halten. Er ist geehrt worden von den Hohen, geschätzt und ge-
achtet von den Mitarbeitern auf seinen verschiedenen Wirkungsgebieten;
dankbar wird seiner aber auch der große Beamtenkreis gedenken, der unter
ihm arbeiten durfte und dem seine Güte eine weitgehende Fürsorge ange-
deihen ließ.
Am 25. September 1902 endete sein arbeits- und erfolgreiches Leben an
den Folgen einer Lungenentzündung auf seiner Villa Belmonte zu Nieder-
walluf im Rheingau. Seine Frau Emma, geb. Reinbach, war ihm bereits am
4. April 1876 im Tode vorangegangen. Von seinen beiden Söhnen folgte ihm
der ältere, Dr. ing. Wilhelm von O., schon 1890 in seinem Berufe als General-
direktor der Deutschen Continental-Gasgesellschaft; der jüngere ist Dr. phil.
Adolf von O., Großherzogl. Geheimer Hofrat und Professor an der Technischen
Hochschule zu Karlsruhe. In dem imposanten Trauergefolge, das der sterb-
lichen Hülle Wilhelm O.s am 28. September in Dessau die letzte Ehren-
bezeugung erwies, kamen seine Bedeutung und seine Beliebtheit noch einmal
zu einem allgemeinen beredten Ausdruck.
Schriftlicher Nachlaß: Volkswirtschaft: »Die wirtschaftliche Krisis« (Berlin 1876); »Die
Nachteile des Aktienwesens und die Reform der Aktiengesetzgebung« (Berlin 1878); »Die
Tarifreform von 1879« (Berlin 1880). — Sozialpolitik: »Die Arbeiterfrage« (Berlin 1886); »Die
sozialen Aufgaben der Arbeitgeber« (in 2. Auflajje Berlin 1887); »Die Durchführung der
sozialen Aufgaben im Verein der anhaltischen Arbeitgeber« (Berlin 1888); »Soziale Tages-
fragen« (in 2. Auflage Berlin 1889). — ■Shakespeare-Literatur und Geschichte: »Bühnen- und
Familienausgabe von Shakespeares dramatischen Werken« (7 Bände, Weimar 1878); »Ein-
führungen in Shakespeares Bühnendramen« (2. Auflage, 2 Bände, Minden 1884); »W. Shakes-
peares dramatische Werke« im Auftrage der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft heraus-
gegeben und mit Einleitungen versehen (Stuttgart 1891); »Einführung in Shakespeares
Bühnendramen und Charakteristik sämtlicher Rollen« (3. Auflage, Minden 1895). Cber 30
Auflagen erlebte die einbändige billige V^olksausgabe (3 Mk.) eines ganz ungekürzten und
fast unveränderten Neudruckes des Schlegel-Tieckschen Shakespeare (189 1).
Benutzte Literatur: »Erinnerungen aus den Jahren 1848 bis 1850« von W. Oechelhaeuser
(Berlin 1892); Aktenmatcrial ; Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft 1903 und
verschiedene Tageszeitungen.
Oechelhaeuser. Debrois van Bruyck. 6l
Ein sehr gutes Bild von Dr. Wilhelm Oechelhaeuser (Heliogfravure nach einem Öl-
gemälde von Professor C. Gussow 1894) ist als Beilage zu den Verhandlungen des Deutschen
Vereins für Gas- und Wasserfachmänner 1902 erschienen (Verlag von R. Oldenbourg,
München und Berlin).
Dessau, Juni 1904. Wilhelm Klebe.
Debrois van Bruyck, Karl, • 14. März 1828 zu Brunn, f 2. August 1902
zu Waidhofen a. Ybbs, Komponist und Schriftsteller. — Als Sohn des k. k.
Buchhaltungsbeamten Johann D. v. B. und einer geb. Mühlböck zu Brunn ge-
boren, kam er frühzeitig nach Wien, wo er am akademischen Gymnasium (?)
ausgebildet worden sein dürfte und dann die juridischen Studien begann.
Nebenbei trieb er mit Lebhaftigkeit und Eifer die Musik und komponierte.
Durch seinen Jugendfreund Karl Werner kam er zu Fr. Hebbel und gehörte
dann neben Emil Kuh, F. Jachimowicz und anderen zu den eifrigsten An-
hängern des Dichters, der ihn wegen seiner unstäten Art, seines sprunghaften
Naturells ziemlich scharf in die Schule nahm und auch wesentlich förderte.
D. wandte sich keinem bestimmten Beruf zu, sondern wollte sich als Musiker
und Schriftsteller ausbilden, strebte zudem mit unzulänglichen Mitteln nach
einer gewissen Goethischen Allseitigkeit, worin sich aber wohl mehr die ge-
borene Dilettantenhaftigkeit äußerte. Mit lebhaftem Temperament und großer
Begeisterungsfähigkeit verband sich nicht auch gründliches Studium und ver-
tiefendes Arbeiten in den Grundlagen. Er war ein überzeugter Anhänger
Robert Schumanns, für dessen Musik er in Wien theoretisch und praktisch
Propaganda machte, wodurch er auch in direkte Beziehungen mit Schumann
kam. Als Klavierspieler brachte er es so weit, daß er öffentliche Konzerte
gab und später Klavierunterricht erteilte; als Komponist stand er, soviel ich
beurteilen kann, wesentlich unter dem Einflüsse Schumanns, nach dessen
»Frauenliebe und -leben« er in ganz gleicher Weise mit melodischem Reiz
Hebbels Zyklus »Ein frühes Liebesleben« verarbeitete. Nur entbehrte er die
unerläßliche Kenntnis des Kontrapunktes allzusehr, als daß er es in dieser
Richtung zu wirklicher Künstlerschaft gebracht hätte. Auch als Schriftsteller,
besonders über Musik und Literatur, mangelte es ihm keineswegs an guten
Gedanken und glücklichen Einfällen, nur ließ die innere Zucht zu wünschen
übrig und dadurch brachte er es niemals zu einem Stil. Eine gewisse Un-
klarheit haftete ihm stets an, sodaß er fortwährend Anmerkungen zu seinem
Text und Anmerkungen zu den Anmerkungen schreiben mußte, selbst in seinen
Briefen. Dabei stak etwas vom Romantiker in ihm, er nimmt sich merk-
würdig fremd in seiner Zeit aus und behielt bis in sein spätestes Alter Eigen-
tümlichkeiten, die allmählich gänzlich verschwinden. So war er ein Brief-
schreiber alten Stils, der mit einer kaum zu entziffernden Schrift Bogen auf
Bogen füllte und darin seine Ansichten, Erlebnisse, Eindrücke breit entwickelte.
Ein kleiner Zug möge das dartun. Als er einmal von meinem Vater Karl
Werner zu einem mehrtägigen Aufenthalt nach Salzburg geladen worden war,
Ende der siebziger Jahre, verfaßte er über diese Fahrt von Waidhofen an der
Ybbs nach Salzburg und zurück eine »Reisebeschreibung« im Stile Sternes
oder Jean Pauls. Freilich begreift man diese Versenkung ins Innere, wenn
man seine Schicksale wenigstens einigermaßen kennt. Schon sehr früh war
nämlich ein Ohrenleiden bei ihm aufgetreten, bereits zu Ende der fünfziger
62 Debrois van Bruyck. Wesendonk.
Jahre, es steigerte sich allmählich bis zur höchsten Schwerhörigkeit. Dazu
war er niemals recht glücklich gewesen, weil ihm die Zufriedenheit fehlte und
der Neid an ihm zehrte. Er maß sich selbst nur geringe Schuld bei, daß er
es im Leben zu nichts brachte, und sah darin eine Tücke des Schicksals.
Jedesfalls hielt er sich für origineller, als er war, denn ich meine, daß er
stets von fremden Mustern bestimmt war und sich über sich selbst täuschte.
Mit Hebbel zerfiel er, bald nachdem sich Emil Kuh von seinem »Meister«
getrennt hatte, doch auch mit seinen nächsten Freunden kam er auseinander,
die allmählich in feste Stellungen einrückten. Anfangs der sechziger Jahre (1862?)
heiratete er nach heftigen Kämpfen seine Schülerin, die Tochter des reformier-
ten Pfarrers Dr. Hermann Ernst in Wien, und kam dadurch in eine günstige
Lage. Bald aber stellten sich Mißverständnisse ein und führten schließlich zur
vollständigen Trennung der Gatten, wodurch D. in vorgerückteren Jahren wieder
gezwungen war, sich sein Brot zu verdienen. Eine Zeitlang war er Lehrer
an der Horakschen Musikschule. Als sein Ohrenleiden immer weiter fortschritt,
zog er sich mit einer Cousine, die ihm die Wirtschaft führte, nach Waid-
hofen a. d. Ybbs zurück und lebte dort hauptsächlich der Lektüre und der
Briefkorrespondenz, nur ab und zu veröffentlichte er kleine Aufsätze und gut-
gemeinte Gedichte. Eifrig korrespondierte er besonders mit Paul Heyse, zu
dessen Verehrern er zählte; doch machte er auch für W. Raabe Propaganda
und behielt seine alte Begeisterungsfähigkeit. Auch mit Karl Werner stand
er während der letzten Jahre in ununterbrochenem Briefwechsel bis zu dessen
Tod. Durch eine kleine Erbschaft war er den ärgsten Lebenssorgen entrückt
und schrieb eine umfangreiche Selbstbiographie, die aber wegen seiner nahe-
zu unleserlichen Schrift kein Verleger näher ansehen wollte; auch für seine
Kompositionen fand er keinen Verleger. Als ihn nun das Unglück traf, daß
seine gleichaltrige Cousine und Wirtschafterin bei Tisch an einem Stückchen
Fleisch erstickte, verlor er jeden Lebensmut und machte einen Selbstmord-
versuch, bei dem er aber gerettet wurde. Er erholte sich noch für kurze Zeit,
setzte die Wiener Gesellschaft der Musikfreunde zur Universalerbin seines
Nachlasses ein und starb wohl infolge des großen Blutverlustes nach kurzem
Leiden, versehen »mit den Sterbesakramenten im 74. Lebensjahre«; die »Wiener
Zeitung« widmete ihm einen kurzen Nekrolog. D. zählte zu den unglück-
lichen Halbnaturen, die sich für ganz halten, und so zerfloß auch ihm sein
Leben und sein Dichten.
Emil Kuh, Biographie Friedrich Hebbels, Wien 1877. II S. 422 f. — R. M. Werner,
Friedrich Hebbel, Berlin 1904 S. 291 ff. — £. Hartick, Aus meinem Leben, Berlin 3. Aufl.
1894. — Schumanns Briefe an D. bei VV. J. v. Wasieliewski. Robert Schumann. 3. Aufl.
Bonn 1880 S. 429 ff. — Friedrich Hebbels Briefwechsel, Berlin 1892 II S. 437 f. — Private
Mitteilungen, persönliche Erinnerungen und ungedruckte Briefe an K. Werner. — Den
Nachlaß habe ich nicht benutzt.
Lemberg. R. M. Werner.
Wesendonk, Mathilde, ♦ 23. Dezember 1828 zu Elberfeld, f 31. August 1902
in Traunblick. — M. W. war die Tochter des Kgl. Kommerzienrats Karl Lucke-
meyer und seiner Frau Johanna geb. Stein. Ihre Erziehung erhielt sie in
Düsseldorf, wohin ihre Eltern später verzogen waren, und hernach in Dün-
kirchen. Am 19. Mai 1848 verheiratete sie sich mit Otto Wesendonk
Wesendonk. ()7
(♦ i6. März 1815, t 18. November 1896, vergl. Biogr. Jahrbuch 3, 84*). Wesen-
donk war Teilhaber eines großen Newyorker Seidenhauses, dessen Geschäfte er
in Deutschland vertrat. Die Neuvermählten ließen sich zunächst in Düsseldorf
nieder. Im Jahre 1850 reisten sie nach Amerika. 1851 kamen sie nach Zürich,
wo sie zunächst im Hotel »Baur au lac« Wohnung nahmen. Den Winter ver-
brachten Wesendonks zuerst einige Male im Süden oder in Paris, den Sommer
in Zürich, wo sich Wesendonk endlich auch auf dem »grünen Hügel« in der Enge
eine Villa erbaute, die aber erst am 22. August 1857 endgültig bezogen wurde.
Ein kleines daneben liegendes Häuschen war von Wesendonk angekauft worden,
der Baumeister Zeugherr baute es wohnlich und behaglich um, und Ende
April 1857 konnten Richard Wagner und seine Frau, die bisher in den
Escherhäusem am sog. Zeltweg gewohnt hatten, ins »Asyl« übersiedeln.
Die persönliche Bekanntschaft Richard Wagners, dessen künstlerische
Größe ihnen zuvor in einem Konzert bei Aufführung einer Beethovenschen
Sinfonie sich geoffenbart hatte, machten Wesendonks im Jahre 1852. Frau
W. erzählt in ihren Erinnerungen, wie sie ganz unbelehrt, gleichsam wie ein
weißes, unbeschriebenes Blatt, nach Zürich kam und welch tiefe Eindrücke
sie allmählich durch Wagner gewann.
M. W. ist die Verfasserin der von Wagnej im Winter 1857/8 vertonten
»fünf Gedichte«. Aus der Musik zu den »Träumen« ward in Venedig 1858/9
die Liebesnacht des zweiten Tristanaufzuges. Und aus dem »Treibhaus«
ging die trauerschwere Stimmung des dritten Tristanaufzuges wie die Blüte
aus der Knospe auf. Das Verhältnis zu M. W., dessen erhabene Schönheit
und Reinheit aus den nunmehr veröffentlichten Briefen vor aller Augen steht,
fällt in einen wichtigen Lebensabschnitt des Meisters. Er schreibt im Rück-
blick auf die Züricher Jahre: »Mir ist recht deutlich, daß ich nie etwas Neues
mehr erfinden werde: jene eine höchste Blütenzeit hat in mir eine solche
Fülle von Keimen getrieben, daß ich jetzt nur immer in meinen Vorrat zurück-
zugreifen habe, um mit leichter Pflege mir die Blume zu erziehen.« Ring —
Tristan — Parzivalentwurf — und endlich aus der Todessehnsucht des Tristan
die das Leben durch Entsagung überwindende, aber nicht verneinende Dichtung
der Meistersinger — also Blütenpracht und spätere reifste Lebensfrucht! Frau
W. war in jener Zeit die Vertraute seines Herzens und erfuhr alles, was
seine Seele bewegte. Auch nach seinem Weggang aus Zürich im August 1858
blieb er mit ihr im regsten Briefwechsel bis zum Dezember 1863. Wie ein
milder Engel erschien ihm die Freundin oft in den Nöten und Stürmen des
Lebens und einmal nennt er sie auch Elisabeth, womit das Verhältnis aufs
zarteste angedeutet wird. Es wäre ganz irrig, in M. W. das Urbild der Isolde
zu sehen. Ihrem Wesen fehlt durchaus der leidenschaftlich heroische Zug.
Viel eher könnte man in Hans Sachs und Evchen einen Nachklang persön-
licher Empfindungen erblicken. Aber auch dieser Vergleich gilt nur sehr
allgemein beim Anklang einzelner verwandter Stimmungen zwischen dem
Kunstwerk und Leben. Wenn man die Meisterbriefe durchliest, mag man
an Goethe und Frau von Stein denken. Und so ist auch M. W. durch
Richard Wagner unsterblich geworden.
Im Frühjahr und Sommer 1858 waren die nachbarlichen Beziehungen zu
W.s durch die krankhaft überreizte Stimmung Minnas, der Frau Wagners,
mehrfach gestört worden. Das Asyl auf dem grünen Hügel war auf die Dauer
64 VVesendonk. Habart.
nicht mehr zu erhalten. Zwischen Frau Minna und Frau W. war es zu Aus-
einandersetzungen gekommen. Eine Versöhnung war nicht mehr möglich.
Würdige und wünschenswerte Beziehungen zum Nachbarhause waren in Minnas
Anwesenheit nicht mehr herzustellen. Was schließlich den Meister zwang,
das Asyl aufzugeben, hat er selber in einem Brief an seine Schwester Kläre
vom 20. August 1858 ausgesprochen, »um Aufklärungen zu geben, wo sie
nötig sein sollten.«
Wagner ging im August 1858 über Genf nach Venedig, um den zweiten
Aufzug des Tristan auszuführen. Im April 1859 n^ihm er in Luzem im
Schweizerhof Wohnung, um den dritten Aufzug auszuarbeiten. Der persön-
liche und briefliche Verkehr mit W.s wurde aufs lebhafteste gepflegt. Im
September reiste Wagner zu mehr als zweijährigem Aufenthalte nach Paris.
Von hier gingen die ausführlichsten Berichte an die Freundin. Otto W.
reiste zum Tannhäuser im März 1861 nach Paris. Ins Asyl auf dem grünen
Hügel ist Wagner nicht mehr eingezogen. Kurz vor der entscheidenden
Wendung im März und April 1864 weilte er bei Frau Wille auf Mariafeld,
nicht auf dem grünen Hügel.
Die weiteren Lebensereignisse von M. W. sind rasch erzählt. 1872 ver-
ließen W.s den grünen Hügel, und zogen nach Dresden. Im Winter 188 1 — 82
weilten sie in Kairo und siedelten im Herbst 1882 nach Berlin (seit Früh-
jahr 1887 in den Zelten 21) über. 1878 hatte W. den Landsitz Traunblick
am Traunsee im Salzkammergut erworben, wo gewöhnlich Sommeraufenthalt
genommen wurde. In Traunblick starb Frau Mathilde, seit 18. November 1896
Witwe, ganz plötzlich nach nur achtstündiger Krankheit am 31. August 1902,
Mittags I Uhr. Die freundschaftlichen Beziehungen zu Richard Wagner und
seinem Hause waren stets aufrecht erhalten geblieben.
M. W. schrieb Gedichte, Märchen, Dramen, die teilweise in Privatdrucken
erschienen. Ich nenne hier: Gedichte, Zürich o. J.; Gedichte, Leipzig 1874;
Märchen und Märchenspiele, Zürich 1864 und Berlin 1900; Naturmythen,
Zürich 1865; Der Baidurmythus, Dresden 1875; Gudrun, Zürich 1868; Edith
oder die Schlacht bei Hastings, Stuttgart 1872; Friedrich der Große, Berlin
1872; Kalypso, ein Vorspiel, Dresden o. J.; Odysseus, Dresden 1878; Alkestis,
Leipzig 1881 u. 1898. Keine selbständige Gestaltungskraft, wohl aber feines
poetisches Nachempfinden tritt in allen diesen Schriften hervor.
Vgl. Richard Wagner an Mathilde VV., Tagebuchblätter und Briefe 1853—71, Berlin 1904.
Briefe Richard Wagners an Otto W., Charlottenburg 1898.
Wolfgang Golther.
Habart, Johann, k. u. k. Oberstabsarzt 2. Kl., Privatdozent der Kriegs-
chirurgie, * 23. September 1845 in Vonikov (Böhmen), f ^9- April 1902 in
Wien. — Militärzögling der ehemaligen Josefsakademie, 1873 zum Dr. der
gesamten Heilkunde promoviert, war H. während des Okkupationsfeldzugs
in Bosnien tätig, 1885 — 1895 Gardearzt der königlich ungarischen Leibgarde,
habilitierte sich auf Anregung von Theodor Billroth im Jahre 1894 an der
Universität in Wien, wurde schließlich Chefarzt der chirurgischen Abteilung
des Garnisonspitals Nr. 2. Er war der wissenschaftlich bedeutendste Arzt
des k. und k. Heeres während des 19. Jahrhunderts, einer der ersten über-
haupt, welche die moderne Geschoßfrage vom experimentellen Standpunkt
Habart. von Mantey. ße
bearbeitet haben, wurde jedoch dienstlich nicht entsprechend gewürdigt,
vermochte auch an der Universität die Errichtung einer Lehrkanzel für
Kriegschirurgie nicht durchzusetzen und starb aufs tiefste verbittert.
Hauptwerke: Die Geschoßfrage der Gegenwart und ihre Wechselbeziehungen zur
Kriegschirurgie. Wien 1890 (französisch von Level); Die Geschoßwirkung der 8 mm-
Handfeuerwaffen an Menschen und Pferden. Mit 5 Tafeln. Wien 1892; Das Klcinkaliber
und die Behandlung der Schußwunden im Felde. Wien 1894; Quellen Verzeichnis zur Bio-
graphie: Töply (R. R. V.), Johann Habart, in der Zeitschrift »Der Militärarzt« Nr. 9. u, 10.
Wien 1902.
Wien, 30. Juni 1904. R. R. v. Töply,
Mantey, Eberhard von, General der Infanterie z. D., ♦ 23. Juni 1835 zu
ückermünde, f am 12. Juni 1902 zu Dessau. — M. trat am i. Oktober 1853
als Einjährigfreiwilliger in die 2. Pionier-Abteilung ein und besuchte von
1854 bis 1857 die Vereinigte Ingenieur- und Artillerieschule, im Oktober 1855
zum Portepeefähnrich und im März 1856 zum Sekondleutnant aufrückend.
Nach beendigtem Lehrkursus wurde er zunächst der 3. und im September 1859
der 6. Pionier- Abteilung zugewiesen, kam alsdann im Juli 1860 zur Fortifi-
kation in Glogau und wurde 1861 Adjutant der 2. Pionier-Inspektion. Im
Feldzuge von 1864 in Schleswig fand er Verwendung als Ingenieuroffizier
beim Stabe des Generalkommandos des preußischen kombinierten Armee-
korps, beteiligte sich in dieser Stellung sowohl an dem Erkundungsgefecht
vor Düppel am 22. Februar, als auch am Gefecht bei Düppel am 17. März,
an der Erstürmung und Belagerung der Düppeler Schanzen am 18. April,
wie am Übergange nach Alsen am 29. Juni. Nach der Rückkehr in die
Friedensverhältnisse wurde M. im Frühjahr 1865 dem mit der Abfassung
eines neuen Sappeur-Reglements beauftragten Oberst von Schweinitz auf
mehrere Monate zur Verfügung gestellt und leitete während dieses Komman-
dos im Sommer gleichen Jahres die Zeltlagerarbeiten auf der Lockstedter
Heide in Holstein. Später dem Gouverneur des Herzogtums Schleswig bei-
gegeben, trat M. nach Beendigung dieses Kommandos zum Generalstabe des
V. Armeekorps über, in welcher Stellung er im Kriege von 1866 gegen
Österreich die Gefechte bei Nachod, Skalitz, Schweinschädel und Gradlitz
sowie die Schlacht von Königgrätz mitmachte. Nach dem Friedensschlüsse
wurde er als Kompagnieführer zum i. westpreußischen Grenadierregiment Nr. 6,
1868 als solcher zum i. niederschlesischen Infanterieregiment Nr. 46 komman-
diert und am folgenden 22. März als Kompagniechef in das 2. nassauische
Infanterieregiment Nr. 88 versetzt. In dieser Stellung wirkte M. bis zum
März 1870, zu welchem Zeitpunkte seine Versetzung in den großen General-
stab bezw. bei der Mobilmachung zum Generalstabe des V. Armeekorps
erfolgte. Im Kriege gegen Frankreich nahm er am Treffen von Weißenburg,
der Schlacht bei Wörth, dem Avantgardengefecht bei Stonne, der Schlacht
bei Sedan, dem Gefecht bei Petit-Bicötre, der Einschließung von Paris, dem
Ausfallgefecht bei La Malmaison und an der Schlacht beim Mont Valerien
teil, wofür er beide Klassen des Eisernen Kreuzes sowie das Ritterkreuz
I.Klasse des bayrischen Militär- Verdienstordens erhielt. Im September 1870
zum Major befördert, wurde M. nach Beendigung des Feldzuges am 18. Sep-
tember 1875 geadelt, am 22. März 1876 zum Oberstleutnant, am 3. Februar 1875
Bio|7. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog'. 7. Bd. c
66 von Mantey. von Ditfurth.
zum Abteilungschef im Großen Generalstabe, später zum Lehrer an der
Kriegsakademie und am nächsten 14. April zum Mitgliede der Studien-
kommission für das Kadettenkorps ernannt, auch im Jahre 1878 zu den
unter Leitung des Generals v. Verdy bei Straßburg i. E. stattfindenden Übun-
gen im Festungskriege hinzugezogen sowie im September 1880 zum Oberst
befördert. Als solcher wurde er am 4. Juni 188 1 Kommandeur des 3. west-
fälischen Infanterieregiments Nr. 16, erhielt am 11. März unter Beförderung
zum Generalmajor die 16. Infanteriebrigade und trat, nachdem er die
29. Division seit dem 19. September 1888 geführt hatte, unterm darauffolgen-
den 15. Oktober an deren Spitze. Am 11. Februar 1892 in Genehmigung
seines Abschiedsgesuches zur Disposition gestellt, erhielt M. am 22. März 1897
den Charakter als General der Infanterie.
Nach den Akten. Lorenz en.
Ditfurth, Barthold von, General der Infanterie z. D., ♦ 2. November 1826,
f in der Nacht vom 16. zum 17. Juni 1902 in Berlin. — Nachdem D. seine
Erziehung im elterlichen Hause erhalten hatte, trat er am 29. Juli 1844 ^ils
Gemeiner auf Beförderung in das i. Garderegiment zu Fuß ein, wurde am
21. Juni 1846 Sekondleutnant und machte im März 1848 die Barrikadenkämpfe
in Berlin mit. Später war er vom Mai 1849 ^^^ ^""^ Dezember 1850 zum
3. Bataillon des 3. Garde-Landwehr-Regiments, auch vom i. Oktober 185 1
auf 3 Jahre zur Allgemeinen Kriegsschule (Kriegsakademie) kommandiert.
Inzwischen zum Premierleutnant aufgerückt und in das Garde-Schützenbataillon
versetzt (23. Juni 1855), erhielt er am i. Juni 1856 ein dreijähriges Kom-
mando zum Topographischen Bureau, wurde am 31. Mai 1859 ^""^ Hauptmann
befördert und ein Jahr später zum Kaiser Franz-Grenadierregiment komman-
diert, auch am nächsten i. Juli in dieses Regiment versetzt. Seit dein
19. September 1860 Kompagniechef, zog er 1866 mit seiner Kompagnie
gegen Österreich ins Feld, wo er sich im Gefecht bei Soor und in der
Schlacht bei Königgrätz auszeichnete. Nach Friedensschluß kam D. (30, Ok-
tober 1866) als Major zum Generalstabe der 8. Division und wurde im
Januar 1868 unter Stellung ä la suite des Generalstabes der Armee Direktor
der Kriegsschule in Erfurt. Bei Ausbruch des Krieges gegen Frankreich
fand er Verwendung als Chef des Generalstabes der General-Etappen-Inspek-
tion und nahm an der Belagerung von Metz, auch später an der Schlacht
an der Hallue teil. Nach Beendigung des Krieges trat D. im April 187 1 in
die Direktorstelle in Erfurt zurück, stieg am 18. August 1871 zum Oberst-
leutnant auf und wurde am 28. Dezember 1872 zum Kommandeur des
Füsilierbataillons 3. posenschen Infanterieregiments Nr. 59 ernannt. Darauf
am 16. August 1873 mit Führung des 4. posenschen Infanterieregiments Nr. 59
beauftragt und am 2. September zum Oberst befördert, erhielt er am 14. Fe-
bruar 1874 endgültig das Kommando dieses Regiments und am 7. April
gleichen Jahres dasjenige des Kadettenhauses zu Berlin. In dieser Stellung
verblieb D., bis ihm am 3. August 1876 das Kommando des anhaltschen
Infanterieregiments Nr. 93 übertragen wurde. Am 28. November 1879 mit
Führung der 57. Infanteriebrigade betraut, erhielt er unter Beförderung zum
Generalmajor am 11. Dezember das Kommando dieses Truppenteiles, wurde
von Ditfurth. von Dömberg. Müller, Wilhelm. 67
am 12. Januar 1884 Generalleutnant und Kommandeur der 5. Division und
trat am 12. Juli 1888 in den Ruhestand.
Nach den Akten. Lorenzen.
Dömberg, Ferdinand Frhr. von, Generalleutnant z. D., ♦ 10. Juli 1833 ^u
Siegen, f am 15. August 1902 zu Cassel. — D. trat am 5. November 1852 als
Grenadier auf Beförderung in das damalige Garde-Reserve-Infanterieregiment,
jetzige Garde-Füsilierregiment ein, in dem er unterm 11. Juni nächsten Jahres
zum Portepeefähnrich aufrückte. Bei seiner am 7. März 1854 erfolgten Be-
förderung zum Sekondleutnant wurde er in das 9. Husarenregiment versetzt,
wirkte hier von August 1857 bis Juli 1860 als Regimentsadjutant, wurde
darauf als Adjutant zur 15. Kavalleriebrigade bis Juni 1864 kommandiert,
während welches Zeitraums er am 13. November 1863 die Premierleu tnants-
steme erhielt; im Mai 1866 kam er als Adjutant zum General-Kommando
des VIII. Armeekorps. Im Kriege desselben Jahres gegen Österreich fungierte
D. als Adjutant beim Ober-Kommando der Eibarmee und trat nach Beendi-
gung des Feldzuges zum Regiment zurück, wo er am 30. Oktober 1866 zum
Rittmeister und Eskadronschef aufstieg. Am 10. Februar 1870 wurde er
wiederum als Adjutant zum General-Kommando des XI. Armeekorps kom-
mandiert. Während des Krieges von 1870/71 verblieb er in dieser Stellung,
in der er sich beide Klassen des Eisernen Kreuzes und andere Kriegsdeko-
rationen erwarb. Auch nach dem Friedensschluß blieb er weiter als Adjutant
tätig, erhielt am 23. Oktober 1873 den Charakter und am 16. April 1874 das
Patent als Major, wurde am 15. Juli 1875 unter Enthebung von seinem
Kommando als etatsmäßiger Stabsoffizier in das westfälische Ulanenregiment
Nr. 5 versetzt und am 7. Dezember 1880 mit der Führung des Dragoner-
regiments Nr. 14. unter Stellung ä la suite dieses Truppenteils beauftragt.
Die Beförderung D.s zum Oberstleutnant erfolgte am 16. September 1881
und am 18. Oktober dieses Jahres jene zum Regimentskommandeur; am
14. Juli 1885 erhielt er das Patent als Oberst. Nach weiteren zwei Jahren
am 22. März 1887 zum Kommandeur der 18. Kavalleriebrigade ernannt, wurde
er am 17. April 1888 Kommandant von Altona und der in Hamburg stehen-
den Truppen. Am 6. November 1888 zum Generalmajor aufgestiegen, erhielt
D. am 16. Mai 1891 den Charakter als Generalleutnant und schied am 7. Juni
1894 aus dem Dienste aus.
Nach den Akten. Lorenzen.
Müller, Wilhelm, Generalleutnant z. D., * 9. April 1834 zu Zülzendorf im
Kreise Nimptsch in Schlesien, f 27. Juli 1902 zu Berlin. — Als Einjährig-
freiwilliger am I. April 1853 in das 10. Infanterieregiment eingestellt,
wurde M. am 14. September 1854 zum Portepeefähnrich nnd am 11. Sep-
tember folgenden Jahres zum Sekondleutnant ernannt. Nach einer längeren
Dienstleistung bei der Gewehr- Prüfungs- Kommission in Spandau zum Ka-
dettenhaus in Bensberg als Erzieher kommandiert, wurde er im April 1861
als Lehrer an das damalige Kadettenhaus in Berlin versetzt. In dieser
Stellung verblieb er bis zum 10. April 1862, an welchem Tage er zum
Premierleutnant befördert in das Kadettenkorps übertrat. Bei der Mobil-
machung des Jahres 1866 gegen Österreich in das i. posensche Infanterie-
5*
6g Müller, Wilhelm, von Leonhardi.
regiment versetzt, zog er mit diesem ins Feld, wo er sich durch sein Ver-
halten vor dem Feinde den Roten Adlerorden mit Schwertern erwerben
durfte und am i6. August zum Hauptmann aufstieg. Auch am Feldzuge
gegen Frankreich von 1870/71 nahm er bei seinem Regiment teil, wurde
nach dessen Beendigung im September 1875 diesem als Major aggregiert und
im Mai des folgenden Jahres als etatsmäßiger Stabsoffizier in das 6. pommersche
Infanterieregiment versetzt. Hier wurde er am 6. Juli 1876 Kommandeur
des Füsilierbataillons, avancierte am 13. September 1882 zum Oberstleutnant
und am 15. November 1883 zum etatsmäßigen Stabsoffizier. Am i. April 1885
erhielt M. das Kommando des Reserve-Land weh rregiments Nr. 35 (2. Berlin)
mit dem Range eines Regimentskommandeurs, wurde am 18. September 1886
zum Oberst und am 8. März 1887 zum Kommandeur des 3. pommerschen
Infanterieregiments Nr. 14 ernannt. Zwei Jahre später am 19. November 1889
unter Ernennung zum Generalmajor zum Kommandeur der 29. Infanterie-
brigade in Köln befördert, wurde M. im Juni 1892 mit der Führung der
12. Division beauftragt, deren Kommando er im darauffolgenden Monat er-
hielt. Am 13. März 1894 erfolgte in Genehmigung seines Abschiedsgesuches
sein Austritt aus dem aktiven Dienst.
Nach den Akten. Lorenzen.
Leonhardi, Bernhard von, Königl. sächs. Generalleutnant a. D., * 21. Ok-
tober 1817 zu Zschepplin bei Eilenburg, f 26. August 1902 zu Nyitra-Sarfö
in Ungarn. Im Jahre 1830 in das Dresdener Kadettenkorps eingetreten, kam
L. nach beendigter Ausbildung am i. Juli 1835 als Portepeejunker in das
2. sächsische Schützenbataillon, wo er am i. Mai 1836 zum Leutnant und am
18. Dezember 1845 zum Oberleutnant befördert wurde. Nach seiner am
I. Januar 1846 erfolgten Versetzung in das i. Linien-Infanterieregiment »Prinz
Albert« wurde er am i. April 1847 ^^^ Adjutant zur i. Linien-Infanteriebrigade
und genau ein Jahr später in gleicher Eigenschaft zur 2. Linien-Infanteriebrigade
ernannt, in welcher Stellung er im Stabe des kommandierenden Generals des
sächsischen Bundeskontingents den Feldzug von 1849 i" Schleswig-Holstein
gegen die Dänen mitmachte und namentlich am Gefecht bei Düppel teil-
nahm. Im Dezember desselben Jahres wurde L. unter Versetzung als Adju-
tant zum Stabe der i. Infanteriedivision seinem Regiment als Hauptmann
aggregiert. Am 24. Januar 1850 dem 16. Infanteriebataillon als etatsmäßiger
Hauptmann und am 17. November 1861 der Leibbrigade als Major zugeteilt,
erhielt er am 20. Juli das Kommando des 9. Infanteriebataillons, das er auch
1866 im Feldzuge gegen Preußen führte und mit dem er sich im Gefecht bei
Lubnow und in der Schlacht bei Königgrätz rühmlichst auszeichnete. Nach
Beendigung des Krieges in die Heimat zurückgekehrt, rückte L. alsbald zum
Oberstleutnant auf, erhielt am i. April das Kommando des 8. Infanterie-
regiments Nr. 107 und wurde bald darauf zum Oberst befördert. Im Feldzuge
von 1870/71 wurde er, kurze Zeit vor dessen Beginn mit der Führung
der 3. Infanteriebrigade Nr. 47 beauftragt, zum Generalmajor und Komman-
deur dieses Truppenteiles ernannt, an dessen Spitze I^. besonders in
der Schlacht bei St. Privat reichen Lorbeer erntete, selbst aber am Ellen-
bogengelenk schwer verwundet wurde. Nach Heilung seiner Verwundung
kehrte L. im März 187 1 zu seiner Brigade zurück, die er noch zwei Jahre
von Leonhardi. Mähly. gg
nach Beendigung des Krieges befehligte, bis er am 12. April 1873 zum
Kommandanten der Festung Königstein ernannt wurde und hier 1876 zum
Generalleutnant aufrückte. Von dieser Stellung am 16. Februar 1884 ent-
bunden, trat L. kurze Zeit darauf in den Ruhestand.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Mähly, Jakob Achilles, Philologe und Schriftsteller, * 24. Dezember 1828
in Basel, f i4- Juni 1902 ebenda. — Sohn eines Küfermeisters, durchlief M.,
glücklich begabt, das Gymnasium seiner Vaterstadt und wandte sich 1847
dem Studium der klassischen Philologie zu, für die schon frühe seine Neigung
erwacht war. Bereits 1850 bestand er sein Doktorexamen, nachdem er neben der
Basler noch die Göttinger Universität besucht hatte. Der Dreiundzwanzigjährige
habilitierte sich dann an der Basler Hochschule, widmete sich aber daneben
dem Lehrerberuf, erst am Realgymnasium, wo er, ein Meister der Schön-
schreibekunst, Schreibunterricht zu erteilen hatte, dann am obern Gymnasium
für Latein und Griechisch. 1864 rückte er zum Extraordinarius, 1875 ^""1
Ordinarius der klassischen Philologie vor, welche Stellung er, in Verbindung
mit der Tätigkeit als Schullehrer, bis Frühjahr 1890 bekleidete. Ein Hals-
leiden, das immer stärkeren Umfang annahm und ihm das laute Sprechen zur
Qual, ja zur Unmöglichkeit machte, zwang ihn zum Rücktritt. Als pensionierter
Professor — was in der Schweiz ein wenig beneidenswertes Los ist — sah
er sich künftighin in noch weit höherem Grade als bisher genötigt, durch
Schriftstellerei sich finanzielle Quellen zu erschließen, denn eine zahlreiche
F'amilie, für die er in musterhafter Treue besorgt war, wollte unterhalten sein.
Diese äußere Nötigung zu vermehrtem schriftstellerischem Betrieb hat M.
nicht zu besonderem Vorteil gereicht: federgewandt, wie er von jeher war,
und über ein vielseitiges Wissen und Interesse verfügend, geriet er in ein
Vielschreiben hinein, das nur zu oft den Charakter der Flüchtigkeit und der
gar zu raschen Orientierung auf allen möglichen Gebieten an sich trug. Und
für eigentlich wissenschaftliche, weniger lukrative Arbeit fand er immer weniger
Muße und innere Sammlung. So bedeutete sein nach schwerem, noch zu
einer Kehlkopfoperation führendem Leiden erfolgter Tod keinen Verlust der
philologischen Wissenschaft, für die er doch von Hause aus so wundervoll
begabt war, daß ein Fachmann sich einmal dahin geäußert hat : bei größerer
strengerer Konzentration hätte M. einer der ersten Philologen werden können.
M. verfügte über eine ganz erstaunliche Kenntnis des Griechischen und
Lateinischen. Improvisationen in diesen beiden Sprachen schüttelte er bei
festlichen Anlässen aus dem Ärmel. Schwierigkeiten in den antiken Autoren
gab es für ihn sozusagen keine. Aus dem Stegreif übersetzte er sie in
geschmackvollster Weise. Er hat denn auch sein Talent vielfach in den
Dienst der Übersetzungskunst gestellt: griechische und römische Lyriker,
Tragiker, aber auch Prosaiker hat er in schöner Diktion weiteren Kreisen
vermittelt. Seinen Unterricht in der Schule machte nicht zuletzt seine
P'orderung nicht bloß korrekter, sondern auch stilistisch einwandsfreier Über-
setzung zu einem bildenden. Von aller Pedanterie war er als Lehrer frei;
allerdings verlieh sein allzu sorgloses Sichverlassen auf das wohlassortierte
Wissen und den mühelos sprudelnden Quell geistreicher Einfälle den
Universitätsvorlesungen manchmal mehr das Gepräge unterhaltsamer Improvi-
70 Mähly.
sationen als eines wohlpräparierten, methodisch geführten Lehrvortrags. Vor
lauter Geist kam die Solidität zu kurz.
In der Wissenschaft der Philologie hat M. wohl wenige bleibende Spuren
hinterlassen. Vielleicht sein Bestes gab er in den Arbeiten auf dem Gebiete der
Geschichte seiner Wissenschaft. 1862 erschien in Basel die 150 Seiten starke
Studie über Sebastian Castellio als biographischer Versuch; die reichen An-
merkungen zu dieser Arbeit zeigen, daß der Zusatz »nach den Quellen« voll-
berechtigt ist. Zwei Jahre später veröffentlichte M. in der Stadt, in der die
»Kultur der Renaissance« erschienen war, seinen »Angelus Politianus«; ein
Kulturbild aus der Renaissance hat er die Studie zubenannt; das Werk Jakob
Burckhardts, dessen anfangs freundschaftliches Verhältnis zu M. sich später ins
Gegenteil verwandelt hat, wird einige Male in der Politianus-Schrift zitiert,
die sich flüssig und angenehm liest, was übrigens allen Arbeiten M.s nach-
gerühmt werden darf. Man erhält den Eindruck, daß M. sich mit Behagen in
dieses Humanistenleben versenkt hat. Es steckte in ihm selbst ein gut Stück
von diesem Typus; und wenn er u. a. von Politianus schreibt: »auch das
Satirische, der persönliche Angriff, das Element des rücksichtslosesten
Schmähens, des bittersten Hohnes findet sich bei ihm vertreten« — so sind
selbst das Züge, die dem Wesen M.s nicht fernlagen. Sein scharfer Spott
und sein beißender Hohn haben ihm manchen Feind gemacht; auch in der
Schule verschmähte er es nicht, dieser pädagogisch gefährlichen Waffen sich
zu bedienen. Die umfangreichste der philologiegeschichtlichen Arbeiten M.s
ist die Biographie Richard Bentleys, des großen englischen Philologen. In
Leipzig ist sie 1868 erschienen. Wenn es da u. a. heißt: »Langweilig wird
Bentley nie, er fesselt nicht nur die gelehrten, auch die gebildeten Leser«,
oder: »viele Momente der Eile, ja der flüchtigen Hast lassen sich in seinen
Werken nachweisen ; wer ihn aber über Schlaffheit oder Schläfrigkeit ertappen
wollte, würde sich vergebliche Mühe machen« — so könnte man diese Sätze
ohne weiteres auf eine Charakteristik des schreibenden Mähly anwenden, und
man begreift, daß er sich mit einer besonderen Sympathie mit dem alten
Engländer beschäftigt hat, in dessen Geistesart er entschiedene Ähnlichkeiten mit
seinem eigenen Wesen entdeckte. Daß die wahrhaft geniale Divinationsgabe,
die Bentley auf dem Gebiete der Konjekturalkritik von seinem Biographen
nachgerühmt wird, auch bei diesem lebendig war, wollen wir nicht behaupten;
nur so viel können wir sagen, daß auch M. das Konjekturenrößlein elegant
und temperamentvoll zu tummeln wußte; auch hier hat er sich vielleicht nur zu
gern der geistreichen Improvisation überlassen. Aus den i86oer Jahren stammen
die Vorlesungen über »Wesen und Geschichte des Lustspiels«, eine ziemlich
hurtige Arbeit; seine 1880 erschienene »Geschichte der antiken Literatur«
(1880) ist zu sehr auf Popularität zugeschnitten, als daß ihr für die wissen-
schaftliche Erhellung des Gegenstandes eine Bedeutung zukäme. Was M. im
Lauf der letzten Dezennien seines Lebens in belletristischen Zeitschriften, als
Mitarbeiter der Deutschen Biographie usw. veröffentlicht hat, ist Legion; auch
für die Tagespresse setzte er seine flinke Feder oft und gerne in Bewegung.
Der Reichtum .seiner Interessen und die weite Ausdehnung seiner Lektüre
traten in diesen Arbeiten deutlich zu Tage, überdies seine rege Teilnahme
an allem, was seine Zeit geistig bewegte. In dieser Beziehung war er nie ein
Stubengelehrter. Fügen wir zum Schluß noch bei, daß Musik und Poesie
Mähly. von Planta« yi
zeitlebens seine guten Freunde waren. Wir hoben schon hervor seine unge-
wöhnliche Leichtigkeit als Übersetzer auch poetischer Erzeugnisse. M. hat
selbst viel und gerne gedichtet, hochdeutsch und mundartlich, Lyrisches und
Dramatisches. Genaue Dialektkenner haben an seinen hübschen baseldeutschen
Gedichten (»Rhigmurmel«, d.h. Rheingemurmel) manches auszusetzen gefunden,
während formal und inhaltlich die hochdeutsche Liedersammlung »Leid und
Lied« (1865) besonders hoch gewertet wird. Auch politische Satiren hat M.
veröffentlicht. In der Schar der Basler Dichter, die freilich an poetisch
schöpferischen Persönlichkeiten ungemein arm ist, nimmt M. eine ehrenvolle
Stelle ein.
Von Literatur über Mähly ist uns nur zu Gesicht gekommen der Nekrolog Dr. F. Baurs
(in der seither eingegangenen »Allg. Schweizer Ztg.« vom 19. Juni 1902), der dann im
»Jahresbericht über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft« seinen Wieder-
abdruck gefunden hat, sowie die bei der Beerdigung verlesenen Personalien.
H. Trog.
Planta, Peter Conradin von, Dr. jur. h. c, graubündnerischer Staats-
mann, Jurist und Geschichtsschreiber, * den 24. September 181 5 im Schlosse
Wildenberg zu Zernez in Unterengadin, f den 13. Septeniber 1902 zu Canova-
Paspels, im Domleschg, Graubünden. — Den ersten Unterricht empfing P. bei
seiner Mutter und vom zehnten Jahre an bei Pfarrer Wetzel in Silvaplana
(Oberengadin), einem in den zwanziger Jahren aus Gera eingewanderten jungen
deutschen Flüchtling. Auch an der bündnerischen Kantonschule, die P. im
Jahre 1828 bezog, genoß er den Unterricht und Umgang ideal angelegter deut-
scher Burschenschafter; die Nachwirkung davon ist zeitlebens in ihm lebendig
geblieben. Von der Leipziger Thomasschule, an die P. sodann überging, weiß
er in seinem »Lebensgang« wenig gutes zu berichten; die Lehrweise wie die
Behandlung der Schüler seien schablonenhaft gewesen und hätten von dem
freien, idealen Geiste an der Churer Schule unangenehm abgestochen. Wäh-
rend er in den Jahren 1835/6 an der Universität Leipzig eine gute allgemeine
Bildung sich aneignete (er hörte Drobisch, Flathe, Wachsmuth u. a.), lag er von
1836 bis 38 in Heidelberg juristischen Studien ob. Heimgekehrt trat er als
Sachwalter bei der Veltliner Confisca-Kommission ein, deren Aufgabe es war,
die Erstattung des von den cisalpinischen Behörden im Jahre 1797 konfis-
zierten bündnerischen Privateigentums zu bewirken. Die Publizistik zog ihn
aber einstweilen mehr an als die Rechtshändel und so fand er sich gern bereit,
die Redaktion einer Zeitschrift zu übernehmen, welche unter dem etwas sonder-
baren Titel »Der Pfeil des Teilen, eine Monatsschrift für Volk, Wissenschaft
und Politik« im Jahre 1841 in Zürich gegründet wurde. Die übernommene
Aufgabe brachte ihm durch das Ausbleiben zugesagter Unterstützung der
Gründer und Freunde des Unternehmens viel Verdruß, daneben aber auch
den Gewinn ein, daß er mit vielen führenden Geistern des öffentlichen
Lebens der Schweiz bekannt und zugleich mit den wichtigsten Fragen der
eidgenössischen Politik vertraut wurde. — P. befand sich damals ganz im
liberalen Fahrwasser und in gleicher Richtung bewegte sich auch der von
ihm im Jahre 1843 in Chur ins Leben gerufene »Freie Rätier<', in dem er
für die Reform des bündnerischen Gemeindewesens, die Revision der Kantons-
und der Bundesverfassung eintrat.
72 von Planta.
Von 1844 an versah P. neben der Redaktion die Stelle eines Stadt-
schreibers von Chur; seine etwas freimütige Kritik der Stadtväter kostete ihm
diese Würde jedoch schon nach drei Jahren. Er verfügte nun über ein Maß
von Erfahrung in Öffentlichen Dingen, das ihn für den Eintritt ins aktive
politische Leben geeignet erscheinen ließ und so wählten ihn seine Mitbürger
1849 in den »Großen Rat« und im Jahr darauf in die Regierung des Kantons.
P. war so an erster Stelle mittätig bei der Umgestaltung, welche der Kanton
Graubünden damals durchmachte und ihm die politische Organisation verlieh,
die er im wesentlichen heute noch hat. Die neue Ära verlangte nun auch
eine Vereinheitlichung des in zahlreichen Hochgerichts-Statuten niedergelegten
kantonalen Privatrechts. Eine Anzahl graubündnerischer Juristen und Staats-
männer haben von 1850 — 60 daran gearbeitet; mit der Schlußredaktion und
der Abfassung der Kommentars wurde P. betraut. Er entledigte sich des
Auftrages in so vorzüglicher Weise, daß die Arbeit ihm den Doktortitel h. c.
der Zürcher Hochschule eintrug. In diese Zeit fällt auch die Wahl P.s ins
graubündnerische Kantonsgericht, dem er bis 1874, von 1855 — 70 als Präsi-
dent, angehörte. Zu verschiedenen Malen zwischen 1852 und 72 war P. auch
Mitglied der eidgenössischen Räte und wenig kantonale und städtische
Behörden sind es, denen er nicht zeitweise mit seinem reichen Wissen ge-
dient hätte.
Inbezug auf seine politische Richtung war P. zeitlebens einem demokra-
tischen Föderalismus zugetan. Er war ein Befürworter der 1848 er Bundes-
verfassung gewesen, wollte sich aber auch bei den Revisionen von 1872 und 74
einer wirklich notwendigen Erweiterung der Bundeskompetenzen nicht wider-
setzen. Dabei blieb er aber ein abgesagter Feind der anschwellenden Bundes-
bureaukratie und die kräftigsten Worte sind seiner nimmermüden Feder ent-
flossen, wenn es galt, das Volk vor der politischen Zentralisation, der
bureaukradschen Hydra und der politischen Bevormundung zu warnen; auch
für die Freiheit von Unterricht und Schule, gegenüber dem allumfassenden
Zwang der Staatsschule, ist er mannhaft eingetreten und die Toleranz in reli-
giösen Dingen ist ihm stets heilige Gewissenssache gewesen. Die größte
Bedeutung P.s lag aber nicht auf dem Gebiete der aktiven Politik, sondern
auf dem der historischen Forschung und der graubündnerischen Geschichts-
schreibung (vgl. das nachfolgende Verzeichnis s. Werke). Seiner Initiative
verdankt der Kanton die Gründung der historisch-antiquarischen Gesellschaft,
deren viel jähriger Präsident er war, und des »Rätischen Museums« in Chur,
das sich zur Aufgabe macht, die Zeugen bündnerischen, öffentlichen und pri-
vaten Lebens und Schaffens dem Heimatkanton zu erhalten.
P. war ein Mann von philosophischem Geiste, ausgedehntem Wissen und
unermüdlichem Schaffensdrange, daneben von einem unauslöschlichen Idealis-
mus, der ihm über manche bittere Enttäuschung hinweghalf, ihn freilich auch
ab und zu den Anforderungen einer harten Wirklichkeit nicht gerecht werden
ließ. — Die Volksschmeichelei und das Strebertum waren ihm in der Seele
zuwider, seine Überzeugungstreue und Aufrichtigkeit über alle Zweifel erhaben.
— Von der Tiefe seines reichen, den höchsten Dingen ernstlich zugewandten
Gemütes gibt auch der dichterische Nachlaß des edlen, bis zum Tode geistes-
frischen Mannes Zeugnis.
Verzeichnis seiner Werke: i. Über den Geist unserer Zeit. Oder: Woher kommen
von Planta. Bauer. j^
wir und wohin gehen wir? Als Norm zu allf^lig in unserem bündnerischen Staatswesen vor-
zunehmenden Reformen. Chur 1840. 8<>. 2. Rede über die aargauische Klosterangelegen-
heit (Gehalten 1841 im bündnerischen Großen Rat). Chur. 8°. 3. Der Pfeil des Teilen.
Schweizerische Monatsschrift für Volk, Wissenschaft und Politik. Zürich 1842 — 43. 4. Neue
Helvetia. Eine Monatsschrift. (Redaktion Planta nicht genannt). Zürich 1843. 5. Der
Freie Rhätier. 1843, 3. Oktober — 1848, 25. Februar. Chur. Gebr. Sutter. 6. Das Wald-
büchlein. Ein Wort zur Beherzigung ans Bündnervolk. Herausgegeben auf Veranstal-
tung der Forstkommission. Chur 1848. 7. Der rätische Aristokrat. Bündnerisches Charakter-
bild aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Chur 1849. 8<>. 8. Ritter Rudolf
Planta. Ein Schauspiel. Chur 1849. 8<>. 9. Strafgesetzbuch für den Kanton Graubünden.
1851. 10. Der liberale Alpenbote. 1851 — 1856 (i. Juli). Chur, Hitz. 11. Die Wissen-
schaft des Staates oder die Lehre von dem Lebensorganismus. 2. Aufl. 2 Teile (i Band).
Chur 1852. g<>. 12. Kommissionalb ericht über die Reform unseres evangelischen Kirchen-
wesens im Sinne einer freien Volkskirche. Chur. 1855. 8°. 13. Bündnerische Wochen-
zeitung. Chur, Hitz. Großfol. Redaktor Planta. 1860, 18. März — 1865, 25. März. 14. Das
bündnerische Strafverfahren. Separat-Abdruck aus der Zeitschrift für schweizerisches Recht
V, 2. 15. Bündnerisches Zivilgesetzbuch. Mit Erläuterungen des Gesetzesredaktors 1863.
Chur, Hitz. 8°. 16. Nikiaus von der Flüe auf dem Tag zu Stans. Schauspiel in einem
Akt. Frick 1863. 12®. 17. Rätische Parteigänger. Historisches Trauerspiel. Frick 1864.
18. Die Bündner AlpenstraBen, historisch dargestellt. St. Gallen 1866. S°. 19. Das alte
Ratien, staatlich und kulturhistorisch dargestellt Berlin 1872. 8®. 20. Die Bundesrevision
in ihrem jetzigen Stadium. Chur 1873. 8°. 21. Thomas Maflner, Ratsherr von Chur.
Dramatisierte Geschichte aus dem 18. Jahrhundert. Chur 1874. S^. 22. Die Schweiz in
ihrer Entwicklung zum Einheitsstaate. Zürich 1877. 8°. 23. Verfassungsgeschichte der
Stadt Chur im Mittelalter. (Sep.-Ausg.) Chur 1879. S«». 24. Pädagogik und Schablone.
In Briefen. Chur 1879. 8«». 2. Aufl. 1882. 25. Die Churrätischen Herrschaften in der
Feudalzeit. Mit einer Karte der currätischen, weltlichen und geistlichen Herrschaften. Bern
1881. S°. 26. Der dreißigjährige Kampf um eine rätische Alpenbahn, historisch darge-
stellt Chur 1885. 80. 27. Dramatisierte Geschichten (zum Teil in zweiter Auflage). Bern
1885. 80. ( I.Heft). 28. Dramatisierte Geschichten (zum Teil in zweiter Auflage). Bern
1886. (2. Heft). 29. Die Rekonstruktion der Familie und des Erbrechts. (Ein Beitrag zur
I^Ösung der sozialen Frage). Chur 1886. 8°. 30. Die österreichische Inkameration von
1803 mit besonderer Berücksichtigung des Kantons Gr<iubünden. (S.-A.) s. 1. (1888). 8°.
31. Biographie des Professor und Dekan Georg Sprecher. (S.-A.) Chur 1888. 8°. 32. Ge-
schichte und Dichtung. Bern und Basel 1889. 8°. 33. Andreas Rudolf von Planta. Ein
republikanischer Staatsmann. Zürich 1893. 8*>. 34. Pater Theodosius, ein menschenfreund-
licher Priester, Mit dem Bilde und Facsimile des P. Theodosius. Bern 1893. 8°. 35. Ge-
schichte von Graubünden in ihren Hauptzügen, gemeinfaßlich dargestellt. Bern 1892. S°.
2. Aufl. Bern 1894. 8«». 36. Vermischte Dichtungen. Bern 1897. 8°. 37. Tratienimaint
festw. In Commemoraziun della battag lia da chalavaina d. d. 22. May 1499. Tenor Sgr.
cons. de stadi P. C. Planta. Coira 1897. 8®. 38. Schulte und Tschudi. Ein Beitrag zur
historischen Kritik. Chur 1898. 8°. 39. Die Staatenbildung, philosophisch und historisch
beleuchtet Vorgetragen in der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden.
(S.-A.) 1901. Gr. 8°. 40. Mein Lebensgang. Chur 1901. 8°.
Quellenverzeichnis zur Biographie: i. Mein Lebensgang. Chur 1901. 2. Jahresbe-
richt der histor.-antiquar. Ges. von Graubünden. Chur 1902. 3. Bündner Tagblatt. Chur
1902, Nr. 220. 4. Freier Rhätier. Chur 1902, Nr. 217. 5. Gazetta romonscha. Chur 1902,
Nr. 38. Th. Sprecher v. Bernegg.
Bauer, Heinrich, Journalist, * 9. Februar 1838 in Stuttgart, f 8. Juli 1902
in Berlin. — Der Sohn des schon 1846 gestorbenen Stuttgarter Gymnasial-
professors Ludwig Bauer, der als Dichter und vertrauter Freund Mörikes in
74 • Bauer.
der schwäbischen Literaturgeschichte eine Rolle gespielt hat, erhielt er seine
Ausbildung im niederen evangelisch-theologischen Seminar Schönthal und
dann im höheren Tübinger, dem weltbekannten »Stift«. Mehr von der Philo-
logie als von der Theologie angezogen, brach er, wie mancher seiner Freunde,
im Jahre 1859 seine Studien ab, als bei der Mobilmachung im italienischen
Kriege an die Tübinger Studenten der Ruf der Regierung erging, in das
Heer einzutreten. B. diente einige Jahre als Leutnant im 8. Infanterieregiment
in Ludwigsburg. Die ungünstigen Beförderungsverhältnisse und seine lite-
rarischen Neigungen brachten jedoch in ihm den Entschluß zur Reife, ganz
zum Journalismus überzugehen. Er verdiente sich bei der Hallbergerschen
illustrierten Zeitschrift »Über Land und Meer« die Sporen und leitete dann
ein kleines nationales Blatt, die A. Krönersche Schwäbische Volkszeitung.
Man stand damals mitten in den heftigsten Parteikämpfen um Deutschlands
Einigung. Noch war Württemberg eine Hochburg des Partikularismus, und
die Anhänger des Nationalstaats unter Preußens Führung bildeten hier nur ein
kleines Häuflein. B. gehörte zu dieser patriotischen Minderzahl. Mit jugend-
lichem Mut und manchmal auch Übermut, mit Witz und Schlagfertigkeit ver-
trat er seinen politischen Standpunkt. Er war ein Draufgänger, der nach
allen Seiten um sich hieb und auch die ganz im partikularistischen Fahr-
wasser segelnde württembergische Regierung nicht schonte. Diese suchte sich
des unbequemen Journalisten durch einen Schwurgerichtsprozeß zu entledigen,
der sich in Eßlingen abspielte, aber mit einem Freispruch endete.
Als B. 1866 die Heimat verließ, war der Kampf schon so gut wie zu
Gunsten der von ihm verfochtenen Sache entschieden. Dann kamen seine
Wanderjahre. In Hannover, Straßburg, Breslau, Posen leistete er journalistische
Dienste. 1884 trat er als zweiter Redakteur bei der Nationalzeitung in Berlin
ein. Er bearbeitete einen Teil des Auslands und schrieb über diesen Gegen-
stand zahllose Leitartikel. Seine reichen geschichtlichen und geographischen
Kenntnisse lieferten ihm dafür eine gediegene wissenschaftliche Grundlage.
1897 gab er seine angesehene Stellung an dem geachteten nationalliberalen
Blatte auf, um die Oberleitung einer neugegründeten unabhängigen Tages-
zeitung, des Berliner Herold, zu übernehmen. Das Unternehmen erwies sich
jedoch als kurzlebig. B. stellte nunmehr seine gewandte und witzige Feder
in den Dienst belletristischer Zeitschriften. Schon 1886 hatte er eine burleske
Erzählung »Der verzauberte Apfel« (Stuttgart bei R. Lutz) veröffentlicht,
worin er das württembergische Seminarleben mit köstlichem Humor abschil-
derte. Daß das Werkchen in Schwaben nicht durchweg mit der nötigen
Unbefangenheit aufgenommen ward, konnte seiner ergötzlichen Wirkung
keinen Abbruch tun. Zwei größere humoristische Arbeiten, der von hinten
anfangende Roman »Ein verkrachtes Übermenschlein« und eine »den östlichen
Agrariern und Krähwinklern« gewidmete Geschichte, blieben ungedruckt, so
daß uns der volle Einblick in diesen Teil seines Talents, der mit seines
Vaters burlesk komischem Zeitroman »Die Überschwänglichen« (1836) in einem
gewissen literarhistorischen Zusammenhange steht, nicht vergönnt ist. Nicht nur
schmerzhafte Leiden des Körpers, sondern auch mancherlei Kränkungen und
Enttäuschungen verbitterten die letzten Lebensjahre des begabten und tapferen
Journalisten. Er hinterließ eine Witwe (Amalie, Tochter des bekannten
Historikers Johann Wilhelm Zinkeisen) und drei Kinder.
Bauer. Eiben.
75
Schwäbischer Merkur vom lo. Juli 1902, Nr. 315 (O. Rommel), Nationalzeitung vom
selben Tag Nr. 421 (S. E. Köbner), sonstige Zeitungsnotizen, Privatraitteilungen.
R. Krauß.
Eiben, Eduard, Redakteur und Politiker, * 12. September 1825 in Stutt-
gart, f 9. August 1902 ebenda. — Er war der Sohn des Dr. Emil Eiben,
Redakteurs und Mitbesitzers des Schwäbischen Merkurs, und ein Enkel des
bekannten Begründers dieser angesehenen Zeitung, Christian Gottfried Elbens.
Nachdem er das Gymnasium seiner Vaterstadt durchlaufen hatte, widmete er
sich in Tübingen dem Studium der Rechtswissenschaft und erstand die
juristischen Examina. Hierauf trat er 1850 in die Redaktion des Schwäbischen
Merkurs ein und versah diesen Posten bis Ende der achtziger Jahre; auch
dann noch blieb er Mitinhaber des Geschäfts, dessen Senior er seit Otto E.s
Tode war. Daneben widmete er manches Jahr seine Kräfte den städtischen
Angelegenheiten. 1856/8 war er Mitglied, 1857/8 zugleich Obmann des Bürger-
ausschusses, von 1858 bis 1875 gehörte er dem Stuttgarter Gemeinderat an.
Hier arbeitete er hauptsächlich auf dem Gebiete des Schul- und Armenwesens.
Außerdem wirkte er in zahlreichen wohltätigen Vereinen als Vorstand oder
Ausschußmitglied. 1870 stand er an der Spitze eines Spitals für Verwundete,
der Stuttgarter freiwilligen Feuerwehr diente er mit Eifer, bekleidete die
Würde eines Ehrenvorsitzenden des Vereins für Arbeiterkolonien, saß bis kurz
vor seinem Tode im Bürgerschulrat. Besonders lagen ihm die kirchlichen
Interessen seiner Vaterstadt und der Johannesgemeinde, zu der er zählte, am
Herzen. Seit 1874 gehörte er ihrem Kirchengemeinderat an; schon 1858
hatte er das Amt eines Schriftführers des Stuttgarter Kirchenbauvereins über-
nommen. Die Errichtung der herrlichen Johanneskirche und später eines
Gemeindehauses wurde von ihm mit opferwilligem Eifer betrieben und ge-
fördert.
Als Politiker schloß sich E. — im Gegensatz zur nationalliberalen Haltung
des Schwäbischen Merkurs — für seine Person der konservativen Partei an.
Er wirkte viele Jahre im Landesausschuß und im Stuttgarter Ortsausschuß der-
selben. Zur parlamentarischen Tätigkeit brachte er es nicht: 1881 kandidierte
er im 6. württembergischen Reichstagswahlkreise, unterlag jedoch gegen den
demokratischen Mitbewerber. Dagegen vertrat er 1888 — 94 Aalen, 1894 — 1900
Waiblingen in der Landessynode. Gegen das Papsttum nahm er eine aus-
gesprochen feindselige Stellung ein, machte für die Beibehaltung des Jesuiten-
gesetzes Propaganda usw. Mit wahrem Feuereifer nahm er sich der Sache
des Evangelischen Bundes in Württemberg an, dessen Mitbegründer er war.
Bis 1897 stand er dem württembergischen Landesverein und der Ortsgruppe
Stuttgart des Bundes vor; nach seinem Rücktritt wurde er zum Ehrenpräsidenten
bzw. Ehrenvorsitzenden dieser beiden Körperschaften ernannt. Seine Verdienste
um das öffentliche Wohltätigkeitswesen wurden 1871 durch Verleihung des
Olgaordens anerkannt.
E. starb nach längerem Leiden an Herzschwäche. Seine Gattin Mathilde,
geb. Eiben, war ihm 3 Jahre nach 47jähriger Ehe im Tode vorangegangen.
Sieben Kinder überlebten ihn.
Schwäbische Chronik vom 9. August 1902, Nr. 366 und 12. August Nr. 370, (Stutt-
garter) Neues Tageblatt vom 9. August Nr. 184, Gedruckte Leichenrede (Stuttgart, Chr. Scheufeie).
R. Krauß.
y6 Lauser.
Lauser, Wilhelm, Dr., Schriftsteller, ♦ 15. Juni 1836 in Stuttgart, f 11. No-
vember 1902 in Charlottenburg. — L. stammte aus einer geachteten Stutt-
garter Handwerkerfamilie; sein Vater, ein Schreinermeister, bestimmte den
begabten Sohn für einen gelehrten Beruf und ließ ihn das hauptstädtische
Gymnasium und dann die evangelisch-theologi sehen Landesseminarien in Urach
und Tübingen besuchen. Hier mußte sich der junge L. der Gottesgelehr-
samkeit widmen, und er erstand auch wirklich die erste theologische Dienst-
prüfung. Doch zogen ihn die philologisch-historischen Fächer weit mehr an,
und er setzte die in Tübingen begonnenen geschichtlichen Studien bei Lud-
wig Häusser in Heidelberg fort. Nachdem er sich 1859 die philosophische
Doktorwürde erworben hatte, war er eine Zeit lang Hilfslehrer am Stuttgarter
Gymnasium. Bald warf er sich jedoch dem Journalismus in die Arme. Er
ging nach Paris, wo er zunächst bei der Herausgabe einer deutschen
Korrespondenz beschäftigt war, sich jedoch nach kurzer Frist auf eigene Füße
stellte und für die Allgemeine Zeitung sowie andere große Blätter, insbesondere
Wiener, Berichte verfaßte. Äußerst beweglich und geschmeidig, dabei Würde
mit verbindlichem Wesen paarend, eignete er sich rasch weltmännische
Manieren und diplomatisch feines Auftreten an. Da er zugleich ein universell
veranlagter Kopf von wissenschaftlicher Befähigung und gediegenen Kennt-
nissen, außerdem mit geselligen Talenten ausgerüstet war, so mußte er in
seinem Beruf, für den er sich vorzüglich eignete. Glück machen. Es gelang
ihm, in Paris mit vielen namhaften politischen und literarischen Persönlich-
keiten, so mit Gambetta, Beziehungen anzuknüpfen, was natürlich seinen
Korrespondenzen zugute kam. Daneben brachte er eine beachtenswerte, von
Häusser angeregte wissenschaftliche Arbeit zustande: »Die Matin^es royales
und Friedrich der Große« (Stuttgart 1865). Auf Grund von Forschungen
auf der Pariser Bibliothek stellte er darin verschiedene Punkte richtig und
wies die Unechtheit jener dem Könige zugeschriebenen Schrift endgültig nach.
Seit Herbst 1868 weilte L. als Zeitungskorrespondent in Madrid, wo eben
Königin Isabella vom Thron verjagt worden war. Auch hier machte er sich
in einflußreichen Kreisen heimisch. Vor allem aber eignete er sich über
Land und Leute gründliche Kenntnisse an, so daß er in der Folge in Deutsch-
land die wichtigsten Aufklärungen über spanische Zustände verbreiten konnte
und als einer der besten Kenner spanischer Sprache und Geschichte galt.
Er veröffentlichte später eine Reihe geschichtlicher und kulturgeschichtlicher
Werke aus der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart dieses Landes, so die
Kulturskizzen »Aus Spaniens Gegenwart« (Leipzig 1872), »Geschichte Spaniens
von dem Sturze Isabellas bis zur Thronbesteigung Alfonsos«, 2 Teile (Leip-
zig 1877), »Von der Maladetta bis Malaga. Zeit- und Sittenbilder aus
Spanien« (Berlin 1881, im Allg. Verein für deutsche Literatur). Auch gab er
(Stuttgart 1889) eine elegante Übersetzung des »ersten Schelmenromans, La-
zarillo von Tornes« (neue Ausgabe Leipzig 1902) heraus.
Von Spanien ging es nach Italien, wo sich L. mit den Kunstschätzen des
Landes vertraut machte und so zum Kunstschriftsteller ausbildete, dann —
immer als Berichterstatter — zur Eröffnung des Suezkanals. 1871 wußte er
sich, alte Verbindungen geschickt benutzend, in das von der Kommune be-
herrschte Paris Einlaß zu verschaffen. Seine Berichte über die dortigen Vor-
gänge erregten Aufsehen, und das 1878 veröffentlichte Buch »Unter der Pariser
Lauser.
n
Kommune« hat als primäres Quellenwerk aus der Feder eines Augenzeugen
bleibenden Wert.
Herbst 187 1 ließ sich L. in Wien nieder. Er gehörte hier der Redaktion
der (Alten) Presse an, bis er 1876 samt seinem Blatt in einer für ihn sehr
unangenehmen Weise in den Arnim-Prozeß verwickelt wurde. Nunmehr trat
er in die Redaktion des Neuen Wiener Tagblatts ein. Zugleich gab er
15 Jahre lang die fast ganz von ihm geschriebene »Allgemeine Kunstchronik«
heraus, die namentlich in Österreich großes Ansehen genoß. Daraus ist sein
zweibändiges Werk »Kunst in Österreich-Ungarn« (1884 f.) erwachsen. Auch
redigierte er seit 1890 die österreichische Ausgabe der Gartenlaube. In
Wien verkehrte L. in den ersten künstlerischen und literarischen Kreisen und
machte selbst ein Haus, nachdem er sich mit der Tochter eines von Brasilien
nach Wien zurückgewanderten Kaufmanns vermählt hatte.
1893 leistete L. einem Rufe an die Deutsche Verlagsanstalt in seiner
Vaterstadt Stuttgart Folge, wo er die Leitung der illustrierten Zeitschrift Ȇber
Land und Meer« und der »Deutschen Romanbibliothek« übernahm. Da es
bis dahin an einem Mittelpunkt des literarischen Lebens in Stuttgart gefehlt
hatte, rief er den dortigen Literarischen Klub ins Dasein, dessen erster Vor-
stand er wurde. Nachdem sich 1896 sein Verhältnis zur Deutschen Verlags-
anstalt gelöst hatte, kehrte er als Vertreter der (Münchener) Allgemeinen
Zeitung nach Wien zurück. Noch im Herbst desselben Jahres erhielt er, von
hohen Gönnern empfohlen, die Leitung der offiziösen »Norddeutschen Allge-
meinen Zeitung« in Berlin angetragen und nahm an. Auf diesem gefährlichen
und schwierigen Posten war er um so weniger auf Rosen gebettet, als er mit
sehr beschränkten finanziellen Mitteln zu rechnen hatte. Doch fand sich der
vielgenannte Mann auch in dieser Stellung zurecht und gewann das Vertrauen
des deutschen Reichskanzlers. Er .stattete die ihm anvertraute Zeitung mit
einer literarischen Beilage aus, der er besondere Sorgfalt und Liebe zu-
wandte.
Ein Magenleiden veranlaßte L. Mitte September 1902, sich ins Privat-
leben zurückzuziehen. Er wollte sich fortan ganz historischen Studien widmen.
Aber seine Tage waren gezählt. Die Krankheit steigerte sich rasch und nahm
eine schlimme Wendung. Auf dem Friedhof von Charlottenburg, wo er seine
Privatwohnung gehabt hatte, wurde er unter reger Beteiligung der politischen
und literarischen Welt begraben. Er hinterließ eine Witwe, Lili L., die sich
als Übersetzerin bekannt gemacht hat, und eine Tochter. Äußere Ehren sind
L., wie bei seinen weitreichenden Verbindungen zu erwarten stand, in reichem
Maße zuteil geworden. Er war Mitglied der spanischen Akademie der
Wissenschaften, Offizier der französischen Akademie, Inhaber österreichischer,
spanischer, rumänischer Orden und Medaillen; seit 1895 besaß er den Titel
eines württembergischen Geheimen Hofrats. Außer den schon erwähnten
Werken hat er noch »Ein Herbstausflug nach Siebenbürgen« (Wien 1886) und
»Kreuz und Quer. Erzählungen aus meinem Wanderleben« (Stuttgart 1899)
geschrieben, Ferdinand Kürnbergers Nachlaß herausgegeben und mancherlei
übersetzt, namentlich des Polen Julian Klaczko Florentinische Plaudereien
aus dem Französischen (Wien 1884).
A[dolf] P[alm] im (Stuttgarter) Neuen Tagblatt vom 13. November 1902 Nr. 266,
Schwäbische Chronik vom 12./13. November 1902 Nr. 528 f., Staatsanxeiger fUr Württemberg
78 Lauser. Franck.
vom 13. November Nr. 266, Norddeutsche Allgemeine Zeitung vom 13. November Nr. 267
und 16. November Nr. 270, 2. Morgen-Ausgabe, Notizen in Wiener und sonstigen Zeitungen;
Brummer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhunderts (5. Ausgabe)
II S. 387 und 582; Werke in Kürschners Deutschem Literaturkalender. R. Krauß.
Franck, Hermann (Heinrich), Großindustrieller, ♦27. Dezember 1838 in
Vaihingen a. d. Enz (in Württemberg), "f i^. September 1902 in Ludwigsburg. —
Seine Eltern waren (Johann) Heinrich F., Besitzer einer Zichorienfabrik in
Vaihingen, und Friederike, geb. Marquardt. Nachdem er seine Lehrzeit in
einem Stuttgarter Speditionsgeschäft beendigt hatte, nahm er verschiedene
kaufmännische Stellungen in Mannheim und in der französischen Schweiz ein
und trat dann in das väterliche Geschäft ein, zu dessen Teilhaber er 1864
angenommen wurde. Seiner Tatkraft und seinem Unternehmungsgeist ver-
dankte die Firma »Heinrich Franck Söhne« in erster Linie ihren großartigen
Aufschwung. 1869 wurde die Fabrik nach dem günstiger gelegenen Ludwigs-
burg verlegt, dessen atmosphärisches Wahrzeichen seitdem der Zichoriengeruch
geworden ist. Die deutschen Zollverhältnisse gaben seit Anfang der achtziger
Jahre den Anstoß zur Begründung zahlreicher Filialen in Österreich, Ungarn,
Rumänien, der Schweiz, Italien und Nordamerika. Im ganzen gebietet die
längst weltberühmt gewordene Firma heute über i8 Fabriken; die letzte wurde
1*901 in Halle a. S. angelegt. Von Billigkeits- und Klugheitsgründen gleicher-
maßen geleitet, traf F. durch mustergültige Wohlfahrts- und Versorgungsein-
richtungen für das Heil der zahlreichen von ihm abhängigen Existenzen die
denkbar beste Fürsorge.
Auch an dem übrigen industriellen Leben Württembergs nahm F. regen
Anteil. Von 1875 bis 1901 gehörte er der Stuttgarter Handelskammer an,
in der er eine Rolle spielte. Seit 1879 führte er den Vorsitz in der Kom-
mission für Handel und Gewerbe, bei der Neukonstituierung der Kammer im
Jahre 1900 übernahm er den Vorsitz in der Verkehrskommission, nachdem er
1895 zum Eisenbahnbeirat als ordentliches Mitglied (früher schon stellvertreten-
des) delegiert worden war. Die Verkehrsangelegenheiten beanspruchten über-
haupt seine besondere Aufmerksamkeit, und er trat mit Wärme für die Verein-
fachung und Vereinheitlichung des deutschen Post- und Eisenbahnwesens ein.
Als Politiker war er entschieden national gesinnt. Er gehörte zu den Mit-
begründern und treuesten Anhängern der Deutschen Partei in Württemberg.
In der letzten Zeit unterstützte er namentlich die Bestrebungen des deutschen
Flottenvereins 'mit Tatkraft. Er rief in Ludwigsburg einen Orts verein des-
selben, dessen Vorsitz er übernahm, ins Leben.
Hervorragende Verdienste erwarb sich F. um die Entwicklung der Stadt
I^udwigsburg, in deren Bürgerausschuß er 1877 gewählt wurde. Er gab die
Anregung zu den verschiedensten nützlichen Einrichtungen, bemühte sich um
Hebung des Verkehrs, Besserung des Straßenwesens usw., und war, seinen
praktischen Bestrebungen ideale paarend, fortgesetzt auf Verschönerung des
Stadtbildes bedacht, wie er auch den Gesangvereinen und dem gesanglichen
Leben in Ludwigsburg eifrige Fürsorge widmete. Er stellte dabei seine
reichen Mittel zur Verwirklichung seiner Ideen freigiebig zur Verfügung.
1899 machte er eine Reihe großartiger Stiftungen unter dem Gesamtnamen
Franck. Hiller.
79
»Hermann Franck-Stiftungen« an die Stadt, die ihn zum Dank dafür als ihren
Ehrenbürger annahm. Dazu kam eine stille Wohltätigkeit im großen Stil.
1899 überließ er seinen Söhnen die leitende Stelle im Geschäft, ohne
jedoch diesem seine Arbeitskraft und Erfahrungen zu entziehen. Seit 1901
zwangen ihn schwere körperliche Leiden sich mehr und mehr von der
Öffentlichkeit zurückzuziehen. Eine lange Schmerzenszeit ging seiner Auf-
lösung voran. — Er war seit 1864 mit Ida Raschle aus Wattwyl (Kanton
St. Gallen) vermählt; sie und vier Kinder betrauerten das Familienoberhaupt. —
1884 war F. durch den Titel eines Kommerzienrats, 1897 durch den eines
Geheimen Kommerzienrats ausgezeichnet worden; ferner besaß er das Ritter-
kreuz I. Klasse des württembergischen Friedrichsordens.
Schwäbische Chronik vom 15. September 1902 Nr. 428 und 17. September Nr. 432,
Staatsanzeiger für Württemberg, (Stuttgarter) Neues Tagblatt, Ludwigsburger Zeitung je
vom 15. und 17. September Nr. 215 u. 217, Gewerbeblatt aus Württemberg 1902 Nr. 39,
S. 306 f., gedruckte Leichenrede (Ludwigsburg, Hofbuchdruckerei Ungeheuer und Ulmer,
27 S. 40) mit Bildnis, Wiederholung der wichtigsten Zeitungsnekrologe und Nachrufe.
R. Krauß.
Hiller, Eduard, Dichter, * 14. Dezember 18 18 in Stuttgart (Vorstadt Berg),
f 18. November 1902 in Buoch (bei Waiblingen in Württemberg). — Er war
ein Sohn des Steuerkommissärs Friedrich August H., der 1823 als Stadt-
schultheiß nach Bietigheim kam, und ein Urenkel des bekannten geistlichen
Liederdichters Philipp Friedrich H. Volkslied und Gesang fanden in seinem
elterlichen Hause liebevolle Pflege. Eine heitere Jugend war ihm beschieden.
Nachdem er in der Bietigheimer Lateinschule und dem Heilbronner Gym-
nasium seine Schulbildung erhalten hatte, bezog er die Universität Tübingen
zum Studium der Staatswissenschaften. Aber schon nach zweieinhalb Jahren
mußte er eines anhaltenden Kopf- und Nervenleidens wegen die Hochschule
verlassen. In ländlicher Umgebung fühlte er bald Erleichterung, und so ver-
fiel er auf den Gedanken, sich ganz der Landwirtschaft zu widmen. Er war
zuerst einige Jahre praktisch tätig und besuchte dann die Akademie Hohen-
heim. Nach mehrjährigem Aufenthalt außerhalb seiner württembergischen
Heimat übernahm er 1848 die Administration des Güterkomplexes der Frei-
herren von Ellrichshausen und von Troyff mit dem Wohnsitz in Assumstadt
(württ. Oberamt Neckarsulm), wo ihm seine Schwester Emilie den Haushalt
führte. 1855 ward er plötzlich von seinem alten Leiden überfallen und mußte
seine Stellung aufgeben — ein Entschluß, der ihm um so schwerer fiel, als
er keineswegs mit irdischen Glücksgütern gesegnet war. Er zog sich nach
Bietigheim zurück, wo inzwischen ein Bruder von ihm Amtsnachfolger des
Vaters geworden war. Hier erwachte in ihm der dichterische Trieb, der ihm
zu einer Quelle des Trostes und der Stärkung in seinem Ungemach wurde,
und so entstanden seine »Stimmen vom Krankenlager«. 1860 war er soweit
hergestellt, daß er sich nach einem neuen Wirkungskreis umsehen konnte.
Er leistete einem Ruf an die Akademie Hohenheim als Wirtschaftsassistent
und Hilfslehrer Folge; nach zweieinhalb Jahren rückte er zum zweiten Haupt-
lehrer und Professor vor. Aber nach wenigen Jahren zwang ihn ein erneuter
Krankheitsrückfall, gegen den sich alle nur erdenklichen Heilversuche macht-
los erwiesen, seine Entlassung zu nehmen. Nun nahm sich ein großmütiger
80 Hülen
Freund, der Stuttgarter Bankier Kommerzienrat Friedrich G. Schulz, seiner
an und stellte ihm zuerst ein Gartenhaus auf der Höhe von Stuttgart, dann
sein kleines Landhaus im lieblichen Dorfe Buoch zur Verfügung. Dort ver-
brachte der Leidende, anfangs von einer zuverlässigen Dienerin, später von
seiner Schwester Emilie treu verpflegt, an den Lehn- und Rollstuhl gebannt,
seit 1869 in tiefster Zurückgezogenheit seinen langen Lebensrest. Nur selten
konnte er Besuche bei sich sehen; aber wenn ihm der Stuttgarter Lieder-
kranz oder ein sonstiger Verein auf einem Ausfluge nach Buoch mit ein
paar Liedern huldigte, erquickte ihn ein solcher Festtag für lange Zeit.
Ergeben in sein schweres Schicksal, bewahrte er sich die Heiterkeit des
Gemüts. Sein Geist blieb bis zuletzt klar und lebendig, und die Muse
wich ihm nicht von der Seite. Magenblutungen verzehrten vollends den
Rest seiner bei allen Leiden zähen Körperkraft. Er erreichte fast ein Alter
von 84 Jahren.
H.s erste Liedersammlung erschien 1861 unter dem Titel »Stimmen vom
Krankenlager« (Stuttgart bei P. W. Quack; 2. Auflage als »Gedichte« eben-
da 1863). Die dritte Auflage, die 1886 mit stark verändertem Bestände
unter der Überschrift »Wintergrün« in die Welt ging, ist von einem Freunde
des Dichters, L. W. Straub, besorgt (Stuttgart bei Greiner und Pfeiffer; 4. Auf-
lage: ebenda 1897). Das Buch enthält zum größeren Teile hochdeutsche, nur
zum kleineren schwäbische Gedichte. Jene zeigen keine durchgreifende
Eigenart. Sie sind in leichtem, anmutig schlichtem Liedertone gehalten und
haben zum hauptsächlichen Gegenstand das Leben der heimatlichen Natur,
dessen stille Freuden ihn unwiderstehlich anziehen. Nur ein lehrhafter Zug,
der sich in die Naturbetrachtung eingeschlichen hat, erinnert an das Kranken-
lager. In den mundartlichen Stücken kehren dieselben Stoffe wieder; dann
aber schreitet H. zur Schilderung des bäuerlichen Lebens in idyllischen
Stimmungsbildern und humoristischen Erzählungen vor. Diese Dichtweise
hat erst in einer zweiten, ausschließlich dem Dialekte gewidmeten Sammlung
»Naive Welt. Schwäbische Lieder und Idyllen« (Stuttgart 1891, bei R. Lutz;
2. vermehrte Auflage: ebenda 1893; 3. Auflage: ebenda 1897) ihre volle Aus-
prägung erfahren. Das Buch führt seinen Titel mit Fug und Recht. H. hat
das moralische Mäntelchen abgeworfen, er ist jetzt ganz naiver, realistischer
Schilderer des ländlichen Treibens, der ländlichen Sitten, der ländlichen Liebe.
Seine Darstellung setzt den Reichtum und die Kraft der schwäbischen Volks-
sprache in helles Licht, und der Durchschnitt, den er aus dem unterschwä-
bischen Dialekt gezogen hat, eignet sich für literarische Zwecke vorzüglich.
Kraftvoll, kernig in der Ausdrucksweise, bewegt er sich doch — mit seltenen
Ausnahmen — in den Grenzen des ästhetisch Zulässigen.
H. ist ohne Frage unter den neueren schwäbischen Dialektdichtern
der bedeutendste gewesen. Im Lande ist das — von seiten der Sachver-
ständigen zum mindesten — allgemein anerkannt. Seine poetischen Erstlinge
fanden schon Uhlands Beifall, der brieflich von ihnen rühmte, sie zeugen
von selbständigem Gehalte und seien aus lebendiger Erfahrung und innerem
Berufe zum Dichten hervorgegangen. Andere Dichtergenossen, wie Heyse,
Mörike, J. G. Fischer, urteilten ähnlich. Aber außerhalb Württembergs hat
H. nur ein geringes Maß von Beachtung und Anerkennung gefunden. Der
Sinn für die mundartliche Poesie Schwabens ist eben — aus Gründen, deren
Hiller. Goldschmidt. gl
Erörterung hier zu weit führen würde — bei den übrigen deutschen Volks-
stämmen nur sehr schwach entwickelt.
Schwäbische Chronik vom 19. November 1902 Nr. 539 und 22. November Nr. 545
"• 5461 (Stuttgarter) Neues Tagblatt vom 20. November Nr. 272 und 22. November Nr. 274,
Staatsanzeiger für Württemberg vom 19. November Nr. 271, Der Beobachter vom 20. No-
vember Nr. 272 und sonstige Zeitungsnotizen; gedruckte Leichenrede (Rottweil, Paul Bau-
hoher) mit Nachrufen und Lebenslauf; A. Holder, Geschichte der schwäbischen Dialekt-
dichtung (Heilbronn 1896) S. 167—171 (mit Bild), derselbe in Schwabenland I (Stuttgart 1897)
Nr. 3, R. Krauß, Schwäbische Literaturgeschichte II S. 166 f., Brummer, Lexikon der deut-
schen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhunderts (5. Ausgabe) II S. 162 f.
R. Krauß.
Goldschmidt, Friedrich, Großindustrieller, Parlamentarier und Volkswirt,
♦ am 20. Februar 1837 zu Berlin, f am 13. Juni 1902. — G. war ein Sohn
von Eduard Goldschmidt (* 1793, f 1865), der zu seiner Zeit eine ange-
sehene Stellung im gewerblichen Leben Berlins gehabt und namentlich in der
von ihm mit seinen Brüdern 1828 begründeten Kattundruckerei zuerst die
Benutzung von Dampfmaschinen eingeführt hat. Er hatte als freiwilliger Jäger
den Befreiungskrieg mitgemacht, und hielt auch in späteren Jahren an den
Idealen dieser Zeit fest. Er war ein Vertreter des freisinnigen Bürgertums,
das durch die Steinschen Reformen emporgekommen und bestrebt war, die
Gedanken der Reform weiter auszubauen. Seihen lebhaften Geist und eine
nicht unbedeutende künstlerische Begabung hatte er durch Reisen und durch
den Verkehr mit vielen bedeutenden Männern gebildet, er stand dem Schleier-
macherschen Kreise nahe, Männer wie Jonas und Sydow, die Führer der libe-
ralen kirchlichen Bewegung in Berlin, Künstler wie Wilhelm von Kaulbach,
Drake, Schirmer, Stilke gehörten zu den vertrauten Freunden seines Hauses.
Durch seine Frau war er auch in nähere Beziehungen zu Alexander von Hum-
boldt gekommen. Sie war eine Tochter des Staatsrats Kunth, der in seiner
Jugend die Brüder Humboldt erzogen hatte, dann ein Vertrauter Steins ge-
worden war, später als Ministerialdirektor der Abteilung für Handel und Ge-
werbe, zuletzt als General-Handels-Kommissarius sich energisch bemüht hatte,
die Gewerbetreibenden selbständig zu machen, sie von der Bevormundung
des Staates zu befreien, der auch bei der Vorbereitung des Zollvereins in
hervorragender Weise mitgewirkt hatte. Die ernste Richtung seines Wesens
war auf seine Tochter, die Mutter Friedrich Goldschmidts übergegangen, eine
Frau von gediegener Bildung, klarem Denken und tiefem Gemüt. Dies
elterliche Haus hat sowohl durch seine politische Richtung wie durch sein
geistig angeregtes Leben großen Einfluß auf Friedrich Goldschmidts Entwick-
lung ausgeübt.
G. besuchte die Caüersche Anstalt in Charlotten bürg und das Köllnische
Gymnasium. Achtzehnjährig begann er in der »Farbenküche« der väterlichen
Fabrik sich praktisch in der Chemie zu üben, die er nachher an der Berliner
Universität eingehend studierte. Um auswärtige Betriebe kennen zu lernen,
arbeitete er ein Jahr lang als Volontär in einer Kattundruckerei zu Mühl-
hausen i. E., dann besuchte er die hauptsächlichsten Fabrikstädte von Frankreich
und England. Nach kurzer Tätigkeit im väterlichen Geschäfte verließ er das-
selbe 1862 wieder, weil ein ungestümer Drang ihn trieb, noch mehr zu sehen
und zu lernen, seine Anschauung zu erweitem. Er trat in ein New -Yorker
Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd. 6
82 Gol^scbmidt.
Geschäft ein und hatte als dessen Vertreter Gelegenheit, fast alle Industrie-
städte der Vereinigten Staaten und einen Teil von Mittel-Amerika kennen zu
lernen. Nach anderthalb Jahren kehrte er zurück und trat wieder in das väter-
liche Geschäft, um bald dessen Leitung zu übernehmen.
1866 zog G. als Reserve-Offizier mit dem 35. Regiment nach Böhmen.
Er trug den Degen und die Feldflasche, die der Vater 18 14 als Leutnant der
Landwehr und 1848 als Hauptmann der Bürgerwehr benutzt hatte. Die Feld-
flasche bewährte sich als Talisman, sie wurde in der Schlacht bei König-
grätz durch einen Granatsplitter zerschmettert. 1870 zur Garde-Landwehr
kommandiert, half G. Straßburg erobern und Paris einschließen. Bei den
Märschen wurde er wegen seiner praktischen Gewandtheit und seiner Übung
in der französischen Sprache meist als Fourier vorausgesandt oder mit anderen
selbständigen Kommandos betraut. Er erhielt das eiserne Kreuz, wurde zum
Premierleutnant, später zum Hauptmann der Landwehr befördert.
Bald nach der Rückkehr aus dem Felde wurde G. zum Direktor der neu-
begründeten Aktiengesellschaft Friedrichshöhe gewählt, welche mit einem
Kapital von 350000 Talern die Patzenhofersche Bierbrauerei übernahm und
umgestaltete. Er hat bis zu seinem Tode von 187 1 bis 1902 diese Brauerei
geleitet. Vorher hatte sie zuletzt 11 000 Tonnen (fast 14000 Hektoliter) jähr-
lich gebraut, der neuen Leitung gelang es, bereits im ersten Jahre mehr als
das Doppelte: 25600 Tonnen zu brauen und die Produktion weiter zu steigern,
sodaß im letzten Jahre von G.s Verwaltung das dreißigfache der anfänglichen
Leistung erreicht wurde, während das Aktienkapital der Unternehmung all-
mählich auf das fünffache erhöht worden war. Solche Erfolge lenkten die
Augen der Berufsgenossen auf den neuen Direktor, sodaß er unter ihnen bald
eine angesehene, später eine führende Stellung einnahm. Bereits 1876 wurde
er von der Reichsregierung als Mitglied der Jury zur Weltausstellung in Phila-
delphia geschickt. 1881 half er den Verein: »Versuchs- und Lehranstalt für
Brauerei« begründen, er wurde in den Vorstand des Vereins, 1894 zum ersten
Vorsitzenden gewählt. Das rasche Aufblühen dieser Lehranstalt und der mit
ihr verbundenen Versuchsbrauerei erfüllte ihn mit berechtigtem Stolz, er suchte
der Anstalt erstklassige Lehrkräfte zu gewinnen und freute sich, daß sie An-
sehen und nicht nur praktische sondern auch große wissenschaftliche Bedeu-
tung gewann. Als die Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalt Berlin ein-
gerichtet wurde, widmete er ihr eine eifrige Tätigkeit, er wurde in den Ausschuß
und bald zu dessen Vorsitzenden gewählt.
Es genügte ihm aber nicht, in seinem Berufe und für seine Berufsgenossen
zu wirken, auch weiteren Kreisen der arbeitenden Klassen wollte er nützlich
werden, er wollte helfen, sie geistig und wirtschaftlich zu heben und dadurch
die gesellschaftlichen Unterschiede zu mildern. Von diesem Bestreben ge-
leitet trat er 1873 in die Lehrerschaft des Großen Berliner Handwerker-Vereins.
Schnell gewann er Übung im Reden, fast schneller noch gewann er durch
seine Frische, durch sein freundliches Wesen, durch die vielfache Anregung,
die von ihm ausging, Achtung und Liebe. Er wurde in den Vorstand, 1879
zum ersten Vorsitzenden des Vereins gewählt. Während der 10 Jahre, in
denen er dies Amt bekleidete, hat zwar die Mitgliedschaft abgenommen, weil
die Sozialdemokraten ausschieden, aber der Verein hat sich innerlich be-
festigt und seine Einrichtungen vervollkommnet. Namentlich haben die
Goldschmidt. g?
Bibliothek und das Unterrichtswesen wesentliche Verbesserungen erfahren und
sehr viel größere Ausdehnung gewonnen. Die vom Verein eingerichtete Bau-
gewerksschule wuchs bald so an, daß ihre Erhaltung die Kräfte des Vereins
überstieg; sie erhielt Zuschüsse vom Staat und von der Stadt Berlin; als
schließlich die Räume des Vereins nicht mehr ausreichten, wurde sie ganz
von der Stadt übernommen und zu einer selbständigen Anstalt ausgebaut.
Einige seiner Vorträge im Handwerker-Verein ließ G. drucken, zuerst
1875: »drei Vorträge über die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika«. In
diesen steht er durchaus auf dem Standpunkt wirtschaftlicher Freiheit, deren
Segnungen er mit kräftigen Worten preist. Als er aber im folgenden Jahre
die Vereinigten Staaten von neuem bereiste und mit eigenen Augen be-
obachten konnte, welch großen Aufschwung die Industrie dieses Landes in
dem Viertel Jahrhundert seit seinem ersten Besuche genommen hatte, wie
namentlich die früher hier stark vertretenen Erzeugnisse der deutschen In-
dustrie fast ganz vom amerikanischen Markte verdrängt waren, da erkannte
er, welche Gefahr für Deutschland darin liege, »daß es fremden Fabrikaten
willig seine Tore geöffnet hat, ohne daß es für seine Erzeugnisse andere
Tore offen findet«. In seinen 1877 gedruckten Vorträgen über »Die Welt-
ausstellung in Philadelphia« schreibt er, »die größtmögliche Freiheit des Ver-
kehrs unter den Völkern scheint mir das Ziel zu sein, nach dem der Handels-
stand zu streben und zu ringen hat. Aber dieses Ziel wird nur auf dem Wege
der Parität und der Berücksichtigung der mehr oder minder glücklichen Pro-
duktionsbedingungen innerhalb der einzelnen Länder zu erreichen sein.«
Gerade in dem Augenblick, wo das Deutsche Reich im Begriffe war, die
Eisenzölle aufzuheben und damit den letzten Rest der schützenden Zölle
fallen zu lassen, tritt G. für mäßige Schutzzölle ein, die Deutschland zur Er-
ziehung seiner jugendlichen, aufstrebenden Industrie vorläufig noch brauche,
vor allem aber fordert er, daß in den neuen Handelsverträgen stärker als bis-
her auf Gegenseitigkeit gedrungen werde. Diese Gedanken führt er weiter
aus in der 1878 erschienenen Schrift: »Friedrich List, Deutschlands großer
Volkswirt. Betrachtungen über die heimischen und auswärtigen Erwerbsver-
hältnisse.« G.s Betrachtungen entsprachen der Stimmung des Tages, der
Gegenströmung, welche durch die Aufhebung der Eisenzölle und den völligen
Übergang zum Freihandel hervorgerufen war. Das Buch über List wurde
deshalb viel gelesen, schon nach wenigen Monaten mußte eine zweite Auf-
lage gedruckt werden. Die Gegenströmung aber hatte viel größeren Erfolg
als G. wünschte, die Regierung entschloß sich, ihre Handelspolitik zu ändern,
sehr erhebliche gewerbliche Schutzzölle und auch Zölle auf Nahrungsmittel
und Rohstoffe vorzuschlagen. Dem trat G. in sehr lebhafter Weise entgegen
durch die 1879 herausgegebene Broschüre: »Die Erhöhung der indirekten
Steuern und ihr Einfluß auf das deutsche Erwerbsleben.« Zur Schaffung einer
nationalen Industrie sei die freie Einfuhr der Rohprodukte das oberste
Gesetz; die Erhöhung der Eingangszölle müsse sich in mäßigen Grenzen
halten und auf diejenigen Erzeugnisse beschränken, welche in Deutschland
unter dem Drucke der auswärtigen Konkurrenz nur mühsam fabriziert werden
können. In weiterer Ausführung seines Kampfes gegen die Vorschläge der
Regierung wollte G. auf die bei der Gründung des Zollvereins maßgebenden
Gedanken und namentlich auf das diesen vorbereitende preußische Zollgesetz
6*
^A Goldschmidt. Kriechbaumer.
von 1818 verweisen. Er entschloß sich, die Denkschrift, mit welcher einst
sein Großvater Kunth den Entwurf des Zollgesetzes verteidigt hatte, heraus-
zugeben und zu erläutern. Zu dieser Arbeit verband er sich mit seinem
Bruder, dem Verfasser dieses Aufsatzes, der eine Biographie des Großvaters
vorbereitete. Drei Kapitel dieser Biographie (Staatsrat Kunth. 188 1. Zweite
Auflage 1888): über das Zollgesetz, über die gewerblichen Zustände in Preußen
vor und nach demselben sind von Friedrich G. verfaßt. Von seinen anderen
Schriften seien noch erwähnt: der Bericht über die Brau-Industrie auf der Welt-
ausstellung in Philadelphia 1876; die Weltausstellung von 1878; die Hohen-
zollern und die Gewerbefreiheit in Preußen 1885; gegen die Erhöhung der
Brausteuer 1893; die soziale Lage und die Bildung der Handlungsgehülfen
1894; zum dritten und vierten Male in den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika. Zwei Vorträge 1901.
G.s Auftreten gegen die Vorschläge der Regierung führte dazu, daß er
1881 in den deutschen Reichstag, 1882 auch in das preußische Abgeordneten-
haus gewählt wurde. Er hat dem ersteren von 1881 — 1884, dann wieder von
1887 — 1893, dem Abgeordnetenhause von 1882 — 1893 angehört. Er schloß sich
anfangs der nationalliberalen Partei an, gehörte zu ihrem linken Flügel, der
sich beim Kampf gegen die Schutzzölle von ihr trennte, sich vorübergehend
mit der Fortschrittspartei verband und dann die selbständige Partei der frei-
sinnigen Vereinigung bildete. Mit ganzer Kraft bekämpfte er die Übertreibung
des Schutzzollsystems und die Beschränkungen der Gewerbefreiheit. Außerdem
sprach er meist nur über Angelegenheiten der Volksbildung und des tech-
nischen Unterrichts, bisweilen auch über Fragen der Kunst, mit der er sich
seit seiner Jugend viel beschäftigt hatte, sodafl er sich ein sicheres Urteil zu-
trauen konnte.
Noch zahlreiche andere Ehrenämter waren ihm übertragen worden. Er
gehörte zu den ersten Gewerbetreibenden, die 1879 ^"^ Grund der neuen Ge-
richtsordnung zu Handelsrichtern ernannt wurden, von 1886 bis zu seinem Tode
gehörte er zu den Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin. Als im Frühjalir
1902 in einem gewissen Gegensatz gegen das Ältesten-Kollegium noch eine
zweite Vertretung der Berliner Kaufmannschaft, die Handelskammer, einge-
richtet wurde, berief ihn das Vertrauen der Berufsgenossen auch in diese Be-
hörde. 1890 wurde er von der Reichsregierung als Vertreter der Industrie in
die Kommission für das Bürgerliche Gesetzbuch berufen, er hatte die Freude,
bis zum Abschluß dieses großen, für die Rechtseinheit Deutschlands so be-
deutungsvollen Werkes daran mitzuarbeiten. 1898 wurde er Mitglied der
Berliner Stadtverordneten-Versammlung; auch in dieser widmete er sein Inter-
esse vornehmlich der Volksbildung, den Fachschulen und der Verbesserung
des Bibliothekwesens. Paul Goldschmidt.
Kriechbaumer, Joseph, Dr. med. * 13. März 1819 zu Tegernsee, f 2. Mai
1902 zu München. — K. war der Sohn des kgl. Bräuhauskontrolleurs Anton
Kriechbaumer und der Josepha geb. Schall. Er besuchte zuerst die Volks-
schule seiner Geburtsstadt, dann die Lateinschule und das »alte« (Wilhelms-)
Gymnasium in München, endlich in den Jahren 1838 — 1843 die Universität
daselbst, wo er erst Philosophie, dann durch sechs Semester Medizin hörte;
im Jahre 1843 promovierte er mit einer Dissertation entomologischen Inhaltes
Kriechbaumer.
85
(Übersicht der Cerambyciden Münchens 1844. 8°, I — IV, 5 — 22 pg.) zum
Dr, med., ohne indes die Praxis je auszuüben. Dagegen hörte er nachträg-
lich noch durch ein Jahr naturhistorische Vorlesungen und bereitete sich
gleichzeitig auf das Lehrexamen für Mittelschulen vor. Als im Herbst 1844
die Lehrstelle für Naturgeschichte an der katholischen Kantonsschule zu
Chur erledigt war, bewarb er sich auf Anraten und über Empfehlung des
Geheimrates und Professors der Naturgeschichte G. H. v. Schubert um die-
selbe und erhielt sie auch. In der großartigen Umgebung dieser Stadt
machte er zahlreiche botanische und entomologische Exkursionen, die sein
ganzes Leben hindurch seine Freude blieben, und auf denen er dem Natur-
genusse sich in vollsten Zügen hingab, um dadurch sein Wissen zu erweitern
und sich von den »Mühseligkeiten der Schul meisterei« zu erholen. Die
Resultate seiner Forschungen veröffentlichte er in mehreren Aufsätzen (in
der Stettiner entom. Ztg. Bd. 7, 8, 9). Während seines Aufenthaltes in Chur
vermählte er sich mit einer Landsmännin, " welche ihn mit einem Sohne,
Anton, beschenkte, der gegenwärtig als Oberleutnant i. P. im kgl. statistischen
Bureau in München in Verwendung steht; sie starb nach kaum fünf viertel jähriger
Ehe und von nun an blieb K. unvermählt. Inzwischen war jene Schule, an
welcher er gewirkt hatte, zu einer paritätischen Lehranstalt geworden, wo-
durch seine Stellung unsicher wurde; er gab sie daher im Jahre 1853 auf,
kehrte in seine Heimat zurück und trachtete, in derselben eine neue, ihm
passendere, sichei^re zu erhalten. Dies gelang ihm fünf Jahre später, indem
er im Herbste 1858 mit der Leitung der neu errichteten Gewerbeschule in
Ingolstadt betraut wurde. Inzwischen veröffentlichte er mehrere kleine Ar-
beiten über mitteleuropäische Immen und Käfer (Stettiner entom. Ztg. Bd. 15,
16, 19) und eine grundlegende Monographie der commensalen in Hummel-
nestem lebenden Bienengattung Psithyrus (Linnaea Bd. 9), durch welche er als
wissenschaftlicher Kritiker sich zuerst einen Namen verschafft hat. Das Zu-
.sammentreffen zweier glücklicher Umstände führte ihn nun seinem Ziele,
sich gänzlich der ihm so lieb gewordenen Insektenwelt widmen zu können,
näher. Der an der Universität München wirkende Professor der Zoologie
Job. Rudolph Roth, welcher zugleich die Stelle eines Adjunkten an der
zoologischen Staatssammlung inne hatte, war auf seiner dritten Palästina-
reise im Jahre 1858 im Antilibanon gestorben, und K. Th. v. Siebold, welcher
kurz vorher als Professor der vergleichenden Anatomie und Zoologie nach
München berufen worden war und gleichzeitig als Konservator die zoologisch-
zootomischen Sammlungen zu verwalten hatte, zog nun K. an die Stelle,
welche er noch im Herbste 1858 erhielt und tatsächlich im Januar 1859
übernahm. Damit hatte er seine Lebensaufgabe gefunden und mit dieser
die Ziele seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Allerdings hatte er ursprüng-
lich neben den Insekten auch die Weichtiere zu besorgen und in diese Zeit
fällt seine einzige nicht entomologische Arbeit über zwei Schnecken (Malako-
zool. Blätter Bd. 13. 1866), allein bald verabschiedete er sich auch von den
Käfern (Stettiner Zeitg. Bd. 20 u. 23), welche mit jenen zugleich der als
zweiter Adjunkt ange.stellte Dr. Gemminger übernahm, und nun gehörte all
sein Denken, Sammeln und Sinnen geradezu ausschließlich den Hymen-
opteren an. Jedes Jahr von 1869 ab erschienen eine oder mehrereArbeiten
über dieselben, zum Teil Beschreibungen neuer Gattungen und Arten,
86 Kriechbaumer. Landois.
zum Teil sehr wertvolle kritische Bemerkungen und Erörterungen: — im
ganzen wohl gegen 300 an der Zahl. Sie betreffen in erster Linie die
Ichneumoniden (Schlupfwespen), in zweiter die Apiden (Bienen) und Then-
thrediniden (Blattwespen). Ab und zu wurden auch kleinere Arbeiten über
Fliegen (1872, 1873) eingestreut, dann methodische, so über entomologische
Tagebücher (1873), über Jagd und Zucht der Hymenopteren (1875), über das
Töten und Präparieren der Hymenopteren (1875), ^^s Studium der Hymen-
opteren, Winke für Anfänger (1876), Schattenseiten der entomologischen Zeit-
schriftenliteratur usw., ein Vorschlag an die Naturforscherversammlung in
Danzig (1880), Frühlingsbeschäftigungen für den Insektensammler (1887) usw.
Auch zwei Nekrologe verdanken wir K. Der eine betrifft seinen Landsmann
August Hartmann, welcher seine ungemein reiche Schmetterlingssammlung
dem zoologischen Museum vermacht hatte (1880), die andere den schwedi-
schen Entomologen August E. Holmgren, mit welchem er in wissenschaft-
lichem Verkehr gestanden (1889). Ein besonderes Verdienst erwarb er
sich durch die Herausgabe von Klugs gesammelten Aufsätzen über Blatt-
wespen (1884). Ab und zu gaben ihm äußere Angelegenheiten Anlaß, ent-
fernter liegende Fragen zu behandeln, so schrieb er 1879 über die Ver-
unreinigung des Trinkwassers auf dem Lande; anfangs der sechziger Jahre
setzte er sich mit der denkbar größten Energie ein für die Errichtung eines
Parkes auf der Theresienwiese, anfangs der siebziger Jahre für die Verlegung
der Universität und der naturhistorischen Sammlungen usw. Die letzten
Lebensjahre K.s verflossen, von seiner wissenschaftlichen Tätigkeit abgesehen,
sehr einfach. 1892 wurde er Mitglied der kaiserlichen Akademie der Natur-
forscher; 1898 erhielt er den Titel eines IL Konservators der Staatssammlun-
gen, da der neuberufene Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie
R. Hertwig als Direktor den Titel eines I. Konservators führt; im Herbst 190 1
bat er um Enthebung von seinem Posten und erhielt den St. Michaelsorden ;
vom Frühling 1902 ab bis zu seinem Todestage lag er von einem hartnäcki-
gen Magen- und Blasenleiden gemartert auf dem Krankenbette. Er wurde
in seinem geliebten Geburtsdörfchen begraben.
Quellen für die Biographie: i. Leopoldina 1901, No. 5; 2. Zeitschr. f. Hymenopterol.
u. Dipterol. 1902, p. 273 — 275; 3. Eniomological Monthly Magazine 1902, 288.
Dr. K. W. V. DallaTorre.
Landois, Leonard, Physiolog in Greifswald, ♦ i. Dezembe 1837 zu Münster,
f 16. November 1902 zu Greifswald. — Er studierte in Greifswald, wo-
selbst er 1861 promovierte und 1862 seine Staatsprüfung ablegte. Nach-
dem er sich hier 1863 habilitiert hatte, wurde er 1863 zum außerordentlichen
und 1872 zum ordentlichen Professor der Physiologie und zum Direktor des
physiologischen Instituts ernannt, dessen Neubau unter seiner Leitung er-
folgte- L. gehört zu den hervorragendsten Physiologen des 19. Jahrhunderts.
Er war ein ausgezeichneter Experimentator, ein vorzüglicher Lehrer -und
hat seine Wissenschaft mit einer beträchtlichen Reihe von neuen Tatsachen
bereichert. Außer zahlreichen kleineren Arbeiten auf dem Gebiete der
Physiologie, vergleichenden Anatomie und Histologie veröffentlichte er: »Die
Lehre vom Arterienpuls« (Berlin 1872) — »Die Transfusion des Blutes«
(Leipzig 1875, »Beiträge« dazu Ib. 1878) — »Graphische Untersuchungen über
Landois. Skrzeczka. Gerhard. g^
den Herzschlag« (Berlin 1876, handelnd über pathologische Herzstoßkurven
und die kardiopneumatische Bewegung). In seinem »Lehrbuch der Physiologie
des Menschen« (Wien 1880, 10. Aufl. 1899) führte er den Grundgedanken
durch, die Physiologie enger an die praktische Medizin anzugliedern. (Über-
setzungen erschienen: russisch, Moskau 1882; englisch, London, 4. Aufl. 1891;
italienisch, Mailand 1889!.; französisch, Paris 1893; spanisch, Madrid 1894).
Er verfaßte die Anatomien folgender Parasiten: Demodex, menschliche Pedi-
kuliden, Pulex, Cimex lectularius, Bothriocephalus latus (mit Sommer). In
seinem Buche »Die Uraemie« (Wien 1890, 2. Aufl. 1891) zeigte er, daß durch
chemische Reizung der Großhirnrinde sich typische, spontan rezidivierende
eklamptische Anfälle hervorrufen lassen. Erwähnt seien noch seine mono-
graphischen Bearbeitungen der Angioneurosen und Hemmungsneurosen (mit
Eulenburg). Von ihm rührt her die Entdeckung der Haemautographie, der
periostalen Bildung der Geweihe, der Elastizitätselevationen an den Puls-
kurven, der Vorhofspulswelle bei Aorteninsuffizienz, des thermischen Hirn-
rindenzentrums (mit Eulenburg), der Ursache des plötzlichen Ergrauens der
Haare, femer die Konstruktion des Gassphygmoskops, des Angiographen, der
tönenden Vokalflammen. Er beschrieb und benannte zuerst die Angina
pectoris vasomotoria 1866, die Ataxia cerebralis 1867 und eruierte 1872
zuerst die Chromsäure-Quecksilber-Methode zum Studium der Nervenelemente
(irrtümlich meist Golgi zugeschrieben).
Vgl. Pageis Biogr. Lexikon hervorr. Ärzte des XIX. Jahrhunderts. Berlin- Wien 1901,
P-947» Virchows Jahresbericht von 1902, I, p. 419. Pagel.
Skrzeczka, Karl, Gerichtsarzt und Medizinalbeamter in Berlin, ♦ 29. März
1833 zu Königsberg i. Pr., f als Emeritus 20. Mai 1902 in Steglitz bei Berlin.
— S. studierte auf der Albertus-Universität in Königsberg, wo er 1855 pro-
moviert wurde, war daselbst 1861 bis 1865 als Kreiswundarzt und Privatdozent
für gerichtliche Medizin, seit 1865 Professor e. o. für Staatsarznei künde; seit
1891 ordentlicher Honorarprofessor der medizinischen Fakultät an der Uni-
versität zu Berlin, daselbst 1865 bis 1875 gerichtlicher Physikus, 1875 bis 1882
Regierungs- und Medizinalrat beim königlichen Polizei-Präsidium und seit
1882 vortragender und Geheimer Medizinalrat, seit 1888 Geheimer Ober-
Medizinalrat im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-
angelegenheiten, aus welchem er 1898 den aus Gesundheitsrücksichten
erbetenen Abschied erhielt. Literarische Arbeiten: »Kindesmord« (J. Maschka,
Handb. der gerichtl. Med. I, Tübingen 1881); — »Generalbericht über das
Medizinal- und Sanitätswesen der Stadt Berlin in den Jahren 1879 ""^ 1880«
(Berlin 1882) und zahlreiche Abhandlungen gerichtsärztlichen Inhalts in
V. Holtzendorffs Handbuch des deutschen Straf rechts und in der Viertel jahrschr.
für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen von Casper, v. Hörn,
Eulenberg.
Quellen in Virchows Jahresbericht von 1902, I, p. 425. Pagel.
Gerhard, Karl Adolf Jakob Christian, Kliniker in Berlin, ♦ 5. Mai
1833 zu Speyer, f in der Nacht vom 20. zum 21. Juli auf seinem ländlichen
Ruhesitz Gamberg in Baden, wohin er sich seit mehreren Monaten infolge
seines Herzleidens zurückgezogen hatte. — G. studierte seit 1850 in Würz-
90
Bockendahl. Grttnbeck.
deten Vereins Schleswig-Holsteinischer Ärzte. »Wie hoch man ihn schätzte,
zeigt die Tatsache, daß er Jahrzehnte hindurch gleichzeitig erster Medizinal-
beamter der Provinz und zugleich gewählter Vertrauensmann der Ärzte war.«
Was B. diese bedeutende Stellung verlieh, war im letzten Grunde seine
überragende Persönlichkeit, »das geläuterte Wollen«, das sich stets mit seinem
umfassenden Wissen verband, der sieghafte Idealismus, mit dem er allen Auf-
gaben des Lebens, sie mochten noch so schwer sein, gegenübertrat. Dazu
kam seine strenge Sachlichkeit, seine unbedingte Wahrhaftigkeit und die Un-
bestechlichkeit seines Urteils, dies alles vereint mit der größten Bescheiden-
heit, die niemals die eigene Person und Wirksamkeit in den Vordergrund
treten ließ — ein Charakter von seltener Reinheit, durchdrungen und ge-
tragen von reinster und edelster Herzensgüte. »Wer je in sein Auge ge-
schaut, wußte, daß hier ein Mann von Wort, eine Seele ohne Falsch vor ihm
stehe und daß ihr Glanz die immer bereite, tatkräftige und aufopferungsfähige
Menschenliebe bedeute«. Diese Worte, die B. seinem »besten und treuesten
Freund«, Professor Bartels, in dem erwähnten »Gedenkblatt« nachruft, können
voll und ganz auch von ihm selbst gelten.
Vgl. Alberti, Schriftstellerlexikon 1829— 1866, i, S. 66/67; 1866— 1882, i, S. 58/59.—
Biogr. Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker, Bd. i, 1884, S. 497. —
J. Pagel, Biogr. Lexikon hervorragender Ärzte des 19. Jahrh. 1901, Sp. 199. — Kieler
Zeitung, Morg.-Ausg. vom 21. Okt. 1902. — Vossischc Zeitung, Morg.-Ausg. vom 19. Okt
1902. — Deutsche medizinische Wochenschrift Jg. 29, 1903, S. 39/40. — An der Bahre
von Geheimrat B. Rede, gehalten v. Pastor Mau am 20. Okt. 1902 (in: Kieler Zeitung,
Morg.-Ausg. V. 22. Okt.) — Nekrolog von H. Quincke in: Chronik der Universität Kiel
für 1902/ 1903, S. 66/70. — Besonders: G. Hoppe-Seyler, Johannes Bockendahl. Ein
Gedenkblatt: Separatabdr. aus »Mitteilungen für den Verein Schleswig-Holst. Ärzte«. Jg. ii,
Nr. 5, 1903. Mit Bild. Kiel. R. Cordes 1903. Joh. Sass.
Grünbeck, Heinrich Anton, Abt der vereinigten Cistercienserstifte Hei-
ligenkreuz bei Baden und Neukloster in Wiener-Neustadt (Niederösterreich),
♦ 24. November 1818 in Wien, f i- Jänner 1902 in Heiligenkreuz. — G. war
der Sohn einer wohlhabenden Wiener Bürgerfamilie, trat nach Vollendung
der Gymnasialstudien in Wien am 7. Oktober 1839 zu Heiligenkreuz im
Wiener Walde in den Cistercienserorden, legte am i. November 1843 ^^^
feierlichen Ordensgelübde ab und feierte am 4. August 1844 sein erstes hl.
Meßopfer, nachdem er die theologischen Studien an der Hauslehranstalt des
Klosters mit ausgezeichnetem Erfolge absolviert hatte. 1845 — ^^49 ^^.r er
Kooperator in Alland im Gebirge, 1849 — ^^55 Bibliothekar, Kellermeister und
äbtlicher Sekretär. Nachdem er 1855 — 1861 die Pfarre Sulz pastoriert hatte,
bekleidete er 1861 — 1879 die Stellen eines Subpriors, Kastners, Küchen-
meisters und Kämmerers im Stifte Heiligenkreuz. Nach dem Tode des Abtes
Edmund Komäromy (f 10. April 1877) wurde ihm zugleich mit dem damaligen
Prior, P. Emanuel Weiniger, und dem Pfarrer von Alland, P. Florian Erritz,
die Temporalienverwaltung der verwaisten Abtei übertragen. Da aber am
10. Oktober 1877 auch der Prior P. Emanuel mit Tod abging, mußte P. Hein-
rich auch die Spiritualleitung des Klosters auf sich nehmen. Während seiner
provisorischen I^eitung wurde auf Drängen der ungarischen Regierung das
Stift St. Gotthard in Ungarn von Heiligenkreuz losgetrennt und mit dem
Grünbeck.
91
ungarischen Cistercienserstifte Zircz vereinigt, obwohl St. Gotthard unter Kaiser
Karl VI. von Abt Robert Leeb zu Heiligenkreuz um bares Geld gekauft und
»für immerwährende Zeiten« mit diesem Stifte vereinigt worden war. Am
19. Februar 1879 von der Mehrheit seiner Mitbrüder zum Abte gewählt, voll-
zog er bald nach seinem Regierungsantritte die Vereinigung des 1449 von
Friedrich III. gestifteten Neuklosters in Wiener Neustadt mit dem Stifte
Heiligenkreuz. Dies geschah mit Genehmigung des Apostolischen Stuhles
und Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef I. am 16. Dezember 1881, nachdem
der Abt Benedikt II. Steiger als letzter selbständiger Abt des Neuklosters
freiwillig resigniert hatte. Obgleich diese Vereinigung dem Stifte Heiligen-
kreuz, das ohnehin durch verschiedene Unglücksfälle (Brände, Reblaus usw.)
heimgesucht wurde, neue Lasten auferlegte, konnte dennoch Abt Heinrich V.
an ein Werk gehen, durch welches er sich und dem Orden ein unvergäng-
liches Denkmal setzte: die stilgerechte Restaurierung sämtlicher Bauten des
Klosters. Diese hatte zwar schon sein Vorgänger Abt Edmund begonnen,
allein P. Heinrich G. leitete schon damals als Kämmerer und Bauinspektor
die Restaurationsarbeiten. Damals waren die Wände der barockisierten
Kirche von der Tünche gereinigt, die Glasgemälde des gotischen Kirchen-
chores nach Entfernung der Barockaltäre, soweit sie durch die Türken (1683)
beschädigt waren, ergänzt worden. Damals war auch das große gotische
Mittelfenster an der Ostwand des Chores neu angefertigt, ebenso der kleine
Musikchor für die kleine Orgel neu aufgeführt und die Stiege, welche unter
demselben ins obere Dormitorium führt, erbaut worden. Als Abt konnte
P. Heinrich nun die Restaurationsarbeiten im größten Stile betreiben; Leiter
derselben war Architekt Dominik Avanzo aus Wien. 1885 wurde nach dessen
Plänen die gotische Kanzel im romanischen Querschiff aus Grisignano- und
Savonierstein ausgeführt. 1887 wurde der herrliche gotische Hochaltar im
gotischen Chore vollendet. Auf einem Unterbau von Oberalmer Marmor
ruht das aus Goldbronze gefertigte und mit Kartons, welche Szenen aus dem
Leben der Gottesmutter darstellen, geschmückte Retabel. Darüber erhebt
sich der schöne Bronze-Baldachin, auf schlanke, mit Glasmosaik gezierte
Marmorsäulen gestützt. Derselbe endet in ein Türmchen, in welchem eine
Gruppe die Krönung Mariens durch die hl. Dreifaltigkeit darstellt. Das
ganze Presbyterium ist von einem hohen schmiedeeisernen Gitter umgeben,
an welches sich an der Nordseite die Session anlehnt. 1890 wurden je
zwei gotische Altäre aus Sandstein an der Nord- und Südseite des Chores
und endlich 1894 aus Anlaß der Sekundiz des Abtes die drei Altäre an der
Ostseite aufgestellt und hiermit die Innenrestauration der Kirche vollendet.
Die Restauration des Kreuzganges und Brunnenhauses wurde im Jahre 1884
begonnen und 1894 vollendet. Endlich wurde 1896 die Sakristei, ein »Schatz-
kästchen« edler Barocke, wie sie der damalige Unterrichtsminister Freiherr
v. Gautsch mit Recht nannte, und 1900 bis 1902 die Dreifaltigkeitssäule und
der Josefsbrunnen restauriert. Was Abt Heinrich sonst noch wirkte, das mag
seiner Demut und Bescheidenheit entsprechend hier übergangen w^erden;
daß aber sein stilles Wirken weitaus das sichtbare Schaffen überragte, zeigte
die allgemeine Trauer nach dem Ableben des allgemein beliebten Abtes,
durch welches nicht bloß die Heiligenkreuzer Mönche, sondern auch viele
in der Welt Lebende einen liebevollen Vater verloren. Von Sr. Maj. wurde
p2 GrUnbeck. Bernhard. Merwart.
Abt Heinrich für sein verdienstvolles Wirken durch Verleihung des Komthur-
kreuzes des Franz-Joseph-Ordens mit dem Sterne ausgezeichnet.
Prof. Dr. P. Nivard Schlögl.
Bernhard, Heinrich, Glasmaler, Direktor des Königlichen Instituts für
Glasmalerei zu Berlin, * 22. August 1847 zu Wünschelburg in der Grafschaft
Glatz, f 2. November 1902 zu Berlin. — B. erlernte in seiner Heimat die
Porzellan- und Hohlglasmalerei. Früh verwaist und ohne Mittel zurückge-
blieben, mußte er sich durch harte Zeiten durchkämpfen; neben. seinen Studien
an der Akademie in Dresden und der Kunstschule in Stuttgart war er ge-
zwungen, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten. Seit dem Jahre 1876 ver-
ließ er ganz die Porzellanmalerei, die seinem Wunsche nach monumentaler
Tätigkeit nicht genügen konnte und wandte sich in München der Glasmalerei
zu, in welcher er im Atelier von F. H. Zettler bald Hervorragendes leistete.
1883 folgte er einem Rufe an das Königliche Institut für Glasmalerei nach
Berlin, wo ihm eine schwierige Mission, die Reorganisierung der Anstalt, über-
tragen wurde. Der Weg war ihm vorgezeichnet: es sollte durch den weitgreifen-
den Einfluß des Instituts die mittelalterliche Kunst der Glasmalerei zu neuer
Blüte gebracht und in Preußen eingebürgert werden. 1887 wurde B. zum
Direktor ernannt und das Institut verstaatlicht; 1892 wurde er bei Gelegenheit
der Einweihung der renovierten Schloßkirche zu Wittenberg mit dem König].
Kronenorden 4. Kl. ausgezeichnet. Seine Haupttätigkeit bestand weniger in
selbständigem künstlerischem Schaffen, als in der Leitung der aus dem Institut
hervorgehenden Arbeiten in technischer und künstlerischer Beziehung; es handelt
sich meistens um Reproduktionen nach Werken anderer Künstler in Glasmalerei,
bis auf einige Entwürfe und Kartons, die von Bernhard selbst stammen. Die
Arbeiten sind teils Wiederherstellungen alter Glasgemälde teils Neuschöpfungen.
Nach seinen eigenen Entwürfen sind u. a. entstanden: Ein Fenster in der
Marienkirche zu Danzig, von Sr. Majestät dem Kaiser gestiftet, desgleichen
Fenster für die Stiftskirche zu Obernkirchen, für die Kirchen zu Fulda und
Gr. Beeren, für St. Jakobi, St. Johannis und die Friedenskirche in Berlin;
ferner die Wiederherstellung alter Glasmalereien in der Johanniskirche zu
Werben und der Marienkirche zu Kentz (Vorpommern). Persönlich von ihm
gemalt ist außerdem ein Fenster in der Sophienkirche zu Berlin nach einem
Karton von Geselschap, ein P'enster im Schlosse zu Kiel nach einem Karton
von Döpler, ein Salonfenster in Frankfurt nach einem Karton von Mohn.
Jahrbuch der bildenden Kunst 1903. Kunst für Alle XVIII. Chronique des Arts ei
de la Curiosite 1902. Schriftliche Mitteilungen vom Königlichen Institut für Glasmalerei
zu Berlin. Hugo Schmerber.
Merwart, Paul, Historien- und Genremaler, * 27. März 1855 zu Maria-
nowska in Rußland (Gouv. Cherson), f 3. Mai 1902 bei dem Ausbruch des Mont
Pel^ auf Martinique. — M. war Schüler von Penther in Wien, besuchte dann
die Kunstschule in Graz, ging 1876 nach München, 1877 nach Düsseldorf und
studierte in Paris an der Ecole des Beanx-arts, Er besuchte Italien und ließ
sich in Paris nieder. Im Jahre 1901 ging er nach den Antillen. Unter seinen
Bildern gilt als eins der besten die »Bacchantin«, ferner sind zu erwähnen
»Sarah«, Szene aus der Sündflut, und »Der Windsbraut Hochzeitszug«.
Merwart. Linnemann.. Mcebold. g-?
Jahrbuch der bildenden Kunst 1903. Chronique des Arts et de la Curicsiü 1902.
Boetticher, Malerwerke des 19. Jahrhunderts 1895— 1901. H. VV. Singer, Allgemeines
Künstlerlexikon 1895. HugoSchmerber.
Linnemann, Johann Alexander, Professor, Architekt, Glasmaler, * 14. Juli
1839 "^ Frankfurt a. M., f 22. September 1902 daselbst. — L. war ein Schüler
des Professors Nicolai in Dresden, betätigte sich auf dem Gebiete des Kunst-
gewerbes und der Architektur und machte sich besonders durch seine Glasmale-
reien bekannt. Im Dom zu Frankfurt führte er gemeinsam mit Steinle die
Ausmalung durch, wobei fast der ganze dekorative Anteil von L. stammt.
In der Katharinenkirche in Frankfurt befinden sich Fenster von seiner Hand,
ebenso seit 1895 im Dom zu Bremen. Zu seinen letzten Arbeiten gehörten
Entwürfe für den Magdeburger Dom. Am bekanntesten sind seine 1894
vollendeten Glasfenster im südlichen Vestibüle des Reichstagsgebäudes von
Wallot in Berlin. Das Hauptbild ist eine Allegorie auf die Erfüllung des
deutschen Einheitsgedankens: um den Thron der Germania scharen sich ihre
Kinder, von einem Bande umschlungen, als Hintergrund der blaue Himmel,
als Umrahmung Wappenschilder. Auf den beiden kleineren Schmalfenstern
über den Treppenabsätzen sind dargestellt: die Allegorie der Eintracht mit
der Inschrift ^Concordia res parvae crescunt^ und der Geist der Zwietracht mit
den Worten ^Discordia maximae dilabuntur*. Neue oder restaurierte Glasfenster
von seiner Hand finden sich außerdem in Bonn, Eltville, Friedberg, Hannover,
Konstanz, Leipzig, Mainz und Köln. Auf der Deutschen Glasmalerei-Aus-
stellung in Karlsruhe 1901 waren von ihm unter anderem ein frühgotisches
Doppelfenster für die Benediktiner-Abtei Altenberg, mit Eichen- und Rosen-
laub, dazwischen einzelne Mönchsfiguren in einfacher Stilisierung, ferner Teile
von farbigen Teppichfenstern u. a. Von seinen architektonischen Arbeiten
seien die Entwürfe für die Restaurierung des Meißner Domes hervorgehoben.
Linnemanns künstlerisches Schaffen stand ganz im Zeichen der deutschen
Gotik; seine architektonische Bildung und ein strenges Stilgefühl vereinten
sich, um diesen charakteristischen Zug in seinen Werken zu großer Vollen-
dung zu bringen und speziell in seinen zahlreichen Kirchenfenstem war die
von ihm vertretene Richtung wohl am Platz. Wenn auch manchmal, in den
Figuren besonders, die Anlehnung an die alten Vorbilder für das moderne
Empfinden zu sehr hervortritt, so gehörte ein solches theoretisch und praktisch
durchgebildetes, fein empfundenes Nachschaffen zu seiner Zeit zu den wert-
vollsten Errungenschaften eines dekorativen Künstlers.
Kunst für Alle XVII, XVIII. Jahrbuch der bildenden Kunst 1903. Kunst-Chronik XIV.
Kunstgewerbeblatt XIII. Boetticher, Malerwerke des 19. Jahrhunderts 1895 — 1901. Chro-
aique des Arts et de la Curiositi 1902. Hugo Seh m erber.
Meebold, Robert, Großindustrieller, * 29. August 1826 in Heidenheim
(Württemberg), f 23. (nicht 22.) Februar 1902 in Wien. — Die Familie stammt
aus Sulz, wo M.s Urgroßvater 1753. eine Baumwollmanufaktur begründete, zu
der sein Großvater eine Zitzfabrik in Heidenheim 1774 übernahm. Sein
Vater, Kommerzienrat Johann Gottlieb Meebold in Heidenheim, war der
erste, der — 1826 — mit 20 aus England bezogenen Webstühlen auf dem
Kontinente eine mechanische Weberei eröffnete; 1834 ließ er eine Kattun-
QA MeeboM. von Wächter.
druckerei nachfolgen. 1849 übernahm Robert M. das väterliche Geschäft,
an dem die politischen Wirren der unmittelbar vorhergehenden Zeit nicht
spurlos vorübergegangen waren, unter schwierigen Verhältnissen. Dem viel-
seitig gebildeten, tatkräftigen, weitblickenden und umsichtigen Manne gelang
es in kurzem, die seiner Leitung anvertrauten industriellen Betriebe wieder
in die Höhe zu bringen. Da sie neuer, größerer Mittel bedurften, um den
Wettbewerb mit dem Auslande erfolgreich aufzunehmen, erfolgte 1856 die
Umwandlung in eine Aktiengesellschaft (»Württembergische Kattunmanu-
faktur«), deren Vorstand M. bis 1897 blieb. Auch nachdem er sich von der
eigentlichen Leitung der Gesellschaft zurückgezogen hatte, fuhr er fort, ihr
seine Dienste zu widmen. Außerdem wirkte er bei einer Reihe anderer in-
dustrieller Unternehmungen mit und gehörte dem Aufsichtsrat verschiedener
Firmen an. Namentlich bewirtschaftete er ein mit einem Eisenwerke ver-
bundenes Gut in Krain, weshalb er auch einen Teil des Jahres in Wien zu-
zubringen pflegte. M. war viele Jahre Vorsitzender des Gewerbeschulrats für
die kaufmännische und gewerbliche Fortbildungsschule und Mitglied der
bürgerlichen Kollegien seiner Vaterstadt. Seit 1867 gehörte er der Handels-
kammer Heidenheim als Mitglied, 1874/75 als Vorstand, 1875/95 als Vize-
vorstand an. Seine Verdienste um die einheimisehe Industrie wurden durch
Ernennung zum Kommerzienrat, später zum Geheimen Kommerzienrat ge-
würdigt. Am 27. Juni 1899 feierte er höchst ehrenvoll die fünfzigste Wieder-
kehr des Tages, da er an die Spitze der »W^ürttembergischen Kattunmanu-
faktur« getreten war, die heutzutage eine der vorzüglichsten und rentabelsten
Firmen ihrer Branche in Deutschland ist. Als Politiker huldigte M. frei-
sinnigen Anschauungen und unterstützte tatkräftig die württembergische Volks-
partei, ohne öffentlich stark hervorzutreten. Bis ins hohe Greisenalter erhielt
sich der Mann mit dem weltmännischen Benehmen und den gewinnenden
Manieren frisch und jung. Ein Schlaganfall bereitete seinem Leben ein
rasches Ende, während er in Wien weilte; die Leiche wurde nach Heidenheim
überführt und dort am 27. Februar 1902 der Erde übergeben.
Schwäbische Kronik vom 25. Februar 1902 Nr. 92, Staats- Anzeiger für Württemberg
vom I. März Nr. 50, Der Beobachter vom 26. Februar Nr. 47. R. Krauß.
Wächter, Oskar Eberhard Siegfried von, Dr. jur., Politiker und Schrift-
steller, ♦ 29. April 1825 in Tübingen, f 'S- J""^ 1902 in Stuttgart. — Der
Sohn des berühmten Tübinger Universitätskanzlers Karl Georg von Wächter,
widmete W. sich dem Studium der Rechte und ließ sich 1849 als Anwalt in
Stuttgart nieder. Seine öffentliche Laufbahn begann er als Mitglied des
hauptstädtischen Bürgerausschusses, dem er von 1858 — 59, später wieder von
1871/73, 1879/81 (als Obmann), 1883/85 angehörte. 1862/68 war er Land-
tagsabgeordneter für Herrenberg. Er schloß sich der preußisch gesinnten
Minderzahl an. Als am 6. Juni 1866 in der württembergischen Kammer über
den Kriegskredit abgestimmt wurde, wollte er dem Ministerium Vambüler
die Mittel zum Kriege gegen Preußen verweigern. Nach der Schlacht von
Königgrätz setzte er seinen Namen mit unter die Einladung zu einer Bürger-
versammlung in Stuttgart, die auf Einstellung der Feindseligkeiten dringen
und gegen Rheinbund und Mainlinie protestieren sollte. Im August des-
selben Jahres beteiligte er sich an der Gründung der Deutschen Partei und
von Wächter.
95
wurde in ihren ersten geschäftsführenden Ausschuß gewählt, der sich am
22. September konstituierte. Bei den Neuwahlen zum Landtag im Jahre 1868
unterlag W. Er wirkte nun mit der Feder für die Sache seiner Partei, die
ihm zugleich Herzenssache war, und gab die politisch -volkswirtschaftliche
Wochenschrift »Der Landbote« heraus. 1872/76 saß er von neuem in der
württembergischen Kammer, diesmal als Abgeordneter von Stuttgart. Be-
merkenswert aus seiner damaligen Tätigkeit ist, daß er zu der vorausschauen-
den Minderzahl gehörte, die sich den Reichseisenbahnprojekten geneigt zeigte.
Später zog er sich vom politischen Leben zurück. Der streng kirchlich gesinnte
Mann rückte in allen Fragen, die nicht die nationale Einheit betrafen, seinen
nationalliberale Anschauungen vertretenden Parteifreunden immer femer. Mehr
und mehr bildete er sich, auch äußerlich, zum Sonderling aus. Seit 1868
stand er an der Spitze der württembergischen Privatfeuerversicherungsgesell-
schaft, die unter seiner Leitung einen großen Aufschwung nahm. Als er am
14. August 1893 sein 2 5 jähriges Dienstjubiläum als Vorstand dieser Anstalt
feierte, wurden seine Verdienste um dieselbe warm anerkannt. Zugleich war
er Mitglied des Vorsteherkollegiums der württ. Sparkasse. Auch besaß er den
Olgaorden. Eine Zeitlang hielt er neben seinem Hauptamt Vorlesungen
über Wechselrecht am Polytechnikum und an der kaufmännischen Fort-
bildungsschule.
Als Schriftsteller hat W. namentlich auf den Gebieten des Wechselrechts,
Handelsrechts, Verlags- und Autorrechts Fruchtbarkeit entfaltet. Überdies
lieferte er verschiedene Werke von allgemeinerem Interesse, insbesondere bio-
graphischen Charakters; in die pietistische Vergangenheit Altwürttembergs hat
er sich mit Vorliebe versenkt. Nachstehend ein Verzeichnis seiner wichtigsten
Schriften in chronologischer Reihenfolge:
Das Verlagsrecht mit Einschluß der Lehre von dem Verlagsvertrag und Nachdruck
nach den geltenden deutschen und internationalen Rechten. Stuttgart 1857 f. — Das Recht
des Künstlers gegen Nachbildung und Nachdruck seiner Werke. Stuttgart 1859. — Württem-
berg und Rom vor 300 Jahren. Stuttgart 1860. — Konkordat und Recht in Württemberg.
Stuttgart 1861. — Wechsellehre nach den deutschen und ausländischen Gesetzen. Stutt-
grart 1861 (in Bibliothek der gesamten Handels Wissenschaft). — Bekenntnisgrund, Kirche
und Sektenwesen in Württemberg nach Geschichte, Recht und Lehre. Stuttgart 1862. —
Johann Albrecht Bengel. Lebensabriß, Charakter, Briefe und Aussprüche. Stuttgart 1865.
— Beiträge zu J. A Bengels Schrifterklärung und Bemerkungen desselben zu dem Gnomon
des Neuen Testaments. Leipzig 1865 (sowie einige weitere Veröffentlichungen über Bengel).
— Das Handelsrecht nach dem allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuch und den Ein-
führungsgesetzen. 2 Teile. Leipzig 1865 f. — Das Wechselrecht des norddeutschen Bundes
und die aUgem. deutsche Wechselordnung in den deutschen und deutsch-österreichischen
Ländern. Leipzig 1869 f. — Das Autorrecht nach dem gemeinen deutschen Recht;
systematisch dargestellt Stuttgart 1875. — ^^ Urheberrecht an Werken der bildenden
Künste, Photographien und gewerblichen Mustern nach dem gemeinen deutschen Recht
systematisch dargestellt. Stuttgart 1877. — Encyklopädie des Wechselrechts der europäischen und
aufiereuropäischen Länder auf Grundlage des gemeinen deutschen Rechts. Stuttgart 1879. Wohl-
feile Ausgabe Stuttgart 1881. — Carl Georg von Wächter. Nekrolog. Tübingen 1880. — Carl
Georg von Wächter. Leben eines deutschen Juristen. Leipzig 1 88 1 . — Vehmgerichte und
Hexenprozesse in Deutschland. Stuttgart 1882 (Kollektion Spemann Bd. 31). — Altes Gold
in deutschen Sprichwörtern. Stuttgart 1883 (Kollektion Spemann Bd. 43). — Das Wechsel-
recht des deutschen Reiches. Stuttgart 1883. — Bengel und Oetinger. Leben und Aus-
sprüche zweier altwttrttembergischen Theologen. Gütersloh 1883. — Johann Jakob Moser.
y6 von Wächter, von Zoll er.
Stuttgart 1S85. — Sprichwörter und Sinnsprüche der Deutschen in neuer Auswahl. Güters-
loh 1888.
W. wurde seinem Wunsche gemäß in aller Stille auf dem Friedhofe der
Stuttgarter Karlsvorstadt an der Seite seiner ersten Gattin (Agnes, geb. Flattich,
t 187 1) beerdigt. In zweiter Ehe war er seit 1873 mit Natalie, geb. Bau-
meister, vermählt, die ihn überlebte. Aus beiden Ehen sind Kinder ent-
sprossen.
Schwäbische Kronik vom 17. Juni 1902 Nr. 274, Neues Tagblatt vom 19. Juni Nr. 140,
sonstige Zeitungsnotizen; Eberhard E. von Georgii-Georgenau, biographisch-genealogische
Blätter aus und über Schwaben S. I04if.; Werke (unvollständig) in Kürschners Deutschem
Literaturkai ender. R. Krauß.
Zoller, Edmund (von), Dr., Schriftsteller, * 20. Mai 1822 in Stuttgart,
f I. April 1902 in Ludwigsburg. — Der Vater, August Z., Mitbegründer und
Rektor des Stuttgarter Katharinenstifts, genoß als Pädagoge Ansehen. Der
Sohn studierte, nachdem er das Gymnasium durchlaufen hatte, in Tübingen
Philosophie, Philologie und Geschichte, bildete sich auf Reisen weiter und
erwarb 1846 den philosophischen Doktorhut. Dann ließ er sich in seiner
Vaterstadt als Schriftsteller nieder. Er arbeitete anfangs auf dem Gebiete der
Tagespolitik, ging jedoch bald zur Belletristik über. Entscheidend für ihn
wurde seine enge Verbindung mit der Hallbergerschen Verlagsbuchhandlung
(jetzigen Deutschen Verlagsanstalt). Z.s Vetter und vertrauter Freund Eduard
Hallberger hatte diese mit bescheidenen Mitteln vor kurzem begründet, brachte
sie aber durch Intelligenz und Geschäftstüchtigkeit rasch in die Höhe. Von
Schriftstellern waren die auch miteinander eng verbundenen Hackländer und
Z. an ihrem Aufschwung hauptsächlich beteiligt. 1852 redigierte Z. das im
Hallbergerschen Verlag erscheinende Zentralorgan für die deutschen Bühnen,
die offizielle Zeitung des Bühnenvereins. Es folgten eine Reihe belletristischer
Gründungen, an denen Z. beträchtlichen Anteil hatte. 1853 entstand die
^Illustrierte Welt«. Im Sommer 1858 wurde im französischen Seebad Trouville
von Hackländer, Z. und den Brüdern Eduard und Karl Hallberger gemeinsam
der Plan zu »Über Land und Meer« entworfen, jenem noch heute beliebten
Blatte, das im illustrierten Zeitschriftenwesen Deutschlands geradezu Epoche
gemacht hat. Z. zeichnete von 1859 bis März 1867 und dann wieder von
Juli 1881 bis Juni 1885 als verantwortlicher Redakteur. 1863 wurde, als eine
Art von Ergänzung zu »Über Land und Meer«, die »Romanbibliothek«, später
die auf die breitesten Schichten des Publikums berechnete illustrierte Zeit-
schrift »Zu Hause« ins Leben gerufen, an die Stelle der letzteren traten bald
die »Illustrierten Romane aller Nationen«, und bei allen diesen Unterneh-
mungen wirkte Z. mit. Er spielte jahrzehntelang im literarisch-künstlerischen
Leben Stuttgarts eine bedeutende Rolle. Der kleine Mann mit den feinen,
scharfgeschnittenen Zügen und dem bartlosen, geistig durchgearbeiteten Ge-
sicht gehörte zu den bekanntesten Erscheinungen der Residenz. Manches
junge Talent fand bei ihm Rat und Förderung.
Neben seiner journalistischen Wirksamkeit hat sich Z. auch literarisch
betätigt. »Die Bibliothekswissenschaft im Umriß« (Stuttgart 1846) eröffnete
den Reigen seiner selbständigen Schriften; es war die erste wissenschaftliche
Begründung jener Lehre. Später beschrieb er »Die Königliche Handbibliothek
von Zoller. Trautmann.
97
in Stuttgart« (Stuttgart 1886). Außerdem veröffentlichte er mehrere Bücher
aus dem Gebiete der Ordenskunde: »Die Orden und Ehrenzeichen Deutsch-
lands und Österreichs« (2. Auflage Frankfurt 1881), »Der Orden vom Goldenen
Vlies« (Altenburg 1877), »Die Orden von Tunis« (Wien 1877), »Der königliche
und ausgezeichnete Orden Karls des Dritten« (Frankfurt 1888). Ferner ist
noch zu erwähnen: das nach dem Französischen bearbeitete Lebensbild des
Malers Leopold Robert (Hannover 1863), »Die Rennen und Fuchsjagden in
England« (Leipzig 1865, Bibliothek für Sport und Jagd), »Das Katharinen-
stift, Blätter aus den »Denkwürdigkeiten eines deutschen Erziehers, Rektors
von Zoller«; 2. Auflage Stuttgart 1868). Zahllos sind die Übertragungen, di^
Z. von fremden Dichtwerken gefertigt hat. Der sprachkundige Mann über-
setzte aus dem Französischen, Englischen, Schwedischen, Dänischen, Hol-
ländischen, Vlämischen, Spanischen, Portugiesischen. Daneben besorgte und
redigierte er die verschiedensten Ausgaben, so die Prachtausgabe des Münch-
hausen mit Dores Illustrationen (Stuttgart 1872, 2. Auflage 1877), die
»Porträtgalerie der regierenden Fürsten und Fürstinnen Europas«, (Stuttgart
1889 ff.) usw.
1885 fiel Z. — schon 1867 war er mit dem Hofratstitel bedacht worden
— die Leitung der Kgl. Hofbibliothek in Stuttgart zu. Er stieg nach einigen
Jahren zum wirklichen Direktor empor; hohe württembergische und zahlreiche
auswärtige Orden schmückten seine Brust. Aber seine literarische Rolle war
jetzt ausgespielt, und mit dem inzwischen herangewachsenen jüngeren Ge-
schlechte hatte er keine Fühlung mehr. Sommer 1896 feierte er, noch ziem-
lich rüstig, sein 5ojähriges Doktorjubiläum; dann sanken seine körperlichen
und geistigen Kräfte rasch. November 1899 trat er in den Ruhestand; neben
seinem bibliothekarischen Hauptamt hatte er auch viele Jahre den württem-
bergischen Gerichten als Dolmetscher für Englisch, Holländisch, Dänisch und
Schwedisch gedient. Der hinfällige Greis beschloß seine Tage in tiefer Zu-
rückgezogenheit. Als seine Gebrechlichkeit und Hilfsbedürftigkeit überhand
nahmen, suchte er — am 2. Juli 1901 — das Männerkrankenhaus Salon bei
Ludwigsburg auf, wo er auch starb. Das von Crailsheimsche Erbbegräbnis
auf dem Ludwigsburger Friedhof nahm seine Gebeine auf. Seit 1863 war
er in kinderloser Ehe mit Emma, geb. Freiin von Crailsheim, vermählt.
(Stuttgarter) Neues Tagblatt vom 2. April 1902 Nr. 75, Schwäbische Kronik vom 2.
und 5. April Nr. 148 und 154, Staatsanzeiger für Württemberg vom 7. April Nr. 79, Über
Land und Meer Bd. 88 (1902) S. 580 (mit Bild), Konversationslexika. R. Krauß.
Trautmann, Moritz Ferdinand, Ohrenarzt und Professor der Ohrenheil-
kunde, Direktor der ohrenärztlichen Abteilung an der Kgl. Charit^ in Berlin,
• zu Wittenberg 20. März 1833, f ^.m 4. Mai 1902. — T. studierte in Berlin
als Zögling des med.-chir. Friedrich Wilhelm-Instituts, wurde 1857 zum Dr. med.
promoviert, war in der Ohrenheilkunde Schüler von Schwartze (Halle a. S.)
und Wendt (Leipzig), wirkte seit 1873 ^^s Ohrenarzt anfänglich in Breslau,
dann in Berlin, seit 1876 als Dozent der Ohrenheilkunde an der Universität
und war gleichzeitig Militärarzt bis 1887. Auch nahm er an den Feldzügen
von 1866 und 1870/71 Teil. 1888 wurde er zum Professor e. o., 1894 zum
Dirigenten der Abteilung für Ohrenkranke an der Kgl. Charit^, 1895 zum
Geh. Medizinalrat, beim Ausscheiden aus dem aktiven Militärdienst zum
Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd. 7
g8 Trautmann. VVolflf.
Generalarzt ernannt. Er schrieb: »Anat., pathol. und klin. Studien über
Hyperplasie der Rachentonsille usw.« (Berlin i8S6, mit 7 Taf. und 12 .stereosk.
Photogr.); ferner über »Embolische Prozesse des Mittelohrs« — »Die Licht-
reflexe des Trommelfelles« — »Der gelbe Fleck am Ende des Hammerstieles <^
(Arch. f. Ohrenhlk.) — »Chirurgische Anatomie des Schläfenbeins, insbesondere
für Radikaloperation« (1898, mit 72 stereosk. Abb.) u. v. A.
Quellen s. in Virchows Jahresberichte 1902, I, p. 425. Pagel.
Wolff, Julius, Chirurg und Orthopäd in Berlin, * zu Märkisch-Friedland
(Westpr.), 21. März 1836, f in Berlin am 18. Februar 1902. — W. studierte
und promovierte 1860 in Berlin, habilitierte sich 1868 für Chirurgie daselbst,
wurde 1884 Professor e. o., 1890 Direktor der neu eingerichteten Universitäts-
Poliklinik für orthopädische Chirurgie, 1899 Geheimer Medizinalrat und war
seit 1886 Vorstandsmitglied der Freien Vereinigung der Chirurgen Berlins.
W. nahm an den Feldzügen von 1864, 66 und 70/71 teil. Seine wissenschaft-
liche Bedeutung ist an das von ihm ermittelte Gesetz der Transformation der
Knochen geknüpft, das Ergebnis gediegener Forschungen, die W. zuletzt
niederlegte in der Schrift: »Das Gesetz der Transformation der Knochen <t
(herausgegeben mit Beihilfe der kgl. Akademie der Wissenschaften Berlin 1892).
Außerdem veröffentlichte W. zahlreiche Arbeiten, die besonders orthopädische
Themata, sowie die Gaumenspaltoperation, aber auch verschiedene andere Ge-
biete der Chirurgie betreffen. Die Titel der übrigen wichtigeren Publikationen
W.s sind: »Osteoplastik, insbesondere osteoplastische Operationen mittels
Verschiebung von Knochenstücken und temporäre Resektion des Schädeldachs,
Knochenwachstum, insbesondere Markierversuche am Scheitel-, Stirn- und
Nasenbein der Kaninchen, sowie Markierversuche am Unterkiefer« — »Innere
Architektur der Knochen« — »Theorie des Knochenschwundes durch ver-
mehrten Druck^und der Knochenneubildung durch Druckentlastung« — »Funktio-
nelle Pathogenese und funktionelle Orthopädie der Deformitäten, insbesondere
des Klumpfußes, Genu valgum und der Scoliose bezw. Etappenverbände« —
»Lehre von der Heilung der Knochenbrüche« — »Redressement des Buckels
bei Spondylitis« — »Unblutige Einrenkung der angeborenen Hüft Verrenkung •<
— »Trophische Störungen bei primärer Gelenksaffektion« — »Operation der
Hasenscharten und der Gaumen.spalten, insbesondere frühzeitige Gaumenspalt-
operation« — »Rhinoplastik mittels eines ohne Umklappen herabgezogenen
Hautknochenlappens« — »Schultergelenks-Arthrodese« — »Arthrolyse bei
Ellenbogengelenks-Ankylose« — »Kniegelenks-Arthrektomien bei neuropathi-
scher Gelenkserkrankung« — »Hüftgelenks-Resektion« — »Kropfexstirpation,
insbesondere über das spätere Verhalten der nicht exstirp. Kropfteile bei
partieller Exstirpation und halbseitige Exstirpation bei Aforbus Basedowii^
— »Operationen bei herabhängendem Kopf des Kranken« — »Totale Kehl-
kopfexstirpationen, Pseudostomie und Verbesserungen am künstlichen Kehl-
kopf« — »Angeborene Flughautbildung« — »Behandlung der Patellarbrüche«
— »Sklerodermie« — »Lumbalhernien« — »Willkürliche Kniegelenksluxation«
— »Überdachen großer Defekte«.
Nekrologische Quellen: Virchows Jahresberichte 1902, I, p. 428.
Pagel.
Fuhr. Prinz Albert von Sachscn-Altenburg. von Lupin. qq
Fuhr, Ferdinand, Chirurg in Gießen, * 22. Januar 1853, f 3. November
1902 zu Gießen. — F. erhielt 1876 die ärztliche Approbation, war zuerst
Assistent an der chirurgischen Universitätsklinik in Gießen, habilitierte sich
daselbst als Dozent für Chirurgie 1886, erlangte 1891 das Extraordinariat,
wurde Direktor der chirurgischen Universitätspoliklinik, trat jedoch bereits
im Juni 1900 in den Ruhestand. F.s wissenschaftliche Arbeiten betreffen
Operationen am Darm bei Ileus, Methodik der Unterschenkelamputation,
Exstirpation der Schilddrüse u. a. Außerdem ist F. Verfasser einer histori-
schen Studie über den Kropf im Altertum.
Vgl. Virchows Jahresberichte 1902, I, p. 414. * Pagel.
Sachsen- Altenburg, Prinz Albert von, Durchlaucht, Herzog zu Sachsen,
königlich preußischer General der Kavallerie und königlich sächsischer General
der Kavallerie ä la suite der Armee, ä la suite des königl. preußischen thürin-
gischen Husarenregiments Nr. 12 und des 8. thüringischen Infanterieregiments
Nr. 153, * 14. April 1843 ^^ München, f 22. Mai 1902 auf Serrahn bei Krakow
in Mecklenburg-Schwerin. — Der Prinz trat am 17. Mai 1861 als Sekondleutnant
in königlich preußische Dienste und zwar beim westfälischen Ulanenregiment
Nr. 5 ein. Im Jahre 1864 nahm er vom 16. Januar bis 22. April im Stabe
des Prinzen Albrecht von Preußen (Vater) am Feldzuge in Schleswig gegen
die Dänen teil, wurde im Juni 1864 ä la suite der Armee gestellt und trat
kn Januar 1865 aus der preußischen Armee aus, um in russische Dienste zu
gehen. Hier stieg er bis zum General ä la suite des Kaisers auf, erhielt aber
bei Ausbruch des Krieges von 1870 zwischen Preußen und Frankreich die
Erlaubnis, sich an diesem zu beteiligen und zwar wiederum im Stabe des
Prinzen Albrecht von Preußen (Vater), der zu jener Zeit die 4. Kavallerie-
division befehligte. Aus der russischen Armee ausgeschieden, trat er am 6. Mai
1887 mit dem Charakter als Generalmajor in preußische Dienste und wurde
zunächst bei den Offizieren ä la suite der Armee angestellt. Sodann erhielt der
Prinz am i. Dezember ein Patent seines Dienstgrades, tat vom i. Januar 1889 ab
Dienst beim Stabe der Garde-Kavalleriedivision und bekam am 22. März gleichen
Jahres das Kommando der 3. Garde-Kavalleriebrigade. Unterm 19. September
1891 zum Generalleutnant mit dem Range eines Divisionskommandeurs be-
fördert, wurde er am 3. November desselben Jahres unter Belassung ä la suite
des 7. thüringischen Infanterieregiments Nr. 96 zu den Offizieren ä la suite
der Armee und am 18. Januar 1896 zum thüringischen Husarenregiment Nr. 12
ä ia suite desselben versetzt. Nachdem der Prinz am i. September 1896 zum
General der Kavallerie ernannt worden war, trat er nach Errichtung des
8. thüringischen Infanterieregiments Nr. 153 vom 7. thüringischen Infanterie-
regiments Nr. 96 zum neuen Truppenteil, ä la suite desselben, über.
Nach den Akten. Lorenzen.
Lupin, Hugo Frhr. von, k. württemb. Generalleutnant z. D., ♦ 26. Juli 1829
in Illerfeld, f 12. Mai 1902 in Stuttgart. — L. erhielt am 8. April 1849
die Leutnantsepaulettes, wurde 1855 Oberleutnant und rückte 1863 zum
Hauptmann und Kompagniechef im damaligen württembergischen 3. Infanterie-
regiment auf, dessen 7. Kompagnie er im Feldzuge von 1866 gegen Preußen
befehligte. Auch bei Ausbruch des deutsch-französischen Krieges von 1870/71
tOO von Lupin. von Knappe.
stand er noch an der Spitze dieser Kompagnie, nahm mit ihr an der Schlacht
von Sedan sowohl als an der Einschließung von Paris, den Gefechten
bei Nogent sur Seine und am Mont Mesly teil. Nach dem Friedensschlüsse
wurde er bei der nun erfolgenden Neuordnung der württembergischen Truppen
und deren Vereinigung mit der preußischen Armee Major im 7. württem-
bergischen Infanterieregiment, das später die Nr. 125 erhielt. Am 4. März
1876 mit der Führung des 3. Infanterieregiments Nr. 121 beauftragt wurde L.
am 22. September desselben Jahres Kommandeur dieses Truppenteiles, am
6. Juni 1877 zum Oberstleutnant und am 16. September 1881 zum Oberst auf-
rückend. Bis zum 21. Juli 1885 in diesem Dienstgrad stehend, führte er von
diesem Tage ab die 51. Infanteriebrigade, zu deren Kommandeur L. am
29. Januar 1886 endgültig ernannt wurde, unterm darauffolgenden 10. September
den Dienstgrad als Generalmajor erreichend. Nach weiteren zwei Jahren wurde
er zum Kommandanten von Stuttgart und Vorstand des württembergischen Ober-
Rekrutierungsrates ernannt, in welcher Stellung ihm am 31. Oktober der
Charakter als Generalleutnant verliehen wurde. 1890 wurde er in Genehmigung
seines Abschiedsgesuches zur Disposition gestellt.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Knappe, Ernst von, Generalleutnant z. D., •12. September 1839 zu Witten-
berg, f am 12. Mai 1902 zu Würzburg. — Nach erfolgter Erziehung im Kadetten-
korps kam K am 2. Mai 1857 als außeretatsmäßiger Sekondleutnant in die
2. Ingenieurinspektion bezw. 5. Pionierabteilung. Nach dem vorgeschriebenen
Besuch der Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule trat er im Juni 1859
zu seiner Pionierabteilung zurück, wurde bald darauf zum etatsmäßigen
Sekondleutnant ernannt und im Mai 1863 dem Fortifikationsdienst in Witten-
berg überwiesen. Hier unterm i. Dezember 1863 zum Premierleutnant auf-
gerückt, wurde K. im August 1864 dem Fortifikationsdienst in Torgau zu-
geteilt und 1865 zum schlesischen Pionierbataillon Nr. 6 in Neiße versetzt.
Von hier wurde er im Mai 1866 zu den. Niederlegungsarbeiten der
Befestigungswerke bei Schweidnitz und kurz darauf zu Brückensprengungen
nach Oderberg kommandiert. Den Feldzug von 1866 gegen Österreich
machte er bei der Abteilung des Generalmajors von Knobelsdorff mit. Nach
dem Friedensschlüsse besuchte er die Kriegsakademie, kam nach Beendigung
des dreijährigen Kursus zum Fortifikationsdienst in Glogau und wurde am
7. Juli 1870 zum Hauptmann befördert. Als solcher wurde K. bei Ausbruch
des Krieges von 1870/71 gegen Frankreich dem Generalkommando des
IV. Armeekorps als 2. Ingenieuroffizier zugewiesen. Nach erfolgter Rückkehr
aus dem Felde zum Mitgliede des Ingenieurkomitees ernannt und am
26. August 187 1 als Kompagnieführer zum Eisenbahnbataillon kommandiert,
wurde er 1872 im September als Kompagniechef in diesen Truppenteil
versetzt, bis er im November 1876 in die 2. Ingenieurinspektion übertrat
und dem Fortifikationsdienste in Posen zugewiesen wurde. Am 14. Dezember
1878 zunächst unter Beförderung zum Major zum Kommandeur des branden-
burgischen Pionierbataillons Nr. 3 ernannt, vertauschte er diese Stellung am
16. November 1880 mit derjenigen des Kommandeurs des i. Bataillons des
Eisenbahnregiments, wurde am i. Mai 1886 mit der Vertretung des Komman-
deurs dieses Regiments beauftragt, avancierte am 12. Juni zum Oberstleutnant,
von Knappe. Wertheimer. Wiehert. lOI
übernahm am 12. September 1886 die Führung und erhielt am 13. Dezember
1887 das Kommando des Eisenbahnregiments. Dieses befehligte er, am
13. Oktober 1888 zum Oberst aufgestiegen, bis zum 24. März 1890, zu welchem
Zeitpunkte K. zunächst als Führer an die Spitze der Eisenbahnbrigade trat,
deren Kommando ihm am 15. Dezember 1890 endgültig übertragen wurde.
Am 20. Oktober 1891 erhielt er das Patent als Generalmajor, wurde am
I. Januar 1900 geadelt und bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst am
22. Januar 1895 Generalleutnant.
Nach den Akten. Lorenzen.
Wertheimer, Gustav, Historien- und Genremaler, * 28. Januar 1847 in
Wien, f 24. August 1902 in Paris. — W. studierte an der Wiener Akademie
unter Joseph Führich und war Schüler von Makart, dessen Einfluß entschei-
dend für die malerische Anschauung des Künstlers wurde. Er malte anfangs
große Historienbilder im Sinne des Meisters: »Tod der Agrippina«, »König
von Zion«; auch Darstellungen mystischen Inhalts, sowie Porträts z. B. von
Jules Verne. Späterhin machte er sich als Tiermaler bekannt; viele seiner
Bilder, die Löwenbraut, Wüstenidyll, Löwenpaar, Strandwächter, Der Blumen
Rache, Kuß der Welle, Löwen auf der Lauer u. a. erschienen in den sieb-
ziger und achtziger Jahren in der »Illustrierten Zeitung« und in »Über Land
und Meer« abgebildet. Andere Bilder von ihm sind: »Perseus und Andro-
meda.« »Der Traum des Fischers.« »Antonius und Cleopatra.« Seit vielen
Jahren hatte er sich in Paris niedergelassen. Bei der Weltausstellung 1889
wurde er ausgezeichnet. Zum Schluß gerieth er in äußerste Notlage und starb
im Spital Lariboisi^re an galoppierender Schwindsucht.
Ludwig Hevesi, Österreichische Kunst des 19. Jahrhunderts 1903. Jahrbuch der bil-
denden Kunst 1903. Chronique des ArU ei de la Curiosiü 1902. Kunst für Alle XVIII.
Boetticher, Malerwerke des XIX. Jahrhunderts 1895 — 1901. H. W. Singer, Allgemeines
Künstlerlexikon 1895. HugoSchmerber.
Wiehert, Felix, Porträt- und Genremaler, * 8. Mai 1842 zu Tilsit, f ini Fe-
bruar 1902 in Berlin. — W. widmete sich erst in späteren Jahren, nachdem er
mehrere Berufe verlassen hatte, der Malerei. Zuerst kam er 1861 an die Uni-
versität nach Berlin, um Philologie zu studieren, dann wendete er sich der
Militärlaufbahn zu, machte den Feldzug gegen Österreich mit und nahm 1869
seinen Abschied ; nachdem er die folgenden Jahre auf Reisen zugebracht hatte
ging er wieder nach Berlin und begann sich mit der Malerei zu beschäftigen.
In den Ateliers von Steffeck und Eschke machte er seine Studien und stellte
1876 als erste größere Arbeit auf der großen akademischen Ausstellung in
Berlin ein Gemälde »Winterabend« aus. Unter seinen vielen Porträts sei ein
Reiterbildnis Kaiser Wilhelms L erwähnt, ferner von seinen Genrebildern
»Polenschänke«, »Zigeunerlager«, »Waldhexe«.
Das geistige Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts. I. Bd. Bildende Künstler,
1898. Kunstchronik XIII, n. F. Kunst für Alle XVII. Jahrbuch der bildenden Kunst
1903. Boetticher, Malerwerke des 19. Jahrhunderts, 1895 — 1901. Chronique des Arts ei de
la Curiosiic 1902. H. W. Singer, Allgemeines Künstlerlexikon 1895.
Hugo Schmerber.
102 Barvilius. von Voigts-Rhetz.
Barvitius, Viktor Anton, Maler, Galerie-Inspektor, * 28. März 1834,
1 9. Juni 1902 in Prag. — B. besuchte die Kunstakademie in Prag unter
Engerth und Rüben und ging 1865 zur weiteren Ausbildung nach Paris. Er
widmete sich ausschließlich der Tiermalerei und stellte besonders Pferde in
den Landschaften der Normandie und Bretagne dar. Als er nach Prag zu-
rückkehrte, wurde er zum Galerie-Inspektor der Gesellschaft patriotischer Kunst-
freunde in Böhmen ernannt, wobei ihm sein theoretisches Wissen sehr zu statten
kam. Im Verein mit Dr. W. Bode verfaßte er einen Galerie- Katalog. Er
war auch schriftstellerisch tätig und gab mehrere Gelegenheitswerke heraus:
Eine künstlerische Geschichte der Stadt Prag in der Festschrift: »Die ersten
25 Jahre des St. Lukas-Vereins und Rückblick auf die früheren Vereinigungen
bildender Künstler in Prag von 1348 — 1895.« — Ferner eine Abhandlung:
»Die Neuzeit auf dem Gebiete der Malerei und Plastik in Böhmen« in »Die
österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild«, Band XV, IL Abteilung.
Zugleich mit der Stelle als Galerie-Inspektor übernahm er auch die Lehrstelle
für Perspektive an der Malerakademie.
Jahrbuch der bildenden Kunst 1903. Deutsche Arbeit, Zeitschrift für das geistige
Leben der Deutschen in Böhmen. I. Jahrgang. Übersicht über die Leistungen der Deut-
schen Böhmens auf dem Gebiete der Wissenschaft, Kunst und IJteratur in den Jahren
»895—7- Prag 1900. Hugo Schmerber.
Voigts-Rhetz, William von, General der Infanterie ä la suite des Gre-
nadierregiments König Wilhelm I. (2. Westpreußisches) Nr. 7, * 9. April 1813
zu Höxter, f 2. Juni 1902 zu Montreux in der Schweiz. — Als Avantageur am
2. Mai 1829 beim Grenadierregiment König Friedrich Wilhelm IV. (Pommer-
sches) Nr. 2 eingetreten, wurde V.-R. nach 2 Jahren Port^p^efähnrich und am
20. November 1831 Sekondleutnant. Darauf von 1841 bis 1844 als Adjutant und
Rechnungsführer beim 2. Bataillon (Stralsund) 2. Landwehrregiments Verwen-
dung findend und am 24. Februar 1846 zum Premierleutnant aufgerückt, nahm
er im März 1848 an den Straßenkämpfen in Berlin teil. Vom 12. April gleichen
Jahres bis zum 14. Januar 1850 wurde er mit Führung einer Kompagnie des
Landwehrbataillons Stralsund beauftragt, am 12. November 1850 zum Haupt-
mann und Kompagniechef und am 13. Juli 1858 zum Major und Komman-
deur obengenannten Bataillons befördert. Nach Ablauf eines Kommandos
als Bataillonskommandeur im 2. kombinierten, nachmaligen 5. Pommerschen
Infanterieregiment Nr. 42, in diesen Truppenteil am i. Juli 1860 versetzt,
avancierte er unterm 17. März 1863 zum Oberstleutnant, wurde am 14. August
1865 Kommandeur der Königsgrenadiere Nr. 7 und am 8. Juni 1866 zum
Oberst befördert. An der Spitze dieses Regiments zog V.-R. im Jahre 1866
gegen Österreich ins Feld und führte es in den Gefechten von Nachod und
Skalitz siegreich gegen den Feind, wobei er durch einen Granatsplitter am
Fuße leicht verwundet wurde, aber bei der Truppe verbleiben konnte. Für
ihr tapferes Verhalten in jenen Gefechten wurden Kommandeur und Regiment
von König Wilhelm ganz besonders ausgezeichnet, der bei der Besichtigung
des Regiments am 2. August 1866 nicht nur persönlich seinem Dank durch
huldreiche Ansprachen Ausdruck gab, sondern es auch dadurch ehrte, daß
er es dem Kronprinzen und dem Korpskommandeur vorbeiführte. 1867 wurde
der verdiente Ol)erst zur Beiwohnung der norwegischen Herbstübungen nach
von Voigts-Rhetz. Keyler. IO3
Christiania kommandiert. Bei Ausbruch des Krieges von 1870 wurde V.-R.
Kommandeur der 18. Infanteriebrigade und rückte zum Generalmajor auf.
Im Felde zeichnete er sich abermals ganz besonders im Treffen bei Weißen-
burg, in der Schlacht bei Wörth, im Vorhutgefecht bei Stonne, in der Schlacht
bei Sedan, im Gefecht bei Petit Bicötre sowie bei der Belagerung von Paris aus,
wofür ihm beide Klassen des Eisernen Kreuzes sowie zahlreiche andere Or-
den verliehen wurden. Schwer waren auch die Verluste seiner Brigade,
Königs-Grenadiere und Infanterieregiment Nr. 47, namentlich bei Weißenburg
und Wörth, wo 78 Offiziere und 15 15 Unteroffiziere und Mannschaften tot
oder verwundet den grünen Rasen deckten. Nach dem Feldzuge in die Hei-
mat zurückgekehrt, erhielt V.-R. zunächst am 13. April 1872 das Kommando
der 21. Infanterie-Brigade, nahm im Jahre 1873 an der Krönung Königs
Oskar II. in Stockholm teil und übernahm am 12. Dezember 1873 die Führung
der 20. Division, zu deren Kommandeur ihn der Kaiser am 15. Januar 1874
ernannte. Am 22. März 1874 zum Generalleutnant befördert, unter Stellung
ä la suite des Königsgrenadier-Regiments am 19. September desselben Jahres,
wurde er am 8. Dezember zum Georgsfest nach St. Petersburg kommandiert
und während der großen Manöver in Schlesien 1875 zum Ehrendienst bei
dem König von Sachsen befohlen. Am 12. März 1881 trat V.-R. als General
der Infanterie in den Ruhestand.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Keylcr, Eugen, Generalleutnant z. D., * 12. Oktober 1840 zu Königsberg
i. Pr., f 16. Januar 1902 in Berlin. — Nach Absolvierung des Gymnasiums bezog
K. die Universität, vertauschte aber den Gelehrten- mit dem Offiziersberuf, in-
dem er am i. Februar 1860 als Musketier auf Beförderung dienend beim
I. Infanterie-Regiment in Dienst trat und in diesem Truppenteil am 12. Juli
desselben Jahres zum Portepdefähnrich sowie am 23. Juli nächsten Jahres zum
Sekondleutnant aufrückte. Im April 1864 Adjutant des Füsilier-Bataillons des
Regiments geworden, wurde er bei Ausbruch des Krieges von 1866 als solcher
der I. Infanterie-Division zugeteilt, in welchem Kommando er an dem Ge-
fecht bei Trautenau, der Schlacht bei Königgrätz und dem Gefecht bei
Tobitschau teilnahm. Nach dem Feldzuge wurde K. Adjutant der 24. In-
fanterie-Brigade und von 1866 — 1869 ^^^ Kriegsakademie kommandiert, wo-
bei er zum Premierleutnant aufstieg. Diesem Kommando folgte ein solches
zum Garde-Feldartillerie-Regiment, worauf er als Adjutant zur 17. Infanterie-
brigade kam, in welcher Stellung er 1870 gegen Frankreich in das Feld zog,
wo er an dem Treffen bei Weißenburg, den Schlachten von Wörth und
Sedan, dem Avantgardengefecht bei Stonne, der Belagerung von Paris,
den Gefechten am Mont Mesly und bei Petit Bicötre, dem Ausfallsgefecht
von La Malmaison, sowie an der Schlacht am Mont Valerien Anteil nahm.
Nach der Rückkehr aus Frankreich unter Kommandierung zum großen General-
stabe dem Generalstabe der Armee aggregiert, wurde K. am 3. Oktober 187 1
zum Hauptmann befördert und unter Belassung beim großen Generalstabe
in den Generalstab der Armee eingereiht. Im November zum Generalstabe
des IL Armeekorps, im Januar zu demjenigen der 7. Division versetzt, avan-
cierte er am 12. Oktober 1878 zum Major und trat am 10. Mai 1879 ^""^
Generalstab des VII. Armeekorps über. Nachdem er im Jahre 1881 eine Er-
104 Keyler. von der Planitz.
kundungsreise in die Schweiz unternommen hatte, kam er 1883 in den großen
Generalstab zurück, wurde Generalstabsoffizier der Kommandantur in Thom
und trat am 12. November an die Spitze des Füsilier-Bataillons des i. Posen-
schen Infanterieregiments Nr. 18, in welcher Stellung er 1886 zum Oberst-
leutnant aufrückte. Später zum etatsmäfligen Stabsoffizier ernannt, erhielt K.
am 13. November 1888 das Kommando des Grenadierregiments Nr. 4 und wurde,
unterm 16. Juni 1891, zum Generalmajor befördert, Kommandeur der 30. In-
fanteriebrigade. Als solcher fungierte er bis zum 17. März 1894, an dem
seine Ernennung zum Kommandanten von Königsberg i. Pr. erfolgte. In
dieser Stellung erhielt er am 18. April 1895 den Charakter als Generalleutnant;
am 17. Juni 1897 trat er in den Ruhestand.
Nach den Akten. Lorenzen.
Planitz, Paul Edler von der, Königlich sächsischer General der In-
fanterie, Staats- und Kriegsminister, ä la suite des i. (Leib-)Grenadierregiments
Nr. 100, Bevollmächtigter zum Bundesrat des Deutschen Reiches, * 20. Sep-
tember 1837 zu Hohengrün bei Auerbach im sächsischen Voigtlande,
f 19. August 1902 in Hosterwitz bei Dresden. — Im Jahre 1853 in die
Artillerieabteilung des Königlich sächsischen Kadettenkorps in Dresden auf-
genommen, trat P. am i. April in das sächsische Artilleriekorps als Portep^e-
junker ein, wo er am i. Oktober 1856 zum Leutnant im damaligen Fuß-
artillerie-Regiment aufstieg. 1861 wurde er in die taktische Abteilung des
Generalstabes und Ende 1863 zum Stabe des Generalleutnants v. Hake ver-
setzt, der die Bundes-Exekutionstruppen in Holstein befehligte. Nachdem
diese Truppen aufgelöst waren, wurde P. ä la suite der Armee gestellt, um
sprachwissenschaftlichen Studien obzuliegen und 1865 unterm 23. Oktober zum
Oberleutnant befördert. Die drohenden Kriegsaussichten machten seinen Stu-
dien im Frühjahre 1866 ein Ende und kurz darauf wurde die sächsische Armee,
als im Bunde mit Österreich stehend, mobilgemacht, wobei er dem General-
stabe der vom Generalleutnant v. Fritsch geführten Kavallerie -Division zu-
geteilt wurde. Hier zeichnete er sich derartig aus, daß man ihm das
österreichische Militär -Verdienstkreuz mit der Krone verlieh. Nach dem
Friedensschlüsse am i. Januar 1867 zunächst als Adjutant zum derzeitigen
Kronprinzen, nachmaligen König Albert, kommandiert, am 15. November in
dieser Stellung zum Hauptmann aufgerückt und im März 1868 in den General-
stab zurückversetzt, wurde P. Ende 1869 dem preußischen großen General-
stabe zur Dienstleistung überwiesen. Bei der Mobilmachung gegen Frank-
reich im Juli 1870 fand er im Generalstabe des sächsischen XII. Armeekorps
Verwendung und trat nach Bildung der IV. Armee zum Oberkommando der
Maasarmee über. Mit diesem nahm er an den Schlachten bei St. Privat,
Beaumont und Sedan sowie an der Einschließung von Paris teil. Mit dem
Eisernen Kreuz II. und I. Klasse geschmückt, kehrte er in die Heimat zu-
rück, wo er wieder dem preußischen großen Generalstabe zur Dienstleistung
zugeteilt wurde. In dieser Stellung verblieb P. bis 1874, in welchem Jahre
er, mittlerweile zum Major aufgestiegen, zum Königlich sächsischen Militär-
bevollmächtigten in Berlin unter Stellung ä la suite des sächsischen Kriegs-
ministeriums Verwendung fand. Als solcher avancierte er 1879 zum Oberst-
leutnant, 1882 zum Oberst, wurde am 12. Juli 1883 Chef des sächsischen
von der Planitz. Voigt IO5
Generalstabes und 1888 zum Generalmajor befördert. In diesem Dienstgrade
stehend, übernahm er 1889 das Kommando der sächsischen Infanteriebrigade
Nr. 45, aus welcher Stellung er im März 1891 ausschied, um zum General-
leutnant aufgerückt, als der Nachfolger des verstorbenen Generals des Kavallerie
Grafen v. Fabrice das Amt des sächsischen Kriegsministers zu übernehmen.
In dieser hohen Stellung harrten seiner große Aufgaben und unvergessen wird
es stets in der sächsischen Armee bleiben, was er geleistet hat. Während
seiner Amtsführung erhöhte sich der Stand der Friedensstärke der Truppen
so bedeutend, daß eine Einteilung in 2 Armeekorps nötig wurde. Auch die
Gliederung des Kriegsministeriums erfuhr eine Neuordnung, es fand eine Ver-
mehrung um 2 Abteilungen statt, eine Druckschriftenverwaltung und ein
Kriegsarchiv wurden neu eingerichtet, überhaupt die ganze Organisation der
Militärverwaltungsbehörden unter der Leitung des zu früh Verstorbenen mit
derjenigen der übrigen Armeen des Reichsheeres in Übereinstimmung ge-
bracht. Aber auch den geistigen Interessen des Heeres wandte P. sein be-
sonderes Augenmerk zu. So erfolgte während seiner Amtsdauer die Errich-
tung einer besonderen Militärseelsorge und in Verbindung hiermit der Bau
der Gamisonkirche in Dresden, die unter einem Dache mit gemeinsamen Turm,
einen evangelischen und einen katholischen Teil vereinigt. Neu geregelt
wurden Militärjustizpflege und Militärbauwesen, Remontedepots und zahl-
reiche sonstige Militäretablissements sowie Kasemements zur mustergültigen
Unterbringung der Truppen errichtet, ein Genesungsheim angelegt usw. Auf
dem ebenfalls auf seine Anregung eingerichteten besonderen Begräbnisplatz
für die Garnison Dresden hat P. seine letzte Ruhestätte gefunden. Seine
Tätigkeit erstreckte sich jedoch nicht nur auf die Angehörigen der aktiven
Truppen, sondern wendete sich auch früheren Militärs und deren Hinterbliebenen
zu. Der »Sachsendank«, der die Aufgabe hat, bei eintretenden Notständen
Hinterlassenen von Offizieren usw. Beihilfen und Unterstützungen zu gewähren,
hat schon manche Träne getrocknet und legt ein schönes Zeugnis von des
Verewigten Menschenliebe ab.
Nicht nur die sächsische Armee, das ganze deutsche Reichsheer wird
stets das Gedächtnis an den zu früh Heimgegangenen in hohen Ehren halten ;
sein Name wird unvergessen bleiben als Vorbild strengster Pflichterfüllung
und echt ritterlicher Gesinnung.
Nach Militär- Wochenblatt. Lorenzen.
Voigt, Emsty Schulmann und Germanist, zuletzt Stadtschulrat in Berlin,
• 22. Juni 1843 i^ Magdeburg, f 5. Dezember 1902. — V. besuchte bis 186 1
das Domgymnasium seiner Vaterstadt und studierte dann in Halle, Berlin
und Greifswald. Er war ein flotter Student, eifriges Mitglied der Burschen-
schaft, aber er versäumte darüber nicht seine Studien. Die Kameraden be-
wunderten ebensowohl seine reckenhafte körperliche Stärke wie seine eiserne
Willenskraft und seine Arbeitsfreudigkeit inmitten der Vergnügungen, nicht
minder seine rednerische Begabung, wenn er bisweilen in vorgerückter Stunde
sich zu einer Ansprache erhob und mit heiterer Laune, mit einer Fülle origi-
neller Wendungen alle aufzurütteln und zu packen wußte. Gleich am Schlüsse
des sechsten Semesters bestand er die Doktorprüfung, zwei Jahre später die
Oberlehrerprüfung. In der Zwischenzeit hatte er eine Hauslehrerstelle bekleidet.
I06 Voigt.
Schon auf der Universität und in den nächstfolgenden Jahren hatte er
neben den alten Sprachen sich auch mit dem deutschen Altertum beschäf-
tigt; diesem widmete er später seine Mußestunden. Die deutsche Tiersage
hatte ihn angezogen. Er beschäftigte sich zunächst mit dem ältesten, bisher
wenig beachteten und für unerklärbar gehaltenen Gedicht dieser Art —
ecbasis capt'wi^ Ausbruch des Gefangenen — , das Jakob Grimm in einer sehr ent-
stellten und verdorbenen Handschrift aufgefunden hatte. V. bemühte sich zu-
nächst mit der Herstellung und Verbesserung des Textes. Um dieses Ziel
zu erreichen, suchte er aus den im Gedicht hier und da vorkommenden An-
deutungen Ort und Zeit seiner Entstehung festzustellen. Es gelang ihm nach-
zuweisen, daß es in Lothringen während der ersten Hälfte des zehnten Jahr-
hunderts entstanden sein müsse, in der Zeit, wo die verwilderten Klöster
dieses Landes einer strengeren Ordnung und Zucht unterworfen worden waren.
Schritt für Schritt vorgehend, konnte er schließlich beweisen, daß es im
Kloster St. Aper zu Toul von einem Klosterschüler verfaßt war, der sich
an die von dem strengen Abt Archembald eingeführte neue Ordnung durch-
aus nicht gewöhnen konnte. Die größere Freiheit der früheren Zeit hatte er
benutzt, um in Wald und Feld herumzustreifen, um als Jäger und Fischer
den Tieren nachzustellen. Jetzt war er nach zweimaliger Flucht aus dem
Kloster harter Strafe verfallen und auf unabsehbare Zeit in den Kerker ge-
worfen. Da ging er in sich und kam auf den Gedanken, durch eine fleißige
Arbeit den erzürnten Abt milder zu stimmen. Mit Hilfe der Bücherrollen
aus der Klosterbibliothek versuchte er die Geschichte seiner eigenen Flucht
und Bekehrung in Gestalt einer Tierfabel zu erzählen. Das meiste entnahm
er biblischen Gleichnissen und den Tierfabeln des Altertums, die er etwas
umformte und durch eigene Erfindung zu einem ganzen verband. Die
eigene Zutat ist nun zwar nicht immer in korrektem Latein und zum Teil in
holprigen Versen geschrieben, aber mit glücklicher Phantasie und lebhaftem
Sinn für die Natur, bei seiner Vertrautheit mit dem Leben der Tiere hat er
doch ein ganz ansprechendes Gedicht zustande gebracht.
Um zum Verständnis der ecbasis zu gelangen, hatte V. auch einige andere
Denkmäler der Tiersage heranziehen müssen. Einige der kleineren gab er
heraus und wendete sich dann zu der bedeutendsten unter den älteren,
lateinisch geschriebenen Tierfabeln, dem zur Zeit des zweiten Kreuzzuges ver-
faßten Ysengrtmus. Als er 1884 dieses Werk drucken ließ, nahm er damit
nach fast 2ojähriger Arbeit von »Reinhard und Isengrimm« Abschied und
legte in der Einleitung das Resultat seiner Forschungen über Entstehung und
Entwicklung des mittelalterlichen Tierschwanks dar. Die einst von Jakob
Grimm ausgesprochene Ansicht, daß die deutsche Volksseele von uralter Zeit
her mit diesen Märchen erfüllt gewesen sei, daß diese sich von Geschlecht
zu Geschlecht mündlich fortgepflanzt hätten, ehe sie endlich aufgezeichnet
wurden, hat sich nicht aufrecht erhalten lassen. Nach V.s Ansicht ist die
deutsche Tiersagc in den Klöstern entstanden in Anlehnung an biblische
Gleichnisse und die Tierfabeln der alten Schriftsteller, sie ist in der älteren
Zeit lediglich von Mönchen im Sinne satyrischer Allegorie oder fröhlichen
Faschingsscherzes gepflegt worden, dann im zwölften Jahrhundert von Va-
ganten, fahrenden Spielleuten und anderen Dichtern in weiterem und freierem
Sinne behandelt und reicher ausgestaltet worden.
Voigt 107
Bei seinen Arbeiten über den Tierschwank hatte V. vielfach die Sprich-
wörtersammlungen jener Zeit zu Rate ziehen müssen. Diese untersuchte er
jetzt eingehender. Er hat mehrere derselben herausgegeben, namentlich eine
der bedeutendsten, die ihr Verfasser im Hinblick auf die Arche Noah —
Ffcunda Ratis, das vollbeladene Schiff — benannt hat. Ähnlich wie bei der
ecbiisis sucht V. aus den in der Sammlung vorkommenden Andeutungen Ort
und Zeit ihrer Entstehung festzustellen. Er hat ermittelt, daß sie um 1030
entstanden ist und daß ihr Verfasser Egbert Lehrer an der Domschule in
Lüttich war. Aus einer großen Zahl von Versen, die sich am Anfang, am
Ende, in der Mitte und an anderen Stellen verstreut finden, stellt er mit
poetischer Anschauung ein warm empfundenes lebenswahres Bild dieses Egbert
zusammen als eines schlichten, geduldigen, auf die Eigenart seiner Schüler
eingehenden Lehrers. Er zeigt, daß seine Sammlung dazu bestimmt war, den
Schülern als lateinisches Lese- und Lernbuch nützlich zu sein. Mit leichten
Beispielen in kurzen, einzeiligen Versen beginnt sie, um nach und nach zu
schwierigeren und längeren aufzusteigen ; sie ist sorgfältiger und zweckmäßiger
abgestuft als die anderen in jener Zeit gebrauchten lateinischen Lesebücher.
Vor allem aber erhebt sich Egbert dadurch über seine Vorgänger, daß er sich
nicht mit biblischen Sentenzen und mit von anderen bereits angeführten
Sprichwörtern begnügt, sondern zuerst die im Volksmunde umlaufenden Sprich-
wörter sammelt und damit den unerschöpflichen Born volkstümlicher Lebens-
erfahrung und Lebensweisheit erschließt. Allerdings gibt er seine Sprich-
wörter in lateinischer Sprache, wie es der Sitte der Zeit und dem Zwecke
eines lateinischen Lesebuches entspricht. Trotz dieser Einkleidung ist sein
Werk die erste Sammlung volkstümlicher deutscher Sprichwörter.
Bei der Beurteilung dieses Schulbuches, bei der Darstellung des Lehr-
betriebes in den Kloster- und Domschulen ist V. seine Erfahrung als Lehrer
zu statten gekommen. Bei den Lehrern, die er eingehend zu charakterisieren
suchte, wie bei dem pflichtgetreuen Egbert, bei dem strengen Abt Archem-
bald, »dem gewaltig wollenden geschlossenen Mannescharakter, der den
eisernen Ring siegesgewisser Energie« um die bisher freien Glieder seiner
Zöglinge legt, hat er wohl einzelne verwandte Züge der eigenen Natur er-
kannt und sich gewissermaßen selbst in ihnen geschildert.
V.s eigene Arbeit als Lehrer ist ganz dem Friedrichs-Gymnasium in Berlin
zu gute gekommen. 23 Jahre alt, ist er 1866 als Probandus eingetreten und
mit dem Ordinariat einer Sexta betraut worden. Bereits 1868 erhielt er ver-
tretungsweise den deutschen Unterricht in der Unterprima, bald darauf dauernd
in beiden Primen; er hat ihn dann ununterbrochen bis zu seinem Abgang
vom Gymnasium gegeben, mit oft gerühmtem, vielbewundcrtem Erfolg. 1871
wurde er Ordinarius einer Untersekunda, 1891 der Obersekunda, 1892 Direktor
des Gymnasiums. Die zwanzig Jahre seiner Herrschaft in Untersekunda und
der deutsche Unterricht in Prima können als der Mittelpunkt, als der Kern
seiner eigentlichen Lehrtätigkeit betrachtet werden. YsX hielt seine Schüler
in fester Zucht, trotzdem herrschte in seiner Untersekunda ein außerordent-
lich flotter Ton. Seine Untersekundaner hießen im Gymnasium »die Voigtianer,
die lustigen Leute«. Er wußte einen wahren Feuereifer in ihnen zu entzün-
den, selbst die gelegentlichen, sonst so langweiligen Repetitionen von Formen
und Regeln wurden wie eine Art Sport betrieben, alle wetteiferten größt-
io8 Voigt.
mögliche Schnelligkeit, Schlagfertigkeit und Sicherheit zu bekunden. Einer
seiner früheren Schüler, der vor einem Vierteljahrhundert das Gymnasium
verlassen hat, jetzt ein berühmter Universitätslehrer und Schriftsteller ist,
schreibt dem Referenten: »V. besaß ein unbedingtes Ansehen und hat auf ver-
schiedene Schüler einen ihren Lebensberuf entscheidenden Einfluß ausgeübt.
Das lag vor allem in seiner siegreichen Verstandesstärke. Auch der einge-
bildetste Schüler fühlte hier eine Begabung, die mit ihm nur so spielen
konnte. Diesen Eindruck erzwang er nicht nur durch seine von originellen
Wendungen und Gedanken überfließenden Vorträge, sondern mehr noch durch
seine kurzen kritischen Bemerkungen in der Klasse und im Schulheft. Dann
aber fühlten auch seine Schüler, daß hinter jedem Wort ein ganzer Mann
stand, dem es Ernst war mit seinem Beruf. V. war immer bereit, auf jeden
guten Willen, auf jede eigene Meinung einzugehen. Sein Unterricht übte
einen wahren Zauber auf uns aus. Wir strengten uns alle an, um ihm zu
genügen, vernachlässigten auch wohl die anderen Fächer, um nur ja in dem
seinen zu bestehen. Wenn ich noch heute bei jedem Abschluß einer Arbeit
mich frage, ob ich wohl sein berühmtes »Punkt — Gedankenstrich — noch
ein Punkt« darunter setzen darf, so mag diese Kleinigkeit veranschaulichen,
von welcher Art die geistige Zucht dieses unvergeßlichen Lehrmeisters war.«
V. bemühte sich, jeden seiner Schüler genau kennen zu lernen, gleichsam
in seine Seele zu blicken, ihn in seinem Kern zu erfassen, um erziehend auf
ihn zu wirken. Als Direktor notierte er sich allwöchentlich bei jedem Namen
aus den Klassenbüchern und aus den Listen über die zurückgegebenen Ar-
beiten, was ihm irgend bemerkenswert erschien, so daß er über jeden Schüler
unterrichtet war, wußte, ob er gute Arbeiten lieferte oder sich vernachlässigte,
ob er sich die Zufriedenheit seiner Lehrer erwarb oder zu Tadel und
Strafen Veranlassung gab. Täglich erschien er unter den Schülern auf dem
Hof — immer, auch an den kältesten Wintertagen ohne Überzieher. Er kannte
jeden von den etwa 700 Schülern des Gymnasiums und der Vorschule, rief
sie bei ihren Vornamen, sprach ihnen seine Freude aus, wenn sie gute Ar-
beiten gemacht hatten, sprach warnend zu ihnen, wenn sie Fehler begangen
und Strafe verdient hatten. Die Schüler fühlten, daß sein Auge mit väter-
lichem Wohlwollen auf ihnen ruhte, und dankten ihm dafür mit ihrem Ver-
trauen. Gleiches Vertrauen genoß er bei den Eltern der Schüler und auch
bei den Lehrern, deren Eigenart und Selbständigkeit er freien Spielraum ließ
sobald er erkannte, daß sie auf tüchtigem Grunde beruhte.
Im November 1901 verließ er das Friedrichs-Gymnasium um das Amt
eines Stadtschulrates für das höhere Schulwesen zu übernehmen, ist aber zu
einer seinen Kräften entsprechenden, bedeutenderen Wirksamkeit in diesem
Amte nicht mehr gekommen.
Schriften: Schedae criiicae de poetis graecorum tragicu, Dissert. Halle 1864. —
Untersuchungen über den Ursprung der Ecbasis captivi. Berlin 1874. — Ecbasis capiivi,
Straßburg 1875. — Kleinere lateinische Denkmäler der Tiersage. Straßburg 1878. —
Ysengrimus. Halle 1884. — Egberts von Lüttich Fecunda Raiis, Halle 1889. — Außer-
dem zalUreiche Aufsätze namentlich in der Zeitschrift für deutsches Altertum, in den Ro-
manischen Forschungen und in den Mitteilungen für deutsche Krziehungs- und Schulgeschichte.
Quellen: Programme des Friedrichs-Gymnasiums in Berlin, namentlich von 1900, 1901
und 1904. Persönliche Erinnerungen.
Paul Goldschmidt.
von Goeben. von Berg. Iqq
Goeben, William von, General der Infanterie z. D., * 30. Juli 18 18 zu Stade,
t 19. April 1902 zu Lauenstein im Kreise Hameln. — Ein jüngerer Bruder
des bereits im Jahre 1880 verstorbenen berühmten Generals August v. Goeben,
erhielt er seine Schulbildung auf dem Gymnasium in Celle und trat am
I. Oktober 1834 als Kadett in das damalige 3. hannoversche Linienbataillon ein,
wurde am i. Juli 1836 zum Sekondleutnant befördert und am 16. März 1838
in das 3. Infanterie-Regiment versetzt. Hier rückte er am 26. März 1848 zum
Premierleutnant auf, in welchem Dienstgrade er an dem Feldzuge von 1848
gegen Dänemark in Schleswig-Holstein teilnahm. 1853 wurde G. Hauptmann
und kam 1855 als Kompagniechef zum 4. Infanterieregiment, wurde am 22. Mai
1860 Major im 2. leichten Bataillon und erhielt ein Jahr später das Kom-
mando eines Bataillons des 4. Infanterieregiments, mit dem er während des
deutsch-dänischen Krieges von 1864 zum Küstenschutz nach Bremerhaven
kommandiert war. Als Oberstleutnant und Bataillonskommandeur am 23. Mai
1866 zum 6. Infanterieregiment versetzt, führte er dieses i^i Feldzuge von
1866 gegen Preußen, nahm rühmlichen Anteil an der Schlacht bei Langen-
salza und trat nach erfolgtem Friedensschlüsse in den Ruhestand. Die Un-
tätigkeit befriedigte den tatkräftigen Mann indessen nicht, er ging daher 1867
in preußische Dienste und erhielt hier zunächst Anstellung als aggregierter
Oberstleutnant beim 5. westfälischen Infanterieregiement Nr. 53. Kurz darauf
am II. April desselben Jahres zum Bataillonskommandeur und am 22. März
1868 zum Oberst befördert, erhielt G. am 9. Juni 1868 das 2. posensche In-
fanterieregiment Nr. 19, das er im Feldzuge von 1870/71 gegen Frankreich
führte und mit dem er sich an der Einschließung von Metz, der Schlacht bei
Noisseville, den Gefechten bei ChieuUes und Bellevue, den Belagerungen von
M^zidres und Peronne sowie an der Schlacht bei St. Quentin beteiligte. Mit
dem Eisernen Kreuze II. und I. Klasse geschmückt, kehrte G. in die Heimat
zurück, wurde am 18. April 1872 zum Kommandeur der 18., und im Februar
zu demjenigen der 30. Infanterie-Brigade, auch kurz darauf zum General-
major befördert. Als solcher erhielt er 1877 die Ernennung zum Komman-
danten von Mainz, der am 18. Oktober gleichen Jahres die Beförderung zum
Generalleutnant folgte. Am 11. Oktober 188 1 trat G. in den Ruhestand. In
erneuter Anerkennung seiner Verdienste in der Schlacht bei St. Quentin er-
hielt er bei Gelegenheit der 25 jährigen Wiederkehr jenes Tages den Charakter
als General der Infanterie.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Berg» Franz Ritter von, Königl. Bayerisch. Generalleutnant z. D., ♦ 18. März
1831 zu Eschweilerhof in der bayerischen Pfalz, f 9. August 1902 in München.
— Am 3. Mai 1850 freiwillig als Gemeiner auf Beförderung dienend in die
bayerische Armee eingetreten, rückte B. am 17. April 1853 zum Junker, am
II. Oktober desselben Jahres zum Unterleutnant, am 11. Dezember 1861 zum
Oberleutnant und am 5. Juli 1866 zum Hauptmann im 6. Infanterie-Regiment
auf, als welcher er sich im Feldzuge gegen Preußen so auszeichnete, daß er
für sein tapferes Verhalten eine Belobigung erhielt. Im Feldzuge von 1870/71
zog B., nunmehr an der Seite Preußens, gegen Frankreich in gleicher Stellung
in den Kampf, focht mit Auszeichnung in der Schlacht bei Sedan, im
Gefecht bei Plessis Piquet und bei der Einschließung von Paris. Ganz
y I O von Berg, von Vahlkampf.
besonders zeichnete B. sich am lo. September 1870 aus und kehrte reich mit
bayerischen Orden und beiden Klassen des Eisernen Kreuzes geschmückt in
die Heimat zurück. Hier wirkte er noch vier Jahre in angestrengter Friedens-
arbeit als Kompagniechef, wurde am 25. April 1875 unter Beförderung zum
Major in das 9. Infanterie-Regiment Wrede und gegen Ende des gleichen
Jahres als Kommandeur zum 4. Jäger-Bataillon versetzt. Als solcher stieg er
am 3. November 1880 zum Oberstleutnant auf und erhielt, am 24. März 1885
zum Oberst ernannt, das Kommando des 16. Infanterie- Regiments »König
Alfons von Spanien«. Drei Jahre später wurde B. ä la suite dieses Regiments
gestellt und mit der Führung der 8. Infanterie-Brigade beauftragt, deren Kom-
mando er am 19. Dezember 1888 erhielt und in welcher Stellung er am 15. Fe-
bruar 1889 zum Generalmajor avancierte. Als Ritter des ihm am 27. Dezember
1891 verliehenen Verdienstordens der bayerischen Krone erhielt er den persön-
lichen Ritterstand, rückte am 9. Juni 1892 zum Generalleutnant auf und trat
am 18. September als Kommandeur an die Spitze der i. Division, die er bis
zum 14. Juni 1893 befehligte, an welchem Tage B. in Genehmigung seines
Abschiedsgesuches, unter Verleihung des Großkreuzes des bayerischen Militär-
Verdienstordens, zur Disposition gestellt wurde.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Vahlkampf, Eugen von, Generalleutnant z. D., * 16. Februar 1840 zu Mainz,
+ 10. Februar 1902 zu Mülverstedt bei Langensalza. — Am i. Oktober 1856 in
das in Mainz bezw. Luxemburg stehende 37. Infanterie-Regiment (damalige
5. Reserve-Regiment) als Musketier auf Beförderung eingetreten, wurde V. im
Dezember 1857 zum Port^p^efähnrich und am 14. Dezember 1858 zum Sekond-
leutnant befördert. Nach einem Kommando zum Lehr-Bataillon im Jahre 1862
zog er im Jahre 1866 als Bataillons-Adjutant mit seinem Regiment gegen
Osterreich, wo er sich in den Gefechten von Nachod und Skalitz auszeich-
nete und zum Premierleutnant aufrückte. Für sein tapferes Verhalten vor dem
Feinde mit dem Roten Adlerorden IV. Klasse geschmückt, traf er nach dem
Kriege wieder in der Garnison ein, wurde vom i. April 1869 auf ein halbes
Jahr zur Militär-Schießschule und im November gleichen Jahres als Adjutant
zur 14. Infanterie-Brigade kommandiert. In dieser Stellung nahm er am Kriege
von 1870/71 gegen Frankreich teil, focht bei Toul, in den Schlachten bei
Beaumont und Sedan und trat am 24. Oktober vor Paris unter Entbindung
von seinem bisherigen Kommando als Hauptmann und Kompagniechef in
sein Regiment zurück. Für seine vor dem Feinde bewiesene Tapferkeit, be-
sonders für sein ausgezeichnetes Verhalten in der Schlacht am Mont Valerien
erhielt er außer beiden Klassen des Eisernen Kreuzes noch verschiedene
deutsche Ordensauszeichnungen. Nach dem Kriege mit Vorteil zum 3. Posen-
schen Infanterie-Regiment Nr. 58, 1872 zum Generalstabe des IV. Armeekorps
und am 21. Oktober jenes Jahres zum Generalstabe der 8. Division versetzt,
rückte V. am 26. November 1874 zum Major auf und wurde 1876 nach Ab-
schluß des Kaisermanövers in der Provinz Sachsen geadelt. Im April 1877
wiederum in den Generalstab der Armee und zwar zum Generalstabe des
VIII. Armeekorps versetzt, wurde er am 12. April Bataillonskommandeur im
8.\Vestfäl. Infanterie-Regiment Nr. 57, rückte am 16. September 1 881 zum Oberst-
leutnant und am 15. November 1883 zum etatsmäßigen Stabsoffizier auf. Am
von Vahlkampf. von Melchior. 1 j j
14. Juli 1885 wurde er mit der Führung des Oldenburgischen Infanterie-Regi-
ments Nr. 91 beauftragt und nach 6 Monaten zum Oberst und Kommandeur
dieses Truppenteils ernannt. In dieser Stellung verblieb V. bis zum 16. Februar
1889, zu welchem Zeitpunkte ihm, unter Beförderung zum Generalmajor, das
Kommando der 40. Infanterie-Brigade verliehen wurde. Am 18. Oktober 1891
zum Kommandanten von Breslau ernannt, erhielt V. am 17. November gleichen
Jahres den Charakter als Generalleutnant und wurde am 12. September 1896
in Genehmigung seines Abschiedsgesuches zur Disposition gestellt.
Nach den Akten. Lorenzen.
Melchior, Herrmann von, Generalleutnant z. D., * 29. Februar 1828 zu Biele-
feld, f 9. März 1902 zu Wiesbaden. — Nach Durchlaufen der verschiedenen
Klassen des Kadettenkorps trat M. am 27. Mai 1847 ^Is Sekondleutnant in
das damalige 35. Infanterie-Regiment über, zeichnete sich am 18. September
1848 bei den Straßenkämpfen in Frankfurt a. M. aus, fungierte von 1852 bis
1859 als Bataillons- bezw. Regimentsadjutant, in welcher Stellung er am 9. De-
zember 1856 zum Premierleutnant befördert wurde und rückte am 31. Mai 1859
zum Hauptmann auf. Kurze Zeit darauf als Adjutant zur Kommandantur und
im Herbst desselben Jahres zum Gouvernement von Luxemburg kommandiert,
begleitete er als solcher in den Monaten August und September 1863 den
damaligen Gouverneur von Luxemburg, General v. Brauchitsch, bei den Be-
sichtigungen der deutschen Bundeskontingente der Staaten Kurhessen, Nassau,
Luxemburg usw. und wurde nach seiner Rückkehr von diesen Reisen im April
1864 wieder seinem Regiment als Kompagniechef zugewiesen. Dieses befand
sich damals auf dem Kriegsschauplatze in Schleswig, wo es M. noch vergönnt
war, am 29. Juni den Übergang nach Alsen an der Spitze seiner Kompagnie
mitzumachen. Im Feldzuge von 1866 gegen Österreich zeichnete er sich in der
Schlacht bei Königgrätz als Führer eines Halbbataillons aus, wurde am 14. No-
vember 1867 Major und mit der Führung des 3. Bataillons seines Regiments
beauftragt, dessen Kommando ihm einige Wochen später endgültig übertragen
wurde. An dem deutsch-französischen Kriege von 1870/71 nahm er mit dem
Bataillon teil und führte es mit Auszeichnungen in den Schlachten bei Vion-
ville und Gravelotte, bei der Belagerung von Metz, im Gefecht bei Neuville
aux Bois, in der Schlacht von Orleans, in den Gefechten bei Coulommiers und
Ardenay sowie in der Schlacht von Le Mans. Während der Schlacht bei
Vionville nahm M. mit seinem Bataillon Flavigny und hielt dieses Dorf, das
einen wirksamen Rückhalt der 6. Division bildete, den ganzen Tag über hart-
näckig fest. Ebenso zeichnete er sich in der Schlacht von I^e Mans hervor-
ragend aus; ihm wurden für sein tapferes Verhalten beide Klassen des Eisernen
Kreuzes verliehen. Am 27. April 1872 in den Adelstand erhoben, wurde der
verdiente Major am 22. März 1873 Oberstleutnant und kurze Zeit darauf Kom-
mandeur des Magdeburgischen Jägerbataillons Nr. 4, mit dem er von Sanger-
hausen nach Naumburg a. S. übersiedelte. Im Juni 1875 wurde M. mit der
Führung des 6. Badischen Infanterie-Regiments in Konstanz beauftragt, an
dessen Spitze er bald darauf trat. Nachdem er dann am 18. Oktober 1881
unter Beförderung zum Generalmajor zum Kommandeur der 56. Infanterie-
Brigade, die er bereits seit dem März geführt hatte, ernannt worden war, er-
112 von Melchior, von Funcke.
hielt M. am 15. Januar 1887 als Generalleutnant das Kommando der t. Division
und trat am 3. Juli 1888 in den Ruhestand.
Nach den Akten. Lorenzen.
Funcke, Oscar von, Königlich sächsischer Generalleutnant ä la suite des
Königlich sächsischen i. Feldartillerie-Regiments Nr. 12, ♦ 4. Juni 1824 zu
Radeberg, f 25. Januar 1902 zu Dresden. — 15 Jahre alt, trat F. in das
Kadettenhaus in Dresden ein, nach vierjährigem Besuch dieser Militärbildungs-
anstalt als Port^pdejunker zum Fußartillerie-Regiment über und rückte hier
am 17. Dezember 1843 ^""i Sekondleutnant auf. Zwei Jahre später erhielt
er ein dreijähriges Kommando zur Dienstleistung bei der damaligen Train-
brigade und wurde im Jahre 1849 ^" Anerkennung seiner ungewöhnlichen
Begabung aus Anlaß des Aufstandes in Dresden nach Berlin entsandt, um
die preußische Regierung zur sofortigen Absendung der bereits auf diplo-
matischem Wege vereinbarten Truppenunterstützungen zur Unterdrückung des
Aufstandes zu veranlassen, da die Hälfte der sächsischen Truppen sich zu
jener Zeit in Schleswig-Holstein befand, es mithin an eigenen Streitkräften
gebrach, um die Aufständischen zur Raison zu bringen. Trotz der ihm be-
sonders vom Eisenbahnpersonal bereiteten Schwierigkeiten kam F. am 4. Mai
1849 in Berlin an und entledigte sich seines Auftrages, der in der Regel nur
älteren Offizieren erteilt wird, mit dem Erfolg, daß der preußische Kriegs-
minister und der Ministerpräsident Graf von Brandenburg die Entsendung
des Füsilier- und i. Bataillons Kaiser Alexander-Grenadierregiments Nr. 2 für
den 5. Mai und des 24. Infanterie-Regiments für den 7. Mai nach Dresden
anordneten. Mit dem zuerst abfahrenden Füsilier-Bataillon des Alexander-
Regiments nach Dresden zurückkehrend, erhielt F. am 6. Mai, da das 1. Bataillon
des Regiments der Zerstörung der Eisenbahn wegen noch nicht in Dresden
eingetroffen war, den Befehl, diesem Bataillon mit einem Infanteriekommando
in einem Extrazuge entgegenzufahren. Er kam aber der Eisenbahnzerstörung
halber nur bis Röderau und mußte ohne seinen Auftrag erfüllen zu können
nach der Hauptstadt zurückgehen. Auf dem Rückwege traf er bei Oberau
eine Kavallerieabteilung, die gleichfalls von Dresden ausgeschickt worden war,
um die Preußen aufzusuchen. Er bewog den Führer dieses Kavallerie-Kom-
mandos, sich in die Gegend von Großenhain zu begeben, wo das preußische
Bataillon wahrscheinlich stehen würde, um dessen Kommandeur zu melden, es
würde am 7. bei Priestewitz ein Extrazug zu seiner Verfügung stehen, der das
Bataillon nach Dresden bringen solle. F.s Vermutung erwies sich als richtig
und das preußische Bataillon gelangte am 7. Mai ungefährdet nach Dresden.
Nach Beendigung der Straßenkämpfe avancierte F. im Juli 1849 zum Ober-
leutnant, wurde als solcher vorübergehend zum Adjutanten des Kommandos des
Artilleriekorps und 1850 zum Adjutanten bei der neuerrichteten halbberittenen
Artilleriebrigade ernannt. Unterm 15. Februar 185 1 zum Generalstabe kom-
mandiert, ferner mit Erteilung der Instruktion über Artillerie an den Prinzen
Georg von Sachsen beauftragt, wurde F. im nämlichen Jahre in den General-
stab einrangiert, 1854 zur Dienstleistung zum Garde-Reiterregiment kommandiert
und 1856 mit Bearbeitung eines neuen Exerzierreglements für die Artillerie
beauftragt, das 1857 eingeführt wurde. Sodann am 29. Januar 1857 zum Haupt-
mann im Generalstabe befördert, 1860 mit Führung der i. Batterie des Fuß-
von Funcke. Ricker.
113
artillerie-Regiments betraut, wurde er im September 1863 bei der Inspizierung
des österreichischen Bundeskontingents dem Inspekteur Generalleutnant
V. Hake zugeteilt und fungierte vom Dezember desselben Jahres an als General-
stabsoffizier im Generalstabe der zur Bundesexekution nach Holstein entsandten
sächsischen kombinierten Brigade unter Generalleutnant v. Schimpff. Nach
seiner Rückkehr wurde F. 1865 Major und Souschef im Generalstabe (17. Sep-
tember) und nahm als solcher am Kriege mit Preußen, besonders an dem
Gefechte bei Gitschin und der Schlacht bei Königgrätz teil. Als es galt, nach
Beendigung dieses Feldzuges die sächsischen Truppen nach preußischem
Vorbilde zu reorganisieren, wurde F. zum Abteilungschef im Kriegsministerium
und ständigem Mitgliede der Artillerie-Kommission ernannt, am 4. November
1867 zum Oberstleutnant befördert, am i. Dezember 1868 zum Kommandeur des
Feldartillerie-Regiments Nr. 12 und am 24. Juni 1869 zum Oberst ernannt. In
<lem ein Jahr später ausbrechenden Kriege gegen Frankreich befehligte er die
Korpsartillerie des sächsischen XII. Armeekorps in der Schlacht bei St. Privat,
in der Unternehmung gegen Verdun am 24. August 1870 sowie in den
Schlachten bei Beaumont und Sedan, wo er durch einen Schuß in den Unter-
schenkel schwer verwundet wurde. Am 17. Mai 1871 übernahm er wieder
sein Kommando, erhielt aber am i. Oktober gleichen Jahres die 12. Artillerie-
Brigade sowie den Vorsitz in der Artillerie-Kommission. Am 6. März 1874 zum
Generalmajor befördert, wurde F. der erbliche Adel verliehen. 1880 wurde
er Generalleutnant und Kommandant von Dresden und trat am 11. Januar
1887 in den Ruhestand.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Ricker, Anselm Joseph, Professor der Theologie in Wien, * 10. März 1824
zu Preßburg, f Wien, 28. Dezember 1902 zu Mayerling. — R.s Vater war
Gastwirt. Nach Vollendung der Gymnasialstudien am Gymnasium der Bene-
diktiner zu Preßburg trat R. als Novize in das Benediktinerstift Schotten in
Wien ein, wo er am 21. September 1844 eingekleidet wurde und den Namen
Anselm erhielt. Nach der W^eihe zum Priester am 20. Juli 1847 bereitete
sich P. Anselm auf die theologischen Rigorosen vor und wurde am 19. De-
zember 185 1 zum Doktor der Theologie promoviert. Mittlerweile war P. Anselm
in die Seelsorge eingetreten und wirkte <ils Kooperator der Reihe nach in Pulkau
seit Febr. 185 1, Schottenfeld in Wien seit April 1857, St. Ullrich seit Septbr.
1861. Im August 1862 wurde er Curat und Stiftsprediger an der Schotten-
kirche. Da sich R. in der Seelsorge reiche Erfahrungen gesammelt hatte,
hatte er alle Eignung zum Professor der Pastoraltheologie an der Universität.
Seine Ernennung hierzu geschah am 26. Februar 1872. 1881/82 war Prof. R.
Rectof magnificus der Universität Wien (»Albert der Große«, Inaugurations-
rede). Vom 30. Dezember 1881 bis 29. September 1887 war er zugleich Prior
im Stifte Schotten. R. wurde überdies 1878 Pfarrkonconcursexaminator, 1886
Konsistorialrat, 1893 Rat des f. e. Diözesangerichtes, 1896 f. e. Prüfungs-
kommissär bei den Rigorosen aus Dogmatik und Pastoraltheologie.
R. war ein bedeutender Kanzelredner und füllte den Posten eines Pro-
fessors der Pastoraltheologie ehrenvoll aus. Er ließ viele Einzelpredigten im
Drucke erscheinen und zwar: Via dolorosa oder Kreuzweg des Herrn 1866;
Der Syllabus ein Triumph der Wahrheit über den Irrtum 1867; Das Kon-
BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog-. 7. Bd. S
IIA Ricker. Weidling. Reimarus.
kordat eine Bürgschaft für die Eintracht zwischen Kirche und Staat 1868;
£cce homo Betrachtungen über den Menschen 1869; Immortalitas Betrachtun-
gen über die Unsterblichkeit der Seele 1871. Als Professor gab R- heraus:
»Leitfaden der Pastoral theologie« 1878, 2. Aufl. 1894; »Pastoralpsychiatrie zum
Gebrauche für Seelsorge« 1888; »Katechetik« 1890; »Das Perikopensystem« 1892.
Die Tätigkeit P. Anselms fand huldvolle Anerkennung. Am 5. Okt. 1888
erhielt er den Orden der Eisernen Krone III. KL, am 2. Aug. 1895 wurde er
von Sr. Majestät zum k. k. Hofrate ernannt. Als Professor R. von der Lehr-
tätigkeit schied, überreichten ihm seine Schüler eine Adresse mit 800 Unter-
schriften und einen silbernen Kelch. Da sich der Tag seiner Doktorpromotion
zum 50. Male jährte, beglückte Se. Magnificenz Hofrat Schipper den Jubilar
mit dem erneuerten Doktordiplom.
P. Anselm starb bei den geistl. Schwestern in Mayerling, wo er zwei
Sommer über in Pflege war, und wurde am i. Januar 1903 auf dem Fried-
hofe der Schottenpriester zu Breitenlee im Marchfelde begraben.
Cölestin Wolfsgruber.
Weidling, Friedrich, Buchhändler, * 6. April 1821 in Brandenburg a. H.,
f 22. Februar 1902 in Berlin. — Bescheidene Verhältnisse waren es, aus denen
sich W. zu einem der berühmtesten Berliner Buchhändler emporgearbeitet
hat. Er war der Sohn eines Handwerkers und mußte die Schule schon aus
Untertertia verlassen, um einen Broterwerb zu ergreifen. Er wurde Buch-
drucker und sah sich nach absolvierter fünfjähriger Lehrzeit tüchtig in der
Welt um. In Paris und London, wo er in großen Druckereien arbeitete,
hatten ihm die Empfehlungen Alexander von Humboldts, der den aufge-
weckten Kunstjünger schon in^Berlin lieb gewonnen hatte, die Wege geebnet.
1854 begründete W^, nachdem er noch in Stuttgart und Posen vorübergehend
tätig gewesen war, mit Franz Duncker in Berlin eine Buchdruckerei, in der
hauptsächlich die Dunckersche »Volkszeitung« hergestellt wurde. Doch schon
nach fünf Jahren erfolgte die Auflösung der Gesellschaft, sodaß W. von vom be-
ginnen mußte. Mit erborgtem Kapital, 3000 Talem, erwarb W. die Haude und
Spenersche Buchhandlung in Berlin, die er zu neuer Blüte führen sollte. Mit
ungeahntem Erfolge hat W. 1864 zum erstenmal ein Buch aufgelegt, das
heute eins der verbreitetsten Werke der deutschen Literatur ist, nämlich Büch-
manns »Geflügelte Worte«, das der Verfasser auf W.s Veranlassung aus einem
in Berlin gehaltenen Vortrage über »Landläufige Zitate« bearbeitet hatte.
Eine Reihe gutgehender Schulbücher, denen sich später »Salings Börsen-
papiere« anschlössen, verhalfen ihm bald zum Wohlstand, sodaß er daran
gehen konnte, sein Geschäft nach großen und weiten Gesichtspunkten auszu-
gestalten. 1890 zog er sich vom Geschäfte zurück und übergab es seinem
Sohne Dr. Konrad Weidling.
Quellen: K, Weidling, Die Haude und Spenersche Buchhandlung in Berlin, 1902;
Schmidt, Deutsche Buchhändler, Bd. III. Berlin 1904; Koqoorationsbericht der Berliner Buch-
händler 1902; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel vom 15. Februar 1902.
Rudolf Schmidt.
Reimarus, Hans, Buchhändler, * 2. April 1843 in Berlin, f 19. Juni 1902
Luzern. — Ein Buchhändlerssohn, hat R., nachdem er den Vater früh ver-
Reimarus. Simion. Seehagen. 1 1 c
loren und mit seiner Mutter nach Bromberg übergesiedelt war, ebenda das
Realgymnasium besucht und von 1862 ab, seiner Neigung folgend, den Buch-
handel erlernt. Bis zum deutsch-französischen Kriege, den er bis zu Ende
mitmachte, hatten ihn seine Gehilfenjahre nach Prag, Genf und Berlin ge-
führt. Dann trat er in die seinem Onkel Fritz Borstell gehörige Nicolaische
Buchhandlung in Berlin ein und wurde 1872 Geschäfts teilhaben R. entfaltete
hier eine überaus rege Tätigkeit, die ihm außerordentliche Erfolge brachte.
Unermüdlich war er mit der Ausgestaltung des heute weltberühmten Lese-
instituts beschäftigt. Der mit eiserner Konsequenz befolgte Grundsatz dieses
Unternehmens, jedes verlangte Buch, aus welchem Gebiete es auch immer
stamme, leihweise abzugeben, brachte ihm den Riesenerfolg, einen Erfolg, der
den Bau des riesigen, ganz für diese Zwecke angelegten Geschäftshauses in der
Dorotheenstraße zeitigte und heute als Musterbetrieb gilt. In wohlgeordneter
Reihenfolge stehen hier mehr denn 600000 Bände der Lesewelt zur Verfügung.
Eine hervorragende Stelle nahm R. im buchhändlenschen Vereinsleben der
Reichshauptstadt ein. Als Vorstandsmitglied der Korporation der Berliner
Buchhändler sowohl als auch des Sortimentervereins, sowie als Leiter des im
Jahre 1884 errichteten Vereinssortiments hat sich R., nicht zuletzt unterstützt
durch seine liebenswürdigen persönlichen Eigenschaften, große Verdienste und
reiche Anerkennung erworben.
Quellen: Schmidt, Deutsche Buchhändler Bd. I. Berlin 1902; Korporationsbericht der
Berliner Buchhändler 1902. RudolfSchmidt.
Simion, Leonhardt, Buchhändler, * 2. November 1842 in Berlin, f ig. No-
vember 1902 ebenda. — Aus einer Buchhändlerfamilie stammend, widmete
sich S. nach bestandenem Abiturientenexamen dem damals schon lieb ge-
wonnenen Buchhandel, den er in Aachen erlernte. Später war er in Riga
als Gehilfe tätig, kehrte dann nach Berlin zurück, um zunächst in Gemein-
schaft mit Franz Duncker das »Sonntagsblatt« herauszugeben und demnächst,
am I. Juni 1870, eine Verlagsbuchhandlung unter seinem Namen zu eröffnen.
Von 1874 — 82 war S. außerdem Mitinhaber der bekannten Berliner Firma
A. Asher u. Komp. In seinem Verlage, dem er bald eine eigene Druckerei
angefügt hatte, nahmen die volkswirtschaftlichen Schriften den ersten Rang
«in. Fast 30 Jahre lang verlegte er den »Arbeiterfreund«, femer die bekannten
Veröffentlichungen des »Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes«. Mit
besonderem Erfolge pflegte S. daneben die Schulbücherliteratur. Ein überaus
reger Gemeinsinn zeichnete S. aus und zeitigte die schönsten Früchte in seiner
langen ehrenamtlichen Tätigkeit im Dienste des Berliner Buchhandels. 22 Jahre
lang war er Vorstandsmitglied, zuletzt leitender Vorsitzender der Berliner
Buchhändlerkorporation und mehr als 10 Jahre verwaltete er das Amt eines
Handelsrichters.
Quellen: Korporationsbericht der Berliner Buchhändler 1903.
Rudolf Schmidt.
Seehagen, Oswald, Buchhändler, * 26. August 183 1 in Berlin, f 22. Juni
1902 in Tarasp. — Auf der Realschule vorgebildet, trat S. 1846 in die buch-
händlerische Lehre und arbeitete bis 1866 als Gehilfe in Berlin- In diesem
Jahre begründete er sein Verlagsgeschäft und erweiterte es andauernd durch
8*
1 1 g Seehagen. Ernst. Krones.
Ankauf kleinerer Verlagsbuchhandlungen. Seine Hauptpflege wandte S. der
Geschichte zu und auf diesem Gebiete hat er grofies geschafEen. In den
Kriegsjahren 1866 und 1870/71 verlegte Seehagen vorwiegend vaterländische
Romane, denen er auf. dem Wege der Kolportage weiteste Verbreitung gab.
Ganz wesentlich wuchs sein Verlag 1876 durch die Übernahme der berühmten
Geschichtswerke von Schlosser und Jaeger. Unablässig war er namentlich
für die Verbreitung und gediegene Ausstattung der bekannten Schlosserschen
Weltgeschichte bemüht und konnte hierbei auf schöne Erfolge zurückblicken.
1896 verkaufte S. seinen Verlag, um sich der wohlverdienten Ruhe hinzugeben.
Quellen: Korporationsbericht der Berliner Buchhändler 1902.
Rudolf Schmidt.
Ernst, Georg Eberhard, Buchhändler, ♦ 4. April 1852 in Berlin, f 25. Mai
1902 in Lugano. — E. erhielt, als Buchhändlerssohn geboren, seine Schulbil-
dung auf dem Berliner Wilhelmsgymnasium. Für seinen Beruf bildete er sich
in den buchhändlerischen und industriellen Unternehmungen der Firma W. G.
Korn in Breslau aus. Nach dem Kriege 1870/71, den er mitgekämpft, kon-
ditionierte er in Stuttgart und Mailand. Hier im klassischen Lande der Kunst
empfing seine empfängliche Seele jenes tiefe Kunstverständnis, das ihn später
als Verleger so vieles Herrliche und Schöne, oft mit großen persönlichen
Opfern, schaffen ließ und das den Grund legte zu jenem feinen Verständnis,
das E. in späteren Jahren so manches junge Talent, so manche wissenschaft-
liche Bestrebung mit offener Hand unterstützen und fördern ließ. Nach Berlin
zurückgekehrt, vertiefte E. seine in Italien empfangenen Eindrücke und An-
regungen durch eingehende Studien an der kgl. Bauakademie, die seiner auf
die Pflege von Kunst und Architektur gerichteten verlegerischen Tätigkeit
sehr zu gute kamen. 1890 nahm ihn der Vater als Teilhaber in seine Ver-
lagsbuchhandlung, die von nun an den Namen Wilhelm Ernst und Sohn führte,
auf. Von seinen verlegerischen Unternehmungen ist »Das Ingenieurs-Taschen-
buch, herausgeg. vom Verein Hütte« wohl das bekannteste, im übrigen hat
er die hervorragendsten Namen der Bauwissenschaft seiner Zeit in seinem
Verlagskatalog versammelt. Das von ihm noch besonders erweiterte und ge-
pflegte »Zentralblatt der Bauverwaltung« darf hierbei nicht vergessen werden.
Mit besonderem Eifer hat E., was seinem rühmlichen Streben ein schönes
Zeugnis ausstellt, die Ziele des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins gefördert;
durch viele Jahre hindurch war er dessen erster Schatzmeister.
Quellen: Schmidt, DeutscheBuchhandlerBd.il. Berlin 1903; Korporationsbencht der
Berliner Buchhändler 1902. Rudolf Schmidt.
Krones, Franz R. v. Marchland, k.k. o.ö. Professor an der Universität Graz,
k. k. Hofrat, Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Kl., korresp. Mitglied
der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien (seit 1874), auswärtiges Mit-
glied der k. ung. Akademie der Wissenschaften in Budapest, Mitglied der
bist. Landeskommission für Steiermark, Ehrenmitglied des bist. Vereins für Steier-
mark, des Geschichtsvereins für Kärnten, des akad. Vereins deutscher Historiker
in Graz, der bist. Vereine und Gesellschaften in Brunn, Hermannstadt, Linz,
Prag; ♦ am 19. November 1835 zu Ungarisch-Ostrau in Mähren, f am 17. Ok-
tober 1902 in Graz. — K. wurde zu Neureisch im Iglauer Kreise erzogen, legte
Krones. 1 1 7
die Gymnasialstudien in Brunn zurück, bezog im Jahre 1852 die Wiener
Universität, an der er sich vornehmlich unter der Leitung Albert Jägers ge-
schichtlichen Studien widmete. Anfang und Ende seiner Universitätszeit
fallen mit bedeutungsvollen Ereignissen der inneren Geschichte Österreichs
zusammen, der Rückkehr zum Absolutismus und dem Abschlüsse des Kon-
kordates. Eis waren die Jahre, in denen nach seinen Worten »der Altöster-
reicher sich über das Preisgeben der josephinischen Grundsätze, in denen er
aufgewachsen war, und über die wachsende Kostspieligkeit der Verwaltung
ohne greifbaren Segen betrübte«, Jahre, welche eine schwere Katastrophe vor-
bereiteten, in denen aber auch die geistige Kraft des deutschen Volkes in
Osterreich sich mit lange zurückgehaltener Macht geltend machte, eine Zeit
merkwürdiger Widersprüche, in welcher ein und derselbe Minister die welt-
licher Kultur und Wissenschaft feindseligen Jesuitenschulen zuließ, dem Klerus
das Aufsichtsrecht über Volks- und Mittelschulen verbriefte, die Reform des
höheren Unterrichtes aber im Sinne und mit Hülfe deutscher und französischer
Wissenschaft durchführte. Eben im Zusammenhange dieser Reform war in
Weiterführung älterer Bestrebungen die Erneuerung des geschichtlichen Unter-
richtes an den Universitäten erfolgt und als eines der wichtigsten Hilfsmittel
an der Wiener Universität das Institut für österreichische Geschichtsforschung
geschaffen worden, das im Wintersemester 1855 unter der Leitung Albert
Jägers eröffnet werden konnte. Dieser hatte die ersten Mitglieder aus dem
Kreise seiner besten Schüler gewählt; neben Ottokar Lorenz, Peter Perkmann,
Ferdinand Zieglauer, E. R. Rösler und Karl Stögmann zählte auch K. zu
ihnen. Die unvermeidlichen Mängel, welche diesem ersten Versuch aiihafteten,
hatten zur Folge, dafi nur zwei von den ersten Mitgliedern den vollständigen
Kurs durchmachten, die andern, unter ihnen K., schon früher austraten.
Dessen Hoffnung war damals auf ein Stipendium gerichtet, das ihm einen
längeren Aufenthalt in Berlin ermöglichen sollte; daß dieser Wunsch nicht in
Erfüllung ging, ihm die Möglichkeit genommen war, seine wissenschaftliche
Bildung in unmittelbarer Beziehung zu den Meistern histonscher und philo-
logischer Forschung zu vertiefen, hat K. zeit seines Lebens schmerzlich
empfunden. Diese Enttäuschung und persönliche Verhältnisse veranlaßten
ihn, sofort in den Erwerb einzutreten und eine Stelle als Supplent an der
Rechtsakademie in Kaschau anzunehmen, an der er am 4. Apnl 1857 zum
ao. Professor für öst. Geschichte ernannt wurde. Am 19. Februar des folgen-
den Jahres erlangte er an der Wiener Universität die Doktorwürde. Der Auf-
enthalt in der oberunganschen Freistadt wurde von dem jungen Professor
mit regstem Eifer ausgenutzt, er erlernte die ungansche Sprache, beschäftigte
sich mit ungarischer Geschichte, mit der Geschichte der Stadt Kaschau und
der Deutschen in Oberungam. Doch sollte hier seines Bleibens nicht sein.
Mochte er die Stelle an einer in Ungarn gelegenen Anstalt im Vertrauen auf
die Stetigkeit der zen tral ist i sehen Anschauungen angenommen haben, welche
noch in der Adresse der ungarischen Notabein vom Jahre 1857 zum Aus-
druck gelangt waren, schon die nächste Zeit mußte ihm eine neue Ent-
täuschung bringen. Der Umschwung in der Behandlung Ungarns, der sich
während der Jahre 1860 und 1861 vollzog, trieb mit vielen anderen auch K.
aus dem Lande. Nach kurzem Aufenthalte in der Heimat fand er in Graz
eine neue Stellung, am 9. November 1861 wurde er dem Gymnasium daselbst
1 1 8 Kroncs.
zugeteilt, am i6. Juni des folgenden Jahres habilitierte er sich an der Uni-
versität für österreichische Geschichte und nunmehr beginnt eine außerordent-
lich fruchtbare wissenschaftliche und literarische Tätigkeit, in der K. von an-
fang an jene eigenartige Mischung romantischer und wissenschaftlicher An-
triebe zum Ausdruck bringt, welche während der vorangegangenen Jahrzehnte
die historiographische Arbeit in Deutschland und Österreich so nachhaltig
beeinflußt hatten. Vor allem kamen die ersten Früchte seiner Kaschauer
Arbeit zu Tage, daneben vertiefte er sich in die österreichische Geschichte
und in die seiner neuen Heimat; die anziehendsten Gestalten aus dieser, die
Grafen von Cilli und Andreas Baumkircher, nehmen ihn gefangen. Jenem
mächtigen Geschlechte widmet er unter dem Pseudonym Frank einen Roman
und eine historische Novelle, gleichzeitig damit erscheint ein grundlegender
Versuch zusammenfassender Darstellung deutschösterreichischer Geschichte, die
Umrisse des Geschichtslebens der deutsch-österreichischen Ländergruppe. Die-
sem Versuch kommt in der Entwicklung der Erforschung österreichischer Ge-
schichte eine sehr bedeutende Stellung zu, hier sind zum erstenmal neue Bahnen
betreten, viele wertvolle Anregungen gegeben. Am lo. Jänner 1865 wurde K. zum
o.ö. Professor für österreichische Geschichte an der Grazer Universität ernannt. In
ununterbrochener Folge schließen sich den Umrissen Arbeiten zur ungarischen
und steiermärkischen Geschichte an. Daneben ist K. stets bestrebt, die Ergeb-
nisse seiner Forschung auch in volkstümlicher Form zu verwerten. In den
Jahren 1876 — 1879 erschien sein fünfbändiges Handbuch der Geschichte Öster-
reichs. Die Bedeutung dieses Werkes liegt nicht allein darin, daß K. zum
erstenmal versucht hat, die gesamte geschichtliche Entwicklung der österr.
Monarchie unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu begreifen und darzu-
stellen, noch höher wird man es ihm anrechnen dürfen, daß er im Gegensatz
gegen weitverbreitete, verhängnisvoll wirkende Ansichten die Auffassung des
Kaiserstaates als eines vorwiegend mechanischen, künstlichen Gebildes abge-
lehnt und mit aller Bestimmtheit hervorgehoben hat, wie auch in der öster-
reichischen Monarchie sich eine organische Entwicklung vollzogen hat; darin
befindet sich K. durchaus im Einklänge mit den Ergebnissen der neueren
Staatsrechtslehre. Dementsprechend hat er auch den natürlichen Grundlagen
der Monarchie besondere Aufmerksamkeit gewidmet, sie in dem Abschnitte
über den »Historischen Boden Österreichs« eingehend gewürdigt.
Mit dem Handbuche hatte K. den Höhepunkt seines Schaffens erreicht,
aber das bedeutete für ihn nicht Ende oder Niedergang. Unablässig war er
bemüht, an den Stellen, an denen er mit seinen Arbeiten eingesetzt hatte,
weiter vorzudringen, das früher Begonnene fortzuführen und weiter auszubil-
den. Der im Jahre 1882 erschienene Grundriß brachte eine Zusammenstellung
der Quellen und der Literatur der österr. Geschichte, welche trotz mancher
Mängel der Ausführung ein überaus dankenswertes, auch heute noch nicht
überholtes Hilfsmittel der Forschung bildet. Mit lebendiger Aufnahmefähig-
keit verstand er es, sich dem steten Fortschritte der Wissenschaft und der
Erweiterung des Forschungsgebietes anzupassen, wenn auch die allmählich zum
Durchbruch gelangte neuere Methode mit ihrer schärferen Bestimmtheit, die
Erfassung und in den Anfängen notwendigerweise polemische Erörterung
kritischer Fragen seiner Eigenart wenig behaglich waren. Ein außerordent-
liches Gedächtnis befähigte ihn namentlich zur Behandlung genealogischer
Krones.
119
Fragen, denen er in den Umrissen und in dem Grundrisse, dann auch in
mehreren Einzelabhandlungen besondere Aufmerksamkeit zuwandte.
Daß ihm das Archiv des Erzherzogs Johann von dessen Nachkommen zu-
gänglich gemacht wurde, veranlaßte ihn, sich mit der Geschichte dieses volks-
tümlichen Prinzen und mit dem Kampfe Österreichs gegen die Übermacht
Napoleons I. zu beschäftigen. Daneben nahm er die älteren Arbeiten zur
Geschichte Friedrichs III. und des Deutschtums in den K^rpatenländern wieder
auf, wandte sich gegen Ende seines Lebens auch der Geschichte seiner
mährischen Heimat zu.
Sehr erfolgreich war sein Wirken als akademischer Lehrer. Aus seiner
Schule sind während einer fast vierzigjährigen Tätigkeit viele Mittelschul-
lehrer hervorgegangen, welche im Sinne ihres Meisters wirken. Gleich Albert
Jäger war er von dem reinsten Wohlwollen für die ihm anvertraute akade-
mische Jugend beseelt, die des treuen Führers Güte mit warmherziger Liebe
und Anhänglichkeit in reichem Maße vergalt. Die Universität, deren Ge-
schichte zu schreiben ihm vergönnt war, hat ihr ausgezeichnetes Mitglied in
jeder Weise geehrt; in den Jahren 1869 und 1873 ^^^ er zum Dekan der
philosophischen Fakultät, für das Jahr 1877 zum Rektor gewählt worden. Der
sechzigste Geburtstag des verdienten Mannes gab seinen näheren Freunden
Gelegenheit, ihn mit einer Festschrift zu erfreuen, welche feinsinnig die An-
regungen, die von ihm ausgegangen waren, den geistigen Zusammenhang, in
dem er stand, veranschaulicht.
Aber auch über die engern Grenzen wissenschaftlicher und akademischer
Tätigkeit hinaus erstreckte sich sein Wirken. Der histor. Verein für Steier-
mark, dessen Ausschuß er seit dem Jahre 1864 angehörte und an dessen
Leitung er als Schriftführer (1869), Obmann (1879, 1880, 1887, 1888) und
Obmannstellvertreter (1881, 1882, 1889) beteiligt war, die histor. Landes-
kommission für Steiermark zählten ihn zu ihren eifrigsten, verdienstvollsten
Mitgliedern. Als Mitglied der Prüfungskommission für das Lehramt an Mittel-
schulen und des Landesschulrates für Steiermark, in den er im Jahre 1875
berufen worden war, hatte er Gelegenheit, sich mit pädagogischen Fragen zu
beschäftigen, er hat vor allem die auf Erweiterung der Frauenbildung ab-
zielenden Bestrebungen, die Errichtung eines Mädchenlyceums in Graz ge-
fördert. Seine vielseitige Tätigkeit fand die verdiente äußere Anerkennung
durch die im Jahre 1879 vollzogene Erhebung in den Adelstand und die am
16. März 1897 erfolgte Ernennung zum k. k. Hofrat.
Auf Grund seiner reichen geschichtlichen Kenntnis und seiner persön-
lichen Erfahrung suchte K. auch in politischen Fragen Aufklärung zu ver-
breiten. Dem Dualismus war er geneigt eine gewisse historische Berechtigung
zuzugestehen, jedenfalls hatte er sich mit ihm als einer gegebenen Tatsache
abgefunden, wenn er auch den Ausgleich vom Jahre 1867 als »von der Sach-
lage erzwungen und von dem politischen Sanguismus in einem und andern
überhastet« bezeichnete, aber sehr bestimmt sprach er sich gegen weiter-
gehende föderalistisch-feudale Versuche aus.
Verzeichnis der literarischen Arbeiten Hofrats v. Krones nach der Folge ihres Er-
scheinens. (Das Verzeichnis will auf unbedingte Vollständigkeit keinen Anspruch erheben;
einzelne Besprechungen, Berichte und Notizen sind ebenso wie die meisten in der Grazer
Tagespost und der Münchener AUg. Zeitung erschienenen Artikel von vorneherein außer
1 20 Krones.
acht gelassen. Von den Beiträgen zur Allg. Deutschen Biographie habe ieh nur die mir
bekannten aufnehmen können. Für die Anlage des Verzeichnisses wurden benutzt: Kukula»
Bibliographisches Jahrbuch der deutschen Hochschulen, Innsbruck 1892, S. 503; erstes
Ergänzungsheft dazu, S. 142; Schlossar, Die Literatur der Steiermark, Graz 1886; (Luschin)»
Übersicht der in den periodischen Schriften des hist. Vereins fUr Steiermark bis einschließlich
1892 veröffentlichten Aufsätze, Graz 1894; die Kataloge der k. k. Universitätsbibliothek in
Graz, der Bibliothek des steierm. Landesarchivs und der steierm. Landesbibliothek; vor
allem aber die Sammlungen der Schriften des Verstorbenen im Besitze der Herren Regierungsrat
Dr. F. Ilwof und Professor Dr. J. Loserth. — Mitteil. = Mitteilungen des hist. Vereins für
Steiermark. Beiträge = Beiträge zur Kunde steierm. Geschichtsquellen.)
Die böhmischen Söldner im östl. Oberungarn, Gymn.- Programm Graz 1862. Der
Inquisitionsprozefl der Leobener Johannesbruderschaft vom Jahre 1694 in seinen allgem.
Ergebnissen, Hoch vom Dachstein, Graz 1862, S. 181. Geschichtliche Grandlagen de>
steirischen Landtagswesens, Grazer Tagespost 1862, Nr. 237, 239, 249, 257, 263, 271, 278.
Der Kampf des Anjouschen Königtums mit der Oligarchie, G}Tnn.-Progr. Graz 1863. Der
ITironkampf der Premyslidcn und Anjous in Ungarn bis 1303, Zeitschr. für die öst. Gym-
nasien XIV (1863), 639—660. Umrisse des Geschichtslebens der deutsch - österr. Länder-
gruppe in seinen staatlichen Grundlagen vom X. — XVI. Jahrh. Ein Versuch. Innsbruck 1863.
Veronika von Teschenitz und das Grafenhaus der Cillier. Orig.-Novelle aus den Jahren
1422 — 1429. Von Frank, Grazer Tagespost 1863, Nr. 143—215. Aktenmäßige Beiträge
zur Geschichte des Tattenbachschen Prozesses 1670, Mitteil. XII (1863), 83 — 112. LTrich
Graf von Cilli. Hist. Erzählung von Frank. Graz 1864 (SA. aus der Tagespost 1864,
April ff.). Die österr., böhm. und ung. Länder im letzten Jahrhundert vor ihrer dauernden
Vereinigung 1437— 1526. ^864 (Österr. Gesch. für das Volk, VI. Bd.) Zur ältesten Ge-
schichte der oberang. Freistadt Kaschau, Archiv f. öst. Gesch. XXXI (1864), 1—56. Ver-
zeichnis steir. Stände- und Landtagsakten des XVI. und XVIII. Jahrb., Beiträge I (1864),
II — 16. Die Ereignisse der Jahre 1303 — 1305 im ung. Thronkampf der Premysliden und
Anjous, Zeitschr. für die öst. GjTnn. XVI (1865), 317—342. Deutsche Geschichts- und
Rechtsquellen aus Oberungam, Archiv f. öst Gesch. XXXIV (1865), 211 — 252. Beiträge
zur Quellenkimde und Geschichte des steirischen Landtagswesens, Beiträge II (1865), III,
IV, VI, XVI. Die Brennerbahn, Graz 1867 (SA. aus der Tagespost). Aktenmäflige Bei-
träge zur Geschichte des windischen Bauernaufstandes 1573, Beiträge V (1868), 3 — 34.
Rechnung des Stephan Graswein, Feldliauptmanns in Steier zur Zeit des Bauernkrieges
1525, Mitteil. XVI (1868), 39 — 50. Zur Geschichte der steirischen Landschäden im
Jahre 1529, ebenda S. 51 — 61. Andreas Baumkircher, Graz 1869. Zur Geschichte der
Steiermark in den Tagen der Baumkircherfehde, Mitteil. XVII (1869) 73 — 129. Anmerkungen
zu Kienasts Aufsatz über steiermärkische Rüstungswesen, Mitteil. XVIII (1870), 79 — 83.
Zeitgenössische Quellen der steiermärkischen Geschichte in der zweiten Hälfte des XV. Jahrb..
Beiträge VII (1870), 3—55. Zur Geschichte Ungarns im Zeitalter Franz Rakoczys IL,
Archiv f. öst. Gesch. XLII, XLIII (1870). Zeugen verhör über Andreas Baumkirchers Taten-
lebcn und Ende, Zeitschr. für die österr. Gymn. XXII (1871), 513 — 41. Zeitgenössische
Quellen zur Geschichte der Grafen von Cilli, Beiträge VIII (1871), 3 — 120. Sigmund v.
Herberstein. Ein Lebensbild. Mitteil. XIX (1871), 3 — 76. Ungarn unter Maria Theresia
und Josef II. Graz 1871. Aus dem Tagebuche des Siebenbürgers Georg Briccius von
Vizakna, Öster. Wochenschrift N. F. I (1872), 272 ff. Stephan Vitnycdy und seine Briefe
aus den Jahren 1656 — 62, ebenda N. F. II (1872), 257 ff., 300 ff. Über Bedeutung und
Ursprung deutscher Ortsnamen der Steiermark, Graz 1872 (SA. aus Schreys Bausteinen).
Eine Wanderung durch die alte Steiermark, Graz 1872 (SA. aus dem Dorf boten). Die
Grafen von Cilli. Eine Skizze. Graz 1873 (SA. aus der Tagespost Nr. 163, 166). Graf
Hermann II. v. Cilli, Mitteil. XXI (1873), 106 — 136. Erzählungen aus der Geschichte der
Steiermark, Graz 1873 (3. Aufl. 1880). Das mittelalterliche Graz, Tagespost 1873, Nr. 271
bis 287. Quellenmäßige Beiträge zur Geschichte der Steiermark in den Jahren 1462 — 71,
Beiträge XI (1874), 29 — 70. Die Herrschaft König Ottokars II. von Böhmen in Steiennark,
Krones. 1 2 1
1252—76, Mitteil. XXII (1874), 41—146. Albrecht IV., VI., Allg. D. Biographie I (1875),
283 fif. Herbert und Pankraz v. Auersperg, ebenda S. 639 ff.. Andreas Baumkircher, ebenda
n (1875), 169. Robert Rösler, Zeitschr. f. d. öst. Gj-mn. XXVI (1875), 219—223. Hand-
buch der Geschichte Österreichs von der ältesten bis neuesten Zeit, 5 Bde., Berlin 1876 — 79.
Die Österreichische Chronik Jakob Unrests, Archiv f. öst. Gesch. XLVIII (1876), 421 — 530.
Thomas Ebendoifer, Allg. D. Biogr. V (1877), 526 ff. Ein Talgau des steirischen Ober-
landes im Wechsel der Jahrhunderte, Graz 1877. (SA. aus dem Heimgarten.) Zur Geschichte
des deutschen Volkstums im Karpathenlande mit besonderer Rücksicht auf die Zips und
ihr Nachbargebiet Festschrift der Universität Graz, 1878. Barbara v, Cilli, Heimgarten II
(1878), 34 — 40. Aus alter Chronik (Unrests), ebenda 270 — 80. Innere Zustände der
Steiermark seit der Reformationszeit, ebenda 839 — 49. Friedrich IV. v. Österreich, Allg.
D. Biogr. VII (1878), 588 ff. Übersicht über die Literatur zur Gesch. der österr. Länder-
gruppe in den Jahresberichten der Geschichtswissenschaft I (1878) — VIII (1885). Geschichte
der Neuzeit Österreichs vom 18. Jahrh. bis auf die Gegenwart, Berlin 1879. Zur Geschichte-
der ältesten insbesondere deutschen Ansiedelung des steierm. Oberlandes, Mitteil. XXVII
(1879), 3 — 7^* ^^^ beiden geistigen Eroberer Rußlands (Sigmund Herberstein und L. A.
V. Schlözer), Graz 1879 (SA. aus dem Heimgarten). Geschichte Österreichs für die reifere
Jugend, 2 Bde., Wien 1879. Zur Geschichte des mittelalterlichen Zeitgeistes in Osterreich,
Heimgarten IV (1880), 526 — 28. Volksausgabe des Handbuches, seit 1880. Anmerkungen
zu zwei Tagebüchern aus der Franzosenzeit, Mitteil. XXVIII (1880), 106; XXXV (1887),
30. Jakob Unrests Bruchstück einer deutschen Chronik von Ungarn, Mitteil des Inst. f.
österr. Geschichtsf. I (1880), 337 — 72. Der historische Verein für Steiermark, sein Werden
und Bestand. Graz 1880 (SA. aus der Tagespost). Die Weistümer in Steiermark, Heim-
garten V (1881), 522 — 27. Geschichte (Übersicht über die neuere Literatur zur Gesch.
Martinuzzis, Maria Stuarts und Wallensteins), Fleischers Vierteljahrsberichte über die gesamten
\Vissenschaften I (1882). Grundriß der österr. Geschichte mit besonderer Rücksicht auf
Quellen- und Literaturkunde, Wien 1882. Aus drei Jahrhunderten des mittelalterlichen Ge-
schichtslebens Innerösterreichs, Graz 1882. Die landesfürstlichen und landschaftlichen
Patente 1493— 1564, Beiträge XVIII (1882), 117—96; XIX, 3—74. Zur Geschichte der Be-
ziehungen zwischen Ragusa und dem Hinterlande, Dalmatien, Bosnien-Herzegowina. Graz
1882. Die Literatur zur Geschichte Franz Rakoczis IL im letzten Jahrzehnte, I (Hist. Jahr-
buch 1882, 631 — 47), II (ebenda 1883, 96 — 160). Hans Ulrich Fürst v. Eggenberg, Galeric
hist. Porträts, Wien 1883. Aus der Ferienmappe eines Magisters, Graz 1883. Festrede aus
Anlaß der 600jährigen Habsburgfeier der Steiermark, gehalten in der Festversammlung des
Hist. Vereins am 30. Juni 1883, Graz 1883. Die Freien von Saneck und ihre Chronik aLs
Grafen von Cilli, 2 Teile, Graz 1883. Historische Analekten aus und über Dalmatien und
Kroatien. Sitztmgsber. der Wiener Akademie, phil.-hist. Klasse CII (1886), 232 ff. Kleine
Beiträge zur mittelalterlichen Quellenkunde, Mittcil. des Inst. f. österr. Geschichtsf. VII (1886),
247 — 64. Zur Geschichte des Schulwesens der Steiermark bis 1570, Mitteil. XXXIV (1886),
3—27. Karl Holzinger, R. v. Weidich, Zeitschr. f. die öst. Gymn. XXXVII (1886), 955—59.
Zur Gesch. des Grazer Studentenlebens in den Zeiten der Jesuitenhochschule 1586 — 1773
(SA. aus der Zeitschr. f. allgem. Geschichte 1886). Geschichte der Carl-Franzens-Universität in
Graz. Graz 1886. Die Grazer Universität im Wechsel dreier Jahrhunderte, Graz 1886 (SA. aus
der Tagespost). Zur Geschichte Österreichs im Zeitalter der französischen Kriege und der
Restauration 1792 bis 1816, Gotha 1886. Beiträge zur Geschichte des Grazer Jesuitenkollegiums
1573 — 1773, Beiträge XXII (1887), 3 — 34» Moriz von Kaiserfeld, Leipzig 1887. Ottokar
der stein Reimchronist, Allg. D. Biogr. XXIV (1887), 772 ff. Piligrim IL, Erzb. v. Salz-
burg, ebenda XXVI (1888), 134. Freiherr Anton von Baldacci über die inneren Zustände
Österreichs. Eine Denkschrift aus dem Jahre 1816, Wien 1889. Die deutsche Besiede-
lung der östlichen Alpenländer, insbesondere Steierroarks, Kärntens und Krains, nach
ihren geschichtlichen und örtlichen Verhältnissen (Forsch, zur deutschen Landes- und
Volkskunde, hrsgg. von Kirchhoff III (1889), 3^1 — 476). Zur Geschichte des naturwissen-
schaftlichen Unterrichts in Steiermark, Mitteil. XXXVII (1889), 220—23. Tirol 1812— 1816,
122 Krones.
und Erzherzog Johann von Osterreich, Innsbruck 1890. Josef Freih. v. Simbschen und die
Stellung Österreichs zur serbischen Frage 1807 — 18 lo, Archiv f. öst. Gesch. LXXVl (1890)
127 — 260. Aus der Zeit der Befreiungskriege 18 13 — 181 5 (SA. aus der Ost-Ung. Revue,
1891). Aus dem Tagebuche Erzherzogs Johann von Osterreich 18 10 — 18 15, Innsbruck 1S91.
Das Gerichtsprotokoll der k. Freistadt Kaschau in Oberungam aus den Jahren 1556 — 1608,
Mitteil, des Inst. f. öst. Geschichtsf. XII (1891), 618—38. Feldmarschall Radetzky. Ein
Lebensbild. Wien 1891. Feldzeugmeister Josef Freiherr v. Simbschen 1810 — 18, Archiv f.
öst. Gesch. LXXVII (1891), 151 ff. Zur Geschichte der nachbarlichen Beziehungen Steier-
marks und Ungarns bis 1192, Mitteil. XL (1892), 231 — 72. Aus Österreichs stillen und
bewegten Jahren i8io — 181 2 und 18 13 — 18 15, Innsbruck 1892. Der Jesuitenorden und
seine Rolle im Geschichtsleben Ungarns, Öst.-Ung. Revue XII (1892), Heft 4 — 6. Bei-
träge zur Geschichte des Jesuitenordens in der Steiermark, Beiträge XXIV (1892), 25 — 66.
Zur Geschichte des Jesuitenordens seit dem Linzer Frieden 1645 — '671, Archiv f. österr.
Gesch. LXXIX (1893), 277 fF. Das böhmische Staatsrecht und die Geschichte, Graz 1893
(SA. aus der Tagespost). Zur Geschichte Ungarns (1671 — 1683). Mit besonderer Rück-
sicht auf die Tätigkeit und Geschichte des Jesuitenordens, Archiv f. österr. Gesch. LXXX
(1894), 351 — 458. Beiträge zur Städte- und Rechtsgeschichte Oberungams, ebenda LXXX I
(1895), 447 — 512. Karl von Zierotin und sein Tagebuch v.J. 1591, Ztsch. f. Kulturgesch.
II (1895), ' — 30« Die Grazer Universität 1886 — 1895. Ihre Entwicklung und ihr
gegenwärtiger Bestand. Festschrift zur Feier der Schlußsteinlegung des neuen Hauptgebäudes.
Graz 1895. K^a*'^ ^*on Zierotin und der Kreis seiner deutschen Freunde und Zeitgenossen,
Monatshefte der Comenius-Gesellschaft IV (1895), '97 — 216. Deutschbürtiger Adel im
mittelalterlichen Ungarn, Mtinchen 1896 (SA. aus der Allgemeinen Zeitung, Beilage Xr. 231
bis 233). Bericht über die Ergebnisse einer archivalischen Reise im Herbste 1896, Beiträge
XXVIII (1897), 88 — 126. Bertha v. Liechtenstein, geb. von Rosenberg und die Sage von
der weißen Frau von Neuhaus, Brunn 1897 (SA. aus der Zeitschr. des Vereins f. d. Gesch.
Mährens und Schlesiens I.) Die Anfänge des Cistercienserklosters Saar in Mähren und sein
Chronist Heinrich von Heimburg, Brunn 1897 (ebenda). Die Markgrafen von Steier,
Archiv f. öst. Gesch. LXXXIV (1897), 137 ff. Verfassung und Verwaltung der Mark und
des Herzogtums Steier von ihren Anfängen bis zur Herrschaft der Habsburger, Graz 1897
(Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgesch. der Steiermark, hrsgg. von der bist.
Landeskommission I. Bd.). Aus den Jugendjahren Herrn Wilhelms von Slawata 1572 — 1604,
Zeitschr. fUr Kulturgeschichte V (1898), i — 17. Prof. Dr. Hermann Ignaz Bidennann,
Mitteil. XLVI (1898), 259 — 78. Das Cistercienserkloster Saar und seine Geschichtsschrei-
bung, Archiv f. öst. Gesch. LXXXV (1898) i — 130. Österreichische Geschichte von der
Urzeit bis 1526, Leipzig 1899 Göschen. Der Herrenstand des Herzogtums Steier, Mitteil.
XLVII (1899), 65 — 126. Urkunden zur Geschichte des Landesfürstentums, der Vorwaltung
und des Ständewesens der Steiermark von 1283 — 141 1 in Regesten und Auszügen, Bei-
träge XXX (1899), 13 — 158. Landesfürstliche Behörden und Stände des Herzogtums Steier
1288 — 141 1, Graz 1900 (Forsch, usw. herausgg. von der bist. Landeskomm. Bd. IV, Heft 1).
Osterreichische Geschichte von 1526 bis zur Gegenwart, Leipzig 1900 Göschen. Die er-
zählenden Quellen der Geschichte Mährens im XV. Jahrb., Brunn 190a (SA. aus der Ztschr.
des Vereins für die Gesch. Mährens und Schlesiens IV.). Beiträge zur Geschichte der
Baumkircherfehde mit ihren Nachwehen, Arch. f. öst. Gesch. LXXXIX (1901), 369 — 450.
Zur Quellenkunde und Literatur der Geschichte Baumkirchers und der Baumkircherfehde,
Mitteil, des Inst, für Öst. Geschichtsf. Ergbd. VI (1901), 449 — 57. Ergebnisse einer
archivalischen Reise nach Linz, Herbst 1899, Beiträge XXXI (1901), 140 — 204. Styriaca
und Ver^'andtes im Landespräsidialarchiv und in der k. k. Studienbibliothek in S.-dzburg,
Beiträge XXXI (1901), 205 — 65. Die Baumkircher. Geschichtliche Untersuchungen, Arch.
für österreichische Geschichte LXXXXI (1902), 521 — 639. Das deutsche Volkstum in
Ungarn, Deutsche Erde 1902, 131. Leonor v. Portugal, Gemahlin Kaiser Friedrichs III.,
Mitteilungen XLIX (1902), 53 — 120. Die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte,
Steirische Zeitschr. für Gesch. I (1903), i — 25. — Daun und Laudon. Biographie und
Krones. Pernet. I23
Parallele, o. J. Zur Geschichte der mittelalterlichen Antisemitenbewegung, SA. aus der
Deutschen Revue o, J.
Quellen: Franz von Krones zum 19. November 1895 gewidmet von seinen Freunden
Adolf Bauer, Wilhelm Gurlitt, Johann Loserth, Eduard Richter, Anton E. Schönbach,
Bernhard Seuffert, Hans von Zwiedineck, Graz 1895. — Nekrologe: Eduard Richter in
Deutscher Erde 1902, Heft 6. — J. Loserth in Grazer Tagblatt 1902 Nr. 287 vom 18. Ok-
tober, in den Mitt. des Inst, für öst. Geschichtsf. XXIV, 179 ff., in der Zeitschrift des Ver-
eins für die Geschichte Mährens und Schlesiens VII (1903), z8oif. — Grazer Tagespost
1902 Nr. 287 vom 18. Oktober. — Dümwirth in der Carinthia XCIII (1903), 30.
Karl Uhlirz.
Pernet, Johannes, Prof. Dr., * 18. Dezember 1845 zu Bern, f 'S- Februar
zu Zürich. — P., ein Waadtländerkind, Sohn eines Lehrers, begann nach
Absolvierung der vorbereitenden Schulen seine Studien im Herbst 1864 an
der Universität Bern in den Hauptrichtungen Mathematik, Physik und Meteo-
rologie unter der ausgezeichneten Leitung des damals in Bern wirkenden, dann
nach Petersburg berufenen und bis zum Sommer 1902 in Zürich weilenden
Staatsrates von Wild. Er legte hierbei den Grund zu seiner spätem, nament-
lich auf messendem Gebiete hervorragenden Tätigkeit. Da P. seinen Vater
früh verlor, so war er genötigt, schon in frühen Semestern durch verschiedent-
lichen Unterricht an bernischen Schulen seinen Finanzen etwas nachzuhelfen.
1866 wählte ihn Wild zu seinem Assistenten, welche Stellung ihm Veran-
lassung zu einer ersten Arbeit über »den täglichen Gang der meteorologischen
Elemente in Bern«, erschienen 1869, gab.
Durch den Ruf des theoretischen Physikers F. E. Neumann angezogen,
begab er sich, zur Ergänzung seiner Studien, 1868 nach Königsberg.
Nachdem Professor von Wild als Direktor des physikalischen Zentral-
Observatoriums nach Petersburg berufen worden, folgte demselben P. 1869
ebenfalls dorthin als Assistent. Barometrische Untersuchungen und nament-
lich eine Abhandlung über »die Bestimmung der Erdtemperatur mit Thermo-
ketten« sind die Früchte seines dortigen Aufenthalts. Da er jedoch einsah,
daß für ihn als Ausländer ein Avancement sehr schwer sein würde, verließ
er 1872 Petersburg, um zunächst noch während drei Semestern seine Studien
in Königsberg, namentlich unter Neumann fortzusetzen, in dessen Privatlabo-
ratorium er arbeiten durfte.
1874 befand er sich als Assistent bei Prof. Oskar Emil Meyer in Breslau
und promovierte hier 1875 "^'* seiner für die ganze weitere Entwicklung der
Thermometrie grundlegenden Arbeit Ȇber die Nullpunktsdepressionen der
Normalthermometer« .
Hierbei zeigt er insbesondere, wie die Änderungen der Fixpunkte durch
geeignete Beobachtungen unschädlich gemacht werden können. Am gleichen
Orte habilitierte er sich 1876 für Physik und Meteorologie.
Im gleichen Jahre berief ihn Prof. Förster, Direktor der Normal-Aichungs-
kommission, nach Berlin, um seine thermometrischen Untersuchungen, unter-
stützt von Grunmach, Thiesen und Wiebe, fortzusetzen, welche von diesen
in den »Metronomischen Beiträgen« veröffentlicht wurden.
Den I. Juli 1877 ging P. nach Paris, um in das ^Bureau international des
jRaids et Mesures* zu Breteuil bei Paris als Savant etranger einzutreten und
verblieb da bis 1886. Kurze Zeit nach seinem Eintritte vertraute man ihm
1 24 Pemet.
interimistisch die Leitung des Instituts an; nun verehelichte er sich mit seiner
Braut, die er in Breslau kennen gelernt. In Breteuil hat er sich bedeutende
Verdienste um die Einrichtung des Bureaus erworben, und namentlich den
Brunnerschen Komparator zu hoher Vollendung gebracht und denselben ins-
besondere zu Untersuchungen von Normalbarometern und Luftthermometem
verwendet. Trotz der Anerkennungen seiner Leistungen ging seine Hoffnung
auf definitive Übertragung der Direktorstelle an ihn nicht in Erfüllung, son-
dern er wurde durch allerlei Intriguen allmählich aus seiner Stellung ver-
drängt und zog Ende 1885 nach S^ji Jahren rastloser Arbeit wieder nach
Berlin, wo er neuerdings bei der Normal-Aichungskommission Beschäftigung
fand, allerdings anfänglich unter ziemlich beschränkten pekuniären Ver-
hältnissen, die kaum für den anständigen Unterhalt seiner Frau und dreier
Kinder genügten.
1886 habilitierte sich P. an der Universität Berlin. Infolge der Aner-
kennung, welche seine Arbeiten bei Helmholtz fanden, ließ dieser ihm nun
seine energische Unterstützung angedeihen, sodaß sein Los sich zusehends
besserte und P. wieder freudiger aufatmen und mit erneutem Mute in die Zu-
kunft schauen konnte. Er wurde nämlich 1887 provisorisch und 1888 defi-
nitiv zum Mitgliede der unter der Oberleitung von Helmholtz neu gegrün-
deten physikalisch-technischen Reichsanstalt ernannt und auch die ersten
wissenschaftlichen Arbeiten in seinem Laboratorium ausgeführt. Zugleich war
er sehr bemüht, in Verbindung mit der Bauleitung sowohl die äußere als innere
Einrichtung der Räume seiner Abteilung möglichst zweckmäßig anzulegen.
In diese Zeit fallen neue Untersuchungen der Thermometer und Baro-
meter. Er hat sich mit der berühmten Firma R. Fueß in Steglitz ins Ein-
vernehmen gesetzt zur Konstruktion von Normal thermometem und Normal-
barometem von vorher nicht erreichter Vollkommenheit. Er hat sich dadurch
auch ein großes Verdienst um die Förderung der Glastechnik erworben und ist
zum Dank dafür 1899 zum Ehrenmitgliede der »Deutschen Gesellschaft für
Mechanik und Optik« ernannt worden. Ebenso verdient Erwähnung eine in
Berlin unter seiner Leitung sorgfältig ausgeführte Untersuchung über die Aus-
dehnung des Wassers.
P. war somit im besten Zuge, an der sich immer mehr auswachsenden
Reichsanstalt infolge seiner bedeutenden Leistungen und durch die Förderung
des ihm sehr gewogenen Helmholtz eine hervorragende Stellung einzunehmen.
Da, als der Bau des seiner Abteilung dienenden und seinen Forderungen
entsprechenden Dienstgebäudes nahe vollendet war und die regelmäßigen
Arbeiten beginnen sollten, verlor durch Hinscheiden das schweizerische Poly-
technikum in Zürich seinen Professor für Experimentalphysik, Dr. Schneebeli,
und Pemet folgte im Jahre 1890 einem an ihn ergangenen Rufe auf diesen
Lehrstuhl.
Mit Helmholtz blieb er stets in freundschaftlichen Beziehungen. Das be-
redteste Zeugnis hiervon gibt der Nachruf, welchen er dem Meister im Neu-
jahrsblatt der Zürcher naturforschenden Gesellschaft auf das Jahr 1895 widmete.
