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Full text of "Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog"

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I^RAPHISCHES  JAHRBI 

B^  VND 

EUTSCHER  NEKROLOi 


UNTKR  STANDIGER  MITWIRKUNG 

vo» 

1  GUIDO  ADLER,  F.  VON  BEZOLD,  ALOIS  BRANDL,  ERNST  ELSTER.  AUGUST 
POURNIBR,    ADOLF  FREY,    HEINRICH  FRIEDJUNG,    LUDWIG  GEIGER, 

I  KARL  GLOSSY.   HAX  GRUBER>   SlGIfUND  cOnTHER,   EUGEN  CUGUA, 

ALFRED  FRSIHERRN  VON  HENSI,  JACOB  MINOR,  PAUL  SCHLENTHER. 

ERICH  SCHUIDT,  ANTON  E.  SCHÖNBACH,  GEORG  WOLFP  U.  A. 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

ANTON  BETTELHEIM 

Va  BAND 

VOM  I.  JANUAR  BIS  3t.  DEZEMBER  1902 
HIT  DEM  BILDNIS  VON  RUDOLF  V18CH0W  DI  HSUOGRAVUKB 


VERLAG  VON  GEORG  REIMER,  BERLIN 
H  1906. 


^^L^^ 


BIOGRAPHISCHES  JAHRBUCH 

UND 

DEUTSCHER  NEKROLOG 


UNTER  STÄNDIGER  MITWIRKUNG 

VON 

GUIDO  ADLER,  F.  VON  BEZOLD,  ALOIS  BRANDL,  ERNST  ELSTER, 
AUGUST  FOURNIER,  ADOLF  FREY,  HEINRICH  FRIED  JUNG,  LUDWIG 
GEIGER,  KARL  GLOSSY,  MAX  GRUBER,  SIGMUND  GÜNTHER, 
EUGEN  GUGLIA,  ALFRED  FREIHERRN  VON  MENSI,  JACOB  MINOR, 
PAUL  SCHLENTHER,  ERICH  SCHMIDT,  ANTON  E.  SCHÖNBACH, 

GEORG  WOLFF  u.  A. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

ANTON  BETTELHEIM 


VII.  BAND 

VOM  I.  JANUAR  BIS  31.  DEZEMBER  1902 

MIT  DEM  BILDNIS  VON  RUDOLF  VIRCHOW  IN  HELIOGRAVÜRE 


BERLIN 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  GEORG  REIMER 

1905. 


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Inhalt. 


Seite 

Vorrede v— vi 

Deutscher  Nekrolog  vom  i.  Januar  bis  31.  Januar  1902 i — 361 

Ergänzungen  und  Nachträge 362 — 465 

Alphabetisches  Namenverzeichnis  I 466 

Alphabetisches*  Namenverzeichnis  II 472 

Totenliste  1902 i* — 132* 


Vorwort 


Band  VI,  der  im  Frühjahr  mit  den  Biographien  der  1901  Ge- 
schiedenen veröffentlicht  wurde,  folgt  unserem  Vorsatz  gemäß  im 
Herbst  der  vorliegende  Band  VII  mit  den  Nekrologen  der  1902  Heim- 
gegangenen. Bleibt  uns,  woran  kaum  zu  zweifeln  ist,  der  Beistand 
unserer  fachmännischen  Berater  und  die  Bereitwilligkeit  ständiger  und 
gelegentlicher  Mitarbeiter  auch  in  der  Folge  so  treu  wie  bisher,  dann 
dürfen  wir  im  Frühling  1905  Band  VIII  mit  den  Biographien  der 
1903  Verewigten  und  im  Herbste  des  .  nächsten  Jahres  Band  IX 
mit  dem  Deutschen  Nekrolog  für  1904  bringen.  Derart  würden  wir 
alle  durch  die  zeitweilige  Pause  im  Erscheinen  des  Biographischen 
Jahrbuches  verursachten  Rückstände  aufgearbeitet  und  neuerdings  unsere 
ursprüngliche  Absicht  verwirklicht  haben,  einen  mit  Jahr  und  Tag  gehen- 
den Nekrolog  zu  bieten.  Daß  diese  Beschleunigung  unserer  Publikationen 
der  Gediegenheit  des  Textes  keinen  Eintrag  tut,  bezeugen  die  wichtig- 
sten Beiträge  dieses  Bandes:  König  Albert  von  Sachsen  wird  von 
Otto  Kaemmel  gewürdigt;  die  Staatsmänner  Richard  Belcredi, 
Bennigsen,  Goßler  fanden  in  Graf  Friedrich  Schönborn,  Her- 
mann Oncken  und  Wilhelm  Seh  rader  sachkundigste  Biographen;  den 
Geschichtschreibern  Adolf  Beer,  Büdinger,  Ficker,  Kalten- 
brunner,  Krones  widmen  Pribram,  Bauer,  Voltelini,  Redlich 
und  Uhlirz  als  berufene  Gewährsmänner  wohlabgewogene  Charakte- 
ristiken; Lord  Actons  Lebenslauf  schildert  Lady  Blennerhasset; 
das  Lebenswerk  von  Virchow  und  Buchner  prüfen  v.  Hansemann 
und  Gruber.  Den  Lebenslauf  von  Bielschowsky  zeichnet  Gotthold 
Klee,  die  Charakteristik  von  Otto  Gildemeister  gibt  Arthur  Fitgen 
Über  diesen  Hauptartikeln  wurden  die  anderen  Biographien  nicht  ver- 
nachlässigt. Goswina  v.  Berlepsch  erzählt  die  Schicksale  der  unglück- 
lichen   Antonie  Baumberg,  Wolfgang  Golther  gibt  ein    Bild  von 


\T  Vorwort. 

Mathilde  Wesendonk,  Arthur  Eloesser  widmet  Elsbeth  Meyer- 
Förster,  Hugo  Thimig  seinem  Lebensfreund  Hermann  Schoene 
ein  Gedenkblatt. 

Wesentlich  gefördert  in  unseren  Bemühungen,  für  jede  Biographie 
den  geeignetsten  Bearbeiter  zu  finden,  wurden  wir  durch  alte  und  neue 
Freunde  des  Deutschen  Nekrologes.  Einer  der  ältesten  und  verehrtesten 
Schutzgeister  unseres  Unternehmens,  Friedrich  Ratzel,  ist  uns  zu 
unserem  Schmerz  durch  jähen  Tod  entrissen  worden.  Von  Anfang  an 
stellte  er  sich  in  den  Kreis  unserer  Mitarbeiter:  die  »Biographischen 
Blätter«  beschenkte  er  mit  den  Studien  >>Leonhard  Rauwolf«  und  »Eduard 
Vogels  Tod«.  Zur  Umwandlung  der  »Biographischen  Blätter«  in  ein  Bio- 
graphisches Jahrbuch  und  insbesondere  zur  Begründung  des  »Deutschen 
Nekrologes<:  gab  er  entscheidenden  Anstoß.  \  In  den  meisten  Bänden 
durften  wir  Beiträge  aus  Ratzeis  Feder  mitteilen:  seinen  Nekrologen 
auf  Rohlfs  und  Oskar  Baumann,  die  frühere  Bände  schmückten,  schließt 
sich  im  vorliegenden  Band  sein  Nachruf  für  Bruno  Hassenstein  an. 
Damit  war  Ratzeis  Anteil  lange  nicht  erschöpft;  Ratzel  war  ein  uner- 
müdlicher Berater  und  Fürsprecher  des  Deutschen  Nekrologes  in  kleinen 
und  großen  Fragen,  dem  unser  Unternehmen  wie  die  biographische 
Kunst  und  Forschung  dauernd  zu  Dank  verpflichtet  bleibt 

Eine  Reihe  neuer  ständiger  Ratgeber  haben  wir  dem  Biographischen 
Jahrbuch  gewonnen:  den  Musikhistoriker  Prof  Guido  Adler  in  Wien, 
den  Hygieniker  Prof.  Max  Grub  er  in  München  und  den  Universitäts- 
bibliothekar Dr.  Georg  Wolff  in  München. 

Unter  den  Ergänzungen  und  Nachträgen  weisen  wir  insbesondere 
auf  die  Nekrologe  von  Kaiserin  Viktoria,  Fürst  Chlodwig  Hohen- 
lohe,  Lothar  v.  Schweinitz,  Baron  Hopfen,  H.  v.  Sicherer  und 
W.  E.  Wahlberg  hin,  die  Dank  den  Biographen  Karl  Schrader, 
Ernst  Hauviller,  Thilo  Krieg,  Friedrich  Schmid,  Lothar 
Seuffert  und  Edmund  Benedikt  dauernde  Beachtung  beanspruchen 
dürfen. 

Wien,  23.  Oktober  1904.  Anton  Bettelheim. 


DEUTSCHER  NEKROLOG 


VOM  I.  JANUAR  BIS  3i.  DEZEMBER 


1902 


Homo  über  de  nulla  re  minus  quam 
de  morte  cogitat  et  ejus  sapientia  non 
mortis,  sed  vitae  meditatio  est. 

Spinoza.    Ethices  par;5  IV.  Propos. 

Lxvn. 


BiogT.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.  7.  Bd. 


Deutscher  Nekrolog  vom   i.  Januar  bis  31.  Dezember  1902. 


Albert,  August  Friedrich,  König  von  Sachsen,  *  23.  April  1828  in 
Dresden,  f  ^9-  J""'  1902  in  Sibyllenort.  —  Seine  Geburt  sicherte  dem  Alber- 
tinischen  Hause  die  Fortdauer  und  wurde  schon  deshalb  im  ganzen  Lande 
mit  größter  Freude  begrüßt.  Inmitten  mehrerer  bald  folgender  jüngerer  Ge- 
schwister und  eines  großen  Verwandtenkreises  wurde  der  junge  Prinz,  in 
dem  man  schon  damals  den  künftigen  Thronfolger  und  König  sah,  aufs  sorg- 
fältigste und  liebevollste  unter  den  Augen  seiner  Eltern,  des  geistvollen  fein- 
gebildeten Prinzen  Johann  und  seiner  Gemahlin  Amalie  von  Bayern,  Tochter 
des  Königs  Maximilian  I.,  und  seines  Großvaters,  des  trefflichen  Prinzen 
Maximilian,  erzogen;  auch  der  greise  König  Anton  (1827 — 1836),  Prinz 
Friedrich  August,  der  Bruder  Johanns,  und  Prinzessin  Amalie,  die  Verfasserin 
zahlreicher  Lustspiele  aus  dem  bürgerlichen  Leben,  hatten  ihre  Freude  an 
dem  lebhaften,  aufgeweckten,  wißbegierigen  Knaben,  und  das  reiche,  geistige 
Leben,  das  damals  in  Dresden  herrschte,  übte  bald  einen  gewissen  Einfluß 
auf  seine  Entwicklung.  Noch  vor  Vollendung  des  siebenten  Lebensjahres,  im 
Januar  1835,  gab  ihm  der  Vater  einen  trefflichen  Erzieher  in  der  Person  des 
protestantischen  Juristen  und  Historikers  Albert  von  Langenn  und  bezeich- 
nete als  Hauptaufgaben  »die  frühzeitige  Erweckung  des  vaterländischen  Sinnes, 
seine  tiefbegründete  Achtung  für  positives  Recht  und  Anknüpfung  der  bürger- 
lichen Ordnung  an  ein  höheres  Prinzip,  Bekämpfung  unzeitigen  Stolzes 
auf  die  Geburtsstellung,  sorgfältige  humanistische  Bildung,  Pflege  des  reli- 
giösen Sinnes  in  positiv  kirchlichem  Geiste,  jedoch  ohne  allen  Widerwillen 
gegen  andere  Konfessionsverwandte«.  Den  Religionsunterricht  erteilte  der  Hof- 
prediger Joseph  Dittrich,  die  Unterweisung  im  Latein  (1838 — 43)  der  Kon- 
rektor an  der  Dresdener  Kreuzschule,  Dr.  Julius  Sillig,  der  bald  die  auf- 
richtige Anhänglichkeit  des  Knaben  gewann.  Früh  erwachte  in  diesem  ein 
besonders  lebhaftes  Interesse  für  Geschichte.  Kleine  Reisen  nach  Prag  und 
München  und  Besuche  fürstlicher  Verwandter  erweiterten  gleichzeitig  seinen 
Gesichtskreis;  seine  Freundschaft  mit  dem  späteren  Kaiser  Franz  Joseph, 
seinem  Vetter,  stammt  aus  dieser  Knabenzeit.  Bald  aber  trat  das  militärische 
Interesse,  obwohl  es  weder  in  der  Eigenart  des  Vaters  noch  in  den  jüngeren 
Traditionen  des  ganzen  Hauses  ein  Vorbild  fand,  so  entschieden  hervor,  daß 
Prinz  Johann  ihm  1839  einen  militärischen  Erzieher,  den  Oberleutnant  Fr. 
A.  von  Minckwitz,  gab  und  ihn  militärisch  planmäßig  ausbilden  ließ.  Bald 
nach  seiner  Firmung  (22.  Oktober  1842),  im  Sommer  1843,  trat  Albert  beim 


I* 


4  König  Albert. 

Leibinfanterieregiment  ein  und  erhielt  am  24.  Oktober  desselben  Jahres  sein 
Leutnantspatent.  Es  war  der  Anfang  der  glänzendsten  militärischen  Lauf- 
bahn, die  jemals  ein  Fürst  des  Hauses  Wettin  zurückgelegt  hat.  Daneben 
wurde  die  wissenschaftliche  Ausbildung  sorgfältig  fortgesetzt  und  am  13.  März 
1845  "^^^  einer  förmlichen  Reifeprüfung  abgeschlossen,  wie  es  seitdem  im 
sächsischen  Königshause  üblich  geblieben  ist.  Nach  dem  Urteile  seines  Er- 
ziehers erschien  er  damals  als  human,  ernst  religiös,  voll  Vaterlandsliebe  und 
Achtung  vor  dem  Rechte,  von  schneller  Auffassungsgabe  und  von  lebendigem 
Wirklichkeitssinne,  voll  Interesse  für  Geschichte  und  Politik  und  als  ein  ganzer 
Soldat.  Ein  juristischer  Kursus  beim  Appellationsgerichtsrat  Dr.  Robert 
Schneider  und  mehr  vielleicht  noch  zahlreiche  eingehende  Gespräche  über 
die  Ereignisse  der  immer  bewegteren  Zeit,  die  er  auf  Jagden  und  Ausflügen 
mit  seinem  Oheim,  dem  König  Friedrich  August  II.  (1836 — 54),  führte,  be- 
reiteten ihn  zu  dem  Besuche  der  Universität  Bonn  (seit  November  1847)  vor. 
Im  Verkehr  mit  fürstlichen  Standesgenossen,  dem  Prinzen  Friedrich  Karl  von 
Preußen  und  dem  Erbprinzen  Friedrich  von  Baden,  wie  mit  den  angesehen- 
sten Professoren  der  Hochschule,  E.  M.  Arndt,  M.  A.  v.  Bethmann-Hollweg, 
Fr.  Chr.  Dahlmann  und  Cl.  Perthes  (mit  dem  er  auch  später  brieflich  oft  ver- 
kehrte), ging  ihm  hier  eine  neue  Welt  auf. 

Der  Ausbruch  der  Bewegung  von  1848  zwang  ihn  am  24.  März  sehr  gegen 
seine  Neigung,  Bonn  zu  verlassen  und  in  die  Heimat  zurückzukehren.  Aber 
er  hatte  genug  gelernt,  um  die  verwirrenden  Erschütterungen  dieses  stürmi- 
schen Jahres  mit  besonnenem,  klarem  und  unbefangenem  Urteil  zu  würdigen. 
Die  »Braupfanne  deutscher  Einigkeit«  nannte  er  das  Frankfurter  Parlament, 
das  so  manchem  seiner  Standesgenossen  schlechthin  als  revolutionär  galt;  er 
beneidete  »unsern  Friedrich  Karl«,  daß  er  am  schleswig-holsteinischen  Feld- 
zuge teilnehmen  durfte,  und  erhielt  voll  Freude  die  Erlaubnis,  die  mobile 
sächsische  Brigade,  die  nach  dem  Ablaufe  des  Waffenstillstandes  von  Malmö 
im  März  1849  nach  Schleswig  auszog,  als  Hauptmann  der  Artillerie  im  Stabe 
des  Oberbefehlshabers,  des  Generals  von  Prittwitz,  zu  begleiten.  Mit  seinen 
preußischen  Kameraden,  tapferen  und  gebildeten  Männern,  lebte  er  sich  bald 
völlig  zusammen;  beim  Sturm  auf  die  Höhen  von  Düppel  am  13.  April 
war  er  mitten  unter  den  sächsischen  Truppen  im  Feuer,  dann  machte  er  den 
Feldzug  des  Reichsheeres  bis  Aarhus  in  Jütland  mit.  »Der  Krieg«,  schrieb 
er  damals  am  19.  April,  »ist  das  erste  Zusammenwirken  der  deutschen  Stämme 
zu  einem  Ziele,  es  ist  dies  der  wahre  Weg  der  Einigung,  und  diese  Bahn  zu 
eröffnen  ist  es  Pflicht  namentlich  des  Fürsten,  vorauszugehen  und  gelte  es  das 
Leben,  denn  die  Monarchie  stirbt  nicht  durch  den  Tod  eines  Gliedes,  aber 
Deutschland  geht  zugrunde,  wagt  es  nicht  durchzukämpfen.  Für  mein  Volk 
habe  ich  ein  Herz.«  Einen  militärisch-politischen  Anschluß  Sachsens  an 
Preußen,  einen  engeren  Bund  unter  der  Führung  Preußens  mit  einheitlichem 
Wahlgesetz  und  gemeinsamer  Armee,  zeitweise  selbst  eine  unbedingte  Dik- 
tatur hielt  er  damals  für  geboten,  seinen  eigenen  Eintritt  in  die  preußische 
Armee  für  rätlich  (3.  Mai).  Die  Hülfe,  die  eben  damals  preußische  Bataillone 
den  schwachen  sächsischen  Truppen  zur  Niederwerfung  des  Dresdener  Mai- 
aufstandes leisteten  und  der  Abschluß  des  »Dreikönigsbündnisses«  zwischen 
Preußen,  Sachsen  und  Hannover  am  26.  Mai,  der  Anfang  des  »engeren  Bun- 
des« unter  preußischer  Führung,  nachdem  sich  das  Frankfurter  Parlament  am 


König  Albert.  ^ 

i8.  Mai  aufgelöst  hatte,  schienen  seinen  Gedanken  die  Erfüllung  zu  bringen. 
Aber  der  Waffenstillstand  von  Berlin   am  lo.  Juli,  mit  dem  Preußen  das  be- 
freite Schleswig-Holstein    abermals    preisgab  und    sein  Ansehen    aufs    tiefste 
schädigte,  also  die  Vorbedingung  jedes  politischen  Erfolges  zerstörte,  beendete 
den  Feldzug,  und  schweren  Herzens  kehrte  Albert  im  Juli  über  Berlin   nach 
Dresden  zurück.     In  einem  Briefe  an  den  Vater  vom  i6.  August  stellte  Pritt- 
witz  seiner  »Verachtung  der  Kriegsgefahren«,  seiner  Kaltblütigkeit  und  seinem 
Geschick  im  Verkehr  mit  Offizieren   und   Soldaten  das  ehrenvollste  Zeugnis 
aus.     In  der  Heimat  übernahm  Albert  im  Oktober  1849  als  Major  das  Kom- 
mando eines  Infanteriebataillons  in  Bautzen  und  erlebte  die  neue  Formierung 
der  ansehnlich  verstärkten  (fast  verdoppelten)  Armee  in  fünf  Infanteriebrigaden 
zu  4  Bataillonen.     Sein   Bataillon    gegen    seine  preußischen   Kameraden    ins 
Feld  führen  zu  müssen,  wie  es  der  Abfall  Sachsens  vom  Dreikönigsbündnis 
und    der  Konflikt   zwischen  Preußen   und   Österreich  im  kurhessischen  Ver- 
fassungsstreit im  November  1850  unvermeidlich  zu   machen  schien,   ersparte 
ihm  die  unrühmliche  Abkunft  von  Olmütz,  also  das  Zurückweichen  Preußens; 
aber  die  einfache  Wiederherstellung  des  anerkanntermaßen  völlig   unzuläng- 
lichen  Deutschen    Bundes    nach    den    ergebnislosen    Dresdener    Konferenzen 
(Dezember  1850  bis  Mai  185 1)  brachte  Sachsen  in  die  gefährliche  Lage,  poli- 
tisch sich  an  Österreich  zu  lehnen  und  wirtschaftlich  mit  Preußen  durch  den 
Zollverein  unzertrennlich  verbunden  zu  sein.     Ohne  sich   an  den   politischen 
Dingen  besonders  zu  beteiligen,  widmete  Albert  diese  Jahre  vor  allem  seiner 
weiteren  militärischen  Ausbildung,  seit  Dezember  1850  als  Oberst,  seit  Dezem- 
ber 185 1  als  Generalmajor.    Er  wohnte  im  Sommer  1852  mit  dem  Prinzen  Frie- 
drich Wilhelm  von  Preußen  den  russischen  Manövern  bei  St.  Petersburg  bei,  im 
September  den  österreichischen  in  Ungarn.     In  Österreich  lernte  er  auch  die 
anmutige  Prinzessin  Carola  von  Wasa,   die  Tochter  des  Prinzen  Gustav  von 
Wasa  und  der  Prinzessin  Luise  von  Hohenzollem,  kennen,  und  am  18.  Juni 
1853  vermählte  er  sich  mit  ihr.     Im  nächsten  Jahre  rief  der  jähe  Tod   des 
Königs  Friedrich  August  am  9.  August  1854  seinen  jüngeren  Bruder,  den  Prinzen 
Johann,  auf  den  Thron,  und  Albert  wurde  Kronprinz. 

Damit  rückten  ihm  nun  auch  die  politischen  Dinge  näher.  Er  übernahm 
im  April  1855  den  Vorsitz  im  Staatsrat  und  trat  im  Mai  1862  in  die  Erste 
Kammer  ein,  beteiligte  sich  also  an  der  Vorbereitung  und  der  Beratung  aller 
der  Gesetze,  die  in  diesen  Jahren  das  sächsische  Gerichtswesen  (mit  Aufhebung 
der  Patrimonialgerichtsbarkeit)  umgestalteten,  1856  ein  neues  Strafgesetzbuch, 
1865  ein  neues  Bürgerliches  Gesetzbuch  einführten  und  1861  die  Gewerbefrei- 
heit gewährten.  Sein  besonderes  Interesse  blieb  dem  Heerwesen  umsomehr 
zugewandt,  als  nach  den  Erschütterungen  des  Krimkrieges  1853 — 56  der  italie- 
nische Krieg  1859  Deutschland  nahe  berührte  und  die  Erfahrungen  bei  der 
vom  Bundestage  beschlossenen  Kriegsbereitschaft  die  Reformbedürftigkeit  der 
Bundeskriegsverfassung  ins  hellste  Licht  setzten.  Bildeten  doch  die  aus  den 
Kontingenten  mehrerer  Staaten  zusammengesetzten  Armeekorps,  das  VIII., 
IX.  und  X.,  weder  in  Uniformierung  noch  in  Ausrüstung  und  Exerzitium  eine 
Einheit  und  wurden  kaum  zu  Manövern  einmal  zusammengezogen.  Zum 
kommandierenden  General  des  IX.  Armeekorps  (Sachsen,  Kurhessen,  Nassau, 
Luxemburg)  ernannt,  durchschaute  Albert  auf  Inspektionsreisen  bald  die  ge- 
fährlichen  Gebrechen    dieser  Zustände.     Aber  der  mittelstaatliche  Gedanke, 


5  König  Albert. 

die  Truppen  der  Mittel-  und  Kleinstaaten  zu  einer  höheren  Einheit  neben 
den  Heeren  der  beiden  Großmächte  zusammenzufassen,  also  eine  militärische 
Trias  zu  bilden,  scheiterte  in  langen  Verhandlungen  1859 — 1861  ebensowohl 
an  der  Uneinigkeit  der  zunächst  beteiligten  Staaten  wie  an  dem  Widerspruch 
der  beiden  Großmächte,  die  den  einfachen  Anschluß  der  kleinstaatlichen 
Truppenkörper  an  ihre  eigenen  Armeen  für  das  zweckmäßigste  hielten.  Nichts- 
destoweniger wurde  an  der  Vervollkommnung  des  sächsischen  Heerwesens 
rüstig  fortgearbeitet;  die  Infanterie  erhielt  eine  neue  kleidsamere  und  zweck- 
mäßigere Uniform  (hellblau),  die  Artillerie  gezogene  Hinterlader.  Der  Kron- 
prinz selbst  nahm  1861  an  den  großen  preußischen  Manövern  in  der  Rhein- 
provinz teil  und  leitete  im  Herbst  desselben  Jahres  die  sächsischen  Manöver 
in  der  Oberlausitz. 

Auch  der  Gedanke  einer  Reform  der  Bundesverfassung,  deren  Notwendig- 
keit niemand  besser  erkannte  als  König  Johann  und  Kronprinz  Albert,  be- 
schäftigte ihn  in  diesen  Jahren  fortwährend,  und  da  Sachsen  nach  seiner  ganzen 
Lage  bei  einem  feindlichen  Zusammenstoß  Preußens  und  Österreichs,  der 
näher  und  näher  rückte,  seitdem  Preußen  mit  der  Übernahme  der  Regentschaft 
durch  den  Prinzen  Wilhelm  1858  seine  früheren  Bestrebungen  auf  Begründung 
eines  Bundesstaates  mit  »preußischer  Spitze«  immer  sichtbarer  wieder  aufnahm, 
überaus  gefährdet  war,  mehr  als  jeder  andere  Mittelstaat,  so  bemühte  sich  die 
sächsische  Politik  um  eine  friedliche  Lösung  der  Gegensätze  und  suchte 
nach  beiden  Seiten  freundliche  Beziehungen  zu  unterhalten.  Deshalb  wohnte 
Albert  auch  der  Krönung  König  Wilhelms  I.  in  Königsberg  am  18.  Oktober 
1861  bei  und  vertrat  in  seiner  ersten  Rede,  die  er  am  24.  Juli  1862  in  der 
Ersten  Kammer  hielt,  die  Annahme  des  Handelsvertrags  mit  Frankreich,  von 
der  die  Erneuerung  des  Zollvereins  abhängig  war,  also  den  engsten  wirt- 
schaftlichen Anschluß  an  Preußen.  Eine  vermittelnde  Haltung  nahm  König 
Johann  auch  auf  dem  Frankfurter  Fürstentage  im  August  1863  ein,  der  die 
Bundesreformfrage  im  österreichischen  Sinne  lösen  sollte,  dessen  Einberufung 
aber  in  Dresden  keineswegs  angenehm  überraschte;  als  Johanns  Versuch,  den 
König  Wilhelm,  seinen  alten  Freund,  nachträglich  zur  Teilnahme  zu  bewegen, 
gescheitert  war  und  der  Kronprinz  in  Wien  erfahren  hatte,  daß  die  preu- 
ßischen Gegenvorschläge  vom  22.  September  dort  nicht  auf  Annahme  zu 
rechnen  hätten,  da  lehnte  der  König  das  Ansinnen  Österreichs,  das  Frank- 
furter Reformprogramm  nunmehr  auch  ohne  Preußen,  also  gegen  Preußen 
durchzuführen,  rundweg  ab,  denn  ein  solcher  Schritt  würde  den  Riß  unheil- 
bar gemacht  haben. 

Eine  peinliche  Folge  dieser  schließlich  ablehnenden  Haltung  der  Mittel- 
staaten gegenüber  der  österreichischen  Politik  trat  bald  hervor.  Als  die 
schleswig-holsteinische  Frage  mit  dem  Tode  König  Friedrichs  VII.  am  15.  No- 
vember 1863  urplötzlich  brennend  wurde,  und  die  Mittel-  und  Kleinstaaten, 
nachdem  im  Dezember  sächsische  und  hannoversche  Exekutionstruppen  auf 
Bundesbeschluß  Holstein  besetzt  hatten,  den  Antrag  der  beiden  Großmächte, 
nun  auch  Schleswig  als  Faustpfand  in  Besitz  zu  nehmen,  aber  nicht,  um  es  für 
Friedrich  (VIII.)  von  Augustenburg  zu  sichern,  sondern  um  die  Anerkennung 
des  Londoner  Protokolls  in  Kopenhagen  zu  erzwingen,  zurückwiesen,  da  ver- 
bündete sich  Österreich  am  14.  Januar  1864  mit  Preußen  zur  gemeinschaftlichen, 
selbständigen  Durchführung  dieser  Politik  und  schob  Bundestag   und  Mittel- 


König  Albert  7 

Staaten  kurzweg  bei  seite.  Aufs  schmerzlichste  empfand  es  damals  Prinz 
Albert,  daß  damit  auch  den  sächsischen  Truppen  die  Teilnahme  an  dem  glän- 
zenden dänischen  Feldzuge  versagt  blieb,  und  er  bemühte  sich  in  Berlin,  sie 
noch  durchzusetzen,  fand  aber  bei  der  Mehrheit  des  Bundestages  kein  Gehör. 
Unbeirrt  dadurch  trat  er  damals  in  der  Ersten  Kammer  für  die  Erneuerung 
des  Zollvereins  als  Referent  ein  und  wies  andrerseits  bei  der  Beratung  über 
eine  Vermehrung  des  sächsischen  Offizierkorps  am  27.  Mai  1864  sehr  ernst  auf 
die  ernste  Lage  hin,  bei  der  es  bald  nicht  mehr  darauf  ankommen  könne, 
was  Sachsen  in  Industrie,  Kunst  und  Wissenschaft  leiste,  sondern  wo  die 
Frage  gestellt  werden  würde:  »Wie  haben  sich  unsere  Sachsen  geschlagen?« 
Das  friedselige  Geschlecht  dieser  Tage  verstand  ihn  nicht,  und  doch  mußte 
es  erleben,  daß  nach  dem  Wiener  Frieden  vom  30.  Oktober  1864,  der  die 
Eibherzogtümer  an  Preußen  und  Österreich  abtrat,  ohne  jede  Mitwirkung  des 
Bundestages,  die  Bundestruppen  einfach  aus  Holstein  herausgedrängt  wurden 
und  daß  Sachsen  im  Dezember  bis  dicht  an  den  bewaffneten  Konflikt  mit 
Preußen  kam. 

Seitdem  im  Februar  1865  der  Versuch  Preußens,  sich  mit  Österreich  über 
Schleswig-Holstein  auf  Grund  eines  engen  politischen,  militärischen  und  wirt- 
schaftlichen Anschlusses  der  Herzogtümer  an  Preußen  zu  verständigen,  ge- 
scheitert war,  lenkte  Österreich  wieder  zu  den  Mittelstaaten  hinüber,  beschwor 
damit  aber  auch  den  offenen  Konflikt  herauf,  den  die  Konvention  von  Gastein 
am  14.  August  nur  eben  weiter  hinausschob.  Ohne  Schwanken  hat  da  Sachsen 
seine  Stellung  genommen,  da  das  Bundesrecht  ihm  am  besten  seine  Selb- 
ständigkeit zu  verbürgen  schien,  ein  Bundesstaat  unter  preußischer  Führung 
sie  schmälern  mußte,  und  mit  klarer  Entschlossenheit  hat  es  seine  militärischen 
Vorbereitungen  schon  seit  dem  März  1866  getroffen.  Seit  dem  20.  Mai  stand 
die  mobilisierte  sächsische  Armee  unter  dem  Oberbefehl  des  Kronprinzen  in 
enger  Aufstellung  bei  Dresden,  um,  da  sich  die  Hoffnung  auf  bayrische  Hülfe 
bald  als  ganz  unsicher  erwiesen  hatte,  entweder  den  Anmarsch  der  öster- 
reichischen Nordarmee  abzuwarten  oder  den  Abzug  nach  Böhmen  anzu- 
treten, an  demselben  20.  Mai  setzte  sich  Albert  mit  dem  österreichischen 
Oberbefehlshaber,  dem  Feldzeugmeister  L.  von  Benedek,  in  briefliche  Ver- 
bindung. In  seiner  klaren,  nüchternen  Weise  hatte  er  wenig  Hoffnung  auf 
Sieg.  Schon  am  9.  Mai  schrieb  er  an  den  Kriegsminister  Rabenhorst: 
»Ruhm  wird  wenig  zu  haben  sein,  Ehre  und  Reputation  aber  oft  auf  dem 
Spiele  stehen«. 

Am  14.  Juni  1866  fiel  in  Frankfurt  mit  dem  Beschlüsse,  die  außer- 
preuflischen  Kontingente  zu  mobilisieren,  die  Entscheidung,  am  Abend  des 
15.  lehnte  König  Johann  das  preußische  Ultimatum  ab.  Der  preußische  Ge- 
sandte verließ  Dresden,  und  in  denselben  Stunden  trafen  die  preußischen 
Vortruppen  schon  in  Riesa  ein.  Am  16.  wurde  Dresden  geräumt,  am  18.  Juni 
überschritten  die  sächsischen  Truppen  auf  drei  Straßen  die  böhmische  Grenze, 
um  über  das  Erzgebirge  in  den  Teplitzer  Talkessel  hinabzusteigen.  Aber  erst 
nach  heißen  Märschen  erreichten  sie  an  der  Iser  die  Spitzen  der  österreichi- 
schen Nordarmee,  wo  nun  Albert  das  Kommando  übernahm.  Vor  dem  starken 
Andringen  der  zweiten  preußischen  Armee  unter  Prinz  Friedrich  Karl  ent- 
schloß sich  der  Kronprinz  am  28.  Juni  nach  Gitschin  zurückzugehen,  wo  er 
für  den  30.  Juni  die  Ankunft  des  Gros  der  Nordarmee  von  Josephstadt  her 


8  König  Albert. 

erwarten  durfte;  doch  kam  es  an  demselben  Tage  bei  Münchengrätz  noch  zu 
einem  scharfen  Rückzugsgefecht.  Am  29.  nachmittags  nahmen  die  Sachsen 
und  Österreicher  bei  Gitschin  den  Kampf  auf,  bis  am  Abend  die  Depesche 
Benedeks  eintraf,  daß  er  angesichts  des  Einmarsches  der  Ersten  preußischen 
Armee  unter  dem  Kronprinzen  Friedrich  Wilhelm  in  seiner  rechten  Flanke 
auf  die  Offensive  verzichte  und  der  Kronprinz  sich  auf  die  Hauptarmee  bei 
Königgrätz  zurückziehen  müsse.  Hier  bezogen  die  Sachsen  schon  am  i.Juli 
auf  dem  äußersten  linken  Flügel  der  Österreicher  ihre  Stellung  bei  Perschim 
und  Problus,  die  sie  sorgfältig  für  den  bevorstehenden  Entscheidungskampf 
vorbereiteten,  und  hier  schlug  Albert  am  3.  Juli  tatsächlich  eine  fast  selbstän- 
dige Schlacht  gegen  die  Eibarmee.  Selbständig  gab  er  gegen  2  Uhr,  als  ihm 
das  Zurückgehen  der  Feuerlinien  im  Nordosten  zeigte,  daß  die  Österreicher 
im  Weichen  seien  und  die  Kugeln  schon  in  seinen  Stab  einschlugen,  auch 
den  Befehl  zum  Rückzuge,  den  die  Sachsen  inmitten  der  allgemeinen  Auf- 
lösung in  fester  Ordnung  ausführten.  In  der  Nacht  überschritt  er  bei  Par- 
dubitz  die  Elbe,  selbst  in  fast  verzweifelter  Stimmung  —  »ich  wollte,  ich  läge 
tot  auf  dem  Schlachtfelde«,  sagte  er;  —  am  11.  Juli  erreichte  er  Olmütz. 
Von  dort  setzten  die  Sachsen  ihren  Rückzug  teils  geradewegs  nach  Wien, 
teils  das  Waagtal  hinunter  durch  Ungarn  nach  der  Donau  fort,  aber  erst 
am  30.  Juli  war  das  ganze  Korps  östlich  von  Wien  um  das  Hauptquartier 
Hetzendorf  wieder  vereinigt. 

Inzwischen  war  am  22.  Juli  der  Waffenstillstand  eingetreten,  am  26.  Juli 
der  Präliminarfriede  von  Nikolsburg  abgeschlossen  worden,  der  die  Erhaltung 
Sachsens  unter  der  Bedingung  seines  Eintritts  in  den  Norddeutschen  Bund 
zugestand.  Seitdem  arbeitete  Albert  eifrig  und  ehrlich  an  der  möglichst 
günstigen  Regelung  der  neuen  Verhältnisse,  besonders  der  militärischen. 
Darüber  begannen  die  Verhandlungen  nach  der  Entlassung  Beusts  (am 
15.  August).  Da  sie  um  Mitte  September  gänzlich  ins  Stocken  gerieten,  wollte 
der  Kronprinz  persönlich  nach  Berlin  gehen,  aber  am  18.  Oktober  konnte 
König  Johann  in  Karlsbad  den  Entwurf  der  Friedensurkunde  unterzeichnen, 
am  21.  Oktober  kam  der  Friede  in  Berlin  zum  Abschluß  und  in  den  nächsten 
Tagen  rückten  die  sächsischen  Truppen  in  die  Heimat  ab.  Am  26.  Oktober 
kehrte  König  Johann  mit  den  Seinen  nach  Pillnitz  zurück,  am  3.  November 
nach  Dresden.  Die  ehrenvolle  Aufnahme,  die  der  König  und  der  Kronprinz 
am  16.  Dezember  in  der  preußischen  Hauptstadt  fanden,  leitete  das  neue 
Bundesverhältnis  hoffnungsreich  ein,  und  beide  bewiesen  durch  die  pünkt- 
liche Gewissenhaftigkeit,  mit  der  sie  insbesondere  die  Neugestaltung  der 
sächsischen  Truppen  als  des  XII.  Armeekorps  des  norddeutschen  Bundes- 
heeres nach  der  Konvention  vom  7.  Februar  1867  ausführten,  daß  das  Ver- 
trauen König  Wilhelms  und  Bismarcks  in  ihr  Fürsten-  und  Manneswort  voll- 
auf gerechtfertigt  sei.  Am  i.  April  1867  war  die  Neuformation  abgeschlossen, 
im  Juni  erhielten  die  neugebildeten  Truppenteile  ihre  Fahnen,  im  September 
konnte  der  Kronprinz  das  Armeekorps  dem  preußischen  Inspekteur  General 
von  Fransecky  vorführen  und  am  8.  September  1868  nahm  König  Wilhelm 
als  Bundesfeldherr  in  Dresden  seine  erste  Parade  über  die  i.  sächsische  Di- 
vision Nr.  23  ab.  Albert  selbst  trat  1869  als  Chef  des  2.  ostpreußischen 
Dragonerregiments  Nr.  10  in  persönliche  Beziehungen  zur  preußischen  Armee, 
knüpfte  solche  auch  zu  Graf  Bismarck  und  zu  Moltke  an.    Es  war  ein  wohl- 


König  Albert  9 

tuender  Vertrauensbeweis,  daß  die  preußischen  Okkupationstruppen  1867/68 
allmählich  ihre  sächsischen  Garnisonen  bis  auf  den  Königstein  räumten. 
So  bewährte  sich  Sachsen  als  ein  starkes  und  leistungsfähiges  Glied  des  Nord- 
deutschen Bundes. 

Als  ein  solches  erschien  es  auch  in  dem  Nationalkriege  gegen  Frank- 
reich 1870/71.  Als  Führer  wie  als  Organisator  erprobt,  ging  der  Kronprinz 
Albert  an  der  Spitze  seines  XII.  Armeekorps  am  29.  Juli  ins  Feld,  um  von 
Mainz  aus  unter  dem  Oberbefehle  des  Prinzen  Friedrich  Karl  durch  Rhein- 
hessen und  die  bayrische  Pfalz  in  Frankreich  einzurücken,  nachdem  die  Siege 
des  4.  und  6.  August  die  Bahn  gebrochen  hatten.  In  heißen  Märschen  er- 
reichte er  die  Mosel  oberhalb  von  Metz  und  auf  die  Hochebene  im  Westen 
der  Festung  hinaufsteigend,  auf  die  gelehnt  Marschall  Bazaine  nach  den  blu- 
tigen Schlachten  des  14.  und  16.  August  von  St.  Privat  bis  Gravelotte  seine 
feste  Stellung  genommen  hatte,  hatte  er  am  18.  August  den  äußersten  linken 
Flügel  der  deutschen  Armee  gegenüber  St.  Privat  inne.  Hier  entschied  sein 
Scharfblick  und  sein  rascher  Entschluß  die  Umgehung  über  Roncourt,  die  den 
glücklichen  Sturm  auf  St.  Privat  ermöglichte.  Schon  am  nächsten  Tage  erhielt 
Albert  die  Ernennung  zum  Oberbefehlshaber  einer  aus  dem  XII.  und  IV.  Armee- 
korps und  der  Garde  mit  der  5.  und  6.  Kavalleriedivision  zu  bildenden 
selbständigen  »Maasarmee«,  und  parallel  mit  der  III.  Armee  des  Kronprinzen 
von  Preußen  trat  er  über  Verdun  den  Vormarsch  auf  Chälons  an,  wo  man 
die  französische  Armee  Mac  Mahons  vermutete.  Da  diese  statt  dessen  zum 
Entsätze  Bazaines  in  Metz  nach  Nordosten  abmarschierte,  so  vollzogen  die 
deutschen  Heere  die  große  Rechtsschwenkung,  um  ihr  den  Weg  zu  verlegen. 
Dabei  stieß  die  Maasarmee  zuerst  auf  den  Feind,  am  24.  bei  Busancy,  am 
27.  bei  Nouart,  und  drängte  am  30.  August  den  Marschall  in  der  Schlacht 
bei  Beaumont  über  die  Maas  nach  Sedan  zurück.  Am  frühen  Morgen  schon 
des  I.  September  faßte  Albert  auf  die  Nachricht  hin,  daß  die  III.  Armee  unter- 
halb von  Sedan  die  Maas  zu  überschreiten  beabsichtige,  den  Entschluß,  dem 
Feinde  »auf  den  Leib  zu  gehen«,  ihn  von  Osten  her  zu  fassen.  So  trug  er 
das  Seinige  zu  dem  glänzenden  Siege  bei,  der  den  Kaiser  Napoleon  und 
seine  Armee  zur  Kapitulation  zwang,  und  begrüßte  am  Nachmittage  des 
2.  September  den  König  Wilhelm  inmitten  seiner  Truppen  auf  dem  Schlacht- 
felde. Als  er  am  4.  September  zu  ihm  ins  Hauptquartier  nach  Vendresse 
kam,  verlieh  ihm  der  König  das  Eiserne  Kreuz  erster  Klasse.  Bei  der  Ein- 
schließung von  Paris  seit  dem  19.  September  nahm  er  sein  Hauptquartier  erst 
in  Grand  Tremblay  bei  St.  D^nis,  seit  dem  8.  Oktober  in  Margency,  und  er 
verstand  es,  die  Offiziere  der  verschiedensten  Truppenteile,  die  ihn  umgaben, 
in  warmer  Verehrung  für  den  fürstlichen  Oberbefehlshaber  zu  vereinigen.  Mit 
dem  Hauptquartier  des  Königs  in  Versailles  (seit  dem  5.  Oktober)  stand  er 
allezeit  im  besten  Einvernehmen,  und  Moltke  spendete  ihm  damals  das  ge- 
wichtige Lob,  er  sei  der  einzige  Prinz,  der  zu  gehorchen  verstehe,  d.  h.  die 
Befehle  des  Oberkommandos  sachgemäß  und  doch  mit  selbständigem  Urteil 
ausführe.  In  der  Frage  über  die  Art  und  Weise  des  Angriffs  auf  Paris  stand 
er  (mit  Roon)  auf  Seite  der  »Schießer«.  Aber  erst  nach  der  blutigen  Ausfalls- 
schlacht bei  Brie  und  Champigny  am  30.  November  und  2.  Dezember,  in  der 
das  sächsische  Armeekorps  die  schwersten  Verluste  erlitt,  drang  diese  Ansicht 
durch   und  am   27.  Dezember  wurde   die  Beschießung  von  den  Batterien  der 


10  König  Albert. 

Maasarmee  auf  der  Ostfront  eröffnet,  am  21.  Januar  187 1  auch  auf  der  Nord- 
front, und  nach  der  Übergabe  von  Paris  am  28.  Januar  zog  Albert  am 
29.  Januar  in  St.  D^nis  ein. 

Auch  an  den  Verhandlungen,  die  zur  Herstellung  des  Reichs  und  des 
Kaisertums  führten,  hat  er  einen  gewissen  Anteil  gehabt.  Schon  am  22.  August 
in  Pont-ä-Mousson  bei  Metz  trug  ihm  Graf  Bismarck  den  Plan  vor,  einen 
deutschen  Fürstenkongreß  etwa  nach  Nancy  zu  berufen,  um  die  Friedens- 
bedingungen festzustellen  und  die  Verbindung  des  Norddeutschen  Bundes  mit 
den  süddeutschen  Staaten  vorzubereiten;  dafür  bat  er  den  Kronprinzen  bei 
seinem  Vater,  dem  König  Johann,  wirken  zu  wollen,  was  dieser  bereitwillig 
zusagte.  Mit  der  dann  von  Bayern  verlangten  Sonderstellung  waren  übrigens 
beide  keineswegs  einverstanden.  Der  Kaiserproklamation  am  18.  Januar  1871 
wohnte  mit  zahlreichen  deutschen  Fürsten  auch  Kronprinz  Albert  neben  seinem 
Bruder,  dem  Prinzen  Georg,  bei. 

Nach  dem  Abschluß  des  Präliminarfriedens  von  Versailles  am  26.  Februar 
ritt  Albert  mit  den  am  i.  März  einziehenden  Truppen  in  Paris  ein,  am 
3.  März  nahm  er  Abschied  von  der  .Maasarmee,  am  7.  März  führte  er  dem 
Kaiser  bei  der  Parade  auf  dem  Schlachtfelde  von  Brie  und  Champigny  das 
XII.  Armeekorps  vor,  dann  reiste  er  auf  wenige  Tage  nach  der  Heimat.  Aber 
schon  am  18.  März  nahm  er,  diesmal  in  Begleitung  seiner  Gemahlin,  als 
Oberbefehlshaber  der  deutschen  Okkupationsarmee  sein  Hauptquartier  in 
Compi^gne,  während  des  Kommuneaufstandes  wieder  in  Margency.  Erst 
am  3.  Juni,  als  der  Aufstand  unter  Greueln  und  Verwüstungen  aller  Art  nieder- 
gekämpft war,  kehrte  er  nach  Compi^gne  zurück  und  legte  hier  am  8.  Juni 
sein  Kommando  nieder,  um  nach  Deutschland  heimzukehren.  Dort  warteten 
seiner  die  höchsten  Ehren.  Unter  den  Führern  der  selbständigen  Armeen  nahm 
er  an  dem  glänzenden  Triumphzuge  in  der  Reichshauptstadt  am  16,  Juni  teil, 
am  II.  Juli  hielt  er  als  Generalfeldmarschall  mit  dem  Großkreuz  des  Eisernen 
Kreuzes  geschmückt,  lorbeerumkränzt  an  der  Spitze  des  XII.  Armeekorps, 
dessen  Kommando  er  wieder  übernahm,  seinen  Siegeseinzug  in  Dresden. 

Daneben  aber  hatte  ihm  Kaiser  Wilhelm  schon  am  15.  Juni  die  erste 
Armeeinspektion  (über  das  I.,  V.  und  VI.  Armeekorps)  übertragen,  die  er  seitdem 
regelmäßig  ausübte.  Mit  dem  Kaiserhofe  gestalteten  sich  die  Beziehungen 
immer  enger  und  so  war  der  Kronprinz  im  September  1872  auch  bei  der 
glänzenden  Dreikaiserzusammenkunft  in  Berlin  zugegen.  Daheim  wirkte  er 
auch  als  Mitglied  der  Ersten  Kammer  an  der  Reformgesetzgebung  dieser 
Jahre  mit,  und  mehrmals  vertrat  er  seinen  greisen  Vater  während  längerer 
Abwesenheit  in  den  Regierungsgeschäften.  Noch  feierte  der  König  und  mit 
ihm  das  ganze  Land  in  Beisein  des  Kaiserpaares  am  10.  November  1872  seine 
goldene  Hochzeit,  dann  aber  trat  sein  altes  Herzleiden  bald  mit  großer  Hef- 
tigkeit auf  und  am  Morgen  des  29.  Oktober  1873  verschied  er  im  Kreise  der 
Seinen  im  Schlosse  von  Pillnitz.  Umstrahlt  von  dem  Siegesglanze  einer  großen 
Zeit  bestieg  König  Albert  den  Thron. 

Eine  Geschichte  Alberts  als  König  ist  von  der  Geschichte  Sachsens 
noch  nicht  zu  trennen  —  und  eine  solche  Geschichte  kann  diese  biographische 
Skizze  nicht  sein  wollen  — ,  denn  sein  persönlicher  Anteil  läßt  sich  noch 
nicht  feststellen.  Teilweise  liegt  das  allerdings  auch  daran,  daß  er  es  nicht 
liebte,  persönlich  stark  hervorzutreten,  so  entschieden  er  auch  seinen  persön- 


König'  Albert.  II 

liehen  Willen,  wenn  es  darauf  ankan),  zur  Geltung  zu  bringen  wußte.  So 
lassen  sich  nur  die  allgemeinen  Züge  seiner  Regierungsweise  feststellen:  ge- 
wissenhafteste Beobachtung  der  Landesverfassung,  das  vielseitigste  Interesse, 
die  Selbständigkeit  des  Urteils,  die  Pflichttreue,  die  Umsicht  in  der  Wahl 
seiner  Minister,  unter  denen  Männer  wie  Richard  von  Friesen,  Alfred  von 
Fabrice,  Hermann  von  Nostitz-Wallwitz,  Ludwig  von  Abeken,  L^once  von 
Könneritz,  Karl  von  Gerber,  Paul  von  Seydewitz  in  der  Geschichte  seiner 
Regierung  immer  einen  Ehrenplatz  behaupten  werden.  So  wurde  diese  Re- 
gierung eine  Zeit  wohltätiger  Reformen  auf  allen  Gebieten,  eines  rüstigen 
wirtschaftlichen  wie  geistigen  Fortschritts  im  engsten  Zusammenhange  mit  dem 
Reiche  und  im  Rahmen  seiner  Verfassung  und  Gesetzgebung.  Ein  überzeugter 
und  ehrlicher  Anhänger  der  nationalen  Neugestaltung,  die  ja  seinen  eigenen 
Jugendidealen  entsprach,  und  die  er  an  so  hervorragender  Stelle  selbst  hatte 
herbeiführen  helfen,  hat  er  an  der  Befestigung  des  Reichsgedankens  in  Sachsen 
den  erheblichsten  Anteil  gehabt,  war  er  eines  der  angesehensten  und  einfluß- 
reichsten Mitglieder  jenes  deutschen  Fürstenrats,  der  zwar  eine  reichsver- 
fassungsmäßige Existenz  nicht  hat,  aber  im  stillen  sehr  wirksam  ist.  Das 
beruhte  vor  allem  auf  seinem  persönlichen  Verhältnis  zu  drei  Kaisern.  Wie 
er  oft  als  Gast  des  Kaiserhofs  in  Berlin  verweilte,  so  begrüßte  er  Kaiser 
Wilhelm  L  zweimal,  1876  und  1882,  als  obersten  Kriegsherrn  und  Oberfeld- 
herrn des  Reichs  in  seinem  Land,  Kaiser  Wilhelm  IL  1888  und  1896,  und  bei 
jeder  Feier  des  sächsischen  Königshauses  erschien  Wilhelm  II.  in  Dresden,  so 
1889  beim  achthundertjährigen  Jubiläum  des  Hauses  Wettin,  1893  beim 
50jährigen  Militärjubiläum  und  1898  beim  fünfundzwanzigjährigen  Regierungs- 
jubiläum König  Alberts.  Zweimal,  1879  und  1887,  ^^^  diesem  der  Ober- 
befehl in  einem  damals  drohenden  Kriege  gegen  Rußland  zugedacht,  und  als 
der  unglückliche  Kaiser  Friedrich  III.  den  Tod  vor  Augen  sah,  da  legte  er 
dem  König  Albert  die  Sorge  um  seinen  jungen  Nachfolger  besonders  ans 
Herz.  Es  war  der  erste  Akt  dieser  Fürsorge,  daß  er  die  deutschen  Fürsten 
veranlaßte,  sich  bei  der  Eröffnung  des  ersten  Reichstages  persönlich  um  den 
Kaiser  zu  scharen;  das  Ausland  sollte  sehen,  »daß  unser  Zusammenhang  nie- 
mals fester  gewesen  ist«.  Mit  dem  Fürsten  Bismarck  war  er  seit  1866  per- 
sönlich bekannt,  und  er  gewann  immer  größeres  Vertrauen  zu  ihm  und  zu 
seiner  Politik.  Unmittelbar  nach  seinem  Regierungsantritte  bat  er  ihn  auch, 
sich  allezeit  um  Rat  an  ihn  wenden  zu  dürfen.  »Ich  will  Ihnen  sagen«,  be- 
merkte er  später  einmal  zu  einem  Historiker  seiner  Bekanntschaft,  »warum  ich 
so  für  Bismarck  bin.  Er  ist  ein  großer  Staatsmann,  denn  er  hat  im  vollsten 
Glücke  Maß  gehalten.«  Nichtsdestoweniger  verkannte  er  die  tragische  Not- 
wendigkeit, die  im  März  1890  den  Rücktritt  des  Reichskanzlers  herbeiführte, 
keineswegs.  »Ich  habe  mich  überzeugt«,  sagte  er  unmittelbar  nachher  zu  einem 
Mitgliede  der  ersten  Kammer,  »der  Kaiser  konnte  nicht  anders,  wenn  er  die 
Zügel  in  der  Hand  behalten  wollte.«  Das  hielt  ihn  indes  nicht  ab,  den 
Fürsten,  als  er  im  Juni  1892  durch  Dresden  kam,  in  einem  Handschreiben 
zu  begrüßen  und  ihm  für  den  Segen  zu  danken,  der  durch  des  Kanzlers 
Wirken  auch  in  sein  Leben  gekommen  sei.  Für  alle  Reichsangelegenheiten 
hegte  er  das  lebhafteste  Interesse.  Er  verfolgte  deshalb  auch  mit  wacher 
Sorge  den  Ausbau  des  deutschen  Heeres,  zu  dem  Sachsen  seit  1899  noch 
ein  zweites  Armeekorps,  das  XIX.,  stellte  und  die  Neubegründung  der  deutschen 


12  König  Albert. 

Flotte,  denn  die  Notwendigkeit  der  neu  aufsteigenden  Kolonial-  und  Welt- 
politik gerade  für  das  hochindustrielle  Sachsen  war  ihm  vollkommen  klar. 
Noch  im  August  1900,  als  auch  von  den  beiden  sächsischen  Armeekorps 
Freiwillige  nach  China  aufbrachen,  ließ  er  es  sich  nicht  nehmen,  sie  persön- 
lich zu  verabschieden,  obwohl  er  damals  schon  leidend  war,  und  ermahnte 
sie,  auch  im  fernsten  Osten  dem  sächsischen  Namen  Ehre  zu  machen  und 
tapfer  für  die  Ehre  Deutschlands  einzutreten.  Ein  König  von  Sachsen,  der 
seine  Landeskinder  unter  dem  Reichsbanner  zum  Kriege  nach  China  entläßt 
und  das  Dresdener  Zeughaus  mit  chinesischen  Trophäen  schmückt:  augen- 
scheinlicher konnte  die  ungeheure  Wandlung  in  den  Geschicken  Sachsens 
und  Deutschlands  nicht  hervortreten!  Bei  dieser  seiner  Stellung  zu  den 
Dingen  war  es  nur  natürlich,  daß  er  die  höchste  Popularität  genoß,  nicht  nur 
in  Sachsen,  sondern  im  ganzen  Reiche.  Alle  die  Erinnerungsfeste,  die  er 
persönlich  in  diesen  Jahren  beging,  wurden  deshalb  auch  Feste  des  sächsischen 
Volkes:  seine  silberne  Hochzeit  1878,  sein  Militärjubiläum  1893,  sein  25- 
jähriges  Regierungsjubiläum  und  sein  70.  Geburtstag  1898.  Nach  mensch- 
lichem Maßstabe  gemessen  war  er  der  glücklichste  Fürst  des  Wettinschen 
Stammes. 

Aber  das  alles  war  doch  auch  eine  Wirkung  seines  Charakters,  seiner 
Persönlichkeit.  Vor  allem  das  sächsische  Volk  erkannte  in  ihm  eine  Ver- 
körperung aller  seiner  eigentümlichen  Vorzüge  ohne  einige  seiner  Schwächen. 

Klare  Verständigkeit,  anspruchslose  Schlichtheit,  warmes  und  tiefes  Gefühl, 
diese  drei  Züge  vereinigten  sich  in  König  Albert  zu  einem  harmonischen 
Ganzen.  Mit  dem  den  meisten  Wettinem  eigenen  ausgezeichneten  Gedächtnis, 
das  die  Erlebnisse  eines  bewegten  und  reichen  Daseins  treulich  bewahrte, 
verband  er  einen  kaum  je  trügenden  Scharfblick  und  ein  unbestechliches  Ur- 
teil über  Menschen  und  Dinge.  Er  war  sozusagen  überall  orientiert,  und 
hatte  daher  über  die  verschiedensten  Dinge  eine  selbständige,  wohlbegründete 
Meinung.  Das  trat  besonders  dann  hervor,  wenn  er  sein  Land  bereiste  und 
dabei  Personen  aller  möglichen  Lebensstellungen  ins  Gespräch  zog.  Dann 
hatte  jeder,  der  Beamte,  der  Fabrikant,  der  Kaufmann,  der  Landwirt,  der 
Gelehrte,  der  Schulmann,  der  Künstler  das  Gefühl,  mit  einem  Wissenden  zu 
reden.  Wie  er  dieses  sichere  Urteil  vor  allem  als  Feldherr  bewährt  hat,  so 
trat  es  auch  in  militärischen  Einzelheiten  immer  wieder  hervor.  Aber  auch 
in  wissenschaftlichen  Fragen  wußte  er  überraschend  gut  Bescheid,  wie  das 
die  Professoren  der  Universität  Leipzig,  die  er  als  ihr  Rector  magnificentissimus 
(seit  1875)  alljährlich  besuchte,  oft  genug  erfuhren,  und  selbst  in  pädagogischen 
Dingen  hatte  er  ein  sicheres  Urteil.  »Gott  erhalte  uns  die  humanistische 
Bildung«,  sagte  er  bei  der  Einweihung  des  neuen  Prachtbaues  der  Fürsten- 
schule Grimma  im  September  1891,  »ich  werde  für  sie  kämpfen  bis  an  mein 
Ende«  und  er  hat  dieses  Wort  wahrgemacht.  Er  verwandte  große  Summen 
auf  seine  Privatbibliothek  und  las  sehr  viel,  namentlich  historische  und  bio- 
graphische Werke,  deren  Auswahl  beim  Ankauf  er  selbst  bestimmte,  oft  mit 
charakteristischen  Bemerkungen  über  das  Buch  oder  den  Verfasser.  Dabei 
ging  er  überall  auf  den  Kern  der  Dinge,  auf  die  Tatsachen  und  die  Menschen. 
Von  historischen  Theorien  und  Konstruktionen  hielt  er  in  seinem  klaren 
Wirklichkeitssinne  gar  nichts,  und  als  ein  Mann,  der  von  der  neuesten  Geschichte 
durch  persönliche  Erfahrung  natürlich  mehr  und  intimeres  wußte,  als  gewöhn- 


König  Albert.  Ij 

lieh  ein  Historiker  wissen  kann,  bemerkte  er  zu  einem  solchen  einmal  trocken, 
über  diese  neueste  Geschichte  könne  man  wohl  Vorlesungen  halten,  aber 
nicht  schreiben;  so  unsicher  mochten  ihm  Kenntnis  und  Urteil  noch  erscheinen. 
Er  hatte  auch  eine  vorzügliche  musikalische  Bildung  und  spielte  vortrefflich 
Klavier,  versäumte  in  Leipzig  auch  nie  den  Besuch  des  Gewandhauskonzerts, 
und  obwohl  er  der  modernen  Kunstrichtung  schwerlich  hold  war,  so  vermied 
er  doch  jede  Beeinflussung  und  ließ  frei  gewähren,   was  sich  um  ihn  regte. 

Seiner  Würde  war  er  sich  durchaus  bewußt  und  er  verstand  ebenso 
glänzend  wie  vornehm  zu  repräsentieren,  aber  in  seiner  schlichten  Weise  war 
er  fem  davon,  sie  besonders  zu  betonen.  Wer  mit  ihm  sprach  und  dabei 
das  freundliche,  schöne  blaue  Auge  auf  sich  gerichtet  sah,  der  tat  zuweilen 
gut,  sich  daran  zu  erinnern,  daß  er  den  König  vor  sich  habe,  so  ungezwungen 
und  natürlich  war  der  Ton.  Er  hatte  gar  nicht  das  Bedürfnis,  sich  öffentlich 
auszusprechen,  aber  das  Notwendige  und  Passende  wußte  er  in  solchen  Fällen 
mit  seiner  tiefen  Stimme  gut,  klar  und  kurz  zu  sagen;  auch  von  anderen 
waren  ihm  lange  Reden  unangenehm. 

Für  sich  lebte  er  schlicht  und  prunklos,  am  liebsten  in  seiner  einfachen 
Villa  in  Strehlen  bei  Dresden,  die  er  schon  als  Kronprinz  erworben  hatte, 
oder  in  dem  einsamen  kleinen  Jagdhause  Rehefeld  hoch  oben  im  Erzgebirge, 
einem  Geschenke  seiner  Gemahlin.  Für  Pillnitz  hat  er  wohl  keine  besondere 
Vorliebe  gehabt,  aber  sehr  gern  verweilte  er  im  Mai  in  dem  schönen  schle- 
sischen  Sibyllenort  bei  Breslau,  das  ihm  Herzog  Wilhelm  von  Braunschweig 
1884  vermacht  hatte.  Im  Dresdener  Residenzschlosse  brachte  er  immer  nur 
wenige  Wintermonate  während  der  Hoffestlichkeiten  zu.  Oft  genug  konnte 
man  ihm  im  Großen  Garten  begegnen,  wenn  er  zuweilen  ganz  allein,  die  ge- 
liebte Virginia  rauchend  und  einen  großen  Hund  vorschriftsmäßig  an  kurzer 
Leine  führend,  durch  die  schönen  Baumgänge  wandelte,  und  in  Rehefeld 
hätte  in  dem  mittelgroßen  einfachen  Herrn,  der  in  grauem  Filzhut  und  leichter 
Jagdjoppe  mit  seinen  Hunden  durch  Matten  und  Wälder  spazieren  ging,  nie- 
mand den  König  erkannt.  Er  war  ein  passionierter  Jäger  und  fühlte  sich 
vielleicht  am  allerwohlsten,  wenn  er  nach  glücklicher  Jagd  —  eine  wenig 
ertragreiche  pflegte  ihn  zu  verstimmen  —  inmitten  seiner  Weidgesellen  saß, 
sich  erzählen  ließ  und  selbst  Geschichten  erzählte,  übrigens  sehr  gut  erzählte 
und  oft  von  Herzen  lachte.  Denn  er  hatte  eine  starke  humoristische  Ader 
und  unbefangene  Freude  am  Komischen.  Diese  Schlichtheit  der  Empfindung 
zeigte  sich  auch  darin,  daß  er  sich  der  verfassungsmäßigen  und  natürlichen 
Grenzen  seiner  Macht  immer  bewußt  blieb.  Bei  der  Durchführung  der  neuen 
Gerichtsverfassung  1879  bemühte  sich  der  von  ihm  sehr  geschätzte  Bürger- 
meister einer  ansehnlichen  Mittelstadt,  das  ihr  versagte  Landgericht  noch 
durch  eine  persönliche  Verwendung  beim  Könige  zu  erlangen  und  sprach 
ihm  davon  bei  einer  Hoffestlichkeit.  Der  König  hörte  ihm,  die  Hände  auf 
dem  Rücken,  wie  er  gern  tat,  ruhig  zu,  dann  drehte  er  sich  rasch  auf  dem 
Absätze  herum  und  sagte  lächelnd:  »Mein  lieber  Bürgermeister,  Sie  halten 
mich  für  viel  mächtiger,  als  ich  bin.«  Der  Schmeichelei  war  diese  schlichte 
Natur  ganz  unzugänglich. 

Damit  verband  sich  eine  tiefe  Herzensgüte,  eine  warme  Empfindung. 
Das  Andenken  an  den  Vater  war  ihm  heilig;  er  hat  sich  lange  nicht  ent- 
schließen können,  ein  Todesurteil  zu  bestätigen,  weil  König  Johann  ein  Gegner 


14  König  Albert. 

der  Todesstrafe  gewesen  war  und  das  revidierte  sächsische  Strafgesetzbuch 
von  1868  nach  seinem  Sinne  sie  abgeschafft  hatte,  während  das  deutsche 
Strafgesetzbuch  von  1870,  das  jenes  aufhob,  sie  festhielt.  Sein  Gnadenrecht 
übte  König  Albert  in  der  umfassendsten,  gewissenhaftesten  und  humansten 
Weise;  er  ließ  sich  von  einem  Beamten  des  Justizministeriums  über  jeden  Fall 
in  gedrängter  Darstellung  berichten  und  gab  dann  seine  Entscheidung  in 
kurzen  Bemerkungen,  wenn  irgend  möglich  zugunsten  des  Gesuches.  Es  ist 
das  schönste  Zeugnis  für  seine  Herzensgüte,  daß  das  Letzte,  womit  er  sich 
noch  auf  dem  Sterbebette  beschäftigt  hat,  Gnadengesuche  gewesen  sind.  Wie 
stark  dieser  Charakterzug  in  ihm  gewesen  war,  das  empfand  vor  allem  seine 
Umgebung,  niemand  mehr  als  die  hohe  Frau,  die  ihm  das  noch  in  der 
schlichten  Widmungsschrift  ihres  letzten  Kranzes  bezeugt  hat:  »Dem  einzig 
geliebten  Manne«.  Dasselbe  herzliche  Wohlwollen  bewährte  er  auch  bei 
Unglücksfällen.  Als  im  Sommer  1880  ein  furchtbarer  Wolkenbruch  die  süd- 
liche Oberlausitz  verwüstete,  da  schickte  er  auf  die  ersten  Telegramme  noch 
am  Abend  eine  Abteilung  Pioniere  vom  Übungsplatze  weg  zu  Hilfe  und  war 
schon  am  nächsten  Morgen  selbst  zur  Stelle,  anordnend,  helfend  und  tröstend, 
stundenlang  die  verheerten  Ortschaften  auf  zerrissenen,  oft  kaum  gangbaren 
Wegen  mühsam  durchwandernd.  Wohlwollend  und  leutselig  half  er  bei 
Audienzen  schüchternen,  befangenen  Leuten  über  die  Verlegenheit  hinweg. 
Als  ihm  einmal  ein  alter  Herr  aus  einem  erzgebirgischen  Bergstädtchen  in 
wohlgesetzter  Rede  seinen  Dank  für  den  Albrechtsorden  aussprechen  wollte 
und  nach  dem  ersten  Satze  rettungslos  stecken  blieb,  da  klopfte  ihm  der 
König  freundlich  auf  die  Schulter  und  sagte:  »Im  übrigen  gehts  Ihnen  aber 
gut?  Wie  stehts  denn  bei  Ihnen  oben  mit  der  Nickelausbeute?«,  so  daß  er 
den  unbeholfenen  Mann  sofort  ins  richtige  Fahrwasser  brachte.  Daß  aller 
Güte  und  aller  gesetzlichen  Fürsorge  zum  Trotze  die  Sozialdemokratie  in 
seinem  Lande  zu  solcher  Macht  emporstieg,  ist  ihm  immer  der  Gegenstand 
persönlichen  Schmerzes  gewesen.  Als  er  einmal  in  Chemnitz,  offenbar  gegen 
seine  Erwartung  auch  in  den  Arbeitervierteln  warm  begrüßt  wurde,  bemerkte 
er  zu  einem  seiner  Begleiter  wie  erleichtert:  »Ich  glaube,  die  Leute  haben 
im  Grunde  gar  nichts  gegen  mich.« 

Nein,  gegen  ihn  persönlich  hatte  niemand  etwas.  Auch  die  konfessionelle 
Differenz,  die  ihn  und  sein  Haus  von  der  großen  Mehrheit  seiner  Untertanen 
trennte,  hat  das  Verhältnis  zu  ihm  nicht  gestört.  Er  hat  es  sich  immer  gegen- 
wärtig gehalten,  daß  er  ein  protestantisches  Land  regierte.  Proselytenmacherei 
und  hierarchische  Überhebung  hat  er  nie  gelitten,  und  die  Erlaubnis,  in  den 
Priesterstand  einzutreten,  hat  er  seinem  Neffen,  dem  Prinzen  Max,  nur  mit 
dem  äußersten  Widerstreben  gegeben.  Hatte  er,  dem  eigene  Kinder  versagt 
blieben,  doch  auch  darauf  gehalten,  daß  die  Söhne  seines  Bruders,  des  Prinzen 
Georg,  vor  allem  der  mutmaßliche  Thronfolger  Friedrich  August,  in  den 
Hauptfächern  protestantische  Lehrer  erhielten,  wie  er  selbst  gehabt  hatte. 
Auf  das  Regiment  der  evangelisch-lutherischen  Landeskirche,  von  dem  ihn 
die  Verfassung  ausschloß,  hat  er  niemals  Einfluß  zu  gewinnen  versucht,  aber 
für  ihre  Angelegenheiten  hat  er  stets  eine  warme  Teilnahme  gehabt.  Er  ver- 
kehrte gern  mit  protestantischen  Theologen  und  hörte  in  Leipzig  ihre  Vor- 
lesungen so  gut  wie  die  anderer  Professoren.  Bei  festlichen  Gelegenheiten 
nahm  er  unbefangen  an  einem  protestantischen  Gottesdienste  teil,  und  evan- 


König  Albert.  I5 

gelische  Kirchen  hat  er  im  künstlerischen  Interesse  oft  besucht.  Als  er  kurz 
nach  ihrer  Einweihung  die  Martin  Luther-Kirche  in  Dresden -Neustadt  be- 
sichtigte, wollte  ihn  der  Pfarrer  ohne  weitere  Bemerkung  an  dem  Medaillon- 
bildnis des  Reformators  auf  dem  Altarplatz  vorüberführen;  der  König  aber 
blieb  stehen,  betrachtete  es  aufmerksam  und  sagte:  »Das  ist  ja  ein  wohl- 
getroffenes Bild  des  Doktor  Martinus«.  Trat  einmal  der  Gegensatz  ungewollt 
hervor,  was  doch  nicht  immer  zu  vermeiden  war,  so  empfand  er  das  sehr 
peinlich.  Am  Tage  nach  der  großartigen  Lutherfeier  im  November  1883  sagte 
er  zu  einem  seiner  Minister  bekümmert:  »Ich  konnte  gestern  nicht  mit  meinem 
Volke  beten,  da  bin  ich  auf  die  Jagd  gegangen«.  Manche  scharfen  Äußerungen 
der  Presse  über  den  Entschluß  des  Prinzen  Max  verletzten  ihn  tief.  Kurz  nach- 
her richtete  er  an  einen  hervorragenden  evangelischen  Geistlichen  die  zweifelnde 
Frage:  »Habt  Ihr  denn  noch  ein  bischen  Vertrauen  zu  mir?«  Tief  ergriffen  ver- 
sicherte dieser,  das  stehe  unerschüttert  fest,  und  er  durfte  es  sagen.  Um  so  tiefer 
und  dankbarer  empfand  es  der  König,  daß  ihm  auch  die  protestantische  Geistlich- 
keit bei  seinem  Regierungsjubiläum  1898  ihre  herzlichen  Glückwünsche  dar- 
brachte; sie  habe  ihn,  bemerkte  er,  durch  ihre  Anhänglichkeit  und  Liebe  geradezu 
verwöhnt.  Der  peinlichen  Frage,  ob  evangelische  Offiziere,  Soldaten  und 
Pagen  an  katholischen  Kirchenfesten  des  Hofes  teilnehmen  sollten,  machte 
er  im  Widerspruch  mit  einem  Teile  seiner  Umgebung  kurz  entschlossen  und 
taktvoll  durch  die  einfache  Verfügung  vom  7.  Juni  1900  ein  Ende,  daß  dazu 
nur  K^atholiken  herangezogen  werden  dürften.  So  ist  nicht  zum  wenigsten 
durch  ihn  Sachsen  für  das  friedliche  Nebeneinanderleben  der  Konfessionen, 
das  unserem  nach  dem  Willen  der  Vorsehung  kirchlich  nun  einmal  gespaltenen 
deutschen  Volke  unentbehrlich  ist,  ein  Vorbild  geworden. 

Als  Jäger  und  Soldat  erfreute  sich  König  Albert  einer  festen  Gesundheit 
und  auf  Jagden  oder  bei  Manövern  achtete  er  Wind  und  Wetter  wenig. 
Aber  allmählich  bildete  sich  ein  örtliches  Leiden  aus,  das  ihm  oft  große  Pein 
bereitete  und  der  Kunst  seiner  Ärzte  nicht  weichen  wollte,  auch  einen  ope- 
rativen Eingriff  nicht  zuließ.  Während  seines  Frühjahrsaufenthalts  in  Sibyllen- 
ort 1900  kam  der  erste  schwere  Anfall,  der  die  ganze  Größe  der  Gefahr 
offenbarte.  Noch  überwand  ihn  seine  kräftige  Natur,  er  fuhr  zuweilen  auf 
sorgfältig  vorbereiteten  Wegen  noch  zur  Jagd,  besuchte  im  September  desselben 
Jahres  die  Fürstenschule  Grimma  bei  ihrem  350jährigen  Jubiläum  und  im 
Februar  1902  zum  letztenmal  die  Universität  Leipzig.  Aber  das  Stehen  wurde 
ihm  schon  so  schwer,  daß  er  die  gewohnten  Empfänge  einschränken  mußte 
und  an  den  Hoffestlichkeiten  wenig  mehr  teilnehmen  konnte.  Zu  Pferde 
vermochte  er  gar  nicht  mehr  zu  steigen,  er  mußte  also  auf  Manöver  und  Paraden 
verzichten.  Mit  wachsender  Besorgnis  bemerkten  alle,  die  sich  ihm  näherten, 
daß  sein  Gang  schleppend,  sein  Auge  matt,  seine  sonst  blühende  Gesichts- 
farbe fahl  wurde;  geistig  blieb  er  rege  wie  immer,  nur  daß  sich  auch  hier 
zuweilen  eine  gewisse  Ermüdung  einstellte.  Die  Besorgnis  teilte  sich  dem 
ganzen  Lande  mit,  sein  74.  Geburtstag  wurde  deshalb  überall  mit  noch  größerer 
Wärme  gefeiert  als  sonst,  denn  alles  ahnte,  daß  es  der  letzte  sei.  In  Sibyllen- 
ort, wohin  er  sich  im  Mai  1902  nach  seiner  Gewohnheit  begab,  hoffte  er  sich 
zu  erholen.  Aber  in  der  Nacht  des  5.  Juni  überkam  ihn  ein  so  heftiger  Anfall 
des  Leidens,  daß  er  sich  die  Sterbesakramente  reichen  ließ.  Noch  ging  die 
Gefahr  vorüber,  doch   seitdem  nahmen  die  Kräfte  rasch  ab   und  er  konnte 


l6  König  Albert.     Lord  Acton. 

das  Lager  kaum  mehr  verlassen.  Aber  er  erledigte  noch  wichtige  Regierungs- 
geschäfte, mit  besonderer  Teilnahme  Gnadengesuche,  und  am  i8.  Juni,  seinem 
49.  Hochzeitstage,  überreichte  er  seiner  Gemahlin,  die  seine  treueste  Pflegerin 
war,  schweigend  eine  Rose.  Es  war  seine  letzte  Gabe.  Das  Bewußtsein  be- 
gann zu  schwinden,  und  am  Abend  des  19.  Juni  kurz  nach  8  Uhr,  während 
Sturm  und  Regen  um  sein  heiteres  Sommerschloß  tobten,  verschied  er  sanft 
ohne  Kampf,  im  Beisein  der  gesamten  königlichen  Familie. 

In  zahllosen  Kundgebungen  äußerte  sich  nun  weit  und  breit  die  Liebe 
und  Verehrung,  die  er  genossen  hatte.  Von  schlesischen  Kürassieren  eskortiert, 
wurde  die  Leiche  zum  Bahnhof  gebracht,  am  Abend  des  21.  Juni  langte  der 
Königliche  Trauerzug,  überall  unterwegs  mit  Glockenläuten  begrüßt,  in  Dresden 
an.  In  der  Schloßkirche  wurde  die  Leiche  aufgebahrt  und  Tausende  drängten 
sich  zwei  Tage  lang,  um  einen  letzten  Blick  auf  die  geliebten  Züge  des  Toten 
zu  werfen,  der  in  düsterer  Pracht,  von  brennenden  Girandolen  und  zahllosen 
kostbaren  wie  schlichten  Kränzen  umgeben,  bewacht  von  seinen  Getreuen, 
wie  schlafend  im  Sarge  lag.  Im  Beisein  einer  glänzenden  Fürstenversamm- 
lung, an  deren  Spitze  Kaiser  Wilhelm  IL  und  Kaiser  Franz  Joseph  standen, 
wurde  er  am  Abend  des  23.  Juni  in  der  Gruft  der  Schloßkirche  feierlich  bei- 
gesetzt, während  draußen  Glockengeläute,  Kanonendonner  und  Gewehrsalven 
dem  scheidenden  König  und  Feldherrn  das  Geleite  gaben  zur  letzten  Ruhe- 
stätte. 

Eine  wissenschaftliche  Darstellung  des  Gesamtlebens  König  Alberts  ist  heute  noch 
nicht  möglich.  '  Nur  für  die  Zeit  bis  zur  Thionbesteigung  (1828 — 1873)  gibt  eine  solche 
Paul  Hassel,  Aus  dem  Leben  des  König  Alberts  von  Sachsen,  2  Bände,  Berlin  und  Leipzig 
1898,  X900  (mit  zwei  Bildnissen),  dessen  Manuskript  der  König  selbst  vollständig  durchge- 
lesen hat,  ohne  etwas  daran  zu  ändern.  Über  seine  Tätigkeit  in  den  Feldzügen  bieten  die 
Werke  des  sächsischen  Generalstabes  von  1866  und  des  Großen  Generalstabes  von  1 870/1 
das  zuverlässigste  Material.  Aus  persönlicher  Erinnerung  schöpft  Max  Bauer,  Von  der 
Maasarmee,  Halle  1871.  Kurze  populäre  Darstellungen  geben  u.  a.  Max  Dittrich,  König 
Albert  und  seine  Sachsen  im  Felde  (mit  8  Bildern),  3.  Auflage,  Berlin  1898,  und  Oskar 
Hau ß  1er,  König  Albert  von  Sachsen  und  die  sächsische  Armee,  Leipzig,  2.  Auflage  1886. 
Eine  kurze  biographische  Skizze  habe  ich  selbst  versucht:  Zu  König  Alberts  Gedächtnis. 
Ein  Abriß  seines  Lebens  (mit  einem  Porträt).  Dresden  1902;  ihr  ist  die  obige  Charakte- 
ristik mit  einigen  Veränderungen  entnommen.  Von  den  zahllosen  Gedächtnisreden  hebe  ich 
die  von  Georg  Rietschel  hervor:  Gedächtnisrede  bei  dem  akademischen  Trauergottesdienst 
der  Universität  Leipzig  am  29.  Juni  1902.  Manches  habe  ich  auch  aus  persönlicher  Er- 
innerung geschöpft.  Ein  Schatz  von  Feldzugsbriefen  des  Kronprinzen  an  seinen  Vater  aus 
den  Jahren  x866  und  1870/1  harrt  noch  der  Erschließung.  Unter  seinen  Bildnissen  ist  sicher- 
lich das  bedeutendste  das  Porträt  von  Franz  von  Lenbach  im  Leipziger  Museum,  das  ihn 
ganz  als  Feldherm  faßt  und  deshalb  die  Milde  in  seinen  Zügen  nicht  zum  Ausdruck  bringt. 

Otto  Kaemmel. 


Lord  Acton,  John  Emerich  Dalberg,  Englischer  Pair,  Regius  Professor 
für  Geschichte  an  der  Universität  zu  Cambridge,  *  10.  Januar  1834  zu  Neapel, 
f  19.  Juni  1902  in  Tegernsee  bei  München.  —  Zwischen  diesen  beiden  Daten 
verlief  ein  arbeitsames,  unaufliörlicher  geistiger  Tätigkeit  geweihtes  Dasein, 
in  seiner  Art  wohl  eines  der  merkwürdigsten  von  allen,  die  im  XIX.  Jahr- 
hundert Anspruch  besitzen  auf  ein  bleibendes  Andenken  in  der  Erinnerung 
der  Menschen. 


Lord  Acton. 


'7 


Die  Frage,  welches  Recht  diesem  Engländer  zukommt,  in  einem  deutschen 
Nekrolog  seine  Stelle  einzunehmen,  muß  zunächst  beantwortet  werden.  Durch 
Abkunft  und  Geburt,  als  der  Sohn  einer  deutschen  Mutter  aus  dem  altbe- 
rühmten Geschlecht,  dessen  ältester  Zweig  mit  dieser  Tochter  des  Herzogs 
Dalberg  auf  Schloß  Herrnsheim  bei  Worms  erlosch,  ging  der  Name  Dalberg 
auf  ihren  einzigen  Erben  über,  dessen  Vater,  ein  englischer  ßaronet,  der 
Sohn  des  neapolitanischen  Ministers  Acton,  früh  starb.  Die  Mutter  heiratete 
in  zweiter  Ehe  Lord  Granville,  den  nachherigen  Minister  des  Äußern  in  den 
liberalen  Ministerien,  die  vornehmlich  unter  Gladstones  vorwaltendem  Ein- 
fluß in  England  sich  folgten.  Dort,  bis  1848  in  der  Schule  zu  Oscott,  die 
von  Benediktinern  geleitet  ist,  dann  in  Schottland,  bei  einem  gelehrten  Kon- 
vertiten aus  Cambridge,  Dr.  Logan,  wurde  der  junge  katholische  Baronet  in 
der  Absicht  herangebildet,  seinen  Studiengang  auf  einer  englischen  Hoch- 
schule zu  vollenden.  Der  für  die  Wissenschaften  begeisterte  Jüngling  und 
seine  Mutter  hatten  ohne  die  Vorurteile  anglikanischer  Intoleranz  gerechnet: 
Cambridge  verschloß  dem  römischen  Katholiken  seine  Pforten  und  führte 
dadurch  die  entscheidende  Wendung  in  seinem  Leben  herbei.  Zu  München, 
wo  die  mit  Lady  Granville  verwandte  Familie  des  Grafen  zu  Arco-Valley 
in  innigem  Verkehr  mit  Professor  Döllinger  stand,  wurde  dieser  bald  bewogen, 
Acton  in  seinem  Hause  aufzunehmen.  Der  Aufenthalt,  der  mit  dem  Besuch  der 
Universität  verbunden  war,  währte  von  1851  bis  1856  und  ein  unvergleich- 
licher Lehrer  gewann  seinen  größten  Schüler.  Nur  ein  Mann  von  Döllingers 
Universalität  des  Geistes  konnte  den  Wissensdurst  eines  Jünglings  stillen,  der 
die  klassischen  und  fünf  moderne  Sprachen  beherrschte  und  bereits  in  diesen 
Jahren  des  Werdens  den  Grund  zur  Bücherkenntnis  legte,  die  mit  den 
Methoden  strenger  Forschung  ausgerüstet,  ohne  Übertreibung  auf  die  Durch- 
arbeitung eines  Foliobandes  im  Tag  geschätzt  worden  ist.  Unter  den  vielen 
tausend  Bänden,  die  Sir  John  Acton  damals  schon  zu  einer  berühmt  ge- 
wordenen Bibliothek  zu  vereinigen  begann,  ist  kaum  einer,  der  nicht  die  Blei- 
stiftzeichen seiner  Lektüre  aufwiese  und  dessen  wichtigster  Inhalt,  sei  es  an 
Ideen  oder  an  Tatsachen,  nicht  von  ihm  in  systematisch  geführten  Notizen 
festgelegt  worden  wäre.  Das  Schicksal  fügte  es,  daß  diesem  gelehrten  Forscher- 
leben alle  Möglichkeiten  zur  Kenntnis  von  Welt  und  Menschen  in  ver- 
schwenderischer Fülle  geboten  und  von  ihm  ausgenutzt  werden  konnten.  Mit 
Lord  Granville  wohnte  der  junge  Acton  1856  der  Kaiserkrönung  in  Moskau 
bei.  Er  bereiste  Amerika,  dessen  Institutionen  und  Geschichte  sein  Interesse 
für  immer  fesselten ;  er  verkehrte  in  Frankreich  und  Italien,  welch  letzteres 
er  wie  eine  zweite  Heimat  kannte,  mit  allen  leitenden  Persönlichkeiten  der 
Wissenschaft,  der  Literatur  und  der  Politik ;  er  besuchte  in  Berlin,  in  Heidel- 
berg und  sonst  auf  deutschen  Hochschulen  die  Berühmtheiten  deutscher  Geistes- 
arbeit und  deutscher  Wissenschaft.  Ranke,  Droysen,  Richard  Rothe,  Waitz, 
Radowitz  —  wir  wählen  nur  einige  der  größten  Namen  — ,  hat  er  ebenso 
wie  später  Mommsen  und  Harnack,  wie  früher,  in  München,  M.  Deutinger, 
Haneberg,  Lasaulx  persönlich  gekannt  und  viele  von  ihnen  geliebt  und  ver- 
ehrt. In  England  blickte  er,  im  Hause  seines  Stiefvaters,  in  das  Getriebe  der 
Parteien  and  in  das  Räderwerk  der  Staatsmaschine.  Einen  seiner  Lieblings- 
aussprüche, savair  le  pourquoi  du  pourquo't,  entlehnte  er  früh  der  Kurfürstin 
Sophie   von  Hannover.     Als  Weltmann  wie   als  Gelehrter   blieb   sein  Augen- 

Bio2^r.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog-.    7.  Bd.  2 


lg  Lord  Acton. 

merk  auf  das  Spiel  hinter  den  Kulissen,  auf  die  geheimen  Triebfedern,  die 
Motive  und  komplizierten  Endursachen  gerichtet,  von  denen  die  Geschehnisse 
so  oft  nur  unvollkommene  Erklärungen  geben.  Unter  dem  Einfluß  des  größten 
Kirchenhistorikers  der  Zeit  kehrte  Sir  John  Acton  mit  einem  bestimmten 
Arbeitsprogramm  nach  England,  zunächst  nach  seinem  Stammsitz  Aldenham 
in  Shropshire  zurück.  Mit  Ausnahme  Lingards  besaßen  seine  englischen  ka- 
tholischen Glaubensgenossen  keine  Historiker  von  allgemeiner  Bedeutung  und, 
seit  Jahrhunderten,  war  das  intellektuelle  Leben  derselben  bis  zum  Übertritt 
des  größten  Konvertiten  des  XIX.  Jahrhunderts,  John  Henry  Newman,  im 
kleinen  Häuflein  der  Anhänger  des  alten  Glaubens  ins  Stocken  geraten. 
A.  war  und  blieb  sein  ganzes  Leben  hindurch  ein  begeisterter  und  über- 
zeugter katholischer  Christ.  Seine  Äußerung  einem  Freunde  gegenüber,  nie 
habe  er  in  seiner  religiösen  Überzeugung  die  Versuchungen  des  Zweifels  ge- 
kannt, konnte  nur  solche  erstaunen,  die  seiner  inneren  Entwicklung  und  dem 
Grund,  auf  dem  sie  stand,  fremd  blieben.  Zugleich  erfüllte  ihn  das  Bewußt- 
sein, daß  die  Erneuerung  des  geistigen  Lebens,  vor  allem  der  historischen 
Studien,  fortan  eine  Lebensfrage  für  den  Katholizismus  sei.  Mit  dem  voll- 
ständigen Rüstzeug  deutscher  Schulung  versehen,  sammelte  Acton  von  1859 
an  die  in  England  vorhandenen  Kräfte,  und  stellte  ihnen,  als  Herausgeber 
oder  hervorragendster  Mitarbeiter,  eine  Reihe  von  Zeitschriften  gelehrten  In- 
halts zur  Verfügung.  Zunächst,  von  1859  bis  1861,  den  ^i^ Rambler*,  dann,  bis 
1864,  die  *Hame  and  Foreign  Review*, 

Diese  Jahre  bezeichneten  den  Höhepunkt  der  von  Italien  und  Frankreich 
ausgehenden  katholischen  Reaktion.  L.  Veuillot  in  Paris  im  ^Univers*^  die 
y>Civiitä  cattolica<^  der  Jesuiten  in  Rom,  stellten  dem  Pontifikat  Pius'  IX.  die 
extremen  Theorien  zur  Verfügung,  die  auf  historischem  Gebiet  in  heute 
vergessenen  und  stets  wertlosen  aber  typischen  Erzeugnissen  zur  Fälschung 
der  Geschichte  führten.  A.  griff  ein.  Für  ihn  war  es  selbstverständlich, 
daß  es  keine  katholische  Wissenschaft,  sondern  nur  die  Wissenschaft,  keine 
andere  Moralität  als  die  Lehre  des  Evangeliums,  die  absolute,  reinliche 
Scheidung  zwischen  Recht  und  Unrecht  gebe.  Im  Lauf  seiner  Forschungen 
reifte  bei  ihm  die  Überzeugung,  daß  die  Verquickung  der  geistlichen  mit  den 
weltlichen  Interessen,  die  Zugeständnisse  und  die  Mitschuld  an  der  Theorie 
der  Verfolgung  um  der  religiösen  Überzeugung  willen,  das  schleichende  Gift 
im  Erbe  der  Vergangenheit  sei,  von  welchem  sich  loszusagen  die  nächste  und 
gebietende  Pflicht  der  Katholiken  ist.  Er  schrieb  zunächst  Beiträge  über  die 
Waldensischen  Fälschungen,  über  die  Bartholomäusnacht,  über  Heinrichs  VIII. 
Ehescheidung,  über  Döllingers  »Papstfabeln«,  über  den  Ultramontanismus, 
lauter  Beiträge  in  der  T»Hame  and  Foreign  Rezneiv^i,  die  der  herrschenden 
Richtung,  dem  Ultramontanismus,  im  Augenblick  den  Fehdehandschuh  hin- 
warfen, wo  der  Primas  der  katholischen  Kirche  in  England,  Kardinal  Wiseman, 
unter  den  Einfluß  eines  fanatischen  Konvertiten,  seines  späteren  Nachfolgers 
Manning,  geriet.  Nach  dem  Münchener  katholischen  Gelehrtenkongreß  1863, 
dem  A.  beiwohnte  und  über  den  er  einen  denkwürdigen  Bericht  erstattete 
{»Hbtne  and  Foreign  Review<i^,  Januar  1864),  erfolgte  die  Antwort  Roms  an  die 
Vertreter  des  wissenschaftlichen  Katholizismus  durch  Veröffentlichung  des 
Syllabus.  A.  und  seine  Mitarbeiter  fanden  es  angezeigt,  freiwillig  auf  die 
Fortführung  ihrer  Zeitschrift  mit  der  Erklärung  zu  verzichten,  daß  sie  den  im 


Lord  Acton.  ig 

päpstlichen    Dokument    ausgesprochenen   Meinungsäußerungen   beizupflichten 
nicht  imstande  sein. 

Statt  wie  so  viele  seiner  Glaubensgenossen  die  Tragweite  der  päpstlichen 
Worte  abzuschwächen,  fand  A.  es  würdiger,  die  rechtmäßige  Autorität  nicht 
durch  unzeitigen  Widerstand  zur  bestimmten  Verurteilung  von  Doktrinen 
herauszufordern,  deren  Weiterentwicklung  er  im  Namen  der  rechtmäßigen 
Freiheit  des  Gedankens  und  Gewissens  für  den  Fortschritt  der  W^issenschaft 
im  Dienste  der  Religion  forderte.  Mit  dieser  denkwürdigen  Erklärung:  »Can- 
flicts  with  Rome<f^  (April  1864),  schloß  er  die  ^Home  and  Foreign  Review<^  und 
mit  dieser  Zeitschrift  den  Versuch,  unter  konfessioneller  Fahne  zu  kämpfen. 
Im  ^Chronicle^  1867 — 68,  dann  in  der  ^North  British  Reinew<i^  1869 — 1871 
behandelte  er  neben  wissenschaftlichen  Fragen  vor  allem  die  italienischen 
Angelegenheiten  und  das  akute  Problem  der  weltlichen  Macht  des  Papsttums. 
Als  das  Konzil  eröffnet  wurde,  überließ  er  es  den  Theologen,  mit  der  herrschen- 
den kirchlichen  Richtung,  die  das  Dogma  der  päpstlichen  Unfehlbarkeit  wollte, 
sich  auseinanderzusetzen.  Er  ging  nach  Rom,  um  den  Lauf  der  Ereignisse 
zu  beobachten  und  sandte  nach  London  und  München  Berichte,  die,  unter 
dem  Namen  »Quirinusbriefe«  veröffentlicht,  eine  der  wichtigsten  und  ver- 
läßigsten Quellen  zur  Geschichte  der  Vorgänge  1869 — 1870  geblieben  sind. 
Unmittelbar  nach  Proklamierung  des  Dogmas,  im  August  1870,  erschien  A.s 
»Sendschreiben  an  einen  deutschen  Bischof«,  in  welchem  er  die  Minorität 
des  Episkopates  aufforderte,  der  durch  ihre  Haltung  und  ihre  Proteste  ins 
Dasein  gerufenen  Opposition  zur  Aufrechterhaltung  der  alten  kirchlichen  Ord- 
nung die  gesetzlichen  Führer  und  die  künftige  Richtung  zu  geben. 

Nichts  von  dem  geschah  und  A.  schwieg  bis  1874.  Dann,  im  November 
des  Jahres,  erschien  Gladstones  Angriff  auf  die  vatikanischen  Dekrete,  durch 
die  nach  seiner  Ansicht  die  politische  Stellung  der  Katholiken  verändert 
und  ihre  Loyalität  als  englische  Staatsbürger  nicht  mehr  gesichert  erscheine, 
nachdem  die  Emanzipation  ihnen  nur  auf  die  feierliche  Erklärung  bewilligt 
worden  sei,  daß  die  päpstliche  Unfehlbarkeit  nicht  zum  Lehrbegriff  ihrer 
Kirche  gehöre. 

Gegen  diesen  Angriff  richtete  A.  seine  berühmten  Briefe  an  die  »Times<(i 
(8.,  13.,  21.  November,  12.  Dezember  1874).  Über  die  Tageskontroversen  weit 
hinausreichend,  gingen  sie  über  auf  die  sich  bekämpfenden  Auffassungen  der 
Religion  überhaupt  und  gipfeln  in  den  Sätzen:  Die  Doktrinen,  gegen  welche 
u.  a.  auch  Gladstone  sich  auflehnt,  begannen  nicht  mit  dem  Vatikanum.  Als 
der  Testeid  abgeschafft  wurde,  besaß  der  Papst  die  gleiche  Macht  und  das- 
selbe Recht  wie  heute,  Fürsten  abzusetzen,  die  seine  Autorität  verwarfen. 
Die  von  Rom  am  meisten  geschätzten  Schriftsteller  verkündeten  die  Doktrin 
als  eine  Glaubenslehre;  ein  moderner  Papst  hat  erklärt,  sie  könne  nicht  ohne 
Makel  der  Häresie  abgelehnt  werden  und  er  hat  diejenigen,  die  seine  Autorität 
in  zeitlichen  Dingen  in  Frage  stellten,  schlimmer  genannt  als  solche,  die  sie 
in  geistlichen  Dingen  verwarfen.  Dafür  sind  Menschen  mit  dem  Tode  be- 
straft worden,  ganz  ebenso  wie  andere  für  Gotteslästerungen  und  Atheismus. 
Die  jüngsten  Dekrete  haben  diese  Strafverfahren  weder  verschärft  noch  leichter 
anwendbar  gemacht.  Für  ein  System,  das  nie  in  seiner  Vollständigkeit  zu 
ihrer  Kenntnis  gekommen  ist,  für  theologische  Meinungen,  deren  Vorhanden- 
sein ihnen  kaum   glaubwürdig  erscheinen  würde,  können   die  Katholiken  in 

2* 


20  Lord  Acton. 

ihrer  Gesamtheit  nicht  verantwortlich  gemacht  werden.  Nicht  nur  die  Un- 
gunst der  Zeiten,  sondern  die  Natur  der  Dinge  hat  den  Katholizismus  vor 
den  Konsequenzen  solcher  Theorien  bewahrt.  A.s  Auseinandersetzung  geht 
zu  historischen  Tatsachen  aus  der  Geschichte  der  Jahrhunderte  über,  um 
den  Beweis  zu  erbringen,  daß  nicht  etwa  Abtrünnige  oder  Feinde,  sondern  ka- 
tholische Völker  und  Fürsten,  Irländer,  Spanier,  Philipp  II.  und  Jakob  II.  mit 
den  päpstlichen  Trägern  des  Systems  in  Konflikt  gerieten:  »Keine  Gegen- 
seitigkeit des  Vertrauens«,  schreibt  A.,  »ist  möglich  zwischen  einem  Mann, 
der,  mit  der  überwältigenden  Mehrheit  katholischer  Schriftsteller,  die  Grund- 
sätze der  Moralität  anerkennt,  und  einem  Mann,  der  auf  die  Kunde,  Pius  V. 
habe  Königin  Elisabeth  zu  ermorden  befohlen,  sich  der  Aufgabe  unterzieht, 
den  Dekalog  neu  zu  interpretieren.  Ich  beschwöre  meine  Glaubensgenossen, 
mit  welchen  die  Gemeinschaft  mir  teurer  ist  als  das  Leben,  sich  ernstlich  die 
Frage  zu  stellen,  ob  etwa  die  Gesetze  der  Inquisition  nicht  ein  Ärgernis  und 
ein  Schmerz  für  ihre  Seelen  sind?« 

A.  war  vierzigjährig,  als  er  diese  Botschaft  in  die  Welt  sandte.  Eine 
glänzende  Zukunft  schien  ihm  gesichert.  Durch  persönliche  Bedeutung  noch 
mehr  als  durch  Abkunft  und  Stellung  konnte  er  eine  führende  Rolle  im 
öffentlichen  Leben  beanspruchen.  Bereits  1859  vertrat  er  den  irischen  Wahl- 
kreis Carlow  im  Parlament  und  schloß  sich,  wie  alle  Katholiken  Englands 
und  Irlands,  der  liberalen  Partei  an.  Nachdem  er  1865  einen  englischen 
Wahlsitz  verloren  hatte,  verlieh  ihm  Gladstone  1869  die  Pairs würde,  unter 
dem  Titel  eines  Baron  Acton.  Aber  er  war  kein  Redner  und  den  Partei- 
programmen unterwarf  er  sich  nicht.  Niemand,  äußerte  er,  stimmt  mir  bei 
und  ich  vermag  den  andern  nicht  beizustimmen.  Ebensowenig  lockte  ihn 
der  Ehrgeiz.  Im  Jahr  1873  stand  ihm  der  Berliner  Botschafterposten  offen. 
Er  schlug  ihn  aus.  Allen  weltlichen  Ehren  zog  er  das  ernste  Gelehrtendasein 
im  Familienleben  vor,  das  er  durch  die  Ehe  mit  Gräfin  Marie  zu  Arco-Valley 
seit  1865  begründet  hatte.  Man  erwartete  von  ihm  ein  großes  Werk,  eine 
Geschichte  der  Freiheit,  dessen  Grundzüge  die  meisterhaften  Vorträge,  die 
er  1877  in  der  kleinen  Provinzstadt  Bridgnorth  hielt,  entworfen  hatten.  In 
England,  in  Südfrankreich,  während  Aufenthalte  zu  Cannes  und  in  Bayern,  zu 
Tegernsee,  wo  er  einen  Teil  jedes  Sommers  zuzubringen  pflegte,  wußte  man 
ihn  damit  beschäftigt.  Mit  den  Besten  seiner  Zeit  blieb  er  fortdauernd  im 
Verkehr.  Einzelarbeiten  von  ihm,  wie  der  Essay  über  »Deutsche  Geschichts- 
schulen« (1886),  ein  anderer  über  »Döllingers  historisches  Werk«,  1890  und 
in  dessen  Todesjahr  geschrieben,  die  Beiträge  zur  ^English  Historical  Review^i^, 
die  er  1886  ins  Leben  rief  und  mit  kontinentaler  Geschichtswissenschaft  in 
enger  Fühlung  erhielt,  zeigten,  was  er  konnte.  Ungezählte  Entwürfe  von 
Büchern  und  Arbeiten  anderer,  die  ihm  zur  Durchsicht  unterbreitet  wurden, 
gingen  verändert  aus  seiner  Hand  hervor.  Mit  nie  versagendem  Interesse, 
mit  einer  geradezu  unerschöpflichen  Kenntnis  selbst  des  kleinsten  Details 
aller  einschlägigen  Literaturen  in  Büchern  und  Archiven,  gebot  er  über  eine 
Sachkenntnis,  die  bei  den  Empfangenden  den  Eindruck  hinterließ,  der  Stoff, 
den  sie  gewählt  hatten,  sei  der  Gegenstand  seiner  eigenen  Forschung.  Die- 
selbe Bereitwilligkeit,  aus  dem  Schatz  seines  Wissens  zu  geben,  trat  im  Um- 
gang mit  ihm  zu  Tage.  Obwohl  im  allgemeinen  schweigsam,  konnte  er  der 
anregendste  Gesellschafter  sein,  und  die  feine  Ironie,  der  Ideenreichtum  seines 


Lord  Acton.  21 

Gesprächs  und  die  charakteristische  Eigenschaft,  daß  er  für  alles  Zeit  und 
Interesse  fand,  machten  die  mit  ihm  verbrachten  Stunden  seinen  Freunden 
unvergeßlich.  Das  Werk  aber,  das  sie  von  ihm  erwarteten,  erschien  nicht. 
Es  soll  nicht  verschwiegen  werden,  daß  seine  ungeheure,  rezeptive  Fähigkeit 
mit  zunehmenden  Jahren  seine  Schaffenskraft  lähmte,  daß  die  Fülle  des  Ma- 
terials ihm  die  Gestaltung  zu  einem  einheitlichen  Werk  erschwerte  und  daß  das 
Auftauchen  immer  neuer  Probleme  ihn  dazu  verlockte,  lieber  einsam  weiter 
zu  forschen,  als  einzelnes  zu  verarbeiten.  Andere  Gründe  kamen  hinzu.  Die 
Literatur  als  solche,  t  art pour  T art,  schätzte  und  kannte  er,  ohne  sich  ihr  hin- 
zugeben. Seine  Welt  war  die  des  Gedankens  und  vor  seiner  Seele  stand  ein 
Ideal  des  abstrakten  Guten,  das  er  ohne  Rücksicht  auf  praktische  Ergebnisse 
hochhielt.  Die  kürzlich,  1904,  von  ihm  veröffentlichten  »Briefe  an  Mary, 
Tochter  des  W.  E.  Gladstone«,  lassen  keinen  Zweifel  darüber.  Seit  1870  hatte 
er  sich  dem  großen  Staatsmann  der  liberalen  Partei  angeschlossen.  Er  glaubte 
an  ihn,  er  trieb  ihn  voran,  und  Gladstones  radikale  Politik  hatte  seine  volle 
Unterstützung.  Aus  diesen  Briefen,  die  so  viel  Merkwürdiges  enthalten,  geht 
klar  hervor,  daß  A.  an  die  Fähigkeit  der  Irländer,  sich  der  ihnen  von  Glad- 
stone gewollten  Zugeständnisse  zum  Heil  ihres  Landes  zu  bedienen,  nicht 
geglaubt  hat.  Desungeachtet  befürwortete  er  ihre  völlige  wirtschaftliche  und 
politische  Emanzipation.  Auch  nach  der  Wendung,  die  zur  Aufrechterhaltung 
der  Integrität  des  Britischen  Weltreichs,  zur  Verwerfung  von  Home  Rule  und 
zum  Imperialismus  führte,  bis  zum  Ende  seines  Lebens,  vertrat  Lord  A.  eine 
politische  Richtung,  die  den  Burenkrieg  unter  anderem  verurteilte  und  den 
historischen  Beruf  Englands,  seiner  Machtstellung  in  der  Welt,  die  Forderungen 
der  Freiheit,  ohne  Rücksicht  auf  Parteiinteressen  und  ohne  Zugeständnisse 
an  die  nationalen  Aufgaben  entgegenstellte.  Ganz  dieselbe  absolute  Wertung 
von  Menschen  und  Dingen  drohte,  ihn  1880  fast  seinem  geliebten  und  ver- 
ehrten Lehrer  Döllinger  zu  entfremden.  In  einem  Brief  an  seine  Korrespon- 
dentin fiel  die  Äußerung  über  Döllinger:  »Milde  Klarheit  vermehrte  sich  bei  ihm 
mit  den  Jahren,  obwohl  sie  Jahre  des  Konfliktes  und  des  großen  Schmerzes 
gewesen  sind,  wie  Mähner,  die  nicht  für  sich  leben,  ihn  um  der  Sache  willen 
empfinden,  für  die  sie  gelebt  haben.  Auch  Starkmut,  obwohl  in  geringerem  Maß 
und  des  Fehlers  wegen,  der  einem  andern  großen  Manne  (Kardinal  Newman  ist 
gemeint)  anhaftet.  Aus  einem  Gefühl  der  Würde  und  der  Liebe  weigert  er 
sich,  alles  Schlimme,  das  im  Menschen  ist,  zu  sehen,  und  in  der  Absicht, 
immer  liebevoll,  edelmütig  und  der  sicheren  Seite  zugeneigt  zu  bleiben,  ist 
er  nicht  immer  bestimmt  in  seinen  Definitionen,  noch  konsequent  in  der  An- 
wendung von  Grundsätzen.  Er  sucht  die  Ursachen  der  Meinungsunterschiede 
in  spekulativen  Systemen,  in  mangelnder  Kenntnis,  in  allem  eher  als  in  sitt- 
lichen Gründen,  und  das  trennt  mich  von  ihm  durch  einen  Abgrund,  der 
beinahe  zu  tief  für  Sympathie  ist.«  Für  die  Sünden  und  Irrtümer,  mit  einem 
Wort,  die  unter  dem  Vorwand,  das  Gute  zu  fördern,  begangen  worden  sind, 
ließ  A.  keine  Milderungsgründe  gelten.  Von  dieser  unerbittlichen  Strenge 
bleiben  seine  Weltanschauung  und  sein  historisches  Urteil  bestimmt. 

Eine  Hofstelle  politischen  Charakters  war  alles,  was  Gladstone  seinem 
treuesten  Anhänger  zu  geben  fand.  Erst  Lord  Rosebery  durchbrach  das  lange 
herrschend  gebliebene  protestantische  Vorurteil  und  berief  den  Katholiken 
Lord  Acton  1895  als  Regius  Professor  der  modernen  Geschichte  nach  Cam- 


22  Lord  Acton.     Belcredi. 

bridge.  Dreißig  Jahre  früher  hätte  die  Ernennung  seinem  Schicksal  einen 
anderen  Inhalt  gegeben.  Auch  jetzt  noch  empfand  der  Sechzigjährige  die 
Genugtuung  als  die  einzige  Gunst,  die  er  gewünscht  hatte.  Mit  dem  Vortrag 
»über  das  Studium  der  Geschichte«  eröffnete  er  seine  Lehrtätigkeit.  Noch 
sechs  Jahre  hindurch  unterrichtete  er  seine  akademische  Jugend  nach  den 
strengen  Methoden,  die  er  von  Deutschland  empfangen  hatte.  Er  las  über 
die  französische  Revolution,  über  neuere  Geschichte  im  allgemeinen.  Er  gab 
die  reifen  Früchte  eines  phänomenalen  Wissens,  einer  tiefen  Begeisterung,  eines 
nimmermüden  Forschergeistes.  Er  schulte  seine  Zuhörer  zur  Einsicht,  daß 
weder  Partei,  noch  Nationalität,  noch  kirchliches  Bekenntnis  den  Dienst 
der  Wahrheit  beeinträchtigen  dürfen;  er  lehrte  sie  Achtung  und  Verständnis 
für  gegnerische  Anschauungen;  Vorsicht,  Prüfung  und  Selbständigkeit  in  der 
Beurteilung  derjenigen,  mit  welchen  sie  übereinstimmten.  Er  gab  und  er- 
wartete die  Leistungen  einer  hohen  Kultur,  die  auf  Vornehmheit  der  Gesinnung, 
auf  edle,  reine  Lebensführung  und  Urbanität  nicht  weniger  Wert  wie  auf 
geistige  Vorzüge  legte.  Ein  längst  gehegter  Plan  näherte  sich  zu  Cambridge 
der  Ausführung.  Lord  A.  entwarf  dort  das  Programm,  und  berief,  vornehm- 
lich in  England,  aber  auch  in  Amerika  und  auf  dem  europäischen  Kontinent 
die  berufensten  Kräfte  zur  Mitarbeit  an  einer  Universalgeschichte  von  der 
Entdeckung  Amerikas  bis  auf  die  Gegenwart,  -^^The  Cambridge  History.^  Das 
Werk  ist  auf  zwölf  Bände  berechnet  und  der  Stoff  in  einzelne  Abschnitte 
gesichtet.  Wen  der  Umfang  der  Aufgabe  und  die  Größe  des  Unternehmens 
schreckte,  den  beruhigte  ein  Kollege  des  Regius  Professor,  Armstrong,  der 
Historiker  Karls  V.,  mit  den  Worten,  wenn  alles  versagen  sollte,  sei  Lord  A. 
imstande,  die  Niederschrift  der  zwölf  Bände  allein  zu  übernehmen.  Doch 
es  war  zu  spät,  zu  spät  um  mindestens  ein  Jahrzehnt.  Unter  der  Last  ge- 
häufter Aufgaben  brach  die  Kraft  des  starken  Mannes  zusammen.  Er  lag  seit 
Monaten  zu  Tegernsee  in  deutscher  Erde  gebettet,  als  seine  treuen  Genossen 
den  Anfangsband  der  *  Cambridge  History*  unter  seinem  Namen  als  Heraus- 
geber 1903  veröffentlichten.  Das  Geschichtswerk  im  großen  Stil  bleibt  das 
Denkmal  seines  Geistes,  eine  Mahnung  an  die  um  ihn  trauernde  Jugend,  die 
Fackel  weiter  zu  reichen  und  im  Dienste  der  Wahrheit  und  Gerechtigkeit  das 
Reich  Gottes  auf  Erden  unter  dem  Zeichen  des  Kreuzes  in  Freiheit  vorbereiten 
zu  helfen.  Das  ist  Lord  Actons  Vermächtnis  an  die  Zukunft  und  sichert  ihm, 
der  für  eine  Idee  gelebt  hat,  die  bleibende  Stelle  im  Reich  der  Ideen  und 
in   der  Welt  des  Guten.  Lady  Blennerhassett. 

Belcredi,  Richard  Graf,  Staatsmann,  Präsident  des  österreichischen  Ver- 
waltungsgerichtshofs, *  12.  Februar  1823  zu  Ingrowitz,  f  2.  Dezember  1902 
zu  Gmundcn.  —  Die  Familie  Belcredi  stammt,  wie  der  Klang  des  Namens 
andeutet,  aus  Italien,  ist  aber  schon  lange  in  der  österreichischen  Monarchie 
ansässig  und  in  Mähren  begütert.  Ebenda  wurde  im  Schlosse  zu  Ingro- 
witz an  der  böhmischen  Grenze  der  Mann,  dem  diese  Zeilen  gelten,  geboren 
als  Sohn  des  Grafen  Eduard  und  der  Gräfin  Marie  Belcredi  (geb.  Gräfin  Fünf- 
kirchen). Die  Kinderjahre  verbrachte  Graf  Richard  B.  im  elterlichen  Hause, 
die  Mittelschuljahre  (Gymnasial-Studien,  philosophischer  Kurs)  in  dem  seinem 
Heimatsorte  nahen  böhmischen  Städtchen  Leitomischl.  Dem  dortigen  Gym- 
nasium, von  den  Piaristen   geleitet,   und   manchem  seiner  damaligen  Lehrer, 


Belcredi. 


23 


z.  B.  dem  P.  German,  bewahrte  B.  noch  in  späteren  Jahren  warmes  Erinnern. 
Da  nach  dem  Tode  seines  Vaters  die  verwitwete  Mutter  nach  Prag  über- 
siedelte, absolvierte  er  dort  die  Universitätsstudien  (Jura)  und  trat  ungewöhn- 
lich jung  —  mit  19  Jahren  —  in  den  Staatsdienst,  zunächst  beim  Kreisamte 
in  Brunn.  Sowohl  Fähigkeit  als  Lust  zur  Arbeit  hatte  der  jugendliche  Kandi- 
dat in  ungewöhnlich  hohem  Maße  und  brachte  diese  und  andere  gute  Eigen- 
schaften eines  jungen  Beamten  so  zur  Geltung,  daß  er  von  seinen  Vorgesetzten 
mit  Vorliebe  zu  Vertrauens-Aufgaben  verwendet  wurde.  Die  Urlaubszeit  ver- 
brachte B.  im  Kreise  der  Seinigen  und  zeigte  so  schon  in  der  Jugend  den 
ernsten  und  gemütsvollen  Mann,  dem  die  Arbeit  die  liebste  Beschäftigung, 
das  Familienleben  die  liebste  Erholung  ist.  Im  Jahre  1848  wurde  B.  bei  der 
Kreisbehörde  in  Olmütz  angestellt.  Der  damalige  Landeschef  Graf  Rudolf 
Stadion  gab  den  jungen  Staatsbeamten,  die  adeliger  Abkunft  waren  (ob 
allen  oder  nur  einigen,  weiß  ich  nicht)  den  .seltsamen  Rat,  aus  dem  Dienste 
zu  treten,  weil  er  meinte,  die  Anwesenheit  aristokratischer  Beamten  könnte 
die  Demokraten  reizen.  —  B.  verließ  den  Dienst;  seine  schon  damals  ange- 
griffene Gesundheit  ließ  übrigens  eine  ausgiebige  Kur  ratsam  erscheinen,  und 
so  verbrachte  er  ein  Jahr  in  Gräfenberg,  wo  der  berühmte  Prießnitz  persön- 
lich ihn  in  seine  naßkalte  Behandlung  nahm.  Etwas  später  kam  B.  nach 
Gleichenberg,  dann  im  Jahre  185 1  nach  Graz;  der  letztere  Ort  sagte  ihm  zu, 
er  ließ  sich  häuslich  nieder  und  blieb  einige  Jahre  dort.  In  doppelter  Be- 
ziehung wurde  der  Aufenthalt  in  der  lieblichen  Stadt,  die  damals  noch  weit 
idyllischer  war,  als  heute,  bedeutungsvoll  für  B.s  kommende  Lebensjahre.  — 
Er  begründete  dort  sein  häusliches  Glück  durch  seine  im  Jahre  1854  voll- 
zogene Vermählung  mit  Baronin  Anna  Weiden,  Tochter  des  Feldzeugmeisters 
Baron  Ludwig  Weiden.  Mit  seiner  Gattin,  welche  ihm  einen  Sohn  und  zwei 
Töchter  schenkte,  lebte  B.  durch  fast  ein  halbes  Jahrhundert  in  innigster 
Liebe  vereint.  Allein  noch  eine  zweite  Verbindung,  der  er  ebenfalls  bis  zum 
Ende  treu  blieb,  hat  B.  in  Graz  geschlossen.  Durch  das  consilium  abeundi 
seiner  Vorgesetzten  zu  unfreiwilliger  Muße  verurteilt,  dabei  erfüllt  von  Tätig- 
keitsdrang und  Wißbegierde,  widmete  er  sich  ganz  den  Wissenschaften,  be- 
suchte, obwohl  über  die  gewöhnlichen  Hochschuljahre  und  Hochschulkennt- 
nisse lange  hinaus,  fleißig  die  Vorlesungen  an  der  Grazer  Universität,  und 
studierte  nach  Herzenslust,  was  ihn  eben  zumeist  fesselte:  das  war  wohl  vor 
allem  Philosophie,  Geschichte,  auch  Mathematik.  Rechtsphilosophie  hörte  er 
bei  Ahrens,  allgemeine  Geschichte  bei  J.  B.  Weiß,  Kulturgeschichte  bei  Wein- 
hold. Dieser  Neigung  zu  gelehrten  Studien  blieb  B.,  so  gut  es  ging,  auch 
während  seiner  Beamtenlaufbahn  treu,  und  diesem  edlen  Zeitvertreib  huldigte 
er  noch  insbesondere  in  den  letzten  Lebensjahren,  trotz  des  leidenden  Zu- 
standes  seiner  Augen,  der  ihm  das  Lesen  bisweilen  sehr  erschwerte.  Im  Jahre 
1855  kehrte  er  wieder  in  den  Staatsdienst  zurück  und  trat  den  Posten  eines 
Kreishauptmanns  in  Znaim  (Mähren)  an,  im  Jahre  1860  wurde  er  zum  Chef 
der  politischen  Verwaltung  in  Schlesien  ernannt.  Beim  Beginn  der  konsti- 
tutionellen Ära  im  Jahre  1861  wurde  B.  von  dem  schlesischen  Großgrundbe- 
sitz in  das  Abgeordnetenhaus  des  Reichsrats  gewählt,  wo  ihm  gar  bald  seine 
Teilnahme  an  den  Arbeiten  und  Kämpfen  der  damaligen  Zeit  einen  hervor- 
ragenden Platz  sicherte.  Insbesondere  trat  er  in  der  Debatte  über  das  Lehens- 
wesen in  den  Vordergrund;  in  Schlesien  und  dem  ihm  wohlbekannten  Mähren 


24  Belcredi. 

hatten  sich  die  Feudalitätsverhältnisse  in  ganz  eigentümlicher  Weise  heraus- 
gebildet, und  B.  hatte,  mit  seinem  lebhaften  Interesse  für  derlei  geschicht- 
liche Bildungen  sich  schätzenswerte  Kenntnisse  auch  in  dieser  Richtung  er- 
worben. Auch  über  die  Stellung  der  Kirche  zum  Staate  hatte  B.  eine  be- 
deutungsvolle Rede  gehalten;  ferner  sprach  er  sich  gegen  die  von  Schmerling 
aufgestellte  Behauptung  aus,  daß  Ungarn  durch  den  Aufstand  seine  alten  ver- 
fassungsmäßigen Rechte  verwirkt  habe.  Er  nahm  schon  damals  die  Stellung 
eines  ausgesprochen  katholisch-konservativen  Politikers  ein,  der  seine  Anschau- 
ungen stets  in  maßvoller  Weise  vertrat.  Im  Jahre  1863  wurde  B.  zum  Vize- 
präsidenten des  k.  k.  Statthalters  in  Böhmen,  im  folgenden  Jahre  zum  Statt- 
halter ebendort  ernannt.  Auf  allen  diesen  verschiedenen  Posten  hat  B.  sich 
als  gewissenhafter  und  rühriger,  von  den  besten  Absichten  geleiteter,  dabei 
scharfsichtiger  und  hochgebildeter  Beamter  bewährt. 

Als  im  Jahre  1865  Schmerling  demissionierte,  wurde  B.  als  Staatsminister 
zu  seinem  Nachfolger  berufen.  Er  trug  anfänglich  schwere  Bedenken,  das 
Amt  anzunehmen.  Ungarn  verharrte  in  passivem  Widerstände  gegen  die 
Februar-Verfassung  und  von  der  Unbezwinglichkeit  dieses  Widerstandes  war 
B.  überzeugt;  auch  in  den  übrigen  Königreichen  und  Ländern  der  Monarchie 
war  es  zum  Teil  gelungen,  die  Verfassung  durchzuführen;  die  Finanzen  waren 
in  keineswegs  gutem  Zustande;  die  nationalen  Zwistigkeiten,  wenn  auch  noch 
nicht  so  intensiv  entbrannt  wie  heute,  gaben  schon  damals  Anlaß  genug  zu 
schwerer  Sorge.  Allein  dem  ausgesprochenen  Wunsche  seines  Monarchen 
und  dem  Zureden  des  Ministers  Grafen  Moriz  Esterhäzy  gab  er  schließlich 
nach,  und  übernahm  das  Amt,  welches  die  größten  Schwierigkeiten  mit 
sich  brachte,  nicht  nur  in  politischer  Richtung,  sondern  auch  durch  die 
Häufung  der  Geschäfte,  denn  damals  war  mit  dem  Staatsministerium  auch 
die  Leitung  des  Kultus-  und  Unterrichts-Ressorts,  sowie  das  Polizei-Mini- 
sterium und  der  Vorsitz  im  Ministerrat  verbunden.  Nur  die  ungewöhnliche 
Arbeitskraft  und  der  eiserne  Fleiß  B.s  konnte  dieser  Aufgabe  nach  ihrer 
materiellen  Seite  hin  gerecht  werden.  —  Wenn  er  in  politischer  Beziehung 
nicht  den  erwünschten  Erfolg  hatte,  so  lag  dies  an  den  äußern,  mehr  als 
ungünstigen  Verhältnissen ! 

Die  Sistierung  der  Verfassung  und  die  Niederlage  zu  Königgrätz  —  dies 
sind  die  zwei  Vorwürfe,  welche  B.  von  vielen  Seiten  gemacht  wurden.  Es  kann 
nicht  die  Aufgabe  einer  biographischen  Skizze  sein,  die  Grundhältigkeit  beider 
Vorwürfe  genau  zu  untersuchen.  Allein  ebensowenig  kann  ich  verschweigen 
wollen,  daß  tatsächlich  schwere  Anklagen  dieser  Art  gegen  B.  erhoben  wur- 
den; und  ebensowenig  darf  ich  meine  eigene  Ansicht  über  diese  Anklage  ver- 
bergen. Sie  geht  dahin,  daß  B.s  Gegner  ihn  mit  beiden  Vorwürfen,  ganz  beson- 
ders aber  mit  dem  zweiten,  entschieden  Unrecht  getan  haben!  —  Die  im  Sep- 
tember 1865  erfolgte  Sistierung  der  Verfassung  hatte  im  wesentlichen  einen 
deklaratorischen  Charakter.  Was  unter  seinem  Vorgänger  bereits  bekannt  war, 
sprach  B.  durch  die  Sistierung  offen  aus,  nämlich,  daß  die  Verfassung  in  der 
Form  und  Au.sdehnung,  in  der  sie  gedacht  war,  nicht  durchgeführt  werden 
konnte.  Der  Widerstand,  insbesondere  von  ungarischer  Seite,  war  zu  stark. 
Indem  B.  nicht  die  Aufhebung  sondern  die  Sistierung  bewirkt,  deutet  er  viel- 
leicht darauf  hin,  daß  die  lebensfähigen  PLlemente  der  Verfassung  geschont 
und  künftig  verwertet  werden  sollen;  jedenfalls  wollte  er,  wie  seine  eigenen 


Belcredi.  2  5 

Worte  lauteten,  die  Bahn  frei  machen,  um  endlich  den  unbedingt  nötigen  Aus- 
gleich mit  Ungarn  zu  ermöglichen,  dabei  aber  auch,  wie  es  weiter  in  jener 
Kundgebung  hieß,  den  »gleichgewichtigen  Stimmen«  der  übrigen  Königreiche 
und  Länder  bei  der  Neuordnung  der  staatsrechtlichen  Zustände  Geltung  zu 
verschaffen.  Ob  die  Aufgabe  unter  anderen,  günstigeren  Umständen  ge- 
löst werden  konnte,  haben  wir  heute  nicht  zu  entscheiden.  Daß  aber  der 
Gedanke,  die  Repräsentanten  aller  unter  Habsburgs  Szepter  lebenden  Völker 
zu  friedlicher  Verhandlung  und  freiwilliger  Einigung  heranzuziehen,  etwas 
großes  und  schönes  in  sich  hatte,  sollte  doch  nicht  geleugnet  werden.  Auch 
das  soll  heute  nicht  entschieden  werden,  ob  der  Plan,  einen  außerordentlichen 
Reichsrat  einzuberufen  und  demselben  das  Operat  des  Ausgleiches  mit  Un- 
garn vorzulegen,  durchführbar  war,  obwohl  ich  glaube,  daß  der  von  B.  einge- 
schlagene Weg  der  einzig  richtige  war,  oder  doch  der,  auf  welchem  wenig- 
stens relativ  gute  Chancen  für  die  Lösung  einer,  .allerdings  außerordentlich 
schweren  Aufgabe  zu  finden  waren.  Es  ist  schwer,  diese  Ansicht  weiter  darzu- 
legen und  ihre  Richtigkeit  durch  zwingende  Beweise  darzutun.  Nur  soviel 
möchte  ich  in  tatsächlicher  Richtung  bemerken,  daß  B.  seinerseits  die  Schmer- 
lingsche  Rechtsverwirkungstheorie  und  Zentralisation  perhorresziert,  anderer- 
seits aber  jenen  Dualismus,  wie  er  seither  in  Erscheinung  getreten  ist,  ge- 
fürchtet hat.  Ihm  galt  die  pragmatische  Sanktion  nicht  bloß  als  historische 
Tatsache,  sondern  als  immanentes  Lebensprinzip  unserer  Monarchie,  die 
Schwierigkeit  lag  für  B.  wie  für  seine  Vorgänger  und  Nachfolger  in  Ungarn ; 
den  Ungarn  aber  wollte  er  mehr  als  Schmerling,  weniger  als  Beust  gewähren ; 
nun  kann  man  aber  heute  nicht  mehr  bestreiten,  daß  die  Ungarn  für  die 
Schmerlingsche  Verfassung  nicht  zu  haben  waren;  und  daß  der  von  Beust 
inaugurierte  Dualismus  sich  vollständig  bewährt  habe,  kann,  insbesondere  nach 
den  Ergebnissen  der  jüngsten  Zeit,  wohl  kaum  behauptet  werden I  —  Ein 
g^:^z  unberechtigter  Vorwurf  aber  war  es,  nun  gerade  den  Mann,  dessen  ganzes 
Programm  auf  dem  sorgfältigsten  Abwägen,  Vergleichen  und  Ausgleichen  wech- 
selseitiger Rechtsansprüche  beruhte,  des  absichtlichen  Rechtsbruches  zu  be- 
schuldigen. Gleich  ungerecht  war  oder  ist  der  Vorwurf  gewalttätiger  Reaktion: 
den  Mann,  welcher  hoffte  und  ehrlich  dahin  strebte,  die  Schwierigkeiten  durch 
offene  Aussprüche  und  freiwillige  Verständigung  unter  den  Völkern  der 
Monarchie  zu  beseitigen,  mag  man,  wenn  man  will,  einen  Idealisten  nennen, 
ein  Reaktionär  war  er  gewiß  nicht.  —  W^as  den  Vorwurf  betrifft,  B.  habe 
die  Monarchie  in  den  Krieg  mit  Preußen  verwickelt,  scheint  mir  die  Wider- 
legung durch  die  offen  vorliegenden  Tatsachen  gegeben.  Ich  will  nicht  ein- 
mal besonderes  Gewicht  auf  den  bekannten  Umstand  legen,  daß  mit  der 
Kriegsgefahr  schon  vor  B.s  Berufung  zum  Minister  gerechnet  wurde,  ja  daß 
der  Krieg  vielen  als  wahrscheinlich,  wo  nicht  als  unvermeidlich  galt;  ein 
kurzer  Rückblick  auf  die  geschichtlichen  Tatsachen  genügt  ja,  um  sich  da- 
rüber klar  zu  werden,  daß  ein,  ausschließlich  mit  Angelegenheiten  des  Innern 
betrauter,  im  Sommer  1865  ernannter  österreichischer  Minister  unmöglich  ent- 
scheidenden Einfluß  für  oder  gegen  den  Krieg  nehmen  konnte.  Der  Hinweis 
auf  die  einander  gegnerische  Haltung  der  beiden  deutschen  Großmächte  ge- 
legentlich des  Frankfurter  Fürstentages  —  um  von  viel  älteren  Gegensätzen 
zu  schweigen  —  zeigt  doch  deutlich,  daß  wenn  der  casus  belli  erst  im  Jahre 
1866  auftaucht,  die  causa  belli  viel  älter  war,  und  viel  tiefer  lag.    Poschingers 


26  Belcredi. 

Aufzeichnungen,  die  Denkwürdigkeiten  des  Fürsten  Bismarck  —  aus  der  großen 
Literatur  seien  uns  diese  zwei  wichtigen  Quellen  genannt.  Sie  sind  allge- 
mein zugänglich,  und  wer  sie  benutzen  will,  wird  zugeben  müssen,  daß  es 
wahrlich  nicht  der  Einflüsse  B.s  bedurfte,  um  den  Kampf  zwischen  den  beiden 
alten  Rivalen  hervorzurufen;  um  ihn  zu  hindern,  hätte  er  ein  Wunder- 
täter sein  müssen!  —  Daß  aber  speziell  in  B.s  innerer  Politik  irgend  eine 
Ursache  oder  auch  nur  ein  Anlaß,  je  ein  Vorwand  zum  Kriege  gefunden 
werden  konnte,  darf  gewiß  nicht  behauptet  werden.  B.  faßte,  wie  erwähnt, 
die  Monarchie  als  das  Österreich  der  pragmatischen  Sanktion  auf,  als  ein  aus 
virtuell  gleichberechtigten  Ländern  bestehendes  Reich,  in  welchem  kein  Volks- 
stamm als  solcher  rechtlich  vor  dem  andern  bevorzugt  war;  —  wenigstens 
diesseits  der  Leitha.  Nicht  mit  diesem  Österreich  aber  hat  Preußen  Krieg 
geführt,  sondern  mit  dem  spezifisch  deutschen,  d.  h.  die  Vormacht  im 
Bunde  haltenden  Österreich.  Ohne  daß  zunächst  die  innere  Politik  den  Krieg 
herbeiführen  konnte,  war  doch,  zwischen  zweien,  ein  germanisierendes, 
seinen  deutschen  Charakter  stark  hervorkehrendes  Österreich  bedenklicher 
und  gefährlicher  für  den  deutschen  Rivalen,  als  ein  Österreich  der  nationalen 
Gleichberechtigung!  —  Daß,  wie  beispielsweise  Friedjung  in  seinem  bekannten 
Werk  »Der  Kampf  um  die  Vorherrschaft  in  Deutschland«  sagt,  B.  auf  die 
Entscheidung  durch  die  Waffen  hingedrängt  habe,  ist,  wenn  es  richtig  ist, 
doch  nur  cum  grano  salis  zu  nehmen.  H.  Friedjung  selbst  gibt  zu,  über  die 
internen  Vorgänge  im  österreichischen  Kabinet  nicht  vollständig  unterrichtet 
zu  sein,  und  zwar  insbesondere  in  bezug  auf  die  Tage  in  der  dritten  Woche 
des  Monats  April  1866,  die  er  als  besonders  kritische  Tage  bezeichnet;  gewiß 
mit  Recht,  aber  damals  waren  die  Dinge  schon  so  weit  gediehen,  daß  ich, 
ohne  mich  in  eine  Polemik  mit  einem  gelehrten  Historiker  von  dem  Range 
Fried  Jungs  einzulassen,  doch  an  meiner  Meinung  festhalten  muß,  daß  die 
Haltung  eines  österreichischen  mit  der  Leitung  der  äußeren  Politik  nicht  be- 
faßten Ministers  keinen  entscheidenden  Einfluß  auf  den  Krieg  gehabt  haben 
wird.  Gerade  Friedjungs  Verdienst  ist  es,  im  Zusammenhange  dargestellt  zu 
haben,  auf  welcher  Seite  die  dämonische  Kraft  lag,  welche  den  Krieg  von 
langer  Hand  gewollt,  geplant  und  durchgeführt  hat.  Im  Frühjahr  1866 
konnte  man  vielleicht  den  Kampf  noch  ein  wenig  hinausschieben  —  dauernd 
zu  verhindern  war  er  schwerlich!  —  Nach  dem  Kriege  wurden  die  Verhand- 
lungen der  Regierung  mit  Ungarn  neuerdings  aufgenommen.  B.  hielt  an 
seinem  Programm  fest,  er  blieb  dabei,  die  ungarische  Verfassung  anzuerkennen, 
aber  die  Reichseinheit  möglichst  zu  schonen,  das  Abkommen  mit  Ungarn 
aber  dem  außerordentlichen  Reichsrat  vorzulegen.  Die  Verhandlungen  waren 
vor  dem  Kriege  vornehmlich  zwischen  B.  einerseits  und  mehreren  hervor- 
ragenden ungarischen  Politikern  andererseits  geführt  worden.  Da  sie  nach 
dem  Kriege  fortgesetzt  wurden,  traten  neue  Persönlichkeiten  hervor.  Früher 
waren  es  vornehmlich  Altkonservative  gewesen,  an  welche  sich  B.  gewendet 
hatte,  wie  Georg  O.  Mailäth,  Jennyey,  welche  zum  Teil  von  Franz  D^ak  be- 
einflußt sein  mochten;  nach  dem  Kriege  erschien  der  zu  immer  größerem 
Einflüsse  gelangende  Graf  Andrässy,  ein  Liberaler,  auf  der  Bildfläche;  auf 
österreichischer  Seite  trat  in  die  Verhandlungen  der  den  ungarischen  Forde- 
rungen mehr  als  B.  entgegenkommende  frühere  Botschafter  Baron  Hübner 
ein;  entscheidendes  Gewicht  warf  insbesondere  Graf  Beust  in  die  Wagschale. 


Belcredi.  27 

Andrdssy  versuchte  vergeblich,  B.  zu  einem  raschen  und  definitiven  Abschluß 
zu  drängen,  verhandelte  dann  mit  Beust,  und  so  geschah  es,  daß  B.  unter- 
lag, der  Ausgleich  geschlossen,  der  außerordentliche  Reichsrat  aber  nicht  ein- 
berufen wurde.  Damit  war  der  Monarchie  jene  dualistische  Gestaltung  ge- 
geben, welche  B.  als  entschiedener  Vorkämpfer  ihrer  Einheit  stets  perhorres- 
ziert  hatte,  und  er  gab  seine  Demission  ein.  Man  erzählt,  D^ak  selbst  sei  über 
das  Maß  des  den  Ungarn  Gewährten  erfreut,  aber  überrascht  gewesen;  wie 
weit  Hübner  hatte  gehen  wollen,  ist  schwer  fetzustellen,  gewiß  ist  es,  daß  er 
mit  der  schließlich  eingetretenen  Wendung  der  Dinge  nicht  einverstanden 
war.  Mit  welcher  Festigkeit  und  Gewandtheit  B.  seinen  Standpunkt  verfochten 
hatte,  geht  sowohl  aus  den  Memoiren  des  Grafen  Beust,  als  aus  dem  Tage- 
buch des  auf  ungarischer  Seite  an  den  Verhandlungen  teilnehmenden  H.  von 
Lönyay  hervor.  Nachdem  B.  demissioniert  hatte,  traf  ihn  das  Los  so  vieler 
gestürzten  Größen;  viele  kehrten  ihm  den  Rücken,  doch  D^ak  ehrte  den 
alten  Gegner,  dessen  volle  Loyalität  und  geistige  Potenz  er  kennen  gelernt 
hatte,  durch  einen  feierlichen  Besuch.  B.  zog  sich  nun  ins  Privatleben  zu- 
rück und  lebte  in  seiner  Villa  in  Gmunden  den  geliebten  Studien.  Die 
einzige  Unterbrechung  dieser  stillen  Existenz  bestand  in  seiner  Teilnahme 
an  den  Verhandlungen  des  sogenannten  Hohenwartschen  Landtags,  die  im 
Jahre  187 1  zu  Prag  stattfanden,  wo  er  jedoch  wenig  hervortrat.  Erst  im  Jahre 
1881  wurde  B.  dem  öffentlichen  Leben  wiedergegeben,  da  er  von  S.  Maj.  dem 
Kaiser  zum  ersten  Präsidenten  d.  k.  k.  Verwaltungsgerichtshofes  ernannt  und 
kurze  Zeit  darauf  in  das  österreichische  Herrenhaus  als  lebenslängliches  Mit- 
glied berufen  wurde.  B.  führte  sich  als  Präsident  mit  einer  vor  dem  Gre- 
mium des  Gerichtshofes  gehaltenen  Ansprache  ein,  welche  von  seiner  hohen 
und  ernsten  Auffassung  des  Rechtes  und  des  Richterstandes,  von  seiner  idea- 
len Gesinnung  lebendiges  Zeugnis  gab.  Sehr  eifrig  in  der  Erfüllung  seiner 
Amtspflichten,  dabei  gerecht  und  wohlwollend,  hatte  er  gar  bald  das  volle 
Vertrauen  des  Richterkollegiums  gewonnen.  Unermüdlich  in  jeder  Art  von 
geistiger  Arbeit,  dabei  oft  im  Lesen  und  Schreiben  durch  sein  Augen- 
leiden gehindert,  war  er  stets  sehr  zufrieden,  wenn  eine  von  ihm  präsi- 
dierte Sitzung  recht  lange  dauerte,  wenn  der  verhandelte  Rechtsfall  recht 
gründlich  durchgesprochen,  von  jeder  möglichen  Seite  beleuchtet  wurde,  wo- 
ran er  gerne  ausgiebigen  Anteil  nahm.  Was  von  vielen  andern  als  Last 
empfunden  wird,  galt  ihm  als  angenehmster  Zeitvertreib.  Im  Herrenhause 
stimmte  er  zumeist  mit  der  Rechten  (konservativen  Partei),  ohne  jedoch  dieser 
oder  jener  Gruppe  jemals  anzugehören.  Wiederholt  ergriff  B.  das  Wort,  und 
seine  Reden  wurden  immer  als  wertvolle  Beiträge  zur  Debatte  geschätzt  und 
von  allgemeiner  Aufmerksamkeit  begleitet.  Auch  in  seinen  Parlamentsreden 
zeigt  B.  sich  stets  als  warmer  Vaterlandsfreund,  als  hochgebildeter  erfahrener 
Mann  und  als  vorzüglicher  Dialektiker.  Sein  Vortrag  war  fließend  und  vor- 
nehm, sein  Gedächtnis  bewundernswert.  Ich  erinnere  mich  eines  einzigen 
Augenblicks,  in  dem  er  ein  wenig  im  Reden  stockte;  und,  höchst  bezeichnend, 
stockte  er  nur  deshalb,  weil  er  ein  Zitat  ausnahmsweise  vorlesen  wollte; 
wenn  er  sich  auf  sein  Erinnern  verließ,  begegnete  ihm  so  was  nie!  —  Manches, 
was  er  ad  verbum  genau  zitierte,  hatte  er  nur  einmal  gelesen.  Am  meisten  inter- 
essierten ihn  wohl  die  mit  dem  Unterrichtswesen  zusammenhängenden  Fragen, 
doch  sprach  er  über  die  verschiedensten  Dinge,  und  .niemals  ohne  gründliche 


28  Belcrcdi. 

Vorbereitung.  Seine  Redeweise  bevorzugte,  wie  es  im  österr.  Herrenhause 
und  ähnlich  zusammengesetzten  Körperschaften  naturgemäß  ist,  das  Argument 
vor  dem  Gefühisausd rucke;  doch  wußte  er,  wenn  es  darauf  ankam,  auch  ge- 
waltig zu  erwärmen.  Als  ein  verdientes  Mitglied  der  kaiserlichen  Generalität 
in  unwürdiger  Weise  öffentlich  angegriffen  worden  war,  entfesselte  B.  mit 
einigen,  der  Abwehr  dieser  Angriffe  gewidmeten  Worten  einen  Sturm  brau- 
senden Beifalls,  wie  ich  ihn  in  dem  sonst  so  kühlen,  nüchternen  Hause  im 
Laufe  der  24  Jahre  meiner  Mitgliedschaft  niemals  vernommen  habe.  —  Als 
die  Beschwerden  des  Alters  und  zunehmende  Kränklichkeit  sich  allzu  schwer 
fühlbar  machten,  trat  B.  in  den  bleibenden  Ruhestand;  nach  wenigen  Monaten 
zu  seinem  Nachfolger  ernannt,  kann  ich  von  der  Liebe  und  Verehrung,  die 
ihm  alle  seine  Mitarbeiter  nachtragen,  Zeugnis  geben.  Gleichzeitig  mit  dem 
richterlichen  Berufe  gab  B.  auch  jede  Art  politischer  Wirksamkeit  auf  und 
verlebte  seine  letzten  Jahre  in  seinem  geliebten  Gmunden.  Zum  dritten  Male 
verwandelte  sich  der  Mann  des  Öffentlichen  Lebens  in  den  stillen  beschei- 
denen, dabei  stets  zufriedenen  Privatgelehrten;  wie  schon  erwähnt,  hatte  B. 
diese  Wandlung  zuerst  im  Jahre  1848,  dann  1867  durchgemacht  und  vollzog 
sie  jetzt  im  Jahre  1895  zum  letzten  Male.  Zahlreiche  Freunde  und  Verehrer, 
zu  welchen  sich  der  Schreiber  dieser  Zeilen  rechnet,  empfanden  sein  Scheiden 
von  Wien,  und  noch  viel  mehr  sein  im  Jahre  1902  erfolgtes  Scheiden  aus 
dem  irdischen  Dasein  als  schweren  Verlust;  B.  war  trotz  seiner  Gelehrten- 
neigungen gesellig  veranlagt,  freute  sich  über  jeden  Besucher,  mit  dem  er 
ernste  Dinge  besprechen  konnte,  und  wußte  interessant  zu  reden.  Aus  dem 
Schatze  der  Erinnerungen  seines  reichbewegten  Lebens,  aus  dem  Vorrate 
edler  Blüten  und  Früchte,  die  er  in  den  Gärten  der  Wissenschaft  gepflückt 
hatte,  teilte  er  gerne  mit.  Dabei  traten  stets  die  philosophische  Auffassung 
und  das  menschenfreundliche  Wohlwollen  B.s  zu  Tage.  Schon  während  seiner 
Amtszeit  hatte  B.  sein  lebhaftes  Interesse  an  der  königlichen  Wissenschaft 
betätigt;  soviel  ich  mich  erinnern  kann,  bezeichnete  er  in  einem,  an  einen 
damals  tagenden  Philosophentag  gerichteten  Schreiben  Krause  als  den  Philo- 
sophen seiner  Wahl;  er  war  ein  Bewunderer,  aber  kein  Anhänger  Hegels. 
Als  Statthalter  in  Prag  war  er  wiederholt  berufen,  bei  feierlichen  Universitäts- 
Aulen  zu  erscheinen.  Als  er  einst  bei  einer  Promotio  sub  auspiciis  Impcratoris^ 
nach  altem  Brauche,  eine  lateinische  Rede  zu  halten  hatte  und  einer  seiner 
Beamten  ihm  andeutete,  das  Konzept  werde  von  gelehrter  Seite  bei  solchen 
Anlässen  diskret  geliefert,  erwiderte  er,  er  wolle  schon  selbst  dafür  sorgen,  und 
hielt  zum  Staunen  der  gelehrten  Hörer  eine  selbstverfaßte  Rede  im  klassischen 
Latein.  Der  Gelehrte  und  der  Philosoph,  aber  auch  der  Menschenfreund  und 
wahre  Christ,  dem  das  Gebot  der  Nächstenliebe  in  Fleisch  und  Blut  über- 
gegangen ist,  zeigt  sich  in  der  Ruhe,  mit  der  er  seine  Erlebnisse,  die  gegen  ihn 
gerichteten  Angriffe  seiner  zahlreichen  Gegner  besprach.  Nie  kam  in  meiner 
Gegenwart  auch  nur  ein  Wort  der  Bitterkeit  über  seine  Lippen;  und  als  wir 
einst  über  Vergangenes  und  Gegenwärtiges  vergleichend  sprachen,  sagte  er  mit 
einem  mir  unvergeßlichen  bewegten  Ernste,  es  sei  doch  schön,  daß  unser 
Zeitalter  verglichen  mit  früheren  Epochen  so  barmherzig  geworden  sei. 
Ich  glaube  diese  Zeilen  nicht  besser  schließen  zu  können,  als  mit  diesem 
Zitate,  welches  für  B.s  inneres  Wesen  so  bezeichnend  ist! 

Graf  Friedrich  Schönborn. 


Hassenstein. 


29 


Hassenstein,  Bruno,  bedeutender  Kartograph,  *  23.  September  1839  i" 
Ruhla,  t  27.  August  1902  zu  Gotha.  —  Früh  zur  Beobachtung  der  Natur  ge- 
wöhnt und  im  Zeichnen  geschult,  trat  H.  mit  15  Jahren  in  das  Geographische 
Institut  in  Gotha  ein,  das  eben  von  Petermann  reorganisiert  wurde.  Debes 
und  Amthor  waren  seine  Mitschüler,  Welcker,  Habenicht  und  andere  seine 
Nachfolger.  Als  Petermann  im  Jahre  1863  sein  Kartenwerk  über  Innerafrika 
herausgab,  schrieb  er:  »Bei  der  Bearbeitung  der  mühevollen  Karte  habe  ich 
mich  der  Hülfe  meines  mir  seit  neun  Jahren  zur  Seite  stehenden  Freundes 
B.  H.  (den  ich  das  Glück  habe,  meinen  Schüler  zu  nennen)  zu  erfreuen  ge- 
habt, ohne  dessen  mehrjährigen  Fleiß  meine  Idee  nicht  hätte  ausgeführt 
werden  können.«  Zu  dieser  Zeit  handelte  es  sich  für  die  Kartographie  um 
Aufgaben,  wie  sie  ihr  früher  und  später  nicht  gestellt  worden  sind.  Nicht 
bloß  um  die  Fixierung  von  Tatsachen,  sondern  um  die  kombinatorische  Aus- 
füllung und  Verknüpfung  der  Lücken  war  es  den  Männern  zu  tun,  die  selb- 
ständige wissenschaftlich -kartographische  Mitarbeiter  eines  Barth,  Speke, 
Schweinfurth,  Junker  waren.  Petermann  hat  diese  Stellung  der  Kartographie 
in  dem  damaligen  Zeitalter  der  Entdeckungen  in  die  Worte  gefaßt:  »Die 
topographische  Aufnahmekarte  ist  das  Höchste,  was  die  Erdkunde  hat,  indem 
sie  die  genaueste  Abbildung  der  Erdoberfläche  gibt  und  darum  wiederum  die 
beste  Basis  für  alle  Kenntnis.«  Es  ist  darin  etwas  Übertreibung,  aber  aller- 
dings haben  Leute  wie  Petermann  und  H.  aus  der  Karte  auch  ein  Werkzeug 
zur  Prüfung  neuer  Aufnahmen  und  Angaben  gemacht.  H.  hat  dies  in  vor- 
trefflicher Weise  in  seiner  Einteilung  zur  afrikanischen  Zehnblattkarte  von 
1862  formuliert:  »Durch  die  Niederlegung  der  Nachrichten  auf  der  Karte 
läßt  sich  mit  ungleich  größerer  Sicherheit  das  Bessere  vom  Irrtümlichen  unter- 
scheiden, als  durch  bloßes  Nachforschen  über  die  Quellen.«  H.  hat  diesen 
»literarischen  Charakter«  der  Karte,  wie  er  ihn  nannte,  aufs  beste  ausgebildet; 
öfter  trägt  er  verschiedene  Angaben  nebeneinander  ein,  um  die  Differenzen 
zu  zeigen  und  zur  Vergleichung  anzuregen;  in  diesem  Sinne  sind  zahllose 
Namen  und  Ortslagen,  Flußläufe,  Völkerschaften  eingezeichnet,  und  an  manchen 
Stellen  findet  man  sogar  Namen  angegeben,  für  deren  örtlichkeit  einstweilen 
kein  Zeugnis  vorlag.  So  war  die  erste  große  Arbeit  H.s:  Ostafrika  zwischen 
Chartum  und  dem  Roten  Meere  bis  Suakin  und  Massaua,  die  im  fünften  Er- 
gänzungsheft der  Geographischen  Mitteilungen  1861  erschien.  Man  muß  sich 
erinnern,  daß  das  zu  einer  Zeit  war,  wo  über  die  Lage  von  Chartum  und 
anderen  großen  Orten  sich  die  Welt  noch  in  völliger  Unbekanntheit  befand. 
H.  fuhr  fort,  sich  mit  Afrika  zu  beschäftigen;  sein  Werk  sind  u.  a.  die  vier 
Karten  nach  den  Aufnahmen  der  Deutschen  Expedition  1861 — 62,  die  deren 
Bericht  von  1864  begleiten.  Auch  hier  sind  wertvolle  »Bemerkungen«  bei- 
gegeben. 1865  erschien  von  ihm  die  Karte  zur  Reise  des  Fräuleins  Tinne 
im  westlichen  Nilquellengebiet.  1865  erschien  das  Blatt:  Gebiet  der  Schnee- 
berge Kilima-Ndjaro  und  Kenia  mit  »Bemerlwingen«,  ebenso  1866  die  Karte 
der  Wege  zwischen  Berber  und  Suakin.  In  derselben  Zeit  zeichnete  H.  die 
Karten  zu  Rohlfs  Reisen  von  Marokko  nach  Tuat,  und  durch  Tuat  und  Tidikelt. 
1866  unterbrach  für  kurze  Zeit  eine  Übersiedelung  nach  Berlin  diese  Tätigkeit. 
Er  begann  hier  seine  wundervollen  Karten  zu  v.  d.  Deckens  großem  Reisewerk 
zu  zeichnen.  Dieselben  sind  zu  ihrem  und  ihres  Verfassers  Schaden  erst  187 1 
veröffentlicht  worden.     Manche   kleine  Karte  ist  in  Berlin  entstanden   und 


30  Hassenstein. 

ZU  viel  Zeit  widmete  H.  dort  der  Arbeit  an  einem  systematischen  Schulatlas. 
1868  kehrte  H.  nach  Gotha  zurück  und  beschäftigte  sich  viel  mit  der  Zeichnung 
historischer  Karten  zum  Historischen  Atlas  von  Spruner  und  Menke.  Der 
Tod  Petermanns  1878  änderte  H.s  Stellung  und  Aufgaben.  H.  übernahm  nun 
die  Leitung  des  kartographischen  Teils  der  Mitteilungen.  Er  redigierte  zahl- 
reiche Karten,  deren  Zeichnung  jüngeren  Kräften  zuüel.  Nach  dem  Tode 
Behms  übernahm  H.  die  Redaktion  sämtlicher  Karten  der  Mitteilungen  selb- 
ständig. Unter  seinen  größeren  Werken  aus  dieser  Zeit  sei  die  Vierblattkarte 
zu  Junkers  Berichten  genannt  (1889),  der  die  Bearbeitung  von  Emin  Paschas 
und  Bohndorffs  Berichten  vorangegangen  war.  1891  folgten  Karten  zu 
Wissmanns  Reisen,  1894  zu  Baumanns  Reisen  im  nördlichen  Deutsch-Ostafrika. 
Sven  Hedins  zentralasiatische  Reisen  1894 — 97  gaben  H.  Veranlassung  sich 
in  die  Geographie  Zentralasiens  hineinzuarbeiten,  und  das  Ergebnis  waren 
die  sechs  Karten  im  131.  Ergänzungsheft  der  Geographischen  Mitteilungen  mit 
ausgezeichneten  »Bemerkungen«.  Die  Gebirgskarte  Zentralasiens  zu  Futterers 
Studien  (1896)  gehört  demselben  Kreis  an.  Ein  monumentales  Werk  für  sich 
ist  der  Atlas  von  Japan  in  i  :  1 000000  (1887),  den  J.  J.  Rein  als  ein  kritisches 
und  technisch  ausgezeichnetes  Werk  rühmt.  Das  Lob,  das  die  Namenschrei- 
bung gerade  dieser  Karte  gefunden  hat,  erinnert  uns  daran,  daß  H.  diesem 
so  oft  vernachlässigten  Gegenstand  die  sorgsamste  Beachtung  gewidmet  hat. 
H.  behandelte  eben  die  Orts-  und  Völkernamen  gerade  so  kritisch  wie  die 
Länder-  oder  Flußformen;  und  außerdem  wird  man  seine  Karten  immer  daran 
erkennen,  daß  die  Schriftarten  mit  feinem  Gefühl  gewählt  und  dem  Gelände 
angepaßt  sind.  Es  entsprach  nur  H.s  künstlerisch-wissenschaftlicher  Natur, 
daß  er  die  unvermeidliche  Schrift,  die  so  manche  Kartographen  mit  Ärger 
ansehen,  ästhetisch-wissenschaftlich  in  die  Karte  einpaßte.  Hervorragende 
Werke  der  letzten  Periode  sind  auch  noch  die  Karten  zu  den  Reisewerken 
von  Hans  Meyer  und  Oskar  Baumann  1890  und  1894. 

Als  H.  in  das  Geographische  Institut  eintrat,  hatte  eben  dessen  Aufschwung 
unter  der  Leitung  Petermanns  begonnen.  An  jenen  Arbeiten,  die  geschichtlich 
bleiben  werden:  Konstruktion  und  Zeichnung  der  Barthschen  Aufnahmen  und 
der  zahlreichen  Karten  zu  Afrikareisen,  die  im  Laufe  der  nächsten  zwanzig  Jahre 
sich  drängten,  nahm  H.  immer  selbständigeren  Anteil.  Gleich  seinem  Lehrer 
war  er  mit  dem  Herzen  bei  dieser  Aufgabe  und  die  Gebiete,  an  denen  er  sich 
früh  versucht  hatte,  wie  das  äquatoriale  Ostafrika,  umfaßte  er  bis  zuletzt  mit 
einer  besonderen,  rührenden  Vorliebe.  Als  Petermann  sich  mehr  und  mehr 
den  Polarfragen  und  den  damit  zusammenhängenden  wissenschaftlichen  Dis- 
kussionen und  halbpolitischen  Agitationen  zuwandte,  blieb  H.  dem  dunklen 
Erdteil  treu.  Und  als  Petermann  viel  zu  früh  seiner  reichen  Tätigkeit  entrissen 
wurde,  war  H.  sein  geborener  Nachfolger  in  der  kartographischen  Abteilung 
der  Geographischen  Mitteilungen.  H.  war  der  begabteste  und  tätigste  Schüler 
Pet^rmanns.  Er  hat  die  Überlieferungen  seines  Lehrers  bis  an  das  Ende  seiner 
Laufbahn  bewährt  und  weitergebildet.  In  der  Kunst  der  Kartenkonstruktion 
auf  Grund  der  oft  unvollkommenen  Routenaufnahmen  und  mit  Berücksich- 
tigung alles  in  der  Literatur  vorliegenden  Materials  übertraf  er  noch  weit 
Petermann,  denn  es  lag  in  seiner  Natur,  sich  viel  ruhiger  in  die  einzelnen 
Aufgaben  zu  vertiefen.  Ich  möchte  ihn  aber  doch  keinen  gelehrten  Karto- 
graphen  nennen,   denn    die  künstlerischen  Intentionen    halten    bei    ihm    den 


Hassenstein. 


31 


wissenschaftlichen  das  Gleichgewicht,  ebenso  wie  er  kritisch  und  künstlerisch 
zugleich  beanlagt  war.  Einzelne  Karten  H.s  bieten  wahrhaft  ästhetische  Bilder. 
Er  hat  allerdings  auch  nicht  die  Vielseitigkeit  Petermanns  erreicht,  denn  sein 
Hauptgebiet  blieb  Afrika,  auch  als  er  sich  später  Japan  und  Innerasien  zu- 
wandte. 

H.  hat  seine  ganze  Tätigkeit  dem  berühmten  Perthesschen  Institut  in 
Gotha  gewidmet.  So  sind  die  Hauptabschnitte  seines  Lebens  bestimmt 
durch  die  Geschichte  dieser  Anstalt:  als  Lehrling  hat  er  die  Anfänge  der 
Geographischen  Mitteilungen  mitgemacht,  als  Gehilfe  hat  er  zu  den  glänzendsten 
Leistungen  Petermanns  beigetragen,  als  Meister  setzte  er  dessen  Tradition 
fort.  Was  sich  da  in  der  Entdeckungsgeschichte,  in  der  Geographie  und  in 
der  Kartographie  ereignete  und  veränderte,  das  warf  Licht  und  Schatten  in 
dieses  Leben.  H.  empfand  es  manchmal  als  einen  Zwang,  daß  er  an  Gotha 
und  an  das  Institut  gebunden  war,  als  Mensch  und  Künstler  hätte  er  in  einer 
großen  Stadt  und  besonders  in  Süddeutschland  mehr  gefunden.  Es  gab 
Momente,  wo  er  die  Tragik  eines  Lebens  empfand,  das  von  einem  kleinen 
Punkte  aus  die  ganze  Welt  betrachtete  und  beurteilte.  Doch  haben  wir  auch 
Äußerungen  von  ihm,  die  erkennen  lassen,  daß  er  recht  wohl  wußte,  was  das 
Geographische  Institut  für  ihn  bedeutete.  Wir  können  ihn  uns  jedenfalls  nur 
in  dieser  Umgebung  und  unter  diesen  Einflüssen  so  vorstellen,  wie  wir  ihn 
kannten.  Allerdings  war  H.s  Leben  in  Gotha  äußerst  einfach,  ja  einförmig 
und  bildete  so  einen  starken  Gegensatz  zu  seinen  weltumfassenden  wissen- 
schaftlichen und  menschlichen  Beziehungen.  H.  besuchte  gelegentlich  einen 
geographischen  Kongreß  oder  Geographentag,  aber  die  wichtigsten  Abschnitte 
seines  Lebens  in  Gotha  waren  die  Besuche  der  wissenschaftlichen  Reisenden, 
mit  denen  er  in  regem  Briefwechsel  stand.  Einst  waren  Heuglin,  Beurmann, 
Rohlfs,  Kersten  seine  Freunde,  später  traten  an  deren  Stelle  Männer  wie 
Junker,  Emin  Pascha,  Oskar  Baumann,  Hans  Meyer,  Sven  Hedin.  H.  war 
eine  Sammlernatur,  Briefe,  Bilder,  ethnographische  Gegenstände  trug  er  als 
Früchte  dieses  Verkehrs  rastlos  zusammen.  Nicht  unempfindlich  für  äußere 
Ehrungen,  dafür  war  er  viel  zu  natürlich  und  ungekünstelt,  freute  er  sich  1887 
über  den  Ehrendoktor  von  Göttingen,  189 1  über  die  Karl  Ritter-Medaille  der 
Berliner  G.  f.  Erdkunde.  Professorentitel  und  Ordensauszeichnungen  fehlten 
ihm  nicht.  Die  zahlreichen  Anerkennungen,  die  dem  Geographischen  Institut 
in  der  ganzen  Welt  zuteil  wurden,  durfte  er  auch  auf  sich  beziehen.  Man 
kann  nicht  sagen,  daß  sein  Schaffen  unanerkannt  und  unbelohnt  geblieben 
sei.  H.s  Gesundheit  war  nie  kräftig  gewesen  und  litt  schon  früh  unter  der 
sitzenden  Lebensweise  seines  Berufes  und  seiner  Neigung.  Als  er  am 
27.  August  1902  in  Gotha  starb,  hatte  er  zwar  Jahre  schleichender  Leiden 
hinter  sich,  und  die  fröhliche  Schaffenskraft  früherer  Zeiten  war  ihm  lange 
vorher  entschwunden.  Aber  so  wie  sein  Äußeres  bis  zuletzt  einen  jugendlichen 
Zug  sich  bewahrte  und  sein  mittelgroßer,  schlanker,  fast  schmächtiger  Körper 
elastisch  beweglich  blieb,  so  bewahrte  er  sich  auch  innerlich  die  frische  Farbe 
und  die  hellen  Augen  der  Jugend,  und  entglühte  an  neuen  kartographischen 
Aufgaben  zum  alten  Schaffensdrang.  Blicken  wir  auf  sein  Leben  zurück,  so 
sehen  wir  zwar  nichts  von  dem  rastlosen  Organisieren  und  Agitieren  eines 
Petermann,  es  ist  aber  auch  nicht  das  stille  Dasein  des  Büchergelehrten, 
wie  es  sein  Kollege  Behm  führte;  H.  ist  vermöge  seiner  künstlerisch  und  zu- 


32 


Hassenstein.     Gildemeister. 


gleich  kritisch  beanlägten  Natur,  deren  Freude  Sammeln  und  Sichten  reicher 
Stoffe  war,  als  wissenschaftlich  verarbeitender  Kartograph  über  Lehrer  und 
Mitstrebende  hinausgewachsen.  Gewissenhaftigkeit  und  feiner  Spürsinn  für 
das  Unbestimmte  oder  Unrichtige  der  Angaben  werden  uns  aus  seinen  Karten 
noch  lange  ebenso  klar  ansprechen,  wie  die  Schönheit  der  Ausführung. 

Bildnisse   von   H.   brachten   die   Illustrierte   Zeitung   vom  4.  September  1902   und   die 
D.  Rundschau  für  Geographie  1902.  Friedrich  Ratzel. 


Gildemeister,  Otto,  Dr.  phil.,  Bürgermeister  von  Bremen,  *  13.  März  1823, 
f  26.  August  1902  in  Bremen.  —  Nach  vollendeten  Studien  in  seine  Heimat 
zurückgekehrt,  übernahm  G.  zunächst  die  Redaktion  der  damals  gegründeten 
Weser-Zeitung.  Seine  klaren,  vornehmen  und  stilistisch  unübertrefflichen 
Artikel  erregten  alsbald  ein  weit  über  Bremen  hinausgehendes  Interesse.  Seine 
journalistische  Tätigkeit  hat  er  bis  an  sein  Lebensende  ausgeübt;  auch  als  er 
längst  aufgehört  hatte,  die  Zeitung  persönlich  zu  leiten,  schrieb  er  fast  ohne 
Unterbrechung  wöchentlich  zwei  Aufsätze  für  sie;  außerdem  noch  manches  für 
»Die  Nation«  und  andere  hervorragende  Zeitschriften.  Alle  seine  Schriften 
atmen  den  Geist  des  Liberalismus,  edelster  Humanität  und  eines  weisen 
Sinnes  für  Recht  und  Billigkeit.  1852  wurde  G.  Regierungssekretär,  1857 
Senator.  Zu  wiederholten  Malen  hat  er  Bremen  im  Bundesrat  vertreten. 
Welche  Stellung,  welche  amtliche  Obliegenheit  er  auch  übernommen  hat,  stets 
hat  er  sein  Geschäft  mustergültig  sans  phrase  geführt. 

Im  Februar  1890  legte  er  sein  Amt  nieder;  aber  sein  Einfluß  blieb  be- 
stehen. Bis  in  sein  hohes  Alter  hat  er  sich  eine  wunderbare  Schärfe  des 
Gedächtnisses  und  der  Sinne,  sowie  eine  weltmännische  Würde  bewahrt,  die 
auch  nicht  durch  einen  Schatten  von  Senilität  getrübt  wurde.  Seine  letzte 
Krankheit  ist  auch  seine  einzige  gewesen. 

Aber  nicht  der  bremische  Staatsmann,  nicht  der  geistvolle  Verfasser  so 
vieler  hundert  glänzender  Leitartikel  und  Essays  ist  es,  der  G.s  Ruhm  im 
deutschen  Volke  begründet  hat  und  bewahren  wird.  Das  ist  der  Übersetzer. 
Hier  steht  G.  einzig  da.  Paul  Heyse  nennt  ihn :  der  Übersetzer-Gilde  Meister. 
Ihn  in  dieser  Eigenschaft  näher  zu  schildern,  lassen  wir  einen  der  Nachrufe 
folgen,  welche  die  »Nation«  ihm  gewidmet  hat. 

Im  Jahre  1893  wurde  dem  Verfasser  dieser  Zeilen  die  Ehre,  zu  Otto  G.s 
siebenzigstem  Geburtstage  ein  Porträt  des  Gefeierten  mit  ein  paar  großen 
Federstrichen  zu  entwerfen.  Die  Aufgabe  war  an  sich  nicht  eben  schwierig; 
denn  wesentlich  von  einander  abweichende  Auffassungen  konnten  nicht  wohl 
stattfinden;  seine  Züge  waren  so  wenig  von  der  Parteien  Gunst  und  Haß  ver- 
wirrt, daß  man  nur  das  Beste  zu  sagen  brauchte,  was  von  einem  Philosophen, 
von  einem  still  schaffenden  Künstler  zu  sagen  ist,  um  einer  Ähnlichkeit  sicher 
zu  sein.  Nur  G.  selbst  war  oder  schien  wenigstens  nicht  der  Ansicht;  er 
sagte:  »Ihr  Bild  ist  sehr  gut  gemalt;  aber  ich  glaube  nicht,  daß  es  ähnlich 
ist.«  Mit  der  vollendeten  Höflichkeit  dieser  Wendung  hatte  er  dem  Verfasser 
ein  liebenswürdiges  Kompliment  gemacht  und  doch  von  sich  allen  Anschein 
abgewiesen,  als  ob  er  die  Huldigung  jenes  Aufsatzes  selbstgefällig  als  ge- 
bührenden Weihrauchtribut  einschlürfe.  Wir  jedoch  sind  nach  wie  vor  weit 
mehr  als  von  der  guten  Malerei  von  der  Ähnlichkeit  des  Porträts  überzeugt 


Oildemeister. 