Mit Eifer und heiligem Ernste trat er sein neues Amt an und suchte
seine Schüler nach besten Kräften sowohl im Hörsaal als im Laboratorium
mit den physikalischen Errungenschaften bekannt zu machen und zu eigenen
Forschungen anzuspornen.
Pcmet.
125
Eine Lieblingsidee von ihm war die Einrichtung eines eidgenössischen
Instituts zur Prüfung wissenschaftlicher Instrumente, eine Reichsanstalt im
kleinen, ebenso eine genaue magnetische Vermessung der Schweiz. Die Aus-
führung beider Projekte konnte er leider nicht zur Ausführung bringen; sie
blieben ein schöner Traum, dessen Erfüllung der Schweiz alle Ehre gemacht
hätte. Gerade der erstere Gedanke schien endlich nach jahrelangem Ringen
greifbare Gestalt annehmen zu wollen, als P. plötzlich mitten aus seiner viel-
seitigen Tätigkeit herausgerissen wurde.
Um die Ausbildung guter Techniker gab er sich große Mühe. Mit Liebe
hing er am Technikum in Winterthur, zu dessen Aufsichtskommission er ge-
hörte. Die Schule für Feinmechaniker war seine Schöpfung.
Wenn auch eine sehr ausgedehnte Lehrtätigkeit, die er mit seinem Amts-
antritte in Zürich zu übernehmen und zu bewältigen hatte, ein rein wissenschaft-
liches Arbeiten stark beeinträchtigen mußte, so fand P. doch noch Muße zur
Veröffentlichung verschiedener Abhandlungen, insbesondere überThermometrie,
einen Drehkomparator, über Meßbrücken, die spezifische Wärme des Wassers,
das mechanische Äquivalent der Wärmeeinheit etc.
Durch populäre Vorträge suchte er das Verständnis für physikalische
Wahrheiten auch in weitere Schichten, besonders der Gewerbetreibenden, zu
tragen. In der zürcherischen naturforschenden Gesellschaft hat der Geschie-
dene sich durch verschiedene Mitteilungen theoretischer wie experimenteller
Natur betätigt. Auch die physikalische Gesellschaft von Zürich ist ihm für
die Förderung, welche ihr durch seine Anregungen und Vorträge zu teil wurde,
sehr zu Dank verpflichtet.
Als am Schlüsse des Jahres 1895 Professor Röntgen die Entdeckung der
nach ihm benannten Strahlen veröffentlichte, machte sich P. mit großer Ener-
gie hinter deren Untersuchung, fast mit völliger Aufopferung seiner freien
Zeit. Wer weiß, ob nicht vielleicht die sehr intensive und lange Beschäfti-
gung mit diesen Strahlen, deren heimliche Tücken man erst später gewahr
wurde, den ersten Todeskeim in den Körper des Dahingeschiedenen gelegt.
Wenigstens folgte bald ein Augenleiden, das sich zwar wieder hob. Aber
im Anfang 1899 warnte ihn der Todesengel sehr ernstlich an die irdische Ver-
gänglichkeit. P. erholte sich zwar, nachdem er bis zum Herbst die Arbeiten
gänzlich ausgesetzt und die Luft des Südens eingeatmet, scheinbar wieder voll-
ständig. Doch ward ihm zu unserm Schmerze nur noch kurze Frist bewilligt.
Nachdem er abends vorher in einer Sitzung, in der er selbst ein Referat hielt,
plötzlich unwohl geworden, verließ er in der Frühe des 15. Februar 1902 seine
irdische Heimat.
Mit Pemet ist ein unermüdlicher Arbeiter auf dem Felde der Wissenschaft,
voll ernsten Strebens nach Wahrheit dahingegangen. Schwere eigene Krank-
heiten sowohl, als solche seiner Kinder, das teilweise Mißlingen seiner wohl-
gemeinten Pläne konnten ihn wohl zeitweise beugen; aber immer erhob
er sich mit neuem Mute, um doch noch an das erstrebte Ziel zu gelangen.
Selbst aus beschränkten Verhältnissen hervorgegangen, kannte er die Not
dürftiger Studierender und war daher im Schöße der schweizerischen gemein-
nützigen Gesellschaft eifrigst bemüht, einen Fonds für »Förderung der
Talente« zu gründen. Das Leben P.s war ein Kampf; nun ruhe er in
Frieden.
126 Pemet. Schede.
Sehr verdankenswerte Ergänzungen nun enha'ickelten Lebensbilde habe ich den Nach-
rufen der Herren Thiesen (Verhandlungen der deutschen physikalischen Gesellschaft, IV.
Jahrg. Nr. 7) und Wiebe (Deutsche Mechaniker-Zeitung 1902 Nr. 7, S. 61 — 63) entnommen.
— Wiederholung des Nekrologes aus den Verhandlungen der Schweizer naturforschenden
Gesellschaft. Genf 1902. Ebendort Bibliographie der Werke S. 6^
Prof. A. Weilenmann.
Schede, Max Eduard Hermann Wilhelm, Chirurg zu Bonn a. Rh., * zu
Arnsberg i. Westf., 7. Jan. 1844, f ^im 31. Dezember 1902 in Bonn. — Seh.
studierte zu Halle, Heidelberg und Zürich, wurde 1866 mit der Diss.: »Z>^
resectione articulationis coxae* Dr. med., war im Kriege gegen Österreich ärzt-
lich tätig, wurde 1868 Assistent an der Klinik Richard v. Volkmanns, leitete
1870 eine Abteilung eines Feldlazarettes, war 1872 bis 75 Dozent der Chirurgie
in Halle, 1875 bis 80 Direktor der chirurgischen Abteilung des Berliner
städtischen Krankenhauses am Friedrichshain, 1880 bis 95 Oberarzt der chir.
Abteilung des allgemeinen Krankenhauses zu Hamburg und wurde 1895 unter
Ernennung zum Geh. Med.-Rat als o. ö. Prof. der Chirurgie und Dir. der chir.
Univ.-Klinik nach Bonn berufen, wo er bis zu seinem plötzlich erfolgten
Lebensende wirkte. S. gehörte zu den bedeutendsten Chirurgen des ver-
flossenen Jahrhunderts. Seine Arbeiten sind ebenso zahlreich als vielseitig.
Sie betreffen die verschiedensten Gebiete der Chirurgie. U. a. veröffentlichte
S. : »Weitere Beiträge zur Behandlung von Gelenkkrankheiten mit Gewichten«
(v. Langenbecks Arch. XII, 187 1) — »Ein Fall von totaler angeborener Alopecie«
(Ib.) — »Über die tiefen Atherome des Halses (Ib. XIV, 1872) — »Über
Hand- und Fingerverletzungen« (R. v. Volkmanns Sammlung klin. Vorträge
187 1, 29) — *Symbola€ ad Iielcologiam* (Habilitationsschrift, Halle 1872), deutsch
u. d. T.: »Über den Gebrauch des scharfen Löffels bei der Behandlung von
Geschwüren« (Halle 1872) — »Über partielle Fußamputationen« (v. Volkmanns
Sammlung klinischer Vorträge 1874, 72/73) — »Über die forcierte Taxis bei
Brucheinklemmungen« (Cbl. f. Ch. 1874. Dieses Centralblatt wurde 1874 von
S. in Gemeinschaft mit L. v. Lesser und Tillmanns gegründet und bis 1880
redigiert). Seit Gründung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie beteiligte
sich S. an ihren Arbeiten außer in zahlreichen Diskussionen mit etwa 27
Vorträgen, von denen wir nur die seit 1886 gehaltenen hier anführen: »Bei-
träge zur chirurgischen Behandlung des Ileus« (XVI, 1887) — »Über die Er-
folge des Kochschen Verfahrens bei der Behandlung der chirurgischen Tuber-
kulose« (XX, 189 1) — »Demonstration eines verbesserten Apparates zur
Behandlung schwerer Skoliosen« — »Vorzeigung von Präparaten zur Illustration
des Gebrauchs der versenkten Drahtnaht bei Laparotomien und bei Unter-
leibsbrüchen« — »Demonstration von Präparaten von geheilten Hüftgelenksre-
sektionen« (XXII, 1893) — />Über die nicht operative Behandlung der angeborenen
Verrenkung des Hüftgelenks« (XXIII, 1894) — »Über die Resektion des Mastdarms
bei strikturierenden Geschwüren desselben« (XXIV, 1895) — »Ein Vorschlag zur
Modifikation des Calotschen Verfahrens« (XXVII, 1898). Unter zahlreichen
Vorträgen im Ärztlichen Verein zu Hamburg (Deutsch, m. Wochenschr.) seien er-
wähnt: »Über Larynxexstirpation« (1882) — »Vorstellung eines Falles von geheil-
tem Hirnabscefl« (1885) — »Über Operation des Mastdarmkrebses« (1887) — »Ein
Fall von endgültiger Heilung nach Wegnahme des ganzen Kehlkopfes wegen
krebsiger Entartung vor mehr als 4 Jahren, nebst einigen Bemerkungen
Schede. Kiesselbach.
127
über Morell Mackenzies Statistik« (1889) — »Die Behandlung des Lupus mit
Kochschen Injektionen« (1896) — »Über Totalexstirpation des tuberkulösen
vas deferens und der Samenblasen« (1898). Von größeren Vorträgen auf ge-
lehrten Versammlungen sind außerdem zu nennen: »Über die Wundbehand-
lung mit Sublimat« (Internat. Kongreß zu Kopenhagen, 1883) — »Die Be-
handlung der Empyeme« (Korreferat 9. Kongreß für innere Med., Wien 1890)
— »über Thoraxresektion« (Intern. Kongreß zu Berlin 1890) — »Demonstra-
tion eines neuen Apparates zur Behandlung der Skoliose« — »Über Resectio
rccti«^ (Diskussion Naturforscherversammlung Halle 1891). — »Über unblutige
Reposition der angeborenen Hüftgelenksresektion« (Naturforsch. V. Frankfurt
1896) — »Über Jacksonsche Epilepsie« (Naturf. Vers. Düsseldorf 1898). Femer
erschienen außer mehreren Abhandlungen in Berl. klin. Wochenschr. 1876 bis
1877: »Mitteilungen aus der chir. Abteilung des Berliner städtischen Kranken-
hauses am Friedrichshain, unter Mitwirkung der Herren Böters, Rinne, Stahl
und WMldt« (Leipzig 1878) — »Die operative Behandlung der Hamleiter-
scheidenfisteln« (Cbl. f. Gyn., 188 1) — »Zur Frage von der Jodoformvergiftung«
(Cbl. f. Ch., 1882) — »Allgemeines über Amputationen, Exartikulationen und
künstliche Glieder« (v. Pitha und Billroths Handbuch der allgem. und spez.
Chir., 1882) — »Die antiseptische Wundbehandlung mit Sublimat« (v. Volk-
manns Sammlung klin. Vorträge 1885, 251) — »Meine Erfahrungen über
Nierenexstirpation« (Festschrift zur Eröffnung des neuen allgemeinen Kranken-
hauses Hamburg-Eppendorf 1889) — »Neue Erfahrungen über Nieren-
exstirpation« (Jahrb. der Hamburger Staatskrankenanstalten I, 1889) — »Die
Sekrete Methode der totalen Exstirpation des carcinomatösen Uterus« (Ib. II,
1890) — »Die chirurgische Behandlung der Perityphlitis« (Deutsch, m. Wochen-
schrift 1892) — »Einige Bemerkungen über die Naht von Venenwunden, nebst
Mitteilung eines Falles von geheilter Naht der Vena cava inf.<f^ (v. Langenbecks
Arch. XLIII, Jubelheft 1892) — »Über die nachträgliche Beseitigung starker
Verkürzungen der Knochen als Folgen schlecht geheilter Frakturen« (Ib.) —
»Über die blutige Reposition veralteter Luxationen, nebst Bemerkungen über
die Arthrotomie des Hüftgelenkes und die operative Behandlung der an-
geborenen Verrenkungen derselben« (Ib.) — »Über den Gebrauch der ver-
senkten Drahtnaht bei Laparotomien und bei der Radikaloperation der Unter-
leibsbrüche« (Festschrift zur Feier des 70. Geburtstages Fr. v. Esmarchs, Kiel
1893) — »Zur Büngnerschen Methode der hohen Kastration« (Deutsch, m.
Wochenschr. 1894) — »Über Behandlung der Oesophagusdivertikel« (Sitzungs-
bericht der Niederrh. Gesellsch. f. Natur- u. Heilk. 1895, Ib. 1896) — ^ »Die
chirurgische Behandlung der Erkrankungen des Brustfells und des Mittelfell-
raums« (Penzoldt u. Stintzing, Lehrbuch der Therapie 1895, 2. Aufl. 1897)
— -Chirurgie der peripheren Nerven und des Rückenmarks« (Ib. 1896,
2. Aufl. 1898) — »Die Verletzungen und Krankheiten der Nieren und des
Harnleiters« (in v. Bergmann, v. Bruns, Mikulicz, Handbuch der prakt. Chir.)
Vgl. Pagel, Biogr. Lex. hervorr. Arzte, Berlin und Wien p. 1482 und Virchows
Jahresber. von 1902 I p. 424. Pagel.
Kiesselbach, Wilhelm, Ohrenarzt, * in Hanau i. Dezember 1839, f in
Erlangen am 2. Juli 1902. — K. studierte in Marburg, Wien und Erlangen,
wurde Dr. med. 1879, habilitierte sich 188 1 für Ohrenheilkunde in Erlangen
128 Kiesselbach. Siegmund. Hahn.
und wurde 1888 a. o. Prof. f. Otiatrie und Leiter der Klinik daselbst. In
dieser Stellung wirkte er bis zu seinem Lebensende. K. war ein angesehener
Otologe und hat sich auch um die Hebung des otologischen Universitäts^
Unterrichts in Erlangen durch Begründung einer Klinik und Poliklinik ein
Verdienst erworben. Er veröffentlichte: »Untersuchungen über die Anatomie
des Schläfenbeins« — »Galvanische Reizung des Nervus acusticus^ — »Nasen«
bluten« — »Zur Histologie der Ohrpolypen« — »Über Beziehungen zwischen
Acusticus und Trigeminus*^ und bearbeitete den Abschnitt »Krankheiten der
Nase und des Rachens« für Penzoldt-Stintzings Handbuch des Therapie.
Vgl. Virchows Jahresbericht von 1902, I, p. 418. Pagel.
Siegmund, Aagust Gustav, Arzt und Geheimer Sanitätsrat in Berlin^
* 20. Juli 1820 zu Magdeburg, t i4- Februar 1902 in Berlin. — S. gelangte
als 10 jähriger Knabe bei der Übersiedelung seiner Eltern von Magdeburg
nach Berlin, besuchte hier das Friedrich-Werdersche Gymnasium und das
Graue Kloster und begann 1838 in Berlin das Studium der Philosophie, das
er in Heidelberg fortsetzte. Schon war er nahe daran, sich für Philosophie
zu habilitieren, als er, angewidert von der damaligen Präponderanz der Hegel-
sehen Lehre und beeinflufit von Virchow, mit dem er in Berlin bei einer
politischen Versammlung zusammentraf, sich der Medizin zuwandte, die er
als eifriger Schüler von Virchow in Würzburg, ferner in Zürich und Berlin
studierte. Am letztgenannten Orte erlangte er 1853 die Doktorwürde und
ließ sich 1854 approbiert nieder. Anfangs arbeitete S. experimentell und
veröffentlichte mehrere Arbeiten in Virchows Archiv über einige Formen des
kohlensauren Kalks im Harnniederschlag, über die Ausscheidung des Harn-
stoffs, über die Einwirkung der Digitalis und der Vagusdurchschneidung auf
die Harnstoffausscheidung usw. Später wandte sich S. ausschließlich der
praktischen Tätigkeit zu und wurde einer der angesehensten und beliebtesten
Ärzte Berlins. Er war lange Jahre Vorstandsmitglied der Medizinischen Ge-
sellschaft, bekleidete zahlreiche andere Ehrenämter, u. a. auch als Mitglied
der Armendirektion, in welcher Stellung er sich namentlich große Verdienste
erwarb. S. war ein kluger, humaner Arzt und auch sonst als Mensch von
großer Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft. Sein Schwager, der Gatte
seiner Schwester, war der bekannte in der politisch-freiheitlichen Bewegung
hervorgetretene Dichter Georg Herwegh.
Vgl. Pagel in Virchows Jahresber. von 1902, I, p. 425. Pagel.
Hahn, Eugen, Chirurg in Berlin, ♦ 7. April 1841 in Orteisburg, f i. No-
vember 1902 in Berlin an angina pectoris. — S. war besonders Schüler von Wilms
in Berlin und hier auch promoviert worden, machte die Feldzüge 1866 und 1870
mit und war in Bethanien und später als Assistenzarzt von Wilms und Leiter
der chir. Station der Berliner Poliklinik tätig. 1880 wurde H. zum Direktor
der chir. Station am Krankenhaus Friedrichshain ernannt und bekleidete 1899
die Würde als Präsident der deutschen Gesellschaft für Chirurgie. H. war ein
ausgezeichneter Operateur und sehr beliebter Consiliarius. Er begründete die
Berliner Klinik in Verbindung mit Fuerbringer und hat neben einzelnen chir.
Aufsätzen und Vorträgen auf Kongressen noch folgende Arbeiten veröffent-
licht, welche die verschiedensten Gebiete der Chirurgie betreffen: Ȇber
Hahn. Eulenberg. j 2Q
Drainage der Bauchhöhle« (1873) — »Über Behandlung der beweglichen Niere
durch Fixation« (1881) — »Über vaginale totale Uterus-Exstirpation« (1882) —
»Resektion des carcinomatösen Pylorus« (1882) — »Über Kniegelenksresek-
tion mit Nagelung« (1882) — »Idiopathischer Abszefi d. Occipitallappens
durch Trepanation entleert« (1882) — »Zur Behandlung des Pes varus* (1883)
— »Über Lupusbehandlung mit Transplantation« (1883) — »Über Knochen-
echinococcen« (1884) — »Über Kehl köpf exstirpation« (1885) — »Eine Me-
thode, Pseudarthrose der iiöia mit großem Knochendefekt zu heilen« (1884) —
»Über Fibroma lipotnatosum petrificans<i^ — »Über Magencarcinom« (1885) —
Über Mesenterialcysten« (1887) — »Über die Endresultate der wegen Kehl-
kopfscarcinom ausgeführten Operationen« (1887) — »Eine Methode beliebig
große Stücke aus Kröpfen blutleer zu entfernen« (1887) — »Eine Operations-
methode, die Gefahren der Darmresektion zu vermeiden« — »Über die Be-
handlung des genu valgum und genu varum«^ (1889) — »Eine neue Methode
der Gastrostomie« (1890) — »Über operative Behandlung einer Lungencaverne«
(1891 — »Über Gastroenterotomie» — »Über einen Fall von fortschreitender Er-
blindung, durch temporäre Schädelresektion und Punktion des Ventrikels mit Er-
folg behandelt« — »Über Nierenaneurysma« (1894) — »Über Magenchirurgie«
(1894) — »Über Jejunectomie« (1894) — »Über Splenektomie bei Milzechinococ-
cus« (1895) — »Beitrag zur Chirurgie des Gehirns« (1896) — »Über Erfahrungen
auf dem Gebiete der Magen- und Darmchirurgie« (1897) — »Über Chylothorax<i^
(1899) — »Über Pneumatosis cystoides intestinorum hominis« (1899).
Vgl. noch Pagel in Virchows Jahresber. von 1902, I, p. 416. Pagel.
Eulenberg, Hermann, Medizinalbeamter in Berlin, * 20. Juli 18 14 zu Mül-
heim am Rhein, f als Emeritus in Bonn am 3. Oktober 1902. — E. studierte
in Bonn und. Berlin, später mit längerem Aufenthalt in Wien, London und
Paris. In Berlin hat E. unter Johannes Müller und Theod. Schwann gearbeitet
und die Monographie *über Tela elastica^*^ geliefert, welche als Dissertat. 1836
in Berlin erschienen ist. Seine Promotion erfolgte am 20. August 1836. Später
wirkte er 10 Jahre in Lennep als praktischer Arzt und wurde 1848 nach Bonn
als Kreisphysikus versetzt. Gleichzeitig war er als Privatdozent der gericht-
lichen Medizin und Arzneimittellehre an der Universität Bonn tätig. 1850
übernahm er in Koblenz die Stelle des Kreisphysikus und eines Medizinal-
Rates am rheinischen Provinzial-Medizinal- Kollegium, 1860 wurde er in Köln
Regierungs- Medizinalrat und 1870 vortragender Rat im Kultusministerium,
trat 1890 in den Ruhestand und lebte seitdem in Bonn. Im Jahre 1853 be-
gründete E. im Vereine mit A. Erlenmeyer sen., Mannsfeld und Bergmann
das »Korrespondenzbl. f. Psychiatrie und gerichtl. Psychologie«, welches später
mit dem »Archiv für Psychiatrie und gerichtliche Psychologie« verbunden
wurde. — Von seinen Schriften nennen wir: »Anatomisch-pathologische Unter-
suchungen über die Schilddrüse« (Göttingen 1856 — »Lehre von den schäd-
lichen und giftigen Gasen« (mit Vohl, Braunschweig 1865) — »Das Medizinal-
wesen in Preußen« (Berlin 1874) — »Handbuch der Gewerbehygiene auf
experimenteller Grundlage« (Ib. 1876) — »Handbuch des öffentlichen Gesund-
heitswesens im Vereine mit Fachmännern bearbeitet« (Ib. 1881). Von 187 1
bis 1890 war E. Redakteur der von Casper* begründeten und von v. Hörn fort-
gesetzten »Vrtljhrsschr. f. gerichtl. Med. und öffentl. Sanitätswesen«. Für
BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd. q
1^0 Eulenberg. Graefe. Bergson. Struck.
dieses Organ, wie für die Zeitschrift vom ärztlichen Verein in Preußen und
für die Berliner klinische Wochenschrift hat er zahlreiche Abhandlungen ge-
liefert. Mit Theodor Bach, weil. Direktor des Falk-Realgymnasiums in Berlin,
gab E. eine in 2. umgearbeiteter Aufl. erschienene »Schulgesundheitslehre«-
heraus.
Nekrologische Quellen s. in Virchows Jahresber. von 1902, I, p. 413. Pagel.
Graefe, Albert, Augenarzt, * 1860 zu Berlin, f ^^ 3i- August 1902 auf
einer Erholungsreise zu Innsbruck. — G. war der Sohn eines Kammergerichts-
präsidenten und studierte 1882 — 87 in Zürich und Halle, beschäftigte sich be-
reits als Student eingehender mit der Augenheilkunde und vervollkommnete
sich nach Ablauf der eigentlichen Universitätsstudien in diesem Zweige der
Medizin zu Halle unter Leitung seines Oheims, des bekannten Ophthalmologen
Alfred G., ließ sich dann in Berlin als Spezialist nieder und nahm nebenher
lebhaften Anteil an allen ärztlichen Standesinteressen, sodaß er als Mitglied
in die Berlin -Brandenburgische Ärztekammer gewählt wurde, von der ihm
auch die Mitgliedschaft des Ehrengerichts übertragen wurde.
Vgl. Virchows Jahresber. von 1902, I, p. 415. Pagel.
Bergson, Josef, Arzt und Privatdozent der Medizin, * am 9. November
181 2 zu Warschau, f am 13. September 1902, fast 90 Jahre alt, zu Berlin. —
B. besuchte das Gymnasium in Posen, studierte in Breslau und Berlin, hier
besonders als Schüler des bekannten Neurologen Romberg, erlangte die Doktor-
würde am 6. September 1837, ließ sich 1841 als Arzt in Berlin nieder und
habilitierte sich 186 1 als Dozent für innere Medizin an der Berliner Univer-
sität, in welcher Stellung er etwa bis zur Mitte der achtziger Jahre tätig war,
um dann in den Ruhestand zu treten. B. hat sich besonders durch seine
Publikation über »Das krampfhafte Asthma« (Nordhausen 1849; französisch:
Mailand 1853) einen Namen gemacht. Anderweitige wissenschaftliche Arbeiten
B.s betreffen »Die Beschneidung« (Berlin 1844); »Die medizinische Anwen-
dung der Ätherdämpfe« (ebd. 1847), die Brightsche Nierenerkrankung, die
Bronchialneuralgie und Vorschläge zur Verbesserung der Inhalationsapparate.
Vgl. Virchows Jahresber. von 1902, I, p. 411. Pagel.
Struck, Johann Heinrich, Generalarzt und erster Direktor des Reichs-
gesundheitsamts in Berlin, * 1825 zu Bergloh im Hannoverschen, f 7. Dezember
1902 zu Blankenburg am Harz. — Struck war anfangs Apothekerlehrling in
Paderborn, gab jedoch die pharmazeutische Laufbahn auf und entschloß sich,
zum Studium der Medizin überzugehen, zu welchem Zweck er die medizinisch-
chirurgische Akademie in Münster bezog, diente, nachdem er inzwischen die
Reifeprüfung abgelegt hatte, im Militärlazarett in Bielefeld, wurde mit Empfeh-
lung seines Regimentsarztes nachträglich in die militärärztlichen Bildungs-
anstalten in Berlin aufgenommen und studierte gleichzeitig an der dortigen
Universität. Hierauf trat er als Unterarzt in das Sanitätskorps ein, bestand
die Prüfung als Chirurg i. Klasse und wurde zum Assistenzarzt ernannt. Er
promovierte 1854 in Berlin, wurde 1857 approbiert, 1866 Stabsarzt, machte
<ien Feldzug von i870'7i mit, wurde 1872 Oberstabsarzt 2. Klasse und Re-
gimentsarzt beim Kaiser Franz-Garde-Grcnadier-Regiment. In dieser Stellung
Struck. Kübler. Kloeppel. Ijl
wurde er Leibarzt des Fürsten Bismarck und von ihm 1876 bei der Schöpfung
des Kaiserlichen Gesundheitsamtes mit dessen Leitung betraut. Infolgedessen
legte S. seine militärische Stellung nieder, blieb jedoch im Verbände des
Sanitätskorps und avancierte 1882 zum Oberstabsarzt i. Klasse, 1888 zum
Generalarzt 2., 1890 zum Generalarzt i. Klasse. 1884 trat S. von der Leitung
des Reichsgesundheitsamts zurück. S. hat sich um die Organisation dieses
Instituts große Verdienste namentlich dadurch erworben, daß er die »Ver-
öffentlichungen des K. Gesundheitsamtes« ins Leben rief, eine Zeitschrift,
welche neben den später begründeten »Mitteilungen aus dem K. Gesundheits-
amt« die eigentliche Quelle für die speziell von Koch und seiner Schule ge-
lieferten bakteriologischen Forschungsergebnisse noch heute bildet.
Vgl. Virchows Jahresber. von 1902, I, p. 426. Pagel.
Kübler, Paul, Oberstabsarzt, * 31. Januar 1862 zu Berlin, f ^t"^ einer
Ferienreise in Gaschum im Montaföhtale in Vorarlberg am 13. Juli 1902 am
Herzschlag. — K. war der Sohn des Direktors des Wilhelm-Gymnasiums und
wurde in der Königl. med.-chir. Akademie für das Militär ausgebildet, pro-
movierte 1884, war 1884 bis 85 Unterarzt in der Charit^, 1886 approbiert,
dann Assistenzarzt in Halle, Freiburg i. B., Berlin, Oldenburg, 189 1 Stabsarzt
in Berlin, seit 1892 zum Kaiserl. Gesundheitsamt kommandiert, 1894 bis 98
Regierungsrat dort, 1898 Stabsarzt in der Kaiser Wilhelm-Akademie, dem-
nächst im Kriegsministerium. K. war ferner 1887/88 und 1898 als Schüler
R. Kochs im hygien. Institut und Institut für Infektionskrankheiten beschäf-
tigt und seit 1899 in Berlin Oberstabsarzt und Regimentsarzt des 3. Garde-
Feldartillerie-Regiments. K., der in Freiburg i. B. seine letzte Ruhestätte
erhielt, hat sich als Referent in der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums
speziell um die Hygiene verdient gemacht. Er veröffentlichte: »Über die
Filtres Chamberland-Pasteur« (1888 Ztschr. f. Hyg. ; der Begriff des »Durch-
wachsens« von Bakterien durch Filterwände wurde zuerst in dieser Arbeit
festgestellt), femer in den Verhandlungen des Gesundheitsamtes: »Die Cholera
im Eibgebiete« und mehrere andere Arbeiten über die Cholera, mehrere Arbeiten
über Pocken und Impfung, besonders über die Dauer des Impfschutzes. K.
hatte den wesentlichsten Anteil an den vom Gesundheitsamt herausgegebenen
Publikationen »Gesundheitsbüchlein« und »Blattern und Schutzimpfung«, ver-
trat 1896 das Impfgesetz im Reichstage und veröffentlichte gemeinsam mit
Kirchner »Die Lepra in Rußland«, ferner: »Über den Milzbrand in gewissen
Gewerbebetrieben« (Roßhaarespinnereien und Pinselindustrie). K. wurde 1897
mit Kirchner im Auftrage der Regierung nach Rußland gesendet zu Ermitt-
lungen über die Lepra, er war an der Ausarbeitung verschiedener Gesetze und
Gesetzentwürfe (z. B. der Seuchengesetze) mitbeteiligt und hat insbesondere die
wissenschaftliche Begründung für die Verordnung des Reichskanzlers betr.
Maßregeln zum Schutze der Arbeiter in Roßhaarespinnereien, Bürsten- und
Pinselfabriken gegen Milzbrand geliefert.
Vgl. Virchows Jahresber. von 1902, I, p. 418. Pagel.
Kloeppel, Peter, Rechtsanwalt am Reichsgericht und Privatdozent an der
Universität Leipzig, * i. Juli 1840 zu Cöln a. Rh., f 5. März 1902 zu Leipzig.
— K. besuchte das Gymnasium zu Cleve, studierte 1857 — 60 zu Bonn die
9*
132 Kloeppel.
Rechte und ließ sich nach bestandenem Assessorexamen als Advokatanwalt
beim Landgericht zu Coblenz nieder, wo sein Vater Sekretär des Handels-
gerichts war. Im Jahre 1872 wurde er Anwalt am Oberappellationsgericht zu
Cöln, wo er sich lebhaft mit Politik zu beschäftigen begann. Bereits 1873
wurde er als liberaler Abgeordneter für den Wahlkreis Lennep-Solingen in
das Abgeordnetenhaus gewählt und 1874 für den gleichen Kreis auch in den
Reichstag, sodaß er seinen Wohnsitz nach Berlin verlegte. Hier gehörte er
einige Zeit der Redaktion der National-Zeitung und bis 1876 bezw. 1877 dem
Landtage und dem Reichstage an, der damals mit den großen Justizgesetzen
befaßt war. Nach Einführung der neuen Gerichtsverfassung (Herbst 1879) wurde
K. als Rechtsanwalt beim Kammergericht zugelassen, zog aber 1881 nach Jena,
um sich in größerer Ruhe wissenschaftlichen Arbeiten widmen zu können.
Unter Fortführung seiner rechtsanwaltlichen Tätigkeit habilitierte er sich im
Sommersemester 1882 an der Universität mit der Arbeit »Die Einrede der
Rechtskraft nach der deutschen Zivilprozeßordnung«, Berlin 1882, lieferte auch
Aufsätze für die Preuß. Jahrbücher, die Polit. Wochenschrift u. a. Ein größeres
Werk staatssozialistischer Tendenz veröffentlichte er 1887 u. d. T. »Staat und
Gesellschaft«, Gotha 1887, das eine Fortführung erhielt in der Schrift »Gesetz
und Obrigkeit. Zur Klärung des Staats- und Rechtsbegriffs«, Leipzig 1891.
Nach Bewerbung um- Zulassung am Reichsgericht siedelte er Ende 1887 nach
Leipzig über, habilitierte sich auch an der Universität und fand in dieser Lehr-
tätigkeit hohe Befriedigung. Nach Erscheinen des ersten Entwurfes zu einem
deutschen bürgerlichen Gesetzbuche veröffentlichte er Kritiken in der Juristi«
sehen Wochenschrift, arbeitete auch an den vom Vorstande des deutschen An-
waltsvereins herausgegebenen Gutachten aus dem Anwaltstande über den Ent-
wurf mit, lieferte Aufsätze für Gruchots Beiträge zur Erläuterung des deutschen
Rechts Bd. 32 — 34, Böhms Zeitschrift für internationales Privatrecht u. a. Ende
1893 wurde er zum kaiserl. Justizrat ernannt. Eine Frucht jahrzehntelanger prak-
tischer und wissenschaftlicher Beschäftigung war sein »Reichspreßrecht. Nach
Gesetz und Rechtsprechung für die Bedürfnisse der Rechtsanwendung wissen-
schaftlich dargestellt«, Leipzig 1894. Erfüllt von der hohen Bedeutung der Recht-
sprechung als selbständiger Kraft der Erzeugung wirklichen Rechts auch neben
der Gesetzgebung wies er auf Widersprüche in den Entscheidungen des Reichs-
gerichts mit den Grundgedanken des Reichsprozeßrechts und auf den engen
Zusammenhang zwischen Strafrecht und Preßgesetz hin, unterzog auch den
Unterschied der Rechts- und der Polizeistrafe einer näheren Erörterung. In
der ziemlich umfangreichen Einleitung zog er namentlich auch ausländisches
Recht zur Vergleichung heran. Besonderes Interesse brachte er der Ausbil-
dung junger Juristen und der damit in Verbindung stehenden Frage der Stellung
des deutschen Anwaltstandes entgegen, teils im Referate für den Anwaltstag
zu Mainz im Jahre 1899 (Jurist. Wochenschrift 1899 S.555 — 573, Beil.isff.), teils
in der Arbeit »Die Rechtsanwaltschaft an der Jahrhundertwende« (ebd. Jahrg.
1901). Ein größeres Werk »Dreißig Jahre deutscher Verfassungsgeschichte
1867 — 1897« wurde im i. Band (Leipzig 1900) bis 1877 durchgeführt. An der
Abschließung dieses Werkes sowie Inangriffnahme eines weiter geplanten über
allgemeine Rechts- und Staatslehre hinderte ein in letzter Zeit sich geltend
machendes Arterienleiden. Trotz dieses schweren Leidens versah K. seine Berufs-
pflichten in jeder Richtung auf das gewissenhafteste bis kurz vor seinem Tode.
Kloeppel. von Mandry. Ij^
Gef. Mitteilungen des Herrn Dr. E. Kloeppel in Elberfeld. — Gnichots Beiträge Bd.
28, 759. — Archiv f. öff. Recht VII, 589—591. — Zarnckes Lit. Centralblatt x888 Sp.
211 — 213; 1900 Sp. 1000. — Centralblatt f. Rechtswiss. VI 270 — 272; VIII 376— 382; IX
64. 199; X 58; XI 333. — Conrads Jahrbb. N. F. XV, 534: III. Folge V, 146. — Grün-
huts Ztschr. XI 647, XV 243. A. Teichmann.
Mandry, Gustav von, Württembergischer Staatsrat und Professor an der
Universität Tübingen, ♦ 31. Januar 1832 zu Waldsee in Württemberg, j" 30. Mai
1902 zu Tübingen. — M. war Sohn des fürstlich Wolfeggschen Domänen-
direktors Mandry zu Waldsee und bestand, nach Vorbildung auf dem Lyceum
zu Ravensburg und auf dem Gymnasium in Ehingen, 1849 die Maturitäts-
prüfung mit vorzüglichem Zeugnis. Nachdem er auf den Universitäten Heidel-
berg und Tübingen dem Rechtsstudium obgelegen, legte er 1854 die erste und
1855 die zweite Justizdienstprüfung ab, fand dann 1856 Verwendung im Staats-
dienste als Assistent bei dem Stadtgericht Stuttgart. Dann wurde er 16. Sep-
tember 1858 Gerichtsaktuar in* Waldsee, 15. März 1859 in den Zivilsenat in
Ulm versetzt, 15. Juli 1860 Ober Justizassessor in Stuttgart. Schon am 5. August
1861 wurde er ordentlicher Professor für römisches Recht in Tübingen, seit
1867 auch für württembergisches Privatrecht. 1872/3 war er Rektor der Uni-
versität. Im Jahre 1884 wurde er in die Reichskommission für den Entwurf
eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich berufen und gehörte
auch der Kommission für die zweite Lesung an. Erst 1896 kehrte er nach
Tübingen zurück und wurde im November zum Vorsitzenden der im württem-
bergischen Justizministerium zur Ausarbeitung eines Ausführungsgesetzes zum
BGB. niedergesetzten Kommission bestellt. Am 14. April 1899 erhielt er den
Titel eines Staatsrates. Gesundheitsverhältnisse veranlaßten ihn, um seine
Pensionierung einzukommen, welche ihm auch am 15. Juli 1900 in ehrenvoll-
ster Weise gewährt wurde. Am 10. Juni 1901 wurde er zum Mitgliede der
Kammer der Standesherren auf Lebenszeit ernannt. Seit 1885 war er Mitglied
des Staatsgerichtshofes gewesen. Seine Vorlesungen zeichneten sich durch
Klarheit und Übersichtlichkeit des dargebotenen Stoffes aus. Besonders ge-
schätzt waren seine praktischen Übungen, in denen er den Zuhörern das
juristische Denken beizubringen verstand. Mit hoher Wissenschaftlichkeit ver-
band er genaueste Kenntnis der praktischen Bedürfnisse, was ihn zu einem
hervorragenden Förderer des großen deutschen Gesetzgebungswerkes machte.
Sein Spezialgebiet war das Familienrecht; im Reichstage vertrat er auch diesen
Teil als Regierungskommissar. Bei ihm standen Herz und Geist in glück-
lichster Harmonie. Selbstlosigkeit und Bescheidenheit, sowie vornehme Denk-
weise zeichneten ihn aus. Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten sind zu
nennen: »Das Urheberrecht an literarischen Erzeugnissen und Werken der
Kunst«, Erl. 1867 — »Über Begriff und Wesen des Peculium« (Festschrift für
Wächter), Tüb. 1869 — »Das gemeine Familiengüterrecht«, 2 Teile, Tüb. 187 1
bis 1876 — »Das Grundbuchwesen in Württemberg« (in der Festgabe für
Albert Schaff le 1900, erweitert 1901). Sein bekanntestes und in der Praxis
unentbehrliches Werk »Der zivilrechtliche Inhalt der Reichsgesetze« (aus Bei-
trägen zu Bd. LIX und LX des Civilist. Archivs), Tüb. 1878, erschien 1882 in
zweiter, 1885 ^^ dritter Auflage, zuletzt in vierter Auflage von O. Geib be-
sorgt, Freib. 1898. Noch in hohem Alter begann er ein großes Werk »Das
134
von Mandn'. Martens.
württembergische Privatrecht« in 3 Teilen, Tüb. 1901 — 03 (abgeschlossen von
Dr. O. Heidlen). Seit 1879 war er an der Redaktion des Archivs f. civil. Praxis
beteiligt gewesen. Er hinterließ einen Sohn, der jetzt Spitalarzt in Heilbronn
ist, und einen zweiten, jetzt daselbst Landrichter, und eine Tochter, verheiratet
mit Prof. Dr. med. Hofmeister in Stuttgart.
Nekrolog d. Schwab. Kronik d. Schwab. Merkurs 2. Abt. 1902 Nr. 249 vom 2. Juni
1902 ■ — Gef. Mitteilung des Herrn Bibliothekars Dr. F. Thomae in Tübingen — Geheim-
rat Prof. Dr. G. Planck in Göttingen in der Deutschen Juristen-Zeitung 1902 S. 287 — Bei-
lage zur AUg. Ztg. 1902, II, 399 und 456 — Klüpfel, Die Universität Ttibingen in ihrer
Vergangenheit und Gegenwart, Lpz. 1877 S. 106, 130, 139 — Zamckes Lit. Centralblatt
1903 Sp. 1150 — Grünhuts Ztschr. V 628; VI 796; XI 625 — Centralblatt f. Rechtswiss.
XXI 5, 44, 231; XXII 343. A. Teichmann.
Martens, Wilhelm, Kirchenhistoriker, * 30. Januar 1831 zu Danzig,
t 27. März 1902 zu Klosterwald bei Ottobeuren (Schwaben). — M. war der
Sohn eines Rechtsanwalts. Nachdem er in Berlin, Bonn und Halle die Rechte
studiert hatte, promovierte er mit der Arbeit *De legato debiti* 1852 zu Halle,
wurde 1855 Privatdozent der Rechte in Berlin und veröffentlichte eine Arbeit
»Über Konkurrenz und Kollision der römischen Zivilklagen«, Lpz. 1856. Im
Jahre 1857 zur katholischen Kirche übergetreten, studierte er in Münster die
Theologie, wurde 1860 Priester in Pelplin, in Münster mit der Arbeit »De
formula concordiae^ Dr. theol., nach kurzer Zeit als Vikar zu Oliva bei Danzig
Professor der Kirchengeschichte und des Kirchenrechts in Pelplin, 1864 De-
fensor matrim., 1865 Exam, prosynod., Februar 1868 Spiritual und am i. Okto-
ber dieses Jahres Direktor des Seminars. Diese Stelle legte er am i. Juli 1883
infolge der ihm unrichtig erscheinenden Opposition der Bischöfe gegen die
preußischen Kirchengesetze nieder, zog sich privatisierend nach Oliva zurück,
wo er sich eingehenden kirchengeschichtlichen Studien widmete. Eine ihm
zugedachte Berufung für Kirchengeschichte an die kathol. theol. Fakultät in
Breslau lehnte er ab. Durch große Gutmütigkeit verlor er nach und nach
sein nicht unbeträchtliches Vermögen, nahm deshalb (gegen 1895) eine Stelle
als Seelsorgegeistlicher am Stift der Englischen Fräulein in Klosterwald an.
Seine bedeutendsten Werke sind »Die Beziehungen der Überordnung, Neben-
ordnung und Unterordnung zwischen Kirche und Staat. Historisch-kritische
Untersuchungen mit bezug auf die kirchenpolitischen Fragen der Gegenwart^ ,
Stuttg. 1877 und »Gregor VII., sein Leben und Wirken«, Lpz. 1894 2 Bände.
Daneben sind erwähnenswert »Die römische Frage unter Pippin und Karl
dem Großen«, Stuttg. 188 1. »Neue Erörterungen über die römische Frage-,
Stuttg. 1882. »Die Besetzung des päpstlichen Stuhles unter den Kaisern
Heinrich III. und Heinrich IV.«, Freib. 1886. »Heinrich IV. und Gregor VII.
nach der Schilderung Rankes«, Danzig 1887. »DasVaticanum und BonifazVIII.-',
Münch. 1888. »Die falsche Generalkonzession Constantins«, ebd. 1889. »War
Gregor VII. Mönch?«, ebd. 1891. »Beleuchtung der neuesten Kontroverse über
die römische Frage unter Pippin und Karl dem Großen«, ebd. 1898. Seine
letzten lesenswerten Schriften waren »Vier kleine Aufsätze zur Musik und
Dichtkunst«, Münch. 1898 und »Vademecum für die deutsche Jugend, ausge-
wählte Gedichte von Eichendorff, Uhland und Reinick«, ebd. 1901.
Gef. Mitteilungen der Herren Professoren Heiner in Freiburg und Ograbiscevski in
Pelplin — Zamckes lit. Centralblatt 1878 Sp. 358; 1895 Sp. 243; 1898 Sp. 1288 — Archiv
Martens. Maurer.
135
f. kathol. Kirchenrecht VIII 201 — 207 (dazu notgedrungene Erklärung in Ztschr. f. Kirchen-
recht XX 334); XIX 349; LVIII 355; LX 365 ; LXXIII 475 — Deutsche Ztschr. f. Kirchen-
recht V 168 — Sybels hist Ztschr. XLVII 32; LIV 345 — Keiters kathol. Literaturkalender,
umbearbeitet von Dr. Jos. Jörg. Sechster Jahrgang, Essen a. d. Ruhr 1902 S. 194 —
V. Schulte, Gesch. d. Quellen und Literatur des canonischen Rechts III (1880) S. 428 —
Beilage zur Allg. Zeit. 1902, II, 16 — Deutsche Literaturzeitung XVII Sp. 1357, 1360;
XX Sp. 1318— 1322. A. Teichmann.
Maurer, Konrad, der hervorragendste deutsche Forscher auf dem Gebiete
der nordischen Rechts-, Staats- und Kirchengeschichte, ♦ am 29. April 1823
zu Frankenthal (Rheinpfalz), f am 16. September 1902 zu München. — M.
war der einzige Sohn des damaligen Staatsprokurators, späteren berühmten
Rechtshistorikers und bayrischen Staatsmannes Georg Ludwig von Maurer
(1790 — 1872, vgl. A. D. B. 20, 699 — 706). Der Vater folgte 1826 einer Be-
rufung für deutsches Privatrecht, französisches Recht und deutsche Reichs-
und Rechtsgeschichte an die Universität München und verbrachte etwa ein-
einhalb Jahre (1833 — 34) als Regentschaftsrat des minderjährigen Königs Otto
von Griechenland in Athen, in welcher Zeit er emsig für die Abfassung der
berühmten griechischen Gesetzbücher tätig war. Nach der Rückkehr in die
Heimat besuchte Konrad ein Münchener Gymnasium, an dem er durch den
Philologen Leonhard v. Spengel (wie* später auch auf der Universität seit 1839)
die Schulung empfing, die es ihm ermöglichte, auf gründlichster philologischer
Grundlage sich dem Rechtsstudium zu widmen. Zu diesem wurde er hin-
geführt durch Albrecht in Leipzig (1840) und dann in Berlin durch Homeyer
und Karl von Richthofen, während er bei Jakob Grimm deutschsprachliche
Studien betrieb. Nach kurzer praktischer Ausbildung bestand er 1844 die
juristische Staatsprüfung. Naturwissenschaftliche Studien, zu denen ihn der
Onkel, der Heidelberger Chemiker Gmelin, angeregt hatte, ließ er fallen und
betrat, gehorsam dem Willen des Vaters, sehr gegen seinen eigenen Willen
die akademische Laufbahn. Trotz der großen Erfolge, die er sehr bald auf
diesem Gebiete errang, konnte er sich bei seinem schwermütigen Temperament,
das ihm von der Mutter (f 183 1) überkommen, später nur selten glücklich
fühlen, was ihm das Leben sehr verbitterte. Schon 1846 schrieb er eine auch
heute noch wertvolle Inauguralabhandlung »Über das Wiesen des ältesten Adels
der deutschen Stämme, in seinem Verhältnis zur germanischen Freiheit« und
wurde 1847 ^""^ außerordentlichen Professor für deutschrechtliche Fächer,
dann auch Staatsrecht, an der Münchener Universität ernannt. Diese Fächer
hat er auch längere Zeit mit Eifer vertreten, wenn auch durch den Einfluß
von Jakob Grimm und Werke, wie »Das Strafrecht der Germanen« von Wilda
(Halle 1842) u. a. sein Blick sofort auf die noch wenig erforschten nordischen
Rechtsquellen hingelenkt wurde, die damals erst allmählich in brauchbaren
Ausgaben veröffentlicht wurden, aber mangels irgend genügender sprachlicher
Hilfswerke schwer benutzbar waren. Doch zogen ihn gerade diese unge-
bahnten Wege mächtig an, da diese Vertiefung in unzählige Schwierigkeiten
ihn von dem Kummer befreien konnte, der ihn nach und nach fast krank-
haft belastete, weil er sich vielmehr zum praktischen Juristen oder Verwaltungs-
beamten berufen erachtete, wie er denn auch eine solche Befähigung in
seinen Schriften und in seiner Verwaltungstätigkeit für die Ökonomie der
136
Maurer.
Universität hinlänglich bewiesen hat. Mit staunenswerter Arbeitskraft, wie sie
nur bei einem stets von höchstem Pflichtbewußtsein beherrschten Manne von
kräftigster Konstitution möglich war, errang er sich in jahrelanger, emsigster
einsamer Arbeit, fern den nordischen Archiven und den dort forschenden
Gelehrten, eine Kenntnis des dort vorliegenden Materials, die ihn sehr bald
über Mitstrebende emporheben mußte. Schon sein erstes größeres Werk war
dem Lande gewidmet, mit dem sein Name auf immer ruhmreich verknüpft
bleiben wird, jenem eigenartigen isländischen Staatswesen, das uns, ab-
weichend von sonstigen Vorkommnissen, von Anbeginn an in voller Tages-
helle der Geschichte auf gleichfalls erhelltem Untergrund entgegentritt:
»Die Entstehung des isländischen Staats und seiner Verfassung«, München
1852 (I. Heft der »Beiträge zur Rechtsgeschichte des germanischen Nordens«),
für die Kirchenverfassung erweitert fortgeführt in dem zweibändigen Werke:
»Die Bekehrung des norwegischen Stammes zum Christentum in ihrem ge-
schichtlichen Verlaufe quellenmäßig geschildert«, ebd. 1855/56, einer durchaus
selbständigen Forschung, bei der ihm nur nach und nach der Anfang des
großen Werkes von P. A. Munch, Dct norske Folks Historie (I, II, 1852) be-
kannt wurde. Schon im ersten Teile fesselt die Charakterisierung der ersten
norwegischen Könige, Haakons des Guten und der beiden Olafe, während
der zweite Teil in einem aus unendlich vielen kleinen Zügen und feinster
Beobachtung zusammengesetzten Totalbilde das norwegische Heidentum und
die ältesten norwegischen Christen mit voller Gerechtigkeit für jenes und für
die mittelalterliche Kirche schildert. Das Werk von 1852 erschien 1882 in
isländischer Übersetzung. Wichtige Arbeiten anderer Richtung dieser Jahre
sind die »über angelsächsische Rechtsverhältnisse« in Anschluß und in Kritik
von Kemble, -»The Saxons in England<i^ (in der Krit. Überschau I 47 — 120,
II 30 — 68, 388 — 440, III 26 — 62, dazu später Beiträge und Rezensionen in
Kölbings engl. Studien IV, XVIII, XXIII) und »das Beweisverfahren nach
deutschen Rechten« (Krit. Überschau V, 1850, 259, 332 — 393), auch Artikel
im Staatswörterbuch von Bluntschli und Brater Bd. I (Acht, Autonomie) II
(Deutscher König), III (Ehre, Ehrlosigkeit, Erbgüter, Familie), IV (Grundherr-
schaft), V (Haus, Hausfriede, Haussuchung, Island, Karl der Große), VI
(Landeshoheit), sowie die Artikel Halitgar, Island und Norwegen in Herzogs
Realenzyklopädie.
Im Jahre 1855 zum ordentlichen Professor befördert, trat er 1856 zum
erstenmal als treuer Freund des isländischen Volkes in seinem Kampfe um
politische Selbständigkeit in die Schranken (Allgem. Ztg. 1856 vom 2., 10.
und II. Oktober) und bereiste in Gesellschaft des Geographen Winkler — der
die Reise in seinem Werke »Island, seine Bewohner, Landesbildung und vul-
kanische Natur«, Braunschw. 1861, schilderte — 1858 auf kleinem Fjordpferde
Island nach allen Richtungen. Der Sprache völlig mächtig, erfuhr er die
liebenswürdigste Gastfreundschaft bei Gelehrten, Amtsleuten und Bauern.
Seitdem wandte sich die innigste Liebe des Volkes ihm zu, da er dessen
Sache auch weiter verfocht. Diese Arbeiten (aus Sybels bist. Ztschr. I 449 — 498,
II, I — 51, Allgem. Zeitung 1870, 1874) gab er unter dem Titel »Zur politischen
Geschichte Islands«, Leipzig 1880, heraus, welchem Werke 1874 als Fest-
schrift zum Tausendjahrfest das auch heut noch umfassendste und unüber-
troffene Werk »Island von seiner ersten Entdeckung bis zum Untergange des
Maurer.
137
Freistaates«, vorangegangen war. Als Frucht jener Reise erschien eine Aus-
gabe der Gullthorissage, Leipzig 1858 (jetzt ersetzt durch die von Kälund)
und als Zeichen seines tiefen Verständnisses für die Volkskunde »Isländische
Volkssagen der Gegenwart«, Leipzig 1860, die er großenteils unmittelbar aus
mündlicher Überlieferung sich aufgezeichnet hatte. Ihm ist es zu danken,
daß 1862 — 64 eine reiche Sammlung solcher Sagen und Märchen, veranstaltet
von zwei Isländern, erscheinen konnte (vgl. dazu Germania Bd. VII und IX,
auch XIV und den Aufsatz »Zur Volkskunde Islands« im i. Bd. der Ztschr, des
Vereins für Volkskunde, sowie den Beitrag in der Bavaria I, i über bayrische
Volkssagen). Ausgerüstet mit feinem Sprachgefühl für die Unterschiede nor-
wegischer und isländischer Rechtsausdrücke vermochte er die nunmehr an
den Tag tretenden altnordischen Wörterbücher aus eigener Sammlung zu er-
gänzen und zu berichtigen (vgl. Anz. f. Kunde d. deutschen Vorzeit 1863,
Germania XII, Allgem. Ztg. 1870 Beil. 6/7, Krit. Vierteljahresschrift 1886) und
sich der nordischen Rechtsgeschichte und Quellenkritik zuzuwenden, indem
er seit 1868 sich auch in den Vorlesungen ausschließlich mit nordischem Recht
beschäftigte, nachdem ihm mit Zustimmung der Universitätsbehörden eine in
Deutschland einzig dastehende Stellung als Lehrer dieser Fächer eingeräumt
worden war. Es waren Vorlesungen für werdende Professoren, nicht für Stu-
denten; in ihnen wurden viele der bedeutenden Juristen, Historiker und Philo-
logen jüngerer Generation ausgebildet oder angeregt, denen die Fortschritte
neuester Zeit auf dem Gebiete der nordischen Rechtsgeschichte und der Philo-
logie mit zu verdanken sind. Sie fesselten auch sprachlich durch wundervolle
Klarheit und völlige Beherrschung des weitschichtigen Materials, das in mühe-
vollster Sichtung nach vielfacher Durcharbeitung und Neugestaltung schließlich
eine abschließende Form gewann. An der Spitze glänzender Einzelunter-
suchungen steht (1864) die Abhandlung über die Graagaas (in der Enzyklopädie
von Ersch und Gruber, Bd. 77, S. i — 136). Die Lebensarbeit M.s hat diese Frage
der endlichen Lösung nahe geführt. Es folgten »Die Entstehungszeit der
älteren Gulathingslög« 1872 (Abhandl. d. kgl. bayr. Akad. Klasse I Bd. XII,
97 — 170), ebenso der »Frostuthingslög« 1875 (ebd. XIII i — 84, dazu über die
Einteilung derselben in Norsk Hist. Tidskrift 2. R. 16 B. Seite 203 — 235) —
»Studien über das sog. Christenrecht K. Sverrirs« (in Bartsch, Germ. Studien
I (1872) S. 57 — 76, dann in der Festgabe für v. Spengei 1877) — »Das
älteste Hofrecht des Nordens« (Festschrift für Upsala) 1877 — »Gulathing«
und »Gulathingslög« in Ersch und Gruber Bd. 96 S. 377 — 418, Bd. 97 S.
I — 74 mit Schilderung der ganzen nordischen Thingverfassung und Gesetz-
gebung — »Die Eingangsformel der norwegischen Rechts- und Gesetzbücher«
(Sitz.-Ber. 1886 S. 317 — 358). Einen trefflichen Überblick über die Geschichte
der nordgermanischen Rechtsquellen brachte 1872 die Enzyklopädie der
Rechtswissenschaft von v. Holtzendorff (in 5. Aufl. 1890 S. 351 — 385, durch
Ebbe Hertzberg erweitert in Übersetzung Christiania 1878, im isländischen
Abschnitte 1899 herausgegeben). Für die innere Rechtsgeschichte sind zu
nennen: »Das Alter des Gesetzsprecheramtes in Norwegen« (Krit. Yschr. 1868
S. 374 — 381 und Festgabe für Arndts 1875 S. i — 69) — »Die Rechtsrichtung
des älteren isländischen Rechts« (Festgabe für Planck 1887 S. 119 — 149) —
»Das angebliche Vorkommen des Gesetzsprecheramts in Dänemark« (Sitz.-Ber.
1887 II, 363 — 398) — Arbeiten über prozeßrechtliche Schriften voh Hertzberg,
1^8 Maurer.
V. Amira und Kempe in der Krit. Vschr. XVI 82 — 108, XVIII 32 — 77,
XXVIII 80 — 88 — »Das Verdachtszeugnis des altnorwegischen Rechtes«
(Sitz.-Ber. 1883 S. 548 — 592) — »Beitrag zur Lehre vom Tak« (Tidskrift for
Retsvidenskab 1887 I 308 — 321). Dem Personen- und Familienrechte gehören
an: »Die Berechnung der Verwandtschaft nach altnorwegischem Rechte« (Sitz.-
Ber. 1877 S. 235 — 253) mit Nachweis einer national-norwegischen Sippezählung
— »Die Schuldknechtschaft nach altnorwegischem Rechte« (ebd. 1874 S. i — 47)
— »Die Freigelassenen nach altnorwegischem Rechte« (ebd. 1878 I 21 — 88)
mit Darlegung des Gegensatzes vollständiger und unvollständiger germanischer
Freilassung — »Die norw. Höldar« (ebd. 1889 S. 169 — 206, dazu Arkiv for
nordisk Filologi VI 272 — 280) — »Die ärmenn des altnorwegischen Rechtes«
(ebd. 1879 I, 49 — 138) mit Schilderung der ältesten Entwicklungsphase des
Vogteiinstituts — »Die unechte Geburt nach altnordischem Rechte« (ebd.
1883 S. I — 86) wichtig für die Geschichte des Erbrechts — »Zur Urgeschichte
der Gotenwürde« (in Ztschr. f. d. Philol. IV 125 — 130). Dem Kirchenrechte
dienen die Besprechung des Werkes von Absalon Taranger »Den angelsaksiske
Kirkes Indflydelse paa den norske« in der Norsk Hist. Tidskr. 3. R. 3. Bd.
I — 113 (1893), eines Werkes von Pj^tur Pj^tursson über isländisches Kirchen-
recht (Krit. Vschr. VII 160 — 240, 382 — 431, 537 — 560 und XXXV 251 — 270)
— »Über den Hauptzehnt einiger nordgermanischer Rechte« (Abhandl. der
Akad. XIII, II 113 — 301) mit gründlichster Behandlung der Geschichte des
norwegischen Testamentrechts im Mittelalter — »Norwegens Schenkung an den
heiligen Olaf« (ebd. XIV 65 — 156) — »Die Wasserweihe des germanischen
Heidentums« (ebd. XV) — »Über die norwegisch-isländische gagnföstur« (Sitz.-
Ber. 1881 II, 225 — 268) — »Das Bekenntnis des christlichen Glaubens in den
Gesetzbüchern aus der Zeit des K. Magnus Lagaboetir« (ebd. 1892, S.
537-^581). In den zuletzt genannten Schriften ist ein lebendiges und w^armes
Interesse für christliche Kirche und Glauben zu verspüren ; vom Vater in kal-
vinistischer Richtung angeregt, sah er sein religiöses Vorbild in der schotti-
schen Kirche und war jedenfalls dem Konfessionalismus abgeneigt, eine treue
Stütze für die evangelische Gemeindepflege Münchens. Die glücklichste Zeit
seines Lebens dürfte der Aufenthalt in Christiania vom Januar bis Mitte
Mai 1876 gewesen sein. Er folgte damals einer ehrenvollen Einladung der
leitenden Kreise und hielt dort mit großem Beifall Vorlesungen seines Faches.
Man setzte alles daran, ihn für Christiania zu gewinnen; aus Familienrück-
sichten glaubte er diesen Antrag ablehnen zu müssen. Für ihn war dies be-
dauerlich. Denn man kann annehmen, daß er in engster Berührung mit den
nordischen Gelehrten und in Benützung archivalischer Schätze, die er in einsamer
Studierstube mitten in seiner großen Bibliothek in München doch nur aus zwei-
ter Hand verwerten konnte, am Orte selbst ein ihn befriedigenderes Dasein ge-
funden hätte. Jedenfalls war er bei seinem sonst fast völligen Abschlüsse von
der Beteiligung am öffentlichen Leben stets erfreut, wenn er Männer des Nordens
in seinem durch die treffliche und ihn verstehende Gattin (Valerie v. Fauthaber,
mit ihm 1858 vermählt) traut gestalteten Heim der Schellingstraße gastfreundlich
aufnehmen konnte. — Aus seiner weiteren ausgedehnten wissenschaftlichen
Tätigkeit sei dann Erwähnung getan der bis zum Lebensende reichenden
Beschäftigung mit der Sagaliteratur des Nordens in ihrer Bedeutung als Ge-
schichtsquelle oder als Dichtwerk. Die erste Arbeit hierüber lieferte er 1867
Maurer.
139
in der bekannten großen Abhandlung »Über die Ausdrücke altnordischer, alt-
norwegischer und isländischer Sprache« (Abh. d. Akad. XI I, 1868 S. 457 — 706)
mit ihren 72 Exkursen, worauf er noch in hohem Alter — 1895 — 96 in den
Arbeiten »Zwei Rechtsfälle in der Eigla« (Sitz.-Ber. 1895 S. 65 — 124) und
»Zwei Rechtsfälle aus der Eyrbyggja« (ebd. 1896 S. 3 — 48) — zurückkam. Das
Resultat seiner Untersuchungen war eine stets größere Skepsis rücksichtlich
des Wertes der Sagas als Geschichtsquelle. Im Gegensatze zu Männern wie
Carlyle, Munch, Keyser u. a., die der Phantasie die Zügel schießen ließen
und vielfach mit Hypothesen sich abgaben, vertrat er eine nüchterne, mit
dem Mikroskop redlichst forschende Richtung, um schließlich die Entwick-
lung der Institute in richtiger historischer Perspektive sehen und darstellen
zu können. So fühlte er sich vielmehr zu der trockenen Haakon Haakonssöns
Saga, als anderen poetischeren Schöpfungen hingezogen, so auch vornehmlich
zu Männern wie Schlyter und Brandt. Den historischen Roman hielt er für
Urkundenfälschung. Sein nordischer Liebling war Ari der Weise, dessen
schlichte Zuverlässigkeit gegenüber der glänzenderen Leistung Snorris,
den er schon in der Studentenzeit mit dem norwegischen Architekt Peter
Holtermann in der Übersetzung von Aall (1838) kennen gelernt hatte, ihn
immer von neuem anzog (vgl. Germania Bd. XV 291 — 321 und XXXVI 61 — 96,
die akadem. Abhandlung über die Hoensathorissaga in den Abh. XII, 2
S. 159 — 216 und über die Huldarsaga ebd. XX 223 — 321). Wertvoll sind
sodann sein Beitrag über Grönland im Mittelalter und Wiederentdeckung
Ostgrönlands in dem Werk »Die zweite deutsche Nordpolfahrt unter Führung
von Koldewey«, Leipzig 1873 Bd. I — »Islands und Norwegens Verkehr mit
dem Süden vom 9. bis 13. Jahrhundert« (Ztschr. f. deutsche Philol. II) und die auf
Geographie und Geologie Islands bezüglichen Besprechungen der Jahre 1897 — 99
in den Verh. d. Gesellsch. f. Erdkunde in Berlin XXIV, XXV und in Peter-
manns Mitteilungen. Besondere Erwähnung verdienen endlich seine vielen
Nekrologe ihm näher oder femer gestandener Gelehrten, so über Wilda (Krit.
Überschau IV, 380 — 394) — Rydquist (Germania XXIII, 373 — 8) — Sigurdsson
(Allgem. Ztg. 1880, Beil. 41) und Asbjörnsen (ebd. 1885, Beil. 53) — Arnason
(Ztschr. f. deutsche Philol. XXI, 470 — 472) — Vigfusson (ebd. XXII, 213 — 219)
— Möbius (ebd. XXIII, 457 — 462 und Arkiv f. nord. Fil. VII, 191 — 195) —
Reeves (ebd. XXIV, 142) — Fritzner (ebd. XXVII, in — 114) — Keyser (Krit.
Vschr. X, 360 — 404, XI 403—410) — Albrecht (ebd. XIX, 181 — 189) — Schlyter
(ebd. XIII 51—89, XX 442—446, XXXI 337—350) — Brandt (ebd. XXXIV
1—8) — Finsen (ebd. XXXV i — 10) und Aubert (ebd. XXXVIII 327—334).
Solche Leistungen fanden natürlich auch ihre Würdigung durch zahlreiche
Ehrenbezeigungen. Seit 1865 gehörte er der bayerischen Akademie der Wissen-
schaften an, wurde später Mitglied der Wiener und der Berliner Akademie
und aller nordischen gelehrten Gesellschaften, war Ritter hoher bayrischer
Orden, seit 1875 auch des Maximiliansordens, sowie solcher der nordischen
Reiche, erhielt auch den Adels- und den Geheimratstitel (1892). Alle diese
Auszeichnungen ließ er über sich ergehen, forderte aber strengstens von seinep
Freunden die Weglassung des »von«, denn er war stolz auf seine Herkunft
(von den Großeltern des Vaters her) aus dem Bauernstande, verkehrte gern
als Mitglied der bayrischen Kreisregierung mit den Repräsentanten der
wackem Bauern des Oberlandes, die er von seinen Wanderungen in den
140
Maurer.
Bergen kannte, und fühlte sich deshalb auch stammesverwandt mit der nor-
dischen Bauembevölkerung alter und neuer Zeit. Niemals drängte er sich
vor und lehnte durchaus die ihm angetragene Rektorwürde ab und übte im
stillen die edelste Wohltätigkeit aus. Seiner vornehmen Gesinnung entsprach
im wissenschaftlichen Meinungsstreit allein Sachlichkeit. Keine Stunde wurde
trotz tiefgreifender Verschiedenheit der Auffassung in isländischen Fragen
sein freundschaftlicher Verkehr mit Finsen gestört. Er war eine echt ger-
manische Natur in seiner Liebe für Betätigung der Körperkraft auch im
akademischen Waffenspiel, ein treuer Freund seines Volkes und seiner politischen
Erhebung, aber unangenehm berührt von der Art, wie Deutschlands Größe
geschaffen wurde, da er hierin öfters »das Gesetz« verletzt glaubte. Eine
seiner letzten frohen Stunden brachte ihm wohl die Ehrung durch frühere
Zuhörer zum 70. Geburtstage in ihrer Festschrift »Germanistische Abhandlungen«
von Brenner, Dahn, Gareis u. a., Göttingen 1893, mit Porträt. Dann wurde
es immer einsamer und stiller um ihn; Arbeit und Briefwechsel mußten wegen
Kränklichkeit eingestellt werden, das Ende wurde mit Sehnsucht erwartet.
Von seinen akademischen Verpflichtungen seit dem 19. Mai 1888 entbunden,
war er schließlich dem Gedächtnis vieler Mitlebenden wohl schon entschwunden,
als man von seinem Hinschied am 16. September 1902 erfuhr. Er war — wie
Golther sagt — durch das Leben geschritten »als ein Abbild Odins, der als
Wanderer mit weisem Rat und kluger Rede bei den Menschen zu Gaste
kommt«. Jetzt lag er mit edelgeformtem, ausdrucksvollem Haupt in schnee-
weißem Bart und Haar, das einst so klar und oft schalkhaft blitzende Auge
geschlossen, auf der Totenbahre, »auf seinem Antlitz ein mächtiger Frieden,
wie wenn ein großer Held in schwerer Not den Sieg errungen hat und nun
ruht« (E. Mayer).
W^as er mit seinem Vater den Freunden gewesen, hat Alois Brinz, dessen
Gewinnung für die Jurisprudenz wir jenem danken, in seinem, dem Vater
gewidmeten Nekrologe in der Allg. Deutschen Biogr. sehr bezeichnend dahin
ausgedrückt: »In Konrad M. hat aber jeweilen einer, der keine gleich sichere
Vorschule, keine gleich bildsame Umgebung, keine gleich bewußte Festigkeit
des Wesens mit sich brachte — ohne Ansehen von Geburt und Stand —
noch in jungen Jahren seinen Freund, eine Stütze im Leben und sein Vorbild
im Denken und Handeln gefunden und dankt dem Geschicke, das dieses
Geschlecht in die Isarstadt verpflanzt hat«. — Seine Ruhestätte fand er auf
dem südlichen alten Kirchhofe. Von seinen Söhnen war einer in Würzburg
Privatdozent für Geschichte, von den beiden noch lebenden ist einer Offizier
in Ulm, der andere Professor der Mathematik in Tübingen.
Gedächtnisrede von Ebbe Hertzberg (im Arkiv for nordisk Filologi XIX, 262 — 272)
— Konrad von Maurer. Gedächtnisrede, gehalten in der öffentlichen Sitzung der K. B.
Akademie der Wissenschaften zu München am 25. November 1903 von Karl v. Amira.
München 1903, Verlag der K. B. Akademie — VV. Golther in der Ztschr. für deutsche
Philologie XXXV, 59 — 71 mit übersichtlichem Schriftenverzeichnis — Ernst Mayer in der
Ztschr. d. Savignystiftung, Bd. 24, german. Abt. V — XXVII — Karl Lehmann in Seeligers
hist. Vierteljahrsschrift V, 589 — 592 — Philipp Zorn in der Beilage d. Allgem. Ztg. 1902,
(^m 535) IV 193—195 — Dr. Max van Vleuten in der Krit. Vierteljahresschrift XLV, l — 26
mit ausführlichem Schriftenverzeichnis — Absalon Taranger in der Tiäskrifi for Rcts^
vidcnskab XVI, i — 17 (mit gleichem Verzeichnis). — Der von Herrn K. von Rozycki in
Pasing verfaßte Katalog der Bibliothek von Konrad M. (München 1903, Druck der K. B.
Maurer, von Buol-Berenberg. I4I
Hof- und Universitätsbuchdruckerei von Junge u. Sohn in Erlangen, mit Porträt) umfaflt im
I. Teile 304 Seiten, im II. (nordischen) Teile 106 Seiten (zirka 9000 Nummern) und bringt
das Verzeichnis von van Vleuten. . Die Bibliothek — dem Wunsche des Verstorbenen
gemäß verkauft — ist jetzt Eigentum der Harvard Univcrsiiy, A. Teichmann.
Buol-Berenberg, Rudolf Freiherr von, Grofih. Bad. Oberlandesgerichtsrat,
Präsident des Deutschen Reichstags, * 24. Mai 1842 zu Zizenhausen in Baden,
einer Besitzung seiner Familie, f 4. Juli 1902 zu Baden-Baden. — Auf dem
väterlichen Gute durch Privatunterricht vorbereitet, durchlief v. B. alle Klassen
des Gymnasiums in Konstanz und bezog sodann im Jahre 1860 die Univer-
sität Freiburg im Breisgau, wo er sich dem Studium der Rechtswissenschaft
widmete, das er in München und Heidelberg fortsetzte. Nach Ablegung der
beiden juristischen Prüfungen war er von 1870 an in Mannheim zuerst als
Amtsrichter, sodann seit 1876 als Kreis- bezw. Landgerichtsrat tätig. Seine
streng katholische Gesinnung machte sich in seiner Beteiligung am politischen
Leben geltend. Bei dem Versuch, im ersten badischen Reichstags- Wahlkreis
ein Mandat zu gewinnen, unterlag er im Jahre 1881 dem nationalliberalen
Gegenkandidaten. Dagegen wurde B. im gleichen Jahre im Wahlbezirk Wert-
heim-Walldürn in die zweite badische Kammer gewählt, in welcher er sich
der katholischen Volkspartei anschloß. Im Jahre 1884 wurde er als Bewerber
der Zentrumspartei im badischen Wahlkreise Tauberbischofsheim — Wertheim
in den Reichstag gewählt. Den Verpflichtungen, die ihm beide Mandate auf-
erlegten, kam er mit großem Eifer und nie ermüdendem Pflichtgefühle nach.
Daneben war er auch im Vereinsleben sehr tätig und besuchte regelmäßig
die Katholikenversammlungen. Durch seine Wahl zum Präsidenten der in
Koblenz stattfindenden Versammlung wurde B. in den weitesten Kreisen der
Zentrumspartei bekannt. Ein hochgewachsener stattlicher Mann mit klang-
voller Stimme und markiger Redeweise war er eine besonders geeignete Per-
sönlichkeit zur erfolgreichen Leitung von Massenversammlungen. Als Ver-
treter der Zentrumspartei wurde ihm auch im Deutschen Reichstag die Würde
des ersten Vizepräsidenten zuteil. Als am 23. März 1895, da sich das Zentrum
der Huldigung für Bismarck entzog und infolgedessen der erste Präsident des
Reichstags, v. Levetzow, seine Stelle niederlegte, übernahm B. den Vorsitz.
Wenige Tage darauf wurde er zum Reichstagspräsidenten gewählt. Er ent-
sprach den auf ihn gesetzten Erwartungen durch Kaltblütigkeit, Entschiedenheit
und strengste Objektivität in Leitung des Reichstages. Es fehlte gerade in
den darauf folgenden Jahren nicht an stürmischen Verhandlungen, insbesondere
bei der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches, bei denen Abänderungs-
anträge in hoher Zahl eingebracht wurden, so daß es der ganzen Ruhe und
Bestimmtheit des Präsidenten bedurfte, um durch dieses Chaos den richtigen
W'eg zu finden und der Versammlung zu bahnen. Ein Hindernis, das sich
hierbei sehr oft störend erwies, war eine sich nach und nach sehr erheblich
erhöhende Harthörigkeit des Präsidenten. Die Überanstrengung dieser Tagung
wurde schließlich auch für seine starke Natur zu gewaltig. Er behauptete
seinen Vorsitz bis zur Annahme des Bürgerlichen Gesetzbuches und zum
Schlüsse des Reichstages von 1898. Dann aber brach B. zusammen. Das ihm
in diesem Jahre übertragene Amt eines Rates am Oberlandesgericht konnte
er nicht mehr antreten. Ein schweres Nervenleiden befiel ihn, dem er nach
1^2 ^'^^ Buol-Berenberg. Bingner.
langer mit Geduld und Ergebung getragener Krankheit erlag. Die treueste
Pflegerin stand ihm in seiner Gattin Elisabeth geb. von Savigny zur Seite,
die aber schließlich der schweren Aufgabe nicht mehr gewachsen war und
ihm durch den Tod entrissen wurde. Kurze Zeit nachher starb B. mit Hinter-
lassung einer Tochter, die bis zuletzt noch die einzige Freude seines ge-
brochenen Daseins war. Die Zentrumspartei verehrte in ihm einen ihrer
treuesten und entschlossensten Führer, aber auch jene, die seine politischen
und kirchlichen Ansichten nicht teilten, erkannten seinen edeln vornehmen
Charakter und seine durch die Kämpfe des Parteilebens ungetrübte Vater-
landsliebe an. v. Weech.
Bingner, Adrian, Senatspräsident am Reichsgericht, * 26. September 1830
zu Karlsruhe in Baden, f 8. Mai 1902 zu Leipzig. — Nachdem B. das Lyceum
seiner Vaterstadt von 1839 bis 1848 besucht und als einer der besten Schüler
absolviert hatte, bezog er die Universität Heidelberg, um sich dem Studium
der Rechtswissenschaft zu widmen, das er in Berlin fortsetzte. Am 9. De-
zember 1852 erwarb er sich an der Universität Heidelberg die juristische Doktor-
würde. Am 20. Dezember 1852 zum Rechtspraktikanten ernannt, trat er in
die Praxis bei dem ersten Zivilbureau des Oberamts Heidelberg, war sodann
beim katholischen Oberkirchenrat und beim Stadtamtsrevisorate in Karlsruhe
tätig und brachte hierauf drei Monate in Paris in dem Bureau eines Avouf
zu, um sich eingehend mit der Praxis des französischen Rechts vertraut zu
machen. Während seiner Tätigkeit beim katholischen Oberkirchenrat be-
schäftigte B. sich im Auftrag des Ministeriums des Innern damit, aus den Ur-
kunden des General-Landesarchivs den früheren Besitzstand rücksichtlich der
Verleihung der katholischen Kirchenpfründen zu ermitteln, über welchen Diffe-
renzen zwischen den badischen Staats- und Kirchenbehörden bestanden. Bei dem
Stadtamtsrevisorate machte er sich eingehend mit allen Zweigen des Notariats
bekannt. Am Hofgericht in Offenburg war er hierauf längere Zeit als Volontär
tätig. Nachdem er die zweite juristische Prüfung mit Auszeichnung bestanden
hatte, wurde B. am 17. November 1855 zum Referendar ernannt und dem Hof-
gericht in Mannheim zugewiesen. 1861 zum Amtsrichter in Heidelberg be-
fördert, erhielt B. im Jahre 1862 mit Verleihung des Charakters als Regierungs-
assessor die Stelle eines Kollegialmitglieds bei der Direktion der Verkehrs-
anstalten, 1864 wurde er zum Postrat ernannt, aber schon wenige Monate
später einem ihm mehr zusagenden Wirkungskreise zugewiesen durch Er-
nennung zum Staatsanwalt beim Kreis- und Hofgericht Karlsruhe mit dem
Range eines Kreisgerichtsrates. Im Jahre 1865 erhielt B. die Ernennung zum
Ministerialrat im Justizministerium, ein Amt, dem er angehörte, bis er bei Er-
richtung des Reichsgerichts in Leipzig an dieses am i. Oktober 1879 auf Vor-
schlag Badens als Präsident des II. (rheinischen) Zivilsenats berufen wurde.
In allen Stellen, die B. in seinem Heimatlande bekleidet hatte, bewährte er
sich als eine in jeder Hinsicht hervorragende Arbeitskraft. Bei der Justiz-
organisation im Jahre 1864 lag dem damaligen Justizminister Stabel ganz be-
sonders daran, diesen durch Fähigkeiten wie Charakter gleich ausgezeichneten
Beamten für den Justizdienst zu gewinnen, in dem er von da an tätig blieb.
Als Mitglied des Justizministeriums war ihm in erster Reihe die Ausarbeitung
der badischen Einführungsgesetze zum Reichsstrafgesetzbuch von 187 1 und zu
Bingner. Behrle. j ^j
den Reichs) ustizgesetzen vom Jahre 1879 anvertraut. Nach seiner Berufung
in das Reichsgericht nahm er, als einer der gründlichsten Kenner der heimat-
lichen Gesetzgebung und durch wissenschaftliche Bildung und Gründlich-
keit besonders ausgezeichnet, bald eine von allen Seiten dieses mit so
großen Kapazitäten besetzten Gerichtshofes eine hoch geachtete Stellung ein;
Während der 23 Jahre, in denen B. den zweiten Zivilsenat leitete, war seine
eingehende Kenntnis des französischen Rechts von besonderem Werte. Seine
Leitung der Verhandlungen zeichnete sich durch die vornehme Würde, die
ihm in jeder Lebenslage eigen war, durch seinen Scharfblick, durch die Klar-
heit und Sicherheit der Geschäftsleitung und die unerschütterliche Objektivität,
die von einem warmen menschlichen Gefühl und einer verbindlichen Liebens-
würdigkeit begleitet war, in ganz besonderer Weise aus. — Als Mitglied der
Bundesratskommission war B. auch an den Vorarbeiten für die deutsche Straf-
prozeßordnung und Gerichtsverfassung tätig. Die Vorarbeiten für das Bürger-
liche Gesetzbuch verfolgte er mit dem größten Interesse und begleitete sie
mit scharfsinnigen Vorschlägen. Zur Verbesserung der Revision arbeitete er
einen Entwurf aus, durch den er sich auch auf dem Gebiete des Zivilprozesses
als feiner Jurist und erfahrener Praktiker bewährte. Zu früh wurde B. nach
kurzer Krankheit am 8. Mai 1902 aus einem Leben abgerufen, das ebenso reich
an fruchtbarer Arbeit als an ehrenvoller Anerkennung seitens seiner Kollegen
wie seines Landesherrn und des deutschen Kaisers war. Er gehörte in allen
Stellungen, die er einnahm, zu den größten Zierden der deutschen Beamtenwelt.
Vgl, den Nekrolog der süddeutschen Reichskorrespondenz, abgedruckt in der Karls-
ruher Zeitung 1902 Nr. 198. V. Weech.
Behrle, Rudolf, Geistlicher und Dramatiker, * am 17. April 1826 zu Her-
bolzheim in Baden, f am 18. Novbr. 1902 in Freiburg i. B. — B. war der
Sohn eines Kaufmanns und hatte in den ersten Jahren seiner Kindheit ein
langwieriges Augenleiden zu erdulden, so daß er in seinen Fortschritten in
der Schule zurückblieb. Nach seiner Genesung brachte ihn sein Vater 1838
nach Freiburg i. B., wo er nach kurzem vorbereitendem Unterricht in das
Gymnasium eintrat und danach 1847 die dortige Universität bezog, um Theo-
logie zu studieren. 1850 trat er in das erzbischöfliche Seminar ein, erhielt
im August 1851 die Priesterweihe und seine erste Verwendung als Hilfs-
priester in Engen. Im Mai wurde er Lehrer am Gymnasium in Donau-
eschingen, wo er jedoch des rauhen Klimas wegen nur ein halbes Jahr blieb,
worauf er als Pfarrven^'alter nach Geisingen kam. Hier hatte er während dos
badischen Kirchenstreits eine sehr schwierige Stellung; es wurden ihm von
Seiten des Staates schwere Strafen, auch Festungshaft zugesprochen, aber nicht
ausgeführt. Im Jahre 1858 wurde B. Pfarrverwalter in Oberachern, 1860 in
Kappel am Rhein und bald darauf an der Spitalkirche in Konstanz, wo er
anderthalb Jahre wirkte, und nahm dann die Stelle eines Hausgeistlichen in
der Heil- und Pflegeanstalt Illenau bei Achern an, welche ihm dann im
August 1866 definitiv übertragen ward. Seine erfolgreiche Tätigkeit im geist-
lichen Berufe veranlaß te das erzbischöfliche Domkapitel in Freiburg, ihn 1872
zum Domkapitular zu erwählen, und er wurde als solcher 1873 installiert.
Daneben verwaltete er über neun Jahre das Amt eines Dompfarrektors der
dortigen Münsterpfarrei. Von Papst Leo XIII. hatte er die Würde eines
I^^ Behrle. Maurer. Kamproann.
päpstlichen Geheimkämmerers erhalten. — B. hat vorwiegend kleinere dra-
matische Arbeiten verfaßt, wie »Joseph und seine Brüder« (1857, 5. Aufl. 1904);
»Der falsche Treffer« (1869, 2. Aufl. 1893); »Frauentreue, oder: Die Ritter
von der Rosen« (1869, 2. Aufl. 1897); »Der Franktireur« (1871, 2. Aufl. 1897);
»Tobias« (1875); »Die Kinder im Walde« (Weihnachtsspiel, 1887). Alle diese
Sachen waren vorwiegend für das Vereinsleben bestimmt, und haben dort
auch viele Aufführungen erlebt.
Persönliche Mitteilungen. — Joseph Kehrein: Biographisch-literarisches Lexikon der
katholischen deutschen Dichter, i. Bd., S. 23. — Frdr. Wienstein: Lexikon der katholischen
deutschen Dichter, 1899, S. 27. — Adolf Hinrichsen : Das literarische Deutschland»
1891, S. 89. Franz Brummer.
Maurer, Joseph Karl, Dichter, * 4. Oktober 1834 in Innsbruck, f 4. No-
vember 1902 zu Hall in Tirol. — M. war Zögling der Gymnasien zu Inns-
bruck und Hall gewesen und hatte dann an der Universität seiner Vaterstadt
Philosophie, Philologie und Naturwissenschaften studiert. Im Jahre 1865
wurde er Lehrer an der Realschule in Schwaz im Unterinntale und fand hier
auch Gelegenheit, sich als Sekretär des liberalen Vereins auf politischem Ge-
biete betätigen zu können. Als 187 1 die Lehranstalt in Schwaz aufgelassen
wurde, ward M. zur Disposition gestellt, um binnen Jahr und Tag einer Wieder-
anstellung in Tirol gewärtig zu sein. Allein die Umtriebe seiner Gegner,
denen ein freisinniger Mann als Jugendlehrer ein Dorn im Auge war, und die
sogar eine Adresse an den Bischof von Brixen in Szene setzten, damit dieser
von der Regierung die Entfernung M.s aus dem Amte erwirke, bewogen ihn,
Tirol zu verlassen und eine Professur an der Bürgerschule zu Wels in Ober-
österreich anzunehmen. Dort wirkte er bis zu seiner Pensionierung, Ostern
1883, und ließ sich dann zunächst in Linz a. D., später in Hall in Tirol
nieder, wo er auch gestorben ist. — M. hat die Früchte seiner schrift-
stellerischen Tätigkeit meist in Zeitschriften niedergelegt und ist zu einer
Sammlung nicht gekommen. Nur das Epos »Bertha« (1870) und »Zwei Ge-
schichten aus den Bergen« (1878) sind auf den Büchermarkt gekommen, die
beide große Begabung des Dichters für die Erzählung bekunden.
Persönliche Mitteilungen. — Frdr. Wienstein: Lexikon der katholischen deutschen
Dichter, 1899, S. 238. Franz Brummer.
Kampmann, Friedrich, Dichter, * 6. Februar 1828 in Oberwengem in der
Grafschaft Mark, f 22. Septbr. 1902 in Dortmund. — K. besuchte die Schulen
seiner engeren Heimat und die Realschule in Elberfeld mit dem geheimen
Wunsche, sich wissenschaftlichen Studien zu widmen. Da derselbe aber an
den beschränkten Vermögensverhältnissen scheiterte, so wandte er sich dem
höheren Subalterndienst im Bergwesen zu, domizilierte, seinem Berufe folgend,
nacheinander in Wengern, Bochum, Berlin, Dortmund, Königsborn und wieder
in Dortmund, wo er seit 1874 als Oberbergamts-Sekretär lebte und 1891
durch den Titel eines Rechnungsrats ausgezeichnet wurde. Im Jahre 1869
veröffentlichte er eine Sammlung seiner »Gedichte«, in denen sich als Grund-
stimmung des Dichters eine leise Wehmut, ein elegisch verklärter Pessimis-
mus kundgibt, der aber weder zündende Geistesschärfe noch lautere Natur-
empfindung ausschließt.
Persönliche Mitteilungen. Franz Brummer.
Peterson. Zangerle. Kayser-Langerhannß. j^c
Pcterson, Luise, Jugendschriftstellerin, * am 29. April 1828 in Thom,
f am 29. Juni 1902 in Liegnitz. — L. P. war die jüngste Tochter des Stadtrats
Fr. Huhn in Thorn, nach dessen frühem Tode sie mit ihrer Mutter nach
Elbing übersiedelte, wo sie die königl. Elisabethschule besuchte. Später ver-
brachte sie mehrere Jahre im Hause ihrer Schwester in Berlin und verheiratete
sich nachher mit Ed. Peterson in Elbing, einem früheren Gutsbesitzer. Nach
dessen Tode zog sie mit ihrem einzigen Sohne nach Königsberg i. Pr., lebte
dort in literarischen Kreisen sehr angenehm und begann hier ihre schrift-
stellerische Tätigkeit, indem sie zunächst für die gelesensten Blätter Beiträge
lieferte. Als ihr Sohn sich in Leipzig als Buchhändler niedergelassen hatte,
siedelte sie im Oktober 1883 dorthin über und gab unter dem Namen Erna
Veiten ihre ersten Sammlungen von Erzählungen für junge Mädchen, »Fürs
Dämmerstündchen« (1883) und »Blau-Blümchen« (1886) und ihre Familien-
geschichte »Aus vergangener Zeit« (1887) heraus. Gleichzeitig lenkte sie ihre
schriftstellerische Tätigkeit auch auf das praktische Gebiet der Frauenfrage
hinüber, und ihr Handbuch »Frau Loras Wegweiser in Deutschlands Küche
und Haus« (1886, 5. Aufl. 1894) fand auf der internationalen Kochkunstaus-
stellung in Leipzig auszeichnende Anerkennung. Im Jahre 1889 siedelte
I^uise P. nach Liegnitz über, wo sie seitdem als Pensionärin im Evangel.
Frauenstift gelebt hat, und seit Oktober 1894 das »Frauendaheim«, eine Bei-
lage der illustrierten Zeitschrift, »Deutsche Reichspost«, leitete. Von ihren
sonstigen Erzählungen, die sich großer Beliebtheit erfreuten, sind nur noch
»Neue Lebenswege«, »In der Fremde« 1897 im Buchhandel erschienen.
Persönliche Mitteilungen. — Das literarische Leipzig, 1898, S. 112. — Sophie Pataky:
Lexikon deutscher Frauen der Feder, 1898; 2. Band, S. 126. Franz Brummer,
Zangerle, Joseph A., Dichter, * zu Steeg im Lechtale in Tirol am 19. März
1867, f 17. April 1902 in Gries bei Bozen. — Z. erhielt seine Gymnasial-
bildung im Vinzentinum zu Brixen und ein halbes Jahr hindurch in Bozen,
worauf er 1884 in den Orden der Benediktiner des Stiftes Gries eintrat und
im folgenden Jahre dort Profeß machte. Nach Beendigung seiner Studien
und erlangter Priesterweihe (1890) wirkte er in der Seelsorge in Afing, einem
ganz einsamen, aus zerstreuten Gehöften bestehenden Bergorte oberhalb Bozen,
worauf er von seinen Obern als Lehrer an das Gymnasium der Benediktiner
in Samen (Schweiz) gesandt wurde. Hier veröffentlichte er eine Sammlung
von Liedern, Balladen und Romanzen unter dem Titel »Wellenrauschen« (1899),
die zu großen Hoffnungen auf weitere poetische Leistungen berechtigte. Leider
nötigte Kränklichkeit den Dichter, sein Lehramt aufzugeben und ins Benedik-
tinerstift Gries zurückzukehren, wo er bald darauf starb.
Persönliche Mitteilungen. — Dichterstimmen der Gegenwart. Jahrg. 1900, S. 283 und
Jahrg. 1902, Seite 225. Franz Brummer.
Kayser-Langerhannfi, Agnes, Dichterin, * 181 8 auf Schloß Heldrungen in
Thüringen, f am 21. April 1902 in Dresden. — Sie war das jüngste von sieben
Kindern des Proviantmeisters und Kriegsrates Langerhannß und kam mit der
Familie schon im ersten Lebensjahre nach Erfurt, wo sie ihre Kindheit und Ju-
gend verlebte, bis zum 12. Jahre eine höhere Töchterschule besuchte und darauf
bis zum 16. Jahre häuslichen Privatunterricht erhielt. Eine mehr sinnige, in
BiogT* Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd. lO
146 Kayscr-Langerhannß. Kreiten.
sich gekehrte Natur, entwickelte sich frühzeitig in ihr ein Trieb zu poetischer
Darstellung ihrer Gedanken, und seit ihrem neunten Jahre hat sie, freilich ge*jen
den Willen ihrer Angehörigen, manches Gedicht zutage gefördert. Während
eines Besuches in Schulpforta lernte Agnes, noch sehr jung, den Sani täts rat
und Kreisphysikus Dr. Rudolf Kayser aus Naumburg kennen, mit dem sie
sich verlobte und bald darauf vermählte. Eine glückliche Zeit ging ihr als
Gattin dieses ausgezeichneten Mannes auf. Das Wirken für ihn, für seine
Kranken, besonders die armen, umfaßte von nun an ihre Welt, und nur selten
fand sie eine Stunde, um sich poetischem Schaffen hinzugeben. So kam es, d;\Ü
sie erst im 47. Lebensjahre die erste Sammlung ihrer »Vermischten Gedichte
(1865) in die Öffentlichkeit gab. Im folgenden Jahre verlor sie ihren Gatten
nach kurzem Krankenlager durch den Tod, und es schien, als wenn dieser
Schlag ihr ganzes Lebensglück völlig vernichtet hätte. Erst in Dresden, wohin
sie auf den Ruf ihrer dort verheirateten Schwester im Herbst 1866 übersiedelte,
fand sie das seelische Gleichgewicht wieder, und die Kunstschätze und land-
schaftlichen Reize der Hauptstadt, der Verkehr mit teilnehmenden Verwandten
und gebildeten Menschen beschleunigten die erhoffte Kräftigung und Erholung
des Gemüts, so daß sie wieder Freude an der Poesie und Malerei fand und
der Einladung zu größeren Reisen gern Folge gab. So weilte sie zweimal
(1867 und 1868) in Italien, brachte einen ganzen Winter in Rom und Neapel
zu, bereiste später Frankreich, die Schweiz und Tirol und 1872 Belgien, Eng-
land und Schottland. Noch in Naumburg war ihr erzählendes Gedicht »Das
friedliche Tal im Kriege 1813« (1866) entstanden, das sich einer allseitigen
günstigen Beurteilung zu erfreuen hatte. Ihm folgten die Novelle »Waldrose
(1867), die Zeitgedichte »Bausteine für Straßburg« (187 1) und »(iedichte.
Neue Folge« (1872, 5. Aufl. 1895). »Letztere bekunden ein ernstes, edles
Streben; sie sind aus innerer Notwendigkeit gesungen, tönen in vollen melo-
dischen Akkorden aus, entzücken durch immer neue Wendungen und ent-
sprechen auch den strengsten Anforderungen an die äußere Form.« Im Jahre
i88i erschien ihr Hauptwerk, ein episches Gedicht in 22 Gesängen, ^>Odin.
Nordisch-germanische Göttersage«, mit zahlreichen Illustrationen geziert; es
trug ihr zahlreiche Anerkennungsschreiben und mehrere Orden deutscher
P'ürsten ein. Den Vorstudien, welche sie zu diesem Werke gemacht hatte,
entsprang auch das altgermanische Trauerspiel »Loki« (1886), das 1888 für die
Bühne umgearbeitet und dann in Würzburg (1889) mit Erfolg aufgeführt wurde.
»Gesammelte Dichtungen« (1891 — 95), die in 7 Bänden erschienen, enthalten
außer den oben genannten Arbeiten noch das Schauspiel »Der Erfinder« und
den Roman »Der versunkene Garten«.
Persönliche Mitteilungen. — Sophie Pataky: Lexikon deutscher Frauen der Feder,
Bd. I, S. 415. — Hausfrauen-Zeitung. Wochenschrift für Frauen und Mädchen. Jahrg. 18S3,
S. 68flf. (Karl Schrattenthal). Franz Brummer.
Kreiten, Wilhelm, Literaturhistoriker und Dichter, * am 21. Juni 1847
in Gangelt (Bezirk Aachen), f am 6. Juni 1902 in Kirchrath (Holland). —
Nach den vorbereitenden Studien auf der Bürgerschule seines Heimatsortes,
trat K., erst 16 Jahre alt, zu Münster in den Orden der Gesellschaft Jesu ein,
nahm nach zweijährigem Noviziat die unterbrochenen klassischen Studien
wieder auf und ging im Herbst 1867 zum Beginn des Studiums der Philosophie
Kreiten. Dunker.
H7
nach Maria- Laach, wurde aber bald von seinen Obern nach Amiens in Frank-
reich geschickt, wo er fast zwei Jahre verweilte. Im Herbst 1869 kehrte er
wieder nach Maria-Laach zurück, mußte aber das Studium der Philosophie
nach einigen Monaten infolge schwerer Erkrankung wieder unterbrechen. Im
folgenden Jahre wurde er nach Münster gesandt, um dort ein Jahr lang
Geschichte und Ästhetik zu studieren, und begann darauf in Maria-Laach das
Studium der Theologie, mußte aber infolge des Jesuitengesetzes im Dezember
1872 Deutschland verlassen und wurde, da seine geschwächte Gesundheit
einen Aufenthalt in England nicht gestattete, nach Aix in Südfrankreich ge-
sandt, wo er 1873 die Priesterweihe empfing. Nachdem er 1874 — 75 in
Castres bei Toulouse sein drittes Probejahr absolviert, wurde er nach Lyon
gesandt, um teils in der Seelsorge, teils als Lehrer am dortigen Kollegium
und als Mitarbeiter an den »Stimmen aus Maria-Laach« tätig zu sein. Aus-
schließlich in letzterer Eigenschaft kam er im Herbst 1876 auf das in der
Nähe von Brüssel gelegene Schloß der Gräfin Robiano-Stolberg zu Tervueren,
wo die Redaktion der genannten Jesuitenzeitschrift ein Unterkommen gefunden
hatte. Hier war er nur literarisch tätig und brachte sein erstes Werk »Clemens
Brentano. Ein Lebensbild« (II, 1877 — 78) auf den Büchermarkt, dem er dann
später >Vier ungedruckte Briefe von Cl. Brentano« (1878) und eine Ausgabe
von >C1. Brentanos Chronika eines fahrenden Schülers« nach der ältesten
Fassung (1881) folgen ließ. Seit dem Jahre 1879 lebte K. in dem Kloster
der Elisabetherinnen zu Kirchrath in Holland, wo es ihm unter der liebevollsten
Pflege der Nonnen noch eine Reihe von Jahren möglich ward, seiner Gesund-
heit und seiner literarischen Tätigkeit zu leben. Von hier aus erschienen zu-
nächst seine »Heimatweisen aus der Fremde« (1882), Übertragungen aus dem
Provengalischen, dessen Sprache und Literatur K. während seines Aufenthalts
in Südfrankreich gründlich studiert hatte. Später hat. er die besten dieser
> Heimatweisen« mit hinüber genommen in seine Sammlung eigener Gedichte
-Den Weg entlang« (1888, 8. Aufl. 1900). Eine zweite Probe seiner Über-
setzerkunst gab K. in seinem Zyklus provengalischer Weihnachtsgedichte
»Bethlehem« (1882), die den Pfarrer Lambert zum Verfasser haben. Höher wie
als Dichter steht K. als Literarhistoriker. Den Schriften über Clemens Bren-
tano schließen sich in würdiger Weise an: »Leben der Annette Droste-Hülshoff«
(1886, 2. Aufl. 1899), das »Leben Moli^res« (1887, 2. Aufl. 1897) und »Leberecht
Dreves. Ein Lebensbild« (1897), ferner die Ausgabe von »J. B. Diels nach-
gelassenen Schriften« (II, 1883, 3. Aufl. 1897) und von den »Gesammelten
Dichtungen der Annette von Droste-Hülshoff« (IV, 1883 — 86). Nach seinem
Tode erschien von K. noch eine Sammlung von Aphorismen unter dem Titel
Splitter und Späne aus eigener und fremder W^erkstatt« (1903).
Heinrich Freimiith: Aachens Dichter und Prosaisten. Eine Anthologie, i. Bd, 1882,
S. 195. — Dichlerstimmen der Gegenwart. Jahrg. 1900, S. 9 und Jahrg. 1902, S. 381. —
Adolf Hinrichsen: Das literarische Deutschland, 1891, S. 747. Franz Brummer.
Dunker^ Wilhelm, Buchhändler, Redakteur, Philologe und Dichter, * am
25. Dezember 1829 in Hasselfelde am Harz, f am 3. Dezember 1902 in
Stettin. — D. verlor seinen Vater, einen braunschweigischen Steuerbeamten,
in früher Kindheit und kam dann mit der Mutter nach Braunschweig, wo er
seine Ausbildung auf der Realschule erhielt und dann mit 15 Jahren als Lehr-
1^8 Dunker. Arendt(-Morgenstem).
ling in die Westermannsche Buchdruckerei eintrat. In den letzten Jahren
seiner Lehrzeit war er fast ausschließlich als Korrektor tätig und beschäftigte
sich in seinen Mußestunden eifrig mit der Vervollkommnung in der englischen
und französischen Sprache und mit dem Studium des Lateinischen. Nach
beendeter Lehrzeit (1850) fand er in Düsseldorf in einer Druckerei Stellung,
aber schon nach Jahresfrist gab er dieselbe auf, um seinen Plan, die neueren
Sprachen gründlich kennen zu lernen, zur Ausführung zu bringen. Er ging
zunächst nach Paris, wo es ihm mit Hilfe seines Freundes, des bekannten
Komponisten Goldbeck, und auf Empfehlung von Alexander Dumas pdre
bald gelang, eine ihm zusagende Stellung zu finden. Nachdem er dritteinhalb
Jahre in Paris und ein halbes Jahr in Fontainebleau zugebracht, wandte er
sich nach London, wohin ihm sein Freund Goldbeck schon vorangegangen
war. Hier war er anfangs als Korrektor in einer Druckerei tätig, fand aber
bald eine ihm mehr zusagende Stellung als Lehrer des Deutschen und Fran-
zösischen an einer Methodistenschule in Stuttengrove. Trotz eines glänzenden
Angebots, das ihm der Leiter dieser Schule machte, gab er diese Stellung
im Winter 1855 auf und kehrte zu seiner Mutter nach Braunschweig zurück,
wo er durch Erteilung von fremdsprachlichem Unterricht sein Brot zu ver-
dienen suchte. Aber schon im folgenden Jahre siedelte er auf Veranlassung
eines Freundes nach Stettin über, und hier hat er denn auch seinen Wohnsitz
festgehalten. Zunächst als Korrektor in einer Druckerei und als Privatlehrer
für Englisch und Französisch tätig, übernahm er 1850 die Redaktion der
»Pommerschen Zeitung«, gründete 1860 selbst eine Zeitung, die » Oderzeitung ^s
die er 10 Jahre lang erscheinen ließ, und rief 1878 die »Deutsche Fischerei-
zeitung« ins Leben, die noch heute als das bedeutendste Blatt auf diesem
Gebiete gilt. Inzwischen war D. 1861 Teilhaber der Druckerei Herrcke und
Lebeling in Stettin geworden, und seitdem hat er durch emsigen Fleiß sein
Geschäft zu vollster Blüte erhoben und der Druckerei einen angesehenen
Verlag hinzugefügt. Als Schriftsteller hat sich D. zuerst auf schönwissen-
schaftlichem Gebiet bewegt durch Veröffentlichung der Dramen »Der Prinz
von Tarent« (1857), »Michelangelo« (1859), »Der Herr des Königs« (1860),
»Salomon de Gaus« (1881) und einer Gedichtsammlung »Lieder ohne Weisen«
(1859). Dann wandte er seine Tätigkeit der Sprachwissenschaft zu. Er gab
mit Wilhelm Ulrich das »Englisch-deutsche Konversations- Wörterbuch« heraus,
dem er seine Gesprächs- und Wiederholungsgrammatiken (»Methode Dunker-
Bell« für die englische, »Methode Dunker-Weil« für die französische Sprache)
folgen ließ, womit er dem Selbstunterricht eine bisher nie betretene Bahn
eröffnete. An seinem 70. Geburtstage überraschten ihn seine Töchter mit
einer als Manuskript gedruckten Auswahl aus seinen Gedichten, der sie den
Titel »Aus der Jugendzeit« (1899) gegeben hatten.
Nach Mitteilungen aus der Familie. Franz Brummer.
Arendt(-Morgenstern), Olga, Dichterin und Jugendschriftstellerin, • in
Berlin am 19. November 1859, f ebendaselbst am 29. Mai 1902. — O. A. war
die Tochter eines Kaufmanns, und ihre Mutter ist die über die Frauenwelt
hinaus bekannte Schriftstellerin und Führerin in der Frauenbewegung, Lina
Morgenstern. Olga war ein zartes, sich aber schnell geistig und körperlich
entwickelndes Kind; die Fröbelschen Spielbeschäftigungen und Anschauungs-
Arendt(-Morgen5tern). GreiL Ijo
mittel im Kindergarten weckten ihren Tätigkeitstrieb, ihre Schaffenslust und
den Sinn für Formenschönheit. Nachdem sie vom 7. bis 16. Jahre die Busse-
sche höhere Töchterschule besucht hatte, trat sie mit dem schon lange ge-
hegten Wunsch hervor, sich der Bühne widmen zu dürfen, doch scheiterte
die Erfüllung desselben an dem entschiedenen Widerspruch des Vaters. Sie
besuchte daher, um sich in anderer Weise nützlich zu machen, zwei Jahre
lang das Seminar zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen und leitete nach
bestandener Prüfung einen ihr von der Mutter eingerichteten Kindergarten
mit großer Freude und reichem Erfolge. Indessen war der Wunsch, Schau-
spielerin zu werden, dadurch niemals erstickt worden, und schließlich erreichte
sie es, bei der Frieb-Blumauer dramatischen Unterricht nehmen zu dürfen.
Nach drei Jahren unterzog sie sich einer Prüfung durch den Generalinten-
danten von Hülsen, und dieser empfahl sie dem Hoftheater in Koburg-Gotha
als erste Liebhaberin. Um diese Zeit hatte der Vater durch übernommene
Garantien sein Vermögen verloren, und da die Kinder nun genötigt waren,
sich auf eigene Füße zu stellen, so gab er auch seine Einwilligung, daß Olga
das Engagement annahm. Indessen gab es im Bühnenleben doch so vielerlei,
das dem jungen, für die Kunst begeisterten Mädchen nicht zusagte, und so
kehrte sie nach zwei Jahren der Bühne den Rücken, um hinfort als dramatische
Lehrerin, als Vortragskünstlerin und Dichterin tätig zu sein, zu welchem
Zwecke sie auch noch ein halbes Jahr lang Schülerin von Josef Lewinsky in
Wien wurde. Für ihre Schülerinnen schrieb sie »Für gesellige Kreise. Samm-
lung ernster und heiterer Deklamationsstücke nebst einem Anhang von
Gelegenheitsgedichten« (1888, 2. Aufl. 1897), ferner »Ein Freundschaftstag«
(Lustspiel, 1894) und »Dramatisiertes Märchenbilderbuch« (1891). Diese
Märchen führte sie auch in Breslau und im Hamburger Stadttheater auf und
sie sprach selbst den verbindenden Text zu den lebenden Bildern; als Vor-
tragskünstlerin machte sie Turneen in den Städten der Provinzen Posen
und Schlesien, in Mecklenburg u. a. m. Im Jahre 1893 verheiratete sich
Olga mit dem Reichstags- und Landtagsabgeordneten Dr. Otto Arendt, und
von nun an standen bei ihr die Pflichten als Gattin und als Mutter dreier
Kinder in erster Reihe. Nach der Geburt des dritten Kindes erkrankte sie
an der Nierenwassersucht, und nun folgte ein Krankenlager von dreieinhalb
Jahren, das ihr wohl Schmerzen die Fülle brachte, aber ihren Geist doch
nicht zu ermüden vermochte. Im Krankenbett schrieb sie die Kinderschrift
»Ullas Kindheit« (hrsg. von ihrer Mutter 1903), worin sie ihr eigenes Leben
bis zum 8. Jahre schilderte, sowie andere Erzählungen und Märchen, die noch
der Veröffentlichung harren. Bereits im Jahre 1893 hatte Olga im Andenken
an eine geliebte verstorbene Schwester ihre Erzählung »Die Sylvesternacht«
herausgegeben; nach ihrem Tode veranstaltete ihre Mutter eine Sammlung
ihrer »Gedichte« (1902), unter denen besonders ihre Burenlieder von großer
Wirkung sind.
Nach Mitteilungen aus der Familie. — Sophie Pataky: Lexikon deutscher Frauen der
Feder, i. Bd., Seite 16. Franz Brummer.
Greil, Alois, Genremaler und Graphiker, ♦ 27. März 1841 in Linz,
t 12. Oktober 1902 in Wien. — G. studierte von 1858 — 62 an der Akademie
in Wien in der Spezialschule des Direktors Christian Rüben, hielt sich mehr-
ICQ Grell. Marshall.
fach in Süddeutschland und Oberösterreich auf und war seit 1873 in Wien
tätig, wo er durch Illustrationen und Genrebilder aus dem österreichischen
Volks- und Bauernleben sehr bekannt wurde. Er befaßte sich hauptsächlich mit
Aquarellmalerei. Das kunsthistorische Museum in Wien besitzt von ihm die
Aquarelle: »Der vermeintliche Spion«, » Mordgeschichten '<, 1874, »Komödi-
anten auf der Reise«, »An der schönen blauen Donau«, »Husaren reiten in ein
schwäbisches Dorf ein« 1877, »Studentenpredigt in Gmunden« 1871, »Schlacht
bei Gmunden im oberösterreichischen Bauernkrieg«, »Kinzug Kaiser Maximilians
in Gent« 1880, »Buttler-Dragoner auf Vorposten«. — Von ihm stammen u. a.
die Illustrationen zu der Prachtausgabe von Roseggers »Ausgewählten Werken ,
ferner zu dem Kpos »Erwin« von Landsteiner. Im Kabinet der Handzeich-
nungen zu Dresden ist eine Zeichnung »Der Wunderdoktor«.
Literatur: Deutsch-Ostcrr. Künstler- und Schriftsteller-Lexikon, hrsg. v. H. C. Koscl.
redigiert von P. G. Rhcinhardt. 1902. — Jahrbuch der bildenden Kunst 1903. — - Kun^t-
chronik XIV. — Kunst für Alle XIII. — Chroniquc des Avis ci de la Curiositc 1902. —
Boetlicher, Malerwerke des 19. Jahrhunderts, 1895 — 1901. Hugo Sc hm erber.
Marshall, James, Professor, Maler, * 1838 in Amsterdam, f 18. Juli 1902
in Leipzig. — M. kam als Kind nach Weimar und empfing hier seine erste
Ausbildung in der Malerei durch Preller. Im Jahre 1856 ging er nach Ant-
werpen, um dort bei N. de Keyser weiter zu studieren, später begab er sich nach
Paris und kehrte schließlich nach Weimar zurück, wo Preller und Genelli auf
seine künstlerische Entwicklung Einfluß nahmen. Zu Genelli trat er in ein
Freundschaftsverhältnis; die Nationalgalerie in Berlin besitzt ein Porträt
Genellis von der Hand Marshalls, aus dem Jahre 1860 stammend. 1876
wurde er als Lehrer an die Kunstanstalt zu Breslau berufen, sein unstätes,
phantastisches Wesen war jedoch dem Amt eines Lehrers nicht günstig, so
daß er nach kurzer Tätigkeit an der Anstalt die Stelle niederlegte und nach
Leipzig ging. In seinen Werken spricht sich die Neigung seiner Phantasie
zum Dämonischen und Phantastischen deutlich aus, die in seinen späteren
Jahren immer mehr, hervortrat; mit Vorliebe behandelte er mythologische
und sagenhafte Stoffe. In der Schackgalerie in München befindet sich von
ihm das Bild »Tartinis Traum oder die Teufelssonate«, 1868 (der Teufel
spielt dem jungen Klosterschüler sein höllisches Stück vor). Andere Bilder
sind: »Bacchuszug«, »Der Teufel bei seiner Großmutter«, »Ahasver, Christus
von seiner Tür weisend«, »Don Juans Ende«, »Christi Versuchung« u. a. Für
das neue Dresdener Hoftheater malte der Künstler das Deckengemälde im
Zuschauerraum und den Fries über dem Proszenium. Das erstere zeigt vier
ovale Felder mit den auf Goldgrund ausgeführten Gestalten der Muse Griechen-
lands, Deutschlands, Englands und Frankreichs und vier Medaillons mit je
zwei Porträts, Sophokles-Euripidcs, Goethe-Schiller, Moli^re-Goldoni, Shakes-
peare-Calderon, daneben kleinere P'elder mit allegorischen Kindergruppen.
Der Fries stellt in der Mitte die Gestalt der poetischen Gerechtigkeit mit
Wage und Lyra dar, vor ihr Konios und eine Furie, daneben die Hauptge-
stalten der dramatischen Dichtung. Auch in der Albrechtsburg bei Meißen
malte Marshall Wandgemälde in Wachsfarben, welche Szenen aus dem Leben
des Kurfürsten Moritz von Sachsen darstellen: »Die Beratung der sächsischen
Theologen über das Leipziger Interim im Jahre 1548«, und >'Die letzten
Marshall. Dahl. Wörndle von Adelsfried.
X5I
Augenblicke des Kurfürsten auf dem Schlachtfelde von Sievershausen im Jahre
1553''- 1^^*» Museum Weimar besitzt eine Zeichnung des Künstlers mit der
Darstellung einer Landschaft.
Jahrbuch der bildenden Kunst 1903. — Kunstchronik XIII. -- Chronique des Avis et de
la Curiosiic 1902. - Boetticher, Malenverkc des 19. Jahrhunderts, 1895 —1901. — Kunst
für Alle XVII. — H. W. Singer, Allgemeines Künstler-Lexikon, 1895.
Hugo Schmerber.
Dahl, Johannes Siegwald, Tier- und Landschaftsmaler, * 16. Aug. 1827
in Dresden, f 15. Juni 1902 daselbst. — D. war der Sohn des norwegischen
Landschaftsmalers Christian Claußcn Dahl, der 18 18 nach Dresden zog, wo
er neben Ludwig Richter Professor an der Akademie wurde, der auch in
seiner Selbstbiographie über den großen Erfolg des nordischen Künstlers be-
richtet. Der alte Dahl erteilte seinem Sohne den ersten Unterricht, .später
wurde Siegwald Schüler des Tiermalers Joh. Fr. W. VVegener und besuchte
von 1843 45 die Dresdener Akademie. Im Jahre 185 1 ging er nach London,
um die Tierbilder Edwin Landseers zu studieren, dann nach Paris. In seinen
Landschaften verwendete er gleich seinem Vater häufig Motive aus Norwegen.
Die Galerie in Dresden besitzt zwei Bilder von ihm: »Der P^ehlschuß« 1861
und > Fähre in Telemark en in Norwegen«, 1863. Im Museum zu Hannover
befindet sich ein Bild AVilde Enten vom Fuchs überfallen«.
Liter.itur: Kunst für Alle 1901 — 02. — Jahrbuch der bildenden Kunst 1903. —
Kunstchronik XIII, n. F. — Chronique des Arts et de la Curiosiic 1902. — Boetticher,
Malerwerke des 19. Jahrhunderts, 1895 — 1901. — H. W. Singer, Allgemeines Künstler-
I,exikon, 1S95. Hugo Schmerber.
Wörndle von Adelsfried, August, Historienmaler, Professor, * 22. Juni 1829
zu Wien, f 27. April 1902 daselbst. — W. besuchte die Akademie in Wien unter
F'ührich und arbeitete 1853 — 59 in Rom unter Cornelius. Im Jahre 186 1 wurde
ihm die Aufgabe zuteil, die Leitung bei der Restaurierung der Fresken in der
Kapelle des Schlosses Ambras in Tirol zu übernehmen und eine Reihe neuer
Wandgemälde in der Kapelle zu schaffen; von ihm stammen die Fresken an
den Seitenwänden der Kapelle, welche Szenen aus dem Leben Jesu darstellen.
In Inn.sbruck malte er auch die Fresken in den Arkaden des Stadtfriedhofes,
die Leidensstationen Christi. Von 1868 an blieb er dauernd in Wien, 1872
wurde er zum Professor an der kais. Theresianischen Akademie ernannt. In
Wien schuf er mehrere Fresken und Kartons zu Glasfenstern für die Votiv-
kirchc, meist nach F'ntwürfen von Führich : an den Wandflächen unter den
Chorfenstern die Geschichte der Arche Noah in sieben Bildern und die Glas-
fenster im hohen Chor: Berufung Petri, Predigt Christi vom Schiffe Petri,
Schlüsselübergabe, Befreiung Petri aus dem Kerker, Kreuzigung Petri. Im
Dom zu Salzburg befinden sich gleichfalls Glasgemälde nach seinen Ent-
würfen. Unter seinen Tafelbildern seien erwähnt: »Der Zug der hl. drei
Könige durch die Wüste«, im kunsthistorischen Museum in Wien; ferner
/•Jakob und Rahel am Brunnen«, »Hannibals Zug über die Alpen«, »Graf
Krnst Rüdiger von Starhemberg auf der Schanze«. In der Auffassung seiner
religiösen und profanen Historienbilder steht W. ganz unter dem Einfluß
seiner Meister; idealistische Auffassung und sorgfältige Durchführung bilden
die charakteristischen Merkmale seiner Werke. Er war Mitglied der k. k.
IC2 Wömdle von Adelsfried, von Berger.
Centralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen
Denkmale.
Literatur: L. Hevesi, Österreichische Kunst im 19. Jahrhundert, 1903. — Jahrbuch
der bildenden Kunst 1903. — Chronique des Aris et de lo Curiosiü 1902. — Kunst für
Alle XVII. — Boetticher, Maler^'erke des 19. Jahrhunderts 1895 — J901. — H. W. Singer,
Allgemeines Künstlerlexikon, 1895. — Das geistige Deutschland am Ende des 19. Jahrh.
I. Bd., Bildende Künstler 1898. Hugo Schmerber.
Berger, Julius Viktor von, Maler, * 10. Juli 1850 zu Neutitschein,
f 17. Nov. 1902 in Wien. — B. war seit 1864 Schüler der Wiener Aka-
demie, speziell unter Ed. von Engerth. Im Jahre 1874 erhielt er den
Rompreis und blieb drei Jahre lang in Italien, besonders in Rom und in
Venedig, wo seine Neigung zur dekorativen Monumentalmalerei durch die
Anregung, welche Tiepolo und Veronese boten, verstärkt wurde. Während
dieser Zeit entstanden mancherlei dekorative Malereien, Entwürfe zu Zimmer-
dekorationen und Deckengemälden. In der damals herrschenden Makart-
Stimmung erregte seine frische, helle Farbe und elegante dekorative Zeich-
nung vielen Beifall, besonders beliebt waren die kleinen allegorischen Dar-
stellungen, leichte Aquarelle und zierliche Federzeichnungen; seine zahlreichen
Festblätter, Programme, Ehrenbriefe u. a. wurden viel begehrt. Im Jahre 188 1
erhielt er den Ruf als Professor an die Kunstgewerbeschule des österr.
Museums für Kunst- und Industrie, im Jahre 1887 wurde er Professor an der
allgemeinen Malerschule der Kunstakademie in Wien. Die Entwürfe für den
Festsaal des Justizpalastes in Wien, welche er 1880 machte, befinden sich
jetzt in der Galerie der Akademie. Das Deckenbild stellt den Triumph der
Tugend über das Laster dar. Die Tugend, eine weibliche Gestalt, einen
Spiegel in der Rechten haltend, schwebt auf einer lichten Wolke empor,
unter ihr stürzen die Dämonen des Lasters in den Abgrund, verscheucht von
dem Gorgonenschilde, welchen die Begleiterin der Tugend, eine geflügelte
Gestalt in gelbem Mantel, ihnen entgegenhält. Der Genius zur Linken der
Tugend weist auf das aufgeschlagene Gesetzbuch hin, das er im Arme hält.
Die beiden Lunetten stellen das Strafrecht und den Rechtsschutz der Waisen
dar: Die Justitia thront vor zwei rot drapierten Säulen, das Haupt nach rechts
dem aufgeschlagenen Buche zugewendet, welches ein kniender Knabe im
Schoß hält, und bricht über dem vor ihr niedergebeugten V^erbrecher den
Stab. - Auf der zweiten Lunette tront die Justitia vor einer mit Pilastern
und Blumen geschmückten Flachnische und reicht dem Kinde freundlich die
Hand, welches auf den Stufen kniet, links nahen, Hilfe flehend, zwei andre
Kinder, begleitet von einem Mädchen in Trauerkleidern.
Am bekanntesten ist sein großes Deckengemälde im Goldsaal des kunst-
historischen Museums in Wien, zu welchem ihm Hasenauer den Auftrag vermit-
telte: >'Die Mäcene der bildenden Künste im Hause Habsburg«. Auf einer Terrasse
und auf den hinanführenden Stufen sind die kunstliebenden Herrscher, von den
Gruppen ihrerKünstler umgeben, in leicht symmetrischer Anordnung versammelt;
in der Mitte sitzt unter einem säulengcschmückten Throne Maximilian IL, neben
ihm steht Dürer, links sind die Gruppen Kaiser Karls V., Erzherzogs Franz
von Tirol und Kaiser Rudolfs IL, rechts diejenigen Kaiser Karls VI., Erz-
herzogs Albrecht VII. und Erzherzogs Leopold Wilhelm. Die dekorative
Wirkung ist durch eine matte Farbengebung beeinträchtigt; das Bild wirkt
von Berger. Beckmann. jc^
mehr durch die elegante Zeichnung. Andre Gemälde des Künstlers sind »Die
Taufe Borivojs«, »Kaiser Rudolf II. und Kepler«; im kunsthistorischen Mu-
seum zu Wien befindet sich ein Aquarell, »Hymensaltar«, von 1881. Dem
Eindringen moderner Tendenzen in der Malerei vermochte Berger nicht zu
folgen, sondern er geriet immer mehr in einen altmeisterlichen Stil hinein,
der in sorgfältiger Detail-Ausführung die Hauptsache sah.
Boetticher, Malcrwerke des 19. Jahrh., 1895 — 1901. — Kunstchronik XIV. — Chro-
nique des Aris et de la CuriosUe 1902. — L. Eisenberg, Das geistige Wien, 1893. —
Kunst und Kunsthandwerk 1902. — Ludwig Hevesi, Österreichische Kunst im 19. Jahrh.,
1903. — Jahrbuch der bildenden Kunst 1903. — Kunst für Alle XVIII. VIII. — H. W.
Singer, Allgemeines Künstler-Lexikon, 1895. Hugo Schmerber.
Beckmann, Konrad, Genremaler, * 21. Juni 1846 zu Hannover, f 3. Januar
1902 zu München. — Sohn eines Buchdruckers, war B. erst zum Dekorations-
maler bestimmt und in vierjähriger Lehrzeit in diesem Fach tätig, bis seine
Begabung erkannt und die Maler TAllemand und Klemme ihn in die rich-
tigen Bahnen brachten. Pilotys Name zog ihn nach München, wo sein kolo-
ristisches Talent zur weiteren Reife gelangte. Daneben zeichnete B. für die
^Fliegenden Blätter« und die »Münchener Bilderbogen«, die »Gartenlaube«
und andere illustrierte Zeitschriften. Durchschlagenden Erfolg errang sein
figurenreiches, fröhliches Ölbild »Der Schützenkönig« (1876), welches schließ-
lich nach Philadelphia gelangte. Nach Ableistung seiner Militärpflicht (1870/71)
begann B. die Illustration von Fritz Reuters Schriften, wozu allmählig dreißig
große Kartonzeichnungen entstanden, welche bei Fr. Bruckmann zu München
als eigene »Fritz Reuter-Galerie« in prächtiger Ausgabe in Großquart und
Kabinet-Format erschienen. Es gelang dem Künstler, zu den äußerst phili-
steriös-liebenswürdigen Charakteren ganz äquivalente Gestalten zu finden und
zu schaffen, die seitdem mit den Schöpfungen des Dichters typisch geworden
sind. Daraus löste sich wieder ein eigener Cyklus von zwölf Blättern »Ut
mine Stromtid«, während andere Bilder »Ut de Franzosentid«, »Kein Hüsung«,
»Dörchläuchting«, »De Reis nach Belligen«, »Hanne Nute« und auch die
»Läuschen un Rimels« verkörpern. — Im Auftrage des Fürsten Otto zu Stol-
berg-Wernigerode entstanden 1883 fünf Bilder aus der Geschichte dieser Familie
für den Festsaal des Schlosses Wernigerode. Auch eine anmutende Reihen-
folge für die Kemenate der Villa Solms (Dr. Berthold) in Hannover. Außer
vielen Bildnissen malte B. allerlei heitere Genrestücke, in welchen häufig die
feine Laune des Künstlers zur Geltung kam. Dazu gehören »Der politische
Schneider«, der über dem Lesen der Zeitung das Nähen des deutschen Banners
vergißt, der »Dorfpoet« und »Liebesbrief«, das an Ludwig Knaus erinnernde
»Ländliche Fest« (1876), der »Onkel als Brautführer«, das »Feierabend-
vergnügen« eines auf seiner Hobelbank ermüdet eingeschlafenen Schreiner-
lehrlings und viele andere dieser Art, welche der Mehrzahl nach durch Bruck-
manns Verlag in photographischer Reproduktion den Namen des Malers in
die weite Welt brachten. Schließlich zeichnete B. noch die Illustrationen zu
Charles Dickens »Heimchen auf dem Herd«, Lpz. bei A. Dietze. 4°. Der
größte Teil seiner Zeichnungen kam im April 1902 in den Kunstverein und
fand schnell bereitwillige Käufer.
Vgl. Singer 1895 I, 90. Fr. y. Bötticher 1895 I, 64. Das geistige Deutschland 1S98
8.35!. Morgenblatt der »AUg. Ztg.« 10. Januar 1902. Hyac, Holland.
154 ^'^^ Boyen.
Boyen, Oskar von, Historienmaler, * 20. August 1824 in Königsberg,
t 6. August 1902 zu Nieder-Pöcking am Stambergersce bei München. — B.
war eine mit eminenter Begabung reich veranhigte künstlerische Natur, welche
jedoch durch verschiedene Einflüsse nie zum ausgereiften, völligen Abschluß
von Wollen und Schaffen gelangte. Einer alten preußischen Adelsfamilie
entstammend und von seiner frühesten Jugend der Kunst zugeneigt, erhielt
er leider nicht die väterliche Zustimmung, sich der Malerei zu widmen. Sehr
jung verheiratet und als Gutsbesitzer in der Landwirtschaft tätig, verzichtete
er schließlich, da er kinderlos verblieb, auf die eigene Bewirtschaftung der
Güter und übersiedelte mit seiner Gattin nach München, um im Alter von
dreißig Jahren nachträglich der Kunstpflege zu leben. Hier wendete sich B.
an den durch strenge Formgebung bekannten Akademieprofessor Alexander
Strähuber, der seinen Schüler den hohen Weg in der Kunst führen und für
religiöse Malerei gewinnen wollte; so entstand eine >^ Madonna« im altitalischcn
Stile, die 1858 im Glaspalast und in Berlin zur Ausstellung gelangte und
dann in Wien einen Käufer fand. Nach mancherlei Konflikten ging B. seine
eigenen Wege, und malte, seiner Neigung für griechische Mythologie folgend (wie
auch die alten Klassiker seine Lieblingslektüre bildeten), einen Prometheus,
verschiedene Neptunbilder, Nymphen und eine Reihe ähnlicher Stoffe, da-
runter auch das phäakische Königstöchterlcin Nausikaa, die »aus Anlaß großer
Wäsche« mit ihren (bespielen den alten schiffbrüchigen Odysseus findet, eben-
so eine von Meergöttern in einer Muschel über das Meer getragene »Gala-
thea«, die in Wien in feste Hände kamen. Auch der von den Erinnyen ver-
folgte »Orest«, die phantastische »Walpurgisnacht« nach Goethes >'Faust«, die
»Nomen«, eine Puttengruppc mit riesigen Fischungeheuern, beschäftigten seinen
unermüdlich nach neuen Stoffen hastenden Geist, welcher im Gebiete der
Komposition nach der strengen Zeichnung eines Cornelius und Genelli strebte,
im Kolorit aber mit Riedel und Böcklin wetteifern wollte und mit nutzlosen
F^xperimenten sich zermarterte. Ein unglücklicher Zufall führte ihn mit einem
Engländer zusammen, welcher die Maltechnik der Alten wieder entdeckt haben
wollte und an B. einen dienstwilligen Genossen fand. Nach diesen Theorien
quälte sich unser Maler mit neuen Kompositionen: »Apoll mit den Musen-,
die ^^ Hochzeit des Bacchus <, mit Tritonen und anderen Wassergeistern, bis
er, das Nutzlose dieser Versuche erkennend, die herkömmlichen Wege wieder
betrat. Zwei glückliche Winter 1870 und 1878 verlebte B. zu Rom, wo er
sich an den Cinquecentisten erwärmte und begeisterte; die Früchte dieser
Studien kamen aber nimmer zur Reife. Schon früher hatte ein Gallenstein-
leiden ihn öfters nach Karlsbad geführt (wo er hunderte von Charakterfiguren
in Acjuarellskizzen festhielt), dann meldete sich, anfänglich leise dann aber
immer entschiedener auftretend, eine unheilbare Geisteskrankheit, welche das
F>innerungsvermögen lähmte, doch seinen liebenswürdigen Verkehr mit der
gewohnten Umgebung nicht geradezu untergrub; also daß es möglich war,
den armen Patienten in häuslicher treuer Pflege zu behalten. Schließlich
führte eine Lungenentzündung zum raschen Ende. B. war eine vornehm zu-
rückhaltende Natur, ein edler, übrigens nur wenigen sich ganz aufschließender
Charakter. Unabhängig von materiellen Erfolgen blieb B. mehr als ein Dilet-
tant und doch ein F^i)igone, eine Art artistischer »Wilhelm Meister«, der auf
seiner zu spät angetretenen Sucherfahrt nach neuen idealen P>gebnissen mit
von Boyen. Hartmann. I^J
der Empirie in Kollisionen geriet, deren pathologischer Verlauf unabwendbar
blieb. Die Ausstellung seines einen ganzen Saal des Kunstvereins füllen-
den Nachlasses erregte im Januar 1903 allgemeine Teilnahme und wahres
Interesse.
Vgl. Fr. V. Böttichcr, Malerwcrke 1895 I, 126. Kunstvercinsbericht für 1902 S. 73.
Hyac. Holland.
Hartmann, Ludwig, Landschafts- und Tiermaler, * 15. Oktober 1835 zu
München, f 20. Oktober 1902 ebendaselbst. — Mit neun Jahren schon völlig
verwaist — sein Vater Alois H. war magistratischer Kassier — lebte der Knabe
bei sehr armen Verwandten, dann ganz auf sich selbst angewiesen unter
Fremden. Daß unter solchen L^mständen der Trieb der Kunst in ihm er-
wachte und sich Bahn zu brechen vermochte, ist wohl ein Beweis für die dem
jungen Geiste innewohnende Kraft. Unter bitteren Entbehrungen und trotz des
wohlmeinenden Widerstandes jener, die nicht an seine künstlerische Begabung
glaubten, machte er seine Studien in Ställen und auf Märkten und in der
freien ihm allezeit offenen und lehrreichen Natur. An der Akademie war da-
mals für das ihn vollständig fesselnde Gebiet des Tier- und Landschafts-
studiums wenig zu holen. Glücklicherweise wurde er mit dem in Mitter-
Sendling einsiedlerisch hausenden Johann Wagner-Deines bekannt (1803 — 1880),
der gleichfalls auf eigenen Pfaden alles gefunden hatte, was H. suchte und
brauchte, der seinem Schüler nicht allein für die großen Meister wie Paul
Potter, van der Velde und Philipp Wouwermann das Auge öffnete, sondern
ihn auch streng nach der Natur zeichnen ließ. Und gerade die Nähe von
Mitter-Sendling wurde für ihn ein lebendiges Bilderbuch. Was er hier in
täglichen Eindrücken wahrnahm, gab das Programm zu seiner künstlerischen
Tätigkeit. Von hier schweifte der Blick üb^r das weite, südwärts von der
ganzen prächtigen Alpenkette begrenzte, vom größtmöglichen Wechsel aller
Lichtströmungen übersponnene weite Isartal, während auf der nahen Land-
straße schwerbeladene, mit weißen Leinwandblahen überspannte Lastwagen
und Fahrzeuge aller Art, von blauhemdigen, peitschenknallenden Fuhrleuten
geleitet, in staubig-malerische Atmosphäre eingehüllt, sogar italische Grauohre
und Maulesel der damals noch üblichen Vetturine vorüberklingelten. Ich er-
innere mich mit Freuden einer solchen langgestreckten Kavalkade hinterein-
ander einhertrottender Schellenträger, auf welchen fremdländische Gestalten
in knappanliegenden, reich beknöpften Reitkleidern, die Haare in langen roten
Netzen, mandolinen-klimpernde, prächtige Kerle mit scharfgeschnittenen, ener-
gischen Gesichtern hockten: Welche Bilder! Für die Maler lag das Geld über-
all buchstäblich auf der Straße, man brauchte nur offene Augen, um die Ein-
drücke »aufzuheben v< und festzuhalten. Und das taten ja auch die Peter Heß,
Heinrich Bürkel, Joh. Adam Klein, Friedrich Voltz und viele andere. Mit
besonderer Vorliebe wählte H. das Studium des Pferdes, wie dasselbe, nicht
im Dienste des Kriegers oder des vornehmen Sportliebhabers, sondern in der
schweren Arbeit des Ackerbauers, P'uhrmanns und als Zugtier des Schiffers
in ausdauernden Mühen dem Menschen beisteht und sich und seinem Herrn
das hartverdiente Brod gewinnt. Das tat er mit feinem Gefühl, mit scharfer
Charakteristik und strenger Zeichnung, wobei H. als ächter Künstler der ge-
heimnisvollen Macht und Schönheit der Farbe gleichmäßig das gebührende
I jö Hartmann.
Recht wahrte. Über allen seinen Schöpfungen ist ein Reiz und eine Zartheit
des Tones, eine klare Stimmung ausgebreitet, die sein Werk immer mit
poetischem Schimmer überglänzt und den alltäglichsten Stoffen eine artistische
Weihe verleiht. Darinnen und in dem völligen Einklang der Landschaft und
der bisweilen mit leicht humoristischer Wirkung gehaltenen Staffage, liegt der
weithinwirkende Zauber seiner kleinen Bilder, welche auf allen Ausstellungen
beliebt und von Kunsthändlern begehrenswert befunden, von verständnisinnigen
Sammlern gesucht wurden, in den besten Galerien zu Wien, Hamburg, Berlin
(National-Galerie) und München (Neue Pinakothek) gerne Aufnahme erhielten
und ihrem Autor Ehren, Auszeichnungen und wohlverdienten Gewinn ein-
trugen. Dazu gehören in chronologischer Folge beispielsweise die Schiffzug-
Reiter von der Donau (1861) und am Inn (photographiert bei Albert 1863),
Pferdehändler (in Nr. 1162 der Leipziger »lilustr. Ztg.«), vier auf der Weide
zusammenstehende Pferde (1864), ein Stall mit zwei bäuerlichen Rossen an
der Krippe, im Vordergrunde ein liegender Hund; ein im Bach trinkendes
Zugtier; Fuhrwerk bei heranziehendem Gewitter (1865); ein »Roßkamm« mit
seiner Transportware; eine Kartoffelernte; rastende Schiff- und Ackerpferde
(1868 — 1869); ^^i^ Rückkehr vom Jahrmarkt (1871); eine Szene vor dem Wirts-
hause (1872); Rast auf dem Felde (im »Daheim« 1873); Vorspannpferde auf
einem Hügel; Schiffsschlepper am Inn; Baucrnschimmel im Stall; Pfiüger mit
seinen Braunen; rastende Wagenpferde (1878); ein Bild von der Landstraße;
Landleute mit Kühen vor einem Wirtshause usw. Auf der internationalen
Ausstellung 1883 zu München erschien ein an die Verkehrstätigkeit früherer
Dezennien erinnernder »Schiffszug« — eine echte kulturgeschichtliche Schil-
derung, die als ein wahres Programm von H.s umsichtiger Arbeitslust aus
der Erinnerung erörtert werden darf: Die Szene spielt auf einer Inn-Aue,
etwa bei Rosenheim. Dort halten die Leute und Knechte, hart am Ufer des
Flusses und zunächst ihrem schweren Lastschiffe, das sie durch ihre Tiere
stromaufwärts ziehen lassen, ihre kurze Biwakrast. Etliche zerlumpte Reiter
führen, lebhaft gestikulierend, eifrige Gespräche miteinander; ein paar Alte
haben zur Bereitung der Mahlzeit während dieser Mittagspause ein lustiges
Feuer angezündet, welches sie durch knorriges Dürrholz sorgsam unterhalten.
Die Gäule sind struppige, langharige, magere, abgeschundene Tiere, denen
man deutlich ansieht, daß ihnen vom Frühjahre bis zu den letzten Spätherbst-
tagen Aufenthalt und Pflege im Stall eine unbekannte Wohltat blieb. — Einen
»Pferdestall« erwarb für seine Privatgalerie der Prinz-Regent Luitpold, welcher
unserem Künstler ein gnädiger Gönner blieb. Ein anderes Bild mit der Innen-
ansicht eines Pferde- und anstoßenden Kuhstallcs (1885) kann unbedingt den
besten Leistungen der holländischen Meister des XVII. Jahrhunderts an die
Seite gestellt werden. Dann kamen wieder Pferde im Biwak, ein Weide-
Idyll, Mittagsrast des Pflügers, eine Beschlagszene vor der Schmiede, ein
großer Pferdemarkt (Nr. 27 »Über Land und Meer« 1894 S. 560) usw. H.
wiederholte seine immer anziehenden Stoffe höchst selten und ungern, sein
Vorrat von Beobachtungen und Studien war unerschöpflich; was er gab,
stammte aus eigenem Augenschein, wozu er auch in Feld und Wald und auf
der Landstraße immer weitere Vorbilder für seine Gemälde sammelte. Vieles
verarbeitete H. für seine durchgearbeiteten Radierungen, welche teilwei.se in
Aumüllers Verlag erschienen.
Hartmiinn. Seuffer. 1 57
So blieb der Künstler immer frisch und neu; seine Kraft und Ausdauer
schienen mit den Jahren zu wachsen. Er blieb derselbe einsame, fast
schüchterne Mann, der nichts aus sich machte, sich nirgends aufdrängte, der
freudig jedes wahre Verdienst anerkannte und hübsche Kenntnisse im Bereiche
der Kunstgeschichte besaß, wxlche ihm als Vorsitzender der Münchener Kom-
mission für die historische Ausstellung des Jahres 1888 sehr zu statten kamen.
Auch verstand er sich auf Lokaltopographie und sogar auf prähistorische
Forschungen, sodaß jeder Fachmann, der seinen Andeutungen folgte, wirklich
guten Rat erhielt. H. war ein lieber, echter Mensch, ein Freund von Scherz
und Witz und wenig Worten, durchaus wahr und treu seiner Kunst und seinen
Freunden. Die allgemeine Anerkennung kam auch in der Auszeichnung H.s
durch den bayerischen Michaelsorden I. Klasse und den Titel eines Kgl. Pro-
fessors zum Ausdruck. Die Akademie ernannte ihn zu ihrem Ehrenmitglied.
Die Kunstausstellung des Jahres 1903 gönnte seinem Nachlaß einen eigenen
Saal des Münchener Glaspalastes. Darunter befand sich eine »Oberbayerische
Landschaft« mit Pferde-Staffage (im Besitz des Prinz-Regenten Luitpold), eine
»Landschaft am Inn« mit Gewitterstimmung; von der Alm abziehende Pferde
(Eigentum des Prof. Albert Schmidt), eine »Allee auf der Landstraße nach
Perlach« (Generalauditeur Ritter von Knözinger), »Rast vor dem Wirtshaus«,
Pferde am Brunnen und am Pflug, ein herrlicher »Schiffzug am Inn« usw.
Vgl. Münchener Propyläen 1869 S. 487 ff. Fr. Pecht: Gesch. der MUnch. Kunst 1888
S. 266. Seubert 1879 II, 176. Singer 1896 II, 134. Fr. v. Bötticher 1895 I, 464. Nr. 291
»AUg. Ztg.« 22. Oktober 1902. Th. Waldmann im Kunstvereinsbericht f. 1902 S. 76. Por-
trät und Biographie in Nr. 3098 »Illustr. Ztg.« Leipzig, 13. November 1902,
Hyac. Holland.
Seuffer, Gustav Heinrich, Dichter, * 8. Januar 1835 in Ulm, f 24. Mai
1902 ebenda. — Der Sohn eines Metzgers und Schankwirts, wuchs S. in ein-
fachen Verhältnissen auf und hatte eine strenge Jugend; die Fühlung, in der
er von früh an mit dem Volke stand, kam später seinetri Dichten zu statten.
Nachdem er das Ulmer Gymnasium durchlaufen und das sogenannte Konkurs-
examen erstanden hatte, trat er Herbst 1853 zum Studium der evangelischen
Theologie in das Tübinger Stift ein. Seine Neigung ging jedoch mehr auf
die mathematisch-realistischen Fächer, und als er Herbst 1857 seine theolo-
gische Dienstprüfung abgelegt hatte, blieb er noch ein Jahr in Tübingen, um
sich ganz jenen zu widmen. Dann begab er sich in den württembergischen
Realschuldienst, fand in Ulm, in Ravensburg, Schwenningen, Stuttgart, Eßlin-
gen, Freudenstadt und Rottweil unständige Verwendung, wurde 1866 defini-
tiver Reallehrer in Neresheim, 1870 in Bietigheim, 1878 an der Realanstalt
und dem Realgymnasium in Ulm, wo er 1884 zum Oberreallehrer, 1887 zum
Professor vorrückte. Sein Leben floß still dahin; er suchte und fand sein
bestes Glück in der Familie, seitdem er 1867 mit seiner Ulmer Landsmännin
Marie Magdalena Woydt einen eigenen Hausstand gegründet hatte. In seinen
letzten Jahren war er von allerhand Beschwerden des Leibes heimgesucht.
Sein hübsches, stark humoristisches Dichtertalent, das sich mit Vorliebe
in den Formen der schwäbischen Dialektlyrik bewegte, machte ihn zu einem
beliebten Mitarbeiter der deutschen Witzblätter, zumal der »Fliegenden Blätter«,
in deren Spalten er 40 Jahre lang zahlreiche Gedichtchen veröffentlicht hat.
1^8 Seuffer. Kitsche.
Außerdem stellte er seine Muße gern in den Dienst geselliger Gelegenheiten,
und die Ulmer Vereine verdankten ihm manches Festgedicht, darunter auch
einige dramatische Spiele. S. hat seine schwäbischen Gedichte zum ersten-
mal 1879 unter dem Titel »Hellauf, Schwobeland!« gesammelt (Stuttgart bei
Mctzlcr; Titelauflage: 1888 Ulm bei J. Ebner; 2. vermehrte Auflage: 1896
ebenda). Herbst 1885 gab er gemeinsam mit Richard Weitbrecht, »s Schwoba-
land in Lied und Wort« (Ulm o. J. bei J. Ebner) heraus. Es war die erste
große Übersicht über die gesamten Schätze der Dialektpoesic Schwabens,
eine verdienstliche Arbeit, für die das Material fleißig zusammengetragen und
sorgfältig gesichtet worden ist. 1887 ließ S. eine ähnliche Sammlung hoch-
deutscher und mundartlicher Dichtungen, die Ulm und Umgebung betrafen,
nachfolgen: »In Ulm, um Ulm und um Ulm rum« (Ulm o. J. bei J. Ebner).
1889/95 leitete er (im selben Verlag) den »Ulmer Donauboten«, einen Kalender,
zu dem er selbst mancherlei auch hochdeutsche novellistische Beiträge (unter
dem Pseudonym H. G. Raffus) spendete. Ein dreiteiliges Festspiel, das S.
zum Ulmer Münsterfeste von 1890 verfaßte, kam nicht zur Darstellung.
S. hat für die Popularisierung der schwäbischen Dialektpoesie viel ge-
leistet und namentlich durch seine Verse in den allerorten gelesenen >^Flie-
genden Blättern <^ ihre bessere Kenntnis verbreitet. Um so wichtiger war es,
daß er an der echten Volkssprache festhielt und sich zu keinem Salon-
Schwäbisch bequemte. Da er sich der literarischen Bedeutung der von ihm
vertretenen Dichtungsart wohl bewußt war, so ließ er es an ernsthaften Sprach-
studien nicht fehlen. Von Sentimentalität hielt er sich fem. Er gefiel sich
in einer scherzhaften Manier, für die er glücklichen Humor und die Gabe,
der Menschen große und kleine Schwächen sicher zu treffen, mitbrachte. Da-
bei war er ein Sänger der geselligen Freude. Seine leicht sangbaren und
sich oftmals dem Schnadahüpferlton nähernden Weisen sind gerne komponiert
worden. Meist gibt er sich kurz und knapp und weiß hübsch zu pointieren;
der naheliegenden Gefahr der Trivialität ist er nicht immer ausgewichen.
Alles in allem ein liebenswürdiges, aber kleines Talent, das nicht überschätzt
werden darf.
Schwäbische Kronik vom 25. September 1902 (Nr. 446) und sonstige Zeitungsnotizen.
— August Holder, Geschichte der schwäbischen Dialektdichtung, S. 225 f. (mit Bild). —
Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhunderts (5. Ausgabe)
IV S. 79. R. Krauß.
Nitsche, Hinrich, Dr., Professor der Zoologie an der kgl. sächsischen
Forstakademie Tharandt, * 14. Februar 1845 in Breslau, f 8. November 1902
zu Tharandt. — Schon in zarter Jugend doppelt verwaist -- seine Mutter starb
bei seiner Geburt, sein Vater, Justizkommissar J. Nitsche, im Jahr 1848 —
wurde N. im Hause seines Großvaters, des Oberkonsistorialrates und Professors
an der Universität Breslau, Dr. Middeldorpf, erzogen. Nach Absolvierung des
Gymnasiums gedachte er zuerst Jura zu studieren, wandte sich jedoch bald
den Naturwissenschaften und speziell der Zoologie zu, besuchte die Universi-
täten Heidelberg und Berlin und promovierte bereits 1868 an letzterer Hoch-
schule. Im Jahre 187 1 habilitierte sich N. als Privatdozent in Leipzig, wurde
1874 zum außerordentlichen Professor ernannt und 1876 auf den neugegrün-
deten Lehrstuhl der Zoologie nach Tharandt berufen, woselbst er bis zu
seinem unerwarteten, infolge eines Gehirnschlages eingetretenen Tode verblieb.
Nitsche. Heincmann.
159
X. war ein vorzüglicher Lehrer, der durch seinen lebhaften Vortrag seine
Hörer zu fesseln wußte; die ursprünglich sehr bescheidene zoologische Samm-
lung in Tharandt brachte er in unermüdlicher Tätigkeit auf eine hohe Stufe
und schuf in ihr ein treffliches Hülfsmittel für seinen Unterricht. Ebenso
war er literarisch sehr tätig, ein unermüdlicher und gewissenhafter Forscher,
der sich durch sein großes, gemeinsam mit Geh. Oberforstrat Judeich heraus-
gegebenes Werk »Lehrbuch der mitteleuropäischen Forstinsektenkunde <,
(2 Bände, 1895) ein dauerndes Verdienst erworben hat. Alle seine Angaben
tragen das Gepräge der Verlässigkeit, und wo irgend möglich suchte er die-
selben auf eigene Beobachtungen zu gründen. Besonderes Interesse brachte
er auch der Fischzucht, dann der Naturgeschichte der europäischen Hirsch-
arten entgegen, und hat seine Forschungen speziell über deren Geweihbildung
in seinen »Studien über Hirsche« 1898 niedergelegt. Zahlreiche andere Publi-
kationen in naturwissenschaftlichen, forstlichen und jagdlichen Zeitschriften
legen Zeugnis von seinem reichen Wissen ab; gerne nahm er auch an den
Jahresversammlungen des sächsischen Forstvereins teil und berichtete dort
über aktuelle Fragen auf dem Gebiet der Forstinsektenkunde.
Manche äußere Ehren wurden ihm durch Ordensverleihungen, sodann
durch die Verleihung des Titels eines Geheimen Hofrates zu teil. Die all-
gemeine Hochachtung und Wertschätzung aber, deren sich N. erfreuen durfte,
sichert dem leider allzu früh Verstorbenen ein bleibendes Andenken in weiten
Kreisen. Dr. Fürst.
Heinemann, David, Maler und Kunsthändler, * 11. Juli 1819 zu Schlips-
heim in Schwaben, f i. März 1902 in München. — H. kam frühe, um sein
unverkennbares Talent zu bilden, nach Augsburg in die damals viel-
besuchte Schule des ausgezeichneten Genremalers August Geyer (1807 bis
1875), wo er gleichzeitig mit Joseph Scherer und anderen tüchtigen, streb-
samen Jugendgenossen Unterricht im Zeichnen, Malen und durch Prof. Veit
in der Anatomie erhielt. Mit dieser gründlichen Vorbildung fand H. Auf-
nahme an der unter Cornelius florierenden Münchener Akademie, machte
rasche Fortschritte bei Hermann Anschütz und insbesondere in der Kom-
ponierschule des Heinrich von Heß. Im edelsten Wetteifer und heller Be-
geisterung wurden, insbesondere durch Julius Schnorr von Carolsfeld, Stoffe
aus der antiken Mythologie, dem alten Testament und der mittelalterlichen
Geschichte erwogen und durchgearbeitet, auch das Genre- und Porträt-Fach
fleißig kultiviert. H. konzentrierte seine notorische Begabung auf diese
letztgenannten Richtungen, vielfach bei den Konkurrenzen durch Prämien
ausgezeichnet und ermutigt. Nebenbei gab es glänzende Feste, wie das
>AVallenstein-Lager« im nahen Schloßhofe zu Blutenburg und das große
»Albrecht Dürer-Ehrengedächtnis« (1840) von dessen Herrlichkeit die nach-
folgende Generation noch lange zu erzählen, zu »singen und zu sagen«
wußte. Bald als Bildnismaler geschätzt, wurde H. auf verschiedene Edel-
sitze geladen und selbstverständlich weiter empfohlen. Längere Zeit weilte
derselbe zu Lindau und auf den Schlössern am Bodensee und in der Schweiz.
Zwischendurch liebte er Szenen aus dem Familienleben zu malen, darunter
die in der Weise von Moritz Oppenheim gehaltene »Schmückung einer Braut«,
ein figurenreiches Bild, welches den Namen des Künstlers nach Wien
1 6o Heinemann. Keitel.
brachte. Durch das industrielle Unternehmen seiner Gattin wurde H.s Tätig-
keit auf das Gebiet der Blumenblätter-Fabrikation gelenkt; das Geschäft war
in voller Blüte, als der Krieg 1866 unerwarteten Rückgang aller Bestellungen
brachte. Da H. schon lange Zeit von auswärtigen Kunstfreunden, insbeson-
dere aus Norddeutschland und Amerika, als Expert bei Bilder-Erwerbungen
ein ausgedehntes Vertrauen genoß, wendete er sich nun allmählich zum
Kunsthandel, und zwar wie bei seinen Kenntnissen und vielfachen Beziehungen
zu den besten seiner artistischen Zeitgenossen möglich war, mit solchem Er-
folge, daß er eine eigene, alsbald gerne und eifrig frequentierte Kunsthand-
lung in München 1872 begründete, welche sich auch auswärts mit Filialen
in Frankfurt a. M., Bad Kissingen und Nizza erweiterte. Als sich das
Münchener Geschäft unter den Händen seiner Söhne immer mehr ausdehnte,
wurden die Frankfurter und Kissinger Abzweigungen aufgegeben und die
Haupttätigkeit auf Nizza und München konzentriert und in letzterer Stadt
sogar zwei umfangreiche, vornehme Ausstellungslokale in der Prinzregenten-
straße und am Promenadeplatz errichtet, welche im Dezember 1903 in einen
am Maximiliansplatz eigens zu diesem Zwecke neuen, den modernsten An-
sprüchen adaptierten Prachtbau vereint wurden, der in mehreren, durch zwei
Stockwerke laufenden Räumen auch einen eigenen Saal für Plastik, Bild-
hauerwerke und Erzgußerzeugnisse umschließt. Die neueste Kunst hat da-
durch auch mit regelmäßig wiederkehrenden internationalen Sonderaus-
stellungen eine überraschende Förderung erfahren. Diesen neuesten Auf-
schwung seiner Gründung zu erleben, war dem greisen, höchst vor- und
umsichtigen Manne leider nimmer beschieden. Geehrt und geliebt im
Kreise seiner Familie genoß H. ein glückliches Alter. Die Feier seines
achtzigsten Geburtstages brachte schöne Beweise der freudigen Teilnahme
aus allen Schichten der Gesellschaft. Einen gefährlichen Blutsturz bestand
der immer heitere, im Stillen viel gutes wirkende, für bedürftige Künstler
stets hilfsbereite Mann, mit rüstiger Kraft, die noch auf ein höheres Alter zu
berechtigen schien, zu Ende des Jahres 1901. Einem neuen Ansturm der
Krankheit war er nimmer gewachsen.
Vgl. Nr. 61 »Allgera. Ztg.« 3. März 1902. Kunstvereinsbericht f. 1902 S. 69.
Hyac. Holland.
Keitel, Otto, Tiermaler und Radierer, * 15. September 1862 zu Braun-
schweig, t 3. August 1902 zu Pasing bei München. — K. besuchte nach Ab-
solvierung des Gymnasiums zu Braunschweig das dortige Polytechnikum,
insbesondere die Zeichnungsschule des Tiermalers Prof. Karl Fr. Adolf
Nickol, wo der junge Eleve den ersten Preis für seine Leistungen errang.
Dann befreundete er sich in Düsseldorf mit der Xylographie bei Brend'amour,
schulte sich bei H. Lauenstein, Joh. Chr. Kröner und Deiker, ebenso bei
Albert Brendel in Weimar, wo er sich bei P. Halm mit der Radierkunst
befreundete. Mit zwei Medaillen prämiiert erteilte K. zu Braunschweig
1889 Unterricht im Malen und Zeichnen. In Karlsruhe genoß K. die
weiteste Förderung durch Herrn. Kaiser und Heinrich Zügels Führung,
welchem er nach München folgte und abermals als Schüler des hierher be-
rufenen Peter Halm, ebensowohl durch seine Radierungen wie durch seine
Bilder große Aufmerksamkeit erwarb, da ihm die innige Verbindung der
Keitel. Knab. jgj
Tierwelt mit der Landschaft in virtuoser Weise gelang. Dazu gehört bei-
spielsweise ein »Sommermorgen« (1888), eine »Mittagruhe« und »Schluß des
Marktes«, verschiedene Kuhställe, »Futterzeit« usw. Aus den gründlichsten
anatomischen Studien heraus brachte er seine Tiere zur künstlerischen Dar-
stellung, ohne ins Harte oder Kleinliche zu geraten, voll Leben und Be-
wegung. Dazu gehören seine weidenden Kühe, die prächtigen Schafe, die
behaglich gelagerten Schweine und seine köstlichen Hühner (1899) — alle
seine Objekte mit gleicher Liebe und Teilnahme umfassend und im uner-
müdlichen Wechsel immer neue Studienstoffe sammelnd. Nicht allein seine
Bilder, sondern auch seine Radierungen, beispielsweise das humoristische
Blatt, wie Pferdt auf der W^eide einen Malerstuhl und Farbenkasten ent-
decken und neugierig beschnuppern, fanden eifrige Nachfrage und Käufer.
Doch endete das schöne, in einem echten Künstlerheim zu Pasing blühende
Schaffen viel zu frühe. — Sein vielseitiger, aus Bildern, Farbenstudien,
Zeichnungen und köstlichen Radierungen bestehender Nachlaß wurde im
November 1902, im April 1903 und Juni 1904 zur Ausstellung gebracht,
darunter äußerst scharf beobachtete, prägnant hingesetzte Zeichnungen nach
Pferden, Kühen und köstlichen Hühnern von feiner Bildwirkung. Leider
hatte K. in der Zeit seines Lebens die sehr wohl verdiente Anerkennung
nicht gefunden.
Vgl. Fr. von Bötticher 1895 I. 668. Singer II. 318. Kunst Vereinsbericht f. 1902
S. 7iff. Hyac. Holland.
Knab, Ferdinand, Architektur- und Landschaftsmaler, * 12. Juni 1837 in
Würzburg, f 3. November 1902 in München. — K. erhielt den ersten gründ-
lichen Unterricht 1857 bei Heideloff in München, ging 1859 ^^^ weiteren
Ausbildung als Maler nach Nürnberg, wo der geistesverwandte Enlil Kirchner,
noch mehr aber Arthur von Ramberg und insbesondere Karl von Piloty ihm
den Zauber ihrer Palette verliehen und der Einfluß von Makart, Gabriel Max
und Joseph Flüggen mächtig mitwirkte. Schon 1860 debütierte K. im
Münchener Kunstverein mit einem »Patrizierhof«, welchem alsbald ein »Abtei-
keller« (1863) und andere Interieurstücke folgten. Insbesondere aber gewann
K. die allgemeine Aufmerksamkeit durch seine romantischen Architektur-
Szenerien, verwilderten Parkanlagen und verfallenen Bäder, römischen Frag-
mente, antiken Grabdenkmäler, Renaissance-Ruinen und Brunnen-Höfe: alles
teilweise noch nach Bernhard Stanges (1807 — 1880) Vorgang von einem
eigentümlich träumerischen Reiz umflossen und in elegische Abendstimmungen
getaucht. Neuen Stoffzuwachs dieser bisher aus ganz idealen Konstruktionen
stammenden, malerischen Dichtungen ergab 1868 eine Reise nach Italien.
Nun entstanden diese antiken, auf steilen Felstrümmern aufgebauten Tempel-
überreste, Trümmer aus Ostia und Paestum, diese Strandszenen aus Misenum,
Säulengruppen aus Thermen, Bergschluchten und Pinienhaine, die sich von
dem goldenen Abendsonnenhimmel so zauberisch abhoben und in klaren oder
verschlafenen Gewässern und Tümpeln in stillverschwiegener Einsamkeit, in
lautloser, von keiner menschlichen Staffage gestörten Märchenpoesie ä la
Eichendorff spiegelten. Eine Reihe von solchen architektonischen Aphorismen
brachten die »Münchener Bilderbogen« von Braun u. Schneider (z. B. in den
Nummern 362, 396, 415, 446, 473, 518, 590, 805, 926 ff.). Später ließ er wohl
Bio^r. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog-. 7. Bil. 1 1
l()2 Knab. Meißner.
auch eine allegorische Figur, ein fliegendes Harfenmädchen oder eine an-
mutige Zauberin in einer Böcklinschen Farbenskala, als ganz unnötige Staffage
durch die Lüfte schweben (1874). — Daß solch* eine künstlerische Begabung
das Interesse König Ludwigs IL erregen mußte, war unausbleiblich. K. er-
hielt Bestellungen zu Dekorationen im »Wintergarten« und wirkte mit an der
artistischen Ausschmückung des Linderhof-Schlosses. — Im Königspavillon
des neuen Zentral bahnhof es malte K. acht sinnige Lünetten; auch viele
Dekorationen im Hoftheater, z. B. für die »Zauberflöte« (1870), waren sein
Werk; zum Kunstgewerbehaus entwarf K. gleichfalls ein Projekt (Zeitschrift
1877 XXVII, 13). Illustrierte Blätter reproduzierten seine Schöpfungen, z. B.
Lützows Zeitschrift, Schorers Familienblatt und Daheim brachten Biographien,
Porträts und Zeichnungen oder Reproduktionen von den Werken und
Leistungen des Künstlers, welcher teilweise verwöhnt und verhätschelt und
im Bann des eigenen Zauberkreises aus demselben sich nicht mehr zu weiterer
Förderung hinausfand, in herkömmlichen Erinnerungen sich wiederholte und
nur zu frühe einer Manier verfiel, die unter dem neuaufwachsenden Realismus
kaum zur retrospektiven Achtung kam. Kein Wunder, daß er an seinen Ar-
beiten selbst immer weniger Gefallen fand und überdies, mit seltsamen
Schrullen und Quälereien behaftet, von großem Selbstbewußtsein getragen,
leicht verletzbar, schwer zugänglich, unzufrieden und ärgerlich über neuauf-
tauchende Erscheinungen, keinen vergnüglichen Lebensabend genoß. Eine
objektive Kunstgeschichte wird ihm gewiß die verdiente Ehrung mit bereit-
williger Anerkennung seiner echten Verdienste gewähren.
Vgl. Münchener Propyläen 1869 S. 489. Meyer, Dioskuren 1872 S. 211. Porträt und
Biographien in Nr. 42 »Über Land und Meer« 1883, 50. Bd. S. 833 (mit den »Ruinen
einer römischen Arena«). Fr. v. Bötticher 1895 !• 703- Singer 1896 U. 356. Nekr. in
305 »Allgem. Ztg«. 5. November 1902. Hyac. Holland.
Meißner, Ernst Adolf, Tier- und Genremaler, * 12. April 1837 in Dresden,
f 25. September 1902 zu München. — Als der Sohn einfacher Bürgersleute
bildete M. sich an der Dresdener Akademie unter dem weitgereisten Land-
schafter Karl Robert Kummer, besuchte dann München, Zürich, Rom und
ließ sich, längere und kürzere Reisen nach Holland, Ungarn und der Schweiz
abgerechnet, 1870 bleibend in München nieder. Seine gerne in winterlich-
stürmischer Stimmung gehaltenen Landschafts- und Tierbilder fanden stets
sehr erfrauliche Aufnahme. Dazu gehörten die entweder friedlich heim-
kehrenden, aber auch im pfeifenden Schneegestöber zurückeilenden oder zer-
sprengten Schafherden, die mit Kühen im Wasser, .Viehtransporten oder
sonstigem Austrieb wechselten. Die treuherzige, willenlose Gutmütigkeit
dieser Tiere, ihre unbezwingliche Angst und die durch die harmlosesten
Vorkommnisse verursachte Flucht fanden in M.s Darstellung immer einen er-
götzlichen Interpreten. Auch sommerliches oder herbstliches Alpenleben
waren beliebt, ebenso Gänsemädchen mit ihren possierlichen Zöglingen.
Seine Bilder erhielten durch Photographie und Holzschnitt die weiteste Ver-
breitung. Beispielsweise »Durchgehendes Ackergespann« (1856), »Ahom-
gruppe« aus Klönthal (Glarus, 1864), »Melkplatz am Wiggis« (ebendaselbst
1868), »Aus der Campagna« (1869), eine »Überfahrt am Bergsee« (im Deut.
Hausschatz 1881 S. 777), ein köstliches »Schafaustreiben« (Zur guten Stunde
Meißner. Kruse. ißj
1891 S. 321), eine durch winterliche Schneestürme heimziehende Schafherde
(ebendas. 1892), eine in voller Panik dem Stalle zustürzende Hammelgesell-
schaft (Nr. 18 Daheim 1892) oder friedlichere Szenen »Vor der Almhütte«
(Über Land und Meer 1895 S. 741) und »Auf der Weide« (ebendas. S. 796).
Ein ganz charakteristisches Werk des Künstlers bot 1902 die Ausstellung
im Münchener Glaspalast. Treffliche Bilder erwarben König Albert von
Sachsen, die Galerien zu Dresden, Berlin, Wien; ein großer Teil seiner
Arbeiten ging unmittelbar, von der Staffelei nach Amerika und England, wo
fünf seiner Bilder mit Medaillen ausgezeichnet wurden. Ein Herzschlag ent-
riß ihn plötzlich und unerwartet seiner Familie und seinem vollen künstle-
rischen Schaffen.
Vgl. Nr. 267 >Allgem. Ztg.« 28. September 1902. Kunstvereinsbericht f. 1902 S. 74.
Singer 1898 IL 158. Fr. v. Bötticher 1898 116. Hyac. Holland.
Kruse, Heinrich August Theodor, Dr. phil., Geheimer Regierungsrat,
langjähriger Chefredakteur der Kölnischen Zeitung und Dichter, * 15. De-
zember 18 15 in Stralsund, f 13. Januar 1902 in Bückeburg. — K. war der
älteste Sohn des Altermannes des Gewandhauses in Stralsund Andreas Theo-
dor Kruse, der lange Zeit Rügen -Stralsund im preußischen Landtage ver-
treten und sich auch auf dem Gebiete der Armenpflege und heimischen
Geschichte einen Namen gemacht hat. In seiner Vaterstadt und auf dem
nahe gelegenen Familiengute Andershof am Strande der Ostsee hat Heinrich
K. eine glückliche Jugendzeit zugebracht. Im Jahre 1833 bezog er die Uni-
versität Bonn, um Philologie zu studieren, vier Jahre darauf schloß er sein
Studium in Berlin ab, den Doktorhut hat er sich später durch die (wohl un-
gedruckt gebliebene) Abhandlung Vita Arati Sicyonii erworben. Neben der
klassischen Philologie und der Geschichte beschäftigte er sich besonders mit
Archäologie, schon als Student hat er einige archäologische Abhandlungen
verfaßt, und die Vorliebe für dieses Spezialfach hat ihn im Leben nie ganz
verlassen. Auf die Universitätszeit folgten mehrere Wanderjahre, die ihn nach
Rußland, Schweden, Norwegen und Dänemark führten. Er trat dann als
Probekandidat am Gymnasium seiner Vaterstadt ein, wurde aber bald durch
Bunsen zum Erzieher der beiden ältesten Söhne des Earl of Shaftesbury nach
England berufen. Sein dortiger Aufenthalt schärfte und erweiterte seinen
politischen Blick, durch Vermittlung des Vaters seiner Zöglinge erschlossen
sich ihm angesehene wissenschaftliche und politische Kreise, in denen er mit
Männern wie Palmerston und Gladstone in Berührung kam. Erst 1844 kehrte
er nach Deutschland zurück und übernahm eine Lehrerstelle am Gymnasium
in Minden i. Westf., die politisch bewegte Zeit führte ihn aber bald der Presse
zu, der er fortan sein Talent und seine ungewöhnliche Arbeitskraft gewidmet
hat. Er begann seine journalistische Laufbahn bei der Allgemeinen Zeitung
in Augsburg, folgte aber nach kurzer Zeit einem Rufe an die Kölnische
Zeitung, nachdem er vorher eine Reise nach Frankreich unternommen hatte.
Auch in Köln weilte er nicht lange, schon 1848 siedelte er als Chefredakteur
der Neuen Berliner Zeitung nach Berlin über, und wiederum verließ er diese
Stellung, um in die Redaktion der Deutschen Zeitung in Frankfurt einzutreten,
er wurde bald an Gervinus* Stelle der Leiter dieses Organs der erbkaiserlichen
II*
1 64 Kruse.
Partei. Unter schwierigen Verhältnissen und mannigfachen Anfeindungen der
Demokratie, die sich sogar bis zu Todesandrohungen verstiegen, brachte er
bald neues Leben und einen frischen Geist, wie Springer in seiner Biographie
Friedrich Christoph Dahlmanns bezeugt, in dieses Blatt, und >'die Kraft einer
felsenfesten Überzeugung atmete wieder aus ihren Zeilen«. Aber K.s ange-
griffene Gesundheit hielt der aufreibenden Tätigkeit nicht stand, und als ihn
die Nachricht von dem plötzlichen Tode seines Zöglings, des Hon. Francis
Ashley, an dem er wie an einem eigenen Sohn gehangen, traf, ging er nach
dem Zusammenbruche des Parlaments auf längere Zeit zur Erholung an den
Genfer See. Er kehrte nicht nach Frankfurt zurück, sondern trat gegen Ende
des Jahres 1848 wieder in die Redaktion der Kölnischen Zeitung ein, der er
fortan treu geblieben ist. Das große rheinische Blatt hatte damals unter der
Leitung von Karl Heinrich Brüggemann, einem Manne von großem politischen
Blick und fester, aber gemäßigter Haltung, einen harten Kampf mit der herr-
schenden reaktionären Strömung und der Regierung zu bestehen. Zu wieder-
holten Malen wurde der Zeitung die Unterdrückung angedroht, und als im
März 1855 der Verleger schroff vor die Wahl zwischen Wechsel des leiten-
den Redakteurs und der Unterdrückung gestellt wurde, legte Brüggemann
sein Amt nieder, und K. trat am i. April an seine Stelle. Da der neue Chef-
redakteur ganz im Sinne seines Vorgängers die Zeitung weiterführte, hatten
auch die Verfolgungen von seiten der Verwaltungsbehörden noch nicht ihr
Ende erreicht, erst mit der Übernahme der Regierung durch den Prinzregenten
kamen für das deutsche Volk und die deutsche Presse ruhigere Zeiten. Unter
K.s Leitung nahm die Kölnische Zeitung einen großen Aufschwung; seine
Leitartikel, in der Sache klar und verständlich, in der Sprache mustergültig
und oft durch ihren Schwung den Dichter verratend, fanden Beachtung in der
ganzen Welt. Als den Höhepunkt seiner journalistischen Tätigkeit darf man
wohl die große Zeit des Sommers 1870 bezeichnen; was K.s Feder damals
für die deutsche Sache gewirkt, hat Bismarck rühmend durch die Worte an-
erkannt, die Kölnische Zeitung sei ein ganzes Armeekorps wert gewesen.
Im Jahre 1872 siedelte K. als Vertreter der Kölnischen Zeitung nach Berlin
über, er ist hier in angesehener und einflußreicher Stellung viele Jahre tätig
gewesen, bis ihn 1884 ein Ruhebedürfnis und zunehmende Augenschwäche
zum Rücktritt bewogen. Zum Ruhesitz erkor er sich die kleine, anmutig ge-
legene norddeutsche Residenz Bückeburg; in seinem Tuskulanum, das er
uns in einem prächtigen, erst nach seinem Tode veröffentlichten Idyll besungen
hat, ist ihm ein langer ungetrübter Lebensabend beschieden gewesen.
Als K. in der politischen Welt längst bekannt war, wußte man von dem
Dichter K. noch wenig. Er hatte 1847 ein Heft kleiner Dichtungen ^>Die
Schutzzölle« veröffentlicht, und auf Betreiben seines Freundes Emanuel Geibel
einen Fastnachtsschwank »Der Teufel zu Lübeck«, der später in die Samm-
lung Fastnachtspiele wieder aufgenommen ist; das zuerst 1854 erschienene
Lustspiel »Der Wettlauf« ist gleichfalls in der Sammlung »Sieben kleine
Dramen« wieder abgedruckt. K.s erstere größere Dichtung, das Trauerspiel
»Die Gräfin«, erschien 1868 ohne Verfassernamen. Es wurde zuerst in Leipzig
aufgeführt und kam 1869 mit Geibels Sophonisbe bei der Verteilung des
Schillerpreises in Frage, es wurde auf besonderen Antrag der Kommission,
da man eine Teilung des Schillerpreises nicht für angängig hielt, mit einem
Kruse. 1 6 c
zweiten Preise ausgezeichnet. Als Verfasser trat jetzt K. hervor, und ermutigt
durch den ersten Erfolg, veröffentlichte er rasch hintereinander eine Reihe
von Dramen, die zum Teil auf frühere Entwürfe und Ausarbeitungen sich
stützten. K. hat i6 große Trauerspiele geschrieben und dabei deutsche oder
wenigstens germanische Stoffe bevorzugt und hat vielfach Wege beschritten,
die andere vor ihm, selbst Shakespeare und Schiller, gewandelt sind, aber auf
diesen Wegen ist er dann einer besonderen Spur nachgegangen: »wir können
uns ja alle, jeder nach seiner Kraft, am Bogen des Odysseus versuchen«,
äußert er hierüber in der Vorrede zu »Arabella Stuart«. Mit der Geschichte
hat er es in seinen Dramen genau genommen, nicht minder mit Ausdruck
und Form, und immer wieder hat er eine bessernde Hand an seine Arbeiten,
auch an die bereits veröffentlichten gelegt; unter seinem literarischen Nach-
laß haben sich neben ungedruckten Dichtungen noch manche solche Über-
arbeitungen vorgefunden. Der naturwüchsigen Sprache, dem wohlgeformten
'Verse, dem Reichtum der bald naiven, bald großartigen Einzelzüge in K.s
»Wullenwever« hat Gutzkow in der Vorrede zu der neuen Ausgabe seines
gleichnamigen Dramas ungeteilte Bewunderung zuteil werden lassen; ähnliche
Vorzüge müssen aber allen Dichtungen K.s zuerkannt werden. Ein Bühnen-
erfolg ist K.s Dramen nicht beschieden worden, auch der preisgekrönten
Gräfin nicht, und doch sichern sie dem Dichter einen ehrenvollen Platz unter
den deutschen Dramatikern des 19. Jahrhunderts. W^eit williger als den Dramen
ist den in fließenden Hexametern geschriebenen epischen Dichtungen K.s
Anerkennung gezollt, der humorvollen »Kleinen Odyssee« und insbesondere
den bald heiter, bald ergreifend wirkenden »Seegeschichten«, in denen der
Dichter das niedergelegt hat, was er als Knabe und Jüngling in seiner Hei-
matstadt Stralsund, »die so unmittelbar am Meere liegt wie kaum eine andere
Stadt«, erlebt und geschaut hat. Von den in Hans Sachsens Manier ge-
schriebenen Fastnachtsspielen hat das dritte Stück »Standhafte Liebe« mehr-
fache Aufführungen erlebt und eine dankbare Aufnahme gefunden. In der
1893 erschienenen Sammlung »Sieben kleine Dramen« sind vier Lustspiele,
ihnen hat K. noch drei weitere folgen lassen, die 1899 unter dem Titel
^Lustspiele« erschienen sind. Eine Auswahl Gedichte ist 1891, in zweiter,
noch vom Verfasser besorgten Auflage 1902 gedruckt, sie reichen zum Teil
bis in das Jahr 1848 zurück, und unter ihnen sprechen die stimmungsvollen
Elegien ganz besonders an. Die während eines Aufenthalts in Zandvort ent-
standenen kleineren lyrischen Dichtungen, zur Erinnerung an Zandvort als
Manuskript für Freunde gedruckt, sind der zweiten Auflage der Gedichte
einverleibt worden.
In den Tragödien Raven Barnekow und Witzlaw von Rügen, die beide
einen bedeutenden Zeitpunkt aus der Vergangenheit der einst so mächtigen
Hansastadt Stralsund behandeln, hat K. seiner Vaterstadt ein schönes Denk-
mal gesetzt, der Dank hierfür ist gelegentlich der Feier seines 8ojährigen
Geburtstages, die ihm auch die Ernennung zum Geheimen Rat gebracht hat,
durch die Verleihung des Ehrenbürgerrechts zum Ausdruck gekommen. —
K. war seit 1852 mit Luise Menckhoff verheiratet, einer Tochter des preußi-
schen Generals Menckhoff, die ihm im Tode am 5. Dezember 1903 nachge-
folgt ist. Der einzige Sohn aus dieser Ehe, Francis Kruse, lebt z. Z. als
Regierungspräsident in Minden i. Westf.
j 56 Kruse. Naumann.
Werke; Die Schutzzölle. Kleine Dichtungen, i. Heft, Minden 1847. ^^^ Teufel zu
Lübeck. Fastnachtsschwank. Berlin 1847. Der Wettlauf. Lustspiel in i Aufz. Bremen 1854.
Die Gräfin. Leipzig 1868, 2. und 3. Aufl. 1870, 4. Aufl. 1873. Wullenwever. 1870,
2. Aufl. 1871, 3. Aufl. 1878, 4. Aufl. 1894. König Erich 1871, 2. Aufl. 1873. Moriu
von Sachsen 1872. Brutus 1874, 2. Aufl. 1882. Marino Faliero 1876. Das Mädchen
von Byzanz 1877, 2. Aufl. 1885. Rosamunde 1878. Der Verbannte 1879, 2. Aufl. 1881.
Raven Bamekow 1880. Seegeschichten. Kleine Dichtungen. Stuttgart 1880, 2. Samml.
1889, (zugleich I. Samml. in 2. Aufl.) Neue Folge 1900. Witzlaw von Rügen 18S1.
Alexei 1882. Fastnachtsspiele 1887. Arabella Stuart 1888. Hans Waldmann 1890.
Erinnenmg an Zandvort. Als Manuskript gedruckt. Btickeburg 1890. Gedichte 1891,
2. Aufl. 1902. Die kleine Odyssee. Eine Seegeschichte. 1892. Sieben kleine Dramen 1893.
Nero 1895. Stieglitz und Nachtigall oder die Rostocker Jungen. Lustspiel 1897. (Als Ma-
nuskript gedruckt. Auch enthalten in : Lustspiele 1899). König Heinrich VIL 1898, 2. Aufl.
1899. Lustspiele 1899. (Sämtliche Werke, bei denen kein Verlagsort angegeben ist, sind
in Leipzig erschienen. Eine Anzahl kleinerer Dichtungen sind in verschiedenen Zeit-
schriften zerstreut.)
Mitteilungen des Regierungspräsidenten Dr. Kruse. Meine Leitung der Kölnischen
Zeitung imd die Krisen der preußischen Politik von 1846 — 1855. Von Karl Heinrich Brügge-
mann. Leipzig 1855. Friedrich Christoph Dahlmann. Von Anton Springer. T. 2 (Leip-
zig 1872) S. 317. Geschichte der Kölnischen Zeimng und Druckerei. Köln 1880. Geschichte
der deutschen Literatur. Von Heinrich Kurz. Bd. 4 (3. Aufl. Leipzig 1874) S. 524. Das
literarische Deutschland. Von Adolf Hinrichsen. 2. Aufl. Berlin 1891. Lexikon der deut-
schen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrh. Von Franz Brummer. 5. Aufl. Bd. i. Hein-
rich Kruse. Von Karl Siegen: Literarischer Merkur, Jahrg. 3 Nr. 4 5 6 — 8. Berlin 1882 — 83.
Kölnische Zeitung vom i. März 1889, 24. Dezember 1891, 22. Dezember 1893, 17. November
und 17. Dezember 1895, 15. Dezember 1900, 14. Januar 1902. Heinrich Kruse. Von Wil-
helm Fischer: Nord und Süd Bd. 52 (Breslau 1890) S. 296 — 305. Ausgewählte deutsche
Dichtungen, erläutert von Karl L. Leimbach, Bd. 9 (Die deutschen Dichter der Neuzeit und
Gegenwart Bd. 5). Leipzig und Frankfurt a. M. [1^93]. Heinrich Kruse als Dramatiker.
Von F. H. Brandes. Berlin [1898]. Schriften zur Kritik und Litteraturgeschichte. Von
Michael Bemays, Bd. 4 (Berlin 1899) S. 50 — 86. Heinrich Kruses pomroersche Dramen.
Ein Erinnerungsblatt von Edmund Lange. Greifswald 1902. Heinrich Kruse als Dichter.
Von Edmund Lange: Zeitschrift für den deutschen Unterricht, Jahrg. 16 (Leipzig 1902)
S. 171 — 183. Heinrich Kruse. Von Alfred Semerau: Die Gegenwart, Bd. 61 (Berlin 1902)
S. 120 — 123. Zahlreiche Dichtungen K.s sind zuerst veröffentlicht in »Deutsche Dichtung«,
herausgegeben von Karl Emil Franzos, Bd. 2 Heft 9 (Berlin 1887) >Kruse-Heft« mit
biographischen Nachrichten von Wilhelm Fischer, in Bd. 31 (1902) Nekrolog aus der
Feder Franzos*. Was ich am Wege fand. Von Karl Theodor Gaedertz. Leipzig 1902.
(Heinrich Kruse. Ein Wort zu seinem 80. Geburtstage. S. 119 — 126.) Die Grenzboten,
Jahrg. 61 (Leipzig 1902) S. 498 — 502. Heinrich Kruse. Zur Erinnerung. Von Karl
Theodor Gaedertz: Baltische Studien. Neue Folge, Bd. 6 (Stettin 1903) S. i — 26.
Otto Zaretzky.
Naumann» Karl, Genremaler, * 23. September 1827 in Königsberg,
f 5. Oktober r902 zu Neu-Pasing (bei München). — Seine ersten Studien
machte N. an der unter Karl Ludwig Rosenf eiders Direktion seit 1845 frisch
aufblühenden Königsberger Akademie, von wo er 185 1 München zum fröh-
lichen Tummelplatz seiner launigen Einfälle erwählte, z. B. die langersehnte
Ankunft eines »Briefträgers« (zuerst 1854 und 1870 und 1872 mit neuen
Varianten wiederholt), ein »Christtag« (186 1), der »Zerbrochene Krug« (1863),
die »Schlechte Einnahme« eines vagierenden Virtuosen und andere Kneip-
brüder und fechtende Handwerksburschen, muntere »Kegelspieler«, streitende
Naumann. Otto. 167
»Politiker«, ein stattliches »Försterhaus«, einen galanten »Gärtner« und »Bo-
tanische Studien«; Vorbereitungen zum Feste; ein »Schachspiel«, »Mittag-
schläfchen«; »Försters Töchterlein« und ein »Besuch im Kloster« oder
»Auf der Alm« usw. Auch machte es ihm Vergnügen, Einsiedler und Anachoreten
in verschiedenen Beschäftigungen darzustellen: Schwämmebrechend, fischend
oder den staubigen Habit mit kräftigen Hieben für den »Feiertag« säubernd;
zu einer dieser Szenen malte Skell eine heitere Landschaft. Auch alte »Pech-
vögel«, »Hagestolze« und anderes misanthropisches Menschengewächs kamen
an die Reihe. Aber nie als böswillige Exemplare; sie hatten immer einen
wohlwollenden Beigeschmack. So z, B. ein alter, würdiger, mit sich und seiner
Gemeinde im friedlichsten Einvernehmen lebender Pfarrherr, der von einer
Anhöhe herab den Schauplatz seines stillen Waltens mit solchem Wohlgefallen
beäugelt, daß er eine zwischen den Fingern befindliche Priese seinem Riech-
organ zuzuführen sogar vergißt. Inzwischen erschienen »Kinder im Walde«
und ein an Scheffels »Audifax und Hadumoth« erinnerndes Hirtenpaar;
überhaupt ländliche Szenen, »Begegnung am See«, oder ein »Sonntag auf der
Alm«, eine »Erinnerung vom Königssee«, wo ein Schiffermädchen das an der
steilen Felswand angebrachte »Bildstöckel« mit Blumen bekränzt, oder ein
flotter Jägerknab von einem schmucken Dirnlein den üblichen »Brückenkuß«
erbittet. Wenn auch nicht immer neu in der Wahl seiner Stoffe, die an andere
Vorgänger wie Moritz Müller (der sogenannte Feuer-Müller) oder Köckerts
»Hochzeit-Fahrt auf dem Achensee« anklingen, blieb N. immer ansprechend
wie ein guter Erzähler und Novellist, sein dankbares Publikum fesselnd.
Holzschnitt und Photographie haben teilweise seine meist kleinen Bilder ver-
vielfältigt, einzelnes wurde auch für Steffens »Volkskalender« (Breslau) von
Konrad Geyer in Stahl gestochen. Ein rund dritthalbhundert Nummern (sowohl
einzelne Bilder, wie auch Studien und Skizzen) umfassender Nachlaß wurde
Mitte November 1902 im Münchener Kunstverein zur Ausstellung gebracht
und größtenteils verkauft.
Vgl. Fr. V. Böttichcr 1898 II, 127. — N. 277 »Allgem. Ztg.« vom 8. Oktober 1902.
— Kimstrereinsbericht für 1902, S. 75. Hyac. Holland.
Otto, Karl, Historienmaler, * 26. August 1830 zu Osterode im Harz,
•f* 2. Oktober 1902 zu Schleißheim bei München. — Anfangs zum Handwerker
bestimmt, gelangte O. zu einem Porzellanmaler nach Klausthal, wo er sechs
Jahre lang lernte und sich auch autodidaktisch im Porträtfache versuchte.
Ein gutes Geschick führte ihn nach München und zu Piloty; unter dessen
Einfluß malte der eifrige Schüler einen »Huß im Kerker« und den »Todes-
gang der Maria Stuart«. Dann wurden ihm drei Wandbilder im National-
Museum mit darstellbaren Motiven aus der bayrischen Geschichte übertragen
(die Gefangennahme des schwedischen Generals Hörn in der Nördlinger-Schlacht
1634; die Kaiserkrönung Karl Alberts 1742 zu Frankfurt; die Verteidigung
Straubings gegen die Österreicher 1742), die O. zur Zufriedenheit des Königs
löste, welcher den Maler mit einem großen »Gastmahl Belsazars« für die
weltgeschichtliche Galerie des Maximilianeums betraute — eine Aufgabe,
die O. mit großem Personenaufwand in der Manier eines Opernspektakels
vollführte. Nach einer längeren Reise durch Holland, Belgien und Frankreich
baute sich O. ein hübsches Atelier, kaufte und vertauschte Häuser, etablierte
l68 Otto. Pfeiffer.
eine gut frequentierte Malschule, wagte verschiedene Genrebilder, z. B. einen
dichtenden »Hans Sachs« (Gartenlaube 1867, S. 277), ein »Erntefest« (Neue
Welt 1877), den »Besuch des Serenissimus mit seinen Damen im Kloster*
(Über Land und Meer 1883, S. 677), dann malte er Lands- und Hausknechte,
zärtliche Sennerinnen und andere »Idyllen«. Viele Mühe und Zeit verwendete
O. auf ein großes, die »Huldigung der Hofdamen vor Marie Antoinette«
vorstellendes Ölbild, welches er, ohne Bestellung, auf eigenen Antrieb unter-
nahm und nach fortwährenden, dem ganzen nicht förderlichen Änderungen
vollendete, ohne die Grazie von Frangois Watteau oder Franz Xaver Winter-
halter erreichen zu können. Man fühlte, daß der Maler trotz allen Aufwandes
von Mühe und Arbeit nicht über die Kostümfrage hinauskam. (Vgl. No. 51
»Über Land und Meer« 1893, 70. Bd., S. 1048.) Nach längerem Harren ge-
langte das Bild doch in Besitz König Ludwigs IL In der Folgezeit lieferte
O., welcher schon während seiner akademischen Lehrjahre sich mit religiösen
Stoffen versucht hatte (darunter ein »Überfall in der Katakombe«), viele Kartons
zu Glasgemälden für die weitverzweigte Kunstanstalt des Kommerzienrates
Franz Mayer. Den längeren Genuß seines wohlverdienten ländlichen Tus-
kulums zu Schleißheim endete eine Lungenentzündung.
Vgl. Nr. 273 >Allgem. Ztg.« 4. Oktober 1902. Kunstvereinsbericht f. 1902, S. 74.
Singer 1898, 11, 351. Fr. v. Bötticher 1898, II, 196. Hyac. Holland.
Pfeiffer, Urban, Maler, * 25. Mai 1841 zu Nöggenschwiel in Baden,
f 5. Februar 1902 in München. P. war eigentlich nur sogenannter »Faß-
maler«, der aber seines Amtes in so origineller Weise waltete, daß er von
allen Plastikern, welche sich seiner Handleistung bedienten, als ebenbürtiger
Kollege geachtet wurde. Der helläugige, aufgeweckte und strebsame Knabe
kam rechtzeitig zu dem im nahen Säckingen hausenden Meister Jos. VoUmar,
der in seiner vielseitigen Tätigkeit als Architekt, Maler, Vergolder, Bildhauer
und Stuckateur eine ganze mittelalterige »Fabrica« repräsentierte. (Ein Sohn
des obengenannten, Ludwig Vollmar, * 7. Januar 1842 zu Säckingen, welcher
1858 nach München kam, und in die Fußtapfen Defreggers trat, aber schon
am I. März 1884 zu München starb, hat sich als vorzüglicher Genremaler
vorteilhaft bekannt gemacht.) Auf seinen »Wander jähren« kam P. nach der
Schweiz und Bayern, wo er zu München die Kunstschule besuchte, insbesondere
aber das Gebiet der Ornamentik kultivierte und hierin ein so schönes praktisches
Wissen erwarb, daß er in Paris, wohin er zur Erweiterung seiner Technik die
Schritte lenkte, in einem größeren Atelier für christliche Kunst sehr will-
kommene Aufnahme fand, woselbst der Chef der Anstalt ihm ganz außer-
gewöhnliche Affektion erwies und den braven jungen Deutschen zu seinem
Schwiegersohn erklären wollte. Leider zerstörte der Ausbruch des Krieges
und die infolge desselben verbundene Ausweisung aller Deutschen die schöne
Zukunft seines Gönners und die eigenen Pläne. Da auch das Verbot, Gold
ins Ausland mitzunehmen, seine saueren Ersparnisse bedrohte, so verpfiasterte
P. die sauer ersparten Napoleondors in die Innenwand seines Zylinderhutes,
vergaß aber in der Eile eines verkehrten Zugwechsels die inzwischen abge-
legte gewichtige Kopfbedeckung im Coupe. Sorgenschweren Hauptes sprang
P. noch rechtzeitig zurück, um die letzte Wohltat, die ihm ein Franzmann
bot, dadurch zu erfahren, daß ihm sein bisheriger freundlicher Reisegefährte
Pfeiffer. Krenn. Schulderer. I(5q
aus dem Waggonfenster die kostbare Kopfzierde mit der arglos gegebenen
Andeutung über die Schwere dieses altmodischen Möbels hinaus vermittelte!
P. ließ sich bleibend in München nieder und übte in wahrhaft künstlerischer
Weise die Polychromie an den Werken der Bildhauer, welche erst allmählich
sich herbeilassen, ihre Erzeugnisse mit einem färbigen Hauch des Lebens
zu überkleiden und langsam auf die von den alten Plastikern und Architekten
vollauf beliebte und geübte Methode zurückgreifen. Mit feinstem Gefühl und
kongenialem Verständnis seiner Vorbilder ließ er den Pinsel walten und
ornamentierte mit stilgerechten Mustern, in der W^eise der italienischen und
deutschen Cinquecentisten, die Gewänder der Heiligenbilder und gravierte in
gleich sorgfältiger Ausführung den betreffenden goldenen Hintergrund ihrer
Statuen. Neue nutzbare Ausbeute brachte 1900 eine Studienrei.se nach Rom
und Italien, Stoff und Material für langjährige Arbeitszeit, welche jedoch eine
schwere Augenkrankheit mit anderen Leiden in unerwarteter Weise verkürzte
und abschnitt. Seine weiche Tenorstimme machte ihn überall beliebt. Als
vielseitiger Sammler brachte P. ein kleines Museum von Merkwürdigkeiten
aller Art zusammen, in welchen er Teile seines schwer verdienten Vermögens
heimlich verbarg. Da er nicht die ganze Summe versteuerte, sollen die
lachenden Erben lange Gesichter gemacht haben.
Vgl. Rechenschaftsbericht des Vereins f. christl. Kunst f. 1902 S. 12 (von Max Fürst).
Hyac. Holland.
Krenn, Edmund, Genre-, Landschafts- und Architekturmaler, * 24. April
1845 in Wien, f ^3- Februar 1902 in Zürich. — K. erhielt den ersten Unter-
richt durch den Kupferstecher Jakob Müller und war von 1862 — 68 Schüler
der Wiener Akademie. Er unternahm mehrere Studienreisen, war lange Zeit
in W^ien tätig und lebte seit 1893 in Zürich. Hauptsächlich beschäftigte er
sich mit Aquarellmalerei und zwar besonders mit architektonischen Dar-
stellungen. Das kunsthistorische Hofmuseum in Wien besitzt eine Reihe von
Aquarellen von seiner Hand, welche Wiener Gebäude darstellen: »Die Bellaria
an der Hofburg in Wien«, 1889. »Der älteste Trakt der Hofburg«, 1889.
^Der Schweizerhof in der Hofburg«. »Der Kapellenhof in der Hofburg«, 1892.
.'Der Burghof '<, 1891. »Die Sommerreitschule und das alte k. k. Burgtheater«,
1891. »Das alte Burgtheater, 189 1.
Jahrbuch der bildenden Kunst 1903. — Kunst für Alle XVII. Jahrg. — Chronique
da Arts et de la Curiesite 1902. — Boettichcr, Malerwerke des 19. Jahrhunderts, 1895
bi5 190'. Hugo Schmerber.
Schulderer, Otto, Maler, * 1834 in Frankfurt a. M., f 23. Januar 1902 da-
selbst. — S. nahm von 1849 — 51 Unterricht an der Schule des Städelschen
Instituts in seiner Vaterstadt bei Passavant und Jakob Becker und ging dann
nach Paris. Dort schloß er sich an Courbet, Manet und deren Freundeskreis
an; besondere Freundschaft verband ihn mit Fantin-Latour bis an sein Ende.
In einem seiner historisch und künstlerisch wertvollen Gruppenbilder, dem
y^ Atelier de Batiß^nolies'<^ hat Fantin-Latour auch Schulderer abgebildet; Manet
sitzt vor der Staffelei, den Pinsel in der Hand, rechts hinter ihm steht
Scholderer, dessen feiner, nachdenklicher Kopf auf das Gemälde niederblickt.
Mit Fantin-Latour hat Scholderer auch vieles gemeinsam in seiner Kunst, an
170 Scholderer, Schwendy. Löwy.
ihn erinnert die zarte, duftige Technik und die diskrete Farbenstimmung
seiner Bilder. Diese stets unaufdringlichen, maßvollen und doch persönlich
eigenartigen Werke vermochten zwar nicht die Aufmerksamkeit der weitesten
Kreise zu erregen, aber sie haben für den Kenner einen fesselnden Reiz; be-
sonders in Stilleben, einfachen Arrangements von Blumen und Früchten, hat
er ganz reizvolle Bilder geschaffen. Als 1870 der Krieg ausbrach, ging
Scholderer nach England, wo er dann zwanzig Jahre lang ansässig blieb,
mit Cazin, Legros, Edwards und anderen englischen Malern verkehrte und
öfters in der Royal Academy ausstellte. Wenige Jahre vor seinem Tode
kehrte er wieder nach Frankfurt zurück. Scholderer hat sich um die deutsche
Kunst auch dadurch verdient gemacht, daß er als einer der ersten auf das
ungewöhnliche Talent Hans Thomas aufmerksam wurde und den jungen
Künstler, als dieser nach Düsseldorf kam, zu neuem Streben ermutigte; 1868
reisten beide zusammen nach Paris und auch späterhin leistete er Thoma
einen großen Dienst, als er ihm 1872 die Bekanntschaft mit einem einfluß-
reichen Gönner vermittelte, die von großer Wirkung auf Thomas äußeres
Leben war.
Jahrbuch der bildenden Kunst 1903. — Kunst für Alle VII., XVII. — Boetticher,
Malerwerke des 19. Jahrhunderts, 1895 — 1901. — Chronique des Arts et de la Curiositi
1902. — H.W.Singer, Allgemeines Künstlerlexikon, 1895. Hugo Schmerber.
Schwendy, Albert, Architekturmaler, Professor, ♦ 20. Oktober 1820 in
Berlin, f 1902 in Dessau. — Seh. sollte sich ursprünglich der Architektur als
Beruf widmen, wußte aber seine Neigung zur Malerei durchzusetzen, als er
im Jahre 1844 zu seiner weiteren Ausbildung nach München kam. Dort
wandte er sich entschieden dem Studium der Malerei zu und wurde Schüler
von M. Neher, später — 1846 — ging er nach Berlin zu Professor Biermann,
1847/48 nach Paris, wo er unter Lepoittevin arbeitete. Nach einer Studien-
reise in Frankreich entstanden viele Bilder aus Rouen, Ca€n und der Bre-
tagne. Späterhin wechselte er öfters seinen Wohnort: 1848—55 lebte er in
Berlin, 1855 zog er nach München, vier Jahre darauf ließ er sich aus
Familienrücksichten wieder in Berlin nieder und 1871 ging er nach Dessau,
wo er den Professortitel und den Orden für Kunst und Wissenschaft erhielt.
Seine Werke sind zum größten Teile Städteansichten, meist belebte Markt-
plätze, Kirchen, alte Gebäude usw. aus vielen Orten Deutschlands, be-
sonders Nürnberg, Dessau, Goslar, Altenburg, Halberstadt u. a. In technischer
Beziehung legte er das Schwergewicht auf sorgfältige Zeichnung und Detail-
ausführung, ohne koloristische Effekte anzustreben. Viele seiner Arbeiten
kamen in den Privatbesitz Friedrich Wilhelms IV., des Herzogs Friedrich von
Anhalt und des Herzogs von Altenburg.
Literatur: Jahrbuch der bildenden Kunst 1903. — Kunst für Alle XVIIL Jahrg. —
Boetticher, Malerwerke des 19. Jahrhunderts, 1895 — 1901. — Chronique des Arts et de la
Curiositc 1902. — H. W. Singer, Allgemeines Künstler-Lexikon, 1895. — I^*s geistige
Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts. I. Bd. Bildende Künstler, 1898.
Hugo Schmerber.
Löwy, Josef, k. u. k. Hofphotograph, ♦ 1835 in Preßburg, f 24. März 1902
in Wien. — L. war einer der bekanntesten und erfolgreichsten Männer auf
Löwy. Massini. 1 7 1
dem Gebiet der Reproduktionstechnik. Er kam in früher Jugend nach Wien,
um in der Siegerschen Kunstanstalt die Lithographie zu erlernen, später be-
suchte er die Kunstakademie daselbst und dann das Atelier des Malers Neu-
stätter, wo er sich mit Lithographie und Malerei beschäftigte. Die so er-
worbene künstlerische Fertigkeit kam ihm wohl zu statten, als er sich die
Photographie zum Beruf erwählte. Sein Atelier entwickelte sich aus kleinen
Anfängen zu großer Beliebtheit und größere öffentliche Aufträge wurden ihm
zuteil. Er eröffnete, als erste Anstalt dieser Art in Österreich-Ungarn, eine
Abteilung für Lichtdruckverfahren und wußte diese Erfindung mit Ausdauer
in Wien einzuführen. Nach und nach wurden alle photomechanischen Re-
produktionsarten in seiner Anstalt aufgenommen; besondere Sorgfalt widmete
er dem farbigen Verfahren, speziell dem dreifarbigen Lichtdruck und der
Dreifarbenautotypie. Unter dem letzten seiner größeren Werke dieser Art
war das vom Ministerium für Kultus und Unterricht herausgegebene Werk
über Giovanni Segantini. Seine Verlagstätigkeit begann, als er dazu berufen
wurde, die Aufnahme und die Herausgabe der alten Meister der kaiserl. Ge-
mäldegalerie zu übernehmen. Nach diesen Galerieaufnahmen entstand eine
zweibändige Heliogravüre- Ausgabe der Gemälde, — 1 20 Tafeln mit Text von
Hofrat von Engerth. Ferner gab er Aufnahmen aus den Galerien Czernin,
Harrach, Schönborn, Preyer in Wien und Nostitz in Prag heraus. Zugleich
entstand eine Sammlung von Reproduktionen nach modernen Bildern und
gelangte ein Prachtwerk in Heliogravüre über die moderne Abteilung der
kaiserlichen Gemäldegalerie, mit Text von Direktor August Schaeffer, zur
Ausgabe. Andre Verlagswerke sind die Ausgaben von Lichtdrucksammlungen
nach architektonischen und kunstgewerblichen Objekten. Die beiden Hof-
museen, das Burgtheater, die Hofbibliothek, einige Palais wurden in solchen
Werken behandelt; ferner zwei Bände über die Waffensammlung des Aller-
höchsten Kaiserhauses, ein Band über die Goldschmiedeabteilung, zwei Werke
über die Bildhauer Tilgner und Kühne, über die Kostümausstellung des k. k.
Österreichischen Museums, 1891, mit Text von Dr. Masner. Eine große An-
zahl von Einzelblättem in Heliogravüre und Farbenlichtdruck nach modernen
Wiener Bildern war für den Wandschmuck berechnet. Weiters sind zu er-
wähnen die photographischen Kollektionen von Ansichten von Wien, Abbazia,
Bosnien, dem Semmeringgebiet u. a.
Kunstchronik XIII. — Kunst für Alle 1901 —1902. — L. Hevesi, Österreichische Kunst
im 19. Jahrhundert, 1903. — Gedenkschrift : Dem Andenken des kaiserl. Rates Josef Löwy.
Wien o. J. Hugo Schmerber.
Massini, Rudolf, Dr. med. und o. Prof. der Arzneimittellehre, Direktor der
allgemeinen Poliklinik in Basel, * 28. November 1845 in Basel, f 12. Dezem-
ber 1902 daselbst; studierte in Basel und Göttingen Medizin, war Assistent bei
Liebermeister und bei Socin, nahm unter Bergmann als freiwilliger Arzt
am Feldzuge 1870/71 teil und leitete vor Paris ein Etappenlazaret. 1872
habilitierte er sich in Basel für Pathologie und Therapie und wurde 1874
Assistenzarzt der neugeschaffenen Poliklinik des Bürgerspitals, 1877 wurde er
zum außerordentlichen Professor, 1882 zum Vorsteher der Poliklinik, 1890 zum
ordentlichen Professor ernannt. Außer dem poliklinischen Unterrichte hielt er
Vorlesungen über Arzneimittel- und Arzneiverordnungslehre. Sein Hauptwerk
172 Massini. Kaltenbrunner.
war die Organisation und Leitung der aus der Poliklinik des Spitals hervor-
gegangenen staatlichen allgemeinen Poliklinik. Dieses Institut gewährt allen
Einwohnern der Stadt Basel, welche ein Jahreseinkommen unter 800 Fr.
(Ledige) resp. 1200 Fr. (Verheiratete samt Familie) haben, unentgeltliche
ärztliche Behandlung, Arzneien, Verbandstoffe, Bäder, Spitalveqjflegung usw.
Unter dem Direktor stehen ein Stellvertreter und sieben Bezirksärzte in der
Stadt, zwei in den Landgemeinden. Die durchschnittliche Jahreszahl der Poli-
klinikberechtigten beträgt ca. 17000, die Zahl der im Hauptambulatorium be-
handelten Kranken ca. 6000, die in der Bezirkskran kenpfiege (Ambulatorien
der Bezirksärzte und Hauskranke) ca. 10 000, der in den Spitälern Verpflegten
ca. 1400; die vom Staat getragenen Auslagen betrugen jährlich 170000 bis
200000 Fr. Mustergültig war der poliklinische Unterricht, welcher den
Studenten ein Spiegelbild der ärztlichen Sprechstunde bot. M. fand neben
seiner immensen praktischen Tätigkeit wenig Zeit zu wissenschaftlichen Ar-
beiten; er hat seine Erfahrungen und Anschauungen über die Wirkung der
Arzneimittel in einem kleinen Werke ^ Pharmcuopoea policlinices basiliensis 1^2is>e:\
1900« niedergelegt.
Als Militärarzt rückte M. bis zu der höchsten Stelle eines schweizerischen
Armeearztes vor und nahm an allen organisatorischen Fragen, welche die
schweizerische Militärsanität betrafen, lebhaften Anteil. Als Mitglied der
schweizerischen Pharmakopoekommission beteiligte er sich an der Ausarbeitung
der IL und III. Auflage der Pharmacopoea hehetica. Trotz seiner großen Be-
fähigung zu organisieren und zu leiten war ihm jede Pedanterie und jeder
Hauch von Bureaukratismus fremd; immer mit Freudigkeit tätig und bis ins
kleinste pflichtgetreu, riß er durch sein Beispiel seine ganze Umgebung mit
sich. Er war gleich geschätzt von seinen Kollegen, Schülern und Patienten
wegen seiner Herzensgüte, seiner heiteren Gemütsart und seines zuvorkommen-
den Charakters. Er starb, nachdem ein schweres Leiden (Verkalkung der
Herzarterien) ihm wohl Schmerzen bereitet, aber seine Arbeitslust nicht be-
einträchtigt hatte, mitten aus voller Wirksamkeit heraus, tief betrauert von
Unzähligen, die ihm gutes zu verdanken hatten. Egger.
Kaltenbrunner, Ferdinand, Universitätsprofessor, ♦ 16. September 1851
zu Kirchdorf in Oberösterreich, f 8. August 1902 zu München. — K. war der
reichbegabte Sproß einer bekannten oberösterreichischen Familie, die früher
zu den Eisengewerken des Krems- und Ennstales gehörte, und die in Adam K.,
dem Oheim unseres Ferdinand, auch einen originellen Dialektdichter des
Landes ob der Enns hervorbrachte. Ferdinand K. absolvierte in Kremsmünster
und Graz die Gymnasialstudien, besuchte die Universitäten München und
Leipzig und von 1873 — 75 als Mitglied des Instituts für österreichische
Geschichtsforschung die Universität Wien. Hörte er dann auch noch ein paar
Semester in Berlin, so blieb doch die Schule und der Einfluß Th. Sickels für
K. und seine ganze Arbeitsrichtung entscheidend.
Sickels glänzende Vorträge gewannen K. für die historischen Hilfswissen-
schaften, speziell für die Chronologie. Er vertiefte .sich in gründliche Studien
über die Vorstufen und die Geschichte der Gregorianischen Kalenderreform.
Schon 1876 erschien ein bedeutsamer und gehaltvoller Aufsatz über die Vor-
geschichte jener Reform, weitere Abhandlungen in den nächsten Jahren über
Kaltenbrunner. Gritzner.
173
die Polemik, welche die Reform hervorrief, und über den Kalenderstreit in
Augsburg. Mit der ersten dieser Arbeiten habilitierte sich K. 1877 an der
Universität Graz, 1881 wurde er zum außerordentlichen, 1892 zum ordent-
lichen Professor für historische Hilfswissenschaften in Innsbruck ernannt. Auf
diese seine erfolgreichen chronologischen Forschungen kam K. später nach
Erledigung anderer Arbeiten wieder zurück, er hat die letzten gesunden Jahre
seines Lebens der eifrigen Sammlung umfangreichen archivalischen Materials
für eine Geschichte der Durchführung der Kalender reform in Deutschland
gewidmet.
Aus diesem ihm lieben Arbeitsgebiete war K. durch die ehrende Auf-
forderung Wattenbachs abgerufen worden, den ersten Teil der Neubearbeitung
von Jaffes Papstregesten zu übernehmen; ferner durch die Gelegenheit, das
älteste originale Material von Papsturkunden des 11. und 12. Jahrhunderts in
Italien kennen zu lernen. Aus einer italienischen Reise von 1878/79 erwuchs
ein Bericht über den bearbeiteten Stoff, sowie eine Abhandlung über die
Papsturkunden des 12. Jahrhunderts. Sodann erschien 1881 und 1882 der von
K. bearbeitete Teil der Papstregesten bis 590. Von Theologen und Kirchen-
historikem haben diese Regesten manchen Tadel erfahren — für abschließende
Regesten der ältesten Papstbriefe war damals überhaupt die Zeit noch nicht
gekommen, wie selbst heute noch nicht. Im Jahre 1881 zog dann K. auf
zwei Jahre nach Rom als provisorischer Leiter des von Sickel neu begrün-
deten österreichischen historischen Instituts in Rom. Mit Ottenthai und Fanta
beutete er das vatikanische Archiv für die Geschichte der ersten Habsburger
aus und er hat dann die gewonnenen Dokumente mit ungemein sorgfältigen
Erläuterungen als »Aktenstücke zur Geschichte des deutschen Reiches unter
Rudolf und Albrecht« (1889) herausgegeben. Als weitere Frucht seiner römi-
schen Studien waren schon früher bemerkenswerte Arbeiten über die päpst-
lichen Register des 13. Jahrhunderts und namentlich über die höchst wichtige
Briefsammlung des Berardus de Neapoli erschienen (Mitt. des Instituts 5., 6.,
7. Band).
So verdienstlich diese wissenschaftliche Tätigkeit K.s für den Ausbau der
Diplomatik und Chronologie geworden ist, man hätte doch so gerne noch
reichere Frucht seiner großen Begabung folgen gesehen. Wer ihn kannte,
den hochgewachsenen, schönen Mann mit dem wallenden blonden Haar und
Bart, seinen hochgemuten Sinn, seinen scharfen und lebhaften Geist, sein viel-
seitiges Können, der mochte noch bedeutendes von ihm erwarten. Aber in
den besten Mannesjahren wuchs langsam ein schweres Nervenleiden in ihm
heran, es lähmte mehr und mehr seine Arbeitskraft, verdüsterte seinen Geist,
und endete mit einerfi langewährenden traurigen Siechtum und mit völliger
Umnachtung, aus der ihn endlich der Tod erlöste.
Nekrolog in Mitt. des Instituts 24, 182—184 (Ottenthai). Oswald Redlich.
Gritzner, Maximilian Adolf Ferdinand, Heraldiker, * 29. Juli 1843 in
Sorau (Lausitz), f Juli 1902 in Steglitz bei Berlin. — G. war der Sohn eines
Rechtsanwalts und Notars in Sorau, der auch gleichzeitig Besitzer der Ritter-
güter Nißmenau und Wutschdorf war. Nach Absolvierung des Gymnasiums
in seiner Vaterstadt trat G. im März 1862 als Avantageur in das 6. Pommer-
sche Infanterieregiment Nr. 49 ein, machte als Leutnant den Feldzug in
l JA Gritzner. König.
Böhmen (1866) mit und wurde am 3. Juli nach Erstürmung der Dörfer Ober-
und Unter-Dohalic durch eine feindliche Granate schwer verwundet, so daß
er noch an demselben Abende in Sadowa amputiert werden mußte. Er ge-
nas unter der Pflege seiner herbeigeeilten Mutter, doch konnte er erst im
Juni 1867, nachdem Professor Langenbeck noch eine zweite Operation voll-
zogen, von seinem künstlichen Beine Gebrauch machen. Seit dem Januar
1867 pensioniert, bat er im November d. J. um seine Reaktivierung und
bekleidete bis zum März 1869 den Posten eines Bezirksadjutanten des Land-
wehrbataillons Sorau, worauf er zur Staatstelegraphie übertrat. Eben w^ollte
er nach abgelegtem Staatsexamen die höhere Telegraphenlaufbahn beginnen,
da brach der Krieg gegen Frankreich aus. Infolge Mangels an Offizieren
bat G. um Beschäftigung in der inaktiven Armee, und so führte er denn bis
zur Rückkehr des siegreichen Heeres die Handwerkerabteilung des Kaiser
Franz-Gardegrenadierregiments. Nach dem Frieden bildete er sich bei der
Regierung zu Potsdam und dem Polizeipräsidium in Berlin im Verwaltungs-
fache aus und trat 1872 als Beamter in das Ministerium des Innern ein, wo
er als Geh. Registrator und später als Geh. Kanzleirat die Bibliothek des
Ministeriums verwaltete und 1894 zum Bibliothekar ernannt wurde. — Schon
als Schüler bekundete G. ein lebhaftes Interesse für Wappensammlungen, das
sich später zur Passion steigerte, und während der langen Zeit seiner Re-
konvaleszenz begann er, die Heraldik wissenschaftlich zu betreiben und seine
Forschungen in einer Reihe von Schriften niederzulegen, z. B. »Chrono-
logische Matrikel der brandenburgisch-preuflischen Standeserhöhungen und
Gnadenakte von 1600 bis 1873« (^^74) — »Standeserhebungen und Gnaden-
akte deutscher Landesfürsten während der letzten drei Jahrhunderte« (1881)
— »Wappenalbum der deutschen Grafenhäuser« (1884) — »Wappen des
schleswig-holsteinischen Hauses« (1889) — »Handbuch des Ordenswesens«
(1893) — »Handbuch der Damenstifter« (1893) — »Wie sollen wir flaggen ?<^
(1893) — »Landes- und Wappenkunde der brandenb.-preuß. Monarchie<^
(1894) — »Geschichte der Entwicklung des brandenb.-preuß. Wappens seit
141 7« (1895) und »Geschichte des Wappens der Wettiner« (1901). Viele ge-
lehrte Gesellschaften haben G. infolge dieser ■ Arbeiten zum Ehren- und
ordentlichen Mitgliede ernannt und eine Reihe von Fürsten hat dieselben
durch Ordensverleihung ausgezeichnet. Erwähnt sei noch, daß sich G. auch
als dramatischer Schriftsteller versucht und unter dem Namen Max Fernand
zwei vaterländische Schauspiele »Die Brandenburger vor Ofen« (1883) und
»Feindliche Gewalten« (1886) veröffentlicht hat.
Persönliche Mitteilungen. — Wrede und Reinfels: Das geistige Berlin. Bd. I S. 143.
Franz Brummer.
König, Bruno Emil, Schriftsteller, * 11. April 1833 in Hettstädt (Provinz
Sachsen), f 'T- Ju"i ^9^2 in Leipzig-Schleußig. — Seine Schulbildung genoß
K. in der Stadtschule zu Hettstädt und besuchte darauf 1847 — 53 ^i^ Prä-
parandenanstalt und das Lehrerseminar in Eisleben. Doch nur kurze Zeit
amtierte er als Lehrer, da ihm dieser Stand in der Reaktionsperiode jener
Zeit gründlich verleidet ward, und da sein Plan, Buchhändler zu werden,
gleichfalls auf Hindernisse stieß, so trat er zur Postverwaltung über und war
in derselben bei verschiedenen Postämtern in der Provinz Sachsen, in Soest,
König. Preuß(-Laudien). 1 7 5
Dortmund, Hamm, Minden und zuletzt beim Hauptpostamt in Berlin tätig.
Nach mehr als zwölfjähriger Wirksamkeit schied er 1866 freiwillig aus dem
Postdienste, um sich der Journalistik und Schriftstellerei zuzuwenden, nach-
dem er schon früher vielfach für angesehene Zeitungen, namentlich über
Verkehrswesen und Personalverhältnisse der Beamten, Beiträge geliefert hatte.
Einige Jahre war er in der Redaktion der Zeitung des Dr. Strousberg »Die
Post« beschäftigt und wurde von diesem auch mehrfach zu größeren Reisen
verwendet; dann gründete er 1869 in Berlin das Beamtenblatt »Deutsche
Post«, aus dessen Verlag sich allmählich eine Buchhandlung für Verkehrs-
wesen entwickelte. Infolge von Prozessen und anderen Unannehmlichkeiten
siedelte er 1875 mit seiner Familie nach Wien über, wo er sein bekanntes
Buch schrieb »Schwarze Kabinette. Eine Geschichte der Briefgeheimnis-
Enthüllungen, Perlustrationen und Brief logen des postalischen Sekret-
dienstes etc.« (1875, 3. Aufl. 1899), dem er später ähnliche Werke folgen ließ,
wie »Geschichte der Briefgeheimnisse und des schwarzen Kabinetts Preußen-
Deutschlands« (1879) ""^ »Das Cabinet noir in Frankreich« (1881). Von
Wien aus wandte sich K. nach Gelnhausen, später nach Leipzig und Ham-
burg, führte darauf die Redaktion der »Danziger Zeitung«, des »Bürger- und
Bauemfreund« in Insterburg, der »Bromberger Zeitung« und ließ sich dann
in Liegnitz nieder, wo er völlig abgeschlossen einige Jahre hindurch ledig-
lich der Schriftstellerei lebte. Zwar ließ er sich später bewegen, die Redak-
tion der »Ratiborer Zeitung für Oberschlesien« zu übernehmen, doch legte
er dieselbe schon nach Jahresfrist wieder nieder und zog 1888 nach Saalfeld
in Thüringen, wo er ein Jahrzehnt weilte. Dann wählte er Dresden und
1901 Leipzig-Schleußig zu seinem Wohnsitz und redigierte hier die »Monats-
blätter für Post und Telegraphie«. Von seinen sonstigen Schriften sind noch
zu erwähnen »Geschichte der deutschen Post« (1889, 3. Aufl. 1900), »Die
Marine des großen Kurfürsten und die erste deutsche Expedition nach West-
afrika« (1895), »Das Buch vom Schweidnitzer Keller in Breslau« (1886) und
die historischen Erzählungen »Das Pfarrhaus im Freigericht« (1879), »Ritter
Hans von Schweinichen« (1887), »Sickingens Leben und Ende« (1887) und
»König und Flötenvirtuos« (1887).
Adolf Hinrichsen: Das literarische Deutschland 1891 S. 7x6. — Das literarische
Leipzig 1897 S. 59. Franz Brummer.
Preuß(-Laudien), Henriette, Dichterin, * 19. Januar 1825 in Königs-
berg i. Pr., t 23. Juli 1902 in Charlottenburg. — H. P.s Vater Heinrich Laudien
war Baurat in Elbing, der bald nach ihrer Geburt am Nervenfieber starb.
Die Mutter zog dann mit ihrer Tochter zunächst nach Königsberg, wo die
Großmutter lebte, und wenige Jahre später nahmen alle ihren Wohnsitz in
Pillau. Der Großmutter, einer geistvollen, hochgebildeten, feinen Frau aus
kurländischem Adelsgeschlecht, verdankte Henriette den inneren Gehalt
ihres Lebens und das reinste Glück ihrer Kindheit. Von ihr und einem
Kandidaten der Theologie unterrichtet, besuchte sie dann vom 9. Jahre ab
die höhere Töchterschule, absolvierte noch ziemlich jung ihr Lehrerinexamen
und war dann als Lehrerin teils in Familien, teils an Privatschulen viele
Jahre tätig, hatte auch inzwischen in Halle anderthalb Jahre Gelegenheit ge-
nommen, ihre Kenntnisse in der Musik und den Sprachen und in anderen
1 76 Preuß(-Laudien). Eppler.
Wissenschaften zu ergänzen. In Pillau verheiratete sie sich mit dem Lehrer
Preuß, der bald darauf als Leiter der Schule in einer kleinen westpreußi-
schen Stadt gewählt wurde und 1873 an das neubegründete Gymnasium in
Strasburg in Westpreußen als Vorschullehrer berufen ward. Hier gründete
Henriette 1880 die Zeitschrift »Unserer Frauen Blatt«, die sie drei Jahre
leitete und mit zahlreichen Beiträgen versorgte. Im Jahre 1886 verlegten
die Gatten ihren Wohnsitz nach Breslau, wo H. P. 1888 Witwe wurde; im
folgenden Jahre siedelte sie nach Berlin über. Hier erhielt sie nach einigen
Jahren auf Verwendung des Ministerialdirektors Greiff eine Stiftsstelle im
Kaiser Wilhelm-Stift (Charlottenburg), für welches sie bei Gründung des-
selben durch ihr poetisches Talent erfolgreich gewirkt hatte. — Die Zahl
der Publikationen der Dichterin ist ziemlich groß, wenngleich sie meist nur
geringen Umfang haben. Es war ihr in vielen Fällen gar nicht um den
Dichterlorbeer oder um klingenden Lohn zu tun, sondern ihre poetischen
Gaben sollten ein Scherflein zur Linderung oder Beseitigung irgend eines
Notstandes oder zur Förderung irgend einer wohltätigen Stiftung beitragen;
andere wieder (wie Märchen — Deutsche Polterabende — Kinder-Glück-
wünsche — Polterabend- und Hochzeitgedichte — Rätselbüchlein — Jugend-
erzählungen etc.) sollten dem Bedürfnisse der Unterhaltung im Familienkreise
und bei Familienfesten dienen.
Persönliche Mitteilungen. — Karl Leimbach: Die deutschen Dichter der Neuzeit und
Gegenwart, 8. Bd. S. 273. — Sophie Pataky: Lexikon der deutschen Frauen der Feder.
2. Bd. S. 153. — Richard Wrede und Hans von Reinfels: Das geistige Berlin, i. Bd.
S. 418. — Ad. Hinrichsen : Das literarische Deutschland, 1887 S. 483.
Franz Brummer.
Eppler, Christoph Friedrich, Dichter, * 10. Juli 1822 in Kirchheim a. X.
(Württemberg), f 20. November 1902 in Basel. — E. war der Sohn eines Rot-
gerbers, bildete sich auf dem Seminar zu Eßlingen (1837 — 39) zum Volks-
schullehrer aus und diente als solcher an verschiedenen Schulen seiner
Heimat, bis er 1845 durch Wilhelm Hoffmann , den nachmaligen General-
superintendenten und Hofprediger in Berlin, als Lehrer an die Missionsanstalt
in Basel berufen ward. Dort erlernte er mit den Zöglingen zugleich die
alten Sprachen, worauf er 1852 — 56 an der Baseler Universität unter Hagen-
bach, Riggenbach, Stockmeyer und Auberlen Theologie studierte. Dann
wurde er Mentor der Söhne des eidgenössischen Obersten Alioth zu Aries-
heim im Birstale und sammelte hier die zerstreut lebenden Protestanten zu
einer evangelischen Gemeinde, der er zehn Jahre lang als Seelsorger vor-
stand. Im Jahre 1867 wurde E. Pfarrer der Gemeinde Waidenburg im Basler
Jura und kam 1877 in gleicher Eigenschaft nach Birsfelden bei Basel. Erst
im Jahre 1900 trat er in den Ruhestand und siedelte dann nach Basel über.
— Schon im Jahre 1852 gab E., angeregt durch seinen väterlichen Freund
Albert Knapp, seine Missionslieder unter dem Titel »MissionshrCrfe« heraus.
Dann folgte nach 30 Jahren eine Sammlung seiner Gedichte »Blätter und
Blüten vom Lebensbaume« (1881), denen E. 1899 eine »Neue Folge« nach-
sandte. »Diese Gedichte sind der Ertrag eines Lebens, der ernstesten und
gesegnetsten Stunden einer Erden Wanderung, und obwohl sie mitunter im
Inhalt und Ton unter sich verwandt sind, so sind sie doch von anderer
Eppler. Merkens. 177
Poesie unabhängige Klänge und den Dichtungen eines Albert Knapp und
Julius Sturm verwandt, formvollendet und milden, versöhnenden Geistes.«
Außerdem hat E. verschiedene das Missionsgebiet berührende Schriften her-
ausgegeben und in »Karl Rudolf Hagenbach. Eine Friedensgestalt aus der
streitenden Kirche der Gegenwart« (1875) seinem Lehrer ein ehrendes Denk-
mal gesetzt.
Persönliche Mitteilungen. — Karl Leimbach: Die deutschen Dichter der Neuzeit und
Gegenwart, i. Bd. S. 399. — Adolf Hinrichsen: Das literarische Deutschland, 1891 S. 331.
— Ernst Heller: Sänger aus Helvetiens Gauen, 1882 S. 288. Franz Brummer.
Merkens, Heinrich, Schriftsteller, * 27. Juli 1836 in Köln am Rhein,
f 9. März 1902 in München. — M. entstammte einer alten, angesehenen
Kaufherrnfamilie und wurde nach Absolvierung des Gymnasiums alter
Tradition gemäß für die kommerzielle Laufbahn bestimmt, in der er auch
— mehr einer idealen, den praktischen Zwecken kaufmännischer Tätigkeit
wenig dienenden Richtung huldigend — zwar ohne Neigung, aber mit Ge-
duld drei Jahre (1855 — 58) verharrte, wobei er seine Zeit in eigentümlicher
Art zwischen Kontorarbeiten und autodidaktischen Studien der verschieden-
sten Art hinbrachte. Damals schon begann er mit poetischen Versuchen,
die er hier und dort veröffentlichte und dann in einem Bändchen sammelte,
das er unter dem Pseudonym M. v. d. Erft »Wilde Blumen« (1861) betitelte
und in Köln herausgab. Nach Beendigung seiner Lehrzeit vermochte er
sich seinen Neigungen mit mehr Freiheit zu überlassen; er unternahm eine
größere Reise durch Frankreich, die von erheblichem Gewinn für Klärung
und Ausbildung seines Geistes begleitet war. Im Jahre 1864 verheiratete er
sich mit der hochgebildeten Tochter einer angesehenen Kölner Familie und
siedelte im folgenden Jahre nach Würzburg über, wo er fast 30 Jahre als
Privatgelehrter weilte und besonders als Schriftsteller auf historischem und
kulturhistorischem Gebiete tätig war. Seine verdienstlichste Arbeit ist seine,
mit Unterstützung des Professors Frz. Xaver Wegele herausgegebene Verdeut-
schung der Hauptwerke Friedrichs des Großen, der wohl der Ruhm gebührt,
»den Zeitgenossen zuerst und zur richtigen Stunde die literarischen Arbeiten
des großen Königs wert gemacht zu haben«. Als Vorläufer dazu erschienen
zunächst die »Gedanken Friedrichs des Großen« (187 1), dann die »Aus-
gewählten Werke Friedrichs des Großen« (III, 1873 — 75), »Friedrichs des
Großen Philosophie, Religion und Moral« (1876) und »Friedrichs des Großen
ausgewählte kriegswissenschaftliche Schriften« (1876). Auch besorgte M.
eine Ausgabe der »Briefe Friedrichs des Großen an Voltaire« (1876), »an
d*Alembert und den Marquis d'Argens« (1878). Während eines Sommer-
aufenthalts seiner Familie in Kreuzwertheim (187 1 und 1872) verkehrte M.
viel mit dem dort lebenden Schriftsteller Ludwig Storch, und auf dessen
Anregung schrieb er nach den Satiren des Petronius das Kultur- und Sitten-
bild aus der Zeit des Kaisers Nero, »Das Gastmahl des Trimalchio« (1874).
In den Jahren 1876 — 79 war M.s literarische Tätigkeit unterbrochen; dann
aber machte sie sich von neuem geltend und zwar auf einem ganz anderen
Gebiet, dem der Kultur- und Sittengeschichte des deutschen Volkes, deren
Kenntnis durch seine Werke »Deutscher Humor alter Zeit« (1879), »I^eut-
scher Humor neuer Zeit« (gemeinschaftlich mit Richard Weitbrecht verfaßt,
Biogr. Jahrbuch u. DeuUcher Nekrolog. 7. Bd. 12
178
Merkens. Schöne.
i88i) und »Deutscher Humor im 17. und 18. Jahrhundert« (1891) wesentlich
gefördert ward. Ein ganz besonderes Verdienst erwarb sich M. jedoch um
den deutschen »Schwankhumor«, namentlich seiner rheinischen Heimat. Mit
Einfachheit und ungeschminkter Naivetät weiß er in seinem Werke »Was
sich das Volk erzählt« (III, 1892 — 1901) die Schwanke und Schnurren aus
dem Volksmunde wiederzugeben, und er hat zuerst auf die große Bedeutung
dieser Äußerungen des Volksgemüts aufmerksam gemacht. Im Herbst 1894
kehrte M. an den Rhein zurück und lebte auf seinem Familiengute Burg
Mödrath. Während eines Besuchs bei seiner in München verheirateten
Tochter erkrankte er an der Influenza, an deren Folgen er auch starb.
Persönliche Mitteilungen. — Adolf Hinrichsen: Das literarische Deutschland, 1891
S. 888. Franz Brummer.
Schöne, Hermann, k. und k. Hofschauspieler in Wien, ♦ 2. Oktober
1836 in Dresden, f 9. Dezember 1902 in Wien. — Sch.s Vater, Karl Schöne,
war Chorist am sächsischen Hoftheater, an welchem er sich trotz seiner unter-
geordneten Stellung als ehrenwerter, wohlunterrichteter und urteilsfähiger
Mann lange Jahre ausgesprochener Wertschätzung erfreute. Seine Verhältnisse
hielt er in guter bürgerlicher Ordnung, so daß er seinen drei Kindern bei
seinem Tode immerhin einen Sparpfennig von einigen Tausend Talern hinter-
lassen konnte. Jedoch mußte er nach seiner 1868 erfolgten Pensionierung
sich mit Rollenabschreiben durchhelfen und durfte in den letzten Jahren seines
Lebens auch die Unterstützungen seines Sohnes Hermann nicht von der Hand
weisen. Die Kinder, Karl, Agnes und Hermann, genossen Bürgerschulunter-
richt. Die Tochter verblieb, da die Mutter starb, im Hause des Vaters; die
Söhne trieb es zeitig zum Erwerb. Karls Laufbahn ist ziemlich in Dunkel
gehüllt. 1868 erscheint er in Evansville in Nord-Amerika bei einem deutschen
Theaterunternehmen als Schauspieler und Regisseur und wird bei einer Benefiz-
Einladung als: »Karl Schöne, nicht zu verwechseln mit Karl dem Schönen von
Navarra, der älteste der deutschen Schauspieler dieser Stadt«, bezeichnet.
Es scheint, daß er sich dort später als dramatisches Vereins-Faktotum bis zu
seinem Tode durchgeschlagen hat. Die Art und Weise der Berufsbestimmung
für Hermann beleuchtet seine vielartige Veranlagung: ihn selbst zog es zur
Gärtnerei, sein Vater glaubte einen Dekorationsmaler aus ihm machen zu
müssen. Da der Versuch, ihn beim Hoftheatermaler Zaragoni als Lehrling
unterzubringen, aus äußerem Anlasse fehlschlug, bestimmte der Vater nolens
volens dem Sohne Gesangsunterricht erteilen zu lassen und ihn zum Theater
zu schicken. Mit 16^/2 Jahren debütierte er (8. Mai 1853) am Sommertheater
in Reisewitz bei Dresden unter Direktor Scheemann als »Ein Grenzwächter«
in »Des Ratsherrn Töchterlein« und verblieb daselbst bis Ende August für
kleine Rollen und Chorbaß mit 8 Talern Monatsgehalt. Vom i. September
dieses Jahres an beginnt ein Wanderleben für den nicht ganz freiwilligen
Thaliajünger, das ihn nur sehr allmählich jener künstlerischen Vertiefung,
aber schon bald jener Charakterfestigung zusteuerte, die den Mann später
aufs vornehmste auszeichneten. Nachdem er den September in Leipzig bei
der Direktion Wirsing für Chor mit 16 Talern Gehalt verbracht, sehen wir
ihn am 22. Oktober bereits den Mitgliedern des originellen Direktors Obst-
felder in Chemnitz »für Chor und Aushülfsrollen« eingereiht. Das Jahr 1854
Schöne. I yg
führt ihn unter zwei verschiedenen Direktionen, Josef Keller und Savary, in
die Städte Liegnitz, Gr. Glogau, Leipzig, Halberstadt. In letzterem Orte
avanciert er zu »zweiten und dritten Baßpartien in der Oper und Charakter-
rollen« mit 20 Talern Gage. 1855 bringt ihn sein Weg nach Aschersleben
und abermals nach Leipzig, woselbst der Sommer ihn wieder auf 16 Taler
herunterdrückt. Für »zweite Baßpartien und bedeutende Nebenrollen« engagiert
ihn der Direktor Bensberg vom September an mit 24 Talern nach Erfurt,
Mühlhausen, Chemnitz, und verfrachtet ihn um denselben Preis, aber als
»jugendlichen Liebhaber« im Laufe des Jahres 1856 im Zickzack nach Anna-
berg, Chemnitz, Limbach, Chemnitz, Meißen, Chemnitz. Im April 1857 ent-
zückt er bei der Direktion von Düval gegen ein Äquivalent von 18 Talern
Monatsgehalt die Einwohner von Buttstädt u. a. als König Heinrich von
Navarra in einem Schauerstück von Adami: »Königin Margot und die Huge-
notten oder die Pariser Bluthochzeit im Jahre 1572 in der St. Barthomäus-
nacht« und tut in Hildburghausen desgleichen. Fernere Wanderungen unter
Direktion Teichmann als »jugendlicher Liebhaber« für 24 bis 27 Taler
zwischen Arnstadt und Erfurt unterbricht eine selbständige »Konzert-Tournee«
nach Ilmenau, Königsee, Blankenburg, Apolda. Im Mai 1858 führt ihn ein
freundliches Schicksal nach Rostock zum Direktor Behr, dem er dort bis
1860 treu bleibt und mit dem er sogar 1861 nach Bremen übersiedelt. Hier
in Rostock zeitigte das Gefühl der Seßhaftigkeit, denn nur wenige Vorstel-
stellungen in Güstrow, Warnemünde und Schwaan unterbrechen diesen Zu-
stand, gute Früchte für den Künstler und Menschen; denn hier wurde er
endgültig und fast ausschließlich seinem eigentlichen Berufe, den heiteren
Rollen, verpflichtet, und hier fand er ein Heim und schier mütterliche Be-
treuung bei wackeren Leuten, denen er bis über seinen Tod hinaus seine
Dankbarkeit auch durch materielle Guttaten bewiesen hat, deren sie später
bedürftig wurden. Das plattdeutsche Milieu Rostocks hat nachhaltigen Einfluß
auf seine gemütswarme humoristische Gestaltungsfähigkeit geübt und Fritz
Reuter gehörte später zu den Tempelschätzen seiner Künstlerseele. 1862
folgte er einem Antrage des Direktors Ernst nach Mainz als »erster jugend-
licher Gesangskomiker und Naturbursche«. Umgebung und Beispiel konnten
bei diesen Bühnen den Geschmack Sch.s noch nicht läutern. Wir finden die
Allüren des fahrenden Volks, zumal in den Lockmitteln, welche er für seine
Benefizvorstellungen noch anwendet. Einer der Zettel zu diesen preist das
Stück eigenen Fabrikats an: »Schöne, wie er weint und lacht. Posse mit
Gesang in drei Bildern«, in welchem er, nach Gewohnheit der »Lieblinge«
kleiner Bühnen, die Freuden und Leiden des Benefizianten bei guter und
schlechter Einnahme schildert. Ein anderer Zettel animiert zum Besuche
einer Benefiz Vorstellung mit der Annoncierung eines dramatischen Allerleis:
'Ein Sträußchen für jedermann oder Reminiszenzen aus den beliebtesten
Stücken«, wobei Seh. den Karl Moor in einer Szene der »Räuber« und den
Adam in einer solchen des »Dorfbarbier« bietet und zum Schlüsse einen
'komischen Leierkastentanz« verspricht. Aber unter diesen Schlacken
I)rovinzieller Komödiantengebahrung glüht, für Kenner bereits leuchtend,
jener ernste Trieb, der zu künstlerischer Klarheit und Reinheit zwingt. Ein
alter Praktikus, der theatergewaltige Agent Schröder, konnte Seh. Heinrich
Laube für das Burgtheater empfehlen. Laube schreibt an Seh. in seiner
12*
l8o Schöne.
charakteristischen, die Situation mit wenigen Worten erhellenden Art am
7. Januar 1863 nach Mainz: »Die Wahl der Rollen (für das Probegastspiel
nämlich, zu dem er ihn auffordert) wird mir aber schwer, so lange ich Sie
nicht persönlich kenne. Das Beste wäre, wir bestimmten sie erst, nachdem
Sie hier eingetroffen wären und ich Sie ausführlich gesprochen hätte. Man
ersieht dann leichter, was am besten zur Persönlichkeit paßt. Sagen Sie mir
etwas Ausführliches über sich selbst, namentlich, aus welchem Teil Deutsch-
lands Sie stammen, und welche spezielle Richtung des heiteren Genres Ihnen
am nächsten liegt und am besten steht. Ebenso auch, ob Sie sich anspruchs-
los genug fühlen, hier eine Karriere zu beginnen, bei welcher Sie doch immer-
hin noch eine Weile von Beckmann, Meixner, Baumeister aus erster Linie
zurückgehalten würden.« Am 19. April 1862 trifft Seh. in Wien ein, spielt
am 27. den Didier in der »Grille«, am 30. den Tümpel in »Ein Lustspiel <,
am 2. Mai den Henning im »Störenfried« und unterzeichnet am 3. Mai einen
dreijährigen Vertrag mit dem Burgtheater. Die Beschäftigung mufite, wie
Laube vorausgesagt, in den ersten Jahren auf die »Anspruchslosigkeit« des
neuen Mitgliedes bauen. Seh. ist Nothelfer, als Horatio in »Hamlet«, Catesby
in »Richard III.», Konstabier in »Wallensteins Lager«, Raimond in »Jungfrau
von Orleans« ; kann aber doch schon seine Anwartschaft auf einen Platz
zwischen den Siegreichen des Humors mit Fridolin in »Flattersucht«, Kerbel
in »Ein Tiger«, Autolykus im »Wintermärchen« betätigen. Am 10. März 1866
findet er in der Novität »Die zärtlichen Verwandten«, als Schummrich, jene
Rolle, in der »ganz Wien« von ihm spricht, und die ihn zu einer erfüllten
Burgtheaterhoffnung stempelt. Das einzige Lorbeerblatt, das Hermann Schöne
sich je aufbewahrte, stammt aus einem fremden Kranze und liegt in einem
jener Almanache, in welchem er sich seine knappen Bemerkungen über ihn
bewegende Ereignisse einschrieb, bei der Zeile: »7. Sept. 1866 f Friedrich
Beckmann.« Seh. erquickte sich an der unwiderstehlichen, liebenswürdigen
Urkraft der persönlichen Komik Beckmanns ebenso, wie er die vollsaftige,,
charakterisierende, ätzende komische Gestaltungsfülle Meixners bewunderte
und schätzte sein eigenes individuelles Kunstvermögen selbst nie auf gleicher
Linie mit diesen großen Fachgenossen ein. Dennoch rechtfertigte er inner-
halb der Grenzen seiner komischen Kraft vollauf das Zutrauen Laubes, der
ihn sofort nach Beckmanns Tode mit gutem Gelingen in dessen Rollen :
Mar^chal (»Pelikan«), Adam (»Dr. Wespe«), Moses (»Lästerschule«), Adam
(»Winkelschreiber«), Zabem (»Bürgerlich und romantisch«), Amad^ (»Ein
Hut«), P^ponet (»Biedermänner«) die Schwingen erproben ließ. Seh. gehörte
nicht zu jenen geborenen Komikern, deren Persönlichkeit allein schon beim
Erscheinen ungebundene Heiterkeit auslöst. Er war ein Humorist und wurde
ein scharf beobachtender und fein nachzeichnender heiterer Charakterspieler
im Sinne des Goetheschen Wortes: »Die Künste ahmen nicht geradezu nach,
was man mit Augen sieht, sondern gehen auf jenes Vernünftige zurück, aus
welchem die Natur besteht und wonach sie handelt.« In seinen guten Zeiten
sehen wir ihn, ein Bild der Gesundheit, die mehr große als kleine, zur Fülle
neigende Gestalt gern straff und gerade gehalten. Die fein modellierte
Schädeldecke wird bald ihrer jugendlichen Lockenfülle ledig und zeitigt, ein-
gerahmt von anschmiegenden, dünnen und seidenweichen aschblonden Haaren,
eine den Kopf dominierende helle Stime. Unscheinbare Brauen über ein
Schöne. l8i
Paar nicht großen, unendlich gütigen und klaren Augen, deren Ausdruck,
aber nicht deren Farbe dem Beschauer in Erinnerung bleibt, eine geradlinige
muntere Nase, die an der Spitze fast rechtwinklig sich abschrägt, feine Lippen,
durch welche gesunde schöne Zähne glänzen, verleihen dem vollen gut-
gefärbten Gesicht den Stempel Zutrauen erweckenden, lebensfrohen, appetit-
lichen Menschentums, kluger und heiterer Gedankentätigkeit. Später ver-
zehrten schwere Krankheitsjahre den Körper bis zur hageren Gestalt, in das
schmal gewordene Gesicht gruben die Leiden ihre Linien und Zeichen. Im
Ruhestand dann gab ein eigenwilliger, langer, voller weißer Bart dem Kopfe
einen förstermäßigen, weltfernen, waldversonnenen Ausdruck. Seh. war ein
vorzüglicher Sprecher; die Stimme metallisch tief, zur Höhe biegsam. Ein
weicher Anklang heimatlich sächsischer Tonfärbung war ihm geblieben, auch
auf der Bühne im Lustspiel erkenntlich. Laube, der peinliche Pfleger von
Wort und Ton seiner Künstler, ließ gern seinen heiteren Darstellern leise,
bodenständige Dialektschwingungen, weil damit fesselloser individuelle Reize
in die Kunstleistung einströmen und die Natur des komischen Schauspielers
freier wird. Ein trefflicher Wanderer und vorzüglicher Schwimmer, hatte
Seh. seinen Körper gut geschult in der Gewalt und ungekünstelt und sicher
schmiegten sich seine Gesten dem Worte an, folgten seine Glieder allen An-
forderungen, die Alter, Stand, Kostüm, Stimmung des Dargestellten verlangten;
bis zur Grazie konnte der Schwerpunkt der Seele seine Bewegungen durch-
dringen; nur in niedrig komischen Rollen fiel eine stereotype Windung des
Körpers auf, die in den Halswirbeln begann und über den Rücken bis in
die Kniekehlen wellte, und die als nicht ganz absichtslose Unterstreichung
des komischen Eindrucks empfunden werden konnte. Er war kein schneller
Lerner, kam aber mit seinen Rollen fix und fertig auf das feinste ausgearbeitet
schon auf die erste Probe, verließ sich nicht auf Augenblickseingebungen und
die Arbeit des Regisseurs, schmiegte sich aber aufs subtilste jeder Stil- und
Stimmungsparole, jedem Zusammenspielsbedürfnisse an und trat nie aus dem
Rahmen des Gesamtkunstwerks, Seine Maskenkunst war eminent. Er ver-
schmähte darin alle alten Handwerksmittelchen und schuf immer nach dem
Leben, mit reicher Phantasie, malerischem Blick. Es gab keine kleinen
Rollen für ihn. Mit derselben peinlichen Genauigkeit arbeitete er alle inneren
Charakterlinien, jedes äußere Merkmal des darzustellenden Menschen aus, ob
er nun den stummen Kaleb im »Traum ein Leben« oder seinen unvergleich-
lich wahren, drolligen, spitzbübischen zeit- und dichtungsechten Wirt in
»Minna von Barnhelm«, oder seinen rührend schlichten Klosterbruder im
»Nathan« verkörperte. So kam es, daß er selbst in unscheinbaren Aufgaben,
die Durchschnittsschauspieler gering schätzen, den Kennern oft Genüsse und
Eindrücke bot. Ein Künstler wird nie seinen saueren, schneiderseeligen,
furchtsam-frechen Haushofmeister Oswald im »Lear«, seinen verschlafenen,
polternden, später käsgesichtigen Pförtner in »Macbeth«, sein einfaches,
stimmungssattes Türmerlied des Lynkeus aus dem grandiosen letzten Akte des
zweiten Teil von »Faust« vergessen.
Von Rollen, welchen er mustergültige Gestaltung gab und damit zum
Teil populäre Erfolge erzielte, sind noch zu nennen: Dr. Rathgeber in »Ein
Schritt vom Wege«. Alles war echt und wahr an diesem engherzigen,
philiströsen, beschränkten sächsischen Badearzt, mit dem verschossenen
l82 Schöne.
Perückchen auf dem kahlen, hart- und brauenlosen Kopfe, dem sauberen,
aber altgedienten Frack, der einst eleganten Sommerhose dazu, und dem
fettigen Ordensbändchen ; die ganze Figur in köstliche, satirische Laune und
unwiderstehlich lebensvolle Komik getaucht. Sein »Kiefertal macht sich!'^
wurde Schlagwort in Wien. — Buchdrucker Aslaksen in Ibsens »Volksfeind .%
eine bis ins Detail bewunderungswürdig realistisch ausgearbeitete Charakter-
figur von' interessanter, erheiternder Gesamtwirkung. — Der alte Ekdal in
der »Wildente«, eine Lieblingsrolle des Künstlers, die eingeschrumpften Ideale
und die tragi-komische Lebenslüge mit köstlicher transparenter Kunst und
zarten Mitteln zu wirkungsvollster Anschaulichkeit gebracht. — Sein unver-
geßlicher Schreiber Licht im »zerbrochenen Krug«, welcher trockene,
dürftige Gegensatz zum Dorfrichter Adam! Wie Licht, eine wandelnde
holländische Genrefigur, in der Gerichtsstube zu Hause ist, seine Sachen in
der lüderlichen Wirtschaft peinlich ordnend, seine Federn schneidend, über
die Brille den alten Schalk beobachtend und schließlich durchschauend, mit
kleinen Blicken und gelegentlichem Lächeln um die dünnen Lippen ein sub-
alternes Einverständnis mit dem Gerichtsrate herstellend und, und wie er
schließlich im Triumphe das dem entweichenden Dorfrichter entrissene Amts-
mäntelchen mit kurzem Rucke sich selbst um die Schulter wirft, das war
meisterhafte Kleinmalerei.
Schöne war an jeden Platz zu stellen, der nicht elementares Naturell
oder aristokratischen Lüster erforderte. Er war ein komischer Darsteller, der
Goethe, Kleist, Lessing, Shakespeare, Calderon, Moli^re spielen konnte, ohne
den Stil als Schraubstock für den gestaltenden Humor empfinden zu lassen.
Aus seiner reichen Galerie vortrefflicher, sich scharf unterscheidender Charakter-
figuren seien noch genannt: Der alte Gobbo (»Kaufmann von Venedig«'),
Trinculo (»Sturm«), Schlehwein (»Viel Lärm um Nichts«), Pistol (»Heinrich IV. <^),
Totengräber (»Hamlet«), Reichs-Hauptmann (»Götz von Berlichingen«), Frei
(»Erbförster«), Kapaun (»Landfrieden«), Wachtel (»Hagestolzen«), Feige
(»Attache«), Dr. Diafoirus (»Eingebildete Kranke«), Silen (»Der Cyclop«),
Rebolledo (»Richter von Zalamca«), Loyal (»Tartuffe«), Guillaume (»Meister
Pathelin«), St. Reault (»Die Welt, in der man sich langweilt«), Isaak (»Jüdin
von Toledo«), Kolb (»Die Sklavin«), Lebrecht Müller (»Der Störenfried«),
Apotheker Klein (»Eine böse Nacht«), der Präsident (»Die Neuvermählten«)-
Sein Bestreben, dem Dichter in seiner feinsten Intention zu folgen und
das Individuum und nicht nur den Typus zu treffen, wurde ihm bei der Titel-
rolle in »College Crampton« verhängnisvoll. Er trachtete, zur Befriedigung
des Dichters, aber nicht zur vollen des Publikums, den Einzelmenschen, den
jener gesehen, nachzuschaffen. Aber andere Darsteller, die mit kräftigerem
Persönlichkeitseinsatz den Bühnentypus der Figur spielten, haben mit der
Rolle erfolgreicher gewirkt.
Seh. war dem Burgtheater, den Kameraden und dem Stande ein wert-
voller Besitz. Er war, ein Wunder im modernen Getriebe eines Großstadt-
theaters, ein gesammelter Mensch. Seine geringen materiellen Ansprüche
ans Leben, seine Zurückgezogenheit auf sich selbst, die Unterordnung seiner
Person in die Disziplin des Gesamtkunstwerks schufen einen wunschlosen
Frieden um ihn, in welchem ihm die seltensten Blumen im künstlichen Licht-
treibhaus der Bühne erblühten: Duldung, Selbstkenntnis, Zufriedenheit. Er
Schöne.
183
ist ein Beispiel edler Selbstzucht geworden. Seh., der den Anruf »Freund«
nur Wenigen und diesen selten, wie einen Feierklang spendete, konnte keinen
Feind haben, weil seinem ernsten Wahrheits- und Reinheitsdrange die Milde
des Weisen und die Sonne des Humoristen lächelten. Seine Direktoren
liebten ihn und segneten seine stillen kunstehrlichen Wege. Dingelstedt sah
sich einige Jahre verwundert diesen wunschlosen, lebens- und kunstfrohen
Arbeiter beim Werke an; dann bestellte er ihn zu sich aufs Bureau. »Sie
sind ein weißer Rabe, lieber Schöne; Sie haben keine Wünsche. Ich habe
Sie heraufbestellt, weil ich Ihnen den Triumph nicht gönne, als einziger
Ihrer Kollegen mein Bureau nie gesehen zu haben. Ich habe Ihnen weiter
nichts zu sagen.«
Seh. war unvermählt und lebte mit seiner Schwester in behaglicher Be-
dürfnislosigkeit. Seine reichen Ersparnisse von niemals großen Gagen hat er
Pensionsanstalten seiner Kameraden vermacht. Er war ein reicher, nimmer-
satter Schenker und ein spröder, karger Nehmer. Ihn beherrschte eine
sensible Ängstlichkeit, bei keiner Gelegenheit seine Person in den Vorder-
grund zu stellen, oder mit irgend welcher Rücksichtnahme auf dieselbe seinen
Mitmenschen beschwerlich zu fallen. Er war ein tiefer Naturfreund, ein Ab-
gott der Kinderwelt, die er schwärmerisch liebte; ein Freund dem Freunde
im edelsten, erschöpfendsten Sinne des Wortes. Sein eisernes Pflichtgefühl
war beispiellos. Am 9. April 1853 verzeichnet er in seinem Almanach: »Er-
krankung. Gallenergießung und Leberanschwellung.« Die Leiden hatten
eingesetzt, denen er 17 Jahre heldenmütig sollte standhalten. 15. Jan. 1899:
i-Auf dem Wege zur Abendvorstellung (»Ottokars Glück und Ende«) fiel ich
auf der Fahrstraße vor dem Burgtheater zusammen. Man brachte mich hinein.
Ich konnte meine Rolle (Schweizersoldat) spielen.« Er hat nicht hinzugefügt,
daß er sich große Fallwunden im Gesicht verschminkte und schwere Bedenken
des Arztes zurückwies, da er spielte. Bei Schüttelfrost und Fieberglut hat
er ungezählte Male mit unverminderter Sorgfalt für Dichtung und Publikum
seine Pflicht getan und nur, wenn ihn seine Füße nicht mehr trugen, verkroch
er sich stumm mit seinen Schmerzen wie ein edles Tier. Er konnte schließ-
lich nicht weiter. Am i. Oktober 1899 tritt H. Seh. in den Ruhestand.
Still und ohne Aufheben. Seine Chefs und seine Kameraden scheiden schwer
von ihm, und gute, wehmütige Worte der Liebe, Achtung und Dankbarkeit
schicken sie ihm in seine stille Klause. Die Rampenlichter waren ihm ver-
löscht, aber durch Sch.s Pensionistenstube strich der Segen seiner reichen
inneren Natur und zündete ihm neue, ihm fast heller dünkende Lichter an:
seine schriftstellerische Begabung wurde frei. Er hat uns als schwerkranker
Mann humorvolle, gemütsheitere Studien geschenkt, wovon einige ganz be-
deutsame, wertvolle und einzig dastehende Quellen für Persönlichkeitskenntnis
einer vergangenen Burgtheaterepoche bedeuten. Am 9. Dezember 1902 starb
Seh. nach unsagbaren Qualen. Seine Asche mußte seiner Verfügung nach
in Gotha frei der Erde übergeben werden. Der Sturm blies hinein, als man
es tat und zerstreute sie über den weiten Friedhof. Der Rest ruht an unbe-
zeichneter Stelle, nur dem Freunde bekannt.
Schriften von Hermann Schöne; alles im Druck erschienen: Robert der Teufel in
Meidling. Die erste Charaktermaske. Der Souffleur. Der Unabhängige. Wenn ich ein-
mal der Herrgott war. Dresdener Maitage. Wie ich Schauspieler wurde. Das Burgtheater
i84
Schöne. Schmidt.
vor 40 Jahren. Theaterblut. Hoch klingt das Lied vom braven Mann. Sylvester-Freude.
Das Maßnehmen. Chokoladen-Poldi. Zerstampft. Friedrich Beckmann. Vpsilon-Mayer.
Romeos Zigaretten. Ein Held. Wenn man Gallensteine hat. Theater-Blut erschien im
Verlage von Ernst Keils Nachfolger; alle anderen Geschichten und Skizzen sind gesammelt
in Reclams Üniversal-Bibliothek. HugO Thimig.
Schmidt, Auguste, Lehrerin, Schriftstellerin und Führerin in der deutschen
Frauenbewegung, * 2. August 1833 in Breslau, f lo- ]^^^ 1902 in Leipzig.
— S. war die Tochter eines preußischen Artilleriehauptmanns und hatte das
Glück, unter der Leitung einsichtiger, liebevoller aber strenger Eltern, welche
die Gleichberechtigung der Söhne und Töchter anerkannten, eine vorzügliche,
besonders auf Selbständigkeit gerichtete Erziehung zu genießen. Als im
Jahre 1842 der Vater als Major nach Posen versetzt wurde, besuchte Auguste
hier die königliche Luisenschule und trat am i. Oktober 1848 in das dortige
Lehrerinnen-Seminar ein, das sie nach zwei Jahren unter Erstehung des Staats-
examens absolvierte, um sofort eine Stelle als Erzieherin zu übernehmen.
Danach war sie einige Jahre Lehrerin an einer Privatschule in Rybnik (Ober-
schlesien) und wurde dann erste und einzige wissenschaftliche Lehrerin an
der städtischen höheren Maria-Magdalenenschule in Breslau, wohin auch ihre
Eltern nach des Vaters Verabschiedung (1850) übergesiedelt waren. Mit dem
wachsenden Umfang ihrer Aufgaben reifte auch die pädagogische Bildung und
Arbeitskraft des jungen Mädchens, und sie begann sich nach einem selb-
ständigen Wirkungskreis zu sehnen. Sie legte daher die Prüfung für Schul-
vorsteherinnen ab und übernahm die Leitung der Latzelschen höheren Privat-
töchterschule, die unter ihrer Direktion zu neuer Blüte gelangte. Allein ihre
Gesundheit litt unter der übermäßigen Anstrengung, und sie sah sich genötigt,
ihr Amt 186 1 in andere Hände zu legen. Auf einer Reise lernte sie den
bekannten Schuldirektor Dr. Vogel in Leipzig kennen, welcher sich damals
mit dem Plane trug, eine Bildungsanstalt für Lehrerinnen zu errichten, und
nur durch seinen bald darauf erfolgten Tod an der Ausführung dieses Pro-
jektes verhindert wurde. Auf seine Veranlassung hielt sie mehrere Probelektionen
an der i. Bürgerschule ab, wodurch sie in den Leipziger Schulkreisen vor-
teilhaft bekannt wurde, und Fräulein von Steyber, die Inhaberin eines be-
deutenden Erziehungsinstituts, übertrug ihr 1862 den Unterricht in der Literatur
und Ästhetik an demselben. In dieser ihr zusagenden Wirksamkeit fand sie
volle Befriedigung, und nach dem Tode der Vorsteherin übernahm sie im
April 1870 selbst die Leitung des Instituts, in der sie von ihren beiden ver-
witweten Schwestern unterstützt wurde. Erst nach 30 jähriger Wirksamkeit
gab sie den anstrengenden Beruf einer Lehrerin auf, um sich nun ausschließ-
lich der Frauenbewegung zu widmen. Bereits in den Wintersemestern 1863
bis 1865 hatte sie durch eine Reihe interessanter Vorträge aus den Gebieten
der Literatur- und Kunstgeschichte einen großen Kreis von Zuhörerinnen um
sich versammelt und im Februar 1865 mit Frau Luise Otto-Peters den »Leip-
ziger Frauenbildungsverein« gegründet, aus dem der »Deutsche Allgemeine
Frauen verein« hervorging. Den gemeinnützigen Zwecken dieses Vereins und
den Interessen der Frauen diente dann in der Folge die im Januar 1866 von
Luise Otto-Peters gegründete Halbmonatsschrift »Neue Bahnen«, welche von
S. mitredigiert und nach dem Tode der erstgenannten Frau (1895) allein
Schmidt. Hirsch. ige
geleitet wurde. Seit 1868 trat S. auf fast allen Frauentagen als Rednerin und
Kämpferin für die Arbeitsberechtigung der Frauen auf allen Gebieten auf,
stets und ständig betonend, daß die Erziehung zur Arbeit und dadurch zur
Selbsterhaltung die beste Hüterin der Sitte und der weiblichen Würde sei.
Ihre darauf gerichteten schriftlichen Aufsätze sind zum größten Teil in den
-»Neuen Bahnen« erschienen. Im Jahre 1890 gründete sie mit Helene Lange
und Marie Loeper-Housselle den »Allgemeinen deutschen Lehrerinnenverein«
und erfuhr zur Feier des 25 jährigen Bestehens des Allgemeinen deutschen
Frauenvereins die mannigfachsten Ehrungen und Anerkennungen, die sie zum
weiteren Ausharren in der Verfolgung ihrer Ziele ermunterten. Erst im Jahre
1900 zog sie sich aus der Öffentlichkeit in die Stille der Häuslichkeit zurück.
Auf belletristischem Gebiet tätig zu sein, fehlte ihr die Zeit. Im Jahre 1868
erschienen ihre Novellen »Tausendschönchen« und »Veilchen«, denen erst
1895 wieder eine Erzählung »Aus schwerer Zeit« (2. Aufl. 1902) folgte. Ihrer
Mitarbeiterin setzte sie in dem Buche »Luise Otto-Peters, die Dichterin und
Vorkämpferin für Frauen recht. Ein Lebensbild« (1898) ein ehrendes Denkmal.
Sophie Pataky: Lexikon deutscher Frauen der Feder; 2. Bd.. S. 250. Lina Morgen-
stern: Die Frauen des 19. Jahrhunderts; 3. Bd., S. 241. Franz Brummer.
Hirsch, Jenny, Schriftstellerin, * 25. November 1829 in Zerbst (Anhalt),
t 10. März 1902 in Berlin. — H. war das älteste Kind eines nicht gerade in
guten Verhältnissen lebenden jüdischen Kaufmanns. Sie verlor ihre Mutter
sehr frühe, und da sich der Vater zu einer neuen Ehe nicht entschließen
konnte, so blieb die Erziehung der verwaisten Geschwister einer hochbetagten
Großmutter überlassen. Glücklicherweise hatte Zerbst den in jener Zeit noch
seltenen Vorzug, eine ausgezeichnete Töchterschule zu besitzen, welche Jenny
bis zu ihrem 15. Jahre besuchte, und welche ihr bei Begabung und Lerneifer
eine Ausbildung gab, auf deren Grund sich vortrefflich fortbauen ließ. Allein
an dem Weiterstreben war vor der Hand nicht zu denken, da sie im Schnitt-
geschäfte ihres Vaters sowie auch im Haushalt tätig sein mußte. Nach dem
Tode der Großmutter löste sich das Geschäft des Vaters wegen schlechter
Vermögensverhältnisse auf, die Geschwister kamen zu fremden Leuten und
Jenny blieb bei dem alten Vater bis zu dessen Tode (1856), ihn treu pflegend
und nebenher eifrig an ihrer Fortbildung arbeitend. Nunmehr auf sich selbst
angewiesen, erbat sie von dem herzoglich anhaltischen Konsistorium die Er-
laubnis, in Zerbst eine kleine Privatschule einzurichten, in welcher Knaben
und Mädchen in den Anfangsgründen unterrichtet wurden, und es ist ein
schönes Zeugnis für den Liberalismus der Behörde, daß man ihr, der Jüdin,
dies nach Erweis ihrer Befähigung ohne jegliche Einschränkung gestattete.
Drei Jahre gingen ihr in dieser Lehrtätigkeit, neben welcher sie noch viele
Privatstunden erteilte, dahin; dann nahm ihr Leben plötzlich eine überraschende
Wendung. Der Begründer und Besitzer der Berliner Frauenzeitung »Der Bazar«,
in welcher einige ihrer literarischen Arbeiten zum Abdruck gekommen waren,
richtete an H. die Anfrage, ob sie geneigt sei, in die Redaktion dieser Frauen-
zeitung einzutreten. Sie nahm dies Anerbieten an, siedelte im Februar 1860
nach Berlin über und widmete ihre Kräfte dem Bazar bis zum April 1864.
Von dA ab beschäftigte sie sich ohne bindendes Verhältnis literarisch, indem
sie besonders viel aus dem Englischen, Französischen und Schwedischen über-
1 86 Hirsch. Löhn-Siegel.
setzte, Sprachen, die sie alle durch Selbstunterricht erlernt hatte. An der zu
Anfang der sechziger Jahre einsetzenden Frauenbewegung nahm sie den leb-
haftesten Anteil und trat schon auf dem ersten Frauentage in Leipzig (1865)
in die Reihe der leitenden Persönlichkeiten. Im folgenden Jahre übernahm
sie das Amt einer Schriftführerin in dem in Berlin gegründeten Verein zur
Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts, dem nachmaligen
»Lette-Verein«, und weihte bis zum Jahre 1883 diesem Verein einen großen
Teil ihrer Zeit und Kraft, so daß ihr schriftstellerisches Wirken, besonders
auf belletristischem Gebiet, stark beeinträchtigt wurde. Was sie in dieser
Zeit schrieb, bezog sich zum großen Teil auf die Frauenfrage, wie sie denn
auch das Organ des Verbandes deutscher Frauenbildungs- und Erwerbs vereine,
»Der Frauenanwalt«, während der Jahre 1870 — 188 1 redigierte. In ihrer
Eigenschaft als Schriftführerin des Lette-Vereins wohnte sie den Verbands-
und Frauentagen in Berlin, Darmstadt, Hamburg, Wiesbaden, Lübeck und
Breslau bei und hatte öfter die Ehre, von der Protektorin, der damaligen
Kronprinzessin Viktoria, empfangen zu werden. Mit dem Frühling 1883 zog
sie sich von jeder Vereinstätigkeit zurück, um sich nun ausschließlich schrift-
stellerischer Tätigkeit zu widmen. Sie wurde Mitarbeiterin an einer Reihe
von Zeitschriften, besonders an der von Lina Morgenstern geleiteten »Deutschen
Hausfrauenzeitung«, pflegte dann aber mit vielem Glück das Gebiet der No-
velle und Erzählung. Unter ihrem Namen schrieb sie die historische Erzählung
»Fürstin Frau Mutter« (1881), alle folgenden aber unter dem Pseudonym
F. Arnefeldt: »Befreit« (1882) — »Die Erben« (1889) — »Schlangenlist« (1891)
— »Vermißt« (Rom. 1893) — »Der Amerikaner« (Rom. 1894) — »Umgarnt«
(1895) — »Löwenfelde« (1896) — »Der Amtmann von Rapshagen« (Rom. II,
1896) — »Eine Gedankensünde« (Rom. 1897) — »Die Juwelen der Tante'^^
(Rom. 1897) — »Schuldig« (1899) — »Theresens Glück« (Rom. 1899) —
»Märchen« (Rom. II, 1900) — »Auf Umwegen« (Rom. II, 1900) — »Camilla
Feinberg« (1901) und »Der Sohn des Sträflings« (Rom. 1902). Es sind das
alles einfache Arbeiten, nicht nach dem Geschmack der Modernen, aber immer
mit sittlicher Tendenz.
Lina Morgenstern: Die Frauen des 19. Jahrhunderts, 3. Bd., S. 217. Sophie Pataky:
Lexikon der deutschen Frauen der Feder, x. Bd., S. 358. Der Bazar. Illustrierte Frauen-
zeitung, Jahrgang 1899, S. 567. M. Kayserling: Die jüdischen Frauen in der Geschichte,
Literatur und Kunst, 1879, S. 266 ff. Franz Brummer.
Löhn-Siegel, Anna, Schauspielerin und Dichterin, ♦ 30. November 1830
in Naundorf bei Freiberg in Sachsen, f i. Januar 1902 in Dresden. — L.
war die Tochter eines lutherischen Pfarrers und wurde, da sie frühzeitig eine
lebhafte Phantasie und ein vielseitiges Talent bekundete, von ihrem Vater
sehr sorgfältig unterrichtet und sogar mit Kants Philosophie und den alten
klassischen Sprachen vertraut gemacht. Bereits im 15. Lebensjahre dichtete
sie in den Versmaßen des Agamemnon von Äschylus ihr Drama »Odysseus
auf Ogygia« (1845), ^^•*» sogar den Beifall des berühmten Leipziger Gelehrten
Gottfr. Hermann fand. Um die Anforderungen der Bühne gründlichken nen zu
lernen, beschloß sie, Schauspielerin zu werden, und setzte diesen Entschluß
auch nach harten Kämpfen mit der Familie durch. In Posen betrat sie 1846
zum erstenmale die Bühne, und da diese infolge der politischen Unruhen
Lohn-Siegel. 187
bald einging, so schloß sie sich zunächst mehreren reisenden Gesellschaften
in Schlesien an, um dann am i. Juni 1847 ^^^ Engagement am Leipziger
Stadttheater anzunehmen. Hier trat sie, empfohlen durch ihr dichterisches
Talent, mit zahlreichen Männern, die in der geistigen Entwicklungsgeschichte
Leipzigs eine hervorragende Rolle gespielt haben, in den regsten und auch
für spätere Zeit dauernden Verkehr; so war Heinrich Laube ihr Lehrer, und
Adolf Böttger, Gustav Kühne, Herloßsohn, O. Marbach, Dr. Diezmann u. a.
zählten zu ihren geistigen und literarischen Gönnern, Förderern und persön-
lichen Freunden. Der Schluß der Leipziger Bühne, durch die Revolution
von 1848 herbeigeführt, veranlaßte sie, für den Sommer ein Engagement in
Magdeburg und vom i. September 1848 ab ein solches in Oldenburg anzu-
nehmen, bis sie im Frühjahr 1850 einem Rufe an das Hoftheater in Dresden
folgte, an dem sie über 22 Jahre tätig war. Im April 1872 verheiratete sie
sich mit ihrem langjährigen Freunde Dr. Franz Siegel, dem Redakteur der
»Konstitutionellen Zeitung«, an welcher sie seit 1861 als Mitarbeiterin tätig
gewesen war, und am i. Dezember 1872, nach Ablauf ihres Kontrakts, schied
sie von der Bühne. Leider war ihre glückliche Ehe nur von kurzer Dauer,
da sie bereits am 8. Dezember 1877 ihren Gatten, der auf der Heimreise aus
Italien begriffen war, in Tirol durch den'^Tod verlor. Ihr ferneres Leben war
zwischen schriftstellerischen Arbeiten, öffentlichen Vorlesungen und der Tätig-
keit für den von ihr 1870 ins Leben gerufenen ersten Dresdener Frauen-
bildungsverein geteilt, bis der Tod sie von hinnen nahm. — In Anna L. tritt
uns ein vielseitiges Talent entgegen. Sie ist zunächst dramatische Dichterin.
Wir haben bereits ihr erstes, in klassischen Versen geschriebenes Drama
»Odysseus auf Ogygia« erwähnt. Auch das zweite Drama »Iduna« (1853), in
Blankversen geschrieben, hat viele Vorzüge aufzuweisen, ebenso die drei großen
Dramen »Luise Strozzi« (1862), »Hartmann von Siebeneichen« (1870) und
»Elisabeth Charlotte« (1876). Eine große Zahl ihrer Lustspiele, wie »Der
Philosoph« (1853), »Gefahr über Gefahr« (1859), »Rechter und linker Flügel«
(1863), »Pindars Werke« (1864), »Bei 40° Reaumur« (1868), »Im Finstern«
(1868), »Liebeständelei und Liebe« (1872), »Das falsche Jettchen« (1876) sind
auf den verschiedensten Bühnen zur Aufführung gelangt. In den »Gedichten«
(1850, 2. Aufl. 1857) sind die Ansätze zu allen den schriftstellerischen Vor-
zügen der Dichterin schon zu entdecken. Auch ihre epischen und humoristi-
schen Dichtungen »Giovanna« (1854) und »Ein deutscher Schulmeister« (1872)
zeugen von dichterischer Kraft. Ebenso hat L. im Roman und auf dem Ge-
biete der Schilderung, der Novellette und Skizze Tüchtiges geleistet. In den
Theatermemoiren, wie »Theatererinnerungen und Vermischtes« (1862), »Wie
ich Schauspielerin wurde« (1880), »Aus der alten Kulissenwelt« (1883) und
»Vom Oldenburger Hoftheater zum Dresdener. Letzte Theatertagebuchblätter«
(1885), legt sie Beobachtungsgabe, Witz und Verständnis für die Kunst an
den Tag. Ihre Romane und Erzählungen, »Verkennen und Erkennen« (1861),
»Gesammelte Novellen, Humoresken, Reiseskizzen« (1865), »Königstraum«
(1866), »Der Geheimnisvolle« (1869), »Humoresken« (1868), »Zwei alte Apo-
theker« (1874), »Die Kinder der Ciarice Strozzi« (1875), sowie ihre Reise-
berichte, »Reisebuch einer in Italien allein reisenden Dame« (1859), »Weitere
Streifzüge durch Italien, Deutschland und Dänemark« (1862), »Innerhalb zehn
Jahren, Reiseerlebnisse und Eindrücke aus 1857 — 1867« (II, 1868) gewinnen
l88 Löhn-Siegel. von Schraudolpb.
besonders dadurch an Wert, daß sie uns eine auf streng sittlichen Grund-
sätzen aufgebaute Lektüre darbieten.
Persönliche Mitteilungen. Karl Leimbach: Die deutschen Dichter der Neuzeit und
Gegenwart, 5. Bd., S. 430. Gustav Scheve: Phrenologische Frauenbilder, 1865, S. 158.
J. Fr. Freiherr von Reden- Esbeck: Deutsches Bühnen -Lexikon 1879, i. Bd. S. 410.
Franz Brummer.
Schl'audolph, Claudius von (junior), ♦ 4. Februar 1843 zu München,
f 4. Januar 1902 zu Eppan (Edelsitz Thalegg in Tirol). — Als der Sohn des
nachmals durch König Ludwig L mit so großen Aufträgen betrauten Historien-
malers und Akademie-Professors Johann v. Schraudolph (♦ 13. Juni 1808 zu
Oberstdorf im Allgäu, f 31. Mai 1879 zu München) war ihm die der ganzen
Familie Seh. anhaftende Kunstbegabung in reichem Maße zugefallen. Der
Vorname Claudius überkam dem Knaben von seinem gleichlautenden Oheim,
welcher, ♦ 1 813 zu Oberstdorf, seinem nachmals so berühmten Bruder mit Rat
und Tat in unverbrüchlicher Treue assistierte. Der gleichlautende Vorname
ergab indessen viele unerfreuliche Verwechselungen zw^ischen Oheim und
Neffen, ein Mißstand, der von vielen wohlmeinenden Lexikographen mit be-
harrlicher Ausdauer weiter kolportiert wurde ; (vgl. die richtigen Angaben im
Artikel Johann von Schraudolph in Liliencrons »Allg. deutsche Biographie«?
1891, XXXIL Bd., S. 453 ff.). Das Vorbild von Vater und Oheim wirkte
natürlich bestimmend auf den Jungen, der indessen auf der Akademie die
herkömmliche Unterweisung der Professoren Anschütz und Hiltensperger ge-
noß und sich dann, vielleicht nach einem Winke seines Vaters, jedenfalls
aber auch der eigenen Eingebung folgend, von den väterlichen Traditionen
entfernte, wozu weitere Reisen durch Belgien, Frankreich und Italien neue
Ziele ergaben. In den Münchener Kunstverein brachte er zuerst 1867 unter
dem Titel der »hl. Elisabeth« ein minnigliches Edelfräulein in mittelalterlichem
Aufputz, dann 1868 eine »Parkszene« und »naschende Ministrantenknaben«,
einen derben »Bierstammgast«, ein Modedämchen am Klavier, als Santa
Cäcilia »Trost in der Musik« suchend, und dann gar das wahrhafte Interieur
eines — Münchener Bräuhauses. Da mag es wohl schwere Dissidien im
väterlichen Hause abgesetzt haben, die bald durch eine überraschende Heirat
neue Nahrung fanden. Alte und neue Zeit platzten aneinander, zumal da
Seh. ohne je Pilotys Unterweisung genossen zu haben, sich doch ganz an
dessen Schüler und die Künstlergesellschaft »Allotria« anschloß, die ein
solches Genie mit Freuden willkommen hießen und stolz bugsierten. Sehr
amüsant waren die mit dem Photographen Hanfstängl inszenierten Versuche,
verschiedene Modellköpfe mit passenden Kostümzutaten zu kulturhistorischen
Mode- und Trachtenbildern aufzuputzen, womit übrigens Kreling in seiner
Kunstschule zu Nürnberg schon längst experimentierte. Nachdem Claudius Seh.
den Feldzug 1866 als Offizier mitgemacht hatte, holte er sich im deutschen Kriege
gegen Frankreich (gemeinsam mit seinem Bruder Johann Schraudolph, welcher
am 19. Dezember 1893 als Major a. D. starb) auf dem Felde der Ehre bei
Loigny Verwundungen, die seine Pensionierung als Oberleutnant bedingten.
Leidlich hergestellt, oblag er mit Feuereifer wieder der Kunst und vollendete
1872 den »Osterspaziergang« aus Goethes Faust mit den sich so prächtig
ä la Ostade drehenden Bauern und Bäuerinnen (vgl. Beil. 271 »Allgem. Ztg.«
von Schraudolph. Schwoiser. l3o
vom 27. Septbr. 1872) — ein Bild von so »urkräftigem Behagen«, welches
der Künstler leider nicht weiter festhielt, da er gleich wieder an anderen
Stoffen sich zersplitterte. Im nächsten Jahre kam eine Gruppe »musizierender
Venetianer« ä la Paolo Veronese und Tiepolo. Dann betätigte er sich nebst
dem ganzen zahlreichen Cort^ge der jüngeren Kunstgenossen an der großen
illustrierten Prachtausgabe von Schillers Werken, von welchen ihm »Fiesko«
zufiel, den Seh. in stark theatralischer Manier behandelte. Dann warf er sich
mit Vorliebe auf das Kunstgewerbe, besorgte auch die geschmackvolle De-
koration der Kunsthalle auf der Nürnberger Landesausstellung (1882) und
eines Saales in der Münchener Kunstausstellung 1883. Während dieser Zeit
entstand nach Gedons Umbau das Hotel Bellevue, unter Beihülfe von Geb-
hard Fugel und anderen, der figürliche Freskenschmuck an der Ost- und
Xordseite dieses Münchener Gasthauses, eine in Zeichnung und Farbengebung
ganz vollendete Leistung (darunter die Figur des Otto von Witteisbach von
Seh.), die indessen durch klimatische Einflüsse schon erheblichen Schaden er-
litt. Im Mai 1883 erfolgte nach Liezen-Mayers Abgang von der Kunstschule
zu Stuttgart Sch.s Berufung als Direktor dieser Anstalt. Seine geselligen
Fähigkeiten erwarben ihm, insbesondere in den höheren Kreisen daselbst eine
zuvorkommende Aufnahme und ehrende Auszeichnung, obwohl der Künstler
damals schon an einer sehr fühlbaren Abneigung gegen eigene, neue Pro-
duktion zu leiden begann. Außer zweien »Morgen und Abend« vorstellenden
Bildern an einer Stuttgarter Villa war keine weitere Schöpfung zu verzeichnen.
Auch leitete er die dortige Kunstausstellung des Jahres 1891. Müde, der
Mittelpunkt eines Parteiengetriebes zu sein, verzichtete Seh. nach wenigen
Jahren auf seine vielangefeindete Stellung, versteigerte seinen emsig gesam-
melten kunstreichen Atelierschmuck und Urväterhausrat (Mai 1884) und zog
sich in die Einsamkeit seiner Tiroler-Idylle zurück, unbeirrt, ob man ihn jetzt
für fahnenflüchtig halte aus dem Bereiche der Kunst.
Vgl. Morgenblatt 9 »Allgem. Ztg.« 1902. — Maillinger: Bilderchronik 1876. III, 172
(ebenda 2842 — 59). — Singer 1901, IV, 226. — Fr. v. Bötticher 1903, III, 649.
Hyac. Holland.
Schwoiser, Eduard, Historienmaler, * 18. März 1826 zu Brüsau in Mähren,
j 3. September 1902 in München. — Sch.s Leben ist ein neuer Beleg für den
alterprobten, tröstlichen Erfahrungssatz, daß ein wahres Genie und Talent,
trotz den widerstrebendsten Hindernissen, alle Fesseln sprengt und siegreich
aus den schwersten Kämpfen sich durchzuringen vermag. — Als armer Leute
Kind, arbeitete er sich, ebenso wie E. Hildebrandt, Riefstahl, Stange und
viele andere, zum Handwerk eines Anstreichers und Zimmermalers bestimmt,
wacker empor zum Dekorateur und Stuckateurmeister, um dadurch die Mittel
zu gewinnen, etwas Tüchtiges zu erlernen, den höchsten Zielen nachzustreben
und Künstler zu werden. Als Seh. mit seinem gleichbegabten und ebenso
nach den höchsten Idealen ringenden Freunde Wilhelm Hauschild (* 16. No-
vember 1827 zu Schlegel (Breslau), f i4- Mai 1887 zu München, ein ausge-
zeichneter, insbesondere von König Ludwig II. vielbeschäftigter Historien-
maler), auf der Sucherfahrt nach dem goldenen Vlies endlich das heißersehnte
München erreichte und an der dortigen Akademie um Aufnahme bat, hielt
es keiner der beiden unter seiner Würde, vorerst noch einen Sommer lang im
IpO
Schwoiser.
Dom zu Salzburg »Stuck und Marmor zu machen«, um dann im folgenden
Winter in eifrigster Weise und vor keiner Mühe und Sorge bang, den steilen
Anstieg zur wahren Kunst zu wagen. Beide fanden an Philipp Foltz von
Bingen (* ii. Mai 1805 zu Bingen, f 3. August 1877 zu München), den da-
mals vielgerühmten, jedenfalls wohlmeinendsten Lehrer, der hocherfreut, trotz
seinen mannigfaltigsten Schrullen und Absonderlichkeiten solch hervorragende
»Gesellen« nach bestem Wissen und Gewissen förderte.
S.s erste Bilder »Die genesende Mutter« 1856 (vgl. Eggers Kunstblatt
1858 S. 15) und »Albrecht von Habsburg segnet vor der Kreuzfahrt nach
Palästina seinen Sohn Rudolf» (vgl. Julius Große in Beil. 142 »Neue Münch.
Ztg.« 1855) — beide ganz nach der Signatur der damaligen Genre- und
Historienmalerei, fanden im Kunstverein nicht nur Beifall, sondern auch An-
kauf und weitere Verbreitung durch Steindruck (von Emminger) und Photo-
graphie. Foltz tat noch mehr: er empfahl mit gehobenem Bewußtsein seine
Schüler, als König Maximilian II. den Plan faßte, sein Nationalmuseum durch
eine historische Bildergalerie zu schmücken. Seh. erhielt in rascher Folge
acht Fresken übertragen, welche zwar teilweise sehr unmalerische Stoffe boten,
die aber mit dem der Jugend innewohnenden Mute wacker in Angriff ge-
nommen und auch mit koloristischer Tüchtigkeit ausgeführt wurden. Darunter
wie Herzog Stephan der Zweite — seiner äußeren, zierlichen Erscheinung
entsprechend »der Kneusel« (= Gigerl) genannt — den blutwütenden Tyrannen
zu Padua die weitere Beihülfe verweigert und mit seinen wenigen Mannen
abzieht. Das Programm lautete: »Die edle Rede des Herzogs Stephan zu
Padua 1390«. Dann »Der Einzug der stolzen bayerischen Isabeau als Köni-
gin zu Paris 1309«; die »Deputation der Ingolstädter Bürger vor der Leiche
ihres zu Burghausen gefangenen Herzogs, 1447 ; Kaiser »Karl IV. stellt zu
Nürnberg die »Herrschaft der Geschlechter« wieder her und gestattet das so-
genannte Schönbartlaufen 1350«.
Wir staunen heutzutage über so für malerische Zwecke ganz unverwend-
bare oder doch total widerstrebende seltsame »Ideen«, mit welchen der be-
rühmte und verdienstvolle historische Geograph, General von Spruner, die
Phantasie der jungen Maler auf so schwere Proben stellte. Er hatte im Auf-
trage des überaus wohlwollenden Monarchen an anderthalb hundert solcher
Motive aus der bayerischen Landesgeschichte gewählt, die er dann in einem
eigenen kleinen, 616 Seiten umfassenden Folianten 1868 in möglichst trockener
Weise oratorisch weiter kommentierte. Auch erschien eine photographische
sechsbändige Prachtausgabe der Bilder, die man später im beliebten Kor-
respondenzkarten-Lichtdruckformat weiter zu popularisieren strebte — eine
verlorene Liebesmühe und ein ganz verkrachtes Unternehmen. Freilich unter-
liefen zufällig dabei auch erquicklichere Themata, z. B. die Darstellung eines
1568 auf dem Münchener Marktplatz abgehaltenen Turniers zur Feier der
Hochzeit Herzog Wilhelm V. mit der minniglichen Renata von Lothringen. Seh.
erhielt dazu die ganze Langwand eines Saales: ein wahrer Tummelplatz für
seine fröhlich gestaltende Invention, welche Räume und Maße benötigte
und durch selbstgewählte Schwierigkeiten nur gesteigert wurde. Dabei be-
tätigte der Maler schon jene Eigenheit, die sich später bei ihm zu wahren
Qualen steigerte, indem Seh. nach einer allerhöchst genehmigten genialen
Komposition und brillanten Farbenskizze gleich an die Herstellung eines
Schwoiser.
191
Kartons ging, aber noch vor Vollendung desselben zu malen begann, dann
aber entsetzt über die bei den kolossalen Verhältnissen hervortretenden, nur
ihm fühlbaren, angeblichen oder wirklichen Mißstände etliche Dutzend Quadrat-
meter seiner vollendeteten Freske wieder herausschlug, die ganze Darstellung
nach besserer Einsicht umarbeitete und in einzelnen Teilen in abermaliger
Unzufriedenheit bessernd neuerdings änderte; ein Verfahren, welches zum
stillen Vergnügen des mit unermüdlicher Rastlosigkeit arbeitenden Malers
von dem offiziellen Kuratorium gar nie bemerkt oder entdeckt wurde.
Als weitere Aufgaben schlössen sich an »die Stiftung des Würzburger
Julius-Spitals«, die Verteidigung des Marienberges gegen die rebellischen
fränkischen Bauern und die heldenmütigen Scharmützel der Kronacher gegen
schwedisch-weiraarische Truppen (1632). Nachdem Seh. mit etlichen Genre-
stücken, wie »Badende Mädchen« und »Lustige Landsknechte« (die 1867 auf
der Pariser Exposition sich sehen ließen und zu verdienten Ehren gelangten)
die Ölmalerei neu aufgenommen und für die historische Galerie des Maxi-
milianeums einen etwas opernhaften »Kaiser Heinrich IV. in Canossa« geliefert
hatte, machte der Künstler eine längst geplante artistische Kavaliertour durch
Frankreich, Belgien, Holland, England, Spanien, Sizilien und Italien — eine
Studienreise im Gebiete der önologie, ein Kapitel, welches Seh. fachwissen-
schaftlich beherrschte, wobei ihm wohl die Quellenstudien bisweilen über
dem Kopf zusammenschlugen. So fand an einem frühen Wintermorgen die
alte treue, das Atelier ihres Herrn besorgende Dienerin auf der dahinführen-
den abgelegenen Straße in Zwischenräumen zuerst den neuen Hut, dann den
Schirm, Überzieher, Fußbekleidung und andere kleinere Garderobestücke im
Schnee, zuletzt an unrichtiger Stelle den in der gewohnten Werkstätte ruhig
auf den Boden gebetteten Meister selbst, dessen stählerne Natur die schwersten
Stürme immer glücklich bestand. Aus denselben Gepflogenheiten erklärt sich
ein damals vielen Staub aufwirbelnder Raubanfall in Neapel, wo nach der
Sage unser hotelvergessener Maler unter freiem Himmel kampierend von mit-
leidigen Landsleuten wohlbehalten, nur seines Geldes und anderen Zubehörs
ledig, aufgefunden wurde. — Bei seiner Rückkehr warteten schon wieder
zwei neue Arbeiten, die Fresken im Rathause zu Landsberg, auf seine Dar-
stellung: »Wie Kaiser Ludwig die Stadt mit Privilegien begnadet« — ein
höchst unmalerischer Stoff! und die Schilderung des berühmten »Toten-
sprunges«, womit die schönsten Mädchen der Stadt ihre Ehre gegen die
nachstürmenden Schweden retteten (Regnet in Lützows Kunstchronik 1877,
XII, 534). Hier war wieder ein Stoff für Sch.s pulsierende Lebenskraft.
Nebenbei entwarf Seh., der auch ein allegorisches Dekorationsbild für die
Jubiläumsfeier der Universität im Münchener Rathaus beigesteuert hatte, eine
Idee zu dem nachmals von Fickler ausgeführten Landsberger Theatervorhang
(Nr. 86 »Augsburger Abendzeitung« im »Sammler« 30. August 1878).
Inzwischen hatte auch König Ludwig II. den Maler in Affektion genommen,
der im großen Saale des Linderhofes den Plafond mit der »Geburt der Venus«
ausstaffierte. Unmittelbar daran reihten sich die Arbeiten im Torbau von
Neuschwanstein, wo das Treiben der Garzune, der Reisigen und fahrenden
Ritterschaft an Seh. einen auch koloristi.sch wohlberedten Interpreten fand.
Darauf folgten die größten Leistungen Sch.s mit drei Deckenbildern im
Schlosse zu Herrenchiemsee : Stoffe, welche die volle Leistungsfähigkeit des
I p2 Schwoiser.
Künstlers geradezu herausforderten, in denen er sich mit freudiger Unge-
bundenheit und gleicher Bravour in Komposition und Farbe erging, die mit
dem ganzen Stil der umgebenden Schöpfung ein kongeniales Ensemble bilden.
Im »Oeil de B(£uf<L malte er die »Aurora«, im -oChambre de Parade^ den
»Göttermorgen« und im -»^ConsetU die »Beratung der Götter«. Dabei gab es
freilich auch wieder großartige Änderungen während der Ausführung, einer-
seits veranlaßt von dem bisweilen schwer zu befriedigenden allerhöchsten
Willen, aber auch von dem ebenso selbstwilligen, nur seiner künstlerischen
Einsicht und Empfindung folgenden, auch hier wieder ebenso eigensinnigen
Maler, der nach seinem Ermessen fertige Teile mit Vergnügen beseitigte und zum
allerhöchsten Entsetzen und der drohendsten Ungnade zum Trotz, einmal einen
ganzen eben vollendeten Plafond wieder herunterschlagen wollte. Schließlich
malte Seh. im Auftrage des königlichen Mäcen ein in der Öffentlichkeit ver-
schieden umstrittenes »Madonnenbild«; während Joh. Schrott (in Nr. 351 der
»Allgem. Ztg.« vom 19. Dezember 1885) ungesucht und vom kunsthistorischen
Standpunkt alle guten Seiten hervorhob, tadelte der »Bayr. Kurier« (Nr. ^1,%
vom 31. Dezember 1885) die Nachahmung des Cinquecento, das kalte, krei-
dige Incamat und die Verzeichnung der Hände. Dagegen erging sich der
Kritiker der »Augsburger Abendztg.« (vom 3. Januar 1886) in vollem Lobe
und der »Freie Landesbote« (vom 4. Januar 1885) wußte ob der »eminenten
Bedeutung des Werkes« kein Ende des Rühmens. Der nie ruhmredig von
sich denkende Meister ging überhaupt allen Erörterungen über seine Schöpfun-
gen mit stummem Kopfnicken aus dem Wege. Seine letzte, fast ganz unbe-
kannt gebliebene Leistung bildete eine Pergament-Miniatur zu einem von
den in München lebenden Österreichern ihrem Herrn und Kaiser aus irgend
einem Anlaß dargebrachten Huldigungsdiplom. Das von Kenner ahnungslos
in seiner Gegenwart ausgesprochene Lob nahm Seh. auf, ohne mit einer
Wimper seine Anonymität zu verraten.
Der königliche Mäcen verlieh seinem Maler die goldene Ludwigsmedaille,
den Professortitel und den Michaelsorden erster Klasse. Sch.s Heimat er-
nannte ihn zum Ehrenbürger. Der Künstler entfaltete eine unermüdliche,
ausdauernde Tätigkeit, er pochte auf seine eherne Natur, die ihm in
staunenswerter Weise treu blieb, wie das schwerlastende Alter auch seinen
Rücken krümmte. Rechtzeitig hatte er Pinsel und Palette niedergelegt: er
pflanzte, hackte und grub im Schweiße seines Antlitzes auf seiner Villa zu
Starnberg, als hartgesottener Junggeselle, treu versorgt im Hause einer be-
freundeten Familie, im frohen Rückblick auf seine Tätigkeit und wohlgeord-
neten Verhältnisse. Das frühzeitige Schwinden der Stimme mit anderen un-
erfreulichen Zuständen machte ihn immer weniger zugänglich, bis die Feuer-
bestattung zu Jena auch seinen letzten Wunsch erfüllte. Sein Name wird in
den Schöpfungen der Könige Maximilian IL und Ludwig IL immer geachtet
fortleben. Der größte Teil seiner Bilder wurde durch Alberts und Hanf-
stängls Reproduktion weitbekannt.
Vgl. Wurzbach Biograph. Lexikon 1877, 33. Bd. S. 194. — Pecht, Geschichte der
Münchener Kunst 1888, S. 241. — Nekrolog im Morgcnblatt 245 »Allgem. Ztg.« 6. Sep-
tember 1902. — Fr. V. Bötticher 1901, III, 717. — Singer 1901, IV, 245. — Über Sch.s
Arbeiten für König Ludwig II. berichtet Luise von Kobell 1898 in ihrer übrigens mei^t
oberflächlichen und nicht innner zutreffenden Weise. Hyac. Holland.
Stauber. Steyrer. j g ^
Stauber, Karl, Maler und Zeichner, ♦ 3. November 181 5 zu Amberg,
t 24. November 1902 in München. — St. war ein wackerer, liebenswürdiger,
scharf beobachtender Künstler, welcher wenigstens sechzig Jahr lang zum Besten
seiner Zeitgenossen zeichnete und malte: Immer in der edlen Intention, selbe
heiter und fröhlich zu machen! — Als derselbe 1835 nach München kam, um als
Akademieschüler bei Heinrich Heß und Julius Schnorr zu hospitieren, zeigte
er, ebenso wie sein Freund Kaspar Braun, weniger Interesse für den hohen
Stil der damaligen Historienmalerei ; desto fröhlicher aber erging sich seine
unbefangene Laune in kleinen, dem Leben abgelauschten Bildern aus dem
Soldatentreiben und dessen Freuden und Leiden in Krieg und Frieden, in
harmlosen Szenen aus dem philiströsen Dasein behaglicher Erdenbürger und
Weltpilger, die im Kunstverein bereitwillige Käufer fanden. Als im Spät-
herbst 1844 die »Fliegenden Blätter« begannen, tat St. bald neben Kaspar Braun,
Franz Muttenthaler, Reinhardt, Herbert König und Spitzweg sich hervor.
Außer allerlei »Reise-Erinnerungen« bildeten namentlich die komischen Er-
lebnisse der sogenannten »Familie Blaumaier«, die »Illustrierten Redensarten«,
Straßenbilder, Turnerfeste seine heitere unerschöpfliche Domäne; eine Zeit-
lang lieferte er auch höchst ergötzliches Zeug mit Schattenbildern und
Silhouetten mit Chinesen, russischen und türkischen Soldaten, antik-moderne
Firlefanzereien und ethnographischen Maskenzügen usw., immer gleich ergötz-
lich für große und kleine Kinder. Eine Auslese seiner besten, drolligsten
Einfälle ging aus den »Fliegenden« in die wirklich weltbekannt gewordenen
»Münchener Bilderbogen« über. Außerdem beschäftigte sich St. mit Illustra-
tionen an anderen Werken, wie Georg Scherers »Alte und neue Kinderlieder«,
wozu er geistreiche Radierungen beisteuerte, ebenso lieferte er mit dem geistes-
verwandten lustigen Carl Heinrich Schmolzt (* 1823 zu Zweibrücken, f 1859
in Philadelphia) Zeichnungen zu Hebels »Schatzkästlein«. Wir begegnen ihm
auch als fleißigen Mitarbeiter in »Über Land und Meer«, dann wieder als
Maler von kleinen hochkomischen Ölbildern, z. B. einer »Einquartierungs-
szene« (1853), einer »Klosterküche« (1854 auf der AUgem. Kunstausstellung
zu München), »Schwäbische Bauern vor der Kabinetskasse« (1856), eine »Musik-
aufführung in einer bayerischen Dorfkirche« (1859: als Holzschnitt in Nr. 28
der »Gartenlaube« 1865), »Dienstmädchen, welche den Hut ihres gnädigen
Fräuleins probieren« (1865). Als St. Ende Dezember 1886 seine artistische
Bilanz zog, fand sich, daß er an 9000 Holzstöcke gezeichnet hatte, einige
Tausend, die nicht vollendet oder geschnitten wurden, sind dabei gar nicht
eingerechnet! Später erschienen jene kleinen Bildereinfälle in den Beiblättern
der »Fliegenden«, zuletzt sogar noch 1893. Dann legte er Pinsel und Stift
nieder, um neidlos dem jüngeren Nachwuchs das Feld zu räumen. Eine
Tochter ist mit dem liebenswürdigen G. Niczky verheiratet, der mit seinen
anmutigen Mädchenreigen und Frauenbildern so glücklich dem Vorbilde von
Fr. A. von Kaulbach folgte.
Vgl. Singer 1901, IV, 330 (5 Zeilen). »Allgem Ztg.« Nr. 328, 28. November 1902.
Hyac. Holland.
Steyrer, Clemens, Novellist, * 12. November 1834 (Sohn des damaligen
Landgerichtsrates Clemens Steyrer, eines ausgezeichneten Juristen, welcher,
eine Zierde des bayrischen Richterstandes, als Appellationsgerichtspräsident a.D.
Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrologe. 7. Bd. 1 3
j QA Steyrer. Walker.
am 28. März 1898 in München aus dem Leben schied), f 14. März 1902 zu
München, k. Advokat und Rechtsanwalt. — Während seiner langjährigen Praxis
hatte St. vielseitige Gelegenheit, das ganze Wesen des altbayerischen Volks-
stammes nach allen seinen weitverzweigten Radien, mit seinen Licht- und
Schattenseiten gründlichst kennen zu lernen. Die Ergebnisse dieser Studien
gestaltete St. zu kulturhistorischen Erzählungen, die teilweise in den von
E. Höfer und Hackländer redigierten »Hausblättem«, im Feuilleton der damaligen
»Neuen Münchener Zeitung« (1859) usw. erschienen. Als eine heute noch
rühmenswerte Leistung schildert der zweibändige Roman »Durch Irren zur
Einsicht« (Stuttgart 1861 bei G. Scheitlein) die fieberhafte Spekulationswut,
welche die Adjazenten der zwischen München — Salzburg entstehenden Eisen-
bahnlinie packte und viele unbesonnene Bauunternehmer ins Verderben brachte,
während nur wenige mit großer Umsicht, Ausdauer und aufreibendem Fleiße
das erträumte Glück fanden. Das meisterhaft geschriebene Buch entrollt ein
vielfarbiges, packendes und wahres Sittenbild aus Südbayem, das Treiben der
dortigen Großindustriellen und Landleute, das schwindelhafte, nur auf plötz-
liches Reichwerden gerichtete Hasten der bäuerlichen Bevölkerung. Daneben
gibt es (wie in den vielbeliebten dramatischen »Volksstücken«) auch gutge-
zeichnete kulturhistorische Szenen von Hochzeiten, Jahrmärkten, Festschießen,
Almenleben, Kirchweihfreuden, Haberfeldtreiben. Nach großen Katastrophen
glätten sich die schwergeprüften Gemüter und das Ganze wendet sich dem
Titel gemäß zum endlichen Glück. Dabei verdient es besondere Anerkennung,
daß der Autor ungesucht und natürlich verblieb, jeder Rührseligkeit und
Sentimentalität aus dem Wege ging: alle Charaktere sind, ebenso wie ihre
Sprechweise, wahr, gesund und echt, ohne Schönfärberei und Theateraffekt.
Hierin ist Friedrich Lentner (1844 — 52) als Vorbild unverkennbar. St. schrieb
noch andere Erzählungen, welche, da und dort noch in Zeitschriften verborgen,
einer endlichen Sammlung würdig wären. Seit 1876 redigierte er eine
»W^ochenschrift des Volksvereins in Bayern«, wozu ihn seine reichen, um-
fassenden Kenntnisse vollauf befähigten. Als scharfsinniger Beobachter und
gewandter Stilist zeigte er sich auch in den ethnographischen Reisebildem
»Eine Donaufahrt«, »Aus Rumänien« usw.
Vgl. Abendblatt 73 »Allgemeine Zeitung«, 15. März 1902. Hyac. Holland.
Walker, Franz, Bildhauer und Maler, ♦16. August 1832 zu München,
t 17. Oktober 1902 ebendaselbst. — Als das Kind eines fürstlich Löwenstein-
schen Tapezierers und Kammerdieners war der Knabe mit acht Monaten
schon völlig verwaist. Die ersten Lebensjahre boten so herbe Erfahrungen,
wie sie Jean Paul -Richter, Boz- Dickens und Andersen in großer Not und
in einer Kette von Armut durchkosteten. Glücklicherweise kam der junge
W. in die Mechanikerschule Stephanis, dann zu dem in seiner Weise sehr
geschickten »bürgerlichen Bildhauer« Fink, aus dessen Zunftstube vor- und
nachher manch achtbarer Künstler hervorging. Freilich waren mit dieser
Kunstübung viele Dienstleistungen für den Lehrherrn verbunden. In ähnlicher
Eigenschaft gelangte W. zu einem tüchtigen Steinmetzmeister, erwarb einen
richtigen »Gesellenbrief« und damit die sehnliche Aussicht, endlich der Kunst
näher zu kommen. Bildhauer Hautmann brachte ihn endlich in das Schwan-
thaler-Museum, von wo der Weg nach der Akademie und zu Professor Max
Walker. Anschütz.
195
Widnmann führte. Die Mittel zu weiteren Studien wurden durch Anfertigung
von kleinen Schnitzereien und Marmorfiguren, Büsten, Porträtreliefs und anderen
kunstgewerblichen Arbeiten erreicht, wodurch W. die Aufmerksamkeit des
Malers Hiltensperger gewann, der seinen Schützling an den für König Maxi-
milian II. so vielfach beschäftigten Hofbauinspektor Riedel empfahl, der ihm
zwei Reliefs für das begonnene Nationalmuseum verschaffte. Infolge davon
wurde der vielversprechende junge Mann, der sich so wacker durchgerungen
hatte, mit einigen dekorativen Figuren an der Fassade des vorgenannten Mu-
seums (darunter auch ein Walther von der Vogelweide) betraut und mit den
Statuen der Herzoge Ludwig des Reichen und Albrecht IV. für die inneren
Prachträume. Herr von Klenze übertrug ihm die Herstellung der Karyatiden
und den Reliefschmuck im neuerbauten assyrischen Saal der Glyptothek, und
Dollmann das Giebelfeld am Telegraphengebäude. Auf eine Figur für Lands-
berg und mehrere kleine, sehr anmutende Frauengestalten, darunter eine »Fama«
und »Philosophie«, erfolgten Bestellungen für den Linderhof und andere
Schöpfungen des baulustigen Königs Ludwig II. — Inzwischen versuchte sich
W. auch mit gleich günstigem Erfolg auf dem Gebiete der Malerei; er zeichnete
z. B. ein Erinnerungsblatt an die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches
(187 1). Dann kamen wieder lebensgroße Porträtbüsten, ein Medaillon mit
^ Venus und Amor«, ein großes Grabdenkmal für den Privatier Georg Roth
und dessen Gattin (1881), Kartons für Zettlers Hofglasmalcrei und dergl.
Weitere Anerkennung errang sein Sohn Adrian W. als eminent begabter Stilist.
Vgl. Nr. 289 »Allgcm. Ztg.« vom 20. Oktober 1902. Hyac. Holland.
Anschütz, Ludwig, Großherzoglich Hessischer Generalmajor a. D.,
* 14. September 1820 in Worms, f 14. Mai 1902 zu Darmstadt. — A. wurde
am 15. Februar 1843 ^^ i- großherzoglich hessischen Infanterieregiment
(Leibgarde-Regiment) Leutnant, nahm an der Unterdrückung des Aufstandes
in Frankfurt a. M. am 18. September 1848 als Adjutant des i. Bataillons des
Regiments teil, zog darauf 1849 mit seinem Truppenteile gegen die Re-
volutionäre in Baden sowie in der Pfalz und rückte am 24. Juli 1849 zum
Oberleutnant auf. Im Mai 1859 trat er als Hauptmann zum 2. großherzog-
lich hessischen Infanterieregiment über und wurde bei Errichtung des
Scharfschützenkorps im August 1861 zum Chef der 2. Scharfschützenkompanie
ernannt, an deren Spitze er auch im Jahre 1866 gegen die Preußen kämpfte,
ohne Gelegenheit zu finden, sich hierbei besonders auszuzeichnen. Nach
dem Friedenschluß im Jahre 1867 zum Major und Kommandeur des Scharf-
schützenkorps befördert, das später i. Jägerbataillon wurde und im März 1870
zum Kommandeur des i. Bataillons i. Infanterieregiments ernannt, ging A.
mit diesem in den Krieg von 1870/71 gegen Frankreich und focht an dessen
Spitze in den Schlachten von Vionville-Mars la Tour und Gravelotte-St. Privat.
Während der Einschließung von Metz übernahm er am i. September das
Kommando des Regiments und nahm mit ihm nach dem Fall von Metz an
der Schlacht bei Orleans sowie an den Gefechten bei Les trois Cheminees,
Montlivault-Chambord und Vienne teil. Am 19. Dezember 1870 zum Oberst-
leutnant befördert, trat er am 22. Januar 187 1 nach Genesung des früheren
Regimentskommandeurs zum i. Bataillon zurück, nahm aber bereits vor dem
Inkrafttreten der im Juni gedachten Jahres zwischen Hessen und Preußen ab-
13*
Iq6 AnschUtz. von BarttnifT. von Buz.
geschlossenen Militärkonvention am 31. Dezember 187 1 seinen Abschied,
Vom Großherzog von Hessen erhielt A. in Anerkennung seiner Verdienste
den Charakter als Oberst und am 11. März 1896 aus Anlaß des 275 jährigen
Bestehens des i. Infanterie-(Leibgarde-)Regiments Nr. 115 den Charakter als
Generalmajor.
Nach Militär-Zeitung. Lorenz en.
Barttruff, Ferdinand Karl von, Königlich Württembergischer General-
major a. D., * 23. September 1819 zu Ludwigsburg, f 16. Juli 1902 zu Stutt-
gart. — Mit B. ist ein tapferer Offizier, eine artilleristische Autorität, die
sich in einem langen Dienstesleben zu bewähren Gelegenheit hatte, zu Grabe
getragen worden. Nach dreijährigem Besuch der königlich württembergi-
schen Offizier-Bildungsanstalt (Oktober 1835 bis Ende September 1838) trat
B. zur württembergischen Artillerie über, in welcher Waffe er 1838 zum
Sekondleutnant, 1844 zum Oberleutnant, 1851 zum Hauptmann und im
Juni 1866 zum Major aufstieg. In dieser Stellung befehligte er im Kriege
von 1866 gegen Preußen die Munitionsreserve des VIII. Bundesarmeekorps,
ein Kommando, das, zumal bei der kurzen Dauer des Feldzuges, ihm keine
weitere Gelegenheit zur Auszeichnung bot. Nach dem Friedensschlüsse
avancierte B. im April 1868 zum Oberstleutnant und bei Ausbruch des
deutsch-französischen Krieges im Juli 1870 zum Oberst. W^ährend des
Krieges befehligte er die württembergische Festungs-Artillerie- Abteilung und
nahm mit diesem Truppenteil an den Belagerungen von Straßburg und Bei-
fort teil, wobei er mit den beiden Klassen des Eisernen Kreuzes sowie mit
dem Ritterkreuz des württembergischen Militärverdienstordens ausgezeichnet
wurde. Nach der Heimkehr aus dem Felde blieb er noch einige Jahre in
seinem Kommando, reichte aber bereits 1873 sein Abschiedsgesuch ein und
erhielt später den Charakter als Generalmajor.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Buz, Friedrich Ritter von, Königlich Bayerischer General der In-
fanterie z. D., * 14. Juni 181 5 zu München, f 30. Juli 1902 ebenda. — Nach
beendeter Erziehung im Kadettenkorps trat B. am 6. August 1833 als Junker
in das bayerische i. Artillerieregiment über, wurde bei seiner Versetzung in
das 2. Artillerieregiment unterm 28. Mai 1834 zum Unterleutnant befördert,
und trat nach dreijähriger Tätigkeit bei der Ouvrierkompagnie im April 1841
zur Pontonnierkompagnie über. Im Herbst 1843 nahm er an den Übungen
mit dem Viragoschen Feldbrückenmaterial bei Wien teil. Das Jahr darauf,
am I. Februar zum Geniebataillon übergetreten, stieg B. zum Oberleutnant
auf (18. Oktober), kam im Oktober 1849 zum Generalquartiermeisterstabe und
war vom November 1851 bis Juni 1854 zur Verrichtung des Dienstes des
2. Stabsoffiziers zum Kadettenkorps kommandiert, in das er zu dem ge-
nannten Zeitpunkt als Major versetzt wurde. In dieser Stellung wirkte er
bis zum Februar 1858, wo er zum Oberstleutnant aufrückte und, zunächst mit
der Führung des bayerischen Genieregiments beauftragt, zu dessen Komman-
deur im November 1861 unter Ernennung zum Obersten befördert wurde.
Vor Ausbruch des Krieges 1866 (Mai) wurde B. Feldgeniedirektor der kgl.
bayerischen mobilen Armee und am 23. Juni jenes Jahres Generalmajor und
Gouverneur der damaligen Bundesfestung Landau, eine Stellung, die er ein
von Buz. von Gramer.
197
Jahr später mit dem Gouvernement von Germersheim vertauschte. 1869 im
Herbst war B. als Kommissar des Königreichs Bayern bei der Inspektion
der vormaligen Bundesfestung Landau tätig, befehligte während des deutsch-
französischen Krieges von 1870/71 die Einschließungstruppen vor der Festung
Bitsch und inspizierte die Feldverpflegungsmagazine in Maxau, Weißenburg
und Ludwigshafen. Nach dem Frieden wurde B. im März 187 1 zum General-
leutnant befördert, im Januar 1873 zum Gouverneur der Festung Ingolstadt
und im Juni gleichen Jahres zum Chef des Ingenieurkorps und der Festungen
ernannt Als solcher fungierte er bis zum 29. Oktober 1882, an welchem
Datum er in Genehmigung seines Abschiedsgesuches unter Verleihung des
Charakters als General der Infanterie zur Disposition gestellt wurde. Den
persönlichen Adel hatte B. am 6. April 1875 ^^s Ritter des Verdienstordens
der bayerischen Krone erhalten.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Gramer, Rudolf von, Generalmajor z. D., ♦ 27. Dezember 181 8 zu Kloster
Marienstuhl bei Egeln im Kreise Wanzleben, f 28. April 1902 zu Blanken-
burg am Harz. — Am i. Juli 1835 als Avantageur beim 27. Infanterieregiment
in den Militärdienst getreten, wurde C. im Juni 1836 zum Port^p^efähnrich
befördert und am 6. März 1836 zum Sekondleutnant ernannt. Nach ver-
schiedenen Kommandos nahm er 1849 ^"^ Feldzuge in Baden teil, wo er die
Gefechte bei Ladenburg und am Federbach sowie die Belagerung von Rastatt
mitmachte. Ein Jahr darauf wurde C. Premierleutnant, führte vom Februar
185 1 bis zum I. April 1854 und vom i. März 1855 bis zum i. Juni 1857 eine
Kompagnie des 27. Landwehrregiments, während welcher Zeit er am 18. März
1854 zum Hauptmann aufstieg. Kompagniechef wurde er am 17. September
1857, war vom 16. Juni bis 25. Juli 1859 Führer einer mobilen Kompagnie
obengenannten Landwehrregiments und wurde alsdann bei der Reorganisation
als Kompagniechef in das 27. kombinierte, spätere 4. magdeburgische Infanterie-
regiment Nr. 67 und am 11. Januar 1862 als Major in das 8. brandenburgische
Infanterieregiment Nr. 64 versetzt. Bald darauf zum Bataillonskommandeur
ernannt, machte er als solcher den Feldzug von 1864 gegen Dänemark, ins-
besondere die Gefechte an der Büffelkoppel, vor Düppel, bei Frydendal und
bei Rackebüll, sowie die Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18. April
1864 rnit. Wegen seines tapferen Verhaltens vor dem Feinde, namentlich
auch wegen der beim Übergange nach der Insel Alsen am 29. Juni 1864 be-
wiesenen Unerschrockenheit erhielt C. verschiedene Ordensdekorationen,
wurde auch in den Adelsstand erhoben. Im Kriege gegen Österreich von
1866 kommandierte er sein Bataillon bei Königgrätz, wurde am 30. September
1866 zum Oberstleutnant befördert und einen Monat darauf in das ost-
friesische Infanterieregiment Nr. 78 versetzt. Am 22. März 1868 zum Komman-
danten von Wittenberg ernannt und als Oberst charakterisiert, erhielt C. das
Patent als solcher gleichzeitig mit der Ernennung zum Kommandanten von
Sonderburg-Düppel am 27. April 1869, Diese Stellung vertauschte er, zum
Generalmajor befördert, am 18. Mai 1876 mit derjenigen eines Kommandanten
von Magdeburg. Nach 2 Jahren trat er in den erbetenen Ruhestand (5. Fe-
bruar 1878).
Nach den Akten. Lorenzen.
l q8 Kürschner. Craemer.
Kürschner, Joseph, Schriftsteller und Verleger, ♦ 20. September 1853 in
Gotha, t 29. Juli 1902 in Windisch-Matrei. — K. stammt aus wohlhabendem
Hause. »Mit dem Zeugnis für den einjährig-freiwilligen Militärdienst versehen,
verließ er die Schule und wandte sich der Mechanik zu, um nach vollendeter
Lehrzeit die Universität Leipzig zu besuchen.« Neunzehnjährig, wurde K.
Theaterkritiker an einem Gothaer Blatt. Literarisch versuchte er sich zuerst
in einer Studie über Konrad Ekhof, einem »Bayreuther Tagebuch« und einer
»Chronologie und Nekrologie des Deutschen Theaters«. 1875 ging K. nach
Berlin, wo er eine Reihe von Zeitschriften »Kunstkorrespondenz«, »Literari-
scher Verkehr«, »Literarische Korrespondenz«, »Deutsche Bühnengenossen-
schaft« und »Neue Zeit« redigierte. Anfangs der achtziger Jahre übernahm K.
die Redaktion der Ein-Mark-Bände »Kollektion Spemann« und der illustrierten
Monatsschrift »Vom Fels zum Meer«; in Stuttgart begründete er auch das
Sammelwerk »Deutsche Nationalliteratur« (220 Bände); für Spemanns Verlag
besorgte K. ferner die 7. Auflage von Pierers Konversationslexikon, dem er
ein Lexikon der Hauptweltsprachen beifügen ließ. Selbständig übernahm er
auch den 1878 ursprünglich von den Brüdern Hart in das Leben gemfenen
Literaturkalender, den er praktisch ausgestaltete. In allerhand bisweilen recht
wunderlichen Formaten brachte K. unterschiedliche Nachschlagebüchlein : »Der
kleine Reichstag«, »Gekrönte Häupter«, »Das preußische Abgeordnetenhaus«^,
»Der bayrische Landtag«, »Taschenlexikon«. Ende der achtziger Jahre wurde
K. literarischer Direktor der Deutschen Verlagsanstalt (Ed. Hallberger), in der
er deren ältere belletristische Zeitschriften redigierte und die Halbmonats-
schrift »Aus fremden Zungen« begründete; 1895 übernahm K. die literarische
Geschäftsführung der Firma Hermann Hillger. Dort gab er »K.s Universal-
lexikon«, »Weltsprachenlexikon«, »Der große Krieg«, »Heil Kaiser dir«, »Das
ist des Deutschen Vaterland«, »Deutschland und seine Kolonien« heraus.
1896 begründete er eine Sammlung wohlfeiler, kunterbunt gewählter, mit-
unter völlig wertloser Erzählungen »Bücherschatz«, der bald über 300 Bänd-
chen umfaßte. Vielgeschäftig, brachte K. immer neue Sammel- oder Bilder-
bücher, einmal »Frau Musika«, dann ein Lexikon des deutschen Rechts, »K.s
Jahrbuch«, »China«, »Staatshandbuch«, »Handbuch der Presse«. Auf seiner
Villa in Eisenach beschäftigte sich K. daneben mit Iffland-Studien. Er ver-
mittelte auch die Erwerbung von Oesterleins Richard Wagner-Museum für die
Stadt Eisenach und die vorläufige Unterbringung dieser Wagner-Sammlungen
in Fritz Reuters Haus. Auf einer Sommerreise durch Tirol wurde K. in der
Nähe von Windisch-Matrei vom Schlage gerührt.
Hermann Hillger: Vorwort zu »Kürschners deutschem Literaturkalender auf das Jahr
1903«. 25. Jahrgang. Ebendort ein Porträt von Joseph Kürschner. Bibliographie in den
vorangehenden Jahrgängen des genannten Literaturkalenders. — August Sauer: Einleitung:
zum Katalog der in Leipzig 1904 versteigerten Bücher- und Handschriften-Sammlungen K.'s.
Craemer, Karl, Politiker, ♦ 9. Dezember 181 8 zu Kleinlangheim in Unter-
franken, t 3'' Dezember 1902 in Nürnberg. — Die Jugendjahre des aus den
bescheidensten Verhältnissen hervorgegangenen Mannes waren ausschließlich
harter Arbeit gewidmet; mit dem schmalen Unterricht der damaligen Volks-
schule war sein Bildungsgang abgeschlossen, und sich allein hatte er das aus-
gebreitete Wissen zu danken, welches ihn dazu befähigen sollte, eine so ein-
Craemer.
199
fiußreiche Rolle in der Geschichte seines engeren und weiteren Vaterlandes
zu spielen. Als Jüngling trat er in die Fabrik zu Doos (eine Stunde von
Nürnberg entfernt) ein, der er lange Zeit angehören sollte, und zwar als ein-
facher Arbeiter, als Werkmeister und als Teilhaber. Den Namen »Craemer von
Doos« hat er bis ins Greisenalter beibehalten, nachdem sein Wohnsitz längst
nach Nürnberg verlegt worden war. Da abgesehen von der politischen Be-
tätigung sein Leben ein höchst einfach verlaufenes genannt werden darf, so
mögen hier gleich alle übrigen Daten aus demselben ihre Stelle finden. C.
nahm, nachdem er 1870 vom Geschäfte zurückgetreten war, das Amt eines
städtischen Standesbeamten an, das er durch eine längere Reihe von Jahren
mit Hingebung verwaltete; gleichzeitig war er auch Magistratsrat und leistete
seiner Adoptivvaterstadt als solcher die besten Dienste. Dies ist durch Über-
reichung der Bürgermedaille, einer sehr seltenen Auszeichnung, und des Ehren-
bürgerrechts dankbar anerkannt worden. Ihm ward das Glück zuteil, seine
Lebensgefährtin bis in das höchste Alter an seiner Seite behalten zu dürfen,
und nur um einige Monate hat er dieselbe überlebt. Im Kreise seiner sehr
zahlreichen Familie durfte er ein wahrhaft glückliches Leben führen.
Schon frühzeitig rief den jugendlichen Werkmeister das öffentliche Leben
in die Arena, in welcher ihm volle vierundvierzig Jahre zu wirken bestimmt war.
Als im Spätherbst 1848 die Wogen auch in Bayern hoch gingen, wurde er in
Fürth zum Landtagsabgeordneten gewählt, ohne indessen dem Rufe folgen zu
können. Es fehlten ihm nämlich noch ein paar Wochen zur Erreichung des
dreißigsten Lebensjahres, und dieses war damals — wie auch noch jetzt — die
untere Altersgrenze für den bayerischen Volksvertreter. Allein die Jugend ist
bekanntlich ein Fehler, der sich von Tag zu Tag verbessert, und als die Wahl
annulliert und eine Neuwahl ausgeschrieben worden war, hatte der Zurück-
gewiesene gerade die vorschriftsmäßige Zahl von Jahren erreicht und konnte
nicht mehr am Eintritt in den Landtag verhindert werden. Zusammen mit
wenigen Freunden bildete er in der zweiten Kammer die äußerste Linke und
stand vorne an in der Opposition, welche sich gegen die reaktionären Mini-
sterien der fünfziger Jahre richtete und den freiheitlichen Gedanken im Volk
wach erhielt. Die Auflösungen, die 1855 und 1858 das Unterhaus trafen,
führten nur eine Erstarkung des liberalen Fähnleins herbei, als dessen Führer
C. unausgesetzt tätig war. Abwechselnd vertrat er Fürth und Nürnberg, welch
letzterer Wahlkreis ihm 35 Jahre treu blieb. Mit dem Jahre 1859 beginnt eine
neue Phase des wackem Volksmannes. Im Vereine mit dem ausgezeichneten
Karl Brater begründete er die damals siebzehn Mitglieder zählende »bayerische
Fortschrittspartei«, deren »Wochenschrift« sich in Bälde eine höchst geachtete
publizistische Stellung errang, und nahezu gleichzeitig trat er dem von R. von
Bennigsen und Schulze-Delitzsch ins Leben gerufenen »National verein« bei,
so bekundend, daß Freiheit und Vereinigung der deutschen Stämme gleich-
mäßig seine Ideale seien. Der Wirksamkeit der jungen Partei war der Sturz
des Ministers Grafen Reigersberg, anläßlich dessen König Maximilian IL sein
berühmtes Wort »Ich will Frieden haben mit meinem Volke« sprach, großen-
teils zu danken.
An der liberalen Gesetzgebung der sechziger Jahre, welche Bayern zu einem
modernen Staate machte, nahm C. den lebhaftesten Anteil und ebenso war
er einer der Wortführer in jenen heftigen Debatten, welche 1870 und 1871 das
200 Craejner. Krause.
Ständehaus vorübergehend in den Mittelpunkt der zeitgeschichtlichen Vorgänge
versetzten. Die Teilnahme Bayerns an dem großen Kriege, die Annahme der
Verträge von Versailles wurden der an sich die Mehrheit darstellenden
Patriotenpartei, die freilich manche Fahnenflucht erleben mußte, mühsam ab-
gerungen; Craemer, v. Stauffenberg, Voelk, Marquard Barth waren die Wort-
führer der Einheitsidee. Nachdem dann wieder eine größere Ruhe in der
Geschäftsbehandlung eingetreten war, entfaltete C. zumal im maßgebenden
Finanzausschusse eine vielseitige Wirksamkeit, zu der ihn genaueste Kenntnis
des Steuerwesens vorzüglich befähigte. Dem Vorstande der Kammerlinken
gehörte er ununterbrochen an, und gerade als solcher hat er geräuschlos viel
Gutes gestiftet, viel Nachteiliges abgewehrt.
Als der erste deutsche Reichstag zusammentrat, befand auch er sich unter
den Mitgliedern desselben ; der Wahlkreis Nürnberg hatte ihn mit Zweidrittel-
majorität in denselben entsandt. Er schloß sich der deutschen Fortschritts-
partei an und bewirkte durch sein Beispiel, daß dieselbe einen namhaften
Zuzug aus Franken erhielt und in diesem Landesteile festen Fuß faßte. Zwar
nahm er 1874 keine Wiederwahl an, so sicher sie ihm gewesen wäre, aber
sein Interesse auch für die Reichsangelegenheiten blieb darum doch ein
ungemindertes. Im Jahre 1880 trat er an die Spitze der »Deutschen Fortschritts-
partei in Franken«, und ihm gebührt ein wesentliches Verdienst daran, daß
die Krisis der Freisinnigen Partei im Jahre 1893, soweit Bayern in Frage kam,
ohne tieferen Schaden vorüberging. Noch 1897 beteiligte er sich als Ehren-
präsident am Nürnberger Parteitage der Freisinnigen Volkspartei.
Man hat finden wollen, der alte C. sei nicht mehr das gewesen, was
der junge war; man hat gegnerischerseits hämisch darauf hingewiesen, daß
er 1882, weil er die bayerische Landesausstellung in Nürnberg trefflich hatte
organisieren helfen, einen hohen Orden erhielt, der auf Wunsch des Betroffenen
die Adelsverleihung nach sich zieht. Allein eben diesen Wunsch auszusprechen,
ließ C. sich nie bewegen, und so ist er bürgerlich gestorben, wie er bürgerlich
gelebt hatte. Daß ein Siebzigjähriger seine Gedanken anders als ein Dreißig-
jähriger zum Ausdruck bringt, ist wohl nicht zu verwundern, aber dafür mochte
jeder, der ihn kannte, bereitwillig einstehen, daß Überzeugung und Lebens-
anschauung des alten Volkskämpfers in mehr denn einem Halbjahrhundert
keine Änderung erfahren hatten.
Die Wahlen des Jahres 1893 brachten C. um seinen Landtagssitz, der an
die Sozialdemokraten überging. Darauf zog er sich immer mehr und mehr
von der Öffentlichkeit zurück, um im stillen Sinnen den Seinigen und der
reichen Fülle seiner Erinnerungen zu leben. Als er, dem erst ganz kurz vor
seinem Ableben schwere Altersleiden nahe getreten waren, am 2. Januar 1903
in Nürnberg bestattet wurde, da konnte man aus der Beteiligung der ganzen
Bevölkerung recht deutlich ersehen, was er seinen Mitbürgern gewesen war.
Mit ihm schied der letzte von den Veteranen aus der Periode freiheitlicher
Entwicklung im Königreiche Bayern.
Fränkischer Kurier Nr. i, 2, 8 des Jahrgangs 1903. S. Günther.
Krause, Caesar Ernst Albrecht, Hauptpastor zu St. Katharinen in
Hamburg, philosophischer Schriftsteller, * 12. November 1838 in Grätz in der
Provinz Posen als Sohn eines Geistlichen, f 14. November 1902 in Hamburg.
Krause. 20I
— K., der in früher Jugend mit seinen Eltern nach Breslau kam, besuchte hier
seit 1847 das Gymnasium zu St. Maria Magdalena und später das Elisabeth-
Gymnasium. Nachdem der Vater im Jahre 1856 zum Hauptpastor an der
Nikolai-Kirche zu Hamburg erwählt war, bezog der Sohn das dortige Johanneum,
das er 1858 verließ, um Theologie und Philosophie zu studieren. Die Studien-
zeit führte ihn nach Breslau, Jena und Berlin. In Jena gewann vor allem
Kuno Fischer durch seine Kant-Vorlesungen entscheidenden Einfluß auf die
geistige Entwicklung des jungen Studenten. Nachdem K. 1861 mit seiner
Dissertation »Über das Verhältnis des Unendlichen zur Erkenntnis« in Jena
zum Dr. phil. promoviert und 1862 das theologische Amtsexamen bestanden
hatte, wurde er bereits am 23. Oktober desselben Jahres als Pastor an der
St. Katharinen-Kirche in Hamburg eingeführt. Als Kanzelredner erregte er
sehr bald durch seine freisinnigen Predigten großes Aufsehen; sie trugen ihm
eine Anklage bei dem geistlichen Ministerium auf Amtsentsetzung ein. Hierzu
kam es jedoch nicht, man begnügte sich mit der »brüderlichen Bitte« an ihn,
»in Zukunft seinen Eid zu halten und nichts Ungewisses zu lehren«. Später
hat man ihn dann stets unbehelligt gelassen, obgleich er seine religiösen
Überzeugungen nach wie vor mit dem größten Freimut äußerte. Durch seine
.segensreiche seelsorgerische Tätigkeit, die nichts anderes wollte, als helfen
und dienen, hat K. sich die Liebe und das Vertrauen zahlloser Mitglieder
der großen St. Katharinengemeinde erworben. Aber diese Tätigkeit füllte
sein Leben nicht aus, der Theologe war und blieb immer ein tiefer Denker
und Philosoph, ein Wahrheitsucher von heiligem Ernst, der in heißem Mühen
und Ringen den höchsten Fragen des Daseins nachging. Der Meister aber,
dem er dabei folgte, war Immanuel Kant. K.s wissenschaftliches Lebenswerk
war »die immer erneute Durchforschung der Geistesarbeit des Königsberger
Philosophen und die Anwendung Kantischer Kritik auf solche Gebiete des
Denkens, die Kant noch nicht in den Bereich seiner Arbeit gezogen hatte.
In seinen verschiedenen Werken suchte er Gedanken Kants für das Leben
der Gegenwart fruchtbar zu machen.« An wissenschaftlichen Gegnern hat es
ihm nicht gefehlt, besonders bekannt geworden ist sein literarischer Streit
mit Kuno Fischer über den Wert des in K.s Besitz befindlichen nachgelassenen
Manuskripts Kants »Vom Übergang von den metaphysischen Anfangsgründen
der Naturwissenschaft zur Physik«, für welches K. die höchste Bedeutung in
Anspruch nahm, während K. Fischer es für ein gänzlich wertloses Bruchstück
ohne jeden inneren Zusammenhang erklärte. In Hamburg hat K. auf weite
Kreise be.sonders anregend gewirkt durch die philosophischen Vorträge, die
«r mehrere Jahrzehnte hindurch regelmäßig hielt. Auch für das Wintersemester
1902/03 hatte er im Auftrage der Oberschulbehörde noch eine Vorlesung an-
gekündigt, in der er eine »Einleitung in die kritische Philosophie« geben
wollte. Doch noch ehe er damit beginnen konnte, wurde dem Schaffen des
geistesstarken Mannes für immer Halt geboten.
Schriftenverzeichnis. i. »Die Gesetze des menschlichen Herzens wissenschaftlich
dargestellt als die formale Logik des reinen Gefühles.« Lahr 1876. — 2. »Kant und
Helmholtz über den Ursprung und die Bedeutung der Raumanschauung und der geometri-
schen Axiome.« Lahr 1878. (Vgl. Philos. Monatshefte, Bd. 15, 1879, S. 490—495.) —
3. »Populäre Darstellung von Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft.« 2. Aufl.
Lahr 1882. (i. Aufl. 1881.) — 4. »Zur Widerlegung des Satzes: Über den Geschmack
202 Krause. Hartmeyer.
läßt sich nicht streiten.« Lahr 1882. — 5. »Immanuel Kant wider Kuno Fischer zum
erstenmal e mit Hülfe des verloren gewesenen Kantischen Hauptwerkes : Vom Übergang von
der Metaphysik zur Physik verteidigt.« Lahr (Hamburg) 1884; dagegen: Kuno Fischer,
»Das Streber- und Gründertum in der Literatur. Vademecum für Herrn Pastor Krause in
Hamburg.« Stuttgart 1884. (Vgl. Philos. Monatshefte, Bd. 22, 1886, S. 300 — 305; Grenz-
boten, 1884, Jg. 43, 2. Quartal, S. 218 — 224.) — 6. »Das nachgelassene Werk Immanuel
Kants : Vom Übergange von den metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft zur
Physik mit Belegen populär-wissenschaftlich dargestellt.« Frankfurt a. M. und Lahr 1888.
(Vgl. Grenzboten, Jg. 47, 3. Vierteljahr, S. 247 — 255, 300—309; Philos. Monatshefte,
Bd. 25, 1889, S. 459 — 472; Zeitschr. f. Philosophie u. philos. Kritik, N. F. Bd. 97, 1890,
S. 300 — 303.) — 7. »Die letzten Gedanken Immanuel Kants, der Transscendental-Philosophie
höchster Standpunkt: von Gott, der Welt und dem Menschen, welcher beide verbindet.
Aus Kants hinterlassenem Manuskript.« Hamburg 1902.
Vgl. Hamb. Correspondent, Ab.-Ausg. v. 14. u. 17. November 1902; Ab.-Ausg. v.
7. u. 8. Miärz 1904 (Feier der Enthüllung des Bildnisses des f Hauptpastors Krause in der
St Katharinenkirche). — Zeitschrift für die evangelisch-lutherische Kirche in Hamburg,
Bd. 8, 1902, S. 259 — 280 (Nekrolog; O. Jänisch, Ansprache bei der Beerdigung; derselbe.
Zur Würdigung von Hauptpastor K.). — Deutsches Protestantenblatt, Jg. 35, 1902, S. 393/394
(Nekrolog v. O. Jänisch). — Überweg-Heinze, Grundriß d. Gesch. d. Philos. T. 4. 9. Aufl.
1902, S. 223/224. — O. Siebert, Gesch. d. neueren deutschen Philos. seit Hegel. Göttingen
1898, S. 352/353. — K. Fischer, Gesch. d. neueren Philos. Jubiläumsausg. Bd. 4. Kant
4. Aufl. T. I. 1898, S. 130 — 134.
Joh. Sass.
Hartmeycr, Heinrich Emil, Eigentümer und Chefredakteur der »Ham-
burger Nachrichten«, * 9. Juni 1820 zu Hamburg als Sohn des damaligen
Eigentümers der »Hamb. Nachr.«, Heinrich A. Hartmeyer, f daselbst am
II. Februar 1902. — Auf der Gelehrtenschule des Hamburger Johanneums
vorgebildet widmete sich H. in Heidelberg dem Studium der Rechte und
trat, nachdem er zum Dr. jur. promoviert hatte, 1844 in die Redaktion der
»Hamb. Nachr.« ein, deren Leitung er nach dem Tode seines Vaters im
Jahre 1855 allein übernahm. Fast 50 Jahre hat er dann an der Spitze der
großen Zeitung gestanden, für die er noch bis in seine letzten Lebenstage
hinein täglich mehrere Stunden arbeitete. Der bedeutende Aufschwung, den
die »Hamb. Nachr.« in den letzten Jahrzehnten nach allen Richtungen ge-
nommen haben, ist sein eigenstes Werk. »Furchtlos und treu« war der Wahl-
spruch seines Lebens. Von solcher Gesinnung getragen hat H. auch den
Schritt getan, der seinen Namen für immer mit dem des Fürsten Bismarck
verbindet: nach der Entlassung des Reichskanzlers, als sehr viele andere
deutsche Zeitungen sich furchtsam von dem großen Staatsmann abwandten,
stellte er diesem im April 1890 sein Blatt rückhaltlos zur Verfügung, »unbe-
kümmert darum, was man in Hamburg, in Berlin oder sonstwo dazu sage<-,
eine geschichtliche Tat voll mutiger und selbstloser Hingabe. So wurden
die »Hamb. Nachr.« Bismarcks Organ, und »daß sie diese ehrenvolle Mission
erfüllen konnten, daß sie bis zum Tode des Reichskanzlers dessen Auffassung
der verschiedenen Tagesprobleme vertreten und in mancher entscheidungs-
vollen Stunde das erlösende Wort sprechen durften, war das Verdienst H.s.«
Nie hat ihm der verewigte Fürst dieses tapfere Eintreten vergessen. So
äußerte er im Juni 1892 in Wien gegenüber dem Chefredakteur der »Neuen
Hartmeycr. Kraetzschmar. 203
Freien Presse« : »Die »Hamburger Nachrichten« haben zu einer Zeit, wo sich
alle Welt von mir zurückgezogen hatte, den Mut gefunden, für mich einzu-
treten und sich mir anzuschließen, es wäre ja doch undankbar, wenn ich das
nicht anerkennen würde!«
H. war eine wahrhaft vornehme Natur, ein begeisterter Patriot, ein
echter deutscher Mann, human und gerecht, furchtlos und treu.
Vgl. Hamb. Nachrichten 1902, Ab.-Ausg. v. 11., Morg.-Ausg. v. 12., Ab.-Ausg. v.
14. Februar. — Hamb. Correspondent, Ab.-Ausg. v. 11. u. 14. Februar 1902. — Kieler
Zeitung, Ab.-Ausg. v. 12, Febr. 1902. — H. v. Poschinger, Fürst Bismarck und seine
Hamburger Freunde. Hamb. 1903. S. 117 — 119.
Job. Sass.
Kraetzschmar, Otto Richard, a.o. Prof. d. Theologie, * 10. August 1867
zu Leipzig, f 8. Juli 1902 zu Marburg i. H. — K. war der Sohn eines Leipziger
Volksschul lehre rs. Er besuchte die Schulen seiner Vaterstadt und danach
auch deren Universität, wo er sich zuerst dem Studium der klassischen Philo-
logie widmete. Schon im zweiten Semester ging er zur Theologie über und
wurde ein spezieller Schüler von Franz Delitzsch und Hermann Guthe. Daneben
pflegte er eifrig das Studium der semitischen Sprachen unter der Leitung des
Assyriologen Friedrich Delitzsch, des Sohnes seines alttestamentlichen Lehrers.
Kaum 22 Jahre alt, promovierte er zum Dr. phil. auf Grund der Dissertation
»Relativpronomen und Relativsatz im Assyrischen«. Nach dem Bestehen seiner
theologischen Examina wirkte er eine Zeitlang als Lehrer an einer Realschule
seiner Vaterstadt, wandte sich dann aber nach Marburg i. H., wo er im Sommer
1894 zum Lic. theol. promoviert wurde und im Herbst desselben Jahres eine
Privatdozentur für alttestamentliche Theologie übernahm. Durch seine ge-
diegenen Kenntnisse des Semitischen, sowie durch sein entschiedenes Lehrr
talent erschien K. für den Unterricht der hebräischen Sprache, der seine
Hauptaufgabe bildete, besonders geeignet. Später las er auch über exegetische
und historische Theologie ebenfalls mit sicherem und bleibendem Erfolg.
Neben seiner Lehrtätigkeit war K. auch als fleißiger Schriftsteller tätig. Sein
Spezialgebiet, auf dem er mit zähem Fleiße und zuverlässiger Gewissenhaftig-
keit arbeitete, war die alttestamentliche Prophetie. 1894 gab er den maso-
retischen Text des Jesaia heraus. Zwei Jahre später erschien »Die Bundes-
vorstellung im Alten Testament in ihrer geschichtlichen Entwicklung«, eine
Schrift, deren ersten Teil ihm die theologische Licentiatenwürde verschafft
hatte. Sein reifstes Werk ist die Übersetzung und Erklärung des Propheten
Ezechiel, die 1890 als ein Teil des Göttinger »Handkommentars zum Alten
Testament« erschien, eine Arbeit, durch die er seinen Ruf unter den Fach-
genossen fest begründete.
Als letztes Werk von . ihm erschien 1902 ein »hebräisches Vokabular«.
Außer diesen selbständigen Schriften veröffentlichte er gediegene kleinere
Arbeiten in der Zeitschr. f. Assyriologie, Zeitschr. f. alttestamentl. Wissen-
schaft, Hebraica u. a.
Ostern 1901 wurde K. zum außerordentlichen Professor ernannt. Nur
kurze Zeit konnte er sich der Beförderung freuen. Nach dem Tode seiner
jungen Gattin, die ihm im Frühjahr 1901 starb, fing er an zu kränkeln, und
204 Kraetzschmar. Gerechter. Jäger.
ein Herzleiden machte binnen wenigen Monaten am 8. Juli 1902 seinem Leben
ein frühes Ende.
Nach: Chronik d. Univ. Marburg. Jg. 16, 3 ff. Ph. Losch.
Gerechter, Siegmund, Maler, * 1. Dezember 1850 zu Berlin, f 19. April
1902 zu Kassel. — Einer armen Berliner Judenfamilie entstammend, erweckte
G. schon als Schüler der jüdischen Gemeindeschule durch sein Zeichentalent
die Aufmerksamkeit seiner Lehrer. Ihrem Drängen folgend, brachte ihn seine
Mutter in die Kunstschule und schließlich nach Erlangung von Stipendien
auch in die königl. Kunstakademie, wo er Bellermann, Eybel, Holbein und
Schrader zu seinen Lehrern zählte. Nur unter den größten Entbehrungen
vermochte G. seinen Studien obzuliegen, indem er zu gleicher Zeit seinen
Lebensunterhalt als Schreiber bei einem Anwalt erwarb. Später erhielt er
vom Kultusministerium den Auftrag, gegen monatliche Vergütung Vorlagen
für die Elementarklassen der Kunstschule zu zeichnen. In der Periode seiner
ersten Malaufträge wurde G. mit dem damaligen Artilleriehauptmann Baron
Adolph V. Gilsa bekannt und knüpfte dadurch Beziehungen an, die für seine
äußern Lebensumstände in der Folge entscheidend wurden. Gilsa nahm Mal-
unterricht bei dem jungen Künstler und faßte bald ein solches Interesse für
Art und Können seines Lehrers, daß er ihm auf eigene Kosten ein Atelier
mietete und ihn auch sonst beruflich in jeder Weise förderte. Als im Jahre
1875 Gilsa zum Intendanten des Kasseler Hoftheaters ernannt wurde, folgte
G. seinem Gönner in die hessische Hauptstadt. Hier hat der Maler dann über
ein Vierteljahrhundert gelebt und gewirkt, und die Freundschaft seines ehe-
maligen Schülers ist ihm bis ans Ende geblieben. Mit der Zeit wurde G.
ein gesuchter Porträtist, dessen Bilder namentlich um ihrer treuen Ähnlichkeit
willen geschätzt waren. Auch Landschaften und Genrebilder hat er in großer
Anzahl geschaffen. Seiner Kunstrichtung nach war G. Eklektiker im besten
Sinne des Wortes. Die Ausschreitungen der Moderne, die von ihr beliebten
harten Kontraste, die Darstellungen des ästhetisch und physisch Unschönen
— all das stieß ihn ab, ohne daß er darum als blinder Anhänger der alten
Schule folgte. Von strenger Naturwahrheit in seinen Landschaften, besaß er
auch als Porträtmaler nicht die Gabe des Schmeicheins, die manchen andern
Bildnismaler so beliebt gemacht hat. Nach äußeren Ehren und Auszeich-
nungen strebte er nicht, sie sind ihm darum auch nicht zuteil geworden.
Er führte ein stilles bescheidenes Leben und jedes Hervordrängen war ihm
in der Seele zuwider. Wenn er eine Leidenschaft hatte, so war es seine
Neigung zur Musik, die ihm seit seiner Jugend neben seinem eigentlichen
Berufe das Höchste war und bis an sein Ende geblieben ist. G. starb nach
kurzer Krankeit am 19. April 1902.
Nach d. Nekrolog von Dr. \V. im Casseler Tageblatt 1902 Nr. 195.
Ph. Losch.
Jäger, Ferdinand, Opernsänger, * 25. Dezember 1838 (1839?) zu Hanau,
f 13. Juni 1902 zu Wien. — Als Sohn eines kurfürstlichen Hofbeamten zu
Hanau geboren, hat sich J. auf den Wunsch seiner Eltern zuerst zu Cassel
dem Kaufmannsstande gewidmet und erst ziemlich spät der Bühne zugewandt.
Seine ersten Lehrer waren der Hofkammermusiker Thiele und der Komiker
Jäger. Jordan. 205
Ferdinand Heine in Dresden. Am 30. April 1865 machte er seinen ersten
Bühnenversuch in Dresden und wurde daselbst auch engagiert. Später trat
er an den Stadttheatern von Cöln und Hamburg auf. Jäger besaß eine
schöne Tenorstimme und war außerdem infolge seiner hohen mächtigen Figur
für Heldenpartien wie geschaffen. Der damalige Hoftheaterintendant v. Hülsen
zu Berlin wurde zuerst auf ihn aufmerksam und engagierte ihn 1867 für die
Berliner Kgl. Oper, ließ ihn aber zunächst ein Jahr am Kasseler Hoftheater
wirken, damit er noch größere Bühnenroutine erlange. Im Jahr 1876 wurde
J., der inzwischen auch in Stuttgart wirksam gewesen war, mit Richard Wagner
bekannt, der in ihm einen ungemein passenden Darsteller und Sänger für
seinen Siegfried entdeckte. Bei den ersten Festspielen zu Bayreuth errang
J. einen großen Erfolg und galt lange Zeit als der einzige deutsche Sänger,
der den Siegfried zu singen und darzustellen vermochte. Wagner empfahl
ihn nach Wien, wo er 1878 — 79 dem Nibelungendrama zu den glänzendsten
Erfolgen verhalf. Auch in der Folgezeit hat J. bis zum Jahre 1891 öfters
Wagnerrollen an der Wiener Hofoper gesungen, ebenso in verschiedenen
Separataufführungen als Gast König Ludwigs II. zu München. Anfangs der
neunziger Jahre entsagte er der Bühnenlaufbahn, die für ihn reich an Ehren
gewesen war und war seitdem in Wien als Gesanglehrer tätig. Als solcher
ist er am 13. Juni 1902 daselbst nach kurzer Krankheit gestorben, von zahl-
reichen Schülern und alten Verehrern betrauert.
Vermählt war J. mit der Koloratursängerin Aurelie Wlczek, die er 1867
in seinem Casseler Engagement kennen gelernt hatte. Auch eine Tochter des
Künstlerpaares, Elsa Jäger, hat sich der Bühne gewidmet und ist als jugend-
liche Liebhaberin in Wien und Meiningen aufgetreten.
Vergl. Monatsschr. f. Musikgesch. 35, 126. — Hessenland 16, 183. — Eisenberg, Biogr.
Lex. d. Deutsch. Bühne 468. Ph. Losch.
Jordan, Ricardo, Dichter und Übersetzer, * 9. Januar 1857 zu Mexiko,
t 6. Januar 1902 zu Charcas in Mexiko. — Sein eigentlicher Name war Richard
Keller. J. war ein Sohn des in Mexiko ansässigen deutschen Kaufmanns
Edgar Keller, der sich 1854 mit Henriette Jordan, Tochter des bekannten
Marburger Professors und kurhessischen Politikers Sylvester Jordan, verheiratet
hatte. Seine Jugend verlebte J. in Deutschland, besuchte das Gymnasium zu
Marburg in Hessen und widmete sich dann dem kaufmännischen Berufe. Nach
der Trennung seiner Eltern, die 1876 erfolgte, nahm er den Namen seiner
Mutter an. Im Jahre 1878 wanderte er nach Mexiko aus und war dort bis
1882 in verschiedenen kaufmännischen Stellungen tätig, bis er dann ein Amt
im mexikanischen Finanzministerium erhielt. 1890 gab er dasselbe wieder
auf und ging nach Guatemala als Vertreter mehrerer europäischer und ameri-
kanischer Handelshäuser, kehrte aber nach einigen Jahren wieder nach Mexiko
zurück, wo er bei Charcas im Staate San Luis Potosl eine Silbermine an-
kaufte und bewirtschaftete. Hier ist er, kaum 44 Jahre alt, am 6. Januar 1902
gestorben, betrauert von seiner Witwe und zwei Töchtern.
J. hatte seine poetische Begabung von seiner Mutter ererbt, die selbst als
Dichterin und Schriftstellerin mit zahlreichen Werken hervorgetreten ist. Ver-
dient machte er sich besonders durch seine Übersetzungen spanischer Dicht-
werke. Seine Verdeutschung der Rimas von Gustavo Adolfo Becquer, die im
2o6 Jordan. Herzogin Friedrike.
Jahre 1893 unter dem Titel »Spanische Lieder« bei Hendel in Halle erschien,
gilt als eine formvollendete, mustergültige Übersetzung. Die Namen der ge-
feierten mexikanischen Dichter Diaz Mirön, Manuel Acuiia und Juan de Dies
Peza wurden erst durch Jordans literarische Tätigkeit in Deutschland bekannt.
Weitere Übersetzungen tropenländischer Poesien, sowie eigene Gedichte
veröffentlichte J. unter dem Titel »Lieder vom Stillen Ozean« (Halle 1894),
während seine Übertragungen spanischer Dramen (u. a. Werke von Echegaray)
und Prosadichtungen noch nicht gedruckt sind. Der literarische Nachlaß
des zu früh Dahingeschiedenen befindet sich im Besitze seiner Mutter Henriette
Keller-Jordan in München.
Nekrolog von Paul Tesdorpf in: Hessenland 16, 35. — Tesdorpf, R. Jordan als Über-
setzer. Ebenda 16, 88. — Schoof, Hessisches Dichterbuch. 3. Aufl. 243. — Brummers Lex.
d. Deutsch. Dichter. 2, 238. Ph. Losch.
Friedrike Caroline Juliane, Herzogin zu Anhalt-Bemburg, geb. Prin-
zessin zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, * 9. Oktober 181 1 zu
Gottorp, f IG. Juli 1902 zu Alexisbad. — Die Wiege der letzten Herzogin
und Regentin des Herzogtums Anhalt-Bernburg stand in dem Schlosse Gottorp
bei Schleswig, der Residenz ihres Großvaters des Landgrafen Karl vorr Hessen,
Statthalters der Herzogtümer Schleswig und Holstein. Sie war die zweite
Tochter des Prinzen Wilhelm von Holstein-Beck (der erst im Jahre 1825 den
Titel Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg annahm) und
seiner Gemahlin Luise von Hessen-Cassel, der Tochter des Landgrafen Karl.
Mit ihren zahlreichen Geschwistern (zwei Prinzessinen und sechs Prinzen,
unter welchen der jetzige König Christian IX. von Dänemark), verlebte Prin-
zessin F. ihre Kindheit zu Gottorp und Luisenlund, dem Sommersitz der
fürstlichen Familie, den der König von Dänemark der Landgräiin Karl zum
Geschenk gemacht, zuweilen auch zu Glücksburg, das seit 1825 im Besitze
ihres Vaters war. Es war ein glückliches Familienleben, in dem vor allem
die ehrwürdigen Gestalten der hochbetagten Großeltern, die 1826 ihre diamantene
Hochzeit feiern konnten, eine bedeutende Rolle spielten. Die alte Landgräfin
starb am 12. Januar 1831 und bald darauf am 17. Februar folgte ihr der Herzog
Wilhelm, der sich bei der Beerdigung seiner Schwiegermutter eine schwere
Erkältung zugezogen hatte. Nach dem Tode ihres Vaters verweilte Prin-
zessin F. mit ihrer ältesten Schwester eine Zeitlang in Kopenhagen am könig-
lichen Hofe. Kurz nach ihrer Rückkehr erfolgte der Antrag des Herzogs von
Anhalt-Bernburg, den die zweiundzwanzigjährige Prinzessin annahm. Am
29. August 1834 fand zu Luisenlund die Verlobung statt, zwei Monate später
am 30. Oktober wurde die Hochzeit des jungen Paares auf Schloß Gottoq)
in Gegenwart des 90jährigen Landgrafen Karl gefeiert.
Es war wohl eine sogenannte gute Partie, die die junge Prinzessin aus
armer kinderreicher Familie durch ihre Heirat mit dem reichen regierenden
Herrn eines wenn auch nur kleinen Landes machte, aber so ganz leicht mag
ihr der Entschluß doch nicht geworden sein, den sie schließlich wohl mit
aus Rücksicht auf ihre Familie gefaßt hatte. Ihr Gemahl, der letzte Herzog
von Anhalt-Bernburg, Alexander Karl (* 2. März 1805), hatte eben nach dem
Tode seines Vaters Alexius im März 1834 die Regierung angetreten und be-
reits gezeigt, daß es mit seinen geistigen Kräften nicht zum besten bestellt
Herzogin Friedrike. 20/
war. Es mochte das wohl ein Erbteil seiner unglücklichen Mutter, Marie
Friedrike von Hessen-Cassel, sein, die nach einer höchst unglücklichen Ehe
seit 1817 getrennt von ihrem Gatten, dem Herzoge Alexius, lebte und 1839
gemütskrank zu Hanau gestorben ist. Nicht ohne ernste Bedenken hatte also
Prinzessin F. ihr Jawort gegeben. Sie gab es mit dem festen Entschlüsse,
ihrem Gatten eine rechte Gehilfin und dem Lande eine rechte Fürstin zu
werden, und sie hat dies Versprechen gehalten. Ihr von Jugend an durch
eine fromme Erziehung genährtes Gottvertrauen gab ihr die Kraft zu diesem
Entschlüsse und ließ sie bezeichnenderweise den Vers Rom. 12, 12 »Seid
fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet« zum Trau-
text wählen.
Am 13. November 1834 hielt die neue Herzogin an der Seite Alexander
Carls ihren Einzug in die bemburgischen Lande. Ein 50 Jahre später am
Ende der Kastanienallee von Ballenstedt errichtetes Denkmal erinnert noch
an den Tag, an dem die Herzogin diese Stadt betrat, die von nun an ihre
Heimat und ihr Lieblingswohnsitz sein sollte. Die damaligen Berichte rühmen
die Klugheit und das feine Gefühl, mit dem die Herzogin es verstand, ihre
Stellung in der neuen Umgebung zu begründen. Es dauerte nicht lange, so
hatte sie zum Segen des Landes die Zügel der Regierung in den Händen,
die ihr gutmütiger, aber geistesschwacher Gemahl ihr gern überließ. Ihr zur
Seite stand ein aus fünf Mitgliedern bestehender Geheimer Konferenzrat, den
Herzog Alexius schon 1834 mit Rücksicht auf die geistige und körperliche
Schwäche seines Sohnes eingesetzt hatte. Man nannte ihn später scherzhaft
»die fünf Finger der Herzogin«, ein Zeugnis dafür, daß man im Lande den
richtigen Regenten kannte.
Die Herzogin sollte bald Gelegenheit haben, ihre Energie und Festigkeit
in der Regierung zu zeigen. Das Jahr 1848 nahte heran und zog auch das
kleine Bemburger Land in den Strudel der Revolution. Wie in andern deut-
schen Staaten kam es zu heftigen Verfassungsstreitigkeiten. Nachdem die
von den Ständen des Herzogtums vorgeschlagene liberale Verfassung vom
Herzoge verworfen war, rief der Landtag im November 1848 den deutschen
Reichsverweser Erzherzog Johann zur Vermittlung an und wollte sogar dem
Dessauer Herzoge, der eben seinem Lande eine freiheitliche Konstitution
hatte geben müssen, die Regentschaft in Bernburg übertragen. Da ließ der
Herzog auf die Veranlassung seiner Gemahlin durch den Minister v. Krosigk
den Landtag auflösen und oktroyierte eine neue Verfassung. Ihre Anerkennung
erfolgte unter schweren inneren Kämpfen, während deren das Herzogspaar
eine Zeitlang außer Landes in Quedlinburg Aufenthalt nehmen mußte und
preußische Truppen das Land besetzten. Endlich kam es 1850 zur Aner-
kennung der Verfassung durch den Landtag, die dann bis 1859 in Geltung
blieb, wo sie durch eine für beide anhaltische Lande gemeinsame Konstitution
ersetzt wurde.
Nach dem Ausscheiden des bisherigen Ministers v. Krosigk bemühte man
sich in Bernburg keinen Geringeren als den damals noch als den Urtypus
eines Konservativen geltenden späteren Reichskanzler Otto v. Bismarck zu
seinem Nachfolger zu gewinnen. Bismarck war gar nicht abgeneigt, den
dortigen Ministerposten zu übernehmen. Am 20. Januar 185 1 schrieb er an
seine Frau u. a.: »Ich habe die Sache in Bernburg bisher nicht betrieben,
20& Herzogin Friedrike.
sondern Gott überlassen, sonst ist die Stellung angenehm: der Herzog ist
blödsinnig und der Minister Herzog«. Und in einem Brief vom 22. Januar
ebenfalls an seine Frau heißt es ähnlich: »Es wäre recht hübsch dort, als
unabhängiger Herzog (der wahre ist blödsinnig) und dicht im Harz mit Viktors-
höhe und das ganze Selketal zu regieren, in Ballenstedt wohnend«. Der Plan
zerschlug sich indessen. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen war zwar
damit einverstanden, daß Bismarck nach Bemburg ging, aber seine Minister
nicht, »weil sie mich in der Kammer nicht missen können, wie sie sagen, und
gegen sie ist es nicht durchzusetzen«. Bismarck ging statt nach Bernburg als
preußischer Bundestagsgesandter nach Frankfurt. Den ihm vergeblich ange-
botenen Ministerposten erhielt statt seiner der bisherige Danziger Regierungs-
rat Max von Schaetzell, der 1851 in das Bernburger Ministerium eintrat und
1853 zum alleinigen verantwortlichen Minister ernannt wurde. In ihm erhielt
das Land einen vortrefflichen leitenden Beamten und die Herzogin ¥. einen
treuen Berater und Freund, der ihr seine Dienste über ihre Regierungszeit
hinaus bis an seinen Tod (30. Oktober 1879) widmete.
Der Zustand des Herzogs Alexander hatte sich inzwischen immer mehr
und mehr verschlechtert, und die schon seit langem aufgeworfene Frage betr.
Einsetzung einer Regentschaft war nicht mehr zu umgehen. Hatte die Herzogin
auch bis dahin de facto ihren Gemahl in der Regierung vertreten, so wurde
dies Verhältnis nunmehr gesetzlich bestätigt. Am 8. Oktober 1855 erfolgte
eine landesherrliche Verordnung, durch welche der Herzog »in Anbetracht
seiner geschwächten, der möglichsten Schonung bedürftigen Gesundheit zur
Erleichterung in Wahrnehmung der ihm obliegenden Regentenpflichten
beschloß, seine vielgeliebte Gemahlin, die Herzogin Friedrike, Höh. und
Liebden, zur Mitregentin des Herzogtums anzunehmen«. — Dem Namen nach
war es eine Mitregentschaft, in Wirklichkeit aber eine bloße Regentschaft,
insofern als die Verordnung ausdrücklich vorschrieb, daß zur Unterzeichnung
aller landesherrlichen Beschlüsse und Verfügungen die Unterschrift der Her-
zogin-Mi tregentin allein genüge und volle Gültigkeit haben sollte.
Noch acht Jahre sollte die Regierung der Herzogin F. über das Land
Bemburg dauern, während deren sie auf das treueste von dem Minister
von Schaetzell unterstützt wurde. Wie der Minister die Regierung in konser-
vativem Sinne leitete, so war die Herzogin infolge ihres tief religiösen Gefühls
besonders auf die Förderung der kirchlichen und kulturellen Angelegenheiten
und Anstalten des Landes bedacht. Sie begann die Wiederherstellung der
altehrwürdigen Stiftskirche zu Gernrode, gründete zahlreiche segensreiche
Wohltätigkeitsanstalten, die z. T. ihren Namen tragen, unterstützte und
verbesserte die Schulen des Landes, berief tüchtige Geistliche in die her\-or-
ragendsten Stellen und ließ u. a. durch sie ein neues Gesangbuch an Stelle
des alten rationalistischen Gesangbuchs von 1772 einführen. Ein Denkmal
der trefflichen Verwaltung unter der Mitregentschaft bilden ferner die vorzüg-
lichen Harzstraßen im anhaltischen Lande, die zu jener Zeit angelegt sind.
Dem Berg- und Hüttenbau widmete die Herzogin gleichfalls ein lebhaftes
Interesse. Die Erschließung des für den Anhaltischen Staat noch jetzt so
wertvollen mächtigen Salzbergwerkes bei Staßfurt gehört ebenfalls den Jahren
der Regentschaft an.
Im Jahre 1858 konnte die Herzogin noch an der Seite ihres Gemahls
Herzogin Friedrike. Reuter. 20O
dessen 25 jähriges Regierungsjubiläum feiern, eine Fiktion, die aufrecht erhalten
wurde, obwohl Alexander Karl, der bereits seit längerer Zeit auf Schloß Hoym
ganz zurückgezogen lebte-, kaum regiert hat. Wenige Jahre später, am
19. August 1863, starb der Herzog zu Hoym. Er war der Letzte seines Stammes
und mit seinem Tode endete auch die Regentschaft seiner Gemahlin über das
Bemburger Land, das schon am nächsten Tage von der Dessauer Linie in
Besitz genommen wurde.
Die Herzogin Witwe behielt ihren Wohnsitz im Schlosse zu Ballenstedt,
dessen herrliche Gartenanlagen ihr ihre Entstehung verdanken. War ihre
Stellung auch nun eine andere geworden, ihre Hofhaltung blieb die alte und
behielt das hochfürstliche Gepränge; auch die Liebe und Verehrung ihrer bis-
herigen Untertanen blieb ihr nach wie vor erhalten, gestärkt durch die Zeichen
ihrer Wohltätigkeit und Barmherzigkeit, die sie nach wie vor ausstreute. Einen
großen Teil des Jahres pflegte die Herzogin auf Reisen, namentlich in der
Schweiz, zuzubringen, seit dem Jahre 1894 wohnte sie nur noch im alten
Schlosse zu Ballenstedt, bezw. Sommers im idyllischen von Schinkel erbauten
Schweizerhause zu Alexisbad. Die Herzogin erreichte ein sehr hohes* Alter,
mehr als 40 Jahre überlebte sie ihren Gemahl. Unter großem Jubel der
Bevölkerung konnte sie am 9. Oktober 190 1 ihren neunzigsten Geburtstag
feiern. Es sollte ihr letzter sein. Am 10. Juli 1902 verschied sie sanft an
Alterschwäche auf ihrem Sommersitze Alexisbad als derzeit ältestes Mitglied
aller souveränen Häuser von ganz Europa. Ihre irdische Hülle wurde am
14. Juli in der Fürstengruft der Schloßkirche St. Ägidi zu Bernburg an der
Seite ihres Gemahls unter großer Teilnahme der ganzen Bevölkerung beigesetzt.
Ihr ältester Bruder, der 84jährige König Christian IX. von Dänemark, folgte
als nächster Verwandter ihrem Sarge.
Vgl. den Nekrolog von R. Liebisch in d. lUustr. Zeitung Nr. 3081 vom 17. Juli 1902
(m. Portr.). — Derselbe in Unser Anhaltland 2, 345 über die Beisetzung d. Herzogin. —
Daselbst 2, 333 kurzer Nachruf m. Jugendportr. — (Schubart) Friedrike Caroline Juliane
Herzogin zu Anhalt-Bemburg. Dessau 1901. Ph. Losch.
Reuter, Theodor, k. k. Baurat, Architekt, * 9. März 1837 in Wien, f i. Fe-
bruar 1902 ebenda. — Man kann eine Biographie R.s nicht besser und zu-
treffender einleiten, als mit- den Worten, die ihm ein treuer Freund nach-
gerufen: »Sein Streben war nicht nach äußeren Erfolgen gerichtet, wohl aber
ebensosehr nach steter Vertiefung seiner sachlichen Tüchtigkeit, als nach
Hochhaltung seiner persönlichen Ehre und der Ehre unseres Standes«. Die
Grundlage zu dieser edeln Eigenart seines Wesens schuf die selten gediegene
Erziehung, die er im Elternhause genoß; sein Vater, der kaiserl. Rat und
Professor Jakob Reuter, war in Alt-Wien ob seiner vornehmen Charakter-
eigenschaften hoch verehrt und legte das Hauptgewicht der Erziehung seines
Sohnes auf dessen sittlich-ernste Ausbildung. R. hatte das Piaristen-Gymnasium
und das polytechnische Institut in Wien besucht und sich dann kurze Zeit in
der Baupraxis beschäftigt, als in ihm der lebhafte Drang nach künstlerischer
Betätigung erwachte, der ihn an die Akademie der bildenden Künste trieb.
Im Jahre 1864 trat R. als Architekt in das Atelier seines Lehrers, des Ober-
baurates Friedrich Schmidt, ein und beteiligte sich hier an mehreren hervor-
Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog'. 7. Bd. I^
210 Reuter. Heindl.
ragenden Bauten Schmidts, so an der Pfarrkirche in Fünfhaus usw. Nach
kurzer, dem Entwürfe und Bau der Gebäude des Bahnhofes Wien gewidmeten
Tätigkeit bei der österreichischen Nordwestbahn wurde R. im Jahre 1871 die
Befugnis eines Zivil-Architekten für Niederösterreich verliehen. Von nun an
entfaltete sich seine bauliche Wirksamkeit in reichem Maße nach verschiedenen
Richtungen hin: als Baudirektor der österreichischen Baugcsellschaft für Kur-
orte leitete er den Bau der Hotels in Gmunden, Marienbad und Gries bei
Bozen; er führte den Bau des Palastes Baron Albert Rothschild (Wien, Heu-
gasse) nach den Plänen des Pariser Architekten Destailleur aus, beteiligte sich
gemeinsam mit v. W^ielemans erfolgreich an mehreren Konkurrenzen, zog sich
aber, als er infolge eines Krebsleidens Klang und Stärke seiner Stimme ein-
büßte (1894), von der Bautätigkeit als Architekt immer mehr zurück, entfaltete
dagegen eine anstrengende Tätigkeit als Sachverständiger, Schätzmeister und
Schiedsrichter in schwierigen Baustreitfällen.
Als Mitglied der Wiener Baudeputation, in die er 1894 berufen wurde,
als Beisitzer-Stellvertreter des Schiedsgerichtes der Arbeiter-Unfallversicherungs-
anstalt für Niederösterreich, als Kammerrat der Ingenieur-Kammer des Vereins
der b. a. Zivil-Techniker in Niederösterreich wirkte er in erfolgreicher W'eise;
ganz besondere Verdienste erwarb er sich um die Hebung des Ansehens und
der Interessen des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins, in
dessen technischen und sozial technischen Ausschüssen er eine energische,
selbstlose, eifrige Tätigkeit entwickelte. R. war vom Jahre 1883 bis 1889 auch
Gemeinderat der Stadt Wien; im Jahre 1898 wurde ihm der Titel eines k. k.
Baurates verliehen.
Von unerschütterlicher Überzeugungstreue, von selten hohem Rechts- und
Ehrgefühle, vertrat R., was er als richtig erkannt hatte, mit größtem Freimute
und hinreißender Lebhaftigkeit, mitunter aber auch mit einer Rücksichts-
losigkeit und Schärfe, die leicht verletzend werden konnte. Groll und Neid
lagen ihm ferne; er wußte Freundschaft zu halten und zu schätzen. P^in
schmerzloses, aber heimtückisches I^eiden fesselte ihn Jahre hindurch ans
Krankenlager, bis ihn der Tod erlöste.
Literatur: »Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins« 1902,
S. 158 (mit Bild).
Prag. Alfred Birk.
Heindl, Franz, k. k. Hofrat, Stellvertreter des General Inspektors der öster-
reichischen Eisenbahnen, * 8. Februar 1837 in Aspang a. d. Zaya (Nieder-
österreich), f 27. November 1902 in Wien. — H. hatte seine Studien am
polytechnischen Institute in Wien absolviert und war am 23. September i8$8
in den Eisenbahndienst getreten. Im Jahre 1876 erfolgte nach mannigfachem
Wechsel der Geschicke innerhalb seiner engeren Berufstätigkeit sein definitiver
Eintritt in den Staatseisenbahndienst, in dem es ihm verhältnismäßig rasch
gelang, eine hervorragende Stellung zu erringen. Sein Name wurde in den
weitesten Fachkreisen durch sein eisernes Oberbausystem bekannt, das, auf
sehr richtigen Grundsätzen aufgebaut, sich namentlich durch die zweckmäßige
Form der Schwelle und die sachgemäße, theoretisch und praktisch ent-
sprechende Schienenbefestigung auszeichnet. (Vgl. »Organ für die Fortschritte
des Eisenbahnwesens« 1882 u. 1889; »Zeitschrift des österreichischen Ingenieur-
Heindl. Prcnninger. 211
u. Architekten-Vereins^' 1882, 1892 u. 1895; »Glasers Annalen« 1892; »Zentral-
blatt der Bauverwaltung« 1892). Das vom Verein deutscher Eisenbahn-
Verwaltungen im Jahre 1885 prämiierte System steht in Österreich und Deutsch-
land in ausgedehnter Anwendung und bewährt sich bestens. H. war in den
Jahren 1896 und 1897 Erster Vorsteher-Stellvertreter des österreichischen In-
genieur- und Architekten-Vereins und wirkte auch mit rastlosem Eifer für die
Interessen des Ingenieurstandes. Seine Liebenswürdigkeit, sein freundliches
conciliantes Wesen, seine stete Bereitwilligkeit, zu helfen und zu fördern,
seine Kollegialität und Treue erwarben ihm zahlreiche Freunde, die seinen
jähen Tod tief beklagten.
Prag. Alfred Birk.
Prcnninger, Karl, k. k. Oberbaurat, Bahndirektor der österreichischen
Südbahn, • 2. Juli 1829 in Wien, f 12. Juli 1902 in Reichenhall. — Nach
Absolvierung der technischen Studien und Erlernung des Maurerhandwerkes
trat P. im Jahre 1850 als Ingenieurassistent bei den k. k. Staatsbahnen ein.
Nach Verkauf derselben wurde er von der Lombardisch-Venetianischen und
Südlichen Staatsbahngesellschaft, später Südbahngesellschaft genannt, über-
nommen und mit der Bauleitung der Strecke Unterdrauburg-Homberg betraut.
Im Jahre 1863 erfolgte seine Berufung zur Baudirektion nach Wien, deren
Leitung er nach Presseis Abgang (187 1) übernahm. Im Jahre 1874 stellte ihn
die Verwaltung an die Spitze des vereinigten Bau- und Bahnerhaltungs-
dienstes. In dieser Stellung hat P. den Ausbau einer großen Reihe von
Linien, namentlich Lokalbahnen geleitet, den Umbau der Bahnhöfe in Triest,
Innsbruck und auf der Lokalbahnstrecke Wien-Baden durchgeführt und manche
Einrichtungen des Bahnerhaltungsdienstes verbessert. Bei der Bekämpfung
der außergewöhnlichen Hochwässer, die fast alljährlich das ihm unterstehende
Netz gefährdeten und beschädigten, entwickelte P. viel technisches Geschick
und persönlichen Mut. Mit Eifer und Erfolg vertrat P. die Südbahn im
technischen Ausschusse des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen, wo
er durch zwei Jahrzehnte eine führende Stellung einnahm; er war ferner
Präsident der Kahlenberg-Eisenbahngesellschaft, Vizepräsident des Wiener
Dombauvereines, Mitglied des Schiedsgerichts der berufsgenossenschaftlichen
Unfall-Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen. Sein vielseitiges
Wirken fand auch vielfache öffentliche Anerkennung; er wurde zum k. k. Ober-
baurate ernannt, war Besitzer hoher inländischer und ausländischer Orden,
Ehrenpräsident der ständigen Delegation des IV. österreichischen Ingenieur-
und Architektentags, zeitweilig auch Vorsteher des österreichischen Ingenieur-
und Architektenvereines, ferner Ehrenbürger der Gemeinden Welsberg, Gossen-
saß, Mureck und Hinterbrühl. Als er im November 1893 die Stelle des Bahn-
direktors bei der Südbahn niederlegte, ernannte ihn der Verwaltungsrat zum
technischen Konsulenten der Gesellschaft.
P. besaß eine ungewöhnliche Arbeitskraft; Geradheit, Rechtschaffenheit
und Treue waren ihm in hohem Grade eigen; im Innersten seines Wesens
war er warm, wohlwollend, begeistert für alles Schöne und Gute; aber die
Rauhheit seines äußeren Wesens, die Rücksichtslosigkeit in den Anforderungen
des Dienstes und die geringe persönliche Liebenswürdigkeit gegen seine Unter-
gebenen ließen ihn — trotz seiner sonstigen Vorzüge und guten Eigenschaften
14*
^12 Prcnninger. Bielschowsky.
seines Charakters — nicht die Liebe dieser erringen. »Das sind« — sagt
einer seiner Biographen — »strenge Züge in seinem Bilde, die er mit fast
allen Altersgenossen aus der Entwicklungszeit des Eisenbahnwesens gemein
hat, und die eben die außergewöhnliche Fruchtbarkeit der Männer dieser
Gruppe bedingen«.
Literatur; >Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens« 1902, S. 223; »Zeitschrifi
des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines« 1902, S. 679 (mit Bild).
Alfred Birk.
Bielschowsky, Albert, Oberlehrer, Dr. phil., Goetheforscher, * 3. Januar
1847 zu Namslau in Schlesien, Reg.-Bez. Breslau, f 21. Oktober 1902 in
Berlin. — B. entstammte einer kinderreichen Kaufmannsfamilie der kleinen
Stadt Namslau und wurde schlicht, in beinahe spartanischer Einfachheit er-
zogen. Das Elternhaus, wo er in Ehrfurcht und Demut aufwuchs, mußte er
schon im elften Lebensjahre verlassen, um das Gymnasium zu Öls zu besuchen
und später zuerst in Breslau, dann in Berlin Philologie zu studieren. Von
Universitätslehrern übten dort der Philosoph Christlieb Braniß und der
Historiker Karl Neumann bedeutenden Einfluß auf den bescheidenen, von
freudigem Wissenstriebe glühenden Studenten; hier nahmen sich Karl Werder,
Moriz Haupt und Karl Müllenhoff wohlwollend seiner an. Eine entschiedene
pädagogische Begabung führte ihn dem höheren Lehrfach zu. Nachdem er
die Staatsprüfung ehrenvoll bestanden und mit einer gediegenen Abhandlung
über die gemeinsamen Männermahle der Spartaner (De syssitUs Spartanorum
virorum i86g) in Breslau promoviert hatte, trat er 1870 in den höheren Schul-
dienst, dem er 16 Jahre angehört hat, vom Herbst 1871 an mit einer kleinen
Unterbrechung bis Ostern 1886 als Oberlehrer an derKgl. Ober-Realschule (an-
fangs Gewerbeschule) zu Brieg in seiner sclilesischen Heimat. Hier war es, wo
er sich einen eigenen Hausstand gründete, indem er nach langjährigem Hoffen
und Harren die Geliebte, Anna Sachs, heimführte, die ihm in Freud und Leid
die berufenste, treueste Genossin wurde. Dem am 14. Juli 1872 geschlossenen
Bunde entsprossen drei Töchter. In Brieg nahmen auch die neben dem gern
und erfolgreich geübten Berufe liebevoll gepflegten Studien B.s die entscheidende
Wendung zur deutschen Literaturgeschichte, insbesondere zur Goetheforschung,
der er sein Lebenlang treu geblieben ist und in der ihm edle Früchte zu
zeitigen beschieden war. Die seine ganze Schaffenszeit beherrschende Gestalt
Goethes tritt zum ersten Male in der kleinen Schrift »Friederike Brion.
Ein Beitrag zur Goethe-Literatur« (Breslau 1880) auf, die deshalb erwähnens-
wert ist, obwohl der Verfasser seine hier verfochtene Auffassung des Verhält-
nisses der beiden Liebenden später als irrig aufgegeben hat. Höher steht
als wissenschaftliche Leistung die dem Bericht über die Kgl. Gewerbeschule
zu Brieg für das Schuljahr 1881/82 beigegebene Ausgabe des »Schwiegerling-
schen Puppenspieles vom Doktor Faust'< mit interessanten Ausblicken auf ver-
wandte Bearbeitungen des Fauststoffes. Eine reichere Betätigung seines schrift-
stellerischen Talentes und seiner mit geräuschlosem Fleiße betriebenen Studien
wurde dem gewissenhaften Manne indes erst seit 1886 ermöglicht. Zu Ostern
des genannten Jahres nämlich erfolgte die Auflösung der Schule, an der B.
wirkte, da ihre Existenzbedingungen durch die inzwischen reorganisierten
Oberrealschulen zu Breslau und Gleiwitz, an welche nun die meisten Schüler
Bielschowsky. 21^
übergingen, untergraben waren. Der Direktor und das gesamte Lehrer-
kollegium, soweit es nicht anderwärts Anstellung fand, wurde mit vollem
Gehalt zur Disposition gestellt. Die Stadt Brieg, die mit dem Staat zu
gleichen Teilen die Gehälter zahlte, knüpfte zwar diese Leistung an die Be-
dingung, daß die zur Disposition Gestellten ihre Wohnsitze iti Brieg behielten;
doch gelang es der Verwendung des trefflichen Kultusministers Bosse, für B.
Befreiung von diesem Zwange zu erwirken, damit der von ihm geschätzte
Gelehrte seine wissenschaftlichen Arbeiten an einem Orte, wo ihm die Hülfs-
mittel dazu bequemer zur Verfügung standen, in freier Muße fortsetzen könne.
B. hat sich solcher seltenen Gunst des Schicksals vollkommen würdig erwiesen,
indem er mit erhöhtem Eifer die Früchte seiner Studien anderen mitzuteilen
bemüht war. Zeugnis dafür legten ab mehrere in verschiedenen Zeitschriften
veröffentlichte Aufsätze, unter denen »Goethes Lili« (Westermanns Monats-
hefte, August 1887), »Die Urbilder zu Hermann und Dorothea« (Preußische
Jahrbücher, 60. Bd., 1887), »über Echtheit und Chronologie der Sesenheimer
Lieder« (Goethe-Jahrbuch, 12. Bd., 1891), »Lili und Dorothea« (Preuß. Jahr-
bücher, 69. Bd., 1892), >^Goethe und Friederike. Wider ihre Verleumder«
(ebenda, 70. Bd., 1893; eine siegreiche Widerlegung von Froitzheims frevel-
haften Verunglimpfungen) direkt, die tiefgehende Abhandlung über »Das Alter
der Faustspiele« (Vierteljahrschrift für Literaturgeschichte, 4. Bd. 1891) in-
direkt dem großen Mittelpunkt seines Sinnens und Schaffens, Goethe, galten.
Ohne äußeren Zusammenhang mit diesem steht freilich gerade eine der
hervorragendsten Arbeiten B.s da, die einem anderen Zeitalter, aber doch
wieder einem großen Lyriker gewidmet ist, das 1890 in Berlin erschienene
umfangreiche. Buch »Leben und Dichten Neidharts von Reuenthal« (Sonder-
abdruck aus den *Acta Germanica* y II), das sich als ersten Teil einer »Ge-
schichte der deutschen Dorfpoesie im 13. Jahrhundert« ankündigte, dem indes
eine Fortsetzung nicht gefolgt ist. Der Verfasser hatte die Genugtuung, sein
auf sehr gründlichen Forschungen beruhendes Werk von der Kritik durchaus
günstig aufgenommen zu sehen. Friedrich Zarncke urteilte im Literarischen
Zentralblatt, der Verfasser habe nicht nur mit vollkommener Gelehrsamkeit
seinen Gegenstand behandelt, sondern er besitze auch eine tüchtige Portion
gesunden Menschenverstandes, der sich durch Scharfsinn nicht zur Spielerei
mit demselben hinreißen lasse; die Besprechung der heiklen Frage nach dem
Ursprung der Dorfpoesie sei umsichtig und gebe ein abgerundetes, in sich
zusammenhängendes Bild; der Darstellung des Lebens Neidharts müsse man
ohne Rückhalt beistimmen. Ebenso sprach Rochus von Liliencron, dessen
erste Arbeit auf germanistischem Gebiet demselben Gegenstand gewidmet
gewesen war, B. in einem Briefe vom 3. Februar 1891 zu allem Wesentlichen
rückhaltlos seine Zustimmung aus und lobte »die schönen Betrachtungen«
über den Zusammenhang Neidharts mit den Überlieferungen des alten
Frühlingsliedes und der Frühlingsfeier, die überzeugende Konstruktion von
des Dichters Leben und die sorgfältigen Prüfungen der Sprache und der
Metrik. Trotz der warmen Anerkennung aber, die die Schrift gefunden hatte,
verließ der Verfasser das mit so schönem Erfolg angebrochene Gebiet der
Forschung; zu mächtig war die Anziehungskraft, die Goethes Persönlichkeit
und Poesie auf ihn ausübten. Den oben angeführten Aufsätzen schließt sich
ein kleines Buch an, das allerdings nur die neue Bearbeitung eines schon
214 Bielschowsky.
vorhandenen ist, die zweite Auflage der anmutigen Schrift »Lillis Bild,
geschichtlich entworfen von Graf Ferdinand Eckbrecht von Dürckheim
(München 1894). Mit voller Beherrschung des Stoffes hat B. alles, was
seit dem ersten Erscheinen des Büchleins (1878) über die reizende Freundin
Goethes bekannt geworden war, sorgfältig verwertet, ohne die Eigenart der
Schrift irgendwie zu verletzen, indem er größere Ausführungen in einen sehr
wertvollen (2.) Anhang verwies. — Alle diese Goethebeiträge waren indes für
B. selbst nur Neben- und Vorarbeiten zu dem Werke, das er seit seiner Über-
siedelung nach Berlin sich zur Lebensaufgabe gemacht und mit stiller, starker
Liebe unablässig gepflegt hatte. Eine Goethebiographie fürs deutsche Haus,
die den Fachgelehrten wie den gebildeten Laien, ernste Männer wie fein-
fühlende Frauen in gleicher Weise befriedigen mußte, gab es damals noch
nicht. Was der Engländer Lewes in seinem bekannten, für seine Zeit nicht
unverdienstlichen Buche geleistet hatte, das war wissenschaftlich längst über-
holt und zudem einseitig und lückenhaft; Düntzers Goethebiographie bot nicht
mehr als eine peinlich genaue Aufzeichnung äußerer Tatsachen ohne geistige
Belebung, während hinwieder Herman Grimm und Richard Meyer mehr
geistsprühendes Raisonnement als wirkliche Erzählung gegeben hatten. Heine-
manns tüchtiges Buch war in seiner ersten Gestalt zu weitschichtig angelegt.
Hier war offenbar eine fühlbare, ja schmerzlich empfundene Lücke in der
reichen Goetheliteratur, und B. füllte sie aus. Im Herbst 1895 erschien in der
Beckschen Verlagshandlung zu München ein mäßig starker Band in gefälligem
Format mit dem Titel »Goethe. Sein Leben und seine Werke von Dr. Albert
Bielschowsky. Erster Band«; »der zweite (Schluß-) Band soll im nächsten
Herbst folgen,« verkündete das Vorwort. Aber obwohl die zweite Hälfte
volle acht Jahre auf sich warten ließ, hatte doch schon dieses Bruchstück,
das die Erzählung nur bis zur Rückkehr des Helden aus Italien und die
Betrachtung der Werke bis zur Analyse der Iphigenie und des Tasso förderte,
einen starken und ohne Frage wohlverdienten Erfolg, der sich langsam und
stetig steigerte. Hier hörte man keinen ungefügen Gelehrten, auch keinen
geistreichen Anreger sprechen; hier gab ein großes schriftstellerisches Talent
und zugleich ein von seinem Gegenstand ganz erfülltes Herz vpn seltener
Tiefe, ohne blendenden Glanz, aber mit vollendeter Anmut in einer Reihe
belebter Bilder eine das Hauptsächliche wirkungsvoll heraushebende, das
Unwichtige beherzt beiseite schiebende Darstellung der Person, der Lebens-
schicksale und der Werke des jungen Goethe, an der jeder Unbefangene seine
helle Freude haben mußte. Nicht als ob alles gleich gelungen wäre, als ob
dem Tadel, der gegen einzelne Partien (wie z. B. die Analyse des Tasso) sich
richtete, alle Berechtigung gefehlt hätte; alles in allem hatte doch Rudolf
Haym ohne Zweifel recht, als er dem Verfasser am 7. Dezember 1895 schrieb:
»Das ist die Goethebiographie, die jetzt und endlich geschrieben werden
mußte,« als er das glücklich gelungene ^> Wagnis einer freizusammenfassenden
künstlerischen Darstellung^' , die sich vüber den Staub und Schutt des
gelehrten archivalischen Sammeins und Klaubens<^ hinaushebe, und die in der
Erzählung sich bewährende verständnisvolle Liebe, ohne die eine Goethe-
biographie nicht gedacht werden könne, rühmte, als er bemerkte, daß »aus
Abkürzung hier und Ausbreitung dort sich ein im ganzen höchst wohltuendes
Gleichgewicht« herstelle und alles »aus einer sicheren Grundanschauung der
Bielschowsky. 2 1 •>
menschlichen und dichterischen Persönlichkeit Goethes fließe und in einem
Gusse fließe«. Auch die öffentliche Kritik ließ sich weit überwiegend in
anerkennendem Sinne vernehmen. Als Kabinetstücke erzählender Kunst
wurden die Darstellung der Sesenheimer Idylle, des Lebens in Wetzlar, der
Brautschaft mit Lili, des Eintritts in Weimar, der zweiten Schweizerreise
mit Fug gepriesen. Freilich übersah man, indem man einen dem ersten
ebenbürtigen zweiten Teil mit Sicherheit erwartete, daß hier zwar ein viel-
versprechender und vieles leistender Anfang, aber doch eben nur ein Anfang
vorlag und daß die Aufgabe, die der zweite Band zu lösen hatte, unendlich
viel schwieriger als beim ersten war. Hier hatte Goethe selbst der richtigen
Auffassung seines Wesens und seiner Entwickelung, ja zum großen Teil auch
der Darstellung in seiner ewig schönen Erzählung »Dichtung und Wahrheit«
den Weg gezeigt, nun war der Biograph auf selbständige Bearbeitung eines
riesenhaften Materials angewiesen. Und wieviel schwerer als der Jüngling
war der Mann und Greis in seiner proteischen und doch einheitlichen Wesen-
heit zu fassen und zu schildern! W^elthe Fülle von Ereignissen war noch zu
berichten, welch eine Menge von Werken zu besprechen! Goethe in der
Revolutionszeit, sein Verhältnis zu Schiller, seine Ehe, sein Verhalten während
der Franzosenherrschaft, Goethe und Napoleon, Goethe und die Romantik,
Goethe und die Naturwissenschaft, Goethe in der Restaurationszeit, die
Frauenbilder der Herzlieb, Willemer, Levetzow; der Wilhelm Meister, die
Xenien, Hermann und Dorothea, die Wahlverwandtschaften, der Divan, der
ganze Faust, die Lyrik — alles das zu behandeln in einer Weise, die der des
ersten Bandes in Gehalt und Form die Wage hielt, das war eine Aufgabe, deren
ungeheure Größe sich das Publikum, das ungeduldig nach der Vollendung
des »Torso« rief, nicht klar machen konnte. Aber B. selbst war sich dieser
Größe voll bewußt; und deshalb zauderte er von Jahr zu Jahr mit dem Ab-
schluß der Arbeit. Gerade weil er ein so tief innerlich bescheidener Mann,
ein so gewissenhafter Gelehrter und ein so echter Künstler war, widerstrebte es
ihm, bei einer so wichtigen, ihm so heiligen Arbeit irgend etwas zu über-
eilen. Der befreundete Verleger mochte bitten und mahnen, das Publikum
murren, W^ohlmeinende auf den klingenden Lohn des schleunigst abgeschlos-
senen W^erkes hinweisen — nichts konnte diesen selbstlosen Diener seiner
Sache von der Überzeugung abbringen: reif sein ist alles. Er trug zusammen,
er sichtete, er bildete und feilte, sann und grübelte, schrieb und strich aus.
Und als er der Vollendung seines Werkes, wahrlich eines »Liebeswerkes« im
Goetheschen Sinne, ganz nahe stand, da entriß ein Schicksal, das man wohl
ein tragisches nennen darf, dem glühend Schaffenden den Griffel. Er selbst
war vollendet, reif zum Sterben.
Zwischen dem Erscheinen des ersten Goethe-Bandes und B.s Tode sind
nur ein paar kleine Aufsätze von seiner Hand in Zeitschriften hervorgetreten.
Erwähnenswert sind darunter die inhaltreiche und scharfe Besprechung von
t Goethes lyrischen Gedichten der ersten weimarischen Jahre, herausgegeben
von R. Koegel« (Zeitschr. f. deut. Altertum, Band 42, Anzeiger, 1898) und
die kleine Abhandlung »Über Goethes Kunstanschauungen« (Zentralblatt der
Bauverwaltung, Berlin, 20. Juni 1900), die das abfällige Urteil Cornelius
Gurlitts über Goethes angebliches Verneinen der charakteristischen Kunst und
dessen »einseitige Bevorzugung der idealistisch schönen Linien« mit über-
2i6 Bielschowsky.
legener Sachkenntnis bestreitet. Wertvolle Kleinigkeiten, aber doch nur
gelegentliche Abstecher von der Straße, die zu seinem hohen Lebensziele
führte. Dieseiir widmete er unablässig Zeit und Kraft, ohne sich irgendwelche
Erholung oder Zerstreuung zu gönnen. Gewissenhaft bis zur Selbstpeinigung,
nie sich genugtuend, mißtrauisch gegen sich selbst schuf er weiter. Aber
die unausgesetzte geistige Spannung, die Herzenserregung und stille Leiden-
schaft, die ihn ganz erfüllte, zehrte an seinen Nerven. Seit 1898 begann der
kräftige Mann merklich zu altern und sah sich gezwungen, bald kürzere, bald
immer längere Pausen eintreten zu lassen, in denen er Erfrischung im schönen
Engadin, besonders in «seinem geliebten Pontresina, suchte. Hier und in
St. Moritz war es, wo der Großherzog und die Großherzogin von Baden, die
seinen ersten Goetheband gelesen hatten und hochschätzten, ihm in ihrer
feinsinnigen Weise häufig ihre Gunst bezeigten. Ein begeisterter jüngerer
Freund und Verehrer B.s, der Leibarzt des Großherzogs, Hofrat Max Dreßler,
hatte die Bekanntschaft vermittelt. Der Sommer des Jahres 1901, den der
Leidende wieder zum Teil in Pontresina verlebte, brachte ihm nicht die
gesuchte Erholung. Deshalb beschloß er im folgenden Jahre auf Anraten der
Ärzte das am Südrande des Thüringer Waldes reizend gelegene Bad Lieben-
stein aufzusuchen. Am 30. Juni, kurz vor der Abreise von Berlin, hat er
seine letzten Worte am »Goethe« geschrieben. Mit verklärtem Ausdruck und
ahnungsvoller Ergriffenheit las er der Gattin die schöne Stelle, mit der die
wundersame Entstehungsgeschichte des Faust abschließt (im Druck S. 590 f.),
vor. Ein paar Sätze, die deutlicher als viele Worte darüber die vollendete
Meisterschaft des beseelten und durchgeistigten Stiles, zu dem sich B. empor-
gerungen hatte, beweisen, mögen hier stehen: »Und wenn er nicht gestorben
wäre ... so könnten wir mit dem Märchen die Geschichte von dem märchen-
haften Werke schließen. — Mehr als sechs Jahrzehnte hatten an ihm gear-
beitet. Das Straßburger Münster und das Sesenheimer Pfarrhaus, die Frank-
furter Mansardenstube und die Wetzlarer Wiesen, die Offenbacher Gärten
und die Schweizer Alpen, die Villa Borghese und die Sixtinische Kapelle,
die weimarisch-jenaischen Täler und Berge, der Thüringer Wald und tausend
andere Plätze und Winkel, viele der geliebtesten Freunde, weltbewegende
Ereignisse hatten seinem Aufbau bald als Beschauer, bald als Gehülfen zuge-
sehen; es war aus dem alten römischen Reich, das es noch verspotten konnte,
in den neuen deutschen Bund hineingewachsen, es war bei der ersten fran-
zösischen Revolution schon alt und bei der zweiten noch nicht vollendet. —
Und so glich es am Ende jenen großen mittelalterlichen Domen, an denen
ganze Zeitalter sich abgemüht, die, romanisch begonnen, gotisch weiter gebaut,
von der Renaissance und dem Barock ihre letzten Zieraten und Anbauten
erhielten, deren edles Innenwerk bald in Halbdunkel sich hüllt, bald in
magisch buntem Lichte erglänzt, und die auf dunklen, gewundenen Treppen
uns zu hohen Türmen führen, von denen wir das heitere Tageslicht schauen
und sich unser Blick in unendliche Fernen verliert.« Fast klingt es aus diesen
weihevollen Worten wie Ahnung des eigenen Scheidens, das nun nicht mehr
fern war. In Liebenstein erkrankte B. schon nach zweiwöchentlichem Aufent-
halt an einer schweren Gelbsucht, und aus dieser bildete sich ein Gallen-
verschluß heraus, der unfehlbar zum Tode führen mußte. Am 19. Augu.st
brachte die schwergeprüfte Gattin den Kranken nach Berlin zurück, und hier
Bielschowsky. 217
erlag er nach 13 Wochen schmerzvollen Leidens am 21. Oktober dem tücki-
schen Übel, im 56. Jahre seines Lebens.
Die Nachricht von B.s frühem Abscheiden erregte neben dem mensch-
lichen Mitgefühl für den dem Leben und Schaffen Entrissenen begreiflicher-
weise auch das allgemeine Bedauern darüber, daß sein Lebenswerk nun ein
Torso bleiben werde. Um so größer war die P'reude, als bekannt wurde,
daß der zweite Band des »Goethe« im ganzen fertig sei. Nur der Schluß,
der das schöne Werk würdig gekrönt haben würde, und ein paar einzelne
Abschnitte im Innern des Buches fehlten, und wurden nun (unter allen Um-
ständen dankenswert) von befreundeten Händen hinzugefügt. In der Vorrede
hat der Verleger allen denen gedankt, die geholfen haben, das Werk zu Ende zu
führen : Theobald Ziegler, Imelmann, Roethe, Kalischer, Friedländer, Wershoven
und Leppmann. Ungenannt blieb auf ihren eigenen Wunsch B.s älteste Tochter
Lili, die sich nach des Vaters Tode des köstlichen Vermächtnisses annahm,
indem sie die Übertragung aus dem Manuskript für den Druck, die Lesung
der Korrekturen und die Zusammenstellung der Anmerkungen besorgte. Kann
der zweite Band sich mit dem ersten erklärlicherweise an äußerer Abrundung
und innerer Einheitlichkeit nicht messen, wird auch die ausgleichende letzte
Hand an manchen Stellen vermißt, möchte man hier und da Erweiterungen
oder Kürzungen wünschen, so steht er im allgemeinen doch seinem älteren
Bruder ebenbürtig zur Seite, ja übertrifft ihn in mancher Hinsicht noch;
nirgends findet sich eine Spur von nachlassender Auffassungs- oder Darstel-
lungskraft, ja noch inniger und tiefer hat sich B. in seinen Stoff hineingelebt
und -gesonnen. Die Analyse der Werke namentlich, wie der Wahlverwandt-
schaften und der Wanderjahre, sind von einer so klaren Tiefe und Schönheit,
daß sie den Glanzstellen des Werkes zugerechnet werden müssen. Auch der
Abschnitt über die Lyrik hat viele Bewunderer gefunden. Vortrefflich ist
der alte Goethe geschildert. Die Entstehungsgeschichte des Faust gehört zu
den bcstgelungenen Partien. Dem hohen Werte des Buches entsprach der
äußere Erfolg: von jedem der beiden Bände liegt gegenwärtig (im Sommer 1904)
bereits das 18. Tausend gedruckt vor..
In Wahrhaftigkeit und rührender Bescheidenheit war B.s ganzes Wesen
gegründet. Es war nichts unlauteres oder kleinliches in ihm. Mit vornehmer
Denkungsart verband er große Herzensgüte und feine Empfindung. Der Geist
eines Weisen war in ihm gepaart mit der Seele eines Kindes, die sicherste
Bestimmtheit des urteilenden Verstands mit großer Weichheit und Harmlosig-
keit des Gemütes. Er half gern allen, die bei ihm Hülfe suchten, mit Rat
und Tat, und er tat es auf die zartfühlendste Weise. Schon das Äußere des
mittelgroßen, in Haltung und Bewegungen ruhigen, einfachen Mannes mit
den freundlichen, still sinnenden Zügen und dem wohlgebildeten etwas großen
Kopfe flößte Vertrauen und Liebe ein; wer ihm im Gespräch näher trat,
merkte bald in ihm einen Menschen, der viel mehr innerlich besaß und war,
als es schien. Seine zahlreichen Freunde sind dessen Zeugen. So hat er
gelebt, ein Kind der besten schlesischcn Volksart, eine Zierde des deutschen
Lehrerstandes, ein schlichter Mann von stijlem Fleiß und selbstloser Hingabe,
dessen Andenken gesegnet bleiben wird, solange die Persönlichkeit und die
Werke des großen Dichters, dem er sein Leben gewidmet hatte, der Welt
ihren unerschöpflichen Segen spenden werden.
2 1 8 Bielschowsky. Drach.
Briefliche Mitteilungen von B.s Witwe in Berlin und Hofrat Prof. Dr. Dreßler in
Karlsruhe. Kurze Nachrufe in zahlreichen Tageszeitungen. Der eingehendste Nekrolog von
G. VVitkowski in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung, lo. Dez. 1902, wiedergedruckt im
24. Bande des Goethe-Jahrbuchs. Von den an das Erscheinen des 2. Bandes des »Goethe«
anknüpfenden Gcdächtnisartikcln sind hervorzuheben die von A. Matthias (Monatsschrift für
höhere Schulen, 2. Jahrg.), Max Dreßler (Karlsruher Zeitung v. 6. Dez. 1903), Moritz Necker
(Neues Wiener Tagblatt v. 14. Dez. 1903) und J. J. David (Die Nation, Berlin, 30. Jan. 1904).
Gotthold Klee.
Drach, Emil, Schauspieler und Regisseur, * 8. September 1855 in Heidel-
berg, t 6. Februar 1902 in der Irrenanstalt Illcnau bei Achern in Baden. —
I). war der Sohn eines großherzogl. badisch. Staatsbeamten, besuchte das Gym-
nasium in Karlsruhe und widmete sich zunächst dem Berufe eines Kaufmanns.
Dann faßte er den Entschluß, zur Bühne zu gehen, und nachdem er seine
Ausbildung durch den Schauspieler Karl Weiser erhalten, debütierte er im
September 1877 auf der Bühne zu Mainz und trat sein erstes Engagement
unter Deutschinger daselbst an. Hier sah ihn Laube als Julius Cäsar und
nahm ihn 1878 mit nach Wien an das Wiener Stadttheater. Die nächsten
zehn Jahre führten den Künstler über die ersten Bühnen Deutschlands. Wir
finden ihn 1880 — 81 am königlichen Schauspielhause in Berlin, 1882 — 83 auf
Reisen mit den Meiningern, bei deren Aufführungen er mit seinen hervor-
ragenden Leistungen im Mittelpunkt stand, 1883 — 86 am Münchener Hof-
theater, 1886 — 89 an den vereinigten Theatern in Frankfurt a. M., 1889 — 90
am Berliner Theater in Berlin unter Barnays' Leitung, wo er sich das Verdienst
erwarb, den »Gefesselten Prometheus« durch seine Bearbeitung der deutschen
Bühne zugänglich zu machen, und seit dem i. Dezember 1890 als Regisseur
am Hoftheater in Dresden. Mehr und mehr hatte sich in diesen Jahren eine
Vorliebe und Begabung bei ihm für die Darstellung derjenigen Helden aus-
gebildet, bei denen das Reflektierende in den Vordergrund tritt, und sein
Hamlet steht gewiß unter den bedeutenden Verkörperungen dieser dichterischen
Schöpfung auf der deutschen Bühne. Im Jahre 1893 kehrte D. an das Hot-
theater in München zurück, ging am i. Oktober 1896 als Schauspieler und
Regisseur an das ^> Theater des Westens« in Berlin und übernahm im April
1897 die Pachtung und Direktion des >^ Deutschen Theaters« in München, das
er aber durch Sturm und Drang nur bis zum August 1898 halten konnte.
Gebrochen war seine Existenz, und leider auch seine Gesundheit. Den Winter
über suchte er sich in Graz, wo er als Leiter des neuen »Deutschen Theaters
in Vorschlag gekommen war, zu erholen: vergebens! Während eines Auf-
enthalts in Wien im Juni 1899 kam ein unheilbares Nervenleiden zum Aus-
bruch, und er mußte der heimatlichen Heil- und Pflegeanstalt Illenau über-
wiesen werden, wo ihn nach drei Jahren endlich der Tod erlöste. D. ist
auch als dramatischer Schriftsteller hervorgetreten. Wir besitzen von ihm das
fünfaktige Trauerspiel »Herzog Ulrich« (1886) und drei dramatische Dichtungen
unter dem gemeinsamen Titel »Moira« (1889).
O. G. Flügg-cn: Biographisches Bühnen-Lexikon, 1892, S. 65. Karl Bicscndahl: Deutsches
Theaterjahrbuch, 1892, S. 308. Berliner Tageblatt \oni 6. Februar 1902.
Franz Brummer.
von Beaulieu. FUllborn.
2J9
Beaulieu, G. von, Schriftstellerin, ♦ 17. März 1846 in Frankfurt a. O.,
t 22. Dezember 1902 in Spandau. — B.s vollständiger Name ist Gertraut
Chales de Beaulieu; sie war die Tochter eines Geheimen Oberjustizrats,
der einer aus der Touraine eingewanderten französischen Familie entstammte.
Als ihr Vater 1867 nach Berlin versetzt wurde, begann sie auf seinen beson-
deren Wunsch ihre Ausbildung in der Musik bei Tausig (Klavier) und Weitz-
mann (Komposition); doch gab sie dieselbe bald auf und wandte sich lite-
rarischer Tätigkeit zu, nachdem die Bekanntschaft eines Amerikaners ihre
Beteiligung am Melbourner »Argus« und am Londoner »/^r« vermittelt
hatte, für welche Blätter sie politische Korrespondenzen ins Englische tiber-
setzte. Später bearbeitete sie eine Reihe englischer Romane für die »Post«,
die *> Tribüne«, das »Berliner Tageblatt« u. a. und korrespondierte auch in
die römische Zeitung »Capitano Fracassa«. In den Jahren 1874 — 78 weilte
sie dreimal in Italien und schrieb für deutsche Blätter mehrere Serien italieni-
scher Reisebriefe. In Rom verlobte sie sich mit einem Norditaliener, doch
starb derselbe kurz vor der schon festgesetzten Hochzeit an einem Herzschlage.
Im Jahre 1880 unternahm sie eine größere Reise nach Südfrankreich, Sizilien,
Griechenland, Italien und der Schweiz, und 1883 besuchte sie Spanien. Die
Eindrücke, welche sie bei dem Besuche der iberischen Halbinsel gewann,
fixierte sie dann in ihrem ersten Buche >> Spanische Frühlingstage« (1885, 3. Aufl.
1890). Diesem folgten bald zwei Novellenbücher »Langes Haar, krauser Sinn«
(1887) und »Leibeigen« (1889). Von 1889 bis 1893 führte B. die Redaktion
der illustrierten Zeitschrift »Das humoristische Deutschland«; sie war wohl
die erste Frau, die in dieser Weise auf humoristischem Gebiete tätig war.
Vom Jahre 1892 ab war sie auch an der Redaktion der gleichartigen Zeit-
schrift »Die Fisimatenten« beteiligt; auch eine Reihe selbständiger Schriften
bewegt sich nach dieser Richtung hin, wie ihre humoristische Großstadt-
wanderung »Neu-Berlin. W^as Frau Guticke in der Reichshauptstadt erlebt«
(1890), femer die humoristischen, sozialen Bilder >^Das weibliche Berlin« (1892)
und die humoristisch-satirischen Skizzen »Großstadt-Originale« (1903). Einen
etwas ernsten Ton schlägt sie in ihrer Novelle »Sein Bruder« (1898) und in
ihrem Roman »Alte und neue Menschen« an (1901). Gegen Ende des Jahres
1902 war sie von Berlin, wo sie ihren ständigen Wohnsitz gehabt hatte, nach
Spandau übergesiedelt, wo sie schon nach wenigen Wochen starb.
R. Wrede und H. v. Reinfels: Das geistige Berlin, i. Bd. 1897 S. 12. — Adolf liin-
richsen: Das literarische Deutschland, 1891 S. 79. Franz Brummer.
Füllborn, George, Schriftsteller, * 5. September 1837 in Elbing, f 11. März
1902 in Dresden-Pieschen. — F. erhielt seine Schulbildung auf dem Gym-
nasium seiner Vaterstadt und wollte sich dem Studium widmen; da indessen
durch unvorhergesehene Unglücksfälle sich die Verhältnisse in seinem Vater-
hause ungünstig gestalteten, so verließ er als Primaner die Schule und
widmete sich dem Kaufmannsstande. In Stettin, wohin er sich 1854 begab,
lebte er in engem Verkehr mit Ernst Scherenberg, mit welchem gemeinsam
er literarische Studien betrieb. Auch in Berlin, wohin beide übersiedelten,
wurde die geschlossene Freundschaft gehalten und das gemeinsame Streben
fortgesetzt. Seit dem Jahre 1868 widmete sich F. ausschließlich der Schrift-
stellerei und besonders dem Volks-, Räuber-, Ritter- und Schauerroman für
220 - Füllborn. Jost.
die Kolportage, wobei er sich des Pseudonyms G. F. Born bediente, die
Honorare dafür ermöglichten es ihm, sich im Herbst 1874 in Dresden nieder-
zulassen und sich in dem benachbarten Trachenberge ein reizvolles Landheim
zu schaffen. Im Jahre 1894 siedelte er nach Pieschen bei Dresden über, wo
er eine Buchdruckerei erwarb und die »Elbtal-Morgenzeitung« übernahm, die
er bis zu seinem Tode redigierte. Seit 1898 gehörte er auch dem Stadtver-
ordnetenkollegium in Dresden an, ferner war er Vorstandsmitglied des Vereins
»Dresdener Presse« und ein eifriges Mitglied des Ortsverbandes der Pensions-
anstalt deutscher Schriftsteller und Journalisten. Die Aufzählung seiner
28 Romane kann uns erspart bleiben; außerdem schrieb er das Trauerspiel
»Armida« (1897) und das epische Gedicht »Königin Sdiönhild« (1885), dessen
Widmung die Königin Karola von Sachsen annahm.
Persönliche Mitteilungen. — August Boldt: Elbinger Geistesleben im 19. Jahrhundert,
1894 S. 68. — Dresdener Nachrichten vom 12. März 1902." Franz Brummer.
Jost, Eduard, Schriftsteller, * (nach seiner eigenen Angabe) 21. Juli 1837
in Trier, f 15. März 1902 in Neustadt a. d. Haardt. — J. war der Sohn eines
unbemittelten Militärbeamten und erhielt seine Schulbildung teils in einigen
Klosterschulen, teils auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt (1850 — 54). Der
im Jahre 1851 erfolgte Tod seines Vaters und verschiedene andere Schicksals-
schläge zwangen den Jüngling, seine Studien aufzugeben und einen Broterwerb
zu suchen. Er nahm eine Stelle als Expedient im Sekretariate des königl.
Handelsgerichts in Trier an, die er von 1857 — 60 bekleidete. Dann w-andte
er sich der Bühne zu, um sich, da er über einen hübschen Bariton verfügte,
zum Opernsänger auszubilden, und wirkte als solcher in Kleve, Duisburg und
P^rfurt. 1864 verließ er die Bühne, um hinfort als Schriftsteller tätig zu sein,
hatte er ja doch schon in den Jahren 1858 und 1863 zwei Bändchen »Ge-
dichte« herausgegeben. Zunächst wurde er in seiner Vaterstadt Redakteur
des Feuilletons der »Trierschen Volkszeitung«, in deren Spalten er im Laufe
von drei Jahren eine Reihe von Novellen veröffentlichte, die meist Episoden
aus der Geschichte des Kurstaates Trier zum Hintergrunde hatten. Im Jahre
1867 siedelte J. nach Dürkheim in der Rheinpfalz über, um die Redaktion
des dortigen »Anzeigers« zu übernehmen, ging im April 1870 als Redakteur
des >p]iIboten« nach Landau und gründete hier nach seiner Verheiratung im
August 187 1 eine Buch- und Kunsthandlung, die er 1880 verkaufte. Nach
dem Tode seiner Gattin verließ er 1882 Landau, redigierte zuerst in Merzig
a. (1. Saar das dortige ^ Kreisblatt«, seit 1885 in Kaiserslautern »Die Heimat.
Pfälzisches Sonntagsblatt« und zog im Juni 1886 nach Leipzig, wo er erst
die von ihm gegründete illustrierte Wochenschrift »Humoristische Blätter für
Witz und Satire« herausgab und später als Bibliothekar einer Antiquariats-
buchhandlung und Redakteur des »Zuschauer« tätig war. Seit 1891 Schrift-
leiter eines Lokalblattes in Olsnitz im Vogtlande, siedelte er am i. Oktober
1892 nach Naumburg a. d. Saale über, wo er bis 1900 als freier Schriftsteller
lebte. Die letzten Jahre seines Lebens brachte er wieder in der Pfalz zu als
Redakteur der »Neustadter Zeitung«. — J. ist besonders in seiner Heimat als
Erzähler bekannt geworden, und es ist in erster Linie die historische Erzäh-
lung, wodurch er in seinem Leserkreise an Interesse gewann. Dahin gehören:
>^ Kloster und Grafenburg ^ (1868) — »Die Tage der Vergeltung« (187 1) —
Jost. Florschütz. Geertz. Hinrichscn. 221
>^ Unterm Krummstab« (1872) — »Stadtschreibers Töchterlein« (1873) — »Christ-
lich oder päpstlich« (1876) — Studios Rheinfahrt« (1877) — »Der gute Kaiser
Max« (1879) — »Unter der Trikolore« (i88o) — »Deutsche Treue v< (II, 1881)
— »Die Patriotin von Lautern« (1884) — »Landstuhl und Ebernburg« (1885)
— »Das Wort des Kaisers« (1890) und »Die Tochter des Stockmeisters« (IT,
1890). Erwähnt mag noch werden, daß J. auch der Dichter ist des zum
Pfälzer Volksliede gewordenen Liedes »O Pfälzerland, wie schön bist Du!«
Persönliche Mitteilungen. — Neustadter Zeitung vom 18. März 1902.
Franz Brummer.
Florschütz, Paul, Oberlandesgerichtspräsident a. D., Wirklicher Geheimer
Oberjustizrat, * 9. Januar 1826 zu Iserlohn, f ^1. Oktober 1902 in Kiel. — Nach
beendigter Studienzeit wurde F. 1848 als Auskultator vereidigt. Nachdem er
1855 Gerichtsassessor und 1857 Kreisrichter in Hagen geworden war, erfolgte
1867 seine Ernennung zum Deputationsdirigenten in Schwelm. 1868 zum Kreis-
gerichtsrat befördert, wurde er 1872 als Appellationsgerichtsrat nach Breslau
versetzt und 1875 als Geheimer Justizrat und vortragender Rat in das Justiz-
ministerium berufen. Im Jahre 1887 ging er als Oberlandesgerichtspräsident
nach Kiel, wo er am i. Oktober 1897 nach einer fast fünfzigjährigen Dienst-
zeit in den Ruhestand trat. F. genoß als Mensch und Jurist in weiten Kreisen
größte Hochachtung, und seine Verdienste um das Rechtsleben haben an
maßgebender Stelle stets höchste Anerkennung gefunden.
Vgl. Kieler Zeitung, Morg.-Ausg. vom 2. Nov. 1902. Joh. Sass.
Geertz, Julius, Genremaler, * 21. April 1837 in Hamburg, f 21. Oktober
1902 in Braunschweig. — G. erhielt seine erste Ausbildung bei den Brüdern
Martin und Günter Gensler in Hamburg, wurde dann Schüler von Dcscoudres
in Karlsruhe und ging 1860 nach Düsseldorf, wo er sich an R. Jordan an-
schloß. Nach größeren Studienreisen in Frankreich und Holland ließ er sich
in Düsseldorf nieder, von wo er 1897 seinen Wohnsitz nach Braunschweig
verlegte. G. entnahm seine Stoffe mit Vorliebe dem Treiben der Jugend und
dem Volksleben der niederen Stände. Seine teils heiteren, teils ernsten Bilder,
die stets ein Stück echten Lebens in höchst charakteristischer Weise wider-
spiegelten, erfreuten sich allgemeiner W^ertschätzung. Besonderes Aufsehen
machte »Der Verbrecher nach der Verurteilung«, ein packendes Bild, das den
Ruf seines Schöpfers dauernd begründete. Neuerdings pflegte G. auch die
Bildnismalerei.
V^gl. Meyers Konversations-Lexikon, 6. Aufl. Bd. 7, 1904, S. 429/430. — Müller-Singer,
Allgem. Künstler-Lexikon, 3. Aufl. Bd. 2, 1896, S. 23. — F. v. Boetticher, Malcrwerke des
19. Jahrh. Bd. 1,1. Hälfte, 1891, S. 362/363. — Die Kunst für Alle, Jahrg. 18, 1902/ 1903,
S. 119, — Jahrbuch der bildenden Kunst, hrsg. v. M. Martersteig, 1903, Jg. 2, S. 105. —
Das geistige Deutschland am Ende d. 19. Jahrh. Bd. i. Künstler-Lexikon, 1898, S. 214/215.
Joh. Sass.
Hinrichscn, Siegmund, Präsident der Hamburger Bürgerschaft, * 17. Januar
1841 in Hamburg als Sohn eines Lehrers, f 22. Oktober 1902 daselbst. - — Engen
Lebensverhältnissen entstammend verdankt H., der sich dem Bankfach widmete
und seit 1879 Mitinhaber einer hochgeachteten Bankfirma war, alles, was er
erreicht, hat, eigenem Können und eigener Kraft. Im Mittelpunkt seines Lebens
222 Hinrichsen. Schuback.
und Wirkens stand seine politische Tätigkeit in der Hamburger Bürgerschaft,
der er seit 1871 angehörte, und die ihm, seine hervorragenden Fähigkeiten
erkennend, bald die wichtigsten Ämter anvertraute. Von i88o bis 1892 wurde
er zum ersten Vizepräsidenten und seit dem Jahre 1892 in ununterbrochener
Folge zum Präsidenten erwählt. Schon diese Tatsache redet laut von den
großen Verdiensten, die H. sich um das hamburgische Gemeinwesen und Ver-
fassungsleben erworben hat. Sie werden aber in ein noch helleres Licht
gerückt, wenn man erwägt, daß es ein Ljiie war, der lange Jahre hindurch unter
freudiger Zustimmung aller Parteien die führende Stellung in einer großen
gesetzgebenden Körperschaft einnahm, deren Leitung bis dahin nur Juristen
übertragen zu werden pflegte. »Das zeugt nicht nur von seltenen angeborenen
Gaben, sondern auch von soviel Selbsterziehung und Selbstbeherrschung, wie sie
nur wenige an sich durchsetzen.« Von allen Seiten ist H.s Amtsführung stets
höchste Anerkennung zuteil geworden, ganz besonders bewunderte man »seine
technische Meisterschaft in der Leitung der Verhandlungen«. Und dies tech-
nische Wissen und Vermögen gestaltete sich umso fruchtbarer, als es »bei
ihm im Dienst sehr eingehender, durch energische Studien erworbener Sach-
kenntnis und Erfahrung und seiner persönlichen Gaben stand, die jede zu
ihrer Zeit ins Spiel traten, seiner Umsicht, Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart,
seiner Kraft des Worts, seines gerechten und wohlwollenden Wxsens und
schließlich seines Hujnors, der stärksten und zugleich mildesten Waffe«. So
hat H. über 30 Jahre seiner Vaterstadt gedient, bis ihn der Tod mitten aus
dem vollen Leben hinwegnahm: am Abend des 22. Oktober wurde er während
einer Bürgerschaftssitzung von einem Herzschlage betroffen, der seinem Dasein
innerhalb weniger Minuten ein Ziel setzte. »Sein Leben war wie ein Märchen
aufgebaut, sein Tod erschütterte und tröstete wie der Schluß einer Tragödie.«
Vg\. Hamb. Coirespondent, 1902, Morg.-Ausg. v. 23. Okt., Ab.-Ausg. v. 27. Okt.,
Morg.-Ausg. V. 30. Okt. (Bericht über d. Trauerfeier in der Bürgerschaft, Rede des i . Vize-
präsidenten Engel). — Hamb. Nachrichten, Morg.-Ausg. v. 23. Okt. 1902. — Kieler Zeitting,
Ab.-Ausg. V. 23. Oktober 1902. — Jahrbuch der Gesellschaft Hamburgischer Kunstfreunde,
Bd. 8, 1902, S. 83 — 90 (Nekrolog v. A. Lichtwark). Joh. Sass.
Schubacky Gottlieb Emil, Genre- und Historienmaler, * 28. Juni 1820 in
Hamburg, f 14. März 1902 in Düsseldorf. — S. begann seine Studien bei Gerdt
Hardorff dem Älteren in Hamburg, setzte sie dann bei Hess und Cornelius
in München fort und trat später in das Atelier von Jordan in Düsseldorf ein.
Von 1843 — ^848 hielt er sich in Rom auf, seit 1856 lebte er in Düsseldorf.
In der Kirche zu Nortorf befindet sich ein Altargemälde von seiner Hand:
»Christus am ölberg«, die Hamburger Kunsthalle besitzt von ihm ein Bild
des Hamburger Malers Gensler. Größtenteils entlehnte er die Motive für seine
Bilder dem bäuerlichen Volksleben. Unvergessen bleiben werden die Ver-
dienste, die S. sich durch seine 25 jährige Tätigkeit als Vorstandsmitglied des
Vereins Düsseldorfer Künstler zur gegenseitigen Unterstützung und Hülfe
erworben hat.
Vgl. H. VV. Singer, Allgemeines KUnstler-Lexikon, 3. Aufl. Bd. 4, 1901, S. 229. —
F. V. Boetticher, Malersverke des 19. Jahrh. Bd. 2, 2. Hälfte, 1901, S. 665. — Die Kunst
für Alle, Jg. 17, 1901/1902, S. 334. — Jahrbuch der bildenden Kunst, hrsg. v. M. Marter-
steig, 1903, Jg. 2, S. 109. — Das geistige Deutschland am Ende d. 19. Jahrh. Bd. i.
Künstler-Lexikon, 1898, S. 630. Joh. Sa SS
Büdingcr. 223
Büdinger, Max, k. k. Hofrat, o. ö. Professor der allgemeinen Geschichte
an der Universität Wien, wirkliches Mitglied der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften, * i. April 1828 zu Kassel, f 22. Februar 1902 in Wien. —
Nach dem frühen Tode seines Vaters, der in Hessen als Pädagoge sich eines
guten Namens erfreute, gründete B.s Mutter ein Mädcheninstitut, um für die
Familie und vor allem für die Studien ihres Sohnes Max die nötigen Mittel
aufzubringen. Am Gymnasium in Kassel studierte damals auch der ver-
storbene Berliner Kunsthistoriker Hermann Grimm und aus dieser Mitschüler-
schaft entwickelten sich B.s Beziehungen zu den Gebrüdern Grimm, besonders
zu Wilhelm, während dessen Aufenthaltes in Kassel. Trotz beschränkter
Mittel wurde nach deutscher Gepflogenheit für die Hochschulstudien B.s der
Besuch mehrerer Universitäten in Aussicht genommen, zuerst aber die Landes-
universität Marburg wohl hauptsächlich deshalb bezogen, weil J. Rubino, ein
Oheim des künftigen Studenten der Philosophie, als Lehrer des römischen
Rechtes daselbst wirkte. In Marburg hörte B. vornehmlich historische Kollegien
bei H. v. Sybel, den er sich zum Freunde und späterhin zum Förderer seiner
Laufbahn gewann. Nach kurzem Aufenthalt in Bonn übersiedelte der junge
Forscher nach Berlin, wo neben August Boeckh insbesondere Leopold von
Ranke den entscheidenden Einfluß auf ihn gewann. Dem Verfasser der Staats-
haushaltung der Athener dankte B. die Vorliebe für die Geschichte des Alter-
tums, Ranke wies ihn auf das Gebiet der Universalhistorie.
Auf Grund seiner Dissertation: Ȇber Gerberts (Pabst Sylvester) wissen-
schaftliche und politische Stellung« erwarb B. 185 1 das philosophische Doktorat;
v. Sybel beantragte bei der Fakultät diese Arbeit gleichzeitig als Habilitations-
schrift anzunehmen und es hätte daher dem Ende der Studienzeit der Beginn
der akademischen Lehrtätigkeit in Marburg unmittelbar folgen können, wenn
B. nicht, verwandtschaftlichen Beziehungen folgend, vorgezogen hätte, nach
Österreich zu übersiedeln.
In WMen war damals ein Bruder seiner Mutter, Hofrat v. Weil, im Preß-
bureau im Ministerium des Innern angestellt, zudem waren unter dem Grafen
Leo Thun, dem Minister für Kultus und Unterricht, zahlreiche Berufungen
reichsdeutscher Gelehrter und Professoren an die österreichischen Universitäten
erfolgt; es eröffnete sich also für den jungen Marburger Doktor anscheinend
die Aussicht, daß er es in Österreich früher als in der Heimat zu einer An-
stellung bringen werde.
Seit seiner Übersiedlung nach Wien wendete sich B., um sich den Weg
zu einer Lehrkanzel an einer österreichischen Universität zu bahnen, mit
Feuereifer den zahlreichen neuen, zum Teil noch gar nicht angeschnittenen
wissenschaftlichen Problemen zu, die die österreichische Geschichte bot. So
erschien eine Abhandlung über die Reste österreichischer Vagantenlieder, eine
Untersuchung über altbayerische Geschichte, eine Reihe von Abhandlungen,
mit denen er in die Kontroverse über die Königinhofer Handschrift eingriff
und endlich 1858 der erste bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts reichende
Band seiner epochemachenden »österreichischen Geschichte bis zum Ausgang
des 13. Jahrhunderts«.
Über die Königinhofer Handschrift, eine Fälschung Hankas, war in
Österreich schon manches für und wider geschrieben worden, im ganzen aber
stand der Glaube an die Echtheit des Machwerkes noch fest, zumal Palazky
224 Büdingen
und Schafarschik ihre Autorität zu dessen Gunsten einsetzten. H. v. Sybel
der 1859 den ersten Band seiner »Historischen Zeitschrift« herauszugeben im
Begriffe stand, wandte sich an den befreundeten Schüler, der eben durch sein
großes Geschichtswerk seine Vertrautheit mit der altböhmischen Geschichte
gezeigt hatte, mit dem Ersuchen, sich in einem Aufsatz zur Sache zu äußern.
So entstand der berühmt gewordene Beitrag: »Die Königinhofer Handschrift
und ihre Schwestern«, in der sowohl durch eine inhaltliche als durch eine
formelle Analyse für jeden Urteilsfähigen die Fälschung Hankas erwiesen
wurde. Eine entrüstete Entgegnung Palazkys konnte B. in einem Schlußwort
vornehm und sachlich damit beantworten, daß keines der Argumente ent-
kräftet sei, das von ihm für die Unzuverlässigkeit des Fälschers und die
künstliche Mache der angeblich alten Dichtungen vorgebracht worden war.
Die tschechische, den Deutschenhaß kultivierende Romantik, der dieses und
andere Falsifikate ihre Entstehung verdankten, fand damals aber auch einen
Bundesgenossen unter den deutschen Gelehrten Österreichs: Helfert nahm sich
Palazkys und Hankas an und trat mit einer anonymen Broschüre: »Max
Büdinger und die Königinhofer Handschrift« in die Schranken, die diesem
nochmals zu einer Gegenschrift die Feder in die Hand drückte. Die jüngere
Generation unter den tschechischen Forschern hat heute längst nicht nur
preisgegeben, was als unhaltbar erkannt war, sondern B.s Argumente ver-
mehrend und verstärkend die Kontroverse zum Abschluß gebracht; für die
deutsche Gelehrtenwelt war durch B.s Aufsatz die Sache schon endgültig
abgetan.
Allein weit bedeutsamer als dieses erfolgreiche Eingreifen in eine wissen-
schaftliche Spezialfrage war die Leistung, die B. mit dem ersten Band seiner
österreichischen Geschichte vollbracht hatte. Darin war auf diesen Gegen-
stand zum erstenmal jene historische Betrachtungsweise angewendet, durch
welche die deutsche Geschichtsforschung in der ersten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts im Anschluß an die Herausgabe und Verwertung neuer Quellen so
große Erfolge erzielt hatte. Diese Methode bewährte sich, von B. kundig ge-
handhabt, auch auf dem noch so gut als ganz vernachlässigten Gebiet der
älteren Geschichte Österreichs, für das er z. B. zum erstenmal die bis dahin
ganz vernachlässigten byzantinischen Quellenberichte nutzbar machte. In vier
Abschnitte zerlegte er den Stoff des ersten Bandes dieses leider Torso ge-
bliebenen Werkes und behandelte demnach zuerst die Zeit der römischen
Herrschaft auf dem Boden der heutigen Monarchie, dann die bayerische Ein-
wanderung, die Zeit der Übermacht des fränkischen Reiches und schließlich
die Entstehung des ungarischen Königreiches, obwohl erst dreißigjährig, mit
meisterlicher Sicherheit, Zug um Zug die zerstreuten Quellenberichte zu einem
anschaulichen Gesamtbild vereinend.
In den wissenschaftlich ergiebigen Jahren seines ersten Wiener Aufent-
haltes lebte B. ohne Anstellung bloß seinen Studien, er war daher genötigt,
durch Privatunterricht sich die nötigen Mittel zu schaffen. Die Geschichts-
vorträge, die er den Söhnen eines reichen Wiener Bankiers hielt, gaben den
Anlaß, daß er in dessen P^amilie Eingang und freundschaftliche Aufnahme
fand; die Begleitung seiner Schüler auf einer größeren Reise bot ihm die
günstige Gelegenheit Paris, Eondon und Italien bis Florenz kennen zu lernen.
In dem Wien der fünfziger Jahre kamen allwöchentlich einmal gleichstrebende
Büdinger. 225
Forscher, Österreicher und Reichsdeutsche, zu geselligem Verein zusammen.
Zu den älteren Mitgliedern dieses Kreises zählten der Germanist v. Karajan,
der Historiker Aschbach und der Germanist Pfeiffer, jüngere Genossen
waren der Kunsthistoriker Eitelberger, der Rechtshistoriker Siegel, der kürz-
lich verstorbene Historiker O. Lorenz und die Philologen Linker und E. Hoff-
mann, durchweg hervorragende Lehrkräfte an der Wiener Hochschule in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die damals meist in den Anfängen ihrer
Laufbahn standen. Als 1856 zur Hebung der historischen Studien das Institut
für österreichische Geschichtsforschung begründet wurde, trat auch Th. v. Sickel,
der, von der Ecole des chartes in Paris kommend, auf einer Studienreise Wien
berührt und am Institut eine Anstellung erhalten hatte, diesem Kreise bei,
in dem auch B. Aufnahme gefunden hatte. Im Jahre 1858 machten ferner
einige Dozenten der Wiener Universität einen ersten Versuch, das Wiener
gebildete Publikum durch öffentliche, im Ständehause abgehaltene Vorlesungen
für wissenschaftliche Fragen zu interessieren. Auch dazu wurde B. herange-
zogen, dessen unermüdliche Forschertätigkeit auch sonst Anerkennung fand.
Als der erste Band der österreichischen Geschichte erschienen war, ließ Graf
Leo Thun dem Verfasser seine besondere Befriedigung aussprechen und er-
wirkte ihm nach damaliger Gepflogenheit bei Sr. Majestät dem Kaiser die
goldene Medaille.
Die Hoffnungen auf eine Anstellung an einer österreichischen Hochschule
gingen gleichwohl nicht in Erfüllung; alle Bemühungen Weils für seinen
Neffen waren erfolglos, da trotz der Anerkanntheit von B.s wissenschaftlichen
Verdiensten konfessionelle Bedenken entgegenstanden. So faßte B. den Ent-
schluß, Österreich zu verlassen, um in der Heimat eine gesicherte Lebens-
stellung zu gewinnen. Dieser Plan wurde eben zu der Zeit entworfen, als
H. V. Sybel seine Vorbereitungen für die Herausgabe der Reichstagsakten traf;
für die an den Wiener Archiven zu verrichtenden Arbeiten nahm er seinen
einstigen Schüler in Aussicht. Noch ehe die Sache spruchreif und die Einzel-
heiten über die Art der Edition festgesetzt waren, machte sich B. schon ans
Werk, lieferte nach München an die historische Kommission umfangreiche
Abschriften und verpflichtete sich so durch seinen Eifer den Leiter dieses
Unternehmens. Allein seine Augen waren der angestrengten Arbeit nicht
gewachsen, er erkrankte, mußte sich monatelang jeder Beschäftigung enthalten
und behielt seither ein geschwächtes Sehvermögen.
Indessen hatte v. Sybel seinen Einfluß nach anderer Richtung zu gunsten
B.s geltend gemacht und ihm einen Ruf an die Universität Zürich auf eine
außerordentliche Lehrkanzel der Geschichte verschafft. F^ben als die Ge-
nesung begann, erhielt er die Berufung, die ihm jene akademische Lehrtätig-
keit ermöglichte, in der er von 1861 — 1899, anregend und segensreich wie
nur wenige Dozenten tätig, für sich und seine Schüler stets neue Impulse
für wissenschaftliches Forschen empfing und gab.
In Zürich fand er seinen Mitschüler vom Kasseler Gymnasium, den Sprach-
forscher Adolph Fick, als Kollegen vor, hier trat er zu den Theologen Keim
und Eberhard Schrader, dem bekannten, später nach Berlin berufenen Assyrio-
logen, in Beziehungen, mit dem Archäologen O. Benndorf und dem Chirurgen
Billroth wurde Freundschaft geschlossen, auch Theodor Mommsen gehörte
damals für kurze Zeit der Zürcher Fakultät an. In Zürich gründete B. 1863
Bio^T. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd. j e
220 Büdinger.
seinen Hausstand. Die dürftige Besoldung der Schweizer Professoren stand
zu der großen Zahl der Pflichtstunden in keinem V^erhältnis; dies zwang B.,
über seine Verpflichtungen hinaus Vorlesungen zu halten, um so höhere
KoHegiengeldeinnahmen zu erzielen. Aus demselben Grund hielt er auch
öffentliche Vorträge für weitere Kreise: er sprach außer in Zürich auch wieder-
holt in Frankfurt, Darmstadt und an anderen Orten. Daher trat naturgemäß
in der eigenen wissenschaftlichen Produktion zunächst eine Pause ein. Diese
Zeit angestrengtester Tätigkeit als Vortragender brachte jedoch zwei der
hervorragendsten Eigenschaften B.s zur Entfaltung: seine auf vollkommener
Selbstlosigkeit begründete Fähigkeit, andere zur Lösung wissenschaftlicher
Probleme anzuregen und seine vorzügliche Befähigung als akademischer Lehrer.
Die für den zweiten Band der österreichischen Geschichte noch in Wien
gesammelten Materialien wurden in Zürich zunächst zu einem selbständig er-
schienenen Werk: »Ein Buch ungarischer Geschichte« ausgearbeitet; hierauf
erschienen in drei Bänden von B. angeregte und in ihrer Ausgestaltung ge-
wissenhaft überwachte Arbeiten seiner Schüler: »Untersuchungen zur römi-
schen Kaisergeschichte<v , denen noch zwei weitere Bände »Untersuchungen
zur Geschichte des Mittelalters« folgten. Dierauer, Zürcher, Egli, Brunner,
Hunziker, Dändliker u. a. waren daran beteiligt. Vor allem aber entfalteten
die Zürcher akademischen Lehrjahre jene Eigenschaft B.s, die seiner Persön-
lichkeit als Lehrer und Forscher den charakteristischsten Zug gab: die durch
Leopold V. Ranke in den Berliner Studienjahren schon geweckte Neigung
und das ernste Streben »Universalhistoriker« zu sein. Darin erkannte er ge-
radezu seine Mission als akademischer Lehrer, deshalb handelte er gleich in
seiner Antrittsvorlesung, die in v. Sybels Historischer Zeitschrift zum Abdruck
kam, programmatisch über die mittelalterlichen Vorläufer seiner eigenen uni-
versalgeschichtlichen Betrachtungsweise und mit einer ähnlichen rückschauen-
den Betrachtung pflegte er noch späterhin den Turnus seiner Vorlesungen über
allgemeine Geschichte zu eröffnen, ja noch in seinen letzten selbständig er-
schienenen Werken: »Die Universalhistorie im Altertum« und »Die Universal-
historie im Mittelalter« kehrte er abermals zu diesen Studien zurück.
Seine außergewöhnliche Befähigung, sich des wissenschaftlichen Rüst-
zeuges in allen Teilen der Geschichte zu bemächtigen, seine Begabung als
akademischer Lehrer und seine für wissenschaftliche Tätigkeit werbende Kraft,
sein lauterer Charakter und sein liebenswürdiges, gewinnendes Wesen festigten
seine Stellung in Zürich: er wurde ordentlicher Professor seines Faches und
bald verlieh ihm das Vertrauen seiner Kollegen die Würde des Rektors.
Nach elfjährigem, ersprießlichem und im besten Andenken gebliebenem
Wirken in der Schweiz wurde B. aber auch die Genugtuung zuteil, daß
seine auf eine österreichische Professur abzielenden Jugendpläne nun ohne
sein Zutun verwirklicht wurden: nach dem Rücktritt Aschbachs erhielt er die
Berufung auf dessen Lehrkanzel nach Wien mit dem Lehrauftrag für allge-
meine Geschichte. Hier war er bis zu der Altersgrenze, die das österreichische
Gesetz dem Hochschuldozenten zieht, durch volle 27 Jahre (1872 — 1899) als
Lehrer und Forscher tätig. Hier wirkte er befruchtend und anregend auf
seine stets wachsende Zuhörerschaft, aus der zahlreiche Lehrer der Geschichte
an österreichischen Mittelschulen und bald auch Schüler im engeren Sinne
als Dozenten an österreichischen Hochschulen hervorgingen. Die Akademie
Büdinger. 227
(1er Wissenschaften wählte B. zu ihrem wirklichen Mitgliede, die Universität
zum Rektor; seine Ernennung zum Hofrat erfolgte, nachdem er mit dem Aus-
drucke der kaiserlichen Anerkennung aus dem Lehramt geschieden war. Ein
glückliches, nur einmal durch den Tod eines teuren Kindes getrübtes Familien-
leben gewährte Erholung von angestrengter Arbeit, ein kurzer Aufenthalt im
Gebirge des Salzkammerguts oder Tirols während der Ferien Kraft und
Frische für die Anstrengungen des Studienjahres. B. erlebte die Freude,
seinen einzigen Sohn als tüchtigen Schüler seines Freundes Billroth erfolg-
reich in seinem ärztlichen Beruf tätig zu sehen; seine drei Töchter führten
zwei jüngere Kollegen an der Zürcher und einer an der Wiener Universität
heim. Sein 70. Geburtstag vereinte seine Schüler in der Schweiz und in
Österreich zu einer literarischen Festgabe, die 23 Beiträge aus verschiedenen
Gebieten der Geschichtsforschung enthielt. Bald nach dem Abschied aus
dem Lehramt machten sich die ersten Anzeichen eines Nachlassens seines
sonst untrüglichen Gedächtnisses und ein Erlahmen der geistigen Frische und
Regsamkeit bemerklich. Körperlich rüstig, ohne daß er vorher bettlägerig
gewesen, wurde B. im heiteren Gespräche mit seiner Gattin von raschem
Tode ereilt und so vor schwerem Siechtum durch das Gehirnleiden bewahrt,
an dem er erkrankt war.
Während B.s zweitem Wiener Aufenthalt erschienen als selbständige Werke
die »Vorlesungen über englische Verfassungsgeschichte«, »Don Carlos Haft
und Tod« und die beiden schon erwähnten Bücher: »Die Universalhistorie
im Altertum« und »Die Universalhistorie im Mittelalter«. Jahr für Jahr
brachten aber ferner wissenschaftliche Zeitschriften, insbesondere die Sitzungs-
berichte und Abhandlungen der W^iener Akademie gelehrte Untersuchungen
über die mannigfaltigsten Gegenstände der allgemeinen Geschichte. B. konnte
im selben Jahre einen die Ergebnisse der keilinschriftlichen Forschung ver-
wertenden und die subtilsten Probleme der altorientalischen Chronologie und
Quellenkunde behandelnden Aufsatz über den Sturz des lydischen Königs
Krösus und einen auf ebenso eindringlichen Studien beruhenden Aufsatz über
Lafayettes Aufenthalt in Österreich schreiben; neben der englischen Ver-
fassungsgeschichte veröffentlichte er gleichzeitig eine Arbeit über die Auf-
fassung des Demagogen Kleon bei Thukydides. Gesammelt würden diese
zahlreichen kleineren Aufsätze mehrere stattliche Bände geben, sie bilden
aber auch in ihrer Zerstreuung ein Denkmal der staunenswerten Vielseitigkeit
ihres Verfassers. Kein Geschichtsforscher dürfte sich heute zutrauen, sie auch
nur zum größeren Teile sachgemäß zu beurteilen. Diese wechselnde und
gleichzeitige Betätigung des Forschertriebes B.s auf den verschiedensten, ja
zum Teil auf ganz abgelegenen Gebieten, war bewußt und beabsichtigt; sie
galt ihm als eine Äußerung seines eigensten Wesens und darum konnte er
solchen ernstlich zürnen, die ihn etwa davor warnten, seine Kraft dadurch
zu zersplittern. Diese Vielseitigkeit, die selbständige und vertiefte Detail-
forschung auf allen möglichen Gebieten hielt er ebenso als ein teures Ver-
mächtnis L. V. Rankes hoch, wie dessen Auffassung der gesamten Welt-
geschichte als eines großen zusammenhängenden Ganzen. In mühevoller,
alle Einzelheiten umfassender Detailarbeit, scharf, bisweilen sogar überscharf
beobachtend und kritisierend, wußte er die unscheinbarsten Anhaltspunkte
aus einer weitschichtigen wie aus einer dürftigen Überlieferung dem Gedanken
15*
228 Büdinger.
dienstbar zu machen, den er zu beweisen sich vorgesetzt hatte. Ja er griff
gelegentlich zur gründlicheren Festigung der Ansicht, die er sich gebildet
hatte, noch über dasjenige hinaus, was ihm das Quellenmaterial darbot. Er
befragte den Psychiater vor den Porträtbildern von Don Carlos, um von ihm
eine Bestätigung seiner aus den schriftlichen Quellen gewonnenen Ansicht
über den Geisteszustand des Prinzen zu gewinnen. Er appellierte an Spezial-
forscher, die aus den ägyptischen Papyrusfunden sich eine Kenntnis von den
Formaten der Blätter und Schreibtafeln verschaffen sollten, auf die Schrift-
steller erste Entwürfe einzutragen pflegten, und er war überzeugt, daß deren
Ermittelungen die Probe auf die Richtigkeit von Beobachtungen gestatten
würden, die er bei Thukydides gemacht hatte und die ihm einzelne kleine,
scheinbar in einem Zuge niedergeschriebene Stücke aus dem ersten Entwurf
seines Geschichtswerkes verrieten. Ein andermal wieder ging er der Ab-
stammung Kants ins einzelste nach, um so die Verbindung zwischen dessen
philosophischen Lehren und zwischen den uralten Zeit- und Raumvorstellungen
der vedischen Lieder herzustellen.
Solche Verknüpfungen zwischen anscheinend einander femeliegenden
Dingen zu suchen, veranlaßte ihn eine Grundansicht, die in vielen seiner
Arbeiten begegnet: daß nämlich gewisse uralte Eigentümlichkeiten, Sitten und
ihnen zu Grunde liegende Anschauungen oft lange schlummernd und in den
Hintergrund gedrängt, plötzlich mit elementarer Gewalt hervorbrechen. Darin
sah er, ebenso wie in den Übertragungen der Kulturerrungenschaften von einem
Volke zum anderen, eines der wichtigsten Glieder der Kette, die Zeiten und
Völker umschlingt und der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen Festigkeit und
Zusammenhang gewährt. Diese Vergangenheit und Gegenwart verbindenden
Beziehungen herauszuarbeiten und anschaulich zu machen, war er seit Beginn
seiner Vorlesungen über Universalgeschichte in stets erneuten Anläufen uner
müdlich bestrebt. Schon in seiner Zürcher Rektoratsrede: »Vom Bewußtsein
der Kulturübertragung« hatte er sich darüber zuerst öffentlich geäußert. Das
Eigenartige und Anziehende seiner Vorlesungen lag eben darin, daß er diese
großen, an Rankes Ideen gemahnenden Zusammenhänge nie aus dem Auge
verlor, allbekanntes entweder überging oder es doch nur in ganz neuem Lichte
vorführte, dagegen aber scheinbar ferneliegenden, unscheinbaren, anderswo
oft gar nicht erwähnten Einzelheiten der Quellenberichte Beweise für seine
Auffassung entlockte. Denn nicht als ein Kompendium der allgemeinen Ge-
schichte wollte er seine in sechs oder acht Semestern abgehaltene Haupt-
vorlesung angesehen wissen, sondern als eine ^or und mit den Zuhörern
geführte Untersuchung.
Nicht geringeren Eifer als der mit Spezialkollegien verbundenen Haupt-
vorlesung widmete B. den Übungen im Seminar. Hier wechselten von Woche
zu Woche kritische Übungen, denen meist ein antiker Geschichtschreiber zu
Grunde gelegt ward, mit Übungen im historischen Lehrvortrag; während jene
der Einführung in die Technik wissenschaftlicher Forschung zu dienen hatten,
sollten diese die Heranbildung der künftigen Gymnasiallehrer fördern. Die
Themata wurden von B. selbst gegeben und in beiden Abteilungen für den
Vortragenden stets Korreferenten bestellt, die den Vortrag zu kritisieren hatten;
aber auch B. selbst, der in solchen Fällen das Katheder dem Vortragenden
überließ und sich unter die Zuhörer begab, beteiligte sich an der Debatte,
Büdinger. 229
hielt sie in den richtigen Bahnen und gab ihr stets eine solche Wendung,
daß sie nicht ohne Gewinn auch für die bloß Zuhörenden verlief. An diesen
offiziellen Übungen ließ es sich B. aber nicht genügen: neben dem Seminar
gab es immer noch kleinere Gruppen von Studierenden, die mit speziellen
Arbeiten teils eigener Wahl, teils solchen, die der Professor gestellt hatte,
beschäftigt waren; oft traten die Mitglieder dieser Sektionen zu freigewählten
Stunden in B.s Privatwohnung zu Besprechungen der eingelaufenen Ela-
borate zusammen. Streng und gewissenhaft war die Kritik, die da an der
Überlieferung gelehrt und geübt wurde und unermüdlich stand der Lehrer
ratend und helfend, lobend und tadelnd den Anfängern wie den Fort-
geschrittenen zur Seite.
Dem treuen Hüter des Vermächtnisses Leopold v. Rankes und der eigenen
auf das Große und Allgemeine gerichteten Geistesart blieb jedoch die Quellen-
kritik und die Einzelforschung immer nur eine vorbereitende Arbeit, die auf
dieser sicheren Basis begründete Darstellung galt B. als der eigentliche
Zweck all dieser propädeutischen Bestrebungen. Während seine eigene wissen-
schaftliche Tätigkeit zwar nicht ausschließlich aber doch vorzugsweise speziellen
und kritischen Aufgaben sich zuwandte, während er bei der Schulung seiner
Zuhörer im Seminar und bei dem Einfluß, den er auf die Arbeiten der Vor-
geschrittenen nahm, beharrlich für die Spezialisierung und Vertiefung der
Studien eintrat, gab er sich in seinen Vorlesungen mit ganzer Kraft der
Lebendigmachung der Vergangenheit durch die Darstellung hin. Für seine
rein sachlichen, inhaltreichen und rasch gesprochenen Vorträge bediente er
sich niemals umfangreicherer Aufzeichnungen, ein Zettelchen von der Größe
einer Visitenkarte, auf dem nur wenige Daten aufgeschrieben waren, vertrat
bei ihm das Kollegienheft. Dies Verfahren erforderte naturgemäß eine höchst
zeitraubende und eindringliche Vorbereitung für jede Vortragsstunde und war
nur deshalb anwendbar, weil B. die Gabe besaß, aus einigen wenigen Schlag-
worten und Daten auf dem Katheder selbst nach gründlichem Durchdenken
des Gegenstandes einen wohlgeordneten und formvollendeten Vortrag zu ge-
stalten. Durch rastlose Selbstzucht und eine unbedingte Herrschaft über den
Stoff hatte B. diese Anlage zur Meisterschaft entwickelt; er wirkte auf jüngere
wie ältere Semester unter der Studentenschaft gleich fesselnd und es gab
wenige Vorträge, die mit gleicher Pünktlichkeit und gleich ausdauernd besucht
wurden, wie die B.s über Universalgeschichte. Sie entbehrten zwar alles
dessen, was sonst zum rhetorischen Schmuck der Rede angewendet zu werden
pflegt, waren aber gleichwohl gerade in ihrer anscheinenden Schlichtheit
künstlerisch aufgebaut und stilisiert. B. bot ein typisch gesteigertes und ver-
allgemeinertes Bild des Gegenstandes; Mommsens Art der Verlebendigung
durch realistische Vergleiche aus der Gegenwart lag ihm durchaus ferne, ja
sie war ihm bei aller Bewunderung für dessen Leistungen nicht sympathisch.
Brachte er einmal, was ab und zu geschah, eine Analogie, um das Gesagte
anschaulicher zu machen, so war diese gewiß niemals geläufigen Verhältnissen
der Gegenwart entlehnt, sondern es wurden mit Vorliebe Spezialitäten aus
der schweizerischen, nordamerikanischen oder englischen Geschichte zu diesem
Zwecke herangezogen, um so den ernsten, oft feierlichen Ton festzuhalten,
auf den der Vortrag selbst gestimmt war. Derselbe Trieb nach Wahrhaftig-
keit, der bei dem Forscher sich im höchsten Maße geltend machte und ihn
2 ^o Büdingcr.
r
bestimmte, in immer erneuten Bemühungen durch eindringlichste Kritik das
Tatsächliche festzustellen, veranlaßte ihn als Darsteller über dieses Tatsäch-
liche hinauszugehen; wie viele der antiken Geschichtschreiber war er über-
zeugt, Wahrheit im höheren Sinne nur durch stilisierte Wirklichkeit zu
erreichen. Seine eigene Lauterkeit und Wahrhaftigkeit erweckten in dem sonst
so scharfen Kritiker auch einen unbedingten und unerschütterlichen Glauben
an die Wahrheitsbeteuerungen anderer. Ihm genügte Sallusts Wort, daß er
die katilinarische Verschwörung schildern wolle, so wahrheitsgetreu als er es
könne, als Richtschnur für die kritische Exegese dieses Büchleins und deshalb
lehnte er die Annahme rundweg ab, daß Sallust bei dessen Abfassung poli-
tische Tendenzen verfolgt habe. Tacitus Versicherung sine ira et studio zu
schreiben, lenkte seine Tacituskritik nach der gleichen Richtung und brachte
ihn zu der Überzeugung, daß dieser, wie andere ein Künstler unter den
antiken Geschichtsschreibern, für seine Arbeiten die gewissenhaftesten Quellen-
studien angestellt habe. Der Beurteilung edler und wahrhafter Persönlich-
keiten der Vergangenheit kam diese vertrauliche Bereitwilligkeit B.s, zu
glauben, besonders zu statten und deren innerstes Wesen verstand er besser zu
enthüllen als andere Forscher. Für den Schüler Leopold v. Rankes kam
natürlich den Ideen dasselbe reale Leben zu wie den Menschen, Völkern und
Staaten. Ihr ewiger Fortbestand, ihr stets sich wiederholendes, wenn auch
oftmals durch lange Zwischenräume getrenntes Wiederauftauchen bildete in
seiner philosophierenden Geschichtsbetrachtung geradezu das Einigende, die
Menge der Einzelerscheinungen Verbindende. Nur die Träger dieser Ideen
wechseln im Laufe der Zeiten, sie selbst aber bleiben; bald treten sie ganz
rein, bald getrübt und entstellt hervor, im ganzen aber werden sie inhaltlich
stets bereichert und vervollkommnet und räumlich immer weiter verbreitet;
die Ideen bilden den wesentlichen Inhalt der Gesamtkultur der Menschheit,
die im Orient begann, von den Griechen, Römern und schließlich von den
Germanen fortgebildet wurde und sich allmählich über die ganze Erde durch
die führenden Völker verbreitet.
B. hat mit dieser auf die großen Zusammenhänge und die weiteste Über-
schau gerichteten Art lange vereinzelt gestanden. Erst im letzten Dezennium
seines Lebens konnte er mit Befriedigung eine allmähliche Rückkehr der
Forschung zu solch zusammenfassender Betrachtungsweise beobachten. Gewiß
ist auch heute noch angesichts des stetig und auf allen (jcbieten sich mehrenden
Forschungsmaterials, selbst innerhalb engerer als der universalgeschichtlichen
Grenzen der Satz berechtigt, daß die Forschung der Gegenwart nur die Steine
zu behauen vermag, aus denen erst künftige Generationen einen neuen Bau
errichten werden. Allein die Geschichtswissenschaft würde dennoch ihrer
eigentlichen Aufgabe untreu werden, wenn ihre Vertreter nicht unverrückt
das Auge auf jenes letzte Ziel gerichtet hielten, das B., darin der letzte und
echteste Schüler Leopold v. Rankes, in stets wiederholten Anläufen, die einmal
gewonnene Erkenntnis immer feiner und schärfer ausgestaltend, in seinen
Vorlesungen sich gesteckt hat.
Nur diejenigen, denen es vergönnt war, diese Vorträge zu hören, sind
dem innersten Wesen des seltenen Mannes näher getreten; vielleicht wird
eine später erfolgende Veröffentlichung dieser Vorträge, sei es im ganzen, sei
es in einzelnen Teilen einem größeren Publikum das Verständnis für seine
Büuinger. Meyer-Förster. 2^1
Eigenart noch besser erschließen, als es die gedruckt vorliegenden Arbeiten
zu leisten im stände sind.
Es sind, von solchen kleineren Umfangs abgesehen, die folgenden: Seine schon er-
wähnte Dissertation: Über Oerberts wissenschaftliche und politische Stellung, Kassel 1851.
l'ber die Reste der Vagantenpoesie in Österreich 1854, ferner der 1856 erschienene oben
erwähnte Aufsatz über die Königinhofer Handschrift und der Leipzig 1858 erschienene
erste Band der österreichischen Geschichte, samt der Leipzig 1866 erschienenen Fortsetzung,
die betitelt ist »Ein Buch ungarischer Cjeschichte«. Zwischen der Dissertation und diesem
Abschluß seiner auf die (}eschichte Österreichs bezüglichen Studien liegen ferner folgende
Arbeiten: Zur Kritik altbairischer Geschichte, Wien 1857; König Richard IIL von England,
Wien 1858; Nachrichten aus altrussischen Jahrbüchern, 1859; Übersetzungen aus Nestors
russischen Annalen, Wien 1861; Die Königinhofer Handschrift und ihr neuester Verteidiger,
Wien 1S61; Vom Bewußtsein der Kulturübcrtragung, Zürich 1864; Von den Anfängen des
Schulzwanges, Zürich 1865; Das mittelgriechische Volksepos, Leipzig 1S66; Die Nonnannen
und ihre Staatengründungen, Wien 1866; Skizzen zur Geschichte päpstlicher Machtentwick-
lung, Wien 1869; Wellington, Wien 1869; Lafayette, ein Lebensbild, Leipzig 1870. In
der Zeit des zweiten Wiener Aufenthaltes mehren sich die Arbeiten aus dem Gebiete der
Geschichte des Altertums, da B. deren besondere Pflege im Seminar anvertraut war und er
die Heranbildung von speziellen Forschern auf diesem (jebiete in Österreich sich zur Aufgabe
gesetzt hatte. So erschienen: Ägyptische Einwirkungen auf hebiäische Kulte, Wien 1S72
bis 1874; Zur ägyptischen Forschung Herodots, Wien 1873; Lafayette in Österreich, Wien
1878; Krösus Sturz, Wien 1878; Vorlesungen über englische Verfassungsgeschichte, Wien
1S80; Der Ausgang des mediscben Reiches, Wien 1880; Kleon bei Thukydides, Wien 1880;
Die Entstehung des achten Buches Ottos von Freising, Wien 1881; Die neuentdeckten
Inschriften über Cyrus, Wien 188 1; Apollinaris Sidonius als Politiker, Wien 1881; Historische
Schriften zur alten und jungen Geschichte Österreichs und zur allgemeinen Geschichte,
Wien 18S1; Zeit und Raum bei dem indogermanischen Volke, Wien 188 1; Cicero und
der Patriziat, Der Patriziat und das Fehderecht, Wien 1S81 und iS86; Zeit und Schicksal
bei Römern und Westariern, Wien 1887; Poesie und Urkunde bei Thukydides, Wien 1890
und 1891; Catull und der Patriziat, Wien 1890; Die römischen Spiele und der Patriziat,
Wieni89i; eine lateinisch geschriebene Abhandlung: Über den Zusammenhang einiger
])hönizischer Kolonialgründungen mit dem Exodus der Hebräer, WUen 1891; Don Carlos
Haft und Tod, Wien 1891; Mitteilungen aus der spanischen Geschichte, 1893; Amraianus
Marcellinus, Wien 1895; Die Universalhistorie im Altertum, Wien 1897; Die Universalhistorie
im Mittelalter, Wien 1898 (dies letzte in den Abhandlungen der Wiener Akademie d. W.);
Columbus, Wien 1898. Außer den schon erwähnten unter B.s Leitung während seiner
Zürcher Lehrtätigkeit herausgegebenen 5 Bänden von Schülerarbeiten zur n'miischcn Kaiser-
geschichte und zur Geschichte des Mittelalters erschienen in Wien bei Konegen von 1875
bis 1881 Arbeiten seiner Wiener Schüler in zwanglosen Heften verschiedenen Umfanges
unter dem Titel: Untersuchungen aus der alten Geschichte, und neben diesen selbständig
noch manche Erstlingsarbeit seiner Schüler, an deren Entstehen der gefeierte Lehrer sehr
wesentlichen Anteil hatte, dessen Hervorhebung er sich jedoch meist ausdrücklich verbat.
Graz. Adolf Bauer.
Meyer - Förster, Elsbeth, * 5. Januar 1868 in Breslau, f 17. Mai 1902
in Bozen. — E. M.-F., mit ihrem Mädchennamen Klse Blasche, Tochter eines
Staatsbeamten, studierte in Berlin Musik, heiratete den Schriftsteller Wilhelm
Meyer-F'örster, dem sie nach Hannover folgte. Von 1896 an lebte sie haupt-
sächlich in Berlin. — Mit der schönen jungen Dichterin ist eine der liebens-
würdigsten, anmutigsten Erscheinungen des Berliner literarischen Lebens da-
hingegangen, eine Frau, die vor dem Leben ein Kind geblieben war, aus
deren blauen, traumverlorenen Augen die Seele des Märchens zu leuchten
232 Mcyer-Förstcr. von Dincklage.
schien. Ihre Kunst war wie ihr Leben, jung, sorglos, ohne kritisches Miß-
trauen. Als Schriftstellerin hat sie keine eigentliche Entwicklung gehabt, sie
trat in gewisser Beziehung als eine Fertige auf, um in anderer immer jugend-
lich unfertig zu bleiben. Ihr Talent war wie sie selbst ein echtes Xaturkind
und hatte mit Bildung und Reflexion nichts zu tun. Darum ist auch aus
ihren Romanen, in denen Kritik und Erfahrung der unbesorgten Phantasie zu
Hülfe kommen muß, nicht viel geworden, wie es ihr auch trotz ansprechen-
den Versuchen nicht gelungen ist, die strenge Form des Dramas in zäher
Arbeit zu bezwingen. Dafür hat sie eine Anzahl höchst inniger, ergreifender
Novellen geschrieben, von denen man einige als kleine Meisterwerke bezeich-
nen kann, und ihre für Zeitungen gelieferten Skizzen waren die besten, wenn
nicht die einzig guten in Deutschland. Was sie so, ohne zu reflektieren, im
Sturm nehmen konnte, mit einer einzigen lyrisch bewegten Schilderung, das
traf sie mit absoluter Sicherheit, dann empfing sie wie im Traume die Gabe
des Hellsehens, und sie, der alle Wissenschaft fremd war, konnte mit unbe-
wußter Weisheit in das Herz der Dinge greifen. Sie konnte einen engen
Rahmen mit schwellendstem Leben erfüllen und einfache instinktreine Wesen
von so pflanzenhafter Natürlichkeit hineinsetzen, daß sie aus dem Boden selbst
gewachsen zu sein schienen. Der Schauplatz ihrer Dichtungen war Berlin,
die schlesische Heimat, der sie trotz aller Wanderlust treu und dankbar ge-
blieben ist, und das benachbarte Polen, eine Vorliebe, die sie auf einen Tropfen
polnischen Blutes in ihrer Abstammung zurückführte. »Das Drama eines
Kindes« (Berlin 1895), mit dem sie zuerst auftrat, ist eine schlichte, herzige
Erzählung, ganz von der keuschen Schamhaftigkeit eines Erstlingswerkes um-
fangen, eins von den jugendlichen Bekenntnissen, die so sorglos, so unmittelbar
aus der Empfindung geströmt sind, daß auch die technischen Unvollkommen-
heiten den Eindruck einfach liebenswürdiger Natur nur noch verstärken.
Mehrere Prachtstücke von energischerer Fassung und noch tieferer Beseeltheit
sind in der Novellensammlung »Meine Geschichten« (Berlin 1897). Eine dritte
Sammlung »Also sprach eine — Frau« (Berlin 1900) enthält ihre besten
feuilletonistischen Arbeiten, deren Hauptgegenstand durch den Untertitel
»Liebcsnovellen'< charakterisiert wird. Nach ihrem Tode erschienen noch
zwei Novellen in einem Bande, nach der ersten >^Die Freundin aus Russisch-
Polen« genannt (Berlin 1902). Romane: »Das Pflegekind« (Berlin 1899), »Frau
Kleemann« (Berlin 1900). Dramen: »Der neue Herr«, nach der Novelle
vStascha', ungedruckt, an der Berliner Sezessionsbühne im Winter 1901 auf-
geführt; ^>Käthe« (Leipzig, Reklam), nach dem »Drama eines Kindes« am
Berliner Theater ebenfalls im Winter 1901 aufgeführt.
Berlin. Arthur Eloesser.
Dincklage, Georg von, Generalleutnant z. D., * 8. Mai 1825 zu Bentheim
in Hannover, f 8. November 1902 zu Berlin. — Dem früheren Königreich
Hannover entstammend, trat D. am i. Mai 1843 ^^^ Kadett in das damalige
hannoversche Regiment Kronprinz-Dragoner ein, darauf im Januar 1845 als
Sekondleutnant in das hannoversche (iarde-Husarenregiment über, in welchem
Truppenteil er im Juni 1849 die Premierleutnantssterne erhielt. In den
Jahren 185 1 — 53 wirkte er als Regimentsadjutant, war 1857 — 59 Adjutant der
2. Kavalleriebrigade und von jenem Zeitpunkte an bis zum Jahre 1861 Ad-
von Dincklage. von Schmidt. 233
jutant der Kavalleriedivision, worauf er am i. Oktober jenes Jahres als Ritt-
meister und Eskadronschef mit Patent vom 3. Dezember 1859 in das Königin-
Husarenregiment versetzt wurde. In dieser Stellung machte D. den Feldzug
von 1866 gegen Preußen, insbesondere die Schlacht bei Langensalza mit und
trat, dem Beispiele vieler Kameraden folgend, im März 1867 zur preußischen
Armee über, in der er, zunächst dem Husarenregiment Nr. 15 zugeteilt, im
Mai jenes Jahres Anstellung als Rittmeister und Eskadronschef in genanntem
Regiment fand. Bereits in dem gleichen Monat rückte er zum Major auf
und wurde im März 1868 als etatsmäßiger Stabsoffizier in das Husaren-
regiment Nr. 7 versetzt. Mit diesem zog D. 1870 gegen Frankreich in*s Feld,
focht mit seinem Regiment bei Gravelotte, vor Metz, bei Bertacourt, in der
Schlacht von Amiens, bei Bouchy, in den Schlachten an der Hallue und bei
Bapaume, bei Tertrj'-Poeully sowie in der Schlacht bei St. Quentin und wurde
mit dem Eisernen Kreuze 2. Klasse dekoriert, kurz nach dem Kriege, am
16. Juni 1871, auch in den Adelsstand erhoben. Im Dezember 1871 mit der
Führung des ostpreußischen Dragonerregiments Nr. 10 beauftragt, stieg D.
am 18. Januar 1872 zum Oberstleutnant auf, wurde am folgenden 15. August
Kommandeur des Regiments und erhielt am 19. September 1874 das Patent als
Oberst. Am 12. Juni 1880 übernahm er das Kommando der 31. Kavallerie-
brigade, wurde am 18. Januar des folgenden Jahres Generalmajor, am
17. Oktober 1883 Kommandeur der 21. Kavalleriebrigade und am 11. Februar
1886, unter Verleihung des Charakters als Generalleutnant, zum Komman-
danten von Frankfurt a. M. ernannt. Diese Stellung bekleidete D. bis zum
17. Juni 1889, an welchem Tage er, nachdem er am 6. Januar ein Patent
seines Dienstgrades erhalten hatte, auf sein Abschiedsgesuch zur Disposition
gestellt wurde.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Schmidt, Otto Ritter von, Kgl. Bayerischer General der Infanterie z. D.,
* 20. Dezember 1820 zu Aschaffenburg, f 18. Oktober 1902 zu München. - - S.
trat aus dem Münchener Kadettenkorps am 11. August 1840 als Junker in
das königl. bayerische 10. Infanterieregiment »Albert Pappenheim« ein, wo
er am 27. April 1841 zum Unterleutnant aufstieg. Unterm 13. Dezember 1842
in das 3. Infanterieregiment »Prinz Carl<' versetzt, erhielt er am 21. Aug. 1848
die Oberleutnantssterne, avancierte im Juni zum Hauptmann 2. Klasse, trat
gleichzeitig zu seinem ersten Regiment zurück, wurde am 16. Mai 1859
Hauptmann i. Klasse und kam am 3. November 1861 in den Generalquartier-
meisterstab. Weiterhin im Mai 1862 dem Generalkommando in München als
Generalstabsoffizier zugeteilt, rückte S. am 20. Mai 1863 zum Major auf und
wurde bald darauf an die Zentralstelle des Generalquartiermeisterstabes zurück-
versetzt. Am Kriege von 1866 nahm er, im Hauptquartier des VII. Bundes-
armeekorps • kommandiert, an den Gefechten bei Dermbach, Kissingen, Helm-
stadt und Roßbrunn teil. Nach dem Frieden wurde er zunächst als Komman-
deur an die Spitze des i. Jägerbataillons gestellt und am 24. Mai 1868 zum
Oberstleutnant befördert. Nach Ausbruch des Krieges mit Frankreich rückte
er mit seinem Bataillon über die feindliche Grenze, wo er sich im Verein
mit seinen braven Jägern in den Schlachten und Gefechten bei Beaumont
und Sedan, vor Paris, bei Chantome, Coulmiers, Nogcnt le Routrou, La Ferte-
234 ^*^° Schmidt, von Waldersec.
Bernard hervorragend auszeichnete, bis er am lo. November 1870 als Oberst
das Kommando des 11. Infanterieregiments erhielt. Ernsten Blickes sahen
seine Jäger ihren verehrten Kommandeur scheiden. Als Regimentskomman-
deur nahm S. mit der von ihm befehligten Truppe an den Gefechten bei
Villepion und Meung, den Schlachten bei Orleans, Loigny-Poupry, und Beau-
gency-Cravant Anteil. Ganz besonders aber zeichnete der tapfere Führer sich
bei Beaumont aus, wo er dem schwer bedrängten linken Flügel des 3. Ba-
taillons des 10. Infanterie-Regiments zur Hilfe kam, indem er mit seinen 4 Jäger-
kompagnien ohne einen Schuß zu tun unter v Hurrah« durch die bayerischen
Schützenlinien gegen die französischen Stellungen vorging und den Feind zu-
rückwarf. Dieser Vorwärtsbewegung schlössen sich sämtliche weiter rechts
stehenden bayerischen Bataillone an, so daß der Feind gezwungen wurde, seine
Stellungen zu räumen. Für sein energisches Vorgehen wurde S. zum Ritter
des Militär-Max-Josefs-Ordens ernannt, dessen Verleihung seine F>hebung in
den persönlichen Adelstand zur Folge hatte. Auch bei Sedan sowie im
Loire-Feldzuge zeichnete S. sich mit seinem Bataillon mehrfach aus. Reich
dekoriert, mit beiden Klassen des eisernen Kreuzes und anderen hohen Ordens-
auszeichnungen geschmückt, kehrte der tapfere Soldat in die Heimat zurück.
Hier rückte er unter F>nennung zum Kommandeur der 4. Infanteriebrigade
am 4. Dezember 1874 zum Generalmajor auf, wurde 1874 zur Teilnahme an
den Manövern des V. und VI. preußischen Armeekorps in Schlesien komman-
diert, erhielt zum Generalleutnant befördert am i. März 1882 das Kommando
der 2. Division und trat am 4. März 1887 als General der Infanterie in di^n
erbetenen Ruhestand.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Waldersee, Graf Fritz von, Generalleutnant z. D., * 17. Dezember 1829
in Berlin, f 5. Oktober 1902 in Schwerin in Mecklenburg. - - Nach erfolgter
Erziehung im Fllternhause, bezw. dem Friedrich Wilhelms-Gymnasium in Berlin
trat \V. als Avantageur am 13. August 1848 in das Kaiser Alexander Grenadier-
Regiment ein, nahm am Dresdener Straßenkampfe im Mai des folgenden
Jahres teil, wurde im Juli Portepeefähnrich und gegen F^nde des gleichen
Jahres Sekondleutnant. Vom März 1857 ab war er auf ein Jahr zur Dienst-
leistung beim 2. Leib-Husarenregiment kommandiert, rückte am 15. Jan. 1859
zum Premierleutnant auf und wurde bei der Reorganisation der Armee am
I. Juli 1880 in das 2. kombinierte Dragonerregiment, das jetzige magde-
burgische Dragonerregiment Nr. 6 versetzt, in dem er am 18. Dezember 1864
zum Rittmeister und F^skadronschef avancierte. In dieser Stellung nahm er
1866 am Feldzuge gegen Osterreich teil und zwar im Verbände der Main-
armee gegen die mit Österreich verbündeten Kontingente, wobei er sich in
den Gefechten bei Dermbach, Hammelburg, Roßbrunn, Mettingen und Hett-
stadt auszeichnete. Vor dem deutsch-französischen Kriege erhielt W. am
27. Januar 1870 den Charakter und am 2. Mai das Patent als Major, zog, bei
Ausbruch der Feindseligkeiten mit Frankreich zum etatsmäßigen Stabsoffizier
befördert, mit dem Regiment über die Grenze und focht in dessen Reihen in
den Schlachten bei Colombey-Nouilly und Gravelotte, vor Metz und bei
Xoisseville. Im November fand er für kurze Zeit als Kommandant von Troyes
Verwendung, mußte aber wegen Erkrankung nach Wiesbaden zurückgehen.
von Waldersee. von Wasraer. von Wulffen. 235
Am I. März 1871 zu seinem Truppenteil zurückgekommen, übernahm W.
dessen Führung, trat aber bald darauf in seine frühere Stellung zurück, bis
er im September 1874, nachdem er den schwedischen Truppenübungen bei
Jönköping beigewohnt hatte, unter Aggrcgierung zu diesem Regiment mit
der Führung des i, hannoverschen Ulanenregiments Nr. 13 beauftragt wurde.
Am 2. Januar 1875 ä la suite dieses Truppenteils gestellt und kurz darauf
zum Oberstleutnant befördert, erhielt er dessen Kommando am 15. Juni
gleichen Jahres. Zum Oberst aufgerückt wurde W. am 15. Mai 1883 Kom-
mandeur der 6. Kavalleriebrigade und am 14. Mai 1884 Kommandant von
Hannover, in welcher Stellung ihm ein Monat später das Patent als General-
major und am 4. August 1888 der Charakter als Generalleutnant verliehen
wurden. Am 16. Mai 1891 trat er in den erbetenen Ruhestand. W. war ein
älterer Bruder des Generalfeldmarschalls Grafen von Waldersee.
N:\ch Militär-Zeitung. Lorenzen.
Wasmer, Edmund von, Generalmajor z. I)., *8. April 1836 in Koburg,
f 23. Mai 1902 in Schöneberg bei Berlin. — Nach Besuch von Lehranstalten in
Bayreuth und Koburg trat W. 1852 als Musketier in das Sachsen-Koburg-
Gothaische Infanterieregiment ein, wurde 1853 Portepeefähnrich und erhielt
1854 die Leutnantsepaulettes. Im Jahre 1860 schied er aus dem Militärdienst
seines engeren Vaterlandes aus und trat zur preußischen Armee über, in
welcher er mit Patent vom 11. November 1855 angestellt und dem 37. In-
fanterieregiment aggregiert wurde. Nach verschiedenen Kommandos kam W.
am 21. November 1861 unter Ernennung zum Premierleutnant in das 5. Pom-
mersche Infanterieregiment Nr. 42. Im Feldzuge von 1866 führte er eine
Kompagnie des Ersatzbataillons, bezw. später des 4. Bataillons. Nach dem
Friedensschluß als Hauptmann und Kompagniechef in das neuerrichtete In-
fanterieregiment Nr. 75 versetzt, zog er mit seiner Kompagnie 1870 nach
Frankreich, nahm hier an der Fvinschlicßung von Metz, der Belagerung von
Toul, der Einschließung von Paris, den Gefechten bei Dreux und La Made-
laine Bauvet, den Schlachten von Loigny-Poupry, Orleans und Beaugency-
Cravant mit Auszeichnung teil und kehrte mit beiden Klassen des Eisernen
Kreuzes geschmückt in die heimische Garnison zurück. 1876 zum Major
aufgerückt, trat W. als etatsmäßiger Stabsoffizier zum schleswigschen In-
fanterieregiment Nr. 84 über und wurde 1878 Bataillonskommandeur. In
dieser Stellung verblieb er bis zum 6. Oktober 1883, zu welchem Zeitpunkte
er als Oberstleutnant in das ostpreußische Füsilierregiment Nr. 33 übertrat.
Am 14. April 1887 zum Kommandeur des 8. pommerschen Infanterieregiments
Nr. 61 ernannt, erhielt er das Oberstpatent. 1889 trat er als Generalmajor
in den Ruhestand.
Nach den Akten. Lorenzen.
Wulffen, Ferdinand von, Generalleutnant z. D., * 12. November 1833 in
Magdeburg, f 6. August 1902 in Frankfurt a. O. -- W. trat auf Beförderung
dienend am i. März 1854 als Gemeiner in das damalige 8. Infanterieregiment
ein, wurde nach etwa einem Jahre Fähnrich und am 5. Februar 1853 Sekond-
leutnant. Als solcher war er in den Jahren 1856 bis 1862 Bataillons- bezw.
Regimentsadjutant, rückte während dieser Dienstleistungen am 17. Okt. 1860
236 von Wulffen. von Wurmb.
zum Premierleutnant auf und kam am 29. März 1862 als Adjutant zur 12. Tn-
fanterie-Bripade bestehend aus den Infanterieregimentern Nr. 24 und Nr. 64.
Mit diesem Truppenteil zog W. 1864 in den deutsch-dänischen Krieg, in dem
er sich namentlich während der Belagerung und dem Sturm auf die Düppeler
Schanzen am 18. April sowie beim Übergange nach der Insel Alsen am
29. Juni derartig auszeichnete, daß er sich mehrere Ordensdekorationen er-
warb. Im November desselben Jahres zum Hauptmann aufgestiegen, trat \V.
als Kompagniechef zum 12. Infanterieregiment in den Frontdienst zurück. Im
Feldzuge von 1866 gegen Österreich führte er die 12. Kompagnie Grenadier-
regiments Nr. 8 als Chef gegen den Feind, nahm mit ihr an der Schlacht bei
Königgrätz teil und kehrte ohne weitere Fährlichkeiten nach dem Friedens-
schlüsse in die heimische Garnison zurück. Am 21. Oktober 1869 wurde \V.
mit Vorteil in das 2. ostpreußische Grenadierregiment Nr. 3 versetzt, gleich-
zeitig jedoch als Adjutant zum Generalkomando des XI. Armeekorps ange-
setzt. Bei Ausbruch der Feindseligkeiten gegen Frankreich am 20. Juli 1870
zum Major ernannt, verblieb er in seiner Stellung und nahm mit dem Korps
an allen dessen Kämpfen (Weißenburg, Wörth, Sedan, Paris) teil, sich über-
all auszeichnend. Nach Beendigung des Krieges wurde W. von seinem Kom-
mando enthoben und in das 6. thüringische Infanterieregiment Nr. 95 als
Bataillonskommandeur versetzt. Hier rückte er am 3. Juli 1875 ^"^i Oberst-
leutnant auf, wurde im Mai 1879 mit der Führung des Regiments betraut und
kurz darauf zum Oberst ernannt. Als solcher zunächst mit der Führung des
2. thüringischen Infanterieregiments Nr. 32 beauftragt, erhielt er das Kom-
mando dieses Regiments endgültig im Dezember 1879. ^^ befehligte dieses
bis zum Februar 1885, zu welchem Zeitpunkte er als Führer zur 49. Infanterie-
brigade versetzt wurde; 7 Monate später rückte er zum Generalmajor und
Kommandeur dieser Brigade auf und trat am 22. Juli 1888 in den erbetenen
Ruhestand.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Wurmb, Karl von, Generalleutnant z. D., * 26. Oktober 1838 zu Kohl-
graben in Sachsen-Weimar, f 10. Oktober 1902 zu Charlottenburg. — \V. hatte
als Knabe Aufnahme im kurhessischen Kadettenkorps gefunden, aus dem er
am 26. Mai 1857 als Portdpeefähnrich zum kurhessischen i. Husarenregiment
übertrat. Seine Dienstzeit in diesem Truppenteil war nicht von langer Dauer,
denn bereits am 18. Oktober 1857 wurde er unter P>nennung zum Sekond-
leutnant zum kurhessischen Regiment des Gardes du Corps versetzt. Nach
den für Kurhessen unglücklichen Ereignissen des Jahres 1866 suchte W. die
Aufnahme in den Verband der preußischen Armee nach, infolgedessen er im
Oktober jenes Jahres dem westfälischen Kürassierregiment Nr, 4 zugeteilt
wurde, in dem er bereits im Februar 1867 zum Premierleutnant aufrückte.
Ende 1868 erhielt er ein Kommando als Adjutant zur 3. Garde-Kavallerie-
brigade, in dem er bis Januar 1870 tätig war, zu w^elchem Zeitpunkte W. als
Rittmeister und Eskadronschef in den Frontdienst seines Trupj)enteils zu-
rücktrat. Als solcher zeichnete er sich an der Spitze seiner Eskadron in der
Schlacht bei Vionville besonders aus. Nach dem Frieden wurde W. im Juli
1872 in das brandenburgische Zieten-Husarenregiment Nr. 3 versetzt, erhielt
im April 1878 den Charakter und im September des gleichen Jahres das
von Wurmb. Fehrenberg. 2^7
Patent als Major, wurde auch als solcher dem Regiment im April 1880 aggre-
giert. Zwei Monate später wurde \V. als etatsmäßiger Stabsoffizier zum 2.
Garde-Ulanenregiment in Berlin versetzt und erhielt am 15. Oktober 1885 das
Kommando des i. hannoverschen Ulanenregiments Nr. 13. In dieser Stellung
avancierte W. am 12. Januar 1886 zum Oberstleutnant und am 19. September
1888 zum Oberst. Als solcher wurde er unterm 24. März 1890 zum Komman-
deur der 3. Kavalleriebrigade ernannt. und am 16. Mai 1891 zum General-
major befördert. In Genehmigung seines Abschiedsgesuches trat W. unter
Verleihung des Charakters als Generalleutnant und Stellung zur Disposition,
am 14. Mai 1894 in den erbetenen Ruhestand.
Nach den Akten. Lorenzen.
Fehrenberg, Hans, Maler, * 2. November 1868 zu Cassel, f 27. Oktober
1902 zu Bremen. — F. entstammte einer angesehenen Casseler Familie. Sein
Großvater war Vizebürgermeister der Stadt gewesen, sein Vater, Philipp F.,
Mühlenbesitzer und Kaufmann. F. besuchte die Realschule seiner Vaterstadt
und danach die dortige Akademie der bildenden Künste. Seine hauptsäch-
lichsten Lehrer waren Georg Koch (f 1899), der Professor der Zeichenkunst,
der 1903 verstorbene Landschaftler Emil Neumann und der Historienmaler
Louis Kolitz, der Direktor der Akademie. 1889 erhielt er das von der Gräfin
Luise Böse für die besten Schüler der Akademie ausgesetzte Stipendium und
ging nach München, wo er seitdem seinen eigentlichen Wohnsitz nahm. Nur
im Sommer pflegte er in der hessischen Heimat zu arbeiten, teils in dem
Malerdorf Willingshausen in dem durch seine Sitten und Trachten bekannten
lieblichen Schwalmgrunde, teils in dem niederhessischen Dorfe Gottsbüren im
Reinhardswalde, das einst im Mittelalter durch die Auffindung des blutigen
Leichnams Christi vorübergehend eine große Rolle als Wallfahrtsort gespielt
hat. In München hatte F. anfangs seine Arbeiten im Glaspalaste ausgestellt, von
1893 ab aber in den Ausstellungen der Sezession, deren Mitglied er dann auch
wurde. Im Juli 1900 veranstaltete er eine Ausstellung seiner Bilder im Casseler
Kunsthause, die viele Beachtung fand. Im Herbst des folgenden Jahres wollte
er in die Lüneburger Heide reisen, nach Worpswede, dessen Schule seine
ganze Sympathie hatte. Statt dessen kam er nach Bremen ins Irrenhaus, wo
der Bedauernswerte im Alter von nur 34 Jahren am 27. Oktober 1902 starb.
Sein Tod war das Ende langer Leiden.
Mit F. ist ein hochbegabter Künstler dahingegangen, der auf dem Gebiete
der Landschaftsmalerei vortreffliches zustande gebracht hat. Hätte er länger
gelebt, so würde auch die Anerkennung weiterer Kreise, um die der stille
bescheidene Mensch sich nie bemühte, nicht ausgeblieben sein. So ging er,
von nur wenigen verstanden, einsam durchs Leben. Seine im bayrischen
Weßling, in Alling und Fürstenfeld und später in Willingshausen und Gotts-
büren entstandenen landschaftlichen Stimmungsbilder waren seinem Wesen
entsprechend eigenartig, persönlich in Anschauung, in Ton und Technik und
in der Darstellung von großer Tiefe. Ein Hauch von Romantik und Schwer-
mut lag über seinen Bildern, meist kleineren Sachen, unter denen besonders
die Herbststücke und Mondscheinlandschaften sich durch die Wärme der
Farbengebung auszeichneten. Seine Sujets waren die denkbar einfachsten:
ein einzelnes Bauernhaus mitten im Bilde stehend, ein Feld mit ein paar
238 Fehrenberg. Vilmar.
Hütten, ein einzelner Baum mit herbstlicher Belaubung, ein Bächlein im Tale,
dunkle Abendwolken über dem Herbstwald — aber alles war mit der
Empfindung des echten Künstlers und Dichters gemalt ohne jede Effekt-
hascherei, weshalb wohl auch zu seinen Lebzeiten so gut wie kein Publikum
für seine Werke vorhanden war. Erst nach seinem Tode und nachdem sein
ganzer Nachlaß im März 1903 in Cassel ausgestellt war, mehrten sich die
Stimmen derer, die das Streben und Wirken des Verstorbenen in vollem
Maße anerkannten.
Zeitungsnachrichten. — Nekrolog von G. in Casscler Allgem. Zeitung vom 31. Oktober
1902. — W. S(chäfcr) im Hcssenland 16, 294. Ph. Losch.
Vilmar,*) Wilhelm Immanuel, Renit. Pfarrer und Schul Vorsteher, * 9. Mai
1840 zu Rotenburg i. H., f 12. April 1902 zu Melsungen. — V. war der Sohn
des renitenten Metropolitans Wilhelm Vilmar und ein Neffe des bekannten
Theologen, Literarhistorikers und Politikers August Friedrich Christian Vilmar
Beide Brüder, so grundverschieden sie in ihrer Natur auch waren, haben dem
kirchlichen Leben in Kurhessen den Stempel ihrer Persönlichkeit aufgedrückt,
der ältere, August, in den Zeiten vor der Annexion, während Wilhelm, der
Jüngere, die Macht seiner Persönlichkeit besonders in den Jahren nach 1866
geltend machte. Wilhelm Immanuel V. war in allem der getreue Schüler seim."^
Vaters. Gleich ihm studierte er Theologie, erst in Erlangen, dann in Mar-
burg und saß hier zu den Füßen seines von ihm hochverehrten Oheims. Nach
bestandenem Examen kehrte er nach Melsungen zurück, wo sein Vater seit
1852 Metropolitan war. Als dieser infolge seiner Anhänglichkeit an das
angestammte Herrscherhaus, das übrigens der Familie V. bis dahin herzlich
wenig Gunst gezeigt hatte, von seinem Amte zeitweise suspendiert wurde, da
wurde der Sohn zum Pfarrer ordiniert. Als Gehilfe des Vaters trat er sein
Amt an und ein rechter treuer Gehilfe ist er ihm lange gewesen, bis er
schließlich sein Nachfolger wurde. Die auf das Jahr 1866 folgenden kirch-
lichen Kämpfe in Kurhessen entbrannten immer heftiger, und beide Vilmars
nahmen lebhaften Anteil daran. Im Laufe des Streites um die Synodal-
verfassung wurde der Metropolitan 1869 wiederum suspendiert. Wenige Jahre
später erfolgte der offene Ausbruch der Renitenz eines großen Teils der
hessischen Geistlichkeit gegen das von der preußischen Regierung aufoktroyierte
neue Gesamtkonsistorium, infolge deren nahezu 50 kurhessische Pfarrer abgesetzt
wurden. Auch die beiden Vilmars befanden sich unter den Renitenten, die
die Maßregeln des Konsistoriums und also auch die Absetzung nicht aner-
kannten, vielmehr die dem Konsistorium gehorchenden Amtsbrüder als Ab-
trünnige der alten hessischen Kirche ansahen. Ein großer Teil der Renitenten
fiel den bittersten Nahrungssorgen anheim, und mancher wurde dadurch ver-
anlaßt, die Heimat zu verlassen und in anderen, vom preußischen Kirchen-
regiment und der gefürchteten Union unberührten Ländern eine neue Heimat
und einen neuen Wirkungskreis zu suchen. Die Zurückgebliebenen mit ihren
«) Der Name wird deutsch (nicht Wilniar!) ausgesprochen. Das versteht sich eigent-
lich von selbst, verdient aber doch hervorgehoben zu werden angesichts der immer mehr
von Norddeutschliind aus sich verbreitenden Unsitte , das V in deutschen Namen (Vihnar,
Varientrapp, Vaihinger, auch Virchow gehört hierher) wie W auszusprechen.
Vilinar. Turba.
239
zusammengeschmolzenen Gemeinden scharten sich um ihre Führer, unter denen
der Metropolitan V. der weitaus Bedeutendste war. In den auf die Absetzung
folgenden mannigfachen Verfolgungen und Drangsalierungen kam es ihm sehr
zu statten, daß sein Sohn Wilhelm Immanuel schon vor dem Ausbruch der
Renitenz den glücklichen Gedanken gefaßt und durchgeführt .hatte, sich und
seiner Familie eine unabhängige Existenz zu schaffen. Er hatte in Melsungen
1869 eine große Erziehungs- und Lehranstalt gegründet, die trotz und z. T.
auch gerade wegen der ausgesprochenen kirchlichen und politischen Stellung
ihres Leiters bald zu großer Blüte gelangte. V.s Persönlichkeit und sein Talent
als Lehrer und Erzieher verschafften dem jetzt noch bestehenden Institut
einen Ruf, der weit über das kleine Fuldastädtchen und über die Grenzen
des Hessenlandes hinausreichte.
Nach dem Tode seines Vaters (1884), an dem er mit unbeschreiblicher
Liebe und Verehrung gehangen hatte, bekannte V. in feierlicher Grabrede, daß
er sich »mit seiner ganzen Person voll und ganz in das von ihm hinterlassene
Erbe stelle«. Es war keine sorgenlose Erbschaft, die er damit antrat. Die
hessische Renitenz hatte sich zum Teil nicht ohne Verschulden des alten
eisenköpfigen Metropolitans innerlich gespalten, und so sehr auch V. unter den
eingetretenen Irrungen und Wirrungen leiden mochte, er erlebte es nicht, daß
die getrennten Glieder seiner Kirchengemeinschaft sich wieder vereinigten,
und die speziellen kirchlichen Gründungen seines Vaters, das Melsunger
Missionshaus und das hessische Diakonissenhaus, genannt Gertrudenstift (nach
der Fürstin Gertrude von Hanau, Gemahlin des Kurfürsten von Hessen, so
genannt), bereitete ihm manche Sorge und Kummer. Trotzdem führte er, der
abgesehen von seiner hervorragenden Predigtgabe an sich nicht gerade zum
Theologen geboren erschien, den kirchlichen Kampf für das Bekenntnis und
die Ordnungen der hessischen Landeskirche im Sinne seines Vaters, so wie
er ihn verstand, weiter, obwohl die Zahl der Freunde, die ihm dabei zur
Seite standen, mit der Zeit recht klein geworden war. In den letzten Jahren
seines Lebens fand eine Annäherung der seit zwanzig Jahren getrennten Glieder
der Renitenz statt, die jedoch zu keiner Wiedervereinigung führte zum Teil,
weil V. durch Nachgiebigkeit seinerseits das Andenken seines Vaters zu
kränken fürchtete.
Im Herbst 1901 traf ihn, der seit einiger Zeit kränkelte und daneben von
mancherlei Sorge auch materieller Natur heimgesucht war, ein Schlaganfall,
von dem er sich nicht wieder erholte. Am 12. April 1902 starb er zu Melsungen,
der Stadt, die seit einem halben Jahrhundert die Heimat seiner Familie war
und die seit dieser Zeit gleichsam als die Hochburg des vilmarischen Geistes
in Hessen galt.
Vgl. Ph. Vilmar, Übersicht der Familie Vilmar. S. 23. — Nekrolog von Grebe in:
Hess. Blätter. Nr. 2748. — Melsunger Missionsblatt 1902, loflf. Ph. Losch.
Türba, Marie Sidonie, Schauspielerin und Sängerin, f 23. Juni 1902 zu
Cassel. — Die T. war eine geborene Wienerin. Wann sie geboren, ließ sich
nicht bestimmt ermitteln, da sie wie so viele andere Bühnenkünstlerinnen
unerschütterliches Schweigen darüber zu wahren verstand. Da sie indessen
nach dem Eintrag im Casseler Standesamtsregister im Alter von 79 Jahren
gestorben ist, so muß ihr Geburtsjahr um das Jahr 1823 fallen. Sidonie T.
240 Turba. Schwank.
wurde zu Anfang der vierziger Jahre von Franz von Holbein als jugendlich
dramatische Sängerin für das Hoftheater zu Hannover engagiert, wo sie elf
Jahre lang, später als vortreffliche Soubrette wirkte. Von Hannover kam sie
an das Stadttheater zu Frankfurt a. M. und war danach unter Direktor Moritz
Ernst in Mainz, Nürnberg, Aachen und Cöln tätig, bis sie im Jahre 1867 an
das Casseler Hoftheater als Nachfolgerin der Podesta-Molendo (vergl. unten
S. 241) engagiert wurde. Sie war damals schon nicht gerade mehr in jugend-
lichem Alter und hat trotzdem doch noch nicht weniger wie dreiunddreißig
Jahre lang der Casseler Bühne ihre vortrefflichen Dienste in den ver-
schiedensten Rollen als Sängerin und Schauspielerin geleistet. Geradezu
unübertroffen war sie im Fache der komischen Alten. Als hochbetagte Greisin
trat sie am 14. September 1900 zum letzten Male als »altes Weiblein* in
Raimunds Verschwender vor das Publikum, das seinem alten Lieblinge
stürmische Ovationen bereitete, während der Intendant von Gilsa in seinen
Abschiedsworten erklärte, daß sie für das Casseler Theater »einfach uner-
setzlich« sei. Genau zwei Jahre später besuchte sie ihr altes Theater zum
letzten Male, diesmal als Zuschauerin. Wenige Tage darauf wurde sie von
einem Schlaganfall getroffen, infolgedessen sie am 23. Juni verschied.
Casseler AUgem. Zeitung vom 15. Juni 1900. — Casseler Tageblatt vom 23. Juni 1902.
(Bcnnccke) Krinnerungen a. d. Cassel. Hoftheatcr in: Cass. Tagcbl. v. 12. Jan. 1892.
Ph. Losch.
Schwank, Adam Joseph, Amtsgerichtssekretär a. D., * 18. Januar 1820
zu Fulda, t ^5- April 1902 zu Frankfurt a. M. — Seh. war ein Sohn des kur-
fürstlichen Rentmeisters Ignaz Schwank zu Fulda, besuchte das dortige Gym-
nasium und studierte darauf seit 1840 zu Marburg Rechtswissenschaft. Als
flotter Korpsstudent nahm er regen Anteil an dem damaligen studentischen
Leben, von dem er später eine anziehende Schilderung in seinen im »Hessen-
land« (Jg. 1889 u. 1894) erschienenen »Marburger Erinnerungen« entworfen hat.
Nach dem Examen trat er in den kurhessischen Justizdienst und war von 1852 bis
1865 Garnisonsauditeur in Fulda und Hanau, bis er im Jahre 1865 als Aktuar an
das Justizamt zu Naumburg i. H. überging. 187 1 nach Cassel versetzt, ließ
er sich 1880 pensionieren, hauptsächlich weil er die in preußischer Zeit ein-
getretene Degradierung der alten hessischen (studierten) Aktuare zu Subaltem-
beamten nicht verwinden konnte. Nach seiner Pensionierung lebte er eine
Zeitlang in Wahlerhausen bei Cassel, siedelte aber später nach Frankfurt, dem
Geburtsort seiner Gattin, über. Hier beschäftigte er sich in reger Weise mit
schriftstellerischen Arbeiten, die meist dem Gebiete der fuldischen und hessi-
schen Geschichte angehörten und in verschiedenen Zeitschriften, besonders
dem »Hessenlande« und den »Hessischen Blättern« veröffentlicht sind. Hoch-
verdient machte er sich dadurch, daß er bereits im Jahre 1886 seine ansehn-
liche, meist aus Hassiaca und Fuldensia bestehende Bibliothek, die er selbst
auf 6 — 7000 Bände schätzte, der Landesbibliothek seiner Vaterstadt zum
Geschenk überwies.
Ungedruckte SclbstV)iographie. — Nekrologe in Hessenland 16, 124 (m. Bibliogr. seiner
Beiträge) u. Hessische Blätter, Jg. 31, Nr. 2851.
Ph. Losch.
Schultheis. Podesta« Stent. 24 1
Schultheis, Leonhard Felix Georg Anton, Bibliothekssekretar zu Cassel,
* 19. November 1820 zu Fulda, f 13. April 1902 zu Cassel. — Seh. war ein
Sohn des Regierungsrates Peter Aloys Schultheis, der später an das Ober-
appellationsgericht nach Cassel berufen wurde. Er studierte in Marburg und
Göttingen Philologie und wirkte danach eine Zeitlang als Lehrer am Gym-
nasium seiner Vaterstadt Fulda. Im Jahre 1848 trat er bei der Casseler
Landesbibliothek als Praktikant ein, wurde 1865 zum Sekretariatsgehülfen und
1872 zum Bibliothekssekretar ernannt. Mehr als 40 Jahre diente er dieser
Anstalt als ein besonders uneigennütziger und fleißiger Beamter, bis er am
I. Januar 1889 in den wohlverdienten Ruhestand trat.
Nekrolog in Hessische Blätter Nr. 2848. Ph. Losch.
Podesta, Kunigunde Auguste Emestine, geb. Molendo, Sängerin und
Schauspielerin, * 27. Dezember 1827 zu Bayreuth, f 29. Dezember 1902 zu
Cassel. — Demoiselle Molendo war schon in sehr jugendlichem Alter 1844
als Sängerin am Hof- und National theater zu München engagiert und wirkte
danach als beliebte Soubrette von 1845 — 185 1 am Kurfürstlichen Hoftheater
zu Cassel. Von dort ging sie an das vereinigre Stadttheater in Hamburg,
war dann in verschiedenen kürzeren Engagements am Stadttheater zu Mainz
(1852 — 1853), am Hoftheater zu Wiesbaden (1854 — 1856), sowie an den
Theatern von Krakau, Augsburg und Lübeck tätig. Nachdem sie sich im
Jahre 1857 mit dem Schauspieler Franz Podesta vermählt hatte, kehrte sie
1862 an das kurfürstliche Hoftheater in Cassel zurück, wo sie ihre ersten
Triumphe als Soubrette gefeiert hatte und nunmehr als komische Alte gleich-
falls ein Liebling des Publikums war. Die Umwandlung des Theaters in
eine preußische Hofbühne machte sie nicht mit und trat 1867 als Mitglied
der Pensionsanstalt des Casseler Theaters in den Ruhestand, den sie noch
35 Jahre genoß. Sie starb an einem Schlaganfall im Elisabethenkloster zu
Cassel zwei Tage nach ihrem 75. Geburtstage.
Deutscher Bühnen-Almanach. — Mitteilungen d. ehemal. Hoftheatersekr. W. Bennecke
zu CasseL Ph. Losch.
Stern, Johann Wilhelm, Direktor des Reichsratsstenographenbureaus zu
Wien, * 22. September 1829 in Harlingerode (Harz), f 7. Juni 1902 in Kloster-
neuburg. — St. genoß den erstea Unterricht bei seinem Vater (Kreisphysikus),
besuchte das Gymnasium zu Halle a. S., studierte dort Philosophie und Philo-
logie, wurde dann Avantageur im braunschweigischen Heere, focht 1848/49
im Schleswig-Holsteinischen Kriege, beteiligte sich am 13. April 1849 am
Sturme gegen die Düppler Schanzen, wofür er am 31. Oktober 1891 vom
Prinzen Albrecht von Preußen als Regenten des Herzogtums Braunschweig
die Erinnerungsdenkmünze erhielt, trat 1853 als Kadett der k. k. Armee beim
Infanterieregiment Baron Wemhardt Nr. 16 ein, wurde am i. April 1854
Leutnant, später Bataillons- und Regimentsadjutant, auf dem Schlachtfelde
von Lodi Brigadeadjutant 1859, kämpfte bei Solferino mit Auszeichnung,
wurde hierauf Inhaberadjutant, führte im Mai 1866 als Hauptmann die 7. Feld-
kompagnie seines Regiments gegen Preußen ins Feld und schlug sich tapfer
bei Aschaffenburg, Tauberbischofsheim, Rinderfeld und Würzburg. Wegen
Rheumatismus wurde er am i. September 1867 zeitlich, am i. September 1868
BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd. 16
242
Stem. Pressel.
dauernd pensioniert. Die Bedeutung der Stenographie erkannte er als Ad-
jutant. Er erlernte sie bei dem Direktor des Reichsratsstenographenbureaus
Conn in dem Militärkursus 1859/61. Am i. September 1867 wurde er Revisor
der »Reichsratskorrespondenz« und rückte vom Mitgliede zum Direktor des
Reichsratsstenographenbureaus am i. Oktober 1876 auf. Von 1867/68 an leitete
er unentgeltliche stenographische Kurse für Offiziere, Militärbeamte und Unter-
offiziere. Am 3. Oktober 1869 bestand er die Stenographielehrerprüfung in
Wien mit vorzüglichem Ergebnis. Er war als Parlamentsstenograph mehrere
Sessionen im Niederösterreichischen Landtage tätig, vom Herbste 187 1 an als
Vertreter Conns, aber auch in Mähren, und er versah auch Steiermark, Kämthen,
Krain und die Bukowina mit amtlichen Stenographen. Er entfaltete nebenher
vor Gericht (2itägiger Prozeß des Barons Ofenheim) und bei Aktiengesell-
schaften und Vereinen eine ausgedehnte Privatpraxis. Vom 8. November 1873
bis 8. April 1886 war er Fachexaminator bei der k. k. Staatsprüfungskom-
mission für das Lehramt der Stenographie zu Wien. An der Wiener Handels-
akademie lehrte er von 1869 — 1874. Während er auf Grund seiner militäri-
schen Laufbahn als Hauptmann die Schrift »Die Stenographie in ihrer Ver-
wertung für militärische Zwecke« (Wien 1867) veröffentlicht hatte, drängte ihn
die unterrichtliche Tätigkeit im Jahre 187 1 zur Abfassung seiner »Militär-
Stenografie, Lehrbuch der deutschen Stenografie nach Gabelsbergers System
für den Gebrauch an Militär-Schulen« (2. Aufl. Wien 1879). »In Anerkennung
der als Lehrer auf dem Gebiete der Stenographie geleisteten uneigennützigen
und ersprießlichen Dienste« wurde St. am 7. September 1875 zum Ritter des
Franz Josefs -Ordens ernannt; 1897 folgte der Orden der Eisernen Krone
3. Klasse. Am 24. Dezember 1889 war ihm bei seinem Übertritte in den Land-
wehrruhestand der Majorscharakter ad horwres verliehen, Anfang 189 1 war er
zum Regierungsrate befördert, am 22. August 1891 durch Graf Taaffe als
Staatsdiener vereidigt worden. Wegen seiner Bemühungen um die Systemisie-
rung (= Etatisierung) der Reichsratsstenographenstellen ernannte ihn der
Wiener Zentral verein, dem er seit 1860 als ausübendes Mitglied, 1869 — 7°
und 1877 — 89 als Vorstandsmitglied angehört hatte, im März 1897 zu seinem
Ehrenmitgliede. In den Ruhestand trat er am 4. Februar 1899 unter Aller-
höchster Anerkennung seiner Verdienste. Er widmete sich als Greis dem
Waidwerke, der Kellerwirtschaft und dem »Eigenbaue«. Nach einem taten-
und arbeitsreichen Leben fand er im 73. Lebensjahre fern von seiner braun-
schweigischen Heimat die letzte Ruhestätte.
Österreichische Blätter für Stenographie 1902, S. 89flf. — Deutsche Stenographen-
Zeitung 1902, S. 317 ff.
Dresden. Robert Fuchs.
Pressel, Wilhelm, * 28. Oktober 1821 in Stuttgart, f 16. Mai 1902 in
Konstantinopel. — Auf den ersten Seiten der Eisenbahngeschichte des Fest-
landes steht P.s Name als der Name eines der bedeutendsten Ingenieure jener
Zeit. Als auf der Ebene von Rainhill die Lokomotive Stephensons siegte,
war P. in die Schuljahre hineingewachsen, und als die württembergische
Regierung im Jahre 1843 ^^" ^^" eines Eisenbahnnetzes in Angriff nahm,
verließ der Jüngling die technische Schule zu Stuttgart, um das kurz zuvor
angetretene Lehramt mit der Praxis zu vertauschen. Dazwischen lag freilich
Pressel.
243
viel junges und doch ernstes Leid! Wilhelm, der begabteste unter den zwölf
Kindern seiner Eltern, sollte nach dem Willen seines Vaters, der Bäcker-
meister und Landwirt war, ebenfalls Landwirt werden; es gab harte Kämpfe,
ehe ihm gestattet wurde, die Gewerbeschule zu besuchen und sich zum Stein-
metz auszubilden; nur heimlich, in der Dachkammer verborgen, konnte Wilhelm
sich durch das Studium mathematischer Werke weiter ausbilden. Die grau-
same, verständnislose Strenge des Vaters trieb ihn schließlich aus dem Hause;
zwei Jahre hindurch wanderte er, eifrig lernend und forschend, durch Frank-
reich und England, bis er (1841) heimkehrte, sich mit dem Eltern aussöhnte
und die Vertretung des erkrankten Professors für darstellende Geometrie am
Polytechnikum übernahm. Karl von Etzel war es, der P. für die Praxis er-
oberte und der ihn auch im Jahre 1853 zum Baue der schweizerischen Zentral-
bahn berief. Hier verhalf P. der englischen Tunnelbauweise zum Siege, in-
dem er sie mit glänzendem Erfolge durchführte; auch brachte er als Erster
die Übergangsbogen zwischen geraden und gekrümmten Strecken zur An-
wendung und begründete ihre Notwendigkeit in wissenschaftlicher Weise.
Über den interessanten Bau des Hauenstein-Tunnels veröffentlichte P. (1860)
gemeinsam mit Wilhelm Kauffmann ein noch heute lesenswertes Werk.
Im Jahre 1862 folgte P. einem Rufe zur österreichischen Südbahn, die
damals unmittelbar vor dem Baue großer, wichtiger Verkehrswege stand und
deren leitende Persönlichkeiten, zu denen auch Etzel gehörte, einen ganz be-
sonderen Wert auf die Mitwirkung P.s bei der Überschienung des Brenner-
passes legten. Seine Wirksamkeit im Dienste der Südbahn begründete seinen
dauernden Ruhm als Eisenbahn-Bauingenieur. P. war Etzels rechte Hand.
Alles, was fortan bei der Südbahngesellschaft auf dem Gebiete der Ingenieur-
baukunst hervorragendes und bahnbrechendes geleistet worden ist, muß —
wenn es auch vor der W^elt Etzels Namen trägt — zum überwiegenden Teile
auf P.s Tätigkeit zurückgeführt werden. P.s wichtigste Aufgabe als Ober-
inspektor und stellvertretender Baudirektor bestand zunächst in der obersten
Leitung der Entwürfe und Bauarbeiten der Brennerbahn (Innsbruck — Bozen),
deren Linienführung A. Thommen bereits in Angriff genommen hatte. Von
P. stammt die Lösung mehrerer schwieriger Probleme und die Verbesserung
mancher Detailentwürfe; P.s Werk sind die Kehrtunnels, die Bachtunnels,
und die Wehranlagen in der Sill, welch letztere die Ausnagung der Flußsohle
und das Abbrechen der Tailehnen bestens verhüten. Im Vereine mit Thommen
entwarf P. eine Reihe von Musterplänen, ferner Bedingnishefte für die Ver-
gebung der Bauarbeiten und Instruktionen für den Baudienst — alles Arbeiten,
die für jene Zeiten bahnbrechend waren und für die Zukunft vorbildlich
wurden.
Nach Etzels Tod (2. Mai 1865) wurde P. sein Nachfolger und Bau-
direktor der Südbahngesellschaft. Als solcher nahm er den Bau der Puster-
talbahn (Villach — Franzensfeste) in Angriff; die ausnehmend schwierige Linien-
führung, die von seinem Nachfolger nicht zum Vorteile verändert wurde, war
ein vollendetes Meisterwerk. Auch der Bau der neuen ungarischen Linien
der Südbahn (Kanisza — Bares, Steinbrück — Sissek, St. Peter — Fiume) wurde
unter P. begonnen, der hierfür beachtenswerte Pläne für Holzbrücken aus-
arbeiten ließ. Leider folgte P. im Jahre 1869 den Anerbietungen des Baron
Hirsch, die Trassierung und Bauleitung von Hauptbahnen in der europäischen
i6^
244
Pressel.
Türkei zu übernehmen. P. empfand es als einen mächtigen Anreiz, das dem
Weltverkehr entrückte türkische Reich mit seiner begabten, gutgearteten, aber
herabgekommenen Bevölkerung in die Reihe der Kulturstaaten zu erheben
und die reichen aber verschütteten Hilfsquellen des gesegneten aber ver-
armten Landes neu zu erschließen. Mit größtem Eifer wandte sich P. der
ihn begeisternden Tätigkeit zu, zerwarf sich aber sehr bald mit Hirsch, dem
er nicht als Werkzeug eines rücksichtslosen Ausbeutertums dienen wollte.
Im Jahre 1872 erfolgte seitens der türkischen Regierung P.s Berufung
zum kaiserlichen Generaldirektor der ottomanischen Eisenbahnen. Schon ein
Jahr später vollendete er den Entwurf des 6800 km langen anatolischen Eisen-
bahnnetzes. Durch diese Studien wurde Anatolien wiedererschlossen und der
Bau der Bagdadbahn ernstlich angeregt. Trotzdem das Gewinnmachertum,
dem P.s Rechtlichkeit sehr im Wege stand, ihm große Schwierigkeiten bereitete,
ihn auch aus der Türkei verdrängte, gab er die Hoffnung auf ein erfolgreiches
Wirken nicht auf und lehnte sowohl die Berufung als Generaldirektor der
österreichischen Staatseisenbahnen, wie auch jene als Baudirektor der Gott-
hardbahn ab. Gegen Ende der achtziger Jahre trat er mit dem Finanzmann
von Kaulla und dem Leiter der »Deutschen Bank« von Siemens in Verbindung,
welche Männer wohl seine großartigen Pläne akzeptierten, ihn selbst aber
bei Seite schoben und zu beseitigen versuchten. Im Jahre 1898 ging er trotz
seines hohen Alters auf den »Kampfplatz« von Konstantinopel. Hier harrte
seiner eine ununterbrochene Reihe bitterer Enttäuschungen, die aber seine
Tatkraft nicht zu beugen vermochten. Mit dem Eifer eines Jünglings, mit
der Begeisterung, die nur eine gute Sache verleiht, kämpfte er gegen die
Übermacht seiner Gegner, die vor keinem Mittel zurückschreckten, um den
gefürchteten Mann, der ihre Geldgeschäfte schonungslos aufdeckte und zu
stören drohte, zu vernichten. Der Tod kam ihnen zu Hilfe. P. starb nach
kurzem Krankenlager im deutschen Hospitale zu Pera am 16. Mai 1902.
Die deutschen Fachblätter und Tagesblätter nahmen mit sehr wenigen Aus-
nahmen entweder gar keine Notiz von seinem Hinscheiden oder begleiteten
dasselbe mit einigen wenigen eben so unzutreffenden als ungerechten Worten.
Der Österreichische Ingenieur- und Architektenverein gewährte seiner Wittwe
in Anerkennung der hohen Verdienste P.s um das Ingenieurwesen eine jähr-
liche Ehrengabe und die österreichische Südbahngesellschaft ehrte das An-
denken ihres ehemaligen genialen Baudirektors, indem sie im Vestibüle ihres
Aufnahmsgebäudes in Wien dessen Reliefbild anbringen ließ. P. war nicht
nur ein hervorragender Ingenieur, ein tüchtiger, scharfblickender Volkswirt,
sondern auch ein edler, vornehmer Mann von unbeugsamer Rechtlichkeit,
seltener Treue, unendlicher Arbeitskraft und ungewöhnlicher Ausdauer.
Außer der erwähnten Studie über den Hauensteintunnel hat P. noch
veröffentlicht: »Ventilation und Abkühlung langer Alpentunnels« (1881), »ein
neues Oberbausystem« (Langschwellen-Oberbau nach Grundsätzen, die heute
allgemein als richtig anerkannt werden), »Das anatolische Eisenbahnnetz'
(»Zeitschr. f. Eisenb. u. Dampfsch. der österr.-ungar. Monarchie« 1888), »Der
Ausbau des Alpenbahnnetzes« (ebenda 1894), »J^eseau ferri de la Turquie
ifAsie« (Wien 1900), »Z^j chemins de fer en Turquie d'Asie<< (Zürich 1902). In
letzterer Schrift, unmittelbar vor seinem Tode veröffentlicht, entwickelte P.
sein großes, schmalspuriges Eisenbahnnetz für Vorderasien.
Presse!. Krupp. Kist. 245
Litteratur: Österr. Eisenbahnzeitung (1902); Zeitschrift des österr. Ingenieur- und
Architektenvereins 1902, S. 571 (mit Bild); Organ f. d. Fortschritte des Eisenbahnwesens
1902, S. 589 (mit Bild; ausführliche Beschreibung seines Lebenslaufes und seiner Be^
deutung für die Eisenbahntechnik von Professor Fr. Kreuter); »Zeitschr. f. Lokal- und
Straß enbahnwesen« 1904 Prag (Im Artikel des Schreibers d. Nekr. : »Die Bagdadbahnc).
Alfred Birk.
Krupp, Friedrich Alfred, Wirklicher Geheimer Rat, Inhaber der Firma
Friedr. Krupp, * am 17. Februar 1854 zu Essen, f 22. November 1902 eben-
da. — K. war das einzige Kind Alfred Krupps, jenes nimmer rastenden, den
toten Stoff machtvoll und erfolgreich meisternden Herrschers im Reiche von
Stahl und Eisen, dessen gewaltiges Erbe er im Juli 1887 übernahm, nachdem
er bereits seit 1882 als tätiger Mitarbeiter in die Procura der Firma aufge-
nommen worden war. K. richtete, im Geiste seines Vaters weiterschaffend,
seine ganzen Bestrebungen auf den Ausbau und die weitere Entwicklung des
größten industriellen Werkes Deutschlands; er zog die Fabrikation der Panzer-
platten in den Bereich seiner Tätigkeit (1890), erwarb das Grusonwerk zu
Buckau-Magdeburg (1892), übernahm die Schiffs- und Maschinenbau- Aktien-
gesellschaft »Germania« (Berlin-Kiel, 1902) und erweiterte das Werk auch
durch den Erwerb oder die Inbetriebnahme verschiedener Zechen und Hoch-
ofenanlagen, sodaß dasselbe zur Zeit seines Todes nahezu 47000 Personen,
einschließlich der Beamten, beschäftigte. Dabei war K. unermüdlich auf die
Veredlung der Erzeugnisse der einzelnen Betriebe bedacht und förderte alle
fortschrittlichen Bestrebungen auf technischem Gebiete, ob sie nun militärischen
oder friedlichen Zwecken dienten.
Ganz besondere Würdigung verdient das philanthropische Wirken K.s.
Gleich seine erste selbständige Handlung war die Aussetzung eines Kapitals
von einer Million Mark für eine Stiftung, deren Erträgnisse ausschließlich den
Arbeitern seiner Werke und deren Angehörigen zugute kommen sollen. Gleich-
zeitig (August 1887) überwies er auch der Stadt Essen ein Legat in der Höhe von
einer halben Million Mark zu wohltätigen und gemeinnützigen Zwecken. Diese
allezeit bereite offene Hand hat K. bis an sein Lebensende bewiesen ; was er
für seine Arbeiter aji Wohlfahrtseinrichtungen geschaffen hat, steht ohnegleichen
da und ist für viele industrielle Betriebe vorbildlich geworden. Dabei war
die reiche Fürsorge für das Wohl seiner Arbeiter und Beamten nicht der Aus-
fluß kühler Erwägung, sondern war ihm wirkliches Herzensbedürfnis, K. war
ein fröhlicher Geber, ein Künstler im Wohltun.
Ein ergreifendes Schicksal muß es genannt werden, daß gerade dieser
Mann das Opfer gehässiger Angriffe wurde, denen seine ohnehin schwache
Gesundheit nicht zu widerstehen vermochte. Über seinen plötzlichen Tod
wurden verschiedene Versionen verbreitet. K. starb ohne männlichen Erben.
Literatur: Annalen für Gewerbe und Bauwesen, 1902, II. S. 205 (mit Bild).
Alfred Birk.
Kist, Leopold, theologischer und Volksschriftsteller, * 29. Januar 1824 in
Offenburg in Baden, f 5. Juli 1902 in Bozen. — K. besuchte das Gymnasium
in seiner Vaterstadt und das Lyceum in Rastatt und bezog im Spätherbst
1844 die Universität Freiburg i. B., an welcher er bis 1847 Theologie studierte.
Er trat dann in das Klerikalseminar zu St. Peter ein, erhielt im August 1848
246 Kist. Füret.
die Priesterweihe und wirkte dann als Hilfspriester erst in Helmsheim bei
Bruchsal, dann in Freiburg. Im Jahre 1850 wurde er zum Feldpriester der
nach Preußen detachierten badischen Truppen ernannt, verwaltete von Ende
1850 bis zum Juli 1862 mehrere Pfarreien (in Hüfingen, Mannheim, Lahr,
Aasen, Heidenhofen, Endingen am Kaiserstuhl und Marken) und wurde wäh-
rend des badischen Kirchenstreites wegen entschiedener Beteiligung an dem-
selben zu schweren Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt. Seit 1862 Pfarrer
zu Stetten am Kalten Markt (Amtsbezirk Meßkirch), blieb er in dieser Stellung
bis 1878. Er unternahm große Reisen nach England, Schweden, Dänemark,
Frankreich, Italien, Nordamerika, Ägypten, Arabien, Palästina und Vorder-
indien, besonders zu dem Zweck, die kirchlichen und Schu Verhältnisse dort
kennen zu lernen, und berichtete später über die empfangenen Reiseeindrücke
in mehreren Schriften, wie »Dänisches und Schwedisches« (1869), »Ameri-
kanisches« (187 1), »Indisches« (1890). Auch auf anderen Gebieten war K.
schriftstellerisch tätig; seine »Hausapothek'« ist ein echtes Volksbuch, das in
drei Teilen (1863 — 64) das »Familienleben«, »die gefährlichsten Sargnägel des
großen Weltspitals« und »Aufklärung, Fortschritt und Freiheit« behandelt und
durch zahlreiche Geschichten und Erzählungen erläutert. Auf seiner Reise
in Vorderindien erlitt K. in Bombay einen Sonnenstich; er erhielt behufs
Wiederherstellung seiner Gesundheit auf vier Jahre Absenzbewilligung von
seiner Pfarrei und privatisierte fünf Jahre im Unterinntale. Da seine völlige
Heilung 1878 noch nicht erfolgt war, so wurde er pensioniert und zog nach
Südtirol, wo er in Kaltem, Tramin, Soll lebte und 1897 seinen dauernden
Wohnsitz in Bozen nahm. Er benutzte seine Muße zur Aufzeichnung seiner
persönlichen Erfahrungen, die uns in seinen Schriften »Erlebnisse eines deut-
schen Feldpaters« (1888), »Studium und Studentenleben vor 40 bis 50 Jahren<^
(1891), »Ein edles Frauenherz« (Erzählung 1897), besonders aber in den »Denk-
würdigkeiten aus alter und neuer Zeit« (III, 1899) geschildert werden.
Persönliche Mitteilungen. — Joseph Kehrein: Biographisch-literarisches Lexikon der
katholischen deutschen Dichter, i. Bd. S. 194. — Frdr. VVienstein: Lexikon der katholischen
deutschen Dichter 1899 S. 190. Franz Brummer.
Fürer, Karl Eduard, Prediger und Dichter, * 13. Juni 1830 zu Kirchhain
bei Marburg (Oberhessen), t i7- März 1902 in Haus Rockenau bei Eberbach
in Baden. — F.s Vater Julius F. war Pfarrer in Kirchhain und starb 1879
als Metropolitan. Der Sohn besuchte von Ostern 1843 ^is zum Herbst 1847
das Gymnasium in Marburg, welches damals unter der Leitung des Literatur-
historikers August Vilmar blühte, und der Einfluß der gewaltigen Persönlich-
keit dieses glaubens- und geistvollen Mannes ließ sich auch im späteren
Leben F.s nicht verwischen. Nachdem letzterer dann bis zum Frühjahr 1851
an der Universität Marburg seine theologischen Studien absolviert hatte, wirkte
er anderthalb Jahre als Hauslehrer im Mecklenburgischen, nahm dann aber,
da er seine Zweifel an den theologischen Satzungen nicht überwinden konnte,
seine Studien in Tübingen wieder auf, wo er durch die Persönlichkeit des
berühmten Professors Beck zur Klarheit und inneren Ruhe zurückgeführt ward.
Danach war F. mehrere Jahre als Hauslehrer in zwei angenehmen Stellungen,
femer als Lehrer an einer höheren Töchterschule, als Lehrer an der Realschule
in Hanau und an der von Philipp Wackernagel geleiteten Realschule in Elber-
Fürer. Anthony. 247
feld tätig und wurde im Frühjahr 1859 als Pfarrer nach Kronenberg bei Elberfeld
berufen, von wo er 1868 als erster Prediger der Brüderkirche nach Kassel kam.
In der letzten Zeit seines Lebens wurde er von einem schweren Nervenleiden
heimgesucht, das ihn das Haus Rockenau bei Eberbach aufsuchen ließ. Dort
ist er gestorben. — Im Jahre 1867 veröffentlichte F. »Hawaii-Nei. Ein Bild
aus der Inselwelt des stillen Ozeans in sechs Gesängen«, eine Art epischer
Dichtung, worin auf Grund von Studien über Land und Leute die Christi-
anisierung der Inseln in packender Weise beschrieben wird, aber auch die
großen Verfehlungen der Europäer wahrheitsgetreu geschildert werden. Zum
Lutherfeste 1883 erschien u. d. T. »Zur Erinnerung an die Luthertage des
Jahres 1883« (3. Aufl. 1884) eine Festschrift, welche die wichtigsten Ereignisse
aus dem Leben des großen Reformators in Rhapsodien zur Darstellung bringt.
F.s Hauptwerk ist aber das gleichfalls epische Werk »Christliche Feststunden
im Gewände der Dichtung« (1884), das im Anschluß an das Kirchenjahr eine
Darstellung des Lebens und Wirkens Christi bringt und viele, namentlich
lyrische Stücke von großer Schönheit enthält.
Chr. W. StTomberger: Die geistliche Dichtung in Hessen. Neue Folge 1898 S. 39.
— Karl Leimbach: Die deutschen Dichter der Neuzeit und Gegenwart 2. Bd. S. 267.
Franz Brummer.
Anthony, Wilhelm, Schauspieler und Schriftsteller, * 17. Februar 1837 in
Lübeck, f 20. Februar 1902 in Weimar. — Sein eigentlicher Name war
Wilhelm Asmus. Nach Besuch des Gymnasiums seiner Vaterstadt bezog
er die Universität Leipzig, wo er, obschon als Theologe immatrikuliert, haupt-
sächlich Philosophie studierte. Seine Vorliebe für das Theater führte ihn der
Bühne zu. Er begann seine Schauspieler-Laufbahn 1857 in Tönning bei der
Kefllerschen Truppe, spielte zunächst die Rollen jugendlicher Liebhaber, ging
aber bald (in Bremen) zu den Charakterrollen (Jago, Mephisto, Franz Moor,
Narciß u. a.) über. In den Jahren 1862 — 69 war er u. a. in Görlitz, Rostock,
Bremen, Regensburg, Mainz, Aachen, Düsseldorf, Magdeburg und Breslau als
Schauspieler tärig, bis er 1869 in Breslau den aktiven Schauspielerberuf aufgab
und hinfort nur noch als Dramaturg und Regisseur am dortigen Stadttheater
wirkte, die Schicksale dieses damals hartgeprüften Kunstinstituts teilend. Da-
neben war A. seit einer Reihe von Jahren schon belletristisch vielfach tätig
gewesen, hatte auch den größten Anteil an der Gründung der Bühnengenossen-
schaft dramatischer Autoren genommen, für welche seine Feder allezeit mit
Energie und Wärme eintrat. In den siebziger Jahren zog sich A. gänzlich
vom Theater zurück und ging zur Journalistik über. Seit 1886 war er selb-
ständiger Redakteur zuerst in Schweidnitz, danach in Striegau und Hirschberg,
seit 1889 Chefredakteur der »Halleschen Zeitung« in Halle a. S. und wurde
von hier am i. August 1893 vom großherzogl. sächsischen Staatsministerium
als Chefredakteur der amtlichen »Weimarischen Zeitung« nach Weimar be-
rufen, die er bis zu seinem Tode geleitet hat. Als Schriftsteller veröffent-
lichte er »Blüten und Blätter« (Gedichte und Novellen 1861), »Die feindlichen
Brüder« (Roman, 1868), »Romane und Novellen« (IV, 1869), »Silhouetten und
Aquarelle aus der Koulissenwelt« (1874), »Frau Buchholz im Riesengebirge«
(Humoreske, 1889), »Für die Coup^-Ecke« (Novellen und Humoresken, 1891),
das Lustspiel »Im Traum« (1875), das Schauspiel »Schuld und Sühne« (1876),
248 Anthony, Häpe.
und eine Anzahl von Kindermärchen, die sich lange auf dem Repertoire vieler
Bühnen erhalten haben.
Persönliche Mitteilungen. — Adolf Hinrichsen : Das literarische Deutschland 1891, S. 36.
— O. G. Flüggen: Biographisches Bühnenlexikon 1892 S. 7. Franz Brummer.
Häpe, Hugo, Geh. Rat a. D., ♦ 23. Mai 1818 in Ebersdorf (Reuß j. L.),
f 8. Oktober 1902 in Dresden. — . H. besuchte 1831 — 38 das Gymnasium zu
Gera, studierte in Leipzig Rechts- und Staatswissenschaften und Philosophie,
redigierte 1846 — 48 das »Dresdner Tageblatt«, das spätere »Dresdner Journal'«,
dessen Königl. Kommissar er von 1855 — 1901 war, erlernte als Bacc. jur. bei
Professor Dr. Hey de in Dresden 1847 ^i^ Gabelsbergersche Stenographie, übte
von 1849 an die advokatorische Praxis aus, wurde am i. April 1853 als Regie-
rungsrat in das Ministerium des Innern berufen, gehörte von 1853 — 58 dem
Dresdner Stadtverordnetenkollegium an, übernahm am 30. Oktober 1854 die
kommissarische Leitung des Königl. Stenographischen Instituts zu Dresden,
wurde 1860 zum Geh. Regierungsrate ernannt, vertauschte Ende 1865 die
Vorstandsstelle beim Institut mit der eines Königl. Kommissars für die An-
gelegenheiten des Instituts, wurde 1882 Geh. Rat, trat 1894 in den Ruhestand,
behfelt aber das Kommissariat für Institut und Journal noch bis 1900
bezw. 1901 bei. H. war »einer der Größten« der Gabelsbergerschen Schule
(Ost. Bl. f. St. 1902). Ein scharfer und reger Geist, eine vornehme Gesinnung,
Gelehrsamkeit, Organisationstalent, Begeisterung für seine Adoptivheimat, die
ihm der preußische Zivilkommissar v, Wurmb bei der Besetzung Dresdens 1866
durch Amtsentsetzung lohnte, und die hohe Staatsstellung unterstützten sein
Streben auf stenographischem Gebiete auf das nachhaltigste. Wenige Tage
nach seinem Amtsantritte stellte er das Regulativ für die einzig dastehende
Fachbibliothek des Instituts auf. Beratende Sitzungen der Institutsmitglieder
»zur Herbeiführung einheitlicher Schreibweisen und zur Förderung der Steno-
graphie als Wissenschaft« richtete er am 16. November 1854 ein. Dort wurden
in 130 Ausschuß- und 104 Plenarsitzungen die 3677 Beschlüsse gefaßt, die
unter dem Namen der »Dresdner Beschlüsse« die Einigung der auseinander-
strebenden drei Richtungen München, Dresden, Wien herbeiführten, nachdem
sie im Juli 1857 in zwölf Sitzungen durch eine Kommission genehmigt und
am 3. August 1857 durch eine allgemeine Stenographenversammlung in Dresden
fast einstimmig angenommen worden waren. Sie galten im wesentlichen bis
1902. In dem am 3. Oktober 1839 zur Staatsanstalt erhobenen Institut wirkten
unter ihm die bedeutendsten Stenographen: Heyde, Rätzsch, Zeibig, Krieg,
Oppermann. Deren und anderer Institutsmitglieder wissenschaftliche Bestre-
bungen unterstützte er aus Staatsmitteln, so Studienreisen und die Herausgabe
des Panstenographikon und der Werke Lehmanns über tironische Noten. Von
1856 an ließ er belehrende Aufsätze über Stenographie und Vereinsnachrichten
in der Zeitschrift »Correspondenzblatt« sammeln. Die statistischen Daten
ließ er im »Taschenbuch der Schule Gabelsbergers« (heute; Jahrbuch) ver-
öffentlichen, das das Vorbild aller anderen stenographischen Jahrbücher wurde.
1858 begründete er zu gemeinsamen wissenschaftlichen Beratungen die »Er-
weiterten Sitzungen« des Instituts, die nach seinem Tode aufgehoben wurden.
Dort hielt er oft Vorträge, so über das Rechtsverhältnis zwischen Stenograph
und Urheber öffentlicher Vorträge 1864, über die Beweiskraft der amtlichen
Häpe. 249
stenographischen Parlamentsberichte 1885, über die Organisation des Instituts
und damit zusammenhängende Fragen wiederholt. Auf ihn geht die bis
heute in Deutschland gültige Taxe von 30 M. für die Stunde stenographischer
Aufnahme einschließlich Übertragung zurück (1865). Nachdem 1854 der
Antrag des Professor Dr. Rätzsch, die Stenographie in den Lehrplan der
Schulen aufzunehmen, vom Ministerium abgelehnt worden war, erreichte H.
dieses Ziel bei den Direktoren der Dresdner höheren Lehranstalten durch
persönliche Einwirkung; denn er sagte sich, daß die Stenographie einmal
Volksschrift werden werde (Corr.-Bl. 1863, i2ff. ; 1875, 17 ff.). In seiner Schrift
»Die Stenographie als Unterrichtsgegenstand usw.«, Dresden 1863, widerlegt
er die Bedenken preußischer Schulmänner gegen die Einführung des steno-
graphischen Unterrichts in den Schulen, und seine ablehnende Kritik des
altstolzeschen Systems hatte zur Folge, daß die Hauptanstöße im neustolze-
schen aufgegeben wurden. Über Gabelsberger innerhalb der Entwicklung der
Schrift handelt seine »Fest-Rede«, Breslau 1876; »Die Stenographie in der
Schule« betitelt sich Heft 14 der »Sammlung von Vorträgen aus dem Gebiete
der Stenographie, hrsg. v. Kgl. Sten. Inst, zu Dresden« 1891. Diese Gedanken
setzte aber H. auch in die Praxis um: durch regelmäßige Anfügung eines
Fortbildungskursus an die amtlichen Elementarkurse seit 1858, durch Zu-
erkennung von Preisen an die Sieger in Wettschreiben durch das Ministerium,
durch die Einrichtung stenographischer Kurse beim Kgl. Sachs. Gendarmerie-
korps, durch amtliche Reisen in die Nachbarstaaten, besonders nach Thüringen,
durch Entsendung Professor Dr. Heydes als Wanderlehrer nach Hannover und
Braunschweig 1863. Er war aber auch der Gründer und Leiter der Ver-
einigung aller sächsischen Gabelsbergerschen Stenographenvereine, des sog.
Gesamtvereins, jetzt Landesverbandes mit über 240 Vereinen, über 12850 Mit-
gliedern undüber 3500 Unterrichteten (Gründungstag 28. August 1860, Dresden),
dem trotz der politisch bewegten Zeiten sogar Korporationsrechte verliehen
wurden. Über »Das stenographische Vereinswesen« schrieb er 1885. Ihm zur
bleibenden Erinnerung stiftete der Gesamtverein 1887 die Häpedenkmünze in
Silber und in Bronze zur Auszeichnung der tüchtigsten Vereine und Stenographen,
nachdem er 1879 H. zu seinem Ehrenpräsidenten ernannt hatte (Döring).
Seine »Denkschrift über eine stenographische Academie für ganz Deutsch-
land«, Dresden 1861, bekämpft den Vorschlag des Bamberger Vereins von 1860
lebhaft. Der Vertrag wegen einheitlicher Fortbildung des Gabelsbergerschen
Systems zwischen dem Deutschen Stenographenbunde »Gabelsberger« und dem
Institut verdankt ihm Entstehung (1863), Verbesserung (1888/89) und ein-
stimmige Annahme (Münchner Stenographentag 1890). Mit gleichem Eifer
trat H. während seines ganzen Lebens für die Ziele ein, die der Deutsche
Sprachverein heute verfolgt. Juristischen Inhalts ist sein Werk Ȇber den
Rechtscharakter und die Competenz der Stadtverordneten im Königreich
Sachsen«, Leipzig 1846, sozialpolitischen sein Ratgeber »Die Herberge zur
Heimath«, Leipzig 1879. Das Gebiet der inneren Mission und der Erziehung
(Fletchersches Seminar in Dresden) waren Gegenstand seiner jahrelangen be-
sonderen Fürsorge. Seine letzte stenographische Kundgebung war die ent-
schiedene Stellungnahme gegen die Reform des Gabelsbergerschen Systems,
die in den »Berliner Beschlüssen von 1902« niedergelegt ist (Deutsche Sten.-
Ztg. 1902, 13. u. 27. April). Seine hervorragenden Verdienste um Stenographie
250 Hape. Nuhn. Lenz.
und Vaterland fanden Anerkennung durch höchste Ordensauszeichnungen
verschiedener Souveräne (Sachsen, Hannover, Reuß usw.).
Correspondenzblatt 1856 — 1902. — Das Königliche stenographische Institut zu Dresden
in den Jahren 1839 bis 1889. Festschrift, Dresden 1889. — Fröhliger, Hugo Häpe und seine
Beziehungen zur Stenographie usw., Dresden 1893 (Sammlung usw. Heft 20). — Döring,
Hugo Häpe im Sächsischen Gesamtverein. Festvortrag usw. Dresden o. J. (1893). — Oster-
reichische Blätter für Stenographie 1902, 139 f. — Deutsche Stenographen-Zeitung 1902, 367 f.
— Auch auf Grund persönlicher Beziehungen.
Dresden. Robert Fuchs.
Nuhn, Johann Curt, Dialektdichter, * 28. September 1848 zu Riebels-
dorf in Hessen, + 28. Juli 1902 zu Kesselstadt. — N. war der Sohn eines
Schwälmer Bauern. Er besuchte die Dorfschule zu Riebeisdorf, danach das
Seminar zu Schlüchtern und war dann seit 1868 Dorfschull ehrer zu Willers-
hausen bei Eschwege, seit 1874 zu Wommen a. d. Werra, bis er 1879 nach
Kesselstadt bei Hanau versetzt wurde. Hier wirkte er gleichfalls als Lehrer
nahezu 23 Jahre. Eine unheilbare Krankheit, Magenkrebs, verbitterte ihm den
Rest seines Lebens und verursachte, daß er in einem Anfall von seelischer
Depression selbst Hand an sich legte und freiwillig aus dem Leben schied.
Trotzdem er schon früh seine engere Heimat, das durch seine altertüm-
lichen Trachten und Sitten bekannte kurhessische Schwalmtal, verlassen hatte,
so blieb er ihr doch stets ein treuer Sohn und hat ihr in seinen zahlreichen
Schwälmer Dialektgedichten ein wenn auch bescheidenes Denkmal gesetzt.
N. ist der Erste gewesen, der diese hessische Mundart literaturfähig zu machen
versuchte. Seine meistens in der Zeitschrift »Hessenland«, z. T. auch in
Traudts und Schoofs Hess. Dichterbuche erschienenen Gedichte sind teilweise
wohlgelungen, erscheinen aber auch oft als blofie Übersetzungen aus dem
Schriftdeutschen und werden jedenfalls für die Zukunft nur als Dialektproben
einen nicht zu unterschätzenden Wert behalten. Außer seinen mundartlichen
Poesien, durch die übrigens neuerdings auch noch andere Poeten in der
Schwalm zur Nachfolge angeregt wurden, veröffentlichte er einen Band »Neue
Märchen« (Hanau 1895), die gleichfalls auf dem Boden seiner Heimat ge-
wachsen sind.
Vgl. Nekrolog von J. H. Schwalm im »Hessenland« 16, 216. — Schoof, Hess. Dichter-
buch. 3. Aufl. 172. Ph. Losch.
Lenz, August, Museumskustos zu Cassel, * 15. April 1828 zu Eisenach,
f 2. April 1902 zu Cassel. — L., der sich dem Lehrerberufe gewidmet hatte,
kam bereits 1848 nach Cassel, wo er 10 Jahre lang an dem Privatpro-
gymnasium des Direktors Bohn^ und darauf an einer höheren Töchterschule
unterrichtete. Im Jahre 1858 wurde er durch das Vertrauen des Kurfürsten
Friedrich Wilhelm L von Hessen zum Lehrer seiner jüngsten Kinder, der
Prinzen Wilhelm, Heinrich und Philipp und der Prinzessin Marie von Hanau
berufen und erhielt, wohl als Anerkennung für seine erzieherische Tätigkeit,
im Jahre 1859 ^^^ Stelle eines Inspektors am kurfürstlichen Museum zu Cassel.