33 


und  finden  auch  nicht  einen  Punkt,  wo  wir  nun,  nachdem  er  in  die  Ewigkeit 
gegangen,  mit  etwaigen  Retouchen  noch  nachzuhelfen  hätten. 

G.s  Person  war,  da  er  ja  sein  Bremen  fast  niemals  zu  verlassen  pflegte 
und  er,  wie  Kant,  der  äußeren  Umgebung  kaum  einen  Einfluß  auf  sein  Geistes- 
leben einräumte,  sondern  die  Welt  nur  durch  ein  Fernglas  zu  betrachten  ge- 
wohnt war,  den  weiten  Kreisen  des  Publikums  fast  unbekannt;  selbst  in 
Bremen  haben  gewiß  Hunderte  die  paar  Schritte,  die  er  täglich  von  seinem 
Hause  zum  Rathause  und  zum  Museum  ging  (und  weiter  ging  er  nie),  gekreuzt, 
ohne  zu  wissen,  wem  sie  begegneten.  Darin  unterschied  er  sich  in  hohem 
Grade  von  anderen  unserer  hervorragenden  Bürger,  H.  H.  Meier,  Heinrich 
Müller,  H.  A.  Schumacher,  daß  er  alles  ablehnte,  was  nach  Pose  aussah. 
Ein  eigener  Zauber  von  Würde  und  Feinheit  umwob  ihn  und  machte  jedem, 
der  sich  etwa  täppisch  und  dummdreist  mit  einem  schalen  Witz  vertraulich 
sich  hätte  heranmachen  wollen,  alle  Annäherung  unmöglich;  wenn  er  dagegen 
jenen  Zauberbannkreis  löste,  Interesse  an  dem  zeigte,  was  andere  beschäftigte 
oder  von  den  großen  Goldbarren  seines  Geistes  einiges  in  Kleingeld  umsetzte,  und 
dieses  in  glänzender  Unterhaltung  zum  besten  gab,  dann  gewann  er  alle  Herzen. 

G.s  Charakteristik  ist  mit  einem  Worte  zu  geben.  »Was  er  leistete, 
leistete  er  vollendet.«  Er  blieb  niemals  hinter  dem,  was  er  gewollt  hatte, 
zurück,  weil  er  etwa  seine  Kräfte  überschätzt  hätte ;  und  wenn  der  gigantische 
Gang  der  Weltbegebenheiten  nicht  immer  seinen  Idealen  entsprach  und  die 
Dinge,  namentlich  die  wirtschaftlichen  Angelegenheiten  Deutschlands  sich  in 
Richtungen  bewegten,  die  er  als  falsch  und  verhängnisvoll  erkannt  hatte,  so 
hat  er  doch  nicht  einen  Augenblick  sich  von  dem  Ausdruck  seiner  Über- 
zeugung abhalten  oder  gar  sich  dahin  bringen  lassen,  in  finsterem  Unmute 
zu  schweigen.  Mit  klassischer  Klarheit  sein  cetcrum  censeo  auszusprechen,  ist 
er  nie  müde  geworden,  ja,  fast  buchstäblich  ist  es  zu  nehmen,  daß  er  nicht 
müde  geworden  bis  zum  letzten  Hauch.  Dieses  beharrliche  Eintreten  für  die 
Wahrheit,  auch  wenn  sie  von  einer  Welt  von  Feinden  bekämpft  wird,  ist  ein 
der  treuesten  Nachahmung  würdiger  Heroismus.  Denn  gar  zu  leicht  übt  auf 
Seelen  von  schwächlicher  Überzeugung  das  tausendstimmige  Gebrause  der 
sogenannten  öffentlichen  und  in  ihren  einzelnen  Schichten  sich  gegenseitig 
elektrisch  steigernden  Meinung  eine  lähmende  Wirkung  aus;  sie  zweifeln,  sie 
schwanken:  »Kann,  wenn  ein  so  ungeheurer  Haufe  so  laut  sein  ,KreuzigeM 
schreit,  das  Anathema  wohl  ungerecht  sein?«  Lautes  Geschrei  hat  seit  je  in 
religiösen  wie  in  politischen,  wirtschaftlichen  und  künstlerischen  Fragen  eine 
große  Rolle  gespielt  und  entgegenstehende  Meinungen,  wenn  nicht  zum  Ein- 
stimmen, so  doch  zum  Schweigen  gebracht.  Und  Schweigen  jenen  Mächten 
gegenüber,  mit  denen  Götter  selbst  vergebens  kämpfen,  ist  für  aristokratisch- 
exklusive Naturen,  wie  G.  eine  war,  eine  große  Versuchung.  Er  ist  dieser 
Versuchung  nicht  unterlegen;  er  hat  nicht  abgelassen,  für  seine  Überzeugung 
Zeugnis  abzulegen  und  das  immer  und  ohne  Ausnahme  in  vollendeter,  von 
jedem  persönlichen  Haß,  von  jedem  Revanchebedürfnis  absehender,  sich  streng 
an  die  Sache  haltender  Ritterlichkeit  und  Höflichkeit.  Ob  es  ihm  schwer 
geworden  ist,  sich  zu  dieser  Weisheit  durchzuringen?  Wer  vermag  es  zu 
sagen?  Vielleicht  hat  frühzeitige  stoische  Selbsterziehung  ihn  dahin  gewöhnt, 
vielleicht  ist  leidenschaftlicher  Sturm  und  Drang  seiner  Seele  von  Haus  aus 
fremd  gewesen. 

Biogr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog^.    7.  Bd.  ß 


^A  Gildemeister. 

Wir   glauben    aus    verschiedenen  Anzeichen    auf   letzteres   schließen   zu 
dürfen.     Wenn  ein  Mann  das  ausgesuchteste  Rüstzeug  der  Sprache  in  Vers 
und  Prosa  in  Händen  hält,  Rüstzeug,  das  in  Stärke  und  Glanz  von  Hephästos 
selber  geschmiedet  scheint,    und   es  nie  gebraucht,    einer   in  der  Tiefe   des 
Herzens  sich  regenden  dichterischen  Leidenschaft  Bahn  zu  brechen  in  die 
freie  Luft  der  Außenwelt,  so  hat  diese  Leidenschaft,  wenn  sie  überhaupt  vor- 
handen war,  gewiß  nicht  diejenige  Allgewalt  besessen,    ohne  die  eben  ein 
vollendetes  Gedicht  nicht  entstehen  kann.     Deshalb  sah  er,  in  dessen  Augen 
nur  das  Vollendete  Wert  hatte,  er,   der  vollendete  Schriftsteller,   davon  ab, 
ein  Dichter  sein  zu  wollen.     Der  beste  politische  Tagesschriftsteller  seiner  Zeit, 
das  ist  ein   wahrlich  nicht  geringer  Ehrentitel;  ,auch  ein  Dichter',  das  hätte 
ihm   keinen  Glanz  hinzugefügt.     G.  wußte,  daß  ein  großer  Dichter  ohne  ein 
tobendes  Herz  nicht  denkbar  ist;  da  jedoch  sein  Herz  nicht  tobte,  so  versagte 
er  sich  —  gelegentliche  geistreiche  Epigramme  und  Festverse  ausgenommen  — 
die  dichterische  Produktion  völlig.     Selbstkritik!     Selbstkritik!     Dabei  jedoch 
war  seine  sprachliche  Begabung  so  reich,  daß  er  in  eigener  Überfülle  hätte 
ersticken  müssen,  wenn  er  sich  nur  auf  Leitartikel  und  Essays  hätte  beschränken 
wollen.     Von  früh  auf  war  ihm  das  Gebiet  der  Übersetzung  vertraut;  eine 
Don  Juan-Übersetzung,    die  allerdings  mit   der   späteren,   berühmten    wenig 
mehr  gemein  hat,  fällt  bereits  in  seine  Gymnasiastenzeit.     In  der  Übersetzung 
konnte  er  wiederum  das,  worauf  es  ihm  einzig  ankam,  das  Vollendete  leisten. 
Hier  konnte  er  unter  den  vielen  Meistern  der  Übersetzungskunst,   deren 
sich  vor  allen  anderen  die  deutsche  Sprache  rühmen  darf,  der  erste  werden. 
Und  so  wendete  sich  der  ganze  Reichtum  der  Prägnanz  und  des  Wohlklanges, 
der  seiner  Seele  eingeboren   war,   Schöpfungen  zu,   die  bereits  von   anderer 
Seite  alles,  was  einem  Gedicht  unerläßlich  ist,  besaßen.     Für  den  Schrei  der 
Leidenschaft,  für  Hohngelächter  und  glühende  Farben  der  Schilderung  hatte 
Lord  Byron,  für  den  ewig  sich  erneuernden  Regenbogen  der  Phantasie  hatte 
Ariost,  für  die  furchtbare  Stimme  des  Weltrichters  hatte  Dante  gesorgt;  es 
kam  nur  darauf  an,    diese  ungeheuren   und  allem  Anschein  nach  von  dem 
heimatlichen  Boden  und  Wesen  ihrer  Sprache  untrennbaren  Elemente  trotz 
aller  Hindernisse  dennoch  zu  verpflanzen  und  sie  so  zu  pflegen,    daß  sie  auf 
unserer  eigenen  Scholle  gewachsen  schienen.     In  welch  eminentem  Maße  G. 
das  erreicht  hat,  braucht  hier  nicht  abermals  ausgesprochen  zu  werden.     Es 
ist  von  keiner  Seite  je  bestritten  worden;   die  Kritik  hat  jedes  seiner  Werke 
mit  uneingeschränktem   Lobe    aufgenommen.     Außer   den    Shakespeareschen 
Königsstücken  (Bodenstedtsche  Ausgabe)  hat  er  noch  vier  Dramen  Shakespeares 
übersetzt,  deren  Herausgabe  bevorsteht.     Erwähnt  sei  auch  noch  eine  höchst 
graziöse  Plauderei  von  Alfred   de  Musset,    die   sich   liest     wie  ein  Original 
dieses  eigentlich  unübersetzbaren  Dichters. 

Dennoch  war  G.  keineswegs  überzeugt,  daß  seine  Übersetzungen  ein 
wirklich  treues  Spiegelbild  der  Originale  seien,  und  er  war  eine  viel  zu 
schlichte  und  gerade  Natur,  um  nur  so  die  übliche  Bescheidenheit  zu  affektieren. 
Ihm  stand  der  Geist  der  fremden  Sprachen  eben  so  nahe,  wie  der  der  eigenen; 
er  empfand  alle  die  durch  kein  Lexikon  und  keine  Grammatik  zu  kon- 
trollierenden Imponderabilien  des  fremden  Idioms,  jenen  Hauch  einer  einzigen 
Wendung,  die  über  einen  ganzen  Vers  einen  Schatten  oder  einen  Lichtstrahl 
ausgießen  konnte,  und  er  empfand,  was  tausend  aus  gröberem  Stoff  geschaffene 


Gildemeister.  ^e 

Leser  wohl  schwerlich  nachempfunden  haben,  daß  die  deutsche  Wendung 
der  fremden  nicht  ganz  gerecht  würde.  Dann  verglich  er  wohl  die  Über- 
setzung mit  dem  Klavierauszuge  eines  Orchesterwerkes  und  resignierte  sich 
dabei:  »Besser,  wenn  das  deutsche  Volk  die  großen  fremden  Dichter  in  Über- 
setzungen mit  den  dieser  Literaturgattung  nun  einmal  anhaftenden  Unzulänglich- 
keiten hat,  als  wenn  es  sie  gar  nicht  hätte.  Mehr  als  die  Hälfte  unserer 
Bildung  beruht  ja  auf  Übersetzungsliteratur.«  Und  als  ich  daran  anknüpfend 
über  die  banausische  Geringschätzung  spottete,  die  neulich  bei  der  Eröffnung 
unserer  neuen  Kunsthalle  in  hochoffiziellen  Reden  den  Nachbildungen  nach 
der  Antike  zuteil  geworden  war,  da  blitzte  in  seinen  klugen  Augen  ein  lustiges 
Feuer  auf:  »Die  Antike  hat  schon  viel  überlebt,  sie  wird  auch  den  heutigen 
Torfbauernkultus  überleben.«  Ich  dachte  in  diesem  Augenblick  der  paar 
wunderschönen  Abgüsse,  welche  die  vornehme  Anspruchslosigkeit  seines  eigenen 
Treppenhauses  schmücken,  und  setzte  dann  im  Geiste  ein  modernes  Torfschiff 
an  ihre  Stelle.     O  Musen  und  Grazien  1 

Nicht  etwa,  daß  G.  kein  Herz  für  unsere  heimische  plattdeutsche  Art 
gehabt  und  nur  in  höheren  klassischen  Regionen  sich  wohlgefühlt'  hätte. 
O,  nein!  Als  tagen-baren  Bremer  Kind  hat  er  sein  Bremertum  niemals  ver- 
leugnet; das  trat  schon  im  Klange  seiner  Sprache  hervor,  die  einen  ganz 
speziell  bremischen  Timbre  verriet,  und  wie  ihm  alles  Affektierte  widerwärtig 
war,  auch  nicht  von  dem  leisesten  Anflug  jenes  dialektlosen  Theaterdeutsch 
überschminkt  war,  das  man  gelegentlich  als  Kennzeichen  feinerer  Bildung 
ausgeben  zu  wollen  scheint.  Er  sprach  ein  tadelloses  Plattdeutsch,  und 
ihn  Fritz  Reuter  vorlesen  zu  hören,  war  ein  großer  Genuß. 

G.s  literarisches  Lebenswerk  ist  einstweilen  nicht  zu  übersehen,  und  ganz 
vollständig  wird  es  sich  auch  niemals  feststellen  lassen.  Der  überwiegende 
Teil  seiner  Schriften  besteht  in  einzelnen  Artikeln,  die  er  in  erster  Linie  für 
die  »Weser-Zeitung«  schrieb;  ihre  Zahl  berechnet  Alexander  Meyer  auf  5700; 
auch  in  dem,  in  den  fünfziger  und  sechziger  Jahren  blühenden,  Bremer 
Sonntagsblatt  waren  seine  Aufsätze  stets  die  Juwelen;  in  der  »Nation«  ver- 
hüllte er  oft  seinen  Namen  Otto  Gi.  in  dem  amüsanten  Anagramm  Giotto. 
Dem  Tagesschriftsteller  jedoch  wie  dem  Mimen  flicht  die  Nachwelt  keine 
Kränze.  Wie  viele  große  Männer,  die  jedem  Tage  das  zu  reichen  imstande 
waren,  was  jeder  Tag  an  Nahrung  erforderte,  sind  samt  ihren  Gaben  vom  Tage 
endlich  verschlungen  worden  und  zum  Orkus  gewandert!  Denken  wir  z.  B. 
an  einen  ihrer  allergrößten,  an  Voltaire.  Hat  jemals  ein  Schriftsteller  mächtiger 
auf  seine  Zeit  gewirkt,  ihre  ganze  Geistesrichtung  gewaltiger  aus  dem  Qualm 
der  Autodafes  und  Justizmorde  emporgerissen  als  er?  Er  ist  ein  gar  nicht 
wieder  hinwegzudenkender  Sauerteig  des  achtzehnten  Jahrhunderts.  Und 
wer  liest  heute  Voltaire?  Georg  Brandes  sagte  einmal  lachend  zu  dem  Ver- 
fasser dieser  Zeilen:  »Sie  sind  der  einzige  lebende  Mensch,  der  die  ganze  Henri- 
ade gelesen  hat.«  Und  neben  Voltaire,  wie  viele  haben  geleuchtet  und  sind 
untergegangen?  Von  den  großen  Franzosen  und  Engländern  zu  schweigen: 
wer  liest  heute  Wieland,  wer  liest  Herder,  ja  selbst  Lessing  1  wer  liest  außer 
seinen  unsterblichen  Dichtungen  noch  seine  ästhetischen  und  philosophischen 
Schriften?  Achl  Und  ein  erneuertes  Studium  des  Laokoon  wäre  so  nötig I  Ach! 
Nur  das  auf  sich  selbst  ruhende  Kunstwerk  trotzt  der  Vergänglichkeit;  das 
Heilsamste  und  Weiseste  jedoch,  was,  gleichviel  in  welcher  Form,  und  sei  sie 

3* 


ß5  Gildemeister.     Eckmaim. 

die  abgeklärteste  und  geschliffenste,  dem  Tage  gedient  hat,  wird  mit  dem 
Tage  dahingerafft.  So  werden  wir  uns  wohl  das  schmerzliche  Eingeständnis 
nicht  ersparen  können,  daß  viele,  viele  Erzeugnisse  des  G.schen  Geistes,  die 
uns  einst  zu  heller  Freude  entzückt  haben,  nunmehr  unwiederbringlich  dahin 
sind.  Wollte  auch  dankbare  Pietät  sie  sammeln,  als  eine  Art  Memoiren,  als 
Dokumente  ihrer  Zeit  sie  herausgeben,  —  ein  unter  dem  Texte  schwerfällig 
einherrollender  Beiwagen  sachlicher  Anmerkungen  würde  alle  Freude  ver- 
derben. Ein  spontaner  Seitenblick,  eine  Anspielung  auf  diese  oder  jene 
Lächerlichkeit  kann  zur  rechten  Zeit  den  Leser  in  die  beste  Stimmung  ver- 
setzen; allein  man  muß  sie  nicht  zwanzig,  dreißig  Jahre  nach  ihrer  Entstehung 
erläutern  wollen.  Ein  Herbarium  wird  niemals  wieder  ein  Blumenbeet. 
Dennoch  findet  sich  unter  der  reichen  Fülle  von  Aufsätzen  und  Essays  noch 
eine  Menge,  die  wohl  geeignet  wäre,  den  Schatz  zu  ergänzen,  der  vor  ein 
paar  Jahren  unter  dem  Titel  »Essays  von  Otto  Gildemeister«  bei  W.  Hertz 
erschienen  ist.  G.  selbst  fand  großes  Interesse  daran,  alte  Zeitschriften,  z.  B. 
Bände  der  i>Rarue  des  deux  mondes<i^  aus  den  vierziger  Jahren  wieder  zu 
lesen:  *Man  erlebt  seine  Jugend  gewissermaßen  zum  zweiten  Male«,  sagte  er. 
Auch  in  seinen  Aufsätzen,  wie  viel  würden  wir  wieder  erleben!  Von  dem 
reinen  Genuß,  in  dieser  Zeit  der  Sprachverrohung  unser  Deutsch  in  seiner 
schlichten,  gesunden  Schönheit  zu  empfangen,  ganz  abgesehen! 

Ludwig  Bamberger:  Charakteristiken,  Berlin  1897.     3^9 — 328. 

Unter  Otto  G.s  Namen  in  Buchform  erschienene  Übersetzungen  sind  anzuführen:  Lord 
Byron.  Berlin,  Georg  Reimer.  1864  I.  u.  II.  Band;  1865  III.  u.  IV.  Band,  V.  u. 
VI.  Band  (Don  Juan).  —  Shakespeares  Dramen,  herausgegeben  von  F.  Bodenstedt.  Leipzig, 
F.  A.  Brockhaus.  1867  König  Johann,  König  Heinrich  der  Zweite;  1868  König  Heinrich 
der  Vierte,  erster  und  zweiter  Teil,  König  Heinrich  der  Fünfte;  1869  König  Heinrich  der 
Sechste,  zwei  Teile,  König  Richard  der  Dritte,  König  Heinrich  der  Achte,  Was  ihr  wollt; 
1870  Verlorne  Liebesmüh,  Das  Wintermärchen ;  1871  Julius  Cäsar;  1876  Shakespeares  Sonette. 

—  Ariosto.  Berlin,  Wilh.  Hertz.  1882  Rasender  Roland.  —  1888  Dante.  Göttliche  Comoedia. 

—  Essays  von  Otto  Gildemeister.  1896,  1897,    Herausgegeben  von  Freunden.    Zwei  Bände. 

Horn  bei  Bremen.  A.  Fitger. 

Eckmann,  Otto,  Professor,  Maler,  Dekorationskünstler,  ♦  19.  November 
1865  in  Hamburg,  ^  \\,  Juni  1902  in  Badenweiler.  —  Der  Lebenslauf  und 
die  Geschichte  der  künstlerischen  Entwicklung  E.s  bieten  eine  Erscheinung, 
die  sich  heute  im  Leben  zahlreicher  modemer  Künstler  zeigt:  mit  der  rea- 
listischen Malerei  wird  begonnen,  man  gerät  in  die  Symbolistik,  verläßt 
diese  ganze  hohe  Kunst  und  widmet  fortan  seine  künstlerische  Kraft  der  an- 
gewandten Kunst.  E.  und  mit  ihm  gleichzeitig  Hermann  Obrist  gehören  zu 
den  ersten,  die  diesen  Schritt  taten,  im  vollen  Bewußtsein,  dadurch  den 
Wert  ihrer  Leistung  nicht  zu  beeinträchtigen  und  ihre  Arbeit  nicht  einem 
untergeordneten  Ziel  dienstbar  zu  machen.  In  den  Dienst  der  angewandten 
Kunst  stellte  er  seine  malerischen  Fähigkeiten,  feine  Farbenempfindung, 
schmiegsame  Eleganz  der  Linie,  intimes  Naturstudium,  das  ihn  fem  von  jeder 
Schultradition  hielt,  sowie  die  dem  Kunstgewerbe  speziell  günstigen  Gaben, 
ein  angebornes  dekoratives  Talent  und  einen  lebendigen  praktischen  Sinn. 
Dem  zartnervigen  Empfinden  seiner  Zeit  kam  er  mit  der  gesteigerten  Sensi- 
bilität seines  kranken  Organismus  noch  zuvor  und  eroberte  sich  so  im  Sturm- 
schritt   einen  hervorragenden   Posten    unter    den  deutschen  Künstlern.     Der 


Eckmann. 


37 


Erfolg  begleitete  ihn  überall;  fast  alle  seine  Pläne  schlugen  ein  und  die 
öffentliche  Anerkennung  wurde  ihm  durch  die  Lehrstelle  am  Kunstgewerbe- 
museum in  Berlin  zuteil.  In  der  kurzen  Zeit  von  acht  Jahren  hatte  er  sich 
auf  allen  Gebieten  der  dekorativen  Kunst  eingearbeitet  und  in  einigen  vor- 
bildlich gewirkt;  der  Fleiß  und  die  Energie  des  vom  Tode  gezeichneten 
Mannes  —  er  starb  an  einem  Lungenleiden  —  waren  besonders  in  den  letzten 
Jahren  staunenswert.  Noch  auf  dem  Krankenbette  war  er  fortwährend  tätig, 
skizzierte  Entwürfe  und  besprach  sich  mit  den  ausführenden  Handwerkern,  in 
den  letzten  Tagen  machte  er  Pläne  für  ein  großes  Frühlingsbild;  hätte  ihn 
vielleicht  eine  fernere  Lebenszeit  wieder  zu  der  Malerei,  von  der  er  aus- 
gegangen, zurückgeführt? 

In  der  Geschichte  der  Reorganisation  der  angewandten  Kunst  in  Deutsch- 
land wird  Eckmanns  Name  wohl  stets  an  einer  der  ersten  Stellen  genannt 
werden  und  seinen  Werken  kommt  ein  historischer  Wert  zu,  insofern  sie 
Marksteine  einer  bedeutenden  Entwicklungsphase  der  deutschen  Kunst  dar- 
stellen und  einen  Ausgangspunkt  für  die  weitere  Gestaltung  der  Dekorations- 
prinzipien bilden.  Als  Bahnbrecher  nach  verschiedenen  Richtungen  im  Ur- 
walde  der  herabgekommenen  deutschen  Handwerkskunst  wird  E.  immer  gelten 
müssen,  mag  auch  mancher  Zug  seiner  reformatorischen  Tätigkeit  fremden  An- 
regungen entsprungen  sein;  wie  als  Maler  der  holländischen  Kunst,  so  hatte  er  als 
Kunstgewerbler  den  Japanern,  der  englischen  Innendekoration,  der  heimischen 
deutschen  Möbelkunst  von  1830  viel  zu  verdanken.  Seine  Richtung  ist  auch 
keineswegs  das  einzige  Ideal,  zu  dem  alle  Versuche  der  modernen  Dekora- 
tionskunst hinstreben,  ja  gerade  an  der  Hauptstätte  seiner  Wirksamkeit,  in 
Berlin,  hatte  er  einen  harten  Kampf  gegen  eine  ganz  entgegengesetzte  Stil- 
form, gegen  seinen  Antipoden  Van  de  Velde  zu  führen;  das  Eckmannsche 
Prinzip,  direkte  Verwertung  von  Naturmotiven,  botanischen  und  zoologischen, 
in  leichter  Stilisierung,  und  des  belgischen  Künstlers  Dogma  von  der  reinen 
Linie  und  dem  abstrakten  vorbildlosen  Ornament  rangen  als  unversöhnliche 
Gegner  —  solche  waren  persönlich  auch  die  Autoren  —  um  die  Gunst  des 
Publikums.  Van  de  Velde  nennt  Eckmanns  Art,  die  er  mit  dessen  Tode  er- 
loschen glaubt,  die  Sentimentalität  in  der  Ornamentik;  E.  dagegen,  der  un- 
ermüdlich auf  der  Suche  nach  neuen  Motiven  und  Anwendungen  war,  dem 
auch  die  geistreiche  Ideenassoziation,  die  innere  Beziehung  auf  den  Gegen- 
stand in  das  Ornament  hineinspielte,  mußte  die  Manier  des  Gegners  als 
kahle  Einförmigkeit  empfinden. 

E.s  künstlerische  Entwicklung  durchlief  mehrere  Metamorphosen  und  war 
bei  seinem  frühen  Tode  wohl  nicht  zu  Ende.  Mit  klarem  Verständnis  er- 
kannte er  sofort,  wann  ihm  eine  fruchtbringende  Anregung  in  den  Weg  kam 
und  wußte  sie  sich  leicht  anzueignen  und  persönlich  zu  verarbeiten.  Das 
angebome  Talent  zeigte  sich  früh;  als  Sohn  eines  Hamburger  Kaufmanns 
sollte  er  für  den  gleichen  Beruf  ausgebildet  werden,  setzte  aber  seinen  Wunsch, 
die  Künstlerlaufbahn  zu  betreten,  durch.  Es  liegt  in  ,der  Natur  der  Zeit- 
umstände und  seiner  selbständigen  Anlage,  daß  E.  der  Schule  nicht  viel  zu 
verdanken  hatte,  die  noch  ganz  im  Banne  der  alten  Traditionen  lag;  er  be- 
suchte die  Kunstgewerbeschule  in  Nürnberg  und  die  Akademie  in  München. 
Desto  reicher  mögen  die  Anregungen  gewesen  sein,  die  er  aus  dem  Milieu 
seiner  Vaterstadt  empfing,  wo  ja  nach  Lichtwarks  Beobachtung  die  alte  gute 


2  8  Eckmaniu 

Tradition  von  1830  nie  ganz  verloren  ging  und  Anläufe  zur  Erneuerung  der 
dekorativen  Kunst  sich  früh  zeigten.  In  den  neunziger  Jahren  erschienen  in 
München  seine  ersten  Bilder,  meist  Plein-air-Landschaften  ernsten  schwer- 
mütigen Charakters;  in  der  ersten  Zeit  stand  er,  wie  er  selbst  angibt,  unter 
dem  Einfluß  der  modernen  holländischen  Landschaftsmalerei.  Schon  in 
diesen  Stimmungsbildern  läßt  sich  von  Anfang  an  ein  stilisierender  Zug  nicht 
verkennen,  der  die  geschlossene  Form,  die  einfache  ornamentale  Linie,  die 
dekorativ  abgestimmte  Farbengebung  bevorzugt.  Bald  kam  dazu  auch  eine 
ausgesprochene  Neigung  zu  symbolistischer  Naturauffassung,  die  ihrerseits 
die  Vereinfachung  des  Nebensächlichen  und  Hervorhebung  des  Charakteristi- 
schen anstreben  mußte,  um  den  gedanklichen  Inhalt  auszudrücken.  Sein 
größtes  Werk  in  dieser  Art,  welches  diese  Hauptrichtungen  seiner  Malerei 
zeigt,  zugleich  eine  seiner  letzten  rein  malerischen  Arbeiten,  ist  ein  sechs- 
teiliger Bilderzyklus,  die  vier  Lebensalter  darstellend,  aus  dem  Jahre  1894; 
in  Linie  und  Farbe  dekorativ,  zum  Teil  stilisierte  Formen,  der  Inhalt  eine 
symbolische  Beziehung  zwischen  der  Natur  und  dem  Menschen.  Die  vier 
Lebensalter  sind  dargestellt  durch  entsprechende  Menschengestalten  in  Land- 
schaften, die  den  Charakter  der  vier  Jahreszeiten  tragen. 

Mit  diesem  Zyklus  endigt  E.s  Tätigkeit  als  Landschaftsmaler,  plötzlich 
und  absichtlich  vollzieht  sich  eine  Wandlung  im  Schaffen  des  Künstlers,  die 
er  nach  außen  in  wunderlicher  humoristischer  Weise  kundgibt.  Im  November 
1894  veranstaltet  er  bei  Rudolf  Bangel  in  Frankfurt  a.  M.  eine  Versteigerung 
seiner  sämtlichen  Ölbilder,  etwa  zwanzig,  und  Zeichnungen;  die  Besucher 
der  Auktion  erhalten  einen  Katalog  in  schwarzem  Umschlag,  auf  dem  in 
hellem  Rot  gezeichnete  Besen  das  Moment  des  Auskehrens  satirisch  an- 
deuten, während  spöttische  Begleitworte  die  Versteigerung  seines  »künst- 
lerischen Nachlasses«  ankündigen.  »Da  sich  mein  künstlerischer  Nachlaß  im 
Laufe  der  Jahre  in  etwas  plat^aubender  Weise  vermehrt  hat,  sehe  ich  mich 
veranlaßt,  denselben  schon  jetzt  bei  Lebzeiten  in  Auktion  zu  geben,  wodurch 
mir  erstens  Raum  zu  weiterem  Nachlaß  wird,  und  zweitens  das  seltene  Glück 
zufällt,  mein  eigener  Erbe  zu  sein.«  Nun  vollzieht  sich,  zuerst  auf  dem 
Gebiet  der  graphischen  Arbeiten,  seine  Wendung  zur  dekorativen  Kunst,  die 
von  nun  an  die  einzige  Betätigung  des  Künstlers  bleibt.  Auf  sein  empfäng- 
liches Talent  war  es  von  entscheidender  Wirkung  gewesen,  als  Direktor 
Brinckmann  den  Künstler  auf  die  japanischen  Farbenholzschnitte  aufmerksam 
machte  und  ihm  die  Kenntnis  dieser  Technik  vermittelte.  Hier  fand  er  die 
stilisierende  Vereinfachung,  das  graziöse  Linienspiel  in  vollendeter  Ausbildung, 
das  sich  schon  in  seinen  Landschaften  gezeigt  hatte  und  bald  erfolgte  darauf 
eine  eifrige  Tätigkeit  in  der  neuen  Bahn.  Es  erschienen  seine  ersten  'deko- 
rativen Farbenholzschnitte,  die  Schwäne  auf  schwarzem  Wasser,  die  Schwäne 
auf  blauem  Wasser.  Ganz  nach  dem  Vorbild  der  Japaner  schnitt  er  die 
Zeichnung  selb.st  in  das  Holz,  so  viele  Platten  als  Farben,  färbte  sie  selbst 
ein  und  druckte  die  Abzüge  eigenhändig  mit  dem  Reiber  auf  japanischem 
Papier.  Das  Blatt  mit  den  schwarzen  Schwänen  ist  eine  stilisierte  Studie 
über  das  Motiv  des  schwankenden  Linienspiels  im  Wasser,  das  er  auch 
späterhin  noch  oft  verwendet  hat,  z.  B.  in  einer  Tapete  »Wasserringe«  ge- 
nannt. Die  Spiegelung  der  Schwäne  im  Wasser,  das  Strauchwerk  am  Ufer, 
alles  ist  stilisierte  Natur.     Auf  dem   zweiten  Blatt  interessiert  ihn  dagegen 


Eckmaniu 


39 


eine  rasche  Bewegung;  das  Schwanenmännchen  schwimmt  mit  gesträubtem 
Gefieder  eilig  dem  Weibchen  nach.     Der  Erfolg  dieser  Blätter  brachte  dem 
Künstler   bald   Bestellungen    von  Buchhändlern    und    Zeitschriften    und    ein 
reiches  Feld   für   seine    omamentale  Phantasie  eröffnete  sich,    als  die  Zeit- 
schriften   »Der  Pan«    und    »Die   Jugend«    gegründet   wurden    und    ihn    als 
Zeichner  gewannen.     1895  im  »Pan«,    1896  und  1897  in  der  »Jugend«    trat 
er  zuerst  mit  seinem  originellen  omamentalen  Buchschmuck  auf,  der  sich  in 
Randleisten,  Seitenumrahmungen,  Initialen  und  Schluß  Vignetten  reich  entfaltet. 
Ein  dritter  Holzschnitt  »Schwertlilien«  in  schwarz  und  gelb  gedruckt,  erschien 
1895   als  Beilage   zum  Pan,  ebenso  der  nächste,  auch  in  zwei  Farben,  drei 
graue  Nachtreiher   auf   rot  beleuchtetem  Wasser.     1897  erschien    ein    neuer 
Farbenholzschnitt  »Mondschein  auf  dem  Wasser«,  der  eine  graugrüne,  mond- 
beleuchtete Wasserfläche   und  ein  Stück  Kahn  enthält.     Im  ersten  Jahrgang 
des  Pan  brachte  Eckmann  auch  eine  farbige  Lithographie  »Wenn  der  Frühling 
kommt«,    ein  nacktes  Mädchen    in  einer  Frühlingslandschaft;    es  zeigt  sich 
hier  wie  anderwärts,  dafi  seine  Kunst  dem  Figürlichen  nicht  gewachsen  war.  Das 
Gebiet  des  Buchschmucks,  Titelblätter,  Exlibris,  Signete  u.  dgl.,  wie  überhaupt 
die  Flächendekoration  blieb  auch  späterhin  Eckmanns  Haupterfolg,  das  kon- 
struktive, architektonische  Moment  wußte  er  nicht  immer  glücklich  zu  treffen 
oder  nur  in  Anlehnung  an  vorhandene  Vorbilder,  während  er  in  der  Flächen- 
omamentik    einen   persönlichen,    reizvollen  Stil    entfaltete.     Ausgehend  vom 
sorgfältigsten  Naturstudium  läßt  er  auch  in  der  dekorativen  Umgestaltung  den 
lebendigen  Reiz  der  Pflanze  nachzittem,  indem  er  sie  nicht  in  die  vollen, 
gerundeten  Linienzüge  der  alten  Ornamentstile  zwängt,    sondern  sie  in  den 
schwankenden,  kapriziös  geschwungenen  oder  eckig  abbiegenden  Linien  des 
Naturvorbildes    in    die  Fläche    legt.     Mit  Vorliebe  verwendete  er  auch  die 
einfachsten  heimischen  Blüten  und  Gräser,  Farrenkräuter,  Kresse,  Wicke  u.  a. 
In  diesen  graphischen  Arbeiten  bringt  er  meistens  im  Ornament  Anspielungen 
und  Beziehungen  zum  Inhalt  des  Blattes  an.    Das  Gedicht  »Heimweh«  (Pan) 
umgibt  er  mit  schweren,  sich  neigenden  gelben  Tulpen,  die  Randleiste  bildet 
eine  Blüte  am  geknickten  Stengel;    das  Gedicht   »Tal  der  Flammen«  (Pan) 
hat  eine  Umrahmung  von  emporlodernden  Flammen;  verschiedene  Ornamente 
im  Ausstellungskatalog  des  Krefelder  Kaiser  Wilhelm-Museums  enthalten  die 
Kornblume,  die  Lieblingsblume  des  alten  Kaisers;  eine  Seitenverzierung  zeigt 
obeji  in  der  Mitte  einen  Schwan,  welcher  sich  putzt  und  längs  der  Mittel- 
linie Fedem  herabfallen  läßt,  die  sich  die  Raben  auf  der  unteren  Randleiste 
ins  schwarze  Gefieder  stecken.     In  den  Zierleisten    der  Jugend   und    ander- 
wärts verwendete  er  auch  viele  Tiermotive,  Fisch,  Frosch,  Pelikan,  Marabu, 
Libelle,  Flamingo,  Pfau,  Schmetterling  u.  a.,    auch   zum  Teil  als  satirische 
Anspielung. 

Nach  und  nach  ging  er  zu  den  anderen  Zweigen  des  Kunstgewerbes 
über,  zuerst  Töpferei,  dann  Metallgegenstände,  Textiles  und  Möbel,  bis 
schließlich  zur  Gesamt-Innenausstattung.  Auf  allen  Gebieten  wurde  er  ein 
Herold  der  jetzt  allgemein  anerkannten  Forderungen,  wenn  er  auch  in  der 
praktischen  Ausführung  oft  nicht  gleich  das  Richtige  traf.  Als  erster  Grund- 
satz galt  ihm,  daß  die  Bestimmung  des  Gegenstandes  für  Form  und  Aus- 
führung maßgebend  sei  und  daraus  die  zweckmäßige  Gestalt  entwickelt 
werde;  weiter  stellte  er  die  Anpassung  an  das  Material  in  den  Vordergrund, 


^0  Eckmann. 

und  ging  an  kein  neues  Gebiet  heran,  ohne  sich  mit  dem  Material  und 
seiner  Technik  bekannt  gemacht  zu  haben;  die  heute  klar  bewußte  Not- 
wendigkeit rein  technischer  Studien  hatte  er  erfaßt  und  wurde  auf  jedem 
neuen  Gebiet  zuift  Handwerker.  Auf  der  Münchener  Kunstausstellung  1897 
hatte  er  mit  Knüpfteppichen,  Scherrebecker  Teppichen  und  schmiedeeisernen 
Leuchtern  den  ersten  großen  Erfolg,  und  früh  kam  er  auch  zu  größeren  Auf- 
trägen. Von  größter  Tragweite  für  die  Entfaltung  seiner  eigenen  Tätigkeit 
und  die  Ausbreitung  der  neuen  Prinzipien  war  es,  als  Eckmann  1897  zum 
Professor  der  Fachklasse  für  dekorative  Malerei  an  die  Kunstschule  des 
Berliner  Kunstgewerbemuseums  berufen  wurde ;  es  war  zugleich  eine  öffentliche 
Bestätigung  der  Tatsache,  daß  man  sich  an  ausschlaggebender  Stelle  der 
Notwendigkeit  einer  Reform  bewußt  war,  eine  Sanktion  der  aufblühenden 
Bestrebungen.  In  seiner  Lehrtätigkeit  führte  E.  mit  Eifer  seine  Methoden 
ein,  Vorlagen  wurden  verbannt,  die  Schüler  mußten  die  Motive  selbst  aus 
dem  Naturvorbild  entwickeln.  Neben  seinem  Amt  setzte  der  Künstler  die 
kunstgewerblichen  Arbeiten  in  Berlin  fort,  die  in  München  angefangen  hatten. 
In  viele  Industrien,  die  sich  bisher  mit  Marktware  begnügt  hatten,  drang 
jetzt  die  Einsicht,  daß  es  einer  Neubefruchtung  durch  künstlerische  Anregung 
bedürfe  und  den  Künstlern  bot  sich  reiche  Gelegenheit,  unbebaute  Terrains 
zu  kultivieren.  Eine  durchaus  praktische  Kraft,  wie  E.,  dem  es  ge^ 
geben  war,  sich  sowohl  den  Forderungen  jedes  Zwecks  und  Materials  fein- 
fühlig anzupassen,  als  auch  den  hergebrachten  Wünschen  des  Publikums  mit 
Verständnis  entgegenzukommen,  war  zu  solchen  Neuschöpfungen  höchst 
geeignet.  Neben  schmiedeeisernen  Lampen  und  Leuchtern,  Blumenständern, 
Lampen  in  Kupfer,  Messing  und  Bronze  und  Silbergegenständen  entwarf  er 
Kartons  für  Glasfenster,  Wandfliesen,  malte  Deckenfüllungen  im  Modebazar 
Gerson  und  eine  Salondecke  in  Guben  und  erledigte  Aufträge  für  ganze 
Zimmereinrichtungen.  In  den  letzteren  zeigt  sich  deutlich,  daß  ihn  keines- 
wegs die  selbstherrliche  Neuerungssucht  wie  manchen  seiner  Genossen  fortriß, 
sondern  daß  er  das  Gute  der  alten  Tradition  wohl  mit  den  neuen  Errungen- 
schaften zu  verbinden  wußte.  Die  Empiremöbel  der  Patrizierwohnungen 
vom  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  leben  in  dem  Arbeitszimmer  für  den 
Großherzog  von  Hessen  in  neuem  Gewände  wieder  auf.  Eine  Herzensaufgabe 
war  ihm  die  Schöpfung  eines  Musikraumes,  die  er  dreimal  ausführte,  für 
seine  eigene  Wohnung,  ein  Musiksalon  für  Keller  und  Reiner  und  Musikmöbel 
für  den  neuen  Konzertsaal  der  königlichen  Hochschule  für  Musik  in  Charlotten- 
burg, die  zur  Weltausstellung  in  Paris  waren.  Unter  den  Neuerungen,  die 
er  in  der  Raumkunst  plante,  fand  eine  neue  zierliche  Säulenbildung,  ohne 
ausgeprägtes  Kapital,  vielfach  Eingang. 

Den  weitaus  größten  Erfolg  aber,  den  E.  errang  —  wieder  auf  dem 
Gebiet  der  Flächendekoration  — ,  brachten  ihm  seine  Teppiche  und  seine 
Tapeten.  Die  Gründung  der  Webereischule  in  Scherrebeck,  eine  Wiederbe- 
lebung der  uralten,  primitiven  norwegischen  Handweberei  auf  senkrechtem 
Webstuhl  stellte  an  den  Musterzeichner  besondere  Anforderungen.  Diese  müh- 
same häusliche  Wirktechnik,  die  von  altersher  zumeist  zweifarbige  Beiderwand- 
Vorhänge  mit  geometrischen  und  Blumenmustern  herstellte,  hat  den  Vorteil, 
daß  man  nicht  auf  gebundene  Muster  beschränkt  ist,  sondern  bildmäßige 
gobelinartige    Vorlagen    verwenden    kann.      Leistikow,    Alfred    Mohrbutter, 


Eckmann. 


41 


Christiansen  und  E.  fanden  sich  jeder  nach  seiner  Manier  iri  die  Eigenart 
dieser  Aufgabe,  mit  schlichten,  naiven  Motiven  und  gewissermaßen  eckiger, 
unbeholfener  Zeichnung  dem  altertümlichen  Charakter  dieser  Handweberei 
gerecht  zu  werden  und  zugleich  den  modernen  Geist  festzuhalten.  Auf  der 
Pariser  Weltausstellung  hatte  E.  einen  solchen  Teppich  »Rückkehr  des  Früh- 
lings«. Ein  Pfeilerbehang  E.s  wurde  besonders  bekannt,  welcher  einen  Wald- 
bach mit  Bäumen  am  Ufer,  von  Schwänen  belebt,  darstellt.  Ganz  anders 
als  bei  diesen  hängenden  Wandteppichen  gestaltet  sich  die  Aufgabe  beim 
Fußteppich;  in  seinen  Knüpfteppichen  für  die  Vereinigten  Smjrnateppich- 
fabriken  bot  E.  seine  vollendetsten  Leistungen.  Seiner  Kunst  gelang  es,  den 
bis  dahin  verbreiteten  Teppich  mit  den  grellen  Nachahmungen  orientalischer 
Motive  oder  den  plastischen  Darstellungen  von  Blumenstücken,  Architekturen, 
und  dergleichen  als  künstlerische  Unmöglichkeit  gründlich  zu  besiegen  und 
mit  wie  einfachen  Mitteln!  Vor  allem  stellt  er  sich  den  Zweck  des  Liege- 
teppichs vor  Augen:  eine  ruhige  F'läche  als  Untergrund  für  die  Möbel,  mit 
abgeschlossener  Zeichnung,  die  dem  Darauftreten  nicht  widerstrebt.  Als 
Füllung  verwendet  er  zumeist  Flachstilisierung  von  Pflanzen,  Wasserringen, 
Pfauenfedern  oder  auch  nur  nebeneinander  gestimmte  Farbenflächen  von  den 
feinsten  mattverschleierten  Tönen  bis  zu  kräftigen  Farbenwirkungen.  Ebenso 
klar  und  präzise  wie  beim  Teppich  nahm  der  Künstler  auch  bei  den  Tapeten- 
entwürfen Bedacht  auf  den  Zweck.  Er  unterscheidet  eine  Wand,  auf  der 
Bilder  gehängt  werden  sollen,  von  einer  solchen,  die  ohne  Schmuck  künst- 
lerisch wirken  kann  und  stimmt  demgemäß  die  Zeichnung.  Für  die  erstereh 
gibt  er  ruhige,  mattfarbige  Flächen  mit  leichtem,  vertikalstrebendem  Muster, 
für  die  andern  bewegteres  Ornament  in  lebhafter  Färbung.  Auch  hier  nimmt 
er  meist  Pflanzenmotive,  für  jede  Tapete  einen  Fries,  der  das  gleiche  Motiv 
freier  und  naturalistischer  wieder  variiert.  Im  Sommer  1898  erschienen  zum 
ersten  Mal  auf  der  kleinen  Darmstädter  Ausstellung  die  neuen  Tapeten  von 
E.,  gedruckt  von  Engelhard  in  Mannheim,  nach  den  verschiedenen  Motiven 
benannt:  Margueriten,  Kastanien,  Flamingo,  Löwenzahn,  1899  darauf  Crocus, 
Ahorn,  Erbse,  Grasnelke  u.  a.;  in  den  Tapeten  von  1900  und  später,  wie 
überhaupt  in  den  Arbeiten  E.s  aus  dieser  Zeit,  zeigt  sich  eine  strengere  Stili- 
sierung, z.  B.  Widder,  Helleborus,  Palmette  u.  a.  Als  gelegentlich  der  Aus- 
stellung im  Berliner  Kunstgewerbemuseum  1902  Tapeten  von  E.  neben  solchen 
Leistikows  direkt  zu  vergleichen  waren,  traten  die  Vorzüge  der  ersteren 
deutlich  hervor,  deren  Erfolg  bis  nach  Amerika  reichte.  Daneben  entstanden 
Muster  für  Velvets  und  Cretons,  Tapestrystoffe,  Leinendamaste  und  seidene 
Kleiderstoffe.  Den  graphischen  Arbeiten  blieb  auch  inmitten  dieser  vielver- 
zweigten Tätigkeit  in  Berlin  ein  großer  Raum.  Der  Buchschmuck,  der  ja 
auch  aus  langem  Schlummer  zu  neuem  Leben  erweckt  werden  mußte,  hat 
E.  manche  Anregung  zu  verdanken,  sowohl  die  innere  Verzierung,  als  auch 
der  Einband  und  das  Vorsatzpapier;  denn  auch  hier  ging  der  Künstler  auf 
das  Ganze  der  Aufgabe  ein  und  gestaltete  es  einheitlich,  wendete  die  gleiche 
Sorgfalt  dem  Buchrücken  und  dem  Hinterdeckel  zu,  wie  der  Hauptfläche. 
Die  Belebung  der  Zeichnung  durch  satirische  oder  ernste  Beziehung  auf  den 
Inhalt  spielt  in  diesen  Arbeiten  eine  große  Rolle.  Der  Umschlag  zu  dem 
Buche  »Deutschland  und  seine  Kolonien«  (Dietrich  Reimer)  zeigt  eine  Zeich- 
nung junger  Farrenkrautpflänzchen,  als  Symbol  der  angehenden  Entwicklung 


A2  Eckmann. 

der  Kolonien;  eine  große  Anzahl  von  Kopfleisten  in  dem  Werk  »Berlin 
und  seine  Arbeit«,  von  demselben  Verlag,  stellt  die  Erfolge  modemer 
Maschinentechnik  den  Handwerkserzeugnissen  von  früher  gegenüber.  Durch 
einen  stilisierten  Tunnel  fährt  ein  ornamental  rauchender  Eisenbahnzug, 
dessen  Schienenkurven  zwei  Bilder  begrenzen,  das  alte  Segelschiff  und  der 
neue  Dampfer;  oder  stilisierte  Flammen  umspielen  die  keramischen  Gefäße 
im  Brennofen,  die  in  der  Mitte  die  Drehbank  einschließen;  ebenso  stellt 
er  neben  die  Holzbrücke  die  eiserne  Hängebrücke,  neben  das  gepanzerte 
Tumierpferd  das  leicht  gezäumte  Reitpferd  usw.  Mehrere  Verlagseinbände 
für  S.  Fischer  in  Berlin  sind  auch  mit  symbolischen  Verzierungen  geschmückt, 
so  »Die  versunkene  Glocke«,  »Die  drei  Reiherfedem«,  »Frau  Sorge«,  während 
die  Ibsenausgabe  und  anderes  ganz  einfach  ausgestattet  erscheinen.  Ein  Um- 
schlag eines  Reklameheftes  für  die  Allgemeine  Elektrizitätsgesellschaft  in 
Berlin. zeigt  rote  Blitze,  die  zwischen  den  blauen  Isolatoren  der  elektrischen 
Leitungen  zucken.  In  manchen  Textumrahmungen  ist  allerdings  zu  viel  ge- 
boten, so  daß  die  Einfassung  zu  schwer  wirkt.  Auch  bei  den  Geschäftsmarken 
und  Besitzzeichen  waltet  die  sinnreiche  Anspielung  im  Ornament  vor.  Für 
Dr.  Uhle  zeichnet  er  das  U  mit  einer  Eule,  oder  als  Hinweis  auf  das  Fischerei- 
liebhabertum  ein  reizendes  Exlibris  mit  Fischreihern  und  Fischen.  Wer  die 
ungemein  zahlreichen  Schöpfungen  dieser  Art  durchsieht,  die  E.  mit  spielender 
Leichtigkeit  ausstreute,  staunt  über  die  Fülle  immer  neuer  omamentaler  Ge- 
danken und  launiger  Einfälle,  auch  das  reine  Linienomament,  nur  durch  zier- 
lichen Schwung  und  durch  das  An-  und  Abschwellen  des  Striches  wirkend, 
stand  ihm  zu  Gebote,  in  Rahmen,  Leisten  und  im  Buchstaben.  Hiermit 
kommen  wir  in  der  langen  Reihe  seiner  Erfolge  zu  einem  der  stärksten,  die 
lang  gesuchte  Ausbildung  einer  neuen  Schrift.  Seiner  feinen  ästhetischen  Emp- 
findung lag  es  nahe  zu  erkennen,  daß  in  den  graphischen  Arbeiten  die 
geschmackvollste  Verzierung  nur  als  unorganischer  Aufputz  wirken  muß,  so 
bald  nicht  die  Hauptsache,  die  Schrift  selbst,  sich  gefällig  in  den  Raum 
schmiegt,  ja  daß  eine  Schrift  allein  durch  ihre  Form  und  das  Satzbild  als 
Schmuck  dienen  kann.  Aus  dieser  Empfindung  heraus  hatte  er  schon  manchen 
von  ihm  verzierten  Text,  im  Pan  und  auf  Karten  und  Einbänden  in  dazu 
passender  Schrift  selbst  eingezeichnet.  Als  daraufhin  die  Rudhardsche  Schrift- 
gießerei in  Offenbach  den  Künstler  aufforderte,  eine  neue  Druckschrift  für  sie 
zu  entwerfen,  ging  er  in  Gemeinschaft  mit  den  ausführenden  Kräften  eifrig 
an  die  Arbeit  und  bildete  in  jahrelangen  Versuchen  eine  Schrift  aus, 
die  dem  Geschmack  und  den  Ansprüchen  seiner  Zeit  zusagt.  (Satzprobe  in 
»Kunst  und  Dekoration«,  VI.  S.  62,  im  Archiv  für  Buchgewerbe,  39.  Bd. 
Heft  8  ist  ein  Artikel  in  Eckmannschrift  gedruckt.)  In  dem  Begleitwort  zu 
seiner  neuen  Type  gibt  E.  Erläuterungen  und  stellt  als  oberste  Grundprin- 
zipien für  eine  gute  Druckschrift  Leserlichkeit  und  Schönheit  auf.  Das  lücken- 
los geschlossene  Seitenbild  erreicht  er  durch  die  schmiegsame  Form  und  die 
Vermeidung  harter  gerader  Linien,  wie  in  seinem  Ornament  bewegt  er  die 
Striche  durch  zarte  Schwingung  und  wechselnde  Schwellung  und  Einziehung, 
so  daß  sie  lebendig  bewegt  fließen.  Dazu  zeichnete  er  als  passendes  Buch- 
omament  viele  typographische  Zierstücke,  Leisten,  Rahmen,  Initialen  und 
Vignetten.  Ein  Beispiel  für  die  dekorativ  wirksame  Form  von  Schriftzeichen 
ist  die  von  E.  stammende  Zahl  Sieben  auf  dem  Umschlag  der  »Woche«.     E. 


Eckmann.     v.  Ziemssen.  ^3 

war  gleich  Hermann  Obrist  auch  bestrebt,  in  Vorträgen,  Zeitungsartikeln  und 
Begleitworten  zu  seinen  Katalogen  und  Prospekten  dem  Publikum  über  seine 
Ideen  Rechenschaft  zu  geben  oder  auch  sich  gegen  die  Angriffe  und  den 
Spott,  wie  er  jedem  Neuerer  zuteil  wird,  zu  verteidigen.  Der  oft  sehr  gereizte, 
kühn  persönliche  Stil  mag  teils  einer  impulsiven  Natur,  teils  der  Nervosität 
des  Leidenden  zugerechnet  werden,  einen  Anspruch  auf  bleibenden  Wert 
haben  diese  Schriften  nicht,  da  ihnen  das  ruhige,  objektive  Urteil  fehlt.  Als 
bei  der  Weltausstellung  in  Paris  seine  Arbeiten  keinen  günstigen  Eindruck 
machten,  zum  Teil  wegen  schlechter  Aufstellung,  teils  infolge  wirklicher 
Mängel,  schrieb  er  eine  heftige  Broschüre:  »Der  Weltjahrmarkt  Paris  1900.« 
In  einer  Folge  von  Vorbildern  »Neue  Formen«  (1897)  gab  er  Entwürfe  für 
dekorative  Wandmalereien  heraus,  die  eine  Fülle  von  omamentalen  Tier-  und 
Pflanzenformen  darbieten.  Bezeichnend  ist  auch  hier  das  Vorwort:  »Diese 
Entwürfe  sind  weder  von  alten  Meistern  entlehnt,  noch  von  mitlebenden  ge- 
stohlen, sondern  sind  aus  der  umgebenden  Natur  entstanden.« 

Der  künstlerische  Nachlaß  an  Studien  und  Entwürfen  ist  von  dem  Ham- 
burger Museum  für  Kunst  und  Gewerbe,  von  dem  Krefelder  Kaiser  Wilhelm- 
Museum  und  von  der  Bibliothek  des  Berliner  Kunstgewerbemuseums  über- 
nommen worden.  Seinen  Entwicklungsgang  und  damit  zugleich  das  Werden 
des  modernen  Ornaments  kann  man  im  Pan  und  in  der  Jugend  verfolgen, 
Abbildungen  seiner  Tapeten,  Teppiche  und  graphischen  Arbeiten  finden  sich 
in  allen  Kunstzeitschriften  vom  Ende  des  Jahrhunderts  und  weiter. 

Entsprechend  seiner  überall  eingreifenden  und  und  wirkungsvollen  Tätigkeit  wird  man 
Nachrichten  über  E.  in  vielen  kunstgewerblichen  Artikeln  und  Schriften  antreffen,  aus  denen 
im  Folgenden  nur  einige  erwähnt  seien: 

Kunst  und  Kunsthandwerk,  1900  (Brttning  über  Tapeten);  1901  (Brüning,  E.s  neueste 
Arbeiten).  Kunstgewerbeblatt  XIII  (Leistikow).  Kunstchronik  XIII  (Leistikow).  Archiv 
für  Buchgewerbe,  39.  Band  Heft  8,  Eckmann-Sonderheft  Qean  Loubier).  Deutsche  Kunst 
und  Dekoration  1897,  1901,  1902;  April  1900,  Sonderheft  über  E.  (Zimmermann.  Osbom). 
Die  Nation  Nr.  38,  1902  (F.  Poppenberg).  Dekorative  Kunst  1902.  Innendekoration  1902 
(Nachruf  von  Van  de  Velde).  Kunst  für  Alle  1902 — 3.  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903. 
Chronique  des  Arts  et  de  la  Curiosite  1902.     Die  Krisis  im  Kunstgewerbe  (R.  Graul)  1901. 

Hugo  Schmerber. 

Ziemssen,  Hugo  v.,  Kliniker,  *  13.  Dezember  1829  in  Greifswald, 
t  21.  Januar  1902  in  München. 

Z.  entstammte  einer  ursprünglich  aus  Schweden  eingewanderten  Familie 
und  wurde  in  Greifswald  als  fünftes  Kind  des  schwedischen  Hofgerichtsrates, 
späteren  preußischen  Geheimen  Justizrates  Wilhelm  Ziemssen  geboren.  Nach 
den  glänzend  absolvierten  Gymnasialstudien  bezog  er  1848  zunächst  die  Uni- 
versität seiner  Vaterstadt,  dann  Berlin,  um  sich  entgegen  den  Traditionen 
seiner  Familie,  aber  ganz  erfüllt  von  früherwachtem  Natursinn,  den  medizinischen 
Studien  hinzugeben.  Entscheidungsvoll  für  sein  ganzes  Leben  wurde  seine 
Übersiedelung  nach  Würzburg,  im  Herbst  1850,  woselbst  damals  der  junge 
Virchow  wirkte  und  in  einem  Kreise  aufstrebender  Forscher  die  Hauptsätze 
seiner  nachmals  bahnbrechenden  Krankheitsauffassung  entwickelte.  Als  Privat- 
assistent des  jungen  Meisters  hatte  Z.  das  Glück  persönlicher  Unterweisung 
in  den  neuen  Forschungsmethoden  der  Pathologie  und  nahm  den  regsten  An- 
teil an  den  grundlegenden  Untersuchungen  des  großen  Pfadfinders.     Neben 


Ai^  V.  Ziemssen. 

Liberalität,  mit  welcher  Magistrat  und  Staat  seinen  Wünschen  entgegenkamen, 
konnte  Z.  nicht  bloß  die  wissenschaftliche  Forschung  in  höherem  Stile  mit 
reicheren  Mitteln  betreiben,  es  war  ihm  auch  möglich,  die  Gedanken  zu  ver- 
wirklichen, welche  sein  Organisationstalent  in  bezug  auf  Verbesserung  des 
Unterrichts,  in  bezug  auf  Prophylaxe,  Hygiene  und  Therapie  ersonnen  hatte. 

Die  Hebung  des  klinischen  Unterrichtes  gelang  ihm  besonders  durch  die 
Gründung  des  »Klinischen  Instituts«  (1877)  d.  h.  einer  Zentralstelle,  in  welcher 
alle  für  den  Unterricht  und  die  wissenschaftliche  Arbeit  bestimmten  Räume 
und  Mittel  vereinigt  sind,  wo  einerseits  die  Studierenden  Gelegenheit  haben, 
die  naturwissenschaftliche  Methode  in  ihrer  Gesamtheit  kennen  zu  lernen  und 
andererseits  Dozenten  und  Assistenten  alle  notwendigen  Behelfe,  sei  es  zum 
Unterricht,  sei  es  zur  selbständigen  Forschung  vorfinden.  In  dieser  Muster- 
anstalt entstand  eine  Fülle  von  wertvollen  physiologischen  und  klinischen 
Arbeiten,  welche,  soweit  dieselben  von  Z.  selbst  herrühren,  besonders  thera- 
peutische Maßnahmen  oder  diagnostische  Methoden,  also  vorwiegend  praktische 
Zwecke  betreffen.  Berühmt  sind  namentlich  die  Versuche  über  den  Einfluß 
konstanter  Ströme  auf  das  Herz  und  die  Untersuchungen  über  intravenöse 
und  subkutane  Blutinjektionen  zum  Zwecke  der  Blutverbesserung.  Derartige 
Arbeiten  wurden  später  im  »Handbuch  der  allgemeinen  Therapie«  (Leipzig 
1880 — 84)  verwertet  und  erschienen  in  großer  Zahl  im  »D.  Arch.  f.  klin. 
Medizin«,  »Virchows  Archiv«,  in  der  Berliner  und  Münchener  klinischen 
Wochenschrift,  in  den  1878  begründeten  »Annalen  der  städtischen  allgemeinen 
Krankenhäuser«  usw.  Wie  vielseitig  das  Arbeitsgebiet  Z.s  war,  erhellt  daraus, 
daß  sich  seine  Publikationen  unter  anderem  auf  Sykosis  und  Mentagra, 
Neuralgie  und  Neuritis  bei  Diabetes,  seltene  Formen  der  Pleuritis,  Cholera, 
Syphilis  des  Nervensystems,  Ätiologie  der  Tuberkulose,  Bewegungsvorgänge 
am  menschlichen  Herzen,  Laryngologisches  und  Laryngotherapeuthisches, 
Morbiditäts-  und  Mortalitätsverhältnisse  von  Variola,  Typhus,  Pneumonie, 
Pleuritis,  Bronchitis,  Angina,  Behandlung  der  Infektionskrankheiten  usw.  be- 
zogen. Zahlreiche  Aufsätze  und  Reden  behandelten  auch  das  Krankenhaus- 
Rekonvaleszentenanstaltswesen,  sowie  insbesondere  Fragen  des  klinischen 
Unterrichts. 

Was  Z.  als  Lehrer  war,  mit  welcher  Liebe  er  sich  der  Erziehung  des 
medizinischen  Nachwuchses  widmete,  wie  er  für  die  Ausbildung  der  Studenten 
in  der  Technik  diagnostischer  und  therapeutischer  Methoden  sorgte,  das  kann 
auch  der  Fernstehende  aus  den  »25  klinischen  Vorträgen«  entnehmen,  die  das 
getreueste  Bild  von  der  Art  entwerfen,  wie  in  München  der  Hochschulunter- 
richt aufgefaßt  wurde.  Ähnlich  wie  die  Wiener  Kliniker,  liebte  es  Z.  keines- 
wegs, systematische  Vorträge  zu  halten,  sondern  begann  stets  mit  der  ein- 
gehenden Untersuchung  und  Besprechung  eines  bestimmten  Falles,  an  welche 
sich  dann  erst  ein  Überblick  über  größere  Krankheitsgruppen  und  thera- 
peutische Maßnahmen  anschloß.  Wenigstens  einmal  im  Jahre  sprach  er  auch 
über  die  »Aufgaben  der  ärztlichen  Praxis«  und  über  »Ethik  des  ärztlichen 
Standes«,  wobei  er  wärmere  Töne  anschlug  und  die  Herzen  seiner  Hörer  zur 
Begeisterung  entflammte.  Alle  seine  Patienten  rühmten  die  seltene  Gewissen- 
haftigkeit, das  warme  Interesse,  welches  der  große  Arzt  ihnen  entgegenbrachte, 
jeder,  auch  der  schlichteste  Praktiker  erfreute  sich  daran,  welchen  Anteil 
der  illustre  Kollege  an  der  Entwicklung  des  ärztlichen  Standes  nahm,  und 


V.  Ziemssen.  47 

selbst  der  Neuling  an  der  Klinik  konnte  schon  in  den  ersteh  Tagen  erkennen, 
mit  welcher  Hingebung  Z.  seinem  aus  reinster  Neigung  gewählten  Beruf  an- 
hing. Sein  Einfluß  wuchs  täglich,  das  Vertrauen,  das  ihm  Patienten  und 
Kollegen  entgegenbrachten,  erreichte  den  Höhepunkt,  wozu  allerdings  die 
von  vornherein  einnehmende  Persönlichkeit,  in  welcher  männlicher  Ernst  mit 
Milde,  starkes  Selbstbewußtsein  mit  Freundlichkeit  seltsam  vereint  waren, 
vieles  beitrug;  diejenigen,  welche  das  Glück  hatten,  näheren  Verkehr  zu 
pflegen,  wußten,  daß  Z.  trotz  aller  Hingabe  nicht  gänzlich  im  ärztlichen  Be- 
ruf aufging,  sondern  durch  lebhafte  Anteilnahme  an  allem  Guten  und 
Schönen,  an  Kunst  und  Literatur,  an  Politik  und  geselligem  Leben  seinen 
vielseitig  veranlagten  Geist  zur  harmonischen  Ausgestaltung  brachte,  kurz  ein 
Vollmensch  in  des  Wortes  edelster  Bedeutung  war. 

Das  brachte  ihn,  den  Norddeutschen,  den  Münchnern  näher,  und  mehr 
und  mehr  wußte  er  sich,  ähnlich  wie  Billroth  in  Wien,  in  die  Isarstadt  mit 
ihren  besonderen  Eigentümlichkeiten  einzuleben.  Die  Liebe  zur  deutschen 
Kunststadt  brachte  er  dadurch  zum  Ausdruck,  daß  er  alle  wissenschaftlichen 
Hebel  in  Bewegung  setzte,  um  München,  den  einstigen  Typhusherd,  getreu 
den  Anregungen  Pettenkofers  in  eine  »gesunde  Stadt«  umzuwandeln.  Z.,  der 
zuerst  dieses  Schlagwort  münzte,  hat  neben  Pettenkofer  am  meisten  zu  dessen 
Verwirklichung  beigetragen,  indem  er  die  Früchte  seiner  hygienischen  Studien, 
die  in  dem  (mit  Pettenkofer  herausgegebenen)  »Handbuch  der  Hygiene  und 
der  Gewerbekrankheiten«  (3  Teile,  Leipzig  1882 — 86)  niedergelegt  sind,  zum 
Wohle  Münchens  verwertete.  Als  Mitglied  des  Ober-Medizinalausschusses 
und  Gesundheitsrates,  als  Krankenhausleiter  beteiligte  er  sich  mit  Rat  und 
Tat  an  den  sanitären  Verbesserungen,  welche  in  den  letzten  25  Jahren  vor- 
genommen wurden,  und  förderte  hierdurch  auch  indirekt  den  Wohlstand  seiner 
zweiten  Heimat,  die  ihn  in  berechtigter  Anerkennung  zum  Ehrenbürger  erhob. 

Noch  bis  in  die  letzten  Tage  widmete  sich  Z.  mit  Eifer  den  Angelegen- 
heiten des  Münchner  Spitals,  das  unter  seiner  Leitung  durch  zahlreiche  Neu- 
bauten vergrößert,  durch  Errichtung  eines  »physikalischen  Therapeutikums« 
zu  einer  Musteranstalt  wurde.  Seine  Fürsorge  erstreckte  sich  weitergehend 
sogar  auf  die  gebessert  entlassenen  Spitalspatienten,  die  bis  zur  völligen  Er- 
holung in  eigenen  Rekonvaleszentenheimen  (Harlaching)  untergebracht  werden. 
Darin,  sowie  in  der  Errichtung  einer  Volksheilstätte  für  Brustkranke  (in  Planegg) 
nach  den  Intentionen  und  Plänen  von  Z.s  ging  München  mancher  Großstadt 
voran. 

Inmitten  der  Arbeit  hat  ihn  der  Tod  überrascht.  Am  7.  Januar  1902  hielt 
er  die  erste  Klinik  im  neuen  Jahre  —  es  sollte  seine  letzte  sein.  Am  10.  Januar 
erkrankte  er  unter  dem  Bilde  einer  Influenzabronchitis,  zu  der  sich  bald 
schmerzhafte  Gelenkschwellungen  und  multiple  Lobulärpneumonien  gesellten. 
Die  letzten  Tage  seines  Lebens  bewußtlos,  schlummerte  er  am  21.  Januar 
sanft  hinüber.  An  Beifall  der  Besten  unter  seinen  Zeitgenossen,  an  Ehrungen 
von  Seite  der  Kollegen  und  Mitbürger,  an  hohen  Auszeichnungen  durch 
wohlgesinnte  Fürsten  hat  es  ihm  nicht  gefehlt.  Den  schönsten  Lohn  aber 
trug  Z.  in  sich,  im  stolzen  Bewußtsein,  seine  herrlichen  Geistesgaben  zum 
Wohle  seiner  Mitmenschen  und  zur  Förderung  seiner  Wissenschaft  verwendet 
zu  haben,  in  Ausübung  des  ärztlichen  Berufes,  welchen  er  selbst  mit  den 
Worten  charakterisiert  hat:   »Er  allein  verleiht  das  hohe  Bewußtsein,  frei  zu 


^g  V.  Ziemssen.     Baumberg. 

sein  und  aus  freiem  Willen  dem  Dienste  seiner  Mitmenschen  sein  Bestes, 
sein  Leben  zu  opfern,  getreu  dem  schönen  Sinnbilde,  welches  Nikolaus  van 
Tulp  erwählte,  der  brennenden  Kerze,  welche  anderen  leuchtet,  indem  sie 
sich  selbst  verzehrt.« 

Zusammenstellung  der  Schriften  gab  A.  Schmid  im  Deutschen  Archiv  f.  klin.  Medizin 
Band  66. 

Nekrologe:  Berl.  klin.  VV.  Nr.  8  S,  176 — 178;  Deutsche  Mcdiz,  Wochenschr.  Nr.  6 
S.  105;  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Mediz.  Bd.  72,  S.  VI — VIII;  Prager  med.  Wochenschrift 
Nr.  5,  S.  59;  Klin.  therap.  Woch.  Nr.  5,  S.  163;  Wiener  klin.  Wochenschr.  Nr.  10, 
S.  267;  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  XI.V,  S.  V — VII;  Wiener  med.  Wochenschr.  Nr.  4,  S.  192. 

Max  Neuburger. 

Baumberg,  Antonie,  Schriftstellerin,  geb.  Poisard,  vermählte  Kreiml, 
•  24.  April  1859  zu  Baumgartenberg  bei  Berg  in  Oberösterreich,  f  '5-  April 
1902  in  Wien.  —  Am  2.  Januar  1899  machte  die  Erstaufführung  einer  drama- 
tischen Frauenarbeit  am  Kaiser- Jubiläums -Stadttheater  in  Wien  —  »Eine 
Liebesheirat«  —  auf  einen  Schlag  einen  Namen  bekannt,  den  zuvor  kaum 
jemand  gehört  hatte.  A.  Baumberg  —  man  wußte  nicht,  wer  das  war,  nicht 
einmal,  ob  es  ein  Mann,  eine  Frau  sei.  Das  Stück  gefiel,  ja  es  machte  einen 
starken  Eindruck,  der  von  Akt  zu  Akt  sich  steigerte.  Der  Verfasser  wurde 
gerufen.  Da  erschien  eine  Frau  in  mittleren  Jahren,  mit  verhärmten  aber 
schönen  Zügen,  die  sich  zaghaft,  offenbar  ganz  benommen  von  dem  glänzen- 
den Erfolg,  wieder,  immer  wieder  verbeugte.  Ein  Paar  große  dunkle,  flackernde 
Augen  blickten  fast  erschrocken  hinaus  auf  die  beifallklatschende  Menge.  Sie 
schienen  zu  fragen:  Ist's  wirklich  wahr,  was  da  vorgeht?  —  Träume  ich  nicht?  — 
Am  folgenden  Tage  besprachen  die  Wiener  Blätter  den  Erfolg  dieser  ersten 
Novität  des  zwei  Wochen  zuvor,  nicht  gerade  unter  günstigen  Auspizien  er- 
öffneten Theaters.  (Das  Kaiser -Jubiläums -Stadttheater  war  von  der  anti- 
semitischen Partei  Wiens,  unter  Proklamation  der  schärfsten  Parteibegrenzung 
in  künstlerischen  Dingen  geschaffen  worden.)  Die  »Liebesheirat«  wurde  ein 
Zugstück  dieser  Bühne,  das  in  kurzer  Zeit  seine  25  Aufführungen  erlebte  und 
von  über  hundert  auswärtigen  Bühnen  mit  teilweise  großem  Erfolg  aufge- 
führt wurde. 

Es  klingt  beinahe  unwahrscheinlich,  daß  die  Arbeit  einer  Frau,  die  vor 
der  Erstaufführung  ihres  ersten  Stückes  kaum  zwanzigmal  überhaupt  in  einem 
Theater  gewesen  war,  zu  solcher  Wirkung  gelangen  konnte,  ohne  künstlerische 
Beratung  und  vor  allem  ohne  die  in  Wien  überall  gesuchte  Protektion,  hier 
speziell  die  Protektion  der  Presse,  die  sich  z.  T.  durch  ihre  Parteistellung 
der  genannten  Bühne  gegenüber  ganz  schweigend  verhielt. 

Eine  Sport-Posse  »Trab  Trab«  war  B.s  erster  dramatischer  Versuch  ge- 
wesen, der  am  Raimund-Theater  im  Mai  1897  aufgeführt  wurde,  doch  ohne 
Erfolg.  In  der  nächsten  Arbeit  »Eine  Liebesheirat«  erkannte  der  Direktor  des 
Jubiläums-Theaters,  A.  Müller-Guttenbrunn,  das  starke  dramatische  Talent  der 
Verfasserin  und  erwarb  nach  dem  Glück,  welches  das  eine  Stück  an  seiner 
Bühne  machte,  die  folgenden  sozusagen  gleich  von  der  Feder  weg.  Es  wurde 
sogar  ein  bindender  Kontrakt  in  dem  Sinne  aufgesetzt,  daß  B.  sich  verpflichtete, 
jede  neue  Arbeit  zuerst  dem  Jubiläums- Theater  anzubieten.  So  kam  schon 
im  Herbst  desselben  Jahres,  Oktober  1899,  das  Volksstück  »Familie  Bollmann« 
zur  Aufführung,  ebenfalls  mit  unbestrittenem  Erfolg,  obgleich  das  neue  Werk 


Baumberg.  aq 

in  seinem  Gesamteindruck  den  der  »Liebesheirat«  nicht  erreichte.  Es  brachte 
stärkere  Effekte  und  an  einigen  Stellen  tendenziös  gedeutete  Worte,  die,  wie 
man  bemerkte,  im  antiliberalen  Lager,  also  beim  Stammpublikum  dieser  Partei- 
bühne, Ärgernis  hervorriefen.  Kurz  »Familie  BoUmann«,  die  man  ihrem  Bühnen- 
wert nach  neben  Anzengrubersche  Volksstücke  setzte,  vermochte  sich  nicht 
lange  zu  behaupten.  Aber  die  Verfasserin  hatte  schon  ein  neues  dramatisches 
Geschoß  in  Bereitschaft.  Am  21.  November  1900  folgte  die  Aufführung  des 
Schauspiels  »Das  Kind«.  Ein  interessanter,  so  recht  für  ein  Frauentalent  an- 
ziehender Stoff,  der  die  Fragen  zwischen  dem  physischen  und  moralischen 
Elternrechte  auf  ein  armes,  vernachlässigtes  und  verlassenes,  von  barmherzigen 
Menschen  dann  liebreich  aufgezogenes  Kind  behandelt.  Das  Schauspiel 
hatte  ungemein  packende,  ächte  Momente,  neben  theatralisch  allzu  grell  wir- 
kenden. Man  sah  an  diesem  Stück  wieder  das  Talent,  wie  das  schier  rätsel- 
haft sprudelnde  Hervorbringen  der  Verfasserin,  die,  einmal  ergriffen  vom  Fieber 
des  Erfolges,  sich  nicht  Zeit  ließ  —  wohl  auch  nicht  lassen  konnte,  —  ihre 
Werke  ausreifen  zu  lassen.  »Das  Kind«  erlebte,  wie  »Familie  BoUmann«,  keine 
lange  Reihe  von  Aufführungen.  Es  brachte  den  Namen  der  Autorin  aber 
wiederum  zu  Ehren.  Fast  gleichzeitig  mit  dieser  Aufführung  kam  am  Raimund- 
Theater,  I.  Dezember  1900,  eine  neue  Posse  B.s  »Vier  Strolche«  auf  die  Bretter. 
Das  Stück,  dessen  Titel  schon  abstoßend  klang,  hatte  einen  ausgesprochenen 
Mißerfolg,  sodaß  die  Verfasserin  selbst  das  Stück  vom  Spielplan  zurückzog. 
Nun  folgte  eine  Pause  von  anderthalb  Jahren,  in  welcher  B.  nichts  neues  auf 
die  Bühne  brachte,  obgleich  sie  an  allerlei  »Problemen«  arbeitete,  fertige 
Sachen  ganz  umstürzte,  von  neuen  Seiten  anfaßte,  alles  dies  rasch,  impulsiv, 
mit  unglaublicher  Leichtigkeit  der  Produktion.  Daneben  schrieb  sie  kleine 
Sachen  für  Zeitungen,  oft  wahre  Meisterstücke  des  Humors  und  drastischer 
Darstellung.  Mit  diesen  für  den  Vortrag  geschaffenen  kürzeren  Dichtungen  er- 
schien sie  nun  fleißig  am  Vorlesetisch  vor  dem  Wiener  Publikum  und  erntete 
hellen  Beifall  mit  ihren  köstlichen  Geschichten  aus  dem  Bauern-  und  Klein- 
leben der  Großstadt,  die  sie  im  Dialekt  geradezu  brillant  vortrug.  Sie  hatte 
das  Vorlesen  so  wenig  bei  einem  Meister  gelernt,  wie  die  Grundlagen  für  ihr 
literarisches  Schaffen.  Das  schoß  alles  frisch,  mit  elementarer  Kraft  auf,  wie 
eine  Quelle,  die  sich  Bahn  bricht,  —  und  dies  unter  Lebensverhältnissen  und 
in  einem  Alter,  wo  sonst  dergleichen  Wunder  selten  geschehen.  Mit  ihren  Vor- 
lesungen eroberte  sich  die  B.  erst  recht  eigentlich  das  Wiener  Publikum.  Sie 
wurde  »Mode«,  wurde  überall  eingeladen,  gehätschelt.  Aus  der  Frau,  die  vor 
kurzer  Zeit  erst  aus  ihrem  kleinen  dunklen  Los  hervorgetreten  war,  wurde  eine 
interessante  Erscheinung,  die  in  den  Salons  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  zog. 
Das  war  vielleicht  der  einzige  kurze  lichtvolle  Abschnitt  ihres  Lebens,  den 
sie  ohne  Aufregung,  ohne  Zittern  wirklich  genoß.  Dann  trieb  es  sie  doch 
unwiderstehlich  wieder  zur  Bühne.  Sie  hatte  einen  sehr  hübschen  Dialekt- 
Einakter  »Nur  aus  Trutz«  geschrieben,  auch  eine  Satire  »Max  Wiebrecht«. 
Dazu  kam  ein  Zweiakter  »Der  Nachtwächter  von  Schlurn«  nach  der  gleich- 
namigen Novelle  von  G.  v.  Berlepsch  (aus  dem  Bande  »Bergvolk«.  Stuttgart, 
Deutsche  Verlags-Anstalt,  1898),  mit  deren  Dramatisierung  sie  eines  Tages  die 
Verfasserin  überraschte.  Diese  drei  Stücke  wurden  —  nach  gemeinsamer 
Umarbeitung  des  letzteren  —  beim  Deutschen  Volkstheater  in  Wien  einge- 
reicht und  von  dieser  Bühne  im  Zeitraum  weniger  Tage  angenommen.     Das 

Bioffr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.    7.  Bd.  a 


tQ  Baurabergf. 

war  vielverheißend  I  Aber  bald  zeigte  es  sich,  daß  hinter  der  geplanten  Auf- 
führung allerlei  Schatten  standen.  Sie  wurde  wiederholt  hinausgeschoben, 
durch  Kassenerfolge  von  Zugstücken  wie  »Alt-Heidelberg«,  durch  Ereignisse 
wie  die  Aufführung  von  Bjömsons  »Über  unsere  Kraft«.  Endlich  brachte  es 
die  fieberhafte  Ungeduld  und  Energie  B.s  dahin,  daß  die  drei  Stücke  am 
12.  April  1902  zur  Aufführung  kamen.  Aber  unter  welchen  Auspizien!  Für 
das  laufende  Spieljahr  halb  erbettelt,  halb  erzwungen,  —  zwischen  Stücke 
eingeschoben,  die  einerseits  durch  ihre  Zugkraft,  anderseits  durch  ihre  Wucht 
die  armen  kleinen  Neulinge  erdrückten.  Und  was  endlich  noch  ausschlag- 
gebend war:  Die  Erstaufführung  fand,  ohne  vorherige  Vereinbarung  oder  auch 
nur  Benachrichtigung  der  beteiligten  Verfasser,  zugunsten  der  deutsch-öster- 
reichischen Schriftsteller-Genossenschaft  statt,  einer  Vereinigung,  die  durch  ihre 
antisemitischen  Tendenzen  im  Gegensatz  zu  einem  bedeutenden  Teil  des 
Stammpublikums  des  Deutschen  Volkstheaters  stand.  Der  Effekt  dieser  »Gunst« 
war,  daß  am  Tage  der  Aufführung,  wie  auf  eine  ausgegebene  Parole,  eine 
große  Anzahl  Stammsitze  an  die  Kasse  zurückgelangte,  und  daß  darauf  »wegen 
ungenügender  Kasseneinnahme«  sofort  die  übliche  dritte  Aufführung  abgesetzt 
wurde.  Nur  wer  das  Wiener  Parteileben  kennt,  vermag  hinter  diesen  Tat- 
sachen die  Motive  zu  erkennen,  die  hier  spielten,  und  leider  nicht  allein  die 
achtungswerten  Arbeiten  einer  hochbegabten  Schriftstellerin  zu  Falle  brachten 
—  sondern  sie  selbst. 

An  dem  Tage,  wo  die  Absetzung  der  Stücke  in  den  Zeitungen  stand, 
erschoß  sich  B.  Sie  hatte  sehnsüchtige  Hoffnungen  auf  die  Arbeiten  gesetzt, 
die  so  viel  verheißend  rasch  angenommen  worden  waren.  Sie  kam  über  das 
Rätsel  dieses  Mißerfolges,  der  für  sie  schwerwiegende  Konsequenzen  hatte, 
nicht  hinaus. 

Die  Frau,  die  mit  kleinen,  drückenden  Verhältnissen  ringend,  plötzlich, 
wie  durch  ein  Wunder,  ihr  Talent  entdeckt,  sich  endlich  Licht  und  Luft, 
wenigstens  zeitweise  und  nach  einzelnen  Seiten  hin,  geschaffen  hatte,  durch 
heiße,  fieberhafte  rastlose  Arbeit,  ertrug  diesen  Sturz  nicht.  Ihre  Widerstands- 
kraft, ihre  vor  kurzem  noch  merkwürdige  Elastizität  waren  aufgerieben  im  ehr- 
geizigen Kampf  um  Geltung  und  —  um  Brot.  Sie  war  krank,  hatte  wenige 
Wochen  vor  der  Aufführung  eine  Operation  durchgemacht  und  im  Bett,  sobald 
es  irgend  möglich  war,  wieder  zu  arbeiten  begonnen.  Sie  wollte  Herr  ihres 
Schicksals  werden  um  jeden  Preis,  wollte  es  mit  dem  ganzen  licht-  und 
schattenreichen  Temperament  der  Künstlerin.  Es  war  umsonst!  —  Sie,  die 
lange  Jahre  zäh  ausgehalten,  mit  allen  möglichen  Qualen  und  Widerwärtig- 
keiten des  Lebens  gerungen,  durch  ihrer  Hände  Arbeit  sich  tapfer  durchge- 
schlagen —  sie  arbeitete  u.  A.  eine  Zeit  hindurch  in  einem  entfernten  Vor- 
orte Wiens  mit  der  Strickmaschine,  —  erlag  jetzt  der  einen  Enttäuschung  über 
Erwartungen,  an  die  sich  ihr  Glaube  an  die  Zukunft,  an  sich  selbst  festge- 
klammert hatte.  Und  seltsam!  Der  Anfang  wie  das  Ende  des  meteorhaften 
Aufleuchtens  dieses  starken  Talentes  standen  im  Zeichen  des  Wiener  Partei- 
lebens, dem  es  seinem  ganzen  Wesen  nach  innerlich  fremd  war.  Der  erste 
Triumph  an  einer  Bühne,  die  semitische  Autoren  und  Schauspieler  prinzipiell 
ausschloß,  —  das  Ende  an  einer  solchen,  wo  durch  das  Hineinspielen  ent- 
gegengesetzter Parteisachen  der  Erfolg  untergraben  wurde. 

Als  das  Traurige  geschehen  war,  beschäftigte  sich  die  öffentliche  Meinung 


Baumberg.     Nachbaur.  c  j 

laut  tönend  mit  dem  Ereignis,  mit  den  Motiven  der  Tat  und  mit  Betrach- 
tungen über  manche  Wiener  Verhältnisse,  die  bei  dieser  Gelegenheit  wieder 
in  schärferes  Licht  gerückt  wurden.  Der  Fall  B.  beschäftigte  einige  Tage 
hindurch  ganz  Wien.  Man  widmete  ihr  prächtige  Nachrufe,  rühmte  ihre  be- 
deutende Begabung,  nannte  sie  neben  den  besten  Meistern  österreichisch-volks- 
tümlicher Dichtung.  Dann  —  nach  einem  wahrhaft  pompösen  Begräbnis,  das 
Hunderte  von  Leidtragenden  und  Neugierigen  auf  die  Beine  brachte,  —  legten 
sich  die  Wogen  der  Erregung.  Und  als  Nachklang  dieses  tragischen  Lebens- 
schlusses blieb  bald  nur  noch,  wenn  da  und  dort  die  herzerquickenden  Dialekt- 
geschichten B.s  vorgetragen  wurden,  ein  befreiendes,  fröhliches  Lachen  und 
etwa  ein  Wort:  »Wie  schad*  ist*s  um  siel« 

Freunde  und  Kollegen  setzten  der  Toten  am  ersten  Jahrestage  ihres  Heim- 
ganges ein  hübsches  Denkmal.  Sie  selbst  hatte  sich  aber  auch  eins  gesetzt, 
kurze  Zeit  bevor  sie  die  Augen  schloß.  Es  ist  das  einzige  Buch,  was  von 
ihr  existiert  (Wien.  Verlag  Karl  Konegen),  eine  Auswahl  ihrer  kleineren  und 
größeren  ausgezeichneten  Erzählungen,  aus  denen  das  österreichertum  in 
seinem  besten  Sinne,  Gemüt  und  ein  wundervoller  Humor  leuchtet  und  lacht. 

Goswina  v.  Berlepsch. 

Nachbaur,  Fr^nz,  kgl.  bayr.  Hofopem-  und  Kammersänger,  *  26.  März 
1835  auf  Schloß  Gießen  (Württemberg),  f  21.  März  1902  in  München.  — 
Nach  N.s  eigener  Erzählung  ist  er  am  26.  März  1835  auf  Schloß  Montfort 
oder  auch  auf  Schloß  Gießen  als  Sohn  eines  Oberamtsrichters,  der  eine 
große  Landwirtschaft  besaß,  geboren,  aber  N.  gehörte  zu  jenen  nicht  gar 
seltenen  Bühnenkünstlern,  die  mit  ihrem  Alter  und  mitunter  auch  mit  ihrer 
Herkunft  zeitlebens  gern  Verstecken  spielen.  Sicher  ist  das  Geburtsdatum 
unrichtig,  denn  N.  feierte  plötzlich  zur  allgemeinen  Überraschung  schon  ein 
paar  Jahre  vor  seinem  Tode  unter  vielen  Ehren  seinen  70.  Geburtstag,  den 
er  doch,  wäre  seine  Angabe  richtig  gewesen,  überhaupt  nicht  mehr  erlebt 
hätte.  Auch  seine  Herkunft  ist  dunkel,  denn  als  kurz  nach  seinem  Tode 
das  angesehenste  Blatt  Württembergs,  der  »Schwäbische  Merkur«,  unter  dem 
Titel  »Künstlerschwächen«  behauptete:  Franz  Nachbaur  sei  als  Ignaz  Nach- 
bauer und  Sohn  eines  einfachen  Zimmermanns,  Mühlebauers  oder  wie  man 
dort  auch  sagt  »Mühlarzts«,  der  zugleich  Acciser  gewesen,  im  Weiler  Gießen  bei 
Tettnang  geboren,  erfolgte  von  keiner  Seite  ein  Widerspruch.  In  den  Ruinen 
des  in  der  Nähe  der  Gießenbrücke  an  der  Argen  gelegenen  Schlosses,  in 
denen  sein  Vater  damals  hauste,  wurde  N.  vermutlich  schon  1830  geboren. 
Auf  dem  Chor  der  heimatlichen  Dorfkirche  sang  der  achtjährige  Knabe 
häufig  mit  und  zeigte  die  ersten  Spuren  musikalischer  Begabung.  Nach 
seiner  Angabe  studierte  und  absolvierte  er  aber  später  das  Polytechnikum 
in  Stuttgart,  da  er  Ingenieur  werden  wollte.  In  der  württembergischen 
Hauptstadt  besuchte  er  fleißig  die  Oper  und  dort  scheinen  die  Triumphe 
Sontheims  die  entscheidende  Wendung  in  seinem  Leben  vorbereitet  zu 
haben.  Er  ließ  sich  von  Pischek  prüfen  und  wollte  Chorist  mit  15  Gulden 
Monatsgage  werden  —  ein  gewiß  bescheidener  Wunsch,  der  ihm  aber  nicht 
einmal  erfüllt  wurde,  da  der  gestrenge  Chordirektor  ihm  Stimme  und  Talent 
vollständig  absprach.  Aber  das  Selbstvertrauen,  das  ihn  später  zu  so  großen 
Erfolgen  führen  sollte,   scheint  schon  damals  im  jungen  N.  wach   geworden 

4* 


52 


Nachbaur. 


ZU    sein:    mit    viel    Mut    und    leeren    Taschen    zog    er    von    Stuttgart    fort 
und    fand    1856   in   Basel    die    gewünschte  Anstellung    als   Chorist  bei   einer 
reisenden  Opemtruppe,  deren  Direktor  zuletzt  den  verhängnisvollen  Entschluß 
faßte,   in  Paris  deutsche  Opernvorstellungen  zu  geben.     Der  unvermeidliche 
Bankerott  war  die  Folge;    der  Direktor  ließ   seine  Truppe  mittellos,   kaum 
der  Landessprache  mächtig,  in  Paris  zurück.    So  lernte  N.  früh  das  Wander- 
bühnenelend kennen.     Mit  drei  jungen  Leidensgenossen  bildete  er  ein  Solo- 
quartett und  sang  nachts  in   den  Bierhäusern  und  Cafes,    um  sich   und   den 
hungernden  Kollegen  Brot  zu  verdienen.    Ihm,  als  dem  jüngsten,  fiel  daneben 
die  Aufgabe  zu,   mit  dem  Teller  absammeln   zu   gehen.     In   diese  Zeit  des 
höchsten  Elends  fiel  aber  gerade  die  entscheidende  Wendung  im  Schicksale 
des  jungen  Musensohnes.     Ein  reicher  Bankier  aus   Basel,  Alfons  Passavant, 
hörte    seinen    schönen   Tenor,    als   N.   gerade    wieder    mit    seinen    Kollegen 
deutsche  Quartette  in  einem  Cafe  sang,  nahm  sich  wie  ein  Vater  seiner  an 
und  sandte  ihn  zu  Lamperti   nach   Mailand,  wo    er  zwei  Jahre   lang  fleißig 
studierte.     Der  Winter  1858/59  sieht  ihn   bereits  als  Mitglied  des  Meininger 
Hoftheaters,  und  nun   war  er  geborgen.      Nach    einem   kurzen   Gastspiel    in 
Köln  und  einem  ebenfalls  nur  kurzen  Aufenthalt  in  Hannover,  wo  der  noch 
ungelenke  Kunstjünger  neben  der  alles  überragenden  Erscheinung  Niemanns 
natürlich  nicht  aufkommen  konnte,  stellte  er  sich  am  14.  Mai  1860  als  Lionel 
(Martha)   in   Prag  vor,    wo    er  außerordentlich  gefiel,   sich  seine   erste   Frau 
holte  und  dadurch  den  Grundstein  zu  seinem  Reichtum  legte.     Aber  schon 
drei  Jahre    später  verließ    er  Prag  wieder,    um    einem    vorteilhafteren   Rufe 
nach    Darmstadt    zu    folgen,    wo    er    bis   1868    blieb.      Im    Mai  1867    ließ 
er  sich  als  Gast  an   der  Hofbühne  Berlins  hören    und   in   demselben  Jahre 
kam  er  auch   nach   München.     Hier  hörte   ihn   König  Ludwig  IL    und    das 
war  für  die  weitere  Zukunft  N.s  entscheidend.    Im  nächsten  Jahre  erhielt  er 
die   Einladung,    in   der  Uraufführung  der  Meistersinger  (21.  Juni  1868)   den 
Walther  Stoltzing  zu  übernehmen.     Nun  ließen  ihn  Wagner  und  sein  könig- 
licher Mäcen    nicht    mehr  von   München    fort.     Es   war    die    Glanzzeit    der 
Münchener    Oper,    und   Nachbaur    gehörte    fortan    zu    den    Lieblingen    des 
Publikums  wie   des  Königs.     Wohl  führten   ihn  Gastspiele   noch  an  manche 
Bühne  (u.  a.  sang  er  1878  im  Apollo-Theater  zu  Rom  den  Lohengrin),  aber 
München   ist  er  seitdem  treu   geblieben.     Im  ganzen  trat  er  looi  mal   in  62 
verschiedenen  Rollen    auf.     Am    14.  November  1883  feierte    er  unter  großen 
Ehren    sein    25  jähriges  Künstlerjubiläum,    und    am    13.  Oktober  1890  verab- 
schiedete   er    sich  als   Postillon  von  Lonjumeau   nur  ungern  von  der  Stätte 
seiner  Triumphe.     Die  Wahl   dieser  Rolle  war  für  N.  bezeichnend.     Sie  ist 
trotz  Wagner  stets  seine   Lieblingsrolle   geblieben.     N.  war  ungleich  seinem 
gleichzeitigen  Kollegen  Heinrich  Vogl,  der  bis  zu  seinem  Tode  sang  (s.  Biogr. 
Jahrb.    V.  Bd.    S.  96 — 98),    eigentlich    weder    ein    besonders    musikalischer 
noch  sehr   intelligenter  Sänger,    aber  er  übertraf   seinen  jüngeren  Kollegen 
durch    die    glänzendere    Erscheinung    und    den   echteren   Tenorklang    seiner 
Stimme.    Während  Vogl,  eine  durch  und  durch  musikalische  und  künstlerische 
Natur,   in  Wagner  lebte  und   in  der  Überwindung  der  schwersten  Aufgaben 
seine  höchste   Freude  fand,    zog  N.,    wenn    er  wählen    konnte,   jene  Rollen 
vor,  wo,  wie  in  der  italienischen  und  französischen  Oper,  Höhe  und  Brillanz 
der  Stimme  am    schönsten   zur  Geltung  kommen.     Die  Leibrolle  Wachtels, 


Nachbaur. 


53 


des  ersten  Postillons,  war  denn  auch  seine  Lieblingsrolle.  Das  Postillonslied 
mit  Peitschenknailbegleitung  war  sein  Schwanenlied  auf  der  Bühne  und, 
durch  eine  merkwürdige  Fügung,  auch  im  Tode.  Oft  und  oft  noch  sang  es 
N.  im  Freundeskreise  und  als  der  alte  Herr  es,  ein  paar  Tage  vor  seinem 
Tode,  noch  in  einer  musikalischen  Gesellschaft  bei  seinem  Nachfolger 
Dr.  Walter  gesungen,  sprang  ihm  in  der  Anstrengung  beim  Nehmen  der 
höchsten  Lage,  wie  es  scheint,  eine  Kopfader,  er  stürzte  und  schwebte  noch 
einige  Tage  zwischen  Tod  und  Leben  bis  er  sanft  entschlief.  Obwohl 
etwa  15  Jahre  älter  als  sein  Kollege  Vogl,  sah  er  bis  zuletzt  mit  seinem 
immer  dunklen  Lockenkopf  und  seiner  stattlichen  aufrechten  Figur  viel 
jünger  aus.  Niemand  würde  in  ihm  einen  heimlichen  Siebziger  erkannt 
haben.  Fast  bis  zu  seinem  Tode  war  es  ihm  vergönnt,  der  herkömmlich 
schöne  erste  Tenor  der  alten  Oper  bleiben  zu  dürfen,  in  wie  außer  der 
Bühne.  Es  hat  wenige  Künstler  gegeben,  die  den  Ruhm  so  bis  zur  Neige 
geschlürft  haben,  wie  Franz  N.  Sein  König,  der  für  eine  glänzende  Er- 
scheinung bekanntlich  nicht  unempfindlich  war,  überschüttete  ihn  mit  Ehren 
und  Geschenken.  Die  silberne  Lohengrinrüstung  N.s,  ein  Geschenk  Ludwigs  IL, 
war  weltbekannt.  Als  der  Künstler  einmal  erkrankte,  schrieb  ihm  der  König: 
»Schonen  Sie  sich!  Tun  Sie  es  Ihrer  Familie  und  der  Erhaltung  Ihrer  gott- 
vollen Stimme,  tun  Sie  es  Mir  zu  Liebe,  Ich  bitte  Sie  darum.  Ich,  der 
König,  der  sonst  nicht  zu  bitten  gewohnt  ist«  —  oder  ein  andermal:  »Wir 
beide  sind  Feinde  alles  Gemeinen  und  Schlechten  und  erglühen  in  heiligem, 
gottentflammtem  Feuer  für  alles  Hohe,  Reine  und  Ideale.  Deshalb  wollen 
wir  auch  unser  Leben  lang  treue  und  aufrichtige  Freunde  bleiben.«  Nach 
jeder  neuen  Rolle  sandte  ihm  der  König  die  kostbarsten  Geschenke,  und  N., 
der  eine  kindische  Freude  an  Schmuck  hatte  und  ihn  gern,  wo  es  anging, 
zeigte,  wurde  deshalb  im  Freundeskreise  oft  mit  seinem  Spitznamen  der 
Brillanten-Nazi  genannt.  In  der  Ahnengalerie  des  Münchener  Hof-  und 
Nationaltheaters  ist  Franz  Ignaz  N.  als  Walther  Stoltzing  verewigt,  und  mit 
Recht,  denn  für  ihn  wie  für  die  Bühne,  die  zu  seiner  zweiten  Heimat  gewor- 
den, ist  diese  Rolle  zur  entscheidenden  geworden;  daneben  aber  hat  er  auch 
den  Rienzi,  Erik,  Tannhäuser,  Lohengrin,  Siegmund,  sowie  das  lyrische  und 
zum  Teil  auch  heroische  Tenorfach  der  vorwagnerischen  Oper  beherrscht, 
soweit  es  bei  der  ausgesprocheneren  und  universelleren  Begabung  seines 
Kollegen  und  Rivalen  Heinrich  Vogl  nicht  diesem  zufiel.  Persönlich  war 
N.  ein  guter  und  liebenswürdiger  Mensch,  hülfsbereit  wo  er  konnte  und,  bei 
aller  Eitelkeit,  nicht  ohne  gutmütige  Anerkennung  fremden  Verdienstes.  In 
den  behaglichsten  Verhältnissen  lebend,  liebte  er  eine,  vorzüglich  musika- 
lische Geselligkeit  und  trug  selbst  gern  dazu  bei.  Sein  bis  in  die  höchsten 
Lagen  schöner  Tenor,  der  auf  den  Grundlagen  des  Belcanto  und  nicht  des 
Wagnerischen  Sprechgesanges  ausgebildet  war  —  N.  ist  auf  der  Bühne  nie 
ein  guter  Sprecher  gewesen  —  hielt  bis  ins  Alter  stand.  In  der  Geschichte 
der  Münchener  Oper  wird  der  Name  N.s  mit  der  Premiere  der  Meistersinger 
und  mit  den  größeren  Richard  Wagners  und  König  Ludwigs  IL  fort- 
leben. 

(Biographien  und  Nekrologe  haben  der  Neue  Theater- Alm anach  der  Deutschen 
Bühnengenossenschaft,  14.  Jahrg.  1903,  S.  151,  Ludwig  Eisenbergs  Großes  Biographisches 
Lexikon  der  deutschen  Bühne  im  XIX.  Jahrhundert,  S.  707  und  die  Münchener  Blätter  aus 


CA  Nachbaur.     Oechelhaeuser. 

Anlaß    seiner  Jubiläen  und  seines  Todes    gebracht.     Allen    ist   das  falsche   Geburtsdatum 
gemein.) 

München.  Alfred  Fuhr.  v.  Mensi. 


Oechelhaeuser,  Wilhelm,  Dr.  phil.  hon.  c,  Königl.  Preuß.  Geheimer 
Kommerzienrat,  •  26.  August  1820  in  Siegen  (Westfalen),  f  25.  September 
1902  in  Niederwalluf  (Rheingau).  —  Unter  den  vielen  tüchtigen  Männern, 
die  Westfalens  rote  Erde  dem  deutschen  Vaterlande  geschenkt  hat,  darf 
Wilhelm  O.  einen  ersten  Platz  beanspruchen.  Als  ein  echter  Sohn  seiner 
Heimat  verband  er  mit  einem  geraden,  klugen  Sinn  einen  festen  Willen  und 
einen  unerschütterlichen,  emsigen  Fleiß;  mit  solchen  Eigenschaften  und  vom 
Glück  begünstigt,  erklomm  er  allmählich  Stufe  auf  Stufe  der  irdischen  Ehren- 
leiter. So  sehr  aber  auch  ein  scharfer  Verstand  ein  hervorstechender  Zug  in 
seinem  Charakterbilde  war,  so  tief  war  andererseits  sein  echt  humanes  und  sein 
im  Hang  zum  Schönen  wurzelndes  Empfinden.  Dieser  glücklichen  Mischung 
eines  praktischen  Verstandes  mit  natürlicher  Begeisterung  für  die  idealen 
Schätze  des  Lebens  und  einer  aus  dem  Herzen  quellenden  Güte  ist  es  zuzu- 
schreiben, daß  er  neben  seinem  eigentlichen  Schaffensgebiete,  dem  industri- 
ellen, auch  noch  die  Grenzgebiete  der  Politik,  Volkswirtschaft  und  Sozial- 
politik, sowie  das  weiter  abliegende  der  Literatur  mit  großen  und  fast  gleichen 
Erfolgen  bearbeiten  konnte. 

O.  entstammt  einer  alten,  angesehenen,  industriellen  Familie  des  Sieger- 
landes. Mit  14  Jahren  verließ  er  bereits  die  Schule  um  als  Lehrling  in  die 
Papier-  und  Maschinenfabrik  seines  Vaters  einzutreten,  da  die  Familie  derzeit 
sehr  zahlreich  war  und  er  suchen  mußte,  so  frühzeitig  als  möglich  selbständig 
zu  werden.  Unter  der  Leitung  des  Vaters,  der  der  Erfinder  des  Strohpapier- 
Maschinensystems  war,  fand  er  gute  Gelegenheit,  sich  nicht  nur  kaufmännisch, 
sondern  auch  technisch  völlig  auszubilden,  was  ihm  namentlich  für  seine 
spätere  Lebensstellung  als  Leiter  einer  der  größten  deutschen  industriellen 
Gesellschaften  von  Nutzen  geworden  ist.  Seinen  in  der  väterlichen  Fabrik 
erworbenen  tüchtigen  Fachkenntnissen,  die  er  durch  wissenschaftliche  Studien 
auf  der  Universität  Königsberg  während  seines  Militärdienstes  als  Einjährig- 
Freiwilliger  ergänzte,  sowie  größeren  Reisen,  die  seinen  Horizont  frühzeitig 
erweiterten,  verdankte  er  es,  daß  ihm,  dem  kaum  Vierundzwanzigjährigen, 
bereits  im  Jahre  1844/45  seitens  des  preußischen  Finanzministeriums  der  ehren- 
volle Auftrag  zu  teil  wurde,  England  und  Frankreich  zwecks  Studiums  der 
dortigen  Papierindustrie  zu  besuchen.  In  der  dem  »Freiheitsjahre«  1848  vor- 
angehenden allgemeinen  wirtschaftlichen  Krisis,  in  der  Handel  und  Verkehr 
stockten,  gingen  aber  auch  O.s  Aussichten  auf  Begründung  eines  eigenen  Ge- 
schäftes unter,  sodaß  er  sich  veranlaßt  sah,  am  4.  April  1848  seine  Heimat 
in  den  westfälischen  Bergen  zu  verlassen  und  sich  einen  neuen  Wirkungskreis 
zu  suchen.  In  Berlin,  wohin  er  sich  zuerst  gewandt  hatte,  schlugen  seine 
Hoffnungen  allerdings  fehl,  er  kehrte  aber  am  21.  Juni  dahin  zurück,  nach- 
dem er  in  der  Zwischenzeit  in  Österreich  vergeblich  versucht  hatte,  neue  Ge- 
schäftsverbindungen auf  Grundlage  alter  Beziehungen  anzuknüpfen,  da  die 
dortigen  wirtschaftlichen  und  politischen  Zustände  fast  noch  trostloser  waren 
als  in  Deutschland. 


Oechelhaeuser.  c  e 

Von  Berlin  aus  richtete  O.  nunmehr  sein  Augenmerk  auf  Frankfurt  a.  M., 
dem    damaligen   Zentralsitz    des   politischen   und   parlamentarischen    Lebens. 
Er  traf  am  ii.  Juli  dort  ein  und  erreichte  durch  geschickte  Benutzung  einer 
ihm  von  Freundesseite  an   den  Reichsminister  des  Handels  und  der  Marine, 
Herrn  Duckwitz,    gegebenen  Empfehlung   und  durch   eine   von  ihm  über  ein 
handelspolitisches  Thema  gefertigte  Arbeit,   die  sich   mit  den  Wasserstraßen 
von  den  Emshäfen   nach   dem  Rhein,   bezw.  zwischen  Nord-  und  Ostsee  be- 
schäftigte,   daß   er  Ende  September  1848   zunächst    »zur   Probe«    beschäftigt 
und  am  23.  Dezember  1848   zum    »Reichsministerialsekretär«    ernannt  wurde. 
Damit  hatte   er  das  Ziel   seines   damaligen  Wünschens  erreicht;  sein  Eintritt 
in  den  Staatsdienst  leitete  aber  zugleich  einen  völlig  neuen  Abschnitt  seines 
Lebens  ein.     Aus  dem  freien  Industriellen,    der  allerdings  trotz  gediegenster 
Kenntnisse  und  fleißigster  Arbeit  zu  keiner  Selbständigkeit  zu  gelangen  ver- 
mochte, war  für  die  nächste  Zeit  ein  Beamter  geworden.    Aber  sein  draußen 
im  Kampfe  des  Lebens  erworbener  praktischer  Blick  und  seine  mannigfachen 
Erfahrungen  und  geläuterten  Anschauungen  waren  ihm  für  seine  neue  Lauf- 
bahn gerade  von  größtem  Werte,   denn  sie  befähigten  ihn,  sowohl   in  seiner 
Staats-,   als   in   seiner  späteren   kommunalen    und    industriellen  Stellung  den 
jeweiligen    Verhältnissen    stets   ein   schnelles   und   sicheres   Verständnis   und, 
falls   er  von   ihrer  Notwendigkeit  überzeugt  war,    ein  frisches  Ergreifen   und 
eine    rasche    Durchführung    entgegenzubringen.      Mit    solchen    Eigenschaften 
fügte  er  sich  allerdings  manchmal  nur  schwer  dem  eigenartigen  Getriebe  der 
damaligen  deutschen  Zentralgewalt   ein;   verständigerweise  benutzte  er  aber 
die  ihm  in  seiner  dienstlichen  Stellung  vielfach  verbleibende  Muße,  um  sich 
in    der    Nationalökonomie    und    Handelspolitik    gründlich    auszubilden.      Im 
Sommer  1849  besuchte  er  im  Auftrage  des  Reichsministeriums  die  französische 
Industrieausstellung  in  Paris  und  beantragte  auf  Grund  seines  später  darüber 
erstatteten  Berichtes  und  weil  er  sich  dadurch  gesicherter  in  seiner  Lebens- 
stellung fühlte,  seine  Ernennung  zum  »Reichsministerial-Assessor«.    Es  glückte 
ihm  auch,  dieses  Patent  zu  erhalten,  das  —  nach  O.s  eigenen  Worten  —  das 
einzige  Exemplar  dieser  Spezies  war,  welches  die  deutsche  Zentralgewalt  ge- 
züchtet hat.    Aus  dem  immer  mehr  zur  Posse  gewordenen  Zustand  in  Frank- 
furt, der  für  O.s  dienstliche  Stellung  fast  absolutes  Nichtstun  mit  sich  brachte, 
das  er  jedoch  durch  emsiges  Weiterstudium   und  eine  rege  private  Mitarbeit 
an  dem  handelspolitischen  Teile  der  Frankfurter  Oberpostamtszeitung  auszu- 
füllen suchte,  führte  ihn   im  Januar  1850  das  Anerbieten  des  diplomatischen 
Vertreters  bei  der  schweizerischen  Eidgenossenschaft  wegen  Übernahme  einer 
politischen  und  handelspolitischen  Mission  nach  der  Schweiz.     Die  indirekte 
Veranlassung  hierzu  war  die  Annahme  der  republikanischen  Verfassung  seitens 
der  Stadt  Neuchätel  und  ihr  daraus  resultierender  Abfall  von  der  Souveränität 
der  Könige  von  Preußen,  der  sie  seit  1707  unterstanden  hatte.    Die  preußische 
Regierung   sah   sich   nach   erfolglosen  Bemühungen,    den   Status  quo  ante  auf 
diplomatischem  Wege   wieder  herbeizuführen,   veranlaßt,    ihren  Vertreter   aus 
der  Schweiz   offiziell   abzuberufen.     Bei    der  Wichtigkeit   der  wechselseitigen 
Interessen   beider  Länder  hielt   sie  es  hinwiederum  aber  doch  für  angezeigt, 
eine   geeignete   Persönlichkeit    sowohl   mit   der  politischen   Berichterstattung 
über   die   öffentlichen  Vorgänge   und  Bewegungen   in   der  Schweiz,    als  auch 
mit  einer  Untersuchung   und  Begutachtung  des  am  i.  Februar  1850  in  Kraft 


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Oechelhaeuser. 


getretenen  neuen  schweizerischen  Zollsystems  zu  beauftragen,  und  hierzu  ward  O. 
ausersehen,  der  sich  seiner  interessanten  Aufgabe  mit  Umsicht  und  Geschick 
unterzog  und  das  Gesamtresultat  seiner  Beobachtungen  in  drei  ausführlicher? 
Denkschriften  niederlegte.  Die  erste  behandelte  die  Vorzüge  der  neuen 
Bundesverfassung  und  die  Stellung  der  Parteien  zu  derselben;  die  zweite  be- 
sprach die  Neuchateier  Frage,  die  erst  im  Pariser  Vertrage  vom  26.  Mai  1857 
ihre  endgültige  Erledigung  durch  fast  bedingungslose  Verzichtleistung  des 
Königs  von  Preußen  finden  sollte,  und  die  dritte,  mit  ausführlichen,  statistischen 
Daten  belegte  Denkschrift  ließ  der  neuen  Zolleinigung  der  Schweiz  volle  Ge- 
rechtigkeit widerfahren  und  hob  deren  Vorteile  wie  einzelne  Nachteile  für  die 
Zollvereinsinteressen  hervor.  Letztere  Denkschrift  ließ  das  Ministerium  des 
Äußern  an  alle  übrigen  Zollvereinsregierun  gen  versenden.  Einen  erneuten 
Antrag,  zur  weiteren  Berichterstattung  nach  der  Schweiz  zurückzukehren, 
mußte  O.  ablehnen,  da  er  sein  Beamtenverhältnis  bei  der  Bundeskommission 
dadurch  gefährdet  sah  und  die  preußische  Regierung  ihm  die  zur  Übernahme 
in  ihren  Dienst  erforderlichen  Staatsexamina  nicht  glaubte  erlassen  zu  können. 
So  verblieb  O.  auf  seinem  dienstfreien  Reichministerialassessorposten  und 
studierte,  mit  scharfem  Blick  die  von  Österreich  insgeheim  beabsichtigte 
Sprengung  des  Zollvereins  erkennend,  unter  Zuhilfenahme  der  Protokolle  der 
Zoll  Vereinskonferenzen  das  gesamte  Material  aller  einschlägigen  Fragen.  Die 
im  November  1850  zwischen  öesterreich  und  Preußen  ausbrechenden  Feind- 
seligkeiten, welche  in  Olmütz  ihr  bekanntes,  für  Preußen  so  schmachvolles 
Ende  fanden,  verursachten  O.s  Eintritt  als  Landwehroffizier  in  die  Armee. 
Als  ein  Zeichen  der  preußischen  Schwäche,  bezw.  der  preußischen  Mitglieder 
in  der  Bundeszentralkommission  muß  es  gelten,  daß  er  noch  während  dieser 
Zeit  militärischer  Pflichterfüllung  in  der  zweiten  Hälfte  des  Dezember  1850 
seine  P^ntlassung  aus  den  Diensten  der  Bundeszentralkommission  erhielt.  Die 
zweieinviertel  Jahre,  die  O.  in  dem  verfahrenen  Frankfurter  Reichsministerium 
zubrachte,  waren  ihm  persönlich  jedoch  immerhin  von  Vorteil.  Denn  als  er 
nach  seiner  Entlassung  aus  dem  Bundesdienst  im  Frühjahr  185 1  zwei  Bro- 
schüren veröffentlichte,  welche  neben  allgemeinen  wirtschaftlichen  und  zoU- 
poli tischen  Fragen  speziell  auch  den  von  Österreich  gefährdeten  Zollverein 
behandelten,  wurde  er  infolgedessen,  und  in  Erinnerung  an  seine  Berichter- 
stattung über  die  1849er  Pariser  Industrieausstellung  und  an  seine  Begut- 
achtungen über  das  Schweizer  Zollwesen  sowie  seine  sonstigen  nationalöko- 
nomischen Arbeiten  zum  Mitgliede  der  Zollvereinskommission  bei  der  ersten 
Londoner  Weltausstellung  von  1851  gewählt;  drei  Jahre  später  (1854)  wurde 
er  Miglied  der  Münchener  Industrieausstellung.  Das  Bekanntwerden  seines 
Namens  in  weiteren  Kreisen  war  indirekt  also  unstreitig  eine  Folge  seines 
I**rankfurter  Aufenthaltes.  Als  es  ihm  aber  geglückt  war,  1852  als  Bürgermeister 
der  rheinischen  Stadt  Mülheim  a.  Ruhr  gewählt  zu  werden,  da  wurde  ihm 
der  gleiche  Grund  fast  zum  Nachteil,  indem  der  damalige  Oberpräsident  von 
Westfalen,  Staatsminister  v.  Düesberg,  die  Genehmigung  dieser  Wahl  beim  Könige 
nicht  beantragen  wollte.  Der  freundschaftlichen  Vermittlung  jenes  früheren 
diplomatischen  Vertreters  bei  der  schweizerischen  Eidgenossenschaft,  dem  O. 
seine  1850er  Mission  verdankte,  gelang  es  jedoch,  die  schweren  ministeriellen 
Hedenken  zu  zerstreuen,  sodaß  die  Bestätigung  schließlich  doch  noch  erfolgte. 
So  war  O.  nun  Bürgermeister  im   rheinischen  Heimatlande.     Aber  auch 


Oechelhaeuser. 


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in  dieser  neuen  voraussichtlichen  Lebensstellung  sollte  seines  Bleibens  nur 
vier  und  ein  halbes  Jahr  sein.  Wie  er  diese  verhältnismäßig  kurze  Zeit  in 
einer  ihm  zunächst  völlig  fremden  Sphäre  zum  Segen  der  Stadt  aber  zu  nutzen 
verstand,  das  hat  die  Stadtverwaltung  von  Mülheim  selbst  anerkannt,  als  sie  ihm 
1881,  gelegentlich  des  25jährigen  Amtsjubiläums  in  seiner  späteren  industriellen 
Stellung,  in  Erinnerung  an  das  Geschaffene  schrieb,  daß  er  »viel,  sehr  viel 
für  die  Entwicklung  der  Stadt  getan  habe,  wofür  sie  ihm  noch  heute  zu 
großem  Danke  verpflichtet  sei«  und  femer  seine  vielfachen  Bemühungen  um 
das  Eisenbahnwesen  und  die  Schiffahrt  von  Mülheim,  ferner  seine  Mitwirkung 
zu  dem  vollständigen  inneren  und  äußern  Ausbau  der  dortigen  Realschule 
und  seine  großen  Verdienste  um  das  städtische  Beleuchtungswesen  hervorhob. 
Aus  der  Aufzählung  dieser  Tatsachen  und  der  Art  und  Weise  ihrer  Durch- 
fiihrung  leuchtet  uns  überall  der  weitsichtige  Kaufmann  und  Organisator,  so- 
wie der  praktische  Techniker  entgegen.  Sein  Verdienst  um  die  städtischen 
Interessen  Mülheims,  besonders  dasjenige  um  das  Beleuchtungswesen,  trug 
schnelle  Frucht,  indem  es  ihm  den  Übergang  in  seine  Hauptlebensstellung 
anbahnte.  Der  damalige  erste  Direktor  der  »Deutschen  Kontinental-Gas- 
gesellschaft«,  Regierungs-  und  Baurat  Hans  Victor  von  Unruh  —  auch  ein 
1848er  — ,  hatte  O.  beim  Abschluß  des  Mülheimer  Gasbeleuchtungsvertrages 
»als  eine  hervorragende  Persönlichkeit«  kennen  gelernt  und  bot  ihm  im 
August  1856,  wo  das  am  12.  März  1855  neu  gegründete  Unternehmen  »im 
vollen  Schwünge«  war,  die  Stelle  eines  verwaltenden,  dritten  Direktors  an. 
O.  nahm  das  Anerbieten  an,  obschon  er  sich  »in  einer  Stellung  befand,  die 
ihm  für  jetzt  und  alle  Zukunft  eine  gesicherte  Existenz  und  einen  sehr  schönen 
Wirkungskreis  bot,  der  ihm  in  persönlicher  und  sachlicher  Beziehung  wirk- 
lich ans  Herz  gewachsen  war«.  Das  Ausschlaggebende  dafür,  daß  er  sich 
dennoch  zum  Wechsel  der  Stellung  entschloß,  war  »die  alte  Anhänglichkeit 
an  das  kaufmännische  und  technische  P'ach,  dem  er  ursprünglich  angehörte«, 
sowie  daß  »die  Dessauer  Gasgesellschaft  auf  solidester  Grundlage  errichtet 
war  und  einen  neuen  Gewerbszweig  ausbeutete,  der  eine  große  Zukunft  vor 
sich  hatte  und  ihm  ebenfalls  einen  schönen  Spielraum  für  lohnende  Tätigkeit 
bot,  wie  *er  auf  dem  Gebiete  der  Industrie  selten  gefunden  werden  kann.« 
Wer  O.s  Lebensgange  bis  hierher  mit  Aufmerksamkeit  gefolgt  ist,  sieht  auch 
in  diesen  seinen  persönlichen  Äußerungen,  daß  er  nicht  eine  Natur  war, 
welche  eine  ihr  zugefallene  auskömmliche  und  befriedigende  Stellung  freudig 
und  ruhig  genoß,  sondern  ein  Mann,  der  sie  mutig  daran  gab,  wenn  er  auf 
einem  größeren  Schaffensgebiet,  auch  wenn  es  erst  in  der  Entwicklung  be- 
griffen war,  sein  »geistiges  Pfund«  glaubte  besser  verwerten  zu  können.  So 
trat  er  denn  am  14.  November  1856  der  exekutiven  Spitze  der  Dessauer  Gas- 
gesellschaft zunächst  als  drittes  Mitglied  bei.  Als  aber  kaum  sechs  Wochen 
später  Herr  von  Unruh  von  der  Stellung  eines  verwaltenden  Direktors  zurück- 
trat und  auch  der  zweite  Direktor  an  der  Leitung  der  laufenden  Geschäfte 
keinen  Anteil  mehr  nahm,  war  O.  vom  i.  Januar  1857  ab  tatsächlich  alleiniger 
Direktor  der  Gesellschaft.  Am  15.  März  1858  wurde  er  zum  Generaldirektor 
gewählt,  der  er  bis  zum  31.  Dezember  1889  verblieb.  Was  er  in  diesen  ^^ 
Jahren  für  die  Dessauer  Gasgesellschaft  geleistet  hat,  das  kann  im  Rahmen 
dieser  biographischen  Skizze  nur  kurz  dahin  zusammengefaßt  werden,  daß 
sein  Name  in  diesem  langen  Zeiträume   untrennbar  mit  allem  verknüpft  ist, 


c8  Oechelhaeuser. 

was  der  Gesellschaft  in  technischer  und  administrativer  Hinsicht  nicht  nur 
zu  ihrer  besonderen,  sondern  auch  zu  ihrer  allgemeinen  Bedeutung  in  der 
Gasindustrie  verholfen  hat.  Für  den  Fachmann  sei  hinzugefügt,  daß  sich  die 
Gesamtgasproduktion  der  Gesellschaft  von  705444  cbm  im  Jahre  1856  in 
6  Gasanstalten  auf  32  Millionen  cbm  im  Jahre  1889  in  14  Gasanstalten  im 
anlande  und  3  Anstalten  im  Auslande  hob.  Daß  ein  derartiges  Aufblühen 
eines  neuen  industriellen  Unternehmens  die  größte  Umsicht  und  den  regsten 
Fleiß  selbst  eines  so  geschäfts-  und  welterfahrenen  Leiters,  wie  es  O.  war,  er- 
forderte, bedarf  kaum  der  Erwähnung.  Auf  die  Jahre  des  Sorgens  und  Mühens 
kamen  aber  auch  Jahre  ruhigeren  Besitzes  und  diese  Zeiten  benutzte  der  Rast- 
lose und  Nimmermüde,  um  seinen  persönlichen  schöngeistigen  Neigungen 
mehr  als  bisher  zu  huldigen. 

O.s  Vorliebe  für  das  Theater  ist  bekannt.  Seine  Lieblingslektüre  in 
frühester  Jugend  waren  einige  Übersetzungen  Shakespearescher  Dramen;  dies, 
sowie  seine  spätere  pflichtgemäße  Beschäftigung  mit  der  englischen  Sprache, 
sein  Besuch  Englands  in  den  Jahren  1844^45  und  seine  allgemeine  künst- 
lerische Neigung  wirkten  zusammen,  um  ihn  ganz  besonders  auf  Shakespeare 
hinzuleiten.  >^In  dem  der  großen  Jubelfeier  von  Shakespeares  300.  Geburtstag 
vorangehenden  Jahre  1863  faßte  er  den  Plan,  der  Gründung  einer  deutschen 
Shakespeare-Gesellschaft  näherzutreten«,  wobei  er  von  seinen  Freunden  Dingel- 
stedt,  R.  V.  Gottschall,  A.  v.  Loen,  F.  A.  Brockhaus,  H.  Markgraf  u.  a.  lebhaft 
unterstützt  wurde.  Die  von  O.  ^tworfenen  und  versandten  »Ideen  zur  Grün- 
dung einer  deutschen  Shakespeare-Gesellschaft«  fanden  derartigen  Beifall,  daß 
am  23.  April  1864  auf  Weimars  klassischem  Boden,  der  Bühne  Goethes  und 
Schillers,  die  O.  mit  18  Jahren  von  Erfurt  aus,  als  Schüler  einer  technischen 
Lehranstalt,  zum  ersten  Male  besucht  hatte,  mit  Unterstützung  des  Groß- 
herzogs Karl  Alexander  und  namentlich  der  Großherzogin  Sophie  die  Grün- 
dung tatsächlich  erfolgte.  Was  die  Shakespeare-Gesellschaft  in  den  vierzig 
Jahren  ihres  Bestehens  für  das  deutsche  Geistesleben  geworden  ist  und  wie 
sie  allmählich  Einfluß  auf  die  breitesten  Volksschichten  gewonnen  hat,  das 
ist  zumeist  ein  Verdienst  O.s,  der  —  obwohl  nach  seinen  eigenen  Worten 
nur  ein  Autodidakt  auf  dem  Gebiete  der  Shakespeareforschung  — *  an  ihrer 
Tätigkeit  stets  hervorragenden  und  bestimmenden  Anteil  nahm.  Zwölf  Jahre 
hindurch  (seit  1890)  war  er  Präsident  der  Gesellschaft.  Einen  Lieblings- 
wunsch seiner  letzten  Leben.sjahre,  die  Errichtung  eines  Shakespearedenkmals 
auf  Weimars  Boden,  konnte  O.  nur  vorbereiten  helfen;  seine  FMülIung,  die 
Enthüllung  des  Denkmals  im  Jahre  1904,  erlebte  er  leider  nicht  mehr. 

Mit  dem  gleichen  Feuereifer,  den  O.  seinen  Shakespearestudien  entgegen- 
brachte, ergriff  er  auch  das  weitschichtige  Gebiet  der  Politik,  als  ihm  1878 
nach  Beendigung  einer  Bühnenbearbeitung  sämtlicher  27  zur  Aufführung  ge- 
eigneter Shakespearedramen  der  IL  anhaltische  Wahlkreis  ein  Reichstags- 
mandat antrug.  Seine  ersten  politischen  Sporen  hatte  sich  ().,  wie  wir  weiter 
oben  sahen,  1850  bei  der  Schweizer  Mission  verdient;  in  der  späteren  Zeit 
seiner  Bürgermeisterschaft  war  er  Mitglied  des  preußischen  Abgeordneten- 
hauses für  die  Kreise  Mülheim  a.  Ruhr  und  Rees  gewesen.  Sein  Reichstags- 
mandat war  also  gewissermaßen  nur  eine  Fortsetzung  seines  früheren  po- 
litischen Wirkens  und  er  behielt  es  ununterbrochen  bis  zum  Jahre  1893; 
während  dieser  Zeit  hat  O.  im  deutschen  Parlament  eine  seiner  Person  und 


Oechelhaeuser. 


59 


seinem  Wissen  entsprechende  einflußreiche  Tätigkeit  entfaltet.  Wie  er  seinen 
politischen  Standpunkt  von  jeher  bei  den  Parteien  des  gemäßigten  Liberalis- 
mus gefunden  hatte,  so  schloß  er  sich  auch  als  Parlamentarier  der  national- 
liberalen Partei  an  und  blieb  ihr  bis  zu  seinem  Lebensende  treu.  Seine 
engen  persönlichen  Beziehungen  zu  Rudolf  von  Bennigsen  sind  bekannt. 
»Eine  politische  Wandlung  —  schreibt  O.  1892  in  seinen  »Erinnerungen«  — 
habe  ich  nie  durchgemacht;  denn  noch  heute  bekenne  ich  mich  zu  den 
gleichen,  allerdings  durch  Erfahrung  geläuterten  Grundsätzen  wie  beim  Ein- 
tritt in  jene  große  Bewegung«.  Als  positive  Ergebnisse  seiner  parlamentarischen 
Tätigkeit  seien  hier  vor  allem  seine  wesentliche  Anteilnahme  an  der  Reform 
der  Aktiengesetzgebung,  sowie  seine  Urheberschaft  an  dem  Reichsgesetz  be- 
treffend die  Gesellschaft  mit  beschränkter  Haftung  und  seine  rastlosen  Be- 
mühungen auf  sozialpolitischem  Gebiete  genannt,  die  eine  praktische  Durch- 
führung der  Kaiserlichen  Botschaft  vom  4.  Februar  1890  bezweckten.  Namentlich 
auf  letzterem  Gebiete  war  O.  ein  weitsichtiger  Politiker  und  ein  unerschrockener 
Mahner  des  Großbürgertumes  und  der  Großindustrie,  indem  er  offen  aussprach, 
daß  sozialpolitische  Bestrebungen  ohne  materielle  und  ideelle  Opfer  auf 
Seiten  der  Arbeitgeber  jeder  Basis  entbehrten.  Sein  Ausspruch:  »Was  für 
den  Arbeiter  geschieht,  soll  auch  durch  ihn  geschehen  (»Soziale  Tagesfragen«) 
dient  seither  allen  modernen  sozialpolitischen  Bestrebungen  zur  Richtschnur. 
Aus  dieser  Erkenntnis  heraus  gründete  er  im  Dezember  1887  mit  Gleich- 
gesinnten den  »Verein  anhaltischer  Arbeitgeber«,  der  den  größten  Teil  der 
anhaltischen  Großindustrie  umschließt,  und  durch  seine  Fundamentaleinrich- 
tungen: »Arbeiterausschüsse«  und  »Ergänzende  Hilfskassen«  vorbildlich  für 
eine  ganze  Reihe  ähnlicher  Schöpfungen  über  ganz  Deutschland  und  dessen 
Grenzen  hinaus  geworden  ist.  Seinem  weitausspannendem  Geiste  entsprach 
es  femer,  daß  er  auch  das  lebhafteste  Interesse  an  der  kolonialen  Entwick- 
lung Deutschlands  nahm  und  als  Mitglied  des  Kolonialrates  Mitschöpfer  der 
Deutsch-Ostafrikani selben  Gesellschaft  wurde,  auch  Mitglied  einer  großen  An- 
zahl Plantagengesellschaften  war.  O.  selbst  legte  eine  eigene  Plantage  in 
Kamerun  an  (Oechelhausen  bei  Isongo).  Die  letzten  eifrigen  Bemühungen 
seines  Lebens  auf  kolonialem  Gebiete  betrafen  die  Schaffung  einer  Ostafrika- 
nischen Zentraleisenbahn,  deren  erste  Strecke  —  im  Jahre  1904  —  vom 
Deutschen  Reichstage  nach  langen  Kämpfen  genehmigt  worden  ist. 

Es  konnte  nicht  ausbleiben,  daß  einem  so  vielseitigen,  mit  reichen  Geistes- 
gaben ausgestatteten  Manne,  der,  wohin  ihn  auch  sein  Schicksal  rief,  überall 
mit  voller  Kraft  sein  ganzes  Wissen  und  Können  einsetzte  und  damit,  soviel 
menschliches  Wirken  vermag,  zumeist  auch  den  Erfolg  an  sich  zog,  äußere 
Ehren  in  reicher  Zahl  zu  teil  wurden.  1874  wurde  er  Königl.  Preußischer 
Geheimer  Kommerzienrat;  188 1  verlieh  ihm  die  Stadt  Dessau  das  Ehren- 
bürgerrecht; 1883  erhielt  er  vom  Herzoge  von  Anhalt  den  erblichen  Adel, 
den  er  für  seine  beiden  Söhne  annahm,  auf  dessen  Führung  er  für  seine 
Person  aber  verzichtete;  1893  erhielt  er  wegen  seiner  Shakespeare-Forschungen 
und  seiner  literarischen  Tätigkeit  auf  wirtschaftlichem  und  sozialpolitischem 
Gebiete  von  der  Universität  Erlangen  das  Diplom  als  philosophischer  Ehren- 
doktor.    Daneben  besaß  O.  vielfache  und  hohe  Ordensauszeichnungen. 

Emil  Rittershaus  sagt  in  seinem  »Westfalenliede«:  »Gradaus,  das  ist  West- 
falenbrauch!«   Diesen  Heimatspruch  hatte  auch  O.  zum  Ziel  und  Inhalt  seines 


6o  Oechelhaeuser. 

Lebens  gemacht  und  sein  ganzes  Sinnen  und  Wirken  danach  eingerichtet. 
In  der  reichsdienstlichen  Stellung  haßte  er  »die  patriotische  Phrase«,  die  da- 
mals das  Parlament  sowie  weite  Kreise  des  Volkes  und  der  Regierung  be- 
herrschte; als  Bürgermeister  ging  ihm  das  städtische  Interesse  jedem  andern 
voran,  und  bei  seiner  Entschließung,  die  Stellung  eines  leitenden  Direktors 
bei  der  Dessauer  Gasgesellschaft  anzunehmen,  war  für  ihn  das  Bestimmendste, 
daß  die  Gesellschaft  »auf  solidester  Grundlage  errichtet  war«.  Nicht  minder 
läßt  sich  der  gleiche  Grundzug  seines  Charakters  in  der  offenen  Freimütig- 
keit wiederfinden,  mit  der  er  seine  politischen  und  sozialpolitischen  Ansichten 
zu  ergreifen  und  zu  verfechten  pflegte.  Wo  dieser  Zug  seines  Wesens  aber 
am  schönsten  und  lautersten  hervorbrach,  das  war  im  Umgang  mit  der 
großen  Zahl  seiner  persönlichen  Freunde,  denen  er  vollste  Aufrichtigkeit  und 
anhängliche  Treue  entgegenbrachte.  In  dieser  Beziehung  hatte  er  sich  einen 
Spruch  aus  Richard  IL  gewählt,  den  er  oft  und. gern  anwendete: 

»Ich  achte  mich  in  keinem  Stück  so  glücklich, 
als  daß  mein  Sinn  der  Freunde  treu  gedenkt.« 

Dieses  treue  Gedenken,  das  er  für  seine  Freunde  hatte,  werden  auch 
diese  ihm  halten.  Er  ist  geehrt  worden  von  den  Hohen,  geschätzt  und  ge- 
achtet von  den  Mitarbeitern  auf  seinen  verschiedenen  Wirkungsgebieten; 
dankbar  wird  seiner  aber  auch  der  große  Beamtenkreis  gedenken,  der  unter 
ihm  arbeiten  durfte  und  dem  seine  Güte  eine  weitgehende  Fürsorge  ange- 
deihen  ließ. 

Am  25.  September  1902  endete  sein  arbeits-  und  erfolgreiches  Leben  an 
den  Folgen  einer  Lungenentzündung  auf  seiner  Villa  Belmonte  zu  Nieder- 
walluf  im  Rheingau.  Seine  Frau  Emma,  geb.  Reinbach,  war  ihm  bereits  am 
4.  April  1876  im  Tode  vorangegangen.  Von  seinen  beiden  Söhnen  folgte  ihm 
der  ältere,  Dr.  ing.  Wilhelm  von  O.,  schon  1890  in  seinem  Berufe  als  General- 
direktor der  Deutschen  Continental-Gasgesellschaft;  der  jüngere  ist  Dr.  phil. 
Adolf  von  O.,  Großherzogl.  Geheimer  Hofrat  und  Professor  an  der  Technischen 
Hochschule  zu  Karlsruhe.  In  dem  imposanten  Trauergefolge,  das  der  sterb- 
lichen Hülle  Wilhelm  O.s  am  28.  September  in  Dessau  die  letzte  Ehren- 
bezeugung erwies,  kamen  seine  Bedeutung  und  seine  Beliebtheit  noch  einmal 
zu  einem  allgemeinen  beredten  Ausdruck. 

Schriftlicher  Nachlaß:  Volkswirtschaft:  »Die  wirtschaftliche  Krisis«  (Berlin  1876);  »Die 
Nachteile  des  Aktienwesens  und  die  Reform  der  Aktiengesetzgebung«  (Berlin  1878);  »Die 
Tarifreform  von  1879«  (Berlin  1880).  —  Sozialpolitik:  »Die  Arbeiterfrage«  (Berlin  1886);  »Die 
sozialen  Aufgaben  der  Arbeitgeber«  (in  2.  Auflajje  Berlin  1887);  »Die  Durchführung  der 
sozialen  Aufgaben  im  Verein  der  anhaltischen  Arbeitgeber«  (Berlin  1888);  »Soziale  Tages- 
fragen« (in  2.  Auflage  Berlin  1889).  —  ■Shakespeare-Literatur  und  Geschichte:  »Bühnen-  und 
Familienausgabe  von  Shakespeares  dramatischen  Werken«  (7  Bände,  Weimar  1878);  »Ein- 
führungen in  Shakespeares  Bühnendramen«  (2.  Auflage,  2  Bände,  Minden  1884);  »W.  Shakes- 
peares dramatische  Werke«  im  Auftrage  der  Deutschen  Shakespeare-Gesellschaft  heraus- 
gegeben und  mit  Einleitungen  versehen  (Stuttgart  1891);  »Einführung  in  Shakespeares 
Bühnendramen  und  Charakteristik  sämtlicher  Rollen«  (3.  Auflage,  Minden  1895).  Cber  30 
Auflagen  erlebte  die  einbändige  billige  V^olksausgabe  (3  Mk.)  eines  ganz  ungekürzten  und 
fast  unveränderten  Neudruckes  des  Schlegel-Tieckschen  Shakespeare  (189 1). 

Benutzte  Literatur:  »Erinnerungen  aus  den  Jahren  1848  bis  1850«  von  W.  Oechelhaeuser 
(Berlin  1892);  Aktenmatcrial ;  Jahrbuch  der  deutschen  Shakespeare-Gesellschaft  1903  und 
verschiedene  Tageszeitungen. 


Oechelhaeuser.     Debrois  van  Bruyck.  6l 

Ein  sehr  gutes  Bild  von  Dr.  Wilhelm  Oechelhaeuser  (Heliogfravure  nach  einem  Öl- 
gemälde von  Professor  C.  Gussow  1894)  ist  als  Beilage  zu  den  Verhandlungen  des  Deutschen 
Vereins  für  Gas-  und  Wasserfachmänner  1902  erschienen  (Verlag  von  R.  Oldenbourg, 
München  und  Berlin). 

Dessau,  Juni   1904.  Wilhelm  Klebe. 

Debrois  van  Bruyck,  Karl,  •  14.  März  1828  zu  Brunn,  f  2.  August  1902 
zu  Waidhofen  a.  Ybbs,  Komponist  und  Schriftsteller.  —  Als  Sohn  des  k.  k. 
Buchhaltungsbeamten  Johann  D.  v.  B.  und  einer  geb.  Mühlböck  zu  Brunn  ge- 
boren, kam  er  frühzeitig  nach  Wien,  wo  er  am  akademischen  Gymnasium  (?) 
ausgebildet  worden  sein  dürfte  und  dann  die  juridischen  Studien  begann. 
Nebenbei  trieb  er  mit  Lebhaftigkeit  und  Eifer  die  Musik  und  komponierte. 
Durch  seinen  Jugendfreund  Karl  Werner  kam  er  zu  Fr.  Hebbel  und  gehörte 
dann  neben  Emil  Kuh,  F.  Jachimowicz  und  anderen  zu  den  eifrigsten  An- 
hängern des  Dichters,  der  ihn  wegen  seiner  unstäten  Art,  seines  sprunghaften 
Naturells  ziemlich  scharf  in  die  Schule  nahm  und  auch  wesentlich  förderte. 
D.  wandte  sich  keinem  bestimmten  Beruf  zu,  sondern  wollte  sich  als  Musiker 
und  Schriftsteller  ausbilden,  strebte  zudem  mit  unzulänglichen  Mitteln  nach 
einer  gewissen  Goethischen  Allseitigkeit,  worin  sich  aber  wohl  mehr  die  ge- 
borene Dilettantenhaftigkeit  äußerte.  Mit  lebhaftem  Temperament  und  großer 
Begeisterungsfähigkeit  verband  sich  nicht  auch  gründliches  Studium  und  ver- 
tiefendes Arbeiten  in  den  Grundlagen.  Er  war  ein  überzeugter  Anhänger 
Robert  Schumanns,  für  dessen  Musik  er  in  Wien  theoretisch  und  praktisch 
Propaganda  machte,  wodurch  er  auch  in  direkte  Beziehungen  mit  Schumann 
kam.  Als  Klavierspieler  brachte  er  es  so  weit,  daß  er  öffentliche  Konzerte 
gab  und  später  Klavierunterricht  erteilte;  als  Komponist  stand  er,  soviel  ich 
beurteilen  kann,  wesentlich  unter  dem  Einflüsse  Schumanns,  nach  dessen 
»Frauenliebe  und  -leben«  er  in  ganz  gleicher  Weise  mit  melodischem  Reiz 
Hebbels  Zyklus  »Ein  frühes  Liebesleben«  verarbeitete.  Nur  entbehrte  er  die 
unerläßliche  Kenntnis  des  Kontrapunktes  allzusehr,  als  daß  er  es  in  dieser 
Richtung  zu  wirklicher  Künstlerschaft  gebracht  hätte.  Auch  als  Schriftsteller, 
besonders  über  Musik  und  Literatur,  mangelte  es  ihm  keineswegs  an  guten 
Gedanken  und  glücklichen  Einfällen,  nur  ließ  die  innere  Zucht  zu  wünschen 
übrig  und  dadurch  brachte  er  es  niemals  zu  einem  Stil.  Eine  gewisse  Un- 
klarheit haftete  ihm  stets  an,  sodaß  er  fortwährend  Anmerkungen  zu  seinem 
Text  und  Anmerkungen  zu  den  Anmerkungen  schreiben  mußte,  selbst  in  seinen 
Briefen.  Dabei  stak  etwas  vom  Romantiker  in  ihm,  er  nimmt  sich  merk- 
würdig fremd  in  seiner  Zeit  aus  und  behielt  bis  in  sein  spätestes  Alter  Eigen- 
tümlichkeiten, die  allmählich  gänzlich  verschwinden.  So  war  er  ein  Brief- 
schreiber alten  Stils,  der  mit  einer  kaum  zu  entziffernden  Schrift  Bogen  auf 
Bogen  füllte  und  darin  seine  Ansichten,  Erlebnisse,  Eindrücke  breit  entwickelte. 
Ein  kleiner  Zug  möge  das  dartun.  Als  er  einmal  von  meinem  Vater  Karl 
Werner  zu  einem  mehrtägigen  Aufenthalt  nach  Salzburg  geladen  worden  war, 
Ende  der  siebziger  Jahre,  verfaßte  er  über  diese  Fahrt  von  Waidhofen  an  der 
Ybbs  nach  Salzburg  und  zurück  eine  »Reisebeschreibung«  im  Stile  Sternes 
oder  Jean  Pauls.  Freilich  begreift  man  diese  Versenkung  ins  Innere,  wenn 
man  seine  Schicksale  wenigstens  einigermaßen  kennt.  Schon  sehr  früh  war 
nämlich  ein  Ohrenleiden  bei  ihm  aufgetreten,  bereits  zu  Ende  der  fünfziger 


62  Debrois  van  Bruyck.     Wesendonk. 

Jahre,  es  steigerte  sich  allmählich  bis  zur  höchsten  Schwerhörigkeit.  Dazu 
war  er  niemals  recht  glücklich  gewesen,  weil  ihm  die  Zufriedenheit  fehlte  und 
der  Neid  an  ihm  zehrte.  Er  maß  sich  selbst  nur  geringe  Schuld  bei,  daß  er 
es  im  Leben  zu  nichts  brachte,  und  sah  darin  eine  Tücke  des  Schicksals. 
Jedesfalls  hielt  er  sich  für  origineller,  als  er  war,  denn  ich  meine,  daß  er 
stets  von  fremden  Mustern  bestimmt  war  und  sich  über  sich  selbst  täuschte. 
Mit  Hebbel  zerfiel  er,  bald  nachdem  sich  Emil  Kuh  von  seinem  »Meister« 
getrennt  hatte,  doch  auch  mit  seinen  nächsten  Freunden  kam  er  auseinander, 
die  allmählich  in  feste  Stellungen  einrückten.  Anfangs  der  sechziger  Jahre  (1862?) 
heiratete  er  nach  heftigen  Kämpfen  seine  Schülerin,  die  Tochter  des  reformier- 
ten Pfarrers  Dr.  Hermann  Ernst  in  Wien,  und  kam  dadurch  in  eine  günstige 
Lage.  Bald  aber  stellten  sich  Mißverständnisse  ein  und  führten  schließlich  zur 
vollständigen  Trennung  der  Gatten,  wodurch  D.  in  vorgerückteren  Jahren  wieder 
gezwungen  war,  sich  sein  Brot  zu  verdienen.  Eine  Zeitlang  war  er  Lehrer 
an  der  Horakschen  Musikschule.  Als  sein  Ohrenleiden  immer  weiter  fortschritt, 
zog  er  sich  mit  einer  Cousine,  die  ihm  die  Wirtschaft  führte,  nach  Waid- 
hofen  a.  d.  Ybbs  zurück  und  lebte  dort  hauptsächlich  der  Lektüre  und  der 
Briefkorrespondenz,  nur  ab  und  zu  veröffentlichte  er  kleine  Aufsätze  und  gut- 
gemeinte Gedichte.  Eifrig  korrespondierte  er  besonders  mit  Paul  Heyse,  zu 
dessen  Verehrern  er  zählte;  doch  machte  er  auch  für  W.  Raabe  Propaganda 
und  behielt  seine  alte  Begeisterungsfähigkeit.  Auch  mit  Karl  Werner  stand 
er  während  der  letzten  Jahre  in  ununterbrochenem  Briefwechsel  bis  zu  dessen 
Tod.  Durch  eine  kleine  Erbschaft  war  er  den  ärgsten  Lebenssorgen  entrückt 
und  schrieb  eine  umfangreiche  Selbstbiographie,  die  aber  wegen  seiner  nahe- 
zu unleserlichen  Schrift  kein  Verleger  näher  ansehen  wollte;  auch  für  seine 
Kompositionen  fand  er  keinen  Verleger.  Als  ihn  nun  das  Unglück  traf,  daß 
seine  gleichaltrige  Cousine  und  Wirtschafterin  bei  Tisch  an  einem  Stückchen 
Fleisch  erstickte,  verlor  er  jeden  Lebensmut  und  machte  einen  Selbstmord- 
versuch, bei  dem  er  aber  gerettet  wurde.  Er  erholte  sich  noch  für  kurze  Zeit, 
setzte  die  Wiener  Gesellschaft  der  Musikfreunde  zur  Universalerbin  seines 
Nachlasses  ein  und  starb  wohl  infolge  des  großen  Blutverlustes  nach  kurzem 
Leiden,  versehen  »mit  den  Sterbesakramenten  im  74.  Lebensjahre«;  die  »Wiener 
Zeitung«  widmete  ihm  einen  kurzen  Nekrolog.  D.  zählte  zu  den  unglück- 
lichen Halbnaturen,  die  sich  für  ganz  halten,  und  so  zerfloß  auch  ihm  sein 
Leben  und  sein  Dichten. 

Emil  Kuh,  Biographie  Friedrich  Hebbels,  Wien  1877.  II  S.  422  f.  —  R.  M.  Werner, 
Friedrich  Hebbel,  Berlin  1904  S.  291  ff.  —  £.  Hartick,  Aus  meinem  Leben,  Berlin  3.  Aufl. 
1894.  —  Schumanns  Briefe  an  D.  bei  VV.  J.  v.  Wasieliewski.  Robert  Schumann.  3.  Aufl. 
Bonn  1880  S.  429  ff.  —  Friedrich  Hebbels  Briefwechsel,  Berlin  1892  II  S.  437  f.  —  Private 
Mitteilungen,  persönliche  Erinnerungen  und  ungedruckte  Briefe  an  K.  Werner.  —  Den 
Nachlaß  habe  ich  nicht  benutzt. 

Lemberg.  R.  M.  Werner. 

Wesendonk,  Mathilde,  ♦  23.  Dezember  1828  zu  Elberfeld,  f  31.  August  1902 
in  Traunblick.  —  M.  W.  war  die  Tochter  des  Kgl.  Kommerzienrats  Karl  Lucke- 
meyer  und  seiner  Frau  Johanna  geb.  Stein.  Ihre  Erziehung  erhielt  sie  in 
Düsseldorf,  wohin  ihre  Eltern  später  verzogen  waren,  und  hernach  in  Dün- 
kirchen.     Am    19.  Mai    1848    verheiratete    sie    sich    mit    Otto    Wesendonk 


Wesendonk.  ()7 

(♦  i6.  März  1815,  t  18.  November  1896,  vergl.  Biogr.  Jahrbuch  3,  84*).  Wesen- 
donk war  Teilhaber  eines  großen  Newyorker  Seidenhauses,  dessen  Geschäfte  er 
in  Deutschland  vertrat.  Die  Neuvermählten  ließen  sich  zunächst  in  Düsseldorf 
nieder.  Im  Jahre  1850  reisten  sie  nach  Amerika.  1851  kamen  sie  nach  Zürich, 
wo  sie  zunächst  im  Hotel  »Baur  au  lac«  Wohnung  nahmen.  Den  Winter  ver- 
brachten Wesendonks  zuerst  einige  Male  im  Süden  oder  in  Paris,  den  Sommer 
in  Zürich,  wo  sich  Wesendonk  endlich  auch  auf  dem  »grünen  Hügel«  in  der  Enge 
eine  Villa  erbaute,  die  aber  erst  am  22.  August  1857  endgültig  bezogen  wurde. 
Ein  kleines  daneben  liegendes  Häuschen  war  von  Wesendonk  angekauft  worden, 
der  Baumeister  Zeugherr  baute  es  wohnlich  und  behaglich  um,  und  Ende 
April  1857  konnten  Richard  Wagner  und  seine  Frau,  die  bisher  in  den 
Escherhäusem  am  sog.  Zeltweg  gewohnt  hatten,  ins  »Asyl«  übersiedeln. 

Die  persönliche  Bekanntschaft  Richard  Wagners,  dessen  künstlerische 
Größe  ihnen  zuvor  in  einem  Konzert  bei  Aufführung  einer  Beethovenschen 
Sinfonie  sich  geoffenbart  hatte,  machten  Wesendonks  im  Jahre  1852.  Frau 
W.  erzählt  in  ihren  Erinnerungen,  wie  sie  ganz  unbelehrt,  gleichsam  wie  ein 
weißes,  unbeschriebenes  Blatt,  nach  Zürich  kam  und  welch  tiefe  Eindrücke 
sie  allmählich  durch  Wagner  gewann. 

M.  W.  ist  die  Verfasserin  der  von  Wagnej  im  Winter  1857/8  vertonten 
»fünf  Gedichte«.  Aus  der  Musik  zu  den  »Träumen«  ward  in  Venedig  1858/9 
die  Liebesnacht  des  zweiten  Tristanaufzuges.  Und  aus  dem  »Treibhaus« 
ging  die  trauerschwere  Stimmung  des  dritten  Tristanaufzuges  wie  die  Blüte 
aus  der  Knospe  auf.  Das  Verhältnis  zu  M.  W.,  dessen  erhabene  Schönheit 
und  Reinheit  aus  den  nunmehr  veröffentlichten  Briefen  vor  aller  Augen  steht, 
fällt  in  einen  wichtigen  Lebensabschnitt  des  Meisters.  Er  schreibt  im  Rück- 
blick auf  die  Züricher  Jahre:  »Mir  ist  recht  deutlich,  daß  ich  nie  etwas  Neues 
mehr  erfinden  werde:  jene  eine  höchste  Blütenzeit  hat  in  mir  eine  solche 
Fülle  von  Keimen  getrieben,  daß  ich  jetzt  nur  immer  in  meinen  Vorrat  zurück- 
zugreifen habe,  um  mit  leichter  Pflege  mir  die  Blume  zu  erziehen.«  Ring  — 
Tristan  —  Parzivalentwurf  —  und  endlich  aus  der  Todessehnsucht  des  Tristan 
die  das  Leben  durch  Entsagung  überwindende,  aber  nicht  verneinende  Dichtung 
der  Meistersinger  —  also  Blütenpracht  und  spätere  reifste  Lebensfrucht!  Frau 
W.  war  in  jener  Zeit  die  Vertraute  seines  Herzens  und  erfuhr  alles,  was 
seine  Seele  bewegte.  Auch  nach  seinem  Weggang  aus  Zürich  im  August  1858 
blieb  er  mit  ihr  im  regsten  Briefwechsel  bis  zum  Dezember  1863.  Wie  ein 
milder  Engel  erschien  ihm  die  Freundin  oft  in  den  Nöten  und  Stürmen  des 
Lebens  und  einmal  nennt  er  sie  auch  Elisabeth,  womit  das  Verhältnis  aufs 
zarteste  angedeutet  wird.  Es  wäre  ganz  irrig,  in  M.  W.  das  Urbild  der  Isolde 
zu  sehen.  Ihrem  Wesen  fehlt  durchaus  der  leidenschaftlich  heroische  Zug. 
Viel  eher  könnte  man  in  Hans  Sachs  und  Evchen  einen  Nachklang  persön- 
licher Empfindungen  erblicken.  Aber  auch  dieser  Vergleich  gilt  nur  sehr 
allgemein  beim  Anklang  einzelner  verwandter  Stimmungen  zwischen  dem 
Kunstwerk  und  Leben.  Wenn  man  die  Meisterbriefe  durchliest,  mag  man 
an  Goethe  und  Frau  von  Stein  denken.  Und  so  ist  auch  M.  W.  durch 
Richard  Wagner  unsterblich  geworden. 

Im  Frühjahr  und  Sommer  1858  waren  die  nachbarlichen  Beziehungen  zu 
W.s  durch  die  krankhaft  überreizte  Stimmung  Minnas,  der  Frau  Wagners, 
mehrfach  gestört  worden.     Das  Asyl  auf  dem  grünen  Hügel  war  auf  die  Dauer 


64  VVesendonk.     Habart. 

nicht  mehr  zu  erhalten.  Zwischen  Frau  Minna  und  Frau  W.  war  es  zu  Aus- 
einandersetzungen gekommen.  Eine  Versöhnung  war  nicht  mehr  möglich. 
Würdige  und  wünschenswerte  Beziehungen  zum  Nachbarhause  waren  in  Minnas 
Anwesenheit  nicht  mehr  herzustellen.  Was  schließlich  den  Meister  zwang, 
das  Asyl  aufzugeben,  hat  er  selber  in  einem  Brief  an  seine  Schwester  Kläre 
vom  20.  August  1858  ausgesprochen,  »um  Aufklärungen  zu  geben,  wo  sie 
nötig  sein  sollten.« 

Wagner  ging  im  August  1858  über  Genf  nach  Venedig,  um  den  zweiten 
Aufzug  des  Tristan  auszuführen.  Im  April  1859  n^ihm  er  in  Luzem  im 
Schweizerhof  Wohnung,  um  den  dritten  Aufzug  auszuarbeiten.  Der  persön- 
liche und  briefliche  Verkehr  mit  W.s  wurde  aufs  lebhafteste  gepflegt.  Im 
September  reiste  Wagner  zu  mehr  als  zweijährigem  Aufenthalte  nach  Paris. 
Von  hier  gingen  die  ausführlichsten  Berichte  an  die  Freundin.  Otto  W. 
reiste  zum  Tannhäuser  im  März  1861  nach  Paris.  Ins  Asyl  auf  dem  grünen 
Hügel  ist  Wagner  nicht  mehr  eingezogen.  Kurz  vor  der  entscheidenden 
Wendung  im  März  und  April  1864  weilte  er  bei  Frau  Wille  auf  Mariafeld, 
nicht  auf  dem  grünen  Hügel. 

Die  weiteren  Lebensereignisse  von  M.  W.  sind  rasch  erzählt.  1872  ver- 
ließen W.s  den  grünen  Hügel,  und  zogen  nach  Dresden.  Im  Winter  188 1 — 82 
weilten  sie  in  Kairo  und  siedelten  im  Herbst  1882  nach  Berlin  (seit  Früh- 
jahr 1887  in  den  Zelten  21)  über.  1878  hatte  W.  den  Landsitz  Traunblick 
am  Traunsee  im  Salzkammergut  erworben,  wo  gewöhnlich  Sommeraufenthalt 
genommen  wurde.  In  Traunblick  starb  Frau  Mathilde,  seit  18.  November  1896 
Witwe,  ganz  plötzlich  nach  nur  achtstündiger  Krankheit  am  31.  August  1902, 
Mittags  I  Uhr.  Die  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  Richard  Wagner  und 
seinem  Hause  waren  stets  aufrecht  erhalten  geblieben. 

M.  W.  schrieb  Gedichte,  Märchen,  Dramen,  die  teilweise  in  Privatdrucken 
erschienen.  Ich  nenne  hier:  Gedichte,  Zürich  o.  J.;  Gedichte,  Leipzig  1874; 
Märchen  und  Märchenspiele,  Zürich  1864  und  Berlin  1900;  Naturmythen, 
Zürich  1865;  Der  Baidurmythus,  Dresden  1875;  Gudrun,  Zürich  1868;  Edith 
oder  die  Schlacht  bei  Hastings,  Stuttgart  1872;  Friedrich  der  Große,  Berlin 
1872;  Kalypso,  ein  Vorspiel,  Dresden  o.  J.;  Odysseus,  Dresden  1878;  Alkestis, 
Leipzig  1881  u.  1898.  Keine  selbständige  Gestaltungskraft,  wohl  aber  feines 
poetisches  Nachempfinden  tritt  in  allen  diesen  Schriften  hervor. 

Vgl.  Richard  Wagner  an  Mathilde  VV.,  Tagebuchblätter  und  Briefe  1853—71,  Berlin  1904. 
Briefe  Richard  Wagners  an  Otto  W.,  Charlottenburg  1898. 

Wolfgang  Golther. 

Habart,  Johann,  k.  u.  k.  Oberstabsarzt  2.  Kl.,  Privatdozent  der  Kriegs- 
chirurgie, *  23.  September  1845  in  Vonikov  (Böhmen),  f  ^9-  April  1902  in 
Wien.  —  Militärzögling  der  ehemaligen  Josefsakademie,  1873  zum  Dr.  der 
gesamten  Heilkunde  promoviert,  war  H.  während  des  Okkupationsfeldzugs 
in  Bosnien  tätig,  1885 — 1895  Gardearzt  der  königlich  ungarischen  Leibgarde, 
habilitierte  sich  auf  Anregung  von  Theodor  Billroth  im  Jahre  1894  an  der 
Universität  in  Wien,  wurde  schließlich  Chefarzt  der  chirurgischen  Abteilung 
des  Garnisonspitals  Nr.  2.  Er  war  der  wissenschaftlich  bedeutendste  Arzt 
des  k.  und  k.  Heeres  während  des  19.  Jahrhunderts,  einer  der  ersten  über- 
haupt, welche  die  moderne  Geschoßfrage  vom   experimentellen  Standpunkt 


Habart.     von  Mantey.  ße 

bearbeitet  haben,  wurde  jedoch  dienstlich  nicht  entsprechend  gewürdigt, 
vermochte  auch  an  der  Universität  die  Errichtung  einer  Lehrkanzel  für 
Kriegschirurgie  nicht  durchzusetzen  und  starb  aufs  tiefste  verbittert. 

Hauptwerke:  Die  Geschoßfrage  der  Gegenwart  und  ihre  Wechselbeziehungen  zur 
Kriegschirurgie.  Wien  1890  (französisch  von  Level);  Die  Geschoßwirkung  der  8  mm- 
Handfeuerwaffen  an  Menschen  und  Pferden.  Mit  5  Tafeln.  Wien  1892;  Das  Klcinkaliber 
und  die  Behandlung  der  Schußwunden  im  Felde.  Wien  1894;  Quellen  Verzeichnis  zur  Bio- 
graphie: Töply  (R.  R.  V.),  Johann  Habart,  in  der  Zeitschrift  »Der  Militärarzt«  Nr.  9.  u,  10. 
Wien  1902. 

Wien,  30.  Juni  1904.  R.  R.  v.  Töply, 

Mantey,  Eberhard  von,  General  der  Infanterie  z.  D.,  ♦  23.  Juni  1835  zu 
ückermünde,  f  am  12.  Juni  1902  zu  Dessau.  —  M.  trat  am  i.  Oktober  1853 
als  Einjährigfreiwilliger  in  die  2.  Pionier-Abteilung  ein  und  besuchte  von 
1854  bis  1857  die  Vereinigte  Ingenieur- und  Artillerieschule,  im  Oktober  1855 
zum  Portepeefähnrich  und  im  März  1856  zum  Sekondleutnant  aufrückend. 
Nach  beendigtem  Lehrkursus  wurde  er  zunächst  der  3.  und  im  September  1859 
der  6.  Pionier- Abteilung  zugewiesen,  kam  alsdann  im  Juli  1860  zur  Fortifi- 
kation  in  Glogau  und  wurde  1861  Adjutant  der  2.  Pionier-Inspektion.  Im 
Feldzuge  von  1864  in  Schleswig  fand  er  Verwendung  als  Ingenieuroffizier 
beim  Stabe  des  Generalkommandos  des  preußischen  kombinierten  Armee- 
korps, beteiligte  sich  in  dieser  Stellung  sowohl  an  dem  Erkundungsgefecht 
vor  Düppel  am  22.  Februar,  als  auch  am  Gefecht  bei  Düppel  am  17.  März, 
an  der  Erstürmung  und  Belagerung  der  Düppeler  Schanzen  am  18.  April, 
wie  am  Übergange  nach  Alsen  am  29.  Juni.  Nach  der  Rückkehr  in  die 
Friedensverhältnisse  wurde  M.  im  Frühjahr  1865  dem  mit  der  Abfassung 
eines  neuen  Sappeur-Reglements  beauftragten  Oberst  von  Schweinitz  auf 
mehrere  Monate  zur  Verfügung  gestellt  und  leitete  während  dieses  Komman- 
dos im  Sommer  gleichen  Jahres  die  Zeltlagerarbeiten  auf  der  Lockstedter 
Heide  in  Holstein.  Später  dem  Gouverneur  des  Herzogtums  Schleswig  bei- 
gegeben, trat  M.  nach  Beendigung  dieses  Kommandos  zum  Generalstabe  des 
V.  Armeekorps  über,  in  welcher  Stellung  er  im  Kriege  von  1866  gegen 
Österreich  die  Gefechte  bei  Nachod,  Skalitz,  Schweinschädel  und  Gradlitz 
sowie  die  Schlacht  von  Königgrätz  mitmachte.  Nach  dem  Friedensschlüsse 
wurde  er  als  Kompagnieführer  zum  i.  westpreußischen  Grenadierregiment  Nr.  6, 
1868  als  solcher  zum  i.  niederschlesischen  Infanterieregiment  Nr.  46  komman- 
diert und  am  folgenden  22.  März  als  Kompagniechef  in  das  2.  nassauische 
Infanterieregiment  Nr.  88  versetzt.  In  dieser  Stellung  wirkte  M.  bis  zum 
März  1870,  zu  welchem  Zeitpunkte  seine  Versetzung  in  den  großen  General- 
stab bezw.  bei  der  Mobilmachung  zum  Generalstabe  des  V.  Armeekorps 
erfolgte.  Im  Kriege  gegen  Frankreich  nahm  er  am  Treffen  von  Weißenburg, 
der  Schlacht  bei  Wörth,  dem  Avantgardengefecht  bei  Stonne,  der  Schlacht 
bei  Sedan,  dem  Gefecht  bei  Petit-Bicötre,  der  Einschließung  von  Paris,  dem 
Ausfallgefecht  bei  La  Malmaison  und  an  der  Schlacht  beim  Mont  Valerien 
teil,  wofür  er  beide  Klassen  des  Eisernen  Kreuzes  sowie  das  Ritterkreuz 
I.Klasse  des  bayrischen  Militär- Verdienstordens  erhielt.  Im  September  1870 
zum  Major  befördert,  wurde  M.  nach  Beendigung  des  Feldzuges  am  18.  Sep- 
tember 1875  geadelt,  am  22.  März  1876  zum  Oberstleutnant,  am  3.  Februar  1875 

Bio|7.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog'.    7.  Bd.  c 


66  von  Mantey.     von  Ditfurth. 

zum  Abteilungschef  im  Großen  Generalstabe,  später  zum  Lehrer  an  der 
Kriegsakademie  und  am  nächsten  14.  April  zum  Mitgliede  der  Studien- 
kommission für  das  Kadettenkorps  ernannt,  auch  im  Jahre  1878  zu  den 
unter  Leitung  des  Generals  v.  Verdy  bei  Straßburg  i.  E.  stattfindenden  Übun- 
gen im  Festungskriege  hinzugezogen  sowie  im  September  1880  zum  Oberst 
befördert.  Als  solcher  wurde  er  am  4.  Juni  188 1  Kommandeur  des  3.  west- 
fälischen Infanterieregiments  Nr.  16,  erhielt  am  11.  März  unter  Beförderung 
zum  Generalmajor  die  16.  Infanteriebrigade  und  trat,  nachdem  er  die 
29.  Division  seit  dem  19.  September  1888  geführt  hatte,  unterm  darauffolgen- 
den 15.  Oktober  an  deren  Spitze.  Am  11.  Februar  1892  in  Genehmigung 
seines  Abschiedsgesuches  zur  Disposition  gestellt,  erhielt  M.  am  22.  März  1897 
den  Charakter  als  General  der  Infanterie. 

Nach  den  Akten.  Lorenz en. 