Mit ganzer Energie und Liebe widmete er sich dem neuen Berufe, in dem
ihm die Verwaltung der Skulpturen, kunstgewerblichen Gegenstände und
Naturaliensammlungen zufiel. Nach der Neuorganisation der Museums-
verwaltung unter der preußischen Herrschaft wurde L. im Jahre 1888 zum
Lenz. Lahs. 2 5 1
Kustos der Naturaliensammlung ernannt, um deren Neuordnung und Ein-
richtung er sich sehr verdient machte. Als er die Sammlungen übernahm,
da waren die Naturalien als kleiner Bruchteil des Ganzen in einigen Räumen
des Museum Fridericianum untergebracht. L. bewirkte ihre Überführung in
die Räume des ehemaligen Kunsthauses, wo sie durch ihn als ein vollständiges
Ganze wissenschaftlich geordnet und übersichtlich aufgestellt wurden. Das
ethnographische Kabinet des neuen Naturalienmuseums verdankt seine Ent-
stehung ebenfalls dem Sammelfleiß L.s, der dabei durch seine vielen im Aus-
land lebenden Schüler und Freunde rege Unterstützung erfuhr.
Bei der Verwaltung der kunsthistorischen Abteilung des Museums, an der
er bis kurz vor seinem Tode Anteil hatte, gelang es L., die Erzeugnisse der
alten Casseler Porzellanmanufaktur zu entdecken, von deren Existenz man
wohl bisher gewußt hatte, ohne jedoch ihre Spuren sicher nachweisen zu
können. Über seinen für die Geschichte der Porzellanmanufaktur nicht
unwichtigen Fund berichtete L. im Bd. 2 des Jahrbuchs d. Kgl. Preufl.
Kunstsammlungen (1881). Auch über die Casseler Glasfabrik des Landgrafen
Karl von Hessen und deren Erzeugnisse veröffentlichte er eingehende Unter-
suchungen. L. war ein eifriges Mitglied des Casseler Vereins für hessische
Geschichte, in dessen Sitzungen er öfters die Resultate seiner naturwissen-
schaftlichen und geschichtlichen Studien vortrug. Als Lohn für seine wissen-
schaftlichen Arbeiten und Leistungen wurde ihm 1892 der Titel Professor
verliehen. Der Casseler Geschichtsverein ernannte ihn 1897 zu seinem Ehren-
mitglied. Die gleiche Auszeichnung wurde ihm für seine Verdienste um die
Sache der Freimaurerei von Seiten der Casseler Loge und der großen Landes-
loge von Preußen zuteil.
Nekrolog von O. Eisenmann im Casseler Tageblatt u. Anzeiger vom 9. Aprü 1902
Nr. 164. — Mitteilungen an die Mitgl. d. Ver. f. hess. Gesch. 1901, 84 — 87.
Ph, Losch.
Lahs, Heinrich, außerord. Professor d. Medizin zu Marburg, ♦25. Juni 1838
zu Putlitz i. d. Mark Brandenburg, ♦ 20. Februar 1902 zu Marburg i. H. —
Als Sohn eines Mühlenbesitzers zu Putlitz i. d. Mark geboren, besuchte L.
das Gymnasium seiner Vaterstadt und studierte darauf in Berlin, Würzburg
und Greifswald Medizin. 1864 ließ er sich als praktischer Arzt in Neu-
Ruppin nieder, machte 1866 den Feldzug in Böhmen als preußischer Militär-
arzt mit und übernahm danach eine Praxis als Knappschaftsarzt auf der
Friedrich-Wilhelmshütte zu Siegburg bei Bonn. Seine ausgesprochene Vor-
liebe für den Lehrberuf veranlaßte ihn 1869 diese Stellung aufzugeben und
nach Marburg i. H. überzusiedeln, wo er sich im selben Jahre habilitierte.
Der Krieg von 1870, den er als Assistenzarzt mitmachte, unterbrach bald für
kurze Zeit seine neue Laufbahn. 1873 wurde er zum außerordentl. Professor
ernannt und widmete sich als solcher mit Eifer und Erfolg seiner Spezial-
wissenschaft der Gynäkologie und Geburtshilfe, aus derem Bereich er eine
Reihe von Arbeiten veröffentlichte, die unter seinen Fachgenossen lebhafte
Beachtung fanden. Später nötigten ihn äußere Umstände, besonders der
Mangel an klinischem Material, auf die weitere Fortsetzung dieser Arbeiten zu
verzichten und sich mehr und mehr der Praxis als Gynäkologe und Geburts-
helfer zuzuwenden. Ein Herzleiden zwang ihn im Jahre 1901, seine Tätigkeit
252 Lahs. von Linstow. Nirmheim.
fast völlig einzustellen. Ein Jahr später erlag er seiner Krankheit, betrauert
von vielen Freunden, Schülern und Patienten.
Selbständige Schriften von L.: Zur Mechanik der Geburt. Berlin 1872. Die Theorie
der Geburt. Bonn 1877. Die Achsenzug-Zangen m. besond. Berücksichtigung der Tamier-
schen Zangen. Stuttgart 1881. Vorträge u. Abhandlungen zur Tokologie und Gynäkologie.
Marburg 1884. Zur Reform der Kreisphysikate. Zur Heilserumfrage. Marburg 1S95.
Die Verstaatlichung des Medizinalwesens in Preußen, ib. 1896. Außerdem veröffentlichte
er eine Reihe von Aufsätzen in den »Schriften der Gesellschaft z. Beförd. d. ges. Natur»
Wissenschaften zu Marburg« und im »Archiv f. Gynäkologie«.
Nach: Chronik der Univ. Marburg. Jg. 15, 3 ff. m. Bibliogr. — Nekrol. von A. Martin
in Monatsschr. f. Geburtshilfe. 1902. Erg.-Heft. 612. Ph. Losch.
Linstow, Adolf von, Generalleutnant z. D., * 14. Mai 1832 zu Ratze-
burg in Lauenburg, f 7. Dezember 1902 in Lübeck. — Obgleich Sohn eines
königlich dänischen Kammerherrn und Hof Jägermeisters, trat L. im Jahre 1850
als Avantageur beim preußischen 26. Infanterie-Regiment ein, rückte in diesem
Truppenteil am 7. Februar 1852 zum Sekondleutnant auf, wurde am i. Juli 1833
Bataillonsadjutant, am 31. Mai 1859 Premierleutnant und am 19. Juni 1859
Adjutant des damaligen 26. Landwehr- bezw. des 26. kombinierten Infanterie-
regiments. Als aus dem letztern bei der Reorganisation der Armee im Jahre
1860 das 3. magdeburgische Infanterieregiment Nr. 66 gebildet worden war,
wurde L. in dieses Regiment als Regimentsadjutant versetzt und am 13. Fe-
bruar zum Hauptmann befördert, in welchem Dienstgrade er als Chef der
6. Kompagnie den Feldzug von 1866 gegen Österreich, im besonderen die
Schlachten bei Münchengrätz und Königgrätz mitmachte.
Nach dem Kriege am 30. Oktober zum 3. hannoverschen Infanterieregiment
Nr. 79 versetzt, schied er mit dem Charakter als Major aus dem aktiven Dienst
aus. Während des Krieges gegen Frankreich von 1870/71 wurde L., nach-
dem er zunächst ein Kriegsgefangenen-Lager bei Coblenz kommandiert hatte,
wieder in der aktiven Armee angestellt, als charakterisierter Major am 3. Ok-
tober 187 1 dem 7. rheinischen Infanterieregiment Nr. 69 aggregiert und am
folgenden 14. Dezember in diesen Truppenteil einrangiert. Nachdem er am
13. April 1872 ein Patent seines Dienstgrades erhalten hatte, wurde ihm am
25. März 1873 ^2.8 Kommando des Füsilier-Bataillons übertragen. Als solcher
war L. bis zu seiner Versetzung in das 5. brandenburgische Infanterieregiment
Nr. 48, die am 15. Mai 1877 erfolgte, tätig. In diesem Truppenteil avancierte
L. am 18. Mai 1878 zum Oberstleutnant, wurde am 2. September 1882 mit der
Führung des 7. pommerschen Infanterieregiments Nr. 54 betraut, erhielt am 13.
gleichen Monats das Patent als Oberst und trat am 13. März 1883 als Kom-
mandeur an die Spitze dieses Regiments, eine Stellung, die er fünf Jahre
später unter Ernennung zum Generalmajor mit der des Kommandeurs der
7. Infanteriebrigade vertauschte. Nach weiteren zwei Dienst jähren trat L. am
24. März 1890 aus dem aktiven Dienste aus und zog sich, bei seiner Verab-
schiedung als Generalleutnant charakterisiert, in seine Vaterstadt Ratzeburg
und später nach Lübeck zurück.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Nirrnheim, Karl, Generalmajor und Kommandeur der 21. Feldartillerie-
brigade, * 8. Juni 1844 zu Mageburg, f 27. Juni 1902 zu Wetzlar. — N. trat
Nirrnheim. Paulus. 253
im Jahre 1864 als Avantageur auf Beförderung dienend bei der 3. Artillerie-
brigade in den königlichen Dienst, wurde am 10. Mai 1865 Port^p^efähnrich
und am 24. Juli 1866 Sekondleutnant. Am i. November 1866 in das Fuß-
artillerieregiment Nr. II versetzt, machte er bei diesem den deutsch-franzö-
sischen Krieg von 1870/71 mit, wo er sich bei Weißenburg, Wörth, Sedan
und vor Paris auszeichnete. Im August 1871 zur 3. Feldartilleriebrigade zu-
rückgetreten, war N. mehrere Jahre als Adjutant des brandenburgischen Feld-
artillerieregiments Nr. 3 tätig und rückte 1872 zum Premierleutnant auf. Im
November 1877 zum Hauptmann und Batteriechef im 2. brandenburgischen
Feldartillerieregiment Nr. i8 befördert, wurde er im Oktober 1881 zur Dienst-
leistung in das Kriegsministerium kommandiert, am 13. Juni 1885 als Batterie-
chef zum oberschlesischen Feldartillerieregiment Nr. 21 versetzt und im Oktober
1888 zum Major befördert. Im folgenden Monat in das schlesische Feldartillerie-
regiment Nr. 6 versetzt, wurde N. kurze Zeit darauf Abteilungs-Kommandeur
und rückte im Oktober 1893 zum Oberstleutnant auf. Im Mai 1894 trat N.
als etatsmäßiger Stabsoffizier in das Feldartillerieregiment Nr. 34 über und
erhielt zwei Jahre später das 2. hannoversche Feldartillerieregiment Nr. 26,
am 22. März 1897 zum Oberst aufrückend. Am i. Oktober 1899 wurde N.
zum Kommandeur der 21. Feldartilleriebrigade ernannt; am 27. Januar 1900
erhielt er das Patent als Generalmajor. Mitten aus dem Dienst wurde N.
während seiner Tätigkeit als Militärvorsitzender der Oberersatzkommission
durch den Tod herausgerissen. Eine aussichtsreiche Laufbahn erreichte hier-
durch einen unerwartet frühen Abschluß.
Nach den Akten. Lorenzen.
Paulus, Gustav, Generalleutnant z. D., ♦ 28. September 1842 zu Cleve,
t 31. Oktober 1902 zu Eisenach. — P. trat, am i. Oktober 1862 als Einjährig-
Freiwilliger seiner Militärpflicht genügend, beim rheinischen Pionierbataillon
Nr. 8 ein und kam, in den aktiven Dienst übertretend, im April 1861 als Porte-
^p^efähnrich zum westfälischen Pionierbataillon Nr. 7. Während er vom fol-
genden I. Oktober an die Vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule in Char-
lottenburg-Berlin besuchte, erhielt er am 5. November i86i das Patent als
Sekondleutnant, wurde im Juni 1863 als solcher zum pommerschen Pionier-
bataillon Nr. 2 und zwei Jahre darauf zum Fortifikationsdienst in Stettin, 1866
zu demjenigen in Swinemünde und im März 1867 zum gleichen Dienst in
Wesel versetzt. Während der Feldzüge von 1864 und 1866 gegen Dänemark
und Österreich war es ihm nicht vergönnt, an den kriegerischen Ereignissen
tätigen Anteil zu nehmen. Dagegen wurde P. bei Ausbruch des Krieges von
1870/71 gegen Frankreich der 2. Feldpionierkompagnie des VII. Armeekorps
überwiesen, nachdem er, am 17. Oktober 1867 zum Premierleutnant befördert,
im darauffolgenden November Adjutant der 5. Festungsinspektion in Coblenz
und am 13. Juli 1869 Lehrer an der Kriegsschule in Engers geworden war. Im
P'eldzuge gegen Frankreich nahm P. mit seinem Truppenteil an den Schlachten
bei Colombey-Nouilly und Gravelotte sowie an der Einschließung von Metz
teil, führte vom 14. Oktober 1870 ab seine Kompagnie und wurde nach dem
Falle der jungfräulichen Festung zum Fortifikationsdienst dieses Platzes kom-
mandiert. Nach dem Friedensschlüsse kehrte er im Mai 1871 zu seinem Lehr-
amte in Engers zurück, stieg im Februar 1872 zum Hauptmann auf, kam im
254
Paulus, von Schell.
August wiederum zum Fortifikationsdienst in Metz und wurde im März 1877
zur Dienstleistung in das Kriegsministerium kommandiert, in dessen Abteilung
für Ingenieur- Angelegenheiten er im Oktober 1879 als überzähliger Major ver-
setzt wurde. Nachdem P. im September 1882 Mitglied des Stabes des In-
genieurkorps geworden war, trat er zum dritten Male zur Fortifikation von
Metz über, wurde im September 1883 Ingenieuroffizier vom Platz dieser Festung
und am 22. März 1887 zum Oberstleutnant befördert. Von hier an stieg P.
rasch aufwärts, wurde am 16. Mai 1888 zum Chef der 6. Festungsbauinspektion,
am 16. April 1889 zum Chef der Festungsabteilung des Allgemeinen Kriegs-
departement im Kriegsministerium und am folgenden 21. Juli zum Oberst er-
nannt. Kaum zwei Jahre später im Februar 1891 erhielt er den Rang eines
Brigadekommandeurs und am 28. Juli 1892 das Patent als Generalmajor. 1893
zum Präses des Ingenieurkomitees ernannt und unterm 16. Juni 1896 zum
Generalleutnant befördert, zog P. sich am 22. März 1898 in das Privatleben
zurück. In dem Nachruf, den ihn;, der Chef des Ingenieur- und Pionierkorps
bei seinem Ableben widmete, heißt es u. a. : „daß seltene Begabung und
reiches Wissen ihn schon früh in bevorzugte Stellungen geführt und ihm
nach den letzten großen Kriegen Gelegenheit gegeben hatten in hervorragen-
der Weise an den Aufgaben der Landesbefestigung mitzuwirken."
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Schell, Otto von, Generalleutnant z. D., * 4. Oktober 1835 zu Münster,
t 16. Oktober 1902 zu Hannover. — Als Zögling des Kadettenkorps kam Seh.
nach Durchlaufen der verschiedenen Anstalten am 29. April 1854 als charak-
terisierter Portep^efähnrich in das 17. Infanterieregiment, wo er am 7. Dezem-
ber desselben Jahres zum Port^p^efähnrich und am 5. Februar 1856 zum
Sekondleutnant befördert wurde. 1859 war er zum mobilen Landwehrregiment
Nr. 17 und zwar zum ersten Bataillon, 1860 zur Gewehrfabrik in Saarn und
1861 zum Pionierbataillon Nr. 7 zu Dienstleistungen kommandiert. Im Okto-
ber 1863 wurde S. Adjutant des i. Bataillons seines Regiments, avancierte
unterm nächsten ii. Dezember zum Premierleutnant, dem die Ernennung zum
Regimentsadjutanten am 11. Dezember 1865 folgte. In dieser Stellung zog
er mit seinem Truppenteil 1866 über die österreichische Grenze und erwarb
sich in der Schlacht bei Königgrätz den Roten Adlerorden IV. Klasse mit
Schwertern. Im deutsch-französischen Kriege von 1870/71 führte S., inzwischen
zum Hauptmann befördert, eine Kompagnie des damaligen Landwehrbataillons
Geldern, nahm an der Einschließung von Diedenhofen teil, erhielt für sein
tapferes Verhalten das Eiserne Kreuz 2. Klasse und wurde vom i. März bis
Mitte Mai 187 1 mit der Führung obengenannten Landwehrbataillons beauftragt.
Nach dem Friedenschlusse trat der Friedensdienst wieder in seine Rechte.
S. kam, am 30. April 1877 zum Major befördert, am 12. November 1878 als
etatsmäßiger Stabsoffizier zum 3. hessischen Infanterieregiment Nr. 83, wurde
am II. März 1882 Bataillonskommandeur (2. Bataillon), erhielt am 15. April
1884 den Charakter und drei Monate später das Patent als Oberstleutnant,
worauf er am 14. Oktober 1884 als etatsmäßiger Stabsoffizier zum 4. badischen
Infanterieregiment Nr. 112 übertrat. Am 14. Februar 1888 wurde S. mit der
Führung des Infanterieregiments Prinz Friedrich der Niederlande beauftragt
und am darauffolgenden 17. April unter gleichzeitiger Ernennung zum Oberst
von Schell, von Schmeling. von Entreß-Fürstencck. 255
zum Kommandeur dieses Truppenteils ernannt. Nach weiteren 2 '/i Jahren
am 4. November 1890 als Generalmajor an die Spitze der 67. Infanteriebrigade
gestellt, rückte er 1893 zum Generalleutnant auf und nahm am 13. März 1894
seinen Abschied.
Nach den Akten. Lorenzen.
Schmeling, Cyrus von, Generalmajor z. D., * 31. Januar 1819 zu Gnesen,
t 16. März 1902 zu Lieberose. — Am i. November 1835 beim 6. Infanterie-
regiment als Avantageur in den königlichen Dienst getreten, rückte S. am
12. Mai nächsten Jahres zum Port^peefähnrich auf, wurde im folgenden De-
zember in das 19. Infanterieregiment versetzt und zwei Jahre darauf zum
Sekondleutnant befördert. 1848 nahm er an der Niederwerfung des Auf-
standes in Posen teil, stieg 1850 (12. November) zum Premierleutnant auf,
führte als solcher bis 1856 Kompagnien des 19. bezw. 20. Landwehrregiments,
wurde am 7. Juli 1853 Hauptmann und am 25. Mai 1857 Kompagniechef.
Bei der Reorganisation der Armee im Jahre 1860 kam S. zum 19. kombinierten
Infanterieregiment, wurde aber bereits am i. Juli gedachten Jahres unter Be-
förderung zum Major in das 8. Ostpreußische Infanterieregiment Nr. 45 ver-
setzt. Als Kommandeur des Füsilierbataillons war er während der polnischen
Wirren von 1863/64 zur Besetzung an die russische Grenze kommandiert,
erhielt am 18. Juni 1865 die Ernennung zum Oberstleutnant und zog 1866 mit
seinem Bataillon gegen Österreich, wo er in dem Gefechte bei Trautenau ver-
wundet wurde. Am 18. April 1867 zum Oberst aufgerückt, erhielt er einen
Monat später das Kommando des i. magdeburgischen Infanterieregiments
Nr. 26. Als Regimentskommandeur erwarb S. sich große Verdienste, namentlich
um die Selbstbewirtschaftung in der Kaserne. So machte er im Jahre 1868
den Versuch, die Beköstigung des Mannes, die infolge der hohen Lebens-
mittelpreise nur notdürftig zur Sättigung ausreichte, dadurch reichlicher zu
gestalten, daß er durch das Regiment eine Anzahl Kühe kaufen ließ, die
mit Hilfe der Abfälle gemästet, in eigenem Schlachthause geschlachtet
und in der Mannschaftsküche verwendet wurden. Dieser Versuch fiel so un-
gemein günstig aus, daß der Betrieb zunahm. Ende des Jahres betrug der
Viehstand des Regiments einschließlich Hammel und Schweine etwa 400 Stück.
— Im Kriege gegen Frankreich befehligte S. sein Regiment bis zur Schlacht
bei Beaumont, übernahm für kurze Zeit die Führung der 13. Infanteriebrigade
und trat alsdann wieder zum Regiment zurück, an dessen Spitze er bis zum
19. Januar 1872 verblieb, an welchem Tage ihm die 4. Infanteriebrigade ver-
liehen wurde, die er als Generalmajor bis zum 13. März 1873 kommandierte.
An diesem Tage wurde S. mit der Aussicht auf Wiedereinstellung bei Wieder-
herstellung seiner Gesundheit auf sein Gesuch zur Disposition gestellt.
Nach den Akten und der Geschichte des 26. Inf.-Regts. Lorenzen.
Entrefi-Fürsteneck, Eugen Frhr. von, Generalmajor z« D., * 23. Oktober
1838 zu Ludwigsburg in Württemberg, f 28, Mai 1902 in Karlsbad. — E.
trat am 31. Oktober 1854 in die württembergische Leibgarde zu Pferde ein
und wurde am 22. April 1855 unter Beförderung zum Portepeefähnrich in das
württembergische 2. Reiterregiment versetzt, aus dem er am 5. Januar 1857
in das württembergische 3. Reiterregiment übertrat, dem er am 11. Mai des-
256 ■'''oö Entreß-Fürsteneck. von Grutschreiber.
selben Jahres als Sekondleutnant aggregiert wurde. Am 7. September 1863
als Premierleutnant in das württembergische 4. Reiterregiment versetzt, erhielt
er ein Kommando zur Militär-Equitationsschule (1863 — 1865) und verblieb
als Divisionsbereiter bei der Anstalt bis zum Ausbruch des Krieges von 1866
gegen Preußen, den er bei seinem Regiment mitmachte. Nach Beendigung
des Feldzuges trat E. wieder zur Equitationsschule zurück und zog 1870, als
Rittmeister in das 2. Reiterregiment versetzt, gegen Frankreich ins Feld.
Nach der Rückkehr in die Heimat wieder in das 3. Reiterregiment zurück-
getreten, wurde er 1872 in das i. württembergische Ulanenregiment Nr. 19
versetzt und unter Stellung ä la suite dieses Regiments am 28. September 1874
zum altmärkischen Ulanenregiment Nr. 16 nach Preußen kommandiert. Nach
erfolgter Verabschiedung aus württembergischen Diensten wurde E. am 17. Ok-
tober 1876 in diesem Regiment als Rittmeister und Eskadronschef angestellt,
am 26. Juni 1880 zum Major befördert, 1882 dem Regiment aggregiert und
am 14. Juli 1883 als etatsmäßiger Stabsoffizier in das rheinische Ulanen-
regiment Nr. 7 versetzt. Am 15. Januar 1887 übernahm er zunächst die Füh-
rung des I. hannoverschen Ulanenregiments, dessen Kommando er im folgen-
den Monat erhielt, wurde 1887 zum Oberstleutnant und 1890 zum Oberst
befördert. Als solcher erhielt E. am 16. Juni 1891 die 12. Kavalleriebrigade,
wurde am 18. April Generalmajor und am 15. Juli 1893 in Genehmigung seines
Abschiedsgesuches zur Disposition gestellt. Nach seiner Verabschiedung
nahm E. seinen dauernden Wohnsitz in Berlin, wo er sich um die Gründung
und Entwicklung des Vereins inaktiver Offiziere verdient machte. Zur Wieder-
herstellung seiner Gesundheit nach Karlsbad gereist, ereilte ihn der Tod.
Nach den Akten. Lorenzen.
Grutschreiber, Alexander Frhr. von, Generalmajor z. D.. * 31. Mai 1849
zu Ratibor, f 16. Januar 1902 ebenda. — G. trat am i. März 1869 als Drei-
jährig-Freiwilliger auf Beförderung in das 3. oberschlesische Infanterieregiment
Nr. 62 ein, machte den Feldzug von 1870/71 in Frankreich mit, wo er an
der Belagerung von Paris, den Gefechten von Villejuif bezw. Vitry, Chevilly
und L'Hay teilnahm, am 10. September zum Sekondleutnant aufrückte und
sich das Eiserne Kreuz verdiente. Nach dem Kriege besuchte er die Kriegs-
akademie mit gutem Erfolg, wurde am 14. Mai 1878 Premierleutnant und ein
Jahr später zur Dienstleistung beim Großen Generalstabe kommandiert. Unter
Belassung in dieser Stellung wurde A. am 2. September 1880 in das 3. hessi-
sche Infanterieregiment Nr. 83 versetzt. Am 3. Mai 1881 von der Dienst-
leistung beim Großen Generalstabe enthoben, kam er demnächst als Adjutant
zur 27. Infanteriebrigade, wurde aber unter Ernennung zum Hauptmann am
23. April 1883 wiederum zur Dienstleistung bei dem Großen Generalstabe
kommandiert, unter gleichzeitiger Aggregierung zum Generalstabe der Armee,
in den er nach Verlauf eines Jahres eingereiht wurde, um am 12. August
gleichen Jahres dem Generalstabe der 13. Divison überwiesen zu werden.
Nach kurzer Zeit wurde A. wieder zum Großen Generalstabe zurückversetzt,
kam am 3. November 1885 zum Generalstabe der 5. Division und wurde am
19. September 1888 als Kompagniechef dem brandenburgischen Füsilier-
regiment Nr. 35 zugeteilt, in welcher Stellung er bis zum 21. September 1889
wirkte, an welchem Tage er zum Major befördert in den Generalstab der
von Grutschreiber. Höni^. 257
Armee zurücktrat und dem Generalstab der 9. Division überwiesen wurde.
Dieses Kommando dauerte indessen nur kurze Zeit. Wieder in den Großen
Generalstab zurückversetzt, wurde G. am 20. Juni 1891 unter Stellung ä la
suite des Generalstabes der Armee ein dreieinhalbjähriger Urlaub gewährt
behufs Übernahme einer Lehrerstelle an der japanischen Kriegsakademie in
Tokio. Während seines Aufenthalts in Japan wurde der verdiente Offizier
am 14. Mai 1894 zum Oberstleutnant befördert und nach Rückkehr in die
Heimat dem Infanterieregiment Nr. 97 als etatsmäßiger Stabsoffizier zugeteilt,
kurz darauf jedoch unter Stellung ä la suite des Generalstabes der Armee
zum Direktionsmitgliede der Kriegsakademie ernannt. In dieser Stellung
rückte G. am 22. März 1897 zum Oberst auf, erhielt am 3. Juli 1899 das
Kommando des Infanterieregiments Prinz Friedrich der Niederlande (2. west-
fälisches) Nr. 15 und wurde am 22. Juli 1900 mit der Führung der 5. Infanterie-
brigade beauftragt, deren Kommando er im folgenden Monat endgültig erhielt.
Gesundheitsrücksichten zwangen ihn jedoch bereits am 18. Oktober 1901 aus
seiner aussichtsreichen Karriere auszuscheiden und in den Ruhestand zu treten.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Honig, Fritz, Hauptmann a. D., ♦ 30. April 1848 zu Bomheim im Land-
kreise Bonn a. Rhein, f 12. März 1902 zu Halberstadt. — Nach erfolgter Ka-
dettenausbildung wurde H. am 18. April 1865 als charakterisierter Port^p^e-
fähnrich dem 8. westfälischen Infanterieregiment Nr. 57 zugeteilt und erhielt
nach Besuch der Kriegsschule in Erfurt am 9. Dezember 1865 ein Patent seines
Dienstgrades. Als solcher zog er mit seinem Regiment 1866 gegen die
Österreicher ins Feld, focht bei Königgrätz und rückte am 12. Juli 1866 zum
Sekondeleutnant auf. Nach vierjähriger Friedenszeit ging er im Juli 1870
als Adjutant des i. Bataillons seines Regiments über die französische Grenze,
wo er in der Schlacht bei Vionville eine schwere Verwundung erhielt, die
ihn bis zum 23. Dezember 1870 von seinem Truppenteil fernhielt. Nach jenem
Zeitpunkt nahm er wieder in seiner früheren Stellung als Adjutant an den
Gefechten von St. Amand, Villehauve bezw. Villeporcher teil und bekleidete
1871 zeitweilig die Regimentsadjutantenstelle, ohne mehr ins Feuer zu kommen.
1873 zum Premierleutnant aufgerückt, war er noch kurze Zeit als Bezirks-
adjutant in Gräfrath tätig, schied aber bereits am 13. Juni 1876 als charak-
terisierter Hauptmann mit der Aussicht auf Anstellung im Zivildienst und der
Erlaubnis zum Tragen der Regimentsuniform aus dem aktiven Dienst aus.
Im Ruhestande widmete er sich mit großem Eifer der Militärschriftstellerei.
Jahre hindurch redigierte er die »Deutsche Heereszeitung« in Berlin, die nach
seinem Ausscheiden als Schriftleiter bald einging.
Die Arbeiten H.s, die sich zumeist auf kriegsgeschichtlichem und opera-
tivem Gebiet bewegen, legen durchweg von durchdringendem Verstände und
scharfer Beobachtungsgabe Zeugnis ab. Leider schoß der geistreiche Schrift-
steller durch seine maßlose und verletzende Kritik, die er sowohl an Maß-
nahmen hoher Behörden, wie an dem Verhalten noch lebender Persönlich-
keiten übte, häufig über das Ziel hinaus und wurde dadurch in unangenehme
Streitigkeiten verwickelt, deren Ausgang für H. meist nicht sehr erfreulich
war. Fortdauernde Kränklichkeit mag wohl zu seiner Verbitterung beige-
Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog^. 7. Bd. ly
258 Honig. Hoffmann.
tragen haben. Er starb an den Folgen einer Operation, von der er Heilung
seines Leidens erhofft hatte.
Nach den Akten und anderen Quellen.
Hauptschriften: Die Manneszucht in ihrer Bedeutung für Staat, Volk und Heer. 1882. —
Handbuch für den Turn- und Waffenunterricht der Jugend (zusammen mit Scheibert heraus-
gegeben). 1882. — Oliver Crorawell, 4 Teile. 1887 — 89. — 24 Stunden Moltkeschcr
Strategie, ent^'ickelt und erläutert an den Schlachten von Gravelotte und St. Priv.it am
18. August 1870. 3. Aufl. 1897. — ^^^s große Hauptquartier und die Oberkommando^
am 17. und 18. August 1870. 2. Aufl. 1892. — Der Kampf um die Steinbrüche von
Rozcrieulles in der Schlacht von Gravelotte am 18. August 1870. 3. Aufl. 1892. —
Untersuchungen über die Taktik der Zukunft, entwickelt aus der neueren Kriegsgeschichte.
4. Aufl. der »Zwei Brigaden«. 1894. — Die Gefechte von la Garionniere und Villechauve
am 7. Januar 1871. 1891. — Die Gefechte von Boiscommun und Lorcy am 24. und 26.
November 1870. 1893. — ^i^ Gefechte von Ladon und Maizieres. 1894. — Die politische
und militärische Lage Belgiens und Hollands in Rücksicht auf Frankreich und Deutschland.
1898. — Geschichte der Festung Weichselmünde bis zur preußischen Besitznahme 1793.
1886. — über die Bewaffnung, Ausrüstung, Organisation und Verwendung der Reiterei. 18S3.
— Die Kavallerie-Division als Schlachtenkörper. 1884. — Taktische Direktiven für die
Formation und Führung der Kavallerie-Division. 1885. — Prinz Friedrich Karl von Preußen.
2. Aufl. 1885. — von Obemitz, General der Infanterie. Festschrift zum 50jährigen Dienst-
jubiläum. 1886. — Über die Heranbildung von Einjährig-Freiwilligen zu Reserveoffizieren.
1879. — Die Wehrkräfte Frankreichs im Jahre 1885. '879. — Eine Wintertagswirklich-
keit. 1887. — Der Volkskrieg an der Loire im Herbst 1870. 6 Bände (i. Band, 2. Aufl..
1894; 2. Band, 2. Aufl., 1895; 3. und 4. Band 1896; 5. und 6. Band 1897). — Die Ent-
scheidungskämpfe des Mainfeldzuges an der fränkischen Saale. Kissingen — Friedrichshall—
Hammelburg. 2. Aufl. 1898. — Zur Verteidigung des Kirchhofes von Beaune la Rolande.
Ergänzungsheft zum »Volkskrieg an der Loire«. 1894. Loigny-Pouprj'. 2. Erg&nzun^s-
heft zum »Volkskrieg an der Loire«. 1896. — Die Wahrheit über die Schlacht \on
Vionville — Mars la Tour auf dem linken Flügel. 1899. — Beiträge zur Schlacht von
Vionville — Mars la Tour. 1899. — Dokumentarisch-kritische Darstellung der Strategie für
die Schlacht von Vionville — Mars la Tour usw. Lorenzen.
Hoffmann, Karl, Generalmajor z. D., ♦ 5. Mai 1841 zu Freiburg i. Baden,
f 5. April 1902 zu Berlin. — H. trat am 9. September 1858 als Fähnrich
beim damaligen 3. Füsilierbataillon in badische Dienste, kam am 20. April 185Q
in das 3. Infanterieregiment und wurde am 20. Juni 1866 zum Oberleutnant
ernannt. Im Feldzuge von 1866 gegen Preußen nahm er an den Gefechten
bei Hundheim, Werbach und Gerchsheim teil und hatte nach dem Frieden
verschiedene Kommandos, u. a. auch zur Militär-Schießschule in Spandau.
Bei Ausbruch des Krieges von 1870/71 zum Hauptmann befördert, zog er an
der Spitze der 3. Kompagnie seines Regiments nach Frankreich, wo er die
Belagerung von Straßburg, die Gefechte bei La Bourgonce, am Ognon, bei
Daix und bei Nuits, sowie die Schlacht an der Lisaine mitmachte. Nach
dem Feldzuge wurde H. am 15. Juli 1871 in die preußische Armee aufge-
nommen. Sein Regiment erhielt infolge der Bestimmungen der zwischen
Baden und Preußen abgeschlossenen Militärkonvention die Benennung »3. Ba-
disches Infanterieregiment Nr. 11 1«. Im Januar 1881 zum überzähligen Major
befördert, kam H. im Mai 1883 als etatsmäßiger Stabsoffizier in das schlesi-
sche Füsilierregiment Nr. 38, wurde dort Bataillonskommandeur und am
15. April in gleicher Eigenschaft zum 5. ostpreußischen Infanterieregiment
Hoffmann. von Kleinschroit. Behr.
259
Nr. 41 und am 15. November als Oberstleutnant zum i. niederschlesischen
Infanterieregiment Nr. 46 versetzt. Am 24. März 1890 wurde H. zum Oberst
und Kommandeur des 4. magdeburgischen Infanterieregiments Nr. 67 befördert,
am 14. Februar 1893 zur Disposition gestellt.
Nach den Akten. Lorenzen.
Kleinschmity Julius von, Generalmajor z. D., * 14. Mai 1825 zu Korbach
im Fürstentum Waldeck, f 26. April 1902 zu Wiesbaden. — Nach beendigter
Erziehung im elterlichen Hause und dem Besuch des Gymnasiums seines
Geburtsortes bis zum Jahre 1842 trat K. in die damalige herzoglich nassauische
Kadettenschule ein, in der er bis zum August 1845 verblieb. Zu diesem Zeit-
punkt wurde er in das herzoglich nassauische i. Infanterieregiment einge-
stellt, in dem er im darauf folgenden Dezember zum Unterleutnant aufrückte.
Im Mai 1846 in die herzoglich nassauische Artillerieabteilung versetzt, nahm
K. mit Teilen derselben 1848/49 am Kriege der Bundestruppen gegen die
Dänen in Schleswig-Holstein, sowie später an der Niederwerfung des Insur-
gentenheeres in Baden teil und erhielt während dieser Ereignisse das Ober-
leutnantspatent. Von 1856 bis 1858 wirkte K. als Direktor der damaligen
nassauischen Zeughauswerkstätte in Wiesbaden, war von 1857 bis 1859 Lehrer
der Mathematik und Waffenlehre an der damaligen »Herzoglich Nassauischen
Militärschule« und machte im März 1858, zum Hauptmann ernannt, den Feld-
zug gegen Preußen bei der Artillerieabteilung mit. Nach der Einverleibung
des ehemaligen Herzogtums Nassau in Preußen stand K. nicht grollend bei
Seite, sondern trat bereits am 23. Oktober 1866 mit seinem Dienstgrade in
preußische Dienste, wo er als Batteriechef bei der 7. Artilleriebrigade An-
stellung fand. Am 4. April 1867 als Major und Abteilungskommandeur zum
magdeburgischen Festungsartillerieregiment Nr. 4 versetzt, nahm er in dieser
Eigenschaft im Kriege von 1870/71 gegen Frankreich an den Belagerungen
von Straßburg und Paris teil, wurde nach Beendigung der Feindseligkeiten
zum magdeburgischen Feldartillerieregiment Nr. 4 versetzt, am 18. Januar 1872
zum Oberstleutnant befördert und im Oktober gleichen Jahres mit der Füh-
rung des ostpreußischen Feldartillerieregiments Nr. i, Divisionsartillerie,
späteren westpreußischen Feldartillerieregiments Nr. 16 beauftragt, dessen
Kommando er am 21. April 1873 erhielt. Im folgenden Jahre, am 19. Sep-
tember 1874, wurde K. Oberst und trat am 13. November 1877 in den erbetenen
Ruhestand. Aus Anlaß der Feier der 200jährigen Wiederkehr der Annahme
der preußischen Königswürde geadelt, erfolgte seine Charakterisierung als
Generalmajor am 10. September 1897.
Nach Militär-Zeitung. Lorenzen.
Behr, Friedrich, Professor an der Realanstalt in Stuttgart, ♦ am 17. De-
zember 1816 zu Friedrichshafen am Bodensee, f am 9. November 1902 in
Stuttgart. — B. studierte Theologie, wandte sich aber später dem höheren
Schulfache zu und verweilte längere Zeit als Erzieher in Italien; im Jahre 1862
wurde er an die Friedrich-Eugen-Realschule zu Stuttgart berufen, an der er
25 Jahre gewirkt hat. Wegen eines Augenleidens mußte er 1886 in seinem
70. Lebensjahre in den Ruhestand treten, erreichte aber das hohe Alter von
86 Jahren. — Für die Herdersche Verlagsbuchhandlung in Freiburg i. B.
besorgte B. nach des Verfassers Tode die 11. — 17. Auflage von Pütz' »Lehrbuch«
17*
260 Bchr. Chavanne.
und die 17. — 26. Auflage von Pütz' »Leitfaden der vergleichenden Erd-
beschreibung«. Für das »Jahrbuch der Naturwissenschaften« von Dr. Max
Wiedemann (Freiburg, Herdersche Verlagsbuchhandlung) schrieb Prof. B. in
den letzten dreizehn Jahrgängen den Bericht über »Länder- und Völkerkunde«.
In Gemeinschaft mit A. Hummel, F. Marthe, E. Oehlmann und B. Volz gab der
Verstorbene auch im Auftrage der Ferdinand Hirtschen Verlagsbuchhandlung
die »Anleitung zur Schreibung und Aussprache der geographischen Fremd-
namen für die Zwecke der Schule« (Leipzig, 2. Aufl., 1894) heraus. Auch
eine »Neueste Karte von Australien nebst den Dampfer- und Telegraphen-
linien« im Maßstabe i : 12500000 (Stuttgart, Julius Maier) redigierte er.
Vgl. Jb. d. Naturwissenschaften, XVII; Zeitschr. f. Schulgeogr. XXV, 1904, 98.
W. Wolkenhauer.
Chavanne, Josef, Dr. phil., österreichischer Geograph und Reisender,
* am 7. August 1846 in Graz, f am 7. Dezember 1902 in Buenos Aires in
Argentinien. — Ch. studierte in Prag und Graz und bereiste dann 1867 bis
1869 die Vereinigten Staaten, Mexiko, Westindien und Nordafrika und trat
dann als Hilfsarbeiter in die Meteorologische Reichsanstalt in Wien ein. Im
Jahre 1875 wurde er zum Sekretär der Wiener k. k. Geographischen Gesell-
schaft erwählt und redigierte gleichzeitig deren Mitteilungen. Nebenbei
entfaltete Ch. eine äußerst rege schriftstellerische Tätigkeit; von seinen größeren
Arbeiten seien nur erwähnt: »Die Temperaturverhältnisse von Österreich-
Ungarn« (Wien 187 1); »Beiträge zur Klimatologie von Österreich -Ungarn*
(Wien 1872); »Pflanzen- und Tierleben im tropischen Urwald Amerikas« (1877);
»Die Literatur über die Polarregion der Erde« (1878); »Die Sahara« (1879);
»Afghanistan« (1879); »Afrika im Lichte unserer Tage« (188 1); »Die mittlere
Höhe von Afrika« (1881); »Afrikas Ströme und Flüsse« (1883). Auch zwei
vorzügliche physikalische Wandkarten von Afrika (1878) und Asien (1881)
und ein »Physikalisch-statistischer Handatlas von Österreich -Ungarn« (in
Gemeinschaft mit mehreren Fachleuten) erschienen unter seiner Leitung. Im
Februar 1884 ging Ch. im Auftrage des Kongostaates nach dem Kongo, um
hier topographische Aufnahmen zu machen (vgl. Petermanns Mitteilungen
1885 und 1886). Über diese Reise veröffentlichte er das Werk »Reisen und
Forschungen im alten und neuen Kongostaat in den Jahren 1884 und 1885«'
(Jena 1887), das dann seinen literarischen Ruf vernichtete, da sich ergab, daß
es mit starken Entlehnungen aus Pechuel-Loesches Loango-Werk (1882) her-
gestellt war. Unglückliche Familien- und Vermögensverhältnisse veranlaßten
Ch. jetzt nach Buenos-Aires auszuwandern (1888), wo er in verschiedenen
Lebensstellungen seinen Lebensunterhalt erwarb, bis er 1895 Beamter des
Hydrographischen Amtes wurde. Nebenher war er auch ständiger Mitarbeiter
des »Argentinischen Tageblattes«, für das er zahlreiche geographische Auf-
sätze schrieb. Seine letzte Arbeit handelt über die »Temperatur- und Regen-
verhältnisse Argentiniens« (1902); auch eine -oMapa fisico dt la Repubika
Argentina*f< und y>Mapa politka« gab er noch heraus; eine groß angelegte Mono-
graphie über die Anden ist unvollendet geblieben. Nach längerer Krankheit
starb Ch. in großer Armut.
Vgl. Rundschau f. Geogr., XXV, 1903, 27S/281 mit Portät.
W. Wolkenhauer.
Jung. Reischek. 201
Jung, Karl Emil, Dr. jur., geographischer Schriftsteller, * am i. Februar
1836 zu Grofi-Machenow bei Berlin, f am 2. Oktober 1902 zu Leipzig
im 67. Lebensjahre. — Nach Besuch der Gymnasien in Schulpforta und
Magdeburg widmete J. sich dem Studium der Rechtswissenschaft, verfolgte
aber die juristische Laufbahn nicht weiter, sondern ging, nachdem er den
juristischen Doktortitel erlangt hatte, nach England, wo er einige Zeit im
Eton College Unterricht im Deutschen und Lateinischen erteilte. In der zweiten
Hälfte der fünfziger Jahre siedelte er nach Südaustralien über; zunächst
wirkte er hier als Lehrer am St. Peters College in Adelaide, wurde später bei
Errichtung der Universität in Adelaide zum Professor der klassischen Sprachen
berufen und übernahm endlich die Stellung als Schulinspektor der Kolonie.
Nach iSjähriger Tätigkeit in Südaustralien kehrte J. Mitte der siebziger Jahre
nach Deutschland zurück, nahm seinen Wohnsitz zuerst in Leipzig, dann in
Wiesbaden und Eisenach und zuletzt wieder in Leipzig und widmete sich
der Schriftstellerei. Hin und wieder übernahm er feste Stellungen, z. B. als
Redakteur an Meyers Konversationslexikon, als Redakteur in der Tagespresse,
als Generalsekretär des Kolonialvereins; aber diese regelmäßige Tätigkeit
entsprach seinen Neigungen so wenig, daß er stets wieder zur Schriftstellerei
zurückkehrte. Fast allen deutschen geographischen Zeitschriften und auch
anderen Blättern lieferte er geographische und statistische Aufsätze über
Australien und war bald als bester Kenner Australiens anerkannt. Auch durch
Vorträge in den geographischen Gesellschaften und anderen Vereinen suchte
er die australischen Kolonien in der alten Heimat besser bekannt zu machen.
Unter seinen selbständigen Werken sind zu erwähnen : »Australien und Neu-
seeland« (Leipzig 1879); »I^er Weltteil Australien« (Bd. VI, VIII, ?:i u. XIII
in der Sammlung »Das Wissen der Gegenwart«, Leipzig. 1882 und 1883);
j^Deutsche Kolonien. Ein Beitrag zur besseren Kenntnis des Lebens und
Wirkens unserer Landsleute in allen Erdteilen« (1883, 2. Aufl. 1885); »Handels-
geographisches Lexikon« (1884); »Das Deutschtum in Australien und Ozeanien«
(München 1902).
Vgl. Deutsche Erde, Nachruf von Hugo Wichmann, I, 1902. W. Wolken hau er.
Reischek, Andreas, Kustos des Linzer Museums, ♦ am 15. September 1845
in Linz, f ^"^ 4- April 1902 daselbst. — Auf Empfehlung Professor Fr. von
Hochstetters kam R. 1875 als Jäger, Sammler und Präparator an das Auck-
landinstitut auf Neuseeland und benutzte hier seinen Aufenthalt während
zwölf Jahre, 1877 bis 1889, um Neuseeland und benachbarte Inseln auf Jagd-
und Forschungsreisen zu durchstreifen und reiche, naturwissenschaftliche
Sammlungen anzulegen. Das Museum Christchurch ist zum großen Teile von
R. eingerichtet worden; aber auch zahlreiche andere wissenschaftliche Samm-
lungen in Europa und Amerika haben durch ihn ansehnliche Bereicherung
erfahren. Eine wertvolle Privatsammlung, die er bei seiner Rückkehr im Mai
1889 mitbrachte, erwarb das k. k. Naturhistorische Hofmuseum in Wien. Im
Jahre 1893 wurde er in seiner Vaterstadt Linz zum Aufstellen der Sammlungen
des dortigen Landesmuseums Francisco -Carolinum berufen und nach Durch-
führung dieser Arbeit zum Kustos desselben bestellt. Schon nach wenigen
Jahren erlag er einem mehrjährigen Leiden.
Vgl. D. Rundschau f. Geogr., XXIV, 1902, mit Porträt. W. Wolkenhauer.
202 Kühler. Leeb. von Hötzl.
Köhler, August, Gouverneur der deutschen Togokolonie, ♦ am 30. Sep-
tember 1858 in Eltville (im Rheingau) als Sohn des Königlich preußischen
Domänenrats Köhler, f am 20. Januar 1902 in Lome am Herzschlag. — K.
besuchte die Realschule in Langenschwalbach und das Gymnasium zu
Weilburg a. L., das er Ostern 1878 mit dem Reifezeugnis verließ, um in Bonn
und Leipzig sich den Rechts- und Staatswissenschaften zu widmen. Nach-
dem er 1889 die Staatsprüfung bestanden hatte, wurde er 1891 zur Vorbereitung
für den Kolonialdienst in die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes ein-
berufen und bereits im Juni desselben Jahres dem kais. Kommissar des
südwestafrikanischen Schutzgebietes v. Frangois als Richter und Stellvertreter
in den Verwaltungsgeschäften beigegeben. 1894 nach Deutschland beurlaubt,
wurde er nach abermaliger Beschäftigung im Auswärtigen Amt im Februar
1895 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Landeshauptmanns von Togo
betraut und im November 1895 zum Landeshauptmann ernannt. 1897 nahm
er an den Verhandlungen mit Frankreich über die Abgrenzung der Kolonien
Togo und Dahome teil; bald darauf wurde er zum Gouverneur von Togo
ernannt. Unter seiner Verwaltung hat diese Kolonie in ungestörter Entwick-
lung nach außen und innen einen bedeutenden Aufschwung genommen. Sein
Tod im besten Mannesalter ist für die deutsche Kolonialverwaltung ein
schwerer Verlust.
Vgl. Deutsches Kolonialblatt, XIII, 1902, S. 63. W. Wolkenhauer.
Leeb, Michael, O. S. Ä, Prior von Weltenburg a. D., * 26. September 1822
zu Kempten, f 25. Dezember 1902 zu Weltenburg. — L. studierte zuerst
Jurisprudenz an der Universität München, trat dann am 15. April 1845 im
Kloster Metten in den Benediktinerorden, legte am 26. April 1846 Profeß ab
und wurde am 22. Juli 1846 zum Priester geweiht. Hierauf wirkte er lange
Jahre als Studienlehrer teils in Metten, teils (1847 bis 1857) am k. Erziehungs-
institut in München. 187 1 wurde er Inspektor der vereinigten Klostersemi-
narien in Metten, am 11. Juni 1874 Prior des selbständigen Priorates W^eltenburg.
Vgl. Studien und Mitteilungen aus dem Benediktinerorden, 24. Jahrg., 1903, S. 553 f.
F. Lauchert.
Hötzl, Petrus v. Alcantara von, O. S, Fr., Bischof von Augsburg, ♦ 6. August
1836 zu München, f 9. März 1902 zu Augsburg. — H. besuchte die Volks-
schule in München und absolvierte die Gymnasialstudien dort und in Freising.
Am 28. November 1856 trat er im Kloster zu St. Anna in München in den
Franziskanerorden, legte am 27. Oktober 1857 Profeß ab, studierte an der
Universität und im Kloster Theologie und wurde am 30. März 1860 zum
Priester geweiht. Nachdem er ein Jahr in den Klöstern zu Dietfurt und
Landshut in der Seelsorge gewirkt hatte, wurde er als Lektor der Philosophie
und Theologie in das Münchener Kloster zurückberufen. Neben dem Lehr-
amte verwaltete er späterhin nacheinander mehrere Jahre auch die Ämter
des Kleriker-Magisters, Provinz-Definitors und Provinz-Kustos. Am 6. August
1891 wurde er zum Ordensprovinzial der bayerischen Franziskaner-Ordens-
provinz gewählt und nach Ablauf der dreijährigen Amtsdauer am 22. Sep-
tember 1894 wiedergewählt. Am 7. November 1894 wurde er vom Prinz-
regenten Luitpold zum Bischof von Augsburg ernannt, am 18. März 1895 von
von Hötzl. Wehofer. 263
Papst Leo XIII. präkonisiert, am i. Mai vom Erzbischof von Thoma von
München und Freising in der Kathedrale zu Augsburg konsekriert und in-
thronisiert. Besondere Fürsorge wandte er als Bischof der Ausbildung des
Klerus zu, sollte aber die Verwirklichung seines Planes der Gründung eines
Priesterseminars in Augsburg, in welchem die Priesteramtskandidaten nach
Vollendung der theoretischen Studien während eines weiteren Jahres praktisch
und asketisch ausgebildet werden sollten, nicht mehr erleben. Ferner ist
aus seiner bischöflichen Wirksamkeit die Einführung der ewigen Anbetung
in der Diözese Augsburg hervorzuheben. Im Oktober 1900 wohnte er in
Rom der Seligsprechungsfeier der seligen Crescentia von Kaufbeuren bei.
Am 27. August 1901 ernannte ihn Papst Leo XIII. zum Comes Romanus,
päpstlichen Hausprälaten und Thronassistenten. Seit 1898 war er auch Reichs-
rat der Krone Bayern. — Schriften: »Ist Döllinger Häretiker?« (München 1870);
Das kleine Officium Unserer Lieben Frau für Verständnis und Betrachtung
ausgelegt« (München 1876); »Geschichte der Klosterpfarrkirche St. Anna in
München« (München 1879); »Jakob und Esau. Typik und Kasuistik. Eine
historisch-dogmatische Untersuchung« (München 1881); y>Beati Bertholdi a
Ratisbana sermones ad reiigiosos XX ex Erlangensi codice una cum sermone in
honorem S. Francisci e duobus codicibus Monacensibus in centenarium septimum
familia€ Franciscanae ed,« (München 1882; die gehegte Absicht, die Herausgabe
weiterer Werke -Bertholds folgen zu lassen, kam nicht zur Ausführung). Bei-
träge zu den »Historisch-politischen Blättern«, unter denen erwähnt sei: »Das
Vatikanum und Bonifaz VIII.« (Bd. 102, i888, S. 127 — 132, 361 — 372, 418 bis
434 J gegen Berchtolds Schrift: Die Bulle Unam sanctam, München 1887).
Vgl. F. X. Schuster, Bischof Dr. Petrus von Hötzl; Augsburg 1902. (Mit Porträt.) — Augs-
burger Postzeitung 1902, Nr. 58 vom 11. März. — Die katholische Kirche unserer Zeit und
ihre Diener in Wort und Bild, Bd. II (München 1900), S. 148 f. (Mit Porträt)
F. Lauchert.
Wehofer, Thomas Maria, O. Praed.^ * 4. März 1870 zu Wien, f 3. März
1902 ebenda. — W. trat zu Graz in den Dominikanerorden ein und legte
am 8. September 1888 die einfachen, drei Jahre später die feierlichen Gelübde
ab. Die philosophischen und theologischen Studien absolvierte er an den
Hausstudien der Dominikaner in Graz und Wien, während er auch Vorlesungen
an der Universität hörte, empfing am 19. März 1893 die Priesterweihe
und promovierte 1895 als Dr. phil. in Wien, Sommer 1898 als Dr. theol. in
Tübingen. Von Herbst 1895 bis 1898 war er Professor an der Minerva in
Rom. Im Herbst 1898 wurde er nach Graz zurückgerufen und dozierte am
Hausstudium daselbst Kirchen- und Dogmengeschichte, Geschichte der Philo-
sophie und Propädeutik der Geschichte. 1899 übersiedelte er nach Leitmeritz
in Böhmen, trat dann aus dem Orden aus und habilitierte sich 1901 an der
philosophischen Fakultät in Wien als Privatdozent für byzantinische Geschichte
und Literatur. — Seine wichtigeren Arbeiten sind: »Die Apostel Chinas. Der
selige Bischof Petrus Sanz und seine Gefährten. Kreuzesblüten aus der Ge-
schichte der Dominikanermission« (Freiburg i. B. 1894); »Das Lehrbuch der
Metaphysik für Kaiser Joseph IL, verfaßt von P. Josef Frantz« (Paderborn
1895); »Philologische Bemerkungen zur Aberkiosinschrift« (Römische Quartal-
schrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte, 10. Jahrg.
264 Wehofer. Otto.
1896, S. 63 — 84; vgl. ferner ebenda S. 351 — 378 und S. 405!.); »Die Schrift
von Gerard de Frachet ^ Vitas Fratrum O. /*.«, eine noch unbenutzte Quelle
zur Philosophiegeschichte des 13. Jahrhunderts« (Jahrbuch für Philosophie und
spekulative Theologie, 11. Bd. 1896, S. 17 — 41); »Die Apologien Justins des
Philosophen und Märtyrers in literarhistorischer Beziehung zum erstenmal
untersucht. Eine Vorstudie zur Kirchen- und Philosophiegeschichte des
II. Jahrhunderts« (Rom 1897; = Römische Quartalschrift, 6. Supplementheft);
»Die geistige Bewegung im Anschluß an die Thomas-Enzyklika Leos XIII.
vom 4. VIII. .1879« (Wien 1897; = Vorträge und Abhandlungen herausgeg.
von der Leo -Gesellschaft, 7. Heft); »Schwester Marie -Madeleine aus dem
3. Orden des hl. Dominicus. Sophie Charlotte Herzogin v. Alengon, geb.
Herzogin v. Bayern. In Briefen an einen Freund aus demselben 3. Orden
geschildert« (München 1898); »Die Neugestaltung der Wiener k. k. theologi-
schen Fakultät. Im Anschluß an Dr. Truxas Maurer-Biographie« (Histor.-polit.
Blätter, Bd. 121, 1898, S. 124 — 137, 161 — 174); »Der Dominikaner und Wiener
Universitätsprofessor Petrus Gazzaniga über den pädagogischen Wert der
scholastischen Methode des 18. Jahrh.« (Mitteilungen der Gesellschaft für
deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte, 8. Jahrg. 1898, S. 191 — 197); »Unter-
suchungen zur altchristlichen Epistolographie« (Wien 1901; aus den Sitzungs-
berichten der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, phil.-hist. Klasse,
143. Bd.); »Sprachliche Eigentümlichkeiten des klassischen Juristenlateins in
Novatians Briefen« (Wiener Studien, 23. Bd. 1901, S. 269 — 275). Für die
8. Auflage von Überwegs »Grundriß der Geschichte der Philosophie« (Berlin
1898) übernahm W. die Neubearbeitung des Abschnittes: »Die volle Ausbildung
und Verbreitung der Scholastik« (S. 253 — 313).
Die biographischen Dciten verdanke ich der gütigen Mitteilung des Herrn P. Reginald
Schuhes O. Praed. Lektor der Theologie in Graz. F. Laucher t.
Otto, Carl, Konvikts-Präfekt a. D. in Breslau, Historiker, * 12. November
1832 zu Neustadt in Oberschlesien, f 23. Februar 1902 zu Breslau. — O.
besuchte von Herbst 1844 bis 1851 das Gymnasium zu Neisse, studierte
1851 — 1854 Theologie an der Universität Breslau, trat im Sommer 1854 da-
selbst in das Priesterseminar ein und empfing am 30. Juni 1855 ^^^ Priester-
weihe. Seine erste Anstellung erhielt er hierauf als Kaplan in Brieg, wo er
auch als Religionslehrer für die katholischen Schüler des Gymnasiums tätig
war. Im Herbst 1857 wurde er als Repetent an das theologische Konvikt
in Breslau berufen, wurde am 9. August 1862 Dr. theol. (Würzburg), am
14. November 1864 Präfekt des theologischen Konvikts in Breslau, auch
Benefiziat an der Domkirche und seit dem 15. Januar 1865 Bücherzensor.
In dieser ganzen Zeit half er auch in der Seelsorge und auf der Kanzel aus.
Er blieb in Breslau wohnen, nachdem die erzwungene Schließung des Konvikts
im Kulturkampf 1876 seiner Tätigkeit als Präfekt ein Ende gemacht hatte.
Schon bald darauf begann aber seit 1877 das schwere und langwierige Nerven-
leiden, das ihm von da an bis zu seinem Tode eine Fortsetzung seiner schrift-
stellerischen Tätigkeit nicht mehr gestattete, obwohl er im vollen Besitz
seiner Geisteskräfte fortfuhr, sich mit der neueren wissenschaftlichen Literatur
zu beschäftigen. — Schriften : »Z>tf causa Rothadi episcopi Suessionensis^ (Diss,^i862)\
*De Johanne V. Turzone episcopo IVratisiaviensi commentatio^s. (Breslau 1865).
Otto. Granderath. 265
Verschiedene kleinere Arbeiten erschienen in der »Zeitschrift für Geschichte
und Altertum Schlesiens« Bd. 7, 11, 12, im »Schlesischen Kirchenblatt« 1873 und
1875, ^^ ^^^ »Historisch-politischen Blättern« Bd. 74, 1874. Sein Hauptwerk
sollte eine große Biographie des Cochläus werden, für die er viele Jahre
hindurch in umfassendster und gründlichster Weise das handschriftliche und
gedruckte Material sammelte, die er aber unter der Ungunst der Verhältnisse
und später infolge seiner Erkrankung leider in der geplanten Weise nicht
vollenden konnte. Schon 1866 veröffentlichte er die Abhandlung: »Das Collo
quium des Cochläus mit Luther zu Worms auf dem Reichstage 1521« (öster-
reichische Vierteljahresschrift für katholische Theologie, 5. Jahrg., S. 83 — 114),
acht Jahre später als einen bedeutungsvollen größeren Ausschnitt aus dem
geplanten Werk die Schrift: »Johannes Cochläus der Humanist« (Breslau
1874), auch nach den seitdem erschienenen neueren Arbeiten immer noch das
Gründlichste, Gediegenste und Würdigste, was über den großen katholischen
Vorkämpfer geschrieben wurde. Im folgenden Jahre erschien von O.s Hand
noch die Festschrift zum 50 jährigen Priesterjubiläum des Fürstbischofs
Dr. Heinrich Förster: »Der schlesische Klerus im Kriegsjahre 1813 und die
Errichtung des Landsturms« (Breslau 1875). O. bearbeitete auch die 6. bis
8. Auflage von Karl Bartheis »Religionsgeschichte vom katholischen Stand-
punkte aus, für höhere Schulanstalten verfaßt« (Breslau 1868; Stuttgart 1874,
1879).
Vgl. J. Jungnitz, Karl Otto. Ein Lebensbild. Breslau 1874. F. Lauchert.
Granderath, Theodor, 5. /.. * 19. Juni 1839 ^^ Giesenkirchen (Rhein-
provinz), f 19. März 1902 zu Valkenberg (Holland). — G. absolvierte das
Gymnasium zu Neuß und studierte Theologie in Tübingen. Am 3. April 1860
trat er zu Münster i. W. in das Noviziat der Gesellschaft Jesu. 1862 — 1874
studierte er Rhetorik, Philosophie, Theologie und Kirchenrecht. 1874
wurde er Professor des Kirchenrechts im Kollegium der Gesellschaft Jesu zu
Ditton Hall in England; 1876 — 1887 wirkte er daselbst als Professor der
Dogmatik und Apologetik. Seit 1887 bereitete er im Kollegium zu Exaeten
(Holland) als Nachfolger von P. Schneemann die Herausgabe der Ac/a et decreta
Concilii Vaticani vor. 1893 siedelte er nach Rom über, wo ihm Papst Leo XIII.
das Archiv des vatikanischen Konzils zur Abfassung einer Geschichte des
Konzils öffnete. 1897 — 1898 hielt er auch vertretungsweise Vorlesungen über
Apologetik an der Univtrsitas Gregoriana. Im Herbst 1901 begab er sich
wegen angegriffener Gesundheit in das Kollegium zu Valkenberg (Holland),
wo er seine Konzilsgeschichte ausarbeitete und nach wiederholten Schlag-
anfällen am 19. März 1902 starb. — Von der reichen wissenschaftlichen Tätig-
keit Granderaths sind in erster Reihe die monumentalen Werke über das
vatikanische Konzil zu nennen. Als 7. Band der Acta et Decreta sacrorum
Conciliorum recentiorum, CoUectio Lacensis, erschien: *Acta et Decreta sacrosancti
oecumenici Concilii Vaticani* (Freiburg i. Br. 1890). Zwei Jahre später folgte:
*ConstittUumes dogmaticae ss. oecumenici Concilii Vaticani ex ipsis eius actis expli-
catae atque illustratae* (ebenda 1892). Von der großen »Geschichte des Vati-
kanischen Konzils von seiner ersten Ankündigung bis zu seiner Vertagung.
Nach den authentischen Dokumenten dargestellt«, deren Herausgabe P. Kon-
rad Kirch 5. J. nach dem Tode des Verfassers übernahm, sind inzwischen
206 Grandcrath. Gaßner.
die beiden ersten, von G. noch dnickfertig abgeschlossenen Bände erschienen
(Freiburg i. Br. 1903; Bd. I: Vorgeschichte; Bd. II: Von der Eröffnung des
Konzils bis zum Schlüsse der dritten öffentlichen Sitzung); das Erscheinen
des 3. Bandes, den G. ebenfalls noch zum größten Teile ausarbeiten konnte,
steht noch aus. In diesem bedeutenden Werke sind für die Darstellung
der Konzilsverhandlungen zum erstenmal die vollständigen Konzilsakten, vor
allem die in den Generalkongregationen gehaltenen Reden verwertet. Von
den zahlreichen apologetischen, dogmatischen und kirchengeschichtlichen
Artikeln, die G. in Zeitschriften veröffentlichte, seien folgende genannt: In
den »Stimmen aus Maria-Laach«: »Die Papstwahl« (6. Bd. 1874, S. 401 — 415;
7. Bd. 1874, S. 139 — 155); »Die Regierungen und die Papstwahl« (8. Bd. 1875,
S. 36 — 52, 180 — 196, 386 — 408; 9. Bd. 1875, S. 117 — 137); »Die Trümmer des
israelitischen Volkes als Zeugen für den göttlichen Ursprung des Christen-
tums« (17. Bd. 1879, S. 42 — 66, 181 — 200); »Von Galway durch Connemara
nach Westport« (23. Bd. 1882, S. 172 — 185, 284 — 298; Schilderung einer Reise
in Irland); »Der Umfang der päpstlichen Unfehlbarkeit nach dem Lehrdekrete
des vatikanischen Konzils« (38. Bd. 1890, S. 49 — 69, 162 — 183); »Das undog-
matische Christentum« (40. Bd. 1891, S. 22 — 46, 178 — 194, 274 — 287); »Kaftans
neues Dogma« (41. Bd. 1891, S. 163 — 176, 266 — 280); »Amateur-Christentum«
(43. Bd. 1892, S. 166 — 182); »Die alten Gottesbeweise und die moderne
Wissenschaft« (44. Bd. 1893, S. i — 12, 147 — 160); »Albrecht Ritschi über das
Gottesreich« (45. Bd. 1893, S. i — 12, 148 — 157); »Albrecht Ritschis Lehre über
die Gottheit Christi« (45. Bd. 1893, S. 213 — 229, 338 — 344); »Religion und
Christentum nach Albrecht Ritschi« (46. Bd. 1894, S. 144 — 156, 254 — 268);
»Der Atheismus und seine Folgen« (48. Bd. 1895, S. 372 — 384, 495 — 515);
»Die ersten Debatten über den kleinen Katechismus auf dem vatikanischen
Konzil« (57. Bd. 1899, S. 379 — 398). In der »Zeitschrift für katholische Theo-
logie«: »Die Kontroverse über die Formalursache der Gotteskindschaft und
das Tridentinum« (5. Jahrg. 188 1, S. 283 — 319; gegen Scheeben; fortgesetzt
wird die Kontroverse in den weiteren Artikeln: 7. Jahrg. 1883, S. 491 — 540;
593 — ^3^» 8' J^hrg. 1884, S. 545 — 579; die Gegenartikel von Scheeben er-
schienen im »Katholik« 1883 und 1884); »Die Notwendigkeit der Offenbarung'
(6. Jahrg. 1882, S. 283 — 318); »Spekulative Erörterung über die Existenz von
Mysterien und die Möglichkeit ihrer Offenbarung« (10. Jahrg. 1886, S. 497 bis
511, 595 — 602). Im »Katholik«: »Zum tridentinischen und vatikanischen Dekrete
über die Auslegung der heiligen Schrift« (1898, II, S. 289 — 316, 385 — 411).
Für die 2. Auflage des Kirchen-Lexikons von Wetzer und Weite verfaßte G.
die Artikel: »Häresie« (V, 1442^1451); »Papalsystem« (IX, 1370 — 1377); »Vati-
kanisches Konzil« (XII, 607 — 633).
Die biographischen Daten verdanke ich der gütigen Mitteilung des Herrn P. Konrad
Kirch S.y,m Valkenberg. F. Laucher t.
Gafiner, Andreas, emeritierter Professor der Theologie in Salzburg,
♦ I. Oktober 18 19 zu Anthering (Salzburg), f 27. März 1902. — G. wurde am
I. August 1843 zum Priester geweiht und wirkte von 1859 — 1892 als Professor
der Pastoraltheologie in Salzburg. Er war auch päpstlicher Ehrenkämmerer
(seit 1867) und fürsterzbischöf lieber geistlicher Rat. — Schriften: »Ausführ-
licher Unterricht über die Ehe für Brautleute und Verehelichte« (Schaffhausen
Gaßner. Stahl. Buschmann, von Bennigsen. 207
1853; 2. Aufl. 1855; 3. Aufl. unter dem Titel: »Das heilige Sakrament
der Ehe. Ausführlicher Unterricht . . .« Regensburg 1875; 4- Aufl. Regens-
burg 1901); »Handbuch der Pastoral« (2 starke Bde., Salzburg 1867 — 1870);
»Pastoral. Bearbeitet für angehende und wirkliche Seelsorger« (Salzburg
1881). Von 1861 — 1884 redigierte G. das Salzburger Kirchenblatt.
Vgl. Deutscher Hausschatz 1902, Beilage S. 92. F. Lauchert.
Stahl, Ignaz, Professor der Theologie in Würzburg, * 30. September 1837
zu Stadtprozelten in Bayern, t S^- März 1902. — St. besuchte das Gymnasium
zu Würzburg, absolvierte dann die philosophischen und theologischen Studien
1856 — 1863 im Collegium Germanicum zu Rom und wurde daselbst Dr. phil.
et theol. und Priester. Nachdem er hierauf zunächst zwei Jahre als Kaplan
in Aschaffenburg gewirkt hatte, ernannte ihn sein Oheim, der Bischof von
Würzburg Anton von Stahl, zu seinem Sekretär. Er begleitete denselben
auch nach Rom zum vatikanischen Konzil. Am 4. Februar 1869 habilitierte
er sich als Privatdozent in der theologischsn Fakultät zu Würzburg für Dog-
matik und Apologetik. 1877 erhielt er einen Ruf als außerordentlicher Pro-
fessor an die Akademie Münster, den er ablehnte. Am 12. Februar 1894
wurde er zum Honorarprofessor ernannt, 1901 kgl. geistlicher Rat. — Schriften:
»Die natürliche Gotteserkenntnis aus der Lehre der Väter dargestellt« (Regens-
burg 1869); »Georg Anton v. Stahl, Bischof von Würzburg. Ein Lebensbild«
(Würzburg 1873); »Johann Valentin von Reißmann, Bischof von Würzburg«
(W^ürzburg 1873); »Die heilige Weihe des Bischofes nach dem römischen
Pontificalbuch« (Würzburg 1879; 4. Aufl. 1899). Ferner besorgte er die 7. und
8. Aufl. von Denzingers r>Enchiridion Symbolorum et DefinitionuM<^ (Würzburg 1894,
1899). Die 2. Auflage des Kirchen-Lexikons von Wetzer und Weite enthält
in den beiden ersten Bänden (1882 f.) eine Reihe von Beiträgen von seiner
Hand.
Vgl. M. V. Schanz, Festrede zur Feier des 320jährigen Bestehens der Universität Würz-
burg (Wtirzburg 1902), S. 26 f. F. Lauchert.
Buschmann, Johann Joseph, Stiftspropst in Aachen, ♦ 7. April 1833 zu
Cöln, f 22. April 1902 zu Aachen. — Am 3. September 1860 zum Priester
geweiht, wurde er noch in demselben Jahre Lehrer an der höheren Stifts-
schule in Aachen, die er später lange Jahre, von 1865 bis zu ihrer Aufhebung
1892, als Rektor leitete. Seit 1870 war er zugleich Canonicus am Stiftskapitel;
1873 wurde er Dr. theol.; am 2. August 1890 wurde er als Stiftspropst installiert.
— In drei Schulprogrammen veröffentlichte B. die Arbeit: »Eine exegetische
Studie über den Logos des Philo« (Jahresbericht über die Höhere Stifts-Schule
zu Aachen 1871/72, 1872/73, 1875/76).
V'gl. Echo der Gegenwart (Aachen), 1902, Nr. 295 vom 24. April; Nr. 308 vom 29. April.
F. Lauchert.
von Bennigsen, Karl Wilhelm Rudolf, deutscher Staatsmann, * 10. Juli 1824
zu Lüneburg im Königreich Hannover, f 7- August 1902 auf seinem Gute Bennig-
sen (im Kreise Springe, Provinz Hannover). — Die zu dem niedersächsichen ür-
adel zählende Familie von Bennigsen gehörte zu jener geschlossenen Kaste der 70
bis 80 adligen Familien, die in dem Hannover des 18. Jahrhunderts ein von oben
268 ^'^^ Bennigsen.
wenig beschränktes Junkerregiment geführt hatten, und auch in dem selbständigen
Königreiche, trotz ihres verhältnismäßig geringen Grundbesitzes, die erste Rolle
auf politischem und sozialem Gebiet, als Inhaber sämtlicher Ämter in der
Verwaltung und vieler in der Justiz, zu spielen fortfuhren. Niemals hat
der Charakter B.s diese Herkunft aus Landschaft und Stand verleugnet: er
war ein Niedersachse — unter den in der neueren deutschen Politik hervor-
tretenden »Hannoveranern« (Miquel, Windthorst, Planck) eigentlich der
einzige richtige Niedersachse — und verkörperte die Eigentümlichkeiten
seines Stammes, die ruhige, zähe, zurückhaltende, zuverlässige, männliche
Art, die bei allen ihren konservativen Vorzügen doch nur selten die Männer
der großen geistigen Initiative oder des politischen Genius hervorgebracht
hat; und zugleich war und blieb er, der aus dem politischen Milieu seiner
Kaste heraustrat und sein Leben lang für das politische Aufsteigen des deut-
schen Bürgerstandes gekämpft hat, immer in Haltung und Erscheinung der
hannoversche Edelmann. Zu der engeren Clique der eigentlich regierenden
Familien Hannovers hatten die Bennigsen bisher nicht gehört; in den Ver-
waltungsämtem des Landes findet man sie nur in den unteren Instanzen,
viel häufiger dagegen im Heere. Aus dem hannoverschen Heer war der
erste Mann des Geschlechtes hervorgegangen, der sich einen größeren ge-
schichtlichen Namen im Auslande erwarb, der russische Feldmarschall Graf
L. A. Bennigsen. Auch der Vater B.s war nach anfänglichem Studium der
Rechte, er war 1813 gerade Advokat in Celle geworden, bei Beginn des Be-
freiungskrieges in das Bataillon seines Vaters getreten und hernach im Frieden
in der militärischen Laufbahn verblieben ; er stieg allmählich zum Komman-
deur des Garderegiments in Hannover auf, um 1843 ^"s dem Frontdienste
zu scheiden und als Oberst die Geschäfte des hannoverschen Bevollmäch-
tigten bei der Bundes-Militärkommission in Frankfurt zu übernehmen. In
den wechselnden Garnisonen des Vaters verlebte der junge Rudolf, der
Älteste von neun Kindern, seine Jugend, erst in Lüneburg, von 1829 — 1833
in Hameln, dann bis 1838 wieder in Lüneburg und bis 1842 in Hannover,
wo er nach Absolvierung des Lyzeums im Oktober 1842 sein Abiturienten-
examen ablegte.
Er entschloß sich, da der Soldatenstand in Friedenszeiten ihn nicht sehr
anzog, zum juristischen Studium, »auch nicht aus Vorliebe«, wie er schrieb,
»sondern vielmehr, weil der juristische Staatsdienst mir als Adligen fast als
das einzige andere Fach erscheinen mußte«. Auch verflossen ihm seine
Studienjahre in Göttingen, seit Oktober 1843 in Heidelberg, und seit Ostern
1845 wieder in Göttingen, weniger in ernster Arbeit, als vielmehr, nach seinem
eigenen Urteil, in einem wilden und leidenschaftlichen Studentenleben; als
Senior des Corps Hannovera in Göttingen, dem auch Bismarck einst an-
gehört hatte, und des Corps Vandalia in Heidelberg genoß er reichlich alle
Jugendfreuden. Zugleich aber trat in den Heidelberger Semestern der Geist
des badischen und deutschen Liberalismus, in Schlosser, Gervinus, Mittermaier
verkörpert, ihm näher und begann seine empfängliche und schwungvolle
Natur aus der regelrechten Bahn der Anschauungen seiner Standesgenossen
hinauszulocken: die erste Grundlage seiner Überzeugungen ist wohl damals
gelegt worden. Nachdem er um . Ostern 1846 in Hannover sein erstes
Examen bestanden hatte, wurde er als Amtsauditor dem Amte Lüchow (im
von Bennigsen. 200
hannoverschen Wendlande) überwiesen. Als Mitgliede der herrschenden
Klasse im Staate stand ihm bei seinen Fähigkeiten eine gute Laufbahn in
Aussicht. Aber schon bald strebte er wieder aus ihr hinaus und machte im
September 1846 seinem Vater den Vorschlag, entweder gleich seinen Abschied
zu fordern und sich in Heidelberg auf die akademische Laufbahn, auf
dem Gebiete der Staatswissenschaften, vorzubereiten, oder zunächst um
einen einjährigen Urlaub behufs weiterer Staats wissenschaftlicher Ausbildung
einzukommen und nur im Fall der Versagung aus dem Dienste zu scheiden.
Manche Motive wirkten zu diesem Entschlüsse zusammen, die Abneigung
gegen das Mechanische und Kleinliche des Dienstes, gegen die engen Ver-
hältnisse seines hannoverschen Mittelstaates, ein unruhiges Hinausdrängen auf
den größeren Schauplatz seines deutschen Vaterlandes und in eine freiere,
bewegtere Atmosphäre des geistig-politischen Lebens, und am tiefsten Grunde
das Gefühl, mit seinen politischen Anschauungen in einer Beamtenlaufbahn
wie der hannoverschen und zumal in einer Zeit, wo alles sich zur Entschei-
dung zuzuspitzen schien, nicht am rechten Platze zu stehen. Für das
kommende wollte der junge Liberale ein freier Mann sein. Er wollte in die
Wissenschaft, einem auf das Erkennen gerichteten Zuge seines Wesens
folgend; denn über sein Fach hinaus hatte er sich schon damals, ein eifriger
Leser, mannigfach in Geschichte, Volkswirtschaft und Philosophie umgesehen,
wie er denn in seinem Leben immer fortfuhr, sein ganzes Bestreben auf die
breitere Basis allgemeiner Bildung zu stellen; aber über die Wissenschaft
hinweg gedachte er doch, wie es im Geiste des damaligen Liberalismus lag,
auf die Praxis des Lebens zu wirken und zu dem höheren Ziel politischer
Tätigkeit durchzudringen. Wenn man den innersten Kern des Staatsmannes B.
aufsucht, beobachtet man immer wieder, daß nicht der eigentliche Macht-
trieb, die Freude an der Aktion, der energische Wille das vorwärtstreibende
ist, sondern daß ein idealistischer Eifer für eine große Sache in ihm glüht
und zur eigentlichen Triebfeder für alle seine Gedanken und Handlungen wird,
daß zugleich aber ein objektiver, nachdenklich und gerecht abwägender, man
möchte sagen, im Grunde unpolitischer Zug sich in seine Urteile einmischt.
So ließ er es auch nicht, als die vorgesetzte Behörde ihm den Urlaub ver-
weigerte, auf Biegen oder Brechen ankommen, sondern gab seinen Plan
fürs erste auf und entschloß sich, in seiner Laufbahn zu verharren; die Ver-
waltung jedoch verließ er, wohl aus politischer Erwägung, um sie mit der
ihm eine größere persönliche Unabhängigkeit gewährenden Justiz zu ver-
tauschen.
Gleich nach diesem Entschlüsse — er hatte sich im Februar 1848 nach
Osnabrück als Kanzleiauditor versetzen lassen — brach die Revolution aus,
und hatte schon ihr Herannahen ihn beinahe aus der Aktenstube auf den
Markt des großen Lebens treiben wollen, so begann er jetzt mit feurigem
Eifer der gewaltigen Bewegung der Geister im Sturmjahre zu folgen. Auch
seine geistig-politische Signatur steht hinfort, wie die der ganzen Generation,
unter dem fortwirkenden Eindruck dieses Erlebnisses, das ihn in den emp-
fänglichsten Jahren innerlichst packte. Hoffnungsvoll blickte er auf das
Frankfurter Parlament, und die Ideale der konstitutionellen Monarchie und
eines deutschen Einheitsstaates erfüllten auch den jungen Beamten eines
Mittelstaates. Und wiederum versuchte er, aus der unbefriedigenden Enge
270 ^'^^ Bennigsen.
der Heimat zu flüchten und sein individuelles Bestreben mit dem zukunfts-
reichen Aufstieg der Allgemeinheit in Verbindung zu bringen; im August
und September 1848 bemühte er sich, in den diplomatischen Dienst der pro-
visorischen Zentralgewalt des Reiches einzutreten, und hoffte eine Zeit lang,
als Gesandtschaftssekretär im Haag verwendet zu werden; aber wiederum,
wohl zu seinem Heile, zerschlug sich der Plan. Nach Osnabrück, in die
»Normalstadt des deutschen Philisteriums«, wie er sie schalt, zurückgekehrt,
fand er bald an dem Auditor Gottlieb Planck, dem nachmaligen Hauptmit-
arbeiter am Bürgerlichen Gesetzbuch, der als politisch Verdächtiger eine
Strafversetzung erhalten hatte, einen politischen Gesinnungsgenossen und
einen treuen Freund für das ganze Leben. Ihm teilte er schon 1849 ^^^ seinen
Lebensplan mit, daß er eine Reihe von Jahren im Staatsdienste ver-
bleiben wolle; um alle Verhältnisse kennen zu lernen, dann aber in das
politische Leben einzutreten gedenke, um diesem seine ganze Kraft zu
weihen. So große Erwartungen er auf die mit der Kaiserwahl so nahe ge-
rückte Einheit des Vaterlandes gesetzt hatte, so bitter ertrug er es, daß der
große Anlauf jämmerlich zusammenbrach, und schalt nicht nur gegen die
Fürsten, sondern auch gegen die Träger der bisherigen Politik, die Erbkaiser-
lichen, »diese ins Deutsche übertragene Girondins«, die in der Stunde der Not
versagten; gar nicht radikal genug konnte er seine Stellung nehmen. Seine
Stimmung verschärfte sich noch, als er nach bestandenem zweiten Examen
(Dezember 1849) und einem kurzen Aufenthalt in Celle als Kanzleiassessor
nach Aurich versetzt wurde: die Misere des entlegenen ostfriesischen Städt-
chens und eines kollegialen Umgangs ohne Anregung, vor allem aber der
Druck der hereinbrechenden Reaktion ließen ihn die Aussichtslosigkeit der
Zustände immer stärker empfinden. Nachdem er dann auf kurze Zeit nach
Osnabrück zurückversetzt war, wurde ihm 1852, wie erzählt wird, auf grund
einer Empfehlung des Justizministers Windthorst, die Auszeichnung zu teil,
als Obergerichtsassessor und zweiter Staatsanwalt nach Hannover zu kommen.
Bald aber begann das Fortschreiten der allgemein deutschen Reaktion
nach Hannover hinüberzuschlagen, um schließlich auch den jungen B. aus
seiner amtlichen Stellung hinauszutreiben. Schon im Sommer 1854, als die
Agitation der hannoverschen Ritterschaft gegen die Verfassung von 1848
heftiger einsetzte und dem unmäßig gesteigerten Machtstreben des neuen
Königs Georg V. zur Hilfe kam, sah B. das kommende voraus und erbat sich
von seiner vorgesetzten Behörde die Zurückversetzung in die richterliche
Laufbahn, um nicht selbst, nach einem eintretenden Verfassungsbruch, zu den
etwaigen Ausführungsmaßregeln herangezogen zu werden. Er rechnete nur
noch mit einer kurzen Dauer seiner Beamten tätigkeit und begann an den
Übertritt in die völlige Unabhängigkeit durch Übernahme des Familiengutes
Bennigsen zu denken. Er hatte sich im April 1854 mit seiner Cousine Anna
von Reden, deren Vormund er zugleich gewesen war, verlobt und führte sie
im November heim; im Mai schrieb er seiner Braut: »Meinen Wünschen und
Neigungen würde das Leben eines größeren Landwirts vollkommen ent-
sprechen. Neben den eigenen Angelegenheiten der Landwirtschaft ist durch
unsere neue Gesetzgebung für einen verständigen und vorurteilsfreien Guts-
besitzer ein Feld der öffentlichen Tätigkeit und wohltuendsten Wirksamkeit
in der Gemeinde, Provinz und ständischen Angelegenheiten gegeben« ; öffent-
von Bennigsen. 271
liehe Tätigkeit stand auch bei diesen Plänen für ihn als das seinen Ehrgeiz
und seine Anlagen lockendste Ziel im Hintergrunde. Zunächst begnügte er
sich jedoch, eine Berufung zum Gehilfen des Oberstaatsanwalts in Celle
ablehnend, seine Versetzung als Assessor an das Obergericht in Göttingen
herbeizuführen; für die Wahl dieses Ortes war die immer wieder in ihm auf-
tauchende Neigung entscheidend, Universitätsvorlesungen staatswissenschaft-
licher und volkswirtschaftlicher Natur zu hören und durch solche Studien die
wohlerapfundenen Lücken seines Wissens für spätere Möglichkeiten auszufüllen.
Zu dieser geistigen Anregung kam hinzu, daß er auch hier in einen Kreis
gleichgesinnter politischer Freunde trat; damals schloß er mit dem wenig
jüngeren, ehrgeizigen und begabten Advokaten Johannes Miquel Freundschaft
und noch mehr: eine für das Leben dauernde politische Gemeinschaft, in der
ihre Namen eng miteinander verbunden in der großen Zeit unserer neueren
Geschichte zusainmenstehen.
In diesem Kreise geriet man in die heftigste Bewegung, als die
hannoversche Reaktion unter Mitwirkung des restaurierten Bundestages end-
lich zum Siege gelangte. Am 12./19. April 1855 erkannte der angerufene
»Reaktionsausschuß« des Bundestages die Beschwerden der Ritterschaft als
berechtigt an und verfügte die Reinigung der hannoverschen Verfassung von
einem langen Verzeichnis angeblich bundeswidriger Bestimmungen; und
in Ausführung dieser bestellten Bundesbeschlüsse oktroyierte eine königliche
Verordnung vom 4. August 1855 die einschneidendsten Verfassungsänderungen.
Es war eine Verkümmerung der Rechte der Ständeversammlung und eine Her-
stellung der ritterschaftlichen Privilegien, in der Hauptsache eine Rückkehr
zu der Verfassung von 1840. Auch der einzelne Beamte mußte von den
Konsequenzen dieses Verfassungsbruches betroffen werden, da eine weitere
königliche Verordnung alle Richter mit Dienstentlassung bedrohte, wenn sie
es wagen würden, die Verfassungsmäßigkeit oder Rechtmäßigkeit der neuen
Ordnung anzuzweifeln. Angesichts solcher Gewalt und Willkür konnte es für
B. keine Wahl mehr geben. Als ihm nach einer Wahl zum Mitglied der
Zweiten Kammer für Aurich die Erlaubnis zum Eintritt in die Stände-
versammlung ohne Angabe von Gründen, in Wahrheit wegen seiner politischen
Haltung, Anfang 1856 abgeschlagen wurde, trug er zwar den Vorfall an sich
nicht schwer; er meinte, er würde infolge seiner ständischen Tätigkeit doch
sein Amt vermutlich verloren haben, was ihm gleichgültig sei, aber er hätte
zugleich eine Art Führer der entschiedenen Opposition werden müssen, wozu
es ihm noch an Erfahrung und Kenntnissen mangle. Im Staatsdienste aber
wollte und konnte er jetzt nicht mehr verbleiben. Nachdem sein Vater ihm
im Februar 1856 das Gut in Bennigsen gegen eine Rente abgetreten hatte,
entschloß er sich, die Bewirtschaftung nach Ablauf der Pacht selbst zu über-
nehmen; »bei unseren jetzigen widerlichen Zuständen«, schrieb er im Juli
1856, »war mir doch alle Aussicht auf eine größere Tätigkeit im Staatsdienste
auf lange Zeit abgeschnitten, und meine augenblickliche Beschäftigung als
Richter, die ich überhaupt nur meiner politischen Ansichten wegen gewählt
hatte, befriedigte mich so wenig, daß ich den Tag segne, wo ich sie aufgebe.«
Im August 1856 erhielt er die Entlassung aus einem Dienstverhältnis,
in dem er sich von* Anfang an nicht wohlgefühlt hatte. Gleichzeitig waren
die Stände aufgelöst worden, und er begann sich nun mit allem Eifer an der
272 von Bennigsen.
Seite seiner Freunde in die Wahlbewegung zu stürzen. Noch in seinen
letzten Jahren betonte er wiederholt, daß er lediglich für einen Kampf gegen
die hannoversche Misere seinen Entschluß damals nicht gefaßt haben würde,
sondern es allein, wie er seinen Freunden Miquel und Planck erklärte, in der
Absicht tat, die Arbeit von 1848 wieder aufzunehmen, sowie sich ihm die
Gelegenheit dazu biete und sie die nötigen Verbindungen in Deutschland
gefunden hätten. Das war es, was er auch seinen Freunden zur Bedingung
machte: »Ich will brechen mit meiner ganzen Stellung, aber nur, wenn
Ihr bereit seid, die nationale Bewegung aufzunehmen und für die große
deutsche Nation einzutreten.« Die Nöte Hannovers wurzelten in den allge-
mein-deutschen Zuständen. So ist auch in dem Beginn der parlamentarischen
Laufbahn B.s in seiner engeren Heimat sogleich der Entschluß enthalten, alle
Kraft für eine große deutsche Bewegung einzusetzen, und auf die Ideen von
1848/49, auf den Einheitsstaat und den konstitutionellen Bundesstaat des
Frankfurter Parlaments, den der Jüngling mit Unmut hatte scheitern sehen,
griff er gereift nunmehr ausdrücklich zurück. Der Entschluß fiel ihm nicht
leicht, denn er trennte sich nicht nur vom Amte, sondern auch von seiner
Klasse, und entbehrte nicht des Empfindens für das was er aufgab. Seinen
hannoverschen Standesgenossen galt der Mann, der hinfort, an der Spitze des
liberalen Bürger- und Bauerntums, gegen Adelsprivilegien für das Recht
kämpfte, als ein ehrgeiziger Abenteurer und ein Abtrünniger; der Haß von
dieser Seite sollte sich im weiteren Verlaufe immer höher auftürmen und ihn
für seine Lebenszeit von den Kreisen, aus denen er entstammte, durch eine
tiefe Kluft trennen; umsomehr flogen dem tapferen Manne in dem anderen
Lager die Herzen zu. Da die Regierung die früheren liberalen Führer durch
willkürliche Rechtsbeugung aus der Ständeversammlung fernzuhalten ver-
stand, so geschah es, daß der 33 jährige Gutsbesitzer vom ersten Augenblick
an als der Führer der Opposition auftreten mußte; die Rolle des Partei-
führers fiel ihm von selber zu. So begann er in den nächsten Jahren den
Kampf gegen die willkürliche Beeinträchtigung der Wahlfreiheit, gegen die
Ausschaltung der Finanzverwaltung aus der ständischen Kontrolle, gegen
alle Einbrüche des königlichen Willens in die richterliche Unabhängigkeit,
gegen das ganze System, zu dem sich Krone, Adel und Bureaukratie ver-
bunden hatten. Wie einst der erste hannoversche Verfassungsbruch einen
Widerhall in ganz Deutschland gefunden hatte, so lenkte jetzt, nach dem
zweiten Verfassungsbruch, dessen die Krone sich schuldig machte, der Kampf
der hannoverschen Opposition gegen das Ministerium Borries die Augen ganz
Deutschlands auf sich. In den Jahren, wo das freie Wort unter der reak-
tionären Gewalt fast überall verstummte, schien dieser Kampf wie ein Licht-
blick und eine Vorbereitung zu neuer Erhebung; überall in Deutschland
sahen Bürgertum und Liberalismus in der Aktion B.s ihre eigene Sache ge-
fördert.
Erst die Ereignisse des Jahres 1859 erweiterten diesen immerhin engen
Schauplatz, so wie es von vornherein in den Wünschen B.s. gelegen hatte. So-
eben hatte in der großen europäischen Krisis sich der Deutsche Bund unfähig
erwiesen, für die Ehre und Sicherheit des Vaterlandes einmütig zu sorgen, und
von neuem stiegen aus allen Befürchtungen dieser Monate die Hofhiungen
der liberalen Patrioten empor, daß die Zeit für eine Umgestaltung der deut-
von Bennigsen. 273
sehen Dinge gekommen sei. Schon vordem hatte B. über die Grenzen seines
Staates hinaus Anknüpfung gesucht, mit den Kurhessen, die unter Fr. Oetker
in einem ähnlichen Kampfe wie die Hannoveraner standen; im Jahre 1858
hatte er auf dem volkswirtschaftlichen Kongreß in Gotha Fühlung mit
manchen Gleichgesinnten aus anderen deutschen Ländern genommen. Jetzt
trieb die Not der Zeit sie fester zusammen. Am 17. Juli 1859 erklärte in
Eisenach sich eine Versammlung meist thüringischer und mittelstaatlicher Demo-
kraten auf den Antrag von Schulze-Delitzsch für eine starke Zentralgewalt, eine
deutsche Nationalversammlung und die einstweilige Übernahme der militäri-
schen und politischen Leitung Deutschlands durch Preußen. Und in wesent-
lich demselben Sinne sprach sich B. am 19. Juli in einer von ihm einberufenen
Versammlung von vorwiegend hannoverschen Politikern in Hannover aus;
'»Nur eine größere Zusammenfassung der militärischen und politischen Gewalt,
verbunden mit einem deutschen Parlament, wird eine Befriedigung des politi-
schen Geistes in Deutschland, eine reiche Entwicklung seiner inneren Kräfte
und eine kräftige Vertretung und Verteidigung seiner Interessen gegen äußere
Mächte herbeiführen können. . . . Unsere Hoffnung richten wir auf die preußi-
sche Regierung. Die Ziele der preußischen Politik fallen mit denen Deutsch-
lands im wesentlichen zusammen.« So erhob sich, nur wenig verhüllt, jen-
seits der preußischen Grenzen der Gedanke eines kleineren Deutschlands
unter Preußens Führung von neuem. Es war natürlich, daß die beiden ge-
trennt entsprungenen Bewegungen in eine zusammenflössen: sie vereinigten
sich am 14. August zu Eisenach, und aus dieser Besprechung ging der am
16. September zu Frankfurt gegründete Deutsche Nationalverein hervor, der
die Bildung einer nationalen Partei in Deutschland zum Zweck der
Einigung und freiheitlichen Entwicklung des großen gesamten Vaterlandes«
auf seine Fahne schrieb. Aus Frankfurt ausgewiesen, fand der Verein in
Koburg, der Residenz des ehrgeizigen Herzogs Ernst, eine Zuflucht und
dauernde Förderung. Rudolf von Bennigsen wurde sein Vorsitzender.
So war sein Name plötzlich an die Spitze einer über ganz Deutschland
sich ausbreitenden politischen Bewegung gelangt. Der Ehrgeiz, der in diesem
nationalen Idealisten schlummert, wenngleich verhalten und nach außen kaum
sichtbar, hat ihn auf die erste Staffel seiner deutschen Laufbahn geführt.
Die Geschichte des Nationalvereins füllt neben der Fortsetzung seiner
hannoverschen Kammertätigkeit das öffentliche Wirken B.s in den Jahren
1859 — i^^^ aus: von den Verdiensten und den Irrtümern, von aller patrioti-
schen Begeisterung und allem phantastischen Schwanken des Nationalvereins
ist seine Persönlichkeit fortan nicht mehr zu trennen. In verhältnismäßig
jungen Jahren stand er als Führer da; die alte Generation der Erbkaiser-
lichen von 1848 hielt fast überall vorsichtig zurück und sympathisierte nur
halb mit dem kecken Versuche, die breiten Massen für ihre wieder auf-
genommenen Ideale zu erobern; denn die Reichsverfassung von 1849 war
auch das Zeichen, unter dem die Jungen siegen wollten ; aber nur wenige der
bekannteren Namen, wie die Preußen v. Unruh und Schulze-Delitzsch, denen
B. auch persönlich nähertrat, gesellten sich zu ihnen, der Führung des
Nichtpreußen sich unterordnend. Es waren Liberale und Demokraten neben-
einander, zum erstenmal nach einem Jahrzehnt aus allen deutschen Gauen
sich zusammenfindend, als erster Anfang einer neuen Parteiorganisation.
Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nckrolo^^. 7. Bd. jg
274 ^^^ Bennigsen.
Indem sie in allen deutschen Staaten die Gesinnungsgenossen aufrüttelten
und zum Bewußtsein gemeinsamer Ziele brachten, indem sie durch die uner-
müdliche Propaganda des Vereins, durch seine großen und kleinen Versamm-
lungen, durch seine Wochenschrift und seine Flugblätter, schliesslich durch
Anknüpfung mit den einzelnen liberalen Landesparteien das politische Leben
ununterbrochen auf das eine Ziel der Zukunft hinwiesen, streuten sie manchen
Samen, der in der Folge zu herrlicher Blüte aufschoß. Der Verein wuchs
zunächst rasch an; im Mai 1860 zählte er 5000, im September 1861 etwa
17000, im September 1862 26000 Mitglieder; waren die Zahlen auch mit
den großen Bildungen des englischen Parteilebens noch nicht zu vergleichen,
so stellte sich in ihnen doch schon eine ansehnliche Gruppe der für Einheit
und freie Verfassung sich begeisternden bürgerlichen Elemente dar; wer über
sie aburteilen will, mag auch berücksichtigen, daß damals Mut zum Bekennen
und idealistischer Schwung zum Festhalten inmitten der allgemeinen Resigna-
tion gehörte. Verfolgung und Anfeindung schmiedeten sie zusammen; hinter
ihnen stand das in wirtschaftlicher Tüchtigkeit und sozialer Geltung aut-
strebende Bürgertum; mit dem großen Gedanken, endlich ein Volk werden
zu wollen, und mit der ganzen liberalen Ideenwelt, die in Westeuropa zum
Siege gelangt war, hatte es sich verbündet. Nicht in einem enthusiastischen
Anlauf wie 1848 wollte man das Ziel erreichen, sondern in langsamer Arbeit
-erziehen, um für die Stunde der Entscheidung fertig zu sein. So wurde der
Nationalverein zu einer Schule, die den Übergang zu neuen politischen
Formen, wie sie in vieler Beziehung 1866 verwirklicht werden konnten, zu
ihrem Teile vorbereitet hat.
Freilich, auch die Kehrseite ließ sich mit den Händen greifen. Eben
die über die alten Parteien und Landschaften hinausgehende Vereinigung
ließ sich nur mit Mühe zusammenhalten. Es bedurfte dazu einer Persönlich-
keit wie der B.s, die so durchaus auf den mittleren Weg, auf das Erfassen
des Feinenden über allem Trennenden gestellt war; seine Gabftn wurden ihm
um so nötiger, als aus Rücksicht auf süddeutsche Mitglieder sogar der
eigenste Gedanke des Nationalvereins, die preußische Spitze, nach außen hin
zurückgestellt werden mußte. Man konnte sich nicht verhehlen, daß der
Nationalverein zu einer Macht, wie man wohl gehofft hatte, doch nicht so-
bald heranwuchs; die öffentliche Meinung gedachte man zu beherrschen, um
durch sie einen Druck auf die deutschen Regierungen auszuüben; aber ob-
gleich diese durch die Agitation genötigt wurden, auch ihrerseits wieder an
Befriedigung der nationalen Triebe zu denken, so sollte auch der Verein
rasch genug in die Lage derer kommen, die von den eigentlichen Geschäften
ausgeschlossen sind: statt die Ereignisse vorwärts zu stoßen, erst von ihnen
die Wendung zu erhoffen. So konnte es nicht ausbleiben, daß der Schwung
der F'ührer bei den Massen häufig in ein wirres und leeres Kannegießern um-
schlug, und daß auch die Leitung allzuoft zu einem oberflächlichen Ver-
hüllen der unter den eigenen Anhängern vorhandenen Gegensätze gezwungen
ward.
Seitdem im Herbst 1862 das Ministerium Bismarck die Leitung der Ge-
schäfte übernahm, wurde die Situation des Nationalvereins vollends schwierig.
Einem durch liberale Einrichtungen sich empfehlenden Preußen hatte man
die deutsche Zentralgewalt kraft des Nationalwillens in die Hand legen
von Bennigsen. 27^
wollen: Einheit und Freiheit sollten gleichzeitig angestrebt werden. Nun
aber begann dieser Staat unter Bismarcks Führung in die entgegengesetzte
Strömung hineinzutreiben. Die Folge war, dafi der Konflikt je länger je
mehr das Programm des Nationalvereins in den Augen seiner eigenen Leute
zur Unmöglichkeit machte. Vielmehr drängte Bismarcks Politik die Bennigsen
und Schulze-Delitzsch aus ihrer Bahn heraus. Schon im Mai 1863 erklärte
der Ausschuß des Nationalvereins: »wenn aber diejenigen, die jetzt an der
Spitze des preußischen. Staates, vom eigenen Volke verurteilt, am Ruin dpr
preußischen Staatsmacht arbeiten, vollends nach der Leitung Deutschlands
greifen wollten, so würden sie in der ersten Reihe der Kämpfer gegen eine
solche Vermessenheit dem Nationalverein begegnen.« Die Machtpolitik brachte
diese Ideologen um ihr eigenes Ideal. In ihrem Sinne ganz konsequent, wußten
sie der Heeresreform nur entgegenzusetzen »allmähliche Verwandlung und
wenigstens teilweisen Ersatz des stehenden Heeres durch ein wahres Volks-
heer- ; in der schleswig-holsteinischen Frage ging B., statt sich konsequent für
die preußische Annexion zu entscheiden, mit dem ganzen deutschen
Liberalismus und seinen fürstlichen Gönnern für den Augustenburger, also
für eine Ausdehnung kleinstaatlichen Wesens, gegen den Geist des Pro-
gramms, von dem man ursprünglich ausgegangen war. Und als schließlich
aus der schleswig-holsteinischen Frage sich der große Machtkampf erhob, da
trieben Leiter und Glieder des Nationalvereins ratlos durcheinander. Auch
jetzt konnte man nicht den Entschluß fassen, etwa für den Reformvorschlag
des gewalttätigen Ministers vom 9. April 1866 einzutreten, der das deutsche
Parlament offen als Kampfespreis enthüHte. Und wenn schon die preußischen
Liberalen diesen Weg nicht mitgehen mochten, so war und blieb B.
Hannoveraner genug, um sich vollends mißtrauisch zurückzuhalten.
In dieser Zeit war es, daß der preußische Mini.sterpräsident, noch vor
dem Ausbruch des Krieges, mit dem Führer des Nationalvereins persönliche
Fühlung zu gewinnen suchte: eben damals, als er in der großen Entschei-
dung nach allen Seiten Brücken zu den Liberalen hinüberzuschlagen begann.
Zunächst ließ er ihm durch Th. v. Bernhardi, den er nach Hannover sandte,
versichern, daß es ihm mit Reform und Parlament voller Ernst sei. Aber B.
ließ sich aus seiner abwartenden Stellung nicht herauslocken; er glaubte
weder an den Ernst der Vorschläge Bismarcks noch an seinen Ernst zum
Kriege; Bismarck könne den Krieg nicht führen, da er ja die öffentliche
Meinung bestimmt gegen sich habe; vor allem anderen müsse er im Innern
einlenken. Überlegen erwiderte der Minister: man schießt nicht mit öffent-
licher Meinung, sondern mit Pulver und Blei. Nach dieser ergebnislosen
Annäherung machte Bismarck noch einen zweiten Versuch. Als im Mai eine
Ausschußsitzung des Nationalvereins in Berlin tagte, erbat er sich durch
Fr. Oetkers Vermittlung eine persönliche Besprechung mit B. Auf die Tat-
sache dieser Besprechung, die am Abend des 14. Mai stattfand, haben nach-
mals die erbitterten weifischen Gegner B.s den Vorwurf des Landesverrats
gegründet, mit vollem Unrecht; denn in Wirklichkeit benahm B. sich durch-
aus korrekt, indem er von vornherein jede Einbeziehung Hannovers in das
Gespräch auszuschließen bat, und nur eine allgemeine Entwicklung der Pläne
Bismarcks über seine Umgestaltung Deutschlands nach einem Siege über
Österreich entgegennahm. Auch in diesem Moment konnte der liberale
18*
276 von Bennigsen.
Unitarier seine Zugehörigkeit zu einem Mittelstaat nicht verleugnen. VielmehT
war er über die Gefahr für die Selbständigkeit Hannovers nunmehr so im
Klaren, daß er alles daran setzte, seine Regierung von dem Anschlufl an
Osterreich zurückzuhalten. Seine Anträge in der Zweiten Kammer vom
6. Juni verlangten, dafi Hannover nicht durch vorzeitige Parteinahme oder
Rüstungen die Gefahr des Krieges vergrößere, sondern vielmehr auf eine
bundesstaatliche Gesamtverfassung Deutschlands und Einberufung eines Par*
laments, also auf ^ine der preußischen parallele Politik hinwirke; in der
Begründung riet er dringend zur Neutralität und bezeichnete für den Fall, daß
diese sich nicht halten lasse, es als eine geographische Notwendigkeit für
Hannover, sich auf die preußische Seite zu stellen. Sein Antrag wurde in
der Zweiten Kammer, in der er schon seit Jahren der Führer der opposi-
tionellen Mehrheit war, mit 50 gegen 20 Stimmen angenommen, in der
Ersten Kammer dagegen abgelehnt. Wäre es also nach dem Willen der
Liberalen gegangen, so würde das Königreich Hannover in seiner Selb-
ständigkeit erhalten geblieben sein; allein die Regierung und die ihr an-
hangenden Elemente, ebendieselben, die noch heute am Weifenhause fest-
halten und womöglich gar ihren alten Gegnern die Schuld zuschieben
möchten, sind an dem Untergang Hannovers schuld: darüber kann, trotz aller
noch heute fortdauernden sinnlosen Hetze und aller weifischer Legenden
kein Zweifel sein. An demselben Tage, an dem Hannover sich an den
kriegerischen Beschlüssen in Frankfurt beteiligte, schrieb B. prophetisch an
seine Frau: »Der verblendete König und das elende Ministerium haben
unter Beihilfe der bornierten Ersten Kammer den Staat Hannover zugrunde
gerichtet.« Er aber war weit entfernt, an diesem Untergange mitzuhelfen.
Als ihm an demselben Tage Bismarck durch den Berliner Bürgermeister
Duncker im geheimen den Vorschlag machen ließ, für den Fall einer Besetzung
Hannovers durch preußische Truppen und der Einrichtung einer preußischen
Regierung in Hannover an die Spitze dieser Regierung zu treten, lehnte er
den Antrag auf der Schwelle ab und verbat sich jede weitere Verhandlung
darüber. Auch in diesem Falle bewahrte er, wie er nicht anders konnte, die
Loyalität gegen den Staat seiner Geburt, dessen Politik er seit einem Jahr-
zehnt bekämpfte: wenn dem skrupellosen Minister auf seinem Wege zur
Macht jedes Mittel recht sein mochte, für den »hannoverschen Edelmann«,
den B. in einer späteren Äußerung merklich herauskehrte, wäre ein solcher
Schritt eine Unmöglichkeit gewesen: er würde wirklich als der V'erräter
erschienen sein, zu dem ihn seine Feinde stempeln wollten, und von dem
preußischen Minister bei der ersten Gelegenheit wieder über Bord geworfen
worden sein. Vielmehr suchte er noch am folgenden Tage in der Kammer
das rollende Rad des Schicksals festzuhalten, freilich vergeblich: mit tiefem
Schmerze, darüber ist kein Zweifel, sah er dann das Unvermeidliche über
seine Heimat hereinbrechen.
Die Annexion von 1866 macht in seinem Leben einen tiefen Einschnitt.
Er trat aus dem Mittelstaat in einen großen Staat, aus der dauernden
Oppositionsstellung in der hannoverschen Kammer in die positive Mitarbeit,
aus der am letzten Ende doch unfruchtbaren Ideologie des Nationalvereins in
die reale praktische Politik hinüber. Dauernd aber blieb seine Wirksamkeit
zwischen der allgemeinen, preußisch-deutschen und derjenigen in seiner nun-
von Bennigsen. 277
mehr zur preußischen Provinz gewordenen Heimat geteilt. Von vornherein
war er bestrebt, die möglichste Schonung der »berechtigten Eigentümlich-
keiten«, der durch Geschichte, Sitte und Gesetzgebung erwachsenen Beson-
derheiten Hannovers, und einen möglichst weiten Spielraum für seine pro-
vinzielle Selbständigkeit zu erwirken. In diesem Sinne war er unter den
24 Vertrauensmännern, die am 29. Juli 1868 nach Berlin berufen waren, für
die Ausgestaltung der provinzialständischen Verfassung Hannovers, und auf
dem ersten Provinziallandtage, auf dem er zum Vizelandtagsmarschall ernannt
wurde, besonders für die Fixierung des hannoverschen Provinzialfonds erfolg-
reich tätig, der in der Folge die erste Entfremdung zwischen Regierung
und Konservativen verursachte. In ein dauerndes Verhältnis zur Provinzial-
verwaltung trat er sodann dadurch, daß er am 5. November 1868 vom Provinzial-
landtage zum Landesdirektor, zur Wahrnehmung der laufenden Geschäfte in
der Verwaltung der Angelegenheiten des Provinzialverbandes gewählt wurde;
zwanzig Jahre hindurch konnte er in dieser Stellung, die ihn auch mit dem
Vorsitzenden des Provinzialausschusses, dem Grafen Münster, in ein bleibendes
freundschaftliches Verhältnis brachte, eine reiche und ihn innerlich befriedigende
Tätigkeit entfalten und mit dem ständischen Wesen Hannovers, so viel sich
davon mit verringerter Kompetenz hatte erhalten lassen, in dauernder V'^er-
bindung bleiben.
Zugleich aber begann er als Führer der hannoverschen Liberalen, die sich
mit der neuen Ordnung aussöhnen wollten, an der Neugestaltung Preußen-
Deutschlands auf dem konstituierenden norddeutschen Reichstage — bei den
Wahlen hatten seine Anhänger 144000 Stimmen und zehn Mandate gegen
130000 Stimmen und neun Mandate erlangt — teilzunehmen. Entscheidend
war er an der Begründung der nationalliberalen Partei beteiligt, die sich am
28. Februar 1867 unter seinem Vorsitz konstituierte; in ihr fanden sich die-
jenigen Mitglieder des altpreußischen linken Zentrums und Fortschritts, die
Bismarck die Indemnität bewilligt hatten, mit den Liberalen aus den neuen
preußischen Provinzen und den Kleinstaaten zusammen. Ein folgenreiches
Ereignis der deutschen Parteientwicklung: der Liberalismus, der sich in seinen
nationalen Hoffnungen befriedigt sah, schloß sich zu positiver Mitarbeit an
dem von den konservativen Gewalten geschaffenem Werke zusammen, und
der ehemalige Präsident des Nationalvereins, jetzt zugleich der zweite Vize-
präsident des Reichstages, wurde der bezeichnendste Vertreter der neuen
Tendenzen.
B.s eigene politische Stellung in den neuen Verhältnissen war von Haus
aus gegeben. Er war und blieb ein entschiedener Unitarier; natürlich, denn
der Einheitsgedanke vor allem hatte ihn vorwärts getrieben, und nachdem
der Staat seiner Geburt den Preußen zum Opfer gefallen war, mußte die
weitere unitarische Ausgestaltung der Reichsverfassung, besonders die Aus-
dehnung der Kompetenz des Reichstages, zugleich Konsequenz und Gemüts-
bedürfnis für ihn sein. Sowohl seiner unitarischen als seiner konstitutionellen
Grundüberzeugung entsprach es, wenn er schon in der ersten Tagung verant-
wortliche Bundesminister neben dem Bundeskanzler forderte und trotz Bismarcks
Widerspruch daran festhielt; er erneuerte die Forderung 1869, schien in der
Krisis von 1877/8 ihr wenigstens einen Schritt näher zu kommen und griff
noch 1889 und 1892 auf sie zurück, als sich die föderativen Grundlagen der
278 von Bennigsen.
Reichsverfassung längst und anscheinend dauernd befestigt hatten. Als
Liberaler hielt er an der Verwirklichung des konstitutionellen Staatsideales
fest: er verlangte einen tiefgehenden Einfluß des Parlaments auf die Leitung
der Geschäfte. Aber von manchen der preußischen Liberalen, selbst von
denen, die in seiner Fraktion saßen, trennte ihn doch von vornherein eine
sehr wesentliche Nuance. Schon in dem ersten Wahlaufruf der hannoverschen
Liberalen mahnte er, daß das Vaterland höher stehen müsse als die Partei:
er ging grundsätzlich davon aus, daß die liberale Doktrin gegebenenfalls hinter
den nationalen Interessen zurückzustehen habe. Er blickte eben nicht wie
die preußischen Genossen auf einen langjährigen Konflikt zurück, sondern trat
unbefangen in die neuen großen Verhältnisse ein, während seine alten hannover-
schen Gegner in der unversöhnlichsten Opposition standen; sodann fehlte der
sozialen und wirtschaftlichen Zusammensetzung seiner Provinz die Schärfe der
Gegensätze des Ostens ; in seinen nationalen Zielen aber war er vor allem von
tiefer Befriedigung und aufrichtiger Bewunderung der Staatskunst Bismarcks
erfüllt. Seine Gemütsverfassung trieb ihn auf das Versöhnende und seine poli-
tische Anlage auf die praktische Leistung hin. Er wollte kein Doktrinär sein,
sondern sah, wie er häufig betont hat, in der Politik »eine praktisch zu übende
Kunst«. So kam unter seiner persönlichen Mitwirkung das erste Kompromiß
in der Militärfrage zustande, das eine provisorische Regelung bis zum
31. Dezember 187 1 vorsah und von diesem Termin ab eine gesetzliche Fest-
legung der Präsenzziffer in Aussicht nahm. Damit wurde der Weg beschritten,
der für die nationalliberale Partei dieses ersten Jahrzehnts und besonders für
die Politik B.s vorbildlich war. Gerade B. wurde von fortschrittlicher Seite
wohl als der Vater aller Kompromisse bezeichnet, der durch Schwächlichkeit
und Diplomatisieren alle Grundsätze des Liberalismus kompromittiere. Als
wenn man auf dem Wege dieser Kritiker hätte weiter kommen können!
Neben der Persönlichkeit Bismarcks aber vermag man sich gar keine Möglich-
keit auszudenken, die den Liberalen eine stärkere Chance der Einwirkung in
ihrem Sinne beschert hätte, als die Politik B.s und der Seinen: denn nicht
ihr Verdienst, sondern das des Ministers hatte das Reich geschaffen, und der
dadurch geschaffenen Lage mußten die Liberalen sich anpassen, wenn sie
etwas erreichen wollten. Aus dieser Empfindung heraus schrieb B. seiner
Frau nach der Vollendung der norddeutschen Reichsverfassung: »Noch größer
ist meine Freude, an dem hiesigen Werk einen erheblichen Anteil gehabt zu
haben. Erst spätere Zeiten werden unbefangener darüber urteilen. Es ist
aber der größte Fortschritt hier definitiv begründet worden, den Deutschland
seit der Reformationszeit gemacht hat, und Jeder, welcher dazu mitgewirkt
hat, wird noch einmal stolz darauf sein können.«
Die Schöpfung des Reiches im Kriege 1 870/1 sollte dieses Verhältnis
noch verstärken. Auch jetzt suchten zwar die Liberalen, wenngleich sie durch
die Wucht der Ereignisse in die zweite Linie gedrängt waren, auf den frei-
heitlichen Ausbau des Neuen hinzuwirken. So reiste B. mit seinen Freunden
Forckenbeck und Lasker im September 1870 nach Süddeutschland, um im
Verein mit ihren bayrischen und württembergischen Parteigenossen einen
Druck auf die Entschließungen der Höfe auszuüben; bald darauf wurde er
zusammen mit den Führern der Konservativen und Frei konservativen,
V. Blanckenburg und Friedenthal, zur Beteiligung an den Konferenzen über
von BenDigsen. 270
die Reichsverfassung nach Versailles berufen. Aber es versteht sich, daß es
für ihn und seine Partei jetzt ausgeschlossen war, irgendwie modifizierend
auf das von dem Willen Bismarcks geschaffene Gebäude des Reiches einzu-
wirken: so gern sie es unitarischer und liberaler gewünscht hätten, sie mußten
es hinnehmen und sie begrüßten es mit begeistertem Danke, denn der Traum
ihrer Sehnsucht und das Ziel ihrer politischen Arbeit war nunmehr, wenn
auch auf anderem Wege und in anderen Formen, strahlende Wirklichkeit
geworden.
Und nun erst, im neuen Reiche, stieg der parlamentarische Einfluß der
Xationalliberalen auf den Höhepunkt. Die Zahl ihrer Mandate im preußischen
Landtage wuchs 1870 auf 123, 1873 auf 178, 1876 auf 186, im Reichstage
1871 auf 119, 1874 auf 155. So hatten sie jederzeit, entweder nach links mit
der Fortschrittspartei oder nach rechts mit den Freikonservativen die Mehr-
heit in der Hand, und auf der Verständigung mit ihnen beruhte jeder Fortgang
der Geschäfte. Ihre Führer waren die Leiter der Parlamente; B. wurde 1874
zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählt und war neber^ Forcken-
beck, dem Präsidenten des Reichstages, der vornehmste Träger der Fraktions-
politik; er sollte allmählich durch seinen Einfluß den andern überflügeln. Und
so begannen die Nationalliberalen innerhalb des Spielraumes, den die
historisch entwickelte Machtstellung des Kanzlers ihnen ließ, in geschickter
Taktik einen breiten Anteil an den grundlegenden Institutionen und Organi-
sationen des Reiches, an der wirtschaftlichen und kulturellen Gesetzgebung
zu erringen; in den Geist des öffentlichen Lebens drangen sie, von der
Hochflut einer günstigen Stunde getragen, von allen Seiten her tiefer ein als
je vorher in unserer staatlichen Entwicklung. Die Partei hatte nicht die Macht
in Händen, aber einen weitgreifenden Einfluß; freilich nicht aus eigener
Kraft, sondern vermöge ihres Festhaltens an der Kompromißpolitik.
In diesem Sinne suchte vor allem B. zu wirken. Da kam es auf den
Grad des Einflusses an, den er selbst in der Partei besaß, und auf die Einheit-
lichkeit, mit der sie ihre Schritte tat. Es war natürlich, daß eine so zahlreiche
und so plötzlich zusammengewachsene Partei nicht ein homogenes Ganze
darstellte; man spricht gewöhnlich von einem rechten und einem linken Flügel,
aber es ist richtiger, zwischen dem linken Flügel, der eine Reihe parlamen-
tarischer Talente enthielt und nach außen hin am lebhaftesten hervortrat,
und dem rechten Flügel mit seinen z. T. gemäßigt konservativen Elementen
eine beiden an Kopfzahl erheblich überlegene Mitte sich vorzustellen, in der
B.s Persönlichkeit die maßgebende Rolle ausübte. Und während er vor allem
mit den Führern des linken Flügels, Lasker, Stauffenberg, Forckenbeck durch
persönliche Freundschaft verbunden war, pflegte er sachlich stets den An-
schluß an den rechten Flügel der Partei zu wahren : so kam vor allem in ihm
die Einheit des Ganzen zum Ausdruck und von seiner Person wurden je
länger je mehr die entscheidenden Verständigungen beeinflußt. So war er an
erster Stelle an dem Kompromiß von 1874 über das Militärgesetz beteiligt, der
eine Präsenzziffer von 401 659 Mann auf sieben Jahre, bis zum 31. Dezember 1881
bewilligte; und ebenso, neben Miquel und Lasker, an dem Kompromiß über
die Justizreform im Jahre 1876.
Es ist nicht die Aufgabe, die einzelnen Phasen dieser in den Jahren
1867 — 1877 auf der Höhe stehenden parlamentarischen Tätigkeit B.s hier
280 ^'OD Bennigsen.
durchzugehen. Suchen wir noch das Gesamtbild seines politischen Cha-
rakters festzuhalten. B. war einer der besten und eindrucksvollsten Redner
des Parlaments. Er war nicht eigentlich ein schlagfertiger Debatter, sondern
er verschmähte es in der Regel, wenigstens in seiner nachhannoverschen Zeit,
in das alltägliche Kleingefecht herabzusteigen. Er sparte sich bewußt für die
entscheidenden Tage auf. In diesen großen Reden gab der stattliche Mann
mit der ruhigen und würdevollen Haltung, dem vollen und warmen Ton der
Stimme, sein Eigenstes und Bestes; Leidenschaft und Polemik waren nicht
seine Sache, auch nicht Schärfe und Witz, nicht eigentlich die glänzende
Pracht der Worte, denn auch darin hielt er Maß; regelmäßig aber hob er
den Gegenstand in eine allgemeinere und höhere Betrachtung hinein, als das
übliche Niveau der Parlamentsreden; in langen, breit dahin strömenden Sätzen
entwickelte er die Dinge in einem größeren geistigen oder historischen Zu-
sammenhange. Über dem Ganzen lag, wie in seiner vornehmen Gelassenheit,
häufig eine staatsmännische Ruhe; man fühlte, daß hier ein gebildeter,
harmonischer Geist aus der Tiefe seiner gewonnenen Überzeugung, mit einem
ausgeprägten Gefühl für Verantwortung und Gerechtigkeit, zu Worte kam,
und hinter den abgerundeten Sätzen stand das warme Pathos einer idealistischen
Natur — kritischer angelegte Leute verglichen seine Beredsamkeit mit der
gleichfalls mächtig ergreifenden Heinrich von Gagerns. Mit hinreißender Kraft,
selbst begeistert und Begeisterung weckend, konnte er vor allem die nationalen
Instinkte anschlagen; als der mächtige Wortführer des ganzen Deutschlands
erschien er an den großen Tagen des Parlaments. Ein Redner von solcher
Gabe war zugleich ein geborener Präsident; nicht bloß als Präsident de^
Abgeordnetenhauses übte er das Amt mit außerordentlichem Geschick. Lange
Zeit war er Vorsitzender der Budgetkommission des Reichstages und vermöge
seiner Sachkunde und Unparteilichkeit, nach dem gewiß anspruchsvollen
Urteil Eugen Richters, einer der besten, den sie je gehabt hat. In seiner
Natur lag viel Zurückhaltung, wie sie seinem Stamme eignet; selbst seine
Fraktionsgenossen klagten wohl über seine Verschlossenheit, er übte gern die
Kunst, die soviel Stolz und soviel Bescheidenheit verrät: seine eigene Person
nicht vorzudrängen; und so gut er den allgemeinen Ton zu treffen verstand
und so populär sein Name in vielen Teilen Deutschlands wurde, er blieb der
Führer, der sich nie in dem großen Haufen verlor. Und so war dieser Mann
auch nicht der Politiker der raschen vorwärtsdrängenden Initiative, er ließ
sich wohl einmal von den Dingen tragen und fand seine Entschlüsse im
Stillen, nachdem sie ihm langsam gereift waren. Er konnte von diesen
wieder abgehen, etwas Unmögliches aufgeben und anderem Rate Raum geben,
aber wo es auf die ganze Sache ankam, da stand er unerschütterlich fest,
mit ruhigem Selbstbewußtsein. Das hat auch Bismarck, mit dem er häufig
persönlich verhandelte, erfahren; so stark B. das Gewaltige dieser Persönlich-
keit empfand, er blieb auch an dieser Stelle er selbst. Das ist der Eindruck,
den man auch von B.s Verhalten in der Krise von 1877/8 empfängt.
Im Laufe des Jahres 1877 sollte das Verhältnis Bismarcks zu den politi-
schen und wirtschaftlichen Parteien einer Abwandlung entgegengehen. Auf
der einen Seite begann er bereits den schutzzöllnerischen und agrarischen
Wirtschaftsreformern seine Aufmerksamkeit zu schenken und seine Hoffnung auf
die in den Reichstagswahlen vom Januar 1877 zu Tage getretenen Verstärkung
von Bennigsen. 28 1
der Konservativen zu setzen (während die Nationalliberalen von 153 auf 128
sanken), auf der andern Seite aber unternahm er vor seiner Wendung nach
rechts einen doch wohl ernsthaft gemeinten Versuch, mit den Liberalen, so-
weit sie für ihn zu haben waren, zusammenzugehen und die drängende Lösung
der Frage der Reichsfinanzen und ihrer Verselbständigung mit ihnen zu ver-
handeln. Zu diesem Zwecke wandte er sich an den Mann unter den National-
liberalen, der ihm nach seiner bisherigen Haltung und allen seinen Fähig-
keiten am ehesten zur Mitarbeit qualifiziert erschien: an B. Nachdem er
schon im Juli 1877 mit B. über seinen Eintritt konferiert hatte, bat er ihn am
17. Dezember 1877 in einem eingehenden und sehr verbindlichen Schreiben
um seinen Besuch in Varzin; als Gegenstände der Besprechung bezeichnete
er erstens die Stellvertretung des Reichskanzlers und »einige Modifikationen
in der Einteilung der Reichsämter und ihrer Beziehung zu preußischen Mi-
nisterien« : »wie Kanzler und Ministerpräsident, so sollte auch die Vertretung
beider identisch sein«; und zweitens die Zukunft der Zoll- und Steuerreform.
Die Besprechung fand vom 26. — 29. Dezember in Varzin statt. In der tech-
nischen Seite der Frage blieb man von der Verständigung nicht weit; während
das Tabaksmonopol nicht berührt wurde, erklärte sich B. mit einer erheblich
höheren Besteuerung des Tabaks einverstanden; die Schwierigkeiten wegen
der Einnahmebewillung der preußischen Einkommen- und Klassensteuer —
B. verlangte die sog. »konstitutionellen« Bürgschaften für eine verfassungs-
mäßige Behandlung und Verwendung der an die Einzelstaaten zu zahlenden
Überschüsse und Quotisierung der Einkommensteuer — waren zwar groß, schienen
aber nach B.s Urteil nicht unüberwindlich zu sein. Der Schwerpunkt der
Unterhandlungen lag in ihrer rein politischen Seite. Bismarck bot B. zunächst das
Ministerium des Innern an; er wäre anscheinend auch bereit gewesen, ihm das
Finanzministerium zu übertragen; in welcher Weise man sich die identische
Vertretung des Reichskanzlers in Preußen und Deutschland durch B. dachte,
sei dahingestellt. B. erklärte dagegen, nicht allein in das Ministerium ein-
treten zu können, sondern — wie er schon im Sommer betont und mit seinen
Parteifreunden vereinbart hatte — nur in Verbindung mit mehreren von ihnen;
während er selbst das Ministerium der Finanzen für sich wünschte, schlug er
Forckenbeck für das Innere und Stauffenberg für ein Reichsamt vor. Auf
dieser Kombination bestand er, »weil durch seinen Eintritt allein die Absicht,
eine feste Reichs- und preußische Regierung, gestützt auf eine sichere, nach-
haltig vorhandene große Mehrheit des Reichtages und preußischen Abgeord-
netenhauses herzustellen, nicht erreicht werden könne«; er mochte nicht nur
fürchten, allein rasch verbraucht zu werden, sondern ohne die Beteiligung
seiner Freunde weder im Ministerium eine feste Position zu haben, noch vor
allem seine Fraktion mit ihren nach links strebenden Elementen sicher in der
Hand zu behalten; bei Forckenbeck dagegen hatte, wie B. später selber er-
fahren mußte, der Hintergedanke mitgespielt, durch die Belastung der Kan-
didatur B. mit der seinigen die ganze Kombination zum Scheitern zu bringen.
Während B. somit die Einheit der Nationalliberalen als Grundlage seiner
politischen Machtstellung erhalten wollte, war Bismarck weit entfernt, die
ganze Partei mit ihren parlamentarischen Ansprüchen in die Regierung auf-
zunehmen, und unbedingt gegen eine Übertragung des Ministeriums des
Innern an Forckenbeck; sein Lieblingsgedanke war vielmehr, den rechten
282 von Bennigsen.
Flügel der Nationalliberalen unter B. enger mit seiner Regierung zu ver-
knüpfen und womöglich gerade dadurch von der Linken der Partei zu trennen.
Er riet B., die Situation so aufzufassen, daß es wichtig sei, nur einmal erst
festen Fuß zu fassen, und suchte ihn zu überreden, daß er zu ihm ins Schiff
springe und ihm bei dem Steuern helfe; er läge am Landungsplatze und
wartete auf sein Einsteigen. Vor allem machte er ihn darauf aufmerksam,
und nicht ohne Grund, wie sich nachher zeigen sollte, daß es schon sehr
schwer halten möge, ihn allein dem Könige zu empfehlen, ein Systemwechsel zu-
gunsten der Nationalliberalen aber, gewissermaßen ein konstitutionelles Majori-
tätsministerium sei unter dem Könige unmöglich, sonst würde B. doch bald
zwischen dem Könige und seiner Fraktion zu wählen haben. Im Grunde
treten sich auch in diesem Gespräch die königliche Auffassung des Minister-
dienstes, wie sie Bismarck einst im Konflikt durchgekämpft hatte, und die
liberale Doktrin parlamentarischer Minister einander gegenüber. Bismarck
lehnte zwar in der Debatte den Eintritt von Forckenbeck und Stauffenberg
nicht ausdrücklich ab, ließ vielmehr B. in dem Glauben, daß auch diese
Möglichkeiten diskutierbar seien, in Wirklichkeit aber dachte er nicht daran;
da B. auf seiner Forderung bestand, wurde er vielmehr in seinem ganzen Plane
wankend und blieb, wie er sagt, unter dem Eindruck zurück, daß sein Versuch
mißlungen sei. Dazu erhielt er am Tage nach B.s Abreise ein ungnädiges
Schreiben des Kaisers, das über die Eigenmächtigkeit seiner Verhandlungen
und den schon von den Zeitungen proklamierten Systemwechsel Klage führte;
insbesondere wandte es sich gegen die Kanditatur B.s, gegen den der Monarch,
der selber 18616 Hannover annektiert hatte, unbegreiflicherweise ein in fürst-
lichen Instinkten wurzelndes Mißtrauen hegte: »Was B. betrifft, so würde ich
seinen Eintritt in das Ministerium nicht mit Vertrauen begrüßen können, denn
so fähig er ist, so würde erden ruhigen und konservativen Gang meiner
Regierung, den Sie selbst zu gehen sich ganz entschieden gegen mich aus-
sprachen, nicht gehen können«. Obgleich Bismarck diese letzte Meinung
keineswegs teilte und sich über den von einer Intrigue Eulenburgs herbei-
geführten Eingriff sehr erbitterte, ist ihm Glauben zu schenken, daß er nun-
mehr unter dem Eindruck der kaiserlichen Willensäußerung die ihm schon
zweifelhafte Ministerkandidatur B.s ganz zurückstellte. B. dagegen nahm eine
Zeitlang an, daß die Verhandlungen nicht abgebrochen seien, zumal da in
Berlin in der nächsten Zeit noch weitere Besprechungen stattfanden; als jedoch
der Reichskanzler sich am 23. Februar 1878 im Reichstage zum Tabaksmonopol
bekannte, kam er zur Einsicht, daß die Kombination gescheitert sei, und
teilte ihm aus eigenem Antriebe mit, daß man nicht mehr auf ihn rechnen
könne.
Die Politik B.s in dieser Krisis ist sehr verschieden beurteilt worden
und das letzte Wort über sie läßt sich vielleicht noch nicht sprechen. Jeden-
falls lieferte er den Beweis, daß er der gewöhnlichen Verlockung durch einen
Ministerposten widerstehen konnte und daß er charaktervoll zu den Grund-
sätzen seiner Partei und loyal zu seinen Parteifreunden hielt. Aber handelte
er als Politiker großen Stils? Ein entscheidendes Motiv für ihn war, die
Nationalliberalen einschließlich des linken Flügels geschlossen zusammen-
zuhalten; unter dem Gesichtspunkt, daß er eben die Freunde, für die er ein-
trat, nach zwei Jahren doch von seiner Seite verlor, mag man diesen Gedanken
von Bennigsen. 283
für unrichtig halten; vielleicht war für die kommende Entwicklung die
Spannung der Partei, die von den Freikonservativen bis an die Grenze des
Fortschritts reichte, überhaupt zu groß, als daß sie dauernd haltbar gewesen
wäre. Vor allem aber muß man den großen Gegenspieler, Bismarck, auf seine
letzten Ziele ansehen, um auch dem Führer der Nationalliberalen gerecht zu
werden. Und allerdings mußte dem Meister der Intrigue gegenüber die größte
Vorsicht beobachtet werden; die Vermutung freilich, daß er schon mit der
Berufung B.s nach Varzin ein bloßes Spiel mit den Liberalen getrieben und
den Einspruch des Kaisers selbst provoziert hätte, geht viel zu weit; es
scheint mir ausgeschlossen, daß die ganze Verhandlung nur eine Kulisse
war, hinter der er den Abmarsch nach rechts vorbereitete; daß er gleich-
zeitig oder bald darauf auch schon andere Möglichkeiten erwog, steht ebenso
fest. Gerade der Verlauf der allgemeinen Situation im Jahre 1878, der Tod des
Papstes, die Attentate, der Zusammenschluß der Schutzzöllner, machen es
wahrscheinlich, daß B. als einziger Liberaler in das Ministerium eintretend,
sich rasch verbraucht haben würde und dann von Bismarck unbedenklich fallen
gelassen worden wäre. Wie dem auch sei, daß es sich hier um einen Ein-
schnitt in der neueren Reichsgeschichte, um einen Einschnitt auch in B.s
Leben handelt, steht außer Zweifel. Und in weiten Kreisen ist es bedauert
worden, daß dem gewaltigen Luther unserer Einigung nicht — nach dem
Worte Konst. Rößlers — ein Melanchthon der politischen Reformation zur
Seite getreten ist.
Der Umschwung wurde dadurch beschleunigt, daß die Attentate auf den
greisen Kaiser Bismarck Gelegenheit gaben, erst die Nationalliberalen in den
Neuwahlen des Juli 1878 weiter zu schwächen (von 127 auf 98 Sitze) und
sodann unter das kaudinische Joch des Sozialistengesetzes zu zwingen. Gerade
B. war es, der diesmal über den Kopf Laskers und Forckenbecks hinweg
die Verhandlungen leitete und die Annahme in der Fraktion durchsetzte;
damals fand die Partei in den eingefügten Kautelen, die nach ihrer Meinung
tias Gesetz vor Mißbrauch schützen sollten, einen Trost dafür, daß sie
unter dem ungeheuren Druck der Konstellation ihre Grundsätze hatte ver-
leugnen müssen. Dazu begann nun der Kampf um den Zolltarif die Partei
in ihrem Innern zu zersetzen und gleichzeitig von ihrem bisherigen Anteil
an den entscheidenden Abmachungen mit der Regierung abzudrängen. B.
wäre mit seinen engem Freunden bereit gewesen, die finanzielle Selbständig-
keit des Reiches durch eine Erhöhung der Zölle und Verbrauchssteuern her-
beizuführen, und zwar im unitarischen und liberalen Sinne, unter Beseitigung
der Matrikularbeiträge und gleichzeitiger Einführung der sog. konstitutionellen
Garantien für das Budgetrecht des Reichstags. Aber inzwischen hatte der
Auflösungsprozeß in der nationalliberalen Partei begonnen; ein Teil der süd-
deutschen Schutzzöllner, die z. T. auch minder unitarisch waren, sowie einige
politische, eher konservative Elemente drängten nach rechts, die freihändle-
rische Linke aber hatte unter der Führung Forckenbecks sich in die vorderste
Reihe des Kampfes gegen die neue Wirtschaftspolitik gestellt und suchte
zunächst den rechten Flügel aus der Partei hinauszutreiben; B. dagegen
wollte mit einer starken, aus Freihändlern und Schutzzöllnem bestehenden
Gruppe aus allgemeinpolitischen Gründen den Zerfall hintanhalten. Er wußte
gut genug, daß für die politische Rechnung Bismarcks der Wert der
284 ^'^^ Bennigsen.
längst erschütterten und durch den Widerspruch in ihrer Mitte sich fast auf-
hebenden Partei durch eine Spaltung völlig vermindert wurde. So kam es,
daß Bismarck sich von den Liberalen abwandte und dem Zentrum^ zugunsten
des föderativen Elements in den Reichsfinanzen, die Franckensteinsche Klausel
bewilligte, allen Befürchtungen B.s zum Trotz, daß sie »das Verhältnis der
Reichsgewalt zu den einzelnen Landtagen verschieben und die Reichsverfassung
durch Verkümmerung ihrer Rechte auf finanziellem Gebiet schädigen« möchte.
Unbestreitbar leidet das Reich noch heute darunter, daß damals nicht das
Verhältnis der Reichslinanzen zu denen der Einzelstaaten auf eine dauerhafte
und gesunde Grundlage gestellt worden ist.
Aber nicht die sachliche Erwägung, sondern die politische Macht ent-
schied. B. ließ aus Konnivenz gegen den heftig drängenden linken Flügel
es geschehen, daß die Gruppe Völk-Schauß, die für die Annahme des Zoll-
tarifs gestimmt hatte, aus der Partei ausschied. Als trotz dieser Verschiebung
sein Anhang an Zahl dem linken Flügel überlegen blieb, begann dieser selbst an
Austritt aus der Gesamtpartei zu denken. Die preußischen Landtagswahlen,
die somit in einem für den innern Zusammenhalt der Partei sehr ungünstigen
Moment erfolgten, brachten ihr auch in Preußen eine Verminderung ihres Be-
standes; B. mußte 1879 das Präsidium des Abgeordnetenhauses an einen
Konservativen abtreten. Er ließ sich deshalb nicht in die Opposition drängen;
er hielt den weitaus größten Teil der Nationalliberalen 1880 bei der Erneue-
rung des Septennats und der Verlängerung des Sozialistengesetzes fest
und riet Bimarck auf seine Klage, er habe sich in dem Zentrum getäuscht,
zur Rückkehr zu der früheren nationalliberal-konservativen Mehrheit. Aber die
Nationalliberalen waren jetzt zu schwach, um ein selbständiger Bestandteil einer
solchen Mehrheit zu sein: in der Sezession des linken freihändlerischen Flügels
vom August 1880 zerbrachen sie vollends. B. bedauerte diesen Schritt seiner
ehemaligen Freunde aufs äußerste. Er prophezeite in einer Rede zu Hannover
am 9. September, die Sezession werde mehr und mehr in die Opposition
gegen die Regierung getrieben werden und ihre Verschmelzung mit der Fort-
schrittspartei sei nur eine Frage der Zeit; er sah voraus, daß sie am Ende
dieses Weges zu politischer Einflußlosigkeit verurteilt sein würden. Noch
einmal faßte er die Grundsätze einer mittleren Linie zusammen: »Wir haben
praktische Politik getrieben, eine andre Grundlage für eine Partei, welche
wirken will, ist undenkbar. Einer Partei, die ihre Prinzipien absolut und in
vollstem Umfange verwirklichen will und sich nicht begnügt, das Wesentlichste
zur Durchführung und Anerkennung zu bringen, wird es ergehen, wie es den
extremen Parteien von links und rechts zu allen Zeiten ergangen ist. Die
Einen suchen ihre Ideale in der Zukunft, die sie nie erreichen, die andern
in der Vergangenheit, die sie nie zurückführen.«
Diese Politik war im Augenblick unterlegen. Aber B. gedachte darum
nicht sie aufzugeben, sondern beschloß sie fortzusetzen, aber die Selbständig-
keit nach rechts und links und auch gegen die Regierung zu wahren. Denn
Bismarck strebte jetzt, nachdem er sein erstes Ziel, die Spaltung der Liberalen,
erreicht hatte, danach, den übrig gebliebenen Bestand derer um Bennigsen
an die Regierung heranzuholen und womöglich gar mit der konservativen
Partei zu verschmelzen. Als B. im Mai 188 1 die Regierungsvorlage über die
F^inführung zweijähriger Etatsperioden als eine Schwächung der berechtigten
von Bennigsen. 285
Stellung des Reichstages und damit des Einheitsgedankens bekämpfte, wandte
sich der Reichskanzler in einem persönlichen Appell von wärmerer Tonart,
als er gemeinhin pflegte, an den Mann, »der mir unter seinen Fraktions>
genossen der Mitkämpfer gewesen ist, dem ich wirklich Beistand verdanke
und dem das Reich für seine Herstellung so viel schuldig ist, für seine
Politik von langen Jahren her« ; er rief ihm mit den Worten in Bürgers wildem
Jäger zu: »laß nicht vom Linken Dich umgarnen«! Aber B. gedachte doch
nicht, die Brücken nach links ganz abzubrechen und sich dem Minister völlig
zu eigen zu geben. Wohl hielt er am 15. Juni 1882 nach einer pessimistischen
Klage Bismarcks eine so machtvolle Lobrede auf die unsterblichen Verdienste
des Reichsgründers, wie sie der Reichstag noch nicht vernommen; aber gleich
darauf erklärte er das Zusammengehen der Liberalen aller Schattierungen für
die nächsten Jahre, besonders für die bevorstehenden Land tags wählen für
dringend erforderlich. Aber links und rechts waren härtere Mühlsteine an-
einandergeraten. Eugen Richters Ablehnung machte eine liberale Sammlung
unmöglich und führte zu weiterer parlamentarischer Schwächung, und in einer
Besprechung mit B. zu Anfang Juni 1883 legte Bismarck ihm ein langes Sünden-
register der nationalliberalen Partei vor und lehnte die angebotene Vermitt-
lung in der Durchberatung des Etats ab. Da entschloß er sich am 11. Juni 1883,
seine Mandate zum Reichstage und Abgeordnetenhause niederzulegen; er er-
kannte, daß die eingetretene Entwicklung der inneren politischen Zustände
für ihn »zurzeit eine auch nur einigermaßen nützliche und erfolgreiche Tätig-
keit im Sinne einer versöhnlichen und ausgleichenden Politik nicht mehr aus-
führbar erscheinen lasse«; denn er sei »nach seiner ganzen Natur und poli-
tischen Veranlagung tief davon durchdrungen, daß für unser neues deutsches
Reich nichts gefährlicher sein müsse als die Hervorkehrung des seit 1867
kaum mehr empfundenen Gegensatzes zwischen der berechtigten Stellung der
Monarchie und dem Parlament«. Sein Entschluß wurde damals in weiten
Kreisen beklagt. B. dachte wohl nicht, noch vor seinem sechzigsten Lebens-
jahre stehend, an ein Ausscheiden für immer; er rechnete mit dem Eintreten
günstigerer Sterne, er wollte, nach seinem ganzen politischen Vorleben, sich
nicht in einer aussichtslosen Stellung verbrauchen lassen. Darüber war er sich
klar, daß seine Politik eine schwere Niederlage erlitten hatte. Die freisinnigen
Politiker, besonders Eugen Richter, haben ihn persönlich oder überhaupt das
» Hanno veranertum« in der Partei für deren Niedergang verantwortlich gemacht;
zu Unrecht hat man die Kompromißpolitik einzig als Schwäche ausgelegt.
B.s leitender Gedanke war, eine möglichst große Masse der Liberalen ge-
schlossen zusammenzuhalten und dann auf einer mittleren Linie einen mög-
lichst weiten Einfluß auf die Leitung der Geschäfte zu gewinnen; die
trennenden wirtschaftlichen Interessen wollte er zurückgestellt wissen. Der
Zug der Zeit ging nicht in dieser Richtung, wie wir heute immer mehr er-
kennen. Aber vor der Notwendigkeit kann sich niemand verschließen und un-
zählige Male ist es ausgesprochen worden: nur in politischer Einigkeit konnte
das deutsche protestantische Bürgertum die Machtstellung behaupten, die
ihm nach dem Grade seines wirtschaftlichen und geistigen Schwergewichts
zukam. Heute steht der Ultramontanismus, geschlossen trotz aller W^irt-
schaftsgegensätze, von einem kirchlich-politischen Dogma zusammengehalten,
und daneben die Sozialdemokratie, nicht bloß Klassenpartei sondern zugleich
286 ^01^ Bennigsen.
eine einheitliche politische Partei, in breitester Ausdehnung da, während der
Liberalismus, zum Teil infolge seiner Zersplitterung, zum Teil weil er den
Weg verließ, auf dem er sich neben Bismarck hätte behaupten können, zu
verhältnismäßiger Machtlosigkeit verurteilt ist.
In den nächsten Jahren hielt B. sich zwar nicht völlig von allem Anteil
am politischen Leben zurück, aber er trat erst ^^-ieder sichtbarer hervor,
als ein von Bismarck herbeigeführter kräftiger nationaler Aufschwung eine
für ihn aussichtsvollere politische Konstellation möglich zu machen schien.
Am Tage nach dem der Reichstag wegen seiner Verwerfung der Septen-
natsvorlage aufgelöst worden war (Jan. 1887), reiste B. nach Berlin, um mit
dem Zentralkomite der nationalliberalen Partei die Wahlvorbereitungen zu
besprechen und mit beiden konservativen Parteien ein Kartell zur gegen-
seitigen Unterstützung im Wahlkampf auf der Basis des Septennats abzu-
schließen. Das Septennat stellte einen der entscheidenden Punkte des Kom-
promisses dar, auf dem er selbst, in der Blütezeit seiner parlamentarischen
Tätigkeit, die Mittellinie zwischen den Bedürfnissen der Militärven^-altung
und der Kontrolle der Volksvertretung gefunden hatte: es geschah sozusagen
zur Erhaltung seines eigensten Werkes, daß er sich nunmehr, ebenso wie sein
alter Freund Miquel, die parlamentarische Tätigkeit wieder aufzunehmen ent-
schloß. Und es gelang allerdings: in den Neuwahlen vom 21. Februar 1887
gelangten die Nationalliberalen wieder mit fast hundert Sitzen in den Reichs-
tag und B. konnte wiederum als Führer einer Partei auftreten, die sich ihrem
äußeren Umfange nach wohl mit ihrer Stärke in ihrer großen Zeit vergleichen
durfte; er war froh, wieder in positiver Mitarbeit seine Grundsätze vertreten
zu können. Freilich, das durfte auch er sich nicht verhehlen: der National-
liberalismus des Kartellreichstages war ein anderer als derjenige des Programms
von 1867; einen guten Teil seiner parlamentarischen Ideale hatte er in dieser
Zeit auf der Strecke lassen müssen.
Kaiser Wilhelm II. bestieg den Thron mit dem festen Entschluß, die
innere Politik auf der Basis des Kartellreichstages weiter zu führen. Daher
gehörte es zu seinen ersten Regierungshandlungen, daß er im August 1888
B. zum Oberpräsidenten der Provinz Hannover ernannte; der Entschluß war
aus eigenstem Antrieb des Monarchen hervorgegangen, angeregt vor allem
durch die Versuche einzelner Konser\'ativer, an dem Kartell zu rütteln; wenn
B. sich auch ungern von dem durch zwanzig Jahre geführten Amte des Landes-
direktors trennte, so trat er den neuen Posten schon deswegen an, weil er
in seiner Berufung eine bedeutsame Bürgschaft für das Einhalten einer Mittel-
linie in der innern Regierungspolitik des jungen Monarchen erblickte. Es
war ihm beschieden, noch neun Jahre an der Spitze der Provinz zu stehen.
So blieb sein amtliches Wirken bis zuletzt mit seiner engeren Heimat ver-
bunden. Er empfand es doch als Genugtuung, daß ihn das königliche Ver-
trauen gerade auf diesen Posten stellte und dadurch auch die Lauterkeit
seines hannoverschen Wirkens anerkannte. Und wenn auch der Haß der
W^elfen gerade infolge seiner Ernennung von neuem angefacht ward, er ver-
galt nicht Gleiches mit Gleichem, sondern war froh, nunmehr durch seinen
Rat, wie er es schon früher mehrfach gewünscht hätte, zur Aufhebung des
Weifenfonds beitragen zu können.
Die Annahme des Amtes konnte nicht ohne alle Einwirkung auf B.s
von Bennigsen. 287
parlamentarische Stellung bleiben; ein Oberpräsident als Oppositionsführer
war natürlich eine Undenkbarkeit; und er hatte vor der Annahme Bedenken
geäußert, die Bismarck ihm zu zerstreuen suchte. Trotzdem glaubte er, als
unabhängiger Mann die Führung der Partei weiterhin übernehmen zu können.
Er rief am 26. März 1892 dem Grafen Kanitz im Reichstage zu, es sei kein
Unglück, »wenn auch im Königreich Preußen es noch Beamte und hohe
Beamte gibt, die trotz einer solchen Stellung es wagen, ihre eigene Meinung
zu haben und dieselbe auszusprechen in solchen Fällen, wo sie glauben, daß
das Aussprechen dieser Meinung einen Wert hat auch für die Höchstgestellten
bis zur Krone hinauf«. Er hatte damals bereits diesen Beweis der Gesinnungs-
treue und des Mutes in der bedeutsamsten Aktion der letzten Phase seines
politischen Lebens gegeben: in dem Eintreten gegen den Caprivi-Zedlitzschen
Entwurf eines Volksschulgesetzes. Er war Zeit seines Lebens in kirchlichen
Dingen ein überzeugter Liberaler gewesen, schon als er im Katechismusstreit
von 1863 als Wortführer seiner Partei hervortrat, und je mehr in Hannover
Welfentum und lutherische Orthodoxie sich verquickten, desto lebhafter hatte
der politische Liberalismus auch in kirchlichen und religiösen Fragen ihnen
das Widerpart gehalten. So entschloß er sich, seine Stimme gegen den Entwurf
zu erheben. Da er im Abgeordnetenhause keinen Sitz hatte, ergriff er in der
Reichstagssitzung vom 22. Januar 1892 die Gelegenheit der Beratung der
Handelsverträge, um eine scharfe Warnung an die Regierung zu richten; es sei
vielleicht notwendig, »daß sich jetzt bekämpfende liberale Gruppen und Männer
einander wieder näher treten aus Gründen gemeinsamer Kämpfe, welche nicht
auf materiellem Boden liegen, sondern auf andern Gebieten, wo es sich um
ideale Güter, nicht um materielle Interessen handelt .... Es würde das nach
meiner Meinung, der ich selbst liberal stets gewesen bin und bleiben will,
für die weitere Entwicklung nur förderlich sein. Das liberale Bürgertum in
Stadt und Land, die liberalen Anschauungen haben einen Anspruch auf
größere Geltung, als sie zurzeit besitzen.« Je ungewöhnlicher der Vorstoß
war, desto mächtiger der Eindruck, der von ihm ausging. Die Gegner
mochten über die »Rütliszene« spotten, und im Staatsministerium mochte
einen Augenblick die Vorstellung die Oberhand gewinnen, daß ein zu Ver-
schwörungen anstiftender Oberpräsident eine unerhörte Erscheinung sei: der
Mann, der mutig sein Amt sofort zur Verfügung stellte, hatte gerade in seiner
Stellung seiner Sache den entscheidenden Dienst erwiesen. Seine Stimme
fand bei dem Kaiser Gehör; schon nach einer längeren Unterredung am
4. Februar, konnte er es aussprechen, daß der Entwurf niemals Gesetz werden
würde; er hatte an der endgültigen Zurückziehung im März einen großen
Anteil. Weniger erfolgreich w^ar B.s Versuch, im Februar 1893 eine Vermitt-
lung über die Militärvorlage, für die er damals Stimmen bis tief in die
fortschrittliche Linke hinein gewonnen hatte, zustandezubringen, da der Reichs-
kanzler im letzten Augenblicke ein Kompromiß mit einem Zentrumsabgeord-
neten vorzog. Seit der Niederlage der Kartellparteien im Januar 1890 war
für B. und seine Partei die Aussicht wieder vermindert, in der Vermittlung
zwischen Regierung und Parlament zu führen, und der Übergang der parlamen-
tarischen Entscheidung an die Klerikalen nur eine Frage der Zeit.
Die weiteren Einzelheiten dieser letzten Parlamentsjahre können hier nur
mit wenig Worten berührt werden: sein Eintreten für die Handelsverträge
288 von Bennigsen.
und gegen den Antrag Kanitz; für die Kolonialpolitik, die er vor allem unter
dem Gesichtspunkt nationalen Aufschwungs betrachtete, hatte er doch auch
die Freude, seinen zweiten Sohn im überseeischen Reichsdienste zu selbständiger
Stellung aufsteigen zu sehen; schliefilich für das Bürgerliche Gesetzbuch, bei
dessen Beratung er des namhaften Anteils seines alten, seit langem erblin-
deten Freundes Planck als eines beispiellosen Vorganges in der Geschichte
aller Völker und aller Gesetzgebung mit herzlicher Wärme gedachte; und an
dem Tage, wo der Reichstag Bismarck den Glückwunsch zu seinem achtzig-
jährigen Geburtstage versagte, feierte er die über Jahrhunderte deutscher Ge-
schichte ragende Größe des Einzigen, dem nur wenige, wie etwa Richelieu
und Cromwell zu vergleichen seien. Selber jetzt ein Veteran des deutschen
Reichstages, schien er über die kleinen Kämpfe hinausgewachsen und durch
den schärfer gewordenen Ton und das gesunkene Niveau der Verhand-
lungen hallte seine Stimme wie ein Klang vergangener Tage, in dem die Be-
geisterung und der Schwung unserer Werdegeschichte sich fortsetzte. Sein
siebzigster Geburtstag brachte ihm Huldigung und Feier in seiner Partei, wie
sie wenig deutsche Parlamentarier genossen haben. Seine politischen Über-
zeugungen hatten sich ihm immer mehr im Sinne einer die Gegensätze ver-
söhnenden Natur befestigt. So wenn er über den Gegensatz von Kapital und
Arbeit sagte: »in diesem schweren Kampfe handelt es sich gar nicht allein
um die Lösung der wirtschaftlichen Frage, sondern wesentlich darum, daß
diese Gegensätze unter den Menschen menschlich überwunden werden müssen,
mag das nun in der christlichen, kirchlichen oder menschlichen Art geschehen*.
Noch in den letzten Monaten, die er im Parlamente saß, wirkte er so nach
beiden Seiten hin; er erkannte den Niedergang des Parlamentarismus in allen
Ländern an, aber er warnte eindringlich vor gefährlichen Experimenten, die
nunmehr die konstitutionellen Formen leichtherzig wieder zerbrechen möchten,
»denn in Europa sind absolute, diktatorische Regimente nicht von Dauer-
haftigkeit und Haltbarkeit« ; auf der andern Seite mahnte er, indem er für
die Vergrößerung der Flotte eintrat, den Führer des radikalen Liberalismus,
der ihm so oft in den Weg getreten war, davor, »die nationalen Fragen der
Landesverteidigung, Landheer und Marine, fortgesetzt zum Exerzierplatz der
Ausübung des Etatsrechts zu machen <^. Die historische Stellung, die sich die
Parlamente in Deutschland errungen, und die Schranken, in die sie einge-
schlossen bleiben, scheinen in diesen Gesinnungen verkörpert.
Mit dem Ablauf des Jahres 1897 legte B. sein Amt als Oberpräsident
der Provinz Hannover unter herzlichstem Anteil der hannoverschen Bevölke-
rung in Stadt und Land nieder. Zu den Neuwahlen zum Reichstage im
Sommer 1898 nahm der Vierundsiebzigjährige kein Mandat mehr an; er wollte
den Jüngeren Platz machen. Es ging doch eine Bewegung in Deutschland
über die Grenzen seiner Partei hinaus, als der Mann, der vierzig Jahre hin-
durch die nationale Idee hatte leuchten lassen vor dem Volke und nun eine
der letzten mit der Zeit des Hoffens und des Sieges verknüpften großen Er-
scheinungen war, an das Abschiednehmen von dem öffentlichen Leben ging. Es
war nicht die Muße eines müden Greises, in die er eintrat; wie er körperlich
rüstig geblieben war, so bewahrte er geistig eine ungebrochene Frische, eine
Freude am Leben und Erkennen; seinem optimistischen Idealismus, von
dem er sich so häufig in seinem Leben hatte tragen lassen, war der dankbare
von Bennigsen. 28q
Anteil an allem Neuen, die Freude des Genießens verblieben. Durch Jahr-
zehnte hindurch hatte er alljährlich in der Schweiz oder in Italien die Freude
an der schönen Natur empfunden: jetzt dachte er einen Augenblick sogar an
eine Reise um die Welt oder wenigstens in den Orient. Und wie er sein Leben
lang von der politischen Aktion gern zu den Büchern, in die Welt des Erkennens
gegangen war, so glaubte jetzt der Greis seine wohlverdiente Muße nicht
besser anwenden zu können, als daß er im Sommersemester 1900 die Uni-
versität Göttingen bezog und hier, wie 58 Jahre zuvor in eine Studentenwohnung
ziehend, Vorlesungen, besonders naturwissenschaftlicher Art, hörte, daneben
auch bei dem alten Freunde Planck, in dessen Hause er wieder regelmäßig
verkehrte, über Sachenrecht hörte.
Da geschah es, daß auch er, der Glückliche — denn ihm war vieles
im Leben gelungen, auch wenn ihm das höchste Ziel politischen Wirkens
versagt geblieben war, und zum Schluß hatte er den Lohn auch in der
Liebe und Verehrung eines Volkes gefunden — die Wahrheit des Wortes
erfahren sollte, daß niemand vor seinem Ende glücklich zu preisen ist. Er
hatte schon im Februar igoo einen Sohn — fünf Söhne und vier Töchter
hatte ihm die treue Genossin seines Lebens geschenkt — im besten Alter
verloren ; im September desselben Jahres stand er an der Bahre seines Freundes
Miquel und rief »dem größten Finanzminister, den Preußen bisher gehabt
habe« ins Grab nach, daß er nie ein einseitiger Politiker gewesen sei, sondern
stets nur nach den höchsten Gütern des deutschen Volkes getrachtet habe:
Worte, in denen ausgedrückt liegt, was er selbst für den Preis des Lebens
hielt. Die Summe seines Wirkens liegt darin beschlossen. Da traf ihn das
Geschick, daß am 16. Januar 1902 sein dritter Sohn Adolf, Landrat in Springe,
als Rächer der Ehre seines Hauses von dem Schuldigen im Duell erschossen
ward; die fünf so plötzlich des Vaters und der Mutter beraubten Kinder
kamen zu den Großeltern ins Haus, und er hatte zu kämpfen, ihre Erziehung
sich und den Seinigen zu bewahren. Gebrochen von diesem Schicksalsschlage
starb ihm am 12. Juli 1902 die Gattin, nach achtundvierzigjähriger glücklicher
Ehe. Und damit war sein eigenes Leben zu Ende. Nach einer Krankheit
von wenigen Tagen — von der Seele aus war ihm die Widerstandsfähigkeit
seines Körpers zerbrochen — entschlief er schon am Abend des 7. August 1902,
wenige Wochen nach der Vollendung seines 78. Lebensjahres. Er schied in
der unerschütterlichen Überzeugung, daß das menschliche Dasein nicht in
dem traumhaften, armseligen Leben auf Erden beschlossen sei, sondern daß
ihm ein ewiges folge: nicht in dem buchstäblichen Sinne des christlichen
Dogmas, sondern aus der Vorstellung heraus, daß alles geistige Wesen in
einem allgemeinen, unzerstörbaren Zusammenhange stehe. Mit ergreifenden
Worten rief ihm sein ältester Freund Planck den Abschied nach. Und er
fand hier die Worte, die zunächst nur den Menschen charakterisieren, aber
weiter gefaßt, doch auch den Schlüssel zum Politiker in die Hand geben:
j^Äußerlich mochte er manchem als kühl erscheinen, aber hinter dieser Hülle
barg sich ein tiefinniges Gemüt. Das trat naturgemäß am meisten im Familien-
kreise hervor und in den Verhältnissen zu seinen Freunden. Wer aber, wie
ich, das Glück gehabt hat, ihn näher zu kennen, weiß, wie warm der Puls-
schlag seines Herzens war, für alle; wie er an sich selbst zuletzt dachte,
wie er nur durch sein Streben, Gutes zu tun, sich leiten ließ. Und auch für
BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog^. 7. Bd. lo
2Q0 ^'O'^ Bennigsen. Sommervogel.
seine politischen Erfolge war das warme Herz eines der wichtigsten Faktoren.
Mit ruhiger Überlegung wußte er zu erkennen, was gut und möglich war,
und was er als solches erkannt, verfolgte er mit aller Energie, die nur aus
einem warmen Herzen entspringt«.
Adolf Kiepert, Rudolf von Bennigsen. Rückblick auf das Leben eines P«irlamen tarier«;.
Zweite und bedeutend vermehrte Auflage. Hannover-Berlin 1903. — Oppennann, Zur Ge-
schichte des Königreichs Hannover von 1832 bis 1862. 2 Bde. Leipzig 1S60/2. —
Schwab, Der deutsche National verein, seine Entstehung und sein Wirken. Berlin 1902. —
H. v. Poschinger, Fürst Bismarck und die Parlamentarier. 3 Bde. Breslau 1894/6. — Bio-
graphische Arbeiten über andere' Nationalliberale, wie Philippson über Forckenbeck, Böttcher
über Stephani, Cahn über I^asker u. a. m. — Der gesamte Nachlaß B.s ist dem Cntcr-
zcichneten zur Abfassung einer umfassenden Biographie übergeben worden, die Ende 1003
in zwei Bänden erscheinen wird. Eine vorläufige Publikation aus diesen Papieren ist V>e-
gonnen worden: Aus den Jugendbriefen Rudolf von Bennigsens, Deutsche Revue Jg. 29
(1904), Januarheft und Aprilheft, und wird fortgesetzt werden. Außer den hier veröffent-
lichten Briefen ist für die vorstehende Skizze absichtlich nur an einigen entscheidenden
Stellen auch schon bisher ungedrucktes Material herangezogen worden.
Berlin. Hermann Oncken.
Sommervogel, Carlos, S. J., Bibliograph, * 8. Januar 1834 zu Straßburg
i. E., f 4. Mai 1902 zu Paris. — S. machte die Gymnasialstudien am Lyceum
seiner Vaterstadt und bereitete sich dann durch zweijährige mathematische
Studien zur Aufnahme in die Kriegsschule von Saint-Cyr vor. Er änderte
aber seinen Entschluß und trat nach vollendetem 19. Lebensjahre am 2. Fe-
bruar 1853 zu Issenheim in das Noviziat der Gesellschaft Jesu. Nach der
gewöhnlichen Vorbereitung wurde er am 12. August 1866 vom Bischof RäÜ
in Straßburg zum Priester geweiht. Im Jahre 1867 trat er in die Redaktion
der von den französischen Jesuiten verfaßten Halbmonatsschrift •fituäes
religicuses<s^ ein, deren Mitarbeiter er schon seit 1862 gewesen war; von 1868
bis 1880 war er verantwortlicher Herausgeber dieser Zeitschrift, zuerst in
Paris, dann nach den Stürmen der Kommune seit 1872 in Fourvi^res bei
Lyon. Von 1880 — 83 war er Sekretär des Provinzials der Pariser Ordens-
provinz. — Für die ^Rtudes religiatses^ schrieb S. eine große Zahl von Artikeln,
Besprechungen, Chroniken und Mitteilungen. Als größere Arbeiten seien
daraus erwähnt die zwei historischen Studien: ^Le Marechal de Bellefonds*
und i^Montcalm*y die er auch unter dem Titel: ^Comment on senmt autrefois*
als Buch herausgab; ferner: *Un ministre de Finte rieur (Benezech) sous le Direc-
toire^; *Gustm*e II J et le Cardinal de Bernis*, u. a. Ferner veröffentlichte er
hier zahlreiche unedierte Briefe von F^nelon, Bossuet, vom heiligen Franz
von Sales, von Louis Joseph de Bourbon, Prinz von Conde, von den Herzögen
von Berry und Enghien. In erster Reihe war aber seine langjährige gelehrte
Tätigkeit der Bibliographie seines Ordens gewidmet, und seine großen biblio-
graphischen Arbeiten sind es hauptsächlich, durch die er sich ein blcibende>
Verdienst erwarb, und die seinen Namen in der Gelehrtenwelt zu hohem
Ansehen brachten. Schon seit 1861 war er Mitarbeiter der Begründer und
Herausgeber der * Bibliotheque des ecrwains de la Compagnie de Jesuse ^ der belgi-
schen Jesuiten Augustin und Aloys de Backer. Bei der zweiten umgearbeiteten
und erweiterten Auflage (3 Bde. fol., 1869 — 76) ist er auf dem Titelblatt al>
dritter Herausgeber genannt. Nach dem Tode der Brüder de Backer (Augustin
Sommerrogel. Zardetti. 20I
t I. Dezember 1873 ^u Lüttich, Aloys f 7. April 1883 zu Löwen) fiel ihm die
Fortführung des großen Unternehmens allein zu. Zunächst veröffentlichte er
die eigenen Werke: * Dictiannaire des otwra^es atwnymes it Pseudonymes, public s
par des religieux de la Cofnpagnie de Jesus, depuis sa fondatioit jusqu ä nos jours*
(2 Bde., Paris 1884) und *Bibliot/ieca Mariana de Ja Compagnk de Jesus* (Paris
1885). Nach fünf weiteren Jahren eifriger Arbeit konnte er hierauf mit der
Veröffentlichung der 3. Auflage, respektive Neubearbeitung der de Backerschen
Bibliothique beginnen, die bis 1900 in neun starken Quartbänden zum Ab-
schluß kam und in alphabetischer Reihenfolge der Autoren alle jemals von
Jesuiten im Druck herausgegebenen oder im Manuskript hinterlassenen Schriften
verzeichnet: ^Bibliothique de la Compagnie de Jesus. li partie: Bibliographie par
les Peres Augustin et Aloys de Backer. Nom^elle edition par Carlos Sommervogeh
(9 Bde., Brüssel und Paris 1890 — 1900). Die Bibliographie Baldes wird aus
diesem großen Werke wiederholt in der Schrift: * Jacques Bälde, Notice et
Bibliographie par Paul Mury et C. Sotnmen^ogeU (Straßburg 1901). Bei seinem
plötzlich erfolgten Tode hinterließ S. noch das druckfertige Manuskript der
Neuauflage der * Bibliotfieque du P. Arstne Carayon S. J.* (zuerst 1864 erschienen),
eines Repertoriums der Schriften, welche nicht von Jesuiten, sondern für oder
gegen dieselben geschrieben wurden; die Veröffentlichung steht in Aussicht.
Hauptsächlich nach gütigen Mitteilungen des Herrn P. Konrad Kirch S. J. in Valken-
berg. Vgl. femer Kindes rcligieuscs, Bd. 91, 1902, S. 499 — 512; Revue d'histoire ecclc-
siastique {L<nivam), III, 1902, S. 773— 777. F. Lauchert.
Zardetti, Johann Joseph Friedrich Otto, Erzbischof, * 24. Januar 1847
zu Rorschach, f 10. Mai 1902 zu Rom. — Z. absolvierte die Primarschulen
in Rorschach, erhielt seine humanistische Bildung im Jesuitenkolleg Stella
Matutina in Feldkirch und im bischöflichen Knabenseminar zu St. Georgen
bei St. Gallen, machte dann die philosophischen und theologischen Studien
an der Universität Innsbruck und wurde am 21. August 1870 durch Bischof
Greith von St. Gallen zum Priester geweiht. Am 21. Dezember 1870 pro-
movierte er in Innsbruck zum Dr. theol. Seine erste Anstellung erhielt er
hierauf an Neujahr 187 1 als Lehrer am bischöflichen Knabenseminar zu
St. Georgen. Von hier aus wurde er schon in seinen ersten Priesterjahren
als hervorragender Prediger in der Schweiz bekannt und beliebt. 1873 wurde
er auch Ehrenkanonikus von St. Maurice in Wallis. 1874 wurde er Stifts-
bibliothekar in St. Gallen, am 11. Februar 1876 Domkapitular und Domkustos
der Kathedrale in St. Gallen, in welcher Stellung er auch das Predigtamt an
derselben zu versehen hatte. Seine Neigung zu Amerika, wohin er im Sommer
1879 seine erste Reise gemacht hatte, führte ihn im Herbst 1881 als Professor
an das theologische Seminar zu Milwaukee. 1888 wurde er General vikar des
apostolischen Vikars von Dakota, Bischof Marty, in Yankton am Missouri.
Bei der bald darauf erfolgenden Teilung von Dakota in zwei Diözesen wurde
Z. vom Papste zum ersten Bischof der neuen Diözese St. Cloud ernannt und,
da ihn die Ernennung auf einer Reise in Europa erreichte, in Einsiedeln am
20. Oktober 1889 konsekriert. Am 14. Januar 1894 ernannte ihn der Papst
zum Erzbischof von Bukarest, wohin er im Herbst übersiedelte. Die schwierigen
Verhältnisse dieses Missionsbistums und seine angegriffene Gesundheit ver-
anlaßten ihn aber, schon im Sommer 1895 den Papst um Enthebung von
19*
292 Zardetti. Simar.
diesem Amte zu bitten. Er wurde nach seinem Rücktritte zum Erzbischof
von Mocissus i. p. i. ernannt. Seitdem hielt er sich teils im Erlenbad bei
Achern (Baden), teils in Rom auf, wo ihm der Papst ein Kanonikat in dem
Patriarchalkapitel von S. Maria Maggiore verlieh und ihn zum Konsultor der
Kongregation der Bischöfe und Regularen und der Kongregation für außer-
ordentliche kirchliche Angelegenheiten ernannte, sowie am 14. Februar 1899
zum päpstlichen Thronassistenten. Seine Leiche wurde auf seinen Wunsch
in die Zisterzienser-Abtei Mehrerau bei Bregenz übergeführt und dort in der
Gruft der Äbte beigesetzt. — Von Z.s Schriften seien, mit Übergehung einer
Reihe von einzeln gedruckten Festpredigten und kleineren Erbauungsschriften,
als die größeren und wichtigeren genannt: »Zehn Bilder aus Süd-England
oder: Wanderungen und Betrachtungen eines Katholiken bei einem Besuche
in England« (Einsiedeln 1877 ; die Frucht eines Studienaufenthaltes in Eng-
land im Winter 1874/75); »Pius der Große. Immortellenkränze auf den
Sarkophag Papst Pius IX.« (Frankfurt a. M. 1879); »Maryland, die Wiege des
Katholizismus und der Freiheit Nord -Amerikas« (Frankfurt a. M. 1881;
— Frankfurter zeitgemäße Broschüren, N. F. Bd. 2, Heft 4); ^>Requies S.
Galli oder geschichtliche Beleuchtung der Kathedrale des heiligen Gallus im
Lichte ihrer eigenen Vergangenheit« (Einsiedeln 1881); »Die kirchliche Sequenz:
Komm heiliger Geist! in frommen Betrachtungen erweitert. Nach einem eng-
lischen Manuskript aus dem 17. Jahrhundert übersetzt« (Freiburg i. Br. 1882);
»Westlich! oder durch den fernen Westen Nord-Amerikas« (Mainz 1897); »Die
Pflichten und Rechte des Adoptivbürgers in Amerika. Festrede, gehalten bei
Eröffnung der deutschen Katholikenversammlung in der Kathedrale zu Buffalo
am 21. September 1891« (Köln 1899).
Vgl. F. X. Wetzcl, Dr. Otto Zardetti, Erzbischof von Mocissus. Erinnerungsblättcr
(Einsiedeln 1902; mit Porträt). Derselbe in den Historisch-politischen Blättern, Bd. 114.
1S94, S. 203—214. F. Lauchert.
Simar, Hubert Theophil, Erzbischof von Köln, ♦14. Dezember 1835 zu
Eupen (Reg.-Bezirk Aachen), f Cöln 24. Mai 1902. — S. erhielt den ersten
Unterricht an der höheren Stadtschule zu Eupen und besuchte 1848 — 53 das
Gymnasium zu Düren. Von Herbst 1853 bis Ostern 1857 studierte er Theologie
in Bonn, im Sommersemester 1857 in München, widmete dann noch ein Semester
der Vorbereitung auf die beabsichtigte Promotion, trat Ostern 1858 in das
Priesterseminar zu Köln, wurde am 3. November 1858 in Münster zum Lic.
theol. promoviert und empfing am 2. Mai 1859 in Köln durch Weihbischof
Baudri die Priesterweihe. Hierauf wirkte er zuerst in der Seelsorge als Kaplan
an der Pfarrkirche Dietkirchen zu Bonn. Ostern 1860 wurde er Repetent im
theologischen Konvikt daselbst; Herbst 1860 habilitierte er sich zugleich als
Privatdozent an der theologischen Fakultät und hielt als solcher zunächst
Vorlesungen über neutestamentliche Exegese; Ende 1864 wurde er außer-
ordentlicher Professor für systematische Theologie, Oktober 1880 ordentlicher
Professor der Dogmatik und Apologetik. 1867 hatte ihm die theologische
Fakultät von Münster die theologische Doktorwürde honoris causa verliehen.
S. war auch hervorragend tätig für die Görres-Gesellschaft, deren Mitbegründer
er war (1876), als stellvertretender Generalsekretär; bis 1885 besorgte er auch
die Redaktion der Vereinsschriften. 1883 wurde er auch zum Vorsitzenden
Simar. Fäh.
293
des Zentralvorstandes des Borromäusvereins zur Verbreitung guter Bücher
gewählt. 1887 ernannte ihn Papst Leo XIII. zum päpstlichen Hausprälaten.
Am 25. Juni 1891 wurde er zum Bischof von Paderborn gewählt, am 17. De-
zember präkonisiert, am 25. Februar 1892 im Dom zu Paderborn durch Kardinal
Krementz konsekriert und inthronisiert. Paderborn verdankt ihm die Erbauung
des Leo-Konviktes und der Herz-Jesu-Kirche. Am 24. Oktober 1899 wurde
er zum Erzbischof von Köln gewählt, am 14. Dezember präkonisiert, am
12. Februar 1900 inthronisiert. Hier sollte dem eifrigen Oberhirten nur eine
2' '4jährige Regierungszeit noch beschieden sein. Von einer Firmungsreise
vor Pfingsten 1902 mit einer nicht beachteten Erkältung zurückgekehrt, er-
krankte er an Lungenentzündung, die seinem Leben ein unerwartet rasches Ende
bereitete. — Seine Werke: »Die Theologie des heiligen Paulus. Übersicht-
lich dargestellt« (Freiburg i. Br. 1864; 2. Aufl. 1883); »Lehrbuch der Moral-
theologie« (Freiburg i. Br. 1867; 2. Aufl. 1877; 3. Aufl. 1893); »Das Gewissen
und die Gewissensfreiheit. Zehn Vorträge« (Freiburg i. Br. 1874; 2. Aufl.
1902); »Der Aberglaube« (Köln 1877, i. Vereinsschrift der Görres-Gesellschaft
für 1877; 3. Aufl. 1894); »Lehrbuch der Dogmatik« (i. und 2. Hälfte, Freiburg
i. Br. 1879 — 80; 2. Aufl. 1887; 3. Aufl. 1893; 4. Aufl., 2 Bde., 1899); »Die
Lehre vom Wesen des Gewissens in der Scholastik des 13. Jahrhunderts. Ein
Beitrag zur Geschichte der Ethik. I. Teil. Die Franziskanerschule« (Freiburg
i.Br. 1885; auch als Bonner Universitätsschrift, Bonn 1885 ; ein 2. Teil folgte nicht).
Die 2. Auflage des Kirchen-Lexikons von Wetzer und Weite enthält von ihm
mehrere größere und einige kleinere Artikel aus Dogmatik und Moraltheologie.
Vgl. Dr. Hubertus Simar, Erzbischof von Köln. Ein Lebensbild. Köln, Bachern, 1902.
F. Lauchert.
Fäh, Jakob, S. J., * 17. Juni 1842 zu Amden im Kanton St. Gallen,
f 15. Juli 1902 zu Porto Alegre in Brasilien. — F. erhielt die humanistische
Schulbildung teils in der Kantonsschule zu St. Gallen, teils im Jesuiten-
kollegium zu Feldkirch. 1859 trat er zu Münster i. W. in die Gesellschaft
Jesu, studierte nach vollendetem Noviziat daselbst zwei Jahre Humaniora
und Rhetorik, in Maria-Laach drei Jahre Philosophie und wirkte dann vier
Jahre als Gymnasiallehrer in Feldkirch. Hierauf machte er als Krankenpfleger
1870 — 71 den deutsch-französischen Krieg mit. Seine theologischen Studien
vollendete er nach der Verbannung der Jesuiten aus Deutschland zu Ditton
Hall bei Liverpool, das letzte Probejahr in dem benachbarten Portico. Im
Herbst 1877 wurde er als Professor der Philosophie wieder nach Feldkirch
berufen; 1879 wurde er daselbst General präfekt des Pensionats; von Herbst
1882 bis Herbst 1885 war er Rektor des ganzen Kollegiums. Von Herbst
1885 bis Herbst 1889 leitete er in Exaeten als Hauptredakteur die »Stimmen
aus Maria-Laach«. 1890 hielt er sich zu Studienzwecken in Berlin auf. Im
Herbst 1891 wurde er Regens und Studienpräfekt des bischöflichen Seminars
zu Porto Alegre in Brasilien, im Februar 1900 Superior der gesamten deutschen
Jesuitenmission in Rio Grande do Sul. — F. schrieb die biographischen Skizzen:
:»P. Gerhard Schneemann S. J.« (Stimmen aus Maria-Laach, 30. Bd. 1886,
S. 167 — 189); »Georg Arbogast Freiherr von und zu Frankenstein. Ein Charakter-
bild« (Freiburg i. Br. 1891, mit Porträt; zuerst in den Stimmen aus Maria-
Laach, 40. Bd. 1891, S. I — 21, 141 — 161).
Vgl. Stimmen aus Maria-Laach, 63. Bd. 1902, S. I29f. y. Laudiert.
294 Schramm. Röhl.
Schramm, Romuald, O. S. B., Prior von Bfevnov, * 5. September 1833
zu Braunau in Böhmen, f 22. Juli 1902 zu Bfevnov. — Seh. absolvierte die
Gymnasialstudien in Braunau und Prag, trat dann am 7. Oktober 1853 ^-^
Bfevnov in den Benediktinerorden, legte am 6. September 1857 Profeß ab
und wurde am 29. Juli 1858 zum Priester geweiht. Der damalige Abt von
Braunau Dr. Johann Rotter machte ihn zu seinem Sekretär. Als solcher half
er zugleich in der Seelsorge in der Stadt Braunau und den umliegenden
Dörfern aus. 1862 — 66 war er Novizenmeister im Stift St. Margareth zu Bfevnov,
hierauf 21 Jahre Provisor, endlich seit 1887 Vorstand desselben als Prior,
zugleich Novizenmeister. — Seh. veröffentlichte in den »Studien und Mit-
teilungen aus dem Benediktinerorden« : »Regesten zur Geschichte der Benedik-
tiner-Abtei Bfevnov-Braunau in Böhmen« (3. Jahrg. 1882, Bd. I, S. 66 — 83, 292
bis 309; Bd. II, S. 82 — 95, 312 — 322; 4. Jahrg. 1883, Bd. I, S. 30 — 41, 250 bis
254) und lieferte für Sebastian Brunners »Benediktinerbuch« (Würzburg 1880)
die historische Skizze: »St. Margareth in Brevnov und Braunau in Böhmen-^
(S. 84—99).
Vgl. Studien und Mitteilungen aus dem Benediktinerorden, 23. Jahrg. 1902. S. 52Sf.
Scriptores Ordinis S. Bencdicii qui ijs^ — 1880 fuerunt ift Impcrio Ausiriaco-IIunf^arico
{Vindobonae iS8j), p. 420, F. Lau che rt.
Röhl, Johannes Christoph Martin, Generaldirektor der Straßeneisenbahn-
Gesellschaft in Hamburg, * 26. Mai 1850 in Lübeck, f 8. November 1902 in
Hamburg. — R. war zuerst, seit 1864, bei der Eisenbahn Lübeck -Kleinen
angestellt, und trat 1868 in den Dienst der Pferdeeisenbahngesellschaft in
Hamburg, die 1881 mit der Straßeneisenbahngesellschaft sich vereinigte.
Dieser Gesellschaft blieb er dann sein ganzes Leben in immer steigenden
Stellungen treu: 187 1 wurde er Buchhalter, 1875 Betriebsinspektor, 1881 Leiter
des Hauptbureaus, 1885 kaufmännischer Direktor, 1889 erster Direktor und
nach der in demselben Jahre erfolgten Neugestaltung der Straßeneisenbahn-
gesellschaft deren alleiniger Vorstand und Generaldirektor. In diesen Stellungen
entfaltete er bis zu seinem Tode eine rastlose und allseitig anerkannte Tätig-
keit und hat frühzeitig den Übergang der Straßenbahn zum elektrischen Be-
trieb mit dem System der reinen Oberleitung veranlaßt. Er gehörte auch
1895 zu den Gründern des »Vereins deutscher Straßenbahn- und Kleinbahnver-
waltungen«, den er von der Gründung bis zu seinem Tode leitete und bei
dessen Generalversammlung in Düsseldorf im September 1902 er noch den
Vorsitz führte. Auch war er Vizepräsident der »Internationalen Straßenbahn-
Vereinigung«.
pjne her\'orragende Stellung nahm R., der auch Meister vom Stuhl der
Loge zum Roten Adler war, eine Zeit lang auf stenographischem Gebiete ein,
auf dem er seit 1864 für die Stolzesche Stenographie wirkte. Kr war mehrere
Jahre Vorsitzender des Stenographischen Vereins zu Hamburg (gegründet
1852), und Verbandsvertreter sowie Vorsitzender des Norddeutschen Steno-
graphenbundes, dann von 1889 bis 1895 Vorsitzender der W. Stolzeschen
Stenographenverbände. An der Änderung und Vereinfachung der altstolze-
schen Stenographie im Jahre 1885, der sogenannten mittel stolzeschen Schrift,
hat R. wesentlich mitgewirkt, indem er der Hamburger Kommission angehörte,
die den Entwurf zu dieser Änderung ausarbeitete und dann auf dem Steno-
Röhl. Fulda. Basedow. Herrle. von Heldreich. 205
graphentag zu Magdeburg im September 1885 für die Annahme der Re-
form seine ganze Kraft einsetzte. Zu der hier festgestellten »W. Stolze-
schen Schul- und Korrespondenzschrift« bearbeitete R. die »Oberstufe«, die
1887 erschien und der Debattenschrift die Kürze der alten Stolzeschen Schrift
wahren sollte. Die Hoffnungen, die R. auf diese Reform setzte, haben sich
nicht erfüllt, sodaß er sich 1895 vom stenographischen Leben zurückzog.
Der Vereinigung der Stolzeschen und Schreyschen Schule im Jahre 1897 zum
' Kinigungssystem Stolze-Schrey« trat R. nicht entgegen, hat sich dem neuen
System aber auch nicht angeschlossen.
Vgl. Mitteilungen des Vereins Deutscher Straßenbahn- und Klcinbahnverwaltungcn
1902 S. 501 — 504; Stenographische Unterhaltungsblätter 1890, S. 17; Hamburgischer Corrc-
spondcnt, 9. u. ii. November 1902. Dr. Johnen.
Fulda, Eckart, Professor an der Königl. Hauptkadettenanstalt in Groß-
Lichtcrfelde bei Berlin, * 20. Februar 1854 in Eckartsberga (Prov. Sachsen),
t 28. Februar 1902 in Groß-Lichterfelde. — F. hat als tüchtiger Schulgeograph
an der Ausgestaltung des geographischen Unterrichts an den preußischen
Kadettenanstalten entscheidenden Anteil genommen. Beachtung verdient
sein in der »Geograph. Zeitschrift« (VIII, 1902) veröffentlichter Aufsatz über
die »Anforderungen an ein Lehrbuch der Erdkunde für die höheren Schulen«.
Vgl. Geogr. Zeitschr. 1902, 247. W. Wolkenhauer.
Basedow, M. P. Friedrich, * 25. September 1829 in Dreckharburg im
Lüneburgischen (Prov. Hannover), f 12. März 1902 in Adelaide. — B. wanderte
1848 als Lehrer 'nach Australien aus und gründete dort 1850 in Tanunda,
einem Mittelpunkte deutscher Ansiedler, eine deutsche Schule, die sich bald
zum Vorbild für ähnliche Anstalten in Australien entwickelte. Im Jahre 1864
übernahm er die deutsche »Australische Zeitung«, die er 1875 nach Ver-
schmelzung mit der »Südaustralischen Zeitung« nach Adelaide verlegte. Als
die Deutschen noch eine Hauptrolle in der Erforschung Inneraustraliens
spielten, brachte B.s Zeitung häufig die ersten Berichte über die Ergebnisse
solcher Expeditionen.
Vgl. Geographen-Kalender I, 1903/4. W. Wolkenhauer.
Herrle, Gustav, Kartograph, * 1843 in Wels (Österreich), f am 16. April
1902 in Washington. — Als Militäringenieur vorgebildet entschloß sich H.
1864, ^1^"^ Erzherzog Maximilian nach Mexiko zu folgen. Nach dem Falle
des mexikanischen Kaiserreichs kam er nach den Vereinigten Staaten, wo
er einige Jahre an den Plänen zur Befestigung von New -York arbeitete,
1872 trat er als Kartograph in den Dienst des hydrographischen Amtes in
Washington und wurde in demselben später Chef des Zeichenburcaus. Unter
seinem Namen erschienen einige Karten der großen Ozeane in gnomischer
Projektion zur Anwendung beim Segeln im größten Kreise.
Vgl. Geographen-Kalender 1 , 1 903/04. \\\ W 0 1 k e n h a u e r.
Heldreich, Theodor von, Professor Dr., Botaniker, * am 3. März 1822 in
Dresden, f am 7. September 1902 in Athen. — Er machte seine Studien auf
der Universität Freiburg i. B. und widmete sich dann mit Vorliebe der Botanik
2q6 von Heldrcicb. Selenka. Koelle.
und zwar unter Professor Dunals Leitung in Montpellier, dann unter Aug.
Pyr. de Candollc und Alphonse de Candolle in Genf (1838 bis 1842); von
1841 bis 1842 war er auch Konservator des de Candolleschen Herbariums.
Seine erste botanische Reise führte ihn nach Sizilien, 1843 nahm er einen
längeren Aufenthalt in Italien, besonders in Neapel, und vom September 1843
an hielt er sich in Athen auf. Von hier aus führte H., meist im Auftrage
Eduard Boissiers, bis 1848 große Reisen aus, so nach Kleinasien und Kreta.
1849 bis 1850 besuchte er England und hielt sich ein Jahr in Paris als Kon-
servator des Herbariums Ph. Barker Webbs auf, machte die Herborisation
unter Andrien de Jussieu mit und knüpfte freundschaftliche Beziehungen mit
den Pariser Botanikern an. Im Jahre 1851 kehrte er wieder nach Griechen-
land zurück und nahm von da seinen ständigen Aufenthalt in Athen. Außer
zahlreichen Exkursionen in Attika unternahm er fast alljährlich größere bo-
tanische Forschungsreisen. H. entdeckte auf seinen Reisen in Griechenland
und dem Orient 700 neue Spezies und sieben neue Genera. Seit 185 1 be-
kleidete H. die Stelle des Direktors des botanischen Gartens in Athen. Von
1858 bis 1883 war er auch Konservator des naturhistorischen Museums der
Universität. Von 1880 bis 1883 war er auch der Lehrer der Naturgeschichte
des Kronprinzen und der Prinzen Georg und Nikolas. — Die wissenschaft-
lichen Arbeiten H.s sind sehr zahlreich. Er befaßte sich besonders mit der
systematischen Botanik, der Erforschung der griechischen Flora und mit
Studien über die * Flora classica*, nebenbei aber auch mit Zoologie, nament-
lich Entomologie, Malakologie, Paläontologie. Seit 1854 erscheint das ^Her-
banutn graecum normale*] 1862 erschienen »Die Nutzpflanzen Griechenlands«.
Weiter sind noch zu nennen: »Die Pflanzen der attischen Ebene nebst Pflanzen-
kalcnder«, Schleswig 1876; »Monographie der Liliaceen-Gattung«, Leopoldina
1878; y> Flore de File de Ccphalonie*, Lausanne 1882. Seit 1889 war H. Mitar-
beiter des großen neugriechischen »Enzyklopädischen Lexikons«, herausgegeben
von Barth und Hirst (Athen) für die Artikel über Botanik und zum Teil auch
über Pharmakognosie.
Vgl. Lcopoldina 1902, S. 107. W. Wolkenhauer.
Selenka, Emil, Zoologe, * 27. Februar 1842 in Braunschweig, f 21. Januar
1902 in München. — S. studierte 1863 bis 1866 in Göttingen Naturwis.sen-
schaften und wurde 1868 Professor der Zoologie und verglei(;henden Ana-
tomie in Leiden, 1874 in Erlangen. Im Jahre 1895 siedelte er nach München
über, wo ihm eine ordentliche Honorarprofessur an der Universität übertragen
wurde. S. machte wiederholt ausgedehnte wissenschaftliche Reisen nach dem
ostindischen Archipel. Von seinen Schriften sind besonders zu nennen : »Zo-
logische Studien«; »Studien über Entwicklungsgeschichte der Tiere«; »Ein
Streifzug durch Indien«; »Zur Entwicklung der Affen«; »Zur Entstehung der
Placenta des Menschen«; »Sonnige Welten«; »Der Schmuck des Menschen«.
Mit J. Rosenthal und Reeß begründete S. das »Biologische Centralblatt«.
Vgl. Leopoldina 1902, 49. W. Wol kenhau er.
Koelle, Sigismund Wilhelm, Dr., Missionar und Sprachforscher, * am
14. Juli 1820 zu Cleebronn (O.-A. Brackenheim) in Württemberg, f am i8. Fe-
bruar 1902 in London. — K. kam 1841 in das Basler Missionshaus und war
Koclle. Allmers.
297
seit 1845 im Dienste der Church Missiatiary Society in Sierra Leone als Lehrer
am Fourah Bay College tätig. Da befreite Sklaven die Mehrzahl der Schüler
bildeten, hatte K. nicht nur Gelegenheit, zahlreiche Negersprachen kennen
zu lernen, sondern auch seine Zöglinge über ihre Heimat und die von ihnen
besuchten Gebiete auszuforschen. Die so gewonnenen Erkundigungen legte
er in seinem umfassenden Werke -aPolyglotta Africana* (London 1854) nieder.
1853 kehrte K. nach England zurück, war nachher Missionar in Ägypten,
ging dann nach Haifa am Karmel, später lange Zeit nach Konstantinopel.
Die Taufe und nachherige Verfolgung des Effendi, seines Sprachlehrers, mit
dem er u. a. das ^Comtnon Prayer Book* ins Türkische übersetzt hat, gab den
Zeitungen seiner Zeit viel zu berichten. K. war einer der gründlichsten
Kenner des Türkischen und Übersetzer darin. Die letzten Jahre lebte er in
London. Von seinen Schriften seien noch erwähnt: 1^ Narrative of an Expedition
into the Fei Country of West-Africa*, London 1849. — »Die große afrikanische
Völker\'ersammlung in Sierra Leone«, Petermanns Mitteilungen 1855. —
^Alohafmned and Afohammedanism*, London 1889 (540 S.). — »(?/i Tartar and
Turk«, Journal of the Royal Asiat. Soc, XIV, S. 2.
VII. und VIII. Jahresber. d. Württemb. Ver. f. Handel sgeograpbie, Stuttgart 1890.
W. Wolkenhauer.
Allmers, Hermann Ludwig, Besitzer eines Hofes in der Osterstader
Marsch, * 11. Februar 1821 zu Rechtenfleth, f 9. März 1902 daselbst. — A. war
der letzte Sprößling eines uralten Friesengeschlechtes, das einen Stammhof
zu Rechtenfleth an der Unterweser besaß. Seine begüterte Familie führte seit
alten Zeiten den Reichsadler im Wappen, tat es also den »Edelingen« gleich.
Als seine früheste Erinnerung aus der ersten Kindheit bezeichnete A. die
Sturmflut mit dem Deichbruch in Rechtenfleth am 4. Februar 1825. So wurde
er frühzeitig mit der Lebens- und Leidensgeschichte der Friesen bekannt, und
niemand war besser als er mit dem Stoffe vertraut, später über die Sturm-
fluten so ergreifende Schilderungen zu entwerfen und zu erzählen, wie Wogen
und Wind die Marschen umbrausten.
Seinen Unterricht empfing er durch Hauslehrer, von denen der letzte ein
Theologe mit Namen Alexis Doni war, der jener alten florentinischen Adels-
familie entstammte, die durch zwei Bildnisse Rafaels bekannt geworden ist.
Sicher hat dieser Erzieher mit dazu beigetragen, daß in A., der später eines
der besten Werke über Italien geschrieben hat, die heiße Sehnsucht nach dem
sonnigen Süden erwuchs, die ihn zeitlebens erfüllte.
Der Lieblingswunsch des jungen A., Naturforscher zu werden und auf
Reisen zu gehen, wurde nicht erfüllt. Seiner treuen Mutter zu Liebe, der er
in dem ergreifenden Gedicht »In der Fremde« das schönste Denkmal
gesetzt hat, übernahm er nach des Vaters Tode das elterliche Gut und wid-
mete sich als Deichvogt und Gemeindevorstand den Interessen des heimat-
lichen Dorfes. Als auch seine Mutter verschieden war (1855), begann er ein
langes Wanderleben. An der Universität Berlin besuchte der bereits Fünf-
unddreißigjährige Vorlesungen, besonders _ über Geographie, Botanik und
Meteorologie. In Schwaben lernte er den greisen Uhland kennen, der erstaunt
auflauschte, wie gut sich das Plattdeutsche in A.s »Fragment zu einem
unvollendet gebliebenen Epos ,Die Stedinger*« ausnehme. In München
298 Allmers.
gewinnt er die Freundschaft der dort lebenden Dichter und Schriftsteller,
eines Geibel, Heyse, Grosse, Bodenstedt, Auerbach, Rieh! u. a. Der Bremer
Geograph I. G. Kohl hatte A. namentlich durch sein Werk »Die Marschen
und Inseln Schleswig-Holsteins« auf die Heimat hingewiesen. Es reifte in A.
der Entschluß, ein Marschenbuch zu schreiben. Als Vorstudien zu dem Unter-
nehmen schrieb er Norddeutsche Vegetationsbilder, Architektonische Studien,
Reisebilder und Ästhetische Briefe für Bremer Blätter, und im Jahre 1857
erschien sein »Marschenbuch«, dieses wahrhaft klassische Buch, das nicht
veralten wird, so lange die von A. gleichsam entdeckten Schönheiten der
reichgesegneten Elb- und Wesermarschen bestehen bleiben.
Ein Jahr nach dem Erscheinen seines ersten großen Werkes unternahm A.
1858 die erste »Romfahrt«, die ihm Veranlassung zu dem vielgelesenen, bis
jetzt in elf Auflagen erschienenen Buche gab: »Römische Schlendertage«.
Nachdem er in seine Heimat zurückgekehrt war, veröffentlichte er seine
Gedichte (1860, 5. Aufl., 1904), die ihm nun den Ehrennamen des Marschen-
dichters einbrachten, unter welcher Bezeichnung er in der deutschen Kunst
weiterleben wird.
In der Stille der alten Heimat reifte nun auch sein Entschluß, seinen
behäbigen Marschenhof zu einer Kunststätte umzuwandeln, und dies ist ihm
mit Hilfe zahlreicher Künstler in der seltensten Art gelungen. Maler wie
Otto Knille, Arthur Fitger, H. von Dörnberg, Erwin Küsthardt, Hugo Händler,
und Bildhauer wie Harro Magnussen und Diedrich Kropp schmückten das
Marschenheim, das nicht etwa ein buntes Raritätenkabinett geworden ist, wie
es protzige Kunstfreunde zustande bringen, sondern ein von treuen Freunden
feinsinnig zusammengestelltes Kleinod, in dem alles aus edelster Heimatkunst
bodenständig sich entfaltet hat.
Die beiden stolzesten Räume dieser Kunststättc sind die untere Marschen-
halle mit ihrem anheimelnden Kunstschmuck und der obere Marschensaal
mit dem eindringlichsten Zeugnis für die treueste Heimatliebe seines Schöpfers.
In sechs friesartig aneinandergereihten Gemälden hat hier Heinrich von Dörn-
berg, ein lieber Freund des Marschendichters, die wichtigsten Höhepunkte
in der Geschichte der Marschen geschildert, während A. die Erläuterungen
dazu in markigen Versen gab.
Wie A. bis in sein hohes Alter bemüht war, seinem Marschenheim neue
Kunstschätze hinzuzufügen, so ist er auch in der Kunstpflege für sein ganzes
Heimatland eingetreten. Dafür zeugen u. a. das Erbbegräbnis des A. sehen
Geschlechtes, als dessen letzter Sproß er nun auf dem stillen Friedhofe in
Rcchtenfleth schläft, das Rechtenflether Kriegerdenkmal und das Denkmal Karls
des Großen, das ein eigenartiger Schmuck des alten Weserdorfes geworden ist.
Und an ungezählten Stellen hat A. eingegriffen, daß die Marschenlande
in künstlerischer Weise geziert wurden, so durch das von Zieger hergestellte
Gemälde vom Bruderkuß im Lübbenschen Hause zu Schmalenfletherwurp
und durch die von J. Ungewitter gemalten Bildnisse im Grafenhof zu Stotel.
A. war nichts weniger als etwa ein Bauerndichter und Volkssänger. Er
stand auf der Höhe neuzeitlicher Bildung und besaß ein feines Verständnis
namentlich auch für die bildenden Künste. Andererseits haßte er alles
Gespreizt-Akademische, alles Steifleinene, alles Hyper-Asthetische, alle schemen-
hafte Literaturkunst. Kr stand mitten im Volke, in dem er schon echte Heimat-
Allmers. von Ficker.
299
kunst pflegte, ehe am Ende des 19. Jahrhunderts dieser Ausdruck ein modernes
Schlagwort wurde. Und so darf es uns nicht Wunder nehmen, daß gerade
ein Bannerträger der modernen Kunst und der neueren Literaturentwicklung,
M. G. Conrad, es war, der A. noch in den letzten Wochen vor seinem Hin-
scheiden in bedeutsamer Weise dadurch ehrte, daß er ihm in einem begeisterten
Vorwortkapitel das treffliche Buch: »Von Emil Zola bis Gerhart Haupt-
mann« widmete.
Ein Grundzug von A.s Wesen war seine Hingabe an Freunde, an junge
Talente, an aufstrebende Künstler und Schriftsteller. Ungezählten hat er
geholfen, über zahllose hat er seine schützende Hand gehalten. Wo er weilte,
da gründete er Bündnisse Gleichgesinnter, da entflammte er die Herzen zu
hohen Zielen. In Rom schuf er die »Colonna-Gesellschaft«, im Lande
Wursten gründete er den Bund der »Männer vom Morgenstern«, und auf
seine Anregung hin wurde der »Rustringer Heimatbund« gestiftet. Für
seine Heimatgenossen hat er sein kunstgeschmücktes Marschenheim geschaffen,
das auch noch nach seinem Tode den Besuchern offen steht. Zahlreiche
seiner Lieder sind komponiert worden. An erster Stelle ist der Gesang
»Feldeinsamkeit« zu nennen, der durch die Musik von J. Brahms so
bekannt geworden ist.
A.s Hauptwerke sind ges<immclt in sechs Bänden in der Schulzcschen Hofbuchhandlimg
(Schwartz) in Oldenburg erschienen. Bd. r und 2: Das Marschenbuch, 4. Aufl., 1904. —
Bd. 3 und 4: Römische Schien dcrtagc, ii. Aufl., 1904. — Bd. 5: Dichtungen, 5. Aufl.,
1904. — Bd. 6: Aus längst und jüngst vergangener Zeit, enthält die Dramen: »Klcktra«
und »Merz und Politik«, die Erzählung »Harro Ilarrescn« und die Biographie »Hauptmann
Böse«. — Sonstige Veröffentlichungen sind: Auf der Rudelsburg und Friesensang. Lied
und Weise von A. Zigeunerlied von Dreves, Musik von A. — Ferner die kleinen Schriften:
I. Unsere Kirche, ihr Zustand und ihr Ziel. 1865. 2. Die Pflege des Volksgesanges im
deutschen Nordwesten. 1S76. 3. Diedrich Kropp, biogr. Skizze. 1S95. Mit dem Maler
Freiherrn v. Dörnberg gab er auch eine Mappe heraus: Kulturgeschichtliche Bilder aus den
Nordsee-Marschen.
Quellenverzeichnis zur Allmers - Biographie : Namentlich bei seinem 70., dann
80. Geburtstage und bei seinem Hinscheiden sind in ungezählten Zeitschriften Skizzen Über
A. erschienen. Vergl. außerdem:* Ludwig Bräutigam, Der Marschendichter Hermann
Allmers. Sein Leben und seine Schriften. Mit einem Bildnis des Dichters. Oldenburg
und Leipzig, 1891. Hans Müller -Brauel, Der Marschendichter Hermann Allmers. 1S95.
Selbstverlag des Verfassers. Ludwig Bräutigam, Das Allmers-Buch. Dichtungen, literarische
Studien und Zeichnungen von Allmers Freunden. Goslar 1901.
Bildnisse: Eine große Bronze-Büste von A., von Harro Magnussen herrührend, befindet
sich in der Kunsthalle /u Bremen; ein Abguß davon im Hause des Unterzeichneten. Ver-
scliiedene kleinere Bildnisse von A. und seines Marschenheims weist das Allmers-Buch (1901)
auf. — Ein preisgekröntes Ölbild, A. darstellend, von J. Lang herrührend, steht im Marschen-
hofe zu Rechtcnfleth. Vergl. auch einen Holzschnitt, Gartenlaube 1872. — Das berühmte
Ailmers-Bild von Franz v. Lenbach, das als ein Meisterwerk der Porträtkunst 1900 auf der
Pariser Weltausstellung so viel Bewunderung erregte, ist in den Besitz des Bildhauers Herrn
Magnussen, Berlin-Grunewald, übergegangen.
Bremen. Prof. Dr. Ludw. Bräutigam.
Ficker, Caspar Julius von, Historiker, * 30. August 1826 zu Paderborn,
f 10. Juli 1902 in Innsbruck. — Ein an wissenschaftlicher Arbeit und Er-
300
von Ficker.
folgen überaus reiches Leben fand seinen Abschluß, als Julius von Ficker zu
Wilten in Innsbruck zu Grabe getragen wurde.
F. wurde als Sohn des Arztes I^udwig Ficker zu Paderborn geboren.
Die Knabenjahre verbrachte er zu Münster, bezog dann als Jurist die Uni-
versität Bonn, wandte sich dort aber nach zwei Jahren der philosophischen
Fakultät, insbesonders dem Studium der Geschichte zu, das er dann in Münster
und Berlin fortsetzte. Doch trat er von seinen akademischen Lehrern nur
Aschbach näher. Entscheidend war es für F., daß er im Jahre 1848 in Frank-
furt mit Johann Friedrich Böhmer in Berührung kam, der die große Bega-
bung des jungen Mannes erkennend bald sein eifrigster Gönner und Freund
geworden ist. Durch Böhmer noch mehr als durch Aschbach sah sich F. auf
das Gebiet der mittelalterlichen Reichsgeschichte gewiesen. Schon seine
Doktordissertation Ȇber den Versuch Kaiser Heinrichs VL, Deutschland in ein
Erbreich zu verwandeln«, die zugleich als Habilitationsschrift diente, gehörte
diesem Gebiete an. Es folgten Arbeiten über Rainald von Dassel, Köln 1850,
den gewaltigen Kanzler Friedrichs L, über Engelbrecht den Heiligen, Erz-
bischof von Köln, Köln 1853, eine Ausgabe des Gottfried von Viterbo, Ar-
beiten, die ihn auf ein Gebiet führten, zu dem er ein Jahrzehnt später zu-
rückkehren sollte. Ein Band »Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters«
entsprang dem Interesse, das F. schon von seinen Jugendjahren an der
engeren heimatlichen Geschichte entgegenbrachte.
Doch bald wurde F. seinem heimischen Arbeitskreise entrissen. Auf
Empfehlung Böhmers wurde er 1852 von dem österreichischen Unterrichts-
minister Grafen Leo Thun, der sich daran machte, das tief darniederliegende
geistige Leben in Österreich durch Reformen des Mittel- und Hochschul-
unterrichtes mit Hülfe ausländischer Kräfte zu beleben, an die Universität
Innsbruck berufen. Nur klein war damals diese Universität. Durch F.s Tätig-
keit jedoch gewann die historische Schule Innsbrucks nach kurzem eine an-
gesehene Stellung in Deutschland. F. fand sich in Innsbruck bald heimisch.
Etwas Verwandtes lag, wie Böhmer richtig bemerkte, im Charakter der West-
falen und Tiroler von damals. Schon die gleichen religiösen Gefühle —
F. war damals noch überzeugter Katholik und hat sich erst später frei-
sinnigeren Anschauungen zugewendet — , und die gleiche politische groß-
deutsche Gesinnung brachte ihn den Tirolern näher. Bald gewann er das
Land und seine Berge lieb. Im Kriegsjahre 1866 hat er es verteidigen
helfen, nachdem er sich schon 1859 große Verdienste namentlich um die
Pflege der Verwundeten erworben hatte. Und gerne wanderte er auf Tirols
Bergen und Gletschern herum und hat manchen später bevorzugten Alpen-
pfad zuerst gewandelt.
Hat er in seinen Arbeiten Tirols und Österreichs Geschichte auch nur
gestreift, um so energischer wies er seine Schüler auf heimatliche Aufgaben,
in denen Josef Durig und Alphons Huber schon bald sehr vielversprechendes
leisteten. Seine reiche literarische Arbeit galt vor allem der Reichsgeschichte.
Zunächst wandte er sich Ludwig dem Bayern zu. Um Material zu sammeln,
unternahm er seine erste Forschungsreise nach Italien, das er später noch so
oft und gründlich archivalisch ausbeuten sollte. Die Herausgabe der »Über-
reste des deutschen Reichsarchives in Pisa« und die erst 1865 gedruckten
»Urkunden zur Geschichte des Römerzugs Ludwigs des Bayern« waren die
von Ficker. ^01
Früchte dieser Reise. Doch die geplante Darstellung der Geschichte Lud-
wigs unterblieb.
Die Arbeit über die Doppel wähl von 13 14 hatte ihn zu anderen For-
schungen abgelenkt. Es war das Problem der deutschen Königswahl, der
Entstehung des ausschließlichen Wahlrechts der Kurfürsten, das ihn fesselte.
Schon der Aufsatz »Zur Geschichte des Kurvereins zu Rense« (Sitzungsber.
der Wiener Akad. 1853) gehört in diesen Kreis. Doch auch die Geschichte
des Kurkollegs, deren Entwurf F. schon fertiggestellt hatte, blieb unge-
druckt, denn er hatte sich in die Frage vertieft, wer denn überhaupt zum
Fürstenstande zähle. So ist die Frucht dieser Studien das Buch vom Reichs-
fürstenstande gewesen, dessen erster Band 1861 erschienen ist, grundlegend
für die Geschichte des Fürstenstandes, insbesondere fruchtbar durch die Ent-
deckung der Veränderungen, die der Fürstenstand durchgemacht hat, die
Scheidung des älteren und jüngeren Fürstenstandes. Für die Arbeitsmethode
F.s und auch für seine Stilisierung bereits bezeichnend. Organisch ent-
wickelt sich bei ihm Forschung aus Forschung. Nicht von einem festen
Plan geht er aus, die Arbeit erwächst vielmehr unter seinen Händen, er
schreitet von Frage zu Frage, läßt bereits Fertiges liegen, um neue Probleme,
die ihm wichtiger scheinen, anzubohren. ¥a bemüht sich nicht, die Resultate
seiner Arbeiten planvoll zusammenzustellen, er führt den Leser den Weg, den
er selber gewandelt, mit allen Querwegen und Abschweifungen, mit allen Ein-
wänden, die er sich stellt, und wohl auch ab und zu mit den Korrekturen
eigener, von ihm früher vorgetragener Ansichten. Was er hier noch ent-
schuldigt, ist ihm später Gewohnheit geworden und hat er als das Richtige
verteidigt. Allerdings »der Erkenntnis des Gegenstandes auf dem Wege der
Aufsuchung und Untersuchung zu folgen, ist für den Leser etwas mühsam«,
wie schon Böhmer bemerkte, macht die Lektüre der F.schen Bücher zu einer
anstrengenden Arbeit und hinderte die Verbreitung seiner Werke über die
engsten Kreise der Fachgenossen hinaus. Aber sie setzte ihn in die Lage,
den vollen Ertrag seiner Forschungen darzulegen, Gegenstände zu berühren,
die mit dem eigentlichen Thema der Arbeit loser zusammenhängen.
Gleichzeitig mit dem Reichsfürstenstande, dessen zweiter Band ungedruckt
blieb, waren nicht minder wichtige Entdeckungen und Arbeiten erfolgt. Ein
glücklicher Fund brachte auf der Innsbrucker Universitätsbibliothek die ein-
zige Handschrift des Spiegels deutscher Leute zu Tage. Mit einem Schlage
verbreitete dieser Fund neues Licht auf das Verhältnis des Sachsen- zum
Schwabenspicgel und auf die Entstehungszeit dieser Rechtsbücher. Die Hand-
schrift wurde von F. 1859 veröffentlicht und veranlaßte die Abhandlungen:
Ȇber den Spiegel deutscher Leute und seine Stellung zum Sachsen- und
Schwabenspiegel 1857«, »Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels 1859«,
»Zur Genealogie der Handschriften des Schwabenspiegels« (Wiener Sitzb. 39),
denen noch später der Aufsatz »Entstehungszeit des Schwabenspiegels«,
(Sitzb. 77) folgte. In diesen Schriften hat F. die Entstehungszeit und das
Verwandtschaltsverhältnis der drei wichtigsten deutschen Rechtsbücher des
13. Jahrhunderts grundlegend festgestellt. Nebst dem Buche »Von dem Heer-
schilde« 1862, das besonders für die Aufhellung der Stände der Ritterlichen
große Bedeutung erlangt hat, ein Arbeitsgebiet, auf dem später F.s Schüler
Otto von Zallinger große Bedeutung errungen hat, hängen noch eine Reihe
302
von Ficker.
kleinerer Arbeiten mit dem Reichsfürstenstande und den Rechtsbüchem zu-
sammen, wie die »Über die Echtheit des kleineren österr. Freiheitsbriefes«,
den F. gegen Lorenz verteidigte. F.s Ansicht ist bis auf die neueste Zeit die
herrschende geblieben trotz der Bedenken Böhmers, der zum Teil aus den-
selben Gründen wie neuestens Erben an eine Verunechtung dachte. Andere
Arbeiten dieses Kreises sind die über »die Reichshofbeamten der staufischen
Periode«, wichtig für die Stellung der Reichsministerialen, endlich die über
das Reichskirchengut, welche das Eigentum des Reichs am Reichskirchen-
gute zu erweisen suchte (Wiener Sitzb. 77).
Inzwischen war F. in eine Polemik mit Sybel geraten, die sich um so
erregter gestaltete, als politische Motive im Spiele waren. F. hatte in einer
Reihe von Vorlesungen „Das deutsche Kaiserreich in seinen universellen und
nationalen Beziehungen, 1861« die Verbindung Italiens und Burgunds mit
dem Deutschen Reiche als eine für die Ruhe Europas und die Entwicklung
dieser Länder überaus günstige Begebenheit geschildert, den politischen Ver-
fall Deutschlands erst aus den Bestrebungen der späteren Staufer abgeleitet,
Sizilien mit dem Reiche zu vereinigen. Die Vorlesungen schlössen mit dem
Hinweise, daß das national gemischte Österreich am ehesten geeignet sei, als
Nachfolger des alten Reiches die politische Entwicklung Mitteleuropas und
Deutschlands zu sichern. Sie waren gegen Heinrich von Sybel gerichtet, der
in einer Festrede die Kaiseridee und das Hinausgreifen der deutschen Könige
über Deutschland als nationales Unglück für Deutschland bezeichnet hatte.
Es war die Zeit zwischen 1859 ""^ 1866, in der die deutsche Nation fieber-
haft zu engerer politischer Einigung drängte. Ob mit, ob ohne Österreich
war die Frage, und so spielte in diese Kontroverse der ganze Gegensatz der
groß- und kleindeutschen Idee hinein. Sybel erwiderte erregt, so daß sich
F., der mit einer neuen Schrift »Deutsches Königtum und Kaisertum«
1862 antwortete, persönlich beleidigt fühlte. Die Ereignisse haben dem
politischen Blicke Sybels recht gegeben, auf F.s Seite lag die gründlichere
Sachkenntnis; mag man in der Schätzung des Kaisertums auch anderer
Meinung sein als Böhmer und F., so wird man vielen der historischen Au.s-
führungen F.s beistimmen.
Schon hatte F. ein neues Forschungsgebiet in Angriff genommen. Er
hatte inzwischen in Innsbruck die geschichtliche Lehrkanzel mit der für die
deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte an der juridischen Fakultät vertauscht.
Da zog ihn die Geschichte der Rezeption mächtig an, auf die damals durch
Franklin die Aufmerksamkeit gelenkt war. Hatte Franklin dabei den Rechts-
gang beim deutschen Hofgerichte berührt, so verfolgte nun ¥. die italienischen
Hofgerichtsurkunden, die schon seit dem 12. Jahrhundert vom römischen
Rechte beeinflußt werden. So kam er auf die Stellung des römischen Rechtes
in Italien, auf die italienischen Rechtsschulen. Es waren aber auch die Ideen,
welche er gegen Sybel entwickelt hatte, die ihn bei dieser Arbeit begleiteten.
Bisher hatte sich die Wissenschaft vorwiegend mit den italienischen Städten
beschäftigt. Noch Hegel hatte vor kurzem über den Ursprung der italienischen
Stadt Verfassung geschrieben. Die Italiener selber, namentlich der F. nahe-
stehende Schupfer wandten sich der Langobardenzeit zu. Über die Stellung
des Kaisertums in Italien, die kaiserliche Verwaltung war noch kaum im Zu-
sammenhang gearbeitet worden. Da galt es für F., die Befugnisse des Reichs
von Ficker.
303
in Italien aufzuspüren, die von Sybel, wie F. sich ausdrückte, gezeichnete
Jammergestalt des ersten Friedrich in ihr Nichts zu bannen. Und darin
liegt das große Verdienst der »Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte
Italiens«, daß sie eine Geschichte der kaiserlichen Gerichtsbarkeit in Italien
von der fränkischen Zeit bis ins 14. Jahrhundert bieten. Unendlich reiche
Nebenfrüchte fallen dabei ab zur Geschichte des italienischen Urkunden-
wesens, des Bannes, der italienischen Rechtsschulen, der städtischen Gerichte.
Auch die Rekuperationen der römischen Kirche, die Geschichte des Kirchen-
staates fand Beachtung, weil dieser das Reichsgebiet schmälerte. Die Ver-
träge der Kaiser mit den Päpsten wurden dabei kritisch untersucht, die
gewonnenen Resultate sind zum größten Teile noch heute anerkannt. Ein
Urkundenbuch vereinigte das reiche urkundliche Material, das F. auf wieder-
holten Reisen in Italien gesammelt hatte. Noch in mehreren kleineren
Arbeiten hat F. die Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter berührt,
so in der über den Brachyhgus iuris civilis (Wiener Sitzb. 67), über die
Exceptiotics kgum Ronianorum (Mitteil, des Instituts für östcrr. Geschichts-
forschung, Ergänzungsband 2), die Usatici Barchinonae (ebenda). Auch die
Abhandlungen über den Lombardenbund, die Grafen der Romagna, das
Testament Heinrichs VI. und wohl auch die über die Constitutio de expeditiane
Romana (Wiener Sitzb. 73) stehen mit den Forschungen zur Reichs- und Rechts-
geschichte Italiens im Zusammenhang.
In den nächsten Jahren widmete sich F. der Vollendung fremder Arbeiten,
die für ihn wieder Anlaß zu neuen großen Werken boten. Böhmer hatte ihm
letztwillig die Obsorge über die Regesten übertragen. Während F. die
Vollendung der Regesten Karls IV. und die Neubearbeitung der Karolinger
seinen Schülern Huber und Mühlbacher überließ, übernahm er die Ausgabe
des dritten Ergänzungsheftes der Regesten Ludwigs des Baiern und der Acta
imperii selecta, sowie die Neubearbeitung der Stauferregesten von 1198 bis
1272. Auch Stumpf erwies er ähnlichen Freundschaftsdienst, indem er dessen
Acta und Regesten fertigstellte. Eine Reihe von Studien zur Staufer-
geschichte waren die Früchte dieser Arbeiten, Verfahren gegen Heinrich den
Löwen, Einführung der Todesstrafe für Ketzerei (Mitteil. d. Inst, i), Konradins
Marsch zum palantinischen Felde (ebenda 2), Polemik mit Köhler (ebenda
4, 6 und 7), Erörterungen zur Reichsgeschichte des 13. Jahrh. (ebenda 3, 4).
Aber auch zwei großartige Werke entsprangen dieser Beschäftigung. Schon
seine früheren Arbeiten ließen F. fort und fort in Berührung mit Urkunden
geraten. Jetzt sah er sich bei Herstellung der Regesten in die schwierigsten
Untersuchungen diplomatischer Natur verwickelt. Galt es doch über die
Echtheit so vieler zweifelhafter Urkunden zu entscheiden, ihre Einreihung
ins Itinerar festzustellen. Aus diesen Untersuchungen erwuchsen die Beiträge
zur Urkundenlehre, ein Werk, durch das sich F. auch auf dem Gebiete der
Urkundenlehre ein unsterbliches Denkmal errichtet hat. Vor allem suchte F.
die Widersprüche zwischen Datierung und Ortsangabe, zwischen den Zeugen
und den Orts- und Zeitangaben, die in Urkunden so häufig sind, zu lösen.
Es gelang ihm dies, indem er das Werden der Urkunde beachtete, die Akte
der Beurkundung scheidet, die zeitlich oft durch längere Zwischenräume ge-
trennt sind. Er hat die Bedeutung des Konzepts, des Akts, der Datierung
in neues Licht gerückt, dabei hunderte von Königsurkunden kritisch be-
304 ^'^'^ Ficker.
sprechen. Nicht alle Aufstellungen F.s haben sich bewahrheitet, aber die
Anregung, welche die Diplomatik empfing, war eine überaus reiche. Kleinere
Aufsätze über verwandte Gegenstände folgten als »Neue Beiträge zur Urkunden-
lehre« in den Mitteilungen des Instituts.
Noch ein zweites Werk entsprang den Stauferregesten, dem F. bald seine
ganze Arbeitskraft widmen konnte, da er 1877 an die philosophische Fakultät
zurückgekehrt, schon zwei Jahre nachher in den Ruhestand trat. Einzelne
Urkunden, Heiraten der Staufer betreffend, hatten ihm Zweifel erregt, ob sie
von Verlobung oder Trauung handelten. Er begann Untersuchungen über
Verlobung und Trauung, ihren rechtlichen Charakter und ihre Form. Ein
umfassendes Werk, das F. fertiggestellt hatte, ist Handschrift geblieben, da
er sich indes einem andern Gegenstande zugewendet hatte, der ihn zu Re-
sultaten führte, die seinen früheren Annahmen zum Teil widersprachen. Bei
seinen letzten Untersuchungen war er zu rcchtsvergleichenden Studien vor-
gedrungen. Nun glaubte er durch Vergleichung Aufschluß über die Ver-
zweigung und Verwandtschaft der germanischen Rechte überhaupt gewinnen
zu können. Nur hielt er das Erbrecht für den Zweck der Vergleichung ge-
eigneter und begann umfassende Studien über das Erbrecht der germanischen
Rechte. Bei Heranziehung der spanischen Fueros fand er engen Anschluß
in vielen Rechtssätzen an die nordischen Rechte. Daraus gewann er die
Ansicht, daß die Fueros ursprünglicheres gotisches Recht enthielten, als die
ältere lex Wisigothorum, eine Ansicht, der er zunächst in dem Aufsatze:
»Über nähere Verwandtschaft zwischen gotisch-spanischem und norwegisch-
isländischen Rechte«, (Mitteil, des Inst. Ergänzb. 2) Ausdruck gab. Diese
Arbeit bildete den Ausgangspunkt für umfassende Studien, aus denen sechs
Bände: »Untersuchungen zur Erbenfolge der ostgermanischen Völker« er-
wachsen sind. F.s Ziel ist es hier, auf Grund der Vergleichung der verschiedenen
erbrechtlichen Institute die Verwandtschaft der einzelnen germanischen Rechte
und die Geschichte des germanischen Erbrechtes festzustellen. In großartiger
Weise ist hier auf Grund sehr umfassenden Materials die Rechtsvergleichung
durchgeführt, deren Grundsätze im ersten Bande entwickelt werden. Dabei
werden in erster Linie die ostgermanischen Rechte, von den westgermanischen
nur das fränkische eingehender herangezogen, weil F. die westgermanischen
nicht für ursprünglich genug hielt, um seinen Zwecken zu dienen. Staunen-
erregend, ja revolutionär sind die Thesen, zu denen F. gelangt. Der Kreis
der ostgermanischen Rechte wird von ihm überaus erweitert, indem nicht
nur das so wichtige langobardische Recht, sondern auch die friesischen,
rätischen, helvetischen und andere den ostgermanischen beigezählt werden.
So wichtige Fragen, wie die erbrechtliche Stellung der Frauen, das Alter des
Sondereigentums an Grund und Boden, Verfügungsfreiheit sind geradezu ent-
gegengesetzt der herrschenden Meinung beantwortet. Manches hat bereits
lebhaften Widerspruch erfahren, nicht alles wird sich behaupten, doch werden
diese kühnen Ideen wie ein Sauerteig wirken, der gärend auf die her-
gebrachten Meinungen wirken und zu erneuerter Prüfung derselben nötigen
wird. Einige kleinere Aufsätze, wie der über die Heimat der lex Ribuaria
(Mitteil. Ergänzb. 5), den Entstehungsort des Schwabenspiegels und über die
Herkunft der siebenbürgischen Sachsen (Mitteil. Bd. 11 und 14) sind als Schnitzel
des großen Werkes zu betrachten. Zuletzt noch hat F. in dem Aufsatze »Das
von Ficker.
305
langobardische und die skandinavischen Rechte« seine Ansichten über die
Stellung des langobardischen Rechtes gegen den Dänen Kier verteidigt
(Mitteil. Bd. 22). Um das dänisch geschriebene Buch Kiers zu verstehen,
hat F. mit 74 Jahren noch die dänische Sprache erlernt. Eine schleichende
Krankheit aber lähmte bald seine Kräfte. Noch zu Beginn des Jahres 1902
hat er an seinem letzten großen Werke gearbeitet, am 10. Juli brach der Tod
die Forscherhand.
Gewaltig ist das Werk, das er hinterlassen hat. W^enige deutsche Geschichts-
forscher, Ranke, Mommsen und Waitz höchstens, können sich in der Zahl und
dem Umfang der Werke F. an die Seite stellen. Gewaltig aber ist auch der
geistige Inhalt seines Werkes. Drei Zweigen der Geschichtswissenschaft, der
Reichsgeschichte, der Urkundenlehre und der Rechtsgeschichte, hat er neue
Bahnen gewiesen. Am höchsten sind wohl seine Leistungen als Rechts-
historiker zu schätzen. Hier hat er grundlegend in den wichtigsten Materien
gewirkt. Wenn Böhmer aus Anlaß der Abhandlung über die Entstehungszeit
des Sachsenspiegels meinte: »Sie haben nicht vergebens, wie wir in Ihrer
Vita nachgeschlagen, zwei Jahre Jurisprudenz studiert, denn ich meine, Sie
sind in dieser Abhandlung noch mehr Jurist als Historiker«, so hat er recht
behalten, mochte auch F. in übergroßer Bescheidenheit noch so oft die
Schranken beklagen, die ihm seine nicht zum Abschlüsse gekommene juristische
Bildung auferlege. Und bei dieser Menge der veröffentlichten Arbeiten hat
F. nicht leichthin und schnell gearbeitet. Wieder und wieder hat er seine
Entwürfe umgearbeitet, und wenn sie ihm nicht genügten, zur Seite gelegt.
F.s Wirken würde mit der Aufzählung seiner literarischen Arbeiten nicht
erschöpft sein, sollte nicht auch mit einem Worte seiner Lehrtätigkeit Er-
wähnung geschehen. Denn auch als Lehrer war er außerordentlich. Seine
Schüler können nicht genug die Anregung preisen, die er in seinen Vorlesungen,
namentlich in einem Kolleg, in dem er in die historische Kritik einleitete,
bot. Da er ein Mann von edelster Gesinnung und reinstem Charakter war,
verstand er es, seine Schüler zeitlebens zu fesseln. Er hat deren eine große
Zahl herangebildet, Schönherr, Josef Durig, Alfons Huber, Engelbrecht Mühl-
bacher, Busson, Druffel, Stieve, Scheffer-Boichorst, Val de Lievre, Nießl,
Zallinger, Jung, Wieser, Hirn, Ottenthai, Redlich, Hauthaler, Egger, Sander
und andere. Als in Wien durch den genialen Theodor von Sickel eine
zweite historische Schule in Österreich emporblühte, trat F. bald in Verbindung
mit dem österreichischen Institut. Eigenartig war das Verhältnis zwischen
diesen beiden großen Gelehrten. F. sandte viele seiner Schüler nach Wien,
um bei Sickel die letzte Ausbildung zu empfangen, und Sickel, der große
Diplomatiker, hat die Ergebnisse der F.'schen Urkundenlehre bereitwillig an-
genommen. Und so war F. lebhaft an der Gründung der »Mitteilungen des
Instituts« beteiligt, die er finanziell und durch Einsendung wertvoller Beiträge
unterstützte. Sah er doch in den Mitteilungen einen Plan verwirklicht, den
Böhmer bereits in den fünfziger Jahren ihm nahegelegt hatte, die Herausgabe
einer neuen der Reichs- und österreichischen Geschichte gewidmeten Zeit-
schrift. Der vierte Ergänzungsband der Mitteilungen ist denn auch F. zur
Erinnerung an seine vor vierzig Jahren begonnene Lehrtätigkeit in Innsbruck
gewidmet und mit einem wohlgetroffenen Bildnis F.'s in Heliogravüre ge-
schmückt. Ein anderes Bild schmückt als Ex-libris jene Werke, die durch
Bio^;fr. Jahrbuch u. Deutscher Nckrolo^^. 7. Bd. 20
306
von Ficker. von Ledochowski.
Schenkung und letztwillige Verfügung aus seiner Bibliothek in die Bücher-
sammlungen der Universitätsbibliothek und anderer wissenschaftlicher Institute
Innsbrucks gelangt sind, ebenso ist ein Bild in der Zeitschrift des Ferdinan-
deums III, 47 wiedergegeben.
Äußere Anerkennungen wurden F., der nie nach Ehren geizte, reichlich
zuteil. Er war Ehrendoktor der Rechte in Breslau, Innsbruck, Czernowitz und
Bologna, Mitglied der Akademien in Wien, Berlin, München, Christiania, der
Accademia dei Lincei in Rom. Er besaß das österreichische Ehrenzeichen
für Kunst und Wissenschaft, den preußischen Orden pour k mirite, den
bayrischen Maximiliansorden und andere Auszeichnungen. Der Kaiser von
Österreich erhob ihn in den erblichen Adelsstand.
Biographische Notizen: J. Jung, Zur Erinnerung an Julius Ficker, Sonderabdruck aus
der Beilage der »Allgemeinen Zeitung« No. 293, 294 und 295 vom 22., 23. und 24. Dez. 1902.
— Paul Puntschart, Nachruf in der »Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte«,
Germanische Abteil. 1902. — E. Muhlbacher, Nekrolog, »Mitteilungen des Instituts für
österr. Geschichtsf.« 24. — Emil von Ottenthai, Rede bei der vom akademischen Senate der
Universität Innsbruck veranstalteten Gedächtnisfeier (für Ficker). Innsbruck 1903. —
O. Redlich, Nachruf in der »Historischen Vierteljahrsschrift« 1903. — Franz von Wieser,
Nekrolog, »Zeitschrift des Ferdinandeums« III. Serie, 47. — Einzelne Nachrichten im Brief-
wechsel Böhmers bei Janssen, Johann Friedrich Böhmer. — Über die Entstehung seiner
Arbeiten pflegt Ficker selber in den Vorworten zu berichten. — Eine ausführliche Biographie
mit Verwertung des sehr umfangreichen Briefwechsels Fickers ist in V'orbereitung.
Hans von Voltelini.
Ledochowski, Mlecislaus Johann vom Kreuz Halka Graf von, Kardinal,
* 29. Oktober 1822 zu Gorki in Russisch-Polen, f 22. Juli 1902 zu Rom. —
L. besuchte die Gymnasien zu Radom und Warschau, trat dann in das Priester-
seminar zum hl. Kreuz in Warschau ein und setzte seine Studien in der
Accademia dei nobili ecclesiastid in Rom fort, wo er am 13. Juli 1845 zum
Priester geweiht wurde. 1846 wurde er päpstlicher Hausprälat und apostoli-
scher Protonotar, 1847 Auditor der Nuntiatur in Lissabon, 1856 apostolischer
Delegat in Kolumbien, von wo er 1858 durch die Revolution vertrieben
wurde und nach Rom zurückkehrte. Am 30. September 1861 wurde er von
Papst Pius IX. zum Erzbischof von Theben /'. /. i. präkonisiert; seine Kon-
sekration erfolgte am 3. November. Hierauf wurde er Ende des Jahres 1861
Nuntius in Brüssel. Am 16. Dezember 1865 wurde er zum Erzbischof von
Gnesen und Posen gewählt, am 8. Januar 1866 präkonisiert, am 24. April in
der Kathedrale zu Posen inthronisiert. L. wurde das erste Opfer des sog.
Kulturkampfs unter dem preußischen Episkopat. Vom 3. Februar 1874 an
wurde er zwei Jahre lang wegen Verstößen gegen die Maigesetze im Gefängnis
zu Ostrowo gefangen gehalten, in der Zwischenzeit für abgesetzt erklärt und
nach der Freilassung aus Preußen verbannt. Papst Pius IX. hatte ihn inzwischen
schon am 15. März 1875 ^^"^ Kardinal ernannt; am 7. April 1876 erfolgte
seine feierliche Einführung in das Kardinalskollegium. Er nahm als Kardinal
jetzt seinen dauernden Wohnsitz in Rom. Nach Anbahnung des kirchlichen
Friedens in Preußen leistete er 1885 Verzicht auf das Erzbistum Gnesen-
Posen. 1892 wurde er von Leo XIII. zum Präfekten der Kongregation der
Propaganda ernannt.
von Ledochowski. Löff 1er. Hofele. yyj
Vgl. I. Ograbiszewski , Miecislaus Halka Graf Ledochowski, Erzbischof von Gnesen-
Posen. Würzburg 1874. Mit Porträt. (= Deutschlands Episkopat in Lebensbildern, II. Bd.,
I. Heft.) Alte u. Neue Welt, 37. Jahrg. 1903, S, 61 ; mit Portr. Deutscher Hausschatz,
28. Jahrg. 1902, Beilage S. 121; mit Portr. Kölnische Volkszeitung 1902, Nr. 653 vom
22. Juli. F. Laudiert.
Löffler, Philipp, S. f., * 24. Januar 1834 zu Heiligenstadt, f i^- August
1902 zu Luxemburg. — L. absolvierte das Gymnasium in seiner Vaterstadt
und trat dann zu Münster i. W. am 26. Mai 1850 in das Noviziat der Gesell-
schaft Jesu. Nach Vollendung der philosophischen Studien wirkte er fünf
Jahre als Lehrer in Feldkirch, absolvierte dann die theologischen Studien in
Paderborn und Maria-Laach und empfing 1864 die Priesterweihe, Seit 1866
war er in Regensburg als Prediger tätig, 1869 — 1872 als Oberer der von
Bischof Senestrey daselbst gegründeten Jesuiten residenz. Seit 1875 wirkte er
in Feldkirch als Studien- und Generalpräfekt, dann als Rektor, und übte ins-
besondere eine bedeutende Wirksamkeit als Missionar und Prediger; er war
ein sehr hervorragender Kanzelredner. Zeitweilig hielt er sich auch zu
Blijenbeck in Holland auf. — L. schrieb: »H. J. von Mallinckrodt« (Stimmen
aus Maria-Laach, 7. Bd. 1874, S. 121 — 138, 477 — 491; 8. Bd. 1875, S. 18 — 35,
365 — 385); »Zur Enzyklika Papst Leos XIIL auf das siebente Zentenarium der
Geburt des hl. Franz von Assisi« (Stimmen aus Maria-Laach, 23. Bd. 1882,
S. 441 — 463; 24. Bd. 1883, S. 27 — 41, 143 — 157); »Zur Jubelfeier der Maria-
nischen Kongregationen. 5. Dez. 1584 — 5. Dez. 1884« (Freiburg i. Br. 1884,
vorher in den Stimmen aus Maria-Laach, 7. Bd. 1884).
Vgl. Alte u. Neue Welt, 37. Jahrg. 1903, S. 89, mit Porträt Deutscher Hausschatz,
28. Jahrg. 1902, Beilage S. 132. F. Lau eher t.
Hofele, Engelbert, katholischer Pfarrer in Ummendorf (Württemberg),
* 15. Januar 1836 zu Wißgoldingen (Württemberg), f 9. September 1902. —
H. besuchte die Lateinschule in Gmünd und das Gymnasium zu Ehingen a. D.
Von Herbst 1855 bis 1859 studierte er Theologie in Tübingen, empfing 1858
einen Preis (s. unten seine erste Schrift), wurde Dr. phil. und erhielt am
10. August 1860 die Priesterweihe. Hierauf war, er zuerst jeweils kurze Zeit
Vikar in Kirchbierlingen, Präzeptorats-Verweser in Spaichingen, Vikar in Rott-
weil und Heilbronn; Februar 1861 wurde er provisorisch, August 1863 definitiv
Präzeptorats- Kaplan in Wiesensteig, Februar 1865 in Buchau, Dezember
1870 in Biberach; am 22. Juli 1880 Pfarrer in Ummendorf; 1896 päpstlicher
Hausprälat. H. war der Gründer und Organisator der schwäbischen Pilger-
züge und machte selbst Pilgerreisen nach dem heil. Land, nach Rom, Loretto,
Assisi und Lourdes. — Schriften: »Die Religionsübung in Deutschland auf
der Basis des westfälischen Friedens. Eine gekrönte Preisschrift« (Wiesen-
steig 1861); »Pilgerreisebilder für die Gegenwart« (Waldsee 1879); »Bilder
aus Schwaben. Land und Leute geschildert« (Würzburg 1881); »Die heilige
Theresia von Jesus, die Lehrerin der Kirche, der Ruhm der spanischen Nation.
Ein Lebens- und Charakterbild für unsere Zeit« (Regensburg 1882); »Blätter
für Zeit und Ewigkeit« (4 Lieferungen, Stuttgart 1886); »Unsere Liebe Frau
von Lourdes, Ein Betrachtungs- und Gebetbuch« (Leutkirch 1887; 9. Aufl.
1898); »Das Leben unseres Heilandes Jesus Christus und seiner jungfräulichen
Mutter Maria« (Stuttgart 1891 — 1893, 3. Aufl. 1895); »Gemeinnütziges Allerlei«
20*
308 Hofele. Stöckli. Kügler.
(Waldsee 1899); und einige kleinere Andachtsbücher. In Neubearbeitung gab
H. heraus: Herrn. Born O. S. Fr., Seraphischer Sternenhimmel (Regensburg
1896). 1882 — 1894 redigierte er das Rottenburger Pastoralblatt, 1884 — 1894
das der Diözesan-Geschichte gewidmete, zuerst als Beilage zum Pastoralblatt,
später selbständig erscheinende »Diözesan-Archiv von Schwaben«.
Vgl. Diözesan-Archiv von Schwaben, 20. Jahrg. 1902. Nr. 12, S. 191 f. Neher,
Personal-Katalog der Geistlichen des Bistums Rottenburg (3. Aufl. Schw. Gmünd 1894),
S. 152. F. Laudiert.
Stöckli, Augustin, O. Cist., Abt von Mehrerau, * 22. November 1857 auf
dem Gygehofe bei Ruswyl im Kanton Luzem, f 23-/24. September 1902.
— S., dessen Taufname Alois war, absolvierte die Gymnasialstudien in Zug
und in der Klosterschule zu Engelberg und trat dann 1880 im Kloster Mehrerau
bei Bregenz in den Zisterzienser-Orden ein; am i. Oktober 1881 legte er die
einfachen Ordensgelübde ab, machte die philosophischen und theologischen
Studien an der Hauslehranstalt und empfing am 26. Oktober 1884 die Priester-
weihe. Während der nächsten 10 Jahre wirkte er als Lehrer an der Er-
ziehungsanstalt des Klosters, dem Kollegium S. Bernardi, seit 1886 als Sub-
präfekt, seit 1889 als Präses der Marianischen Kongregation, seit dem
14. August 1893 als Präfekt. Am 3. Mai 1895 wurde er zum Abt gewählt,
am 2. Dezember 1895 von Papst Leo XIIL im Konsistorium präkonisiert; die
feierliche Benediktion fand am 19. Januar 1896 in Mehrerau statt durch den
Weihbischof Dr. Johann Zobl, Generalvikar von Vorarlberg. Auch als Abt
wandte er dem Erziehungsinstitut des Klosters seine besondere Sorgfalt zu.
Im Jahre 1898 erwarb er, als Jubiläumsgabe zum 800 jährigen Jubiläum des
Zisterzienser-Ordens, das alte Kloster Sittich in Krain wieder für den Orden
und besiedelte es von neuem durch Patres und Laienbrüder von Mehrerau.
Nachdem er noch am 21. September 1902 in seiner Heimatgemeinde Ruswyl
eine Festpredigt gehalten und sich von da am 23. zur Visitation nach dem
Zisterzienser-Frauenkloster Eschenbach begeben hatte, erfolgte hier in der
Nacht ganz unerwartet sein Tod an innerer Blutung. Seine Leiche wurde
nach Mehrerau übergeführt und am 29. September beigesetzt.
Vgl. Zisterzienser -Chronik 1902, S. 341 — 348; mit Porträt. Alte u. Neue Welt,
37. Jahrg. 1903, S. 187; mit Porträt. F. Lauchert.
Kügler, Max Albert, Präsident des Oberverwaltungsgerichts, * 24. Sep-
tember 1845 in Liegnitz, f 24. Mai 1902 in Berlin. (Die Familie schreibt ihren
Namen Kuegler, doch bediente er sich später amtlich der Form Kügler.) —
Geboren als Sohn des Kreisgerichtsrats Kuegler in Liegnitz, besuchte K. erst
eine Privatschule, dann von der Tertia ab die Ritterakademie in seiner Vater-
stadt als sogenannter Stadtschüler. Seine vielseitige Begabung schien sich
zunächst den Naturwissenschaften zuzuwenden, daneben zeigte sich mehr und
mehr eine hervorragend praktische Ader, so daß der Vater schwankte, ob er
dem Sohne nicht zu einer kaufmännischen oder technischen Laufbahn zureden
sollte. Dieser entschied sich jedoch für das juristische Studium, bestand
Ostern 1864 mit Auszeichnung das Abiturientenexamen und ging zunächst
nach Halle, wohin ihn mancherlei Familienüberlieferungen wiesen. Hier
Ktigler. 309
schloß er sich besonders an die Professoren Dernburg und Hinschius an.
Die Freude an schöner Natur zog ihn im dritten Semester nach Heidelberg,
wo er eine akademische Preisaufgabe über »Kirchenbaulast« löste; die dafür
erhaltene goldene Medaille hat ihn noch im späteren Leben gefreut. Nach
dem vierten, in Berlin verlebten Semester kehrte er nach Halle zurück. Da
die Fakultätsstatuten gestatteten, durch ein Vorexamen schon vor vollendetem
Triennium die Erlaubnis zur Doktorprüfung zu erlangen, so legte er im
fünften Semester ein solches ab und bestand darauf am 5. Juli 1866 die
mündliche Prüfung permagna cum laude. Die Doktordissertation ^de modo
ejusque effectibus« erhielt die Bezeichnung y>docte et diHgenter<^. Der Minister
genehmigte jedoch die sofortige Promotion nicht, so daß sie erst am
7. Februar 1867 erfolgte.
Darauf trat K. in den Staatsdienst als Auskultator im Bezirk des Appel-
lationsgerichts (rlogau, zunächst am Kreisgericht in seiner Vaterstadt, legte
zwei Jahre darauf das Referendarexamen ab und wurde am 4. November
1871 zum Gerichtsassessor ernannt. Als solcher arbeitete er an dem Kreis-
gericht zu Berlin. Schon in diesen Jahren verwertete er auf verschiedene
Weise seine juristischen Kenntnisse; er vertrat wiederholt wochenlang her-
vorragende Berliner Rechtsanwälte und Ludwig von Rönne berief ihn zur
Mitarbeiterschaft an der neuen Auflage seines Ergänzungswerkes zum Allge-
meinen Landrecht, dem sogenannten Fünfmännerbuch. Dazu hatte ihn als
seinen Nachfolger kein geringerer vorgeschlagen als Falk, der damals das
Kultusministerium übernahm und die Begabung des jungen Mannes kennen
gelernt hatte. Falk lenkte auch auf ihn die Aufmerksamkeit, als es sich
1873 darum handelte, einen Protokollführer für die parlamentarische ünter-
suchungskommission zu bestellen, die eingesetzt wurde, als Lasker die
schweren Schäden im Eisenbahnkonzessionswesen enthüllt hatte. Da zeigte
sich, daß in der Tat der junge Assessor in diesen höchst verwickelten Dingen
trefflichen Bescheid wußte und alle Kniffe und Schliche kannte, die bei der
Neuheit des Eisenbahnwesens den älteren Räten verborgen waren. Den Vor-
sitz dieser Kommission führte Günther, und als er bald zum Oberpräsidenten
von Posen ernannt wurde, erbat er sich die wertvolle Kraft als Justitiarius
bei dem Provinzialschulkollegium in Posen, eine Stelle, die infolge der
eigentümlichen Verhältnisse in der Provinz neu gegründet war.
Damit war K.s künftige Laufbahn plötzlich bestimmt. Er hatte in-
zwischen aus mancherlei Gründen einen längeren Urlaub erbeten und wollte
sich in Leipzig habilitieren, als an ihn der Ruf kam. Bald nach dem An-
tritt der Posener Stelle, im Sommer 1874, verheiratete er sich mit Willi
Ebert, Tochter des Geh. Sanitätsrat Ebert in Wriezen a. O. Die acht Jahre,
die er in Posen verlebte, waren für K. Lehrjahre in einer ganz neuen Rich-
tung, sie legten den Grund zu seiner späteren Polenpolitik und zu seinem
Kampfe gegen den Ultramontanismus, dessen Wirksamkeit in Schulangelegen-
heiten er in nächster Nähe kennen lernte. In einem Augenblick der Ab-
spannung von der schweren Arbeit bewarb er sich 1882 um die Oberbürger-
meisterstelle seiner geliebten Stadt Halle und nur wenige Stimmen fehlten
zu seiner Wahl. Als ihn bald darauf der Minister von Goßler im Herbst
1882 als Hilfsarbeiter ins Kultusministerium berief, folgte er zwar freudig
dem ehrenvollen Rufe zu größerer Tätigkeit, behielt aber stets ein warmes
310 Kügler.
Herz für die Provinz, in der er segensreich gewirkt und sich viele treue
Freunde erworben hatte.
Im Kultusministerium hat nun K. sein Lebenswerk vollbracht, fast
zwanzig Jahre gehörte er ihm an. Seine Laufbahn war eine äußerst glän-
zende: schon in Posen am 6. Oktober 1880 zum Regierungsrat befördert,
bekam er als Hilfsarbeiter 1883 den Charakter als Geheimer Regierungsrat,
wurde 1884 zum vortragenden Rat und zum ständigen Kommissar des
Ministers in der von Bismarck geschaffenen Ansiedlungskommission für West-
preußen und Posen ernannt, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode mit
Nachdruck die nationalen Zwecke der Kommission vertrat, mit seinem prak-
tischen Blick das notwendige erkennend. Am 7. Dezember 1889 wurde er
zum Ministerialdirektor, Ende 1899 zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem
Titel Exzellenz ernannt; 1902 erhielt er den Kronenorden erster Klasse.
Im Alter von 44 Jahren hatte er den so bedeutenden Posten eines
Ministerialdirektors erhalten, viele seiner älteren Kollegen überspringend, die
jedoch neidlos seine Begabung und Tüchtigkeit anerkannten und willig unter
ihm gearbeitet haben.
Die Würde brachte Bürden übergenug, doch er war der Mann, sie zu
tragen, obgleich er von zartem Körper und nicht von fester Gesundheit war.
Als Ministerialdirektor übernahm er die Leitung der zweiten Unterrichts-
abteilung, das Dezernat für das Volksschulwesen und führte sein verantwort-
liches Amt unter vier Ministern, unter wechselnden Einflüssen von oben stets
sich gleich und seinen Zielen getreu bleibend, den Nutzen des Staates und
der Sache im Auge. Daß das nicht immer leicht war, wußten die Einge-
weihten und bewunderten ihn doppelt dafür. Dabei kamen ihm seine
Geistesschärfe, seine persönliche Liebenswürdigkeit, gepaart mit einer ge-
wissen humoristischen Ader, und das Geschick, Meinungsverschiedenheiten
freundlich auszugleichen, die glückliche Begabung in Schrift und Rede, und
vor allem unübertreffliche Sachkenntnis, starkes Gedächtnis und riesige Ar-
beitskraft zu statten. Er verfolgte den landrechtlichen Standpunkt, daß die
öffentlichen Schulen Veranstaltungen des Staates seien. Der Kampf gegen
Ultramontanismus und Polentum, soweit letzteres preußenfeindlich auftrat,
nahm er mit Entschlossenheit auf, er sah darin eine ernste Gefahr für den
Staat und für die heranwachsende Jugend und focht hinter den Kulissen
manchen harten Strauß für seine Überzeugungen durch, meistens siegreich,
aber im Notfall unbekümmert um die Folgen die Kabinetsfrage stellend; denn
er war nicht der Mann, der eine Politik vertrat, die nicht zugleich seinen
eigenen Überzeugungen entsprach. So lehnte er ab, das Zedlitzsche Schul-
gesetz vor dem Landtage zu vertreten. Freilich, Kränkungen und Zurück-
setzungen aus politischen Gründen blieben ihm nicht erspart. Durch seine
Wirksamkeit erwarb er sich reichlichen Haß beim Zentrum und bei den
Polen; es sei hier gestattet, um die Gesinnung seiner Feinde und seine
Bedeutung zu kennzeichnen, aus zwei Nekrologen Stellen mitzuteilen:
»Dziennik Foznanski« schrieb: »Erzbischof Simar, Dr. Kügler sind gestorben,
Pobjcdonoszew ist verbannt I Sollte da nicht der Finger Gottes sich be-
merkbar machen?« Und -oNotva Reforma« vom 28. Mai 1902 schließt: »Z?^
mortuis nil nist bene. Wie schwer läßt sich dieser Grundsatz einem Mann von
dieser Bedeutung und von diesem geradezu rauhen Charakter, durch welchen
KUgler. ^11
sich der Verstorbene auszeichnete, gegenüber anwenden. Jedenfalls aber
haben wir einen Feind weniger. Auch dies ist etwas wert«.
Aber K.s Tätigkeit war nicht ^blos abwehrend und verteidigend, sie war
in noch höherem Grade schaffend. Die preußische Volksschule war es, der
er um ihrer selbst und der Allgemeinheit willen seine rastlose Fürsorge wid-
mete, und nicht nur der Entwicklung des Schulwesens, auch der würdigeren
Stellung der Lehrer als unentbehrlicher Vorbedingung galt seine Arbeit.
Kaum hat der Lehrerstand einen wärmeren und tatkräftigeren Freund gehabt
als ihn, auch in persönlichen Angelegenheiten erfuhren viele in der Stille
sein Wohlwollen und seine Herzensgüte. Das Lehrerbesoldungsgesetz von
1897, die erste gesetzmäßige Regelung des Lehrereinkommens, und das Gesetz
von 1899, betreffend die Fürsorge für die Witwen und Waisen der Lehrer
an den öffentlichen Volksschulen sind beide die glänzenden Zeugnisse
seiner Energie und seines Verständnisses für die Forderungen des Lebens.
Weniger Erfolg hatten die unausgesetzten Bemühungen, das weltliche Kreis-
schulinspektorat zu erweitem.
Auch für den Unterricht selbst hatte er das größte Interesse. Sollte der
Lehrer nützlich wirken, mußte er selbst entsprechend erzogen werden und so
war die große und tiefgreifende Reorganisation des ganzen Lehrerbildungs-
wesens, die mit der Verordnung von 1901 abschließt, sein eigenstes Werk.
Immer war K. bemüht, die Volksschulen zu vermehren, neue Lehr-
anstalten und gute, neue Schulhäuser zu schaffen, zugleich die soziale
Stellung der Lehrer zu heben und sie vor Angriffen zu schützen. Durch
alle diese Bemühungen schuf er sich zu seinen sonstigen Feinden auch solche
unter den Konservativen, deren Groll im Februar 1899 der Landwirtschafts-
minister von Hammerstein-Loxten im Abgeordnetenhause unverhohlenen Aus-
druck gab. Die entschiedene, klare und scharfe Antwort, die ihm der
Ministerialdirektor erteilte, erregte in weitesten Kreisen Aufsehen und trug
dem Redner reichste Zustimmung ein. Gegenüber gewissen Äußerungen und
Angriffen seiner Gegner auf die Volksschullehrer betonte er mit Nachdruck,
es sei die erste Pflicht der Lehrer, wahrhaft zu sein gegenüber den Kindern
und nichts auszusprechen, was bei der eigenen Prüfung der Kinder sich als
unrichtig herausstelle.
K. sprach gern von den Lehrern als »seinen« Lehrern in herzlicher
Schätzung ihres schweren Amtes und ihrer Verdienste. Der Dank blieb
nicht aus und seinen Abgang aus dem Kultusministerium empfand der ge-
samte Stand als einen schweren Schlag. Eine Deputation des Preußischen
Lehrervereins überreichte im April 1902 ihrem verehrten Gönner eine kunst-
volle Adresse. Er aber sprach in seinem Dankschreiben aus: »Mein Herz
hängt an der preußischen Volksschule und schlägt für die Lehrer, deren
hohe Pflichttreue und unermüdliches Arbeiten an sich selbst Preußens Schul-
wesen trotz so vieler äußerer Mängel ^zu einem Vorbild für alle Nationen
gemacht hat«.
Daß ein so anstrengendes Amt, verbunden mit aufregenden Kämpfen all-
mählich aufreiben kann, ist wohl erklärlich. Auch K. fühlte das und sehnte
sich nach einer etwas ruhigeren Tätigkeit; er empfand noch Geistesfrische
genug, um in anderer Stellung dem Staate nützlich zu sein, und sah bei der
herrschenden Politik nicht mehr so recht die Möglichkeit, sein Dezernat nach
3 12 KUgler. Stern.
seiner Überzeugung zu verwalten. Die Stelle des Präsidenten des Oberver-
waltungsgerichts war, wie es schien, gerade das Richtige für ihn, und er war
aufrichtig erfreut, als sie ihm am 24. Februar 1902 übertragen wurde. Mit
Feuereifer warf er sich auf die neue Tätigkeit, auch da wieder seinen prak-
tischen Blick zeigend, und arbeitete sich in wenigen Wochen ein. So wid-
meten ihm die Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts in dem Nachruf die
schönen Worte: »Wir lebten der frohen Zuversicht, daß von seiner großen
Arbeitskraft und Schaffensfreudigkeit reicher Segen ausgefien werde«.
Er machte Pläne, wie er nun das ruhige Leben genießen, was er alles
verbessern wolle, dachte auch wohl an Teilnahme am politischen Leben, da
— am 22. Mai, warf ihn eine scheinbar geringfügige Erkältung nieder, der
er schon am 24. Mai, abends 10 Uhr erlag, nur 56 Jahre alt. Die letzten
Gedanken galten den Seinigen; die Gattin und sechs Kinder, zwei Söhne
und vier Töchter, standen an seiner Bahre.
Weite Kreise trauerten um ihn, denn selbst über den Bereich seiner
Amtstätigkeit hinaus hatte er als echter Menschenfreund Gutes geschaffen.
Lange Zeit war er der Leiter der Vereine vom roten Kreuz, die seine organi-
satorische Kraft dankbar empfanden; auch der Letteverein, das Viktoria-
lyzeum und andere Vereine erfreuten sich seiner schöpferischen Teilnahme.
Besonders interessierte er sich für die Genossenschaft freiwilliger Kranken-
pfleger im Kriege, deren Vorsitzender er war. Ihre Mitglieder trugen ihn zu
Grabe und der Berliner Lehrer-Gesangverein gab der Trauerfeier wehmütigen
Schmuck. Fast alle deutschen Zeitungen brachten Nekrologe, in denen seine
Tätigkeit und seine ganze Persönlichkeit gewürdigt wurde, denn über Preußen
hinaus trauerte man ihm nach. Das Kultusministerium ehrte sein Andenken,
indem es seine bronzene Porträtbüste in dem Lehrerheim zu Schreiberhau
in Schlesien, für das er warmes Wohlwollen gehabt hatte, aufstellen ließ.
Ein dauerndes Andenken soll ihm außerdem werden durch eine Küglerstif-
tung zum Besten solcher Lehrer, welche krankheitshalber der Erholung be-
dürfen. Die Verlagsbuchhandlung Ferdinand Hirt und Sohn hat zu seinem
Angedenken für eine sehr bedeutende Summe gute Jugendschriften für die
Schulen der sechs Ostprovinzen geschenkt.
Ein vortreffliches Bildnis, von Martin Körte gemalt, gibt das feingeschnittene Antlitz
getreu wieder; von ihm hat Kommerzienrat Troiizsch in Bedin einen Farbendruck herstellen
lassen und ihn kostenlos zum Verkauf für die Küglerstiftung gespendet. Ein anderes
photographisches Abbild enthalten die »Ostdeutschen Monatshefte für Erziehung und Unter-
richt« I, 6. Heft 1903. Theodor Lindner.
Stern, Josef, Publizist, * 11. März 1839 in Soest, f 16. Dezember 1902
in Frankfurt a. M. — St. studierte klassische Philologie und Geschichte in
Münster und Bonn und bekam nach einem mit großer Auszeichnung bestan-
denen Examen die Qualifikation zum Gymnasialoberlehrer. Aber eine staat-
liche Anstellung wurde ihm versagt und selbst zur Ablegung des Probejahres
wurde er nicht zugelassen. St. war Jude und das Provinzialschulkollegium
in Münster war der Auffassung, daß die Gymnasien der Provinz Westfalen
christlich-konfessionellen Charakter hätten, eine Auffassung, der der damalige
Minister Bethmann-Hollweg bezüglich der sämtlichen preußischen Gymnasien
beitrat. Eine Beschwerde St.s an den Landtag blieb erfolglos, und da er
Stern.
313
sich um äußerer Vorteile willen nicht taufen lassen wollte, ergriff er die Ge-
legenheit, die Leitung einer Privatschule in Fordon (Westpreußen) zu über-
nehmen, wo unter anderen auch Karl Neufeld zu seinen Schülern gehörte.
Dann war er einige Jahre lang Hauslehrer auf einem Gute bei Bromberg und
ging 1867 zum Journalismus über. Er begründete die »Neue Bromberger
Zeitung«, demokratisches Organ, die ein nur kurzes Dasein hatte, und
siedelte dann nach Berlin über, wo er in die Redaktion der von Guido Weiß
herausgegebenen »Zukunft« trat. 1868 wurde ihm die Redaktion der »Neuen
Badischen Landeszeitung« in Mannheim übertragen, die er bis 1873 führte.
In diesem Jahre wurde er in die Redaktion der »Frankfurter Zeitung« be-
rufen, der er vom i. September 1873 bis an sein Lebensende angehörte,
hauptsächlich mit der Behandlung der inneren politischen Fragen beschäftigt
und viele Jahre als Chefredakteur.
St. war ein pflicht- und überzeugungstreuer, tapferer und unnahbarer
Journalist, der sich weder durch die Rücksicht auf Persönlichkeiten, noch auf
die Gunst der Menge in dem beirren ließ, was er für das Rechte hielt. Viel-
leicht war er darin etwas altmodisch, daß er keine Vielseitigkeit besaß, noch
erstrebte. Er hatte kein Verständnis für die gewandten Leute, die jeden Tag
ein anderes Gebiet behandeln; er selbst schrieb nur über Gegenstände, die er
durchaus beherrschte und mit dieser Beschränkung verband er die Meister-
schaft. Nicht nur, daß seine Artikel über die politische Entwickelung in
Deutschland und Preußen seit Beginn der sechziger Jahre, über Verfassungs-
kämpfe usw. von ehrlicher Überzeugung aus tiefer Sachkenntnis getragen
waren, sie zeichneten sich noch besonders durch ihre künstlerische Form
aus. In dieser Beziehung hatte er Ähnlichkeit mit Guido Weiß (vgl. B. J.
1903, S. 436), der auf seine Entwickelung als Publizist großen Einfluß aus-
übte. Auch in der größten Hitze der Polemik verlor er nie das künstlerische
Ebenmaß, ließ er sich nie zu einer Geschmacklo.sigkeit in der Form hinreißen.
Seine glänzendsten Artikel entstammen der Zeit des Kulturkampfes und der
Sozialistengesetzgebung. Als Bismarck die Frankfurter Zeitung im Reichstag
beschuldigte, französischen Interessen zu dienen, da wies St. diese Anklage
in einem bedeutenden Artikel zurück.
Was er einmal für das Rechte erkannt, dafür trat er ohne Furcht vor
den Folgen ein, und das Wort des von ihm hochverehrten Theodor Storm
war ihm Lebensregel :
Der Eine fragt: Was kommt davon?
Der Andre fragt nur: Ist es recht?
Und also unterscheidet sich
Der Freie von dem Knecht.
Was er mit seiner kräftigen Antwort in jener Zeit der Bismarckbeleidi-
gungen wagte, darüber gab er sich keiner Täuschung hin. In der Tat
brachte sie ihm mehrmonatige Gefängnisstrafe ein, wie er überhaupt in
seiner langen Journalistenlaufbahn oft »hinter den Gittern« saß. Diese un-
freiwillige Muße benutzte er zu literarischen Studien, deren Früchte, geist-
und gemütvolle Plaudereien aus seinen ostpreußischen Tagen, Feuilletons
über französische Dichter, über Ziegler, Chamisso usw. er in einem Bande
»Hinter den Gittern« (1881) erscheinen ließ. Er war ein feiner und gründ-
licher Kenner der französischen Literatur und hat tüchtige Arbeiten über
314
Stern. Grosse.
Beaumarchais und Courrier veröffentlicht. Als unter seiner Mitwirkung die
Frankfurter Zeitung mächtig an Ausdehnung zunahm, schrieb er nur noch
selten. Wenn aber einmal ein Erzeugnis seiner Feder erschien, etwa ein
Geburtstagsgruß an seinen alten Landsmann Bockum-Dolffs oder der Nekrolog
eines bedeutenden Zeitgenossen, dann war dies immer ein Festtag für den
Feinschmecker. Oft hat er es selbst ausgesprochen, daß der Chefredakteur
eines großen Blattes gar nichts selbst schreiben solle, daß die Entscheidung,
über das, was aufzunehmen, was zu verwerfen sei, eine volle Mannesarbeit
bilde, ein »schlichtes Heldentum« nach dem großen.
St. war mit einer Tochter seines Freundes Guido Weiß verheiratet, die
ihm 1889 im Tode voranging. Kurze Zeit war er Vertreter Frankfurts im
preußischen Landtag (1882 bis 1885). Im täglichen Verkehr einfach, von
etwas burschikosen Formen, war er ein herzensguter Mensch, der bis in sein
Alter die Fähigkeit hatte, sich zu erwärmen' und zu begeistern und der »das
höchste Glück der Erdenkinder« besaß, eine ganze »Persönlichkeit« zu sein.
Frankfurt a. M. Sigmund Schott.
Grosse, Julius Waldemar, als Dichter Mitglied der Münchener Dichter-
gruppe; Generalsekretär der Deutschen Schillerstiftung, Großherzoglich Sächsi-
scher Hofrat, Professor, Doktor, * am 25. April 1828 in Erfurt, f am
9. Mai 1902 in Torbole am Gardasee, Sohn des Militäroberpredigers und
Konsistorialrates Dr. Grosse, besuchte in Magdeburg das Gymnasium, wandte
sich, obgleich er sich zum Maler berufen glaubte, der Architektur zu und
legte sein Staatsexamen als Geometer ab. In Halle erwachte die Neigung
zur Wissenschaft. Er ließ sich als Studiosus der Jurisprudenz immatriku-
lieren, beschäftigte sich jedoch — im engen Verkehr mit Otto Roquette —
vorzugsweise mit dem Studium der poetischen Literatur. Ein erstes Trauer-
spiel entstand; ein Lustspiel »Eine Nachtpartie Shakespeares« wurde am
Stadttheater mit Erfolg aufgeführt. Dadurch zu rein künstlerischem Wirken
bestimmt, ging G. 1852 nach München, wo er eine journalistische Stellung
an der Neuen Münchener Zeitung und später an der Bayrischen Zeitung an-
nahm, kam in Verkehr mit den Häuptern der Münchener Dichtergruppe, die
sich im »Krokodil« zusammenschloß, und wurde durch Geibel und Heyse
zu reichem poetischem Schaffen angefeuert. Aus diesem schöpferisch wie
gesellig gleich fruchtbaren Kreise wurde er 1869 als Generalsekretär der
Schillerstiftung abberufen. Als solcher hatte er seinen Wohnsitz im Vorort
dieser Stiftung zu nehmen, wozu 1870 Weimar, 1875 Dresden, 1880 wieder
Weimar, 1885 München, 1890, 1895 und 1900 abermals Weimar bestimmt
wurde. Hier im Schillerhause wohnend, mit der Ausübung seines verant-
wortungsreichen Amtes und unausgesetzt mit dichterischen Arbeiten be-
schäftigt, durfte er das Leben eines Mannes ausleben, dessen Wesens Grund-
züge Geradheit, tiefe Ehrlichkeit, Treue, Großzügigkeit und neben starken
poetischen Gaben und einem oft mitreißenden Temperament eine reiche welt-
umfassende Phantasie waren. Als Sekretär der segensreichen Schillerstiftung
war er nach Kräften bestrebt, das ihm Anvertraute den Würdigsten der Be-
dürftigen zukommen zu lassen. Seine geselligen Talente erwarben ihm
Freunde, seine Charaktereigenschaften erhielten sie ihm. Auf eine reiche
Vergangenheit blickend, die ihn, den Preußen und Protestanten, in die Mitte
Grosse.
315
der bayrischen katholischen Bevölkerung geführt hatte, die ihm außerdem den
Vorzug verschaffte, die wertvollsten Erscheinungen seiner Zeit unter die kritische
Lupe zu nehmen, besafi er die schöne Gabe und die reiche Erlebnisfülle zu
einem Erzähler ersten Ranges. Hat er sich als solcher auch in seinen No-
vellen und Romanen (»Frauenlos«, »Der getreue Eckardt«, »Am
Walchensee«, »Das Bürgerweib von Weimar« u. a.) bewährt, so lag es
seinem Formbedürfnis doch mehr, die Erzählung durch fein-poetische Fassung
in den Bereich des Künstlerischen zu heben. Zu den Werken dieses Genres
gehören seine formsicheren, durch reiche Kleinmalerei und Anbringung
fesselnder menschlicher Züge vertieften epischen Dichtungen, vor anderen:
»Gundel vom Königssee«; »Der graue Zelter«; »Das Mädchen von
Capri«. Alle diese zum Teil von der überreich quellenden Phantasie des
Poeten Zeugnis ablegenden, mehr idyllisch gehaltenen Werke überragt das
groß angelegte »Volkramslied« schon durch den dichterischen Vorwurf, die
Entwicklung der Deutschen zur nationalen Einheit und Größe geben zu
wollen. Mag man an dem vorliegenden Epos (das die dritte Auflage er-
lebte) auch die eiserne, straff fortführende Hand des geborenen Epikers ver-
missen, so erfüllt die vollendete Form der einzelnen Teile, der weit aus-
greifende Inhalt den Leser doch mit hoher Achtung vor des Dichters
Können.. — Ähnliche Empfindungen werden vor den zahlreichen Schau-
spielen G.s (»Johann von Schwaben«; »Friedrich von der Pfalz«;
»Tiberius«) wach, mit denen er in heißem Ringen wieder und wieder um
die Palme des Sieges auch auf dramatischem Gebiete warb. Sie alle streben,
oft mit starkem Feuer der Leidenschaft, das Höchste an, aber in der An-
spannung der Mittel zielen sie vielfach zu hoch und überschlagen dadurch
die Wirkung. Dennoch ist das sicher achtbare Talent verschiedentlich aner-
kannt; in München, als G. mit den »Vnglingern« einen vom Hoftheater aus-
gesetzten Preis für die beste Tragödie gewann, in Weimar, wo noch im
Winter 1898-99 die Aufführung des faustisch - mystischen Märchendramas
»Fortunat« zu Ehrungen des bejahrten, siebzigjährigen Dichters führte. —
Haben wir mit den genannten Werken 'Schöpfungen vor uns, die G. in die
Gefolgschaft der sog. »Münchener« weisen, so müssen wir ihm, so bald wir
auf seine Lyrik kommen, sogleich einen besonderen Platz einräumen;
bei G.s Lyrik, die romantisch-malerische Züge trägt, vermag der Leser im
Genüsse des Gebotenen völlig aufzugehen. Er hat die Empfindung, bei einem
Großen zu Gast zu sein. Starker, eigener Ton, der den Reichtum üppig
quellender Bilder zu einer Einheit zusammenschließt, pulst in allen Gedichten.
Ein hoher Grad von Anschaulichkeit, in die alles Gedankliche umgesetzt ist,
gewährt ihnen den Vorzug hoher, reiner, echter Poesie. Der starke lyrische
Akzent erstreckt sich bis auf die längeren erzählenden Gedichte, deren
Kabinettstücke bisher leider noch viel zu wenig bekannt sind, die aber schon
Adolf Bartels neben die verwandten Chamissos stellt. — So reich G. auch
schuf, sein volles, Welt und Menschen umfassendes Leben hat er nicht aus-
geschöpft. Es liegt reizvoll und charakteristisch dargestellt vor unseren Augen
in seiner Selbstbiographie: »Ursachen und Wirkungen« (Braunschweig,
bei Georg Westermann), deren Lektüre zur vollen Kenntnis des Menschen wie
des Dichters G. gehört. Freund Heyse hatte ihm den Namen des letzten
Romantikers gegeben — er aber war nur ein echter Sohn seiner thüringi-
^ 1 5 Grosse. Buchner.
sehen Heimat, von unablässig webender Phantasie angefüllt. Wo die Stärke
der Gestaltung, die Wärme des Temperaments sich dieser zugesellt, hat der
Verstorbene Wertvolles und Bleibendes [geschaffen. Das deutsche Volk soll
es ihm danken.
Weimar, Oktober 1904. Wilhelm Arminius.
Buchner, Hans, ordentlicher Professor der Hygiene und Direktor des hygie-
nischen Instituts der Universität München, * am 16. Dezember 1850 in Mün-
chen, f am 5. April 1902 daselbst.
Nur wenig mehr als ein Jahr hat der geniale Nachfolger Pettenkofers seinen
großen Vorgänger überlebt. Allzu früh ist diese wissenschaftlich hervorragende
und edle Persönlichkeit erloschen. B.s Lebenslauf, von seltenem Reichtum an
geistiger Bewegung und Inhalt, verlief äußerlich ungemein einfach. In München,
als Sohn des außerordentlichen Universitätsprofessors der gerichtlichen Medizin
und praktischen Arztes Dr. Ernst Buchner und dessen Gattin Friederike
Martin geboren, verbrachte er sein ganzes Leben mit* wenigen, kurzdauernden
Unterbrechungen in seiner Vaterstadt. Hier absolvierte er seine Gymnasialstudien
und den größten Teil seiner medizinischen. Frühzeitig von den Problemen
der Biologie gefesselt, befaßte er sich schon als Student mit physiologischen
Forschungen, zuerst als Schüler Karl v. Voits, später unter der. Leitung
von Karl Ludwig in Leipzig. Mehrere wertvolle Arbeiten stammen aus
dieser Zeit. Im Jahre 1874 erlangte er die Approbation als Arzt und den
Doktorgrad. 1875 trat er in das bayrische militärärztliche Korps ein. Seine
Vorgesetzten erkannten bald, daß in dem zu strahlender männlicher Schönheit
erblühten Jüngling ein Geist von seltenem Drang nach wissenschaftlicher Er-
kenntnis, von ungewöhnlicher Kraft und Selbständigkeit stecke. Er wurde
bald dem sog. »Operationskurse«, der der wissenschaftlichen Fortbildung der
bayrischen Militärärzte dient, zugeteilt und wirkte an diesem, von seinem
unmittelbaren Chef, Generalarzt Dr. Port, aufs liebevollste gefördert, später
als Leiter der dem Operationskurse angegliederten hygienisch -bakteriolo-
gischen Untersuchungsstation bis zum Jahre 1894. 1880 habilitierte er sich
an der Universität als Privatdozent für Hygiene, 1882 gewann er in der
Badenserin Auguste Stutz eine liebreizende, geistig ebenbürtige Gattin, die
ihm zwei Töchter schenkte. 1892 wurde er zum Professor extraordinarius,
1894 nach dem Rücktritte Pettenkofers zum Ordinarius ernannt.
Die bleibende Bedeutung B.s liegt in seinen Forschungen über die Bak-
terie, und über die Pathologie der Infektionskrankheiten. Er muß als einer
der Mitbegründer der modernen Bakteriologie bezeichnet werden. Karl
v. Nägeli, der große Botaniker, war es, der ihn in diese Richtung lenkte.
Als Nägeli im Jahre 1876 im Begriffe stand, die Ergebnisse seiner Über-
legungen und Forschungen über die niederen Pilze und ihre Beziehungen zur
Gärung und Fäulnis und zu den Infektionskrankheiten zu formulieren, was
zu seinen berühmten Vorlesungen im Münchener ärztlichen Vereine 1876-187 7
führte, suchte er einen ärztlichen Mitarbeiter, der ihn mit medizinischem
Wissen zu ergänzen und durch Experimente am Tiere die Probe auf die
Richtigkeit .seiner Deduktionen zu machen imstande wäre. So gelangte B.
in den Bannkreis dieses mächtigen Geistes. Nägelis Grundgedanken über
das Wesen der Infektionskrankheiten und darüber hinaus seine Vorstellungen
Buchner.
317
Über den Bau der organisierten Natur und die Entwicklung der Organismen-
welt wurden zur bleibenden Grundlage von B.s Forschungen, ohne daß er
etwa ein kritikloser Nachbeter seines Lehrers gewesen wäre. Zwei ver-
wandte Intelligenzen waren zusammengetroffen. B. teilte mit dem außer-
ordentlichen Manne den Zug ins Große, zum Ganzen, das Verlangen nach
geistiger Umspannung und harmonischer Ordnung des Naturganzen, das
kühne Hindrängen bis zu den äußersten Grenzen der Naturerkenntnis, die
spekulative Lust, aus den gemachten Beobachtungen die letzten logischen
Konsequenzen zu ziehen, die Neigung, aus einer umfassenden Theorie her-
aus Fragestellungen für die experimentelle Forschung zn finden.
Mit Begeisterung nahm B. die Darlegungen Nägelis auf, die mitten in der
damals noch fast ganz allgemeinen Verwirrung und Zweifelsucht mit bewun-
derungswürdiger Klarheit bewiesen, daß die Infektionsstoffe Mikrobien und
zwar Bakterien sein müßten und welche aus dem über das Leben und die
Eigenschaften der Bakterien Bekannten sofort die wichtigsten Folgerungen
für die V^erbreitungsweise der Infektionskrankheiten zogen. Noch tiefer er-
griff ihn Nägelis Auffassung der Infektionskrankheit als eines Konkurrenzkampfes
zweier, in ihren Eigenschaften veränderlicher Organismen, des Parasiten und
seines Wirtes; die dadurch eröffnete Möglichkeit des Verständnisses für den
so verschiedenartigen Verlauf und Ausgang der Krankheit, die darauf be-
gründete Hoffnung, den Gang der Krankheit willkürlich beeinflussen zu
können.
Mit Feuereifer machte sich B. an die Aufgabe, die ihm Nägeli gestellt
hatte und bereits im Jahre 1877 veröffentlichte er die Schrift >'Die Nägeli-
sche Theorie der Infektionskrankheiten in ihren Beziehungen zur medizinischen
Erfahrung« (Leipzig, Engelmann), eine trotz ihrer Jugendlichkeit höchst be-
merkenswerte Arbeit, überaus charakteristisch für B.s geistige Art, durch die
eigentümliche Verbindung von scharfer Logik und Kritik mit wagender
Phantasie. Ihr bleibender Wert liegt hauptsächlich darin, daß sie in einer
Zeit, in welcher es schien, als ob das alte »Krankheitswesen« (Ens morbi) in
der Form des Bakteriums wieder aufleben sollte, mit allem ontologischen
Irrtum und Mißverständnis gründlich aufräumte und die Krankheit als
die Summe der Reaktionen des Organismus auf einen abnormen
Reiz hinstellte; ferner darin, daß B. im Gegensatze zu der landläufigen
Meinung im Entzündungsprozesse eine zweckmäßige Reaktion, einen
Hei lungs vor gang erkannte und die Richtigkeit dieser Deutung durch ein
ausgezeichnetes Experiment schlagend bewies. Der überraschende Erfolg
dieses Versuches machte auf B. nachhaltigen Eindruck und leitete ihn zu
Forschungen über die Abwehreinrichtungen des Organismus, die er bis zum
Lebensende fortsetzte.
Im Jahre 1878 gelang B. der Nachweis, daß es in der Tat möglich sei,
wie Nägeli postuliert hatte, die pathogenen Bakterien ihrer krankmachenden
Eigenschaften zu berauben. Durch Züchtung unter geeigneten Versuchsbe-
dingungen gelang es ihm, zwei Jahre bevor Pasteur über analoge Ergeb-
nisse berichtete, hochvirulente Milzbrandbazillen in eine völlig unschädliche
Rasse umzuwandeln. Diese Entdeckung der sog. Abschwächbarkeit der
Bakterien, die den Aberglauben an eine absolute Konstanz dieser Lebe-
wesen zerstörte, eröffnete eine neue Epoche der Bakteriologie. Leider
3 1 8 Buchner.
schädigte B. seinen Ruhm, indem er bei Fortsetzung seiner Untersuchungen
sich verirrte und meinte, er habe den Milzbrandbacillus in den Heubacillus
umgewandelt und er könne aus den Heubazilien wieder Milzbrandbazillen
machen. Auch noch in einem zweiten Falle brachte ihm sein jugendlicher
Ungestüm Schaden; seine überschwenglich gehegten Hoffnungen, durch Arsen
einen »entzündlichen Zustand« herbeizuführen und dadurch die Tuberkulose
zu heilen, erlitten Schiffbruch (1883- 1884). Es kostete ihm lange Jahre
ernstester, zähester Arbeit und strenger Selbstzucht, um diese Scharte auszu-
wetzen und das Mißtrauen seiner Fachgenossen zu tilgen.
Welch ausgezeichneter Naturforscher und Experimentator er trotzdem war,
bewies B. durch seine Methode der »Einzelkultur« zur Reinzüchtung der
Mikrobien aus ihren Gemischen, durch seine Versuche über die Fortführung
von Pilzen aus Flüssigkeiten und von feuchten Oberflächen weg durch Luft-
ströme, durch seine grundlegenden Untersuchungen über die Entstehung von
Milzbrand nach Einatmung der Keime, durch seine Methode der Reinkultur
von solchen Bakterien, für welche der Sauerstoff der Luft giftig ist (Anaero-
bien), durch seine Messung der Vermehrungsgeschwindigkeit der Bakterien,
durch seine Beobachtungen über die Desinfektionskraft des Lichtes und die
über den Einfluß des Sauerstoffs auf die Gärung. Grundlegend waren ferner
seine Studien über die Morphologie der Bakterien, von denen seine Arbeiten
über das Glycerinaethylbakterium, über den Choleravibrio und seine Ver-
wandten, über den Emmerich sehen sog. Neapeler Cholerabacillus, über die
angebliche Sporenbildung des Typhusbacillus genannt seien. Sie sind wert-
voll teils wegen der Erweiterung der Methodik, die sie brachten, teils wegen
des unumstößlichen Nachweises, daß die Gestalt der Mikrobien ebensowenig
eine unveränderliche Größe ist als ihr physiologisches Verhalten.
1888 begann B. wieder Untersuchungen zu veröffentlichen, die sich auf
die natürliche Widerstandsfähigkeit des Organismus gegenüber den Mikro-
bien bezogen und an seine alten Vorstellungen über die Bedeutung der Ent-
zündung anknüpften. Er analysierte jetzt im Anschlüsse an die meisterhaften
Untersuchungen Metschnikoffs über die Phagocyten, — jene Körperzellen,
welche die eingedrungenen Mikrobien auffressen und verdauen — und in Ver-
folgung der Versuchsresultate von Nuttall über die Bakterientötung durch
frisches Blut den Entzündungsprozeß genauer. Bei voller Anerkennung der
Befunde von Metschnikoff kam er doch bald zur Überzeugung, daß die
Phagocytose weder der einzige noch der wichtigste und primäre Vorgang bei
der Heilung sei, daß die wichtigste Schutzwirkung von gelösten Stoffen,
von den Säften ausgehen müsse. Seine und seiner Schüler Arbeiten über die
baktericide Wirkung des Blutserums gehören zu B.s besten Leistungen.
Es gelang ihm der Beweis, daß die Fähigkeit des Blutes und des Blutserums,
Bakterien abzutöten, auf ihrem Gehalte an besonderen kolloiden, den Eiweiß-
körpern nahestehenden, sehr hinfälligen Stoffen beruht, die er Alexine nannte.
Ebenso gewichtig sind B.s Forschungen über die Erzeugung von Ent-
zündung, Eiterbildung und Fieber durch Einverleibung abgetöteter Bakterien
und gewisser eiweißhaltiger Leibesbestandteile der Bakterien, die er Proteine
nannte. Das alte »Tuberkulin« Kochs gehört zu diesen Proteinen, wie B.
sogleich erkannte, bevor noch Koch die anfangs geheimgehaltene Herstellung
dieses Präparates bekanntgegeben hatte.
Büchner.
319
Von B.s Forschungen über die Wirkung der Zellleiber der Mikrobien
haben die Untersuchungen seines Bruders Eduard Buchner über die Bier-
hefe ihren Ausgang genommen, welche zu der unsere ganzen Vorstellungen
über den Chemismus der Zelle umgestaltenden Entdeckung führten, daß die
Alkoholgärung nicht unmittelbar an das Leben der Hefezelle geknüpft,
sondern durch eine besondere, von der Hefezelle erzeugte, fermentartige
Substanz, die »Zymase«, verursacht ist (1897).
Aufs intensivste beschäftigte B. bis in die letzte Zeit der Ursprung der
Alexine. Er bildete sich die Überzeugung, daß diese von den Leukocyten
oder weißen Blutkörperchen, der wichtigsten Sorte der Metschnik off sehen
Phagocyten, ausgeschieden werden und brachte dafür im Vereine mit seinen
Schülern sehr wichtige Argumente bei. Er versuchte auf diese Weise seine
eigene Auffassung der natürlichen Resistenz des Organismus mit der Phago-
cytentheorie in Einklang zu bringen und entwickelte seine Vorstellungen
über Erkranken und Genesen, über das Widerspiel der Mikrobien mit ihren
Toxinen und der Leukocyten mit ihren Alexinen und ihrer Freßtätigkeit zu
großer Klarheit. Eine Fülle von Gedanken über die Verwertbarkeit seiner
Erkentnisse für die Therapie strömte ihm zu. Krankheit und Tod verwehrten
ihm, sie weiter zu verfolgen.
Neben seinen beharrlichen, tief eindringenden Forschungen trieb B.
Studien aller Art. Er war kein Fachgelehrter, der sich um nichts be-
kümmert, als um sein enges Arbeitsgebiet. Sein hochfliegender Geist suchte
die Gesamtheit der menschlichen Erkenntnis zu umfassen, zu einer einheit-
lichen Auffassung von Natur- und Geisteswelt durchzudringen.
Feuriger deutscher Patriot, Menschenfreund voll Liebe, war er unablässig
bemüht, so viel er vermochte, die Ergebnisse der Naturforschung im allge-
meinen und der Hygiene im besonderen für das allgemeine Wohl nutzbar zu
machen. Namentlich seitdem er auf einen so hervorragenden Platz wie den
Lehrstuhl Pettenkofers gestellt worden war, hielt er sich verpflichtet, über-
all seine Stimme zu erheben, wo er die körperliche und sittliche Tüchtigkeit
des Volkes fördern zu können hoffen durfte.
Die landläufige Hygiene, die sich nur um das Tier im Menschen be-
kümmert, befriedigte ihn nicht. Wenn die Hygiene zum Kulturfaktor werden
soll, muß sie nach seiner Meinung den Menschen als intellektuelles und sitt-
liches Wesen erfassen. Daher erstreckten sich B.s Veröffentlichungen weit
über jene Grenzen hinaus, die man gewöhnlich der Hygiene zieht; nament-
lich auch auf naturphilosophische Fragen und auf Probleme des Unterrichts
und der Erziehung.
Alle diese Leistungen wurden mit eiserner Energie einem seit Jahren
siechen, an den mannigfachsten Gebrechen leidenden Körper abgerungen.
B.s Los erscheint aufs erste bejammernswert und der Alltagsmensch wird
kaum begreifen, wie B. zwei Tage vor seinem Tode, nach Jahren voll Be-
schwerden, nach acht Monaten qualvoller Krankheit, im Zustande äußer-
sten körperlichen Verfalles einem Freunde zurufen konnte: »Könnte ich dir
doch meine Lebenslust vermachen!« B. war in der Tat trotz seines grau-
samen Schicksals einer der glücklichsten Menschen. Quelle seines Glücks
war die Erhabenheit seines Geistes. Das »primäre Ich« — wie es der große
Himanatom Meynert genannt hat — der Leib mit allen seinen Bedürfnissen
320
Buchner. Karion.
und Schmerzen, die ganze Not des vergänglichen, von den unberechenbaren
Wechselfällen des Geschicks abhängigen Einzeldaseins spielte in seinem Be-
wußtsein eine sehr unbedeutende Rolle. Es verschwand gegenüber dem
Reichtum und dem intensiven Empfindungsgehalt seines »sekundären Ich«,
das die ganze Welt mit nie erlahmendem Interesse, mit feurigem Anteil um-
spannte. Die Lustempfindungen, die ihm aus der Beschäftigung mit den
ewigen Fragen der Wissenschaft und der Menschheitsentwicklung erwuchsen,
übertönten alle Unlust und allen Schmerz des vergänglichen Individuums.
Er hatte das höchste Ziel menschlicher Sehnsucht erreicht: Freiheit. Auch
er durfte fragen: »Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?«
Die Veröffentlichungen B.s finden sich zum größten Teile im »Archiv für
Hygiene«, in der >' Münchener medizinischen Wochenschrift« und in der »Beilage
der Allgemeinen Zeitung«. In den letzteren erschien auch ein Nekrolog B.s
von Martin Hahn mit vollständigem Verzeichnis der Publikationen.
M. Gruber.
Karion, Alois, * i. Februar 1835 zu Trofaiach in Obersteier, f zu Graz
9. Februar 1902. — K. besuchte von 1847 bis 1855 das akademische Gymnasium
in Graz, trat dann in die theologische Fakultät ein und wurde am 25. Juli 1858
zum Priester geweiht. Noch während der theologischen Studien konnte
er wegen seiner vorzüglichen Kenntnisse in den alten Sprachen als Präfekt
im fürstbischöflichen Knabenseminar verwendet werden, wo er auch nach der
Absolvierung der Theologie wirkte. 1864 wurde er Kaplan an der Anima in
Rom und fand nun Gelegenheit, sich mit den politischen Plänen der streitenden
Kirche vertraut zu machen. Daß er hier mit führenden Persönlichkeiten der
Gesellschaft Jesu in Verkehr getreten ist, hat er selbst zugestanden; ob er
ein bestimmtes Verhältnis zum Orden einging, wurde nicht bekannt. Seine
Rückkehr nach Graz (1867) war jedoch ohne Zweifel mit einer politischen
Sendung verbunden, denn mit ihr fällt der Beginn der ultramontanen Bewegung
in Steiermark zusammen. K. stellte zunächst den fÄir die Agitation im großen
Stile unerläßlichen Apparat her, er begründete, unterstützt von D. Johannes
Zwerger, Fürstbischof von Seckau, das »Grazer Volksblatt« als Organ der
katholisch-konservativen Partei, die durch eine große Zahl von Vereinen, deren
Leiter meistens Pfarrer oder Kapläne wurden, ihre Wirksamkeit über das
ganze Land erstrecken konnte. Der erste Katholikentag in Graz (1869) war
zugleich die erste Probemobilisierung der Bauernmassen, die im darauffolgenden
Jahre zu den Wahlurnen geführt werden konnten. Sie eroberten im ersten
Anstürme zehn Landtagsmandate, 1873 fast sämtliche Reichsratsmandate aus
der Gruppe der Landgemeinden. K. trat als einer der fähigsten Organisatoren
der ultramontanen Opposition gegen die interkonfessionellen und Schulgesetze
in das Abgeordnetenhaus des Reichsrates ein, wurde Mitglied des steierischen
Landesausschusses, dem er bis 1896 angehörte und beteiligte sich an allen
Unternehmungen des Zentrums, dessen Gründer er war und als dessen geistiges
Haupt er vom Ministerium Taaffe bis zum Koalitionsministerium angesehen
wurde. So rücksichtslos und offensiv er im Parteikampfe auftrat, so zuvor-
kommend und liebenswürdig gab er sich im geschäftlichen Verkehr. Dies
kam namentlich dem katholischen Preßverein und der Buchdruckerei und
Verlagsanstalt »Styria« zugute, die seine Schöpfung genannt werden muß.
Karion. Fercher. Beer.
321
In verhältnismäßig kurzer Zeit wurde diese Anstalt ein erstklassiges Unter-
nehmen, weil K.s weitblickender und kühner Geschäftsgeist es über die be-
schränkten Verhältnisse einer Provinzdruckerei rasch emporzuheben verstand.
Daß mit K.s parlamentarischer Laufbahn auch seine hierarchische Schritt
hielt, — er starb als Domdechant von Seckau — lag in dem großen Einflüsse
begründet, den er auf den deutschen Klerus der Steiermark ausübte, der ihm
blindlings folgte, bis sich in den neunziger Jahren auch hier die christlich-
soziale Bewegung geltend machte. H. v. Zwiedineck-Südenhorst.
Fercher (Kleinfercher), Johann, genannt Fercher von Steinwand, Dichter,
* am 22. März 1828 zu Steinwand in Kärnten, f am 7. März 1902 zu Wien.
— Die erste Schule besuchte er in Sankt Georgen, das Gymnasium in Klagen-
furt, die Universität in Graz und Wien, trieb juristische und philosophische
St-udien, erkrankte schwer am Nervenfieber; nach seiner Genesung 1854 trat
er im »Wanderer« mit Gedichten (»Der Eisenbahnzug«; »Grabbe«) hervor.
Sein nächster Jugendfreund war sein Landsmann, der bekannte Schulmann
Alois Egger, nachmals v. Möllwald, zu seinen ersten Förderern gehörten Lud-
wig August Frankl und der Anatom Hyrtl. 1867 gewann F. den vom
österreichischen Reichsrat für eine Dichtung ausgesetzten Preis mit der Tra-
gödie »Dankmar«. 1874 folgte das satirische Gedicht »Gräfin Seelenbrand«,
dem Hamerling seinen Beistand schenkte. 1881 veröffentlichte F. »Deutsche
Klänge aus Österreich«, 1898 »Johannisfeuer«, Gedichte.
Fercher von Steinwands sämtliche Werke wurden nach seinem Tode von Josef Fach-
bach E. V. Lohnbach in 3 Bänden mit Einleitungen von Franz Christel und Dr. Wolfgang
Madjera in Theodor Daberkows Verlag in Wien herausgegeben. Ebendort autobiographische
Mitteilungen F.s.
Beer, Adolf, Historiker und Politiker, * 27. Februar 1831 zu Proßnitz
in Mähren, f 7. Mai 1902 in Wien. — Unter großen Entbehrungen gelang es
B., das Gymnasium zuerst in seiner Vaterstadt, später in Preßburg und Buda-
pest zu absolvieren, die Universitätsstudien in Prag, Wien, Berlin und
Heidelberg zu vollenden. Er hat oft — zumal in den letzten Lebensjahren
— von den Schwierigkeiten erzählt, die er zu überwinden hatte, ehe er sich
den Doktorhut aufs Haupt setzen durfte, wie nur die äußerste Sparsamkeit
ihm die Durchführung seines Lieblingsplanes ermöglichte, einige Semester im
Auslande zu studieren, um von Ranke und Häusser in die Geheimnisse der
historischen Forschung eingeführt zu werden. Aber auch als junger Doktor
und geprüfter Lehramtskandidat war B. nicht weich gebettet. An eine aka-
demische Karriere war vorerst nicht zu denken. B. mußte es vielmehr als
ein Glück betrachten, daß sich ihm rasch die Möglichkeit bot, an einer
Mittelschule unterzukommen. Er wurde 1853 Lehrer am Czernowitzer Gym-
nasium. Die Briefe, die er von dort an einen Jugendfreund richtete,
zeigen, wie schweren Herzens er sich zur Übernahme eines Lehramts ent-
schlossen hatte, das ihn weit weg von der Reichshauptstadt und damit von
der Stätte führte, wo der überaus fleißige, begabte und ehrgeizige junge
Mann Befriedigung seines unersättlichen Wissensdurstes hoffen durfte. Die-
selben Briefe beweisen aber auch, wie energisch B. in der kleinen Landes-
hauptstadt an seiner Fortbildung arbeitete und wie fest die Überzeugung ihn
Bio^r. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog^. 7. Bd. 2 1
322
Beer.
durchdrang, daß einem ehrlichen Streben auf die Dauer der Erfolg nicht
versagt bleiben könne. In der Tat wurde B. nach kurzer Zeit von Czemo-
witz nach Prag versetzt. Hier fand sein regsamer Geist bessere Nahrung;
er studierte eifrig in Bibliotheken und Archiven und knüpfte eine Reihe für
die Zukunft bedeutsamer Verbindungen — unter anderen mit Hasner, dem
späteren Unterrichtsminister — an. Auch öffneten sich dort dem lebensfrohen
jungen Manne, dessen schöner ausdrucksvoller Kopf auf einem prächtig ge-
bauten Körper saß, die Tore der besten Gesellschaft. Und B. verstand es,
den günstigen Eindruck, den er im ersten Augenblicke machte, durch Geist,
Beredsamkeit und Beweise eines ehrenhaften Charakters derart zu befestigen,
daß er bald zu den beliebtesten Männern der Stadt zählte.
Aber auch in Prag war seines Bleibens nicht. 1857 nahm er eine Lehr-
stelle für österreichische Geschichte an der Rechtsakademie zu Großwardein
an, die er bereits im folgenden Jahre mit der Professur für Handelsgeschichte
an der Wiener Handelsakademie vertauschte. Sein Wunsch, in der Reichs-
hauptstadt an seiner Fortbildung arbeiten zu können, war nun erfüllt. Er
machte sofort von der günstigen Gelegenheit den ausgiebigsten Gebrauch,
begann im Haus-, Hof- und Staatsarchive die Zeiten Maria Theresias und
Josefs II. zu erforschen, knüpfte mit den maßgebendsten historischen Zeit-
schriften Verbindungen an, schrieb für dieselben Kritiken und Aufsätze histo-
risch-politischen Inhaltes, während er zu gleicher Zeit durch sein Amt dazu
genötigt, eingehende Studien auf dem Gebiete der Handelsgeschichte machte.
Bereits im Jahre 1860 erschien als Ergebnis dieser Forschungen der erste
Band einer »Allgemeinen Geschichte des Welthandels«, der das Altertum
und Mittelalter, im Jahre 1862 ein zweiter, der die ersten drei Jahrhunderte
der neueren Zeit umfaßte, 1864 die erste Abteilung des dritten Bandes, in
der die gewaltigen Umwälzungen geschildert wurden, die zu Beginn des
19. Jahrhunderts im Welthandel eintraten, worauf eine eingehende Erörterung
der englischen Handelsgeschichte und Politik in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts folgte. Damit schloß B. vorerst ab. Zum Teil waren es
äußere Umstände, die ihm die Fortsetzung dieses Werkes unmöglich machten,
zum Teil aber wirkte auch die Empfindung mit, daß ohne umfassende Be-
nutzung eines entsprechenden Aktenmaterials die Handelsgeschichte des 19. Jahr-
hunderts nicht geschrieben werden könne. Erst zu Beginn der achtziger Jahre
entschloß sich B!, nicht ohne Druck seitens seines Verlegers, das begonnene
Werk zu vollenden und ließ im Jahre 1884 die zweite und die dritte Abtei-
lung des dritten Bandes erscheinen, in denen er eine Darstellung des Han-
dels der vornehmsten europäischen Völker im 19. Jahrhundert, sowie eine
Übersicht der handelsgeschichtlichen Entwicklung der außereuropäischen
Nationen mit Zugrundelegung eines reichen gedruckten und handschriftlichen
Materiales gab. Diese letzteren Partien der B.schen Handelsgeschichte haben
auch heute noch wissenschaftlichen Wert, während die in den sechziger
Jahren erschienenen Teile des Werkes als durchaus veraltet angesehen werden
müssen.
Das Jahr 1864 brachte eine wichtige Wendung im Leben B.s. Er hatte
sich als Gymnasiallehrer und später in seiner Stellung als Professor an der
Rechtsakademie zu Großwardein und an der Wiener Handelsakademie eifrig
mit der pädagogischen Seite seines Berufes beschäftigt und galt bald als
Beer.
323
einer der besten Kenner der Schulverhältnisse Österreichs und der übrigen
europäischen Großstaaten. Das eingehende Studium dieser Frage hatte ihm
die Überzeugung aufgedrängt, daß der Unterricht des Kaiserstaates — nament-
lich auf den unteren Stufen — dringend der Verbesserung bedürfe. Seine
Ansichten wurden maßgebenden Kreisen, die gleicher Meinung und dem
Gedanken einer Schulreform schon nahe getreten waren, insbesondere den
Mitgliedern des Unterrichtsrates, an dessen Spitze Hasner stand, bekannt.
Im Vereine mit Hochegger gab B. in den Jahren 1867 und 1868 ein zwei-
bändiges Werk »Die Fortschritte des Unterrichtswesens in den Kulturstaaten
Europas« heraus, dessen Ergebnisse, auf einem mit stupendem Fleifle ge-
sammelten statistischen Materiale aufgebaut, die Notwendigkeit einer gründ-
lichen Schulreform für Österreich deutlich erkennen ließen. Glückliche Um-
stände boten bald darnach B. die erwünschte Gelegenheit, seine reichen
Kenntnisse auf dem Gebiete des österreichischen Studienwesens praktisch zu
betätigen. Hasner, der im Bürgerministerium das Amt eines Kultus- und
Unterrichtsministers bekleidete und die Reform des Schulwesens von unten
auf ernstlich ins Auge faßte, berief B. zur außerordentlichen Dienstleistung
ins Unterrichtsministerium und wies ihm eine ausschlaggebende Rolle bei
der Ausarbeitung der darauf bezüglichen Gesetzentwürfe zu. In den Denk-
würdigkeiten Hasners (1884 erschienen) Seite 94 heißt es: »Nun hatte ich in
dem Unterrichtsrate in dem Professor am Polytechnikum, Adolf Beer, einen
Mann erkannt, dessen lebhaftes Interesse für das Studienwesen überhaupt,
dessen Kenntnisse und unverwüstliche Arbeitskraft mir umsomehr dienlich
sein konnte, als er sich im Besitz umfassender Sammlungen ausländischer
Gesetze befand, deren Inhalt er mit seinem glücklichen Gedächtnisse be-
herrschte und für meine Zwecke dienstbar zu machen wohl geeignet war.
Ich zog ihn deshalb unseren Beratungen bei. Im Laufe eines Jahres war
der Gesetzentwurf zustande gebracht, der achtjährige Schulpflicht, Inter-
konfessionalität der Schule, staatliche Beaufsichtigung des Volksschulwesens
enthielt.« Es kann nicht Gegenstand der vorliegenden kurzen Biographie B.s
sein, festzustellen, wie groß sein Anteil an der Fertigstellung des Volksschul-
gesetzes war; daß ihm aber ein wesentliches Verdienst bei der raschen und
glücklichen Erledigung der schwierigen Aufgabe gebührt, wird von allen be-
tont, die sich mit dieser Frage eingehender beschäftigt haben. B. selbst hat
seine Tätigkeit im Unterrichtsministerium und seine Beteiligung an der
Schaffung des neuen Volksschulgesetzes als die glücklichste, weil erfolg-
reichste Zeit seines Lebens bezeichnet. Zahlreiche Dokumente, die sich in
seinem Nachlasse vorgefunden haben, beweisen, mit welcher Vorsicht er an
die Beurteilung aller auf die Reorganisation der österreichischen Schule be-
zugnehmenden Fragen herantrat und wie eifrig er darauf bedacht war, jede
Unklarheit des Ausdruckes und jede Einseitigkeit des Inhaltes zu vermeiden.
Den lange gehegten Plan, eine Geschichte der österreichischen Volksschul-
reorganisation zu schreiben, hat er leider nicht durchgeführt. Mit der Votie-
rung des Gesetzes durch den Reichsrat, mit der Beschlußfassung der Durch-
führungsgesetze durch die Landesvertretung und dem Erlasse der Durch-
führungsordnungen betrachtete B. seine Mission erfüllt, und als 1870 das
Kabinett Hasner fiel, verließ auch B. — der die Stelle eines Ministerialrates
bekleidet hatte — das Unterrichtsministerium und beschränkte sich vorerst
21*
324
Beer.
auf seine Tätigkeit als Professor an dem Wiener Polytechnikum, wohin er im
Jahre 1868 als ordentlicher Professor der österreichischen und allgemeinen
Geschichte berufen worden war. Als Dozent hatte B. entschiedenen Erfolg.
Gelegentlich seines Todes haben mehrere seiner ehemaligen Schüler den
mächtigen Eindruck geschildert, den B. als Redner auf sie machte. Alle,
die ihn in späteren Jahren als Parlamentsredner hörten oder in der Konver-
sation beobachten konnten, haben dieses Urteil bestätigt. Seine Rede war
durchsichtig klar, von großen Gesichtspunkten getragen und ließ die hohe
sittliche Weltanschauung erkennen, die ihn erfüllte. Im Jahre 1872 schrieb
Ranke seinem Verleger Geibel: »Ich kenne den Hofrat Beer » . ., er besitzt
die Gabe der Sprache in hohem Grade . . .« Ranke fügte diesem Lobe
noch ein anderes hinzu: »Er lebt und webt in den historischen Forschungen
über die neuere Zeit.« In der Tat hatte B., seitdem er sein Amt als
Ministerialrat niedergelegt, mit dem rastlosen Eifer, der ihn bis an sein
Lebensende auszeichnete, die liegengelassenen historischen Studien aufge-
nommen. Seinen ursprünglichen Plan, eine auf eingehendsten Forschungen
beruhende, auf breiter Grundlage aufgebaute Geschichte Maria Theresias zu
schreiben, mußte er aufgeben, da Arneth sich unterdes dieser Aufgabe unter-
zogen hatte. Doch blieb die Erforschung der Zeit Maria Theresias ein Lieb-
lingsthema B.s, mit dem er sich immer wieder beschäftigte, so daß er nach
dem Tode Arneths als der beste Kenner dieser inhaltsreichen Periode
österreichischer Geschichte galt. Im Jahre 1871 veröffentlichte er die »Auf-
zeichnungen Bentincks über Maria Theresia«, die er mit einer ausführlichen,
gut geschriebenen Einleitung versah, in der er den Nachweis führte, daß
Maria Theresia im Jahre 1755 noch keineswegs an eine Offensivallianz mit
Frankreich gedacht hat. Im selben Jahre erschienen in dem von der Wiener
Akademie herausgegebenen Archive für Kunde Österreich. Geschichtsquellen
(Bd. XLVI und XLVII) mehrere Abhandlungen, in denen B. die Haltung der
Holländer im österreichischen Erbfolgekriege und beim Abschlüsse des
Aachener Friedens ins rechte Licht stellte. Demselben Zwecke dienten auch
einige in holländischen Akademieschriften erschienene Aufsätze, welche die
Ernennung B.s zum auswärtigen Mitgliede der Akademien zu Leyden und
Utrecht zur Folge hatten. Das Jahr 1871 brachte überdies (A. f. K. ö. G.
XLVII) einen Aufsatz über die Zusammenkunft Josefs II. und Friedrichs II.
von Preußen; das Jahr 1872 zahlreiche kleinere Arbeiten, unter denen in
diesem Zusammenhange besonders jene über die österreichische Politik in
den Jahren 1755 und 1756 (Sybels Hist. Zeitschrift XXVII) und die »Ana-
lekten zur französischen Revolution« (ebenda) Erwähnung finden mögen.
Strebte B. in der ersten Abhandlung im Anschlüsse an Rankes »Ursprung
des siebenjährigen Krieges« eine genauere Feststellung der österreichischen
Politik auf Grund der österreichischen Akten an, so bemühte er sich mit Er-
folg in der zweiten Schrift, die Haltung Leopolds II. gegenüber den Angriffen
Sybels zu rechtfertigen. Ein Jahr später — 1873 — veröffentlichte B. sein
erstes großes historisches Werk »Die erste Teilung Polens« (3 Bände, Wien).
Dasselbe fand als wichtiger Beitrag zur Lösung der komplizierten polnischen
Frage lebhaften Beifall und eingehende Berücksichtigung, besonders auch
von russischer Seite. Man wird in der Tat dieses Werk, trotz gewisser
Breiten, als eine der besten Publikationen B.s bezeichnen dürfen. Zugleich
Beer.
325
mit diesem darstellenden Werke erschienen zwei umfassende Quellenpubli-
kationen »Josef IL, Leopold II. und Kaunitz; ihr Briefwechsel« Wien 1873,
und »Leopold IL, Franz IL und Katharina von Rußland; ihre Korrespon-
denz« Leipzig 1874. Als Ergänzung der von Arneth besorgten Herausgabe
der Herrscherkorrespondenzen jener Zeit haben diese beiden Quellenwerke
großen historischen Wert, der noch wesentlich durch die Einleitung und
die zahlreichen Nachträge zur zweiten Publikation erhöht wird, in denen B.
die Politik Leopolds IL in jener Zeit zu rechtfertigen sucht.
Die Schriften B.s hatten ihm in Österreich, aber auch in Deutschland einen
guten Namen gemacht; er durfte hoffen, bei einer sich ergebenden Vakanz an
einer der größeren Universitäten in Frage zu kommen. Denn je fester sein Ent-
schluß ward, sich ausschließlich dem wissenschaftlichen Berufe zu w^idmen, desto
sehnlicher wurde sein Wunsch, seine Stellung an der Technik, die ihn trotz
aller Erfolge nicht ganz befriedigte, mit einer solchen an einer Universität
zu vertauschen. Die Gelegenheit dazu schien sich zu bieten; nicht in Öster-
reich, wohl aber in Deutschland, wo B. zahlreiche Freunde und Verehrer
unter seinen Berufsgenossen besaß. Zumal mit Karl von Noorden verband
ihn eine bis zum Tode dieses hervorragenden Geschichtschreibers währende
treue Freundschaft. Durch Noordens Bemühungen eröffnete sich denn auch
für B. die Aussicht auf ein Ordinariat der Geschichte in Bonn. Der uns er-
haltene Briefwechsel der Freunde zeigt, wie eifrig Noorden für B. eintrat
und wie gerne B. einer Berufung ins Ausland Folge geleistet hätte. Doch
ergaben sich noch im letzten Augenblicke unvorhergesehene Schwierigkeiten.
Das konfessionelle Moment dürfte dabei eine Rolle gespielt haben, obgleich
B. bereits in jungen Jahren — vor seiner ersten Staatsanstellung — zum
katholischen Glauben übergetreten war; gewiß aber auch die Abneigung
Sybels, obgleich dieser jedes persönliche Motiv entschieden leugnete. Die
Vereitelung seiner Hoffnungen hat B. tief niedergedrückt und ganz über-
wunden hat er es, trotz aller Erfolge, die ihm später auf anderen Gebieten
blühten, nie, daß ihm die Lehrtätigkeit an einer Universität, für die er durch
die Fülle seines Wissens, durch seine Beredsamkeit und sein eminentes päda-
gogisches Talent prädestiniert schien, versagt geblieben ist. Allein im selben
Jahre, da er diese schwere Enttäuschung erlitt, eröffnete sich ihm ein neues
Feld für seine Betätigung, auf dem er außerordentliches leisten und großen
Erfolg erzielen sollte. Er wurde im Jahre 1873 — ^^ fanden damals die
ersten direkten Wahlen in die Reichsvertretung statt — von dem mährischen
Städtebezirk Stemberg zum Abgeordneten gewählt und vertrat diesen Bezirk
bis 1897. Auch im Parlamente wurde es B. nicht leicht, sich eine seinen
Fähigkeiten entsprechende Stellung zu erwerben; wiederholt hat er von den
Schwierigkeiten erzählt, die er — obgleich ein Mann von anerkannten Lei-
stungen — beim Beginn seiner parlamentarischen Laufbahn zu überwinden
hatte, wie mühselig er sich von unten aufdienen mußte und wie lange es
dauerte, bis er innerhalb der Partei, der er sich anschloß, und dann im ganzen
Hause zu Ansehen und Einfluß gelangte. Es waren auch in diesem Falle
seine unermüdliche Arbeitslust, sein ruhiges, nüchternes Urteil, sein Wissen,
insbesondere aber seine strenge Selbstlosigkeit, die alle Hindernisse übeY-
wanden. Eduard Sueß, wie B. Gelehrter und Politiker, sein intimer Freund
und Parteigenosse, der Jahrzehnte mit ihm kämpfte und wirkte, spricht sich
326 Beer.
über die Stellung, die B. im Laufe der Zeit im Parlamente einnahm, in fol-
gender Weise aus: »Durch fast 24 Jahre, bis zu seiner Berufung ins Herren-
haus, hat B. zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des österreichischen
Parlamentes gehört. Er sprach nicht sehr oft, immer sehr klar, sehr sachlich,
mit nicht viel Affekt, aber immer erwärmend und nur über Fragen, die er
vollständig beherrschte. Deshalb war ihm die gespannte Aufmerksamkeit
von Freund und Gegner sicher ... Zu dem Ansehen, das er genoß, trugen
seine stattliche Persönlichkeit bei und die Zurückhaltung, die er sich jeder-
mann gegenüber, mit Ausnahme eines engsten Kreises von Freunden aufer-
legte. Vor allem aber war es begründet auf seine strenge und makellose
Selbstlosigkeit. Nie hat B. als Abgeordneter eine leitende politische Stellung
oder äußere Ehren oder persönliche Auszeichnungen irgendwelcher Art ge-
sucht oder angenommen. Sein Ehrgeiz war, der wissende Fachmann und
Ratgeber zu sein . . . Glücklich fühlte er sich, so oft ihn jemand über die
Tragweite irgend einer ökonomischen Maßregel befragen wollte, und doppelt
glücklich, wenn eine solche fachliche Frage aus dem Kreise seiner politi-
schen Gegner kam. Denn es gab keinen Kreis, in dem man nicht sein
Urteil und seine Person hochgeachtet hätte.«
Über Fragen der großen Politik sprach B. nur selten; vermied es aber
nicht, wenn es nottat, sich als entschiedener Liberaler zu bekennen, der von
der Notwendigkeit eines einheitlichen unter deutscher Führung stehenden Öster-
reich überzeugt war, als Anhänger jener Partei, die im Kampfe um die
Reichseinheit vorangegangen war, später als »Vereinigte Linke« der Zerset-
zung Österreichs zähen, wenn auch nicht immer erfolgreichen Widerstand
geleistet hatte und deren Ziel eine Verfassung war, die auf Gerechtigkeit
und Freiheit gegründet sein sollte. Im übrigen beschränkte er seine Tätig-
keit fast ganz auf Schul- und ökonomische Angelegenheiten, insbesondere auf
die wirtschaftlichen Beziehungen zu Ungarn, auf das Staatsbudget und die
direkten Steuern und wurde auf all diesen Gebieten allmählich zu einem der
au^chlaggebenden Faktoren des Parlamentes. Wichtiger vielleicht noch als
seine Reden im Hause war seine Tätigkeit in den einzelnen Ausschüssen;
jeder, der ihn bei dieser stillen, aber höchst wichtigen Arbeit kennen lernte,
war des Lobes voll. Schon im Jahre 1875 war er neben Eduard Herbst und
Ernst von Plener mit den schwierigen Verhandlungen über die mit Ungarn
zu vereinbarende Quote betraut worden, und seitdem hat er bis an sein
Lebensende entscheidenden Anteil an dem sich immer wieder erneuernden
Quotenstreit genommen. Die Nuntien über die Quote, die er als Referent
der österreichischen Deputation in den letzten Jahren seines Lebens mit
dem Referenten Ungarns wechselte, geben ein beredtes Zeugnis von dem
Eifer und dem Scharfsinn, mit dem er die Interessen der diesseitigen Reichs-
hälfte zu wahren verstand. Er war immer für den Abschluß, aber nur unter
Österreich nicht ungünstigen Bedingungen eingetreten und suchte auch jetzt
den Abbruch der Verhandlungen zu verhindern, ohne sich jedoch zu allzu
weitgehende Konzessionen an den Gegner zu verstehen. Daß es ihm schließ-
lich gelang, eine wenn auch kleine Herabminderung des österreichischen Bei-
trages zu den gemeinsamen Angelegenheiten durchzusetzen, hat ihm eine
große Freude bereitet.
Eine andere Frage, bei deren Beratung seine stupende Kenntnis aller
Beer.
327
einschlägigen Materien dem österreichischen Staate großen Nutzen brachte,
war die der Steuerreform. Als Mitglied und Referent des Steuerausschusses,
der eine Reform der Einkommensteuer durchzuführen bestrebt war, hat B.
sich hervorragende Verdienste erworben. Seinen Anteil an dem Gelingen
des großen Werkes im einzelnen festzustellen, muß künftigen Zeiten vor-
behalten bleiben; aber auch in diesem Zusammenhange mag betont werden,
daß er bestrebt war, den modernen Prinzipien der Steuergesetzgebung, so
weit dies ihm in Österreich möglich schien, Rechnung zu tragen. Durch
eine Reihe von Jahren hat er im Parlamente das Referat über den gesamten
Staatsvoranschlag erstattet; durch eine viel längere Zeit noch als Bericht-
erstatter des Hauses für Schulangelegenheiten fungiert. Seinen Reden lausch-
ten nicht nur seine Parteigenossen, sondern das ganze Haus mit Spannung;
seine seltene Objektivität rühmten auch seine Gegner. Ein besonderes Ver-
dienst hat sich B. um die Beamtenschaft durch sein mannhaftes Eintreten
für die* lange verzögerte Durchführung der Gehaltsaufbesserung erworben.
Die Wandlungen, welche die österreichische Politik seit dem Sturze des
Koalitionsministeriums durchmachte, erfüllten B. mit tiefem Grame; er litt
schwer und begann an der Möglichkeit einer Besserung zu zweifeln. Er trug
sich mit dem Gedanken, aus dem öffentlichen Leben ganz auszuscheiden, um
lediglich seinen historischen Studien zu leben. Bei den Neuwahlen des
Jahres 1897 trat er nicht mehr als Reichsratskandidat auf. Doch wurde er
bald darauf vom Kaiser in das Herrenhaus berufen, wo er namentlich in
Steuer- und Quotenfragen das Wort ergriff und sich alsbald eine allgemein
geachtete Stellung zu verschaffen wußte.
Seine Stellung als Politiker hat B. keinen Augenblick seinen historischen
Studien entfremdet. Im Jahre nach seiner Wahl zum Abgeordneten — 1874 —
erschien die Schrift »Friedrich II. und van Swieten«, Leipzig 1874, in der
die Verhandlungen zwischen Preußen und Österreich, so weit sie die pol-
nische Teilung betrafen, erörtert werden. Im folgenden Jahre — 1875 —
veröffentlichte B. in dem von Gottschall herausgegebenen »Neuen Plutarch«
eine Biographie Maria Theresias, die durch Klarheit und Schärfe der Auf-
fassung ausgezeichnet, den konservativen Zug der Kaiserin stärker betonte,
als dies bis dahin geschehen war. Als eine Ergänzung seiner diplomatischen
Forschungen über das Zeitalter Maria Theresias erschienen dann in den bei-
den folgenden Jahren noch einzelne Abhandlungen, unter denen auf die
beiden in Sybels Historischer Zeitschrift Bd. XXXV und XXXVIII erschie-
nenen Untersuchungen »Zur Geschichte des bairischen Erbfolgekrieges« und
»Sendung Thuguts und der Friede von Teschen«, besonders hingewiesen
werden soll. Unterdes hatte sich B. schon eingehend mit der österreichischen
Geschichte des 19. Jahrhunderts zu beschäftigen begonnen. Bereits 1875 er-
schienen zwei inhaltsreiche Abhandlungen (A. f. Kunde öst. Gesch. Bd. LH
und LIII), in denen er die österreichische auswärtige Politik in den Jahren
1801-02 und die Beziehungen Österreichs und Rußlands in den Jahren 1804-05
schilderte. Sie wurden wenig verändert dem Werke einverleibt, das im
Jahre 1877 zu Leipzig unter dem Titel »Zehn Jahre österreichischer Politik
1801 — 18 10« erschien. Der Wert dieser umfassenden Arbeit, die ein reiches
handschriftliches Material der historischen Wissenschaft zuführte, lag haupt-
sächlich in der Rektifizierung der insbesondere durch Häusser vertretenen
328
Beer.
ungünstigen Auffassung der österreichischen Politik jener Tage. B. wies
nach, daß Österreich nicht blind gegen Napoleon eingenommen war, viel-
mehr erst allmählich, vornehmlich durch Napoleons Verhalten in der italieni-
schen Frage verletzt und beunruhigt, neue Bündnisse schloß; er zeigte, daß
Österreich es an Bemühungen nicht fehlen ließ, seine Beziehungen zu Preußen
zu bessern ; gab eine neue richtigere Darstellung der Ulmer Katastrophe und
verstand es insbesondere, die Tätigkeit Stadions in das rechte Licht zu setzen.
Durch eine Reihe neuerer Arbeiten ist B.s Darstellung der österreichischen
Politik im ersten Dezennium des 19. Jahrhundert in wesentlichen Punkten
ergänzt und berichtigt worden; trotzdem hat sein Werk auch heute noch
Bedeutung.
Die eingehende Beschäftigung mit der österreichischen Geschichte im
19. Jahrhunderte, die B. auch auf die inneren Zustände ausdehnte, ließ ihm die
Tätigkeit Metternichs in etwas anderem Lichte erscheinen, als frühere Forscher
sie gesehen. So entschloß er sich, seine Auffassung dieses Staatsmannes in einer
kürzeren Biographie desselben, die 1877 im »Neuen Plutarch« erschien,
niederzulegen. Sie zählt zu den besten historischen Arbeiten B.s. Besonders
gelungen sind jene Partien, in denen Metternichs Bemühungen geschildert
werden, kurz nach dem Wiener Kongresse Reformen in verschiedenen Zweigen
der österreichischen Verwaltung durchzuführen. Von jeder Überschätzung
Metternichs war B. aber weit entfernt. Metternich, so urteilt er, war ein aus-
gezeichneter Diplomat, nichts mehr; er hinterließ keinen großen Gedanken
als Erbschaft dem kommenden Manne.
Die Beschäftigung mit der Politik konnte auf die Dauer nicht ohne Ein-
fluß auf die Tätigkeit B.s als Historiker bleiben. Der Wunsch, sich ein
klares Bild über die Finanzen Österreichs in der Gegenwart zu verschaffen,
führte ihn zu Studien, als deren Ergebnis im Jahre 1877 ein umfassendes
Werk »Die Finanzen Österreichs im 19. Jahrhundert« (Prag) erschien. B.
unternahm es, an der Hand eines reichen, bis dahin gänzlich unbekannten
Materiales, das er in erster Linie dem Hofkammerarchiv entnahm, die leiten-
den Gedanken der österreichischen Finanzminister des 19. Jahrhunderts dar-
zustellen; die Tätigkeit O'Donnels, Stadions und ihrer Nachfolger bis 1867
fand hier die erste, wenn auch nicht abschließende Kritik. Vier Jahre später
erschien, ebenfalls in Prag gedruckt, gleichsam als Ergänzung des vorher-
gegangenen Werkes, das Buch »Der Staatshaushalt Österreich-Ungarns seit
1868«. B. schilderte in demselben den Staatshaushalt nach der Steuerreform
und nach dem Abschlüsse der österreichisch-ungarischen Ausgleichsverhand-
lungen, gab ferner eine Darstellung der Entwicklung der direkten Steuern
seit Josef IL, verbreitete sich über die Kosten der Zentralverwaltung, über
die gemeinsamen Auslagen, über die Finanzen Ungarns und erörterte schließ-
lich die ganze Frage des ungarischen Ausgleiches.
Noch einmal führte ihn in späteren Jahren der Wunsch, ganz vorbereitet
an seine politischen Aufgaben heranzutreten, zu einer großen wissenschaft-
lichen Untersuchung, als deren Resultat im Jahre 1891 das Werk »Die öster-
reichische Handeispolitik im 19. Jahrhundert« (Wien) erschien. B. erörtert
in demselben eingehend — auch hier auf der Grundlage eines reichen hand-
schriftlichen Materiales — die Handelspolitik der österreichischen Staats-
männer von Metternich bis Brück und schilderte dann die mehr oder minder
Beer.
329
belangreichen Beziehungen des österreichischen Handels zu dem der einzelnen
europäischen Großmächte. Besser als bei vielen anderen Arbeiten gelang
es B. bei der Darstellung der österreichischen Handelspolitik des Stoffes
Herr zu werden; man wird dieses Werk zu seinen besten zählen dürfen.
Auch das umfassende Werk B.s »Die orientalische Politik Österreichs seit
1774«, das 1883 in Prag erschien, kann man mit seiner Tätigkeit als Poli-
tiker in Beziehung bringen. Weniger gut konzipiert als seine Handelspolitik,
sichert demselben die breite archivalische Grundlage und die geschickte Be-
nutzung des gedruckten Materials einen hervorragenden Platz in der um-
fassenden Literatur der orientalischen Frage.
Mit all diesen Büchern ist die schriftstellerische Tätigkeit B.s nicht er-
schöpft. Im Jahre 1881 veröffentlichte er aus dem Nachlasse Wilhelm Tegett-
hoffs (Wien) wichtige Papiere, denen er eine auf eingehenden Studien be-
ruhende Biographie des österreichischen Seehelden voranstellte.
Im selben Jahre erschien in Gottschalls »Neuem Plutarch« eine Biographie
Josefs IL, die von der großen Verehrung Zeugnis gibt, die B. für die Ge-
sinnungen dieses Herrschers hegte, zugleich aber auch für die Wahrheitsliebe
des Historikers spricht, der mit seinem Tadel über die Politik des Kaisers
nicht zurückhält, indem er ihm zu geringe Berücksichtigung der historischen
Entwicklung vorwirft.
Wie ausgedehnt die archivalischen Studien B.s waren, beweist eine im
Jahre 1885 in Sybels Historischer Zeitschrift erschienene Abhandlung »Zur Ge-
schichte der Politik Karls VI.«, die als eine Vorarbeit für eine umfassende
Biographie dieses Herrschers angesehen werden muß. Leider hat B. seinen
Plan, auf den er in den letzten Jahren seines Lebens wiederholt zu sprechen
kam und für dessen Realisierung ein sehr weitschichtiges Material bereits
gesammelt war, nicht durchgeführt, vielmehr seine erstaunliche Arbeitskraft
auf anderem Gebiete betätigt.
Aus der langen Reihe der historischen Publikationen, die B. im letzten
Jahrzehnt seines Lebens veröffentlichte, seien im folgenden wenigstens die
wichtigeren hervorgehoben. In den Mitteilungen des Institutes für österreichi-
sche Geschichtsforschung erschienen an Arbeiten diplomatischer Natur »Zur
Sendung Metternichs nach Paris im Jahre 18 10« (Bd. XV), »Zur Geschichte des
Jahres 1756« (Bd. XVII), »Zur Geschichte der Jahre 1806— 1813« (Bd. XIX).
Ebendaselbst veröffentlichte B. eine Studie über die kirchlichen Verhältnisse
Österreichs 181 6 — 1842 und eine Reihe von Aufsätzen zur österreichischen
Finanzgeschichte, unter denen die über »Die Zollpolitik und die Schaffung
eines einheitlichen Zollgebietes unter Maria Theresia« (Bd. XIV) und jene über
»Die Finanzverwaltung Österreichs 1749 — 18 16« (Bd. XV) Erwähnung finden
mögen. Die beiden letzterwähnten Abhandlungen waren Vorarbeiten für eine
umfassende Darstellung der österreichischen Finanz- und Wirtschaftsgeschichte
und Politik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die B. plante und
für die er in verschiedenen Archiven, vornehmlich im Hofkammerarchiv,
Jahrzehnte rastlos Material gesammelt hatte. Er hoffte mit diesem Werke
eine wertvolle Ergänzung der »Maria Theresia« Arneths zu bieten, dessen
Darlegungen gerade für diese Fragen recht lückenhaft waren. Zur Ausführung
seines Planes ist B. nicht gekommen, doch hat er einen großen Teil des ge-
sammelten Materiales in umfangreichen Publikationen verwertet, zu denen
330
Beer.
neben den bereits erwähnten noch vier im Archive für Österreich. Geschichte
erschienene Arbeiten »Die handeispoli tischen Beziehungen Österreichs zu den
deutschen Staaten unter Maria Theresia« (Bd. LXXIX), »Studien zur Ge-
schichte der österreichischen Volkswirtschaft unter Maria Theresia, I. Die
österreichische Industriepolitik« (Bd. LXXXl), »Die Staatsschuld und die
Ordnung des Staatshaushaltes unter Maria Theresia« (Bd. LXXXII), »Die
österreichische Handelspolitik unter Maria Theresia und Josef II.« (Bd. LXXXVI)
zählen. Vollkommen Herr des spröden Stoffes ist B. nicht geworden; doch
enthalten diese Schriften eine solche Fülle neuen Materiales, daß sie für
lange Zeit hinaus jedem Forscher der österreichischen Finanz- und Wirt-
schaftsgeschichte unentbehrlich sein werden. Auch in Monats- und Wochen-
schriften, sowie in Tageszeitungen pflegte B. wissenschaftlich wertvolle Ab-
handlungen zu publizieren, wie denn namentlich die Beilage der »Münchner
Allgemeinen Zeitung« und die »Neue Freie Presse« zahlreiche Beiträge B.s
enthalten, in denen er Gegenstände der diplomatischen wie der finanziellen
Geschichte Österreichs behandelte. Sie aufzuzählen, würde zu weit führen;
dagegen mag es noch gestattet sein, zweier umfassender Quellenschriften zu
gedenken, die B. in den letzten Jahren seines Lebens den Fachgenossen
vorgelegt hat. In der Einleitung zur ersten, die unter dem Titel »Kübeck
und Metternich: Denkschriften und Briefwechsel« in den Denkschriften der
Wiener Akademie der Wissenschaften (Bd. XLIV) erschien, sucht B. auf
Grundlage eines umfangreichen, aus dem Nachlasse Kübecks stammenden
Materials die Bedeutung dieses Staatsmannes und sein Verhältnis zu Metter-
nich klarzulegen. Die im Anhange zu dieser Darstellung mitgeteilten Doku-
mente werden als eine Quelle ersten Ranges für die ersten Regierungsjahre
Kaiser Franz Josefs I. noch lange das Interesse der Historiker wachrufen.
Die zweite, wenige Monate vor seinem Tode beendete Arbeit betraf das
B. wohlbekannte Gebiet der josefinischen Geschichte. Er veröffentlichte die
wichtige Korrespondenz Josefs II. mit dem Grafen Ludwig Cobenzl {Fontes
rerum Austriacarum II. Abtl. Bd. LIII und LIV), auf Grund der von seinem
Akademiekollegen Fiedler angefertigten Abschriften.
Überblickt man die gesamte schriftstellerische Tätigkeit B.s, so wird man
konstatieren müssen, daß er zwar eine große Reihe sehr verdienstlicher Ar-
beiten zutage gefördert hat, daß es ihm aber versagt blieb, ein Werk zu
schaffen, daß in jeder Hinsicht den höchsten Anforderungen entspräche. Merk-
würdigerweise aber maß B. seiner Tätigkeit als Historiker größere Bedeutung
bei, wie jener als Politiker, obgleich er hier allgemein anerkannte Erfolge zu
verzeichnen hatte. Es freute ihn daher sehr, daß die Wiener Akademie der
Wissenschaften, deren korrespondierendes Mitglied er bereits seit dem Jahre
1873 war, ihn im Jahre 1892 zum wirklichen Mitgliede ernannte. In der
historischen Kommission dieser Gesellschaft, wie als Mitglied des Archivrats
und der »Kommission für die neuere Geschichte Österreichs« war er eifrig
bestrebt, die wissenschaftliche Erforschung der neueren österreichischen Ge-
schichte zu fördern.
In den letzten Jahren seines Lebens lebte B., von körperlichen Leiden
arg mitgenommen, recht einsam; seine besten Freunde waren gestorben,
neue gemeinschaftliche Beziehungen anzuknüpfen , fehlte ihm die Lust.
Er zog sich in sein Studierzimmer zu seinen Büchern zurück. Hier fühlte
Beer. Pustet.
331
er sich bei seinem besten Freunde, wie er scherzend seine Bibliothek
nannte, am wohlsten. B. war sein ganzes Leben lang ein unermüdlicher
Leser; seine Lektüre beschränkte sich nicht auf Schriften, die mit seinen
historischen Studien oder mit seiner politischen Tätigkeit in Zusammen-
hang standen; seine Leidenschaft blieb vielmehr bis an seinen Tod das
Studium der alten und modernen Klassiker. Sophokles, Thukydides, Dante
und Goethe waren seine Lieblingsschriftsteller; es wird wohl wenige Menschen
gegeben haben, die des letzteren Schriften so genau gekannt haben, wie
B. Eine besondere Neigung zog ihn zum Studium der jüdischen Geschichte
im Zeitalter des Ursprunges des Christentums; auch auf diesem Gebiete
durfte er es an Kenntnissen mit jedem Fachmanne aufnehmen.
Nach äußeren Ehren hat B., wie bereits erwähnt, nie gestrebt, persön-
liche Auszeichnungen nicht nur nicht gesucht, sondern die ihm angebotenen,
wenn irgend möglich, abgelehnt. Je älter er wurde, desto mehr erfüllte ihn
die Überzeugung, daß jede Größe persönlich sein müsse; er weigerte sich, gesell-
schaftliche Ansprüche, die ihm nicht in der Person des Fordernden begründet
vorkamen, zu berücksichtigen. So geschah es, daß er vielen absprechend,
ja hochmütig erschien, daß er sich manche Feindschaft zuzog. Aber auch
die durch seine scheinbare Härte Verletzten haben die makellose Ehren-
haftigkeit seines Charakters nicht zu leugnen gewagt.
A. Pribram.
Pustet, Friedrich, Buchhändler, * 25. Juli 1831 in Regensburg, f 4. August
1902 ebenda. — P. war der Sohn des bekannten Begründers der Weltfirma
Friedrich Pustet in Regensburg, Rom, New-York und Cincinnati, und als
solcher von Jugend auf für den Buchhandel bestimmt. Er wurde für diesen
Beruf erzogen, besuchte die Volksschule, dann das Gymnasium und begann
darauf im väterlichen Geschäfte seine buchhändlerische Lehre. Zwei weitere
Jahre verbrachte der junge P. in der Fehrschen Buchhandlung in St. Gallen.
1856 rief ihn der Vater nach Hause und betraute ihn alsobald mit einer
wichtigen geschäftlichen Sendung, mit einer Reise nach Rom, wo er dem
Papste Pius IX. das erste Regensburger Missale des väterlichen Verlages
überreichte. 1860 trat P. mit seinem Bruder Karl* an die Spitze des Ge-
schäftes. Eine längere Reise nach Paris brachte als Ergebnis die Einführung
einer neuen Kirchenschrift, ähnlich der Plantinausgaben des 16. Jahrhunderts,
mit der er fortan seine bekannten Missale druckte. 1864 ernannte ihn der
Papst wegen seiner Errungenschaften auf diesem Gebiete zum Typographus
Apostolicus. Vom Jahre 1872 begann P. den Verlag von Choralbüchern in
den Vordergrund zu stellen, mit dem er um so mehr Erfolg hatte, als die
Ritenkongregation in Rom den deutschen Verleger in besonderer Weise
unterstützte und ihm ein Privileg auf dreißig Jahre erteilte. Die Ausdehnung
des fremdsprachlichen Verlages machte es notwendig, Filialen zu errichten,
die oben schon genannt wurden. Der deutsche Verlag, der unter P.s Vater
einen Zug der Vielseitigkeit zeigte, wandte sich mehr und mehr der Theo-
logie als Hauptrichtung zu. Asketik, Hagiographie, Moral- und Pastoral-
theologie, Katechetik, Dogmatik, biblische Wissenschaften, Kirchengeschichte
bildeten neben katholischer Belletristik die Hauptlinien. Auf diesen Gebieten
verfügte P. über die hervorragendsten Namen der katholischen Gelehrten-
332
Pustet Kostersitz. Neher.
weit. Die belletristische Zeitschrift »Deutscher Hausschatz« und der »Regens-
burger Marienkalender« werden alljährlich in riesigen Massen verbreitet.
1880 ging aus der Pustetschen Offizin ein liturgisches Werk hervor, mit dem
sich kaum ein anderes Erzeugnis der Typographie in dieser Art messen kann,
der große Canon Missae ad usum Episcoporum.
In politischen Vereinen katholischer Richtung war P. mit großem Er-
folge tätig, daneben übte er eine weitausgreifende Privatwohltätigkeit. Ge-
meinnützige Stiftungen, Kirchen, Klöster und Missionen besaßen an P. einen
unermüdlichen Gönner. Aus eigenen Mitteln bewerkstelligte P. Ende der
achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Wiederherstellung eines
der interessantesten Baudenkmäler Regensburgs, der im 12. Jahrhundert er-
bauten Kirche St. Leonhardt. 1891 schenkte P. dem oberpfälzischen histori-
schen Verein die interessante Schloßruine Viehhausen.
Quellen: Denk, Friedrich F., Regensburg 1904; Schmidt, Deutsche Buchhändler,
IV. Band. Rudolf Schmidt.
Kostersitz, Ubald, Can. reg., Propst von Klosterneuburg bei Wien, * am
12. Dezember 1828 zu Littau in Mähren, f am 3. Oktober 1902. — K. trat
nach absolvierten Gymnasialstudien am 26. September 1847 i"^ Stift Kloster-
neuburg in den Orden der regulierten Chorherren, legte am 29. September 1850
Profeß ab und feierte am 25. Juli 1852 seine Primiz. Hierauf war er 1852 — 55
Regens chori im Stift, 1855 — 61 Kooperator in Nußdorf bei Wien, 1861 — 64
Professor der Pastoraltheologie an der Hauslehranstalt des Stiftes und Novizen-
meister, dann seit 1864 Kanzleidirektor, Archivar und Haushistoriograph. Am
22. November 1882 wurde er zum Propst des Stiftes gewählt. — Literarisch
war K. auf dem Gebiete der Geschichte seines Stiftes tätig. Er veröffent-
lichte das Prachtwerk: y>M<mumenta sepulchralta eorumque epitaphia in coUeg'tata
ecclesia B. M, Virgtnis Claustroneoburg't« (Wien 1881; mit 48 Tafein) und ver-
faßte für Seb. Brunners Chorherrenbuch (Würzburg 1883) die historische Skizze
»Klosterneuburg« (S. 271 — 365).
Vgl. Seb. Brunner, Ein Chorherrenbuch (VVürzburg 1883), S. 365 f. Kölnische Volks-
zeitung 1902, Nr. 888 vom 6. Okt. F. Laucher t.
Neher, Stephan Jakob, katholischer Pfarrer in Nordhausen bei Ellwangen,
Kirchenhistoriker, * 24. Juli 1829 zu Ebnat, f 7. Oktober 1902 zu Nordhausen.
— N. studierte Theologie in Tübingen, wurde am 10. August 1855 zum
Priester geweiht, 1867 Pfarrer in Dorfmerkingen, 1879 Pfarrer in Zöbingen,
1896 Pfarrer in Nordhausen. — Die gelehrte Tätigkeit N.s bewegt sich
größtenteils auf dem Gebiete der kirchlichen Statistik. Von einem groß an-
gelegten Handbuch: »Kirchliche Geographie und Statistik. Oder: Darstellung
des heutigen Zustandes der katholischen Kirche mit steter Rücksicht auf die
früheren Zeiten und im Hinblick auf die anderen Religionsgemeinschaften«
erschien die I. Abteilung, die europäischen Kirchenprovinzen, in zwei Bänden,
und von der II. Abteilung, die außereuropäischen Kirchenprovinzen, der
erste, Amerika behandelnde Band {Regensburg 1864 — 68). Eine sehr bedeutende
Summe von wertvoller Arbeit leistete N. sodann für die 2. Auflage des Kirchen-
lexikons von Wetzer und Weite als einer der tätigsten ständigen Mit-
arbeiter desselben (1882 — 1901); dasselbe enthält von ihm 232 größere und
Neher. Pfeifer.
333
kleinere Artikel, die zusammen über 1200 Spalten füllen; größtenteils
historisch-statistische Artikel über außerdeutsche und außereuropäische Bis-
tümer und Kirchenprovinzen ; als besonders umfangreiche Arbeiten seien daraus
hervorgehoben: Constantinopel III, 985 — 1021; Griechenland V, 1200 — 1227;
Griechische Kirche V, 1234 — 1258; Hochkirche VI, 47 — 99; Indien VI,
663 — 695; Kiew VII, 428 — 446; Lyon VIII, 375 — 392; Mailand VIII, 486 — 506;
Mission VIII, 1581 — 94 und 1602 — 45; Österreich IX, 728 — 761; Paris IX,
1484 — 1507; Ravenna X, 820-^839. Hierher gehört femer die Schrift:
yiConspectus hUrarchiae catholtcaein toto orbeterrarum. Kirchlich-statistische Tabellen
über die ganze katholische Welt« (Regensburg 1895). Eine höchst verdienst-
liche, als Nachschlagewerk unentbehrliche kirchlich-statistische Arbeit hat N.
ferner seiner Heimatdiözese gewidmet: »Statistischer Personalkatalog des
Bistums Rottenburg« (Schw. Gmünd 1878); eine 2. und 3. Aufl. erschien in
beschränkterem Umfange unter dem Titel: »Personalkatalog der seit 1813
ordinierten und in der Seelsorge verwendeten Geistlichen des Bistums
Rottenburg« (2. Aufl. Rottenburg 1885; 3. Aufl. Schw. Gmünd 1894). Außer-
dem schrieb N.: »Vfra idea omatus fcclesiastici« (Schaffhausen 1860); »Altare
prnnleg'tatum. Praktische Abhandlung über den Ablaß des privilegierten Altars«
(Regensburg 186 1); »Die Bination nach ihrer geschichtlichen Entwicklung
und nach dem heutigen Recht« (Regensburg 1874); »Der Missionsverein oder
das Werk der Glaubensverbreitung, seine Gründung, Organisation und Wirk-
samkeit« (Freiburg i. Br. 1894).
Vgl. Neher, Pcrsonalkatalog (3. Aufl. 1894), S. 137. F. Lauchert.
Pfeifer, Franz Xaver, Professor der Philosophie in Dillingen, * 16. März 1829
zu Deisenhofen bei Dillingen, t i7- Oktober 1902 zu Dillingen. — Pf. absol-
vierte die Gymnasialstudien zu Dillingen 1842 — 49, die philosophischen Studien
am Lyzeum daselbst 1849 — 5^7 die theologischen teils in München 1850 — 51,
teils in Dillingen 185 1 — 53, und wurde am 17. Mai 1854 zum Priester geweiht.
Nachdem er hierauf 1854 — 56 als Stadtkaplan in Memmingen, 1856 — 57 als
solcher bei St. Georg in Augsburg in der Seelsorge tätig gewesen war, kehrte
er zur Fortsetzung seiner Studien nochmals an die Universität München
zurück, wo er 1859 eine theologische Preisaufgabe löste und am 4. August 1860
als Dr. theol. promovierte. 1859 wurde er daselbst Benefiziat an der Aller-
heiligen-Hofkirche, 1863 Stiftsvikar bei St. Cajetan, 1864 Hofkaplan an der
Maxburgkapelle. Am 15. Januar 1867 wurde er Professor der Philosophie am
Lyzeum in Dillingen; 1875 — 1902 war er zugleich Bibliothekar der kgl. Kreis-
und Studienbibliothek; 1888 bischöflicher geistlicher Rat; am 7. März 1902
auf sein Ansuchen in den Ruhestand versetzt. — Pf. war ein hervorragender
Vertreter der aristotelisch-scholastischen Philosophie; zugleich beschäftigte er
sich mit Vorliebe mit naturwissenschaftlichen Studien und besaß auch auf
diesem Gebiete bedeutende Kenntnisse, die ihn befähigten, den naturwissen-
schaftlichen Gegnern der christlichen Weltanschauung auf ihrem eigenen
Gebiete entgegenzutreten. Seine ausgedehnte schriftstellerische Tätigkeit
dient dem Nachweis der Harmonie zwischen Natur und Übematur, Vernunft
und Offenbarung, Wissen und Glauben. Außer zahlreichen Abhandlungen und
Aufsätzen philosophischen, naturwissenschaftlichen, apologetischen und ästheti-
schen Inhalts, die in Zeitschriften erschienen (Zeitschrift für mathematischen
334
Pfeifer, von Goß! er.
und naturwissenschaftlichen Unterricht 1884, i886; Natur und Offenbarung
1887 — 1901; Jahrbuch für Philosophie und spekulative Theologie 1888 — 91;
Philosophisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 1889 — 1901; Passauer Theo-
logisch-praktische Monatsschrift 1892 — 1901), veröffentlichte er als selbständige
Schriften: »Die Kontroverse über das Beharren der Elemente in den Verbin-
dungen von Aristoteles bis zur Gegenwart. Historisch und kritisch dargestellt«
(Programm, Dillingen 1879); »Harmonische Beziehungen zwischen Scholastik
und moderner Naturwissenschaft mit spezieller Rücksicht auf Albertus Magnus
und St. Thomas von Aquin« (Programm, Augsburg 188 1); »Albertus der Große«
(Donauwörth 1881); »Der goldene Schnitt und dessen Erscheinungsformen in
Mathematik, Natur und Kunst« (Augsburg 1885); »Der Dom zu Köln, seine
logisch-mathematische Gesetzmäßigkeit und sein Verhältnis zu den berühmtesten
Bauwerken der Welt« (Köln 1888; zuerst im Jahrbuch für Philosophie und
spekulative Theologie 1888); »Beiträge zur Glazialforschung und Teleologie
der Eiszeit« (Münster 1896; Separatabdruck aus Natur und Offenbarung).
Vgl. St. Schindele, Professor Dr. F. X. Pfeifer; in der Beilage zur Augsburger Post-
zeitung, 1903, Nr. I — 4 (mit eingehender Analyse der Schriften Pfeifers). Th. Specht,
Geschichte des kgl. Lyzeums Dillingen (Regensburg 1904), S. 212 — 216.
F. Lauchert.
Gofiler, Gustav Heinrich Konrad von, "^13- April 1838 in Naumburg
a. d. Saale, f 29. September 1902 in Danzig als Staatsminister a. D. und Ober-
präsident von Westpreußen, ältester Sohn des späteren Kanzlers des König-
reichs Preußen und der Frau Sophie, geb. von Mühler, Tochter des früheren
Justizministers v. M. Die Erziehung der Kinder wurde durch das Elternhaus
bestimmt, das von schlichter Frömmigkeit, treuer Pflichterfüllung und idealen
Anschauungen erfüllt war. Der Vater hatte in langer Arbeit große Berufs-
tüchtigkeit und in vielseitigem Wirken eine seltene Geistesentwickelung er-
rungen; für seine Söhne strebte er nicht nur nach gründlicher Bildung, sondern
den Überlieferungen der Familie entsprechend auch nach einer bedeutenden
Lebensstellung. Gerade diese Sammlung eines harmonischen Geistes ist für
seinen ältesten Sohn vorbildlich gewesen und hat ihn zu einer Persönlich-
keit erhoben, die ihm selbst und den Seinigen Glück und Frieden und dem
Vaterlande reiche Frucht bringen sollte. Seine Vorbildung gewann v. G. zu-
nächst in Potsdam, wohin der V^ater als Kreisgerichtsdirektor versetzt war,
und dann in dem Kneiphöfschen Gymnasium zu Königsberg, das unter seinem
tüchtigen Direktor Skreczka in wohlbegründeter Achtung stand. Den ein-
zelnen Unterrichtsfächern wandte v. G. ziemlich gleichmäßigen und auch in
Privatstudien betätigten Fleiß zu; neben der von ihm allezeit hochgehaltenen
Schriftwelt des Altertums schenkte er schon damals der neueren Geschichte
und den Naturwissenschaften teilnehmende Aufmerksamkeit. Sein Verhältnis
zu den Mitschülern war herzlich und erhielt ihm deren Zuneigung noch in
späteren Jahren. Zunächst besuchte er die Universitäten in Berlin und Heidel-
berg, wo er derselben Verbindung beitrat, der vordem sein Vater angehört
hatte. Dann kehrte er unter Abschied von den akademischen Freuden ins
Vaterhaus zurück und beschloß auf der 'Albertina in angestrengter, über-
wiegend privater Arbeit das Studium der Rechtswissenschaft mit günstigem
Erfolge. Er trat als Auskultator 1859 in die juristische Laufbahn, in der er
von Goßler.
335
1861 zum Referendar aufrückte und als Assessor 1864 seinen Vater an das
Oberlandesgericht in Insterburg begleitete. Seinen amtlichen Pflichten eifrig
zugetan eignete er sich rasch Selbstbeherrschung und Sicherheit der äußeren
Haltung an, dazu die Fähigkeit andere Charaktere zu verstehen und deren
Vertrauen zu gewinnen, das sich unter anderem auch in seiner Wahl zum
Vormund für die Kinder eines früh verstorbenen Freundes ausdrückte. Zu-
nächst den Gerichten in Insterburg und Gumbinnen überwiesen und vorüber-
gehend bei der Staatsanwaltschaft beschäftigt, wurde er nach Jahresfrist mit
der Verwaltung des Kreises Darkehmen beauftragt und bald unter Zustimmung
der Stände zum Landrat ernannt. Hier erwarb er sich in neunjähriger Amts-
führung, in welche auch das schwere Notjahr 1867 fiel, durch seine umsich-
tige Fürsorge, ebenso durch seine besonnene Vertretung der Staatsregierung,
die allgemeine Achtung der sonst aufgeregten und zerklüfteten Kreisein-
gesessenen in dem Grade, daß er noch später von dort und aus den Nachbar-
kreisen in den Reichstag entsendet wurde. Dort gründete er auch seinen
Hausstand durch seine Vermählung mit Mathilden, der Tochter des Ritter-
gutsbesitzers von Simpson auf Georgenburg. Eine weitere Folge seiner Be-
währung war, daß er 1874 als Hilfsarbeiter in das Ministerium des Innern
berufen und hier hauptsächlich mit der Ausführung der neuen Kreisordnung
betraut wurde. Aus dieser Stellung ging er 1878 an das Oberverwaltungs-
gericht über, dessen verhältnismäßig enger Geschäftskreis ihn doch nicht
völlig befriedigte. Im Reichstage seit demselben Jahre erwarb er sich auch
auf diesem schwierigen Arbeitsfelde durch Fleiß und Sachkenntnis wie durch
seine klare Haltung allgemeines Vertrauen, zunächst bei dem Nachfolger des
Unterrichtsministers Falk Herrn von Puttkammer, der ihn wegen seiner Be-
sonnenheit und Zuverlässigkeit 1879 als Unterstaatssekretär in sein Ministerium
zog, dann auch bei seinen Gesinnungsgenossen, die ihn zum Präsidenten des
Reichstags wählten. Auch in diesem gerade damals besonders schwierigen
Amte bewährte er selbst in aufgeregten Beratungen Würde und Gerechtig-
keit. Als Unterstaatssekretär war er unbefangen bemüht, sich über alle Seiten
seiner vielschichtigen Aufgabe zu unterrichten. Durch seinen Vater, der da-
mals einflußreiches Mitglied der Generalsynode war, über die Ziele der ver-
schiedenen Parteien in dieser Körperschaft wie in der evangelischen Landes-
kirche überhaupt aufgeklärt, schloß er sich keiner schlechthin an, suchte viel-
mehr nach einem Ausgleich unter ihnen auf dem Grunde des geoffenbarten
Christentums und wirkte mit Erfolg mäßigend auf den begabten und wohl-
gesinnten, aber temperamentvollen Minister ein. Desselben Weges ging er
in dem Streit mit der katholischen Kirche, scharf die unveräußerlichen Rechte
des Staats wahrend, aber ebenso bedacht, jede Schädigung von dem inneren
kirchlichen Leben beider Konfessionen fern zu halten. Hiervon wird noch ein-
gehender zu reden sein; ebenso von dem vorsichtigen Schutze der Schule,
die er in ihrer geschichtlich begründeten Eigenart zu erhalten und zu fördern
.strebte. So wurde er, als H. v. Puttkamer 1881 das Unterrichtsministerium
mit dem des Innern vertauschte, dessen von Bismarck selbst gewünschter
Nachfolger, da der Reichskanzler seine Auffassung und sein Geschick bei
dem Abbruch der juristischen Härten in der vorhergehenden Gesetzgebung
erkannt hatte.
Mannigfach und schwierig waren die Aufgaben, die des jungen Ministers
2 20 von Goßler.
harrten, keine schwerer als die Beendigung oder, wenn dies nicht zu erreichen
war, doch die Milderung des rasch zu großer Hitze aufgeloderten Kampfes
mit den Vertretern der katholischen Kirche. Denn ein Ausgleich war für
die ungeteilte Entfaltung der staatlichen Kraft auf anderen Gebieten unent-
behrlich und wurde eben deshalb von denen hintangehalten, denen die
Ansprüche Roms höher standen, als die nationale Entwicklung. Der Streit
kann bei seiner großen Ausdehnung hier nicht im einzelnen verfolgt werden;
er hub an mit der Zurückweisung des von hohen Kirchenfürsten schon in
Versailles gestellten Ansinnens, daß Deutschland seine Macht zur Rück-
gewinnung Roms für den päpstlichen Stuhl einsetzen sollte. Der eigentliche
Quell des Zwistes lag in der seit langem vorbereiteten und mit wachsendem
Nachdruck betriebenen Umwandelung der episkopalen Kirchenverfassung in
die Alleinherrschaft des Papstes. Erst nach Ausbruch des Streites erkannte
die früher kurzsichtige Staatsregierung die Natur der Übergriffe, durch die
Rom auf Grund der SS 15, 16, 18 der preußischen Verfassung von 1850
planmäßig und erfolgreich die Hoheit des Staates eingeengt hatte. In dem
Kampfe war allerdings die Staatsregierung und mit ihr die Volksvertretung
in auffälliger Verblendung über die Macht der katholischen Kirche und ohne
Schonung der zarten und doch auf dem Gebiete der Seelsorge so starken
sittlich-religiösen Triebe zu Maßregeln geschritten, die weit entfernt den
Gegner zu beugen, ihn vielmehr auf das äußerste erregten und in ihren
Folgen eine allmähliche Entkirchlichung und Entsittlichung der katholischen
Bevölkerung befürchten ließen. Diese schlimmen Auswüchse der Gesetz-
gebung kamen nur denen zugute, die eine Aussöhnung überhaupt nicht an-
strebten, sondern zu der vollen Unabhängigkeit der römischen Kirche noch
die Staatsmacht in ihren Dienst stellen wollten. Dies ließ sich am sichersten
durch eine unbeschränkte außernationale Kirchenregierung erreichen. Daß
hiermit das diesseitige Leben nicht religiös verklärt, sondern umgekehrt die
Kirche verweltlicht und verendlicht werden müsse, blieb ihnen verborgen.
Mit der Beseitigung der schärfsten Kampfgesetze war schon unter dem vorigen
Minister begonnen : der große Kanzler hatte ihren verderblichen Einfluß auf Staat
und Sitte erkannt und der Kaiser versagte seine Zustimmung zu schärferen Maß-
regeln. Wo eine Änderung jener Gesetze nicht anging, da ließ die Regierung ihre
mildere Anwendung zu; wie wollte man auch verhindern, daß die des Trostes
bedürftigen Diözesanen sich gemeindeweise bei Nacht und Nebel an den
Priester des Nachbarsprengeis wendeten? Auch betreffs der Ausbildung und
Anstellung der Geistlichen hatte die Staatsregierung sich zugänglicher gezeigt,
ohne die unerläßlichen Vorschriften, das staatliche Indigenat der Priester,
ihre wissenschaftliche Vorbildung und namentlich die Anzeige von ihrer be-
absichtigten Anstellung aufzuheben, so daß der Papst schon 1880 in einem
Briefe an den Erzbischof Melchers die Pflicht der vorgängigen Anzeige als
zulässig (tokrarl posse) bezeichnete. Allein wie immer in Parteikämpfen,
steigerte in diesem geschichtlich erwachsenen Streite (v. G.s Ansprachen und
Reden S. 89) die Nachgiebigkeit des einen Teils die Ansprüche des andern,
so daß das ausdrückliche Zugeständnis der übrigens in anderen Staaten schon
geübten Anzeigepflicht erst am 4. April 1886 erfolgte. Denn die Anfangs in
Wien und später in Rom gepflogenen Verhandlungen hatten nicht den ge-
wünschten Fortgang, da der Kardinalstaatssekretär Jacobini immer wieder
von Goß] er.
337
vorab die allgemeinen Forderungen der Kurie erfüllt sehen wollte, v. G. aber
in Übereinstimmung mit dem Reichskanzler diese Verschiebung des Streit-
punktes ablehnte. Denn über jene sei ein Einverständnis doch nicht zu
erreichen und selbst wenn es gewonnen würde, so würden sich bei der An-
wendung neue Streitigkeiten ergeben. Das von rechts und links erhobene
Verl{ingen nach der Trennung zwischen Kirche und Staat wies der Minister
als eine unbestimmte Formel schlechthin ab (a. a. O. S. 156) und beschränkte
sich bei der Aussichtslosigkeit einer völligen Einigung auf die gütliche Er-
ledigung der zunächst vorliegenden Anstöße. Sein Streben war hier wie
stets nicht auf die Niederwerfung, sondern auf die Umlenkung des Gegners
in gemeinsame Arbeitsbahnen gerichtet; jeden Kampf, der nicht mit der Ab-
sicht des späteren Friedensschlusses geführt werde, erklärte er für unmoralisch.
Daß hiermit nicht voller Friede geschlossen werde, gab er mit Bedauern zu :
>wir ernten, was wir in der Vergangenheit selber gesäet haben« (R. S. 353),
war sein resigniertes, wenn auch nicht mutloses Bekenntnis. Mit dem großen
Reichskanzler wußte er sich im wesentlichen einig; im ganzen fielen in dieser
Bundesgenossenschaft dem Kanzler die Zugeständnisse an die katholische
Kirche, v. G. die sorgfältige Wahrung der staatlichen Hoheit zu. Selbst wo
er, wie in der cura animarum ohne Rückhalt gab, hielt er sich streng inner-
halb der staatlichen Befugnis, wies aber ebenso entschieden jede Antastung
der staatlichen Rechte zurück. Mit voller Schärfe erklärte er, daß die An-
träge des Abgeordneten Windthorst auf Herstellung der geistlichen Schulauf-
sicht mit seiner Hilfe niemals erreicht werden würden (Reden S. 540, 246)
und zog sich durch diese Unbeugsamkeit dessen unversöhnliche Gegnerschaft
zu. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob die Beweggründe dieses klugen
Parlamentariers lediglich kirchlicher Art waren; er bekämpfte den Minister
gerade wegen dessen sachlicher Haltung als seinen gefährlichsten Gegner
und trachtete auf alle Weise nach seiner Beseitigung, die er auch kurz vor
ihrem Eintritt in vertrautem Kreise mit voller Bestimmtheit voraussagte. Daß
der Abgang G.s zeitlich mit dem Tode W^indthorsts zusammenfiel, würde
Hegel eine Ironie der Geschichte genannt haben. Bis dahin ging der Minister
unbeirrt seines Weges und mit Recht durfte nach seinem Ableben der Redner
bei einer Trauerfeier rühmen, daß die Würde und das Geschick, mit dem er
den kirchenpolitischen Streit mit Rom zu einem für alle Teile erträglichen
Ende führte, die Geschichte unserer inneren politischen Entwickelung erst in
einer späteren Zeit voll zu würdigen wissen werde (Delbrück, Trauerfeier
S. 4). Zu einem Verlassen dieses Weges fand v. G. um so weniger Anlaß,
als gleichzeitig ein anderer Gegner hervortrat, der die katholischerseits allzu
bereitwillig geleistete Hilfe zw^ar gern annahm, im übrigen aber unverhohlen
seine Trennung vom preußischen Staate und vom deutschen Leben als
Kampfesziel aufsteckte.
Nichts hat der deutschen Politik Preußens in Posen und Westpreußen
so sehr geschadet, als ihr wiederholtes Schwanken und ihr Vertrauen auf
polnische Versicherungen, von dem zuerst Friedrich Wilhelm IV. sich leiten
ließ. Der Oberpräsident von Flottwell und der kommandierende General
von Grolman hatten in richtiger Erkenntnis der Gefahr eine gerechte, aber
feste Behandlung des Adels und der Geistlichkeit empfohlen; der eine wurde
versetzt, der andere starb. Man ließ die polnischen Machenschaften in Milde
Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog-. 7. Bd. 22
338
von Goßler.
gewähren; der Dank war die Verschwörung von 1846 und der Aufstand von
1848. Beide deckten die Gesinnung der Polen, aber auch ihre Schwäche auf;
sie griffen also zu anderen Mitteln, deren Anwendung und Zweck sich eher
verstecken ließ. Insbesondere suchten sie mit anerkennenswerter Beharrlich-
keit sich auf geistigem und wirtschaftlichem Gebiete zu kräftigen. Durch
Unterstützungsvereine für polnische Gymnasiasten erzogen sie allmählich
Beamte, namentlich Ärzte und Rechtsanwälte ihres Volkstums ; durch bessere
Verwaltung seiner Güter gewann der polnische Adel festeren Bestand und
reichere Mittel, nach und nach wuchs auch in den Städten der ihnen früher
ganz fehlende polnische Handels- und Gewerbestand heran, der auch auf
diesem Gebiete den nationalen Abschluß gegen das Deutschtum ermöglichte.
Die Staatsregierung konnte dies alles kaum hindern, sie ließ sich aber auch
auf anderen Gebieten zu keiner Abwehr herbei. Es war ja die Zeit, in der
staatliche Eingriffe in das sogenannte freie Spiel der Kräfte als ein Verstoß
gegen die Gesetze der Volkswirtschaft galten. So drang polnische Sprache
und polnischer Besitz vor; die Deutschen blieben hilflos und entzogen sich
ihrer unbequemen Lage durch Abwanderung nach dem Westen. Selbst der
kirchliche Streit, in dem Polen und katholische Geistlichkeit sich die Hände
reichten, führte noch nicht zu entscheidenden Schritten; als die Umtriebe
polnischer Gymnasiallehrer zu arg auftraten (v. G.s Reden S. 295), wurden
sie von dem Minister Falk zwar versetzt, zum Teil aber nur nach dem be-
nachbarten polnisch besiedelten Westpreußen, wo sie einen fruchtbaren Boden
für die Fortsetzung ihres Tuns fanden. Jetzt endlich schritt die Staatsregie-
rung rückhaltlos zu Gegenmaßregeln. In seiner großen Rede vom 14. März
1883 legte V. G. die Machinationen der Polen, die ihre stille Tätigkeit selbst
in das niederpolnisch sprechende, aber evangelische und treupreußische
Masuren vortrieben, die politische Agitation ihrer Geistlichen, ihre offen-
kundigen Abfallsgelüste, ihre Undankbarkeit gegen eine Regierung, der sie
Bildung und Wohlstand schuldeten, das Unheil der polnischen Gymnasien
im Zusammenhange bloß. Und er tat dies mit Wärme und Nachdruck, in
ernstem, aber nicht gereiztem Tone, selbst dann nicht, als ein hochstehender
Pole im Herrenhause die staatlichen Unterrichtsordnungen brutal genannt
und den ersten Beamten des Königs als den Todfeind der polnischen Nation
hingestellt hatte (R. S. 424). Er untersagte in den Volksschulen den Gebrauch
des Polnischen als Untenichtssprache, was vordem der Minister Eichhorn
gegen die Vorstellungen aller Provinzialbehörden zugelassen hatte; er reinigte
und schärfte die staatliche Schulaufsicht und hielt auch in seinem späteren
Amte beides gegen alle lärmenden Kundgebungen aufrecht. Denn auch der
Reichskanzler hatte das Wesen einer Erscheinung erkannt, die sein späterer
Nachfolger als die Gefahr schlechthin bezeichnete.
So viel über die schweren Kämpfe, die dem Minister v. G. aufgenötigt
wurden und seine ganze Amtsdauer begleiteten. Erquicklicher war für ihn die
unmittelbare Förderung auf den übrigen Gebieten seiner Tätigkeit. Nachdem
unter Falks tatkräftiger ^litwirkung die neue Synodalordnung für die evan-
gelische Landeskirche zustande gekommen war, deren gesegnete Bedeutung
selbst von den anfänglichen Gegnern nicht mehr geleugnet wird, war der
Einfluß des Ministers auf die innere Entwicklung der Kirche sehr beschränkt.
Er durfte sich also mit dem Schutze der neuen Einrichtung gegen kurz-
von Goßler.
339
sichtige Anfechtung begnügen, ohne sich doch gegen kleine Änderungen zu
sträuben, die zur finanziellen Ausstattung der Kirche, wie zur Sicherung der
pastoralen Stellung beantragt waren. Der wiederholt geforderten Beteiligung
des Synodalvorstandes an der Besetzung der theologischen Lehrstühle auf den
Universitäten hat er sich stets versagt. Unwandelbar blieb s^ine Überzeugung,
daÖ das Heil der Christenheit weit weniger von kirchenregimentlichen An-
ordnungen, als von der religiösen Erweckung der Gemeinde und vom werk-
tätigen Christentum zu hoffen sei; daher er immer wieder für den mahnenden
Kifer der kirchlichen Oberhirten und gegen die halb stolze, halb träge Ge-
lassenheit der Pastoren eintrat. Konfessionelle Enge und Schärfe war nicht
nach seinem Sinne; dies war um so bedeutsamer, als zeitweilig durch den
Übereifer der einen, durch die Schwäche der anderen Seite unter dem Ein-
druck der Berliner Vorgänge die Leitung der Kirche bedenklich beeinflußt
und die (iefahr sowohl kirchlicher Spaltung als auch kirchlicher Lähmung
und Gleichgültigkeit näher gerückt war. Kirchliche Liebestätigkeit förderte
V. G. nicht nur durch eigene Teilnahme, sondern wurde hierin von der will-
kommensten Seite, durch seine Gattin, unterstützt, deren Liebesempfinden
von allem Kirchenstreit unbeirrt blieb.
Für die Volksschule ließ v. G. die Falkschen allgemeinen Bestimmungen
unangetastet, überzeugt, daß einzelne Übertreibungen bei der Ausführung
von selbst fallen würden. An solchen fehlte es allerdings nicht; richtete
doch die Zentralstelle bei Prüfung eines Plans zur Lehrerbildung für städtische
Volksschulen an die Provinzialbehörde die ermunternde Frage, ob nicht im
Seminarunterricht ein tieferes Eindringen in die Geschichte der Philosophie
ratsam sei! Kein Wunder, daß derartige Anschauungen den Hochmut
steigerten, der heute öffentlich die akademischen Studien als die ange-
messenste Schule der Elementarlehrer fordert. Für das Verhältnis zwischen
staatlicher und kirchlicher Befugnis blieb für den Minister die 1875 erfolgte
Aufhebung der oben genannten Verfassungsartikel maßgebend; ihre Wieder-
herstellung lehnte er namens der gesamten Staatsregierung ab (R. S. 349).
Für die Konfessionalität der Volksschule berief er sich weniger auf seine
religiöse Überzeugung als auf Art. 24 der Verfassung und besonders auf die
geschichtHche Entwicklung, die im Gegensatz zu den freisinnigen Anträgen
eine erdrückende Überzahl der konfessionellen über die paritätischen Schulen
aufwies; für die wenigen Neugründungen der letzteren Gattung konnte er
die bischöfliche Zustimmung beibringen (R. S. 236ff). Erst neuerdings dringt
selbst bei den früheren Gegnern der Konfessionsschule mit Ausnahme weniger
unbelehrbarer Geister die Überzeugung durch, daß sie allein den staatlichen
und nationalen Zielen der V^olksbildung entspreche und sie allein einen ein-
heitlichen und erziehlichen Unterricht ermögliche. Für die äußere Hebung
des Lehrerstandes ist v. G. nach Maßgabe der vorhandenen Mittel allezeit
eingetreten. Verwickelter war die Lage des höheren Unterrichts, da die
Realschulen mit ihren Gönnern seit Jahren mit wachsendem Ungestüm die
volle Gleichstellung mit den Gymnasien nicht nur im Range und Gehalt,
was ja von keiner Seite bestritten wurde, sondern auch in der Vorbereitung
zu den Fakultätsstudien forderten. Daß tatsächlich einige Mißstände teils
im gymnasialen Lehrplan, teils in der Berufsbildung der Lehrer vorhanden
waren, wußte der Minister, der die überaus zahlreichen, aber untereinander
22'
340
von Goöler.
streitenden Verbesserungsvorschläge sorgfältig hatte sammeln und sichten
lassen. Er bezeichnete es namentlich als unerwünscht, daß den Gymnasien
zahlreiche Schüler übergeben wurden, für die eine praktische Lebensführung
oder eine niedere Beamtenstellung in Aussicht genommen war, da für diese
die siebenstufigeo lateinlosen Schulen eine weit geeignetere Bildungsstätte
böten (R. S. 481). Mit dem Reichskanzler war er, wenn auch ohne befrie-
digenden Erfolg, bemüht, die Überzahl der gymnasialen Neugründungen ein-^
zuschränken. Er warnte (R. S. 53) gegen die Verallgemeinerung kleiner
Erfahrungen und gegen allzu hastige Erledigung der schwierigsten Er-
ziehungsfragen. Gegenüber dem Streben, möglichst viele Einzelkenntnisse
mit möglichst geringer Anstrengung zur Aufgabe des höheren Unterrichts zu
machen, wies er mit tiefem Verständnis darauf hin, daß die Erziehung der
jugendlichen Kraft, die doch nicht ohne methodische und eben deshalb
schon an sich fruchtbare Anstrengung erreicht werde, das eigentliche Ziel
unserer Schulen sei. Er betonte, welches Maß von Energie sich in den
Leistungen der Deutschen innerhalb der letzten Jahrzehnte offenbare, wie er
an diesem Schatze, den das deutsche Volk in seinen Schulen gesammelt
habe, nicht rütteln lasse, und wie er deshalb gleich seinem Vorgänger abge-
neigt sei, den Realanstalten, deren Leistungen er übrigens anerkannte, das
Recht auf die Fakultätsstudien zu verleihen. Immerhin gab er zögernd und
ohne volle Überzeugung 1882 auf das Andringen einiger technischer Räte
zu, daß der altklassische Unterricht auf den Gymnasien verkürzt, der Beginn
des Griechischen um ein Jahr hinausgeschoben, das Lateinische an den
Realschulen erweitert werde, welches letztere er .selbst später als einen
Irrtum erkannte. Zur methodischen Berufsbildung der Lehrer führte er das
Seminarjahr vor dem Probejahre ein, obschon hierdurch der Staatskasse eine
erhebliche Ausgabe auferlegt wurde. Auch der Abminderung der wöchent-
lichen Stundenzahl würde er unter der Voraussetzung zugestimmt haben, daß
hiermit die Möglichkeit zu freier Eigentätigkeit gegeben werde. Zur Er-
ledigung aller dieser Fragen berief er mit kaiserlicher Genehmigung 1890
eine Versammlung von Sachverständigen und Laien, die ungeachtet ihrer
bunten Zusammensetzung zu annehmbaren Ergebnissen führte, was auch die
Schlußrede des Kaisers anerkannte, über den Verlauf dieser Angelegenheit,
der auch heute noch nicht zu abschließenden und harmonischen Bestimmungen
gediehen ist, läßt sich hier um so weniger reden, als der Minister, sicher
besser als die Außenwelt über die Hindernisse seiner Absichten unterrichtet,
bald darauf seine Entlassung erbat. Sein eigentliches Schulprogramm hat
er in seiner Rede vom 23. Februar 1887 (S. 535) dargelegt: »die Herstellung
eines richtigeren Verhältnisses der höheren Bildungsanstalten zur Einwohner-
zahl, eine Minderung der Anstalten, eine Erschwerung von Neugründungen^
eine Bevorzugung von lateinlosen Schulen mit kürzerer Unterrichtsdauer
namentlich zu Ungunsten der lateintreibenden, insbesondere gymnasialen,
höheren Anstalten, ferner den Ausbau der Lehrpläne, die Besserung der
Methode, den Versuch, nach der Untersekunda einen Abschnitt zu finden;
ferner eine bessere Ausbildung der Lehrer, und endlich fortzufahren in der
Hebung der Körperpflege«.
Hatte Falk nach Ablauf der geldarmen Konfliktszeit eine ergiebigere
Förderung der Universitäten begonnen, so setzte v. G. dies unter reichlicherem
von Goßler.
341
Zufluß der Mittel in größerem Maße fort. Wenn auch rein theoretischen
Erörterungen in Verwaltungssachen abgeneigt, war er doch auf sachliche
Prüfung und genaue Abgrenzung der Bedürfnisse bedacht in der Überzeugung,
daß sich dann auch ihre Befriedigung ermöglichen lasse, in gleicher Fürsorge
für die Provinzialuniversitäten wie für Berlin, wo er die Ausstattung der
Institute sogar rückständig fand. Er hatte erkannt, daß die deutschen
Universitäten im Unterschiede vom Ausland die Sammel- und Brennpunkte
des wissenschaftlichen Lebens und Forschens seien (R. S. 2 18 ff.), an denen
namentlich die medizinischen und naturwissenschaftlichen Anstalten einer
Umbildung und Erweiterung bedürften. Es galt für die Beobachtung der
neu entdeckten Mikroorganismen zu sorgen und hervorragenden Gelehrten
den Aufenthalt in abgelegenen Forschungsgebieten zu ermöglichen, was
bekanntlich zu den glänzendsten und segensreichsten Ergebnissen geführt
hat. Die juristischen Fakultäten wurden durch die Vorarbeiten zum bürger-
lichen Gesetzbuche neu angeregt; der Kampf und mit dem Kampfe der
Fortschritt in der Theologie wurde belebt durch die kirchlichen Neu-
bildungen, die nach der einen Seite Schutz, nach der anderen tiefere
Forschung nötig und verständlich machten. Für diese Fakultät bestand
freilich die nie zu hebende Schwierigkeit, daß die Minister nicht eigentliche
Kenner des Fachs sind und wo sie dennoch die akademische Theologie zu
lenken unternehmen, wie, von späterer Zeit abgesehen, im 18. Jahrhundert
Zedlitz für und Wöllner gegen den Rationalismus, die Wissenschaft und das
kirchliche Leben auf das widerwärtigste verwirrten. Diesen Abweg betrat
v. G. nicht; seine Überzeugung war, daß alles Bemühen, einen grundsätz-
lichen Gegensatz zwischen Religion und Wissenschaft herzustellen, vergeblich
sei, und daß alle Vertiefung der Forschung zum Wachstum des Gottesglaubens
führe (R. S. 232; Mannhardt bei der Gedächtnisfeier S. 20), sein Ziel, den
Frieden zwischen Wissenschaft und Kirchenlehre zu fördern, aber auch diese
durch jene zu beleben. Daher sein Schutz der akademischen Lehrfreiheit
und seine ausgleichende Vorsicht, wo sich ein unbesonnener Eiferer von der
einen oder der anderen Seite zu weit vorgewagt hatte. Auch sonst erwies
er sich hilfreich bei den religiösen Bedürfnissen der Universitäten: ich ge-
denke dankbar seiner entscheidenden Einwirkung auf den Bau der klinischen
Kapelle und seiner Zustimmung zur Herstellung der gänzlich verfallenen
Magilalenenkapelle für die Hallenser Universität. Überhaupt hielt der Minister
sich überzeugt, daß die Eigenbewegung der Wissenschaft sich durch keine
Staatsregierung ohne Gefahr grober Mißgriffe lenken lasse und daß deshalb
die Verwaltung sich darauf zu richten habe, diese selbständige Entwicklung
zu erkennen und zu fördern. Dagegen bedurfte die ungleichmäßige Besoldung
der Professoren dringend der Regelung. Denn .schon war die Anstellung
<ler Professoren fast zu einer marktgängigen Ware geworden, deren Preis
durch anderweitige Berufung beeinflußt wurde. Hieraus erwuchs statt der
früheren Beharrlichkeit eine abgünstige Beweglichkeit der Professoren, die
abgesehen von bedenklicheren Erscheinungen den Wandertrieb und äußeren
Ehrgeiz unter ihnen wachrufen und die Bildung lange nachwirkender Schulen
erschweren mußte. Die umsichtige Wirksamkeit des Ministers fand bei dem
sonst so kritischen Professorentum ungeteilte Anerkennung: Herr v. G. wurde
allgemach Ehrendoktor .sämtlicher Fakultäten, die Berliner Akademie der
342
von Goß! er.
Wissenschaften wählte ihn zu ihrem Ehrenmitgliede und der gleiche tiefe
Schmerz begleitete seinen Abgang auf allen Universitäten. So rechtfertigt
sich das Wort des Danziger Gedächtnisredners: »Der große Stil, in dem er
seine Aufgaben als Minister der V^olkserziehung zu lösen trachtete, hat die
reiche Anerkennung seiner Zeitgenossen gefunden und wird immer ein
Ruhmesblatt in der Geschichte der preußischen Unterrichtsverwaltung bleiben«.
Den Universitäten reihen sich die öffentlichen Bibliotheken und Kunst-
sammlungen an. Für jene hatte sich schon durch Falk die Lage insofern
gebessert, als ihren Beamten nach einer langen Zeit des Darbens eine
angemessenere Besoldung beigelegt war. Eine durchgreifende Regelung des
gesamten Bibliothekwesens erfolgte erst durch den Erlaß vom i6. November 1885 :
neben Erhöhung der Mittel für den Bücherankauf und für Neubauten führte
V. G. eine zweckmäßige Abstufung der Beamten und, was wichtiger war,
eine fachmäßige Vorbildung für ihren Beruf herbei, die dem Staate und der
gelehrten Welt geübte Kräfte zur Verfügung stellte. Die Museen hatte v. G.
schon als Unterstaatssekretär ein Spiegelbild unseres gesamten Staatslebens,
ein unentbehrliches Glied in -unserer Entwicklung genannt (R. S. 2). Die
Förderung der Kunst war ihm vom Vater vererbt, der lange den Kunstverein
in Königsberg geleitet und die dortige Gemäldesammlung durch geschickt
vermittelte Ankäufe zu einem wirkungsvollen Bildungsmittel in jener abge-
schiedenen Provinz gemacht hatte. Die Berliner Galerien zeichneten sich
von je durch klare und historische Ordnung aus; allein sie waren arm an
Meisterwerken und zeigten für bestimmte Schulen und Zeiten große Lücken,
deren Ergänzung sich kaum noch hoffen ließ. Mit welchem Spürsinn, welcher
Tatkraft, welchem Erfolge v. G. dieses Versäumnis nachholte, das beweisen
die glücklichen Erwerbungen, die das Studium Dürers und der Niederländer
dort erst ermöglichten und in dem Ankauf des von Sandio Botticelli ver-
zierten Dante dem Kupferstichkabinet einen unvergleichlichen Schatz zu-
wendeten. Und daß die P'ürsorge des Ministers sich nicht auf die Hauptstadt
beschränkte, beweist u. a. die Aufmerksamkeit, die er der Basilika in Trier
und vor allem der Herstellung des Marienburger Ordensschlosses schenkte,
deren noch später zu gedenken ist. Er beließ es aber nicht bei der Er-
gänzung des Vorhandenen; neue Gebiete wurden unter ihm erschlossen, so
durch das Kunstgewerbemuseum, eine auch vom Ausland gepriesene Anstalt,
und durch die Einführung des von Meidenbauer erfundenen Meßverfahrens
für Baudenkmäler (S. 570 u. 364). Sehr erklärlich, daß die Akademie der
Künste bei ihrer Jubelfeier Herrn v. G. zu ihrem Festredner erkor, obschon
er längst aus Berlin geschieden war.
Alle diese Kämpfe und Pläne wurden mit einer von Jahr zu Jahr
wachsenden rednerischen Kraft und Gewandtheit verfochten, die selbst dem
(legner, w^enn nicht Zustimmung, so doch Achtung und Mäßigung abnötigte,
da sie sich immer in den Bahnen einer sachlichen Erörterung hielt. Die
Gegner behandelte v. G. überall als gleichstehend und vergaß nie die Rück-
sicht, die er nicht nur dem Hörer, sondern vor allem sich selbst und seiner
Stellung schuldete, ohne je die Wirkung auf den Erfolg außer acht zu lassen.
Die Sprache war gebildet, aber ohne Rhetorik und banale Schlagworte; sie
griff selten zu einem Witze, wie etwa in dem Streit über die Vivisektion
(R. S. 335) So hielt er sich im heftigsten Wortgefecht stets gesammelt, aber
von GoOler.
343
unerschrocken und selbständig, überall dem apostolischen Worte nachlebend :
'Laß dich nicht das Böse überwinden, sondern überwinde das Böse mit
Gutem«. In diesem Wandel erwuchs er zu einer Zier und zum Stolz des
preußischen Beamtentums, so daß selbst ein entschieden gegnerisches Blatt
sich zu dem Bekenntnis gedrungen fühlte: »Den Besitz des Herrn v. G. haben
wir derjenigen Partei beneidet, der er angehörte, und dieses Lob auf andere
auszudehnen, würden wir uns nicht leicht entschließen«. Er besaß die An-
erkennung aller Welt, vor allem das Vertrauen des alten Kaisers, der sich
auch an seiner Unterhaltung im kleinen Kreise erquickte. In seinem Mi-
nisterium besaß er ungeteiltes Ansehen; wie mir später einer seiner Räte
sagte, gab es in ihm keinen Winkel, der ihm unbekannt war. Seinen Mit-
arbeitern schenkte er Wohlwollen und Vertrauen, eher geneigt, ihre Leistungen
zu überschätzen als zu bemängeln. Wie der mehrfach angeführte Gedächtnis-
redner sagte, lag es überhaupt in seinem Wesen, daß er bei der Schätzung
des Menschen leicht den Vorzügen ein größeres Gewicht beimaß, als den
Mängeln, was nicht immer zu seinem V^orteile war. Er glaubte eben an das
Gute im Menschen und war von dem Drange beseelt, einem jeden zu helfen
und das ist Unzähligen zum Segen geworden.
Wie es desungeachtet zu seiner Entlassung kam, ist schon angedeutet:
er fühlte, daß er für wesentliche Ziele nicht mehr die Zustimmung des neuen
Herrschers fand. Die Staatsleitung glaubte bei wichtigen Plänen der Unter-
stützung der streng Katholischen nicht entraten zu können, und diese Hilfe
hatte den Wechsel des Ministers zur Voraussetzung. Auch sein an sich
zweckmäßiger Entwurf eines Unterrichtsgesetzes begegnete nicht nur dem
lauten Widerspruche der römisch Gesinnten, sondern auch der Abneigung
der evangelischen Hochkirchlichen, die wenigstens damals noch die Aufsicht
über die Volksschule vollauf in die Hände der Geistlichkeit legen wollten.
Sogar in freundlich gesinnten Kreisen fand diese Vorlage nicht den leben-
digen W^iderhall, dessen die Lösung eines so schwierigen und lange um-
strittenen Problems bedurfte. Die Auffassung, daß ihm eine überzeugungs-
treue und kräftige Verwaltung nicht lange mehr vergönnt sei, stand ihm nach
allem fest; er verschob sein Entlassungsgesuch, um die gesunde Entwicklung
seiner Kirche durch eine passende, aber gerade damals gefährdete Neube-
setzung des Präsidiums im evangelischen Oberkirchenrat zu sichern. Dann
ergriff er den AnFaß, daß sein Vorschlag für die Wiederbesetzung des Unter-
staatssekretariats in seinem Ministerium nicht die königliche Genehmigung
fand, und ging, unversehrt an seiner persönlichen und amtlichen Ehre, allzu-
früh für den Stsiat, aber zum Heile für eine Provinz, die ihm die Umge-
staltung zu einem lebensfähigen Gebilde verdanken sollte. Er ging in voller
Einigkeit mit sich und den Seinen, mit derselben Ruhe und Sammlung, die
er stets und überall betätigt hatte, nie vergessen, schmerzlich vermißt von
den Gleichgesinnten, geachtet von allen, ein mahnendes Vorbild und eine
Quelle des Trostes und der Hoffnung für die Zukunft.
Nach kurzer Rast in Naumburg wurde v. G., dessen Verwaltungstalent
der Kaiser vollauf würdigte, zum Oberpräsidenten des erst kürzlich wieder
verselbständigten Westpreußen mit dem Wohnsitz in Danzig ernannt. West-
preußen, von 1825 — 1878 mit Ostpreußen zu einer Provinz vereinigt, war
weder national noch kirchlich ein einheitliches Gebilde, nicht einmal ge-
344
von Goßler.
schichtlich, da der zu ihm geschlagene Kreis Rosenberg altes Ordensland war.
In diesem Gemisch nahmen nach Bedeutung und Geschichte Thorn, Elbing,
besonders aber das hansische und vor Zeiten seemächtige Danzig eine Sonder-
stellung ein; in den Weichselstädten waren noch Reste polnischer, d. h. un-
gebundener Lebensführung bemerkbar. Auch der Boden zeigte große Ver-
schiedenheit, in der Weichselniederung große Fruchtbarkeit, im Nordwesten
und der Tucheier Heide Sand und Kiefern. So war Westpreußen kein
lebendiges Glied des Staatskörpers; seine Kräfte wurden durch inneren
Widerstreit unterbunden; es war unzufrieden, nach reichlicher Staatshilfe
sehnlich ausschauend und doch wenig geneigt höherer Leitung nachzugeben,
aber, wenn auf sich selbst gestellt, zu eigenem Schaffen bereit. Diesem Triebe
gab V. G. sofort Raum zur Betätigung. Als oberstes Ziel stellte sich ihm die
Vereinheitlichung der jungen Provinz und ihre lebendige Verbindung mit
dem Staatsganzen, Stärkung des preußischen Staatsgefühls und Eingliedernng
in das deutsche Geistes- und Erwerbsleben dar. Diesem Ziele widerstrebte
bewußt der polnische Anteil der Bevölkerung, dessen Bewältigung also die
erste Bedingung eines gedeihlichen Schaffens war. Auch hatte v. G. vor
dem Antritt seines neuen Amtes sich darüber vergewissert, daß der endlich
unter seiner Mitwirkung begonnene Schutz des Deutschtums im Osten er-
halten und verstärkt werden solle. Das nächste Mittel hierfür war die Aus-
merzung der polnischen Sprache aus den Volksschulen und diese setzte er
gegen allen Widerstand durch, ein Mittel freilich, dessen Frucht zum großen
Teile in der Zukunft lag. Das zweite war die Heranziehung deutscher
Bauern, die er mit Hilfe der Ansiedlungskommission kräftig betrieb, schon um
der Ausdehnung der Sachsengängerei und dem Nachdrängen polnisch-russischer
Arbeiter zu steuern. Schwieriger, aber nicht hoffnungslos war der V^ersuch,
das Verhältnis zwischen Staat und Katholiken zu bessern, deren niederer
Klerus, kurzsichtig und unbelehrt durch die Geschichte, auch z. T. bewußt
antideutsch, die entschlossensten Verfechter des Polentums stellte. Auch auf
diesem steinigen Boden blieb sein Streben nicht ohne Erfolg, zumal unter
den höheren Geistlichen deutscher Herkunft, die bei ihrer Bildung nicht um-
hin konnten, die guten Absichten des neuen Oberpräsidenten zu würdigen.
Jedenfalls erreichte v. G. auf diesem Wege einen engeren Zusammenschluß
der Deutschen und eine nachhaltige Belebung ihres Vertrauens auf die Staats-
regierung und auf die eigene Kraft. Demgemäß gelang es, die politisch und
wirtschaftlich streitenden Richtungen unter den Deutschen zu versöhnen oder
doch den Zwist unter ihnen zu dämpfen; er hatte sich hierbei der verständ-
nisvollen Mitwirkung des Danziger Stadthauptes zu erfreuen und brachte als
ostpreußischer Großgrundbesitzer sachliche Anschauung mit. Hierbei erkannte
er die Notwendigkeit, in den Städten eine lebensfähige Industrie wach zu
rufen, die mit der Mehrung des eigenen Wohlstandes die Kraft und Freudig-
keit, auch die Bildung steigern und durch Erhöhung der Konsumtionsfähig-
keit auf den Absatz und den Preis der landwirtschaftlichen Erzeugnisse vor-
teilhaft einwirken mußte. Nicht alles gelang, die größte Schwierigkeit schuf
der Mangel an Kohle und Eisen in der Provinz, hier und da lag der Grund
des Mißerfolges in der Unterschätzung der Hindernisse und der Überschätzung
des Beistandes, den er bei der immer noch scheuen Bevölkerung zu finden
hoffte. Aber die Weite seines Blicks und die wachsende Sicherheit in der
von Goßler.
345
Wahl der Mittel und Wege schloß die Herzen auf und stärkte den Mut zu
weiterem Wagen. Namentlich erwuchs hieraus eine allgemeine Belebung des
Bildungstriebes und eine Vermehrung der Bildungssumme, die dem Gelingen
seines großen Planes, der Gründung einer technischen Hochschule in Danzig
unter Anpassung an die provinziellen Bedürfnisse zu Hilfe kam. Kr hat den
glänzenden Sieg seiner Mühen nicht mehr gesehen; aber er durfte auf zuver-
lässige Nachfolge in seinem Sinne hoffen. Dies blieb nicht die einzige weit
sichtbare Frucht seiner Verwaltung; angeregt durch die Verwüstungen, die die
wiederholten Ausbrüche der wilden Weichsel zuletzt 1888 im Elbinger Werder
angerichtet hatten, schritt er zur Beseitigung des Sperrdammes, bei der er 1895
<len ersten Spatenstich leistete, und zur Schöpfung einer Weichselmündung
statt der bisherigen beiden; er verminderte die Gefahren des Eisganges durch
Einführung von Eisbrechern und bildete sich zu einem echten Fachmann auf
diesem Gebiete aus. Ebenso gelang 1893 seinem rechtzeitigen Eingreifen die
Abwehr eines Choleraeinfalls von der Provinz. Es blieb aber nicht bei der
Sorge für das äußere Wohl; als früherer Unterrichtsminister wußte er, daß
die Grundlagen alles Gedeihens geistiger und sittlicher Art seien. Inner-
halb des Schulkollegiums durch tüchtige Räte unterstützt, ließ er ihnen die
gerade für dieses Amt unentbehrliche Selbständigkeit; die Danziger Pracht-
bauten aus großer Zeit nährten seinen Kunstsinn, den er vor allem bei der
schon früher von ihm geförderten Wiederherstellung der Marienburg betätigen
konnte. Seine religiöse Empfindung fand Befriedigung in der Pflege des
Danziger Diakonissenhauses, in dessen Kapelle er gern der Verkündigung
des göttlichen Wortes lauschte, auch hierin seinem Vater ähnlich, unter
<lessen Obhut .sich in Königsberg das Krankenhaus der Barmherzigkeit ent-
wickelt hatte.
Eine solche Verwaltung, die sich nach dem Spruche des Danziger Stadt-
waj)pens -»nee fernere nee timtde< regelte, rechtfertigte völlig die vorher viel
umstrittene Abtrennung Westpreußens von dem Osten; sie brachte aber auch
V. (i. den verdienten Lohn. Was von ihm in den Danziger Gedächtnisreden
gepriesen wird, daß er nicht unter ihnen, sondern mit ihnen gelebt habe,
das galt ebenso von der ganzen Provinz; er wurzelte in ihr so fest, daß er
die 1893 angebotene Versetzung nach Ostpreußen, das, früher in Parteiver-
blendung dieser Maßregel abgeneigt, jetzt ihm gern die Tore geöffnet hätte,
entschieden ablehnte und seiner Arbeitsstätte treu blieb. Aber es fehlte auch
an lautem Danke nicht. Sein Kaiser verlieh ihm 1898 mit dem schwarzen
Adler den höchsten und geschichtlich ehrwürdigsten Orden Preußens; zahl-
reiche Städte suchten durch ihre Gabe des Ehrenbürgerrechts ihn sich noch
näher zu verbinden, die eine erbat noch später die Erlaubnis, statt ihres bis-
herigen polnischen Namens sich Goßlerhausen zu nennen, und als er von
schwerer Krankheit leidlich hergestellt heimkehrte, wurde er mit solcher
Liebe empfangen, daß er seinem Danke die Worte lieh: »Mein Herz schwillt
vor Freude und Dank, aber nicht vor Stolz; Gott wird mir Kraft geben,
niemals stolz zu werden, denn ich weiß, wie alles hinschwindet im letzten
Augenblick«. Und diesen letzten Augenblick hat er als einen nahen voraus-
gesehen und durch seine rastlose Tätigkeit beschleunigt; insbesondere scheint
die Reise, die er 1898 zu eigner Belehrung und zur Verwendung für seine
Provinz durch das rheinische Industriegebiet unternahm, ihn über Gebühr
^ i6 ^'^^ Goßler.
angestrengt zu haben. Zwar aus dem ersten Anfall rettete ihn noch für einige
Jahre die Kühnheit und das (jeschick des Arztes mittels einer lebensgefähr-
lichen Operation. Allein das Leiden kehrte wieder und führte ihn unter
großen Schmerzen zum Tode, zumal da er die Hand nicht vom Pfluge zu lassen
vermochte und überdies 1901 durch den Heimgang der geliebten Frau körper-
lich und seelisch erschüttert war. Eine Trauerfeier sondergleichen bekundete
den Schmerz der Provinz, und die Zeitungen aller Richtungen beklagten in
beredten Worten den herben Verlust.
Ist def Versuch gestJittet, die einzelnen Züge seines Wesens und Wirkens
in ein Gesamtbild zusammenzufassen, so ist schon gesagt, daß er seine An-
lagen durch einen guten Schulunterricht und fast mehr noch durch freien
Fleiß entwickelte, daß er neben der Fachwissenschaft eine vielseitige Bildung
erwarb und, was mehr sagen will, daß er seine mannigfachen Kenntnisse zu
einheitlicher Kraftwirkung und einer in sich ausgeglichenen Persönlichkeit
verschmolz. Ausgeglichen auch in höchster Beziehung, so fern sein klares
Denken von tiefer Empfindung begleitet und zu echter Frömmigkeit verklärt
wurde. In seiner letzten Krankheit bekannte er: »Es bleibt überall ein Rest
in meinem Leben, den nur die Gnade meines Herrn decken kann; wo ich
auch hinblicke, bei allem, was ich gewollt und erreicht, alles Gnade und
nichts als Gnade« und ebenso »Wir haben alle unser Kreuz, ein jeder sein
eigenes, aber ein Kreuz, ein Kreuz, das ist für uns alle« (Stengel, Trauer-
feier im Diakonissenhause S. 10). Kein Mißlingen entmutigte ihn; aus seiner
idealen Anschauungsweise schöpfte er immer wieder Antrieb und Kraft zu
neuer Arbeit und wollte lieber wirken als länger leben. Nicht ohne den
Ehrgeiz des Strebens und Erringens, hatte er sich doch des Geizes nach Ruhm
und Lohn entäußert. Tapfer, aber ohne Streitlust und im Kampfe nicht die
Demütigung des Gegners, sondern den Sieg der guten Sache und einen heil-
bringenden Frieden suchend, nicht an das Maß seiner Kräfte, aber an die
Sicherung des Erfolges denkend, gab er erst, als dieser versagte, den Kampf
und seine hohe Stellung auf, um sich den inneren Frieden zu bewahren, auch
hier im Einklang mit der geliebten Frau, die mit ihm den Glauben teilte,
daß Gott im Regimente sitze. Ihn beseelte ein warmer und kräftiger Familien-
sinn; bei einer festlichen Versammlung in kleinerem Kreise wiederholte er
den Mahnspruch seines Vaters: »Haltet fest zusammen«. Seinen Beamten
schenkte er gern wahre Teilnahme; frei von bureaukratischer Enge, schweig-
sam, aber nicht verschlossen hörte er ihren Rat bei völliger Wahrung seiner
Selbständigkeit. Gelassen bei fremden Angriffen, aber nicht immer geschützt
gegen Intriguen, edelmütig in Behandlung des Gegners, hat er aus allen
Kämpfen immer sich unversehrt gerettet, wo andere böse Narben und bittere
Empfindungen davontrugen.
Die Frage liegt nahe, welchen Rang^v. G. unter den großen L^nterrichts-
ministern einnimmt, die dem preußischen Staate im 19. Jahrhundert geschenkt
sind. Allen voran steht W. v. Humboldt, der große Held des Geistes und
der Wissenschaft, der unerschrockene Sohn seines tiefgebeugten Vaterlandes,
der binnen kurzer Zeit für ein Jahrhundert die Ziele und Wege der nationalen
Bildung bestimmt und inmitten aller Armut eine größere Bereicherung des
deutschen Bildungsschatzes, eine hohe V^orbildung des preußischen Beamten-
tums schuf. Aber ich wüßte keinen, der v. G. den zweiten Rang streitig
von Goßler. Schuh. ^a7
machen könnte, und an Tatenlust überragte er selbst seinen eben genannten
Vorgänger. Wie geneigt immer, die stillen und doch reichen, noch neuerdings
von A. Harnack, Gesch. der Pr. Akad. d. W. I, 2, 682 mit Recht gepriesenen
Verdienste Altensteins während tiefer staatlicher Erschöpfung, den Mut und
Scharfsinn Falks in leidenschaftlichem Streit anzuerkennen, halte ich doch
die Aufgaben, zu deren Lösung v. G. teils berufen wurde, teils freiwillig her-
antrat, für schwieriger und vielgestaltiger. Alles zum guten Finde zu führen,
ist ihm nach Zeit und Umständen nicht vergönnt gewesen; aber vieles ist
ihm mit reichem und bleibendem Erfolge gelungen. Er hat nicht so lange
gelebt, um die volle Frucht seiner Anstrengungen zu sehen, aber lange ge-
nug, um die Bahnen zu weisen, auf denen allein der Staat sein höchstes Ziel,
die geistige, sittliche, einheitliche Erziehung seiner Bürger, erreichen kann.
Von Goßler, Ansprachen und Reden, Berlin 1890; Trauerfeier für G. v. Goßler,
Danzig 1902; Der Gesellige, Graudenzer Zeitung Nr, 230 vom 30. Septb. 1902; Danziger
Neueste Nachrichten Nr. 229 — 231 u. 233 von 1902.
Halle a. S. Wilh. Schrader.
Schuh, Hermine, geb. Freiin von Reichenbach, * 5. September 18 19 in
Hausach, f 28. Oktober 1902 zu Wien. — Der Name dieser Frau ist in der
wissenschaftlichen Welt wohl gänzlich unbekannt, aber jeder nur einiger-
maßen in die Anatomie der Pflanzen Eingeweihte kennt zum mindesten eine
ihrer Entdeckungen auf diesem Gebiete, nämlich jene merkwürdigen die Ge-
fäße vieler Gewächse ausfüllenden zelligen Gebilde, welche von ihr entdeckt
und in prägnanter W'eise beschrieben worden sind. Diese Gebilde, welche
später zum Gegenstande vielseitiger Studien gemacht wurden, tragen heute
noch den Namen, den die Entdeckerin ihnen gegeben hat: Thyllen.
In jungen Jahren, noch unverheiratet, hat sich Baronin Reichenbach
eingehend mit Botanik, insbesondere mit Pflanzenanatomie, beschäftigt. Es
war dies in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als die letzt-
genannte Disziplin noch wenige Bearbeiter zählte. Sie veröffentlichte ihre
Untersuchungen in der »Botanischen Zeitung« (Berlin) unter dem Kamen
»ein Ungenannter«, unter welcher Bezeichnung sie auch heute noch in der
Literatur genannt wird.
Später veröffentlichte sie noch eine sehr gute Arbeit über die Milchsaft-
gefäße, welcher Untersuchung auch heute noch mehrfach gedacht wird.
Frau Schuh war die Tochter des bekannten Naturforschers und In-
dustriellen Freiherrn von Reichenbach, welcher sich durch die chemische
Untersuchung der Theerprodukte große Verdienste erwarb und durch seine
odisch-magnetischen Briefe in den weitesten Kreisen bekannt gemacht hatte.
Sie wurde zu Hausach im Großherzogtum Baden geboren, wo ihr Vater als
Direktor der fürstlich Fürstenbergschen Eisenwerke tätig war. Als Kind von
sechs Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Stuttgart, und bald darauf nach
Blansko in Mähren, wo ihr Vater die fürstlich Salmschen Eisenwerke leitete.
Im zwölften Lebensjahre verlor sie ihre Mutter. Ende der dreißiger Jahre
legte ihr Vater die Stelle in Blansko nieder und kaufte das Schloß Reisen-
berg (Cobenzel) bei Wien (in der Nähe des Kahlenbergs) an. Hier trieb er
seine naturwissenschaftlichen Studien, u. a. Botanik. In die botanischen
Studien wurde die Tochter von ihrem Vater eingeführt; sie half eifrig beim
n
aS Schuh. Klasen.
Sammeln der Pflanzen, und wirkte bei der Ordnung des großen Herbariums
mit, das später in den Besitz des Wiener Hofmuseums überging. Um ihre
botanischen Kenntnisse zu erweitern, ging sie 1843 zu Unger, welcher damals
als Professor am Joanneum in Graz wirkte, warm empfohlen von den beiden
Wiener Botanikern Endlicher und Fenzl. In Graz entstanden ihre beiden
obengenannten pflanzenanatomischen Arbeiten.
Nach einigen Jahren kehrte sie nach Wien zurück und lebte bei ihrem
Vater am Cobenzel, wo sie ihre botanischen Studien fortsetzte, bis sie im
Jahre 1849 sich mit dem Gutsbesitzer in Glogau (Preußisch -Schlesien)
K. Schuh vermählte, und bis zum Tode ihres Mannes (1866) in glücklicher
Ehe lebte. Als Witwe kehrte sie nach Wien zurück, wo sie in ihrem drei-
undachtzigsten Jahre starb. Ihre einzige Tochter, Friederike, ist die Gattin
des bekannten Professors der Physik an der Wiener Universität, Franz Exner.
Druckschriften: Ein Ungenannter, Über die zellenartigen Ausfüllungen der Gefäße.
Bot. Zeitung 1845. — Ein Ungenannter, Die Milchsaftgefäße, ihr Ursprung und ihre Ent-
wicklung. Ebendaselbst 1846. J. Wiesner.
Klasen, Franz, katholischer Theologe, * 7. Januar 1852 zu Halte an der
Ems bei Papenburg in Hannover, f 23. November 1902 am Herzschlag während
einer Fahrt auf der Isartalbahn. — K. studierte Theologie in München und
Würzburg, wurde am 29. Juni 1877 zum Priester geweiht, dann Dr. theol.
Als Stadtpfarrprediger an St. Ludwig in München wurde er ein beliebter
und erfolgreicher Kanzelredner. In seinen letzten Jahren, durch gekränkten
Ehrgeiz auf die Bahn der Opposition geführt, widmete er sich der Politik,
zuerst seit 1898 als Chefredakteur des »Bayerischen Kuriers«, den er zu
Angriffen gegen kirchliche Kreise und gegen die Zentrumspartei benutzte,
bis letztere das Blatt wieder an sich brachte, dann durch die von ihm in
Gemeinschaft mit Dr. Bumüller herausgegebene, als Organ des sog. »Reform-
katholizismus« gegründete Zeitschrift »Das 20. Jahrhundert«. — Auf wissen-
schaftlich-theologischem Gebiete veröffentlichte K.: »Die alttestamentliche
Weisheit und der Logos der jüdisch-alexandrinischen Philosophie auf histori-
scher Grundlage in Vergleich gesetzt. Beitrag zur Christologie« (Freiburg i. Br.
1878); »Die innere Entwicklung des Pelagianismus. Beitrag zur Dogmen-
geschichte« (Freiburg i. Br. 1882); »Pelagianistische Kommentare zu 13 Briefen
des hl. Paulus« (Tübinger Theologische Quartalschrift, 67. Jahrg. 1885, S. 244ff..
531 ff.). 1887 — 89 redigierte K. die theologisch-praktische Zeitschrift »Der
Prediger und Katechet«. Seine weiteren Veröffentlichungen sind Früchte
seiner Kanzeltätigkeit bei St. Ludwig zu München: »Kanzelvorträge, gehalten
bei St. Ludwig zu München« (Augsburg 1890; Neue Folge, i. Heft, ebd.
1891); »Die Adventkapelle« (Kempten 1894); »Vier heilige Zeiten« (Kempten
1896); »Mariens Erdenglück. Maivorträge« (Regensburg 1897); »Der Sonn-
tag. Predigten« (Regensburg 1901). K. versuchte sich auch als dramatischer
Dichter mit den historischen Dramen: »Heinrich Raspe« (München 1894,
3. Aufl. 1900) und »PYiedrich der Freidige« (1900). Das erstere Stück wurde
vom Hoftheater zu München aufgeführt; die vorbereitete Aufführung des
zweiten erlebte K. nicht mehr.
Vgl. Alte und Neue Welt, 37. Jahrg. 1903, S. 316. Kölnische Volkszeitung 1902,
Nr. 1050 vom 25. Nov. F. Laudiert.
Geiger. Stiefelhagen. 349
Geiger, Hermann, Geheimer päpstlicher Kämmerer und Ehrendomherr
in München, * 14. März 1827 zu Schwabmünchen in Bayern (Schwaben),
f I. Dezember 1902 zu München. — G. erhielt seine Gymnasialbildung im
Gymnasium der Benediktiner zu St. Stephan in Augsburg und im kgl. Er-
ziehungsinstitut in München, studierte Theologie in München und Bonn und
wurde am 24. Juni 1850 zum Priester geweiht. Hierauf wirkte er als Kooperator
in Teisendorf, Rosenheim und Traunstein, 1857 in der Vorstadt Au in München;
1858 wurde er Kooperator und Prediger an der St. Ludwigskirche in München,
1863 Frühmeflbenefiziat daselbst. Durch die Organisation der bayerischen
Pilgerfahrten in das heilige Land, die sein Werk ist und der er sich mit
großem Eifer widmete, wurde er in ganz Deutschland bekannt; seit 1873 hat
er 25 Pilgerzüge nach Jerusalem organisiert, ebenso zwei solche nach Frank-
reich und Spanien 1887 und 189 1. Um die Fühlung mit den früheren Teil-
nehmern zu erhalten, versandte er seit 1885 viermal jährlich die »Pilger-
Briefe; Mitteilungen für die Mitglieder der bayerischen Pilgerkarawanen in
das Heilige Land«, die nach seinem Tode zu einem »Organ des bayerischen
Pilgervereins vom Heiligen Lande« erweitert wurden. In Anerkennung seiner
Verdienste wurde er zum Geheimen päpstlichen Kämmerer und 1883 zum
F^hrendomherrn der Patriarchalkirche zu Jerusalem ernannt. — Von G.s schrift-
stellerischer Tätigkeit sind vor allem die beiden in jüngeren Jahren verfaßten
wertvollen historischen Erzählungen zu erwähnen: »Lydia. Ein Bild aus
der Zeit des Kaisers Mark Aurel« (Stuttgart 1856; 4. Aufl. Regensburg 1891);
»Leander und Hermigild oder die Wiedergeburt Spaniens. Eine Erzählung
aus der Geschichte der Westgoten« (2 Teile, Stuttgart 1860). Ferner schrieb
er: »Die Gesellschaft des heiligen Vinzenz von Paul in München und ihre
Verzweigung in Bayern« (München 1870); »Gregor von Scherr, Erzbischof
von München-Freising« (München 1877); »F>innerung an Hieronymus von
Bayer« (Histor.-polit. Blätter, 80. Bd. 1877, S. 612 — 632, 696 — 711). Von
mehreren der von ihm mitgemachten oder veranstalteten Pilgerreisen gab er
Gedenkblätter und Tagebücher heraus.
Vgl. Pilger-Briefe, Nr. 73 (N. F. Nr. i), vom 24. Febr. 1903; mit Porträt. Augsburger
Pustzeitung, 4. Dez. 1902. F. Lauchert^
Stiefelhagen, Ferdinand, Domkapitular in Köln, * ii. Februar 1822 zu
Marialinden (Kreis Mülheim a. Rh,), f 2. Dezember 1902 zu Köln. — St.
besuchte das katholische Gymnasium zu Köln, studierte dann 1842 — 45
Theologie und Philologie in Bonn, trat 1845 in das Kölner Priesterseminar
ein und wurde am 25. April 1846 zum Priester geweiht. Hierauf kehrte er
nochmals an die Universität Bonn zurück, um noch während zwei weiterer
Jahre besonders philologische Studien zu betreiben; am 3. Juni 1848 pro-
movierte er hier zum Dr. phil. Er wirkte dann zunächst als Lehrer am Pro-
gymnasium zu Neuß, dann am Progymnasium zu Siegburg. Am 8. Januar
1853 wurde er Rektor der höheren Stadt- und Gewerbeschule zu Eupen,
am 31. März 1862 Pfarrer in Cuchenheim (Kreis Rheinbach), 1864 auch De-
finitor und Schulinspektor des Dekanates Münstereifel, 1884 Dechant; am
17. August 1886 wurde er als Domkapitular in Köln installiert. — Schriften:
* De oracuh ApoUinis Delphko, Dissertat'w phtlohgtca* (Bonn 1848); »Geschichte
des Volkes Israel zugleich mit den Umrissen der Geschichte des klassischen
-^CQ St iefelh ageil, von Brück, von Freiberg.
Altertums« (Köln und Neuß 1854); »Theologie des Heidentums. Die Wissen-
schaft von den alten Religionen und der vergleichenden Mythologie nebst
neuen Untersuchungen über das Heidentum und dessen näheres Verhältnis
zum Christentum << (Regensburg 1858); > Kirchengeschichte in Lebensbildern.
F'ür Schule und Familie dargestellt'< (Freiburg i. Br. 1860, 2. Aufl. 1869,
3. Aufl. 1893). Abhandlungen und Rezensionen in der (Wiener) Zeitschrift
für die gesamte katholische Theologie IV^ — VIII, 1852 — 56, und in der Öster-
reichischen Viertel Jahresschrift für katholische Theologie III — VI, 1864 — 1867
Vgl. Joh. Becker, Geschichte der Pfarreien des Dekanates Münstereifel (=- Dumont,
Geschichte der Pfarreien der Erzdiözese Köln, XXXIV, Bonn 1900), S. 39.
F. Lauchert.
Brück, Karl Freiherr von, österreich.-ungarischer Botschafter, * 24. De-
zember 1830, f 9. November 1902. — B. trat 1850, als sein Vater Handels-
minister war, in den österreichischen Konsulatsdienst, arbeitete in Alexandrien
und Konstantinopel, wurde 1854 Legationssekretär in der letzteren Stadt,
dann bei den Gesandtschaften in Florenz, Karlsruhe, Petersburg, Brüssel, bis
er 1868 Gesandter in Darmstadt und 1870 in München wurde. Die wich-
tigste Periode seiner amtlichen Wirksamkeit fällt in die Zeit, da er 1886 bis
1895 als Botschafter am italienischen Hofe tätig war; denn 1887 trat Italien
förmlich dem Bunde der Zentralmächte bei, nachdem es schon seit 1881
sich ihnen genähert hatte. B. stand bei diesen Verhandlungen nicht in
erster Linie, doch förderte er den Abschluß und die Befestigung des Bünd-
nisses durch seine korrekte, auch von der italienischen Regierung anerkannte
Tätigkeit. Seit 1895 lebte B. im Ruhestande.
Freiberg, Rudolf Ritter von, * 23. Januar 1843 ^u Prag, f 8. November
1902 zu Hartenstein in Niederösterreich. — Die verschlungene Laufbahn, die
F. zu einem der einflußreichsten Posten im österreichischen Beamtentum
emportrug, beruhte nicht auf der Grundlage einer ernsten Bildung. ¥.r genoß
geringen Schulunterricht und betätigte sich schon als junger Mensch in Prag
als Journalist; in der Mitte der 60 er Jahre kam er nach Wien, wo er eine
Stelle als Redakteur der Reichsratskorrespondenz fand, die mit der Abfassung
von Berichten über die Sitzungen des Parlaments betraut ist. Auch war er
damals für kleinere Zeitungen als Mitarbeiter und Korrespondent tätig. Dann
fand er eine Stelle zuerst im Obersthofmeisteramt und später im Preßbureau
der österreichischen Regierung. Hier machte er sich nicht gerade durch
schriftstellerische Begabung, sondern durch gewandte Vermittelungen im
Zeitungswesen nützlich und es wurde ihm, unter Nachsicht der vorgeschrie-
benen Gymnasial- und Universitätsstudien der Eintritt in die Beamtenlauf-
bahn als Konzipist gestattet. Im liberalen Kabinett Fürst Adolf Auersperg
(187 1 — 1879) war der Minister Josef Unger mit der Leitung der Preß-
angelegenheiten betraut und er verwendete F. hierbei als Sekretär, wobei
dieser Gelegenheit hatte, sich mit den parlamentarischen und politischen Be-
ziehungen der Regierung und ihrer Partei bekannt zu machen. Seine Stellung
war jedoch untergeordnet, bis das liberale Regiment 1879 durch das Über-
gangsministerium Stremayr und dann durch den Grafen Taaffe abgelöst
wurde. Von da ab begann der Aufstieg F.s. Er wurde mit der Leitung des
von Freiberg. 35 I
Preßbureaus betraut und war eines der verwendbarsten Werkzeuge der den
Deutschen Österreichs feindseligen Regierung, F. stellte seine früher erwor-
benen Erfahrungen und Verbindungen dem Grafen Taaffe zur Verfügung,
leitete die offiziösen Zeitungen und war zugleich unermüdlich in der Auf-
findung von Mitteln, um die oppositionelle Presse niederzuhalten, oder durch
Korruption zu gewinnen. Das System, dem Preßbureau durch Verkauf von
Adelstiteln und Orden Geld zur Verfügung zu stellen — ein Brauch, der
übrigens vor wie nach ihm in Osterreich geübt worden ist — wurde von ihm
zu seltener Blüte gebracht. Mit diesem Kapital wurde ganz Osterreich, ins-
besondere aber das oppositionelle Deutschböhmen, mit einer Flut offiziöser
Blätter bedeckt. Die Erhebung zum Hofrat und die Versetzung in den Adelstand
war der Lohn dieser Dienste. Selbst als Graf Taaffe in der zweiten Hälfte seiner
Amtswirksamkeit sich den deutschen Parteien näherte, war F., der im Kampfe
gegen diese Partei seine Stellung gewonnen hatte, bemüht, die Cberbrückung
des Spaltes zu verhindern. Nach dem Rücktritte Taaffes (1893) wurde ihm
von dem Koalitionsministerium Windischgrätz-Plener die Leitung des Preß-
bureaus abgenommen und er war eine Zeitlang kaltgestellt. Als jedoch Graf
Badeni 1895 Ministerpräsident wurde, übertrug er ihm wieder die Leitung
jenes Amtes und bediente sich seines Rates in allen Korruptionsaffären, von
denen eine wenigstens, weil besonders charakteristisch, Erwähnung verdient.
Aus einem Prozesse, der später von dem Redakteur des Wiener Tageblattes
»Reichswehr<s Gustav David, gegen die österreichische Regierung angestrengt
wurde, erfuhr man, daß zwischen David und der Regierung am 25. Oktober
1896 ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen wurde, der die Führung der
»Reichswehr« zum Gegenstande hatte. Das Blatt sollte zur Hälfte Eigentum
Davids, zur Hälfte das der Regierung sein, die die Vertretung ihrer Rechte
an F. übertrug; auf Grund dieses Verhältnisses sollte David vom i. November
1896 bis Ende 1897 nicht weniger als 130000 fl. erhalten. Das Condo-
minium der Staatsregierung an dem Blatt machte sich in der Weise geltend,
daß, wenn ihre Aufträge und Wünsche in drei aufeinanderfolgenden Nummern
des Blattes nicht berücksichtigt werden sollten, der Vertrag als gelöst zu be-
trachten und David zur Rückgabe der Gelder verpflichtet sei. Zunächst
blieb dieser Vertrag geheim. Für die Geschäftsführung F.s war dann der
folgende Vorgang bezeichnend. Im Januar 1897 brachte die »Reichswehr^<
eine Reihe gehässiger Artikel gegen das Deutsche Reich, die dartun sollten,
daß Deutschland das bestehende Bundesverhältnis zu seinem Vorteil miß-
brauche. Da der offiziöse Charakter der »Reichswehr« doch nicht zu ver-
decken war, w^urden die Artikel in Berlin unangenehm vermerkt, worauf
kurz vor einer Reise des Grafen Goluchowski nach der deutschen Hauptstadt
die amtliche Wiener Abendpost am 15. Januar 1897 die Erklärung brachte:
»daß weder Seine Exzellenz der Herr Ministerpräsident noch Seine Exzellenz
der Herr Finanzminister in irgend eine Beziehung zur »Reichswehr« gebracht
werden dürfen«. Daß diese Versicherung des Wiener Preßbureaus eine
dreiste Unwahrheit war, ergab sich, wie; gesagt, aus dem ein Jahr später ge-
führten Prozeß. Es ist unwahrscheinlich, daß David diesen Feldzug gegen
Deutschland auf eigene Faust ins Werk setzte; wenn hier eine Intrigue des
Polen Badeni gegen das deutsche Bündnis vorgelegen haben sollte, so deckte
er sich durch jenes, jeden Verdacht abwehrende Dementi. Tatsache ist
352 von Freiberg. Virchow.
übrigens, daß die »Reichswehr« in dem vereinbarten Zeitpunkte 215000 fl.^
also eine größere als die vereinbarte Summe von der Regierung erhielt.
Man hat die Frage aufgeworfen, wodurch sich das Kabinett Badeni bestimmt
fühlen konnte, einem nicht sehr stark verbreiteten Blatte so große Summen
zuzuwenden und es ist mehr als wahrscheinlich, daß persönliche Interessen
F.s hierbei mitspielten. Das Kabinett Badeni fiel im November 1897 infolge
der deutschen Obstruktion und damit nahm auch die Wirksamkeit F.s ein
jähes Ende. Er war von Badeni noch zum Sektionschef — die nächste
Rangstufe nach dem Minister — erhoben worden, wurde aber von seinem
Nachfolger in den Ruhestand versetzt. Gestützt auf den mit ihm ab-
geschlossenen Vertrag hat David von dem Ministerium Thun die Fortsetzung
des Verhältnisses verlangt, veröffentlichte die bezüglichen Schriftstücke und
das Gericht hatte, als die neue Regierung eine Verpflichtung ablehnte, für
den April 1898 die Verhandlung über die Forderung Davids auf die Zahlung
von 279868 fl. 96 kr. angesetzt -7 als ein Ausgleich in der peinlichen An-
gelegenheit erfolgte. — Wie die Zeitungen meldeten, ist F. im Besitze eines,
ansehnlichen Vermögens gestorben, das durch Zeitungs- und Börsengeschäfte
erworben sein dürfte. Wenn es wahr ist, daß er sich nach seiner Entfernung
vom Dienste mit der Abfassung seiner Denkwürdigkeiten beschäftigte, so
kann diese Arbeit ein interessanter Beitrag zu einem wenig erfreulichen
Kapitel der Geschichte Österreichs werden.
Im April 1898 erschienen in der »Reichswehr« die den Vertrag mit der Regierung-
beleuchtenden Angaben, kommentiert sind sie in der Wiener Wochenschrift »Zeit« vom
23. April 1898. Heinrich Fried jung.
Virchow, Rudolf Ludwig Karl, * 13. Oktober 1821 zu Schivelbein in
Pommern, f 5. September 1902 zu Berlin. — Wenn das Leben eines bedeutenden
Mannes abgeschlossen ist, so pflegt man einen Rückblick darauf zu werfen^
um festzustellen, was von ihm geleistet wurde, welchen Einfluß er auf dem
Gebiete seiner Tätigkeit und auf seine Umgebung ausübte, und was von der
Wirkung dieser Tätigkeit auch noch nach seinem Tode für die Nachwelt
übrig bleibt. Solcher Rückblick hat nicht nur historische Bedeutung, sondern
auch didaktische, ja diese letztere ist vielleicht die größere von beiden, denn
das historische Interesse an einem Menschen, der nicht direkt in die Welt-
geschichte eingegriffen hat, erblaßt erfahrungsgemäß schon nach wenigen
Generationen, aber was man aus seinem Leben lernen kann, behält für alle
Zeiten Bedeutung.
F^s ist nicht die geniale Veranlagung allein, die einen Menschen zum
Genie macht, sondern es gehört dazu auch, daß diese Veranlagung ausgenutzt
wird und sich betätigt. Mit Recht sagt Goethe, Genie ist Fleiß, und in
Wirklichkeit können wir sagen, daß dieses Wort wohl selten so sehr auf eine
Persönlichkeit in Anwendung zu bringen war wie auf Rudolf Virchow.
Rudolf Ludwig Karl Virchow wurde am 13. Oktober 182 1 zu Schivelbein
in Pommern geboren, wo sein Vatej- Stadtkämmerer war. Er besuchte das
Gymnasium zu Köslin und machte daselbst das Abiturientenexamen Ostern 1839.
Über seine Schulzeit und sein Abiturientenexamen hat das preußische Kultus-
ministerium bei Gelegenheit V.s 80. Geburtstages eine Publikation gemacht,
in der auch das Thema seines Abiturientenaufsatzes angegeben ist. Dasselbe
Virchow.
353
lautete: Ein Leben voll Arbeit und Mühe ist keine Last, sondern eine Wohltat.
Seinen Studien lag er ausschließlich in Berlin ob, und er war bis zum
Herbst 1843 am dortigen Friedrich-Wilhelms-Institut. Von seinen Lehrern
übte Johannes Müller den größten Einfluß auf ihn aus, und er hat auch
später bis zu seinem Ende das Andenken dieses Mannes vor allen anderen
hochgehalten. Sein Doktordiplom trägt das Datum vom 21. Oktober 1843.
Das Staatsexamen bestand er in demselben Jahre. Im Sommer 1847 habili-
tierte er sich an der Berliner Universität, nachdem er schon vom Sommer 1846
an daselbst Vorlesungen gehalten hatte. Er war nämlich schon während
seiner Studienzeit und auch nach derselben bei dem damaligen Prosektor
der Charit^ Froriep tätig und lernte hier die damals in Preußen noch wenig
hervortretende pathologische Anatomie kennen, wobei ihm sofort die Lücken
in derselben, sowie in der Technik auffielen. 1846^ wurde er selbst zum
Prosektor der Charit^ ernannt und schon im folgenden Jahre gründete er
mit Reinhardt zusammen das »Archiv für pathologische Anatomie und
Physiologie und für klinische Medizin«, das er nach dem Tode Reinhardts
allein weiter führte und zwar mit solchem Erfolg, daß es heute noch unter
den angesehensten medizinischen Zeitschriften an erster Stelle steht. Der
Name »Virchows Archiv«, unter dem dasselbe in der ganzen zivilisierten
Welt bekannt ist, ist demselben nach dem Tode Virchows offiziell beigefügt
worden. V. griff sofort in die Medizin tatkräftig ein und zwar auf rein
wissenschaftlichem Gebiet durch seine scharfe Kritik der Rokitanskischen
Lehre, auf dem Verwaltungsgebiet der Medizinalangelegenheiten durch Ent-
wicklung seiner freisinnigen Medizinal reform in der von Leubuscher ge-
gründeten Medizinischen Reform, ferner bei Gelegenheit seiner Untersuchung
des Hungertyphus 1848, indem er besonders behördliche Maßnahmen kritisierte,
und außerdem durch eine Reihe von anderen Schriften und Vorträgen, die
bei verschiedenen Gelegenheiten zustande kamen. Er hatte sich dadurch die
Mißgunst der damals herrschenden politischen Kreise zugezogen und wurde
1849 aus politischen Gründen abgesetzt, aber auf Antrieb der Berliner ärzt-
lichen Vereine auf Widerruf wieder angestellt. Da er sich unter diesen
Bedingungen in Berlin nicht wohl fühlen konnte, so folgte er im Herbst 1849
einem Rufe nach Würzburg. Dort war er bis 1856 tätig, und von hier aus
sind eine Reihe seiner bedeutendsten Untersuchungen hervorgegangen. 1856
wurde er nach Berlin zurückgerufen, und die ihm zukommende einflußreiche
Stellung geschaffen, indem er jetzt unter dem Titel eines Direktors des
Pathologischen Institutes der königlichen Charit^ und Professor Ordinarius
an der Universität und dem Friedrich-WMlhelms-Institut berufen wurde. Es
geschah das ganz besonders durch den Einfluß von Johannes Müller, der
die Bedeutung seines Schülers wohl erkannte. In den nächsten Jahren ent-
wickelte sich vor allem in seinen Vorlesungen und auch in einzelnen Ab-
handlungen seine Zellularpathologie, die dann 1859 in Buchform erschien.
In demselben Jahre wurde er von der norwegischen Regierung berufen, den
Aussatz in Norwegen zu studieren. Von 1854 bis 1876 gab er mit Hilfe
anderer Forscher ein »Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie«
heraus, in dem er selbst eine Reihe wichtiger Artikel veröffentlichte. Das-
selbe wurde das Vorbild mehrerer ähnlicher Sammlungen, die sich noch bis
in die neueste Zeit hin aIs außerordentlich praktisch und wertvoll erwiesen
Bio^r. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolosr. j. Bd. 2X
354
Virchow.
haben. Mit Unrecht wird dieses Handbuch heutzutage vielfach als veraltet
betrachtet, denn es enthält eine große Menge positiver Beobachtungen, die
niemals veralten können, selbst wenn viele andere Angaben darin den heutigen
Anschauungen nicht mehr entsprechen. Von großer Bedeutung für die Ent-
wicklung der Medizin war die Fortführung der Cannstadtschen Jahresberichte
durch Virchow in Gemeinschaft mit Hirsch. Dieselben werden heutzutage
noch unter dem Titel Virchow -Hirschsche Jahresberichte weitergeführt.
Auch die Zeitschrift für Ethnologie ist V.s Werk. Sie bildet den Mittelpunkt
deutscher ethnologischer und anthropologischer Forschungen und war speziell
das Organ der Berliner anthropologischen Gesellschaft, die ebenfalls von V.
ins Leben gerufen wurde. Wie groß V.s Interesse für diese Zeitschrift war,
geht nicht nur aus den zahlreichen Artikeln, die er in derselben veröffent-
lichte, hervor, sondern auch daraus, daß er die ungeheure Arbeit eines
Generalregisters fast ohne Hilfe eigenhändig übernahm. 1859 wurde er zum
Stadtverordneten gewählt und ist in dieser Stellung bis zu seinem Tode
geblieben. 1862 wurde er in das Abgeordnetenhaus berufen, dessen Mitglied
er ebenfalls bis zu seinem Tode war. Von 1880 bis 1893 gehörte er auch
dem Reichstage an. An äußeren Ehrungen fehlte es V. nicht, und es zeigte
sich das besonders in der Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Berlin bei
Gelegenheit seines 70. Geburtstages, und in seiner Berufung in die kgl. Akademie
der Wissenschaften am 2. Juli 1874, am selben Tage mit Werner Siemens.
Im Auslande gab es kaum irgend eine wissenschaftliche Gesellschaft privater
oder staatlicher Natur, der er nicht in irgend einer ehrenvollen Form angehört
hätte und dasselbe gilt auch von den deutschen wissenschaftlichen Gesell-
schaften und Akademien. Die regierenden Kreise Preußens konnten ihm seine
politische Stellungnahme nicht vollständig vergessen, jedoch die Anerkennung
seiner Tätigkeit wurde ihm auch von dieser Seite nicht versagt.
Die Tätigkeit, die V. ausübte, war eine so vielseitige, daß sie genügt hätte,
das Leben mehrerer anderer Menschen auszufüllen, und es gehörte die seltene
Arbeitskraft und die außerordentliche körperliche Gesundheit V.s dazu, um
diese Fülle . der Arbeit zu leisten. In Wirklichkeit kannte er, wenn er bei
der Arbeit war, keinerlei Zeitbeschränkung. Es kam kaum jemals vor, daß er
irgend eine Tätigkeit abbrach, weil die Zeit ihn zu irgend etwas anderem
drängte. Darauf war es zurückzuführen, daß er niemals daran dachte, daß
sein Körper auch des Schlafes bedürfe, und nicht selten ist es vorgekommen,
daß man ihn am frühen Morgen, wenn für die anderen der neue Tag begann,
noch bei der Arbeit vom Tage vorher vorfand. Daraus resultierte auch eine
Eigentümlichkeit, die ihm vielfach zum Vorwurf gemacht wurde, nämlich
bei allen möglichen Gelegenheiten zu spät zu kommen, zu Terminen, zu
Sitzungen, zu den Vorlesungen usw. Er war es nicht gewohnt, bei der
Arbeit nach der Uhr zu sehen und sich dadurch in der Ruhe der
Betrachtung und Untersuchung stören zu lassen. Diese Art des Fleißes
brachte es mit sich, daß V. niemals eine Minute am Tage unnütz verlor.
Selbst wenn er in Zeiten der Muße und auf Reisen sich befand, konnte man
ihm leicht anmerken, wie sein Gehirn weiter arbeitete, und wie er alle mög-
lichen Dinge, die seinem Gedankenkreise vielleicht fern lagen, zum Gegen-
stand seiner Beobachtungen machte. Manche überraschenden Mitteilungen
auf ganz anderen Gebieten waren die Resultate solcher gewissermaßen neben-
Virchow.
355
herlaufenden Gedankenarbeit. Durch seine Art zu arbeiten, gewann seine
ganze Tätigkeit trotz der Überlastung mit Arbeit etwas Ruhiges und Ge-
messenes, das jedem hastigen Schaffen durchaus fem lag.
Es ist selbstverständlich, daß eine solche Arbeitskraft sich nur äußeni
kann bei einem überaus gesunden Körper, und man wird nur selten ein so
langes Leben finden, in dem so wenig Krankheiten hervortraten wie in dem
V.schen. Abgesehen von leichteren vorübergehenden Leiden und von einer
einzigen schwereren Affektion, die er selbst unter dem Namen Nephritis
artkritica sine qrthritidc beschrieben hat, ist V. eigentlich niemals krank ge-
wesen. Und selbst sein Leiden, wodurch schließlich sein Leben am 5. Sep-
tember 1902 beschlossen wurde, war nicht eine eigentliche Krankheit, sondern
die Folge eines Unfalls. In Überschätzung seiner Gewandtheit und Kraft
war er in der Leipzigerstraße zu Berlin von einer in der Fahrt begriffenen
elektrischen Bahn abgesprungen. Dabei hatte er sich einen Beinbruch zuge-
zogen, und von dieser Verletzung erholte er sich nicht mehr.
Wenn man die Vielseitigkeit der V.schen Tätigkeit überblickt, so könnte
man das leicht für eine Zersplitterung halten, indessen standen seine ver-
schiedenartigen Beschäftigungen alle in einem inneren logischen Zusammen-
hang miteinander. Wenn er ausging von der Medizin, und diese sowie
speziell die pathologische Anatomie sein Hauptfach darstellten, so mußte er
notwendigerweise dadurch auf die Anthropologie geführt werden, und diese
allgemeine Beschäftigung mit den Menschen und der Beziehung der Medizin
zu dem rein Menschlichen führte ihn wieder zur Politik. Seine ersten
öffentlichen Differenzen, die er auf dem politischen Gebiete mit den herrschen-
den Kreisen hatte, gingen hervor aus medizinischen Betrachtungen. Aber
es kam noch etwas' Drittes hinzu, was ihn befähigte, diese ungeheure Fülle
der Arbeit zu vollbringen, das war sein geradezu phänomenales Gedächtnis,
das ihn auch bis in sein höchstes Alter hinein nicht verließ. Was er einmal
gelesen, gehört oder beobachtet hatte, war unverwischbar dem Schatze seines
Wissens zugefügt, und diesen Schatz hatte er in jedem Moment präsent.
Jeder Anlaß erweckte in ihm sofort eine Fülle von Erinnerungen, die er-
schöpfend alles im Momente zusammenführte, was er jemals im Laufe seiner
reichen Erfahrungen aufgespeichert hatte.
Betrachtet man zunächst V. als Forscher, so ist seine Tätigkeit nur voll
zu würdigen, wenn man sich einmal die Zeit der Medizin vergegenwärtigt
vor ihm und sie vergleicht mit derjenigen nach ihm. Das ganze Bild der
Medizin hat sich mit V. und durch ihn vollkommen geändert. Es ist das
wesentlich seinem Hauptlebenswerk, der »Zellularpathologie«, zuzuschreiben.
Während man vorher die gesamte medizinische Wissenschaft zurückführte auf
die Flüssigkeiten des Körpers, alles an und aus diesen Flüssigkeiten entstehen
ließ, so setzte V. an deren Stelle die Zelle, die Zelle als die kleinste Lebens-
einheit aufgefaßt, die der Träger der normalen und krankhaften Tätigkeit des
Körpers ist. Alle Konsequenzen, die an sogenannte humorale Prinzipien
anknüpften, verschwanden vollständig und erscheinen uns heutzutage so fern-
liegend der Wirklichkeit, daß uns die damalige Medizin als im tiefsten Aber-
glauben des Mittelalters steckend vorkommt. Die V.sche Zellforschung stellte
die Medizin auf die Basis positiver Tatsachen. Es ist von größtem Interesse
historisch zu verfolgen, wie V. zu diesen Arbeiten und auch zu diesen Resul-
23»
^c6 Virchow.
taten kam. Schon in seiner Doktorarbeit, die den Titel führt: De rhewnate,
praesertim conuM^ liegen die ersten Anfänge begründet, und doch war er in
dieser und auch in seinen ersten weiteren Publikationen vollkommen Humoral-
pathologe. Die Umgestaltung, die er dann in seinen eigenen Anschauungen
vornahm, und die sehr bald sich den Anschauungen der gesamten Welt mit-
teilte, basierte auf der Beibringung positiver Tatsachen, die er in größter Zahl
konstatierte. In Wirklichkeit hat es kaum jemals einen Forscher gegeben, der
so viele Tatsachen nachgewiesen und so wenige Theorien hervorgebracht hat.
V. war theoretischen Betrachtungen überhaupt nicht sehr zugeneigt, und er
hat sich nur selten dazu verleiten lassen, weiter zu gehen als bis zu den
nächsten sich aus den Tatsachen unmittelbar ergebenden Konsequenzen.
Dieselben zog er entweder selbst sofort mit absolut logischer Schärfe, oder
er überließ es seinem Leser oder seinen Zuhörern, diese Konsequenzen zu
ziehen, indem er die Tatsachen so gruppierte, daß sich diese Konsequenzen
von selbst ergaben.
Die Fülle der von V. entdeckten Tatsachen ist in der Tat nur begreiflich,
wenn man ihn selbst bei der Arbeit gesehen hat. Mit den heutigen Methoden
der medizinischen und speziell anatomisch-histologischen Forschung wird es
einem einzigen Menschen nicht mehr möglich sein, eine solche Fülle von
Untersuchungen anzustellen. Abgesehen von der Zeit, die V. darauf ver-
wandte, war ihm eine außerordentliche Schnelligkeit der Arbeit eigen, aber
seine Methoden waren auch wesentlich einfacher als sie heute geübt werden,
und er hatte dabei ein Prinzip, das für jede Forschung von größtem Werte
ist. Er begann immer mit den allereinfachsten Methoden und führte die-
selben bis an ihre äußersten Grenzen durch. Erst wo diese Methoden ver-
sagten, griff er zu den nächst feineren. So schritt er allmählich in der
Untersuchung vor, indem er dadurch viele unnütze Arbeit ersparte. Er
begann bei seinen anatomischen Untersuchungen stets mit der makroskopischen
Betrachtung, in der er ein Meister war, und trieb dieselben bis an die
äußersten Grenzen. Ging er dann zur mikroskopischen Untersuchung über,
so begann auch diese erst mit den schwächeren Lupenvergrößerungen, bis
er dann allmählich zu den stärkeren Vergrößerungen überging. Mit seiner
histologischen Methode der frischen Beobachtung erreichte er Staunenswertes,
und man konnte sich oft davon überzeugen, daß er an einem solchen
frischen Präparat, das von ihm mit dem Rasiermesser und der Scheere an-
gefertigt war, viel mehr zu sehen imstande war, als ein anderer unter Zuhilfe-
nahme der feinsten histologischen Methoden.
Wenn sich V. einerseits nicht mehr vollständig an die modernen histo-
logischen Methoden gewöhnen konnte, so muß doch andrerseits bedacht werden,
daß er mit seinen einfachen Methoden viel mehr zu leisten imstande war, als
irgend ein anderer, so daß ihm daraus nicht ein wesentlicher Mangel erwuchs.
Die Zelllehre hatte freilich schon vor V. begonnen, aber er war es, der
sie ausbildete und der sie kraft seiner imponierenden Persönlichkeit zur
Geltung zu bringen vermochte. Von ihm ging das so populär gewordene
Schlagwort aus y>amni$ cellula t cellula«. Was heute jeder junge Mediziner
im ersten Semester lernt, und was uns infolgedessen so natürlich vorkommt,
daß wir gar nicht mehr anders medizinisch zu denken vermögen, das ist alles
V.s Werk und ist von ihm in zuweilen heißem Kampfe verfochten worden.
Virchow. 357
Auch die Einführung des Mikroskops in die medizinische Wissenschaft ist
vorzugsweise sein Werk, und auch dies ging nicht ohne schwere Kämpfe ab.
Heute ist es kaum noch verständlich, daß V. verfechten mußte, wie man mit einer
dreihundertfachen Vergrößerung auch dreihundertmal so viel zu sehen imstande
sei. Er ist es, der zuerst gegen das Mikroskopieren im vollen Sonnenlichte auf-
trat, eine Methode, die bekanntlich nur dazu geführt hatte, Punkte und Licht-
kreise zu sehen, so daß die ganze Welt aus solchen zusammengesetzt schien.
Es ist natürlich ganz unmöglich, hier auch nur annähernd und in großen
Zügen anzuführen, was V. alles auf medizinischem und wissenschaftlichem
Gebiete überhaupt geleistet und publiziert hat. Von dieser Unmöglichkeit
kann man sich überzeugen, wenn man die zu seinem 80. Geburtstag er-
schienene Bibliographie in die Hand nimmt und findet, daß die einfache
Aufzählung der von ihm publizierten Abhandlungen und größeren Arbeiten
den stattlichen Band von 118 Seiten ausmacht. Aber selbst das ist noch bei
weitem nicht die Gesamtheit seiner Leistungen. Vieles und überaus Wertvolles
ist von ihm in die Öffentlichkeit gedrungen in gelegentlichen Bemerkungen
und Diskussionen, in wissenschaftlichen Sitzungen, in privaten Gesprächen,
besonders auch in seinen Vorlesungen. Von allergrößter Bedeutung, leider
aber nicht publiziert, sind die von ihm mit größter Sorgfalt abgefaßten Gut-
achten, die er als Mitglied der wissenschaftlichen Deputation verfaßte. Heute,
wo man noch ganz frisch unter dem Einfluß seiner Tätigkeit und seiner
Persönlichkeit steht, ist es nicht mit Sicherheit zu sagen, was von all diesen
Dingen auch in spätester Zeit in der Wissenschaft übrig bleiben wird. Aber
das kann man auch heute schon beurteilen, daß das nicht bloß absolut,
sondern auch relativ mehr sein wird, als von irgend einem anderen übrig
geblieben ist, und zwar wesentlich wegen des enormen tatsächlichen Materials,
das von V. beigebracht wurde.
Zweimal erschien es, als ob die V.sche Lehre einen schweren Stoß
erhalten sollte, das war das eine Mal als Cohnheim die Auswanderung der
Leukocyten gelehrt hatte und der Fanatismus seiner Schüler daraus eine
Grundlage für eine ganz neue Pathologie zu machen drohte, das zweite Mal
als die Serumforschung mit dem Stichwort »Blut ist ein ganz besonderer Saft«
wieder auf die Humoralpathologie hindrängte. In beiden Fällen stellte es sich
sehr bald heraus, daß nur die zellulare Grundlage, in der Weise wie sie V. gelehrt
hatte, auch weiter zur Erklärung der Dinge nötig und allein maßgebend war.
V. war eine Kampfnatur. Wie er in seiner Jugend mit der größten
Energie und nicht immer ohne Schroffheit seine Prinzipien gegen seine
Gegner verfocht, so hat er auch weiter gekämpft bis zu seinem Ende. Jüngere,
die schon vollständig in der V.schen Lehre aufgewachsen waren, haben diese
Kämpfe oft nicht verstanden und sie in unrichtiger Weise gedeutet. Die-
jenigen aber, die die Entwicklung mit ihm durchlebt oder sich durch histo-
rische Studien in frühere Zeiten versetzt hatten, begriffen diese Kämpfe wohl,
die nicht nur bei Gelegenheit wissenschaftlicher Diskussionen hervortraten,
sondern sich auch gelegentlich in den Vorlesungen äußerten.
V. war nicht, was man im allgemeinen einen glänzenden Redner nennt.
Seine Sprache war nicht volltönend und nicht in weiten Grenzen modulations-
fähig. Auch schmückte er seine Reden und Vorträge, wie es sogenannte
große Redner häufig zu tun pflegen, nicht mit Bildern und Zitaten. Er sprach
358 * Virchow.
einfach, sehr klar und deutlich, mit scharfer Logik, das Wesentlichste sofort
hervorhebend und in den Vordergrund stellend. Jedes Wort war genau
erwogen und abgemessen. Aber seine Rede war nicht immer leicht ver-
ständlich und setzte nicht selten mehr voraus, als bei seinen Zuhörern selbst
zu finden war. Deshalb vermochten ihm Anfänger und so auch Studenten
in den ersten Semestern schwer zu folgen. Der V.sche Vortrag besonders in
den Vorlesungen eignete sich mehr für Fortgeschrittenere; für diese aber
konnte es keinen größeren Genuß geben, als seinen Vorträgen beizuwohnen.
Besonders gilt das von seinen Demonstrationskursen, die vorbildlich geworden
sind, für den Unterricht nicht bloß in der pathologischen Anatomie, sondern
auch in anderen medizinischen Disziplinen. Es ist V. zuweilen vorgeworfen
worden, daß er nicht das richtige Verständnis für die Studenten habe und
daß sich das geäußert habe in der Schwierigkeit seines Vortrages, vor allen
Dingen auch in seiner Vorlesung, in der Strenge den Studenten gegenüber
im Examen, die manchmal geradezu an Härte streifte, und in dem vielfachen
Zuspätkommen zu den Vorlesungen und Kursen. Wer V. genau kannte,
wußte, daß ihm mit dieser Meinung sehr unrecht geschah. Was den zuletzt
angeführten Punkt betrifft, so erklärte sich derselbe aus der Art seiner Tätig-
keit. Was das Verständnis betrifft, das vielfach zwischen den jüngeren
Studenten und ihm fehlte, so konnte man b*eobachten, daß Studenten, die
nicht von einer Vorlesung eine Art von Einpauken zum Examen erwarteten,
sondern wirklich wissenschaftliche Belehrung, sich sehr bald einarbeiteten in
seine Art des Vortrages und nun größeren Vorteil daraus zogen nicht bloß
für das Fach der pathologischen Anatomie, sondern für das systematische
Denken in der Medizin überhaupt. Was seine Strenge im Examen betrifft,
so klagte er vielfach über die häufig große Unwissenheit der Studenten und
er führte seinen Assistenten gegenüber nicht selten Beispiele davon an, was
er eben erst im Examen erlebt habe. Er hatte die gewiß berechtigte Vor-
stellung, daß man an einen angehenden Mediziner, der die Verantwortlichkeit
über Leben und Tod der Menschen zu übernehmen hat, die allerhöchsten An-
sprüche des Wissens und Könnens teilen muß, und wo er für diese Anschauung
nicht das richtige Verständnis fand, konnte er sich bis aufs äußerste erregen.
V. sprach in wissenschaftlichen Vorträgen nicht wesentlich anders, als in
seiner Vorlesung, und es geht schon daraus hervor, daß er die Neigung hatte,
auch seine studentischen Zuhörer nicht nur auf dem scheinbar glatten und
wohlvorbereiteten Wege des Wissens entlang zu führen, sondern sie auch
teilnehmen zu lassen an der ganzen Entwicklung der einzelnen Fragen, die
oft große Hindemisse beiseite zu räumen hatte.
V.s Tätigkeit in wissenschaftlichen Gesellschaften war eine ungeheure,
sein Geschick in der Leitung derselben war ein außerordentliches. Daher
kam es, daß er in der Mehrzahl der Gesellschaften, denen er sein Interesse
überhaupt zuwandte, sehr bald zum Vorsitzenden gewählt wurde. So
war er lange Jahre Vorsitzender der medizinischen Gesellschaft und der
anthropologischen Gesellschaft. Er spielte eine hervorragende Rolle bei der
deutschen Gesellschaft der Naturforscher, in der deutschen pathologischen
Gesellschaft und bei den internationalen medizinischen Kongressen. Die
letzteren sind sogar ganz wesentlich sein Werk, und er sah in dieser Vereins-
tätigkeit ein besonderes Mittel, die Vertreter der Naturwissenschaften und
Vircliow.
359
Medizin untereinander persönlich in Verbindung zu bringen. Ja die inter-
nationalen Kongresse waren ihm gewissermaßen ein Mittel, den internationalen
Frieden zu befördern, und er sah in diesen Kongressen nicht nur eine
wissenschaftliche Institution, sondern auch eine politische. Zweimal in seinem
Leben kamen solche internationalen Versammlungen zustande, deren Mittel-
punkt seine eigene Persönlichkeit bildete. Das war bei der Feier seines
70. und 80. Geburtstages, die sich beide zu großen internationalen Kongressen
gestalteten. Bei diesen Gelegenheiten hat er einmal den Wert, den er solchen
Zusammenkünften beilegte, ausgesprochen. Seine Befähigung zur Leitung
von wissenschaftlichen Versammlungen und Kongressen hing wieder zusammen
mit seiner parlamentarischen Tätigkeit, und man konnte dabei leicht bemerken,
daß er die parlamentarischen Sitten und Gebräuche auf die Leitung wissen-
schaftlicher Versammlungen übertrug. Dazu kam seine große Autorität und
die Achtung, die ihm von* allen Seiten auf wissenschaftlichen Gebieten ent-
gegengebracht wurde, sowie seine absolute Intaktheit als Mensch.
V. hat sich in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit niemals von irgend
einer Tendenz leiten lassen. Er hat sich nie gefragt, was ihm diese oder
jene Arbeit persönlich für einen Nutzen bringen könnte, oder welchen un-
mittelbaren Wert das Resultat einer solchen Arbeit haben könnte. Jede neu
beigebrachte Tatsache erschien ihm von Bedeutung, und es hat sich heraus-
gestellt, daß er darin vollkommen Recht hatte, denn er konnte seine wissen-
schaftliche Tätigkeit einsetzen, wo er wollte, überall stellten sich früher oder
später die Beziehungen zum praktischen Leben heraus.
V. hat Jahre lang an der Spitze der deutschen anthropologischen Wissen-
schaft gestanden, auch abgesehen von seiner Tätigkeit als Vorsitzender der
anthropologischen Gesellschaft Berlins. Er hat sich selbst in zahlreichen
anthropologischen Forschungen und Untersuchungen betätigt. Sein Haupt-
studium galt der Schädellehre, die ursprünglich bei ihm auch vom medizinischen
Standpunkt aus sein Interesse fesselte und sich anschloß an Untersuchungen
über Mikrocephalie, Kretinismus usw. Aber in der Anthropologie ging er
auch vielfach in das Fach der Archäologie und Ethnologie über, und er hat
in dieser Beziehung sowohl über historische als auch prähistorische Fragen eine
Reihe hervorragender Leistungen zu verzeichnen.
Seine politische Tätigkeit entsprang, wie oben schon bemerkt, ebenfalls
medizinischen Studien. Sie begann mit den Untersuchungen des Hunger-
typhus in Schlesien und im Spessart, und V. gewann bei diesen Gelegenheiten
die ersten Erfahrungen über kommunale Einrichtungen und soziale Ver-
hältnisse. Er ist sein ganzes Leben hindurch in der Politik in der Opposition
geblieben, wie man wohl sagen muß, durch ein eigentümliches Verharrungs ver-
mögen auf seinem Achtundvierziger-Standpunkt. Man hat ihm diese Opposition
vielfach irrtümlich als staatsfeindlich vorgeworfen, und besonders ist das in
Kreisen geschehen, die zu den wissenschaftlichen keine Beziehung hatten
und V. persönlich nicht genügend kannten. Denn es konnte keinen Menschen
geben, der von größerem Patriotismus durchdrungen war wie V., und er
hatte bei seinen (auch oft, wie die Zukunft lehrte, nicht richtigen) politischen
Ideen stets die patriotischste und idealste Anschauung, ja man kann geradezu
sagen, daß er sich in dieser Beziehung selbst in seinem höheren Alter noch
einem merkwürdigen Optimismus hingab, indem er in mancher Beziehung
ß60 Virchow.
Einrichtungen zu schaffen hoffte, die in Wirklichkeit Utopien sind. Darauf bezog
sich auch seine Vorstellung, daß internationale Vereinigungen ein Unter-
stützungsmittel des internationalen Friedens seien. Obwohl er nun politisch
in der Opposition stand und sich dadurch viele erbitterte Feinde geschaffen
hat, so wurde ihm doch von keiner Seite die Achtung versagt und allgemein
seine Tätigkeit auf allen denjenigen Gebieten anerkannt, in denen er aktiv
an politischen Dingen teilnahm. Es war bewunderungswürdig, wie er sich
z. B. in das ihm ganz fern liegende Gebiet der Etatsberatungen eingelebt
hatte. Auch sonst hat er in den Kommissionsberatungen eine ausgedehnte
und wichtige Tätigkeit entwickelt.
Es darf hier nicht vergessen werden, wie V. sich bei besonderen Ge-
legenheiten auch stets in den Dienst des Vaterlandes stellte, z. B. während
der Kriege, und wie er bei dem deutsch-französischen Kriege die ersten
Lazarettzüge mit Unterstützung von Privatmitteln organisierte zur Evakuierung
der Feldlazarette, eine Maßnahme, die späterhin vorbildlich geworden ist.
Ganz Hervorragendes hat V. in der kommunalen Tätigkeit geleistet.
Schon in jungen Jahren in die Stadtverwaltung Berlins gerufen, war er lange
Zeit hindurch die maßgebende Persönlichkeit für die hygienischen und
sanitären Einrichtungen Berlins. Er war wesentlich beteiligt bei der Gründung
der großen städtischen Krankenhäuser und ganz besonders bei der Anlegung
der Wasserleitungen und der Kanalisation. Die Einführung der letzteren in
Berlin ist ganz vorzugsweise V.s Verdienst, und wieviel Nutzen dadurch für
das große Gemeinwesen entstanden ist, ergibt sich daraus, daß Berlin vor
dieser Einrichtung wenig erfreuliche Sterblichkeitsverhältnisse darbot, während
nachher die Stadt zu den gesündesten Großstädten der Welt gerechnet werden
konnte. Speziell ist der Typhus hier in Berlin ebenso wie in anderen Städten,
wo die Kanalisation eingeführt worden ist, so zurückgegangen, daß er heut-
zutage zu den selteneren Krankheiten gehört und Epidemien wie in früherer
Zeit gar nicht mehr beobachtet werden.
Wie sehr die einzelnen Leistungen V.s sich aus seinem Charakter er-
geben, beweisen auch die großen Sammlungen, die er angelegt hat. Er war
in jeder Beziehung ein Sammelgenie. Wie in seinen wissenschaftlichen
Arbeiten alles .schließlich auf die Sammlung einzelner Tatsachen heraus-
kommt, und wie er in seinem Gedächtnis alle diese einzelnen Erfahrungen
und Tatsachen aufsammelte, so hat er zwei große Sammlungen von hervor-
ragender Bedeutung geschaffen, die eine ist die pathologisch-anatomische
Sammlung und die andere die anthropologische. Die pathologisch-anatomische
ist die größte Sammlung der Welt. Lange Zeit durch den engen Raum, der
ihm zur Verfügung stand, an einer zweckmäßigen und anschaulichen Auf-
stellung gehindert, wie solche Sammlungen sich z. B. in England dem Be-
schauer darstellen, hat er es noch in seinem Alter erlebt, daß dieser Sammlung
ein palastartiges Gebäude errichtet wurde, in dem die einzelnen wertvollen
Objekte derselben nun voll zur Geltung kommen. Die anthropologische
Sammlung hat er in verschiedener Weise besonders gefördert, erstens durch
vielseitige Beziehungen zu den Reisenden und Forschern, die durch seine
Vermittlung und auf seine Veranlassung der Sammlung Zuwendungen machten,
dann aber dadurch, daß er eine ihm bei einer feierlichen Gelegenheit über-
reichte Stiftung in den Dienst der Anthropologie stellte, aus der dann wiederum
Virchow.
361
eine Sammlung resultierte. Der Wert dieser Sammlungen und besonders der
pathologisch-anatomischen ist ein ganz unberechenbarer, sowohl für den
Unterricht wie auch für die Forschung. Die Arbeit, die er darin leistete,
kann nur derjenige verstehen, der selbst Sammlungen angelegt hat und der
weiß, wie V. eigenhändig sämtliche Eintragungen und Aufstellungen in der
Sammlung besorgte. Es muß außerdem hier noch erwähnt werden, daß auch
kleinere Sammlungen von nicht unerheblichem Interesse V. zu verdanken
sind, z. B. die deutsche Trachtensammlung, in der er schätzbares Material
vereinigte, das Gefahr lief, verloren zu gehen und dadurch sich zukünftigen
Studien entzogen hätte. V. hat auch nicht geringen Anteil an den ethno-
graphischen Sammlungen Berlins, und es sind durch seine Vermittlung viele
hervorragende Stücke zugeflossen. Ganz besonders gilt das von der Schlie-
mannschen Sammlung, auf deren dauernden Verbleib in Berlin V. durch seine
Freundschaft mit Schliemann und durch sein frühzeitiges Erkennen von
dessen Bedeutung nicht geringen Einfluß hatte. Auch in der Gründung der
oben erwähnten Zeitschriften kommt dieser Sammlungstrieb zum Ausdruck.
Es ist selbstverständlich, daß ein Mann von so vielseitiger und an-
strengender Beschäftigung keine ausgedehnte Geselligkeit pflegen konnte.
Aber wo sich ihm die Gelegenheit dazu bot, ging er derselben durchaus
nicht aus dem Wege, und er war dann von einer Liebenswürdigkeit des
Umganges und einer anspruchslosen Gemütlichkeit, die ihm sofort alle Herzen
gewann. Auch im Kreise seiner Kollegen verweilte er oft und lange im
Anschluß an wissenschaftliche Sitzungen, besonders nach der anthropologischen
Gesellschaft und bei Gelegenheit von Kongressen. Im Verkehr mit seinen
Assistenten war V. von außerordentlicher Liebenswürdigkeit und Nachsicht.
Seine besonderen Belehrungen für diese bestanden in häufigen gelegentlichen
Äußerungen und in den regelmäßig zweimal wöchentlich stattfindenden
Demonstrationen des Materials, die die Assistenten ihrem Chef zu machen
hatten und die stets am Tage vor seinen Demonstrationskursen stattfanden.
Aber auch abgesehen davon war V. für besondere wissenschaftliche Fragen,
die die Assistenten an ihn zu stellen hatten, stets zugänglich und zeigte
dabei die größte Geduld. Die Freiheit der Wissenschaft war für ihn das
höchste Prinzip, und er ging darin so weit, daß er auch die Arbeiten seiner
Schüler und Assistenten nicht beeinflußte, wenn dieselben diesen Einfluß
nicht selbst suchten. So war es möglich, daß wiederholt Assistenten von
ihm auf Grund ihrer Untersuchungen Ansichten veröffentlichen konnten, die
nicht mit denen ihres Chefs übereinstimmten. Allerdings verlangte er in
solchem Falle auch eine streng wissenschaftliche Begründung.
Aus allen diesen Betrachtungen geht hervor, daß V. einen außerordent-
lichen Einfluß ausübte nicht bloß auf seine nächste Umgebung und auf die
wissenschaftliche Welt, sondern ganz allgemein. Er war eine populäre Natur
und selbst manche seiner wissenschaftlichen Arbeiten sind weit über die
Kreise hinaus gelesen und bekannt geworden, für die sie ursprünglich bestimmt
waren. Und so wird nicht nur sein Name, sondern auch sein Werk in das
Buch der Geschichte unverlöschlich eingetragen sein, und spätere Zeiten
werden ihn zusammen mit den hervorragendsten Männern ärztlicher Wissen-
schaft nennen, mit Hippokrates, Vesal und Morgagni. v. Hansemann.
Ergänzungen und Nachträge.
Stalle, John Bernhard, ein hervorragender deutsch-amerikanischer Bürger,
Gelehrter und Philosoph, * i6. März 1823 in dem kleinen Dorfe Sierhausen bei
Vechta im Oldenburgischen, f 6. Januar 1900 in Florenz. — Der Vater des Ver-
storbenen war ein armer Landschul lehrer, der nicht einmal die Mittel besaß,
seinen Sohn auf das Gymnasium zu schicken. Der Vater unterrichtete daher
selbst den Sohn in der Mathematik und ließ ihn von zwei Geistlichen eines
benachbarten Ortes, die beide Schüler seines Großvaters gewesen waren, Unter-
richt in den alten Sprachen geben. Da aber keine Aussicht war, daß St.
eine Universität beziehen konnte, so wanderte er in seinem 17. Jahre nach
Amerika aus. Nicht lange nach seiner Ankunft in Cincinnati kamen franzö-
sische und belgische Jesuiten dahin, um ein seit mehreren Jahren bestehen-
des Lyzeum, das »Athenäum«, in ein sogenanntes College umzuwandeln. Sie
suchten einen Lehrer der deutschen Sprache und der junge St. meldete sich
mit dem Anerbieten, den deutschen Unterricht zu übernehmen, wenn ihm
Gelegenheit geboten würde, seine Studien in der Mathematik und im Grie-
chischen fortzusetzen. So war St. denn von 1840 bis 1844 halb Schüler, halb
Lehrer an dem neuen Institut, an dem er in den beiden letzten Jahren statt
der deutschen Sprache besonders Mathematik lehrte. Im Herbst 1844 wurde
er als Lehrer der Mathematik und Physik an das St, Johns College in New
York berufen, wo er nach drei Jahren auf den Rat eines Freundes den
Entschluß faßte, Jurist zu werden. Zu diesem Zweck besuchte er im Winter
1847 eine sogenannte Law-School, setzte dann seine juristischen Studien auf
dem Bureau eines alten Advokaten fort und machte schon 1848 sein Examen.
Nach vier Jahren wurde er vom Gouverneur des Staates als Richter des
Common Pleas Gerichtes in Cincinnati ernannt, und im Herbste 1852 vom
Volke für diese Stelle gewählt, die er indes 1855 vor Ablauf seines Amts-
termins niederlegte, um sich von neuem der juristischen Praxis zu widmen,
der er dann bis zum Jahre 1885 ohne Unterbrechung obgelegen hat. Im
letztgenannten Jahre schickte ihn der Präsident Cleveland als Gesandten der
Vereinigten Staaten nach Rom. Im Jahre 1889 kamen die »Republikaner«
wieder ans Ruder und damit hatte seine Mission ein Ende. St. zog sich nun
nach Florenz zurück, wo er in Erfüllung eines Jugendtraumes in anregendem
Verkehr seiner Neigung für Kunst und Wissenschaft lebte. Am 6. Januar
1900 starb hier St. mit Hinterlassung einer schwer leidenden Witwe und
zweier Kinder, einer Tochter in Florenz und eines Sohnes, Advokaten in
Cincinnati.
Stallo. Herrfurth. ^6^
Das Werk, durch das St. in Deutschland bekannt geworden ist, ist y*The
Concepts and Theories 0/ modern PAysies«, das zuerst im November 1881 erschien
und in Amerika und England große Verbreitung fand. Auch eine französische
Ausgabe erschien. Seinem eigentlichen Publikum, den philosophisch und
naturwissenschaftlich gebildeten deutschen Lesern, ist das Buch erst durch
die Übersetzung des Prof. Dr. Kleinpeter bekannt geworden ; es erschien unter
dem Titel: »Die Begriffe und Theorien der modernen Physik von J. B. Stallo.«
Nach der 3. Auflage des englischen Originals übersetzt^ und herausgegeben
von Dr. Hans Kleinpeter. Mit einem Vorwort von Ernst Mach. Mit einem
Porträt des Verfassers. Leipzig 1901. Verlag von Joh. Ambr. Barth. 8°; XX
u. 332 S. — Ein anderes Werk St.s sind seine »Abhandlungen, Reden und
Briefe«, die zu New York bei E. Steiger 1893 in einem stattlichen Bande er-
schienen sind. Ernst Mach wünscht von demselben: »Möchten dieselben auch
von den Deutschen Europas gelesen werden! Möchten sich diese daran er-
freuen, zu sehen, wie ein Sproß deutschen Stammes sich in freier Luft ent-
wickelt hat!«
Ausführliche biographische Daten finden sich außer in dem genannten Vorworte
Machs in dem Werke des mit Stallo befreundeten Ex-Gouverneurs Gustav Kömer: »TAe
German Element in America*, und eine vortreffliche Charakteristik gibt Th. J. McCorraack
in seinem Artikel: John Bernhard SuUlo, American Citisen, yurist and Philosopher {Tfie
Open Court, May igoo), W. Wolkenhauer.
Herrfurth, Ernst Ludwig,') * 6. März 1830 zu Oberthau im Kreise
Merseburg, f 14- Februar 1900 zu Charlottenburg, bekannt unter dem (von
Bismarck ihm tadelnd beigelegten) Namen des »statistischen Ministers«. —
H. studierte in Jena und Berlin Kameralia, bestand die Examina für höhere
Verwaltungsbeamte (1858 das Examen als Regierungsassessor). Seine Be-
amtenlaufbahn spielte sich an den beiden Orten Arnsberg (Regierungshaupt-
stadt für die industrie- und volkreiche Grafschaft Mark in Westfalen) und in
Berlin ab. Im Jahre 1873 zum vortragenden Rat nach Berlin berufen, zeich-
nete er sich durch Kenntnisse, namentlich auf dem Gebiete der Statistik
des Versicherungswesens und der Gemeindebesteuerung aus. So avancierte
er 1881 zum Ministerialdirektor und schon im folgenden Jahre zum Unter-
staatssekretär im Ministerium des Innern. In letzterer Stellung wurde er der
Vorsitzende der Prüfungskommission für das Regierungsassessor-Examen.
Mit dem politischen und dem parlamentarischen Leben war er bis 1888 kaum
in Berührung gekommen und wie hoch auch in der bureaukrati sehen Staffel
seine Ämter standen, so gehörten sie nicht zu denjenigen, aus denen man
die Minister entnimmt. Mutmaßlich wäre H. auch nie Minister, zumal
Minister des Innern geworden, wenn nicht im Jahre 1888 ein ganz unvorher-
gesehenes und in Preußen kaum je dagewesenes Ereignis eingetreten wäre.
Am 9. März 1888 kam Kaiser Friedrich auf den Thron bis 15. Juni 1888 und
es bestand die Ära der hundert Tage. Zu den ersten und wichtigsten
Regierungshandlungen Kaiser Friedrichs gehörte, daß er in sehr ungnädiger
Weise den damaligen Minister des Innern und zugleich den Chef H.s, näm-
lich V. Puttkammer, entließ und zu dessen Nachfolger H. ernannte. Die
») Totenliste 1900 Band V 95 •.
^64 Herrfurth.
Stellung als Minister des Innern gab H. Gelegenheit, sich in den Landtag
wählen zu lassen. Er gehörte von 1888 bis 1893 dem Abgeordnetenhause
an. Als Parlamentarier trat er im Jahre 1892 hervor, um (nach seiner Ver-
abschiedung als Minister) ohne Erfolg die Miquelschen Steuerreformpläne
zu bekämpfen.
Wenn wir uns nach den Taten seines Lebens umsehen, so müssen wir
zunächst verschiedene Schriften (mehr statistischer Natur) hervorheben: »Die
Ausführung des Art. 17 der preußischen' Verfassungsurkunde« (Aufhebung des
Kirchenpatronats), Berlin 1892, »Beiträge zur Finanzstatistik der Gemeinden
in Preußen«, ebend. 1879, »Finanzstatistik der Kreise des preußischen Staats«
(mit dem jetzigen Kultusminister Studt), ebend. 1888, »Die Heranziehung
der Versicherungsgesellschaften zu den Gemeindeabgaben in Preußen« (ebend.
1880), »Beiträge zur Finanzstatistik der Gemeinden in Preußen« (mit E. von
der Brincken), ebend. 1882, »Statistik der Kreisabgaben in Preußen« (ebend.
1882), »Das Gesetz betreffend die Befähigung für das höhere Verwaltungs-
recht vom II. März 1879« (2. Aufl. ebend. 1884), »Beiträge zur Finanzstatistik
der Gemeinden in Preußen« (mit W. von Tzschoppe, ebend. 1884), »Kom-
munalabgabengesetz« (mit F. Noell), »Die Kommunalabgabenpflicht der
Aktiengesellschaften usw. in Preußen nach dem (Notkommunalabgaben-)
Gesetz vom 27. Juli 1885« (ebend. 1886), »Die kommunale Besteuerung der
Feuerversicherungspolizen in Preußen« (ebend. 1895), endlich ein Aufsatz in
No. I der deutschen Juristenzeitung vom Jahre 1898 über »Legislaturperiode«.
Kann man allen diesen Arbeiten H.s Fleiß, Sorgfalt und Zuverlässigkeit
nicht absprechen, so würden sie doch nicht ausgereicht haben, ihrem Urheber
eine allbekannte und besonders hervortretende Bedeutung zu verschaffen.
Diese erlangte H. durch ein untrennbar mit seinem Namen verbundenes, hoch-
wichtiges Gesetz, nämlich »die Landgemeindeordnung für die sieben
östlichen Provinzen der Monarchie vom 3. Juli 1891«. Es ist dies
eins der wichtigsten Organisationsgesetze der inneren Verwaltung in Preußen
und bildet zugleich den Abschluß der Reform der inneren preußischen .Ver-
waltung, die mit der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 begann. Es
würde den Rahmen der Darstellung überschreiten, wollte man näher auf die
Landgemeindeordnung eingehen. Es mag daher genügen, die treffende
Charakteristik in dem Werke Keils wiederzugeben: »Die Landgemeinde-
ordnung sprengt die landrechtliche Realgemeinde, erweitert den Kreis der
vollberechtigten Gemeindegenossen durch den Zutritt von Nichtangesessenen
und schafft somit, indem sie Pflichten und Rechte innerhalb der Kommune
in ein billiges Verhältnis bringt, der Selbstverwaltung eine breitere Basis,
die allein geeignet ist, als Ausgangspunkt einer gesunden Weiterentwicklung
zu dienen. Nur die Ausfüllung des Rahmens will die Landgemeindeordnung
geben, die in die Kreisordnung in bewußter Rücksicht auf eine spätere
Neugestaltung der kommunalen Verhältnisse kunstvoll zusammengefügt wurde,
Sie bildet somit das letzte Glied einer Entwicklung, die dazu bestimmt war,
die Provinz, den Kreis, die Stadt, die Landgemeinde und den Gutsbezirk als
deutsch-rechtliche Selbstverwaltungskörper nicht allein zueinander, sondern
auch ihrer inneren Ausgestaltung nach in eine gesetzliche Ordnung zu bringen
und ihnen als Verwaltungsgebilde des selfgovemment mit rein obrigkeitlichen
Funktionen den Regierungsbezirk und das Amt organisch anzugliedern.«
Herrfurth. Muller. 365
Es ist ohne weiteres klar, dafi ein so tief in alle wirtschaftlichen und
politischen Interessen eingreifendes Gesetz nur nach langen und schweren
parlamentarischen Kämpfen zustande kommen konnte. Diese Kämpfe hatte
H. namentlich mit dem rechten Flügel der konservativen Partei und vor
allem mit seinen eigenen Organen, den Landräten, zu bestehen. Seines end-
lichen Sieges (206 : 99 im Abgeordnetenhause, 99 : 39 im Herrenhause) sollte
sich H. nicht lange erfreuen. Denn bald nach der Verabschiedung der
Landgemeindeordnung, die ihm den Haß der feudal-agrarischen Kreise un-
auslöschlich zugezogen hatte, erfolgte am 9. August 1892 seine Entlassung
als Minister, ob wegen dieses Hasses oder weil er der Miquelschen Steuerreform,
vor allem der Miquelschen Grundsteuerreform, nicht zustimmte, wird wohl
stets unaufgeklärt bleiben.
Die Abneigung der feudalen Kreise hat ihn dann bis zu seinem Tode
begleitet. Auf ihn hat man in diesen Kreisen auch das Wort vom »Familien-
sinn« der Minister geprägt, um anzudeuten, daß er Verwandte in Staats-
ämtern nicht unberücksichtigt ließ — gewiß nicht ohne Übertreibung,
immerhin mit einer gewissen Wirkung.
Ein abschließendes Urteil über die Landgemeindeordnung läßt sich zur-
zeit nicht geben. Sie hat weder die Besorgnisse ihrer Gegner noch die
Hoffnungen ihrer Freunde voll erfüllt. Sie gehört zu den Gesetzen, die erst
allmählich ihre Wirksamkeit entfalten können, zumal sie die Gemeinden,
namentlich in den ärmeren Gegenden des Staates, erst zur Selbstverwaltung
erziehen muß. Immerhin wird sie bestehen bleiben und als eines der be-
deutendsten Gesetze für die innere Verwaltung Preußens ein Zeichen der
hohen Bedeutung ihres Urhebers sein, dem seine Gegner wohl Unrecht tun,
wenn sie von ihm zu sagen pflegen, er sei das beste Beispiel dafür, daß
jemand ein guter Unterstaatssekretär und ein unzulänglicher Minister sein
kann. So darf denn auf das Grab des bürgerlichen und »statistischen«
Ministers des Innern eine Palme unvergänglicher Anerkennung und Dank-
barkeit niedergelegt werden. H. war ein Beamter vom altpreußischen
Schrote ohne Fehl und Tadel. Arndt.
Müller, N. J. Carl, Dr. phil., Geheimer Regierungsrat, * 12. Juli 1842 in
Wiesbaden, f 12. Januar 1901 in Münden. — Bis zu seinem 15. Lebensjahre
besuchte M. eine Privatschule, worauf er sich dem Apothekerberufe zuwandte.
Um Ostern 1864 bezog er die Universität Heidelberg, an welcher er durch
zwei Jahre naturwissenschaftlichen Studien oblag und bereits am 9. Februar
1866 *insigni cum laude<t^ promovierte. Nach Verlauf eines halben Jahres er-
warb er an derselben Universität die venia legendi für das Gesamtgebiet der
Botanik. Nach sechsjähriger Tätigkeit als Privatdozent, in welche Zeit eine
Reihe hervorragender Arbeiten fallen, leistete er Ende des Sommersemesters
1872 einer Berufung als Professor an die k. Forstakademie in Münden (Hannover)
Folge, welche Stelle er bis zu seinem Tode bekleidete.
Seine Lehrtätigkeit umfaßte Vorlesungen aus dem Gesamtgebiete der
Botanik (Systematik, Physiologie und Anatomie), sowie die Leitung mikroskopi-
scher Praktika und botanischer Exkursionen.
»Mit Müller«, so äußert sich Weise, »ging eine jener ehrfurcht-
gebietenden Gestalten aus dem Leben, die den echten deutschen Gelehrten
366 MüJler. Haessel.
der älteren Zeit verkörperten. Ausschließlich lebte er seiner Wissenschaft,
keine andere Lebensfreude kannte er als die, welche wissenschaftliche Forschung
bietet. Mit fortschreitendem Alter zog er sich mehr und mehr zurück und
das einzige Band, welches ihn mit dem frisch pulsierenden Leben der Gegen-
wart schließlich verband, bildete der Verkehr mit der akademischen Jugend
in Vorlesungen und Exkursionen.«
Eine Lungenentzündung, welche sich zu einem langwierigen Herzleiden
gesellte, machte seinem arbeitsfreudigen Leben ein jähes Ende. Unvermählt,
von wenigen Freunden betrauert, verschied er an der Stätte seiner langjährigen
Tätigkeit.
So schlicht M.s Leben nach außenhin verlief, so vielseitig gestaltete sich
seine wissenschaftlich-literarische Tätigkeit. Eine gründliche Beherrschung der
mathematisch-physikalischen Methoden, scharfsinnige Experimente und origi-
nelle Darstellungsweise charakterisieren seine Arbeiten, welche ihm einen
ehrenvollen Platz in der Geschichte der Pflanzenphysiologie sichern.
Abgesehen von zahlreichen fachwissenschaftlichen Abhandlungen, welche
teils in verschiedenen Zeitschriften zerstreut, teils in dem von ihm heraus-
gegebenen Werke »Botanische Untersuchungen« (Heidelberg 1877 — 1879)
niedergelegt sind, verfaßte er ein groß angelegtes Handbuch der Botanik
(Heidelberg 1880), dessen Vollendung ihm leider nicht mehr beschieden war.
Die beiden Bände desselben, von welchen der eine Anatomie und Physio-
logie, der andere Morphologie und Entwicklungsgeschichte der Gewächse be-
handelt, zeugen von seiner vielseitigen Erfahrung und seinem tiefen Eindringen
in die behandelten Probleme. Wenngleich manche der hier entwickelten An-
schauungen fortschreitender Erkenntnis weichen mußte, so werden M.s wissen-
schaftliche Arbeiten dennoch durch die Fülle anregender und durchaus
origineller Ideen dauernden Wert behalten.
W. Weise, Nachruf für C. Müller in »Mündener forstliche Hefte«, XVII, Berlin 1901,
S. 179. — Herrn Oberforstmeister Weise, Direktor der kgl. Forstakademie in Münden, sowie
dem Rektorate der Universität Heidelberg hin ich für die Übermittlung der oben mitgeteilten
biographischen Daten aus Müllers Leben zu großem Danke verpflichtet Ebenso verdanke
ich Herrn Dr. Cieslar in Mjiriabrunn einige auf Müller bezügliche Auskünfte.
Wien. K. Linsbauer.
Haessel, Hermann Adolf, ') Buchhändler, * 26. März 1819 in Leipzig,
t 8. Februar 190 1 ebenda. — H. besuchte die Freischule seiner Vaterstadt.
Seine Jugend stand ihm später als eine gedrückte, kümmerliche Zeit in der
Erinnerung; der Vater war mittellos und gezwungen, als gelernter Brauer be-
scheidenem Erwerb in einer Weinessigfabrik nachzugehen; auch die von
Sorgen für die zahlreiche Kinderschar bedrängte Mutter konnte trotz aller
Mutterliebe nicht an Zärtlichkeiten für den Sohn denken, so daß dieser
überhaupt nur einmal einen Kuß von ihr erhalten zu haben sich entsann, —
am Tage seiner Einsegnung. Der eine Kuß aber genügte, ihm der Mutter
Bild und Andenken unvergeßlich zu machen. Die Geschwister hatten eben-
falls frühzeitig zum Unterhalt der Familie beizutragen; H. selbst wurde nach
Beendigung seiner Schulzeit, 1834, Laufjunge, und als sein Dienstherr auf
0 Totenliste 1901 Bd. VI 41 ♦.
Hacsscl, J67
den geweckten Knaben aufmerksam geworden war, Lehrling bei dem Buch-
händler Leopold Voß in Leipzig. Aber selbst noch dem jungen Gehilfen
würde es als eine unerlaubte Verschwendung erschienen sein, P'eiertags auch
nur efne Tasse Kaffee in einem Wirtschaftsgarten einzunehmen; er hatte eben
nicht für sich allein zu sorgen. Und dieser Verzicht war nicht einmal der
schlimmste für ihn; härter beschwerte es ihn, daß er sich auch manches
geistige Genießen versagen mußte, teils weil es an der Zeit, teils weil es,
bei seiner guten, aber nicht umfangreichen Schulbildung, an den Verständnis-
zugängen fehlte. Durch seine Naturanlage und Berufsbeschäftigung dem
Interesse an den Wissenschaften und der schönen Literatur angenähert, sah
er sich gleichzeitig durch die dürftige materielle Lage immer wieder von
ihnen abgerückt; mit Mühe verschaffte er sich ein paar Hilfsmittel zum
Selbststudium. Zunächst suchte er sich diejenigen Kenntnisse anzueignen,
durch welche er sich in seiner Erwerbstätigkeit zu einer freieren Stellung
emporzuarbeiten hoffen durfte; er gab sich eifrigen Sprachübungen hin, auch
solchen der russischen Sprache, aus Rücksicht auf die Petersburger Kundschaft
des Voßschen Geschäftes. Entsprechend seinen wachsenden Fertigkeiten
stieg jetzt sein Gehalt; beide Eltern starben um das Jahr 1840; die Ge-
schwister waren selbständig und versorgt; so konnte er sich schon eher
einmal einen Theater-, Konzert- oder Museumsbesuch gönnen. Sein Gesichts-
kreis wuchs hierdurch bedeutend, und seine geistige Regsamkeit und der
ihm angeborene gute Geschmack halfen dem jungen Autodidakten weiter
vorwärts; bezeichnend ist, wie ein Mann wie Heinrich Laube, mit dem er
wegen einer Bücherbestellung zu unterhandeln hatte, ihn nach wenigen mit
ihm gewechselten Worten, auf seinen Anblick und sein Auftreten hin, er-
munterte, sich nach Gefallen seiner Büchersammlung zu bedienen; und wie
der fleißige Gebrauch, den H. sofort von dieser Erlaubnis machte, mit der
Zeit aus der Bekanntschaft eine Freundschaft werden ließ, bei welcher der
jüngere durchaus nicht der allein gewinnende Teil war. Besonders förderte
ihn jedoch die Reise, die er für Leopold Voß vom Juni bis November 1849
nach Rußland unternahm. Sie führte ihn bis nach Nischni Nowgorod und
Kasan, bis Odessa und in die Krim, brachte ihn sowohl mit den russischen
Buchhändlern wie mit zahlreichen Gelehrten in Berührung, stärkte durch
ihren guten geschäftlichen Erfolg sein Selbstvertrauen, und zeigte durch die
in der Augsburger Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Reisebriefe das
tüchtige Wesen, die sich vollendende Bildung des jungen Buchhändlers an.
1854 übernahm dieser, der schon im vorhergehenden Jahre von Voß in die
Buchhandlung von Georg Wigand übergetreten war, das von letzterem be-
gründete Kommissionsgeschäft und führte es unter seinem eigenen Namen
fort, gehemmt, aber nicht entmutigt durch den plötzlichen Tod seines
Schwagers Sorgenfrey, dessen Witwe und drei Waisen er in seinem eigenen
Heim Unterhalt bot. So ist er selbst freilich Junggeselle geblieben; erst
diese Fürsorge für die Verwandten, später das zunehmende Alter werden ihn
von der Ehe zurückgehalten haben; er war jedoch einer von jenen Jung-
gesellen, welche trotz ihres Hagestolzentums die guten Frauen gern leiden
mögen, und selbst von ihnen gut gelitten sind. Auch dürfte er um dieses
sein Schicksal umso weniger zu beklagen sein, als er in dem einen der
Neffen, deren er sich damals väterlich annahm, später einen langjährigen
2 58 Haessel.
Mitarbeiter gefunden hat, während die Nichte die treue Walterin seines
Hausstandes bis zu seinem Tode geblieben ist. Als H. nun die ihm durch
den unerwarteten Schicksalsschlag vermehrte Sorgenlast einigermaßen den
Berg hinaufgewälzt hatte und sah, daß sein Kommissionsgeschäft in Blüte
kam, suchte er es, wie sich seinen Neigungen nach erwarten ließ, durch einen
Buchverlag zu erweitem; auch dieser hat sich aus bescheidenen Anfängen
heraus reich entwickelt. Es mag genügen, hier nur einen der Namen zu
nennen, welche unter dem Medusen- Verlagssignum weltbekannt geworden
sind: den Conrad Ferdinand Meyers. Der große Schweizer ward, fast am
Anfang seiner Laufbahn als Dichter, im Jahre 1865 durch seine Schwester
mit H. bekannt, gab ihm 1870 die »Romanzen und Bilder« in Verlag, und
seither jedes seiner neuen Werke. Und nicht nur in Buchhandel waren
beide Namen eng verbunden, auch die Männer standen sich freundschaftlich
nahe. H., der noch gern größere Reisen unternahm, selbst noch im letzten
Jahrzehnt seines Lebens Bosnien und die Herzegowina aufsuchte, sprach
wiederholt in der Schweiz bei Meyer vor. Er war sich bei aller Bescheiden-
heit doch bewußt, daß in diesem Falle vom Ruhme des Dichters mit Recht
ein Schimmerchen auch den Verleger streifte; denn es war nicht Laune,
sondern kluge Prüfung gewesen, die H. ermutigt hatte, Verse zu drucken,
welche ein anderer schon deshalb zurückgewiesen hatte, weil sie unter dem
»unmöglichen Dichternamen Meyer gingen«. — Und jeden materiellen Vor-
teil, den er aus einem buchhändlerischen Erfolge zog, setzte der tätige
Mann alsbald wieder für einen anderen Versuch ein, es mit einem neuen,
oft unbekannten Autor wagend. Nicht immer konnte es gelingen; allein jenes
H. zu seinem achtzigsten Geburtstage überreichte, als Manuskript gedruckte
Sammelbändchen »Allerhand Leute«, — eine Zusammenstellung von Autoren-
und Freundesbeiträgen als Ausdruck des Dankes und liebenden Gedächt-
nisses, — zeigt doch den Namen manchen Mannes, von dem gefeiert zu
werden sich der einstige Laufbursche wohl schwerlich träumen ließ. Nun
war er freilich ein alter Herr geworden; etwas ausgesprochene Sparsamkeit
legte er von Zeit zu Zeit wohl immer noch an den Tag, und so mildtätig
seine Hand Armen gegenüber zu sein pflegte, so sorgend er seinen Sonntags-
mittagstisch einem Kreis junger, meist wenig bemittelter Leute, — Buch-
händler, Studenten, Musiker, — zu decken liebte, häufig war er auch über
Gebühr lebhaft und eigensinnig; wer sich, wie er, seinen Weg selbst öffnen
mußte, dem kann es nicht gegeben sein, im Alter allein den Gemütsmenschen
vorzustellen. Denn noch erfreute er sich seiner vollen geistigen Frische, und
auch die Körperkräfte ließen ihn immer noch als einen besonders aus-
dauernden Wochentagsarbeiter, ungewöhnlich rüstigen Feiertagsspaziergänger
gelten. W^enn er auch nicht selbst mehr im Männerchor mitsang, die
Konzerte besuchte er wie früher, ebenso die Vorträge im Kunstverein, und
mit rührender Treue seinen italienischen Sprachklub. Aber im folgenden
Jahre kam doch die letzte Krankheit und der Tod. Wie das Leben gewesen,
so war auch das Begräbnis: schlicht, und doch durch die Teilnahme vieler
verschönt.
Die Reisebriefe Haessels sind wieder abgedruckt, von Bildnis, Lebensabriß und Ver-
lagsverzeichnis ergänzt, in dem Büchlein »Hermann Haessel, ein deutscher Buchhändler«,
das in dem Hässelschcn Verlage erschien; ein RomanbruchstUck Haessels, »Der Eisgang«»
Haessel. Janke. 300
wurde schon zu seinen Lebzeiten veröffentlicht (in Buchform im Verlag von Georg Heinrich
Meyer, Berlin). Es trägt als Verfasserbezeichnung das Pseudonym H. Saß. Schliefilich sei
als Material zur Biographie und Charakteristik noch der kleine Nachruf im Börsenblatt für
den deutschen Buchhandel, 1 6. Februar 1901, erwähnt.')
Janke, Gustav,^) Dr., Buchhändler, * 13. Januar 1849 in Potsdam,
t II. Februar 1901 in Berlin. — Als zweiter Sohn des bekannten großen
Romanverlegers, späteren Kommerzienrates Otto Janke geboren, genofi J.
seine erste Schulbildung auf der Döbbelinschen Privatschule in Berlin, wohin
die Eltern bald nach seiner Geburt von Potsdam übergesiedelt waren. Mit
18 Jahren bestand er sein Abiturientenexamen auf dem Friedrich Wilhelms-
Gymnasium, um sich dann von 1868 ab dem Studium der Geschichte und
Literaturgeschichte auf der Universität Marburg hinzugeben. Drei Semester
studierte J. in Marburg, ein weiteres an der Berliner Universität. Dann
bezog er die Universität Göttingen, von wo er mitten aus dem Studium
durch den Ausbruch des französischen Krieges gerissen wurde. In das
Gardefüsilierregiment eingereiht, machte er den Krieg bis zur Belagerung von
Paris mit; auf der Heimkehr überfiel ihn plötzlich eine schwere Lungen-
entzündung, von deren Folgen er sich nie wieder ganz erholt hat. 1871
promovierte er auf der Rostocker Universität mit der Promotionsschrift »Der
Einfluß Suetons auf die historische Richtigkeit Einhards in der vita Caroli*i>
zum Doctor philosaphiae. Nachdem er darauf den Buchhandel unter der
sachkundigen Leitung seines Vaters erlernt hatte, wurde er 1873 dessen
Sozius. 1878 gab der Verlag die Monatsschrift »Deutsche Revue« heraus
und J. übernahm die Redaktion, die ihm Gelegenheit gab, auch in der
Öffentlichkeit hervorzutreten. Nach dem Tode des Vaters, 1885, ging das
Geschäft an Gustav und seinen Bruder Richard Janke über. Während
Richard sich jedoch mehr der Führung der später in eine Aktiengesellschaft
umgewandelten Druckerei widmete, sorgte Gustav vornehmlich für die plan-
mäßige Ausgestaltung des Verlages. Dabei ging er von dem Grundsatz aus,
stets junge, frische Kräfte heranzuziehen. Er gliederte dem Verlage ins-
besondere die Werke der aufblühenden russischen und nordischen Literatur
an, fast alle Schriften Tolstois, Turgenjews und Dostojewskis, an nordischen
Dichtern vornehmlich Björnson, Bergsöe und Jacobsen. Dem Zuge der Zeit
nach Verbilligung der Romane folgend, schuf er die bekannte »Kollektion
Janke«, eine Sammlung wohlfeiler Romane und Novellen, die besonders als
Reiselektüre die weiteste Verbreitung gefunden hat. Auf seine Veranlassung
wurden die billigen Ausgaben von Wilhelm Raabes Schriften herausgebracht
und dadurch der Weg zu dem großen Erfolg gebahnt, den endlich der
70. Geburtstag des Dichters brachte. In der großen Zahl der Schriftsteller,
die er nach und nach in seinen Kreis zog, sind fast alle die Namen ver-
treten, deren Träger als Hauptrepräsentanten der modernen belletristischen
Literatur gelten.
Quellen: Schmidt, Deutsche Buchhändler, III. Band; Korporationsbericht der Berliner
Buchhändler pro 1 901 ; Jubiläums- Verlagskatalog 1 903. Rudolf Schmidt.
>) In den »Biographischen Blättemc II 76 — 78 hat Haessel 1896 auf meine Anregung
»Laube-Historietten«, gezeichnet H. //. mitgeteilt. A. d. H.
*) Totenliste 1901 Band VI 5i*.
BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrulog. 7. Bd. 24
^70 Costenoble. Wahlberg.
Costenoble, Hermann Wilhelm,') Buchhändler, * 20. März 1826 in Magde-
burg, t 25. Februar 1901 in Jena. — Jubilate 1850 begründeten C. und Gustav
Remmelmann in Leipzig durch Übernahme der Vereins-Verlagsbuchhandlung,
damals im Besitze des bekannten Leipziger Verlegers Otto Wigand, eine
neue Firma unter dem Namen Costenoble & Remmelmann. C, im Besitze
einer gediegenen Bildung, mit weitschauendem Blick begabt und ein tüchtiger
Buchhändler, erkannte bald, daß der Boden für eine gediegene Romanliteratur
neben den weiten Gebieten der Kunst und der speziellen Wissenschaften be-
sonders aufnahmefähig in dieser Zeit war. Er konnte das Geschäft umsomehr
nach seinen Wünschen ausgestalten, als Remmelmann bereits 185 1 aus der
Firma austrat. 1863 verlegte C. das Geschäft nach Jena und führte es unter
seinem Namen Hermann Costenoble weiter. Von dem Umfang seines aus-
gedehnten Verlagsgeschäftes, dem er bald eine eigene Druckerei angegliedert
hatte, gibt am besten eine kleine Auswahl seiner Autoren ein Bild. Es seien
folgende Namen genannt: Friedrich Gerstäcker, Ew. Aug. König (29 Romane),
A. von Winterfeld, A. E. Brachvogel, N. von Eschstruth, deren Romane später
in den Verlag von Paul List in Leipzig übergingen, — Louise Mühlbach,
Karl Gutzkow. Ferner aus dem Gebiete der Wissenschaften: Bleibtreus
Literaturgeschichten und Schlachtenschilderungen, Mantegazza, Mothes* Bau-
kunst, A. Bastians ethnologische Forschungen, Pechuöl-Loesche, Schweiger-
Lerchenfeld, John Lubbocks interessante Schriften u. v. a.
Seit Herbst 1901 befindet sich das Geschäft im Besitze des Schwieger-
sohnes des Begründers, Dr. Richard Schroeder, der das Hauptgeschäft nach
Berlin verlegte und nur die Druckerei in Jena beließ. Den Verlag hat der
neue Besitzer hauptsächlich auf dem Gebiete der technologischen Wissen-
schaften ausgebaut.
Quellen: Schmidt, Deutsche Buchhändler, Band I. Rudolf Schmidt.
Wahlberg, Wilhelm Emil,*) Professor des Straf rechtes, * 4. Juli 1824 zu
Prag, f 31. Januar 1901 zu Wien. — W. machte seine Universitätsstudien in Prag
und Wien, wurde 1849 ^""^ Doktor promoviert und habilitierte sich nach
einer Studienreise durch Deutschland, Belgien und Frankreich 185 1 als
Privatdozent des Strafrechtes an der Wiener Universität. 1854 wurde er
dort Ordinarius. Er wurde 187 1 zum Präses der judiziellen Staatsprüfungs-
kommission ernannt. 1872 wurde ihm der Hofratstitel verliehen, 1874/75
war er Rektor der Universität. W. wurde auch wiederholt in den Staats-
gerichtshof gewählt. Im Jahre 1889 legte W., veranlaßt durch einen gegen
ihn ausgesprochenen disziplinaren Tadel des akademischen Senates, sein
Lehramt zurück und trat in den Ruhestand. Er hat in der Schrift »Ein
Disziplinarprozeß vor dem akademischen Senate der Wiener Universität in
der Tagespresse«, Wien 1889, als Manuskript gedruckt, die eigenmächtige
Korrektur eines im Jahre 1874 von ihm erstatteten Referates über die Be-
rufung eines Dozenten wohl mit Unrecht als bloßen Verstoß gegen die
Registratursordnung hinzustellen versucht, es muß aber ausgesprochen werden,
») Totenliste 1901 Band VI 20 •.
*) Totenliste 1901, Band VI iii*.
Wahlberg. ^.7 1
daß sein Verschulden ein geringfügiges war und nicht imstande ist, das Ge-
samtbild seines Charakters zu trüben.
W. war Mitglied der Kommission zur Beratung des Hyeschen Straf-
gesetzentwurfes vom Jahre 1864, aus welcher er mit Glaser im September 1865
wegen der Verfassungssistierung austrat. Es hatten ihn übrigens ebenso wie
Glaser weitgehende Meinungsverschiedenheiten in bezug auf die Ehrenfolgen
und die Einzelhaft von Hye getrennt. Auch der neue Hyesche Entwurf von
1870 wurde ihm vom Justizminister Habietinek im Februar 187 1 zur Begut-
achtung gegeben. Als Glaser seinen Strafgesetzentwurf fertig gestellt hatte,
überwies er, während er sich die Redaktion des allgemeinen Teiles selbst
vorbehielt, 1872 den besonderen Teil den vier Referenten Präsidenten Waser,
Hofrat Khoß, Merkel und Wahlberg. Die Aufgabe war dahin gestellt worden, in
möglichster Annäherung an das deutsche Strafgesetzbuch unter Beibehaltung
gewisser österreichischer Traditionen ein allen zivilisierten Staaten gemein-
sames Strafrecht vorzubereiten. Bekanntlich kam dieser Entwurf ebensowenig
zur parlamentarischen Verabschiedung, obschon er bis 1877 i^^ Beratung
stand, als die auf denselben Grundsätzen aufgebauten Vorlagen der Minister
Praiak von 1881 und Graf Schönbom von 1889, während der in der Haupt-
sache von Wahlbergs Schüler Lammasch bearbeitete letzte Entwurf vielfach
von anderen Gesichtspunkten ausgeht. Auch die deutsche Strafprozeß-
ordnung wurde von W. begutachtet. W. hat seine »Gesammelten kleineren
Schriften und Bruchstücke über Straf recht, Strafprozeß, Gefängniskunde,
Literatur und Dogmengeschichte der Rechtslehre in Österreich« in drei
Bänden in den Jahren 1875, 1877 und 1882 veröffentlicht. Als selbständige
Arbeiten erschienen: »Das Prinzip der Individualisierung in der Straf rechts-
pflege« 1869, »Kriminalistische und nationalökonomische Gesichtspunkte mit
Rücksicht auf das deutsche Reichsstrafrecht« 1872. Der Sammlung der
kleineren Schriften folgte eine Reihe von Arbeiten, darunter in den Juristi-
schen Blättern »Einige in Aussicht genommene Reformen des Strafensystems
in Rußland« 1883, »Julius Glaser als Kriminalist« 1886, » Straf gesetzgebungs-
arbeiten des Justizministers Glaser« 1886, »Der Strafgesetzentwurf Zanardelli
für Italien« 1888, «Die Vorbereitung eines neuen österreichischen Strafgesetz-
buches« 1889, »Über die Freiheitsstrafe im Strafgesetzentwurfe sowie über
die Grundsätze der Internationalen kriminalistischen Vereinigung« 1890, »Die
Entstehungsgeschichte des allgemeinen Jagdpatentes von 1786« 1895. Als
Manuskript ließ er einen Teil seiner Vorlesungen über den besonderen Teil
des Strafgesetzes erscheinen. W. wird von der Richtung der internationalen
kriminalistischen Vereinigung, deren Haupt Franz von Liszt sein Schüler war,
oft als Vorläufer bezeichnet, wohl nur teilweise mit Recht. So sehr er auch
betonte, daß das Verbrechen nicht aus dem übrigen Leben des Übeltäters
ausgeschieden und isoliert behandelt werden dürfe, so darf doch nach ihm
die rechtswidrige Gesinnung nur in dem Umfang vergolten werden, als sie
in der vorliegenden Übeltat zur Erscheinung gelangt. W. war Anhänger der
Vergeltungstheorie, sah die Rechtfertigung der Strafe in der Wiederherstellung
der Herrschaft des Rechtes und suchte zwischen dem von ihm als Materialis-
mus bekämpften Determinismus und dem Indeterminismus einen Mittelweg
in der Annahme der Bedingtheit der Entschließung durch Motive, die aber
Schuld und Strafe nicht aufhebe, sobald die Zurechnungsfähigkeit vorhanden
24*
yj2 Wahlberg.
sei. Die Zurechnungsfähigkeit bestehe dort, wo die Kenntnis des Straf-
gesetzes oder Erkenntnis des mit Strafe bedrohten Unrechtes sich mit der
Fähigkeit dem Unrecht Widerstand zu leisten vereinigt. In unverkennbarem
Anklang an Herbar tische Ideen definiert er die Zurechnungsfähigkeit als
inhärierende Eigenschaft des bereits durch die Motive des Strafgesetzes
bestimmbar gewordenen individuellen Charakters. Am deutlichsten tritt W^.s
bei allen reichen Anregungen und fruchtbaren Ansätzen die Gedankengänge
stets durch unbewußte Kompromisse abbrechende Weise in seiner Behandlung
der Mitschuld der Gesellschaft hervor. Er erkennt eine unentrinnbare
Vorausbestimmung zum Verbrechen aus äußeren Verhältnissen nicht an,
rechnet sogar die Not unter die nicht sozialen, sondern individuellen Motive
des Verbrechens, konstruiert das Verbrechen lediglich aus Motiven der Selbst-
sucht und meint, daß die Affektverbrechen bisher untadelhafter Personen das
Verbrechen über die mechanische Gesetzmäßigkeit der moralischen Statistik
erheben. W.s Bedeutung für die Entwicklung des Straf rechtes liegt darin, daß er
der Individualität des Verbrechers einen größeren Einfluß auf die Behandlung des
Verbrechens einräumen wollte. Insbesondere sollte der Unterschied zwischen
Gelegenheits- und Gewohnheitsverbrechen nicht wie bisher bloß als Milde-
rungs- oder Erschwerungsumstand, sondern als Klassifikationsgrund behandelt
werden. Er verlangte sogar gesonderte Strafanstalten für diese beiden vor
ihm von niemanden in solcher Schärfe geschiedenen Kategorien der Ver-
brecher und fand in Schweden diese Forderung teilweise erfüllt. Es war
eine notwendige Folge der starken Betonung der Persönlichkeit des Übel-
täters, daß W. den Strafvollzug als einen untrennbaren Teil der Straf Justiz
bezeichnete und er hat auf diesem Gebiet die größten Verdienste. Er
besuchte periodisch die österreichischen Gefängnisse, auf Reisen auch aus-
ländische Anstalten und legte seine Anschauungen in Eckers Blättern für
Gefängniskunde, in Holtzendorffs allgemeiner deutscher Strafrechtszeitung und
abschließend in der Abhandlung »Die Gebrechen und die Verbesserung des
Gefängniswesens in Österreich« im dritten Band der kleinen Schriften und
in seinem Beitrag über die Strafsysteme zu Holtzendorff und Jagemanns
Handbuch des Gefängniswesens nieder. Ihn leitete der fruchtbare Gedanke,
daß jede Strafe ein ökonomisches Übel sei, woraus er den Schluß zog, daß
man dahin streben müsse, mit der geringsten Aufopferung an Arbeit und
Kapital die größten Strafeffekte zu erzielen. Folgerichtig bei seinem Be-
kenntnis zur Vergeltungstheorie steht er auf dem Standpunkt, daß eine Ver-
urteilung auf unbestimmte Zeit als dem Rechte widersprechend unstatthaft
sei, obschon er in einer seiner späteren Aufsätze sich in dieser Frage der
internationalen kriminalistischen Vereinigung mit ihrem Programmpunkt unbe-
stimmter Strafurteile für Unverbesserliche, der unseres Erachtens strafpolitisch
höchst bedenklich ist, anzunähern scheint. Dagegen tritt er, da er an eine
Änderungs- und Besserungsfähigkeit des Charakters glaubt, indem er gleich-
zeitig mit guten Gründen die Besserungstheorie verwirft, für die Einzelhaft,
den progressiven Strafvollzug und die bedingte Entlassung ein. Er bekämpft
die Todesstrafe, die urteilsmäßig verhängten periodischen Strafverschärfungen,
weil sie trotz der Besserung vollzogen, Erbitterung und Verzweiflung hervor-
rufen, die lebenslänglichen Ehrenfolgen, die Vollstreckung der Geldstrafen
gegen die Erben. Er redet einem ernsten aber menschlichen Strafvollzug
Wahlbcrg. von Hopfen. 373
das Wort, wobei er die Leiden der Freiheitsentziehung trivialen Redensarten
gegenüber in nachdrücklicher Weise hervorhebt. W.s Stellung zum Schwur-
gericht, dessen Vorkämpfer in Österreich er neben Glaser war, wurzelte in
der Erwartung, daß dort die individuellen Momente des besonderen Falles
ihre Berücksichtigung finden werden, und daß die vielen durch die Auslegung
des Wortlautes des Gesetzes gar nicht zu erfassenden unbestimmten Begriffe,
wie öffentliches Ärgernis, begründete Besorgnis, unzüchtige Handlungen,
Aufreizung zum Haß und zur Verachtung, nur durch die Geschworenen in
einer dem allgemeinen Rechtsbewußtsein entsprechenden Weise ihre Aus-
füllung finden werden. In der Verfolgung dieser Gedanken wollte er der
Bank auch Fragen über solche Umstände vorlegen, von welchen der Eintritt,
der Umfang und die Dauer von Ehrenfolgen abhängig zu machen wären.
Er trat übrigens ebenso wie Glaser für eine intensivere Mitwirkung der Ge-
schworenen an dem Beweisverfahren ein. In seinen kriminalistischen und
nationalökonomischen Gesichtspunkten griff W. nach allen möglichen Rich-
tungen weit aus, suchte aber oft rein äußerliche Zusammenhänge und ließ
viel Spielerisches mitunteriaufen. Trotzdem bleibt der Hauptgedanke der
Schrift ebenso bedeutungsvoll wie einige Anregungen Dank verdienen. Wir
zählen dahin die Forderung selbständigen kriminellen Schutzes der Tiere,
strafrechtliche Verfolgung des Mädchenhandels, der Bestrafung von durch
seelische Einwirkungen zugefügten Körperverletzungen, die Polemik gegen
die Polizeiaufsicht, gegen die antiökonomische Verhängung von Ehrenfolgen,
die Ausführungen über die Anpassung der Geldstrafe an die Einkommens-
verhältnisse und für die stärkere Berücksichtigung des gewinnsüchtigen Motivs
bei den Eigentumsdelikten.
Aus W.s Abhandlungen möchten wir noch seinen Beitrag über die
Religionsverbrechen zu Holtzendorffs Handbuch des deutschen Strafrechtes
und den Aufsatz über den Rechtscharakter der Selbsthilfe und der Notwehr
hervorheben.
Seine historischen Arbeiten bezogen sich vorwiegend auf die theresianisch-
josefinische Zeit. Er behandelte die Genesis der Theresiana, deren Revision
und die Genesis des josefinischen Strafgesetzbuches, die Geschichte der
Aufhebung der Tortur in Österreich, das josefinische Jagdpatent und manches
andere in skizzenhafter Ausführung.
Als Lehrer war W. außerordentlich anregend und durch seinen' humanen
Optimismus vom glücklichsten Einfluß auf die studierende Jugend; Liszt
und Lammasch bekennen sich als seine Schüler.
Bibliographie: Lammasch, W. E. Wahlberg, in der allgemeinen österreichischen Ge-
richtszeitung Nr. 7 von 1901. Tschubinsky, Professor W. E. VVahlberg und seine Bedeutung
in der Strafrechtswissenschaft, in der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft,
Band XXIII. Edmund Benedikt.
Hopfen, Franz Freiherr von,') hervorragender österreichischer Parlamen-
tarier und Finanzmann, * 2. Mai 1825 in Wien, f i"^ 7^- Lebensjahr am
18. März 190 1 in Baden bei Wien. — H. entstammte einer bürgerlichen
Familie mit Namen Fragner. Seine Großmutter väterlicher Seite war, früh-
«) Totenliste 1901 Band VI 49*.
^yA von Hopfen.
zeitig zur Witwe geworden, in zweiter Ehe mit dem Doktor der Medizin und
Besitzer des in der heutigen Bezirkshauptmannschaft Kromau in Mähren ge-
legenen großen Gutes Mißlitz, Josef Edlen von Hopfen vermählt gewesen,
und dieser hatte, selbst ohne eheliche Nachkommen, den Sohn aus der ersten
Ehe seiner Gattin, Franz Fjragner, adoptiert; mit kaiserlicher Genehmigung
gingen auch der Adel und das Wappen des Dr. von Hopfen auf diesen seinen
Stief- und Adoptivsohn über, der nunmehr den Namen Franz Edler von
Fragner-Hopfen führte.
Franz Edler von Fragner-Hopfen widmete sich der militärischen Laufbahn
und starb als k. k. Oberleutnant außer Dienst. Dessen einziger Sohn, der
gleich seinem Vater den Vornamen Franz führte, gab in dankbarer Erinne-
rung an seinen Adoptivgroßvater seinen ursprünglichen Familiennamen auf
und nannte sich Franz Edler von Hopfen.
H. erhielt eine äußerst sorgfältige Erziehung. Seine ersten Studien legte
er an dem vorzüglich von Söhnen adeliger Familien besuchten gräflich Löwen-
burgschen Konvikt, dem heutigen Piaristen-Konvikt in Wien zurück; seine
weitere Ausbildung leitete Hof rat von Höchsmann. Die juridischen Studien
absolvierte H. an der k. k. Universität in Wien. Durch das Ableben seines
Adoptivgroßvaters wurde H., dessen Vater schon vorher gestorben war, be-
reits in jungen Jahren Eigentümer der Gutsherrschaft Mißlitz. Der junge
Gutsherr ging aber keineswegs in der Bewirtschaftung seiner Ländereien auf,
sondern widmete sich eifrig volkswirtschaftlichen Studien und wußte die Auf-
merksamkeit der Regierung wie der finanziellen Kreise so auf sich zu lenken,
daß er, als im Jahre 1856 die Hypothekarkreditsabteilung der privilegierten
österreichischen Nationalbank ins Leben trat, von der Bankdirektion für die
Stelle eines Vertrauensmannes dieser Abteilung in Vorschlag gebracht und
unterm 26. Juni 1856 von dem Finanzminister Freiherm von Brück auf diesen
damals sehr wichtigen Posten berufen wurde.
Die Hypothekarkreditsabteilung der privilegierten österreichischen National-
bank war die erste nach modernen Grundsätzen eingerichtete, auf Aktien be-
ruhende Hypothekarkredit- und Pfandbriefanstalt in Österreich. Sie verdankt
ihre Entstehung dem drängenden Bedürfnisse nach Real-, besonders nach
landwirtschaftlichem Kredite, das sich infolge der Grundentlastung von 1848
in der Monarchie geltend machte. Bis zum Jahr 1848 bestand in Österreich
mit Ausnahme von Lombardo-Venetien, Dalmatien und der Militärgrenze das
sogenannte Untertänigkeitsverhältnis des Bauernstandes. Der Grund und
Boden auf dem Lande zerfiel in die Dominikai- oder herrschaftlichen und
die Rustikal- oder Bauerngüter, die Bevölkerung in die Gutsherren — die
Herrschaften — und die Untertanen. Die Untertanen waren den Herrschaften
gegenüber zu verschiedenen Diensten und Giebigkeiten, wie zu Arbeitsleistungen
(Robot), zu Naturalabgaben (Zehent usw.) oder auch zu Geldabgaben ver-
pflichtet. Den Herrschaften ihrerseits oblag dagegen wieder eine Reihe von
Verbindlichkeiten, teils zu Gunsten der Untertanen, z. B. die Pflicht, bedürftige
Untertanen mit Brod- und Saatkorn zu unterstützen, die Untertanen in Rechts-
streitigkeiten zu vertreten, die Waisengelder für dieselben zu verwalten usw.,
teils zu Gunsten des Staates, für welchen die Herrschaften die Steuern ein-
zuheben, die politische Verwaltung und die Zivilgerichtsbarkeit unentgeltlich
zu besorgen, die Grundbücher zu führen hatten u. dgl. m. Zur Sicherstellung
von Hopfen. 375
für alle aus diesen Verpflichtungen entspringenden Forderungen gegen die
Herrschaft bestand ein gesetzliches Pfandrecht an dem achten Teil eines
jeden Dorainikal-Landgutes. Die Verwaltung der Pupillengelder, welche nach
einem Hofdekrete' Kaiser Josefs II. vom 13. Mai 1784 mindestens »mit landes-
bräuchigem Interesse« verzinst werden mußten, besorgten die Herrschaften
vermittels der von ihnen errichteten sogenannten »kumulativen Waisenkasseii«,
und diese Kassen waren bis zum Jahr 1848 die vornehmlichste und zwar eine
ebenso bequeme als praktische Quelle des Realkredites für den kleinen, den
bäuerlichen Grundbesitz. Ein Hypothekardarlehen war für den Untertanen,
wenn er es überhaupt verdiente, leicht, schnell und ohne besondere Auslagen
zu erlangen, da die Herrschaft die Verhältnisse des Untertanen, mit dem sie
als Privatjurisdiktionsherr und als steuerbehördliches Organ in fortwährendem
Verkehre stand, genau kannte, die nützliche Verwendung des Darlehenskapitales
überwachen konnte und schließlich auch ein großes Interesse an der auf-
rechten wirtschaftlichen Existenz des Untertanen hatte.
Ein Kreditinstitut für den Großgrundbesitz gab es aber bis zum Jahre
1841 in der ganzen Monarchie nicht, und dieser Mangel machte sich empfind-
lich fühlbar. Zwar liehen die Sparkassen, von denen die erste im Jahr 18 19
in Wien errichtet worden war, auf Hypothek. Aber die Zahl wie die Mittel
der Sparkassen waren sehr beschränkt; es bestanden zu Ende des Jahres 1848
in den gegenwärtigen cisleithanischen Ländern im ganzen nur 15 Sparkassen
mit einem Einlagenstande von 45,386 Millionen Gulden C. M.; Pfandbriefe
gaben sie nicht aus. Einzelne private Geldgeber, welche die Mittel und den
Willen gehabt hätten, einem Herrschaftsbesitzer größere H3rpothekardarlehen
auf lange Frist und gegen Amortisation, wie dies bei solchen Darlehen nötig ist,
vorzustrecken, fanden sich nicht leicht, und sie konnten auch durch das Angebot
einer höheren Verzinsung des Darlehens nicht angelockt werden, da nach
dem Wucherpatente vom 2. Dezember 1803 bei Darlehen gegen Unterpfand
höchstens 5*^/0 Zinsen bedungen werden durften.
Der Wiener Bankier Josef Edler von Dietrich griff 1820 zur leichteren
Aufbringung eines durch seine Vermittlung von dem damaligen Palatinus von
Ungarn Erzherzog Josef aufgenommenen H3rpothekaranlehens zu dem Aus-
kunftsmittel, die für dieses Darlehen ausgestellte Schuldverschreibung in eine
große Anzahl von einzelnen Schuldtiteln — Partialobligationen — zu zerlegen,
um auf diese Art an das große Publikum, den Geldmarkt, appellieren und
möglichst günstige Bedingungen für das aufzunehmende Darlehen erzielen zu
können. Diese Form der Aufnahme eines Hypothekardarlehens entsprach so
sehr einem allgemein gefühlten Bedürfnisse, daß sie rasch in der Monarchie
gebräuchlich wurde. Der Vorgang war der, daß seitens des Darlehensnehmers
einem Bank- oder Großhandlungshause von gutem Ruf eine intabulations-
fähige Hauptschuldverschreibung übergeben, und auf Grund dieser die Schuld-
summe auf den als Pfand bestellten Gütern einverleibt wurde. Auf Basis
dieser Hauptschuldverschreibung und mit Berufung auf dieselbe wurden dann
die Partialen, welche einzeln, aber in kumulativer Priorität landtäflich nicht
hätten intabuliert werden können, entweder von dem betreffenden Schuldner
selbst oder im Namen desselben von dem emittierenden Bank- oder Groß-
handlungshaus ausgegeben. Sie waren auf den Inhaber gestellt, mit Koupons
versehen und innerhalb einer bestimmten Frist durch Verlosung rückzahlbar.
270 ^^^ Hopfen.
Ihre Verzinsung und Rückzahlung erfolgte durch den Schuldner oder durch
das vermittelnde Bankhaus, dem der Schuldner rechtzeitig die nötigen Be-
träge zur Verfügung zu stellen hatte. Zur Sicherstellung der Gläubiger, also
der einzelnen Partialenbesitzer wurde bestimmt, daß die Hauptschuldverschrei-
bung bei einem vertrauenswürdigen Dritten, gewöhnlich bei der privilegierten
österreichischen Nationalbank, einem Wiener oder süddeutschen Bankhause
hinterlegt und nur gegen Beibringung sämtlicher eingelöster Partialen aus-
gefolgt werden sollte. Die Hauptschuldverschreibung war also kein selb-
ständiges Forderungsinstrument, da auf Grund derselben ohne gleichzeitige
Beibringung der sämtlichen Partialen keine Forderung geltend gemacht werden
konnte. Die eigentlichen Schulddokumente waren die Partialen, die mit
Realsicherheit ausgestattete Obligationen darstellten, durch welche ein direktes
Schuldverhältnis zwischen dem Hypothekarschuldner und dem Partialeninhaber
begründet wurde.
Das Publikum hatte anfangs die Partialobligationen, die besonders in
Süddeutschland große Verbreitung fanden, begierig aufgenommen; bald kam
jedoch ein Rückschlag. Mehrere ungarische Magnaten, die eine große Anzahl
von Partialen ausgegeben hatten, ließen dieselben notleidend werden, und die
von den Gläubigern gegen diese Schuldner geführten Exekutionen blieben
fruchtlos, weil die ungarischen Komitats- Kongregationen, obwohl sich die
Schuldner vertragsmäßig dem k. k. niederösterreichischen Landrecht in Wien
unterworfen hatten, was ein ungarischer Gesetzartikel vom Jahre 1792 jedem
adeligen Ungarn gestattete, Schuldverschreibungen an unbenannte Personen für
nicht giltig erklärten nnd die Exekution verweigerten. Vergeblich wendete
sich der große ungarische Patriot Graf Stephan Sz^ch^nyi in seiner Schrift
>HtteU (»Kredit«) mit flammenden Worten gegen die »bevorrechteten Räuber«.
Die Allerhöchste Entschließung vom 19. Juni 1847 untersagte endlich die
Ausgabe von Partialobligationen auf den Überbringer »bis zur definitiven Fest-
setzung gesetzlicher Bestimmungen über die Aufnahme von Privatanlehen in
der Form von Partialobligationen«. Maßgebend für dieses Verbot war aller-
dings weniger die Sorge für das Publikum gewesen; die Finanzverwaltung,
die beständig mit einem Fehlbetrag im Staatshaushalte kämpfte und die Er-
sparnisse der Bevölkerung für immer neue Staatsanleihen in Anspruch nahm,
fürchtete, daß die Ausgabe von Privatschuldverschreibungen den Absatz der
Staatspapiere schädigen könnte, ja es fehlte in der Hofkammer — so hieß
damals das Finanzministerium — nicht an Stimmen, welche die Ausgabe von
verlosbaren, wenn auch nicht mit Prämien versehenen Obligationen als mit
dem Lottopatente vom 13. März 18 13 unvereinbar erklärten. Man beeilte sich
darum auch mit der in Aussicht gestellten definitiven Festsetzung gesetzlicher
Bestimmungen über die Partialen nicht sehr; dieselbe erfolgte in Österreich
erst 27 Jahre später mit dem Gesetze vom 24. April 1874.
Mittlerweile war mit dem Kaiserlichen Patente vom 3. November 1841
die »Galizisch-ständische Kreditanstalt« in Lemberg ins Leben gerufen worden,
die auf dem Systeme der preußischen »Landschaften« beruhte. Die preußischen
»Landschaften«, deren erste, die »Schlesische Landschaft«, am 29. August 1769
entstanden war, sind die ältesten Pfandbriefinstitute. Sie sind Verbände der
»Stände«, das heißt der Besitzer adeliger oder doch einen gewissen Wert über-
steigender Landgüter eines Kreises oder einer Provinz, die ihren Teilnehmern,
von Hopfen. ^77
und zwar nur diesen, auf ihre zu dem Verbände gehörigen Güter Darlehen
gewähren und auf Grund dieser Darlehen Pfandbriefe ausgeben, für deren
Verzinsung und Rückzahlung alle Mitglieder der Landschaft mit ihrem ge-
samten, zu dieser gehörigen Grundbesitze solidarisch haften. Ursprünglich
waren diese Pfandbriefe einzeln in das Hypothekenbuch eingetragen und be-
gründeten ein direktes Schuldverhältnis zwischen dem Pfandbriefinhaber und
dem Hypothekarschuldner, dem die Landschaft nur als Bürge zur Seite stand.
Seit 1835 wurden bei den Landschaften Pfandbriefe üblich, bei welchen die
Anstalt selbst in erster Linie als Schuldnerin erscheint, und dieses System
wurde der Galizisch-ständischen Kreditanstalt zugrunde gelegt. Die Galizisch-
ständische Kreditanstalt war ein freiwilliger Verein von Besitzern landtäflicher
Güter in Galizien oder der Bukowina, die von 1786 bis 1849 als »Kreis
Czernowitz« zu Galizien gehörte; sie gewährte, ihrem Charakter als »Land-
schaft« entsprechend, bloß ihren Mitgliedern Darlehen und war nicht auf
Gewinn berechnet. Die Anstalt besteht nach wiederholten Reorganisationen
als »Galizischer Boden-Kredit -Verein« noch heute und ist heute noch das
einzige, nach den Grundsätzen der »Landschaften« eingerichtete Hypothekar-
kreditinstitut in Österreich-Ungarn.
Das waren die Verhältnisse auf dem Gebiete des Hypothekarkredites in
der Monarchie, als die gewaltige Bewegung des Jahres 1848 hereinbrach, und
vom ungarischen Landtag auf Antrag Ludwig Kossuths, vom österreichischen
Reichstag auf Antrag Hans Kudlichs die Aufhebung des Untertänigkeits-
verbandes und die Entlastung von Grund und Boden beschlossen wurde.
Die Grundentlastung fand entgeltlich statt, auch in Ungarn, obwohl vom
Preßburger Landtag ihre wenigstens teilweise unentgeltliche Durchführung
beschlossen worden war — der Klerus hatte in patriotischer Begeisterung dem
geistlichen Zehent ohne jede Schadloshaltung entsagt — und obwohl die
betreffenden Beschlüsse die Königliche Sanktion erhalten hatten; die Ent-
schädigung wurde sogar in Ungarn ungefähr doppelt so hoch als beispiels-
weise in Böhmen und Mähren bemessen, wodurch man den frondierenden
ungarischen Adel und Clerus zu gewinnen dachte. Mit der Aufhebung des
Untertänigkeitsverbandes hörten auch die alten herrschaftlichen kumulativen
Waisenkas.sen auf; die Waisengelder wurden »singularisiert«, das heißt jedem
Pflegebefohlenen sein Anteil ausgeschieden, und dieser der besonderen Ver-
waltung eines Vormundes oder Kurators zugewiesen, eine Maßregel, die man
allerdings später wieder rückgängig zu machen bemüht war. Mit dem Ver-
schwinden der Waisenkassen war die frühere Hauptkreditquelle für den kleinen
Grundbesitz gerade zu einer Zeit versiegt, in welcher dieser, durch die Ent-
schädigung für die Herrschaften schwer belastet, des Kredites dringend be-
durfte. Der Großgrundbesitz wieder hatte vielfach die ihm aus der Grund-
entlastung plötzlich zugefallenen Entschädigungssummen leichtfertig verbraucht
und besaß jetzt weder Geld noch die ihm früher durch die Robot gewähr-
leistete unentgeltliche Arbeitskraft. Eine allgemeine entsetzliche Kreditnot des
gesamten Grundbesitzes war die Folge. Ihr abzuhelfen plante der damalige
Finanzminister Freiherr von Brück die Errichtung einer großen Anstalt, welche
die Aufgaben der im Jahre 1852 entstandenen beiden mächtigen französischen
Kreditinstitute: der ^Societi generale du Credit mobilier* und des * Credit foncier
de France* in sich vereinigen sollte. Dieser großartig angelegte Plan stieß aber
278 von Hopfen.
im Reichsrate — dieser durch das Patent vom 13. April 185 1 geschaffene Reichs-
rat war eine lediglich beratende Körperschaft, deren Mitglieder vom Kaiser er-
nannt wurden — auf solchen Widerstand, daß Brück ihn ändern mußte. Er rief
1855 ein Credit fnobilier-liisiiXMU die »k. k. priv. österreichische Creditanstalt für
Handel und Gewerbe« ins Leben und schuf an Stelle eines eigenen Credit
foncier die Hypothekarkreditsabteilung der privilegierten österreichischen
Nationalbank, der Notenbank der Monarchie, welche Abteilung mit i. Juli 1856
ihre Tätigkeit begann. Die Einrichtung dieser Hypothekarkreditsabteilung
entspricht im wesentlichen jener des Credit foncier de France, die überhaupt
für das moderne Hypothekenbankwesen vorbildlich geworden ist. Der Credit
foncier verbindet das Pfandbrief System der alten preußischen Landschaften
mit der Organisation der Aktiengesellschaft. Er kennt nicht die Beschränkung
auf bestimmte Teilnehmer und auf den Grundbesitz eines bestimmten Kreises
oder Standes; seine Pfandbriefe sind, abweichend von den alten landschaft-
lichen Pfandbriefen, keine eigentlichen Pfandurkunden, sondern lediglich auf
Grund hypothekarisch sichergestellter Forderungen des Emissionsinstitutes aus-
gegebene persönliche Schuldscheine der Anstalt. Sie besitzen also selbst
keine Realsicherheit, sondern nur eine hypothekarische Deckung. An Stelle
der bei der Landschaft üblichen Solidarbürgschaft sämtlicher Teilnehmer be-
steht die Bürgschaft durch das Garantiekapital des als neutrales Element
zwischen Gläubiger und Schuldner stehenden Institutes. Da dieses Kapital
durch Aktienausgabe aufgebracht ist und verzinst werden muß, so ist unter
sonst gleichen Umständen der Zinsfuß der Aktienhypothekenbank höher als
jener der Landschaft. Während die Landschaft eine gemeinnützige, nicht auf
Gewinn berechnete Anstalt ist, arbeitet der Cridit foncier auf Dividenden.
Dieser letzterwähnte Umstand hat es bewirkt, daß die vielen heute bestehenden
Credit /7«r/Vr- Institute nicht wie die Ländschaften lediglich der Kreditnot
des Grundbesitzes, sondern vornehmlich der Spekulation ihre Entstehung ver-
danken, daß sie nicht wie die alten Landschaften in den Zeiten wirtschaft-
licher Not, sondern meist gerade in der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwunges
entstanden sind, und daß sie von Anfang an einen viel frischeren und leb-
hafteren Zug in der Geschäftsgebahrung zeigten, als die Landschaften.
Die Hypothekarkreditsabteilung der privilegierten österreichischen National-
bank erhielt übrigens nicht ein ausschließliches Privilegium zur Ausgabe von
Pfandbriefen für die Monarchie, wie dies der Credit foncier de France für
Frankreich und Algerien besitzt, und ihr Pfandbriefumlauf wurde von vorn-
herein beschränkt, indem er ursprünglich mit höchstens 200 Millionen Gulden
C. M. festgesetzt wurde, eine Ziffer, die 1868 über eigene Anregung der Bank
auf den heutigen Betrag von 150 Millionen Gulden ö. W. herabgemindert
worden ist. Zur Überwachung des Hypothekarkreditsgeschäftes wurde aus
den Direktoren der Nationalbank ein eigenes Komitee gebildet, und diesem
wurden besondere, aus den Kreisen des Großgrundbesitzes gewählte, vom
Finanzminister ernannte Vertrauensmänner zur Seite gegeben, deren vor-
nehmlichste Aufgabe es war, der Hypothekarkreditsabteilung bei äer Bewertung
der als Hypothek angebotenen Güter beratend zur Seite zu stehen. Die Stelle
dieser Vertrauensmänner war damals bei dem Umstand, als fast der gesamte
Grundbesitz der Monarchie infolge der Grundentlastung in vollem Übergange
zu ganz neuen Wirtschaftsformen war, eine äußerst schwierige und verant-
von Hopfen. 2 70
wortungsvolle, und es spricht für die Wertschätzung, deren sich H. schon zu
jener Zeit in den maßgebenden Kreisen erfreute, daß er, kaum 31 Jahre alt,
auf den wichtigen Posten eines solchen Vertrauensmannes gestellt wurde, den
er nun bis zum Jahr 1864 bekleidete.
Bald fand H. Gelegenheit, der Finanzverwaltung wie der Notenbank noch
in anderer Weise äußerst wertvolle Dienste zu leisten. Die Finanznot des
Staates hatte schon im Jahre 1854 dazu geführt, daß eine Anzahl dem
Staate gehöriger Eisenbahnlinien, die zusammen 78,3 Millionen Gulden C. M.
gekostet hatten, um 65,5 Millionen Gulden C. M. an eine hiezu gebildete
Aktiengesellschaft, die Staatseisenbahngesellschaft, verkauft worden war.
Finanzminister Freiherr von Brück veräußerte 1858 eine weitere Anzahl von
staatlichen Eisenbahnlinien, deren Erbauung dem Staate zusammen auf 145
Millionen Gulden C. M. gekommen war, um 100 Millionen ö. W. an die zu
diesem Behufe gebildete Südbahngesellschaft und übertrug zum Zwecke der
Tilgung der Schuld des Staates an die Notenbank mit Übereinkommen vom
18. Oktober 1855 Staatsdomänen im Schätzungswerte von 156,485 Millionen
Gulden C. M. an die Nationalbank, welche die betreffenden Güter allmählich
veräußern und aus dem Ertrage der Domänen und dem beim Verkaufe der-
selben erzielten Erlös ihre Forderungen an den Staat decken sollte. Es ver-
dient bemerkt zu werden, daß die Krone der Veräußerung dieser Domänen
sofort beigestimmt hatte, obwohl die Frage strittig war, ob die Domänen
überhaupt als Staatseigentum, oder nicht vielmehr als Eigentum des Herrscher-
hauses anzusehen seien. Die Nationalbank errichtete zur Verwaltung und
Veräußerung der Domänen eine eigene Abteilung, die Staatsgüterabteilung,
und in diese Abteilung trat H. am 10. Januar 1858 als Volontär ein. Er widmete
sich, obwohl er seine Dienste der Staatsverwaltung und der Bank lediglich
freiwillig und ohne jedes Entgelt zur Verfügung stellte, den Pflichten seines
Amtes, wie sein damaliger Vorstand Dr. Chornitzer über ihn schrieb, »mit
voller, sein eigenes Interesse hintansetzender Hingebung«, bereiste behufs In-
spizierung der Staatsgüter einen großen Teil der Monarchie und konnte, als
er unterm 3. Januar 1861 um die Enthebung von seiner Stellung in der Staats-
güterverwaltung ansuchte, in seinem diesbezüglichen • Gesuche mit vollem
Rechte von sich schreiben: »Mit Beruhigung kann ich es sagen, daß während
der Dauer meiner Dienstleistung auch nicht eines der gezahlten Mitglieder
der Staatsgüterabteilung mehr Eifer, ja auch nur mehr Zeit den Geschäften
gewidmet oder wichtigere Dienste geleistet hätte«. H. hatte als Grund für
sein Enthebungsgesuch »politische Verhältnisse« angegeben; er trat nun in
die politische Arena.
Der Absolutismus war in Österreich unhaltbar geworden, besonders durch
seine vollständige Unfähigkeit, die Ordnung der Finanzen herzustellen, deren
Zerrüttung die Hauptschuld an dem unglücklichen Ausgange des Krieges von
1859 ^"K- Nachdem zunächst durch das Patent vom 5. März 1860 eine Ver-
stärkung des alten beratenden Reichsrates angeordnet worden war, entwickelte
das Diplom vom 20. Oktober 1860 die Grundzüge einer Volksvertretung, und
mit der durch das Patent vom 26. Februar 1861 erlassenen Verfassung trat
Österreich in die Reihe der konstitutionellen Staaten. Der verstärkte Reichsrat
von 1860 wurde aufgelöst, an seine Stelle trat das neue, aus Herrenhaus und
Abgeordnetenhaus bestehende Parlament. Das Abgeordnetenhaus wurde, eine
ßSo von Hopfen.
Bestimmung, die bis 1873 in Kraft blieb, nicht durch unmittelbare Wahlen,
sondern in der Weise zusamniengesetzt, daß die Landtage der einzelnen
Königreiche und Länder aus ihrer Mitte Abgeordnete in den Reichsrat wählten.
Bei der ersten Wahl für die Landtage wurde H. von der Kurie des mähri-
schen Großgrundbesitzes (die Verfassung von 1861 unterschied vier Wähler-
klassen: Großgrundbesitz, Städte, Handels- und Gewerbekammem und Land-
gemeinden) in den Landtag der Markgrafschaft Mähren entsendet. Er lenkte
dort bald die Aufmerksamkeit auf sich, sowohl durch die große Klarheit und
Sachlichkeit seiner Reden, wie nicht minder durch die zwar bestimmte, aber
dabei außerordentlich gemäßigte Art seines Auftretens. Mit Überzeugung,
einer Überzeugung, der er sein ganzes Leben hindurch treu geblieben ist,
trat er für die Verfassung ein, deren Gegner übrigens damals im mährischen
Landtage nicht zahlreich waren. Mit großer Majorität wählte ihn der Landtag
in das Abgeordnetenhaus. H. war eines der jüngsten Mitglieder des Hauses,
und er wurde daher, als das Haus in seiner ersten Sitzung vom 29. April 1861
die acht jüngsten Abgeordneten zu Schriftführern bestimmte, zu dem Amt
eines solchen Schriftführers berufen. Bald hatte er sich als gewandter, schlag-
fertiger Redner, der besonders volkswirtschaftliche Fragen trefflich zu behandeln
wußte, bekannt gemacht. Am 17. Juni 1863 trat das Abgeordnetenhaus zu
seiner zweiten Session zusammen, und für diese zweite Session wurde H. vom
Kaiser zum ersten Vizepräsidenten des Hauses ernannt; bis zum Jahre 1867
war nämlich die Ernennung der Präsidien beider Häuser des Parlaments ein
Recht der Krone. Neben der Ausübung seines Amtes als Vizepräsident ent-
wickelte H. während dieser Session eine sehr eifrige Tätigkeit in verschiedenen
Ausschüssen und war Vorsitzender des Ausschusses zur Prüfung des Jahres-
berichtes der Staatsschuldenkontrollskomraission. Für die dritte Session, deren
Eröffnung am 12. November 1864 stattfand, wurde H. wieder zum ersten Vize-
präsidenten ernannt. Am 27. Juli 1865 wurde das Haus geschlossen. Am
gleichen Tage wurde der Staatsminister Schmerling, der »Vater der Ver-
fassung«, durch den früheren Statthalter von Böhmen, Grafen Belcredi, ersetzt,
und am 20. September durch Kaiserliches Manifest die Verfassung sistiert.
Belcredi plante die Zerlegung der Gesaratmonarchie in fünf, nur durch
die Person des Kaisers verbundene Königreiche mit feudalen Verfassungen.
Die nicht föderalistisch gesinnten Landtage, darunter auch jener von Mähren,
wurden im Dezember 1866 aufgelöst, und für den Februar 1867 Neuwahlen
ausgeschrieben. Diese unter dem Hochdrucke der Regierung vorgenommenen
Wahlen ergaben für den mährischen Landtag eine föderalistische Mehrheit;
H., der sich entschieden gegen das Betreten verfassungswidriger Wege aus-
gesprochen hatte, unterlag nach heißem Wahlkampf am 7. Februar 1867. Am
gleichen Tage erfolgte aber die Ersetzung Belcredis, der am 4. Februar seine
Entlassung erhalten hatte, durch Beust; der Landtag wurde nochmals auf-
gelöst, bei der Neuwahl im März wurde H. wiedergewählt, von dem nunmehr
wieder verfassungstreuen Landtage neuerlich in das Parlament entsendet und
vom Kaiser für die erste Session der zweiten Wahlperiode abermals zum
ersten Vizepräsidenten ernannt.
In dieser Session kamen der Ausgleich mit Ungarn und die Staatsgrund-
gesetze zustande, darunter das Gesetz vom 21. Dezember 1867, mit welchem
das Patent vom 26. Februar 1861 mehrfach, unter anderen in Paragraph 9
von Hopfen. jSl
dahin abgeändert wurde, daß das Abgeordnetenhaus künftig sein Präsidium
selbst zu wählen habe. H. mußte infolgedessen am 22. Dezember 1867 seine
Stelle als Vizepräsident niederlegen, wurde aber vom Abgeordnetenhause bei
der am gleichen Tage vorgenommenen Wahl des Präsidiums mit sehr großer
Mehrheit — 125 von 130 Stimmen — wieder auf dieselbe berufen. Während
dieser vom 20. Mai 1867 bis 15. Mai 1869 dauernden ersten Session der zweiten
Wahlperiode nahm H. an den Debatten sehr lebhaften Anteil, arbeitete mit
großem Fleiß in den Ausschüssen, besonders im Finanzausschuß, als dessen
Obmann, und im Budgetausschuß, als dessen Obmannstellvertreter er fungierte
und dessen Bericht über den Staatsvoranschlag pro 1869 er als General-
berichterstatter im Hause vertrat; er wurde in die zur Beratung des Ausgleiches
mit Ungarn entsendete Ausgleichsdeputation sowie am 21. April 1869 in die
Delegation für das Jahr 1869 gewählt.