Ditfurth,  Barthold  von,  General  der  Infanterie  z.  D.,  ♦  2.  November  1826, 
f  in  der  Nacht  vom  16.  zum  17.  Juni  1902  in  Berlin.  —  Nachdem  D.  seine 
Erziehung  im  elterlichen  Hause  erhalten  hatte,  trat  er  am  29.  Juli  1844  ^ils 
Gemeiner  auf  Beförderung  in  das  i.  Garderegiment  zu  Fuß  ein,  wurde  am 
21.  Juni  1846  Sekondleutnant  und  machte  im  März  1848  die  Barrikadenkämpfe 
in  Berlin  mit.  Später  war  er  vom  Mai  1849  ^^^  ^""^  Dezember  1850  zum 
3.  Bataillon  des  3.  Garde-Landwehr-Regiments,  auch  vom  i.  Oktober  185 1 
auf  3  Jahre  zur  Allgemeinen  Kriegsschule  (Kriegsakademie)  kommandiert. 
Inzwischen  zum  Premierleutnant  aufgerückt  und  in  das  Garde-Schützenbataillon 
versetzt  (23.  Juni  1855),  erhielt  er  am  i.  Juni  1856  ein  dreijähriges  Kom- 
mando zum  Topographischen  Bureau,  wurde  am  31.  Mai  1859  ^""^  Hauptmann 
befördert  und  ein  Jahr  später  zum  Kaiser  Franz-Grenadierregiment  komman- 
diert, auch  am  nächsten  i.  Juli  in  dieses  Regiment  versetzt.  Seit  dein 
19.  September  1860  Kompagniechef,  zog  er  1866  mit  seiner  Kompagnie 
gegen  Österreich  ins  Feld,  wo  er  sich  im  Gefecht  bei  Soor  und  in  der 
Schlacht  bei  Königgrätz  auszeichnete.  Nach  Friedensschluß  kam  D.  (30,  Ok- 
tober 1866)  als  Major  zum  Generalstabe  der  8.  Division  und  wurde  im 
Januar  1868  unter  Stellung  ä  la  suite  des  Generalstabes  der  Armee  Direktor 
der  Kriegsschule  in  Erfurt.  Bei  Ausbruch  des  Krieges  gegen  Frankreich 
fand  er  Verwendung  als  Chef  des  Generalstabes  der  General-Etappen-Inspek- 
tion  und  nahm  an  der  Belagerung  von  Metz,  auch  später  an  der  Schlacht 
an  der  Hallue  teil.  Nach  Beendigung  des  Krieges  trat  D.  im  April  187 1  in 
die  Direktorstelle  in  Erfurt  zurück,  stieg  am  18.  August  1871  zum  Oberst- 
leutnant auf  und  wurde  am  28.  Dezember  1872  zum  Kommandeur  des 
Füsilierbataillons  3.  posenschen  Infanterieregiments  Nr.  59  ernannt.  Darauf 
am  16.  August  1873  mit  Führung  des  4.  posenschen  Infanterieregiments  Nr.  59 
beauftragt  und  am  2.  September  zum  Oberst  befördert,  erhielt  er  am  14.  Fe- 
bruar 1874  endgültig  das  Kommando  dieses  Regiments  und  am  7.  April 
gleichen  Jahres  dasjenige  des  Kadettenhauses  zu  Berlin.  In  dieser  Stellung 
verblieb  D.,  bis  ihm  am  3.  August  1876  das  Kommando  des  anhaltschen 
Infanterieregiments  Nr.  93  übertragen  wurde.  Am  28.  November  1879  mit 
Führung  der  57.  Infanteriebrigade  betraut,  erhielt  er  unter  Beförderung  zum 
Generalmajor  am  11.  Dezember  das  Kommando  dieses  Truppenteiles,  wurde 


von  Ditfurth.     von  Dömberg.     Müller,  Wilhelm.  67 

am  12.  Januar  1884  Generalleutnant  und  Kommandeur  der  5.  Division  und 
trat  am  12.  Juli  1888  in  den  Ruhestand. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Dömberg,  Ferdinand  Frhr.  von,  Generalleutnant  z.  D.,  ♦  10.  Juli  1833  ^u 
Siegen,  f  am  15.  August  1902  zu  Cassel.  —  D.  trat  am  5.  November  1852  als 
Grenadier  auf  Beförderung  in  das  damalige  Garde-Reserve-Infanterieregiment, 
jetzige  Garde-Füsilierregiment  ein,  in  dem  er  unterm  11.  Juni  nächsten  Jahres 
zum  Portepeefähnrich  aufrückte.  Bei  seiner  am  7.  März  1854  erfolgten  Be- 
förderung zum  Sekondleutnant  wurde  er  in  das  9.  Husarenregiment  versetzt, 
wirkte  hier  von  August  1857  bis  Juli  1860  als  Regimentsadjutant,  wurde 
darauf  als  Adjutant  zur  15.  Kavalleriebrigade  bis  Juni  1864  kommandiert, 
während  welches  Zeitraums  er  am  13.  November  1863  die  Premierleu tnants- 
steme  erhielt;  im  Mai  1866  kam  er  als  Adjutant  zum  General-Kommando 
des  VIII.  Armeekorps.  Im  Kriege  desselben  Jahres  gegen  Österreich  fungierte 
D.  als  Adjutant  beim  Ober-Kommando  der  Eibarmee  und  trat  nach  Beendi- 
gung des  Feldzuges  zum  Regiment  zurück,  wo  er  am  30.  Oktober  1866  zum 
Rittmeister  und  Eskadronschef  aufstieg.  Am  10.  Februar  1870  wurde  er 
wiederum  als  Adjutant  zum  General-Kommando  des  XI.  Armeekorps  kom- 
mandiert. Während  des  Krieges  von  1870/71  verblieb  er  in  dieser  Stellung, 
in  der  er  sich  beide  Klassen  des  Eisernen  Kreuzes  und  andere  Kriegsdeko- 
rationen erwarb.  Auch  nach  dem  Friedensschluß  blieb  er  weiter  als  Adjutant 
tätig,  erhielt  am  23.  Oktober  1873  den  Charakter  und  am  16.  April  1874  das 
Patent  als  Major,  wurde  am  15.  Juli  1875  unter  Enthebung  von  seinem 
Kommando  als  etatsmäßiger  Stabsoffizier  in  das  westfälische  Ulanenregiment 
Nr.  5  versetzt  und  am  7.  Dezember  1880  mit  der  Führung  des  Dragoner- 
regiments Nr.  14.  unter  Stellung  ä  la  suite  dieses  Truppenteils  beauftragt. 
Die  Beförderung  D.s  zum  Oberstleutnant  erfolgte  am  16.  September  1881 
und  am  18.  Oktober  dieses  Jahres  jene  zum  Regimentskommandeur;  am 
14.  Juli  1885  erhielt  er  das  Patent  als  Oberst.  Nach  weiteren  zwei  Jahren 
am  22.  März  1887  zum  Kommandeur  der  18.  Kavalleriebrigade  ernannt,  wurde 
er  am  17.  April  1888  Kommandant  von  Altona  und  der  in  Hamburg  stehen- 
den Truppen.  Am  6.  November  1888  zum  Generalmajor  aufgestiegen,  erhielt 
D.  am  16.  Mai  1891  den  Charakter  als  Generalleutnant  und  schied  am  7.  Juni 
1894  aus  dem  Dienste  aus. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Müller,  Wilhelm,  Generalleutnant  z.  D.,  *  9.  April  1834  zu  Zülzendorf  im 
Kreise  Nimptsch  in  Schlesien,  f  27.  Juli  1902  zu  Berlin.  —  Als  Einjährig- 
freiwilliger am  I.  April  1853  in  das  10.  Infanterieregiment  eingestellt, 
wurde  M.  am  14.  September  1854  zum  Portepeefähnrich  nnd  am  11.  Sep- 
tember folgenden  Jahres  zum  Sekondleutnant  ernannt.  Nach  einer  längeren 
Dienstleistung  bei  der  Gewehr- Prüfungs- Kommission  in  Spandau  zum  Ka- 
dettenhaus in  Bensberg  als  Erzieher  kommandiert,  wurde  er  im  April  1861 
als  Lehrer  an  das  damalige  Kadettenhaus  in  Berlin  versetzt.  In  dieser 
Stellung  verblieb  er  bis  zum  10.  April  1862,  an  welchem  Tage  er  zum 
Premierleutnant  befördert  in  das  Kadettenkorps  übertrat.  Bei  der  Mobil- 
machung   des  Jahres  1866    gegen  Österreich  in  das  i.  posensche  Infanterie- 

5* 


6g  Müller,  Wilhelm,     von  Leonhardi. 

regiment  versetzt,  zog  er  mit  diesem  ins  Feld,  wo  er  sich  durch  sein  Ver- 
halten vor  dem  Feinde  den  Roten  Adlerorden  mit  Schwertern  erwerben 
durfte  und  am  i6.  August  zum  Hauptmann  aufstieg.  Auch  am  Feldzuge 
gegen  Frankreich  von  1870/71  nahm  er  bei  seinem  Regiment  teil,  wurde 
nach  dessen  Beendigung  im  September  1875  diesem  als  Major  aggregiert  und 
im  Mai  des  folgenden  Jahres  als  etatsmäßiger  Stabsoffizier  in  das  6.  pommersche 
Infanterieregiment  versetzt.  Hier  wurde  er  am  6.  Juli  1876  Kommandeur 
des  Füsilierbataillons,  avancierte  am  13.  September  1882  zum  Oberstleutnant 
und  am  15.  November  1883  zum  etatsmäßigen  Stabsoffizier.  Am  i.  April  1885 
erhielt  M.  das  Kommando  des  Reserve-Land  weh  rregiments  Nr.  35  (2.  Berlin) 
mit  dem  Range  eines  Regimentskommandeurs,  wurde  am  18.  September  1886 
zum  Oberst  und  am  8.  März  1887  zum  Kommandeur  des  3.  pommerschen 
Infanterieregiments  Nr.  14  ernannt.  Zwei  Jahre  später  am  19.  November  1889 
unter  Ernennung  zum  Generalmajor  zum  Kommandeur  der  29.  Infanterie- 
brigade in  Köln  befördert,  wurde  M.  im  Juni  1892  mit  der  Führung  der 
12.  Division  beauftragt,  deren  Kommando  er  im  darauffolgenden  Monat  er- 
hielt. Am  13.  März  1894  erfolgte  in  Genehmigung  seines  Abschiedsgesuches 
sein  Austritt  aus  dem  aktiven  Dienst. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Leonhardi,  Bernhard  von,  Königl.  sächs.  Generalleutnant  a.  D.,  *  21.  Ok- 
tober 1817  zu  Zschepplin  bei  Eilenburg,  f  26.  August  1902  zu  Nyitra-Sarfö 
in  Ungarn.  Im  Jahre  1830  in  das  Dresdener  Kadettenkorps  eingetreten,  kam 
L.  nach  beendigter  Ausbildung  am  i.  Juli  1835  als  Portepeejunker  in  das 
2.  sächsische  Schützenbataillon,  wo  er  am  i.  Mai  1836  zum  Leutnant  und  am 
18.  Dezember  1845  zum  Oberleutnant  befördert  wurde.  Nach  seiner  am 
I.  Januar  1846  erfolgten  Versetzung  in  das  i.  Linien-Infanterieregiment  »Prinz 
Albert«  wurde  er  am  i.  April  1847  ^^^  Adjutant  zur  i.  Linien-Infanteriebrigade 
und  genau  ein  Jahr  später  in  gleicher  Eigenschaft  zur  2.  Linien-Infanteriebrigade 
ernannt,  in  welcher  Stellung  er  im  Stabe  des  kommandierenden  Generals  des 
sächsischen  Bundeskontingents  den  Feldzug  von  1849  i"  Schleswig-Holstein 
gegen  die  Dänen  mitmachte  und  namentlich  am  Gefecht  bei  Düppel  teil- 
nahm. Im  Dezember  desselben  Jahres  wurde  L.  unter  Versetzung  als  Adju- 
tant zum  Stabe  der  i.  Infanteriedivision  seinem  Regiment  als  Hauptmann 
aggregiert.  Am  24.  Januar  1850  dem  16.  Infanteriebataillon  als  etatsmäßiger 
Hauptmann  und  am  17.  November  1861  der  Leibbrigade  als  Major  zugeteilt, 
erhielt  er  am  20.  Juli  das  Kommando  des  9.  Infanteriebataillons,  das  er  auch 
1866  im  Feldzuge  gegen  Preußen  führte  und  mit  dem  er  sich  im  Gefecht  bei 
Lubnow  und  in  der  Schlacht  bei  Königgrätz  rühmlichst  auszeichnete.  Nach 
Beendigung  des  Krieges  in  die  Heimat  zurückgekehrt,  rückte  L.  alsbald  zum 
Oberstleutnant  auf,  erhielt  am  i.  April  das  Kommando  des  8.  Infanterie- 
regiments Nr.  107  und  wurde  bald  darauf  zum  Oberst  befördert.  Im  Feldzuge 
von  1870/71  wurde  er,  kurze  Zeit  vor  dessen  Beginn  mit  der  Führung 
der  3.  Infanteriebrigade  Nr.  47  beauftragt,  zum  Generalmajor  und  Komman- 
deur dieses  Truppenteiles  ernannt,  an  dessen  Spitze  I^.  besonders  in 
der  Schlacht  bei  St.  Privat  reichen  Lorbeer  erntete,  selbst  aber  am  Ellen- 
bogengelenk schwer  verwundet  wurde.  Nach  Heilung  seiner  Verwundung 
kehrte  L.   im  März  187 1   zu  seiner  Brigade  zurück,   die  er  noch  zwei  Jahre 


von  Leonhardi.    Mähly.  gg 

nach  Beendigung  des  Krieges  befehligte,  bis  er  am  12.  April  1873  zum 
Kommandanten  der  Festung  Königstein  ernannt  wurde  und  hier  1876  zum 
Generalleutnant  aufrückte.  Von  dieser  Stellung  am  16.  Februar  1884  ent- 
bunden, trat  L.  kurze  Zeit  darauf  in  den  Ruhestand. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Mähly,  Jakob  Achilles,  Philologe  und  Schriftsteller,  *  24.  Dezember  1828 
in  Basel,  f  i4-  Juni  1902  ebenda.  —  Sohn  eines  Küfermeisters,  durchlief  M., 
glücklich  begabt,  das  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  und  wandte  sich  1847 
dem  Studium  der  klassischen  Philologie  zu,  für  die  schon  frühe  seine  Neigung 
erwacht  war.  Bereits  1850  bestand  er  sein  Doktorexamen,  nachdem  er  neben  der 
Basler  noch  die  Göttinger  Universität  besucht  hatte.  Der  Dreiundzwanzigjährige 
habilitierte  sich  dann  an  der  Basler  Hochschule,  widmete  sich  aber  daneben 
dem  Lehrerberuf,  erst  am  Realgymnasium,  wo  er,  ein  Meister  der  Schön- 
schreibekunst, Schreibunterricht  zu  erteilen  hatte,  dann  am  obern  Gymnasium 
für  Latein  und  Griechisch.  1864  rückte  er  zum  Extraordinarius,  1875  ^""1 
Ordinarius  der  klassischen  Philologie  vor,  welche  Stellung  er,  in  Verbindung 
mit  der  Tätigkeit  als  Schullehrer,  bis  Frühjahr  1890  bekleidete.  Ein  Hals- 
leiden, das  immer  stärkeren  Umfang  annahm  und  ihm  das  laute  Sprechen  zur 
Qual,  ja  zur  Unmöglichkeit  machte,  zwang  ihn  zum  Rücktritt.  Als  pensionierter 
Professor  —  was  in  der  Schweiz  ein  wenig  beneidenswertes  Los  ist  —  sah 
er  sich  künftighin  in  noch  weit  höherem  Grade  als  bisher  genötigt,  durch 
Schriftstellerei  sich  finanzielle  Quellen  zu  erschließen,  denn  eine  zahlreiche 
F'amilie,  für  die  er  in  musterhafter  Treue  besorgt  war,  wollte  unterhalten  sein. 
Diese  äußere  Nötigung  zu  vermehrtem  schriftstellerischem  Betrieb  hat  M. 
nicht  zu  besonderem  Vorteil  gereicht:  federgewandt,  wie  er  von  jeher  war, 
und  über  ein  vielseitiges  Wissen  und  Interesse  verfügend,  geriet  er  in  ein 
Vielschreiben  hinein,  das  nur  zu  oft  den  Charakter  der  Flüchtigkeit  und  der 
gar  zu  raschen  Orientierung  auf  allen  möglichen  Gebieten  an  sich  trug.  Und 
für  eigentlich  wissenschaftliche,  weniger  lukrative  Arbeit  fand  er  immer  weniger 
Muße  und  innere  Sammlung.  So  bedeutete  sein  nach  schwerem,  noch  zu 
einer  Kehlkopfoperation  führendem  Leiden  erfolgter  Tod  keinen  Verlust  der 
philologischen  Wissenschaft,  für  die  er  doch  von  Hause  aus  so  wundervoll 
begabt  war,  daß  ein  Fachmann  sich  einmal  dahin  geäußert  hat :  bei  größerer 
strengerer  Konzentration  hätte  M.  einer  der  ersten  Philologen  werden  können. 
M.  verfügte  über  eine  ganz  erstaunliche  Kenntnis  des  Griechischen  und 
Lateinischen.  Improvisationen  in  diesen  beiden  Sprachen  schüttelte  er  bei 
festlichen  Anlässen  aus  dem  Ärmel.  Schwierigkeiten  in  den  antiken  Autoren 
gab  es  für  ihn  sozusagen  keine.  Aus  dem  Stegreif  übersetzte  er  sie  in 
geschmackvollster  Weise.  Er  hat  denn  auch  sein  Talent  vielfach  in  den 
Dienst  der  Übersetzungskunst  gestellt:  griechische  und  römische  Lyriker, 
Tragiker,  aber  auch  Prosaiker  hat  er  in  schöner  Diktion  weiteren  Kreisen 
vermittelt.  Seinen  Unterricht  in  der  Schule  machte  nicht  zuletzt  seine 
P'orderung  nicht  bloß  korrekter,  sondern  auch  stilistisch  einwandsfreier  Über- 
setzung zu  einem  bildenden.  Von  aller  Pedanterie  war  er  als  Lehrer  frei; 
allerdings  verlieh  sein  allzu  sorgloses  Sichverlassen  auf  das  wohlassortierte 
Wissen  und  den  mühelos  sprudelnden  Quell  geistreicher  Einfälle  den 
Universitätsvorlesungen  manchmal  mehr  das  Gepräge  unterhaltsamer  Improvi- 


70  Mähly. 

sationen  als  eines  wohlpräparierten,  methodisch  geführten  Lehrvortrags.     Vor 
lauter  Geist  kam  die  Solidität  zu  kurz. 

In  der  Wissenschaft  der  Philologie  hat  M.  wohl  wenige  bleibende  Spuren 
hinterlassen.  Vielleicht  sein  Bestes  gab  er  in  den  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der 
Geschichte  seiner  Wissenschaft.  1862  erschien  in  Basel  die  150  Seiten  starke 
Studie  über  Sebastian  Castellio  als  biographischer  Versuch;  die  reichen  An- 
merkungen zu  dieser  Arbeit  zeigen,  daß  der  Zusatz  »nach  den  Quellen«  voll- 
berechtigt ist.  Zwei  Jahre  später  veröffentlichte  M.  in  der  Stadt,  in  der  die 
»Kultur  der  Renaissance«  erschienen  war,  seinen  »Angelus  Politianus«;  ein 
Kulturbild  aus  der  Renaissance  hat  er  die  Studie  zubenannt;  das  Werk  Jakob 
Burckhardts,  dessen  anfangs  freundschaftliches  Verhältnis  zu  M.  sich  später  ins 
Gegenteil  verwandelt  hat,  wird  einige  Male  in  der  Politianus-Schrift  zitiert, 
die  sich  flüssig  und  angenehm  liest,  was  übrigens  allen  Arbeiten  M.s  nach- 
gerühmt werden  darf.  Man  erhält  den  Eindruck,  daß  M.  sich  mit  Behagen  in 
dieses  Humanistenleben  versenkt  hat.  Es  steckte  in  ihm  selbst  ein  gut  Stück 
von  diesem  Typus;  und  wenn  er  u.  a.  von  Politianus  schreibt:  »auch  das 
Satirische,  der  persönliche  Angriff,  das  Element  des  rücksichtslosesten 
Schmähens,  des  bittersten  Hohnes  findet  sich  bei  ihm  vertreten«  —  so  sind 
selbst  das  Züge,  die  dem  Wesen  M.s  nicht  fernlagen.  Sein  scharfer  Spott 
und  sein  beißender  Hohn  haben  ihm  manchen  Feind  gemacht;  auch  in  der 
Schule  verschmähte  er  es  nicht,  dieser  pädagogisch  gefährlichen  Waffen  sich 
zu  bedienen.  Die  umfangreichste  der  philologiegeschichtlichen  Arbeiten  M.s 
ist  die  Biographie  Richard  Bentleys,  des  großen  englischen  Philologen.  In 
Leipzig  ist  sie  1868  erschienen.  Wenn  es  da  u.  a.  heißt:  »Langweilig  wird 
Bentley  nie,  er  fesselt  nicht  nur  die  gelehrten,  auch  die  gebildeten  Leser«, 
oder:  »viele  Momente  der  Eile,  ja  der  flüchtigen  Hast  lassen  sich  in  seinen 
Werken  nachweisen ;  wer  ihn  aber  über  Schlaffheit  oder  Schläfrigkeit  ertappen 
wollte,  würde  sich  vergebliche  Mühe  machen«  —  so  könnte  man  diese  Sätze 
ohne  weiteres  auf  eine  Charakteristik  des  schreibenden  Mähly  anwenden,  und 
man  begreift,  daß  er  sich  mit  einer  besonderen  Sympathie  mit  dem  alten 
Engländer  beschäftigt  hat,  in  dessen  Geistesart  er  entschiedene  Ähnlichkeiten  mit 
seinem  eigenen  Wesen  entdeckte.  Daß  die  wahrhaft  geniale  Divinationsgabe, 
die  Bentley  auf  dem  Gebiete  der  Konjekturalkritik  von  seinem  Biographen 
nachgerühmt  wird,  auch  bei  diesem  lebendig  war,  wollen  wir  nicht  behaupten; 
nur  so  viel  können  wir  sagen,  daß  auch  M.  das  Konjekturenrößlein  elegant 
und  temperamentvoll  zu  tummeln  wußte;  auch  hier  hat  er  sich  vielleicht  nur  zu 
gern  der  geistreichen  Improvisation  überlassen.  Aus  den  i86oer  Jahren  stammen 
die  Vorlesungen  über  »Wesen  und  Geschichte  des  Lustspiels«,  eine  ziemlich 
hurtige  Arbeit;  seine  1880  erschienene  »Geschichte  der  antiken  Literatur« 
(1880)  ist  zu  sehr  auf  Popularität  zugeschnitten,  als  daß  ihr  für  die  wissen- 
schaftliche Erhellung  des  Gegenstandes  eine  Bedeutung  zukäme.  Was  M.  im 
Lauf  der  letzten  Dezennien  seines  Lebens  in  belletristischen  Zeitschriften,  als 
Mitarbeiter  der  Deutschen  Biographie  usw.  veröffentlicht  hat,  ist  Legion;  auch 
für  die  Tagespresse  setzte  er  seine  flinke  Feder  oft  und  gerne  in  Bewegung. 
Der  Reichtum  .seiner  Interessen  und  die  weite  Ausdehnung  seiner  Lektüre 
traten  in  diesen  Arbeiten  deutlich  zu  Tage,  überdies  seine  rege  Teilnahme 
an  allem,  was  seine  Zeit  geistig  bewegte.  In  dieser  Beziehung  war  er  nie  ein 
Stubengelehrter.     Fügen   wir  zum  Schluß   noch  bei,    daß   Musik  und  Poesie 


Mähly.     von  Planta«  yi 

zeitlebens  seine  guten  Freunde  waren.  Wir  hoben  schon  hervor  seine  unge- 
wöhnliche Leichtigkeit  als  Übersetzer  auch  poetischer  Erzeugnisse.  M.  hat 
selbst  viel  und  gerne  gedichtet,  hochdeutsch  und  mundartlich,  Lyrisches  und 
Dramatisches.  Genaue  Dialektkenner  haben  an  seinen  hübschen  baseldeutschen 
Gedichten  (»Rhigmurmel«,  d.h.  Rheingemurmel)  manches  auszusetzen  gefunden, 
während  formal  und  inhaltlich  die  hochdeutsche  Liedersammlung  »Leid  und 
Lied«  (1865)  besonders  hoch  gewertet  wird.  Auch  politische  Satiren  hat  M. 
veröffentlicht.  In  der  Schar  der  Basler  Dichter,  die  freilich  an  poetisch 
schöpferischen  Persönlichkeiten  ungemein  arm  ist,  nimmt  M.  eine  ehrenvolle 
Stelle  ein. 

Von  Literatur  über  Mähly  ist  uns  nur  zu  Gesicht  gekommen  der  Nekrolog  Dr.  F.  Baurs 
(in  der  seither  eingegangenen  »Allg.  Schweizer  Ztg.«  vom  19.  Juni  1902),  der  dann  im 
»Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  klassischen  Altertumswissenschaft«  seinen  Wieder- 
abdruck gefunden  hat,  sowie  die  bei  der  Beerdigung  verlesenen  Personalien. 

H.  Trog. 

Planta,  Peter  Conradin  von,  Dr.  jur.  h.  c,  graubündnerischer  Staats- 
mann, Jurist  und  Geschichtsschreiber,  *  den  24.  September  181 5  im  Schlosse 
Wildenberg  zu  Zernez  in  Unterengadin,  f  den  13.  Septeniber  1902  zu  Canova- 
Paspels,  im  Domleschg,  Graubünden.  —  Den  ersten  Unterricht  empfing  P.  bei 
seiner  Mutter  und  vom  zehnten  Jahre  an  bei  Pfarrer  Wetzel  in  Silvaplana 
(Oberengadin),  einem  in  den  zwanziger  Jahren  aus  Gera  eingewanderten  jungen 
deutschen  Flüchtling.  Auch  an  der  bündnerischen  Kantonschule,  die  P.  im 
Jahre  1828  bezog,  genoß  er  den  Unterricht  und  Umgang  ideal  angelegter  deut- 
scher Burschenschafter;  die  Nachwirkung  davon  ist  zeitlebens  in  ihm  lebendig 
geblieben.  Von  der  Leipziger  Thomasschule,  an  die  P.  sodann  überging,  weiß 
er  in  seinem  »Lebensgang«  wenig  gutes  zu  berichten;  die  Lehrweise  wie  die 
Behandlung  der  Schüler  seien  schablonenhaft  gewesen  und  hätten  von  dem 
freien,  idealen  Geiste  an  der  Churer  Schule  unangenehm  abgestochen.  Wäh- 
rend er  in  den  Jahren  1835/6  an  der  Universität  Leipzig  eine  gute  allgemeine 
Bildung  sich  aneignete  (er  hörte  Drobisch,  Flathe,  Wachsmuth  u.  a.),  lag  er  von 
1836  bis  38  in  Heidelberg  juristischen  Studien  ob.  Heimgekehrt  trat  er  als 
Sachwalter  bei  der  Veltliner  Confisca-Kommission  ein,  deren  Aufgabe  es  war, 
die  Erstattung  des  von  den  cisalpinischen  Behörden  im  Jahre  1797  konfis- 
zierten bündnerischen  Privateigentums  zu  bewirken.  Die  Publizistik  zog  ihn 
aber  einstweilen  mehr  an  als  die  Rechtshändel  und  so  fand  er  sich  gern  bereit, 
die  Redaktion  einer  Zeitschrift  zu  übernehmen,  welche  unter  dem  etwas  sonder- 
baren Titel  »Der  Pfeil  des  Teilen,  eine  Monatsschrift  für  Volk,  Wissenschaft 
und  Politik«  im  Jahre  1841  in  Zürich  gegründet  wurde.  Die  übernommene 
Aufgabe  brachte  ihm  durch  das  Ausbleiben  zugesagter  Unterstützung  der 
Gründer  und  Freunde  des  Unternehmens  viel  Verdruß,  daneben  aber  auch 
den  Gewinn  ein,  daß  er  mit  vielen  führenden  Geistern  des  öffentlichen 
Lebens  der  Schweiz  bekannt  und  zugleich  mit  den  wichtigsten  Fragen  der 
eidgenössischen  Politik  vertraut  wurde.  —  P.  befand  sich  damals  ganz  im 
liberalen  Fahrwasser  und  in  gleicher  Richtung  bewegte  sich  auch  der  von 
ihm  im  Jahre  1843  in  Chur  ins  Leben  gerufene  »Freie  Rätier<',  in  dem  er 
für  die  Reform  des  bündnerischen  Gemeindewesens,  die  Revision  der  Kantons- 
und der  Bundesverfassung  eintrat. 


72  von  Planta. 

Von  1844  an  versah  P.  neben  der  Redaktion  die  Stelle  eines  Stadt- 
schreibers von  Chur;  seine  etwas  freimütige  Kritik  der  Stadtväter  kostete  ihm 
diese  Würde  jedoch  schon  nach  drei  Jahren.  Er  verfügte  nun  über  ein  Maß 
von  Erfahrung  in  Öffentlichen  Dingen,  das  ihn  für  den  Eintritt  ins  aktive 
politische  Leben  geeignet  erscheinen  ließ  und  so  wählten  ihn  seine  Mitbürger 
1849  in  den  »Großen  Rat«  und  im  Jahr  darauf  in  die  Regierung  des  Kantons. 
P.  war  so  an  erster  Stelle  mittätig  bei  der  Umgestaltung,  welche  der  Kanton 
Graubünden  damals  durchmachte  und  ihm  die  politische  Organisation  verlieh, 
die  er  im  wesentlichen  heute  noch  hat.  Die  neue  Ära  verlangte  nun  auch 
eine  Vereinheitlichung  des  in  zahlreichen  Hochgerichts-Statuten  niedergelegten 
kantonalen  Privatrechts.  Eine  Anzahl  graubündnerischer  Juristen  und  Staats- 
männer haben  von  1850 — 60  daran  gearbeitet;  mit  der  Schlußredaktion  und 
der  Abfassung  der  Kommentars  wurde  P.  betraut.  Er  entledigte  sich  des 
Auftrages  in  so  vorzüglicher  Weise,  daß  die  Arbeit  ihm  den  Doktortitel  h.  c. 
der  Zürcher  Hochschule  eintrug.  In  diese  Zeit  fällt  auch  die  Wahl  P.s  ins 
graubündnerische  Kantonsgericht,  dem  er  bis  1874,  von  1855 — 70  als  Präsi- 
dent, angehörte.  Zu  verschiedenen  Malen  zwischen  1852  und  72  war  P.  auch 
Mitglied  der  eidgenössischen  Räte  und  wenig  kantonale  und  städtische 
Behörden  sind  es,  denen  er  nicht  zeitweise  mit  seinem  reichen  Wissen  ge- 
dient hätte. 

Inbezug  auf  seine  politische  Richtung  war  P.  zeitlebens  einem  demokra- 
tischen Föderalismus  zugetan.  Er  war  ein  Befürworter  der  1848  er  Bundes- 
verfassung gewesen,  wollte  sich  aber  auch  bei  den  Revisionen  von  1872  und  74 
einer  wirklich  notwendigen  Erweiterung  der  Bundeskompetenzen  nicht  wider- 
setzen. Dabei  blieb  er  aber  ein  abgesagter  Feind  der  anschwellenden  Bundes- 
bureaukratie  und  die  kräftigsten  Worte  sind  seiner  nimmermüden  Feder  ent- 
flossen, wenn  es  galt,  das  Volk  vor  der  politischen  Zentralisation,  der 
bureaukradschen  Hydra  und  der  politischen  Bevormundung  zu  warnen;  auch 
für  die  Freiheit  von  Unterricht  und  Schule,  gegenüber  dem  allumfassenden 
Zwang  der  Staatsschule,  ist  er  mannhaft  eingetreten  und  die  Toleranz  in  reli- 
giösen Dingen  ist  ihm  stets  heilige  Gewissenssache  gewesen.  Die  größte 
Bedeutung  P.s  lag  aber  nicht  auf  dem  Gebiete  der  aktiven  Politik,  sondern 
auf  dem  der  historischen  Forschung  und  der  graubündnerischen  Geschichts- 
schreibung (vgl.  das  nachfolgende  Verzeichnis  s.  Werke).  Seiner  Initiative 
verdankt  der  Kanton  die  Gründung  der  historisch-antiquarischen  Gesellschaft, 
deren  viel  jähriger  Präsident  er  war,  und  des  »Rätischen  Museums«  in  Chur, 
das  sich  zur  Aufgabe  macht,  die  Zeugen  bündnerischen,  öffentlichen  und  pri- 
vaten Lebens  und  Schaffens  dem  Heimatkanton  zu  erhalten. 

P.  war  ein  Mann  von  philosophischem  Geiste,  ausgedehntem  Wissen  und 
unermüdlichem  Schaffensdrange,  daneben  von  einem  unauslöschlichen  Idealis- 
mus, der  ihm  über  manche  bittere  Enttäuschung  hinweghalf,  ihn  freilich  auch 
ab  und  zu  den  Anforderungen  einer  harten  Wirklichkeit  nicht  gerecht  werden 
ließ.  —  Die  Volksschmeichelei  und  das  Strebertum  waren  ihm  in  der  Seele 
zuwider,  seine  Überzeugungstreue  und  Aufrichtigkeit  über  alle  Zweifel  erhaben. 
—  Von  der  Tiefe  seines  reichen,  den  höchsten  Dingen  ernstlich  zugewandten 
Gemütes  gibt  auch  der  dichterische  Nachlaß  des  edlen,  bis  zum  Tode  geistes- 
frischen Mannes  Zeugnis. 

Verzeichnis   seiner   Werke:   i.    Über   den  Geist   unserer  Zeit.     Oder:  Woher  kommen 


von  Planta.    Bauer.  j^ 

wir  und  wohin  gehen  wir?  Als  Norm  zu  allf^lig  in  unserem  bündnerischen  Staatswesen  vor- 
zunehmenden Reformen.  Chur  1840.  8<>.  2.  Rede  über  die  aargauische  Klosterangelegen- 
heit (Gehalten  1841  im  bündnerischen  Großen  Rat).  Chur.  8°.  3.  Der  Pfeil  des  Teilen. 
Schweizerische  Monatsschrift  für  Volk,  Wissenschaft  und  Politik.  Zürich  1842 — 43.  4.  Neue 
Helvetia.  Eine  Monatsschrift.  (Redaktion  Planta  nicht  genannt).  Zürich  1843.  5.  Der 
Freie  Rhätier.  1843,  3.  Oktober — 1848,  25.  Februar.  Chur.  Gebr.  Sutter.  6.  Das  Wald- 
büchlein. Ein  Wort  zur  Beherzigung  ans  Bündnervolk.  Herausgegeben  auf  Veranstal- 
tung der  Forstkommission.  Chur  1848.  7.  Der  rätische  Aristokrat.  Bündnerisches  Charakter- 
bild aus  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts.  Chur  1849.  8<>.  8.  Ritter  Rudolf 
Planta.  Ein  Schauspiel.  Chur  1849.  8<>.  9.  Strafgesetzbuch  für  den  Kanton  Graubünden. 
1851.  10.  Der  liberale  Alpenbote.  1851 — 1856  (i.  Juli).  Chur,  Hitz.  11.  Die  Wissen- 
schaft des  Staates  oder  die  Lehre  von  dem  Lebensorganismus.  2.  Aufl.  2  Teile  (i  Band). 
Chur  1852.  g<>.  12.  Kommissionalb ericht  über  die  Reform  unseres  evangelischen  Kirchen- 
wesens im  Sinne  einer  freien  Volkskirche.  Chur.  1855.  8°.  13.  Bündnerische  Wochen- 
zeitung. Chur,  Hitz.  Großfol.  Redaktor  Planta.  1860,  18.  März — 1865,  25.  März.  14.  Das 
bündnerische  Strafverfahren.  Separat-Abdruck  aus  der  Zeitschrift  für  schweizerisches  Recht 
V,  2.  15.  Bündnerisches  Zivilgesetzbuch.  Mit  Erläuterungen  des  Gesetzesredaktors  1863. 
Chur,  Hitz.  8°.  16.  Nikiaus  von  der  Flüe  auf  dem  Tag  zu  Stans.  Schauspiel  in  einem 
Akt.  Frick  1863.  12®.  17.  Rätische  Parteigänger.  Historisches  Trauerspiel.  Frick  1864. 
18.  Die  Bündner  AlpenstraBen,  historisch  dargestellt.  St.  Gallen  1866.  S°.  19.  Das  alte 
Ratien,  staatlich  und  kulturhistorisch  dargestellt  Berlin  1872.  8®.  20.  Die  Bundesrevision 
in  ihrem  jetzigen  Stadium.  Chur  1873.  8°.  21.  Thomas  Maflner,  Ratsherr  von  Chur. 
Dramatisierte  Geschichte  aus  dem  18.  Jahrhundert.  Chur  1874.  S^.  22.  Die  Schweiz  in 
ihrer  Entwicklung  zum  Einheitsstaate.  Zürich  1877.  8°.  23.  Verfassungsgeschichte  der 
Stadt  Chur  im  Mittelalter.  (Sep.-Ausg.)  Chur  1879.  S«».  24.  Pädagogik  und  Schablone. 
In  Briefen.  Chur  1879.  8«».  2.  Aufl.  1882.  25.  Die  Churrätischen  Herrschaften  in  der 
Feudalzeit.  Mit  einer  Karte  der  currätischen,  weltlichen  und  geistlichen  Herrschaften.  Bern 
1881.  S°.  26.  Der  dreißigjährige  Kampf  um  eine  rätische  Alpenbahn,  historisch  darge- 
stellt   Chur  1885.    80.     27.  Dramatisierte  Geschichten  (zum  Teil  in  zweiter  Auflage).    Bern 

1885.  80.     ( I.Heft).     28.  Dramatisierte  Geschichten  (zum  Teil  in  zweiter  Auflage).     Bern 

1886.  (2.  Heft).  29.  Die  Rekonstruktion  der  Familie  und  des  Erbrechts.  (Ein  Beitrag  zur 
I^Ösung  der  sozialen  Frage).  Chur  1886.  8°.  30.  Die  österreichische  Inkameration  von 
1803  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Kantons  Gr<iubünden.  (S.-A.)  s.  1.  (1888).  8°. 
31.  Biographie  des  Professor  und  Dekan  Georg  Sprecher.  (S.-A.)  Chur  1888.  8°.  32.  Ge- 
schichte und  Dichtung.  Bern  und  Basel  1889.  8°.  33.  Andreas  Rudolf  von  Planta.  Ein 
republikanischer  Staatsmann.  Zürich  1893.  8*>.  34.  Pater  Theodosius,  ein  menschenfreund- 
licher Priester,  Mit  dem  Bilde  und  Facsimile  des  P.  Theodosius.  Bern  1893.  8°.  35.  Ge- 
schichte von  Graubünden  in  ihren  Hauptzügen,  gemeinfaßlich  dargestellt.  Bern  1892.  S°. 
2.  Aufl.    Bern  1894.    8«».     36.  Vermischte  Dichtungen.    Bern  1897.    8°.     37.   Tratienimaint 

festw.  In  Commemoraziun  della  battag lia  da  chalavaina  d.  d.  22.  May  1499.  Tenor  Sgr. 
cons.  de  stadi  P.  C.  Planta.  Coira  1897.  8®.  38.  Schulte  und  Tschudi.  Ein  Beitrag  zur 
historischen  Kritik.  Chur  1898.  8°.  39.  Die  Staatenbildung,  philosophisch  und  historisch 
beleuchtet  Vorgetragen  in  der  historisch-antiquarischen  Gesellschaft  von  Graubünden. 
(S.-A.)  1901.     Gr.  8°.     40.  Mein  Lebensgang.     Chur  1901.     8°. 

Quellenverzeichnis  zur  Biographie:  i.  Mein  Lebensgang.  Chur  1901.  2.  Jahresbe- 
richt der  histor.-antiquar.  Ges.  von  Graubünden.  Chur  1902.  3.  Bündner  Tagblatt.  Chur 
1902,  Nr.  220.  4.  Freier  Rhätier.  Chur  1902,  Nr.  217.  5.  Gazetta  romonscha.  Chur  1902, 
Nr.  38.  Th.  Sprecher  v.  Bernegg. 

Bauer,  Heinrich,  Journalist,  *  9.  Februar  1838  in  Stuttgart,  f  8.  Juli  1902 
in  Berlin.  —  Der  Sohn  des  schon  1846  gestorbenen  Stuttgarter  Gymnasial- 
professors Ludwig  Bauer,  der  als  Dichter  und  vertrauter  Freund  Mörikes  in 


74  •  Bauer. 

der  schwäbischen  Literaturgeschichte  eine  Rolle  gespielt  hat,  erhielt  er  seine 
Ausbildung  im  niederen  evangelisch-theologischen  Seminar  Schönthal  und 
dann  im  höheren  Tübinger,  dem  weltbekannten  »Stift«.  Mehr  von  der  Philo- 
logie als  von  der  Theologie  angezogen,  brach  er,  wie  mancher  seiner  Freunde, 
im  Jahre  1859  seine  Studien  ab,  als  bei  der  Mobilmachung  im  italienischen 
Kriege  an  die  Tübinger  Studenten  der  Ruf  der  Regierung  erging,  in  das 
Heer  einzutreten.  B.  diente  einige  Jahre  als  Leutnant  im  8.  Infanterieregiment 
in  Ludwigsburg.  Die  ungünstigen  Beförderungsverhältnisse  und  seine  lite- 
rarischen Neigungen  brachten  jedoch  in  ihm  den  Entschluß  zur  Reife,  ganz 
zum  Journalismus  überzugehen.  Er  verdiente  sich  bei  der  Hallbergerschen 
illustrierten  Zeitschrift  »Über  Land  und  Meer«  die  Sporen  und  leitete  dann 
ein  kleines  nationales  Blatt,  die  A.  Krönersche  Schwäbische  Volkszeitung. 
Man  stand  damals  mitten  in  den  heftigsten  Parteikämpfen  um  Deutschlands 
Einigung.  Noch  war  Württemberg  eine  Hochburg  des  Partikularismus,  und 
die  Anhänger  des  Nationalstaats  unter  Preußens  Führung  bildeten  hier  nur  ein 
kleines  Häuflein.  B.  gehörte  zu  dieser  patriotischen  Minderzahl.  Mit  jugend- 
lichem Mut  und  manchmal  auch  Übermut,  mit  Witz  und  Schlagfertigkeit  ver- 
trat er  seinen  politischen  Standpunkt.  Er  war  ein  Draufgänger,  der  nach 
allen  Seiten  um  sich  hieb  und  auch  die  ganz  im  partikularistischen  Fahr- 
wasser segelnde  württembergische  Regierung  nicht  schonte.  Diese  suchte  sich 
des  unbequemen  Journalisten  durch  einen  Schwurgerichtsprozeß  zu  entledigen, 
der  sich  in  Eßlingen  abspielte,  aber  mit  einem  Freispruch  endete. 

Als  B.  1866  die  Heimat  verließ,  war  der  Kampf  schon  so  gut  wie  zu 
Gunsten  der  von  ihm  verfochtenen  Sache  entschieden.  Dann  kamen  seine 
Wanderjahre.  In  Hannover,  Straßburg,  Breslau,  Posen  leistete  er  journalistische 
Dienste.  1884  trat  er  als  zweiter  Redakteur  bei  der  Nationalzeitung  in  Berlin 
ein.  Er  bearbeitete  einen  Teil  des  Auslands  und  schrieb  über  diesen  Gegen- 
stand zahllose  Leitartikel.  Seine  reichen  geschichtlichen  und  geographischen 
Kenntnisse  lieferten  ihm  dafür  eine  gediegene  wissenschaftliche  Grundlage. 
1897  gab  er  seine  angesehene  Stellung  an  dem  geachteten  nationalliberalen 
Blatte  auf,  um  die  Oberleitung  einer  neugegründeten  unabhängigen  Tages- 
zeitung, des  Berliner  Herold,  zu  übernehmen.  Das  Unternehmen  erwies  sich 
jedoch  als  kurzlebig.  B.  stellte  nunmehr  seine  gewandte  und  witzige  Feder 
in  den  Dienst  belletristischer  Zeitschriften.  Schon  1886  hatte  er  eine  burleske 
Erzählung  »Der  verzauberte  Apfel«  (Stuttgart  bei  R.  Lutz)  veröffentlicht, 
worin  er  das  württembergische  Seminarleben  mit  köstlichem  Humor  abschil- 
derte. Daß  das  Werkchen  in  Schwaben  nicht  durchweg  mit  der  nötigen 
Unbefangenheit  aufgenommen  ward,  konnte  seiner  ergötzlichen  Wirkung 
keinen  Abbruch  tun.  Zwei  größere  humoristische  Arbeiten,  der  von  hinten 
anfangende  Roman  »Ein  verkrachtes  Übermenschlein«  und  eine  »den  östlichen 
Agrariern  und  Krähwinklern«  gewidmete  Geschichte,  blieben  ungedruckt,  so 
daß  uns  der  volle  Einblick  in  diesen  Teil  seines  Talents,  der  mit  seines 
Vaters  burlesk  komischem  Zeitroman  »Die  Überschwänglichen«  (1836)  in  einem 
gewissen  literarhistorischen  Zusammenhange  steht,  nicht  vergönnt  ist.  Nicht  nur 
schmerzhafte  Leiden  des  Körpers,  sondern  auch  mancherlei  Kränkungen  und 
Enttäuschungen  verbitterten  die  letzten  Lebensjahre  des  begabten  und  tapferen 
Journalisten.  Er  hinterließ  eine  Witwe  (Amalie,  Tochter  des  bekannten 
Historikers  Johann  Wilhelm  Zinkeisen)  und  drei  Kinder. 


Bauer.     Eiben. 


75 


Schwäbischer  Merkur  vom  lo.  Juli  1902,  Nr.  315  (O.  Rommel),  Nationalzeitung  vom 
selben  Tag  Nr.  421   (S.  E.  Köbner),  sonstige  Zeitungsnotizen,  Privatraitteilungen. 

R.  Krauß. 

Eiben,  Eduard,  Redakteur  und  Politiker,  *  12.  September  1825  in  Stutt- 
gart, f  9.  August  1902  ebenda.  —  Er  war  der  Sohn  des  Dr.  Emil  Eiben, 
Redakteurs  und  Mitbesitzers  des  Schwäbischen  Merkurs,  und  ein  Enkel  des 
bekannten  Begründers  dieser  angesehenen  Zeitung,  Christian  Gottfried  Elbens. 
Nachdem  er  das  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  durchlaufen  hatte,  widmete  er 
sich  in  Tübingen  dem  Studium  der  Rechtswissenschaft  und  erstand  die 
juristischen  Examina.  Hierauf  trat  er  1850  in  die  Redaktion  des  Schwäbischen 
Merkurs  ein  und  versah  diesen  Posten  bis  Ende  der  achtziger  Jahre;  auch 
dann  noch  blieb  er  Mitinhaber  des  Geschäfts,  dessen  Senior  er  seit  Otto  E.s 
Tode  war.  Daneben  widmete  er  manches  Jahr  seine  Kräfte  den  städtischen 
Angelegenheiten.  1856/8  war  er  Mitglied,  1857/8  zugleich  Obmann  des  Bürger- 
ausschusses, von  1858  bis  1875  gehörte  er  dem  Stuttgarter  Gemeinderat  an. 
Hier  arbeitete  er  hauptsächlich  auf  dem  Gebiete  des  Schul-  und  Armenwesens. 
Außerdem  wirkte  er  in  zahlreichen  wohltätigen  Vereinen  als  Vorstand  oder 
Ausschußmitglied.  1870  stand  er  an  der  Spitze  eines  Spitals  für  Verwundete, 
der  Stuttgarter  freiwilligen  Feuerwehr  diente  er  mit  Eifer,  bekleidete  die 
Würde  eines  Ehrenvorsitzenden  des  Vereins  für  Arbeiterkolonien,  saß  bis  kurz 
vor  seinem  Tode  im  Bürgerschulrat.  Besonders  lagen  ihm  die  kirchlichen 
Interessen  seiner  Vaterstadt  und  der  Johannesgemeinde,  zu  der  er  zählte,  am 
Herzen.  Seit  1874  gehörte  er  ihrem  Kirchengemeinderat  an;  schon  1858 
hatte  er  das  Amt  eines  Schriftführers  des  Stuttgarter  Kirchenbauvereins  über- 
nommen. Die  Errichtung  der  herrlichen  Johanneskirche  und  später  eines 
Gemeindehauses  wurde  von  ihm  mit  opferwilligem  Eifer  betrieben  und  ge- 
fördert. 

Als  Politiker  schloß  sich  E.  —  im  Gegensatz  zur  nationalliberalen  Haltung 
des  Schwäbischen  Merkurs  —  für  seine  Person  der  konservativen  Partei  an. 
Er  wirkte  viele  Jahre  im  Landesausschuß  und  im  Stuttgarter  Ortsausschuß  der- 
selben. Zur  parlamentarischen  Tätigkeit  brachte  er  es  nicht:  1881  kandidierte 
er  im  6.  württembergischen  Reichstagswahlkreise,  unterlag  jedoch  gegen  den 
demokratischen  Mitbewerber.  Dagegen  vertrat  er  1888 — 94  Aalen,  1894 — 1900 
Waiblingen  in  der  Landessynode.  Gegen  das  Papsttum  nahm  er  eine  aus- 
gesprochen feindselige  Stellung  ein,  machte  für  die  Beibehaltung  des  Jesuiten- 
gesetzes Propaganda  usw.  Mit  wahrem  Feuereifer  nahm  er  sich  der  Sache 
des  Evangelischen  Bundes  in  Württemberg  an,  dessen  Mitbegründer  er  war. 
Bis  1897  stand  er  dem  württembergischen  Landesverein  und  der  Ortsgruppe 
Stuttgart  des  Bundes  vor;  nach  seinem  Rücktritt  wurde  er  zum  Ehrenpräsidenten 
bzw.  Ehrenvorsitzenden  dieser  beiden  Körperschaften  ernannt.  Seine  Verdienste 
um  das  öffentliche  Wohltätigkeitswesen  wurden  1871  durch  Verleihung  des 
Olgaordens  anerkannt. 

E.  starb  nach  längerem  Leiden  an  Herzschwäche.  Seine  Gattin  Mathilde, 
geb.  Eiben,  war  ihm  3  Jahre  nach  47jähriger  Ehe  im  Tode  vorangegangen. 
Sieben  Kinder  überlebten  ihn. 

Schwäbische  Chronik  vom  9.  August  1902,  Nr.  366  und  12.  August  Nr.  370,  (Stutt- 
garter) Neues  Tageblatt  vom  9.  August  Nr.  184,  Gedruckte  Leichenrede  (Stuttgart,  Chr.  Scheufeie). 

R.  Krauß. 


y6  Lauser. 

Lauser,  Wilhelm,  Dr.,  Schriftsteller,  ♦  15.  Juni  1836  in  Stuttgart,  f  11.  No- 
vember 1902  in  Charlottenburg.  —  L.  stammte  aus  einer  geachteten  Stutt- 
garter Handwerkerfamilie;  sein  Vater,  ein  Schreinermeister,  bestimmte  den 
begabten  Sohn  für  einen  gelehrten  Beruf  und  ließ  ihn  das  hauptstädtische 
Gymnasium  und  dann  die  evangelisch-theologi sehen  Landesseminarien  in  Urach 
und  Tübingen  besuchen.  Hier  mußte  sich  der  junge  L.  der  Gottesgelehr- 
samkeit widmen,  und  er  erstand  auch  wirklich  die  erste  theologische  Dienst- 
prüfung. Doch  zogen  ihn  die  philologisch-historischen  Fächer  weit  mehr  an, 
und  er  setzte  die  in  Tübingen  begonnenen  geschichtlichen  Studien  bei  Lud- 
wig Häusser  in  Heidelberg  fort.  Nachdem  er  sich  1859  die  philosophische 
Doktorwürde  erworben  hatte,  war  er  eine  Zeit  lang  Hilfslehrer  am  Stuttgarter 
Gymnasium.  Bald  warf  er  sich  jedoch  dem  Journalismus  in  die  Arme.  Er 
ging  nach  Paris,  wo  er  zunächst  bei  der  Herausgabe  einer  deutschen 
Korrespondenz  beschäftigt  war,  sich  jedoch  nach  kurzer  Frist  auf  eigene  Füße 
stellte  und  für  die  Allgemeine  Zeitung  sowie  andere  große  Blätter,  insbesondere 
Wiener,  Berichte  verfaßte.  Äußerst  beweglich  und  geschmeidig,  dabei  Würde 
mit  verbindlichem  Wesen  paarend,  eignete  er  sich  rasch  weltmännische 
Manieren  und  diplomatisch  feines  Auftreten  an.  Da  er  zugleich  ein  universell 
veranlagter  Kopf  von  wissenschaftlicher  Befähigung  und  gediegenen  Kennt- 
nissen, außerdem  mit  geselligen  Talenten  ausgerüstet  war,  so  mußte  er  in 
seinem  Beruf,  für  den  er  sich  vorzüglich  eignete.  Glück  machen.  Es  gelang 
ihm,  in  Paris  mit  vielen  namhaften  politischen  und  literarischen  Persönlich- 
keiten, so  mit  Gambetta,  Beziehungen  anzuknüpfen,  was  natürlich  seinen 
Korrespondenzen  zugute  kam.  Daneben  brachte  er  eine  beachtenswerte,  von 
Häusser  angeregte  wissenschaftliche  Arbeit  zustande:  »Die  Matin^es  royales 
und  Friedrich  der  Große«  (Stuttgart  1865).  Auf  Grund  von  Forschungen 
auf  der  Pariser  Bibliothek  stellte  er  darin  verschiedene  Punkte  richtig  und 
wies  die  Unechtheit  jener  dem  Könige  zugeschriebenen  Schrift  endgültig  nach. 

Seit  Herbst  1868  weilte  L.  als  Zeitungskorrespondent  in  Madrid,  wo  eben 
Königin  Isabella  vom  Thron  verjagt  worden  war.  Auch  hier  machte  er  sich 
in  einflußreichen  Kreisen  heimisch.  Vor  allem  aber  eignete  er  sich  über 
Land  und  Leute  gründliche  Kenntnisse  an,  so  daß  er  in  der  Folge  in  Deutsch- 
land die  wichtigsten  Aufklärungen  über  spanische  Zustände  verbreiten  konnte 
und  als  einer  der  besten  Kenner  spanischer  Sprache  und  Geschichte  galt. 
Er  veröffentlichte  später  eine  Reihe  geschichtlicher  und  kulturgeschichtlicher 
Werke  aus  der  jüngsten  Vergangenheit  und  Gegenwart  dieses  Landes,  so  die 
Kulturskizzen  »Aus  Spaniens  Gegenwart«  (Leipzig  1872),  »Geschichte  Spaniens 
von  dem  Sturze  Isabellas  bis  zur  Thronbesteigung  Alfonsos«,  2  Teile  (Leip- 
zig 1877),  »Von  der  Maladetta  bis  Malaga.  Zeit-  und  Sittenbilder  aus 
Spanien«  (Berlin  1881,  im  Allg.  Verein  für  deutsche  Literatur).  Auch  gab  er 
(Stuttgart  1889)  eine  elegante  Übersetzung  des  »ersten  Schelmenromans,  La- 
zarillo  von  Tornes«  (neue  Ausgabe  Leipzig  1902)  heraus. 

Von  Spanien  ging  es  nach  Italien,  wo  sich  L.  mit  den  Kunstschätzen  des 
Landes  vertraut  machte  und  so  zum  Kunstschriftsteller  ausbildete,  dann  — 
immer  als  Berichterstatter  —  zur  Eröffnung  des  Suezkanals.  1871  wußte  er 
sich,  alte  Verbindungen  geschickt  benutzend,  in  das  von  der  Kommune  be- 
herrschte Paris  Einlaß  zu  verschaffen.  Seine  Berichte  über  die  dortigen  Vor- 
gänge erregten  Aufsehen,  und  das  1878  veröffentlichte  Buch  »Unter  der  Pariser 


Lauser. 


n 


Kommune«  hat  als  primäres  Quellenwerk  aus  der  Feder  eines  Augenzeugen 
bleibenden  Wert. 

Herbst  187 1  ließ  sich  L.  in  Wien  nieder.  Er  gehörte  hier  der  Redaktion 
der  (Alten)  Presse  an,  bis  er  1876  samt  seinem  Blatt  in  einer  für  ihn  sehr 
unangenehmen  Weise  in  den  Arnim-Prozeß  verwickelt  wurde.  Nunmehr  trat 
er  in  die  Redaktion  des  Neuen  Wiener  Tagblatts  ein.  Zugleich  gab  er 
15  Jahre  lang  die  fast  ganz  von  ihm  geschriebene  »Allgemeine  Kunstchronik« 
heraus,  die  namentlich  in  Österreich  großes  Ansehen  genoß.  Daraus  ist  sein 
zweibändiges  Werk  »Kunst  in  Österreich-Ungarn«  (1884  f.)  erwachsen.  Auch 
redigierte  er  seit  1890  die  österreichische  Ausgabe  der  Gartenlaube.  In 
Wien  verkehrte  L.  in  den  ersten  künstlerischen  und  literarischen  Kreisen  und 
machte  selbst  ein  Haus,  nachdem  er  sich  mit  der  Tochter  eines  von  Brasilien 
nach  Wien  zurückgewanderten  Kaufmanns  vermählt  hatte. 

1893  leistete  L.  einem  Rufe  an  die  Deutsche  Verlagsanstalt  in  seiner 
Vaterstadt  Stuttgart  Folge,  wo  er  die  Leitung  der  illustrierten  Zeitschrift  Ȇber 
Land  und  Meer«  und  der  »Deutschen  Romanbibliothek«  übernahm.  Da  es 
bis  dahin  an  einem  Mittelpunkt  des  literarischen  Lebens  in  Stuttgart  gefehlt 
hatte,  rief  er  den  dortigen  Literarischen  Klub  ins  Dasein,  dessen  erster  Vor- 
stand er  wurde.  Nachdem  sich  1896  sein  Verhältnis  zur  Deutschen  Verlags- 
anstalt gelöst  hatte,  kehrte  er  als  Vertreter  der  (Münchener)  Allgemeinen 
Zeitung  nach  Wien  zurück.  Noch  im  Herbst  desselben  Jahres  erhielt  er,  von 
hohen  Gönnern  empfohlen,  die  Leitung  der  offiziösen  »Norddeutschen  Allge- 
meinen Zeitung«  in  Berlin  angetragen  und  nahm  an.  Auf  diesem  gefährlichen 
und  schwierigen  Posten  war  er  um  so  weniger  auf  Rosen  gebettet,  als  er  mit 
sehr  beschränkten  finanziellen  Mitteln  zu  rechnen  hatte.  Doch  fand  sich  der 
vielgenannte  Mann  auch  in  dieser  Stellung  zurecht  und  gewann  das  Vertrauen 
des  deutschen  Reichskanzlers.  Er  .stattete  die  ihm  anvertraute  Zeitung  mit 
einer  literarischen  Beilage  aus,  der  er  besondere  Sorgfalt  und  Liebe  zu- 
wandte. 

Ein  Magenleiden  veranlaßte  L.  Mitte  September  1902,  sich  ins  Privat- 
leben zurückzuziehen.  Er  wollte  sich  fortan  ganz  historischen  Studien  widmen. 
Aber  seine  Tage  waren  gezählt.  Die  Krankheit  steigerte  sich  rasch  und  nahm 
eine  schlimme  Wendung.  Auf  dem  Friedhof  von  Charlottenburg,  wo  er  seine 
Privatwohnung  gehabt  hatte,  wurde  er  unter  reger  Beteiligung  der  politischen 
und  literarischen  Welt  begraben.  Er  hinterließ  eine  Witwe,  Lili  L.,  die  sich 
als  Übersetzerin  bekannt  gemacht  hat,  und  eine  Tochter.  Äußere  Ehren  sind 
L.,  wie  bei  seinen  weitreichenden  Verbindungen  zu  erwarten  stand,  in  reichem 
Maße  zuteil  geworden.  Er  war  Mitglied  der  spanischen  Akademie  der 
Wissenschaften,  Offizier  der  französischen  Akademie,  Inhaber  österreichischer, 
spanischer,  rumänischer  Orden  und  Medaillen;  seit  1895  besaß  er  den  Titel 
eines  württembergischen  Geheimen  Hofrats.  Außer  den  schon  erwähnten 
Werken  hat  er  noch  »Ein  Herbstausflug  nach  Siebenbürgen«  (Wien  1886)  und 
»Kreuz  und  Quer.  Erzählungen  aus  meinem  Wanderleben«  (Stuttgart  1899) 
geschrieben,  Ferdinand  Kürnbergers  Nachlaß  herausgegeben  und  mancherlei 
übersetzt,  namentlich  des  Polen  Julian  Klaczko  Florentinische  Plaudereien 
aus  dem  Französischen  (Wien  1884). 

A[dolf]  P[alm]  im  (Stuttgarter)  Neuen  Tagblatt  vom  13.  November  1902  Nr.  266, 
Schwäbische  Chronik  vom  12./13.  November  1902  Nr.  528  f.,  Staatsanxeiger  fUr  Württemberg 


78  Lauser.     Franck. 

vom  13.  November  Nr.  266,  Norddeutsche  Allgemeine  Zeitung  vom  13.  November  Nr.  267 
und  16.  November  Nr.  270,  2.  Morgen-Ausgabe,  Notizen  in  Wiener  und  sonstigen  Zeitungen; 
Brummer,  Lexikon  der  deutschen  Dichter  und  Prosaisten  des  19.  Jahrhunderts  (5.  Ausgabe) 
II  S.  387  und  582;  Werke  in  Kürschners  Deutschem  Literaturkalender.        R.  Krauß. 


Franck,  Hermann  (Heinrich),  Großindustrieller,  ♦27.  Dezember  1838  in 
Vaihingen  a.  d.  Enz  (in  Württemberg),  "f  i^.  September  1902  in  Ludwigsburg.  — 
Seine  Eltern  waren  (Johann)  Heinrich  F.,  Besitzer  einer  Zichorienfabrik  in 
Vaihingen,  und  Friederike,  geb.  Marquardt.  Nachdem  er  seine  Lehrzeit  in 
einem  Stuttgarter  Speditionsgeschäft  beendigt  hatte,  nahm  er  verschiedene 
kaufmännische  Stellungen  in  Mannheim  und  in  der  französischen  Schweiz  ein 
und  trat  dann  in  das  väterliche  Geschäft  ein,  zu  dessen  Teilhaber  er  1864 
angenommen  wurde.  Seiner  Tatkraft  und  seinem  Unternehmungsgeist  ver- 
dankte die  Firma  »Heinrich  Franck  Söhne«  in  erster  Linie  ihren  großartigen 
Aufschwung.  1869  wurde  die  Fabrik  nach  dem  günstiger  gelegenen  Ludwigs- 
burg verlegt,  dessen  atmosphärisches  Wahrzeichen  seitdem  der  Zichoriengeruch 
geworden  ist.  Die  deutschen  Zollverhältnisse  gaben  seit  Anfang  der  achtziger 
Jahre  den  Anstoß  zur  Begründung  zahlreicher  Filialen  in  Österreich,  Ungarn, 
Rumänien,  der  Schweiz,  Italien  und  Nordamerika.  Im  ganzen  gebietet  die 
längst  weltberühmt  gewordene  Firma  heute  über  i8  Fabriken;  die  letzte  wurde 
1*901  in  Halle  a.  S.  angelegt.  Von  Billigkeits-  und  Klugheitsgründen  gleicher- 
maßen geleitet,  traf  F.  durch  mustergültige  Wohlfahrts-  und  Versorgungsein- 
richtungen für  das  Heil  der  zahlreichen  von  ihm  abhängigen  Existenzen  die 
denkbar  beste  Fürsorge. 

Auch  an  dem  übrigen  industriellen  Leben  Württembergs  nahm  F.  regen 
Anteil.  Von  1875  bis  1901  gehörte  er  der  Stuttgarter  Handelskammer  an, 
in  der  er  eine  Rolle  spielte.  Seit  1879  führte  er  den  Vorsitz  in  der  Kom- 
mission für  Handel  und  Gewerbe,  bei  der  Neukonstituierung  der  Kammer  im 
Jahre  1900  übernahm  er  den  Vorsitz  in  der  Verkehrskommission,  nachdem  er 
1895  zum  Eisenbahnbeirat  als  ordentliches  Mitglied  (früher  schon  stellvertreten- 
des) delegiert  worden  war.  Die  Verkehrsangelegenheiten  beanspruchten  über- 
haupt seine  besondere  Aufmerksamkeit,  und  er  trat  mit  Wärme  für  die  Verein- 
fachung und  Vereinheitlichung  des  deutschen  Post-  und  Eisenbahnwesens  ein. 
Als  Politiker  war  er  entschieden  national  gesinnt.  Er  gehörte  zu  den  Mit- 
begründern und  treuesten  Anhängern  der  Deutschen  Partei  in  Württemberg. 
In  der  letzten  Zeit  unterstützte  er  namentlich  die  Bestrebungen  des  deutschen 
Flottenvereins  'mit  Tatkraft.  Er  rief  in  Ludwigsburg  einen  Orts  verein  des- 
selben, dessen  Vorsitz  er  übernahm,  ins  Leben. 

Hervorragende  Verdienste  erwarb  sich  F.  um  die  Entwicklung  der  Stadt 
I^udwigsburg,  in  deren  Bürgerausschuß  er  1877  gewählt  wurde.  Er  gab  die 
Anregung  zu  den  verschiedensten  nützlichen  Einrichtungen,  bemühte  sich  um 
Hebung  des  Verkehrs,  Besserung  des  Straßenwesens  usw.,  und  war,  seinen 
praktischen  Bestrebungen  ideale  paarend,  fortgesetzt  auf  Verschönerung  des 
Stadtbildes  bedacht,  wie  er  auch  den  Gesangvereinen  und  dem  gesanglichen 
Leben  in  Ludwigsburg  eifrige  Fürsorge  widmete.  Er  stellte  dabei  seine 
reichen  Mittel  zur  Verwirklichung  seiner  Ideen  freigiebig  zur  Verfügung. 
1899  machte  er  eine  Reihe  großartiger  Stiftungen  unter  dem  Gesamtnamen 


Franck.     Hiller. 


79 


»Hermann  Franck-Stiftungen«  an  die  Stadt,  die  ihn  zum  Dank  dafür  als  ihren 
Ehrenbürger  annahm.     Dazu  kam  eine  stille  Wohltätigkeit  im  großen  Stil. 

1899  überließ  er  seinen  Söhnen  die  leitende  Stelle  im  Geschäft,  ohne 
jedoch  diesem  seine  Arbeitskraft  und  Erfahrungen  zu  entziehen.  Seit  1901 
zwangen  ihn  schwere  körperliche  Leiden  sich  mehr  und  mehr  von  der 
Öffentlichkeit  zurückzuziehen.  Eine  lange  Schmerzenszeit  ging  seiner  Auf- 
lösung voran.  —  Er  war  seit  1864  mit  Ida  Raschle  aus  Wattwyl  (Kanton 
St.  Gallen)  vermählt;  sie  und  vier  Kinder  betrauerten  das  Familienoberhaupt.  — 
1884  war  F.  durch  den  Titel  eines  Kommerzienrats,  1897  durch  den  eines 
Geheimen  Kommerzienrats  ausgezeichnet  worden;  ferner  besaß  er  das  Ritter- 
kreuz I.  Klasse  des  württembergischen  Friedrichsordens. 

Schwäbische  Chronik  vom  15.  September  1902  Nr.  428  und  17.  September  Nr.  432, 
Staatsanzeiger  für  Württemberg,  (Stuttgarter)  Neues  Tagblatt,  Ludwigsburger  Zeitung  je 
vom  15.  und  17.  September  Nr.  215  u.  217,  Gewerbeblatt  aus  Württemberg  1902  Nr.  39, 
S.  306  f.,  gedruckte  Leichenrede  (Ludwigsburg,  Hofbuchdruckerei  Ungeheuer  und  Ulmer, 
27  S.  40)  mit  Bildnis,  Wiederholung  der  wichtigsten  Zeitungsnekrologe  und  Nachrufe. 

R.  Krauß. 

Hiller,  Eduard,  Dichter,  *  14.  Dezember  18 18  in  Stuttgart  (Vorstadt  Berg), 
f  18.  November  1902  in  Buoch  (bei  Waiblingen  in  Württemberg).  —  Er  war 
ein  Sohn  des  Steuerkommissärs  Friedrich  August  H.,  der  1823  als  Stadt- 
schultheiß nach  Bietigheim  kam,  und  ein  Urenkel  des  bekannten  geistlichen 
Liederdichters  Philipp  Friedrich  H.  Volkslied  und  Gesang  fanden  in  seinem 
elterlichen  Hause  liebevolle  Pflege.  Eine  heitere  Jugend  war  ihm  beschieden. 
Nachdem  er  in  der  Bietigheimer  Lateinschule  und  dem  Heilbronner  Gym- 
nasium seine  Schulbildung  erhalten  hatte,  bezog  er  die  Universität  Tübingen 
zum  Studium  der  Staatswissenschaften.  Aber  schon  nach  zweieinhalb  Jahren 
mußte  er  eines  anhaltenden  Kopf-  und  Nervenleidens  wegen  die  Hochschule 
verlassen.  In  ländlicher  Umgebung  fühlte  er  bald  Erleichterung,  und  so  ver- 
fiel er  auf  den  Gedanken,  sich  ganz  der  Landwirtschaft  zu  widmen.  Er  war 
zuerst  einige  Jahre  praktisch  tätig  und  besuchte  dann  die  Akademie  Hohen- 
heim.  Nach  mehrjährigem  Aufenthalt  außerhalb  seiner  württembergischen 
Heimat  übernahm  er  1848  die  Administration  des  Güterkomplexes  der  Frei- 
herren von  Ellrichshausen  und  von  Troyff  mit  dem  Wohnsitz  in  Assumstadt 
(württ.  Oberamt  Neckarsulm),  wo  ihm  seine  Schwester  Emilie  den  Haushalt 
führte.  1855  ward  er  plötzlich  von  seinem  alten  Leiden  überfallen  und  mußte 
seine  Stellung  aufgeben  —  ein  Entschluß,  der  ihm  um  so  schwerer  fiel,  als 
er  keineswegs  mit  irdischen  Glücksgütern  gesegnet  war.  Er  zog  sich  nach 
Bietigheim  zurück,  wo  inzwischen  ein  Bruder  von  ihm  Amtsnachfolger  des 
Vaters  geworden  war.  Hier  erwachte  in  ihm  der  dichterische  Trieb,  der  ihm 
zu  einer  Quelle  des  Trostes  und  der  Stärkung  in  seinem  Ungemach  wurde, 
und  so  entstanden  seine  »Stimmen  vom  Krankenlager«.  1860  war  er  soweit 
hergestellt,  daß  er  sich  nach  einem  neuen  Wirkungskreis  umsehen  konnte. 
Er  leistete  einem  Ruf  an  die  Akademie  Hohenheim  als  Wirtschaftsassistent 
und  Hilfslehrer  Folge;  nach  zweieinhalb  Jahren  rückte  er  zum  zweiten  Haupt- 
lehrer und  Professor  vor.  Aber  nach  wenigen  Jahren  zwang  ihn  ein  erneuter 
Krankheitsrückfall,  gegen  den  sich  alle  nur  erdenklichen  Heilversuche  macht- 
los erwiesen,  seine  Entlassung  zu  nehmen.     Nun  nahm  sich  ein  großmütiger 


80  Hülen 

Freund,  der  Stuttgarter  Bankier  Kommerzienrat  Friedrich  G.  Schulz,  seiner 
an  und  stellte  ihm  zuerst  ein  Gartenhaus  auf  der  Höhe  von  Stuttgart,  dann 
sein  kleines  Landhaus  im  lieblichen  Dorfe  Buoch  zur  Verfügung.  Dort  ver- 
brachte der  Leidende,  anfangs  von  einer  zuverlässigen  Dienerin,  später  von 
seiner  Schwester  Emilie  treu  verpflegt,  an  den  Lehn-  und  Rollstuhl  gebannt, 
seit  1869  in  tiefster  Zurückgezogenheit  seinen  langen  Lebensrest.  Nur  selten 
konnte  er  Besuche  bei  sich  sehen;  aber  wenn  ihm  der  Stuttgarter  Lieder- 
kranz oder  ein  sonstiger  Verein  auf  einem  Ausfluge  nach  Buoch  mit  ein 
paar  Liedern  huldigte,  erquickte  ihn  ein  solcher  Festtag  für  lange  Zeit. 
Ergeben  in  sein  schweres  Schicksal,  bewahrte  er  sich  die  Heiterkeit  des 
Gemüts.  Sein  Geist  blieb  bis  zuletzt  klar  und  lebendig,  und  die  Muse 
wich  ihm  nicht  von  der  Seite.  Magenblutungen  verzehrten  vollends  den 
Rest  seiner  bei  allen  Leiden  zähen  Körperkraft.  Er  erreichte  fast  ein  Alter 
von  84  Jahren. 

H.s  erste  Liedersammlung  erschien  1861  unter  dem  Titel  »Stimmen  vom 
Krankenlager«  (Stuttgart  bei  P.  W.  Quack;  2.  Auflage  als  »Gedichte«  eben- 
da 1863).  Die  dritte  Auflage,  die  1886  mit  stark  verändertem  Bestände 
unter  der  Überschrift  »Wintergrün«  in  die  Welt  ging,  ist  von  einem  Freunde 
des  Dichters,  L.  W.  Straub,  besorgt  (Stuttgart  bei  Greiner  und  Pfeiffer;  4.  Auf- 
lage: ebenda  1897).  Das  Buch  enthält  zum  größeren  Teile  hochdeutsche,  nur 
zum  kleineren  schwäbische  Gedichte.  Jene  zeigen  keine  durchgreifende 
Eigenart.  Sie  sind  in  leichtem,  anmutig  schlichtem  Liedertone  gehalten  und 
haben  zum  hauptsächlichen  Gegenstand  das  Leben  der  heimatlichen  Natur, 
dessen  stille  Freuden  ihn  unwiderstehlich  anziehen.  Nur  ein  lehrhafter  Zug, 
der  sich  in  die  Naturbetrachtung  eingeschlichen  hat,  erinnert  an  das  Kranken- 
lager. In  den  mundartlichen  Stücken  kehren  dieselben  Stoffe  wieder;  dann 
aber  schreitet  H.  zur  Schilderung  des  bäuerlichen  Lebens  in  idyllischen 
Stimmungsbildern  und  humoristischen  Erzählungen  vor.  Diese  Dichtweise 
hat  erst  in  einer  zweiten,  ausschließlich  dem  Dialekte  gewidmeten  Sammlung 
»Naive  Welt.  Schwäbische  Lieder  und  Idyllen«  (Stuttgart  1891,  bei  R.  Lutz; 
2.  vermehrte  Auflage:  ebenda  1893;  3.  Auflage:  ebenda  1897)  ihre  volle  Aus- 
prägung erfahren.  Das  Buch  führt  seinen  Titel  mit  Fug  und  Recht.  H.  hat 
das  moralische  Mäntelchen  abgeworfen,  er  ist  jetzt  ganz  naiver,  realistischer 
Schilderer  des  ländlichen  Treibens,  der  ländlichen  Sitten,  der  ländlichen  Liebe. 
Seine  Darstellung  setzt  den  Reichtum  und  die  Kraft  der  schwäbischen  Volks- 
sprache in  helles  Licht,  und  der  Durchschnitt,  den  er  aus  dem  unterschwä- 
bischen Dialekt  gezogen  hat,  eignet  sich  für  literarische  Zwecke  vorzüglich. 
Kraftvoll,  kernig  in  der  Ausdrucksweise,  bewegt  er  sich  doch  —  mit  seltenen 
Ausnahmen  —  in  den  Grenzen  des  ästhetisch  Zulässigen. 

H.  ist  ohne  Frage  unter  den  neueren  schwäbischen  Dialektdichtern 
der  bedeutendste  gewesen.  Im  Lande  ist  das  —  von  seiten  der  Sachver- 
ständigen zum  mindesten  —  allgemein  anerkannt.  Seine  poetischen  Erstlinge 
fanden  schon  Uhlands  Beifall,  der  brieflich  von  ihnen  rühmte,  sie  zeugen 
von  selbständigem  Gehalte  und  seien  aus  lebendiger  Erfahrung  und  innerem 
Berufe  zum  Dichten  hervorgegangen.  Andere  Dichtergenossen,  wie  Heyse, 
Mörike,  J.  G.  Fischer,  urteilten  ähnlich.  Aber  außerhalb  Württembergs  hat 
H.  nur  ein  geringes  Maß  von  Beachtung  und  Anerkennung  gefunden.  Der 
Sinn  für  die  mundartliche   Poesie  Schwabens  ist  eben  —  aus  Gründen,  deren 


Hiller.     Goldschmidt.  gl 

Erörterung  hier  zu   weit  führen  würde  —  bei  den  übrigen  deutschen  Volks- 
stämmen nur  sehr  schwach  entwickelt. 

Schwäbische  Chronik  vom  19.  November  1902  Nr.  539  und  22.  November  Nr.  545 
"•  5461  (Stuttgarter)  Neues  Tagblatt  vom  20.  November  Nr.  272  und  22.  November  Nr.  274, 
Staatsanzeiger  für  Württemberg  vom  19.  November  Nr.  271,  Der  Beobachter  vom  20.  No- 
vember Nr.  272  und  sonstige  Zeitungsnotizen;  gedruckte  Leichenrede  (Rottweil,  Paul  Bau- 
hoher)  mit  Nachrufen  und  Lebenslauf;  A.  Holder,  Geschichte  der  schwäbischen  Dialekt- 
dichtung (Heilbronn  1896)  S.  167—171  (mit  Bild),  derselbe  in  Schwabenland  I  (Stuttgart  1897) 
Nr.  3,  R.  Krauß,  Schwäbische  Literaturgeschichte  II  S.  166 f.,  Brummer,  Lexikon  der  deut- 
schen Dichter  und  Prosaisten  des  19.  Jahrhunderts  (5.  Ausgabe)  II  S.  162  f. 

R.  Krauß. 

Goldschmidt,  Friedrich,  Großindustrieller,  Parlamentarier  und  Volkswirt, 
♦  am  20.  Februar  1837  zu  Berlin,  f  am  13.  Juni  1902.  —  G.  war  ein  Sohn 
von  Eduard  Goldschmidt  (*  1793,  f  1865),  der  zu  seiner  Zeit  eine  ange- 
sehene Stellung  im  gewerblichen  Leben  Berlins  gehabt  und  namentlich  in  der 
von  ihm  mit  seinen  Brüdern  1828  begründeten  Kattundruckerei  zuerst  die 
Benutzung  von  Dampfmaschinen  eingeführt  hat.  Er  hatte  als  freiwilliger  Jäger 
den  Befreiungskrieg  mitgemacht,  und  hielt  auch  in  späteren  Jahren  an  den 
Idealen  dieser  Zeit  fest.  Er  war  ein  Vertreter  des  freisinnigen  Bürgertums, 
das  durch  die  Steinschen  Reformen  emporgekommen  und  bestrebt  war,  die 
Gedanken  der  Reform  weiter  auszubauen.  Seihen  lebhaften  Geist  und  eine 
nicht  unbedeutende  künstlerische  Begabung  hatte  er  durch  Reisen  und  durch 
den  Verkehr  mit  vielen  bedeutenden  Männern  gebildet,  er  stand  dem  Schleier- 
macherschen  Kreise  nahe,  Männer  wie  Jonas  und  Sydow,  die  Führer  der  libe- 
ralen kirchlichen  Bewegung  in  Berlin,  Künstler  wie  Wilhelm  von  Kaulbach, 
Drake,  Schirmer,  Stilke  gehörten  zu  den  vertrauten  Freunden  seines  Hauses. 
Durch  seine  Frau  war  er  auch  in  nähere  Beziehungen  zu  Alexander  von  Hum- 
boldt gekommen.  Sie  war  eine  Tochter  des  Staatsrats  Kunth,  der  in  seiner 
Jugend  die  Brüder  Humboldt  erzogen  hatte,  dann  ein  Vertrauter  Steins  ge- 
worden war,  später  als  Ministerialdirektor  der  Abteilung  für  Handel  und  Ge- 
werbe, zuletzt  als  General-Handels-Kommissarius  sich  energisch  bemüht  hatte, 
die  Gewerbetreibenden  selbständig  zu  machen,  sie  von  der  Bevormundung 
des  Staates  zu  befreien,  der  auch  bei  der  Vorbereitung  des  Zollvereins  in 
hervorragender  Weise  mitgewirkt  hatte.  Die  ernste  Richtung  seines  Wesens 
war  auf  seine  Tochter,  die  Mutter  Friedrich  Goldschmidts  übergegangen,  eine 
Frau  von  gediegener  Bildung,  klarem  Denken  und  tiefem  Gemüt.  Dies 
elterliche  Haus  hat  sowohl  durch  seine  politische  Richtung  wie  durch  sein 
geistig  angeregtes  Leben  großen  Einfluß  auf  Friedrich  Goldschmidts  Entwick- 
lung ausgeübt. 

G.  besuchte  die  Caüersche  Anstalt  in  Charlotten  bürg  und  das  Köllnische 
Gymnasium.  Achtzehnjährig  begann  er  in  der  »Farbenküche«  der  väterlichen 
Fabrik  sich  praktisch  in  der  Chemie  zu  üben,  die  er  nachher  an  der  Berliner 
Universität  eingehend  studierte.  Um  auswärtige  Betriebe  kennen  zu  lernen, 
arbeitete  er  ein  Jahr  lang  als  Volontär  in  einer  Kattundruckerei  zu  Mühl- 
hausen i.  E.,  dann  besuchte  er  die  hauptsächlichsten  Fabrikstädte  von  Frankreich 
und  England.  Nach  kurzer  Tätigkeit  im  väterlichen  Geschäfte  verließ  er  das- 
selbe 1862  wieder,  weil  ein  ungestümer  Drang  ihn  trieb,  noch  mehr  zu  sehen 
und  zu  lernen,  seine  Anschauung  zu  erweitem.     Er  trat  in  ein  New -Yorker 

Biogr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.    7.  Bd.  6 


82  Gol^scbmidt. 

Geschäft  ein  und  hatte  als  dessen  Vertreter  Gelegenheit,  fast  alle  Industrie- 
städte der  Vereinigten  Staaten  und  einen  Teil  von  Mittel-Amerika  kennen  zu 
lernen.  Nach  anderthalb  Jahren  kehrte  er  zurück  und  trat  wieder  in  das  väter- 
liche Geschäft,  um  bald  dessen  Leitung  zu  übernehmen. 

1866  zog  G.  als  Reserve-Offizier  mit  dem  35.  Regiment  nach  Böhmen. 
Er  trug  den  Degen  und  die  Feldflasche,  die  der  Vater  18 14  als  Leutnant  der 
Landwehr  und  1848  als  Hauptmann  der  Bürgerwehr  benutzt  hatte.  Die  Feld- 
flasche bewährte  sich  als  Talisman,  sie  wurde  in  der  Schlacht  bei  König- 
grätz  durch  einen  Granatsplitter  zerschmettert.  1870  zur  Garde-Landwehr 
kommandiert,  half  G.  Straßburg  erobern  und  Paris  einschließen.  Bei  den 
Märschen  wurde  er  wegen  seiner  praktischen  Gewandtheit  und  seiner  Übung 
in  der  französischen  Sprache  meist  als  Fourier  vorausgesandt  oder  mit  anderen 
selbständigen  Kommandos  betraut.  Er  erhielt  das  eiserne  Kreuz,  wurde  zum 
Premierleutnant,  später  zum  Hauptmann  der  Landwehr  befördert. 

Bald  nach  der  Rückkehr  aus  dem  Felde  wurde  G.  zum  Direktor  der  neu- 
begründeten Aktiengesellschaft  Friedrichshöhe  gewählt,  welche  mit  einem 
Kapital  von  350000  Talern  die  Patzenhofersche  Bierbrauerei  übernahm  und 
umgestaltete.  Er  hat  bis  zu  seinem  Tode  von  187 1  bis  1902  diese  Brauerei 
geleitet.  Vorher  hatte  sie  zuletzt  11 000  Tonnen  (fast  14000  Hektoliter)  jähr- 
lich gebraut,  der  neuen  Leitung  gelang  es,  bereits  im  ersten  Jahre  mehr  als 
das  Doppelte:  25600  Tonnen  zu  brauen  und  die  Produktion  weiter  zu  steigern, 
sodaß  im  letzten  Jahre  von  G.s  Verwaltung  das  dreißigfache  der  anfänglichen 
Leistung  erreicht  wurde,  während  das  Aktienkapital  der  Unternehmung  all- 
mählich auf  das  fünffache  erhöht  worden  war.  Solche  Erfolge  lenkten  die 
Augen  der  Berufsgenossen  auf  den  neuen  Direktor,  sodaß  er  unter  ihnen  bald 
eine  angesehene,  später  eine  führende  Stellung  einnahm.  Bereits  1876  wurde 
er  von  der  Reichsregierung  als  Mitglied  der  Jury  zur  Weltausstellung  in  Phila- 
delphia geschickt.  1881  half  er  den  Verein:  »Versuchs-  und  Lehranstalt  für 
Brauerei«  begründen,  er  wurde  in  den  Vorstand  des  Vereins,  1894  zum  ersten 
Vorsitzenden  gewählt.  Das  rasche  Aufblühen  dieser  Lehranstalt  und  der  mit 
ihr  verbundenen  Versuchsbrauerei  erfüllte  ihn  mit  berechtigtem  Stolz,  er  suchte 
der  Anstalt  erstklassige  Lehrkräfte  zu  gewinnen  und  freute  sich,  daß  sie  An- 
sehen und  nicht  nur  praktische  sondern  auch  große  wissenschaftliche  Bedeu- 
tung gewann.  Als  die  Invaliditäts-  und  Altersversicherungsanstalt  Berlin  ein- 
gerichtet wurde,  widmete  er  ihr  eine  eifrige  Tätigkeit,  er  wurde  in  den  Ausschuß 
und  bald  zu  dessen  Vorsitzenden  gewählt. 

Es  genügte  ihm  aber  nicht,  in  seinem  Berufe  und  für  seine  Berufsgenossen 
zu  wirken,  auch  weiteren  Kreisen  der  arbeitenden  Klassen  wollte  er  nützlich 
werden,  er  wollte  helfen,  sie  geistig  und  wirtschaftlich  zu  heben  und  dadurch 
die  gesellschaftlichen  Unterschiede  zu  mildern.  Von  diesem  Bestreben  ge- 
leitet trat  er  1873  in  die  Lehrerschaft  des  Großen  Berliner  Handwerker-Vereins. 
Schnell  gewann  er  Übung  im  Reden,  fast  schneller  noch  gewann  er  durch 
seine  Frische,  durch  sein  freundliches  Wesen,  durch  die  vielfache  Anregung, 
die  von  ihm  ausging,  Achtung  und  Liebe.  Er  wurde  in  den  Vorstand,  1879 
zum  ersten  Vorsitzenden  des  Vereins  gewählt.  Während  der  10  Jahre,  in 
denen  er  dies  Amt  bekleidete,  hat  zwar  die  Mitgliedschaft  abgenommen,  weil 
die  Sozialdemokraten  ausschieden,  aber  der  Verein  hat  sich  innerlich  be- 
festigt   und    seine    Einrichtungen    vervollkommnet.      Namentlich    haben    die 


Goldschmidt.  g? 

Bibliothek  und  das  Unterrichtswesen  wesentliche  Verbesserungen  erfahren  und 
sehr  viel  größere  Ausdehnung  gewonnen.  Die  vom  Verein  eingerichtete  Bau- 
gewerksschule  wuchs  bald  so  an,  daß  ihre  Erhaltung  die  Kräfte  des  Vereins 
überstieg;  sie  erhielt  Zuschüsse  vom  Staat  und  von  der  Stadt  Berlin;  als 
schließlich  die  Räume  des  Vereins  nicht  mehr  ausreichten,  wurde  sie  ganz 
von  der  Stadt  übernommen  und  zu  einer  selbständigen  Anstalt  ausgebaut. 

Einige  seiner  Vorträge  im  Handwerker-Verein  ließ  G.  drucken,  zuerst 
1875:  »drei  Vorträge  über  die  Vereinigten  Staaten  von  Nord-Amerika«.  In 
diesen  steht  er  durchaus  auf  dem  Standpunkt  wirtschaftlicher  Freiheit,  deren 
Segnungen  er  mit  kräftigen  Worten  preist.  Als  er  aber  im  folgenden  Jahre 
die  Vereinigten  Staaten  von  neuem  bereiste  und  mit  eigenen  Augen  be- 
obachten konnte,  welch  großen  Aufschwung  die  Industrie  dieses  Landes  in 
dem  Viertel  Jahrhundert  seit  seinem  ersten  Besuche  genommen  hatte,  wie 
namentlich  die  früher  hier  stark  vertretenen  Erzeugnisse  der  deutschen  In- 
dustrie fast  ganz  vom  amerikanischen  Markte  verdrängt  waren,  da  erkannte 
er,  welche  Gefahr  für  Deutschland  darin  liege,  »daß  es  fremden  Fabrikaten 
willig  seine  Tore  geöffnet  hat,  ohne  daß  es  für  seine  Erzeugnisse  andere 
Tore  offen  findet«.  In  seinen  1877  gedruckten  Vorträgen  über  »Die  Welt- 
ausstellung in  Philadelphia«  schreibt  er,  »die  größtmögliche  Freiheit  des  Ver- 
kehrs unter  den  Völkern  scheint  mir  das  Ziel  zu  sein,  nach  dem  der  Handels- 
stand zu  streben  und  zu  ringen  hat.  Aber  dieses  Ziel  wird  nur  auf  dem  Wege 
der  Parität  und  der  Berücksichtigung  der  mehr  oder  minder  glücklichen  Pro- 
duktionsbedingungen innerhalb  der  einzelnen  Länder  zu  erreichen  sein.« 
Gerade  in  dem  Augenblick,  wo  das  Deutsche  Reich  im  Begriffe  war,  die 
Eisenzölle  aufzuheben  und  damit  den  letzten  Rest  der  schützenden  Zölle 
fallen  zu  lassen,  tritt  G.  für  mäßige  Schutzzölle  ein,  die  Deutschland  zur  Er- 
ziehung seiner  jugendlichen,  aufstrebenden  Industrie  vorläufig  noch  brauche, 
vor  allem  aber  fordert  er,  daß  in  den  neuen  Handelsverträgen  stärker  als  bis- 
her auf  Gegenseitigkeit  gedrungen  werde.  Diese  Gedanken  führt  er  weiter 
aus  in  der  1878  erschienenen  Schrift:  »Friedrich  List,  Deutschlands  großer 
Volkswirt.  Betrachtungen  über  die  heimischen  und  auswärtigen  Erwerbsver- 
hältnisse.« G.s  Betrachtungen  entsprachen  der  Stimmung  des  Tages,  der 
Gegenströmung,  welche  durch  die  Aufhebung  der  Eisenzölle  und  den  völligen 
Übergang  zum  Freihandel  hervorgerufen  war.  Das  Buch  über  List  wurde 
deshalb  viel  gelesen,  schon  nach  wenigen  Monaten  mußte  eine  zweite  Auf- 
lage gedruckt  werden.  Die  Gegenströmung  aber  hatte  viel  größeren  Erfolg 
als  G.  wünschte,  die  Regierung  entschloß  sich,  ihre  Handelspolitik  zu  ändern, 
sehr  erhebliche  gewerbliche  Schutzzölle  und  auch  Zölle  auf  Nahrungsmittel 
und  Rohstoffe  vorzuschlagen.  Dem  trat  G.  in  sehr  lebhafter  Weise  entgegen 
durch  die  1879  herausgegebene  Broschüre:  »Die  Erhöhung  der  indirekten 
Steuern  und  ihr  Einfluß  auf  das  deutsche  Erwerbsleben.«  Zur  Schaffung  einer 
nationalen  Industrie  sei  die  freie  Einfuhr  der  Rohprodukte  das  oberste 
Gesetz;  die  Erhöhung  der  Eingangszölle  müsse  sich  in  mäßigen  Grenzen 
halten  und  auf  diejenigen  Erzeugnisse  beschränken,  welche  in  Deutschland 
unter  dem  Drucke  der  auswärtigen  Konkurrenz  nur  mühsam  fabriziert  werden 
können.  In  weiterer  Ausführung  seines  Kampfes  gegen  die  Vorschläge  der 
Regierung  wollte  G.  auf  die  bei  der  Gründung  des  Zollvereins  maßgebenden 
Gedanken  und  namentlich  auf  das  diesen  vorbereitende  preußische  Zollgesetz 

6* 


^A  Goldschmidt.     Kriechbaumer. 

von  1818  verweisen.  Er  entschloß  sich,  die  Denkschrift,  mit  welcher  einst 
sein  Großvater  Kunth  den  Entwurf  des  Zollgesetzes  verteidigt  hatte,  heraus- 
zugeben und  zu  erläutern.  Zu  dieser  Arbeit  verband  er  sich  mit  seinem 
Bruder,  dem  Verfasser  dieses  Aufsatzes,  der  eine  Biographie  des  Großvaters 
vorbereitete.  Drei  Kapitel  dieser  Biographie  (Staatsrat  Kunth.  188 1.  Zweite 
Auflage  1888):  über  das  Zollgesetz,  über  die  gewerblichen  Zustände  in  Preußen 
vor  und  nach  demselben  sind  von  Friedrich  G.  verfaßt.  Von  seinen  anderen 
Schriften  seien  noch  erwähnt:  der  Bericht  über  die  Brau-Industrie  auf  der  Welt- 
ausstellung in  Philadelphia  1876;  die  Weltausstellung  von  1878;  die  Hohen- 
zollern  und  die  Gewerbefreiheit  in  Preußen  1885;  gegen  die  Erhöhung  der 
Brausteuer  1893;  die  soziale  Lage  und  die  Bildung  der  Handlungsgehülfen 
1894;  zum  dritten  und  vierten  Male  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Nord- 
amerika.    Zwei  Vorträge  1901. 

G.s  Auftreten  gegen  die  Vorschläge  der  Regierung  führte  dazu,  daß  er 
1881  in  den  deutschen  Reichstag,  1882  auch  in  das  preußische  Abgeordneten- 
haus gewählt  wurde.  Er  hat  dem  ersteren  von  1881  — 1884,  dann  wieder  von 
1887 — 1893,  dem  Abgeordnetenhause  von  1882 — 1893  angehört.  Er  schloß  sich 
anfangs  der  nationalliberalen  Partei  an,  gehörte  zu  ihrem  linken  Flügel,  der 
sich  beim  Kampf  gegen  die  Schutzzölle  von  ihr  trennte,  sich  vorübergehend 
mit  der  Fortschrittspartei  verband  und  dann  die  selbständige  Partei  der  frei- 
sinnigen Vereinigung  bildete.  Mit  ganzer  Kraft  bekämpfte  er  die  Übertreibung 
des  Schutzzollsystems  und  die  Beschränkungen  der  Gewerbefreiheit.  Außerdem 
sprach  er  meist  nur  über  Angelegenheiten  der  Volksbildung  und  des  tech- 
nischen Unterrichts,  bisweilen  auch  über  Fragen  der  Kunst,  mit  der  er  sich 
seit  seiner  Jugend  viel  beschäftigt  hatte,  sodafl  er  sich  ein  sicheres  Urteil  zu- 
trauen konnte. 

Noch  zahlreiche  andere  Ehrenämter  waren  ihm  übertragen  worden.  Er 
gehörte  zu  den  ersten  Gewerbetreibenden,  die  1879  ^"^  Grund  der  neuen  Ge- 
richtsordnung zu  Handelsrichtern  ernannt  wurden,  von  1886  bis  zu  seinem  Tode 
gehörte  er  zu  den  Ältesten  der  Kaufmannschaft  von  Berlin.  Als  im  Frühjalir 
1902  in  einem  gewissen  Gegensatz  gegen  das  Ältesten-Kollegium  noch  eine 
zweite  Vertretung  der  Berliner  Kaufmannschaft,  die  Handelskammer,  einge- 
richtet wurde,  berief  ihn  das  Vertrauen  der  Berufsgenossen  auch  in  diese  Be- 
hörde. 1890  wurde  er  von  der  Reichsregierung  als  Vertreter  der  Industrie  in 
die  Kommission  für  das  Bürgerliche  Gesetzbuch  berufen,  er  hatte  die  Freude, 
bis  zum  Abschluß  dieses  großen,  für  die  Rechtseinheit  Deutschlands  so  be- 
deutungsvollen Werkes  daran  mitzuarbeiten.  1898  wurde  er  Mitglied  der 
Berliner  Stadtverordneten-Versammlung;  auch  in  dieser  widmete  er  sein  Inter- 
esse vornehmlich  der  Volksbildung,  den  Fachschulen  und  der  Verbesserung 
des  Bibliothekwesens.  Paul  Goldschmidt. 

Kriechbaumer,  Joseph,  Dr.  med.  *  13.  März  1819  zu  Tegernsee,  f  2.  Mai 
1902  zu  München.  —  K.  war  der  Sohn  des  kgl.  Bräuhauskontrolleurs  Anton 
Kriechbaumer  und  der  Josepha  geb.  Schall.  Er  besuchte  zuerst  die  Volks- 
schule seiner  Geburtsstadt,  dann  die  Lateinschule  und  das  »alte«  (Wilhelms-) 
Gymnasium  in  München,  endlich  in  den  Jahren  1838 — 1843  die  Universität 
daselbst,  wo  er  erst  Philosophie,  dann  durch  sechs  Semester  Medizin  hörte; 
im  Jahre  1843  promovierte  er  mit  einer  Dissertation  entomologischen  Inhaltes 


Kriechbaumer. 


85 


(Übersicht    der    Cerambyciden    Münchens  1844.     8°,    I — IV,  5 — 22  pg.)    zum 
Dr,  med.,  ohne  indes  die  Praxis  je  auszuüben.     Dagegen  hörte  er  nachträg- 
lich   noch    durch    ein  Jahr  naturhistorische  Vorlesungen    und  bereitete   sich 
gleichzeitig  auf  das  Lehrexamen  für  Mittelschulen  vor.     Als  im  Herbst  1844 
die  Lehrstelle    für   Naturgeschichte    an    der    katholischen   Kantonsschule    zu 
Chur  erledigt  war,    bewarb    er    sich  auf  Anraten   und  über  Empfehlung  des 
Geheimrates   und  Professors  der  Naturgeschichte  G.  H.  v.  Schubert  um   die- 
selbe   und    erhielt    sie    auch.      In    der    großartigen   Umgebung  dieser  Stadt 
machte  er  zahlreiche  botanische   und  entomologische  Exkursionen,   die  sein 
ganzes  Leben  hindurch  seine  Freude  blieben,  und  auf  denen  er  dem  Natur- 
genusse  sich  in  vollsten  Zügen  hingab,  um  dadurch  sein  Wissen  zu  erweitern 
und    sich    von    den    »Mühseligkeiten  der  Schul meisterei«    zu    erholen.     Die 
Resultate    seiner  Forschungen  veröffentlichte    er    in    mehreren  Aufsätzen  (in 
der  Stettiner  entom.  Ztg.  Bd.  7,  8,  9).     Während   seines  Aufenthaltes  in  Chur 
vermählte    er  sich  mit    einer  Landsmännin,  "  welche    ihn    mit  einem   Sohne, 
Anton,  beschenkte,  der  gegenwärtig  als  Oberleutnant  i.  P.  im  kgl.  statistischen 
Bureau  in  München  in  Verwendung  steht;  sie  starb  nach  kaum  fünf  viertel  jähriger 
Ehe  und  von  nun  an  blieb  K.  unvermählt.     Inzwischen  war  jene  Schule,  an 
welcher  er  gewirkt  hatte,   zu   einer  paritätischen  Lehranstalt  geworden,  wo- 
durch seine  Stellung  unsicher  wurde;  er  gab  sie  daher  im  Jahre  1853  auf, 
kehrte  in  seine  Heimat  zurück  und   trachtete,    in   derselben   eine  neue,  ihm 
passendere,  sichei^re  zu  erhalten.     Dies  gelang  ihm  fünf  Jahre  später,  indem 
er  im  Herbste  1858    mit  der  Leitung  der   neu  errichteten  Gewerbeschule  in 
Ingolstadt  betraut  wurde.     Inzwischen  veröffentlichte   er  mehrere  kleine  Ar- 
beiten über  mitteleuropäische  Immen  und  Käfer  (Stettiner  entom.  Ztg.  Bd.  15, 
16,  19)  und  eine  grundlegende   Monographie  der  commensalen  in  Hummel- 
nestem  lebenden  Bienengattung  Psithyrus  (Linnaea  Bd.  9),  durch  welche  er  als 
wissenschaftlicher  Kritiker  sich  zuerst  einen  Namen  verschafft  hat.     Das  Zu- 
.sammentreffen  zweier    glücklicher  Umstände    führte    ihn    nun    seinem  Ziele, 
sich  gänzlich  der  ihm  so  lieb  gewordenen   Insektenwelt  widmen  zu   können, 
näher.      Der  an  der  Universität  München  wirkende    Professor  der  Zoologie 
Job.  Rudolph  Roth,    welcher    zugleich    die    Stelle    eines  Adjunkten    an    der 
zoologischen   Staatssammlung    inne  hatte,    war    auf    seiner    dritten  Palästina- 
reise im  Jahre  1858  im  Antilibanon  gestorben,  und  K.  Th.  v.  Siebold,  welcher 
kurz  vorher    als  Professor  der  vergleichenden  Anatomie  und  Zoologie   nach 
München  berufen  worden  war  und  gleichzeitig  als  Konservator  die  zoologisch- 
zootomischen  Sammlungen    zu   verwalten  hatte,    zog    nun  K.   an    die  Stelle, 
welche    er    noch    im   Herbste  1858   erhielt    und   tatsächlich    im  Januar  1859 
übernahm.     Damit    hatte    er  seine  Lebensaufgabe  gefunden  und   mit  dieser 
die  Ziele  seiner  wissenschaftlichen  Tätigkeit.     Allerdings  hatte  er  ursprüng- 
lich neben  den  Insekten  auch  die  Weichtiere  zu  besorgen  und  in  diese  Zeit 
fällt  seine  einzige  nicht  entomologische  Arbeit  über  zwei  Schnecken  (Malako- 
zool.  Blätter  Bd.  13.   1866),   allein  bald  verabschiedete  er  sich  auch  von  den 
Käfern  (Stettiner  Zeitg.  Bd.  20  u.  23),  welche    mit    jenen    zugleich    der    als 
zweiter  Adjunkt    ange.stellte   Dr.  Gemminger  übernahm,  und  nun   gehörte   all 
sein    Denken,   Sammeln    und    Sinnen    geradezu    ausschließlich    den   Hymen- 
opteren  an.     Jedes  Jahr  von  1869  ab  erschienen   eine  oder  mehrereArbeiten 
über    dieselben,     zum    Teil    Beschreibungen    neuer    Gattungen    und    Arten, 


86  Kriechbaumer.    Landois. 

zum  Teil  sehr  wertvolle  kritische  Bemerkungen  und  Erörterungen:  —  im 
ganzen  wohl  gegen  300  an  der  Zahl.  Sie  betreffen  in  erster  Linie  die 
Ichneumoniden  (Schlupfwespen),  in  zweiter  die  Apiden  (Bienen)  und  Then- 
thrediniden  (Blattwespen).  Ab  und  zu  wurden  auch  kleinere  Arbeiten  über 
Fliegen  (1872,  1873)  eingestreut,  dann  methodische,  so  über  entomologische 
Tagebücher  (1873),  über  Jagd  und  Zucht  der  Hymenopteren  (1875),  über  das 
Töten  und  Präparieren  der  Hymenopteren  (1875),  ^^s  Studium  der  Hymen- 
opteren, Winke  für  Anfänger  (1876),  Schattenseiten  der  entomologischen  Zeit- 
schriftenliteratur usw.,  ein  Vorschlag  an  die  Naturforscherversammlung  in 
Danzig  (1880),  Frühlingsbeschäftigungen  für  den  Insektensammler  (1887)  usw. 
Auch  zwei  Nekrologe  verdanken  wir  K.  Der  eine  betrifft  seinen  Landsmann 
August  Hartmann,  welcher  seine  ungemein  reiche  Schmetterlingssammlung 
dem  zoologischen  Museum  vermacht  hatte  (1880),  die  andere  den  schwedi- 
schen Entomologen  August  E.  Holmgren,  mit  welchem  er  in  wissenschaft- 
lichem Verkehr  gestanden  (1889).  Ein  besonderes  Verdienst  erwarb  er 
sich  durch  die  Herausgabe  von  Klugs  gesammelten  Aufsätzen  über  Blatt- 
wespen (1884).  Ab  und  zu  gaben  ihm  äußere  Angelegenheiten  Anlaß,  ent- 
fernter liegende  Fragen  zu  behandeln,  so  schrieb  er  1879  über  die  Ver- 
unreinigung des  Trinkwassers  auf  dem  Lande;  anfangs  der  sechziger  Jahre 
setzte  er  sich  mit  der  denkbar  größten  Energie  ein  für  die  Errichtung  eines 
Parkes  auf  der  Theresienwiese,  anfangs  der  siebziger  Jahre  für  die  Verlegung 
der  Universität  und  der  naturhistorischen  Sammlungen  usw.  Die  letzten 
Lebensjahre  K.s  verflossen,  von  seiner  wissenschaftlichen  Tätigkeit  abgesehen, 
sehr  einfach.  1892  wurde  er  Mitglied  der  kaiserlichen  Akademie  der  Natur- 
forscher; 1898  erhielt  er  den  Titel  eines  IL  Konservators  der  Staatssammlun- 
gen, da  der  neuberufene  Professor  der  Zoologie  und  vergleichenden  Anatomie 
R.  Hertwig  als  Direktor  den  Titel  eines  I.  Konservators  führt;  im  Herbst  190 1 
bat  er  um  Enthebung  von  seinem  Posten  und  erhielt  den  St.  Michaelsorden ; 
vom  Frühling  1902  ab  bis  zu  seinem  Todestage  lag  er  von  einem  hartnäcki- 
gen Magen-  und  Blasenleiden  gemartert  auf  dem  Krankenbette.  Er  wurde 
in  seinem  geliebten  Geburtsdörfchen  begraben. 

Quellen  für  die  Biographie:  i.  Leopoldina  1901,  No.  5;  2.  Zeitschr.  f.  Hymenopterol. 
u.  Dipterol.  1902,  p.  273 — 275;  3.  Eniomological  Monthly  Magazine  1902,  288. 

Dr.  K.  W.  V.  DallaTorre. 

Landois,  Leonard,  Physiolog  in  Greifswald,  ♦  i.  Dezembe  1837  zu  Münster, 
f  16.  November  1902  zu  Greifswald.  —  Er  studierte  in  Greifswald,  wo- 
selbst er  1861  promovierte  und  1862  seine  Staatsprüfung  ablegte.  Nach- 
dem er  sich  hier  1863  habilitiert  hatte,  wurde  er  1863  zum  außerordentlichen 
und  1872  zum  ordentlichen  Professor  der  Physiologie  und  zum  Direktor  des 
physiologischen  Instituts  ernannt,  dessen  Neubau  unter  seiner  Leitung  er- 
folgte- L.  gehört  zu  den  hervorragendsten  Physiologen  des  19.  Jahrhunderts. 
Er  war  ein  ausgezeichneter  Experimentator,  ein  vorzüglicher  Lehrer  -und 
hat  seine  Wissenschaft  mit  einer  beträchtlichen  Reihe  von  neuen  Tatsachen 
bereichert.  Außer  zahlreichen  kleineren  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der 
Physiologie,  vergleichenden  Anatomie  und  Histologie  veröffentlichte  er:  »Die 
Lehre  vom  Arterienpuls«  (Berlin  1872)  —  »Die  Transfusion  des  Blutes« 
(Leipzig  1875,  »Beiträge«  dazu  Ib.  1878)  —  »Graphische  Untersuchungen  über 


Landois.    Skrzeczka.     Gerhard.  g^ 

den  Herzschlag«  (Berlin  1876,  handelnd  über  pathologische  Herzstoßkurven 
und  die  kardiopneumatische  Bewegung).  In  seinem  »Lehrbuch  der  Physiologie 
des  Menschen«  (Wien  1880,  10.  Aufl.  1899)  führte  er  den  Grundgedanken 
durch,  die  Physiologie  enger  an  die  praktische  Medizin  anzugliedern.  (Über- 
setzungen erschienen:  russisch,  Moskau  1882;  englisch,  London,  4.  Aufl.  1891; 
italienisch,  Mailand  1889!.;  französisch,  Paris  1893;  spanisch,  Madrid  1894). 
Er  verfaßte  die  Anatomien  folgender  Parasiten:  Demodex,  menschliche  Pedi- 
kuliden,  Pulex,  Cimex  lectularius,  Bothriocephalus  latus  (mit  Sommer).  In 
seinem  Buche  »Die  Uraemie«  (Wien  1890,  2.  Aufl.  1891)  zeigte  er,  daß  durch 
chemische  Reizung  der  Großhirnrinde  sich  typische,  spontan  rezidivierende 
eklamptische  Anfälle  hervorrufen  lassen.  Erwähnt  seien  noch  seine  mono- 
graphischen Bearbeitungen  der  Angioneurosen  und  Hemmungsneurosen  (mit 
Eulenburg).  Von  ihm  rührt  her  die  Entdeckung  der  Haemautographie,  der 
periostalen  Bildung  der  Geweihe,  der  Elastizitätselevationen  an  den  Puls- 
kurven, der  Vorhofspulswelle  bei  Aorteninsuffizienz,  des  thermischen  Hirn- 
rindenzentrums (mit  Eulenburg),  der  Ursache  des  plötzlichen  Ergrauens  der 
Haare,  femer  die  Konstruktion  des  Gassphygmoskops,  des  Angiographen,  der 
tönenden  Vokalflammen.  Er  beschrieb  und  benannte  zuerst  die  Angina 
pectoris  vasomotoria  1866,  die  Ataxia  cerebralis  1867  und  eruierte  1872 
zuerst  die  Chromsäure-Quecksilber-Methode  zum  Studium  der  Nervenelemente 
(irrtümlich  meist  Golgi  zugeschrieben). 

Vgl.  Pageis  Biogr.  Lexikon  hervorr.  Ärzte  des  XIX.  Jahrhunderts.     Berlin- Wien  1901, 
P-947»  Virchows  Jahresbericht  von  1902,  I,  p.  419.  Pagel. 

Skrzeczka,  Karl,  Gerichtsarzt  und  Medizinalbeamter  in  Berlin,  ♦  29.  März 
1833  zu  Königsberg  i.  Pr.,  f  als  Emeritus  20.  Mai  1902  in  Steglitz  bei  Berlin. 
—  S.  studierte  auf  der  Albertus-Universität  in  Königsberg,  wo  er  1855  pro- 
moviert wurde,  war  daselbst  1861  bis  1865  als  Kreiswundarzt  und  Privatdozent 
für  gerichtliche  Medizin,  seit  1865  Professor  e.  o.  für  Staatsarznei  künde;  seit 
1891  ordentlicher  Honorarprofessor  der  medizinischen  Fakultät  an  der  Uni- 
versität zu  Berlin,  daselbst  1865  bis  1875  gerichtlicher  Physikus,  1875  bis  1882 
Regierungs-  und  Medizinalrat  beim  königlichen  Polizei-Präsidium  und  seit 
1882  vortragender  und  Geheimer  Medizinalrat,  seit  1888  Geheimer  Ober- 
Medizinalrat  im  Ministerium  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinal- 
angelegenheiten, aus  welchem  er  1898  den  aus  Gesundheitsrücksichten 
erbetenen  Abschied  erhielt.  Literarische  Arbeiten:  »Kindesmord«  (J.  Maschka, 
Handb.  der  gerichtl.  Med.  I,  Tübingen  1881);  —  »Generalbericht  über  das 
Medizinal-  und  Sanitätswesen  der  Stadt  Berlin  in  den  Jahren  1879  ""^  1880« 
(Berlin  1882)  und  zahlreiche  Abhandlungen  gerichtsärztlichen  Inhalts  in 
V.  Holtzendorffs  Handbuch  des  deutschen  Straf  rechts  und  in  der  Viertel  jahrschr. 
für  gerichtliche  Medizin  und  öffentliches  Sanitätswesen  von  Casper,  v.  Hörn, 
Eulenberg. 

Quellen  in  Virchows  Jahresbericht  von  1902,  I,  p.  425.  Pagel. 

Gerhard,  Karl  Adolf  Jakob  Christian,  Kliniker  in  Berlin,  ♦  5.  Mai 
1833  zu  Speyer,  f  in  der  Nacht  vom  20.  zum  21.  Juli  auf  seinem  ländlichen 
Ruhesitz  Gamberg  in  Baden,  wohin  er  sich  seit  mehreren  Monaten  infolge 
seines  Herzleidens  zurückgezogen  hatte.  —   G.  studierte  seit  1850  in  Würz- 


90 


Bockendahl.     Grttnbeck. 


deten  Vereins  Schleswig-Holsteinischer  Ärzte.  »Wie  hoch  man  ihn  schätzte, 
zeigt  die  Tatsache,  daß  er  Jahrzehnte  hindurch  gleichzeitig  erster  Medizinal- 
beamter der  Provinz  und  zugleich  gewählter  Vertrauensmann  der  Ärzte  war.« 

Was  B.  diese  bedeutende  Stellung  verlieh,  war  im  letzten  Grunde  seine 
überragende  Persönlichkeit,  »das  geläuterte  Wollen«,  das  sich  stets  mit  seinem 
umfassenden  Wissen  verband,  der  sieghafte  Idealismus,  mit  dem  er  allen  Auf- 
gaben des  Lebens,  sie  mochten  noch  so  schwer  sein,  gegenübertrat.  Dazu 
kam  seine  strenge  Sachlichkeit,  seine  unbedingte  Wahrhaftigkeit  und  die  Un- 
bestechlichkeit seines  Urteils,  dies  alles  vereint  mit  der  größten  Bescheiden- 
heit, die  niemals  die  eigene  Person  und  Wirksamkeit  in  den  Vordergrund 
treten  ließ  —  ein  Charakter  von  seltener  Reinheit,  durchdrungen  und  ge- 
tragen von  reinster  und  edelster  Herzensgüte.  »Wer  je  in  sein  Auge  ge- 
schaut, wußte,  daß  hier  ein  Mann  von  Wort,  eine  Seele  ohne  Falsch  vor  ihm 
stehe  und  daß  ihr  Glanz  die  immer  bereite,  tatkräftige  und  aufopferungsfähige 
Menschenliebe  bedeute«.  Diese  Worte,  die  B.  seinem  »besten  und  treuesten 
Freund«,  Professor  Bartels,  in  dem  erwähnten  »Gedenkblatt«  nachruft,  können 
voll  und  ganz  auch  von  ihm  selbst  gelten. 

Vgl.  Alberti,  Schriftstellerlexikon  1829— 1866,  i,  S.  66/67;  1866— 1882,  i,  S.  58/59.— 
Biogr.  Lexikon  der  hervorragenden  Ärzte  aller  Zeiten  und  Völker,  Bd.  i,  1884,  S.  497.  — 
J.  Pagel,  Biogr.  Lexikon  hervorragender  Ärzte  des  19.  Jahrh.  1901,  Sp.  199.  —  Kieler 
Zeitung,  Morg.-Ausg.  vom  21.  Okt.  1902.  —  Vossischc  Zeitung,  Morg.-Ausg.  vom  19.  Okt 
1902.  —  Deutsche  medizinische  Wochenschrift  Jg.  29,  1903,  S.  39/40.  —  An  der  Bahre 
von  Geheimrat  B.  Rede,  gehalten  v.  Pastor  Mau  am  20.  Okt.  1902  (in:  Kieler  Zeitung, 
Morg.-Ausg.  V.  22.  Okt.)  —  Nekrolog  von  H.  Quincke  in:  Chronik  der  Universität  Kiel 
für  1902/ 1903,  S.  66/70.  —  Besonders:  G.  Hoppe-Seyler,  Johannes  Bockendahl.  Ein 
Gedenkblatt:  Separatabdr.  aus  »Mitteilungen  für  den  Verein  Schleswig-Holst.  Ärzte«.  Jg.  ii, 
Nr.  5,   1903.     Mit  Bild.  Kiel.  R.  Cordes  1903.  Joh.  Sass. 


Grünbeck,  Heinrich  Anton,  Abt  der  vereinigten  Cistercienserstifte  Hei- 
ligenkreuz bei  Baden  und  Neukloster  in  Wiener-Neustadt  (Niederösterreich), 
♦  24.  November  1818  in  Wien,  f  i-  Jänner  1902  in  Heiligenkreuz.  —  G.  war 
der  Sohn  einer  wohlhabenden  Wiener  Bürgerfamilie,  trat  nach  Vollendung 
der  Gymnasialstudien  in  Wien  am  7.  Oktober  1839  zu  Heiligenkreuz  im 
Wiener  Walde  in  den  Cistercienserorden,  legte  am  i.  November  1843  ^^^ 
feierlichen  Ordensgelübde  ab  und  feierte  am  4.  August  1844  sein  erstes  hl. 
Meßopfer,  nachdem  er  die  theologischen  Studien  an  der  Hauslehranstalt  des 
Klosters  mit  ausgezeichnetem  Erfolge  absolviert  hatte.  1845 — ^^49  ^^.r  er 
Kooperator  in  Alland  im  Gebirge,  1849 — ^^55  Bibliothekar,  Kellermeister  und 
äbtlicher  Sekretär.  Nachdem  er  1855 — 1861  die  Pfarre  Sulz  pastoriert  hatte, 
bekleidete  er  1861  — 1879  die  Stellen  eines  Subpriors,  Kastners,  Küchen- 
meisters und  Kämmerers  im  Stifte  Heiligenkreuz.  Nach  dem  Tode  des  Abtes 
Edmund  Komäromy  (f  10.  April  1877)  wurde  ihm  zugleich  mit  dem  damaligen 
Prior,  P.  Emanuel  Weiniger,  und  dem  Pfarrer  von  Alland,  P.  Florian  Erritz, 
die  Temporalienverwaltung  der  verwaisten  Abtei  übertragen.  Da  aber  am 
10.  Oktober  1877  auch  der  Prior  P.  Emanuel  mit  Tod  abging,  mußte  P.  Hein- 
rich auch  die  Spiritualleitung  des  Klosters  auf  sich  nehmen.  Während  seiner 
provisorischen  I^eitung  wurde  auf  Drängen  der  ungarischen  Regierung  das 
Stift  St.  Gotthard    in  Ungarn   von  Heiligenkreuz    losgetrennt    und    mit  dem 


Grünbeck. 


91 


ungarischen  Cistercienserstifte  Zircz  vereinigt,  obwohl  St.  Gotthard  unter  Kaiser 
Karl  VI.  von  Abt  Robert  Leeb  zu  Heiligenkreuz  um  bares  Geld  gekauft  und 
»für  immerwährende  Zeiten«  mit  diesem  Stifte  vereinigt  worden  war.  Am 
19.  Februar  1879  von  der  Mehrheit  seiner  Mitbrüder  zum  Abte  gewählt,  voll- 
zog er  bald  nach  seinem  Regierungsantritte  die  Vereinigung  des  1449  von 
Friedrich  III.  gestifteten  Neuklosters  in  Wiener  Neustadt  mit  dem  Stifte 
Heiligenkreuz.  Dies  geschah  mit  Genehmigung  des  Apostolischen  Stuhles 
und  Sr.  Majestät  des  Kaisers  Franz  Josef  I.  am  16.  Dezember  1881,  nachdem 
der  Abt  Benedikt  II.  Steiger  als  letzter  selbständiger  Abt  des  Neuklosters 
freiwillig  resigniert  hatte.  Obgleich  diese  Vereinigung  dem  Stifte  Heiligen- 
kreuz, das  ohnehin  durch  verschiedene  Unglücksfälle  (Brände,  Reblaus  usw.) 
heimgesucht  wurde,  neue  Lasten  auferlegte,  konnte  dennoch  Abt  Heinrich  V. 
an  ein  Werk  gehen,  durch  welches  er  sich  und  dem  Orden  ein  unvergäng- 
liches Denkmal  setzte:  die  stilgerechte  Restaurierung  sämtlicher  Bauten  des 
Klosters.  Diese  hatte  zwar  schon  sein  Vorgänger  Abt  Edmund  begonnen, 
allein  P.  Heinrich  G.  leitete  schon  damals  als  Kämmerer  und  Bauinspektor 
die  Restaurationsarbeiten.  Damals  waren  die  Wände  der  barockisierten 
Kirche  von  der  Tünche  gereinigt,  die  Glasgemälde  des  gotischen  Kirchen- 
chores nach  Entfernung  der  Barockaltäre,  soweit  sie  durch  die  Türken  (1683) 
beschädigt  waren,  ergänzt  worden.  Damals  war  auch  das  große  gotische 
Mittelfenster  an  der  Ostwand  des  Chores  neu  angefertigt,  ebenso  der  kleine 
Musikchor  für  die  kleine  Orgel  neu  aufgeführt  und  die  Stiege,  welche  unter 
demselben  ins  obere  Dormitorium  führt,  erbaut  worden.  Als  Abt  konnte 
P.  Heinrich  nun  die  Restaurationsarbeiten  im  größten  Stile  betreiben;  Leiter 
derselben  war  Architekt  Dominik  Avanzo  aus  Wien.  1885  wurde  nach  dessen 
Plänen  die  gotische  Kanzel  im  romanischen  Querschiff  aus  Grisignano-  und 
Savonierstein  ausgeführt.  1887  wurde  der  herrliche  gotische  Hochaltar  im 
gotischen  Chore  vollendet.  Auf  einem  Unterbau  von  Oberalmer  Marmor 
ruht  das  aus  Goldbronze  gefertigte  und  mit  Kartons,  welche  Szenen  aus  dem 
Leben  der  Gottesmutter  darstellen,  geschmückte  Retabel.  Darüber  erhebt 
sich  der  schöne  Bronze-Baldachin,  auf  schlanke,  mit  Glasmosaik  gezierte 
Marmorsäulen  gestützt.  Derselbe  endet  in  ein  Türmchen,  in  welchem  eine 
Gruppe  die  Krönung  Mariens  durch  die  hl.  Dreifaltigkeit  darstellt.  Das 
ganze  Presbyterium  ist  von  einem  hohen  schmiedeeisernen  Gitter  umgeben, 
an  welches  sich  an  der  Nordseite  die  Session  anlehnt.  1890  wurden  je 
zwei  gotische  Altäre  aus  Sandstein  an  der  Nord-  und  Südseite  des  Chores 
und  endlich  1894  aus  Anlaß  der  Sekundiz  des  Abtes  die  drei  Altäre  an  der 
Ostseite  aufgestellt  und  hiermit  die  Innenrestauration  der  Kirche  vollendet. 
Die  Restauration  des  Kreuzganges  und  Brunnenhauses  wurde  im  Jahre  1884 
begonnen  und  1894  vollendet.  Endlich  wurde  1896  die  Sakristei,  ein  »Schatz- 
kästchen« edler  Barocke,  wie  sie  der  damalige  Unterrichtsminister  Freiherr 
v.  Gautsch  mit  Recht  nannte,  und  1900  bis  1902  die  Dreifaltigkeitssäule  und 
der  Josefsbrunnen  restauriert.  Was  Abt  Heinrich  sonst  noch  wirkte,  das  mag 
seiner  Demut  und  Bescheidenheit  entsprechend  hier  übergangen  w^erden; 
daß  aber  sein  stilles  Wirken  weitaus  das  sichtbare  Schaffen  überragte,  zeigte 
die  allgemeine  Trauer  nach  dem  Ableben  des  allgemein  beliebten  Abtes, 
durch  welches  nicht  bloß  die  Heiligenkreuzer  Mönche,  sondern  auch  viele 
in  der  Welt  Lebende  einen  liebevollen  Vater  verloren.     Von  Sr.  Maj.  wurde 


p2  GrUnbeck.    Bernhard.    Merwart. 

Abt  Heinrich  für  sein  verdienstvolles  Wirken  durch  Verleihung  des  Komthur- 
kreuzes  des  Franz-Joseph-Ordens  mit  dem  Sterne  ausgezeichnet. 

Prof.  Dr.  P.  Nivard  Schlögl. 

Bernhard,  Heinrich,  Glasmaler,  Direktor  des  Königlichen  Instituts  für 
Glasmalerei  zu  Berlin,  *  22.  August  1847  zu  Wünschelburg  in  der  Grafschaft 
Glatz,  f  2.  November  1902  zu  Berlin.  —  B.  erlernte  in  seiner  Heimat  die 
Porzellan-  und  Hohlglasmalerei.  Früh  verwaist  und  ohne  Mittel  zurückge- 
blieben, mußte  er  sich  durch  harte  Zeiten  durchkämpfen;  neben. seinen  Studien 
an  der  Akademie  in  Dresden  und  der  Kunstschule  in  Stuttgart  war  er  ge- 
zwungen, für  seinen  Lebensunterhalt  zu  arbeiten.  Seit  dem  Jahre  1876  ver- 
ließ er  ganz  die  Porzellanmalerei,  die  seinem  Wunsche  nach  monumentaler 
Tätigkeit  nicht  genügen  konnte  und  wandte  sich  in  München  der  Glasmalerei 
zu,  in  welcher  er  im  Atelier  von  F.  H.  Zettler  bald  Hervorragendes  leistete. 
1883  folgte  er  einem  Rufe  an  das  Königliche  Institut  für  Glasmalerei  nach 
Berlin,  wo  ihm  eine  schwierige  Mission,  die  Reorganisierung  der  Anstalt,  über- 
tragen wurde.  Der  Weg  war  ihm  vorgezeichnet:  es  sollte  durch  den  weitgreifen- 
den Einfluß  des  Instituts  die  mittelalterliche  Kunst  der  Glasmalerei  zu  neuer 
Blüte  gebracht  und  in  Preußen  eingebürgert  werden.  1887  wurde  B.  zum 
Direktor  ernannt  und  das  Institut  verstaatlicht;  1892  wurde  er  bei  Gelegenheit 
der  Einweihung  der  renovierten  Schloßkirche  zu  Wittenberg  mit  dem  König]. 
Kronenorden  4.  Kl.  ausgezeichnet.  Seine  Haupttätigkeit  bestand  weniger  in 
selbständigem  künstlerischem  Schaffen,  als  in  der  Leitung  der  aus  dem  Institut 
hervorgehenden  Arbeiten  in  technischer  und  künstlerischer  Beziehung;  es  handelt 
sich  meistens  um  Reproduktionen  nach  Werken  anderer  Künstler  in  Glasmalerei, 
bis  auf  einige  Entwürfe  und  Kartons,  die  von  Bernhard  selbst  stammen.  Die 
Arbeiten  sind  teils  Wiederherstellungen  alter  Glasgemälde  teils  Neuschöpfungen. 
Nach  seinen  eigenen  Entwürfen  sind  u.  a.  entstanden:  Ein  Fenster  in  der 
Marienkirche  zu  Danzig,  von  Sr.  Majestät  dem  Kaiser  gestiftet,  desgleichen 
Fenster  für  die  Stiftskirche  zu  Obernkirchen,  für  die  Kirchen  zu  Fulda  und 
Gr.  Beeren,  für  St.  Jakobi,  St.  Johannis  und  die  Friedenskirche  in  Berlin; 
ferner  die  Wiederherstellung  alter  Glasmalereien  in  der  Johanniskirche  zu 
Werben  und  der  Marienkirche  zu  Kentz  (Vorpommern).  Persönlich  von  ihm 
gemalt  ist  außerdem  ein  Fenster  in  der  Sophienkirche  zu  Berlin  nach  einem 
Karton  von  Geselschap,  ein  P'enster  im  Schlosse  zu  Kiel  nach  einem  Karton 
von  Döpler,  ein  Salonfenster  in  Frankfurt  nach  einem  Karton  von  Mohn. 

Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903.  Kunst  für  Alle  XVIII.  Chronique  des  Arts  ei 
de  la  Curiosite  1902.  Schriftliche  Mitteilungen  vom  Königlichen  Institut  für  Glasmalerei 
zu  Berlin.  Hugo  Schmerber. 

Merwart,  Paul,  Historien-  und  Genremaler,  *  27.  März  1855  zu  Maria- 
nowska  in  Rußland  (Gouv.  Cherson),  f  3.  Mai  1902  bei  dem  Ausbruch  des  Mont 
Pel^  auf  Martinique.  —  M.  war  Schüler  von  Penther  in  Wien,  besuchte  dann 
die  Kunstschule  in  Graz,  ging  1876  nach  München,  1877  nach  Düsseldorf  und 
studierte  in  Paris  an  der  Ecole  des  Beanx-arts,  Er  besuchte  Italien  und  ließ 
sich  in  Paris  nieder.  Im  Jahre  1901  ging  er  nach  den  Antillen.  Unter  seinen 
Bildern  gilt  als  eins  der  besten  die  »Bacchantin«,  ferner  sind  zu  erwähnen 
»Sarah«,  Szene  aus  der  Sündflut,  und  »Der  Windsbraut  Hochzeitszug«. 


Merwart.     Linnemann..    Mcebold.  g-? 

Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903.  Chronique  des  Arts  et  de  la  Curicsiü  1902. 
Boetticher,  Malerwerke  des  19.  Jahrhunderts  1895— 1901.  H.  VV.  Singer,  Allgemeines 
Künstlerlexikon  1895.  HugoSchmerber. 

Linnemann,  Johann  Alexander,  Professor,  Architekt,  Glasmaler,  *  14.  Juli 
1839  "^  Frankfurt  a.  M.,  f  22.  September  1902  daselbst.  —  L.  war  ein  Schüler 
des  Professors  Nicolai  in  Dresden,  betätigte  sich  auf  dem  Gebiete  des  Kunst- 
gewerbes und  der  Architektur  und  machte  sich  besonders  durch  seine  Glasmale- 
reien bekannt.  Im  Dom  zu  Frankfurt  führte  er  gemeinsam  mit  Steinle  die 
Ausmalung  durch,  wobei  fast  der  ganze  dekorative  Anteil  von  L.  stammt. 
In  der  Katharinenkirche  in  Frankfurt  befinden  sich  Fenster  von  seiner  Hand, 
ebenso  seit  1895  im  Dom  zu  Bremen.  Zu  seinen  letzten  Arbeiten  gehörten 
Entwürfe  für  den  Magdeburger  Dom.  Am  bekanntesten  sind  seine  1894 
vollendeten  Glasfenster  im  südlichen  Vestibüle  des  Reichstagsgebäudes  von 
Wallot  in  Berlin.  Das  Hauptbild  ist  eine  Allegorie  auf  die  Erfüllung  des 
deutschen  Einheitsgedankens:  um  den  Thron  der  Germania  scharen  sich  ihre 
Kinder,  von  einem  Bande  umschlungen,  als  Hintergrund  der  blaue  Himmel, 
als  Umrahmung  Wappenschilder.  Auf  den  beiden  kleineren  Schmalfenstern 
über  den  Treppenabsätzen  sind  dargestellt:  die  Allegorie  der  Eintracht  mit 
der  Inschrift  ^Concordia  res  parvae  crescunt^  und  der  Geist  der  Zwietracht  mit 
den  Worten  ^Discordia  maximae  dilabuntur*.  Neue  oder  restaurierte  Glasfenster 
von  seiner  Hand  finden  sich  außerdem  in  Bonn,  Eltville,  Friedberg,  Hannover, 
Konstanz,  Leipzig,  Mainz  und  Köln.  Auf  der  Deutschen  Glasmalerei-Aus- 
stellung in  Karlsruhe  1901  waren  von  ihm  unter  anderem  ein  frühgotisches 
Doppelfenster  für  die  Benediktiner-Abtei  Altenberg,  mit  Eichen-  und  Rosen- 
laub, dazwischen  einzelne  Mönchsfiguren  in  einfacher  Stilisierung,  ferner  Teile 
von  farbigen  Teppichfenstern  u.  a.  Von  seinen  architektonischen  Arbeiten 
seien  die  Entwürfe  für  die  Restaurierung  des  Meißner  Domes  hervorgehoben. 
Linnemanns  künstlerisches  Schaffen  stand  ganz  im  Zeichen  der  deutschen 
Gotik;  seine  architektonische  Bildung  und  ein  strenges  Stilgefühl  vereinten 
sich,  um  diesen  charakteristischen  Zug  in  seinen  Werken  zu  großer  Vollen- 
dung zu  bringen  und  speziell  in  seinen  zahlreichen  Kirchenfenstem  war  die 
von  ihm  vertretene  Richtung  wohl  am  Platz.  Wenn  auch  manchmal,  in  den 
Figuren  besonders,  die  Anlehnung  an  die  alten  Vorbilder  für  das  moderne 
Empfinden  zu  sehr  hervortritt,  so  gehörte  ein  solches  theoretisch  und  praktisch 
durchgebildetes,  fein  empfundenes  Nachschaffen  zu  seiner  Zeit  zu  den  wert- 
vollsten Errungenschaften  eines  dekorativen  Künstlers. 

Kunst  für  Alle  XVII,  XVIII.  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903.  Kunst-Chronik  XIV. 
Kunstgewerbeblatt  XIII.  Boetticher,  Malerwerke  des  19.  Jahrhunderts  1895 — 1901.  Chro- 
aique  des  Arts  et  de  la  Curiositi  1902.  Hugo  Seh m erber. 

Meebold,  Robert,  Großindustrieller,  *  29.  August  1826  in  Heidenheim 
(Württemberg),  f  23.  (nicht  22.)  Februar  1902  in  Wien.  —  Die  Familie  stammt 
aus  Sulz,  wo  M.s  Urgroßvater  1753.  eine  Baumwollmanufaktur  begründete,  zu 
der  sein  Großvater  eine  Zitzfabrik  in  Heidenheim  1774  übernahm.  Sein 
Vater,  Kommerzienrat  Johann  Gottlieb  Meebold  in  Heidenheim,  war  der 
erste,  der  —  1826  —  mit  20  aus  England  bezogenen  Webstühlen  auf  dem 
Kontinente  eine  mechanische  Weberei  eröffnete;   1834  ließ  er  eine  Kattun- 


QA  MeeboM.     von  Wächter. 

druckerei  nachfolgen.  1849  übernahm  Robert  M.  das  väterliche  Geschäft, 
an  dem  die  politischen  Wirren  der  unmittelbar  vorhergehenden  Zeit  nicht 
spurlos  vorübergegangen  waren,  unter  schwierigen  Verhältnissen.  Dem  viel- 
seitig gebildeten,  tatkräftigen,  weitblickenden  und  umsichtigen  Manne  gelang 
es  in  kurzem,  die  seiner  Leitung  anvertrauten  industriellen  Betriebe  wieder 
in  die  Höhe  zu  bringen.  Da  sie  neuer,  größerer  Mittel  bedurften,  um  den 
Wettbewerb  mit  dem  Auslande  erfolgreich  aufzunehmen,  erfolgte  1856  die 
Umwandlung  in  eine  Aktiengesellschaft  (»Württembergische  Kattunmanu- 
faktur«), deren  Vorstand  M.  bis  1897  blieb.  Auch  nachdem  er  sich  von  der 
eigentlichen  Leitung  der  Gesellschaft  zurückgezogen  hatte,  fuhr  er  fort,  ihr 
seine  Dienste  zu  widmen.  Außerdem  wirkte  er  bei  einer  Reihe  anderer  in- 
dustrieller Unternehmungen  mit  und  gehörte  dem  Aufsichtsrat  verschiedener 
Firmen  an.  Namentlich  bewirtschaftete  er  ein  mit  einem  Eisenwerke  ver- 
bundenes Gut  in  Krain,  weshalb  er  auch  einen  Teil  des  Jahres  in  Wien  zu- 
zubringen pflegte.  M.  war  viele  Jahre  Vorsitzender  des  Gewerbeschulrats  für 
die  kaufmännische  und  gewerbliche  Fortbildungsschule  und  Mitglied  der 
bürgerlichen  Kollegien  seiner  Vaterstadt.  Seit  1867  gehörte  er  der  Handels- 
kammer Heidenheim  als  Mitglied,  1874/75  als  Vorstand,  1875/95  als  Vize- 
vorstand an.  Seine  Verdienste  um  die  einheimisehe  Industrie  wurden  durch 
Ernennung  zum  Kommerzienrat,  später  zum  Geheimen  Kommerzienrat  ge- 
würdigt. Am  27.  Juni  1899  feierte  er  höchst  ehrenvoll  die  fünfzigste  Wieder- 
kehr des  Tages,  da  er  an  die  Spitze  der  »W^ürttembergischen  Kattunmanu- 
faktur« getreten  war,  die  heutzutage  eine  der  vorzüglichsten  und  rentabelsten 
Firmen  ihrer  Branche  in  Deutschland  ist.  Als  Politiker  huldigte  M.  frei- 
sinnigen Anschauungen  und  unterstützte  tatkräftig  die  württembergische  Volks- 
partei, ohne  öffentlich  stark  hervorzutreten.  Bis  ins  hohe  Greisenalter  erhielt 
sich  der  Mann  mit  dem  weltmännischen  Benehmen  und  den  gewinnenden 
Manieren  frisch  und  jung.  Ein  Schlaganfall  bereitete  seinem  Leben  ein 
rasches  Ende,  während  er  in  Wien  weilte;  die  Leiche  wurde  nach  Heidenheim 
überführt  und  dort  am  27.  Februar  1902  der  Erde  übergeben. 

Schwäbische  Kronik  vom  25.  Februar  1902  Nr.  92,  Staats- Anzeiger  für  Württemberg 
vom   I.  März  Nr.  50,  Der  Beobachter  vom  26.  Februar  Nr.  47.  R.   Krauß. 

Wächter,  Oskar  Eberhard  Siegfried  von,  Dr.  jur.,  Politiker  und  Schrift- 
steller, ♦  29.  April  1825  in  Tübingen,  f  'S-  J""^  1902  in  Stuttgart.  —  Der 
Sohn  des  berühmten  Tübinger  Universitätskanzlers  Karl  Georg  von  Wächter, 
widmete  W.  sich  dem  Studium  der  Rechte  und  ließ  sich  1849  als  Anwalt  in 
Stuttgart  nieder.  Seine  öffentliche  Laufbahn  begann  er  als  Mitglied  des 
hauptstädtischen  Bürgerausschusses,  dem  er  von  1858 — 59,  später  wieder  von 
1871/73,  1879/81  (als  Obmann),  1883/85  angehörte.  1862/68  war  er  Land- 
tagsabgeordneter für  Herrenberg.  Er  schloß  sich  der  preußisch  gesinnten 
Minderzahl  an.  Als  am  6.  Juni  1866  in  der  württembergischen  Kammer  über 
den  Kriegskredit  abgestimmt  wurde,  wollte  er  dem  Ministerium  Vambüler 
die  Mittel  zum  Kriege  gegen  Preußen  verweigern.  Nach  der  Schlacht  von 
Königgrätz  setzte  er  seinen  Namen  mit  unter  die  Einladung  zu  einer  Bürger- 
versammlung in  Stuttgart,  die  auf  Einstellung  der  Feindseligkeiten  dringen 
und  gegen  Rheinbund  und  Mainlinie  protestieren  sollte.  Im  August  des- 
selben Jahres  beteiligte  er  sich  an  der  Gründung  der  Deutschen  Partei  und 


von  Wächter. 


95 


wurde  in  ihren  ersten  geschäftsführenden  Ausschuß  gewählt,  der  sich  am 
22.  September  konstituierte.  Bei  den  Neuwahlen  zum  Landtag  im  Jahre  1868 
unterlag  W.  Er  wirkte  nun  mit  der  Feder  für  die  Sache  seiner  Partei,  die 
ihm  zugleich  Herzenssache  war,  und  gab  die  politisch -volkswirtschaftliche 
Wochenschrift  »Der  Landbote«  heraus.  1872/76  saß  er  von  neuem  in  der 
württembergischen  Kammer,  diesmal  als  Abgeordneter  von  Stuttgart.  Be- 
merkenswert aus  seiner  damaligen  Tätigkeit  ist,  daß  er  zu  der  vorausschauen- 
den Minderzahl  gehörte,  die  sich  den  Reichseisenbahnprojekten  geneigt  zeigte. 
Später  zog  er  sich  vom  politischen  Leben  zurück.  Der  streng  kirchlich  gesinnte 
Mann  rückte  in  allen  Fragen,  die  nicht  die  nationale  Einheit  betrafen,  seinen 
nationalliberale  Anschauungen  vertretenden  Parteifreunden  immer  femer.  Mehr 
und  mehr  bildete  er  sich,  auch  äußerlich,  zum  Sonderling  aus.  Seit  1868 
stand  er  an  der  Spitze  der  württembergischen  Privatfeuerversicherungsgesell- 
schaft, die  unter  seiner  Leitung  einen  großen  Aufschwung  nahm.  Als  er  am 
14.  August  1893  sein  2 5 jähriges  Dienstjubiläum  als  Vorstand  dieser  Anstalt 
feierte,  wurden  seine  Verdienste  um  dieselbe  warm  anerkannt.  Zugleich  war 
er  Mitglied  des  Vorsteherkollegiums  der  württ.  Sparkasse.  Auch  besaß  er  den 
Olgaorden.  Eine  Zeitlang  hielt  er  neben  seinem  Hauptamt  Vorlesungen 
über  Wechselrecht  am  Polytechnikum  und  an  der  kaufmännischen  Fort- 
bildungsschule. 

Als  Schriftsteller  hat  W.  namentlich  auf  den  Gebieten  des  Wechselrechts, 
Handelsrechts,  Verlags-  und  Autorrechts  Fruchtbarkeit  entfaltet.  Überdies 
lieferte  er  verschiedene  Werke  von  allgemeinerem  Interesse,  insbesondere  bio- 
graphischen Charakters;  in  die  pietistische  Vergangenheit  Altwürttembergs  hat 
er  sich  mit  Vorliebe  versenkt.  Nachstehend  ein  Verzeichnis  seiner  wichtigsten 
Schriften  in  chronologischer  Reihenfolge: 

Das  Verlagsrecht  mit  Einschluß  der  Lehre  von  dem  Verlagsvertrag  und  Nachdruck 
nach  den  geltenden  deutschen  und  internationalen  Rechten.  Stuttgart  1857  f.  — Das  Recht 
des  Künstlers  gegen  Nachbildung  und  Nachdruck  seiner  Werke.  Stuttgart  1859.  —  Württem- 
berg und  Rom  vor  300  Jahren.  Stuttgart  1860.  —  Konkordat  und  Recht  in  Württemberg. 
Stuttgart  1861.  —  Wechsellehre  nach  den  deutschen  und  ausländischen  Gesetzen.  Stutt- 
grart  1861  (in  Bibliothek  der  gesamten  Handels  Wissenschaft).  —  Bekenntnisgrund,  Kirche 
und  Sektenwesen  in  Württemberg  nach  Geschichte,  Recht  und  Lehre.  Stuttgart  1862.  — 
Johann  Albrecht  Bengel.     Lebensabriß,  Charakter,  Briefe   und  Aussprüche.     Stuttgart  1865. 

—  Beiträge  zu  J.  A  Bengels  Schrifterklärung  und  Bemerkungen  desselben  zu  dem  Gnomon 
des  Neuen  Testaments.  Leipzig  1865  (sowie  einige  weitere  Veröffentlichungen  über  Bengel). 

—  Das  Handelsrecht  nach  dem  allgemeinen  deutschen  Handelsgesetzbuch  und  den  Ein- 
führungsgesetzen. 2  Teile.  Leipzig  1865  f.  —  Das  Wechselrecht  des  norddeutschen  Bundes 
und  die  aUgem.  deutsche  Wechselordnung  in  den  deutschen  und  deutsch-österreichischen 
Ländern.  Leipzig  1869  f.  —  Das  Autorrecht  nach  dem  gemeinen  deutschen  Recht; 
systematisch  dargestellt  Stuttgart  1875.  —  ^^  Urheberrecht  an  Werken  der  bildenden 
Künste,  Photographien  und  gewerblichen  Mustern  nach  dem  gemeinen  deutschen  Recht 
systematisch  dargestellt.  Stuttgart  1877.  —  Encyklopädie  des  Wechselrechts  der  europäischen  und 
aufiereuropäischen  Länder  auf  Grundlage  des  gemeinen  deutschen  Rechts.  Stuttgart  1879.  Wohl- 
feile Ausgabe  Stuttgart  1881.  —  Carl  Georg  von  Wächter.  Nekrolog.  Tübingen  1880.  —  Carl 
Georg  von  Wächter.  Leben  eines  deutschen  Juristen.  Leipzig  1 88 1 .  —  Vehmgerichte  und 
Hexenprozesse  in  Deutschland.  Stuttgart  1882  (Kollektion  Spemann  Bd.  31).  — Altes  Gold 
in  deutschen  Sprichwörtern.  Stuttgart  1883  (Kollektion  Spemann  Bd.  43).  — Das  Wechsel- 
recht des  deutschen  Reiches.  Stuttgart  1883.  —  Bengel  und  Oetinger.  Leben  und  Aus- 
sprüche zweier  altwttrttembergischen  Theologen.     Gütersloh  1883.  —  Johann  Jakob  Moser. 


y6  von  Wächter,     von  Zoll  er. 

Stuttgart  1S85.  —  Sprichwörter  und  Sinnsprüche  der  Deutschen  in  neuer  Auswahl.    Güters- 
loh 1888. 

W.  wurde  seinem  Wunsche  gemäß  in  aller  Stille  auf  dem  Friedhofe  der 
Stuttgarter  Karlsvorstadt  an  der  Seite  seiner  ersten  Gattin  (Agnes,  geb.  Flattich, 
t  187 1)  beerdigt.  In  zweiter  Ehe  war  er  seit  1873  mit  Natalie,  geb.  Bau- 
meister, vermählt,  die  ihn  überlebte.  Aus  beiden  Ehen  sind  Kinder  ent- 
sprossen. 

Schwäbische  Kronik  vom  17.  Juni  1902  Nr.  274,  Neues  Tagblatt  vom  19.  Juni  Nr.  140, 
sonstige  Zeitungsnotizen;  Eberhard  E.  von  Georgii-Georgenau,  biographisch-genealogische 
Blätter  aus  und  über  Schwaben  S.  I04if.;  Werke  (unvollständig)  in  Kürschners  Deutschem 
Literaturkai  ender.  R.   Krauß. 

Zoller,  Edmund  (von),  Dr.,  Schriftsteller,  *  20.  Mai  1822  in  Stuttgart, 
f  I.  April  1902  in  Ludwigsburg.  —  Der  Vater,  August  Z.,  Mitbegründer  und 
Rektor  des  Stuttgarter  Katharinenstifts,  genoß  als  Pädagoge  Ansehen.  Der 
Sohn  studierte,  nachdem  er  das  Gymnasium  durchlaufen  hatte,  in  Tübingen 
Philosophie,  Philologie  und  Geschichte,  bildete  sich  auf  Reisen  weiter  und 
erwarb  1846  den  philosophischen  Doktorhut.  Dann  ließ  er  sich  in  seiner 
Vaterstadt  als  Schriftsteller  nieder.  Er  arbeitete  anfangs  auf  dem  Gebiete  der 
Tagespolitik,  ging  jedoch  bald  zur  Belletristik  über.  Entscheidend  für  ihn 
wurde  seine  enge  Verbindung  mit  der  Hallbergerschen  Verlagsbuchhandlung 
(jetzigen  Deutschen  Verlagsanstalt).  Z.s  Vetter  und  vertrauter  Freund  Eduard 
Hallberger  hatte  diese  mit  bescheidenen  Mitteln  vor  kurzem  begründet,  brachte 
sie  aber  durch  Intelligenz  und  Geschäftstüchtigkeit  rasch  in  die  Höhe.  Von 
Schriftstellern  waren  die  auch  miteinander  eng  verbundenen  Hackländer  und 
Z.  an  ihrem  Aufschwung  hauptsächlich  beteiligt.  1852  redigierte  Z.  das  im 
Hallbergerschen  Verlag  erscheinende  Zentralorgan  für  die  deutschen  Bühnen, 
die  offizielle  Zeitung  des  Bühnenvereins.  Es  folgten  eine  Reihe  belletristischer 
Gründungen,  an  denen  Z.  beträchtlichen  Anteil  hatte.  1853  entstand  die 
^Illustrierte  Welt«.  Im  Sommer  1858  wurde  im  französischen  Seebad  Trouville 
von  Hackländer,  Z.  und  den  Brüdern  Eduard  und  Karl  Hallberger  gemeinsam 
der  Plan  zu  »Über  Land  und  Meer«  entworfen,  jenem  noch  heute  beliebten 
Blatte,  das  im  illustrierten  Zeitschriftenwesen  Deutschlands  geradezu  Epoche 
gemacht  hat.  Z.  zeichnete  von  1859  bis  März  1867  und  dann  wieder  von 
Juli  1881  bis  Juni  1885  als  verantwortlicher  Redakteur.  1863  wurde,  als  eine 
Art  von  Ergänzung  zu  »Über  Land  und  Meer«,  die  »Romanbibliothek«,  später 
die  auf  die  breitesten  Schichten  des  Publikums  berechnete  illustrierte  Zeit- 
schrift »Zu  Hause«  ins  Leben  gerufen,  an  die  Stelle  der  letzteren  traten  bald 
die  »Illustrierten  Romane  aller  Nationen«,  und  bei  allen  diesen  Unterneh- 
mungen wirkte  Z.  mit.  Er  spielte  jahrzehntelang  im  literarisch-künstlerischen 
Leben  Stuttgarts  eine  bedeutende  Rolle.  Der  kleine  Mann  mit  den  feinen, 
scharfgeschnittenen  Zügen  und  dem  bartlosen,  geistig  durchgearbeiteten  Ge- 
sicht gehörte  zu  den  bekanntesten  Erscheinungen  der  Residenz.  Manches 
junge  Talent  fand  bei  ihm  Rat  und  Förderung. 

Neben  seiner  journalistischen  Wirksamkeit  hat  sich  Z.  auch  literarisch 
betätigt.  »Die  Bibliothekswissenschaft  im  Umriß«  (Stuttgart  1846)  eröffnete 
den  Reigen  seiner  selbständigen  Schriften;  es  war  die  erste  wissenschaftliche 
Begründung  jener  Lehre.    Später  beschrieb  er  »Die  Königliche  Handbibliothek 


von  Zoller.     Trautmann. 


97 


in  Stuttgart«  (Stuttgart  1886).  Außerdem  veröffentlichte  er  mehrere  Bücher 
aus  dem  Gebiete  der  Ordenskunde:  »Die  Orden  und  Ehrenzeichen  Deutsch- 
lands und  Österreichs«  (2.  Auflage  Frankfurt  1881),  »Der  Orden  vom  Goldenen 
Vlies«  (Altenburg  1877),  »Die  Orden  von  Tunis«  (Wien  1877),  »Der  königliche 
und  ausgezeichnete  Orden  Karls  des  Dritten«  (Frankfurt  1888).  Ferner  ist 
noch  zu  erwähnen:  das  nach  dem  Französischen  bearbeitete  Lebensbild  des 
Malers  Leopold  Robert  (Hannover  1863),  »Die  Rennen  und  Fuchsjagden  in 
England«  (Leipzig  1865,  Bibliothek  für  Sport  und  Jagd),  »Das  Katharinen- 
stift,  Blätter  aus  den  »Denkwürdigkeiten  eines  deutschen  Erziehers,  Rektors 
von  Zoller«;  2.  Auflage  Stuttgart  1868).  Zahllos  sind  die  Übertragungen,  di^ 
Z.  von  fremden  Dichtwerken  gefertigt  hat.  Der  sprachkundige  Mann  über- 
setzte aus  dem  Französischen,  Englischen,  Schwedischen,  Dänischen,  Hol- 
ländischen, Vlämischen,  Spanischen,  Portugiesischen.  Daneben  besorgte  und 
redigierte  er  die  verschiedensten  Ausgaben,  so  die  Prachtausgabe  des  Münch- 
hausen  mit  Dores  Illustrationen  (Stuttgart  1872,  2.  Auflage  1877),  die 
»Porträtgalerie  der  regierenden  Fürsten  und  Fürstinnen  Europas«,  (Stuttgart 
1889  ff.)  usw. 

1885  fiel  Z.  —  schon  1867  war  er  mit  dem  Hofratstitel  bedacht  worden 
—  die  Leitung  der  Kgl.  Hofbibliothek  in  Stuttgart  zu.  Er  stieg  nach  einigen 
Jahren  zum  wirklichen  Direktor  empor;  hohe  württembergische  und  zahlreiche 
auswärtige  Orden  schmückten  seine  Brust.  Aber  seine  literarische  Rolle  war 
jetzt  ausgespielt,  und  mit  dem  inzwischen  herangewachsenen  jüngeren  Ge- 
schlechte hatte  er  keine  Fühlung  mehr.  Sommer  1896  feierte  er,  noch  ziem- 
lich rüstig,  sein  5ojähriges  Doktorjubiläum;  dann  sanken  seine  körperlichen 
und  geistigen  Kräfte  rasch.  November  1899  trat  er  in  den  Ruhestand;  neben 
seinem  bibliothekarischen  Hauptamt  hatte  er  auch  viele  Jahre  den  württem- 
bergischen Gerichten  als  Dolmetscher  für  Englisch,  Holländisch,  Dänisch  und 
Schwedisch  gedient.  Der  hinfällige  Greis  beschloß  seine  Tage  in  tiefer  Zu- 
rückgezogenheit. Als  seine  Gebrechlichkeit  und  Hilfsbedürftigkeit  überhand 
nahmen,  suchte  er  —  am  2.  Juli  1901  —  das  Männerkrankenhaus  Salon  bei 
Ludwigsburg  auf,  wo  er  auch  starb.  Das  von  Crailsheimsche  Erbbegräbnis 
auf  dem  Ludwigsburger  Friedhof  nahm  seine  Gebeine  auf.  Seit  1863  war 
er  in  kinderloser  Ehe  mit  Emma,  geb.  Freiin  von  Crailsheim,  vermählt. 

(Stuttgarter)  Neues  Tagblatt  vom  2.  April  1902  Nr.  75,  Schwäbische  Kronik  vom  2. 
und  5.  April  Nr.  148  und  154,  Staatsanzeiger  für  Württemberg  vom  7.  April  Nr.  79,  Über 
Land  und  Meer  Bd.  88  (1902)  S.  580  (mit  Bild),  Konversationslexika.  R.   Krauß. 

Trautmann,  Moritz  Ferdinand,  Ohrenarzt  und  Professor  der  Ohrenheil- 
kunde, Direktor  der  ohrenärztlichen  Abteilung  an  der  Kgl.  Charit^  in  Berlin, 
•  zu  Wittenberg  20.  März  1833,  f  ^.m  4.  Mai  1902.  —  T.  studierte  in  Berlin 
als  Zögling  des  med.-chir.  Friedrich  Wilhelm-Instituts,  wurde  1857  zum  Dr.  med. 
promoviert,  war  in  der  Ohrenheilkunde  Schüler  von  Schwartze  (Halle  a.  S.) 
und  Wendt  (Leipzig),  wirkte  seit  1873  ^^s  Ohrenarzt  anfänglich  in  Breslau, 
dann  in  Berlin,  seit  1876  als  Dozent  der  Ohrenheilkunde  an  der  Universität 
und  war  gleichzeitig  Militärarzt  bis  1887.  Auch  nahm  er  an  den  Feldzügen 
von  1866  und  1870/71  Teil.  1888  wurde  er  zum  Professor  e.  o.,  1894  zum 
Dirigenten  der  Abteilung  für  Ohrenkranke  an  der  Kgl.  Charit^,  1895  zum 
Geh.  Medizinalrat,    beim   Ausscheiden   aus    dem   aktiven    Militärdienst   zum 

Biogr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.   7.  Bd.  7 


g8  Trautmann.     VVolflf. 

Generalarzt  ernannt.  Er  schrieb:  »Anat.,  pathol.  und  klin.  Studien  über 
Hyperplasie  der  Rachentonsille  usw.«  (Berlin  i8S6,  mit  7  Taf.  und  12  .stereosk. 
Photogr.);  ferner  über  »Embolische  Prozesse  des  Mittelohrs«  —  »Die  Licht- 
reflexe des  Trommelfelles«  —  »Der  gelbe  Fleck  am  Ende  des  Hammerstieles <^ 
(Arch.  f.  Ohrenhlk.)  —  »Chirurgische  Anatomie  des  Schläfenbeins,  insbesondere 
für  Radikaloperation«  (1898,  mit  72  stereosk.  Abb.)  u.  v.  A. 

Quellen  s.  in  Virchows  Jahresberichte  1902,  I,  p.  425.  Pagel. 


Wolff,  Julius,  Chirurg  und  Orthopäd  in  Berlin,  *  zu  Märkisch-Friedland 
(Westpr.),  21.  März  1836,  f  in  Berlin  am  18.  Februar  1902.  —  W.  studierte 
und  promovierte  1860  in  Berlin,  habilitierte  sich  1868  für  Chirurgie  daselbst, 
wurde  1884  Professor  e.  o.,  1890  Direktor  der  neu  eingerichteten  Universitäts- 
Poliklinik  für  orthopädische  Chirurgie,  1899  Geheimer  Medizinalrat  und  war 
seit  1886  Vorstandsmitglied  der  Freien  Vereinigung  der  Chirurgen  Berlins. 
W.  nahm  an  den  Feldzügen  von  1864,  66  und  70/71  teil.  Seine  wissenschaft- 
liche Bedeutung  ist  an  das  von  ihm  ermittelte  Gesetz  der  Transformation  der 
Knochen  geknüpft,  das  Ergebnis  gediegener  Forschungen,  die  W.  zuletzt 
niederlegte  in  der  Schrift:  »Das  Gesetz  der  Transformation  der  Knochen <t 
(herausgegeben  mit  Beihilfe  der  kgl.  Akademie  der  Wissenschaften  Berlin  1892). 
Außerdem  veröffentlichte  W.  zahlreiche  Arbeiten,  die  besonders  orthopädische 
Themata,  sowie  die  Gaumenspaltoperation,  aber  auch  verschiedene  andere  Ge- 
biete der  Chirurgie  betreffen.  Die  Titel  der  übrigen  wichtigeren  Publikationen 
W.s  sind:  »Osteoplastik,  insbesondere  osteoplastische  Operationen  mittels 
Verschiebung  von  Knochenstücken  und  temporäre  Resektion  des  Schädeldachs, 
Knochenwachstum,  insbesondere  Markierversuche  am  Scheitel-,  Stirn-  und 
Nasenbein  der  Kaninchen,  sowie  Markierversuche  am  Unterkiefer«  —  »Innere 
Architektur  der  Knochen«  —  »Theorie  des  Knochenschwundes  durch  ver- 
mehrten Druck^und  der  Knochenneubildung  durch  Druckentlastung«  —  »Funktio- 
nelle Pathogenese  und  funktionelle  Orthopädie  der  Deformitäten,  insbesondere 
des  Klumpfußes,  Genu  valgum  und  der  Scoliose  bezw.  Etappenverbände«  — 
»Lehre  von  der  Heilung  der  Knochenbrüche«  —  »Redressement  des  Buckels 
bei  Spondylitis«  —  »Unblutige  Einrenkung  der  angeborenen  Hüft  Verrenkung  •< 

—  »Trophische  Störungen  bei  primärer  Gelenksaffektion«  —  »Operation  der 
Hasenscharten  und  der  Gaumen.spalten,  insbesondere  frühzeitige  Gaumenspalt- 
operation« —  »Rhinoplastik  mittels  eines  ohne  Umklappen  herabgezogenen 
Hautknochenlappens«  —  »Schultergelenks-Arthrodese«  —  »Arthrolyse  bei 
Ellenbogengelenks-Ankylose«  —  »Kniegelenks-Arthrektomien  bei  neuropathi- 
scher  Gelenkserkrankung«  —  »Hüftgelenks-Resektion«  —  »Kropfexstirpation, 
insbesondere  über  das  spätere  Verhalten  der  nicht  exstirp.  Kropfteile  bei 
partieller  Exstirpation    und    halbseitige  Exstirpation    bei    Aforbus    Basedowii^ 

—  »Operationen  bei  herabhängendem  Kopf  des  Kranken«  —  »Totale  Kehl- 
kopfexstirpationen,  Pseudostomie  und  Verbesserungen  am  künstlichen  Kehl- 
kopf« —  »Angeborene  Flughautbildung«  —  »Behandlung  der  Patellarbrüche« 

—  »Sklerodermie«  —  »Lumbalhernien«  —  »Willkürliche  Kniegelenksluxation« 

—  »Überdachen  großer  Defekte«. 

Nekrologische  Quellen:  Virchows  Jahresberichte   1902,  I,  p.  428. 

Pagel. 


Fuhr.     Prinz  Albert  von  Sachscn-Altenburg.     von  Lupin.  qq 

Fuhr,  Ferdinand,  Chirurg  in  Gießen,  *  22.  Januar  1853,  f  3.  November 
1902  zu  Gießen.  —  F.  erhielt  1876  die  ärztliche  Approbation,  war  zuerst 
Assistent  an  der  chirurgischen  Universitätsklinik  in  Gießen,  habilitierte  sich 
daselbst  als  Dozent  für  Chirurgie  1886,  erlangte  1891  das  Extraordinariat, 
wurde  Direktor  der  chirurgischen  Universitätspoliklinik,  trat  jedoch  bereits 
im  Juni  1900  in  den  Ruhestand.  F.s  wissenschaftliche  Arbeiten  betreffen 
Operationen  am  Darm  bei  Ileus,  Methodik  der  Unterschenkelamputation, 
Exstirpation  der  Schilddrüse  u.  a.  Außerdem  ist  F.  Verfasser  einer  histori- 
schen Studie  über  den  Kropf  im  Altertum. 

Vgl.  Virchows  Jahresberichte  1902,  I,  p.  414.  *  Pagel. 