Am II. Dezember 1869 trat das Abgeordnetenhaus zur zweiten Session der
zweiten Wahlperiode zusammen, und am 14. Dezember 1869 wurde H. für
diese Session mit 136 von 138 Stimmen wieder zum ersten Vizepräsidenten
gewählt; er fungierte in dieser Session als Obmann des Budgetausschusses
und wurde in die Delegation für das Jahr 1870 entsendet. Am 8. April 1870
wurde das Haus vertagt, am 21. Mai löste das Ministerium Potocki den
Reichsrat und die Landtage mit Ausnahme des böhmischen auf. Bei den
Neuwahlen wurde H. abermals gewählt und von dem am 17. September 1870
wieder zusammengetretenen Abgeordnetenhaus an Stelle des früheren Präsi-
denten Dr. von Kaiserfeld, der dem Hause nicht mehr angehörte, am 26. Sep-
tember 1870 mit 131 von 133 Stimmen auf den Sitz des Präsidenten des Ab-
geordnetenhauses berufen. »Vollste parlamentarische Redefreiheit aufrecht
zu erhalten, Unparteilichkeit zu üben gegen alle Parteien, gegen alle Mitglieder
dieses hohen Hauses, die Würde des hohen Hauses stets zu wahren, darin
erblicke ich die Aufgabe des Präsidenten«, sagte er in seiner Antrittsrede.
Er hatte das Präsidium, zu dem sich auch seine Entsendung in die Dele-
gation von 187 1 gesellte, in schwerer Zeit übernommen. In den regierenden
Kreisen hatte die föderalistische Strömung wieder . Oberwasser bekommen.
Das Abgeordnetenhaus befand sich in seiner Mehrheit in vollster Opposition
gegen die Regierung, besonders seit am 7. Februar 187 1 das Ministerium Potocki
durch das Ministerium Hohenwart ersetzt worden war. Es bedurfte seitens des
Präsidenten, der sich doch den gerechtfertigten Wünschen der Regierung nicht
versagen konnte, eines ganz außerordentlichen Taktes, um Konflikte zu ver-
meiden. Am 7. Juni 187 1 wurde der Antrag, der Regierung das Budget zu ver-
weigern, nur mit der kleinen Majorität von 77 gegen 67 Stimmen abgelehnt,
aber selbst unter dieser kleinen Mehrheit war die Gruppe der gemäßigten
Großgrundbesitzer unter der Führung des Abgeordneten Ritter von Chlumecky
dafür gewesen, daß das Budget wohl dem Staat, aber nicht dem Ministerium
bewilligt werde. Am 11. August löste die Regierung das Abgeordnetenhaus
und die verfassungstreuen Landtage auf und ordnete Neuwahlen an. Der
mährische Landtag erhielt wieder eine föderalistische Majorität, und H. wurde
nicht gewählt. Der Föderalismus schien siegreich; das Königliche Reskript
vom 14. September 1871 an den böhmischen Landtag erkannte die Rechte
des Königreiches Böhmen an und stellte die Krönung des Kaisers zum Könige
von Böhmen in Aussicht; am 10. Oktober beschloß der böhmische Landtag
^82 von Hopfen.
die i8 Fundamentalartikel, nach welchen Böhmen in der Monarchie eine
ähnliche Stellung erhalten sollte wie Ungarn. Da kam der Umschlag rasch
und gründlich. Es war dem Reichskanzler Grafen Beust und dem ungarischen
Ministerpräsidenten Grafen Andrässy gelungen, in einem am 20. Oktober
abgehaltenen großen Kronrate den Kaiser zu überzeugen, daß die Pläne
Hohenwarts für die Monarchie lebensgefährlich seien. Das Ministerium Hohen-
wart erhielt am 30. Oktober seine Entlassung; zur Regierung wurde der ver-
fassungstreue Fürst Adolf Auersperg berufen. Als interessantes Detail verdient
hier festgehalten zu werden, daß die Konstituierung des neuen Ministeriums
im Beratungssaale der k. k. privil. allgemeinen österreichischen Boden-Kredit-
Anstalt stattfand, deren leitender Direktor H. damals war. Fürst Auersperg
hatte sich an H. mit der Bitte gewendet, die hervorragenderen Mitglieder
der Verfassungspartei einzuladen, um das Programm des Fürsten entgegen-
zunehmen. Das Programm fand die Billigung der Versammlung, und so
kam das neue Ministerium, in das auch der Führer des verfassungstreuen
mährischen Großgrundbesitzes Ritter von Chlumecky als Ackerbauminister
eintrat, rasch zu Stande. Am 27. DezemTt>er trat der Reichsrat wieder zu-
sammen. H. gehörte dem Hause wieder an, er war aber diesmal nicht wie
früher vom mährischen, sondern vom niederösterreichischen Landtag in das
Parlament entsendet worden; nach seiner letzten Wahlniederlage in Mähren
hatte ihm nämlich die Kurie des Großgrundbesitzes in Niederösterreich ein
Landtagsmandat für dieses Kronland angeboten.
In seiner ersten Sitzung vom 28. Dezember 187 1 wählte das neue Haus
»mit einer in der Geschichte der Parlamente seltenen Einmütigkeit«, wie der
Alterspräsident Baron Pascotini sagte, H. mit 115 von 117 Stimmen wieder
zum Präsidenten. In seiner Antrittsrede verurteilte H. in scharfer Weise die
Politik Hohenwarts und erklärte es »als die erste und wesentliche Aufgabe
nicht nur der Volksvertretung sondern auch eines jeden ernsten Patrioten,
welcher Partei er auch immer angehören möge«, die neue Regierung in ihrer
Aufgabe, den verfassungsmäßigen Rechtszustand zu befestigen, mit aller Kraft
zu stützen. Er selbst kam dieser Aufgabe in vollendeter Weise nach; seine
mustergültige Führung des Präsidiums trug viel dazu bei, daß während der
nun folgenden Session vom Parlament eine ganz ungeheuere Arbeitsleistung
bewältigt wurde. In einer meisterhaften Rede faßte H. in der am 23. April
1873 abgehaltenen Schlußsitzung des Abgeordnetenhauses die Ergebnisse
»dieser in der Geschichte Österreichs, insbesondere in der parlamentarischen
Geschichte Österreichs denkwürdigen Session des Reichsrates« zusammen.
Die wichtigste und schwierigste Aufgabe, die das Parlament erledigt hatte,
war das Wahlreformgesetz vom 2. April 1873, durch welches unter Beibehal-
tung des bisherigen Systemes der vier Wahlgruppen, aber unter Vermehrung
der Zahl der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von 203 auf 353, die direkte
Wahl der Abgeordneten von der Bevölkerung, anstatt von den Landtagen,
eingeführt wurde. Mit dieser Wahlreform glaubte man, weitere föderalistische
Experimente für alle Zukunft unmöglich gemacht zu haben.
H., der von dem scheidenden Parlament auch in die Delegation für
1873 gewählt worden war, stand jetzt auf der Höhe seiner parlamentarischen
Laufbahn. In Anerkennung .seiner Verdienste als Parlamentarier hatte ihm
der Kaiser schon im Jahre 1863 den Orden der Eisernen Krone 3. Klasse
von Hopfen. 2 83
verliehen, womit in Gemäßheit der damaligen Ordensstatuten die Erhebung in
den Ritterstand verbunden war; im Jahre 1872 erhielt er das Kommandeur-
kreuz des kaiserlich österreichischen Leopoldsordens und damit nach den
Statuten dieses Ordens den Freiherrenstand. Im Jahre 187 1 war er in die
unter dem Präsidium des Erzherzogs Rainer stehende große »Kaiserliche Aus-
stellungskommission« für die 1873 in Wien abzuhaltende Weltausstellung be-
rufen worden. Am i. Mai 1873 wurde diese Ausstellung eröffnet; acht Tage
später brach die große Börsenkrise in Wien aus. Diese Krise, von der noch
die Rede sein wird, bedeutete das Ende von H.s parlamentarischer Karriere.
Persönlich ging er zwar aus der verheerenden Katastrophe, während welcher
mehrere der von ihm geleiteten Bankinstitute ins Wanken kamen, vollkommen
makellos hervor; er hatte es verschmäht, seine eigenen Engagements, sobald
sich zeigte, daß sie verlustbringend geworden waren, den von ihm geleiteten
Instituten aufzuhalsen, wie dies damals gar manche Bankdirektoren getan
haben sollen. Er hatte sein Vermögen verloren, aber seine Ehre gerettet.
Gleichwohl konnte es der außerordentlich feinfühlige und taktvolle Mann
nicht mehr über sich gewinnen, in der früheren Weise hervorzutreten. Bei
den ersten, im September 1873 nach dem neuen Wahlgesetze vorgenommenen
direkten Reichsratswahlen nahm er zwar das ihm vom mährischen Großgrund-
besitz angebotene Mandat für das Abgeordnetenhaus an, lehnte aber dort
jede Kandidatur für die Präsidentschaft ab und trat während der von 1873
bis 1879 dauernden Session wenig mehr hervor; doch arbeitete er fleißig in
den Ausschüssen und fungierte insbesondere als Obmann des Ausschusses
zur Beratung der auf die Erneuerung des Ausgleiches mit Ungarn bezüglichen
Vorlagen von 1878. Bei den Neuwahlen für das Abgeordnetenhaus im Jahre
1879 unter dem Ministerium Stremayr wurde H., infolge des Abfalles der
Majorität des mährischen Großgrundbesitzes von der Verfassungspartei, nicht
mehr gewählt; dem mährischen Landtage gehörte er aber noch bis 1892 an.
H. war nach dem Zeugnisse seiner Abgeordnetenkollegen einer der besten
Präsidenten, die das österreichische Abgeordnetenhaus jemals gehabt hat.
Das große Geschick, mit dem er die Geschäfte des Abgeordnetenhauses leitete,
die Würde, mit der er den Vorsitz führte, sein außerordentlicher Takt, seine
bis an Temperamentlosigkeit streifende Ruhe und seine vollendete Objekti-
vität wurden allgemein als mustergültig anerkannt und erwarben ihm das
größte Ansehen bei allen Parteien des Hauses. Auch nach dem Jahre 1873
übte er im Landtage wie im Reichsrate durch seine kluge Auffassung der
Verhältnisse und seine entgegenkommende, stets auf die Vermeidung schroffer
Gegensätze gerichtete Art immer noch einen großen Einfluß aus.
Eine fast noch größere Rolle als in der parlamentarischen Geschichte
Österreichs spielte H. in der finanziellen Geschichte der Monarchie. Die
Hypothekarkreditsabteilung der Nationalbank, welche Abteilung der Finanz-
minister Freiherr von Brück errichtet hatte, nachdem seine ursprünglichen
weitergehenden Pläne an der Ängstlichkeit des alten Reichsrates gescheitert
waren, hatte sich außerstand erwiesen, die wachsenden Bedürfnisse nach
Realkredit voll zu befriedigen. Schon in dem verstärkten Reichsrate von
i86o war auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, weitere Hypothekar-
kreditinstitute zu schaffen, und infolgedessen war auch im Jahre 1862 eine
zweite Cnv/// /ö«r/>r-Anstalt, das »Ungarische Bodenkredit-Institut« in Pest
284 ^'^^ Hopfen.
gegründet worden. Aber auch diese neue Gründung genügte nicht. Das
Jahr 1863 war ein Mißjahr, das inländische Kapital war durch die im Zuge
befindlichen Maßregeln zur Herstellung der Währung lahm gelegt, die Land-
wirtschaft befand sich in einer verzweiflungsvollen Lage. Unter diesen Um-
ständen wurde ein drittes Credit /ancier 'Institut^ die »k. k. privil. allgemeine
österreichische Boden-Kredit-Anstalt« in Wien ins Leben gerufen. Die Anstalt
wurde mit französischem Kapitale gegründet; in ihrem Verwaltungsrate saß
der Gouverneur des Credit foncier de France, Louis Fr^my; H. wurde als
leitender Direktor an die Spitze des Institutes berufen und legte infolgedessen
die von ihm bisher bekleidete Stellung eines Vertrauensmannes der Hypo-
thekarkreditsabteilung der Nationalbank zurück. Mit der Ernennung H.s zum
Direktor hatte die Bodenkreditanstalt einen glücklichen Griff getan; H. kannte
von seiner Tätigkeit bei der Nationalbank her das Hypothekarkreditsgeschäft
und die Verhältnisse des Grundbesitzes in der Monarchie gründlich. Unter
ihm gedieh die neue Anstalt, deren Gründung geradezu ein wirtschaftliches
Ereignis und eine rettende Tat für den kreditbedürftigen Grundbesitz war, in
erfreulichster Weise und entwickelte sich bald zu dem ersten Hypothekar-
kreditinstitute der Monarchie. Sie wurde, kaum ins Leben getreten, mit An-
forderungen nach Darlehen förmlich überschüttet, und ihre Darlehensforde-
rungen erreichten bereits in dem ersten 21 monatlichen Geschäftsabschnitte
die Summe von 58^2 Millionen Gulden ö. W. Das Jahr 1866 brachte der
Bodenkreditanstalt ein Finanzgeschäft von besonderer Tragweite. Die im
Jahre 1855 der Nationalbank zur Veräußerung übergebenen Staatsdomänen,
deren Verkauf äußerst schleppend vor sich ging, waren durch Kaiserliche
Verordnung vom 26. Dezember 1858 zur Deckung für die von der Bank aus-
zugebenden 100 Millionen Einguldennoten bestimmt worden; diese Eingulden-
noten wurden im Jahre 1866 zu Staatsnoten erklärt, und die Bank infolge-
dessen verhalten, die Staatsgüter wieder an das Ärar zurückzustellen. Schon
1865 hatte die Staatsverwaltung mit der Nationalbank Verhandlungen wegen
Belehnung dieser Güter durch Ausgabe von Nationalbankpfandbriefen ange-
knüpft; aber diese Verhandlungen hatten zu keinem Ergebnisse geführt, da
dfe Mehrheit der Bankdirektoren ein solches Geschäft für unvereinbar mit
den Bankstatuten von 1862 gehalten hatte. Auch der Plan der Finanzver-
waltung, auf Grund dieser Güter Staatspfandbriefe auszugeben, war auf
Schwierigkeiten gestoßen. Da erbot sich die Bodenkreditanstalt zur Be-
lehnung der Domänen, über deren Wert H. aus der Zeit seines Dienstes in
der Staatsgüterabteilung der Nationalbank besser als irgend jemand sonst
unterrichtet war. Mit Übereinkommen vom 29. April 1866 belehnte die Boden-
kreditanstalt die erwähnten Güter mit 60 Millionen Gulden ö. W. Silber
gegen Ausgabe der sogenannten »Staatsdomänenpfandbriefe« und sicherte
ihren Aktionären damit auf lange Jahre hinaus eine beträchtliche Einnahme.
Die Unterbringung der Pfandbriefe erfolgte im Weg einer Subskription, die
vom 7. bis 9. März 1867 stattfand und von einem vollständigen Erfolge ge-
krönt wurde.
Die außerordentlich günstigen Geschäftsergebnisse der Anstalt und die
Erfahrung, welche die Finanzverwaltung machte, daß durch die Beschaffung
billigen Kredites die Steuerkraft des Grundbesitzes gehoben, und der Staats-
kredit, statt durch den Umlauf der Pfandbriefe geschädigt zu werden, eher
von Hopfen. ^85
gekräftigt wurde, regten zur Gründung weiterer Hypothekarkreditinstitute an
— Ende 1872 bestanden in Österreich-Ungarn schon 37 Hypothekarbanken —
und die Bodenkreditanstalt sah sich durch die wachsende Konkurrenz auf
ihrem ursprünglichen Gebiete bald bewogen, sich mehr dem Bankgeschäfte
zuzuwenden, das sie anfänglich nur soweit gepflegt hatte, als es zur Verwen-
dung ihrer jeweils verfügbaren Geldmittel nötig gewesen war. Während der
wirtschaftlich so außerordentlich bewegten Zeit von 1867 — 1873 nahm die
Anstalt im Vereine mit dem von ihr 1869 begründeten »Wiener Bank-Verein«
geradezu eine beherrschende Stellung auf dem Wiener Geldmarkt ein.
Die Zeit von 1867 — 1873, die vor dem Eintritte der großen Krise vom
9. Mai 1873 als die »Periode des volkswirtschaftlichen Aufschwunges« maßlos
gepriesen, nach der Katastrophe aber als die »Ära des Gründungsschwindels«
noch maßloser geschmäht wurde, war wohl die merkwürdigste in der Wirt-
schaftsgeschichte der Monarchie. Ohne Zweifel waren im Jahre 1867 die Be-
dingungen für eine kräftige wirtschaftliche Aufwärtsbewegung gegeben. Der
Kampf um die Vorherrschaft Österreichs in Deutschland und Italien war vor-
über, keine auswärtige Verwicklung war zu fürchten. Auch der lange, ver-
derbliche Streit mit Ungarn schien durch den Ausgleich von 1867 für alle
Zukunft beendet. Mit der Einführung bezw. der Wiederherstellung des Par-
lamentarismus war diesseits wie jenseits der Leitha ein frischerer und leben-
digerer Zug in die Staatsmaschine gekommen ; eine Menge bisher gebundener
Kräfte wurde zu nützlicher Tätigkeit frei. Dazu kam eine Folge von guten
Ernten, besonders die außerordentlich reiche Ernte von 1867, die mit einem
Miß wachs in fast ganz Europa zusammenfiel, was eine so gewaltige Ausfuhr
zu so günstigen Preisen zur Folge hatte, daß man den Betrag, den diese einzige
Ernte ins Land brachte, auf 180 bis 200 Millionen Gulden ö. W. schätzte.
Daß aber der gesunde Aufschwung bald in eine wilde Spekulation und zuletzt
in einen tollen Schwindel überging, daran trugen vornehmlich zwei Dinge
die Schuld : der unvermittelte Übergang von dem seitens der Staatsverwaltung
der Volkswirtschaft gegenüber früher beobachteten Systeme der ängstlichsten
Einschränkung und Bevormundung zu einer fast schrankenlosen Freiheit und
noch mehr die 1867 unter dem Sistierungsministerium erfolgte Ausgabe von
312 Millionen Gulden ö. W. Staatsnoten, durch welche an Stelle des früheren
Geldmangels plötzlich eine Überfülle von Umlaufsmitteln geschaffen wurde,
die nun stürmisch nach Verwendung und Anlage drängten. Ein Bild des
lawinenartigen Anschwellens der Gründungen von Banken und anderen Aktien-
gesellschaften gibt das Kursblatt der Wiener Geldbörse. Zu Ende des Jahres
1866 waren in demselben notiert 7 Pfandbriefgattungen, 8 Bank-, 4 Industrie-
und 16 Eisenbahnaktien; am 9. Mai 1873 waren es 26 Pfandbriefgattungen,
124 Bank-, 201 Industrie- und 44 Eisenbahnaktien. Der Hochsommer 1869
brachte wohl einen Rückschlag in die stürmische Aufwärtsbewegung. Die im
gleichen Jahre besonders zur Förderung »katholischer Interessen« gegründete
»Wiener Bank« brach zusammen; ihr Präsident, der kaiserliche Oberstküchen-
meister Graf Josef Wratislaw, endete durch Selbstmord. Schon damals wurde
darauf hingewiesen, daß in der Monarchie bereits zuviel Credit mo^/ier-Bajiken
bestünden; man zählte deren im Herbst 1869 in Österreich allein, abgesehen
von Ungarn, 39 mit einem Nominal kapitale von 372 Millionen Gulden ö. W.,
während ganz Deutschland zur gleichen Zeit zwar ebenfalls 39 solche Institute,
Bio^. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog'. 7. Bd. 25
^86 von Hopfen.
aber mit einem Nominalkapitale von nur 287 Millionen Gulden ö. W. besaß.
Der Krieg von 1870/71 und die ihm folgende Milliardenwanderung versetzte
aber die finanziellen Kreise der Monarchie in einen förmlichen Taumel; man
rechnete mit Bestimmtheit darauf, daß ein sehr großer Teil dieser Milliarden
in Österreich-Ungarn werde Anlage suchen müssen, und die Spekulation
begann bald wilder als vorher. Die Zahl der Emissionen und Neugründungen
in der Gesamtmonarchie betrug, von Staats- und öffentlichen Anlehen abge-
sehen, vom Anfange des Jahres 1870 bis zum Ende des ersten Semesters
1873 nicht weniger als 507 mit einem Kapitale von 2095,2 Millionen Gulden
ö. W., das ist mehr als die ganze französische Kriegsentschädigung betrug.
An manchen Tagen des Jahres 1872 fanden an der Wiener Geldbörse über
100 000 Geschäftsabschlüsse statt, was einer Summe von 2500000 Stück
Aktien und einem Nominalwerte von 500 Millionen Gulden ö. W. entspricht;
die Zahl der Börsenbesucher war auf 4986 gestiegen.
Da die Bodenkreditanstalt sich in mancher Hinsicht durch ihr lediglich
für eine Aktienhypothekenbank berechnetes Statut, das ihr insbesondere
keinerlei Emissionsgeschäfte gestattete, gehemmt sah, so gründete sie 1869 den
»Wiener Bank-Verein«, der ursprünglich nichts anderes war als die Credit
»«?^7/>r-Abteilung der Bodenkreditanstalt, die auf diese Art den alten Plan
Brucks, ein Credit foncier- und ein Credit Modi /ier-lnstitut mit einander zu ver-
binden, zur Ausführung brachte. Der Bankverein erhielt gar keine eigene
Bankgeschäftseinrichtung, sondern die Ausführung aller durch seine Opera-
tionen bedingten Kasse-, Bank- und Börsengeschäfte erfolgte durch die Boden-
kreditanstalt. In das Kollegium der drei Direktoren des Bankvereines traten
die beiden Direktoren der Bodenkreditanstalt H. und Härtung, und zwar H.
als erster Direktor.
Die geschäftliche und Gründertätigkeit des Bankvereines während der
Jahre 1869 — 1873 war eine ganz ungeheuere. H. schuf die noch heute be-
stehenden beiden großen Industrieunternehmungen: die »österreichische
Waffenfabriks- Gesellschaft« in Steyr und die »Wiener Lokomotivfabriks-
Aktiengesellschaft« in Floridsdorf; er übernahm den Bau der ungarischen
Nordbahn (heute die Linie O-Zölyom — Ruttka der kgl. ungarischen Staats-
bahnen) und vollständig auf eigene Kosten jenen der Linie Wien — Potten-
dorf— Wiener Neustadt, die bestimmt war, der Südbahn den von dieser nicht
mehr zu bewältigenden Teil ihres Frachtenverkehres abzunehmen; er erwarb
Kohlengruben in Schlesien und Steiermark und bildete zur Au.sbeutung der-
selben eine Reihe von Aktiengesellschaften, darunter die noch heute be-
stehende »Trifailer Kohlenwerks-Gesellschaft« ; er gründete teils allein, teils
im Vereine mit anderen Banken eine Menge von Credit modi /ier-lnstituteny
Hypothekaranstalten und Baubanken, teils in Österreich-Ungarn, teils im Aus-
lande, so in Wien die »Austro-Ottomanische Bank«, den »Wiener Lombard-
Verein«, die »Österreichische Eisenbahnbau-Gesellschaft«, den »Aktien-Verein
für Hotels und Badeanstalten« und in Prag den »Prager Bank-Verein« —
diese fünf Aktiengesellschaften sind sämtlich der Krise von 1873 zum Opfer
gefallen — im Auslande den Frankfurter, den Berliner, den Hamburger, den
Antwerpener, den Pfälzer und den Baseler Bank-Verein, die Amsterdamer
Bank, die Kopenhagener Bank, die Süddeutsche Immobilien-Bank, die Deutsche
Baugesellschaft in Berlin; er kaufte Güter und Bergwerke, beteiligte sich an
von Hopfen. 787
Anlehen der spanischen und portugiesischen Staatsverwaltung, an Vorschuß-
geschäften für die türkische Regierung; er erwarb das Journal »Die Presse« usw.
Auch eine Sparkasse, die heute noch bestehende »Neue Wiener Sparkasse«
wurde geschaffen, die, im übrigen vollkommen nach den gleichen Grundzügen
organisiert wie die Erste Österreichische Sparkasse, durch ihre Verbindung
mit dem Bankverein und der Bodenkreditanstalt in d^r Lage war, ihren Ein-
legern ganz außerordentlich kurze Aufkündigungsfristen zuzugestehen.
Der Erfolg dieser fieberhaften Tätigkeit war ein glänzender. Für die
drei Jahre 1870 — 1872 verteilte die Bodenkreditanstalt 20, 21^/4 und 2 6 '/4 0/0,
der Bankverein 273/4, 40 und So^jo Dividende. Ungeheuer waren die Gewinne
der Aktionäre, noch größer jene der leitenden Direktoren, die z. B. beim
Bankvereine gemäß Beschlusses der konstituierenden Generalversammlung vom
28. April 1869 200/0 von dem nach der fünfprozentigen Verzinsung des ein-
gezahlten Aktienkapitals verbleibenden Reingewinn als Tantieme erhielten.
H. wurde Präsident des Verwaltungsrates der Wiener Lokomotivfabriks-
Aktiengesellschaft, Präsident des Verwaltungsrates der Trifailer Kohlenwerks-
Gesellschaft, Vizepräsident, später auch Präsident des Aufsichtsrates der Neuen
Wiener Sparkasse, Mitglied, später ebenfalls Präsident des Verwaltungsrates
der Versicherungsgesellschaft »Donau«, Mitglied des Verwaltungsrates der
1868 unter Mitwirkung der Boden kreditanstalt zustande gekommenen »k. k.
priv. Aktien-Gesellschaft der Innerberger Haupt-Gewerkschaft«, die 1881 in
der »Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft« aufging, usw. Seit 1867 war er
auch Vizepräsident des Verwaltungsrates der österreichischen Südbahn-Gesell-
schaft gewesen und im Jahre 1874 wurde er Präsident des Verwaltungsrates
dieser gewaltigen Eisenbahnunternehmung.
Zu Ende März 1873 hatte das tolle Treiben an der Wiener Börse den
Gipfelpunkt erreicht; im April zeigte das zu einer in jeder Beziehung
»schwindelnden« Höhe aufgetürmte Gebäude der Spekulation die ersten Risse.
Am 9. Mai, dem berüchtigten »schwarzen Freitag«, brach es krachend zu-
sammen, Hunderte von Unternehmungen und Milliarden von allerdings großen-
teils nur eingebildeten Werten unter sich begrabend. Bis Ende 1873 betrugen
die Kursverluste bloß an den im Wiener Kursblatte notierten Effekten bereits
rund 1500 Millionen Gulden ö. W. Auch die Aktien der Bodenkreditanstalt
und des Wiener Bank- Vereines hatten beim Ausbruche der Krise ungeheuere
Kursverluste erlitten, aber die beiden Institute selbst galten für ebenso uner-
schüttert und unerschütterlich wie die gleich einem Fels in der tosenden
Brandung stehende Nationalbank; die Geschicklichkeit ihrer Leiter wurde für
unübertrefflich gehalten. Da brachte am 5. Oktober 1873 eine Börsendepesche
von Berlin die Nachricht, der Wiener Bank-Verein sei ins Wanken gekommen
und sehe sich zur Liquidation gezwungen. Lähmendes Entsetzen faßte die
Börse. Der Sturz des Bankvereines hätte jenen der Bodenkreditanstalt nach
sich gezogen; was stand noch fest, wenn diese Säulen wankten? Die mit
80 Gulden eingezahlten Aktien des Bankvereines, die im März 1872 mit 430
notiert waren, stürzten auf 68, d. h. fast auf den Betrag herab, den das
Institut für das Jahr 1872 an Dividende gezahlt hatte. Jetzt entschloß sich
die Finanzverwaltung zum Einschreiten. Sie hatte hiefür einen sehr triftigen
Grund. Infolge des Zusammenbruches mehrerer Aktienhypothekenbanken
war plötzlich nicht nur in Österreich, sondern auch in Ungarn und Deutsch-
es*
388 von Hopfen.
land die Frage nach der Realsicherheit der Credit yW-f^r-Pfandbriefe aufge-
worfen worden. Die Mehrheit der Rechtsgelehrten neigte sich der Anschau-
ung zu, daß die von Cridit /oncier'Ansta.\ten ausgegebenen Pfandbriefe ledig-
lich als Schuldscheine des Emissionsinstitutes zu betrachten seien, und daß
den Besitzern derselben vor den anderen Gläubigern des betreffenden Institutes
kein Vorrecht, insbesondere nicht ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung
aus den als Deckung für die Pfandbriefe dienenden Hypotheken zustehe. Die
Staatsdomänenpfandbriefe der Bodenkreditanstalt galten aber als österreichi-
sche Staatsschuldverschreibungen und waren auch als solche nicht nur an der
Wiener, sondern auch an der Pariser Börse notiert. Ein Sturz dieser Pfand-
briefe hätte den österreichischen Staatskredit schwer schädigen müssen. Es
galt also, für die Zukunft die Rechte der Pfandbriefbesitzer durch ent-
sprechende Änderung der Gesetzgebung zu wahren, was in Österreich mit
dem Gesetze vom 24. April 1874, in Ungarn mit dem XXX VI. Gesetzartikel
vom Jahre 1876 geschehen ist. Zunächst aber mußte der Bodenkreditanstalt
geholfen werden; das war nicht leicht, da man die zur Hilfeleistung not-
wendigen, sehr bedeutenden Summen — man schätzte dieselben auf 25 Millionen
Gulden ö. W. — nicht ohne weiteres aus den Staatskassen zur. Verfügung
stellen konnte. Es wurde der Ausweg gefunden, daß die Staatsverwaltung
für ein der Bodenkreditanstalt von einer Finanzgruppe gewährtes Darlehen
die Bürgschaft übernahm, wogegen wieder der Verwaltungsrat der Boden-
kreditanstalt sich verpflichtete, die Staatskasse für allfällige Verluste aus
dieser Bürgschaft schadlos zu halten. Die Mitglieder des Verwaltungsrates
bildeten zu diesem Behuf einen Garantiefonds von 9 Millionen Gulden ö. W.
Der Gouverneur der Bodenkreditanstalt Graf Moriz Almäsy wurde abgesetzt
und durch den Sektionschef des k. k. Finanzministeriums Alois Moser ersetzt.
Die Rettung der beiden Anstalten gelang; die ihnen dargeliehenen Summen
— 17 Millionen Gulden ö. W. — wurden im Verlauf einiger Jahre samt
Zinsen vollständig zurückgezahlt; allerdings aber mußten die Aktionäre des
Bankvereines durch drei Jahre, jene der Bodenkreditanstalt durch fünf Jahre
auf jede Dividende verzichten, und die Reserven der Bodenkreditanstalt von
rund 4400000 Gulden ö. W. waren verloren.
Seit der Katastrophe von 1873 begann H. auch auf dem finanziellen
Gebiet, auf dem er nach so vielen Richtungen hin tätig gewesen war, langsam
in den Hintergrund zu treten. In die Verwaltungen der von ihm geleiteten
Institute traten neue Männer, die sich der mühseligen Aufgabe unterzogen,
in steter, geduldiger Arbeit die von der Krise angerichteten Schäden wieder
zu heilen; in der Bodenkreditanstalt fiel dieses Amt besonders dem mit
I. Juni 1874 an H.s Seite getretenen Direktor Theodor Ritter von Taussig
zu, mit dessen Eintritt in die Direktion der Anstalt H.s Einfluß fast nur auf
das eigentliche Hypothekarkreditsgeschäft beschränkt wurde. H. schied aus
den Verwaltungskörpern der Industriegesellschaften, denen er angehört hatte,
er trat aus der Verwaltung der »Donau« und 1886 anläßlich der Neuorgani-
sation des Bankvereines auch aus dem Administrationsrate dieses Institutes
aus. Schon 1880 hatte er auch die Stelle des ersten Direktors der Boden-
kreditanstalt niedergelegt und gehörte dieser Anstalt nur mehr als Verwaltungs-
rat an ; als erster Direktor war Ritter von Taussig an die Spitze des Institutes
getreten, dessen eigentlicher Leiter er schon seit 1874 gewesen war und das
von Hopfen. 389
er zu ungeahnter Blüte und der heutigen beherrschenden Stellung emporhob.
H. war zuletzt auf seine Stelle im Verwaltungsrate der Bodenkreditanstalt
sowie auf die beiden Posten als Präsident des Aufsichtsrates der Neuen
Wiener Sparkasse und als Präsident des Verwaltungsrates der Südbahn-
Gesellschaft beschränkt. Der Südbahn hat er durch die 1876 von ihm per-
sönlich in Italien geleiteten geschickten diplomatischen Verhandlungen, die
zum Abschlüsse der Vereinbarungen über den Verkauf der italienischen Linien
der Südbahn an die italienische Regierung führten, wesentliche Dienste ge-
leistet.
Obwohl nicht mehr von der früheren Bedeutung, war H.s Stellung in
der Finanzwelt wie in der Gesellschaft immer noch eine äußerst angesehene.
Um so größer war das allgemeine Aufsehen, als sich im September 1892 auf
einmal das Gerücht verbreitete, H. habe sein Landtagsmandat sowie seine
sämtlichen sonstigen Stellen und Würden niedergelegt und die Residenz wie
die Monarchie in fluchtartiger Eile verlassen. Die Nachricht fand zunächst
gar keinen Glauben, und als sie sich doch bestätigte, war man anfänglich
geneigt, den plötzlichen Ausbruch einer geistigen Störung bei H. anzunehmen.
Dem war jedoch nicht so; H.s unvermutete Abreise — wie man nachträglich
erfuhr, nach der Schweiz — hatte andere Gründe. Der Präsident, der in
bewegten Zeiten das schwer zu behandelnde österreichische Abgeordneten-
haus, der in den Stürmen der großen Börsenkrise die tobenden General-
versammlungen mit kühler Ruhe gelenkt hatte, er hatte sich selbst nicht zu
zügeln vermocht; der Finanzmann, der Dutzende von Millionen fremder Gelder
mit oft glänzendem Ergebnisse verwaltet hatte, er hatte seine eigenen Geld-
angelegenheiten nicht in Ordnung halten können. H. war in finanzielle Be-
drängnis geraten. Die Krise hatte sein bedeutendes Vermögen verschlungen
und die ungeheueren Einkünfte, die er früher in seinen verschiedenen Stel-
lungen bezogen hatte, gewaltig vermindert; die Bezüge, die ihm blieben, ob-
wohl nach bürgerlichen Begriffen noch immer sehr groß, genügten nicht für
die Bedürfnisse des eleganten Lebemannes, in dessen Dasein zwar nicht die
Frau — denn er war nie vermählt gewesen — wohl aber die Frauen einen
großen Platz eingenommen hatten. Gutherzig bis zur Schwäche, freigebig
bis zur Verschwendung war er nur zu oft der Gegenstand der ärgsten Aus-
beutung gewesen. Hätte es H. über sich gebracht, sich einem seiner zahl-
reichen, mächtigen und reichen Freunde anzuvertrauen, so wäre ihm gewiß
gerne die nötige Hilfe geboten worden; aber stolz, wie er war, und sein
Leben lang gewohnt, wohl zu gewähren, aber nicht zu bitten, konnte er sich
zu einem solchen Schritte nicht entschließen und zog es vor, sich freiwillig
aus den Kreisen zu verbannen, in denen er nicht mehr wie bisher leben
konnte. Eine Zeit lang hielt er sich in der Schweiz, dann in Bayern auf,
aber das Heimweh, das den Österreicher so leicht im Auslande befällt, trieb
ihn schließlich wieder in die Heimat zurück. In dem lieblichen Örtchen
Weißenbach an der Triesting in Niederösterreich ließ er sich nieder. Die
Bodenkreditanstalt und die Südbahn hatten ihm in dankbarer Anerkennung
seiner Verdienste Pensionen ausgesetzt, die ihm gestatteten, ein nicht nur
sorgenfreies, sondern sehr behagliches Leben zu führen. Zuletzt lebte er in
der alten Thermenstadt Baden bei Wien und hier starb er über 75 Jahre alt,
nachdem er 8'/2 Jahre in seiner freiwillig gewählten Zurückgezogenheit ver-
7QQ von Hopfen. Susemihl.
bracht hatte. Er war in seinen letzten Lebensjahren so vollkommen verschollen
gewesen, daß selbst viele seiner ehemaligen Freunde erst durch die Nachricht
von seinem Tode daran erinnert wurden, daß er noch unter den Lebenden ge-
weilt hatte.
In der Wiener Gesellschaft nahm er bis zu seiner Selbstverbannung eine
sehr hervorragende Stellung ein. Seine hohe, in späteren Jahren etwas volle,
aber immer ungemein geschmeidige und elegante Gestalt, sein ausdrucksvoller
Kopf mit der kahlen Stirne, den klugen Augen hinter den scharfen Brillen-
gläsern und dem eigentümlichen, das sonst glatt rasierte Gesicht unter dem
Kinne von Ohr zu Ohr umgebenden Rundbarte, waren allgemein bekannt,
nicht zum mindesten auch in der »Welt, in der man sich nicht langweilt«.
H. war unzweifelhaft eine der geistig bedeutendsten Persönlichkeiten in
der während der »Periode des volkswirtschaftlichen Aufschwunges« entstan-
denen, aus feudalen Aristokraten und gewöhnlichen Börsejobbern, ernsten
Finanzmännem und abenteuernden Glücksrittern auf das bunteste zusammen-
gewürfelten Gesellschaft der sogenannten »Gründer«. Seine Verdienste um
die Hebung der Volkswirtschaft in Österreich-Ungarn, besonders um die Ent-
wicklung des Realkredites in der Monarchie sind unbestreitbar und sollen
unvergessen bleiben.
Daß er seinen Wappenschild stets rein erhalten, daß er, ohne mit der
Wimper zu zucken, lieber sein ganzes Vermögen geopfert, als es geduldet
hat, daß sich auch nur der geringste Makel an seinen Namen heftete, war kein
geringes Verdienst zu einer Zeit, in der, um ein bekanntes Wort aus einer
damaligen Generalversammlung anzuführen, »die Moral nicht auf der Tages-
ordnung stand«. Mit seinen Vorzügen und seinen Fehlern, mit seiner warmen
Vaterlandsliebe, seiner Überzeugungstreue, seiner fröhlichen Arbeitslust, aber
auch mit seinem Sanguinismus, seiner Scheu vor jedem ernstlichen Zusammenstoß
und nicht zuletzt mit seiner Neigung zu behaglichem Lebensgenüsse war H. ein
echter Österreicher und vor allem ein echter Wiener. Friedrich Schmicf.
Susemihl, Friedrich Franz Karl Ernst,') Universitätsprofessor der klassi-
schen Philologie in Greifswald, * lo. Dezember 1826 zu Laage in Mecklen-
burg, f 30. April 1901 in Florenz. — S. war das einzige Kind des praktischen
Arztes Dr. Detlev Susemihl und dessen Gattin Sophie, geb. Sülstorff. Der
Vater, in dem mecklenburgischen Landstädtchen für die damaligen Verhält-
nisse nicht unbemittelt, starb früh, als sein Sohn noch in der Sekunda der
Domschule zu Güstrow saß. Mit einem glänzenden Zeugnis bezog der junge
S. 1845 ^i^ Universität Leipzig zum Studium der Philologie; er hörte bei
G. Hermann und Becker altphilologische, bei Haupt und Danzel germanistische,
bei Wuttke geschichtliche Vorlesungen. Im nächsten Jahre siedelte er nach
Berlin über, wo er namentlich Boeckh und Franz zu Lehrern hatte, daneben
philosophische und theologische Kollegien bei Michelet, Hotho, Vatke und
Neander besuchte. Auch der Philosoph Trendelenburg muß einen großen Ein-
fluß auf den fleißigen und strebsamen Jüngling ausgeübt haben. Innige Freund-
schaft verband ihn mit dem damals Philologie studierenden, späteren Kunst-
historiker Wilhelm Lübke; sie hat bis zu dessen Tode gedauert. Nach Ab-
») Totenliste 1901 Band VI 105*.
Susemihl.
391
Schluß seiner Studien (Michaelis 1848) trat S. als Kandidat am Gymnasium
zu Güstrow ein, promovierte 1850 zum Doktor in Gießen und bekleidete bis
Ostern 1852 eine Hilfslehrerstelle am Gymnasium zu Schwerin. Im Herbst
desselben Jahres habilitierte er sich in Greifswald als Privatdozent für klassische
Philologie, wurde 1856 außerordentlicher, 1863 ordentlicher Professor, 1892
zum Geh. Regierungsrat ernannt. 1862 verheiratete er sich mit Hedwig Marie
Barthold, Tochter des ehemaligen Professors der Geschichte in Greifswald
Fr. W. Barthold; die Ehe blieb kinderlos. 1898 wurde er auf seinen Antrag
von der Verpflichtung Vorlesungen zu halten entbunden, ein Jahr darauf ver-
lor er seine Gattin. Noch im 74. Lebensjahre entschloß er sich zu einer
zweiten Ehe mit Luise Hay, einer Cousine seiner verstorbenen Frau. Der
Wunsch, das bereits mehrmals von ihm bereiste Italien noch einmal zu sehen,
führte ihn mit seiner Gattin im Frühling 1901 bis Florenz; hier erlag der
Greis, der sich wohl zuviel zugemutet hatte, einer Brustfellentzündung. Auf
dem Friedhof der Amostadt liegt er begraben.
In S. erscheint der treufleißige akademische Lehrer an einer kleinen
Provinzialuniversität gleichsam verkörpert. Der erste Eindruck, den der Hörer
von ihm empfing, war nicht gerade anziehend : der lange, hagere, kurzsichtige
Mann übersah mit seinen schwachen Augen oft den vor ihm Sitzenden, und
sein trockener, noch dazu in endlose bibliographische Notizen sich verlieren-
der Vortrag vermochte wenige zu fesseln. Trat man ihm aber persönlich
etwas näher, so lernte man gar bald die Grundzüge seines Wesens, Ehrlich-
keit und Biederkeit, in hohem Maße schätzen und erstaunte wohl auch über
seine große Offenheit, mit der er die eigenen Schwächen rücksichtslos be-
urteilte. In seiner Häuslichkeit, die ihm durch die treue Fürsorge seiner
trefflichen Gattin behaglich und bequem gemacht wurde, entfaltete er einen
köstlichen Humor; im vertrauten Kreise ließ er auch wohl mit gutmütiger
Selbstverspottung eine Prachtgestalt seines Landsmannes Fritz Reuters wirksam
und anschaulich vor den Zuhörern erstehen. Wer S. nur flüchtig kannte,
mochte nicht glauben, daß der anscheinend so ungewandte und weltfremde
Gelehrte ein tatkräftiger Politiker und rücksichtsloser Förderer kommunalerlnter-
essen war. Ein Nationalliberaler alten Schlages ist er, überzeugt von der Not-
wendigkeit des engen Zusammenschlusses aller Schattierungen innerhalb der
liberalen Partei, lange Jahre hindurch ihr Führer in Greifswald gewesen und
hat in Wort und Schrift für sie gewirkt. Als Mitglied des bürgerschaftlichen
Kollegiums, dem er fünfzehn Jahre lang angehörte, hat er sich namentlich
um die Förderung des städtischen Schulwesens unbestrittene Verdienste er-
worben. Eiserner Fleiß wird schon dem Knaben und Jüngling nachgerühmt,
und trotz seines Augenleidens, das ihn seit der Übersiedlung nach Greifs-
wald nie mehr verließ und seinen Arbeiten sehr hinderlich war, hat er uner-
müdlich geschafft und Anerkennenswertes geleistet. Geistiger Überlegenheit
sich willig und neidlos beugend, verschmähte er nie auch von jüngeren Kol-
legen, wie von H. Usener und U. von Wilamowitz-Moellendorff, zu lernen und
beschied sich mit dem Bewußtsein, seine Hörer immer auf den Pfaden des
gesunden Verstandes erhalten zu haben. Dabei war er keineswegs gewillt,
auf sein eigenes selbständiges Urteil zu verzichten und traf mit seiner nüch-
ternen Auffassung der Dinge auch in verwickelten Fragen nicht selten das
Richtige, wenngleich eine merkwürdige Hartnäckigkeit und Befangenheit in
7Q2 Susemihl.
Kleinigkeiten ihn öfter dazu verführte, bereits völlig oder doch annähernd
gelöste Probleme durch seine Einwürfe aufs neue zu verwirren. Das hat zu
unerquicklicher Polemik mit manchen, auch anerkannten Meistern der Wissen-
schaft geführt. Wiederholte Reisen nach Italien, einmal auch nach Griechen-
land, stets in Begleitung seiner Gemahlin, dienten dem fleißigen Manne nicht
allein zur Erholung, sondern auch zur Vertiefung in das ihm sonst femer
liegende Gebiet der antiken Kunst.
S.s Arbeiten bewegten sich vornehmlich auf der Grenze zwischen klassischer
Philosophie und Philologie. Sein in drei Bänden erschienenes Jugendwerk
»Genetische Entwicklung der platonischen Philosophie« (Leipzig 1855/60) war
nach dem unvollendeten Versuch K. F. Hermanns (Geschichte und System
der platonischen Philosophie, Heidelberg 1839), ^^® platonische Forschung
aus dem Banne der geistvollen, aber trügerischen Anschauung Schleiermachers
zu befreien, ein wirklicher Fortschritt, was auch die neuesten Arbeiter auf
diesem äußerst schwierigen Gebiete willig anerkannt haben. Zu diesen Unter-
suchungen hat noch der Greis in seinem letzten Programm (Neue platonische
Forschungen I, Greifswald 1898) Stellung genommen und versucht, das literarisch
bedeutsame Problem in seiner Weise der Lösung näher zu führen. Viele Jahre
hindurch sind die Fortschritte der platonischen und aristotelischen Studien
in den von Bursian-Müller herausgegebenen Jahresberichten sorgsam von ihm
gebucht worden; die unparteiischen Referate bieten auch jetzt noch schätzens-
werte Beiträge. Teils in kritischen, teils in erklärenden, von deutscher Über-
setzung begleiteten Ausgaben hat S. des Aristoteles Schrift über die Dicht-
kunst, die Politik, die Ethik und anderes herausgegeben, wobei er in zahl-
reichen kritischen und exegetischen Beiträgen, die in Zeitschriften und
Universitätsprogrammen veröffentlicht sind, seinen jeweiligen Standpunkt zu
wahren suchte. Für die von Osiander und Schwab geleitete Übersetzungs-
Bibliothek griechischer und römischer Prosaiker und Dichter übertrug er eine
Anzahl platonischer Dialoge. Im vorgeschrittenen Alter — er zählte 64 Jahre
— machte sich der rastlos Schaffende noch an eine schwierige Aufgabe, vor
der jüngere Forscher zurückgeschreckt waren, die Geschichte der griechischen
Literatur in der Alexandrinerzeit. Sie erschien in zwei Bänden Leipzig 1891
und 1892 und ist Eduard Zeller gewidmet. Wenn ihm dabei des greisen
Empfängers geistvolle Geschichte der Philosophie der Griechen als Vorbild
vorschwebte, so hat er dieses allerdings nicht erreicht: die gewaltige Fülle
des zumeist spröden Stoffes ist nicht recht verarbeitet, die Darstellung zu
trocken und unlebendig; aber als zuverlässiges Nachschlagebuch wird dies
Werk, dem der Verfasser bis an seinen Tod besondere Sorgfalt gewidmet hat,
stets mit Ehren seinen Platz behaupten. Bald nach dem Abschluß dieser
gewaltigen Arbeit schritt der unermüdliche P'orscher unverzagt zu einem noch
umfassenderen Werk, zu einer Darstellung der attischen Literaturperiode. Wie
zu seinem früheren Buche hatte er Schüler und Freunde als Mitarbeiter ge-
wonnen und bereits große Partien niedergeschrieben, als ihn im Süden der
Tod unerwartet ereilte.
Ein Verzeichnis der Schriften und Aufsätze Susemihls bis zum Jahre 1896 ist der von
seinen Schülern zum 70, Geburtstage veröffentlichten Festgabe (Leipzig 1898) beigefügt.
Stettin. Georg Knaack.
Christen.
393
Christen, Ada,^) Dichterin ♦ am 6. März 1844 in Wien, f Am 19. Mai 1901
ebenda. — Ada Christen — so lautet das Pseudonym für Frau Christiane von
Breden, geb. Friederik — war ein Kind der Wiener Vorstadt; auf dem Alsergrunde
kam sie zur Welt. Ihr Vater besaß da einen Kaufmannsladen und erfreute
sich als umsichtiger und fleißiger Geschäftsmann eines gewissen Wohlstandes.
Allein das Jahr 1848, das so manches bescheidene Glück untergrub, wurde
auch ihm verhängnisvoll. Er beteiligte sich an der aufständischen Bewegung,
wurde nach deren Scheitern eingezogen und zu einer längeren Gefängnisstrafe
verurteilt. Endlich aus der Haft entlassen, war er ein körperlich und seelisch
gebrochener Mann, unfähig, den verlorenen Wohlstand wieder zu gewinnen;
ein früher Tod raffte ihn dahin.
Seine Familie blieb in größter Not zurück. Die Witwe übersiedelte mit
den Kindern in ein weitläufiges Gebäude »an der Linie«, das zahlreichen
kümmerlichen Existenzen Obdach gewährte, das richtige Armeleuthaus, und
fristete als Handschuhnäherin mühselig genug ihr Dasein. Hier empfing
Christiane die für ihr ganzes Leben entscheidenden Eindrücke; das große
Haus bildete eine Welt für sich, und mit ihren scharfen Augen erspähte sie
da manches, was sie zum Nachsinnen reizte. Farblos, eintönig, inhaltslos
mochte das Leben der dürftigen. Leute, die da um sie wohnten, anderen
erscheinen; sie, die selbst in dieser Enge aufwuchs, ahnte wohl, wie viele
Schicksale sich da abspielten.
Früh mußte sie zum Erwerb der Familie beitragen, indem sie selbst
allerlei Handarbeiten verrichtete oder Geschäftsgänge besorgte. Die Gebunden-
heit und Armseligkeit ihres Daseins weckte aber in ihr eine heiße Sehnsucht
nach Freiheit und Glück; aus Dumpfheit und Niedrigkeit trieb sie ein unklares
Verlangen nach etwas höherem, die Kunst schwebte ihr als Ideal vor, und
kaum herangewachsen, versuchte sie, auf eigenen Wegen ihrem Ziele zuzustreben :
sie ging zum Theater.
Hier aber sollte sie erst das tiefste Elend kennen lernen; mit Wander-
bühnen zog sie von Stadt zu Stadt, besonders die deutschen Städte Ungarns
wurden aufgesucht, und in diesem Zigeunerleben mit all seinen Enttäuschungen
und Entbehrungen, seinen Demütigungen und Versuchungen scheint sie sich
selbst verloren zu haben. Eine günstige Fügung des Schicksals bot ihr
erwünschten Halt. Herr von Neupauer, ein höherer ungarischer Beamter,
lernte sie kennen und lieben und bot ihr die Hand zur Ehe. Freudig willigte
sie ein, und ihr Leben schien nun in sichere Bahnen gelenkt. Aber schon
nach zweijähriger Ehe brach bei ihrem Gatten eine schwere Geisteskrankheit
aus; elend ging er im Irrenhause zugrunde.
Nun sah sich die junge Witwe, der keinerlei Erbe zufiel, abermals der
tiefsten Not preisgegeben, und wieder begann eine Zeit schwerer Kämpfe.
Sie zog nach Wien, wo sie sich zunächst durch Stickereien und dergleichen
kümmerlich durchs Leben brachte. Früher schon hatte sich in ihr die Lust
geregt, was sie erlebt und empfunden , was sie gesehen und gedacht, in Prosa
und Versen zu schildern. Jetzt suchte sie Beziehungen zu Tagesblättern;
ab und zu wurden ihre Beiträge angenommen, und die Honorare bildeten
einen freilich sehr bescheidenen Zuschuß zum Erwerb. In Ferdinand von Saar,
>) Totcnlistc 1901 Bd. VI i6*.
394
Christen.
der ihre Gedichte zu Gesicht bekam und die reiche Begabung, die sich darin
aussprach, sofort erkannte, fand sie einen eifrigen Förderer. 1869 erschien
die erste Sammlung ihrer Gedichte, ein schmales Bändchen, »Lieder einer
Verlorenen« betitelt. Sie machten Aufsehen, der schonungslose Freimut, mit
dem die Dichterin in ihnen eine Beichte ihres Lebens ablegte, rief auf der
einen Seite freudige Zustimmung, auf der anderen scharfen Tadel hervor.
Zu durchgreifender Anerkennung verhalfen sie ihr nicht.
In dieser Zeit des Ringens lernte Christiane den Rittmeister a. D. und
Schriftsteller Adamar von Breden kennen; zwischen den beiden entwickelte
sich ein herzlich kameradschaftliches Verhältnis, das nach einigen Jahren zur
Ehe führte. Als Frau eines begüterten und in der Gesellschaft angesehenen
Mannes war Christiane aller Not enthoben, und da sie aufrichtige Neigung
mit ihrem Gatten verband, wäre ihr Glück vollständig gewesen, wenn nicht
eine heimtückische Krankheit es getrübt hätte. Sie litt nämlich schon seit
langem an einem Herzübel, und mit der Zeit traten — als Folgeleiden, wie
es scheint — bedenkliche nervöse Störungen auf, die einmal einen so hohen
Grad erreichten, daß man das schlimmste befürchten mußte. Eine Kaltwasser-
kur brachte, wenn auch nicht gründliche Heilung, so doch nachhaltige Besserung.
Nach Jahren einer an Reichtum grenzenden Wohlhabenheit trat in den
äußeren Verhältnissen der Dichterin abermals ein Umschwung ein. Verschiedene
Umstände setzten dem Vermögen ihres Gatten zu und mit der glücklichen Sorg-
losigkeit war es vorbei. Frau Christiane stand ihrem Manne wacker zur Seite,
mutig und tatkräftig half sie ihm eine neue Existenz gründen. Ihre letzten Lebens-
jahre verbrachte sie mit ihm in bescheidener Zurückgezogenheit weit draußen
am Wienerberge im sogenannten Einsamhof. Am 19. Juni 190 1 starb sie.
Den »Liedern einer Verlorenen« war 187 1 eine zweite Gedichtsammlung
gefolgt »Aus der Asche«; 1873 eine dritte »Schatten« und 1878 eine vierte
»Aus der Tiefe«. Auch als Erzählerin betätigte sich Ada Ch. 1870 erschien
ihr Roman »Ella«, der wenig Beachtung fand und heute verschollen ist.
Besser gelang es ihr mit kleinen skizzenhaften Erzählungen, die sie gesammelt
unter den Titeln »Vom Wege« (1874) und »Aus dem Leben« (1877) heraus-
gab. Einen wesentlichen Fortschritt bedeutete die Sammlung »Unsere
Nachbarn«, die 1884 erschien; ihr reifstes Werk aber ist der Roman »Jungfer
Mutter« (1896). Ein dramatischer Versuch »Faustine« (1872) schlug gänzlich
fehl; das Volksstück »Wiener Leut« wurde zwar in Wien aufgeführt, vermochte
sich jedoch nicht durchzusetzen.
Ada Ch. war eine durchaus lyrische Natur. Sie bedurfte der geheimen
Musik des Verses, um das tiefste ihrer Seele künden zu können. In den
»Liedern einer Verlorenen« ringt sie noch nach dem ihr selbsteigenen Aus-
drucke; sie unterliegt bisweilen dem Einflüsse der Vorbilder, besonders
Heine scheint stark auf sie gewirkt zu haben. Ihre Empfindung vermag nicht
immer das bescheidene Wort zu finden; Übertreibungen und Geschmacklosig-
keiten stören da und dort. Auch mit der Form hat sie noch zu ringen, aber
für die Tadler weiß sie den richtigen Bescheid.
»Dein Vers hat nicht diis rechte Maß«
So will man mich verweisen,
»An Fluß und Glätte fehlt es ihm«
Und wie sie's sonst noch heißen.
Christen. jgj
Sie zollen an den Fingein ab,
Verbessern wohl zehnmal wieder;
Ich leg' die Hand auf mein blutendes Herz, *
Was das sagt, schreib' ich nieder.
Das trifft in der Tat zu, und damit ist auch gesagt, daß sie eine echte
Lyrikerin war. Die Form hat sie zwar allgemach meistern gelernt, aber ihr
fehlte das Spielerische und Geschmeidige der Artistennaturen, sie konnte nichts
ersinnen, jedes Lied, ob gut oder schlecht, war für sie ein Aufschrei aus
tiefem Glück und noch weit öfter aus bitteren Schmerzen. Ihr ganzes
Ringen nach Daseinsfreude, nach einem Halt im Leben, nach Selbstachtung
spiegelt sich in ihren Liedern. Zu freier Künstlerschaft vermochte sie sich
nicht aufzuschwingen, weil sie in ihrem Innern nicht frei genug war; wie sehr
ihr Geist nach den lichten Höhen strebte, die Erdenschwere zog sie doch
immer wieder hinab. Selbst, da sie schon überwunden hatte, hing ihr noch
an, was sie an Not und Seelenelend erlebt. Die bittere Armut ihrer Kinder-
jahre, die Demütigungen ihrer Jugendzeit schleppte sie all ihr Leben nach.
Wißt, mich betrübt die Schönheit, die ihr preist,
Ich schaue bittVes Menschenelend sprießen
Auf diesem Stern .... wie soll mein Geist
Denn seine hehre Schönheit rein genießen?
Wißt, mich betrübt die Schönheit, die ihr preist,
Denn durch des Wohllauts kunstgeformte Schöne
Klingt mir der Wehlaut, der mein Herz zerreißt,
Der Diiseinsqual naturgewaltge Töne.
Heiße, aufreibende Herzenskämpfe hatte sie zu bestehen, eine glühend
leidenschaftliche Natur, lechzte sie nach dem Vollgenuß des Lebens, marternde
Liebessehnsucht, bitterste Enttäuschung, Jammer und Verzweiflung klingt
aus ihren Liedern, aber in all den Wirrnissen erinnert sie sich:
»All euer girrendes Herzeleid
Tut lange nicht so weh,
Wie Winterkälte im dünnen Kleid,
Die bloßen Füße im Schnee.
All eure romantische Scelennot
Schafft nicht so herbe Pein,
Wie ohne Dach und ohne Brot
Sich betten auf einen Stein.«
Sie ist eine Vorläuferin derer, die in kaum verwichenen Tagen mit mehr
oder minder echter Empfindung die Qualen der Armut besungen. Daß sie
in Zeiten, in denen die Kunst auf Schönrednerei ausging, den Mut hatte,
ehrlich und ohne Verschnörkelung zu sagen, wie sie die mitleidlose Wirklich-
keit fand, der beweist, daß sie eine Dichterin war.
Auch als Erzählerin verleugnete Ada Ch. nicht den lyrischen Grundton
ihrer Begabung. Sie erzählt immer aus einem höchst persönlichen Empfinden,
aus einem sie selbst unmittelbar bewegenden Gefühl heraus, und wie sehr
dabei auch die umformende Phantasie zur Geltung kommen mag, zuletzt wird
3p6 Christen.
es doch fast immer zur Beichte. Was sie selbst erlebt , das kurze Glück
und das reichliche Weh, drängt sie zur Darstellung; vor allem weilt sie gern
bei den Tagen ihrer Kindheit, und sie ähnelt darin Rosegger. Wie dieser
das Beste, was er zu geben hatte, seiner grünen Waldheimat verdankt, so
bildet für Ada Ch. das große Haus in der Vorstadt, wo sie ihre Kinderjahre
verlebt, die reichste Fundgrube ihrer Erzählungskunst. In den Skizzen »Unsere
Nachbarn« und im Romane »Jungfer Mutter« schildert sie es mit ebenso viel
Anschaulichkeit als Liebe. Wenn sie diesen ihr vertrauten Boden verläßt,
wie es etwa in den Skizzensammlungen »Vom Wege« und »Aus dem Leben«
geschieht, fühlt sie sich unsicher; sie wird dann leicht konventionell und
verfällt bisweilen sogar einer schwächlichen Sentimentalität, die sonst ihrem
Wesen völlig fremd ist.
Gestaltungskraft war ihr nur in bescheidenem Maße gegeben und weit-
läufig zu komponieren vermochte sie nicht. Ihre Geschichten enthalten mehr
Schilderung von Zuständen als eigentliche Erzählung. Irgend ein ganz
unscheinbares Erlebnis bildet den Mittelpunkt, aber vortrefflich verstand es
Ada Ch., den Stimmungsgehalt herauszuarbeiten. Impressionistische Skizzen
sind es zumeist, die sie uns bietet, Augenblicksbilder, dem Leben abgesehen.
Auch darin ist sie eine Vorläuferin, freilich, wie es scheint, mehr aus einem
gewissen Mangel ihrer Begabung, denn aus einer klaren künstlerischen
Absicht.
Was sie an Gestaltungskraft besaß, gab sie in dem Romane »Jungfer
Mutter«. Er ist eigentlich als Fortsetzung der Skizze »Als er heimkehrte«
gedacht, die den Beschluß von »Unsere Nachbarn« macht. Das Motiv ist
haarscharf geführt: Der typische Mann in seinem Verhältnis zu den beiden
wichtigsten Frauentypen. Leopold Weiß, der sich trotz Mühsal und Unglück
— er hat im Kriege einen Arm verloren — wacker durchs Leben schlägt,
liebt die schöne Lene; sie ist ihm der Inbegriff des »Höheren«, wonach ihn,
den Sohn der Armut, all sein Lebtag verlangt hat. Sie wird seine Frau,
aber das Glück, das er an ihrer Seite erträumt hat, bleibt aus; denn sie ist
kalt und fühllos, sie liebt nur sich selbst. Verzweifelt ringt er danach, ein
Wort echten Empfindens ihren Lippen zu entlocken — umsonst; da er endlich
erkennen muß, daß all das warme, lebendige Gefühl, von dem seine Seele voll
ist, unverstanden bleibt, bricht er zusammen. Wie aber die blonde Lene an ihm
sündigt, so sündigt er an Lenes Freundin, der stillen, unscheinbaren Hanni,
gleichfalls nicht aus bösem Willen, sondern weil er sie nicht versteht. Von Kind-
heit auf liebte ihn die Hanni, eine arme Nähterin, als Kind schon wagte sie ihr
Leben, um ihm einen flüchtigen Wunsch zu erfüllen. Da sie nun sieht, wie
er unter Lenes Herzlosigkeit leidet, nimmt sie sich still und unauffällig tröstend
seiner an; den Verlassenen und schwer erkrankten pflegt sie, alles was sie
hat, opfert sie ihm und seinem Kinde zu Liebe, sogar ihren Ruf. Ja, da all
das nicht imstande ist, ihn seiner Verzweiflung zu entreißen, läuft sie zu
Lene, demütigt sich vor ihr und beschwört sie, sich mit Leopold auszusöhnen —
freilich vergeblich. Leopold nimmt das Opfer des armen Mädchens an, er
dankt es ihr in seiner Weise, aber er sieht nicht, welcher Schatz an unend-
licher Güte und echter Liebe da für ihn bereitet ist, achtlos geht er an ihr
vorüber; und da Lene sich weigert, femer mit ihm zu leben, stößt er sich
ein Messer ins Herz. Hanni überträgt die Hingebung, die sie ihm bewiesen,
Christen. Richter.
397
auf seinen Sohn; sie erzieht das verwaiste Kind mit aller Sorgfalt und
Liebe. Um diese Gestalten ist eine Anzahl episodisch gehaltener Figuren
gruppiert, das Schicksal der drei Leute ist mit dem Weben und Treiben im
großen Vorstadthause innig verwoben, die Geschichte haftet an dem Hause
»Zur blauen Gans«; daß sie so aus dem breiten herauswächst, gibt ihr den
echt epischen Charakter.
Ada Ch.s Werke sind nicht zahlreich, aber die wenigen schmalen Bänd-
chen enthalten manches Vortreffliche, das wert ist, dem Gedächtnis erhalten
zu bleiben. Hans Sittenberger.
Richter, Richard Immanuel,') Rektor des König Albert-Gymnasiums und
Orden tl. Honorarprofessor an der Universität in Leipzig, ♦ lo. Oktober 1839
in Skassa bei Großenhain, f 27. Mai 1901 in Leipzig. — R. muß als einer
der selbständigsten und einflußreichsten Gymnasialpädagogen Sachsens in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden. Einem ländlichen
Pfarrhause entstammt, genoß er Michaelis 1852 — 1858 die Zucht und tüchtige
Vorbildung der altberühmten Fürsten- und Landesschule St. Afra in Meißen,
studierte, namentlich unter der Leitung seines Schwagers Conrad Bursian, des
bekannten Philologen, in Leipzig und kurze Zeit in Tübingen und war seit
Anfang 1863 an verschiedenen sächsischen Gymnasien tätig, zuerst in Leipzig,
Plauen i. V. und Zwickau , sodann als Konrektor des neugegründeten Kgl.
Gymnasiums in Dresden (1874 — 1880), worauf ihm als erstem Rektor die Leitung
des Kgl. (jetzt König Albert-) Gymnasiums in Leipzig übertragen wurde. Dieses
Amt hat er bis zu seinem Tode mehr als 21 Jahre mit Energie und glänzendem
Erfolg geführt; daneben bekleidete er seit 1886 eine außerordentliche
Professur an der Universität Leipzig für Gymnasialpädagogik und war betraut
mit der Direktion der philologischen Abteilung des pädagogischen Seminars
der Universität, von dessen Neuorganisation 1894 ab als Direktor des Kgl.
praktisch-pädagogischen Seminars unter gleichzeitiger Ernennung zum ordent-
lichen Honorarprofessor. Seit 1893 leitete er die pädagogische Abteilung
der Teubnerschen »Neuen Jahrbücher«, von denen unter seiner Redaktion
neun Bände erschienen sind.
In den beiden Großstädten Dresden und Leipzig hat also R. die haupt-
sächlichste Arbeit seines Lebens geleistet. Sie fällt in eine Zeit bedeutenden
Aufschwungs des gesamten sächsischen Gymnasialwesens. In der Reihe
stattlicher Neugründungen humanistischer Bildungsanstalten, die sich während
jener Jahrzehnte notwendig erwiesen, ist gerade den beiden, an welchen
R. zu wirken berufen war, die größte Entwicklung beschieden gewesen. Das
Kgl. Gymnasium zu Dresden-Neustadt hatte sich bei seinem Weggang nach
erst sechsjährigem Bestehen fast zu einer vollständigen Doppelanstalt mit
17 Klassen und 515 Schülern ausgebildet, und der Rektor, Geh. Schulrat
Hugo Ilberg, bezeugte dem Scheidenden aus warmem Herzen, daß er sich
um die Organisation der neuen Schule und um den Geist, der sie beseelte,
höchst wesentliche Verdienste erworben habe. Als R. am 12. April 1880
sein Leipziger Rektorat übernahm, konnte er 195 Schüler in zehn Klassen
einreihen; am gleichen Datum seines Todesjahres, wenige Wochen vor seinem
>) Totenliste 1901 Band VI 86*.
398 Richter.
Ende, begann der Unterricht mit 658 Schülern in 21 Klassen; das Kollegium
war in diesem Zeitraum von 18 auf 38 Lehrer angewachsen. Welche
Summe rein organisatorischer Arbeit liegt in diesen Zahlen; größer aber war
die erzieherische und die Lehrtätigkeit, die dieser unermüdliche Mann im
Laufe der Jahre an vielen Hunderten mit Einsetzung seiner ganzen impo-
nierenden Persönlichkeit, mit treuer Teilnahme am Schicksal von Jung und
Alt, entfaltet hat.
R. hatte von Natur ein ausgeprägt cholerisches Temperament; besonders
in früheren Jahren äußerte sich das stürmisch genug. Das Herbe und Strenge
seines Wesens versetzte seine damaligen Schüler oft in schwüle Stimmung:
weswegen und gegen wen wird das Gewitter losbrechen? Mit scharfem Sar-
kasmus sparte er nicht, wenn er Schlaffheit oder bösem Willen begegnete, und
seine Kritik traf zuzeiten ebenso einschneidend wie die Leistungen der Zöglinge
auch die antiken oder deutschen Schriftsteller, die er ihnen zu erklären hatte.
Es versteht sich von selbst, daß der aggressive Zug, der bei dem etwa Dreißig-
jährigen sich am deutlichsten gezeigt haben mag, auch in weiteren Kreisen
hervortrat: seine satirische Ader machte sich gelegentlich auch in der Öffent-
lichkeit geltend, und wie dem Juvenal, in den er mitunter schon die Primaner
einzuweihen suchte, führte auch ihm die Entrüstung den Griffel, wenn er
seine zugespitzten Gelegenheitsverse gegen gesellschaftliche oder politische
Schwächen und Verkehrtheiten abschoß. Wie urwüchsig sein Unterricht da-
mals in vieler Beziehung beschaffen war, dürfte vorsichtige und ruhige, früher
abgeklärte Naturen in Verwunderung setzen. Abgesehen von Bursian hatte
auf den angehenden Philologen wohl keiner seiner akademischen Lehrer
einen tieferen Einfluß auszuüben vermocht. Er war in der Hauptsache seinen
eigenen Weg gegangen und hatte bis in die siebziger Jahre noch wenig von
der klassizistischen Auffassung der Antike in sich aufgenommen, die damals
vorherrschte. Scharfkantig wie er war, verfocht er selbst im Unterricht einen
für jene Zeit zum Teil recht ketzerischen Standpunkt. Er ließ die reale und
realistische Seite des Altertums kräftig hervortreten und betonte durchaus
nicht vorzugsweise das Normative in den antiken Schriftwerken und Zuständen.
Seine Übersetzung war immer originell, fast allzu modern. Es genügte ihm
nicht, das Verständnis der Autoren zu erschließen, indem er sie aus ihrer
Zeit erklärte und die Verhältnisse darlegte, unter denen sie geschaffen haben.
Sie dienten ihm fast alle dazu, die angeregten Gedanken weiter zu verfolgen
und auszuführen, was jeder Pädagog billigen wird; dabei führte ihn aber
seine tiefgehende und kampflustige Art nicht selten zu so rückhaltloser Kritik
des Schriftstellers — nicht in philologischem, sondern in allgemeinerem Sinne — ,
wie er sie in späteren Jahren selbst nicht mehr billigte, in der Schule jeden-
falls nicht betrieben wissen wollte. Das war für die Fortgeschrittneren zwar
vielfach förderlich und in jener harmloseren Zeit weniger bedenklich als
heutzutage. Als Professor der Pädagogik hat R. aber gewiß mit Lächeln an
Schulstunden zurückgedacht, wie beispielsweise die, in der er mitten in der
Lektüre von Ciceros Tuskulanen entrüstet das Buch zuklappte, auf sein Ka-
theder schlug und ausrief: »Glauben Sie dem Manne nicht; sein unlogisches
Geschwätz ist unerträglich!« Demosthcnes, den heute viel angefochtenen,
las er mit Vorliebe und entwarf dabei packende Schilderungen bewegten
politischen Lebens. Wenn neuerdings durch das Griechische Lesebuch Ulrichs
Richter.
399
von Wilamowitz-Moellendorff dem deutschen Gymnasium die dankenswerte
Anregung gegeben wird, den Kreis der Schriftsteller nicht zu eng zu fassen
und mit ihrer Hilfe ein umfassenderes Bild des Griechentums zu vermitteln,
so erinnern sich R.s Schüler gern, daß ihnen frühe Ähnliches zuteil geworden
ist. Stücke aus Lucian, Piutarch, Arrian hat er z. B. mit ihnen gelesen —
diesen freilich »wegen der großen Ledernheit« später aufgegeben — , auch
Theokrit und Theophrasts Charaktere gelegentlich und Aristophanes bis zuletzt,
eine Aufgabe, die seine pädagogische Meisterschaft forderte und hervortreten
ließ. Von den Römern bevorzugte er außerhalb des Kanons der üblichen
Schulautoren Catull und Tibull, für die er auch schriftstellerisch tätig ge-
wesen ist; die Cena Trimalchionis, sogar Senecas Apokolokyntosis blieben
seinen Dresdner Primanern nicht fremd. Die oberen Klassen jener neuen
Anstalt hatten zu R.s Zeiten noch eine leicht zu übersehende Schülerzahl;
der Unterricht konnte deshalb individueller, man möchte fast sagen patri-
archalisch erteilt werden. Welcher Lehrer würde unter normalen Verhält-
nissen Zeit und Stimmung zu dem Wagnis finden, Heines Wintermärchen
»Deutschland« zum größten Teile vorzulesen, wie R. tat, mit eingeflochtenen
Erläuterungen über die Kunst und die politische Stellung des Dichters? Auch
die Aufgaben, die er dort zur Übersetzung in die klassischen Sprachen und
zur freien Bearbeitung stellte, wichen nicht selten von der Heerstraße des
Schulmäßigen ab. Stark persönlich gefärbt, setzten sie nicht geringe Gewandt-
heit und Selbständigkeit für ihre Lösung voraus, und es waren auch" allzu
harte Nüsse darunter. »Die Dichter feiern Homers Geburtstag im Olymp«
als menippeische Satire, also abwechselnd in Prosa und Versen verschiedener
Art, lateinisch zu behandeln, das durfte sich im Ernst der geistvolle Lehrer
nur selber zutrauen.
Seitdem R. sein Leipziger Rektorat übernommen hatte, näherte er sich
den Meisterjahren. Es ist ergreifend, zu beobachten, wie sich diese Natur
in dauernder Fortentwicklung zu einheitlich geschlossener Harmonie weiter-
bildet. »Das ist der echte Pädagog, der andre und sich selbst erzog.«
Wichtige Zeugnisse seiner Abklärung und Vertiefung finden sich in den
»Reden und Aufsätzen«, die jüngst von seinem Sohne Rudolf herausgegeben
worden sind. Früher hatte er sich verabschiedenden Schülern etwa als Geleit-
wort zugerufen: »Üben Sie Kritik!« Jetzt sagt er: »In eurem Auge muß sich
die Welt noch golden malen. Die scharfgradige Rezensentenbrille ist ein
schlechtes Ausrüstungsstück für euren Weg.« Er spricht eingehend »von den
Grenzen, die dem Wissen und damit der Kritik des Schülers gezogen sind«;
kurz und bündig faßt er das am Schlüsse eines Sonettes an zwei Primaner,
»als sie sich eines verfrühten Urteils über einen Gegenstand des Unterrichts
verwegnet hatten«, in die Worte zusammen:
Der Jugend ziemt, im Tadeln fein bescheiden
Zurück das Urteil und — das Maul zu halten.
Die anspruchsvolle Aufgabe der Organisation einer großen neuen Anstalt,
die in den ersten Leipziger Jahren den ganzen Mann für sich forderte, ließ
den positiven Kern seines Wesens mehr und mehr hervortreten, und die
mildernde Kraft des vorrückenden Lebensalters, die steigenden Erfolge seiner
Direktions- und Lehrtätigkeit an Schule und Universität trugen das ihrige
dazu bei. Bei aller Verstandesschärfe war er von jeher mit reicher Phantasie
400 Richter.
und tiefem Gemüt begnadet; das äußert sich nun immer lebendiger in seltener
Verbindung, und man mag wohl fragen, aber schwer entscheiden, welche
Seite seines Charakters die größere Wirkung ausgeübt habe. Seit früher
Jugend war Uhland sein Lieblingsdichter gewesen; die Festigkeit und An-
spruchslosigkeit, die Forschungslust und Wärme des treuen Mannes entsprachen
so ganz seiner eigenen Art. In Uhlands Geiste sind auch die meisten
Gelegenheitsdichtungen R.s gehalten, oft allerdings in etwas derberer Holz-
schnittmanier. Das Dichterische und überhaupt der künstlerische Zug in R.s
W^esen war eine köstliche Beigabe für seinen Beruf. Was er auch beginnen
mochte, alles gewann frisches Leben unter seinen Händen. »Schwerer Dienste
tägliche Bewahrung« mußte den von ihm Geleiteten stets erneute Befriedi-
gung gewähren, wenn sie sahen, wie er aus sprödem Stoffe Funken zu schlagen
wußte, die eine warme Begeisterung entzündeten. Er vertrat, je älter er
wurde, je entschiedener einen wohltuenden Optimismus in seinen Erziehungs-
grundsätzen und in der Beurteilung pädagogischer Tätigkeit anderer, dabei
ein Feind unfruchtbarer Klagen und entmutigenden Pedantentums.
R. ist nicht dazu gekommen, sein pädagogisches Glaubensbekenntnis im
Zusammenhange literarisch zu fixieren. An Aufforderungen dazu und einzelnen
Ansätzen hat es nicht gefehlt, fast gänzlich aber in der Leipziger Zeit an
Muße. Vielleicht auch an Neigung, denn er war ein Mann der Tat und des
gesprochenen Wortes. Im Stadtverordnetensaale und Kirchen vorstand, durch
Vorträge oder Festreden vor einem großen Publikum betätigte er sich leb-
haft neben der Berufsarbeit in der Schule; später nahm ihn die Universität
mehr und mehr in Anspruch, das Seminar und seine Vorlesungen. Im
praktisch-pädagogischen Seminar hielt er sogenannte Musterlektionen und
veranlaßte Lehrversuche der Mitglieder, woran sich gemeinsame Besprechungen
dieser Lektionen sowie anderweitige didaktische und pädagogische Erörte-
rungen zu schließen pflegten. Seine akademischen Vorlesungen bezogen sich
in viersemestrigem Turnus auf Didaktik der höheren Schule, ausgewählte
Fragen der Gymnasialpädagogik, Vorbildung für das höhere Lehramt und
Geschichte des höheren Schulwesens in Deutschland seit der Reformationszeit.
Auch den Amtsgenossen kam die intensive Beschäftigung mit praktischen
Schulfragen, zu der ihm das akademische Nebenamt Gelegenheit gab, viel-
fach zugute. Auf den Versammlungen der sächsischen Gymnasiallehrer hat
R. mehrmals öffentlich gesprochen und vor wichtigen Entscheidungen sein
Votum in die Wagschale gelegt. Über das Verhältnis des Gymnasiums zur
Universität trat ' er auf der Generalversammlung des Gymnasialvereins in
Bamberg (1894) als Mitberichterstatter mit lebhaftem Beifall auf. Nachdrück-
lich wirkte er aber vor allem auf sein eigenes Kollegium, in ausführlichen
Darlegungen während der Konferenzen und durch unerschöpfliche, oft
humoristisch gefärbte Anregungen in täglichem Verkehr. Wer längere Zeit
unter ihm gestanden hatte, lernte bald den inneren Zusammenhang verstehen,
der alle diese Äußerungen verband, er ahnte, um mit Uhland zu reden, als
Einheit im Zerstreuten seines Rektors ganz Gemüt.
R. hat kein neues Programm des Erziehungs- und Unterrichtswesens auf-
gestellt. Er war nicht gekommen, das Gesetz und die Propheten aufzulösen,
sondern zu erfüllen. Daß ein so kritisch veranlagter, durchaus selbständiger
Geist mit vollem Bewußtsein in einer reformlustigen Zeit diesen Standpunkt
Richter.
4ÖI
einnahm, ist gewiß sehr bemerkenswert. Die Ausdehnung seines wissenschaft-
lichen und praktischen Gesichtskreises, die ehrliche Konsequenz seines
Denkens sichern ihn vor dem Vorwurf, er habe seine Zeit nicht gekannt
oder nicht verstehen wollen. Seine klaren Augen waren scharf auf Wirklich-
keit und Gegenwart gerichtet. Ihm entging keine Phase der Reformbewegung
der letzten Jahrzehnte. Alle die verschiedenen Richtungen und Beschlüsse
ließ er mit lebhaftem Anteil und entschiedener Stellungnahme an sich vor-
überziehen: die Heidelberger Erklärung, den Verein für Schulreform und
den Einheitsschul verein, die Dezemberkonferenz von 1890 und die Juni-
konferenz von 1900. Als die Verhandlungen der den klassischen Unterricht
schmälernden Berliner Dezemberkonferenz erschienen waren, berichtete er
gleich darauf in der Jahresversammlung des Sächsischen Gymnasiallehrer-
vereins eingehend darüber und knüpfte Betrachtungen über die sächsischen
Verhältnisse daran. Dort wie sonst sprach er sein Ceterum censeo zugunsten
der humanistischen Bildung: »Ich aber bin und bleibe fest überzeugt von dem
hohen Werte des deutschen humanistischen Gymnasiums und insbesondere
von der Unersetzlichkeit der vereinigten alten Sprachen als des hauptsäch-
lichsten . . . Bildungsmittels dieser Schulart. Mich hat die Jahre daher
nichts von alledem, was ich gelesen, gehört und gesehen habe, in diesem
Glauben irre machen können, und die Berliner Verhandlungen haben ihn nur
gekräftigt. Aber ich bin auch davon fest überzeugt, daß unsere Zeitverhält-
nisse, unsere Kulturzustände eine fortgesetzte Ausbildung und Verfeinerung
des Gymnasiums, insbesondere auch beim altsprachlichen Unterricht, gebieterisch
erheischen«.
Ausbildung und Verfeinerung des Unterrichts, nicht neue Orientierung
nach anderem Kurse, das war sein Wahlspruch. Der sächsischen Gymnasial-
politik der Neuzeit rühmt er nach, sie habe mit vollem Bewußtsein dem
durch die Geschichte sattsam bestätigten Grundsatze Rechnung getragen,
»daß die Jugenderziehung eine sehr stetige und wenig wandelbare Sache
ist, nicht ein Feld, auf dem sich große, entscheidende Schlachten mit unge-
heuren Katastrophen ersiegen lassen, oder durch große Revolutionen mit
einem Schlage das alte gestürzt und neues Leben aus den Ruinen erweckt
werden könnte«. Die Maßhaltung, die das Wesen der Erziehung erfordert,
setzt er in Beziehung zum sächsischen Volkscharakter (»Sachsen als Gymnasial-
staat«, Rede zum 70. Geburtstage König Alberts), über dessen schwache und
tüchtige Seiten er sehr objektiv zu urteilen pflegte. Seine Didaktik ging von
einer Reihe recht einfacher Grundsätze aus. Ebenso wie die pädagogischen
Weltverbesserer lehnte er die grauen Theoretiker ab. Mitten in die wirkliche
Schulstube führten seine knappen Betrachtungen; phrasenhaftes Wesen, Wort-
schwall über Selbstverständliches, verbreitete Fehler pädagogischer Schrift-
stellerei und Beredsamkeit, waren ihm ein Greuel. Eine im Innersten
bescheidene Natur, haßte er die großen Worte und tönenden Tiraden der
modernen Reklamepädagogik. Sein eigenes Licht leuchten zu lassen, war
niemals seine Absicht; nur der Sache, seinen Schülern und seiner Schule,
wollte sein hinreißendes Wort, seine scharfe Feder dienstbar sein. Zur Selbst-
besinnung und Selbstkritik sich und die andern zu führen war er unermüdlich;
das schien ihm immer wieder notwendig zu sein bei der Seibstherrlichkeit,
die sich im Lehrberufe naturgemäß leicht geltend macht. Der Leiter einer
BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog:. 7. Bd. 26
402 Richter.
großen Anstalt, an der gegen vierzig Amtsgenossen wirken, hat ja die Kunst,
viele zu einem gemeinschaftlichen Ziele zu führen, nicht zum wenigsten an
seinem Kollegium auszuüben. Es soll nicht gesagt werden, daß R. darin
stets Erfolg gehabt hätte; aber das ist gewiß, daß er seine wohlerwogenen
Gründe hatte, wenn er das eine und andere Fach in seinen Ansprüchen zu-
rückhielt. Eine große Gefahr für das moderne Gymnasium schien ihm in
einem unvermittelten Nebeneinander verschiedenartiger Lehrgegenstände zu
liegen, deren jeder an und für sich ohne Zweifel schätzenswert ist. Als eine
Grundbedingung fruchtbaren Zusammenwirkens erkannte er, daß jedes Glied
des Lehrkörpers mit Bewußtsein dem gemeinsamen Ziele zustrebe und sich
den Mitarbeitern möglichst anbequeme, auch dann, wenn damit eine gewisse
Selbstverleugnung verbunden sei. Das ist heutzutage nicht immer möglich,
wo in manchen Kollegien humanistischer Gymnasien entschiedene und betrieb-
same Gegner des humanistischen Systems sitzen und wo die Lehrer selbst
nicht überall Schüler der Anstaltsgattung sein können, an die sie berufen
werden. Lebhaft pflegte er kollegialen Zusammenhalt durch persönliche
Beziehungen, soweit es die großstädtischen Verhältnisse zuließen. Oft mußte
es rätselhaft erscheinen, wie es der Vielbeschäftigte durchführen konnte, so
manche Abende für zwanglose Aussprache zu erübrigen und den Jüngsten
gleich auszuhalten wie Sokrates in Piatons Symposion. Gerade in solchen
Stunden gab er sich am freiesten, in bedächtigem Ernst oder kräftigen Scherz-
worten. Mancher junge Amtsgenosse, der früher vielleicht als Schüler
oder als Student zu seinen Füßen gesessen hatte, wurde dann völlig für seine
Auffassung des Lehrberufs gewonnen.
Außer den alten Sprachen lehrte R. über i6 Jahre lang in Leipzig das
Deutsche in der obersten Klasse. Es ist zu vermuten, daß ihm dieser Unter-
richt schließlich der liebste gewesen ist, wenn er auch einmal in rhetorischer
Hyperbel über das »noch völlig ungelöste Problem des Deutschen« klagt.
Hier konnten seine hervorragenden und eigentümlichen Talente ganz besonders
zur Wirkung gelangen, seine Überzeugung über die beste Grundlage der
höheren Bildung sich am ausgiebigsten praktisch betätigen. Er hatte sich in
die klassische Zeit der deutschen Literatur mit den Jahren immer gründlicher
eingelebt, Goethe war ein Hauptstudium von ihm geworden. Von hier aus
Fäden zum klassischen Altertum zu spinnen war er emsig bemüht. Die
Richtung seines deutschen Unterrichts zeigt sich in seinen Aufsatzthemen,
die auf den ersten Blick z. T. vielleicht zu hoch gegriffen scheinen, im
Unterricht jedoch soweit vorbereitet zu sein pflegten, daß der Durchschnitt
der Schüler etwas damit anzufangen wußte. So stellte er zur Beantwortung:
»Durch Homer, Sophokles und Horaz zu Lessing, Goethe und Schiller —
lohnt sich der Umweg?« »Wie stellt sich das Mäcenatentum dar bei Horaz
und bei Goethes Tasso?« »Warum ist der Charakter des Bösewichts im
neueren Schauspiel häufiger und mehr ausgebildet als im griechischen?«
Eine anregende Parallele ließ er ziehen zwischen »Elektra und Hamlet«.
»Die Alten sind eigentlich die Jungen« — das ist ein Leitstern für seine
gesamte Lebensarbeit gewesen; aus wärmster Überzeugung wird er seine
Zöglinge angeleitet haben, diesen Satz auf Grund ihrer Klassikerlektüre zu
guter Letzt auszuführen. Die Korrektur besorgte er aufs eingehendste; es war
auch für den Unbeteiligten von Interesse, seine prägnanten Randbemerkungen
Richter.
403
zu lesen. Hohen Wert legte er, selbst ein glänzender Redner, darauf, der
Jugend die Zunge zu lösen. y>Omnmm rerum regina oratio^< hatte er einst in
lateinischer Ausarbeitung, natürlich nicht ohne kritischen Zusatz, dartun
lassen. Einem Abiturientenjahrgang legte er in längerer Ansprache ans Herz:
»Ein beredtes Zeugnis eurer Reife wird das Deutsch sein, das ihr redet«.
Wer einen Begriff davon erhalten will, wie er im einzelnen verfuhr, um zu
rechtem Gebrauch der sprachlichen Form für schriftlichen und mündlichen
Ausdruck zu erziehen, Schüler ebenso wie Lehrer, der lese beispielsweise in
seinen »Reden und Aufsätzen« »Der Lehrer als Dichter«, an sich schon ein
kleines Meisterstück deutscher Prosa.
Auch die unmittelbarste Form schriftlicher Äußerung, der Brief, wurde
in R.s deutschem Unterricht gepflegt. Die Art, in der er selbst Briefe schrieb,
war freilich nicht lehrbar, ebenso unnachahmlich wie seine ganze Persönlich-
keit. Von seinen Abiturienten ließ er sich Briefe über ihre Berufswahl
schreiben und hat zu manchem ein gewichtiges Wort über den Entschluß
gesprochen, dem oder jenem geradezu Richtung und Weg fürs künftige
Leben gezeigt. Mit väterlichem Anteil begleitete er ihren Schritt in die Frei-
heit. Als er nach iSjährigem Bestehen der Schule Ostern 1898 »das zweite
Schülergeschlecht« entließ, sagte er: »Das dritte Geschlecht, das jetzt zu
Ostern kommen wird, mag und wird 1907 an meiner Stelle ein anderer verab-
schieden ; er wird es als Lehrer und Rektor anders machen, als sein Vorgänger
und wills Gott in wesentlichen Stücken besser; eins aber soll er nicht besser
verstehen und bestreite ich ihm im voraus, daß er mit größerer Herzens-
teilnahme die jugendliche Schar aus dem Schutze und der Vormundschaft
der Schule, der sie entwachsen, hinausgehen hieße in die unsichere Freiheit
und in das anspruchsvolle Leben.«
Das Vertrauen, mit dem er seinen Schülern entgegenkam, ist selten ge-
täuscht worden. Auch er mußte wohl an manchem erproben und warten,
»ob nicht endlich in den trübe und träumerisch verschleierten Augen dort
ein Licht des Verständnisses aufleuchten, ob nicht jener unruhige und zer-
fahrene Gesell unwillkürlich einmal stillhalten wird in Aufmerksamkeit und
innerer Sammlung, ob es gelingen wird, diese kühle, frostige Natur zu er-
wärmen für etwas Großes in der Geschichte der Menschheit, für etwas Schönes
in Natur und Kunst, oder aus jenem Gesichte endlich einmal den ständigen
Zug der Verdrossenheit und der mißvergnügten Ablehnung zu vertreiben«.
Aber er, der Redegewaltige, der so mächtig zürnen und schelten konnte,
vergaß niemals des Apostels Worte: »Wenn ich mit Menschen- und mit
Engelszungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz
oder eine klingende Schelle«. So gelang es ihm meist, auch die Wider-
strebenden zu gewinnen oder doch bei der Familie Verständnis zu finden für
die Aufgaben und Forderungen der Schule. Über das Verhältnis von Schule
und Haus hat er viel nachgedacht und zahlreiche Beziehungen zu Schüler-
eltern gepflegt, zumeist natürlich in schwierigen Fällen. Das Familienblatt
»Daheim« brachte zuerst von ihm zwei sehr bekannt gewordene Aufsätze:
»Die Gymnasiastenmutter« und »Setzen Sie sich — aus Ihnen wird
nichts!« Aus ihnen erkennt man mit großer Deutlichkeit, worin ein Teil des
Geheimnisses lag, das seiner Wirksamkeit Erfolg verbürgte. Er verstand die
Kunst, die Jugend nicht nur als Philolog und Schulmann, sondern auch als
404
Richter.
Familienvater zu beurteilen, ihr menschlich nahe zu treten und vielseitig
gerecht zu werden, so daß sie sich verstanden fühlte und auch den strengen
und hochgespannten Forderungen, die er an sie stellte, zu entsprechen strebte.
Denn stets hielt er es mit einem seiner Lieblingssprüche aus Horaz: y^Qui
studet optatam cursu conttngere metam, Multa tuHt fecitquc ptur, sudaint et alsiH^
dessen Inhalt er einmal in folgenden Worten der Schülerschaft zurief: »Glaubt
mir das eine: Was immer treue Elternsorge, gründliche Lehrererfahrung und
weitschauende Staatsweisheit vereint ersinnen und schaffen mögen zur Um-
gestaltung unseres Erziehungs- und Unterrichtswesens, das mag in den Formen
und Wegen des jugendlichen Lern- und Arbeitswesens mannigfaltige Verän-
derungen bringen, aber nie und nimmer wird sich der Schweiß wegschaffen
lassen, der vor die Tugend gesetzt ist; unverändert bleiben wird und muß
für euch die Notwendigkeit der anstrengenden Übung für den Wettlauf des
Lebens«.
Dafür hat R. gelebt, darüber ist er grau geworden, dabei ist er gestorben,
ein unvergeßliches Vorbild für alle, die ihn gekannt und ihn verstanden
hatten.
Im Druck erschienen von R. Richter folgende Schriften: Ausgewählte Fabeln des
Pbädrus, erklärt von F. E. Rasebig. 3. Aufl. besorgt von R. Richter. Berlin, Weidmann-
sehe Buchhandlung 187 1. XI, 85 S. gr. 8°. — De quarü libri Tibulliani elegiis wtprimisque
de quinta dispuiafio, Programm des Kgl. Gymnasiums zu Dresden-Neustadt 1875. 'o S. 4*».
— Bericht über Catull und die auf Catull, Tibull, Properz gemeinsam bezüglichen Schriften
für die Jahre 1874, 1875 ^^^ 1876. Separatabdruck aus dem Jahresbericht Über die Fort-
schritte der klassischen Altertumswissenschaft, 1876, II, S. 300 — 335. -^ Caiulliana, Pro-
gramm des Kgl. Gymnasiums zu Leipzig 1881. 26 S. 4°. — Schul nachrichten der Programme
des Kgl. (König Albert-) Gymnasiums 1881 — 1901. 21 Nummern, 4°. Dazu in den Ver-
«ffentl. zur Gesch. d. gelehrten Schulwesens in Sachsen, I, Leipzig 1900, S. 179 — 183:
Kgl. Gymnasium in Leipzig. — Luther auf der Wartburg. Reden zur Feier des 400. Geburts-
festes Luthers etc. Leipzig, Hahnsche Verlagsbuchh. 1883, S. 78 — 81. — Rede, gehalten
bei der Versammlung des Vereins Sächsischer Gymnasiallehrer zu Zwickau d. 4. April 1891,
15 S. gr. 8«. — Uhlands Gedichte. Auswahl, herausg. von R. Richter. Bielefeld u. Leipzig,
Velhagen & Klasing 1883. XI, 150 S. kl. 8°. — Ernst, Herzog von Schwaben von L. Uhland,
herausg. von R. Richter. Ebd. 1893. XIII, 80 S. kl. 8°. — Das Verhältnis des Gymnasiums
zur Universität. Das humanistische Gymnasium, V, Heidelberg 1894, S. 65 — 73. — Neue
Jahrbücher für Philologie und Pädagogik, II. Abt. 1894, Bd. 150 S. 63 f.: Besprechung von
O. Jäger, Pro domo, — 1895, Bd. 152 S. 409 — 418. 457 — 474: Die deutsche G}Tnnasial-
pädagogik in ihrer neuesten Fassung. — 1896, Bd. 154 S. 209—224: Zur Frage der
pädagogischen Vorbildung für das höhere Lehramt. — 1897, Bd. 156 S. 254: Besprechung
von Erdenberger, Das Avancement der akademisch gebildeten Justizbeamten und Lehrer im
säclis. Staatsdienste 1886— 1896. — S. 408: Besprechung von O. Kohl, Griech, Unterricht.
— Neue Jahrbücher für das klassische Altertum usw. und für Pädagogik, II. Abt., 1898,
Bd. 2 S. 95 — 105: Die Geldfrage in der Gymnasialpädagogik. — S. 164 — 176: Lehrkunst
und Lehrhandwerk. — S. 383 — 384: Konferenzen. — 1899, I. Abt., Bd. 3 S. 302 — 304:
Besprechung von E. Schmidt und J. Hartmann, Gedichte von L. Uhland und J. Hartmann,
Uhland> Tagebuch 1810 — 1820. — II. Abt., Bd. 4 S. 63—64: Besprechung von Th. Ziegler,
Der Kampf gegen die Unmäßigkeit auf Schule und Universität. — S. 119 — 120: Besprechung
von: Zukunftsgymnasium und Oberlehrerstand. — S. 398 — 400: Zu R. Meister, Über die
Feststellung der wissenschaftlichen Hauptzensur für das Reifezeugnis an den sächsischen
Gymnasien. — 1900, Bd. 6 S. 296 — 304: Zwei Stimmen zur preußischen Schulreform. —
S. 511 — 512: Auch ein Urteil über Pädagogik. — Reden und Aufsätze von R. Richter. Mit
einem Bildnis in Heliogravüre. Leipzig, B. G. Teubner 1902, VIII, 247 S. kl. 8^
Richter. Hoefer. Toeche.
405
Autobiographische Nachrichten im Jahresbericht des Gymnasiums zu Zwickau 1866,
S. 37 und im Programm des Kgl. Gymnasiums zu Dresden-Neustadt 1875, S. 26f. —
Bericht tiber R.s Tod und Begräbnis mit den Gedächtnisreden des Geheimrats D. Dr. Vogel
und des Konrektors Prof. Dr. Wörner im Jahresbericht des König Albert-Gymnasiums in
Leipzig 1902, S. 2 — 7. — Grabrede des Pfarrers D. Dr. Buchwald in den Pastoralblättem XLVI,
304 — 308. — E. Schwabe, Rieh. Imm. Richter, ein Gedenkblatt, im Hum. Gymn. 1901,
V, 229 — 233. — J. Ilberg, R. Richters Reden und Aufsätze, in den Neuen Jahrbüchern 1901,
VIII, 572—578. — Afranisches Ecce 6. Heft, Meißen 1901, S. 70—85 (Rud. Richter und
E. Pollack). — [J. Schlurick,] Nekrolog im Bericht über die 12. Jahresversammlung des
Sachs. Gymnasiallehrer\'ereins, Leipzig 1902, S. 32 — 37.
Die äußere Erscheinung R.s stellt in sehr glücklicher Weise als Sitzbild die nach einer
Photographie von N. Perscheid in Leipzig hergestellte Heliogravüre vor den »Reden und
Aufsätzen« dar. — Nach seinem Tode ist eine Marmorbüste von Prof. Carl SefFner in Leipzig
geschaffen worden. Dem Künstler dienten als Grundlage für sein Werk nur eine Reihe
von photographischen Aufnahmen aus verschiedenen Zeiten. Dennoch ist es trefflich
gelungen und von einer großen Zahl von Schülern, Amtsgenossen und Freunden dem
König Albert-Gymnasium in Leipzig geschenkt worden. Eine Wiederholung in Hermen-
form befindet sich auf dem Leipziger Nordfriedhofe an R.s Grabstätte.
Johannes Ilberg.
Hoefer, Hermann, <) Buchhändler, * 1835 in Berlin, f 16. Juli 1901 ebenda.
Einer der bekanntesten deutschen Buchhändler der Neuzeit, wurde H. bereits
als 14 jähriger Knabe dem Buchhandel zugeführt, so daß er sozusagen »von
der Picke auf diente«. Seine Lehrzeit bestand er in der Brünslowschen Buch-
handlung in Neubrandenburg; seine Wanderjahre führten ihn nach Nordhausen,
Mainz, Frankfurt a. M., Berlin, und für längere Zeit nach Prag. 1861 — 65
war H. als Leiter der bekannten Weidmannschen Buchhandlung in Berlin
tätig, um alsdann als Prokurist in die Firma Dietrich Reimer einzutreten und
nach Jahresfrist ihr Teilhaber zu werden. Nunmehr entwickelte H. in Ge-
meinschaft mit seinem Sozius Dietrich Reimer unter der Firma Reimer und
Hoefer eine umfangreiche Tätigkeit auf dem Gebiete der Förderung der geo-
graphischen Wissenschaften. Die vorhandenen großen Kartenwerke wurden
verbessert und neue große wissenschaftliche Unternehmungen auf dem Gebiete
der Erd- und Länderkunde ins Leben gerufen. Einen vollständig neuen Auf-
schwung gab H. der Fabrikation von Erd- und Himmelsgloben. Mit Beginn
des Jahres 1895 überließ H. seinen Geschäftsanteil seinem Sozius, dem an
Stelle des 1891 verstorbenen Begründers der Firma eingetretenen Konsul
E. Vohsen. Bald darauf erwarb H. den Renteischen Schulbücherverlag in
Potsdam und baute ihn durch Ankauf des Gruihnschen Verlags in Danzig
weiter aus. Daneben übernahm H. die Geschäftsleitung der Firma C. Regen-
hardt in Berlin, welche er bis zu seinem Tode inne hatte.
Ersprießlich wirkte H. auf dem Gebiete der buchhändlerischen Vereins-
tätigkeit.
Quellen: Korporationsbericht der Berliner Buchhändler 1901; Börsenblatt für den
deutschen Buchhandel 1901. Rudolf Schmidt.
Toeche, Ernst, ^) Buchhändler, * 24. März 1844 in Berlin, f 3- Mai 1901
ebenda. — Als Sohn des Geh. Hofrats Toeche geboren, widmete sich T.,
0 Totenliste 1901 Band VI 48*.
») Totenliste 1901 Band VI 108*.
^06 Toeche. Spamer. Radnitzky.
nachdem er das Cöllnische Gymnasium absolviert hatte, dem Studium der Land-
wirtschaft in Eldena. Dieses ergänzte T. später durch praktische Tätigkeit
auf verschiedenen großen Gütern. Doch wandte er sich im Jahre 1870 dem
Buchhandel zu und absolvierte seine Lehrzeit bei seinem Bruder, dem In-
haber der Kieler Universitätsbuchhandlung. 1871 trat er in das Geschäft
seines ältesten Bruders Theodor Toeche, Besitzer der großväterlichen Firma
E. S. Mittler & Sohn in Berlin ein, und verblieb daselbst bis zum Jahre 1879.
In diesem Jahr bot sich ihm eine gute Gelegenheit zur buchhändlerischen
Selbständigkeit, indem ihm der Kommissionsverlag der Deutschen Bauzeitung
und des Deutschen Baukalenders angeboten wurde. T. willigte ein und
errichtete auf dieser Grundlage einen ansehnlichen Verlag von Architektur-
werken, so daß seine Firma bald in der Reihe der ersten Berliner Verlags-
geschäfte genannt wurde.
Quellen: Korporationsbericht der Berliner Buchhändler 1901.
Rudolf Schmidt.
Spamer, Hugo,*) Buchhändler, * 5. Juni 1846 in Leipzig, f am 30. Januar
1901 in Berlin. — Sp. war der Sohn des bekannten Leipziger Verlagsbuchändlers
Otto Spamer, der ihn von Anfang an zum buchhändlerischen Berufe bestimmte.
Nach Absolvierung der höheren Schule in Leipzig trat Hugo als Lehrling in
die Jaegersche Buchhandlung in Frankfurt a. M. ein. Seine Wanderjahre
führten ihn zu F. Volckmar in Leipzig und dann nach Zürich, wo er als
Geschäftsführer der Firma Orell Füßli & Co. tätig war. 1876 trat an ihn
das Anerbieten heran, als Vertreter mehrerer großer Firmen während der
Weltausstellung in Philadelphia tätig zu sein. Sp. willigte ein und blieb
auch nach Beendigung der Ausstellung noch einige Jahre im Dollarlande.
1879 eröffnete Sp. unter seinem Namen in Berlin eine Verlagsbuchhandlung,
deren Grundlage eine Berliner Vertretung des väterlichen Geschäfts in Leipzig
bildete. Daneben pflegte er einen Verlag, der zwar keinen besonders großen
Umfang annahm, ihm aber doch schöne Erfolge brachte. Namentlich die
Herausgabe mustergültiger Schulbücher, besonders solche für kaufmännische
Fortbildungsschulen, betrachtete er als seine Hauptaufgabe.
Sp. hat aber auch neben seiner geschäftlichen Tätigkeit eine umfang-
reiche Wirksamkeit entfaltet. Im Berliner Kommunalleben war er eine be-
kannte und hochgeschätzte Persönlichkeit, tief erfüllt von der Pflicht, der
notleidenden Menschheit mit allen seinen Kräften zu dienen. So sehen wir
Sp. in einer großen Reihe von Ehrenämtern: im Vorstande des Berliner
Armenvereins, des Seemannsheims, als Vorsitzender des Kuratoriums der
kaufmänn. Fortbildungsschulen, als Beisitzer des Berliner Gewerbegerichts usw.
Quellen: Korporationsbericht der Berliner Buchhändler 1901.
Rudolf Schmidt.
Radnitzky, Karl,^) * 16. Nov. 181 8 zu Wien, f ebenda 10. Januar 1901.
— R. entstammt einer seit Generationen in Wien ansässigen Kunsthandwerker-
familie. Sein Vater Joseph R. war k. k. Hofgraveur. R. besuchte die unteren
») Totenliste 1901 Band VI loi*.
«) Totenliste 1901 Band VI 83*.
Radnitzky. von Schweinitz. AQn
Klassen des Schottengymnasiums und trat sodann bei dem Kammermedailleur
und Direktor des Hauptmünzamtes Josef Daniel Böhm als Schüler ein.
1836 wurde er als Münzgraveur angestellt und vollendete 1842 sein erstes
größeres Werk, die Rubensmedaille, für welche er von der Akademie der
bildenden Künste mit dem Reicheischen Künstlerpreise ausgezeichnet wurde.
Sein Erfolg bei einem 1847 unter den Münzgraveuren veranstalteten Konkurse
verschaffte ihm ein Stipendium für eine Studienreise nach Deutschland,
Frankreich und Belgien. Der Ausbruch der Revolution und Familien-
rücksichten veranlaßten seine Rückkehr von Paris nach Wien und machten
weiteren Reiseplänen ein Ende. 1850 wurde er an die Akademie der bilden-
den Künste für den Unterricht im ornamentalen und figuralen Modellieren
berufen. 1853 erhielt er daselbst die Professur für Plastik, Ornamentik und
Medailleurkunst und verblieb in dieser Stellung bis 1881. Von seinen zahl-
reichen Arbeiten seien genannt' die Medaillen auf die 27. Naturforscher-
versammlung in Wien, auf die 100 jährige Feier von Mozarts Geburt, die
große Preismedaille der Akademie der bildenden Künste in Wien, die Me-
daillen auf den Bau der ungarischen Akademie der Wissenschaften in Pest,
auf die Jubelfeier der Wiener Universität, auf die Eröffnung des k. k. österr.
Museums für Kunst und Industrie, ferner Medaillen auf Jenny Lind, Papst
Gregor XVI., Meyerbeer, Halm, Grillparzer, Franz I.iszt, Anastasius Grün,
auf das Jubiläum des Stiftes Kremsmünster, auf die Eröffnung des Neubaues
der Akademie der bildenden Künste, auf das Schillerdenkmal, die Votiv-
kirche. Auch größere und kleinere Porträtbüsten und Medaillons wie jene
auf Hammer-Purgstall , L. A. Frankl, sowie die Kolossalbüste Beethovens
für das Vestibül des Musikvereinsgebäude hat er geschaffen, ebenso die
15 Medaillons auf den Logenbrüstungen des Hofoperntheaters, darstellend die
Bildnisse berühmter Sänger und Sängerinnen, Tänzer und Tänzerinnen.
Von seinem Lehrer Böhm, der ein ungewöhnlich wissender Kunstkenner
war, in die Kunstwissenschaft und in den Kreis der Heider, Eitelberger,
Falke etc. eingeführt, entwickelte sich R. schon frühzeitig als Kunstgelehrter
und beschäftigte sich zeitlebens mit der Kunst- und Kulturgeschichte vor
allem seiner österreichischen Heimat. Durch lange Jahre gehörte R. der
Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung von Kunstdenkmalen, von
1868 bis 1898 auch dem Kuratorium des k. k. österr. Museums an. Von
seinen Schülern seien hervorgehoben Sir Edgar Böhm, später Hofbildhauer
in England, Hermann Wittig, Robert Weigl u.a. Eduard Leisching.
Schweinitz, Hans Lothar von,') preußischer General und Diplomat,
* 30. Dezember 1822 zu Kleinkrichen b.Lüben (Schles.), f 24. Juni 1901 in Kassel.
— Schw. schlug zunächst die rein soldatische Laufbahn ein, sah sich aber später,
gleich seinem Freunde Bernhard v. Werder, in den diplomatischen Dienst
hinübergeleitet. Nebenher als Militär immer höher steigend, wurde er in
gewichtigen diplomatischen Stellungen ein verdienstvoller Mitarbeiter des
Fürsten Bismarck bei der Gestaltung der Beziehungen Preußens und des
Deutschen Reichs zu den Kabinetten von Wien und Petersburg; ihm gebührt
ein Ehrenplatz unter denen, die in der ruhmvollsten Periode der deutschen
») Totenliste 1901 Band VI 97*.
Ao8 von Schweinitz.
Geschichte unter Bismarcks Leitung dem Vaterlande treu und geschickt ge-
dient haben. Ein wohlunterrichteter ehemaliger Gehülfe des Generals v. Schw.
aus der Petersburger Zeit, der jetzige Reichskanzler Graf Bülow, hält dafür
— und hat diese Ansicht auch in der Reichstagssitzung vom 19. März 1903
zum Ausdruck gebracht — , daß Schw. »einer der hervorragendsten Diplomaten
war, die Preußen je besessen hat«. Freilich lassen sich zurzeit lediglich
Bruchstücke seiner Betätigung im Bereiche der hohen Politik mitteilen; das
Hauptmaterial ruht in den Archiven und in den, soviel berichtet wird, von
Schw. hinterlassenen Denkwürdigkeiten; die Würdigung seines diplomatischen
Wirkens kann gegenwärtig nur wenig in die Tiefe gehen.
Schw. ist zeit seines Lebens nach Wesen, Charakter und Auftreten preu-
ßischer Offizier im besten Sinne des Wortes gewesen. Wer ihn sah und
seinen Lebensgang überblickte, wurde — so äußert sich Graf Bülow — an
das Wort erinnert, das Goethe in seinen »Wahlverwandtschaften« Ottilie in die
Feder diktiert, nämlich daß die größten Vorteile im Leben überhaupt wie
in der Gesellschaft ein gebildeter Soldat habe. Schw. war in einem seltenen
Maße allgemein gebildet. Nicht nur im Sinne der Büchergelehrsamkeit; vor
allem war er in die Lage gekommen, in den verschiedensten Stellungen, in
vielen Kreisen und Ländern vieler Menschen Städte zu sehen und Sinnes-
weise zu erkennen. Im November 1840 trat er beim i. Garderegiment zu Fuß
ein, in dem er im folgenden Jahre Sekondleutnant, 1852 Premierleutnant
wurde, und lernte früh den preußischen Hof und die im preußischen Staats-
wesen entscheidenden Verhältnisse kennen. Durch Reisen erweiterte er sein
Wissen über den Potsdamer Gesichtskreis hinaus. Ein Regimentskamerad
verschaffte ihm die Bekanntschaft mit dem Vormund eines wohlhabenden
jungen Herrn v. Wartenberg, welch letzteren er sodann nach dem Westen
und Süden Europas begleiten durfte; Schw. blieb diesem Kameraden dauernd
dafür dankbar^ weil er jene große Reise als die Grundlage seiner späteren
Laufbahn ansah. Abhandlungen über die Armeen des westlichen Europa und
über den Orden vom goldenen Vließ fanden höheren Orts besondere Be-
achtung. Kurzum, 1854 treffen wir den Premierleutnant v. Seh. als Adjutanten
beim Oberkommando der Truppen in Frankfurt a. M. Dort verkehrte er
eifrig mit dem damaligen preußischen Bundestagsgesandten, der nachmals
das Deutsche Reich ins Leben rufen sollte. 1856 wurde er Hauptmann, 1857
persönlicher Adjutant des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen; 1860 ging
er als Major zur Gesandtschaft in Wien, kehrte aber 1863 als persönlicher
Adjutant, unter Stellung ä la suite des Generalstabes der Armee, zu Kron-
prinz Friedrich Wilhelm zurück. Im Feldzug 1864, den er beim Kronprinzen
mitmachte, erwarb er sich die Schwerter zum Roten Adlerorden 4. Klasse
und die Kriegsdekoration zum österreichischen Leopoldorden, wurde im
April 1865 zum Flügeladjutanten des Königs ernannt und als Oberstleutnant
und Militärbevollmächtigter im Mai desselben Jahres nach Petersburg kom-
mandiert. In dieser Stellung leistete Schw, 1866 Preußen Dienste, die in ihrem
ganzen Umfang zu Tage treten dürften, wenn sich einmal die Archive öffnen
werden. Als Vertrauensmann Bismarcks war er das eigentliche politische
Mittelglied zwischen dem Leiter der preußischen Staatskunst und dem russi-
schen Hofe. Im großen Hauptquartier nahm er am Feldzug gegen Österreich
teil, erlebte in der Umgebung des Königs den 3. Juli und empfing das Ritter-
von Schweinitz.
409
kreuz des Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern. Noch 1866 zum
Obersten befördert, war er seit 1869 Generalmajor und General ä la suite
des Königs und erhielt im Dezember des letzteren Jahres die Ernennung zum
Gesandten für Preußen und den Norddeutschen Bund in Wien. Als solcher,
von 1871 ab als Botschafter des Deutschen Reiches bahnte er den Übergang
von einem vorher feindlichen Verhältnis zu den freundschaftlichen und sicheren
Beziehungen an, die uns jetzt mit Österreich-Ungarn verbinden. Es galt, er-
hebliche Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. Insbesondere scheint
die Erinnerung an die von Bismarck betriebene Insurrektion Ungarns lange
Zeit ungünstig nachgewirkt zu haben. »Nichts«, schrieb Schw. 1897 dem Ver-
fasser dieses Nachrufs, »erschwerte mir meine Versöhnungsbestrebungen so
sehr wie die Klapka-Affäre; gerade die Besten unter meinen Freunden aus
früherer Zeit konnten sie nicht vergessen«. Schw. selbst bekennt sich als wenig
erbaut von dieser Maßregel des von ihm hochgeschätzten Staatsmannes, einer
Maßregel, über deren politische Berechtigung und moralische Zulässigkeit
noch heute die Meinungen stark auseinandergehen. Beachtenswert ist der
Eindruck, den Ranke im November 1870 in Wien von dem damals in der
Hofburg beglaubigten preußischen Gesandten gewann und den er dem General
Manteuffel mit den Worten mitteilte, Schw. scheine ihm ganz der Mann für
seine Stelle zu sein. Einer seiner Wiener Mitarbeiter rühmt an ihm den
scharfen Verstand, die gründliche Kenntnis der damals sehr verwickelten
Balkan-Angelegenheiten und die klare, fesselnde Schreibweise; dies alles ge-
staltete den Verkehr mit Seh. zu einem ungemein anregenden. Der Schwer-
punkt seines politischen Lebens lag in seiner Tätigkeit in Petersburg, wohin
er 1876 versetzt wurde. In unseren Beziehungen zu Rußland erlebte er —
man denke nur an die Zeit unmittelbar nach dem Berliner Kongreß und an
die schwere Krise unter Alexander III. — sehr verschiedene Phasen, hielt
aber stets daran fest, daß zwischen Preußen-Deutschland und Rußland keine
tiefergehenden Interessengegensätze bestehen, wohl aber von allgemein poli-
tischen wie dynastischen und konservativen Gesichtspunkten aus Anlaß zu
einem freundnachbarlichen Verhältnis vorliegt. Es war nicht zum geringsten
Teil sein Verdienst, wenn während seiner Amtsführung auch Reibungen
zwischen Deutschland und Rußland nie zu einem unheilbaren Bruch führten.
In der Theorie war er konservativ, in der Art der altpreußischen Konservativen
vor 1866, nach dem Muster eines Leopold v. Gerlach; aber doktrinäre Er-
wägungen hinderten ihn nicht, die Politik des großen Kanzlers als eines
seiner besten Werkzeuge wie in Wien, so in Petersburg an seinem Teile aus-
führen zu helfen. In der Armee seit 1871 Generalleutnant, seit 1875 General-
adjutant seines kaiserlichen Herrn, seit 1884 General der Infanterie, verharrte
er in der diplomatischen Stellung an der Newa bis Ende November 1892.
Der schwarze Adlerorden und der Andreasorden mit Brillanten bezeugten die
besondere Anerkennung, die man in Berlin und Petersburg seiner Wirksam-
keit widerfahren ließ.
Schw. war — um die lebensvolle Schilderung des Grafen v. Bülow wieder-
zugeben — , »ein glänzender Causeur, aber kein Schwätzer; liebenswürdig,
ohne je seiner Würde oder der Würde seines Landes etwas zu vergeben.
Er vernachlässigte nicht das Detail des Dienstes, behielt aber immer die großen
Linien der um ihn sich vollziehenden Entwicklungen im Auge. Das volks-
^10 von Schweinitz. zu Hohenlohe-Schillingsfürst.
wirtschaftliche und juristische Wissen, das er sich mehr autodidaktisch an-
geeignet hatte, war nicht ohne I^ücken. Diese Lücken wurden aber auf-
gewogen durch Menschenkenntnis, Erfahrung, Savoir faire und Bon sens.
Er fiel nie aus der Rolle. Sein Aplomb war allem gewachsen. Seine Ver-
trautheit mit dem Parkett der Höfe hinderte ihn nicht, auch Volksströmungen
scharf zu beobachten und richtig zu beurteilen. Leidenschaftlicher Jäger
von Kindheit auf und bis ins hohe Greisenalter, hatte er auch für die Ob-
jekte seiner politischen Beobachtung den scharfen Jägerblick. In eigentüm-
lichem Gegensatz zu dem praktischen Zug in seinem Wesen, der ihn trotz
mancherlei äußerer Schwierigkeiten und ohne besondere Konnexionen eine
glänzende Karriere machen ließ, stand die Neigung zu philosophischer Be-
trachtung der Dinge, die seinem Wesen namentlich im Alter etwas Ab-
geklärtes gab.« Im Grunde seines Herzens war er kein Freund der großen
Welt und ihrer Geselligkeit. Am wohlsten war ihm, wenn er der erwähnten
Jagdliebhaberei nachgehen, in der Waldestiefe nach dem Auerhahn und dem
Hirsch oder in der einsamen Hochalpenwelt nach der Gemse spüren und
das edle Wild mit seiner sicher treffenden Büchse erlegen konnte. In Wien
hatte er sich mit einer jungen Amerikanerin, Tochter des dortigen amerikani-
schen Gesandten, verheiratet* und lebte mit ihr in einer sehr glücklichen, mit
reichem Nachwuchs gesegneten Ehe.
In den Ruhestand versetzt, zog sich General v. Seh. nach Kassel zurück
und starb dort 1901 im 79. Jahre seines Lebens. Unter ausnehmend großer
Beteiligung der Bevölkerung wurden seine irdischen Überreste am 26. Juni
des genannten Jahres auf dem Kasseler Militärfriedhof beigesetzt.
Das gedruckt vorliegende Quellenmaterial beschränkt sich auf vielfach verstreute Er-
wähnungen, die vornehmlich der ßismarckliteratur angehören. Dazu Mitteilungen des
Generals der Infanterie z. D. v. Kleist, des Reichskanzlers Grafen v. Bülow, des preußischen
Gesandten am sächsischen Hofe, Wirklichen Geheimen Rats Grafen v. Dönhoff.
Koburg. Dr. Thilo Krieg.
Hohenlohe- Schillingsfürst, Fürst Chlodwig zu/) Prinz zu Ratibor und
Corvey, Staatsmann, * 31. März 1819 auf dem landgräflichen Schlosse Rothen-
burg an der Fulda, f ^^ 6. Juli 5 Uhr früh 1901 zu Ragaz, wo er zur Kur
weilte. — Fürst Chlodwig war der zweite Sohn des Fürsten Franz Joseph und
der Fürstin Constanze geborenen Hohenlohe-Langenburg. Das uralte Adels-
geschlecht der Hohenlohe spielt seit mehr denn 700 Jahren eine bedeutsame
Rolle in der Geschichte des deutschen Reiches. Als die Hohenlohe 1806
von der Mediatisierung betroffen wurden, zogen sie sich nicht wie so viele
andere Standesherren grollend vom Staatsleben zurück, sondern dienten der
großen Sache des ganzen Vaterlandes als Staatsmänner, Diplomaten und
Offiziere. Prinz Chlodwig sollte, gerade diese vornehme Tradition des Hohen-
loheschen Hauses in der glücklichsten Weise verkörpern.
Im landgräflichen Schlosse Rothenburg verbrachte der junge Prinz wohl
den größten Teil seiner Kinder- und Jugendjahre. Auf den Universitäten
Bonn, Lausanne, Göttingen und Heidelberg oblag der künftige bayerische
') Totenliste 1901 Band VI 48*.
^ Hohenlohe-Scbillmgsfllrst ^11
Minister und spätere Reichskanzler dem Studium der Rechts- und Staats-
wissenschaften und war ein eifriger Hörer Thibauts, des bekannten Vorfechters
für ein gemeinsames deutsches Zivilgesetzbuch.
Aus dem Entwicklungsgang des jungen Prinzen Chlodwig ersehen wir,
wie früh bei ihm und zwar im Gegensatz zu den Gepflogenheiten seiner
standesherrlichen Zeitgenossen der Geist des künftigen modernen Staatsmanns
sich verriet. Ein edles Selbständigkeitsgefühl sagte ihm zunächst, daß die
eigene Ausbildung und nicht etwa die feudalen Prärogativen als der erste
Wegweiser zu betrachten sei, welcher zur Staatslaufbahn hinführen müsse.
Als daher Prinz Chlodwig zu Hohenlohe- Schillingsfürst im Jahre 1842 als
Auskultator am Justizsenat in Ehrenbrei tstein und dann später als Referendar
bei der Regierung in Potsdam in den preußischen Staatsdienst trat, gab er
nicht nur seinen etwas überraschten Standesgenossen, ohne es zu wollen, eine
heilsame Lehre, sondern zeigte sich als Sohn einer neuen Zeit, zugleich als
Vertreter jener freiheitlichen Bestrebungen, welche ihn als einen der vor-
nehmsten Verfechter des modernen Liberalismus auf dem Gebiete der Politik
wie der Kultur im 19. Jahrhundert erscheinen lassen.
Dadurch, daß der junge Prinz am Ausgange seiner Studienzeit sich ent-
schloß, der preußischen Krone seine Dienste zu widmen mit Hintansetzung
aller partikularistischen Bestrebungen, verriet er, wie frühzeitig sein Geist
sich vollständig mit dem nationalen Gedanken Deutschlands identifizierte.
Das größere deutsche Vaterland war denn auch von Jugend an der Gegen-
stand seiner höchsten und leidenschaftlichsten Liebe. Wie der junge Cavour
hätte auch Prinz Chlodwig schreiben können: *Ma patrie aura taute ma ?//>,
je ne lui serai Jamals infidUe«. Die Rolle, die er in seinem engeren, von parti-
kularistischen Strömungen zerrissenen Vaterlande, in dem vormärzlichen Bayern
spielen sollte, hat vieles mit jener erlösenden Tätigkeit gemein, die Cavour
zeitlebens der italienischen Sache gewidmet hat.
Wir können uns heute das Ungewohnte, das Verblüffende, ja das Ab-
stoßende, das die altbayerischen Kreise empfinden mußten, als sie den Prinzen
Chlodwig aus eigenem Antrieb in preußische Dienste treten sahen, auch nicht
annähernd vorstellen.
»Das vormärzliche Bayern«, schreibt der Verfasser eines trefflichen Nekro-
logs (Münchener Neueste Nachrichten 7. Juli 1901 Nr. 310. Altreichskanzler
Fürst Hohenlohe), »war ein Kuriosum unter den vielfarbigen Staatsgebilden
der bundestäglichen Zeit. Der Prozeß der Verschmelzung zwischen den
älteren bajuvarischen Teilen mit den protestantischen Markgrafschaften und
den Reichsstädten hatte kaum begonnen .... Man fand in Altbayern —
kleine Kreise ausgenommen — alles gut, weil es einmal so war. Von dem
Schatze an Volkskraft, den Preußen inzwischen aufgespeichert hatte, ahnte
man nichts. In den süddeutschen Fastnachtspäßen der vierziger Jahre war
der »Preuß'< eine stehende Figur, zuerst grotesk anmaßend und dann verzagt,
wenn er bajuvarische oder schwäbische Kraft verspürt hatte. Und solche
Anschauungen traf man nicht etwa nur bei den Leuten, die niemals über die
Nordgrenze hinausgekommen waren, sie fanden sich bis hoch in die Kreise
der »Reichsräte« hinauf.«
Zunächst sollte der Prinz aber nur drei Jahre in Preußen bleiben. Durch
den unerwarteten Tod seines Bruders Victor, des damaligen Inhabers
4.12 ^u Hohenlohe-Scbillingsfarst.
des Majorats Schillingsfürst, fiel dieser Sitz dem späteren Reichskanzler zu.
Aus der Schule der Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte, wo er sich mit
der Technik und den Grundsätzen des staatsmännischen Lebens bekannt
gemacht hatte, trat nun Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst in die
Bewirtschaftung seiner neuen Besitzungen. Dieser Umstand gab ihm Gelegen-
heit, seine Energie zu entwickeln und große Kenntnisse in der Landwirtschaft
zu gewinnen. Die nächsten Jahre zeigen uns den jungen Fürsten als Inhaber
von Schillingsfürst sicher auf der Höhe seiner ökonomischen Tätigkeit, liefern
uns aber auch den Beweis, daß er keineswegs darin aufging, wie wir noch
weiter sehen werden.
Am i6. Februar 1847 vermählte sich Fürst Chlodwig zu Frankfurt a. M.
mit Prinzessin Marie von Sayn- Wittgenstein. Durch diese Verbindung mit
dem Hause Sayn-Wittgenstein gewann der Fürst wirtschaftliche und politische
Beziehungen zu Rußland. Aus der Ehe des Fürsten mit der Prinzessin ent-
sprangen die Prinzessinnen Elisabeth und Stephanie, welch letztere mit dem
Grafen Arthur von Schönborn -Wiesentheid vermählt war und 1882 starb,
dann als ältester Sohn Fürst Philipp Ernst; ihm folgten Prinz Moritz und
Prinz Alexander. Prinz Alexander zu Hohenlohe ist der einzige unter den
Söhnen des Fürsten, welcher politisch und zwar ganz im Geiste seines edlen
Vaters hervortreten sollte.
Soweit die erste Phase in der Entwicklung dieses im besten Sinne des
Wortes modernsten und zugleich besonnensten deutschen Fürsten. Sehen wir
nun, was nach solcher Vorbereitung zum Leben ihm als Staatsmann und
Parlamentarier, als Botschafter und Kaiserlichem Statthalter, endlich als Kanzler
des deutschen Reiches zu vollbringen gewährt war.
Bis zum Jahre 1846 hat Fürst Chlodwig an der praktischen Politik so
gut wie keinen oder doch nur geringen Anteil genommen. Als Inhaber der
ehemals reichsunmittelbaren Standesherrschaft Schillingsfürst, mit der ein
erblicher Sitz in der ersten Kammer des Königreichs Bayern verbunden war,
wurde er Mitglied des hohen Hauses des Reichsrats und trat der sogenannten
kleinen liberalen Partei bei, welcher die Grafen Reigersberg und Giech als
Führer angehörten. Seine außerordentliche Begabung, ein großes Können und
Wissen, verbunden mit einem bewundernswerten politischen Taktgefühl kamen
in der bayerischen Reichsratskammer alsbald zur Evidenz.
Der Aufenthalt des jungen bayerischen Standesherrn in Preußen hatte
ihm auf sichtliche Weise nach verschiedenen Richtungen hin genützt, in dem
Milieu, wo er nunmehr als Mitglied der ersten Kammer zu wirken hatte,
vielfach aber geschadet. Man glaubte in ihm einen Vollblutpreußen erkennen
zu müssen und hielt ihn in bajuvarischen Kreisen für einen Feind der ein-
heimischen Interessen. Als er nun gar mit der Kritik gewisser bayerischer
Verhältnisse nicht hinter dem Berge hielt, erstand ihm eine starke Opposition,
zugleich aber auch eine ihm und seinen Anschauungen ergebene Partei. In
ihm begrüßten patriotische Männer wie Völderndorff den künftigen Leiter,
»der die Einzelkräfte auf ein Ziel zusammenzufassen vermochte«.
In der gewaltigen Bewegung der zweiten Hälfte der vierziger Jahre boten
sich dem jungen Fürsten zahlreiche Gelegenheiten, in Fragen der inneren wie
der äußeren Politik hervorzutreten. Und da ist denn höchst bemerkenswert,
daß der Fürst von Anbeginn seiner politischen Laufbahn das Recht des Jn-
zu Hohenlohe-Schillingsfürst. ^Ij
dividuums gegenüber jedweder Bedrückung des Gewissens und der freien
Bewegung im Gebiete des materiellen und geistlichen Lebens verfocht.
Freilich diese Stellungnahme wurde von den meisten seiner Standesgenossen
im Reichsrat als eine »demokratische« zurückgewiesen. Der mehr vorwärts
als rückwärtsblickende Hohenlohe kam in diesem Milieu in eine Isolierung,
die man aber als eine f> splendid isolation<!^ bezeichnen kann. Es scheint auch,
um das gleich hier einzuflechten, als ob das Anerkennen einer gesunden
Evolution in der Entwicklung der politischen und kulturellen Dinge im Hause
Hohenlohe -Schillingsfürst gleichsam als eine unantastbare Tradition vom
Vater auf die sich mit Politik befassenden Söhne übergegangen sei.
Die Geschichte der modernen Kultur hatte ihm als untrügliche Lehr-
meisterin gezeigt, daß die Zivilisation jedes sich ihr entgegenstellende Hinder-
nis früher oder später niederwirft, daß jeder verständige Mensch, soweit ihm
das öffentliche Wohl am Herzen liegt und er es mit seiner Beteiligung an
der nationalen Arbeit ernst nimmt, verpflichtet ist, dem Fortschritt zu huldigen.
Alles das waren und sind wohl auch heute noch Dinge, welche von den
Grundsätzen opportunistischer Regierungen, feudaler oder klerikaler Kreise
soweit als möglich abliegen. Freilich, wenn eine politische Notlage sich
plötzlich einstellt, und die genannten Elemente dann keinen Ausweg mehr
finden, dann wenden sie sich selbst an denjenigen, auf den sie bisher gering-
schätzig als auf einen Mann »^« parti avance<f^ niederblickten. Zur Rettung
der Situation ist er dann herzlich willkommen. So erging es denn auch
Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, als er von seinen reaktionär gesinnten
Standesgenossen zum Retter aus den Nöten und Stürmen in den Revolutions-
jahren erkoren wurde. »Und nun begab sich das schier Unglaubliche«, sagt
der Verfasser des bereits erwähnten Nekrologs, »daß der Bestgehaßte, den
man zu isolieren gesucht hatte, als die rettende Persönlichkeit erschien, als
es galt aus den Bewegungen des Jahres die Konsequenzen in einer Weise zu
ziehen, daß spätere Rückschläge ausgeschlossen waren. Unter der Leitung
Hohenlohes vollzog sich der Übergang Bayerns aus einem mittelalterlichen
Gemeinwesen in einen modernen Staat; ihn berief das allgemeine Vertrauen
zu dem äußerst wichtigen Bericht über das Ablösungsgesetz. Ohne jene
Verbindung von Zielbewußtheit in der Hauptsache und versöhnender Ge-
schicklichkeit betreffs der Einzelheiten, wie sie die politische Arbeit des
Fürsten jeder Zeit charakterisierte, wäre bei der Mannigfaltigkeit der Interessen
und der Hartköpfigkeit ihrer Vertreter ein dauerndes Ergebnis nie möglich
gewesen.« Von 1840 an war Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst das
eigentliche Haupt der in neue Bahnen tretenden bayerischen Politik, zugleich
aber auch einer der erleuchtetsten Vertreter jener Richtung, welche sich mit
der Lösung der sogannten deutschen Frage am intensivsten und am erfolg-
reichsten befassen sollten. Er benützte seine Stellung, aber auch die Zeit-
umstände, nicht nur um seinem engeren Vaterlande die ihm gebührende
Geltung unter den deutschen Bundesstaaten zu verschaffen, sondern auch um
seinen deutschnationalen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen, vor allem
glaubte er in den zu Frankfurt a. M. tagenden Verhandlungen für die Einigung
der zerrissenen Glieder des deutschen Reiches mit allem Nachdruck eintreten
zu müssen. Doch greifen wir nicht vor und sehen wir zunächst, welchen Ein-
fluß die damaligen europäischen Bewegungen auf Deutschland selbst ausübten.
AlA ZU Hohenlohe-Schillingsftirst.
Am 2 2. Februar 1848 brach in Paris die Juliregierung zusammen. An
ihre Stelle trat die zweite französische Republik. Auf die politische Ent-
wicklung der Dinge in Deutschland, in Österreich wie in Italien, wirkte der
Sturz des französischen Königtums mächtig ein. Ihm folgte am 13. März der
Aufstand in Wien, welcher das Regiment des Fürsten Metternich hinweg-
fegte, am 18. März die Revolution in Berlin und am gleichen Tage diejenige
in Mailand, während am 22. März dieselbe Bewegung in Venedig der öster-
reichischen Herrschaft ein Ende machte. In Mannheim hatten sich liberale
Vertrauensmänner zusammengefunden, deren Programm mit den bekannten
vier Forderungen: Preßfreiheit, Schwurgerichte, Volksbewaffnung und National-
vertretung, bald das aller übrigen deutschen Liberalen wurde und auch von
den meisten deutschen Regierungen zur Anerkennung kam. Jetzt entschlossen
sich die Bundesversammlung und die Regierungen sämtlicher Mittel- und
Kleinstaaten zur Anordnung der Wahl von Nationalvertretern auffordern
zu lassen.
Aus dem Vorparlament in Frankfurt ging der Beschluß hervor, eine
konstituierende Nationalversammlung zur Feststellung eines Entwurfs einer
Reichsverfassung zu berufen. Am 18. Mai trat dann das sogenannte Frank-
furter Parlament zusammen, welches den Erzherzog Johann von Österreich
zum Reichsverweser erwählte, der seine Gewalt durch von ihm ernannte, der
Nationalversammlung aber verantwortliche Minister ausüben sollte. Den Ver-
handlungen des Parlaments in Frankfurt, dem zahlreiche Freunde und Gesinnungs-
genossen des Fürsten Hohenlohe angehörten, folgte er wenn auch nur als
Privatmann mit gespannter Aufmerksamkeit und zwar mit ganz anderen
Gedanken und Absichten, als sie damals der bayerische Minister von der
Pfordten vertrat, eine Tatsache, von der Ottokar Lorenz in seinem Buche:
»Kaiser Wilhelm und die Begründung des Reiches« (Jena 1902) keine Notiz
nimmt; wie denn dieser sonst so verdiente Historiker jene die Reichseinheit
fördernden oder doch warm befürwortenden Elemente in Süddeutschland nicht
der Erwähnung würdigt. Und doch wäre ein Hinweis auf jene zielbewußte
Minorität, als deren fördernder Mitarbeiter im Süden Fürst Chlodwig später
gelten kann, allein schon darum notwendig gewesen, um eine Erklärung für
den in den sechziger Jahren eintretenden Umschwung der Verhältnisse zu
bieten. Ein künftiger Biograph des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe, dem
die Einsichtnahme in die aus der Zeit stammenden Korrespondenz ermöglicht
sein wird, wird gerade in der Schilderung der Gedanken und Ansichten
Hohenlohes über die damalige politische Lage dankenswerte Ergänzungen
zur deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden.
Zur Zeit der Frankfurter Parlamentsverhandlungen wohnte Fürst Chlodwig
in Wiesbaden, von wo aus er öfters in die alte Krönungsstadt fuhr, um den
wichtigen Debatten zu folgen. Das von der »Provisorischen Zentralgewalt«
eingesetzte Reichsministerium, dessen Präsidium damals der österreichische
Minister Schmerling inne hatte, übertrug ihm die Mission: den Regierungen
von Athen und Toscana, die »Provisorische Zentralgewalt« anzumelden und
die Wahl des deutschen Reichsverwesers, des Erzherzogs Johann von Öster-
reich, anzuzeigen. Fürst Chlodwig unternahm die Reise in Gesellschaft des
Legationsrats von Schack, der ihn nach Beendigung der offiziellen Mission
nach Konstantinopel und nach Palästina begleitete.
zu Hohenlohe-Schillingsfürst. ^I^
»Eine der interessantesten Episoden dieser Reise«, schreibt der Verfasser
eines Nekrologs, »ist die Rede, welche der Fürst den Deutschen in Athen
hielt, eine Rede von flammender Begeisterung für jenes Deutschland, das
zum ersten Male wieder nach langer Zeit seine Kinder in der Fremde als
ihm gehörig beanspruche und an das Herz des geeinten Vaterlandes rufe«
(Münch. N. N. a. a. O.). Aus dieser Rede, die man für die damalige Zeit
als ein ungewohntes Ereignis betrachten muß, ersehen wir, zu wie früher
Stunde schon Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst erfüllt war von den
nationalen Ideen, welchen er später zum Durchbruch zu verhelfen berufen
war. Als junger Diplomat erkannte er schon 1848, daß die Zukunft des
deutschen Volkes nicht in den Einzelstaaten liege. Die Schattenseiten des
Partikularismus hat er früh genug kennen gelernt und sah schon voraus,
daß die Wiedergeburt Deutschlands niemals aus jener traumhaften Begründung
einer Dreiherrschaft ausgehen könne, in die sich Österreich, Preußen und
Bayern teilen wollten, wohl aber im Anschluß an Preußen zu finden sei.
Als der Fürst von seiner Reichsgesandtschaft zurückkehrte, gelangte er
rasch zur Einsicht, daß die Verhandlungen eines Parlaments, wie sie in Frank-
furt geführt worden waren, niemals zur Verwirklichung des deutschen Reichs-
gedankens führen könnten. Diese Erkenntnis war denn auch für den jungen
Diplomaten die Ursache, daß er die ihm von dem damaligen Reichsministerium
Wittgenstein-Grävell angebotene Stelle eines Unterstaatssekretärs im Ministerium
des Innern ausschlug und seine politische Mitarbeit einem Ministerium versagte,
von dem er die Überzeugung hatte, daß es doch nur als Totengräber der
deutschen Einheit wirken würde.
In dieser ganzen Zeit, welcher es nicht gegeben war, das damalige deutsche
Problem zu lösen, ist jedoch der im Siebzehnerausschuß des erweiterten Bundestags
von Dahlmann gemachte Entwurf zu einer neuen Staatsordnung als ein ernster
Versuch zu betrachten, dessen Ausführung zum deutschen Einheitsstaat hätte
führen können. »Hier war das Kaisertum, hier war ein einheitliches Heer, eine
Reichsgewalt, welche ausschließlich über Kriegswesen, Diplomatie, Handels-,
Zoll- und Verkehrswesen unter Mitwirkung eines aus allgemeinem gleichen
Stimmrecht hervorgegangenen Parlaments verfügte.« Ottokar Lorenz, dem
wir diesen Passus entnehmen (Kaiser Wilhelm und die Begründung des
deutschen Reiches, S. 13), spricht zwar nicht davon, daß Fürst Chlodwig ein
Anhänger oder Förderer dieses genialen Entwurfes gewesen; das politische
Ideal, das ihm aber bereits damals vorschwebte und an dessen Verwirk-
lichung er später so regen Anteil nehmen sollte, berechtigt zu der Annahme,
daß der Dahlmannsche Entwurf wohl auch schon als politische Orientierungs-
linie Chlodwigs zu Hohenlohe gelten kann, um so mehr als das, was dieser
Entwurf zum Ausdruck brachte, bereits damals fast Gemeingut aller politisch
denkenden deutschen Patrioten war. Neben dem Bestreben, die deutsche
Reichseinheit nicht durch Worte, aber durch vorbereitende Taten herbeizu-
führen, handelte es sich bei dem vornehmen bayerischen Standesherrn
vor allem darum, den liberalen Gedanken aufrecht zu erhalten, inmitten
der Bedrohung, welche ihm von den entgegengesetzten Seiten kam. Und
da ist es denn höchst bemerkenswert, daß bereits im Jahre 1848 der
junge katholische Fürst Chlodwig im Gegensatz zu den katholischen Abge-
ordneten dem Einfluß kirchlicher Erwägungen vollkommen entrückt war.
j,l6 zu Hobenlohe-Schillingsftirst.
Und doch setzte sich die damalige Vereinigung der katholischen Abgeordneten
aus ganz anderen Elementen zusammen, als die der heute maßgebend ge-
wordenen Zentrumspartei. Man bedenke, daß der damalige Vorsitzende dieser
Partei, General von Radowitz, in der Frankfurter Nationalversammlung »aus
höherem Interesse der katholischen Kirche« gegen die Verbreitung des Jesuiten-
ordens über ganz Deutschland sich aussprach (vgl. F. X. Kraus, Essays, II. 383).
Prüft man das politische Programm der damaligen katholischen Partei,
die sehr weit auseinandergehende Namen, wie: Adams, Blömer, Clemens,
Gredler, Arndts, de Lasaulx, Phillips, Döllinger, Max v. Gagern, von Linde,
Buss, von Ketteier, Beda Weber, Förster, Janiscewsky, August Reichensperger,
von Radowitz, Bischof Müller, Bischof Geritz von Ermland, den Fürstbischof
Diepenbrock, in sich beschloß, so gewahrt man, daß es den Stempel
eines sterilen Doktrinarismus an sich trug. Es sprach sich nämlich nicht
darüber aus, in wessen Hand die Zentralgewalt und die Exekutive zu legen
sei. Und einer seiner Wortführer, der bereits erwähnte Reichensperger ver-
wahrte sich gegen das Kaisertum, insbesondere gegen ein preußisches
Erbkaisertum. Einem Manne wie dem Fürsten Chlodwig mußte es daher
schon damals klar sein, daß die Lösung der deutschen Frage schwerlich aus
dem Schöße dieser" Elemente hervorgehen werde.
Es zeugt von dem klaren Blick des jungen Fürsten, daß er die Schatten-
seiten des damaligen katholischen Programms erkannte, wie es auch weiter
als ein Beweis seiner politischen Selbständigkeit angesehen werden muß, daß
er von den fruchtlosen Plänen des sogenannten Reichsministeriums sich los-
sagte. Als nun gar die Richtung Pfordten-Reigersberg mit ihren jammer-
vollen Reaktionsversuchen auftrat, blieb einem ehrlich liberalen Politiker
wie es Hohenlohe war, nur noch ein Weg übrig, der zur politischen Selbst-
erhaltung führte: der Rücktritt vom öffentlichen Leben.
Und nun sehen wir, wie er fast zehn Jahre hindurch als Herr
von Schillingfürst sich ganz dem Landleben widmete, seine Äcker bebaute,
seine W^älder pflegte und durch einen rationellen Betrieb der Landwirtschaft
fördernd und vorbildlich auf seine Umgebung einwirkte. Zugleich erwies
sich Fürst Chlodwig, seiner vornehm liberalen Sinnesart entsprechend, ganz
als ein Grand Seigncur einer neuen, modernen Zeit, indem er die Gründung
von Schulen und Asylen nach Kräften begünstigte.
Es braucht wohl nicht gesagt zu werden, daß der Fürst bei seiner länd-
lichen Beschäftigung die Pflichten, die ihm seine Mitgliedschaft der ersten
bayerischen Kammer auferlegte, keineswegs vernachlässigte. Ein Hinweis
auf die Reden, die er am 12. November 1849, sowie am 12. Februar 1855
hielt, mag in diesem Rahmen zur Erhärtung des Gesagten genügen. Freilich
gehörte der Fürst in den fünfziger Jahren jener Opposition an, »die uner-
müdlich darauf hinwies, daß man nicht nur Pflichten gegen Bayern, sondern
auch gegen das große deutsche Vaterland habe« (Köln. Zeitg. 6. 7. 1901).
In dieser Zeit waren es vornehmlich die Liberalen, welche eine solche
Richtung vertraten und dementsprechend stand Chlodwig zu Hohenlohe-
Schillingsfürst zu diesen in nahen Beziehungen. Durch die Gründung des
»Nationalvereins« in Norddeutschland wie durch die der »Deutschen Fort-
schrittspartei in Bayern« wurde seitens der Liberalen den Interessen der
nationalen Sache mächtig Vorschub geleistet.
zu Hohenlohe-Schillingsfiirst. Aiy
Das Jahr 1859 sah den Fall der habsburgischen Vorherrschaft nach der
Niederlage der österreichischen Waffen auf den oberitalienischen Schlacht-
feldern. Jetzt hatte es den Anschein, als ob Süddeutschland von einem
frischen Luftzug erfaßt werden sollte. Im Frühjahr 1861 trat denn auch
Fürst Chlodwig der aktiven Politik näher, als er im bayerischen Reichsrat
(4. Mai) den weittragenden Antrag stellte: »Das königliche Staatsministerium
möge angewiesen werden, auf geeignete Weise zur Herstellung rechtlich
geordneter Verfassungszustände in Kurhessen nach Kräften hinzuwirken«.
Der Antrag, der in beiden Kammern zugleich gestellt wurde, fand eine
große Mehrheit bei den Abgeordneten, während er in der Reichsratskammer
fiel. Wie man nun auch über das Schicksal des Antrags und über die da-
malige politische Konstellation in Bayern denken mag, das Gute hat die
Initiative dessen, der ihn gestellt hatte, gebracht, daß er schon von dieser
Stunde an als das eigentliche Haupt aller derer galt, welche die Einigung
Deutschlands unter Preußens Führung erstrebten. Die vornehm bescheidene
Reserve, deren sich der Fürst zeitlebens, besonders in der Öffentlichkeit
beflissen, mag mit Schuld daran sein, daß von den großen Massen die frucht-
bringenden Anregungen, die von unserem Politiker und Staatsmanne aus-
gingen, nicht nach Gebühr gewürdigt wurden. Und doch hat er es dort,
wo es der Augenblick erforderte, niemals an Klarheit und Deutlichkeit
fehlen lassen. Hat er doch die bayerischen Minister gewarnt und gebeten,
die unglückselige Politik zu verlassen, »die auf Österreich gestützt, Preußens
Stellung in Deutschland zu negieren, ja selbst schließlich gewaltsam zu ver-
nichten bestrebt sei« (Münch. N. N. 1901, Nr. 310).
Die nun folgenden Jahre waren im wesentlichen durch bedeutende
Ereignisse angefüllt und können als eine wichtige Etappe bezeichnet werden
in der zur Lösung der deutschen Frage hinführenden Zeit. Noch in der Thron-
rede des bayerischen Königs vom Jahre 1863 hatte dieser Monarch die
deutsche Frage in einer den Fürsten Chlodwig und die Liberalen wenig
befriedigenden Weise gestreift, so daß dieser sich zu jener inhaltsschweren
Erklärung entschloß, welche allzeit als ein glänzendes Zeugnis für seine
erleuchtete Vaterlandsliebe, aber auch als ein wertvolles Dokument für seine
hohe staatsmännische Begabung gelten wird.
»Die Thronrede«, so äußerte sich Fürst Chlodwig am 30. Juni 1863,
»berührt die deutsche Frage. Dies legt uns die Verpflichtung auf, auch
unseren Teil an einer Arbeit zu tun, die ich zurzeit als eine Danaidenarbeit
bezeichnen möchte. Als ich das letzte Mal über die deutsche Frage in dieser
Versammlung zu sprechen die Ehre hatte — es war im November 1849 — ,
standen wir am Schlüsse einer Revolution, welche die deutsche Einheit auf
ihre Fahne geschrieben hatte. Die Bestrebungen jener Revolution sind
gescheitert, weil die bewegenden Massen und ihre Führer darüber nicht
einig waren, was sie unter deutscher Einheit verständen. Die deutsche Frage
wird so lange ein ungelöstes und unlösbares Rätsel bleiben, solange die
deutschen Volksstämme sich darüber nicht klar geworden sind, ob sie zu-
gunsten einer größeren Zentralisation auf ihre partikuläre Selbständigkeit
verzichten wollen oder nicht. Die Klarheit des Willens besteht zurzeit noch
nicht, deshalb werden alle Einheitsbestrebungen, mögen sie unter dem ver-
pönten Namen des Nationalvereins oder unter dem gefeierten Namen des
BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog'. 7. Bd. 27
A\S ZU Hohenlohe-ScliillingsfUrst.
Reformvereins einhergehen, nicht zum Ziele führen. Wenn aber jene Klar-
heit des Willens, jene Allgemeinheit der Überzeugung einmal vorhanden sein
wird, — und sie wird kommen — dann werden die Regierungen auch die
Mittel suchen und finden, dem Streben der deutschen Nation nach Einheit
gerecht zu werden Wenn aber einmal die deutschen Regierungen den
Augenblick für gekommen erachten, wo dem Streben des deutschen Volkes
nach Einheit Rechnung getragen werden muß, dann werden sie hoffentlich
zweierlei im Auge behalten: keinen Vorschlag zu machen, der nicht auf die
vorhergehende Verständigung der beiden deutschen Großmächte gegründet
ist, und dann nur solche Vorschläge zi; machen, welche die Regierungen
offen und ohne Rückhalt durchzuführen willens sind. Einseitige Projekte
und diplomatische Feinheiten würden uns zum Bürgerkriege und zur Revolution
führen, wovor uns Gott bewahren wolle«. (Vgl. H. Rust. Fürst Chi. zu Hohen-
lohe u. s. Brüder. 17.)
Noch eindringlicher womöglich waren die Worte des bayerischen Standes-
herrn, mit denen er jenen Passus in der Thronrede abfertigte, welcher eine
Ablehnung des Beitritts Bayerns zum preußisch-französischen Handelsvertrag
enthielt. »Ich beklage es«, führte der Fürst unter anderem aus, »daß die
Thronrede des französischen Handelsvertrags Erwähnung tut.« Und er schloß
mit der vernichtenden Bemerkung: »Ihr (der Regierung) heutiges Urteil wird
nichts anderes sein können als eine Phrase. Am wenigsten darf es eine Er-
mutigung sein, einen Weg zu betreten, der möglicherweise für Bayern von
unheilvollsten Folgen sein würde« (a. a. O. 18).
Wie sich der Fürst gerade in den sechziger Jahren die künftige Gestal-
tung Deutschlands und den inneren Ausbau aller Einheitsbestrebungen dachte,
darüber hat uns Freiherr von Völderndorff in seinen Erinnerungen an den
dritten Reichskanzler schätzenswerte Auskünfte erteilt. Danach hätte Fürst
Chlodwig die einzig mögliche Einigung der Nation in einem föderativen Zu-
sammenschluß aller rein deutschen Staaten unter Preußens Führung erblickt
und zwar unter Beibehaltung eines Freundschaftsverhältnisses zu Österreich.
Aber auch der Gedanke an das preußische Kaisertum war dem bayerischen
Standesherm auch schon damals geläufig, wie aus einer anderen, uns eben-
falls von Völderndorff gemachten Mitteilung hervorgeht. »Preußen«, so sagte
der Fürst, »hat zwar die vom Frankfurter Parlamente angebotene Kaiserkrone
abgelehnt. Aber soviel hat jenes Angebot doch bewirkt, daß kein preußi-
scher Herrscher mehr eine andere Stellung in Deutschland annehmen kann,
als die an der Spitze.« Dabei gab es für den hohen Herrn aber noch andere
Wege: die der wirtschaftlichen Interessengemeinschaft, welche nach seiner
Ansicht eher vorbereitend als trennend, wie es damals der Fall war, auf die
Einigung der Nation hinführen sollten. Und da ist es denn von Interesse
zu erfahren, daß der weitsehende Fürst in einem »Eisenbahnverein« als
Analogon zum »Zollverein« ein neues Bindeglied für die deutschen Staaten
gewahrte. »Es ist bedauerlich«, pflegte er sich zu äußern, »daß man auf
dem Wege des Zollvereins nicht fortgeschritten ist. Nehmen sie z. B. das
deutsche Eisenbahnwesen. Jedem Patrioten muß das Herz bluten, wenn er
sieht, in welch selbstsüchtiger Weise . . . jeder Flinzelstaat den übrigen Kon-
kurrenz macht .... Solange das Erträgnis dem Einzelstaate gehört, ist
diese engherzige Politik nicht nur erklärlich, sondern vielleicht sogar die
zu Hohenlohe-SchillingsfUrst. 4IQ
Pflicht der Regierung . . . Aber warum bildet man keinen Eisenbahnverein
nach dem Muster des Zollvereins, wobei eine Gemeinsamkeit erzielt würde,
ohne das Verwaltungsrecht der Einzelstaaten zu beeinträchtigen.« (Völdem-
dorff in Beil. z. Allg. Ztg. 1902 No. 141.)
Die Schleswig-Holsteinsche Frage und ihre endgültige Lösung, also ein
von außen her kommender Faktor, war es, der für die Entwicklung der
deutschen Reichs- und Kaiseridee, wie überhaupt für die Klärung der inneren
deutschen Verhältnisse am meisten beitragen sollte. Auf dem deutschen
Fürstentage von 1863, wie später auf einer Konferenz der zustimmenden
Mächte in Nürnberg, hatte es sich ja gezeigt, wie wenig Deutschland von
innen heraus befähigt war, an seiner Einigung mitzuwirken. Von dieser Zeit
ab erachtete der Fürst die Lösung der deutschen Frage nur mehr durch die
Waffen für möglich, und seine in den sechziger Jahren gepflogenen Ge-
spräche mit dem Grafen Giech behandelten, nach dem Zeugnisse Völdern-
dorffs, öfters die Chancen eines Krieges zwischen den beiden in Betracht
kommenden Großmächten.
Wenn auf friedlichem Wege noch ein Ausgleich hätte zustande gebracht
werden können, dann hätte dies nur durch die Befolgung des klugen und
verständnisvollen Rates geschehen können, den Fürst Chlodwig König Lud-
wig IL im April 1866 gab, als er ihn und die damaligen bayerischen Regie-
rungsmänner zu bewegen suchte, der von Preußen vorgeschlagenen Einbe-
rufung eines aus direkten Wahlen hervorgegangenen Parlaments zuzustimmen,
um abermals einen Ausgleich zu versuchen. Aus Völderndorffs Mitteilungen
geht nun zur Evidenz hervor, daß einem Mann wie Hohenlohe das Ver-
worrene der damaligen bayerischen und österreichischen Politik jedwede
Aussicht auf eine normale Lösung der Frage raubte. Der Fürst kannte einer-
seits die Schwäche des Bayernkönigs für Österreich und anderseits die abso-
lute Unfähigkeit der Wiener Regierung mit einem Staatsmanne vom Schlage
eines Bismarck zu verhandeln. »Es steht an der Spitze des österreichischen
Ministeriums kein Bismarck, der den Grundsatz beobachtet, daß man die
Artischocke blätterweise verzehren muß«, so äußerte sich Fürst Hohenlohe,
mit Freiherrn von Roggenbach einer der wenigen süddeutschen Staats-
männer, welche die politische Situation vor Ausbruch des Krieges, aber auch
die spätere Entwicklung der Dinge vollkommen klar übersahen.
So kam es denn im Juni 1866 zu jenem Kriege, den Fürst Hohenlohe
zwar bedauerte, dessen Ausgang aber er mit Ruhe und nicht ohne verständ-
nisvolle Anteilnahme entgegensah. Dies zeigte sich so recht nach der
Schlacht von Königgrätz. Damals bot bekanntlich Preußen noch einmal dem
Königreiche Bayern den Frieden an. Diesen wichtigen Anlaß benutzte Fürst
Chlodwig, um den bayerischen leitenden Staatsmännern den Rat zu geben,
die Anerbietungen Preußens anzunehmen. Aber auch jetzt war die Verblen-
dung der bayerischen Regierung noch so groß, daß sie sich nicht ent-
schließen konnte, sich von Österreich zu emanzipieren.
Chlodwig zu Hohenlohe war aber nicht der Mann danach, sich durch
die Nichtbeachtung seiner wohlgemeinten und der Sachlage entsprechenden
Ratschläge abschrecken zu lassen. Er verfolgte seine verständnisvolle und
patriotische Versöhnungspolitik des Südens mit dem Norden beharrlich
weiter und wurde nicht müde, selbst König Ludwig IL, der den Fürsten
27*
A2Ö zu Hohenlohe-Scliillingsfürst.
längst schätzen und achten gelernt hatte, immer und immer wieder aufzu-
klären. So schrieb er am 13. Juli diesem Monarchen: »Ich betrachte die
jetzige Katastrophe mit großer Ruhe. Sie war unvermeidlich, weil der Gegen-
satz zwischen Österreich und Preußen zur Entscheidung gebracht werden
mußte, und es war besser jetzt als zehn Jahre später. Sie ist aber heilsam,
weil sie viele verrottete Zustände in Deutschland aufräumt«.
Hatte der Ausgang des Krieges Österreich aus dem engen Verbände der
deutschen Staaten ausgeschieden, so hatte er in Hinsicht auf eine Annäherung
des Südens mit dem Norden Deutschlands merkwürdigerweise bei der bayeri-
schen Regierung und in der Reichsratskammer den entgegengesetzten Erfolg.
Preußen an der Spitze des Nordens in einem Bund vereinigt, die drei Länder
südlich des Maines mit Einschluß vom halben Hessen vorerst als souveräne
Einzelstaaten, das war das damalige politische Ideal aller »echten Bayern«, das
auch nach 1866 noch die Orientierungslinie des bayerischen Ministeriums. Man
wollte an der Isar von den im Prager Frieden den Südstaaten erteilten Befugnissen,
untereinander zu einem Bunde zusammenzutreten, nichts wissen, noch viel
weniger dachte man an einen Anschluß des Südens an den Norden. Es unterliegt
wohl kaum einem Zweifel, daß Fürst Hohenlohe unter den verrotteten Zu-
ständen, an welche er in dem oben angeführten Briefe an den König an-
spielte, lediglich die zentrifugalen und partikularistischen Bestrebungen des
Südens verstanden wissen wollte. Dementsprechend war nun auch sein poli-
tisches Vorgehen, indem er gegen die Anschauungen des bayerischen Mini-
steriums Front machte und den rückhaltlosen Anschluß des Südens an den
Norden als den einzigen Weg bezeichnete, den Bayern im Verein mit den
übrigen Staaten südlich des Maines einschlagen könne.
Inzwischen war im bayerischen Landtag, und zwar am 27. August 1866,
durch jene hochwichtige Resolution, welche den engen Anschluß an Preußen
befürwortete, ein Ereignis eingetreten, welches die Wendung in der süddeut-
schen Politik einleitete und ein Ministerium Hohenlohe vorbereitete. Am
31. August befaßte sich die Reichsratskammer ihrerseits mit dem mit Preußen
abgeschlossenen Friedensvertrag und mit der Erledigung der deutschen Frage.
Dabei wurde die oben erwähnte Resolution des Landtags von verschiedenen
Rednern scharf bekämpft und als »ein Hohn auf das Rechtsbewußtsein des
Volkes« charakterisiert. Da hielt nun Fürst Hohenlohe jene vielgenannte
große Rede, durch die er sich bei den sogenannten »echten Bayern« zum
»Preußenfreund«, bei allen Deutschgesinnten im Königreiche aber zum er-
sehnten Retter der Situation machte. Diese Rede, welche im wesentlichen
das Programm seiner deutschen Bundes- und Reichspolitik enthielt, gipfelt
in dem Nachweis, daß seit 1849, wo er zum ersten Male für den Anschluß
an Preußen eingetreten, ein Umschwung zu Gunsten dieser politischen
Orientierung im bayerischen Volke selbst sich gebildet habe. »Als ich vor
siebzehn Jahren in der Sitzung vom 12. November 1849 der Umgestaltung
Deutschlands im Sinne der damaligen Vorschläge Preußens . . , das Wort
redete«, so führte Hohenlohe aus, »tat ich es und mußte es tun unter der
ausdrücklichen Anerkennung, daß ich mich mit den Anschauungen des bayeri-
schen Volkes im Widerspruch befände. . . . Die große Majorität der Kammer
der Abgeordneten hat nun den Anschluß an Preußen verlangt.« Und als
Politiker in des Wortes bester Bedeutung, dem die romantischen Chimären
zu Hobenlohe-SchillingsfUrst. a21
der Grofldeutschen gerade so unausführbar erschienen, als etwa der Versuch,
aus dem kleinen Bayern eine europäische Großmacht zu gestalten, erklärte
der Fürst am Schlüsse seiner Rede: »Ich halte es daher für zweckmäßiger,
jetzt, wo alles im Flusse ist, eine Stellung im Norddeutschen Bund zu er-
streben, zu einer Zeit, wo es möglich sein wird, für Bayern und seine Dynastie
günstigere Bedingungen zu erhalten, als erst anzuklopfen an einem fertigen
Hause, dessen Tore verschlossen sind«. Dem Fürsten sollte aber im Kreise
seiner standesherrlichen Kollegen keine Anerkennung gezollt werden. Es
fanden sich in dieser hohen Kammer damals nur drei Mitglieder, die mit
Hohenlohe gingen, die dreißig anderen blieben bei ihren partikularistischen
Anschauungen stehen. (Vgl. Rust a. a. O. 21 f.)
Die allgemeine Stimme verlangte aber jetzt schon den Eintritt des
Fürsten ins Ministerium. Am 10. Dezember reichte der bisherige Minister
Freiherr von der Pfordten seine Entlassung ein, während Chlodwig zu Hohen-
lohe-Schillingsfürst am 31. Dezember 1866 zum Vorsitzenden des Minister-
rats, zum Minister des Auswärtigen und des Königlichen Hauses ernannt
wurde. Die Konstellation, unter welcher Hohenlohe zum Minister wurde,
bedeutete die Lossagung der bayerischen Politik von Österreich, die nun-
mehrige Teilnahme Bayerns an der Lösung aller großen nationalen Fragen
der deutschen Staaten und in gewissem Sinne die Anerkennung der preußi-
schen Hegemonie, soweit die militärischen, wie auch die zollpolitischen In-
teressen in Frage kamen.
Wir haben die Ereignisse der vierziger Jahre, die Abdankung des groß-
deutschen Systems, den für die Einigung Deutschlands vielverheißenden Beginn
des Ministeriums Hohenlohe in München erzählt und der hohen Verdienste
gedacht, die dieser Mitbegründer der deutschen Reichseinheit in jener ernsten,
oft schwierigen Zeitlage sich erwarb. In den nun folgenden Ausführungen
handelt es sich vor allem darum, darauf hinzudeuten, wie der Fürst es
verstanden, den nationalen, nicht minder aber den liberalen Gedanken auf-
recht zu erhalten inmitten der Bedrohung, welche ihm von verschiedenen
Seiten zuteil ward. Das Wirken des Fürsten im deutschen Zollparlament,
seine auswärtige Politik, seine Pläne zur süddeutschen Armeereorganisation,
sein mannhaftes Eintreten für die Anerkennung der modernen Staatsidee
mitten in den Stürmen, welche die romanisch-klerikale Agitation hervorrief,
dann sein Gegensatz zu Bismarck in der Behandlung der für die zweite
Hälfte des 19. Jahrhunderts so verderblich gewordenen Frage des vatikani-
schen Konzils, endlich sein Sturz, das sind die bedeutsamen Momente in der
so reichen politischen und staatsmännischen Betätigung Hohenlohes, denen
wir in dem engen Rahmen der nächstfolgenden Darlegungen unser Augenmerk
schenken möchten.
Mit dem Ministerium Hohenlohe trat an Stelle eines durch seinen klein-
staatlichen Blick beschränkten, wie es das von der Pfordtensche gewesen,
ein solches, das in dreijähriger Amtstätigkeit sowohl für die innere Ent-
wicklung Bayerns, wie auch für seine Beziehungen zu Preußen von der
segensreichsten Wirkung gewesen ist. Dabei darf bei einer Beurteilung
dieses Ministeriums niemals außer acht gelassen werden, daß es fast nur auf
sich selbst angewiesen war. Mit Ausnahme des Königs war das ganze
königliche Haus ihm feindlich gesinnt. Adel und Geistlichkeit fürchteten in
A22 zu Hohenlohe-Schillingsfürst.
Fürst Hohenlohe den »Verpreußer« und den Liberalen, während die
Herren Kollegen des neuen Ministers in ihm nur den »Dilettanten« erkannten,
»der nicht einmal den bayerischen Staatskonkurs gemacht hatte«. Geistern,
denen die büreaukratische Routine alles, Initiative und Begabung dagegen
nur als ein Hemmschuh gilt, wenn es sich darum handelt, in ausge-
tretenen Geleisen weiterzufahren, konnte der ganz anders geartete Nachfolger
von der Pfordtens unmöglich als der geeignete Mann erscheinen. »Unter
solchen Umständen«, sagt Völderndorff, »kann man leicht ermessen, mit
welchen Schwierigkeiten der Fürst arbeitete. In Preußen hatte vielleicht
nur Bismarck dafür ein Verständnis«.
»Waren Herrn von der Pfordten die preußischen Bündnisverträge im
Grunde doch nur aufgezwungen worden, so ergriff Fürst Hohenlohe laut
und nachdrücklich aus innerster Überzeugung für sie Partei; nicht zum
mindesten seinem Einflüsse war es zuzuschreiben, daß sich auch die unge-
heure Mehrheit des Landes in diesem Sinne aussprach. Fürst Hohenlohe,
die lebende Mainbrücke, wie man ihn nannte, war damals einer der
ersten und wichtigsten Mitarbeiter an der Verschmelzung des Südens und
des Nordens.« Dieses Urteil, daß die »Kölnische Zeitung« beim Tode des
Fürsten formulierte (6. 7. 1901), erfuhr seine volle Bestätigung in einer
hochwichtigen zeitgenössischen Auslassung. Im Augustheft der »Deutschen
Revue« (1904) findet sich in der Veröffentlichung der Korrespondenz des
badischen Ministers von Freydorf unter anderm ein Brief, in welchem sein
Amtsvorgänger, der bekannte Staatsmann, Freiherr von Roggenbach, sich
also über Hohenlohe und dessen Politik ausläßt: »Meine Meinung von dem
Verstände, dem Takte und dem Savoir faire des Fürsten Hohenlohe ist eine
sehr günstige, derselbe bedarf an und für sich bei seiner genauen Kenntnis
der europäischen, deutschen und speziell süddeutschen Verhältnisse keinerlei
Rat oder Beeinflussung. Alles, was ich über seine Richtung und Tendenzen
höre, entspricht so vollkommen der Sachlage und zeugt von so richtigem
maßvollem Verständnis der Situation, in welche sich die süddeutschen
Staaten durch ihren das Bundesrecht und die Bundesverfassung umstoßenden
Krieg gebracht haben, daß für die drei anderen süddeutschen Staaten kaum
ein besserer Weg gefunden werden könnte, als sich möglichst den Schritten
anzuschließen, die der bayerische Minister tun wird. — Ohnehin tritt Bayern,
im Augenblick, wo seine Politik sich frei zeigt von Kurzsichtigkeiten und
politischen Fanfarons, in den Besitz der Bedeutung, die seiner relativen
Machtstärke in Süddeutschland zukommt, und es wird sich für die deutsche
Entwicklung nützlich zeigen, daß diese süddeutsche politische Staatengruppe,
die zurzeit jedes inneren Halts entbehrt, dadurch einen natürlichen Mittel-
punkt gewinnt.« Im gleichen Zusammenhang und auf das Verhältnis der
Südstaaten zu Preußen anspielend, fährt Freiherr von Roggenbach, dieser
feinsinnige Mitbegründer der deutschen Einheit, also fort: »Ich freue mich,
von Fürst Hohenlohe zu hören, daß auch er den süddeutschen Bund nicht
ausschließt und das Wesen datin erkennt, daß diese vier süddeutschen
Staaten auf alle Fälle mit Preußen zusammengehen im Falle eines Angriffs
von außen«.
Sein politisches Programm hatte Fürst Hohenlohe in einer bedeutsamen
Rede am 19. Januar 1867 angedeutet, aus welcher klar hervorgeht, daß er,
zu Hohenlohe-SchillingsfUrst. 423
nicht wie es seine Gegner vorgaben, in Preußen die mächtige Eiche sah,
an deren Stamm das schwache Bayern, dem Epheu gleich, emporklettern
und Halt und Schutz finden sollte. Für einen bedingungslosen Eintritt in
den norddeutschen Bund ist Hohenlohe niemals eingetreten. Im Gegenteil,
äußerte er sich doch noch im November 1866 zu Völderndorff: »Ich gestehe
offen, das, was bisher über die geplante Verfassung dieses Bundes bekannt
ist, scheint mir nicht geeignet, um einem so großen Staat wie Bayern Lust
zu machen, als Bundesglied einzutreten. Dazu ist der Gesamtton zu wenig
föderativ; für Reufl-Greiz und Lobenstein paßten die Bestimmungen vielleicht,
für Sachsen kaum, für Bayern aber keinesfalls«. Preußen selbst wäre damals
ein Bund mit den süddeutschen Regierungen nichts weniger als erwünscht
gewesen. Was darum dem neuen bayerischen Minister vorschwebte, war
zunächst die Erreichung alles dessen, was nach den Bestimmungen des
Prager Friedens noch ausführbar war. Und da war es denn der Punkt, daß
die Südstaaten, sofern sie in einen Verein zusammentreten, mit dem Nord-
bund eine nationale Verbindung eingehen sollten. Der Weg, der zu diesem
wichtigen und politisch erreichbaren Ziele führte, war nach Ansicht Hohenlohes
eine allen Südstaaten gemeinsame Gestaltung der Militärorganisation, welche
eine Gleichmäßigkeit mit den preußischen Einrichtungen anstreben sollte.
>^I)amit«, meinte der Fürst, »würde von vornherein gezeigt, daß die geplante
Vereinigung nicht in dem Sinne gedacht sei, in welchem Napoleon die
desfallsige Bestimmung in den Nikolsburger Präliminarien gebracht hat«.
Der Krieg von 1866 hatte die Notwendigkeit der Militärreformen zur
Evidenz gebracht. In den Stuttgarter Konferenzen vom 3. bis 5. Februar,
an denen vier süddeutsche Minister des Auswärtigen teilnahmen, wurden,
den Anregungen des bayerischen Ministers folgend, jene wichtigen Ver-
einbarungen getroffen, welche die einheitliche Leitung des deutschen Heeres,
sowie die Erhöhung und Schlagfertigkeit der Militärkraft einleiteten. Das
Schutz- und Trutzbündnis der süddeutschen Staaten mit Preußen, welches
der Fürst im August 1867 der bayerischen Kammer vorlegte, war eine
natürliche Konsequenz der Stuttgarter Abmachungen.
Ebenso wichtig als dieser Schritt, der auf militärischem Gebiete ge-
macht worden war, ist jener andere, der in Friedenszeiten den Norddeutschen
Bund dem Süden näher bringen und eine Form schaffen sollte, die es er-
möglichte, in wirtschaftlichen und innerpolitischen Fragen einen Austausch
der Gedanken und eine wechselseitige Vertretung der Interessen zu schaffen.
Es geschah dies durch die Reorganisation des Zollvereins, durch den Beitritt
Bayerns in das neue Zollparlament. Es ist hier nicht der Ort, die zahllosen
Peripetien zu schildern, welche der Antrag des Fürsten, dem neuen Zollverein
beizutreten, durchmachen mußte, bis die bayerischen Kammern sich damit
einverstanden erklärten und endlich am 31. Oktober der neue Zollvereins-
vertrag auch in der Kammer der Reichsräte zur Annahme gelangte. Die
Methode, welche der Fürst befolgte, um die renitentesten Elemente unter den
standesherrlichen Partikularisten zu gewinnen, war eine diplomatische Muster-
leistung ersten Ranges. Das erste deutsche Einheitsparlament erkannte denn
auch die Verdienste des Fürsten um das Zustandekommen des großen Werkes
in deutlicher Weise an, indem es ihn einhellig zum ersten Vizepräsidenten
wählte. Und das Zollparlamcnt wurde dann für den Fürsten die Tribüne,
424 *^ Hohenlohe-Schillingsfürst.
von welcher aus er für die nationale Verschmelzung von Süd und Nord mit
allem Nachdruck und, man kann behaupten, auch nach außen hin, besonders
den französischen Velleitäten gegenüber, mit großem Erfolg eintrat. In
diesem Sinne sind auch die Worte zu deuten, mit denen er am 3. Juni 1869
den Mitgliedern des Zollparlaments für seine Wiederwahl zum Vizepräsidenten
dankte. Damals sagte der Fürst unter anderm: »Diese Ehre ist um so
größer und meine Dankbarkeit um so aufrichtiger, als ich im vergangenen
Jahre nicht Gelegenheit gehabt habe. Beweise für meine Befähigung zu dem
mir übertragenen Amte abzulegen. Wenn Sie mich dennoch wiedergewählt
haben, so haben Sie mir damit das Recht gegeben, das Motiv Ihres V^er-
trauens in meiner Tätigkeit außerhalb dieser hohen Versammlung zu suchen.
Damit gewinnt aber Ihr Votum für mich eine höhere politische Bedeutung,
und das Vertrauen dieser hohen Versammlung wird mir den Mut geben, auf
dem Wege, den ich für den richtigen halte, unbeirrt fortzuschreiten, und
auszuharren in dem Bestreben, für die Verständigung, Versöhnung und Ein-
tracht der deutschen Stämme mit allen meinen Kräften zu wirken« (Rust,
a. a. O. 4of.). Der Eindruck, den diese Worte in Nord und Süd bei allen
Freunden des Einheitsgedankens erweckten, war überaus günstig und fand
in diesen Kreisen einen freudigen Wiederhall. Anders freilich dachten die
bayerischen Partikularisten über die Rede ihres Ministers. In ihren Organen
hieß es, »daß ein Fleißbillet, von den Preußen ausgestellt, von den Bayern
nicht respektiert werde«.
Während Fürst Hohenlohe mit großer Befriedigung der Entwicklung und
der allmählichen Vorbereitung der nationalen Einigung folgte, ließen ihn
andere Strömungen, die nicht nur Bayern und ganz Deutschland, sondern
die gesamte gebildete Welt in Atem hielten, sorgenvoll der nächsten Zukunft
entgegensehen. In allen katholischen Ländern Europas war die ultramontane
Bewegung von den revolutionsscheuen Regierungen mächtig gefördert worden;
nirgends aber fand diese Bewegung einen so günstigen Boden als in gewissen
deutschen Provinzen und vornehmlich im Königreiche Preußen. Während
die sogenannte Neuscholastik den römischen Ansprüchen in der Theologie
nach Kräften Vorschub leistete, waren es im praktisch-politischen Leben die
jesuitischen Doktrinen über Staat und Kirche, über Liberalismus und Fort-
schritt, welche jene große Aktion gegen die Wissenschaft und den modernen
Rechtsstaat einleiteten, deren verderbliche Folgen heute und noch auf Jahr-
zehnte hinaus unser öffentliches Leben vergiften und das politische Selbst-
bewußtsein der deutschen Nation untergraben.
Zwei Kundgebungen sind es vornehmlich, um nicht zu sagen zwei
Serien von Ereignissen, deren sich die Kurie und die Zelanti bedienten,
um der ultramontanen Weltanschauung unter den Massen zur Herrschaft zu
verhelfen, der Syllabus und das Unfehlbarkeitsdogma.
Die ungeheure Tragweite dieser beiden päpstlichen Kundgebungen hat unter
den Staatsmännern des europäischen Kontinents niemand so sehr erkannt als
Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. In einer Kammerrede, die er ge-
legentlich der Generaldebatte über das Schulgesetz am 19. April 1869 hielt, führte
er aus: „Die Schwierigkeit für ein harmonisches Zusammenwirken beider Gewal-
ten, der Kirche und des Staates, liegt meines Erachtens darin, daß in neuerer Zeit
Äußerungen kundgegeben worden sind, die eine Abneigung der in der Kirche
zu Hohenlohc-Schillingsfürst. 425
zurzeit herrschenden Partei gegen den Staat erkennen lassen«. Und er schloß
seine an das religiöse Gefühl, nicht an politische Aspirationen appellierende
Rede mit den Worten: »ob die Menschheit auch einer streitenden und ver-
dammenden Kirche bedarf, das mögen die Theologen entscheiden« (s. Friedrich,
Ignaz V. Döllinger, I. 469). Es traf sich, als er im Jahre 1869 diese Worte
sprach, daß kein Staatsmann im Amte war, welchem gleich ihm Gelegenheit
geboten war, sich zu vergewissern über die wahren Tendenzen des vati-
kanischen Konzils. »Der bayerische Ministerpräsident, Fürst Hohenlohe«,
sagt Lord Acton, »war der Bruder eines Kardinals. Allein hiervon ganz
abgesehen, blieben besonders die akademischen Körperschaften Münchens ....
in Rom stets durch ausgezeichnete, mit Personen und Verhältni.ssen ver-
trauteste Mitglieder vertreten. Sie waren es, die ihre Aufmerksamkeit sofort
auch den Vorberatungen der Konzilskommissionen zu widmen begannen,
sofern diese offenbar nun nicht mehr bloß für die Theologie interessant
und folgenschwer erschienen. Fis bestanden also vielfache, aber im ganzen
unbestreitbar höchst urteilsfähige und glaubwürdige Quellen, aus welchen
dem Staatsmanne von den Dingen, welche in Rom sich vorbereiteten,
die eingehendste Kunde zukommen konnte und wirklich auch zukam« (Zur
Gesch. des Vat. Konzils, 18). Die außerordentliche Hingabe Hohenlohes an
die politischen Probleme seines engeren und größeren Vaterlandes ließen
ihn gewiß nicht zu einem eingehenden Studium der religiösen und theologi-
schen Fragen kommen, man wird aber nichtsdestoweniger sagen können,
daß der drohende Ansturm, den die Kurie auf den modernen Staat und die
Freiheit der Wissenschaft in den fünfziger und sechziger Jahren einleitete,
den Fürsten keineswegs überraschte, sondern wohl vorbereitet antraf. Ein
Anhänger der Cavourschen Formel: libera chiesa in Ubero stato ist er niemals
gewesen, denn er sagte sich, daß eine Institution, wie die der katholischen
Kirche eine allzugewaltige Macht sei, um dem Staat bei einer unbeschränkten
Freiheit die notwendige Selbständigkeit noch lassen zu können. Sein staats-
männischer Blick hatte schon 1854 klar erkannt, welchen Gefahren der
Friede zwischen Staat und Kirche durch die von den Jesuiten inspirierten
Doktrinen ausgesetzt sein würden. Schon von dem Dogma der unbefleckten
Empfängnis hatte der Fürst gesagt: »Latet anguis in herbis«. Und er setzte
hinzu: »Ich halte es für einen Probepfeil. Die Jesuiten wollen sehen, was
man den Gläubigen zumuten dürfe«. Mit diesem Ausspruch hat der Fürst
leider nur zu sehr Recht behalten. Und, es muß auch hervorgehoben werden,
daß der aufgeklärte Staatsmann, seinen Erfahrungen und seiner Überzeugung
gehorchend, schon in den sechziger Jahren nicht nur Bayern, sondern auch
den Norden und Westen Deutschlands auf die ultramontane Gefahr aufmerk-
sam machte und in Berlin schon damals den nie befolgten Rat gab, »bei
Besetzung der hervorragenden Diözesen in Köln, Breslau, Mainz, Freiburg
und besonders in Posen, nur selbständige und deutschgesinnte Männer an
die Spitze kommen zu lassen und auch für die Besetzung der Domkapitel
in dieser Richtung Sorge zu tragen« (Völderndorff a. a. O.). Die nordisch-
protestantische Staatskunst hat bekanntlich niemals ein V^erständnis für
katholische Dinge gehabt. In dem Bewußtsein ihrer äußeren Stärke, ver-
zichtete sie ja stets auf die wirksamen Machtmittel, welche ihr aus der
intimen Kenntnis des Ultramontanismus und des Katholizismus geflossen
426 *u Hohenlohc-Schillingsfürst.
wären. Das preußische laisser faire Rom gegenüber wurde nur dann und
wann durch brutale Maßregeln unterbrochen und hat jedesmal die gewollte
Wirkung verfehlt. Kein Wunder, daß die Vorstellungen des bayerischen
Ministerpräsidenten auch im Jahre 1869 "^^* einem, für Preußen, nicht für ihn
beschämenden Mißerfolg endeten. Obschon dem Fürsten der beklagenswerte
Indifferentismus Berlins den römischen Veranstaltungen gegenüber bekannt
war, entschloß er sich, durch Döllinger, durch zahlreiche deutsche Prälaten
und Theologen angeregt, durch die Haltung von Männern wie Gladstone,
Lord Acton in England ermuntert, endlich durch die bekannte gallikanisch und
freiheitlich gesinnte starke Minorität in der französischen Prälatur in seinen
Auffassungen bestärkt, zur Abfassung jener bekannten Zirkulardepesche vom
9. April 1869. Diese hatte den Zweck, die europäischen Höfe zu einer gemein-
samen Aktion gegenüber den zu erwartenden Beschlüssen der römischen
Kurie einzuladen.
Doch hören wir vom bayerischen Ministerpräsidenten selbst, was er über
die Zirkulardepesche dachte, welche unter anderen Umständen zu einer
rettenden Tat hätte werden können. »Ich halte es für meine Pflicht«, so
äußerte sich der P'ürst zu seinem Vertrauten, Baron Völderndorff, »als oberster
Leiter des führenden katholischen Staates in Deutschland meine warnende
Stimme zu erheben.« Als Völderndorff seinen hohen Gönner auf die Gefahr
der Urheberschaft aufmerksam machte, die eine solche Note gerade einem
Mann wie Hohenlohe bringen mußte, gab ihm dieser die denkwürdig be-
scheidene, jeden Deutschen zur Bewunderung zwingende Antwort: »Mein
lieber Baron Völderndorff, ob ich von meinem jetzigen Posten gestürzt werde
oder nicht, daran liegt gar nichts. Deutschland wird auch ohne mich einig
werden, das besorgt der Norden und Graf Bismarck. Aber um die katholische
Kirche gegen die Jesuiten und ihre den Katholizismus, dem ich treu an-
hänge, schädigenden Pläne zu verteidigen, dazu gehört ein Katholik, das
können die Protestanten nicht. Wenn ich, der Bruder eines Kardinals, meine
Stimme erhebe, wird wohl niemand sagen können, das es ein Feind des
Papsttums sei, der spricht«.
Es war ein Moment, der eine weltgeschichtliche Bedeutung hätte er-
langen können, als Fürst Chlodwig zu Hohenlohe die Zirkulardepesche ver-
faßte, vorausgesetzt, daß die europäischen Kabinette sich mit ihm solidarisch
erklärt hätten. Dem bayerischen Minister waren die geringen Aussichten, die
sein Unternehmen boten, nicht entgangen. Es steht uns nicht zu, über
unwiederbringlich Verlorenes Klage zu füren, das aber darf man heute wie
auch in späteren Jahrzehnten noch behaupten dürfen: der Hinweis auf das
selbstlose, hochideale Vorgehen eines Staatsmannes wie Fürst Chlodwig in
einer das Verhältnis von Staat und Kirche so folgenschweren Frage wie das
Unfehlbarkeitsdogma, ist eine Tat, um die ihn die Zukunft beneiden, von
der sie sich stets sagen wird: memhiisse iuvabit!
Das Schicksal der Zirkulardepesche ist bekannt. Die vom Fürsten ge-
machten Vorschläge fanden bei den meisten Staaten wenig oder gar kein
Entgegenkommen, vielmehr zogen sie ihm in Bayern nur den Haß der Ultra-
montanen zu, die es in der bayerischen Volksvertretung zu einer ansehnlichen
Minorität und nach erfolgter Auflösung der Kammer sogar zu einer ultra-
montanen Mehrheit gebracht hatten. Dieser Mehrheit kam es zunächst nur
zu Hohenlohe-Scbillingsfürst. 427
darauf an, durch ein Mißtrauensvotum der Kammer das Verbleiben des
damaligen Ministerpräsidenten im Amte unmöglich zu machen. Fürst Hohen-
lohe nahm den ihm aufgedrungenen Kampf mutig auf und versäumte es
nicht, ehe er der Übermacht des Gegners sich entzog, diesen sowie dessen
Programm im Gegensatz zum Liberalismus noch einmal zu charakterisieren.
»Es ist der Streit der beiden Anschauungen«, so führte der Minister am
Schlüsse der zwölftägigen Debatte in der bayerischen Abgeordnetenkammer
aus, »deren eine im modernen Rechtsstaate und in der ganzen freiheitlichen
Entwicklung der Gegenwart etwas zu Erhaltendes und Pflegendes erblickt,
und deren andere diesen modernen Staat und die ganze moderne Entwicklung
perhorresziert und das Heil der Menschheit in einer Neugestaltung des
Staates auf anderer Grundlage sieht, einer Neugestaltung, welche durch die
Kirche und zwar durch eine im absolutistischen Sinne rekonstruierte Kirche
vervollständigt und getragen würde. In diesem Kampfe eine Änderung der
Überzeugungen durch Worte herbeiführen zu wollen, wäre die vergeblichste
aller Bemühungen« (Rust, a. a. O. loi).
Wenn Fürst Hohenlohe dem Zusammenwirken aller gegnerischen Strö-
mungen weichen mußte, blieb er nichtsdestoweniger dem parlamentarischen
Leben nicht fremd und machte seinen großen persönlichen Einfluß jedesmal
geltend, wenn die Lösung der deutschen Einigungsfrage auf dem Spiele
stand. Die Verträge, durch die nach dem französischen Kriege das Ver-
hältnis Bayerns zu Preußen und Deutschland überhaupt geregelt wurden,
verdanken der weisen Vermittelung des Fürsten zum großen Teil ihr Zu-
standekommen.
Aus den Ereignissen des Jahres Siebzig ging das neue Deutsche Reich
hervor. An Stelle des Zollparlaments trat nunmehr der Reichstag, dessen
Zusammensetzung durch die Wahlen vom 3. März 187 1 bedingt war. Fürst
Chlodwig gehörte als Vertreter des Kreises Forchheim- Kulmbach von
1871 — 1881 dem Reichstage an, und zwar als Mitglied der liberalen Reichs-
partei. Das hohe Haus war sich von Anfang an klar, daß diejenigen Männer,
welche schon im deutschen Zollparlament als Präsidenten für die Neu-
gestaltung und die Einigung der deutschen Nation eingetreten waren, nun-
mehr auch im neuen Parlamente des zweiten deutschen Reiches die
Ehrenstellen einnehmen sollten, die ihren Verdiensten gebührten. Es waren
dies Dr. Simson und Fürst Chlodwig zu Hohenlohe. Mit Ausnahme der
klerikalen vereinigte der ehemalige bayerische Ministerpräsident alle Stimmen
auf seinen Namen. Bei seiner weitsehenden Kirchenpolitik und seiner
scharfausgesprochenen antiultramontanen Stellung, besonders in der Zeit
des Kulturkampfes, hatte der Fürst stets mit der Feindschaft des Zentrums
zu rechnen. Dies war ganz besonders der Fall, als er 1872 (Mai) gelegentlich
der Jesuitendebatte im Deutschen Reichstage für einen Gesetzentwurf eintrat,
der den Jesuitenorden in Deutschland einfach verbieten sollte. Eine, die
katholische Kirche so sehr interessierende Angelegenheit, wie es die staatliche
Duldung eines Ordens ist, der als Inspirator und Verfechter des Syllabus
sich so eifrig hervorgetan hat, glaubte der ehemalige Minister eines größten-
teils katholischen Landes nur in der angeführten Weise zum Frommen der
katholischen Christenheit erledigen zu müssen. Dabei verfehlte er nicht, das
ganze jesuitische System als ein solches zu brandmarken, »das sich gegen
^28 2U Hohenlohe-Schillingsfürst.
die Grundsätze richtet, auf denen das öffentliche Leben, wie es sich bei
zivilisierten Völkern entwickelt hat, als auf seiner Grundlage beruht«. Mit
Herrn von Radowitz, dem Führer der katholischen Partei zur Zeit der
Tagungen in der Paulskirche zu Frankfurt war auch Fürst Chlodwig eines
Sinnes, als dieser vornehme Katholik ausführte: »Der Nutzen, welchen man
sich aus dem Jesuitenorden für die katholische Kirche in Deutschland ver-
sprechen könnte, würde in gar keinem Verhältnisse zu den tiefen Störungen
und Gefahren stehen, welche seine Gegenwart hervorrufen muß«. (Die
Jesuitendebatte i. d. Reichstage. Berlin, Simion 1872, S. 30).
In den Ansprüchen des Ultramontanismus, vornehmlich in der von dieser
Richtung herbeigesehnten Rückkehr des Jesuitenordens nach Deutschland
gewahrte der Fürst ein neues Aufleben jener feindlichen Kräfte, welche das
alte Reich zerstörten. In dieser Beziehung standen somit seine Anschauungen
in schroffem Widerspruch zu den Ansichten der nach ihm tonangebend ge-
wordenen Politik. Nichtsdestoweniger zeigte sich Hohenlohe weit entfernt,
alles mit jener parteipolitischen Kurzsichtigkeit anzusehen, die seine klerikalen
Gegner an ihm zu entdecken glaubten. Man wird nicht leicht einen Staats-
mann finden, der wie Fürst Hohenlohe durch Tradition und Erziehung, durch
Begabung und Beobachtung zugleich in den Stand gesetzt war, jene dem
Menschen anhaftenden Einseitigkeiten zu überwinden, die sonst den Politiker
zum vulgären Parteimanne herabwürdigen und ihm die praktische Betätigung
im öffentlichen Leben so sehr erschweren.
Der ehemalige bayerische Minister und erprobte Parlamentarier war
daher der rechte Mann am rechten Platze, als er 1874 zum Botschafter in
Paris ernannt wurde. Als er am 23. Mai dem Präsidenten Marschall Mac
Mahon sein Beglaubigungsschreiben überreichte, übernahm er ein Amt, das
nicht nur wegen des vorausgegangenen Krieges, wegen der inneren Ver-
hältnisse in Frankreich, sondern auch wegen gewisser tatsächlicher oder ver-
meintlicher Vorgänge in der deutschen Botschaft selbst, die auf gewisse
Paktierungen des Grafen Arnim mit den Monarchisten hinweisen sollten,
einen auserlesenen Takt und einen offenen Blick erforderte. Als daher der
der höchsten Aristokratie angehörende Fürst Hohenlohe in Paris eintraf,
glaubte man dort vielfach in ihm einen Botschafter erhalten zu haben, der wie
angeblich Arnim die monarchistische Opposition begünstigen würde. Sehr
bald konnte man sich aber davon überzeugen, daß man sich in dieser
Beziehung getäuscht hatte. Im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger pflegte
er nicht nur vielfache Beziehungen mit den feudalen Kreisen des Fau-
bourg St. Germain, sondern erkannte auch die republikanische Bureaukratie
gesellschaftlich als durchaus gleichberechtigt an und verstand es, mit
den verschiedensten Ministern auf gutem Fuß zu stehen. Dies gelang ihm
selbst dann, wenn er Maßnahmen zu verteidigen hatte, die der Empfind-
samkeit der Franzosen unerwünscht sein mußten. Dabei verstand er es
immer, eine versöhnliche Form zu wählen bei allem beharrlichen Festhalten
an seinem prinzipiellen Standpunkte. Unbequemen Fragen, auf die er als
Diplomat nicht immer kategorisch antworten konnte, ging der Fürst meist
aus dem Wege und brachte dadurch den Frager oft in größere Verlegenheit,
als dies sonst bei dem Gefragten der Fall gewesen wäre. Es kann nicht unsere
Aufgabe sein, in diesem Rahmen die Pariser Tätigkeit des Fürsten erschöpfend
in Hohenlohe^Schillingsfürst. 420
zu schildern. Was er in der damaligen Zeit für sein Vaterland, für die Bismarck-
sche Politik getan, das hat der erste Kanzler des Reiches in Worten ausge-
sprochen, von denen Fürst Hohenlohe wiederum gesagt: »Ich werde den Brief
als das wertvollste Dokument meines Hauses Kindern und Enkeln aufbewahren.»
(Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen II, 507). Am i. Januar 1878
schrieb nämlich Bismarck von Varzin aus folgendermaßen an Hohenlohe:
.... meinen herzlichen Dank für die so einsichtige und tapfere Unterstützung,
welche Sie mir, wie in allen Fällen, so auch in den letzten schwierigen
Monaten in der nachhaltigsten und erfolgreichsten Weise geliehen haben.
Leider finde ich das Geschick und den loyalen Willen zur Vertretung unserer
Politik nicht immer vereinigt und bin deshalb um so dankbarer für die
Ausnahmen, in denen es der Fall ist. Ich werde es stets dankbar anerkennen,
daß ich während der ganzen Zeit unseres Zusammenarbeitens immer auf
Ew. Durchlaucht sichere und erfolgreiche Mitwirkung zählen durfte, ohne die es
bei allen Anfeindungen und Intriguen, deren Ziel ich bin, nicht möglich wäre,
das Unentbehrliche zu erreichen und das Gefährliche unschädlich zu machen«.
(Ebenda). Es wäre überflüssig, einer solch anerkennenden Charakterisierung des
Fürsten seitens eines Mannes wie Bismarck noch einen ergänzenden Kommentar
anhängen zu wollen. Höchstens darf man noch daran erinnern, daß die Franzosen
selbst Hohenlohe nicht minder aufrichtige Ausdrücke widmeten, als er von ihnen
Abschied nahm, um als Statthalter der Reichslande in einer Zone zu wirken,
deren Erwähnung manchmal genügte, um selbst die Kaltblütigkeit ruhig-
denkender französischer Politiker hart auf die Probe zu stellen. — Nur
zweimal erfuhr die Tätigkeit des Fürsten als Pariser Botschafter eine Unter-
brechung: das erste Mal 1878, als er als einer der deutschen Bevollmächtigten
zum Berliner Kongreß berufen wurde, das zweite Mal, als er noch im Jahre 1880
nach dem Tode des Staatsministers von Bülow die Leitung des auswärtigen
Amtes übernahm. Auch bei diesen Gelegenheiten rechtfertigte der Fürst in
glänzender Weise die auf ihn gefallene Wahl. Nur beim Zentrum erregte
er selbst während der kurzen Dauer seiner Amtsführung der Geschäfte im
Staatssekretariat Anstoß, als er sich beim Wiener Botschafter, dem Prinzen
Reuß, über die Unfruchtbarkeit der Verhandlungen mit der Kurie beschwerte.
Aus der bisherigen Darstellung ist mehrfach zu ersehen, daß die hohen
politischen und diplomatischen Posten, die Fürst Chlodwig hintereinander
bekleidete, nicht zu jenen gehörten, auf welchen er nur das Erbe des Vor-
gängers zu übernehmen und die Verwaltungsgeschäfte in gewohnter Weise
weiterzuführen gehabt hätte. Beinahe die ganze staatsmännische Laufbahn
des Fürsten kennzeichnet sich dadurch, daß er überall, wo er einzugreifen
hatte, neue Wege bahnen, gemachte Fehler verbessern, kurzum den gewohnten
Kurs ändern mußte. Dies gilt von dem jugendlichen bayerischen Standes-
herrn, der aus preußischen Diensten nach dem nichts weniger als preußen-
freundlich gesinnten Bayern zurückkam, gerade so wie von dem Nachfolger
von der Pfordtens im Ministerium. Die Situation, wie sie Arnim in der
Botschaft in Paris geschaffen, bedurfte ebenfalls der Klärung und verlangte
eine ganz andere Handhabung der Geschäfte. Ähnlich verworren lagen die
Dinge nach dem Tode des ersten kaiserlichen Statthalters im Reichslande
Elsaß-Lothringen. Auch hier hieß es, die Zickzackwege einer nur durch
Wohlwollen und Gnade orientierten und von einem Anflug von Gottesgnaden-
/^^O zu Hohcnlohe-Schillingsftirst.
tum inspirierten Politik zu verlassen, um nur dem einen Ziele, dem der
geordneten Verwaltung nach einer Zeit des Tastens und Suchens endgültig
zuzusteuern. Man wird wohl auch nicht ganz fehlgehen, wenn man femer
behauptet, als dritter Kanzler des deutschen Reiches hatte der Fürst eben-
falls von der Route seines Vorgängers abzuschwenken, um es zu versuchen,
den Wagen des Reiches wieder auf Bismarcksche Bahnen zurückzubringen.
Die Wahl des P'ürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst zum Statt-
halter in Elsaß-Lothringen war, wenn man dem I^ande den ihm einmal ver-
liehenen Verwaltungsapparat belassen wollte, die denkbar günstigste. Als
genauer Kenner katholischer Verhältnisse war der aufgeklärte Staatsmann
seinem Vorgänger in jeder Beziehung überlegen. Ein Gleiches galt von
seiner intimen Vertrautheit mit französischen Zuständen und von seinem
Wissen über die mehr geheim gehaltenen Verbindungen reichsländischer
Politiker aus den verschiedensten Lagern mit französischen Kollegen oder
Gönnern. Unter solchen Voraussetzungen konnte man daher von dem
zweiten Statthalter des Reichslandes wohl sagen, daß ihm mit dem Ver-
trauen des Kaisers das des ganzen deutschen Volkes nach Straßburg gefolgt
sei. Schon in den ersten Tagen seines Aufenthaltes im Reichslande benützte der
neue kaiserliche Statthalter die ihm gebotene Gelegenheit, den maßgebenden
einheimischen Elementen seinen Standpunkt klar zu definieren. Er tat es
in einer so überlegenen, der Vergangenheit wie der damaligen Gegenwart
Rechnung tragenden Weise, daß sich jeder sagen mußte, daß nun die Zeit
beginnen würde, welche zwischen Altdeutschen und Eingeborenen das
Mißtrauen bannen und eine relative Annäherung herbeiführen würde. Daß
eine Assimilation in so kurzer Zeit sich unmöglich vollziehen könnte, das
war dem erfahrenen, den landläufigen germanisatorischen Doktrinen und Me-
thoden durchaus abholden Staatsmanne von Hause aus klar. Er betrachtete
die Geschichte nicht unter dem romantischen Schleier einer unter dem
Gesichtswinkel der Stammesverwandtschaft gesehenen Vergangenheit, sondern
stellte sich auf den festen Boden der Tatsachen, die ihre Rechtfertigung in
sich selbst und nicht etwa in gelehrten germanisatorischen Theorien zu
suchen hatten. So ist es denn auch zu verstehen, daß er die Ausführungen
seines Amtsvorgängers über das Nichtvergessen der Zugehörigkeit Elsaß-
Lothringens zu Frankreich nicht nur wesentlich ergänzte, sondern aus den
Motiven, welche einst diese Zugehörigkeit zu Frankreich rechtfertigten, eine
gewisse Verwandtschaft ableitete mit den Beweggründen, welche nunmehr
zur praktischen Anerkennung der neugeschaffenen Zustände führen sollten.
Doch hören wir vom Fürsten selbst, wie er sich den allmählichen, natürlich,
nicht künstlich sich vollziehenden Verschmelzungsprozeß dachte. Er erklärte
auf eine Auslassung Manteuffels anspielend: »Ich gehe aber weiter, ich sage,
ich begreife, daß die Bewohner dieses Landes, als sie vor zwei Jahrhunderten
von Deutschland getrennt und mit Frankreich vereinigt wurden, diese Änderung
nicht allzuschwer empfanden, weil Deutschland damals ein zerrissenes Land
war, das weder seine Angehörigen schützen, noch deren Wohlfahrt fördern
konnte, während Frankreich nahezu auf der Höhe seiner jetzigen materiellen
Entwicklung stand; da konnte die Trennung von Deutschland leicht ver-
schmerzt werden. Wenn ich aber so der historischen Tat gerecht werde,
darf ich nun auch auf die Gegenwart verweisen. Aus dem machtlosen, zer-
zu Hohenlohe-Schillingsfürst. a^ I
rissenen Deutschland ist ein mächtiges Reich geworden, und wie die Einigung
zur Wiedergewinnung verlorener I.andesteile geführt hat, so hat sie uns auch
die Macht gegeben, das Wiedergewonnene festzuhalten und die Angehörigen
zu schützen, ihnen die Bedingungen geistigen und materiellen Gedeihens zu
bieten. Damit schwindet ein Motiv mehr, daß die Bewohner des Landes
auf Frankreich blicken läßt. So gebe ich mich der Erwartung hin, daß
Elsaß-Lothringen mehr und mehr erkennen werde, daß die Trennung von
Frankreich kein Unglück, die Wiedervereinigung mit Deutschland die Gewähr
für eine glückliche Zukunft ist«. (Rust. a. a. O. 194). Das sind Worte, die
kein Deutscher vergessen sollte, wenn er an die Elsässer und Lothringer,
wenn er an das Reichsland und nach der territorialen nun auch an die langsam
sich vollziehende seelische Wiedergewinnung dieser herrlichen Provinzen denkt.
Verfügungen und Erlasse, das wußte ein Mann wie Hohenlohe, können
wohl äußerlich Ordnung schaffen und den Verwaltungsapparat in Gang
bringen, sie vermögen es aber nicht, Menschen innerlich anderen Menschen
zu nähern und die Gemeinsamkeit der Interessen zu wecken. Daß diese
belebende Interessengemeinschaft bei den Reichstags wählen im Jahre 1887
noch nicht vorhanden war, ergab das klägliche Ergebnis der damals von
klerikalen und unversöhnlichen Elementen geleiteten Wahl.
Es würde von großer politischer Kurzsichtigkeit zeugen, wenn man die
bei diesen Wahlen von der Reichsregierung erlittene Niederlage als ein Er-
gebnis der kaum dreijährigen Hohenloheschen Verwaltung hinzustellen suchte.
Sie erntete nur die Früchte der unter der ersten Statthalterschaft ungleich-
mäßig und ziellos ausgestreuten Saaten, welche darin bestanden, daß man den
Notabilitäten des Landes nichts zu versagen verstand, während man dem
Volke nur mit einer noch größeren Klerikalisierung des Landes aufwartete.
Der Klerus und die Notabein, diese Günstlinge der Aera Manteuffel, das
waren die für die nun eingetretene Krisis verantwortlichen Faktoren. Diese
mußten getroffen werden, wenn normale Zustände in den wiedergewonnenen
Provinzen herbeigeführt werden sollten. Die am 22. Mai 1888 erlassene Paß-
verfügung galt denn auch vornehmlich den genannten Kreisen und machte
den illoyalen Beziehungen, welche aus diesem Milieu mit der Patriotenliga
einerseits und gewissen klerikalreaktionären Politikern wie de Mun, Keller u. a.
andererseits gepflogen wurden, ein Ende. Zur Sanierung der politischen Lage
war diese Zwangsmaßregel um so notwendiger, als es bekanntlich gerade
die geistig hochstehenden Elsässer und Lothringer waren, welche nach 1870,
entgegen den Ratschlägen, die ihnen selbst Thiers erteilte, nach Frankreich
auswanderten; der Einfluß einer intellektuellen, jenseits der Vogesen weilenden
Elite auf die im Lande Zurückgebliebenen mußte daher politisch verhängnis-
voll werden, wenn nicht staatlicherseits eingegriffen wurde. Der Erfolg zeigte
denn auch gar bald, daß die Verfügung sich bewährte. Aus klerikalen Kreisen
wurde jederzeit gerne auf sie, als auf ein Hohenlohesches Regierungsmittel
hingewiesen. Und doch war auch diesen Kreisen jenes verständnisvolle Wort
bekannt, das der Fürst -Statthalter kurz vor dem Erlassen obiger Verfügung
in Buchsweiler gesprochen, das er auch jederzeit als sein politisches Programm
im Reichslande zu befolgen bestrebt war. »Ich denke nicht daran«, so führte
er damals aus, »in der Tätigkeit für die Sicherheit des Landes die einzige
Aufgabe der Regierung zu erblicken. Unsere Aufgabe ist größer, sie umfaßt
A72 ZU Hohenlohe-SchillingsfUrst.
ein weites Feld fruchtbringender Tätigkeit für das Wohl des Landes in
geistiger und materieller Beziehung.« (Rust, a. a. O. 205.) Als ein Gradmesser
für die in dieser Hinsicht vom zweiten Statthalter dem Reichslande erwiesenen
Dienste und die hierfür im Lande erlangte Anerkennung kann der im Ver-
gleich zu den früheren Wahlen jetzt als sehr günstige Ausfall der Landes-
ausschuß (1888) und Reichs tags wählen (1890) angesehen werden.
Wir haben soeben eine Äußerung des Fürsten Chlodwig hier eingesetzt,
weil sie im wesentlichen das enthält, worauf es ihm als Statthalter, als auf-
geklärten und liberalen Staatsmann im besten Sinne des Wortes ankam, nämlich
auf die Pflege aller geistigen und kulturellen Interessen des Landes, auf die
guten Beziehungen zu den Vertretern von Wissenschaft und Kunst. Der
Künstlerwelt wie der Gelehrtenwelt hat bekanntlich Fürst Chlodwig von früh
an das lebhafteste Interesse entgegengebracht. In München verkehrte er mit
dem »großen Döllinger«, wie er diesen Gelehrten im Gespräche oft nannte, aufs
freundschaftlichste und holte sich stets gerne Rat bei ihm. Was Franz Xaver
Kraus ihm galt, das mögen jene wissen, die die Bemühungen des Fürsten
kannten, um diesem hochverdienten katholischen Gelehrten die Wege zum
Episkopate zu ebnen und dann seine Hülfe in Anspruch zu nehmen bei der
Ausarbeitung eines Planes zur Errichtung einer katholisch -theologischen
Fakultät in Straßburg. Weder der eine noch der andere von diesen beiden
Lieblingsgedanken des Fürsten sollte verwirklicht werden. Wie sehr er die
Vertreter einer intellektuellen, den geistigen Bedürfnissen der Gegenwart mehr
Rechnung tragenden Richtung in der katholischen Geistlichkeit überhaupt
und im reichsländischen Klerus insbesondere zu schätzen wußte, das haben
in Straßburg die verdienten Canonici Straub und Dacheux erfahren. Letzterer
namentlich, der nach Straubs Tode beinahe als der einzige wissenschaftlich
tätige Geistliche der älteren Generation gelten konnte, genoß die Gunst des
Fürsten in hohem Grade. Und der mit ihm unterhaltene Briefwechsel beweist,
daß der Fürst, auch als Reichskanzler mit dem um die elsässische Geschichts-
forschung verdienten Manne in regem Verkehr blieb.
Wenn man von Fürst Chlodwig als Statthalter sagen konnte, daß es
kaum einen Augenblick gegeben, wo er nicht die Bewegung in der Hand
gehalten, so darf doch nicht unbeachtet bleiben, daß ihm die gediegene
Mitwirkung von Männern wie die des Staatssekretärs Max von Puttkamer
nicht nur stets willkommen, sondern sogar ein Bedürfnis geworden war. Die
staatsmännische Begabung, die ausgezeichneten Kenntnisse über Land und
Leute dieses um das Reichsland so verdienten Beamten hat der Fürst als
Statthalter und später auch als Reichskanzler allzeit gebührend zu würdigen
gewußt. Erst nach dem Tode des Fürsten mußte der ihm und der Bismarck-
schen Politik treu ergebene Staatsmann den Staatsdienst und das Reichsland
verlassen, dem er beinahe sein ganzes Leben, seine volle Kraft und ein bewährtes
Können unter drei Statthaltern in selbstloser Weise gewidmet hatte. Wer
von den Erfolgen und dem zielbewußten Wirken des Fürsten Chlodwig zu
Hohenlohe im Reichslande einst ausführlich berichten will, der wird stets von
seinem treuen Mitarbeiter und Berater Max von Puttkamer zu sprechen
haben.
Fürst Hohenlohe war 74 Jahre alt, als ihn der deutsche Kaiser auf jenen
verantwortungsvollen Posten erhob, der durch die geniale Größe eines
zu Hohenlohe-Schillingsfürst. A22
Bismarck jene riesenhafte Bedeutung erhalten, die für jeden anderen Staats-
mann erdrückend wirken mußte. Die Nachfolge einer so gewaltigen Indi-
vidualität zu übernehmen erforderte nicht nur eine große Vaterlandsliebe, sie
verlangte auch das schwere persönliche Opfer der Selbstverleugnung. Als der
Fürst sein neues hohes Amt antrat, erachtete er es als eine seiner ersten
Pflichten, sich in ein gutes Verhältnis zu demjenigen zu setzen, der, wie er
sich ausdrückte, noch immer »mit sorgendem Blick den Geschicken des
Reiches folgt und manch mahnendes Wort an die Epigonen der großen Zeit
richtet«. (Vgl. S. Münz, Moderne Staatsmänner, 4.)
Der Beziehungen Hohenlohes zu Bismarck, seiner tätigen Mitwirkung an
dem großen Einigungs werke des Reiches ist hier schon mehrfach gedacht
worden Wo Bismarck an erster Stelle glänzte, hat Hohenlohe an zweiter
mitgearbeitet, sagt Sigmund Münz mit Recht von unserem Staatsmann. In
vornehm bescheidener Weise hat der dritte Kanzler seine Teilnahme an der
Neugestaltung des Reiches also charakterisiert: »Ich weiß wohl, daß mein
Anteil an der Reichsarbeit ein bescheidener ist und daß es mir nur vergönnt
war, teilzunehmen an den Vorarbeiten, gewissermaßen an den Erdarbeiten,
auf denen dann 1870 die Festung emporwuchs«.
Unter diesem Gesichtspunkte wollte der dem ersten großen Kanzler auf-
richtig ergebene Fürst nunmehr auch seine Nachfolgerschaft im Reichskanzler-
amt betrachtet wissen. Als alter Freund Bismarcks war Hohenlohe sicherlich
einer der Berufensten im Deutschen Reiche an erster Stelle zu stehen, und
Kaiser Wilhelm IL hatte darum eine richtige Empfindung, als er den Vertreter
einer der Bismarckschen Politik nahestehenden Richtung an seine Seite berief.
Zunächst knüpfte der dritte Kanzler wieder dort an, wo die Bismarckschen
Traditionen unterbrochen worden waren, bei der Kolonial- und Flottenpolitik.
Die Orientierung Deutschlands nach Ostasien, nach Gebieten jenseits der
Meere zur Sicherung des Absatzes für den deutschen Handel ist wohl das
hervortretendste Bestreben gewesen in der politischen Wirksamkeit des Fürsten
Chlodwig als Reichskanzler. Als altbewährter und vornehmer Repräsentant
liberaler Ideen mußte der dritte Kanzler mit jenen Parteien zusammenstoßen,
welche nach links oder nach rechts die Freiheit nur für sich und gegen
andere in Anspruch nehmen wollten. Damit ist gesagt, daß er die Tendenzen
der Sozialdemokraten gerade so bekämpfte wie die reaktionären und ein-
seitigen Bestrebungen der Klerikalen und der Agrarier.
Durch die Durchführung von Reformen in der Militärstrafprozeßordnung
kam Hohenlohe auf ein Gebiet zurück, das er als bayerischer Minister dreißig
Jahre früher in seinem engern Vaterlande Bayern mit Erfolg betreten hatte.
Daß er als Kanzler der Übertragung seines einst für Bayern geschaffenen ver-
dienstvollen Werkes auf das ganze Deutsche Reich das Wort redete und es
auch durchführte, kann als ein dauerndes und rühmenswertes Denkmal
betrachtet werden, das er sich in seiner Kanzlerschaft errichtet hat.
In der auswärtigen Politik hat es Hohenlohe allzeit verstanden, den Ein-
fluß Deutschlands überall zur Geltung zu bringen und ihm die Mission eines
Reiches des Friedens zu vindizieren. In den Reihen der fremden Diplomaten,
und es waren deren viele, die mit dem Fürsten aus seinen früheren Stellungen
her in Beziehungen standen, wußte man, daß der Name Chlodwigs zu Hohen-
lohe niemals eine Politik der Abenteuer decken werde. Dadurch war jenes
Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd. 28
A^A ZU Hohenlohe-SchillingsfUrst. Teuber.
Gefühl friedlicher Zuversicht in die europäischen Beziehungen gekommen,
das sich später zu jener europäischen Koalition von Deutschland, Rußland
und Frankreich verdichtete und die völlige Auflösung Chinas verhinderte.
Unter Hohenlohe fand ebenfalls eine Erneuerung des Dreibundes statt, der
dem Königreich Italien den ,Vollbesitz seines Territoriums mit Rom als
Hauptstadt und die Wiederherstellung des Kirchenstaats nur in der harmlosen
Form einer ultramontanen Utopie und als Lieblingsthese für die Katholiken-
tage weiterbestehen ließ. Der weisen Politik des dritten Kanzlers darf man
es auch zuschreiben, daß Deutschland nicht in die spanisch-amerikanischen
Wirren eingriff. Es darf ebenfalls dem Fürsten als ein hohes Verdienst an-
gerechnet werden, daß er den übereifrigen Verteidigern der Doppelwährung
jedwede Hoffnung auf Realisierung ihrer Pläne raubte und so das deutsche
Gewerbe vor jeder Beunruhigung bewahrte, die eine Verschlechterung der
deutschen Währung unfehlbar nach sich gezogen hätte.
Bei aller Klugheit und Vorsicht allen rein agrarischen und klerikalen
Machenschaften gegenüber ist es dem Fürsten, der in seinen letzten Lebens-
jahren mehr zur versöhnenden Milde als zur energischen Scheidung der
Gegensätze neigte, nicht immer gelungen Verwickelungen, wie sie der über-
mäßige Schutz der Landwirtschaft für die Industrie bei den Einen, die Durch-
führung einer beinahe arithmetischen Parität bei den andern brachten, recht-
zeitig zu vermeiden. Doch diese Schattenseiten lassen die Lichteffekte in
dem aufopferungsvollen Wirken des Reichskanzlers nur noch mehr hervor-
treten.
»Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue« rühmte er, da er noch Statthalter
über die Reichslande war, als die Leitsterne seines Lebens. Gewissenhaft
und pflichttreu waltete er seines hohen Amtes, bis er im Herbste 1900 auf-
hörte Kanzler zu sein und in den Ruhestand trat.
Als der dritte Kanzler des Reiches in der stillen Abgeschiedenheit der
Alpenwelt, fem von dem Geräusche des großstädtischen Lebens und dem
Pompe des Hofes entrückt, für immer die Augen schloß, wurde wohl nicht
die große Masse des Volkes, aber dessen geistige Elite gewahr, daß ein
langes, arbeitsreiches und ruhmvolles Leben nunmehr abschloß, das in treuer
Fürsorge allzeit über Deutschlands Wohl gewacht hat. Dieses vornehmen Zeugen
aus einer für Deutschland ruhmreichen Entwicklungszeit, wie des edlen und
verdienten Mitstreiters um die Größe und Einheit der Nation, um den un-
angetasteten Vollbesitz ihrer hohen geistigen Güter, wird die Geschichte des
deutschen Volkes immerdar in dankbarer Verehrung gedenken.
Ernst Hauviller.
Teuber, Oskar,') Regierungsrat, Chefredakteur der Kaiserlichen Wiener
Zeitung, ♦11. Dezember r852 zu Weckersdorf in Böhmen, f 16. Juni 1901 zu
Dornbach. — T. studierte zuerst in der Benediktiner- Abtei Braunau, gedachte
Priester zu werden, kam jedoch bald von diesem Vorhaben ab; bildete sich
in Eisenstadt, St. Polten und in der Militärakademie zu Wiener Neustadt
zum Soldaten heran, mußte jedoch auch diese Absicht aus Gesundheitsrück-
») Totenliste 1901 Band VI 106*.
Teubcr. Demuth. Reeß.
435
sichten aufgeben. T. wendete sich nun gänzlich der Schriftstellerei zu.
Journalistisch war er anfangs bei Grazer Tagesblättern tätig; 1875 ^^^ er an
die Prager »Bohemia«, bei der er bis zum Jahre 1883 blieb. Nach Wien in
die Redaktion des »Fremdenblatt« berufen, späterhin beim »Neuen Wiener
Tagblatt« tätig, wurde er schließlich mit der Leitung der »Wiener Zeitung«
betraut. Als Publizist ungemein vielseitig, versuchte sich T. überdies als
Dramatiker und Erzähler. Er schrieb Militärhumoresken, Klostergeschichten,
insbesondere aber theatergeschichtliche Monographien, die »Geschichte des
Prager Theaters« und die Anfänge einer »Geschichte des Burgtheaters«.
Vgl. die Nachrufe in den Wiener Tagesblättem vom Juni 1901. — Jakob Zeidler
Deutsche Thalia I. 1902, 509 — 514. — Schriftenverzeichnis Kürschner 1902.
Demuth, Theodor, Buchhändler, ♦ 5. Juli 1821 zu Leipzig, f 6. Dezember
1901 in Wien. — Sohn des aus Bautzen stammenden Stadtrates und groß-
herzoglich-oldenburgischen Regierungsrates Dr. Wilhelm Heinrich D. und der
Tochter eines französischen Seidenhändlers. D. besuchte die Bürgerschule,
das Gymnasium und die Handelsschule seiner Vaterstadt. Als leidenschaft-
licher Leser entschied er sich in vielfachem Verkehr mit Buchhändlerkindem
Wiegand, Engelmann, Hermann und Gustav Henschel selbst Buchhändler zu
werden. 1838 trat er als Lehrling bei Gebhardt in Grimma ein, kehrte 1841
nach Leipzig zurück, wo er eine Gehilfenstelle bei Bernh. Hermann fand.
1843 folgte er einem Rufe von Ferd. Hirt nach Breslau, 1846 stellte ihn
Moritz Gerold in seinem Wiener Geschäft an. 51 Jahre stand er hier am
Pult, vom Jahr 1867 ab als Miteigentümer des Geroldschen Sortimentsgeschäftes,
das er unter der Firma Gerold & Cie. mit seinem Freunde Pauli leitete. Die
beiden Gesellschafter waren hochangesehen nicht nur unter ihren Berufsgenossen ;
Demuth, der als großer Kunstfreund und Kenner mit den namhaftesten Ge-
lehrten, Schriftstellern, Hof schauspielern der Kaiserstadt vielfache persönliche
Beziehungen unterhielt und 1875 die Witwe von Georg Koberwein, die Tochter
von Heinrich Anschütz, heiratete, sah in seinem Wiener Heim im Geroldschen
Haus in der Postgasse und in seiner Berchtesgadener Sommerfrische einen
auserlesenen Kreis von Freunden und Künstlern um sich. 1896 verkaufte
er seinen Geschäftsanteil an den Sohn Paulis. Noch fünf Jahre waren ihm
beschieden, die er behaglich verbrachte in angenehmer Geselligkeit und auf
gelegentlichen Reisen. Über D.s Wesen und Kreis gibt ein gehaltvoller Privat-
druck »Theodor Demuth. Sein Leben und Wirken. Nach seinen eigenen
Aufzeichnungen mit einem Anhang von seiner [Stief-jTochter [Emilie Kober-
wein]. Weihnachten 1902. Druck von Carl Marquart in Leipzig« guten
Aufschluß.
Reeß, Max,^ • 10. Juni 1845 zu Wiesloch bei Heidelberg, f ^S« September
1901 zu Klingenmünster in der Pfalz, Professor der Botanik in Erlangen. —
R., Sohn des badischen Bezirksarztes Dr. Ferdinand Reeß in Wiesloch bei
Heidelberg, verbrachte seine Gynanasialzeit in Freiburg im Breisgau. Nach
») Totenliste 190 1 Band VI 84*.
28'
436 Reeß.
bestandenem Abiturientenexamen studierte er zunächst Medizin, wandte sich
dann aber nach einigen Semestern ausschließlich dem Studium der Naturwissen-
schaften zu. In seinem Vater fand der junge R. für manche Wissensgebiete
einen berufenen Berater, um so mehr zu bedauern war, daß bereits während
der Studienzeit religiöse und politische Differenzen Vater und Sohn einander
immer mehr entfremdeten. R. war eine Kampfesnatur, seine freien Anschau-
ungen standen im strengsten Gegensatz zu der orthodox-katholischen Richtung
seiner Familie. So gingen die Lebensanschauungen von Vater und Sohn,
beides hervorragend begabte und belesene Menschen, bald völlig auseinander,
bis schließlich R. Protestant wurde. Der junge R. war als Botaniker Schüler
von De Bary, von Hofmeister und C. v. Nägeli und besuchte die Hochschulen
von Heidelberg, Freiburg i. Br. und München. Nach der Berufung von De Bar^»^
nach Halle habilitierte er sich daselbst als Privatdozent für allgemeine Botanik.
Mit hervorragendem Erfolge zeichnete er sich auf dem Gebiete der Hefe-
forschung aus. Seine erste größere Arbeit erschien 1870 im Verlag von
Arthur Felix unter dem Titel »Botanische Untersuchungen über die
Alkoholgährungspilze«, so wurde R., wie die Chemiker-Zeitung von 1901
hervorhebt, der erste Erforscher der Hefearten moderner Richtung. Erst
27 Jahre alt, wurde R. von Halle als ordentlicher Professor nach Erlangen
berufen. Diesem Wirkungsfeld hieb er bis kurz vor seinem Ableben treu und
entfaltete eine mannigfaltige, reiche Tätigkeit. Unter seiner Leitung ging
aus seinem Institut manche schöne Arbeit hervor, alle älteren Schüler erinnern
sich mit großer Anhänglichkeit und Hochachtung der anregenden Wirksamkeit
ihres Lehrers, den sie als Gelehrten wie auch als Menschen gleich hoch schätzten.
R. war längere Zeit Mitherausgeber des »Biologischen Zentralblattes«, viele
seiner Arbeiten finden sich in dieser Zeitschrift. Beim Antritt des Prorektorates
der Universität Erlangen sprach er (1884) »Über die Pflege der Botanik in
Franken von der Mitte des XVI. bis Mitte des XIX. Jahrhunderts«. Seinem
verehrten Lehrer De Bary widmete er in den Berichten der deutschen botani-
schen Gesellschaft Bd. VI (1888) einen warmen Nachruf. 1896 erschien bei
Ferd, Enke in Stuttgart sein »Lehrbuch der Botanik«. Aber auch auf dem
Verwaltungsgebiet war R. wiederholt tätig. Jahrzehntelang führte er den
Vorsitz der pharmazeutischen Prüfungskommission, nicht weniger als 25 Jahre
war er Direktor des königlichen Schloßgartens in Erlangen. Das jetzige neue
botanische Institut in Erlangen entstand 1892 unter seiner Leitung. Schwere
Familienverhältnisse, wie besonders die schwere Erkrankung und der Tod
seiner Gattin führten zu einer zunehmenden Nervosität. Trotz eines längeren
Urlaubes verschlimmerte sich das Leiden, wenige Monate nach dem Rücktritt
von seiner Professur erlöste ihn der Tod aus der geistigen Umnachtung. Am
4. November 1901 sagte Prof. W. Geiger in Erlangen in seiner Rede bei der
Übernahme des Prorektorates der Universität: »M. R. hat seine erfolgreiche
wissenschaftliche und Lehrtätigkeit der Erlanger Hochschule gewidmet. Schon
in seinen jungen Jahren hat er sich durch seine Arbeiten, besonders auf dem
Gebiet der niederen pflanzlichen Organismen, in seinem Fach einen her\'or-
ragenden Namen gemacht. Er war ein pflichttreuer Lehrer, ein anregender
Kollege, ein eifriger Mitarbeiter an den Verwaltungsgeschäften. Sein leb-
hafter Geist, sein scharfer Verstand, sein offener Charakter sind allen, welche
ihn in früheren Jahren gekannt haben, in guter Erinnerung geblieben. In
Reeß. von Sicherer.
437
den letzten Jahren freilich hatte eine sich langsam entwickelnde tückische
Nervenkrankheit ihm die Ausübung seines Berufes schwerer und schwerer
gemacht. Auch ihm gewährleisten seine wissenschaftlichen Verdienste, seine
Lehrtätigkeit und seine persönlichen Eigenschaften ein bleibendes ehrenvolles
Gedächtnis an unserer Hochschule.« M. Rikli (Zürich).
Sicherer, Hermann von,^) ♦ am 14. September 1839 ^" Eichstätt, f ^^
21. September 1901 in Schönau bei Berchtesgaden, Dr. iur., kgl. Geheimer Rat,
ord. öff. Professor des deutschen Rechts, insbesondere des deutschen Privat-
rechts, des deutschen bürgerlichen Rechts, des Handels- und Wechsel-
rechts und der deutschen Rechtsgeschichte, ord. Mitglied der kgl. bayer.
Akademie der Wissenschaften, Inhaber des kgl. bayer. Verdienstordens vom
hl. Michael II. KL, Ritter des Verdienstordens der bayer. Krone, Ritter des
kgl. preuß. Roten Adlerordens II. KL, Kommandeur II. KL des großherzogl.
badischen Ordens Berthold des Ersten, Kommandeur des kgl. griechischen
Erlöserordens und des großherzogl. luxemburgischen Ordens der Eichenkrone,
stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der Bluntschli-Stiftung, aus-
wärtiges Mitglied der Gesellschaft für Kirchenrechtswissenschaft in Göttingen,
korrespondierendes Mitglied der Societe (T Histoire diplomatique zu Paris, Mit-
glied des Zentralkomitees des internationalen Geschichtskongresses. — S. war
der Sohn des kgl. bayer. Gymnasialprofessors Anton von Sicherer und dessen
Ehefrau Antoinette geb. Wildt. Die Vorfahren seines Vaters waren öster-
reichische Statthalter zu Burgau in Schwaben und erlangten als solche den
erblichen Adel. Die Mutter stammte aus Konstanz.
S.s Vater starb in Eichstätt im ersten Jahre nach der Geburt des Sohnes.
Die Witwe siedelte alsbald nach dem Tode ihres Mannes nach München
über und widmete sich der sorgfältigen Erziehung ihres Sohnes.
S. besuchte das Ludwigs-Gymnasium zu München und zeichnete sich in
allen Klassen durch hohe Begabung und gewissenhaften Fleiß aus. Am
Ende des Sommersemesters 1857 bestand S. die Reifeprüfung mit so glänzen-
dem Erfolge, daß ihm die vom Könige Maximilian für ganz hervorragende
Leistungen gestiftete goldene Medaille verliehen wurde.
Im Herbste des Jahres 1857 bezog S. die Universität München. Wälirend
der zwei ersten Semester war S. bei der philosophischen Fakultät inskribiert;
er besuchte insbesondere mit großem Eifer historische Vorlesungen. Er soll
nach Berichten seiner Freunde eine Zeitlang geschwankt haben, ob er sich
der Geschichtswissenschaft oder der Jurisprudenz widmen solle, entschied
sich aber von seinem dritten Semester an für die Jurisprudenz und lag deren
Studium noch sechs Semester lang an der Universität München ob. Daß er
in dieser Zeit aber auch der Geschichte nicht untreu wurde, beweist die
Bearbeitung der von der philosophischen Fakultät gestellten Preisfrage:
»Geschichte des Kurfürsten Friedrich des Siegreichen von der Pfalz«, für die
er im Jahre 1860 mit dem Preise gekrönt worden ist.
Sowohl während seiner Gymnasial- als während seiner Universitätszeit
>) Totenliste 1901 Band VI 99*.
438 ^^^ Sicherer.
verbrachte S. häufig seine Ferien im Hause seines Grofioheims von mütter-
licher Seite, des Erzbischofs von Vicari zu Freiburg im Breisgau.
Nach glänzend bestandenem Schlußexamen trat S. im Herbste 1861 in
die Vorbereitungspraxis. Im Jahre 1862 erwarb er bei der Universität
München den Doktorgrad auf Grund einer wechselrechtlichen Abhandlung:
»Legitimation des Wechselinhabers durch ein dem Protest vorausgegangenes
Blankogiro«.
In diesen Jahren setzte König Maximilian IL, dessen Augenmerk auf den
vielversprechenden jungen Mann gelenkt worden war, diesem ein Reise-
stipendium zum Besuche der Universitäten Berlin und Göttingen aus. Das
Wintersemester 1862/63 und das Sommersemester 1863 brachte S. in Berlin
zu, wo er Jaffas und Rankes Seminar sowie Mommsens Vorlesungen besuchte.
Das nächste Semester verbrachte er in Göttingen, wo damals Waitz die
Historiker von ganz Deutschland anzog.
Nachdem S. auch die zweite juristische Staatsprüfung mit bestem Erfolge
bestanden hatte, habilitierte er sich im Jahre 1865 als Privatdozent in der
juristischen Fakultät der Universität München. Seine Habilitationsschrift be-
handelte eine Frage, die damals wegen des Streites um die Thronfolge in
Schleswig und Holstein auf der Tagesordnung stand, nämlich die Bedeutung
der Gesamtbelehnung in deutschen Fürstentümern. Das Ergebnis dieser auf
dem sorgfältig zusammengesuchten Quellenmaterial aufgebauten Untersuchung
läßt sich in folgende Sätze zusammenfassen: Nur für eine beschränkte Anzahl
von Fürstentümern, nämlich für die alten Fahnenlehen im Sachsenlande,
kann die fortdauernde Gültigkeit der strengen Grundsätze des deutschen
Lehenrechts und die Notwendigkeit der Gesamtbelehnung zur Unschädlich-
machung jener Grundsätze dargetan werden. Bei allen anderen deutschen
Fürstentümern hat das Erbrecht der Agnaten ein von der Gesamtbelehnung
unabhängiges Dasein. Dies gilt sowohl für die übrigen Fürstentümer des
sächsischen Rechtsgebiets, welche entweder slavischen Ursprungs oder aus
aufgetragenen Allodien oder in einer Zeit entstanden sind, in der bereits
das longobardische Lehenrecht als gemeines Recht anerkannt war, wie auch
für die sämtlichen Fürstentümer des fränkischen Rechtsgebiets. Wenn sich
dennoch in diesen Fürstentümern die Gesamtbelehnung findet, so bildet sie
doch nicht den einzigen und nicht den unerläßlichen Rechtsgrund für die
Erbfolge der Agnaten; sie hat lediglich zur Sicherung bestehender Erbrechte,
zur Erhaltung der bereits geltenden Erbfolgeordnung oder zur Begründung '
des Anspruchs auf Mitregierung gedient. Ihre Unterlassung hat das Erbrecht
der Agnaten in keiner Weise in Frage gestellt.
Am 10. Juni 1868 wurde S. zum außerordentlichen Professor und am
28. Juli 187 1, nachdem er einen Ruf an die eidgenössische Universität in
Zürich erhalten hatte, zum ordentlichen Professor des deutschen Rechts und
der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte in der juristischen Fakultät in
München ernannt. So hatte er als Zweiunddreißigjähriger das Ziel der
akademischen Laufbahn, das Ordinariat, und noch dazu an einer der größten
deutschen Hochschulen erreicht. Der frühe Erfolg stieg ihm nicht zu Kopf,
sondern spornte ihn an, seine ganze Kraft der wissenschaftlichen Arbeit und
seiner Lehrtätigkeit zu widmen. Abhold den Zerstreuungen seiner Alters-
genossen, führte er ein zurückgezogenes Leben. Soweit er die Ferienzeit
von Sicherer.
439
nicht zur Arbeit benutzte, durchstreifte er als rüstiger Bergsteiger die bayerische
und österreichische Alpenwelt, für die er bis zum Ende seines Lebens die
größte Vorliebe hatte.
Für Fr. v. Holtzendorffs Enzyklopädie der Rechtswissenschaft schrieb S.
eine knappe, aber nach Form und Inhalt vorzügliche, systematische Be-
arbeitung des Wechsel rechts, die mit der Enzyklopädie fünf Auflagen erlebte.
(1869 bis 1890).
In den Jahren 1869 bis 1872 bearbeitete S. einen ausführlichen Kommentar
zu dem Reichsgesetz über die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und
Wirtschaftsgenossenschaften. Der Kommentar zeichnet sich durch Selbständig-
keit der darin vertretenen wissenschaftlichen Konstruktionen und durch gründ-
liche Verarbeitung des Gesetzesmaterials aus. Auch das bayerische Genossen-
schaftsgesetz von 1869 ist in dem Kommentare berücksichtigt.
Schon vor Vollendung dieses Buches begann S. mit den Vorarbeiten zu
einem neuen Werke, das wohl als das Hauptwerk seines wissenschaftlichen
Schaffens bezeichnet werden darf. Wahrscheinlich gaben ihm die Beschlüsse
des vatikanischen Konzils den äußeren Anlaß, das Verhältnis von Staat und
Kirche in seinem engeren Heimatlande zum Gegenstande seiner Forschung
zu machen. Mit der größten Sorgfalt hat S. das außerordentlich umfangreiche
Material durchforscht, welches in den ihm zur Verfügung gestellten Akten der
königlichen Ministerien enthalten war, und eine Menge von Schriftstücken zu
Tage gefördert, die bis dahin in den Akten vergraben waren. So entstand
sein berühmtes Buch »Staat und Kirche in Bayern vom Regierungsantritt des
Kurfürsten Maximilian Joseph IV. bis zur Erklärung von Tegernsee 1799 ^^^
182 1«. Insbesondere über die Geschichte des bayerischen Konkordats und
und über dessen Verhältnis zur IX. Beilage der bayerischen Verfassungs-
urkunde hat S. helles Licht verbreitet. Ein umfangreicher Anhang von
Urkunden ermöglicht es jedem, die Darstellung selbst zu kontrollieren. An-
griffe von ultramontaner Seite blieben nicht aus; das Buch spielte in den
kirchenpolitischen Kämpfen der siebziger Jahre eine große Rolle. Aber für
jeden unparteiisch Urteilenden ist durch S.s geschichtliche Untersuchungen
und wissenschaftliche Argumente die alte Kontroverse über das rechtliche
Verhältnis der bayerischen Verfassung zum Konkordat und über die staats-
rechtliche Bedeutung der Tegernseer Erklärung endgültig erledigt.
Eine Art von Ergänzung zu dem besprochenen großen Werke bildet die
ein Jahr später erschienene Abhandlung »Über Ehe und Ehegerichtsbarkeit
in Bayern«, in der wiederum zahlreiche amtliche Aktenstücke verwertet
wurden.
Von den größeren Arbeiten S.s ist sodann der umfangreiche Kommentar
zu dem Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Ehe-
schließung zu nennen. Die Materie lag dem auf dem Gebiete des Ehe-
rechts erfahrenen Gelehrten ganz besonders gut. Der Kommentar nimmt
heute noch unter den Erläuterungen zu dem genannten Gesetz die erste
Stelle ein.
Im Herbste des Jahres 1879 erhielt S. das ehrenvolle Angebot, als Ge-
heimer Regierungsrat in das Reichsjustizamt einzutreten. Er lehnte die Stelle
ab, da er sich nicht entschließen konnte, der geliebten akademischen Tätigkeit
zu entsagen.
/|.^0 ^'on Sicherer.
Mit seiner Mutter lebte S. bis zu deren Tode in häuslicher Gemeinschaft.
Wie sehr er an seiner Mutter hing, geht aus der wohlverbürgten Tatsache
hervor, daß er, wenn er ohne die Mutter auf Reisen war, keinen Tag vergehen
ließ, ohne ihr einen Gruß zu senden. Als die treue Mutter im Jahre 1883
starb, war er tief erschüttert.
Im Jahre 1884 schloß S. den Ehebund mit Hermine Freiin v. Erskine.
Deren Vater James Stuart v. Erskine entstammte dem bekannten schottischen
Adelsgeschlechte, ihre Mutter, Wilhelmine v.Törring-Minucci, einem der ältesten
bayerischen Grafengeschlechter. Er umwob die geistvolle Frau mit treuer
Liebe und schuf ihr und sich ein schönes, behagliches Heim in seinem neu
erworbenen Hause in der Königinstraße, dem Englischen Garten gegenüber.
Seit dieser Zeit pflegte S. auch regeren geselligen Verkehr; er trat nicht nur
mit Gelehrten, sondern auch mit den Kreisen des bayerischen Hochadels in
gesellschaftliche Verbindung.
Die Verwandtschaft seiner Gattin mit den Grafen v. Törring gab den
Anlaß zur Ausarbeitung eines größeren, in rechtsgeschichtlicher Beziehung
interessanten Gutachtens über das Haus der Grafen v. Törring und die
Standesherrschaft Guttenzell.
Dem Gutachten folgten verschiedene kleinere Aufsätze und Abhandlungen
sowie einige weitere Gutachten aus dem Gebiete des deutschen Adels- und
Privatfürstenrechts.
Im Jahre 1888/89 bekleidete S. das Amt des Rektor magnificus der Uni-
versität. In seiner Rektoratsrede sprach er »Über das Rechtsstudium in
Deutschland sonst und jetzt«.
Im Jahre 1896 wurde S. mit dem Titel und Range eines kgl. Geheimen
Rats ausgezeichnet.
Seit 1898 gehörte er der historischen Klasse der kgl. bayer. Akademie
der Wissenschaften an. In der Akademie hat er noch im Dezember 1899
einen Vortrag über Consalvi und den Abschluß des französischen Konkordats
von 1801 gehalten, ein Stück aus seinen Studien über französisches Staats-
kirchenrecht, mit dem er sich in den letzten Jahren seines Lebens vorzugs-
weise beschäftigte.
Vom Jahre 1881 an bis zu seinem Tode war S. Mitglied des Verwaltungs-
ausschusses der Universität. Er besorgte das schwierige Referat über die
V^erwaltung des Universitätsvermögens und über das Rechnungswesen. Mit
der ihm eigenen Pflichttreue opferte er diesem Nebenamt außerordentlich
viel Zeit und Mühe. Mancher seiner Freunde mochte bedauern, daß die
kostbare Zeit des Gelehrten in diesen Geschäften daraufging. Aber S. fand
eine gewisse Befriedigung des ihm innewohnenden Herrschaftsbedürfnisses in
dem großen Einfluß auf die Universitätsangelegenheiten, den er als der
Finanzminister der Hochschule ausübte.
Auf seine Vorlesungen verwandte S. auch in den reiferen Jahren große
Sorgfalt. Er trug deutsche Rechtsgeschichte, deutsches Privatrecht, Handels-
und Wechselrecht, Kirchenrecht, seit der Veröffentlichung des neuen Bürger-
lichen Gesetzbuchs auch bürgerliches Recht (Familien- und Erbrecht) vor.
Seine Vorlesungen waren nach Inhalt und Form vortrefflich. S. hatte eine
erstaunliche Gedächtniskraft, die ihn in den Stand setzte, lange Reihen von
von Sicherer.
441
Zahlen, Namen und Zitaten aus dem Kopfe vorzutragen. Er besaß große
Redegewandtheit, ohne in den Fehler der Phrasierung zu verfallen.
Das Lebensbild S.s wäre unvollständig, wenn ich nicht zweier langjähriger
Freundschaften gedächte, die in seinem Leben eine Rolle spielten.
Schon als junger Mann lernte S. in dem Hause des Grafen v. Arco-
Zinneberg die Gräfin Charlotte v. Leyden kennen, die später als Lady
Blennerhassett einen ehrenvollen Platz in unserer Literatur errungen hat.
Die geistreiche Dame und der junge, mit reichem Wissen ausgestattete Ge-
lehrte hatten viele gemeinsame Interessen auf den Gebieten der Geschichte
und der Literatur. In beiden lebte warme Liebe für die Schönheiten der
Alpenwelt. In jedem Sommer und Herbst, den die Gräfin nach ihrer Ver-
heiratung mit Sir Roland Blennerhassett in ihrer bayerischen Heimat verlebte,
unternahm das Ehepaar gemeinsam mit S. kleinere oder größere Touren in
Bayern und Tirol. Auf diesen gemeinschaftlichen Reisen boten sich beide
Teile viel geistige Anregung.
Intime Freundschaft unterhielt S. mit dem Freiburger Kirchenhistoriker
Franz Xaver Kraus. Die beiden Männer trafen in ihren kirchenpolitischen
Anschauungen zusammen, tauschten häufige Besuche und pflegten einen regen
Briefwechsel. Zu den Spektatorbriefen, die Kraus jahrelang in der Allgemeinen
Zeitung erscheinen ließ, lieferte S. aus dem Schatze seines geschichtlichen
Wissens reiches Material.
Im Frühjahr 1901 erkrankte S. an einem schweren Herzleiden. Er sah
sich genötigt, seine Vorlesungen auszusetzen, besorgte aber während des
Sommers noch von seinem Krankenzimmer aus die Geschäfte der Finanz-
verwaltung der Universität. Im Juli 1901 besserte sich sein Zustand soweit,
daß er in seine Villa Rosenleiten in Schönau bei Berchtesgaden übersiedeln
konnte. Dort setzte ein zu früher Tod seinem arbeitsvollen und mit Erfolgen
gesegneten Leben ein Ende. Mit christlicher Ergebung hat er sein schweres
Leiden getragen und ist in Frieden gestorben. Seine Leiche wurde nach
München übergeführt und in- der Familiengruft unter den Arkaden des süd-
lichen Friedhofs bestattet. Nachkommenschaft hat er nicht hinterlassen.
S. war nicht bloß ein tüchtiger Gelehrter, sondern auch ein Mann von
absoluter Charakterfestigkeit. Er stand auf dem festen Boden althergebrachter
Sitte und unbeugsamer Moralität. Seinen Freunden war er ein stets hilfs-
bereiter Freund und Berater. Ein Zug des Frohsinns und der Reinheit seines
Charakters wirkten wohltätig auf alle, die mit ihm in nähere Berührung
I kamen. Wer ihn gekannt hat, wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
! Verzeichnis der literarischen Arbeiten H. v. Sicherers: Legitimation des
Wechselinhabers durch ein dem Protest vorausgegangenes Blankogiro. Ein wechselrecht-
licher Versuch. Inauguralabhandlung. München 1862. — Über die Gesamtbelehnung in
deutschen Fürstentümern. Habilitationsschrift. München 1865. — Die Genossenschaftsgesetz-
gebung in Deutschland. Kommentar zu dem Reichsgesetze über die privatrechtliche Stellung
der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften unter Berücksichtigung des bayerischen
Genossenschaftsgesetzes. 1872. — Staat und Kirche in Bayern vom Regierungsantritt des
Kurfürsten Maximilian Joseph IV. bis zur Erklärung von Tegernsee 1799 — 1821. Nach
amtlichen Aktenstücken. München 1874. — Über Ehe und Ehegerichtsbarkeit in Bayern.
Unter Benutzung amtlicher Aktenstücke. München 1875. — ^^^ Gültigkeit der gemischten
Ehen nach kanonischem Recht. In: Außerordentliche Beilage z. AUg. Zeit. 1875, Nr. 71. —
Ein Beitrag zu dtn Acta sanciae sedis. In: Allg. Zeit. 1875, Nr. 154. — Personenstand und
442
von Sicherer. Kaibel.
Eheschließung in Deutschland. Erläuterung des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875 Über
die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung. 1879. — Das bayerisch-
griechische Anlehen aus den Jahren 1835, 1836, 1837. Ein Rechtsgutachten. München 1880.
— Zur Geschichte des bayerischen Konkordats. In: Beilage z. Allg. Zeit. 1883, Nr. 95. —
Das Haus der Grafen von Törring und die Standesherrschaft Gutenzell. Ein Rechtsgutachten.
München 1886. — Secundogenitur und Primogenitur. In: Festgabe zum Doktorjubiläum des
Herrn Geheimen Rats und Professors Dr. Joh. Jul. Wilh. v. Planck, von der Juristenfakultät
von München überreicht. München 1887. — Über das Rechtsstudium in Deutschland sonst
und jetzt. Rede beim Antritte des Rektorats der Ludwig-Maximilians-Universität gehalten am
I. Dezember 1888. — Aus den Papieren des bayer. Staatsministers Maximilian Frhr. v. Lerchen-
feld. In: Beilage z. Allg. Zeit. 1888, Nr. 147. — Zum Recht des hohen Adels. In: Allg.
Zeit. 1889, Nr. 7. — Das VVechselrecht. In: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in
systematischer und alphabetischer Bearbeitung. Herausgegeben von Franz v. Holtzendorff, T. I^
S. 671 ff. 5. Aufl. 1890. — Die reichsständische Eigenschaft des Hauses Fugger. Ein
Rechtsgutachten. München 1896. — Der neutrale Handel und die Flotte. In: Allg. Zeit. 1900,
Nr. 32 Abendblatt; auch in Beiträge zur Beleuchtung der Floltenfrage, 2. Folge, München 1900.
— Verschiedene Rechtsgutachten aus dem Gebiete des deutschen PrivatfUrsten- und Kirchen-
rechts. Handschriftlich vervielfältigt. — Ein in der kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften
am 2. Dezember 1899 gehaltener Vortrag über »Consalvi und der Abschluß des französi-
schen Konkordats von 1801, I.< sollte in den Sitzungsberichten erscheinen, ist aber nicht
mehr druckfertig geworden.
Quellen: Nekrolog von Reichsrat Professor v. Bechmann in der Deutschen Juristen-
zeitung, VI. Jahrg. 1901, S. 451. — Nekrolog von J. Friedrich in den Sitzungsberichten
der philosophisch-philologischen und der historischen Klasse der kgl. bayer. Akademie der
Wissenschaften zu München, Jahrg. 1902 (erschienen 1903) S. 94 ff. — Nekrolog in der
Chronik der Ludwig -Maximilians -Universität München für das Jahr 1901/1902. München
1902. — Benutzt habe ich die Personalakten im Archive der Münchener Universität. Wert-
volle Mitteilungen über den Lebensgang S.s verdanke ich seiner Witwe und der mit S.
seit langen Jahren befreundeten Lady Blennerhasset.
München. Lothar v. Seuffert.
Kaibel, Georg,') Philologe, ♦ 30. Oktober 1849 in Lübeck, f 12. Oktober
190 1 in Göttingen. — K. hat das Gymnasium in Lübeck durchgemacht und
danach seine Vaterstadt verlassen, um sie nur selten und im Fluge wieder-
zusehen. Er studierte von Ostern 1868 an, zuerst ein Jahr lang in Göttingen,
dann dauernd in Bonn. Seine Dissertation (De monumtniorum aliquot grae-
corttm carminibus, 187 1) war der Abfall einer Preisarbeit, aus der die Samm-
lung der griechischen metrischen Inschriften erwachsen ist. Im Herbst 1872
ging er mit dem Stipendium des römischen Instituts nach Rom und blieb
zwei Jahre lang dort und in Griechenland.
In Bonn haben Bücheier und Usener, in Rom v. Wilamowitz und
Mommsen bestimmende Wirkung auf seine Entwicklung geübt; doch ist er,
ohne sich an die Arbeiten eines dieser Männer anzuschließen, seine eigene
Bahn gegangen.
Von Herbst 1874 bis Herbst 1879 war er, zuerst als Probandus in
Elberfeld, dann als angestellter Lehrer am Askanischen Gymnasium in Berlin
im Schuldienst. In diesen Jahren wurden die Epigrammata graeca ex lapidibus
collecta (Berlin 1878) vollendet, ein Werk, das den Verfasser mit einem
«) Totenliste 1901 Band VI 53*.
Kaibel. Karhveis. ^4J
Schlage in die vorderste Reihe der Fachgenossen rückte, das erste Muster
auf einem neuen Gebiet epi graphisch-literarischer Arbeit.
Im Begriffe sich zu habilitieren, erhielt er im Dezember 1878 die Be-
rufung als außerordentlicher Professor nach Breslau; Ostern 1881 ging er als
Ordinarius nach Rostock, Herbst 1883 nach Greif swald. Erst in Straßburg,
wohin er im Frühjahr 1886 berufen wurde, wurzelte er fest. Hier erschien
der nach den Epigrammata in Angriff genommene Athetuuus (Band II 1886,
I 1887, III 1890) und der seit den römischen Tagen beständig geförderte
Band der Inscriptianes graecae Siciliae et Italiae (1890); die mit Wilamowitz
gemeinschaftlich bearbeitete Ausgabe der noXiTe{a 'AÖTjvaftov des Aristoteles (1891,
3. Aufl. 1898), das Buch Stil und Text der IloXiTeta 'Adr^va^wv des Aristoteles
(1893); dann 1894 die kommentierte Ausgabe von Galens Protrepticus \ der
Kommentar zu Sophokles' Elektra (1896), eines der wichtigsten exegetischen
Werke der neueren Zeit.
In den folgenden Jahren, bis an sein Ende, beschäftigte ihn in erster
Linie die Arbeit an den Comicorum graecorum fragmenta^ deren erster Teil,
die sizilisch-italische Komödie, 1899 erschien, als er bereits (Ostern 1897),
nachdem Wilamowitz Göttingen verlassen hatte, der Berufung dorthin gefolgt
war. Über dieser Arbeit ergriff ihn die Krankheit, die nach langem und
traurigem Leiden seinem Leben das Ziel setzte.
Aus der großen Zahl von K.s Abhandlungen, in Universitätsprogrammen,
im Hermes (den er von 1882 an mit C. Robert zusammen redigierte), in den
Nachrichten und Abhandlungen der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften,
soll hier nicht eine Auswahl verzeichnet werden. Sie sind allen Fachgenossen
bekannt, viele von ihnen als wegweisend und grundlegend.
Das Zentrum seines wissenschaftlichen Lebens und Schaffens war die
griechische Sprache; er war ohne Frage und Widerspruch einer der ersten
Gräzisten unserer Zeit. Die Richtung seiner Philologie war literarisch und
ästhetisch, mitbestimmt durch eine starke künstlerische Anlage, dringend auf
die Erforschung der allgemeinen und individuellen Gestaltung von Sprache
und Stil, auf die in ihr beruhende Kritik und Interpretation. Als einer der
gelehrtesten, geistvollsten und wirksamsten Vertreter dieser in der klassischen
Philologie der neuesten Zeit nicht allzu reichlich vertretenen Richtung wird
K. in der Geschichte der Wissenschaft fortleben.
Vgl. F. Leo, Zu Georg Kaibels Gedächtnis (Nachr. der K. G. d. W. zu Göttingen,
Gesch. Mitt. 1902 S. 29 — 39). Derselbe, Chronik der Univ. Göttingen 1902. W. Radtke in
Jahresber. fUr klass. Phil. 1904 (ausführliche Biographie, im Druck).
Friedrich Leo.
Karlweis» C.,') Schriftsteller, ♦ 23. November 1850 zu Wien, f 27. Ok-
tober 1901 ebenda. — Nachdem C. Karl weis, oder wie er mit seinem eigent-
lichen Namen hieß: Karl Weiß, die Volksschule in seiner Vaterstadt besucht
hatte, trat er 1860 in die Oberrealschule »auf der Wieden« ein; die sechs
Klassen dieser Anstalt absolvierte er mit gutem Erfolge. Schon in jener Zeit
entwickelte sich in ihm eine leidenschaftliche Vorliebe für dramatische Kunst;
sie fand besondere Nahrung in dem alten Burgtheater, das sich damals noch
') Totenliste 1901 Band VI ii4*.
444
Karlweis.
auf der Höhe hielt, zu der es Laube emporgehoben hatte. Mit etlichen
gleichgesinnten Schulkameraden zählte K. zu den Stammgästen dieser ehr-
würdigen Bühne; hoch oben auf den billigsten Plätzen schwelgte die junge
Schar in Kunstbegeisterung und folgte mit besonderem Eifer der Darstellung
klassischer Dramen. Die Anregungen, die der Jüngling da empfing, scheinen
schon damals den Wunsch in ihm wachgerufen zu haben, der Bühne nicht
bloß als Genießender gegenüberzustehen ; dieser Wunsch lenkte ihn allerdings
zunächst auf einen Irrweg.
Nach Absolvierung der Realschule sollte er nämlich dem Willen seiner
Eltern gemäß sich den technischen Studien zuwenden; aber in seiner Be-
geisterung für die Kunst wollte er davon nichts wissen, er ging durch und
verschrieb sich einer wandernden "Schauspielertruppe. Über Jahresfrist führte
er das Leben eines Schmierenkomödianten, doch mußte er bald erkennen,
daß seine Begabung höheren Ansprüchen nicht genügen könne. So entschloß
er sich denn, dem Drängen seiner Eltern nachgebend, einen bürgerlichen
Beruf zu wählen.
Noch nicht achtzehnjährig wurde er von der Staatseiseabahngesellschaft
als Beamter angestellt. Seine Tüchtigkeit und sein unermüdlicher Fleiß
ließen ihn rasch vorwärtskommen. Schon 1869 wurde er Ober-Offizial der
Karl-Ludwigsbahn, und 1876 kam er als Sekretär der Graz-Köf lacherbahn
nach Graz. So emsig er seinen Berufsgeschäften oblag, sie füllten ihn dennoch
nicht aus, und er, der der Bühne entsagt hatte, suchte Erquickung und Stär-
kung in schriftstellerischen Versuchen. In der steirischen Hauptstadt fand
er Gelegenheit, mit Werken' seiner Feder in die Öffentlichkeit zu treten; er
debütierte als Kritiker und schrieb Theaterrezensionen, die in Grazer Blättern
erschienen. Auch entstanden damals etliche Lustspiele — »Paul de Kock«,
»Aus dem Französischen« (1876) und »Cousine Melanie« (1879) — die aber
unbeachtet blieben.
1879 wurde K. zum Sekretär im Präsidialbureau der Südbahngesellschaft
ernannt, 1891 erfolgte seine Beförderung zum Oberinspektor der General-
direktion, und diese Stellung bekleidete er bis zu seinem Tode. Seine
schriftstellerische Tätigkeit setzte er mittlerweile trotz seiner anstrengenden
Berufsarbeit eifrig fort. Die Lustspiele »Der Rächer« (1880) und »Andre«
(1885) konnten es zu keinem Erfolge bringen, dagegen fand die einaktige
Komödie »Der Dragoner« (1883) — zumal auf reichsdeutschen Bühnen —
eine verhältnismäßig günstige Aufnahme. Mit seinem Schauspiele »Bruder
Hans« (1886) eroberte sich K. die Bühne des Burgtheaters; das Stück ver-
sagte zwar, allein die Begabung des Autors wurde immerhin anerkannt. Das
Volksstück »Einer vom alten Schlag« (1886 gemeinsam mit Vincenz Chiavacci
verfaßt) brachte einen unzweifelhaften Mißerfolg; nicht besser erging es dem
Schauspiel »Eine Geldheirat« (1891 mit Gustav Schwarzkopf) und dem Volks-
stück »Aus der Vorstadt« (1893 mit Hermann Bahr).
• Während so K. all diese Jahre vergeblich nach den Lorbeeren eines
dramatischen Dichters rang, glückte es ihm weit besser auf dem Gebiete der
Erzählung. Den ersten Erfolg brachte ihm »Die Feuerliesel«, eine Dorf-
geschichte, die in der »Gartenlaube« erschien. 1886 veröffentlichte er den
Roman »Wiener Kinder«. Die Geschichte zweier ungleichen Schwestern wird
darin mit viel Feinheit, scharfer Beobachtung und trefflicher Milieuschilderung
Karlweis.
445
vorgetragen, wenn sich auch die Erfindung weder durch besonderen Reich-
tum noch durch große Kraft hervortut. Dieser Roman, über den sich
Gustav Freytag höchst anerkennend aussprach, war das erste Werk, das K.s
Namen allgemeine Beachtung erwarb. 1889 folgten die »Geschichten aus
Dorf und Stadt«, eine Sammlung von vorwiegend skizzenhaft gehaltenen Er-
zählungen, die manchen hübschen Zug aufweisen und besonders durch ihre
Frische und den leichten Fluß des Vortrags wirken. Der Roman »Ein Sohn
seiner Zeit« (1892) brachte eine wirkungsvolle Schilderung des Strebertums
unserer Tage, und schwere soziale Übelstände und Gebrechen wurden auch
— nur noch schärfer — in dem Romane »Reich werden» (1894) beleuchtet.
Im Jahre 1894 errang K. aftch seinen ersten bedeutenden Bühnenerfolg,
und zwar mit dem Wiener 'Schwank »Der kleine Mann«. Es ist dies ein
geschickt entworfenes Zeitbild, in dem die Schlagworte von der Not des
Kleingewerbes und das Geschwätz der Politiker, die dem kleinen Mann eine
goldene Zukunft verheißen, um sich seiner Stimme zu versichern, in ergötz-
licher Weise verspottet werden. Im Mittelpunkte des Stückes steht — als
Hauptvertreter der kleinen Leute — der Schuhmachermeister Engelbert Stroh-
meyer, eine gelungene Charakterfigur, die entfernt an den alten Schalanter
erinnert. Die Szenenführung folgt freilich der herkömmlichen Possentechnik,
vermeidet aber doch allzugroße Aufdringlichkeit und verrät eine geschickte
Hand. Die Satire ist kräftig genug, um zu belustigen, und doch nicht stark
genug, um Empfindlichkeiten hervorzurufen. Dieser Umstand trug vielleicht
am meisten zu der großen Bühnenwirkung bei. Das Stück wurde zuerst am
15. März 1894 im Raimundtheater aufgeführt, im Jahre 1896 wurde es vom
Deutschen Volkstheater übernommen.
Die nächste Arbeit K.s, das Volksstück »Goldene Herzen« — zuerst am
9. November 1895 im Deutschen Volkstheater aufgeführt — leidet an einem ver-
hängnisvollen Mangel der Komposition. Die satirische Absicht, die sich gegen
das eigensüchtige Treiben gewisser Wohltäter richtet, kann nicht recht zur
Geltung kommen, weil sich das ganze Interesse auf die Person konzentriert,
welcher die Wohltätigkeitsstreberei gilt. Eigentlich Nebenperson, rückt dieser
verbummelte Maler Ballester zur Hauptfigur auf, wodurch die Konzeption
bedenklich verschoben wird. Das Stück vermochte es denn auch zu keiner
rechten Wirkung zu bringen; doch ist gerade dieser Ballester die beste,
lebendigste Gestalt, die K. je gelungen. In dem Volksstücke »Das grobe
Hemd« (erste Aufführung im Deutschen Volkstheater am i. Februar 1897)
versuchte K. die Salonsozialisten an den Pranger zu stellen, aber für die
Behandlung dieses heiklen Themas reichte seine Kraft nicht aus. Anstatt
bloß das Maulheldentum zu treffen, macht das Stück die sozialen Anschauungen
als solche lächerlich und verkündigt — wohl wider den Willen des Verfassers
— eine bedenklich seichte Moral, die darin gipfelt, daß jeder genießen soll,
was ihm das Glück in den Schoß wirft. Immerhin fand die Posse, die mit
grotesk übertreibender Komik arbeitet, viel Beifall.
Bedeutete schon das »Grobe Hemd« ein gewisses Nachlassen, so brachte
das Volksstück »Das liebe Ich« (Deutsches Volkstheater 24. September 1898)
einen weiteren Rückschritt, und noch weniger gelang K. der mit der Komödie
»Onkel Toni« (Deutsches Volkstheater 16. Dezember 1899) unternommene
Versuch, sich dem Gebiete des Charakterlustspiels zu nähern. In seiner
446 Karlweis.
letzten Arbeit, dem Schwanke »Der neue Simson» (Deutsches Volkstheater
19. Oktober 1901) kehrte er wieder zu der ihm geläufigen Form des leicht
skizzierten Zeitbildes zurück. Die Handlung ist geschickt geführt, das Thema
— die Satire gegen die Unehrlichkeit der berufsmäßigen Politik — glücklich
gewählt, aber es mangelt an Ernst und Entschiedenheit und wieder wie im
»Groben Hemd« trifft die Satire bedenklich daneben. Etliche dankbare
Chargenfiguren und eine Menge guter Einfälle im einzelnen verhalfen dem
Stücke zu einem starken Erfolg, doch können sie über die Seichtheit des
Inhalts nicht hinwegtäuschen. Zwischen diesen dramatischen Arbeiten ver-
faßte er eine Reihe von Novelletten, die 1898 unter dem Titel »Adieu Papa
und andere kleine Geschichten« gesammelt erschienen. Im selben Jahre —
am 31. Mai — wurde sein Raimund-Festspiel »In Gutenstein« im Deutschen
Volkstheater aufgeführt. In der Schwarzkopfschen Sammlung »Gegen den
Strom« erschien aus K.s Feder die Broschüre »Das gemütliche Wien«, die
ihn als trefflichen Kenner seiner Vaterstadt und als lustigen, aber nur allzu-
gemütlichen Polemiker zeigte.
K. strebte darnach, die alte Wiener Posse, die arg verfahren war, mit
neuem Inhalte zu füllen. Er ist ein Schüler Anzengrubers, zu dem er freilich
nicht entfernt hinanreichte. Wie diesen Großen lockten auch ihn vorwiegend
soziale Erscheinungen, Zeitkonflikte reizten ihn zur dichterischen Komposition.
Aber es fehlte ihm an dem tiefen Eindringen in Dinge und Menschen, und
seine guten Absichten vermochte er nicht durchzuführen : nur zu oft trat ober-
flächliches Witzeln an die^ Stelle kraftvollen Spottes. Den »Kleinen Mann«
und etwa noch die »Goldenen Herzen« ausgenommen, kranken alle seine
Stücke an schwachmütiger Unentschiedenheit der Auffassung. Die wienerische
Halbheit und Lauheit verdarb ihm das Konzept. Es mangelte ihrn durchaus
nicht an der Gabe der Beobachtung, er sah die lustigen und tragischen Ge-
brechen in dem Leben unserer Zeit, aber er wollte nicht wehe tun und
er scheute sich, ein Thema bis in seine äußersten Konsequenzen durch-
zuführen. Ein paar gutmütig spöttische Andeutungen genügten ihm, in
allem und jedem war er ein Plauderer, der eine Menge hübscher Einfälle
vorzubringen wußte, aber sich ängstlich hütete, der Sache auf den Grund zu
gehen. Er erinnert darin an Bauemfeld, der sein Bestes ja auch nur im
Detail zu geben vermochte. Seinen Schöpfungen ist fast durchwegs eine an-
genehme Natürlichkeit eigen, aber diese Natürlichkeit bringt selten mehr als
die Oberfläche der Dinge; ein Vorzug an sich, ist sie zugleich doch auch
ein Mangel.
K. ist maßloß überschätzt, aber auch eben so ungerecht unterschätzt
worden. Seine Begabung war nicht groß, allein er war redlich bemüht, das
Beste daraus zu machen. Schon daß er aus der Wiener Posse den sentimental
verduselten Lokalpatriotismus ausmerzte, daß er der schablonenhaften Situations-
komik absagte, soziale Erscheinungen zum Gegenstand der Darstellung machte
und Charaktere aus dem Leben zu zeichnen versuchte, ist ein Verdienst.
Wenn ihm auch nicht alles glückte, was er wollte, das, was ihm gelang,
ist nicht verächtlich und, was er anstrebte, ist aller Anerkennung wert.
Das letzte Jahr seines Lebens war ihm durch ein schweres Leiden ver-
gällt, dem er am 27. Oktober 1901 erlag.
Hans Si ttenberger.
Behncke. 447
Behncke, Georg Gustav Helianthus, Dr., * 14. Januar 1838 zu Jarmen
in Pommern, f 10. Dezember 1901 in Berlin, Gymnasialprofessor, Forscher und
Schriftsteller auf dem Gebiete der Beethovenbiographie, ältester Sohn des
Apothekers Adolf Behncke. — Als der Vater im Herbst 1849 nach Verkauf
seiner Apotheke nach Berlin übergesiedelt war, — des Portes creantur fortibus
et bonis halber sei hier eingeschaltet, dafi dieser mit seltener Tatkraft aus-
gerüstete, damals im reifen Lebensalter stehende Mann und Ernährer einer
acht Köpfe zählenden Familie, danach in schneller Aufeinanderfolge als
Extranetis am K. Friedrich -Wilhelms -Gymnasium zu Berlin die Reifeprüfung
ablegte, sich durch naturwissenschaftliche Studien und Arbeiten an der
Berliner Universität den Doktorgrad und später als Begründer und Leiter
eines von Einheimischen und Ausländern viel besuchten pharmazeutischen
Instituts den Professortitel erwarb, f 1863 — fand sein Sohn Gustav Auf-
nahme in der Quinta des ebengenannten Gymnasiums. In dieser Anstalt hat
er fortan den Mittelpunkt seiner wichtigsten Lebenstätigkeit gefunden: von
1849 bis 1857, wo er sie als primus omnium verließ, ihr Schüler, kehrte er
bald nach Beendigung seiner akademischen Studien und nach Erledigung der
vorschriftsmäßigen Staatsprüfung im Jahre 1865 als Lehrer zu dieser auf ein
mehr als hundertundfünfzigjähriges Bestehen zurückblickenden Stätte höherer
Bildung zurück um ihr dann nahezu 37 Jahre, bis zu seinem Lebensende,
als hochgeschätzter Vertreter namentlich des altsprachlichen, aber auch des
deutschen Unterrichts anzugehören.
Hatte B. schon als Schüler das Glück gehabt, zu den Füßen einer Reihe
von bedeutenden Pädagogen und Gelehrten, eines Ferd. Ranke, Yxem, Schell-
bach, Aug. Wilh. Zumpt zu sitzen, so hielt er sich auf den Universitäten Berlin
und Bonn (1857 — 1860) mit sicherem Blick für das, was ihm für das Studium
des klassischen Altertums und zur Vorbereitung auf das höhere Lehrfach am
meisten frommte, an Lehrmeister ersten Ranges wie Böckh, Haupt, Gneist
(Berlin), Otto Jahn, Ritschi, Welcker (Bonn) und auf anderen Gebieten an den
Philosophen Trendelenburg, die Historiker Leopold von Ranke und Hirsch
und den Geographen Ritter. Mit großer Pietät, die überhaupt sein ganzes
Wesen auszeichnete, hat er oft in seinem späteren Leben dieser Männer
gedacht und bei besonderen Gelegenheiten seiner Verehrung namentlich für
seinen Lehrer und nachmals langjährigen Amtsgenossen, den hochverdienten
Mathematiker Heinrich Schellbach, ebenso für Aug. Böckh, seinen Leitstern
auf den vielverschlungenen Wegen der Altertumskunde, in Gedächtnisreden
einen beredten Ausdruck gegeben.
In seiner eigenen produktiven wissenschaftlichen Tätigkeit zeigte er sich
zunächst am meisten beeinflußt durch den Bonner Philologen Otto Jahn.
War doch auch ihm das Leben am Rhein freudig und poesievoll aufgegangen,
und dortigen Anregungen sind zweifellos Arbeiten entsprossen wie seine
Disscrtatio mythologica de heroibus Elcusiniis ac praeciptu de Triptolemo^ Berlin
1863 bei G. Stilke, sowie eine derselben Zeit entstammende geschmackvolle
Übersetzung von Apulejus' »Amor und Psyche« nebst einer gelehrten Ab-
handlung über eben diese vielbewunderte Dichtung des Altertums. Beide
Arbeiten bekunden B.s ausgeprägten Sinn für Poesie und die bildenden Künste.
Nicht minder vertraut erwies er sich mit der Philosophie der Alten,
wofür die Abhandlung im Programm des Berliner Friedrich -Wilhelms-Gym-
448 Behncke.
nasiums für 1873 »Piatos Ideenlehre im Lichte der Aristotelischen Metaphysik^
und eine zweite, ebendaselbst 1879, *^^ Cicerone Epicureortpn philosophiae existi-
matore et iudice<f' Zeugnis ablegen. Auch hat es ihm nicht an der verdienten
Anerkennung gefehlt. Ludwig Wiese, der langjährige oberste Leiter des
höheren Schulwesens in Preußen, schrieb ihm am 15. April 1879: »Mit Ihrer
Programmabhandlung können Sie sich, sowohl was die Sache als was die
Form betrifft, vor Meister und Gesellen sehen lassen! Mir ist sie besonders
willkommen bei der Wiederaufnahme alter Lukrezstudien.«
Eine wissenschaftlich so tüchtige Lehrkraft, dazu ein begeisterter Erzieher
der Jugend, der bei aller Strenge in seinen Ansprüchen inbezug auf Disziplin
und Leistungen seiner Schüler es verstand, mit der Jugend jung zu sein und
dem jugendlichen Frohsinn nicht nur bei Gelegenheit der zahlreichen von ihm
geleiteten Ausflüge, sondern selbst nicht beim Unterrichte seine Rechte ver-
kümmerte, erschien denn auch vor anderen dazu berufen, als Lehrer früh
in die obersten Klassen emporzusteigen. Nichts weniger als ein verknöcherter,
pedantischer Philolog, hielt er dennoch aus innerster Überzeugung die Fahne
des humanistischen Gymnasiums aufrecht. Sich öffentlich darüber auszusprechen
fand er Gelegenheit, als Paul Nerrlich im Jahre 1894 mit seiner gegen Griechen
und Römer polemisierenden Schrift »Das Dogma vom klassischen Altertum in
seiner geschichtlichen Entwicklung«, Leipzig bei C. L. Hirschfeld, hervortrat.
B.s immer noch lesenswerte Rezension dieser Schrift in der Berliner Philo-
logischen Wochenschrift Nr. 9 vom 23. Februar 1895 beleuchtet jene Frage
in geistvoller und vorurteilsfreister Weise. Ein »Dogma« vom klassischen
Altertum, eine Alleinherrschaft der Griechen und Römer in der Schule kennt
B. überhaupt nicht und verteidigt es daher auch nicht, wohl aber das klassische
Altertum und seine beiden Sprachen als das Tor, durch das zu allererst, wo
es sich um den höheren Unterricht handelt, die Jugend in das Allerheiligste
der Wissenschaft einzuführen ist.
Um aber den Jugendbildner B. völlig kennen zu lehren, bedarf es eines
Hinweises auf die erst nach seinem Hinscheiden von der hinterbliebenen
Gattin bei Ernst Siegfried Mittler & Sohn, Berlin 1903, herausgegebenen (27)
Schulandachten und Ansprachen, unter denen sich auch die Gedächtnisreden
auf Schellbach und Böckh finden. Tiefe, warme Empfindung, fester Glaube
an den sittlichen Beruf des Christentums, deutsch-nationales Bewußtsein —
auf diesen Dreiklang ist darin alles gestimmt.
Endlich muß hier noch auf B.s Tätigkeit als Beethovenforscher einge-
gangen werden, die er fast ein Menschenalter hindurch neben seinem Lehramte
mit Hingebung und Treue ausgeübt hat. Es handelt sich dabei um die ge-
wissenhafte Verwaltung eines geistigen Vermächtnisses seines ersten Schwieger-
vaters, um die wissenschaftliche Pflege und Fortpflanzung mehrerer Werke des
im vorigen Jahrhundert hervorragendsten Musiktheoretikers und Beethoven-
Biographen Adolf Bernhard Marx.
Liebe und Befähigung zu den schönen Künsten, vor allem zur Poesie
und Musik begleiteten B. durch sein ganzes Leben, und für letztere fand er
schon früh in Berlin reichliche Nahrung. In Bonn fühlte sich der junge
Philolog innerlich zu Otto Jahn schon deswegen mehr als zu Fr. Ritschi hin-
gezogen, weil jener nicht wie dieser fast ausschließlich der Textkritik huldigte.
Gerade damals, wo B. in Bonn studierte, im Jahre 1858, waren von
Behncke.
449
Jahns Meisterwerke historisch -philologischer Methode, seiner Biographie
Mozarts, die ersten Bände erschienen, die B. begierig verschlang, ohne zu
ahnen, daß es ihm beschieden war, später selbst einmal auf ähnlichen Bahnen
zu wandeln wie damals Jahn. Entscheidend wurden hierfür erst seine per-
sönlichen Beziehungen zu A. B. Marx, mit dessen Tochter Margarete er
sich anfangs der sechziger Jahre verlobte, und so gewaltig es auch den
oft selbst von körperlichen Leiden schwer heimgesuchten Mann erschütterte,
bald nacheinander den trefflichen Schwiegervater (17. Mai 1866) und wenige
Monate später seine eben erst heimgeführte junge Gattin durch den Tod
zu verlieren, unerschüttert blieb dennoch die innere Verbindung, die er mit
dem großen Theoretiker und seinen Geisteswerken eingegangen war, ebenso
wie die mit seiner hinterbliebenen Familie, voran der geistvollen Schwieger-
mutter Therese Marx. Der persönliche Verkehr der beiden Männer war, durch
enge Nachbarschaft begünstigt, ein äußerlich so reger gewesen und hatte sich
innerlich so harmonisch gestaltet, daß die auf nur etwa fünf Jahre sich er-
streckende Bekanntschaft mit dem Meister für den empfänglichen Schüler
völlig ausgereicht hatte, sich in Marx' Gedankenwelt, in Geist und Form des
von ihm bereits geschaffenen wie des erst noch im Werden begriffenen liebe-
und verständnisvoll zu versenken. Von Marx' musikwissenschaftlichen Werken
fand die noch heute unübertroffene vierbändige »Lehre von der musikalischen
Komposition« und ebenso die »Allgemeine Musiklehre« gelegentlich der wieder
und wieder erforderlich werdenden Auflagen an dem außerhalb der Marx-
schen Familie stehenden Heinrich Riemann einen sachkundigen und ge-
diegenen Bearbeiter; dagegen war es B. vorbehalten, Marx' großartig an-
gelegtes biographisches Werk »Ludwig van Beethoven. Leben und Schaffen«,
das bereits bei des Verfassers Lebzeiten in vier Jahren zwei Auflagen
erfahren hatte, zum dritten (1874), vierten (1884) und noch unmittelbar
vor seinem eigenen Hinscheiden zum fünften Male (1901) in stets voll-
endeterer Gestalt, und was die eigentliche Biographie anbetrifft, vielfach
verändert und bedeutend vermehrt der nie aussterbenden großen Gemeinde
der Beethovenverehrer zugänglich zu machen. Mit ungemeiner Sorgfalt und
unter kritischer Benutzung des gesamten Stoffes, der durch die Beethoven-
forschung in den letzten drei Dezennien zutage gefördert ist, hat B. dem
neben dem rein Musikalischen und Ästhetischen von Marx etwas stiefmütter-
lich behandelten historischen Teil zu dem ihm gebührenden Rechte verholfen.
Seiner scharfsinnigen Untersuchung ist es z. B. zu verdanken, daß nunmehr
die Entstehungsgeschichte der ersten Leonoren-Ouvertüre jedem weiteren
Zweifel entrückt ist. Dagegen sind Beethovens persönliche Begegnisse und
Lebensschicksale, soweit sie nur irgend den wirklich gebildeten Leser inter-
essieren können, nicht zu kurz gekommen, wie z. B. das vielbesprochene
Freundschaftsverhältnis Beethovens zu Bettina von Arnim durch den in der
Biographie im Faksimile von B. wiedergegebenen Brief Beethovens völlig
aufgehellt ist.
Mit größerem Recht als jeder andere durfte demnach der Schwieger-
sohn von seiner Tätigkeit auf diesem Gebiete sagen: »Was der verewigte
Verfasser getan haben würde, habe ich statt seiner zu tun unternommen. Ich
habe mich bemüht, aus dem reichen, durch die neuere Forschung aufgehäuften
Material mit Marx' Auge Auswahl zu treffen, alles zu prüfen, das in Marx*
Bio^. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd. 20
450 Behncke. Müller.
Sinne Gute zu behalten und es an passender, den Künstler und Menschen
Beethoven möglichst zugleich beleuchtender Stelle einzuflechten.« Daß dabei
«der gleichsam geheiligte Kern des Buches, die Charakteristik des Künstlers
und seiner Werke«, wie sie Marx' Genius entsprungen war, unverletzt und
unverfälscht in den späteren Auflagen erhalten ist, welcher einsichtige und
selbst von Pietät erfüllte Beurteiler wird deswegen mit B. rechten? Die
Eigenart desjenigen Biographen Beethovens, der als Musikkenner und Schrift-
steller von Beethoven selbst so hoch geschätzt wurde und selbst ein bedeutender
Künstler war, mußte auf alle Fälle gewahrt bleiben.
Zum Schluß sei noch erwähnt, daß auch die von Marx ursprünglich der
Biographie beigefügte »Anleitung zum Vortrage Beethovenscher Klavier-
werke«, die ein Bülow stets so nachdrücklich zu empfehlen pflegte, in dritter
Auflage von B., den Anforderungen der Zeit entsprechend verändert, in dem-
selben Verlage wie die Biographie (O. Janke, Berlin), im Jahre 1898 heraus-
gegeben ist. Prof. Dr. L. Schumacher.
Müller, Adolf, jun.,^) Komponist und Kapellmeister, ♦ 15. Oktober 1839
zu Wien, f i3« Dezember 1901. — Als Sohn des reichbegabten Komponisten
und Kapellmeisters Adolf Müller sen., des Verfassers der Musik zu Nestroys
Stücken sowie zu hunderten von anderen Bühnenwerken, fand Müller jun. den
besten Lehrer in seinem Vater, theoretisch und praktisch. Er lernte
seinen Kontrapunkt, guckte aber übers Buch hinweg ins Theater und sein
Getriebe und übte sich auf verschiedenen Instrumenten. Als etwa Achtzehn-
jähriger saß er im Orchester, komponierte aber nebenher bereits eifrig an
Liedern, Chorsachen usw. Die letzteren brachte er in von ihm geleiteten
Vereinen zur Aufführung. Bald drängte es ihn zum Theater. Posen war
1864 seine erste Station. Von 1865 — 1867 wirkte er als Opemkapellmeister
in Magdeburg, 1867 — 1869 in Düsseldorf, 1869 in Stettin, dann dazwischen —
in Sommer-Engagements — in Frankfurt a. O. und bei Kroll in Berlin. Als
Komponist hatte er sich zuerst bedeutsamer mit einem Lieder-Zyklus aus
Rückerts »Liebesfrühling« betätigt; 1867 folgte (in Magdeburg) seine erste
Oper »Heinrich der Goldschmied« und von da an blieb er sowohl als
produktiver wie als ausübender Künstler der Bühne treu. 1870 übersiedelte
er nach Wien, wo er — neben seinem Vater — als Kapellmeister am Theater
an der Wien tätig war. Für diese Bühne schuf er die Operette: »Das Gespenst
in der Spinnstube«, femer die Musik zu den Stücken »Der deutsche Bruder«
und »Der Glöckelpolster«. 1871 folgte M. einem Rufe nach Hamburg, wo
er durch zwei Jahre als Operndirigent wirkte. Dort schrieb er die Oper
»Waldmeisters Brautfahrt«, die daselbst 1873 das Licht der Lampen erblickte.
Hamburg wurde für M. ganz besonders bedeutungsvoll durch seine, an
diesem Orte mit R. Wagner angeknüpften Beziehungen. (Wagners Briefe an
M. wurden seinerzeit in den »Berliner Signalen« veröffentlicht.) 1874 kehrte
M. wieder in die Heimat zurück — wie er hoffte für längere Zeit. Nach
halbjährigem Bestände stellte die »Komische Oper« Zahlungen und Spiel ein
und M. mußte sich wieder auswärts wenden. Zuerst nach Budapest, dann
1875 nach Rotterdam, wo er bis 1881 die deutsche Oper leitete. Die Oper
>) Totenliste 1901 Band VI 74*.
Muller. Czerny. Viktoria. azi
»Van Dyck« (1877) war die Frucht der daselbst empfangenen Anregungen.
1881 berief ihn Direktor Steiner nach Wien (Theater an der Wien); nach
dem Zusammenbruch der Steinerschen Direktion (1883) wandte er sich
wieder nach Rotterdam, um von 1884 bis kurz vor seinem Tode unter der
Direktion Walzel, v. Schönerer und Langkammer am Theater an der Wien
zu wirken. Für diese Bühne schrieb er die Operetten »Der kleine Prinz«
(1883), »Der Hofnarr« (i886) — M.s größter Theatererfolg — »Der Liebeshof«
(1888), »Des Teufels Weib« (1890), »Der Millionenonkel« (1892), »General
Gaga« (1896), »Blondin von Namur« (1898), dann die Musik zu dem Schau-
spiel »Das Lied im Volke«. Außerdem bearbeitete er sehr geschmackvoll
die Operette »Wiener Blut« nach Joh. Straußschen Motiven. — Die Er-
wartung, wenigstens im vorgerückten Alter an der Stätte so reicher Wirksam-
keit verbleiben zu können, erfüllte sich nicht. 1901 trat eine Krise im
Theater an der Wien ein und M. sah sich bemüßigt, eine andere Stellung
zu suchen. Sie bot sich ihm beim »Wiener Konzertverein«, der nach
Komzäks Abgang einen Leiter für seine populären Konzerte suchte. So
wie überall stellte M. auch bei dieser Gelegenheit seinen Mann. Erst der
nach bloß achttäger Krankheit erfolgte Tod setzte der Lebensarbeit des be-
gabten, kenntnisreichen und gewissenhaften Künstlers ein Ziel. — M. war
nebst seiner ausgebreiteten Tätigkeit als Komponist und Kapellmeister ein
leidenschaftlicher Sammler von Autographen und Kuriosa; sein feines Ver-
ständnis für bildende Kunst ließ ihn manches seltene, bis dahin unbeachtete
Stück entdecken. M.s Sammlung von. Alt-Wiener Stichen, Figurinen u. dgl.
war eine Sehenswürdigkeit. Richard Heuberge r.
Czerny, Albin, (Band V 3 10 ff.), vgl. Dr. Alexander Nicoladoni und
Professor Albin Czerny. Verleger Museum Francisco-Carolinum in Linz
o. J. Biographischer Abriß. Bibliographisches und einige Briefe Czemys
an Dr. Nicoladoni.
Viktoria,^) verwitwete Kaiserin und Königin Friedrich, * 21. November 1840
zu London, f Schloß Friedrichshof bei Kronberg 5. August 1901. — Am
21. November 1840 wurde Viktoria Adelheid Marie Luise als erstes Kind
der Königin Viktoria und des Prinzgemahls Albert von Koburg geboren.
Alle Vorzüge, die einem Kinde zuteil werden können, waren ihr zugefallen:
körperliche Gesundheit, Anmut, hohe Begabung, ausgezeichnete Eltern, die
auf dem Throne das schönste, innigste Familienleben führten und sich mit
allem Ernst und Verständnis der Erziehung ihrer Kinder widmeten. Die
glänzende Lebensstellung fügte alle denkbaren Bildungsmittel hinzu: die
besten Lehrer, den frühen Verkehr mit den ersten Männern und Frauen
Englands. Den einsichtigsten und liebevollsten Erzieher hatte die Prinzessin
an dem Vater, dessen Lieblingskind sie war.
Ihre Erziehung erhielt eine bestimmte Richtung dadurch, daß schon früh
der Prinz von Preußen und seine Gemahlin einerseits und das englische
Königshaus andererseits einig in dem Wunsche einer Verheiratung des Prinzen
Friedrich Wilhelm mit Prinzess Viktoria waren.
«) Totenliste 1901 Band VI 110*.
29*
452
Viktoria.
Politische Gründe waren dabei zunächst auf beiden Seiten bestimmend.
Der Prinz von Preußen war in Opposition gegen die Regierung seines
Bruders, des Königs Friedrich Wilhelm IV. Er billigte weder seine innere,
noch seine äußere Politik. Unter der ersteren hatte er selbst schwer zu
leiden; selbst in seiner Zurückgezogenheit in Koblenz wurde er von der
herrschenden, orthodox-absolutistischen Clique verfolgt. Die traditionelle,
von seinem Bruder aufrecht erhaltene Anlehnung an Rußland hatte er in
ihren bedenklichen Folgen kennen gelernt, er wollte eine nähere Beziehung
zu England.
Prinz Albert wünschte und erwartete die Einigung Deutschlands unter
Preußens Führung; ihm und der Königin lag daran, von vornherein zu dieser
kommenden Macht in freundschaftliche Verhältnisse zu treten. . Zwischen dem
Prinzen von Preußen und Prinz Albert bestanden zudem alte nahe Beziehungen,
die auf Königin Viktoria durch öftere Besuche in England ausgedehnt wurden.
Aber die Politik war schließlich nicht entscheidend für die Heirat, sie
ist eine wirkliche Liebesheirat geworden. Die Politik führte zwei junge
Menschen zusammen, die zueinander gehörten.
Die Erziehung des Prinzen Friedrich Wilhelm war der der Prinzessin
Viktoria nicht unähnlich; die feinsinnige und freidenkende Mutter hatte für
Erzieher gesorgt, die auf der Höhe der Bildung standen; auf der Universität
Bonn kam der Prinz mit Männern wie Dahlmann, Arndt und anderen zu-
sammen, die ihm Begeisterung für Deutschlands Einheit und Größe einflößten;
er lernte sich als den Erben des preußischen Königsthrons, als den Mann
fühlen, der dazu bestimmt sei, diesen großen Gedanken in das Leben zu
führen.
Bei seinem ersten Besuch in England im Jahre 1851 erwarb er sich die
volle Zuneigung der Königin Viktoria und des Prinzen Albert; Prinzessin
Viktoria war erst 11 Jahre alt, aber ihr außergewöhnlich anmutiges, kluges
Wesen machte schon damals tiefen Eindruck auf den jungen Mann, dessen
stattliche Erscheinung und Liebenswürdigkeit gewiß auch dem jungen Mädchen
imponiert haben.
Dieser Besuch führte zu dem Beschluß der Eltern, die Verbindung dem-
nächst herbeizuführen. Prinz Friedrich Wilhelm war damit sehr einverstanden.
Für die beiden jungen Leute fiel die Entscheidung aber erst am 29. September
1855 bei einem Besuch des Prinzen Friedrich Wilhelm in Balmoral. Sie hatten
sich wirklich ineinander verliebt und verlobten sich früher, als die Eltern
der Braut, deren großer Jugend wegen, wünschten. Aber es blieb ihnen nichts
übrig, als ihr Ja zu sagen, nur sollte die Verlobung noch nicht öffentlich
bekannt gemacht und die Verheiratung noch lange, bis nach vollendetem
17. Lebensjahre der Prinzessin hinausgeschoben werden. Und so kam das
zweite bei fürstlichen Heiraten Außerordentliche hinzu . . . eine lange Ver-
lobung, welche von beiden Verlobten durch eifrige Korrespondenz und öfteres
Wiedersehen benutzt wurde, sich ineinander einzuleben.
In diese Zeit fällt die ganz absichtliche Vorbereitung der Prinzessin
für ihren Beruf als Königin von Preußen und dereinstige Herrscherin über
Deutschland, insbesondere durch ihren Vater, der als englischer Prinz-Gemahl
doch ein wahrer deutscher Patriot und begeistert für Deutschlands Einigung
war. Sie erhielt eine wirklich umfassende Bildung in Wissenschaft, Kunst
Viktoria.
453
und Staatsleben. Deutsche Geschichte und Literatur, deutsche Verhältnisse,
deutsche Politik bildeten einen wesentlichen Teil ihrer Bildung, und, was
besonders in das Gewicht fällt, sie lernte ernstlich arbeiten und ihre Zeit ein-
teilen, und bewahrte bei alledem einen einfachen Sinn und Liebe für häus-
liches Leben, wie sie es im eigenen Hause so schön kennen gelernt hatte.
So war die Prinzessin in jeder Beziehung befähigt, ihren Platz als könig-
liche Frau im Hause und in dem öffentlichen Leben Deutschlands auszufüllen;
sie war bereit, der hohen Aufgabe, für die sie bestimmt war, sich ganz zu widmen.
Die englische Regierung und das englische Volk waren mit der Verlobung
einverstanden; Prinz Friedrich Wilhelm hatte sich schnell die Hochachtung
und Zuneigung aller erworben, mit denen er in Berührung gekommen war.
Auf die preußischen Begleiter des Prinzen bei seinen Besuchen in England
hatte die Prinzessin den besten Eindruck gemacht. König Friedrich Wilhelm IV.
war durchaus einverstanden und im deutschen Volke begrüßte man froh die
Verbindung mit der Tochter eines freien Landes und eines wegen seiner
liberalen deutschen Gesinnung hochangesehenen deutschen Fürsten.
Allerdings fehlte in gewissen Kreisen auch nicht eine vorläufig noch
zurückgehaltene, später erst wirksam werdende Abneigung gegen die Prinzessin.
Man fürchtete den englischen politisch freien, antirussischen Einfluß; aber
zunächst war dafür kein Anlaß und die Prinzessin gewann durch ihr ein-
faches, liebenswürdiges Wesen alle, die mit ihr in Berührung kamen.
So war die am 23. Januar 1858 glänzend vollzogene Vermählung ein
wahres Freudenfest; das englische Volk jubelte dem Ehepaar zu und das
deutsche Volk empfing es auf das herzlichste.
Die ersten Jahre des ehelichen Lebens waren Jahre des Glückes. Freilich
vermißte die Prinzessin vieles, was sie in England gehabt hatte. Am preußischen
Hofe waren unerfreuliche Zustände. Der König Friedrich Wilhelm IV. schwer
krank, der Prinz von Preußen als zeitweiser Stellvertreter durch die Rücksicht
auf die Möglichkeit der Wiederherstellung des Königs beschränkt in seinem
Wirken und mit den Ministem und Freunden des Königs durchaus nicht
einverstanden, die ganze Umgebung wesentlich militärisch und in Anschauungen
befangen, welche die Prinzessin nicht teilte. Aber das war von keiner Bedeutung
gegenüber dem Glücke der jungen Ehe.
Am 7. Oktober 1858 machte der Gesundheitszustand des Königs die Über-
tragung der Regentschaft mit vollen königlichen Rechten an den Prinzen
von Preußen nötig, der sogleich unter scharfer Mißbilligung der bisherigen
Politik ein gemäßigt-liberales Ministerium berief.
Eine liberale Aera schien für Preußen anzubrechen, die Zeit moralischer
Eroberungen Preußens in Deutschland zu kommen. Prinz und Prinzessin
begrüßten sie mit großer Freude und der Prinz widmete sich eifrig den
Regierungsgeschäften. Im folgenden Jahre schon brachte der französisch-
italienisch-österreichische Krieg dem Prinzregenten die Gelegenheit einer
veränderten äußeren Politik. Die Unterstützung Österreichs, zu der er bereit
war, sollte nur erfolgen, wenn Preußen, das schon die Kriegsbereitschaft des
Heeres einleitete, die Führung Deutschlands in dem Kriege zugestanden
würde. Diese Bedingung wollte Österreich nicht eingehen und zog vor, mit
Frankreich Frieden zu schließen. Die Gelegenheit, deutsche Politik zu treiben,
war versäumt.
454
Viktoria.
Es blieb also Friede; Prinz Friedrich Wilhelm, der zu einem Kommando
ausersehen war, blieb zu Hause; das häusliche Glück wurde nicht gestört. Am
27. Januar 1859 war der erste Sohn, der jetzige Kaiser, geboren. Besuche der
Eltern in England, Zusammentreffen in Koburg, regelmäßige Korrespondenz
hielten die Verbindung mit der Heimat aufrecht; ihr Vater blieb der beste
Freund der Tochter, ihr Ratgeber, der Leiter ihrer politischen Studien, die sie
mit Eifer und Erfolg fortsetzte, und zugleich der politische Berater des
Prinzregenten.
Aber in der inneren Politik begannen sich Änderungen zu vollziehen,
die einen verhängnisvollen Einfluß auf das ganze Geschick des Prinzen und
der Prinzessin haben sollten.
Veranlaßt durch die bei der Mobilmachung zu Tage getretenen Mängel
der Heereseinrichtungen verlangte der Regent ihre gründliche Reorganisation.
An ihrer Notwendigkeit wurde von keiner Seite gezweifelt, sie wurde pro-
visorisch vom Landtage bewilligt, aber Ungeschick der Regierung und Fehler
der Parteien im Abgeordnetenhause führten zu sich immer verschärfenden
Mißverständnissen, schließlich zu erbittertem Kampf. Der Regent, der während
desselben am 2. Januar 1861 seinem Bruder auf dem Throne gefolgt war,
hielt mit großer Hartnäckigkeit an seiner Forderung fest. Die konser\^ative
Partei suchte die günstige Gelegenheit zu benutzen, durch Verschärfung des
Konflikts den König wieder zu sich herüberzuziehen.
In das Jahr 186 1 fällt das erste traurige Ereignis, welches die Kron-
prinzessin traf. Am 14. Dezember starb ihr Vater. Dieser die Tochter auf das
schmerzlichste treffende Verlust war auch für die Beziehungen des kronprinz-
lichen Paares zu dem König und für die ganze preußische Politik jener Zeit
verhängnisvoll. Es ist sicher anzunehmen, daß der Prinzgemahl seinen ganzen
Einfluß aufgewendet haben würde, um einen Ausgleich mit dem Abgeordneten-
hause herbeizuführen.
Der Kampf um die Reorganisation trat in das entscheidende Stadium,
als es sich darum handelte, die anfänglich provisorischen Bewilligungen in
definitive umzuwandeln. Die Forderungen der Regierung erschienen dem
Abgeordnetenhause unannehmbar. Das Ministerium machte Vermittelungs-
vorschläge, die die Zustimmung des Abgeordnetenhauses gefunden hätten.
Der König lehnte sie, von Leuten beraten, die den Konflikt wünschten, ab
und erklärte, lieber abdanken zu wollen, als sich auf Zugeständnisse ein-
zulassen; er unterzeichnete sogar die Abdankungsurkunde. Der Kronprinz
aber war durchaus abgeneigt, unter solchen Umständen den Thron zu be-
steigen.
Da wurde dem Könige Bismarck präsentiert, als der einzige Mann, der
imstande sein würde, die Reorganisation, so wie der König sie wollte, gegen
den Widerstand des Abgeordnetenhauses durchzusetzen. Trotz seiner Abneigung
gegen ihn wußte der König keinen anderen Rat, als in seine Hände die
Regierung zu legen. Bismarck war bereit, den Kampf aufzunehmen; er hatte
gerade eine solche Situation abgewartet, in der der König seiner notwendig
bedurfte, um sich sein volles Vertrauen und einen dauernd entscheidenden
Einfluß zu verschaffen.
Kronprinz und Kronprinzessin waren mit dieser Entwicklung durchaus
nicht einverstanden. Sie sahen voraus, daß Bismarck sich nicht innerhalb
Viktoria.
455
der Verfassung halten werde und fürchteten die schlimmsten Folgen. Aber
eines hatten sie nicht vorausgesehen und konnten sie nicht voraussehen, daß
von nun an von einer einflußreichen politischen Stellung des Kronprinzen
und der Geltendmachung seiner politischen Anschauungen für viele Jahre nicht
mehr die Rede sein könne. Bismarck wollte keinen anderen Einfluß dulden
und hat ihn nie zugelassen; die Umstände verlängerten seine Macht bis über
den Tod des Kronprinzen hinaus.
Bismarck hielt, was er dem König versprochen; er setzte die Reorgani-
sation durch, er kümmerte sich nicht um das ablehnende Votum des
Abgeordnetenhauses und regierte ohne genehmigtes Budget. Die Opposition
wurde dadurch noch mehr verschärft. Der Kronprinz, der durchaus für die
Reorganisation war, mißbilligte die Art, wie sie durchgesetzt werden sollte;
er wünschte einen friedlichen Ausgleich, aber er trat nicht mit seiner Meinung
hervor, weil er offene Opposition mit dem Respekt vor dem Vater und dem
Interesse der Monarchie für unverträglich hielt. Die Situation wurde indessen
immer bedrohlicher; auf dem von der Regierung vorgeschlagenen Wege
konnte man nicht weiter kommen, aber auch schwer Halt machen; in allem
Ernste fürchtete man eine Revolution. Da hielt es der Kronprinz doch für
nötig, gelegentlich eines verfassungswidrigen Erlasses über die Presse nicht
bloß durch einen an den König gerichteten Brief und einen an das Staats-
ministerium gerichteten Protest, sondern auch bei einer Veranlassung in
Danzig öffentlich am 5. Juni 1863 seine Mißbilligung auszusprechen. Die
Folge war nicht eine Zurücknahme des Gesetzes, sondern eine scharfe Zurück-
weisung von Seiten des Königs.
Aber der Kronprinz begnügte sich hiermit nicht, sondern richtete am
30. Juni noch eine Verwahrung an den Ministerpräsidenten, die aber auch
erfolglos blieb und schließlich kam es zu einem vollständigen Zerwürfnis mit
dem Könige.
Die Kronprinzessin nahm hieran wie an allen politischen Vorgängen den
lebhaftesten Anteil, sie fühlte sich ganz als deutsche Fürstin, als die Gattin
des Thronfolgers, als Mutter des künftigen Thronfolgers, für dessen Zukunft
sie fürchtete. In die Abneigung des Ministerpräsidenten und der herrschenden
reaktionären Partei war, da man ihr völliges Einverständnis mit dem Kron-
prinzen wußte, nun auch sie mit einbegriffen. Nicht selten schrieb man über-
haupt ihrem Einfluß das oppositionelle Verhalten des Kronprinzen zu. Man
liebte es, diesen als eigentlich gut altpreußisch, junkerlich gesinnt und nur
durch seine Gemahlin zu liberalen Anschauungen verführt, darzustellen,
während sie ihn lediglich in seiner eigenen Überzeugung bestärkte.
Der Konflikt hätte vielleicht eine ernstere Wendung genommen, wenn
nicht am Ende des Jahres 1863 durch den Tod des Königs Friedrich VIL
von Dänemark die schleswig-holsteinische Frage gekommen wäre, welche die
Aufmerksamkeit von den inneren Angelegenheiten ablenkte und Preußen die
Gelegenheit gab, in deutsch-nationalem Sinne aufzutreten und durch die
Leistungen der Armee die Vorzüge der Reorganisation zu zeigen. Der Kron-
prinz nahm an dem schleswig-holsteinischen Kriege zuerst als Begleiter des alten
Generalfeldmarschalls Wrangel, bald aber, als sich dessen Unfähigkeit erwies, als
eigentlicher Oberstkommandierender teil. Er erfüllte seine Aufgabe mit bestem
Erfolge; das besserte seine Stellung dem Vater gegenüber und brachte ihm
456 Viktoria.
die freudige Anerkennung Deutschlands. Aber auch hier kam wieder eine
Meinungsdifferenz mit Bismarck. Im Anfang dachte niemand in Deutsch-
land anders, als daß der Herzog Friedrich von Augustenburg der berechtigte
Nachfolger in Schleswig-Holstein sei und daß die Zugehörigkeit dieser Länder
zu Deutschland und sein Erbanspruch eng miteinander verbunden seien.
Auch Kronprinz und Kronprinzessin dachten so und dazu trat noch eine alte
Jugendfreundschaft zwischen dem Herzog und dem Kronprinzen. Bismarck
aber hatte von vornherein den Wunsch, die Länder an Preußen zu annektieren,
wozu es freilich an jedem rechtlichen Grunde fehlte; er wußte dafür auch all-
mählich den König zu disponieren, der zuerst den Ansprüchen des Herzogs
geneigt war. Es war ein langer Kampf, in dem schließlich Bismarck siegte.
Die Kronprinzessin unterstützte ihren Gemahl auch in dieser Sache auf das
eifrigste. Die Beziehungen zu Bismarck wurden dadurch natürlich nicht besser.
Das häusliche Glück des Kronprinzenpaares war in dieser Zeit ein
ungetrübt glückliches. Vier Kinder waren ihnen geboren, Prinzessin Charlotte
am 24. Juni 1860, Prinz Heinrich am 14. August 1862, Prinz Sigismund am
15. September 1864 und Prinzessin Viktoria am 12. April 1866. Die Kron-
prinzessin war ihnen eine liebevolle, verständige Erzieherin, der Kronprinz
teilte ihre Sorgen; ihr Familienleben war verschönt durch das lebhafteste Inter-
esse für Kunst und Wissenschaft, den Verkehr mit bedeutenden Persönlichkeiten
und öftere größere Reisen. Die Kronprinzessin fand für alles Zeit, für häus-
liches Leben, Erziehung, Übung ihrer künstlerischen und musikalischen
Talente, wie für politische Fragen, und entzückte jeden, der mit ihr in Be-
rührung kam, durch ihre einfache Natürlichkeit, Frische und ihre außer-
gewöhnlichen Kenntnisse.
Der Kampf der Regierung mit dem Abgeordnetenhause dauerte in-
zwischen fort und verschärfte sich immer mehr. Mehrmalige Auflösungen
änderten die Zusammensetzung desselben nicht zugunsten der Regierung.
Die Stellung Preußens in Deutschland verschlechterte sich zusehends und
die Art, wie die schleswig-holsteinische Angelegenheit behandelt wurde, war
auch nicht geeignet, große Sympathien für Preußen zu erregen.
Die Lösung der Situation brachte der österreichisch-preußische Konflikt
und die daraus sich ergebende Nötigung Preußens, den Kampf gegen Öster-
reich und die ihm anhängenden deutschen Staaten mit einer deutsch-nationalen
Politik zu verbinden.
In dem Kriege fiel dem Kronprinzen eine große Aufgabe zu, die er mit
glänzendem Erfolge erfüllte. Der Beginn war freilich schwer genug für den
zärtlichen Vater, der zur Armee abreisen mußte, als der jüngste Sohn Sigis-
mund schwer erkrankt war. Noch ehe die kriegerischen Aktionen begannen,
starb der Prinz.
Sein politisches Verständnis zeigte der Kronprinz dadurch, daß er den
König bestimmte, Bismarcks Ansicht über die schonende Behandlung des
besiegten Österreichs und dessen Verbündete zu folgen.
Eine erfreuliche Wirkung der kriegerischen Erfolge war die Versöhnung
der Krone mit dem Abgeordnetenhause und die offene Anerkennung, daß
der Norddeutsche Bund und Preußen nur bei starker Berücksichtigung liberaler
Grundsätze und Forderungen regiert werden könnten. Der König und
Bismarck sahen es ein und es begann nun eine Zeit gemeinschaftlicher Arbeit
Viktoria. 457
der Regierungen und der Parlamente für den Ausbau des neuen Reiches
und die Vorbereitung der vollständigen Einigung Deutschlands zu großer
Freude des kronprinzlichen Paares, das, wenn ihm auch nicht beschieden
war, einzugreifen in die Entwicklung der Dinge, doch in lebhaftester Be-
ziehung zu ihnen stand.
Die Macht Bismarcks war durch den großen Erfolg und die Mäßigung,
mit der er ihn ausnutzte, noch gestiegen.
Die Zeit bis zum Jahre 1870 wurde allgemein empfunden als eine Über-
gangszeit ; man erwartete den entscheidenden Kampf mit Frankreich. Aber ein
regeres öffentliches Leben war doch eingetreten, soziale Fragen wurden mit
Eifer angegriffen: die Kronprinzessin beteiligte sich daran, besonders im
Interesse der Frauen; mit ihrer Hilfe rief eine Engländerin, Miss Archer, das
Viktoria-Lyzeum (1868), der Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen
das Lettehaus in das Leben (1866). Ihrem Interesse vornehmlich ist auch
die Gründung des Kunstgewerbemuseums, zunächst als eines Privatvereins,
im Jahre 1867 zu verdanken.
Zwischen den beiden Kriegen war die Familie durch die Geburt zweier
Kinder, des Prinzen Waldemar — 10. Februar 1868 — und der Prinzessin
Sophie — 14. Juni 1870 — vermehrt. Am 22. April 1872 wurde das letzte
Kind, Prinzessin Margarethe geboren.
In der großen Entscheidung der Jahre 1870/71 war dem Kronprinzen
wiederum eine hervorragende Rolle bestimmt, die er mit um so mehr Freude
übernahm, als er von Anfang der Überzeugung war, daß der Krieg die
Wiederherstellung des Deutschen Kaisertums bringen müsse. Mit ihm fühlte
gleich die Kronprinzessin, sie übernahm den ihr zufallenden Teil der Kriegs-
arbeit. Wie die Königin Augusta widmete sie sich der Pflege der kranken und
verwundeten Krieger ; sie begründete ein eigenes Hospital in Homburg, leitete
es selbst in mustergiltiger Weise und ging allen voran in der Übung ver-
ständnisvoller Fürsorge für ihre Pfleglinge. Ihre treue Gehilfin war Miss Lees,
eine Schülerin von Miss Nightingale. Die deutsche Krankenpflege stand
damals noch auf einer sehr viel tieferen Stufe als die englische und der
Kronprinzessin lag daran, in ihrem Hospital die besten Methoden angewendet
zu sehen und ihnen von da aus den Weg nach Deutschland zu öffnen.
Nach dem Kriege dauerte die rege politische Tätigkeit im Sinne des
Ausbaues freiheitlicher Institutionen des neuen Reiches fort zu großer Genug-
tuung des kronprinzlichen Paares, das nahe Beziehungen zu liberalen Mit-
gliedern des Reichstages und des preußischen Landtages unterhielt, selbst
aber in die politische Entwicklung nicht einzugreifen versuchte. Dem Kron-
prinzen lagen mannigfache Repräsentationspflichten ob, die Kronprinzessin
widmete sich mit Eifer der Arbeit für die von ihr in das Leben gerufenen
Unternehmungen. Eine schöne, nicht vorzugsweise die Hofgesellschaft,
sondern auch Künstler und Gelehrte und sonstige hervorragende Persönlich-
keiten zwanglos vereinigende Geselligkeit wurde von dem kronprinzlichen
Paare geübt; die Erziehung der Kinder nahm seine ganze Aufmerksamkeit
in Anspruch; es war eine Zeit friedlichen, allerdings politisch zurückgezogenen
Lebens, das von schmerzlichen Erfahrungen frei blieb. Seit 1875 begannen
aber sich Änderungen von großer Bedeutung in den politischen Zuständen
zu vollziehen. Die Einrichtung des Deutschen Reiches hatte sich wesentlich
^cg Viktoria.
unter nationalliberalen Einflüssen, in freiheitlichem und wirtschaftlich frei-
händlerischem Sinne vollzogen. Die konservative Partei stand in schroffster
Opposition gegen Bismarck. Sie suchte aber den Frieden mit ihrem großen
Staatsmann — denn sein Herz gehörte ihr; sie fand ihn, weil Bismarck
selbst an einen Wechsel seiner Politik dachte, der ihn den Konservativen
näherbringen, von den Nationalliberalen entfernen mußte. So begann schon
das Jahr 1878 mit einem heftigen Kampf Bismarcks gegen die National-
liberalen. Er wollte eine schutzzöllnerische, die Großindustrie und die Land-
wirtschaft begünstigende Wirtschaftspolitik. Er hatte sich überzeugt, daß
er den Kulturkampf nicht zu einem glücklichen Ende führen könne und
suchte das Zentrum für sich gewinnen ; die Sozialdemokratie wollte er durch
Ausnahmegesetze niederwerfen und zugleich durch soziale Gesetze die
arbeitenden Klassen gewinnen. Es handelte sich um einen völligen Wechsel
in der Politik. Die nationalliberale Partei sollte sich seiner Politik fügen
oder ihrer Macht beraubt werden. Sie sollte helfen, neue Steuern durch-
zusetzen, welche die Matrikularbei träge unnötig machten, ohne dafür ein wirk-
sames jährliches Steuerbewilligungsrecht zu erhalten, sie sollte den Ausnahme-
gesetzen gegen die Sozialdemokratie zustimmen. Beides widersprach ihren
Grundsätzen. Sie und mit ihr die Mehrheit des Reichstages lehnte das auf
Anlaß des erfolglosen Hödelschen Attentates eingebrachte Sozialistengesetz ab.
Da kam das Attentat Nobilings. Der Kronprinz wurde mit der Regent-
schaft beauftragt. Die Verwundung des Kaisers war aber nicht lebensgefährlich,
nach kurzem war er wieder imstande, sich um die Staatsgeschäfte zu be-
kümmern; der Kronprinz hatte die Regierung lediglich nach den Ansichten
seines Vaters, das heißt, so wie Fürst Bismarck es für recht hielt, durch
diesen zu führen.
Es war eine Episode in dem kronprinzlichen Leben, die nur die Wirkung
hatte, Bismarck noch in seiner Absicht zu bestärken, den Kronprinzen von
allem politischen Einflüsse fern zu halten. Das war um so leichter, als sein
eigener Einfluß von Jahr zu Jahr mächtiger wurde. Um so schmerzlicher
war die Ausschließung von allem politischen Einflüsse, als die neue Richtung
der Politik, die wachsende Begünstigung des Ultramontanismus, die Art, wie
der Kampf gegen die Sozialdemokratie geführt wurde, die maßlose Steige-
rung der Schutzzölle durchaus den Ansichten des kronprinzlichen Paares
widersprach.
Auswärtige Verwickelungen blieben fern, Kriege standen nicht in Aus-
sicht; der Kronprinz blieb auf gelegentliche Repräsentation beschränkt; von
allen politischen Dingen wurde er ferngehalten und oft nicht einmal vorher
von den wichtigsten Maßregeln unterrichtet.
Für die Kronprinzessin war die Zeit von 1878 bis zum Winter 1886/87
eine Periode ernstester Vorbereitung auf ihren künftigen Beruf als Kaiserin.
Ihren Fähigkeiten und Neigungen konnte es nicht entsprechen, diese Rolle
lediglich repräsentativ auszufüllen; sie wollte ein Gebiet eigener, leitender,
eingreifender Tätigkeit haben. Kunst und Wissenschaft hatte sie immer
schon gepflegt, für die Bildung der Frauen durch Begründung des Viktoria-
Lyzeums, für Erweiterung ihrer Erwerbstätigkeit durch das Lettehaus gesorgt.
In allen diesen Dingen hatte sie ungewöhnliche Kenntnisse und Einsich
bewiesen und mit ihrem immerhin doch beschränkten Einflüsse außerordent-
Viktoria.
459
liehe Erfolge erreicht und die Hochachtung und Freundschaft der ange-
sehensten Gelehrten, Künstler und Frauen sich zu erwerben gewußt. Freilich
wuchs, je näher die Aussicht auf die Thronbesteigung des Kronprinzen rückte,
destomehr auch die Abneigung gewisser Kreise gegen die englische Prin-
zessin.
Zu den einflußreichen Personen der Regierung und des Adels hatte sie
keine näheren Beziehungen gewonnen; ihre freie Auffassung von Staat und Kirche
war ihnen unsympathisch und erschien ihnen gefährlich, weil man ihren großen
Einfluß auf den Kronprinzen fürchtete. Man glaubte, oder stellte sich so, als ob
dieser eigentlich ganz der Bismarckschen Richtung anhinge, und wenn der
Einfluß seiner Gemahlin beseitigt sei, ganz in jenem Sinne handeln werde.
Weiteren Kreisen suchte man einzureden, daß die Kronprinzessin die deutschen
Interessen den englischen hintansetze, wofür niemals auch nur der Schatten eines
Beweises erbracht ist; in Wahrheit war es die Furcht, daß durch ihre Mithilfe
einmal wieder der Liberalismus zum Einfluß kommen werde. Der Kronprinz
hätte solcher Einwirkung nicht bedurft. Er war gewiß kein Anhänger irgend einer
politischen Partei, aber er war in durchaus liberalen Grundsätzen erzogen,
hatte sie öffentlich ausgesprochen und je länger er lebte und je mehr er sah,
wie die Dinge in Deutschland sich entwickelten, destomehr überzeugte er
sich, daß auf die Dauer nicht nach den alten konservativen Rezepten regiert
werden könne, daß freier geistiger, sozialer und politischer Entwicklung
Raum gegeben werden müsse. Gewiß hätte der Kronprinz auch, wenn er in
voller Gesundheit auf den Thron gekommen wäre, nicht daran gedacht,
Bismarck zu entlassen, aber es würde sich dasselbe vollzogen haben, was
unter Kaiser Wilhelm II. geschah. Bismarck hätte es so wenig von Kaiser
Friedrich ertragen, wie er es von seinem Sohne getan hat, nicht mehr die
allein entscheidende Person zu sein und kein Herrscher hätte einem Minister
— welche Verdienste er auch haben mochte — die Stellung einräumen
können, welche Bismarck sich im Laufe langer Jahre bei dem Kaiser Wilhelm I.
errungen hatte.
Es war aber natürlich viel leichter, die Kronprinzessin anzugreifen und
zu verdächtigen dem Volke und auch ihrem hohen Gemahl gegenüber; freilich
blieb es völlig erfolglos. Aber es ist systematisch geschehen und von beiden
Ehegatten sehr schmerzlich empfunden.
Durch alle solche Angriffe ließ sich die Kronprinzessin nicht in ihrem
Bestreben beirren, auch öffentlich für die allgemeine Wohlfahrt zu wirken.
Der stets schärfer werdende Gegensatz zwischen den arbeitenden und
den besitzenden Klassen beschäftigte sie sehr. Sie sah die große Gefahr,
welche darin für eine glückliche Entwicklung des Staatslebens lag und
wünschte, daß was möglich sei, geschehen möge, um den Frieden herzu-
stellen. Deshalb griff sie in dieser Periode vorzugsweise solche Unter-
nehmungen an, welche dem körperlichen und dem geistigen Wohle der Ärmeren
dienen sollten.
Aus ihrer Initiative ging der 1878 gegründete Verein für häusliche Ge-
sundheitspflege hervor, der Rat und Hilfe mancherlei Art armen Kranken
und Notleidenden gewähren sollte. Aus ihm entwickelten sich dann die
Ferienkolonien und das Viktoriahaus für Krankenpflege. Allen diesen bald
sich weit ausdehnenden Unternehmungen widmete die Kronprinzessin ein
460 Viktoria.
reges persönliches Interesse, ein ganz besonderes aber dem Viktoriahause.
Sie hatte in ihrem Kriegshospital die großen Mängel kennen gelernt, welche
unserer Krankenpflege anhafteten. Diese lag zum allergrößten Teile in den
Händen ungebildeter, für ihren Beruf nur praktisch vorbereiteter Personen
und wurde schlecht bezahlt; sie war kein eigentlicher Beruf, sondern ein
Notbehelf für solche, die keine andere Beschäftigung finden konnten. Einige
Besserung in diesen Zuständen hatten die Erfahrungen der Kriege gebracht.
Das rote Kreuz hatte Pflegerinnen einigermaßen ausbilden lassen, die für
einen künftigen Krieg sich bereit halten sollten, aber geschulte Kranken-
pfleger und Krankenpflegerinnen, besonders die letzteren, gab es fast nur
in den katholischen Orden und den evangelischen Diakonissenanstalten.
Für arme Kranke gab es nur eine Möglichkeit guter Verpflegung, die
Aufnahme in ein Krankenhaus; im eigenen Hause hatten sie eine natürlich
nur sehr ungenügende Hilfe. Die Kronprinzessin kannte die vorzüglichen
englischen Krankenpflegerinnen in Hospitälern und der Armenpflege und
wünschte seit langer Zeit ähnliches, d. h. weltliche Krankenpflegerinnen in
Deutschland einzuführen. Bei hervorragenden Ärzten, an die sie sich wendete,
fand sie keine Unterstützung, namentlich fand ihre Forderung, daß die
weibliche Krankenpflege von gebildeten Frauen geübt werden solle, welche
nicht bloß praktisch, sondern auch theoretisch ausgebildet würden, Wider-
spruch. Der Gesundheitsverein bot die Anknüpfung, die energisch ergriffen
wurde. Die ersten Schwestern wurden teils in England, teils in einigen
deutschen Krankenhäusern, auf welche die Kronprinzessin Einfluß hatte,
ausgebildet. Mit wenigen wurde der Anfang gemacht, aber nach einigen
Jahren übernahm das Viktoriahaus die Pflege im städtischen Krankenhause
am Friedrichshain und jetzt sind Viktoriaschwestem, solche, die im Ver-
bände geblieben sind und ausgeschiedene, in großer Zahl in öffentlichen
Krankenhäusern und in Privatpflege tätig; das Prinzip der Institution, die
Freiheit von religiösen Verpflichtungen, gute allgemeine Bildung und tüchtige
praktische und theoretische Durchbildung ist auch von anderen, später ent-
standenen Organisationen anerkannt und hat allein die große Ausdehnung
des weiblichen Krankenpflegewesens ermöglicht.
Eine zweite zu großer Blüte gelangte Institution des Gesundhei tsverei ns,
die Ferienkolonien, verdankt der Kronprinzessin die eifrigste Unterstützung
und Förderung von den ersten Anfängen an. Um ihr Interesse zu zeigen
und durch eigenes Beispiel Nachahmung anzuregen, errichtete sie selbst auf
dem Bornstedter Gute eine Kolonie.
Nicht weniger lebhaft nahm sie an den Bestrebungen für die Erziehung
der Kinder der ärmeren Klassen teil, insbesondere an dem Pestalozzi-Fröbel-
hause und der Viktoria-Fortbildungsschule, den Mädchenhorten, nicht minder
aber auch an den Realkursen für junge Mädchen zur Vorbereitung für die
Universität, die Koch- und Haushaltungsschulen.
Die Kronprinzessin wollte nicht die vornehme Gönnerin sein, sie arbeitete
mit, unterrichtete sich genau über die Zwecke, die Verhältnisse und den
Betrieb der Anstalten und bei ihrer universalen Bildung war sie imstande,
in allen Dingen Anregung und Rat zu geben. Sie kam jetzt mehr als früher
in Beziehung zu der ärmeren Bevölkerung und gewann alle Herzen durch
die einfache Liebenswürdigkeit ihres Wesens. Besonders freundlich war sie
Viktoria. ^6 1
und auch der Kronprinz mit den Kindern des Volkes bei den Schulfesten
sowohl, die sie in Potsdam jährlich veranstalteten, als auch wenn sie An-
stalten, Kindergärten, Versammlungen der Ferienkolonienkinder u. dergl. be-
suchten.
Unverändert blieb dabei der Kronprinzessin Interesse an Kunst und
Wissenschaft; besonders erfreulich war ihr, daß das Gewerbemuseum ein
eigenes, würdiges Heim erhielt.
Zwei schmerzliche Ereignisse fielen gleich in die erste Zeit dieser
Epoche; am 14. Dezember 1878 der Tod ihrer Schwester, der Großherzogin
von Hessen, die ihr besonders nahe stand und die in Hessen in gleicher
Weise wie ihre ältere Schwester wirkte, und des jüngsten Sohnes Waldemar
am 27. März 1879.
Aber auch zwei besonders freudige; am 27. Februar 1881 die Vermäh-
lung des ältesten Sohnes, des jetzigen Kaisers, mit der Prinzessin von Augusten-
burg und am 25. Januar 1883 die eigene silberne Hochzeit. Bei der Wahl
der Braut war ein wichtiger Grund, daß dadurch ihrer Familie ein Ausgleich
für den Verlust des Throns von Schleswig-Holstein geboten wurde.
Die silberne Hochzeit wurde mit großem Glänze und unter lebhafter
Teilnahme Deutschlands gefeiert. Bezeichnend für die Gesinnung des kron-
prinzlichen Paares ist, daß die großen Gaben, die durch eine völlig unbeein-
flußte, ganz privat betriebene allgemeine Sammlung aufgebracht waren, un-
gefähr eine Million ausschließlich gemeinnützigen Unternehmungen rein
humaner Natur teils in Kapital überwiesen, teils in jährlichen Zuschüssen
aus den Zinsen des nicht verwendeten Kapitals gewährt wurden. Einen Ver-
such, auch dem Hamburger Rauhen Hause etwas zuzuwenden, wies der
Kronprinz mit Entschiedenheit zurück.
55 Jahr war der Kronprinz alt geworden, seit 25 Jahren war er der
nächste dem Throne, nach menschlichem Ermessen war der Zeitpunkt nahe,
wo er ihn zu besteigen hatte, wo die langjährigen Vorbereitungen Frucht
tragen konnten, da entschied das Geschick, daß alles vergeblich gewesen war.
Im Anfang des Jahres 1887 trat eine anfänglich unbedeutende, schnell
aber ernsthafter werdende Erkrankung des Kehlkopfes ein, die im Frühjahr
schon zu den schwersten Besorgnissen Anlaß gab. In der nun kommenden
furchtbaren Zeit hat die Kronprinzessin mit ganzer Energie, größter Klug-
heit und in aufopferndster Liebe sich ihrem Gatten gewidmet; sie war ihm
die liebevollste Pflegerin und die verständigste Beraterin und Helferin in
allen Angelegenheiten. Sie verlor nie den Mut, trotzdem ihr diese Sorgen
noch durch niederträchtige Verfolgungen aller Art erschwert wurden. Es ist
beschämend für die deutsche Nation, daß neben der verbreiteten innigen
Liebe und Teilnahme für den Kronprinzen gewisse Kreise nicht ermüdeten,
immer von neuem diejenige zu verdächtigen, welche ihm am nächsten stand.
Ihr wurde die Unterlassung der Operation im Frühjahr 1887 zugeschrieben,
während sie alles für dieselbe vorbereitet hatte. Die Bismarckschen Denk-
würdigkeiten ergeben, daß dies auf einer Anordnung des Kaisers beruhte.
Mit eben solchem Unrechte wurde ihr die Wahl von Mackenzie als behan-
delndem Arzt zugeschrieben. Gestützt hat sie wie der Kronprinz selbst ihn,
weil er diesen in vorzüglichster, aufopferndster Weise zu behandeln und zu
pflegen, seine Kräfte zu erhalten wußte. Über die Schwere und den Aus-
462 Viktoria,
gang des Leidens haben sich Kronprinz und Kronprinzessin ziemlich früh
schon nicht mehr getäuscht. Daß beide den Wunsch gehabt haben mögen,
noch zur Regierung zu kommen, ist gewiß nicht zu tadeln.
Es war ein furchtbares Geschick, eine ganze gemeinsame Lebensarbeit,
die nur auf die künftige Regierungstätigkeit gerichtet war, nicht nur fruchtlos
gemacht zu sehen, sondern auch selbst aus der Geschichte Deutschlands fast
ausgelöscht zu werden. Das wäre der Fall gewesen, wenn der Kronprinz
vor seinem Vater gestorben wäre. Dem Kaiser und der Kaiserin war ihr
Platz in der Geschichte Deutschlands gesichert und seitdem nun kein Inter-
esse mehr an ihrer Verkleinerung besteht, wächst mit jeder neuen Publikation
über sie die Anerkennung ihrer Größe.
Bis zu Ende des Jahres 1887 hatte das Leiden des Kronprinzen nur
langsame Fortschritte gemacht; er schien zeitweise fast im Besitze seiner
vollen Kraft zu sein; er hatte sogar noch an der 50jährigen Jubelfeier der
Königin Viktoria teilnehmen können und alle durch seine stattliche Er-
scheinung zur Bewunderung hingerissen. Im Winter kam die Entscheidung.
Am 9. November 1887 wurde die Natur des Leidens als Krebs festgestellt;
als ein hoffnungslos kranker Mann trat am 10. März der Kaiser Friedrich mit
seiner Gemahlin die Reise von San Remo nach Deutschland an, zu neuer,
schwererer Leidenszeit. Beide, Kaiser und Kaiserin haben in den schweren
99 Tagen der Regierung mit größter Anstrengung und Hingebung ihre
Pflichten erfüllt; wo der Kaiser nicht selbst eintreten konnte, ersetzte ihn
die Kaiserin. Sie zeigte sich viel öffentlich, übernahm die Leitung des
Komitees für die durch die Überschwemmungen im Frühjahr Geschädigten
und besuchte selbst die Überschwemmungsgebiete, pflegte und stützte den
Kaiser, der die schwere Aufgabe hatte, selbst an freier Bewegung und am
Verkehr mit Menschen gehindert, mit Ministem zu regieren, die weniger an
die Gegenwart, als an die Zukunft dachten. Wer auf diese rechnete, hielt
sich zurück oder glaubte gar, sich durch Verdächtigungen und Angriffe zu
empfehlen. Wieder dasselbe Schauspiel wie während des Aufenthalts im Aus-
lande: die große Menge des Volkes verfolgte mit inniger Liebe und Sorge
das Befinden des Kaisers, empfing ihn und die Kaiserin, wo sie sich sehen
ließen, mit Jubel; daneben die niederträchtigsten Angriffe in der Presse, die
von einflußreichster Seite geschützt und geleitet wurden. Da man den
Monarchen direkt nicht zu treffen wagte, so richtete sich alles gegen die
Kaiserin. Dem Kaiser sollte gezeigt werden, daß er nicht wagen dürfte, gegen
Bismarcks Willen etwas zu tun. Diesen Zweck hatte die Art, wie die
Battenbergsche Heiratsaffäre in der Presse behandelt wurde. Prinzessin
Viktoria wünschte die Verheiratung mit dem früheren Fürsten Alexander
von Bulgarien, die Kaiserin unterstützte sie. Bismarck widersetzte sich,
angeblich, weil Rußland dadurch verstimmt werden könnte. Dazu wäre kein
Grund gewesen, denn wenn überhaupt an eine Rückkehr Alexanders nach
Bulgarien zu denken gewesen wäre, so wurde sie durch die Verbindung mit
dem preußischen Königshause völlig unmöglich. Der wirkliche Grund war wohl
die Abneigung der königlichen Familie gegen die nicht standesgemäße Ver-
bindung. Der Widerspruch Bismarcks genügte, um den Plan aufgeben zu
lassen; aber welche, wie Buschs Aufzeichnungen zeigen, durch Bismarck
selbst veranlaßte Preßangriffe! Dasselbe wiederholte sich, als der Besuch
Viktoria. 463
♦
der Königin Viktoria angekündigt wurde; von ihr wurden die schwärzesten
Intriguen erwartet, und um sentimentale Gemüter zu erregen, wurde ver-
breitet, daß die Gemächer der Königin Luise ihr zur Verfügung gestellt und
ganz umgestaltet werden sollten. Als die Königin kam, zeigte sich, daß
nichts von alledem wahr war. Und dazu der fortwährende Kampf der
deutschen Ärzte gegen Mackenzie, immer mit der Spitze gegen die Kaiserin.
Dieser schweren Situation hat die Kaiserin tapfer standgehalten, obwohl
sie ganz allein gelassen war, niemand ihr half. Bis zum letzten Augenblicke
des Kaisers erfüllte sie auf das treueste alle ihre Pflichten und vor allem
andern die der Pflege und des Trostes für den schwer Leidenden.
Kaiser Friedrichs Regierung hat außer seinen von hoher Weisheit und
dem ernsten Willen, verfassungsmäßig, gerecht, unparteiisch und im Sinne
wahrer Zivilisation zu herrschen zeugenden Erlassen an das Volk und den
Reichskanzler nur eine Regierungshandlung aufzuweisen, die diese seine Ab-
sicht bestätigt: die am 8. Juni, also wenige Tage vor dem Tode erfolgte
Entlassung des Ministers des Innern v. Puttkamer, weil dieser die Wahlfreiheit
nicht gewahrt hatte. Man hat diese Tat der Kaiserin zugeschrieben und es
ist nicht unwahrscheinlich, daß sie darum gewußt und sie befördert hat.
Ein neuer Grund, sie anzugreifen.
Als der Kaiser in ihren Armen den letzten Atemzug getan hatte, da
wurde ihr deutlich gezeigt, daß ein neues Regiment gekommen sei; das
Schloß wurde militärisch besetzt, sie war nur noch geduldet. Von dem
Trauergepränge am 18. Juni hielt die Kaiserin sich fem; dort war für sie
kein Trost zu finden; sie veranstaltete im Kreise einiger ihr nahestehender
Damen eine eigene Trauerfeier in Bornstedt; erst als die Friedenskirche leer
geworden war, nahm sie von dem teuren Verstorbenen dort allein Abschied.
Aber ihr Leiden war noch nicht zu Ende. Schmerzlich mußte sie
empfinden, daß die Anerkennung Kaiser Friedrichs geradezu als verletzend
für den Sohn betrachtet und daß alles aufgeboten wurde, um zu zeigen, daß
sein Tod ein Glück für Deutschland gewesen sei. Das Schlimmste war aber
das, was sich an die im Oktober 1888 erfolgte Veröffentlichung eines Bruch-
stückes des Tagebuches des Kaisers Friedrich aus der Zeit des französischen
Krieges knüpfte. Der Reichskanzler erstattete darüber dem Kaiser einen
Bericht, in welchem behauptet wurde, der Kronprinz sei in jener Zeit von
den politischen Verhandlungen femgehalten, weil Indiskretionen an den von
französischen Sympathien erfüllten englischen Hof gefürchtet seien; darin lag
also zum mindesten der Vorwurf, daß der Kronprinz und die Kronprinzessin
so unvorsichtig hätten sein können, Dinge, welche geheim gehalten werden
mußten, so mitzuteilen, daß sie zur Kenntnis der Franzosen kommen konnten.
Und dieser Bericht durfte veröffentlicht werden 1
Man hatte wohl gedacht, daß die Veröffentlichung des Tagebuches aus
politischen Gründen erfolgt und daß die Kaiserin Friedrich dabei beteiligt
sei. Der Veröffentlicher, Professor Geffcken, ein Studienfreund des ver-
storbenen Kaisers, hatte es aber von ihm selbst erhalten und in bester Meinung
veröffentlicht. Monatelang war er in Untersuchungshaft; die Erhebung der
Anklage mußte unterbleiben, weil gar kein Moment der Strafbarkeit zu
finden war.
Und noch einmal kam dieselbe Verdächtigung der Kaiserin gegen Ende
464 Viktoria.
des Jahres, als von dem englischen Botschafter Morier behauptet wurde, er
habe Bazaine Kenntnis von der deutschen Heeresdisposition gegeben — aus
einer Wissenschaft heraus, welche auf seine Beziehungen zum Kronprinzen-
paare zurückgeführt wurde.
Dies alles mußte eine Frau ertragen, welche ihr ganzes Leben hindurch
kein anderes Ziel gehabt hatte, als deutsche Fürstin zu sein, und welche
nie anders als in diesem Sinne gehandelt hatte, nur darum — dies war der
wirkliche Grund aller Verfolgung — , weil sie freigesinnt und von hoher
geistiger Bedeutung war. Niemals ist für irgend eine Verdächtigung auch
nur der Schatten eines Beweises erbracht.
Für die Witwe Kaiser Friedrichs war im politischen Leben so wenig
wie in dem Hofleben, an dem sie nie Gefallen gefunden hatte, noch ein
Platz vorhanden. Andere Ansichten als die ihrigen waren herrschend, auch
für gemeinnützige und wohltätige Unternehmungen, die nun nicht von all-
gemein humanen, sondern von religiösem Standpunkte aus, soweit die
regierenden Kreise dabei in Betracht kamen, betrieben werden mußten.
Die Kaiserin war Privatperson geworden und hat nie mehr etwas anderes
sein wollen.
Das Neue Palais, das das Kronprinzenpaar lange bewohnt hat und in
dem Kaiser Friedrich gestorben war, nahm der Kaiser Wilhelm für seinen
eigenen Haushalt; ein anderes für die Kaiserin Friedrich geeignetes Schloß war
in Potsdam nicht aufzufinden, sie behielt nur das Palais Unter den Linden
zum Winteraufenthalt. Im Sommer wohnte sie anfänglich in Homburg, wenn
sie nicht auf Reisen war, bis sie sich in Kronberg ein eigenes, das Schloß
Friedrichshof geschaffen hatte.
Dreizehn Jahre sollte sie ihren Kaiser, wie sie ihn nannte, überleben;
nie hat sie ihn vergessen, nie die Tragik ihres Geschickes überwunden; aber
die Energie ihres Geistes, ihre vielseitige Bildung und ihre mannigfaltigen
Interessen hielten sie aufrecht und führten sie immer wieder zur Tätigkeit in
den Grenzen, die ihr gezogen waren. Sie blieb allen Unternehmungen, an
denen sie früher sich beteiligt hatte, treu und vergaß nicht diejenigen, die
mit ihr gearbeitet und in schwerer Zeit zu ihr gehalten hatten. Die Frauen,
die an der Spitze ihrer Vereine standen, versammelte sie öfter um sich^
besuchte die Anstalten und ließ sich über sie berichten. Aus besonderem
Interesse für das Berliner Pestalozzi-Fröbel-Haus beteiligte sie sich mit Rat
und Mitarbeit an der Ausstellung, die dasselbe für die Weltausstellung in
Chicago machte, einer zugleich künstlerischen und pädagogischen Darlegung
der in dem Hause verfolgten Erziehungsgrundsätze. Sie schrieb selbst für
eine Sammlung der in der Ausstellung enthaltenen Bilder aus dem Pestalozzi-
Fröbel-Hause ein dessen Erziehungsmethode darlegendes Vorwort, wohl die
einzige veröffentlichte Schrift einer Fürstin über Erziehung. Besonderes Inter-
esse widmete sie dem Viktoria-Hause und dem für sie vom Pestalozzi-Fröbel-
Hause und dem Viktoria-Hause gemeinschaftlich eingerichteten Kinderheim
auf dem früher kronprinzlichen, später in den Besitz des Prinzen Heinrich
übergegangenen Gute Bornsted t.
Seitdem Friedrichshof, das sie aus einer kleinen Privatbesitzung zu einem
großen, schönen Schlosse geschaffen, künstlerisch ausgestattet und mit den
herrlichsten Parkanlagen umgeben hatte, bewohnbar war, verbrachte sie dort
Viktoria. 46 g
die meiste Zeit, waltete als gütige Schloßherrin, schuf dort Anstalten für
Kinder und Kranke und erwarb sich die begeisterte Liebe aller, denen
sie nahe kam. Dort sah sie viel ihre Kinder und Großkinder bei sich.
Prinz Heinrich war noch bei Lebzeiten des Vaters, am 11. Juni 1888, mit
Prinzeß Irene von Hessen, Prinzessin Viktoria am 19. November 1890 mit dem
Prinzen Adolf von Schaumburg, Prinzessin Sophie am 27. Oktober 1889 mit dem
Kronprinzen von Griechenland und Prinzessin Margarethe am 25. Januar 1893
mit dem Prinzen Karl von Hessen vermählt. So scharte sich eine große
Familie um sie und gab ihr manche Gelgenheit zu Sorge und Freude.
Ihr Leben blieb ein unausgesetzt tätiges, allen geistigen Interessen zu-
gewandtes und der Menschheit nützliches, und das machte ihr das schwere
Schicksal, das sie getroffen, erträglich.
Zu der großen geistigen Regsamkeit der Kaiserin kam eine seltene
Gesundheit und Elastizität, aufrecht erhalten durch viele körperliche Bewegung,
Spazierengehen und Reiten — bis zu der schweren Erkrankung, die vielleicht
durch einen anscheinend nicht erheblichen Sturz vom Pferde im Spätsommer
1898 veranlaßt war und langsam fortschreitend im Herbst 1899 sich in voller
Schwere zeigte. Noch zwei Jahre hat sie unter furchtbaren Qualen, die sie
heldenhaft ertrug, gelebt, bis sie am 5. August 1901 verschied und die letzte
Ruhestätte bei ihrem Kaiser fand.
In der Erinnerung aller, die ihr im Leben haben nähertreten können,
lebt die Kaiserin Friedrich als eine Frau von edelstem, reinstem Sinne, aus-
gestattet mit reichen und in wunderbarer Vielseitigkeit ausgebildeten Gaben
des Geistes und Herzens. Wenn sie nicht* eine Kaiserin gewesen wäre, so
würde sie sich auf irgend einem Gebiete der Kunst oder der Wissenschaft einen
großen, dauernden Namen gemacht haben. Denkmäler werden ihr gesetzt,
vor dem Brandenburger Tore steht ihr Standbild mit der Krone geschmückt,
neben dem des Kaisers Friedrich; aber das Denkmal, das sie sich in den
Herzen des deutschen Volkes durch eine weise Teilnahme an seiner Regierung
zu setzen hoffte, ist ihr zu ihrem tiefsten Schmerze versagt geblieben. Ihr
wie ihrem Gemahl.
Die Arbeit langer Jahre haben sie beide daran gewendet, sich für eine
Stellung tüchtig zu machen, die sie nie ausfüllen sollten. Das ist die Tragik
ihres Lebens. Das deutsche Volk hat das seltene Glück entbehrt der Re-
gierung eines Kaisers und einer Kaiserin, beide gleich bedeutend, verschieden
in ihrer Art, aber sich gegenseitig ergänzend, lange und wohl vorbereitet,
im freien, humanen, deutschen Sinne zu herrschen, beide getragen von Be-
geisterung für Deutschlands Glück und Größe.
In der Geschichte werden sie, je unbefangener sie gewürdigt werden,
einen um so größeren Platz einnehmen. Karl Schrader.
BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7« Bd. -sq
I. Alphabetisches Namenverzeichnis
zum
Deutschen Nekrolog vom i. Januar bis 31. Dezember 1902.
Name
Actoni Lord John
Albert, König von Sachsen
Albert, Prinz von Sachsen-Altenburg
Allmers, Hermann
Anschütz, Ludwig
Anthony, Wilhelm
Arendt-Morgenstern, Olga
Barttniff, Ferdinand Karl v.
Barvitius, Viktor
Basedow, M. P. Friedrich
Bauer, Heinrich
Baumberg, Antonie
Beaulieu, Gertraut v.
Beckmann, Konrad
Beer, Adolf
Behr, Friedrich
Behrle, Rudolf
Belcredi, Richard Graf v.
Bennigsen, Rudolf v.
Berg, Franz Ritter v.
Berger, Julius v.
Bergson, Joseph
Bernhard, Heinrich
Bielschowsky, Albert
Bingner, Adrian
Bockendahl, Johannes
Boyen, Oskar v.
Brück, Karl von
Buchner, Hans
Verfasser
Seite
Lculy BUnnerhassci
16
Otto Katmmel
3
Lorenzen
99
Ludioig Bräutigam
297
Lorensen
195
F. Brummer
247
F, Brummer
148
Lorenun
196
Hugo Schmerber
102
W, Wolkenhauer
295
R. Krauß
73
Goswina v, Bcrlepsch
48
/. Brummer
219
H, Holland
153
Friöram
321
W, Wolkenhauer
259
F, Brummer
143
Friedrich Graf Schönborn
22
Hermann Oncken
267
Lorenzen
•
109
Hugo Schmerber
152
Pagel
130
Hugo Schmerber
92
Gotthold Klee
2T2
F. V. Weech
142
Joh, Sass
88
H. Holland
•
154
350
M, Gruber
316
Namenverzeichnis.
467
Name
Buedinger, Max
Buol-Berenberg, Rudolf Freiherr v.
Buschmazm, Johann Joseph
Buz, Friedrich Ritter v.
Chavanne, Joseph
Craemer, Karl
Gramer, Rudolf
Verfasser
Adolf Bauer
F. V, Weech
F, Lauckeri
Lorenzen
IV, Wolkenhauer
S, Günther
Lorensen
Seite
223
141
267
196
260
19S
197
Dahl, Johannes
Debrois v. Bruyck, Karl
Dincklage, Georg v,
Ditfurth, Barthold v.
Dömberg, Ferdinand Freiherr v.
Drach, Emil
Dunker, Wilhelm
Hugo Schnierber
R, M, Werner
Lorenzen
Lorenzen
Lorenzen
F, Brummer
F, Brummer
151
61
232
66
67
21S
147
Eckmann, Otto
Eiben, Eduard
Entreß-FUrsteneck, Eugen Freiherr v.
Eppler, Ghristoph
Ernst, Georg Eberhard
Eulenberg, Hermann
Fäh, Jakob
Fehrenberg, Hans
Fercher, Johann
Ficker, Julius v.
Florschtttz, Paul
Franck, Hermann
Freiberg, Rudolf v.
Friedrike Garoline Juliane, Herzogin zu
Anhalt-Bemburg
Fuhr, Ferdinand
Fulda, Eckart
Füllhorn, George
Funcke, Oskar v.
Fürer, Karl Eduard
Hugo Schmerber
R, Krauß
Lorenzen
F, Brummer
Rudolf Schmidt
Fagel
F, Lauchert
Fhn Losch
Hans von Voltelini
Joh, Sass
R, Krauß
Heinrich Friedjung
Fh, Losch
Fagel
W, Wolkenhauer
F, Brummer
Lorenzen
F, Brummer
36
75
255
176
116
129
293
237
321
299
221
78
350
206
99
295
219
112
246
Gafiner, Andreas
Geertz, Julius
Geiger, Hermann
Gerechter, Siegmund
Gerhardt, Karl
Gildemeister, Otto
Goeben, William v.
Gold Schmidt, Friedrich
Goßler, Gustav von
F. Lauchert
Joh. Sass
F, Lauchert
Ph, Losch
Paget
A, Fitger
Lorenzen
Paul Goldschmidt
Wilh, Schröder
266
221
349
204
87
32
109
81
334
468
Namenverzeichnis .
Name
Graefe, Albert
Granderath, Theodor
Greil, Alois
Gritzner, Maximilian
Grosse, Julius
Grünbeck, Heinrich
Gruttschreiber, Alexander Freiherr v.
Habart, Johann
Hahn, Eugen
Haepe, Hugo
Hartmann, Ludwig
Hartmeyer, Heinrich Emil
Hassenstein, Bnmo
Heinemann, David
Heindl, Franz
Heldreich, Theodor v.
Herrle, Gustav
Hill er, Eduard
Hinrichsen, Siegmund
Hirsch, Jenny
Hofele, Engelbert
Hoffmann, Karl
Hoenig, Fritz
Hoetzl, Petrus v.
Jaeger, Ferdinand
Jordan, Ricardo
Jost, Eduard
Jung, Karl Emil
Kaltenbrunner, Ferdinand
Kampmann, Friedrich
Karion, Alois
Kayser-Langerhannß, Agnes
Keitel, Otto
Keyler, Eugen
Kiesselbach, Wilhelm
Kist, Leopold
Kl äsen, Franz
Kleinschmit, Julius v.
Kloeppel, Peter
Knab, Ferdinand
Knappe, Ernst v.
Köhler, August
Koelle, Sigismund Wilhelm
König, Bruno Emil
Kostersitz, Ubald
Verfasser
Seite
Pagel
130
F. Lauchcrt
265
Hugo Schmerber
149
F, Brummer
173
Wiihtlm Arminius
315
F. Nivard Schlögl
90
Lorenzen
256
R, R. V, Töply
64
Pagel
128
Rob, Fuchs
248
H, Holland
155
Joh, Sass
202
Friedrich Ratsei
29
H Holland
159
A. Birk
210
W, Wolkenhauer
295
IV, Wolkenhauer
295
R. Kratiß
79
Joh. Sass
221
F. Brummer
185
F. Laudiert
307
Lorcnzcn
258
Lorenzen
2S7
F. Lauc/iert
262
Ph. Losch
204
Ph, Losch
205
F. Brummer
220
W. Wolkenhaucr
261
0. Redlich
172
F. Brummer
144
H. V. Zwiedineck-Südcnhorst
320
F. Brummer
»45
H. Holland
160
Lorenzen
103
Pagel
"7
F. Brummer
245
F. Lauchcrt
348
Lorenzen
259
A. Teichmann
131
H Holland
161
Lorenzen
xoo
W. Wolkenhauer
262
W. Wolkenhauer
296
F. Brummer
174
F. Lauchert
332
Namenverzeichnis.
469
Name
Kraetzschmar, Richard
Krause, Albrecht
Kreiten, Wilhelm
Krenn, Edmund
Kriechbaumer, Joseph
Krones, Franz K. v. Marchland
Krupp, Friedrich Alfred
Kruse, Heinrich
Kubier, Paul
Kügler, Max
Kürschner, Joseph
Lahs, Heinrich
Landois, Leonard
Lauser, Wilhelm
Leeb, Michael
Ledochowski, Graf von
Lenz, August
Leonhardi, Bernhard v.
Linnemann, Joh. A.
Linstow, Adolf v.
Löflfler, Philipp
Lohn-Siegel, Anna
Löwy, Josef
Lupin, Hugo v.
Mähly, Jakob
Mandry, Gustav v.
Mantey, Eberhard v.
Marshall, James
Martens, Wilhelm
Massini, Rudolf
Maurer, Joseph Karl
Maurer, Konrad
Meebold, Robert
Meißner, Ernst Adolf
Melchior, Hermann v.
Merkens, Heinrich
Merwart, Paul
Meyer-Fürster, Elsbeth
Müller, Wilhelm
Nachbaur, Franz
Naumann, Karl
Neher, Stephan Jakob
Nirmheim, Karl
Nitsche, Hinrich
Nuhn, Curt
Verfasser
Seite
m. Losch
203
Joh, Sass
200
F. Brummer
146
Hugo Schmerber
169
K, n\ V, Dalla Torre
84
Karl Uhlirz
116
A. Birk
245
Otto Zaretzky
163
Pagel
131
Theodor Lindner
308
198
Ph, Losch
251
Pagel
86
R, Krauß
76
F, Lauchert
262
F. Lauchert
306
Ph. Losch
250
Lorenzen
68
Hugo Schmerber
93
Lorenzen
252
F, Lauchert
307
F. Brummer
186
Hugo Schmerber
170
Lorenzen
99
Hans Trog
69
A. Teichmann
133
Lorenzen
65
Hugo Schmerber
150
A, Teichmann
134
^ggfr
171
F. Brummer
144
A, Teichmann
135
P, Krauß
93
H. Holland
162
Lorenzen
XII
F, Brummer
177
Hugo Schmerber
92
Arthur Eloesser
231
Lorenzen
67
Artkur Freiherr v. Mensi
51
H Holland
166
F. Lauchert
332
Lorenzen
252
Dr. Fürst
158
Ph, Losch
250
470
Namenverzeichnis.
Name
Oechelhaeuser, Wilhelm
Otto, Karl, Maler
Otto, Karl, Theolog
Paulus, Gustav
Pemet, Johannes
Peterson, Louise
Pfeifer, Franz Xaver
Pfeiffer, Urban
Planitz, Paul Edler v. der
Planta, Conradin v.
Podesta, Auguste
Prenninger, Karl
Pressel, Wilhelm
Preufl-Laudien, Henriette
Pustet, Friedrich
Reimarus, Hans
Reischek, Andreas
Reuter, Theodor
Ricker, Anselm
Röhl, Johannes
Schede, Max
Schell, Otto V.
Schmeling, Cyrus v.
Schmidt, Auguste
Schmidt, Otto Ritter v.
Scholderer, Otto
Schoene, Hermann
Schramm, Romuald
Schraudolph, Claudius v.
Schuback, Emil
Schuh, Hermine
Schultheis, Leonhard
Schwank, Joseph
Schwendy, Albert
Schwoiser, Eduard
Seehagen, Oswald
Selenka, Emil
Seuffer, Gustav
Siegmund, Gustav
Simar, Hubert Theophil
Simion, Leonhardt
Skrzeczka, Karl
Sommervogel, Carlos
Stahl, Ignaz
Verfasser
Seite
IVÜAelm Klebe
54
IL Hoüand
167
F, Lauckcrt
264
Lorenzen
253
A, IVeilenmann
"3
F, Brummer
H5
F. Laucheri
333
H, HoUand
168
Lorenzen
104
Thn Sprecher v. Bernegg
71
Ph, Losch
241
A, Birk
211
A, Birk
242
F, Brummer
17s
Rudolf Schmidt
331
Rudolf Schmidt
114
IV. IVolkenhauer
261
A. Birk
209
C. Wolfsgruber
"3
Dr. Johnen
294
Paget
126
I^orenzen
254
Lorenzen
255
F, Brummer.
184
Lorenzen
233
Hugo Schmerber
169
Hugo Thimig
17S
F. Lauchert
294
IL Holland
iSS
Joh. Sass
222
y. Wiesner
347
Ph, Losch
241
Ph, Losch
24a
Hugo Schmerber
170
IL Holland
1S9
Rudolf Schmidt
115
IV, Wolkenhauer
296
R. Krauß
157
läget
12S
F, Lauchert
292
Rudolf Schmidt
115
Paget
87
F, Lauchert
290
F, Lauchert
267
Namenverzeichnis.
471
Name
Stauber, Karl
Stern, Josef
Stern, Wilhelm
Steyrer, Qemens
Stiefelhagen, Ferdinand
Stöckli, Augustin
Struck, Heinrich
Trautraann, Ferdinand
Turba, Sidonie
Verfasser
H, Holland
Sitgmund Schott
Robert Fuchs
H, Holland
F, Lauchert
F, Lauchert
Paget
Paget
Ph, Losch
Seite
193
312
241
193
349
308
130
97
239
Vahlkampf, Eugen v.
Vilmar, Wilhelm
Virchow, Rudolf
Voigt, Ernst
Voigts-Rhetz, William v.
Lcrenzen
Ph, Losch
von Hansemann
Paul Goldschmidt
Lorensen
HO
238
352
105
102
Waechter, Oskar v.
Walker, Franz
W^aldersee, Fritz Graf v.
Wasmer, Edmund v.
Wehofer, Thomas Maria
W^eidling, Friedrich
Wertheimer, Gustav
Wesendonk, Mathilde
Wiehert, Felix
Wolff, Julius
Wömdle v. Adelsfried, August
Wulffen, Ferdinand v.
W^urmb, Karl v.
P, Krauß
H, Holland
LorenMen
Lorenzen
F. Lauchert
Rudolf Schmidt
Hugo Schmerber
fV. Goliher
Hugo Schmerber
Paget
Hugo Schmerber
Lorenzen
Loren&en
94
194
234
235
263
114
lOI
62
lOI
98
235
236
Zangerle, Joseph A.
Zardetti, Otto
Ziemssen, Hugo v.
Zoller, Edmund v.
F, Brummer
F. Lauchert
Max Neuburger
R, Krauß
145
291
43
96
IL Alphabetisches Namenverzeichnis
zu den
Nachträgen und Ergänzungen.
Name
Behncke, Gustav
Christen, Ada
Costenoble, Hermann
Czeiny, Albin
Demuth, Theodor
Verfasser
L. Schumacher
Hans SiUenbergir
Rudolf Schmidt
Haessel, Hermann
Henfurth, Ernst Ludwig Arndt
Hoefer, Herrmann Rudolf Schmidt
Hohenlohe-Schillingsfürst, Fürst Chlodwig zu Ernst Hauviller
Hopfen, Franz Freiherr von Friedrich Schmid
Janke, Gustav
Kaibel, Georg
Karlweis, C,
Müller, Adolf
MüUer, N. J. Carl
Radnitzky, Karl
Reeß, Max
Richter, Richard
Schweinitz, Lothar von
Sicherer, Hermann von
Spamer, Hugo
Stallo, John Bernhard
Susemihl, Franz
Teuber, Oskar
Toeche, Ernst
Viktoria
Wahlberg, Wilhelm Emil
Rudolf Schmidt
Friedrich Leo
Hans Sittenberger
Richard Heuherger
K. Linsbauer
Eduard Leisching
AL Rikli
Johannes Ilberg
Thilo Krieg
Lothar v. Seuffert
Rudolf Schmidt
W, Wolkenhauer
Georg Knaack
Rudolf Schmidt
Karl Schrader
Edmund Benedikt
Seite
447
393
370
451
435
367
363
405
410
373
369
442
445
450
36s
406
435
397
407
437
406
362
390
434
40s
451
37€>
TOTENLISTE
1902
Biog-r. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog^. 7. Bd.
Ein Stern (*) vor dem Namen bezeichnet, daß das Biographische Jahrbuch dem
Toten einen eigenen Nekrolog gewidmet hat, auf den mit By unter Angabe von Band' und
Seitenzahl verwiesen ist; die am Schlüsse jedes Artikels der Totenliste angeführte Literatur
verzeichnet die Quellen des Bearbeiters und gibt auch weitere, zum Teil aus zweiter Hand
geschöpfte Hinweise; L deutet dabei an, daß am betreffenden Orte sich weitere Literatur
über den Verstorbenen vorfindet, W, daß dort ein Verzeichnis seiner Werke, P, daß ein
Porträt beigegeben ist, — Andere Abkürzungen sind (die genaueren Titel in BJ HI,
lä^ff:):
Brummer = F, Brummer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neun-
zehnten Jahrhunderts — BZ = Dietrich, Bibliographie der Zeitschriftenliteratur — KL =
Kürschner, Literaturkalender — Paget = J, Paget, Biographisches Lexikon hervorragender
Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts — Poggendorff =^ J. C. Poggendorff, Biographisch-
literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften — Riefnann =
//. Riemann, Musiklexikon,
München, im November 1(^04. Dr, Georg Wolff
^Acton, John Emerich Dalberg Lord, engl.
Pair, Regius Professor f. Geschichte an d.
Universität Cambridge, Historiker u. Publi-
zist; • Neapel lo. I. 1834; f Tegemsee b.
München 19. VI. — BJ VII, 16 (Lady
Blennerhasset) ; BZ 11, 55. 13, 56 (Zeit-
. Schrift für Bücherfreunde 1902, 386: L.
Fränkel; Germania 1902 Wissenschaftl. Beil.
Nr. 50: A. Zimmermann; Preuß. Jahrbücher
114, 193: J. Brj'ce; Sitzungsber. d. bayr.
Akad. d. Wissensch. 1902 Philos.-Hist. Cl.
S. 246: J. Friedrich).
Agricola, Otto, Geh. Regierungsrat, Landrat
d. Kreises Kreuznach, Ehrenbürger dieser
Stadt, Mitgl. d. preufi. Abgeordnetenhauses
(frei konservativ); * Gotha 1829; f Kreuz-
nach 27. XII. — 111. Ztg. 120, 49.
Aichelburg, Eugen (Eugy) Graf von u. zu,
hT. Dichter; • Schloß Feistritz im Mürztal
24. VIII. 1862; t Laibach 25. IIL — KL
24, 10 (W). 25, 42; BrümmerS l, 435
(mit W).
Alban, Lork (Pseud.), Schriftsteller: I^öhn-
Siegel, M. A. v.
Albers, Gottfried Adolf Matthias, Commo-
dore, rangältester Kapitän der Hamburg-
Amerika-Linie; * Hamburg 4. VI. 1843;
t ebenda 29. IV. — 111. Ztg. n8, 692 (mit
P) ; Woche 4, 784 (P).
* Albert Friedrich August Ferdinand Joseph
Karl Maria Baptist Ncpomuk Wilhelm Xaver
Georg Fidelis König von Sachsen etc.;
• Dresden 23. VIII. 1828; f Sibyllenort
(Schlesien) 19. VI. — BJ VII, 3 (Kämmel);
Goth. Hofkalender 1902, 85. 1903, 86; 111.
Ztg. 118 Nr. 3078 u. 3081 (M. Dittrich u.
H. G. Zimmermann, mit zahlr. Illustr.);
Woche 4 Nr. 26 (mit Illustr.); Georg, Schlag-
wortkatalog 4 (Hannover 1903), 33 f. (L);
BZ II, 57. 12, 59 (L).
♦Albert Heinrich Joseph Karl Viktor Georg
Fried rieh Prinz v. Sachsen- Altenburg, Herzog
zu Sachsen, k. preuß. u. k. sächs. General
d. Kavallerie a la suite der Armee, ehemal.
kais. russ. Generalmajor; * München 14. IV.
1843; + Schloß Serrahn (Mecklenburg-
Schwerin) «2. V. — BJ VII, 99 (Lorenzen);
111. Ztg. 118, 829; Woche 4, 991. 995 (P);
BZ II, 57 (Militärztg. 1902 Nr. 22); Goth.
Hof kalender 1902, 82. 1903, 82.
♦Allmers, Hermann, Dichter u. Schriftsteller;
♦ Rechtenfleth bei Bremen ii. II. 182 1;
t ebenda 9. III. — BJ VII, 297 (L. Bräuti-
gam); ni. Ztg. 118,391. 394. 395 (mitP);
Woche 4 Nr. II S. JV (P. Remer). S. 543
(P u. Illustr.); KL 24, 14 (W). 25, 42;
Geograph. Jahrbuch 26, 423 (Wolkenhauer,
mit L); BrümmerS 1, 33. 437 (mit W);
BZ IG, 46. II, 59. 12, 60 (Grenzboten 1902
Nr. 17: E. A. V. d. Weser; Das Land 1902,
303: H. Jahnke; Ebenda 1902, 226 u. Der
Türmer 1902 April: E. Kalkschmidt; Nation
1902 Nr. 24 : Fitger; Deutsches Protestanten-
blatt 1902 Nr. 15: L. Bräutigam; Leipz.
Ztg. 1902 Wissensch. Beil. Nr. 33: A. Se-
merau; Jahrbuch f. d. Geschichte d. Her-
zogt. Oldenburg 1 1, 165 ; Antiquitäten-Rund-
schau 1903 Nr. I: G. A. Müller, H. A. als
Sammler); Allmersbuch. Hrsg. von L.
Bräutigam. Goslar 1901 ; A. Schwartz, H.
A. in Rom. Oldenburg 1901 ; R. M. Meyer,
Grundriß d. neueren deutschen Literatur-
gesch. Nr. 3043 — 48 (L); Hinrichsen, D.
literar. Deutschland* 16.
Almeida, Carl August Graf v., k. bayer.
Kämmerer, vermählt mit Helene Fürstin v.
Wrede; • Lissabon 10. V. 1846; f München
21. VII. — Gräfl. Taschenbuch 1903, 18;
Hof kalender 1903, 461.
Andresen, Emmerich, k. sächs. Hofrat, Pro-
fessor, Vorsteher d. Bildhauer- Ateliers d.
k. Porzellan-Manufaktur in Meißen ; * Ütersen
(Holstein) 1843; t Meißen 7. X. — Jahr-
buch d. bild. Kunst 2, 102; Müller-Singer,
Allgemeines KünstlerIesikon3 i, 27.
Anfermann, Wilhelm, früherer Vorsitzender
d. Neuyorker Schillerkomitees ; f Wiesbaden,
im 77. Jahre, 11. X. — Woche 4, 1937.
Anhalt, Bathildis Prinzessin v. Schaumburg-
Lippe, geb. Prinzessin v. : s. Bathildis.
Anhalt-Bemburg, Friederike Herzogin v.:
s. Friederike.
Anna Karoline Luise Adelheid Prinzessin zu
Bentheim-Tecklenburg, geb. Prinzessin Reuß
Totenliste 1902 : Anschütz — Banhans.
8*
j. L., Witwe d. 1874 f Adolf Prinzen zu
B.-T.; •Gera 16. XU. 1822; f Rudolstadt
I. IV. — Goth. Hofkalender 1903, 69. iio.
•Anschütz, Ludwig, großhgl. hess. General-
major z.D.; •Worms 14. IX. 1820; f Darm-
stadt 14. V. — BJ VII, 195 (Lorenzen).
Anthony, Wilhelm (Pseudon.), Schauspieler
u. Dichter: s. Asmus, Wilhelm.
Antoine-Feill, Heinrich Franz Angely, Dr,
Jur.t Rechtsanwalt in Hamburg, Vorsitzender
der hanseat. Anwaltskammer; f Hamburg,
83 Jahre alt, 7. V. — 111. Ztg. 118, 751.
Appel, Ernst Emil Albert Julius, Dr. med,,
Geh. Sanitätsrat in Brandenburg a. H.;
* Potsdam 3. XII. 1832: f Brandenburg
a. H. 18. IV. — Virchows Jahresberichte
37, I, 410 (Pagel); Vita in A.s. Disser-
tation: Defebri puerperali, Gryphiae 1859.
S. 29—31.
Ardeck, Friedrich Wilhelm Prinz v., k.
preuß. Rittmeister a la suHc d. Armee, Sohn
d. Prinzen Wilhelm v. Hessen-Philippsthal -
Barchfeld u. d. Prinzessin Marie v. Hanau;
* Offenbach a. M. 2. XI. 1858; f Wilhelms-
höhe b. Warmbrunn (Riesengeb.) i . IV. —
Goth. Hofkalender 1902, 243. 1903, 241;
111. Ztg. 108, 547.
Arendt, Karl, Dr,phil,^ Professor d. Chines.
am Oriental. Seminar in Berlin; f daselbst
30. I. — Woche 4, 228; KL 24, 22. 25,
42; BZ II, 66 (Mitteilungen d. Seminars
f. oriental. Sprachen 1902, i. Abt., S. 174
mit P: Merklinghaus, S. 177: K. Roy);
Oriental. Bibliographie 16 (1902), 14 (Scher-
man, L).
•Arendt, Olga, Gattin d. freikonserv. Parla-
mentariers Dr. Otto A., Tochter v. Lina
Morgenstern, Schriftstellerin u.Dichterin ;
* Berlin 19. XI. 1859; f ebenda 29. V. —
BJ VII, 148 (F. Brummer); KL 24, 23 (W).
25, 42; Brummer 5 i, 44 (mit W); Pataky,
Lexikon deutscher Frauen d. Feder i, 16;
D. geistige Berlin i, 4.
Arendt, Rudolf Friedrich Eugen, Z?r./^*7,,
Professor, früher Lehrer an d. Handelslehr-
anstalt in Leipzig, Redakteur d. »Chem.
Zentralblatt«, Chemiker; • Frankfurt a. O.
I. IV. 1828; t Leipzig 14. IV. — 111. Ztg.
118, 777; KL 24, 23 (W). 25, 42; Leo-
poldina 38, 59. 77; BZ 12, 68 (Pädagog.
Archiv u. Zentralbl. f. d. Interessen d. Real-
schulw. 1903, 341 : L. Doermer; Berichte
d. Deutschen chem. Gesellsch. 35, 4542:
F. Etzold); Poggendorff 3, 39. 4, 36 (mit
W); D. literar. Leipzig 242 (mit W).
Arndt, Arno Willibald v., k. preuß. General
d. Infanterie z. D., zuletzt Gouverneur v.
Metz, der letzte Enkel v. Ernst Moritz A.;
t Baden-Baden, im 68. J., 3. XII. — 111.
Ztg. 119, 923.
Amefeldt, Fritz (Pseudon.) : s. H i r s c h , Jenny.
Amet, Franz Xaver, Arzt in Root b. Luzern ;
f, im 44. Jahre, 13. IX. — BZ ii, 66
(Korrespondenzblatt f. Schweizer Arzte 1902,
706: S. Paly).
Arons, Philipp, Porträt- und Genremaler;
• Berlin 17. IX. 1822; f Rinteln 19. XI.—
111. Ztg. 119, 827.
Aeskulap (Pseudon.), Schriftsteller: s. Pe-
terson, Luise.
•Asmus, Wilhelm (Pseudon.: W.Anthony),
Schauspieler u. Dichter, Chefredakteur d.
»Weimar. Ztg.«; • Lübeck 17. II. 1837;
t Weimar 20. II. — BJ VII, 247 (Brummer) ;
KL 24, 29 (W). 25, 42; Brummer 5 i, 41
(mit W) ; Flüggen, Biograph. Bühnenlexikon
1,7; Hinrichsen, D. literar. Deutschland > 36.
Augustin, Karl, Wirkl. Geh. Oberfinanzrat,
bis 1884 Provinzialsteuerdirektor in Breslau ;
t, 94 Jahre alt, 17. XI. — Voss. Ztg. 1902
Nr. 605 Beil. 8.
Babucke, Heinrich, Dr, phiL, Direktor;
• Königsberg 6. I. 1841 ; f daselbst 15. XI.
— Altpreuß. Monatsschrift 40, 464 (Rind-
fleisch, L: Königsberger Allg. Ztg. 1902
Nr. 542 Beil. i [VVilh.J U[ngewitter]).
Bach, Leonhard Emil, Pianist u. Komponist
(auch V. Opern) in London; * Posen 11. 111.
1849; t London 15. II. — Monatshefte f.
Musikgesch. 35, 1 16 (Lüstner, mit L); Frank,
Tonkünstlerlexikon 9 13; RiemannS 66;
Mendel-Reißmann, Musikal. Konversations-
lexikon I, 405.
Badenhausen, Edmund, Kapitän d. Hamburg-
Amerikan. Packetfahrt -Aktiengesellschaft,
Vorsteher v. Hobokener Dock ; f im Herbst.
— Woche 4, 2106. 2108 (P).
Bader, Carola, verehel. Blacker: s. Blacker»
Carola.
Bahn, Martin, Hof-Buch- u. Musikalienhändler
(Firma: M. Bahn Verlag, früher T. Traut-
wein) in Berlin ; t daselbst, 76 Jahre alj,
21. V. — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
116 (Lüstner, mit L).
Baker, Adine v., verehel. Gemberg, Schrift-
stellerin: s. Gemberg, Adine.
Banhans, Anton Freih. v., Dr. jur.^ k. u. k.
Wirkl. Geheimer Rat, Minister a. D., Präsi-
dent d.Donau-DampfschifTahrts-Gesellschaft
u. d. Österr. Reichsforst Vereins, Kurator d.
k. k. österr. Handelsmuseums, Ehrenbürger
vieler Städte und Gemeinden; * Michelob
(Böhmen) 8. XI. 1825; f Wien 26. V. —
Freiherrl. Taschenbuch 1901,28. 1903,28;
111. Ztg. 118,857; Woche 4, 991 (P); BZ
10, 62. II, 74 '('^entralblatt f. d. gesamte
Forstwesen 1902, 282; Mitteilungen d. k. k.
technolog. Gewerbemuseums in Wien 1902 ,
85: W. Exner); Meyers Konv.-Lex.^ 2
332. •
1*
Totenliste 1902: Bargheer — Beely.
IC)
*
Bargheer, Karl Louis, Hof kapellmeister a. D. ;
* Btickeburg 31. XII. 1831; t Hamburg
19. V, — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
1 1 6 (Lüstner, mit L).
Bargum, Ludolph Conrad, Ingenieur, früher
Baupolizeiinspektor in Hamburg; • Kiel
13. VII. 1832; t VVilhelmshöhe b. Kassel,
in einer Kuranstalt, 3. VII. — Deutsche
Bauztg. 36, 388 (Cl.).
Bartsch von Sigsfeld, Hans, Hauptmann im
preuß. Luftschifferbataillon; f auf einer
Wissenschaft!. Ballonfahrt in Zwyndrecht b.
Antwerpen i. IL — 111. Ztg. 118, 227. 231
(mit Illustr.); Woche 4, 226. 228 (P); BZ
10» 63 (Verhandlungen der deutschen phy-
sikal. Gesellschaft 1902, 88: R. Bömstein).
*Barttruif, Ferdinand Karl v., k. Württem-
berg. Generalmajor a. D. ; * Ludwigsburg
23. IX. 1819; t Stuttgart 16. VII. — BJ
VII, 196 (Lorenzen); Württemberg. Jahr-
bücher f. Statistik u. Landesk. 1902, IV
(Hartmann, L).
^Barvitius, Viktor Anton, Maler, früher
Direktor d. Gemäldegalerie inPrag: * 28. III.
1834; t Prag 9- VI. — BJ VII, 102 (H.
Schmerber); Jahrbuch d. bildenden Kunst
2, 102; 111. Ztg. 118, 935; Deutsche Arbeit
in Böhmen i, 99s (K. Krattner).
Basch, Julius, Dr, phil.^ Finanzschriftsteller,
Redakteur d. Handelsteils d. »Xationalztg.«;
* 12. V. 1831; t Berlin 13. I. - lU. Ztg.
118, 135; KL 24, 53. 25,42.
^Basedow, M. P. Friedrich, Lehrer u. Schrift-
steller in Adelaide; * Dreckharburg im
Lüneburgischen 25. IX. 1829; f Adelaide
12. III. — BJ VII, 295 (W. Wolkenhauer).
Bathildis Amalgunde Prinzessin zu Schaum-
burg-Lippe, Gemahlin d. Prinzen Wilhelm,
geb.Prinzessin V.Anhalt; * Dessau 29. XII.
1S37; f Schloß Nachod (Böhmen) 10. IL
— 111. Ztg. 118, 272; Goth. Hofkalender
1903. 4.
* Bauer, Heinrich, Dichter u. Schriftsteller,
Journalist; • Stuttgart 9. II. 1838; f Berlin
8. VII. — BJ VII, 73 (R. Krauß); KL 24,
59 (W).
^Baumberg, Antonie, geb. Poisard , verehel.
Kreiml, Dichterin; * Baumgartenberg b.
Berg (Oberösterr.) 24. IV. 1859; f Wien
15. IV. — BJ VII, 48 (Goswina v. Ber-
lepsch); IlL Ztg. 118, 623; KL 24, 772 (W).
25, 45; BZ 10, 64. 12, 79 (Die Gesellschaft
1902, II, 381: O. Wemeck; Zeit 1902 Nr.
394: M. Finder; Die Wage 1902 Nr. 18:
O. Stoessl; Dokumente der Frauen 7, 85:
St. Grossmann; Neue Freie Presse 1902
April 14: Marie Schmiedl).
Baumeister (eigentlich Bau mü II er), An-
tonie, verehel. v. Jagemann, Tochter d.
Schauspielers Wilhelm B., Schauspielerin
am Berliner Theater (kom. Alte) ; * Hamburg
23. XI. 1842; + Berlin 27. X. — 111. Ztg.
1 19, 695 ; Flüggen, Biograph. Bühnen-Lexi-
kon I, 16; Eisenberg, Großes biograph.
Lexikon d. Deutschen Bühne 60.
Baumgart, Max, Dr, phiL, — Vgl. BJ VI, 10
• : vielmehr am 20. I. 1902 f ? (Voss. Ztg.
1903 Nr. 7 Beil. 2; KL 25, 41).
Baumgärtel, Wilhelm, Gasfabrikdirektor a.D. ;
• Wunsiedel 23. IX. 1829; f Hof (Bayern)
20. VI. — Journal f. Gasbeleuchtung 45,
534 (H. Baumgärtel).
Baumüller, Antonie, Schauspielerin: s. Bau-
meister, Antonie.
Bayer, Philipp Jacob, Rechtsanwalt in Bam-
berg, Mitglied des Deutschen Reichstags
(Zentrum); ♦ Würzburg 26. VI. 1868; t 8.
VI. — Voss. Ztg. 1902 Nr. 609 Beil. i ;
Kürschner, Reichstag 1898 — 1903, 264
(mit P).
Bayer, Karl Emmerich Robert v. (Pseudon. :
Robert Byr), k. k. Rittmeister a. D., Ro-
manschriftsteller; • Bregenz 15. IV. 1835;
t ebenda 30. VI. — KL 24. 65 (W). 25,
43; Hinrichsen, D. literar. Deutschland* 78
(mit W); Brummers i, 83. 455 (mit W).
Bayha, Friedrich, Gasthof besitz, in Tübingen,
ehemal. Mitgl. d. Württemberg. Landtags
u. Deutschen Reichstags (deutschparteil.) ;
• 1832; t Tübingen 18. VL — Woche 4,
II 12; Schoenfelds Notizb. f. Reichstags-
wähler 5 319; Württemberg. Jahrbücher f.
Statistik u. Landeskunde 1902, IV (Hart-
mann, L: Schwab. Kronik 1902 Xr. 277.
283).
^Beaulieu, Gertraut Chäles de (G. v. Beau-
lieu), Schriftstellerin u. Dichterin; •Frank-
furt a. O. 17. III. 1846; t Spandau 22. XII.
— BJ VII, 219 (Brummer); Patak)-, Lexikon
deutscher Frauen d. Feder i, 44 (mit W).
2, 479; BrümmerS i, 84. 455 (mit W).
Becker - Ranco, Luise, Opernsängerin (dra-
mat. Partien); * Nürnberg 26. V. 1868;
f Altenburg 18. IV. — Monatshefte f. Mu-
sikgesch. 35, 116 (Lüstner, mit L).
•Beckmann, Konrad, Genremaler in München ;
• Hannover 21. VI. 1846; f München 3. 1.
— BJ VII, 153 (H. Holland); D. geistige
Deutschland i, 35; Jahrbuch d. bildenden
Kunst 2, 102.
Beckmann, Ludwig, Tiermaler u. Illustrator
in Düsseldorf; * Hannover 21. II. 1822;
f Lohausen b. Kaiserswert i . VIII. — 111.
Ztg. 119, 195; Woche 4, 1482; Jahrbuch
d. bildenden Kunst 2, 102.
Beely, Florian, Dr. med.y Sanitätsrat, Ortho-
päd in Berlin; ♦ Cöln 24. I. 1846; f Berlin
30. IV. — Leopoldina 38, 77; Virchows
Jahresberichte 37, I, 410 (Pagel, mit L:
Verhandlungen d. Vereins f. innere Medizin
II
Totenliste 1902 : Beer — Bergson.
12*
1902 Mai 5; Deutsche Medizin. Wochen-
schrift 1902 Nr. 22 S. 165); Verzeichnis d.
Berliner Univ.-Schriften 18 10 — 85 (Berlin
1898) Nr. 6871.
•Beer, Adolf, Dr, phiL, k. k. Ministerial- u.
Hofrat, o. Prof. d. Geschichte an d. Techn.
Hochschule in Wien, Mitglied d. Herren-
hauses d. Österreich. Reichsrats, Historiker
und Nationalökonom; * Proßnitz (Mähren)
27. II. 1831 ; t Wien 7. V. — BJ VII, 321
(Pribram); KL 24, 71 (W). 25, 43; S. Hahn,
Reichsrats- Almanach f. d. Session 189 1/2
(Wien 1891), 127 (mit W); BZ 11, 77
(Österr. Mittelschule 1902, 364: S. Gorge).
Beerfelde, Georg v., Majoratsherr, k. preuß.
Major a. D., Mitglied des preuß. Herren-
hauses; f auf Schloß Sommerfeld 19. (oder
20.?) I. — Voss. Ztg. 1902 Nr. 609 Beil 2;
Woche 4, 136.
•Behr, Friedrich, vormals Professor an der
Friedrich -Eugens -Realschule in Stuttgart,
Geograph und Kartograph; * Friedrichs-
hafen am Bodensee 17. XII. 18 16; f Stutt-
gart 9. XI. — BJ VII, 259 (W. VVolken-
hauer) ; Geograph. Jahrb. 26, 424 (W. Wol-
kenhauer, mit L u. W) ; Württemberg. Jahr-
bücher f. Statistik u. Landeskunde 1902
(Hartmann, L).
Behr-Negendank, Ulrich Karl August Wil-
helm Hermann Axel, Fideikommißherr, Erb-
u. Schloßgesessener auf Semlow, Herr auf
Dölitz u. Kranichshof (Mecklenburg-Schwe-
rin), Erbküchenmeister d. Fürstent. Rügen
u. d. Lande Barth, erbl. Mitglied d. preuß.
Herrenhauses, k. preuß. Kammerherr und
Wirkl. Geheimer Rat, früher Oberpräsident
d. Provinz Pommern, ehemal. Mitglied d.
Deutschen Reichstags (Reichspartei) ; * Sem-
low (Neu Vorpommern) 9. V. 1826; f da-
selbst 8. IX. — Gräfl. Taschenbuch 1903,
70. 1025; 111. Ztg. 119, 423.
Behrens, Karl Wilhelm Berthold August,
Bildhauer in Würzburg; * Gotha 16. II.
1836; t Würzburg 20. X. — Woche 4,
1981; D. geistige Deutschland 1,41.
Behringer, Wilhelm v., k. bayr. Ministerial-
rat a. D., früher Mitglied des Deutschen
Reichstags (lib. Reichspartei); * Baben-
hauseni.B. i.Xl. 1820; f München 29. VIII.
— Woche 4, 1670; Schönfeld, Notizbuch
f. Reichstagswählers 288.
*Behrle, Rudolf, Dr, theol., Domkapitular in
Freiburg i. Br., apostol. Protonotar u. päpstl.
Hausprälat, Volksschriftsteller; • Herbolz-
heim in Baden 17. IV. 1826; f Freiburg
i. Br. 18. XI. — BJ VII, 143 (F. Brummer);
Krümmers i, 93 (mit W); KL 24,75 (W).
25, 43; Keiter-Jörg, Kathol. Literaturka-
lender 6, 17; Wienstein, Lexikon d. kathol.
deutschen Dichter 27 (mit W); Theolog.
Jahresbericht 1902, 1435 (Nestle); Ztschr.
f. d. Geschichte d. Oberrheins 57 (1903),
387 (Frankhauser, L: K. Mayer, R. B. Ge-
denkblatt. Freiburg 1902; Oberrhein. Pasto-
ralblatt 4, 385).
*Belcredi, Richard Graf v., k. u. k. Kämmerer,
Geheimer Rat, Staatsminister u. vorm. Präsi-
dent d. Verwaltungsgerichtshofes, Mitglied
d. Herrenhauses des Österreich. Reichsrats
auf Lebenszeit; * Ingrowitz 12. IL 1823;
t Gmunden 2.'XII. — BJ VII, 21 (Fried-
rich Graf Schönbom); Gräß. Taschenbuch
1903,71; S. Hahn, Reichsrats - Almanach
f. d. Session 189 1/2, 13.
Belgien : Maria Henriette Königin d. Belgier,
geb. Erzherzogin v. Österreich: s. Maria
Henriette.
Bellini, Amalie (Theatemame), Opernsän-
gerin: s. Hruschowsky v. Hruschowa,
Amalie.
Bender, Ferdinand, Dr, theol.^ Oberhofpre-
diger in Darmstadt; * daselbst 9. VIII. 1816;
f ebenda 27. V. — Theolog. Jahresbericht
22 (1902), 1435 (Nestle, mit L).
Bennigsen, Anna Luise Wilhelmine v.,
geb. v. Reden, Gemahlin des folgenden;
* Hastenbeck 10. IV. 1S34; j Bennigsen
12. VII. — Woche 4, 1330; Goth. Genealog.
Taschenbuch d. Adl. Häuser 1903, 104.
^Bennigsen, Karl Wilhelm Rudolf v., Po-
litiker, Dr, Jur, et med. h. r., K. preuß.
Wirkl. Geheimer Rat, Oberpräsident a. D.
u. Mitglied d. Staatsrats; * Lüneburg
10. VII. 1824; f auf s. Gute Bennigsen
am Deister 7. VIII. — BJ VII, 267 (Herm.
Oncken).
Bentheim-Tecklenburg, Anna Prinzessin zu,
geb. Prinzessin Reufi j. L. : s. Anna.
Berg, Carl (Carlos), Direktor d. Argentin.
Nationalmuseums in Buenos Aires; * auf
d. Gute Senten (Kurland); f Buenos Aires
19. III. — 111. Ztg. 118, 391; Virchows
Jahresberichte 37, I, 411 (Pagel); Geo-
graphen-Kalender I, 214 (H. Haack);
BZ II, 79 (Korrespondenzblatt d. Natur-
forschervereins Riga 45, i: G. Schweder).
•Berg, Franz Ritter v., k. bayer. General-
Leutnant i, D,\ * Eschweilerhof (Rhein-
pfalz) 18. III. 1831; t München 9. VIII.
— BJ VII, 109 (Lorenzen); BZ 11, 79
(Militärztg. 1902 Nr. 34).
•Berger, Julius Viktor v., Maler, Professor
an d. Akademie d. bildenden Künste in
Wien; ♦ Neutitschein (Mähren) 10. VII.
1850; t Wien 17. XL — BJ VII, 152
(H. Schmerber).
•Bergson, Josef, Dr, med., Privatdozent f.
innere Medizin an d. Univ. Berlin; • War-
schau 9, XI. 1812; f Berlin 13. IX. —
BJ VII, 130 (Pagel).
13
«
Totenliste 1902: Beringer — Bingner.
14'
Beringer, Hans, k. bayer. Telegraphenin-
spektor a. D., Gründer d. Berliner Ticr-
schutzvereins ; f Berlin 23. IV. — Woche 4,
784. 786. 790 (P).
Bernatz, Peter, Stadtbaurat f. d. Hochbau-
wesen in Würzburg; * München 1862;
t Würzburg 9. I. — Deutsche Bauztg. 36,
64; BZ lo, 67 (^Gemeinnützige polytechn.
Monatsschrift 1902, 17).
Bernatzik, Wenzel, Dr., Professor, k. k. Re-
gierungsrat, Mitglied d. Militär-Sanitäts-
komitees u. Inspektor d. Militär-Medika-
mentenregie in Wien, Pharmakolog; * Te-
schen 24. I. 1821; f Wien 7. XII. —
111. Ztg. 119, 968; Virchows Jahresbe-
richte 37, I, 411 (Pagel, mit L: Wiener
Medizin. Wochenschrift 1902, 2398); BZ 12,
83 (Wiener Klin. Wochenschrift 1093, 283 :
A. Vogl).
^Bernhard, Heinrich, Glasmaler, Direktor d.
k. preufl. Instituts f. Glasmalerei in Char-
lottenburg; • Wünschelburg (Grafschaft
Glatz) 22. VTII, 1847; t Charlottcnburg
2. XI. ~ BJ VII, 92 (H. Schmerbcr).
Bernhardt, Johann Friedrich, Wirkl. (iehei-
mer Oberbaurat, bis 1898 vortragender
Rat in d. Bauabteilung d. preufi. Kriegs-
ministeriums; f 8. IX. — Voss. Ztg. 1902
Nr. 605 Beil. 8.
Bemuth, Julius v., Professor, Musikdirigent
u. Komponist, Direktor des Konservatori-
ums u. Leiter der Philharmonischen Kon-
zerte wie d. Singakademie in Hamburg;
• Rees (Rheinprov.) 8. VIII. 1830; f Ham-
burg 24. XII. — Monatshefte für Musik-
gesch. 35, 116 (Lüstner, mit L); RiemannS
iio; 111. Ztg. 120, 49.
Bethmann, Simon Moritz v., Mitinhaber d.
Bankhauses Gebr. Bethmann in Frankfurt a.
M.; f Königstein (Taunus) 5. IX. —
Woche 4, 17 12.
Betke, Paul Martin, k. preuß. Geheimer
Oberregierungsrat u. vortragender Rat d.
Oberrechnungskammer; f Potsdam, 70 Jahre
alt, 10. 1. — Voss. Ztg. 1902 Nr. 605 Beil. 8.
Beulwitz, Franz Wilhelm Ludwig Freih. v.,
k. Württemberg. Generalmajor z. D. u. Ad-
jutant d. Königs, zuletzt Kommandeur d.
Artillerie-Brigade; * Ellwangen 6. XI.
181 2; f Jeutendorf (Niederösterreich)
17. XII. — Freiherrl. Taschenbuch 1902,
26. 1904, 25; Württemberg. Jahrbücher f.
Statistik u. Landeskunde 1902 (Hartmann,
L: Schwab. Merkur 1903 Nr. 16).
Bibl, Rudolf, k. k. Hofkapellmeister, Kirchen-
komponist; • Wien 6. I. 1832; f daselbst
2. VIII. — 111. Ztg. 119, 243; Monatshefte
f. Musikgesch. 35, 116 (Lüstner, mit L);
Rheinhardt, Biographien d.Wiener Künstler
u. Schriftsteller 535; RiemannS 115.
Bidder, Ernst Friedrich, Dr. tned,, Gynä-
kolog, früher Professor am Hebammenin-
stitut u. an d. Gebäranstalt d. Kaiser!. In-
stituts in St. Petersburg; ♦ Dorpat 19. X.
1839; t Eisenach 21. XI. — 111. Ztg. 119,
923; Virchows Jahresberichte 37, I, 411
(Pagel, mit L : Petersburger Medizin. Wo-
chenschrift 1902 Nr. 47: W. Beckmann);
Pagel 166.
Bielefeld, Joseph, k. k. österr.-ungar. Konsul,
Verlagsbuchhändler in Karlsruhe (A. Biele-
felds Hof buchhandlung) ; * daselbst 5. VIII.
1841; t ebenda 28. VII. — Woche 4,
1 43 1 ; Börsenblatt f. d. deutschen Buch-
handel 1902, 6017. 6024. 6044. 6070;
Bad. Landesztg. 1902 Juli 28 Abendblatt.
^Bielschowsky, Albert, Dr, phtl., Goethe-
forscher; * Namslau (Schlesien) 3. I. 1847;
t Beriin 21. X. — BJ VII, 212 (G. Klee);
KI. 24, 106 (W). 25, 43-
Bierstadt, Albert, Landschaftsmaler in Neu-
york; * Solingen (oder Düsseldorf?) 7. I.
1830; f Irvington am Hudson 19. II. —
Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 103; 111.
Ztg. 118, 315; Leonard, Who's who in
America 1^01/2, 91.
Biese, Wilhelm, Geh. Kommissionsrat, Piano-
fortefabrikant in Berlin ; • Rathenow 20. IV.
1822; t Berlin 14. XL — 111. Ztg. 119,
7 So; RiemannS 117; Mendel - Reifimann,
Musikal. Konversations-Lexikon 2, 2; Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 116 (Lüstner,
mit L) ; BZ 11,82 (Ztschr. f. Instrumenten-
bau 1902, 161, mit P).
Bilflnger, Adolf v., Prälat u. Oberhofprediger
in Stuttgart; • Roliracker b. Stuttgart 5. III.
1846; f Stuttgart 25.VL — Woche i, 123 1 ;
llieoiog. Jahresbericht 22 (1902), 1435
(Nestle, mit L); Württemb. Jahrbücher f.
Statistik und Landeskunde 1902 (Hart-
mann, L).
Billig, Friedrich, k. Seminar-Musiklehrer a. D.
in Erfurt; f daselbst 26. X. — Monats-
hefte f. Musikgesch, 35, 106 (Lüstner,
mit L).
Bilse, Benjamin, k. preuß. Hofmusikdirektor;
•Liegnitz 17.VIII. 1 816 ; f daselbst 13. VIL
— Woche 4, 1338 (P); 111. Ztg. Nr. 2187
(v. 3p. Mai 1885, mit P) u. 3081 (vom
17. Juli 1902); RiemannS 117; Mendel-
Reißmann , Musikal. Konversations - Lexi-
kon 2, 7; Fetis, Biographie univ. des mu-
siciens^ SuppUm. 1,91; Monatshefte f. Mu-
sikgesch. 35, 116 (Ivüstner, mit L); BZ 11,
82. 12, 85 (Allgem. Musikztg. 1902 Nr. 30,
mitP ; Die Musik 1903, 1, 1989 : W. Trappert).
^Bingner, Adrian, Wirkl. Geh. Rat, Senats-
präsident am Reichsgericht; * Karlsruhe
26. IX. 1830; t Leipzig 8. V. — BJ VII,
142 (v. Weech); Ztschr. f. d. Gesch. d.
15
*
Totenliste 1902: Bischoff — Bonda.
16*
Oberrheins 57 (1903), 387 (Frankhauser,
L: Karlsruher Ztg. 1902 Nr. 198).
Bischoff, August, Dirigent d. Liederkranzes
in Brooklyn; f daselbst 18. III. — Monats-
hefte f. Musikgesch. 35,116 (Lüstner, mitL).
Bischoff, Henr}% der älteste deutsche Bankier
in Neüyork (Firma: Henry Bischoff and
Co.); * Bfcden bei Bremen 9. IX. 1827;
f Neuyork 6. IIL — 111. Ztg. n8, 470;
Woche 4 Nr. 1 2 S. VI.
Bittner, Alexander, Dr. phil., Chefgeolog
d. k. k. Geolog. Reichsanstalt in Wien;
♦ Friedland (Böhmen) 16. IIL 1850; f Wien
31. IIL — Leopoldina 38, 54; Geographen-
Kalender I, 214 (H. Haack); Poggendorff 3,
136. 4, 128 (W); BZ 10, 71 (Verhand-
lungen d. k. k. Geolog. Reichsanstalt 1902,
165).
Blacker, Carola, geb. Bader, Shakespeare-
forscherin u. Schriftstellerin, Vorkämpferin
in d. Frauenfrage; * Karlsruhe 8. IV. 1842;
f Freiburg i. Br. 15. IV. — KL 24, 116
(W). 25, 43; BrümmerS i, 475; Pataky,
Lexikon deutscher Frauen d. Feder, i, 74
(W); Ztschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins 57
(1903), 387 (Frankhauser, L: Karlsruher
Ztg. 1902 Nr. 105; Allgemeine Ztg. 1902
Beil. 91. 143); Allgemeine Ztg. 1903 April i.
Blasche, Elsbeth, verehel. Meyer-Förster,
Schriftstellerin: s. Meyer-Förster, Els-
beth.
Bleichröder, George v., Dr., Teilhaber d.
Firma S. Bleichröder in Berlin, Sportsmann ;
f, verunglückt bei einer Automobilfahrt,
auf ScMoß Lechenich (Reg.-Bez. Cöln)
II. VI. — 111. Ztg. 118, 935; Woche 4,
1140 (P); Meyer, Konversationslex. ^ 2, 46.
Bleichrodt, Paul, Schriftsteller in Jena, Mit-
arbeiter d. Voss. Ztg. ; f 1 5. V. — Voss. Ztg.
1903 Nr. 7 Beil. 2.
Blochmann, Wilhelm Robert, Geh. Finanz-
rat, Oberbürgermeister a. D., früher Mit-
glied d. preuß. Abgeordnetenhauses (fort-
schrittl.) f, 79 Jahre alt, im Nov. —
Voss. Ztg. 1902 Nr. 609 Beil. 2.
Blum, Max, plattdeutscher Dichter u. Schrift-
steller; ♦ Wokuhl (Mecklenburg-Strelitz)
23. XII. 1864: t Berlin 6. XL — 111. Ztg.
119, 737; KL 24, 126 (W). 25, 43; Brüm-
merS I, 138. 478 (mit W).
Blume, Alfred, Gesanglehrer in Berlin ; f da-
selbst, 66 Jahre alt, 30. XII. — Monats-
hefte f. Musikgesch. 35, 116 (Lüstner mit L),
Blumfeld, Ferdinand Freih. v., Dr., k. k.
Geh. Rat u. Sektionschef im Ackerbaumi-
nisterium, verdient um die Reorganisation
d. Domänen Verwaltung; f Wien, 67 Jahre
alt, 13. III. — 111. Ztg. 118. 417; BZ 10,
72 (Zentralblatt f. d. gesamte Forst>*'esen
1902, 188: L. Dimitz).
Bock und Polach, Karl v., langjähr. Ober-
bürgermeister V. Mühlheim a. R.; f 29. L
— Voss. Ztg. 1903 Nr. I Beil. 8.
^Bockendahl, Johannes Adolf Ludwig,
Dr. med.f Geheimer Medizinalrat, Professor
f. gerichtl. Medizin an d. Universität Kiel ;
♦ Altona 7. XI. 1826; f Kiel 16. X. —
BJ VII, 88 (J. Sass); Leopoldina 39, 38.
Bodenstedt, Mathilde v., geb. Osterwal d,
Gattin d. Dichters (als Edlitam von ihm
besungen); f Wiesbaden, 78 Jahre alt,
19. VII. — IIL Ztg. 119, 159.
Böckmann, Wilhelm, Geh. Baurat, Architekt
in Berlin; • Elberfeld 29. 1. 1832; f Berlin
22. X. — IIL Ztg. 119, 643. 699 (F., mit
P); Woche 4, 184. 1766 b. 2030 (mitP);
Deutsche Bauztg. 36, 556. 557 (P). 647;
Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 103 (H. S.);
BZ 10, 73. II, 85. 12, 88 (Zentralblatt d.
Bau Verwaltung 1 902 Nr. 86 ; Ztschr. f. Bau-
wesen 1903, 361 : W. Kyllmann).
Bodmann, Hermann, Vorsteher einer Musik-
schule in Breslau; f Bad Reinerz 17. VII. —
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 116 (Lüst-
ner, mitL); BZ 12, 88 (Jahresbericht der
schles. Gesellschaft f. vaterländ. Kultur 80,
Nekrol. 2).
Begier, Bernhard, Musikdirektor in St Gallen ;
f daselbst, 82 Jahre alt, 29. XIL — Monats-
hefte f. Musikgesch. 35,117 (Ltistner, mit L).
Böhm Edler v, Böhmersheim, Karl, Dr.
med., k. k. Hofrat, bis 1896 Direktor des
Allgemeinen Krankenhauses in Wien;
* Horczovic (Böhmen) 26. X. 1827; f Wien
28. V. — Leopoldina 38, 77; Virchows
Jahresberichte 37, I, 411 (Pagel, mit L:
München. Medizin. Wochenschrift 1902,
952); Pagel 202 (mit W); BZ 11, 86
(Ztschr. d. Österreich. Ingenieur- u. Archi-
tektenvereins 1902 Nr. 33; Meter, mit P).
Böhmer, k. preufl. Generalmajor z. D., zuletzt
Inspizient d. Feldartilleriematerials; t 13.
IX. — Voss. Ztg. 1903 Nr. I Beil. 8.
Böhringer, Rudolf, k. sächs. Musikdirektor,
früher Musiklehrer an d. Fürstenschule in
Grimma, geistlicher Komponist; f Grimma,
74 Jahre alt, i. IIL — Monatshefte f. Mu-
sikgesch. 35, 117 (Lüstner, mit L).
Bokelberg, Stadtbaurat in Hannover; * da-
selbst I. IX. 1842; t ebenda 8. IL — Deut-
sche Bauztg. 36, 84 (S.).
Bonda, Marino Orsato Lukas Anton Graf v.,
Fideikommißherr, k. u. k. Kämmerer und
Oberfinanzrat a. D., mehrmals Mitglied d.
Abgeordnetenhauses d. Österreich. Reichs-
rats (liberales Zentrum); * Ragusa 9. I.
1840; t Wien 24. IIL — III. Ztg. 118,
509; Gräfl. Taschenbuch 1903, 115; Kürsch-
ner, D. Abgeordnetenhaus des Reichsrats
1891, S. 93.
17*
Totenliste 1902: Bonin — Brockhoflf.
18'
Bonin, Udo Wilhelm Bogislav, k. preuß.
Generalmajor z. D.; • Strcsow 6. VI. 1826;
t Detmold 28. IX. — 111. Ztg. 119, 547;
Goth. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen
Häuser 1903, 130. 989.
Bonte) Paula, Landschaftsmalerin, Mitglied
d. Vorstandes d. Vereins Berliner Künst-
lerinnen; * Magdeburg 15. IV. 1840; f Ber-
lin im September? — 111. Ztg. 119, 497;
Müller-Singer, Allgem. Künstlerlexikon 3 i,
154; D. geistige Deutschland i, 72.
Borchers, £., Bergrat a. D., Erbauer des
Ernst August-Stollens zwischen d. Oberharz
u. Gittelde; f Goslar, im 87. Jahre, 23. III.
— 111, Ztg. 118, 509; BZ 10, 74 (Mit-
teilungen aus d. Markscheiderwesen 1902, i).
Born, G. F. (Pseudon.), Schriftsteller: s.
Füllborn, George.
Böttcher, Theodor, kais. niss. Staatsrat, Ober-
arzt am Krankenhaus d. Kollegiums d. all-
gemeinen Fürsorge in Mitau ; • zu Bauske ;
t, im 60. Jahre, 15. I. — Virchows Jahres-
berichte 37, 1,411 (Pagel, mitL: Peters-
burger Medizin. Wochenschrift 1902 Nr. 4
S. 35)-
Bouvier, Emil, Senatspräsident am Kammer-
gericht in Berlin; f» 63 Jahre alt, 18. VI.
— Voss. Ztg. 1903 Nr. 3 Beil. i.
*Boyen, Oskar v., Historienmaler; • Königs-
berg 20. VIII. 1824; t Niederpöcking am
•Starnberger See 6. VIII. — BJ VII, 154
(H. Holland).
Bradsky, Ottokar v., k. sächsischer Ober-
leutnant a. D., Luftschiffer; verunglückt
mit seinem lenkbaren Ballon in Paris 13. X.
— 111. Ztg. 119, 618; Woche 4, 1942 (P);
BZ II, 208 (Sport im Bild 1902, 696;
Wiener Luftschifferztg. 1902, 186. 217).
Brähmer, Otto, Dr, med,, Geheimer Sanitäts-
rat in Berlin, Vorstandsmitglied d. Berliner
Ärztekammer, verdient um d. Eisenbahn-
hygiene; * Greifswald I.II. 1838; f Berlin
5. VIII. — Pagel 226; Virchows Jahres-
berichte 37, I, 411 (Pagel, mitL: ÄrztL
Sachverständigenztg. 1902 Nr. 16: Poll-
now; Allgemeine Medizin. Zentralztg. 1902
Nr 32: J. Becher; Heilkunde, Wien, 1902,
383); BZ II, 87 (Berliner Ärztekorrespon-
denz 1902, 129; Ztg. d. Vereins deutscher
Eisenbahn Verwaltungen 1902 Nr. 65).
Brambach, Kaspar Joseph, städt. Musik-
direktor in Bonn, Komponist; * daselbst
14. VII. 1833; t ebenda 20. VI. — Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 117 (Lüstner,
mit L) ; Mendel-Reiflmann, Musikal. Konv.-
Lexikon 2, 166; RiemannS 144; Fetis,
Biographie univ. des tnusiciens Supplcm,
I, 122.
Brandenburg, Karl, Amtsgerichtsrat inBersen-
brück, Mitglied des deutschen Reichstags
(Zentrum); • Osnabrück 13. V. 1834; f 29.
X. — Voss. Ztg. 1902 Nr. 609 Beil. 2;
Woche 4, 2074 (P); Kürschner, Reichstag
10, 1898— 1903, 153 (mit P).
Brandt, Käthe, Schauspielerin (sentimentale
Liebhaberinnen) am Irvingplacetheater in
Neuyork, Großnichte Richard Wagners;
♦ Berlin 19. III, 1884; t Neuyork 12./ 13. 1.
— Bühne u. Welt IV, I, 536; Monatshefte
f. Musikgesch. 35, 117 (Lüstner, mit L);
Eisenberg, Großes biograph. Lexikon der
deutschen Bühne 120.
Bratsch, Friedrich Wilhelm. Dr, med., k.
bayer. Generalarzt a. D. ; f München, im
71, Jahre, 28. X. — Woche 4, 2024.
Braun, Friedrich Edler v., k. bayer. Re-
gierungs-Vizepräsident a. D. von Schwaben
und Neuburg; * Erlangen 21. VI. 1837;
f Augsburg 21. XII. — Augsburger Abend-
ztg. 1902 Nr. 353. S. 6. II. Nr. 355, S. 7.
Braun, Joseph, Schriftsteller, Verfasser von
Textbüchern für Operetten (Supp<5, Joh.
Strauß); f Wien, 62 Jahre. alt, 26. IX. —
111. Ztg. 119, 547; KL 25, 43.
Braun, Luise, geb. Stamm (Pseudon.: W\
ürban), Witwe des Dichters u. Literar-
historikers Jul. W. Braun, stellvertretende
Vorsitzende d. deutschen Schriftstellerinnen-
bundes, Schriftstellerin; * Kassel 28. VIII.
1848; t Berlin 9. XI. — 111. Ztg. 119, 781 ;
Pataky, Lexikon deutscher Frauen d. Feder
I, loi.
Braune, Karl, Wirkl. Geheimer Kriegsrat, bis
1898 Militärintendant d. IV. Armeecorps;
t Friedenau 6. VIII. — Voss. Ztg. 1902
Nr. 605 Beil. 8.
Bremen, Hermann v., deutscher Konsul in
Ancona; f daselbst 28. VII. — Woche 4,
1431.
Brenner, Ludwig v., Professor, k. Musik-
direktor u. Leiter d. Neuen Berliner Sym-
phoniekapelle in Berlin, Komponist; * Leip-
zig 19. IX. 1833; t Berlin 9. IL — 111.
Ztg. 118, 272; Monatshefte f. Musikgesch.
(Lüstner, mit L).
Breuning, Gustav, Maler in Graudenz ; f da-
selbst, 75 Jahre alt, im Dezember. — Jahr-
buch d. bildenden Kunst 2, 103.
Brinckmann, Hermann Ludwig, Land-
schaftsmaler in Düsseldorf; • Homeburg
b. Stade 10. II. 1830; f 10. V. — Jahrbuch
der bildenden Kunst 2, 103; D. geistige
Deutschland i, 87 (Autobiographie).
Brinkmann, Otto, Schauspieler (Komiker,
Charakterrollen, Väter) am Hamburger Stadt-
theater; * Leipzig 22. VI. 1846; f in Ham-
burg. — Woche 4, 1 136 ; Flüggen, Biograph.
Bühnenlexikon i, 38.
Brockhoif, Albert, Journalist in Berlin, Re-
dakteur d. Berliner Lokalanzeigers; f Pots-
19"
Totenliste 1902: Brück — Buri.
2(/
dam 1. 1. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 7 Beil. 2;
Woche 4, 48; KL 24, 177. 25, 43.
^Bruck, Julius, Dr, med,, Professor, Privat-
dozent in der Medizin. Fakultät u. Lehrer
am Zahnärztl. Institut der Univ. Breslau;
• daselbst 6. X. 1840; f ebenda 20. W, —
Chronik d. Univ. Breslau 17 (1902/3), 131
(W. Brück); Pagel, 258; BZ 10, 77 (Deut-
sche Monatsschrift f. Zahnheilkunde 1902,
250: W. Sachs; Zahnärztl. Rundschau 1902,
8901, mit P).
Brück, Karl Ludwig Freih. v., k. u. k. Ge-
heimer Rat, außerordentl. u. bevollmäch-
tigter Botschafter a. I). (zuletzt beim Quiri-
nal in Rom); • 24. XII. 1830; f Schloß
Spielfeld (Steiermark) 9. XI. — BJ VII,
350 (H. Friedjung); 111. Ztg. 119, 781; Frei-
herrl. Taschenbuch 1903, 79. 1904, 895.
Brückner, Friedrich VVilhelm Ludwig, Dr.
med,f Medizinalrat, Begründer u. langjähr.
Leiter des Museumsvereins f. landeskundl.
u. Altertumsforschungen in Neubranden-
burg; • 22. II. 1814; f Neubrandenburg 3.
(oder 7.') XIL — 111. Ztg. 119, 968; Vir-
chows Jahresberichte 37, I, 411 (Pagel).
Brunhoff, Heinrich, Dr. med., kaiserl. Marine-
General oberarzt a. D.; f Kiel 20. XI. —
Voss. Ztg. 1903 Nr. 5 Beil. 10; Virchows
Jahresberichte 37, I, 411 (Pagcl).
Bruns, August, k. Kammermusiker a. D. in
Dresden; f daselbst, 68 Jahre alt, 8. XI. —
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 117 (LUst-
ner, mit L).
Buchheim, Amalie, Kustodin d. Sammlungen
mecklenburg. Altertümer im großhgl. Mu-
seum zu Schwerin; f daselbst, 83 Jahre
alt, 6. IV. — 111. Ztg. 118, 547; Woche 4,
734. 778 (P).
* Buchner, Hans Ernst August, Dr. med.,
ordentl. Professor d. Hygiene u. Vorstand
d. hygien. Instituts an d. Univ. München;
♦ daselbst 16. XII. 1850; f ebenda 5. IV.
— BJ VII, 316 (M. Gruber); Leopoldina
38, 51. 55; Pagel 270 (mit P); Virchows
Jahresberichte 37, I, 411 (Pagel, mit L:
Münchener Medizin. Wochenschrift 1902
Nr. 14 u. 20: F. Hueppe, mit P; Heilkunde,
Wien, 1902, 189); Chronik d. Univ. Mün-
chen 190 1/2, 15; BZ 10,79. II» 9'« '2,
93 (Blätter f. Volksgesundheitspflege 1902,
97 : M. Hahn; Wiener klin. Rundschau 1902,
368 : E. Wiener; Münchn. Medizin. Wochen-
schrift 1903, 564: M. Gruber; Allgemeine
Ztg. 1902 Nr. 265. 266 , u. Vierteljahrsschrift
für öffentl. Gesundheitspflege 35, VI: M.
Hahn).
^Büdinger, Max, Dr.phil., k. k. Hofrat, früher
Professor d. allgemeinen Geschichte an d.
Univ. Wien; * Kassel i. IV. 1828; f Wien
22. IL — BJ VII, 223 (A. Bauer); BZ 10,
79. II, 91. 12, 93 (Ztschr. f. d. Österreich.
Gymnasien 1902, 481: A. Dopsch; Allge-
meine Ztg. 1902 Beil. Nr. 58: K. Fuchs;
Österreich. Mittelschule 1902, 363 : S.Gorge ;
Histor.Vierteljahrsschrift 1902, 441: v. Scala ;
Mitteilungen d. Vereins f. d. Geschichte d.
Deutschen in Böhmen 1902, 401: J. Jung;
Almanach d. Kais. Akad. d. Wissenschaften
in Wien 1902, 295: O. Redlich).
Bühring, Agnes, Sängerin: s. Bury, Agnes.
Bülow, VVilhelm v.. Geheimer Oberregierungs-
rat, vortragender Rat der Oberrechnungs-
kammer; f Berlin 22. XII. — Voss. Ztg.
1902 Nr. 605 Beil. 8.
Bulss, Paul, k. preuß. Kammersänger, Mit-
glied d. Hofoper in Berlin; * Rittergut
Birkholz bei Priegnitz 19. XII. 1849; j'^t-
mesvär (Ungarn) auf einer Konzertreise
19. III. — 111. Ztg. 118, 470. 473 (A. Ko-
hut, mit P); Woche 4 Nr. 13 S. V (W.
Klatte). S. 550 (P); RiemannS 162; Mendel-
Reißmann, Musikal. Konversationslexikon
2, 227; Eisenberg, Großes biograph. Lexi-
kon d. Deutschen Bühne 140; Monatshefte
f. Musikgesch. 35, 117 (Lüstner, mit L).
*Buol von Berenberg, Rudolf Freih. v.,
großhgl. bad. Kammerherr, Oberlandesge-
richtsrat a. D., Mitglied d. bad. Landtags
u. Deutschen Reichstags (Zentrum), längere
Zeit Reichstagspräsident; * Zizenhausen
b. Stockach (Baden) 24. V. 1842; f Baden-
Baden 4. VII. — BJ VII, 141 (V. Weech);
Woche 4, 1279 (P); Kürschner, Reichstag
1893, 338 (mit P); Ztschr. f. d. Gesch. d.
Oberrheins 57 (1903), 387 (Frankhauser,
L: Bad. Beobachter 1902 Nr. 116); Frei-
herr!. Taschenbuch 1903, 90.
Burger, Karl, Dr. med., Privatdozent f. in-
nere Medizin u. Laryngoskopie an d. Uni*
versität Bonn; * Kreuznach 2. VIII. 1844;
f Bonn 14. XI. — Chronik d. Univ. Bonn
28, 1902, 2 (Pelraan); Virchows Jahres-
berichte 37, I, 441 (Pagel, mit L).
Bürger, Max, Opernsänger (lyr. Tenor);
• Leipzig 22. VI. 1854; f Friedrichroda
(Thüringen) 5. X. — Flüggen, Biograph.
Bühnen-Lexikon i, 41; Monatshefte für
Musikgesch. 35, 117 (Lüstner, mit L).
Burghart, Hermann, k. preuß. Wirkl. Gehei-
mer Rat u. Mitglied d. Staatsrats, früher
Generaldirektor d. direkten Steuern; f Ber-
lin, 78 Jahre alt, 16. XII. — 111. Ztg. 119,
991; Woche 4, 2376.
Buri, Maximilian v„ Dr.Jur., Reichsgerichts-
rat a. D., Schriftsteller auf d. Gebiete d.
Strafrechts; * Büdingen (Hessen) 7. III.
1825; f W'iesbaden 20. IV. — 111. Ztg.
118, 663; Brockhaus, Konv.-Lex. »4 3, 769
(mit W); Meyer, Konversations-Lexikon ^
2, 635.
21
Totenliste 1902: Burkhart — Croy.
22'
Burkhart, Albert, Dr, med,, Arzt an d. Zim-
mermannschen Naturbeilanstalt in Cbem-
nitz; f, 34 Jabre alt, i. IV. — Virchows
Jabresberichtc 37, I, 411 (Pagel, mit L:
Arcbiv f. pbysiol. diätet. Tberapie 4, 91 :
Disque).
Bury, Agnes (eigentlicb Bü bring), Gattin
d. Gebeimen Justizrats Hesse in Berlin,
Gesanglebrerin daselbst, früber Konzert-
und Btihnensängerin (Koloratursängerin);
♦ Berlin 28. IV. 1831; f ebenda 2. X. —
111. Ztg. 119, 583; Flüggen, Biograpb.
Bühnenlexikon i, 43; Monatshefte f. Mu-
sikgesch. 35, 117 (Lüstner, mit L).
Busch, Franz v. (Pseudon.), Schriftsteller:
s. Hirsch, Jenny.
^Buschmann, Jobann Joseph, Dr. ihtoL,
Stiftspropst in Aachen; * Cöln 7. IV. 1833;
t Aachen 22. IV. — BJ VII, 267 (F. Lau-
chert) ; Keiter-Jörg, Kathol. Literaturkalen-
der 6, 37.
Butler von Clonebough genannt Haim-
hausen, Viktoria Gräfin, geb. Edle v. Rue-
' dorffer, Philantbropin und Vorkämpferin f.
Frauenrechte; • 8. XII. 18 10 (oder 181 1?);
f Haimhausen b. Dachau 2. II. — 111. Ztg.
118, 272; Woche 4, 272 (P); Pataky,
Lexikon deutscher Frauen d. Feder i, 119;
Gräfl. Taschenbuch 1903, 155.
Büttner, Redakteur verschiedener Fachzeit-
schriften in Berlin; f daselbst im Herbst.
— Woche 4, 2107, 2108 (P).
*Buz, Friedrich Ritter v., k. bayer. General
d. Infanterie z. D.; * München 14. VI.
1815; t daselbst 30. VIL — BJ VII, 196
(Lorenzen); BZ 11, 92 (Militärztg. 1902
Nr. 33)-
Byr, Robert (Pseudon.), Romandicbter : s.
Bayer, Robert v.
Candidus, Harry W. T., Landschaftsmaler in
München; • Neuyork 13. XI. 1867;
f München im Juli. — Jahrbuch d. bil-
denden Kunst 2, 103.
^Chavanne, Joseph, Dr^phiL^ Forschungs-
reisender, Geograph u. Kartograph; * Graz
7. VIII. 1846; t Buenos Aires 7. XII. —
BJ VII, 260 (W. Wolkenhauer); Geograph.
Jahrbuch 26, 425 (W. VVolkenhauer, mit
W u. L); Leopoldina 39, 38 (mit W);
Geographen-Kalender i, 215 (H. Haack);
BZ 12, 96 (Deutsche Rundschau f. Geo-
graphie u. Statistik 1903, 278: VV^. Cappus,
mit P).
Chlapowski, Stanislaus Baron, Rittergutsbe-
sitzer in Szoldry (Prov. Posen), früher Mit-
glied d. Deutschen Reichstags u. preufi.
Landtags (Pole) ; * Posen 12. VIII. 1822;
f i.X. — Kürschner, Reichstag 1893, 7^;
Woche 4, 1890.
Christ, Johannes, Major, Kommandeur d.
3. Deutschen Seebataillons in Tsingtau;
f daselbst, 47 Jahre alt, 14. II. — Woche 4
Nr. 8 S. VII.
Christ, Viktor, k. k. Hofmusiker, Mitglied
d. Hofopernorchesters in Wien (Trompete) ;
♦ daselbst 18. VII. 1869; f durch Absturz
von der Roten Wand 30. VII. — Woche 4,
1482; Rheinhardt, Biographien d. Wiener
Künstler u. Schriftsteller i, 538; Monats-
hefte f. Musikgesch. 35, 1 17 (Lüstner, mitL).
Clary und Aldringen, Felicie Sidonie, geb.
Gräfin, Wit«'e des Robert Grafen zu Salm-
ReifFerscheid-Raitz: s. Salm - Reiffer-
scheid-Raitz.
Cldinow, Georg, k. preuß. Generalmajor z. D.,
zuletzt Kommandeur d. Infanterie-Regiments
Nr. III, auch Militärschriftsteller; f 16. XII.
— Voss. Ztg. 1903 Nr. I Beil. 8.
Clemens, Hippolyt, Dr., Inhaber d. Bank-
hauses Job. Peter Clemens in Koblenz, be-
kannter Finanzmann; f daselbst 8. V. —
111. Ztg. 118, 751.
Commichau, Felix, Kunstschriftsteller, Re-
daktionsassistent an d. »Deutschen Kunst
u. Dekoration« in Darmstadt, früher Ar-
chitekt; ♦ 21. XII. 1874; f durch Selbst-
mord 23. IX, — Jahrbuch d. bildenden
Kunst 2, 103.
Conrad, G. (Pseudon.), dramat. Dichter: s.
Georg Prinz v. Preußen.
Cornelius, Franz, Direktor d. Kolonialge-
sellschaft f. Deutsch - Südwestafrika , Auf-
sichtsrat verschiedener industrieller Gesell-
schaften; t II. XII. — Voss. Ztg. 1903
Nr. 1 1 Beil. 2.
^Crämer, Karl (»Crämer von Doos«), Fabrik-
besitzer in Doos b. Nürnberg, Politiker,
Mitglied d. Deutschen Reichstags u. bayer.
Landtags (fortschrittl.) ; * Markt Kleinlang-
heim (Unterfranken) 9. XII. 18 18; f ^'ürn-
berg 31. XII. — BJ VII, 198 (S. Günther);
Augsburger Abendztg. 1903 Nr. i.
Cramer, Moritz Eduard, Dr. med,,, Pro-
fessor f. Hygiene an d. Universität Heidel-
berg; * Solotburn 1863; f Heidelberg 19. I.
— Pagel 355; Virchows Jahresberichte 37,
I, 412 (Pagel).
*Cramer, Rudolf v., k. preuß. Generalmajor
z. D. ; * Kloster Marienstuhl bei Engeln
(Kreis Wanzleben) 27. XIL 1818; f Blan-
kenburg am Harz 18. IV. — BJ VII, 197
(Lorenzen).
Croix, de la: s. de la Croix.
Crole, E. (Pseudon.), Dichter u. Schriftsteller:
s. König, B. E.
Croy, Ru d o 1 f Maximilian Konstantin Herzog
V., Durchlaucht, erbl. Mitglied d. preuß.
Herrenhauses; * Dülmen (Kreis Coesfeld,
Westfalen) 13. III. 1823; f Cannes 8. II.
— Goth. Hofkalender 1902, 117. 1903, 116.
23'
Totcnliste 1902: Dahl — Drechsler.
24*
*Dahlf Johann Siegwald, Landschafts- u.
Tiermaler; * Dresden 16. VIII. 1827; f da-
selbst 15. VI. — BJ VII, 151 (H. Schmer-
ber); 111. Ztg. 118, 974; Müller -Singer,
Allgemeines KUnstlerlexikon 3 i, 309; Jahr-
buch d. bildenden Kunst 2, loi.
Dähnhardt, Johannes Karl Heinrich, Dr.j'ur,
h. r., Senatspräsident am Reichsgericht in
Leipzig; * Garding (Schleswig -Holstein)
8. III. 1836; t Leipzig 21. I. — 111. Ztg.
118, 86. 88 (P). 157; Woche 4, 182.
184 (P).
Dameran, Lehrerin am Konservatorium d.
Musik in Königsberg i. Fr.; ertrunken im
Seebad Kranz im Juli. — Monatshefte
f. Musikgesch. 35, 118 (Lüstner, mit L).
Danzel, Vizepräsident d. Hamburger Bürger-
schaft; t 12. VIII. — Woche 4, 1532.
Danzer, Karl, k. bayer. Generalmajor z. D.,
zuletzt Kommandeur d. 13. Infanterie-Re-
giments; f 29. I. — Verordnungsblatt d.
bayer. Kriegsministeriums 1902, 76.
*Debrois van Bruyck, Karl, Komponist u.
Schriftsteller; ♦ Brunn 14. III. 1828; fWaid-
hofen a. d. Ybbs 2. VIII. — BJ VII, 61
(R. M. Werner); RiemannS 156; Mendel-
Reifimann, Musikal. Konv.-Lexikon 3, 88;
F^tis, Biographie univ. des musiciens Su-
pUm. I, 245; Monatshefte f. Musikgesch.
35, 117 (Lüstner, mit L).
De la Croix, Dr., k. preuß. Wirkl. Geheimer
Rat, früher Direktor d. I.Abteilung f. d.
Cnterrichtswesen im preuß. Kultusministe-
rium, Mitglied d. Staatsrates u. d. Gerichts-
hofes zur Entscheidung d. Kompetenzkon-
flikte; * Berlin 17. V. 1824; f ebenda
8. XII. — 111. Ztg. 119, 968.
Denninghoif, Bern., Ingenieur und Schrift-
steller in Wilhelmshaven; • Winsen a. L.
26. in. 1857; t München 21. IL — KL
24, 251. 25, 43.
Deyl, Geheimer Oberpostrat, Oberpostdirektor
in Düsseldorf; f Oberkassel, 54 Jahre alt,
Mitte Mai. — V'oss. Ztg. 1902 Nr. 605
Beil. 8.
Dietrich, B., Komponist von Männerchören;
t Chemnitz 24. X. — Monatshefte f. Mu-
sikgesch. 35, 118 (Lüstner, mit L).
Dietrich, Ernst Theodor, Obersteuerrat in
Altenburg i. S., Finanzschriftsteller; • Ei-
senberg (Sachs. -Altenb.) 10. VII. 1813;
t Altenburg i. S. 20. X. — KL 24, 264
(mit W). 25, 43.
Diezmann, Max, Professor an den Techn.
Staatslehranstalten in Chemnitz, literatur-
wissenschaftlich tätig; f daselbst 5. II. —
111. Ztg. 118, 227.
Diifene, Karl, Dr., Präsident d. Mannheimer
Dampfschleppschiffahrtgeselischaft;'|'Mann-
heim, 66 Jahre alt, 22. V. — Woche 4, 991.
Dillmann, Emil, k. bayer. Generalmajor z. D.,
zuletzt Direktor des Hauptlaboratoriums;
t 31. I. — Verordnungsblatt d. k. bayer.
Kriegsministeriums 1902, 76.
*Dincklage, Georg Karl v., k. preuß. Ge-
neralleutnant z. D. ; * Bentheim (Hannover)
8. V. 1825; t Charlottenburg 8. XI. — BJ
VII, 232 (Lorenzen).
Dingler, Hermann, Professor d. Botanik an
d. Forstl. Hochschule in Aschaffenburg;
t, im 56. Jahre, 18. XI. — 111. Ztg. 119,
827.
•Ditfürth, Barthold v., k. preuß. General d.
Infanterie z. D.; * 2. XI. 1S26; f Berlin
i6./i7. VL — BJ VII, 66 (Lorenzen); BZ
II, 105 (Milhärztg. 1902 Nr. 26).
Dittler, Emil, Bildhauer in München; •Pforz-
heim 1868; f München 19. 1. — D. geistige
Deutschland i, 132; Jahrbuch d. bildenden
Kunst I, 79. 2, 104; BZ 10, 94 (Kunst
u. Handwerk 1902, 241: G. Habich, mit
Illustr.).
Dock, Adolf, Dr. jur.^ Privatdozent f. Staats-
u. Völkerrecht an d. Universität Straßburg
i. E.; * Bisch weiler; f daselbst 23. V. —
Allgemeine Ztg. 1902 Beil. 119 S. 368.
Donatus, Frank (Pseudon.), Schriftsteller: s.
Peterson, Luise.
•Dömberg, Ferdinand Ernst Wilhelm Karl,
k. preuß. Generalleutnant z. D.; • Siegen
10. VIL 1833; t K^assel 15.^ VIII. — BJ
VII, 67 (Lorenzen) ; Freiherrl. Taschenbuch
1902, 146. 1903,920; BZ II, 106 (Militär-
ztg. 1902 Nr. 34).
Domblüth, Friedrich Karl Johann, Dr,
med.f Medizinalrat, Hygieniker ; *Plau (Meck-
lenburg) 31. VII. 1825; t Frankfurt a. M.
15. (oder 14.?) XI. — Ilh Ztg. 119, 827;
Leopoldina 39, 39 (mit W); Pagel 414
(mit W); KL 24, 278 (mit W). 25, 43;
Virchows Jahresberichte 38, I, 413 (Pagel,
mit L); BZ 11, 106 (Gesundheit 1902,
582).
•Drach, Emil, Schauspieler (Helden), auch
dramat. Dichter; • Heidelberg 8. IX. 1855;
f in der Irrenanstalt Illenau (Baden) 5./6. II.
— BJ VII, 218 (Brummer); Woche 4, 272
(P); Brummers 1, 276. 526 (mit W); Eisen-
berg, Großes biograph. I^exikon d. Deut-
schen Bühne 211; Ztschr. f. d. Gesch. d.
Oberrheins 57 (1903), 387 (Frankhauser,
L: Allgemeine Ztg. 1902 Beil. Nr. 37);
Bühne u. Welt 4, 446.
Drechsler, Otto, Geheimer Staatsrat a. D.,
früher Abteilungschef im ftirstl. schwarz-
burg. Ministerium zu Sondershausen und
langjähriger Vorsitzender des Landtags d.
Fürstentums Schwarzburg - Sondershausen ;
f Sondershausen 24. XII. — Hl. Ztg. 1 20,
36; Woche 5, 8.
25"
Totenliste 1902; Driessen — Eisenlohr.
2e
Driessen, Rudolf, llieaterdirektor in Halle
a. S. ; t daselbst im November. — Monats-
hefte f. Musikgesch. 35, i iS (Lüstner, roitL).
Dückher von Haslau, Gustav Adolf Maxi-
milian Hieronymus Qualbert, k. u. k. Käm-
merer u. Feldmarschalleutnant i. R. ; * 26. IL
183 1; t Salzburg 3. IIL — IIL Ztg. 118,
391; Freiherrl. Taschenbuch 1902, 152.
1904, 152.
Dumm 1er, Ernst, Dr, jur. et phil.^ kaiserl.
Geheimer Oberregierungsrat, Vorsitzender
d. Zentraldirektion d. Afonumenta Gertna^
niae historica, ordentl. Mitglied d. Akade-
mie der Wissenschaften in Berlin, früher
Professor d. Geschichte an d. Universität
Halle; * Berlin 2. I. 1830; t Friedrichroda
I I. LK. — 111. Ztg. 1 19, 472 (J. P., mit P) ;
Woche 4, 1488 (P); KL 24, 288 (W);
25, 43; Histor. Vierteljahrsschrift 1902, 587
(C. Rodenbcrg); Sitzungsberichte d. MUn-
chener Akademie 1903, Phil.-Hist. Kl. S. 252
(J. Friedrich) ; Almanach d. k. Akademie d.
Wissenschaften in Wien 1902 (mit P).
^Dunker, Wilhelm, Buchhändler, Dichter u.
Schriftsteller; ♦ Hasselfelde am Harz 25. XIL
1829; t Stettin 3. XIL — BJ VII, 147 (F.
Brummer); Brummer 5 i, 529.
Dünzberg, Ernst, Volksschullehrer, lettischer
Dichter; f unweit Riga Anfang Mai. —
III. Ztg. 118, 751.
Dürig, Eduard, k. bayer. Generalmajor z. D.,
zuletzt Kommandeur d. 2. Ulanenregiments;
t 14. IL — Verordnungsblatt des bayer.
Kriegsministeriums 1902, 77.
Düring, Karoline Wilhelmine Franziska v.,
Äbtissin d. adeligen Stifts Börstel, Seniorin
der althannoverschen Familie v. Düring;
♦ Melle 6. XI. 1819: f Börstel 2. X. —
W'oche 4, 1890; Goth. Genealog. Taschen-
buch d. Adeligen Häuser 5, 1904, 223.
Eberhardt, Kantor u. Musiklehrer in Alten-
burg i. S.; t daselbst 15. VL — Monats-
hefte f. Musikgesch. 35,118 (Lüstner, mit L).
Ebermann, Alexander Wilhelm Ferdinand,
Dr, med., Arzt in St. Petersburg, Urologe ;
• ßakaldy (Gouvernement Nischni-Now-
gorod) 15. VI IL 1830 von deutschen El-
tern; t Zarskoje Selo 2i. V. (3. 6. n. St.).
— Virchows Jahresberichte 37, I, 413 (Pa-
gcl, mitL: Petersburger Medizin. Wochen-
schrift 1902 Nr. 23: O. Petersen; Zentral-
blatt f. d. Krankheiten d. Harn- u. Sexual-
organe 13 Nr. 8: M. Kxeps).
Eckert, Robert, ehemal. städt. Musikdirektor
in Bielefeld; f daselbst durch Selbstmord
22. I. — Monatshefte für Musikgesch. 35,
118 (Lüstner, mitL).
*Eckmann, Otto, Professor am Kunstge-
werbemuseum in Berlin, Maler u. Dekora-
tionskünstler; * Hamburg 19. XL 1865;
t Badenweiler 11. VI. — BJ VII, 36 (H.
Schmerber); 111. Ztg. 118, 935. 940 (Aem.
Fendler, mit P); Müller-Singer 3 5, 204;
D. geistige Deutschland i, 148; Jahrbuch
d. bildenden Kunst 2, 104 (P. Jessen). 115
(L); BZ 10, 96. II, 109 (Der Lotse 1902
Heft 20 u. Die Zeit 1902 Nr. 403 u. De-
korative Kunst 1902, 432 mit P: K. Scheff-
1er; Kunstchronik 1902 Nr. 30: W. Leisti-
kow; Gemeinnützige polytechn. Monats-
schrift 1902, 83; EX'librU 1902, 57: v.
Zur Westen; Dekorative Kunst 1902, 14S
mit Illustr. ; Innendekoration 1902, 207:
H. V. d. Velde ; Deutsche Kunst u. Dekora-
tion 1902, 194: L. Hellmuth; Deutsche
Buchhandelsblätter 1902, 348; Archiv f.
Buchgewerbe 1902, 309: J. Loubier; Nord-
deutsche Allgemeine Ztg. 1902 Nr. 292:
H. VoUmar).
Eder, Leopold, k. u. k. HofpfarrkapcUmeister
in Wien; • Salingberg 18. V. 1823; f Wien
24. VII. — Woche 4, 1431. 1535 (P); Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 118 (Lüstner,
mit L) ; Rheinhardt, Biographien d. Wiener
Künstler u. Schriftsteller i, 540.
Eduard: Wilhelm August Eduard Prinz v.
Sachsen- Weimar, Dr.Jur., k. groöbritann.
Feldmarschall, Oberst d. Regiments First
Life Guards; • Bushy Park bei London
II. X. 1823; f London 16. XI. — Goth.
Hofkalender 1903, 79; Woche 4, 2168 (P).
Egger, Theophil, Schullehrer a. D., Württem-
berg. Landtagsabgeordneter; f Ravensburg,
72 Jahre alt, 23. VIII. — Woche 4, 1624;
Württemberg. Jahrbücher für Statistik und
Landeskunde 1902, IV (Hartmann, mit L).
Ehlert, Anton, Geheimer Justizrat; f Berlin,
73 Jahre alt, 28. XI. — Woche 4, 2246.
Ehrenhaus, Salomon, Dr, med,. Geheimer
Sanitätsrat, Kinderarzt in Berlin; * Fried-
richsville (Schlesien) 8. I. 1835; y Berlin
19. XII. — Pagel 445; Virchows Jahres-
berichte 37, 1, 413 (Pagel, mit L; Deutsche
Medizin. Wochenschrift 1903 Nr. 2 u. Ver-
einsbeilage Nr. 7).
Eichhorn, Alexander, hgl. Musikdirektor in
Koburg; f daselbst, 70 Jahre alt, 8. XII. —
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 118 (Lüst-
ner, mit L).
Eirund, Edmund, Direktor d. ultramontanen
Ztg. »Germania« in Berlin; f daselbst 16.
(oder 13.?) X. — 111. Ztg. 119,618; Woche
4, 1981.
Eisenlohr, August, Dr, phil., Honorarpro-
fessor an d. Universität Heidelberg, Agyp-
tolog; * Mannheim 6. X. 1832; f Heidel-
berg 24. IL — KL 25, 43; 111. Ztg. 118,
341; Oriental. Bibliogfraphie 16, 14. 17, 15
(L. Scherman, L: Allgemeine Ztg. 1902
Beil. 1 Quartal, 407 ; Sphinx 6, 39 mit P).
27*
Totenliste 1902: Eisler — Fenner.
28*
Eisler, Anna, geb. Soring, Konzertsängerin
in Darmstadt; f Halle a. S., 40 Jahre alt,
im November. — Monatshefte f. Musik-
gesch. 35, 118 (Lüstner, mit L).
*Elben, Eduard, Redakteur u. Teilhaber d.
»Schwab. Merkur« in Stuttgart; * daselbst
12. IX. 1825; t ebenda 9. VIII. — BJ VII,
75 (R. Kraufi).
Elven, Wilhelm, Geheimer Justizrat, ehemal.
Vorsitzender d. Anwaltskammer d. Rhein-
provinz, langjähr. Mitglied d. preuß. Abge-
ordnetenhauses (f ortschrittl.) ; * Cöln 1825;
f ebenda 4. I. — 111. Ztg. 118, 93.
Engel, Domdechant, General vikar u. apostol.
Protonotar in Fulda; f daselbst. 72 Jahre
alt, 7. IV. — Theolog. Jahresbericht 22
(1902), 1436 (Nestle); 111. Ztg. 118,
547-
Engelbrecht, Karl, Glasmaler in Hamburg;
f daselbst 12. II. — Jahrbuch d. bildenden
Kunst 2, 105.
Engelhard, Friedrich Wilhelm, Bildhauer,
früher Professor an d. Techn. Hochschule
in Hannover; * Grünhagen b. Lüneburg
9. IX. 18 13; f Hannover 22. (oder 23.?) VI.
— Müller-Singer 3 i, 399; 111. Ztg. 119, 25;
Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 105.
Engelhom, Friedrich, Kommerzienrat in Mann-
heim, verdient um dessen Entwicklung,
Finanzmann; f daselbst 11. III. — 111. Ztg.
118, 417.
Engelmann, Julius, Maler in München; f da-
selbst 3. I. — Jahrbuch d. bildenden Kunst
2, 105.
"^Entrefi-Fürsteneck, Eugen Ludwig Gustav
Adolf Maria Freih. v., k. preuO. General-
major z. D. ; * Ludwigsburg (Württemberg)
23. X. 1838; t Karlsbad 28. V. — BJ VII,
255 (Lorenzen); Freiherrl. Taschenbuch
1903, 167.
*Eppler, Christoph Friedrich, Lehrer u. Geist-
licher, Dichter; * Kirchheim a. N. lo. VII.
1822; t Basel 20. XI. — BJ VII, 176 (F.
Brummer); BrümmerS i, 329. 541 (mit W).
Erfk, M. V. d. (Pseudon.), Schriftsteller: s.
Merkens, Heinrich.
*Emst, Georg Eberhard, Verleger (Firma:
Wilhelm Ernst & Sohn) in Beriin; * da-
selbst 4. IV. 1852; t Lugano 25. V. — BJ
VII, 116 (R. Schmidt).
Ernst, Karl, /?r. ^A£o/,, früher Generalsuper-
intendent in Wiesbaden; f Boppard, 68
Jahre .alt, 21. XI. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 3
Beil. I.
Esche, Eugen, k. sächs. Kommerzienrat, Groß-
industrieller, Mitinhaber d. Wirkereifirma
Moritz Samuel Esche in Chemnitz; f da-
selbst 12. II. — 111. Ztg. 118, 31$.
*Eulenberg, Hermann, Dr. Mcä., k. preuß.
Geheimer Obermedizinalrat a. D., Hy-
gieniker; * Mülheim a. Rh. 20. VII. 18 14;
t Bonn 3. X. — BJ VII, 129 (Pagel); Leo-
poldina 38, 112. 39, 39; KL 23, 32 (W).
24. 331-
Eulenburg, Alexandrine Amalie Luise,
verw. Gräfin zu, Freiin von u. zu Hertefeld,
Herrin d. Freiherrl. v. Hertefeldschen Fidei-
kommisses, geb. v. Rothkirch u. Panthen,
Mutter des deutschen Botschafters Philipp
Fürsten zu Eulenburg; • Glogau 20. VI.
1824; f Meran 11. IV. — Gräfl. Taschen-
buch 1903, 256.
Fabrice, Luise Wilhelmine Ida Freifrau v.,
geb. Gräfin v. Schönburg-Forderglau-
ch au; ♦ Wechselburg 14. VI. 1829;
t Schloß Gusow 3. IV. — Goth. Hof-
kalender 1903, 199; Freiherrl. Taschen-
buch 1903, 174.
♦Fäh, Jakob, /*., Mitglied der Gesellschaft
Jesu, Leiter der Jesuitenmission in Rio
Grande do Sul in Brasilien; * Amden
(Kant. St Gallen) 17. VI. 1842; f Rio
Grande do Sul 15. VIL — BJ VII, 293
(F. Lauchert); Theolog. Jahresbericht. 22,
1902, 1436 (Nestle, mit L); Keiter-Jörg,
Kathol. Literaturkalender 6, 66.
Fehr, Robert, Musiklehrer am Seminar in
Angerburg (Reg.-Bez. Gumbinnen); • Al-
brechtsdorf (Kreis Preuß. -Eylau) 31. X.
1839; t Angerburg i» IX, — Altpreuß.
Monatsschrift 40, 467 (Rindfleisch, L:
Volksschulfreund 66, 389).
*Fehrenberg, Hans, Landschaftsmaler in
. München; * Kassel 2. XI. 1868; f Bremen
27. X. — BJ VII, 237 (Ph. Losch); 111.
Ztg. 119, 737.
Feilitzsch, Karl Matthias Fabian Freih. v.,
k. bayer. Generalmajor, Kommandant der
Festung Germersheim; * 4. VI. 1844;
f Germersheim 18. VI. — Freiherrl. Ta-
schenbuch 1904, 196.
Felix (eigentlich Spiro), Jean, Opemtenor,
zuletzt am Residenztheater in Dresden;
f daselbst, 40 Jahre alt, 5. IV. — Monats-
hefte f. Musikgeschichte 35, ii8 (Lüstner,
mit L) ; Eisenberg, Großes biograph. Lexi-
kon der Deutschen Bühne 251; Flüggen,
Biograph. Bühnenlexikon i, 80.
Fellenberg -von Bonstetten, Edmund v.,
Dr., Geolog u. Alpinist, Direktor d. geolog.-
mineralog. Sammlungen des Naturhistor.
Museums in Bern; f daselbst, 64 Jahre
alt, 10. V. — 111. Ztg. n8, 777; Leopol-
dina 38, 97.
Fenner, Gottfried Ludwig, Geheimer Justizrat,
Rechtsanwalt beim Reichsgericht in Leipzig,
früher Mitglied des Deutschen Reichstags
(nationalliberal); * Hoof b. Kassel 2. XII.
1829; t Leipzig 5. IV. — Jurist. Wochen-
schrift 31 (1902), 197.
29*
Totenliste 1902: Fercher von Steinwand — Fränkel.
30*
^Fercher von Steinwand, (Pseudon.), ]3rr.
Dichter: s. Kleinfercher, Johann.
Fernand, Max (Pseudon.), Schriftsteller und
Dichter: s. Gritzner, Maximilian.
Femau, Friedrich Ernst, Zentraldirektor der
Maschinenfabriks-Aktiengesellschaft Vulkan
in Wien u. Budapest, Mitglied d. Zentral-
ausschusses des Bundes Österreich. Indu-
strieller; + Weidlingen b. Wien, 58 Jahre
alt, 27. VIII. — 111. Ztg. 119, 385.
Feuerstein, Oswald. langjiUir. Kedaktions-
mitglied der »Breslauer Morgenzeitung.«;
t Breslau 15. IX. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 7
Beil. 2.
*Ficker, Caspar Julius v., Dr, phil, et Jur.,
ordentl. Professor a. D. (für Reichs- und
Rechtsgeschichte an der Universität Inns-
bruck), Rechtshistoriker; * Paderborn 30. IV.
1826; t Innsbruck lO.VIl. — BJ VII, 299
(H. V. Voltelini); KL 24, 35» (W). 25. 43;
HZ II, 126. 12, 126. 13, 123 (Ztschr. d.
Savigny- Stiftung f. Rechtsgcsch. 1902 Ger-
manist. Abt. XIV: P. Puntschart; Allge-
meine Ztg. 1902 Beil. Nr. 293 — 295:
J. Jung; Mitteilungen d. Instituts f. Öster-
reich. Geschichtsforschung 1902, 167: E.
Muhlbacher; Histor.Vierteljahrsschrift 1902,
137: O. Redlich; Nachrichten d. k. Ge-
sellsch. d. Wissensch. in Göttingen 1903
Geschäftl. Mitteilungen S. 8i : F. FrensdorfF;
Sitzungsberichte der k. bayer. Akad. der
Wissensch. in München 1903 phil.-hist.
Kl. S. 249: J. Friedrich; Ztschr. d. Ferdi-
nandeums f. Tirol u. Vorarlberg 3 F. Heft 47,
325: Fr. V. Wieser).
Finkener, Rudolf Heinrich, Dr. phil.y Ge-
heimer Bergrat, Professor f. analyt. Chemie
an d. Bergakademie zu Berlin, Leiter des
Laboratoriums f. Gesteins- u. Mineralanalyse
bei der k. preuß. Geolog. Landesanstalt;
♦ Steinfurt (Westfalen) 26. III. 1834; f Burg-
steinfurt 14. IX. — 111. Ztg. 119, 471;
Woche 4, 1754; Leopold ina 39,40; Poggen-
dorff 3, 443; 4, 420 (mit W); BZ 12,, 127
(Berichte d. deutschen ehem. Gesellschaft
35. 4534: H. Toussaint).
Finsterbusch, Daniel Reinhold, Musik-
direktor u. emeritierter Kantor zu Glauchau
(Sachsen), Komponist besonders geistl.
Werke; f daselbst, im 76. Jahre, 15. IX.
— 111. Ztg. 1 19, 471 ; Monatshefte f.Musik-
gesch. 35, 119 (Lüstner, mit L); BZ 11,
126 (Musikwochc 1902 Nr. 47; Unsere
Heimat 1902 Nr. 20 — 22).
Flamm, Theodor (Pseudon.: Anton Kr Upl),
Dichter u. Schriftsteller; * Wien 14. VII.
1822; j Altlengbach 3. X. — 111. Ztg. 119,
547; KL 24, 364 (W). 25, 43.
Flasch, Adam, Dr.phil,, ordentl. Professor
f. Archäologie an d. Universität Erlangen;
♦ Helmstadt (Unterfranken) 21. II. 1844;
. f Erlangen ii. I. — KL 24, 364 (W). 25,
43; Allgemeine Zeitung 1902 Beil. Nr. 79
(B. Sauer).
Fleiner, Albert, Dichter und Schriftsteller,
Theater- u. Kunstkritiker, früher Redakteur
an d. »Neuen Zürcher Ztg.«; * Aarau 10.
VIIL 1859; t Rom 18. (oder 17.:) VL —
Voss. Ztg. 1903 Nr. 7 Beil. 2; Woche 4,
1182; KL 24, 365.
^Florschütz, Paul, Wirkl. Geheimer Ober-
justizrat, Oberlandesgerichtspräsident a. D. ;
♦ Iserlohn 9. L 1826; f Kiel 31. X. — BJ
VII, 221 (J. Sass).
Folticineanu, Max (Pseudon. Max Folti),
Dr. phil., Chefredakteur d. Ztg. : »Dies Blatt
gehört der Hausfrau«, früher Redakteur des
»Bär«, Feuilletonist, Kulturhistoriker; * Ba-
cau (Rumänien) 13. 1. 1859; f Berlin 3. XI.
— KL 24, 371 (W). 25, 43.
Fontane, Emilie, Witwe d. Dichters Theodor
F.; t Berlin, 77 Jahre alt, 18. II. — Woche
4 Nr. 8 S. VII.
Förster, Christian, Graphiker u. Illustrator,
besonders an d. Hamburger »Reform« tätig,
Zeichner hamburg. Volkstypen ; f Hamburg,
im 77. Jahre, 6. VIIL — Woche 4, 1532;
Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 105.
Förster, Carl Friedrich Richard, Dr, med..
Geheimer Medizinalrat, ordentl. Professor
d. Augenheilkunde an d. Universität Breslau,
Vertreter derselben im preuß. Herrenhause;
♦ Polnisch-Lissa (Reg.-Bez. Posen) 15. XI.
1825; t Breslau 7. VU. — 111. Ztg. 119,
88 (v. R.). 90 (P); Leopoldina 38, 98;
Woche 4, 1338 (P); Chronik d. Universität
Breslau 17 (1902/3), 133 (W. Uhthoff);
Virchows Jahresberichte 37, I, 414 (Pagel,
mit L); BZ 11, 130. 12, 130 (Archiv f.
Augenheilkunde 46, 109: R. Greeff; Heil-
kunde 1902, 467 u. Jahresberichte d. schles.
Gesellsch. f. vaterl. Kultur 1903, 11 : W.
UhthofT; Ztschr. für Augenheilkunde 1902,
400: Baer; Berliner klin. Wochenschrift
1902, 719: O. Meyer; Münchn. Medizin.
Wochenschrift 1902, 1350: O. Eversbusch;
Allgemeine Medizin. Zentralztg. 1902, 1064:
H. Cohn).
•Franck, Hermann, Großindustrieller in Lud-
wigsburg (Zichorienfabrik Heinrich Franck
Söhne); ♦ Vaihingen a. d. Enz 27. XII.
1838; t Ludwigsburg 13. IX. — BJ VII,
78 (R. Krauß).
Frank (Pseudon.), Romandichter: s. Krön es
Ritter v. Marchland, Franz.
Frank, Otto, Komponist v. Männerchören,
Gesangvereinsdirigent in Berlin; t daselbst
26. XII. — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
119 (Lüstner, mit L).
Fränkel, Albert, Dr. phil., Schriftsteller,
31*
Totenliste 1902: Fraenkel — Fuhr.
32*
Mitarbeiter an d. »Gartenlaube« ; * Dessau
29. VIII. 1822; t Leipzig 6. IX. — 111,
Ztg. 119, 385; KL 24, 373 (W). 25, 43;
Das literar. Leipzig S. 54 (mit W).
Fraenkel, Moritz Ottomar, Dr, med.. Ge-
heimer Sanitätsrat, Psychiater in Dessau,
auch Dichter; * 2. XI. 1814; f 12. X. —
Virchows Jahresberichte 37, I, 414 (Pagel,
mit L: Ztschr. f. Ethnologie 34, 331; All-
gemeine Ztschr. für Psychiatrie 60, 298:
Lahr; Unser Anhaltland 1902 Nr. 44).
Franzen, F., Direktor d. Hamburg-Sudameri-
kan. DampfschifTahrtsgesellschaft in Ham-
burg; t daselbst 23. VII. — Woche 4, 1431.
*Freiberg, Rudolf Ritter v., k. k. Sektionsrat,
unter Graf Taaffe Organisator d. offiziösen
Presse, unter Badeni Leiter der Präsidial-
kanzlei; • Prag 23. I. 1843; t Hartenstein
b. Krems 8. XI. — BJ VII, 350 (H. Fried-
jung); 111. Ztg. 119, 781.
Frentzel, Johannes, Dr, phiLy Professor, Do-
zent f. Chemie an d. Techn. u. Landwirt-
schaft!. Hochschule in Berlin; ♦ daselbst
24. VI. 1859; t ebenda 25. IV. — Leo-
poldina 38,78; Poggendorff 4.453 (mitW).
Frenzel, F. A., Dr, phil,, Vorstand des k.
Sachs. Hüttenlaboratoriums zu Freiburg i. S.,
Chemiker, Mineraloge und Omithologe;
f Ende August. — Leopoldina 39, 40; BZ
II, 132 (Omitholog. Monatsschrift d. deut-
schen Vereins z. Schutze d. Vogelwelt 1902,
451: C. Hennicke; Zentralblatt für Mine-
ralogie 1902,641: Beck).
Frenzel, Friedrich Franz, Gemeindevorsteher
in Wehlen (Sachs. Schweiz), langjähr. Mit-
glied d. Sachs. Landtags; f Wehlen 28. XI.
— Woche 4, 2246.
Freund, Leopold, Buchdruckereibesitzer in
Breslau, Verleger der »Breslau er Morgen-
ztg.«; f, 63 Jahre alt, 11. V. — Börsenbl.
f. d. Deutschen Buchhandel 1902, 4030.
Friedel, Johann, Bierbrauer u. Gutsbesitzer
in Oberkonnersreuth (Mittelfranken), Mit-
glied des Distriktsrats u. stellvertretender
Landrat in Bayreuth, Mitglied der bayer.
Abgeordnetenkammer und des Deutschen
Reichstags (nationalliberal) ; * Oberkonners-
reuth 7. V. 1856; t bei einem Eisenbahn-
unglück in d. Nähe von Zschortau b. De-
litzsch (Prov. Sachsen) 5. V. — 111. Ztg.
iiS, 751; Kürschner, Bayr. Landtag 1893,
93 (mit P).
Friedländer, Heinrich, Dr, med.^ Assistent
am Krankenhause Friedrichshain in Berlin;
t daselbst, 29 Jahre alt, 21. IX. — Vir-
chows Jahresberichte 37, I, 414 (Pagel,
mit L: Allgemeine Medizin. Zentralztg.
1902 Nr. 85).
Friedländer, Julius, Dr, med., Arzt in Berlin,
auch Philosoph. Schriftsteller; * Posen
29. VII. 185 1 ; t Charlottenburg 9. XI. —
Virchows Jahresberichte 37, 1, 414 (Pagel).
♦Friedrike Karoline Juliane Herzogin v. An-
halt-Bemburg, geb. Prinzessin zu Schleswig-
Holstein - Sonderburg - Glücksburg, Witwe
des Alexander Herzogs v. Anhalt-Bernburg ;
♦ Schloß Gottorp 9. X. 1811; t Alexis-
bad 10. VII. — BJ VII, 206 (Ph. Losch).
Fritzsch, Ernst Wilhelm, Musikverleger,
Redakteur des »Musikal. Wochenblatt« in
Leipzig; * Lützen 24. VIII. 1840; f Leipzig
14. VIII. — Monatshefte für Musikgesch.
35, U9 (Lüstner, mit L); KL 24, 397.
25,43; RiemannS 344; Mendel-Reißmann,
Musikal. Konv.-Lexikon 4, 67.
Fröbel, Wirkl. Geheimer Kriegsrat, vortra-
gender Rat in d. Verpflegungsabteilung d.
preuß. Kriegsministeriums; f i. X. — Voss.
Ztg. 1902 Nr. 605 Beil. 8.
Fröhlich von Elmbach und Groara, Ludwig
Frcih., k. u. k. Feldzeugmeister i. R. ; * Neu-
titschein (Mähren) 14. II. 1823; f Wien
12. XI. — 111. Ztg. 119, 781; Freiherrl.
Taschenbuch 1903, 206. 1904, 896.
Fuchs, Immanuel Lazarus, Dr, phtl.. Ge-
heimer Regierungsrat, Professor d. Mathe-
matik u. Direktor d. mathemat. Seminars
an d. Universität Berlin, ordentl. Mitglied
d. k. preuß. Akademie d. Wissenschaften;
'♦ Meschin (Prov. Posen) 5. V. 1833; f Ber-
lin 26. IV. — Leopoldina 38, 78; Pog-
gendorff 3, 483. 4, 466 (W); BZ lo, 118.
*i> '33' ^3. '3' (Naturwissenschaftl. Rund-
schau 1902, 239: G. W^allenberg; Archiv
d. Mathematik u. Physik 1902, 177: M.
Hamburger; Sitzungsberichte d. k. bayer.
Akademie d. Wissensch. 1903 math.-phys.
Kl. S. 512: C. Voit); Chronik der Univ.
Berlin 1902, 7.
Fugger von Glött, Emma Karoline Aloysia
Maria Theresia Gräfin ; * Schloß Glött bei
Dillingen a. D. 17. VII. 1840; t Dillingen
a. D. II. II. — Goth. Hofkalender 1903,
— : Hermann Wilhelm Klemens Aloys Graf,
Priester, Mitglied der Gesellschaft Jesu,
Philosoph, u. theolog. Schriftsteller; * Glött
3. II. 1833; f München 16. VI. — Woche
4, 1182; KL 24, 404 (W). 25, 44; Goth.
Hofkalcnder 1903, 125; Keiter-Jürg, Ka-
thol. Literaturkalender 6, 80 (W); Wien-
stein, Lexikon d. kathol. deutschen Dichter
loS (mit W); KL 24. 404 (W).
*Fuhr, Ferdinand, Dr. med.^ außerordentl.
Professor für Chirurgie an der Universität
Gießen; • 22. L 1853; f Gießen 3. XI.
— BJ VII, 99 (Pagel); Virchows Jahres-
berichte 37, I, 413 (Pagel, mit L: Mün-
chener Medizin. Wochenschrift 1902 Nr. 45);
Leopoldina 39, 40.
33*
Totenliste 1 902 : Fulda — Genschow.
34*
*Fulda, Eckart, Professor an d. preufi. Haupt-
kadettenanstalt in Groß-Lichterfelde b. Ber-
lin, Geograph ; * Eckartsberga (Thüringen)
20. II. 1854; t Berlin 28. II. ^ BJ VH,
295 (VV. Wolkenhauer); Geograph. Jahr-
buch 26, 430 (derselbe).
♦Füllborn, Karl George (Pseudon.: G. F.
Born), Buchdnickereibesitzer in Dresden,
Herausgeber d. » Eibthal -Morgenztg.«, Mit-
glied d. Dresdener Stadtverordnetenkolle-
giums, auch Schriftsteller u. Dichter; * EI-
bing 5. IX. 1837; t Dresden-Pieschen
II. III. — BJ VII, 219 (F. Brummer); III.
Ztg. 118, 417 ; Hinrichsen, Literar. Deutsch-
land* 408; Brummer 5 i, 401 (mit W);
KL 24, 402 (W).
♦Funcke, Oskar v., k. sächs. Generalleutnant
a la siiiie der Armee; * Radeberg 4. VI.
1S24; f Dresden 25. I. — BJ VII, 112
(Lorenzen).
Fünfkirchen, Franz Klemens Graf v., Herr
auf Steinabrunn u. Neu-Rupperdorf in Nie-
der-Österreich, erbl. Mitglied des Herren-
hauses des Österreich. Reichsrats (Mittel-
partei), k. u. k. Kämmerer; * 26. V. 1827;
t Graz 17. \^ — Goth. Hofkalender 1903,
286; S. Hahn, Reichsrats-Almanach 1891/2,
39.
•Fürer, Karl Eduard, protestant. Pfarrer u.
geistl. Dichter; * Kirchhain bei Marburg
(Oberhessen) 13. VI. 1830; f Haus Rocke-
nau bei Eberbach (Baden) 17. III. — BJ
VII, 246 (F. Brummer); KL 24, 403 (W);
Brummers i, 402 (mit W); BZ 10, Ii8
(Evangel. Kirchenztg. 1902 Nr. 13: Wetzel).
Fürstenberg-Herdringen, Franz Egon Lud-
wig Graf V., Fideikommißherr u. erbl. Mit-
glied d. preuß. Herrenhauses, Erbtruchseß
d. Herzogtums Westfalen, k. preuß. Ritt-
meister a. D.; * 15. VIII. 118; t Herd-
ringen I. II. — Woche 4, 228. 272 (P);
Gräfl. Taschenbuch 1903, 288.
Fütterer, Josef, Dr. med., angesehener prakt.
Arzt in Dingelstedt; * GUnteroda 2. II.
1839; f Dingelstedt 25. VII. — Virchows
Jahresberichte 37, I, 4 14 (Pagel, mit L).
Gagem, Otto Julius Hieronymus Freih. v.,
k. u. k. Geheimer Rat und General der
Kavallerie a. D., Oberst-Inhaber d. Ulanen-
Regiments Nr. 12, Kivallerie- Inspektor;
* Schwedt a. O. 23. I. 1830; t Wien
S. VI. — 111. Ztg. 118, 935; Freiherrl.
Taschenbuch 1904, 221; BZ 11, 135 (Mi-
litärztg. 1902 Nr. 2i; Armeeblatt 1902
Nr. 24).
Garbell, Adolf (Pseudon.: Arsseni Garbof),
Lektor d. russ. Sprache u. Literatur an d.
Techn. Hochschule in Charlottenburg, Sla-
vist, i'bersetzer u. Lexikograph; • Gol-
dingen 12. VII. 1864; f Berlin 4. XI. —
Bio.?r. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd.
111. Ztg. 119, 737; KL 24, 412 (W). 25,
44.
Garbof, Arsseni (Pseudon.), Slavist: s. Gar-
bcll, Adolf.
*Gassner, Andreas, Dr. theol.y päpsd. Ehren-
kämmerer, fürstbischöfl. Geistl. Rat, früher
Professor f. Pastoraltheologie in Salzburg,
Kustos d. Kollegienkirche daselbst; ♦ An-
thering b. Salzburg i. X. 18 19; f 27. III.
— BJ VII, 266 (F. Lauchert); KL 24, 414
(W) ; Keiter-Jörg, Kathol. Literaturkalender
6, 82 (mit W).
Gax, Gottfried, Österreich. Landtagsabgeord-
neter; t VVaidhofen a. d. Ybbs 17. VIII. —
Woche 4. 1578.
•Geertz, Julius, Genre- und Porträtmaler in
Braunschweig, früher in Düsseldorf; * Ham-
burg 21. IV. 1837; t Braunschweig 21. X.
— BJ VII, 221 (J. Sass).
^Geiger, Hermann, Geheimer päpstl. Kämme-
rer, Ehrendomherr d. Patriarchalkirche zu
Jerusalem u. Beneüziat in München, Kirchen-
historiker, auch Verfasser von Reisebe-
schreibungen u. historischen Erzählungen;
* Schwabmünchen 14. III. 1827;^ München
I. XII. — BJ VII, 349 (F. Lauchert); Keiter-
Jörg, Kathol. Literaturkalender 6, 83 (mit
W); KL 23, 417; VVienstein, Lexikon d.
kathol. deutschen Dichter 112 (mit W).
Geissler, Paul Arthur Ehregott, Dr. med.,
k. sächs. Geheimer Regierungsrat, Direktor
d. Statist. Bureaus im sächs. Ministerium d.
Innern; *Gränitz (Erzgebirge) 1832; f Dres-
den 5. II. — III. Ztg. 118, 227; BZ 12, 141
(Ztschr. d. k. preuß. Statist. Bureaus 1903,
35: E. Blenck; Ztschr. f. schweizer. Sta-
tistik 1903, 190).
Geissler, Gustav Adolf, Justizrat, Beigeord-
neter d. Gesamtvorstandes d. Allgemeinen
Deutschen Schulvereins, Vorstandsmitglied
im Ostmarken verein, Mitbegründer d. Evan-
gel. Bundes; f Freiburg i. S., im 71. Jahre,
10. X. — 111. Ztg. 119, 781.
Gemberg, Frau Adine Adja Carlowna, geb.
von Baker, Schriftstellerin u. Dichterin;
♦St. Petersburg 28. IV. 1860; t Wittenberg
10. VIII. — Woche 4, 1532; KL 24, 422
(W). 25, 44; Pataky, Lexikon deutscher
Frauen d. Feder i, 249 (mit W); Brummer 5
I, 570 (mit W).
Gemmel, Friedrich Wilhelm, früher protest.
Pfarrer in Leunenburg (Westpr.) ; • daselbst
11. VII. 1828; t Königsberg 11. VII. —
Altpreuß. Monatsschr. 40, 467 (Rindfleisch,
L: Evangel. Gemeindeblatt 57, 1902, 199).
Genschow, Georg, Landschaftsmaler in
Düsseldorf; * Rostock 4. X. 1828; f Düssel-
dorf 15. VII. — Müller-Singer, Allgemeines
Künstlerlexikon 3 2, 30; Jahrbuch der bil-
denden Kunst 2, 105.
ob
Totenliste 1902: Gentsch — Gleichauff.
36*
Gentsch, Traugott, früher Klarinettist im Ge-
wandhausorchester u. Lehrer am k. Konser-
vatorium in Leipzig: * Kehmsdorf 14. VIII.
1838; f Oetzsch b. Leipzig 19. V. — Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 119 (LUstner,
mitL.)
Georg: Friedrich Wilhelm Georg Ernst Prinz
V. Preußen, General d. Kavallerie, Kunst-
und Literaturfreund, auch dramat. Dichter
(Pseudon.: G.Conrad); * Düsseldorf 12. II.
1826; t Berlin 2. V. — Goth. Hof kalender
1903, 66; 111. Ztg. 118, 692 (J. P., mit P);
Woche 4, 831 (A. V. Loy). 841 (P); KL
24, 424 (W). 25, 44; BrUmmerS i, 423
(mit W); BZ 10, 126. 11, 143. 12, 144.
13, 140 (Daheim 1902 Nr. 39 und Unser
Anhaltland 1902 Nr. 20: P. Lindenberg;
Hohenzollem-Jahrbuch Bd. 6 : M. v. Olfers ;
Militärztg. 1902 Nr. 19; Jahrbücher d. k.
Akademie gemeinnütziger Wissenschaften
zu Erfurt 29, i : W. Heinzelmann ; Ebenda
S. 151: St. Kekule v. Stradonits; Jahrbuch
f. sexuelle Zwischenstufen 5, II, 1298).
Gerbeck, Wilhelm, herzogl. sachsen-koburg-
goth. Hofschauspieler a. D. (Väterrollen);
f München, 65 Jahre alt, 9. IV. — 111. Ztg.
118, 585; Flüggen, Biograph. Bühnenlexi-
kon I, loi.
Gerber, Karl, Generalmajor z. D., zuletzt Di-
rektor d. Artilleriewerkstatt in Straßburg;
f, 73 Jahre alt, 3. XII. — Voss. Ztg. 1903
Nr. 1 Beil. 8.
Gerdeissen, Fräulein, Altistin am Stadtthe-
ater zu Ulm ; f München, 2 1 Jahre alt, im
Oktober. — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
119 (Lüstner, mitL).
♦Gerechter, Siegmund, Maler; • Berlin i. VII.
1850; t Kassel 19. IV. — BJ VH, 204
(Ph. Losch) ; Jahrbuch d. bildenden Kunst
2, 105.
♦Gerhardt (nicht Gerhard), Karl Adolf
Christian Jakob, Dr, med, ctjur.y Geheimer
Mcdizinalrat, ordentl. Professor in d. Me-
dizinischen Fakultät d. Universität Berlin,
Direktor d. zweiten medizin. Charite-Klinik
daselbst, Mitglied d. wissenschaftl. Depu-
tation f. d. Medizinalwesen u. d. Reichs-
Gesundheitsamts; * Speier 5. V. 1833; fauf
seinem Gute Gamberg (bad. Kreis Mos-
bach) 21. VII. — BJ VII, 87 (Pagel);
Chronik d. Univ. Berlin 16 (1902), 6; 111.
Ztg. 119, 123. 136 (mit P); KL 24,427
(W). 25,44; Pagel 594 (mitP); Leopol-
dina 38, 95. 98; Woche 4, 1380 (P); Vir-
chows Jahresberichte 37, I, 415 (Pagel, mit
L); BZ II, 143. 13, 140 (Archiv f. Kinder-
heilkunde 35, 160: Baginsky; Deutsches
Archiv f. klin. Medizin 74, III: F. Müller;
Archiv f. pbysikal.-diätet. Therapie 1902,
2X2, mit P; Heilkunde 1902, 381; Jahr-
buch f. Kinderheilkunde 56, 250: Heubner;
Therapie der Gegenwart 1902, 337; Das
rote Kreuz 1902, 253, mit P; Medizin. Re-
form 1902, 283: Ch. Lennhoff; Berliner
klin. Wochenschrift 1902, 721: E. Grawitz,
u. 1903, 623: B. Fraenkel; Deutsche me-
dizin. Wochenschrift 1902, 565 u. Tuber-
kulosis 1902, 93 (mit P): E. v. Leyden;
Münchener medizin. Wochenschrift 1902,
1581: F. Martius; Wiener klin. Wochen-
schrift 1902,821: Th. Escherich; Medizin.
Woche 1902, 357: R. Benjamin; Ztschr.
f. Tuberkulose 4, 373: W. Zinn).
Gerke, August, v., kaiserl. russ. Geheimer
Rat u. Senator, Präsident d. evangel.-luther.
Konsistoriums in St. Petersburg; f. 60 Jahre
alt, 18. III. — Woche 4 Nr. 12 S. VI;
Theolog. Jahresbericht 22 (1902), 1436
(Nestle).
Germann, Wilhelm, Dr. theoL k. c, et phil.,
herzogl. sächs. Kirchenrat in Meiningen,
Geschichtsforscher; * Gardelegen (Pom-
mern) 4. IV. 1840; f Meiningen 9. (oder
7.?) n. — 111. Ztg. 1x8, 227; Theolog.
Jahresbericht 22 (1902), 1436 (Nestle, mit
L).
*Gildemeister, Otto (Pseudon.: Giotto),
Dr. phil.f Senator in Bremen, Publizist.
Literarhistoriker u. Übersetzer; * Bremen
13. III. 1823; t ebenda 26. VIII. — B|
VII, 32 (A. Fitger); Hl. Ztg. 119, 37^^
(J. P., mit P); Woche 4, 1624 (P); KL
24, 435 (W). 25, 44; BZ II, 148. 12.
148. 13, 144 (Nation 19 Nr. 48: Alex.
Meyer; Ebenda Nr. 49: A. Fitger; Nieder-
sachsen 7, 402, mit P; Engl. Studien 31,
388: R. Ruete; Die Kultur 1902, Sept.
391: Th. Achelis; Jahrbuch d. deutschen
Shakespeare-CTCsellschaft Bd. 39: H. Bult-
haupt; Deutsche Monatsschrift f. d. gesamte
Leben d. Gegenwart 2, Aug. 715 : H. Spieß;
Weserztg. 1903, Aug. 15).
Gilgenheimb, Erdmann, Major a. D., früher
Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses;
t Weidenau, 61 Jahre alt, 6. XI. — Voss.
Ztg. 1902 Nr. 609 Beil. 2; Woche 4, 2 11 6.
Gilsa, Julius v., k. preuß. Generalmajor z. D.,
zuletzt Kommandeur d. 24. Feldartillerie-
Regiments ; t, 74 Jahre alt, 7. I. — Voss.
Ztg. 1903 Nr. I Beil. 8.
Gimbel, Karl, Leutnant a. D., bedeutender
Kunstsammler; f Baden-Baden 23. V. —
Woche 4, 991; BZ II, 148 (Ztschr. f.
histor. Waffenkunde 2, 391 : R. Forrcr).
Giotto (Pseudon.), Schriftsteller: s. Gilde-
meister, Otto.
Gleichauff, Rudolf, \'iolinist und Lehrer:
f Mülhausen i. E. im Sept. — Monatshefte
f. Musikgeschichte 35, 119 (Lüstner, mit
37'
Totenliste 1902: Goeben — Greil.
38*
^Goeben, William v., General d. Infanterie,
Bruder des Generals Karl August v. G. ;
• Stade 30. VII. i8i8; f Lauenstein (Kreis
Hameln) 19. IV. — BZ VII, 109; 111. Ztg.
118, 663; BZ II, 150 (Militärztg. 1902
Nr. 17).
Goldberger, Georg, belg. Generalkonsul in
Berlin; t 12. VIII. — Woche 4, 1534.
Goldfriedrich, Gustav Adolf, k. sächs. Ober-
finanzrat u. Kreissteuerrat a. D. ; * Dresden
1830; t Leipzig 19. III. — 111. Ztg. Ii8,
470.
Goldschmidt, Generalmajor z. D. ; f Schrei-
berhau, 66 Jahre alt. — Woche 4, 1624.
^Goldschmidt, Johannes Friedrich, Ge-
neraldirektor der Patzenhofer Brauerei in
Berlin, früher Mitglied d. preufi. Abgeord-
netenhauses u. Deutschen Reichstags (Frei-
sinnige Vereinigung), auch Mitglied der
Kommission f. d. Beratung d. Entwurfs d.
Bürgerl. Gesetzbuchs, Parlamentarier und
Volkswirt; * Berlin 20. II. 1837; t ^^"
rienbad 13. VI. — BJ VII, 81 (Paul Gold-
schmidt); KL 24, 449 (W).
Göller, Adolf, ordentl. Professor f. Baukon-
struktionslehre u. Eisenbahnhochbau an d.
Techn. Hochschule in Stuttgart, Architekt;
f Stuttgart 12. X. — 111. Ztg. 119, 618;
Jahrbuch der bildenden Kunst 2, 105;
Württemberg. Jahrbücher f. Statistik u. Lan-
deskunde 1902, V (Hartmann, L).
Goltz, Anton Friedrich Leopold Freih. von
der, Herr auf Kallen und Tengen, früher
Mitglied d. Deutschen Reichstags (konser-
vativ) ; * Königsberg i. Pr. 4. XI. 1 828 ; f 18. 1.
— 111. Ztg. 118, 157; Woche 4, 136; Frei-
herrl. Taschenbuch 1904, 259; Schoenfeld,
Notizbuch f. Reichstagswähler 5 10.
Goltz, Friedrich Leopold, Or, med,^ ehe-
mal, ordentl. Professor f. Physiologie u.
Direktor d. physiolog. Instituts an d. Uni-
versität Straßburg; • Posen 14. VIII. 1834;
t Straßburg i. E. 4. V. — 111. Ztg. 118,
751. 823 (mit P); KL 24, 453 (W). 25,
44; Leopold. 38, 59. 79 (mit W); Virchows
Jahresberichte 37. I, 415 (Pagel, mit L:
Berliner klin. Wochenschrift iqo2, 479 u.
Archiv f. d. gesamte Physiologie 94, i :
R. Ewald; Wiener klin. Wochenschrift 1902,
607: A. Kreidl; Journal f. Psychologie u.
Neurologie i, 89: Lewandowski) ; BZ 10,
133- II, 150. 12, 150 (Deutsche Medizin.
Wochenschrift 1902, 403: A. Bickel, mit
P; Münchener Medizin. Wochenschrift
1902, 965 u, Archiv f. Gesundheitspflege
in Elsaß-Lothringen 22, 4: H. Kraft).
Golz, Jeanne, Konzertsängerin in Berlin;
f daselbst, 25 Jahre alt, i. IV. — Monats-
hefte für Musikgesch. 35, 169 (Lüstner,
mit L).
* Gossler, Gustav v., Dr, Iheol., jur., med,
el phil, h. c.f Ehrenmitglied d. Akademie
d. Wissenschaften u. d. Künste in Berlin,
Oberpräsident d. Prov. Westpreußen, früher
preuß. Kultusminister; * Naumburg a. S.
13. IV. 1838; t Danzig 29. IX. — BJ
VII, 335 (VV. Schrader); 111. Ztg. 119, 497.
538 (J. N. Weisfert, mit P); Woche 4, 1845.
1851 (P); Altpreuß. Monatsschrift 40, 468
(Rindfleisch, L); BZ il, 150 (Ztschr. f. la-
teinlose höhere Schulen 14, 65: Schmitz-
Mancy; Körper u. Geist 1902, 252, mit
P; Ebenda 260: A. Hermann; Deutsche
Tumztg. 1902 Nr. 44: O. Atzrott; Burschen-
schaftl. Blätter 17, 214; Preuß. Lehrerztg.
1902 Nr. 233).
Goetschel, Eduard v., Dr, med., dirigieren-
der Arzt d. 2. chirurgischen Abteilung am
Stadtkrankenhause in Riga; * Brest-Li-
towsk; t Riga 31. III. — Virchows Jahres-
berichte 37, I, 415 (Pagel, mit L: Peters-
burger Medizin. Wochenschrift 1902 Nr. 14).
Goetschel, Georg, Dichter u. Schriftsteller
in Görlitz; * Berlin 29. IX. 1860; f Gör-
litz 20. II. — KL 24, 446 (W). 25, 44.
Gottdank, Friedrich, früher Schauspieler in
Wien; f, 85 Jahre alt. — Woche 4, 17 12.
Götze, Franz, erzgebirg. Dialektdichter, Re-
dakteur des »Sächs. Landesanzeigers«;
* Chemnitz 9. III. 1842; f daselbst 9. VIII.
— 111. Ztg. 119, 277; KL 25, 44.
*Graefe, Albert, Vr, med,, Augenarzt in
Berlin; * Berlin 1860; f Innsbruck auf
d. Reise 31. VIIL — BJ VII, 130 (Pagel);
111. Ztg. 1 19, 385; Virchows Jahresberichte
37» I. 415 (Pagel, mit L: Berliner Arztl.
Korrespondenz 1902 Nr. 36; Medizin. Re-
form 1902 Nr. 36: Munter).
Gräff, Franz Friedrich, Dr.phil,, Professor
d. Mineralogie an d. Universität Freiburg
i. B.; ♦ Bretten (Baden) 13. VI. 1855;
t 3. XII. — Poggendorff 4, 523 (mit W).
Grand, August, Gründer d. Hofpianoforte-
fabrik gleichen Namens in Berlin; f da-
selbst, 72 Jahre alt, im Februar. — Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 119 (LUstner,
mit L).
^Granderath, Theodor, Mitglied d. Gesell-
schaft Jesu, Kirchenhistoriker u. Kanonist;
* Giesenkirchen (Rheinprov.) 19. VI. 1839;
t Valkenberg (Holland) 19. III. — BJ VII,
265 (F. Lauchert); Keiter-Jörg, Kathol.
Literaturkalender 6, 92 (W).
Grass, Hans, hervorragender AlpenfUhrer in
d. Berninagruppe; f Pontresina Mai/Juni.
— 111. Ztg. 118, 935,
*Greil, Alois, Genremaler und Illustrator in
Wien; * Linz 27. lU. 1841 ; f Wien 12. XIL
— BJ VII, 149 (H. Schmerber); Müller-
Singer, Allgemeines Künstlerlexikon 3 2,
39'
Totenliste 1902: Gritzner — Habart.
40*
87; Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 105;
Rheinhardt, Biographien d. Wiener Künstler
u. Schriftsteller i, 58.
*Gritzner, Adolf Maximilian Ferdinand,
(Pseudon.: Max Fernand), k. preuß.
Geh. Kanzleirat, Bibliothekar im preuß.
Ministerium des Innern, Heraldiker, auch
dramat. Dichter; ♦ Sorau 29. VII. 1843;
t Steglitz bei Berlin Anfang Juli. — BJ
VII, 173 (F. Brummer); KL 24, 470 (W).
25, 44; Brummer 5 2, 45.
Groeben, Friedrich Hermann von der, k.
preuß. Generalmajor z. D., erster Kurator
des Langheim -Lieper Familienüdeikom-
misses; ♦ Ludwigshof 17. II. 1828; f Kö-
nigsberg i. Pr. 27. III. — 111. Ztg. 118,
547; Goth. Genealog. Taschenbuch der
Adeligen Häuser 1903, 350.
^Grosse, Julius Walderaar, Dr, phil., Hof-
rat, Generalsekretär d. Deutschen Schiller-
stiftung, Diphter u. Schriftsteller; * Erfurt
25. IV. 1828; t Torbole am Gardasee
9. V. — BJ VII, 314 (W. Arminius); KL
24» 475 (W). 25, 44; Hinrichsen» 469
(mit W); 111. Ztg. Ii8, 747 (L. Salomon,
mit P); Brummer 5 2, 50. 473 (mit W);
J. Grosse, Ursachen und Wirkungen. Lebens-
erinnerungen. Braunschweig 1896; BZ 10,
136. II, 153. 13, 148 (Kunstwart 1902
Heft 18, Bühne u. Welt 1902, 773 u. Die
Gesellschaft 1902, III, iio: Ad. Bartels;
Internationale Literaturber. 1902, 121 : H. v.
Basedow; Heimat 1903, Nr. 41 : K. Freye).
Grün, Klemens, Schauspieler: s. Grunwald,
Klemens.
*Grunbeck, Heinrich Anton, Abt d. ver-
einigten Cistercienserstifte Heiligenkreuz
b. Baden u. Neukloster in Wiener-Neustadt
(Niederösterr.); ♦ Wien 24. XI. 1818;
t Heiligenkreuz i. I. — BJ VII, 90 (N.
Schlögl); BZ 10, 136 (Cistercienserchronik
1902, II i).
Grunert, Kurt, Baurat im k. preuß. Mini-
sterium d. öffentl. Arbeiten, Landbauin-
spektor, auch Maler und Zeichner; * Kö-
nigsberg i. Pr. 30. V. 1843; t Bcrlii^ 23.
XII. — Deutsche Bauztg. 37, 15; BZ 12,
154 (Zentralblatt d. Bauvei-waltung 1903
Nr. 2: Hossfeld, mit P).
Grünne, Philipp Graf v., Herr auf Markt-
Dobersberg, Illenau, Taxen u. Peigarten,
k. u. k. Kämmerer, Geheimer Rat u. Feld-
zeugmeister i. R., Inhaber d. Österreich.
Infanterieregiments Nr. 43, ehemalig. Korps-
koramandant in Prag; * Wien 4. XI. 1833;
t Markt-Dobersberg 27. III. — Gräfl. Ta-
schenbuch 1904, 314; 111. Ztg. 118, 509;
BZ II, 153 (Armeeztg., Wien, 1902 Nr. 14);
Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaisert.
Österreich 5, 395.
Grunwald, Klemens (Bühnenname: Klemens
Grün), Charakterkomiker, zuletzt am Stadt-
theater in Frankfurt a. M.; ♦ Graz 28. V.
1846; t Frankfurt a. M. 18. V. — Eisen-
berg, Großes biograph. Lexikon d. Deut-
schen Bühne 359; Flüggen, Biograph.
Bühnenlexikon i, 116; Voss. Ztg. 1903
Nr. II Beil. 2.
^Gruttschreiber (nicht Grutschreiber), Alex-
ander Joseph Adam, k. preuß. General-
major z. D.; * Ratibor 3 i.V. 1849; t ebenda
16. I. — BJ VII, 256 (Lorenzen); Frei-
herrl. Taschenbuch 1903, 254.
Gubser, Robert, schweizer. Ingenieur; t Tu-
rin, 40 Jahre alt, 30. X. — Woche 4, 2070.
Günther, Leopold, ehemaliger großherzogl.
mecklenburg. Oberregisseur in Schwerin,
Opernsänger (TenorbufFo) und Schauspieler
(Komiker), auch Verf. von Bühnenstücken;
♦ Berlin 18. IV. 1825; f Schwerin 16.
VIII. — Eisenberg, Großes biograph. Lexi-
kon der Deutschen Bühne 366; 111. Ztg.
H9. 277- 385; Flüggen, Biograph. Büh-
nenlexikon I, 118; Brummers 2, 65 (mit
W); W^oche 4, 1578.
Gusovius, Emil v., Generallandschaftsrat auf
Augken b. Wehlau, ältestes Mitglied des
Generallandschaftsdirektoriums u. d. Ver-
waltungsrats wie d. Kuratoriums d. land-
wirtschaftl. Darlehenskasse in Königsberg
i. Pr.; f 24. V. — Voss. Ztg. 1903 Nr. ii
Beil. 2.
Haack, Rudolf, Pastor, der erste deutsche
Marineprediger; f Greifswald, 78 Jahre
alt. — Woche 4, 1624.
Haan, Jakob, Ökonomierat, früher Besitzer
des Schloßgutes in Ebersberg bei Grafing
(Oberbayern), Mitglied d. bayer. Landwirt-
schaftsrats u. langjähr. Vorstand d. Land-
wirtschaf tl. Bezirk Vereins Ebersberg; fKöln,
62 Jahre alt, 28. II. — III. Ztg. iiS, 391.
Haas, Hermann Julius, Dr. Jur., Schrift-
steller, Begründer d. »Münchener General-
anzeiger« (jetzt »Münchener Zeitung«), auch
dramat. Dichter; •)• Schloß Röschenau erhöhe
nächst Zell b. Ebenhausen im Isartal 31. VIII.
— Allgemeine Ztg. 1902 Nr. 246 Mittagsbl.
Nr. 252 Morgenblatt 2 ; BZ 11, 154 (^Deut-
sche Buchhandelsblätter 2, 550; Burschen-
schaftl. Blätter 17, 31: M. Neal).
Haasenritter, Ewald, Maler und Radierer;
* Kosen 6. VII. 1871; f Schöneiche bei
Friedrichshagen 25. VII. — Jahrbuch der
bildenden Kunst 2, 105.
*Habart, Johann, Dr, med.^ k. u. k. Ober-
stabsarzt, Privatdozent der Kriegschirurgie
an d. Universität Wien; • Vonikow (Böhmen)
23. IX. 1845; t Wien 19. IV. — BJ VII,
64 (R. R. v. Töply); Leopoldina 38, 79;
111. Ztg. 118, 663 ; Virchows Jahresberichte
41
Totcnliste 1 902 : Habicht — Harless.
42"
37, I, 415 (Pagel, mit L: Deutsche Militär-
arzt!. Ztschr. 31, 366: J. Steiner; Militär-
arzt 1902, 71: V. Töply; Wiener klinische
Wochenschrift 1902, 452); BZ 10, 137 (L).
Habicht, Viktor, Dr, theoL, Generalsuperin-
tendent der Provinz Oberhessen, Prälat d.
evangel. Landeskirche d. Großherzogtums
Hessen in Darmstadt u. Mitglied d. i.hess.
Ständekammer, theol. Schriftsteller; 111. Ztg.
118, 829; Holtzmann-ZöpfTel, Lexikon f.
Theologie u. Kirchenwesen* 391 (mitW);
Perthes' Handlexikon f. evangel. Theologen
2, 2; Theolog. Jahresbericht 22 (1902),
1436 (Nestle).
Hafner, Heinrich, Dr.jur.y schweizer. Bundes-
richter; * Schönenberg 27. XII. 1838; f Lau-
sanne 8. IV. — 111. Ztg. ii8, 585.
Hagemeister, v., ehemal. Oberpräsident der
Prov. Westfalen ; f Gut Clausdorf b. Stral-
sund 29. (?) IV. — 111. Ztg. 118, 702.
Hagen, Walter, Arzt, Musiker u. Komponist;
verunglückt in den Bergen, begraben Adel-
boden (Schweiz) ii. VI. — Monatshefte f.
Musikgesch. 35, 119 (Lüstner, mit L); BZ
12, 156 (Die Schweiz 1902, 113: F. Praech-
ter-Haaf).
Hagspiel, Oskar, Inhaber d. Pianofortefabrik
Hagspiel & Cie. in Dresden, ursprünglich
Musiker u. Komponist; f Dresden, 50 Jahre
alt, 21. I. — Monatshefte f. Musikgesch.
35, 119 (LUstner, mit L).
*Hahn, Eugen, Dr, ffted,. Geheimer Sanitäts-
rat, Professor, Direktor der Chirurg. Ab-
teilung des Stadt. Allgemeinen Kranken-
hauses im Friedrichshain zu Berlin; * Or-
telsburg (Ostpreußen) 7. IV. 1841; f Berlin
I. XI. — BJ VII, 128 (Pagel); 111. Ztg.
119. 737; VVoche 4, 2074 (P)' Leopoldina
39, 40; Pagel 679 (mit P u. W); Virchows'
Jahresberichte 37, I, 416 (Pagel, mit L:
Berliner Arztekorrespondenz 1902 Nr 45;
Medizinische VVoche 1902 Nr. 45: Israel;
Deutsche Medizin. Wochenschrift 1902 Nr.
46: W. Körte, mit P; Berliner klinische
Wochenschrift 1902 Nr. 46: Th. Gluck;
Wiener klin. Rundschau 1902 Nr. 48; In-
ternationales Zentralblatt f. Lar}'ngologie 18
Nr. 12: F. Semon); BZ 11, 155. 12, 156
(Deutsche Ztschr, f. Chirurgie 68, I: Alfr.
Neumann, mit P).
Halben, Johannes Friedrich Heinrich, erster
Lehrer an d. staatl. Bildungsanstalten für
Lehrer in Hamburg, erster Vizepräsident d.
Bürgerschaft daselbst, Mitglied d. dortigen
Oberschulbehörde, früher auch (1884—87)
Mitglied d. Deutschen Reichstags (fortschr.) ;
* Lübeck 13. III. 1839; t Hamburg 19. IL
— 111. Ztg. 118, 315; Schönfeld, Notizbuch
f. Reichstags Wähler 5 152.
Haller, Albert, Dr. med,, Staatsrat Stadt-
physikus in Reval; *Pawlowsk9. III. 1828.
— Virchows Jahresberichte 37, I, 416 (Pa-
gel, mit L: Petersburger Medizin. W^ochen-
schrift 1902 Nr. 27).
Hammer, Karl, VVirkl. Geheimer Kriegsrat,
früher Abteilungschef im preuß. Kriegs-
ministerium, Departement für Invaliden-
wesen; f, 77 Jahre alt, 3. IX. — Voss. Ztg.
1902 Nr. 605 Beil. 8.
Hammerstein, Ernst August Freih. v., k.
hannover. Hauptmann a. D., Mitglied des
Deutschen Reichstags (Weife); * Hasede
17. VIII. 1839; t Thärsgarten bei Celle
16. II. — III. Ztg. 118, 272; Freiherrliches
Taschenbuch 1904, 298; Kürschner, Reichs-
tag 10 (1898/1903), 164 (mit P).
Hanau: Wilhelm Fürst v. Hanau u. zu Horo-
witz, Graf v. Schaumburg, Durchlaucht,
vormal. kurhess. Major u. k. k. Major i. E.
d. Österreich. Landwehr-Ulanen-Regiments
Nr. 6, Sohn d. Kurfürsten Friedrich Wil-
helm I. v. Hessen; * Kassel 19. XII. 1836;
f Hofowitz 3. II. — Goth. Hofkalender
1903, 332.
Hanekam, Wilhelm, Musikdirektor, Gesang-
lehrer an d. Dreikönigsschule in Dresden ;
t daselbst 10. II. — Monatshefte f. Musik-
gesch. 35, 119 (Lüstner, mit L).
Hänel, Adolf v., k. Württemberg. Baudirektor,
früher Professor f. Brückenbau an d. Techn.
Hochschule in Stuttgart; f daselbst, 77 Jahre
alt, 4. II. — Deutsche Bauztg. 36, 79.
Hansen, Peter, Dr. med., Direktor der Pro-
vinzial-Irrenanstalt in Schleswig; * Kappeln
1840; t Schleswig 9. III. — Allgemeine
Zeitschrift f. Psychiatrie 59, 586 (Adler);
Alberti, Lexikon der Schleswig-Holstein-
Lauenburg. Schriftsteller 1829/66; i, 309.
1866/82: I, 248 (W).
Hantelmann, Konrad, k. preuß. Geheimer
Justizrat, Oberlandesgerichtsrat a. D., früher
Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses;
f 24. IV. — Voss. Ztg. 1902 Nr. 609 Beil. 2.
*Häpe, Hugo, k. sächs. Geheimer Rat a. D.,
Kommissar d. kgl. Stenograph. Instituts in
Dresden; ♦ Ebersdorf (Reuss j. L.) 23. V.
1818; t Dresden 8. X. — BJ VH, 248 (R.
Fuchs); BZ li, 157 (Korrespondenzblatt.
Amtl. Ztschr. d. k. stenogr. Inst, zu Dresden
1902, 282).
Harflf, Karl, VVirkl. Geheimer Oberregierungs-
rat im Ministerium für Elsaß-Lothringen,
verdient um d. Deutschtum in d. Reichs-
landen; f Straßburg i. E., 62 Jahre alt,
25. VIII. — IlL Ztg. 119,385-
Harless, Waldemar, Geheimer Archivrat,
Staatsarchivar a. D., früher Vorstand des
Staatsarchivs zu Düsseldorf; * im März 1828 ;
1 4. VI. — Ztschr. d. Bergischen Geschichts-
vereins 36, I (O. Redlich).
43"
Totenliste 1 902 : Harrassowitz — Heinefetter.
44'
Harrassowitz, Georg, früher Präsident des
Landgerichts in Insterburg; f 9. X. —
Voss. Ztg. 1903 Nr. 3 Beil. i.
^Hartmann, Ludwig, Landschafts- u. Tier-
maler in München, Ehrenmitglied der k.
bayerischen Akademie d. Wissenschaften;
* München 15. X. 1835; f daselbst 20. X.
— BJ VII, 155 (H. Holland); Jahrbuch d.
bildenden Kunst 2, 105 ; D. geistige Deutsch-
land I, 269.
•Hartmeyer, Heinrich Emil, Verleger und
Chefredakteur d. »Hamburger Nachrichten« ;
* Hamburg 9. VL 1820; f ebenda 11. II.
— BJ VII, 202 (J. Sass).
Hase, Konrad Wilhelm, Geheimer Re-
gierungs- u. Baurat, Professor f. Architektur
an der Techn. Hochschule in Hannover,
Konsistorialbaumeister a. D., Ehrenmitglied
der Akademie der Künste in Berlin u. der
Akademie der bildenden Künste in Wien,
Architekt; * Einbeck 2. X. i8i8; f Hanno-
ver 28. III. -- 111. Ztg. 118, 547 u. Nr.
2893 (1898 Dezember 8, mit P); Jahrbuch
d. bildenden Künste 2, 105; Deutsche Bau-
ztg. 36, 172. 261 (mitP); Woche 4, 638
(P); Müller-Singer, Allgemeines Künstler-
lexikon 3 2, 136; D. geistige Deutschland
I, 270; BZ 10, 141 (Zentralblatt der Bau-
verwaltung 1902 Nr. 27: K. Mohrmann,
mit P ; Hannoversche Geschichtsblätter 1 902,
193: K. Mohrmann).
Hasse, Gustav, Dr., Chefredakteur d. »Deut-
schen Hutmacherztg.« in Berlin. — Voss.
Ztg. 1903 Nr. 7 Beil. 2.
Hasse, Karl Ewald, Dr. med,, früher Pro-
fessor f. spezielle Pathologie an d. Univer-
sität Göttingen; * Dresden 23. VI. 18 10;
t Hannover 26. IX. — 111. Ztg. 119, 547;
Pagel 694 (mit P); K. E. Hasse, Erinne-
rungen aus meinem Leben. 2. Aufl. Leipz.
1902. Mit P; BZ II, 159. 12, 160 (Mo-
natsschrift f. Gesundheitspflege 1902, 641:
W. Meyer; Vierteljahrsschrift d. naturforsch.
Gesellschaft in Zürich 1903, 451); Virchows
Jahresberichte 37, I, 416 (Korrespondenz-
blatt f. Schweizer Ärzte 1902 Nr. 20).
*Hassenstein, Bruno, Dr, phil, h. r., Karto-
graph, Mitarbeiter der Geograph. Anstalt
von Justus Perthes in Gotha; * Ruhla 23. XI.
1839; t Gotha 27. VIII. — BJ VII, 29 (F.
Ratzel); 111. Ztg. 119, 371 (mit P); Leo-
poldina 38, 107; KL 24, 527 (W). 25,44;
Geograph. Jahrbuch 26, 431 (W. Wolken-
hauer, mitL: Petermanns Mitteilungen 1902
Heft 12: F. Ratzel; Deutsche Rundschau f.
Geographie 25, 85 mit P); BZ 11, 159 (L).
Hauser, Walter, Mitglied d. eidgenöss. Bun-
desrats, Leiter d. Militärdepartements, auch
im eidgenöss. Ständerat; * Wädensweil
1837; f Bern 22. X. — 111. Ztg. 119, 643;
Woche 4, 1981 (P); BZ II, 159 (Die
Schweiz 1902, 537, mit P).
Hebra, Hans Ritter v., Dr, med, et chir.^
Professor f. Dermatologie an d. Univer-
sität Wien, Dirigent d. Abteilung f. Haut-
krankheiten am Wiedener Krankenhaus, Mit-
glied d. Wiener Gemeinderats, Präsident
des Österreich. Vereins gegen die Trunk-
sucht; * Wien 24. V. 1847; t ebenda
13. IV. — Pagel 700; Leopoldina 38, 56;
KL 24, 536. 25, 44; BZ 10, 143 (Archiv
für Dermatologie und Syphilis 60, XVII:
K. Ulimann; Wiener klin. Rundschau 1902,
367; Wiener klin. Wochenschrift 1902,
451: E. Lang); Virchows Jahresberichte
37, I, 416 (Pagel, mit L: yournal of
cutaneous and genitO'-urinary diseases 20
Nr. 238).
Hecke, Oskar, Dr. med., Sanitätsrat, Ohren-
arzt in Breslau; ♦ 1843; f ii. IX. —
Virchows Jahresberichte 37, I, 416 (Pagel,
mit L: Ztschr. f. Ohrenheilkunde 42, 112);
BZ 12, 161 (Jahresberichte d.schles. Gesell-
schaft f. Vaterland. Kultur 80, Nekrolog 7).
Hegler, Alfred, Dr. theoL et phil., Professor
für Kirchengeschichte an der Universität
Tübingen; • Stuttgart 6. XL 1863; t Tü-
bingen 4. XII. — 111. Ztg. 1 19, 968; KL 24,
541 (W). 25, 44; Theolog. Jahresbericht
22 (1902), 1437 (Nestle, mit L); BZ 12,
163 (Protestantenblatt 1903 Nr. i: J. Gme-
lin); W^ürttemberg. Jahrbücher f. Statistik
u. L<indeskunde 1902, V (Hartmann, L).
Hegnenberg-Dux, Lothar Graf v., Herr auf
Hofhegnenberg b. Brück in Oberbayem,
k. bayer. Kämmerer u. Major d. Landwehr-
Infanterie I. Aufgebots, zweiter Präsident
d. bayer. Veteranen-, Krieger- u. Kampf-
genossenbundes, d. letzte männliche Sproß
seines Hauses; * 3. VIII. 1847; t Hof-
hegnenberg 6. IX. — 111. Ztg. 119, 423;
Gräfl. Taschenbuch 1903, 345.
Heidkamp, Peter, Opernsänger (Bassist) am
Stadttheater in Köln (von 1902 ab f. d.
Münchener Hofoper engagiert); * Mühl-
heim a. R. 13. X. 1865; f Bonn 9. (oder
19..*) VI. — Monatshefte f. Musikgesch.
35, 119 (Lüstner, mit L); Eisenberg,
Großes biograph. Lexikon der Deutschen
Bühne 408.
^Heindl, Franz, k. k. Hofrat, Stellvertreter
d. Generalinspektors d. Österreich. Eisen-
bahn, Ingenieur; * Aspang a. d. Zava (Nie-
derösterr.) 8. II. 1837; t Wien 28. XI. —
BJ VII, 210 (A. Birk); BZ ii, 162 (Öster-
reich. Eisenbahnztg. 1902, 400).
Heinefetter, Johann Baptist, Schlachten- u.
Landschaftsmaler; * Mainz 181 5. — Müller-
Singer, Allgemeines Künstlerlexikon 3 2,
151; Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 106.
4:)
Totenliste 1902: Heinemann — Herrnheiser.
46*
^Heinemann, David, Kunsthändler in Mün-
chen, früher auch Maler; * Schlipsheim
(Schwaben) 11. VII. 18 19; f München
I. III. — BJ VII, 159 (H. Holland).
Heinemann, Maria, geb. Remond, chemal.
Opemsängerin : s. Remond, Maria.
Heinrich XXII. Älterer Linie, souveräner Fürst
Reuß, Graf u. Herr v. Plauen, Herr zu Greiz
etc., k. preuß. General d. Infanterie; * Greiz
28. III. 1846; t daselbst 19. IV. — Goth.
Hofkalender 1902, 68. 1903, 68; III. Ztg.
118, 610 (J. P., mit P). 623; Woche 4,
736 (P).
Heinrich, Karl August Hermann, Prinz zu
Waldeck u. Pyrmont, k. preuß. Major ä la
siitte d. Armee; * Mengeringhausen 20. V.
1844; f Wiesbaden 12. XI. — 111. Ztg. 119,
781 ; Goth. Hof kalender 1902, 97. 1903, 97.
Heinssen, Wilhelm, deutscher Konsul in
Puerto Plata (Dominikan. Republik); t da-
selbst 4. VII. — Woche 4, 1279; Goth.
Hofkalender 1902, 658.
Heise, Johannes, Glasmaler u. Illustrator in
Berlin; * Köthen; t durch Selbstmord 3.
XII. — Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 106.
Heising, Kaspar, Maler und Konservator der
städt Gemäldesammlung in Koblenz; t da-
selbst 26. XI. — Jahrbuch der bildenden
Kunst 2, 106.
Heibig, Johann Wilhelm, emeritierter Dom-
organist; t Leipzig, 69 Jahre alt, i.V. —
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 120 (LUst-
ner, mit L).
^Heldreich, Theodor Heinrich Hermann,
/?r., Professor d. Botanik u. Direktor des
Botan. Gartens in Athen; * Dresden 3. III.
1822; t Athen 7. IX. — BJ VII, 29*5 (VV.
Wolkenhauer); Leopoldina 38, 104; Woche
4, 452 (P); Geograph. Jahrbuch 26, 432
(W. Wolkenhauer, mit L); BZ 10, 295
(Deutsche botan. Monatsschrift 1902, 33:
G. Leimbach, mit P).
Hellen, Karl von der, Landschaftsmaler in
Düsseldorf; * Bremen 10. V. 1843; t Düssel-
dorf II. IV. — Müller-Singer, Allgemeines
Künstlerlexikon 3 2, 153; 111. Ztg. 118, 623;
Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 106; F. v.
Bütticher, Malerwerke d. 19. Jahrhunderts
I, 468.
Heller, August, ordentl. Mitglied und Ober-
bibliothekar d. Ungar. Akademie d. Wissen-
schaften, Physiker, Historiker seiner Wissen-
schaft; * Budapest 6. VIII. 1843; f daselbst
4. IX. — Leopoldina 38, 107 (mit W);
Poggendorff 3, 608. 4, 609 (W); BZ 11,
163. 12, 164 (Allgemeine Ztg. 1902 Beil.
Xr. 243: L. Paloczy; Mathemat. u. natur-
wissenschaftl. Berichte aus Ungarn 18, 473:
J. Kürschak).
Heller, Heinrich Justus, Professor, früher
Oberlehrer an d. kgl. Realschule in Berlin,
Lehrer des späteren Kaisers Friedrich III.;
t, 90 Jahre alt, 13. XII. — Voss. Ztg. 1903
Xr. 3 Beil. i.
Helm, Oberkonsistorialrat in Arnstadt ; * Lieh
(Oberhessen) 17. VIII. 1846; fauf d. Reise
in Silva]>]ana 27. I. — Theolog. Jahresbe-
richt 22 (1902), 1437 (Nestle, mit L).
Henneberg, Albert, kgl. Sänger a. D., Be-
gründer u. Leiter d. Hennebergschen Chors
in Berlin; t daselbst, 77 Jahre alt, 17. XII.
— Monatshefte f. Musikgeschichte 35, 120
(Lüstner, mit L).
Hennig, Adolf, großhgl. sächs. Kammersänger^
Bassist am Hoftheater in Weimar; * Brom-
berg 22. VIII. 1841; t Jena 23. IV^ —
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 120 (Lüst-
ner, mit L); Eisenberg, Großes biograph.
Lexikon d. Deutschen Bühne 418.
Herberstein, Johann Ludwig Graf zu, Herr
auf Groß-Opatowitz (Kreis Olmütz), k. u.
k. Kämmerer u. Rittmeister i. d. E. d. Land-
wehr-Ulanenregiments Nr. 4; * 7. V. 1842;
t Berlin 24. VIII. — Woche 4, 1624; Gräfl.
Taschenbuch 1904, 348.
Hermann, Friedrich Benjamin (Pseudon.),
geistl. Dichter: s. Maempel, F. B. H.
Hermann, Josef, Dr, med., Primararzt a. D.
d. Krankenhauses Wieden in Wien, Anii-
merkurialist; •in Schlesien 1817; t Wien
19. X. — Virchows Jahresberichte 37, I,
416 (Pagel, mit L) u. BZ 12, 164 (Wiener
Medizin. Presse 1902, 191 5; Archiv f. phy-
sik.-diätet. Therapie 5, 65 mit P).
Herrigau, Willibert v. (Pseudon.), Schrift-
steller: s. Lohn-Siegel, Maria Anna v.
*Herrlc, Gustav, Kartograph, Chef d. Zeich-
nerbureaus d. Hydrographischen Amtes in
Washington; * Wels in Österreich 1843;
t Washington 16. IV. — BJ VII, 295 (VV.
Wolkenhauer); Geograph. Jahrbuch 26, 432
(Derselbe); Geograph. Kalender i, 222 (H.
Haack).
Herrmann, Postsekretär a. D., bekannter Phi-
latelist; t in Berlin. — Woche 4, 1844.
Herrmann, Emanuel, Dr., k. k. Hofrat, or-
dentl. öffentl. Professor d. Nationalökonomie
und Finanzwissenschaft wie d. Österreich.
Handels-, See- und Wechselrechts an der
Techn. Hochschule in Wien u. Privatdozent
f. Österreich. Finanzgesetzkunde an d. Uni-
versität daselbst, verdient um d. Einführung
der Post-Korrespondenzkarte; * Klagenfurt
24. VL 1839; t Wien 15. VIIL — 111. Ztg.
119, 123. 133. 134 (P); Kukula, Jahrbuch
d. Deutschen Hochschulen 342. Suppl. 104
(W); Handwörterbuch der Staatswissen-
schaften» 4, II 98 (mit W).
Hermheiser, Isidor, Dr, tned,, Privatdozent
d. Augenheilkunde an d. Universität Prag,
47'
Totenliste 1902: Herszky — Hiller.
48*
Redakteur der Präger Medizin. Wochen-
schrift; t Prag, 40 Jahre alt, 23. XII. —
Leopoldina 39, 40; Virchows Jahresberichte
37, I, 416 (Pagel, mit L) u. BZ 12, 164
(Berliner klin. Wochenschrift 1903 Nr. i;
Wiener klin. Wochenschrift 1903 Nr. i ;
Münchner Medizin. Wochenschrift 1903
Nr. I : O. Wiener ; Prager Medizin. Wochen-
schrift 1903 Nr. I u. 2; Zentralblatt für
prakt. Augenheilkunde 37, 32).
Herszky, Emanuel, Dr. med,^ prakt. Arzt in
Wien, Mitarbeiter deutscher Zeitschriften;
♦ in Ungarn 9. VIII. 1874; f Wien 28. VI.
— Virchows Jahresberichte 37,1, 416 (Pagel,
mit L) u. BZ II, 164 (Deutsche Arzteztg.
1902,384; Heilkunde, Wien, 1902,381;
Mitteilungen d. deutschen Gesellschaft für
Geschichte d. Medizin 1902 Heft 4, 384;
Gyogyaszat 1902 Nr. 32).
Hertsch, Karl, Opernsänger, früher Baritonist
am Stadttheater in Leipzig; t daselbst,
77 Jahre alt, 14. V. — Monatshefte f. Mu-
sikgesch. 35, 120 (Lüstner, mit L).
Hertz, Wilhelm, Dr,phil,, ordentl. Professor
f. deutsche Sprache und Literatur an der
Techn. Hochschule in München, Dichter
u. Übersetzer, Germanist u. Sagen forsch er;
• Stuttgart 24. IX. 1835; t München 7. I.
— R. Weltrich, W. H. Stuttgart 1902; III.
Ztg. 118, 93 (E. Petzet, mit P); BZ 10,
145. II, 164. 12, 164 (Deutsche Dichtung
32, 273: K. E. Franzos; Die Gesellschaft
1902,1,219 u. Jugend 1902, Nr. 39: H. Kaff;
Die Grenzboten 1902 Nr. 4; Neue Jahr-
bücher f. d. klass. Altertum, Geschichte u.
deutsche Literatur 9, 298 u. Zeitschr. für
deutsche Philologie 34, 396: W^. Golther;
Kunstwart 1902 Heft 10: Ad. Bartels; Na-
tion Jahrg. 19, Nr. 17: F. v. d. Leyen;
Allgemeine Ztg. 1902 Beil. Nr. 20: O.
Bulle; Ebenda Nr. 48: W. Golther; Sitzungs-
berichte der Münchn. Akad. d. Wissensch.
1902 Philos.-Hist. Cl. S. 76: E. Kuhn; Der
Bund 1903 Nr. 24. 25: E. HUgli); Zeit 33
Nr. 427 (P. Ernst); Zeitschr. d. Vereins f.
Volkskunde 12, 98 (J. Bolte); Jahresbericht
d. Techn. Hochschule in München 1902/3
(M. Haushofer u. E. Sulger-Gebing).
Herzmann, Semmy, Schauspieler (Charakter-
rollen) u. Regisseur am Irvingplacethcatre
in Neuyork; * 16. VII. 1858; t Neuyork
14. (?) III. — 111. Ztg. iiS, 470; Flüggen,
Biograph. Bühnenlexikon i, 140.
Herzog, Karl, Wirkl. Geheimer Rat, früher
Staatssekretär in Elsaß-Lothringen; * Brieg
20. III. 1827; t Berlin 22, III. — 111. Ztg.
118, 470; Woche 4 Nr. 13 S. VI; Voss.
Ztg. 1902 Nr. 605 Beil. 8; Geograph. Jahr-
buch 26, 433 (W. Wolkenhauer, mit L);
BZ 10, 146 (Arbeiterfreund 40, i).
Hess, Friedrich Bernhard, Violinist am Ge-
wandhausorchester in Leipzig; t daselbst,
52 Jahre alt, im September. — Monatshefte
f. Musikgesch. 35, 120 (Lüstner, mit L).
Hesse, Agnes, geb. Büliring, Sängerin: s.
Bury, Agnes.
Hesse, Heinrich, Rentner in Paderborn, früher
Mitglied d. preuß. Abgeordnetenhauses u.
d. Deutschen Reichstags (Zentrum) ; * Pader-
born 9. I. 1827; t daselbst 29. XI. —
Woche 4, 2246; Kürschner, D. preuß. Ab-
geordnetenhaus 1894, 327 (mit P); Der-
selbe, Reichstag 1893, 177 (mit P).
Hettner, Felix, Dr, phil.^ Professor, Direktor
d. Provinzialmuseums in Trier, Herausgeber
d. »Westdeutschen Ztschr. f. Geschichte u.
Kunst«, Historiker und Archäolog; * Jena
29. VII. 1851; t Trier 12. XII. — 111. Ztg.
119, 618; BZ II, 165. 12, 165. 13, 160
(Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte u.
Kunst 1902, 337: J. Hansen; ebenda 339:
H. Lehner, mit P; Allgemeine Ztg. 1902
Beil. Nr. 254; Denkmalspflege 1903, 16:
E. Renard; Jahrbuch d. kaiserl. d. archäolog.
Instituts 18, 71).
Heyden, Adolf, Geheimer Baurat, ordent-
liches Mitglied d. Akademie d. Künste in
Berlin, Architekt; ♦ Krefeld 15. VII. 1838;
f Berlin ii. (oder 10.?) VI. — Deutsche
Bauztg. 36, 311; Woche 4, 11 40 (P); Jahr-
buch d. bildenden Kunst 2, 106; D. geistige
Deutschland i, 299; BZ 10, 147 (Zentral-
blatt d. Bauverwaltung 1902 Nr. 48, mitP).
Heyer, Otto, Violoncellist u. Komponist in
Breslau; * Langenberg b. Gera 13. IX. 1829;
t Breslau 17. VII. — Monatshefte f. Musik-
gesch. 35, 120 (Lüstner, mit L); Frank,
Kleines Tonkünstlerlexikon 9 106.
Heymann, Eugen, Dr, med,, Augenarzt in
Riga, auch Lustspieldichter; * in Kurland:
t, '36 Jahre alt, Riga 8. II. — Virchows
Jahresberichte 37, I, 416 (Pagel, mit L:
Petersburger Medizin. Wochenschrift 1902
Nr. 7).
Heymann, Heinrich, Kommerzienrat, Senior-
chef d. Bankfirma E. Hevmann in Breslau ;
f, 79 Jahre alt, 31. VII. — Voss. Ztg.
1903 Nr. II Beil. 2.
Hilken, Major z. D., Schriftführer d, Zentral-
vereins f. Hebung d. deutschen Fluß- und
Kanal Schiffahrt; f Baden-Baden 18. IV. —
111. Ztg. 118, 663.
Hill, Wilhelm, Pianist u. Komponist; * Fulda
28. III. 1838; t Homburg v. d. H. 6. VI.
— III. Ztg. 1 1 8, 935 ; Riemann 5 492 ; Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 120 (Lüstner,
mit L).
*Hiller, Eduard, Professor a. D., schwäb.
Dialektdichter; * Vorstadt Berg b. Stuttgart
14. XII. 181 8; fBuoch (Württemberg, Ober-
49'
Totenliste 1902: Hillmann — Holleben.
50*
amt Waiblingen) 18. XI. — BJ VII, 79
(R. Krauß).
Hillmann, Emil, Kapellmeister, früher The-
aterdirektor in Breslau; * Berlin 5. VIII.
1845; t Wiesbaden 26. VI. — Monatshefte
f. Musikgesch. 35, 120 (Lüstner, mit L).
Hillmer, Josef, kgl. preuß. Karamcrmusikus,
Violinist u. Komponist; t Berlin, 78 Jahre
alt, 14. I. — Woche 4, 136; Monatshefte
f. Musikgesch. 35, 120 (Lüstner, mit L).
Hinrichsen, N. W., früher Präsident d. Ham-
burger Handelskammer; f Hamburg 18. IV.
— Woche 4, 732.
^Hinrichsen, Siegmund, Chef d. Hamburger
Bankhauses Hardy & Hinrichsen, Präsident
der Hamburger Bürgerschaft; * Hamburg
17. I. 1841; t daselbst 22. X. — BJ VII,
221 (J. Sass); Woche 4, 2030 (P).
Hirsch, Bruno, Dr,^ Pharmazeut, Verfasser
pharmazeut. Handbücher; • Görlitz 13. IV.
1826; t Dresden 3. XII. — Leopoldina 39,
85; Virchows Jahresberichte 37, I, 417
(Pagel, mit L) u. BZ 11, 166 (Pharmazeut.
Zentralblatt für Deutschland 1902 Nr. 50:
A. Schneider; Apothekerztg. 1902, 846;
Ztschr. f. d. gesamte Kohlensäureindustrie
1902, 819, mit P; Pharmazeut. Ztg. 1902
Nr. 99 mit P).
Hirsch, Hermann Ludwig, emerit. Pfarrer in
Budwethen (Ostpreußen); ♦ Georgenburg
22. 11. 1822; t Königsberg i. Pr. 8. XI. —
Altpreuflische Monatsschrift 40, 1902, 469
(Rindfleisch, mit L: Evangel. Gemeinde-
blatt 57, 1902, 290).
^Hirsch, Jenny (Pseudon. : Franz v. Busch,
auch Fr. Arnefeld), Schriftstellerin und
Dichterin, Frauenrechtlerin; * Zerbst 25. XL
1829; t Berlin 10. IIL — BJ VH, 185
(F. Brummer); KL 24, 590 (W). 25, 44;
111. Ztg. 118, 417. 426. 427 (Lina Morgen-
stern, mit P).
Hirschfeldt, Benno, Porträtmaler in Berlin;
t, 59 Jahre alt, 28. V. — Voss. Ztg. 1903
Nr. 9.
Hobrecht, James, Dr, phil., Geheimer Bau-
rat, Stadtbaurat a. D., als Chefingenieur
d. Berliner Kanalisation vorbildlich tätig;
• Memel 31. XII. 1825; f Berlin 8. IX. —
111. Ztg. 119, 423; Woche 4, 1712 (P);
Deutsche Bauztg. 36, 480. 481. 493 (mit
P). 647 (Gedenkfeier); BZ 11, 166. 12,
166 (Zentralblatt der Bau Verwaltung 1902
Nr. 74: A. Wiebe, mit P; Gesundheitsin-
genieur 1902. 293; Techn. Gemeindeblatt
1902, 209: Momeweg; Deutsche Viertel-
jahrsschrift f. öffentl. Gesundheitspflege 35,
II: J. Stubben, mit P; Ztschr. f. Bauwesen
1903, 353: K. Meier).
^Hofele, Engelbrecht, pästlicher Hausprälat,
Pfarrer in Ummendorf b. Biberach (Würt-
temberg), theolog. Schriftsteller, Redakteur
des Rottenburger »Pastoralblatt« und des
»Diözesanarchiv v. Schwaben«; ♦ Wißgol-
dingen (Württemb.) 15. 1. 1836; f Ummen-
dorf 9. IX. — BJ VII, 307 (F. Lauchen);
Keiter-Jörg, Kathol. Literaturkalender 6, 123
(mit W); Theolog. Jahresbericht 22 (1902),
1437 (Nestle, mit L); BZ 11, 166 (Diöze-
sanarchiv V. Schwaben 1902, 191 ) ; Württem-
berg. Jahrbücher f. Statistik u. Landeskunde
1902, V (Hartmann, mit L).
Hoffmann, B. (Pseudon.), Schriftstellerin: s.
Krais, Bertha.
Hoffioiann,« Friedrich Wilhelm, Kammermusi-
ker am Hoftheater zu Kassel; * Roßleben
1864; t Kassel 10. X. — Monatshefte für
Musikgesch. 35, 120 (Lüstner, mit L).
Hoifmann, Hermann Theodor, Geheimer Re-
gierungsrat, Oberbürgermeister a. D. von
Königsberg i. Pr., 1887 — 9^ Mitglied des
Deutschen Reichstags (nationalliberal); * Kö-
nigsberg i. Pr. 20. X. 1836; f daselbst 5.
IX. — Altpreuß. Monatsschrift 40, 1902,
469 (Rindfleisch, mit L).
^Hoifmann, Karl, kgl. preuß. Generalmajor
z. D.; * Freiburg i. Br. 5. V. 1841 ; f Berlin
5. IV. — BJ VII, 258 (Lorenzen).
Hofmann, Landgerichtspräsident in Greiz,
mehrmals Kandidat f. d. Deutschen Reichs-
tag; t Greiz, 49 Jahre alt, 8. V. — III. Ztg.
n8, 751.
Hofmann, Heinrich Karl Joh., Professor,
Mitglied des Senats d. kgl. Akademie der
Künste zu Berlin, Opern- u. Klavierkompo-
nist; * Berlin 13. I. 1842; f Groß-Tabarz
(Thüringen) 16. VII. — Woche 4, 1474
(P); RiemannS 499; Monatshefte f. Musik-
gesch. 35, 120 (Lüstner, mit L).
Hohenlohe-Schillingsfürst, A m a 1 i e Elisa-
betha Adelheid Klothilde Johanna Agnes
Prinzessin zu, Schwester des f Reichskanz-
lers Chlodwig, Witwe des Porträtmalers
Lauchert; • Schillingsfürst 31. VIIL 1821;
•j" Langensalza 9. IX. — Hof kalender 1903,
140; 111. Ztg. H9, 423.
Holland, Marie, Gesangsmeisterin in Berlin,
ehemal. Opemsängerin (Koloratursängerin) ;
♦ Riga 12. IV. 1833; t Stettin 6. VIII. —
111. Ztg. 119, 277; Eisenberg, Großes bio-
graph. Lexikon d. Deutschen Bühne 448;
Flüggen, Biograph. Bühnenlexikon i, 149:
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 120 (Lüst-
ner, mit L).
Holleben, Albert Ludwig Karl v., Dr.jur,,
Wirkl. Geheimer Rat, Geheimer Staatsrat
a. D., vormals Chef d. Finanzverwaltung d.
Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt; * Ru-
dolstadt 25. X. 1825; t daselbst 4. VIII.
— 111. Ztg. 119, 227; Goth. Genealogisches
Taschenb. d. Adeligen Häuser4(i903), 390,
51
Totenliste 1902: Holleufer — Hunten.
,2*
Holleufer, Hans Dietrich v., k. preuß. Re-
grierungspräsident des Regierungsbezirks
Düsseldorf, früher auch Mitglied d. Deut-
schen Reichstags (deutschkonservativ) ;
* Zeitz 14. III. 1855; t Düsseldorf 28. XII.
— 111. Ztg. 120, 49; Goth. Genealogisches
Taschenbuch d. Adeligen Häuser 5 (1904),
36 1 ; Kürschner, Reichstag 1 893, 1 1 5 (mit P).
Hölschcr, K. G. Ludwig, Dr, phil,, Pro-
fessor, eheraal. Direktor d. Gymnasiums zu
Herford (Westf.); * daselbst 16. IV. 1814;
f ebenda 4. IV^. — Archiv f. d. Studium d.
neueren Sprachen 109, i (Krnst Meyer,
mit W). ,
Holub, Emil, Dr. med,, Afrikareisender und
Naturforscher; * Holitz (Böhmen) 6. X.
1847; t Wien 21. II. — IJl. Ztg. 118, 315.
319 (mitP); Leopoldina 38, 21. 46; Wo-
che 4, 368 (P); Geograph. Jahrbuch 26,
433 (^V. Wolkenhauer, mit W u. L); Geo-
graphen-Kalender I, 222 (H. Haack); Pog-
gendorff 3, 653. 4, 661 (W); Virchows
Jahresberichte 37, I, 417 (Pagel, mit L)
u. BZ 10, 148 (Gaea 1902, 244; Deutsche
Rundschau f. Geographie und Statistik 24,
327: F. Umlauft, mit P; Zeit 1902 Nr.
387: O. Lenz; Allgemeine Ztg. 1902 Beil.
Nr. 45: L. Klinenberger; Münchner Medi-
zin. W^ochenschrift 1902, 485).
Hompesch, Nikolaus Josef, Lehrer d. Klavier-
spiels am Konservatorium zu Köln; * da-
selbst 14. III. 1830; t ebenda 30. XI. —
RiemaimS 504; Monatshefte f. Musikgesch.
35, 120 (Lüstner, mit L).
Honig, David, Dr. med.^ Orthopäd, Leiter
eines mechano-therapeut. Instituts in Berlin ;
* Ungarn; f während eines vorübergehenden
Aufenthaltes in Hamburg, 52 Jahre alt,
6. III. — 111. Ztg. 118, 417; Virchows
Jahresberichte 37, I, 417 (Pagel, mit L:
Heilkunde, Wien, 1902 Heft 4).
^Hönig, Fritz August, k. preuß. Hauptmann
a. D., Militärschriftsteller, Chefredakteur d.
»Deutschen Heeresztg.« ; • Bornheim (Kreis
Bonn) 30. IV. 1848; f Halberstadt 12. III.
— BJ VII, 257 (Lorenzen); Woche 4, 506h
(P); KL 24, 600 (W). 25, 44; V. Löbells
Jahresberichte über Militärwesen 29, 1902,
511.
Hönigswald, Joseph, k. k. Regierungsrat,
Verwaltungsrat u. Oberingenieur d. Kaiser-
Ferdinands-Nordbahn; f Wien, im 72. Jahre,
6. IV. — Hl. Ztg. 108, 585.
Hoppmann, Eduard, Architekt in Hamburg;
* Eutin 19. IL 1849; t Hamburg i. XI. —
Deutsche Bauztg. 36, 666 (Zimmermann).
Hörlein, Karl, Hofgeigenmacher in Würz-
burg; ♦ 1828; t Würzburg 22. I. — Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 120 (Lüstner,
mit L).
Hom, Justizrat, Stadtverordneten vorsteh er in
Elbing; f daselbst im 71. Jahre. — Woche
4. 1534-
Horstmann, Jakob, Wirkl. Geheimer Rat,
vortragender Rat im preuß. Justizministe-
rium; •(■ Berlin, 84 Jahre alt, 30. \'. —
Woche 4, 1042; Voss. Ztg. 1903 Nr. 5
Beil. I.
Hösch, Hans, Maler in München; t daselbst
14. I. — Jahrbuch d. bildenden Kunst 1,
120. 2, 106.
•Hötzl, Petrus v. Alcantara Ritler v., Mit-
glied d. Franziskanerordens, Dr. i/ieolog.,
Bischof V. Augsburg, Reichsrat der Krone
Bayern; * München 6. VIII. 1836; t Augs-
burg 9. III. — BJ VII, 262 (F. Laudiert);
111. Ztg. 118, 391; KL 23, 601 (W). 25,
44; Theologischer Jahresbericht 22 (1902),
1437 (Nestle, mit L).
Hruschowsky von Hruschowa, Amalie
(Theatemame: Amalie Bell in i), Opern-
sängerin; * Wien 22. III. 1853; t Hamburg
I. III. — Monatshefte für Musikgesch. 35,
116 (Lüstner, mit L).
Huber, Patriz, Architekt u. DekorationskUnst-
1er in Darmstadt; * Mainz 19. III. 1878;
t Charlottenburg von eigener Hand 20. IX.
— 111. Ztg. 119, 547; Jahrbuch d. bilden-
den Kunst 2, 106. 116 u. BZ II, 168. I3r
163 (L: Zukunft 1902, 15. Nov.=rBd. 41 >
279: Scheffler; Innendekoration 1902 Nov.:
van de Velde; Dekorative Kunst 1902 Nov.:
E. W. Bredt, mit P; Deutsche Kunst und
Dekoration 13, 39).
Hucke, Christoph, Wirkl. Geheimer Ober-
regierungsrat a. D. im deutschen Reichs-
postamt, verdient um d. Telegraph enwesen;
t Berlin, 76 Jahre alt, 25. X. — 111. Ztg.
119» 695; Woche 4, 2070.
Hügel, Karl Cäcilius Alexander Freih. v., k.
Württemberg. Kämmerer, Landgerichtsdirek-
tor a. D.; * Pawlowsk bei St. Petersburg
18. VII. 1839; t Tübingen 19. VL — Frei-
herrl. Taschenbuch 1903, 332; Württem-
berg. Jahrbücher f. Statistik u. Landeskunde
1902, IV (Hartmann, mit L).
Humperdinck, Gustav, früher Direktor des
Lehrerinnenseminars in Xanten, Germanist,
Verfasser v. Novellen u. lyr. Dichter, Vater
d. Komponisten Engelbrecht H. ; * X'rjeden
(Kreis Alhaus, Reg.-Bez. Münster i. W.)
7. X. 1823; t Poppeisdorf b. Bonn 28. IV.
— Woche 4, 984 (P); 111. Ztg. iiS, 702;
BrümmerS 2, 214 (mit W); Keiter-Jtirg,
Kathol. Literaturkalender 6, 133 (mit W);
Wienstein, T^exikon der kathol. deutschen
Dichter 169 (mit W).
Hunten, Johannes Emil, Professor, Schlach-
tenmaler in Düsseldorf; * Paris 19. 1. 1827;
t Düsseldorf i. II. — 111. Ztg. iiS, 230
Totenlistc 1902: Jacobsthal — Kahle.
« .*
54
(L. Schütze, mitP); Müller-Singer, Allge-
meines KUnstlerlexikon 3 2, 214; F. v. Bötti-
eher, Malerwerke i, 596; Jahrbuch d. bil-
denden Kunst 2, 106; BZ 10, 150. II,
169 (Daheim 1902 Xr. 41: L. Pietsch, mit
P); D. geistige Deutschland i, 326.
Jacobsthal, Johann Eduard, Geheimer Re-
gierungsrat, Professor an d. Techn. Hoch-
schule in Charlottenburg, Mitglied d. k.
Akademie d. Künste in Berlin, Architekt;
♦ Preuß. Stargard 17. IX. 1839; t Char-
lottenburg I. I. — 111. Ztg. 118, 63; Jahr-
buch d. bildenden Kunst 2, 106. 116 (L:
Berliner Architekturwelt 1902 Febr.: H.
Schliepmann); Deutsche Bauztg. 36, 12. 17
(P). 18. 22 (P). 45. 50 (K. E. O. Fritsch).
360. 388; BZ lo, 152 (Zentralblatt d. Bau-
verwaltung 1902 Nr. 3: E. Laske, mit P).
Jadassohn, Salomon, Dr. phiL h. r., k. sächs.
Professor d. Musik, Musikdirektor, Lehrer
am k. Konservatorium in Leipzig, Kompo-
nist und Verfasser musiktheorct. Werke;
* Breslau 13. VIIL 1831; f Leipzig i. II.
— KL 24, 637 (W). 25. 44; RiemannS
529; Woche 4, 228 (P); BZ 10, 152 (Leip-
ziger Ztg. 1902 Wissenschaftl. Beil. Nr. 16:
A. Smolian); Monatshefte f. Musikgesch. 35,
121 (Lüsmer, mit L).
Jagemann, Antonie v., Schauspielerin: s.
Baumeister, Antonie.
Mager, Ferdinand, Lehrer des dramat. Ge-
sanges in Wien, früher Opernsänger (Te-
norist); ♦ Hanau 25. XII. 1838 (1839?);
t Wien 13. VI. — BJ VII, 204 (Ph. Losch);
Flüggen, Biograph. Bühnenlexikon i, 155;
BZ 12, 170 (Die Musik 1903, I, 1867: H.
V. Wolzogen).
Jahn, Franz Bernhard, Kantor an d. Peters-
kirche in Leipzig; f daselbst, 58 Jahre alt,
30. IV. — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
1 2 1 (Lüstner, mit L).
Jarisch, Adolf, Dr. med,, ordentl. Professor
d. Medizin an d. Universität Graz, Derma-
tolog; ♦ Wien 15. IL 1850; f Graz 21. IIL
— Leopoldina 38, 56; Pagel 820; KL 24,
645. 25, 44; Virchows Jahresberichte 37,
I, 417 (Pagel, mit L) u. BZ 10, 152 (Ar-
chiv für Dermatologie u. S>'philis 60, XI:
L. Merk; Therapie der Gegenwart 1902,
291 : Lassar; Mitteilungen des Vereins d.
Arzte in Steiermark 1902, 93; Deutsche
medizin. Wochenschrift 1902, 267: Rille;
Münchener Medizin. Wochenschrift 1902,
709 : H. Köbner ; Wiener klin. Wochen-
schrift 1902, 391: Spiegier; Wiener Me-
dizin. Presse 1902 Nr. 12; Dermatolog.
Ztschr. 9, 291; Wiener klin. Rundschau
1902 Nr. 13; Journal of cutaneous and
genitourinary diseases 20 Nr. 238); Woche
4. 594 (P).
Ingoviz, Anton, Oberingenieur i. R. d. Öster-
reich.-alpin. Montangesellschaft; t Penzing,
im 66. Jahre, 12. II. — Leopoldina 38, So.
Ihne, Wilhelm, Dr. phil., großhgl. bad. Hof-
rat, Honorarprof. f. engl. Sprache u. Lite-
ratur an d. Universität Heidelberg, klass.
Philolog u. Historiker; ♦ Fürth 2. II. 182 1;
t Heidelberg 22. V. — KL 24, 652 (W).
25. 44.
Jolas, Karl, Oberingenieur d. Pfalz. Eisen-
bahnen; * Ludwigshafen a. Rh. 16. IX.
1846; f daselbst 21. VI II. — Deutsche
Bauztg. 36, 444.
Joelson, Robert Ritter v., k. k. Wirkl. Ge-
heimer Rat, k. u. k. Generalmajor, hervor-
ragender Sportsmann, früher Reitlehrer d.
Kaiserin Elisabeth von Österreich; f Wien
durch Selbstmord 14. IX. — 111. Ztg. 119,
471; W-oche 4, 1754.
Jordan, Louis, Rentner in Berlin, früher Land-
wirt, ehemal. Mitglied d. Deutschen Reichs-
tags (deutsch-freisinnig); * Berlin 19. VII.
1837 ; f daselbst 6. XII. — Voss. Ztg. 1902
Nr. 609 Beil. 2; Schoenfeld, Notizbuch f.
Reichstagswähler S 1 1 7.
Mordan, Ricardo (eigentl. Richard Keller),
Dichter und Übersetzer aus d. Spanischen,
Minenbesitzer in Charcas (Mexiko) ; * Mexi-
ko 9. I. 1857; t Charcas 6. L — BJ VII,
205 (Ph. Losch); BZ 12, 175 (Internatio-
nale I.iteratur- u. Musikberichte 1903, 90:
S. Rubinstein).
Most, Eduard, Redakteur, Dichter u. Schrift-
steller; * Trier 21. VII. 1837; f Neustadt
a. d. H. 15. III. — BJ VII, 220 (F. Brum-
mer); Brummer 5 2,240 (mitW); BZ 11,
174 (Pfalz. Museum 1902,62: Schmitt).
*Jung, Karl Emil, Dr,jur., Geograph u.
Anthropolog; • Groß-Machnow bei Berlin
I. IL 1836; t Leipzig 2. II. — BJ VII, 261
(W. Wolkenhauer); KL 24, 666 (W); Geo-
graph. Jahrbuch 26, 434 (W. Wolkenhauer,
mit W u. L); Geographen-Kalender i, 223
(H. Haack); BZ il, 176 (Deutsche Erde
1902, 146: H. Wichmann).
Junghans, Karl, Dr. jur., Redakteur des
»Grundeigentum«, Syndikus des Bundes
Berliner Haus- und Grundbesitzervereine;
t 12. III. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 7 Bei-
lage 2.
Ivanovici, Kapellmeister u. bekannter Walzer-
komponist in Wien; f daselbst 4. X. —
Woche 4, 1890; Voss. Ztg. 1903 Nr. 9
Beil. I.
Kahle, Heinrich, Hof buchdruckereibesitzer in
Eisenach, Gründer und Leiter der »Eise-
nacher Ztg.«; -j* daselbst, im 70. Jahre, 10.
II. — 111. Ztg. 1 18, 272 ; KL 25, 45 ; Börsen-
blatt für den Deutschen Buchhandel 1902,
1314.
00
Totenliste 1902: Kaltenbrunner — Keitel.
56*
^Kaltenbrunner, Ferdinand, Dr, phil.^ or-
dentl. Professor f. histor. Hilfswissenschaften
an d. Univ. Innsbruck ; • Kirchdorf (Ober-
österr.) 16. IX. 1851; f München 8. VIII.
— BJ VII, 172 (O. Redlich).
'*'Kampmann, Friedrich, k. Rechnungsrat am
Oberbergamt in Dortmund, Dichter; *Ober-
wengen (Grafschaft Mark) 6. IL 1828;
t Dortmund 22. IX. — BJ VII, 144 (F.
Brummer); KL 24, 678 (W). 24, 45; ßrüm-
merS 2, 255.
Kanitz, Rudolf Friedrich V/ilhelm Graf v.,
k. preuß. Generalleutnant a la suiu d. Ar-
mee; * 14. VIII. 1822; f Schloß Schmugge-
row (Kreis Anklam) 25. XII. — Gräfl. Ta-
schenbuch 1904, 394.
Kanzow, Friedrich Karl Theodor, Dr. med..
Geheimer Medizinal- und Regierungsrat,
früher bei der Regierung in Potsdam be-
schäftigt; * Prenzlau 20. IV. 1820; f 29. XII.
— Voss. Ztg. 1903 Nr. 35 Beil. 2; Virchows
Jahresberichte 37, I, 417 (Pagel, mit L:
Allgemeine Medizin. Zentralztg. 1903 Nr. 2);
Verzeichnis d. Berliner üniversitätsschriften
1810 — 85 (Berlin 1899) S. 263 Nr. 3735.
Kaplan, Leopold, Dr. med., Assistenzarzt an
d. Irrenanstalt Herzberge b. Berlin; * 23. X.
1871; f im Eppendorfer Krankenhaus b.
Hamburg 20. X. — Virchows Jahresberichte
37, I, 417 (Irrenpflege 6, 157: Falkenberg;
"Allgemeine Medizinische Zentralztg. 1902-
Nr. 79; Psychiatr.-neurolog. Wochenschrift
1902, 374).
Kaposi, Moritz, Dr, med., k. k. Hofrat, ordentl.
Professor d. Medizin an d. Universität Wien,
Dermatolog; • Kaposvär (Ungarn) 23. X.