Sachsen- Altenburg,  Prinz  Albert  von,  Durchlaucht,  Herzog  zu  Sachsen, 
königlich  preußischer  General  der  Kavallerie  und  königlich  sächsischer  General 
der  Kavallerie  ä  la  suite  der  Armee,  ä  la  suite  des  königl.  preußischen  thürin- 
gischen Husarenregiments  Nr.  12  und  des  8.  thüringischen  Infanterieregiments 
Nr.  153,  *  14.  April  1843  ^^  München,  f  22.  Mai  1902  auf  Serrahn  bei  Krakow 
in  Mecklenburg-Schwerin.  —  Der  Prinz  trat  am  17.  Mai  1861  als  Sekondleutnant 
in  königlich  preußische  Dienste  und  zwar  beim  westfälischen  Ulanenregiment 
Nr.  5  ein.  Im  Jahre  1864  nahm  er  vom  16.  Januar  bis  22.  April  im  Stabe 
des  Prinzen  Albrecht  von  Preußen  (Vater)  am  Feldzuge  in  Schleswig  gegen 
die  Dänen  teil,  wurde  im  Juni  1864  ä  la  suite  der  Armee  gestellt  und  trat 
kn  Januar  1865  aus  der  preußischen  Armee  aus,  um  in  russische  Dienste  zu 
gehen.  Hier  stieg  er  bis  zum  General  ä  la  suite  des  Kaisers  auf,  erhielt  aber 
bei  Ausbruch  des  Krieges  von  1870  zwischen  Preußen  und  Frankreich  die 
Erlaubnis,  sich  an  diesem  zu  beteiligen  und  zwar  wiederum  im  Stabe  des 
Prinzen  Albrecht  von  Preußen  (Vater),  der  zu  jener  Zeit  die  4.  Kavallerie- 
division befehligte.  Aus  der  russischen  Armee  ausgeschieden,  trat  er  am  6.  Mai 
1887  mit  dem  Charakter  als  Generalmajor  in  preußische  Dienste  und  wurde 
zunächst  bei  den  Offizieren  ä  la  suite  der  Armee  angestellt.  Sodann  erhielt  der 
Prinz  am  i.  Dezember  ein  Patent  seines  Dienstgrades,  tat  vom  i.  Januar  1889  ab 
Dienst  beim  Stabe  der  Garde-Kavalleriedivision  und  bekam  am  22.  März  gleichen 
Jahres  das  Kommando  der  3.  Garde-Kavalleriebrigade.  Unterm  19.  September 
1891  zum  Generalleutnant  mit  dem  Range  eines  Divisionskommandeurs  be- 
fördert, wurde  er  am  3.  November  desselben  Jahres  unter  Belassung  ä  la  suite 
des  7.  thüringischen  Infanterieregiments  Nr.  96  zu  den  Offizieren  ä  la  suite 
der  Armee  und  am  18.  Januar  1896  zum  thüringischen  Husarenregiment  Nr.  12 
ä  ia  suite  desselben  versetzt.  Nachdem  der  Prinz  am  i.  September  1896  zum 
General  der  Kavallerie  ernannt  worden  war,  trat  er  nach  Errichtung  des 
8.  thüringischen  Infanterieregiments  Nr.  153  vom  7.  thüringischen  Infanterie- 
regiments Nr.  96  zum  neuen  Truppenteil,  ä  la  suite  desselben,  über. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Lupin,  Hugo  Frhr.  von,  k.  württemb.  Generalleutnant  z.  D.,  ♦  26.  Juli  1829 
in  Illerfeld,  f  12.  Mai  1902  in  Stuttgart.  —  L.  erhielt  am  8.  April  1849 
die  Leutnantsepaulettes,  wurde  1855  Oberleutnant  und  rückte  1863  zum 
Hauptmann  und  Kompagniechef  im  damaligen  württembergischen  3.  Infanterie- 
regiment auf,  dessen  7.  Kompagnie  er  im  Feldzuge  von  1866  gegen  Preußen 
befehligte.    Auch  bei  Ausbruch  des  deutsch-französischen  Krieges  von  1870/71 


tOO  von  Lupin.     von  Knappe. 

stand  er  noch  an  der  Spitze  dieser  Kompagnie,  nahm  mit  ihr  an  der  Schlacht 
von  Sedan  sowohl  als  an  der  Einschließung  von  Paris,  den  Gefechten 
bei  Nogent  sur  Seine  und  am  Mont  Mesly  teil.  Nach  dem  Friedensschlüsse 
wurde  er  bei  der  nun  erfolgenden  Neuordnung  der  württembergischen  Truppen 
und  deren  Vereinigung  mit  der  preußischen  Armee  Major  im  7.  württem- 
bergischen Infanterieregiment,  das  später  die  Nr.  125  erhielt.  Am  4.  März 
1876  mit  der  Führung  des  3.  Infanterieregiments  Nr.  121  beauftragt  wurde  L. 
am  22.  September  desselben  Jahres  Kommandeur  dieses  Truppenteiles,    am 

6.  Juni  1877  zum  Oberstleutnant  und  am  16.  September  1881  zum  Oberst  auf- 
rückend. Bis  zum  21.  Juli  1885  in  diesem  Dienstgrad  stehend,  führte  er  von 
diesem  Tage  ab  die  51.  Infanteriebrigade,  zu  deren  Kommandeur  L.  am 
29.  Januar  1886  endgültig  ernannt  wurde,  unterm  darauffolgenden  10.  September 
den  Dienstgrad  als  Generalmajor  erreichend.  Nach  weiteren  zwei  Jahren  wurde 
er  zum  Kommandanten  von  Stuttgart  und  Vorstand  des  württembergischen  Ober- 
Rekrutierungsrates  ernannt,  in  welcher  Stellung  ihm  am  31.  Oktober  der 
Charakter  als  Generalleutnant  verliehen  wurde.  1890  wurde  er  in  Genehmigung 
seines  Abschiedsgesuches  zur  Disposition  gestellt. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Knappe,  Ernst  von,  Generalleutnant  z.  D.,  •12.  September  1839  zu  Witten- 
berg, f  am  12.  Mai  1902  zu  Würzburg.  —  Nach  erfolgter  Erziehung  im  Kadetten- 
korps kam  K  am  2.  Mai  1857  als  außeretatsmäßiger  Sekondleutnant  in  die 
2.  Ingenieurinspektion  bezw.  5.  Pionierabteilung.  Nach  dem  vorgeschriebenen 
Besuch  der  Vereinigten  Artillerie-  und  Ingenieurschule  trat  er  im  Juni  1859 
zu  seiner  Pionierabteilung  zurück,  wurde  bald  darauf  zum  etatsmäßigen 
Sekondleutnant  ernannt  und  im  Mai  1863  dem  Fortifikationsdienst  in  Witten- 
berg überwiesen.  Hier  unterm  i.  Dezember  1863  zum  Premierleutnant  auf- 
gerückt, wurde  K.  im  August  1864  dem  Fortifikationsdienst  in  Torgau  zu- 
geteilt und  1865  zum  schlesischen  Pionierbataillon  Nr.  6  in  Neiße  versetzt. 
Von  hier  wurde  er  im  Mai  1866  zu  den.  Niederlegungsarbeiten  der 
Befestigungswerke  bei  Schweidnitz  und  kurz  darauf  zu  Brückensprengungen 
nach  Oderberg  kommandiert.  Den  Feldzug  von  1866  gegen  Österreich 
machte  er  bei  der  Abteilung  des  Generalmajors  von  Knobelsdorff  mit.  Nach 
dem  Friedensschlüsse  besuchte  er  die  Kriegsakademie,  kam  nach  Beendigung 
des  dreijährigen  Kursus  zum  Fortifikationsdienst  in  Glogau    und  wurde  am 

7.  Juli  1870  zum  Hauptmann  befördert.  Als  solcher  wurde  K.  bei  Ausbruch 
des  Krieges  von  1870/71  gegen  Frankreich  dem  Generalkommando  des 
IV.  Armeekorps  als  2.  Ingenieuroffizier  zugewiesen.  Nach  erfolgter  Rückkehr 
aus  dem  Felde  zum  Mitgliede  des  Ingenieurkomitees  ernannt  und  am 
26.  August  187 1  als  Kompagnieführer  zum  Eisenbahnbataillon  kommandiert, 
wurde  er  1872  im  September  als  Kompagniechef  in  diesen  Truppenteil 
versetzt,  bis  er  im  November  1876  in  die  2.  Ingenieurinspektion  übertrat 
und  dem  Fortifikationsdienste  in  Posen  zugewiesen  wurde.  Am  14.  Dezember 
1878  zunächst  unter  Beförderung  zum  Major  zum  Kommandeur  des  branden- 
burgischen Pionierbataillons  Nr.  3  ernannt,  vertauschte  er  diese  Stellung  am 
16.  November  1880  mit  derjenigen  des  Kommandeurs  des  i.  Bataillons  des 
Eisenbahnregiments,  wurde  am  i.  Mai  1886  mit  der  Vertretung  des  Komman- 
deurs dieses  Regiments  beauftragt,  avancierte  am  12.  Juni  zum  Oberstleutnant, 


von  Knappe.     Wertheimer.     Wiehert.  lOI 

übernahm  am  12.  September  1886  die  Führung  und  erhielt  am  13.  Dezember 
1887  das  Kommando  des  Eisenbahnregiments.  Dieses  befehligte  er,  am 
13.  Oktober  1888  zum  Oberst  aufgestiegen,  bis  zum  24.  März  1890,  zu  welchem 
Zeitpunkte  K.  zunächst  als  Führer  an  die  Spitze  der  Eisenbahnbrigade  trat, 
deren  Kommando  ihm  am  15.  Dezember  1890  endgültig  übertragen  wurde. 
Am  20.  Oktober  1891  erhielt  er  das  Patent  als  Generalmajor,  wurde  am 
I.  Januar  1900  geadelt  und  bei  seinem  Ausscheiden  aus  dem  Dienst  am 
22.  Januar  1895  Generalleutnant. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 


Wertheimer,  Gustav,  Historien-  und  Genremaler,  *  28.  Januar  1847  in 
Wien,  f  24.  August  1902  in  Paris.  —  W.  studierte  an  der  Wiener  Akademie 
unter  Joseph  Führich  und  war  Schüler  von  Makart,  dessen  Einfluß  entschei- 
dend für  die  malerische  Anschauung  des  Künstlers  wurde.  Er  malte  anfangs 
große  Historienbilder  im  Sinne  des  Meisters:  »Tod  der  Agrippina«,  »König 
von  Zion«;  auch  Darstellungen  mystischen  Inhalts,  sowie  Porträts  z.  B.  von 
Jules  Verne.  Späterhin  machte  er  sich  als  Tiermaler  bekannt;  viele  seiner 
Bilder,  die  Löwenbraut,  Wüstenidyll,  Löwenpaar,  Strandwächter,  Der  Blumen 
Rache,  Kuß  der  Welle,  Löwen  auf  der  Lauer  u.  a.  erschienen  in  den  sieb- 
ziger und  achtziger  Jahren  in  der  »Illustrierten  Zeitung«  und  in  »Über  Land 
und  Meer«  abgebildet.  Andere  Bilder  von  ihm  sind:  »Perseus  und  Andro- 
meda.«  »Der  Traum  des  Fischers.«  »Antonius  und  Cleopatra.«  Seit  vielen 
Jahren  hatte  er  sich  in  Paris  niedergelassen.  Bei  der  Weltausstellung  1889 
wurde  er  ausgezeichnet.  Zum  Schluß  gerieth  er  in  äußerste  Notlage  und  starb 
im  Spital  Lariboisi^re  an  galoppierender  Schwindsucht. 

Ludwig  Hevesi,  Österreichische  Kunst  des  19.  Jahrhunderts  1903.  Jahrbuch  der  bil- 
denden Kunst  1903.  Chronique  des  ArU  ei  de  la  Curiosiü  1902.  Kunst  für  Alle  XVIII. 
Boetticher,  Malerwerke  des  XIX.  Jahrhunderts  1895 — 1901.  H.  W.  Singer,  Allgemeines 
Künstlerlexikon  1895.  HugoSchmerber. 


Wiehert,  Felix,  Porträt-  und  Genremaler,  *  8.  Mai  1842  zu  Tilsit,  f  ini  Fe- 
bruar 1902  in  Berlin.  —  W.  widmete  sich  erst  in  späteren  Jahren,  nachdem  er 
mehrere  Berufe  verlassen  hatte,  der  Malerei.  Zuerst  kam  er  1861  an  die  Uni- 
versität nach  Berlin,  um  Philologie  zu  studieren,  dann  wendete  er  sich  der 
Militärlaufbahn  zu,  machte  den  Feldzug  gegen  Österreich  mit  und  nahm  1869 
seinen  Abschied ;  nachdem  er  die  folgenden  Jahre  auf  Reisen  zugebracht  hatte 
ging  er  wieder  nach  Berlin  und  begann  sich  mit  der  Malerei  zu  beschäftigen. 
In  den  Ateliers  von  Steffeck  und  Eschke  machte  er  seine  Studien  und  stellte 
1876  als  erste  größere  Arbeit  auf  der  großen  akademischen  Ausstellung  in 
Berlin  ein  Gemälde  »Winterabend«  aus.  Unter  seinen  vielen  Porträts  sei  ein 
Reiterbildnis  Kaiser  Wilhelms  L  erwähnt,  ferner  von  seinen  Genrebildern 
»Polenschänke«,  »Zigeunerlager«,  »Waldhexe«. 

Das  geistige  Deutschland  am  Ende  des  19.  Jahrhunderts.  I.  Bd.  Bildende  Künstler, 
1898.  Kunstchronik  XIII,  n.  F.  Kunst  für  Alle  XVII.  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst 
1903.  Boetticher,  Malerwerke  des  19.  Jahrhunderts,  1895 — 1901.  Chronique  des  Arts  ei  de 
la   Curiosiic  1902.     H.  W.  Singer,  Allgemeines  Künstlerlexikon   1895. 

Hugo  Schmerber. 


102  Barvilius.     von  Voigts-Rhetz. 

Barvitius,    Viktor    Anton,    Maler,    Galerie-Inspektor,  *  28.  März  1834, 

1 9.  Juni  1902  in  Prag.  —  B.  besuchte  die  Kunstakademie  in  Prag  unter 
Engerth  und  Rüben  und  ging  1865  zur  weiteren  Ausbildung  nach  Paris.  Er 
widmete  sich  ausschließlich  der  Tiermalerei  und  stellte  besonders  Pferde  in 
den  Landschaften  der  Normandie  und  Bretagne  dar.  Als  er  nach  Prag  zu- 
rückkehrte, wurde  er  zum  Galerie-Inspektor  der  Gesellschaft  patriotischer  Kunst- 
freunde in  Böhmen  ernannt,  wobei  ihm  sein  theoretisches  Wissen  sehr  zu  statten 
kam.  Im  Verein  mit  Dr.  W.  Bode  verfaßte  er  einen  Galerie- Katalog.  Er 
war  auch  schriftstellerisch  tätig  und  gab  mehrere  Gelegenheitswerke  heraus: 
Eine  künstlerische  Geschichte  der  Stadt  Prag  in  der  Festschrift:  »Die  ersten 
25  Jahre  des  St.  Lukas-Vereins  und  Rückblick  auf  die  früheren  Vereinigungen 
bildender  Künstler  in  Prag  von  1348 — 1895.«  —  Ferner  eine  Abhandlung: 
»Die  Neuzeit  auf  dem  Gebiete  der  Malerei  und  Plastik  in  Böhmen«  in  »Die 
österreichisch-ungarische  Monarchie  in  Wort  und  Bild«,  Band  XV,  IL  Abteilung. 
Zugleich  mit  der  Stelle  als  Galerie-Inspektor  übernahm  er  auch  die  Lehrstelle 
für  Perspektive  an  der  Malerakademie. 

Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903.  Deutsche  Arbeit,  Zeitschrift  für  das  geistige 
Leben  der  Deutschen  in  Böhmen.  I.  Jahrgang.  Übersicht  über  die  Leistungen  der  Deut- 
schen Böhmens  auf  dem  Gebiete  der  Wissenschaft,  Kunst  und  IJteratur  in  den  Jahren 
»895—7-    Prag  1900.  Hugo  Schmerber. 

Voigts-Rhetz,  William  von,  General  der  Infanterie  ä  la  suite  des  Gre- 
nadierregiments König  Wilhelm  I.  (2.  Westpreußisches)  Nr.  7,  *  9.  April  1813 
zu  Höxter,  f  2.  Juni  1902  zu  Montreux  in  der  Schweiz.  —  Als  Avantageur  am 
2.  Mai  1829  beim  Grenadierregiment  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  (Pommer- 
sches)  Nr.  2  eingetreten,  wurde  V.-R.  nach  2  Jahren  Port^p^efähnrich  und  am 

20.  November  1831  Sekondleutnant.  Darauf  von  1841  bis  1844  als  Adjutant  und 
Rechnungsführer  beim  2.  Bataillon  (Stralsund)  2.  Landwehrregiments  Verwen- 
dung findend  und  am  24.  Februar  1846  zum  Premierleutnant  aufgerückt,  nahm 
er  im  März  1848  an  den  Straßenkämpfen  in  Berlin  teil.  Vom  12.  April  gleichen 
Jahres  bis  zum  14.  Januar  1850  wurde  er  mit  Führung  einer  Kompagnie  des 
Landwehrbataillons  Stralsund  beauftragt,  am  12.  November  1850  zum  Haupt- 
mann und  Kompagniechef  und  am  13.  Juli  1858  zum  Major  und  Komman- 
deur obengenannten  Bataillons  befördert.  Nach  Ablauf  eines  Kommandos 
als  Bataillonskommandeur  im  2.  kombinierten,  nachmaligen  5.  Pommerschen 
Infanterieregiment  Nr.  42,  in  diesen  Truppenteil  am  i.  Juli  1860  versetzt, 
avancierte  er  unterm  17.  März  1863  zum  Oberstleutnant,  wurde  am  14.  August 
1865  Kommandeur  der  Königsgrenadiere  Nr.  7  und  am  8.  Juni  1866  zum 
Oberst  befördert.  An  der  Spitze  dieses  Regiments  zog  V.-R.  im  Jahre  1866 
gegen  Österreich  ins  Feld  und  führte  es  in  den  Gefechten  von  Nachod  und 
Skalitz  siegreich  gegen  den  Feind,  wobei  er  durch  einen  Granatsplitter  am 
Fuße  leicht  verwundet  wurde,  aber  bei  der  Truppe  verbleiben  konnte.  Für 
ihr  tapferes  Verhalten  in  jenen  Gefechten  wurden  Kommandeur  und  Regiment 
von  König  Wilhelm  ganz  besonders  ausgezeichnet,  der  bei  der  Besichtigung 
des  Regiments  am  2.  August  1866  nicht  nur  persönlich  seinem  Dank  durch 
huldreiche  Ansprachen  Ausdruck  gab,  sondern  es  auch  dadurch  ehrte,  daß 
er  es  dem  Kronprinzen  und  dem  Korpskommandeur  vorbeiführte.  1867  wurde 
der  verdiente  Ol)erst  zur  Beiwohnung  der  norwegischen  Herbstübungen  nach 


von  Voigts-Rhetz.     Keyler.  IO3 

Christiania  kommandiert.  Bei  Ausbruch  des  Krieges  von  1870  wurde  V.-R. 
Kommandeur  der  18.  Infanteriebrigade  und  rückte  zum  Generalmajor  auf. 
Im  Felde  zeichnete  er  sich  abermals  ganz  besonders  im  Treffen  bei  Weißen- 
burg, in  der  Schlacht  bei  Wörth,  im  Vorhutgefecht  bei  Stonne,  in  der  Schlacht 
bei  Sedan,  im  Gefecht  bei  Petit  Bicötre  sowie  bei  der  Belagerung  von  Paris  aus, 
wofür  ihm  beide  Klassen  des  Eisernen  Kreuzes  sowie  zahlreiche  andere  Or- 
den verliehen  wurden.  Schwer  waren  auch  die  Verluste  seiner  Brigade, 
Königs-Grenadiere  und  Infanterieregiment  Nr.  47,  namentlich  bei  Weißenburg 
und  Wörth,  wo  78  Offiziere  und  15 15  Unteroffiziere  und  Mannschaften  tot 
oder  verwundet  den  grünen  Rasen  deckten.  Nach  dem  Feldzuge  in  die  Hei- 
mat zurückgekehrt,  erhielt  V.-R.  zunächst  am  13.  April  1872  das  Kommando 
der  21.  Infanterie-Brigade,  nahm  im  Jahre  1873  an  der  Krönung  Königs 
Oskar  II.  in  Stockholm  teil  und  übernahm  am  12.  Dezember  1873  die  Führung 
der  20.  Division,  zu  deren  Kommandeur  ihn  der  Kaiser  am  15.  Januar  1874 
ernannte.  Am  22.  März  1874  zum  Generalleutnant  befördert,  unter  Stellung 
ä  la  suite  des  Königsgrenadier-Regiments  am  19.  September  desselben  Jahres, 
wurde  er  am  8.  Dezember  zum  Georgsfest  nach  St.  Petersburg  kommandiert 
und  während  der  großen  Manöver  in  Schlesien  1875  zum  Ehrendienst  bei 
dem  König  von  Sachsen  befohlen.  Am  12.  März  1881  trat  V.-R.  als  General 
der  Infanterie  in  den  Ruhestand. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Keylcr,  Eugen,  Generalleutnant  z.  D.,  *  12.  Oktober  1840  zu  Königsberg 
i.  Pr.,  f  16.  Januar  1902  in  Berlin.  —  Nach  Absolvierung  des  Gymnasiums  bezog 
K.  die  Universität,  vertauschte  aber  den  Gelehrten-  mit  dem  Offiziersberuf,  in- 
dem er  am  i.  Februar  1860  als  Musketier  auf  Beförderung  dienend  beim 
I.  Infanterie-Regiment  in  Dienst  trat  und  in  diesem  Truppenteil  am  12.  Juli 
desselben  Jahres  zum  Portepdefähnrich  sowie  am  23.  Juli  nächsten  Jahres  zum 
Sekondleutnant  aufrückte.  Im  April  1864  Adjutant  des  Füsilier-Bataillons  des 
Regiments  geworden,  wurde  er  bei  Ausbruch  des  Krieges  von  1866  als  solcher 
der  I.  Infanterie-Division  zugeteilt,  in  welchem  Kommando  er  an  dem  Ge- 
fecht bei  Trautenau,  der  Schlacht  bei  Königgrätz  und  dem  Gefecht  bei 
Tobitschau  teilnahm.  Nach  dem  Feldzuge  wurde  K.  Adjutant  der  24.  In- 
fanterie-Brigade und  von  1866 — 1869  ^^^  Kriegsakademie  kommandiert,  wo- 
bei er  zum  Premierleutnant  aufstieg.  Diesem  Kommando  folgte  ein  solches 
zum  Garde-Feldartillerie-Regiment,  worauf  er  als  Adjutant  zur  17.  Infanterie- 
brigade  kam,  in  welcher  Stellung  er  1870  gegen  Frankreich  in  das  Feld  zog, 
wo  er  an  dem  Treffen  bei  Weißenburg,  den  Schlachten  von  Wörth  und 
Sedan,  dem  Avantgardengefecht  bei  Stonne,  der  Belagerung  von  Paris, 
den  Gefechten  am  Mont  Mesly  und  bei  Petit  Bicötre,  dem  Ausfallsgefecht 
von  La  Malmaison,  sowie  an  der  Schlacht  am  Mont  Valerien  Anteil  nahm. 
Nach  der  Rückkehr  aus  Frankreich  unter  Kommandierung  zum  großen  General- 
stabe dem  Generalstabe  der  Armee  aggregiert,  wurde  K.  am  3.  Oktober  187 1 
zum  Hauptmann  befördert  und  unter  Belassung  beim  großen  Generalstabe 
in  den  Generalstab  der  Armee  eingereiht.  Im  November  zum  Generalstabe 
des  IL  Armeekorps,  im  Januar  zu  demjenigen  der  7.  Division  versetzt,  avan- 
cierte er  am  12.  Oktober  1878  zum  Major  und  trat  am  10.  Mai  1879  ^""^ 
Generalstab  des  VII.  Armeekorps  über.     Nachdem  er  im  Jahre  1881  eine  Er- 


104  Keyler.     von  der  Planitz. 

kundungsreise  in  die  Schweiz  unternommen  hatte,  kam  er  1883  in  den  großen 
Generalstab  zurück,  wurde  Generalstabsoffizier  der  Kommandantur  in  Thom 
und  trat  am  12.  November  an  die  Spitze  des  Füsilier-Bataillons  des  i.  Posen- 
schen  Infanterieregiments  Nr.  18,  in  welcher  Stellung  er  1886  zum  Oberst- 
leutnant aufrückte.  Später  zum  etatsmäfligen  Stabsoffizier  ernannt,  erhielt  K. 
am  13.  November  1888  das  Kommando  des  Grenadierregiments  Nr.  4  und  wurde, 
unterm  16.  Juni  1891,  zum  Generalmajor  befördert,  Kommandeur  der  30.  In- 
fanteriebrigade. Als  solcher  fungierte  er  bis  zum  17.  März  1894,  an  dem 
seine  Ernennung  zum  Kommandanten  von  Königsberg  i.  Pr.  erfolgte.  In 
dieser  Stellung  erhielt  er  am  18.  April  1895  den  Charakter  als  Generalleutnant; 
am  17.  Juni  1897  trat  er  in  den  Ruhestand. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Planitz,  Paul  Edler  von  der,  Königlich  sächsischer  General  der  In- 
fanterie, Staats-  und  Kriegsminister,  ä  la  suite  des  i.  (Leib-)Grenadierregiments 
Nr.  100,  Bevollmächtigter  zum  Bundesrat  des  Deutschen  Reiches,  *  20.  Sep- 
tember 1837  zu  Hohengrün  bei  Auerbach  im  sächsischen  Voigtlande, 
f  19.  August  1902  in  Hosterwitz  bei  Dresden.  —  Im  Jahre  1853  in  die 
Artillerieabteilung  des  Königlich  sächsischen  Kadettenkorps  in  Dresden  auf- 
genommen, trat  P.  am  i.  April  in  das  sächsische  Artilleriekorps  als  Portep^e- 
junker  ein,  wo  er  am  i.  Oktober  1856  zum  Leutnant  im  damaligen  Fuß- 
artillerie-Regiment aufstieg.  1861  wurde  er  in  die  taktische  Abteilung  des 
Generalstabes  und  Ende  1863  zum  Stabe  des  Generalleutnants  v.  Hake  ver- 
setzt, der  die  Bundes-Exekutionstruppen  in  Holstein  befehligte.  Nachdem 
diese  Truppen  aufgelöst  waren,  wurde  P.  ä  la  suite  der  Armee  gestellt,  um 
sprachwissenschaftlichen  Studien  obzuliegen  und  1865  unterm  23.  Oktober  zum 
Oberleutnant  befördert.  Die  drohenden  Kriegsaussichten  machten  seinen  Stu- 
dien im  Frühjahre  1866  ein  Ende  und  kurz  darauf  wurde  die  sächsische  Armee, 
als  im  Bunde  mit  Österreich  stehend,  mobilgemacht,  wobei  er  dem  General- 
stabe der  vom  Generalleutnant  v.  Fritsch  geführten  Kavallerie -Division  zu- 
geteilt wurde.  Hier  zeichnete  er  sich  derartig  aus,  daß  man  ihm  das 
österreichische  Militär -Verdienstkreuz  mit  der  Krone  verlieh.  Nach  dem 
Friedensschlüsse  am  i.  Januar  1867  zunächst  als  Adjutant  zum  derzeitigen 
Kronprinzen,  nachmaligen  König  Albert,  kommandiert,  am  15.  November  in 
dieser  Stellung  zum  Hauptmann  aufgerückt  und  im  März  1868  in  den  General- 
stab zurückversetzt,  wurde  P.  Ende  1869  dem  preußischen  großen  General- 
stabe zur  Dienstleistung  überwiesen.  Bei  der  Mobilmachung  gegen  Frank- 
reich im  Juli  1870  fand  er  im  Generalstabe  des  sächsischen  XII.  Armeekorps 
Verwendung  und  trat  nach  Bildung  der  IV.  Armee  zum  Oberkommando  der 
Maasarmee  über.  Mit  diesem  nahm  er  an  den  Schlachten  bei  St.  Privat, 
Beaumont  und  Sedan  sowie  an  der  Einschließung  von  Paris  teil.  Mit  dem 
Eisernen  Kreuz  II.  und  I.  Klasse  geschmückt,  kehrte  er  in  die  Heimat  zu- 
rück, wo  er  wieder  dem  preußischen  großen  Generalstabe  zur  Dienstleistung 
zugeteilt  wurde.  In  dieser  Stellung  verblieb  P.  bis  1874,  in  welchem  Jahre 
er,  mittlerweile  zum  Major  aufgestiegen,  zum  Königlich  sächsischen  Militär- 
bevollmächtigten  in  Berlin  unter  Stellung  ä  la  suite  des  sächsischen  Kriegs- 
ministeriums Verwendung  fand.  Als  solcher  avancierte  er  1879  zum  Oberst- 
leutnant,   1882    zum  Oberst,  wurde  am   12.  Juli  1883    Chef  des   sächsischen 


von  der  Planitz.     Voigt  IO5 

Generalstabes  und  1888  zum  Generalmajor  befördert.  In  diesem  Dienstgrade 
stehend,  übernahm  er  1889  das  Kommando  der  sächsischen  Infanteriebrigade 
Nr.  45,  aus  welcher  Stellung  er  im  März  1891  ausschied,  um  zum  General- 
leutnant aufgerückt,  als  der  Nachfolger  des  verstorbenen  Generals  des  Kavallerie 
Grafen  v.  Fabrice  das  Amt  des  sächsischen  Kriegsministers  zu  übernehmen. 
In  dieser  hohen  Stellung  harrten  seiner  große  Aufgaben  und  unvergessen  wird 
es  stets  in  der  sächsischen  Armee  bleiben,  was  er  geleistet  hat.  Während 
seiner  Amtsführung  erhöhte  sich  der  Stand  der  Friedensstärke  der  Truppen 
so  bedeutend,  daß  eine  Einteilung  in  2  Armeekorps  nötig  wurde.  Auch  die 
Gliederung  des  Kriegsministeriums  erfuhr  eine  Neuordnung,  es  fand  eine  Ver- 
mehrung um  2  Abteilungen  statt,  eine  Druckschriftenverwaltung  und  ein 
Kriegsarchiv  wurden  neu  eingerichtet,  überhaupt  die  ganze  Organisation  der 
Militärverwaltungsbehörden  unter  der  Leitung  des  zu  früh  Verstorbenen  mit 
derjenigen  der  übrigen  Armeen  des  Reichsheeres  in  Übereinstimmung  ge- 
bracht. Aber  auch  den  geistigen  Interessen  des  Heeres  wandte  P.  sein  be- 
sonderes Augenmerk  zu.  So  erfolgte  während  seiner  Amtsdauer  die  Errich- 
tung einer  besonderen  Militärseelsorge  und  in  Verbindung  hiermit  der  Bau 
der  Gamisonkirche  in  Dresden,  die  unter  einem  Dache  mit  gemeinsamen  Turm, 
einen  evangelischen  und  einen  katholischen  Teil  vereinigt.  Neu  geregelt 
wurden  Militärjustizpflege  und  Militärbauwesen,  Remontedepots  und  zahl- 
reiche sonstige  Militäretablissements  sowie  Kasemements  zur  mustergültigen 
Unterbringung  der  Truppen  errichtet,  ein  Genesungsheim  angelegt  usw.  Auf 
dem  ebenfalls  auf  seine  Anregung  eingerichteten  besonderen  Begräbnisplatz 
für  die  Garnison  Dresden  hat  P.  seine  letzte  Ruhestätte  gefunden.  Seine 
Tätigkeit  erstreckte  sich  jedoch  nicht  nur  auf  die  Angehörigen  der  aktiven 
Truppen,  sondern  wendete  sich  auch  früheren  Militärs  und  deren  Hinterbliebenen 
zu.  Der  »Sachsendank«,  der  die  Aufgabe  hat,  bei  eintretenden  Notständen 
Hinterlassenen  von  Offizieren  usw.  Beihilfen  und  Unterstützungen  zu  gewähren, 
hat  schon  manche  Träne  getrocknet  und  legt  ein  schönes  Zeugnis  von  des 
Verewigten  Menschenliebe  ab. 

Nicht  nur  die  sächsische  Armee,  das  ganze  deutsche  Reichsheer  wird 
stets  das  Gedächtnis  an  den  zu  früh  Heimgegangenen  in  hohen  Ehren  halten ; 
sein  Name  wird  unvergessen  bleiben  als  Vorbild  strengster  Pflichterfüllung 
und  echt  ritterlicher  Gesinnung. 

Nach  Militär- Wochenblatt.  Lorenzen. 

Voigt,  Emsty  Schulmann  und  Germanist,  zuletzt  Stadtschulrat  in  Berlin, 
•  22.  Juni  1843  i^  Magdeburg,  f  5.  Dezember  1902.  —  V.  besuchte  bis  186 1 
das  Domgymnasium  seiner  Vaterstadt  und  studierte  dann  in  Halle,  Berlin 
und  Greifswald.  Er  war  ein  flotter  Student,  eifriges  Mitglied  der  Burschen- 
schaft, aber  er  versäumte  darüber  nicht  seine  Studien.  Die  Kameraden  be- 
wunderten ebensowohl  seine  reckenhafte  körperliche  Stärke  wie  seine  eiserne 
Willenskraft  und  seine  Arbeitsfreudigkeit  inmitten  der  Vergnügungen,  nicht 
minder  seine  rednerische  Begabung,  wenn  er  bisweilen  in  vorgerückter  Stunde 
sich  zu  einer  Ansprache  erhob  und  mit  heiterer  Laune,  mit  einer  Fülle  origi- 
neller Wendungen  alle  aufzurütteln  und  zu  packen  wußte.  Gleich  am  Schlüsse 
des  sechsten  Semesters  bestand  er  die  Doktorprüfung,  zwei  Jahre  später  die 
Oberlehrerprüfung.  In  der  Zwischenzeit  hatte  er  eine  Hauslehrerstelle  bekleidet. 


I06  Voigt. 

Schon  auf  der  Universität  und  in  den  nächstfolgenden  Jahren  hatte  er 
neben  den  alten  Sprachen  sich  auch  mit  dem  deutschen  Altertum  beschäf- 
tigt; diesem  widmete  er  später  seine  Mußestunden.  Die  deutsche  Tiersage 
hatte  ihn  angezogen.  Er  beschäftigte  sich  zunächst  mit  dem  ältesten,  bisher 
wenig  beachteten  und  für  unerklärbar  gehaltenen  Gedicht  dieser  Art  — 
ecbasis  capt'wi^  Ausbruch  des  Gefangenen  — ,  das  Jakob  Grimm  in  einer  sehr  ent- 
stellten und  verdorbenen  Handschrift  aufgefunden  hatte.  V.  bemühte  sich  zu- 
nächst mit  der  Herstellung  und  Verbesserung  des  Textes.  Um  dieses  Ziel 
zu  erreichen,  suchte  er  aus  den  im  Gedicht  hier  und  da  vorkommenden  An- 
deutungen Ort  und  Zeit  seiner  Entstehung  festzustellen.  Es  gelang  ihm  nach- 
zuweisen, daß  es  in  Lothringen  während  der  ersten  Hälfte  des  zehnten  Jahr- 
hunderts entstanden  sein  müsse,  in  der  Zeit,  wo  die  verwilderten  Klöster 
dieses  Landes  einer  strengeren  Ordnung  und  Zucht  unterworfen  worden  waren. 
Schritt  für  Schritt  vorgehend,  konnte  er  schließlich  beweisen,  daß  es  im 
Kloster  St.  Aper  zu  Toul  von  einem  Klosterschüler  verfaßt  war,  der  sich 
an  die  von  dem  strengen  Abt  Archembald  eingeführte  neue  Ordnung  durch- 
aus nicht  gewöhnen  konnte.  Die  größere  Freiheit  der  früheren  Zeit  hatte  er 
benutzt,  um  in  Wald  und  Feld  herumzustreifen,  um  als  Jäger  und  Fischer 
den  Tieren  nachzustellen.  Jetzt  war  er  nach  zweimaliger  Flucht  aus  dem 
Kloster  harter  Strafe  verfallen  und  auf  unabsehbare  Zeit  in  den  Kerker  ge- 
worfen. Da  ging  er  in  sich  und  kam  auf  den  Gedanken,  durch  eine  fleißige 
Arbeit  den  erzürnten  Abt  milder  zu  stimmen.  Mit  Hilfe  der  Bücherrollen 
aus  der  Klosterbibliothek  versuchte  er  die  Geschichte  seiner  eigenen  Flucht 
und  Bekehrung  in  Gestalt  einer  Tierfabel  zu  erzählen.  Das  meiste  entnahm 
er  biblischen  Gleichnissen  und  den  Tierfabeln  des  Altertums,  die  er  etwas 
umformte  und  durch  eigene  Erfindung  zu  einem  ganzen  verband.  Die 
eigene  Zutat  ist  nun  zwar  nicht  immer  in  korrektem  Latein  und  zum  Teil  in 
holprigen  Versen  geschrieben,  aber  mit  glücklicher  Phantasie  und  lebhaftem 
Sinn  für  die  Natur,  bei  seiner  Vertrautheit  mit  dem  Leben  der  Tiere  hat  er 
doch  ein  ganz  ansprechendes  Gedicht  zustande  gebracht. 

Um  zum  Verständnis  der  ecbasis  zu  gelangen,  hatte  V.  auch  einige  andere 
Denkmäler  der  Tiersage  heranziehen  müssen.  Einige  der  kleineren  gab  er 
heraus  und  wendete  sich  dann  zu  der  bedeutendsten  unter  den  älteren, 
lateinisch  geschriebenen  Tierfabeln,  dem  zur  Zeit  des  zweiten  Kreuzzuges  ver- 
faßten Ysengrtmus.  Als  er  1884  dieses  Werk  drucken  ließ,  nahm  er  damit 
nach  fast  2ojähriger  Arbeit  von  »Reinhard  und  Isengrimm«  Abschied  und 
legte  in  der  Einleitung  das  Resultat  seiner  Forschungen  über  Entstehung  und 
Entwicklung  des  mittelalterlichen  Tierschwanks  dar.  Die  einst  von  Jakob 
Grimm  ausgesprochene  Ansicht,  daß  die  deutsche  Volksseele  von  uralter  Zeit 
her  mit  diesen  Märchen  erfüllt  gewesen  sei,  daß  diese  sich  von  Geschlecht 
zu  Geschlecht  mündlich  fortgepflanzt  hätten,  ehe  sie  endlich  aufgezeichnet 
wurden,  hat  sich  nicht  aufrecht  erhalten  lassen.  Nach  V.s  Ansicht  ist  die 
deutsche  Tiersagc  in  den  Klöstern  entstanden  in  Anlehnung  an  biblische 
Gleichnisse  und  die  Tierfabeln  der  alten  Schriftsteller,  sie  ist  in  der  älteren 
Zeit  lediglich  von  Mönchen  im  Sinne  satyrischer  Allegorie  oder  fröhlichen 
Faschingsscherzes  gepflegt  worden,  dann  im  zwölften  Jahrhundert  von  Va- 
ganten, fahrenden  Spielleuten  und  anderen  Dichtern  in  weiterem  und  freierem 
Sinne  behandelt  und  reicher  ausgestaltet  worden. 


Voigt  107 

Bei  seinen  Arbeiten  über  den  Tierschwank  hatte  V.  vielfach  die  Sprich- 
wörtersammlungen jener  Zeit  zu  Rate  ziehen  müssen.  Diese  untersuchte  er 
jetzt  eingehender.  Er  hat  mehrere  derselben  herausgegeben,  namentlich  eine 
der  bedeutendsten,  die  ihr  Verfasser  im  Hinblick  auf  die  Arche  Noah  — 
Ffcunda  Ratis,  das  vollbeladene  Schiff  —  benannt  hat.  Ähnlich  wie  bei  der 
ecbiisis  sucht  V.  aus  den  in  der  Sammlung  vorkommenden  Andeutungen  Ort 
und  Zeit  ihrer  Entstehung  festzustellen.  Er  hat  ermittelt,  daß  sie  um  1030 
entstanden  ist  und  daß  ihr  Verfasser  Egbert  Lehrer  an  der  Domschule  in 
Lüttich  war.  Aus  einer  großen  Zahl  von  Versen,  die  sich  am  Anfang,  am 
Ende,  in  der  Mitte  und  an  anderen  Stellen  verstreut  finden,  stellt  er  mit 
poetischer  Anschauung  ein  warm  empfundenes  lebenswahres  Bild  dieses  Egbert 
zusammen  als  eines  schlichten,  geduldigen,  auf  die  Eigenart  seiner  Schüler 
eingehenden  Lehrers.  Er  zeigt,  daß  seine  Sammlung  dazu  bestimmt  war,  den 
Schülern  als  lateinisches  Lese-  und  Lernbuch  nützlich  zu  sein.  Mit  leichten 
Beispielen  in  kurzen,  einzeiligen  Versen  beginnt  sie,  um  nach  und  nach  zu 
schwierigeren  und  längeren  aufzusteigen ;  sie  ist  sorgfältiger  und  zweckmäßiger 
abgestuft  als  die  anderen  in  jener  Zeit  gebrauchten  lateinischen  Lesebücher. 
Vor  allem  aber  erhebt  sich  Egbert  dadurch  über  seine  Vorgänger,  daß  er  sich 
nicht  mit  biblischen  Sentenzen  und  mit  von  anderen  bereits  angeführten 
Sprichwörtern  begnügt,  sondern  zuerst  die  im  Volksmunde  umlaufenden  Sprich- 
wörter sammelt  und  damit  den  unerschöpflichen  Born  volkstümlicher  Lebens- 
erfahrung und  Lebensweisheit  erschließt.  Allerdings  gibt  er  seine  Sprich- 
wörter in  lateinischer  Sprache,  wie  es  der  Sitte  der  Zeit  und  dem  Zwecke 
eines  lateinischen  Lesebuches  entspricht.  Trotz  dieser  Einkleidung  ist  sein 
Werk  die  erste  Sammlung  volkstümlicher  deutscher  Sprichwörter. 

Bei  der  Beurteilung  dieses  Schulbuches,  bei  der  Darstellung  des  Lehr- 
betriebes in  den  Kloster-  und  Domschulen  ist  V.  seine  Erfahrung  als  Lehrer 
zu  statten  gekommen.  Bei  den  Lehrern,  die  er  eingehend  zu  charakterisieren 
suchte,  wie  bei  dem  pflichtgetreuen  Egbert,  bei  dem  strengen  Abt  Archem- 
bald,  »dem  gewaltig  wollenden  geschlossenen  Mannescharakter,  der  den 
eisernen  Ring  siegesgewisser  Energie«  um  die  bisher  freien  Glieder  seiner 
Zöglinge  legt,  hat  er  wohl  einzelne  verwandte  Züge  der  eigenen  Natur  er- 
kannt und  sich  gewissermaßen  selbst  in  ihnen  geschildert. 

V.s  eigene  Arbeit  als  Lehrer  ist  ganz  dem  Friedrichs-Gymnasium  in  Berlin 
zu  gute  gekommen.  23  Jahre  alt,  ist  er  1866  als  Probandus  eingetreten  und 
mit  dem  Ordinariat  einer  Sexta  betraut  worden.  Bereits  1868  erhielt  er  ver- 
tretungsweise den  deutschen  Unterricht  in  der  Unterprima,  bald  darauf  dauernd 
in  beiden  Primen;  er  hat  ihn  dann  ununterbrochen  bis  zu  seinem  Abgang 
vom  Gymnasium  gegeben,  mit  oft  gerühmtem,  vielbewundcrtem  Erfolg.  1871 
wurde  er  Ordinarius  einer  Untersekunda,  1891  der  Obersekunda,  1892  Direktor 
des  Gymnasiums.  Die  zwanzig  Jahre  seiner  Herrschaft  in  Untersekunda  und 
der  deutsche  Unterricht  in  Prima  können  als  der  Mittelpunkt,  als  der  Kern 
seiner  eigentlichen  Lehrtätigkeit  betrachtet  werden.  YsX  hielt  seine  Schüler 
in  fester  Zucht,  trotzdem  herrschte  in  seiner  Untersekunda  ein  außerordent- 
lich flotter  Ton.  Seine  Untersekundaner  hießen  im  Gymnasium  »die  Voigtianer, 
die  lustigen  Leute«.  Er  wußte  einen  wahren  Feuereifer  in  ihnen  zu  entzün- 
den, selbst  die  gelegentlichen,  sonst  so  langweiligen  Repetitionen  von  Formen 
und   Regeln  wurden  wie  eine  Art  Sport  betrieben,    alle    wetteiferten   größt- 


io8  Voigt. 

mögliche  Schnelligkeit,  Schlagfertigkeit  und  Sicherheit  zu  bekunden.  Einer 
seiner  früheren  Schüler,  der  vor  einem  Vierteljahrhundert  das  Gymnasium 
verlassen  hat,  jetzt  ein  berühmter  Universitätslehrer  und  Schriftsteller  ist, 
schreibt  dem  Referenten:  »V.  besaß  ein  unbedingtes  Ansehen  und  hat  auf  ver- 
schiedene Schüler  einen  ihren  Lebensberuf  entscheidenden  Einfluß  ausgeübt. 
Das  lag  vor  allem  in  seiner  siegreichen  Verstandesstärke.  Auch  der  einge- 
bildetste Schüler  fühlte  hier  eine  Begabung,  die  mit  ihm  nur  so  spielen 
konnte.  Diesen  Eindruck  erzwang  er  nicht  nur  durch  seine  von  originellen 
Wendungen  und  Gedanken  überfließenden  Vorträge,  sondern  mehr  noch  durch 
seine  kurzen  kritischen  Bemerkungen  in  der  Klasse  und  im  Schulheft.  Dann 
aber  fühlten  auch  seine  Schüler,  daß  hinter  jedem  Wort  ein  ganzer  Mann 
stand,  dem  es  Ernst  war  mit  seinem  Beruf.  V.  war  immer  bereit,  auf  jeden 
guten  Willen,  auf  jede  eigene  Meinung  einzugehen.  Sein  Unterricht  übte 
einen  wahren  Zauber  auf  uns  aus.  Wir  strengten  uns  alle  an,  um  ihm  zu 
genügen,  vernachlässigten  auch  wohl  die  anderen  Fächer,  um  nur  ja  in  dem 
seinen  zu  bestehen.  Wenn  ich  noch  heute  bei  jedem  Abschluß  einer  Arbeit 
mich  frage,  ob  ich  wohl  sein  berühmtes  »Punkt  —  Gedankenstrich  —  noch 
ein  Punkt«  darunter  setzen  darf,  so  mag  diese  Kleinigkeit  veranschaulichen, 
von  welcher  Art  die  geistige  Zucht  dieses  unvergeßlichen  Lehrmeisters  war.« 

V.  bemühte  sich,  jeden  seiner  Schüler  genau  kennen  zu  lernen,  gleichsam 
in  seine  Seele  zu  blicken,  ihn  in  seinem  Kern  zu  erfassen,  um  erziehend  auf 
ihn  zu  wirken.  Als  Direktor  notierte  er  sich  allwöchentlich  bei  jedem  Namen 
aus  den  Klassenbüchern  und  aus  den  Listen  über  die  zurückgegebenen  Ar- 
beiten, was  ihm  irgend  bemerkenswert  erschien,  so  daß  er  über  jeden  Schüler 
unterrichtet  war,  wußte,  ob  er  gute  Arbeiten  lieferte  oder  sich  vernachlässigte, 
ob  er  sich  die  Zufriedenheit  seiner  Lehrer  erwarb  oder  zu  Tadel  und 
Strafen  Veranlassung  gab.  Täglich  erschien  er  unter  den  Schülern  auf  dem 
Hof  —  immer,  auch  an  den  kältesten  Wintertagen  ohne  Überzieher.  Er  kannte 
jeden  von  den  etwa  700  Schülern  des  Gymnasiums  und  der  Vorschule,  rief 
sie  bei  ihren  Vornamen,  sprach  ihnen  seine  Freude  aus,  wenn  sie  gute  Ar- 
beiten gemacht  hatten,  sprach  warnend  zu  ihnen,  wenn  sie  Fehler  begangen 
und  Strafe  verdient  hatten.  Die  Schüler  fühlten,  daß  sein  Auge  mit  väter- 
lichem Wohlwollen  auf  ihnen  ruhte,  und  dankten  ihm  dafür  mit  ihrem  Ver- 
trauen. Gleiches  Vertrauen  genoß  er  bei  den  Eltern  der  Schüler  und  auch 
bei  den  Lehrern,  deren  Eigenart  und  Selbständigkeit  er  freien  Spielraum  ließ 
sobald  er  erkannte,  daß  sie  auf  tüchtigem  Grunde  beruhte. 

Im  November  1901  verließ  er  das  Friedrichs-Gymnasium  um  das  Amt 
eines  Stadtschulrates  für  das  höhere  Schulwesen  zu  übernehmen,  ist  aber  zu 
einer  seinen  Kräften  entsprechenden,  bedeutenderen  Wirksamkeit  in  diesem 
Amte  nicht  mehr  gekommen. 

Schriften:  Schedae  criiicae  de  poetis  graecorum  tragicu,  Dissert.  Halle  1864.  — 
Untersuchungen  über  den  Ursprung  der  Ecbasis  captivi.  Berlin  1874.  —  Ecbasis  capiivi, 
Straßburg  1875.  —  Kleinere  lateinische  Denkmäler  der  Tiersage.  Straßburg  1878.  — 
Ysengrimus.  Halle  1884.  —  Egberts  von  Lüttich  Fecunda  Raiis,  Halle  1889.  —  Außer- 
dem zalUreiche  Aufsätze  namentlich  in  der  Zeitschrift  für  deutsches  Altertum,  in  den  Ro- 
manischen Forschungen  und  in  den  Mitteilungen  für  deutsche  Krziehungs-  und  Schulgeschichte. 

Quellen:  Programme  des  Friedrichs-Gymnasiums  in  Berlin,  namentlich  von  1900,  1901 
und   1904.     Persönliche  Erinnerungen. 

Paul  Goldschmidt. 


von  Goeben.     von  Berg.  Iqq 

Goeben,  William  von,  General  der  Infanterie  z.  D.,  *  30.  Juli  18 18  zu  Stade, 
t  19.  April  1902  zu  Lauenstein  im  Kreise  Hameln.  —  Ein  jüngerer  Bruder 
des  bereits  im  Jahre  1880  verstorbenen  berühmten  Generals  August  v.  Goeben, 
erhielt  er   seine  Schulbildung  auf    dem  Gymnasium  in  Celle    und    trat    am 

I.  Oktober  1834  als  Kadett  in  das  damalige  3.  hannoversche  Linienbataillon  ein, 
wurde  am  i.  Juli  1836  zum  Sekondleutnant  befördert  und  am  16.  März  1838 
in  das  3.  Infanterie-Regiment  versetzt.  Hier  rückte  er  am  26.  März  1848  zum 
Premierleutnant  auf,  in  welchem  Dienstgrade  er  an  dem  Feldzuge  von  1848 
gegen  Dänemark  in  Schleswig-Holstein  teilnahm.  1853  wurde  G.  Hauptmann 
und  kam  1855  als  Kompagniechef  zum  4.  Infanterieregiment,  wurde  am  22.  Mai 
1860  Major  im  2.  leichten  Bataillon  und  erhielt  ein  Jahr  später  das  Kom- 
mando eines  Bataillons  des  4.  Infanterieregiments,  mit  dem  er  während  des 
deutsch-dänischen  Krieges  von  1864  zum  Küstenschutz  nach  Bremerhaven 
kommandiert  war.  Als  Oberstleutnant  und  Bataillonskommandeur  am  23.  Mai 
1866  zum  6.  Infanterieregiment  versetzt,  führte  er  dieses  i^i  Feldzuge  von 
1866  gegen  Preußen,  nahm  rühmlichen  Anteil  an  der  Schlacht  bei  Langen- 
salza und  trat  nach  erfolgtem  Friedensschlüsse  in  den  Ruhestand.  Die  Un- 
tätigkeit befriedigte  den  tatkräftigen  Mann  indessen  nicht,  er  ging  daher  1867 
in  preußische  Dienste  und  erhielt  hier  zunächst  Anstellung  als  aggregierter 
Oberstleutnant  beim  5.  westfälischen  Infanterieregiement  Nr.  53.  Kurz  darauf 
am  II.  April  desselben  Jahres  zum  Bataillonskommandeur  und  am  22.  März 
1868  zum  Oberst  befördert,  erhielt  G.  am  9.  Juni  1868  das  2.  posensche  In- 
fanterieregiment Nr.  19,  das  er  im  Feldzuge  von  1870/71  gegen  Frankreich 
führte  und  mit  dem  er  sich  an  der  Einschließung  von  Metz,  der  Schlacht  bei 
Noisseville,  den  Gefechten  bei  ChieuUes  und  Bellevue,  den  Belagerungen  von 
M^zidres  und  Peronne  sowie  an  der  Schlacht  bei  St.  Quentin  beteiligte.  Mit 
dem  Eisernen  Kreuze  II.  und  I.  Klasse  geschmückt,  kehrte  G.  in  die  Heimat 
zurück,  wurde  am  18.  April  1872  zum  Kommandeur  der  18.,  und  im  Februar 
zu  demjenigen  der  30.  Infanterie-Brigade,  auch  kurz  darauf  zum  General- 
major befördert.  Als  solcher  erhielt  er  1877  die  Ernennung  zum  Komman- 
danten von  Mainz,  der  am  18.  Oktober  gleichen  Jahres  die  Beförderung  zum 
Generalleutnant  folgte.  Am  11.  Oktober  188 1  trat  G.  in  den  Ruhestand.  In 
erneuter  Anerkennung  seiner  Verdienste  in  der  Schlacht  bei  St.  Quentin  er- 
hielt er  bei  Gelegenheit  der  25  jährigen  Wiederkehr  jenes  Tages  den  Charakter 
als  General  der  Infanterie. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Berg»  Franz  Ritter  von,  Königl.  Bayerisch.  Generalleutnant  z.  D.,  ♦  18.  März 
1831  zu  Eschweilerhof  in  der  bayerischen  Pfalz,  f  9.  August  1902  in  München. 
—  Am  3.  Mai  1850  freiwillig  als  Gemeiner  auf  Beförderung  dienend  in  die 
bayerische  Armee  eingetreten,  rückte  B.  am  17.  April  1853  zum  Junker,  am 

II.  Oktober  desselben  Jahres  zum  Unterleutnant,  am  11.  Dezember  1861  zum 
Oberleutnant  und  am  5.  Juli  1866  zum  Hauptmann  im  6.  Infanterie-Regiment 
auf,  als  welcher  er  sich  im  Feldzuge  gegen  Preußen  so  auszeichnete,  daß  er 
für  sein  tapferes  Verhalten  eine  Belobigung  erhielt.  Im  Feldzuge  von  1870/71 
zog  B.,  nunmehr  an  der  Seite  Preußens,  gegen  Frankreich  in  gleicher  Stellung 
in  den  Kampf,  focht  mit  Auszeichnung  in  der  Schlacht  bei  Sedan,  im 
Gefecht  bei   Plessis   Piquet    und   bei    der  Einschließung    von   Paris.      Ganz 


y  I O  von  Berg,     von  Vahlkampf. 

besonders  zeichnete  B.  sich  am  lo.  September  1870  aus  und  kehrte  reich  mit 
bayerischen  Orden  und  beiden  Klassen  des  Eisernen  Kreuzes  geschmückt  in 
die  Heimat  zurück.  Hier  wirkte  er  noch  vier  Jahre  in  angestrengter  Friedens- 
arbeit als  Kompagniechef,  wurde  am  25.  April  1875  unter  Beförderung  zum 
Major  in  das  9.  Infanterie-Regiment  Wrede  und  gegen  Ende  des  gleichen 
Jahres  als  Kommandeur  zum  4.  Jäger-Bataillon  versetzt.  Als  solcher  stieg  er 
am  3.  November  1880  zum  Oberstleutnant  auf  und  erhielt,  am  24.  März  1885 
zum  Oberst  ernannt,  das  Kommando  des  16.  Infanterie- Regiments  »König 
Alfons  von  Spanien«.  Drei  Jahre  später  wurde  B.  ä  la  suite  dieses  Regiments 
gestellt  und  mit  der  Führung  der  8.  Infanterie-Brigade  beauftragt,  deren  Kom- 
mando er  am  19.  Dezember  1888  erhielt  und  in  welcher  Stellung  er  am  15.  Fe- 
bruar 1889  zum  Generalmajor  avancierte.  Als  Ritter  des  ihm  am  27.  Dezember 
1891  verliehenen  Verdienstordens  der  bayerischen  Krone  erhielt  er  den  persön- 
lichen Ritterstand,  rückte  am  9.  Juni  1892  zum  Generalleutnant  auf  und  trat 
am  18.  September  als  Kommandeur  an  die  Spitze  der  i.  Division,  die  er  bis 
zum  14.  Juni  1893  befehligte,  an  welchem  Tage  B.  in  Genehmigung  seines 
Abschiedsgesuches,  unter  Verleihung  des  Großkreuzes  des  bayerischen  Militär- 
Verdienstordens,  zur  Disposition  gestellt  wurde. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Vahlkampf,  Eugen  von,  Generalleutnant  z.  D.,  *  16.  Februar  1840  zu  Mainz, 
+  10.  Februar  1902  zu  Mülverstedt  bei  Langensalza.  —  Am  i.  Oktober  1856  in 
das  in  Mainz  bezw.  Luxemburg  stehende  37.  Infanterie-Regiment  (damalige 
5.  Reserve-Regiment)  als  Musketier  auf  Beförderung  eingetreten,  wurde  V.  im 
Dezember  1857  zum  Port^p^efähnrich  und  am  14.  Dezember  1858  zum  Sekond- 
leutnant  befördert.  Nach  einem  Kommando  zum  Lehr-Bataillon  im  Jahre  1862 
zog  er  im  Jahre  1866  als  Bataillons-Adjutant  mit  seinem  Regiment  gegen 
Osterreich,  wo  er  sich  in  den  Gefechten  von  Nachod  und  Skalitz  auszeich- 
nete und  zum  Premierleutnant  aufrückte.  Für  sein  tapferes  Verhalten  vor  dem 
Feinde  mit  dem  Roten  Adlerorden  IV.  Klasse  geschmückt,  traf  er  nach  dem 
Kriege  wieder  in  der  Garnison  ein,  wurde  vom  i.  April  1869  auf  ein  halbes 
Jahr  zur  Militär-Schießschule  und  im  November  gleichen  Jahres  als  Adjutant 
zur  14.  Infanterie-Brigade  kommandiert.  In  dieser  Stellung  nahm  er  am  Kriege 
von  1870/71  gegen  Frankreich  teil,  focht  bei  Toul,  in  den  Schlachten  bei 
Beaumont  und  Sedan  und  trat  am  24.  Oktober  vor  Paris  unter  Entbindung 
von  seinem  bisherigen  Kommando  als  Hauptmann  und  Kompagniechef  in 
sein  Regiment  zurück.  Für  seine  vor  dem  Feinde  bewiesene  Tapferkeit,  be- 
sonders für  sein  ausgezeichnetes  Verhalten  in  der  Schlacht  am  Mont  Valerien 
erhielt  er  außer  beiden  Klassen  des  Eisernen  Kreuzes  noch  verschiedene 
deutsche  Ordensauszeichnungen.  Nach  dem  Kriege  mit  Vorteil  zum  3.  Posen- 
schen  Infanterie-Regiment  Nr.  58,  1872  zum  Generalstabe  des  IV.  Armeekorps 
und  am  21.  Oktober  jenes  Jahres  zum  Generalstabe  der  8.  Division  versetzt, 
rückte  V.  am  26.  November  1874  zum  Major  auf  und  wurde  1876  nach  Ab- 
schluß des  Kaisermanövers  in  der  Provinz  Sachsen  geadelt.  Im  April  1877 
wiederum  in  den  Generalstab  der  Armee  und  zwar  zum  Generalstabe  des 
VIII.  Armeekorps  versetzt,  wurde  er  am  12.  April  Bataillonskommandeur  im 
8.\Vestfäl.  Infanterie-Regiment  Nr.  57,  rückte  am  16. September  1 881  zum  Oberst- 
leutnant und  am  15.  November  1883  zum  etatsmäßigen  Stabsoffizier  auf.     Am 


von  Vahlkampf.     von  Melchior.  1  j  j 

14.  Juli  1885  wurde  er  mit  der  Führung  des  Oldenburgischen  Infanterie-Regi- 
ments Nr.  91  beauftragt  und  nach  6  Monaten  zum  Oberst  und  Kommandeur 
dieses  Truppenteils  ernannt.  In  dieser  Stellung  verblieb  V.  bis  zum  16.  Februar 
1889,  zu  welchem  Zeitpunkte  ihm,  unter  Beförderung  zum  Generalmajor,  das 
Kommando  der  40.  Infanterie-Brigade  verliehen  wurde.  Am  18.  Oktober  1891 
zum  Kommandanten  von  Breslau  ernannt,  erhielt  V.  am  17.  November  gleichen 
Jahres  den  Charakter  als  Generalleutnant  und  wurde  am  12.  September  1896 
in  Genehmigung  seines  Abschiedsgesuches  zur  Disposition  gestellt. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 


Melchior,  Herrmann  von,  Generalleutnant  z.  D.,  *  29.  Februar  1828  zu  Biele- 
feld, f  9.  März  1902  zu  Wiesbaden.  —  Nach  Durchlaufen  der  verschiedenen 
Klassen  des  Kadettenkorps  trat  M.  am  27.  Mai  1847  ^Is  Sekondleutnant  in 
das  damalige  35.  Infanterie-Regiment  über,  zeichnete  sich  am  18.  September 
1848  bei  den  Straßenkämpfen  in  Frankfurt  a.  M.  aus,  fungierte  von  1852  bis 
1859  als  Bataillons-  bezw.  Regimentsadjutant,  in  welcher  Stellung  er  am  9.  De- 
zember 1856  zum  Premierleutnant  befördert  wurde  und  rückte  am  31.  Mai  1859 
zum  Hauptmann  auf.  Kurze  Zeit  darauf  als  Adjutant  zur  Kommandantur  und 
im  Herbst  desselben  Jahres  zum  Gouvernement  von  Luxemburg  kommandiert, 
begleitete  er  als  solcher  in  den  Monaten  August  und  September  1863  den 
damaligen  Gouverneur  von  Luxemburg,  General  v.  Brauchitsch,  bei  den  Be- 
sichtigungen der  deutschen  Bundeskontingente  der  Staaten  Kurhessen,  Nassau, 
Luxemburg  usw.  und  wurde  nach  seiner  Rückkehr  von  diesen  Reisen  im  April 
1864  wieder  seinem  Regiment  als  Kompagniechef  zugewiesen.  Dieses  befand 
sich  damals  auf  dem  Kriegsschauplatze  in  Schleswig,  wo  es  M.  noch  vergönnt 
war,  am  29.  Juni  den  Übergang  nach  Alsen  an  der  Spitze  seiner  Kompagnie 
mitzumachen.  Im  Feldzuge  von  1866  gegen  Österreich  zeichnete  er  sich  in  der 
Schlacht  bei  Königgrätz  als  Führer  eines  Halbbataillons  aus,  wurde  am  14.  No- 
vember 1867  Major  und  mit  der  Führung  des  3.  Bataillons  seines  Regiments 
beauftragt,  dessen  Kommando  ihm  einige  Wochen  später  endgültig  übertragen 
wurde.  An  dem  deutsch-französischen  Kriege  von  1870/71  nahm  er  mit  dem 
Bataillon  teil  und  führte  es  mit  Auszeichnungen  in  den  Schlachten  bei  Vion- 
ville  und  Gravelotte,  bei  der  Belagerung  von  Metz,  im  Gefecht  bei  Neuville 
aux  Bois,  in  der  Schlacht  von  Orleans,  in  den  Gefechten  bei  Coulommiers  und 
Ardenay  sowie  in  der  Schlacht  von  Le  Mans.  Während  der  Schlacht  bei 
Vionville  nahm  M.  mit  seinem  Bataillon  Flavigny  und  hielt  dieses  Dorf,  das 
einen  wirksamen  Rückhalt  der  6.  Division  bildete,  den  ganzen  Tag  über  hart- 
näckig fest.  Ebenso  zeichnete  er  sich  in  der  Schlacht  von  I^e  Mans  hervor- 
ragend aus;  ihm  wurden  für  sein  tapferes  Verhalten  beide  Klassen  des  Eisernen 
Kreuzes  verliehen.  Am  27.  April  1872  in  den  Adelstand  erhoben,  wurde  der 
verdiente  Major  am  22.  März  1873  Oberstleutnant  und  kurze  Zeit  darauf  Kom- 
mandeur des  Magdeburgischen  Jägerbataillons  Nr.  4,  mit  dem  er  von  Sanger- 
hausen nach  Naumburg  a.  S.  übersiedelte.  Im  Juni  1875  wurde  M.  mit  der 
Führung  des  6.  Badischen  Infanterie-Regiments  in  Konstanz  beauftragt,  an 
dessen  Spitze  er  bald  darauf  trat.  Nachdem  er  dann  am  18.  Oktober  1881 
unter  Beförderung  zum  Generalmajor  zum  Kommandeur  der  56.  Infanterie- 
Brigade,  die  er  bereits  seit  dem  März  geführt  hatte,  ernannt  worden  war,  er- 


112  von  Melchior,     von  Funcke. 

hielt  M.  am  15.  Januar  1887  als  Generalleutnant  das  Kommando  der  t.  Division 
und  trat  am  3.  Juli  1888  in  den  Ruhestand. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Funcke,  Oscar  von,  Königlich  sächsischer  Generalleutnant  ä  la  suite  des 
Königlich  sächsischen  i.  Feldartillerie-Regiments  Nr.  12,  ♦  4.  Juni  1824  zu 
Radeberg,  f  25.  Januar  1902  zu  Dresden.  —  15  Jahre  alt,  trat  F.  in  das 
Kadettenhaus  in  Dresden  ein,  nach  vierjährigem  Besuch  dieser  Militärbildungs- 
anstalt als  Port^pdejunker  zum  Fußartillerie-Regiment  über  und  rückte  hier 
am  17.  Dezember  1843  ^""i  Sekondleutnant  auf.  Zwei  Jahre  später  erhielt 
er  ein  dreijähriges  Kommando  zur  Dienstleistung  bei  der  damaligen  Train- 
brigade und  wurde  im  Jahre  1849  ^"  Anerkennung  seiner  ungewöhnlichen 
Begabung  aus  Anlaß  des  Aufstandes  in  Dresden  nach  Berlin  entsandt,  um 
die  preußische  Regierung  zur  sofortigen  Absendung  der  bereits  auf  diplo- 
matischem Wege  vereinbarten  Truppenunterstützungen  zur  Unterdrückung  des 
Aufstandes  zu  veranlassen,  da  die  Hälfte  der  sächsischen  Truppen  sich  zu 
jener  Zeit  in  Schleswig-Holstein  befand,  es  mithin  an  eigenen  Streitkräften 
gebrach,  um  die  Aufständischen  zur  Raison  zu  bringen.  Trotz  der  ihm  be- 
sonders vom  Eisenbahnpersonal  bereiteten  Schwierigkeiten  kam  F.  am  4.  Mai 
1849  in  Berlin  an  und  entledigte  sich  seines  Auftrages,  der  in  der  Regel  nur 
älteren  Offizieren  erteilt  wird,  mit  dem  Erfolg,  daß  der  preußische  Kriegs- 
minister und  der  Ministerpräsident  Graf  von  Brandenburg  die  Entsendung 
des  Füsilier-  und  i.  Bataillons  Kaiser  Alexander-Grenadierregiments  Nr.  2  für 
den  5.  Mai  und  des  24.  Infanterie-Regiments  für  den  7.  Mai  nach  Dresden 
anordneten.  Mit  dem  zuerst  abfahrenden  Füsilier-Bataillon  des  Alexander- 
Regiments  nach  Dresden  zurückkehrend,  erhielt  F.  am  6.  Mai,  da  das  1.  Bataillon 
des  Regiments  der  Zerstörung  der  Eisenbahn  wegen  noch  nicht  in  Dresden 
eingetroffen  war,  den  Befehl,  diesem  Bataillon  mit  einem  Infanteriekommando 
in  einem  Extrazuge  entgegenzufahren.  Er  kam  aber  der  Eisenbahnzerstörung 
halber  nur  bis  Röderau  und  mußte  ohne  seinen  Auftrag  erfüllen  zu  können 
nach  der  Hauptstadt  zurückgehen.  Auf  dem  Rückwege  traf  er  bei  Oberau 
eine  Kavallerieabteilung,  die  gleichfalls  von  Dresden  ausgeschickt  worden  war, 
um  die  Preußen  aufzusuchen.  Er  bewog  den  Führer  dieses  Kavallerie-Kom- 
mandos, sich  in  die  Gegend  von  Großenhain  zu  begeben,  wo  das  preußische 
Bataillon  wahrscheinlich  stehen  würde,  um  dessen  Kommandeur  zu  melden,  es 
würde  am  7.  bei  Priestewitz  ein  Extrazug  zu  seiner  Verfügung  stehen,  der  das 
Bataillon  nach  Dresden  bringen  solle.  F.s  Vermutung  erwies  sich  als  richtig 
und  das  preußische  Bataillon  gelangte  am  7.  Mai  ungefährdet  nach  Dresden. 
Nach  Beendigung  der  Straßenkämpfe  avancierte  F.  im  Juli  1849  zum  Ober- 
leutnant, wurde  als  solcher  vorübergehend  zum  Adjutanten  des  Kommandos  des 
Artilleriekorps  und  1850  zum  Adjutanten  bei  der  neuerrichteten  halbberittenen 
Artilleriebrigade  ernannt.  Unterm  15.  Februar  185 1  zum  Generalstabe  kom- 
mandiert, ferner  mit  Erteilung  der  Instruktion  über  Artillerie  an  den  Prinzen 
Georg  von  Sachsen  beauftragt,  wurde  F.  im  nämlichen  Jahre  in  den  General- 
stab einrangiert,  1854  zur  Dienstleistung  zum  Garde-Reiterregiment  kommandiert 
und  1856  mit  Bearbeitung  eines  neuen  Exerzierreglements  für  die  Artillerie 
beauftragt,  das  1857  eingeführt  wurde.  Sodann  am  29.  Januar  1857  zum  Haupt- 
mann im  Generalstabe  befördert,  1860  mit  Führung  der  i.  Batterie  des  Fuß- 


von  Funcke.     Ricker. 


113 


artillerie-Regiments  betraut,  wurde  er  im  September  1863  bei  der  Inspizierung 
des  österreichischen  Bundeskontingents  dem  Inspekteur  Generalleutnant 
V.  Hake  zugeteilt  und  fungierte  vom  Dezember  desselben  Jahres  an  als  General- 
stabsoffizier im  Generalstabe  der  zur  Bundesexekution  nach  Holstein  entsandten 
sächsischen  kombinierten  Brigade  unter  Generalleutnant  v.  Schimpff.  Nach 
seiner  Rückkehr  wurde  F.  1865  Major  und  Souschef  im  Generalstabe  (17.  Sep- 
tember) und  nahm  als  solcher  am  Kriege  mit  Preußen,  besonders  an  dem 
Gefechte  bei  Gitschin  und  der  Schlacht  bei  Königgrätz  teil.  Als  es  galt,  nach 
Beendigung  dieses  Feldzuges  die  sächsischen  Truppen  nach  preußischem 
Vorbilde  zu  reorganisieren,  wurde  F.  zum  Abteilungschef  im  Kriegsministerium 
und  ständigem  Mitgliede  der  Artillerie-Kommission  ernannt,  am  4.  November 
1867  zum  Oberstleutnant  befördert,  am  i.  Dezember  1868  zum  Kommandeur  des 
Feldartillerie-Regiments  Nr.  12  und  am  24.  Juni  1869  zum  Oberst  ernannt.  In 
<lem  ein  Jahr  später  ausbrechenden  Kriege  gegen  Frankreich  befehligte  er  die 
Korpsartillerie  des  sächsischen  XII.  Armeekorps  in  der  Schlacht  bei  St.  Privat, 
in  der  Unternehmung  gegen  Verdun  am  24.  August  1870  sowie  in  den 
Schlachten  bei  Beaumont  und  Sedan,  wo  er  durch  einen  Schuß  in  den  Unter- 
schenkel schwer  verwundet  wurde.  Am  17.  Mai  1871  übernahm  er  wieder 
sein  Kommando,  erhielt  aber  am  i.  Oktober  gleichen  Jahres  die  12.  Artillerie- 
Brigade  sowie  den  Vorsitz  in  der  Artillerie-Kommission.  Am  6.  März  1874  zum 
Generalmajor  befördert,  wurde  F.  der  erbliche  Adel  verliehen.  1880  wurde 
er  Generalleutnant  und  Kommandant  von  Dresden  und  trat  am  11.  Januar 
1887  in  den  Ruhestand. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Ricker,  Anselm  Joseph,  Professor  der  Theologie  in  Wien,  *  10.  März  1824 
zu  Preßburg,  f  Wien,  28.  Dezember  1902  zu  Mayerling.  —  R.s  Vater  war 
Gastwirt.  Nach  Vollendung  der  Gymnasialstudien  am  Gymnasium  der  Bene- 
diktiner zu  Preßburg  trat  R.  als  Novize  in  das  Benediktinerstift  Schotten  in 
Wien  ein,  wo  er  am  21.  September  1844  eingekleidet  wurde  und  den  Namen 
Anselm  erhielt.  Nach  der  W^eihe  zum  Priester  am  20.  Juli  1847  bereitete 
sich  P.  Anselm  auf  die  theologischen  Rigorosen  vor  und  wurde  am  19.  De- 
zember 185 1  zum  Doktor  der  Theologie  promoviert.  Mittlerweile  war  P.  Anselm 
in  die  Seelsorge  eingetreten  und  wirkte  <ils  Kooperator  der  Reihe  nach  in  Pulkau 
seit  Febr.  185 1,  Schottenfeld  in  Wien  seit  April  1857,  St.  Ullrich  seit  Septbr. 
1861.  Im  August  1862  wurde  er  Curat  und  Stiftsprediger  an  der  Schotten- 
kirche. Da  sich  R.  in  der  Seelsorge  reiche  Erfahrungen  gesammelt  hatte, 
hatte  er  alle  Eignung  zum  Professor  der  Pastoraltheologie  an  der  Universität. 
Seine  Ernennung  hierzu  geschah  am  26.  Februar  1872.  1881/82  war  Prof.  R. 
Rectof  magnificus  der  Universität  Wien  (»Albert  der  Große«,  Inaugurations- 
rede). Vom  30.  Dezember  1881  bis  29.  September  1887  war  er  zugleich  Prior 
im  Stifte  Schotten.  R.  wurde  überdies  1878  Pfarrkonconcursexaminator,  1886 
Konsistorialrat,  1893  Rat  des  f.  e.  Diözesangerichtes,  1896  f.  e.  Prüfungs- 
kommissär bei  den  Rigorosen  aus  Dogmatik  und  Pastoraltheologie. 

R.  war  ein  bedeutender  Kanzelredner  und  füllte  den  Posten  eines  Pro- 
fessors der  Pastoraltheologie  ehrenvoll  aus.  Er  ließ  viele  Einzelpredigten  im 
Drucke  erscheinen  und  zwar:  Via  dolorosa  oder  Kreuzweg  des  Herrn  1866; 
Der  Syllabus  ein  Triumph   der  Wahrheit    über  den  Irrtum  1867;    Das   Kon- 

BiogT.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog-.    7.  Bd.  S 


IIA  Ricker.     Weidling.     Reimarus. 

kordat  eine  Bürgschaft  für  die  Eintracht  zwischen  Kirche  und  Staat  1868; 
£cce  homo  Betrachtungen  über  den  Menschen  1869;  Immortalitas  Betrachtun- 
gen über  die  Unsterblichkeit  der  Seele  1871.  Als  Professor  gab  R-  heraus: 
»Leitfaden  der  Pastoral theologie«  1878,  2.  Aufl.  1894;  »Pastoralpsychiatrie  zum 
Gebrauche  für  Seelsorge«  1888;  »Katechetik«  1890;  »Das  Perikopensystem«  1892. 

Die  Tätigkeit  P.  Anselms  fand  huldvolle  Anerkennung.  Am  5.  Okt.  1888 
erhielt  er  den  Orden  der  Eisernen  Krone  III.  KL,  am  2.  Aug.  1895  wurde  er 
von  Sr.  Majestät  zum  k.  k.  Hofrate  ernannt.  Als  Professor  R.  von  der  Lehr- 
tätigkeit schied,  überreichten  ihm  seine  Schüler  eine  Adresse  mit  800  Unter- 
schriften und  einen  silbernen  Kelch.  Da  sich  der  Tag  seiner  Doktorpromotion 
zum  50.  Male  jährte,  beglückte  Se.  Magnificenz  Hofrat  Schipper  den  Jubilar 
mit  dem  erneuerten  Doktordiplom. 

P.  Anselm  starb  bei  den  geistl.  Schwestern  in  Mayerling,  wo  er  zwei 
Sommer  über  in  Pflege  war,  und  wurde  am  i.  Januar  1903  auf  dem  Fried- 
hofe der  Schottenpriester  zu  Breitenlee  im  Marchfelde  begraben. 

Cölestin  Wolfsgruber. 

Weidling,  Friedrich,  Buchhändler,  *  6.  April  1821  in  Brandenburg  a.  H., 
f  22.  Februar  1902  in  Berlin.  —  Bescheidene  Verhältnisse  waren  es,  aus  denen 
sich  W.  zu  einem  der  berühmtesten  Berliner  Buchhändler  emporgearbeitet 
hat.  Er  war  der  Sohn  eines  Handwerkers  und  mußte  die  Schule  schon  aus 
Untertertia  verlassen,  um  einen  Broterwerb  zu  ergreifen.  Er  wurde  Buch- 
drucker und  sah  sich  nach  absolvierter  fünfjähriger  Lehrzeit  tüchtig  in  der 
Welt  um.  In  Paris  und  London,  wo  er  in  großen  Druckereien  arbeitete, 
hatten  ihm  die  Empfehlungen  Alexander  von  Humboldts,  der  den  aufge- 
weckten Kunstjünger  schon  in^Berlin  lieb  gewonnen  hatte,  die  Wege  geebnet. 
1854  begründete  W^,  nachdem  er  noch  in  Stuttgart  und  Posen  vorübergehend 
tätig  gewesen  war,  mit  Franz  Duncker  in  Berlin  eine  Buchdruckerei,  in  der 
hauptsächlich  die  Dunckersche  »Volkszeitung«  hergestellt  wurde.  Doch  schon 
nach  fünf  Jahren  erfolgte  die  Auflösung  der  Gesellschaft,  sodaß  W.  von  vom  be- 
ginnen mußte.  Mit  erborgtem  Kapital,  3000  Talem,  erwarb  W.  die  Haude  und 
Spenersche  Buchhandlung  in  Berlin,  die  er  zu  neuer  Blüte  führen  sollte.  Mit 
ungeahntem  Erfolge  hat  W.  1864  zum  erstenmal  ein  Buch  aufgelegt,  das 
heute  eins  der  verbreitetsten  Werke  der  deutschen  Literatur  ist,  nämlich  Büch- 
manns »Geflügelte  Worte«,  das  der  Verfasser  auf  W.s  Veranlassung  aus  einem 
in  Berlin  gehaltenen  Vortrage  über  »Landläufige  Zitate«  bearbeitet  hatte. 
Eine  Reihe  gutgehender  Schulbücher,  denen  sich  später  »Salings  Börsen- 
papiere« anschlössen,  verhalfen  ihm  bald  zum  Wohlstand,  sodaß  er  daran 
gehen  konnte,  sein  Geschäft  nach  großen  und  weiten  Gesichtspunkten  auszu- 
gestalten. 1890  zog  er  sich  vom  Geschäfte  zurück  und  übergab  es  seinem 
Sohne  Dr.  Konrad  Weidling. 

Quellen:  K,  Weidling,  Die  Haude  und  Spenersche  Buchhandlung  in  Berlin,  1902; 
Schmidt,  Deutsche  Buchhändler,  Bd.  III.  Berlin  1904;  Koqoorationsbericht  der  Berliner  Buch- 
händler 1902;  Börsenblatt  für  den  deutschen  Buchhandel  vom   15.  Februar  1902. 

Rudolf  Schmidt. 

Reimarus,  Hans,  Buchhändler,  *  2.  April  1843  in  Berlin,  f  19.  Juni  1902 
Luzern.  —  Ein  Buchhändlerssohn,  hat  R.,  nachdem   er  den  Vater  früh   ver- 


Reimarus.     Simion.     Seehagen.  1 1  c 

loren  und  mit  seiner  Mutter  nach  Bromberg  übergesiedelt  war,  ebenda  das 
Realgymnasium  besucht  und  von  1862  ab,  seiner  Neigung  folgend,  den  Buch- 
handel erlernt.  Bis  zum  deutsch-französischen  Kriege,  den  er  bis  zu  Ende 
mitmachte,  hatten  ihn  seine  Gehilfenjahre  nach  Prag,  Genf  und  Berlin  ge- 
führt. Dann  trat  er  in  die  seinem  Onkel  Fritz  Borstell  gehörige  Nicolaische 
Buchhandlung  in  Berlin  ein  und  wurde  1872  Geschäfts  teilhaben  R.  entfaltete 
hier  eine  überaus  rege  Tätigkeit,  die  ihm  außerordentliche  Erfolge  brachte. 
Unermüdlich  war  er  mit  der  Ausgestaltung  des  heute  weltberühmten  Lese- 
instituts beschäftigt.  Der  mit  eiserner  Konsequenz  befolgte  Grundsatz  dieses 
Unternehmens,  jedes  verlangte  Buch,  aus  welchem  Gebiete  es  auch  immer 
stamme,  leihweise  abzugeben,  brachte  ihm  den  Riesenerfolg,  einen  Erfolg,  der 
den  Bau  des  riesigen,  ganz  für  diese  Zwecke  angelegten  Geschäftshauses  in  der 
Dorotheenstraße  zeitigte  und  heute  als  Musterbetrieb  gilt.  In  wohlgeordneter 
Reihenfolge  stehen  hier  mehr  denn  600000  Bände  der  Lesewelt  zur  Verfügung. 
Eine  hervorragende  Stelle  nahm  R.  im  buchhändlenschen  Vereinsleben  der 
Reichshauptstadt  ein.  Als  Vorstandsmitglied  der  Korporation  der  Berliner 
Buchhändler  sowohl  als  auch  des  Sortimentervereins,  sowie  als  Leiter  des  im 
Jahre  1884  errichteten  Vereinssortiments  hat  sich  R.,  nicht  zuletzt  unterstützt 
durch  seine  liebenswürdigen  persönlichen  Eigenschaften,  große  Verdienste  und 
reiche  Anerkennung  erworben. 

Quellen:  Schmidt,  Deutsche  Buchhändler  Bd.  I.  Berlin  1902;  Korporationsbericht  der 
Berliner  Buchhändler  1902.  RudolfSchmidt. 

Simion,  Leonhardt,  Buchhändler,  *  2.  November  1842  in  Berlin,  f  ig.  No- 
vember 1902  ebenda.  —  Aus  einer  Buchhändlerfamilie  stammend,  widmete 
sich  S.  nach  bestandenem  Abiturientenexamen  dem  damals  schon  lieb  ge- 
wonnenen Buchhandel,  den  er  in  Aachen  erlernte.  Später  war  er  in  Riga 
als  Gehilfe  tätig,  kehrte  dann  nach  Berlin  zurück,  um  zunächst  in  Gemein- 
schaft mit  Franz  Duncker  das  »Sonntagsblatt«  herauszugeben  und  demnächst, 
am  I.  Juni  1870,  eine  Verlagsbuchhandlung  unter  seinem  Namen  zu  eröffnen. 
Von  1874 — 82  war  S.  außerdem  Mitinhaber  der  bekannten  Berliner  Firma 
A.  Asher  u.  Komp.  In  seinem  Verlage,  dem  er  bald  eine  eigene  Druckerei 
angefügt  hatte,  nahmen  die  volkswirtschaftlichen  Schriften  den  ersten  Rang 
«in.  Fast  30  Jahre  lang  verlegte  er  den  »Arbeiterfreund«,  femer  die  bekannten 
Veröffentlichungen  des  »Vereins  zur  Beförderung  des  Gewerbefleißes«.  Mit 
besonderem  Erfolge  pflegte  S.  daneben  die  Schulbücherliteratur.  Ein  überaus 
reger  Gemeinsinn  zeichnete  S.  aus  und  zeitigte  die  schönsten  Früchte  in  seiner 
langen  ehrenamtlichen  Tätigkeit  im  Dienste  des  Berliner  Buchhandels.  22  Jahre 
lang  war  er  Vorstandsmitglied,  zuletzt  leitender  Vorsitzender  der  Berliner 
Buchhändlerkorporation  und  mehr  als  10  Jahre  verwaltete  er  das  Amt  eines 
Handelsrichters. 

Quellen:  Korporationsbericht  der  Berliner  Buchhändler  1903. 

Rudolf  Schmidt. 

Seehagen,  Oswald,  Buchhändler,  *  26.  August  183 1  in  Berlin,  f  22.  Juni 
1902  in  Tarasp.  —  Auf  der  Realschule  vorgebildet,  trat  S.  1846  in  die  buch- 
händlerische Lehre  und  arbeitete  bis  1866  als  Gehilfe  in  Berlin-  In  diesem 
Jahre  begründete  er  sein  Verlagsgeschäft  und  erweiterte  es  andauernd  durch 

8* 


1 1  g  Seehagen.     Ernst.     Krones. 

Ankauf  kleinerer  Verlagsbuchhandlungen.  Seine  Hauptpflege  wandte  S.  der 
Geschichte  zu  und  auf  diesem  Gebiete  hat  er  grofies  geschafEen.  In  den 
Kriegsjahren  1866  und  1870/71  verlegte  Seehagen  vorwiegend  vaterländische 
Romane,  denen  er  auf.  dem  Wege  der  Kolportage  weiteste  Verbreitung  gab. 
Ganz  wesentlich  wuchs  sein  Verlag  1876  durch  die  Übernahme  der  berühmten 
Geschichtswerke  von  Schlosser  und  Jaeger.  Unablässig  war  er  namentlich 
für  die  Verbreitung  und  gediegene  Ausstattung  der  bekannten  Schlosserschen 
Weltgeschichte  bemüht  und  konnte  hierbei  auf  schöne  Erfolge  zurückblicken. 
1896  verkaufte  S.  seinen  Verlag,  um  sich  der  wohlverdienten  Ruhe  hinzugeben. 
Quellen:  Korporationsbericht  der  Berliner  Buchhändler  1902. 

Rudolf  Schmidt. 

Ernst,  Georg  Eberhard,  Buchhändler,  ♦  4.  April  1852  in  Berlin,  f  25.  Mai 
1902  in  Lugano.  —  E.  erhielt,  als  Buchhändlerssohn  geboren,  seine  Schulbil- 
dung auf  dem  Berliner  Wilhelmsgymnasium.  Für  seinen  Beruf  bildete  er  sich 
in  den  buchhändlerischen  und  industriellen  Unternehmungen  der  Firma  W.  G. 
Korn  in  Breslau  aus.  Nach  dem  Kriege  1870/71,  den  er  mitgekämpft,  kon- 
ditionierte er  in  Stuttgart  und  Mailand.  Hier  im  klassischen  Lande  der  Kunst 
empfing  seine  empfängliche  Seele  jenes  tiefe  Kunstverständnis,  das  ihn  später 
als  Verleger  so  vieles  Herrliche  und  Schöne,  oft  mit  großen  persönlichen 
Opfern,  schaffen  ließ  und  das  den  Grund  legte  zu  jenem  feinen  Verständnis, 
das  E.  in  späteren  Jahren  so  manches  junge  Talent,  so  manche  wissenschaft- 
liche Bestrebung  mit  offener  Hand  unterstützen  und  fördern  ließ.  Nach  Berlin 
zurückgekehrt,  vertiefte  E.  seine  in  Italien  empfangenen  Eindrücke  und  An- 
regungen durch  eingehende  Studien  an  der  kgl.  Bauakademie,  die  seiner  auf 
die  Pflege  von  Kunst  und  Architektur  gerichteten  verlegerischen  Tätigkeit 
sehr  zu  gute  kamen.  1890  nahm  ihn  der  Vater  als  Teilhaber  in  seine  Ver- 
lagsbuchhandlung, die  von  nun  an  den  Namen  Wilhelm  Ernst  und  Sohn  führte, 
auf.  Von  seinen  verlegerischen  Unternehmungen  ist  »Das  Ingenieurs-Taschen- 
buch, herausgeg.  vom  Verein  Hütte«  wohl  das  bekannteste,  im  übrigen  hat 
er  die  hervorragendsten  Namen  der  Bauwissenschaft  seiner  Zeit  in  seinem 
Verlagskatalog  versammelt.  Das  von  ihm  noch  besonders  erweiterte  und  ge- 
pflegte »Zentralblatt  der  Bauverwaltung«  darf  hierbei  nicht  vergessen  werden. 
Mit  besonderem  Eifer  hat  E.,  was  seinem  rühmlichen  Streben  ein  schönes 
Zeugnis  ausstellt,  die  Ziele  des  Allgemeinen  Deutschen  Sprachvereins  gefördert; 
durch  viele  Jahre  hindurch  war  er  dessen  erster  Schatzmeister. 

Quellen:  Schmidt,  DeutscheBuchhandlerBd.il.  Berlin  1903;  Korporationsbencht  der 
Berliner  Buchhändler  1902.  Rudolf  Schmidt. 

Krones,  Franz  R.  v.  Marchland,  k.k.  o.ö.  Professor  an  der  Universität  Graz, 
k.  k.  Hofrat,  Ritter  des  Ordens  der  Eisernen  Krone  III.  Kl.,  korresp.  Mitglied 
der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien  (seit  1874),  auswärtiges  Mit- 
glied der  k.  ung.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Budapest,  Mitglied  der 
bist.  Landeskommission  für  Steiermark,  Ehrenmitglied  des  bist.  Vereins  für  Steier- 
mark, des  Geschichtsvereins  für  Kärnten,  des  akad.  Vereins  deutscher  Historiker 
in  Graz,  der  bist.  Vereine  und  Gesellschaften  in  Brunn,  Hermannstadt,  Linz, 
Prag;  ♦  am  19.  November  1835  zu  Ungarisch-Ostrau  in  Mähren,  f  am  17.  Ok- 
tober 1902  in  Graz.  —  K.  wurde  zu  Neureisch  im  Iglauer  Kreise  erzogen,  legte 


Krones.  1 1 7 

die  Gymnasialstudien  in  Brunn  zurück,  bezog  im  Jahre  1852  die  Wiener 
Universität,  an  der  er  sich  vornehmlich  unter  der  Leitung  Albert  Jägers  ge- 
schichtlichen Studien  widmete.  Anfang  und  Ende  seiner  Universitätszeit 
fallen  mit  bedeutungsvollen  Ereignissen  der  inneren  Geschichte  Österreichs 
zusammen,  der  Rückkehr  zum  Absolutismus  und  dem  Abschlüsse  des  Kon- 
kordates. Eis  waren  die  Jahre,  in  denen  nach  seinen  Worten  »der  Altöster- 
reicher sich  über  das  Preisgeben  der  josephinischen  Grundsätze,  in  denen  er 
aufgewachsen  war,  und  über  die  wachsende  Kostspieligkeit  der  Verwaltung 
ohne  greifbaren  Segen  betrübte«,  Jahre,  welche  eine  schwere  Katastrophe  vor- 
bereiteten, in  denen  aber  auch  die  geistige  Kraft  des  deutschen  Volkes  in 
Osterreich  sich  mit  lange  zurückgehaltener  Macht  geltend  machte,  eine  Zeit 
merkwürdiger  Widersprüche,  in  welcher  ein  und  derselbe  Minister  die  welt- 
licher Kultur  und  Wissenschaft  feindseligen  Jesuitenschulen  zuließ,  dem  Klerus 
das  Aufsichtsrecht  über  Volks-  und  Mittelschulen  verbriefte,  die  Reform  des 
höheren  Unterrichtes  aber  im  Sinne  und  mit  Hülfe  deutscher  und  französischer 
Wissenschaft  durchführte.  Eben  im  Zusammenhange  dieser  Reform  war  in 
Weiterführung  älterer  Bestrebungen  die  Erneuerung  des  geschichtlichen  Unter- 
richtes an  den  Universitäten  erfolgt  und  als  eines  der  wichtigsten  Hilfsmittel 
an  der  Wiener  Universität  das  Institut  für  österreichische  Geschichtsforschung 
geschaffen  worden,  das  im  Wintersemester  1855  unter  der  Leitung  Albert 
Jägers  eröffnet  werden  konnte.  Dieser  hatte  die  ersten  Mitglieder  aus  dem 
Kreise  seiner  besten  Schüler  gewählt;  neben  Ottokar  Lorenz,  Peter  Perkmann, 
Ferdinand  Zieglauer,  E.  R.  Rösler  und  Karl  Stögmann  zählte  auch  K.  zu 
ihnen.  Die  unvermeidlichen  Mängel,  welche  diesem  ersten  Versuch  aiihafteten, 
hatten  zur  Folge,  dafi  nur  zwei  von  den  ersten  Mitgliedern  den  vollständigen 
Kurs  durchmachten,  die  andern,  unter  ihnen  K.,  schon  früher  austraten. 
Dessen  Hoffnung  war  damals  auf  ein  Stipendium  gerichtet,  das  ihm  einen 
längeren  Aufenthalt  in  Berlin  ermöglichen  sollte;  daß  dieser  Wunsch  nicht  in 
Erfüllung  ging,  ihm  die  Möglichkeit  genommen  war,  seine  wissenschaftliche 
Bildung  in  unmittelbarer  Beziehung  zu  den  Meistern  histonscher  und  philo- 
logischer Forschung  zu  vertiefen,  hat  K.  zeit  seines  Lebens  schmerzlich 
empfunden.  Diese  Enttäuschung  und  persönliche  Verhältnisse  veranlaßten 
ihn,  sofort  in  den  Erwerb  einzutreten  und  eine  Stelle  als  Supplent  an  der 
Rechtsakademie  in  Kaschau  anzunehmen,  an  der  er  am  4.  Apnl  1857  zum 
ao.  Professor  für  öst.  Geschichte  ernannt  wurde.  Am  19.  Februar  des  folgen- 
den Jahres  erlangte  er  an  der  Wiener  Universität  die  Doktorwürde.  Der  Auf- 
enthalt in  der  oberunganschen  Freistadt  wurde  von  dem  jungen  Professor 
mit  regstem  Eifer  ausgenutzt,  er  erlernte  die  ungansche  Sprache,  beschäftigte 
sich  mit  ungarischer  Geschichte,  mit  der  Geschichte  der  Stadt  Kaschau  und 
der  Deutschen  in  Oberungam.  Doch  sollte  hier  seines  Bleibens  nicht  sein. 
Mochte  er  die  Stelle  an  einer  in  Ungarn  gelegenen  Anstalt  im  Vertrauen  auf 
die  Stetigkeit  der  zen tral ist i sehen  Anschauungen  angenommen  haben,  welche 
noch  in  der  Adresse  der  ungarischen  Notabein  vom  Jahre  1857  zum  Aus- 
druck gelangt  waren,  schon  die  nächste  Zeit  mußte  ihm  eine  neue  Ent- 
täuschung bringen.  Der  Umschwung  in  der  Behandlung  Ungarns,  der  sich 
während  der  Jahre  1860  und  1861  vollzog,  trieb  mit  vielen  anderen  auch  K. 
aus  dem  Lande.  Nach  kurzem  Aufenthalte  in  der  Heimat  fand  er  in  Graz 
eine  neue  Stellung,  am  9.  November  1861  wurde  er  dem  Gymnasium  daselbst 


1 1 8  Kroncs. 

zugeteilt,  am  i6.  Juni  des  folgenden  Jahres  habilitierte  er  sich  an  der  Uni- 
versität für  österreichische  Geschichte  und  nunmehr  beginnt  eine  außerordent- 
lich fruchtbare  wissenschaftliche  und  literarische  Tätigkeit,  in  der  K.  von  an- 
fang  an  jene  eigenartige  Mischung  romantischer  und  wissenschaftlicher  An- 
triebe zum  Ausdruck  bringt,  welche  während  der  vorangegangenen  Jahrzehnte 
die  historiographische  Arbeit  in  Deutschland  und  Österreich  so  nachhaltig 
beeinflußt  hatten.  Vor  allem  kamen  die  ersten  Früchte  seiner  Kaschauer 
Arbeit  zu  Tage,  daneben  vertiefte  er  sich  in  die  österreichische  Geschichte 
und  in  die  seiner  neuen  Heimat;  die  anziehendsten  Gestalten  aus  dieser,  die 
Grafen  von  Cilli  und  Andreas  Baumkircher,  nehmen  ihn  gefangen.  Jenem 
mächtigen  Geschlechte  widmet  er  unter  dem  Pseudonym  Frank  einen  Roman 
und  eine  historische  Novelle,  gleichzeitig  damit  erscheint  ein  grundlegender 
Versuch  zusammenfassender  Darstellung  deutschösterreichischer  Geschichte,  die 
Umrisse  des  Geschichtslebens  der  deutsch-österreichischen  Ländergruppe.  Die- 
sem Versuch  kommt  in  der  Entwicklung  der  Erforschung  österreichischer  Ge- 
schichte eine  sehr  bedeutende  Stellung  zu,  hier  sind  zum  erstenmal  neue  Bahnen 
betreten,  viele  wertvolle  Anregungen  gegeben.  Am  lo.  Jänner  1865  wurde  K.  zum 
o.ö.  Professor  für  österreichische  Geschichte  an  der  Grazer  Universität  ernannt.  In 
ununterbrochener  Folge  schließen  sich  den  Umrissen  Arbeiten  zur  ungarischen 
und  steiermärkischen  Geschichte  an.  Daneben  ist  K.  stets  bestrebt,  die  Ergeb- 
nisse seiner  Forschung  auch  in  volkstümlicher  Form  zu  verwerten.  In  den 
Jahren  1876 — 1879  erschien  sein  fünfbändiges  Handbuch  der  Geschichte  Öster- 
reichs. Die  Bedeutung  dieses  Werkes  liegt  nicht  allein  darin,  daß  K.  zum 
erstenmal  versucht  hat,  die  gesamte  geschichtliche  Entwicklung  der  österr. 
Monarchie  unter  wissenschaftlichen  Gesichtspunkten  zu  begreifen  und  darzu- 
stellen, noch  höher  wird  man  es  ihm  anrechnen  dürfen,  daß  er  im  Gegensatz 
gegen  weitverbreitete,  verhängnisvoll  wirkende  Ansichten  die  Auffassung  des 
Kaiserstaates  als  eines  vorwiegend  mechanischen,  künstlichen  Gebildes  abge- 
lehnt und  mit  aller  Bestimmtheit  hervorgehoben  hat,  wie  auch  in  der  öster- 
reichischen Monarchie  sich  eine  organische  Entwicklung  vollzogen  hat;  darin 
befindet  sich  K.  durchaus  im  Einklänge  mit  den  Ergebnissen  der  neueren 
Staatsrechtslehre.  Dementsprechend  hat  er  auch  den  natürlichen  Grundlagen 
der  Monarchie  besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet,  sie  in  dem  Abschnitte 
über  den  »Historischen  Boden  Österreichs«  eingehend  gewürdigt. 

Mit  dem  Handbuche  hatte  K.  den  Höhepunkt  seines  Schaffens  erreicht, 
aber  das  bedeutete  für  ihn  nicht  Ende  oder  Niedergang.  Unablässig  war  er 
bemüht,  an  den  Stellen,  an  denen  er  mit  seinen  Arbeiten  eingesetzt  hatte, 
weiter  vorzudringen,  das  früher  Begonnene  fortzuführen  und  weiter  auszubil- 
den. Der  im  Jahre  1882  erschienene  Grundriß  brachte  eine  Zusammenstellung 
der  Quellen  und  der  Literatur  der  österr.  Geschichte,  welche  trotz  mancher 
Mängel  der  Ausführung  ein  überaus  dankenswertes,  auch  heute  noch  nicht 
überholtes  Hilfsmittel  der  Forschung  bildet.  Mit  lebendiger  Aufnahmefähig- 
keit verstand  er  es,  sich  dem  steten  Fortschritte  der  Wissenschaft  und  der 
Erweiterung  des  Forschungsgebietes  anzupassen,  wenn  auch  die  allmählich  zum 
Durchbruch  gelangte  neuere  Methode  mit  ihrer  schärferen  Bestimmtheit,  die 
Erfassung  und  in  den  Anfängen  notwendigerweise  polemische  Erörterung 
kritischer  Fragen  seiner  Eigenart  wenig  behaglich  waren.  Ein  außerordent- 
liches Gedächtnis    befähigte    ihn  namentlich  zur  Behandlung  genealogischer 


Krones. 


119 


Fragen,  denen  er  in  den  Umrissen  und  in  dem  Grundrisse,  dann  auch  in 
mehreren  Einzelabhandlungen  besondere  Aufmerksamkeit  zuwandte. 

Daß  ihm  das  Archiv  des  Erzherzogs  Johann  von  dessen  Nachkommen  zu- 
gänglich gemacht  wurde,  veranlaßte  ihn,  sich  mit  der  Geschichte  dieses  volks- 
tümlichen Prinzen  und  mit  dem  Kampfe  Österreichs  gegen  die  Übermacht 
Napoleons  I.  zu  beschäftigen.  Daneben  nahm  er  die  älteren  Arbeiten  zur 
Geschichte  Friedrichs  III.  und  des  Deutschtums  in  den  K^rpatenländern  wieder 
auf,  wandte  sich  gegen  Ende  seines  Lebens  auch  der  Geschichte  seiner 
mährischen  Heimat  zu. 

Sehr  erfolgreich  war  sein  Wirken  als  akademischer  Lehrer.  Aus  seiner 
Schule  sind  während  einer  fast  vierzigjährigen  Tätigkeit  viele  Mittelschul- 
lehrer hervorgegangen,  welche  im  Sinne  ihres  Meisters  wirken.  Gleich  Albert 
Jäger  war  er  von  dem  reinsten  Wohlwollen  für  die  ihm  anvertraute  akade- 
mische Jugend  beseelt,  die  des  treuen  Führers  Güte  mit  warmherziger  Liebe 
und  Anhänglichkeit  in  reichem  Maße  vergalt.  Die  Universität,  deren  Ge- 
schichte zu  schreiben  ihm  vergönnt  war,  hat  ihr  ausgezeichnetes  Mitglied  in 
jeder  Weise  geehrt;  in  den  Jahren  1869  und  1873  ^^^  er  zum  Dekan  der 
philosophischen  Fakultät,  für  das  Jahr  1877  zum  Rektor  gewählt  worden.  Der 
sechzigste  Geburtstag  des  verdienten  Mannes  gab  seinen  näheren  Freunden 
Gelegenheit,  ihn  mit  einer  Festschrift  zu  erfreuen,  welche  feinsinnig  die  An- 
regungen, die  von  ihm  ausgegangen  waren,  den  geistigen  Zusammenhang,  in 
dem  er  stand,  veranschaulicht. 

Aber  auch  über  die  engern  Grenzen  wissenschaftlicher  und  akademischer 
Tätigkeit  hinaus  erstreckte  sich  sein  Wirken.  Der  histor.  Verein  für  Steier- 
mark, dessen  Ausschuß  er  seit  dem  Jahre  1864  angehörte  und  an  dessen 
Leitung  er  als  Schriftführer  (1869),  Obmann  (1879,  1880,  1887,  1888)  und 
Obmannstellvertreter  (1881,  1882,  1889)  beteiligt  war,  die  histor.  Landes- 
kommission für  Steiermark  zählten  ihn  zu  ihren  eifrigsten,  verdienstvollsten 
Mitgliedern.  Als  Mitglied  der  Prüfungskommission  für  das  Lehramt  an  Mittel- 
schulen und  des  Landesschulrates  für  Steiermark,  in  den  er  im  Jahre  1875 
berufen  worden  war,  hatte  er  Gelegenheit,  sich  mit  pädagogischen  Fragen  zu 
beschäftigen,  er  hat  vor  allem  die  auf  Erweiterung  der  Frauenbildung  ab- 
zielenden Bestrebungen,  die  Errichtung  eines  Mädchenlyceums  in  Graz  ge- 
fördert. Seine  vielseitige  Tätigkeit  fand  die  verdiente  äußere  Anerkennung 
durch  die  im  Jahre  1879  vollzogene  Erhebung  in  den  Adelstand  und  die  am 
16.  März  1897  erfolgte  Ernennung  zum  k.  k.  Hofrat. 

Auf  Grund  seiner  reichen  geschichtlichen  Kenntnis  und  seiner  persön- 
lichen Erfahrung  suchte  K.  auch  in  politischen  Fragen  Aufklärung  zu  ver- 
breiten. Dem  Dualismus  war  er  geneigt  eine  gewisse  historische  Berechtigung 
zuzugestehen,  jedenfalls  hatte  er  sich  mit  ihm  als  einer  gegebenen  Tatsache 
abgefunden,  wenn  er  auch  den  Ausgleich  vom  Jahre  1867  als  »von  der  Sach- 
lage erzwungen  und  von  dem  politischen  Sanguismus  in  einem  und  andern 
überhastet«  bezeichnete,  aber  sehr  bestimmt  sprach  er  sich  gegen  weiter- 
gehende föderalistisch-feudale  Versuche  aus. 

Verzeichnis  der  literarischen  Arbeiten  Hofrats  v.  Krones  nach  der  Folge  ihres  Er- 
scheinens. (Das  Verzeichnis  will  auf  unbedingte  Vollständigkeit  keinen  Anspruch  erheben; 
einzelne  Besprechungen,  Berichte  und  Notizen  sind  ebenso  wie  die  meisten  in  der  Grazer 
Tagespost  und   der   Münchener  AUg.   Zeitung   erschienenen  Artikel   von  vorneherein  außer 


1 20  Krones. 

acht  gelassen.  Von  den  Beiträgen  zur  Allg.  Deutschen  Biographie  habe  ieh  nur  die  mir 
bekannten  aufnehmen  können.  Für  die  Anlage  des  Verzeichnisses  wurden  benutzt:  Kukula» 
Bibliographisches  Jahrbuch  der  deutschen  Hochschulen,  Innsbruck  1892,  S.  503;  erstes 
Ergänzungsheft  dazu,  S.  142;  Schlossar,  Die  Literatur  der  Steiermark,  Graz  1886;  (Luschin)» 
Übersicht  der  in  den  periodischen  Schriften  des  hist.  Vereins  fUr  Steiermark  bis  einschließlich 
1892  veröffentlichten  Aufsätze,  Graz  1894;  die  Kataloge  der  k.  k.  Universitätsbibliothek  in 
Graz,  der  Bibliothek  des  steierm.  Landesarchivs  und  der  steierm.  Landesbibliothek;  vor 
allem  aber  die  Sammlungen  der  Schriften  des  Verstorbenen  im  Besitze  der  Herren  Regierungsrat 
Dr.  F.  Ilwof  und  Professor  Dr.  J.  Loserth.  —  Mitteil.  =  Mitteilungen  des  hist.  Vereins  für 
Steiermark.     Beiträge  =  Beiträge  zur  Kunde  steierm.  Geschichtsquellen.) 

Die  böhmischen  Söldner  im  östl.  Oberungarn,  Gymn.- Programm  Graz  1862.  Der 
Inquisitionsprozefl  der  Leobener  Johannesbruderschaft  vom  Jahre  1694  in  seinen  allgem. 
Ergebnissen,  Hoch  vom  Dachstein,  Graz  1862,  S.  181.  Geschichtliche  Grandlagen  de> 
steirischen  Landtagswesens,  Grazer  Tagespost  1862,  Nr.  237,  239,  249,  257,  263,  271,  278. 
Der  Kampf  des  Anjouschen  Königtums  mit  der  Oligarchie,  G}Tnn.-Progr.  Graz  1863.  Der 
ITironkampf  der  Premyslidcn  und  Anjous  in  Ungarn  bis  1303,  Zeitschr.  für  die  öst.  Gym- 
nasien XIV  (1863),  639—660.  Umrisse  des  Geschichtslebens  der  deutsch  -  österr.  Länder- 
gruppe in  seinen  staatlichen  Grundlagen  vom  X. — XVI.  Jahrh.  Ein  Versuch.  Innsbruck  1863. 
Veronika  von  Teschenitz  und  das  Grafenhaus  der  Cillier.  Orig.-Novelle  aus  den  Jahren 
1422 — 1429.  Von  Frank,  Grazer  Tagespost  1863,  Nr.  143—215.  Aktenmäßige  Beiträge 
zur  Geschichte  des  Tattenbachschen  Prozesses  1670,  Mitteil.  XII  (1863),  83 — 112.  LTrich 
Graf  von  Cilli.  Hist.  Erzählung  von  Frank.  Graz  1864  (SA.  aus  der  Tagespost  1864, 
April  ff.).  Die  österr.,  böhm.  und  ung.  Länder  im  letzten  Jahrhundert  vor  ihrer  dauernden 
Vereinigung  1437— 1526.  ^864  (Österr.  Gesch.  für  das  Volk,  VI.  Bd.)  Zur  ältesten  Ge- 
schichte der  oberang.  Freistadt  Kaschau,  Archiv  f.  öst.  Gesch.  XXXI  (1864),  1—56.  Ver- 
zeichnis steir.  Stände-  und  Landtagsakten  des  XVI.  und  XVIII.  Jahrb.,  Beiträge  I  (1864), 
II — 16.  Die  Ereignisse  der  Jahre  1303 — 1305  im  ung.  Thronkampf  der  Premysliden  und 
Anjous,  Zeitschr.  für  die  öst.  GjTnn.  XVI  (1865),  317—342.  Deutsche  Geschichts-  und 
Rechtsquellen  aus  Oberungam,  Archiv  f.  öst  Gesch.  XXXIV  (1865),  211 — 252.  Beiträge 
zur  Quellenkimde  und  Geschichte  des  steirischen  Landtagswesens,  Beiträge  II  (1865),  III, 
IV,  VI,  XVI.  Die  Brennerbahn,  Graz  1867  (SA.  aus  der  Tagespost).  Aktenmäflige  Bei- 
träge zur  Geschichte  des  windischen  Bauernaufstandes  1573,  Beiträge  V  (1868),  3 — 34. 
Rechnung  des  Stephan  Graswein,  Feldliauptmanns  in  Steier  zur  Zeit  des  Bauernkrieges 
1525,  Mitteil.  XVI  (1868),  39 — 50.  Zur  Geschichte  der  steirischen  Landschäden  im 
Jahre  1529,  ebenda  S.  51 — 61.  Andreas  Baumkircher,  Graz  1869.  Zur  Geschichte  der 
Steiermark  in  den  Tagen  der  Baumkircherfehde,  Mitteil.  XVII  (1869)  73 — 129.  Anmerkungen 
zu  Kienasts  Aufsatz  über  steiermärkische  Rüstungswesen,  Mitteil.  XVIII  (1870),  79 — 83. 
Zeitgenössische  Quellen  der  steiermärkischen  Geschichte  in  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrb.. 
Beiträge  VII  (1870),  3—55.  Zur  Geschichte  Ungarns  im  Zeitalter  Franz  Rakoczys  IL, 
Archiv  f.  öst.  Gesch.  XLII,  XLIII  (1870).  Zeugen  verhör  über  Andreas  Baumkirchers  Taten- 
lebcn  und  Ende,  Zeitschr.  für  die  österr.  Gymn.  XXII  (1871),  513 — 41.  Zeitgenössische 
Quellen  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Cilli,  Beiträge  VIII  (1871),  3 — 120.  Sigmund  v. 
Herberstein.  Ein  Lebensbild.  Mitteil.  XIX  (1871),  3 — 76.  Ungarn  unter  Maria  Theresia 
und  Josef  II.  Graz  1871.  Aus  dem  Tagebuche  des  Siebenbürgers  Georg  Briccius  von 
Vizakna,  Öster.  Wochenschrift  N.  F.  I  (1872),  272  ff.  Stephan  Vitnycdy  und  seine  Briefe 
aus  den  Jahren  1656 — 62,  ebenda  N.  F.  II  (1872),  257  ff.,  300  ff.  Über  Bedeutung  und 
Ursprung  deutscher  Ortsnamen  der  Steiermark,  Graz  1872  (SA.  aus  Schreys  Bausteinen). 
Eine  Wanderung  durch  die  alte  Steiermark,  Graz  1872  (SA.  aus  dem  Dorf  boten).  Die 
Grafen  von  Cilli.  Eine  Skizze.  Graz  1873  (SA.  aus  der  Tagespost  Nr.  163,  166).  Graf 
Hermann  II.  v.  Cilli,  Mitteil.  XXI  (1873),  106 — 136.  Erzählungen  aus  der  Geschichte  der 
Steiermark,  Graz  1873  (3.  Aufl.  1880).  Das  mittelalterliche  Graz,  Tagespost  1873,  Nr.  271 
bis  287.  Quellenmäßige  Beiträge  zur  Geschichte  der  Steiermark  in  den  Jahren  1462 — 71, 
Beiträge  XI  (1874),  29 — 70.     Die  Herrschaft  König  Ottokars  II.  von  Böhmen  in  Steiennark, 


Krones.  1 2 1 

1252—76,  Mitteil.  XXII  (1874),  41—146.  Albrecht  IV.,  VI.,  Allg.  D.  Biographie  I  (1875), 
283  fif.  Herbert  und  Pankraz  v.  Auersperg,  ebenda  S.  639  ff..  Andreas  Baumkircher,  ebenda 
n  (1875),  169.  Robert  Rösler,  Zeitschr.  f.  d.  öst.  Gj-mn.  XXVI  (1875),  219—223.  Hand- 
buch der  Geschichte  Österreichs  von  der  ältesten  bis  neuesten  Zeit,  5  Bde.,  Berlin  1876 — 79. 
Die  Österreichische  Chronik  Jakob  Unrests,  Archiv  f.  öst.  Gesch.  XLVIII  (1876),  421 — 530. 
Thomas  Ebendoifer,  Allg.  D.  Biogr.  V  (1877),  526  ff.  Ein  Talgau  des  steirischen  Ober- 
landes im  Wechsel  der  Jahrhunderte,  Graz  1877.  (SA.  aus  dem  Heimgarten.)  Zur  Geschichte 
des  deutschen  Volkstums  im  Karpathenlande  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Zips  und 
ihr  Nachbargebiet  Festschrift  der  Universität  Graz,  1878.  Barbara  v,  Cilli,  Heimgarten  II 
(1878),  34 — 40.  Aus  alter  Chronik  (Unrests),  ebenda  270 — 80.  Innere  Zustände  der 
Steiermark  seit  der  Reformationszeit,  ebenda  839 — 49.  Friedrich  IV.  v.  Österreich,  Allg. 
D.  Biogr.  VII  (1878),  588  ff.  Übersicht  über  die  Literatur  zur  Gesch.  der  österr.  Länder- 
gruppe in  den  Jahresberichten  der  Geschichtswissenschaft  I  (1878)  —  VIII  (1885).  Geschichte 
der  Neuzeit  Österreichs  vom  18.  Jahrh.  bis  auf  die  Gegenwart,  Berlin  1879.  Zur  Geschichte- 
der  ältesten  insbesondere  deutschen  Ansiedelung  des  steierm.  Oberlandes,  Mitteil.  XXVII 
(1879),  3 — 7^*  ^^^  beiden  geistigen  Eroberer  Rußlands  (Sigmund  Herberstein  und  L.  A. 
V.  Schlözer),  Graz  1879  (SA.  aus  dem  Heimgarten).  Geschichte  Österreichs  für  die  reifere 
Jugend,  2  Bde.,  Wien  1879.  Zur  Geschichte  des  mittelalterlichen  Zeitgeistes  in  Osterreich, 
Heimgarten  IV  (1880),  526 — 28.  Volksausgabe  des  Handbuches,  seit  1880.  Anmerkungen 
zu  zwei  Tagebüchern  aus  der  Franzosenzeit,  Mitteil.  XXVIII  (1880),  106;  XXXV  (1887), 
30.  Jakob  Unrests  Bruchstück  einer  deutschen  Chronik  von  Ungarn,  Mitteil  des  Inst.  f. 
österr.  Geschichtsf.  I  (1880),  337 — 72.  Der  historische  Verein  für  Steiermark,  sein  Werden 
und  Bestand.  Graz  1880  (SA.  aus  der  Tagespost).  Die  Weistümer  in  Steiermark,  Heim- 
garten V  (1881),  522 — 27.  Geschichte  (Übersicht  über  die  neuere  Literatur  zur  Gesch. 
Martinuzzis,  Maria  Stuarts  und  Wallensteins),  Fleischers  Vierteljahrsberichte  über  die  gesamten 
\Vissenschaften  I  (1882).  Grundriß  der  österr.  Geschichte  mit  besonderer  Rücksicht  auf 
Quellen-  und  Literaturkunde,  Wien  1882.  Aus  drei  Jahrhunderten  des  mittelalterlichen  Ge- 
schichtslebens Innerösterreichs,  Graz  1882.  Die  landesfürstlichen  und  landschaftlichen 
Patente  1493— 1564,  Beiträge  XVIII  (1882),  117—96;  XIX,  3—74.  Zur  Geschichte  der  Be- 
ziehungen zwischen  Ragusa  und  dem  Hinterlande,  Dalmatien,  Bosnien-Herzegowina.  Graz 
1882.  Die  Literatur  zur  Geschichte  Franz  Rakoczis  IL  im  letzten  Jahrzehnte,  I  (Hist.  Jahr- 
buch 1882,  631 — 47),  II  (ebenda  1883,  96 — 160).  Hans  Ulrich  Fürst  v.  Eggenberg,  Galeric 
hist.  Porträts,  Wien  1883.  Aus  der  Ferienmappe  eines  Magisters,  Graz  1883.  Festrede  aus 
Anlaß  der  600jährigen  Habsburgfeier  der  Steiermark,  gehalten  in  der  Festversammlung  des 
Hist.  Vereins  am  30.  Juni  1883,  Graz  1883.  Die  Freien  von  Saneck  und  ihre  Chronik  aLs 
Grafen  von  Cilli,  2  Teile,  Graz  1883.  Historische  Analekten  aus  und  über  Dalmatien  und 
Kroatien.  Sitztmgsber.  der  Wiener  Akademie,  phil.-hist.  Klasse  CII  (1886),  232  ff.  Kleine 
Beiträge  zur  mittelalterlichen  Quellenkunde,  Mittcil.  des  Inst.  f.  österr.  Geschichtsf.  VII  (1886), 
247 — 64.  Zur  Geschichte  des  Schulwesens  der  Steiermark  bis  1570,  Mitteil.  XXXIV  (1886), 
3—27.  Karl  Holzinger,  R.  v.  Weidich,  Zeitschr.  f.  die  öst.  Gymn.  XXXVII  (1886),  955—59. 
Zur  Gesch.  des  Grazer  Studentenlebens  in  den  Zeiten  der  Jesuitenhochschule  1586 — 1773 
(SA.  aus  der  Zeitschr.  f.  allgem.  Geschichte  1886).  Geschichte  der  Carl-Franzens-Universität  in 
Graz.  Graz  1886.  Die  Grazer  Universität  im  Wechsel  dreier  Jahrhunderte,  Graz  1886  (SA.  aus 
der  Tagespost).  Zur  Geschichte  Österreichs  im  Zeitalter  der  französischen  Kriege  und  der 
Restauration  1792  bis  1816,  Gotha  1886.  Beiträge  zur  Geschichte  des  Grazer  Jesuitenkollegiums 
1573 — 1773,  Beiträge  XXII  (1887),  3 — 34»  Moriz  von  Kaiserfeld,  Leipzig  1887.  Ottokar 
der  stein  Reimchronist,  Allg.  D.  Biogr.  XXIV  (1887),  772  ff.  Piligrim  IL,  Erzb.  v.  Salz- 
burg, ebenda  XXVI  (1888),  134.  Freiherr  Anton  von  Baldacci  über  die  inneren  Zustände 
Österreichs.  Eine  Denkschrift  aus  dem  Jahre  1816,  Wien  1889.  Die  deutsche  Besiede- 
lung  der  östlichen  Alpenländer,  insbesondere  Steierroarks,  Kärntens  und  Krains,  nach 
ihren  geschichtlichen  und  örtlichen  Verhältnissen  (Forsch,  zur  deutschen  Landes-  und 
Volkskunde,  hrsgg.  von  Kirchhoff  III  (1889),  3^1 — 476).  Zur  Geschichte  des  naturwissen- 
schaftlichen Unterrichts  in  Steiermark,  Mitteil.  XXXVII  (1889),  220—23.    Tirol  1812— 1816, 


122  Krones. 

und  Erzherzog  Johann  von  Osterreich,  Innsbruck  1890.  Josef  Freih.  v.  Simbschen  und  die 
Stellung  Österreichs  zur  serbischen  Frage  1807 — 18 lo,  Archiv  f.  öst.  Gesch.  LXXVl  (1890) 
127 — 260.  Aus  der  Zeit  der  Befreiungskriege  18 13 — 181 5  (SA.  aus  der  Ost-Ung.  Revue, 
1891).  Aus  dem  Tagebuche  Erzherzogs  Johann  von  Osterreich  18 10 — 18 15,  Innsbruck  1S91. 
Das  Gerichtsprotokoll  der  k.  Freistadt  Kaschau  in  Oberungam  aus  den  Jahren  1556 — 1608, 
Mitteil,  des  Inst.  f.  öst.  Geschichtsf.  XII  (1891),  618—38.  Feldmarschall  Radetzky.  Ein 
Lebensbild.  Wien  1891.  Feldzeugmeister  Josef  Freiherr  v.  Simbschen  1810 — 18,  Archiv  f. 
öst.  Gesch.  LXXVII  (1891),  151  ff.  Zur  Geschichte  der  nachbarlichen  Beziehungen  Steier- 
marks  und  Ungarns  bis  1192,  Mitteil.  XL  (1892),  231 — 72.  Aus  Österreichs  stillen  und 
bewegten  Jahren  i8io — 181 2  und  18 13 — 18 15,  Innsbruck  1892.  Der  Jesuitenorden  und 
seine  Rolle  im  Geschichtsleben  Ungarns,  Öst.-Ung.  Revue  XII  (1892),  Heft  4 — 6.  Bei- 
träge zur  Geschichte  des  Jesuitenordens  in  der  Steiermark,  Beiträge  XXIV  (1892),  25 — 66. 
Zur  Geschichte  des  Jesuitenordens  seit  dem  Linzer  Frieden  1645 — '671,  Archiv  f.  österr. 
Gesch.  LXXIX  (1893),  277  fF.  Das  böhmische  Staatsrecht  und  die  Geschichte,  Graz  1893 
(SA.  aus  der  Tagespost).  Zur  Geschichte  Ungarns  (1671 — 1683).  Mit  besonderer  Rück- 
sicht auf  die  Tätigkeit  und  Geschichte  des  Jesuitenordens,  Archiv  f.  österr.  Gesch.  LXXX 
(1894),  351 — 458.  Beiträge  zur  Städte-  und  Rechtsgeschichte  Oberungams,  ebenda  LXXX I 
(1895),  447 — 512.  Karl  von  Zierotin  und  sein  Tagebuch  v.J.  1591,  Ztsch.  f.  Kulturgesch. 
II  (1895),  ' — 30«  Die  Grazer  Universität  1886 — 1895.  Ihre  Entwicklung  und  ihr 
gegenwärtiger  Bestand.  Festschrift  zur  Feier  der  Schlußsteinlegung  des  neuen  Hauptgebäudes. 
Graz  1895.  K^a*'^  ^*on  Zierotin  und  der  Kreis  seiner  deutschen  Freunde  und  Zeitgenossen, 
Monatshefte  der  Comenius-Gesellschaft  IV  (1895),  '97 — 216.  Deutschbürtiger  Adel  im 
mittelalterlichen  Ungarn,  Mtinchen  1896  (SA.  aus  der  Allgemeinen  Zeitung,  Beilage  Xr.  231 
bis  233).  Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  archivalischen  Reise  im  Herbste  1896,  Beiträge 
XXVIII  (1897),  88 — 126.  Bertha  v.  Liechtenstein,  geb.  von  Rosenberg  und  die  Sage  von 
der  weißen  Frau  von  Neuhaus,  Brunn  1897  (SA.  aus  der  Zeitschr.  des  Vereins  f.  d.  Gesch. 
Mährens  und  Schlesiens  I.)  Die  Anfänge  des  Cistercienserklosters  Saar  in  Mähren  und  sein 
Chronist  Heinrich  von  Heimburg,  Brunn  1897  (ebenda).  Die  Markgrafen  von  Steier, 
Archiv  f.  öst.  Gesch.  LXXXIV  (1897),  137  ff.  Verfassung  und  Verwaltung  der  Mark  und 
des  Herzogtums  Steier  von  ihren  Anfängen  bis  zur  Herrschaft  der  Habsburger,  Graz  1897 
(Forschungen  zur  Verfassungs-  und  Verwaltungsgesch.  der  Steiermark,  hrsgg.  von  der  bist. 
Landeskommission  I.  Bd.).  Aus  den  Jugendjahren  Herrn  Wilhelms  von  Slawata  1572  — 1604, 
Zeitschr.  fUr  Kulturgeschichte  V  (1898),  i  — 17.  Prof.  Dr.  Hermann  Ignaz  Bidennann, 
Mitteil.  XLVI  (1898),  259 — 78.  Das  Cistercienserkloster  Saar  und  seine  Geschichtsschrei- 
bung, Archiv  f.  öst.  Gesch.  LXXXV  (1898)  i  — 130.  Österreichische  Geschichte  von  der 
Urzeit  bis  1526,  Leipzig  1899  Göschen.  Der  Herrenstand  des  Herzogtums  Steier,  Mitteil. 
XLVII  (1899),  65 — 126.  Urkunden  zur  Geschichte  des  Landesfürstentums,  der  Vorwaltung 
und  des  Ständewesens  der  Steiermark  von  1283 — 141 1  in  Regesten  und  Auszügen,  Bei- 
träge XXX  (1899),  13 — 158.  Landesfürstliche  Behörden  und  Stände  des  Herzogtums  Steier 
1288 — 141 1,  Graz  1900  (Forsch,  usw.  herausgg.  von  der  bist.  Landeskomm.  Bd.  IV,  Heft  1). 
Osterreichische  Geschichte  von  1526  bis  zur  Gegenwart,  Leipzig  1900  Göschen.  Die  er- 
zählenden Quellen  der  Geschichte  Mährens  im  XV.  Jahrb.,  Brunn  190a  (SA.  aus  der  Ztschr. 
des  Vereins  für  die  Gesch.  Mährens  und  Schlesiens  IV.).  Beiträge  zur  Geschichte  der 
Baumkircherfehde  mit  ihren  Nachwehen,  Arch.  f.  öst.  Gesch.  LXXXIX  (1901),  369 — 450. 
Zur  Quellenkunde  und  Literatur  der  Geschichte  Baumkirchers  und  der  Baumkircherfehde, 
Mitteil,  des  Inst,  für  Öst.  Geschichtsf.  Ergbd.  VI  (1901),  449 — 57.  Ergebnisse  einer 
archivalischen  Reise  nach  Linz,  Herbst  1899,  Beiträge  XXXI  (1901),  140 — 204.  Styriaca 
und  Ver^'andtes  im  Landespräsidialarchiv  und  in  der  k.  k.  Studienbibliothek  in  S.-dzburg, 
Beiträge  XXXI  (1901),  205 — 65.  Die  Baumkircher.  Geschichtliche  Untersuchungen,  Arch. 
für  österreichische  Geschichte  LXXXXI  (1902),  521 — 639.  Das  deutsche  Volkstum  in 
Ungarn,  Deutsche  Erde  1902,  131.  Leonor  v.  Portugal,  Gemahlin  Kaiser  Friedrichs  III., 
Mitteilungen  XLIX  (1902),  53 — 120.  Die  Rolle  der  Persönlichkeit  in  der  Geschichte, 
Steirische  Zeitschr.  für  Gesch.  I  (1903),   i — 25.   —  Daun    und    Laudon.      Biographie    und 


Krones.     Pernet.  I23 

Parallele,  o.  J.      Zur   Geschichte    der   mittelalterlichen  Antisemitenbewegung,    SA.   aus   der 
Deutschen  Revue  o,  J. 

Quellen:  Franz  von  Krones  zum  19.  November  1895  gewidmet  von  seinen  Freunden 
Adolf  Bauer,  Wilhelm  Gurlitt,  Johann  Loserth,  Eduard  Richter,  Anton  E.  Schönbach, 
Bernhard  Seuffert,  Hans  von  Zwiedineck,  Graz  1895.  —  Nekrologe:  Eduard  Richter  in 
Deutscher  Erde  1902,  Heft  6. — J.  Loserth  in  Grazer  Tagblatt  1902  Nr.  287  vom  18.  Ok- 
tober, in  den  Mitt.  des  Inst,  für  öst.  Geschichtsf.  XXIV,  179  ff.,  in  der  Zeitschrift  des  Ver- 
eins für  die  Geschichte  Mährens  und  Schlesiens  VII  (1903),  z8oif.  —  Grazer  Tagespost 
1902  Nr.  287  vom   18.  Oktober.  —  Dümwirth  in  der  Carinthia  XCIII  (1903),  30. 

Karl  Uhlirz. 

Pernet,  Johannes,  Prof.  Dr.,  *  18.  Dezember  1845  zu  Bern,  f  'S-  Februar 
zu  Zürich.  —  P.,  ein  Waadtländerkind,  Sohn  eines  Lehrers,  begann  nach 
Absolvierung  der  vorbereitenden  Schulen  seine  Studien  im  Herbst  1864  an 
der  Universität  Bern  in  den  Hauptrichtungen  Mathematik,  Physik  und  Meteo- 
rologie unter  der  ausgezeichneten  Leitung  des  damals  in  Bern  wirkenden,  dann 
nach  Petersburg  berufenen  und  bis  zum  Sommer  1902  in  Zürich  weilenden 
Staatsrates  von  Wild.  Er  legte  hierbei  den  Grund  zu  seiner  spätem,  nament- 
lich auf  messendem  Gebiete  hervorragenden  Tätigkeit.  Da  P.  seinen  Vater 
früh  verlor,  so  war  er  genötigt,  schon  in  frühen  Semestern  durch  verschiedent- 
lichen  Unterricht  an  bernischen  Schulen  seinen  Finanzen  etwas  nachzuhelfen. 
1866  wählte  ihn  Wild  zu  seinem  Assistenten,  welche  Stellung  ihm  Veran- 
lassung zu  einer  ersten  Arbeit  über  »den  täglichen  Gang  der  meteorologischen 
Elemente  in  Bern«,  erschienen  1869,  gab. 

Durch  den  Ruf  des  theoretischen  Physikers  F.  E.  Neumann  angezogen, 
begab  er  sich,  zur  Ergänzung  seiner  Studien,  1868  nach  Königsberg. 

Nachdem  Professor  von  Wild  als  Direktor  des  physikalischen  Zentral- 
Observatoriums  nach  Petersburg  berufen  worden,  folgte  demselben  P.  1869 
ebenfalls  dorthin  als  Assistent.  Barometrische  Untersuchungen  und  nament- 
lich eine  Abhandlung  über  »die  Bestimmung  der  Erdtemperatur  mit  Thermo- 
ketten«  sind  die  Früchte  seines  dortigen  Aufenthalts.  Da  er  jedoch  einsah, 
daß  für  ihn  als  Ausländer  ein  Avancement  sehr  schwer  sein  würde,  verließ 
er  1872  Petersburg,  um  zunächst  noch  während  drei  Semestern  seine  Studien 
in  Königsberg,  namentlich  unter  Neumann  fortzusetzen,  in  dessen  Privatlabo- 
ratorium er  arbeiten  durfte. 

1874  befand  er  sich  als  Assistent  bei  Prof.  Oskar  Emil  Meyer  in  Breslau 
und  promovierte  hier  1875  "^'*  seiner  für  die  ganze  weitere  Entwicklung  der 
Thermometrie  grundlegenden  Arbeit  Ȇber  die  Nullpunktsdepressionen  der 
Normalthermometer« . 

Hierbei  zeigt  er  insbesondere,  wie  die  Änderungen  der  Fixpunkte  durch 
geeignete  Beobachtungen  unschädlich  gemacht  werden  können.  Am  gleichen 
Orte  habilitierte  er  sich  1876  für  Physik  und  Meteorologie. 

Im  gleichen  Jahre  berief  ihn  Prof.  Förster,  Direktor  der  Normal-Aichungs- 
kommission,  nach  Berlin,  um  seine  thermometrischen  Untersuchungen,  unter- 
stützt von  Grunmach,  Thiesen  und  Wiebe,  fortzusetzen,  welche  von  diesen 
in  den  »Metronomischen  Beiträgen«  veröffentlicht  wurden. 

Den  I.  Juli  1877  ging  P.  nach  Paris,  um  in  das  ^Bureau  international  des 
jRaids  et  Mesures*  zu  Breteuil  bei  Paris  als  Savant  etranger  einzutreten  und 
verblieb  da  bis  1886.     Kurze  Zeit  nach  seinem  Eintritte  vertraute  man  ihm 


1 24  Pemet. 

interimistisch  die  Leitung  des  Instituts  an;  nun  verehelichte  er  sich  mit  seiner 
Braut,  die  er  in  Breslau  kennen  gelernt.  In  Breteuil  hat  er  sich  bedeutende 
Verdienste  um  die  Einrichtung  des  Bureaus  erworben,  und  namentlich  den 
Brunnerschen  Komparator  zu  hoher  Vollendung  gebracht  und  denselben  ins- 
besondere zu  Untersuchungen  von  Normalbarometern  und  Luftthermometem 
verwendet.  Trotz  der  Anerkennungen  seiner  Leistungen  ging  seine  Hoffnung 
auf  definitive  Übertragung  der  Direktorstelle  an  ihn  nicht  in  Erfüllung,  son- 
dern er  wurde  durch  allerlei  Intriguen  allmählich  aus  seiner  Stellung  ver- 
drängt und  zog  Ende  1885  nach  S^ji  Jahren  rastloser  Arbeit  wieder  nach 
Berlin,  wo  er  neuerdings  bei  der  Normal-Aichungskommission  Beschäftigung 
fand,  allerdings  anfänglich  unter  ziemlich  beschränkten  pekuniären  Ver- 
hältnissen, die  kaum  für  den  anständigen  Unterhalt  seiner  Frau  und  dreier 
Kinder  genügten. 

1886  habilitierte  sich  P.  an  der  Universität  Berlin.  Infolge  der  Aner- 
kennung, welche  seine  Arbeiten  bei  Helmholtz  fanden,  ließ  dieser  ihm  nun 
seine  energische  Unterstützung  angedeihen,  sodaß  sein  Los  sich  zusehends 
besserte  und  P.  wieder  freudiger  aufatmen  und  mit  erneutem  Mute  in  die  Zu- 
kunft schauen  konnte.  Er  wurde  nämlich  1887  provisorisch  und  1888  defi- 
nitiv zum  Mitgliede  der  unter  der  Oberleitung  von  Helmholtz  neu  gegrün- 
deten physikalisch-technischen  Reichsanstalt  ernannt  und  auch  die  ersten 
wissenschaftlichen  Arbeiten  in  seinem  Laboratorium  ausgeführt.  Zugleich  war 
er  sehr  bemüht,  in  Verbindung  mit  der  Bauleitung  sowohl  die  äußere  als  innere 
Einrichtung  der  Räume  seiner  Abteilung  möglichst  zweckmäßig  anzulegen. 

In  diese  Zeit  fallen  neue  Untersuchungen  der  Thermometer  und  Baro- 
meter. Er  hat  sich  mit  der  berühmten  Firma  R.  Fueß  in  Steglitz  ins  Ein- 
vernehmen gesetzt  zur  Konstruktion  von  Normal thermometem  und  Normal- 
barometem  von  vorher  nicht  erreichter  Vollkommenheit.  Er  hat  sich  dadurch 
auch  ein  großes  Verdienst  um  die  Förderung  der  Glastechnik  erworben  und  ist 
zum  Dank  dafür  1899  zum  Ehrenmitgliede  der  »Deutschen  Gesellschaft  für 
Mechanik  und  Optik«  ernannt  worden.  Ebenso  verdient  Erwähnung  eine  in 
Berlin  unter  seiner  Leitung  sorgfältig  ausgeführte  Untersuchung  über  die  Aus- 
dehnung des  Wassers. 

P.  war  somit  im  besten  Zuge,  an  der  sich  immer  mehr  auswachsenden 
Reichsanstalt  infolge  seiner  bedeutenden  Leistungen  und  durch  die  Förderung 
des  ihm  sehr  gewogenen  Helmholtz  eine  hervorragende  Stellung  einzunehmen. 
Da,  als  der  Bau  des  seiner  Abteilung  dienenden  und  seinen  Forderungen 
entsprechenden  Dienstgebäudes  nahe  vollendet  war  und  die  regelmäßigen 
Arbeiten  beginnen  sollten,  verlor  durch  Hinscheiden  das  schweizerische  Poly- 
technikum in  Zürich  seinen  Professor  für  Experimentalphysik,  Dr.  Schneebeli, 
und  Pemet  folgte  im  Jahre  1890  einem  an  ihn  ergangenen  Rufe  auf  diesen 
Lehrstuhl. 

Mit  Helmholtz  blieb  er  stets  in  freundschaftlichen  Beziehungen.  Das  be- 
redteste Zeugnis  hiervon  gibt  der  Nachruf,  welchen  er  dem  Meister  im  Neu- 
jahrsblatt  der  Zürcher  naturforschenden  Gesellschaft  auf  das  Jahr  1895  widmete. 

Mit  Eifer  und  heiligem  Ernste  trat  er  sein  neues  Amt  an  und  suchte 
seine  Schüler  nach  besten  Kräften  sowohl  im  Hörsaal  als  im  Laboratorium 
mit  den  physikalischen  Errungenschaften  bekannt  zu  machen  und  zu  eigenen 
Forschungen  anzuspornen. 


Pcmet. 


125 


Eine  Lieblingsidee  von  ihm  war  die  Einrichtung  eines  eidgenössischen 
Instituts  zur  Prüfung  wissenschaftlicher  Instrumente,  eine  Reichsanstalt  im 
kleinen,  ebenso  eine  genaue  magnetische  Vermessung  der  Schweiz.  Die  Aus- 
führung beider  Projekte  konnte  er  leider  nicht  zur  Ausführung  bringen;  sie 
blieben  ein  schöner  Traum,  dessen  Erfüllung  der  Schweiz  alle  Ehre  gemacht 
hätte.  Gerade  der  erstere  Gedanke  schien  endlich  nach  jahrelangem  Ringen 
greifbare  Gestalt  annehmen  zu  wollen,  als  P.  plötzlich  mitten  aus  seiner  viel- 
seitigen Tätigkeit  herausgerissen  wurde. 

Um  die  Ausbildung  guter  Techniker  gab  er  sich  große  Mühe.  Mit  Liebe 
hing  er  am  Technikum  in  Winterthur,  zu  dessen  Aufsichtskommission  er  ge- 
hörte.    Die  Schule  für  Feinmechaniker  war  seine  Schöpfung. 

Wenn  auch  eine  sehr  ausgedehnte  Lehrtätigkeit,  die  er  mit  seinem  Amts- 
antritte in  Zürich  zu  übernehmen  und  zu  bewältigen  hatte,  ein  rein  wissenschaft- 
liches Arbeiten  stark  beeinträchtigen  mußte,  so  fand  P.  doch  noch  Muße  zur 
Veröffentlichung  verschiedener  Abhandlungen,  insbesondere  überThermometrie, 
einen  Drehkomparator,  über  Meßbrücken,  die  spezifische  Wärme  des  Wassers, 
das  mechanische  Äquivalent  der  Wärmeeinheit  etc. 

Durch  populäre  Vorträge  suchte  er  das  Verständnis  für  physikalische 
Wahrheiten  auch  in  weitere  Schichten,  besonders  der  Gewerbetreibenden,  zu 
tragen.  In  der  zürcherischen  naturforschenden  Gesellschaft  hat  der  Geschie- 
dene sich  durch  verschiedene  Mitteilungen  theoretischer  wie  experimenteller 
Natur  betätigt.  Auch  die  physikalische  Gesellschaft  von  Zürich  ist  ihm  für 
die  Förderung,  welche  ihr  durch  seine  Anregungen  und  Vorträge  zu  teil  wurde, 
sehr  zu  Dank  verpflichtet. 

Als  am  Schlüsse  des  Jahres  1895  Professor  Röntgen  die  Entdeckung  der 
nach  ihm  benannten  Strahlen  veröffentlichte,  machte  sich  P.  mit  großer  Ener- 
gie hinter  deren  Untersuchung,  fast  mit  völliger  Aufopferung  seiner  freien 
Zeit.  Wer  weiß,  ob  nicht  vielleicht  die  sehr  intensive  und  lange  Beschäfti- 
gung mit  diesen  Strahlen,  deren  heimliche  Tücken  man  erst  später  gewahr 
wurde,  den  ersten  Todeskeim  in  den  Körper  des  Dahingeschiedenen  gelegt. 
Wenigstens  folgte  bald  ein  Augenleiden,  das  sich  zwar  wieder  hob.  Aber 
im  Anfang  1899  warnte  ihn  der  Todesengel  sehr  ernstlich  an  die  irdische  Ver- 
gänglichkeit. P.  erholte  sich  zwar,  nachdem  er  bis  zum  Herbst  die  Arbeiten 
gänzlich  ausgesetzt  und  die  Luft  des  Südens  eingeatmet,  scheinbar  wieder  voll- 
ständig. Doch  ward  ihm  zu  unserm  Schmerze  nur  noch  kurze  Frist  bewilligt. 
Nachdem  er  abends  vorher  in  einer  Sitzung,  in  der  er  selbst  ein  Referat  hielt, 
plötzlich  unwohl  geworden,  verließ  er  in  der  Frühe  des  15.  Februar  1902  seine 
irdische  Heimat. 

Mit  Pemet  ist  ein  unermüdlicher  Arbeiter  auf  dem  Felde  der  Wissenschaft, 
voll  ernsten  Strebens  nach  Wahrheit  dahingegangen.  Schwere  eigene  Krank- 
heiten sowohl,  als  solche  seiner  Kinder,  das  teilweise  Mißlingen  seiner  wohl- 
gemeinten Pläne  konnten  ihn  wohl  zeitweise  beugen;  aber  immer  erhob 
er  sich  mit  neuem  Mute,  um  doch  noch  an  das  erstrebte  Ziel  zu  gelangen. 
Selbst  aus  beschränkten  Verhältnissen  hervorgegangen,  kannte  er  die  Not 
dürftiger  Studierender  und  war  daher  im  Schöße  der  schweizerischen  gemein- 
nützigen Gesellschaft  eifrigst  bemüht,  einen  Fonds  für  »Förderung  der 
Talente«  zu  gründen.  Das  Leben  P.s  war  ein  Kampf;  nun  ruhe  er  in 
Frieden. 


126  Pemet.     Schede. 

Sehr  verdankenswerte  Ergänzungen  nun  enha'ickelten  Lebensbilde  habe  ich  den  Nach- 
rufen der  Herren  Thiesen  (Verhandlungen  der  deutschen  physikalischen  Gesellschaft,  IV. 
Jahrg.  Nr.  7)  und  Wiebe  (Deutsche  Mechaniker-Zeitung  1902  Nr.  7,  S.  61 — 63)  entnommen. 
—  Wiederholung  des  Nekrologes  aus  den  Verhandlungen  der  Schweizer  naturforschenden 
Gesellschaft.     Genf  1902.     Ebendort  Bibliographie  der  Werke  S.  6^ 

Prof.  A.  Weilenmann. 

Schede,  Max  Eduard  Hermann  Wilhelm,  Chirurg  zu  Bonn  a.  Rh.,  *  zu 
Arnsberg  i.  Westf.,  7.  Jan.  1844,  f  ^im  31.  Dezember  1902  in  Bonn.  —  Seh. 
studierte  zu  Halle,  Heidelberg  und  Zürich,  wurde  1866  mit  der  Diss.:  »Z>^ 
resectione  articulationis  coxae*  Dr.  med.,  war  im  Kriege  gegen  Österreich  ärzt- 
lich tätig,  wurde  1868  Assistent  an  der  Klinik  Richard  v.  Volkmanns,  leitete 
1870  eine  Abteilung  eines  Feldlazarettes,  war  1872  bis  75  Dozent  der  Chirurgie 
in  Halle,  1875  bis  80  Direktor  der  chirurgischen  Abteilung  des  Berliner 
städtischen  Krankenhauses  am  Friedrichshain,  1880  bis  95  Oberarzt  der  chir. 
Abteilung  des  allgemeinen  Krankenhauses  zu  Hamburg  und  wurde  1895  unter 
Ernennung  zum  Geh.  Med.-Rat  als  o.  ö.  Prof.  der  Chirurgie  und  Dir.  der  chir. 
Univ.-Klinik  nach  Bonn  berufen,  wo  er  bis  zu  seinem  plötzlich  erfolgten 
Lebensende  wirkte.  S.  gehörte  zu  den  bedeutendsten  Chirurgen  des  ver- 
flossenen Jahrhunderts.  Seine  Arbeiten  sind  ebenso  zahlreich  als  vielseitig. 
Sie  betreffen  die  verschiedensten  Gebiete  der  Chirurgie.  U.  a.  veröffentlichte 
S. :  »Weitere  Beiträge  zur  Behandlung  von  Gelenkkrankheiten  mit  Gewichten« 
(v.  Langenbecks  Arch.  XII,  187 1)  —  »Ein  Fall  von  totaler  angeborener  Alopecie« 
(Ib.)  —  »Über  die  tiefen  Atherome  des  Halses  (Ib.  XIV,  1872)  —  »Über 
Hand-  und  Fingerverletzungen«  (R.  v.  Volkmanns  Sammlung  klin.  Vorträge 
187 1,  29)  —  *Symbola€  ad  Iielcologiam*  (Habilitationsschrift,  Halle  1872),  deutsch 
u.  d.  T.:  »Über  den  Gebrauch  des  scharfen  Löffels  bei  der  Behandlung  von 
Geschwüren«  (Halle  1872) —  »Über  partielle  Fußamputationen«  (v.  Volkmanns 
Sammlung  klinischer  Vorträge  1874,  72/73)  —  »Über  die  forcierte  Taxis  bei 
Brucheinklemmungen«  (Cbl.  f.  Ch.  1874.  Dieses  Centralblatt  wurde  1874  von 
S.  in  Gemeinschaft  mit  L.  v.  Lesser  und  Tillmanns  gegründet  und  bis  1880 
redigiert).  Seit  Gründung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie  beteiligte 
sich  S.  an  ihren  Arbeiten  außer  in  zahlreichen  Diskussionen  mit  etwa  27 
Vorträgen,  von  denen  wir  nur  die  seit  1886  gehaltenen  hier  anführen:  »Bei- 
träge zur  chirurgischen  Behandlung  des  Ileus«  (XVI,  1887)  —  »Über  die  Er- 
folge des  Kochschen  Verfahrens  bei  der  Behandlung  der  chirurgischen  Tuber- 
kulose« (XX,  189 1)  —  »Demonstration  eines  verbesserten  Apparates  zur 
Behandlung  schwerer  Skoliosen«  —  »Vorzeigung  von  Präparaten  zur  Illustration 
des  Gebrauchs  der  versenkten  Drahtnaht  bei  Laparotomien  und  bei  Unter- 
leibsbrüchen« —  »Demonstration  von  Präparaten  von  geheilten  Hüftgelenksre- 
sektionen« (XXII,  1893)  —  />Über  die  nicht  operative  Behandlung  der  angeborenen 
Verrenkung  des  Hüftgelenks«  (XXIII,  1894)  —  »Über  die  Resektion  des  Mastdarms 
bei  strikturierenden  Geschwüren  desselben«  (XXIV,  1895)  —  »Ein  Vorschlag  zur 
Modifikation  des  Calotschen  Verfahrens«  (XXVII,  1898).  Unter  zahlreichen 
Vorträgen  im  Ärztlichen  Verein  zu  Hamburg  (Deutsch,  m.  Wochenschr.)  seien  er- 
wähnt: »Über  Larynxexstirpation«  (1882)  —  »Vorstellung  eines  Falles  von  geheil- 
tem Hirnabscefl«  (1885) —  »Über  Operation  des  Mastdarmkrebses«  (1887) —  »Ein 
Fall  von  endgültiger  Heilung  nach  Wegnahme  des  ganzen  Kehlkopfes  wegen 
krebsiger    Entartung    vor    mehr   als    4  Jahren,    nebst    einigen    Bemerkungen 


Schede.     Kiesselbach. 


127 


über  Morell  Mackenzies  Statistik«  (1889)  —  »Die  Behandlung  des  Lupus  mit 
Kochschen  Injektionen«  (1896)  —  »Über  Totalexstirpation  des  tuberkulösen 
vas  deferens  und  der  Samenblasen«  (1898).  Von  größeren  Vorträgen  auf  ge- 
lehrten Versammlungen  sind  außerdem  zu  nennen:  »Über  die  Wundbehand- 
lung mit  Sublimat«  (Internat.  Kongreß  zu  Kopenhagen,  1883)  —  »Die  Be- 
handlung der  Empyeme«  (Korreferat  9.  Kongreß  für  innere  Med.,  Wien  1890) 

—  »über  Thoraxresektion«  (Intern.  Kongreß  zu  Berlin  1890)  —  »Demonstra- 
tion eines  neuen  Apparates  zur  Behandlung  der  Skoliose«  —  »Über  Resectio 
rccti«^  (Diskussion  Naturforscherversammlung  Halle  1891).  —  »Über  unblutige 
Reposition  der  angeborenen  Hüftgelenksresektion«  (Naturforsch.  V.  Frankfurt 
1896)  —  »Über  Jacksonsche  Epilepsie«  (Naturf.  Vers.  Düsseldorf  1898).  Femer 
erschienen  außer  mehreren  Abhandlungen  in  Berl.  klin.  Wochenschr.  1876  bis 
1877:  »Mitteilungen  aus  der  chir.  Abteilung  des  Berliner  städtischen  Kranken- 
hauses am  Friedrichshain,  unter  Mitwirkung  der  Herren  Böters,  Rinne,  Stahl 
und  WMldt«  (Leipzig  1878)  —  »Die  operative  Behandlung  der  Hamleiter- 
scheidenfisteln«  (Cbl.  f.  Gyn.,  188 1)  —  »Zur  Frage  von  der  Jodoformvergiftung« 
(Cbl.  f.  Ch.,  1882)  —  »Allgemeines  über  Amputationen,  Exartikulationen  und 
künstliche  Glieder«  (v.  Pitha  und  Billroths  Handbuch  der  allgem.  und  spez. 
Chir.,  1882)  —  »Die  antiseptische  Wundbehandlung  mit  Sublimat«  (v.  Volk- 
manns Sammlung  klin.  Vorträge  1885,  251)  —  »Meine  Erfahrungen  über 
Nierenexstirpation«  (Festschrift  zur  Eröffnung  des  neuen  allgemeinen  Kranken- 
hauses Hamburg-Eppendorf  1889)  —  »Neue  Erfahrungen  über  Nieren- 
exstirpation« (Jahrb.  der  Hamburger  Staatskrankenanstalten  I,  1889)  —  »Die 
Sekrete  Methode  der  totalen  Exstirpation  des  carcinomatösen  Uterus«  (Ib.  II, 
1890)  —  »Die  chirurgische  Behandlung  der  Perityphlitis«  (Deutsch,  m.  Wochen- 
schrift 1892)  —  »Einige  Bemerkungen  über  die  Naht  von  Venenwunden,  nebst 
Mitteilung  eines  Falles  von  geheilter  Naht  der  Vena  cava  inf.<f^  (v.  Langenbecks 
Arch.  XLIII,  Jubelheft  1892)  —  »Über  die  nachträgliche  Beseitigung  starker 
Verkürzungen  der  Knochen  als  Folgen  schlecht  geheilter  Frakturen«  (Ib.)  — 
»Über  die  blutige  Reposition  veralteter  Luxationen,  nebst  Bemerkungen  über 
die  Arthrotomie  des  Hüftgelenkes  und  die  operative  Behandlung  der  an- 
geborenen Verrenkungen  derselben«  (Ib.)  —  »Über  den  Gebrauch  der  ver- 
senkten Drahtnaht  bei  Laparotomien  und  bei  der  Radikaloperation  der  Unter- 
leibsbrüche« (Festschrift  zur  Feier  des  70.  Geburtstages  Fr.  v.  Esmarchs,  Kiel 
1893)  —  »Zur  Büngnerschen  Methode  der  hohen  Kastration«  (Deutsch,  m. 
Wochenschr.  1894)  —  »Über  Behandlung  der  Oesophagusdivertikel«  (Sitzungs- 
bericht der  Niederrh.  Gesellsch.  f.  Natur-  u.  Heilk.  1895,  Ib.  1896)  — ^  »Die 
chirurgische  Behandlung  der  Erkrankungen  des  Brustfells  und  des  Mittelfell- 
raums«   (Penzoldt  u.  Stintzing,  Lehrbuch  der  Therapie    1895,   2.  Aufl.  1897) 

—  -Chirurgie  der  peripheren  Nerven  und  des  Rückenmarks«  (Ib.  1896, 
2.  Aufl.  1898)  —  »Die  Verletzungen  und  Krankheiten  der  Nieren  und  des 
Harnleiters«  (in  v.  Bergmann,  v.  Bruns,  Mikulicz,  Handbuch  der  prakt.  Chir.) 

Vgl.  Pagel,  Biogr.  Lex.  hervorr.  Arzte,  Berlin  und  Wien  p.  1482  und  Virchows 
Jahresber.  von  1902  I  p.  424.  Pagel. 

Kiesselbach,  Wilhelm,  Ohrenarzt,  *  in  Hanau  i.  Dezember  1839,  f  in 
Erlangen  am  2.  Juli  1902.  —  K.  studierte  in  Marburg,  Wien  und  Erlangen, 
wurde  Dr.  med.   1879,  habilitierte  sich  188 1  für  Ohrenheilkunde  in  Erlangen 


128  Kiesselbach.     Siegmund.     Hahn. 

und  wurde  1888  a.  o.  Prof.  f.  Otiatrie  und  Leiter  der  Klinik  daselbst.  In 
dieser  Stellung  wirkte  er  bis  zu  seinem  Lebensende.  K.  war  ein  angesehener 
Otologe  und  hat  sich  auch  um  die  Hebung  des  otologischen  Universitäts^ 
Unterrichts  in  Erlangen  durch  Begründung  einer  Klinik  und  Poliklinik  ein 
Verdienst  erworben.  Er  veröffentlichte:  »Untersuchungen  über  die  Anatomie 
des  Schläfenbeins«  —  »Galvanische  Reizung  des  Nervus  acusticus^  —  »Nasen« 
bluten«  —  »Zur  Histologie  der  Ohrpolypen«  —  »Über  Beziehungen  zwischen 
Acusticus  und  Trigeminus*^  und  bearbeitete  den  Abschnitt  »Krankheiten  der 
Nase  und  des  Rachens«  für  Penzoldt-Stintzings  Handbuch  des  Therapie. 
Vgl.  Virchows  Jahresbericht  von  1902,  I,  p.  418.  Pagel. 

Siegmund,  Aagust  Gustav,  Arzt  und  Geheimer  Sanitätsrat  in  Berlin^ 
*  20.  Juli  1820  zu  Magdeburg,  t  i4-  Februar  1902  in  Berlin.  —  S.  gelangte 
als  10  jähriger  Knabe  bei  der  Übersiedelung  seiner  Eltern  von  Magdeburg 
nach  Berlin,  besuchte  hier  das  Friedrich-Werdersche  Gymnasium  und  das 
Graue  Kloster  und  begann  1838  in  Berlin  das  Studium  der  Philosophie,  das 
er  in  Heidelberg  fortsetzte.  Schon  war  er  nahe  daran,  sich  für  Philosophie 
zu  habilitieren,  als  er,  angewidert  von  der  damaligen  Präponderanz  der  Hegel- 
sehen  Lehre  und  beeinflufit  von  Virchow,  mit  dem  er  in  Berlin  bei  einer 
politischen  Versammlung  zusammentraf,  sich  der  Medizin  zuwandte,  die  er 
als  eifriger  Schüler  von  Virchow  in  Würzburg,  ferner  in  Zürich  und  Berlin 
studierte.  Am  letztgenannten  Orte  erlangte  er  1853  die  Doktorwürde  und 
ließ  sich  1854  approbiert  nieder.  Anfangs  arbeitete  S.  experimentell  und 
veröffentlichte  mehrere  Arbeiten  in  Virchows  Archiv  über  einige  Formen  des 
kohlensauren  Kalks  im  Harnniederschlag,  über  die  Ausscheidung  des  Harn- 
stoffs, über  die  Einwirkung  der  Digitalis  und  der  Vagusdurchschneidung  auf 
die  Harnstoffausscheidung  usw.  Später  wandte  sich  S.  ausschließlich  der 
praktischen  Tätigkeit  zu  und  wurde  einer  der  angesehensten  und  beliebtesten 
Ärzte  Berlins.  Er  war  lange  Jahre  Vorstandsmitglied  der  Medizinischen  Ge- 
sellschaft, bekleidete  zahlreiche  andere  Ehrenämter,  u.  a.  auch  als  Mitglied 
der  Armendirektion,  in  welcher  Stellung  er  sich  namentlich  große  Verdienste 
erwarb.  S.  war  ein  kluger,  humaner  Arzt  und  auch  sonst  als  Mensch  von 
großer  Liebenswürdigkeit  und  Hilfsbereitschaft.  Sein  Schwager,  der  Gatte 
seiner  Schwester,  war  der  bekannte  in  der  politisch-freiheitlichen  Bewegung 
hervorgetretene  Dichter  Georg  Herwegh. 

Vgl.  Pagel  in  Virchows  Jahresber.  von  1902,  I,  p.  425.  Pagel. 

Hahn,  Eugen,  Chirurg  in  Berlin,  ♦  7.  April  1841  in  Orteisburg,  f  i.  No- 
vember 1902  in  Berlin  an  angina  pectoris.  —  S.  war  besonders  Schüler  von  Wilms 
in  Berlin  und  hier  auch  promoviert  worden,  machte  die  Feldzüge  1866  und  1870 
mit  und  war  in  Bethanien  und  später  als  Assistenzarzt  von  Wilms  und  Leiter 
der  chir.  Station  der  Berliner  Poliklinik  tätig.  1880  wurde  H.  zum  Direktor 
der  chir.  Station  am  Krankenhaus  Friedrichshain  ernannt  und  bekleidete  1899 
die  Würde  als  Präsident  der  deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie.  H.  war  ein 
ausgezeichneter  Operateur  und  sehr  beliebter  Consiliarius.  Er  begründete  die 
Berliner  Klinik  in  Verbindung  mit  Fuerbringer  und  hat  neben  einzelnen  chir. 
Aufsätzen  und  Vorträgen  auf  Kongressen  noch  folgende  Arbeiten  veröffent- 
licht,   welche    die    verschiedensten  Gebiete    der    Chirurgie    betreffen:    Ȇber 


Hahn.     Eulenberg.  j  2Q 

Drainage  der  Bauchhöhle«  (1873)  —  »Über  Behandlung  der  beweglichen  Niere 
durch  Fixation«  (1881)  —  »Über  vaginale  totale  Uterus-Exstirpation«  (1882)  — 
»Resektion  des  carcinomatösen  Pylorus«  (1882)  —  »Über  Kniegelenksresek- 
tion mit  Nagelung«  (1882)  —  »Idiopathischer  Abszefi  d.  Occipitallappens 
durch  Trepanation  entleert«  (1882)  —  »Zur  Behandlung  des  Pes  varus*  (1883) 
—  »Über  Lupusbehandlung  mit  Transplantation«  (1883)  —  »Über  Knochen- 
echinococcen«  (1884)  —  »Über  Kehl  köpf  exstirpation«  (1885)  —  »Eine  Me- 
thode, Pseudarthrose  der  iiöia  mit  großem  Knochendefekt  zu  heilen«  (1884)  — 
»Über  Fibroma  lipotnatosum  petrificans<i^  —  »Über  Magencarcinom«  (1885)  — 
Über  Mesenterialcysten«  (1887)  —  »Über  die  Endresultate  der  wegen  Kehl- 
kopfscarcinom  ausgeführten  Operationen«  (1887)  —  »Eine  Methode  beliebig 
große  Stücke  aus  Kröpfen  blutleer  zu  entfernen«  (1887)  —  »Eine  Operations- 
methode, die  Gefahren  der  Darmresektion  zu  vermeiden«  —  »Über  die  Be- 
handlung des  genu  valgum  und  genu  varum«^  (1889)  —  »Eine  neue  Methode 
der  Gastrostomie«  (1890)  —  »Über  operative  Behandlung  einer  Lungencaverne« 
(1891  —  »Über  Gastroenterotomie»  —  »Über  einen  Fall  von  fortschreitender  Er- 
blindung, durch  temporäre  Schädelresektion  und  Punktion  des  Ventrikels  mit  Er- 
folg behandelt«  —  »Über  Nierenaneurysma«  (1894)  —  »Über  Magenchirurgie« 
(1894)  —  »Über  Jejunectomie«  (1894)  —  »Über  Splenektomie  bei  Milzechinococ- 
cus«  (1895)  —  »Beitrag  zur  Chirurgie  des  Gehirns«  (1896)  —  »Über  Erfahrungen 
auf  dem  Gebiete  der  Magen-  und  Darmchirurgie«  (1897)  —  »Über  Chylothorax<i^ 
(1899)  —  »Über  Pneumatosis  cystoides  intestinorum  hominis«  (1899). 

Vgl.  noch  Pagel  in  Virchows  Jahresber.  von  1902,  I,  p.  416.  Pagel. 

Eulenberg,  Hermann,  Medizinalbeamter  in  Berlin,  *  20.  Juli  18 14  zu  Mül- 
heim am  Rhein,  f  als  Emeritus  in  Bonn  am  3.  Oktober  1902.  —  E.  studierte 
in  Bonn  und. Berlin,  später  mit  längerem  Aufenthalt  in  Wien,  London  und 
Paris.  In  Berlin  hat  E.  unter  Johannes  Müller  und  Theod.  Schwann  gearbeitet 
und  die  Monographie  *über  Tela  elastica^*^  geliefert,  welche  als  Dissertat.  1836 
in  Berlin  erschienen  ist.  Seine  Promotion  erfolgte  am  20.  August  1836.  Später 
wirkte  er  10  Jahre  in  Lennep  als  praktischer  Arzt  und  wurde  1848  nach  Bonn 
als  Kreisphysikus  versetzt.  Gleichzeitig  war  er  als  Privatdozent  der  gericht- 
lichen Medizin  und  Arzneimittellehre  an  der  Universität  Bonn  tätig.  1850 
übernahm  er  in  Koblenz  die  Stelle  des  Kreisphysikus  und  eines  Medizinal- 
Rates  am  rheinischen  Provinzial-Medizinal- Kollegium,  1860  wurde  er  in  Köln 
Regierungs- Medizinalrat  und  1870  vortragender  Rat  im  Kultusministerium, 
trat  1890  in  den  Ruhestand  und  lebte  seitdem  in  Bonn.  Im  Jahre  1853  be- 
gründete E.  im  Vereine  mit  A.  Erlenmeyer  sen.,  Mannsfeld  und  Bergmann 
das  »Korrespondenzbl.  f.  Psychiatrie  und  gerichtl.  Psychologie«,  welches  später 
mit  dem  »Archiv  für  Psychiatrie  und  gerichtliche  Psychologie«  verbunden 
wurde.  —  Von  seinen  Schriften  nennen  wir:  »Anatomisch-pathologische  Unter- 
suchungen über  die  Schilddrüse«  (Göttingen  1856  —  »Lehre  von  den  schäd- 
lichen und  giftigen  Gasen«  (mit  Vohl,  Braunschweig  1865)  —  »Das  Medizinal- 
wesen in  Preußen«  (Berlin  1874)  —  »Handbuch  der  Gewerbehygiene  auf 
experimenteller  Grundlage«  (Ib.  1876)  —  »Handbuch  des  öffentlichen  Gesund- 
heitswesens im  Vereine  mit  Fachmännern  bearbeitet«  (Ib.  1881).  Von  187 1 
bis  1890  war  E.  Redakteur  der  von  Casper*  begründeten  und  von  v.  Hörn  fort- 
gesetzten   »Vrtljhrsschr.  f.    gerichtl.  Med.    und    öffentl.   Sanitätswesen«.     Für 

BiogT.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.    7.  Bd.  q 


1^0  Eulenberg.     Graefe.     Bergson.     Struck. 

dieses  Organ,  wie  für  die  Zeitschrift  vom  ärztlichen  Verein  in  Preußen  und 
für  die  Berliner  klinische  Wochenschrift  hat  er  zahlreiche  Abhandlungen  ge- 
liefert. Mit  Theodor  Bach,  weil.  Direktor  des  Falk-Realgymnasiums  in  Berlin, 
gab  E.  eine  in  2.  umgearbeiteter  Aufl.  erschienene  »Schulgesundheitslehre«- 
heraus. 

Nekrologische  Quellen  s.  in  Virchows  Jahresber.  von  1902,  I,  p.  413.  Pagel. 

Graefe,  Albert,  Augenarzt,  *  1860  zu  Berlin,  f  ^^  3i-  August  1902  auf 
einer  Erholungsreise  zu  Innsbruck.  —  G.  war  der  Sohn  eines  Kammergerichts- 
präsidenten und  studierte  1882 — 87  in  Zürich  und  Halle,  beschäftigte  sich  be- 
reits als  Student  eingehender  mit  der  Augenheilkunde  und  vervollkommnete 
sich  nach  Ablauf  der  eigentlichen  Universitätsstudien  in  diesem  Zweige  der 
Medizin  zu  Halle  unter  Leitung  seines  Oheims,  des  bekannten  Ophthalmologen 
Alfred  G.,  ließ  sich  dann  in  Berlin  als  Spezialist  nieder  und  nahm  nebenher 
lebhaften  Anteil  an  allen  ärztlichen  Standesinteressen,  sodaß  er  als  Mitglied 
in  die  Berlin -Brandenburgische  Ärztekammer  gewählt  wurde,  von  der  ihm 
auch  die  Mitgliedschaft  des  Ehrengerichts  übertragen  wurde. 

Vgl.  Virchows  Jahresber.  von  1902,  I,  p.  415.  Pagel. 

Bergson,  Josef,  Arzt  und  Privatdozent  der  Medizin,  *  am  9.  November 
181 2  zu  Warschau,  f  am  13.  September  1902,  fast  90  Jahre  alt,  zu  Berlin.  — 
B.  besuchte  das  Gymnasium  in  Posen,  studierte  in  Breslau  und  Berlin,  hier 
besonders  als  Schüler  des  bekannten  Neurologen  Romberg,  erlangte  die  Doktor- 
würde am  6.  September  1837,  ließ  sich  1841  als  Arzt  in  Berlin  nieder  und 
habilitierte  sich  186 1  als  Dozent  für  innere  Medizin  an  der  Berliner  Univer- 
sität, in  welcher  Stellung  er  etwa  bis  zur  Mitte  der  achtziger  Jahre  tätig  war, 
um  dann  in  den  Ruhestand  zu  treten.  B.  hat  sich  besonders  durch  seine 
Publikation  über  »Das  krampfhafte  Asthma«  (Nordhausen  1849;  französisch: 
Mailand  1853)  einen  Namen  gemacht.  Anderweitige  wissenschaftliche  Arbeiten 
B.s  betreffen  »Die  Beschneidung«  (Berlin  1844);  »Die  medizinische  Anwen- 
dung der  Ätherdämpfe«  (ebd.  1847),  die  Brightsche  Nierenerkrankung,  die 
Bronchialneuralgie  und  Vorschläge  zur  Verbesserung  der  Inhalationsapparate. 

Vgl.  Virchows  Jahresber.  von  1902,  I,  p.  411.  Pagel. 

Struck,  Johann  Heinrich,  Generalarzt  und  erster  Direktor  des  Reichs- 
gesundheitsamts in  Berlin,  *  1825  zu  Bergloh  im  Hannoverschen,  f  7.  Dezember 
1902  zu  Blankenburg  am  Harz.  —  Struck  war  anfangs  Apothekerlehrling  in 
Paderborn,  gab  jedoch  die  pharmazeutische  Laufbahn  auf  und  entschloß  sich, 
zum  Studium  der  Medizin  überzugehen,  zu  welchem  Zweck  er  die  medizinisch- 
chirurgische  Akademie  in  Münster  bezog,  diente,  nachdem  er  inzwischen  die 
Reifeprüfung  abgelegt  hatte,  im  Militärlazarett  in  Bielefeld,  wurde  mit  Empfeh- 
lung seines  Regimentsarztes  nachträglich  in  die  militärärztlichen  Bildungs- 
anstalten in  Berlin  aufgenommen  und  studierte  gleichzeitig  an  der  dortigen 
Universität.  Hierauf  trat  er  als  Unterarzt  in  das  Sanitätskorps  ein,  bestand 
die  Prüfung  als  Chirurg  i.  Klasse  und  wurde  zum  Assistenzarzt  ernannt.  Er 
promovierte  1854  in  Berlin,  wurde  1857  approbiert,  1866  Stabsarzt,  machte 
<ien  Feldzug  von  i870'7i  mit,  wurde  1872  Oberstabsarzt  2.  Klasse  und  Re- 
gimentsarzt beim  Kaiser  Franz-Garde-Grcnadier-Regiment.    In  dieser  Stellung 


Struck.     Kübler.      Kloeppel.  Ijl 

wurde  er  Leibarzt  des  Fürsten  Bismarck  und  von  ihm  1876  bei  der  Schöpfung 
des  Kaiserlichen  Gesundheitsamtes  mit  dessen  Leitung  betraut.  Infolgedessen 
legte  S.  seine  militärische  Stellung  nieder,  blieb  jedoch  im  Verbände  des 
Sanitätskorps  und  avancierte  1882  zum  Oberstabsarzt  i.  Klasse,  1888  zum 
Generalarzt  2.,  1890  zum  Generalarzt  i.  Klasse.  1884  trat  S.  von  der  Leitung 
des  Reichsgesundheitsamts  zurück.  S.  hat  sich  um  die  Organisation  dieses 
Instituts  große  Verdienste  namentlich  dadurch  erworben,  daß  er  die  »Ver- 
öffentlichungen des  K.  Gesundheitsamtes«  ins  Leben  rief,  eine  Zeitschrift, 
welche  neben  den  später  begründeten  »Mitteilungen  aus  dem  K.  Gesundheits- 
amt« die  eigentliche  Quelle  für  die  speziell  von  Koch  und  seiner  Schule  ge- 
lieferten bakteriologischen  Forschungsergebnisse  noch  heute  bildet. 

Vgl.  Virchows  Jahresber.  von  1902,  I,  p.  426.  Pagel. 

Kübler,  Paul,  Oberstabsarzt,  *  31.  Januar  1862  zu  Berlin,  f  ^t"^  einer 
Ferienreise  in  Gaschum  im  Montaföhtale  in  Vorarlberg  am  13.  Juli  1902  am 
Herzschlag.  —  K.  war  der  Sohn  des  Direktors  des  Wilhelm-Gymnasiums  und 
wurde  in  der  Königl.  med.-chir.  Akademie  für  das  Militär  ausgebildet,  pro- 
movierte 1884,  war  1884  bis  85  Unterarzt  in  der  Charit^,  1886  approbiert, 
dann  Assistenzarzt  in  Halle,  Freiburg  i.  B.,  Berlin,  Oldenburg,  189 1  Stabsarzt 
in  Berlin,  seit  1892  zum  Kaiserl.  Gesundheitsamt  kommandiert,  1894  bis  98 
Regierungsrat  dort,  1898  Stabsarzt  in  der  Kaiser  Wilhelm-Akademie,  dem- 
nächst im  Kriegsministerium.  K.  war  ferner  1887/88  und  1898  als  Schüler 
R.  Kochs  im  hygien.  Institut  und  Institut  für  Infektionskrankheiten  beschäf- 
tigt und  seit  1899  in  Berlin  Oberstabsarzt  und  Regimentsarzt  des  3.  Garde- 
Feldartillerie-Regiments.  K.,  der  in  Freiburg  i.  B.  seine  letzte  Ruhestätte 
erhielt,  hat  sich  als  Referent  in  der  Medizinalabteilung  des  Kriegsministeriums 
speziell  um  die  Hygiene  verdient  gemacht.  Er  veröffentlichte:  »Über  die 
Filtres  Chamberland-Pasteur«  (1888  Ztschr.  f.  Hyg. ;  der  Begriff  des  »Durch- 
wachsens« von  Bakterien  durch  Filterwände  wurde  zuerst  in  dieser  Arbeit 
festgestellt),  femer  in  den  Verhandlungen  des  Gesundheitsamtes:  »Die  Cholera 
im  Eibgebiete«  und  mehrere  andere  Arbeiten  über  die  Cholera,  mehrere  Arbeiten 
über  Pocken  und  Impfung,  besonders  über  die  Dauer  des  Impfschutzes.  K. 
hatte  den  wesentlichsten  Anteil  an  den  vom  Gesundheitsamt  herausgegebenen 
Publikationen  »Gesundheitsbüchlein«  und  »Blattern  und  Schutzimpfung«,  ver- 
trat 1896  das  Impfgesetz  im  Reichstage  und  veröffentlichte  gemeinsam  mit 
Kirchner  »Die  Lepra  in  Rußland«,  ferner:  »Über  den  Milzbrand  in  gewissen 
Gewerbebetrieben«  (Roßhaarespinnereien  und  Pinselindustrie).  K.  wurde  1897 
mit  Kirchner  im  Auftrage  der  Regierung  nach  Rußland  gesendet  zu  Ermitt- 
lungen über  die  Lepra,  er  war  an  der  Ausarbeitung  verschiedener  Gesetze  und 
Gesetzentwürfe  (z.  B.  der  Seuchengesetze)  mitbeteiligt  und  hat  insbesondere  die 
wissenschaftliche  Begründung  für  die  Verordnung  des  Reichskanzlers  betr. 
Maßregeln  zum  Schutze  der  Arbeiter  in  Roßhaarespinnereien,  Bürsten-  und 
Pinselfabriken  gegen  Milzbrand  geliefert. 

Vgl.  Virchows  Jahresber.  von  1902,  I,  p.  418.  Pagel. 

Kloeppel,  Peter,  Rechtsanwalt  am  Reichsgericht  und  Privatdozent  an  der 
Universität  Leipzig,  *  i.  Juli  1840  zu  Cöln  a.  Rh.,  f  5.  März  1902  zu  Leipzig. 
—  K.  besuchte  das  Gymnasium  zu   Cleve,   studierte  1857 — 60  zu   Bonn  die 

9* 


132  Kloeppel. 

Rechte  und  ließ  sich  nach  bestandenem  Assessorexamen  als  Advokatanwalt 
beim  Landgericht  zu  Coblenz  nieder,  wo  sein  Vater  Sekretär  des  Handels- 
gerichts war.  Im  Jahre  1872  wurde  er  Anwalt  am  Oberappellationsgericht  zu 
Cöln,  wo  er  sich  lebhaft  mit  Politik  zu  beschäftigen  begann.  Bereits  1873 
wurde  er  als  liberaler  Abgeordneter  für  den  Wahlkreis  Lennep-Solingen  in 
das  Abgeordnetenhaus  gewählt  und  1874  für  den  gleichen  Kreis  auch  in  den 
Reichstag,  sodaß  er  seinen  Wohnsitz  nach  Berlin  verlegte.  Hier  gehörte  er 
einige  Zeit  der  Redaktion  der  National-Zeitung  und  bis  1876  bezw.  1877  dem 
Landtage  und  dem  Reichstage  an,  der  damals  mit  den  großen  Justizgesetzen 
befaßt  war.  Nach  Einführung  der  neuen  Gerichtsverfassung  (Herbst  1879)  wurde 
K.  als  Rechtsanwalt  beim  Kammergericht  zugelassen,  zog  aber  1881  nach  Jena, 
um  sich  in  größerer  Ruhe  wissenschaftlichen  Arbeiten  widmen  zu  können. 
Unter  Fortführung  seiner  rechtsanwaltlichen  Tätigkeit  habilitierte  er  sich  im 
Sommersemester  1882  an  der  Universität  mit  der  Arbeit  »Die  Einrede  der 
Rechtskraft  nach  der  deutschen  Zivilprozeßordnung«,  Berlin  1882,  lieferte  auch 
Aufsätze  für  die  Preuß.  Jahrbücher,  die  Polit.  Wochenschrift  u.  a.  Ein  größeres 
Werk  staatssozialistischer  Tendenz  veröffentlichte  er  1887  u.  d.  T.  »Staat  und 
Gesellschaft«,  Gotha  1887,  das  eine  Fortführung  erhielt  in  der  Schrift  »Gesetz 
und  Obrigkeit.  Zur  Klärung  des  Staats-  und  Rechtsbegriffs«,  Leipzig  1891. 
Nach  Bewerbung  um-  Zulassung  am  Reichsgericht  siedelte  er  Ende  1887  nach 
Leipzig  über,  habilitierte  sich  auch  an  der  Universität  und  fand  in  dieser  Lehr- 
tätigkeit hohe  Befriedigung.  Nach  Erscheinen  des  ersten  Entwurfes  zu  einem 
deutschen  bürgerlichen  Gesetzbuche  veröffentlichte  er  Kritiken  in  der  Juristi« 
sehen  Wochenschrift,  arbeitete  auch  an  den  vom  Vorstande  des  deutschen  An- 
waltsvereins herausgegebenen  Gutachten  aus  dem  Anwaltstande  über  den  Ent- 
wurf mit,  lieferte  Aufsätze  für  Gruchots  Beiträge  zur  Erläuterung  des  deutschen 
Rechts  Bd.  32 — 34,  Böhms  Zeitschrift  für  internationales  Privatrecht  u.  a.  Ende 
1893  wurde  er  zum  kaiserl.  Justizrat  ernannt.  Eine  Frucht  jahrzehntelanger  prak- 
tischer und  wissenschaftlicher  Beschäftigung  war  sein  »Reichspreßrecht.  Nach 
Gesetz  und  Rechtsprechung  für  die  Bedürfnisse  der  Rechtsanwendung  wissen- 
schaftlich dargestellt«,  Leipzig  1894.  Erfüllt  von  der  hohen  Bedeutung  der  Recht- 
sprechung als  selbständiger  Kraft  der  Erzeugung  wirklichen  Rechts  auch  neben 
der  Gesetzgebung  wies  er  auf  Widersprüche  in  den  Entscheidungen  des  Reichs- 
gerichts mit  den  Grundgedanken  des  Reichsprozeßrechts  und  auf  den  engen 
Zusammenhang  zwischen  Strafrecht  und  Preßgesetz  hin,  unterzog  auch  den 
Unterschied  der  Rechts-  und  der  Polizeistrafe  einer  näheren  Erörterung.  In 
der  ziemlich  umfangreichen  Einleitung  zog  er  namentlich  auch  ausländisches 
Recht  zur  Vergleichung  heran.  Besonderes  Interesse  brachte  er  der  Ausbil- 
dung junger  Juristen  und  der  damit  in  Verbindung  stehenden  Frage  der  Stellung 
des  deutschen  Anwaltstandes  entgegen,  teils  im  Referate  für  den  Anwaltstag 
zu  Mainz  im  Jahre  1899  (Jurist.  Wochenschrift  1899  S.555 — 573,  Beil.isff.),  teils 
in  der  Arbeit  »Die  Rechtsanwaltschaft  an  der  Jahrhundertwende«  (ebd.  Jahrg. 
1901).  Ein  größeres  Werk  »Dreißig  Jahre  deutscher  Verfassungsgeschichte 
1867 — 1897«  wurde  im  i.  Band  (Leipzig  1900)  bis  1877  durchgeführt.  An  der 
Abschließung  dieses  Werkes  sowie  Inangriffnahme  eines  weiter  geplanten  über 
allgemeine  Rechts-  und  Staatslehre  hinderte  ein  in  letzter  Zeit  sich  geltend 
machendes  Arterienleiden.  Trotz  dieses  schweren  Leidens  versah  K.  seine  Berufs- 
pflichten in  jeder  Richtung  auf  das  gewissenhafteste  bis  kurz  vor  seinem  Tode. 


Kloeppel.     von  Mandry.  Ij^ 

Gef.  Mitteilungen  des  Herrn  Dr.  E.  Kloeppel  in  Elberfeld.  —  Gnichots  Beiträge  Bd. 
28,  759.  —  Archiv  f.  öff.  Recht  VII,  589—591.  —  Zarnckes  Lit.  Centralblatt  x888  Sp. 
211 — 213;  1900  Sp.  1000.  —  Centralblatt  f.  Rechtswiss.  VI  270 — 272;  VIII  376— 382;  IX 
64.  199;  X  58;  XI  333.  —  Conrads  Jahrbb.  N.  F.  XV,  534:  III.  Folge  V,  146.  —  Grün- 
huts Ztschr.  XI  647,  XV  243.  A.  Teichmann. 

Mandry,  Gustav  von,  Württembergischer  Staatsrat  und  Professor  an  der 
Universität  Tübingen,  ♦  31.  Januar  1832  zu  Waldsee  in  Württemberg,  j"  30.  Mai 
1902  zu  Tübingen.  —  M.  war  Sohn  des  fürstlich  Wolfeggschen  Domänen- 
direktors Mandry  zu  Waldsee  und  bestand,  nach  Vorbildung  auf  dem  Lyceum 
zu  Ravensburg  und  auf  dem  Gymnasium  in  Ehingen,  1849  die  Maturitäts- 
prüfung mit  vorzüglichem  Zeugnis.  Nachdem  er  auf  den  Universitäten  Heidel- 
berg und  Tübingen  dem  Rechtsstudium  obgelegen,  legte  er  1854  die  erste  und 
1855  die  zweite  Justizdienstprüfung  ab,  fand  dann  1856  Verwendung  im  Staats- 
dienste als  Assistent  bei  dem  Stadtgericht  Stuttgart.  Dann  wurde  er  16.  Sep- 
tember 1858  Gerichtsaktuar  in* Waldsee,  15.  März  1859  in  den  Zivilsenat  in 
Ulm  versetzt,  15.  Juli  1860  Ober  Justizassessor  in  Stuttgart.  Schon  am  5.  August 
1861  wurde  er  ordentlicher  Professor  für  römisches  Recht  in  Tübingen,  seit 
1867  auch  für  württembergisches  Privatrecht.  1872/3  war  er  Rektor  der  Uni- 
versität. Im  Jahre  1884  wurde  er  in  die  Reichskommission  für  den  Entwurf 
eines  bürgerlichen  Gesetzbuchs  für  das  Deutsche  Reich  berufen  und  gehörte 
auch  der  Kommission  für  die  zweite  Lesung  an.  Erst  1896  kehrte  er  nach 
Tübingen  zurück  und  wurde  im  November  zum  Vorsitzenden  der  im  württem- 
bergischen Justizministerium  zur  Ausarbeitung  eines  Ausführungsgesetzes  zum 
BGB.  niedergesetzten  Kommission  bestellt.  Am  14.  April  1899  erhielt  er  den 
Titel  eines  Staatsrates.  Gesundheitsverhältnisse  veranlaßten  ihn,  um  seine 
Pensionierung  einzukommen,  welche  ihm  auch  am  15.  Juli  1900  in  ehrenvoll- 
ster Weise  gewährt  wurde.  Am  10.  Juni  1901  wurde  er  zum  Mitgliede  der 
Kammer  der  Standesherren  auf  Lebenszeit  ernannt.  Seit  1885  war  er  Mitglied 
des  Staatsgerichtshofes  gewesen.  Seine  Vorlesungen  zeichneten  sich  durch 
Klarheit  und  Übersichtlichkeit  des  dargebotenen  Stoffes  aus.  Besonders  ge- 
schätzt waren  seine  praktischen  Übungen,  in  denen  er  den  Zuhörern  das 
juristische  Denken  beizubringen  verstand.  Mit  hoher  Wissenschaftlichkeit  ver- 
band er  genaueste  Kenntnis  der  praktischen  Bedürfnisse,  was  ihn  zu  einem 
hervorragenden  Förderer  des  großen  deutschen  Gesetzgebungswerkes  machte. 
Sein  Spezialgebiet  war  das  Familienrecht;  im  Reichstage  vertrat  er  auch  diesen 
Teil  als  Regierungskommissar.  Bei  ihm  standen  Herz  und  Geist  in  glück- 
lichster Harmonie.  Selbstlosigkeit  und  Bescheidenheit,  sowie  vornehme  Denk- 
weise zeichneten  ihn  aus.  Von  seinen  wissenschaftlichen  Arbeiten  sind  zu 
nennen:  »Das  Urheberrecht  an  literarischen  Erzeugnissen  und  Werken  der 
Kunst«,  Erl.  1867  —  »Über  Begriff  und  Wesen  des  Peculium«  (Festschrift  für 
Wächter),  Tüb.  1869  —  »Das  gemeine  Familiengüterrecht«,  2  Teile,  Tüb.  187 1 
bis  1876  —  »Das  Grundbuchwesen  in  Württemberg«  (in  der  Festgabe  für 
Albert  Schaff le  1900,  erweitert  1901).  Sein  bekanntestes  und  in  der  Praxis 
unentbehrliches  Werk  »Der  zivilrechtliche  Inhalt  der  Reichsgesetze«  (aus  Bei- 
trägen zu  Bd.  LIX  und  LX  des  Civilist.  Archivs),  Tüb.  1878,  erschien  1882  in 
zweiter,  1885  ^^  dritter  Auflage,  zuletzt  in  vierter  Auflage  von  O.  Geib  be- 
sorgt, Freib.  1898.     Noch  in  hohem  Alter  begann  er  ein  großes  Werk  »Das 


134 


von  Mandn'.     Martens. 


württembergische  Privatrecht«  in  3  Teilen,  Tüb.  1901 — 03  (abgeschlossen  von 
Dr.  O.  Heidlen).  Seit  1879  war  er  an  der  Redaktion  des  Archivs  f.  civil.  Praxis 
beteiligt  gewesen.  Er  hinterließ  einen  Sohn,  der  jetzt  Spitalarzt  in  Heilbronn 
ist,  und  einen  zweiten,  jetzt  daselbst  Landrichter,  und  eine  Tochter,  verheiratet 
mit  Prof.  Dr.  med.  Hofmeister  in  Stuttgart. 

Nekrolog   d.  Schwab.  Kronik   d.  Schwab.  Merkurs   2.  Abt.  1902  Nr.  249  vom  2.  Juni 

1902  ■ —  Gef.  Mitteilung  des  Herrn  Bibliothekars  Dr.  F.  Thomae  in  Tübingen  —  Geheim- 
rat Prof.  Dr.  G.  Planck  in  Göttingen  in  der  Deutschen  Juristen-Zeitung  1902  S.  287  —  Bei- 
lage zur  AUg.  Ztg.  1902,  II,  399  und  456  —  Klüpfel,  Die  Universität  Ttibingen  in  ihrer 
Vergangenheit  und   Gegenwart,   Lpz.  1877  S.  106,  130,   139  —   Zamckes   Lit.   Centralblatt 

1903  Sp.  1150  —  Grünhuts  Ztschr.  V  628;  VI  796;  XI  625  —  Centralblatt  f.  Rechtswiss. 
XXI  5,  44,  231;  XXII  343.  A.  Teichmann. 

Martens,  Wilhelm,  Kirchenhistoriker,  *  30.  Januar  1831  zu  Danzig, 
t  27.  März  1902  zu  Klosterwald  bei  Ottobeuren  (Schwaben).  —  M.  war  der 
Sohn  eines  Rechtsanwalts.  Nachdem  er  in  Berlin,  Bonn  und  Halle  die  Rechte 
studiert  hatte,  promovierte  er  mit  der  Arbeit  *De  legato  debiti*  1852  zu  Halle, 
wurde  1855  Privatdozent  der  Rechte  in  Berlin  und  veröffentlichte  eine  Arbeit 
»Über  Konkurrenz  und  Kollision  der  römischen  Zivilklagen«,  Lpz.  1856.  Im 
Jahre  1857  zur  katholischen  Kirche  übergetreten,  studierte  er  in  Münster  die 
Theologie,  wurde  1860  Priester  in  Pelplin,  in  Münster  mit  der  Arbeit  »De 
formula  concordiae^  Dr.  theol.,  nach  kurzer  Zeit  als  Vikar  zu  Oliva  bei  Danzig 
Professor  der  Kirchengeschichte  und  des  Kirchenrechts  in  Pelplin,  1864  De- 
fensor  matrim.,  1865  Exam,  prosynod.,  Februar  1868  Spiritual  und  am  i.  Okto- 
ber dieses  Jahres  Direktor  des  Seminars.  Diese  Stelle  legte  er  am  i.  Juli  1883 
infolge  der  ihm  unrichtig  erscheinenden  Opposition  der  Bischöfe  gegen  die 
preußischen  Kirchengesetze  nieder,  zog  sich  privatisierend  nach  Oliva  zurück, 
wo  er  sich  eingehenden  kirchengeschichtlichen  Studien  widmete.  Eine  ihm 
zugedachte  Berufung  für  Kirchengeschichte  an  die  kathol.  theol.  Fakultät  in 
Breslau  lehnte  er  ab.  Durch  große  Gutmütigkeit  verlor  er  nach  und  nach 
sein  nicht  unbeträchtliches  Vermögen,  nahm  deshalb  (gegen  1895)  eine  Stelle 
als  Seelsorgegeistlicher  am  Stift  der  Englischen  Fräulein  in  Klosterwald  an. 
Seine  bedeutendsten  Werke  sind  »Die  Beziehungen  der  Überordnung,  Neben- 
ordnung und  Unterordnung  zwischen  Kirche  und  Staat.  Historisch-kritische 
Untersuchungen  mit  bezug  auf  die  kirchenpolitischen  Fragen  der  Gegenwart^ , 
Stuttg.  1877  und  »Gregor  VII.,  sein  Leben  und  Wirken«,  Lpz.  1894  2  Bände. 
Daneben  sind  erwähnenswert  »Die  römische  Frage  unter  Pippin  und  Karl 
dem  Großen«,  Stuttg.  188 1.  »Neue  Erörterungen  über  die  römische  Frage-, 
Stuttg.  1882.  »Die  Besetzung  des  päpstlichen  Stuhles  unter  den  Kaisern 
Heinrich  III.  und  Heinrich  IV.«,  Freib.  1886.  »Heinrich  IV.  und  Gregor  VII. 
nach  der  Schilderung  Rankes«,  Danzig  1887.  »DasVaticanum  und  BonifazVIII.-', 
Münch.  1888.  »Die  falsche  Generalkonzession  Constantins«,  ebd.  1889.  »War 
Gregor  VII.  Mönch?«,  ebd.  1891.  »Beleuchtung  der  neuesten  Kontroverse  über 
die  römische  Frage  unter  Pippin  und  Karl  dem  Großen«,  ebd.  1898.  Seine 
letzten  lesenswerten  Schriften  waren  »Vier  kleine  Aufsätze  zur  Musik  und 
Dichtkunst«,  Münch.  1898  und  »Vademecum  für  die  deutsche  Jugend,  ausge- 
wählte Gedichte  von  Eichendorff,  Uhland  und  Reinick«,  ebd.  1901. 

Gef.   Mitteilungen   der   Herren  Professoren  Heiner   in   Freiburg  und   Ograbiscevski   in 
Pelplin  —  Zamckes  lit.  Centralblatt  1878  Sp.  358;   1895  Sp.  243;   1898  Sp.  1288  —  Archiv 


Martens.     Maurer. 


135 


f.  kathol.  Kirchenrecht  VIII  201 — 207  (dazu  notgedrungene  Erklärung  in  Ztschr.  f.  Kirchen- 
recht  XX  334);  XIX  349;  LVIII  355;  LX  365 ;  LXXIII  475  —  Deutsche  Ztschr.  f.  Kirchen- 
recht  V  168  —  Sybels  hist  Ztschr.  XLVII  32;  LIV  345  —  Keiters  kathol.  Literaturkalender, 
umbearbeitet  von  Dr.  Jos.  Jörg.  Sechster  Jahrgang,  Essen  a.  d.  Ruhr  1902  S.  194  — 
V.  Schulte,  Gesch.  d.  Quellen  und  Literatur  des  canonischen  Rechts  III  (1880)  S.  428  — 
Beilage  zur  Allg.  Zeit.  1902,  II,  16  —  Deutsche  Literaturzeitung  XVII  Sp.  1357,  1360; 
XX  Sp.  1318— 1322.  A.  Teichmann. 


Maurer,  Konrad,  der  hervorragendste  deutsche  Forscher  auf  dem  Gebiete 
der  nordischen  Rechts-,  Staats-  und  Kirchengeschichte,  ♦  am  29.  April  1823 
zu  Frankenthal  (Rheinpfalz),  f  am  16.  September  1902  zu  München.  —  M. 
war  der  einzige  Sohn  des  damaligen  Staatsprokurators,  späteren  berühmten 
Rechtshistorikers  und  bayrischen  Staatsmannes  Georg  Ludwig  von  Maurer 
(1790 — 1872,  vgl.  A.  D.  B.  20,  699 — 706).  Der  Vater  folgte  1826  einer  Be- 
rufung für  deutsches  Privatrecht,  französisches  Recht  und  deutsche  Reichs- 
und Rechtsgeschichte  an  die  Universität  München  und  verbrachte  etwa  ein- 
einhalb Jahre  (1833 — 34)  als  Regentschaftsrat  des  minderjährigen  Königs  Otto 
von  Griechenland  in  Athen,  in  welcher  Zeit  er  emsig  für  die  Abfassung  der 
berühmten  griechischen  Gesetzbücher  tätig  war.  Nach  der  Rückkehr  in  die 
Heimat  besuchte  Konrad  ein  Münchener  Gymnasium,  an  dem  er  durch  den 
Philologen  Leonhard  v.  Spengel  (wie*  später  auch  auf  der  Universität  seit  1839) 
die  Schulung  empfing,  die  es  ihm  ermöglichte,  auf  gründlichster  philologischer 
Grundlage  sich  dem  Rechtsstudium  zu  widmen.  Zu  diesem  wurde  er  hin- 
geführt durch  Albrecht  in  Leipzig  (1840)  und  dann  in  Berlin  durch  Homeyer 
und  Karl  von  Richthofen,  während  er  bei  Jakob  Grimm  deutschsprachliche 
Studien  betrieb.  Nach  kurzer  praktischer  Ausbildung  bestand  er  1844  die 
juristische  Staatsprüfung.  Naturwissenschaftliche  Studien,  zu  denen  ihn  der 
Onkel,  der  Heidelberger  Chemiker  Gmelin,  angeregt  hatte,  ließ  er  fallen  und 
betrat,  gehorsam  dem  Willen  des  Vaters,  sehr  gegen  seinen  eigenen  Willen 
die  akademische  Laufbahn.  Trotz  der  großen  Erfolge,  die  er  sehr  bald  auf 
diesem  Gebiete  errang,  konnte  er  sich  bei  seinem  schwermütigen  Temperament, 
das  ihm  von  der  Mutter  (f  183 1)  überkommen,  später  nur  selten  glücklich 
fühlen,  was  ihm  das  Leben  sehr  verbitterte.  Schon  1846  schrieb  er  eine  auch 
heute  noch  wertvolle  Inauguralabhandlung  »Über  das  Wiesen  des  ältesten  Adels 
der  deutschen  Stämme,  in  seinem  Verhältnis  zur  germanischen  Freiheit«  und 
wurde  1847  ^""^  außerordentlichen  Professor  für  deutschrechtliche  Fächer, 
dann  auch  Staatsrecht,  an  der  Münchener  Universität  ernannt.  Diese  Fächer 
hat  er  auch  längere  Zeit  mit  Eifer  vertreten,  wenn  auch  durch  den  Einfluß 
von  Jakob  Grimm  und  Werke,  wie  »Das  Strafrecht  der  Germanen«  von  Wilda 
(Halle  1842)  u.  a.  sein  Blick  sofort  auf  die  noch  wenig  erforschten  nordischen 
Rechtsquellen  hingelenkt  wurde,  die  damals  erst  allmählich  in  brauchbaren 
Ausgaben  veröffentlicht  wurden,  aber  mangels  irgend  genügender  sprachlicher 
Hilfswerke  schwer  benutzbar  waren.  Doch  zogen  ihn  gerade  diese  unge- 
bahnten Wege  mächtig  an,  da  diese  Vertiefung  in  unzählige  Schwierigkeiten 
ihn  von  dem  Kummer  befreien  konnte,  der  ihn  nach  und  nach  fast  krank- 
haft belastete,  weil  er  sich  vielmehr  zum  praktischen  Juristen  oder  Verwaltungs- 
beamten berufen  erachtete,  wie  er  denn  auch  eine  solche  Befähigung  in 
seinen  Schriften   und  in  seiner  Verwaltungstätigkeit   für  die  Ökonomie    der 


136 


Maurer. 


Universität  hinlänglich  bewiesen  hat.  Mit  staunenswerter  Arbeitskraft,  wie  sie 
nur  bei  einem  stets  von  höchstem  Pflichtbewußtsein  beherrschten  Manne  von 
kräftigster  Konstitution  möglich  war,  errang  er  sich  in  jahrelanger,  emsigster 
einsamer  Arbeit,  fern  den  nordischen  Archiven  und  den  dort  forschenden 
Gelehrten,  eine  Kenntnis  des  dort  vorliegenden  Materials,  die  ihn  sehr  bald 
über  Mitstrebende  emporheben  mußte.  Schon  sein  erstes  größeres  Werk  war 
dem  Lande  gewidmet,  mit  dem  sein  Name  auf  immer  ruhmreich  verknüpft 
bleiben  wird,  jenem  eigenartigen  isländischen  Staatswesen,  das  uns,  ab- 
weichend von  sonstigen  Vorkommnissen,  von  Anbeginn  an  in  voller  Tages- 
helle der  Geschichte  auf  gleichfalls  erhelltem  Untergrund  entgegentritt: 
»Die  Entstehung  des  isländischen  Staats  und  seiner  Verfassung«,  München 
1852  (I.  Heft  der  »Beiträge  zur  Rechtsgeschichte  des  germanischen  Nordens«), 
für  die  Kirchenverfassung  erweitert  fortgeführt  in  dem  zweibändigen  Werke: 
»Die  Bekehrung  des  norwegischen  Stammes  zum  Christentum  in  ihrem  ge- 
schichtlichen Verlaufe  quellenmäßig  geschildert«,  ebd.  1855/56,  einer  durchaus 
selbständigen  Forschung,  bei  der  ihm  nur  nach  und  nach  der  Anfang  des 
großen  Werkes  von  P.  A.  Munch,  Dct  norske  Folks  Historie  (I,  II,  1852)  be- 
kannt wurde.  Schon  im  ersten  Teile  fesselt  die  Charakterisierung  der  ersten 
norwegischen  Könige,  Haakons  des  Guten  und  der  beiden  Olafe,  während 
der  zweite  Teil  in  einem  aus  unendlich  vielen  kleinen  Zügen  und  feinster 
Beobachtung  zusammengesetzten  Totalbilde  das  norwegische  Heidentum  und 
die  ältesten  norwegischen  Christen  mit  voller  Gerechtigkeit  für  jenes  und  für 
die  mittelalterliche  Kirche  schildert.  Das  Werk  von  1852  erschien  1882  in 
isländischer  Übersetzung.  Wichtige  Arbeiten  anderer  Richtung  dieser  Jahre 
sind  die  »über  angelsächsische  Rechtsverhältnisse«  in  Anschluß  und  in  Kritik 
von  Kemble,  -»The  Saxons  in  England<i^  (in  der  Krit.  Überschau  I  47 — 120, 
II  30 — 68,  388 — 440,  III  26 — 62,  dazu  später  Beiträge  und  Rezensionen  in 
Kölbings  engl.  Studien  IV,  XVIII,  XXIII)  und  »das  Beweisverfahren  nach 
deutschen  Rechten«  (Krit.  Überschau  V,  1850,  259,  332 — 393),  auch  Artikel 
im  Staatswörterbuch  von  Bluntschli  und  Brater  Bd.  I  (Acht,  Autonomie)  II 
(Deutscher  König),  III  (Ehre,  Ehrlosigkeit,  Erbgüter,  Familie),  IV  (Grundherr- 
schaft), V  (Haus,  Hausfriede,  Haussuchung,  Island,  Karl  der  Große),  VI 
(Landeshoheit),  sowie  die  Artikel  Halitgar,  Island  und  Norwegen  in  Herzogs 
Realenzyklopädie. 

Im  Jahre  1855  zum  ordentlichen  Professor  befördert,  trat  er  1856  zum 
erstenmal  als  treuer  Freund  des  isländischen  Volkes  in  seinem  Kampfe  um 
politische  Selbständigkeit  in  die  Schranken  (Allgem.  Ztg.  1856  vom  2.,  10. 
und  II.  Oktober)  und  bereiste  in  Gesellschaft  des  Geographen  Winkler  —  der 
die  Reise  in  seinem  Werke  »Island,  seine  Bewohner,  Landesbildung  und  vul- 
kanische Natur«,  Braunschw.  1861,  schilderte  —  1858  auf  kleinem  Fjordpferde 
Island  nach  allen  Richtungen.  Der  Sprache  völlig  mächtig,  erfuhr  er  die 
liebenswürdigste  Gastfreundschaft  bei  Gelehrten,  Amtsleuten  und  Bauern. 
Seitdem  wandte  sich  die  innigste  Liebe  des  Volkes  ihm  zu,  da  er  dessen 
Sache  auch  weiter  verfocht.  Diese  Arbeiten  (aus  Sybels  bist.  Ztschr.  I  449 — 498, 
II,  I — 51,  Allgem.  Zeitung  1870,  1874)  gab  er  unter  dem  Titel  »Zur  politischen 
Geschichte  Islands«,  Leipzig  1880,  heraus,  welchem  Werke  1874  als  Fest- 
schrift zum  Tausendjahrfest  das  auch  heut  noch  umfassendste  und  unüber- 
troffene Werk  »Island  von  seiner  ersten  Entdeckung  bis  zum  Untergange  des 


Maurer. 


137 


Freistaates«,  vorangegangen  war.  Als  Frucht  jener  Reise  erschien  eine  Aus- 
gabe der  Gullthorissage,  Leipzig  1858  (jetzt  ersetzt  durch  die  von  Kälund) 
und  als  Zeichen  seines  tiefen  Verständnisses  für  die  Volkskunde  »Isländische 
Volkssagen  der  Gegenwart«,  Leipzig  1860,  die  er  großenteils  unmittelbar  aus 
mündlicher  Überlieferung  sich  aufgezeichnet  hatte.  Ihm  ist  es  zu  danken, 
daß  1862 — 64  eine  reiche  Sammlung  solcher  Sagen  und  Märchen,  veranstaltet 
von  zwei  Isländern,  erscheinen  konnte  (vgl.  dazu  Germania  Bd.  VII  und  IX, 
auch  XIV  und  den  Aufsatz  »Zur  Volkskunde  Islands«  im  i.  Bd.  der  Ztschr,  des 
Vereins  für  Volkskunde,  sowie  den  Beitrag  in  der  Bavaria  I,  i  über  bayrische 
Volkssagen).  Ausgerüstet  mit  feinem  Sprachgefühl  für  die  Unterschiede  nor- 
wegischer und  isländischer  Rechtsausdrücke  vermochte  er  die  nunmehr  an 
den  Tag  tretenden  altnordischen  Wörterbücher  aus  eigener  Sammlung  zu  er- 
gänzen und  zu  berichtigen  (vgl.  Anz.  f.  Kunde  d.  deutschen  Vorzeit  1863, 
Germania  XII,  Allgem.  Ztg.  1870  Beil.  6/7,  Krit.  Vierteljahresschrift  1886)  und 
sich  der  nordischen  Rechtsgeschichte  und  Quellenkritik  zuzuwenden,  indem 
er  seit  1868  sich  auch  in  den  Vorlesungen  ausschließlich  mit  nordischem  Recht 
beschäftigte,  nachdem  ihm  mit  Zustimmung  der  Universitätsbehörden  eine  in 
Deutschland  einzig  dastehende  Stellung  als  Lehrer  dieser  Fächer  eingeräumt 
worden  war.  Es  waren  Vorlesungen  für  werdende  Professoren,  nicht  für  Stu- 
denten; in  ihnen  wurden  viele  der  bedeutenden  Juristen,  Historiker  und  Philo- 
logen jüngerer  Generation  ausgebildet  oder  angeregt,  denen  die  Fortschritte 
neuester  Zeit  auf  dem  Gebiete  der  nordischen  Rechtsgeschichte  und  der  Philo- 
logie mit  zu  verdanken  sind.  Sie  fesselten  auch  sprachlich  durch  wundervolle 
Klarheit  und  völlige  Beherrschung  des  weitschichtigen  Materials,  das  in  mühe- 
vollster Sichtung  nach  vielfacher  Durcharbeitung  und  Neugestaltung  schließlich 
eine  abschließende  Form  gewann.  An  der  Spitze  glänzender  Einzelunter- 
suchungen steht  (1864)  die  Abhandlung  über  die  Graagaas  (in  der  Enzyklopädie 
von  Ersch  und  Gruber,  Bd.  77,  S.  i — 136).  Die  Lebensarbeit  M.s  hat  diese  Frage 
der  endlichen  Lösung  nahe  geführt.  Es  folgten  »Die  Entstehungszeit  der 
älteren  Gulathingslög«  1872  (Abhandl.  d.  kgl.  bayr.  Akad.  Klasse  I  Bd.  XII, 
97 — 170),  ebenso  der  »Frostuthingslög«  1875  (ebd.  XIII  i — 84,  dazu  über  die 
Einteilung  derselben  in  Norsk  Hist.  Tidskrift  2.  R.  16  B.  Seite  203 — 235)  — 
»Studien  über  das  sog.  Christenrecht  K.  Sverrirs«  (in  Bartsch,  Germ.  Studien 
I  (1872)  S.  57 — 76,  dann  in  der  Festgabe  für  v.  Spengei  1877)  —  »Das 
älteste  Hofrecht  des  Nordens«  (Festschrift  für  Upsala)  1877  —  »Gulathing« 
und  »Gulathingslög«  in  Ersch  und  Gruber  Bd.  96  S.  377 — 418,  Bd.  97  S. 
I — 74  mit  Schilderung  der  ganzen  nordischen  Thingverfassung  und  Gesetz- 
gebung —  »Die  Eingangsformel  der  norwegischen  Rechts-  und  Gesetzbücher« 
(Sitz.-Ber.  1886  S.  317 — 358).  Einen  trefflichen  Überblick  über  die  Geschichte 
der  nordgermanischen  Rechtsquellen  brachte  1872  die  Enzyklopädie  der 
Rechtswissenschaft  von  v.  Holtzendorff  (in  5.  Aufl.  1890  S.  351 — 385,  durch 
Ebbe  Hertzberg  erweitert  in  Übersetzung  Christiania  1878,  im  isländischen 
Abschnitte  1899  herausgegeben).  Für  die  innere  Rechtsgeschichte  sind  zu 
nennen:  »Das  Alter  des  Gesetzsprecheramtes  in  Norwegen«  (Krit.  Yschr.  1868 
S.  374 — 381  und  Festgabe  für  Arndts  1875  S.  i — 69)  —  »Die  Rechtsrichtung 
des  älteren  isländischen  Rechts«  (Festgabe  für  Planck  1887  S.  119 — 149)  — 
»Das  angebliche  Vorkommen  des  Gesetzsprecheramts  in  Dänemark«  (Sitz.-Ber. 
1887  II,  363 — 398)  —  Arbeiten  über  prozeßrechtliche  Schriften  voh  Hertzberg, 


1^8  Maurer. 

V.  Amira  und  Kempe  in  der  Krit.  Vschr.  XVI  82 — 108,  XVIII  32 — 77, 
XXVIII  80 — 88  —  »Das  Verdachtszeugnis  des  altnorwegischen  Rechtes« 
(Sitz.-Ber.  1883  S.  548 — 592)  —  »Beitrag  zur  Lehre  vom  Tak«  (Tidskrift  for 
Retsvidenskab  1887  I  308 — 321).  Dem  Personen-  und  Familienrechte  gehören 
an:  »Die  Berechnung  der  Verwandtschaft  nach  altnorwegischem  Rechte«  (Sitz.- 
Ber.  1877  S.  235 — 253)  mit  Nachweis  einer  national-norwegischen  Sippezählung 

—  »Die  Schuldknechtschaft  nach  altnorwegischem  Rechte«  (ebd.  1874  S.  i — 47) 

—  »Die  Freigelassenen  nach  altnorwegischem  Rechte«  (ebd.  1878  I  21 — 88) 
mit  Darlegung  des  Gegensatzes  vollständiger  und  unvollständiger  germanischer 
Freilassung  —  »Die  norw.  Höldar«  (ebd.  1889  S.  169 —  206,  dazu  Arkiv  for 
nordisk  Filologi  VI  272 — 280)  —  »Die  ärmenn  des  altnorwegischen  Rechtes« 
(ebd.  1879  I,  49 — 138)  mit  Schilderung  der  ältesten  Entwicklungsphase  des 
Vogteiinstituts  —  »Die  unechte  Geburt  nach  altnordischem  Rechte«  (ebd. 
1883  S.  I — 86)  wichtig  für  die  Geschichte  des  Erbrechts  —  »Zur  Urgeschichte 
der  Gotenwürde«  (in  Ztschr.  f.  d.  Philol.  IV  125 — 130).  Dem  Kirchenrechte 
dienen  die  Besprechung  des  Werkes  von  Absalon  Taranger  »Den  angelsaksiske 
Kirkes  Indflydelse  paa  den  norske«  in  der  Norsk  Hist.  Tidskr.  3.  R.  3.  Bd. 
I — 113  (1893),  eines  Werkes  von  Pj^tur  Pj^tursson  über  isländisches  Kirchen- 
recht (Krit.  Vschr.  VII  160 — 240,  382 — 431,  537 — 560  und  XXXV  251 — 270) 

—  »Über  den  Hauptzehnt  einiger  nordgermanischer  Rechte«  (Abhandl.  der 
Akad.  XIII,  II  113 — 301)  mit  gründlichster  Behandlung  der  Geschichte  des 
norwegischen  Testamentrechts  im  Mittelalter  —  »Norwegens  Schenkung  an  den 
heiligen  Olaf«  (ebd.  XIV  65 — 156)  —  »Die  Wasserweihe  des  germanischen 
Heidentums«  (ebd.  XV)  —  »Über  die  norwegisch-isländische  gagnföstur«  (Sitz.- 
Ber.  1881  II,  225 — 268)  —  »Das  Bekenntnis  des  christlichen  Glaubens  in  den 
Gesetzbüchern  aus  der  Zeit  des  K.  Magnus  Lagaboetir«  (ebd.  1892,  S. 
537-^581).  In  den  zuletzt  genannten  Schriften  ist  ein  lebendiges  und  w^armes 
Interesse  für  christliche  Kirche  und  Glauben  zu  verspüren ;  vom  Vater  in  kal- 
vinistischer  Richtung  angeregt,  sah  er  sein  religiöses  Vorbild  in  der  schotti- 
schen Kirche  und  war  jedenfalls  dem  Konfessionalismus  abgeneigt,  eine  treue 
Stütze  für  die  evangelische  Gemeindepflege  Münchens.  Die  glücklichste  Zeit 
seines  Lebens  dürfte  der  Aufenthalt  in  Christiania  vom  Januar  bis  Mitte 
Mai  1876  gewesen  sein.  Er  folgte  damals  einer  ehrenvollen  Einladung  der 
leitenden  Kreise  und  hielt  dort  mit  großem  Beifall  Vorlesungen  seines  Faches. 
Man  setzte  alles  daran,  ihn  für  Christiania  zu  gewinnen;  aus  Familienrück- 
sichten glaubte  er  diesen  Antrag  ablehnen  zu  müssen.  Für  ihn  war  dies  be- 
dauerlich. Denn  man  kann  annehmen,  daß  er  in  engster  Berührung  mit  den 
nordischen  Gelehrten  und  in  Benützung  archivalischer  Schätze,  die  er  in  einsamer 
Studierstube  mitten  in  seiner  großen  Bibliothek  in  München  doch  nur  aus  zwei- 
ter Hand  verwerten  konnte,  am  Orte  selbst  ein  ihn  befriedigenderes  Dasein  ge- 
funden hätte.  Jedenfalls  war  er  bei  seinem  sonst  fast  völligen  Abschlüsse  von 
der  Beteiligung  am  öffentlichen  Leben  stets  erfreut,  wenn  er  Männer  des  Nordens 
in  seinem  durch  die  treffliche  und  ihn  verstehende  Gattin  (Valerie  v.  Fauthaber, 
mit  ihm  1858  vermählt)  traut  gestalteten  Heim  der  Schellingstraße  gastfreundlich 
aufnehmen  konnte.  —  Aus  seiner  weiteren  ausgedehnten  wissenschaftlichen 
Tätigkeit  sei  dann  Erwähnung  getan  der  bis  zum  Lebensende  reichenden 
Beschäftigung  mit  der  Sagaliteratur  des  Nordens  in  ihrer  Bedeutung  als  Ge- 
schichtsquelle oder  als  Dichtwerk.     Die  erste  Arbeit  hierüber  lieferte  er  1867 


Maurer. 


139 


in  der  bekannten  großen  Abhandlung  »Über  die  Ausdrücke  altnordischer,  alt- 
norwegischer und  isländischer  Sprache«  (Abh.  d.  Akad.  XI I,  1868  S.  457 — 706) 
mit  ihren  72  Exkursen,  worauf  er  noch  in  hohem  Alter  —  1895 — 96  in  den 
Arbeiten  »Zwei  Rechtsfälle  in  der  Eigla«  (Sitz.-Ber.  1895  S.  65 — 124)  und 
»Zwei  Rechtsfälle  aus  der  Eyrbyggja«  (ebd.  1896  S.  3 — 48)  —  zurückkam.  Das 
Resultat  seiner  Untersuchungen  war  eine  stets  größere  Skepsis  rücksichtlich 
des  Wertes  der  Sagas  als  Geschichtsquelle.  Im  Gegensatze  zu  Männern  wie 
Carlyle,  Munch,  Keyser  u.  a.,  die  der  Phantasie  die  Zügel  schießen  ließen 
und  vielfach  mit  Hypothesen  sich  abgaben,  vertrat  er  eine  nüchterne,  mit 
dem  Mikroskop  redlichst  forschende  Richtung,  um  schließlich  die  Entwick- 
lung der  Institute  in  richtiger  historischer  Perspektive  sehen  und  darstellen 
zu  können.  So  fühlte  er  sich  vielmehr  zu  der  trockenen  Haakon  Haakonssöns 
Saga,  als  anderen  poetischeren  Schöpfungen  hingezogen,  so  auch  vornehmlich 
zu  Männern  wie  Schlyter  und  Brandt.  Den  historischen  Roman  hielt  er  für 
Urkundenfälschung.  Sein  nordischer  Liebling  war  Ari  der  Weise,  dessen 
schlichte  Zuverlässigkeit  gegenüber  der  glänzenderen  Leistung  Snorris, 
den  er  schon  in  der  Studentenzeit  mit  dem  norwegischen  Architekt  Peter 
Holtermann  in  der  Übersetzung  von  Aall  (1838)  kennen  gelernt  hatte,  ihn 
immer  von  neuem  anzog  (vgl.  Germania  Bd.  XV  291 — 321  und  XXXVI  61 — 96, 
die  akadem.  Abhandlung  über  die  Hoensathorissaga  in  den  Abh.  XII,  2 
S.  159 — 216  und  über  die  Huldarsaga  ebd.  XX  223 — 321).  Wertvoll  sind 
sodann  sein  Beitrag  über  Grönland  im  Mittelalter  und  Wiederentdeckung 
Ostgrönlands  in  dem  Werk  »Die  zweite  deutsche  Nordpolfahrt  unter  Führung 
von  Koldewey«,  Leipzig  1873  Bd.  I  —  »Islands  und  Norwegens  Verkehr  mit 
dem  Süden  vom  9.  bis  13.  Jahrhundert«  (Ztschr.  f.  deutsche  Philol.  II)  und  die  auf 
Geographie  und  Geologie  Islands  bezüglichen  Besprechungen  der  Jahre  1897 — 99 
in  den  Verh.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  in  Berlin  XXIV,  XXV  und  in  Peter- 
manns Mitteilungen.  Besondere  Erwähnung  verdienen  endlich  seine  vielen 
Nekrologe  ihm  näher  oder  femer  gestandener  Gelehrten,  so  über  Wilda  (Krit. 
Überschau  IV,  380 — 394)  —  Rydquist  (Germania  XXIII,  373 — 8)  —  Sigurdsson 
(Allgem.  Ztg.  1880,  Beil.  41)  und  Asbjörnsen  (ebd.  1885,  Beil.  53)  —  Arnason 
(Ztschr.  f.  deutsche  Philol.  XXI,  470 — 472)  —  Vigfusson  (ebd.  XXII,  213 — 219) 
—  Möbius  (ebd.  XXIII,  457 — 462  und  Arkiv  f.  nord.  Fil.  VII,  191  — 195)  — 
Reeves  (ebd.  XXIV,  142)  —  Fritzner  (ebd.  XXVII,  in  — 114)  —  Keyser  (Krit. 
Vschr.  X,  360 — 404,  XI  403—410)  —  Albrecht  (ebd.  XIX,  181 — 189)  —  Schlyter 
(ebd.  XIII  51—89,  XX  442—446,  XXXI  337—350)  —  Brandt  (ebd.  XXXIV 
1—8)  —  Finsen  (ebd.  XXXV  i  — 10)  und  Aubert  (ebd.  XXXVIII  327—334). 
Solche  Leistungen  fanden  natürlich  auch  ihre  Würdigung  durch  zahlreiche 
Ehrenbezeigungen.  Seit  1865  gehörte  er  der  bayerischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften an,  wurde  später  Mitglied  der  Wiener  und  der  Berliner  Akademie 
und  aller  nordischen  gelehrten  Gesellschaften,  war  Ritter  hoher  bayrischer 
Orden,  seit  1875  auch  des  Maximiliansordens,  sowie  solcher  der  nordischen 
Reiche,  erhielt  auch  den  Adels-  und  den  Geheimratstitel  (1892).  Alle  diese 
Auszeichnungen  ließ  er  über  sich  ergehen,  forderte  aber  strengstens  von  seinep 
Freunden  die  Weglassung  des  »von«,  denn  er  war  stolz  auf  seine  Herkunft 
(von  den  Großeltern  des  Vaters  her)  aus  dem  Bauernstande,  verkehrte  gern 
als  Mitglied  der  bayrischen  Kreisregierung  mit  den  Repräsentanten  der 
wackem  Bauern  des    Oberlandes,    die  er  von   seinen   Wanderungen    in    den 


140 


Maurer. 


Bergen  kannte,  und  fühlte  sich  deshalb  auch  stammesverwandt  mit  der  nor- 
dischen Bauembevölkerung  alter  und  neuer  Zeit.  Niemals  drängte  er  sich 
vor  und  lehnte  durchaus  die  ihm  angetragene  Rektorwürde  ab  und  übte  im 
stillen  die  edelste  Wohltätigkeit  aus.  Seiner  vornehmen  Gesinnung  entsprach 
im  wissenschaftlichen  Meinungsstreit  allein  Sachlichkeit.  Keine  Stunde  wurde 
trotz  tiefgreifender  Verschiedenheit  der  Auffassung  in  isländischen  Fragen 
sein  freundschaftlicher  Verkehr  mit  Finsen  gestört.  Er  war  eine  echt  ger- 
manische Natur  in  seiner  Liebe  für  Betätigung  der  Körperkraft  auch  im 
akademischen  Waffenspiel,  ein  treuer  Freund  seines  Volkes  und  seiner  politischen 
Erhebung,  aber  unangenehm  berührt  von  der  Art,  wie  Deutschlands  Größe 
geschaffen  wurde,  da  er  hierin  öfters  »das  Gesetz«  verletzt  glaubte.  Eine 
seiner  letzten  frohen  Stunden  brachte  ihm  wohl  die  Ehrung  durch  frühere 
Zuhörer  zum  70.  Geburtstage  in  ihrer  Festschrift  »Germanistische  Abhandlungen« 
von  Brenner,  Dahn,  Gareis  u.  a.,  Göttingen  1893,  mit  Porträt.  Dann  wurde 
es  immer  einsamer  und  stiller  um  ihn;  Arbeit  und  Briefwechsel  mußten  wegen 
Kränklichkeit  eingestellt  werden,  das  Ende  wurde  mit  Sehnsucht  erwartet. 
Von  seinen  akademischen  Verpflichtungen  seit  dem  19.  Mai  1888  entbunden, 
war  er  schließlich  dem  Gedächtnis  vieler  Mitlebenden  wohl  schon  entschwunden, 
als  man  von  seinem  Hinschied  am  16.  September  1902  erfuhr.  Er  war  —  wie 
Golther  sagt  —  durch  das  Leben  geschritten  »als  ein  Abbild  Odins,  der  als 
Wanderer  mit  weisem  Rat  und  kluger  Rede  bei  den  Menschen  zu  Gaste 
kommt«.  Jetzt  lag  er  mit  edelgeformtem,  ausdrucksvollem  Haupt  in  schnee- 
weißem Bart  und  Haar,  das  einst  so  klar  und  oft  schalkhaft  blitzende  Auge 
geschlossen,  auf  der  Totenbahre,  »auf  seinem  Antlitz  ein  mächtiger  Frieden, 
wie  wenn  ein  großer  Held  in  schwerer  Not  den  Sieg  errungen  hat  und  nun 
ruht«  (E.  Mayer). 

W^as  er  mit  seinem  Vater  den  Freunden  gewesen,  hat  Alois  Brinz,  dessen 
Gewinnung  für  die  Jurisprudenz  wir  jenem  danken,  in  seinem,  dem  Vater 
gewidmeten  Nekrologe  in  der  Allg.  Deutschen  Biogr.  sehr  bezeichnend  dahin 
ausgedrückt:  »In  Konrad  M.  hat  aber  jeweilen  einer,  der  keine  gleich  sichere 
Vorschule,  keine  gleich  bildsame  Umgebung,  keine  gleich  bewußte  Festigkeit 
des  Wesens  mit  sich  brachte  —  ohne  Ansehen  von  Geburt  und  Stand  — 
noch  in  jungen  Jahren  seinen  Freund,  eine  Stütze  im  Leben  und  sein  Vorbild 
im  Denken  und  Handeln  gefunden  und  dankt  dem  Geschicke,  das  dieses 
Geschlecht  in  die  Isarstadt  verpflanzt  hat«.  —  Seine  Ruhestätte  fand  er  auf 
dem  südlichen  alten  Kirchhofe.  Von  seinen  Söhnen  war  einer  in  Würzburg 
Privatdozent  für  Geschichte,  von  den  beiden  noch  lebenden  ist  einer  Offizier 
in  Ulm,  der  andere  Professor  der  Mathematik  in  Tübingen. 

Gedächtnisrede  von  Ebbe  Hertzberg  (im  Arkiv  for  nordisk  Filologi  XIX,  262 — 272) 
—  Konrad  von  Maurer.  Gedächtnisrede,  gehalten  in  der  öffentlichen  Sitzung  der  K.  B. 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  München  am  25.  November  1903  von  Karl  v.  Amira. 
München  1903,  Verlag  der  K.  B.  Akademie  —  VV.  Golther  in  der  Ztschr.  für  deutsche 
Philologie  XXXV,  59 — 71  mit  übersichtlichem  Schriftenverzeichnis  —  Ernst  Mayer  in  der 
Ztschr.  d.  Savignystiftung,  Bd.  24,  german.  Abt.  V — XXVII  —  Karl  Lehmann  in  Seeligers 
hist.  Vierteljahrsschrift  V,  589 — 592  —  Philipp  Zorn  in  der  Beilage  d.  Allgem.  Ztg.  1902, 
(^m  535)  IV  193—195  —  Dr.  Max  van  Vleuten  in  der  Krit.  Vierteljahresschrift  XLV,  l — 26 
mit  ausführlichem  Schriftenverzeichnis  —  Absalon  Taranger  in  der  Tiäskrifi  for  Rcts^ 
vidcnskab  XVI,  i  — 17  (mit  gleichem  Verzeichnis).  —  Der  von  Herrn  K.  von  Rozycki  in 
Pasing  verfaßte  Katalog   der  Bibliothek  von  Konrad   M.  (München  1903,  Druck  der  K.  B. 


Maurer,     von  Buol-Berenberg.  I4I 

Hof-  und  Universitätsbuchdruckerei  von  Junge  u.  Sohn  in  Erlangen,  mit  Porträt)  umfaflt  im 
I.  Teile  304  Seiten,  im  II.  (nordischen)  Teile  106  Seiten  (zirka  9000  Nummern)  und  bringt 
das  Verzeichnis  von  van  Vleuten.  .  Die  Bibliothek  —  dem  Wunsche  des  Verstorbenen 
gemäß  verkauft  —  ist  jetzt  Eigentum  der  Harvard  Univcrsiiy,  A.  Teichmann. 

Buol-Berenberg,  Rudolf  Freiherr  von,  Grofih.  Bad.  Oberlandesgerichtsrat, 
Präsident  des  Deutschen  Reichstags,  *  24.  Mai  1842  zu  Zizenhausen  in  Baden, 
einer  Besitzung  seiner  Familie,  f  4.  Juli  1902  zu  Baden-Baden.  —  Auf  dem 
väterlichen  Gute  durch  Privatunterricht  vorbereitet,  durchlief  v.  B.  alle  Klassen 
des  Gymnasiums  in  Konstanz  und  bezog  sodann  im  Jahre  1860  die  Univer- 
sität Freiburg  im  Breisgau,  wo  er  sich  dem  Studium  der  Rechtswissenschaft 
widmete,  das  er  in  München  und  Heidelberg  fortsetzte.  Nach  Ablegung  der 
beiden  juristischen  Prüfungen  war  er  von  1870  an  in  Mannheim  zuerst  als 
Amtsrichter,  sodann  seit  1876  als  Kreis-  bezw.  Landgerichtsrat  tätig.  Seine 
streng  katholische  Gesinnung  machte  sich  in  seiner  Beteiligung  am  politischen 
Leben  geltend.  Bei  dem  Versuch,  im  ersten  badischen  Reichstags- Wahlkreis 
ein  Mandat  zu  gewinnen,  unterlag  er  im  Jahre  1881  dem  nationalliberalen 
Gegenkandidaten.  Dagegen  wurde  B.  im  gleichen  Jahre  im  Wahlbezirk  Wert- 
heim-Walldürn  in  die  zweite  badische  Kammer  gewählt,  in  welcher  er  sich 
der  katholischen  Volkspartei  anschloß.  Im  Jahre  1884  wurde  er  als  Bewerber 
der  Zentrumspartei  im  badischen  Wahlkreise  Tauberbischofsheim — Wertheim 
in  den  Reichstag  gewählt.  Den  Verpflichtungen,  die  ihm  beide  Mandate  auf- 
erlegten, kam  er  mit  großem  Eifer  und  nie  ermüdendem  Pflichtgefühle  nach. 
Daneben  war  er  auch  im  Vereinsleben  sehr  tätig  und  besuchte  regelmäßig 
die  Katholikenversammlungen.  Durch  seine  Wahl  zum  Präsidenten  der  in 
Koblenz  stattfindenden  Versammlung  wurde  B.  in  den  weitesten  Kreisen  der 
Zentrumspartei  bekannt.  Ein  hochgewachsener  stattlicher  Mann  mit  klang- 
voller Stimme  und  markiger  Redeweise  war  er  eine  besonders  geeignete  Per- 
sönlichkeit zur  erfolgreichen  Leitung  von  Massenversammlungen.  Als  Ver- 
treter der  Zentrumspartei  wurde  ihm  auch  im  Deutschen  Reichstag  die  Würde 
des  ersten  Vizepräsidenten  zuteil.  Als  am  23.  März  1895,  da  sich  das  Zentrum 
der  Huldigung  für  Bismarck  entzog  und  infolgedessen  der  erste  Präsident  des 
Reichstags,  v.  Levetzow,  seine  Stelle  niederlegte,  übernahm  B.  den  Vorsitz. 
Wenige  Tage  darauf  wurde  er  zum  Reichstagspräsidenten  gewählt.  Er  ent- 
sprach den  auf  ihn  gesetzten  Erwartungen  durch  Kaltblütigkeit,  Entschiedenheit 
und  strengste  Objektivität  in  Leitung  des  Reichstages.  Es  fehlte  gerade  in 
den  darauf  folgenden  Jahren  nicht  an  stürmischen  Verhandlungen,  insbesondere 
bei  der  Beratung  des  Bürgerlichen  Gesetzbuches,  bei  denen  Abänderungs- 
anträge  in  hoher  Zahl  eingebracht  wurden,  so  daß  es  der  ganzen  Ruhe  und 
Bestimmtheit  des  Präsidenten  bedurfte,  um  durch  dieses  Chaos  den  richtigen 
W'eg  zu  finden  und  der  Versammlung  zu  bahnen.  Ein  Hindernis,  das  sich 
hierbei  sehr  oft  störend  erwies,  war  eine  sich  nach  und  nach  sehr  erheblich 
erhöhende  Harthörigkeit  des  Präsidenten.  Die  Überanstrengung  dieser  Tagung 
wurde  schließlich  auch  für  seine  starke  Natur  zu  gewaltig.  Er  behauptete 
seinen  Vorsitz  bis  zur  Annahme  des  Bürgerlichen  Gesetzbuches  und  zum 
Schlüsse  des  Reichstages  von  1898.  Dann  aber  brach  B.  zusammen.  Das  ihm 
in  diesem  Jahre  übertragene  Amt  eines  Rates  am  Oberlandesgericht  konnte 
er  nicht  mehr  antreten.    Ein  schweres  Nervenleiden  befiel  ihn,  dem  er  nach 


1^2  ^'^^  Buol-Berenberg.     Bingner. 

langer  mit  Geduld  und  Ergebung  getragener  Krankheit  erlag.  Die  treueste 
Pflegerin  stand  ihm  in  seiner  Gattin  Elisabeth  geb.  von  Savigny  zur  Seite, 
die  aber  schließlich  der  schweren  Aufgabe  nicht  mehr  gewachsen  war  und 
ihm  durch  den  Tod  entrissen  wurde.  Kurze  Zeit  nachher  starb  B.  mit  Hinter- 
lassung einer  Tochter,  die  bis  zuletzt  noch  die  einzige  Freude  seines  ge- 
brochenen Daseins  war.  Die  Zentrumspartei  verehrte  in  ihm  einen  ihrer 
treuesten  und  entschlossensten  Führer,  aber  auch  jene,  die  seine  politischen 
und  kirchlichen  Ansichten  nicht  teilten,  erkannten  seinen  edeln  vornehmen 
Charakter  und  seine  durch  die  Kämpfe  des  Parteilebens  ungetrübte  Vater- 
landsliebe an.  v.  Weech. 

Bingner,  Adrian,  Senatspräsident  am  Reichsgericht,  *  26.  September  1830 
zu  Karlsruhe  in  Baden,  f  8.  Mai  1902  zu  Leipzig.  —  Nachdem  B.  das  Lyceum 
seiner  Vaterstadt  von  1839  bis  1848  besucht  und  als  einer  der  besten  Schüler 
absolviert  hatte,  bezog  er  die  Universität  Heidelberg,  um  sich  dem  Studium 
der  Rechtswissenschaft  zu  widmen,  das  er  in  Berlin  fortsetzte.  Am  9.  De- 
zember 1852  erwarb  er  sich  an  der  Universität  Heidelberg  die  juristische  Doktor- 
würde. Am  20.  Dezember  1852  zum  Rechtspraktikanten  ernannt,  trat  er  in 
die  Praxis  bei  dem  ersten  Zivilbureau  des  Oberamts  Heidelberg,  war  sodann 
beim  katholischen  Oberkirchenrat  und  beim  Stadtamtsrevisorate  in  Karlsruhe 
tätig  und  brachte  hierauf  drei  Monate  in  Paris  in  dem  Bureau  eines  Avouf 
zu,  um  sich  eingehend  mit  der  Praxis  des  französischen  Rechts  vertraut  zu 
machen.  Während  seiner  Tätigkeit  beim  katholischen  Oberkirchenrat  be- 
schäftigte B.  sich  im  Auftrag  des  Ministeriums  des  Innern  damit,  aus  den  Ur- 
kunden des  General-Landesarchivs  den  früheren  Besitzstand  rücksichtlich  der 
Verleihung  der  katholischen  Kirchenpfründen  zu  ermitteln,  über  welchen  Diffe- 
renzen zwischen  den  badischen  Staats-  und  Kirchenbehörden  bestanden.  Bei  dem 
Stadtamtsrevisorate  machte  er  sich  eingehend  mit  allen  Zweigen  des  Notariats 
bekannt.  Am  Hofgericht  in  Offenburg  war  er  hierauf  längere  Zeit  als  Volontär 
tätig.  Nachdem  er  die  zweite  juristische  Prüfung  mit  Auszeichnung  bestanden 
hatte,  wurde  B.  am  17.  November  1855  zum  Referendar  ernannt  und  dem  Hof- 
gericht in  Mannheim  zugewiesen.  1861  zum  Amtsrichter  in  Heidelberg  be- 
fördert, erhielt  B.  im  Jahre  1862  mit  Verleihung  des  Charakters  als  Regierungs- 
assessor die  Stelle  eines  Kollegialmitglieds  bei  der  Direktion  der  Verkehrs- 
anstalten, 1864  wurde  er  zum  Postrat  ernannt,  aber  schon  wenige  Monate 
später  einem  ihm  mehr  zusagenden  Wirkungskreise  zugewiesen  durch  Er- 
nennung zum  Staatsanwalt  beim  Kreis-  und  Hofgericht  Karlsruhe  mit  dem 
Range  eines  Kreisgerichtsrates.  Im  Jahre  1865  erhielt  B.  die  Ernennung  zum 
Ministerialrat  im  Justizministerium,  ein  Amt,  dem  er  angehörte,  bis  er  bei  Er- 
richtung des  Reichsgerichts  in  Leipzig  an  dieses  am  i.  Oktober  1879  auf  Vor- 
schlag Badens  als  Präsident  des  II.  (rheinischen)  Zivilsenats  berufen  wurde. 
In  allen  Stellen,  die  B.  in  seinem  Heimatlande  bekleidet  hatte,  bewährte  er 
sich  als  eine  in  jeder  Hinsicht  hervorragende  Arbeitskraft.  Bei  der  Justiz- 
organisation im  Jahre  1864  lag  dem  damaligen  Justizminister  Stabel  ganz  be- 
sonders daran,  diesen  durch  Fähigkeiten  wie  Charakter  gleich  ausgezeichneten 
Beamten  für  den  Justizdienst  zu  gewinnen,  in  dem  er  von  da  an  tätig  blieb. 
Als  Mitglied  des  Justizministeriums  war  ihm  in  erster  Reihe  die  Ausarbeitung 
der  badischen  Einführungsgesetze  zum  Reichsstrafgesetzbuch  von  187 1  und  zu 


Bingner.     Behrle.  j  ^j 

den  Reichs) ustizgesetzen  vom  Jahre  1879  anvertraut.  Nach  seiner  Berufung 
in  das  Reichsgericht  nahm  er,  als  einer  der  gründlichsten  Kenner  der  heimat- 
lichen Gesetzgebung  und  durch  wissenschaftliche  Bildung  und  Gründlich- 
keit besonders  ausgezeichnet,  bald  eine  von  allen  Seiten  dieses  mit  so 
großen  Kapazitäten  besetzten  Gerichtshofes  eine  hoch  geachtete  Stellung  ein; 
Während  der  23  Jahre,  in  denen  B.  den  zweiten  Zivilsenat  leitete,  war  seine 
eingehende  Kenntnis  des  französischen  Rechts  von  besonderem  Werte.  Seine 
Leitung  der  Verhandlungen  zeichnete  sich  durch  die  vornehme  Würde,  die 
ihm  in  jeder  Lebenslage  eigen  war,  durch  seinen  Scharfblick,  durch  die  Klar- 
heit und  Sicherheit  der  Geschäftsleitung  und  die  unerschütterliche  Objektivität, 
die  von  einem  warmen  menschlichen  Gefühl  und  einer  verbindlichen  Liebens- 
würdigkeit begleitet  war,  in  ganz  besonderer  Weise  aus.  —  Als  Mitglied  der 
Bundesratskommission  war  B.  auch  an  den  Vorarbeiten  für  die  deutsche  Straf- 
prozeßordnung und  Gerichtsverfassung  tätig.  Die  Vorarbeiten  für  das  Bürger- 
liche Gesetzbuch  verfolgte  er  mit  dem  größten  Interesse  und  begleitete  sie 
mit  scharfsinnigen  Vorschlägen.  Zur  Verbesserung  der  Revision  arbeitete  er 
einen  Entwurf  aus,  durch  den  er  sich  auch  auf  dem  Gebiete  des  Zivilprozesses 
als  feiner  Jurist  und  erfahrener  Praktiker  bewährte.  Zu  früh  wurde  B.  nach 
kurzer  Krankheit  am  8.  Mai  1902  aus  einem  Leben  abgerufen,  das  ebenso  reich 
an  fruchtbarer  Arbeit  als  an  ehrenvoller  Anerkennung  seitens  seiner  Kollegen 
wie  seines  Landesherrn  und  des  deutschen  Kaisers  war.  Er  gehörte  in  allen 
Stellungen,  die  er  einnahm,  zu  den  größten  Zierden  der  deutschen  Beamtenwelt. 
Vgl,  den  Nekrolog  der  süddeutschen  Reichskorrespondenz,  abgedruckt  in  der  Karls- 
ruher Zeitung  1902  Nr.  198.  V.  Weech. 

Behrle,  Rudolf,  Geistlicher  und  Dramatiker,  *  am  17.  April  1826  zu  Her- 
bolzheim  in  Baden,  f  am  18.  Novbr.  1902  in  Freiburg  i.  B.  —  B.  war  der 
Sohn  eines  Kaufmanns  und  hatte  in  den  ersten  Jahren  seiner  Kindheit  ein 
langwieriges  Augenleiden  zu  erdulden,  so  daß  er  in  seinen  Fortschritten  in 
der  Schule  zurückblieb.  Nach  seiner  Genesung  brachte  ihn  sein  Vater  1838 
nach  Freiburg  i.  B.,  wo  er  nach  kurzem  vorbereitendem  Unterricht  in  das 
Gymnasium  eintrat  und  danach  1847  die  dortige  Universität  bezog,  um  Theo- 
logie zu  studieren.  1850  trat  er  in  das  erzbischöfliche  Seminar  ein,  erhielt 
im  August  1851  die  Priesterweihe  und  seine  erste  Verwendung  als  Hilfs- 
priester in  Engen.  Im  Mai  wurde  er  Lehrer  am  Gymnasium  in  Donau- 
eschingen, wo  er  jedoch  des  rauhen  Klimas  wegen  nur  ein  halbes  Jahr  blieb, 
worauf  er  als  Pfarrven^'alter  nach  Geisingen  kam.  Hier  hatte  er  während  dos 
badischen  Kirchenstreits  eine  sehr  schwierige  Stellung;  es  wurden  ihm  von 
Seiten  des  Staates  schwere  Strafen,  auch  Festungshaft  zugesprochen,  aber  nicht 
ausgeführt.  Im  Jahre  1858  wurde  B.  Pfarrverwalter  in  Oberachern,  1860  in 
Kappel  am  Rhein  und  bald  darauf  an  der  Spitalkirche  in  Konstanz,  wo  er 
anderthalb  Jahre  wirkte,  und  nahm  dann  die  Stelle  eines  Hausgeistlichen  in 
der  Heil-  und  Pflegeanstalt  Illenau  bei  Achern  an,  welche  ihm  dann  im 
August  1866  definitiv  übertragen  ward.  Seine  erfolgreiche  Tätigkeit  im  geist- 
lichen Berufe  veranlaß te  das  erzbischöfliche  Domkapitel  in  Freiburg,  ihn  1872 
zum  Domkapitular  zu  erwählen,  und  er  wurde  als  solcher  1873  installiert. 
Daneben  verwaltete  er  über  neun  Jahre  das  Amt  eines  Dompfarrektors  der 
dortigen    Münsterpfarrei.     Von   Papst   Leo  XIII.   hatte  er   die   Würde    eines 


I^^  Behrle.     Maurer.     Kamproann. 

päpstlichen  Geheimkämmerers  erhalten.  —  B.  hat  vorwiegend  kleinere  dra- 
matische Arbeiten  verfaßt,  wie  »Joseph  und  seine  Brüder«  (1857,  5.  Aufl.  1904); 
»Der  falsche  Treffer«  (1869,  2.  Aufl.  1893);  »Frauentreue,  oder:  Die  Ritter 
von  der  Rosen«  (1869,  2.  Aufl.  1897);  »Der  Franktireur«  (1871,  2.  Aufl.  1897); 
»Tobias«  (1875);  »Die  Kinder  im  Walde«  (Weihnachtsspiel,  1887).  Alle  diese 
Sachen  waren  vorwiegend  für  das  Vereinsleben  bestimmt,  und  haben  dort 
auch  viele  Aufführungen  erlebt. 

Persönliche  Mitteilungen.  —  Joseph  Kehrein:  Biographisch-literarisches  Lexikon  der 
katholischen  deutschen  Dichter,  i.  Bd.,  S.  23.  —  Frdr.  Wienstein:  Lexikon  der  katholischen 
deutschen  Dichter,  1899,  S.  27.  —  Adolf  Hinrichsen :  Das  literarische  Deutschland» 
1891,  S.  89.  Franz  Brummer. 

Maurer,  Joseph  Karl,  Dichter,  *  4.  Oktober  1834  in  Innsbruck,  f  4.  No- 
vember 1902  zu  Hall  in  Tirol.  —  M.  war  Zögling  der  Gymnasien  zu  Inns- 
bruck und  Hall  gewesen  und  hatte  dann  an  der  Universität  seiner  Vaterstadt 
Philosophie,  Philologie  und  Naturwissenschaften  studiert.  Im  Jahre  1865 
wurde  er  Lehrer  an  der  Realschule  in  Schwaz  im  Unterinntale  und  fand  hier 
auch  Gelegenheit,  sich  als  Sekretär  des  liberalen  Vereins  auf  politischem  Ge- 
biete betätigen  zu  können.  Als  187 1  die  Lehranstalt  in  Schwaz  aufgelassen 
wurde,  ward  M.  zur  Disposition  gestellt,  um  binnen  Jahr  und  Tag  einer  Wieder- 
anstellung in  Tirol  gewärtig  zu  sein.  Allein  die  Umtriebe  seiner  Gegner, 
denen  ein  freisinniger  Mann  als  Jugendlehrer  ein  Dorn  im  Auge  war,  und  die 
sogar  eine  Adresse  an  den  Bischof  von  Brixen  in  Szene  setzten,  damit  dieser 
von  der  Regierung  die  Entfernung  M.s  aus  dem  Amte  erwirke,  bewogen  ihn, 
Tirol  zu  verlassen  und  eine  Professur  an  der  Bürgerschule  zu  Wels  in  Ober- 
österreich anzunehmen.  Dort  wirkte  er  bis  zu  seiner  Pensionierung,  Ostern 
1883,  und  ließ  sich  dann  zunächst  in  Linz  a.  D.,  später  in  Hall  in  Tirol 
nieder,  wo  er  auch  gestorben  ist.  —  M.  hat  die  Früchte  seiner  schrift- 
stellerischen Tätigkeit  meist  in  Zeitschriften  niedergelegt  und  ist  zu  einer 
Sammlung  nicht  gekommen.  Nur  das  Epos  »Bertha«  (1870)  und  »Zwei  Ge- 
schichten aus  den  Bergen«  (1878)  sind  auf  den  Büchermarkt  gekommen,  die 
beide  große  Begabung  des  Dichters  für  die  Erzählung  bekunden. 

Persönliche  Mitteilungen.  —  Frdr.  Wienstein:  Lexikon  der  katholischen  deutschen 
Dichter,  1899,  S.  238.  Franz  Brummer. 

Kampmann,  Friedrich,  Dichter,  *  6.  Februar  1828  in  Oberwengem  in  der 
Grafschaft  Mark,  f  22.  Septbr.  1902  in  Dortmund.  —  K.  besuchte  die  Schulen 
seiner  engeren  Heimat  und  die  Realschule  in  Elberfeld  mit  dem  geheimen 
Wunsche,  sich  wissenschaftlichen  Studien  zu  widmen.  Da  derselbe  aber  an 
den  beschränkten  Vermögensverhältnissen  scheiterte,  so  wandte  er  sich  dem 
höheren  Subalterndienst  im  Bergwesen  zu,  domizilierte,  seinem  Berufe  folgend, 
nacheinander  in  Wengern,  Bochum,  Berlin,  Dortmund,  Königsborn  und  wieder 
in  Dortmund,  wo  er  seit  1874  als  Oberbergamts-Sekretär  lebte  und  1891 
durch  den  Titel  eines  Rechnungsrats  ausgezeichnet  wurde.  Im  Jahre  1869 
veröffentlichte  er  eine  Sammlung  seiner  »Gedichte«,  in  denen  sich  als  Grund- 
stimmung des  Dichters  eine  leise  Wehmut,  ein  elegisch  verklärter  Pessimis- 
mus kundgibt,  der  aber  weder  zündende  Geistesschärfe  noch  lautere  Natur- 
empfindung  ausschließt. 

Persönliche  Mitteilungen.  Franz  Brummer. 


Peterson.     Zangerle.     Kayser-Langerhannß.  j^c 

Pcterson,  Luise,  Jugendschriftstellerin,  *  am  29.  April  1828  in  Thom, 
f  am  29.  Juni  1902  in  Liegnitz.  —  L.  P.  war  die  jüngste  Tochter  des  Stadtrats 
Fr.  Huhn  in  Thorn,  nach  dessen  frühem  Tode  sie  mit  ihrer  Mutter  nach 
Elbing  übersiedelte,  wo  sie  die  königl.  Elisabethschule  besuchte.  Später  ver- 
brachte sie  mehrere  Jahre  im  Hause  ihrer  Schwester  in  Berlin  und  verheiratete 
sich  nachher  mit  Ed.  Peterson  in  Elbing,  einem  früheren  Gutsbesitzer.  Nach 
dessen  Tode  zog  sie  mit  ihrem  einzigen  Sohne  nach  Königsberg  i.  Pr.,  lebte 
dort  in  literarischen  Kreisen  sehr  angenehm  und  begann  hier  ihre  schrift- 
stellerische Tätigkeit,  indem  sie  zunächst  für  die  gelesensten  Blätter  Beiträge 
lieferte.  Als  ihr  Sohn  sich  in  Leipzig  als  Buchhändler  niedergelassen  hatte, 
siedelte  sie  im  Oktober  1883  dorthin  über  und  gab  unter  dem  Namen  Erna 
Veiten  ihre  ersten  Sammlungen  von  Erzählungen  für  junge  Mädchen,  »Fürs 
Dämmerstündchen«  (1883)  und  »Blau-Blümchen«  (1886)  und  ihre  Familien- 
geschichte »Aus  vergangener  Zeit«  (1887)  heraus.  Gleichzeitig  lenkte  sie  ihre 
schriftstellerische  Tätigkeit  auch  auf  das  praktische  Gebiet  der  Frauenfrage 
hinüber,  und  ihr  Handbuch  »Frau  Loras  Wegweiser  in  Deutschlands  Küche 
und  Haus«  (1886,  5.  Aufl.  1894)  fand  auf  der  internationalen  Kochkunstaus- 
stellung in  Leipzig  auszeichnende  Anerkennung.  Im  Jahre  1889  siedelte 
I^uise  P.  nach  Liegnitz  über,  wo  sie  seitdem  als  Pensionärin  im  Evangel. 
Frauenstift  gelebt  hat,  und  seit  Oktober  1894  das  »Frauendaheim«,  eine  Bei- 
lage der  illustrierten  Zeitschrift,  »Deutsche  Reichspost«,  leitete.  Von  ihren 
sonstigen  Erzählungen,  die  sich  großer  Beliebtheit  erfreuten,  sind  nur  noch 
»Neue  Lebenswege«,     »In  der  Fremde«   1897  im  Buchhandel  erschienen. 

Persönliche  Mitteilungen.  —  Das  literarische  Leipzig,  1898,  S.  112.  —  Sophie  Pataky: 
Lexikon  deutscher  Frauen  der  Feder,  1898;  2.  Band,  S.  126.  Franz  Brummer, 

Zangerle,  Joseph  A.,  Dichter,  *  zu  Steeg  im  Lechtale  in  Tirol  am  19.  März 
1867,  f  17.  April  1902  in  Gries  bei  Bozen.  —  Z.  erhielt  seine  Gymnasial- 
bildung im  Vinzentinum  zu  Brixen  und  ein  halbes  Jahr  hindurch  in  Bozen, 
worauf  er  1884  in  den  Orden  der  Benediktiner  des  Stiftes  Gries  eintrat  und 
im  folgenden  Jahre  dort  Profeß  machte.  Nach  Beendigung  seiner  Studien 
und  erlangter  Priesterweihe  (1890)  wirkte  er  in  der  Seelsorge  in  Afing,  einem 
ganz  einsamen,  aus  zerstreuten  Gehöften  bestehenden  Bergorte  oberhalb  Bozen, 
worauf  er  von  seinen  Obern  als  Lehrer  an  das  Gymnasium  der  Benediktiner 
in  Samen  (Schweiz)  gesandt  wurde.  Hier  veröffentlichte  er  eine  Sammlung 
von  Liedern,  Balladen  und  Romanzen  unter  dem  Titel  »Wellenrauschen«  (1899), 
die  zu  großen  Hoffnungen  auf  weitere  poetische  Leistungen  berechtigte.  Leider 
nötigte  Kränklichkeit  den  Dichter,  sein  Lehramt  aufzugeben  und  ins  Benedik- 
tinerstift Gries  zurückzukehren,  wo  er  bald  darauf  starb. 

Persönliche  Mitteilungen.  —  Dichterstimmen  der  Gegenwart.  Jahrg.  1900,  S.  283  und 
Jahrg.  1902,  Seite  225.  Franz  Brummer. 

Kayser-Langerhannfi,  Agnes,  Dichterin,  *  181 8  auf  Schloß  Heldrungen  in 
Thüringen,  f  am  21.  April  1902  in  Dresden.  —  Sie  war  das  jüngste  von  sieben 
Kindern  des  Proviantmeisters  und  Kriegsrates  Langerhannß  und  kam  mit  der 
Familie  schon  im  ersten  Lebensjahre  nach  Erfurt,  wo  sie  ihre  Kindheit  und  Ju- 
gend verlebte,  bis  zum  12.  Jahre  eine  höhere  Töchterschule  besuchte  und  darauf 
bis  zum  16.  Jahre  häuslichen  Privatunterricht  erhielt.     Eine  mehr  sinnige,  in 

BiogT*  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.    7.  Bd.  lO 


146  Kayscr-Langerhannß.     Kreiten. 

sich  gekehrte  Natur,  entwickelte  sich  frühzeitig  in  ihr  ein  Trieb  zu  poetischer 
Darstellung  ihrer  Gedanken,  und  seit  ihrem  neunten  Jahre  hat  sie,  freilich  ge*jen 
den  Willen  ihrer  Angehörigen,  manches  Gedicht  zutage  gefördert.     Während 
eines  Besuches  in  Schulpforta  lernte  Agnes,   noch  sehr  jung,  den  Sani täts rat 
und   Kreisphysikus   Dr.  Rudolf   Kayser  aus   Naumburg  kennen,   mit   dem    sie 
sich  verlobte  und  bald  darauf  vermählte.     Eine  glückliche  Zeit  ging   ihr  als 
Gattin   dieses   ausgezeichneten   Mannes   auf.     Das   Wirken  für   ihn,   für   seine 
Kranken,  besonders  die  armen,  umfaßte  von  nun  an  ihre  Welt,  und  nur  selten 
fand  sie  eine  Stunde,  um  sich  poetischem  Schaffen  hinzugeben.    So  kam  es,  d;\Ü 
sie  erst  im  47.  Lebensjahre  die  erste  Sammlung  ihrer  »Vermischten  Gedichte 
(1865)  in  die  Öffentlichkeit  gab.     Im  folgenden  Jahre  verlor  sie  ihren  Gatten 
nach   kurzem   Krankenlager   durch   den  Tod,    und  es  schien,  als  wenn  dieser 
Schlag  ihr  ganzes  Lebensglück  völlig  vernichtet  hätte.     Erst  in  Dresden,  wohin 
sie  auf  den  Ruf  ihrer  dort  verheirateten  Schwester  im  Herbst  1866  übersiedelte, 
fand  sie  das  seelische  Gleichgewicht  wieder,  und  die  Kunstschätze  und  land- 
schaftlichen Reize  der  Hauptstadt,  der  Verkehr  mit  teilnehmenden  Verwandten 
und  gebildeten  Menschen  beschleunigten  die  erhoffte  Kräftigung  und  Erholung 
des  Gemüts,  so  daß  sie  wieder  Freude  an  der  Poesie  und  Malerei  fand  und 
der  Einladung   zu   größeren   Reisen   gern  Folge   gab.     So  weilte  sie  zweimal 
(1867   und   1868)  in  Italien,  brachte  einen  ganzen  Winter  in  Rom  und  Neapel 
zu,  bereiste  später  Frankreich,  die  Schweiz  und  Tirol  und  1872  Belgien,  Eng- 
land und  Schottland.     Noch  in  Naumburg  war  ihr  erzählendes  Gedicht  »Das 
friedliche  Tal  im  Kriege  1813«  (1866)  entstanden,    das  sich  einer  allseitigen 
günstigen  Beurteilung  zu  erfreuen  hatte.     Ihm  folgten  die  Novelle  »Waldrose 
(1867),    die    Zeitgedichte    »Bausteine  für  Straßburg«    (187 1)    und    »(iedichte. 
Neue  Folge«  (1872,  5.  Aufl.   1895).      »Letztere    bekunden    ein   ernstes,    edles 
Streben;  sie  sind  aus  innerer  Notwendigkeit  gesungen,  tönen  in  vollen  melo- 
dischen Akkorden  aus,   entzücken   durch   immer  neue   Wendungen   und   ent- 
sprechen auch  den  strengsten  Anforderungen  an  die  äußere  Form.«     Im  Jahre 
i88i    erschien   ihr  Hauptwerk,  ein  episches  Gedicht  in  22  Gesängen,  ^>Odin. 
Nordisch-germanische  Göttersage«,  mit  zahlreichen   Illustrationen  geziert;    es 
trug    ihr    zahlreiche    Anerkennungsschreiben    und    mehrere   Orden    deutscher 
P'ürsten   ein.     Den   Vorstudien,   welche  sie  zu  diesem  Werke  gemacht  hatte, 
entsprang  auch  das  altgermanische  Trauerspiel  »Loki«  (1886),  das  1888  für  die 
Bühne  umgearbeitet  und  dann  in  Würzburg  (1889)  mit  Erfolg  aufgeführt  wurde. 
»Gesammelte  Dichtungen«  (1891 — 95),  die  in  7  Bänden  erschienen,  enthalten 
außer  den  oben  genannten  Arbeiten  noch  das  Schauspiel   »Der  Erfinder«  und 
den  Roman  »Der  versunkene  Garten«. 

Persönliche  Mitteilungen.  —  Sophie  Pataky:  Lexikon  deutscher  Frauen  der  Feder, 
Bd.  I,  S.  415.  —  Hausfrauen-Zeitung.  Wochenschrift  für  Frauen  und  Mädchen.  Jahrg.  18S3, 
S.  68flf.  (Karl  Schrattenthal).  Franz  Brummer. 

Kreiten,  Wilhelm,  Literaturhistoriker  und  Dichter,  *  am  21.  Juni  1847 
in  Gangelt  (Bezirk  Aachen),  f  am  6.  Juni  1902  in  Kirchrath  (Holland).  — 
Nach  den  vorbereitenden  Studien  auf  der  Bürgerschule  seines  Heimatsortes, 
trat  K.,  erst  16  Jahre  alt,  zu  Münster  in  den  Orden  der  Gesellschaft  Jesu  ein, 
nahm  nach  zweijährigem  Noviziat  die  unterbrochenen  klassischen  Studien 
wieder  auf  und  ging  im  Herbst  1867  zum  Beginn  des  Studiums  der  Philosophie 


Kreiten.     Dunker. 


H7 


nach  Maria- Laach,  wurde  aber  bald  von  seinen  Obern  nach  Amiens  in  Frank- 
reich geschickt,  wo  er  fast  zwei  Jahre  verweilte.  Im  Herbst  1869  kehrte  er 
wieder  nach  Maria-Laach  zurück,  mußte  aber  das  Studium  der  Philosophie 
nach  einigen  Monaten  infolge  schwerer  Erkrankung  wieder  unterbrechen.  Im 
folgenden  Jahre  wurde  er  nach  Münster  gesandt,  um  dort  ein  Jahr  lang 
Geschichte  und  Ästhetik  zu  studieren,  und  begann  darauf  in  Maria-Laach  das 
Studium  der  Theologie,  mußte  aber  infolge  des  Jesuitengesetzes  im  Dezember 
1872  Deutschland  verlassen  und  wurde,  da  seine  geschwächte  Gesundheit 
einen  Aufenthalt  in  England  nicht  gestattete,  nach  Aix  in  Südfrankreich  ge- 
sandt, wo  er  1873  die  Priesterweihe  empfing.  Nachdem  er  1874 — 75  in 
Castres  bei  Toulouse  sein  drittes  Probejahr  absolviert,  wurde  er  nach  Lyon 
gesandt,  um  teils  in  der  Seelsorge,  teils  als  Lehrer  am  dortigen  Kollegium 
und  als  Mitarbeiter  an  den  »Stimmen  aus  Maria-Laach«  tätig  zu  sein.  Aus- 
schließlich in  letzterer  Eigenschaft  kam  er  im  Herbst  1876  auf  das  in  der 
Nähe  von  Brüssel  gelegene  Schloß  der  Gräfin  Robiano-Stolberg  zu  Tervueren, 
wo  die  Redaktion  der  genannten  Jesuitenzeitschrift  ein  Unterkommen  gefunden 
hatte.  Hier  war  er  nur  literarisch  tätig  und  brachte  sein  erstes  Werk  »Clemens 
Brentano.  Ein  Lebensbild«  (II,  1877 — 78)  auf  den  Büchermarkt,  dem  er  dann 
später  >Vier  ungedruckte  Briefe  von  Cl.  Brentano«  (1878)  und  eine  Ausgabe 
von  >C1.  Brentanos  Chronika  eines  fahrenden  Schülers«  nach  der  ältesten 
Fassung  (1881)  folgen  ließ.  Seit  dem  Jahre  1879  lebte  K.  in  dem  Kloster 
der  Elisabetherinnen  zu  Kirchrath  in  Holland,  wo  es  ihm  unter  der  liebevollsten 
Pflege  der  Nonnen  noch  eine  Reihe  von  Jahren  möglich  ward,  seiner  Gesund- 
heit und  seiner  literarischen  Tätigkeit  zu  leben.  Von  hier  aus  erschienen  zu- 
nächst seine  »Heimatweisen  aus  der  Fremde«  (1882),  Übertragungen  aus  dem 
Provengalischen,  dessen  Sprache  und  Literatur  K.  während  seines  Aufenthalts 
in  Südfrankreich  gründlich  studiert  hatte.  Später  hat.  er  die  besten  dieser 
>  Heimatweisen«  mit  hinüber  genommen  in  seine  Sammlung  eigener  Gedichte 
-Den  Weg  entlang«  (1888,  8.  Aufl.  1900).  Eine  zweite  Probe  seiner  Über- 
setzerkunst gab  K.  in  seinem  Zyklus  provengalischer  Weihnachtsgedichte 
»Bethlehem«  (1882),  die  den  Pfarrer  Lambert  zum  Verfasser  haben.  Höher  wie 
als  Dichter  steht  K.  als  Literarhistoriker.  Den  Schriften  über  Clemens  Bren- 
tano schließen  sich  in  würdiger  Weise  an:  »Leben  der  Annette  Droste-Hülshoff« 
(1886,  2.  Aufl.  1899),  das  »Leben  Moli^res«  (1887,  2.  Aufl.  1897)  und  »Leberecht 
Dreves.  Ein  Lebensbild«  (1897),  ferner  die  Ausgabe  von  »J.  B.  Diels  nach- 
gelassenen Schriften«  (II,  1883,  3.  Aufl.  1897)  und  von  den  »Gesammelten 
Dichtungen  der  Annette  von  Droste-Hülshoff«  (IV,  1883 — 86).  Nach  seinem 
Tode  erschien  von  K.  noch  eine  Sammlung  von  Aphorismen  unter  dem  Titel 
Splitter  und  Späne  aus  eigener  und  fremder  W^erkstatt«  (1903). 

Heinrich  Freimiith:  Aachens  Dichter  und  Prosaisten.  Eine  Anthologie,  i.  Bd,  1882, 
S.  195.  —  Dichlerstimmen  der  Gegenwart.  Jahrg.  1900,  S.  9  und  Jahrg.  1902,  S.  381.  — 
Adolf  Hinrichsen:  Das  literarische  Deutschland,   1891,  S.  747.  Franz  Brummer. 

Dunker^  Wilhelm,  Buchhändler,  Redakteur,  Philologe  und  Dichter,  *  am 
25.  Dezember  1829  in  Hasselfelde  am  Harz,  f  am  3.  Dezember  1902  in 
Stettin.  —  D.  verlor  seinen  Vater,  einen  braunschweigischen  Steuerbeamten, 
in  früher  Kindheit  und  kam  dann  mit  der  Mutter  nach  Braunschweig,  wo  er 
seine  Ausbildung  auf  der  Realschule  erhielt  und  dann  mit  15  Jahren  als  Lehr- 


1^8  Dunker.     Arendt(-Morgenstem). 

ling  in  die  Westermannsche  Buchdruckerei  eintrat.  In  den  letzten  Jahren 
seiner  Lehrzeit  war  er  fast  ausschließlich  als  Korrektor  tätig  und  beschäftigte 
sich  in  seinen  Mußestunden  eifrig  mit  der  Vervollkommnung  in  der  englischen 
und  französischen  Sprache  und  mit  dem  Studium  des  Lateinischen.  Nach 
beendeter  Lehrzeit  (1850)  fand  er  in  Düsseldorf  in  einer  Druckerei  Stellung, 
aber  schon  nach  Jahresfrist  gab  er  dieselbe  auf,  um  seinen  Plan,  die  neueren 
Sprachen  gründlich  kennen  zu  lernen,  zur  Ausführung  zu  bringen.  Er  ging 
zunächst  nach  Paris,  wo  es  ihm  mit  Hilfe  seines  Freundes,  des  bekannten 
Komponisten  Goldbeck,  und  auf  Empfehlung  von  Alexander  Dumas  pdre 
bald  gelang,  eine  ihm  zusagende  Stellung  zu  finden.  Nachdem  er  dritteinhalb 
Jahre  in  Paris  und  ein  halbes  Jahr  in  Fontainebleau  zugebracht,  wandte  er 
sich  nach  London,  wohin  ihm  sein  Freund  Goldbeck  schon  vorangegangen 
war.  Hier  war  er  anfangs  als  Korrektor  in  einer  Druckerei  tätig,  fand  aber 
bald  eine  ihm  mehr  zusagende  Stellung  als  Lehrer  des  Deutschen  und  Fran- 
zösischen an  einer  Methodistenschule  in  Stuttengrove.  Trotz  eines  glänzenden 
Angebots,  das  ihm  der  Leiter  dieser  Schule  machte,  gab  er  diese  Stellung 
im  Winter  1855  auf  und  kehrte  zu  seiner  Mutter  nach  Braunschweig  zurück, 
wo  er  durch  Erteilung  von  fremdsprachlichem  Unterricht  sein  Brot  zu  ver- 
dienen suchte.  Aber  schon  im  folgenden  Jahre  siedelte  er  auf  Veranlassung 
eines  Freundes  nach  Stettin  über,  und  hier  hat  er  denn  auch  seinen  Wohnsitz 
festgehalten.  Zunächst  als  Korrektor  in  einer  Druckerei  und  als  Privatlehrer 
für  Englisch  und  Französisch  tätig,  übernahm  er  1850  die  Redaktion  der 
»Pommerschen  Zeitung«,  gründete  1860  selbst  eine  Zeitung,  die  » Oderzeitung ^s 
die  er  10  Jahre  lang  erscheinen  ließ,  und  rief  1878  die  »Deutsche  Fischerei- 
zeitung« ins  Leben,  die  noch  heute  als  das  bedeutendste  Blatt  auf  diesem 
Gebiete  gilt.  Inzwischen  war  D.  1861  Teilhaber  der  Druckerei  Herrcke  und 
Lebeling  in  Stettin  geworden,  und  seitdem  hat  er  durch  emsigen  Fleiß  sein 
Geschäft  zu  vollster  Blüte  erhoben  und  der  Druckerei  einen  angesehenen 
Verlag  hinzugefügt.  Als  Schriftsteller  hat  sich  D.  zuerst  auf  schönwissen- 
schaftlichem Gebiet  bewegt  durch  Veröffentlichung  der  Dramen  »Der  Prinz 
von  Tarent«  (1857),  »Michelangelo«  (1859),  »Der  Herr  des  Königs«  (1860), 
»Salomon  de  Gaus«  (1881)  und  einer  Gedichtsammlung  »Lieder  ohne  Weisen« 
(1859).  Dann  wandte  er  seine  Tätigkeit  der  Sprachwissenschaft  zu.  Er  gab 
mit  Wilhelm  Ulrich  das  »Englisch-deutsche  Konversations- Wörterbuch«  heraus, 
dem  er  seine  Gesprächs-  und  Wiederholungsgrammatiken  (»Methode  Dunker- 
Bell«  für  die  englische,  »Methode  Dunker-Weil«  für  die  französische  Sprache) 
folgen  ließ,  womit  er  dem  Selbstunterricht  eine  bisher  nie  betretene  Bahn 
eröffnete.  An  seinem  70.  Geburtstage  überraschten  ihn  seine  Töchter  mit 
einer  als  Manuskript  gedruckten  Auswahl  aus  seinen  Gedichten,  der  sie  den 
Titel  »Aus  der  Jugendzeit«  (1899)  gegeben  hatten. 

Nach  Mitteilungen  aus  der  Familie.  Franz  Brummer. 

Arendt(-Morgenstern),  Olga,  Dichterin  und  Jugendschriftstellerin,  •  in 
Berlin  am  19.  November  1859,  f  ebendaselbst  am  29.  Mai  1902.  —  O.  A.  war 
die  Tochter  eines  Kaufmanns,  und  ihre  Mutter  ist  die  über  die  Frauenwelt 
hinaus  bekannte  Schriftstellerin  und  Führerin  in  der  Frauenbewegung,  Lina 
Morgenstern.  Olga  war  ein  zartes,  sich  aber  schnell  geistig  und  körperlich 
entwickelndes  Kind;  die  Fröbelschen  Spielbeschäftigungen  und  Anschauungs- 


Arendt(-Morgen5tern).     GreiL  Ijo 

mittel  im  Kindergarten  weckten  ihren  Tätigkeitstrieb,  ihre  Schaffenslust  und 
den  Sinn  für  Formenschönheit.     Nachdem  sie  vom  7.  bis  16.  Jahre  die  Busse- 
sche höhere  Töchterschule  besucht  hatte,  trat  sie  mit  dem  schon  lange  ge- 
hegten Wunsch  hervor,  sich  der  Bühne  widmen  zu  dürfen,  doch  scheiterte 
die  Erfüllung  desselben  an  dem  entschiedenen  Widerspruch  des  Vaters.     Sie 
besuchte  daher,   um  sich   in   anderer  Weise  nützlich  zu  machen,  zwei  Jahre 
lang  das  Seminar  zur  Ausbildung  von  Kindergärtnerinnen   und  leitete  nach 
bestandener  Prüfung  einen   ihr  von   der  Mutter  eingerichteten  Kindergarten 
mit  großer  Freude  und  reichem  Erfolge.     Indessen  war  der  Wunsch,   Schau- 
spielerin zu  werden,  dadurch  niemals  erstickt  worden,  und  schließlich  erreichte 
sie  es,  bei   der  Frieb-Blumauer  dramatischen  Unterricht  nehmen  zu   dürfen. 
Nach  drei   Jahren   unterzog  sie  sich   einer  Prüfung  durch   den  Generalinten- 
danten von  Hülsen,  und  dieser  empfahl  sie  dem  Hoftheater  in  Koburg-Gotha 
als  erste   Liebhaberin.     Um   diese  Zeit  hatte  der  Vater  durch  übernommene 
Garantien   sein  Vermögen  verloren,   und  da  die  Kinder  nun  genötigt  waren, 
sich  auf  eigene  Füße  zu  stellen,  so  gab  er  auch  seine  Einwilligung,  daß  Olga 
das  Engagement  annahm.     Indessen  gab  es  im  Bühnenleben  doch  so  vielerlei, 
das  dem  jungen,  für  die  Kunst  begeisterten  Mädchen  nicht  zusagte,  und  so 
kehrte  sie  nach  zwei  Jahren  der  Bühne  den  Rücken,  um  hinfort  als  dramatische 
Lehrerin,    als  Vortragskünstlerin    und   Dichterin    tätig  zu   sein,    zu    welchem 
Zwecke  sie  auch  noch  ein  halbes  Jahr  lang  Schülerin  von  Josef  Lewinsky  in 
Wien  wurde.     Für  ihre  Schülerinnen  schrieb  sie  »Für  gesellige  Kreise.     Samm- 
lung  ernster    und    heiterer    Deklamationsstücke    nebst    einem    Anhang    von 
Gelegenheitsgedichten«   (1888,   2.  Aufl.  1897),    ferner    »Ein  Freundschaftstag« 
(Lustspiel,    1894)    und    »Dramatisiertes    Märchenbilderbuch«    (1891).      Diese 
Märchen  führte  sie  auch  in  Breslau  und  im  Hamburger  Stadttheater  auf  und 
sie  sprach  selbst  den  verbindenden  Text  zu  den   lebenden  Bildern;   als  Vor- 
tragskünstlerin  machte    sie    Turneen    in    den    Städten    der   Provinzen  Posen 
und  Schlesien,  in   Mecklenburg  u.  a.  m.      Im  Jahre    1893    verheiratete    sich 
Olga  mit  dem  Reichstags-  und  Landtagsabgeordneten  Dr.  Otto  Arendt,   und 
von  nun   an   standen  bei  ihr  die  Pflichten   als  Gattin  und  als  Mutter  dreier 
Kinder  in   erster  Reihe.     Nach   der  Geburt  des  dritten  Kindes  erkrankte  sie 
an  der  Nierenwassersucht,  und  nun  folgte  ein  Krankenlager  von  dreieinhalb 
Jahren,   das   ihr  wohl   Schmerzen   die  Fülle  brachte,  aber  ihren   Geist  doch 
nicht  zu  ermüden  vermochte.     Im  Krankenbett  schrieb   sie  die  Kinderschrift 
»Ullas  Kindheit«  (hrsg.  von  ihrer  Mutter  1903),  worin  sie  ihr  eigenes  Leben 
bis  zum  8.  Jahre  schilderte,  sowie  andere  Erzählungen  und  Märchen,  die  noch 
der  Veröffentlichung  harren.     Bereits  im  Jahre  1893  hatte  Olga  im  Andenken 
an  eine  geliebte  verstorbene  Schwester  ihre  Erzählung  »Die  Sylvesternacht« 
herausgegeben;  nach  ihrem  Tode  veranstaltete  ihre  Mutter   eine  Sammlung 
ihrer  »Gedichte«  (1902),  unter  denen  besonders  ihre  Burenlieder  von  großer 
Wirkung  sind. 

Nach  Mitteilungen  aus  der  Familie.  —  Sophie  Pataky:  Lexikon  deutscher  Frauen  der 
Feder,  i.  Bd.,  Seite  16.  Franz  Brummer. 

Greil,  Alois,  Genremaler  und  Graphiker,  ♦  27.  März  1841  in  Linz, 
t  12.  Oktober  1902  in  Wien.  —  G.  studierte  von  1858 — 62  an  der  Akademie 
in  Wien  in  der  Spezialschule  des  Direktors  Christian  Rüben,  hielt  sich  mehr- 


ICQ  Grell.     Marshall. 

fach  in  Süddeutschland  und  Oberösterreich  auf  und  war  seit  1873  in  Wien 
tätig,  wo  er  durch  Illustrationen  und  Genrebilder  aus  dem  österreichischen 
Volks-  und  Bauernleben  sehr  bekannt  wurde.  Er  befaßte  sich  hauptsächlich  mit 
Aquarellmalerei.  Das  kunsthistorische  Museum  in  Wien  besitzt  von  ihm  die 
Aquarelle:  »Der  vermeintliche  Spion«,  » Mordgeschichten '<,  1874,  »Komödi- 
anten auf  der  Reise«,  »An  der  schönen  blauen  Donau«,  »Husaren  reiten  in  ein 
schwäbisches  Dorf  ein«  1877,  »Studentenpredigt  in  Gmunden«  1871,  »Schlacht 
bei  Gmunden  im  oberösterreichischen  Bauernkrieg«,  »Kinzug  Kaiser  Maximilians 
in  Gent«  1880,  »Buttler-Dragoner  auf  Vorposten«.  —  Von  ihm  stammen  u.  a. 
die  Illustrationen  zu  der  Prachtausgabe  von  Roseggers  »Ausgewählten  Werken  , 
ferner  zu  dem  Kpos  »Erwin«  von  Landsteiner.  Im  Kabinet  der  Handzeich- 
nungen zu  Dresden  ist  eine  Zeichnung  »Der  Wunderdoktor«. 

Literatur:  Deutsch-Ostcrr.  Künstler-  und  Schriftsteller-Lexikon,  hrsg.  v.  H.  C.  Koscl. 
redigiert  von  P.  G.  Rhcinhardt.  1902.  —  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903.  — -  Kun^t- 
chronik  XIV.  —  Kunst  für  Alle  XIII.  —  Chroniquc  des  Avis  ci  de  la  Curiositc  1902.  — 
Boetlicher,  Malerwerke  des   19.  Jahrhunderts,   1895 — 1901.  Hugo   Sc  hm  erber. 

Marshall,  James,  Professor,  Maler,  *  1838  in  Amsterdam,  f  18.  Juli  1902 
in  Leipzig.  —  M.  kam  als  Kind  nach  Weimar  und  empfing  hier  seine  erste 
Ausbildung  in  der  Malerei  durch  Preller.  Im  Jahre  1856  ging  er  nach  Ant- 
werpen, um  dort  bei  N.  de  Keyser  weiter  zu  studieren,  später  begab  er  sich  nach 
Paris  und  kehrte  schließlich  nach  Weimar  zurück,  wo  Preller  und  Genelli  auf 
seine  künstlerische  Entwicklung  Einfluß  nahmen.  Zu  Genelli  trat  er  in  ein 
Freundschaftsverhältnis;  die  Nationalgalerie  in  Berlin  besitzt  ein  Porträt 
Genellis  von  der  Hand  Marshalls,  aus  dem  Jahre  1860  stammend.  1876 
wurde  er  als  Lehrer  an  die  Kunstanstalt  zu  Breslau  berufen,  sein  unstätes, 
phantastisches  Wesen  war  jedoch  dem  Amt  eines  Lehrers  nicht  günstig,  so 
daß  er  nach  kurzer  Tätigkeit  an  der  Anstalt  die  Stelle  niederlegte  und  nach 
Leipzig  ging.  In  seinen  Werken  spricht  sich  die  Neigung  seiner  Phantasie 
zum  Dämonischen  und  Phantastischen  deutlich  aus,  die  in  seinen  späteren 
Jahren  immer  mehr,  hervortrat;  mit  Vorliebe  behandelte  er  mythologische 
und  sagenhafte  Stoffe.  In  der  Schackgalerie  in  München  befindet  sich  von 
ihm  das  Bild  »Tartinis  Traum  oder  die  Teufelssonate«,  1868  (der  Teufel 
spielt  dem  jungen  Klosterschüler  sein  höllisches  Stück  vor).  Andere  Bilder 
sind:  »Bacchuszug«,  »Der  Teufel  bei  seiner  Großmutter«,  »Ahasver,  Christus 
von  seiner  Tür  weisend«,  »Don  Juans  Ende«,  »Christi  Versuchung«  u.  a.  Für 
das  neue  Dresdener  Hoftheater  malte  der  Künstler  das  Deckengemälde  im 
Zuschauerraum  und  den  Fries  über  dem  Proszenium.  Das  erstere  zeigt  vier 
ovale  Felder  mit  den  auf  Goldgrund  ausgeführten  Gestalten  der  Muse  Griechen- 
lands, Deutschlands,  Englands  und  Frankreichs  und  vier  Medaillons  mit  je 
zwei  Porträts,  Sophokles-Euripidcs,  Goethe-Schiller,  Moli^re-Goldoni,  Shakes- 
peare-Calderon,  daneben  kleinere  P'elder  mit  allegorischen  Kindergruppen. 
Der  Fries  stellt  in  der  Mitte  die  Gestalt  der  poetischen  Gerechtigkeit  mit 
Wage  und  Lyra  dar,  vor  ihr  Konios  und  eine  Furie,  daneben  die  Hauptge- 
stalten der  dramatischen  Dichtung.  Auch  in  der  Albrechtsburg  bei  Meißen 
malte  Marshall  Wandgemälde  in  Wachsfarben,  welche  Szenen  aus  dem  Leben 
des  Kurfürsten  Moritz  von  Sachsen  darstellen:  »Die  Beratung  der  sächsischen 
Theologen    über   das    Leipziger   Interim    im   Jahre    1548«,    und    >'Die    letzten 


Marshall.     Dahl.     Wörndle  von  Adelsfried. 


X5I 


Augenblicke  des  Kurfürsten  auf  dem  Schlachtfelde  von  Sievershausen  im  Jahre 
1553''-  1^^*»  Museum  Weimar  besitzt  eine  Zeichnung  des  Künstlers  mit  der 
Darstellung  einer  Landschaft. 

Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903.  —  Kunstchronik  XIII.  --  Chronique  des  Avis  et  de 
la  Curiosiic  1902.  -  Boetticher,  Malenverkc  des  19.  Jahrhunderts,  1895 —1901.  —  Kunst 
für  Alle  XVII.  —  H.  W.  Singer,  Allgemeines  Künstler-Lexikon,   1895. 

Hugo  Schmerber. 

Dahl,  Johannes  Siegwald,  Tier-  und  Landschaftsmaler,  *  16.  Aug.  1827 
in  Dresden,  f  15.  Juni  1902  daselbst.  —  D.  war  der  Sohn  des  norwegischen 
Landschaftsmalers  Christian  Claußcn  Dahl,  der  18 18  nach  Dresden  zog,  wo 
er  neben  Ludwig  Richter  Professor  an  der  Akademie  wurde,  der  auch  in 
seiner  Selbstbiographie  über  den  großen  Erfolg  des  nordischen  Künstlers  be- 
richtet. Der  alte  Dahl  erteilte  seinem  Sohne  den  ersten  Unterricht,  .später 
wurde  Siegwald  Schüler  des  Tiermalers  Joh.  Fr.  W.  VVegener  und  besuchte 
von  1843  45  die  Dresdener  Akademie.  Im  Jahre  185 1  ging  er  nach  London, 
um  die  Tierbilder  Edwin  Landseers  zu  studieren,  dann  nach  Paris.  In  seinen 
Landschaften  verwendete  er  gleich  seinem  Vater  häufig  Motive  aus  Norwegen. 
Die  Galerie  in  Dresden  besitzt  zwei  Bilder  von  ihm:  »Der  P^ehlschuß«  1861 
und  > Fähre  in  Telemark en  in  Norwegen«,  1863.  Im  Museum  zu  Hannover 
befindet  sich  ein  Bild    AVilde  Enten  vom  Fuchs  überfallen«. 

Liter.itur:  Kunst  für  Alle  1901 — 02.  —  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903.  — 
Kunstchronik  XIII,  n.  F.  —  Chronique  des  Arts  et  de  la  Curiosiic  1902.  —  Boetticher, 
Malerwerke  des  19.  Jahrhunderts,  1895 — 1901.  —  H.  W.  Singer,  Allgemeines  Künstler- 
I,exikon,  1S95.  Hugo  Schmerber. 

Wörndle  von  Adelsfried,  August,  Historienmaler,  Professor,  *  22.  Juni  1829 
zu  Wien,  f  27.  April  1902  daselbst.  —  W.  besuchte  die  Akademie  in  Wien  unter 
F'ührich  und  arbeitete  1853 — 59  in  Rom  unter  Cornelius.  Im  Jahre  186 1  wurde 
ihm  die  Aufgabe  zuteil,  die  Leitung  bei  der  Restaurierung  der  Fresken  in  der 
Kapelle  des  Schlosses  Ambras  in  Tirol  zu  übernehmen  und  eine  Reihe  neuer 
Wandgemälde  in  der  Kapelle  zu  schaffen;  von  ihm  stammen  die  Fresken  an 
den  Seitenwänden  der  Kapelle,  welche  Szenen  aus  dem  Leben  Jesu  darstellen. 
In  Inn.sbruck  malte  er  auch  die  Fresken  in  den  Arkaden  des  Stadtfriedhofes, 
die  Leidensstationen  Christi.  Von  1868  an  blieb  er  dauernd  in  Wien,  1872 
wurde  er  zum  Professor  an  der  kais.  Theresianischen  Akademie  ernannt.  In 
Wien  schuf  er  mehrere  Fresken  und  Kartons  zu  Glasfenstern  für  die  Votiv- 
kirchc,  meist  nach  F'ntwürfen  von  Führich :  an  den  Wandflächen  unter  den 
Chorfenstern  die  Geschichte  der  Arche  Noah  in  sieben  Bildern  und  die  Glas- 
fenster im  hohen  Chor:  Berufung  Petri,  Predigt  Christi  vom  Schiffe  Petri, 
Schlüsselübergabe,  Befreiung  Petri  aus  dem  Kerker,  Kreuzigung  Petri.  Im 
Dom  zu  Salzburg  befinden  sich  gleichfalls  Glasgemälde  nach  seinen  Ent- 
würfen. Unter  seinen  Tafelbildern  seien  erwähnt:  »Der  Zug  der  hl.  drei 
Könige  durch  die  Wüste«,  im  kunsthistorischen  Museum  in  Wien;  ferner 
/•Jakob  und  Rahel  am  Brunnen«,  »Hannibals  Zug  über  die  Alpen«,  »Graf 
Krnst  Rüdiger  von  Starhemberg  auf  der  Schanze«.  In  der  Auffassung  seiner 
religiösen  und  profanen  Historienbilder  steht  W.  ganz  unter  dem  Einfluß 
seiner  Meister;  idealistische  Auffassung  und  sorgfältige  Durchführung  bilden 
die    charakteristischen   Merkmale    seiner  Werke.     Er  war  Mitglied   der  k.  k. 


IC2  Wömdle  von  Adelsfried,     von  Berger. 

Centralkommission  zur  Erforschung  und  Erhaltung  der  Kunst-  und  historischen 

Denkmale. 

Literatur:  L.  Hevesi,  Österreichische  Kunst  im  19.  Jahrhundert,  1903.  —  Jahrbuch 
der  bildenden  Kunst  1903.  —  Chronique  des  Aris  et  de  lo  Curiosiü  1902.  —  Kunst  für 
Alle  XVII.  —  Boetticher,  Maler^'erke  des  19.  Jahrhunderts  1895  —  J901.  —  H.  W.  Singer, 
Allgemeines  Künstlerlexikon,  1895.  —  Das  geistige  Deutschland  am  Ende  des  19.  Jahrh. 
I.  Bd.,  Bildende  Künstler  1898.  Hugo  Schmerber. 

Berger,  Julius  Viktor  von,  Maler,  *  10.  Juli  1850  zu  Neutitschein, 
f  17.  Nov.  1902  in  Wien.  —  B.  war  seit  1864  Schüler  der  Wiener  Aka- 
demie, speziell  unter  Ed.  von  Engerth.  Im  Jahre  1874  erhielt  er  den 
Rompreis  und  blieb  drei  Jahre  lang  in  Italien,  besonders  in  Rom  und  in 
Venedig,  wo  seine  Neigung  zur  dekorativen  Monumentalmalerei  durch  die 
Anregung,  welche  Tiepolo  und  Veronese  boten,  verstärkt  wurde.  Während 
dieser  Zeit  entstanden  mancherlei  dekorative  Malereien,  Entwürfe  zu  Zimmer- 
dekorationen und  Deckengemälden.  In  der  damals  herrschenden  Makart- 
Stimmung  erregte  seine  frische,  helle  Farbe  und  elegante  dekorative  Zeich- 
nung vielen  Beifall,  besonders  beliebt  waren  die  kleinen  allegorischen  Dar- 
stellungen, leichte  Aquarelle  und  zierliche  Federzeichnungen;  seine  zahlreichen 
Festblätter,  Programme,  Ehrenbriefe  u.  a.  wurden  viel  begehrt.  Im  Jahre  188 1 
erhielt  er  den  Ruf  als  Professor  an  die  Kunstgewerbeschule  des  österr. 
Museums  für  Kunst-  und  Industrie,  im  Jahre  1887  wurde  er  Professor  an  der 
allgemeinen  Malerschule  der  Kunstakademie  in  Wien.  Die  Entwürfe  für  den 
Festsaal  des  Justizpalastes  in  Wien,  welche  er  1880  machte,  befinden  sich 
jetzt  in  der  Galerie  der  Akademie.  Das  Deckenbild  stellt  den  Triumph  der 
Tugend  über  das  Laster  dar.  Die  Tugend,  eine  weibliche  Gestalt,  einen 
Spiegel  in  der  Rechten  haltend,  schwebt  auf  einer  lichten  Wolke  empor, 
unter  ihr  stürzen  die  Dämonen  des  Lasters  in  den  Abgrund,  verscheucht  von 
dem  Gorgonenschilde,  welchen  die  Begleiterin  der  Tugend,  eine  geflügelte 
Gestalt  in  gelbem  Mantel,  ihnen  entgegenhält.  Der  Genius  zur  Linken  der 
Tugend  weist  auf  das  aufgeschlagene  Gesetzbuch  hin,  das  er  im  Arme  hält. 
Die  beiden  Lunetten  stellen  das  Strafrecht  und  den  Rechtsschutz  der  Waisen 
dar:  Die  Justitia  thront  vor  zwei  rot  drapierten  Säulen,  das  Haupt  nach  rechts 
dem  aufgeschlagenen  Buche  zugewendet,  welches  ein  kniender  Knabe  im 
Schoß  hält,  und  bricht  über  dem  vor  ihr  niedergebeugten  V^erbrecher  den 
Stab.  -  Auf  der  zweiten  Lunette  tront  die  Justitia  vor  einer  mit  Pilastern 
und  Blumen  geschmückten  Flachnische  und  reicht  dem  Kinde  freundlich  die 
Hand,  welches  auf  den  Stufen  kniet,  links  nahen,  Hilfe  flehend,  zwei  andre 
Kinder,  begleitet  von  einem  Mädchen  in  Trauerkleidern. 

Am  bekanntesten  ist  sein  großes  Deckengemälde  im  Goldsaal  des  kunst- 
historischen Museums  in  Wien,  zu  welchem  ihm  Hasenauer  den  Auftrag  vermit- 
telte: >'Die  Mäcene  der  bildenden  Künste  im  Hause  Habsburg«.  Auf  einer  Terrasse 
und  auf  den  hinanführenden  Stufen  sind  die  kunstliebenden  Herrscher,  von  den 
Gruppen  ihrerKünstler  umgeben, in  leicht  symmetrischer  Anordnung  versammelt; 
in  der  Mitte  sitzt  unter  einem  säulengcschmückten  Throne  Maximilian  IL,  neben 
ihm  steht  Dürer,  links  sind  die  Gruppen  Kaiser  Karls  V.,  Erzherzogs  Franz 
von  Tirol  und  Kaiser  Rudolfs  IL,  rechts  diejenigen  Kaiser  Karls  VI.,  Erz- 
herzogs Albrecht  VII.  und  Erzherzogs  Leopold  Wilhelm.  Die  dekorative 
Wirkung  ist  durch  eine  matte  Farbengebung   beeinträchtigt;  das  Bild  wirkt 


von  Berger.     Beckmann.  jc^ 

mehr  durch  die  elegante  Zeichnung.  Andre  Gemälde  des  Künstlers  sind  »Die 
Taufe  Borivojs«,  »Kaiser  Rudolf  II.  und  Kepler«;  im  kunsthistorischen  Mu- 
seum zu  Wien  befindet  sich  ein  Aquarell,  »Hymensaltar«,  von  1881.  Dem 
Eindringen  moderner  Tendenzen  in  der  Malerei  vermochte  Berger  nicht  zu 
folgen,  sondern  er  geriet  immer  mehr  in  einen  altmeisterlichen  Stil  hinein, 
der  in  sorgfältiger  Detail-Ausführung  die  Hauptsache  sah. 

Boetticher,  Malcrwerke  des  19.  Jahrh.,  1895 — 1901.  —  Kunstchronik  XIV.  —  Chro- 
nique  des  Aris  et  de  la  CuriosUe  1902.  —  L.  Eisenberg,  Das  geistige  Wien,  1893.  — 
Kunst  und  Kunsthandwerk  1902.  —  Ludwig  Hevesi,  Österreichische  Kunst  im  19.  Jahrh., 
1903.  —  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903.  —  Kunst  für  Alle  XVIII.  VIII.  —  H.  W. 
Singer,  Allgemeines  Künstler-Lexikon,   1895.  Hugo  Schmerber. 

Beckmann,  Konrad,  Genremaler,  *  21.  Juni  1846  zu  Hannover,  f  3.  Januar 
1902  zu  München.  —  Sohn  eines  Buchdruckers,  war  B.  erst  zum  Dekorations- 
maler bestimmt  und  in  vierjähriger  Lehrzeit  in  diesem  Fach  tätig,  bis  seine 
Begabung  erkannt  und  die  Maler  TAllemand  und  Klemme  ihn  in  die  rich- 
tigen Bahnen  brachten.  Pilotys  Name  zog  ihn  nach  München,  wo  sein  kolo- 
ristisches Talent  zur  weiteren  Reife  gelangte.  Daneben  zeichnete  B.  für  die 
^Fliegenden  Blätter«  und  die  »Münchener  Bilderbogen«,  die  »Gartenlaube« 
und  andere  illustrierte  Zeitschriften.  Durchschlagenden  Erfolg  errang  sein 
figurenreiches,  fröhliches  Ölbild  »Der  Schützenkönig«  (1876),  welches  schließ- 
lich nach  Philadelphia  gelangte.  Nach  Ableistung  seiner  Militärpflicht  (1870/71) 
begann  B.  die  Illustration  von  Fritz  Reuters  Schriften,  wozu  allmählig  dreißig 
große  Kartonzeichnungen  entstanden,  welche  bei  Fr.  Bruckmann  zu  München 
als  eigene  »Fritz  Reuter-Galerie«  in  prächtiger  Ausgabe  in  Großquart  und 
Kabinet-Format  erschienen.  Es  gelang  dem  Künstler,  zu  den  äußerst  phili- 
steriös-liebenswürdigen  Charakteren  ganz  äquivalente  Gestalten  zu  finden  und 
zu  schaffen,  die  seitdem  mit  den  Schöpfungen  des  Dichters  typisch  geworden 
sind.  Daraus  löste  sich  wieder  ein  eigener  Cyklus  von  zwölf  Blättern  »Ut 
mine  Stromtid«,  während  andere  Bilder  »Ut  de  Franzosentid«,  »Kein  Hüsung«, 
»Dörchläuchting«,  »De  Reis  nach  Belligen«,  »Hanne  Nute«  und  auch  die 
»Läuschen  un  Rimels«  verkörpern.  —  Im  Auftrage  des  Fürsten  Otto  zu  Stol- 
berg-Wernigerode  entstanden  1883  fünf  Bilder  aus  der  Geschichte  dieser  Familie 
für  den  Festsaal  des  Schlosses  Wernigerode.  Auch  eine  anmutende  Reihen- 
folge für  die  Kemenate  der  Villa  Solms  (Dr.  Berthold)  in  Hannover.  Außer 
vielen  Bildnissen  malte  B.  allerlei  heitere  Genrestücke,  in  welchen  häufig  die 
feine  Laune  des  Künstlers  zur  Geltung  kam.  Dazu  gehören  »Der  politische 
Schneider«,  der  über  dem  Lesen  der  Zeitung  das  Nähen  des  deutschen  Banners 
vergißt,  der  »Dorfpoet«  und  »Liebesbrief«,  das  an  Ludwig  Knaus  erinnernde 
»Ländliche  Fest«  (1876),  der  »Onkel  als  Brautführer«,  das  »Feierabend- 
vergnügen« eines  auf  seiner  Hobelbank  ermüdet  eingeschlafenen  Schreiner- 
lehrlings und  viele  andere  dieser  Art,  welche  der  Mehrzahl  nach  durch  Bruck- 
manns  Verlag  in  photographischer  Reproduktion  den  Namen  des  Malers  in 
die  weite  Welt  brachten.  Schließlich  zeichnete  B.  noch  die  Illustrationen  zu 
Charles  Dickens  »Heimchen  auf  dem  Herd«,  Lpz.  bei  A.  Dietze.  4°.  Der 
größte  Teil  seiner  Zeichnungen  kam  im  April  1902  in  den  Kunstverein  und 
fand  schnell  bereitwillige  Käufer. 

Vgl.  Singer  1895  I,  90.  Fr.  y.  Bötticher  1895  I,  64.  Das  geistige  Deutschland  1S98 
8.35!.     Morgenblatt  der  »AUg.  Ztg.«  10.  Januar  1902.  Hyac,   Holland. 


154  ^'^^  Boyen. 

Boyen,  Oskar  von,  Historienmaler,  *  20.  August  1824  in  Königsberg, 
t  6.  August  1902  zu  Nieder-Pöcking  am  Stambergersce  bei  München.  —  B. 
war  eine  mit  eminenter  Begabung  reich  veranhigte  künstlerische  Natur,  welche 
jedoch  durch  verschiedene  Einflüsse  nie  zum  ausgereiften,  völligen  Abschluß 
von  Wollen  und  Schaffen  gelangte.  Einer  alten  preußischen  Adelsfamilie 
entstammend  und  von  seiner  frühesten  Jugend  der  Kunst  zugeneigt,  erhielt 
er  leider  nicht  die  väterliche  Zustimmung,  sich  der  Malerei  zu  widmen.  Sehr 
jung  verheiratet  und  als  Gutsbesitzer  in  der  Landwirtschaft  tätig,  verzichtete 
er  schließlich,  da  er  kinderlos  verblieb,  auf  die  eigene  Bewirtschaftung  der 
Güter  und  übersiedelte  mit  seiner  Gattin  nach  München,  um  im  Alter  von 
dreißig  Jahren  nachträglich  der  Kunstpflege  zu  leben.  Hier  wendete  sich  B. 
an  den  durch  strenge  Formgebung  bekannten  Akademieprofessor  Alexander 
Strähuber,  der  seinen  Schüler  den  hohen  Weg  in  der  Kunst  führen  und  für 
religiöse  Malerei  gewinnen  wollte;  so  entstand  eine  >^ Madonna«  im  altitalischcn 
Stile,  die  1858  im  Glaspalast  und  in  Berlin  zur  Ausstellung  gelangte  und 
dann  in  Wien  einen  Käufer  fand.  Nach  mancherlei  Konflikten  ging  B.  seine 
eigenen  Wege,  und  malte,  seiner  Neigung  für  griechische  Mythologie  folgend  (wie 
auch  die  alten  Klassiker  seine  Lieblingslektüre  bildeten),  einen  Prometheus, 
verschiedene  Neptunbilder,  Nymphen  und  eine  Reihe  ähnlicher  Stoffe,  da- 
runter auch  das  phäakische  Königstöchterlcin  Nausikaa,  die  »aus  Anlaß  großer 
Wäsche«  mit  ihren  (bespielen  den  alten  schiffbrüchigen  Odysseus  findet,  eben- 
so eine  von  Meergöttern  in  einer  Muschel  über  das  Meer  getragene  »Gala- 
thea«,  die  in  Wien  in  feste  Hände  kamen.  Auch  der  von  den  Erinnyen  ver- 
folgte »Orest«,  die  phantastische  »Walpurgisnacht«  nach  Goethes  >'Faust«,  die 
»Nomen«,  eine  Puttengruppc  mit  riesigen  Fischungeheuern,  beschäftigten  seinen 
unermüdlich  nach  neuen  Stoffen  hastenden  Geist,  welcher  im  Gebiete  der 
Komposition  nach  der  strengen  Zeichnung  eines  Cornelius  und  Genelli  strebte, 
im  Kolorit  aber  mit  Riedel  und  Böcklin  wetteifern  wollte  und  mit  nutzlosen 
F^xperimenten  sich  zermarterte.  Ein  unglücklicher  Zufall  führte  ihn  mit  einem 
Engländer  zusammen,  welcher  die  Maltechnik  der  Alten  wieder  entdeckt  haben 
wollte  und  an  B.  einen  dienstwilligen  Genossen  fand.  Nach  diesen  Theorien 
quälte  sich  unser  Maler  mit  neuen  Kompositionen:  »Apoll  mit  den  Musen-, 
die  ^^ Hochzeit  des  Bacchus  <,  mit  Tritonen  und  anderen  Wassergeistern,  bis 
er,  das  Nutzlose  dieser  Versuche  erkennend,  die  herkömmlichen  Wege  wieder 
betrat.  Zwei  glückliche  Winter  1870  und  1878  verlebte  B.  zu  Rom,  wo  er 
sich  an  den  Cinquecentisten  erwärmte  und  begeisterte;  die  Früchte  dieser 
Studien  kamen  aber  nimmer  zur  Reife.  Schon  früher  hatte  ein  Gallenstein- 
leiden ihn  öfters  nach  Karlsbad  geführt  (wo  er  hunderte  von  Charakterfiguren 
in  Acjuarellskizzen  festhielt),  dann  meldete  sich,  anfänglich  leise  dann  aber 
immer  entschiedener  auftretend,  eine  unheilbare  Geisteskrankheit,  welche  das 
F>innerungsvermögen  lähmte,  doch  seinen  liebenswürdigen  Verkehr  mit  der 
gewohnten  Umgebung  nicht  geradezu  untergrub;  also  daß  es  möglich  war, 
den  armen  Patienten  in  häuslicher  treuer  Pflege  zu  behalten.  Schließlich 
führte  eine  Lungenentzündung  zum  raschen  Ende.  B.  war  eine  vornehm  zu- 
rückhaltende Natur,  ein  edler,  übrigens  nur  wenigen  sich  ganz  aufschließender 
Charakter.  Unabhängig  von  materiellen  Erfolgen  blieb  B.  mehr  als  ein  Dilet- 
tant und  doch  ein  F^i)igone,  eine  Art  artistischer  »Wilhelm  Meister«,  der  auf 
seiner  zu  spät  angetretenen  Sucherfahrt  nach  neuen  idealen  P>gebnissen   mit 


von  Boyen.     Hartmann.  I^J 

der  Empirie  in  Kollisionen  geriet,  deren  pathologischer  Verlauf  unabwendbar 
blieb.  Die  Ausstellung  seines  einen  ganzen  Saal  des  Kunstvereins  füllen- 
den Nachlasses  erregte  im  Januar  1903  allgemeine  Teilnahme  und  wahres 
Interesse. 

Vgl.  Fr.  V.  Böttichcr,  Malerwcrke  1895  I,  126.     Kunstvercinsbericht  für  1902  S.  73. 

Hyac.  Holland. 

Hartmann,  Ludwig,  Landschafts-  und  Tiermaler,  *  15.  Oktober  1835  zu 
München,  f  20.  Oktober  1902  ebendaselbst.  —  Mit  neun  Jahren  schon  völlig 
verwaist  —  sein  Vater  Alois  H.  war  magistratischer  Kassier  —  lebte  der  Knabe 
bei  sehr  armen  Verwandten,  dann  ganz  auf  sich  selbst  angewiesen  unter 
Fremden.  Daß  unter  solchen  L^mständen  der  Trieb  der  Kunst  in  ihm  er- 
wachte und  sich  Bahn  zu  brechen  vermochte,  ist  wohl  ein  Beweis  für  die  dem 
jungen  Geiste  innewohnende  Kraft.  Unter  bitteren  Entbehrungen  und  trotz  des 
wohlmeinenden  Widerstandes  jener,  die  nicht  an  seine  künstlerische  Begabung 
glaubten,  machte  er  seine  Studien  in  Ställen  und  auf  Märkten  und  in  der 
freien  ihm  allezeit  offenen  und  lehrreichen  Natur.  An  der  Akademie  war  da- 
mals für  das  ihn  vollständig  fesselnde  Gebiet  des  Tier-  und  Landschafts- 
studiums wenig  zu  holen.  Glücklicherweise  wurde  er  mit  dem  in  Mitter- 
Sendling  einsiedlerisch  hausenden  Johann  Wagner-Deines  bekannt  (1803 — 1880), 
der  gleichfalls  auf  eigenen  Pfaden  alles  gefunden  hatte,  was  H.  suchte  und 
brauchte,  der  seinem  Schüler  nicht  allein  für  die  großen  Meister  wie  Paul 
Potter,  van  der  Velde  und  Philipp  Wouwermann  das  Auge  öffnete,  sondern 
ihn  auch  streng  nach  der  Natur  zeichnen  ließ.  Und  gerade  die  Nähe  von 
Mitter-Sendling  wurde  für  ihn  ein  lebendiges  Bilderbuch.  Was  er  hier  in 
täglichen  Eindrücken  wahrnahm,  gab  das  Programm  zu  seiner  künstlerischen 
Tätigkeit.  Von  hier  schweifte  der  Blick  üb^r  das  weite,  südwärts  von  der 
ganzen  prächtigen  Alpenkette  begrenzte,  vom  größtmöglichen  Wechsel  aller 
Lichtströmungen  übersponnene  weite  Isartal,  während  auf  der  nahen  Land- 
straße schwerbeladene,  mit  weißen  Leinwandblahen  überspannte  Lastwagen 
und  Fahrzeuge  aller  Art,  von  blauhemdigen,  peitschenknallenden  Fuhrleuten 
geleitet,  in  staubig-malerische  Atmosphäre  eingehüllt,  sogar  italische  Grauohre 
und  Maulesel  der  damals  noch  üblichen  Vetturine  vorüberklingelten.  Ich  er- 
innere mich  mit  Freuden  einer  solchen  langgestreckten  Kavalkade  hinterein- 
ander einhertrottender  Schellenträger,  auf  welchen  fremdländische  Gestalten 
in  knappanliegenden,  reich  beknöpften  Reitkleidern,  die  Haare  in  langen  roten 
Netzen,  mandolinen-klimpernde,  prächtige  Kerle  mit  scharfgeschnittenen,  ener- 
gischen Gesichtern  hockten:  Welche  Bilder!  Für  die  Maler  lag  das  Geld  über- 
all buchstäblich  auf  der  Straße,  man  brauchte  nur  offene  Augen,  um  die  Ein- 
drücke »aufzuheben v<  und  festzuhalten.  Und  das  taten  ja  auch  die  Peter  Heß, 
Heinrich  Bürkel,  Joh.  Adam  Klein,  Friedrich  Voltz  und  viele  andere.  Mit 
besonderer  Vorliebe  wählte  H.  das  Studium  des  Pferdes,  wie  dasselbe,  nicht 
im  Dienste  des  Kriegers  oder  des  vornehmen  Sportliebhabers,  sondern  in  der 
schweren  Arbeit  des  Ackerbauers,  P'uhrmanns  und  als  Zugtier  des  Schiffers 
in  ausdauernden  Mühen  dem  Menschen  beisteht  und  sich  und  seinem  Herrn 
das  hartverdiente  Brod  gewinnt.  Das  tat  er  mit  feinem  Gefühl,  mit  scharfer 
Charakteristik  und  strenger  Zeichnung,  wobei  H.  als  ächter  Künstler  der  ge- 
heimnisvollen Macht  und  Schönheit  der  Farbe  gleichmäßig   das   gebührende 


I  jö  Hartmann. 

Recht  wahrte.  Über  allen  seinen  Schöpfungen  ist  ein  Reiz  und  eine  Zartheit 
des  Tones,  eine  klare  Stimmung  ausgebreitet,  die  sein  Werk  immer  mit 
poetischem  Schimmer  überglänzt  und  den  alltäglichsten  Stoffen  eine  artistische 
Weihe  verleiht.  Darinnen  und  in  dem  völligen  Einklang  der  Landschaft  und 
der  bisweilen  mit  leicht  humoristischer  Wirkung  gehaltenen  Staffage,  liegt  der 
weithinwirkende  Zauber  seiner  kleinen  Bilder,  welche  auf  allen  Ausstellungen 
beliebt  und  von  Kunsthändlern  begehrenswert  befunden,  von  verständnisinnigen 
Sammlern  gesucht  wurden,  in  den  besten  Galerien  zu  Wien,  Hamburg,  Berlin 
(National-Galerie)  und  München  (Neue  Pinakothek)  gerne  Aufnahme  erhielten 
und  ihrem  Autor  Ehren,  Auszeichnungen  und  wohlverdienten  Gewinn  ein- 
trugen. Dazu  gehören  in  chronologischer  Folge  beispielsweise  die  Schiffzug- 
Reiter  von  der  Donau  (1861)  und  am  Inn  (photographiert  bei  Albert  1863), 
Pferdehändler  (in  Nr.  1162  der  Leipziger  »lilustr.  Ztg.«),  vier  auf  der  Weide 
zusammenstehende  Pferde  (1864),  ein  Stall  mit  zwei  bäuerlichen  Rossen  an 
der  Krippe,  im  Vordergrunde  ein  liegender  Hund;  ein  im  Bach  trinkendes 
Zugtier;  Fuhrwerk  bei  heranziehendem  Gewitter  (1865);  ein  »Roßkamm«  mit 
seiner  Transportware;  eine  Kartoffelernte;  rastende  Schiff-  und  Ackerpferde 
(1868 — 1869);  ^^i^  Rückkehr  vom  Jahrmarkt  (1871);  eine  Szene  vor  dem  Wirts- 
hause (1872);  Rast  auf  dem  Felde  (im  »Daheim«  1873);  Vorspannpferde  auf 
einem  Hügel;  Schiffsschlepper  am  Inn;  Baucrnschimmel  im  Stall;  Pfiüger  mit 
seinen  Braunen;  rastende  Wagenpferde  (1878);  ein  Bild  von  der  Landstraße; 
Landleute  mit  Kühen  vor  einem  Wirtshause  usw.  Auf  der  internationalen 
Ausstellung  1883  zu  München  erschien  ein  an  die  Verkehrstätigkeit  früherer 
Dezennien  erinnernder  »Schiffszug«  —  eine  echte  kulturgeschichtliche  Schil- 
derung, die  als  ein  wahres  Programm  von  H.s  umsichtiger  Arbeitslust  aus 
der  Erinnerung  erörtert  werden  darf:  Die  Szene  spielt  auf  einer  Inn-Aue, 
etwa  bei  Rosenheim.  Dort  halten  die  Leute  und  Knechte,  hart  am  Ufer  des 
Flusses  und  zunächst  ihrem  schweren  Lastschiffe,  das  sie  durch  ihre  Tiere 
stromaufwärts  ziehen  lassen,  ihre  kurze  Biwakrast.  Etliche  zerlumpte  Reiter 
führen,  lebhaft  gestikulierend,  eifrige  Gespräche  miteinander;  ein  paar  Alte 
haben  zur  Bereitung  der  Mahlzeit  während  dieser  Mittagspause  ein  lustiges 
Feuer  angezündet,  welches  sie  durch  knorriges  Dürrholz  sorgsam  unterhalten. 
Die  Gäule  sind  struppige,  langharige,  magere,  abgeschundene  Tiere,  denen 
man  deutlich  ansieht,  daß  ihnen  vom  Frühjahre  bis  zu  den  letzten  Spätherbst- 
tagen Aufenthalt  und  Pflege  im  Stall  eine  unbekannte  Wohltat  blieb.  —  Einen 
»Pferdestall«  erwarb  für  seine  Privatgalerie  der  Prinz-Regent  Luitpold,  welcher 
unserem  Künstler  ein  gnädiger  Gönner  blieb.  Ein  anderes  Bild  mit  der  Innen- 
ansicht eines  Pferde-  und  anstoßenden  Kuhstallcs  (1885)  kann  unbedingt  den 
besten  Leistungen  der  holländischen  Meister  des  XVII.  Jahrhunderts  an  die 
Seite  gestellt  werden.  Dann  kamen  wieder  Pferde  im  Biwak,  ein  Weide- 
Idyll,  Mittagsrast  des  Pflügers,  eine  Beschlagszene  vor  der  Schmiede,  ein 
großer  Pferdemarkt  (Nr.  27  »Über  Land  und  Meer«  1894  S.  560)  usw.  H. 
wiederholte  seine  immer  anziehenden  Stoffe  höchst  selten  und  ungern,  sein 
Vorrat  von  Beobachtungen  und  Studien  war  unerschöpflich;  was  er  gab, 
stammte  aus  eigenem  Augenschein,  wozu  er  auch  in  Feld  und  Wald  und  auf 
der  Landstraße  immer  weitere  Vorbilder  für  seine  Gemälde  sammelte.  Vieles 
verarbeitete  H.  für  seine  durchgearbeiteten  Radierungen,  welche  teilwei.se  in 
Aumüllers  Verlag  erschienen. 


Hartmiinn.     Seuffer.  1 57 

So  blieb  der  Künstler  immer  frisch  und  neu;  seine  Kraft  und  Ausdauer 
schienen  mit  den  Jahren  zu  wachsen.  Er  blieb  derselbe  einsame,  fast 
schüchterne  Mann,  der  nichts  aus  sich  machte,  sich  nirgends  aufdrängte,  der 
freudig  jedes  wahre  Verdienst  anerkannte  und  hübsche  Kenntnisse  im  Bereiche 
der  Kunstgeschichte  besaß,  wxlche  ihm  als  Vorsitzender  der  Münchener  Kom- 
mission für  die  historische  Ausstellung  des  Jahres  1888  sehr  zu  statten  kamen. 
Auch  verstand  er  sich  auf  Lokaltopographie  und  sogar  auf  prähistorische 
Forschungen,  sodaß  jeder  Fachmann,  der  seinen  Andeutungen  folgte,  wirklich 
guten  Rat  erhielt.  H.  war  ein  lieber,  echter  Mensch,  ein  Freund  von  Scherz 
und  Witz  und  wenig  Worten,  durchaus  wahr  und  treu  seiner  Kunst  und  seinen 
Freunden.  Die  allgemeine  Anerkennung  kam  auch  in  der  Auszeichnung  H.s 
durch  den  bayerischen  Michaelsorden  I.  Klasse  und  den  Titel  eines  Kgl.  Pro- 
fessors zum  Ausdruck.  Die  Akademie  ernannte  ihn  zu  ihrem  Ehrenmitglied. 
Die  Kunstausstellung  des  Jahres  1903  gönnte  seinem  Nachlaß  einen  eigenen 
Saal  des  Münchener  Glaspalastes.  Darunter  befand  sich  eine  »Oberbayerische 
Landschaft«  mit  Pferde-Staffage  (im  Besitz  des  Prinz-Regenten  Luitpold),  eine 
»Landschaft  am  Inn«  mit  Gewitterstimmung;  von  der  Alm  abziehende  Pferde 
(Eigentum  des  Prof.  Albert  Schmidt),  eine  »Allee  auf  der  Landstraße  nach 
Perlach«  (Generalauditeur  Ritter  von  Knözinger),  »Rast  vor  dem  Wirtshaus«, 
Pferde  am  Brunnen  und  am  Pflug,  ein  herrlicher  »Schiffzug  am  Inn«  usw. 

Vgl.  Münchener  Propyläen  1869  S.  487  ff.  Fr.  Pecht:  Gesch.  der  MUnch.  Kunst  1888 
S.  266.  Seubert  1879  II,  176.  Singer  1896  II,  134.  Fr.  v.  Bötticher  1895  I,  464.  Nr.  291 
»AUg.  Ztg.«  22.  Oktober  1902.  Th.  Waldmann  im  Kunstvereinsbericht  f.  1902  S.  76.  Por- 
trät und  Biographie  in  Nr.  3098  »Illustr.  Ztg.«  Leipzig,  13.  November  1902, 

Hyac.  Holland. 

Seuffer,  Gustav  Heinrich,  Dichter,  *  8.  Januar  1835  in  Ulm,  f  24.  Mai 
1902  ebenda.  —  Der  Sohn  eines  Metzgers  und  Schankwirts,  wuchs  S.  in  ein- 
fachen Verhältnissen  auf  und  hatte  eine  strenge  Jugend;  die  Fühlung,  in  der 
er  von  früh  an  mit  dem  Volke  stand,  kam  später  seinetri  Dichten  zu  statten. 
Nachdem  er  das  Ulmer  Gymnasium  durchlaufen  und  das  sogenannte  Konkurs- 
examen erstanden  hatte,  trat  er  Herbst  1853  zum  Studium  der  evangelischen 
Theologie  in  das  Tübinger  Stift  ein.  Seine  Neigung  ging  jedoch  mehr  auf 
die  mathematisch-realistischen  Fächer,  und  als  er  Herbst  1857  seine  theolo- 
gische Dienstprüfung  abgelegt  hatte,  blieb  er  noch  ein  Jahr  in  Tübingen,  um 
sich  ganz  jenen  zu  widmen.  Dann  begab  er  sich  in  den  württembergischen 
Realschuldienst,  fand  in  Ulm,  in  Ravensburg,  Schwenningen,  Stuttgart,  Eßlin- 
gen,  Freudenstadt  und  Rottweil  unständige  Verwendung,  wurde  1866  defini- 
tiver Reallehrer  in  Neresheim,  1870  in  Bietigheim,  1878  an  der  Realanstalt 
und  dem  Realgymnasium  in  Ulm,  wo  er  1884  zum  Oberreallehrer,  1887  zum 
Professor  vorrückte.  Sein  Leben  floß  still  dahin;  er  suchte  und  fand  sein 
bestes  Glück  in  der  Familie,  seitdem  er  1867  mit  seiner  Ulmer  Landsmännin 
Marie  Magdalena  Woydt  einen  eigenen  Hausstand  gegründet  hatte.  In  seinen 
letzten  Jahren  war  er  von  allerhand  Beschwerden  des  Leibes  heimgesucht. 

Sein  hübsches,  stark  humoristisches  Dichtertalent,  das  sich  mit  Vorliebe 
in  den  Formen  der  schwäbischen  Dialektlyrik  bewegte,  machte  ihn  zu  einem 
beliebten  Mitarbeiter  der  deutschen  Witzblätter,  zumal  der  »Fliegenden  Blätter«, 
in  deren  Spalten  er  40  Jahre  lang  zahlreiche  Gedichtchen  veröffentlicht  hat. 


1^8  Seuffer.     Kitsche. 

Außerdem  stellte  er  seine  Muße  gern  in  den  Dienst  geselliger  Gelegenheiten, 
und  die  Ulmer  Vereine  verdankten  ihm  manches  Festgedicht,  darunter  auch 
einige  dramatische  Spiele.  S.  hat  seine  schwäbischen  Gedichte  zum  ersten- 
mal 1879  unter  dem  Titel  »Hellauf,  Schwobeland!«  gesammelt  (Stuttgart  bei 
Mctzlcr;  Titelauflage:  1888  Ulm  bei  J.  Ebner;  2.  vermehrte  Auflage:  1896 
ebenda).  Herbst  1885  gab  er  gemeinsam  mit  Richard  Weitbrecht,  »s  Schwoba- 
land  in  Lied  und  Wort«  (Ulm  o.  J.  bei  J.  Ebner)  heraus.  Es  war  die  erste 
große  Übersicht  über  die  gesamten  Schätze  der  Dialektpoesic  Schwabens, 
eine  verdienstliche  Arbeit,  für  die  das  Material  fleißig  zusammengetragen  und 
sorgfältig  gesichtet  worden  ist.  1887  ließ  S.  eine  ähnliche  Sammlung  hoch- 
deutscher und  mundartlicher  Dichtungen,  die  Ulm  und  Umgebung  betrafen, 
nachfolgen:  »In  Ulm,  um  Ulm  und  um  Ulm  rum«  (Ulm  o.  J.  bei  J.  Ebner). 
1889/95  leitete  er  (im  selben  Verlag)  den  »Ulmer  Donauboten«,  einen  Kalender, 
zu  dem  er  selbst  mancherlei  auch  hochdeutsche  novellistische  Beiträge  (unter 
dem  Pseudonym  H.  G.  Raffus)  spendete.  Ein  dreiteiliges  Festspiel,  das  S. 
zum  Ulmer  Münsterfeste  von  1890  verfaßte,  kam  nicht  zur  Darstellung. 

S.  hat  für  die  Popularisierung  der  schwäbischen  Dialektpoesie  viel  ge- 
leistet und  namentlich  durch  seine  Verse  in  den  allerorten  gelesenen  >^Flie- 
genden  Blättern <^  ihre  bessere  Kenntnis  verbreitet.  Um  so  wichtiger  war  es, 
daß  er  an  der  echten  Volkssprache  festhielt  und  sich  zu  keinem  Salon- 
Schwäbisch  bequemte.  Da  er  sich  der  literarischen  Bedeutung  der  von  ihm 
vertretenen  Dichtungsart  wohl  bewußt  war,  so  ließ  er  es  an  ernsthaften  Sprach- 
studien nicht  fehlen.  Von  Sentimentalität  hielt  er  sich  fem.  Er  gefiel  sich 
in  einer  scherzhaften  Manier,  für  die  er  glücklichen  Humor  und  die  Gabe, 
der  Menschen  große  und  kleine  Schwächen  sicher  zu  treffen,  mitbrachte.  Da- 
bei war  er  ein  Sänger  der  geselligen  Freude.  Seine  leicht  sangbaren  und 
sich  oftmals  dem  Schnadahüpferlton  nähernden  Weisen  sind  gerne  komponiert 
worden.  Meist  gibt  er  sich  kurz  und  knapp  und  weiß  hübsch  zu  pointieren; 
der  naheliegenden  Gefahr  der  Trivialität  ist  er  nicht  immer  ausgewichen. 
Alles  in  allem  ein  liebenswürdiges,  aber  kleines  Talent,  das  nicht  überschätzt 
werden  darf. 

Schwäbische  Kronik  vom  25.  September  1902  (Nr.  446)  und  sonstige  Zeitungsnotizen. 
—  August  Holder,  Geschichte  der  schwäbischen  Dialektdichtung,  S.  225  f.  (mit  Bild).  — 
Brümmer,  Lexikon  der  deutschen  Dichter  und  Prosaisten  des  19.  Jahrhunderts  (5.  Ausgabe) 
IV  S.  79.  R.  Krauß. 

Nitsche,  Hinrich,  Dr.,  Professor  der  Zoologie  an  der  kgl.  sächsischen 
Forstakademie  Tharandt,  *  14.  Februar  1845  in  Breslau,  f  8.  November  1902 
zu  Tharandt.  —  Schon  in  zarter  Jugend  doppelt  verwaist  --  seine  Mutter  starb 
bei  seiner  Geburt,  sein  Vater,  Justizkommissar  J.  Nitsche,  im  Jahr  1848  — 
wurde  N.  im  Hause  seines  Großvaters,  des  Oberkonsistorialrates  und  Professors 
an  der  Universität  Breslau,  Dr.  Middeldorpf,  erzogen.  Nach  Absolvierung  des 
Gymnasiums  gedachte  er  zuerst  Jura  zu  studieren,  wandte  sich  jedoch  bald 
den  Naturwissenschaften  und  speziell  der  Zoologie  zu,  besuchte  die  Universi- 
täten Heidelberg  und  Berlin  und  promovierte  bereits  1868  an  letzterer  Hoch- 
schule. Im  Jahre  187 1  habilitierte  sich  N.  als  Privatdozent  in  Leipzig,  wurde 
1874  zum  außerordentlichen  Professor  ernannt  und  1876  auf  den  neugegrün- 
deten Lehrstuhl  der  Zoologie  nach  Tharandt  berufen,  woselbst  er  bis  zu 
seinem  unerwarteten,  infolge  eines  Gehirnschlages  eingetretenen  Tode  verblieb. 


Nitsche.     Heincmann. 


159 


X.  war  ein  vorzüglicher  Lehrer,  der  durch  seinen  lebhaften  Vortrag  seine 
Hörer  zu  fesseln  wußte;  die  ursprünglich  sehr  bescheidene  zoologische  Samm- 
lung in  Tharandt  brachte  er  in  unermüdlicher  Tätigkeit  auf  eine  hohe  Stufe 
und  schuf  in  ihr  ein  treffliches  Hülfsmittel  für  seinen  Unterricht.  Ebenso 
war  er  literarisch  sehr  tätig,  ein  unermüdlicher  und  gewissenhafter  Forscher, 
der  sich  durch  sein  großes,  gemeinsam  mit  Geh.  Oberforstrat  Judeich  heraus- 
gegebenes Werk  »Lehrbuch  der  mitteleuropäischen  Forstinsektenkunde  <, 
(2  Bände,  1895)  ein  dauerndes  Verdienst  erworben  hat.  Alle  seine  Angaben 
tragen  das  Gepräge  der  Verlässigkeit,  und  wo  irgend  möglich  suchte  er  die- 
selben auf  eigene  Beobachtungen  zu  gründen.  Besonderes  Interesse  brachte 
er  auch  der  Fischzucht,  dann  der  Naturgeschichte  der  europäischen  Hirsch- 
arten entgegen,  und  hat  seine  Forschungen  speziell  über  deren  Geweihbildung 
in  seinen  »Studien  über  Hirsche«  1898  niedergelegt.  Zahlreiche  andere  Publi- 
kationen in  naturwissenschaftlichen,  forstlichen  und  jagdlichen  Zeitschriften 
legen  Zeugnis  von  seinem  reichen  Wissen  ab;  gerne  nahm  er  auch  an  den 
Jahresversammlungen  des  sächsischen  Forstvereins  teil  und  berichtete  dort 
über  aktuelle  Fragen  auf  dem  Gebiet  der  Forstinsektenkunde. 

Manche  äußere  Ehren  wurden  ihm  durch  Ordensverleihungen,  sodann 
durch  die  Verleihung  des  Titels  eines  Geheimen  Hofrates  zu  teil.  Die  all- 
gemeine Hochachtung  und  Wertschätzung  aber,  deren  sich  N.  erfreuen  durfte, 
sichert  dem  leider  allzu  früh  Verstorbenen  ein  bleibendes  Andenken  in  weiten 
Kreisen.  Dr.  Fürst. 

Heinemann,  David,  Maler  und  Kunsthändler,  *  11.  Juli  1819  zu  Schlips- 
heim in  Schwaben,  f  i.  März  1902  in  München.  —  H.  kam  frühe,  um  sein 
unverkennbares  Talent  zu  bilden,  nach  Augsburg  in  die  damals  viel- 
besuchte Schule  des  ausgezeichneten  Genremalers  August  Geyer  (1807  bis 
1875),  wo  er  gleichzeitig  mit  Joseph  Scherer  und  anderen  tüchtigen,  streb- 
samen Jugendgenossen  Unterricht  im  Zeichnen,  Malen  und  durch  Prof.  Veit 
in  der  Anatomie  erhielt.  Mit  dieser  gründlichen  Vorbildung  fand  H.  Auf- 
nahme an  der  unter  Cornelius  florierenden  Münchener  Akademie,  machte 
rasche  Fortschritte  bei  Hermann  Anschütz  und  insbesondere  in  der  Kom- 
ponierschule des  Heinrich  von  Heß.  Im  edelsten  Wetteifer  und  heller  Be- 
geisterung wurden,  insbesondere  durch  Julius  Schnorr  von  Carolsfeld,  Stoffe 
aus  der  antiken  Mythologie,  dem  alten  Testament  und  der  mittelalterlichen 
Geschichte  erwogen  und  durchgearbeitet,  auch  das  Genre-  und  Porträt-Fach 
fleißig  kultiviert.  H.  konzentrierte  seine  notorische  Begabung  auf  diese 
letztgenannten  Richtungen,  vielfach  bei  den  Konkurrenzen  durch  Prämien 
ausgezeichnet  und  ermutigt.  Nebenbei  gab  es  glänzende  Feste,  wie  das 
>AVallenstein-Lager«  im  nahen  Schloßhofe  zu  Blutenburg  und  das  große 
»Albrecht  Dürer-Ehrengedächtnis«  (1840)  von  dessen  Herrlichkeit  die  nach- 
folgende Generation  noch  lange  zu  erzählen,  zu  »singen  und  zu  sagen« 
wußte.  Bald  als  Bildnismaler  geschätzt,  wurde  H.  auf  verschiedene  Edel- 
sitze  geladen  und  selbstverständlich  weiter  empfohlen.  Längere  Zeit  weilte 
derselbe  zu  Lindau  und  auf  den  Schlössern  am  Bodensee  und  in  der  Schweiz. 
Zwischendurch  liebte  er  Szenen  aus  dem  Familienleben  zu  malen,  darunter 
die  in  der  Weise  von  Moritz  Oppenheim  gehaltene  »Schmückung  einer  Braut«, 
ein    figurenreiches    Bild,    welches    den    Namen    des    Künstlers    nach    Wien 


1 6o  Heinemann.     Keitel. 

brachte.  Durch  das  industrielle  Unternehmen  seiner  Gattin  wurde  H.s  Tätig- 
keit auf  das  Gebiet  der  Blumenblätter-Fabrikation  gelenkt;  das  Geschäft  war 
in  voller  Blüte,  als  der  Krieg  1866  unerwarteten  Rückgang  aller  Bestellungen 
brachte.  Da  H.  schon  lange  Zeit  von  auswärtigen  Kunstfreunden,  insbeson- 
dere aus  Norddeutschland  und  Amerika,  als  Expert  bei  Bilder-Erwerbungen 
ein  ausgedehntes  Vertrauen  genoß,  wendete  er  sich  nun  allmählich  zum 
Kunsthandel,  und  zwar  wie  bei  seinen  Kenntnissen  und  vielfachen  Beziehungen 
zu  den  besten  seiner  artistischen  Zeitgenossen  möglich  war,  mit  solchem  Er- 
folge, daß  er  eine  eigene,  alsbald  gerne  und  eifrig  frequentierte  Kunsthand- 
lung in  München  1872  begründete,  welche  sich  auch  auswärts  mit  Filialen 
in  Frankfurt  a.  M.,  Bad  Kissingen  und  Nizza  erweiterte.  Als  sich  das 
Münchener  Geschäft  unter  den  Händen  seiner  Söhne  immer  mehr  ausdehnte, 
wurden  die  Frankfurter  und  Kissinger  Abzweigungen  aufgegeben  und  die 
Haupttätigkeit  auf  Nizza  und  München  konzentriert  und  in  letzterer  Stadt 
sogar  zwei  umfangreiche,  vornehme  Ausstellungslokale  in  der  Prinzregenten- 
straße und  am  Promenadeplatz  errichtet,  welche  im  Dezember  1903  in  einen 
am  Maximiliansplatz  eigens  zu  diesem  Zwecke  neuen,  den  modernsten  An- 
sprüchen adaptierten  Prachtbau  vereint  wurden,  der  in  mehreren,  durch  zwei 
Stockwerke  laufenden  Räumen  auch  einen  eigenen  Saal  für  Plastik,  Bild- 
hauerwerke und  Erzgußerzeugnisse  umschließt.  Die  neueste  Kunst  hat  da- 
durch auch  mit  regelmäßig  wiederkehrenden  internationalen  Sonderaus- 
stellungen eine  überraschende  Förderung  erfahren.  Diesen  neuesten  Auf- 
schwung seiner  Gründung  zu  erleben,  war  dem  greisen,  höchst  vor-  und 
umsichtigen  Manne  leider  nimmer  beschieden.  Geehrt  und  geliebt  im 
Kreise  seiner  Familie  genoß  H.  ein  glückliches  Alter.  Die  Feier  seines 
achtzigsten  Geburtstages  brachte  schöne  Beweise  der  freudigen  Teilnahme 
aus  allen  Schichten  der  Gesellschaft.  Einen  gefährlichen  Blutsturz  bestand 
der  immer  heitere,  im  Stillen  viel  gutes  wirkende,  für  bedürftige  Künstler 
stets  hilfsbereite  Mann,  mit  rüstiger  Kraft,  die  noch  auf  ein  höheres  Alter  zu 
berechtigen  schien,  zu  Ende  des  Jahres  1901.  Einem  neuen  Ansturm  der 
Krankheit  war  er  nimmer  gewachsen. 

Vgl.  Nr.  61   »Allgera.  Ztg.«  3.  März  1902.     Kunstvereinsbericht  f.   1902  S.  69. 

Hyac.  Holland. 

Keitel,  Otto,  Tiermaler  und  Radierer,  *  15.  September  1862  zu  Braun- 
schweig, t  3.  August  1902  zu  Pasing  bei  München.  —  K.  besuchte  nach  Ab- 
solvierung des  Gymnasiums  zu  Braunschweig  das  dortige  Polytechnikum, 
insbesondere  die  Zeichnungsschule  des  Tiermalers  Prof.  Karl  Fr.  Adolf 
Nickol,  wo  der  junge  Eleve  den  ersten  Preis  für  seine  Leistungen  errang. 
Dann  befreundete  er  sich  in  Düsseldorf  mit  der  Xylographie  bei  Brend'amour, 
schulte  sich  bei  H.  Lauenstein,  Joh.  Chr.  Kröner  und  Deiker,  ebenso  bei 
Albert  Brendel  in  Weimar,  wo  er  sich  bei  P.  Halm  mit  der  Radierkunst 
befreundete.  Mit  zwei  Medaillen  prämiiert  erteilte  K.  zu  Braunschweig 
1889  Unterricht  im  Malen  und  Zeichnen.  In  Karlsruhe  genoß  K.  die 
weiteste  Förderung  durch  Herrn.  Kaiser  und  Heinrich  Zügels  Führung, 
welchem  er  nach  München  folgte  und  abermals  als  Schüler  des  hierher  be- 
rufenen Peter  Halm,  ebensowohl  durch  seine  Radierungen  wie  durch  seine 
Bilder  große  Aufmerksamkeit    erwarb,    da    ihm   die    innige   Verbindung   der 


Keitel.     Knab.  jgj 

Tierwelt  mit  der  Landschaft  in  virtuoser  Weise  gelang.  Dazu  gehört  bei- 
spielsweise ein  »Sommermorgen«  (1888),  eine  »Mittagruhe«  und  »Schluß  des 
Marktes«,  verschiedene  Kuhställe,  »Futterzeit«  usw.  Aus  den  gründlichsten 
anatomischen  Studien  heraus  brachte  er  seine  Tiere  zur  künstlerischen  Dar- 
stellung, ohne  ins  Harte  oder  Kleinliche  zu  geraten,  voll  Leben  und  Be- 
wegung. Dazu  gehören  seine  weidenden  Kühe,  die  prächtigen  Schafe,  die 
behaglich  gelagerten  Schweine  und  seine  köstlichen  Hühner  (1899)  —  alle 
seine  Objekte  mit  gleicher  Liebe  und  Teilnahme  umfassend  und  im  uner- 
müdlichen Wechsel  immer  neue  Studienstoffe  sammelnd.  Nicht  allein  seine 
Bilder,  sondern  auch  seine  Radierungen,  beispielsweise  das  humoristische 
Blatt,  wie  Pferdt  auf  der  W^eide  einen  Malerstuhl  und  Farbenkasten  ent- 
decken und  neugierig  beschnuppern,  fanden  eifrige  Nachfrage  und  Käufer. 
Doch  endete  das  schöne,  in  einem  echten  Künstlerheim  zu  Pasing  blühende 
Schaffen  viel  zu  frühe.  —  Sein  vielseitiger,  aus  Bildern,  Farbenstudien, 
Zeichnungen  und  köstlichen  Radierungen  bestehender  Nachlaß  wurde  im 
November  1902,  im  April  1903  und  Juni  1904  zur  Ausstellung  gebracht, 
darunter  äußerst  scharf  beobachtete,  prägnant  hingesetzte  Zeichnungen  nach 
Pferden,  Kühen  und  köstlichen  Hühnern  von  feiner  Bildwirkung.  Leider 
hatte  K.  in  der  Zeit  seines  Lebens  die  sehr  wohl  verdiente  Anerkennung 
nicht  gefunden. 

Vgl.   Fr.  von  Bötticher   1895    I.  668.     Singer   II.    318.     Kunst  Vereinsbericht   f.    1902 
S.  7iff.  Hyac.  Holland. 