1837; t Wien 6. III. — Leopoldina 38, 35.
47; Pagel 839 (mit P u. W); Virchows
Jahresberichte 37, I, 417 (Pagel, mit L) u.
BZ 10, 161 (Ärztl. Praxis 1902, 107, Reichs-
medizinalanzeiger 1902, 135 und Medizin.
Woche, 1902, 112: Goldbaum; Arch. f. Der-
matologie u. Syphilis 60, I: E. Spiegier;
Deutsche medizin. Presse 1902, 43: Heller,
mitP; Klin.-therapeut. Wochenschrift 1902,
330: L. Freund; Wiener medizin. Presse
1902,519: Weidenfeld; Berliner klinische
Wochenschrift 1902, 251 : Lassar; Deutsche
medizin. Wochenschrift 1902, 267 mit P;
Deutsche tierärztl. Wochenschrift 1902, 291 :
Neumann; Wiener medizin. Wochenschrift
1902, 449).
'*'Karlon, Alois, päpsd. Hausprälat, Propst d.
Seckauer Domkapitels, Konsistorialrat in
Graz, früher Mitglied des Abgeordneten-
hauses d. Österreich. Reichsrats u. Beisitzer
des Steiermark. Landesausschusses (deutsch-
klerikal); * Trofaiach (Obersteier) i. IL
1835; t Graz 9. IL — BJ VII, 320 (H. v.
Zwiedineck-Südcnhorst) ; 111. Ztg. 118,272;
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 121 (Lüst-
ner, mit L).
KaufTmann, Gustav, Stadtrat in Berlin, Mit-
glied d. Deutschen Reichstags (freisinnige
Volkspartei), auch juristischer Schriftsteller;
• Stolp (Pommern) 23. IX. 1854; t Berlin
2. X. — KL 24, 685. 25, 45; Woche 4,
1896 (P); lU. Ztg. 119, 547; Kürschner,
Reichstag 1898, 116 (mit P).
Kay, Hermann, Maler in Berlin; * Balje
(Hannover) 31. VIII. 1839; f Berlin im
Dezember. -^ Müller-Singer, Allgemeines
KUnstlerlexikon 3 2, 316; Jahrbuch d. bil-
denden Kunst I, 132. 2, 107.
Kayser, Emil, Musikdirektor u. Dirigent d.
Musikvereins in Hagen i. W.; * Barmen
20. IX. 1843; t Hagen i. W. 20. X. — Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 121 (Lüstner,
mit L).
*Kayser-Langerhannfi, Frau Agnes, geb.
Langerhannß, epische und dramatische
Dichterin; * Schloß Heldrungen (Thürin-
gen) 1818; t Dresden 21. IV. — BJ VII,
145 (F. Brummer); Brummer 5 2, 266 (mit
W); KL 24, 688 (W).
Keel, Johann Joseph, schweizer. Politiker
(konservativ), Mitglied (1896/7 Präsident)
d. eidgenöss. Nationalrats; * St. Fiden (bei
St. Gallen) 15.IIL 1837; f daselbst 12.VIIL
— 111. Ztg. 119, 277; Woche 4, 1578.
1678 (P).
Kegel, August Hermann Max, Redakteur d.
»Wahrer Jakob« in München; f daselbst
19. VIII. — Woche 4, 1534; KL 24, 690.
25» 45.
Keil, Fritz, Geheimer Baurat, Landesbaurat
d. Provinz Schlesien ; f Breslau, 78 Jahre
alt, 25. XII. — Voss. Ztg. 1903 Nr. ii
Beil. 2; BZ 12, 183 (Jahresbericht d. schles.
Gesellschaft für vaterländ. Kultur 80, Ne-
krol. II).
Keil, Otto, Inhaber d. Verlags- und Sorti-
mentsbuchhandlung gleichen Namens in
Konstantinopel, Hofbuchhändler d. Sultans;
t daselbst, 55 Jahre alt, 25. I. — 111. Ztg.
n8, 227; Börsenblatt f. d. Deutschen Buch-
handel 1902, 1110.
Keiler, Arnold, Dr. vied., Chirurg in Berlin;
f, 33 Jahre alt, im Mai. — Virchows
Jahresberichte 37, I, 418 (Pagel, mit L:
Allgemeine Medizinische Zentralztg. 1902
Nr. 39).
Keilmann, Wilhelm, deutsch-amerikan. Mu-
siker, Dichter u. Journalist ; * Hechtsheim
b. Mainz 14. VII. 1845; f Leitmeritz (Böh-
men) im Juli. — Brummer 5 2, 268 (mit
W); Monatshefte f. Musikgesch. 35, 121
(Lüstner, mit L).
^Keitel, Otto, Tiermalern. Radierer; • Braun-
schweig 15. IX. 1862; t Neu-Pasing bei
57*
Totenliste 1902: Keller — Kleinschmit.
58*
München 3. VIII. — BJ VII, 160 (H. Hol-
land) ; MfÜleroSinger, Allgemeines Künstler-
lexikon 3 2, 318; Jahrbuch der bildenden
Kunst 2, 107; BZ 12, 183 (Braunschweig.
Magazin 1903, 10 1 : Leitzen).
Keller, Richard, Dichter : s. Jordan, Ricardo.
Kellner, Robert, k. sächs. Kommerzienrat,
Großindustrieller zu Schönberg im Vogt-
lande (landwirtschaftl.-chemische Fabriken
Dietsch, Kellner & Cie. in Schönberg i. V.,
Griesheim a. M. u. Doos b. Nürnberg) u.
Parlamentarier, Mitglied d. 2. sächs. Kam-
mer u. Vorstand d. nationalliberalen Frak-
tion derselben; * Dresden 3. III. 1842;
t Schonberg i. V. 27. X. — 111. Ztg. 119,
695.
Kerber, Georg Friedrich Oskar, Dr, phil,^
Bibliothekar im preuß. Abgeordnetenhause;
♦ Fürstenstein (Schlesien) 25. VIII. 1868;
t Haiensee 6. VI. — Woche 4, 1090; Le-
benslauf in K.s Dissertation: Gregorü Abul^
faragii Bar-Hebr<ui Scholia in Levtticum.
Lips. (Breslau) 1895; Zentralblatt f. Biblio-
thekswesen 19, 368.
KeufTer, Max, Dr» phiL, Professor, Biblio-
thekar und Archivar d. Stadt Trier; * da-
selbst 27. II. 1856; t ebenda 7. VII. —
111. Ztg. 119, 99; KL 24, 702 (W); Zentral-
blatt für Bibliothekswesen 19, 436 (nach
Trier. Ztg. vom 8. VII. 1902).
*Keyler, Eugen, k. preuß. Generalleutnant
z. D., zuletzt Kommandant von Königsberg
i. Pr.; • daselbst 10. XII. 1840; f Berlin
16. I. — BJ VII, 103 (Lorenzen).
Kielwein, Ernst, Landschaftsmaler; * Lud-
wigsburg 25. IV. 1864; f Stuttgart 6. VII.
— 111. Ztg. 119, 99; Jahrbuch d. bildenden
Kunst 2, 107.
Kienitz, Heinrich, Reichsgerichtsrat a. D.,
früher vortragender Rat im deutschen Reichs-
justizamt, auch ehemal. Mitglied d. preuß.
Abgeordnetenhauses; * Lojewo 30. 1. 1831 ;
f 20. XI. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 3 Beil. i ;
Oettinger, Moniteur des daics 7, 129.
Kienzl, Wilhelm, /?r., Vater d. Komponisten
Wilhelm K.; f Graz i. VII. — Woche 4,
1231.
Kiese Wetter, Karl, Erfinder d. phosphorfreien
schwedischen Zündhölzer; * Heidenreich-
stein (Niederösterr.) 18 19; f Braile 28. X.
— 111. Ztg. 119, 827.
*Kiefielbach, Wilhelm, Dr. med., außer-
ordentl. Professor d. Ohrenheilkunde an d.
Universität Erlangen; * Hanau i. XII. 1839;
t Erlangen 2. VII. — BJ VII, 127 (Pagel);
Leopoldina 38, 99; Virchows Jahresberichte
37, I, 418 (Pagel, mit L) u. BZ 11, 183.
13. 178 (Ztschr. f. Ohrenheilkunde 41, 381 :
O. Körner; Monatsschrift f. Ohrenheilkunde
1903, 373: Urbantschitsch) ; Pagel 895.
Kirchhoir, Albrecht, Dr. phil,, Buchhändler
(Firma: Kirchhoff & Wigand) in Leipzig,
Historiker d. deutschen Buchhandels; •Ber-
lin 30. I. 1827; f Leipzig 20. VIII. — 111.
Ztg. 119, 313 und Nr. 2796 (vom 30. I.
1897: mit P); Börsenblatt f. d. deutschen
Buchhandel 1902,6562. 6592. 6676. 6893.
9382.
*Kist, Leopold, emeritierter kathol. Pfarrer
in Bozen, Theolog und Volksschriftsteller;
• Offenburg (Baden) 29. I. 1824; f Bozen
5. VIL — BJ VII, 245 (F. Brummer);
Brummer 5 2, 550 (mit W); KL 24, 713
(W). 25, 45; Keiter-Jörg, Kathol. Literatur-
kalender 6, 154 (W); Schaf 1er, Handlexi-
kon d. kathol. Theologie 2, 640 (mit W).
Kius, Dr. phil.j Professor am Friedrichs-
gymnasium in Kassel, einer der Lehrer
d. deutschen Kaisers Wilhelm II.; f 16. IV.
— Voss. Ztg. 1903 Nr. 3 Beil. i ; VVoche 4,
732.
*Klasen, Fraiiz, Dr. theol., Stadtpfarrprediger
a. D., Theolog, Publizist u. Dichter, Her-
ausgeber des reformkathol. Journals »Das
XX. Jahrhundert«; • Papenburg (Hannover)
7. I. 1852; t München 23. XL — BJ VII,
348 (F. Lauchert); Brummer 5 2, 290. 552
(mit W); Keiter-Jörg, Kathol. Literatur-
kalender 6, 154 (W); KL 24, 715 (W);
Wienstein, Lexikon der kathol. deutschen
Dichter 190 (W); Theolog. Jahresbericht
22 (1902), 1437 (Nestle, mit L); BZ 11,
185 (Das XX. Jahrhundert 1902 Nr. 48.
49; J. Bumüller, mit P; Akadem. Monats-
blätter 1902, 61: M. Pfeiffer").
Kleemann, Otto, k. bayr. Generalmajor a, D.,
langjähr. Direktor d. bayr. Kriegsakademie,
Militärschriftsteller; t München, 80 Jahre
alt, 29. VI. — 111. Ztg. 119, 51 ; Woche 4,
1231. 1287 (P).
Kleiber, Karl, Komponist (besonders für d.
Musik V. Lokalpossen), früher Kapellmeister
am Josephstädt., später am Carl-Theater
in WMen; • Reiserhof bei Herzogenburg
21. XII. 1838; t Wien 15. VI. — Monats-
hefte f. Musikgesch. 35, 121 (Lüstner, mit
L); Rheinhardt, Biographien der Wiener
Künstler u. Schriftsteller i, 556.
*Kleinfercher, Johann (Pseudon.: Fe r eher
von Steinwand), lyr. u. dramat. Dichter;
* Steinwand im Mölltal b. Wildegg (Kärn-
ten) 22. III. 1828; t Wien 8. IIL — BJ
VII, 321; KL 24, 348 (mitW); BrümmerS
2, 295. 554 (mit W); Keiter-Jörg, Kathol.
Literaturkalender 6, 70 (W); Wienstein,
Lexikon d. kathol. deutschen Dichter 192
(mit W); BZ 12, 125. 13, 121 (CZarinthia
92, 101 : E. Rauscher).
^Kleinschmit, Julius v., k. preuß. General-
major z. D.; * Korbach (VValdeck) 14. V.
59*
Totenliste 1902: Klessinger — Köberlin.
6o*
1825; t Wiesbaden 26. IV. — BJ VII. 259
(I>orenzen).
Kiessinger, Emil, Journalist, Redakteur d.
»Neuigkeits-Weltblatt« in Wien ; * München
13. X. 1846; t Wien 9. XI. — Rheinhardt,
Biographien d. Wiener Künstler u. Schrift-
steller I, 345; K^L 24, 722. 25, 45.
Klinckowström, Kl e mens Karl Ludwig
Friedrich Graf, Herr auf Korklack (Ost-
preußen), k. preuß. Landrat a. D., Mitglied
d. preuß. Herrenhauses auf Lebenszeit u.
des Deutschen Reichstags (konservativ);
♦ Korklack 1 1. VI. 1846; f Berlin 26. I. —
Gräfl. Taschenbuch 1903, 428; 111. Ztg. 118,
190 (mit P) ; Woche 4, 179 (mit P) ; Kürsch-
ner, Reichstag 1898 — 1903, 10 (mit P);
Altpreuß. Monatsschrift 40, 471 (Rindfleisch,
L: Daheim Jahrg. 37 Nr. 20: P. Grabein,
mit P; Ostpreuß. Ztg. 1902 Nr. 27).
Klinge, Johannes Christoph, Dr,phil., Ober-
botaniker d. Kaiserl. botan. Gartens in St.
Petersburg, früher Privatdozent f. Pflanzen-
geographie u. -Systematik an d. Universität
Dorpat; * Dorpat 1851; f St. Petersburg
im März. — Leopoldina 38, 48; BZ 11,
186 (Korrespondenzblatt d. Naturforscher-
vereins Heft 45, Riga 1902, 7: K. R.
Kupflfer).
Klinger, Franz, Dr. theol., ordentl. Professor
f. Pastoraltheologie, prakt. Katechetik und
Unterrichtslehre an der Universität Graz;
f daselbst, im 71. Jahre, 2. XII. — Theo-
log. Jahresbericht 22 (1902), 1437 (Nestle).
Klitzing, Günther v., k. preuß. Landrat;
♦ Zuchow 8. VIII. 1857; t Stricgau 2. V.
— Woche 4, 835; Genealog. Taschenbuch
d. Adeligen Häuser 5 (1904), 432.
Klitzing, Maximilian Kaspar v., Herr auf
Lüben (b. Deutschkrone, Westpreußen) u.
Klausdorf, k. preußischer Leutnant a. D.,
1882 — 84 Reichstagsabgeordneter (konser-
vativ) f. Deutsch-Krone; * Hermsdorf bei
Berlin 13. IV. 1815; fl^üben i. II. —Ge-
nealog. Taschenbuch der Adeligen Häuser
5 (1904), 452; Schoenfeld, Notizbuch für
Reichstags Wähler 5, 36.
*Kloeppel, Peter, Dr.Jur., kaiserl. Justizrat
u. Rechtsanwalt am Reichsgericht in Leip-
zig, Privatdozent in d. Jurist. Fakultät an
d. Universität daselbst, 1874—77 Mitglied
d. Deutschen Reichstags (fortschrittl.) für
Solingen, Jurist u. Historiker; • Cöln a. Rh.
I. VII. 1840; t Leipzig 5. IIL — BJ VII,
131 (A. Teichmann).
Klughardt, August Friedrich Martin, Dr,
hon, c, herzogl. anhaltin. Hofrat und Hof-
kapellmeister in Dessau, ordentl. Mitglied
d. Akademie d. Künste zu Berlin, Opern-
komponist; * Koethen 30. XI. 1847 ; f Roß-
lau b. Dessau 3. VIII. — 111. Ztg. 119, 210;
Woche 4, 1488 (P); BZ 11, 186. 12, 188.
13, 181 (111. Ztg. 1902 Nr. 3084: R. Lie-
bisch, mit P; Allgem. Musikztg. 1902, 568;
Bühne u. Welt 1902, 975; Unser Anhalt-
land 1902 Nr. 34: E.Hamann, mitP; Die
Musik 1903, 1, 2075: Fr. v. Volbach; Neue
musikal. Presse 1903, 252: A. Krtsmäry);
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 121 (Ltist-
ner, mit L).
Klumpp, Otto v., Dr., ehemal. Direktor der
königl. Württemberg. Handbibliothek in
Stuttgart, früher Erzieher des Prinzen v.
Hohenlohe-Langenburg; f Stuttgart, im
83. Jahre, 13. X. — Woche 4, 1981; Hl.
Ztg. 119, 618; Zentralblatt f. Bibliotheks-
wesen 19 (1902), 556; W^ürttemberg. Jahr-
bücher f. Statistik u. Landeskunde 1902, V
(Hartmann, mit L).
Klützow, Hermann v., k. preuß. Wirkl. Ge-
heimer Rat, früher Direktor im preußischen
Ministerium d. Innern, Dechant des Dom-
stiftes Brandenburg a. H. u. Mitglied des
preuß. Herrenhauses f. dasselbe; * 28. X.
1813; f auf Rittergut Dedelow b. Prenzlau
15. XI. — 111. Ztg. 119, 827; Woche 4,
2160.
*Knab, Ferdinand, Architektur- und Land-
schaftsmaler, auch Illustrator in München ;
♦ Würzburg 1 2. VI. 1837 ; f München 3. XI.
— BJ VII. 161 (H. Holland); Jalirbuch d.
bildenden Kunst 2, 107 ; D. geistige Deutsch-
land I, 369.
^Knappe, Ernst v., k. preuß. Generalleutnant
z. D.; ♦ Wittenberg 12. IX. 1839; f W^tirz-
burg 12. V. — BJ VII, 100 (Lorenzcn);
BZ II, 186 (Militärztg 1902 Nr. 20).
Knaufi, Karl, Dr, med., k. Württemberg. Sa-
nitätsrat, Prosektor am Katharinenhospital
und erster Stadtarzt in Stuttgart, patholog.
Anatom und Hygieniker; * daselbst 13. VIII.
1865; f ebenda 23. VI. — Virchows Jahres-
berichte 37, 1, 413 (Pagel, mit L) u. BZ 11,
186 (Korrespondcnzblatt d. Württemberg,
ärztlichen Landesvereins 1902, 898, mit
P); Württemberg. Jahrbücher für Statistik
und Landeskunde 1902, IV (Hartmann,
mit L).
Knoop, Freifrau Theodore v., geb. Frerichs,
W^itwe des Freiherm Julius v. K., Philan-
thropin; ♦ Bremen 20. II. 1826; f Wies-
baden 17. VI. — Woche 4, 1182; Frei-
herr!. Taschenbuch 1903, 374.
Knorr, Max, Dr, med., prakt. Arzt> türk.
Generalkonsul u. Österreich. Gesandtschafts-
rat in München; f daselbst 15. III. — 111,
Ztg. 118,417.
Köberlin, Alfred, Dr. phil., Gymnasiallehrer
in Neustadt a. H., Historiker u. National-
ökonom; * 1862; t Neustadt a. H. 6. II.
— 111. Ztg. 118, 315; KL 25, 45.
6i
Totenliste 1902: Köhler — Krause.
62*
^Köhler, August, Gouvenieur d. deutschen
Kolonie in Togo; * Eltville (Rheinprov.)
30. IX. 185S; t Lome (Deutsch-Westafrika)
20. I. — BJ VTI, 262 (VV. VVolkenhauer) ;
111. Ztg. 118, 157. 160. 161 (G. Meinecke,
mit P); Woche 4, 184 (P); Geographen-
kalender I, 224 (Haack).
Kohn, Leopold {alias Kuhn), Kapellmeister
u. Komponist: s. Kuhn, Leopold,
Köhn von Jaski, Wilhelm, Oberst z. I).,
d. älteste inaktive Offizier d. preuO. Armee;
f Görlitz, im 94. Jahre, 21. X. — 111. Ztg.
119. 643.
^Koelle, Sigismund Wilhelm, Dr., evangel.
Missionar in Sierra Leone, Sprachforscher,
Kenner der tUrk. und der Negersprachen;
^ Clcebronn (württembergisches Oberamt
Brackenheim) 14. VlI. 1820; f London
18. II. — BJ Vil, 296 (W. Wolkenhauer);
Geographenkalender i, 224 (Haack).
*König, Bruno Emil (Pseudon. : E. Crole),
Dichter u. Schriftsteller; ♦ Hettstädt (preuß.
Provinz Sachsen) 11. IV. 1833; t Leipzig-
Schleußig 17. VI. — BJ VII, 174 (F. Brum-
mer); KL 24, 742 (W); Brummer 5 2, 325.
König, Hermann, Dr,^ Schatzrat a. D., Mit-
glied d. landesständ. Verwaltung in Hanno-
ver, Mitglied der früheren 2. hannover.
Kammer u. d. konstituierenden Norddeut-
schen Reichstags (nationalliberal); * 2. V^I.
18 14; t Hannover 16. III. — 111. Ztg. 118,
470.
Kopecky (auch Kopetzky), Josef, Hof kapell-
meister in Wien, Komponist von Chören,
Marschen und Tänzen; * Wieliczka 1852;
t 21. I. — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
121 (LUstner, mit L).
Kopp, Eduard Ritter v., Dr.jur., Gründer
u. langjähr. Vorstand d. Wiener Schützen-
vereins u. Vorstand d. Österreich. Schützen-
bundes; * Deblin b. Brunn 15. IV. 1827;
t Hietzing b. Wien 1. XI. — Voss. Ztg.
1903 Nr. II Beil. 1 ; Wurzbach, Biograph.
Lexikon d. Kaisert. Österreich 12, 444.
Kofimann, Max, Landgerichtsrat. Entomo-
log; f im Dezember. — Leopoldina 39, 86.
*Kostersitz, Ubald, Propst des Augustiner-
Cliorherren Stiftes von Klostemeuburg bei
Wien, Kirchenhistoriker; * Littau (Mähren)
12. XII. 1828; f Klostemeuburg 3. X. —
BJ VII, 332 (F. Lauchert).
Köstlin, Julius Theodor, Dr, theol.^ Jur,
et phil.f Oberkonsistorialrat, ordentl. Pro-
fessor a. D. f. systemat. Theologie an d. Uni-
versität Halle, Kirchenhistoriker; * Stuttgart
17. V. 1826; t Halle a. S. 12. V. — 111.
Ztg. 118, 777. 778 (G. Buchwald, mitP);
KL 24, 747 (W). 25, 45; BZ 10, 171. 11,
190 (Deutsch-evangel. Blätter 1902, 435;
Theolog. Studien u. Kritiken 1903, 5: E.
Kautzsch) ; Theolog. Jahresbericht 22(1 902)
1438 (Nestle, mit L); Schaff-Jackson, En-
cyclopedia 0/ living divines 119 (mit W) ;
Württemberg. Jahrbücher für Statistik und
Landeskunde 1902, III (Hartmann, mitL);
Chronik d. Univ. Halle 1902.
Kothe, Julius, ehemal. kgl. Kammermusiker
in Hannover; * daselbst 1831; f ebenda
4. IX. — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
121 (Lüstner, mit L).
Krafft-Ebing: Richard Fridolin Joseph
Freih. Krafft von Festenberg auf Frohnberg
genannt von Ebing, Dr, med,, k. u. k. Hof-
rat, früher ordentl. Professor f. Psychiatrie
u. Neuropathologie an d. Universität Wien ;
* Mannheim 14. VIII. 1840; f Maria-Grün
b. Graz 22. XII. — Freiherrl. Taschenbuch
1901, 388. 1903, 898; KL 24, 763 (W);
Pagel 907 (mit P); 111. Ztg. 120, 36. 55
(mit P); Leopoldina 38, 136. 39, 41 ; Ztschr.
f. Psychiatrie 60, 305 (H. Schule) ; Virchows
Jahresberichte 37, I, 418 (Pagel, mitL) u.
BZ 10, 171. 12, 193. 13, i8i (Wiener klin.
Rundschau 1902, 243. 263. 281 u. Münch-
ner medizin. Wochenschrift 1903, 167: A.
Fuchs; Psychiatr.-neurolog. VVochenschrift
1902, I mit P u. 1903, 221: V. Sölder;
Zukunft 43, 463 u. Deutsche medizin. Presse
1903, 14: A. Moll; Jahrbücher f. Psychia-
trie u. Neurologie 23, 1903, i ; Arztl. Zen-
tralztg. 1903, 17: J. Allerhand; D.Wissen
f. Alle 1903 Nr. i: Wagner v. Jaueregg;
Klin.-therapeut. Wochenschrift 1903, 22:
5. Kornfeld; Mitteilungen des Vereins der
Arzte in Steiermark 1903, 61: Sterz; Deut-
sche medizin. Wochenschrift 1903, 39: A.
Eulenburg, mit P; Wiener klin. Wochen-
schrift 1903, 21: Karplus; Jahrbuch für
sexuelle Zwischenstufen 1903, II, 1293).
Krais, Frau Bertha (Pseudon. : B. H o f f m a n n),
Verfasserin von Novellen u. Erzählungen;
* Stuttgart 3. IV. 1829; t daselbst 6. VI.
-- KL 24, 45 (W). 25, 45.
Krämer, Joseph, Oberingenieur, Direktor d.
Techn. I^ehranstalten zu Frankenhausen am
Kyffhäuser; * Eger 24. IV. 1849; t Halle
a. S. 15. II. — 111. Ztg. n8, 341; KL 24,
762 (?mit W). 25, 735.
^Kraetzschmar, Otto Richard, Dr, phil.,
Lic. theol., außerordentl. Professor für alt-
testamentl. Theologie an der Universität
Marburg; * Leipzig lo. VIII. 1867; t ^*'"
bürg i. H. 8. VII. — BJ VII, 203 (Ph.
Losch); Theolog. Jahresbericht 22 (1902),
1438 (Nestle, mitL); KL 24, 762 (W).
*Krause, Caesar Ernst A 1 b r e c h t, Dr. phil.,
Hauptpastor an der Katharinenkirche in
Hamburg, philosoph. Schriftsteller (Kanti-
aner); * Grätz (Prov. Posen) 12. XI. 1838;
f Hamburg 14. XI. — BJ VII, 200
63*
Totenliste 1902: Krause — Krupp.
64*
(J. Sass); Theolog. Jahresbericht 22 (1902),
1438 (Nestle); Perthes Handlexikon f. Theo-
logen 2, 274.
Krause, Karl, k. sächs. Kommerzienrat, Groß-
industrieller, Besitzer einer Maschinenfabrik
in Anger-Crottendorf bei Leipzig; * Li-
mehna b. Eilenburg (Prov. Sachsen) 19. XI.
1823; t Leipzig 3. IIJ. — 111. Ztg. 118,
341; BZ 10, 173 (Der prakt. Maschinen-
konstrukteur 1902 Beiblatt: Verkebrsztg.
Nr. 1 1 mit P).
Krebs, Johann Jakob, Oberkonsistorialrat,
Senior minister ii u. evangel.-luth. Stadt-
pfarrer in Frankfurt a. M.; * Alt-Sachsen-
hausen bei Frankfurt a. M. 29. XI. 1829;
t Frankfurt a. M. 28. III. — 111. Ztg. 118,
547 ; Perthes' Handlexikon f. evangel. Theo-
logen 2, 375.
Kreibig, Gustav, Lic, tkeoL, Superintendent
d. Diözese Berlin I, Pfarrer an d. Bartholo-
mäuskirche, theolog. Schriftsteller; * 12. IX.
1840; f Berlin 25. II. — KL 24, 772;
Perthes' Handlexikon f. evangel. Theologen
2f 375 (mitW); Theolog. Jahresbericht 22
(1902), 1438 (Nestle, mit L).
Kreiml-Baumberg, Antonie, Dichterin: s.
Baumberg, Antonie.
♦Kreiten, Wilhelm, Mitglied d. Gesellschaft
Jesu, Literarhistorikern. Dichter; * Gangelt
(Reg.-Bezirk Aachen) 22. VI. 1847 ? t Kirch-
rath (Holland) 6. VI. — BJ VII, 146 (F.
Brummer); KL 24, 772 (W). 25, 45;
Brummers 2, 343. 568 (mit W); Theolog.
Jahresbericht 22 (1902), 1438 (Nestle, mit
L); BZ II, 193 (Literar. Warte 1902, 706:
B. Felician-Blyerhcide; Ebenda 641: A.
IJgnis \P, Expeditus Schmidt]; Stimmen
aus Maria-Laach 63, i ; Alte u. neue Welt
1902, 718: K. Muth, mit P; Monatsschrift
f. kathol. Lehrerinnen 1902, 412: M. Ho-
hoff).
Kremnitz, k. preuß. Generalmajor, Komman-
deur der 66. Infanterie-Brigade in Metz;
t daselbst 20. XI. — 111. Ztg. 119, 827.
^Krenn, Edmund, Genre-, Landschafts- und
Architekturmaler in Zürich; * Wien 24. V.
1845 (o<ier 1846?); t Zürich 13. IL — BJ
VII, 169 (H. Schmerber); Jahrbuch d. bil-
denden Kunst 2, 107; Müller-Singer, All-
gemeines KUnstlerlexikon 3 2, 392.
*Kriechbaumer, Joseph, Dr, med,, früher
zweiter Konservator an d. Zoolog.-zootom.
Sammlung d. Staates in München, Ento-
molog u. Botaniker; * Tegernsee 13. III.
1819; t München 2. V. — BJ VII, 84 (K,
W. della Torre); BZ 11, 193 (Insekten-
börse 1902, 209 mit P); Leopoldina 38,
59 (O. Taschenberg, mit W).
Krieger, Johann Nepomuk, Besitzer einer
Privatstemwarie (Pia-Sternwarte) in Triest,
früher in Gern b. München, Selenograph,.
Verfasser eines Mondatlas; * Unterwiesen-
bach (Bayern) 1865; t San Remo 10. II.
— Leopoldina 38, 80; PoggendorfF 4, 806-
(nach Astronom. Nachrichten Bd. 158).
*Krones Ritter von Marchland, Franz
Xaver (Pseudon.: Frank), Dr. fhil., k. u.
k. Hofrat, ordentl. Professor d. Geschichte
an d. Universität Graz, Österreich. Historiker,
auch Verfasser von Romanen u. Novellen;
* Ungarisch-Ostrau (Mähren) 19. XI. 1835;
t Graz 17. XI. — BJ VII, 116 (K. Uhlirz,
mit W); 111. Ztg. 119, 646 (G. Stampcr, mit
P); Woche 4, 2030 (P); BZ 11, 194. 12,
196. 13, 190 (Deutsche Geschichtsblätter
1903, 188).
Krug von Nidda, Louis, k. preuß. Oberst-
leutnant z. D., 1884 — 87 Mitglied d. Deut-
schen Reichstags f. Hamm-Soest (konser-
vativ) ; • Sangerhausen 25. 1. 1821 ; t Berlin
23. VIII. — Schönfeld, Notizbuch f. Reichs-
tagswähler 5 191; Voss. Ztg. 1902 Nr. 609
Beil. 2; Woche 4, 1624.
Krüger, Dr, theoL, Dompropst in Frauenburg
(Ostpreußen); f i. V. — Woche 4, 835.
Krüger, Heinrich August, Geheimer Kanzlei-
rat im Bureau des preuß. Herrenhauses;
t Berlin, im 82. Jahre, 10. XI. — 111. Ztg.
119, 781.
Krüpl, Anton (Pseudon.), Schriftsteller: s.
Flamm, Theodor.
•Krupp, Friedrich Alfred, k. preuß. WirkL
Geheimer Rat, Inhaber d, Gußstahlfabrik
Friedrich Krupp in Essen und d. Gruson-
werkes in Magdeburg, Mitglied d. preuß.
Staatsrats u. Herrenhauses, zeitweilig auch
des Deutschen Reichstags (Reichspartei);
• Essen 17. IL 1854; f Villa Hügel b.
Essen 22. XI. — BJ VII. 245 (A. Birk);
111. Ztg. 119, 813 (A. O. Klaußmann, mit
P). 827 u. Beilage zu 1902 Nr. 31 01 (A.
Drossong, mit Illustr.) ; Deutsche Bauztg.
36, 611; Woche 4, 2200 (A. Zimmermann,
mit Illustr.). 2247; BZ ii, 195. 12, 196.
I3i 190 (Das rote Kreuz 1902, 437 u. 441,
mit P; Kriegstechn. Ztschr. 1902, 545; Con-
cordia 1902, 273: Albrecht; Echo 1902
Nr. 48 u. 49; Glückauf 1902 Nr. 51: Der
Bergbau Jahrg. 16 Nr. lo; Polytechn. Zen-
tralblatt 1902, 216; Zoolog. Anzeiger 1902,
113 u. Biolog. Zentralblatt 1903, 76: O.
Zacharias; Hamburg. Korrespondent 1903
März 18: Jencke; Stahl u. Eisen 1903, i;
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel
1903 Nr. 34. 35: T. Kellen, L; Monats-
schrift f. Handel- u. Sozialwissenschaft 1903,
283 : Stange; Jahrbuch f. sexuelle Zwischen-
stufen 1903, II, 1304; Beiträge zur Ge-
schichte V. Stadt u. Stift Essen 23, i — 106:
O. Wiedfeldt; de:).
65*
Totenlistc 1902: Kruse — Kufimaul.
66*
^Kruse, Heinrich August Theodor, Dr,
phil,. Geheimer Regierungsrat, früher Chef-
redakteur d. »Köln. Ztg.«, dramat. u. ep.
Dichter; ♦Stralsund 15. XII. 181 5; f Bücke-
burg 13. I. — BJ VII, 163 (O. Zaretzky);
111. Ztg. 118, 126 (L. Salomon, mit P);
Othmer-Kleemeier, VademecumS 312. 732
(W).
Kubicki, Karl, Kaufmann in Schroda, früher
Mitglied d. Deutschen Reichstags (Pole);
f, 78 Jahre alt. 3. XII. — Voss. Ztg. 1902
Nr. 609 Beil. 2.
♦Kubier, Paul, Dr, med., Oberstabsarzt, Re-
ferent in der Medizinalabteilung d. preuß.
Kriegsministeriums; ♦ Berlin 31. I. 1862;
f auf d. Reise in Gaschum (Montafontal)
13. VII. — BJ VII, 131 (Pagel); Leopoldina
38, 100; Virchows Jahresberichte 37, I,
418 (Pagel, mit L: Berliner klin. Wochen-
schrift 1902 Nr. 29; Deutsche militärärztl.
Ztschr. 31, 452: Roland).
Küffher, Bernhard Ritter v., Präsident des
Oberlandesgerichts in München, Reichsrat
d. Krone Bayern ; f München 8. III. — 111.
Ztg. 118, 391.
Kugelmann, Louis, Dr. vud., prakt. Arzt in
Hannover, 1 848 ger Demokrat, später Mit-
glied d. roten Internationale; f, 74 Jahre
alt, 10. (oder 13.?) I. — Voss. Ztg. 1903
Nr. II Beil. 2; Virchows Jahresberichte
37, I, 419 (Pagel); Woche 4, 136.
♦Kügler, Max Albert, Dr. jur,, k. preuß.
Wirkl. Geheimer Rat, Präsident d. preuß.
Oberverwaltungsgerichtshofes in Berlin,
vorher Dezernent f. d. Volksschulwesen im
Kultusministerium; ♦ Liegnitz 24. IX. 1845 <
t Berlin 22. V. — BJ VII, 308 (Th. Lind-
ner); Woche 4, 999 (P); BZ 10, 176. 12,
197 (Frauenbildung 1902, 249; Ostdeutsche
Monatshefte f. Erziehung u. Unterricht 1903,
235; Pädagog. Ztg. 1903 Nr. 21).
Kuhlow, J., Kommerzienrat, Präsident der
Handelskammer in Halle a. S.; f daselbst
12. V. — 111. Ztg. 118, 751 ; Woche 4, 886;
BZ xo, 176 (Die ehem. Industrie 1902,
Nr. 11).
Kühn, Hermann, Professor, Direktor d. Kunst-
u. Kunstgewerbeschule in Breslau; ♦ Zeitz
16. III. 1849; t Breslau 6. VIII. — Jahr-
buch d. bildenden Kunst 2, 107.
Kuhn (eigentlich Kohn), Leopold, früher
Theaterkapellmeister, dann Direktor des
Stadttheaters in Wiener Neustadt, zuletzt
Mitdirektor des Theaters in Czernowitz u.
des Sommertheaters in Hall, Komponist;
♦ Wien 26. VIII. 1861; f 17. I. — Voss.
Ztg. 1903 Nr. 9 Beil. i ; Monatshefte für
Musikgeschichte 35, 121 (Lüstner, mit L);
Rheinhardt, Biographien d. Wiener Künstler
u. Schriftsteller i, 560.
Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 7. Bd.
Kiinigl, Ferdinand Felix Graf, k. u. k.
Major a. D., d. älteste Offizier d. Österreich-
ungar. Armee; * 23. VI. 1805; f Gries b.
Bozen 9. XII. — 111. Ztg. 1 19, 968; Gräfl.
Taschenbuch 1904, 454.
Kupifender, Eduard, Geheimer Oberjustizrat,
zuletzt Senatspräsident am Oberlandesge-
richt in Breslau; * Bromberg 1828; f Bres-
lau im August (?). — 111. Ztg. 119, 313.
KupfTer, Karl Wilhelm Ritter v., Dr. med.,
k. bayer. Geheimer Rat, ordentl. Professor
für Anatomie an d. Universität München,
Vorstand u. I. Konservator d. anatom. An-
stalt d. ba}T. Staates, ordentl. Mitglied d.
k. bayr. Akademie der Wissenschaften;
♦ Lesten (Livland) 14. XI. 1829: f Mün-
chen 16. XII. — Leopoldina 38, 136. 39,
41 ; Chronik der Universität München für
1902/3, S. 9; Woche 4, 2380 (P); 111.
Ztg. 119, 991 (P in Nr. 2945 vom 7. X.
1899); Virchows Jahresberichte 37, I, 419
(Pagel, mit L) u. BZ I2, 199 (Deutsche
Medizin. Wochenschrift 1903, 58: K. v.
Bardeleben, mit P; Münchner Medizin.
Wochenschrift 1903, 24: G. Merkel; Peters-
burger Mediz. Wochenschr. 1902 Nr. 219).
^Kürschner, Joseph, Dr. phil., Geheimer
Hofrat, Professor, Lexikograph; * Gotha
20. IX. 1852; f auf der Reise zwischen
Windisch-Matrei u. Hüben 29. VII. — BJ
VII, 198; 111. Ztg. 119. 205 (K. Wilke, mit
P); Woche 4, 1488 (P); Hinrichsen, D.
literarische Deutschland^ 761; BZ 11, 198
(Bühne u. Welt 1902, 973; H. Stümcke;
Deutsche Buchhandelsblätter 1902, 499, mit
P; Literar. Praxis 1902 Nr. 8); Börsenblatt
f. d. deutschen Buchhandel 1902.
Kusar, Joseph, Präsident der Laibacher Han-
delskammer und Landtagsabgeordneter;
t Laibach 13. I. — Woche 4, 92.
Küsel, Eduard Theodor Heinrich, emerit.
Pfarrer in Ballethen (Ostpreußen) ; ♦ Rasten-
burg 27. IV. 1826; t Ballethen 23. L —
Altpreuß. Monatsschrift 40, 472 (Rindfleisch,
L: Evangel. Gemeindeblatt 57, 1902, 53:
Kahler).
Kufimaul, Adolf, Dr. med., früher ordentl.
Professor f. innere Medizin an d. Universität
Strafiburg, in Heidelberg lebend ; * Graben
bei Karlsruhe 22. II. 1822; f Heidelberg
27. V. — 111. Ztg. 118, 857 (mit P); Leo-
poldina 38, 80; Deutsches Archiv f. klin.
Medizin 73, i (W. Fleiner, mit W); Woche
4, 317 (P). 325 (A. Fränkel). 991 (P).
1025 (V. Czcmy). 1049 (P). 2105 (Er-
innenmgsfeier in Heidelberg, mit Illustr.);
Pagel 932 (mit P) ; Virchows Jahresberichte
37, I, 419 (Pagel, mitL); Ztschr. für die
Geschichte d. Oberrheins 57 (1903), 388
(Frankhauser, L); BZ 10, 178. 11, 198 (L).
6f
Totenliste 1902: Kutsch — Lautb.
68*
Kutsch, Adolf Constantin, Oberlehrer a. D.;
♦ • König^sberg i. Pr. i. VI. 1830; f Elbing
28. VII. — Altpreuß. Monatsschrift 40, 472
(Rindfleisch, L).
Lackner, Karl, k. preuß. Gartendirektor, her-
vorrngender Blumenzüchter (besonders Or-
chideen, Nelken u. Flieder); * 2. V. 1831 (?);
t Berlin 9. XI, — 111. Ztg. 119, 781 ; Woche
4, 21 16; BZ 12, 200 (Gartenflora 1903, 2
u. 240: L. Wittmack).
La Croix, de; s. De la Croix.
Ladenburg, Emil, Geheimer' Kommerzienrat,
Bankier, früher Inhaber d. Bankhauses E.
Ladenburg in Frankfurt a. M. u. Teilhaber
der Firma W. H. Ladenburg & Söhne in
Mannheim; f Frankfurt a. M., 79 Jahte alt,
2. I. — 111. Ztg. 118, 63.
Lahm, Johannes, früher Chefredakteur des
»Rhein. Courier«; f Wiesbaden 31. III. —
Voss. Ztg. 1903 Nr. 7 Beil. 2.
*Lahs, Heinrich Carl Rudolf Friedrich,
Dr, med., aufierordentl. Professor an der
Universität Marburg, Gynäkolog; * Putlitz
(Mark Brandenburg) 25. VI. 1838; f Mar-
burg 20. II. — BJ VII, 251 (Ph. Losch);
Leopoldina 38, 21. 48 (mit W); Virchows
Jahresberichte 37, I, 419 (Pagel) u. BZ 10,
178 (L).
Landesmann, Heinrich (Pseudon.: Hiero-
nymus Lorm), Dichter und Schriftsteller;
• Nikolsburg (Mähren) 9. VIII. 1821;
t Brunn 3, XII. — 111. Ztg. 119, 923 (P in
Nr. 3031 V. 1. VIII. 190O; Woche 4, 2292
(P); Wurzbach, Biographisches Lexikon d.
Kaisert. Österreich 14, 72 (mit W u. L);
Hinrichsen, D. literar. Deutschland* 773;
Brummers 2, 369. 516 (W); Othmer-Klee-
meier, Vademecum^ 819 (W); BZ 10, 186.
II, 207. 12, 208. 13, 201 (Jahrbuch der
Grillparzergesellschaft 1902, 184:6. Münz;
Allgemeine Ztg. d. Judentums 1902 Nr. 50;
Leipziger Ztg. 1902 Wissenschaftl. Beil.
Nr. 151: A. Semerau; Norddeutsche All-
gemeine Ztg. 1902 Nr. 285; Bühne u. Welt
1903, 1035: Ph. Stein; Neue freie Presse
1903 Sept. 6; Voss. Ztg. 1903 Dezember 3).
*Landois, Leonard Christian Clemens
August, Dr. med., Geheimer Medizinalrat,
ordentl. Professor f. Physiologie u. Direktor
des Physiolog. Instituts an der Universität
Greifswald; • Münster i. W. I. XIL 1837;
t Greifswald 17. XI. — BJ VII, 86 (Pagel);
Chronik d. Universität Greifswald 17 (1903),
10 (R. Rosemann, mit W); 111. Ztg. 119,
816 u. 820 (mit P); Pagel 947 (mit P);
Virchows Jahresberichte 37, 1, 419 (Pagel,
L) u. BZ II, 199 (Deutsche Medizinische
Wochenschrift 1902, 891 : Peiper, mit P;
Wiener klin. Wochenschrift 1902 Nr. 15;
Landsberg- Velen und Gemen, Maximilian
Franz 3. Graf v., Standesherr auf Gemen,
Herr auf Uhlenbrock etc., Dr, Jur,, erbl.
Mitglied d. preuß. Herrenhauses, Präsident
d. westfäl. Bauemvereins ; * Münster i. W.
17. I. 1847; f Schloß Velen (Kreis Borken,
Westf.) 31. XII. — 111. Ztg. 120, 419; Gräfl.
Taschenbuch 1903,469. 1904,463; BZ 12.
201 (Deutsche landwirtschaftl. Presse 1903
Nr. 3; Germania 1903 Nr. 3).
Lange, Peter, Oberförster, früherer Ver^'alter
d. Güter d. Fürsten Bismarck; t Mülheim
a. d. Mosel 20. IV. — Woche 4, 732. 736
(P); BZ 10, 180. II, 200 (Deutsche Forst-
ztg. 1902, 385: W. Kessler, mit Illust.;
Ztschr. f. Forst- und Jagdwesen 1902, 385).
Langer, Viktor (Pseudon.: Aladar Tisza).
Organist, Komponist u. Musikschriftsteller
in Budapest; * daselbst 14. X. 1842; f eben-
da 19. III. — RiemannS 631 ; Monatshefte
f. Musikgesch. 35, 122 (Lüstner, mit L).
Langerhans, Wilhelm Hermann Heinrich,
Dr.Jur., Reichsgerichtsrat a. D. in Leipzig;
• 21. IV. 1816; t Leipzig i. IV. — 111. Ztg.
118, 547.
Langkavel, Bernhard, Dr,pkil.^ klass. Philo-
log und Naturforscher; * Stettin 20. VIII.
1825; t Hamburg 8. VII. — KL 24, 810
(W). 25, 45.
Langreuter, Georg, Dr, med., Direktor der
2. nassau. Irrenanstalt Weilmünster, Psy.
chiater; ♦ Vechta (Oldenburg) 5. II. 1855,.
t WeilmUnster 7. III. — Allgemeine Ztschr .
f. Psychiatrie 59, 189 (Lontzius-Beninga) ;
Virchows Jahresberichte 37, I, 419 (Pagel).
Largin, Dr., Gerichtspräsident d. Amtsbezirks
Bern; f durch Absturz vom Nadelhom
16. VIII. — Woche 4, 1578.
Lauchert, Amalie, geborene Prinzessin zu
Hohenlohe-Schillingsfürst :s. Hohenlohe-
SchillingsfUrst.
Lauenstein, Otto, Oberbürgermeister a. D.
von Lüneburg, langjähr. Mitglied d. früheren
2. hannover. Kammer u. des preuß. Abge-
ordnetenhauses, einer d. Führer d. national-
liberalen Partei; * 17. I. 1829; f Lüneburg
26. n. — 111. Ztg. 118, 341; Woche 4
Nr. 10 S. VII; Oettinger, Moniteur des
dates 3, 103.
*Lauser, Wilhelm, Dr. phil., k. Württemberg.
Geheimer Hofrat, Journalist u. Historiker;
• Stuttgart 15. VI. 1836; t Charlottenburg
1 1. XI. — BJ VII, 76 (R. Krauß); 111. Ztg.
119, 786 (Alexander Braun, mit P); Hin-
richsen, D. literar. Deutschland * 784 ; Woche
4, 2168 (P); Württemberg. Jahrbücher für
Statistik und Landeskunde 1902, V (Hari-
mann, L).
Lauth, Ernst, Bankier, chemal. Bürgermeister
von Straßburg i. E., 1874 — 77 Mitglied d.
69*
Totenliste 1 902 : Lederer — Lewinstein.
70*
Deutschen Reichstags (Protestler) ; f Stra6-
l>urg, 75 Jahre alt, 3. IV. — 111. Ztg. 118,
547; Schönfeld, Notizbuch f. Reichstags-
wähler 5 394.
Lederer, Ferdinand, Fabrikant v. Holzblas-
instrumenten in Wemitzgrün i. S.; f da-
selbst 6. Vin, — Monatshefte f. Musik-
gesch. 35, 122 (Lüstner, mit L).
*Led6chowski: Miecislaus Johann vom
Kreuze Halka von Ledochow Graf Le-
dochowski, Kardinalpriester, Generalpräfekt
d. Congregatio de Propaganda fide in Rom,
Titularinhaber der Kirche S. Laurentii in
Lucina, früher Erzbischof v. Posen u. Gne-
sen; * Gorki bei Sandomir 29. X. 1822;
t Rom 22. VII. — BJ VII, 306 (F. Lau-
chert); Gräfl. Taschenbuch 1903,479; Wo-
che 4, 1376 (P); 111. Ztg. 119, 159. 164
(R. Schöner, mit P); BZ 11, 202 (Wage
1902 Nr. 34; M. Claar; St Norbertus-Blatt
1902, 296; D. heilige Land 1902, 153, mit
P); Theolog. Jahresbericht 22 (1902), 1438
(Nestle).
Leeb, Hermann Ritter v., k. bayer. General-
major z. D., zuletzt Kommandeur d. 9. In-
fanterie-Brigade; t München 23. II. — 111.
Ztg. 118,341; Verordnungsblatt d. bayer.
Kriegsministeriums 1902, 77.
*Leeb, Michael, Benediktiner, Prior d. Klosters
Weltenburg a. D. ; * Kempten 26. IX. 1822 ;
t Weltenburg 25. XII. — BJ VII, 262 (F.
Lauchert).
Lehmann, Heinrich Bruno, früher evangel.
Pastor in Schedewitz b. Zwickau, theolog.
Schriftsteller, Mitredakteur v. Meusels Kirchl.
Handlexikon ; * Katzenberg b. Nossen (Kgr.
Sachsen) 6. IV. 1827; f Plauen b. Dresden
29. IX. — KI. 25, 792 (mit W); Perthes'
Handlexikon f. evangel. Theologen 2, 427;
Theolog. Jahresbericht 22 (1902), 1438
(Nestle); BZ 11, 202 (Sachs. Kirchen- u.
Schulblatt 1902 Nr. 38; Allgemeine ev.-
luth. Kirchenztg. 1902 Nr. 42).
Lehmann, Eduard, Dr, tned., Arzt und Bo-
taniker in Riga; * daselbst 1841; f eben-
da 5. V. — Virchows Jahresberichte 37, 1,
419 (Pagel, mit L) u. BZ 11, 202. 12, 203
(Korrespondenzblatt d. Naturforschervereins
Riga 45, 21 : K. R. Kupffer; Verhandlungen
d. botan. Vereins d. Prov. Brandenburg 44,
XXXV : P. Ascherson ; Petersburger Medizin.
Wochenschrift 1902 Nr. 20).
Lehmann, Friedrich, k. preuß. Wirkl. Ge-
heimer Oberfinanzrat, Unterstaatssekretär
im Finanzministerium, vorher im Dienste
d. Staatsbahnverwaltung; f Berlin 11. IV.
— 111. Ztg. 118, 935-
Lemberg, Johann Theodor, Dr. ehern,,
kaiscrl. russ. Staatsrat, Professor d. Mine-
ralogie an d. Universität Dorpat; * Reval
25. VIII. (a. St.) 1842; t Dorpat 8. XI. (a.
St.) — Leopoldina 39, 42; Poggendorff 3,
793. 4, 863 (mit W); BZ 11, 205 (Zen-
tralbatt f. Mineralogie 1903, 246: F. Loe-
wison-Lessing).
Lentz, Karl August Heinrich Freih. v., k.
preuß. Wirkl. Geheimer Rat, bis 1890 vor-
tragender Rat im Finanzministerium ; ** Berlin
3. XI. 1820; t daselbst 24. \\\ — Voss.
Ztg. 1902 Nr. 605 Beil. 8; Freiherrliches
Taschenbuch 1903, 425.
*Lenz, August, Professor, Kustos des kgl.
Naturalienmuseums in Kassel; * Eisenach
15. IV. 1828; t Kassel 2. IV. — BJ VII,
250 (Ph. Losch); BZ 12, 205. 13, 197 (L).
^Leonhardi, Bernhard August Alban v.,
k. Sachs. Generalleutnant z. D,; * Zschepp-
lin b. Eilenburg (Provinz Sachsen) 24. X.
1817; t Nyitra-Sarfö 26. VIII. — BJ VII,
68 (Lorenzen); 111. Ztg. 119, 385; BZ 11,
204 (Militärztg. 1902 Nr. 36).
Lersch, Bernhard Maximilian, Dr. med.t
vormals Badeinspektor in Aachen, verdient
um Bäderkunde u. Geschichte d. Medizin ;
* Aachen 12. X. 181 7; f Aachen 26. II. —
Pagel 991; Leopoldina 38, 57 (mit W);
Virchows Jahresberichte 37, 1, 420 (Pagel);
BZ 10, 183 (L).
Le Sage, Franz Ritter v., k. bayer. General-
direktor d. Posten u. Telegraphen a. D. ;
♦ München 1836; f daselbst 19. II. — 111.
Ztg. 118, 315.
Levetzow, Theodor Joachim Elias Frederik,
kaiserl. deutscher Kapitän z. S. a. D., Reichs-
kommissär für d. Auswanderungswesen in
Bremen ; * Castorff (Lauenburg) 9. IX. 1843 ;
t Oldenburg 20. XI. — 111. Ztg. 120, 36;
Goth. genealog. Taschenbuch d. Adeligen
Häuser 1903, 514.
Levisohn, Leonard, Präsident der United
Meial Selltng Company in Neuyork, aus-
schlaggebend f. d. gesamte amerikanische
Kupfergeschäft, geborenerDeutsch.; London
laut Meldung vom 6. III. — 111. Ztg. 118,
391-
Levysohn, Hedwig, Gesanglehrerin in Berlin ;
t daselbst, 57 Jahre alt, 19. IX. — Woche
4, 1800; Monatshefte für Musikgesch. 35,
122 (Lüstner, mit L).
Lewandowski, Rudolf, Dr, med., Arzt in
Baden bei Wien, Elektrotherapeut ; f da-
selbst Sept./Okt. — Virchows Jahresberichte
37, I, 420 (Pagel, mit L: Wiener Medizin.
Presse 1902 Nr, 40).
Lewinstein, Gustav (Pseudon.: J. Wein-
stcn gl), Dr.phil.f polit. u. Volkswirtschaft!.
Schriftsteller, früher Herausgeber d. »Ta-
bakztg.«, vorübergehend auch Privatdozent
an der Universität Heidelberg; * Berlin
21. IX. 1829; t daselbst 29. VIIL — 111.
71*
Totenliste 1902: Leybold ■ — Lohn-Siegel.
72*
Ztg. 119, 385; KL 24, 840 (mit W); D.
geistige Berlin i, 296.
Leybold, Karl, Oberbergrat, Mitglied des
Oberbergamts in Dortmund; f daselbst,
47 Jahre alt, 3. IIL — 111. Ztg. 118, 391.
Leyendecker, Ernst, Besitzer der Firma W.
Ivcyendecker & Co. f. Bleiprodukte in Ehren-
feld b. Köln, Sozialpolitiker u. Philanthrop ;
t Köln, 48 Jahre alt, 6. IL — 111. Ztg. 1 18,
341.
Lezius, A., Geheimer Justizrat in Köthen,
Präsident d. anhält. Landtags, Mitglied d.
Zentral Vorstandes d. nationalliberalen Partei ;
t Berlin 17. III. — 111. Ztg. 118, 417; BZ
10, 183 (Unser Anhaltland 1902 Nr. 13,
mit P).
Lichtenfels, Hans, Wirkl. Geheimer Ober-
postrat, bis 1901 Abteilungsdirigent im
deutschen Reichspostamt, verdient um das
Telegraphenwesen; f Berlin, im 66. Jahre,
11. XL — 111. Ztg. 119, 781.
Lieber, Ernst, Dr. Jur, utr., Mitglied des
preufi. Abgeordnetenhauses u. Deutschen
Reichstags, Führer d. linken Flügels des
Zentrums, auch Mitglied d. Provinzialland-
tags, d. Provinzialausschusses u. Provinzial-
rates in Kassel, d. Kommunallandtages in
Wiesbaden, des Kreistages und Kreisaus-
schusses in Limburg u. Vorsteher d. Stadt-
verordnetenkollegiums in Camberg (Hessen-
Nassau); • Camberg 16. XI. 1838; f da-
selbst 31. III. — lU. Ztg. 118, 509. 534
(mit P); Woche 4» 596 (P); BZ 10, 184
(Gegenwart 1902 Nr. 15; Die Wahrheit
1902, 193: H. Held; Nation 19 Nr. 27:
Alex. Meyer; Alte u. neue Welt 1902, 599:
H. Kemer, mit P); Kürschner, Reichstag
1898 — 1903, 189 (mitP) ; Kürschner, Preuß.
Abgeordnetenhaus 1894, 360 (mit P).
Liebermann, August v., Regierungspräsident
a. D. von Münster in Westf., früher Mit-
glied d. preufl. Abgeordnetenhauses (kon-
servativ); t Liegnitz, im 76. Jahre, 25.
(oder 26. ?) L — 111. Ztg. 118, 191 ; Woche
4, 180.
Liedtke, Theodor, k. preufi. Hof Schauspieler
(Bonvivants) a. D. ; * Königsberg i. Pr.
28. X. 1828; t Berlin 20. XI. — Woche 4,
2210 (P); Voss. Ztg. 1903 Nr. 11 Beil. 2;
Flüggen, Biograph. Bühnenlexikon i, 198;
Eisenberg, GroBes biograph. Lexikon der
Deutschen Bühne 606.
Lieres und Wilkau, Hermann, k. preuß.
Generalmajor z. D., zuletzt Kommandeur
d. 29. Kavalleriebrigade ; f 29. XL — Voss.
Ztg. 1903 Nr. I Beil. 8.
Limpricht, Gustav, Oberlehrer in Breslau,
Botaniker; f daselbst, 68 Jahre alt, 20. X.
— BZ 12, 207 (Hedwigia 42 Beibl. i:
V. Schiffner, mit P ; Jahresbericht d. schles.
Gesellschaft f. vaterländ. Kultur 80, Nekrol.
12: W. Limpricht).
Lindemann, Karl, Dr. phil., Professor, früher
Oberlehrer am Reälg^ymnasium zu Anna-
berg i. S., Pädagog u. Schriftsteller auf d.
Gebiete der Mathematik und Naturwissen-
schaften; * 1820; t Dresden 24. I. —
III. Ztg. 118, 191; KL 25, 46.
Lingens, Josef, Dr. jur, honoris causa der
Universität Löwen, päpstlicher Geheimer
Kämmerer, Advokat u. Rechtsanwalt a. D.,
Stadtverordneter in Aachen, Mitglied des
Deutschen Reichstags, früher auch d. preuß.
Landtags; • Aachen 10. VIII. 1818; t da-
selbst 31. X. — 111. Ztg. 119, 695; Woche
4, 2074 (P); Kürschner, Reichstag 1898 —
1903, 205 (mitP); Brockhaus, Konv.-Lexi-
kon'4 II, 189.
^Linnemann, Johann Alexander, Pro-
fessor, Architekt u. Glasmaler in Frankfurt
a. M.; • daselbst 14. VII. 1839; f ebenda
22. (oder 21.?) LX. — BJ VII, 93 (H.
Schmerber); Jahrbuch d. bildenden Kunst
2, 107; Deutsche Bauztg. 36, 506. 552 (L.);
BZ II, 206 (Zentralblatt d. Bau Verwaltung
1902 Nr. 79: Luthmer, mit P).
*Linstow, Adolf v., k. preufi. Generalleut-
nant z. D.; * Ratzeburg 14. V. 1832;
t Lübeck 7. XII. — BJ VII, 252 (Lorenzen).
Lippe-Weifienfeld, Gabriele Pauline Luise
Thora Ottilie Gräfin zur, Ehrendame d. k.
bayer. Theresienordens ; * Ratiboritz 8. V.
1844; t Schloß Pfaffstädt bei Munderfing
(Oberösterrcich) 13. XI. — Woche 4, 21 61 ;
Goth. Hofkalender 1903, 44. 1904, 45.
Litke, Theodor, Bildhauer in Berlin; * 19. VII.
1847; t Berlin von eigener Hand 18. XL
— Muller-Singer, Allgemeines Künstler-
lexikon 3 3, 21; 'Jahrbuch der bildenden
Kunst 2, 107.
♦Löffler, PhUipp, Mitglied der Gesellschaft
Jesu, hervorragender Kanzelredner; * Hei-
ligenstadt 24. I. 1834; f Luxemburg 11.
VIII. — BJ VII, 307 (F. Lauchert); Keiter-
Jörg, Kathol. Literaturkalender 6, 186 (mit
W).
Lehmann, Albert, k. preuß. Wirkl. Geheimer
Oberjustizrat, früher Senatspräsident am
Oberlandesgericht Posen; f, 77 Jahre alt,
25. X. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 3 Beil. i.
*Löhn-Siegel, Maria Anna (Pseudon.: Lork
Alb an u. Willibert v. Herrigau), Ge-
mahlin d. Rechtsanwalts Dr. Franz Siegel
in Dresden, Dichterin und Schriftstellerin,
früher Mitglied der Dresdner Holbühne u.
d. Hoftheaters in Oldenburg; * Naundorf
b. Freiburg in Sachsen 30. XI. 1830; f Dres-
den I. I. — BJ VII, 186 (F. Brummer);
Brummers 2, 438. 598 (mit W); 111. Ztg.
118, 63 (mit P); KL 24, 858. 25, 46; Pa-
73*
Totenliste 1902: Löhncr — Mairich.
74*
taky, Lexikon deutscher Frauen der Feder
1,517 (mit W); Flüggen, Biographisches
Bühnenlexikon i, 202; Eisenberg, Großes
biograph. Lexikon d. Deutschen Bühne 616;
Bühne u. Welt 4, i, 441.
Löhner, Hermann v., Kulturhistoriker und
Danteforscher; • Wien 27. IV. 1842; f da-
selbst 20. V. — Hl. Ztg. 118, 829; KL
25, 46.
Loimann, Gustav, Dr, med,^ Badearzt in
Franzensbad, Obmann der Sektion Eger-
Franzensbad des Zentralvereins deutscher
Ärzte in Böhmen; * Franzensbad 26. XII.
'853; t daselbst 27. VIII. — Virchows
Jahresberichte 37, I, 420 (Pagel, mit L)
und BZ II, 207 (Prager Medizin. Wochen-
schrift 1902 Nr. 31 u. 32).
Lorm, Hieronymus (Pseudon.), Dichter: s.
Landesmann, Heinrich.
Löwenfels, Moritz v., Journalist in San Fran-
cisco, früher deutscher Offizier; f San Fran-
cisko, 83 Jahre alt, 7. XI. — Voss. Ztg.
1903 Nr. II Beil. 2; Woche 4, 2204.
♦Loewy, Josef, k. k. Hofphotogrraph in Wien,
Inhaber einer Anstalt f. Autotypie, Photo-
gravüre und Lichtdruck; * Prefiburg 1835;
t Wien 24. III. — BJ VII, 170 (H. Schmcr-
ber).
Loewy, Sigmund, k. preufi. Justizrat, Rechts-
anwalt u. Notar a. D. in Berlin; f, 80 Jahre
alt, 30. XI. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 3 Bei-
lage I.
Lucius, Paul Ernst, Dr, iheol., ordentl. Pro-
fessor f. Kirchengeschichte an d. Universität
Straßburg i. E.; * Ernolzheim bei Zabem
16. X. 1852; t Straßburg 28. XI. — 111.
Ztg. 119, 968; KL 24, 878. 25, 46; Schaff-
Jackson, Encychpedia of living drvines 132
(mit W); Holtzmann-Zöpffel, Lexikon für
Theologie u. Kirchenwesen* 674; Theolog.
Jahresbericht 22 (1902), 1439 (Nestle, mit L).
Lugo, Emil, Landschaftsmaler in München;
* Stockach bei Konstanz 26. VI. 1840;
t München 4. VI. — MüUer-Singer, Allge-
meines Künstlerlexikon 3 3, 58; Jahrbuch d.
bildenden Kunst 2, 107. iio (L: Allge-
meine Ztg. 1902 Beil. IV, 137: P. Jensen);
BZ II, 209. 13, 202 (Die Rheinlande 1902
Oktober S. 22: E. Liesegang; Graphische
Künste 1903 Mitteil. S. 60: S. Graf Pückler-
Limpurg; Bad. Landesztg. 1903 Nr. 20: A.
Geiger).
*Lupin, Hugo Freih. v„ k. Württemberg.
Generalleutnant z. D., ♦ lUerfeld 26. VIL
1829; f Stuttgart 12. [so nach Freiherrl.
Taschenb.] V. — BJ VII, 99 (Lorenzen);
Freiherrl. Taschenbuch 1903,464; BZ ii,
211 (Militärztg. 1903 Nr. 20); Württem-
berg. Jahrbücher f. Statistik u. Landeskunde
1902, III (Hartmann, L).
Lürman, Stephan August, Dr., Senator u.
mehrmals Bürgermeister d. Freien u. Hanse-
stadt Bremen, Kunstkenner; * Bremen 22.
IX. 1820; f daselbst 13. X. — Woche 4,
1937; 111. Ztg. 119, 618.
Luthardt, Christoph Ernst, k. sächs. Ge-
heimer Rat und Domherr, Lic, ihcol,, Dr.
phil, et iheol,, ordentl. Professor f. systemat.
Theologie u. neutestamentl. Exegese an d.
Universität Leipzig, Herausgeber d. »All-
gemeinen luther. Kirchenztg.« ; * Marolds-
weisach (Unterfranken) 22. III. 1823 ; -f* Leip-
zig 21. IX. — 111. Ztg. 119,471. 511 (J.
P., mit P); Woche 4, 549 (P); KL 24,
884 (W). 25, 46; Schaff- Jackson, Ency-
chpedia of living diüines 133 (mit W);
Theolog. Jahresbericht 22 (1902), 1439
(Nestle, mit L); BZ 11, 211. 12, 212. 13,
204 (Neues sächs. Kirchenblatt 1902 Nr. 42 :
Klotz; Sächs. Kirchen- u. Schulblatt 1902
Nr. 41 — 43: Winter; Allgemeine evangel.-
luther. Kirchenztg. 1902 Nr. 40: Ansprachen
am Sarge; Ebenda Nr. 42. 43; Ebenda
Nr. 44 ff. 1903, Nr. i ff.; Die Reformation
1902 Nr. 31; Leipziger Ztg. 1902 Wissen-
schaft!. Beil. Nr. 117: R. Wolf; Akadem.
Blätter 1902 Nr. 13: Hötzsch; Beweis des
Glaubens 1902,397: O. Zöckler; Pastoral-
blätter für Homiletik 45, 145: Bendixen;
Der alte Glaube 1903 Nr. 22. 23 : J. Winter;
Monatsschrift f. Stadt u. Land 1903, 957:
F. J. Winter).
Lützeler, Karl, k. preuß. Geheimer Justizrat,
Präsident d. Landgerichts Cöln; '*' Elber-
feld 9. VII. 1828; fCöhi 2. Vn. — 111.
Ztg. 119, 51; Woche 4, 1279.
Maass, Ferdinand, Professor, Maler u. Sänger,
Schüler Joseph Ritters v. Führich; ♦ Ried
(Oberinntal) 1837; t ^^s^lbst 30. VII. —
Hl. Ztg. 119, 195.
Madlungy Wilhelm, k. preuß. Generalmajor
z. D., langjähr. Vorstand d. Bekleidungs-
amtes d. Gardekorps; f Berlin, 71 Jahre alt,
21. I. — Voss. Ztg. 1903 Nr. I Beil. 8.
^Mähly, Jakob Achilles (Pseudon.: Jokun-
dus Plappermund), Dr, p/uL, ordentl.
Professor für klass. Philologie an d. Uni-
versität Basel, auch Dichter u. Journalist;
♦ daselbst 24. XII. 1828; ferenda 14. VL
— BJ VII, 69 (K. Trog); KL 24, 889 (W).
25, 46; Eckstein, Nomenciator philologO"
rvm 350; Woche 4, 11 82; Hinrichsen, D.
literar. Deutschland* 850 (mit W); Brüm-
merS 3, 7. 469 (mit W); BZ 11, 214
(Schweizer. Lehrerztg. 1903, 263).
Mairich, Hugo, Ingenieur in Gotha, Auto-
rität in Fragen d. Wasserversorgung und
Kanalisation ; verunglückte auf d. Fahrt mit
einem Automobil, 40 Jahre alt, 21. VII. —
Deutsche Bauztg. 36, 400.
/5
Totenliste 1902: Maempel — Maurer.
76*
Maempel, Friedrich Benjamin Hermann
(Pseudon. : Friedrich Benjamin Hermann),
Fabrikant in Arnstadt, geistl. Dichter; * da-
selbst 20. II. 1829; f ebenda 1 1. II. — KL
24, 891 (mit W). 25, 46; BrümmerS 3, 471
(mit W).
Mamroth, M., Stadtrat in Berlin, Vorsitzender
d. Verwaltung d. städt. Sparkasse, d. Ob-
dachs f. Arbeitslose, d. Arbeitshäuser etc.;
f Berlin, 70 Jahre alt, 23. IX. — Voss. Ztg.
1903 Nr. I Beil. 8; Woche 4, 1800.
Mandelkern, Salomon (Pseudon.: Minda-
loff), Dr, pkiL et jur.t in Leipzig, Lin-
guist u. Hebraist, auch Philosoph u. neu-
hebr. Dichter; • Mlynow (VVolhynien) 25.
IV. 1846; t Wien 24. IH. — 111. Ztg. 118,
509 u. Nr. 2746 V. 15. Febr. 1896 (mit?);
KL 24, 896 (W). 25, 46; Theolog. Jahres-
bericht 22 (1902), 1439 (Nestle); BZ 10,
193« 13. 208 (Allgemeine Ztg. d. Juden-
tums 1902 Nr. 20: A. Katz; Ztschr. f. d.
alttestamentl. Wissenschaft 1903, 352: M.
Lambert).
*Mandry, Gustav v., Dr,jur,, Staatsrat, bis
1900 ordentl. Professor d. röm. Rechts an
d. Universität Tübingen, lebenslängl. Mit-
glied d. Württemberg. Kammer d. Standes-
herren; * Waldsee (Württemberg) 31. L
1832; t Tübingen 30. V. — BJ VII, 133
(A. Teichmann); Woche 4, 1050 (P); KL
24, 897 (W). 25, 46.
Mangold, Heinrich, Pfarrer in Berghausen
(Baden); * Hemsbach an der Bergstraße
18. X. 1837; f Berghausen 29. VIII. —
Ztschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins 57 (1903),
389 (Frankhauser, L: Zur Erinnerung an
H. M., Karlsruhe 1902).
Mansard, Georg v., k. preufl. Generalmajor
z. D., früher Erzieher mehrerer Prinzen d.
Hauses Waldeck, Ehrenvorsitzender des
Deutschen Kriegervereins »Kaiser Fried-
rich« und d. Rhein. Provinzial-Kriegerver-
bandes; * Arolsen 23. XII. 1818; f Cöln
I. IX. — 111. Ztg. 119, 737.
^Mantey, Eberhard v., k. preuB. General d.
Infanterie z. D.; * Cckermünde 23. VI.
1835; t Dessau 12. VI. — BJ VII, 65 (Lo-
renzen); 111. Ztg. 118, 976.
Manussi, Hans, Direktor d. Stadttheaters in
Trier, Schauspieler (Charakterrollen, Väter) ;
* Wien 20. X. 1850; f Trier 22. XI. —
Flüggen, Biograph. Bübnenlexikon i, 208;
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 122 (Lüst-
ner, mit L).
Marezoll, Gustav Karl Franz Georg, k. sächs.
Oberappellationsrat a. D.; * Gießen 27. I.
1822; f Leipzig-Eutritzsch 5. III. — 111.
Ztg. 118, 391.
Margareta Sophia Marie Annunciata The-
resia Karolinc Luise Josephine Johanna
Erzherzogin von Osterreich, Gemahlin des
Herzogs Albrecht von Württemberg,
Tochter d. Erzherzogs Karl Ludwig von
Österreich; * Artstetten 13. V. 1870: t Alt-
mUnster bei Gmunden 24. VIII. — Goth.
Hofkalendcr 1903, 54; Woche 4, 1626 (P);
111. Ztg. 119, 313. 373 (J. P., mit P).
Maria Henriette Anna Erzherzogin v. Öster-
reich, Königin d. Belgier; • Ofen 23. VIII.
1836; t Spa 19. IX. — Goth. Hof kalender
1903» 56; Woche 4, 1803. 1826. 1882 (P);
111. Ztg. 119, 458 (mit P).
Marie Wilhelmine Friederike Elisabeth Prin-
zessin V. Nassau, Witwe d. Hermann Fürsten
zu Wied, Mutter d. Königin v. Rumänien;
* Schloß Biebrich 29. I. 1825; ^ Neuwied
24. III. — Goth. Hofkalender 1903, 46;
Woche 4 Nr. U S. VII; 111. Ztg. iiS. 470,
497—501 (mit P).
^Marshall, James, Professor, Historienmaler;
♦ Amsterdam 1838; f Leipzig 18. VII. —
BJ VII, 150 (H. Schmerber); 111. Ztg. 119,
123; Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 107;
Müller-Singer, Allgemeines Künstlerlexi-
kon 3 3, 117; BZ 13, 210 (Ztschr. für bil-
dende Kunst N. F. 14, 256: J. Gensei).
*Martens, Wilhelm, Dr. theol. it jur., Re-
gens a. D., Kirchenhistoriker u. Kanonist;
• Danzig 30. I. 1831; f Kloster^^ald bei
Ottobeuern 27. III. — BJ VII, 134 (A.
Teichmann); KL 24, 904 (W).
*Massini-Meyenrock, Rudolf, Dr, mcd,^ or-
dentl. Professor d. Arzneimittellehre u. Di-
rektor d. allgemeinen Poliklinik an d. Uni-
versität Basel; »Basel 28. XI. 1S45; t da-
selbst 12. XIL — BJ VII, 171 (Egger);
Pagel 1105 (mitW); Virchows Jahresbe-
richte 37, I, 421 (Pagel, mit L) u. BZ 12,
218 (Korrespondenzblatt f. Schweizer Ärzte
*903i 491 Egger; VV^ochenschrift f. Chemie
u. Pharmazie 1903, 1 1 ; Wiener klin. Rund-
schau 1902 Nr. 51).
Mathis, Franz, Oberkonsistorialrat, 1. Pfarrer
an der Lukaskirche in Berlin; t daselbst,
69 Jahre alt, 31. XII. — Voss. Ztg. 1903
Nr. 3 Beil. i.
Matz, A., Dr,ffied,y Oberstabsarzt, Botaniker;
t 7. V. — Virchows Jahresberichte 37, I,
421 u. BZ 12, 219 (Verhandlungen d. bo-
tan. Vereins der Provinz Brandenburg 44,
XXXVIII : P. Gröbner).
Maurer, Jakob. Gutsbesitzer u. Gemeinderat
in Hochdorf (Württemberg. Oberamt Vai-
hingen), Württemberg. Landtagsabgeordn. ;
t Hochdorf 16. IX. — Woche 4. 1754;
Württemberg. Jahreshefte f. Statistik u.
Landeskunde 1902, IV (Hartmann. L).
*Maurer, Joseph Karl [nicht Joseph Karl],
Professor a. D. in Hall (Tirol), Dichter;
* Innsbruck 4. X. 1834; f Hall 4. XI. —
11*
Totenliste 1902: Maurer — Mertens.
78*
BJ VIT, 144 (F. Brummer); BrümmerS 3,
32. 477 (mit W); KL 24, 912 (mit W).
^Maurer, Konrad v., Dr, jur. et phÜ.^ k.
bayer. Geheimer Rat, ordentl. Professor an
d. Universität München, Rechtshistoriker u.
Germanist; * Frankenthal (Rheinpfalz 29.
IV. 1823; t München 16. IX. — BJ VII,
135 (A. Teichmann).
Mauthner, Gustav Ritter v., Direktor der
Kreditanstalt in Wien, Mitglied d. Herren-
hauses d. Österreich. Reichsrats; t Vöslau,
54 Jahre alt, 19. V. — Hl. Ztg. 118, 829;
BZ 10, 196 (Jurist. Blätter 1902, 244).
Mecke, Hermann, kaiserl. deutscher Geheimer
Justizrat, Rechtsanwalt beim Reichsgericht
in Leipzig, Vorsitzender d. Deutschen An-
waltvereins; • Koblenz 3. IL 1834; t Leip-
zig 29. I. — Juristische Wochenschrift 31
(1902), 65 (Deiß). 105. 235 (C. Th. Wolflf).
*Meebold, Robert, k. Württemberg. Geheimer
Kommerzienrat, Großindustrieller, früher Di-
rektor d. Württemberg. Kattunmanufaktur in
Heidenheim; * daselbst 29. VIII. 1826;
t Wien 23. 11. — BJ VII, 93 (R. Krauß).
Meerscheidt-Hüllefiem, Otto Karl Frcih.
V., k. preuß. Geheimer Rat, bis 1900 Land-
rat d. Kreises Königsberg-Land, 1871 — 74
Mitglied d. Deutschen Reichstags (konser-
vativ); • Kuggen (Ostpreußen) 23. IX. 183 1 ;
t Wiesbaden 17. XII. — Freiherrl. Taschen-
buch 1904, 484; Schoenfeld, Notizbuch f.
Reichstagswähler 5, 10.
Mehlhose, Wilhelm, Kammermusiker am
Hoftheater in Dresden; • Grabitz 1841. —
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 122 (LUst-
ner, mit L).
Mehnert, Ernst, Dr, med., außerordentl. Pro-
fessor d. Anatomie an d. Universität Halle
a. S., Prosektor f. Histologie am Anatom.
Institut daselbst ; * St. Petersburg 9. (a. St)
IL 1864; t Meiningen 17. XL — Leopol-
dina 39, 43; Pagel II 14 (mitW); BZ 11,
219. 12, 220 (St. Petersburger Medizin.
Wochenschrift 1902, 457; Anatom. An-
zeiger 1903, 387; G. Schwalbe).
Meilinger, Josef, Kanonikus, lange Jahre
Chorregent zu St. Paul in Regensburg;
* Kelheim 16. IL 1818; f Regensburg 8. IL
— Monatsh. f. Musikgesch. 35, 122 (Lüst-
ner, mit L); Schematismus d. Geistlichkeit
d. Bistums Regensburg 1902, IX. 1903,
1 16.
Meinel, F. A., ehemal. Kammermusiker in
Berlin; * Klingentbai 1827 ; f Berlin 19. XL
— Monatshefte für Musikgesch. 35, 122
(LUstner, mit L).
*Meifiner, Ernst Adolf, Tier- u. Genremaler
in München; * Dresden 12. IV. 1837;
f München 25. IX. — BJ VII, 162 (H. Hol-
land); Müller-Singer, Allgemeines Kttnst-
lerlexikonS 3, 158; 111. Ztg. 119, 547; D.
geistige Deutschland i, 454.
Meister, Heinrich, Kammermusiker a. D.,
Dirigent einer nach ihm benannten Musik-
kapelle; t W'iesbaden 28. X. — 111. Ztg.
119, 695.
Meixner, Ludwig v., Regierungspräsident v.
Niederbayem, früher Polizeipräsident von
München; ♦ München 24. VII L 1842; t da-
selbst 31. VIII. — Woche 4, 1670. 1678
(P); Augsburger Abendztg. 1902 Nr. 241.
242.
*Melchior, Hermann v., k. preuß. General-
leutnant z. D., ♦ Bielefeld 20. II. 1828;
t Wiesbaden 9. IlL — BJ VII, iii (Lo-
renzen).
Mellin, G., Großindustrieller; f Barmstedt
(Holstein) 19. XII. — Woche 4, 2376.
Mendel-Steinfels, Heinrich v., k. preuß.
Landesökonomierat in Halle a. S., geschäfts-
führender Direktor der Landwirtschafts-
kammer f. d. Provinz Sachsen, Mitglied d,
preuß. Abgeordnetenhauses (konservativ);
* I. I. 1849; t Griesbach (Bayern) auf d.
Reise 25. VIII. — 111. Ztg. 1 19, 385 ; Woche
4, 1624; Kürschner, Preuß. Abgeordneten-
haus 1894, 220; BZ II, 219 (Deutsche
landwirtschaftliche Presse 1902 Nr. 72: O.
Rabe, mit P).
Merian, Hans. Dichter und Schriftsteller;
♦ Basel 18. IL 1857; t Leipzig 28. V. —
KL 24, 932 (W). 25, 46; 111. Ztg. 118,
857; D. literar. Leipzig 149 (mit W). 161.
168. 262; Jahrbuch d. bildenden Kunst u.
BZ II, 220 (Zukunft 40, 9: Max Klinget);
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 123 (Lüst-
ner, mit L).
Merke, Heinrich, Verwaltungsdirektor des
städtischen Krankenhauses Moabit in Berlin,
Autorität auf d. Gebiete d. Krankenhaus-
wesens, auch literarisch tätig; f Berlin,
58 Jahre alt, 14. IV. — 111. Ztg. 118, 623;
Virchows Jahresberichte 37, 1, 421 (Pagel).
*Merkens, Heinrich Ludwig (Pseudon. : M.
v. d. Erft), Privatgelchrter, Schriftsteller
besonders auf dem Gebiete der Kulturge-
schichte; * Cöln a. Rh. 27. VIL 1836;
t München 9. III. — BJ VII, 177 (F. Brum-
mer); BrümmerS 3, 53 (mit W); KL 24,
934 (W).
Merschmann, Friedrich, Dr. phil., früher
Redakteur d. »Leipziger Ztg.«, auch reli-
giöser u. Philosoph. Schriftsteller; f Kassel,
im 89. Jahre, 19. IL — 111. Ztg. 118, 341;
KL 25, 46; BZ 10, 197 (Akadem. Blätter
1902, 33: H. Willrich).
Mertens, Hermann, k. preuß. Generalmajor
z. D., zuletzt Kommandeur d. Feldartillerie-
Regiments Nr. 22 ; t, 77 Jahre alt, 6. VIL
— Voss. Ztg. 1903 Nr. I Beil. 8.
79*
Totenliste 1902: Merwart — Müller.
8o*
♦Merwart, Paul, Historien-, Genre- u. Porträt-
maler, auch Zeichner, erst in Paris, später
auf den Antillen lebend; * Marianowska
(Gouvernement Cherson) 27. III. 1855;
f beim Ausbruch des Mont-Pel^e in St.-
Pierre auf Martinique 8. V. — BJ VII, 92
(H. Schmerber); 111. Ztg. 118, 857.
Meyer, Amalie, ehemalige Opemsängerin;
♦ München 15. VIII. 1830; f daselbst 2. III.
— Monatshefte f. Musikgeschichte 35, 123
(Lüstner, mit L).
Meyer, Eduard, Dr, med., Augenarzt in Paris,
angesehener Ophthalmolog; ♦ Sandersleben
(Anhalt) 13. XI. 1838; f Fal^^enstein am
Taunus 9. IX. — Virchows Jahresberichte
37, I, 421 (Pagel, mitL: Zentralblatt für
Augenheilkunde 26, 285 ; Archiv f. Ophthal-
mologie 46, iii).
Meyer, Ferdinand, Magistratssekretär in Berlin,
Lokalforscher; f Berlin 5. VI. — Voss. Ztg.
1903 Nr. 5 Beil. lo.
Meyer, Hugo v., Dr. Jur., ordentl. Professor
f. Strafrecht an der Universität Tübingen;
♦Stettin II. II. 1837; t Tübingen 29. V.
— Deutsche Juristenr^g. 7, 334 (L. v. Bar);
Woche 4, 1050 (P).
Meyer, Ludolf Maria, Direktor d. Hamburg-
Amerikalinie ; ♦ 1849; t Wiesbaden II. V.
— 111. Ztg. 118, 751.
♦Meyer-Förster, Elsbeth, geb. Blas che,
Gemahlin des Dichters Wilhelm M.-F.,
Schriftstellerin u. Dichterin; ♦ Breslau 5. I.
1868; t Bozen 17. V. — BJ VII, 231
(Eloesser) ; Pataky, Lexikon deutscher Frauen
d. Feder 2, 41 (mit W); Woche 4, 948 (P);
KL 24, 945 (W).
Mindalofl, (Pseudonym), Schriftsteller: s.
Mandelkern, Salomon.
Mohr, Charlotte, geb. Piepenhagen, Land-
schaftsmalerin in Prag; f, 77 Jahre alt,
3. I. — Jahrbuch der bildenden Kunst 2,
108.
Mohs, Heinrich, Dr. med.. Geheimer Sanitäts-
rat in Dessau, Hygieniker; ♦ Quellendorf
6. XII. 1831 ; t 10. XI. — Virchows Jahres-
berichte 37, 1, 421 (Pagel, mit L) u BZ
II, 225 (H. Wäschke, H. M. Lebensbild
eines Arztes u. Menschenfreundes. Dessau
1903, mitP; Unser Anhaltland 1902 Nr. 43,
mit P).
Molendo, Ludwig, Botaniker, Bryologe ; f Mün-
chen, im 69. Jahre, 25. VII. — Leopoldina
39> 43; BZ 12, 226 (Mitteilungen d. bayer.
botan. Gesellschaft 26, 274: Holler).
Molitor, Ferdinand, Maler; ♦ Oberlahnstein
a. Rh.; f Berlin im Juni. — Jahrbuch d.
bildenden Kunst 2, 108.
Monts de Mazin, Klara Gräfin v., geb. v.
In gersieben, Witwe d. kaiserl. deutschen
Vizeadmirals M., angesehene Dame d. Ber-
liner Aristokratie ; ♦ Bromberg 1 3. IX. 1 839 ;
t Berlin 18. V. — 111. Ztg. 118, 829; Wo-
che 4, 938 (P); Gräfl. Taschenbuch 1904,
571-
Morawski, Josef, v., I^ittergutsbesitzer, Mit-
glied d. preuß. Herrenhauses; f» 88 Jahre
alt, 7. VIII. — Voss. Ztg. 1902 Nr. 609
Beil. 2.
Morgenstern, Olga, verehel. Arendt, Schrift-
stellerin: S.Arendt, Olga.
Moritz, Paul Heinrich Arnold, Dr. phiL,
k. russ. Staatsrat, Direktor a. D. des meteoro-
log.-magnet. Observatoriums in Tiflis, seit
1878 in Dorpat lebend; * Pastorat Anzen
(Livland) 27. VIII. (a. St.) 1821; f Dorpat
9. V. (a. St.) — Poggendorff 2, 210. 3, 935.
4, 103 1 (mit W).
Mosbrugger, früher Tenorist; f San Francisco.
— Woche 4, 1578.
Mos6, David, Österreich. Maler, Stipendiat
d. Berliner Akademie d. Künste; f während
eines Studienaufenthaltes Venedig Anfang
Juni. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 9 Beil. 2;
Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 108.
Mosel, Felix von der, preuB. Oberregierungs-
rat a. D., Rechtsritter d. Johanniterordens ;
t Aachen, 80 Jahre alt, 17. III. — Hl. Ztg.
118, 470.
Moses, Simon, Dr. med., Sanitätsrat, Leiter
eines mechano-therapeut. Instituts in Berlin;
f, 61 Jahre alt, 16. XII. — Virchows Jahres-
berichte 37, I, 421 (Pagel, mit L) u. BZ
II, 221 (Berliner Ärztekorrespondenz 1902
Nr. 52: Jacusiel; Deutsche medizinische
Wochenschrift 1902 Vereinsbeilage Nr. 7:
Becher).
Mühlhäufier, Dekan in Wilferdingen (Baden) ;
f IG. XI. — Theolog. Jahresbericht 22
(1902), 1439 (Nestle).
Muellauer, Robert, Gutsbesitzer in Augstu-
pönen b. Gumbinnen, 1871 — 74 Mitglied
des Deutschen Reichstags (fortschrittlich);
• Augstupönen 25. III. 1824; f 28. V. —
Voss. Ztg. 1 902 Nr. 609 Beil. 2 ; Schoen-
feld, Notizbuch f. Reichstagswähler 5, 19.
Müller, Eduard, Kommerzienrat, Hofkunst-
händler in Berlin (Firma : Hanfstängl Nachf.) ;
t daselbst 20. IX. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 9
Beil. I.
Müller, Egon, Dr. pkiL, Privatdozent für
Physik an d. Universität Erlangen; * Augs-
burg 30. IX. 1873; t Erlangen 16. III. —
Leopoldina 38, 57; Poggendorff 4, 1044
(E. Wiedemann, mit W).
Müller, Ernst, Dr. med., Arzt zu Altdorf in
d. Schweiz (Kanton üri); • 1840; f 20. III.
— Virchows Jahresberichte 37, 1. 421 (Pa-
gel, mit L) u. BZ 10, 203 (Korrespondenz-
blatt f. Schweizer Ärzte 1902, 323: Kesscl-
bach).
8i*
Totenliste 1902: Müller — Neupauer.
82'
Müller, Theodor, k. preufi. Generalmajor
z. D., zuletzt Kommandeur d. Feldartillerie-
Regiments Nr. 26; t Bunrlau, 84 Jahre alt,
10. VII. — Voss. Ztg. 1903 Nr. I Beil. 8;
Woche 4, 1330.
^Müller, Wilhelm, k. preuß. Generalleutnant
z. D. ; * Zülzendorf (Kreis Nimptsch, Schle-
sien) 9. IV. 1834; t Berlin 27. VII. — BJ
Vll, 67 (Lorenzen).
Munde, Paul Fortimatus, angesehener Gynäko-
log in Neuyork, früher Pfarrer am New
York PoUclinic\ ♦ Dresden 7. IX. 1846;
f 7. II. — Virchows Jahresberichte 37, I,
421 (Pagel, mit L); Leonard, Who's who
in America 190 1/2, 813 (mit W).
Münster von Demeburg, Georg Herbert
Fürst, Durchlaucht, Fideikommißherr und
erbl. Mitglied d. preuß. Herrenhauses, Erb-
landmarschall u. Landtagsmarschall d. Pro-
vinziallandtags d. Provinz Hannover, kaiserl.
deutscher Botschafter a. D.; * London 23.
XII. 1820; t Hannover 27. III. — 111. Ztg.
118. 509; Woche 4 Nr. 14 S. III u. S. 594
(P); Goth. Hofkalender 1902,371; Gräfl.
Taschenbuch 1903, 586.
^Nachbaur, Franz Innocenz, k. bayer. Hof- u.
Kammersänger (Tenorist) ; ♦ Schloß Gießen
bei Tettnang (Württemberg) 25. III. 1830;
(nach d.* Almanach d. Hoftheaters u. d.
Württemb. Jahrbüchern) ; f München 2 1 . IIL
— BJ VII, 51 (A. Freih. v. Mensi); Monats-
hefte f. Musikgesch. 35, 123 (Lüstner, mit
L); 111. Ztg. 118, 470. 472 (M. Koch v. Ber-
neck, mit P) ; Flüggen, Biograph. Bühnen-
lexikon I, 226; A. Hagen, Almanach d. k.
Hoftheater in München f. 1902, S. 62 — 65
(mit P); Woche 4 Nr. 12 S. V (Klatte).
S. 550 (P): Würtemberg. Jahrbücher f. Sta-
tistik u. Landeskunde 1902, III (Hart-
mann, (L).
Nassau, Marie Prinzessin v., verw. Fürstin
Wied: s. Marie.
Nast, Thomas, Konsul d. Vereinigten Staaten
von Nordamerika f. Guayaquil (Ecuador),
Illustrator u. Karikaturist; * Landau (Rhein-
pfalz) 27. IX. 1840; t Guayaquil 7. XII.
— Müller-Singer, Allgemeines Künstler-
lexikon 3 3, 286; Hl. Ztg. 120, 36; Leonard,
Who's who in America 190 1/2, 821 ; Apple-
ton, Cyclopaedia 0/ American Biography
4, 4S0 (mit W u. P).
^Naumann, Karl Georg, Genremaler; ♦ Kö-
nigsberg i. Pr. 23. (oder 13.?) IX. 1827;
t Neupasing b. München 5. X. — BJ VII,
166 (H. Holland); Jahrbuch d. bildenden
Kunst 2, 108; Müller-Singer, Allgemeines
Künstlerlexikons 3, 288.
Nawrocki, Felix v., Dr. med,, früher Pro-
fessor für Physiologie an der Universität
Warschau, eine Zeitlang auch Dozent an
der Universität Breslau; * Tworki b. War-
schau 8. II. 1838; t 20. V. — Biograph.
Lexikon der hervorragenden Arzte 4, 341
(mit W); Virchows Jahresberichte 37, 1,
422 (Pagel, mit L: Petersburger medizin.
Wochenschrift 1902 Nr. 22; Krytykai U-
l^rska 1902: H. Nussbaumer; Nowiny le-
karskie 1902 : P. Rudzki).
Nebe-Pflugstaedt, August, Dr.jur,, Wirkl.
Geheimer Rat, bis 1900 Unterstaatssekretär
im preuß. Justizministerium, Mitglied des
Staatsrats; f Koblenz, 73 Jahre alt, 9. VI.
— Voss. Ztg. 1902 Nr. 605 Beil. 8.
Neifers, Moritz, Genremaler in Düsseldorf,
Mitbegründer des Künstlervereins »Mal-
kastenc; ♦ Hamburg 18 19; f Düsseldorf
20. II. — 111. Ztg. 118, 470; Woche 4
Nr. 13 S. VI; Jahrbuch d. bildenden Kunst
2, 108.
*Neher, Stephan Jakob, kathol. Pfarrer in
Nordhausen b. Unterschneidheim (Württem-
berg), Kirchenhistoriker (kirchl. Geographie
u. Statistik) ; * Ebnat (Oberamt Ellwangen)
24. VII. 1829; t Nordhausen 7. X. — BJ
VII, 332 (F. Lauchert) ; KL 24, 996 (mit W).
25, 46; Keiter-Jörg, Kathol. Literaturkalen-
der 6, 213 (W).
Nehring, Karl, Apotheker in Piracicaba (Bra-
silien), Sammler zoolog., anthropolog. u.
prähistor. Objekte ; • Braunschweig; f Pira-
cicaba 3.1. — Geographenkalender 1,228
(H. Haack).
Neidhardt, Gustav Adolf, k. sächs. Ober-
landesgerichtsrat u. Oberappellationsrat a.
D.; t Dresden, im 86. Jahre, 5. III. — 111.
Ztg. 118, 391-
Nembach, Andreas, Komponist in Cincinatti ;
f, 63 Jahre alt, 15. X. — Monatshefte f.
Musikgesch. 35, 123 (Lüstner, mit L).
Neubert, Karl, Dr., Achtundvierziger, Freund
Heckers; f Belleville (Nordamerika), 84
Jahre alt, im Sommer. — Voss. Ztg. 1903
Nr. II Beil. 2.
Neumann, Arnold, Maler in Berlin; f da-
selbst im Juni. — Jahrbuch d. bildenden
Kunst 2, 108.
Neumann, Elsa, Fräulein, Dr. phil., die
erste Doktorin d. Universität Berlin, auf
d. Gebiete d. Elektrochemie tätig; * Berlin
23. VIU. 1872; t daselbst 23. VIL — III.
Ztg. 119, 159; Woche 4, 1431; Vüa in
ihrer Dissertation: D. Polarisationskapazität
umkehrbarer Elektroden. Berlin 1899.
Neupauer, Josef Edler v., Besitzer d. Herr-
schaft Schwarzenegg mit d. Passauerhofe
im Bezirk Wildon (Steiermark), Landwirt
u. Politiker, früher Mitglied d. Landtags v.
Steiermark u. des Abgeordnetenhauses des
Österreich. Reichsrats ; f Schloß Schwarzen-
egg, 96 Jahre alt, 8. III. — 111. Ztg. 119,
83*
Totenliste 1902: Nicoladoni — Obermayer.
84*
99; Wurzbach, Biographisches Lexikon d.
Kaisert. Österreich. 20, 298.
Nicoladoni, Karl, Dr, med, et chir», k. k.
Hofrat, ordend. Professor f. Chirurgie u.
Vorstand d. Chirurg. Klinik an d. Univer-
sität Graz; * Wien 23. IV. 1847; t Graz
4. (oder 3.?) XII. — Pagel 1206 (mit W);
KL 24, 1007. 25, 46; 111. Ztg. 119, 923;
Leopoldina 39, 43; Virchows Jahresbe-
richte 37, I, 422 (Pagel, mit L) u. BZ 11,
235. 12, 236 (Wiener medizin. Presse 1902,
2260; Wiener klin. Wochenschrift 1902,
1334: A. Fraenkel; Deutsche Ztschr. für
Chirurgie Bd. 68 u. Mitteilungen d. Vereins
der Arzte in Steiermark 1903, i: E.Payr;
Ztschr. f. Orthopäd. Chinirgfie 1903, 600:
A. Wittek; Deutsche Medizin. Wochen-
schrift 1903, 24: H. Fischer, mit P).
Nicolai, Hermann Ferdinand, Dr, med,^ k.
preuß. Generaloberarzt a. D. in Berlin;
• Blankenburg a. H. 7. IX. 1847 (?); t Ber-
lin 19. IV. — Virchows Jahresberichte 37,
I, 422 (Pagel); Verzeichnis d. Berliner Uni-
versitätsschriften 18 10 — 85 Nr. 7034 (?).
Niedermaier, Theodor, Advokat in Würz-
burg, Achtundvierziger, Begründer des
»Fränkischen Volksvereins«; f Würzburg,
im 85. Jahre, 14. XII.
Niederwieser, Johann {vulgo Stabeier
Hansl), hervorragender Tiroler Alpenführer
in Sand in Taufers; * im Tauferer Tal;
verunglückt am Schaflahnemock, im 50.
Jahre, 22. IX. — 111. Ztg. 119, 557. 593
(mitP); BZ 11,235 (Mitteilungen d. deut-
schen u. Österreich. Alpenvereins 1902, 235:
Th. Wundt).
Niedt, Ernst, Oberregisseur am Carltheater
in Wien, Verfasser v. Volksstücken; * Berlin
23. X. 1844; t ^Vien Mitte Mai. — KL
1009 (W). 25, 46; Eisenberg, Großes bio-
graph. Lexikon d. Deutschen Bühne 724;
Flüggen, Biograph. Bühnenlexikon i, 230.
Niehaus, Geheimer Oberregierungsrat, vor-
tragender Rat in d. Verwaltungsabteilung
d. preuß. Ministeriums d. öffentl. Arbeiten;
t Berlin, 48 Jahre alt, 25. IV. — Voss. Ztg.
1902 Nr. 605 Beil. 8.
Nier, Oswald, bekannter Weinhändler (fran-
zösische »ungegipste« Rotweine) ; f Berlin,
60 Jahre alt, 4. IV. — Voss. Ztg. 1903
Nr. II Beil. 2.
Nies, Professer Dr., Sekretär der Handels-
kammer in Worms; f 21. IX. — Woche
4, 1800.
Niethammer, Ludwig Freih. v., k. bayer.
Kämmerer, erbl. Reichsrat d. Krone Bayern;
• 14. I. 1830; t Schloß Tunzenberg bei
Mengkofen 27. X. — 111. Ztg. 119, 695;
Freiherrl. Taschenbuch 1903, 530. 923.
*Nirmheim, Karl, k. preuß. Generalmajor
u. Kommandeur d. 2 1 . Feldartillerie-Brigade
in Frankfurt a. M.; * Magdeburg S. VI.
1844; t Wetzlar 27. VL — BJ VII, 252
(Lorenzen).
Nischelsky, Paul, Landgerichtspräsident in
Stendal; f. 57 Jahre alt, 27. XI. — Voss.
Ztg. 1903 Nr. 3 Beil. i.
*Nitsche, Hinrich, Dr. phiL, k. sächs. Hof-
rat, ordentl. Professor f. Forstzoologie an
d. Forstakademie Tharandt; * Breslau 12.
II. 1845; t Tharandt 8. XL — BJ VII,
158 (Fürst); Leopoldina 38, 136 (O. Ta-
schenberg, mit W); 111. Ztg. 119, 816. S 20.
827 (E. S. Z., mit P); BZ 11, 236. 12,
237 (Insektenbörse 1902, 375 mit P; Or-
nitholog. Monatsschrift 1903,55: W. Baer;
Sitzungsberichte u. Abhandlungen d. natur-
wissenschaftl. Gesellschaft Isis in Dresden
1903, V: K. Heller; Ztschr. für Forst- und
Jagdwesen 1903, i: Eckstein; Forstwissen-
schaftl. Zentralblatt 1903, 119: Gross; Na-
turwissenschaft!. Ztschr. f. Land- u. Forst-
wirtschaft 1 , 49 mit P).
Nixdorf, Paul, Dr,, Parlamentär. Berichter-
statter; t Berlin 19. XII. — 111. Ztg. 120, 36.
NoSl, Wilhelm, k. preuß. Oberkonsistorialrat
a. D., früher langjähr. Mitglied d. Evangel.
Oberkirchenrats, bis 1896 Pfarrer an der
Luisenstädt. Kirche in Berlin; * 30. VI IL
1822; t 30- (oder 31.?) X. — Voss. Ztg.
1903 Nr. 3 Beil. i ; Woche 4, 2070. 2074
(P); Theolog. Jahresbericht 22 (1902). 1440
(Nestle, mit L).
Neil, Joseph, Opembariton in Laibach; f da-
selbst, 60 Jahre alt, im Januar. — Monats-
hefte f. Musikgesch. 35, 123 (Lüstner, mit
L).
Nolte, Hermann, Oberleutnant d. kaiserlich
deutschen Schutztruppe für Kamerun; von
d. Eingeborenen ermordet Banyo i. II. —
III. Ztg. 118, 470; Woche 4, 550 (P).
Nordenberg, Bengt, Genremaler in Düssel-
dorf; • Kompinkalla (Schweden, Provinz
Blekinge) 22. IV. 1822; f Düsseldorf laut
Nachricht vom 18. XII. — 111. Ztg. 120,
36; Müller-Singer, Allgemeines Künstler-
lexikon 3 3, 316; D. geistige Deutschland
I, 489 (Selbstbiographie.)
Nötel, Reichsgerichtsrat in Leipzig; t da-
selbst, 72 Jahre alt, 24. XII. — V^oss. Ztg.
1903 Nr. 3 Beil. i ; Woche 4, S.
*Nuhn, Johann Curt, hess. Dialektdichter;
• Riebelsdorf" (Hessen) 28. IX. 1848; f Kes-
selstadt 28. VII. — BJ VII, 250 (Ph. Losch).
Obermayer, Wilhelm, Dr.Jur., Advokat in
Wien, 1848 Hauptmann d. Wiener Studen-
tenlegion; f daselbst, 86 Jahre alt, 26. V.
— Voss. Ztg. 1903 Nr. 3 Beil. i. Nr. 11
Beil. 2; BZ IG, 213 (Jurist. Blätter 1002,
256).
80
Totcnliste 1902: Occhelhäuser — Pawlowski.
86*
^Oechelhäuser, Wilhelm, Dr. phil, honoris
causa, k. preuß. Geheimer Kommerzienrat,
Industrieller, Politiker u. Shakespearefor-
scher; * Siegen (Westfalen) 26. VIII. 1820;
t Xiederwalluf (Rheingau) 25. IX. — BJ
VII, 54 (W. Klebe); KI. 24, 1026 (W).
25,46; Woche 4, 185 1 (P); Jahrbuch d.
Deutschen Shakespeare-Gesellschaft 39, VII
(Brandl,mitP); BZ 11, 238. 12, 239 (Unser
Anhaltland 1902 Nr. 41 : R. Liebisch, mitP).
Oefele, Edmund Freih. v., Direktor d. All-
gemeinen Reicbsarchivs in München, außer-
ordentl. Mitglied d. Akademie d. Wissen-
schaften daselbst, Historiker u. Genealog;
• Ziegetsdorf (bayr. Bezirksamt Stadtamhot)
6. XII. 1843; t München 24. XI. — III.
Ztg. 119, 923; KL 24, 1027. 25,46; Frei-
herrl, Taschenbuch 1903, 534; BZ 13, 231
(Sitzungsberichte der Münchner Akademie
d. Wissensch. 1903 Phil.-Hist. Klasse 244:
J. Friedrich).
Otfermann, William, Wirkl. Geheimer Ober-
regierungsrat, Eisenbahndirektionspräsident
a. D.; * Berlin 17. IX. 1819; f Straßburg
i. E. 29. I. — 111. Ztg. 118, 191.
Oelsner, Frau Elise, Schriftstellerin in Bres-
lau, Schriftführerin des dortigen Frauen-
bildungsvereins ; • Schweidnitz 1 836 ; f Bres-
lau 8. II. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 7 Beil. 2;
Pataky, Lexikon deutscher Frauen d. Feder
2, loi (mit W).
Ordenstein, Dr. med., Arzt der deutschen
Kolonie in Paris; * Worms 1835; ermordet
im Eisenbahnwagen auf der Fahrt nach
Versailles 16. VII. — Virchows Jahresbe-
richte 37, I, 422 (Pagel, mit L).
Oser, Ernst, k. k. Sektionschef im Österreich.
Ackerbauministerium, Leiter d. Abteilung
f. Förderung d. Landeskultur u. Untcrrichts-
u. Versuchswesen; t Wien, im 57. Jahre,
25. IX. — 111. Ztg. 119, 497; BZ II, 241
(Ztschr. f. d. landwirtschaftl. Versuchswesen
in Österreich 1902, 1069 mit P).
Österreich : Maria Henriette Königin d. Bel-
gier geb. Erzherzogin v. Ost.: s. Maria
Henriette.
— : Margareta Sophia Erzherzogin v. Ost.,
Herzogin v. Württemberg: s. Margareta
Sophia.
Osterwald, Mathilde, verehel. v. Bodcnstedt:
s. Bodenstedt, Mathilde v.
♦Otto, Karl, Dr. tfuol., Präfekt a. D. d. fürst-
bischöfl. theologischen Konvikts in Breslau,
Historiker; * Neustadt (Oberschlesien) 12.
XI. 1832; t Breslau 23. II. — BJ VII, 264
(F. Lauchert); KL 24, 1043 (W)« 25, 46;
jÄrg-Kciter, Kathol. Literaturkalender 6,
225 (mit W).
•Otto, Karl, Historienmaler; • Osterode am
Harz 26. VIII. 1830; t Schleißheim b. Mün-
chen 2. X. — BJ VII, 117 (H. Holland) ;
Müller-Singer, Allgemeines Künstlerlexi-
kon 3 3 (nicht 2), 351; Jahrbuch d. bilden-
den Kunst 2, 108.
Pächter, Hermann, Kunst- u. Verlagsbuch-
händler (Firma: R. Wagner) in Berlin,
Verleger Adolf Menzels; * Amswalde 1839 ;
t Berlin 19./20. VI. — 111. Ztg. 119, 25;
Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 108; BZ
ij, 242 (Deutsche Buchhandelsblätter 1902,
450); Börsenblatt für d. deutschen Buch-
handel 1902.
Paczensky und Tenczin, v., k. preuß. Ge-
neralmajor z. D., zuletzt Kommandeur des
Infanterieregiments Nr. 148; f ^1* ^' —
Voss. Ztg. 1903 Nr. I Beil. 8.
Pälify von Erdöd, Andreas Graf, k. u. k.
Kämmerer, Geheimer Rat und General d.
Kavallerie, Kapitän d. k. ungar. Leibgarde,
erbl. Mitglied des Oberhauses des ungar.
Reichsrats, 1881 — 84 Obersthofmeister d.
Kronprinzessin Stefanie; * Lodi 14. VIII.
1839; t Wien 14. IV. — 111. Ztg. 118, 623;
Gräfl. Taschenbuch 1903, 620.
Pannewitz, Eduard v., Oberst, Chef d. Ge-
neralstabs des k. preuß. III. Armeekorps;
t Beriin 13. XL — 111. Ztg. 119, 781.
Panse, Albert, Oberst z. D., Besitzer des
Panseschen Verlags u. d. Ztg. »Deutschland«
in Weimar; f 17. IV. — Voss. Ztg. 1903
Nr. 7 Beil. 2 ; Börsenblatt f. d. deutschen
Buchhandel.
Parcy, Karl, Verwaltungsgerichtsdirektor a.
D., dann Rechtsanwalt, 1887 — 90 Mitglied
d. Deutschen Reichstags (nationalliberal):
t Jena 15. IX. — Voss. Ztg. 1902 Nr. 609
Beil. 2; Schoenfeld, Notizbuch f. Reichs-
tagswähler 5, 131.
Parseval, Maximilian v., k, bayer. General-
major a. D.; t München, im 79. Jahre,
12. III. — 111. Ztg. 118, 417; Verordnungs-
blatt des bayer. Kriegsministeriums 1902,
78.
Passavant, Alfred Ritter v., k. bayer. Gene-
ralmajor z. D. ; f München, 69 Jahre alt,
4. XII. — 111. Ztg. 119, 968: Verordnungs-
blatt des bayer. Kriegsministeriums 1903,
14.
Patze, Karl Hans, k. preuß. Oberregierungs-
rat, vortragender Rat der Oberrechnungs-
kammer in Potsdam; t, 53 Jahre alt, 27. II.
— Voss. Ztg. 1902 Nr. 605 Beil. 8.
^Paulus, Gustav, k. preuß. Generalleutnant
z. D., Erbauer d. Festungsanlagen in Metz;
* Kleve 28. IX. 1842; f Eisenach 31. X.
- BJ VII. 253.
Pawlowski, J. N., Hauptlehrer in Danzig-
Zoppot, Lokalhistoriker u. pädagog. Schrift-
steller; * daselbst 4. XII. 18 16; f ebenda
21. I. — KL 24, 1058 (W). 25, 46; Keiter-
87*
Totenliste 1 902 : Payne — Pinno.
88*
Jörg, Kathol. Literaturkalender 6, 229 (W);
Altpreuß. Monatsschrift 40, 473 (Rindfleisch,
L: Der Numismatiker i, 1902, 14).
Payne, Albert Henry, Begründer u. Besitzer
der Verlagsbuchhandlung u. Druckerei A.
H. Payne in Leipzig, Herausgeber d. »Neuen
Blattes«; • London 14. XII. 181 2; f Leip-
zig 7. V. — 111. Ztg. 118, 751 ; KL 25, 46;
Börsenblatt f. d. deutschen Buchhandel.
Pechmann, Hans Georg Friedrich Heinrich
Freih. v., Dr, phtL et rer, nat., ordentl.
Professor f. allgemeine Chemie u. Direktor
d. chemischen Laboratoriums an der Uni-
versität Tübingen; • Nürnberg 1. IV. 1850;
t Tübingen 19. IV^. — Freiherrl. Taschen-
buch 1903, 559; Leopoldina 38, 51. 57;
Poggendorff 3, loii. 4, 11 26 (W); BZ 10,
220 (Chemikerztg. 1902, 371).
Pereira-Amstein» Viktor Ludwig Wolf
Freih. v., früher Vizepräsident d. Landes-
kulturrates für Oberösterreich und Landes-
hauptmann-Stellvertreter; • Wien 6. XI.
1838; t Lainz 10. IX. — Woche 4, 1754;
Freiherrl. Taschenbuch 1903, 565.
Pergen, Johann Anton Graf u. Edler Herr
V., Fideikommißherr, Herr auf Somodor
(Ungarn), Oberst-Erblandmünzmeister etc,^
k. u. k. Kämmerer, Geheimer Rat u. Lega-
tionssekretär z. D., hervorragender Teil-
nehmer d. Österreich. Katholikentage, einer
d. Führer der niederösterreich. Klerikalen;
• I. IX. 1839; t Schloß Aspang 8. IX. —
111. Ztg. 119, 423; Woche 4, 1712; Gräfl.
Taschenbuch 1904, 620.
*Pemet, Johann, Dr, phü,, Professor f. Ex-
perimentalphysik am eidgenöss. Polytech-
nikum in Zürich; • Bern 18. XII. 1845;
t Zürich 15. II. — BJ VII, 123 (A. Wcilen-
mann); Leopoldina 38, 49; Poggendorflf 3,
1020.4, Ji39(W); BZ 10, 221. 12, 247 (L).
Persius, Friedrich Ludwig Paul, Dr,jur,,
Wirkl. Geheimer Rat, bis 1902 Präsident
des preuß. Oberven^^altungsgerichtshofes,
Mitglied des preuß. Herrenhauses, früher
Mitglied d. preuß. Abgeordnetenhauses u.
d. konstituierenden norddeutschen Reichs-
tags (konser\'ativ) ; •Potsdam i. IX. 1832;
t Berlin 20. IX. — 111. Ztg. 119, 497;
Woche 4, 1802. 1809 (P); Oettinger, Mo^
niieur des dates, Liur, 19, 107.
Peters, Willy, ehemal. Theaterdirektor in
Lüneburg u. Schleswig; f Altona 11. IV.
— Monatshefte für Musikgesch. 35, 123
(Lüstner, mit L).
*Peter8on, Luise (Pseudon.: Aeskulap,
Frank Donatus, Erna [auch: Egon] Vei-
ten), JugcndschriftstcUerin ; • Thom 29. IV.
1828; t Liegnitz 29. VI. — BJ VII, 145
(Brummer); KL 24, 1069 (W). 25, 47;
Pataky, Lexikon deutscher Frauen d. Feder
2, 127. 388 (W); BrümmerS 3, 210. 518
(mit W).
Petzer, Anton (Tony), k. bayer. Hofopem-
sänger (Bassist) a. D.; * Linz 23. XII.
1 843 ; t Salzburg 24. XI. — Flüggen, Bio-
graph. Bühnenlexikon i, 240; Monatshefte
für Musikgesch. 35, 123 (Lüstner, mit L);
Eisenberg, Großes biograph. Lexikon der
Deutschen Bühne 764.
♦Pfeifer, Franz Xaver, Dr, iheoL, Geistl. Rat,
ordentl. Professor d. Philosophie am Lyzeum
in Dillingen a. D. ; * Dcisenhofen b. Dillin-
gen 16. III. 1829; f Dillingen 17. X. —
BJ VII, 333 (F. Lauchert); KL 24, 1074
( W) ; Keiter-Jörg, Kathol. Literaturkalender
6, 232 (W); BZ 12, 249 (Philosoph. Jahr-
buch d. Görresgesellschaft 16, loi).
Pfeiffer, Adolf, Musikdirektor verschiedener
Gesangvereine u. an d. kathol. Pfarrkirche
in Offenburg (Baden) ; * Auerbach (Groß-
hgt. Hessen) 1837; f Offenbach 5. X. —
Oettinger, Moniieur des datcs 8 (=Supp-
lern, 2), 108; Monatshefte für Musikgesch.
35, 123 (Lüstner, mit L).
Pfeiffer, Heinrich Bernhard, k. sächs. Ober-
baurat, techn. Mitglied d. Generaldirektion
d. sächs. Staatsbahnen; f Dresden, 54 Jahre
alt, 7. L — 111. Ztg. 118, 93.
•Pfeifler, Urban, Maler in München; ♦ Nög-
genschwiel (Baden) 25. V. 1841; f Mün-
chen 5. II. — BJ VII, 168 (H. Holland).
Pfleiderer, Edmund v., Dr. phil., ordentl.
Professor d. Philosophie an d. Universität
Tübingen; * Stetten (Remstal) 12. X. 1842;
t Tübingen 3. IV. — KL 24, 1075 (W).
25, 47; 111. Ztg. 118, 544 (K. Biesenthal,
mit P) ; Woche 4, 640 (P) ; Hinrichsen, D.
literar. Deutschland* 1034; Ücberweg-Hein-
ze, Grundriß d. Geschichte d. Philosophie 9
4, 284 (W); Theolog. Jahresbericht 22
(1902), 1440 (Nestle, mit L); Württemberg.
Jahrbücher f. Statistik u. Landeskunde
1902, III (Hartmann, L).
PhiUer, Otto, Landgerichtspräsident a. D. ,
Jurist. Schriftsteller; f Görlitz 11. IV. —
Voss. Ztg. 1903 Nr. 3 Beil. i; BZ 11, 249
(Neues lausitz. Mag^in 78, 298: Fritsch).
Pierson, Georg Henry, k. preuß. Geheimer
Regierungsrat, Intendanturdirektor d. kgl.
Schauspiele in Berlin; • Hamburg 1852;
t Berlin 16. II. — III. Ztg. 116, 434 (mit
P). 118, 272; Woche 4, 320 (P); Bühne
u. Welt IV, 1 , 479 (H.[cinrich] St.[ümcke]
mit P); Monatshefte f. Musikgesch. 35, 123
(Lüstner, mit L); BZ 10, 225 (Deutsche
Gesangskunst 1902, 123).
Pinno, Hermann, Wirkl. Geheimer Obcrberg-
rat, früher Berghauptmann des Oberberg-
amtes Breslau; f, 72 Jahre alt, 26. IX. —
Voss. Ztg. 1902 Nr. 605 Beil. 8.
89*
Totcnliste 1902: Piret de Bihain — Prcnninger.
90*
Piret de Bihain, Eugen Freih. v., k. u. k.
Kämmerer, General d. Kavallerie i. R. u.
Kapitän d. Trabanten-Leibgarde, vormals
Oberstbofmeister des Erzherzogs Albrecht;
• Budapest 6. VI. 1821 ; f Wien 27. VIII.
— 111. Ztg. 1 19, 423; Wurzbach, Biograph.
Lexikon des Kaisert. Österreich 22, 328;
Freiherrl. Taschenbuch 1903, 575.
Piutti, Karl, Orgelvirtuos u. Komponist, Or-
ganist an der Thomaskirche in Leipzig,
Lehrer am k. Konservatorium d. Musik da-
selbst; * Elgersburg (Thüringen) 30. IV.
1846; t Leipzig 17. VT. — RiemannS 871
(mit W); 111. Ztg. 118, 976; Monatshefte f.
Musikgesch. 35, 124 (Lüstner, mit L); BZ
II, 252. 12, 253 (L).
Piza, Moritz, Dr, med.^ Arzt in Hamburg,
Führer der ärztl. Interessenvertretung da-
selbst; • Varel 1852; f Hamburg 28. III.
— Virchows Jahresberichte 37, 1, 423 (Pa-
gel, mitL: Ärztl. Vereinsblatt 1902 Nr. 471 ;
Berliner Ärztekorrespondenz 1902 Nr. 14:
Becher; Münch. Med. Woch. 1902 Nr. 14).
*Planitz, Karl Paul Edler von der, k. sächs.
General der Infanterie und Kriegsminister;
• Hohengrün b. Auerbach (Vogtland) 20.
IX. 1837; f Hosterwitz b. Dresden 19. VIII.
— BJ VII, 104 (Lorenzen); 111. Ztg. 119,
272 (J. P., mitP); Woche 4, 158 (P); BZ
II, 252 (Militär-Wochenblatt 1902 Nr. 74:
H. Rohne; Armeeblatt 1902 Nr. 35; Mili-
tärztg. 1902 Nr. 34).
^Planta, Peter Konradin v., Dr.jur» ho-
noris causUf eidgenöss. Alt-Ständerat, früher
Präsident d, bündner. Obergerichts, Jurist
u. Historiker, Publizist u. Dichter; * Schloß
Wildenberg zu Zernez (Unteren gadin) 24.
IX. 181 5; t Canova-Paspels im Domleschg
(Graubünden) 13. IX. — BJ VII, 71 (Th.
Sprecher v. Bemegg).
Plate, J. D. (Pseudon.: Lüder W^oori), Volks-
schullehrer a. D. in Groden b. Kuxhaven,
plattdeutscher Dichter; * Masen (Grafschaft
Hoya, Hannover) 18. I. 1816; f 12. II. —
Woche 4 Nr. 8 S. VII; BrümmerS 3, 228
(mit W).
Plathner, Hermann, Genremaler in Düssel-
dorf; • Gronau an der Leine (Hannover)
23. Vin. 1831; t Düsseldorf 11. IIL —
ill. Ztg. 118, 417; Jahrbuch d. bildenden
Kunst 2, 108; Müller-Singer, Allgemeines
KUnstlerlexikon3 3, 453; Das geistige
Deutschland i, 527 (Selbstbiographie).
Platzmann, Karl Julius, Dr.phiL, Linguist
(Amerikanist); * Leipzig 31. 1. 1832; f da-
selbst 6. IX. — 111. Ztg. 119, 423; KL 23,
1080 (W). 24, 1088. 25, 47; BZ 12, 254.
i3f 245 (Internationales Archiv für Ethno-
graphie 16: Schmeltz; Ztschr. f. Bücher-
freunde 7, 163: Grumpelt).
Plitt, Agathe, Pianistin und Musiklehrerin,
auch Komponistin, in Berlin; • Thom 1831 ;
f Berlin 27. XII. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 35
Beil. 2; Monatshefte f. Musikgesch. 35, 124
(Lüstner, mit L).
Ploss (Plösz), Paul, Dr. med., ordentl. Pro-
fessor d. physiolog. u. patholog. Chemie
an d. Universität Budapest, Schüler Hoppe-
Seylers ; • Budapest 9. X. 1 844 ; f daselbst
16. VIII. -— Biograph. Lexikon d. hervor-
ragenden Ärzte 4, 593 (mit W); 111. Ztg.
"9» 3^3; Leopoldina 38, 108; Virchows
Jahresberichte 37, I, 423 (Pagel, mit L) u.
BZ II, 253 (Ungar. Medizin. Presse 1902,
513 etc),
*Podesta, Kunigunde Auguste Emestine,
geb. Mol endo, Sängerin u. Schauspielerin
in Kassel; • Bayreuth 27. XII. 1827; f Kas-
sel 29. XII. — BJ VII, 241 (Ph. Losch);
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 124 (Lüst-
ner, mit L).
Pogge, Franz, Rittergutsbesitzer in Blanken-
hof bei Neubrandenburg (Mecklenburg),
früher Mitglied des Deutschen Reichstags
(nationalliberal); • 24. VII. 1827; f Berlin
8. III. — 111. Ztg. 118, 391; Hirth, Deut-
scher Parlaments- Almanach 1877, 210;
Oettinger, Moniieur des dates 8, 119.
Poisard, Antonie, vereheL Kreiml, Dichterin :
s. Baumberg, Antonie.
Polle, Konrad Friedrich, Dr. phil.f Pro.
fessor, Gymnasialoberlehrer a. D. in Dres
den, klass. Philolog u. Pädagog; * Scharm-
beck bei Bremen 2. III. 1830; f Dresden
6. in. — 111. Ztg. 118, 391; KL 25,47;
Eckstein, Nomenciator philologorum 443;
Pökel, Philolog. Schriftstellerlexikon 212;
Haan, Sächs. Schriftstellerlexikon 267;
Oettinger, Moniieur des dates 8, 267.
Pomme, Hennann Wilhelm, Wirkl. Geheimer
Kriegsrat a. D., früher Abteilungschef im
preuß. Kriegsministerium; * 9. IV. 1835;
t Berlin 25. L — 111. Ztg. 118, 191.
Popp, Friedrich, Kirchenrat; * 5. III. 1827;
t 12. VII. — Theolog. Jahresbericht 22
(1902), 1440 (Nestle, mit L).
Popp, VVilhelm, Flöten virtuos u. Komponist;
• Koburg 29. IV. 1828; t Hamburg 25. VI.
— Monatshefte für Musikgesch. 35, 124
(Lüstner, mit L).
Preis, Christoph, Stadtkantor in Erlangen,
Komponist von Männerchören; f daselbst,
81 Jahre alt, 12. IX. — 111. Ztg. 119, 471 ;
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 124 (Lüst-
ner, mit L).
^Prenninger, Karl, k. k. Oberbaurat, techn.
Konsulent, sowie Bau- u. Bahndirektor d.
Südbahn; • Wien 2. VII. 1829; f Reichen-
hall 12. VII. — BJ VII, 211 (A. Birk);
BZ II, 2S5 (L).
91
Totenlistc 1 90 2 : Pressel — Regenauer.
92'
♦Pressel, Wilhelm v., Professor, £isenbahn*
Ingenieur, Erbauer der tUrk. Eisenbahnen;
• Stuttgart 28. X. 1821; f Konstantinopel
16. V. — BJ VII, 242 (A. Birk); III. Ztg.
118, 589 (mit P). 829; Deutsche Bauztg.
36, 284; Geograph. Jahrbuch 26, 438 (W.
Wolkenhauer, mit W u. L); Geographen-
Kalender I, 231 (H. Haacke); BZ 11, 255.
13, 248 (Ztschr. d. Österreich. Ingenieur- u.
Architekten Vereins 1902 Nr. 34: C. B. Ze-
linka, mit P; Techn. Blätter 34, 160: A.
Birk).
♦Preufi-Laudien, Henriette (H. Lau dien),
Jugendschriftstellerin; • Königsberg i. Pr.
19. I. 1826 [so ausdrücklich Pataky; auch
Brummer 5 3, 529] ; t Charlottenburg 23. VII.
— BJ VII, 175 (F. Brummer); Brummer 5
3, 250. 529 (mit W); KL 23, 1098. 24,
1098. 25, 47; Pataky, Lexikon deutscher
Krauen der Feder i, 480. 2, 153 (mit W).
Pringsheim, Hugo, Geheimer Kommerzien-
rat in Berlin; f daselbst, 64 Jahre alt,
29. VI. — Voss. Ztg. 1903 Nr. II Beil. 2;
Woche 4, 1231.
Przewisinski, Robert, kaiserl. deutscher Kon-
treadmiral z. D.; • 6. III. 1831; f Magde-
burg 9. X. — 111. Ztg. 119, 618; Oettinger,
Moniieur des dates 8, 128.
Pückler-Limburg, Hermann Ernst Apol-
lonius Karl Friedrich Ludwig Graf, k. bayer.
Major z. D.; • Burg-Farrnbach (Mittelfran-
ken) 6. V. 1841; t 2. II. — Goth. Hofka-
lender 1903, 173.
Pupp, Julius, Begründer u. Präsident d. Hotel-
aktiengesellschaft »Grand-Hotel Pupp« u.
des »Cafe Pupp« in Karlsbad; f daselbst
31. III. — 111. Ztg. 118, 547.
*Pustet, Friedrich, Kommerzienrat, Verlags-
buchhändler in Regensburg, Verleger der
offiziellen libri chorici ecclesiae\ * Regens-
burg 25. Vn. 1831; t daselbst 4. VIII. —
BJ VII, 331 (R. Schmidt); 111. Ztg. 119,
195; W^oche 4, 1482; Monatshefte f. Mu-
sikgesch. 35, 124 (I^üstner, mitL); BZ 12,
259 (Verhandlungen d. histor. Vereins d.
Überpfalz 54, 367).
Quaglla, F., Rentamtmann d. Bürgerhospitals
in Würzburg, bekannter Weinbauer; t da-
selbst 17. X. — Woche 4, 1981.
Querfurth, Georg, Geheimer Hofrat, ordentl.
Professor für Maschinenbau an d. Techn.
Hochschule zu Braunschweig ; • Tiefenbach
b. Hasselfelde 29. 1. 1838; "j" Braunschweig
27. VI. — 111. Ztg. 119, 923.
Quistorp, Heinrich, in den Gründerjahren
Gründer von Westend bei Berlin (Firma:
Vereinsbank Quistorp & Cie); t Berlin,
76 Jahre alt, 5. XII. — Voss. Ztg. 1903
Nr. II Beil. 2 ; Woche 4, 2290; Oettinger,
Monitcur des dates 8, 132.
Raab^ Toni, geb. Schinhan, Klavier\'irtuo-
sin, Schülerin Liszts ; f Hadersdorf b. Wien
12. VI. — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
124 (Lüstner, mit L).
Rabe» Edmund Friedrich Theodor, Maler,
Mitglied der k. Akademie der bildenden
Künste in Berlin; • daselbst 2. IX. 1815;
•)• Friedrichshagen b. Berlin j8. IV. — 111.
Ztg. 118,663; Müller-Singer, Allgemeines
Künstlerlexikon 3 4, i; Jahrbuch der bil-
denden Kunst 2, 108.
Rabl, Hans, Dr. med., Landesbadearzt von Bad
Hall in Österreich; * 22. XI. 1830; f 18. II.
— Vircbows Jahresberichte 37, I, 423 (Pa-
gel, mit L: Wiener klin. Wochenschrift
1903 Nr. I: K. Kröbl).
Radecki, Rudolf, Dr, med,, Frauenarzt in
St. Petersburg, früher Professor d. Geburts-
hilfe am Hebammeninstitut d. Großfürstin
Helene Pawlowna; • Riga 17. (n. St. 29.)
VL 1839; t St. Petersburg 15. I. — Vir-
chows Jahresberichte 37, I, 423 (Pagel, mit
L: Petersburger Medizin. Wochenschrift
1902 Nr. 4^; Biograph. Lexikon d. hervor-
ragenden Arzte 4, 657 (mit W).
Rämisch, Landgerichtspräsident in Lyck;
f 10. XII. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 3 Beil. i.
Ratzenberger, Theodor, Professor, Organist
an d. evangel. Kirche zu Vevey; * Fried-
richsdorf (Thüringen) 1816; f Vevey im
Febr. — Monatshefte für Musikgesch. 35,
124 (Lüstner, mit L).
Rebling, Gustav, Professor, Komponist und
Orgelvirtuos, früher Organist an der Jo-
hanniskirche in Magdeburg; • Barby bei
Magdeburg 10. VII. 1821; f Magdeburg
9. I. — 111. Ztg. 118, 185; Monatshefte f.
Musikgesch. 35, 124 (Lüstner, mitL); Rie-
mannS 918; Fetis, Siographie universelle
des musiciens Supplem, 2, 397; Mendel-
Reißmann, Musikal. Konversationslexikon
8, 256.
Reden, Anna v., verehel. v. Bennigsen: &.
Bennigsen, Anna v.
Reden, Ferdinand Jobst Johann Klaus
Friedrich, Herr auf Hastenbeck b. Hameln,
1881 — 84 Mitglied des Deutschen Reichs-
tags (nationalliberal); * Hastenbeck 23. XII.
1835; t daselbst 24. 1. — 111. Ztg. 118, 157;
Woche 4, 180; Goth. genealog. Taschen-
buch der Adeligen Häuser 4 (1903), 759;
Schoenfeld, Notizb. f. Reichstagsw. 5, 165.
"Redl, Johann, Mitglied des Abgeordneten-
hauses des Österreich. Reichsrats; f Steyr,
im 70. Jahre. — Woche 4, 1482.
Regan, Anna, verehel. vSchimon, Sängerin :
s. Schimon-Regan, Anna.
Regenauer, k. preuß. Oberst, Führer der
2. Infanteriebrigade zu Kcinigsberg i. Pr.;
t 20. XI. — V'oss. Ztg. 1903 Nr. I. Beil. 8.
93*
Totcnliste 1 902 : Rehbock — Richard.
94*
Rehbock, kaiserl. deutscher Geheimer Ober-
postrat, Oberpostdirektor in Koblenz ; * Kreis
Emden 1839; f Koblenz 7. V. — 111. Ztg.
118, 777.
Reichard» Max, Oberkonsistorialrat, Prediger
u. Erbauungsschriftsteller; f Posen 13. IV.
— Woche 4 Nr. 16 S. VIII; Theolog.
Jahresbericht 22 (1902), 1440 (Nestle, mit
L); BZ 10, 235. II, 261 (Daheim 38 Nr. 33:
Hackenschmidt, mit Illustr. ; Histor. Monats-
blätter für Posen 3, 81: H. Kleinw&chter).
Reichelt, Viktor, 1 879 — 89 Kapellmeister am
Stadttheater in Hanau, seitdem Korrektor
in d. Röderschen Notenoffizin in Leipzig;
• Neumarkt (Schlesien) 10. X. 1849; f Leip-
zig 13. X. — Monatshefte f. Musikgesch.
35, 124 (Lüstner, mit L).
Reichenbach, Hermine Freiin v., verehel.
Schuh, Naturforscherin: s. Schuh, Her-
mine.
Reichenheim, Ferdinand, Mitinhaber d. Firma
N. Reichenheim & Sohn in Berlin, verdient
um VVohlfahrts- u. Wohltätigkeitsptlege da-
selbst; t ebenda, 85 Jahre alt, 3. XI. —
Voss. Ztg.
Reiif, Franz, ordentl. Professor f. Figuren- u.
Landschaftszeichnen u. f. Aquarellkunde an
d. Techn. Hochschule in Aachen; * daselbst
12. II. 1835; t ebenda 11. IV. — 111. Ztg.
118, 633; Jahrbuch d. bildenden Kunst 2,
108: Müller-Singer, Allgemeines Künstler-
lexikon 3 4, 33 (W).
^Reimarus, Hans, Buchhändler in Berlin,
Mitbesitzer d. Sortiments- und Leihbuch-
handlung Borstell und Reimanis, Schöpfer
eines großen Lesezirkels; * Berlin 2. IV^.
1S43: + Luzem 19. VI. — BJ VII, 114 (R.
Schmidt).
Reineboth, Friedrich, Dr, meä.f Professor f.
innere Medizin an d, Universität Halle a. S.,
verdient um soziale Hygiene, bes. Zieh-
kinderwesen; • 14. VI. 1867; t Tabarz 3.
VIII. — 111. Ztg. 1 19, 243 ; Virchows Jahres-
berichte 37, I, 423 (Pagel, mit L: Ztschr.
f. Krankenpflege 24 Nr. 8).
Reinecke, Theodor, Bildhauer in Berlin;
+ daselbst, im 80. Jahre, 24. VII. — Woche
4. 1431 ; Jahrb. d. bildenden Kunst 2, 108.
Reinholdt, Alexander von, Literarhistoriker
(bes. russische Literatur); * vSt. Petersburg
von deutschen Eltern 2. (n. St. 14.) VII.
1856; t daselbst Ende Juni. — 111. Ztg.
119. 51; Hinrichsen, D. literar. Deutsch-
land» 1091 (mit W).
^Reischek, Andreas, Kustos am Museum
FranciscO'Carolinum in Linz, Forschungs-
rciscnder; • daselbst 15. IX. 1845; t eben-
da 4. IV. — BJ VII, 261 (\V. Wolken-
h.iuerj; Leopoldina 38, 81; Geographen-
Kalender I, 231 (H. Haack); BZ 10, 235.
II, 261 (Deutsche Rundschau f. Geogra-
phie und Statistik 1902, 423 mit Illustr.;
Internationales Archiv f. Ethnographie 15,
82; Mitteilungen der anthropolog. Gesell-
schaft, Wien 1902, 409: F. Heger).
Reitenbach, John,* alter deutscher Demokrat,
bis 1880 auf seinem Gute Plicken b. Gum-
binnen, in d. Zeit d. preufl. Konfliktes Re-
dakteur der in Gumbinnen erscheinenden
»Bürger- und Bauemfreundes«, später der
»Reichsspinnstube«; • 1816; f Zürich An-
fang Januar. — 111. Ztg. 1 18, 93; Altpreuß.
Monatsschrift 40, 473 (Rindfleisch, mit L :
Kattentidt, J. R. 18 16 — 1902. E. Gedenk-
blatt. Insterburg 1902 = Ostpreuß. Ztg. 1902
Nr. 7).
Rekowsky, v., Kammerherr, ehemal. Inten-
dant d. Koburg-Gothaer Hoftheaters ; f Nizza
Ende des Jahres. — Woche 4, 54. 58 (P) ;
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 124 (Lüst-
ner, mit L).
Remond, Maria, verehel. Heinemann, früher
Opemsängerin ; f Magdeburg, 7 2 Jahre alt,
22. IX. — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
1 24 (Lüstner, mit L).
Reusch, Hugo, Landesbankdirektor in Wies-
baden, Führer der Altkatholiken, längere
Zeit auch Stadtverordneten Vorsteher da-
selbst, früher Mitglied d. preuß. Abgeord-
netenhauses; t daselbst, 69 Jahre alt, 13. II.
— 111. Ztg. 118,315; Woche 4 Nr. 8 S.VII.
Reufi ältere Linie: Fürst Heinrich XXII.;
s. Heinrich.
Reufi jüngere Linie: Anna Prinzessin zu
Bcntheim-Tecklenburg-Rheda, geb. Prin-
zessin R. j. L.; s. Anna.
•Reuter, Theodor, k. k. Baurat, Architekt;
• Wien 9. III. 1837; t daselbst i. II. —
BJ VII, 209 (A. Birk); Rheinhardt. Bio-
graphien d. Wiener Künstler u. Schriftsteller
I, 24.
Rex, Ignaz, Dr, med., Oberstabsarzt in Prag,
Vorsitzender d. Vereins deutscher Arzte in
Prag; t daselbst, 80 Jahre all, 15. II. —
Virchows Jahresberichte 37, I, 424 (Pagel,
mitL: Wiener klinische Rundschau 1902
Nr. 22; Heilkunde 1902, 130).
Ribbeck, Heinrich Viktor Constanz Wo Ide-
mar, Dr, phil,^ Professor, Direktor d. As-
kan. Gvmnasiums in Berlin, klass. Philolog;
• Erfurt 17. II. 1830; tBeriin 4. VI. —
KL 24, II 50 (W). 25,47; Eckstein, No-
menclaior philologorum 470; Hl. Ztg. 118,
935; Woche 4, 1090; BZ 13, 256 (Jahres-
berichte üb. d. Fortschritte d. klass. Alter-
tumswissenschaft 119, 16: A. Prtimers).
Richard, k. preuß. Geheimer Oberjustizrat,
Präsident d. Landgerichts in Osnabrück;
t 12. VII. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 3 Beil. i ;
Woche 4, 1330.
95*
Totenliste 1 902 : Ricker — KUdorfT.
96*
*Ricker, Ansei m Joseph, Benediktiner, /*.,
Dr, theoLy k. k. Hofrat, Konsistorialrat,
früher ordentl. Professor der Pastoraltheo-
logie an d. Universität Wien; • Preßburg
IG. III. 1824; f Mayerling (Wiener Wald)
28. XII. — BJ VII, '113 (C Wolfsgruber);
Scriptores ordinis Benedicti qui i yjo — 1880
fueruni (Vindobonae 188 1), 374 (mit W) ;
Jörg'Keiter, Kathol. Literaturkalender 6,
251 (W).
Rickert, Heinrich, Landesdirektor a. D. der
Provinz Westpreußen, früher Redakteur u.
Miteigentümer d. »Danziger Ztg.«, Mitglied
d. Deutschen Reichstags u. preuß. Abge-
ordnetenhauses (freisinnige Vereinigung);
• Putzig (Westpreußen) 27. XII. 1833;
t Berlin 3. XI. — 111. Ztg. 119, 695 (mit
P); Woche 4, 2074 (P); KL 24, 1150. 25,
47; BZ II, 263. 12, 266 (Nation 20 Nr. 6:
Th. Barth; Allgemeine Ztg. d. Judentums
Nr. 45; Im deutschen Reich 8, 670: E.
Friedemann; Leipziger Lehrerztg. 10 Nr. 8
und Bildungsverein 1902, 259: J. Tews;
Lehrerheim 1902 Nr. 45: L. Neustadt; Bil-
dungsverein 1 903, 2 : Fr. Naumann ; Zentral-
blatt f. Volksbildungswesen 1903, i); Alt-
preufl. Monatsschrift 40, 473 (Rindfleisch,
L: Danziger Ztg. 1902 Nr. 516 — 521).
Rickmers, Peter, Mitinhaber der Bremer
Firma Rickmers (Reismühlen-, Reederei-
und Schiflfsbauaktiengcsellschaft), Sozial-
politiker; f Bremerhaven, 64 Jahre alt,
15. XII. — 111. Ztg. 119, 991 ; BZ 12, 266
(Schiffbau 1903, 313 mit P).
Rimböck, Karl, k. k. Regierungsrat, General-
inspektor u. Chef d. finanziellen Dienstes
d. österr.-ungar. Staatsbahn; f Weidling b.
Wien, im 61. Jahre, 3. VIII. — 111. Ztg.
119, 277.
Rinckenbach, Eduard, Maler; f Metz im
August. — Jahrb. d. bildenden Kunst 2, 108.
Risch, Heinrich August, Oberkonsistorialrat
a. D. in Speyer, Vorstand d. Vereins zur
Erbauung d. Protestationskirche daselbst;
* Rockenhausen (Rheinpfalz) 8. I. 1824;
tu. VI. — Perthes' Handlexikon f. evan-
gel. Theologen 3, 199; Theolog. Jahres-
bericht 22 (1902), 1440 (Nestle).
*Röhl, Johannes Christoph Martin, Gene-
raldirektor d. Straßeneisenbahngesellschaft
in Hamburg; • Lübeck 26. V. 1820; t Ham-
burg 8. XI. — BJ VII, 294 (Johnen); Deut-
sche Bauztg. 37, 26 (Ulrichs).
Rohr, Lorenz, deutsch-amerikan. Publizist in
Evansville (Indiana), Chefredakteur des
»Evansville Demokrat«, Dichter in rhein-
pfälz. Dialekt; * Venningen (Rheinpfalz)
15. VIII. 1846; ^ '\m November. — Voss.
Ztg. 1903 Nr. 7 Beil. 2; KL 24, 11 74 (W);
Brummers 3, 335.
Römpler, Theodor, Dr» nud.^ Sanitätsrat, Be-
sitzer d. Sanatoriums für I^ungenkranke in
Görbersdorf (Schlesien); f Görbersdorf
26. IV. — 111. Ztg. 118, 702; Voss. Ztg.
37, I, 424 (Pagel).
Rosenstock v. Rhöneck» Georg, Kapitän-
leutnant, Kommandant d. deutschen Tor-
pedobootes S 42, welches auf d. Fahrt v.
Helgoland nach Cuxhaven unterging ; • Triest
1873; t 24. VI. — 111. Ztg. 119.
Rosenthal, S., Schachmeister und Schach-
schriftsteller, seit 1864 in Paris lebend;
t, 64 Jahre alt, im September. — Voss.
Ztg. 1903 Nr. II Beil. 2.
Roskiewicz, Johann, k. u. k. Feldmarschall-
leutnant a. D., ehemal. Leiter d. topograph.
Abteilung d. k. k. Militär-geograph. Insti-
tutes in Wien; * Drohowycze (Galizien)
26. V. 1831; t Graz 31. VIL — 111. Ztg.
119, 277; Geograph. Jahrbuch 26,440 (W.
Wolkenhauer, mit W u. L); Geographen-
Kalender I, 232 (H. Haack); Wurzbach,
Biograph. Lexikon des Kaisert. Österreich
27» 41.
Rospatt, Lambert, k. preuß. Geheimer Re-
gierungsrat u. Landrat a. D., früher Mit-
glied d. preuß. Abgeordnetenhauses (kon-
servativ) ; f Ende September. — Voss. Ztg.
1902 Nr. 609 Beil. 2.
Rofibach, Max Arwed, Dr. phil. honoris
causa, k. sächs. Baurat, Stadtrat in Leipzigs
Architekt; • Plauen (Vogtl.) 24. XI. 1844;
t Leipzig 31. XII. — Hl. Ztg. 120, 49 u.
Nr. 2816 vom 17. VL 1897 (mit P); Deut-
sche Bauztg. 37, 15. 283.
Rofieck, Hugo, Superintendent in Fürstenau
(Kreis Elbing); • Mewe 27. II. 1833;
t Fürstenau 20. II. — Altpreuß. Monats-
schrift 40, 473 (Rindfleisch, L: Evangel.
Gemeindeblatt 57, 1902, 78).
Röstel, Frau Anna, Inhaberin d. Hofbuch-
druckerei W. Decker & Cie in Posen, Ver-
legerin der »Posener Ztg.«; f 22. VII. —
Voss. Ztg. 1903 Nr. 7 Beil. 2; Börsenblatt
f. d. Deutschen Buchhandel 1902.
Rückert, Friedrich, Dr, med,, Augenarzt in
Meiningen, Enkel d. Dichters Friedrich R. ;
t daselbst 6. XII. — Woche 3, 2290.
Ruckmich, Karl, Hofmusikalienhändler zu
Freiburg i. B. ; f daselbst, 70 Jahre alt,
IG. XI. — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
125 (Lüstner, mitL); BZ 11, 267 (L).
Rüdorff, Friedrich, Dr, phil,. Geheimer Re-
gierungsrat, Professor für Chemie an der
Techn. Hochschule u. Leiter des Labora-
toriums f. anorgan. Chemie in Charlotten-
burg; • Werl (Westf.) 3. XI. 1832 ; f Char-
lottenburg 29. XI. — Leopoldina 39, 45;
Poggendorff 3, 1151. 4, 1282 (mit W);
BZ II, 267. 12, 270 (Chemikerztg. 1902»
97*
Totenliste 1902: Ruff — Scheflfer-Boichorst.
98*
1173; Ztschr. f. angewandte Chemie .1902,
1257; Berichte d. deutschen ehem. Gesell-
schaft 35, 4536: A. Stavenhagen).
Ruff, August, Konzertsänger; f Mainz, 61 Jahre
alt, 25. IV. — 111. Ztg. 118, 75J.
Rülf, Isaak, Dr. phiL^ früher Rabbiner in
Memel u. Chefredakteur d. »Memeler Dampf-
boot«, philosoph. Schriftsteller u. Publizist;
* Rauisch-Holzhausen bei Marburg 10. II.
1831 ; t Poppeisdorf bei Bonn 19. IX. —
KL 24, II 90 (W); Altpreuß. Monatsschrift
40, 473 (Rindfleisch, L: Memeler Dampf-
boot 1902 Nr. 221); BZ II, 267 (Israelit.
Wochenschrift 1902, 614. 663).
Sachsen, König Albert v.: s. Albert.
Sachsen -Weimar, Prinz Eduard von: s.
Eduard.
Sack, k. preuß. Geheimer Justizrat, früher
Präsident des Landgerichts in Frankfurt
a. O.; t 17- I- — Voss. Ztg. 1903 Nr. 3
Beil. I.
Salm-Reifferscheid-Raitz, Felicie Sidonie
Altgräfin zu, Witwe d. Altgrafen Robert,
geb. Gräfm Clary und Aldringen; • Wien
9. VI. 1815; t daselbst 18. IL — Goth.
Hofkalender 1903, 296.
Salzmann, F. W., Deutschafrikaner, früher
Bürgermeister v. Bloemfontein ; f daselbst
6. VI. — Woche 4, 1136.
Sauter, Karl v., k. Württemberg. Baudirektor,
Architekt u. Kirchenkonservator, Kollegial-
mitglied d. Domänendirektion, Ehrenbürger
der Stadt Freudenstadt; * Aalen 18. VI.
1839; t Stuttgart 28. VII. — Deutsche
Bauztg. 36, 403; Württemberg. Jahreshefte
f. Statistik u. Landeskunde 1902, IV (Hart-
mann, L).
Sayn - Wittgenstein-Berleburg, Anna geb.
Prinzessin zu, verwitw. Gräfin Schlitz ge-
nannt V. Görtz: s. Schlitz.
Schaarschmidt, Friedrich, Konservator der
k. Kunstakademie in Düsseldorf, Maler u.
Kunstschriftsteller; * Bonn 4. II. 1863;
t Böblingen (Württemberg) 13. VI. — 111.
Ztg. 119, 25; KL 25, 47; Jahrbuch d. bil-
denden Kunst 2, 108; BZ II, 271 (Die
Kunsthalle 1902, 289: G. Galland).
Schad von Mittelbibrach, Moriz v. , k. Württem-
berg. Landgerichtspräsident a. D., 1 885 — 90
Vertreter d. Ritterschaft d. Donaukreises in
d. Württemberg. Kammer d. Standesherren.
Mitbegründer d. Evangelischen Bundes in
Württemberg; f Ulm, 82 Jahre alt, 30. XII.
— 111. Ztg. 120, 97; Württemberg. Jahres-
hefte f. Statistik u. Landeskunde 1902, V
(Hartraann, L).
Schäffer, Julius, Dr, phil, honoris causa, k.
preuß. Musikdirektor u. Professor, Lehrer
am k. Akadem. Institut f. Kirchenmusik in
Breslau, Komponist u. Musikschriftsteller;
BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrologf. 7. Bd.
• Krevese b. Osterburg (Altmark) 28. IX.
1823; t Breslau 10. IL — 111. Ztg. Ii8,
272; KL 25, 47; RiemannS993; Mendel-
Reißmann, Musikal. Konv .-Lexikon 9, 77;
Chronik d. Universität Breslau 16 (1901/2),
1 20 (E. Bohn) ; Monatshefte f. Musikgesch,
35, 125 (Lüstner, mit L).
Schantl, Josef, Waldhorn virtuos, ehemaliges
Mitglied des Hofopernorchesters in Wien,
Professor am Konservatorium d. Musik da-
selbst, auch Musikschriftsteller; f Viehdorf
b. Amstetten, 61 Jahre alt, 22. II. — Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 125 (I^üstner,
mit L).
Schanz, Julius August (nannte sich später
Uli Schanz), früher Professor f. deutsche
Sprache an d. Universität Rom, Dichter u.
' Übersetzer; * Ölsnitz (Vogtl.) 19. IX. 1828;
t 15. IV. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 7 Beil. 2;
Hinrichsen, D. literar. Deutschland* 1149
(mit W); Brummer 5 3, 400. 563 (mit W);
BZ 10, 244 (D. literar. Echo 4, 1149: E.
Kreowski); D. literar. Leipzig 147 (mit P
u. W).
Scharff, Cäsar, Bildhauer, erhielt den ein-
zigen Preis bei dem Ausschreiben für ein
Bismarckdenkmal in Hamburg; f Altrahl-
stedt b. Wandsbeck, 38 Jahre alt, 21. X.
— 111. Ztg. 119, 643; Jahrbuch d. bilden-
den Kunst 2, 108.
Schauer, Gustav, Professor, Geschichtsmaler
in Berlin, ursprünglich Photograph; * 24.
VI. 1826; t Berlin 8. (oder 9.?) L — 111.
Ztg. 118, 135; Jahrbuch d. bildenden Kunst
2, 108; Woche 4, 92 (P).
Schaumburg-Lippe, Prinzessin Bathildis v.:
s. Bathildis.
*Schede, Max Eduard Hermann Wilhelm,
Dr, med.. Geheimer Medizinalrat, ordentl.
Professor d. Chirurgie u. Direktor d. Chi-
rurg. Klinik an d. Universität Bonn ; * Arns-
berg (Westfalen) 7. I. 1844; f Bonn 31.
XII.— BJ VII, 126 (Pngel); Pagel 1487
(mit P u. W); Woche 4, 52 (P); Chronik
d. Univ. Bonn 1902, 6 (GrafiQ; Leopoldina
38, 136. 39, 45; Virchows Jahresberichte
37, I, 424 (Pagel, mit P) u. BZ 11, 275
(Deutsche Ztschr. für Chirurgie 69, I: H.
GrafF; Ztschr. f. Orthopäd. Chirurgie 11,
489: P. Bade; Zentralblatt für Chirurgie
1903,97: H. Tillmanns; Berliner klinische
Wochenschrift 1903, 138: H. Kümmell;
Die medizin. Woche 1903, 58: H. Fischer,
mit P).
SchefTer-Boichorst, Paul, Dr, phiL, ordentl.
Professor d. Geschichte u. Direktor d. Histor.
Seminars an d. Universität Berlin, ordentl.
Mitglied der Akademie d. Wissenschaften
daselbst; * Elberfeld 25. V. 1843; tB«rlin
17. I. — Chronik d. Univ. Berlin 1901, 7;
99*
Totenliste 1902: Schell — Schlesinger.
100*
KL 23, 1216.. 25, 47; 111. Ztg. 118, 135.
158 (Helmolt, mit P); Woche 4, 146 (P);
Scheffer-Boichorst, Gesammelte Schriften I.
Mit d. Bildn. d. Verf. u. e. Schilderung s.
Lebens (Von E. Schau s u. F. Güterbock).
Berl. 1903; Ztschr. für d. Gesch. d. Ober-
rheins 57 (1903), 742 (Kaiser, mit L); BZ
10. 244. II, 272. 12, 275 (Histor. Jahrbuch
d. Görresgesellschaft 23, 244: A. Meister;
Histor. Ztschr. 89, 54 : H. Bloch ; Ztschr. f.
d. Geschichte d. Oberrheins 1902, 381: F.
Kiener; Deutsche Stimmen 1902, 374; Ab-
handlungen d. Akademie d. Wissensch. in
Berlin, phil.-hist. Kl., 1902: F. Dümmler).
^Schell, Otto, V., k. preuß. Generalleutnant
z. D.; • Münster i. \V. 4. X. 1835; t Han-
nover 16. X. — BJ VII, 254 (LorenzenJ.
Schenck, Emil, Dr. Jur., Wirkl. Geheimer
Staatsrat in Weimar, Mitglied d. großhgl.
Sachs. -Weimar. Staatsministeriums a. D. ;
t Weimar, 80 Jahre alt, 1 2. V. — 111. Ztg.
118, 777.
Schenk, Samuel Leopold, Dr, med, et cAir.,
früher Professor in d. medizin. Fakultät u.
Vorstand d. Embryolog. Instituts der Uni-
versität Wien; • Urmeny (Ungar. Komitat
Neutra) 23. VIII. 1840; t Schwanberg
(Steiermark) 17. (oder 18.?) VIII. — 111.
Ztg. 119, 277 u. Nr. 2847 V. 20. I. 1898:
mit P; Leopoldina 38, 95. loi (mit W);
Woche 4, 1^80 (P); Pagel 1493 (mit P u.
W); KL 24, 1229 (W). 25, 47; Biograph.
Lexikon d. hervorragenden Ärzte 6, 999;
Virchows Jahresberichte 37, I, 424 (Pagel,
mit L) u. BZ II, 272 (Österreich. Monats-
schrift f. Tierheilkunde 1902, 128: A. L.
Koch; Neue medizin. Presse 1902, 195).
Scheitel, Arnulf, Dr, phiL, k. sächs. Berg-
rat, Professor f. Hüttenkunde an der Berg-
akademie zu Freiberg i. S., Autorität auf
dem Gebiete der Hüttenrauch-Schädenver-
hütung; * München 24. II. 1841 ; t Dresden
11. III. — III. Ztg. 118, 417; Leopoldina
38, 81; BZ 12, 275 (Forstwissenschaftl.
Zentralblatt 1903, i: O. Doeltz).
Schider, Eduard, Dr, med.. Geheimer Sani-
tätsrat, Badearzt in Bad Gastein; t Salz-
burg im Juni. — Virchows Jahresberichte
37, 1, 424 (Pagel); BZ 11, 272 (Mitteilungen
d. Gesellsch. f. Salzburger Landeskunde 32,
206: H. Widmann).
Schieder, Johann, Hofbaumeister in Wien,
Architekt; t Hinterstoder (Oberösterreich)
12. IX. — 111. Ztg. 119, 471.
Schiller, Hermann, Dr. phil., großhgl. hess.
Geheimer Oberschulrat, bis 1899 Gymna-
sialdirektor und Universitätsprofessor in
Gießen, zuletzt Privatdozent an der Uni-
versität Leipzig, Pädagog und Historiker;
* Wertheim a. M. 7. XI. 1839; f Leipzig
II. VI. — 111. Ztg. 118, 935 u. Nr. 2925
V. 20. VII. 1899, mit P; Voss. Ztg. 1902
Juni 12 Abendausg.; Allg. Ztg. 1902 Beil.
Nr. 148: R. Degen; KL 24, 1235 (W). 25,
47; Woche 4, 1140 (P); Ztschr. f. Gesch.
d. Oberrheins 57 (1903), 389 (Frankhauser:
L); BZ II, 274. 12, 277 (Gesunde Jugend
'903» '53= O. Beyer; Sudwestdeutsche
Blätter 1902, 325: A. Messer).
Schilling, Max, Kegierungsbaumeister in Ber-
lin; f daselbst 21. II. — Jahrbuch d. bil-
denden Kunst 2, 108.
SchiUinger, Alfred, Landeskonsulent für
Fischerei in Bayern; f München, 56 Jahre
alt, 16. X. — Woche 4, 2204.
Schimmer, Gustav Adolf, Statistiker u. De-
mograph in Wien; * daselbst 23. I. 1828;
t ebenda 16. XI. — 111. Ztg. 119, 923;Geogr.
Jahrbuch 26, 448 (W. Wolkenhauer, mitL).
Schimon-Regan, Anna, Sängerin, Lehrerin
an d. Akademie d. Tonkunst in München;
• Aich bei Karlsbad 1842; f München
18. IV. — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
125 (Lüstner, mit L).
Schirlitz, Dr, iheoL, Senior d. evangelischen
Geistlichkeit der Provinz Sachsen, früher
Superintendent in Querfurt; f daselbst,
92 Jahre alt, i. III. — 111. Ztg. 118, 391 ;
Woche 4 Nr. 10 S. VII.
Schirmer, Albert, Schauspieler, früher Direk-
tor d. Stadttheaters in Mainz; • Frankfurt
a. O. 19. V. 1838; t Wiesbaden 16. VIII.
— Flüggen, Biograph. Buhnenlexikon i,
271; Woche 4, 1624; Monatshefte f. Mu-
sikgesch. 35, 125 (Lüstner, mit L).
Schirp, Fritz Freih. v., Impresario u. Jour-
nalist in Berlin, früher Offizier. — Woche
4, 785; KL 24, 1239.
Schlag, Heinrich, Orgelbaumeister inSchweid-
nitz; t daselbst Ende d. Jahres. — Mendel-
Reißmann, Musikal. Konv.-Lexikon 9, 113;
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 125 (Lüst-
ner, mit L).
Schlesinger, Hermann, Dr. med,^ Geheimer
Sanitätsrat in Berlin; * Tamowitz (Ober-
schlesien) 7. I. 1836; t Berlin 23. VIII. —
Verzeichnis der Berliner Univ.-Schriften
18 10 — 85 (Berlin 1899) Nr. 5508; Vir-
chows Jahresberichte 37, I, 424 (Pagel,
mit L: Verhandlungen d. Vereins f. innere
Medizin v. 15. X. 1902; Allgemeine me-
dizin. Zentralztg. 1902 Nr. 85).
Schlesinger, Maximilian, Dramaturg d. Stadt-
theaters in Breslau, Verfasser nationalöko-
nom. u. bühnengeschichtl. Schriften, früher
Redakteur der »Breslauer Gerichtsztg.« ;
• Breslau 2. 1. 1855; f daselbst 14. XII.
— 111. Ztg. 119,991; Monatshefte f. Mu-
sikgesch. 35, 125 (I.üstner, mitL); KL 24,
1242 (W). 25, 47.
lOl*
Totenliste 1902: Schlie — Schmitt.
102*
Schlie, Friedrich, Dr, phiL, Professor, groß-
hgl. roecklenburg. Geheimer Hofrat, Direk-
tor d. Museums in Schwerin, Archäolog u.
Kunsthistoriker; • BrUel (Mecklenburg) 12.
XU. 1839; t Kissingen 21. VII. — KL 24,
1244 (W). 25, 47; Jahrbuch d. bildenden
Kunst 2, 108. 117 (L: Kunstchronik 1902
Okt. 16); Hinrichsen, D. literar. Deutsch-
land« 1162 (mit W); Ztschr. für christl.
Kunst 15, 187 (Schnütgen).
Schlieffen, Maria Gräfin, Äbtissin d. Klosters
Drubeck, Hofdame d. Prinzessin Friedrich
Karl von Preußen; * Berlin 25. IX. 1834;
t Drubeck 20. XL — Woche 4, 2204;
Gräfl. Taschenbuch 1904, 754.
Schlieffen, Wilhelm Martin Ernst Ludwig
Graf V., Majoratsherr auf Schlieffenberg
(Mecklenburg-Schwerin) etc., Landrat des
Herzogtums Güstrow, Mitglied d. mecklen-
burg. I.andtags u. 1884 — 98 d. Deutschen
Reichstags (konservativ); • Berlin 18. IX.
1829; t Potsdam 8. XII. — 111. Ztg. 119,
968; Gräfl. Taschenbuch 1903, 759. 1904,
752; Kürschner, Reichstag 1893,353 (mit?).
Schlippe, Paul, Generalstaatsanwalt u. Mi-
nisterialrat a. D. in Darmstadt; f daselbst
10. IL — W'oche 4, 1896.
Schlitz genannt von Görtz: Anna Al-
bertine Georgine Gräfin, Witwe d. Grafen
Karl, geb. Prinzessin zu Sayn-Wittgen-
stein-Berleburg; *Darmstadt 5. 1. 1827;
t Schlitz (Oberhessen) 6. XL — 111. Ztg.
i>9. 737; W'oche 4, 21 18 (P); Goth. Hof-
kalender 1903, 187. 192. II 13.
— : Sophia Julia Camilla, geb. Cavalcanti
de Albuquerque de VMlleneuve, Ge-
mahlin des Emil Friedrich Grafen u. Herrn
V. Schlitz; • Neuilly bei Paris 5. V. 1858;
t Charlottenburg 2. XL — 111. Ztg. 119,
695; Goth. Hof kalender 1903, 191. 11 13.
Schlusser, G., Dr.f Ministerialrat im großhgl.
bad. Ministerium des Innern, früher Ober-
bürgermeister V. Lahr; t Karlsruhe i. III.
— Goth. Hof kalender 1902, 504; 111. Ztg.
118, 341 ; Ztschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins
57 (1903)» 389 (Frankhauser, L: Karlsruher
Ztg. 1902 Nr. 62). *
Schmeidler, Johannes Heinrich Leonhard,
evangel. Pfarrer an d. Jerusalemer Kirche
in Berlin, Führer d. liberalen Geistlichkeit
daselbst, Mitherausgeber d. »Protcstanten-
blatt«; * Breslau 21. VII. 1841; t Berlin
17. IV. — Woche 4, 732; Voss. Ztg. 1903
Nr. 3 Beil. i ; Perthes' Handlexikon für
ev. Theolog. 3, 284; BZ 10, 247 (Deutsches
Protestantenblatt 1902 Nr. 18: M. Fischer).
Schmeling, Burkhardt v., k. preuß. General-
leutnant z. D. ; t Wiesbaden, im 80. Jahre,
14. XL — Woche 4, 2160. 2292 (P).
'^Schmeling, Cyrus v., k. preuß. Generalmajor
z. D., • Gnesen 31. I. 181 9; f Lieberose
16. III. — BJ VII, 255 (Lorenzen).
Schmid, Arthur v., Direktor a. D. d. Handels-
akademie in Graz, Alpinist; * Wien 2. IL
1843; t Graz 13. IV. — Mitteilungen des
Deutschen u. Österreich. Alpen Vereins 28,
105 (E. Richter); 111. Ztg. 118, 623.
Schmidburg, Rudolf Leberecht Karl Borro-
mäus Freih. v., k. u. k. Kämmerer u. Ge-
neralmajor z. D.; • Prag 3. X. 18 10; f Graz
I. VII. — Woche 4, 1279; Wurzbach, Bio-
graph. Lexikon des Kaisert. Österreich 30,
195; Freiherrl. Taschenbuch 1904, 687.
^Schmidt, Auguste, Vorkämpferin f. d. Ar-
beitsberechtigung der Frauen, früher Vor-
steherin der V. Steyberschen Unterrichts-
anstalt in Leipzig, Vorsitzende d. Bundes
deutscher Frauen verein e ; • Breslau 3. VIII.
1833; t Leipzig 10. VL — BJ VII, 184
(F. Brummer); 111. Ztg. 118, 935, 939. 940
(M. Uhse mit P); KL 25, 47; BZ 10, 248.
II. 276. 12, 279 < (Frauenbildung 1902,
251: Wychgram; Gartenlaube 1902 Nr. 28
u. die Frau 1902, 577: Helene Lange, mit
P; Ethische Kultur 1902 Nr. 27: Else Hasse;
Zentralblatt des Bundes deutscher Frauen-
vereine 4, Nr. 49, ^o: M. Stritt, mit P;
D. deutsche Fortbildungsschule 1902, 211;
Neues Frauenlcben 1902 Nr. 7 : H. v. Allen;
Lehrerin in Schule und Haus 1902, 900:
K. Büttner; Neue Bahnen 1903, 2: Th.
Gröning; Hamburg. Schulztg. 1903 Nr. 19:
de Fauquemont).
^Schmidt, Otto Ritter v., k. baycr. General
der Infanterie z. D.; * AschaÄTenburg 20.
XII. 1820; t München 18. X. — BJ VII,
233 (Lorenzen).
Schmidt, Friedrich Wilhelm, Dr. theoL,
Prälat a. D., Vorsitzender d. evangel Kon-
ferenz in Baden u. d. südwestdeutschen Kon-
ferenz f. innere Mission; • Freiburg i. Br.
12. V. 1831 ; f Karlsruhe 6. IL — Theolog.
Jahresbericht 22 (1902), 1441 (Nestle, mit
L); Perthes' Handlexikon f. evangel. Theo-
logen 3, 285 (mit W).
Schmidt- Steglitz, Hermann, Musikschrift-
stelier in Berlin-Steglitz; • Berlin 20. IV.
1863; t daselbst 21. XL — Monatshefte
für Musikgesch. 35, 125 (Lüstner, mit L);
KL 24, 1256.
Schmitt, Georg Aloys, früher großherzog-
licher mecklenburg- schwerinscher Hof-
kapellmeister, später in Dresden lebend
u. Stifter d. Mozartvereins daselbst; • Han-
nover 2. IL 1827; t Dresden 15. X. —
III. Ztg. 119, 618; Woche 4, 1990 '(P);
Riemann5 loio; Mendel-Reißmann, Mu-
sikal. Konv.-Lexikon 9, 129; Monatshefte
für Musikgesch. 35, 125 (Lüstner, mit L);
BZ 1 1, 276 (Die Musik II, 271 f O. Schmid;.
I03*
Totenliste 1902: Schneider — Schulenburg.
104*
Schneider, k. preufl. Geheimer Oberjustizrat,
früher Senatspräsident am Oberlandesge-
richt in Cöln; f im April. — Voss. Ztg.
1903 Nr. 3 Beil. i.
Schneider, Johann Immanuel, Dr,^ emeri-
tierter evangel. Pfarrer; * Hofilinswarth
(Württemb.); f Bistritx 24. XI. — Theolog.
Jahresbericht 22 (1902), 1441 (Nestle,
mit L).
Schneider, Karl, Dr. pkil,y Pariser Vertreter
d. „Köln. Ztg."; f auf der Rückreise von
Deutschland nach Paris im September. —
Woche 4, 1800; KL 24, 1270 (W). 25, 47.
Schöbt, Joseph, Dr, med,, k. k. Hofrat, Pro-
fessor der Augenheilkunde an der böhm.
Universität Prag; ♦ Pilsen 16. VIII. 1837;
f Prag 6. IV. — Virchows Jahresberichte
37, 1, 424 (Pagel, mit L); BZ 10, 248 (L).
*Scholderer, Otto, Maler; • Frankfurt a. M.
1834; t daselbst 23. I. — BJ VII, 169
(H. Schmerber); Jahrbuch der bildenden
Kunst 2, 108; Müller-Singer, Allgemeines
Künstlerlexikon 3 4, 221.
Schöller, Rudolf, früher kaiserl. deutscher
Honorarkonsul f. d« Ostschweiz; f Zürich
3. IX. — Woche 4, 1712; BZ 11, 277.
Scholz, Franz, Dr. med.^ k. k. Hofrat, früher
Primararzt d. Allgemeinen Krankenhauses
in Wien; ♦ 1820; f Wien 18. V. — 111.
Ztg. 118, 829; Virchows Jahresberichte 37,
1, 424 (Pagel, mit L: Wiener Medizin.
Wochenschrift 1902 Nr. 21).
Schomburg, Günther, fttrstl. Kammervirtuose
(Klarinettist) in Sondershausen; f daselbst,
72 Jahre alt, 27. IV. — Monatshefte für
Musikgeschichte 35, 125 (Lüstner, mit L).
Schönberg, Bernhard Karl Franz v., k.
Sachs. Wirkl. Geheimer Rat, ehemal. Prä-
sident der Sachs. Oberrechnungskammer;
* Kreipitzsch bei Naumburg a. S. 7. III.
1827; t Dresden 26. IV. — 111. Ztg. 118,
702; Goth. Genealog. Taschenbuch der
Adeligen Häuser 5 (1904), 745.
Schönbom-Buchheim, Christine Maria
Josepha Gräfin, geb. Gräfin v. Brühl,
k. k. Palastdame u. Stemkreuzordensdame ;
* Prag 28. III. 1817; t daselbst 24. X. —
Goth. Hofkalender 1903, 195. 11 13; Gräfl.
Taschenbuch 1903, 143. 1025.
Schönburg-Forderglauchau, Ida geb. Grä-
fin, verehel. Freifrau v. Fabrice: s. Fabrice.
^Schöne, Hermann, k. u. k. Hofschauspieler
am Burgtheater in Wien u. Verfasser von
Theaterhumoresken u. Novellen ; • Dresden
2. X. 1836; t Wien 9. XII. — BJ VII, 178
(H. Thimig); BZ 1 1, 277 (Neue Freie Presse
v. 14. XII. 1902).
Schöning, VV^ilhelm Ludwig August v., Herr
auf Klemmen, Muscherin u. Sallentin (Pom-
mern), k. preuß. Landrat a. D., Mitglied
d. PreuO. Landtags u. Herrenhauses u. d.
Norddeutschen und Deutschen Reichstags
(konservativ); • Klemmen 7. VIII. 1824;
t Stargard 10. V. — 111. Ztg. 118, 777;
Woche 4, 886; Goth. Genealog. Taschen-
buch der Adeligen Häuser 5 (1904), 770;
G. Hirth, Deutscher Parlamentsalmanach 1 2
(1877), 223.
Schoetensack, k. preuß. Baurat u. stellver-
tretender Mitarbeiter an der Weichselregii-
lierung; f Danzig, 59 Jahre alt, Ende Juni.
— 111. Ztg. 119, 51.
Schoetensack, Hermann, Dr. med., Arzt in
Großbodungen (Thüringen); f 13. X. —
Virchows Jahresberichte 37, I, 424 (Pagel,
mit L : Korrespondenzblätter d. allg. ärztl.
Vereins v. Thüringen 1902 Nr. 10).
*Schramm, Romuald, Benediktiner, Prior v.
Bfevnov; ♦ Braunau 5. IX. 1833; t Brevnov
22. Vli. — BJ VII, 294 (F. Lauchert).
*Schraudolph, Claudius v., Historienmaler,
früher Direktor d. Kunstschule in Stuttgart,
Ehrenmitglied d. Münchner Akademie der
Künste; • München 4. IL 1843 ; + Thalegg
bei Eppan (Tirol) 4. I. — BJ VII, 188 (H.
Holland); 111. Ztg. 118, 93; Müller-Singer,
Allgemeines Künstlerlexikon 3 4, 226; Jahr-
buch d. bildenden Kunst 2, 109.
Schreiber, Josef, Großindustrieller, Präsident
d. Glashüttenwerke vormals J. Schreiber &
Neffen in Groß-Ullersdorf (Mähren) ; f da-
selbst, im 69. Jahre, 17. XI. — 111. Ztg.
119,923.
Schröder, Ernst, Dr. phil., großhgl. bad.
Hofrat, ordentl. Professor der Mathematik
an der Techn. Hochschule in Karlsruhe;
• Pforzheim 25. XL 1841; t Karlsruhe 16.
VI. — Leopoldina 38, 102 (mit W) ; Jahres-
bericht der Mathematiker- Vereinigung 11,
361. 12, 249 (Lüroth, mit P u. W).
*Schuback, Gottlieb Emil, Historien- und
Genremaler in Düsseldorf; * Hamburg 28.
VI. 1820; t Düsseldorf 14. III. — BJ VII,
222 (J. Sass).
Schubart, Otto Ritter v., k. Ministerialrat
im bayer. Finanzministerium, Kronanwalt;
t München, 61 Jahre alt, 20. XI. — Woche
4, 2204.
*Schuh, Hermine, geb. Frei in v. Reichen-
bach, Naturforscherin; * Hausach (Baden)
5. IX. 1819; t ^Vien 28. X. — BJ VII.
347 (J* Wiesner); Freiherrl. Taschenbuch
1901, 602.
Schuh, Karl, Konzertmeister in Prag; t da-
selbst im Juni. — Monatshefte für Musik-
gesch. 35, 125 (Lüstner, mit L).
Schulenburg, AI brecht Conon Graf von
der, Dr. phil., außerordentl. Professor an
der Universität Göttingen, Sprachforscher,
auch Genealog; * Nord-Steimke (Altmark)
105*
Totenliste 1 902 : Schultheis — Schwichow.
106^
13. VII. 1865; t Königslutter 26. XII. ~
KL 24, 1304 (mit W). 25, 47; Woche 4,
54; Gräfl. Taschenbuch 1904; Oriental.
Bibliographie 17, 16 (Scherman, L).
^Schultheis, Leonhard Felix Georg Anton,
Bibliothekssekretär an d. Landesbibliothek
zu Kassel; • Fulda 19. XI. 1820; f Kassel
13. IV. — BJ VII, 241 (Ph. I^sch).
Schulz, Alfred, Architekt in Berlin (Firma:
Schulz u. Schlichting); * daselbst 31. VIII.
1854; t ebenda 24. XII. — Deutsche Bau-
ztg. 37, 7.
Schulz, Otto, Dr, med,, Sanitätsrat, Chirurg,
dirigierender Arzt des Johanniterkranken-
hauses zu Sonnenburg i. M.; f, 44 Jahre
alt, 5. XII. — Virchows Jahresberichte 37,
I, 425 (Pagel, mit L: Voss. Ztg. v. 7. XII.
1902).
Schumacher, Richard, Observatoru. Assistent
an d. Sternwarte in Kiel; * Altona 19. 1.
1827; t Kiel 24. II. — Leopoldina 38, 81 ;
Alberti. Lexikon d. Schlesw.-Holst-Lauen-
burg. Schriftsteller 1866—82, S. 250.
Schuster, Karl Wilhelm, Bogenmacher 'jn
Markneukirchen; * 18 14; f 27. XII. —
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 126 (LUst-
ner. mit L).
Schwach, Heinrich August, Maler, Direk-
tor d. Landesbildergalerie in Graz; • Neu-
titschein (Mähren) 19. IX. 1829; f in Graz.
— Jahrbuch der bildenden Kunst 2, 109;
Müller-Singer, Aligemeines Künstlerlexi-
kon 3 4, 238; Wurzbach, Biograph. Lexi-
kon d. Kaisert. Österreich 32, 269.
Schwaiger, Heinrich, Alpinist, Inhaber eines
Spezialgeschäftes f. d. Ausrüstung v. Hoch-
touristen in München, V^erfasser von Reise-
führern ; t auf dem Moserboden unweit d.
Wiesbachhomhauses (Hohe Tauem), 45
Jahre alt, 15. VIII. — 111. Ztg. 119, 313;
Woche 4, 1578. 1629 (P); Geographen-
Kalender I, 233 (H. Haack); Mitteilungen
des Deutschen u. Österreich. Alpenvereins
28 (1902), 193 (H. Hess).
Schwanert, Hugo, Dr, phiL, k. preuß. Ge-
heimer Regierungsrat, ordentl. Professor d.
Chemie an der Universität Greifswald;
* Braunschweig 17. XII. 1828; f Greifs-
wald 17. X. — KL 24. 1321. 25, 47; Leo-
poldina 39, 46 (mit W); BZ II, 280. 12,
283 (Chemikerztg. 1902, 1053; Berichte d.
Deutschen ehem. Gesellschaft 35, 4522:
H. Limprich).
*Schwank, Adam Joseph, Amtsgerichts-
sekretära. D., hess. Lokalhistoriker; * Fulda
18. I. 1820; t Frankfurt a. M. 15. IV. —
BJ VII, 240 (Ph. Losch).
Schwarz von Müller, Freih., k. k. Feld-
marschalleutnant; f Wien, 94 Jahre alt,
27. XI. — Woche 4, 2246. 2292 (P).
Schwarz-Hagen, Julie, Porträt-, Historien-
u. Genremalerin, Tochter d. Landscha(ters
August Hagen, Gattin des Astronomen
Schwarz; • Klein- Wrangeisdorf (Livland)
15. X. 1824; t Dorpat 19. X. — lU. Ztg.
II9> ^95 1 Jahrbuch d. bildenden Kunst 2,
109.
Schwarzenberg, Karl Laurenz Maria Hu-
. bert Prinz zu, Dr, jur„ k. u. k. Legations-
sekretär bei d. Österreich. Gesandtschaft in
Tokio; • Libejitz 10. VIII. 1871 ; f Shang-
hai I. IV. — 111. Ztg. 118, 547; Hofkalen-
der 1903, 201.
Schwechten, Georg, Hofpianofortefabrikant
in Berlin; * Stolzenau (Hannover); f Berlin
18. VIII. — Monatshefte für Musikgesch.
35, 126 (LUstner, mit L).
Schwegler, Xaver, Maler; • Luzem 1831
(oder 1832?); t Anfang des Jahres. —
Müller-Singer, Allgemeines Kttnstlerlexi-
kon3 4, 241 ; Jahrbuch d. bildenden Kunst
2, 109.
Schweizer, Alexander, eidgenöss. Oberst,
Divisionär, Vorstand d. militärwissenschaftl.
Abteilung am Polytechnikum in Zürich u.
Professor für Kriegsgeschichte u. Strategie
an demselben; t Zürich, im 59. Jahre, ca.
September. — 111. Ztg. 119, 497; BZ
II, 281 (Schweizer Militärzeitung 1902
Nr. 39).
Schwemer, Friedrich, Opernsänger (Bariton),
früher Regisseur an d. Vereinigten Stadt-
theater in Frankfurt a. M. ; • Doberan 20. 1.
i8i8; t Frankfurt a. M. 25. VL — 111. Ztg.
119, 25; Woche 4, 1324 (P); Eisenberg,
Grofies biograph. Lexikon der Deutschen
Bühne 949; Flüggen, Biograph. Bühnen-
lexikon I, 285: Monatshefte f. Musikgesch.
35, 126 (Lüstner, mit L).
Schwendt, Antoni, Dr. med,, Privatdozent f.
Oto- u. Laryngologie an d. Universität Ba-
sel; • 21. X. 1853; t 12. X. — Virchows
Jahresberichte 37, I, 425 (Pagel, mit L) u.
BZ 12, 284 (Korrespondenzblatt f. Schweizer
Ärzte 1903, 162; Münchner Medizinische
Wochenschrift 1902 Nr. 42; Ztsch. f. Ohren-
heilkunde 42, 112; Bulletin de laryngologie
5, 278 mit P).
•Schwendy, Albert, Professor, Architektur-
maler in Dessau; * Berlin 20. X. 1820;
t Dessau 17. VIII. — BJ VII, 170 (H.
Schmerber); 111. Ztg. 119, 313; BZ 11,281
(Unser Anhaltland 1902 Nr. 35 : K. Ströse,
mit P).
Schwichow, Leo v., k. preuß. Kammerherr
und Geheimer Regierungsrat, Landrat des
Kreises Kolmar (Preußen), früher Mitglied
d. preuß. Abgeordnetenhauses; f» 5^ Jahre
alt, 15. V. — Voss. Ztg. 1902 Nr. 609
Beil. 2.
107*
Totenliste 1902: Schwicker — Siedamgrotzky.
108*
Schwicker, Johann Heinrich, Dr. phil.,
ehemal. Realschulprofessor, deutsch-ungar.
Historiker u. Politiker, Ethnograph u. Sta-
tistiker in Budapest, V'orkämpfcr für das
Deutschtum; * Neu-Bessenova (Temeser
Komitat) 28. IV. 1839; f Budapest 7. VH.
— KL 24, 1328 (mit W). 25, 47; 111. Ztg.
119, 99; Leopoldina 38, 102; Geograph.
Jahrbuch 26, 443 (W. VVolkenhauer, mit W
und L); Geographen-Kalender i, 233 (H.
Haack); Wurzbach, Biograph. Lexikon d.
Kaisert. Österreich 32, 380 (mit W); BZ
II, 282 (Deutsche Erde 1902, 82: G.
Schultheiß).
Schwiete, k. preuß. Geheimer Oberjustizrat,
früher Senatspräsident am Oberlandcsge-
richt in Hamm; f daselbst 27. I. — Voss.
Ztg. 1903 Nr. 3 Beil. i; Woche 4, 180.
^Schwoiser, Eduard, Geschichtsmaler in
München; • Brüsau (Mähren) 18. IIL 1826;
t München 3. IX. — BJ VII, 189 (H. Hol-
land); D. geistige Deutschland I, 643.
Seckendorff-Gutend, Christian Friedrich Os-
kar Freih. v., k. preuß. Generalmajor a. D.,
Vorsitzender d. Geschlechtsverbandes der
Grafen und Freiherren von Seckendorff;
• Luxemburg 3. I. 1842; f Berlin 11. XII.
— 111. Ztg. 119, 968; Freiherrl. Taschenb.
1904. 705.
Seefried auf « Buttenheim, Ludwig Philipp
Freih. v., k. bayer. Kämmerer u, Oberst a. D.,
Vater des k. k. Oberleutnants Ojto Freih. v.
Seefried, d. Gemahls d. Prinzessin Elisabeth
V. Bayern; * Ansbach 29. VI. 1846; f Her-
zogshöhe bei Bayreuth 13. X. — Hl. Ztg.
1 19, 618 ; Freiherrl. Taschenbuch 1904, 728.
*Seehagen, Oswald, Buchhändler und Ver-
leger; • Berlin 26. VIII. 1831 ; f Tarasp
22. VI. — BJ VII, 115 (R. Schmidt).
Seelos, Ignaz, Maler u. Graphiker; * Bozen
1827; t Wien 7. VII. — Jahrbuch d. bil-
denden Kunst 2, 109; VVurzbach, Biograph.
Lexikon d. Kaisertums Österreich 33, 315
(mit W).
Seibert, Karl Georg, Dr. phiL et iheoL^ Be-
gründer u. Leiter d. Deutschen Presbyteria-
nischen Seminars in Bloomfield; • Wetter
bei Marburg (Hessen) 25. II. 1828; f ^"^
d. Dampfer d. Red-Star-Linie »Kroonland«
9. IX. — Theol. Jahresbericht 22 (1902),
1441 (Nestle).
Selar v. Sztankovits, Louis, Theateragent
in Berlin, früher Theaterdirektor; f, 72 Jahre
alt, 2. XII. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 11 Beil.
2; Woche 4, 2246.
*Selenka, Emil, Dr, pkiL^ Dr. med, honoris
causa, Honorarprofessor an d. Universität
München, vormals ordentl. Professor der
Zoologie u. vergleichenden Anatomie an
der Universität Erlangen; * Braunschweig
27. II. 1842; t München 21. 1. — BJ VII,
296 (W. Wolkenhauer); Geograph. Jahr-
.buch 26, 443 (W. Wolkenhauer, mit L);
Chronik d. Univ. München 1901/2, 17; BZ
II, 283. 12, 286 (Sitzungsberichte d. bayer.
Akad. d, Wissensch. 1902 Math.-phys. Cl.
241: C. Voit; Allgemeine Ztg. 1902 Beil.
Nr. 15: A. A. W. Hubrecht; Braun^chweig.
Magazin 8, 49: K. Blasius, mit P).
Senger, Alexander, Schauspieler (jugendl.
Helden u. Liebhaber), früher Direktor des
Stadttheaters in Bremen, Gatte d. Opem-
sängerin Senger-Bettaquc ; * 1 840 ; t Men-
tone 23. I. — Hl. Ztg. 1 18, 341 ; Eisenberg,
Großes biograph. Lexikon der Deutschen
Bühne 35, 126; Monatshefte f. Musikgesch.
35, 126 (Lüstner, mit L).
Sentrup Theodor Julius, Amtsgerichtsrat,
früher Mitglied des preuß. Abgeordneten-
hauses; f Beckum 28. III. — Vc^s. Ztg.
1902 Nr. 609 Beil. 2; Woche 4 Nr. 14
S. VII.
Serkowitz, Johann, herzogl. sächs. Kammer-
sänger a. D, ; t Dresden, 78 Jahre alt, im
März. — Monatshefte für Musikgesch. 35,
126 (Lüstner, mit L).
♦Seufter, Gustav Heinrich, Dichter; * Ulm
8. L 1835; t daselbst 24. V. — BJ VII.
157 (R. Krauß); BZ 11, 284 (Ztschr. f.
hochdeutsche Mundarten 3, 31 7 : A. Holder).
Seuffert, Hermann, Dr. für., k. preuß. Ge-
heimer Justizrat, ordentl. Professor f. Straf-
recht an d. Universität Bonn; • Ansbach
28. VIII. 1836; t Bonn 23. XI. — 111. Ztg.
*i9i 9"5 (J* N- VV., mit P). 923; Woche
4, 2250 (P); KI. 24, 1346 (W). 25,47;
Deutsche Juristenztg. 7, 570 (K. v. Lilien-
thal); Ztschr. für die gesarote Strafrechts-
wissenschaft 23, 323 {y. V. Liszt); Chro-
nik der Univ. Bonn 1902, 3 (Landsberg);
BZ 12, 287 (Allgemeine Ztg. 190^ Nr. 34:
F. Riß).
Sholny, Opernsänger am Stadttheater in
St. Gallen; f 10. (oder ii.r) X. — Voss.
Ztg. 1903 Nr. II Beil. i; Monatshefte für
Musikgesch. 35, 126 (Lüstner, mit L).
Siedamgrotzky, Otto Alexander, Dr. phil.
et med.. Geheimer Medizinalrat, Professor
an der Tierärztl. Hochschule in Dresden;
* Düben (Prov. Sachsen) 1841 ; t Wies-
baden im Juni. — 111. Ztg. 119, 25; Woche
4, 1231; Virchows Jahresberichte 37, I,
425 (Pagel); M. Güntz, Handbuch d. land-
wirtschaftl. Literatur 2, 291 (mit W); R.
Klee, Bibliothecaveterinaria (Leip/. 190O,
180 (W); BZ II, 285 (Ztschr. f. Tierme-
dizin 6, 312: G. Müller; Archiv f. wissen-
schaftl. und prakt. Tierheilkunde 28, VII :
Ellenbogen; Deutsche tierärztl. Wochen-
schrift 1902, 273: Möller, mit P; Münch-
I09
Totenliste 1902: Sicfart — Somraervogcl.
HO'
ner Medizin. Wochenschrift 1902, 461:
Köder, mit P ; Deutsche landwirtschaftliche
Presse 1902 Nr. 53: Pusch, mit P).
Siefart, Hugo, Dr. med.. Geheimer Sanitäts-
rat, Arzt in Berlin; * daselbst 3. X. 1818;
t ebenda 16. V. — Virchows Jahresbe-
richte 37, I, 425 (Pagel, mit L) u. BZ 10,
255 (Berliner Arztekorrespondenz 1902, 85:
K. Küster); Verzeichnis d. Berliner Univ.-
Schriften 18 10 — 85 (Berlin 1899) Nr. 3849.
Siegert, Julius, Kammermusiker an d. Hof-
bühne in Dresden a. D.; t daselbst 28. 111.
— Monatshefte für Musikgesch. 35, 126
(Lüstner, mit L).
^Stegmund, August Gustav, Dr. med.f Ge-
heimer Sanitätsrat, Arzt in Berlin; * Mag-
deburg 20. VII. 1820; t Berlin 14. II. —
BJ VII, 128 (Pagel).
Siemenroth, Reinhold, Direktor, Redakteur
d. »Deutschen Reichsanzeigers u. k. Preuß.
Staatsanzeigers«; + Berlin 3. II. — 111. Ztg.
118, 227; KL 24, 352. 25, 48.
Sigel, Albert, Dr. med., Professor, Chefarzt
d. k. Kinderhospitnls »Olgaheilanstalt« in
Stuttgart; • daselbst 27. 1. 1840; t ebenda
30. IX. — Virchows Jahresberichte 37, I,
425 (Pagel, mit L) u. BZ 11, 285 (Korre-
spondenzblatt d. Württemberg, .\rztl. Ver-
eins 1902,883: F.Krause, mitP); Pagel
1593 (mitP); Biograph. Lexikon der her-
vorragenden Ärzte 5, 398 (W).
Sigel, Franz, Achtundvierziger, im bad. Auf-
stand Kriegsministcr u. Mitglied d. provi-
sor. Regierung, im nordamerikan. Sezessions-
krieg General der Unionstruppen ; * Sins-
heim (Baden) 18. XI. 1824; t Neuyork
21. VIII. — 111. Ztg. 119, 313; Woche 4,
1629 (P); Leonard, Who's wo in America
1 901/2, 1033; Appleton, Cyclopediaof Ame-
rican Biography 5, 524 (mit P); BZ 11,
285 (Neue Freie Presse 1902 vom 29. Sept.
u. 19. Okt.: H. Blum).
Sigl, Johann Baptist, Dr. jur.^ Journalist,
Verleger und Redakteur d. »Bayer. Vater-
land«, früher auch Mitglied d. Deutschen
Reichstags u. d. bayer. Landtags (bayer.
Bauembund) ; • Ascholtshausen (Niedcr-
bayem) 28. III. 1839; t München 9. I. —
111.' Ztg. 1 18, 93 (mit P); Woche 4, 96 (P);
KL 23, 1344. 25,48; Kürschners Reichs-
tag 1893, 250 (mit P); BZ 10,255. 11,
285 (Das neue Jahrhundert 1902 Nr. 9;
Die Gesellschaft 1902, III, 12: K. H. Dü-
scher).
*Simar, Hubert Theophil, Z>r. M^^/,päpstl.
Hausprälat, Erzbischof v. Cöln; * Eupen
14. XII. 1835; t Cöln 24. V. — BJ VII,
292 (F. Lauchert); KL 24, 1355 (W). 25,
48; Woche 4, 995 (P); Hl. Ztg. 118, 829.
830 (A, Drussong, mit P); Schaf 1er, Hand-
lexikon der kathol. Theologie 4, 402 (mit
W u. L); Theolog. Jahresbericht 22 (1902),
1441 (Nestle); BZ 11, 285 (Das heilige
Land 1902, 105 mit P).
^Simion, Leonhardt, Verlagsbuchhändlcr in
Berlin; ♦ daselbst 2. XI. 1842; t ebenda
19. XI. — BJ VII, 115 (R. Schmidt); BZ
II, 285 (Der Arbeiterfreund 40, 365: V.
Böhmert; Börsenblatt f. d. deutschen Buch-
handel 1902 Nr. 279: Alb. Goldschmidt).
Simon, Paul, Dr.Jur., Inhaber des Musik-
verlags C. F. Kahnt in Leipzig, auch Mu-
sikschriftsteller; • Königsberg i. Pr. 25. L
'857; t I'Cipzig II. XII, — KL 24, 1356;
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 126 (Lüst-
ner, mit L).
^Skrzeczka, Karl, Dr. med., ordentl. Hono-
rarprofessor f. Staatsarzneikunde an d. Uni-
versität Berlin, bis 1898 Geheimer Obcr-
medizinalrat im preufi. Ministerium d. geistl.,
Unterrichts- u. Medizinalangelcgenheiten ;
• Königsberg i. Pr. 29. lil. 1833; f Steg-
litz b. Beriin 20. V. — BJ VII, 87 (Pagel);
Pagel 1607 (mit P); Virchows Jahresbe-
richte 37, I, 425 (Pagel, mit L) u. BZ 11,
286 (Deutsche medizinische Wochenschrift
1902, 531 mit P; Vierteljahrsschrift f. ge-
richtl. Medizin 24, 178; Ztschr. f. Medizi-
nalbeamte 15,412); Chronik d. Universität
Berlin 1902, 7.
Slowak, Kari, ehemal. Opernsänger; * Ol-
mütz 1844; t Großenhain i. S. 18. VII. —
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 126 (Lüst-
ner, mit L).
Soldan, Gustav, Dr. phil., ordentl. Professor
f. roman. Philologie an d. Universität Ba-
sel; * Lausanne (von deutschen Eltern)
21. VIII. 1848; t Basel 21. XIL — Woche
4, 8 ; Gubematis Diciionnaire international
des ecrivains de j'our 3, 484.
Sommer, Ferdinand Bernhard Wilhelm,
Dr. med., k. preuß. Geheimer Medizinal-
rat, früher ordentl. Professor d. Anatomie
u. Direktor d. Anatom. Instituts an d. Uni-
versität Greifswald; * Bergen auf Rügen
25. V. 1829; t Greifswald 12. VI. — 111.
Ztg. 118, 976; Leopoldina 38, 102; Vir-
chows Jahresberichte 37, I, 425 (Pagel);
Pagel 161 8 (mit L); Biograph. Lexikon d.
hervorragenden Ärzte 5, 464 (mit L); BZ
II, 287 (Anatom. Anzeiger 1902, 494: E.
Ballowitz).
Sommer, Richard Hermann Ernst, Dr. med.,
Oberstabsarzt in Potsdam; * Bartenstein
(Ostpr.) 25. IX. 1851; t »6. XII. — Vir-
chows Jahresberichte 37, 1. 425 (Pagel, mit
L) u. BZ 12, 289 (Deutsche militärärztl.
Ztschr. 32, 49).
*Sommervogel, Carlos, Mitglied d. Gesell-
schaft Jesu, Bibliograph; * Straßburg i. E.
III
Totenliste 1902: Soring — Stem.
112*
8. I. 1834; t Paris 4. V. -- BJ VII, 290
(F. Lauchert).
Soring, Anna, verehelichte Eisler, Konzert-
sängerin: s. Eisler.
Sotier, Alfred, Dr, mcd,^ k. bayer. Hof- u.
Medizinalrat in Kissingen; f daselbst 20.
XI. — Virchows Jahresberichte 37, I, 425
(Pagel, mit L); Woche 4, 2204.
Spener, Karl, k. preuß. Geheimer Oberjustiz-
rat, früher Rat am Kammergericht in Ber-
lin; t, 80 Jahre alt, 19. IV. — Voss. Ztg.
1903 Nr. 3 Beil. i.
Spennrath, Joseph, Chemiker, Mitbegfründer
u. Leiter d. k. Baugewerkschule in Aachen;
t daselbst, 50 Jahre alt, 6. IV. — 111. Ztg.
118, 585.
Speyer, Georg, Chef d. Bankhauses Speyer &
Ellissen in Frankfurt a. M.; f daselbst, im
68. J., 24. IV. — 111. Ztg. 118, 702.
Spindler, Karl, Geheimer Koromerzienrat,
Chef d. Färberei W. Spindler in Berlin u.
in Spindlersfeld b. Köpenick ; f Spindlers-
feld, im 61. Jahre, 18. X. — 111. Ztg. 119,
643; Woche 4, 1981; BZ II, 289 (Der
Arbeiterfreund 40, 371 : V. Böhmert; Gar-
tenflora 1902, 618: li. Wittmack, mit P;
Volkswohl 1902 Nr. 46).
Spiro, Jean Markus, genannt Felix, Schau-
spieler: s. Felix, Jean.
Sputa, Max, k. preuß. Geheimer Oberbaurat,
vortragender Rat im preuß. Kultusministe-
rium, Architekt; • Lissa (Provinz Posen)
1842; t Berlin 13. XII. — 111. Ztg. 120,
36; Deutsche Bauztg. 36, 648; BZ 11,
290 (Zentralblatt der Bauverwaltung 1902
Nr. 10 1).
Spitzmüller, Julius, Dr. med.^ prakt. Arzt in
Wien; * daselbst 1834; t ebenda 11. XI.
— Virchows Jahresberichte 37, I, 425 (Pa-
gel, mit L: Wiener klin. Wochenschrift
1902, 259: Bergmeister; eic.\
Spohr, Gustav, k. Kammermusiker, Wald-
homist; • Hötensleben (Thüringen) 2. II.
1842; t Christiania im Juni. — Monats-
hefte f. Musikgesch. 35, 1 26 (Lüstner, mitL).
Stade, Friedrich Wilhelm, Dr, phiL, her-
zogl. Hof kapellmeister in Altenburg i. S.,
früher Universitätsmusikdirektor in Jena,
Organist u. Kirchenkomponist; * Halle a.S.
25. VIII. 1817; t Altenburg i. S. 24. IIL
— 111. Ztg. 119, 509; Woche 4, 640 (P);
Kiemann 5 1078; Mendel-Reißmann, Musi-
kal. Konv.-Lexikon 9. 391 (mit W); Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 126 (Lüstner,
mit L).
*Stahl, Ignaz, Dr. iheol,, Geistl. Rat, Hono-
rarprofessor d. Theologie an d. Universität
Würzburg; * Stadtprozelten (Bavem) 30.
IX. 1837; t Würzburg 31. III. — BJ VII,
267 (F. Lauchert).
Stahlschmidt, Johann Karl Friedrich, Dr.
phil., Professor für techn. Chemie an der
Techn. Hochschule in Aachen; • Pletten-
berg (Westfalen) 4. XII. 1 83 1 ; f Aachen
6. IX. — Leopoldina 38, 109. 39, 46;
Poggendorff 2, 981 (W); BZ 11, 291 (Che-
mikerztg. 1902, 681; Ztschr. f. angewandte
Chemie 24, 977 mit P).
Stamm, Luise, verehel. Braun, Schriftstellerin :
s. Braun, Luise.
Staniek, Paul, Maler in Düsseldorf; f d^*
selbst im Oktober. — Jahrbuch d. bilden-
den Kunst 2, 109.
Starke, ehemaliger Oberstaatsanwalt; t Kiel
25. V. — Woche 4, 991.
^Stauber, Karl, Maler u. Zeichner; * Am-
berg 3. XI. 181 5; f München 24. XL —
BJ VII, 193 (H. Holland); Das geistige
Deutschland i, 670 (Autobiographisches).
Staudinger, Julius Ritter v., Dr. jur., k.
bayer. Geheimer Rat, früher Senatspräsi-
dent am Oberlandesgericht in München,
Jurist. Schriftsteller; • Schwabach 28. I.
1836; t München i. I. -— KL 24, 1381
(W). 25, 48; Deutsche Juristenztg. 7, 90
(W. Henle); Blätter für Rechtsanwendung
1902, 61.
Stehling, Konrad Adam, Violinist, Professor
an Royal Academy 0/ Music in London ;
• Marburg i. H. 8. IX. 1822; f London 9.
II. — Monatshefte f. Musikgesch. 35, 126
(Lüstner, mit L).
Stein, Karl, Professor, Musikdirektor u. Or-
ganist an der Stadtkirche in Wittenberg,
Gesanglehreram Gymnasium daselbst, Kom-
ponist; • Niemegk (Prov. Sachsen) 25. X.
1824; t Wittenberg 4. XL — Woche 4,
2116; Monatshefte f. Musikgesch. 35, 126
(Lüstner, mit L); Mendel-Reißmann, Musi-
kal. Konv.-Lexikon 9, 417 (mit W).
Steinbock, Rudolf, Maler in Berlin; f da-
selbst 17. VI. — Jahrbuch der bildenden
Kunst 2, 109.
Steindl, Emerich (Imre), ordentl. Professor
am k. Joseph-Polytechnikum in Budapest,
Architekt; • daselbst 28. X. 1839; t ebenda
31. VIII. — 111. Ztg. 119, 385; Woche 4,
1720 (P); Jahrbuch d. bildenden Kunst 2,
109; Deutsche Bauztg. 36, 502; Wurzbach,
Biograph. Lexikon des Kaisert. Österreich
38, 62; Müller-Singer, Allgemeines Künst-
lerlexikon 3 4, 334.
Steppuhn, kaiscrl. deutscher Konsul in Baku ;
■j" daselbst 12. III. — Woche 4 Nr. 12
S. VI.
•Stem, Joseph, Dr. phil., Chefredakteur d.
»Frankfurter Ztg.«, früher auch Mitglied
d. Deutschen Reichstags (Demokrat), Publi-
zist und Politiker; * Soest 11. III. 1839;
t Frankfurt a. M. 16. XIL — BJ VII, 312
113'
Totenliste 1902: Stern — Supan.
114*
(S. Schott); KL 24, 1399. 25,48; 111. Ztg.
119, 991.
*Stcm, Jobann Wilhelm, Direktor d. Steno-
graphenbureaus des Reichsrats zu Wien;
♦ Harlingerode (Harz) 22. IX. 1829; f Klo-
stemeuburg 7. VI. — BJ VII, 241 (R-
Fuchs).
Sterzel, Kantor u. Vereinsdirigent, in Leisnig
i. S.; t 26. III. — Monatshefte f. Musik-
gesch. 35, 126 (Lüstner, mit L).
^Steyrer, Clemens, Advokat und Rechtsan-
walt in München, Schriftsteller u. Dichter;
* daselbst 12. XI. 1834; f ebenda 14. III.
— BJ VII, 193 (H. Holland).
^StiefeUiagen, Ferdinand, Dr, iheol. et phü,,
Domkapitular in Cöln, klass. Philolog u.
Kirchenhistoriker; *Marialindcn (Kreis Mül-
heim a. R.) 22. II. 1822; t Cöln 2. XII.
— BJ VII, 349 (F. Lauchert); Kciter-Jörg,
Kathol. Literaturkalender 6, 312 (mit W).
^Stöckli, Augustin, Zisterzienser, Abt von
Mehrerau b. Bregenz; * auf dem Gygehofe
b. Ruswyl (Kanton Luzem) 22. XI. 1857;
t 23. 24. IX. — BJ VII, 308 (F. Lauchert).
Storck, Josef Ritter v., k. k. Hofrat, vormal.
Direktor d. Kunstgewerbcschule d. Öster-
reich. Museums f. Kunst u. Industrie, aus-
übender Künstler (als Architekt und auf
kunstgewerblichem Gebiete) u. bedeutender
Lehrer; * Wien 22. IV. 1830; f daselbst
27. III. — 111. Ztg. 118, 509; Jahrbuch d.
bildenden Kunst 2, 109; Deutsche Bauztg.
36, 472; \Vurzbach, Biograph. Lexikon d.
Kaisert. Österreich 39, 197 (mit W u. L);
BZ 10, 264. II, 294 (Österreich. Wochen-
schrift f. d. öffentl. Baudienst 1902 Heft 17;
Zentral blatt f. d. gewerbl. L'nterrichtswesen
in Österreich 1902, 439).
Stosch, Frau v., Witwe d. Marineministers
Albrecht v. St.; f Oestrich (Rheingau),
80 Jahre alt, 26. VII. — Woche 4, 1431.
Strakosch, Ferdinand, Impresario, zeitweise
Leiter d. Pergolatheaters in Florenz ; f Paris
4. VIII. — Voss. Ztg. 1903 Nr. II Beil. 2;
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 126 (Lüst-
ner, mit L).
Stransky Edler von Dresdenberg, Franz,
k. k. Feldmarschalleutnant ; * Brunn 18. X.
1831 : t Mödling b. Wien 12. X. — Woche
4. 1937; Wurzbach, Biograph. Lexikon d.
Kaisert. Österreich 39, 249.
Strafimann, Heinrich, Oberlehrer in Berlin,
Mathematiker; f Todtmoos (Schwarzwald)
9. XI. — Jahresbericht der Deutschen
Mathematiker- Vereinigung 12, 69.
Streckert, Wilhelm, k. preuß. Wirkl. Ge-
heimer Oberbaurat, vortragender Rat im
Keichseisenbahnamt, ordentl. Mitglied der
preuß. Akademie d. Bauwesens, Bearbeiter
sämtlicher für die deutschen Eisenbahnen
erlassenen Reglements, d. Betriebsordnun-
gen, langjähr. i. Vorsitzender d. Vereins f.
Eisenbahnkunde; * Kassel 22. XI. 1830;
t Berlin 13. IV. — 111. Ztg. 118, 623; Voss.
Ztg. 1902 Nr. 605 Beil. 8; Deutsche Bau-
ztg. 34, 592. 36, 208; BZ 10, 264 (Zen-
tralblatt der Bauverwaltung 1902 Nr. 31,
mit P).
Streit, Karl, Ökonomierat, Vorstand d. land-
wirtschaftlichen Bezirksvereins Kissingen u.
Münnerstadt, Pächter des Bades Kissingen
(in welchem Fürst Bismarck während seiner
Kuren wohnte), Altertumssammler; f ^is"
singen 12. II. — 111. Ztg. 118, 315.
Stromayer, Max, langjähr. Bürgermeister v.
Konstanz; f daselbst 17. III. — 111. Ztg.
118, 470.
^Struck, Johann Heinrich, Dr, med., Ge-
neralarzt I. Kl. a la suiU d. preuß. Sani-
tätskorps, kaiserl. Geheimer Oberregierungs-
rat, 1876 — 84 Direktor d. Reichsgesund-
heitsamtes; * Borgloh (nicht Bergloh) in
Hannover 1825; f Blankenburg am Harz
7. XII. — BJ VII, 130 (Pagel); 111. Ztg.
1 1 9, 968 ; Deutsche Medizin. Wochenschrift
1903, 24: Köhler; BZ 13, 289 (Grenzboten
1903 Nr. 32: W\ Gittermann).
Studer, J. S., Dr. med,, Arzt in-Kirchberg
(Kanton Bern); * Kappel b. Ölten 19. III.
1848; f II. II. — Virchows Jahresberichte
37, I, 426 (Pagel, mit L) u. BZ 10, 265
(Korrespondenzblatt für Schweizer Arzte
1902, 283).
Stürmer, Heinrich, Ehrenmitglied d. Stadt-
theaters in Leipzig, Sänger (Baritonist),
später Schauspieler (Väter, Charakterrollen) ;
* Berlin 29. IV. 181 1 ; t Leipzig 9. VI. —
Woche 4, 1090 (P); Monatshefte f. Musik-
gesch. 35, 126 (Lüstner, mit L); Eisenberg,
Großes Biograph. Lexikon der Deutschen
Bühne 1017.
Stürtz, Ludwig, Genremaler in München;
* Darmstadt 20. I. 1843; t Marquartstein
bei Traunstein 20. VII. — 111. Ztg. 119,
195; Müller-Singer, Allgemeines Künstler-
lexikon 3 4, 362; Jahrbuch der bildenden
Kunst 2, 109.
Sulkowska, Angela Prinzessin, Gemahlin
d. Prinzen Alexander Sulkowski von der
Linie Reisen (b. Lissa, Prov. Posen), geb.
Gräfin von Mycielin-Mycielski ; * Smogor-
zewo 20. VII. 1869; t Gatowo (Kreis Sam-
ter) I. III. — Goth. Hofkalender 1904, 436.
Supan, Joseph, Dr.jur., Direktor d. krain.
Sparkasse, Mitglied d, Österreich. Reichs-
gerichts u. d. Abgeordnetenhauses d. Öster-
reich. Reichsrats, Führer d. Deutschen in
Krain; * in Tirol; f Laibach 5. VII. — III.
Ztg. 119, 51; Wurzbach, Biograph. Lexi-
kon d. Kaisert. Österreich 40, 329.
115*
Totenliste 1902: Suttner — Thoms.
m6*
Suttner, Arthur Gundaccar Freih. v., Ro-
manschriftsteller u. Ethnograph, Gemahl d.
Schriftstellerin Bertha Freifrau v. Suttner,
geb. Gräfin Kinsky; • Wien 21. II. 1850;
t Schloß Harmansdorf b. Eggenburg (Nie-
derösterreich) 10. XII. — KL 24, 1427
(W). 25,48; Freiherrl. Taschenbuch 1903,
786. 1904, 901 ; Rheinhardt, Biographien
d. Wiener Künstler u. Schriftsteller i, 488
(mit W); BZ 12, 300 (Friedensblätter 1903
Nr. 7); 111. Ztg. 119, 964 (L. Salomon, mit
P); Woche 4, 2580 (P); Brummer 5 4, 181
(mit W). 471.
Svitil, Johann, k. k. Oberbaurat u. Vorstand
d. Baudepartements der k. k. Regierung in
Krain ; f Laibach, 60 Jahre alt, 6. IV. —
111. Ztg. 118, 585.
Svoboda, Ad albert Viktor, Dr. phil.t Pro-
fessor a. D. in München, Musik- u. Kunst-
kritiker, Philosoph und Kulturhistoriker;
•Prag 26. I. 1828; t München 19. V. —
KI^ 23, 1427 (W). 25, 48; Hinrichsen, D.
literar. Deutschland* 1294 (mit W); 111.
Ztg. 118, 829; Wurzbach, Biograph. Lexi-
kon d. Kaisert. Österreich 41, 82; BZ 10,
266. II, 297. 12, 300 (Deutsche Thalia i,
1902: Winds; Heimgarten ;26, 772: P.
Rosegger; Nord u. Süd 1903 Mai 202: O.
Wilda).
Swoboda, Eduard, Professor, Maler; * Wien
14. XI. 18 14; f Hellstadt im Sommer. —
Jahrbuch der bildenden Kunst 2, 109;
Müller-Singer, Allgemeines KUnstlerlexi-
kon3 4, 371 ; W^urzbach, Biograph. Lexikon
des Kaisertum Österreich 41, 61 (mit W);
Rheinhardt, Biographien d. Wiener Künst-
ler u. Schriftsteller i, 114.
Sybel, Alexander v., früher kaiserl. Ministe-
rialrat in Elsaß-Lothringen, dann eine Zeit-
lang Leiter d. »Bad. Landesztg.« in Karls-
ruhe, auch Mitglied des Norddeutschen
Reichstags, Bruder d. Historikers Heinrich
V. S.; t Karlsruhe 22. III. — 111. Ztg. 118,
509; Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins
57 ('903)1 389 (Frankhauser, L: Bad.
Presse 1902 Nr. 71).
Szeps, Moriz, Journalist, Gründer d. »Wiener
Neuen Tagblatt« und später des »Wiener
Tagblatt«; * Busk (Ostgalizien) 4. XI.
1834; f Wien 9. VIII. — Woche 4, 1534;
Rheinhardt, Biographien Wiener Künstler
u. Schriftsteller 485; Wurzbach, Biograph.
Lexikon d. Kaisertum Österreich 42, 117
(mit W u. L).
Tändler, August Robert, Dr. Jur., Reichs-
gerichtsrat in Leipzig; * Ebenheit b. Pirna
30. IV . 1850; t I'Cipzig 21. III. — 111. Ztg.
118, 470.
Tanner, Anton, k. sächs. Kommission.srat,
Ehrenpräsident des sächs. Militärvereins-
bundes, um dessen Entwicklung verdient;
f Dresden 20. III. — 111. Ztg. 118, 470.
Tapp einer, Frsuiz v., Dr, med,, Kurarzt in
Meran, Bakteriolog, Anthropolog und Bo-
taniker; • Laas (Vintschgau) 7. I. 1816;
t Schloß Reichenbach in Obermais b. Me-
ran 20. VII l. — 111. Ztg. 119, 313; Mtin-
chener Medizin. VV^ochenschrift 1902, 1657
(R. Hausmann); Geographen-Kalender i,
234 (H. Haack); BZ 13, 292 (Ztschr. des
Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg
3. Folge Heft 47, 315: v. Wieser).
Tempsky, Karl Friedrich Rudolph, Ver-
lagsbuchhändler in Prag, früher Mitglied
d. böhm. Landtags (deutsch-fortschrittl.) ,
auch Botaniker; * Prag 18. II. 1821; f ^t.
Wolfgang 23. VII. — 111. Ztg. 119, 159;
KI* 25, 48; Wurzbach, Biograph. Lexikon
d. Kaisert. Österreich 42, 274.
Tezner, Ferdinand, Arzt in Prag; t, 49 Jahre
alt, 23. V. — Virchows Jahresberichte 37,
1, 426 (Pagel, mit L: Prager Medizinische
Wochenschrift 1902 Nr. 22).
Theer, Albert, Porträtmaler in Wien; * Jo-
hannisberg (Osterreich.-Schlesien) 15, X.
181 5; t Wien 30. VIII. — Woche 4, 1670;
Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 109; Rhein-
hardt, Biographien Wiener Künstler und
Schriftsteller i, 116; Wurzbach, Biograph.
Lexikon d. Kaisertum Österreich 44, 196
(mit W).
Thews, Friedrich August, Pfarramtsverweser
in Usdau; * Willenberg 20. I. 1874; t Us-
dau 26. II. — Altpreuß. Monatsschrift 40,
475 (Rindfleisch, L: Evangel. («emeinde-
biatt 57, 1902, 66).
Thewalt, Karl Ferdinand, rhein. Kunstfreund,
Besitzer bedeutender Sammlungen ; * Aachen
J833; tCöln I. VIII. — 111. Ztg. 119, 243.
Thiele, Oberbürgermeister von Schweidnitz;
t 5. II. — Voss. Ztg. 1903 Nr. I Beil. 8.
Thieme, Professor, Zeicheninspektor am k.
Lehrerseminar in Dresden; f i'^ Sept. —
Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, 109.
Thoemmel, Gustav Freih. v., k. u. k. Ge-
heimer Rat und Feldzeugmeister, aufier-
ordentl. Gesandter u. bevollmächtigter Mi-
nister a. D. ; * Tyrnau (Ungarn) 7. III.
1831; t Peuma b. Görz 8. VIII.— Frei-
herrl. Taschenbuch 1903, 803; BZ 11, 302
(Militärztg. 1902 Nr. 29). .
Thomas, Adolf, Stadtdechant u. Ehrendom-
herr in Cöln; t daselbst, 87 Jahre alt,
31. VIII. — Woche 4, 1670.
Thoms, George, Dr. oec.^ Professor d. Agri-
kulturchemie u. Tierchemie an der Poly-
techn. Schule in Riga, Vorstand d. land-
wirtschaftl.-chem. Versuchs- u. Samcnkon-
trollstation daselbst; * Riga 12. II. (a. St.)
1843; f ebenda 15. XI. (a. St.). — Leo-
117*
Totenliste 1902: Thomschke — Trütrschler zum Falkenstein.
118^
poldina 38, 120. 39,47; Woche 5,9o(P);
Poggendorff 4, 1494 (mit W); BZ 12, 305
(Die landwirtschaftl. Versuchsstationen 58,
315: Schindler).
Thomschke, Bernhard, Opernsänger am
Stadttheater in St. Gallen; * Dippoldis-
walde 21. VIII. 1876; f St. Gallen 9. X.
— Monatshefte für Musikgcsch. 35, 127
(LUstner, mit L).
Thöny, Christian, Bildhauer in München;
t daselbst 27. III. — Jahrbuch d. bilden-
den Kunst 2, 109.
Thun und Hohenstein, Leopoldine Ka-
roline Emestine Gräfin v., geborene Gräfin
V. Lamberg, Herrin auf Kwassitz u. Mor-
kowitz (Mähren), k. u. k. Palastdame und
Stemkreuzordensdame, \Vit\i'e d. Friedrich
Grafen v. Th. u. H., Mutter des früheren
Österreich. Ministerpräsidenten Franz Grafen
V. Th. u. H.; ♦ Brunn 9. IV. 1825; t Prag
10. IV. — Gräfl. Taschenbuch 1903, 466.
891; HI. Ztg. 118, 623.
Tietz, Walter, langj. deutscher Konsul in
Bordeaux; f daselbst 14. (oder 15.?) II. —
111. Ztg. 1 18, 272 ; Woche 4 Nr. 8 S. VII.
TiUmann, Joseph, Dr, phil., Professor, früher
Oberstudiendirektor der preufi. Hauptka-
dettenanstalt: t '9' VII. — Voss. Ztg. 1903
Xr. 3 Beil. i.
Tillmetz, Louis, ehemals i. Baritonist an d.
kom. Oper in Wien; f daselbst im Juli.
— Monatshefte für Musikgesch. 35, 127
(LUstner, mit L).
Tollin, Henri Wilhelm Nathanael, Lic.
theoLt Dr. med. honoris causa, Prediger
der französ.-reform. Gemeinde in Magde-
burg, Kirchenhistoriker, auch Physiolog u.
Patholog; ♦ Berlin 5. V. 1833; f Magde-
burg II. V. — KL 24, 1450 (W). 25, 48;
111. Ztg. 118, 777; Schaff-Jackson, Ency-
clopedia 0/ living divines 218 (mit W);
Theolog. Jahresbericht 22 (1902), 1441
(Nestle, mit L); Biograph. Lexikon her-
vorragender Ärzt^ 6, 1022 (mit W); Vir-
chows Jahresberichte 37, I, 426 (Pagel);
BZ II, 304 (Reform. Kirchenztg. 1902 Nr.
48 u. 49: Brandes).
Török, Guido v., Dr. med., Leiter des So-
phienspitals in Wien u. Dozent an d. Uni-
versität daselbst, Chirurg; * Bukarest 1850;
t Wien circa 20. V. — Voss. Ztg. 1903
Nr. 5 Beil. 10; Leopoldina 38, 82; Vir-
chows Jahresberichte 37, I, 426 (Pagel,
mit L) u. BZ 10, 273 (Wiener klin. Wochen-
schrift 1902, 563.
Trautenberger, Gustav, Dr. phiL, Lic. theol.,
1854 — 99 deutsch-evangelischer Pfarrer in
Brunn, Ehrenbürger dieser Stadt, Kirchen-
u. Lokal historiker; * Ruzenraoos 30. VII.
1836; t Brunn 25. VI. — KL 24, 1455
(W). 25, 48; Theolog. Jahresbericht 22
(1902), 1442 (Nestle, mit L); BZ 11, 305
(Jahrbuch d. Gesellschaft f. d. Geschichte
d. Protestantismus in Österreich 23, 145:
CA. Witz-Oberlin; Evangel. Kirchenztg.
f. Österreich 1902, 211).
^Trautmann, Moritz B'erdinand, Dr. med.^
Geheimer Medizinalrat, außerordcntl. Pro-
fessor für Ohrenheilkunde u. Direktor der
Klinik f. Ohrenkrankheiten an d. Univer-
sität Berlin, Generalarzt a. D. ; * Wittenberg
20. III. 1833; t Beriin 4. V. — BJ VII,
97 (Pagel)» Chronik d. Universität Berlin
1902, 7; KL 24, 1455. 25, 48; Pagel 1724
(mit P u. W); Biograph. Lexikon hervor-
ragender Ärzte 5, 715 (W); Leopoldina
38, 82; Virchows Jahresberichte 37, I, 426
(Pagel, mit L) und BZ 10, 273. 11, 305
(Ztschr. f. Ohrenheilkunde 41, 195: Hart-
mann; Berliner klin. Wochenschrift 1902,
691: Rieh. Müller; Berliner klin. Wochen-
schrift 1902 Nr. 69: Schaper; Archiv für
Ohrenheilkunde 55, 306: Schwartze; Deut-
sche militärärztl. Ztschr. 31, 265 etc).
Trautschold, Hermann v., Dr.phil.etminer.,
kaiserl. russ. VVirkl. Staatsrat, früher Pro-
fessor d. Mineralogie u. Geologie an der
Akademie Pctrovsky in Moskau; * Berlin
17. IX. 181 7; f Karlsruhe 24. X. — Leo-
poldina 38, 120; Poggendorff 2, 1126. 3,
1363. 4, 1521 (W); BZ 12, 308 (L).
Treuber, Oskar, Dr.phü., Gymnasialdirektor
in Tubingen, klass. Philolog u. Historiker;
♦ Nordheim 18. I. 1847; f Tübingen 14. III.
— KL 24, I4S7 (W). 25, 48; 111. Ztg. 118.
470; Württemberg. Jahrbücher f. Statistik
u. Landeskunde 1902, III (Hartmann, L:
Staatsanzeiger 1902, 495; Schwab. Kronik
1902 Nr. 122 u. 126).
Tritten, eidgenössischer Major, Redakteur d.
»Schweizer. Schützenztg.«, Mitglied u. Se-
kretär des Zentralvorstandes d. Schweizer.
Schützenvereins, Vorsteher d. Arbeitsamts
der Stadt Bern; f daselbst, 56 Jahre alt,
10. XI. — 111. Ztg. 119, 781.
Triibswasser, Josef, Bürgerschullehrer in
Iglau, deutsch. -mähr. Dichter und Schrift-
steller; ♦ Brunn 3. IV. 1867; t daselbst 4. VI.
— KL 24, 1460 (W). 25, 48; Woche 4,
1090; Voss. Ztg. 1903 Nr. 7 Beil. 2; Brüm-
mer5 4, 482 (mit W); BZ 11, 306 (Neue
Bahnen 1902, 448: E. v. Filek, mit P).
Triitzschler zum Falkenstein, Kurt Wili-
bald v., k. Sachs. Oberleutnant im Feld-
artillerieregiment Nr. 77, Komponist von
Liedern u. Instrumentalwerken; * Dresden
1 1. V. 1869; t Halle a. S. 27. VIIL — Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 127 (Lüstner,
mit L); Goth. Genealog. Taschenbuch der
Adeligen Häuser 1903, 857.
Ilp
Totenliste 1902: Tuchmann — Voigt.
120*
Tuchmann, Maro, Arzt in London, Blasen-
spezialist, früher in Paris; * in Nürnberg;
t London im November. — Virchows
Jahresberichte 37, I, 427 (Pagel, mit L:
Deutsche Medizin. Wochenschrift 1902,
85»)-
^Turba, Marie Sidonie, Schauspielerin u.
Sängerin in Kassel; f daselbst, 79 Jahre
alt, 23. VI. — BJ VII, 239 (Ph. Losch);
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 127 (Lüst-
ner, mit L).
Uechtritz und Steinkirch, Karl Oswald
Konstantin v., k. preuß. Geheimer Justizrat
u. Kammergerichtsrat in Berlin, 1882 — 84
Mitglied d. deutschen Reichstags u. preufi.
Abgeordnetenhauses (konservativ) ; * Siegda
26. III. 1824; t Berlin 6. III. — 111. Ztg.
118, 391; Goth. Genealog. Taschenbuch d.
Adel. Häuser 1904, 854; Schoenfeld, No-
tizbuch f. Reichstags wähl er 5, 117; BZ 12,
312 (Jahresbericht der schles. Gesellschaft
f. Vaterland. Kultur 80 Nekrolog 29).
Ulffers, Moritz, Maler in Düsseldorf; * Ham-
burg 1819; t Düsseldorf 16. III. — Jahr-
buch d. bildenden Kunst 2, iio.
Umlauf, Karl J. F., Zithervirtuos u. Kompo-
nist in Wien; * Baden b. Wien 19. IX.
1824; t W'^ien 14. II. — Monatshefte für
Musikgeschichte 35, 127 (Lüstner, mit L);
Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaisert,
Österreich 49, 24.
Unger, Heinrich, ehemal. Kammermusiker in
MeiniDgen; * Prag 1832; f in Meiningen.
— Monatshefte für Musikgesch. 35, 127
(Lüstner, mit L).
Unruh, Ludwig Heinrich Friedrich Moritz
Johann Wilhelm Graf v., k. preuß. Wirkl.
Geheimer Oberregicrungsrat, Exzellenz, bis
1901 Direktor im preuß. Ministerium der
Königlichen Haukes; * 19. XI. 1833;
t Groß-Lichterfelde b. Berlin 31. XII. —
Gräß. Taschenbuch 1905, 916.
Unterlugauer, Joseph, Dr, med., früher Lan-
dessanitätsrat und Landessanitätsreferent in
Bosnien u. Herzegowina, Schöpfer d. Landes-
spitals in Serajewo; * Rudolfswert (Krain)
1841; t Graz 12. IX. — 111. Ztg. 119,471;
Virchows Jahresberichte 37, I, 427 (Pagel,
mitL: Allgemeine Medizinalztg. 1902 Nr.
77).
Urban, W. (Pseudon.), Schriftstellerin: s.
Braun, Luise.
"^Vahlkampf, Eugen v., k. preuß. General-
leutnant z. D.; * Mainz 16. II. 1840; f Mül-
verstedt b. Langensalza 10. II. — BJ VII,
HO (Lorenzen).
Vambüler, Henriette v., Witwe d. ehemal.
Württemberg. Ministers; f Hemmingen 21.
V. — Woche 4, 991.
Velde, Wilhelm, Dr. phü., Professor, Re-
gierungs- und Gewerbeschulrat in Berlin,
ständiger Hilfsarbeiter im preuß. Handels-
ministerium als gewerbeschultechn. Sach-
verständiger; t 28. II. — Voss. Ztg. 1903
Nr. 5 Beil. 10; BZ 10, 279 (Die deutsche
Fortbildungsschule 1902, iii: H. Otto).
Veiten, Egon (Pseudon.), Schriftsteller: s.
Peterson, Luise.
Veiten, Erna (Pseudon.), Schriftstellerin: s.
Peterson, Luise.
Verheyen, bekannter deutscher Radfahrer;
f Fontainebleau, durch Sturz aus d. Auto-
mobil, 20. V. — Woche 4. 938.
Vetterlein, Karl Feodoroviö, kaiserl. russ.
Wirkl. Staatsrat, Vizedirektor der Kaiserl.
Offentl. Bibliothek in St. Petersburg, auch
Lektor d. deutschen Sprache an d. Militär-
Juristischen Alexander- Akademie daselbst:
t ebenda, 66 Jahre alt, Ende Juni. — 111.
Ztg. 119, 51.
Vierthaler, Rudolf, Buchdruckereibesitzer in
Bernburg, Verleger d. »Anhalter Kuriersc;
t Halberstadt 8. II. — 111. Ztg. 118, 417;
KL 25, 48.
•Vilmar, Wilhelm Immanuel, kurhess. reni-
tenter Pfarrer u. Schulvorsteher; * Roten-
burg i. H. 9. V. 1840; t Melsungen 12. IV.
— BJ VII, 238 (Ph. Losch).
Vilovo» Johann Ritter Stefano vic v., k. k.
Major a. D., Schriftsteller auf hydograph.
Gebiete; * 1821; f Wien 24. III. — Leo-
poldina 38. 82; Geographen-Kalender i.
234 (H. Haack).
*Virchow, Rudolf Ludwig Karl, Dr. med.,
k. preuß. Geheimer Medizinalrat, ordentl.
Professor der Anatomie u. Pathologie und
Direktor d. patholog. Instituts an d. Uni-
versität Berlin ; * Schivelbein in Pommern
13. X. 1821; t Berlin 5. IX. — BJ VII,
352 (v. Hansemann, mit P); Archiv f. pa-
tholog. Anatomie 167, i. 170, i (W. de
Gruyter und O. Israel, mit P); Virchows
Jahresberichte 37, I, 427 (Pagel, mit L u.
P) etc.
Vix, Ernst, Dr. med., großhgl. hess. Ober-
medizinalrat u. kaiserl. deutscher Regierungs-
und Medizinalrat, Vorkämpfer f. Feuerbe-
stattung, Herausgeber d. Ztschr. »Phönix« ;
♦ Gießen 1834; f Darmstadt 19. I. — 111.
Ztg. 118, 157; Pagel 1774; Biographisches
Lexikon hervorragender Ärzte 6, 132; BZ
11,316 (Phönix 1902,65 mit P).
Vogel, Lorenz, Maler in München; * Göp-
pingen 1846; t München 9. Xl. — Jahr-
buch d. bildenden Kunst 2, 109; Müller-
Singer, Allgemeines Künstlerlexikon 3 5, 28.
♦Voigt, Ernst, Dr. phü., Professor, städt.
Schulrat in Berlin, früher Direktor des
Friedrich-Gymnasiums daselbst, Schulmann
u. Germanist; ♦ Magdeburg 22. VI. 1843;
121*
Totenliste 1902: Voigtel — Weber.
122
t Berlin 5. XII. — BJ VII, 105 (P. Gold-
schmidt).
Voigtel, Karl Eduard Richard, k. preuß.
Geheimer Regierungsrat, Dombaumeister
zu Cöln, Architekt; • Magdeburg 31. V.
1829; t Cöln 28. IX. — 111. Ztg. 119, 497;
Jahrbuch d. bildenden Kunst 2, iio; Deut-
sche Bauztg. 36, 534; Müller-Singer, All-
gemeines Künstlerlexikon 3 5, 29; BZ 11,
317 (Zentralblatt d. Bauverwaltung 1902
Nr. 80: Heimann, mit P).
*Voigts-Rhetz, William v., k. preuß. General
d. Infanterie z. D.; * Höxter 9. IV. 18 13;
t Montreux 2. VI. — BJ VII, 102 (Loren-
zen); Woche 4, 1098 (P); BZ 11, 317
(Militärztg. 1902 Nr. 23).
Vondörfer, S., Dr, med,, k. k. Regierungs-
rat, Stadt- und emeritierter Bahnarzt zu
Deutschbrod in Böhmen; f 23. V. — Vir-
chows Jahresberichte 37, 1, 428 (Pagel, mit
L: Prager Medizin. Wochenschrift 1902
Nr. 22).
Wachtel, Johanette, Witwe des Kammersän«
gers Theodor Wachtel; f Berlin, 64 Jahre
alt, 15. X. — Woche 4, 198 1.
♦Wächter, Oskar Eberhard Siegfried, Dr,
Jur,, Politiker u. Schriftsteller; • Tübingen
29. IV. 1825; t Stuttgart 15. VI. — BJ
VII, 94 (R. Krauß).
Wackemagel, Emanuel, Verleger d. »Basler
Nachrichten«; ♦Basel 19. VIII. 1846; f da-
selbst 23. II. — 111. Ztg. 1 18, 341 ; KL 24,
1498. 25, 48.
Wackwitz, Franz, Direktor d. fUrstl. The-
aters in Sondershausen; f daselbst 23. XI.
— Voss. Ztg. 1903 Nr. II Beil. 2; Monats-
hefte für Musikgesch. 35, 127 (LOstner,
mit L).
Waibler, Fritz, Maler u. Illustrator, langjähr.
Leiter der Artist. Anstalt der Leipziger
»lllustr. Ztg.«; f Leipzig, im 75. Jahre,
21. IV. — 111. Ztg. 118, 623.
Wagner von Wetterstaedt, pers. General,
liervorragender Artillerist, früher Österreich.
Offizier; ♦ Hermannstadt; f daselbst, im
63. Jahre, 30, IX. — 111. Ztg. 119, 547.
Walbrodt, Karl August, Schachmeister u.
Schachschriftsteller in Berlin; ♦ Amsterdam
28. XI. 1871; t Berlin 3. X. — 111. Ztg.
119, 547. 623 (mitP).
Walcker, Otto, Dr. med., chirurg. Assistent
am Stadt. Krankenhaus Friedrichshain in
Berlin ; f, 30 Jahre alt, 24. X. — Virchows
Jahresberichte 37, I, 428 (Pagel, mit L:
Deutsche Medizin. Wochenschrift 1902 Ver-
einsbeil. Nr. 51).
Waldeck und Pyrmont, Prinz Heinrich: s.
Heinrich.
♦Waldersee, Friedrich Franz Graf v., k.
preuß. Generalleutnant z. D. ; ♦ Berlin 17.
XII. 1829; t Schwerin 6. X. (nach Gräfl.
Taschenbuch. — BJ VII, 234 (Lorenzen);
Gräfi. Taschenbuch 1904, 925.
Waldmann, Otto, ehemal. Opernsänger (Te-
norist); ♦ Konstanz 1825; f Detmold 12.
VIII. — Monatshefte für Musikgesch. 35,
127 (Lüstner, mit L); Flüggen, Biograph,
Bühnenlexikon i, 318.
♦Walker, Franz, Bildhauer und Maler in
München; ♦ daselbst 16. VIII. 1832; f eben-
da 17. X. — BJ VII, 194 (H. Holland).
Waltenberger, Anton, k. baver. Steuerrat a.
D., Feldmesser, Alpinist; ♦ Straubing 14.
IV. 1840; t München 26. II. — Mitteilungen
d. Deutschen u. Osterreich. Alpenvereins 28
(1902), 85 (H. Hess); KL 24, 1509 (W).
25, 48; Geographen-Kalender i, 235 (H.
Haack); Geograph. Jahrbuch 26, 445 (\V.
Wolkenhauer, mit W u. L).
Walter, Heinrich, Jurist. Schriftsteller, Her-
ausgeber d. Ztschr. f. Vollstreckungs-, Zu-
stellungs- u. Kostenwesen; ♦ Neiße 4. V.
1842; f Berlin 14. XII. — KL 24, 1510
(mit W). 25, 48.
Walter, Hermann, Dr, m<d.i Arzt, Mitglied
d. Polarexpedition des Baron Toll; ♦ Er-
mes (Livland); f auf d. Insel Kotelny d.
neusibir. Inselgruppe, im 38. Jahre, 21.
XII. — Virchows Jahresberichte 37, I, 428
(Pagel, mit L: Petersburger Medizinische
Wochenschrift 1902 Nr. 11).
Walther, Anton, Dr, med,, Privatdozent für
Physiologie an d. Militär-Arztl. Akademie
in St. Petersburg; ♦ 20. II. 1870; f während
einer Eisenbahnfahrt 3. VII. — Virchows
Jahresberichte 37, I, 428 (Pagel, mit L:
Petersburger Medizin. Wochenschrift 1902
Nr. 28).
Warkentin, Hermann R o d e r i c h , Dr. phil. ,
Literarhistoriker; ♦ Königsberg i. Pr, 23. XI.
1873; t Nervi 23. II. — 111. Ztg. 1 18, 341 ;
KL 25, 48; Lebenslauf in W.s Dissertation:
Nachklänge d. Sturm- u. Drangperiode in
Faustdichtungen d. 18. u. 1 9. Jahrhunderts.
München 1896.
♦Wasmer, Edmund v., k. preuß. General-
major z.Vi.:, ♦ Koburg 8. IV. 1836; t Schö-
neberg bei Berlin 23. V. — BJ VII, 235
(Lorenzen).
Wafimann, Karl, großhgh bad. Hofmusiker,
Lehrer d. Violinspiels am Konservatorium
der Musik in Karlsruhe, Verfasser einer
Violinschule; f Schömberg (Schwarzwald)
15. IX. — Monatshefte f. Musikgesch. 35,
12S (Lüstner, mit L); RiemannS 1231.
Wauer, Wilhelm, Komponist von Gesangs-
werken in Leipzig; f daselbst 3. I. — Mo-
natshefte f. Musikgesch. 35, 128 (Lüstner,
mit L).
Weber, Ernst v., Tierfreund, Bekämpfer d.
12^
«
Totenliste 1902: Weber — Wied.
124*
Vivisektion, langjähr. Leiter d. internatio-
nalen Vereins z. Bekämpfung der wissen-
schafd. Tierfolter, auch Verfasser v. Reise-
beschreibungen; * Dresden 7. II. 1830;
t Rom 4. I. — KL 24, 1520 (mit W). 25,
48; B2 10, 288 (Bayreuther Blätter 1902,
169: P. Förster).
Weber, Karl, Professor an d. Kunstgewerbe-
schule in Frankfurt a. M.; f daselbst, 42
Jahre alt, 18. XI. — Jahrbuch d. bilden-
den Kunst 2, 109; Woche 4, 2204.
Wehlack, Geheimer Oberpostrat, Oberpost-
direktor d. Postdirektionsbezirkes Halle a. S. ;
t Halle a. S. 8. HI. — 111. Ztg. 118, 417.
Wehn, Fritz, Theaterdirektor; f Bad Oeyn-
hausen 13. VIII. — Monatshefte f. Musik-
gesch. 35, 128 (Lüstner, mit L).
*Wehofer, Rudolf Thomas Maria (Pseu-
don. : Vindobonensis), Dominikaner, Dr,
theoL etphil., Professor, Kirchen- u. Literar-
historiker; * Wien 4. III. 1870; t daselbst
3. in. — BJ VII, 263; KL 23, 1505 (W).
25, 48; Keiter-Jörg, Kathol. Literaturkalen-
der 6, 337 (W).
Weicke, Otto, ' Rittergutsbesitzer auf Nien-
feld b. Seehausen (Altmark), früher Mit-
glied d. preuß. Abgeordnetenhauses (kon-
servativ); t Nienfeld, 81 Jahre alt, 29. III.
— Voss. Ztg. 1902 Nr. 609 Beil. 2; Woche
4 Nr. 13 S. VIL
Weidenbach, Johannes, Lehrer für Klavier-
spiel am Kgl. Konservatorium d. Musik in
Leipzig; * Dresden 29. XI. 1847; t Leip-
zig 28. VI. — Monatshefte f. Musikgesch.
35, 128 (Lüstner, mit L); RiemannS 1237.
•Weidling, Friedrich, Verlagsbuchhändler in
Berlin, früher Inhaber der Firma Haude
und Spener; * Brandenburg a. H. 6. IV.
1821; t Berlin 22. II. — BJ VII, 114 (R.
Schmidt); Börsenblatt für den deutschen
Buchhandel 1902 Nr. 53: K. Weidling.
Weigl, Robert, Bildhauer in Wien; * da-
selbst 16. X. 1852;. t ebenda 26. XII. —
111. Ztg. 120, 49 und Nr. 3083 (vom 31.
VIII. 1902 mit Illustr.); Rheinhardt, Bio-
graphien Wiener Künstler u. Schriftsteller
I, 159; Wurzbach, Biograph. Lexikon d.
Kaisert. Österreich 53, 299.
Weinstengl, J. (Pseudon.), Schriftsteller: s.
Lew in stein, Gustav.
Weixlstorfer, Johann, früher herzogl. sachsen-
meining. Kammersänger; f Serkowitz bei
Dresden, im 79. Jahre, 4. III. — 111. Ztg.
118,417; Monatshefte f. Musikgesch. 35,
128 (Lüstner, mit L).
Werner, Alfred, Begründer u. Direktor der
Leipziger Theaterschule, auch dramatischer
Dichter; • i. III. 1847; f daselbst 21. VI.
— 11). Ztg. 118, 976; KL 24, 1547 (mit
W). 25, 48; Brummer 5 4, 500 (mit W).
Werner, Franz, Dr. jur.. Geheimer Ober-
justizrat, früher Präsident des Oberlandes-
gerichts in Naumburg; f daselbst 29. III.
■ — 111. Ztg. 118, 547.
Werner, Karl Ludwig, Orgelvirtuos u. Mu-
sikdirektor in Freiburg i. Br. ; * Mannheim
8. IX. 1862; f Freiburg i. Br. 16. VII. —
Monatshefte f. Musikgesch. 35, 128 (LUst-
ncr, mit L).
Wernsdorff, Wolfgang Friedrich Leopold
Quirin v., Gutsbesitzer u. k. preuß. Major
a. D. zu Peterkau (Westpreußen), Mitglied
d. preuß. Abgeordnetenhauses (konservativ) ;
* Salzbach (Ostpreußen) 12. X. 1834;
t Groß-Lichterfelde 15. XII. — Woche 4,
2376; Kürschner, Preuß. Abg.-Haus 1904,
44 (mit P); Genealog. Taschenbuch der
Adeligen Häuser 1904, 888.
♦Wertheimer, Gustav, Historien- u. Genre-
maler in Paris; * Wien 28. 1. 1847; f Paris
24. VIII. — BJ VII, 101 (H. Schmerberi.
•Wesendonk, Mathilde v., geb. Luckemcyer,
Schriftstellerin u. Dichterin, Freundin des
Komponisten Richard Wagner; * Elberfeld
23. XII. 1828: t Traunblick am Traunsee
31. Vin. — BJ VII, 62 (W. Golther); Pa-
taky, Lexikon deutscher Frauen der Feder
2,426; Brummer 5 4, 324; BZ 11,323. 12,
328. 13, 317 (Zeit 1902 Nr. 416: R. Wal-
laschek; Die Musik 1902, II, 57: E. Kloß;
Deutsche Revue 1903 Febr. 239: M. v.
Bunsen; Brandenburgia 11,264); Monats-
hefte für Musikgesch. 35, 128 (Ltistner,
mit L).
Westendarp, George, Architekt in Hamburg.
— Deutsche Bauztg. 36, 287 (Zimmer-
mann).
Wiehert, Ernst Alexander August George,
k. preuß. Geheimer Justizrat, Rat beim
Kammergericht in Berlin, Romanschrift-
steller und Dramatiker; * Insterburg (Ost-
preußen) II. III. 1831; t Berlin 21. I. —
111. Ztg. 118, 158 (L. Salomon, mit P);
Woche 4, 134 (P); Brummer 5 4, 330 und
503 (mit W) ; Altpreuß. Monatsschrift 40,
476 (Rindfleisch, L).
♦Wiehert, Felix, Porträt- u. Genremaler in
Beriin; ♦ Tilsit 8. V. 1842; f Berlin im
Febr. — BJ VII, 101 (H. Schmerber).
Wiehert, J^ars Adolf Erich, Dr* med.^ emerit.
Stadtarzt in Riga; • 8. X. 1831; f r>orpat
28. VI. — V^irchows Jahresberichte 37, I,
428 (Pagel, mit L: Petersburger Medizin.
Wochenschrift 1902 Nr. 28).
Wickede, Hermann v., k. preuß. General-
major z, D., zuletzt Kommandeur d. Füsilier-
Regiments Nr. 33; t Warnemünde, 74 Jahre
alt, II. VIII. — Voss. Ztg. 1903 Nr. i
Beil. 8; Woche 4. 1578.
Wied, Marie Ftir>tin v. : s. Marie.
125'
Totcnliste 1902; Wieland — WolfF.
126*
Wieland, Emil, Dr, med., Bezirksarzt u. Arzt
im Sanatorium f. unbemittelte Soolbadbe-
dürftige in Rheinfelden (Schweiz); * da-
selbst 24. XII. 1830; f Königsfelden 15. X.
— Virchows Jahresberichte 37, I. 428 (Pa-
gel, mitL: Korrespondenzblatt f, Schweizer
Ärzte 32 Nr. 4: H. Keller).
Wieser, Leopold Freih. v., k. u. k. Wirkl.
Geheimer Rat, vormal. Sektionschef des
Obersten Rechnungshofes f. Österreich-Un-
garn, Präsident d. Gesellschaft f. verviel-
fältigende Kunst in Wien; * Petrinja (Kro-
atien) 26. VI..1819; t Wien II. IV. — 111.
Ztg. 1 18, 623 ; Jahrbuch d. bildenden Kunst
2, HO. 117 (L: Graphische Künste 25,
102: R. Graul); Wurzbach, Biographisches
Lexikon d. Kaisert. Österreich 56, 63; Frei-
herrl. Taschenbuch 1905, 899.
Wild, Heinrich v., Dr, phil., kaiserl. russ.
Wirkl. Staatsrat, 1868 — 95 Professor an d.
Universität u. Leiter des Physikal. Zentral-
Observatoriums in St. Petersburg; * Uster
(Kanton Zürich) 17. XII. 1833; t Zürich
5. IX. — Lcopoldina 38, iio; KL 24, 1566
(mit W); Poggendorff 2, 1325. 3, 1444. 4,
1636 (W); Woche 4, 1766^ (P); Geograph.
Jahrbuch 26, 445 (W. Wolkenhauer, mit L
u. W); Geographen-Kalender i. 235 (H.
Haack); BZ 11, 324. 12, 329 (Petermanns
Mitteilungen 1902 Geograph. Anzeiger 145:
J. Maurer, mit P; ^eteorolog. Ztschr. 1902,
463. 506; Deutsche Rundschau für Geo-
graphie u. Statistik 1903, 375 mit P; Vier-
teljahrsschrift d. naturforsch. Gesellschaft in
Zürich 47, 443).
Wilde, Max, Dr. med., Privatdozent f. Hy-
giene an d. Universität München ; * Amster-
dam 9. VIII. 1870; t München 18. XI. —
Chronik d. Univ. München 1902/3, 8.
Wildermuth, Hans, Professor, ehemal. Direk-
tor d. Kunstgewerbeschule zu Zürich; f 9.
IV. — Voss. Ztg. 1903 -Nr. 9 Beil. i.
Wilhelmi, Heinrich, Genremaler in Düssel-
dorf; * Xanten am Niederrhein; t Düssel-
dorf 16. II. — Jahrbuch d. bildenden Kunst
2, HO (nach »Kunst f. Alle«).
Wilm, Max, Dr. mcd.^ Marinestabsarzt a. D.,
Dezernent in der Medizinalabteilung des
Reichsgesundheitsamtes, Leiter d. Pesthospi-
tals in Hongkong; • Wollin 26. I. 1862;
t 3. XII. — Virchows Jahresberichte 37,
1. 428 (Pagel, mit L) u. BZ 12, 329 (Ar-
chiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene 37, 88 u.
Deutsche militärärztliche Ztschr. 1903, 48:
Bassenge).
Winiker, Ulrich, bedeutender schweizer. Ju-
rist, früher Großratspräsident, langjähr. Mit-
glied d. Kriminalgerichts; f Ruswyl 19. X.
— Woche 4, 1981.
Winiwarter, Georg Ritter von, Österreich.
Großindustrieller; f Graz, 80 Jahre alt, 2.
VII. — Woche 4, 1279; Wurzbach, Bio-
graph. Lexikon d. Kaisert. Osterreich 57, 76.
Winnecke, Charles George Alexander, austral.
Forschungsreisender und Botaniker, Sohn
deutscher Eltern; * Norwood (Südaustralien)
18. XI. 1857; t Adelaide 10. IX. — 111.
Ztg. 119, 643; Geograph. Jahrbuch 26, 446
(W. Wolkenhauer, mtt W u. L) ; Geographen-
Kalender I, 237 (H. Haack); T^eopoldina
39, 48 (mit W). "
Wislicenus, Johannes, Dr. med. ei phil., k.
Sachs. Geheimer Hofrat, ordentl. Professor
d. Chemie u. Direktor d. Chem. Labora-
toriums an d. Universität Leipzig; * Klein-
Eichstedt b. Querfurt 24. VI. 1835; f Leip-
zig 5. XII. — 111. Ztg. 119, 914 (mit P).
923; Woche 4, 2292 (P); Leopoldina 38,
136. 39. 47; Poggendorff 2, 1342. 3, 1455.
4, 1653 (mit W u. L); BZ 11, 325. 12,
330- »3» 319 (Chemikerztg. 1902, 1189;
Ztschr. f. angewandte Chemie 1902, 1281
u. 1903, i: B. Rassow, mit P; Alldeutsche
Blätter 1902 Nr. 52; Naturwissenschaftl.
Rundschau 1903, 192. 204: J. Biehringer;
Berichte üb. d. Verhandlungen d. k. sächs.
Gesellsch. d. Wissensch. Math.-phys. Klasse
55,411: W. Ostwald; Sitzungsberichte d.
Münchn. Akad. d. W^issensch. 1903 Math.-
phys. Kl. 539: C. Voit).
Witz, Eugen, evangel. Pfarrer zu Kofi weil er
im Elsaß, Kirchenhistoriker; * Vienne
(Schweiz) 27. IV. 181 2; f 15. IV. — Theo-
log. Jahresbericht 22 (1902), 1442 (Nestle,
mit L).
Woedtke, Erich Felix Franz Viktor v., Dr.
jur. honoris causa ^ Wirkl. Geheimer Ober-
regierungsrat, Präsident des Kaiserl. Auf-
sichtsamts f. Privatversicherung, früher Di-
rektor im Reichsamt d. Innern; * Sydow
(Kreis Schlawe) 9. IV. 1847; f Wiesbaden
22. II. — KL 24, 1590 (mit W). 25, 49;
111. Ztg. 11 8, 341; Brockhaus' Konv.-Lexi-
kon'4 16, 808; Woche 4 Nr. 9 S. VII.
368 (P).
Wodzicki: Joseph Martin Graf von Gra-
now-Wodzicki, Dr. jur. ^ k. u. k. Käm-
merer, Geheimer Rat u. außerordentl. Ge-
sandter und bevollmächtigter Minister in
Brüssel; ♦ 11. XL 1844; f Krakau 5. X.
— Gräfl. Taschenbuch 1903, 976.
Woitschewsky, E., Kapitän, Ehrenpräsident
u. Mitbegründer d. Vereins deutscher See-
fischer in Hamburg; f daselbst 9. X. —
Woche 4, 1937.
Wolff, Henriette, Witwe des Hofrats Dr.
Schur ig in Dresden, Schauspielerin (ko-
mische Alte) am Hoftheater daselbst; * Dan-
zig 4. II. 1845; t Dresden I. III. — Eisen-
berg, Großes biograph. Lexikon d. Deut-
127
Totenliste 1902: VV'olfF — Württemberg.
128*
sehen Bühne 11 41; 111. Ztg. 118, 391;
Flüggen, Biograph. Bühnenlexikon i, 334.
Wolff, Hermann, Konzertdirektor, Inhaber
d. Konzertdirektion gleichen Namens, auch
Komponist; * Cöln 4. IX. 1845; t B^'^J'*
3. II. — 111. Ztg. 118, 231 (C. Droste, mit
P); Woche 4, 228 (P); Monatshefte für
Musikgesch. 35, 128 (Lüstner, mitL); Rie-
mannS. 1258.
•Wolif, Julius, Dr, mtd,^ Geheimer Medizinal-
rat, aufierordentl. Professor d. Chirurgie u.
Direktor d. Poliklinik f. Orthopäd. Chirurgie
an d. Univ. Berlin, Orthopäd (»Knochen-
wolff«); * Märkisch- Friedland (Westpreu-
ßen) 21. III. 1836; t Berlin 18. II. — BJ
VII, 98 (Pagel); Pagel 1871 (mitWu.P);
Leopoldina 2^%^ 21. 58; Virchows Jahres-
berichte 37, I, 428 (Pagel, mit L) u. BZ
10, 294 (Archiv f. Kinderheilkunde 34, 158:
Baginsky; Monatsschrift f. Orthopäd. Chi-
rurgie 1902, 29: M. David; Medizin. Rund-
schau 1902,1040; Berliner Klin. Wochen-
schrift 1902, 203: Joachimsthal; Deutsche
Medizinische Wochenschrift 1902, 160: H.
Fischer; München. Medizin. Wochenschrift
'902, 532: A. Hoffa; Wiener Klin. Wochen-
schrift 1902, 238: A. Fraenkel; Die medi-
zinische Woche 1902, 92: G.Muskat, mit
P).
Wolff» Karl, Mitbegründer d. Firma Loeser &
Wolff in Berlin; f. ^7 Jal»re alt, 13. XI.
— Voss. Ztg. 1903 Nr. II Beil. 2.
Wolff, Paul Hugo, Reichsgerichtsrat in Leip-
zig; t 6. IX. — Voss. Ztg. 1903 Nr. 3
Beil. I.
Wollensack, Heinrich, Dr. med., Kurarzt in
Arco, im Sommer Dirigent d. Wasserheil-
anstalt am Gießbach in d. Schweiz ; * Wien
6. VU. 1847; t Arco 4. X. — Virchows
Jahresberichte 37, I, 428 (Pagel, mit L) u.
BZ 12, 332 (Korrespondenzblatt f. Schweizer
Ärzte 1903, 98).
Wöllmann, Karl, Geheimer Kommerzienrat,
Senior des Woll-Exporthauses Kissing &
WöUmann in Iserlohn, seit 1876 Vor-
sitzender d. dortigen Handelskammer; f da-
selbst, 70 Jahre alt, 22. V. — 111. Ztg. 1 18,
829.
Wollner, Wilhelm, Dr. phil., aufierordentl.
Professor f. slav. Philologie an d. Universität
Leipzig; * i8. XI. 1851; t Leipzig, 14. XII.
— Woche 4, 2376; BZ 12, 332 (Archiv
f. slav. Philol. 25, 500: A. Leskien).
Woort, Lüder( Pseudon.), plattdeutscher Dich-
ter: s. Plate, J. D.
WÖrishoffer, Friedrich, Dr.jur., Geheimer
Oberregierungsrat, Vorstand d. bad. Fabrik-
inspektion; • Langenselbold 1839; t Karls-
ruhe 18. Vn. — ill. Ztg. 119, 123; Ztschr.
f. d. Gesch. d. Oberrheins (Frankhauser, L)
u. BZ 13, 321 (Bad. Fortbildungssciiule 16,
113: Fuchs; Soziale Praxis 12 Nr. 45: L»
Herkncr; Arbeiterwohl 23, 263: E. v. d.
Boom).
Worlitzsch, Georg, Schauspieler, Mitglied
d. Deutschen Theaters in London, früher
an Berliner Bühnen tätig; f London, 50
Jahre alt, 22. (oder 21.?) I. — 111. J^tg.
118, 157; Woche 4, 180 (P); Flüggen,
Biograph. Bühnenlexikon i, 334.
^Wörndle Edler von Adelsfried, August,
Historien- u. Kirchenmaler in W'ien; * da-
selbst 22. VI. 1829; t ebenda 27. IV. —
BJ VII, 151 (H. Schmerber); Wurzbach,
Biograph. Lexikon d. Kaisertum Österreich
57, "I.
Worzewski, Carl Otto, Geheimer Justizrat,
Landgerichtsdirektor (früher in Thorn) a.
D., ehemal. Mitglied d. preuß. Abgeordneten-
hauses (freisinn. Volkspartei); * Neustadt
(Westpreuflen) 9. VIII. 1827; t Berlin 26.
IL — 111. Ztg. 118, 341 ; Kürschner, Preuß.
Abg.-Haus 1894, 128 (mit P).
. Wömer, Bürgermeister von Bad Nauheim ;
t daselbst 11. X. — Woche 4, 1937.
♦Wulffen, Gustav Adolf Alexander Ferdi-
nand V., Generalleutnant z. D.; * Inster-
burg 21. XI. 1833; t Frankfurt a. O. 5. VIIL
(nach Adel. Taschenbuch) — BJ V'II, 235;
Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Häuser
1904, 952; BZ II, fil (Militärztg. 1902
Nr. 32).
Wulffert, Friedrich, Dr, med., Sanitätsrat,
Arzt in Berlin, Förderer d. Enthaltsamkeits-
bewegung, Begründer d. Berliner Gesell-
schaft abstinenter Ärzte u. d. Vereinigung
abstinenter Arzte des deutschen Sprachge-
bietes; • Soest (Westfalen) 31. I. 1854;
t Berlin 5. XI. — 111. Ztg. 119. 781; Vir-
chows Jahresberichte 37, I, 429 (Pagel. mit
L: Voss. Ztg. 1902 November 8); Lebens-
lauf in W.s Dissertation: Eine neue Form
von Mißbildung der Pupilla nervi optici.
Bonn 1877.
WüUner, Franz, Dr. phil., Musikdirigent u.
Komponist, städt. Kapellmeister u. Direktor
d. Konservatoriums in Cöln; * Münster i.
W^ 28. 1. 1832 ; t Braunfels a. d. Lahn 7. IX.
— 111. Ztg. 119, 385 u. Nr. 2967 (10. Mai
1900: mit P); Woche 4, 1720 (P); Rie-
mannS 1262; Monatshefte für Musikgesch.
35, 128 (Lüstner, mitL); BZ 10, 294. 11,
327 (Signale f. d. musikal. W'elt 1902 Nr. 8 :
M. Steuer; Musikal. Wochenblatt 1902 Nr. 5
u. Die Kultur 1902 Okt. 461: O. Neitzel;
Die Musik 1902, II, 49: P. Hüler; Neue
Musikztg. f 902 Nr. 2 1 : K. Wolff; Nation
19 Nr. 50: H. W^elti).
Württemberg, Margareta Sophia Herzogin
V.: s. Margareta Sophia.
T29
Totenliste 1902: Wuest — Zindel.
130
\:i
Wuest. Direktor d. Gotthardbahn; f Luzem,
59 Jahre alt, 15. II. — Woche 4 Nr. 8
S. VII.
Yersin, Albert, Generaldirektor d. Schweizer.
Volksbank in Bern; * Rougemont (Kanton
Bern) 1841 ; f Bern 8. IX. — 111. Ztg. 1 19,
423-
Zahn, Fritz, Lehrer und Ehrenvorstand des
tjberpfälz. Kreislehrervereins ; * Floß (Ober-
pfalz) 6. III. 1829; f Regensburg 8. IX. —
Sandner, Taschenkalender für Lehrer 31
(1905), 108 (M. Z. St., mit P).
Zakrzewska, Marie E., Frauenärztin in Boston,
Begründerin des A'cw England Hospital f.
Frauen und Kinder; ♦ Berlin 1829; f Ja-
maika, Piain, 20. V. — Virchows Jahres-
berichte 37, I, 429 (Pagel, mitL: Medical
Rccord (y\ Nr. 21, 823).
Zangemeister, Karl Friedrich Wilhelm, Dr,
phil., Oberbibliothekar u. ordentl. Honorar-
professor an d. Universität Heidelberg, Mit-
glied der Akademie d. Wissenschaften in
Berlin u. d. Zentralkommission d. K. Deut-
schen Archäolog. Instituts in Rom, klass.
Philolog u. Epigraph; * Hallungen (Sachsen-
Koburg-Gotha) 28. IX. 1837; f Heidelberg
8. VL — KL 23, 1605 (W). 25, 49; 111.
Ztg. 1 18, 935; Ztschr. f. d. Gesch. d. Ober-
rheins 57 (1903), 398 (Frankhauser, L) u.
BZ 1 1, 330 (Neue Heidelberger Jahrbücher
II, 144: J. Wille, mit P; Korrespondenz-
blatt d. deutschen Gcschichts- u. Altertums-
vercine 50, 175: Anthes; Zentralblatt für
Bi})liotheks\vescn 1902, 436; Phönix 1902,
245).
Zangemeister, Otto, sachsen-koburg-goth.
L<indrat, früher Mitglied d. goth. Landtags
u. Deutschen Reichstags (deutsch-freisinn.);
* Hallungen (Sachsen-Koburg-Gotha) 16.
IV. 1836; t Gotha 5. V. — 111. Ztg. 118, 751.
^Zangerle, Joseph A., Benediktiner, Dichter;
♦ Steeg (Lechtal in Tirol) 19. III. 1867;
t Gries b. Bozen 17. IV. — BJ VII, 145
(F. Brummer); Brummer 5 4, 516.
Zapf, Josef, Dichter des »Liedes der Ar-
beit«; t Wien 27. I. — Woche 4, 228.
*Zardetti, Johann Joseph Friedrich Otto,
Dr, tkeol., Domherr v. Santa Maria Mag-
giore in Rom, zeitweilig Erzbischof von
Bukarest u. Metropolit v. Rumänien; • Ror-
schach 24. I. 1847; t Kom 10. V. — BJ
VII, 291 (F. Lauchert); Keiter-Jörg, Kathol.
Literaturkalender 6, 357 (W); llieolog.
Jahresbericht 22 (1902), 1442 (Nestle).
Zauzil, Karl, k. k. Regicrungsrat, Direktor d.
Staatsgewerbeschule in Graz; "f* daselbst,
61 Jahre alt, 12. X. — 111. Ztg. 119, 618.
Zechner, Friedrich, k. k. Sektionschef im
Österreich. Ackerbauministerium, Vorstand
d. Departements f. d. administrativen An-
Biog-r. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog-. 7. Bd.
gelegenheiten des Bergbaus, hervorragender
Montanist; f Wien, im 52. Jahre, 10. IV.
— 111. Ztg. 118, 585; BZ II, 330 (Ver-
handlungen d. k. k. geolog. Reichsanstalt
1902, 185).
Zeller, Ernst Friedrich v., k. Württemberg.
Obermedizinalrat, vormals Direktor d. Heil-
u. Pfleganstalt Winnenthal, Psychiater u.
Zoolog; * Stuttgart 2. XII. 1830; t daselbst
18. IX. — Allgemeine Ztschr. f. Psychiatrie
60,301 (Lahr); Leopoldina 38, 104 (Klun-
zinger, mit W); Korrespondenzblatt des
Württemberg, ärztl. Landes Vereins 1902 Nr.
44 (Kreuser, mit P); Württemberg. Jahr-
bücher f. Statistik u. Landeskunde 1902,
IV (H.irtmann, mit L); BZ ii, 331. 12,
335 (Jahreshefte d. Vereins f. vaterländ.
Naturkunde in Württemberg 32/33, XXXVI :
C. Klunzinger).
Zeller, Joh., Missionar in Nazareth u. Jeru-
salem; f Wernigerode, 71 Jahre alt, 19. II.
— Theolog. Jahresbericht 22 (1902), 1442
(Nestle, mit L).
Ziegler, v., k. preuß. Oberst, Kommandeur
der Kriegsschule zu Potsdam; f daselbst
22. VIII. — Woche 4, 1624. 1630 (P).
Ziegler, Ernst, Dichter u. Schriftsteller, Chef-
redakteur der >W'iener Mode«; * Stettin
22. XI. 1847; t VVien 24. XL — KL 23,
161 3 (W). 25, 49; 111. Ztg. 120, 49; Wurz-
bach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Öster-
reich 60, 59; BrümmerS 4, 411 (mit W).
*Ziemssen, Hugo Wilhelm v., Dr, med., k.
bayer. Geheimer Rat u. Obermedizinalrat,
ordentl. öffentl. Professor d. speziellen Pa-
thologie u. Therapie, sowie der medizin.
Klinik an d. Universität München, Direktor
d. städt. allgemeinen Krankenhauses links
d. Isar; * Greifswald 12. XII. 1829; t Mün-
chen 21. I. — BJ VII, 43 (M. Neuburger);
111. Ztg. 118, 135. 157 (mit P; auch Nr.
2946 v. 14. XII. 1899 mit P): Pagel 1899
(mit P); Virchows Jahresberichte 37, 1, 429
(Pagel, L); BZ 10, 297 (L); Chronik der
Univ. München 1901/2, 11.
Zimmermann, Hermann, Amtsgerichtsrat in
Schlüchtern, Mitglied d. preufl. Abgeord-
netenhauses (freikonservativ) ; * Stadt Lengs-
feld (Sachsen- Weimar) 18. XII. 1856; f i.X.
— Voss. Ztg. 1902 Nr. 609 Beil. 2 ; Kürsch-
ner, Preuß. Abg.-Haus 1894, 356 (mit P).
Zimmermann, Lorenz, früher Domänen-
pächter u. Mitglied d. preuß. Abgeordneten-
hauses (freikonservativ); f Schlüchtern, im
80. Jahre, 10. (oder 8.?) X. — Voss. Ztg.
1902 Nr. 609 Beil. 2; Woche 4, 1937.
Zindel, Peter, Architekt, Erbauer des Rat-
hauses zu Essen, bedeutender Gotiker;
t Essen 1 7. II. — 111. Ztg. 118,315; Woche
4 Nr. 8 S. VII.
131*-
Totenliste 1902: Zinsmeister — Zoller. — Zu Totenliste 1901.
132*
Zinsmeister, Otto, Dr, med,, Leiter d. I^n-
deskrankenhauses in Troppau; * Ustron
(Schlesien) 4. IV. 1860; f Troppau 26. VI.
— 111. Ztg. 119, 51; Virchows Jahresbe-
richte 37, I, 429 (Pagel, mit L) u. BZ 11,
332 (Wiener klin. Wochenschrift 1902,705;
R. Chrobak).
Zobel, Johannes Wolf v., Geheimer Rat a.
D. im k. Sachs. Ministerium d. Auswärtigen,
früher Legationssekretär b. d. Bundestags-
gesandtschaft in Frankfurt a. M. ; f Dres-
den, 74 Jahre alt, 15. 1. — Hl. Ztg. 118, 135.
Zoebl, Anton, Dr,, Professor d. Landwirt-
schaftslehre an der Techn. Hochschule in
Brunn; • daselbst 6. L 1852; f Wien Ende
Juni. — 111. Ztg. 119, 51; Wurzbach, Bio-
graph. Lexikon d. Kaisert. Österreich 60,
224.
*Zoller, Edmund v., k. Württemberg. Hof-
bibliothekdirektor a. D., Schriftsteller und
Übersetzer; * Stuttgart 20. V. 1822; f da-
selbst I. IV. — BJ VII, 96 (R. Krauß);
Woche 4, 638 (P).
Zu Totenliste 1901.
BJ VI, III* Zeile 13 v. u. lies:
Univ. Wien.
BJ VI, 112* Zeile 15 v. u. lies:
Weber, Wilhelm, Verleger u. Redakteur d.
»Kasseler Allgem. Ztg.c; ♦ Alsfeld 6. XII.
1846; f Kassel 6. VIII. — Mitteilung von
Dr. Ph. Losch.
BJ VI, 117* Zeile 27 v. u. lies:
Winter, Wilhelm, Bürgermeister v. Hom-
berg i. H. a. D.; f Homberg 17. IV. —
Mitteilung von Dr, Ph. Losch.