Knab,  Ferdinand,  Architektur-  und  Landschaftsmaler,  *  12.  Juni  1837  in 
Würzburg,  f  3.  November  1902  in  München.  —  K.  erhielt  den  ersten  gründ- 
lichen Unterricht  1857  bei  Heideloff  in  München,  ging  1859  ^^^  weiteren 
Ausbildung  als  Maler  nach  Nürnberg,  wo  der  geistesverwandte  Enlil  Kirchner, 
noch  mehr  aber  Arthur  von  Ramberg  und  insbesondere  Karl  von  Piloty  ihm 
den  Zauber  ihrer  Palette  verliehen  und  der  Einfluß  von  Makart,  Gabriel  Max 
und  Joseph  Flüggen  mächtig  mitwirkte.  Schon  1860  debütierte  K.  im 
Münchener  Kunstverein  mit  einem  »Patrizierhof«,  welchem  alsbald  ein  »Abtei- 
keller« (1863)  und  andere  Interieurstücke  folgten.  Insbesondere  aber  gewann 
K.  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  durch  seine  romantischen  Architektur- 
Szenerien,  verwilderten  Parkanlagen  und  verfallenen  Bäder,  römischen  Frag- 
mente, antiken  Grabdenkmäler,  Renaissance-Ruinen  und  Brunnen-Höfe:  alles 
teilweise  noch  nach  Bernhard  Stanges  (1807 — 1880)  Vorgang  von  einem 
eigentümlich  träumerischen  Reiz  umflossen  und  in  elegische  Abendstimmungen 
getaucht.  Neuen  Stoffzuwachs  dieser  bisher  aus  ganz  idealen  Konstruktionen 
stammenden,  malerischen  Dichtungen  ergab  1868  eine  Reise  nach  Italien. 
Nun  entstanden  diese  antiken,  auf  steilen  Felstrümmern  aufgebauten  Tempel- 
überreste, Trümmer  aus  Ostia  und  Paestum,  diese  Strandszenen  aus  Misenum, 
Säulengruppen  aus  Thermen,  Bergschluchten  und  Pinienhaine,  die  sich  von 
dem  goldenen  Abendsonnenhimmel  so  zauberisch  abhoben  und  in  klaren  oder 
verschlafenen  Gewässern  und  Tümpeln  in  stillverschwiegener  Einsamkeit,  in 
lautloser,  von  keiner  menschlichen  Staffage  gestörten  Märchenpoesie  ä  la 
Eichendorff  spiegelten.  Eine  Reihe  von  solchen  architektonischen  Aphorismen 
brachten  die  »Münchener  Bilderbogen«  von  Braun  u.  Schneider  (z.  B.  in  den 
Nummern  362,  396,  415,  446,  473,  518,  590,  805,  926  ff.).     Später  ließ   er  wohl 

Bio^r.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog-.    7.  Bil.  1 1 


l()2  Knab.     Meißner. 

auch  eine  allegorische  Figur,  ein  fliegendes  Harfenmädchen  oder  eine  an- 
mutige Zauberin  in  einer  Böcklinschen  Farbenskala,  als  ganz  unnötige  Staffage 
durch  die  Lüfte  schweben  (1874).  —  Daß  solch*  eine  künstlerische  Begabung 
das  Interesse  König  Ludwigs  IL  erregen  mußte,  war  unausbleiblich.  K.  er- 
hielt Bestellungen  zu  Dekorationen  im  »Wintergarten«  und  wirkte  mit  an  der 
artistischen  Ausschmückung  des  Linderhof-Schlosses.  —  Im  Königspavillon 
des  neuen  Zentral bahnhof es  malte  K.  acht  sinnige  Lünetten;  auch  viele 
Dekorationen  im  Hoftheater,  z.  B.  für  die  »Zauberflöte«  (1870),  waren  sein 
Werk;  zum  Kunstgewerbehaus  entwarf  K.  gleichfalls  ein  Projekt  (Zeitschrift 
1877  XXVII,  13).  Illustrierte  Blätter  reproduzierten  seine  Schöpfungen,  z.  B. 
Lützows  Zeitschrift,  Schorers  Familienblatt  und  Daheim  brachten  Biographien, 
Porträts  und  Zeichnungen  oder  Reproduktionen  von  den  Werken  und 
Leistungen  des  Künstlers,  welcher  teilweise  verwöhnt  und  verhätschelt  und 
im  Bann  des  eigenen  Zauberkreises  aus  demselben  sich  nicht  mehr  zu  weiterer 
Förderung  hinausfand,  in  herkömmlichen  Erinnerungen  sich  wiederholte  und 
nur  zu  frühe  einer  Manier  verfiel,  die  unter  dem  neuaufwachsenden  Realismus 
kaum  zur  retrospektiven  Achtung  kam.  Kein  Wunder,  daß  er  an  seinen  Ar- 
beiten selbst  immer  weniger  Gefallen  fand  und  überdies,  mit  seltsamen 
Schrullen  und  Quälereien  behaftet,  von  großem  Selbstbewußtsein  getragen, 
leicht  verletzbar,  schwer  zugänglich,  unzufrieden  und  ärgerlich  über  neuauf- 
tauchende Erscheinungen,  keinen  vergnüglichen  Lebensabend  genoß.  Eine 
objektive  Kunstgeschichte  wird  ihm  gewiß  die  verdiente  Ehrung  mit  bereit- 
williger Anerkennung  seiner  echten  Verdienste  gewähren. 

Vgl.  Münchener  Propyläen  1869  S.  489.  Meyer,  Dioskuren  1872  S.  211.  Porträt  und 
Biographien  in  Nr.  42  »Über  Land  und  Meer«  1883,  50.  Bd.  S.  833  (mit  den  »Ruinen 
einer  römischen  Arena«).  Fr.  v.  Bötticher  1895  !•  703-  Singer  1896  U.  356.  Nekr.  in 
305  »Allgem.  Ztg«.  5.  November  1902.  Hyac.  Holland. 

Meißner,  Ernst  Adolf,  Tier-  und  Genremaler,  *  12.  April  1837  in  Dresden, 
f  25.  September  1902  zu  München.  —  Als  der  Sohn  einfacher  Bürgersleute 
bildete  M.  sich  an  der  Dresdener  Akademie  unter  dem  weitgereisten  Land- 
schafter Karl  Robert  Kummer,  besuchte  dann  München,  Zürich,  Rom  und 
ließ  sich,  längere  und  kürzere  Reisen  nach  Holland,  Ungarn  und  der  Schweiz 
abgerechnet,  1870  bleibend  in  München  nieder.  Seine  gerne  in  winterlich- 
stürmischer Stimmung  gehaltenen  Landschafts-  und  Tierbilder  fanden  stets 
sehr  erfrauliche  Aufnahme.  Dazu  gehörten  die  entweder  friedlich  heim- 
kehrenden, aber  auch  im  pfeifenden  Schneegestöber  zurückeilenden  oder  zer- 
sprengten Schafherden,  die  mit  Kühen  im  Wasser,  .Viehtransporten  oder 
sonstigem  Austrieb  wechselten.  Die  treuherzige,  willenlose  Gutmütigkeit 
dieser  Tiere,  ihre  unbezwingliche  Angst  und  die  durch  die  harmlosesten 
Vorkommnisse  verursachte  Flucht  fanden  in  M.s  Darstellung  immer  einen  er- 
götzlichen Interpreten.  Auch  sommerliches  oder  herbstliches  Alpenleben 
waren  beliebt,  ebenso  Gänsemädchen  mit  ihren  possierlichen  Zöglingen. 
Seine  Bilder  erhielten  durch  Photographie  und  Holzschnitt  die  weiteste  Ver- 
breitung. Beispielsweise  »Durchgehendes  Ackergespann«  (1856),  »Ahom- 
gruppe«  aus  Klönthal  (Glarus,  1864),  »Melkplatz  am  Wiggis«  (ebendaselbst 
1868),  »Aus  der  Campagna«  (1869),  eine  »Überfahrt  am  Bergsee«  (im  Deut. 
Hausschatz  1881   S.  777),  ein  köstliches  »Schafaustreiben«  (Zur  guten  Stunde 


Meißner.     Kruse.  ißj 

1891  S.  321),  eine  durch  winterliche  Schneestürme  heimziehende  Schafherde 
(ebendas.  1892),  eine  in  voller  Panik  dem  Stalle  zustürzende  Hammelgesell- 
schaft (Nr.  18  Daheim  1892)  oder  friedlichere  Szenen  »Vor  der  Almhütte« 
(Über  Land  und  Meer  1895  S.  741)  und  »Auf  der  Weide«  (ebendas.  S.  796). 
Ein  ganz  charakteristisches  Werk  des  Künstlers  bot  1902  die  Ausstellung 
im  Münchener  Glaspalast.  Treffliche  Bilder  erwarben  König  Albert  von 
Sachsen,  die  Galerien  zu  Dresden,  Berlin,  Wien;  ein  großer  Teil  seiner 
Arbeiten  ging  unmittelbar,  von  der  Staffelei  nach  Amerika  und  England,  wo 
fünf  seiner  Bilder  mit  Medaillen  ausgezeichnet  wurden.  Ein  Herzschlag  ent- 
riß ihn  plötzlich  und  unerwartet  seiner  Familie  und  seinem  vollen  künstle- 
rischen Schaffen. 

Vgl.  Nr.  267  >Allgem.  Ztg.«  28.  September  1902.     Kunstvereinsbericht  f.  1902  S.  74. 
Singer  1898  IL  158.    Fr.  v.  Bötticher  1898  116.  Hyac.  Holland. 


Kruse,  Heinrich  August  Theodor,  Dr.  phil.,  Geheimer  Regierungsrat, 
langjähriger  Chefredakteur  der  Kölnischen  Zeitung  und  Dichter,  *  15.  De- 
zember 18 15  in  Stralsund,  f  13.  Januar  1902  in  Bückeburg.  —  K.  war  der 
älteste  Sohn  des  Altermannes  des  Gewandhauses  in  Stralsund  Andreas  Theo- 
dor Kruse,  der  lange  Zeit  Rügen -Stralsund  im  preußischen  Landtage  ver- 
treten und  sich  auch  auf  dem  Gebiete  der  Armenpflege  und  heimischen 
Geschichte  einen  Namen  gemacht  hat.  In  seiner  Vaterstadt  und  auf  dem 
nahe  gelegenen  Familiengute  Andershof  am  Strande  der  Ostsee  hat  Heinrich 
K.  eine  glückliche  Jugendzeit  zugebracht.  Im  Jahre  1833  bezog  er  die  Uni- 
versität Bonn,  um  Philologie  zu  studieren,  vier  Jahre  darauf  schloß  er  sein 
Studium  in  Berlin  ab,  den  Doktorhut  hat  er  sich  später  durch  die  (wohl  un- 
gedruckt gebliebene)  Abhandlung  Vita  Arati  Sicyonii  erworben.  Neben  der 
klassischen  Philologie  und  der  Geschichte  beschäftigte  er  sich  besonders  mit 
Archäologie,  schon  als  Student  hat  er  einige  archäologische  Abhandlungen 
verfaßt,  und  die  Vorliebe  für  dieses  Spezialfach  hat  ihn  im  Leben  nie  ganz 
verlassen.  Auf  die  Universitätszeit  folgten  mehrere  Wanderjahre,  die  ihn  nach 
Rußland,  Schweden,  Norwegen  und  Dänemark  führten.  Er  trat  dann  als 
Probekandidat  am  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  ein,  wurde  aber  bald  durch 
Bunsen  zum  Erzieher  der  beiden  ältesten  Söhne  des  Earl  of  Shaftesbury  nach 
England  berufen.  Sein  dortiger  Aufenthalt  schärfte  und  erweiterte  seinen 
politischen  Blick,  durch  Vermittlung  des  Vaters  seiner  Zöglinge  erschlossen 
sich  ihm  angesehene  wissenschaftliche  und  politische  Kreise,  in  denen  er  mit 
Männern  wie  Palmerston  und  Gladstone  in  Berührung  kam.  Erst  1844  kehrte 
er  nach  Deutschland  zurück  und  übernahm  eine  Lehrerstelle  am  Gymnasium 
in  Minden  i.  Westf.,  die  politisch  bewegte  Zeit  führte  ihn  aber  bald  der  Presse 
zu,  der  er  fortan  sein  Talent  und  seine  ungewöhnliche  Arbeitskraft  gewidmet 
hat.  Er  begann  seine  journalistische  Laufbahn  bei  der  Allgemeinen  Zeitung 
in  Augsburg,  folgte  aber  nach  kurzer  Zeit  einem  Rufe  an  die  Kölnische 
Zeitung,  nachdem  er  vorher  eine  Reise  nach  Frankreich  unternommen  hatte. 
Auch  in  Köln  weilte  er  nicht  lange,  schon  1848  siedelte  er  als  Chefredakteur 
der  Neuen  Berliner  Zeitung  nach  Berlin  über,  und  wiederum  verließ  er  diese 
Stellung,  um  in  die  Redaktion  der  Deutschen  Zeitung  in  Frankfurt  einzutreten, 
er  wurde  bald  an  Gervinus*  Stelle  der  Leiter  dieses  Organs  der  erbkaiserlichen 

II* 


1 64  Kruse. 

Partei.  Unter  schwierigen  Verhältnissen  und  mannigfachen  Anfeindungen  der 
Demokratie,  die  sich  sogar  bis  zu  Todesandrohungen  verstiegen,  brachte  er 
bald  neues  Leben  und  einen  frischen  Geist,  wie  Springer  in  seiner  Biographie 
Friedrich  Christoph  Dahlmanns  bezeugt,  in  dieses  Blatt,  und  >'die  Kraft  einer 
felsenfesten  Überzeugung  atmete  wieder  aus  ihren  Zeilen«.  Aber  K.s  ange- 
griffene Gesundheit  hielt  der  aufreibenden  Tätigkeit  nicht  stand,  und  als  ihn 
die  Nachricht  von  dem  plötzlichen  Tode  seines  Zöglings,  des  Hon.  Francis 
Ashley,  an  dem  er  wie  an  einem  eigenen  Sohn  gehangen,  traf,  ging  er  nach 
dem  Zusammenbruche  des  Parlaments  auf  längere  Zeit  zur  Erholung  an  den 
Genfer  See.  Er  kehrte  nicht  nach  Frankfurt  zurück,  sondern  trat  gegen  Ende 
des  Jahres  1848  wieder  in  die  Redaktion  der  Kölnischen  Zeitung  ein,  der  er 
fortan  treu  geblieben  ist.  Das  große  rheinische  Blatt  hatte  damals  unter  der 
Leitung  von  Karl  Heinrich  Brüggemann,  einem  Manne  von  großem  politischen 
Blick  und  fester,  aber  gemäßigter  Haltung,  einen  harten  Kampf  mit  der  herr- 
schenden reaktionären  Strömung  und  der  Regierung  zu  bestehen.  Zu  wieder- 
holten Malen  wurde  der  Zeitung  die  Unterdrückung  angedroht,  und  als  im 
März  1855  der  Verleger  schroff  vor  die  Wahl  zwischen  Wechsel  des  leiten- 
den Redakteurs  und  der  Unterdrückung  gestellt  wurde,  legte  Brüggemann 
sein  Amt  nieder,  und  K.  trat  am  i.  April  an  seine  Stelle.  Da  der  neue  Chef- 
redakteur ganz  im  Sinne  seines  Vorgängers  die  Zeitung  weiterführte,  hatten 
auch  die  Verfolgungen  von  seiten  der  Verwaltungsbehörden  noch  nicht  ihr 
Ende  erreicht,  erst  mit  der  Übernahme  der  Regierung  durch  den  Prinzregenten 
kamen  für  das  deutsche  Volk  und  die  deutsche  Presse  ruhigere  Zeiten.  Unter 
K.s  Leitung  nahm  die  Kölnische  Zeitung  einen  großen  Aufschwung;  seine 
Leitartikel,  in  der  Sache  klar  und  verständlich,  in  der  Sprache  mustergültig 
und  oft  durch  ihren  Schwung  den  Dichter  verratend,  fanden  Beachtung  in  der 
ganzen  Welt.  Als  den  Höhepunkt  seiner  journalistischen  Tätigkeit  darf  man 
wohl  die  große  Zeit  des  Sommers  1870  bezeichnen;  was  K.s  Feder  damals 
für  die  deutsche  Sache  gewirkt,  hat  Bismarck  rühmend  durch  die  Worte  an- 
erkannt, die  Kölnische  Zeitung  sei  ein  ganzes  Armeekorps  wert  gewesen. 
Im  Jahre  1872  siedelte  K.  als  Vertreter  der  Kölnischen  Zeitung  nach  Berlin 
über,  er  ist  hier  in  angesehener  und  einflußreicher  Stellung  viele  Jahre  tätig 
gewesen,  bis  ihn  1884  ein  Ruhebedürfnis  und  zunehmende  Augenschwäche 
zum  Rücktritt  bewogen.  Zum  Ruhesitz  erkor  er  sich  die  kleine,  anmutig  ge- 
legene norddeutsche  Residenz  Bückeburg;  in  seinem  Tuskulanum,  das  er 
uns  in  einem  prächtigen,  erst  nach  seinem  Tode  veröffentlichten  Idyll  besungen 
hat,  ist  ihm  ein  langer  ungetrübter  Lebensabend  beschieden  gewesen. 

Als  K.  in  der  politischen  Welt  längst  bekannt  war,  wußte  man  von  dem 
Dichter  K.  noch  wenig.  Er  hatte  1847  ein  Heft  kleiner  Dichtungen  ^>Die 
Schutzzölle«  veröffentlicht,  und  auf  Betreiben  seines  Freundes  Emanuel  Geibel 
einen  Fastnachtsschwank  »Der  Teufel  zu  Lübeck«,  der  später  in  die  Samm- 
lung Fastnachtspiele  wieder  aufgenommen  ist;  das  zuerst  1854  erschienene 
Lustspiel  »Der  Wettlauf«  ist  gleichfalls  in  der  Sammlung  »Sieben  kleine 
Dramen«  wieder  abgedruckt.  K.s  erstere  größere  Dichtung,  das  Trauerspiel 
»Die  Gräfin«,  erschien  1868  ohne  Verfassernamen.  Es  wurde  zuerst  in  Leipzig 
aufgeführt  und  kam  1869  mit  Geibels  Sophonisbe  bei  der  Verteilung  des 
Schillerpreises  in  Frage,  es  wurde  auf  besonderen  Antrag  der  Kommission, 
da  man  eine  Teilung  des  Schillerpreises  nicht  für  angängig  hielt,  mit  einem 


Kruse.  1 6  c 

zweiten  Preise  ausgezeichnet.  Als  Verfasser  trat  jetzt  K.  hervor,  und  ermutigt 
durch  den  ersten  Erfolg,  veröffentlichte  er  rasch  hintereinander  eine  Reihe 
von  Dramen,  die  zum  Teil  auf  frühere  Entwürfe  und  Ausarbeitungen  sich 
stützten.  K.  hat  i6  große  Trauerspiele  geschrieben  und  dabei  deutsche  oder 
wenigstens  germanische  Stoffe  bevorzugt  und  hat  vielfach  Wege  beschritten, 
die  andere  vor  ihm,  selbst  Shakespeare  und  Schiller,  gewandelt  sind,  aber  auf 
diesen  Wegen  ist  er  dann  einer  besonderen  Spur  nachgegangen:  »wir  können 
uns  ja  alle,  jeder  nach  seiner  Kraft,  am  Bogen  des  Odysseus  versuchen«, 
äußert  er  hierüber  in  der  Vorrede  zu  »Arabella  Stuart«.  Mit  der  Geschichte 
hat  er  es  in  seinen  Dramen  genau  genommen,  nicht  minder  mit  Ausdruck 
und  Form,  und  immer  wieder  hat  er  eine  bessernde  Hand  an  seine  Arbeiten, 
auch  an  die  bereits  veröffentlichten  gelegt;  unter  seinem  literarischen  Nach- 
laß haben  sich  neben  ungedruckten  Dichtungen  noch  manche  solche  Über- 
arbeitungen vorgefunden.  Der  naturwüchsigen  Sprache,  dem  wohlgeformten 
'Verse,  dem  Reichtum  der  bald  naiven,  bald  großartigen  Einzelzüge  in  K.s 
»Wullenwever«  hat  Gutzkow  in  der  Vorrede  zu  der  neuen  Ausgabe  seines 
gleichnamigen  Dramas  ungeteilte  Bewunderung  zuteil  werden  lassen;  ähnliche 
Vorzüge  müssen  aber  allen  Dichtungen  K.s  zuerkannt  werden.  Ein  Bühnen- 
erfolg ist  K.s  Dramen  nicht  beschieden  worden,  auch  der  preisgekrönten 
Gräfin  nicht,  und  doch  sichern  sie  dem  Dichter  einen  ehrenvollen  Platz  unter 
den  deutschen  Dramatikern  des  19.  Jahrhunderts.  W^eit  williger  als  den  Dramen 
ist  den  in  fließenden  Hexametern  geschriebenen  epischen  Dichtungen  K.s 
Anerkennung  gezollt,  der  humorvollen  »Kleinen  Odyssee«  und  insbesondere 
den  bald  heiter,  bald  ergreifend  wirkenden  »Seegeschichten«,  in  denen  der 
Dichter  das  niedergelegt  hat,  was  er  als  Knabe  und  Jüngling  in  seiner  Hei- 
matstadt Stralsund,  »die  so  unmittelbar  am  Meere  liegt  wie  kaum  eine  andere 
Stadt«,  erlebt  und  geschaut  hat.  Von  den  in  Hans  Sachsens  Manier  ge- 
schriebenen Fastnachtsspielen  hat  das  dritte  Stück  »Standhafte  Liebe«  mehr- 
fache Aufführungen  erlebt  und  eine  dankbare  Aufnahme  gefunden.  In  der 
1893  erschienenen  Sammlung  »Sieben  kleine  Dramen«  sind  vier  Lustspiele, 
ihnen  hat  K.  noch  drei  weitere  folgen  lassen,  die  1899  unter  dem  Titel 
^Lustspiele«  erschienen  sind.  Eine  Auswahl  Gedichte  ist  1891,  in  zweiter, 
noch  vom  Verfasser  besorgten  Auflage  1902  gedruckt,  sie  reichen  zum  Teil 
bis  in  das  Jahr  1848  zurück,  und  unter  ihnen  sprechen  die  stimmungsvollen 
Elegien  ganz  besonders  an.  Die  während  eines  Aufenthalts  in  Zandvort  ent- 
standenen kleineren  lyrischen  Dichtungen,  zur  Erinnerung  an  Zandvort  als 
Manuskript  für  Freunde  gedruckt,  sind  der  zweiten  Auflage  der  Gedichte 
einverleibt  worden. 

In  den  Tragödien  Raven  Barnekow  und  Witzlaw  von  Rügen,  die  beide 
einen  bedeutenden  Zeitpunkt  aus  der  Vergangenheit  der  einst  so  mächtigen 
Hansastadt  Stralsund  behandeln,  hat  K.  seiner  Vaterstadt  ein  schönes  Denk- 
mal gesetzt,  der  Dank  hierfür  ist  gelegentlich  der  Feier  seines  8ojährigen 
Geburtstages,  die  ihm  auch  die  Ernennung  zum  Geheimen  Rat  gebracht  hat, 
durch  die  Verleihung  des  Ehrenbürgerrechts  zum  Ausdruck  gekommen.  — 
K.  war  seit  1852  mit  Luise  Menckhoff  verheiratet,  einer  Tochter  des  preußi- 
schen Generals  Menckhoff,  die  ihm  im  Tode  am  5.  Dezember  1903  nachge- 
folgt ist.  Der  einzige  Sohn  aus  dieser  Ehe,  Francis  Kruse,  lebt  z.  Z.  als 
Regierungspräsident  in  Minden  i.  Westf. 


j  56  Kruse.     Naumann. 

Werke;  Die  Schutzzölle.  Kleine  Dichtungen,  i.  Heft,  Minden  1847.  ^^^  Teufel  zu 
Lübeck.  Fastnachtsschwank.  Berlin  1847.  Der  Wettlauf.  Lustspiel  in  i  Aufz.  Bremen  1854. 
Die  Gräfin.  Leipzig  1868,  2.  und  3.  Aufl.  1870,  4.  Aufl.  1873.  Wullenwever.  1870, 
2.  Aufl.  1871,  3.  Aufl.  1878,  4.  Aufl.  1894.  König  Erich  1871,  2.  Aufl.  1873.  Moriu 
von  Sachsen  1872.  Brutus  1874,  2.  Aufl.  1882.  Marino  Faliero  1876.  Das  Mädchen 
von  Byzanz  1877,  2.  Aufl.  1885.  Rosamunde  1878.  Der  Verbannte  1879,  2.  Aufl.  1881. 
Raven  Bamekow  1880.  Seegeschichten.  Kleine  Dichtungen.  Stuttgart  1880,  2.  Samml. 
1889,  (zugleich  I.  Samml.  in  2.  Aufl.)  Neue  Folge  1900.  Witzlaw  von  Rügen  18S1. 
Alexei  1882.  Fastnachtsspiele  1887.  Arabella  Stuart  1888.  Hans  Waldmann  1890. 
Erinnenmg  an  Zandvort.  Als  Manuskript  gedruckt.  Btickeburg  1890.  Gedichte  1891, 
2.  Aufl.  1902.  Die  kleine  Odyssee.  Eine  Seegeschichte.  1892.  Sieben  kleine  Dramen  1893. 
Nero  1895.  Stieglitz  und  Nachtigall  oder  die  Rostocker  Jungen.  Lustspiel  1897.  (Als  Ma- 
nuskript gedruckt.  Auch  enthalten  in :  Lustspiele  1899).  König  Heinrich  VIL  1898,  2.  Aufl. 
1899.  Lustspiele  1899.  (Sämtliche  Werke,  bei  denen  kein  Verlagsort  angegeben  ist,  sind 
in  Leipzig  erschienen.  Eine  Anzahl  kleinerer  Dichtungen  sind  in  verschiedenen  Zeit- 
schriften zerstreut.) 

Mitteilungen  des  Regierungspräsidenten  Dr.  Kruse.  Meine  Leitung  der  Kölnischen 
Zeitung  imd  die  Krisen  der  preußischen  Politik  von  1846 — 1855.  Von  Karl  Heinrich  Brügge- 
mann. Leipzig  1855.  Friedrich  Christoph  Dahlmann.  Von  Anton  Springer.  T.  2  (Leip- 
zig 1872)  S.  317.  Geschichte  der  Kölnischen  Zeimng  und  Druckerei.  Köln  1880.  Geschichte 
der  deutschen  Literatur.  Von  Heinrich  Kurz.  Bd.  4  (3.  Aufl.  Leipzig  1874)  S.  524.  Das 
literarische  Deutschland.  Von  Adolf  Hinrichsen.  2.  Aufl.  Berlin  1891.  Lexikon  der  deut- 
schen Dichter  und  Prosaisten  des  19.  Jahrh.  Von  Franz  Brummer.  5.  Aufl.  Bd.  i.  Hein- 
rich Kruse.  Von  Karl  Siegen:  Literarischer  Merkur,  Jahrg.  3  Nr. 4  5  6 — 8.  Berlin  1882 — 83. 
Kölnische  Zeitung  vom  i.  März  1889,  24.  Dezember  1891,  22.  Dezember  1893,  17.  November 
und  17.  Dezember  1895,  15.  Dezember  1900,  14.  Januar  1902.  Heinrich  Kruse.  Von  Wil- 
helm Fischer:  Nord  und  Süd  Bd.  52  (Breslau  1890)  S.  296 — 305.  Ausgewählte  deutsche 
Dichtungen,  erläutert  von  Karl  L.  Leimbach,  Bd.  9  (Die  deutschen  Dichter  der  Neuzeit  und 
Gegenwart  Bd.  5).  Leipzig  und  Frankfurt  a.  M.  [1^93].  Heinrich  Kruse  als  Dramatiker. 
Von  F.  H.  Brandes.  Berlin  [1898].  Schriften  zur  Kritik  und  Litteraturgeschichte.  Von 
Michael  Bemays,  Bd.  4  (Berlin  1899)  S.  50 — 86.  Heinrich  Kruses  pomroersche  Dramen. 
Ein  Erinnerungsblatt  von  Edmund  Lange.  Greifswald  1902.  Heinrich  Kruse  als  Dichter. 
Von  Edmund  Lange:  Zeitschrift  für  den  deutschen  Unterricht,  Jahrg.  16  (Leipzig  1902) 
S.  171  — 183.  Heinrich  Kruse.  Von  Alfred  Semerau:  Die  Gegenwart,  Bd.  61  (Berlin  1902) 
S.  120 — 123.  Zahlreiche  Dichtungen  K.s  sind  zuerst  veröffentlicht  in  »Deutsche  Dichtung«, 
herausgegeben  von  Karl  Emil  Franzos,  Bd.  2  Heft  9  (Berlin  1887)  >Kruse-Heft«  mit 
biographischen  Nachrichten  von  Wilhelm  Fischer,  in  Bd.  31  (1902)  Nekrolog  aus  der 
Feder  Franzos*.  Was  ich  am  Wege  fand.  Von  Karl  Theodor  Gaedertz.  Leipzig  1902. 
(Heinrich  Kruse.  Ein  Wort  zu  seinem  80.  Geburtstage.  S.  119 — 126.)  Die  Grenzboten, 
Jahrg.  61  (Leipzig  1902)  S.  498 — 502.  Heinrich  Kruse.  Zur  Erinnerung.  Von  Karl 
Theodor  Gaedertz:  Baltische  Studien.     Neue  Folge,  Bd.  6  (Stettin  1903)  S.  i — 26. 

Otto  Zaretzky. 

Naumann»  Karl,  Genremaler,  *  23.  September  1827  in  Königsberg, 
f  5.  Oktober  r902  zu  Neu-Pasing  (bei  München).  —  Seine  ersten  Studien 
machte  N.  an  der  unter  Karl  Ludwig  Rosenf eiders  Direktion  seit  1845  frisch 
aufblühenden  Königsberger  Akademie,  von  wo  er  185 1  München  zum  fröh- 
lichen Tummelplatz  seiner  launigen  Einfälle  erwählte,  z.  B.  die  langersehnte 
Ankunft  eines  »Briefträgers«  (zuerst  1854  und  1870  und  1872  mit  neuen 
Varianten  wiederholt),  ein  »Christtag«  (186 1),  der  »Zerbrochene  Krug«  (1863), 
die  »Schlechte  Einnahme«  eines  vagierenden  Virtuosen  und  andere  Kneip- 
brüder und  fechtende  Handwerksburschen,  muntere  »Kegelspieler«,  streitende 


Naumann.     Otto.  167 

»Politiker«,  ein  stattliches  »Försterhaus«,  einen  galanten  »Gärtner«  und  »Bo- 
tanische Studien«;  Vorbereitungen  zum  Feste;  ein  »Schachspiel«,  »Mittag- 
schläfchen«; »Försters  Töchterlein«  und  ein  »Besuch  im  Kloster«  oder 
»Auf  der  Alm«  usw.  Auch  machte  es  ihm  Vergnügen,  Einsiedler  und  Anachoreten 
in  verschiedenen  Beschäftigungen  darzustellen:  Schwämmebrechend,  fischend 
oder  den  staubigen  Habit  mit  kräftigen  Hieben  für  den  »Feiertag«  säubernd; 
zu  einer  dieser  Szenen  malte  Skell  eine  heitere  Landschaft.  Auch  alte  »Pech- 
vögel«, »Hagestolze«  und  anderes  misanthropisches  Menschengewächs  kamen 
an  die  Reihe.  Aber  nie  als  böswillige  Exemplare;  sie  hatten  immer  einen 
wohlwollenden  Beigeschmack.  So  z,  B.  ein  alter,  würdiger,  mit  sich  und  seiner 
Gemeinde  im  friedlichsten  Einvernehmen  lebender  Pfarrherr,  der  von  einer 
Anhöhe  herab  den  Schauplatz  seines  stillen  Waltens  mit  solchem  Wohlgefallen 
beäugelt,  daß  er  eine  zwischen  den  Fingern  befindliche  Priese  seinem  Riech- 
organ zuzuführen  sogar  vergißt.  Inzwischen  erschienen  »Kinder  im  Walde« 
und  ein  an  Scheffels  »Audifax  und  Hadumoth«  erinnerndes  Hirtenpaar; 
überhaupt  ländliche  Szenen,  »Begegnung  am  See«,  oder  ein  »Sonntag  auf  der 
Alm«,  eine  »Erinnerung  vom  Königssee«,  wo  ein  Schiffermädchen  das  an  der 
steilen  Felswand  angebrachte  »Bildstöckel«  mit  Blumen  bekränzt,  oder  ein 
flotter  Jägerknab  von  einem  schmucken  Dirnlein  den  üblichen  »Brückenkuß« 
erbittet.  Wenn  auch  nicht  immer  neu  in  der  Wahl  seiner  Stoffe,  die  an  andere 
Vorgänger  wie  Moritz  Müller  (der  sogenannte  Feuer-Müller)  oder  Köckerts 
»Hochzeit-Fahrt  auf  dem  Achensee«  anklingen,  blieb  N.  immer  ansprechend 
wie  ein  guter  Erzähler  und  Novellist,  sein  dankbares  Publikum  fesselnd. 
Holzschnitt  und  Photographie  haben  teilweise  seine  meist  kleinen  Bilder  ver- 
vielfältigt, einzelnes  wurde  auch  für  Steffens  »Volkskalender«  (Breslau)  von 
Konrad  Geyer  in  Stahl  gestochen.  Ein  rund  dritthalbhundert  Nummern  (sowohl 
einzelne  Bilder,  wie  auch  Studien  und  Skizzen)  umfassender  Nachlaß  wurde 
Mitte  November  1902  im  Münchener  Kunstverein  zur  Ausstellung  gebracht 
und  größtenteils  verkauft. 

Vgl.  Fr.  V.  Böttichcr  1898  II,  127.  —  N.  277  »Allgem.  Ztg.«  vom  8.  Oktober  1902. 
—  Kimstrereinsbericht  für  1902,  S.  75.  Hyac.   Holland. 

Otto,  Karl,  Historienmaler,  *  26.  August  1830  zu  Osterode  im  Harz, 
•f*  2.  Oktober  1902  zu  Schleißheim  bei  München.  —  Anfangs  zum  Handwerker 
bestimmt,  gelangte  O.  zu  einem  Porzellanmaler  nach  Klausthal,  wo  er  sechs 
Jahre  lang  lernte  und  sich  auch  autodidaktisch  im  Porträtfache  versuchte. 
Ein  gutes  Geschick  führte  ihn  nach  München  und  zu  Piloty;  unter  dessen 
Einfluß  malte  der  eifrige  Schüler  einen  »Huß  im  Kerker«  und  den  »Todes- 
gang der  Maria  Stuart«.  Dann  wurden  ihm  drei  Wandbilder  im  National- 
Museum  mit  darstellbaren  Motiven  aus  der  bayrischen  Geschichte  übertragen 
(die  Gefangennahme  des  schwedischen  Generals  Hörn  in  der  Nördlinger-Schlacht 
1634;  die  Kaiserkrönung  Karl  Alberts  1742  zu  Frankfurt;  die  Verteidigung 
Straubings  gegen  die  Österreicher  1742),  die  O.  zur  Zufriedenheit  des  Königs 
löste,  welcher  den  Maler  mit  einem  großen  »Gastmahl  Belsazars«  für  die 
weltgeschichtliche  Galerie  des  Maximilianeums  betraute  —  eine  Aufgabe, 
die  O.  mit  großem  Personenaufwand  in  der  Manier  eines  Opernspektakels 
vollführte.  Nach  einer  längeren  Reise  durch  Holland,  Belgien  und  Frankreich 
baute  sich  O.  ein  hübsches  Atelier,  kaufte  und  vertauschte  Häuser,  etablierte 


l68  Otto.     Pfeiffer. 

eine  gut  frequentierte  Malschule,  wagte  verschiedene  Genrebilder,  z.  B.  einen 
dichtenden  »Hans  Sachs«  (Gartenlaube  1867,  S.  277),  ein  »Erntefest«  (Neue 
Welt  1877),  den  »Besuch  des  Serenissimus  mit  seinen  Damen  im  Kloster* 
(Über  Land  und  Meer  1883,  S.  677),  dann  malte  er  Lands-  und  Hausknechte, 
zärtliche  Sennerinnen  und  andere  »Idyllen«.  Viele  Mühe  und  Zeit  verwendete 
O.  auf  ein  großes,  die  »Huldigung  der  Hofdamen  vor  Marie  Antoinette« 
vorstellendes  Ölbild,  welches  er,  ohne  Bestellung,  auf  eigenen  Antrieb  unter- 
nahm und  nach  fortwährenden,  dem  ganzen  nicht  förderlichen  Änderungen 
vollendete,  ohne  die  Grazie  von  Frangois  Watteau  oder  Franz  Xaver  Winter- 
halter erreichen  zu  können.  Man  fühlte,  daß  der  Maler  trotz  allen  Aufwandes 
von  Mühe  und  Arbeit  nicht  über  die  Kostümfrage  hinauskam.  (Vgl.  No.  51 
»Über  Land  und  Meer«  1893,  70.  Bd.,  S.  1048.)  Nach  längerem  Harren  ge- 
langte das  Bild  doch  in  Besitz  König  Ludwigs  IL  In  der  Folgezeit  lieferte 
O.,  welcher  schon  während  seiner  akademischen  Lehrjahre  sich  mit  religiösen 
Stoffen  versucht  hatte  (darunter  ein  »Überfall  in  der  Katakombe«),  viele  Kartons 
zu  Glasgemälden  für  die  weitverzweigte  Kunstanstalt  des  Kommerzienrates 
Franz  Mayer.  Den  längeren  Genuß  seines  wohlverdienten  ländlichen  Tus- 
kulums  zu  Schleißheim  endete  eine  Lungenentzündung. 

Vgl.  Nr.   273    >Allgem.  Ztg.«   4.    Oktober    1902.     Kunstvereinsbericht   f.  1902,   S.   74. 
Singer  1898,  11,  351.     Fr.  v.  Bötticher  1898,  II,   196.  Hyac.   Holland. 

Pfeiffer,  Urban,  Maler,  *  25.  Mai  1841  zu  Nöggenschwiel  in  Baden, 
f  5.  Februar  1902  in  München.  P.  war  eigentlich  nur  sogenannter  »Faß- 
maler«, der  aber  seines  Amtes  in  so  origineller  Weise  waltete,  daß  er  von 
allen  Plastikern,  welche  sich  seiner  Handleistung  bedienten,  als  ebenbürtiger 
Kollege  geachtet  wurde.  Der  helläugige,  aufgeweckte  und  strebsame  Knabe 
kam  rechtzeitig  zu  dem  im  nahen  Säckingen  hausenden  Meister  Jos.  VoUmar, 
der  in  seiner  vielseitigen  Tätigkeit  als  Architekt,  Maler,  Vergolder,  Bildhauer 
und  Stuckateur  eine  ganze  mittelalterige  »Fabrica«  repräsentierte.  (Ein  Sohn 
des  obengenannten,  Ludwig  Vollmar,  *  7.  Januar  1842  zu  Säckingen,  welcher 
1858  nach  München  kam,  und  in  die  Fußtapfen  Defreggers  trat,  aber  schon 
am  I.  März  1884  zu  München  starb,  hat  sich  als  vorzüglicher  Genremaler 
vorteilhaft  bekannt  gemacht.)  Auf  seinen  »Wander jähren«  kam  P.  nach  der 
Schweiz  und  Bayern,  wo  er  zu  München  die  Kunstschule  besuchte,  insbesondere 
aber  das  Gebiet  der  Ornamentik  kultivierte  und  hierin  ein  so  schönes  praktisches 
Wissen  erwarb,  daß  er  in  Paris,  wohin  er  zur  Erweiterung  seiner  Technik  die 
Schritte  lenkte,  in  einem  größeren  Atelier  für  christliche  Kunst  sehr  will- 
kommene Aufnahme  fand,  woselbst  der  Chef  der  Anstalt  ihm  ganz  außer- 
gewöhnliche Affektion  erwies  und  den  braven  jungen  Deutschen  zu  seinem 
Schwiegersohn  erklären  wollte.  Leider  zerstörte  der  Ausbruch  des  Krieges 
und  die  infolge  desselben  verbundene  Ausweisung  aller  Deutschen  die  schöne 
Zukunft  seines  Gönners  und  die  eigenen  Pläne.  Da  auch  das  Verbot,  Gold 
ins  Ausland  mitzunehmen,  seine  saueren  Ersparnisse  bedrohte,  so  verpfiasterte 
P.  die  sauer  ersparten  Napoleondors  in  die  Innenwand  seines  Zylinderhutes, 
vergaß  aber  in  der  Eile  eines  verkehrten  Zugwechsels  die  inzwischen  abge- 
legte gewichtige  Kopfbedeckung  im  Coupe.  Sorgenschweren  Hauptes  sprang 
P.  noch  rechtzeitig  zurück,  um  die  letzte  Wohltat,  die  ihm  ein  Franzmann 
bot,  dadurch  zu  erfahren,  daß  ihm  sein  bisheriger  freundlicher  Reisegefährte 


Pfeiffer.     Krenn.     Schulderer.  I(5q 

aus  dem  Waggonfenster  die  kostbare  Kopfzierde  mit  der  arglos  gegebenen 
Andeutung  über  die  Schwere  dieses  altmodischen  Möbels  hinaus  vermittelte! 
P.  ließ  sich  bleibend  in  München  nieder  und  übte  in  wahrhaft  künstlerischer 
Weise  die  Polychromie  an  den  Werken  der  Bildhauer,  welche  erst  allmählich 
sich  herbeilassen,  ihre  Erzeugnisse  mit  einem  färbigen  Hauch  des  Lebens 
zu  überkleiden  und  langsam  auf  die  von  den  alten  Plastikern  und  Architekten 
vollauf  beliebte  und  geübte  Methode  zurückgreifen.  Mit  feinstem  Gefühl  und 
kongenialem  Verständnis  seiner  Vorbilder  ließ  er  den  Pinsel  walten  und 
ornamentierte  mit  stilgerechten  Mustern,  in  der  W^eise  der  italienischen  und 
deutschen  Cinquecentisten,  die  Gewänder  der  Heiligenbilder  und  gravierte  in 
gleich  sorgfältiger  Ausführung  den  betreffenden  goldenen  Hintergrund  ihrer 
Statuen.  Neue  nutzbare  Ausbeute  brachte  1900  eine  Studienrei.se  nach  Rom 
und  Italien,  Stoff  und  Material  für  langjährige  Arbeitszeit,  welche  jedoch  eine 
schwere  Augenkrankheit  mit  anderen  Leiden  in  unerwarteter  Weise  verkürzte 
und  abschnitt.  Seine  weiche  Tenorstimme  machte  ihn  überall  beliebt.  Als 
vielseitiger  Sammler  brachte  P.  ein  kleines  Museum  von  Merkwürdigkeiten 
aller  Art  zusammen,  in  welchen  er  Teile  seines  schwer  verdienten  Vermögens 
heimlich  verbarg.  Da  er  nicht  die  ganze  Summe  versteuerte,  sollen  die 
lachenden  Erben  lange  Gesichter  gemacht  haben. 

Vgl.  Rechenschaftsbericht  des  Vereins  f.  christl.  Kunst  f.   1902  S.  12  (von  Max  Fürst). 

Hyac.  Holland. 

Krenn,  Edmund,  Genre-,  Landschafts-  und  Architekturmaler,  *  24.  April 
1845  in  Wien,  f  ^3-  Februar  1902  in  Zürich.  —  K.  erhielt  den  ersten  Unter- 
richt durch  den  Kupferstecher  Jakob  Müller  und  war  von  1862 — 68  Schüler 
der  Wiener  Akademie.  Er  unternahm  mehrere  Studienreisen,  war  lange  Zeit 
in  W^ien  tätig  und  lebte  seit  1893  in  Zürich.  Hauptsächlich  beschäftigte  er 
sich  mit  Aquarellmalerei  und  zwar  besonders  mit  architektonischen  Dar- 
stellungen. Das  kunsthistorische  Hofmuseum  in  Wien  besitzt  eine  Reihe  von 
Aquarellen  von  seiner  Hand,  welche  Wiener  Gebäude  darstellen:  »Die  Bellaria 
an  der  Hofburg  in  Wien«,  1889.  »Der  älteste  Trakt  der  Hofburg«,  1889. 
^Der  Schweizerhof  in  der  Hofburg«.  »Der  Kapellenhof  in  der  Hofburg«,  1892. 
.'Der  Burghof '<,  1891.  »Die  Sommerreitschule  und  das  alte  k.  k.  Burgtheater«, 
1891.     »Das  alte  Burgtheater,   189 1. 

Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903.  —  Kunst  für  Alle  XVII.  Jahrg.  —  Chronique 
da  Arts  et  de  la  Curiesite  1902.  —  Boettichcr,  Malerwerke  des  19.  Jahrhunderts,  1895 
bi5  190'.  Hugo  Schmerber. 

Schulderer,  Otto,  Maler,  *  1834  in  Frankfurt  a.  M.,  f  23.  Januar  1902  da- 
selbst. —  S.  nahm  von  1849 — 51  Unterricht  an  der  Schule  des  Städelschen 
Instituts  in  seiner  Vaterstadt  bei  Passavant  und  Jakob  Becker  und  ging  dann 
nach  Paris.  Dort  schloß  er  sich  an  Courbet,  Manet  und  deren  Freundeskreis 
an;  besondere  Freundschaft  verband  ihn  mit  Fantin-Latour  bis  an  sein  Ende. 
In  einem  seiner  historisch  und  künstlerisch  wertvollen  Gruppenbilder,  dem 
y^ Atelier  de  Batiß^nolies'<^  hat  Fantin-Latour  auch  Schulderer  abgebildet;  Manet 
sitzt  vor  der  Staffelei,  den  Pinsel  in  der  Hand,  rechts  hinter  ihm  steht 
Scholderer,  dessen  feiner,  nachdenklicher  Kopf  auf  das  Gemälde  niederblickt. 
Mit  Fantin-Latour  hat  Scholderer  auch  vieles  gemeinsam  in  seiner  Kunst,  an 


170  Scholderer,     Schwendy.     Löwy. 

ihn  erinnert  die  zarte,  duftige  Technik  und  die  diskrete  Farbenstimmung 
seiner  Bilder.  Diese  stets  unaufdringlichen,  maßvollen  und  doch  persönlich 
eigenartigen  Werke  vermochten  zwar  nicht  die  Aufmerksamkeit  der  weitesten 
Kreise  zu  erregen,  aber  sie  haben  für  den  Kenner  einen  fesselnden  Reiz;  be- 
sonders in  Stilleben,  einfachen  Arrangements  von  Blumen  und  Früchten,  hat 
er  ganz  reizvolle  Bilder  geschaffen.  Als  1870  der  Krieg  ausbrach,  ging 
Scholderer  nach  England,  wo  er  dann  zwanzig  Jahre  lang  ansässig  blieb, 
mit  Cazin,  Legros,  Edwards  und  anderen  englischen  Malern  verkehrte  und 
öfters  in  der  Royal  Academy  ausstellte.  Wenige  Jahre  vor  seinem  Tode 
kehrte  er  wieder  nach  Frankfurt  zurück.  Scholderer  hat  sich  um  die  deutsche 
Kunst  auch  dadurch  verdient  gemacht,  daß  er  als  einer  der  ersten  auf  das 
ungewöhnliche  Talent  Hans  Thomas  aufmerksam  wurde  und  den  jungen 
Künstler,  als  dieser  nach  Düsseldorf  kam,  zu  neuem  Streben  ermutigte;  1868 
reisten  beide  zusammen  nach  Paris  und  auch  späterhin  leistete  er  Thoma 
einen  großen  Dienst,  als  er  ihm  1872  die  Bekanntschaft  mit  einem  einfluß- 
reichen Gönner  vermittelte,  die  von  großer  Wirkung  auf  Thomas  äußeres 
Leben  war. 

Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903.  —  Kunst  für  Alle  VII.,  XVII.  —  Boetticher, 
Malerwerke  des  19.  Jahrhunderts,  1895 — 1901.  —  Chronique  des  Arts  et  de  la  Curiositi 
1902.  —  H.W.Singer,  Allgemeines  Künstlerlexikon,   1895.  Hugo  Schmerber. 

Schwendy,  Albert,  Architekturmaler,  Professor,  ♦  20.  Oktober  1820  in 
Berlin,  f  1902  in  Dessau.  —  Seh.  sollte  sich  ursprünglich  der  Architektur  als 
Beruf  widmen,  wußte  aber  seine  Neigung  zur  Malerei  durchzusetzen,  als  er 
im  Jahre  1844  zu  seiner  weiteren  Ausbildung  nach  München  kam.  Dort 
wandte  er  sich  entschieden  dem  Studium  der  Malerei  zu  und  wurde  Schüler 
von  M.  Neher,  später  —  1846  —  ging  er  nach  Berlin  zu  Professor  Biermann, 
1847/48  nach  Paris,  wo  er  unter  Lepoittevin  arbeitete.  Nach  einer  Studien- 
reise in  Frankreich  entstanden  viele  Bilder  aus  Rouen,  Ca€n  und  der  Bre- 
tagne. Späterhin  wechselte  er  öfters  seinen  Wohnort:  1848—55  lebte  er  in 
Berlin,  1855  zog  er  nach  München,  vier  Jahre  darauf  ließ  er  sich  aus 
Familienrücksichten  wieder  in  Berlin  nieder  und  1871  ging  er  nach  Dessau, 
wo  er  den  Professortitel  und  den  Orden  für  Kunst  und  Wissenschaft  erhielt. 
Seine  Werke  sind  zum  größten  Teile  Städteansichten,  meist  belebte  Markt- 
plätze, Kirchen,  alte  Gebäude  usw.  aus  vielen  Orten  Deutschlands,  be- 
sonders Nürnberg,  Dessau,  Goslar,  Altenburg,  Halberstadt  u.  a.  In  technischer 
Beziehung  legte  er  das  Schwergewicht  auf  sorgfältige  Zeichnung  und  Detail- 
ausführung, ohne  koloristische  Effekte  anzustreben.  Viele  seiner  Arbeiten 
kamen  in  den  Privatbesitz  Friedrich  Wilhelms  IV.,  des  Herzogs  Friedrich  von 
Anhalt  und  des  Herzogs  von  Altenburg. 

Literatur:  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  1903.  —  Kunst  für  Alle  XVIIL  Jahrg.  — 
Boetticher,  Malerwerke  des  19.  Jahrhunderts,  1895 — 1901.  —  Chronique  des  Arts  et  de  la 
Curiositc  1902.  —  H.  W.  Singer,  Allgemeines  Künstler-Lexikon,  1895.  —  I^*s  geistige 
Deutschland  am  Ende  des   19.  Jahrhunderts.    I.  Bd.  Bildende  Künstler,   1898. 

Hugo  Schmerber. 

Löwy,  Josef,  k.  u.  k.  Hofphotograph,  ♦  1835  in  Preßburg,  f  24.  März  1902 
in  Wien.  —  L.  war  einer  der  bekanntesten   und   erfolgreichsten  Männer  auf 


Löwy.     Massini.  1 7 1 

dem  Gebiet  der  Reproduktionstechnik.  Er  kam  in  früher  Jugend  nach  Wien, 
um  in  der  Siegerschen  Kunstanstalt  die  Lithographie  zu  erlernen,  später  be- 
suchte er  die  Kunstakademie  daselbst  und  dann  das  Atelier  des  Malers  Neu- 
stätter,  wo  er  sich  mit  Lithographie  und  Malerei  beschäftigte.  Die  so  er- 
worbene künstlerische  Fertigkeit  kam  ihm  wohl  zu  statten,  als  er  sich  die 
Photographie  zum  Beruf  erwählte.  Sein  Atelier  entwickelte  sich  aus  kleinen 
Anfängen  zu  großer  Beliebtheit  und  größere  öffentliche  Aufträge  wurden  ihm 
zuteil.  Er  eröffnete,  als  erste  Anstalt  dieser  Art  in  Österreich-Ungarn,  eine 
Abteilung  für  Lichtdruckverfahren  und  wußte  diese  Erfindung  mit  Ausdauer 
in  Wien  einzuführen.  Nach  und  nach  wurden  alle  photomechanischen  Re- 
produktionsarten in  seiner  Anstalt  aufgenommen;  besondere  Sorgfalt  widmete 
er  dem  farbigen  Verfahren,  speziell  dem  dreifarbigen  Lichtdruck  und  der 
Dreifarbenautotypie.  Unter  dem  letzten  seiner  größeren  Werke  dieser  Art 
war  das  vom  Ministerium  für  Kultus  und  Unterricht  herausgegebene  Werk 
über  Giovanni  Segantini.  Seine  Verlagstätigkeit  begann,  als  er  dazu  berufen 
wurde,  die  Aufnahme  und  die  Herausgabe  der  alten  Meister  der  kaiserl.  Ge- 
mäldegalerie zu  übernehmen.  Nach  diesen  Galerieaufnahmen  entstand  eine 
zweibändige  Heliogravüre- Ausgabe  der  Gemälde,  —  1 20  Tafeln  mit  Text  von 
Hofrat  von  Engerth.  Ferner  gab  er  Aufnahmen  aus  den  Galerien  Czernin, 
Harrach,  Schönborn,  Preyer  in  Wien  und  Nostitz  in  Prag  heraus.  Zugleich 
entstand  eine  Sammlung  von  Reproduktionen  nach  modernen  Bildern  und 
gelangte  ein  Prachtwerk  in  Heliogravüre  über  die  moderne  Abteilung  der 
kaiserlichen  Gemäldegalerie,  mit  Text  von  Direktor  August  Schaeffer,  zur 
Ausgabe.  Andre  Verlagswerke  sind  die  Ausgaben  von  Lichtdrucksammlungen 
nach  architektonischen  und  kunstgewerblichen  Objekten.  Die  beiden  Hof- 
museen, das  Burgtheater,  die  Hofbibliothek,  einige  Palais  wurden  in  solchen 
Werken  behandelt;  ferner  zwei  Bände  über  die  Waffensammlung  des  Aller- 
höchsten Kaiserhauses,  ein  Band  über  die  Goldschmiedeabteilung,  zwei  Werke 
über  die  Bildhauer  Tilgner  und  Kühne,  über  die  Kostümausstellung  des  k.  k. 
Österreichischen  Museums,  1891,  mit  Text  von  Dr.  Masner.  Eine  große  An- 
zahl von  Einzelblättem  in  Heliogravüre  und  Farbenlichtdruck  nach  modernen 
Wiener  Bildern  war  für  den  Wandschmuck  berechnet.  Weiters  sind  zu  er- 
wähnen die  photographischen  Kollektionen  von  Ansichten  von  Wien,  Abbazia, 
Bosnien,  dem  Semmeringgebiet  u.  a. 

Kunstchronik  XIII.  —  Kunst  für  Alle  1901  —1902.  —  L.  Hevesi,  Österreichische  Kunst 
im  19.  Jahrhundert,  1903.  —  Gedenkschrift :  Dem  Andenken  des  kaiserl.  Rates  Josef  Löwy. 
Wien  o.  J.  Hugo  Schmerber. 

Massini,  Rudolf,  Dr.  med.  und  o.  Prof.  der  Arzneimittellehre,  Direktor  der 
allgemeinen  Poliklinik  in  Basel,  *  28.  November  1845  in  Basel,  f  12.  Dezem- 
ber 1902  daselbst;  studierte  in  Basel  und  Göttingen  Medizin,  war  Assistent  bei 
Liebermeister  und  bei  Socin,  nahm  unter  Bergmann  als  freiwilliger  Arzt 
am  Feldzuge  1870/71  teil  und  leitete  vor  Paris  ein  Etappenlazaret.  1872 
habilitierte  er  sich  in  Basel  für  Pathologie  und  Therapie  und  wurde  1874 
Assistenzarzt  der  neugeschaffenen  Poliklinik  des  Bürgerspitals,  1877  wurde  er 
zum  außerordentlichen  Professor,  1882  zum  Vorsteher  der  Poliklinik,  1890  zum 
ordentlichen  Professor  ernannt.  Außer  dem  poliklinischen  Unterrichte  hielt  er 
Vorlesungen  über  Arzneimittel-  und  Arzneiverordnungslehre.    Sein  Hauptwerk 


172  Massini.     Kaltenbrunner. 

war  die  Organisation  und  Leitung  der  aus  der  Poliklinik  des  Spitals  hervor- 
gegangenen staatlichen  allgemeinen  Poliklinik.  Dieses  Institut  gewährt  allen 
Einwohnern  der  Stadt  Basel,  welche  ein  Jahreseinkommen  unter  800  Fr. 
(Ledige)  resp.  1200  Fr.  (Verheiratete  samt  Familie)  haben,  unentgeltliche 
ärztliche  Behandlung,  Arzneien,  Verbandstoffe,  Bäder,  Spitalveqjflegung  usw. 
Unter  dem  Direktor  stehen  ein  Stellvertreter  und  sieben  Bezirksärzte  in  der 
Stadt,  zwei  in  den  Landgemeinden.  Die  durchschnittliche  Jahreszahl  der  Poli- 
klinikberechtigten beträgt  ca.  17000,  die  Zahl  der  im  Hauptambulatorium  be- 
handelten Kranken  ca.  6000,  die  in  der  Bezirkskran kenpfiege  (Ambulatorien 
der  Bezirksärzte  und  Hauskranke)  ca.  10 000,  der  in  den  Spitälern  Verpflegten 
ca.  1400;  die  vom  Staat  getragenen  Auslagen  betrugen  jährlich  170000  bis 
200000  Fr.  Mustergültig  war  der  poliklinische  Unterricht,  welcher  den 
Studenten  ein  Spiegelbild  der  ärztlichen  Sprechstunde  bot.  M.  fand  neben 
seiner  immensen  praktischen  Tätigkeit  wenig  Zeit  zu  wissenschaftlichen  Ar- 
beiten; er  hat  seine  Erfahrungen  und  Anschauungen  über  die  Wirkung  der 
Arzneimittel  in  einem  kleinen  Werke  ^ Pharmcuopoea  policlinices  basiliensis  1^2is>e:\ 
1900«  niedergelegt. 

Als  Militärarzt  rückte  M.  bis  zu  der  höchsten  Stelle  eines  schweizerischen 
Armeearztes  vor  und  nahm  an  allen  organisatorischen  Fragen,  welche  die 
schweizerische  Militärsanität  betrafen,  lebhaften  Anteil.  Als  Mitglied  der 
schweizerischen  Pharmakopoekommission  beteiligte  er  sich  an  der  Ausarbeitung 
der  IL  und  III.  Auflage  der  Pharmacopoea  hehetica.  Trotz  seiner  großen  Be- 
fähigung zu  organisieren  und  zu  leiten  war  ihm  jede  Pedanterie  und  jeder 
Hauch  von  Bureaukratismus  fremd;  immer  mit  Freudigkeit  tätig  und  bis  ins 
kleinste  pflichtgetreu,  riß  er  durch  sein  Beispiel  seine  ganze  Umgebung  mit 
sich.  Er  war  gleich  geschätzt  von  seinen  Kollegen,  Schülern  und  Patienten 
wegen  seiner  Herzensgüte,  seiner  heiteren  Gemütsart  und  seines  zuvorkommen- 
den Charakters.  Er  starb,  nachdem  ein  schweres  Leiden  (Verkalkung  der 
Herzarterien)  ihm  wohl  Schmerzen  bereitet,  aber  seine  Arbeitslust  nicht  be- 
einträchtigt hatte,  mitten  aus  voller  Wirksamkeit  heraus,  tief  betrauert  von 
Unzähligen,  die  ihm  gutes  zu  verdanken  hatten.  Egger. 

Kaltenbrunner,  Ferdinand,  Universitätsprofessor,  ♦  16.  September  1851 
zu  Kirchdorf  in  Oberösterreich,  f  8.  August  1902  zu  München.  —  K.  war  der 
reichbegabte  Sproß  einer  bekannten  oberösterreichischen  Familie,  die  früher 
zu  den  Eisengewerken  des  Krems-  und  Ennstales  gehörte,  und  die  in  Adam  K., 
dem  Oheim  unseres  Ferdinand,  auch  einen  originellen  Dialektdichter  des 
Landes  ob  der  Enns  hervorbrachte.  Ferdinand  K.  absolvierte  in  Kremsmünster 
und  Graz  die  Gymnasialstudien,  besuchte  die  Universitäten  München  und 
Leipzig  und  von  1873 — 75  als  Mitglied  des  Instituts  für  österreichische 
Geschichtsforschung  die  Universität  Wien.  Hörte  er  dann  auch  noch  ein  paar 
Semester  in  Berlin,  so  blieb  doch  die  Schule  und  der  Einfluß  Th.  Sickels  für 
K.  und  seine  ganze  Arbeitsrichtung  entscheidend. 

Sickels  glänzende  Vorträge  gewannen  K.  für  die  historischen  Hilfswissen- 
schaften, speziell  für  die  Chronologie.  Er  vertiefte  .sich  in  gründliche  Studien 
über  die  Vorstufen  und  die  Geschichte  der  Gregorianischen  Kalenderreform. 
Schon  1876  erschien  ein  bedeutsamer  und  gehaltvoller  Aufsatz  über  die  Vor- 
geschichte jener  Reform,  weitere  Abhandlungen  in  den  nächsten  Jahren  über 


Kaltenbrunner.     Gritzner. 


173 


die  Polemik,  welche  die  Reform  hervorrief,  und  über  den  Kalenderstreit  in 
Augsburg.  Mit  der  ersten  dieser  Arbeiten  habilitierte  sich  K.  1877  an  der 
Universität  Graz,  1881  wurde  er  zum  außerordentlichen,  1892  zum  ordent- 
lichen Professor  für  historische  Hilfswissenschaften  in  Innsbruck  ernannt.  Auf 
diese  seine  erfolgreichen  chronologischen  Forschungen  kam  K.  später  nach 
Erledigung  anderer  Arbeiten  wieder  zurück,  er  hat  die  letzten  gesunden  Jahre 
seines  Lebens  der  eifrigen  Sammlung  umfangreichen  archivalischen  Materials 
für  eine  Geschichte  der  Durchführung  der  Kalender  reform  in  Deutschland 
gewidmet. 

Aus  diesem  ihm  lieben  Arbeitsgebiete  war  K.  durch  die  ehrende  Auf- 
forderung Wattenbachs  abgerufen  worden,  den  ersten  Teil  der  Neubearbeitung 
von  Jaffes  Papstregesten  zu  übernehmen;  ferner  durch  die  Gelegenheit,  das 
älteste  originale  Material  von  Papsturkunden  des  11.  und  12.  Jahrhunderts  in 
Italien  kennen  zu  lernen.  Aus  einer  italienischen  Reise  von  1878/79  erwuchs 
ein  Bericht  über  den  bearbeiteten  Stoff,  sowie  eine  Abhandlung  über  die 
Papsturkunden  des  12.  Jahrhunderts.  Sodann  erschien  1881  und  1882  der  von 
K.  bearbeitete  Teil  der  Papstregesten  bis  590.  Von  Theologen  und  Kirchen- 
historikem  haben  diese  Regesten  manchen  Tadel  erfahren  —  für  abschließende 
Regesten  der  ältesten  Papstbriefe  war  damals  überhaupt  die  Zeit  noch  nicht 
gekommen,  wie  selbst  heute  noch  nicht.  Im  Jahre  1881  zog  dann  K.  auf 
zwei  Jahre  nach  Rom  als  provisorischer  Leiter  des  von  Sickel  neu  begrün- 
deten österreichischen  historischen  Instituts  in  Rom.  Mit  Ottenthai  und  Fanta 
beutete  er  das  vatikanische  Archiv  für  die  Geschichte  der  ersten  Habsburger 
aus  und  er  hat  dann  die  gewonnenen  Dokumente  mit  ungemein  sorgfältigen 
Erläuterungen  als  »Aktenstücke  zur  Geschichte  des  deutschen  Reiches  unter 
Rudolf  und  Albrecht«  (1889)  herausgegeben.  Als  weitere  Frucht  seiner  römi- 
schen Studien  waren  schon  früher  bemerkenswerte  Arbeiten  über  die  päpst- 
lichen Register  des  13.  Jahrhunderts  und  namentlich  über  die  höchst  wichtige 
Briefsammlung  des  Berardus  de  Neapoli  erschienen  (Mitt.  des  Instituts  5.,  6., 
7.  Band). 

So  verdienstlich  diese  wissenschaftliche  Tätigkeit  K.s  für  den  Ausbau  der 
Diplomatik  und  Chronologie  geworden  ist,  man  hätte  doch  so  gerne  noch 
reichere  Frucht  seiner  großen  Begabung  folgen  gesehen.  Wer  ihn  kannte, 
den  hochgewachsenen,  schönen  Mann  mit  dem  wallenden  blonden  Haar  und 
Bart,  seinen  hochgemuten  Sinn,  seinen  scharfen  und  lebhaften  Geist,  sein  viel- 
seitiges Können,  der  mochte  noch  bedeutendes  von  ihm  erwarten.  Aber  in 
den  besten  Mannesjahren  wuchs  langsam  ein  schweres  Nervenleiden  in  ihm 
heran,  es  lähmte  mehr  und  mehr  seine  Arbeitskraft,  verdüsterte  seinen  Geist, 
und  endete  mit  einerfi  langewährenden  traurigen  Siechtum  und  mit  völliger 
Umnachtung,  aus  der  ihn  endlich  der  Tod  erlöste. 

Nekrolog  in  Mitt.  des  Instituts  24,   182—184  (Ottenthai).      Oswald  Redlich. 

Gritzner,  Maximilian  Adolf  Ferdinand,  Heraldiker,  *  29.  Juli  1843  in 
Sorau  (Lausitz),  f  Juli  1902  in  Steglitz  bei  Berlin.  —  G.  war  der  Sohn  eines 
Rechtsanwalts  und  Notars  in  Sorau,  der  auch  gleichzeitig  Besitzer  der  Ritter- 
güter Nißmenau  und  Wutschdorf  war.  Nach  Absolvierung  des  Gymnasiums 
in  seiner  Vaterstadt  trat  G.  im  März  1862  als  Avantageur  in  das  6.  Pommer- 
sche    Infanterieregiment  Nr.  49    ein,    machte    als    Leutnant    den  Feldzug    in 


l  JA  Gritzner.     König. 

Böhmen  (1866)  mit  und  wurde  am  3.  Juli  nach  Erstürmung  der  Dörfer  Ober- 
und  Unter-Dohalic  durch  eine  feindliche  Granate  schwer  verwundet,  so  daß 
er  noch  an  demselben  Abende  in  Sadowa  amputiert  werden  mußte.  Er  ge- 
nas unter  der  Pflege  seiner  herbeigeeilten  Mutter,  doch  konnte  er  erst  im 
Juni  1867,  nachdem  Professor  Langenbeck  noch  eine  zweite  Operation  voll- 
zogen, von  seinem  künstlichen  Beine  Gebrauch  machen.  Seit  dem  Januar 
1867  pensioniert,  bat  er  im  November  d.  J.  um  seine  Reaktivierung  und 
bekleidete  bis  zum  März  1869  den  Posten  eines  Bezirksadjutanten  des  Land- 
wehrbataillons Sorau,  worauf  er  zur  Staatstelegraphie  übertrat.  Eben  w^ollte 
er  nach  abgelegtem  Staatsexamen  die  höhere  Telegraphenlaufbahn  beginnen, 
da  brach  der  Krieg  gegen  Frankreich  aus.  Infolge  Mangels  an  Offizieren 
bat  G.  um  Beschäftigung  in  der  inaktiven  Armee,  und  so  führte  er  denn  bis 
zur  Rückkehr  des  siegreichen  Heeres  die  Handwerkerabteilung  des  Kaiser 
Franz-Gardegrenadierregiments.  Nach  dem  Frieden  bildete  er  sich  bei  der 
Regierung  zu  Potsdam  und  dem  Polizeipräsidium  in  Berlin  im  Verwaltungs- 
fache aus  und  trat  1872  als  Beamter  in  das  Ministerium  des  Innern  ein,  wo 
er  als  Geh.  Registrator  und  später  als  Geh.  Kanzleirat  die  Bibliothek  des 
Ministeriums  verwaltete  und  1894  zum  Bibliothekar  ernannt  wurde.  —  Schon 
als  Schüler  bekundete  G.  ein  lebhaftes  Interesse  für  Wappensammlungen,  das 
sich  später  zur  Passion  steigerte,  und  während  der  langen  Zeit  seiner  Re- 
konvaleszenz begann  er,  die  Heraldik  wissenschaftlich  zu  betreiben  und  seine 
Forschungen  in  einer  Reihe  von  Schriften  niederzulegen,  z.  B.  »Chrono- 
logische Matrikel  der  brandenburgisch-preuflischen  Standeserhöhungen  und 
Gnadenakte  von  1600  bis  1873«  (^^74)  —  »Standeserhebungen  und  Gnaden- 
akte deutscher  Landesfürsten  während  der  letzten  drei  Jahrhunderte«  (1881) 
—  »Wappenalbum  der  deutschen  Grafenhäuser«  (1884)  —  »Wappen  des 
schleswig-holsteinischen  Hauses«  (1889)  —  »Handbuch  des  Ordenswesens« 
(1893)  —  »Handbuch  der  Damenstifter«  (1893)  —  »Wie   sollen  wir  flaggen ?<^ 

(1893)  —    »Landes-    und    Wappenkunde    der    brandenb.-preuß.    Monarchie<^ 

(1894)  —  »Geschichte  der  Entwicklung  des  brandenb.-preuß.  Wappens  seit 
141 7«  (1895)  und  »Geschichte  des  Wappens  der  Wettiner«  (1901).  Viele  ge- 
lehrte Gesellschaften  haben  G.  infolge  dieser  ■  Arbeiten  zum  Ehren-  und 
ordentlichen  Mitgliede  ernannt  und  eine  Reihe  von  Fürsten  hat  dieselben 
durch  Ordensverleihung  ausgezeichnet.  Erwähnt  sei  noch,  daß  sich  G.  auch 
als  dramatischer  Schriftsteller  versucht  und  unter  dem  Namen  Max  Fernand 
zwei  vaterländische  Schauspiele  »Die  Brandenburger  vor  Ofen«  (1883)  und 
»Feindliche  Gewalten«  (1886)  veröffentlicht  hat. 

Persönliche  Mitteilungen.  —  Wrede  und  Reinfels:  Das  geistige  Berlin.    Bd.  I  S.  143. 

Franz  Brummer. 

König,  Bruno  Emil,  Schriftsteller,  *  11.  April  1833  in  Hettstädt  (Provinz 
Sachsen),  f  'T-  Ju"i  ^9^2  in  Leipzig-Schleußig.  —  Seine  Schulbildung  genoß 
K.  in  der  Stadtschule  zu  Hettstädt  und  besuchte  darauf  1847 — 53  ^i^  Prä- 
parandenanstalt  und  das  Lehrerseminar  in  Eisleben.  Doch  nur  kurze  Zeit 
amtierte  er  als  Lehrer,  da  ihm  dieser  Stand  in  der  Reaktionsperiode  jener 
Zeit  gründlich  verleidet  ward,  und  da  sein  Plan,  Buchhändler  zu  werden, 
gleichfalls  auf  Hindernisse  stieß,  so  trat  er  zur  Postverwaltung  über  und  war 
in  derselben  bei  verschiedenen  Postämtern  in  der  Provinz  Sachsen,  in  Soest, 


König.     Preuß(-Laudien).  1 7  5 

Dortmund,  Hamm,  Minden  und  zuletzt  beim  Hauptpostamt  in  Berlin  tätig. 
Nach  mehr  als  zwölfjähriger  Wirksamkeit  schied  er  1866  freiwillig  aus  dem 
Postdienste,  um  sich  der  Journalistik  und  Schriftstellerei  zuzuwenden,  nach- 
dem er  schon  früher  vielfach  für  angesehene  Zeitungen,  namentlich  über 
Verkehrswesen  und  Personalverhältnisse  der  Beamten,  Beiträge  geliefert  hatte. 
Einige  Jahre  war  er  in  der  Redaktion  der  Zeitung  des  Dr.  Strousberg  »Die 
Post«  beschäftigt  und  wurde  von  diesem  auch  mehrfach  zu  größeren  Reisen 
verwendet;  dann  gründete  er  1869  in  Berlin  das  Beamtenblatt  »Deutsche 
Post«,  aus  dessen  Verlag  sich  allmählich  eine  Buchhandlung  für  Verkehrs- 
wesen entwickelte.  Infolge  von  Prozessen  und  anderen  Unannehmlichkeiten 
siedelte  er  1875  mit  seiner  Familie  nach  Wien  über,  wo  er  sein  bekanntes 
Buch  schrieb  »Schwarze  Kabinette.  Eine  Geschichte  der  Briefgeheimnis- 
Enthüllungen,  Perlustrationen  und  Brief  logen  des  postalischen  Sekret- 
dienstes etc.«  (1875,  3.  Aufl.  1899),  dem  er  später  ähnliche  Werke  folgen  ließ, 
wie  »Geschichte  der  Briefgeheimnisse  und  des  schwarzen  Kabinetts  Preußen- 
Deutschlands«  (1879)  ""^  »Das  Cabinet  noir  in  Frankreich«  (1881).  Von 
Wien  aus  wandte  sich  K.  nach  Gelnhausen,  später  nach  Leipzig  und  Ham- 
burg, führte  darauf  die  Redaktion  der  »Danziger  Zeitung«,  des  »Bürger-  und 
Bauemfreund«  in  Insterburg,  der  »Bromberger  Zeitung«  und  ließ  sich  dann 
in  Liegnitz  nieder,  wo  er  völlig  abgeschlossen  einige  Jahre  hindurch  ledig- 
lich der  Schriftstellerei  lebte.  Zwar  ließ  er  sich  später  bewegen,  die  Redak- 
tion der  »Ratiborer  Zeitung  für  Oberschlesien«  zu  übernehmen,  doch  legte 
er  dieselbe  schon  nach  Jahresfrist  wieder  nieder  und  zog  1888  nach  Saalfeld 
in  Thüringen,  wo  er  ein  Jahrzehnt  weilte.  Dann  wählte  er  Dresden  und 
1901  Leipzig-Schleußig  zu  seinem  Wohnsitz  und  redigierte  hier  die  »Monats- 
blätter für  Post  und  Telegraphie«.  Von  seinen  sonstigen  Schriften  sind  noch 
zu  erwähnen  »Geschichte  der  deutschen  Post«  (1889,  3.  Aufl.  1900),  »Die 
Marine  des  großen  Kurfürsten  und  die  erste  deutsche  Expedition  nach  West- 
afrika« (1895),  »Das  Buch  vom  Schweidnitzer  Keller  in  Breslau«  (1886)  und 
die  historischen  Erzählungen  »Das  Pfarrhaus  im  Freigericht«  (1879),  »Ritter 
Hans  von  Schweinichen«  (1887),  »Sickingens  Leben  und  Ende«  (1887)  und 
»König  und  Flötenvirtuos«  (1887). 

Adolf  Hinrichsen:  Das  literarische  Deutschland  1891  S.  7x6.  —  Das  literarische 
Leipzig  1897  S.  59.  Franz  Brummer. 

Preuß(-Laudien),  Henriette,  Dichterin,  *  19.  Januar  1825  in  Königs- 
berg i.  Pr.,  t  23.  Juli  1902  in  Charlottenburg.  —  H.  P.s  Vater  Heinrich  Laudien 
war  Baurat  in  Elbing,  der  bald  nach  ihrer  Geburt  am  Nervenfieber  starb. 
Die  Mutter  zog  dann  mit  ihrer  Tochter  zunächst  nach  Königsberg,  wo  die 
Großmutter  lebte,  und  wenige  Jahre  später  nahmen  alle  ihren  Wohnsitz  in 
Pillau.  Der  Großmutter,  einer  geistvollen,  hochgebildeten,  feinen  Frau  aus 
kurländischem  Adelsgeschlecht,  verdankte  Henriette  den  inneren  Gehalt 
ihres  Lebens  und  das  reinste  Glück  ihrer  Kindheit.  Von  ihr  und  einem 
Kandidaten  der  Theologie  unterrichtet,  besuchte  sie  dann  vom  9.  Jahre  ab 
die  höhere  Töchterschule,  absolvierte  noch  ziemlich  jung  ihr  Lehrerinexamen 
und  war  dann  als  Lehrerin  teils  in  Familien,  teils  an  Privatschulen  viele 
Jahre  tätig,  hatte  auch  inzwischen  in  Halle  anderthalb  Jahre  Gelegenheit  ge- 
nommen,  ihre  Kenntnisse   in   der  Musik    und   den  Sprachen  und  in  anderen 


1 76  Preuß(-Laudien).     Eppler. 

Wissenschaften  zu  ergänzen.  In  Pillau  verheiratete  sie  sich  mit  dem  Lehrer 
Preuß,  der  bald  darauf  als  Leiter  der  Schule  in  einer  kleinen  westpreußi- 
schen Stadt  gewählt  wurde  und  1873  an  das  neubegründete  Gymnasium  in 
Strasburg  in  Westpreußen  als  Vorschullehrer  berufen  ward.  Hier  gründete 
Henriette  1880  die  Zeitschrift  »Unserer  Frauen  Blatt«,  die  sie  drei  Jahre 
leitete  und  mit  zahlreichen  Beiträgen  versorgte.  Im  Jahre  1886  verlegten 
die  Gatten  ihren  Wohnsitz  nach  Breslau,  wo  H.  P.  1888  Witwe  wurde;  im 
folgenden  Jahre  siedelte  sie  nach  Berlin  über.  Hier  erhielt  sie  nach  einigen 
Jahren  auf  Verwendung  des  Ministerialdirektors  Greiff  eine  Stiftsstelle  im 
Kaiser  Wilhelm-Stift  (Charlottenburg),  für  welches  sie  bei  Gründung  des- 
selben durch  ihr  poetisches  Talent  erfolgreich  gewirkt  hatte.  —  Die  Zahl 
der  Publikationen  der  Dichterin  ist  ziemlich  groß,  wenngleich  sie  meist  nur 
geringen  Umfang  haben.  Es  war  ihr  in  vielen  Fällen  gar  nicht  um  den 
Dichterlorbeer  oder  um  klingenden  Lohn  zu  tun,  sondern  ihre  poetischen 
Gaben  sollten  ein  Scherflein  zur  Linderung  oder  Beseitigung  irgend  eines 
Notstandes  oder  zur  Förderung  irgend  einer  wohltätigen  Stiftung  beitragen; 
andere  wieder  (wie  Märchen  —  Deutsche  Polterabende  —  Kinder-Glück- 
wünsche —  Polterabend-  und  Hochzeitgedichte  —  Rätselbüchlein  —  Jugend- 
erzählungen etc.)  sollten  dem  Bedürfnisse  der  Unterhaltung  im  Familienkreise 
und  bei  Familienfesten  dienen. 

Persönliche  Mitteilungen.  —  Karl  Leimbach:  Die  deutschen  Dichter  der  Neuzeit  und 
Gegenwart,  8.  Bd.  S.  273.  —  Sophie  Pataky:  Lexikon  der  deutschen  Frauen  der  Feder. 
2.  Bd.  S.  153.  —  Richard  Wrede  und  Hans  von  Reinfels:  Das  geistige  Berlin,  i.  Bd. 
S.  418.  —  Ad.  Hinrichsen :    Das  literarische  Deutschland,   1887  S.  483. 

Franz  Brummer. 

Eppler,  Christoph  Friedrich,  Dichter,  *  10.  Juli  1822  in  Kirchheim  a.  X. 
(Württemberg),  f  20.  November  1902  in  Basel.  —  E.  war  der  Sohn  eines  Rot- 
gerbers, bildete  sich  auf  dem  Seminar  zu  Eßlingen  (1837 — 39)  zum  Volks- 
schullehrer aus  und  diente  als  solcher  an  verschiedenen  Schulen  seiner 
Heimat,  bis  er  1845  durch  Wilhelm  Hoffmann ,  den  nachmaligen  General- 
superintendenten und  Hofprediger  in  Berlin,  als  Lehrer  an  die  Missionsanstalt 
in  Basel  berufen  ward.  Dort  erlernte  er  mit  den  Zöglingen  zugleich  die 
alten  Sprachen,  worauf  er  1852 — 56  an  der  Baseler  Universität  unter  Hagen- 
bach, Riggenbach,  Stockmeyer  und  Auberlen  Theologie  studierte.  Dann 
wurde  er  Mentor  der  Söhne  des  eidgenössischen  Obersten  Alioth  zu  Aries- 
heim im  Birstale  und  sammelte  hier  die  zerstreut  lebenden  Protestanten  zu 
einer  evangelischen  Gemeinde,  der  er  zehn  Jahre  lang  als  Seelsorger  vor- 
stand. Im  Jahre  1867  wurde  E.  Pfarrer  der  Gemeinde  Waidenburg  im  Basler 
Jura  und  kam  1877  in  gleicher  Eigenschaft  nach  Birsfelden  bei  Basel.  Erst 
im  Jahre  1900  trat  er  in  den  Ruhestand  und  siedelte  dann  nach  Basel  über. 
—  Schon  im  Jahre  1852  gab  E.,  angeregt  durch  seinen  väterlichen  Freund 
Albert  Knapp,  seine  Missionslieder  unter  dem  Titel  »MissionshrCrfe«  heraus. 
Dann  folgte  nach  30  Jahren  eine  Sammlung  seiner  Gedichte  »Blätter  und 
Blüten  vom  Lebensbaume«  (1881),  denen  E.  1899  eine  »Neue  Folge«  nach- 
sandte. »Diese  Gedichte  sind  der  Ertrag  eines  Lebens,  der  ernstesten  und 
gesegnetsten  Stunden  einer  Erden  Wanderung,  und  obwohl  sie  mitunter  im 
Inhalt    und  Ton    unter   sich  verwandt  sind,    so   sind   sie   doch  von   anderer 


Eppler.     Merkens.  177 

Poesie  unabhängige  Klänge  und  den  Dichtungen  eines  Albert  Knapp  und 
Julius  Sturm  verwandt,  formvollendet  und  milden,  versöhnenden  Geistes.« 
Außerdem  hat  E.  verschiedene  das  Missionsgebiet  berührende  Schriften  her- 
ausgegeben und  in  »Karl  Rudolf  Hagenbach.  Eine  Friedensgestalt  aus  der 
streitenden  Kirche  der  Gegenwart«  (1875)  seinem  Lehrer  ein  ehrendes  Denk- 
mal gesetzt. 

Persönliche  Mitteilungen.  —  Karl  Leimbach:    Die  deutschen  Dichter  der  Neuzeit  und 
Gegenwart,   i.  Bd.  S.  399.  —  Adolf  Hinrichsen:    Das  literarische  Deutschland,  1891  S.  331. 

—  Ernst  Heller:    Sänger  aus  Helvetiens  Gauen,   1882  S.  288.  Franz  Brummer. 

Merkens,  Heinrich,  Schriftsteller,  *  27.  Juli  1836  in  Köln  am  Rhein, 
f  9.  März  1902  in  München.  —  M.  entstammte  einer  alten,  angesehenen 
Kaufherrnfamilie  und  wurde  nach  Absolvierung  des  Gymnasiums  alter 
Tradition   gemäß  für   die  kommerzielle  Laufbahn  bestimmt,   in  der  er  auch 

—  mehr  einer  idealen,  den  praktischen  Zwecken  kaufmännischer  Tätigkeit 
wenig  dienenden  Richtung  huldigend  —  zwar  ohne  Neigung,  aber  mit  Ge- 
duld drei  Jahre  (1855 — 58)  verharrte,  wobei  er  seine  Zeit  in  eigentümlicher 
Art  zwischen  Kontorarbeiten  und  autodidaktischen  Studien  der  verschieden- 
sten Art  hinbrachte.  Damals  schon  begann  er  mit  poetischen  Versuchen, 
die  er  hier  und  dort  veröffentlichte  und  dann  in  einem  Bändchen  sammelte, 
das  er  unter  dem  Pseudonym  M.  v.  d.  Erft  »Wilde  Blumen«  (1861)  betitelte 
und  in  Köln  herausgab.  Nach  Beendigung  seiner  Lehrzeit  vermochte  er 
sich  seinen  Neigungen  mit  mehr  Freiheit  zu  überlassen;  er  unternahm  eine 
größere  Reise  durch  Frankreich,  die  von  erheblichem  Gewinn  für  Klärung 
und  Ausbildung  seines  Geistes  begleitet  war.  Im  Jahre  1864  verheiratete  er 
sich  mit  der  hochgebildeten  Tochter  einer  angesehenen  Kölner  Familie  und 
siedelte  im  folgenden  Jahre  nach  Würzburg  über,  wo  er  fast  30  Jahre  als 
Privatgelehrter  weilte  und  besonders  als  Schriftsteller  auf  historischem  und 
kulturhistorischem  Gebiete  tätig  war.  Seine  verdienstlichste  Arbeit  ist  seine, 
mit  Unterstützung  des  Professors  Frz.  Xaver  Wegele  herausgegebene  Verdeut- 
schung der  Hauptwerke  Friedrichs  des  Großen,  der  wohl  der  Ruhm  gebührt, 
»den  Zeitgenossen  zuerst  und  zur  richtigen  Stunde  die  literarischen  Arbeiten 
des  großen  Königs  wert  gemacht  zu  haben«.  Als  Vorläufer  dazu  erschienen 
zunächst  die  »Gedanken  Friedrichs  des  Großen«  (187 1),  dann  die  »Aus- 
gewählten Werke  Friedrichs  des  Großen«  (III,  1873 — 75),  »Friedrichs  des 
Großen  Philosophie,  Religion  und  Moral«  (1876)  und  »Friedrichs  des  Großen 
ausgewählte  kriegswissenschaftliche  Schriften«  (1876).  Auch  besorgte  M. 
eine  Ausgabe  der  »Briefe  Friedrichs  des  Großen  an  Voltaire«  (1876),  »an 
d*Alembert  und  den  Marquis  d'Argens«  (1878).  Während  eines  Sommer- 
aufenthalts seiner  Familie  in  Kreuzwertheim  (187 1  und  1872)  verkehrte  M. 
viel  mit  dem  dort  lebenden  Schriftsteller  Ludwig  Storch,  und  auf  dessen 
Anregung  schrieb  er  nach  den  Satiren  des  Petronius  das  Kultur-  und  Sitten- 
bild aus  der  Zeit  des  Kaisers  Nero,  »Das  Gastmahl  des  Trimalchio«  (1874). 
In  den  Jahren  1876 — 79  war  M.s  literarische  Tätigkeit  unterbrochen;  dann 
aber  machte  sie  sich  von  neuem  geltend  und  zwar  auf  einem  ganz  anderen 
Gebiet,  dem  der  Kultur-  und  Sittengeschichte  des  deutschen  Volkes,  deren 
Kenntnis  durch  seine  Werke  »Deutscher  Humor  alter  Zeit«  (1879),  »I^eut- 
scher  Humor  neuer  Zeit«   (gemeinschaftlich  mit  Richard  Weitbrecht  verfaßt, 

Biogr.  Jahrbuch  u.  DeuUcher  Nekrolog.    7.  Bd.  12 


178 


Merkens.     Schöne. 


i88i)  und  »Deutscher  Humor  im  17.  und  18.  Jahrhundert«  (1891)  wesentlich 
gefördert  ward.  Ein  ganz  besonderes  Verdienst  erwarb  sich  M.  jedoch  um 
den  deutschen  »Schwankhumor«,  namentlich  seiner  rheinischen  Heimat.  Mit 
Einfachheit  und  ungeschminkter  Naivetät  weiß  er  in  seinem  Werke  »Was 
sich  das  Volk  erzählt«  (III,  1892 — 1901)  die  Schwanke  und  Schnurren  aus 
dem  Volksmunde  wiederzugeben,  und  er  hat  zuerst  auf  die  große  Bedeutung 
dieser  Äußerungen  des  Volksgemüts  aufmerksam  gemacht.  Im  Herbst  1894 
kehrte  M.  an  den  Rhein  zurück  und  lebte  auf  seinem  Familiengute  Burg 
Mödrath.  Während  eines  Besuchs  bei  seiner  in  München  verheirateten 
Tochter  erkrankte  er  an  der  Influenza,  an  deren  Folgen  er  auch  starb. 

Persönliche   Mitteilungen.  —  Adolf  Hinrichsen:     Das   literarische   Deutschland,    1891 
S.  888.  Franz  Brummer. 

Schöne,  Hermann,  k.  und  k.  Hofschauspieler  in  Wien,  ♦  2.  Oktober 
1836  in  Dresden,  f  9.  Dezember  1902  in  Wien.  —  Sch.s  Vater,  Karl  Schöne, 
war  Chorist  am  sächsischen  Hoftheater,  an  welchem  er  sich  trotz  seiner  unter- 
geordneten Stellung  als  ehrenwerter,  wohlunterrichteter  und  urteilsfähiger 
Mann  lange  Jahre  ausgesprochener  Wertschätzung  erfreute.  Seine  Verhältnisse 
hielt  er  in  guter  bürgerlicher  Ordnung,  so  daß  er  seinen  drei  Kindern  bei 
seinem  Tode  immerhin  einen  Sparpfennig  von  einigen  Tausend  Talern  hinter- 
lassen konnte.  Jedoch  mußte  er  nach  seiner  1868  erfolgten  Pensionierung 
sich  mit  Rollenabschreiben  durchhelfen  und  durfte  in  den  letzten  Jahren  seines 
Lebens  auch  die  Unterstützungen  seines  Sohnes  Hermann  nicht  von  der  Hand 
weisen.  Die  Kinder,  Karl,  Agnes  und  Hermann,  genossen  Bürgerschulunter- 
richt. Die  Tochter  verblieb,  da  die  Mutter  starb,  im  Hause  des  Vaters;  die 
Söhne  trieb  es  zeitig  zum  Erwerb.  Karls  Laufbahn  ist  ziemlich  in  Dunkel 
gehüllt.  1868  erscheint  er  in  Evansville  in  Nord-Amerika  bei  einem  deutschen 
Theaterunternehmen  als  Schauspieler  und  Regisseur  und  wird  bei  einer  Benefiz- 
Einladung  als:  »Karl  Schöne,  nicht  zu  verwechseln  mit  Karl  dem  Schönen  von 
Navarra,  der  älteste  der  deutschen  Schauspieler  dieser  Stadt«,  bezeichnet. 
Es  scheint,  daß  er  sich  dort  später  als  dramatisches  Vereins-Faktotum  bis  zu 
seinem  Tode  durchgeschlagen  hat.  Die  Art  und  Weise  der  Berufsbestimmung 
für  Hermann  beleuchtet  seine  vielartige  Veranlagung:  ihn  selbst  zog  es  zur 
Gärtnerei,  sein  Vater  glaubte  einen  Dekorationsmaler  aus  ihm  machen  zu 
müssen.  Da  der  Versuch,  ihn  beim  Hoftheatermaler  Zaragoni  als  Lehrling 
unterzubringen,  aus  äußerem  Anlasse  fehlschlug,  bestimmte  der  Vater  nolens 
volens  dem  Sohne  Gesangsunterricht  erteilen  zu  lassen  und  ihn  zum  Theater 
zu  schicken.  Mit  16^/2  Jahren  debütierte  er  (8.  Mai  1853)  am  Sommertheater 
in  Reisewitz  bei  Dresden  unter  Direktor  Scheemann  als  »Ein  Grenzwächter« 
in  »Des  Ratsherrn  Töchterlein«  und  verblieb  daselbst  bis  Ende  August  für 
kleine  Rollen  und  Chorbaß  mit  8  Talern  Monatsgehalt.  Vom  i.  September 
dieses  Jahres  an  beginnt  ein  Wanderleben  für  den  nicht  ganz  freiwilligen 
Thaliajünger,  das  ihn  nur  sehr  allmählich  jener  künstlerischen  Vertiefung, 
aber  schon  bald  jener  Charakterfestigung  zusteuerte,  die  den  Mann  später 
aufs  vornehmste  auszeichneten.  Nachdem  er  den  September  in  Leipzig  bei 
der  Direktion  Wirsing  für  Chor  mit  16  Talern  Gehalt  verbracht,  sehen  wir 
ihn  am  22.  Oktober  bereits  den  Mitgliedern  des  originellen  Direktors  Obst- 
felder in  Chemnitz  »für  Chor  und  Aushülfsrollen«  eingereiht.     Das  Jahr  1854 


Schöne.  I  yg 

führt  ihn  unter  zwei  verschiedenen  Direktionen,  Josef  Keller  und  Savary,  in 
die  Städte  Liegnitz,  Gr.  Glogau,  Leipzig,  Halberstadt.  In  letzterem  Orte 
avanciert  er  zu  »zweiten  und  dritten  Baßpartien  in  der  Oper  und  Charakter- 
rollen« mit  20  Talern  Gage.  1855  bringt  ihn  sein  Weg  nach  Aschersleben 
und  abermals  nach  Leipzig,  woselbst  der  Sommer  ihn  wieder  auf  16  Taler 
herunterdrückt.  Für  »zweite  Baßpartien  und  bedeutende  Nebenrollen«  engagiert 
ihn  der  Direktor  Bensberg  vom  September  an  mit  24  Talern  nach  Erfurt, 
Mühlhausen,  Chemnitz,  und  verfrachtet  ihn  um  denselben  Preis,  aber  als 
»jugendlichen  Liebhaber«  im  Laufe  des  Jahres  1856  im  Zickzack  nach  Anna- 
berg, Chemnitz,  Limbach,  Chemnitz,  Meißen,  Chemnitz.  Im  April  1857  ent- 
zückt er  bei  der  Direktion  von  Düval  gegen  ein  Äquivalent  von  18  Talern 
Monatsgehalt  die  Einwohner  von  Buttstädt  u.  a.  als  König  Heinrich  von 
Navarra  in  einem  Schauerstück  von  Adami:  »Königin  Margot  und  die  Huge- 
notten oder  die  Pariser  Bluthochzeit  im  Jahre  1572  in  der  St.  Barthomäus- 
nacht«  und  tut  in  Hildburghausen  desgleichen.  Fernere  Wanderungen  unter 
Direktion  Teichmann  als  »jugendlicher  Liebhaber«  für  24  bis  27  Taler 
zwischen  Arnstadt  und  Erfurt  unterbricht  eine  selbständige  »Konzert-Tournee« 
nach  Ilmenau,  Königsee,  Blankenburg,  Apolda.  Im  Mai  1858  führt  ihn  ein 
freundliches  Schicksal  nach  Rostock  zum  Direktor  Behr,  dem  er  dort  bis 
1860  treu  bleibt  und  mit  dem  er  sogar  1861  nach  Bremen  übersiedelt.  Hier 
in  Rostock  zeitigte  das  Gefühl  der  Seßhaftigkeit,  denn  nur  wenige  Vorstel- 
stellungen  in  Güstrow,  Warnemünde  und  Schwaan  unterbrechen  diesen  Zu- 
stand, gute  Früchte  für  den  Künstler  und  Menschen;  denn  hier  wurde  er 
endgültig  und  fast  ausschließlich  seinem  eigentlichen  Berufe,  den  heiteren 
Rollen,  verpflichtet,  und  hier  fand  er  ein  Heim  und  schier  mütterliche  Be- 
treuung bei  wackeren  Leuten,  denen  er  bis  über  seinen  Tod  hinaus  seine 
Dankbarkeit  auch  durch  materielle  Guttaten  bewiesen  hat,  deren  sie  später 
bedürftig  wurden.  Das  plattdeutsche  Milieu  Rostocks  hat  nachhaltigen  Einfluß 
auf  seine  gemütswarme  humoristische  Gestaltungsfähigkeit  geübt  und  Fritz 
Reuter  gehörte  später  zu  den  Tempelschätzen  seiner  Künstlerseele.  1862 
folgte  er  einem  Antrage  des  Direktors  Ernst  nach  Mainz  als  »erster  jugend- 
licher Gesangskomiker  und  Naturbursche«.  Umgebung  und  Beispiel  konnten 
bei  diesen  Bühnen  den  Geschmack  Sch.s  noch  nicht  läutern.  Wir  finden  die 
Allüren  des  fahrenden  Volks,  zumal  in  den  Lockmitteln,  welche  er  für  seine 
Benefizvorstellungen  noch  anwendet.  Einer  der  Zettel  zu  diesen  preist  das 
Stück  eigenen  Fabrikats  an:  »Schöne,  wie  er  weint  und  lacht.  Posse  mit 
Gesang  in  drei  Bildern«,  in  welchem  er,  nach  Gewohnheit  der  »Lieblinge« 
kleiner  Bühnen,  die  Freuden  und  Leiden  des  Benefizianten  bei  guter  und 
schlechter  Einnahme  schildert.  Ein  anderer  Zettel  animiert  zum  Besuche 
einer  Benefiz  Vorstellung  mit  der  Annoncierung  eines  dramatischen  Allerleis: 
'Ein  Sträußchen  für  jedermann  oder  Reminiszenzen  aus  den  beliebtesten 
Stücken«,  wobei  Seh.  den  Karl  Moor  in  einer  Szene  der  »Räuber«  und  den 
Adam  in  einer  solchen  des  »Dorfbarbier«  bietet  und  zum  Schlüsse  einen 
'komischen  Leierkastentanz«  verspricht.  Aber  unter  diesen  Schlacken 
I)rovinzieller  Komödiantengebahrung  glüht,  für  Kenner  bereits  leuchtend, 
jener  ernste  Trieb,  der  zu  künstlerischer  Klarheit  und  Reinheit  zwingt.  Ein 
alter  Praktikus,  der  theatergewaltige  Agent  Schröder,  konnte  Seh.  Heinrich 
Laube    für    das  Burgtheater    empfehlen.     Laube    schreibt    an   Seh.   in  seiner 

12* 


l8o  Schöne. 

charakteristischen,    die  Situation    mit    wenigen  Worten    erhellenden  Art    am 
7.  Januar  1863  nach  Mainz:    »Die  Wahl  der  Rollen   (für  das  Probegastspiel 
nämlich,    zu  dem  er  ihn  auffordert)  wird  mir  aber  schwer,    so   lange  ich  Sie 
nicht  persönlich  kenne.     Das  Beste  wäre,  wir  bestimmten  sie  erst,    nachdem 
Sie  hier  eingetroffen   wären  und  ich  Sie  ausführlich  gesprochen  hätte.     Man 
ersieht  dann  leichter,  was  am  besten  zur  Persönlichkeit  paßt.     Sagen  Sie  mir 
etwas  Ausführliches  über  sich  selbst,  namentlich,  aus  welchem  Teil  Deutsch- 
lands Sie  stammen,  und  welche  spezielle  Richtung  des  heiteren  Genres  Ihnen 
am  nächsten  liegt  und  am  besten  steht.    Ebenso  auch,  ob  Sie  sich  anspruchs- 
los genug  fühlen,  hier  eine  Karriere  zu  beginnen,  bei  welcher  Sie  doch  immer- 
hin noch  eine  Weile  von   Beckmann,   Meixner,    Baumeister  aus  erster  Linie 
zurückgehalten  würden.«     Am    19.  April  1862   trifft  Seh.  in  Wien  ein,    spielt 
am  27.  den  Didier  in  der  »Grille«,    am  30.  den  Tümpel  in  »Ein  Lustspiel  <, 
am  2.  Mai  den  Henning  im  »Störenfried«  und  unterzeichnet  am  3.  Mai  einen 
dreijährigen  Vertrag    mit    dem  Burgtheater.     Die  Beschäftigung    mufite,    wie 
Laube  vorausgesagt,    in   den   ersten  Jahren   auf  die  »Anspruchslosigkeit«   des 
neuen  Mitgliedes  bauen.    Seh.  ist  Nothelfer,  als  Horatio  in  »Hamlet«,  Catesby 
in  »Richard  III.»,  Konstabier  in  »Wallensteins  Lager«,  Raimond  in  »Jungfrau 
von  Orleans« ;    kann    aber   doch  schon   seine  Anwartschaft    auf    einen   Platz 
zwischen  den  Siegreichen  des  Humors  mit  Fridolin  in  »Flattersucht«,  Kerbel 
in  »Ein  Tiger«,  Autolykus  im  »Wintermärchen«  betätigen.    Am  10.  März  1866 
findet  er  in  der  Novität  »Die  zärtlichen  Verwandten«,  als  Schummrich,   jene 
Rolle,    in  der  »ganz  Wien«  von  ihm  spricht,    und  die  ihn  zu  einer  erfüllten 
Burgtheaterhoffnung  stempelt.    Das  einzige  Lorbeerblatt,  das  Hermann  Schöne 
sich  je  aufbewahrte,    stammt  aus  einem  fremden  Kranze  und  liegt  in  einem 
jener  Almanache,    in  welchem  er  sich  seine  knappen  Bemerkungen  über  ihn 
bewegende  Ereignisse   einschrieb,    bei   der  Zeile:    »7.  Sept.  1866  f  Friedrich 
Beckmann.«     Seh.  erquickte  sich  an  der  unwiderstehlichen,    liebenswürdigen 
Urkraft  der  persönlichen  Komik  Beckmanns  ebenso,    wie  er  die  vollsaftige,, 
charakterisierende,    ätzende    komische   Gestaltungsfülle  Meixners  bewunderte 
und  schätzte  sein  eigenes  individuelles  Kunstvermögen  selbst  nie  auf  gleicher 
Linie   mit  diesen  großen  Fachgenossen  ein.     Dennoch  rechtfertigte  er  inner- 
halb der  Grenzen  seiner  komischen  Kraft  vollauf  das  Zutrauen  Laubes,    der 
ihn    sofort    nach  Beckmanns  Tode    mit    gutem  Gelingen    in    dessen  Rollen : 
Mar^chal    (»Pelikan«),    Adam  (»Dr.  Wespe«),    Moses  (»Lästerschule«),    Adam 
(»Winkelschreiber«),    Zabem    (»Bürgerlich    und    romantisch«),    Amad^    (»Ein 
Hut«),  P^ponet  (»Biedermänner«)  die  Schwingen  erproben  ließ.     Seh.  gehörte 
nicht  zu  jenen  geborenen  Komikern,  deren  Persönlichkeit  allein  schon  beim 
Erscheinen  ungebundene  Heiterkeit  auslöst.    Er  war  ein  Humorist  und  wurde 
ein  scharf  beobachtender  und  fein  nachzeichnender  heiterer  Charakterspieler 
im  Sinne  des  Goetheschen  Wortes:  »Die  Künste  ahmen  nicht  geradezu  nach, 
was  man  mit  Augen  sieht,  sondern  gehen  auf  jenes  Vernünftige  zurück,   aus 
welchem  die  Natur  besteht  und  wonach  sie  handelt.«    In  seinen  guten  Zeiten 
sehen  wir  ihn,  ein  Bild  der  Gesundheit,  die  mehr  große  als  kleine,  zur  Fülle 
neigende    Gestalt    gern    straff    und    gerade    gehalten.      Die    fein    modellierte 
Schädeldecke  wird  bald  ihrer  jugendlichen  Lockenfülle  ledig  und  zeitigt,  ein- 
gerahmt von  anschmiegenden,  dünnen  und  seidenweichen  aschblonden  Haaren, 
eine    den   Kopf    dominierende  helle  Stime.     Unscheinbare  Brauen   über  ein 


Schöne.  l8i 

Paar  nicht  großen,  unendlich  gütigen  und  klaren  Augen,  deren  Ausdruck, 
aber  nicht  deren  Farbe  dem  Beschauer  in  Erinnerung  bleibt,  eine  geradlinige 
muntere  Nase,  die  an  der  Spitze  fast  rechtwinklig  sich  abschrägt,  feine  Lippen, 
durch  welche  gesunde  schöne  Zähne  glänzen,  verleihen  dem  vollen  gut- 
gefärbten Gesicht  den  Stempel  Zutrauen  erweckenden,  lebensfrohen,  appetit- 
lichen Menschentums,  kluger  und  heiterer  Gedankentätigkeit.  Später  ver- 
zehrten schwere  Krankheitsjahre  den  Körper  bis  zur  hageren  Gestalt,  in  das 
schmal  gewordene  Gesicht  gruben  die  Leiden  ihre  Linien  und  Zeichen.  Im 
Ruhestand  dann  gab  ein  eigenwilliger,  langer,  voller  weißer  Bart  dem  Kopfe 
einen  förstermäßigen,  weltfernen,  waldversonnenen  Ausdruck.  Seh.  war  ein 
vorzüglicher  Sprecher;  die  Stimme  metallisch  tief,  zur  Höhe  biegsam.  Ein 
weicher  Anklang  heimatlich  sächsischer  Tonfärbung  war  ihm  geblieben,  auch 
auf  der  Bühne  im  Lustspiel  erkenntlich.  Laube,  der  peinliche  Pfleger  von 
Wort  und  Ton  seiner  Künstler,  ließ  gern  seinen  heiteren  Darstellern  leise, 
bodenständige  Dialektschwingungen,  weil  damit  fesselloser  individuelle  Reize 
in  die  Kunstleistung  einströmen  und  die  Natur  des  komischen  Schauspielers 
freier  wird.  Ein  trefflicher  Wanderer  und  vorzüglicher  Schwimmer,  hatte 
Seh.  seinen  Körper  gut  geschult  in  der  Gewalt  und  ungekünstelt  und  sicher 
schmiegten  sich  seine  Gesten  dem  Worte  an,  folgten  seine  Glieder  allen  An- 
forderungen, die  Alter,  Stand,  Kostüm,  Stimmung  des  Dargestellten  verlangten; 
bis  zur  Grazie  konnte  der  Schwerpunkt  der  Seele  seine  Bewegungen  durch- 
dringen; nur  in  niedrig  komischen  Rollen  fiel  eine  stereotype  Windung  des 
Körpers  auf,  die  in  den  Halswirbeln  begann  und  über  den  Rücken  bis  in 
die  Kniekehlen  wellte,  und  die  als  nicht  ganz  absichtslose  Unterstreichung 
des  komischen  Eindrucks  empfunden  werden  konnte.  Er  war  kein  schneller 
Lerner,  kam  aber  mit  seinen  Rollen  fix  und  fertig  auf  das  feinste  ausgearbeitet 
schon  auf  die  erste  Probe,  verließ  sich  nicht  auf  Augenblickseingebungen  und 
die  Arbeit  des  Regisseurs,  schmiegte  sich  aber  aufs  subtilste  jeder  Stil-  und 
Stimmungsparole,  jedem  Zusammenspielsbedürfnisse  an  und  trat  nie  aus  dem 
Rahmen  des  Gesamtkunstwerks,  Seine  Maskenkunst  war  eminent.  Er  ver- 
schmähte darin  alle  alten  Handwerksmittelchen  und  schuf  immer  nach  dem 
Leben,  mit  reicher  Phantasie,  malerischem  Blick.  Es  gab  keine  kleinen 
Rollen  für  ihn.  Mit  derselben  peinlichen  Genauigkeit  arbeitete  er  alle  inneren 
Charakterlinien,  jedes  äußere  Merkmal  des  darzustellenden  Menschen  aus,  ob 
er  nun  den  stummen  Kaleb  im  »Traum  ein  Leben«  oder  seinen  unvergleich- 
lich wahren,  drolligen,  spitzbübischen  zeit-  und  dichtungsechten  Wirt  in 
»Minna  von  Barnhelm«,  oder  seinen  rührend  schlichten  Klosterbruder  im 
»Nathan«  verkörperte.  So  kam  es,  daß  er  selbst  in  unscheinbaren  Aufgaben, 
die  Durchschnittsschauspieler  gering  schätzen,  den  Kennern  oft  Genüsse  und 
Eindrücke  bot.  Ein  Künstler  wird  nie  seinen  saueren,  schneiderseeligen, 
furchtsam-frechen  Haushofmeister  Oswald  im  »Lear«,  seinen  verschlafenen, 
polternden,  später  käsgesichtigen  Pförtner  in  »Macbeth«,  sein  einfaches, 
stimmungssattes  Türmerlied  des  Lynkeus  aus  dem  grandiosen  letzten  Akte  des 
zweiten  Teil  von  »Faust«  vergessen. 

Von  Rollen,  welchen  er  mustergültige  Gestaltung  gab  und  damit  zum 
Teil  populäre  Erfolge  erzielte,  sind  noch  zu  nennen:  Dr.  Rathgeber  in  »Ein 
Schritt  vom  Wege«.  Alles  war  echt  und  wahr  an  diesem  engherzigen, 
philiströsen,     beschränkten    sächsischen    Badearzt,    mit    dem    verschossenen 


l82  Schöne. 

Perückchen  auf  dem  kahlen,  hart-  und  brauenlosen  Kopfe,  dem  sauberen, 
aber  altgedienten  Frack,  der  einst  eleganten  Sommerhose  dazu,  und  dem 
fettigen  Ordensbändchen ;  die  ganze  Figur  in  köstliche,  satirische  Laune  und 
unwiderstehlich  lebensvolle  Komik  getaucht.  Sein  »Kiefertal  macht  sich!'^ 
wurde  Schlagwort  in  Wien.  —  Buchdrucker  Aslaksen  in  Ibsens  »Volksfeind .% 
eine  bis  ins  Detail  bewunderungswürdig  realistisch  ausgearbeitete  Charakter- 
figur von'  interessanter,  erheiternder  Gesamtwirkung.  —  Der  alte  Ekdal  in 
der  »Wildente«,  eine  Lieblingsrolle  des  Künstlers,  die  eingeschrumpften  Ideale 
und  die  tragi-komische  Lebenslüge  mit  köstlicher  transparenter  Kunst  und 
zarten  Mitteln  zu  wirkungsvollster  Anschaulichkeit  gebracht.  —  Sein  unver- 
geßlicher Schreiber  Licht  im  »zerbrochenen  Krug«,  welcher  trockene, 
dürftige  Gegensatz  zum  Dorfrichter  Adam!  Wie  Licht,  eine  wandelnde 
holländische  Genrefigur,  in  der  Gerichtsstube  zu  Hause  ist,  seine  Sachen  in 
der  lüderlichen  Wirtschaft  peinlich  ordnend,  seine  Federn  schneidend,  über 
die  Brille  den  alten  Schalk  beobachtend  und  schließlich  durchschauend,  mit 
kleinen  Blicken  und  gelegentlichem  Lächeln  um  die  dünnen  Lippen  ein  sub- 
alternes Einverständnis  mit  dem  Gerichtsrate  herstellend  und,  und  wie  er 
schließlich  im  Triumphe  das  dem  entweichenden  Dorfrichter  entrissene  Amts- 
mäntelchen  mit  kurzem  Rucke  sich  selbst  um  die  Schulter  wirft,  das  war 
meisterhafte  Kleinmalerei. 

Schöne  war  an  jeden  Platz  zu  stellen,  der  nicht  elementares  Naturell 
oder  aristokratischen  Lüster  erforderte.  Er  war  ein  komischer  Darsteller,  der 
Goethe,  Kleist,  Lessing,  Shakespeare,  Calderon,  Moli^re  spielen  konnte,  ohne 
den  Stil  als  Schraubstock  für  den  gestaltenden  Humor  empfinden  zu  lassen. 
Aus  seiner  reichen  Galerie  vortrefflicher,  sich  scharf  unterscheidender  Charakter- 
figuren seien  noch  genannt:  Der  alte  Gobbo  (»Kaufmann  von  Venedig«'), 
Trinculo  (»Sturm«),  Schlehwein  (»Viel  Lärm  um  Nichts«),  Pistol  (»Heinrich  IV. <^), 
Totengräber  (»Hamlet«),  Reichs-Hauptmann  (»Götz  von  Berlichingen«),  Frei 
(»Erbförster«),  Kapaun  (»Landfrieden«),  Wachtel  (»Hagestolzen«),  Feige 
(»Attache«),  Dr.  Diafoirus  (»Eingebildete  Kranke«),  Silen  (»Der  Cyclop«), 
Rebolledo  (»Richter  von  Zalamca«),  Loyal  (»Tartuffe«),  Guillaume  (»Meister 
Pathelin«),  St.  Reault  (»Die  Welt,  in  der  man  sich  langweilt«),  Isaak  (»Jüdin 
von  Toledo«),  Kolb  (»Die  Sklavin«),  Lebrecht  Müller  (»Der  Störenfried«), 
Apotheker  Klein  (»Eine  böse  Nacht«),  der  Präsident  (»Die  Neuvermählten«)- 

Sein  Bestreben,  dem  Dichter  in  seiner  feinsten  Intention  zu  folgen  und 
das  Individuum  und  nicht  nur  den  Typus  zu  treffen,  wurde  ihm  bei  der  Titel- 
rolle in  »College  Crampton«  verhängnisvoll.  Er  trachtete,  zur  Befriedigung 
des  Dichters,  aber  nicht  zur  vollen  des  Publikums,  den  Einzelmenschen,  den 
jener  gesehen,  nachzuschaffen.  Aber  andere  Darsteller,  die  mit  kräftigerem 
Persönlichkeitseinsatz  den  Bühnentypus  der  Figur  spielten,  haben  mit  der 
Rolle  erfolgreicher  gewirkt. 

Seh.  war  dem  Burgtheater,  den  Kameraden  und  dem  Stande  ein  wert- 
voller Besitz.  Er  war,  ein  Wunder  im  modernen  Getriebe  eines  Großstadt- 
theaters, ein  gesammelter  Mensch.  Seine  geringen  materiellen  Ansprüche 
ans  Leben,  seine  Zurückgezogenheit  auf  sich  selbst,  die  Unterordnung  seiner 
Person  in  die  Disziplin  des  Gesamtkunstwerks  schufen  einen  wunschlosen 
Frieden  um  ihn,  in  welchem  ihm  die  seltensten  Blumen  im  künstlichen  Licht- 
treibhaus der  Bühne  erblühten:   Duldung,    Selbstkenntnis,    Zufriedenheit.     Er 


Schöne. 


183 


ist  ein  Beispiel  edler  Selbstzucht  geworden.  Seh.,  der  den  Anruf  »Freund« 
nur  Wenigen  und  diesen  selten,  wie  einen  Feierklang  spendete,  konnte  keinen 
Feind  haben,  weil  seinem  ernsten  Wahrheits-  und  Reinheitsdrange  die  Milde 
des  Weisen  und  die  Sonne  des  Humoristen  lächelten.  Seine  Direktoren 
liebten  ihn  und  segneten  seine  stillen  kunstehrlichen  Wege.  Dingelstedt  sah 
sich  einige  Jahre  verwundert  diesen  wunschlosen,  lebens-  und  kunstfrohen 
Arbeiter  beim  Werke  an;  dann  bestellte  er  ihn  zu  sich  aufs  Bureau.  »Sie 
sind  ein  weißer  Rabe,  lieber  Schöne;  Sie  haben  keine  Wünsche.  Ich  habe 
Sie  heraufbestellt,  weil  ich  Ihnen  den  Triumph  nicht  gönne,  als  einziger 
Ihrer  Kollegen  mein  Bureau  nie  gesehen  zu  haben.  Ich  habe  Ihnen  weiter 
nichts  zu  sagen.« 

Seh.  war  unvermählt  und  lebte  mit  seiner  Schwester  in  behaglicher  Be- 
dürfnislosigkeit.    Seine  reichen  Ersparnisse  von  niemals  großen  Gagen  hat  er 
Pensionsanstalten  seiner  Kameraden  vermacht.     Er  war  ein   reicher,  nimmer- 
satter   Schenker    und    ein    spröder,    karger   Nehmer.     Ihn    beherrschte    eine 
sensible  Ängstlichkeit,    bei   keiner  Gelegenheit  seine  Person   in   den  Vorder- 
grund zu  stellen,  oder  mit  irgend  welcher  Rücksichtnahme  auf  dieselbe  seinen 
Mitmenschen  beschwerlich  zu  fallen.     Er  war  ein  tiefer  Naturfreund,  ein  Ab- 
gott der  Kinderwelt,   die  er  schwärmerisch  liebte;    ein  Freund  dem  Freunde 
im  edelsten,    erschöpfendsten  Sinne   des  Wortes.     Sein  eisernes  Pflichtgefühl 
war  beispiellos.     Am  9.  April   1853  verzeichnet  er  in  seinem  Almanach:  »Er- 
krankung.     Gallenergießung    und    Leberanschwellung.«     Die    Leiden    hatten 
eingesetzt,  denen  er  17  Jahre  heldenmütig  sollte  standhalten.     15.  Jan.  1899: 
i-Auf  dem  Wege  zur  Abendvorstellung  (»Ottokars  Glück  und  Ende«)  fiel  ich 
auf  der  Fahrstraße  vor  dem  Burgtheater  zusammen.    Man  brachte  mich  hinein. 
Ich  konnte  meine  Rolle  (Schweizersoldat)  spielen.«    Er  hat  nicht  hinzugefügt, 
daß  er  sich  große  Fallwunden  im  Gesicht  verschminkte  und  schwere  Bedenken 
des  Arztes   zurückwies,    da  er  spielte.     Bei  Schüttelfrost  und  Fieberglut  hat 
er  ungezählte  Male  mit  unverminderter  Sorgfalt   für  Dichtung  und  Publikum 
seine  Pflicht  getan  und  nur,  wenn  ihn  seine  Füße  nicht  mehr  trugen,  verkroch 
er  sich  stumm  mit  seinen  Schmerzen  wie  ein  edles  Tier.    Er  konnte  schließ- 
lich   nicht    weiter.     Am    i.  Oktober   1899    tritt  H.  Seh.    in    den   Ruhestand. 
Still  und  ohne  Aufheben.    Seine  Chefs  und  seine  Kameraden  scheiden  schwer 
von  ihm,   und  gute,  wehmütige  Worte  der  Liebe,   Achtung  und  Dankbarkeit 
schicken  sie  ihm  in  seine  stille  Klause.     Die  Rampenlichter  waren  ihm  ver- 
löscht,   aber  durch  Sch.s   Pensionistenstube  strich    der  Segen   seiner  reichen 
inneren  Natur  und  zündete  ihm  neue,    ihm  fast  heller  dünkende  Lichter  an: 
seine  schriftstellerische  Begabung  wurde  frei.     Er  hat   uns   als  schwerkranker 
Mann  humorvolle,    gemütsheitere  Studien  geschenkt,    wovon   einige  ganz  be- 
deutsame, wertvolle  und  einzig  dastehende  Quellen  für  Persönlichkeitskenntnis 
einer  vergangenen  Burgtheaterepoche  bedeuten.     Am  9.  Dezember  1902  starb 
Seh.   nach   unsagbaren  Qualen.     Seine  Asche   mußte   seiner  Verfügung   nach 
in  Gotha  frei  der  Erde  übergeben  werden.     Der  Sturm  blies  hinein,  als  man 
es  tat  und  zerstreute  sie  über  den  weiten  Friedhof.     Der  Rest  ruht  an  unbe- 
zeichneter  Stelle,  nur  dem  Freunde  bekannt. 

Schriften  von  Hermann  Schöne;  alles  im  Druck  erschienen:  Robert  der  Teufel  in 
Meidling.  Die  erste  Charaktermaske.  Der  Souffleur.  Der  Unabhängige.  Wenn  ich  ein- 
mal der  Herrgott  war.     Dresdener  Maitage.    Wie  ich  Schauspieler  wurde.     Das  Burgtheater 


i84 


Schöne.     Schmidt. 


vor  40  Jahren.  Theaterblut.  Hoch  klingt  das  Lied  vom  braven  Mann.  Sylvester-Freude. 
Das  Maßnehmen.  Chokoladen-Poldi.  Zerstampft.  Friedrich  Beckmann.  Vpsilon-Mayer. 
Romeos  Zigaretten.  Ein  Held.  Wenn  man  Gallensteine  hat.  Theater-Blut  erschien  im 
Verlage  von  Ernst  Keils  Nachfolger;  alle  anderen  Geschichten  und  Skizzen  sind  gesammelt 
in  Reclams  Üniversal-Bibliothek.  HugO   Thimig. 

Schmidt,  Auguste,  Lehrerin,  Schriftstellerin  und  Führerin  in  der  deutschen 
Frauenbewegung,  *  2.  August  1833  in  Breslau,  f  lo-  ]^^^  1902  in  Leipzig. 
—  S.  war  die  Tochter  eines  preußischen  Artilleriehauptmanns  und  hatte  das 
Glück,  unter  der  Leitung  einsichtiger,  liebevoller  aber  strenger  Eltern,  welche 
die  Gleichberechtigung  der  Söhne  und  Töchter  anerkannten,  eine  vorzügliche, 
besonders  auf  Selbständigkeit  gerichtete  Erziehung  zu  genießen.  Als  im 
Jahre  1842  der  Vater  als  Major  nach  Posen  versetzt  wurde,  besuchte  Auguste 
hier  die  königliche  Luisenschule  und  trat  am  i.  Oktober  1848  in  das  dortige 
Lehrerinnen-Seminar  ein,  das  sie  nach  zwei  Jahren  unter  Erstehung  des  Staats- 
examens absolvierte,  um  sofort  eine  Stelle  als  Erzieherin  zu  übernehmen. 
Danach  war  sie  einige  Jahre  Lehrerin  an  einer  Privatschule  in  Rybnik  (Ober- 
schlesien) und  wurde  dann  erste  und  einzige  wissenschaftliche  Lehrerin  an 
der  städtischen  höheren  Maria-Magdalenenschule  in  Breslau,  wohin  auch  ihre 
Eltern  nach  des  Vaters  Verabschiedung  (1850)  übergesiedelt  waren.  Mit  dem 
wachsenden  Umfang  ihrer  Aufgaben  reifte  auch  die  pädagogische  Bildung  und 
Arbeitskraft  des  jungen  Mädchens,  und  sie  begann  sich  nach  einem  selb- 
ständigen Wirkungskreis  zu  sehnen.  Sie  legte  daher  die  Prüfung  für  Schul- 
vorsteherinnen ab  und  übernahm  die  Leitung  der  Latzelschen  höheren  Privat- 
töchterschule, die  unter  ihrer  Direktion  zu  neuer  Blüte  gelangte.  Allein  ihre 
Gesundheit  litt  unter  der  übermäßigen  Anstrengung,  und  sie  sah  sich  genötigt, 
ihr  Amt  186 1  in  andere  Hände  zu  legen.  Auf  einer  Reise  lernte  sie  den 
bekannten  Schuldirektor  Dr.  Vogel  in  Leipzig  kennen,  welcher  sich  damals 
mit  dem  Plane  trug,  eine  Bildungsanstalt  für  Lehrerinnen  zu  errichten,  und 
nur  durch  seinen  bald  darauf  erfolgten  Tod  an  der  Ausführung  dieses  Pro- 
jektes verhindert  wurde.  Auf  seine  Veranlassung  hielt  sie  mehrere  Probelektionen 
an  der  i.  Bürgerschule  ab,  wodurch  sie  in  den  Leipziger  Schulkreisen  vor- 
teilhaft bekannt  wurde,  und  Fräulein  von  Steyber,  die  Inhaberin  eines  be- 
deutenden Erziehungsinstituts,  übertrug  ihr  1862  den  Unterricht  in  der  Literatur 
und  Ästhetik  an  demselben.  In  dieser  ihr  zusagenden  Wirksamkeit  fand  sie 
volle  Befriedigung,  und  nach  dem  Tode  der  Vorsteherin  übernahm  sie  im 
April  1870  selbst  die  Leitung  des  Instituts,  in  der  sie  von  ihren  beiden  ver- 
witweten Schwestern  unterstützt  wurde.  Erst  nach  30 jähriger  Wirksamkeit 
gab  sie  den  anstrengenden  Beruf  einer  Lehrerin  auf,  um  sich  nun  ausschließ- 
lich der  Frauenbewegung  zu  widmen.  Bereits  in  den  Wintersemestern  1863 
bis  1865  hatte  sie  durch  eine  Reihe  interessanter  Vorträge  aus  den  Gebieten 
der  Literatur-  und  Kunstgeschichte  einen  großen  Kreis  von  Zuhörerinnen  um 
sich  versammelt  und  im  Februar  1865  mit  Frau  Luise  Otto-Peters  den  »Leip- 
ziger Frauenbildungsverein«  gegründet,  aus  dem  der  »Deutsche  Allgemeine 
Frauen  verein«  hervorging.  Den  gemeinnützigen  Zwecken  dieses  Vereins  und 
den  Interessen  der  Frauen  diente  dann  in  der  Folge  die  im  Januar  1866  von 
Luise  Otto-Peters  gegründete  Halbmonatsschrift  »Neue  Bahnen«,  welche  von 
S.   mitredigiert   und    nach   dem   Tode   der   erstgenannten   Frau    (1895)   allein 


Schmidt.     Hirsch.  ige 

geleitet  wurde.  Seit  1868  trat  S.  auf  fast  allen  Frauentagen  als  Rednerin  und 
Kämpferin  für  die  Arbeitsberechtigung  der  Frauen  auf  allen  Gebieten  auf, 
stets  und  ständig  betonend,  daß  die  Erziehung  zur  Arbeit  und  dadurch  zur 
Selbsterhaltung  die  beste  Hüterin  der  Sitte  und  der  weiblichen  Würde  sei. 
Ihre  darauf  gerichteten  schriftlichen  Aufsätze  sind  zum  größten  Teil  in  den 
-»Neuen  Bahnen«  erschienen.  Im  Jahre  1890  gründete  sie  mit  Helene  Lange 
und  Marie  Loeper-Housselle  den  »Allgemeinen  deutschen  Lehrerinnenverein« 
und  erfuhr  zur  Feier  des  25  jährigen  Bestehens  des  Allgemeinen  deutschen 
Frauenvereins  die  mannigfachsten  Ehrungen  und  Anerkennungen,  die  sie  zum 
weiteren  Ausharren  in  der  Verfolgung  ihrer  Ziele  ermunterten.  Erst  im  Jahre 
1900  zog  sie  sich  aus  der  Öffentlichkeit  in  die  Stille  der  Häuslichkeit  zurück. 
Auf  belletristischem  Gebiet  tätig  zu  sein,  fehlte  ihr  die  Zeit.  Im  Jahre  1868 
erschienen  ihre  Novellen  »Tausendschönchen«  und  »Veilchen«,  denen  erst 
1895  wieder  eine  Erzählung  »Aus  schwerer  Zeit«  (2.  Aufl.  1902)  folgte.  Ihrer 
Mitarbeiterin  setzte  sie  in  dem  Buche  »Luise  Otto-Peters,  die  Dichterin  und 
Vorkämpferin  für  Frauen  recht.  Ein  Lebensbild«  (1898)  ein  ehrendes  Denkmal. 
Sophie  Pataky:  Lexikon  deutscher  Frauen  der  Feder;  2.  Bd..  S.  250.  Lina  Morgen- 
stern: Die  Frauen  des  19.  Jahrhunderts;  3.  Bd.,  S.  241.  Franz  Brummer. 

Hirsch,  Jenny,  Schriftstellerin,  *  25.  November  1829  in  Zerbst  (Anhalt), 
t  10.  März  1902  in  Berlin.  —  H.  war  das  älteste  Kind  eines  nicht  gerade  in 
guten  Verhältnissen  lebenden  jüdischen  Kaufmanns.  Sie  verlor  ihre  Mutter 
sehr  frühe,  und  da  sich  der  Vater  zu  einer  neuen  Ehe  nicht  entschließen 
konnte,  so  blieb  die  Erziehung  der  verwaisten  Geschwister  einer  hochbetagten 
Großmutter  überlassen.  Glücklicherweise  hatte  Zerbst  den  in  jener  Zeit  noch 
seltenen  Vorzug,  eine  ausgezeichnete  Töchterschule  zu  besitzen,  welche  Jenny 
bis  zu  ihrem  15.  Jahre  besuchte,  und  welche  ihr  bei  Begabung  und  Lerneifer 
eine  Ausbildung  gab,  auf  deren  Grund  sich  vortrefflich  fortbauen  ließ.  Allein 
an  dem  Weiterstreben  war  vor  der  Hand  nicht  zu  denken,  da  sie  im  Schnitt- 
geschäfte ihres  Vaters  sowie  auch  im  Haushalt  tätig  sein  mußte.  Nach  dem 
Tode  der  Großmutter  löste  sich  das  Geschäft  des  Vaters  wegen  schlechter 
Vermögensverhältnisse  auf,  die  Geschwister  kamen  zu  fremden  Leuten  und 
Jenny  blieb  bei  dem  alten  Vater  bis  zu  dessen  Tode  (1856),  ihn  treu  pflegend 
und  nebenher  eifrig  an  ihrer  Fortbildung  arbeitend.  Nunmehr  auf  sich  selbst 
angewiesen,  erbat  sie  von  dem  herzoglich  anhaltischen  Konsistorium  die  Er- 
laubnis, in  Zerbst  eine  kleine  Privatschule  einzurichten,  in  welcher  Knaben 
und  Mädchen  in  den  Anfangsgründen  unterrichtet  wurden,  und  es  ist  ein 
schönes  Zeugnis  für  den  Liberalismus  der  Behörde,  daß  man  ihr,  der  Jüdin, 
dies  nach  Erweis  ihrer  Befähigung  ohne  jegliche  Einschränkung  gestattete. 
Drei  Jahre  gingen  ihr  in  dieser  Lehrtätigkeit,  neben  welcher  sie  noch  viele 
Privatstunden  erteilte,  dahin;  dann  nahm  ihr  Leben  plötzlich  eine  überraschende 
Wendung.  Der  Begründer  und  Besitzer  der  Berliner  Frauenzeitung  »Der  Bazar«, 
in  welcher  einige  ihrer  literarischen  Arbeiten  zum  Abdruck  gekommen  waren, 
richtete  an  H.  die  Anfrage,  ob  sie  geneigt  sei,  in  die  Redaktion  dieser  Frauen- 
zeitung einzutreten.  Sie  nahm  dies  Anerbieten  an,  siedelte  im  Februar  1860 
nach  Berlin  über  und  widmete  ihre  Kräfte  dem  Bazar  bis  zum  April  1864. 
Von  dA  ab  beschäftigte  sie  sich  ohne  bindendes  Verhältnis  literarisch,  indem 
sie  besonders  viel  aus  dem  Englischen,  Französischen  und  Schwedischen  über- 


1 86  Hirsch.     Löhn-Siegel. 

setzte,  Sprachen,  die  sie  alle  durch  Selbstunterricht  erlernt  hatte.  An  der  zu 
Anfang  der  sechziger  Jahre  einsetzenden  Frauenbewegung  nahm  sie  den  leb- 
haftesten Anteil  und  trat  schon  auf  dem  ersten  Frauentage  in  Leipzig  (1865) 
in  die  Reihe  der  leitenden  Persönlichkeiten.  Im  folgenden  Jahre  übernahm 
sie  das  Amt  einer  Schriftführerin  in  dem  in  Berlin  gegründeten  Verein  zur 
Förderung  der  Erwerbsfähigkeit  des  weiblichen  Geschlechts,  dem  nachmaligen 
»Lette-Verein«,  und  weihte  bis  zum  Jahre  1883  diesem  Verein  einen  großen 
Teil  ihrer  Zeit  und  Kraft,  so  daß  ihr  schriftstellerisches  Wirken,  besonders 
auf  belletristischem  Gebiet,  stark  beeinträchtigt  wurde.  Was  sie  in  dieser 
Zeit  schrieb,  bezog  sich  zum  großen  Teil  auf  die  Frauenfrage,  wie  sie  denn 
auch  das  Organ  des  Verbandes  deutscher  Frauenbildungs-  und  Erwerbs  vereine, 
»Der  Frauenanwalt«,  während  der  Jahre  1870 — 188 1  redigierte.  In  ihrer 
Eigenschaft  als  Schriftführerin  des  Lette-Vereins  wohnte  sie  den  Verbands- 
und Frauentagen  in  Berlin,  Darmstadt,  Hamburg,  Wiesbaden,  Lübeck  und 
Breslau  bei  und  hatte  öfter  die  Ehre,  von  der  Protektorin,  der  damaligen 
Kronprinzessin  Viktoria,  empfangen  zu  werden.  Mit  dem  Frühling  1883  zog 
sie  sich  von  jeder  Vereinstätigkeit  zurück,  um  sich  nun  ausschließlich  schrift- 
stellerischer Tätigkeit  zu  widmen.  Sie  wurde  Mitarbeiterin  an  einer  Reihe 
von  Zeitschriften,  besonders  an  der  von  Lina  Morgenstern  geleiteten  »Deutschen 
Hausfrauenzeitung«,  pflegte  dann  aber  mit  vielem  Glück  das  Gebiet  der  No- 
velle und  Erzählung.  Unter  ihrem  Namen  schrieb  sie  die  historische  Erzählung 
»Fürstin  Frau  Mutter«  (1881),  alle  folgenden  aber  unter  dem  Pseudonym 
F.  Arnefeldt:  »Befreit«  (1882)  —  »Die  Erben«  (1889)  —  »Schlangenlist«  (1891) 
—  »Vermißt«  (Rom.  1893)  —  »Der  Amerikaner«  (Rom.  1894)  —  »Umgarnt« 
(1895)  —  »Löwenfelde«  (1896)  —  »Der  Amtmann  von  Rapshagen«  (Rom.  II, 
1896)  —  »Eine  Gedankensünde«  (Rom.  1897)  —  »Die  Juwelen  der  Tante'^^ 
(Rom.  1897)  —  »Schuldig«  (1899)  —  »Theresens  Glück«  (Rom.  1899)  — 
»Märchen«  (Rom.  II,  1900)  —  »Auf  Umwegen«  (Rom.  II,  1900)  —  »Camilla 
Feinberg«  (1901)  und  »Der  Sohn  des  Sträflings«  (Rom.  1902).  Es  sind  das 
alles  einfache  Arbeiten,  nicht  nach  dem  Geschmack  der  Modernen,  aber  immer 
mit  sittlicher  Tendenz. 

Lina  Morgenstern:  Die  Frauen  des  19.  Jahrhunderts,  3.  Bd.,  S.  217.  Sophie  Pataky: 
Lexikon  der  deutschen  Frauen  der  Feder,  x.  Bd.,  S.  358.  Der  Bazar.  Illustrierte  Frauen- 
zeitung, Jahrgang  1899,  S.  567.  M.  Kayserling:  Die  jüdischen  Frauen  in  der  Geschichte, 
Literatur  und  Kunst,  1879,  S.  266 ff.  Franz  Brummer. 

Löhn-Siegel,  Anna,  Schauspielerin  und  Dichterin,  ♦  30.  November  1830 
in  Naundorf  bei  Freiberg  in  Sachsen,  f  i.  Januar  1902  in  Dresden.  —  L. 
war  die  Tochter  eines  lutherischen  Pfarrers  und  wurde,  da  sie  frühzeitig  eine 
lebhafte  Phantasie  und  ein  vielseitiges  Talent  bekundete,  von  ihrem  Vater 
sehr  sorgfältig  unterrichtet  und  sogar  mit  Kants  Philosophie  und  den  alten 
klassischen  Sprachen  vertraut  gemacht.  Bereits  im  15.  Lebensjahre  dichtete 
sie  in  den  Versmaßen  des  Agamemnon  von  Äschylus  ihr  Drama  »Odysseus 
auf  Ogygia«  (1845),  ^^•*»  sogar  den  Beifall  des  berühmten  Leipziger  Gelehrten 
Gottfr.  Hermann  fand.  Um  die  Anforderungen  der  Bühne  gründlichken  nen  zu 
lernen,  beschloß  sie,  Schauspielerin  zu  werden,  und  setzte  diesen  Entschluß 
auch  nach  harten  Kämpfen  mit  der  Familie  durch.  In  Posen  betrat  sie  1846 
zum   erstenmale  die  Bühne,   und  da  diese  infolge   der  politischen   Unruhen 


Lohn-Siegel.  187 

bald  einging,  so  schloß  sie  sich  zunächst  mehreren  reisenden  Gesellschaften 
in  Schlesien  an,  um  dann  am  i.  Juni  1847  ^^^  Engagement  am  Leipziger 
Stadttheater  anzunehmen.  Hier  trat  sie,  empfohlen  durch  ihr  dichterisches 
Talent,  mit  zahlreichen  Männern,  die  in  der  geistigen  Entwicklungsgeschichte 
Leipzigs  eine  hervorragende  Rolle  gespielt  haben,  in  den  regsten  und  auch 
für  spätere  Zeit  dauernden  Verkehr;  so  war  Heinrich  Laube  ihr  Lehrer,  und 
Adolf  Böttger,  Gustav  Kühne,  Herloßsohn,  O.  Marbach,  Dr.  Diezmann  u.  a. 
zählten  zu  ihren  geistigen  und  literarischen  Gönnern,  Förderern  und  persön- 
lichen Freunden.  Der  Schluß  der  Leipziger  Bühne,  durch  die  Revolution 
von  1848  herbeigeführt,  veranlaßte  sie,  für  den  Sommer  ein  Engagement  in 
Magdeburg  und  vom  i.  September  1848  ab  ein  solches  in  Oldenburg  anzu- 
nehmen, bis  sie  im  Frühjahr  1850  einem  Rufe  an  das  Hoftheater  in  Dresden 
folgte,  an  dem  sie  über  22  Jahre  tätig  war.  Im  April  1872  verheiratete  sie 
sich  mit  ihrem  langjährigen  Freunde  Dr.  Franz  Siegel,  dem  Redakteur  der 
»Konstitutionellen  Zeitung«,  an  welcher  sie  seit  1861  als  Mitarbeiterin  tätig 
gewesen  war,  und  am  i.  Dezember  1872,  nach  Ablauf  ihres  Kontrakts,  schied 
sie  von  der  Bühne.  Leider  war  ihre  glückliche  Ehe  nur  von  kurzer  Dauer, 
da  sie  bereits  am  8.  Dezember  1877  ihren  Gatten,  der  auf  der  Heimreise  aus 
Italien  begriffen  war,  in  Tirol  durch  den'^Tod  verlor.  Ihr  ferneres  Leben  war 
zwischen  schriftstellerischen  Arbeiten,  öffentlichen  Vorlesungen  und  der  Tätig- 
keit für  den  von  ihr  1870  ins  Leben  gerufenen  ersten  Dresdener  Frauen- 
bildungsverein geteilt,  bis  der  Tod  sie  von  hinnen  nahm.  —  In  Anna  L.  tritt 
uns  ein  vielseitiges  Talent  entgegen.  Sie  ist  zunächst  dramatische  Dichterin. 
Wir  haben  bereits  ihr  erstes,  in  klassischen  Versen  geschriebenes  Drama 
»Odysseus  auf  Ogygia«  erwähnt.  Auch  das  zweite  Drama  »Iduna«  (1853),  in 
Blankversen  geschrieben,  hat  viele  Vorzüge  aufzuweisen,  ebenso  die  drei  großen 
Dramen  »Luise  Strozzi«  (1862),  »Hartmann  von  Siebeneichen«  (1870)  und 
»Elisabeth  Charlotte«  (1876).  Eine  große  Zahl  ihrer  Lustspiele,  wie  »Der 
Philosoph«  (1853),  »Gefahr  über  Gefahr«  (1859),  »Rechter  und  linker  Flügel« 
(1863),  »Pindars  Werke«  (1864),  »Bei  40°  Reaumur«  (1868),  »Im  Finstern« 
(1868),  »Liebeständelei  und  Liebe«  (1872),  »Das  falsche  Jettchen«  (1876)  sind 
auf  den  verschiedensten  Bühnen  zur  Aufführung  gelangt.  In  den  »Gedichten« 
(1850,  2.  Aufl.  1857)  sind  die  Ansätze  zu  allen  den  schriftstellerischen  Vor- 
zügen der  Dichterin  schon  zu  entdecken.  Auch  ihre  epischen  und  humoristi- 
schen Dichtungen  »Giovanna«  (1854)  und  »Ein  deutscher  Schulmeister«  (1872) 
zeugen  von  dichterischer  Kraft.  Ebenso  hat  L.  im  Roman  und  auf  dem  Ge- 
biete der  Schilderung,  der  Novellette  und  Skizze  Tüchtiges  geleistet.  In  den 
Theatermemoiren,  wie  »Theatererinnerungen  und  Vermischtes«  (1862),  »Wie 
ich  Schauspielerin  wurde«  (1880),  »Aus  der  alten  Kulissenwelt«  (1883)  und 
»Vom  Oldenburger  Hoftheater  zum  Dresdener.  Letzte  Theatertagebuchblätter« 
(1885),  legt  sie  Beobachtungsgabe,  Witz  und  Verständnis  für  die  Kunst  an 
den  Tag.  Ihre  Romane  und  Erzählungen,  »Verkennen  und  Erkennen«  (1861), 
»Gesammelte  Novellen,  Humoresken,  Reiseskizzen«  (1865),  »Königstraum« 
(1866),  »Der  Geheimnisvolle«  (1869),  »Humoresken«  (1868),  »Zwei  alte  Apo- 
theker« (1874),  »Die  Kinder  der  Ciarice  Strozzi«  (1875),  sowie  ihre  Reise- 
berichte, »Reisebuch  einer  in  Italien  allein  reisenden  Dame«  (1859),  »Weitere 
Streifzüge  durch  Italien,  Deutschland  und  Dänemark«  (1862),  »Innerhalb  zehn 
Jahren,  Reiseerlebnisse  und  Eindrücke  aus    1857  — 1867«  (II,   1868)   gewinnen 


l88  Löhn-Siegel.     von  Schraudolpb. 

besonders  dadurch  an  Wert,  daß   sie  uns  eine  auf  streng  sittlichen  Grund- 
sätzen aufgebaute  Lektüre  darbieten. 

Persönliche  Mitteilungen.  Karl  Leimbach:  Die  deutschen  Dichter  der  Neuzeit  und 
Gegenwart,  5.  Bd.,  S.  430.  Gustav  Scheve:  Phrenologische  Frauenbilder,  1865,  S.  158. 
J.  Fr.  Freiherr  von  Reden- Esbeck:  Deutsches  Bühnen -Lexikon  1879,   i.  Bd.  S.  410. 

Franz  Brummer. 

Schl'audolph,  Claudius  von  (junior),  ♦  4.  Februar  1843  zu  München, 
f  4.  Januar  1902  zu  Eppan  (Edelsitz  Thalegg  in  Tirol).  —  Als  der  Sohn  des 
nachmals  durch  König  Ludwig  L  mit  so  großen  Aufträgen  betrauten  Historien- 
malers und  Akademie-Professors  Johann  v.  Schraudolph  (♦  13.  Juni  1808  zu 
Oberstdorf  im  Allgäu,  f  31.  Mai  1879  zu  München)  war  ihm  die  der  ganzen 
Familie  Seh.  anhaftende  Kunstbegabung  in  reichem  Maße  zugefallen.  Der 
Vorname  Claudius  überkam  dem  Knaben  von  seinem  gleichlautenden  Oheim, 
welcher,  ♦  1 813  zu  Oberstdorf,  seinem  nachmals  so  berühmten  Bruder  mit  Rat 
und  Tat  in  unverbrüchlicher  Treue  assistierte.  Der  gleichlautende  Vorname 
ergab  indessen  viele  unerfreuliche  Verwechselungen  zw^ischen  Oheim  und 
Neffen,  ein  Mißstand,  der  von  vielen  wohlmeinenden  Lexikographen  mit  be- 
harrlicher Ausdauer  weiter  kolportiert  wurde ;  (vgl.  die  richtigen  Angaben  im 
Artikel  Johann  von  Schraudolph  in  Liliencrons  »Allg.  deutsche  Biographie«? 
1891,  XXXIL  Bd.,  S.  453  ff.).  Das  Vorbild  von  Vater  und  Oheim  wirkte 
natürlich  bestimmend  auf  den  Jungen,  der  indessen  auf  der  Akademie  die 
herkömmliche  Unterweisung  der  Professoren  Anschütz  und  Hiltensperger  ge- 
noß und  sich  dann,  vielleicht  nach  einem  Winke  seines  Vaters,  jedenfalls 
aber  auch  der  eigenen  Eingebung  folgend,  von  den  väterlichen  Traditionen 
entfernte,  wozu  weitere  Reisen  durch  Belgien,  Frankreich  und  Italien  neue 
Ziele  ergaben.  In  den  Münchener  Kunstverein  brachte  er  zuerst  1867  unter 
dem  Titel  der  »hl.  Elisabeth«  ein  minnigliches  Edelfräulein  in  mittelalterlichem 
Aufputz,  dann  1868  eine  »Parkszene«  und  »naschende  Ministrantenknaben«, 
einen  derben  »Bierstammgast«,  ein  Modedämchen  am  Klavier,  als  Santa 
Cäcilia  »Trost  in  der  Musik«  suchend,  und  dann  gar  das  wahrhafte  Interieur 
eines  —  Münchener  Bräuhauses.  Da  mag  es  wohl  schwere  Dissidien  im 
väterlichen  Hause  abgesetzt  haben,  die  bald  durch  eine  überraschende  Heirat 
neue  Nahrung  fanden.  Alte  und  neue  Zeit  platzten  aneinander,  zumal  da 
Seh.  ohne  je  Pilotys  Unterweisung  genossen  zu  haben,  sich  doch  ganz  an 
dessen  Schüler  und  die  Künstlergesellschaft  »Allotria«  anschloß,  die  ein 
solches  Genie  mit  Freuden  willkommen  hießen  und  stolz  bugsierten.  Sehr 
amüsant  waren  die  mit  dem  Photographen  Hanfstängl  inszenierten  Versuche, 
verschiedene  Modellköpfe  mit  passenden  Kostümzutaten  zu  kulturhistorischen 
Mode-  und  Trachtenbildern  aufzuputzen,  womit  übrigens  Kreling  in  seiner 
Kunstschule  zu  Nürnberg  schon  längst  experimentierte.  Nachdem  Claudius  Seh. 
den  Feldzug  1866  als  Offizier  mitgemacht  hatte,  holte  er  sich  im  deutschen  Kriege 
gegen  Frankreich  (gemeinsam  mit  seinem  Bruder  Johann  Schraudolph,  welcher 
am  19.  Dezember  1893  als  Major  a.  D.  starb)  auf  dem  Felde  der  Ehre  bei 
Loigny  Verwundungen,  die  seine  Pensionierung  als  Oberleutnant  bedingten. 
Leidlich  hergestellt,  oblag  er  mit  Feuereifer  wieder  der  Kunst  und  vollendete 
1872  den  »Osterspaziergang«  aus  Goethes  Faust  mit  den  sich  so  prächtig 
ä  la  Ostade  drehenden  Bauern  und  Bäuerinnen  (vgl.  Beil.  271   »Allgem.  Ztg.« 


von  Schraudolph.     Schwoiser.  l3o 

vom  27.  Septbr.  1872)  —  ein  Bild  von  so  »urkräftigem  Behagen«,  welches 
der  Künstler  leider  nicht  weiter  festhielt,  da  er  gleich  wieder  an  anderen 
Stoffen  sich  zersplitterte.  Im  nächsten  Jahre  kam  eine  Gruppe  »musizierender 
Venetianer«  ä  la  Paolo  Veronese  und  Tiepolo.  Dann  betätigte  er  sich  nebst 
dem  ganzen  zahlreichen  Cort^ge  der  jüngeren  Kunstgenossen  an  der  großen 
illustrierten  Prachtausgabe  von  Schillers  Werken,  von  welchen  ihm  »Fiesko« 
zufiel,  den  Seh.  in  stark  theatralischer  Manier  behandelte.  Dann  warf  er  sich 
mit  Vorliebe  auf  das  Kunstgewerbe,  besorgte  auch  die  geschmackvolle  De- 
koration der  Kunsthalle  auf  der  Nürnberger  Landesausstellung  (1882)  und 
eines  Saales  in  der  Münchener  Kunstausstellung  1883.  Während  dieser  Zeit 
entstand  nach  Gedons  Umbau  das  Hotel  Bellevue,  unter  Beihülfe  von  Geb- 
hard  Fugel  und  anderen,  der  figürliche  Freskenschmuck  an  der  Ost-  und 
Xordseite  dieses  Münchener  Gasthauses,  eine  in  Zeichnung  und  Farbengebung 
ganz  vollendete  Leistung  (darunter  die  Figur  des  Otto  von  Witteisbach  von 
Seh.),  die  indessen  durch  klimatische  Einflüsse  schon  erheblichen  Schaden  er- 
litt. Im  Mai  1883  erfolgte  nach  Liezen-Mayers  Abgang  von  der  Kunstschule 
zu  Stuttgart  Sch.s  Berufung  als  Direktor  dieser  Anstalt.  Seine  geselligen 
Fähigkeiten  erwarben  ihm,  insbesondere  in  den  höheren  Kreisen  daselbst  eine 
zuvorkommende  Aufnahme  und  ehrende  Auszeichnung,  obwohl  der  Künstler 
damals  schon  an  einer  sehr  fühlbaren  Abneigung  gegen  eigene,  neue  Pro- 
duktion zu  leiden  begann.  Außer  zweien  »Morgen  und  Abend«  vorstellenden 
Bildern  an  einer  Stuttgarter  Villa  war  keine  weitere  Schöpfung  zu  verzeichnen. 
Auch  leitete  er  die  dortige  Kunstausstellung  des  Jahres  1891.  Müde,  der 
Mittelpunkt  eines  Parteiengetriebes  zu  sein,  verzichtete  Seh.  nach  wenigen 
Jahren  auf  seine  vielangefeindete  Stellung,  versteigerte  seinen  emsig  gesam- 
melten kunstreichen  Atelierschmuck  und  Urväterhausrat  (Mai  1884)  und  zog 
sich  in  die  Einsamkeit  seiner  Tiroler-Idylle  zurück,  unbeirrt,  ob  man  ihn  jetzt 
für  fahnenflüchtig  halte  aus  dem  Bereiche  der  Kunst. 

Vgl.  Morgenblatt  9  »Allgem.  Ztg.«  1902.  —  Maillinger:  Bilderchronik  1876.  III,  172 
(ebenda  2842 — 59).  —  Singer  1901,  IV,  226.  —  Fr.  v.  Bötticher  1903,  III,  649. 

Hyac.  Holland. 

Schwoiser,  Eduard,  Historienmaler,  *  18.  März  1826  zu  Brüsau  in  Mähren, 
j  3.  September  1902  in  München.  —  Sch.s  Leben  ist  ein  neuer  Beleg  für  den 
alterprobten,  tröstlichen  Erfahrungssatz,  daß  ein  wahres  Genie  und  Talent, 
trotz  den  widerstrebendsten  Hindernissen,  alle  Fesseln  sprengt  und  siegreich 
aus  den  schwersten  Kämpfen  sich  durchzuringen  vermag.  —  Als  armer  Leute 
Kind,  arbeitete  er  sich,  ebenso  wie  E.  Hildebrandt,  Riefstahl,  Stange  und 
viele  andere,  zum  Handwerk  eines  Anstreichers  und  Zimmermalers  bestimmt, 
wacker  empor  zum  Dekorateur  und  Stuckateurmeister,  um  dadurch  die  Mittel 
zu  gewinnen,  etwas  Tüchtiges  zu  erlernen,  den  höchsten  Zielen  nachzustreben 
und  Künstler  zu  werden.  Als  Seh.  mit  seinem  gleichbegabten  und  ebenso 
nach  den  höchsten  Idealen  ringenden  Freunde  Wilhelm  Hauschild  (*  16.  No- 
vember 1827  zu  Schlegel  (Breslau),  f  i4-  Mai  1887  zu  München,  ein  ausge- 
zeichneter, insbesondere  von  König  Ludwig  II.  vielbeschäftigter  Historien- 
maler), auf  der  Sucherfahrt  nach  dem  goldenen  Vlies  endlich  das  heißersehnte 
München  erreichte  und  an  der  dortigen  Akademie  um  Aufnahme  bat,  hielt 
es  keiner  der  beiden  unter  seiner  Würde,  vorerst  noch  einen  Sommer  lang  im 


IpO 


Schwoiser. 


Dom  zu  Salzburg  »Stuck  und  Marmor  zu  machen«,  um  dann  im  folgenden 
Winter  in  eifrigster  Weise  und  vor  keiner  Mühe  und  Sorge  bang,  den  steilen 
Anstieg  zur  wahren  Kunst  zu  wagen.  Beide  fanden  an  Philipp  Foltz  von 
Bingen  (*  ii.  Mai  1805  zu  Bingen,  f  3.  August  1877  zu  München),  den  da- 
mals vielgerühmten,  jedenfalls  wohlmeinendsten  Lehrer,  der  hocherfreut,  trotz 
seinen  mannigfaltigsten  Schrullen  und  Absonderlichkeiten  solch  hervorragende 
»Gesellen«  nach  bestem  Wissen  und  Gewissen  förderte. 

S.s  erste  Bilder  »Die  genesende  Mutter«  1856  (vgl.  Eggers  Kunstblatt 
1858  S.  15)  und  »Albrecht  von  Habsburg  segnet  vor  der  Kreuzfahrt  nach 
Palästina  seinen  Sohn  Rudolf»  (vgl.  Julius  Große  in  Beil.  142  »Neue  Münch. 
Ztg.«  1855)  —  beide  ganz  nach  der  Signatur  der  damaligen  Genre-  und 
Historienmalerei,  fanden  im  Kunstverein  nicht  nur  Beifall,  sondern  auch  An- 
kauf und  weitere  Verbreitung  durch  Steindruck  (von  Emminger)  und  Photo- 
graphie. Foltz  tat  noch  mehr:  er  empfahl  mit  gehobenem  Bewußtsein  seine 
Schüler,  als  König  Maximilian  II.  den  Plan  faßte,  sein  Nationalmuseum  durch 
eine  historische  Bildergalerie  zu  schmücken.  Seh.  erhielt  in  rascher  Folge 
acht  Fresken  übertragen,  welche  zwar  teilweise  sehr  unmalerische  Stoffe  boten, 
die  aber  mit  dem  der  Jugend  innewohnenden  Mute  wacker  in  Angriff  ge- 
nommen und  auch  mit  koloristischer  Tüchtigkeit  ausgeführt  wurden.  Darunter 
wie  Herzog  Stephan  der  Zweite  —  seiner  äußeren,  zierlichen  Erscheinung 
entsprechend  »der  Kneusel«  (=  Gigerl)  genannt —  den  blutwütenden  Tyrannen 
zu  Padua  die  weitere  Beihülfe  verweigert  und  mit  seinen  wenigen  Mannen 
abzieht.  Das  Programm  lautete:  »Die  edle  Rede  des  Herzogs  Stephan  zu 
Padua  1390«.  Dann  »Der  Einzug  der  stolzen  bayerischen  Isabeau  als  Köni- 
gin zu  Paris  1309«;  die  »Deputation  der  Ingolstädter  Bürger  vor  der  Leiche 
ihres  zu  Burghausen  gefangenen  Herzogs,  1447 ;  Kaiser  »Karl  IV.  stellt  zu 
Nürnberg  die  »Herrschaft  der  Geschlechter«  wieder  her  und  gestattet  das  so- 
genannte Schönbartlaufen   1350«. 

Wir  staunen  heutzutage  über  so  für  malerische  Zwecke  ganz  unverwend- 
bare oder  doch  total  widerstrebende  seltsame  »Ideen«,  mit  welchen  der  be- 
rühmte und  verdienstvolle  historische  Geograph,  General  von  Spruner,  die 
Phantasie  der  jungen  Maler  auf  so  schwere  Proben  stellte.  Er  hatte  im  Auf- 
trage des  überaus  wohlwollenden  Monarchen  an  anderthalb  hundert  solcher 
Motive  aus  der  bayerischen  Landesgeschichte  gewählt,  die  er  dann  in  einem 
eigenen  kleinen,  616  Seiten  umfassenden  Folianten  1868  in  möglichst  trockener 
Weise  oratorisch  weiter  kommentierte.  Auch  erschien  eine  photographische 
sechsbändige  Prachtausgabe  der  Bilder,  die  man  später  im  beliebten  Kor- 
respondenzkarten-Lichtdruckformat weiter  zu  popularisieren  strebte  —  eine 
verlorene  Liebesmühe  und  ein  ganz  verkrachtes  Unternehmen.  Freilich  unter- 
liefen zufällig  dabei  auch  erquicklichere  Themata,  z.  B.  die  Darstellung  eines 
1568  auf  dem  Münchener  Marktplatz  abgehaltenen  Turniers  zur  Feier  der 
Hochzeit  Herzog  Wilhelm  V.  mit  der  minniglichen  Renata  von  Lothringen.  Seh. 
erhielt  dazu  die  ganze  Langwand  eines  Saales:  ein  wahrer  Tummelplatz  für 
seine  fröhlich  gestaltende  Invention,  welche  Räume  und  Maße  benötigte 
und  durch  selbstgewählte  Schwierigkeiten  nur  gesteigert  wurde.  Dabei  be- 
tätigte der  Maler  schon  jene  Eigenheit,  die  sich  später  bei  ihm  zu  wahren 
Qualen  steigerte,  indem  Seh.  nach  einer  allerhöchst  genehmigten  genialen 
Komposition    und    brillanten    Farbenskizze   gleich    an    die    Herstellung   eines 


Schwoiser. 


191 


Kartons  ging,  aber  noch  vor  Vollendung  desselben  zu  malen  begann,  dann 
aber  entsetzt  über  die  bei  den  kolossalen  Verhältnissen  hervortretenden,  nur 
ihm  fühlbaren,  angeblichen  oder  wirklichen  Mißstände  etliche  Dutzend  Quadrat- 
meter seiner  vollendeteten  Freske  wieder  herausschlug,  die  ganze  Darstellung 
nach  besserer  Einsicht  umarbeitete  und  in  einzelnen  Teilen  in  abermaliger 
Unzufriedenheit  bessernd  neuerdings  änderte;  ein  Verfahren,  welches  zum 
stillen  Vergnügen  des  mit  unermüdlicher  Rastlosigkeit  arbeitenden  Malers 
von  dem  offiziellen  Kuratorium  gar  nie  bemerkt  oder  entdeckt  wurde. 

Als  weitere  Aufgaben  schlössen  sich  an  »die  Stiftung  des  Würzburger 
Julius-Spitals«,  die  Verteidigung  des  Marienberges  gegen  die  rebellischen 
fränkischen  Bauern  und  die  heldenmütigen  Scharmützel  der  Kronacher  gegen 
schwedisch-weiraarische  Truppen  (1632).  Nachdem  Seh.  mit  etlichen  Genre- 
stücken, wie  »Badende  Mädchen«  und  »Lustige  Landsknechte«  (die  1867  auf 
der  Pariser  Exposition  sich  sehen  ließen  und  zu  verdienten  Ehren  gelangten) 
die  Ölmalerei  neu  aufgenommen  und  für  die  historische  Galerie  des  Maxi- 
milianeums  einen  etwas  opernhaften  »Kaiser  Heinrich  IV.  in  Canossa«  geliefert 
hatte,  machte  der  Künstler  eine  längst  geplante  artistische  Kavaliertour  durch 
Frankreich,  Belgien,  Holland,  England,  Spanien,  Sizilien  und  Italien  —  eine 
Studienreise  im  Gebiete  der  önologie,  ein  Kapitel,  welches  Seh.  fachwissen- 
schaftlich beherrschte,  wobei  ihm  wohl  die  Quellenstudien  bisweilen  über 
dem  Kopf  zusammenschlugen.  So  fand  an  einem  frühen  Wintermorgen  die 
alte  treue,  das  Atelier  ihres  Herrn  besorgende  Dienerin  auf  der  dahinführen- 
den  abgelegenen  Straße  in  Zwischenräumen  zuerst  den  neuen  Hut,  dann  den 
Schirm,  Überzieher,  Fußbekleidung  und  andere  kleinere  Garderobestücke  im 
Schnee,  zuletzt  an  unrichtiger  Stelle  den  in  der  gewohnten  Werkstätte  ruhig 
auf  den  Boden  gebetteten  Meister  selbst,  dessen  stählerne  Natur  die  schwersten 
Stürme  immer  glücklich  bestand.  Aus  denselben  Gepflogenheiten  erklärt  sich 
ein  damals  vielen  Staub  aufwirbelnder  Raubanfall  in  Neapel,  wo  nach  der 
Sage  unser  hotelvergessener  Maler  unter  freiem  Himmel  kampierend  von  mit- 
leidigen Landsleuten  wohlbehalten,  nur  seines  Geldes  und  anderen  Zubehörs 
ledig,  aufgefunden  wurde.  —  Bei  seiner  Rückkehr  warteten  schon  wieder 
zwei  neue  Arbeiten,  die  Fresken  im  Rathause  zu  Landsberg,  auf  seine  Dar- 
stellung: »Wie  Kaiser  Ludwig  die  Stadt  mit  Privilegien  begnadet«  —  ein 
höchst  unmalerischer  Stoff!  und  die  Schilderung  des  berühmten  »Toten- 
sprunges«, womit  die  schönsten  Mädchen  der  Stadt  ihre  Ehre  gegen  die 
nachstürmenden  Schweden  retteten  (Regnet  in  Lützows  Kunstchronik  1877, 
XII,  534).  Hier  war  wieder  ein  Stoff  für  Sch.s  pulsierende  Lebenskraft. 
Nebenbei  entwarf  Seh.,  der  auch  ein  allegorisches  Dekorationsbild  für  die 
Jubiläumsfeier  der  Universität  im  Münchener  Rathaus  beigesteuert  hatte,  eine 
Idee  zu  dem  nachmals  von  Fickler  ausgeführten  Landsberger  Theatervorhang 
(Nr.  86  »Augsburger  Abendzeitung«  im  »Sammler«  30.  August  1878). 

Inzwischen  hatte  auch  König  Ludwig  II.  den  Maler  in  Affektion  genommen, 
der  im  großen  Saale  des  Linderhofes  den  Plafond  mit  der  »Geburt  der  Venus« 
ausstaffierte.  Unmittelbar  daran  reihten  sich  die  Arbeiten  im  Torbau  von 
Neuschwanstein,  wo  das  Treiben  der  Garzune,  der  Reisigen  und  fahrenden 
Ritterschaft  an  Seh.  einen  auch  koloristi.sch  wohlberedten  Interpreten  fand. 
Darauf  folgten  die  größten  Leistungen  Sch.s  mit  drei  Deckenbildern  im 
Schlosse  zu  Herrenchiemsee :   Stoffe,   welche  die  volle  Leistungsfähigkeit  des 


I  p2  Schwoiser. 

Künstlers  geradezu  herausforderten,  in  denen  er  sich  mit  freudiger  Unge- 
bundenheit  und  gleicher  Bravour  in  Komposition  und  Farbe  erging,  die  mit 
dem  ganzen  Stil  der  umgebenden  Schöpfung  ein  kongeniales  Ensemble  bilden. 
Im  »Oeil  de  B(£uf<L  malte  er  die  »Aurora«,  im  -oChambre  de  Parade^  den 
»Göttermorgen«  und  im  -»^ConsetU  die  »Beratung  der  Götter«.  Dabei  gab  es 
freilich  auch  wieder  großartige  Änderungen  während  der  Ausführung,  einer- 
seits veranlaßt  von  dem  bisweilen  schwer  zu  befriedigenden  allerhöchsten 
Willen,  aber  auch  von  dem  ebenso  selbstwilligen,  nur  seiner  künstlerischen 
Einsicht  und  Empfindung  folgenden,  auch  hier  wieder  ebenso  eigensinnigen 
Maler,  der  nach  seinem  Ermessen  fertige  Teile  mit  Vergnügen  beseitigte  und  zum 
allerhöchsten  Entsetzen  und  der  drohendsten  Ungnade  zum  Trotz,  einmal  einen 
ganzen  eben  vollendeten  Plafond  wieder  herunterschlagen  wollte.  Schließlich 
malte  Seh.  im  Auftrage  des  königlichen  Mäcen  ein  in  der  Öffentlichkeit  ver- 
schieden umstrittenes  »Madonnenbild«;  während  Joh.  Schrott  (in  Nr.  351  der 
»Allgem.  Ztg.«  vom  19.  Dezember  1885)  ungesucht  und  vom  kunsthistorischen 
Standpunkt  alle  guten  Seiten  hervorhob,  tadelte  der  »Bayr.  Kurier«  (Nr.  ^1,% 
vom  31.  Dezember  1885)  die  Nachahmung  des  Cinquecento,  das  kalte,  krei- 
dige Incamat  und  die  Verzeichnung  der  Hände.  Dagegen  erging  sich  der 
Kritiker  der  »Augsburger  Abendztg.«  (vom  3.  Januar  1886)  in  vollem  Lobe 
und  der  »Freie  Landesbote«  (vom  4.  Januar  1885)  wußte  ob  der  »eminenten 
Bedeutung  des  Werkes«  kein  Ende  des  Rühmens.  Der  nie  ruhmredig  von 
sich  denkende  Meister  ging  überhaupt  allen  Erörterungen  über  seine  Schöpfun- 
gen mit  stummem  Kopfnicken  aus  dem  Wege.  Seine  letzte,  fast  ganz  unbe- 
kannt gebliebene  Leistung  bildete  eine  Pergament-Miniatur  zu  einem  von 
den  in  München  lebenden  Österreichern  ihrem  Herrn  und  Kaiser  aus  irgend 
einem  Anlaß  dargebrachten  Huldigungsdiplom.  Das  von  Kenner  ahnungslos 
in  seiner  Gegenwart  ausgesprochene  Lob  nahm  Seh.  auf,  ohne  mit  einer 
Wimper  seine  Anonymität  zu  verraten. 

Der  königliche  Mäcen  verlieh  seinem  Maler  die  goldene  Ludwigsmedaille, 
den  Professortitel  und  den  Michaelsorden  erster  Klasse.  Sch.s  Heimat  er- 
nannte ihn  zum  Ehrenbürger.  Der  Künstler  entfaltete  eine  unermüdliche, 
ausdauernde  Tätigkeit,  er  pochte  auf  seine  eherne  Natur,  die  ihm  in 
staunenswerter  Weise  treu  blieb,  wie  das  schwerlastende  Alter  auch  seinen 
Rücken  krümmte.  Rechtzeitig  hatte  er  Pinsel  und  Palette  niedergelegt:  er 
pflanzte,  hackte  und  grub  im  Schweiße  seines  Antlitzes  auf  seiner  Villa  zu 
Starnberg,  als  hartgesottener  Junggeselle,  treu  versorgt  im  Hause  einer  be- 
freundeten Familie,  im  frohen  Rückblick  auf  seine  Tätigkeit  und  wohlgeord- 
neten Verhältnisse.  Das  frühzeitige  Schwinden  der  Stimme  mit  anderen  un- 
erfreulichen Zuständen  machte  ihn  immer  weniger  zugänglich,  bis  die  Feuer- 
bestattung zu  Jena  auch  seinen  letzten  Wunsch  erfüllte.  Sein  Name  wird  in 
den  Schöpfungen  der  Könige  Maximilian  IL  und  Ludwig  IL  immer  geachtet 
fortleben.  Der  größte  Teil  seiner  Bilder  wurde  durch  Alberts  und  Hanf- 
stängls  Reproduktion  weitbekannt. 

Vgl.  Wurzbach  Biograph.  Lexikon  1877,  33.  Bd.  S.  194.  —  Pecht,  Geschichte  der 
Münchener  Kunst  1888,  S.  241.  —  Nekrolog  im  Morgcnblatt  245  »Allgem.  Ztg.«  6.  Sep- 
tember 1902.  —  Fr.  V.  Bötticher  1901,  III,  717.  —  Singer  1901,  IV,  245.  —  Über  Sch.s 
Arbeiten  für  König  Ludwig  II.  berichtet  Luise  von  Kobell  1898  in  ihrer  übrigens  mei^t 
oberflächlichen  und  nicht  innner   zutreffenden  Weise.  Hyac.   Holland. 


Stauber.     Steyrer.  j  g  ^ 

Stauber,  Karl,  Maler  und  Zeichner,  ♦  3.  November  181 5  zu  Amberg, 
t  24.  November  1902  in  München.  —  St.  war  ein  wackerer,  liebenswürdiger, 
scharf  beobachtender  Künstler,  welcher  wenigstens  sechzig  Jahr  lang  zum  Besten 
seiner  Zeitgenossen  zeichnete  und  malte:  Immer  in  der  edlen  Intention,  selbe 
heiter  und  fröhlich  zu  machen!  —  Als  derselbe  1835  nach  München  kam,  um  als 
Akademieschüler  bei  Heinrich  Heß  und  Julius  Schnorr  zu  hospitieren,  zeigte 
er,  ebenso  wie  sein  Freund  Kaspar  Braun,  weniger  Interesse  für  den  hohen 
Stil  der  damaligen  Historienmalerei ;  desto  fröhlicher  aber  erging  sich  seine 
unbefangene  Laune  in  kleinen,  dem  Leben  abgelauschten  Bildern  aus  dem 
Soldatentreiben  und  dessen  Freuden  und  Leiden  in  Krieg  und  Frieden,  in 
harmlosen  Szenen  aus  dem  philiströsen  Dasein  behaglicher  Erdenbürger  und 
Weltpilger,  die  im  Kunstverein  bereitwillige  Käufer  fanden.  Als  im  Spät- 
herbst 1844  die  »Fliegenden  Blätter«  begannen,  tat  St.  bald  neben  Kaspar  Braun, 
Franz  Muttenthaler,  Reinhardt,  Herbert  König  und  Spitzweg  sich  hervor. 
Außer  allerlei  »Reise-Erinnerungen«  bildeten  namentlich  die  komischen  Er- 
lebnisse der  sogenannten  »Familie  Blaumaier«,  die  »Illustrierten  Redensarten«, 
Straßenbilder,  Turnerfeste  seine  heitere  unerschöpfliche  Domäne;  eine  Zeit- 
lang lieferte  er  auch  höchst  ergötzliches  Zeug  mit  Schattenbildern  und 
Silhouetten  mit  Chinesen,  russischen  und  türkischen  Soldaten,  antik-moderne 
Firlefanzereien  und  ethnographischen  Maskenzügen  usw.,  immer  gleich  ergötz- 
lich für  große  und  kleine  Kinder.  Eine  Auslese  seiner  besten,  drolligsten 
Einfälle  ging  aus  den  »Fliegenden«  in  die  wirklich  weltbekannt  gewordenen 
»Münchener  Bilderbogen«  über.  Außerdem  beschäftigte  sich  St.  mit  Illustra- 
tionen an  anderen  Werken,  wie  Georg  Scherers  »Alte  und  neue  Kinderlieder«, 
wozu  er  geistreiche  Radierungen  beisteuerte,  ebenso  lieferte  er  mit  dem  geistes- 
verwandten lustigen  Carl  Heinrich  Schmolzt  (*  1823  zu  Zweibrücken,  f  1859 
in  Philadelphia)  Zeichnungen  zu  Hebels  »Schatzkästlein«.  Wir  begegnen  ihm 
auch  als  fleißigen  Mitarbeiter  in  »Über  Land  und  Meer«,  dann  wieder  als 
Maler  von  kleinen  hochkomischen  Ölbildern,  z.  B.  einer  »Einquartierungs- 
szene« (1853),  einer  »Klosterküche«  (1854  auf  der  AUgem.  Kunstausstellung 
zu  München),  »Schwäbische  Bauern  vor  der  Kabinetskasse«  (1856),  eine  »Musik- 
aufführung in  einer  bayerischen  Dorfkirche«  (1859:  als  Holzschnitt  in  Nr.  28 
der  »Gartenlaube«  1865),  »Dienstmädchen,  welche  den  Hut  ihres  gnädigen 
Fräuleins  probieren«  (1865).  Als  St.  Ende  Dezember  1886  seine  artistische 
Bilanz  zog,  fand  sich,  daß  er  an  9000  Holzstöcke  gezeichnet  hatte,  einige 
Tausend,  die  nicht  vollendet  oder  geschnitten  wurden,  sind  dabei  gar  nicht 
eingerechnet!  Später  erschienen  jene  kleinen  Bildereinfälle  in  den  Beiblättern 
der  »Fliegenden«,  zuletzt  sogar  noch  1893.  Dann  legte  er  Pinsel  und  Stift 
nieder,  um  neidlos  dem  jüngeren  Nachwuchs  das  Feld  zu  räumen.  Eine 
Tochter  ist  mit  dem  liebenswürdigen  G.  Niczky  verheiratet,  der  mit  seinen 
anmutigen  Mädchenreigen  und  Frauenbildern  so  glücklich  dem  Vorbilde  von 
Fr.  A.  von  Kaulbach  folgte. 

Vgl.  Singer  1901,  IV,  330  (5  Zeilen).     »Allgem  Ztg.«  Nr.  328,  28.  November  1902. 

Hyac.  Holland. 

Steyrer,  Clemens,  Novellist,  *  12.  November  1834  (Sohn  des  damaligen 
Landgerichtsrates  Clemens  Steyrer,  eines  ausgezeichneten  Juristen,  welcher, 
eine  Zierde  des  bayrischen  Richterstandes,  als  Appellationsgerichtspräsident  a.D. 

Biogr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrologe.    7.  Bd.  1 3 


j  QA  Steyrer.     Walker. 

am  28.  März  1898  in  München  aus  dem  Leben  schied),  f  14.  März  1902  zu 
München,  k.  Advokat  und  Rechtsanwalt.  —  Während  seiner  langjährigen  Praxis 
hatte  St.  vielseitige  Gelegenheit,  das  ganze  Wesen  des  altbayerischen  Volks- 
stammes nach  allen  seinen  weitverzweigten  Radien,  mit  seinen  Licht-  und 
Schattenseiten  gründlichst  kennen  zu  lernen.  Die  Ergebnisse  dieser  Studien 
gestaltete  St.  zu  kulturhistorischen  Erzählungen,  die  teilweise  in  den  von 
E.  Höfer  und  Hackländer  redigierten  »Hausblättem«, im  Feuilleton  der  damaligen 
»Neuen  Münchener  Zeitung«  (1859)  usw.  erschienen.  Als  eine  heute  noch 
rühmenswerte  Leistung  schildert  der  zweibändige  Roman  »Durch  Irren  zur 
Einsicht«  (Stuttgart  1861  bei  G.  Scheitlein)  die  fieberhafte  Spekulationswut, 
welche  die  Adjazenten  der  zwischen  München — Salzburg  entstehenden  Eisen- 
bahnlinie packte  und  viele  unbesonnene  Bauunternehmer  ins  Verderben  brachte, 
während  nur  wenige  mit  großer  Umsicht,  Ausdauer  und  aufreibendem  Fleiße 
das  erträumte  Glück  fanden.  Das  meisterhaft  geschriebene  Buch  entrollt  ein 
vielfarbiges,  packendes  und  wahres  Sittenbild  aus  Südbayem,  das  Treiben  der 
dortigen  Großindustriellen  und  Landleute,  das  schwindelhafte,  nur  auf  plötz- 
liches Reichwerden  gerichtete  Hasten  der  bäuerlichen  Bevölkerung.  Daneben 
gibt  es  (wie  in  den  vielbeliebten  dramatischen  »Volksstücken«)  auch  gutge- 
zeichnete kulturhistorische  Szenen  von  Hochzeiten,  Jahrmärkten,  Festschießen, 
Almenleben,  Kirchweihfreuden,  Haberfeldtreiben.  Nach  großen  Katastrophen 
glätten  sich  die  schwergeprüften  Gemüter  und  das  Ganze  wendet  sich  dem 
Titel  gemäß  zum  endlichen  Glück.  Dabei  verdient  es  besondere  Anerkennung, 
daß  der  Autor  ungesucht  und  natürlich  verblieb,  jeder  Rührseligkeit  und 
Sentimentalität  aus  dem  Wege  ging:  alle  Charaktere  sind,  ebenso  wie  ihre 
Sprechweise,  wahr,  gesund  und  echt,  ohne  Schönfärberei  und  Theateraffekt. 
Hierin  ist  Friedrich  Lentner  (1844 — 52)  als  Vorbild  unverkennbar.  St.  schrieb 
noch  andere  Erzählungen,  welche,  da  und  dort  noch  in  Zeitschriften  verborgen, 
einer  endlichen  Sammlung  würdig  wären.  Seit  1876  redigierte  er  eine 
»W^ochenschrift  des  Volksvereins  in  Bayern«,  wozu  ihn  seine  reichen,  um- 
fassenden Kenntnisse  vollauf  befähigten.  Als  scharfsinniger  Beobachter  und 
gewandter  Stilist  zeigte  er  sich  auch  in  den  ethnographischen  Reisebildem 
»Eine  Donaufahrt«,  »Aus  Rumänien«  usw. 

Vgl.  Abendblatt  73  »Allgemeine  Zeitung«,   15.  März   1902.        Hyac.   Holland. 

Walker,  Franz,  Bildhauer  und  Maler,  ♦16.  August  1832  zu  München, 
t  17.  Oktober  1902  ebendaselbst.  —  Als  das  Kind  eines  fürstlich  Löwenstein- 
schen  Tapezierers  und  Kammerdieners  war  der  Knabe  mit  acht  Monaten 
schon  völlig  verwaist.  Die  ersten  Lebensjahre  boten  so  herbe  Erfahrungen, 
wie  sie  Jean  Paul -Richter,  Boz- Dickens  und  Andersen  in  großer  Not  und 
in  einer  Kette  von  Armut  durchkosteten.  Glücklicherweise  kam  der  junge 
W.  in  die  Mechanikerschule  Stephanis,  dann  zu  dem  in  seiner  Weise  sehr 
geschickten  »bürgerlichen  Bildhauer«  Fink,  aus  dessen  Zunftstube  vor-  und 
nachher  manch  achtbarer  Künstler  hervorging.  Freilich  waren  mit  dieser 
Kunstübung  viele  Dienstleistungen  für  den  Lehrherrn  verbunden.  In  ähnlicher 
Eigenschaft  gelangte  W.  zu  einem  tüchtigen  Steinmetzmeister,  erwarb  einen 
richtigen  »Gesellenbrief«  und  damit  die  sehnliche  Aussicht,  endlich  der  Kunst 
näher  zu  kommen.  Bildhauer  Hautmann  brachte  ihn  endlich  in  das  Schwan- 
thaler-Museum,  von  wo  der  Weg  nach  der  Akademie  und  zu  Professor  Max 


Walker.     Anschütz. 


195 


Widnmann  führte.  Die  Mittel  zu  weiteren  Studien  wurden  durch  Anfertigung 
von  kleinen  Schnitzereien  und  Marmorfiguren,  Büsten,  Porträtreliefs  und  anderen 
kunstgewerblichen  Arbeiten  erreicht,  wodurch  W.  die  Aufmerksamkeit  des 
Malers  Hiltensperger  gewann,  der  seinen  Schützling  an  den  für  König  Maxi- 
milian II.  so  vielfach  beschäftigten  Hofbauinspektor  Riedel  empfahl,  der  ihm 
zwei  Reliefs  für  das  begonnene  Nationalmuseum  verschaffte.  Infolge  davon 
wurde  der  vielversprechende  junge  Mann,  der  sich  so  wacker  durchgerungen 
hatte,  mit  einigen  dekorativen  Figuren  an  der  Fassade  des  vorgenannten  Mu- 
seums (darunter  auch  ein  Walther  von  der  Vogelweide)  betraut  und  mit  den 
Statuen  der  Herzoge  Ludwig  des  Reichen  und  Albrecht  IV.  für  die  inneren 
Prachträume.  Herr  von  Klenze  übertrug  ihm  die  Herstellung  der  Karyatiden 
und  den  Reliefschmuck  im  neuerbauten  assyrischen  Saal  der  Glyptothek,  und 
Dollmann  das  Giebelfeld  am  Telegraphengebäude.  Auf  eine  Figur  für  Lands- 
berg und  mehrere  kleine,  sehr  anmutende  Frauengestalten,  darunter  eine  »Fama« 
und  »Philosophie«,  erfolgten  Bestellungen  für  den  Linderhof  und  andere 
Schöpfungen  des  baulustigen  Königs  Ludwig  II.  —  Inzwischen  versuchte  sich 
W.  auch  mit  gleich  günstigem  Erfolg  auf  dem  Gebiete  der  Malerei;  er  zeichnete 
z.  B.  ein  Erinnerungsblatt  an  die  Wiederaufrichtung  des  Deutschen  Reiches 
(187 1).  Dann  kamen  wieder  lebensgroße  Porträtbüsten,  ein  Medaillon  mit 
^ Venus  und  Amor«,  ein  großes  Grabdenkmal  für  den  Privatier  Georg  Roth 
und  dessen  Gattin  (1881),  Kartons  für  Zettlers  Hofglasmalcrei  und  dergl. 
Weitere  Anerkennung  errang  sein  Sohn  Adrian  W.  als  eminent  begabter  Stilist. 
Vgl.  Nr.  289  »Allgcm.  Ztg.«  vom  20.  Oktober  1902.  Hyac.   Holland. 

Anschütz,  Ludwig,  Großherzoglich  Hessischer  Generalmajor  a.  D., 
*  14.  September  1820  in  Worms,  f  14.  Mai  1902  zu  Darmstadt.  —  A.  wurde 
am  15.  Februar  1843  ^^  i-  großherzoglich  hessischen  Infanterieregiment 
(Leibgarde-Regiment)  Leutnant,  nahm  an  der  Unterdrückung  des  Aufstandes 
in  Frankfurt  a.  M.  am  18.  September  1848  als  Adjutant  des  i.  Bataillons  des 
Regiments  teil,  zog  darauf  1849  mit  seinem  Truppenteile  gegen  die  Re- 
volutionäre in  Baden  sowie  in  der  Pfalz  und  rückte  am  24.  Juli  1849  zum 
Oberleutnant  auf.  Im  Mai  1859  trat  er  als  Hauptmann  zum  2.  großherzog- 
lich hessischen  Infanterieregiment  über  und  wurde  bei  Errichtung  des 
Scharfschützenkorps  im  August  1861  zum  Chef  der  2.  Scharfschützenkompanie 
ernannt,  an  deren  Spitze  er  auch  im  Jahre  1866  gegen  die  Preußen  kämpfte, 
ohne  Gelegenheit  zu  finden,  sich  hierbei  besonders  auszuzeichnen.  Nach 
dem  Friedenschluß  im  Jahre  1867  zum  Major  und  Kommandeur  des  Scharf- 
schützenkorps befördert,  das  später  i.  Jägerbataillon  wurde  und  im  März  1870 
zum  Kommandeur  des  i.  Bataillons  i.  Infanterieregiments  ernannt,  ging  A. 
mit  diesem  in  den  Krieg  von  1870/71  gegen  Frankreich  und  focht  an  dessen 
Spitze  in  den  Schlachten  von  Vionville-Mars  la  Tour  und  Gravelotte-St.  Privat. 
Während  der  Einschließung  von  Metz  übernahm  er  am  i.  September  das 
Kommando  des  Regiments  und  nahm  mit  ihm  nach  dem  Fall  von  Metz  an 
der  Schlacht  bei  Orleans  sowie  an  den  Gefechten  bei  Les  trois  Cheminees, 
Montlivault-Chambord  und  Vienne  teil.  Am  19.  Dezember  1870  zum  Oberst- 
leutnant befördert,  trat  er  am  22.  Januar  187 1  nach  Genesung  des  früheren 
Regimentskommandeurs  zum  i.  Bataillon  zurück,  nahm  aber  bereits  vor  dem 
Inkrafttreten  der  im  Juni  gedachten  Jahres  zwischen  Hessen  und  Preußen  ab- 

13* 


Iq6  AnschUtz.     von  BarttnifT.     von  Buz. 

geschlossenen  Militärkonvention  am  31.  Dezember  187 1  seinen  Abschied, 
Vom  Großherzog  von  Hessen  erhielt  A.  in  Anerkennung  seiner  Verdienste 
den  Charakter  als  Oberst  und  am  11.  März  1896  aus  Anlaß  des  275  jährigen 
Bestehens  des  i.  Infanterie-(Leibgarde-)Regiments  Nr.  115  den  Charakter  als 
Generalmajor. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenz en. 

Barttruff,  Ferdinand  Karl  von,  Königlich  Württembergischer  General- 
major a.  D.,  *  23.  September  1819  zu  Ludwigsburg,  f  16.  Juli  1902  zu  Stutt- 
gart. —  Mit  B.  ist  ein  tapferer  Offizier,  eine  artilleristische  Autorität,  die 
sich  in  einem  langen  Dienstesleben  zu  bewähren  Gelegenheit  hatte,  zu  Grabe 
getragen  worden.  Nach  dreijährigem  Besuch  der  königlich  württembergi- 
schen Offizier-Bildungsanstalt  (Oktober  1835  bis  Ende  September  1838)  trat 
B.  zur  württembergischen  Artillerie  über,  in  welcher  Waffe  er  1838  zum 
Sekondleutnant,  1844  zum  Oberleutnant,  1851  zum  Hauptmann  und  im 
Juni  1866  zum  Major  aufstieg.  In  dieser  Stellung  befehligte  er  im  Kriege 
von  1866  gegen  Preußen  die  Munitionsreserve  des  VIII.  Bundesarmeekorps, 
ein  Kommando,  das,  zumal  bei  der  kurzen  Dauer  des  Feldzuges,  ihm  keine 
weitere  Gelegenheit  zur  Auszeichnung  bot.  Nach  dem  Friedensschlüsse 
avancierte  B.  im  April  1868  zum  Oberstleutnant  und  bei  Ausbruch  des 
deutsch-französischen  Krieges  im  Juli  1870  zum  Oberst.  W^ährend  des 
Krieges  befehligte  er  die  württembergische  Festungs-Artillerie- Abteilung  und 
nahm  mit  diesem  Truppenteil  an  den  Belagerungen  von  Straßburg  und  Bei- 
fort teil,  wobei  er  mit  den  beiden  Klassen  des  Eisernen  Kreuzes  sowie  mit 
dem  Ritterkreuz  des  württembergischen  Militärverdienstordens  ausgezeichnet 
wurde.  Nach  der  Heimkehr  aus  dem  Felde  blieb  er  noch  einige  Jahre  in 
seinem  Kommando,  reichte  aber  bereits  1873  sein  Abschiedsgesuch  ein  und 
erhielt  später  den  Charakter  als  Generalmajor. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Buz,  Friedrich  Ritter  von,  Königlich  Bayerischer  General  der  In- 
fanterie z.  D.,  *  14.  Juni  181 5  zu  München,  f  30.  Juli  1902  ebenda.  —  Nach 
beendeter  Erziehung  im  Kadettenkorps  trat  B.  am  6.  August  1833  als  Junker 
in  das  bayerische  i.  Artillerieregiment  über,  wurde  bei  seiner  Versetzung  in 
das  2.  Artillerieregiment  unterm  28.  Mai  1834  zum  Unterleutnant  befördert, 
und  trat  nach  dreijähriger  Tätigkeit  bei  der  Ouvrierkompagnie  im  April  1841 
zur  Pontonnierkompagnie  über.  Im  Herbst  1843  nahm  er  an  den  Übungen 
mit  dem  Viragoschen  Feldbrückenmaterial  bei  Wien  teil.  Das  Jahr  darauf, 
am  I.  Februar  zum  Geniebataillon  übergetreten,  stieg  B.  zum  Oberleutnant 
auf  (18.  Oktober),  kam  im  Oktober  1849  zum  Generalquartiermeisterstabe  und 
war  vom  November  1851  bis  Juni  1854  zur  Verrichtung  des  Dienstes  des 
2.  Stabsoffiziers  zum  Kadettenkorps  kommandiert,  in  das  er  zu  dem  ge- 
nannten Zeitpunkt  als  Major  versetzt  wurde.  In  dieser  Stellung  wirkte  er 
bis  zum  Februar  1858,  wo  er  zum  Oberstleutnant  aufrückte  und,  zunächst  mit 
der  Führung  des  bayerischen  Genieregiments  beauftragt,  zu  dessen  Komman- 
deur im  November  1861  unter  Ernennung  zum  Obersten  befördert  wurde. 
Vor  Ausbruch  des  Krieges  1866  (Mai)  wurde  B.  Feldgeniedirektor  der  kgl. 
bayerischen  mobilen  Armee  und  am  23.  Juni  jenes  Jahres  Generalmajor  und 
Gouverneur  der  damaligen  Bundesfestung  Landau,   eine  Stellung,   die  er  ein 


von  Buz.     von  Gramer. 


197 


Jahr  später  mit  dem  Gouvernement  von  Germersheim  vertauschte.  1869  im 
Herbst  war  B.  als  Kommissar  des  Königreichs  Bayern  bei  der  Inspektion 
der  vormaligen  Bundesfestung  Landau  tätig,  befehligte  während  des  deutsch- 
französischen Krieges  von  1870/71  die  Einschließungstruppen  vor  der  Festung 
Bitsch  und  inspizierte  die  Feldverpflegungsmagazine  in  Maxau,  Weißenburg 
und  Ludwigshafen.  Nach  dem  Frieden  wurde  B.  im  März  187 1  zum  General- 
leutnant befördert,  im  Januar  1873  zum  Gouverneur  der  Festung  Ingolstadt 
und  im  Juni  gleichen  Jahres  zum  Chef  des  Ingenieurkorps  und  der  Festungen 
ernannt  Als  solcher  fungierte  er  bis  zum  29.  Oktober  1882,  an  welchem 
Datum  er  in  Genehmigung  seines  Abschiedsgesuches  unter  Verleihung  des 
Charakters  als  General  der  Infanterie  zur  Disposition  gestellt  wurde.  Den 
persönlichen  Adel  hatte  B.  am  6.  April  1875  ^^s  Ritter  des  Verdienstordens 
der  bayerischen  Krone  erhalten. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Gramer,  Rudolf  von,  Generalmajor  z.  D.,  ♦  27.  Dezember  181 8  zu  Kloster 
Marienstuhl  bei  Egeln  im  Kreise  Wanzleben,  f  28.  April  1902  zu  Blanken- 
burg  am  Harz.  —  Am  i.  Juli  1835  als  Avantageur  beim  27.  Infanterieregiment 
in  den  Militärdienst  getreten,  wurde  C.  im  Juni  1836  zum  Port^p^efähnrich 
befördert  und  am  6.  März  1836  zum  Sekondleutnant  ernannt.  Nach  ver- 
schiedenen Kommandos  nahm  er  1849  ^"^  Feldzuge  in  Baden  teil,  wo  er  die 
Gefechte  bei  Ladenburg  und  am  Federbach  sowie  die  Belagerung  von  Rastatt 
mitmachte.  Ein  Jahr  darauf  wurde  C.  Premierleutnant,  führte  vom  Februar 
185 1  bis  zum  I.  April  1854  und  vom  i.  März  1855  bis  zum  i.  Juni  1857  eine 
Kompagnie  des  27.  Landwehrregiments,  während  welcher  Zeit  er  am  18.  März 
1854  zum  Hauptmann  aufstieg.  Kompagniechef  wurde  er  am  17.  September 
1857,  war  vom  16.  Juni  bis  25.  Juli  1859  Führer  einer  mobilen  Kompagnie 
obengenannten  Landwehrregiments  und  wurde  alsdann  bei  der  Reorganisation 
als  Kompagniechef  in  das  27.  kombinierte,  spätere  4.  magdeburgische  Infanterie- 
regiment Nr.  67  und  am  11.  Januar  1862  als  Major  in  das  8.  brandenburgische 
Infanterieregiment  Nr.  64  versetzt.  Bald  darauf  zum  Bataillonskommandeur 
ernannt,  machte  er  als  solcher  den  Feldzug  von  1864  gegen  Dänemark,  ins- 
besondere die  Gefechte  an  der  Büffelkoppel,  vor  Düppel,  bei  Frydendal  und 
bei  Rackebüll,  sowie  die  Erstürmung  der  Düppeler  Schanzen  am  18.  April 
1864  rnit.  Wegen  seines  tapferen  Verhaltens  vor  dem  Feinde,  namentlich 
auch  wegen  der  beim  Übergange  nach  der  Insel  Alsen  am  29.  Juni  1864  be- 
wiesenen Unerschrockenheit  erhielt  C.  verschiedene  Ordensdekorationen, 
wurde  auch  in  den  Adelsstand  erhoben.  Im  Kriege  gegen  Österreich  von 
1866  kommandierte  er  sein  Bataillon  bei  Königgrätz,  wurde  am  30.  September 
1866  zum  Oberstleutnant  befördert  und  einen  Monat  darauf  in  das  ost- 
friesische Infanterieregiment  Nr.  78  versetzt.  Am  22.  März  1868  zum  Komman- 
danten von  Wittenberg  ernannt  und  als  Oberst  charakterisiert,  erhielt  C.  das 
Patent  als  solcher  gleichzeitig  mit  der  Ernennung  zum  Kommandanten  von 
Sonderburg-Düppel  am  27.  April  1869,  Diese  Stellung  vertauschte  er,  zum 
Generalmajor  befördert,  am  18.  Mai  1876  mit  derjenigen  eines  Kommandanten 
von  Magdeburg.  Nach  2  Jahren  trat  er  in  den  erbetenen  Ruhestand  (5.  Fe- 
bruar 1878). 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 


l  q8  Kürschner.     Craemer. 

Kürschner,  Joseph,  Schriftsteller  und  Verleger,  ♦  20.  September  1853  in 
Gotha,  t  29.  Juli  1902  in  Windisch-Matrei.  —  K.  stammt  aus  wohlhabendem 
Hause.  »Mit  dem  Zeugnis  für  den  einjährig-freiwilligen  Militärdienst  versehen, 
verließ  er  die  Schule  und  wandte  sich  der  Mechanik  zu,  um  nach  vollendeter 
Lehrzeit  die  Universität  Leipzig  zu  besuchen.«  Neunzehnjährig,  wurde  K. 
Theaterkritiker  an  einem  Gothaer  Blatt.  Literarisch  versuchte  er  sich  zuerst 
in  einer  Studie  über  Konrad  Ekhof,  einem  »Bayreuther  Tagebuch«  und  einer 
»Chronologie  und  Nekrologie  des  Deutschen  Theaters«.  1875  ging  K.  nach 
Berlin,  wo  er  eine  Reihe  von  Zeitschriften  »Kunstkorrespondenz«,  »Literari- 
scher Verkehr«,  »Literarische  Korrespondenz«,  »Deutsche  Bühnengenossen- 
schaft« und  »Neue  Zeit«  redigierte.  Anfangs  der  achtziger  Jahre  übernahm  K. 
die  Redaktion  der  Ein-Mark-Bände  »Kollektion  Spemann«  und  der  illustrierten 
Monatsschrift  »Vom  Fels  zum  Meer«;  in  Stuttgart  begründete  er  auch  das 
Sammelwerk  »Deutsche  Nationalliteratur«  (220  Bände);  für  Spemanns  Verlag 
besorgte  K.  ferner  die  7.  Auflage  von  Pierers  Konversationslexikon,  dem  er 
ein  Lexikon  der  Hauptweltsprachen  beifügen  ließ.  Selbständig  übernahm  er 
auch  den  1878  ursprünglich  von  den  Brüdern  Hart  in  das  Leben  gemfenen 
Literaturkalender,  den  er  praktisch  ausgestaltete.  In  allerhand  bisweilen  recht 
wunderlichen  Formaten  brachte  K.  unterschiedliche  Nachschlagebüchlein :  »Der 
kleine  Reichstag«,  »Gekrönte  Häupter«,  »Das  preußische  Abgeordnetenhaus«^, 
»Der  bayrische  Landtag«,  »Taschenlexikon«.  Ende  der  achtziger  Jahre  wurde 
K.  literarischer  Direktor  der  Deutschen  Verlagsanstalt  (Ed.  Hallberger),  in  der 
er  deren  ältere  belletristische  Zeitschriften  redigierte  und  die  Halbmonats- 
schrift »Aus  fremden  Zungen«  begründete;  1895  übernahm  K.  die  literarische 
Geschäftsführung  der  Firma  Hermann  Hillger.  Dort  gab  er  »K.s  Universal- 
lexikon«, »Weltsprachenlexikon«,  »Der  große  Krieg«,  »Heil  Kaiser  dir«,  »Das 
ist  des  Deutschen  Vaterland«,  »Deutschland  und  seine  Kolonien«  heraus. 
1896  begründete  er  eine  Sammlung  wohlfeiler,  kunterbunt  gewählter,  mit- 
unter völlig  wertloser  Erzählungen  »Bücherschatz«,  der  bald  über  300  Bänd- 
chen umfaßte.  Vielgeschäftig,  brachte  K.  immer  neue  Sammel-  oder  Bilder- 
bücher, einmal  »Frau  Musika«,  dann  ein  Lexikon  des  deutschen  Rechts,  »K.s 
Jahrbuch«,  »China«,  »Staatshandbuch«,  »Handbuch  der  Presse«.  Auf  seiner 
Villa  in  Eisenach  beschäftigte  sich  K.  daneben  mit  Iffland-Studien.  Er  ver- 
mittelte auch  die  Erwerbung  von  Oesterleins  Richard  Wagner-Museum  für  die 
Stadt  Eisenach  und  die  vorläufige  Unterbringung  dieser  Wagner-Sammlungen 
in  Fritz  Reuters  Haus.  Auf  einer  Sommerreise  durch  Tirol  wurde  K.  in  der 
Nähe  von  Windisch-Matrei  vom  Schlage  gerührt. 

Hermann  Hillger:  Vorwort  zu  »Kürschners  deutschem  Literaturkalender  auf  das  Jahr 
1903«.  25.  Jahrgang.  Ebendort  ein  Porträt  von  Joseph  Kürschner.  Bibliographie  in  den 
vorangehenden  Jahrgängen  des  genannten  Literaturkalenders.  —  August  Sauer:  Einleitung: 
zum  Katalog  der  in  Leipzig  1904  versteigerten  Bücher-  und  Handschriften-Sammlungen  K.'s. 

Craemer,  Karl,  Politiker,  ♦  9.  Dezember  181 8  zu  Kleinlangheim  in  Unter- 
franken,  t  3''  Dezember  1902  in  Nürnberg.  —  Die  Jugendjahre  des  aus  den 
bescheidensten  Verhältnissen  hervorgegangenen  Mannes  waren  ausschließlich 
harter  Arbeit  gewidmet;  mit  dem  schmalen  Unterricht  der  damaligen  Volks- 
schule war  sein  Bildungsgang  abgeschlossen,  und  sich  allein  hatte  er  das  aus- 
gebreitete Wissen  zu  danken,  welches  ihn  dazu  befähigen  sollte,  eine  so  ein- 


Craemer. 


199 


fiußreiche  Rolle  in  der  Geschichte  seines  engeren  und  weiteren  Vaterlandes 
zu  spielen.  Als  Jüngling  trat  er  in  die  Fabrik  zu  Doos  (eine  Stunde  von 
Nürnberg  entfernt)  ein,  der  er  lange  Zeit  angehören  sollte,  und  zwar  als  ein- 
facher Arbeiter,  als  Werkmeister  und  als  Teilhaber.  Den  Namen  »Craemer  von 
Doos«  hat  er  bis  ins  Greisenalter  beibehalten,  nachdem  sein  Wohnsitz  längst 
nach  Nürnberg  verlegt  worden  war.  Da  abgesehen  von  der  politischen  Be- 
tätigung sein  Leben  ein  höchst  einfach  verlaufenes  genannt  werden  darf,  so 
mögen  hier  gleich  alle  übrigen  Daten  aus  demselben  ihre  Stelle  finden.  C. 
nahm,  nachdem  er  1870  vom  Geschäfte  zurückgetreten  war,  das  Amt  eines 
städtischen  Standesbeamten  an,  das  er  durch  eine  längere  Reihe  von  Jahren 
mit  Hingebung  verwaltete;  gleichzeitig  war  er  auch  Magistratsrat  und  leistete 
seiner  Adoptivvaterstadt  als  solcher  die  besten  Dienste.  Dies  ist  durch  Über- 
reichung der  Bürgermedaille,  einer  sehr  seltenen  Auszeichnung,  und  des  Ehren- 
bürgerrechts dankbar  anerkannt  worden.  Ihm  ward  das  Glück  zuteil,  seine 
Lebensgefährtin  bis  in  das  höchste  Alter  an  seiner  Seite  behalten  zu  dürfen, 
und  nur  um  einige  Monate  hat  er  dieselbe  überlebt.  Im  Kreise  seiner  sehr 
zahlreichen  Familie  durfte  er  ein  wahrhaft  glückliches  Leben  führen. 

Schon  frühzeitig  rief  den  jugendlichen  Werkmeister  das  öffentliche  Leben 
in  die  Arena,  in  welcher  ihm  volle  vierundvierzig  Jahre  zu  wirken  bestimmt  war. 
Als  im  Spätherbst  1848  die  Wogen  auch  in  Bayern  hoch  gingen,  wurde  er  in 
Fürth  zum  Landtagsabgeordneten  gewählt,  ohne  indessen  dem  Rufe  folgen  zu 
können.  Es  fehlten  ihm  nämlich  noch  ein  paar  Wochen  zur  Erreichung  des 
dreißigsten  Lebensjahres,  und  dieses  war  damals  —  wie  auch  noch  jetzt  —  die 
untere  Altersgrenze  für  den  bayerischen  Volksvertreter.  Allein  die  Jugend  ist 
bekanntlich  ein  Fehler,  der  sich  von  Tag  zu  Tag  verbessert,  und  als  die  Wahl 
annulliert  und  eine  Neuwahl  ausgeschrieben  worden  war,  hatte  der  Zurück- 
gewiesene gerade  die  vorschriftsmäßige  Zahl  von  Jahren  erreicht  und  konnte 
nicht  mehr  am  Eintritt  in  den  Landtag  verhindert  werden.  Zusammen  mit 
wenigen  Freunden  bildete  er  in  der  zweiten  Kammer  die  äußerste  Linke  und 
stand  vorne  an  in  der  Opposition,  welche  sich  gegen  die  reaktionären  Mini- 
sterien der  fünfziger  Jahre  richtete  und  den  freiheitlichen  Gedanken  im  Volk 
wach  erhielt.  Die  Auflösungen,  die  1855  und  1858  das  Unterhaus  trafen, 
führten  nur  eine  Erstarkung  des  liberalen  Fähnleins  herbei,  als  dessen  Führer 
C.  unausgesetzt  tätig  war.  Abwechselnd  vertrat  er  Fürth  und  Nürnberg,  welch 
letzterer  Wahlkreis  ihm  35  Jahre  treu  blieb.  Mit  dem  Jahre  1859  beginnt  eine 
neue  Phase  des  wackem  Volksmannes.  Im  Vereine  mit  dem  ausgezeichneten 
Karl  Brater  begründete  er  die  damals  siebzehn  Mitglieder  zählende  »bayerische 
Fortschrittspartei«,  deren  »Wochenschrift«  sich  in  Bälde  eine  höchst  geachtete 
publizistische  Stellung  errang,  und  nahezu  gleichzeitig  trat  er  dem  von  R.  von 
Bennigsen  und  Schulze-Delitzsch  ins  Leben  gerufenen  »National verein«  bei, 
so  bekundend,  daß  Freiheit  und  Vereinigung  der  deutschen  Stämme  gleich- 
mäßig seine  Ideale  seien.  Der  Wirksamkeit  der  jungen  Partei  war  der  Sturz 
des  Ministers  Grafen  Reigersberg,  anläßlich  dessen  König  Maximilian  IL  sein 
berühmtes  Wort  »Ich  will  Frieden  haben  mit  meinem  Volke«  sprach,  großen- 
teils zu  danken. 

An  der  liberalen  Gesetzgebung  der  sechziger  Jahre,  welche  Bayern  zu  einem 
modernen  Staate  machte,  nahm  C.  den  lebhaftesten  Anteil  und  ebenso  war 
er  einer  der  Wortführer  in  jenen  heftigen  Debatten,  welche  1870  und  1871  das 


200  Craejner.     Krause. 

Ständehaus  vorübergehend  in  den  Mittelpunkt  der  zeitgeschichtlichen  Vorgänge 
versetzten.  Die  Teilnahme  Bayerns  an  dem  großen  Kriege,  die  Annahme  der 
Verträge  von  Versailles  wurden  der  an  sich  die  Mehrheit  darstellenden 
Patriotenpartei,  die  freilich  manche  Fahnenflucht  erleben  mußte,  mühsam  ab- 
gerungen; Craemer,  v.  Stauffenberg,  Voelk,  Marquard  Barth  waren  die  Wort- 
führer der  Einheitsidee.  Nachdem  dann  wieder  eine  größere  Ruhe  in  der 
Geschäftsbehandlung  eingetreten  war,  entfaltete  C.  zumal  im  maßgebenden 
Finanzausschusse  eine  vielseitige  Wirksamkeit,  zu  der  ihn  genaueste  Kenntnis 
des  Steuerwesens  vorzüglich  befähigte.  Dem  Vorstande  der  Kammerlinken 
gehörte  er  ununterbrochen  an,  und  gerade  als  solcher  hat  er  geräuschlos  viel 
Gutes  gestiftet,  viel  Nachteiliges  abgewehrt. 

Als  der  erste  deutsche  Reichstag  zusammentrat,  befand  auch  er  sich  unter 
den  Mitgliedern  desselben ;  der  Wahlkreis  Nürnberg  hatte  ihn  mit  Zweidrittel- 
majorität in  denselben  entsandt.  Er  schloß  sich  der  deutschen  Fortschritts- 
partei an  und  bewirkte  durch  sein  Beispiel,  daß  dieselbe  einen  namhaften 
Zuzug  aus  Franken  erhielt  und  in  diesem  Landesteile  festen  Fuß  faßte.  Zwar 
nahm  er  1874  keine  Wiederwahl  an,  so  sicher  sie  ihm  gewesen  wäre,  aber 
sein  Interesse  auch  für  die  Reichsangelegenheiten  blieb  darum  doch  ein 
ungemindertes.  Im  Jahre  1880  trat  er  an  die  Spitze  der  »Deutschen  Fortschritts- 
partei in  Franken«,  und  ihm  gebührt  ein  wesentliches  Verdienst  daran,  daß 
die  Krisis  der  Freisinnigen  Partei  im  Jahre  1893,  soweit  Bayern  in  Frage  kam, 
ohne  tieferen  Schaden  vorüberging.  Noch  1897  beteiligte  er  sich  als  Ehren- 
präsident am  Nürnberger  Parteitage  der  Freisinnigen  Volkspartei. 

Man  hat  finden  wollen,  der  alte  C.  sei  nicht  mehr  das  gewesen,  was 
der  junge  war;  man  hat  gegnerischerseits  hämisch  darauf  hingewiesen,  daß 
er  1882,  weil  er  die  bayerische  Landesausstellung  in  Nürnberg  trefflich  hatte 
organisieren  helfen,  einen  hohen  Orden  erhielt,  der  auf  Wunsch  des  Betroffenen 
die  Adelsverleihung  nach  sich  zieht.  Allein  eben  diesen  Wunsch  auszusprechen, 
ließ  C.  sich  nie  bewegen,  und  so  ist  er  bürgerlich  gestorben,  wie  er  bürgerlich 
gelebt  hatte.  Daß  ein  Siebzigjähriger  seine  Gedanken  anders  als  ein  Dreißig- 
jähriger zum  Ausdruck  bringt,  ist  wohl  nicht  zu  verwundern,  aber  dafür  mochte 
jeder,  der  ihn  kannte,  bereitwillig  einstehen,  daß  Überzeugung  und  Lebens- 
anschauung des  alten  Volkskämpfers  in  mehr  denn  einem  Halbjahrhundert 
keine  Änderung  erfahren  hatten. 

Die  Wahlen  des  Jahres  1893  brachten  C.  um  seinen  Landtagssitz,  der  an 
die  Sozialdemokraten  überging.  Darauf  zog  er  sich  immer  mehr  und  mehr 
von  der  Öffentlichkeit  zurück,  um  im  stillen  Sinnen  den  Seinigen  und  der 
reichen  Fülle  seiner  Erinnerungen  zu  leben.  Als  er,  dem  erst  ganz  kurz  vor 
seinem  Ableben  schwere  Altersleiden  nahe  getreten  waren,  am  2.  Januar  1903 
in  Nürnberg  bestattet  wurde,  da  konnte  man  aus  der  Beteiligung  der  ganzen 
Bevölkerung  recht  deutlich  ersehen,  was  er  seinen  Mitbürgern  gewesen  war. 
Mit  ihm  schied  der  letzte  von  den  Veteranen  aus  der  Periode  freiheitlicher 
Entwicklung  im  Königreiche  Bayern. 

Fränkischer  Kurier  Nr.  i,  2,  8  des  Jahrgangs  1903.  S.  Günther. 

Krause,  Caesar  Ernst  Albrecht,  Hauptpastor  zu  St.  Katharinen  in 
Hamburg,  philosophischer  Schriftsteller,  *  12.  November  1838  in  Grätz  in  der 
Provinz  Posen  als  Sohn  eines  Geistlichen,  f  14.  November  1902  in  Hamburg. 


Krause.  20I 

—  K.,  der  in  früher  Jugend  mit  seinen  Eltern  nach  Breslau  kam,  besuchte  hier 
seit  1847  das  Gymnasium  zu  St.  Maria  Magdalena  und  später  das  Elisabeth- 
Gymnasium.  Nachdem  der  Vater  im  Jahre  1856  zum  Hauptpastor  an  der 
Nikolai-Kirche  zu  Hamburg  erwählt  war,  bezog  der  Sohn  das  dortige  Johanneum, 
das  er  1858  verließ,  um  Theologie  und  Philosophie  zu  studieren.  Die  Studien- 
zeit führte  ihn  nach  Breslau,  Jena  und  Berlin.  In  Jena  gewann  vor  allem 
Kuno  Fischer  durch  seine  Kant-Vorlesungen  entscheidenden  Einfluß  auf  die 
geistige  Entwicklung  des  jungen  Studenten.  Nachdem  K.  1861  mit  seiner 
Dissertation  »Über  das  Verhältnis  des  Unendlichen  zur  Erkenntnis«  in  Jena 
zum  Dr.  phil.  promoviert  und  1862  das  theologische  Amtsexamen  bestanden 
hatte,  wurde  er  bereits  am  23.  Oktober  desselben  Jahres  als  Pastor  an  der 
St.  Katharinen-Kirche  in  Hamburg  eingeführt.  Als  Kanzelredner  erregte  er 
sehr  bald  durch  seine  freisinnigen  Predigten  großes  Aufsehen;  sie  trugen  ihm 
eine  Anklage  bei  dem  geistlichen  Ministerium  auf  Amtsentsetzung  ein.  Hierzu 
kam  es  jedoch  nicht,  man  begnügte  sich  mit  der  »brüderlichen  Bitte«  an  ihn, 
»in  Zukunft  seinen  Eid  zu  halten  und  nichts  Ungewisses  zu  lehren«.  Später 
hat  man  ihn  dann  stets  unbehelligt  gelassen,  obgleich  er  seine  religiösen 
Überzeugungen  nach  wie  vor  mit  dem  größten  Freimut  äußerte.  Durch  seine 
.segensreiche  seelsorgerische  Tätigkeit,  die  nichts  anderes  wollte,  als  helfen 
und  dienen,  hat  K.  sich  die  Liebe  und  das  Vertrauen  zahlloser  Mitglieder 
der  großen  St.  Katharinengemeinde  erworben.  Aber  diese  Tätigkeit  füllte 
sein  Leben  nicht  aus,  der  Theologe  war  und  blieb  immer  ein  tiefer  Denker 
und  Philosoph,  ein  Wahrheitsucher  von  heiligem  Ernst,  der  in  heißem  Mühen 
und  Ringen  den  höchsten  Fragen  des  Daseins  nachging.  Der  Meister  aber, 
dem  er  dabei  folgte,  war  Immanuel  Kant.  K.s  wissenschaftliches  Lebenswerk 
war  »die  immer  erneute  Durchforschung  der  Geistesarbeit  des  Königsberger 
Philosophen  und  die  Anwendung  Kantischer  Kritik  auf  solche  Gebiete  des 
Denkens,  die  Kant  noch  nicht  in  den  Bereich  seiner  Arbeit  gezogen  hatte. 
In  seinen  verschiedenen  Werken  suchte  er  Gedanken  Kants  für  das  Leben 
der  Gegenwart  fruchtbar  zu  machen.«  An  wissenschaftlichen  Gegnern  hat  es 
ihm  nicht  gefehlt,  besonders  bekannt  geworden  ist  sein  literarischer  Streit 
mit  Kuno  Fischer  über  den  Wert  des  in  K.s  Besitz  befindlichen  nachgelassenen 
Manuskripts  Kants  »Vom  Übergang  von  den  metaphysischen  Anfangsgründen 
der  Naturwissenschaft  zur  Physik«,  für  welches  K.  die  höchste  Bedeutung  in 
Anspruch  nahm,  während  K.  Fischer  es  für  ein  gänzlich  wertloses  Bruchstück 
ohne  jeden  inneren  Zusammenhang  erklärte.  In  Hamburg  hat  K.  auf  weite 
Kreise  be.sonders  anregend  gewirkt  durch  die  philosophischen  Vorträge,  die 
«r  mehrere  Jahrzehnte  hindurch  regelmäßig  hielt.  Auch  für  das  Wintersemester 
1902/03  hatte  er  im  Auftrage  der  Oberschulbehörde  noch  eine  Vorlesung  an- 
gekündigt, in  der  er  eine  »Einleitung  in  die  kritische  Philosophie«  geben 
wollte.  Doch  noch  ehe  er  damit  beginnen  konnte,  wurde  dem  Schaffen  des 
geistesstarken  Mannes  für  immer  Halt  geboten. 

Schriftenverzeichnis.  i.  »Die  Gesetze  des  menschlichen  Herzens  wissenschaftlich 
dargestellt  als  die  formale  Logik  des  reinen  Gefühles.«  Lahr  1876.  —  2.  »Kant  und 
Helmholtz  über  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  der  Raumanschauung  und  der  geometri- 
schen Axiome.«  Lahr  1878.  (Vgl.  Philos.  Monatshefte,  Bd.  15,  1879,  S.  490—495.)  — 
3.  »Populäre  Darstellung  von  Immanuel  Kants  Kritik  der  reinen  Vernunft.«  2.  Aufl. 
Lahr  1882.     (i.  Aufl.   1881.)  —  4.  »Zur  Widerlegung    des  Satzes:     Über    den  Geschmack 


202  Krause.     Hartmeyer. 

läßt  sich  nicht  streiten.«  Lahr  1882.  —  5.  »Immanuel  Kant  wider  Kuno  Fischer  zum 
erstenmal e  mit  Hülfe  des  verloren  gewesenen  Kantischen  Hauptwerkes :  Vom  Übergang  von 
der  Metaphysik  zur  Physik  verteidigt.«  Lahr  (Hamburg)  1884;  dagegen:  Kuno  Fischer, 
»Das  Streber-  und  Gründertum  in  der  Literatur.  Vademecum  für  Herrn  Pastor  Krause  in 
Hamburg.«  Stuttgart  1884.  (Vgl.  Philos.  Monatshefte,  Bd.  22,  1886,  S.  300 — 305;  Grenz- 
boten, 1884,  Jg.  43,  2.  Quartal,  S.  218 — 224.)  —  6.  »Das  nachgelassene  Werk  Immanuel 
Kants :  Vom  Übergange  von  den  metaphysischen  Anfangsgründen  der  Naturwissenschaft  zur 
Physik  mit  Belegen  populär-wissenschaftlich  dargestellt.«  Frankfurt  a.  M.  und  Lahr  1888. 
(Vgl.  Grenzboten,  Jg.  47,  3.  Vierteljahr,  S.  247 — 255,  300—309;  Philos.  Monatshefte, 
Bd.  25,  1889,  S.  459 — 472;  Zeitschr.  f.  Philosophie  u.  philos.  Kritik,  N.  F.  Bd.  97,  1890, 
S.  300 — 303.)  —  7.  »Die  letzten  Gedanken  Immanuel  Kants,  der  Transscendental-Philosophie 
höchster  Standpunkt:  von  Gott,  der  Welt  und  dem  Menschen,  welcher  beide  verbindet. 
Aus  Kants  hinterlassenem  Manuskript.«     Hamburg  1902. 

Vgl.  Hamb.  Correspondent,  Ab.-Ausg.  v.  14.  u.  17.  November  1902;  Ab.-Ausg.  v. 
7.  u.  8.  Miärz  1904  (Feier  der  Enthüllung  des  Bildnisses  des  f  Hauptpastors  Krause  in  der 
St  Katharinenkirche).  —  Zeitschrift  für  die  evangelisch-lutherische  Kirche  in  Hamburg, 
Bd.  8,  1902,  S.  259 — 280  (Nekrolog;  O.  Jänisch,  Ansprache  bei  der  Beerdigung;  derselbe. 
Zur  Würdigung  von  Hauptpastor  K.).  —  Deutsches  Protestantenblatt,  Jg.  35,  1902,  S.  393/394 
(Nekrolog  v.  O.  Jänisch).  —  Überweg-Heinze,  Grundriß  d.  Gesch.  d.  Philos.  T.  4.  9.  Aufl. 
1902,  S.  223/224.  —  O.  Siebert,  Gesch.  d.  neueren  deutschen  Philos.  seit  Hegel.  Göttingen 
1898,  S.  352/353.  —  K.  Fischer,  Gesch.  d.  neueren  Philos.  Jubiläumsausg.  Bd.  4.  Kant 
4.  Aufl.     T.   I.   1898,  S.   130 — 134. 

Joh.  Sass. 


Hartmeycr,  Heinrich  Emil,  Eigentümer  und  Chefredakteur  der  »Ham- 
burger Nachrichten«,  *  9.  Juni  1820  zu  Hamburg  als  Sohn  des  damaligen 
Eigentümers  der  »Hamb.  Nachr.«,  Heinrich  A.  Hartmeyer,  f  daselbst  am 
II.  Februar  1902.  —  Auf  der  Gelehrtenschule  des  Hamburger  Johanneums 
vorgebildet  widmete  sich  H.  in  Heidelberg  dem  Studium  der  Rechte  und 
trat,  nachdem  er  zum  Dr.  jur.  promoviert  hatte,  1844  in  die  Redaktion  der 
»Hamb.  Nachr.«  ein,  deren  Leitung  er  nach  dem  Tode  seines  Vaters  im 
Jahre  1855  allein  übernahm.  Fast  50  Jahre  hat  er  dann  an  der  Spitze  der 
großen  Zeitung  gestanden,  für  die  er  noch  bis  in  seine  letzten  Lebenstage 
hinein  täglich  mehrere  Stunden  arbeitete.  Der  bedeutende  Aufschwung,  den 
die  »Hamb.  Nachr.«  in  den  letzten  Jahrzehnten  nach  allen  Richtungen  ge- 
nommen haben,  ist  sein  eigenstes  Werk.  »Furchtlos  und  treu«  war  der  Wahl- 
spruch seines  Lebens.  Von  solcher  Gesinnung  getragen  hat  H.  auch  den 
Schritt  getan,  der  seinen  Namen  für  immer  mit  dem  des  Fürsten  Bismarck 
verbindet:  nach  der  Entlassung  des  Reichskanzlers,  als  sehr  viele  andere 
deutsche  Zeitungen  sich  furchtsam  von  dem  großen  Staatsmann  abwandten, 
stellte  er  diesem  im  April  1890  sein  Blatt  rückhaltlos  zur  Verfügung,  »unbe- 
kümmert darum,  was  man  in  Hamburg,  in  Berlin  oder  sonstwo  dazu  sage<-, 
eine  geschichtliche  Tat  voll  mutiger  und  selbstloser  Hingabe.  So  wurden 
die  »Hamb.  Nachr.«  Bismarcks  Organ,  und  »daß  sie  diese  ehrenvolle  Mission 
erfüllen  konnten,  daß  sie  bis  zum  Tode  des  Reichskanzlers  dessen  Auffassung 
der  verschiedenen  Tagesprobleme  vertreten  und  in  mancher  entscheidungs- 
vollen Stunde  das  erlösende  Wort  sprechen  durften,  war  das  Verdienst  H.s.« 
Nie  hat  ihm  der  verewigte  Fürst  dieses  tapfere  Eintreten  vergessen.  So 
äußerte  er  im  Juni   1892  in  Wien  gegenüber  dem  Chefredakteur  der  »Neuen 


Hartmeycr.     Kraetzschmar.  203 

Freien  Presse« :  »Die  »Hamburger  Nachrichten«  haben  zu  einer  Zeit,  wo  sich 
alle  Welt  von  mir  zurückgezogen  hatte,  den  Mut  gefunden,  für  mich  einzu- 
treten und  sich  mir  anzuschließen,  es  wäre  ja  doch  undankbar,  wenn  ich  das 
nicht  anerkennen  würde!« 

H.  war  eine  wahrhaft  vornehme  Natur,  ein  begeisterter  Patriot,  ein 
echter  deutscher  Mann,  human  und  gerecht,  furchtlos  und  treu. 

Vgl.  Hamb.  Nachrichten  1902,  Ab.-Ausg.  v.  11.,  Morg.-Ausg.  v.  12.,  Ab.-Ausg.  v. 
14.  Februar.  —  Hamb.  Correspondent,  Ab.-Ausg.  v.  11.  u.  14.  Februar  1902.  —  Kieler 
Zeitung,  Ab.-Ausg.  v.  12,  Febr.  1902.  —  H.  v.  Poschinger,  Fürst  Bismarck  und  seine 
Hamburger  Freunde.     Hamb.   1903.     S.   117 — 119. 

Job.  Sass. 


Kraetzschmar,  Otto  Richard,  a.o.  Prof.  d.  Theologie,  *  10.  August  1867 
zu  Leipzig,  f  8.  Juli  1902  zu  Marburg  i.  H.  —  K.  war  der  Sohn  eines  Leipziger 
Volksschul lehre rs.  Er  besuchte  die  Schulen  seiner  Vaterstadt  und  danach 
auch  deren  Universität,  wo  er  sich  zuerst  dem  Studium  der  klassischen  Philo- 
logie widmete.  Schon  im  zweiten  Semester  ging  er  zur  Theologie  über  und 
wurde  ein  spezieller  Schüler  von  Franz  Delitzsch  und  Hermann  Guthe.  Daneben 
pflegte  er  eifrig  das  Studium  der  semitischen  Sprachen  unter  der  Leitung  des 
Assyriologen  Friedrich  Delitzsch,  des  Sohnes  seines  alttestamentlichen  Lehrers. 
Kaum  22  Jahre  alt,  promovierte  er  zum  Dr.  phil.  auf  Grund  der  Dissertation 
»Relativpronomen  und  Relativsatz  im  Assyrischen«.  Nach  dem  Bestehen  seiner 
theologischen  Examina  wirkte  er  eine  Zeitlang  als  Lehrer  an  einer  Realschule 
seiner  Vaterstadt,  wandte  sich  dann  aber  nach  Marburg  i.  H.,  wo  er  im  Sommer 
1894  zum  Lic.  theol.  promoviert  wurde  und  im  Herbst  desselben  Jahres  eine 
Privatdozentur  für  alttestamentliche  Theologie  übernahm.  Durch  seine  ge- 
diegenen Kenntnisse  des  Semitischen,  sowie  durch  sein  entschiedenes  Lehrr 
talent  erschien  K.  für  den  Unterricht  der  hebräischen  Sprache,  der  seine 
Hauptaufgabe  bildete,  besonders  geeignet.  Später  las  er  auch  über  exegetische 
und  historische  Theologie  ebenfalls  mit  sicherem  und  bleibendem  Erfolg. 
Neben  seiner  Lehrtätigkeit  war  K.  auch  als  fleißiger  Schriftsteller  tätig.  Sein 
Spezialgebiet,  auf  dem  er  mit  zähem  Fleiße  und  zuverlässiger  Gewissenhaftig- 
keit arbeitete,  war  die  alttestamentliche  Prophetie.  1894  gab  er  den  maso- 
retischen  Text  des  Jesaia  heraus.  Zwei  Jahre  später  erschien  »Die  Bundes- 
vorstellung im  Alten  Testament  in  ihrer  geschichtlichen  Entwicklung«,  eine 
Schrift,  deren  ersten  Teil  ihm  die  theologische  Licentiatenwürde  verschafft 
hatte.  Sein  reifstes  Werk  ist  die  Übersetzung  und  Erklärung  des  Propheten 
Ezechiel,  die  1890  als  ein  Teil  des  Göttinger  »Handkommentars  zum  Alten 
Testament«  erschien,  eine  Arbeit,  durch  die  er  seinen  Ruf  unter  den  Fach- 
genossen fest  begründete. 

Als  letztes  Werk  von  .  ihm  erschien  1902  ein  »hebräisches  Vokabular«. 
Außer  diesen  selbständigen  Schriften  veröffentlichte  er  gediegene  kleinere 
Arbeiten  in  der  Zeitschr.  f.  Assyriologie,  Zeitschr.  f.  alttestamentl.  Wissen- 
schaft, Hebraica  u.  a. 

Ostern  1901  wurde  K.  zum  außerordentlichen  Professor  ernannt.  Nur 
kurze  Zeit  konnte  er  sich  der  Beförderung  freuen.  Nach  dem  Tode  seiner 
jungen  Gattin,  die  ihm  im  Frühjahr  1901  starb,  fing  er  an   zu  kränkeln,  und 


204  Kraetzschmar.     Gerechter.     Jäger. 

ein  Herzleiden  machte  binnen  wenigen  Monaten  am  8.  Juli  1902  seinem  Leben 
ein  frühes  Ende. 

Nach:  Chronik  d.  Univ.  Marburg.     Jg.  16,  3 ff.  Ph.   Losch. 

Gerechter,  Siegmund,  Maler,  *  1.  Dezember  1850  zu  Berlin,  f  19.  April 
1902  zu  Kassel.  —  Einer  armen  Berliner  Judenfamilie  entstammend,  erweckte 
G.  schon  als  Schüler  der  jüdischen  Gemeindeschule  durch  sein  Zeichentalent 
die  Aufmerksamkeit  seiner  Lehrer.  Ihrem  Drängen  folgend,  brachte  ihn  seine 
Mutter  in  die  Kunstschule  und  schließlich  nach  Erlangung  von  Stipendien 
auch  in  die  königl.  Kunstakademie,  wo  er  Bellermann,  Eybel,  Holbein  und 
Schrader  zu  seinen  Lehrern  zählte.  Nur  unter  den  größten  Entbehrungen 
vermochte  G.  seinen  Studien  obzuliegen,  indem  er  zu  gleicher  Zeit  seinen 
Lebensunterhalt  als  Schreiber  bei  einem  Anwalt  erwarb.  Später  erhielt  er 
vom  Kultusministerium  den  Auftrag,  gegen  monatliche  Vergütung  Vorlagen 
für  die  Elementarklassen  der  Kunstschule  zu  zeichnen.  In  der  Periode  seiner 
ersten  Malaufträge  wurde  G.  mit  dem  damaligen  Artilleriehauptmann  Baron 
Adolph  V.  Gilsa  bekannt  und  knüpfte  dadurch  Beziehungen  an,  die  für  seine 
äußern  Lebensumstände  in  der  Folge  entscheidend  wurden.  Gilsa  nahm  Mal- 
unterricht bei  dem  jungen  Künstler  und  faßte  bald  ein  solches  Interesse  für 
Art  und  Können  seines  Lehrers,  daß  er  ihm  auf  eigene  Kosten  ein  Atelier 
mietete  und  ihn  auch  sonst  beruflich  in  jeder  Weise  förderte.  Als  im  Jahre 
1875  Gilsa  zum  Intendanten  des  Kasseler  Hoftheaters  ernannt  wurde,  folgte 
G.  seinem  Gönner  in  die  hessische  Hauptstadt.  Hier  hat  der  Maler  dann  über 
ein  Vierteljahrhundert  gelebt  und  gewirkt,  und  die  Freundschaft  seines  ehe- 
maligen Schülers  ist  ihm  bis  ans  Ende  geblieben.  Mit  der  Zeit  wurde  G. 
ein  gesuchter  Porträtist,  dessen  Bilder  namentlich  um  ihrer  treuen  Ähnlichkeit 
willen  geschätzt  waren.  Auch  Landschaften  und  Genrebilder  hat  er  in  großer 
Anzahl  geschaffen.  Seiner  Kunstrichtung  nach  war  G.  Eklektiker  im  besten 
Sinne  des  Wortes.  Die  Ausschreitungen  der  Moderne,  die  von  ihr  beliebten 
harten  Kontraste,  die  Darstellungen  des  ästhetisch  und  physisch  Unschönen 
—  all  das  stieß  ihn  ab,  ohne  daß  er  darum  als  blinder  Anhänger  der  alten 
Schule  folgte.  Von  strenger  Naturwahrheit  in  seinen  Landschaften,  besaß  er 
auch  als  Porträtmaler  nicht  die  Gabe  des  Schmeicheins,  die  manchen  andern 
Bildnismaler  so  beliebt  gemacht  hat.  Nach  äußeren  Ehren  und  Auszeich- 
nungen strebte  er  nicht,  sie  sind  ihm  darum  auch  nicht  zuteil  geworden. 
Er  führte  ein  stilles  bescheidenes  Leben  und  jedes  Hervordrängen  war  ihm 
in  der  Seele  zuwider.  Wenn  er  eine  Leidenschaft  hatte,  so  war  es  seine 
Neigung  zur  Musik,  die  ihm  seit  seiner  Jugend  neben  seinem  eigentlichen 
Berufe  das  Höchste  war  und  bis  an  sein  Ende  geblieben  ist.  G.  starb  nach 
kurzer  Krankeit  am  19.  April  1902. 

Nach  d.  Nekrolog  von  Dr.  \V.  im  Casseler  Tageblatt  1902  Nr.  195. 

Ph.  Losch. 

Jäger,  Ferdinand,  Opernsänger,  *  25.  Dezember  1838  (1839?)  zu  Hanau, 
f  13.  Juni  1902  zu  Wien.  —  Als  Sohn  eines  kurfürstlichen  Hofbeamten  zu 
Hanau  geboren,  hat  sich  J.  auf  den  Wunsch  seiner  Eltern  zuerst  zu  Cassel 
dem  Kaufmannsstande  gewidmet  und  erst  ziemlich  spät  der  Bühne  zugewandt. 
Seine  ersten  Lehrer  waren  der  Hofkammermusiker  Thiele  und  der  Komiker 


Jäger.     Jordan.  205 

Ferdinand  Heine  in  Dresden.  Am  30.  April  1865  machte  er  seinen  ersten 
Bühnenversuch  in  Dresden  und  wurde  daselbst  auch  engagiert.  Später  trat 
er  an  den  Stadttheatern  von  Cöln  und  Hamburg  auf.  Jäger  besaß  eine 
schöne  Tenorstimme  und  war  außerdem  infolge  seiner  hohen  mächtigen  Figur 
für  Heldenpartien  wie  geschaffen.  Der  damalige  Hoftheaterintendant  v.  Hülsen 
zu  Berlin  wurde  zuerst  auf  ihn  aufmerksam  und  engagierte  ihn  1867  für  die 
Berliner  Kgl.  Oper,  ließ  ihn  aber  zunächst  ein  Jahr  am  Kasseler  Hoftheater 
wirken,  damit  er  noch  größere  Bühnenroutine  erlange.  Im  Jahr  1876  wurde 
J.,  der  inzwischen  auch  in  Stuttgart  wirksam  gewesen  war,  mit  Richard  Wagner 
bekannt,  der  in  ihm  einen  ungemein  passenden  Darsteller  und  Sänger  für 
seinen  Siegfried  entdeckte.  Bei  den  ersten  Festspielen  zu  Bayreuth  errang 
J.  einen  großen  Erfolg  und  galt  lange  Zeit  als  der  einzige  deutsche  Sänger, 
der  den  Siegfried  zu  singen  und  darzustellen  vermochte.  Wagner  empfahl 
ihn  nach  Wien,  wo  er  1878 — 79  dem  Nibelungendrama  zu  den  glänzendsten 
Erfolgen  verhalf.  Auch  in  der  Folgezeit  hat  J.  bis  zum  Jahre  1891  öfters 
Wagnerrollen  an  der  Wiener  Hofoper  gesungen,  ebenso  in  verschiedenen 
Separataufführungen  als  Gast  König  Ludwigs  II.  zu  München.  Anfangs  der 
neunziger  Jahre  entsagte  er  der  Bühnenlaufbahn,  die  für  ihn  reich  an  Ehren 
gewesen  war  und  war  seitdem  in  Wien  als  Gesanglehrer  tätig.  Als  solcher 
ist  er  am  13.  Juni  1902  daselbst  nach  kurzer  Krankheit  gestorben,  von  zahl- 
reichen Schülern  und  alten  Verehrern  betrauert. 

Vermählt  war  J.  mit  der  Koloratursängerin  Aurelie  Wlczek,  die  er  1867 
in  seinem  Casseler  Engagement  kennen  gelernt  hatte.  Auch  eine  Tochter  des 
Künstlerpaares,  Elsa  Jäger,  hat  sich  der  Bühne  gewidmet  und  ist  als  jugend- 
liche Liebhaberin  in  Wien  und  Meiningen  aufgetreten. 

Vergl.  Monatsschr.  f.  Musikgesch.  35,  126.  —  Hessenland  16,  183.  —  Eisenberg,  Biogr. 
Lex.  d.  Deutsch.  Bühne  468.  Ph.   Losch. 

Jordan,  Ricardo,  Dichter  und  Übersetzer,  *  9.  Januar  1857  zu  Mexiko, 
t  6.  Januar  1902  zu  Charcas  in  Mexiko.  —  Sein  eigentlicher  Name  war  Richard 
Keller.  J.  war  ein  Sohn  des  in  Mexiko  ansässigen  deutschen  Kaufmanns 
Edgar  Keller,  der  sich  1854  mit  Henriette  Jordan,  Tochter  des  bekannten 
Marburger  Professors  und  kurhessischen  Politikers  Sylvester  Jordan,  verheiratet 
hatte.  Seine  Jugend  verlebte  J.  in  Deutschland,  besuchte  das  Gymnasium  zu 
Marburg  in  Hessen  und  widmete  sich  dann  dem  kaufmännischen  Berufe.  Nach 
der  Trennung  seiner  Eltern,  die  1876  erfolgte,  nahm  er  den  Namen  seiner 
Mutter  an.  Im  Jahre  1878  wanderte  er  nach  Mexiko  aus  und  war  dort  bis 
1882  in  verschiedenen  kaufmännischen  Stellungen  tätig,  bis  er  dann  ein  Amt 
im  mexikanischen  Finanzministerium  erhielt.  1890  gab  er  dasselbe  wieder 
auf  und  ging  nach  Guatemala  als  Vertreter  mehrerer  europäischer  und  ameri- 
kanischer Handelshäuser,  kehrte  aber  nach  einigen  Jahren  wieder  nach  Mexiko 
zurück,  wo  er  bei  Charcas  im  Staate  San  Luis  Potosl  eine  Silbermine  an- 
kaufte und  bewirtschaftete.  Hier  ist  er,  kaum  44  Jahre  alt,  am  6.  Januar  1902 
gestorben,  betrauert  von  seiner  Witwe  und  zwei  Töchtern. 

J.  hatte  seine  poetische  Begabung  von  seiner  Mutter  ererbt,  die  selbst  als 
Dichterin  und  Schriftstellerin  mit  zahlreichen  Werken  hervorgetreten  ist.  Ver- 
dient machte  er  sich  besonders  durch  seine  Übersetzungen  spanischer  Dicht- 
werke.    Seine  Verdeutschung  der  Rimas  von  Gustavo  Adolfo  Becquer,  die  im 


2o6  Jordan.     Herzogin  Friedrike. 

Jahre  1893  unter  dem  Titel  »Spanische  Lieder«  bei  Hendel  in  Halle  erschien, 
gilt  als  eine  formvollendete,  mustergültige  Übersetzung.  Die  Namen  der  ge- 
feierten mexikanischen  Dichter  Diaz  Mirön,  Manuel  Acuiia  und  Juan  de  Dies 
Peza  wurden  erst  durch  Jordans  literarische  Tätigkeit  in  Deutschland  bekannt. 
Weitere  Übersetzungen  tropenländischer  Poesien,  sowie  eigene  Gedichte 
veröffentlichte  J.  unter  dem  Titel  »Lieder  vom  Stillen  Ozean«  (Halle  1894), 
während  seine  Übertragungen  spanischer  Dramen  (u.  a.  Werke  von  Echegaray) 
und  Prosadichtungen  noch  nicht  gedruckt  sind.  Der  literarische  Nachlaß 
des  zu  früh  Dahingeschiedenen  befindet  sich  im  Besitze  seiner  Mutter  Henriette 
Keller-Jordan  in  München. 

Nekrolog  von  Paul  Tesdorpf  in:  Hessenland  16,  35.  —  Tesdorpf,  R.  Jordan  als  Über- 
setzer. Ebenda  16,  88.  —  Schoof,  Hessisches  Dichterbuch.  3.  Aufl.  243.  —  Brummers  Lex. 
d.  Deutsch.  Dichter.     2,  238.  Ph.  Losch. 

Friedrike  Caroline  Juliane,  Herzogin  zu  Anhalt-Bemburg,  geb.  Prin- 
zessin zu  Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg,  *  9.  Oktober  181 1  zu 
Gottorp,  f  IG.  Juli  1902  zu  Alexisbad.  —  Die  Wiege  der  letzten  Herzogin 
und  Regentin  des  Herzogtums  Anhalt-Bernburg  stand  in  dem  Schlosse  Gottorp 
bei  Schleswig,  der  Residenz  ihres  Großvaters  des  Landgrafen  Karl  vorr  Hessen, 
Statthalters  der  Herzogtümer  Schleswig  und  Holstein.  Sie  war  die  zweite 
Tochter  des  Prinzen  Wilhelm  von  Holstein-Beck  (der  erst  im  Jahre  1825  den 
Titel  Herzog  von  Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg  annahm)  und 
seiner  Gemahlin  Luise  von  Hessen-Cassel,  der  Tochter  des  Landgrafen  Karl. 
Mit  ihren  zahlreichen  Geschwistern  (zwei  Prinzessinen  und  sechs  Prinzen, 
unter  welchen  der  jetzige  König  Christian  IX.  von  Dänemark),  verlebte  Prin- 
zessin F.  ihre  Kindheit  zu  Gottorp  und  Luisenlund,  dem  Sommersitz  der 
fürstlichen  Familie,  den  der  König  von  Dänemark  der  Landgräiin  Karl  zum 
Geschenk  gemacht,  zuweilen  auch  zu  Glücksburg,  das  seit  1825  im  Besitze 
ihres  Vaters  war.  Es  war  ein  glückliches  Familienleben,  in  dem  vor  allem 
die  ehrwürdigen  Gestalten  der  hochbetagten  Großeltern,  die  1826  ihre  diamantene 
Hochzeit  feiern  konnten,  eine  bedeutende  Rolle  spielten.  Die  alte  Landgräfin 
starb  am  12.  Januar  1831  und  bald  darauf  am  17.  Februar  folgte  ihr  der  Herzog 
Wilhelm,  der  sich  bei  der  Beerdigung  seiner  Schwiegermutter  eine  schwere 
Erkältung  zugezogen  hatte.  Nach  dem  Tode  ihres  Vaters  verweilte  Prin- 
zessin F.  mit  ihrer  ältesten  Schwester  eine  Zeitlang  in  Kopenhagen  am  könig- 
lichen Hofe.  Kurz  nach  ihrer  Rückkehr  erfolgte  der  Antrag  des  Herzogs  von 
Anhalt-Bernburg,  den  die  zweiundzwanzigjährige  Prinzessin  annahm.  Am 
29.  August  1834  fand  zu  Luisenlund  die  Verlobung  statt,  zwei  Monate  später 
am  30.  Oktober  wurde  die  Hochzeit  des  jungen  Paares  auf  Schloß  Gottoq) 
in  Gegenwart  des  90jährigen  Landgrafen  Karl  gefeiert. 

Es  war  wohl  eine  sogenannte  gute  Partie,  die  die  junge  Prinzessin  aus 
armer  kinderreicher  Familie  durch  ihre  Heirat  mit  dem  reichen  regierenden 
Herrn  eines  wenn  auch  nur  kleinen  Landes  machte,  aber  so  ganz  leicht  mag 
ihr  der  Entschluß  doch  nicht  geworden  sein,  den  sie  schließlich  wohl  mit 
aus  Rücksicht  auf  ihre  Familie  gefaßt  hatte.  Ihr  Gemahl,  der  letzte  Herzog 
von  Anhalt-Bernburg,  Alexander  Karl  (*  2.  März  1805),  hatte  eben  nach  dem 
Tode  seines  Vaters  Alexius  im  März  1834  die  Regierung  angetreten  und  be- 
reits gezeigt,  daß  es  mit  seinen   geistigen  Kräften   nicht  zum  besten   bestellt 


Herzogin  Friedrike.  20/ 

war.  Es  mochte  das  wohl  ein  Erbteil  seiner  unglücklichen  Mutter,  Marie 
Friedrike  von  Hessen-Cassel,  sein,  die  nach  einer  höchst  unglücklichen  Ehe 
seit  1817  getrennt  von  ihrem  Gatten,  dem  Herzoge  Alexius,  lebte  und  1839 
gemütskrank  zu  Hanau  gestorben  ist.  Nicht  ohne  ernste  Bedenken  hatte  also 
Prinzessin  F.  ihr  Jawort  gegeben.  Sie  gab  es  mit  dem  festen  Entschlüsse, 
ihrem  Gatten  eine  rechte  Gehilfin  und  dem  Lande  eine  rechte  Fürstin  zu 
werden,  und  sie  hat  dies  Versprechen  gehalten.  Ihr  von  Jugend  an  durch 
eine  fromme  Erziehung  genährtes  Gottvertrauen  gab  ihr  die  Kraft  zu  diesem 
Entschlüsse  und  ließ  sie  bezeichnenderweise  den  Vers  Rom.  12,  12  »Seid 
fröhlich  in  Hoffnung,  geduldig  in  Trübsal,  haltet  an  am  Gebet«  zum  Trau- 
text wählen. 

Am  13.  November  1834  hielt  die  neue  Herzogin  an  der  Seite  Alexander 
Carls  ihren  Einzug  in  die  bemburgischen  Lande.  Ein  50  Jahre  später  am 
Ende  der  Kastanienallee  von  Ballenstedt  errichtetes  Denkmal  erinnert  noch 
an  den  Tag,  an  dem  die  Herzogin  diese  Stadt  betrat,  die  von  nun  an  ihre 
Heimat  und  ihr  Lieblingswohnsitz  sein  sollte.  Die  damaligen  Berichte  rühmen 
die  Klugheit  und  das  feine  Gefühl,  mit  dem  die  Herzogin  es  verstand,  ihre 
Stellung  in  der  neuen  Umgebung  zu  begründen.  Es  dauerte  nicht  lange,  so 
hatte  sie  zum  Segen  des  Landes  die  Zügel  der  Regierung  in  den  Händen, 
die  ihr  gutmütiger,  aber  geistesschwacher  Gemahl  ihr  gern  überließ.  Ihr  zur 
Seite  stand  ein  aus  fünf  Mitgliedern  bestehender  Geheimer  Konferenzrat,  den 
Herzog  Alexius  schon  1834  mit  Rücksicht  auf  die  geistige  und  körperliche 
Schwäche  seines  Sohnes  eingesetzt  hatte.  Man  nannte  ihn  später  scherzhaft 
»die  fünf  Finger  der  Herzogin«,  ein  Zeugnis  dafür,  daß  man  im  Lande  den 
richtigen  Regenten  kannte. 

Die  Herzogin  sollte  bald  Gelegenheit  haben,  ihre  Energie  und  Festigkeit 
in  der  Regierung  zu  zeigen.  Das  Jahr  1848  nahte  heran  und  zog  auch  das 
kleine  Bemburger  Land  in  den  Strudel  der  Revolution.  Wie  in  andern  deut- 
schen Staaten  kam  es  zu  heftigen  Verfassungsstreitigkeiten.  Nachdem  die 
von  den  Ständen  des  Herzogtums  vorgeschlagene  liberale  Verfassung  vom 
Herzoge  verworfen  war,  rief  der  Landtag  im  November  1848  den  deutschen 
Reichsverweser  Erzherzog  Johann  zur  Vermittlung  an  und  wollte  sogar  dem 
Dessauer  Herzoge,  der  eben  seinem  Lande  eine  freiheitliche  Konstitution 
hatte  geben  müssen,  die  Regentschaft  in  Bernburg  übertragen.  Da  ließ  der 
Herzog  auf  die  Veranlassung  seiner  Gemahlin  durch  den  Minister  v.  Krosigk 
den  Landtag  auflösen  und  oktroyierte  eine  neue  Verfassung.  Ihre  Anerkennung 
erfolgte  unter  schweren  inneren  Kämpfen,  während  deren  das  Herzogspaar 
eine  Zeitlang  außer  Landes  in  Quedlinburg  Aufenthalt  nehmen  mußte  und 
preußische  Truppen  das  Land  besetzten.  Endlich  kam  es  1850  zur  Aner- 
kennung der  Verfassung  durch  den  Landtag,  die  dann  bis  1859  in  Geltung 
blieb,  wo  sie  durch  eine  für  beide  anhaltische  Lande  gemeinsame  Konstitution 
ersetzt  wurde. 

Nach  dem  Ausscheiden  des  bisherigen  Ministers  v.  Krosigk  bemühte  man 
sich  in  Bernburg  keinen  Geringeren  als  den  damals  noch  als  den  Urtypus 
eines  Konservativen  geltenden  späteren  Reichskanzler  Otto  v.  Bismarck  zu 
seinem  Nachfolger  zu  gewinnen.  Bismarck  war  gar  nicht  abgeneigt,  den 
dortigen  Ministerposten  zu  übernehmen.  Am  20.  Januar  185 1  schrieb  er  an 
seine  Frau  u.  a.:   »Ich   habe  die   Sache   in   Bernburg  bisher  nicht  betrieben, 


20&  Herzogin  Friedrike. 

sondern  Gott  überlassen,  sonst  ist  die  Stellung  angenehm:  der  Herzog  ist 
blödsinnig  und  der  Minister  Herzog«.  Und  in  einem  Brief  vom  22.  Januar 
ebenfalls  an  seine  Frau  heißt  es  ähnlich:  »Es  wäre  recht  hübsch  dort,  als 
unabhängiger  Herzog  (der  wahre  ist  blödsinnig)  und  dicht  im  Harz  mit  Viktors- 
höhe und  das  ganze  Selketal  zu  regieren,  in  Ballenstedt  wohnend«.  Der  Plan 
zerschlug  sich  indessen.  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  von  Preußen  war  zwar 
damit  einverstanden,  daß  Bismarck  nach  Bemburg  ging,  aber  seine  Minister 
nicht,  »weil  sie  mich  in  der  Kammer  nicht  missen  können,  wie  sie  sagen,  und 
gegen  sie  ist  es  nicht  durchzusetzen«.  Bismarck  ging  statt  nach  Bernburg  als 
preußischer  Bundestagsgesandter  nach  Frankfurt.  Den  ihm  vergeblich  ange- 
botenen Ministerposten  erhielt  statt  seiner  der  bisherige  Danziger  Regierungs- 
rat Max  von  Schaetzell,  der  1851  in  das  Bernburger  Ministerium  eintrat  und 
1853  zum  alleinigen  verantwortlichen  Minister  ernannt  wurde.  In  ihm  erhielt 
das  Land  einen  vortrefflichen  leitenden  Beamten  und  die  Herzogin  ¥.  einen 
treuen  Berater  und  Freund,  der  ihr  seine  Dienste  über  ihre  Regierungszeit 
hinaus  bis  an  seinen  Tod  (30.  Oktober  1879)  widmete. 

Der  Zustand  des  Herzogs  Alexander  hatte  sich  inzwischen  immer  mehr 
und  mehr  verschlechtert,  und  die  schon  seit  langem  aufgeworfene  Frage  betr. 
Einsetzung  einer  Regentschaft  war  nicht  mehr  zu  umgehen.  Hatte  die  Herzogin 
auch  bis  dahin  de  facto  ihren  Gemahl  in  der  Regierung  vertreten,  so  wurde 
dies  Verhältnis  nunmehr  gesetzlich  bestätigt.  Am  8.  Oktober  1855  erfolgte 
eine  landesherrliche  Verordnung,  durch  welche  der  Herzog  »in  Anbetracht 
seiner  geschwächten,  der  möglichsten  Schonung  bedürftigen  Gesundheit  zur 
Erleichterung  in  Wahrnehmung  der  ihm  obliegenden  Regentenpflichten 
beschloß,  seine  vielgeliebte  Gemahlin,  die  Herzogin  Friedrike,  Höh.  und 
Liebden,  zur  Mitregentin  des  Herzogtums  anzunehmen«.  —  Dem  Namen  nach 
war  es  eine  Mitregentschaft,  in  Wirklichkeit  aber  eine  bloße  Regentschaft, 
insofern  als  die  Verordnung  ausdrücklich  vorschrieb,  daß  zur  Unterzeichnung 
aller  landesherrlichen  Beschlüsse  und  Verfügungen  die  Unterschrift  der  Her- 
zogin-Mi tregentin  allein  genüge  und  volle  Gültigkeit  haben  sollte. 

Noch  acht  Jahre  sollte  die  Regierung  der  Herzogin  F.  über  das  Land 
Bemburg  dauern,  während  deren  sie  auf  das  treueste  von  dem  Minister 
von  Schaetzell  unterstützt  wurde.  Wie  der  Minister  die  Regierung  in  konser- 
vativem Sinne  leitete,  so  war  die  Herzogin  infolge  ihres  tief  religiösen  Gefühls 
besonders  auf  die  Förderung  der  kirchlichen  und  kulturellen  Angelegenheiten 
und  Anstalten  des  Landes  bedacht.  Sie  begann  die  Wiederherstellung  der 
altehrwürdigen  Stiftskirche  zu  Gernrode,  gründete  zahlreiche  segensreiche 
Wohltätigkeitsanstalten,  die  z.  T.  ihren  Namen  tragen,  unterstützte  und 
verbesserte  die  Schulen  des  Landes,  berief  tüchtige  Geistliche  in  die  her\-or- 
ragendsten  Stellen  und  ließ  u.  a.  durch  sie  ein  neues  Gesangbuch  an  Stelle 
des  alten  rationalistischen  Gesangbuchs  von  1772  einführen.  Ein  Denkmal 
der  trefflichen  Verwaltung  unter  der  Mitregentschaft  bilden  ferner  die  vorzüg- 
lichen Harzstraßen  im  anhaltischen  Lande,  die  zu  jener  Zeit  angelegt  sind. 
Dem  Berg-  und  Hüttenbau  widmete  die  Herzogin  gleichfalls  ein  lebhaftes 
Interesse.  Die  Erschließung  des  für  den  Anhaltischen  Staat  noch  jetzt  so 
wertvollen  mächtigen  Salzbergwerkes  bei  Staßfurt  gehört  ebenfalls  den  Jahren 
der  Regentschaft  an. 

Im  Jahre  1858  konnte  die   Herzogin  noch   an   der  Seite   ihres  Gemahls 


Herzogin  Friedrike.     Reuter.  20O 

dessen  25  jähriges  Regierungsjubiläum  feiern,  eine  Fiktion,  die  aufrecht  erhalten 
wurde,  obwohl  Alexander  Karl,  der  bereits  seit  längerer  Zeit  auf  Schloß  Hoym 
ganz  zurückgezogen  lebte-,  kaum  regiert  hat.  Wenige  Jahre  später,  am 
19.  August  1863,  starb  der  Herzog  zu  Hoym.  Er  war  der  Letzte  seines  Stammes 
und  mit  seinem  Tode  endete  auch  die  Regentschaft  seiner  Gemahlin  über  das 
Bemburger  Land,  das  schon  am  nächsten  Tage  von  der  Dessauer  Linie  in 
Besitz  genommen  wurde. 

Die  Herzogin  Witwe  behielt  ihren  Wohnsitz  im  Schlosse  zu  Ballenstedt, 
dessen  herrliche  Gartenanlagen  ihr  ihre  Entstehung  verdanken.  War  ihre 
Stellung  auch  nun  eine  andere  geworden,  ihre  Hofhaltung  blieb  die  alte  und 
behielt  das  hochfürstliche  Gepränge;  auch  die  Liebe  und  Verehrung  ihrer  bis- 
herigen Untertanen  blieb  ihr  nach  wie  vor  erhalten,  gestärkt  durch  die  Zeichen 
ihrer  Wohltätigkeit  und  Barmherzigkeit,  die  sie  nach  wie  vor  ausstreute.  Einen 
großen  Teil  des  Jahres  pflegte  die  Herzogin  auf  Reisen,  namentlich  in  der 
Schweiz,  zuzubringen,  seit  dem  Jahre  1894  wohnte  sie  nur  noch  im  alten 
Schlosse  zu  Ballenstedt,  bezw.  Sommers  im  idyllischen  von  Schinkel  erbauten 
Schweizerhause  zu  Alexisbad.  Die  Herzogin  erreichte  ein  sehr  hohes*  Alter, 
mehr  als  40  Jahre  überlebte  sie  ihren  Gemahl.  Unter  großem  Jubel  der 
Bevölkerung  konnte  sie  am  9.  Oktober  190 1  ihren  neunzigsten  Geburtstag 
feiern.  Es  sollte  ihr  letzter  sein.  Am  10.  Juli  1902  verschied  sie  sanft  an 
Alterschwäche  auf  ihrem  Sommersitze  Alexisbad  als  derzeit  ältestes  Mitglied 
aller  souveränen  Häuser  von  ganz  Europa.  Ihre  irdische  Hülle  wurde  am 
14.  Juli  in  der  Fürstengruft  der  Schloßkirche  St.  Ägidi  zu  Bernburg  an  der 
Seite  ihres  Gemahls  unter  großer  Teilnahme  der  ganzen  Bevölkerung  beigesetzt. 
Ihr  ältester  Bruder,  der  84jährige  König  Christian  IX.  von  Dänemark,  folgte 
als  nächster  Verwandter  ihrem  Sarge. 

Vgl.  den  Nekrolog  von  R.  Liebisch  in  d.  lUustr.  Zeitung  Nr.  3081  vom  17.  Juli  1902 
(m.  Portr.).  —  Derselbe  in  Unser  Anhaltland  2,  345  über  die  Beisetzung  d.  Herzogin.  — 
Daselbst  2,  333  kurzer  Nachruf  m.  Jugendportr.  —  (Schubart)  Friedrike  Caroline  Juliane 
Herzogin  zu  Anhalt-Bemburg.     Dessau  1901.  Ph.   Losch. 


Reuter,  Theodor,  k.  k.  Baurat,  Architekt,  *  9.  März  1837  in  Wien,  f  i.  Fe- 
bruar 1902  ebenda.  —  Man  kann  eine  Biographie  R.s  nicht  besser  und  zu- 
treffender einleiten,  als  mit- den  Worten,  die  ihm  ein  treuer  Freund  nach- 
gerufen: »Sein  Streben  war  nicht  nach  äußeren  Erfolgen  gerichtet,  wohl  aber 
ebensosehr  nach  steter  Vertiefung  seiner  sachlichen  Tüchtigkeit,  als  nach 
Hochhaltung  seiner  persönlichen  Ehre  und  der  Ehre  unseres  Standes«.  Die 
Grundlage  zu  dieser  edeln  Eigenart  seines  Wesens  schuf  die  selten  gediegene 
Erziehung,  die  er  im  Elternhause  genoß;  sein  Vater,  der  kaiserl.  Rat  und 
Professor  Jakob  Reuter,  war  in  Alt-Wien  ob  seiner  vornehmen  Charakter- 
eigenschaften hoch  verehrt  und  legte  das  Hauptgewicht  der  Erziehung  seines 
Sohnes  auf  dessen  sittlich-ernste  Ausbildung.  R.  hatte  das  Piaristen-Gymnasium 
und  das  polytechnische  Institut  in  Wien  besucht  und  sich  dann  kurze  Zeit  in 
der  Baupraxis  beschäftigt,  als  in  ihm  der  lebhafte  Drang  nach  künstlerischer 
Betätigung  erwachte,  der  ihn  an  die  Akademie  der  bildenden  Künste  trieb. 
Im  Jahre  1864  trat  R.  als  Architekt  in  das  Atelier  seines  Lehrers,  des  Ober- 
baurates Friedrich  Schmidt,  ein  und  beteiligte  sich  hier  an  mehreren  hervor- 

Biogr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog'.    7.  Bd.  I^ 


210  Reuter.     Heindl. 

ragenden  Bauten  Schmidts,  so  an  der  Pfarrkirche  in  Fünfhaus  usw.  Nach 
kurzer,  dem  Entwürfe  und  Bau  der  Gebäude  des  Bahnhofes  Wien  gewidmeten 
Tätigkeit  bei  der  österreichischen  Nordwestbahn  wurde  R.  im  Jahre  1871  die 
Befugnis  eines  Zivil-Architekten  für  Niederösterreich  verliehen.  Von  nun  an 
entfaltete  sich  seine  bauliche  Wirksamkeit  in  reichem  Maße  nach  verschiedenen 
Richtungen  hin:  als  Baudirektor  der  österreichischen  Baugcsellschaft  für  Kur- 
orte leitete  er  den  Bau  der  Hotels  in  Gmunden,  Marienbad  und  Gries  bei 
Bozen;  er  führte  den  Bau  des  Palastes  Baron  Albert  Rothschild  (Wien,  Heu- 
gasse) nach  den  Plänen  des  Pariser  Architekten  Destailleur  aus,  beteiligte  sich 
gemeinsam  mit  v.  W^ielemans  erfolgreich  an  mehreren  Konkurrenzen,  zog  sich 
aber,  als  er  infolge  eines  Krebsleidens  Klang  und  Stärke  seiner  Stimme  ein- 
büßte (1894),  von  der  Bautätigkeit  als  Architekt  immer  mehr  zurück,  entfaltete 
dagegen  eine  anstrengende  Tätigkeit  als  Sachverständiger,  Schätzmeister  und 
Schiedsrichter  in  schwierigen  Baustreitfällen. 

Als  Mitglied  der  Wiener  Baudeputation,  in  die  er  1894  berufen  wurde, 
als  Beisitzer-Stellvertreter  des  Schiedsgerichtes  der  Arbeiter-Unfallversicherungs- 
anstalt für  Niederösterreich,  als  Kammerrat  der  Ingenieur-Kammer  des  Vereins 
der  b.  a.  Zivil-Techniker  in  Niederösterreich  wirkte  er  in  erfolgreicher  W'eise; 
ganz  besondere  Verdienste  erwarb  er  sich  um  die  Hebung  des  Ansehens  und 
der  Interessen  des  österreichischen  Ingenieur-  und  Architekten-Vereins,  in 
dessen  technischen  und  sozial  technischen  Ausschüssen  er  eine  energische, 
selbstlose,  eifrige  Tätigkeit  entwickelte.  R.  war  vom  Jahre  1883  bis  1889  auch 
Gemeinderat  der  Stadt  Wien;  im  Jahre  1898  wurde  ihm  der  Titel  eines  k.  k. 
Baurates  verliehen. 

Von  unerschütterlicher  Überzeugungstreue,  von  selten  hohem  Rechts-  und 
Ehrgefühle,  vertrat  R.,  was  er  als  richtig  erkannt  hatte,  mit  größtem  Freimute 
und  hinreißender  Lebhaftigkeit,  mitunter  aber  auch  mit  einer  Rücksichts- 
losigkeit und  Schärfe,  die  leicht  verletzend  werden  konnte.  Groll  und  Neid 
lagen  ihm  ferne;  er  wußte  Freundschaft  zu  halten  und  zu  schätzen.  P^in 
schmerzloses,  aber  heimtückisches  I^eiden  fesselte  ihn  Jahre  hindurch  ans 
Krankenlager,  bis  ihn  der  Tod  erlöste. 

Literatur:  »Zeitschrift  des  österreichischen  Ingenieur-  und  Architekten-Vereins«  1902, 
S.  158  (mit  Bild). 

Prag.  Alfred  Birk. 

Heindl,  Franz,  k.  k.  Hofrat,  Stellvertreter  des  General  Inspektors  der  öster- 
reichischen Eisenbahnen,  *  8.  Februar  1837  in  Aspang  a.  d.  Zaya  (Nieder- 
österreich), f  27.  November  1902  in  Wien.  —  H.  hatte  seine  Studien  am 
polytechnischen  Institute  in  Wien  absolviert  und  war  am  23.  September  i8$8 
in  den  Eisenbahndienst  getreten.  Im  Jahre  1876  erfolgte  nach  mannigfachem 
Wechsel  der  Geschicke  innerhalb  seiner  engeren  Berufstätigkeit  sein  definitiver 
Eintritt  in  den  Staatseisenbahndienst,  in  dem  es  ihm  verhältnismäßig  rasch 
gelang,  eine  hervorragende  Stellung  zu  erringen.  Sein  Name  wurde  in  den 
weitesten  Fachkreisen  durch  sein  eisernes  Oberbausystem  bekannt,  das,  auf 
sehr  richtigen  Grundsätzen  aufgebaut,  sich  namentlich  durch  die  zweckmäßige 
Form  der  Schwelle  und  die  sachgemäße,  theoretisch  und  praktisch  ent- 
sprechende Schienenbefestigung  auszeichnet.  (Vgl.  »Organ  für  die  Fortschritte 
des  Eisenbahnwesens«  1882  u.  1889;  »Zeitschrift  des  österreichischen  Ingenieur- 


Heindl.     Prcnninger.  211 

u.  Architekten-Vereins^'  1882,  1892  u.  1895;  »Glasers  Annalen«  1892;  »Zentral- 
blatt der  Bauverwaltung«  1892).  Das  vom  Verein  deutscher  Eisenbahn- 
Verwaltungen  im  Jahre  1885  prämiierte  System  steht  in  Österreich  und  Deutsch- 
land in  ausgedehnter  Anwendung  und  bewährt  sich  bestens.  H.  war  in  den 
Jahren  1896  und  1897  Erster  Vorsteher-Stellvertreter  des  österreichischen  In- 
genieur- und  Architekten-Vereins  und  wirkte  auch  mit  rastlosem  Eifer  für  die 
Interessen  des  Ingenieurstandes.  Seine  Liebenswürdigkeit,  sein  freundliches 
conciliantes  Wesen,  seine  stete  Bereitwilligkeit,  zu  helfen  und  zu  fördern, 
seine  Kollegialität  und  Treue  erwarben  ihm  zahlreiche  Freunde,  die  seinen 
jähen  Tod  tief  beklagten. 

Prag.  Alfred  Birk. 

Prcnninger,  Karl,  k.  k.  Oberbaurat,  Bahndirektor  der  österreichischen 
Südbahn,  •  2.  Juli  1829  in  Wien,  f  12.  Juli  1902  in  Reichenhall.  —  Nach 
Absolvierung  der  technischen  Studien  und  Erlernung  des  Maurerhandwerkes 
trat  P.  im  Jahre  1850  als  Ingenieurassistent  bei  den  k.  k.  Staatsbahnen  ein. 
Nach  Verkauf  derselben  wurde  er  von  der  Lombardisch-Venetianischen  und 
Südlichen  Staatsbahngesellschaft,  später  Südbahngesellschaft  genannt,  über- 
nommen und  mit  der  Bauleitung  der  Strecke  Unterdrauburg-Homberg  betraut. 
Im  Jahre  1863  erfolgte  seine  Berufung  zur  Baudirektion  nach  Wien,  deren 
Leitung  er  nach  Presseis  Abgang  (187 1)  übernahm.  Im  Jahre  1874  stellte  ihn 
die  Verwaltung  an  die  Spitze  des  vereinigten  Bau-  und  Bahnerhaltungs- 
dienstes. In  dieser  Stellung  hat  P.  den  Ausbau  einer  großen  Reihe  von 
Linien,  namentlich  Lokalbahnen  geleitet,  den  Umbau  der  Bahnhöfe  in  Triest, 
Innsbruck  und  auf  der  Lokalbahnstrecke  Wien-Baden  durchgeführt  und  manche 
Einrichtungen  des  Bahnerhaltungsdienstes  verbessert.  Bei  der  Bekämpfung 
der  außergewöhnlichen  Hochwässer,  die  fast  alljährlich  das  ihm  unterstehende 
Netz  gefährdeten  und  beschädigten,  entwickelte  P.  viel  technisches  Geschick 
und  persönlichen  Mut.  Mit  Eifer  und  Erfolg  vertrat  P.  die  Südbahn  im 
technischen  Ausschusse  des  Vereins  Deutscher  Eisenbahn-Verwaltungen,  wo 
er  durch  zwei  Jahrzehnte  eine  führende  Stellung  einnahm;  er  war  ferner 
Präsident  der  Kahlenberg-Eisenbahngesellschaft,  Vizepräsident  des  Wiener 
Dombauvereines,  Mitglied  des  Schiedsgerichts  der  berufsgenossenschaftlichen 
Unfall-Versicherungsanstalt  der  österreichischen  Eisenbahnen.  Sein  vielseitiges 
Wirken  fand  auch  vielfache  öffentliche  Anerkennung;  er  wurde  zum  k.  k.  Ober- 
baurate ernannt,  war  Besitzer  hoher  inländischer  und  ausländischer  Orden, 
Ehrenpräsident  der  ständigen  Delegation  des  IV.  österreichischen  Ingenieur- 
und  Architektentags,  zeitweilig  auch  Vorsteher  des  österreichischen  Ingenieur- 
und  Architektenvereines,  ferner  Ehrenbürger  der  Gemeinden  Welsberg,  Gossen- 
saß,  Mureck  und  Hinterbrühl.  Als  er  im  November  1893  die  Stelle  des  Bahn- 
direktors bei  der  Südbahn  niederlegte,  ernannte  ihn  der  Verwaltungsrat  zum 
technischen  Konsulenten  der  Gesellschaft. 

P.  besaß  eine  ungewöhnliche  Arbeitskraft;  Geradheit,  Rechtschaffenheit 
und  Treue  waren  ihm  in  hohem  Grade  eigen;  im  Innersten  seines  Wesens 
war  er  warm,  wohlwollend,  begeistert  für  alles  Schöne  und  Gute;  aber  die 
Rauhheit  seines  äußeren  Wesens,  die  Rücksichtslosigkeit  in  den  Anforderungen 
des  Dienstes  und  die  geringe  persönliche  Liebenswürdigkeit  gegen  seine  Unter- 
gebenen ließen  ihn  —  trotz  seiner  sonstigen  Vorzüge  und  guten  Eigenschaften 

14* 


^12  Prcnninger.     Bielschowsky. 

seines  Charakters  —  nicht  die  Liebe  dieser  erringen.  »Das  sind«  —  sagt 
einer  seiner  Biographen  —  »strenge  Züge  in  seinem  Bilde,  die  er  mit  fast 
allen  Altersgenossen  aus  der  Entwicklungszeit  des  Eisenbahnwesens  gemein 
hat,  und  die  eben  die  außergewöhnliche  Fruchtbarkeit  der  Männer  dieser 
Gruppe  bedingen«. 

Literatur;  >Organ  für  die  Fortschritte  des  Eisenbahnwesens«  1902,  S.  223;  »Zeitschrifi 
des  österreichischen  Ingenieur-  und  Architektenvereines«  1902,  S.  679  (mit  Bild). 

Alfred  Birk. 

Bielschowsky,  Albert,  Oberlehrer,  Dr.  phil.,  Goetheforscher,  *  3.  Januar 
1847  zu  Namslau  in  Schlesien,  Reg.-Bez.  Breslau,  f  21.  Oktober  1902  in 
Berlin.  —  B.  entstammte  einer  kinderreichen  Kaufmannsfamilie  der  kleinen 
Stadt  Namslau  und  wurde  schlicht,  in  beinahe  spartanischer  Einfachheit  er- 
zogen. Das  Elternhaus,  wo  er  in  Ehrfurcht  und  Demut  aufwuchs,  mußte  er 
schon  im  elften  Lebensjahre  verlassen,  um  das  Gymnasium  zu  Öls  zu  besuchen 
und  später  zuerst  in  Breslau,  dann  in  Berlin  Philologie  zu  studieren.  Von 
Universitätslehrern  übten  dort  der  Philosoph  Christlieb  Braniß  und  der 
Historiker  Karl  Neumann  bedeutenden  Einfluß  auf  den  bescheidenen,  von 
freudigem  Wissenstriebe  glühenden  Studenten;  hier  nahmen  sich  Karl  Werder, 
Moriz  Haupt  und  Karl  Müllenhoff  wohlwollend  seiner  an.  Eine  entschiedene 
pädagogische  Begabung  führte  ihn  dem  höheren  Lehrfach  zu.  Nachdem  er 
die  Staatsprüfung  ehrenvoll  bestanden  und  mit  einer  gediegenen  Abhandlung 
über  die  gemeinsamen  Männermahle  der  Spartaner  (De  syssitUs  Spartanorum 
virorum  i86g)  in  Breslau  promoviert  hatte,  trat  er  1870  in  den  höheren  Schul- 
dienst, dem  er  16  Jahre  angehört  hat,  vom  Herbst  1871  an  mit  einer  kleinen 
Unterbrechung  bis  Ostern  1886  als  Oberlehrer  an  derKgl.  Ober-Realschule  (an- 
fangs Gewerbeschule)  zu  Brieg  in  seiner  sclilesischen  Heimat.  Hier  war  es,  wo 
er  sich  einen  eigenen  Hausstand  gründete,  indem  er  nach  langjährigem  Hoffen 
und  Harren  die  Geliebte,  Anna  Sachs,  heimführte,  die  ihm  in  Freud  und  Leid 
die  berufenste,  treueste  Genossin  wurde.  Dem  am  14.  Juli  1872  geschlossenen 
Bunde  entsprossen  drei  Töchter.  In  Brieg  nahmen  auch  die  neben  dem  gern 
und  erfolgreich  geübten  Berufe  liebevoll  gepflegten  Studien  B.s  die  entscheidende 
Wendung  zur  deutschen  Literaturgeschichte,  insbesondere  zur  Goetheforschung, 
der  er  sein  Lebenlang  treu  geblieben  ist  und  in  der  ihm  edle  Früchte  zu 
zeitigen  beschieden  war.  Die  seine  ganze  Schaffenszeit  beherrschende  Gestalt 
Goethes  tritt  zum  ersten  Male  in  der  kleinen  Schrift  »Friederike  Brion. 
Ein  Beitrag  zur  Goethe-Literatur«  (Breslau  1880)  auf,  die  deshalb  erwähnens- 
wert ist,  obwohl  der  Verfasser  seine  hier  verfochtene  Auffassung  des  Verhält- 
nisses der  beiden  Liebenden  später  als  irrig  aufgegeben  hat.  Höher  steht 
als  wissenschaftliche  Leistung  die  dem  Bericht  über  die  Kgl.  Gewerbeschule 
zu  Brieg  für  das  Schuljahr  1881/82  beigegebene  Ausgabe  des  »Schwiegerling- 
schen  Puppenspieles  vom  Doktor  Faust'<  mit  interessanten  Ausblicken  auf  ver- 
wandte Bearbeitungen  des  Fauststoffes.  Eine  reichere  Betätigung  seines  schrift- 
stellerischen Talentes  und  seiner  mit  geräuschlosem  Fleiße  betriebenen  Studien 
wurde  dem  gewissenhaften  Manne  indes  erst  seit  1886  ermöglicht.  Zu  Ostern 
des  genannten  Jahres  nämlich  erfolgte  die  Auflösung  der  Schule,  an  der  B. 
wirkte,  da  ihre  Existenzbedingungen  durch  die  inzwischen  reorganisierten 
Oberrealschulen  zu  Breslau  und  Gleiwitz,  an  welche  nun  die  meisten  Schüler 


Bielschowsky.  21^ 

übergingen,    untergraben    waren.      Der    Direktor    und    das    gesamte    Lehrer- 
kollegium,   soweit    es    nicht    anderwärts  Anstellung  fand,   wurde   mit  vollem 
Gehalt    zur    Disposition    gestellt.     Die  Stadt  Brieg,    die    mit    dem  Staat    zu 
gleichen  Teilen  die  Gehälter  zahlte,  knüpfte  zwar  diese  Leistung  an  die  Be- 
dingung, daß  die  zur  Disposition  Gestellten  ihre  Wohnsitze  iti  Brieg  behielten; 
doch  gelang  es  der  Verwendung  des  trefflichen  Kultusministers  Bosse,  für  B. 
Befreiung   von   diesem   Zwange  zu   erwirken,    damit  der  von   ihm  geschätzte 
Gelehrte  seine  wissenschaftlichen  Arbeiten  an  einem  Orte,  wo  ihm  die  Hülfs- 
mittel  dazu  bequemer  zur  Verfügung  standen,  in  freier  Muße  fortsetzen  könne. 
B.  hat  sich  solcher  seltenen  Gunst  des  Schicksals  vollkommen  würdig  erwiesen, 
indem  er  mit  erhöhtem  Eifer  die  Früchte  seiner  Studien  anderen  mitzuteilen 
bemüht  war.    Zeugnis  dafür  legten  ab  mehrere  in  verschiedenen  Zeitschriften 
veröffentlichte  Aufsätze,    unter  denen    »Goethes   Lili«  (Westermanns  Monats- 
hefte, August  1887),  »Die  Urbilder  zu   Hermann   und  Dorothea«   (Preußische 
Jahrbücher,  60.  Bd.,  1887),  »über  Echtheit  und  Chronologie  der  Sesenheimer 
Lieder«  (Goethe-Jahrbuch,  12.  Bd.,  1891),  »Lili  und  Dorothea«  (Preuß.  Jahr- 
bücher,  69.  Bd.,   1892),    >^Goethe    und  Friederike.     Wider    ihre  Verleumder« 
(ebenda,    70.  Bd.,  1893;  eine  siegreiche  Widerlegung  von  Froitzheims  frevel- 
haften Verunglimpfungen)  direkt,  die  tiefgehende  Abhandlung  über  »Das  Alter 
der  Faustspiele«  (Vierteljahrschrift   für  Literaturgeschichte,    4.  Bd.    1891)    in- 
direkt dem  großen  Mittelpunkt  seines  Sinnens  und  Schaffens,  Goethe,  galten. 
Ohne    äußeren  Zusammenhang    mit    diesem    steht    freilich    gerade    eine   der 
hervorragendsten  Arbeiten  B.s   da,    die  einem  anderen  Zeitalter,    aber    doch 
wieder  einem  großen  Lyriker  gewidmet  ist,    das  1890  in  Berlin  erschienene 
umfangreiche.  Buch  »Leben  und  Dichten  Neidharts  von  Reuenthal«  (Sonder- 
abdruck aus  den  *Acta  Germanica* y  II),    das  sich   als  ersten  Teil   einer  »Ge- 
schichte der  deutschen  Dorfpoesie  im  13.  Jahrhundert«  ankündigte,  dem  indes 
eine  Fortsetzung  nicht  gefolgt  ist.     Der  Verfasser  hatte  die  Genugtuung,  sein 
auf  sehr  gründlichen  Forschungen  beruhendes  Werk  von  der  Kritik  durchaus 
günstig  aufgenommen  zu  sehen.     Friedrich  Zarncke  urteilte  im  Literarischen 
Zentralblatt,    der  Verfasser  habe  nicht  nur  mit  vollkommener  Gelehrsamkeit 
seinen  Gegenstand  behandelt,   sondern  er  besitze  auch  eine  tüchtige  Portion 
gesunden  Menschenverstandes,    der  sich  durch  Scharfsinn  nicht  zur  Spielerei 
mit  demselben  hinreißen  lasse;  die  Besprechung  der  heiklen  Frage  nach  dem 
Ursprung  der  Dorfpoesie   sei   umsichtig   und   gebe  ein  abgerundetes,    in  sich 
zusammenhängendes  Bild;  der  Darstellung  des  Lebens  Neidharts  müsse  man 
ohne   Rückhalt  beistimmen.     Ebenso   sprach  Rochus  von  Liliencron,    dessen 
erste   Arbeit  auf    germanistischem   Gebiet    demselben   Gegenstand    gewidmet 
gewesen  war,  B.  in  einem  Briefe  vom  3.  Februar  1891  zu  allem  Wesentlichen 
rückhaltlos    seine   Zustimmung  aus   und   lobte    »die   schönen   Betrachtungen« 
über    den    Zusammenhang    Neidharts    mit    den    Überlieferungen    des    alten 
Frühlingsliedes   und   der  Frühlingsfeier,    die  überzeugende  Konstruktion   von 
des  Dichters  Leben    und    die    sorgfältigen   Prüfungen    der  Sprache   und   der 
Metrik.    Trotz  der  warmen  Anerkennung  aber,  die  die  Schrift  gefunden  hatte, 
verließ   der  Verfasser   das  mit  so  schönem  Erfolg  angebrochene  Gebiet   der 
Forschung;   zu   mächtig  war  die  Anziehungskraft,  die  Goethes  Persönlichkeit 
und  Poesie  auf  ihn  ausübten.     Den  oben  angeführten  Aufsätzen  schließt  sich 
ein  kleines  Buch  an,   das   allerdings  nur  die  neue  Bearbeitung  eines    schon 


214  Bielschowsky. 

vorhandenen  ist,  die  zweite  Auflage  der  anmutigen  Schrift  »Lillis  Bild, 
geschichtlich  entworfen  von  Graf  Ferdinand  Eckbrecht  von  Dürckheim 
(München  1894).  Mit  voller  Beherrschung  des  Stoffes  hat  B.  alles,  was 
seit  dem  ersten  Erscheinen  des  Büchleins  (1878)  über  die  reizende  Freundin 
Goethes  bekannt  geworden  war,  sorgfältig  verwertet,  ohne  die  Eigenart  der 
Schrift  irgendwie  zu  verletzen,  indem  er  größere  Ausführungen  in  einen  sehr 
wertvollen  (2.)  Anhang  verwies.  —  Alle  diese  Goethebeiträge  waren  indes  für 
B.  selbst  nur  Neben-  und  Vorarbeiten  zu  dem  Werke,  das  er  seit  seiner  Über- 
siedelung nach  Berlin  sich  zur  Lebensaufgabe  gemacht  und  mit  stiller,  starker 
Liebe  unablässig  gepflegt  hatte.  Eine  Goethebiographie  fürs  deutsche  Haus, 
die  den  Fachgelehrten  wie  den  gebildeten  Laien,  ernste  Männer  wie  fein- 
fühlende Frauen  in  gleicher  Weise  befriedigen  mußte,  gab  es  damals  noch 
nicht.  Was  der  Engländer  Lewes  in  seinem  bekannten,  für  seine  Zeit  nicht 
unverdienstlichen  Buche  geleistet  hatte,  das  war  wissenschaftlich  längst  über- 
holt und  zudem  einseitig  und  lückenhaft;  Düntzers  Goethebiographie  bot  nicht 
mehr  als  eine  peinlich  genaue  Aufzeichnung  äußerer  Tatsachen  ohne  geistige 
Belebung,  während  hinwieder  Herman  Grimm  und  Richard  Meyer  mehr 
geistsprühendes  Raisonnement  als  wirkliche  Erzählung  gegeben  hatten.  Heine- 
manns tüchtiges  Buch  war  in  seiner  ersten  Gestalt  zu  weitschichtig  angelegt. 
Hier  war  offenbar  eine  fühlbare,  ja  schmerzlich  empfundene  Lücke  in  der 
reichen  Goetheliteratur,  und  B.  füllte  sie  aus.  Im  Herbst  1895  erschien  in  der 
Beckschen  Verlagshandlung  zu  München  ein  mäßig  starker  Band  in  gefälligem 
Format  mit  dem  Titel  »Goethe.  Sein  Leben  und  seine  Werke  von  Dr.  Albert 
Bielschowsky.  Erster  Band«;  »der  zweite  (Schluß-)  Band  soll  im  nächsten 
Herbst  folgen,«  verkündete  das  Vorwort.  Aber  obwohl  die  zweite  Hälfte 
volle  acht  Jahre  auf  sich  warten  ließ,  hatte  doch  schon  dieses  Bruchstück, 
das  die  Erzählung  nur  bis  zur  Rückkehr  des  Helden  aus  Italien  und  die 
Betrachtung  der  Werke  bis  zur  Analyse  der  Iphigenie  und  des  Tasso  förderte, 
einen  starken  und  ohne  Frage  wohlverdienten  Erfolg,  der  sich  langsam  und 
stetig  steigerte.  Hier  hörte  man  keinen  ungefügen  Gelehrten,  auch  keinen 
geistreichen  Anreger  sprechen;  hier  gab  ein  großes  schriftstellerisches  Talent 
und  zugleich  ein  von  seinem  Gegenstand  ganz  erfülltes  Herz  vpn  seltener 
Tiefe,  ohne  blendenden  Glanz,  aber  mit  vollendeter  Anmut  in  einer  Reihe 
belebter  Bilder  eine  das  Hauptsächliche  wirkungsvoll  heraushebende,  das 
Unwichtige  beherzt  beiseite  schiebende  Darstellung  der  Person,  der  Lebens- 
schicksale und  der  Werke  des  jungen  Goethe,  an  der  jeder  Unbefangene  seine 
helle  Freude  haben  mußte.  Nicht  als  ob  alles  gleich  gelungen  wäre,  als  ob 
dem  Tadel,  der  gegen  einzelne  Partien  (wie  z.  B.  die  Analyse  des  Tasso)  sich 
richtete,  alle  Berechtigung  gefehlt  hätte;  alles  in  allem  hatte  doch  Rudolf 
Haym  ohne  Zweifel  recht,  als  er  dem  Verfasser  am  7.  Dezember  1895  schrieb: 
»Das  ist  die  Goethebiographie,  die  jetzt  und  endlich  geschrieben  werden 
mußte,«  als  er  das  glücklich  gelungene  ^>  Wagnis  einer  freizusammenfassenden 
künstlerischen  Darstellung^' ,  die  sich  vüber  den  Staub  und  Schutt  des 
gelehrten  archivalischen  Sammeins  und  Klaubens<^  hinaushebe,  und  die  in  der 
Erzählung  sich  bewährende  verständnisvolle  Liebe,  ohne  die  eine  Goethe- 
biographie nicht  gedacht  werden  könne,  rühmte,  als  er  bemerkte,  daß  »aus 
Abkürzung  hier  und  Ausbreitung  dort  sich  ein  im  ganzen  höchst  wohltuendes 
Gleichgewicht«  herstelle  und  alles  »aus  einer  sicheren  Grundanschauung  der 


Bielschowsky.  2 1  •> 

menschlichen  und  dichterischen  Persönlichkeit  Goethes  fließe  und  in  einem 
Gusse    fließe«.     Auch    die   öffentliche   Kritik   ließ   sich   weit  überwiegend   in 
anerkennendem    Sinne    vernehmen.      Als    Kabinetstücke    erzählender    Kunst 
wurden  die  Darstellung  der  Sesenheimer  Idylle,  des  Lebens  in  Wetzlar,    der 
Brautschaft    mit  Lili,    des   Eintritts    in  Weimar,    der    zweiten   Schweizerreise 
mit   Fug    gepriesen.     Freilich    übersah    man,    indem    man   einen   dem   ersten 
ebenbürtigen  zweiten  Teil  mit  Sicherheit  erwartete,    daß  hier  zwar  ein  viel- 
versprechender und  vieles  leistender  Anfang,  aber  doch  eben  nur  ein  Anfang 
vorlag  und  daß  die  Aufgabe,  die  der  zweite  Band  zu  lösen  hatte,  unendlich 
viel  schwieriger  als  beim  ersten  war.     Hier  hatte  Goethe  selbst  der  richtigen 
Auffassung  seines  Wesens  und  seiner  Entwickelung,  ja  zum  großen  Teil  auch 
der  Darstellung  in  seiner  ewig  schönen  Erzählung  »Dichtung  und  Wahrheit« 
den  Weg  gezeigt,    nun  war  der  Biograph  auf  selbständige  Bearbeitung  eines 
riesenhaften   Materials  angewiesen.     Und   wieviel   schwerer  als  der  Jüngling 
war  der  Mann  und  Greis  in  seiner  proteischen  und  doch  einheitlichen  Wesen- 
heit zu  fassen  und  zu  schildern!    W^elthe  Fülle  von  Ereignissen  war  noch  zu 
berichten,    welch    eine  Menge  von   Werken  zu   besprechen!     Goethe   in  der 
Revolutionszeit,  sein  Verhältnis  zu  Schiller,  seine  Ehe,  sein  Verhalten  während 
der  Franzosenherrschaft,  Goethe  und  Napoleon,    Goethe  und    die  Romantik, 
Goethe    und    die    Naturwissenschaft,    Goethe    in    der    Restaurationszeit,    die 
Frauenbilder  der  Herzlieb,  Willemer,    Levetzow;    der   Wilhelm   Meister,    die 
Xenien,  Hermann  und   Dorothea,   die  Wahlverwandtschaften,  der  Divan,    der 
ganze  Faust,  die  Lyrik  —  alles  das  zu  behandeln  in  einer  Weise,  die  der  des 
ersten  Bandes  in  Gehalt  und  Form  die  Wage  hielt,  das  war  eine  Aufgabe,  deren 
ungeheure  Größe  sich  das  Publikum,    das    ungeduldig   nach  der  Vollendung 
des  »Torso«  rief,  nicht  klar  machen  konnte.     Aber  B.  selbst  war  sich  dieser 
Größe  voll  bewußt;  und  deshalb  zauderte  er  von  Jahr  zu  Jahr  mit  dem  Ab- 
schluß der  Arbeit.     Gerade  weil  er  ein  so  tief  innerlich  bescheidener  Mann, 
ein  so  gewissenhafter  Gelehrter  und  ein  so  echter  Künstler  war,  widerstrebte  es 
ihm,    bei  einer  so  wichtigen,    ihm  so   heiligen  Arbeit  irgend  etwas  zu  über- 
eilen.    Der  befreundete  Verleger  mochte  bitten  und   mahnen,    das  Publikum 
murren,  W^ohlmeinende  auf  den  klingenden  Lohn  des  schleunigst  abgeschlos- 
senen   W^erkes    hinweisen   —  nichts   konnte  diesen   selbstlosen   Diener  seiner 
Sache  von  der  Überzeugung  abbringen:  reif  sein  ist  alles.    Er  trug  zusammen, 
er  sichtete,  er  bildete  und  feilte,   sann  und  grübelte,   schrieb  und  strich  aus. 
Und  als  er  der  Vollendung  seines  Werkes,  wahrlich  eines  »Liebeswerkes«  im 
Goetheschen  Sinne,  ganz  nahe  stand,  da  entriß  ein  Schicksal,  das  man  wohl 
ein  tragisches  nennen  darf,  dem  glühend  Schaffenden  den  Griffel.     Er  selbst 
war  vollendet,  reif  zum  Sterben. 

Zwischen  dem  Erscheinen  des  ersten  Goethe-Bandes  und  B.s  Tode  sind 
nur  ein  paar  kleine  Aufsätze  von  seiner  Hand  in  Zeitschriften  hervorgetreten. 
Erwähnenswert  sind  darunter  die  inhaltreiche  und  scharfe  Besprechung  von 
t Goethes  lyrischen  Gedichten  der  ersten  weimarischen  Jahre,  herausgegeben 
von  R.  Koegel«  (Zeitschr.  f.  deut.  Altertum,  Band  42,  Anzeiger,  1898)  und 
die  kleine  Abhandlung  »Über  Goethes  Kunstanschauungen«  (Zentralblatt  der 
Bauverwaltung,  Berlin,  20.  Juni  1900),  die  das  abfällige  Urteil  Cornelius 
Gurlitts  über  Goethes  angebliches  Verneinen  der  charakteristischen  Kunst  und 
dessen    »einseitige  Bevorzugung  der  idealistisch   schönen  Linien«   mit  über- 


2i6  Bielschowsky. 

legener  Sachkenntnis  bestreitet.  Wertvolle  Kleinigkeiten,  aber  doch  nur 
gelegentliche  Abstecher  von  der  Straße,  die  zu  seinem  hohen  Lebensziele 
führte.  Dieseiir  widmete  er  unablässig  Zeit  und  Kraft,  ohne  sich  irgendwelche 
Erholung  oder  Zerstreuung  zu  gönnen.  Gewissenhaft  bis  zur  Selbstpeinigung, 
nie  sich  genugtuend,  mißtrauisch  gegen  sich  selbst  schuf  er  weiter.  Aber 
die  unausgesetzte  geistige  Spannung,  die  Herzenserregung  und  stille  Leiden- 
schaft, die  ihn  ganz  erfüllte,  zehrte  an  seinen  Nerven.  Seit  1898  begann  der 
kräftige  Mann  merklich  zu  altern  und  sah  sich  gezwungen,  bald  kürzere,  bald 
immer  längere  Pausen  eintreten  zu  lassen,  in  denen  er  Erfrischung  im  schönen 
Engadin,  besonders  in  «seinem  geliebten  Pontresina,  suchte.  Hier  und  in 
St.  Moritz  war  es,  wo  der  Großherzog  und  die  Großherzogin  von  Baden,  die 
seinen  ersten  Goetheband  gelesen  hatten  und  hochschätzten,  ihm  in  ihrer 
feinsinnigen  Weise  häufig  ihre  Gunst  bezeigten.  Ein  begeisterter  jüngerer 
Freund  und  Verehrer  B.s,  der  Leibarzt  des  Großherzogs,  Hofrat  Max  Dreßler, 
hatte  die  Bekanntschaft  vermittelt.  Der  Sommer  des  Jahres  1901,  den  der 
Leidende  wieder  zum  Teil  in  Pontresina  verlebte,  brachte  ihm  nicht  die 
gesuchte  Erholung.  Deshalb  beschloß  er  im  folgenden  Jahre  auf  Anraten  der 
Ärzte  das  am  Südrande  des  Thüringer  Waldes  reizend  gelegene  Bad  Lieben- 
stein aufzusuchen.  Am  30.  Juni,  kurz  vor  der  Abreise  von  Berlin,  hat  er 
seine  letzten  Worte  am  »Goethe«  geschrieben.  Mit  verklärtem  Ausdruck  und 
ahnungsvoller  Ergriffenheit  las  er  der  Gattin  die  schöne  Stelle,  mit  der  die 
wundersame  Entstehungsgeschichte  des  Faust  abschließt  (im  Druck  S.  590  f.), 
vor.  Ein  paar  Sätze,  die  deutlicher  als  viele  Worte  darüber  die  vollendete 
Meisterschaft  des  beseelten  und  durchgeistigten  Stiles,  zu  dem  sich  B.  empor- 
gerungen hatte,  beweisen,  mögen  hier  stehen:  »Und  wenn  er  nicht  gestorben 
wäre  ...  so  könnten  wir  mit  dem  Märchen  die  Geschichte  von  dem  märchen- 
haften Werke  schließen.  —  Mehr  als  sechs  Jahrzehnte  hatten  an  ihm  gear- 
beitet. Das  Straßburger  Münster  und  das  Sesenheimer  Pfarrhaus,  die  Frank- 
furter Mansardenstube  und  die  Wetzlarer  Wiesen,  die  Offenbacher  Gärten 
und  die  Schweizer  Alpen,  die  Villa  Borghese  und  die  Sixtinische  Kapelle, 
die  weimarisch-jenaischen  Täler  und  Berge,  der  Thüringer  Wald  und  tausend 
andere  Plätze  und  Winkel,  viele  der  geliebtesten  Freunde,  weltbewegende 
Ereignisse  hatten  seinem  Aufbau  bald  als  Beschauer,  bald  als  Gehülfen  zuge- 
sehen; es  war  aus  dem  alten  römischen  Reich,  das  es  noch  verspotten  konnte, 
in  den  neuen  deutschen  Bund  hineingewachsen,  es  war  bei  der  ersten  fran- 
zösischen Revolution  schon  alt  und  bei  der  zweiten  noch  nicht  vollendet.  — 
Und  so  glich  es  am  Ende  jenen  großen  mittelalterlichen  Domen,  an  denen 
ganze  Zeitalter  sich  abgemüht,  die,  romanisch  begonnen,  gotisch  weiter  gebaut, 
von  der  Renaissance  und  dem  Barock  ihre  letzten  Zieraten  und  Anbauten 
erhielten,  deren  edles  Innenwerk  bald  in  Halbdunkel  sich  hüllt,  bald  in 
magisch  buntem  Lichte  erglänzt,  und  die  auf  dunklen,  gewundenen  Treppen 
uns  zu  hohen  Türmen  führen,  von  denen  wir  das  heitere  Tageslicht  schauen 
und  sich  unser  Blick  in  unendliche  Fernen  verliert.«  Fast  klingt  es  aus  diesen 
weihevollen  Worten  wie  Ahnung  des  eigenen  Scheidens,  das  nun  nicht  mehr 
fern  war.  In  Liebenstein  erkrankte  B.  schon  nach  zweiwöchentlichem  Aufent- 
halt an  einer  schweren  Gelbsucht,  und  aus  dieser  bildete  sich  ein  Gallen- 
verschluß heraus,  der  unfehlbar  zum  Tode  führen  mußte.  Am  19.  Augu.st 
brachte  die  schwergeprüfte  Gattin  den  Kranken  nach  Berlin  zurück,  und  hier 


Bielschowsky.  217 

erlag  er  nach  13  Wochen  schmerzvollen  Leidens  am  21.  Oktober  dem  tücki- 
schen Übel,  im  56.  Jahre  seines  Lebens. 

Die  Nachricht  von  B.s  frühem  Abscheiden  erregte  neben  dem  mensch- 
lichen Mitgefühl  für  den  dem  Leben  und  Schaffen  Entrissenen  begreiflicher- 
weise auch  das  allgemeine  Bedauern  darüber,  daß  sein  Lebenswerk  nun  ein 
Torso  bleiben  werde.  Um  so  größer  war  die  P'reude,  als  bekannt  wurde, 
daß  der  zweite  Band  des  »Goethe«  im  ganzen  fertig  sei.  Nur  der  Schluß, 
der  das  schöne  Werk  würdig  gekrönt  haben  würde,  und  ein  paar  einzelne 
Abschnitte  im  Innern  des  Buches  fehlten,  und  wurden  nun  (unter  allen  Um- 
ständen dankenswert)  von  befreundeten  Händen  hinzugefügt.  In  der  Vorrede 
hat  der  Verleger  allen  denen  gedankt,  die  geholfen  haben,  das  Werk  zu  Ende  zu 
führen :  Theobald  Ziegler,  Imelmann,  Roethe,  Kalischer,  Friedländer,  Wershoven 
und  Leppmann.  Ungenannt  blieb  auf  ihren  eigenen  Wunsch  B.s  älteste  Tochter 
Lili,  die  sich  nach  des  Vaters  Tode  des  köstlichen  Vermächtnisses  annahm, 
indem  sie  die  Übertragung  aus  dem  Manuskript  für  den  Druck,  die  Lesung 
der  Korrekturen  und  die  Zusammenstellung  der  Anmerkungen  besorgte.  Kann 
der  zweite  Band  sich  mit  dem  ersten  erklärlicherweise  an  äußerer  Abrundung 
und  innerer  Einheitlichkeit  nicht  messen,  wird  auch  die  ausgleichende  letzte 
Hand  an  manchen  Stellen  vermißt,  möchte  man  hier  und  da  Erweiterungen 
oder  Kürzungen  wünschen,  so  steht  er  im  allgemeinen  doch  seinem  älteren 
Bruder  ebenbürtig  zur  Seite,  ja  übertrifft  ihn  in  mancher  Hinsicht  noch; 
nirgends  findet  sich  eine  Spur  von  nachlassender  Auffassungs-  oder  Darstel- 
lungskraft, ja  noch  inniger  und  tiefer  hat  sich  B.  in  seinen  Stoff  hineingelebt 
und  -gesonnen.  Die  Analyse  der  Werke  namentlich,  wie  der  Wahlverwandt- 
schaften und  der  Wanderjahre,  sind  von  einer  so  klaren  Tiefe  und  Schönheit, 
daß  sie  den  Glanzstellen  des  Werkes  zugerechnet  werden  müssen.  Auch  der 
Abschnitt  über  die  Lyrik  hat  viele  Bewunderer  gefunden.  Vortrefflich  ist 
der  alte  Goethe  geschildert.  Die  Entstehungsgeschichte  des  Faust  gehört  zu 
den  bcstgelungenen  Partien.  Dem  hohen  Werte  des  Buches  entsprach  der 
äußere  Erfolg:  von  jedem  der  beiden  Bände  liegt  gegenwärtig  (im  Sommer  1904) 
bereits  das  18.  Tausend  gedruckt  vor.. 

In  Wahrhaftigkeit  und  rührender  Bescheidenheit  war  B.s  ganzes  Wesen 
gegründet.  Es  war  nichts  unlauteres  oder  kleinliches  in  ihm.  Mit  vornehmer 
Denkungsart  verband  er  große  Herzensgüte  und  feine  Empfindung.  Der  Geist 
eines  Weisen  war  in  ihm  gepaart  mit  der  Seele  eines  Kindes,  die  sicherste 
Bestimmtheit  des  urteilenden  Verstands  mit  großer  Weichheit  und  Harmlosig- 
keit des  Gemütes.  Er  half  gern  allen,  die  bei  ihm  Hülfe  suchten,  mit  Rat 
und  Tat,  und  er  tat  es  auf  die  zartfühlendste  Weise.  Schon  das  Äußere  des 
mittelgroßen,  in  Haltung  und  Bewegungen  ruhigen,  einfachen  Mannes  mit 
den  freundlichen,  still  sinnenden  Zügen  und  dem  wohlgebildeten  etwas  großen 
Kopfe  flößte  Vertrauen  und  Liebe  ein;  wer  ihm  im  Gespräch  näher  trat, 
merkte  bald  in  ihm  einen  Menschen,  der  viel  mehr  innerlich  besaß  und  war, 
als  es  schien.  Seine  zahlreichen  Freunde  sind  dessen  Zeugen.  So  hat  er 
gelebt,  ein  Kind  der  besten  schlesischcn  Volksart,  eine  Zierde  des  deutschen 
Lehrerstandes,  ein  schlichter  Mann  von  stijlem  Fleiß  und  selbstloser  Hingabe, 
dessen  Andenken  gesegnet  bleiben  wird,  solange  die  Persönlichkeit  und  die 
Werke  des  großen  Dichters,  dem  er  sein  Leben  gewidmet  hatte,  der  Welt 
ihren  unerschöpflichen  Segen  spenden  werden. 


2 1 8  Bielschowsky.     Drach. 

Briefliche  Mitteilungen  von  B.s  Witwe  in  Berlin  und  Hofrat  Prof.  Dr.  Dreßler  in 
Karlsruhe.  Kurze  Nachrufe  in  zahlreichen  Tageszeitungen.  Der  eingehendste  Nekrolog  von 
G.  VVitkowski  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung,  lo.  Dez.  1902,  wiedergedruckt  im 
24.  Bande  des  Goethe-Jahrbuchs.  Von  den  an  das  Erscheinen  des  2.  Bandes  des  »Goethe« 
anknüpfenden  Gcdächtnisartikcln  sind  hervorzuheben  die  von  A.  Matthias  (Monatsschrift  für 
höhere  Schulen,  2.  Jahrg.),  Max  Dreßler  (Karlsruher  Zeitung  v.  6.  Dez.  1903),  Moritz  Necker 
(Neues  Wiener  Tagblatt  v.  14.  Dez.  1903)  und  J.  J.  David  (Die  Nation,  Berlin,  30.  Jan.  1904). 

Gotthold  Klee. 


Drach,  Emil,  Schauspieler  und  Regisseur,  *  8.  September  1855  in  Heidel- 
berg, t  6.  Februar  1902  in  der  Irrenanstalt  Illcnau  bei  Achern  in  Baden.  — 
I).  war  der  Sohn  eines  großherzogl.  badisch.  Staatsbeamten,  besuchte  das  Gym- 
nasium in  Karlsruhe  und  widmete  sich  zunächst  dem  Berufe  eines  Kaufmanns. 
Dann  faßte  er  den  Entschluß,  zur  Bühne  zu  gehen,  und  nachdem  er  seine 
Ausbildung  durch  den  Schauspieler  Karl  Weiser  erhalten,  debütierte  er  im 
September  1877  auf  der  Bühne  zu  Mainz  und  trat  sein  erstes  Engagement 
unter  Deutschinger  daselbst  an.  Hier  sah  ihn  Laube  als  Julius  Cäsar  und 
nahm  ihn  1878  mit  nach  Wien  an  das  Wiener  Stadttheater.  Die  nächsten 
zehn  Jahre  führten  den  Künstler  über  die  ersten  Bühnen  Deutschlands.  Wir 
finden  ihn  1880 — 81  am  königlichen  Schauspielhause  in  Berlin,  1882 — 83  auf 
Reisen  mit  den  Meiningern,  bei  deren  Aufführungen  er  mit  seinen  hervor- 
ragenden Leistungen  im  Mittelpunkt  stand,  1883 — 86  am  Münchener  Hof- 
theater, 1886 — 89  an  den  vereinigten  Theatern  in  Frankfurt  a.  M.,  1889 — 90 
am  Berliner  Theater  in  Berlin  unter  Barnays'  Leitung,  wo  er  sich  das  Verdienst 
erwarb,  den  »Gefesselten  Prometheus«  durch  seine  Bearbeitung  der  deutschen 
Bühne  zugänglich  zu  machen,  und  seit  dem  i.  Dezember  1890  als  Regisseur 
am  Hoftheater  in  Dresden.  Mehr  und  mehr  hatte  sich  in  diesen  Jahren  eine 
Vorliebe  und  Begabung  bei  ihm  für  die  Darstellung  derjenigen  Helden  aus- 
gebildet, bei  denen  das  Reflektierende  in  den  Vordergrund  tritt,  und  sein 
Hamlet  steht  gewiß  unter  den  bedeutenden  Verkörperungen  dieser  dichterischen 
Schöpfung  auf  der  deutschen  Bühne.  Im  Jahre  1893  kehrte  D.  an  das  Hot- 
theater in  München  zurück,  ging  am  i.  Oktober  1896  als  Schauspieler  und 
Regisseur  an  das  ^> Theater  des  Westens«  in  Berlin  und  übernahm  im  April 
1897  die  Pachtung  und  Direktion  des  >^ Deutschen  Theaters«  in  München,  das 
er  aber  durch  Sturm  und  Drang  nur  bis  zum  August  1898  halten  konnte. 
Gebrochen  war  seine  Existenz,  und  leider  auch  seine  Gesundheit.  Den  Winter 
über  suchte  er  sich  in  Graz,  wo  er  als  Leiter  des  neuen  »Deutschen  Theaters 
in  Vorschlag  gekommen  war,  zu  erholen:  vergebens!  Während  eines  Auf- 
enthalts in  Wien  im  Juni  1899  kam  ein  unheilbares  Nervenleiden  zum  Aus- 
bruch, und  er  mußte  der  heimatlichen  Heil-  und  Pflegeanstalt  Illenau  über- 
wiesen werden,  wo  ihn  nach  drei  Jahren  endlich  der  Tod  erlöste.  D.  ist 
auch  als  dramatischer  Schriftsteller  hervorgetreten.  Wir  besitzen  von  ihm  das 
fünfaktige  Trauerspiel  »Herzog  Ulrich«  (1886)  und  drei  dramatische  Dichtungen 
unter  dem  gemeinsamen  Titel  »Moira«  (1889). 

O.  G.  Flügg-cn:  Biographisches  Bühnen-Lexikon,  1892,  S.  65.    Karl  Bicscndahl:  Deutsches 
Theaterjahrbuch,   1892,  S.   308.     Berliner  Tageblatt  \oni  6.  Februar  1902. 

Franz  Brummer. 


von  Beaulieu.     FUllborn. 


2J9 


Beaulieu,  G.  von,  Schriftstellerin,  ♦  17.  März  1846  in  Frankfurt  a.  O., 
t  22.  Dezember  1902  in  Spandau.  —  B.s  vollständiger  Name  ist  Gertraut 
Chales  de  Beaulieu;  sie  war  die  Tochter  eines  Geheimen  Oberjustizrats, 
der  einer  aus  der  Touraine  eingewanderten  französischen  Familie  entstammte. 
Als  ihr  Vater  1867  nach  Berlin  versetzt  wurde,  begann  sie  auf  seinen  beson- 
deren Wunsch  ihre  Ausbildung  in  der  Musik  bei  Tausig  (Klavier)  und  Weitz- 
mann  (Komposition);  doch  gab  sie  dieselbe  bald  auf  und  wandte  sich  lite- 
rarischer Tätigkeit  zu,  nachdem  die  Bekanntschaft  eines  Amerikaners  ihre 
Beteiligung  am  Melbourner  »Argus«  und  am  Londoner  »/^r«  vermittelt 
hatte,  für  welche  Blätter  sie  politische  Korrespondenzen  ins  Englische  tiber- 
setzte. Später  bearbeitete  sie  eine  Reihe  englischer  Romane  für  die  »Post«, 
die  *> Tribüne«,  das  »Berliner  Tageblatt«  u.  a.  und  korrespondierte  auch  in 
die  römische  Zeitung  »Capitano  Fracassa«.  In  den  Jahren  1874 — 78  weilte 
sie  dreimal  in  Italien  und  schrieb  für  deutsche  Blätter  mehrere  Serien  italieni- 
scher Reisebriefe.  In  Rom  verlobte  sie  sich  mit  einem  Norditaliener,  doch 
starb  derselbe  kurz  vor  der  schon  festgesetzten  Hochzeit  an  einem  Herzschlage. 
Im  Jahre  1880  unternahm  sie  eine  größere  Reise  nach  Südfrankreich,  Sizilien, 
Griechenland,  Italien  und  der  Schweiz,  und  1883  besuchte  sie  Spanien.  Die 
Eindrücke,  welche  sie  bei  dem  Besuche  der  iberischen  Halbinsel  gewann, 
fixierte  sie  dann  in  ihrem  ersten  Buche  >> Spanische  Frühlingstage«  (1885,  3.  Aufl. 
1890).  Diesem  folgten  bald  zwei  Novellenbücher  »Langes  Haar,  krauser  Sinn« 
(1887)  und  »Leibeigen«  (1889).  Von  1889  bis  1893  führte  B.  die  Redaktion 
der  illustrierten  Zeitschrift  »Das  humoristische  Deutschland«;  sie  war  wohl 
die  erste  Frau,  die  in  dieser  Weise  auf  humoristischem  Gebiete  tätig  war. 
Vom  Jahre  1892  ab  war  sie  auch  an  der  Redaktion  der  gleichartigen  Zeit- 
schrift »Die  Fisimatenten«  beteiligt;  auch  eine  Reihe  selbständiger  Schriften 
bewegt  sich  nach  dieser  Richtung  hin,  wie  ihre  humoristische  Großstadt- 
wanderung »Neu-Berlin.  W^as  Frau  Guticke  in  der  Reichshauptstadt  erlebt« 
(1890),  femer  die  humoristischen,  sozialen  Bilder  >^Das  weibliche  Berlin«  (1892) 
und  die  humoristisch-satirischen  Skizzen  »Großstadt-Originale«  (1903).  Einen 
etwas  ernsten  Ton  schlägt  sie  in  ihrer  Novelle  »Sein  Bruder«  (1898)  und  in 
ihrem  Roman  »Alte  und  neue  Menschen«  an  (1901).  Gegen  Ende  des  Jahres 
1902  war  sie  von  Berlin,  wo  sie  ihren  ständigen  Wohnsitz  gehabt  hatte,  nach 
Spandau  übergesiedelt,  wo  sie  schon  nach  wenigen  Wochen  starb. 

R.  Wrede  und  H.  v.  Reinfels:  Das  geistige  Berlin,  i.  Bd.  1897  S.  12.  —  Adolf  liin- 
richsen:  Das  literarische  Deutschland,  1891  S.  79.  Franz  Brummer. 

Füllborn,  George,  Schriftsteller,  *  5.  September  1837  in  Elbing,  f  11.  März 
1902  in  Dresden-Pieschen.  —  F.  erhielt  seine  Schulbildung  auf  dem  Gym- 
nasium seiner  Vaterstadt  und  wollte  sich  dem  Studium  widmen;  da  indessen 
durch  unvorhergesehene  Unglücksfälle  sich  die  Verhältnisse  in  seinem  Vater- 
hause ungünstig  gestalteten,  so  verließ  er  als  Primaner  die  Schule  und 
widmete  sich  dem  Kaufmannsstande.  In  Stettin,  wohin  er  sich  1854  begab, 
lebte  er  in  engem  Verkehr  mit  Ernst  Scherenberg,  mit  welchem  gemeinsam 
er  literarische  Studien  betrieb.  Auch  in  Berlin,  wohin  beide  übersiedelten, 
wurde  die  geschlossene  Freundschaft  gehalten  und  das  gemeinsame  Streben 
fortgesetzt.  Seit  dem  Jahre  1868  widmete  sich  F.  ausschließlich  der  Schrift- 
stellerei   und  besonders  dem  Volks-,  Räuber-,   Ritter-  und  Schauerroman   für 


220  -  Füllborn.     Jost. 

die  Kolportage,  wobei  er  sich  des  Pseudonyms  G.  F.  Born  bediente,  die 
Honorare  dafür  ermöglichten  es  ihm,  sich  im  Herbst  1874  in  Dresden  nieder- 
zulassen und  sich  in  dem  benachbarten  Trachenberge  ein  reizvolles  Landheim 
zu  schaffen.  Im  Jahre  1894  siedelte  er  nach  Pieschen  bei  Dresden  über,  wo 
er  eine  Buchdruckerei  erwarb  und  die  »Elbtal-Morgenzeitung«  übernahm,  die 
er  bis  zu  seinem  Tode  redigierte.  Seit  1898  gehörte  er  auch  dem  Stadtver- 
ordnetenkollegium in  Dresden  an,  ferner  war  er  Vorstandsmitglied  des  Vereins 
»Dresdener  Presse«  und  ein  eifriges  Mitglied  des  Ortsverbandes  der  Pensions- 
anstalt deutscher  Schriftsteller  und  Journalisten.  Die  Aufzählung  seiner 
28  Romane  kann  uns  erspart  bleiben;  außerdem  schrieb  er  das  Trauerspiel 
»Armida«  (1897)  und  das  epische  Gedicht  »Königin  Sdiönhild«  (1885),  dessen 
Widmung  die  Königin  Karola  von  Sachsen  annahm. 

Persönliche  Mitteilungen.  —  August  Boldt:  Elbinger  Geistesleben  im   19.  Jahrhundert, 
1894  S.  68.  —  Dresdener  Nachrichten  vom   12.  März  1902."  Franz  Brummer. 

Jost,  Eduard,  Schriftsteller,  *  (nach  seiner  eigenen  Angabe)  21.  Juli  1837 
in  Trier,  f  15.  März  1902  in  Neustadt  a.  d.  Haardt.  —  J.  war  der  Sohn  eines 
unbemittelten  Militärbeamten  und  erhielt  seine  Schulbildung  teils  in  einigen 
Klosterschulen,  teils  auf  dem  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  (1850 — 54).  Der 
im  Jahre  1851  erfolgte  Tod  seines  Vaters  und  verschiedene  andere  Schicksals- 
schläge zwangen  den  Jüngling,  seine  Studien  aufzugeben  und  einen  Broterwerb 
zu  suchen.  Er  nahm  eine  Stelle  als  Expedient  im  Sekretariate  des  königl. 
Handelsgerichts  in  Trier  an,  die  er  von  1857 — 60  bekleidete.  Dann  w-andte 
er  sich  der  Bühne  zu,  um  sich,  da  er  über  einen  hübschen  Bariton  verfügte, 
zum  Opernsänger  auszubilden,  und  wirkte  als  solcher  in  Kleve,  Duisburg  und 
P^rfurt.  1864  verließ  er  die  Bühne,  um  hinfort  als  Schriftsteller  tätig  zu  sein, 
hatte  er  ja  doch  schon  in  den  Jahren  1858  und  1863  zwei  Bändchen  »Ge- 
dichte« herausgegeben.  Zunächst  wurde  er  in  seiner  Vaterstadt  Redakteur 
des  Feuilletons  der  »Trierschen  Volkszeitung«,  in  deren  Spalten  er  im  Laufe 
von  drei  Jahren  eine  Reihe  von  Novellen  veröffentlichte,  die  meist  Episoden 
aus  der  Geschichte  des  Kurstaates  Trier  zum  Hintergrunde  hatten.  Im  Jahre 
1867  siedelte  J.  nach  Dürkheim  in  der  Rheinpfalz  über,  um  die  Redaktion 
des  dortigen  »Anzeigers«  zu  übernehmen,  ging  im  April  1870  als  Redakteur 
des  >p]iIboten«  nach  Landau  und  gründete  hier  nach  seiner  Verheiratung  im 
August  187 1  eine  Buch-  und  Kunsthandlung,  die  er  1880  verkaufte.  Nach 
dem  Tode  seiner  Gattin  verließ  er  1882  Landau,  redigierte  zuerst  in  Merzig 
a.  (1.  Saar  das  dortige  ^  Kreisblatt«,  seit  1885  in  Kaiserslautern  »Die  Heimat. 
Pfälzisches  Sonntagsblatt«  und  zog  im  Juni  1886  nach  Leipzig,  wo  er  erst 
die  von  ihm  gegründete  illustrierte  Wochenschrift  »Humoristische  Blätter  für 
Witz  und  Satire«  herausgab  und  später  als  Bibliothekar  einer  Antiquariats- 
buchhandlung und  Redakteur  des  »Zuschauer«  tätig  war.  Seit  1891  Schrift- 
leiter eines  Lokalblattes  in  Olsnitz  im  Vogtlande,  siedelte  er  am  i.  Oktober 
1892  nach  Naumburg  a.  d.  Saale  über,  wo  er  bis  1900  als  freier  Schriftsteller 
lebte.  Die  letzten  Jahre  seines  Lebens  brachte  er  wieder  in  der  Pfalz  zu  als 
Redakteur  der  »Neustadter  Zeitung«.  —  J.  ist  besonders  in  seiner  Heimat  als 
Erzähler  bekannt  geworden,  und  es  ist  in  erster  Linie  die  historische  Erzäh- 
lung, wodurch  er  in  seinem  Leserkreise  an  Interesse  gewann.  Dahin  gehören: 
>^ Kloster  und   Grafenburg  ^  (1868)  —  »Die    Tage    der  Vergeltung«  (187 1)  — 


Jost.     Florschütz.     Geertz.     Hinrichscn.  221 

>^ Unterm  Krummstab«  (1872)  —  »Stadtschreibers  Töchterlein«  (1873)  —  »Christ- 
lich oder  päpstlich«  (1876)  —  Studios  Rheinfahrt«  (1877)  —  »Der  gute  Kaiser 
Max«  (1879)  —  »Unter  der  Trikolore«  (i88o)  —  »Deutsche  Treue v<  (II,  1881) 

—  »Die  Patriotin  von  Lautern«  (1884)  —  »Landstuhl  und  Ebernburg«  (1885) 

—  »Das  Wort  des  Kaisers«  (1890)  und  »Die  Tochter  des  Stockmeisters«  (IT, 
1890).  Erwähnt  mag  noch  werden,  daß  J.  auch  der  Dichter  ist  des  zum 
Pfälzer  Volksliede  gewordenen  Liedes   »O  Pfälzerland,   wie  schön  bist  Du!« 

Persönliche  Mitteilungen.  —  Neustadter  Zeitung  vom  18.  März  1902. 

Franz  Brummer. 

Florschütz,  Paul,  Oberlandesgerichtspräsident  a.  D.,  Wirklicher  Geheimer 
Oberjustizrat,  *  9.  Januar  1826  zu  Iserlohn,  f  ^1.  Oktober  1902  in  Kiel.  —  Nach 
beendigter  Studienzeit  wurde  F.  1848  als  Auskultator  vereidigt.  Nachdem  er 
1855  Gerichtsassessor  und  1857  Kreisrichter  in  Hagen  geworden  war,  erfolgte 
1867  seine  Ernennung  zum  Deputationsdirigenten  in  Schwelm.  1868  zum  Kreis- 
gerichtsrat  befördert,  wurde  er  1872  als  Appellationsgerichtsrat  nach  Breslau 
versetzt  und  1875  als  Geheimer  Justizrat  und  vortragender  Rat  in  das  Justiz- 
ministerium berufen.  Im  Jahre  1887  ging  er  als  Oberlandesgerichtspräsident 
nach  Kiel,  wo  er  am  i.  Oktober  1897  nach  einer  fast  fünfzigjährigen  Dienst- 
zeit in  den  Ruhestand  trat.  F.  genoß  als  Mensch  und  Jurist  in  weiten  Kreisen 
größte  Hochachtung,  und  seine  Verdienste  um  das  Rechtsleben  haben  an 
maßgebender  Stelle  stets  höchste  Anerkennung  gefunden. 

Vgl.  Kieler  Zeitung,  Morg.-Ausg.  vom  2.  Nov.  1902.  Joh.   Sass. 

Geertz,  Julius,  Genremaler,  *  21.  April  1837  in  Hamburg,  f  21.  Oktober 
1902  in  Braunschweig.  —  G.  erhielt  seine  erste  Ausbildung  bei  den  Brüdern 
Martin  und  Günter  Gensler  in  Hamburg,  wurde  dann  Schüler  von  Dcscoudres 
in  Karlsruhe  und  ging  1860  nach  Düsseldorf,  wo  er  sich  an  R.  Jordan  an- 
schloß. Nach  größeren  Studienreisen  in  Frankreich  und  Holland  ließ  er  sich 
in  Düsseldorf  nieder,  von  wo  er  1897  seinen  Wohnsitz  nach  Braunschweig 
verlegte.  G.  entnahm  seine  Stoffe  mit  Vorliebe  dem  Treiben  der  Jugend  und 
dem  Volksleben  der  niederen  Stände.  Seine  teils  heiteren,  teils  ernsten  Bilder, 
die  stets  ein  Stück  echten  Lebens  in  höchst  charakteristischer  Weise  wider- 
spiegelten, erfreuten  sich  allgemeiner  W^ertschätzung.  Besonderes  Aufsehen 
machte  »Der  Verbrecher  nach  der  Verurteilung«,  ein  packendes  Bild,  das  den 
Ruf  seines  Schöpfers  dauernd  begründete.     Neuerdings  pflegte  G.   auch  die 

Bildnismalerei. 

V^gl.  Meyers  Konversations-Lexikon,  6.  Aufl.  Bd.  7,  1904,  S.  429/430.  —  Müller-Singer, 
Allgem.  Künstler-Lexikon,  3.  Aufl.  Bd.  2,  1896,  S.  23.  —  F.  v.  Boetticher,  Malcrwerke  des 
19.  Jahrh.  Bd.  1,1.  Hälfte,  1891,  S.  362/363.  —  Die  Kunst  für  Alle,  Jahrg.  18,  1902/ 1903, 
S.  119,  —  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst,  hrsg.  v.  M.  Martersteig,  1903,  Jg.  2,  S.  105.  — 
Das  geistige  Deutschland  am  Ende  d.  19.  Jahrh.  Bd.  i.    Künstler-Lexikon,   1898,  S.  214/215. 

Joh.  Sass. 

Hinrichscn,  Siegmund,  Präsident  der  Hamburger  Bürgerschaft,  *  17.  Januar 
1841  in  Hamburg  als  Sohn  eines  Lehrers,  f  22.  Oktober  1902  daselbst.  - —  Engen 
Lebensverhältnissen  entstammend  verdankt  H.,  der  sich  dem  Bankfach  widmete 
und  seit  1879  Mitinhaber  einer  hochgeachteten  Bankfirma  war,  alles,  was  er 
erreicht,  hat,  eigenem  Können  und  eigener  Kraft.    Im  Mittelpunkt  seines  Lebens 


222  Hinrichsen.     Schuback. 

und  Wirkens  stand  seine  politische  Tätigkeit  in  der  Hamburger  Bürgerschaft, 
der  er  seit  1871  angehörte,  und  die  ihm,  seine  hervorragenden  Fähigkeiten 
erkennend,  bald  die  wichtigsten  Ämter  anvertraute.  Von  i88o  bis  1892  wurde 
er  zum  ersten  Vizepräsidenten  und  seit  dem  Jahre  1892  in  ununterbrochener 
Folge  zum  Präsidenten  erwählt.  Schon  diese  Tatsache  redet  laut  von  den 
großen  Verdiensten,  die  H.  sich  um  das  hamburgische  Gemeinwesen  und  Ver- 
fassungsleben erworben  hat.  Sie  werden  aber  in  ein  noch  helleres  Licht 
gerückt,  wenn  man  erwägt,  daß  es  ein  Ljiie  war,  der  lange  Jahre  hindurch  unter 
freudiger  Zustimmung  aller  Parteien  die  führende  Stellung  in  einer  großen 
gesetzgebenden  Körperschaft  einnahm,  deren  Leitung  bis  dahin  nur  Juristen 
übertragen  zu  werden  pflegte.  »Das  zeugt  nicht  nur  von  seltenen  angeborenen 
Gaben,  sondern  auch  von  soviel  Selbsterziehung  und  Selbstbeherrschung,  wie  sie 
nur  wenige  an  sich  durchsetzen.«  Von  allen  Seiten  ist  H.s  Amtsführung  stets 
höchste  Anerkennung  zuteil  geworden,  ganz  besonders  bewunderte  man  »seine 
technische  Meisterschaft  in  der  Leitung  der  Verhandlungen«.  Und  dies  tech- 
nische Wissen  und  Vermögen  gestaltete  sich  umso  fruchtbarer,  als  es  »bei 
ihm  im  Dienst  sehr  eingehender,  durch  energische  Studien  erworbener  Sach- 
kenntnis und  Erfahrung  und  seiner  persönlichen  Gaben  stand,  die  jede  zu 
ihrer  Zeit  ins  Spiel  traten,  seiner  Umsicht,  Kaltblütigkeit  und  Geistesgegenwart, 
seiner  Kraft  des  Worts,  seines  gerechten  und  wohlwollenden  Wxsens  und 
schließlich  seines  Hujnors,  der  stärksten  und  zugleich  mildesten  Waffe«.  So 
hat  H.  über  30  Jahre  seiner  Vaterstadt  gedient,  bis  ihn  der  Tod  mitten  aus 
dem  vollen  Leben  hinwegnahm:  am  Abend  des  22.  Oktober  wurde  er  während 
einer  Bürgerschaftssitzung  von  einem  Herzschlage  betroffen,  der  seinem  Dasein 
innerhalb  weniger  Minuten  ein  Ziel  setzte.  »Sein  Leben  war  wie  ein  Märchen 
aufgebaut,  sein  Tod  erschütterte  und  tröstete  wie  der  Schluß  einer  Tragödie.« 
Vg\.  Hamb.  Coirespondent,  1902,  Morg.-Ausg.  v.  23.  Okt.,  Ab.-Ausg.  v.  27.  Okt., 
Morg.-Ausg.  V.  30.  Okt.  (Bericht  über  d.  Trauerfeier  in  der  Bürgerschaft,  Rede  des  i .  Vize- 
präsidenten Engel).  —  Hamb.  Nachrichten,  Morg.-Ausg.  v.  23.  Okt.  1902.  —  Kieler  Zeitting, 
Ab.-Ausg.  V.  23.  Oktober  1902.  —  Jahrbuch  der  Gesellschaft  Hamburgischer  Kunstfreunde, 
Bd.  8,  1902,  S.  83 — 90  (Nekrolog  v.  A.  Lichtwark).  Joh.   Sass. 

Schubacky  Gottlieb  Emil,  Genre-  und  Historienmaler,  *  28.  Juni  1820  in 
Hamburg,  f  14.  März  1902  in  Düsseldorf.  —  S.  begann  seine  Studien  bei  Gerdt 
Hardorff  dem  Älteren  in  Hamburg,  setzte  sie  dann  bei  Hess  und  Cornelius 
in  München  fort  und  trat  später  in  das  Atelier  von  Jordan  in  Düsseldorf  ein. 
Von  1843 — ^848  hielt  er  sich  in  Rom  auf,  seit  1856  lebte  er  in  Düsseldorf. 
In  der  Kirche  zu  Nortorf  befindet  sich  ein  Altargemälde  von  seiner  Hand: 
»Christus  am  ölberg«,  die  Hamburger  Kunsthalle  besitzt  von  ihm  ein  Bild 
des  Hamburger  Malers  Gensler.  Größtenteils  entlehnte  er  die  Motive  für  seine 
Bilder  dem  bäuerlichen  Volksleben.  Unvergessen  bleiben  werden  die  Ver- 
dienste, die  S.  sich  durch  seine  25  jährige  Tätigkeit  als  Vorstandsmitglied  des 
Vereins    Düsseldorfer  Künstler    zur    gegenseitigen    Unterstützung    und   Hülfe 

erworben  hat. 

Vgl.  H.  VV.  Singer,  Allgemeines  KUnstler-Lexikon,  3.  Aufl.  Bd.  4,  1901,  S.  229.  — 
F.  V.  Boetticher,  Malersverke  des  19.  Jahrh.  Bd.  2,  2.  Hälfte,  1901,  S.  665.  —  Die  Kunst 
für  Alle,  Jg.  17,  1901/1902,  S.  334.  —  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst,  hrsg.  v.  M.  Marter- 
steig, 1903,  Jg.  2,  S.  109.  —  Das  geistige  Deutschland  am  Ende  d.  19.  Jahrh.  Bd.  i. 
Künstler-Lexikon,   1898,  S.  630.  Joh.   Sa  SS 


Büdingcr.  223 

Büdinger,  Max,  k.  k.  Hofrat,  o.  ö.  Professor  der  allgemeinen  Geschichte 
an  der  Universität  Wien,  wirkliches  Mitglied  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften,  *  i.  April  1828  zu  Kassel,  f  22.  Februar  1902  in  Wien.  — 
Nach  dem  frühen  Tode  seines  Vaters,  der  in  Hessen  als  Pädagoge  sich  eines 
guten  Namens  erfreute,  gründete  B.s  Mutter  ein  Mädcheninstitut,  um  für  die 
Familie  und  vor  allem  für  die  Studien  ihres  Sohnes  Max  die  nötigen  Mittel 
aufzubringen.  Am  Gymnasium  in  Kassel  studierte  damals  auch  der  ver- 
storbene Berliner  Kunsthistoriker  Hermann  Grimm  und  aus  dieser  Mitschüler- 
schaft entwickelten  sich  B.s  Beziehungen  zu  den  Gebrüdern  Grimm,  besonders 
zu  Wilhelm,  während  dessen  Aufenthaltes  in  Kassel.  Trotz  beschränkter 
Mittel  wurde  nach  deutscher  Gepflogenheit  für  die  Hochschulstudien  B.s  der 
Besuch  mehrerer  Universitäten  in  Aussicht  genommen,  zuerst  aber  die  Landes- 
universität Marburg  wohl  hauptsächlich  deshalb  bezogen,  weil  J.  Rubino,  ein 
Oheim  des  künftigen  Studenten  der  Philosophie,  als  Lehrer  des  römischen 
Rechtes  daselbst  wirkte.  In  Marburg  hörte  B.  vornehmlich  historische  Kollegien 
bei  H.  v.  Sybel,  den  er  sich  zum  Freunde  und  späterhin  zum  Förderer  seiner 
Laufbahn  gewann.  Nach  kurzem  Aufenthalt  in  Bonn  übersiedelte  der  junge 
Forscher  nach  Berlin,  wo  neben  August  Boeckh  insbesondere  Leopold  von 
Ranke  den  entscheidenden  Einfluß  auf  ihn  gewann.  Dem  Verfasser  der  Staats- 
haushaltung der  Athener  dankte  B.  die  Vorliebe  für  die  Geschichte  des  Alter- 
tums, Ranke  wies  ihn  auf  das  Gebiet  der  Universalhistorie. 

Auf  Grund  seiner  Dissertation:  Ȇber  Gerberts  (Pabst  Sylvester)  wissen- 
schaftliche und  politische  Stellung«  erwarb  B.  185 1  das  philosophische  Doktorat; 
v.  Sybel  beantragte  bei  der  Fakultät  diese  Arbeit  gleichzeitig  als  Habilitations- 
schrift anzunehmen  und  es  hätte  daher  dem  Ende  der  Studienzeit  der  Beginn 
der  akademischen  Lehrtätigkeit  in  Marburg  unmittelbar  folgen  können,  wenn 
B.  nicht,  verwandtschaftlichen  Beziehungen  folgend,  vorgezogen  hätte,  nach 
Österreich  zu  übersiedeln. 

In  WMen  war  damals  ein  Bruder  seiner  Mutter,  Hofrat  v.  Weil,  im  Preß- 
bureau im  Ministerium  des  Innern  angestellt,  zudem  waren  unter  dem  Grafen 
Leo  Thun,  dem  Minister  für  Kultus  und  Unterricht,  zahlreiche  Berufungen 
reichsdeutscher  Gelehrter  und  Professoren  an  die  österreichischen  Universitäten 
erfolgt;  es  eröffnete  sich  also  für  den  jungen  Marburger  Doktor  anscheinend 
die  Aussicht,  daß  er  es  in  Österreich  früher  als  in  der  Heimat  zu  einer  An- 
stellung bringen  werde. 

Seit  seiner  Übersiedlung  nach  Wien  wendete  sich  B.,  um  sich  den  Weg 
zu  einer  Lehrkanzel  an  einer  österreichischen  Universität  zu  bahnen,  mit 
Feuereifer  den  zahlreichen  neuen,  zum  Teil  noch  gar  nicht  angeschnittenen 
wissenschaftlichen  Problemen  zu,  die  die  österreichische  Geschichte  bot.  So 
erschien  eine  Abhandlung  über  die  Reste  österreichischer  Vagantenlieder,  eine 
Untersuchung  über  altbayerische  Geschichte,  eine  Reihe  von  Abhandlungen, 
mit  denen  er  in  die  Kontroverse  über  die  Königinhofer  Handschrift  eingriff 
und  endlich  1858  der  erste  bis  in  die  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  reichende 
Band  seiner  epochemachenden  »österreichischen  Geschichte  bis  zum  Ausgang 
des  13.  Jahrhunderts«. 

Über  die  Königinhofer  Handschrift,  eine  Fälschung  Hankas,  war  in 
Österreich  schon  manches  für  und  wider  geschrieben  worden,  im  ganzen  aber 
stand  der  Glaube  an  die  Echtheit  des  Machwerkes  noch  fest,  zumal  Palazky 


224  Büdingen 

und  Schafarschik  ihre  Autorität  zu  dessen  Gunsten  einsetzten.  H.  v.  Sybel 
der  1859  den  ersten  Band  seiner  »Historischen  Zeitschrift«  herauszugeben  im 
Begriffe  stand,  wandte  sich  an  den  befreundeten  Schüler,  der  eben  durch  sein 
großes  Geschichtswerk  seine  Vertrautheit  mit  der  altböhmischen  Geschichte 
gezeigt  hatte,  mit  dem  Ersuchen,  sich  in  einem  Aufsatz  zur  Sache  zu  äußern. 
So  entstand  der  berühmt  gewordene  Beitrag:  »Die  Königinhofer  Handschrift 
und  ihre  Schwestern«,  in  der  sowohl  durch  eine  inhaltliche  als  durch  eine 
formelle  Analyse  für  jeden  Urteilsfähigen  die  Fälschung  Hankas  erwiesen 
wurde.  Eine  entrüstete  Entgegnung  Palazkys  konnte  B.  in  einem  Schlußwort 
vornehm  und  sachlich  damit  beantworten,  daß  keines  der  Argumente  ent- 
kräftet sei,  das  von  ihm  für  die  Unzuverlässigkeit  des  Fälschers  und  die 
künstliche  Mache  der  angeblich  alten  Dichtungen  vorgebracht  worden  war. 
Die  tschechische,  den  Deutschenhaß  kultivierende  Romantik,  der  dieses  und 
andere  Falsifikate  ihre  Entstehung  verdankten,  fand  damals  aber  auch  einen 
Bundesgenossen  unter  den  deutschen  Gelehrten  Österreichs:  Helfert  nahm  sich 
Palazkys  und  Hankas  an  und  trat  mit  einer  anonymen  Broschüre:  »Max 
Büdinger  und  die  Königinhofer  Handschrift«  in  die  Schranken,  die  diesem 
nochmals  zu  einer  Gegenschrift  die  Feder  in  die  Hand  drückte.  Die  jüngere 
Generation  unter  den  tschechischen  Forschern  hat  heute  längst  nicht  nur 
preisgegeben,  was  als  unhaltbar  erkannt  war,  sondern  B.s  Argumente  ver- 
mehrend und  verstärkend  die  Kontroverse  zum  Abschluß  gebracht;  für  die 
deutsche  Gelehrtenwelt  war  durch  B.s  Aufsatz  die  Sache  schon  endgültig 
abgetan. 

Allein  weit  bedeutsamer  als  dieses  erfolgreiche  Eingreifen  in  eine  wissen- 
schaftliche Spezialfrage  war  die  Leistung,  die  B.  mit  dem  ersten  Band  seiner 
österreichischen  Geschichte  vollbracht  hatte.  Darin  war  auf  diesen  Gegen- 
stand zum  erstenmal  jene  historische  Betrachtungsweise  angewendet,  durch 
welche  die  deutsche  Geschichtsforschung  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahr- 
hunderts im  Anschluß  an  die  Herausgabe  und  Verwertung  neuer  Quellen  so 
große  Erfolge  erzielt  hatte.  Diese  Methode  bewährte  sich,  von  B.  kundig  ge- 
handhabt, auch  auf  dem  noch  so  gut  als  ganz  vernachlässigten  Gebiet  der 
älteren  Geschichte  Österreichs,  für  das  er  z.  B.  zum  erstenmal  die  bis  dahin 
ganz  vernachlässigten  byzantinischen  Quellenberichte  nutzbar  machte.  In  vier 
Abschnitte  zerlegte  er  den  Stoff  des  ersten  Bandes  dieses  leider  Torso  ge- 
bliebenen Werkes  und  behandelte  demnach  zuerst  die  Zeit  der  römischen 
Herrschaft  auf  dem  Boden  der  heutigen  Monarchie,  dann  die  bayerische  Ein- 
wanderung, die  Zeit  der  Übermacht  des  fränkischen  Reiches  und  schließlich 
die  Entstehung  des  ungarischen  Königreiches,  obwohl  erst  dreißigjährig,  mit 
meisterlicher  Sicherheit,  Zug  um  Zug  die  zerstreuten  Quellenberichte  zu  einem 
anschaulichen  Gesamtbild  vereinend. 

In  den  wissenschaftlich  ergiebigen  Jahren  seines  ersten  Wiener  Aufent- 
haltes lebte  B.  ohne  Anstellung  bloß  seinen  Studien,  er  war  daher  genötigt, 
durch  Privatunterricht  sich  die  nötigen  Mittel  zu  schaffen.  Die  Geschichts- 
vorträge, die  er  den  Söhnen  eines  reichen  Wiener  Bankiers  hielt,  gaben  den 
Anlaß,  daß  er  in  dessen  P^amilie  Eingang  und  freundschaftliche  Aufnahme 
fand;  die  Begleitung  seiner  Schüler  auf  einer  größeren  Reise  bot  ihm  die 
günstige  Gelegenheit  Paris,  Eondon  und  Italien  bis  Florenz  kennen  zu  lernen. 
In  dem  Wien  der  fünfziger  Jahre  kamen  allwöchentlich  einmal  gleichstrebende 


Büdinger.  225 

Forscher,  Österreicher  und  Reichsdeutsche,  zu  geselligem  Verein  zusammen. 
Zu  den  älteren  Mitgliedern  dieses  Kreises  zählten  der  Germanist  v.  Karajan, 
der  Historiker  Aschbach  und  der  Germanist  Pfeiffer,  jüngere  Genossen 
waren  der  Kunsthistoriker  Eitelberger,  der  Rechtshistoriker  Siegel,  der  kürz- 
lich verstorbene  Historiker  O.  Lorenz  und  die  Philologen  Linker  und  E.  Hoff- 
mann,  durchweg  hervorragende  Lehrkräfte  an  der  Wiener  Hochschule  in  der 
zweiten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts,  die  damals  meist  in  den  Anfängen  ihrer 
Laufbahn  standen.  Als  1856  zur  Hebung  der  historischen  Studien  das  Institut 
für  österreichische  Geschichtsforschung  begründet  wurde,  trat  auch  Th.  v.  Sickel, 
der,  von  der  Ecole  des  chartes  in  Paris  kommend,  auf  einer  Studienreise  Wien 
berührt  und  am  Institut  eine  Anstellung  erhalten  hatte,  diesem  Kreise  bei, 
in  dem  auch  B.  Aufnahme  gefunden  hatte.  Im  Jahre  1858  machten  ferner 
einige  Dozenten  der  Wiener  Universität  einen  ersten  Versuch,  das  Wiener 
gebildete  Publikum  durch  öffentliche,  im  Ständehause  abgehaltene  Vorlesungen 
für  wissenschaftliche  Fragen  zu  interessieren.  Auch  dazu  wurde  B.  herange- 
zogen, dessen  unermüdliche  Forschertätigkeit  auch  sonst  Anerkennung  fand. 
Als  der  erste  Band  der  österreichischen  Geschichte  erschienen  war,  ließ  Graf 
Leo  Thun  dem  Verfasser  seine  besondere  Befriedigung  aussprechen  und  er- 
wirkte ihm  nach  damaliger  Gepflogenheit  bei  Sr.  Majestät  dem  Kaiser  die 
goldene  Medaille. 

Die  Hoffnungen  auf  eine  Anstellung  an  einer  österreichischen  Hochschule 
gingen  gleichwohl  nicht  in  Erfüllung;  alle  Bemühungen  Weils  für  seinen 
Neffen  waren  erfolglos,  da  trotz  der  Anerkanntheit  von  B.s  wissenschaftlichen 
Verdiensten  konfessionelle  Bedenken  entgegenstanden.  So  faßte  B.  den  Ent- 
schluß, Österreich  zu  verlassen,  um  in  der  Heimat  eine  gesicherte  Lebens- 
stellung zu  gewinnen.  Dieser  Plan  wurde  eben  zu  der  Zeit  entworfen,  als 
H.  V.  Sybel  seine  Vorbereitungen  für  die  Herausgabe  der  Reichstagsakten  traf; 
für  die  an  den  Wiener  Archiven  zu  verrichtenden  Arbeiten  nahm  er  seinen 
einstigen  Schüler  in  Aussicht.  Noch  ehe  die  Sache  spruchreif  und  die  Einzel- 
heiten über  die  Art  der  Edition  festgesetzt  waren,  machte  sich  B.  schon  ans 
Werk,  lieferte  nach  München  an  die  historische  Kommission  umfangreiche 
Abschriften  und  verpflichtete  sich  so  durch  seinen  Eifer  den  Leiter  dieses 
Unternehmens.  Allein  seine  Augen  waren  der  angestrengten  Arbeit  nicht 
gewachsen,  er  erkrankte,  mußte  sich  monatelang  jeder  Beschäftigung  enthalten 
und  behielt  seither  ein  geschwächtes  Sehvermögen. 

Indessen  hatte  v.  Sybel  seinen  Einfluß  nach  anderer  Richtung  zu  gunsten 
B.s  geltend  gemacht  und  ihm  einen  Ruf  an  die  Universität  Zürich  auf  eine 
außerordentliche  Lehrkanzel  der  Geschichte  verschafft.  F^ben  als  die  Ge- 
nesung begann,  erhielt  er  die  Berufung,  die  ihm  jene  akademische  Lehrtätig- 
keit ermöglichte,  in  der  er  von  1861  — 1899,  anregend  und  segensreich  wie 
nur  wenige  Dozenten  tätig,  für  sich  und  seine  Schüler  stets  neue  Impulse 
für  wissenschaftliches  Forschen  empfing  und  gab. 

In  Zürich  fand  er  seinen  Mitschüler  vom  Kasseler  Gymnasium,  den  Sprach- 
forscher Adolph  Fick,  als  Kollegen  vor,  hier  trat  er  zu  den  Theologen  Keim 
und  Eberhard  Schrader,  dem  bekannten,  später  nach  Berlin  berufenen  Assyrio- 
logen,  in  Beziehungen,  mit  dem  Archäologen  O.  Benndorf  und  dem  Chirurgen 
Billroth  wurde  Freundschaft  geschlossen,  auch  Theodor  Mommsen  gehörte 
damals  für  kurze  Zeit  der  Zürcher  Fakultät  an.     In  Zürich  gründete  B.  1863 

Bio^T.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.   7.  Bd.  j  e 


220  Büdinger. 

seinen  Hausstand.  Die  dürftige  Besoldung  der  Schweizer  Professoren  stand 
zu  der  großen  Zahl  der  Pflichtstunden  in  keinem  V^erhältnis;  dies  zwang  B., 
über  seine  Verpflichtungen  hinaus  Vorlesungen  zu  halten,  um  so  höhere 
KoHegiengeldeinnahmen  zu  erzielen.  Aus  demselben  Grund  hielt  er  auch 
öffentliche  Vorträge  für  weitere  Kreise:  er  sprach  außer  in  Zürich  auch  wieder- 
holt in  Frankfurt,  Darmstadt  und  an  anderen  Orten.  Daher  trat  naturgemäß 
in  der  eigenen  wissenschaftlichen  Produktion  zunächst  eine  Pause  ein.  Diese 
Zeit  angestrengtester  Tätigkeit  als  Vortragender  brachte  jedoch  zwei  der 
hervorragendsten  Eigenschaften  B.s  zur  Entfaltung:  seine  auf  vollkommener 
Selbstlosigkeit  begründete  Fähigkeit,  andere  zur  Lösung  wissenschaftlicher 
Probleme  anzuregen  und  seine  vorzügliche  Befähigung  als  akademischer  Lehrer. 

Die  für  den  zweiten  Band  der  österreichischen  Geschichte  noch  in  Wien 
gesammelten  Materialien  wurden  in  Zürich  zunächst  zu  einem  selbständig  er- 
schienenen Werk:  »Ein  Buch  ungarischer  Geschichte«  ausgearbeitet;  hierauf 
erschienen  in  drei  Bänden  von  B.  angeregte  und  in  ihrer  Ausgestaltung  ge- 
wissenhaft überwachte  Arbeiten  seiner  Schüler:  »Untersuchungen  zur  römi- 
schen Kaisergeschichte<v ,  denen  noch  zwei  weitere  Bände  »Untersuchungen 
zur  Geschichte  des  Mittelalters«  folgten.  Dierauer,  Zürcher,  Egli,  Brunner, 
Hunziker,  Dändliker  u.  a.  waren  daran  beteiligt.  Vor  allem  aber  entfalteten 
die  Zürcher  akademischen  Lehrjahre  jene  Eigenschaft  B.s,  die  seiner  Persön- 
lichkeit als  Lehrer  und  Forscher  den  charakteristischsten  Zug  gab:  die  durch 
Leopold  V.  Ranke  in  den  Berliner  Studienjahren  schon  geweckte  Neigung 
und  das  ernste  Streben  »Universalhistoriker«  zu  sein.  Darin  erkannte  er  ge- 
radezu seine  Mission  als  akademischer  Lehrer,  deshalb  handelte  er  gleich  in 
seiner  Antrittsvorlesung,  die  in  v.  Sybels  Historischer  Zeitschrift  zum  Abdruck 
kam,  programmatisch  über  die  mittelalterlichen  Vorläufer  seiner  eigenen  uni- 
versalgeschichtlichen Betrachtungsweise  und  mit  einer  ähnlichen  rückschauen- 
den Betrachtung  pflegte  er  noch  späterhin  den  Turnus  seiner  Vorlesungen  über 
allgemeine  Geschichte  zu  eröffnen,  ja  noch  in  seinen  letzten  selbständig  er- 
schienenen Werken:  »Die  Universalhistorie  im  Altertum«  und  »Die  Universal- 
historie im  Mittelalter«  kehrte  er  abermals  zu  diesen  Studien  zurück. 

Seine  außergewöhnliche  Befähigung,  sich  des  wissenschaftlichen  Rüst- 
zeuges in  allen  Teilen  der  Geschichte  zu  bemächtigen,  seine  Begabung  als 
akademischer  Lehrer  und  seine  für  wissenschaftliche  Tätigkeit  werbende  Kraft, 
sein  lauterer  Charakter  und  sein  liebenswürdiges,  gewinnendes  Wesen  festigten 
seine  Stellung  in  Zürich:  er  wurde  ordentlicher  Professor  seines  Faches  und 
bald  verlieh  ihm  das  Vertrauen  seiner  Kollegen  die  Würde  des  Rektors. 

Nach  elfjährigem,  ersprießlichem  und  im  besten  Andenken  gebliebenem 
Wirken  in  der  Schweiz  wurde  B.  aber  auch  die  Genugtuung  zuteil,  daß 
seine  auf  eine  österreichische  Professur  abzielenden  Jugendpläne  nun  ohne 
sein  Zutun  verwirklicht  wurden:  nach  dem  Rücktritt  Aschbachs  erhielt  er  die 
Berufung  auf  dessen  Lehrkanzel  nach  Wien  mit  dem  Lehrauftrag  für  allge- 
meine Geschichte.  Hier  war  er  bis  zu  der  Altersgrenze,  die  das  österreichische 
Gesetz  dem  Hochschuldozenten  zieht,  durch  volle  27  Jahre  (1872 — 1899)  als 
Lehrer  und  Forscher  tätig.  Hier  wirkte  er  befruchtend  und  anregend  auf 
seine  stets  wachsende  Zuhörerschaft,  aus  der  zahlreiche  Lehrer  der  Geschichte 
an  österreichischen  Mittelschulen  und  bald  auch  Schüler  im  engeren  Sinne 
als  Dozenten  an  österreichischen  Hochschulen  hervorgingen.     Die  Akademie 


Büdinger.  227 

(1er  Wissenschaften  wählte  B.  zu  ihrem  wirklichen  Mitgliede,  die  Universität 
zum  Rektor;  seine  Ernennung  zum  Hofrat  erfolgte,  nachdem  er  mit  dem  Aus- 
drucke der  kaiserlichen  Anerkennung  aus  dem  Lehramt  geschieden  war.  Ein 
glückliches,  nur  einmal  durch  den  Tod  eines  teuren  Kindes  getrübtes  Familien- 
leben gewährte  Erholung  von  angestrengter  Arbeit,  ein  kurzer  Aufenthalt  im 
Gebirge  des  Salzkammerguts  oder  Tirols  während  der  Ferien  Kraft  und 
Frische  für  die  Anstrengungen  des  Studienjahres.  B.  erlebte  die  Freude, 
seinen  einzigen  Sohn  als  tüchtigen  Schüler  seines  Freundes  Billroth  erfolg- 
reich in  seinem  ärztlichen  Beruf  tätig  zu  sehen;  seine  drei  Töchter  führten 
zwei  jüngere  Kollegen  an  der  Zürcher  und  einer  an  der  Wiener  Universität 
heim.  Sein  70.  Geburtstag  vereinte  seine  Schüler  in  der  Schweiz  und  in 
Österreich  zu  einer  literarischen  Festgabe,  die  23  Beiträge  aus  verschiedenen 
Gebieten  der  Geschichtsforschung  enthielt.  Bald  nach  dem  Abschied  aus 
dem  Lehramt  machten  sich  die  ersten  Anzeichen  eines  Nachlassens  seines 
sonst  untrüglichen  Gedächtnisses  und  ein  Erlahmen  der  geistigen  Frische  und 
Regsamkeit  bemerklich.  Körperlich  rüstig,  ohne  daß  er  vorher  bettlägerig 
gewesen,  wurde  B.  im  heiteren  Gespräche  mit  seiner  Gattin  von  raschem 
Tode  ereilt  und  so  vor  schwerem  Siechtum  durch  das  Gehirnleiden  bewahrt, 
an  dem  er  erkrankt  war. 

Während  B.s  zweitem  Wiener  Aufenthalt  erschienen  als  selbständige  Werke 
die  »Vorlesungen  über  englische  Verfassungsgeschichte«,  »Don  Carlos  Haft 
und  Tod«  und  die  beiden  schon  erwähnten  Bücher:  »Die  Universalhistorie 
im  Altertum«  und  »Die  Universalhistorie  im  Mittelalter«.  Jahr  für  Jahr 
brachten  aber  ferner  wissenschaftliche  Zeitschriften,  insbesondere  die  Sitzungs- 
berichte und  Abhandlungen  der  W^iener  Akademie  gelehrte  Untersuchungen 
über  die  mannigfaltigsten  Gegenstände  der  allgemeinen  Geschichte.  B.  konnte 
im  selben  Jahre  einen  die  Ergebnisse  der  keilinschriftlichen  Forschung  ver- 
wertenden und  die  subtilsten  Probleme  der  altorientalischen  Chronologie  und 
Quellenkunde  behandelnden  Aufsatz  über  den  Sturz  des  lydischen  Königs 
Krösus  und  einen  auf  ebenso  eindringlichen  Studien  beruhenden  Aufsatz  über 
Lafayettes  Aufenthalt  in  Österreich  schreiben;  neben  der  englischen  Ver- 
fassungsgeschichte veröffentlichte  er  gleichzeitig  eine  Arbeit  über  die  Auf- 
fassung des  Demagogen  Kleon  bei  Thukydides.  Gesammelt  würden  diese 
zahlreichen  kleineren  Aufsätze  mehrere  stattliche  Bände  geben,  sie  bilden 
aber  auch  in  ihrer  Zerstreuung  ein  Denkmal  der  staunenswerten  Vielseitigkeit 
ihres  Verfassers.  Kein  Geschichtsforscher  dürfte  sich  heute  zutrauen,  sie  auch 
nur  zum  größeren  Teile  sachgemäß  zu  beurteilen.  Diese  wechselnde  und 
gleichzeitige  Betätigung  des  Forschertriebes  B.s  auf  den  verschiedensten,  ja 
zum  Teil  auf  ganz  abgelegenen  Gebieten,  war  bewußt  und  beabsichtigt;  sie 
galt  ihm  als  eine  Äußerung  seines  eigensten  Wesens  und  darum  konnte  er 
solchen  ernstlich  zürnen,  die  ihn  etwa  davor  warnten,  seine  Kraft  dadurch 
zu  zersplittern.  Diese  Vielseitigkeit,  die  selbständige  und  vertiefte  Detail- 
forschung auf  allen  möglichen  Gebieten  hielt  er  ebenso  als  ein  teures  Ver- 
mächtnis L.  V.  Rankes  hoch,  wie  dessen  Auffassung  der  gesamten  Welt- 
geschichte als  eines  großen  zusammenhängenden  Ganzen.  In  mühevoller, 
alle  Einzelheiten  umfassender  Detailarbeit,  scharf,  bisweilen  sogar  überscharf 
beobachtend  und  kritisierend,  wußte  er  die  unscheinbarsten  Anhaltspunkte 
aus  einer  weitschichtigen  wie  aus  einer  dürftigen  Überlieferung  dem  Gedanken 

15* 


228  Büdinger. 

dienstbar  zu  machen,  den  er  zu  beweisen  sich  vorgesetzt  hatte.  Ja  er  griff 
gelegentlich  zur  gründlicheren  Festigung  der  Ansicht,  die  er  sich  gebildet 
hatte,  noch  über  dasjenige  hinaus,  was  ihm  das  Quellenmaterial  darbot.  Er 
befragte  den  Psychiater  vor  den  Porträtbildern  von  Don  Carlos,  um  von  ihm 
eine  Bestätigung  seiner  aus  den  schriftlichen  Quellen  gewonnenen  Ansicht 
über  den  Geisteszustand  des  Prinzen  zu  gewinnen.  Er  appellierte  an  Spezial- 
forscher, die  aus  den  ägyptischen  Papyrusfunden  sich  eine  Kenntnis  von  den 
Formaten  der  Blätter  und  Schreibtafeln  verschaffen  sollten,  auf  die  Schrift- 
steller erste  Entwürfe  einzutragen  pflegten,  und  er  war  überzeugt,  daß  deren 
Ermittelungen  die  Probe  auf  die  Richtigkeit  von  Beobachtungen  gestatten 
würden,  die  er  bei  Thukydides  gemacht  hatte  und  die  ihm  einzelne  kleine, 
scheinbar  in  einem  Zuge  niedergeschriebene  Stücke  aus  dem  ersten  Entwurf 
seines  Geschichtswerkes  verrieten.  Ein  andermal  wieder  ging  er  der  Ab- 
stammung Kants  ins  einzelste  nach,  um  so  die  Verbindung  zwischen  dessen 
philosophischen  Lehren  und  zwischen  den  uralten  Zeit-  und  Raumvorstellungen 
der  vedischen  Lieder  herzustellen. 

Solche  Verknüpfungen  zwischen  anscheinend  einander  femeliegenden 
Dingen  zu  suchen,  veranlaßte  ihn  eine  Grundansicht,  die  in  vielen  seiner 
Arbeiten  begegnet:  daß  nämlich  gewisse  uralte  Eigentümlichkeiten,  Sitten  und 
ihnen  zu  Grunde  liegende  Anschauungen  oft  lange  schlummernd  und  in  den 
Hintergrund  gedrängt,  plötzlich  mit  elementarer  Gewalt  hervorbrechen.  Darin 
sah  er,  ebenso  wie  in  den  Übertragungen  der  Kulturerrungenschaften  von  einem 
Volke  zum  anderen,  eines  der  wichtigsten  Glieder  der  Kette,  die  Zeiten  und 
Völker  umschlingt  und  der  Mannigfaltigkeit  der  Erscheinungen  Festigkeit  und 
Zusammenhang  gewährt.  Diese  Vergangenheit  und  Gegenwart  verbindenden 
Beziehungen  herauszuarbeiten  und  anschaulich  zu  machen,  war  er  seit  Beginn 
seiner  Vorlesungen  über  Universalgeschichte  in  stets  erneuten  Anläufen  uner 
müdlich  bestrebt.  Schon  in  seiner  Zürcher  Rektoratsrede:  »Vom  Bewußtsein 
der  Kulturübertragung«  hatte  er  sich  darüber  zuerst  öffentlich  geäußert.  Das 
Eigenartige  und  Anziehende  seiner  Vorlesungen  lag  eben  darin,  daß  er  diese 
großen,  an  Rankes  Ideen  gemahnenden  Zusammenhänge  nie  aus  dem  Auge 
verlor,  allbekanntes  entweder  überging  oder  es  doch  nur  in  ganz  neuem  Lichte 
vorführte,  dagegen  aber  scheinbar  ferneliegenden,  unscheinbaren,  anderswo 
oft  gar  nicht  erwähnten  Einzelheiten  der  Quellenberichte  Beweise  für  seine 
Auffassung  entlockte.  Denn  nicht  als  ein  Kompendium  der  allgemeinen  Ge- 
schichte wollte  er  seine  in  sechs  oder  acht  Semestern  abgehaltene  Haupt- 
vorlesung angesehen  wissen,  sondern  als  eine  ^or  und  mit  den  Zuhörern 
geführte  Untersuchung. 

Nicht  geringeren  Eifer  als  der  mit  Spezialkollegien  verbundenen  Haupt- 
vorlesung widmete  B.  den  Übungen  im  Seminar.  Hier  wechselten  von  Woche 
zu  Woche  kritische  Übungen,  denen  meist  ein  antiker  Geschichtschreiber  zu 
Grunde  gelegt  ward,  mit  Übungen  im  historischen  Lehrvortrag;  während  jene 
der  Einführung  in  die  Technik  wissenschaftlicher  Forschung  zu  dienen  hatten, 
sollten  diese  die  Heranbildung  der  künftigen  Gymnasiallehrer  fördern.  Die 
Themata  wurden  von  B.  selbst  gegeben  und  in  beiden  Abteilungen  für  den 
Vortragenden  stets  Korreferenten  bestellt,  die  den  Vortrag  zu  kritisieren  hatten; 
aber  auch  B.  selbst,  der  in  solchen  Fällen  das  Katheder  dem  Vortragenden 
überließ   und  sich   unter  die  Zuhörer  begab,   beteiligte  sich  an   der  Debatte, 


Büdinger.  229 

hielt  sie  in  den  richtigen  Bahnen  und  gab  ihr  stets  eine  solche  Wendung, 
daß  sie  nicht  ohne  Gewinn  auch  für  die  bloß  Zuhörenden  verlief.  An  diesen 
offiziellen  Übungen  ließ  es  sich  B.  aber  nicht  genügen:  neben  dem  Seminar 
gab  es  immer  noch  kleinere  Gruppen  von  Studierenden,  die  mit  speziellen 
Arbeiten  teils  eigener  Wahl,  teils  solchen,  die  der  Professor  gestellt  hatte, 
beschäftigt  waren;  oft  traten  die  Mitglieder  dieser  Sektionen  zu  freigewählten 
Stunden  in  B.s  Privatwohnung  zu  Besprechungen  der  eingelaufenen  Ela- 
borate zusammen.  Streng  und  gewissenhaft  war  die  Kritik,  die  da  an  der 
Überlieferung  gelehrt  und  geübt  wurde  und  unermüdlich  stand  der  Lehrer 
ratend  und  helfend,  lobend  und  tadelnd  den  Anfängern  wie  den  Fort- 
geschrittenen zur  Seite. 

Dem  treuen  Hüter  des  Vermächtnisses  Leopold  v.  Rankes  und  der  eigenen 
auf  das  Große  und  Allgemeine  gerichteten  Geistesart  blieb  jedoch  die  Quellen- 
kritik und  die  Einzelforschung  immer  nur  eine  vorbereitende  Arbeit,  die  auf 
dieser  sicheren  Basis  begründete  Darstellung  galt  B.  als  der  eigentliche 
Zweck  all  dieser  propädeutischen  Bestrebungen.  Während  seine  eigene  wissen- 
schaftliche Tätigkeit  zwar  nicht  ausschließlich  aber  doch  vorzugsweise  speziellen 
und  kritischen  Aufgaben  sich  zuwandte,  während  er  bei  der  Schulung  seiner 
Zuhörer  im  Seminar  und  bei  dem  Einfluß,  den  er  auf  die  Arbeiten  der  Vor- 
geschrittenen nahm,  beharrlich  für  die  Spezialisierung  und  Vertiefung  der 
Studien  eintrat,  gab  er  sich  in  seinen  Vorlesungen  mit  ganzer  Kraft  der 
Lebendigmachung  der  Vergangenheit  durch  die  Darstellung  hin.  Für  seine 
rein  sachlichen,  inhaltreichen  und  rasch  gesprochenen  Vorträge  bediente  er 
sich  niemals  umfangreicherer  Aufzeichnungen,  ein  Zettelchen  von  der  Größe 
einer  Visitenkarte,  auf  dem  nur  wenige  Daten  aufgeschrieben  waren,  vertrat 
bei  ihm  das  Kollegienheft.  Dies  Verfahren  erforderte  naturgemäß  eine  höchst 
zeitraubende  und  eindringliche  Vorbereitung  für  jede  Vortragsstunde  und  war 
nur  deshalb  anwendbar,  weil  B.  die  Gabe  besaß,  aus  einigen  wenigen  Schlag- 
worten und  Daten  auf  dem  Katheder  selbst  nach  gründlichem  Durchdenken 
des  Gegenstandes  einen  wohlgeordneten  und  formvollendeten  Vortrag  zu  ge- 
stalten. Durch  rastlose  Selbstzucht  und  eine  unbedingte  Herrschaft  über  den 
Stoff  hatte  B.  diese  Anlage  zur  Meisterschaft  entwickelt;  er  wirkte  auf  jüngere 
wie  ältere  Semester  unter  der  Studentenschaft  gleich  fesselnd  und  es  gab 
wenige  Vorträge,  die  mit  gleicher  Pünktlichkeit  und  gleich  ausdauernd  besucht 
wurden,  wie  die  B.s  über  Universalgeschichte.  Sie  entbehrten  zwar  alles 
dessen,  was  sonst  zum  rhetorischen  Schmuck  der  Rede  angewendet  zu  werden 
pflegt,  waren  aber  gleichwohl  gerade  in  ihrer  anscheinenden  Schlichtheit 
künstlerisch  aufgebaut  und  stilisiert.  B.  bot  ein  typisch  gesteigertes  und  ver- 
allgemeinertes Bild  des  Gegenstandes;  Mommsens  Art  der  Verlebendigung 
durch  realistische  Vergleiche  aus  der  Gegenwart  lag  ihm  durchaus  ferne,  ja 
sie  war  ihm  bei  aller  Bewunderung  für  dessen  Leistungen  nicht  sympathisch. 
Brachte  er  einmal,  was  ab  und  zu  geschah,  eine  Analogie,  um  das  Gesagte 
anschaulicher  zu  machen,  so  war  diese  gewiß  niemals  geläufigen  Verhältnissen 
der  Gegenwart  entlehnt,  sondern  es  wurden  mit  Vorliebe  Spezialitäten  aus 
der  schweizerischen,  nordamerikanischen  oder  englischen  Geschichte  zu  diesem 
Zwecke  herangezogen,  um  so  den  ernsten,  oft  feierlichen  Ton  festzuhalten, 
auf  den  der  Vortrag  selbst  gestimmt  war.  Derselbe  Trieb  nach  Wahrhaftig- 
keit, der  bei  dem  Forscher  sich  im  höchsten  Maße  geltend  machte   und  ihn 


2  ^o  Büdingcr. 

r 

bestimmte,  in  immer  erneuten  Bemühungen  durch  eindringlichste  Kritik  das 
Tatsächliche  festzustellen,  veranlaßte  ihn  als  Darsteller  über  dieses  Tatsäch- 
liche hinauszugehen;  wie  viele  der  antiken  Geschichtschreiber  war  er  über- 
zeugt, Wahrheit  im  höheren  Sinne  nur  durch  stilisierte  Wirklichkeit  zu 
erreichen.  Seine  eigene  Lauterkeit  und  Wahrhaftigkeit  erweckten  in  dem  sonst 
so  scharfen  Kritiker  auch  einen  unbedingten  und  unerschütterlichen  Glauben 
an  die  Wahrheitsbeteuerungen  anderer.  Ihm  genügte  Sallusts  Wort,  daß  er 
die  katilinarische  Verschwörung  schildern  wolle,  so  wahrheitsgetreu  als  er  es 
könne,  als  Richtschnur  für  die  kritische  Exegese  dieses  Büchleins  und  deshalb 
lehnte  er  die  Annahme  rundweg  ab,  daß  Sallust  bei  dessen  Abfassung  poli- 
tische Tendenzen  verfolgt  habe.  Tacitus  Versicherung  sine  ira  et  studio  zu 
schreiben,  lenkte  seine  Tacituskritik  nach  der  gleichen  Richtung  und  brachte 
ihn  zu  der  Überzeugung,  daß  dieser,  wie  andere  ein  Künstler  unter  den 
antiken  Geschichtsschreibern,  für  seine  Arbeiten  die  gewissenhaftesten  Quellen- 
studien angestellt  habe.  Der  Beurteilung  edler  und  wahrhafter  Persönlich- 
keiten der  Vergangenheit  kam  diese  vertrauliche  Bereitwilligkeit  B.s,  zu 
glauben,  besonders  zu  statten  und  deren  innerstes  Wesen  verstand  er  besser  zu 
enthüllen  als  andere  Forscher.  Für  den  Schüler  Leopold  v.  Rankes  kam 
natürlich  den  Ideen  dasselbe  reale  Leben  zu  wie  den  Menschen,  Völkern  und 
Staaten.  Ihr  ewiger  Fortbestand,  ihr  stets  sich  wiederholendes,  wenn  auch 
oftmals  durch  lange  Zwischenräume  getrenntes  Wiederauftauchen  bildete  in 
seiner  philosophierenden  Geschichtsbetrachtung  geradezu  das  Einigende,  die 
Menge  der  Einzelerscheinungen  Verbindende.  Nur  die  Träger  dieser  Ideen 
wechseln  im  Laufe  der  Zeiten,  sie  selbst  aber  bleiben;  bald  treten  sie  ganz 
rein,  bald  getrübt  und  entstellt  hervor,  im  ganzen  aber  werden  sie  inhaltlich 
stets  bereichert  und  vervollkommnet  und  räumlich  immer  weiter  verbreitet; 
die  Ideen  bilden  den  wesentlichen  Inhalt  der  Gesamtkultur  der  Menschheit, 
die  im  Orient  begann,  von  den  Griechen,  Römern  und  schließlich  von  den 
Germanen  fortgebildet  wurde  und  sich  allmählich  über  die  ganze  Erde  durch 
die  führenden  Völker  verbreitet. 

B.  hat  mit  dieser  auf  die  großen  Zusammenhänge  und  die  weiteste  Über- 
schau gerichteten  Art  lange  vereinzelt  gestanden.  Erst  im  letzten  Dezennium 
seines  Lebens  konnte  er  mit  Befriedigung  eine  allmähliche  Rückkehr  der 
Forschung  zu  solch  zusammenfassender  Betrachtungsweise  beobachten.  Gewiß 
ist  auch  heute  noch  angesichts  des  stetig  und  auf  allen  (jcbieten  sich  mehrenden 
Forschungsmaterials,  selbst  innerhalb  engerer  als  der  universalgeschichtlichen 
Grenzen  der  Satz  berechtigt,  daß  die  Forschung  der  Gegenwart  nur  die  Steine 
zu  behauen  vermag,  aus  denen  erst  künftige  Generationen  einen  neuen  Bau 
errichten  werden.  Allein  die  Geschichtswissenschaft  würde  dennoch  ihrer 
eigentlichen  Aufgabe  untreu  werden,  wenn  ihre  Vertreter  nicht  unverrückt 
das  Auge  auf  jenes  letzte  Ziel  gerichtet  hielten,  das  B.,  darin  der  letzte  und 
echteste  Schüler  Leopold  v.  Rankes,  in  stets  wiederholten  Anläufen,  die  einmal 
gewonnene  Erkenntnis  immer  feiner  und  schärfer  ausgestaltend,  in  seinen 
Vorlesungen  sich  gesteckt  hat. 

Nur  diejenigen,  denen  es  vergönnt  war,  diese  Vorträge  zu  hören,  sind 
dem  innersten  Wesen  des  seltenen  Mannes  näher  getreten;  vielleicht  wird 
eine  später  erfolgende  Veröffentlichung  dieser  Vorträge,  sei  es  im  ganzen,  sei 
es   in  einzelnen    Teilen   einem   größeren  Publikum   das  Verständnis  für  seine 


Büuinger.     Meyer-Förster.  2^1 

Eigenart  noch  besser  erschließen,  als  es  die  gedruckt  vorliegenden  Arbeiten 
zu  leisten  im  stände  sind. 

Es  sind,   von   solchen  kleineren  Umfangs  abgesehen,    die  folgenden:    Seine  schon  er- 
wähnte Dissertation:  Über  Oerberts  wissenschaftliche  und  politische  Stellung,  Kassel   1851. 
l'ber  die  Reste  der  Vagantenpoesie  in  Österreich   1854,    ferner   der   1856    erschienene  oben 
erwähnte   Aufsatz    über    die   Königinhofer   Handschrift    und    der   Leipzig    1858    erschienene 
erste  Band  der  österreichischen  Geschichte,  samt  der  Leipzig  1866  erschienenen  Fortsetzung, 
die  betitelt  ist  »Ein  Buch  ungarischer  Cjeschichte«.     Zwischen  der  Dissertation  und  diesem 
Abschluß  seiner  auf  die  (}eschichte  Österreichs  bezüglichen  Studien  liegen  ferner  folgende 
Arbeiten:  Zur  Kritik  altbairischer  Geschichte,  Wien   1857;  König  Richard  IIL  von  England, 
Wien   1858;    Nachrichten   aus   altrussischen   Jahrbüchern,    1859;    Übersetzungen  aus  Nestors 
russischen  Annalen,  Wien   1861;  Die  Königinhofer  Handschrift  und  ihr  neuester  Verteidiger, 
Wien   1S61;  Vom  Bewußtsein  der  Kulturübcrtragung,  Zürich  1864;  Von  den  Anfängen  des 
Schulzwanges,  Zürich  1865;  Das  mittelgriechische  Volksepos,  Leipzig  1S66;  Die  Nonnannen 
und  ihre  Staatengründungen,  Wien   1866;  Skizzen  zur  Geschichte  päpstlicher  Machtentwick- 
lung,   Wien    1869;    Wellington,    Wien  1869;    Lafayette,    ein  Lebensbild,  Leipzig  1870.     In 
der  Zeit    des   zweiten  Wiener  Aufenthaltes   mehren    sich  die  Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der 
Geschichte  des  Altertums,  da  B.  deren  besondere  Pflege  im  Seminar  anvertraut  war  und  er 
die  Heranbildung  von  speziellen  Forschern  auf  diesem  (jebiete  in  Österreich  sich  zur  Aufgabe 
gesetzt  hatte.      So  erschienen:   Ägyptische  Einwirkungen   auf  hebiäische  Kulte,  Wien   1S72 
bis  1874;  Zur  ägyptischen  Forschung  Herodots,  Wien   1873;  Lafayette  in  Österreich,  Wien 
1878;    Krösus  Sturz,  Wien   1878;    Vorlesungen  über  englische  Verfassungsgeschichte,  Wien 
1S80;   Der  Ausgang  des  mediscben  Reiches,  Wien  1880;  Kleon  bei  Thukydides,   Wien  1880; 
Die   Entstehung    des   achten   Buches   Ottos    von    Freising,    Wien    1881;    Die   neuentdeckten 
Inschriften  über  Cyrus,  Wien  188 1;  Apollinaris  Sidonius  als  Politiker,   Wien  1881;  Historische 
Schriften    zur    alten   und  jungen   Geschichte    Österreichs    und   zur    allgemeinen   Geschichte, 
Wien    18S1;    Zeit   und   Raum    bei    dem    indogermanischen    Volke,  Wien   188 1;    Cicero  und 
der  Patriziat,  Der  Patriziat  und  das  Fehderecht,  Wien   1S81   und   iS86;    Zeit  und  Schicksal 
bei  Römern  und  Westariern,  Wien   1887;  Poesie  und  Urkunde  bei  Thukydides,  Wien   1890 
und    1891;    Catull   und  der  Patriziat,    Wien   1890;    Die  römischen  Spiele  und  der  Patriziat, 
Wieni89i;    eine    lateinisch   geschriebene    Abhandlung:    Über    den  Zusammenhang    einiger 
])hönizischer  Kolonialgründungen   mit   dem    Exodus   der   Hebräer,    WUen   1891;   Don  Carlos 
Haft  und  Tod,    Wien  1891;  Mitteilungen  aus   der  spanischen  Geschichte,   1893;  Amraianus 
Marcellinus,  Wien  1895;  Die  Universalhistorie  im  Altertum,  Wien  1897;  Die  Universalhistorie 
im  Mittelalter,  Wien  1898  (dies  letzte  in  den  Abhandlungen  der  Wiener  Akademie  d.  W.); 
Columbus,   Wien    1898.      Außer   den   schon   erwähnten    unter   B.s   Leitung    während    seiner 
Zürcher  Lehrtätigkeit  herausgegebenen  5  Bänden  von  Schülerarbeiten  zur  n'miischcn  Kaiser- 
geschichte und  zur  Geschichte  des  Mittelalters  erschienen  in  Wien   bei  Konegen  von   1875 
bis    1881  Arbeiten    seiner  Wiener   Schüler   in   zwanglosen   Heften    verschiedenen    Umfanges 
unter   dem   Titel:    Untersuchungen  aus  der  alten  Geschichte,    und  neben  diesen  selbständig 
noch  manche  Erstlingsarbeit   seiner  Schüler,    an    deren  Entstehen    der   gefeierte  Lehrer  sehr 
wesentlichen   Anteil   hatte,    dessen   Hervorhebung   er  sich  jedoch  meist  ausdrücklich  verbat. 

Graz.  Adolf  Bauer. 

Meyer  -  Förster,  Elsbeth,  *  5.  Januar  1868  in  Breslau,  f  17.  Mai  1902 
in  Bozen.  —  E.  M.-F.,  mit  ihrem  Mädchennamen  Klse  Blasche,  Tochter  eines 
Staatsbeamten,  studierte  in  Berlin  Musik,  heiratete  den  Schriftsteller  Wilhelm 
Meyer-F'örster,  dem  sie  nach  Hannover  folgte.  Von  1896  an  lebte  sie  haupt- 
sächlich in  Berlin.  —  Mit  der  schönen  jungen  Dichterin  ist  eine  der  liebens- 
würdigsten, anmutigsten  Erscheinungen  des  Berliner  literarischen  Lebens  da- 
hingegangen, eine  Frau,  die  vor  dem  Leben  ein  Kind  geblieben  war,  aus 
deren  blauen,   traumverlorenen   Augen   die  Seele    des   Märchens  zu   leuchten 


232  Mcyer-Förstcr.     von  Dincklage. 

schien.  Ihre  Kunst  war  wie  ihr  Leben,  jung,  sorglos,  ohne  kritisches  Miß- 
trauen. Als  Schriftstellerin  hat  sie  keine  eigentliche  Entwicklung  gehabt,  sie 
trat  in  gewisser  Beziehung  als  eine  Fertige  auf,  um  in  anderer  immer  jugend- 
lich unfertig  zu  bleiben.  Ihr  Talent  war  wie  sie  selbst  ein  echtes  Xaturkind 
und  hatte  mit  Bildung  und  Reflexion  nichts  zu  tun.  Darum  ist  auch  aus 
ihren  Romanen,  in  denen  Kritik  und  Erfahrung  der  unbesorgten  Phantasie  zu 
Hülfe  kommen  muß,  nicht  viel  geworden,  wie  es  ihr  auch  trotz  ansprechen- 
den Versuchen  nicht  gelungen  ist,  die  strenge  Form  des  Dramas  in  zäher 
Arbeit  zu  bezwingen.  Dafür  hat  sie  eine  Anzahl  höchst  inniger,  ergreifender 
Novellen  geschrieben,  von  denen  man  einige  als  kleine  Meisterwerke  bezeich- 
nen kann,  und  ihre  für  Zeitungen  gelieferten  Skizzen  waren  die  besten,  wenn 
nicht  die  einzig  guten  in  Deutschland.  Was  sie  so,  ohne  zu  reflektieren,  im 
Sturm  nehmen  konnte,  mit  einer  einzigen  lyrisch  bewegten  Schilderung,  das 
traf  sie  mit  absoluter  Sicherheit,  dann  empfing  sie  wie  im  Traume  die  Gabe 
des  Hellsehens,  und  sie,  der  alle  Wissenschaft  fremd  war,  konnte  mit  unbe- 
wußter Weisheit  in  das  Herz  der  Dinge  greifen.  Sie  konnte  einen  engen 
Rahmen  mit  schwellendstem  Leben  erfüllen  und  einfache  instinktreine  Wesen 
von  so  pflanzenhafter  Natürlichkeit  hineinsetzen,  daß  sie  aus  dem  Boden  selbst 
gewachsen  zu  sein  schienen.  Der  Schauplatz  ihrer  Dichtungen  war  Berlin, 
die  schlesische  Heimat,  der  sie  trotz  aller  Wanderlust  treu  und  dankbar  ge- 
blieben ist,  und  das  benachbarte  Polen,  eine  Vorliebe,  die  sie  auf  einen  Tropfen 
polnischen  Blutes  in  ihrer  Abstammung  zurückführte.  »Das  Drama  eines 
Kindes«  (Berlin  1895),  mit  dem  sie  zuerst  auftrat,  ist  eine  schlichte,  herzige 
Erzählung,  ganz  von  der  keuschen  Schamhaftigkeit  eines  Erstlingswerkes  um- 
fangen, eins  von  den  jugendlichen  Bekenntnissen,  die  so  sorglos,  so  unmittelbar 
aus  der  Empfindung  geströmt  sind,  daß  auch  die  technischen  Unvollkommen- 
heiten  den  Eindruck  einfach  liebenswürdiger  Natur  nur  noch  verstärken. 
Mehrere  Prachtstücke  von  energischerer  Fassung  und  noch  tieferer  Beseeltheit 
sind  in  der  Novellensammlung  »Meine  Geschichten«  (Berlin  1897).  Eine  dritte 
Sammlung  »Also  sprach  eine  —  Frau«  (Berlin  1900)  enthält  ihre  besten 
feuilletonistischen  Arbeiten,  deren  Hauptgegenstand  durch  den  Untertitel 
»Liebcsnovellen'<  charakterisiert  wird.  Nach  ihrem  Tode  erschienen  noch 
zwei  Novellen  in  einem  Bande,  nach  der  ersten  >^Die  Freundin  aus  Russisch- 
Polen«  genannt  (Berlin  1902).  Romane:  »Das  Pflegekind«  (Berlin  1899),  »Frau 
Kleemann«  (Berlin  1900).  Dramen:  »Der  neue  Herr«,  nach  der  Novelle 
vStascha',  ungedruckt,  an  der  Berliner  Sezessionsbühne  im  Winter  1901  auf- 
geführt; ^>Käthe«  (Leipzig,  Reklam),  nach  dem  »Drama  eines  Kindes«  am 
Berliner  Theater  ebenfalls  im  Winter  1901  aufgeführt. 

Berlin.  Arthur  Eloesser. 

Dincklage,  Georg  von,  Generalleutnant  z.  D.,  *  8.  Mai  1825  zu  Bentheim 
in  Hannover,  f  8.  November  1902  zu  Berlin.  —  Dem  früheren  Königreich 
Hannover  entstammend,  trat  D.  am  i.  Mai  1843  ^^^  Kadett  in  das  damalige 
hannoversche  Regiment  Kronprinz-Dragoner  ein,  darauf  im  Januar  1845  als 
Sekondleutnant  in  das  hannoversche  (iarde-Husarenregiment  über,  in  welchem 
Truppenteil  er  im  Juni  1849  die  Premierleutnantssterne  erhielt.  In  den 
Jahren  185 1 — 53  wirkte  er  als  Regimentsadjutant,  war  1857 — 59  Adjutant  der 
2.  Kavalleriebrigade  und  von   jenem  Zeitpunkte   an  bis  zum  Jahre  1861  Ad- 


von  Dincklage.     von  Schmidt.  233 

jutant  der  Kavalleriedivision,  worauf  er  am  i.  Oktober  jenes  Jahres  als  Ritt- 
meister und  Eskadronschef  mit  Patent  vom  3.  Dezember  1859  in  das  Königin- 
Husarenregiment  versetzt  wurde.  In  dieser  Stellung  machte  D.  den  Feldzug 
von  1866  gegen  Preußen,  insbesondere  die  Schlacht  bei  Langensalza  mit  und 
trat,  dem  Beispiele  vieler  Kameraden  folgend,  im  März  1867  zur  preußischen 
Armee  über,  in  der  er,  zunächst  dem  Husarenregiment  Nr.  15  zugeteilt,  im 
Mai  jenes  Jahres  Anstellung  als  Rittmeister  und  Eskadronschef  in  genanntem 
Regiment  fand.  Bereits  in  dem  gleichen  Monat  rückte  er  zum  Major  auf 
und  wurde  im  März  1868  als  etatsmäßiger  Stabsoffizier  in  das  Husaren- 
regiment Nr.  7  versetzt.  Mit  diesem  zog  D.  1870  gegen  Frankreich  in*s  Feld, 
focht  mit  seinem  Regiment  bei  Gravelotte,  vor  Metz,  bei  Bertacourt,  in  der 
Schlacht  von  Amiens,  bei  Bouchy,  in  den  Schlachten  an  der  Hallue  und  bei 
Bapaume,  bei  Tertrj'-Poeully  sowie  in  der  Schlacht  bei  St.  Quentin  und  wurde 
mit   dem  Eisernen  Kreuze   2.  Klasse   dekoriert,   kurz   nach  dem  Kriege,    am 

16.  Juni  1871,  auch  in  den  Adelsstand  erhoben.  Im  Dezember  1871  mit  der 
Führung  des  ostpreußischen  Dragonerregiments  Nr.  10  beauftragt,  stieg  D. 
am  18.  Januar  1872  zum  Oberstleutnant  auf,  wurde  am  folgenden  15.  August 
Kommandeur  des  Regiments  und  erhielt  am  19.  September  1874  das  Patent  als 
Oberst.  Am  12.  Juni  1880  übernahm  er  das  Kommando  der  31.  Kavallerie- 
brigade,   wurde    am     18.  Januar    des    folgenden    Jahres    Generalmajor,    am 

17.  Oktober  1883  Kommandeur  der  21.  Kavalleriebrigade  und  am  11.  Februar 
1886,  unter  Verleihung  des  Charakters  als  Generalleutnant,  zum  Komman- 
danten von  Frankfurt  a.  M.  ernannt.  Diese  Stellung  bekleidete  D.  bis  zum 
17.  Juni  1889,  an  welchem  Tage  er,  nachdem  er  am  6.  Januar  ein  Patent 
seines  Dienstgrades  erhalten  hatte,  auf  sein  Abschiedsgesuch  zur  Disposition 
gestellt  wurde. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Schmidt,  Otto  Ritter  von,  Kgl.  Bayerischer  General  der  Infanterie  z.  D., 
*  20.  Dezember  1820  zu  Aschaffenburg,  f  18.  Oktober  1902  zu  München.  -  -  S. 
trat  aus  dem  Münchener  Kadettenkorps  am  11.  August  1840  als  Junker  in 
das  königl.  bayerische  10.  Infanterieregiment  »Albert  Pappenheim«  ein,  wo 
er  am  27.  April  1841  zum  Unterleutnant  aufstieg.  Unterm  13.  Dezember  1842 
in  das  3.  Infanterieregiment  »Prinz  Carl<'  versetzt,  erhielt  er  am  21.  Aug.  1848 
die  Oberleutnantssterne,  avancierte  im  Juni  zum  Hauptmann  2.  Klasse,  trat 
gleichzeitig  zu  seinem  ersten  Regiment  zurück,  wurde  am  16.  Mai  1859 
Hauptmann  i.  Klasse  und  kam  am  3.  November  1861  in  den  Generalquartier- 
meisterstab. Weiterhin  im  Mai  1862  dem  Generalkommando  in  München  als 
Generalstabsoffizier  zugeteilt,  rückte  S.  am  20.  Mai  1863  zum  Major  auf  und 
wurde  bald  darauf  an  die  Zentralstelle  des  Generalquartiermeisterstabes  zurück- 
versetzt. Am  Kriege  von  1866  nahm  er,  im  Hauptquartier  des  VII.  Bundes- 
armeekorps •  kommandiert,  an  den  Gefechten  bei  Dermbach,  Kissingen,  Helm- 
stadt und  Roßbrunn  teil.  Nach  dem  Frieden  wurde  er  zunächst  als  Komman- 
deur an  die  Spitze  des  i.  Jägerbataillons  gestellt  und  am  24.  Mai  1868  zum 
Oberstleutnant  befördert.  Nach  Ausbruch  des  Krieges  mit  Frankreich  rückte 
er  mit  seinem  Bataillon  über  die  feindliche  Grenze,  wo  er  sich  im  Verein 
mit  seinen  braven  Jägern  in  den  Schlachten  und  Gefechten  bei  Beaumont 
und  Sedan,  vor  Paris,  bei  Chantome,  Coulmiers,  Nogcnt  le  Routrou,  La  Ferte- 


234  ^*^°  Schmidt,     von  Waldersec. 

Bernard  hervorragend  auszeichnete,  bis  er  am  lo.  November  1870  als  Oberst 
das  Kommando  des  11.  Infanterieregiments  erhielt.  Ernsten  Blickes  sahen 
seine  Jäger  ihren  verehrten  Kommandeur  scheiden.  Als  Regimentskomman- 
deur nahm  S.  mit  der  von  ihm  befehligten  Truppe  an  den  Gefechten  bei 
Villepion  und  Meung,  den  Schlachten  bei  Orleans,  Loigny-Poupry,  und  Beau- 
gency-Cravant  Anteil.  Ganz  besonders  aber  zeichnete  der  tapfere  Führer  sich 
bei  Beaumont  aus,  wo  er  dem  schwer  bedrängten  linken  Flügel  des  3.  Ba- 
taillons des  10.  Infanterie-Regiments  zur  Hilfe  kam,  indem  er  mit  seinen  4  Jäger- 
kompagnien ohne  einen  Schuß  zu  tun  unter  v Hurrah«  durch  die  bayerischen 
Schützenlinien  gegen  die  französischen  Stellungen  vorging  und  den  Feind  zu- 
rückwarf. Dieser  Vorwärtsbewegung  schlössen  sich  sämtliche  weiter  rechts 
stehenden  bayerischen  Bataillone  an,  so  daß  der  Feind  gezwungen  wurde,  seine 
Stellungen  zu  räumen.  Für  sein  energisches  Vorgehen  wurde  S.  zum  Ritter 
des  Militär-Max-Josefs-Ordens  ernannt,  dessen  Verleihung  seine  F>hebung  in 
den  persönlichen  Adelstand  zur  Folge  hatte.  Auch  bei  Sedan  sowie  im 
Loire-Feldzuge  zeichnete  S.  sich  mit  seinem  Bataillon  mehrfach  aus.  Reich 
dekoriert,  mit  beiden  Klassen  des  eisernen  Kreuzes  und  anderen  hohen  Ordens- 
auszeichnungen geschmückt,  kehrte  der  tapfere  Soldat  in  die  Heimat  zurück. 
Hier  rückte  er  unter  F>nennung  zum  Kommandeur  der  4.  Infanteriebrigade 
am  4.  Dezember  1874  zum  Generalmajor  auf,  wurde  1874  zur  Teilnahme  an 
den  Manövern  des  V.  und  VI.  preußischen  Armeekorps  in  Schlesien  komman- 
diert, erhielt  zum  Generalleutnant  befördert  am  i.  März  1882  das  Kommando 
der  2.  Division  und  trat  am  4.  März  1887  als  General  der  Infanterie  in  di^n 
erbetenen  Ruhestand. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Waldersee,  Graf  Fritz  von,  Generalleutnant  z.  D.,  *  17.  Dezember  1829 
in  Berlin,  f  5.  Oktober  1902  in  Schwerin  in  Mecklenburg.  -  -  Nach  erfolgter 
Erziehung  im  Fllternhause,  bezw.  dem  Friedrich  Wilhelms-Gymnasium  in  Berlin 
trat  \V.  als  Avantageur  am  13.  August  1848  in  das  Kaiser  Alexander  Grenadier- 
Regiment  ein,  nahm  am  Dresdener  Straßenkampfe  im  Mai  des  folgenden 
Jahres  teil,  wurde  im  Juli  Portepeefähnrich  und  gegen  F^nde  des  gleichen 
Jahres  Sekondleutnant.  Vom  März  1857  ab  war  er  auf  ein  Jahr  zur  Dienst- 
leistung beim  2.  Leib-Husarenregiment  kommandiert,  rückte  am  15.  Jan.  1859 
zum  Premierleutnant  auf  und  wurde  bei  der  Reorganisation  der  Armee  am 
I.  Juli  1880  in  das  2.  kombinierte  Dragonerregiment,  das  jetzige  magde- 
burgische Dragonerregiment  Nr.  6  versetzt,  in  dem  er  am  18.  Dezember  1864 
zum  Rittmeister  und  F^skadronschef  avancierte.  In  dieser  Stellung  nahm  er 
1866  am  Feldzuge  gegen  Osterreich  teil  und  zwar  im  Verbände  der  Main- 
armee gegen  die  mit  Österreich  verbündeten  Kontingente,  wobei  er  sich  in 
den  Gefechten  bei  Dermbach,  Hammelburg,  Roßbrunn,  Mettingen  und  Hett- 
stadt  auszeichnete.  Vor  dem  deutsch-französischen  Kriege  erhielt  W.  am 
27.  Januar  1870  den  Charakter  und  am  2.  Mai  das  Patent  als  Major,  zog,  bei 
Ausbruch  der  Feindseligkeiten  mit  Frankreich  zum  etatsmäßigen  Stabsoffizier 
befördert,  mit  dem  Regiment  über  die  Grenze  und  focht  in  dessen  Reihen  in 
den  Schlachten  bei  Colombey-Nouilly  und  Gravelotte,  vor  Metz  und  bei 
Xoisseville.  Im  November  fand  er  für  kurze  Zeit  als  Kommandant  von  Troyes 
Verwendung,   mußte    aber  wegen   Erkrankung  nach  Wiesbaden  zurückgehen. 


von  Waldersee.     von  Wasraer.     von  Wulffen.  235 

Am  I.  März  1871  zu  seinem  Truppenteil  zurückgekommen,  übernahm  W. 
dessen  Führung,  trat  aber  bald  darauf  in  seine  frühere  Stellung  zurück,  bis 
er  im  September  1874,  nachdem  er  den  schwedischen  Truppenübungen  bei 
Jönköping  beigewohnt  hatte,  unter  Aggrcgierung  zu  diesem  Regiment  mit 
der  Führung  des  i,  hannoverschen  Ulanenregiments  Nr.  13  beauftragt  wurde. 
Am  2.  Januar  1875  ä  la  suite  dieses  Truppenteils  gestellt  und  kurz  darauf 
zum  Oberstleutnant  befördert,  erhielt  er  dessen  Kommando  am  15.  Juni 
gleichen  Jahres.  Zum  Oberst  aufgerückt  wurde  W.  am  15.  Mai  1883  Kom- 
mandeur der  6.  Kavalleriebrigade  und  am  14.  Mai  1884  Kommandant  von 
Hannover,  in  welcher  Stellung  ihm  ein  Monat  später  das  Patent  als  General- 
major und  am  4.  August  1888  der  Charakter  als  Generalleutnant  verliehen 
wurden.  Am  16.  Mai  1891  trat  er  in  den  erbetenen  Ruhestand.  W.  war  ein 
älterer  Bruder  des  Generalfeldmarschalls  Grafen  von  Waldersee. 

N:\ch  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Wasmer,  Edmund  von,  Generalmajor  z.  I).,  *8.  April  1836  in  Koburg, 
f  23.  Mai  1902  in  Schöneberg  bei  Berlin.  —  Nach  Besuch  von  Lehranstalten  in 
Bayreuth  und  Koburg  trat  W.  1852  als  Musketier  in  das  Sachsen-Koburg- 
Gothaische  Infanterieregiment  ein,  wurde  1853  Portepeefähnrich  und  erhielt 
1854  die  Leutnantsepaulettes.  Im  Jahre  1860  schied  er  aus  dem  Militärdienst 
seines  engeren  Vaterlandes  aus  und  trat  zur  preußischen  Armee  über,  in 
welcher  er  mit  Patent  vom  11.  November  1855  angestellt  und  dem  37.  In- 
fanterieregiment aggregiert  wurde.  Nach  verschiedenen  Kommandos  kam  W. 
am  21.  November  1861  unter  Ernennung  zum  Premierleutnant  in  das  5.  Pom- 
mersche  Infanterieregiment  Nr.  42.  Im  Feldzuge  von  1866  führte  er  eine 
Kompagnie  des  Ersatzbataillons,  bezw.  später  des  4.  Bataillons.  Nach  dem 
Friedensschluß  als  Hauptmann  und  Kompagniechef  in  das  neuerrichtete  In- 
fanterieregiment Nr.  75  versetzt,  zog  er  mit  seiner  Kompagnie  1870  nach 
Frankreich,  nahm  hier  an  der  Fvinschlicßung  von  Metz,  der  Belagerung  von 
Toul,  der  Einschließung  von  Paris,  den  Gefechten  bei  Dreux  und  La  Made- 
laine  Bauvet,  den  Schlachten  von  Loigny-Poupry,  Orleans  und  Beaugency- 
Cravant  mit  Auszeichnung  teil  und  kehrte  mit  beiden  Klassen  des  Eisernen 
Kreuzes  geschmückt  in  die  heimische  Garnison  zurück.  1876  zum  Major 
aufgerückt,  trat  W.  als  etatsmäßiger  Stabsoffizier  zum  schleswigschen  In- 
fanterieregiment Nr.  84  über  und  wurde  1878  Bataillonskommandeur.  In 
dieser  Stellung  verblieb  er  bis  zum  6.  Oktober  1883,  zu  welchem  Zeitpunkte 
er  als  Oberstleutnant  in  das  ostpreußische  Füsilierregiment  Nr.  33  übertrat. 
Am  14.  April  1887  zum  Kommandeur  des  8.  pommerschen  Infanterieregiments 
Nr.  61  ernannt,  erhielt  er  das  Oberstpatent.  1889  trat  er  als  Generalmajor 
in  den  Ruhestand. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Wulffen,  Ferdinand  von,  Generalleutnant  z.  D.,  *  12.  November  1833  in 
Magdeburg,  f  6.  August  1902  in  Frankfurt  a.  O.  --  W.  trat  auf  Beförderung 
dienend  am  i.  März  1854  als  Gemeiner  in  das  damalige  8.  Infanterieregiment 
ein,  wurde  nach  etwa  einem  Jahre  Fähnrich  und  am  5.  Februar  1853  Sekond- 
leutnant.  Als  solcher  war  er  in  den  Jahren  1856  bis  1862  Bataillons-  bezw. 
Regimentsadjutant,  rückte  während  dieser  Dienstleistungen   am   17.  Okt.  1860 


236  von  Wulffen.     von  Wurmb. 

zum  Premierleutnant  auf  und  kam  am  29.  März  1862  als  Adjutant  zur  12.  Tn- 
fanterie-Bripade  bestehend  aus  den  Infanterieregimentern  Nr.  24  und  Nr.  64. 
Mit  diesem  Truppenteil  zog  W.  1864  in  den  deutsch-dänischen  Krieg,  in  dem 
er  sich  namentlich  während  der  Belagerung  und  dem  Sturm  auf  die  Düppeler 
Schanzen  am  18.  April  sowie  beim  Übergange  nach  der  Insel  Alsen  am 
29.  Juni  derartig  auszeichnete,  daß  er  sich  mehrere  Ordensdekorationen  er- 
warb. Im  November  desselben  Jahres  zum  Hauptmann  aufgestiegen,  trat  \V. 
als  Kompagniechef  zum  12.  Infanterieregiment  in  den  Frontdienst  zurück.  Im 
Feldzuge  von  1866  gegen  Österreich  führte  er  die  12.  Kompagnie  Grenadier- 
regiments Nr.  8  als  Chef  gegen  den  Feind,  nahm  mit  ihr  an  der  Schlacht  bei 
Königgrätz  teil  und  kehrte  ohne  weitere  Fährlichkeiten  nach  dem  Friedens- 
schlüsse in  die  heimische  Garnison  zurück.  Am  21.  Oktober  1869  wurde  \V. 
mit  Vorteil  in  das  2.  ostpreußische  Grenadierregiment  Nr.  3  versetzt,  gleich- 
zeitig jedoch  als  Adjutant  zum  Generalkomando  des  XI.  Armeekorps  ange- 
setzt. Bei  Ausbruch  der  Feindseligkeiten  gegen  Frankreich  am  20.  Juli  1870 
zum  Major  ernannt,  verblieb  er  in  seiner  Stellung  und  nahm  mit  dem  Korps 
an  allen  dessen  Kämpfen  (Weißenburg,  Wörth,  Sedan,  Paris)  teil,  sich  über- 
all auszeichnend.  Nach  Beendigung  des  Krieges  wurde  W.  von  seinem  Kom- 
mando enthoben  und  in  das  6.  thüringische  Infanterieregiment  Nr.  95  als 
Bataillonskommandeur  versetzt.  Hier  rückte  er  am  3.  Juli  1875  ^"^i  Oberst- 
leutnant auf,  wurde  im  Mai  1879  mit  der  Führung  des  Regiments  betraut  und 
kurz  darauf  zum  Oberst  ernannt.  Als  solcher  zunächst  mit  der  Führung  des 
2.  thüringischen  Infanterieregiments  Nr.  32  beauftragt,  erhielt  er  das  Kom- 
mando dieses  Regiments  endgültig  im  Dezember  1879.  ^^  befehligte  dieses 
bis  zum  Februar  1885,  zu  welchem  Zeitpunkte  er  als  Führer  zur  49.  Infanterie- 
brigade versetzt  wurde;  7  Monate  später  rückte  er  zum  Generalmajor  und 
Kommandeur  dieser  Brigade  auf  und  trat  am  22.  Juli  1888  in  den  erbetenen 
Ruhestand. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Wurmb,  Karl  von,  Generalleutnant  z.  D.,  *  26.  Oktober  1838  zu  Kohl- 
graben in  Sachsen-Weimar,  f  10.  Oktober  1902  zu  Charlottenburg.  —  \V.  hatte 
als  Knabe  Aufnahme  im  kurhessischen  Kadettenkorps  gefunden,  aus  dem  er 
am  26.  Mai  1857  als  Portdpeefähnrich  zum  kurhessischen  i.  Husarenregiment 
übertrat.  Seine  Dienstzeit  in  diesem  Truppenteil  war  nicht  von  langer  Dauer, 
denn  bereits  am  18.  Oktober  1857  wurde  er  unter  P>nennung  zum  Sekond- 
leutnant  zum  kurhessischen  Regiment  des  Gardes  du  Corps  versetzt.  Nach 
den  für  Kurhessen  unglücklichen  Ereignissen  des  Jahres  1866  suchte  W.  die 
Aufnahme  in  den  Verband  der  preußischen  Armee  nach,  infolgedessen  er  im 
Oktober  jenes  Jahres  dem  westfälischen  Kürassierregiment  Nr,  4  zugeteilt 
wurde,  in  dem  er  bereits  im  Februar  1867  zum  Premierleutnant  aufrückte. 
Ende  1868  erhielt  er  ein  Kommando  als  Adjutant  zur  3.  Garde-Kavallerie- 
brigade,  in  dem  er  bis  Januar  1870  tätig  war,  zu  w^elchem  Zeitpunkte  W.  als 
Rittmeister  und  Eskadronschef  in  den  Frontdienst  seines  Trupj)enteils  zu- 
rücktrat. Als  solcher  zeichnete  er  sich  an  der  Spitze  seiner  Eskadron  in  der 
Schlacht  bei  Vionville  besonders  aus.  Nach  dem  Frieden  wurde  W.  im  Juli 
1872  in  das  brandenburgische  Zieten-Husarenregiment  Nr.  3  versetzt,  erhielt 
im  April  1878   den   Charakter   und    im  September    des    gleichen  Jahres    das 


von  Wurmb.     Fehrenberg.  2^7 

Patent  als  Major,  wurde  auch  als  solcher  dem  Regiment  im  April  1880  aggre- 
giert. Zwei  Monate  später  wurde  \V.  als  etatsmäßiger  Stabsoffizier  zum  2. 
Garde-Ulanenregiment  in  Berlin  versetzt  und  erhielt  am  15.  Oktober  1885  das 
Kommando  des  i.  hannoverschen  Ulanenregiments  Nr.  13.  In  dieser  Stellung 
avancierte  W.  am  12.  Januar  1886  zum  Oberstleutnant  und  am  19.  September 
1888  zum  Oberst.  Als  solcher  wurde  er  unterm  24.  März  1890  zum  Komman- 
deur der  3.  Kavalleriebrigade  ernannt. und  am  16.  Mai  1891  zum  General- 
major befördert.  In  Genehmigung  seines  Abschiedsgesuches  trat  W.  unter 
Verleihung  des  Charakters  als  Generalleutnant  und  Stellung  zur  Disposition, 
am  14.  Mai  1894  in  den  erbetenen  Ruhestand. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Fehrenberg,  Hans,  Maler,  *  2.  November  1868  zu  Cassel,  f  27.  Oktober 
1902  zu  Bremen.  —  F.  entstammte  einer  angesehenen  Casseler  Familie.  Sein 
Großvater  war  Vizebürgermeister  der  Stadt  gewesen,  sein  Vater,  Philipp  F., 
Mühlenbesitzer  und  Kaufmann.  F.  besuchte  die  Realschule  seiner  Vaterstadt 
und  danach  die  dortige  Akademie  der  bildenden  Künste.  Seine  hauptsäch- 
lichsten Lehrer  waren  Georg  Koch  (f  1899),  der  Professor  der  Zeichenkunst, 
der  1903  verstorbene  Landschaftler  Emil  Neumann  und  der  Historienmaler 
Louis  Kolitz,  der  Direktor  der  Akademie.  1889  erhielt  er  das  von  der  Gräfin 
Luise  Böse  für  die  besten  Schüler  der  Akademie  ausgesetzte  Stipendium  und 
ging  nach  München,  wo  er  seitdem  seinen  eigentlichen  Wohnsitz  nahm.  Nur 
im  Sommer  pflegte  er  in  der  hessischen  Heimat  zu  arbeiten,  teils  in  dem 
Malerdorf  Willingshausen  in  dem  durch  seine  Sitten  und  Trachten  bekannten 
lieblichen  Schwalmgrunde,  teils  in  dem  niederhessischen  Dorfe  Gottsbüren  im 
Reinhardswalde,  das  einst  im  Mittelalter  durch  die  Auffindung  des  blutigen 
Leichnams  Christi  vorübergehend  eine  große  Rolle  als  Wallfahrtsort  gespielt 
hat.  In  München  hatte  F.  anfangs  seine  Arbeiten  im  Glaspalaste  ausgestellt,  von 
1893  ab  aber  in  den  Ausstellungen  der  Sezession,  deren  Mitglied  er  dann  auch 
wurde.  Im  Juli  1900  veranstaltete  er  eine  Ausstellung  seiner  Bilder  im  Casseler 
Kunsthause,  die  viele  Beachtung  fand.  Im  Herbst  des  folgenden  Jahres  wollte 
er  in  die  Lüneburger  Heide  reisen,  nach  Worpswede,  dessen  Schule  seine 
ganze  Sympathie  hatte.  Statt  dessen  kam  er  nach  Bremen  ins  Irrenhaus,  wo 
der  Bedauernswerte  im  Alter  von  nur  34  Jahren  am  27.  Oktober  1902  starb. 
Sein  Tod  war  das  Ende  langer  Leiden. 

Mit  F.  ist  ein  hochbegabter  Künstler  dahingegangen,  der  auf  dem  Gebiete 
der  Landschaftsmalerei  vortreffliches  zustande  gebracht  hat.  Hätte  er  länger 
gelebt,  so  würde  auch  die  Anerkennung  weiterer  Kreise,  um  die  der  stille 
bescheidene  Mensch  sich  nie  bemühte,  nicht  ausgeblieben  sein.  So  ging  er, 
von  nur  wenigen  verstanden,  einsam  durchs  Leben.  Seine  im  bayrischen 
Weßling,  in  Alling  und  Fürstenfeld  und  später  in  Willingshausen  und  Gotts- 
büren entstandenen  landschaftlichen  Stimmungsbilder  waren  seinem  Wesen 
entsprechend  eigenartig,  persönlich  in  Anschauung,  in  Ton  und  Technik  und 
in  der  Darstellung  von  großer  Tiefe.  Ein  Hauch  von  Romantik  und  Schwer- 
mut lag  über  seinen  Bildern,  meist  kleineren  Sachen,  unter  denen  besonders 
die  Herbststücke  und  Mondscheinlandschaften  sich  durch  die  Wärme  der 
Farbengebung  auszeichneten.  Seine  Sujets  waren  die  denkbar  einfachsten: 
ein  einzelnes  Bauernhaus  mitten  im  Bilde  stehend,    ein  Feld  mit  ein  paar 


238  Fehrenberg.     Vilmar. 

Hütten,  ein  einzelner  Baum  mit  herbstlicher  Belaubung,  ein  Bächlein  im  Tale, 
dunkle  Abendwolken  über  dem  Herbstwald  —  aber  alles  war  mit  der 
Empfindung  des  echten  Künstlers  und  Dichters  gemalt  ohne  jede  Effekt- 
hascherei, weshalb  wohl  auch  zu  seinen  Lebzeiten  so  gut  wie  kein  Publikum 
für  seine  Werke  vorhanden  war.  Erst  nach  seinem  Tode  und  nachdem  sein 
ganzer  Nachlaß  im  März  1903  in  Cassel  ausgestellt  war,  mehrten  sich  die 
Stimmen   derer,   die  das  Streben    und   Wirken    des  Verstorbenen    in    vollem 

Maße  anerkannten. 

Zeitungsnachrichten.  —  Nekrolog  von  G.  in  Casscler  Allgem.  Zeitung  vom  31.  Oktober 
1902.  —  W.  S(chäfcr)  im  Hcssenland  16,  294.  Ph.   Losch. 

Vilmar,*)  Wilhelm  Immanuel,  Renit.  Pfarrer  und  Schul  Vorsteher,  *  9.  Mai 
1840  zu  Rotenburg  i.  H.,  f  12.  April  1902  zu  Melsungen.  —  V.  war  der  Sohn 
des  renitenten  Metropolitans  Wilhelm  Vilmar  und  ein  Neffe  des  bekannten 
Theologen,  Literarhistorikers  und  Politikers  August  Friedrich  Christian  Vilmar 
Beide  Brüder,  so  grundverschieden  sie  in  ihrer  Natur  auch  waren,  haben  dem 
kirchlichen  Leben  in  Kurhessen  den  Stempel  ihrer  Persönlichkeit  aufgedrückt, 
der  ältere,  August,  in  den  Zeiten  vor  der  Annexion,  während  Wilhelm,  der 
Jüngere,  die  Macht  seiner  Persönlichkeit  besonders  in  den  Jahren  nach  1866 
geltend  machte.  Wilhelm  Immanuel  V.  war  in  allem  der  getreue  Schüler  seim."^ 
Vaters.  Gleich  ihm  studierte  er  Theologie,  erst  in  Erlangen,  dann  in  Mar- 
burg und  saß  hier  zu  den  Füßen  seines  von  ihm  hochverehrten  Oheims.  Nach 
bestandenem  Examen  kehrte  er  nach  Melsungen  zurück,  wo  sein  Vater  seit 
1852  Metropolitan  war.  Als  dieser  infolge  seiner  Anhänglichkeit  an  das 
angestammte  Herrscherhaus,  das  übrigens  der  Familie  V.  bis  dahin  herzlich 
wenig  Gunst  gezeigt  hatte,  von  seinem  Amte  zeitweise  suspendiert  wurde,  da 
wurde  der  Sohn  zum  Pfarrer  ordiniert.  Als  Gehilfe  des  Vaters  trat  er  sein 
Amt  an  und  ein  rechter  treuer  Gehilfe  ist  er  ihm  lange  gewesen,  bis  er 
schließlich  sein  Nachfolger  wurde.  Die  auf  das  Jahr  1866  folgenden  kirch- 
lichen Kämpfe  in  Kurhessen  entbrannten  immer  heftiger,  und  beide  Vilmars 
nahmen  lebhaften  Anteil  daran.  Im  Laufe  des  Streites  um  die  Synodal- 
verfassung wurde  der  Metropolitan  1869  wiederum  suspendiert.  Wenige  Jahre 
später  erfolgte  der  offene  Ausbruch  der  Renitenz  eines  großen  Teils  der 
hessischen  Geistlichkeit  gegen  das  von  der  preußischen  Regierung  aufoktroyierte 
neue  Gesamtkonsistorium,  infolge  deren  nahezu  50  kurhessische  Pfarrer  abgesetzt 
wurden.  Auch  die  beiden  Vilmars  befanden  sich  unter  den  Renitenten,  die 
die  Maßregeln  des  Konsistoriums  und  also  auch  die  Absetzung  nicht  aner- 
kannten, vielmehr  die  dem  Konsistorium  gehorchenden  Amtsbrüder  als  Ab- 
trünnige der  alten  hessischen  Kirche  ansahen.  Ein  großer  Teil  der  Renitenten 
fiel  den  bittersten  Nahrungssorgen  anheim,  und  mancher  wurde  dadurch  ver- 
anlaßt, die  Heimat  zu  verlassen  und  in  anderen,  vom  preußischen  Kirchen- 
regiment und  der  gefürchteten  Union  unberührten  Ländern  eine  neue  Heimat 
und  einen  neuen  Wirkungskreis  zu  suchen.     Die  Zurückgebliebenen  mit  ihren 

«)  Der  Name  wird  deutsch  (nicht  Wilniar!)  ausgesprochen.  Das  versteht  sich  eigent- 
lich von  selbst,  verdient  aber  doch  hervorgehoben  zu  werden  angesichts  der  immer  mehr 
von  Norddeutschliind  aus  sich  verbreitenden  Unsitte ,  das  V  in  deutschen  Namen  (Vihnar, 
Varientrapp,  Vaihinger,  auch  Virchow  gehört  hierher)  wie  W  auszusprechen. 


Vilinar.     Turba. 


239 


zusammengeschmolzenen  Gemeinden  scharten  sich  um  ihre  Führer,  unter  denen 
der  Metropolitan  V.  der  weitaus  Bedeutendste  war.  In  den  auf  die  Absetzung 
folgenden  mannigfachen  Verfolgungen  und  Drangsalierungen  kam  es  ihm  sehr 
zu  statten,  daß  sein  Sohn  Wilhelm  Immanuel  schon  vor  dem  Ausbruch  der 
Renitenz  den  glücklichen  Gedanken  gefaßt  und  durchgeführt  .hatte,  sich  und 
seiner  Familie  eine  unabhängige  Existenz  zu  schaffen.  Er  hatte  in  Melsungen 
1869  eine  große  Erziehungs-  und  Lehranstalt  gegründet,  die  trotz  und  z.  T. 
auch  gerade  wegen  der  ausgesprochenen  kirchlichen  und  politischen  Stellung 
ihres  Leiters  bald  zu  großer  Blüte  gelangte.  V.s  Persönlichkeit  und  sein  Talent 
als  Lehrer  und  Erzieher  verschafften  dem  jetzt  noch  bestehenden  Institut 
einen  Ruf,  der  weit  über  das  kleine  Fuldastädtchen  und  über  die  Grenzen 
des  Hessenlandes  hinausreichte. 

Nach  dem  Tode  seines  Vaters  (1884),  an  dem  er  mit  unbeschreiblicher 
Liebe  und  Verehrung  gehangen  hatte,  bekannte  V.  in  feierlicher  Grabrede,  daß 
er  sich  »mit  seiner  ganzen  Person  voll  und  ganz  in  das  von  ihm  hinterlassene 
Erbe  stelle«.  Es  war  keine  sorgenlose  Erbschaft,  die  er  damit  antrat.  Die 
hessische  Renitenz  hatte  sich  zum  Teil  nicht  ohne  Verschulden  des  alten 
eisenköpfigen  Metropolitans  innerlich  gespalten,  und  so  sehr  auch  V.  unter  den 
eingetretenen  Irrungen  und  Wirrungen  leiden  mochte,  er  erlebte  es  nicht,  daß 
die  getrennten  Glieder  seiner  Kirchengemeinschaft  sich  wieder  vereinigten, 
und  die  speziellen  kirchlichen  Gründungen  seines  Vaters,  das  Melsunger 
Missionshaus  und  das  hessische  Diakonissenhaus,  genannt  Gertrudenstift  (nach 
der  Fürstin  Gertrude  von  Hanau,  Gemahlin  des  Kurfürsten  von  Hessen,  so 
genannt),  bereitete  ihm  manche  Sorge  und  Kummer.  Trotzdem  führte  er,  der 
abgesehen  von  seiner  hervorragenden  Predigtgabe  an  sich  nicht  gerade  zum 
Theologen  geboren  erschien,  den  kirchlichen  Kampf  für  das  Bekenntnis  und 
die  Ordnungen  der  hessischen  Landeskirche  im  Sinne  seines  Vaters,  so  wie 
er  ihn  verstand,  weiter,  obwohl  die  Zahl  der  Freunde,  die  ihm  dabei  zur 
Seite  standen,  mit  der  Zeit  recht  klein  geworden  war.  In  den  letzten  Jahren 
seines  Lebens  fand  eine  Annäherung  der  seit  zwanzig  Jahren  getrennten  Glieder 
der  Renitenz  statt,  die  jedoch  zu  keiner  Wiedervereinigung  führte  zum  Teil, 
weil  V.  durch  Nachgiebigkeit  seinerseits  das  Andenken  seines  Vaters  zu 
kränken  fürchtete. 

Im  Herbst  1901  traf  ihn,  der  seit  einiger  Zeit  kränkelte  und  daneben  von 
mancherlei  Sorge  auch  materieller  Natur  heimgesucht  war,  ein  Schlaganfall, 
von  dem  er  sich  nicht  wieder  erholte.  Am  12.  April  1902  starb  er  zu  Melsungen, 
der  Stadt,  die  seit  einem  halben  Jahrhundert  die  Heimat  seiner  Familie  war 
und  die  seit  dieser  Zeit  gleichsam  als  die  Hochburg  des  vilmarischen  Geistes 
in  Hessen  galt. 

Vgl.  Ph.  Vilmar,  Übersicht  der  Familie  Vilmar.  S.  23.  —  Nekrolog  von  Grebe  in: 
Hess.  Blätter.     Nr.  2748.  —  Melsunger  Missionsblatt   1902,   loflf.  Ph.   Losch. 

Türba,  Marie  Sidonie,  Schauspielerin  und  Sängerin,  f  23.  Juni  1902  zu 
Cassel.  —  Die  T.  war  eine  geborene  Wienerin.  Wann  sie  geboren,  ließ  sich 
nicht  bestimmt  ermitteln,  da  sie  wie  so  viele  andere  Bühnenkünstlerinnen 
unerschütterliches  Schweigen  darüber  zu  wahren  verstand.  Da  sie  indessen 
nach  dem  Eintrag  im  Casseler  Standesamtsregister  im  Alter  von  79  Jahren 
gestorben  ist,   so  muß  ihr  Geburtsjahr  um  das  Jahr  1823  fallen.     Sidonie  T. 


240  Turba.     Schwank. 

wurde  zu  Anfang  der  vierziger  Jahre  von  Franz  von  Holbein  als  jugendlich 
dramatische  Sängerin  für  das  Hoftheater  zu  Hannover  engagiert,  wo  sie  elf 
Jahre  lang,  später  als  vortreffliche  Soubrette  wirkte.  Von  Hannover  kam  sie 
an  das  Stadttheater  zu  Frankfurt  a.  M.  und  war  danach  unter  Direktor  Moritz 
Ernst  in  Mainz,  Nürnberg,  Aachen  und  Cöln  tätig,  bis  sie  im  Jahre  1867  an 
das  Casseler  Hoftheater  als  Nachfolgerin  der  Podesta-Molendo  (vergl.  unten 
S.  241)  engagiert  wurde.  Sie  war  damals  schon  nicht  gerade  mehr  in  jugend- 
lichem Alter  und  hat  trotzdem  doch  noch  nicht  weniger  wie  dreiunddreißig 
Jahre  lang  der  Casseler  Bühne  ihre  vortrefflichen  Dienste  in  den  ver- 
schiedensten Rollen  als  Sängerin  und  Schauspielerin  geleistet.  Geradezu 
unübertroffen  war  sie  im  Fache  der  komischen  Alten.  Als  hochbetagte  Greisin 
trat  sie  am  14.  September  1900  zum  letzten  Male  als  »altes  Weiblein*  in 
Raimunds  Verschwender  vor  das  Publikum,  das  seinem  alten  Lieblinge 
stürmische  Ovationen  bereitete,  während  der  Intendant  von  Gilsa  in  seinen 
Abschiedsworten  erklärte,  daß  sie  für  das  Casseler  Theater  »einfach  uner- 
setzlich« sei.  Genau  zwei  Jahre  später  besuchte  sie  ihr  altes  Theater  zum 
letzten  Male,  diesmal  als  Zuschauerin.  Wenige  Tage  darauf  wurde  sie  von 
einem  Schlaganfall  getroffen,  infolgedessen  sie  am  23.  Juni  verschied. 

Casseler  AUgem.  Zeitung  vom  15.  Juni  1900.  —  Casseler  Tageblatt  vom  23.  Juni  1902. 
(Bcnnccke)  Krinnerungen  a.  d.  Cassel.  Hoftheatcr  in:  Cass.  Tagcbl.  v.  12.  Jan.  1892. 

Ph.  Losch. 


Schwank,  Adam  Joseph,  Amtsgerichtssekretär  a.  D.,  *  18.  Januar  1820 
zu  Fulda,  t  ^5-  April  1902  zu  Frankfurt  a.  M.  —  Seh.  war  ein  Sohn  des  kur- 
fürstlichen Rentmeisters  Ignaz  Schwank  zu  Fulda,  besuchte  das  dortige  Gym- 
nasium und  studierte  darauf  seit  1840  zu  Marburg  Rechtswissenschaft.  Als 
flotter  Korpsstudent  nahm  er  regen  Anteil  an  dem  damaligen  studentischen 
Leben,  von  dem  er  später  eine  anziehende  Schilderung  in  seinen  im  »Hessen- 
land« (Jg.  1889  u.  1894)  erschienenen  »Marburger  Erinnerungen«  entworfen  hat. 
Nach  dem  Examen  trat  er  in  den  kurhessischen  Justizdienst  und  war  von  1852  bis 
1865  Garnisonsauditeur  in  Fulda  und  Hanau,  bis  er  im  Jahre  1865  als  Aktuar  an 
das  Justizamt  zu  Naumburg  i.  H.  überging.  187 1  nach  Cassel  versetzt,  ließ 
er  sich  1880  pensionieren,  hauptsächlich  weil  er  die  in  preußischer  Zeit  ein- 
getretene Degradierung  der  alten  hessischen  (studierten)  Aktuare  zu  Subaltem- 
beamten  nicht  verwinden  konnte.  Nach  seiner  Pensionierung  lebte  er  eine 
Zeitlang  in  Wahlerhausen  bei  Cassel,  siedelte  aber  später  nach  Frankfurt,  dem 
Geburtsort  seiner  Gattin,  über.  Hier  beschäftigte  er  sich  in  reger  Weise  mit 
schriftstellerischen  Arbeiten,  die  meist  dem  Gebiete  der  fuldischen  und  hessi- 
schen Geschichte  angehörten  und  in  verschiedenen  Zeitschriften,  besonders 
dem  »Hessenlande«  und  den  »Hessischen  Blättern«  veröffentlicht  sind.  Hoch- 
verdient machte  er  sich  dadurch,  daß  er  bereits  im  Jahre  1886  seine  ansehn- 
liche, meist  aus  Hassiaca  und  Fuldensia  bestehende  Bibliothek,  die  er  selbst 
auf  6 — 7000  Bände  schätzte,  der  Landesbibliothek  seiner  Vaterstadt  zum 
Geschenk  überwies. 

Ungedruckte  SclbstV)iographie.  —  Nekrologe  in  Hessenland   16,   124  (m.  Bibliogr.  seiner 
Beiträge)  u.  Hessische  Blätter,  Jg.  31,  Nr.   2851. 

Ph.  Losch. 


Schultheis.     Podesta«     Stent.  24 1 

Schultheis,  Leonhard  Felix  Georg  Anton,  Bibliothekssekretar  zu  Cassel, 
*  19.  November  1820  zu  Fulda,  f  13.  April  1902  zu  Cassel.  —  Seh.  war  ein 
Sohn  des  Regierungsrates  Peter  Aloys  Schultheis,  der  später  an  das  Ober- 
appellationsgericht  nach  Cassel  berufen  wurde.  Er  studierte  in  Marburg  und 
Göttingen  Philologie  und  wirkte  danach  eine  Zeitlang  als  Lehrer  am  Gym- 
nasium seiner  Vaterstadt  Fulda.  Im  Jahre  1848  trat  er  bei  der  Casseler 
Landesbibliothek  als  Praktikant  ein,  wurde  1865  zum  Sekretariatsgehülfen  und 
1872  zum  Bibliothekssekretar  ernannt.  Mehr  als  40  Jahre  diente  er  dieser 
Anstalt  als  ein  besonders  uneigennütziger  und  fleißiger  Beamter,  bis  er  am 
I.  Januar  1889  in  den  wohlverdienten  Ruhestand  trat. 

Nekrolog  in  Hessische  Blätter  Nr.  2848.  Ph.  Losch. 

Podesta,  Kunigunde  Auguste  Emestine,  geb.  Molendo,  Sängerin  und 
Schauspielerin,  *  27.  Dezember  1827  zu  Bayreuth,  f  29.  Dezember  1902  zu 
Cassel.  —  Demoiselle  Molendo  war  schon  in  sehr  jugendlichem  Alter  1844 
als  Sängerin  am  Hof-  und  National theater  zu  München  engagiert  und  wirkte 
danach  als  beliebte  Soubrette  von  1845 — 185 1  am  Kurfürstlichen  Hoftheater 
zu  Cassel.  Von  dort  ging  sie  an  das  vereinigre  Stadttheater  in  Hamburg, 
war  dann  in  verschiedenen  kürzeren  Engagements  am  Stadttheater  zu  Mainz 
(1852  — 1853),  am  Hoftheater  zu  Wiesbaden  (1854 — 1856),  sowie  an  den 
Theatern  von  Krakau,  Augsburg  und  Lübeck  tätig.  Nachdem  sie  sich  im 
Jahre  1857  mit  dem  Schauspieler  Franz  Podesta  vermählt  hatte,  kehrte  sie 
1862  an  das  kurfürstliche  Hoftheater  in  Cassel  zurück,  wo  sie  ihre  ersten 
Triumphe  als  Soubrette  gefeiert  hatte  und  nunmehr  als  komische  Alte  gleich- 
falls ein  Liebling  des  Publikums  war.  Die  Umwandlung  des  Theaters  in 
eine  preußische  Hofbühne  machte  sie  nicht  mit  und  trat  1867  als  Mitglied 
der  Pensionsanstalt  des  Casseler  Theaters  in  den  Ruhestand,  den  sie  noch 
35  Jahre  genoß.  Sie  starb  an  einem  Schlaganfall  im  Elisabethenkloster  zu 
Cassel  zwei  Tage  nach  ihrem  75.  Geburtstage. 

Deutscher  Bühnen-Almanach.  —  Mitteilungen  d.  ehemal.  Hoftheatersekr.  W.  Bennecke 
zu  CasseL  Ph.  Losch. 

Stern,  Johann  Wilhelm,  Direktor  des  Reichsratsstenographenbureaus  zu 
Wien,  *  22.  September  1829  in  Harlingerode  (Harz),  f  7.  Juni  1902  in  Kloster- 
neuburg. —  St.  genoß  den  erstea  Unterricht  bei  seinem  Vater  (Kreisphysikus), 
besuchte  das  Gymnasium  zu  Halle  a.  S.,  studierte  dort  Philosophie  und  Philo- 
logie, wurde  dann  Avantageur  im  braunschweigischen  Heere,  focht  1848/49 
im  Schleswig-Holsteinischen  Kriege,  beteiligte  sich  am  13.  April  1849  am 
Sturme  gegen  die  Düppler  Schanzen,  wofür  er  am  31.  Oktober  1891  vom 
Prinzen  Albrecht  von  Preußen  als  Regenten  des  Herzogtums  Braunschweig 
die  Erinnerungsdenkmünze  erhielt,  trat  1853  als  Kadett  der  k.  k.  Armee  beim 
Infanterieregiment  Baron  Wemhardt  Nr.  16  ein,  wurde  am  i.  April  1854 
Leutnant,  später  Bataillons-  und  Regimentsadjutant,  auf  dem  Schlachtfelde 
von  Lodi  Brigadeadjutant  1859,  kämpfte  bei  Solferino  mit  Auszeichnung, 
wurde  hierauf  Inhaberadjutant,  führte  im  Mai  1866  als  Hauptmann  die  7.  Feld- 
kompagnie seines  Regiments  gegen  Preußen  ins  Feld  und  schlug  sich  tapfer 
bei  Aschaffenburg,  Tauberbischofsheim,  Rinderfeld  und  Würzburg.  Wegen 
Rheumatismus  wurde  er  am  i.  September  1867  zeitlich,  am  i.  September  1868 

BiogT.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.    7.  Bd.  16 


242 


Stem.     Pressel. 


dauernd  pensioniert.  Die  Bedeutung  der  Stenographie  erkannte  er  als  Ad- 
jutant. Er  erlernte  sie  bei  dem  Direktor  des  Reichsratsstenographenbureaus 
Conn  in  dem  Militärkursus  1859/61.  Am  i.  September  1867  wurde  er  Revisor 
der  »Reichsratskorrespondenz«  und  rückte  vom  Mitgliede  zum  Direktor  des 
Reichsratsstenographenbureaus  am  i.  Oktober  1876  auf.  Von  1867/68  an  leitete 
er  unentgeltliche  stenographische  Kurse  für  Offiziere,  Militärbeamte  und  Unter- 
offiziere. Am  3.  Oktober  1869  bestand  er  die  Stenographielehrerprüfung  in 
Wien  mit  vorzüglichem  Ergebnis.  Er  war  als  Parlamentsstenograph  mehrere 
Sessionen  im  Niederösterreichischen  Landtage  tätig,  vom  Herbste  187 1  an  als 
Vertreter  Conns,  aber  auch  in  Mähren,  und  er  versah  auch  Steiermark,  Kämthen, 
Krain  und  die  Bukowina  mit  amtlichen  Stenographen.  Er  entfaltete  nebenher 
vor  Gericht  (2itägiger  Prozeß  des  Barons  Ofenheim)  und  bei  Aktiengesell- 
schaften und  Vereinen  eine  ausgedehnte  Privatpraxis.  Vom  8.  November  1873 
bis  8.  April  1886  war  er  Fachexaminator  bei  der  k.  k.  Staatsprüfungskom- 
mission für  das  Lehramt  der  Stenographie  zu  Wien.  An  der  Wiener  Handels- 
akademie lehrte  er  von  1869 — 1874.  Während  er  auf  Grund  seiner  militäri- 
schen Laufbahn  als  Hauptmann  die  Schrift  »Die  Stenographie  in  ihrer  Ver- 
wertung für  militärische  Zwecke«  (Wien  1867)  veröffentlicht  hatte,  drängte  ihn 
die  unterrichtliche  Tätigkeit  im  Jahre  187 1  zur  Abfassung  seiner  »Militär- 
Stenografie,  Lehrbuch  der  deutschen  Stenografie  nach  Gabelsbergers  System 
für  den  Gebrauch  an  Militär-Schulen«  (2.  Aufl.  Wien  1879).  »In  Anerkennung 
der  als  Lehrer  auf  dem  Gebiete  der  Stenographie  geleisteten  uneigennützigen 
und  ersprießlichen  Dienste«  wurde  St.  am  7.  September  1875  zum  Ritter  des 
Franz  Josefs -Ordens  ernannt;  1897  folgte  der  Orden  der  Eisernen  Krone 
3.  Klasse.  Am  24.  Dezember  1889  war  ihm  bei  seinem  Übertritte  in  den  Land- 
wehrruhestand der  Majorscharakter  ad  horwres  verliehen,  Anfang  189 1  war  er 
zum  Regierungsrate  befördert,  am  22.  August  1891  durch  Graf  Taaffe  als 
Staatsdiener  vereidigt  worden.  Wegen  seiner  Bemühungen  um  die  Systemisie- 
rung  (=  Etatisierung)  der  Reichsratsstenographenstellen  ernannte  ihn  der 
Wiener  Zentral  verein,  dem  er  seit  1860  als  ausübendes  Mitglied,  1869 — 7° 
und  1877 — 89  als  Vorstandsmitglied  angehört  hatte,  im  März  1897  zu  seinem 
Ehrenmitgliede.  In  den  Ruhestand  trat  er  am  4.  Februar  1899  unter  Aller- 
höchster Anerkennung  seiner  Verdienste.  Er  widmete  sich  als  Greis  dem 
Waidwerke,  der  Kellerwirtschaft  und  dem  »Eigenbaue«.  Nach  einem  taten- 
und  arbeitsreichen  Leben  fand  er  im  73.  Lebensjahre  fern  von  seiner  braun- 
schweigischen  Heimat  die  letzte  Ruhestätte. 

Österreichische   Blätter    für    Stenographie   1902,   S.  89flf.   —   Deutsche   Stenographen- 
Zeitung  1902,  S.  317  ff. 

Dresden.  Robert  Fuchs. 

Pressel,  Wilhelm,  *  28.  Oktober  1821  in  Stuttgart,  f  16.  Mai  1902  in 
Konstantinopel.  —  Auf  den  ersten  Seiten  der  Eisenbahngeschichte  des  Fest- 
landes steht  P.s  Name  als  der  Name  eines  der  bedeutendsten  Ingenieure  jener 
Zeit.  Als  auf  der  Ebene  von  Rainhill  die  Lokomotive  Stephensons  siegte, 
war  P.  in  die  Schuljahre  hineingewachsen,  und  als  die  württembergische 
Regierung  im  Jahre  1843  ^^"  ^^"  eines  Eisenbahnnetzes  in  Angriff  nahm, 
verließ  der  Jüngling  die  technische  Schule  zu  Stuttgart,  um  das  kurz  zuvor 
angetretene  Lehramt  mit  der  Praxis  zu  vertauschen.     Dazwischen  lag  freilich 


Pressel. 


243 


viel  junges  und  doch  ernstes  Leid!  Wilhelm,  der  begabteste  unter  den  zwölf 
Kindern  seiner  Eltern,  sollte  nach  dem  Willen  seines  Vaters,  der  Bäcker- 
meister und  Landwirt  war,  ebenfalls  Landwirt  werden;  es  gab  harte  Kämpfe, 
ehe  ihm  gestattet  wurde,  die  Gewerbeschule  zu  besuchen  und  sich  zum  Stein- 
metz auszubilden;  nur  heimlich,  in  der  Dachkammer  verborgen,  konnte  Wilhelm 
sich  durch  das  Studium  mathematischer  Werke  weiter  ausbilden.  Die  grau- 
same, verständnislose  Strenge  des  Vaters  trieb  ihn  schließlich  aus  dem  Hause; 
zwei  Jahre  hindurch  wanderte  er,  eifrig  lernend  und  forschend,  durch  Frank- 
reich und  England,  bis  er  (1841)  heimkehrte,  sich  mit  dem  Eltern  aussöhnte 
und  die  Vertretung  des  erkrankten  Professors  für  darstellende  Geometrie  am 
Polytechnikum  übernahm.  Karl  von  Etzel  war  es,  der  P.  für  die  Praxis  er- 
oberte und  der  ihn  auch  im  Jahre  1853  zum  Baue  der  schweizerischen  Zentral- 
bahn berief.  Hier  verhalf  P.  der  englischen  Tunnelbauweise  zum  Siege,  in- 
dem er  sie  mit  glänzendem  Erfolge  durchführte;  auch  brachte  er  als  Erster 
die  Übergangsbogen  zwischen  geraden  und  gekrümmten  Strecken  zur  An- 
wendung und  begründete  ihre  Notwendigkeit  in  wissenschaftlicher  Weise. 
Über  den  interessanten  Bau  des  Hauenstein-Tunnels  veröffentlichte  P.  (1860) 
gemeinsam  mit  Wilhelm  Kauffmann  ein  noch  heute  lesenswertes  Werk. 

Im  Jahre  1862  folgte  P.  einem  Rufe  zur  österreichischen  Südbahn,  die 
damals  unmittelbar  vor  dem  Baue  großer,  wichtiger  Verkehrswege  stand  und 
deren  leitende  Persönlichkeiten,  zu  denen  auch  Etzel  gehörte,  einen  ganz  be- 
sonderen Wert  auf  die  Mitwirkung  P.s  bei  der  Überschienung  des  Brenner- 
passes legten.  Seine  Wirksamkeit  im  Dienste  der  Südbahn  begründete  seinen 
dauernden  Ruhm  als  Eisenbahn-Bauingenieur.  P.  war  Etzels  rechte  Hand. 
Alles,  was  fortan  bei  der  Südbahngesellschaft  auf  dem  Gebiete  der  Ingenieur- 
baukunst hervorragendes  und  bahnbrechendes  geleistet  worden  ist,  muß  — 
wenn  es  auch  vor  der  W^elt  Etzels  Namen  trägt  —  zum  überwiegenden  Teile 
auf  P.s  Tätigkeit  zurückgeführt  werden.  P.s  wichtigste  Aufgabe  als  Ober- 
inspektor und  stellvertretender  Baudirektor  bestand  zunächst  in  der  obersten 
Leitung  der  Entwürfe  und  Bauarbeiten  der  Brennerbahn  (Innsbruck — Bozen), 
deren  Linienführung  A.  Thommen  bereits  in  Angriff  genommen  hatte.  Von 
P.  stammt  die  Lösung  mehrerer  schwieriger  Probleme  und  die  Verbesserung 
mancher  Detailentwürfe;  P.s  Werk  sind  die  Kehrtunnels,  die  Bachtunnels, 
und  die  Wehranlagen  in  der  Sill,  welch  letztere  die  Ausnagung  der  Flußsohle 
und  das  Abbrechen  der  Tailehnen  bestens  verhüten.  Im  Vereine  mit  Thommen 
entwarf  P.  eine  Reihe  von  Musterplänen,  ferner  Bedingnishefte  für  die  Ver- 
gebung der  Bauarbeiten  und  Instruktionen  für  den  Baudienst  —  alles  Arbeiten, 
die  für  jene  Zeiten  bahnbrechend  waren  und  für  die  Zukunft  vorbildlich 
wurden. 

Nach  Etzels  Tod  (2.  Mai  1865)  wurde  P.  sein  Nachfolger  und  Bau- 
direktor der  Südbahngesellschaft.  Als  solcher  nahm  er  den  Bau  der  Puster- 
talbahn  (Villach — Franzensfeste)  in  Angriff;  die  ausnehmend  schwierige  Linien- 
führung, die  von  seinem  Nachfolger  nicht  zum  Vorteile  verändert  wurde,  war 
ein  vollendetes  Meisterwerk.  Auch  der  Bau  der  neuen  ungarischen  Linien 
der  Südbahn  (Kanisza — Bares,  Steinbrück — Sissek,  St.  Peter — Fiume)  wurde 
unter  P.  begonnen,  der  hierfür  beachtenswerte  Pläne  für  Holzbrücken  aus- 
arbeiten ließ.  Leider  folgte  P.  im  Jahre  1869  den  Anerbietungen  des  Baron 
Hirsch,  die  Trassierung  und  Bauleitung  von  Hauptbahnen  in  der  europäischen 

i6^ 


244 


Pressel. 


Türkei  zu  übernehmen.  P.  empfand  es  als  einen  mächtigen  Anreiz,  das  dem 
Weltverkehr  entrückte  türkische  Reich  mit  seiner  begabten,  gutgearteten,  aber 
herabgekommenen  Bevölkerung  in  die  Reihe  der  Kulturstaaten  zu  erheben 
und  die  reichen  aber  verschütteten  Hilfsquellen  des  gesegneten  aber  ver- 
armten Landes  neu  zu  erschließen.  Mit  größtem  Eifer  wandte  sich  P.  der 
ihn  begeisternden  Tätigkeit  zu,  zerwarf  sich  aber  sehr  bald  mit  Hirsch,  dem 
er   nicht   als   Werkzeug   eines   rücksichtslosen   Ausbeutertums   dienen   wollte. 

Im  Jahre  1872  erfolgte  seitens  der  türkischen  Regierung  P.s  Berufung 
zum  kaiserlichen  Generaldirektor  der  ottomanischen  Eisenbahnen.  Schon  ein 
Jahr  später  vollendete  er  den  Entwurf  des  6800  km  langen  anatolischen  Eisen- 
bahnnetzes. Durch  diese  Studien  wurde  Anatolien  wiedererschlossen  und  der 
Bau  der  Bagdadbahn  ernstlich  angeregt.  Trotzdem  das  Gewinnmachertum, 
dem  P.s  Rechtlichkeit  sehr  im  Wege  stand,  ihm  große  Schwierigkeiten  bereitete, 
ihn  auch  aus  der  Türkei  verdrängte,  gab  er  die  Hoffnung  auf  ein  erfolgreiches 
Wirken  nicht  auf  und  lehnte  sowohl  die  Berufung  als  Generaldirektor  der 
österreichischen  Staatseisenbahnen,  wie  auch  jene  als  Baudirektor  der  Gott- 
hardbahn  ab.  Gegen  Ende  der  achtziger  Jahre  trat  er  mit  dem  Finanzmann 
von  Kaulla  und  dem  Leiter  der  »Deutschen  Bank«  von  Siemens  in  Verbindung, 
welche  Männer  wohl  seine  großartigen  Pläne  akzeptierten,  ihn  selbst  aber 
bei  Seite  schoben  und  zu  beseitigen  versuchten.  Im  Jahre  1898  ging  er  trotz 
seines  hohen  Alters  auf  den  »Kampfplatz«  von  Konstantinopel.  Hier  harrte 
seiner  eine  ununterbrochene  Reihe  bitterer  Enttäuschungen,  die  aber  seine 
Tatkraft  nicht  zu  beugen  vermochten.  Mit  dem  Eifer  eines  Jünglings,  mit 
der  Begeisterung,  die  nur  eine  gute  Sache  verleiht,  kämpfte  er  gegen  die 
Übermacht  seiner  Gegner,  die  vor  keinem  Mittel  zurückschreckten,  um  den 
gefürchteten  Mann,  der  ihre  Geldgeschäfte  schonungslos  aufdeckte  und  zu 
stören  drohte,  zu  vernichten.  Der  Tod  kam  ihnen  zu  Hilfe.  P.  starb  nach 
kurzem  Krankenlager  im  deutschen  Hospitale  zu  Pera  am  16.  Mai  1902. 
Die  deutschen  Fachblätter  und  Tagesblätter  nahmen  mit  sehr  wenigen  Aus- 
nahmen entweder  gar  keine  Notiz  von  seinem  Hinscheiden  oder  begleiteten 
dasselbe  mit  einigen  wenigen  eben  so  unzutreffenden  als  ungerechten  Worten. 
Der  Österreichische  Ingenieur-  und  Architektenverein  gewährte  seiner  Wittwe 
in  Anerkennung  der  hohen  Verdienste  P.s  um  das  Ingenieurwesen  eine  jähr- 
liche Ehrengabe  und  die  österreichische  Südbahngesellschaft  ehrte  das  An- 
denken ihres  ehemaligen  genialen  Baudirektors,  indem  sie  im  Vestibüle  ihres 
Aufnahmsgebäudes  in  Wien  dessen  Reliefbild  anbringen  ließ.  P.  war  nicht 
nur  ein  hervorragender  Ingenieur,  ein  tüchtiger,  scharfblickender  Volkswirt, 
sondern  auch  ein  edler,  vornehmer  Mann  von  unbeugsamer  Rechtlichkeit, 
seltener  Treue,  unendlicher  Arbeitskraft  und  ungewöhnlicher  Ausdauer. 

Außer  der  erwähnten  Studie  über  den  Hauensteintunnel  hat  P.  noch 
veröffentlicht:  »Ventilation  und  Abkühlung  langer  Alpentunnels«  (1881),  »ein 
neues  Oberbausystem«  (Langschwellen-Oberbau  nach  Grundsätzen,  die  heute 
allgemein  als  richtig  anerkannt  werden),  »Das  anatolische  Eisenbahnnetz' 
(»Zeitschr.  f.  Eisenb.  u.  Dampfsch.  der  österr.-ungar.  Monarchie«  1888),  »Der 
Ausbau  des  Alpenbahnnetzes«  (ebenda  1894),  »J^eseau  ferri  de  la  Turquie 
ifAsie«  (Wien  1900),  »Z^j  chemins  de  fer  en  Turquie  d'Asie<<  (Zürich  1902).  In 
letzterer  Schrift,  unmittelbar  vor  seinem  Tode  veröffentlicht,  entwickelte  P. 
sein  großes,  schmalspuriges  Eisenbahnnetz  für  Vorderasien. 


Presse!.     Krupp.     Kist.  245 

Litteratur:  Österr.  Eisenbahnzeitung  (1902);  Zeitschrift  des  österr.  Ingenieur-  und 
Architektenvereins  1902,  S.  571  (mit  Bild);  Organ  f.  d.  Fortschritte  des  Eisenbahnwesens 
1902,  S.  589  (mit  Bild;  ausführliche  Beschreibung  seines  Lebenslaufes  und  seiner  Be^ 
deutung  für  die  Eisenbahntechnik  von  Professor  Fr.  Kreuter);  »Zeitschr.  f.  Lokal-  und 
Straß enbahnwesen«   1904  Prag  (Im  Artikel  des  Schreibers  d.  Nekr. :  »Die  Bagdadbahnc). 

Alfred  Birk. 

Krupp,  Friedrich  Alfred,  Wirklicher  Geheimer  Rat,  Inhaber  der  Firma 
Friedr.  Krupp,  *  am  17.  Februar  1854  zu  Essen,  f  22.  November  1902  eben- 
da. —  K.  war  das  einzige  Kind  Alfred  Krupps,  jenes  nimmer  rastenden,  den 
toten  Stoff  machtvoll  und  erfolgreich  meisternden  Herrschers  im  Reiche  von 
Stahl  und  Eisen,  dessen  gewaltiges  Erbe  er  im  Juli  1887  übernahm,  nachdem 
er  bereits  seit  1882  als  tätiger  Mitarbeiter  in  die  Procura  der  Firma  aufge- 
nommen worden  war.  K.  richtete,  im  Geiste  seines  Vaters  weiterschaffend, 
seine  ganzen  Bestrebungen  auf  den  Ausbau  und  die  weitere  Entwicklung  des 
größten  industriellen  Werkes  Deutschlands;  er  zog  die  Fabrikation  der  Panzer- 
platten in  den  Bereich  seiner  Tätigkeit  (1890),  erwarb  das  Grusonwerk  zu 
Buckau-Magdeburg  (1892),  übernahm  die  Schiffs-  und  Maschinenbau- Aktien- 
gesellschaft »Germania«  (Berlin-Kiel,  1902)  und  erweiterte  das  Werk  auch 
durch  den  Erwerb  oder  die  Inbetriebnahme  verschiedener  Zechen  und  Hoch- 
ofenanlagen, sodaß  dasselbe  zur  Zeit  seines  Todes  nahezu  47000  Personen, 
einschließlich  der  Beamten,  beschäftigte.  Dabei  war  K.  unermüdlich  auf  die 
Veredlung  der  Erzeugnisse  der  einzelnen  Betriebe  bedacht  und  förderte  alle 
fortschrittlichen  Bestrebungen  auf  technischem  Gebiete,  ob  sie  nun  militärischen 
oder  friedlichen  Zwecken  dienten. 

Ganz  besondere  Würdigung  verdient  das  philanthropische  Wirken  K.s. 
Gleich  seine  erste  selbständige  Handlung  war  die  Aussetzung  eines  Kapitals 
von  einer  Million  Mark  für  eine  Stiftung,  deren  Erträgnisse  ausschließlich  den 
Arbeitern  seiner  Werke  und  deren  Angehörigen  zugute  kommen  sollen.  Gleich- 
zeitig (August  1887)  überwies  er  auch  der  Stadt  Essen  ein  Legat  in  der  Höhe  von 
einer  halben  Million  Mark  zu  wohltätigen  und  gemeinnützigen  Zwecken.  Diese 
allezeit  bereite  offene  Hand  hat  K.  bis  an  sein  Lebensende  bewiesen ;  was  er 
für  seine  Arbeiter  aji  Wohlfahrtseinrichtungen  geschaffen  hat,  steht  ohnegleichen 
da  und  ist  für  viele  industrielle  Betriebe  vorbildlich  geworden.  Dabei  war 
die  reiche  Fürsorge  für  das  Wohl  seiner  Arbeiter  und  Beamten  nicht  der  Aus- 
fluß kühler  Erwägung,  sondern  war  ihm  wirkliches  Herzensbedürfnis,  K.  war 
ein  fröhlicher  Geber,  ein  Künstler  im  Wohltun. 

Ein  ergreifendes  Schicksal  muß  es  genannt  werden,  daß  gerade  dieser 
Mann  das  Opfer  gehässiger  Angriffe  wurde,  denen  seine  ohnehin  schwache 
Gesundheit  nicht  zu  widerstehen  vermochte.  Über  seinen  plötzlichen  Tod 
wurden  verschiedene  Versionen  verbreitet.    K.  starb  ohne  männlichen  Erben. 

Literatur:  Annalen  für  Gewerbe  und  Bauwesen,   1902,  II.  S.  205  (mit  Bild). 

Alfred  Birk. 

Kist,  Leopold,  theologischer  und  Volksschriftsteller,  *  29.  Januar  1824  in 
Offenburg  in  Baden,  f  5.  Juli  1902  in  Bozen.  —  K.  besuchte  das  Gymnasium 
in  seiner  Vaterstadt  und  das  Lyceum  in  Rastatt  und  bezog  im  Spätherbst 
1844  die  Universität  Freiburg  i.  B.,  an  welcher  er  bis  1847  Theologie  studierte. 
Er  trat  dann  in  das  Klerikalseminar  zu  St.  Peter  ein,  erhielt  im  August  1848 


246  Kist.     Füret. 

die  Priesterweihe  und  wirkte  dann  als  Hilfspriester  erst  in  Helmsheim  bei 
Bruchsal,  dann  in  Freiburg.  Im  Jahre  1850  wurde  er  zum  Feldpriester  der 
nach  Preußen  detachierten  badischen  Truppen  ernannt,  verwaltete  von  Ende 
1850  bis  zum  Juli  1862  mehrere  Pfarreien  (in  Hüfingen,  Mannheim,  Lahr, 
Aasen,  Heidenhofen,  Endingen  am  Kaiserstuhl  und  Marken)  und  wurde  wäh- 
rend des  badischen  Kirchenstreites  wegen  entschiedener  Beteiligung  an  dem- 
selben zu  schweren  Geld-  und  Gefängnisstrafen  verurteilt.  Seit  1862  Pfarrer 
zu  Stetten  am  Kalten  Markt  (Amtsbezirk  Meßkirch),  blieb  er  in  dieser  Stellung 
bis  1878.  Er  unternahm  große  Reisen  nach  England,  Schweden,  Dänemark, 
Frankreich,  Italien,  Nordamerika,  Ägypten,  Arabien,  Palästina  und  Vorder- 
indien, besonders  zu  dem  Zweck,  die  kirchlichen  und  Schu Verhältnisse  dort 
kennen  zu  lernen,  und  berichtete  später  über  die  empfangenen  Reiseeindrücke 
in  mehreren  Schriften,  wie  »Dänisches  und  Schwedisches«  (1869),  »Ameri- 
kanisches« (187 1),  »Indisches«  (1890).  Auch  auf  anderen  Gebieten  war  K. 
schriftstellerisch  tätig;  seine  »Hausapothek'«  ist  ein  echtes  Volksbuch,  das  in 
drei  Teilen  (1863 — 64)  das  »Familienleben«,  »die  gefährlichsten  Sargnägel  des 
großen  Weltspitals«  und  »Aufklärung,  Fortschritt  und  Freiheit«  behandelt  und 
durch  zahlreiche  Geschichten  und  Erzählungen  erläutert.  Auf  seiner  Reise 
in  Vorderindien  erlitt  K.  in  Bombay  einen  Sonnenstich;  er  erhielt  behufs 
Wiederherstellung  seiner  Gesundheit  auf  vier  Jahre  Absenzbewilligung  von 
seiner  Pfarrei  und  privatisierte  fünf  Jahre  im  Unterinntale.  Da  seine  völlige 
Heilung  1878  noch  nicht  erfolgt  war,  so  wurde  er  pensioniert  und  zog  nach 
Südtirol,  wo  er  in  Kaltem,  Tramin,  Soll  lebte  und  1897  seinen  dauernden 
Wohnsitz  in  Bozen  nahm.  Er  benutzte  seine  Muße  zur  Aufzeichnung  seiner 
persönlichen  Erfahrungen,  die  uns  in  seinen  Schriften  »Erlebnisse  eines  deut- 
schen Feldpaters«  (1888),  »Studium  und  Studentenleben  vor  40  bis  50  Jahren<^ 
(1891),  »Ein  edles  Frauenherz«  (Erzählung  1897),  besonders  aber  in  den  »Denk- 
würdigkeiten aus  alter  und  neuer  Zeit«  (III,  1899)  geschildert  werden. 

Persönliche  Mitteilungen.  —  Joseph  Kehrein:  Biographisch-literarisches  Lexikon  der 
katholischen  deutschen  Dichter,  i.  Bd.  S.  194.  —  Frdr.  VVienstein:  Lexikon  der  katholischen 
deutschen  Dichter  1899  S.  190.  Franz  Brummer. 

Fürer,  Karl  Eduard,  Prediger  und  Dichter,  *  13.  Juni  1830  zu  Kirchhain 
bei  Marburg  (Oberhessen),  t  i7-  März  1902  in  Haus  Rockenau  bei  Eberbach 
in  Baden.  —  F.s  Vater  Julius  F.  war  Pfarrer  in  Kirchhain  und  starb  1879 
als  Metropolitan.  Der  Sohn  besuchte  von  Ostern  1843  ^is  zum  Herbst  1847 
das  Gymnasium  in  Marburg,  welches  damals  unter  der  Leitung  des  Literatur- 
historikers August  Vilmar  blühte,  und  der  Einfluß  der  gewaltigen  Persönlich- 
keit dieses  glaubens-  und  geistvollen  Mannes  ließ  sich  auch  im  späteren 
Leben  F.s  nicht  verwischen.  Nachdem  letzterer  dann  bis  zum  Frühjahr  1851 
an  der  Universität  Marburg  seine  theologischen  Studien  absolviert  hatte,  wirkte 
er  anderthalb  Jahre  als  Hauslehrer  im  Mecklenburgischen,  nahm  dann  aber, 
da  er  seine  Zweifel  an  den  theologischen  Satzungen  nicht  überwinden  konnte, 
seine  Studien  in  Tübingen  wieder  auf,  wo  er  durch  die  Persönlichkeit  des 
berühmten  Professors  Beck  zur  Klarheit  und  inneren  Ruhe  zurückgeführt  ward. 
Danach  war  F.  mehrere  Jahre  als  Hauslehrer  in  zwei  angenehmen  Stellungen, 
femer  als  Lehrer  an  einer  höheren  Töchterschule,  als  Lehrer  an  der  Realschule 
in  Hanau  und  an  der  von  Philipp  Wackernagel  geleiteten  Realschule  in  Elber- 


Fürer.     Anthony.  247 

feld  tätig  und  wurde  im  Frühjahr  1859  als  Pfarrer  nach  Kronenberg  bei  Elberfeld 
berufen,  von  wo  er  1868  als  erster  Prediger  der  Brüderkirche  nach  Kassel  kam. 
In  der  letzten  Zeit  seines  Lebens  wurde  er  von  einem  schweren  Nervenleiden 
heimgesucht,  das  ihn  das  Haus  Rockenau  bei  Eberbach  aufsuchen  ließ.  Dort 
ist  er  gestorben.  —  Im  Jahre  1867  veröffentlichte  F.  »Hawaii-Nei.  Ein  Bild 
aus  der  Inselwelt  des  stillen  Ozeans  in  sechs  Gesängen«,  eine  Art  epischer 
Dichtung,  worin  auf  Grund  von  Studien  über  Land  und  Leute  die  Christi- 
anisierung der  Inseln  in  packender  Weise  beschrieben  wird,  aber  auch  die 
großen  Verfehlungen  der  Europäer  wahrheitsgetreu  geschildert  werden.  Zum 
Lutherfeste  1883  erschien  u.  d.  T.  »Zur  Erinnerung  an  die  Luthertage  des 
Jahres  1883«  (3.  Aufl.  1884)  eine  Festschrift,  welche  die  wichtigsten  Ereignisse 
aus  dem  Leben  des  großen  Reformators  in  Rhapsodien  zur  Darstellung  bringt. 
F.s  Hauptwerk  ist  aber  das  gleichfalls  epische  Werk  »Christliche  Feststunden 
im  Gewände  der  Dichtung«  (1884),  das  im  Anschluß  an  das  Kirchenjahr  eine 
Darstellung  des  Lebens  und  Wirkens  Christi  bringt  und  viele,  namentlich 
lyrische  Stücke  von  großer  Schönheit  enthält. 

Chr.  W.  StTomberger:   Die   geistliche  Dichtung   in  Hessen.     Neue   Folge  1898  S.  39. 
—  Karl  Leimbach:  Die  deutschen  Dichter  der  Neuzeit  und  Gegenwart  2.  Bd.  S.  267. 

Franz  Brummer. 

Anthony,  Wilhelm,  Schauspieler  und  Schriftsteller,  *  17.  Februar  1837  in 
Lübeck,  f  20.  Februar  1902  in  Weimar.  —  Sein  eigentlicher  Name  war 
Wilhelm  Asmus.  Nach  Besuch  des  Gymnasiums  seiner  Vaterstadt  bezog 
er  die  Universität  Leipzig,  wo  er,  obschon  als  Theologe  immatrikuliert,  haupt- 
sächlich Philosophie  studierte.  Seine  Vorliebe  für  das  Theater  führte  ihn  der 
Bühne  zu.  Er  begann  seine  Schauspieler-Laufbahn  1857  in  Tönning  bei  der 
Kefllerschen  Truppe,  spielte  zunächst  die  Rollen  jugendlicher  Liebhaber,  ging 
aber  bald  (in  Bremen)  zu  den  Charakterrollen  (Jago,  Mephisto,  Franz  Moor, 
Narciß  u.  a.)  über.  In  den  Jahren  1862 — 69  war  er  u.  a.  in  Görlitz,  Rostock, 
Bremen,  Regensburg,  Mainz,  Aachen,  Düsseldorf,  Magdeburg  und  Breslau  als 
Schauspieler  tärig,  bis  er  1869  in  Breslau  den  aktiven  Schauspielerberuf  aufgab 
und  hinfort  nur  noch  als  Dramaturg  und  Regisseur  am  dortigen  Stadttheater 
wirkte,  die  Schicksale  dieses  damals  hartgeprüften  Kunstinstituts  teilend.  Da- 
neben war  A.  seit  einer  Reihe  von  Jahren  schon  belletristisch  vielfach  tätig 
gewesen,  hatte  auch  den  größten  Anteil  an  der  Gründung  der  Bühnengenossen- 
schaft dramatischer  Autoren  genommen,  für  welche  seine  Feder  allezeit  mit 
Energie  und  Wärme  eintrat.  In  den  siebziger  Jahren  zog  sich  A.  gänzlich 
vom  Theater  zurück  und  ging  zur  Journalistik  über.  Seit  1886  war  er  selb- 
ständiger Redakteur  zuerst  in  Schweidnitz,  danach  in  Striegau  und  Hirschberg, 
seit  1889  Chefredakteur  der  »Halleschen  Zeitung«  in  Halle  a.  S.  und  wurde 
von  hier  am  i.  August  1893  vom  großherzogl.  sächsischen  Staatsministerium 
als  Chefredakteur  der  amtlichen  »Weimarischen  Zeitung«  nach  Weimar  be- 
rufen, die  er  bis  zu  seinem  Tode  geleitet  hat.  Als  Schriftsteller  veröffent- 
lichte er  »Blüten  und  Blätter«  (Gedichte  und  Novellen  1861),  »Die  feindlichen 
Brüder«  (Roman,  1868),  »Romane  und  Novellen«  (IV,  1869),  »Silhouetten  und 
Aquarelle  aus  der  Koulissenwelt«  (1874),  »Frau  Buchholz  im  Riesengebirge« 
(Humoreske,  1889),  »Für  die  Coup^-Ecke«  (Novellen  und  Humoresken,  1891), 
das  Lustspiel  »Im  Traum«  (1875),  das  Schauspiel  »Schuld  und  Sühne«  (1876), 


248  Anthony,     Häpe. 

und  eine  Anzahl  von  Kindermärchen,  die  sich  lange  auf  dem  Repertoire  vieler 
Bühnen  erhalten  haben. 

Persönliche  Mitteilungen.  —  Adolf  Hinrichsen :  Das  literarische  Deutschland  1891,  S.  36. 
—  O.  G.  Flüggen:  Biographisches  Bühnenlexikon  1892  S.  7.  Franz  Brummer. 

Häpe,  Hugo,  Geh.  Rat  a.  D.,  ♦  23.  Mai  1818  in  Ebersdorf  (Reuß  j.  L.), 
f  8.  Oktober  1902  in  Dresden.  — .  H.  besuchte  1831 — 38  das  Gymnasium  zu 
Gera,  studierte  in  Leipzig  Rechts-  und  Staatswissenschaften  und  Philosophie, 
redigierte  1846 — 48  das  »Dresdner  Tageblatt«,  das  spätere  »Dresdner  Journal'«, 
dessen  Königl.  Kommissar  er  von  1855 — 1901  war,  erlernte  als  Bacc.  jur.  bei 
Professor  Dr.  Hey  de  in  Dresden  1847  ^i^  Gabelsbergersche  Stenographie,  übte 
von  1849  an  die  advokatorische  Praxis  aus,  wurde  am  i.  April  1853  als  Regie- 
rungsrat in  das  Ministerium  des  Innern  berufen,  gehörte  von  1853 — 58  dem 
Dresdner  Stadtverordnetenkollegium  an,  übernahm  am  30.  Oktober  1854  die 
kommissarische  Leitung  des  Königl.  Stenographischen  Instituts  zu  Dresden, 
wurde  1860  zum  Geh.  Regierungsrate  ernannt,  vertauschte  Ende  1865  die 
Vorstandsstelle  beim  Institut  mit  der  eines  Königl.  Kommissars  für  die  An- 
gelegenheiten des  Instituts,  wurde  1882  Geh.  Rat,  trat  1894  in  den  Ruhestand, 
behfelt  aber  das  Kommissariat  für  Institut  und  Journal  noch  bis  1900 
bezw.  1901  bei.  H.  war  »einer  der  Größten«  der  Gabelsbergerschen  Schule 
(Ost.  Bl.  f.  St.  1902).  Ein  scharfer  und  reger  Geist,  eine  vornehme  Gesinnung, 
Gelehrsamkeit,  Organisationstalent,  Begeisterung  für  seine  Adoptivheimat,  die 
ihm  der  preußische  Zivilkommissar  v,  Wurmb  bei  der  Besetzung  Dresdens  1866 
durch  Amtsentsetzung  lohnte,  und  die  hohe  Staatsstellung  unterstützten  sein 
Streben  auf  stenographischem  Gebiete  auf  das  nachhaltigste.  Wenige  Tage 
nach  seinem  Amtsantritte  stellte  er  das  Regulativ  für  die  einzig  dastehende 
Fachbibliothek  des  Instituts  auf.  Beratende  Sitzungen  der  Institutsmitglieder 
»zur  Herbeiführung  einheitlicher  Schreibweisen  und  zur  Förderung  der  Steno- 
graphie als  Wissenschaft«  richtete  er  am  16.  November  1854  ein.  Dort  wurden 
in  130  Ausschuß-  und  104  Plenarsitzungen  die  3677  Beschlüsse  gefaßt,  die 
unter  dem  Namen  der  »Dresdner  Beschlüsse«  die  Einigung  der  auseinander- 
strebenden drei  Richtungen  München,  Dresden,  Wien  herbeiführten,  nachdem 
sie  im  Juli  1857  in  zwölf  Sitzungen  durch  eine  Kommission  genehmigt  und 
am  3.  August  1857  durch  eine  allgemeine  Stenographenversammlung  in  Dresden 
fast  einstimmig  angenommen  worden  waren.  Sie  galten  im  wesentlichen  bis 
1902.  In  dem  am  3.  Oktober  1839  zur  Staatsanstalt  erhobenen  Institut  wirkten 
unter  ihm  die  bedeutendsten  Stenographen:  Heyde,  Rätzsch,  Zeibig,  Krieg, 
Oppermann.  Deren  und  anderer  Institutsmitglieder  wissenschaftliche  Bestre- 
bungen unterstützte  er  aus  Staatsmitteln,  so  Studienreisen  und  die  Herausgabe 
des  Panstenographikon  und  der  Werke  Lehmanns  über  tironische  Noten.  Von 
1856  an  ließ  er  belehrende  Aufsätze  über  Stenographie  und  Vereinsnachrichten 
in  der  Zeitschrift  »Correspondenzblatt«  sammeln.  Die  statistischen  Daten 
ließ  er  im  »Taschenbuch  der  Schule  Gabelsbergers«  (heute;  Jahrbuch)  ver- 
öffentlichen, das  das  Vorbild  aller  anderen  stenographischen  Jahrbücher  wurde. 
1858  begründete  er  zu  gemeinsamen  wissenschaftlichen  Beratungen  die  »Er- 
weiterten Sitzungen«  des  Instituts,  die  nach  seinem  Tode  aufgehoben  wurden. 
Dort  hielt  er  oft  Vorträge,  so  über  das  Rechtsverhältnis  zwischen  Stenograph 
und  Urheber  öffentlicher  Vorträge  1864,  über  die  Beweiskraft  der  amtlichen 


Häpe.  249 

stenographischen  Parlamentsberichte  1885,  über  die  Organisation  des  Instituts 
und  damit  zusammenhängende  Fragen  wiederholt.  Auf  ihn  geht  die  bis 
heute  in  Deutschland  gültige  Taxe  von  30  M.  für  die  Stunde  stenographischer 
Aufnahme  einschließlich  Übertragung  zurück  (1865).  Nachdem  1854  der 
Antrag  des  Professor  Dr.  Rätzsch,  die  Stenographie  in  den  Lehrplan  der 
Schulen  aufzunehmen,  vom  Ministerium  abgelehnt  worden  war,  erreichte  H. 
dieses  Ziel  bei  den  Direktoren  der  Dresdner  höheren  Lehranstalten  durch 
persönliche  Einwirkung;  denn  er  sagte  sich,  daß  die  Stenographie  einmal 
Volksschrift  werden  werde  (Corr.-Bl.  1863,  i2ff. ;  1875,  17 ff.).  In  seiner  Schrift 
»Die  Stenographie  als  Unterrichtsgegenstand  usw.«,  Dresden  1863,  widerlegt 
er  die  Bedenken  preußischer  Schulmänner  gegen  die  Einführung  des  steno- 
graphischen Unterrichts  in  den  Schulen,  und  seine  ablehnende  Kritik  des 
altstolzeschen  Systems  hatte  zur  Folge,  daß  die  Hauptanstöße  im  neustolze- 
schen  aufgegeben  wurden.  Über  Gabelsberger  innerhalb  der  Entwicklung  der 
Schrift  handelt  seine  »Fest-Rede«,  Breslau  1876;  »Die  Stenographie  in  der 
Schule«  betitelt  sich  Heft  14  der  »Sammlung  von  Vorträgen  aus  dem  Gebiete 
der  Stenographie,  hrsg.  v.  Kgl.  Sten.  Inst,  zu  Dresden«  1891.  Diese  Gedanken 
setzte  aber  H.  auch  in  die  Praxis  um:  durch  regelmäßige  Anfügung  eines 
Fortbildungskursus  an  die  amtlichen  Elementarkurse  seit  1858,  durch  Zu- 
erkennung  von  Preisen  an  die  Sieger  in  Wettschreiben  durch  das  Ministerium, 
durch  die  Einrichtung  stenographischer  Kurse  beim  Kgl.  Sachs.  Gendarmerie- 
korps, durch  amtliche  Reisen  in  die  Nachbarstaaten,  besonders  nach  Thüringen, 
durch  Entsendung  Professor  Dr.  Heydes  als  Wanderlehrer  nach  Hannover  und 
Braunschweig  1863.  Er  war  aber  auch  der  Gründer  und  Leiter  der  Ver- 
einigung aller  sächsischen  Gabelsbergerschen  Stenographenvereine,  des  sog. 
Gesamtvereins,  jetzt  Landesverbandes  mit  über  240  Vereinen,  über  12850  Mit- 
gliedern undüber  3500  Unterrichteten  (Gründungstag  28.  August  1860,  Dresden), 
dem  trotz  der  politisch  bewegten  Zeiten  sogar  Korporationsrechte  verliehen 
wurden.  Über  »Das  stenographische  Vereinswesen«  schrieb  er  1885.  Ihm  zur 
bleibenden  Erinnerung  stiftete  der  Gesamtverein  1887  die  Häpedenkmünze  in 
Silber  und  in  Bronze  zur  Auszeichnung  der  tüchtigsten  Vereine  und  Stenographen, 
nachdem  er  1879  H.  zu  seinem  Ehrenpräsidenten  ernannt  hatte  (Döring). 
Seine  »Denkschrift  über  eine  stenographische  Academie  für  ganz  Deutsch- 
land«, Dresden  1861,  bekämpft  den  Vorschlag  des  Bamberger  Vereins  von  1860 
lebhaft.  Der  Vertrag  wegen  einheitlicher  Fortbildung  des  Gabelsbergerschen 
Systems  zwischen  dem  Deutschen  Stenographenbunde  »Gabelsberger«  und  dem 
Institut  verdankt  ihm  Entstehung  (1863),  Verbesserung  (1888/89)  und  ein- 
stimmige Annahme  (Münchner  Stenographentag  1890).  Mit  gleichem  Eifer 
trat  H.  während  seines  ganzen  Lebens  für  die  Ziele  ein,  die  der  Deutsche 
Sprachverein  heute  verfolgt.  Juristischen  Inhalts  ist  sein  Werk  Ȇber  den 
Rechtscharakter  und  die  Competenz  der  Stadtverordneten  im  Königreich 
Sachsen«,  Leipzig  1846,  sozialpolitischen  sein  Ratgeber  »Die  Herberge  zur 
Heimath«,  Leipzig  1879.  Das  Gebiet  der  inneren  Mission  und  der  Erziehung 
(Fletchersches  Seminar  in  Dresden)  waren  Gegenstand  seiner  jahrelangen  be- 
sonderen Fürsorge.  Seine  letzte  stenographische  Kundgebung  war  die  ent- 
schiedene Stellungnahme  gegen  die  Reform  des  Gabelsbergerschen  Systems, 
die  in  den  »Berliner  Beschlüssen  von  1902«  niedergelegt  ist  (Deutsche  Sten.- 
Ztg.  1902,  13.  u.  27.  April).     Seine  hervorragenden  Verdienste  um  Stenographie 


250  Hape.     Nuhn.     Lenz. 

und  Vaterland  fanden  Anerkennung  durch  höchste  Ordensauszeichnungen 
verschiedener  Souveräne  (Sachsen,  Hannover,  Reuß  usw.). 

Correspondenzblatt  1856 — 1902.  —  Das  Königliche  stenographische  Institut  zu  Dresden 
in  den  Jahren  1839  bis  1889.  Festschrift,  Dresden  1889.  —  Fröhliger,  Hugo  Häpe  und  seine 
Beziehungen  zur  Stenographie  usw.,  Dresden  1893  (Sammlung  usw.  Heft  20).  —  Döring, 
Hugo  Häpe  im  Sächsischen  Gesamtverein.  Festvortrag  usw.  Dresden  o.  J.  (1893).  —  Oster- 
reichische Blätter  für  Stenographie  1902,  139 f.  —  Deutsche  Stenographen-Zeitung  1902,  367 f. 
—  Auch  auf  Grund  persönlicher  Beziehungen. 

Dresden.  Robert  Fuchs. 

Nuhn,  Johann  Curt,  Dialektdichter,  *  28.  September  1848  zu  Riebels- 
dorf  in  Hessen,  +  28.  Juli  1902  zu  Kesselstadt.  —  N.  war  der  Sohn  eines 
Schwälmer  Bauern.  Er  besuchte  die  Dorfschule  zu  Riebeisdorf,  danach  das 
Seminar  zu  Schlüchtern  und  war  dann  seit  1868  Dorfschull ehrer  zu  Willers- 
hausen  bei  Eschwege,  seit  1874  zu  Wommen  a.  d.  Werra,  bis  er  1879  nach 
Kesselstadt  bei  Hanau  versetzt  wurde.  Hier  wirkte  er  gleichfalls  als  Lehrer 
nahezu  23  Jahre.  Eine  unheilbare  Krankheit,  Magenkrebs,  verbitterte  ihm  den 
Rest  seines  Lebens  und  verursachte,  daß  er  in  einem  Anfall  von  seelischer 
Depression   selbst  Hand  an  sich  legte  und  freiwillig  aus  dem  Leben  schied. 

Trotzdem  er  schon  früh  seine  engere  Heimat,  das  durch  seine  altertüm- 
lichen Trachten  und  Sitten  bekannte  kurhessische  Schwalmtal,  verlassen  hatte, 
so  blieb  er  ihr  doch  stets  ein  treuer  Sohn  und  hat  ihr  in  seinen  zahlreichen 
Schwälmer  Dialektgedichten  ein  wenn  auch  bescheidenes  Denkmal  gesetzt. 
N.  ist  der  Erste  gewesen,  der  diese  hessische  Mundart  literaturfähig  zu  machen 
versuchte.  Seine  meistens  in  der  Zeitschrift  »Hessenland«,  z.  T.  auch  in 
Traudts  und  Schoofs  Hess.  Dichterbuche  erschienenen  Gedichte  sind  teilweise 
wohlgelungen,  erscheinen  aber  auch  oft  als  blofie  Übersetzungen  aus  dem 
Schriftdeutschen  und  werden  jedenfalls  für  die  Zukunft  nur  als  Dialektproben 
einen  nicht  zu  unterschätzenden  Wert  behalten.  Außer  seinen  mundartlichen 
Poesien,  durch  die  übrigens  neuerdings  auch  noch  andere  Poeten  in  der 
Schwalm  zur  Nachfolge  angeregt  wurden,  veröffentlichte  er  einen  Band  »Neue 
Märchen«  (Hanau  1895),  die  gleichfalls  auf  dem  Boden  seiner  Heimat  ge- 
wachsen sind. 

Vgl.  Nekrolog  von  J.  H.  Schwalm  im  »Hessenland«  16,  216.  —  Schoof,  Hess.  Dichter- 
buch.    3.  Aufl.   172.  Ph.   Losch. 

Lenz,  August,  Museumskustos  zu  Cassel,  *  15.  April  1828  zu  Eisenach, 
f  2.  April  1902  zu  Cassel.  —  L.,  der  sich  dem  Lehrerberufe  gewidmet  hatte, 
kam  bereits  1848  nach  Cassel,  wo  er  10  Jahre  lang  an  dem  Privatpro- 
gymnasium des  Direktors  Bohn^  und  darauf  an  einer  höheren  Töchterschule 
unterrichtete.  Im  Jahre  1858  wurde  er  durch  das  Vertrauen  des  Kurfürsten 
Friedrich  Wilhelm  L  von  Hessen  zum  Lehrer  seiner  jüngsten  Kinder,  der 
Prinzen  Wilhelm,  Heinrich  und  Philipp  und  der  Prinzessin  Marie  von  Hanau 
berufen  und  erhielt,  wohl  als  Anerkennung  für  seine  erzieherische  Tätigkeit, 
im  Jahre  1859  ^^^  Stelle  eines  Inspektors  am  kurfürstlichen  Museum  zu  Cassel. 
Mit  ganzer  Energie  und  Liebe  widmete  er  sich  dem  neuen  Berufe,  in  dem 
ihm  die  Verwaltung  der  Skulpturen,  kunstgewerblichen  Gegenstände  und 
Naturaliensammlungen  zufiel.  Nach  der  Neuorganisation  der  Museums- 
verwaltung  unter   der   preußischen  Herrschaft   wurde  L.  im  Jahre  1888   zum 


Lenz.     Lahs.  2  5 1 

Kustos  der  Naturaliensammlung  ernannt,  um  deren  Neuordnung  und  Ein- 
richtung er  sich  sehr  verdient  machte.  Als  er  die  Sammlungen  übernahm, 
da  waren  die  Naturalien  als  kleiner  Bruchteil  des  Ganzen  in  einigen  Räumen 
des  Museum  Fridericianum  untergebracht.  L.  bewirkte  ihre  Überführung  in 
die  Räume  des  ehemaligen  Kunsthauses,  wo  sie  durch  ihn  als  ein  vollständiges 
Ganze  wissenschaftlich  geordnet  und  übersichtlich  aufgestellt  wurden.  Das 
ethnographische  Kabinet  des  neuen  Naturalienmuseums  verdankt  seine  Ent- 
stehung ebenfalls  dem  Sammelfleiß  L.s,  der  dabei  durch  seine  vielen  im  Aus- 
land lebenden  Schüler  und  Freunde  rege  Unterstützung  erfuhr. 

Bei  der  Verwaltung  der  kunsthistorischen  Abteilung  des  Museums,  an  der 
er  bis  kurz  vor  seinem  Tode  Anteil  hatte,  gelang  es  L.,  die  Erzeugnisse  der 
alten  Casseler  Porzellanmanufaktur  zu  entdecken,  von  deren  Existenz  man 
wohl  bisher  gewußt  hatte,  ohne  jedoch  ihre  Spuren  sicher  nachweisen  zu 
können.  Über  seinen  für  die  Geschichte  der  Porzellanmanufaktur  nicht 
unwichtigen  Fund  berichtete  L.  im  Bd.  2  des  Jahrbuchs  d.  Kgl.  Preufl. 
Kunstsammlungen  (1881).  Auch  über  die  Casseler  Glasfabrik  des  Landgrafen 
Karl  von  Hessen  und  deren  Erzeugnisse  veröffentlichte  er  eingehende  Unter- 
suchungen. L.  war  ein  eifriges  Mitglied  des  Casseler  Vereins  für  hessische 
Geschichte,  in  dessen  Sitzungen  er  öfters  die  Resultate  seiner  naturwissen- 
schaftlichen und  geschichtlichen  Studien  vortrug.  Als  Lohn  für  seine  wissen- 
schaftlichen Arbeiten  und  Leistungen  wurde  ihm  1892  der  Titel  Professor 
verliehen.  Der  Casseler  Geschichtsverein  ernannte  ihn  1897  zu  seinem  Ehren- 
mitglied. Die  gleiche  Auszeichnung  wurde  ihm  für  seine  Verdienste  um  die 
Sache  der  Freimaurerei  von  Seiten  der  Casseler  Loge  und  der  großen  Landes- 
loge von  Preußen  zuteil. 

Nekrolog    von   O.  Eisenmann    im   Casseler  Tageblatt   u.  Anzeiger   vom   9.  Aprü   1902 
Nr.  164.  —  Mitteilungen  an  die  Mitgl.  d.  Ver.  f.  hess.  Gesch.   1901,  84 — 87. 

Ph,  Losch. 

Lahs,  Heinrich,  außerord.  Professor  d.  Medizin  zu  Marburg,  ♦25.  Juni  1838 
zu  Putlitz  i.  d.  Mark  Brandenburg,  ♦  20.  Februar  1902  zu  Marburg  i.  H.  — 
Als  Sohn  eines  Mühlenbesitzers  zu  Putlitz  i.  d.  Mark  geboren,  besuchte  L. 
das  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  und  studierte  darauf  in  Berlin,  Würzburg 
und  Greifswald  Medizin.  1864  ließ  er  sich  als  praktischer  Arzt  in  Neu- 
Ruppin  nieder,  machte  1866  den  Feldzug  in  Böhmen  als  preußischer  Militär- 
arzt mit  und  übernahm  danach  eine  Praxis  als  Knappschaftsarzt  auf  der 
Friedrich-Wilhelmshütte  zu  Siegburg  bei  Bonn.  Seine  ausgesprochene  Vor- 
liebe für  den  Lehrberuf  veranlaßte  ihn  1869  diese  Stellung  aufzugeben  und 
nach  Marburg  i.  H.  überzusiedeln,  wo  er  sich  im  selben  Jahre  habilitierte. 
Der  Krieg  von  1870,  den  er  als  Assistenzarzt  mitmachte,  unterbrach  bald  für 
kurze  Zeit  seine  neue  Laufbahn.  1873  wurde  er  zum  außerordentl.  Professor 
ernannt  und  widmete  sich  als  solcher  mit  Eifer  und  Erfolg  seiner  Spezial- 
wissenschaft  der  Gynäkologie  und  Geburtshilfe,  aus  derem  Bereich  er  eine 
Reihe  von  Arbeiten  veröffentlichte,  die  unter  seinen  Fachgenossen  lebhafte 
Beachtung  fanden.  Später  nötigten  ihn  äußere  Umstände,  besonders  der 
Mangel  an  klinischem  Material,  auf  die  weitere  Fortsetzung  dieser  Arbeiten  zu 
verzichten  und  sich  mehr  und  mehr  der  Praxis  als  Gynäkologe  und  Geburts- 
helfer zuzuwenden.    Ein  Herzleiden  zwang  ihn  im  Jahre  1901,  seine  Tätigkeit 


252  Lahs.     von  Linstow.     Nirmheim. 

fast  völlig  einzustellen.  Ein  Jahr  später  erlag  er  seiner  Krankheit,  betrauert 
von   vielen   Freunden,  Schülern  und  Patienten. 

Selbständige  Schriften  von  L.:  Zur  Mechanik  der  Geburt.  Berlin  1872.  Die  Theorie 
der  Geburt.  Bonn  1877.  Die  Achsenzug-Zangen  m.  besond.  Berücksichtigung  der  Tamier- 
schen  Zangen.  Stuttgart  1881.  Vorträge  u.  Abhandlungen  zur  Tokologie  und  Gynäkologie. 
Marburg  1884.  Zur  Reform  der  Kreisphysikate.  Zur  Heilserumfrage.  Marburg  1S95. 
Die  Verstaatlichung  des  Medizinalwesens  in  Preußen,  ib.  1896.  Außerdem  veröffentlichte 
er  eine  Reihe  von  Aufsätzen  in  den  »Schriften  der  Gesellschaft  z.  Beförd.  d.  ges.  Natur» 
Wissenschaften  zu  Marburg«  und  im  »Archiv  f.  Gynäkologie«. 

Nach:  Chronik  der  Univ.  Marburg.  Jg.  15,  3 ff.  m.  Bibliogr.  —  Nekrol.  von  A.  Martin 
in  Monatsschr.  f.  Geburtshilfe.     1902.     Erg.-Heft.     612.  Ph.  Losch. 

Linstow,  Adolf  von,  Generalleutnant  z.  D.,  *  14.  Mai  1832  zu  Ratze- 
burg in  Lauenburg,  f  7.  Dezember  1902  in  Lübeck.  —  Obgleich  Sohn  eines 
königlich  dänischen  Kammerherrn  und  Hof  Jägermeisters,  trat  L.  im  Jahre  1850 
als  Avantageur  beim  preußischen  26.  Infanterie-Regiment  ein,  rückte  in  diesem 
Truppenteil  am  7.  Februar  1852  zum  Sekondleutnant  auf,  wurde  am  i.  Juli  1833 
Bataillonsadjutant,  am  31.  Mai  1859  Premierleutnant  und  am  19.  Juni  1859 
Adjutant  des  damaligen  26.  Landwehr-  bezw.  des  26.  kombinierten  Infanterie- 
regiments. Als  aus  dem  letztern  bei  der  Reorganisation  der  Armee  im  Jahre 
1860  das  3.  magdeburgische  Infanterieregiment  Nr.  66  gebildet  worden  war, 
wurde  L.  in  dieses  Regiment  als  Regimentsadjutant  versetzt  und  am  13.  Fe- 
bruar zum  Hauptmann  befördert,  in   welchem  Dienstgrade  er  als  Chef  der 

6.  Kompagnie  den  Feldzug  von  1866  gegen  Österreich,  im  besonderen  die 
Schlachten  bei  Münchengrätz  und  Königgrätz  mitmachte. 

Nach  dem  Kriege  am  30.  Oktober  zum  3.  hannoverschen  Infanterieregiment 
Nr.  79  versetzt,  schied  er  mit  dem  Charakter  als  Major  aus  dem  aktiven  Dienst 
aus.  Während  des  Krieges  gegen  Frankreich  von  1870/71  wurde  L.,  nach- 
dem er  zunächst  ein  Kriegsgefangenen-Lager  bei  Coblenz  kommandiert  hatte, 
wieder  in  der  aktiven  Armee  angestellt,  als  charakterisierter  Major  am  3.  Ok- 
tober 187 1  dem  7.  rheinischen  Infanterieregiment  Nr.  69  aggregiert  und  am 
folgenden  14.  Dezember  in  diesen  Truppenteil  einrangiert.  Nachdem  er  am 
13.  April  1872  ein  Patent  seines  Dienstgrades  erhalten  hatte,  wurde  ihm  am 
25.  März  1873  ^2.8  Kommando  des  Füsilier-Bataillons  übertragen.  Als  solcher 
war  L.  bis  zu  seiner  Versetzung  in  das  5.  brandenburgische  Infanterieregiment 
Nr.  48,  die  am  15.  Mai  1877  erfolgte,  tätig.  In  diesem  Truppenteil  avancierte 
L.  am  18.  Mai  1878  zum  Oberstleutnant,  wurde  am  2.  September  1882  mit  der 
Führung  des  7.  pommerschen  Infanterieregiments  Nr.  54  betraut,  erhielt  am  13. 
gleichen  Monats  das  Patent  als  Oberst  und  trat  am  13.  März  1883  als  Kom- 
mandeur an  die  Spitze  dieses  Regiments,  eine  Stellung,  die  er  fünf  Jahre 
später  unter  Ernennung  zum   Generalmajor    mit  der  des  Kommandeurs  der 

7.  Infanteriebrigade  vertauschte.  Nach  weiteren  zwei  Dienst  jähren  trat  L.  am 
24.  März  1890  aus  dem  aktiven  Dienste  aus  und  zog  sich,  bei  seiner  Verab- 
schiedung als  Generalleutnant  charakterisiert,  in  seine  Vaterstadt  Ratzeburg 
und  später  nach  Lübeck  zurück. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Nirrnheim,  Karl,  Generalmajor  und  Kommandeur  der  21.  Feldartillerie- 
brigade, *  8.  Juni  1844  zu  Mageburg,  f  27.  Juni  1902  zu  Wetzlar.  —  N.  trat 


Nirrnheim.     Paulus.  253 

im  Jahre  1864  als  Avantageur  auf  Beförderung  dienend  bei  der  3.  Artillerie- 
brigade in  den  königlichen  Dienst,  wurde  am  10.  Mai  1865  Port^p^efähnrich 
und  am  24.  Juli  1866  Sekondleutnant.  Am  i.  November  1866  in  das  Fuß- 
artillerieregiment Nr.  II  versetzt,  machte  er  bei  diesem  den  deutsch-franzö- 
sischen Krieg  von  1870/71  mit,  wo  er  sich  bei  Weißenburg,  Wörth,  Sedan 
und  vor  Paris  auszeichnete.  Im  August  1871  zur  3.  Feldartilleriebrigade  zu- 
rückgetreten, war  N.  mehrere  Jahre  als  Adjutant  des  brandenburgischen  Feld- 
artillerieregiments Nr.  3  tätig  und  rückte  1872  zum  Premierleutnant  auf.  Im 
November  1877  zum  Hauptmann  und  Batteriechef  im  2.  brandenburgischen 
Feldartillerieregiment  Nr.  i8  befördert,  wurde  er  im  Oktober  1881  zur  Dienst- 
leistung in  das  Kriegsministerium  kommandiert,  am  13.  Juni  1885  als  Batterie- 
chef zum  oberschlesischen  Feldartillerieregiment  Nr.  21  versetzt  und  im  Oktober 
1888  zum  Major  befördert.  Im  folgenden  Monat  in  das  schlesische  Feldartillerie- 
regiment Nr.  6  versetzt,  wurde  N.  kurze  Zeit  darauf  Abteilungs-Kommandeur 
und  rückte  im  Oktober  1893  zum  Oberstleutnant  auf.  Im  Mai  1894  trat  N. 
als  etatsmäßiger  Stabsoffizier  in  das  Feldartillerieregiment  Nr.  34  über  und 
erhielt  zwei  Jahre  später  das  2.  hannoversche  Feldartillerieregiment  Nr.  26, 
am  22.  März  1897  zum  Oberst  aufrückend.  Am  i.  Oktober  1899  wurde  N. 
zum  Kommandeur  der  21.  Feldartilleriebrigade  ernannt;  am  27.  Januar  1900 
erhielt  er  das  Patent  als  Generalmajor.  Mitten  aus  dem  Dienst  wurde  N. 
während  seiner  Tätigkeit  als  Militärvorsitzender  der  Oberersatzkommission 
durch  den  Tod  herausgerissen.  Eine  aussichtsreiche  Laufbahn  erreichte  hier- 
durch einen  unerwartet  frühen  Abschluß. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Paulus,  Gustav,  Generalleutnant  z.  D.,  ♦  28.  September  1842  zu  Cleve, 
t  31.  Oktober  1902  zu  Eisenach.  —  P.  trat,  am  i.  Oktober  1862  als  Einjährig- 
Freiwilliger  seiner  Militärpflicht  genügend,  beim  rheinischen  Pionierbataillon 
Nr.  8  ein  und  kam,  in  den  aktiven  Dienst  übertretend,  im  April  1861  als  Porte- 
^p^efähnrich  zum  westfälischen  Pionierbataillon  Nr.  7.  Während  er  vom  fol- 
genden I.  Oktober  an  die  Vereinigte  Artillerie-  und  Ingenieurschule  in  Char- 
lottenburg-Berlin besuchte,  erhielt  er  am  5.  November  i86i  das  Patent  als 
Sekondleutnant,  wurde  im  Juni  1863  als  solcher  zum  pommerschen  Pionier- 
bataillon Nr.  2  und  zwei  Jahre  darauf  zum  Fortifikationsdienst  in  Stettin,  1866 
zu  demjenigen  in  Swinemünde  und  im  März  1867  zum  gleichen  Dienst  in 
Wesel  versetzt.  Während  der  Feldzüge  von  1864  und  1866  gegen  Dänemark 
und  Österreich  war  es  ihm  nicht  vergönnt,  an  den  kriegerischen  Ereignissen 
tätigen  Anteil  zu  nehmen.  Dagegen  wurde  P.  bei  Ausbruch  des  Krieges  von 
1870/71  gegen  Frankreich  der  2.  Feldpionierkompagnie  des  VII.  Armeekorps 
überwiesen,  nachdem  er,  am  17.  Oktober  1867  zum  Premierleutnant  befördert, 
im  darauffolgenden  November  Adjutant  der  5.  Festungsinspektion  in  Coblenz 
und  am  13.  Juli  1869  Lehrer  an  der  Kriegsschule  in  Engers  geworden  war.  Im 
P'eldzuge  gegen  Frankreich  nahm  P.  mit  seinem  Truppenteil  an  den  Schlachten 
bei  Colombey-Nouilly  und  Gravelotte  sowie  an  der  Einschließung  von  Metz 
teil,  führte  vom  14.  Oktober  1870  ab  seine  Kompagnie  und  wurde  nach  dem 
Falle  der  jungfräulichen  Festung  zum  Fortifikationsdienst  dieses  Platzes  kom- 
mandiert. Nach  dem  Friedensschlüsse  kehrte  er  im  Mai  1871  zu  seinem  Lehr- 
amte in  Engers  zurück,  stieg  im  Februar  1872  zum  Hauptmann  auf,  kam  im 


254 


Paulus,     von  Schell. 


August  wiederum  zum  Fortifikationsdienst  in  Metz  und  wurde  im  März  1877 
zur  Dienstleistung  in  das  Kriegsministerium  kommandiert,  in  dessen  Abteilung 
für  Ingenieur- Angelegenheiten  er  im  Oktober  1879  als  überzähliger  Major  ver- 
setzt wurde.  Nachdem  P.  im  September  1882  Mitglied  des  Stabes  des  In- 
genieurkorps geworden  war,  trat  er  zum  dritten  Male  zur  Fortifikation  von 
Metz  über,  wurde  im  September  1883  Ingenieuroffizier  vom  Platz  dieser  Festung 
und  am  22.  März  1887  zum  Oberstleutnant  befördert.  Von  hier  an  stieg  P. 
rasch  aufwärts,  wurde  am  16.  Mai  1888  zum  Chef  der  6.  Festungsbauinspektion, 
am  16.  April  1889  zum  Chef  der  Festungsabteilung  des  Allgemeinen  Kriegs- 
departement im  Kriegsministerium  und  am  folgenden  21.  Juli  zum  Oberst  er- 
nannt. Kaum  zwei  Jahre  später  im  Februar  1891  erhielt  er  den  Rang  eines 
Brigadekommandeurs  und  am  28.  Juli  1892  das  Patent  als  Generalmajor.  1893 
zum  Präses  des  Ingenieurkomitees  ernannt  und  unterm  16.  Juni  1896  zum 
Generalleutnant  befördert,  zog  P.  sich  am  22.  März  1898  in  das  Privatleben 
zurück.  In  dem  Nachruf,  den  ihn;,  der  Chef  des  Ingenieur-  und  Pionierkorps 
bei  seinem  Ableben  widmete,  heißt  es  u.  a. :  „daß  seltene  Begabung  und 
reiches  Wissen  ihn  schon  früh  in  bevorzugte  Stellungen  geführt  und  ihm 
nach  den  letzten  großen  Kriegen  Gelegenheit  gegeben  hatten  in  hervorragen- 
der Weise  an  den  Aufgaben  der  Landesbefestigung  mitzuwirken." 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Schell,  Otto  von,  Generalleutnant  z.  D.,  *  4.  Oktober  1835  zu  Münster, 
t  16.  Oktober  1902  zu  Hannover.  —  Als  Zögling  des  Kadettenkorps  kam  Seh. 
nach  Durchlaufen  der  verschiedenen  Anstalten  am  29.  April  1854  als  charak- 
terisierter Portep^efähnrich  in  das  17.  Infanterieregiment,  wo  er  am  7.  Dezem- 
ber desselben  Jahres  zum  Port^p^efähnrich  und  am  5.  Februar  1856  zum 
Sekondleutnant  befördert  wurde.  1859  war  er  zum  mobilen  Landwehrregiment 
Nr.  17  und  zwar  zum  ersten  Bataillon,  1860  zur  Gewehrfabrik  in  Saarn  und 
1861  zum  Pionierbataillon  Nr.  7  zu  Dienstleistungen  kommandiert.  Im  Okto- 
ber 1863  wurde  S.  Adjutant  des  i.  Bataillons  seines  Regiments,  avancierte 
unterm  nächsten  ii.  Dezember  zum  Premierleutnant,  dem  die  Ernennung  zum 
Regimentsadjutanten  am  11.  Dezember  1865  folgte.  In  dieser  Stellung  zog 
er  mit  seinem  Truppenteil  1866  über  die  österreichische  Grenze  und  erwarb 
sich  in  der  Schlacht  bei  Königgrätz  den  Roten  Adlerorden  IV.  Klasse  mit 
Schwertern.  Im  deutsch-französischen  Kriege  von  1870/71  führte  S.,  inzwischen 
zum  Hauptmann  befördert,  eine  Kompagnie  des  damaligen  Landwehrbataillons 
Geldern,  nahm  an  der  Einschließung  von  Diedenhofen  teil,  erhielt  für  sein 
tapferes  Verhalten  das  Eiserne  Kreuz  2.  Klasse  und  wurde  vom  i.  März  bis 
Mitte  Mai  187 1  mit  der  Führung  obengenannten  Landwehrbataillons  beauftragt. 
Nach  dem  Friedenschlusse  trat  der  Friedensdienst  wieder  in  seine  Rechte. 
S.  kam,  am  30.  April  1877  zum  Major  befördert,  am  12.  November  1878  als 
etatsmäßiger  Stabsoffizier  zum  3.  hessischen  Infanterieregiment  Nr.  83,  wurde 
am  II.  März  1882  Bataillonskommandeur  (2.  Bataillon),  erhielt  am  15.  April 
1884  den  Charakter  und  drei  Monate  später  das  Patent  als  Oberstleutnant, 
worauf  er  am  14.  Oktober  1884  als  etatsmäßiger  Stabsoffizier  zum  4.  badischen 
Infanterieregiment  Nr.  112  übertrat.  Am  14.  Februar  1888  wurde  S.  mit  der 
Führung  des  Infanterieregiments  Prinz  Friedrich  der  Niederlande  beauftragt 
und  am  darauffolgenden  17.  April  unter  gleichzeitiger  Ernennung  zum  Oberst 


von  Schell,     von  Schmeling.     von  Entreß-Fürstencck.  255 

zum  Kommandeur  dieses  Truppenteils  ernannt.  Nach  weiteren  2  '/i  Jahren 
am  4.  November  1890  als  Generalmajor  an  die  Spitze  der  67.  Infanteriebrigade 
gestellt,  rückte  er  1893  zum  Generalleutnant  auf  und  nahm  am  13.  März  1894 
seinen  Abschied. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Schmeling,  Cyrus  von,  Generalmajor  z.  D.,  *  31.  Januar  1819  zu  Gnesen, 
t  16.  März  1902  zu  Lieberose.  —  Am  i.  November  1835  beim  6.  Infanterie- 
regiment als  Avantageur  in  den  königlichen  Dienst  getreten,  rückte  S.  am 
12.  Mai  nächsten  Jahres  zum  Port^peefähnrich  auf,  wurde  im  folgenden  De- 
zember in  das  19.  Infanterieregiment  versetzt  und  zwei  Jahre  darauf  zum 
Sekondleutnant  befördert.  1848  nahm  er  an  der  Niederwerfung  des  Auf- 
standes in  Posen  teil,  stieg  1850  (12.  November)  zum  Premierleutnant  auf, 
führte  als  solcher  bis  1856  Kompagnien  des  19.  bezw.  20.  Landwehrregiments, 
wurde  am  7.  Juli  1853  Hauptmann  und  am  25.  Mai  1857  Kompagniechef. 
Bei  der  Reorganisation  der  Armee  im  Jahre  1860  kam  S.  zum  19.  kombinierten 
Infanterieregiment,  wurde  aber  bereits  am  i.  Juli  gedachten  Jahres  unter  Be- 
förderung zum  Major  in  das  8.  Ostpreußische  Infanterieregiment  Nr.  45  ver- 
setzt. Als  Kommandeur  des  Füsilierbataillons  war  er  während  der  polnischen 
Wirren  von  1863/64  zur  Besetzung  an  die  russische  Grenze  kommandiert, 
erhielt  am  18.  Juni  1865  die  Ernennung  zum  Oberstleutnant  und  zog  1866  mit 
seinem  Bataillon  gegen  Österreich,  wo  er  in  dem  Gefechte  bei  Trautenau  ver- 
wundet wurde.  Am  18.  April  1867  zum  Oberst  aufgerückt,  erhielt  er  einen 
Monat  später  das  Kommando  des  i.  magdeburgischen  Infanterieregiments 
Nr.  26.  Als  Regimentskommandeur  erwarb  S.  sich  große  Verdienste,  namentlich 
um  die  Selbstbewirtschaftung  in  der  Kaserne.  So  machte  er  im  Jahre  1868 
den  Versuch,  die  Beköstigung  des  Mannes,  die  infolge  der  hohen  Lebens- 
mittelpreise nur  notdürftig  zur  Sättigung  ausreichte,  dadurch  reichlicher  zu 
gestalten,  daß  er  durch  das  Regiment  eine  Anzahl  Kühe  kaufen  ließ,  die 
mit  Hilfe  der  Abfälle  gemästet,  in  eigenem  Schlachthause  geschlachtet 
und  in  der  Mannschaftsküche  verwendet  wurden.  Dieser  Versuch  fiel  so  un- 
gemein günstig  aus,  daß  der  Betrieb  zunahm.  Ende  des  Jahres  betrug  der 
Viehstand  des  Regiments  einschließlich  Hammel  und  Schweine  etwa  400  Stück. 
—  Im  Kriege  gegen  Frankreich  befehligte  S.  sein  Regiment  bis  zur  Schlacht 
bei  Beaumont,  übernahm  für  kurze  Zeit  die  Führung  der  13.  Infanteriebrigade 
und  trat  alsdann  wieder  zum  Regiment  zurück,  an  dessen  Spitze  er  bis  zum 
19.  Januar  1872  verblieb,  an  welchem  Tage  ihm  die  4.  Infanteriebrigade  ver- 
liehen wurde,  die  er  als  Generalmajor  bis  zum  13.  März  1873  kommandierte. 
An  diesem  Tage  wurde  S.  mit  der  Aussicht  auf  Wiedereinstellung  bei  Wieder- 
herstellung seiner  Gesundheit  auf  sein  Gesuch  zur  Disposition  gestellt. 

Nach  den  Akten  und  der  Geschichte  des  26.  Inf.-Regts.  Lorenzen. 

Entrefi-Fürsteneck,  Eugen  Frhr.  von,  Generalmajor  z«  D.,  *  23.  Oktober 
1838  zu  Ludwigsburg  in  Württemberg,  f  28,  Mai  1902  in  Karlsbad.  —  E. 
trat  am  31.  Oktober  1854  in  die  württembergische  Leibgarde  zu  Pferde  ein 
und  wurde  am  22.  April  1855  unter  Beförderung  zum  Portepeefähnrich  in  das 
württembergische  2.  Reiterregiment  versetzt,  aus  dem  er  am  5.  Januar  1857 
in  das  württembergische  3.  Reiterregiment  übertrat,  dem  er  am  11.  Mai  des- 


256  ■'''oö  Entreß-Fürsteneck.     von  Grutschreiber. 

selben  Jahres  als  Sekondleutnant  aggregiert  wurde.  Am  7.  September  1863 
als  Premierleutnant  in  das  württembergische  4.  Reiterregiment  versetzt,  erhielt 
er  ein  Kommando  zur  Militär-Equitationsschule  (1863 — 1865)  und  verblieb 
als  Divisionsbereiter  bei  der  Anstalt  bis  zum  Ausbruch  des  Krieges  von  1866 
gegen  Preußen,  den  er  bei  seinem  Regiment  mitmachte.  Nach  Beendigung 
des  Feldzuges  trat  E.  wieder  zur  Equitationsschule  zurück  und  zog  1870,  als 
Rittmeister  in  das  2.  Reiterregiment  versetzt,  gegen  Frankreich  ins  Feld. 
Nach  der  Rückkehr  in  die  Heimat  wieder  in  das  3.  Reiterregiment  zurück- 
getreten, wurde  er  1872  in  das  i.  württembergische  Ulanenregiment  Nr.  19 
versetzt  und  unter  Stellung  ä  la  suite  dieses  Regiments  am  28.  September  1874 
zum  altmärkischen  Ulanenregiment  Nr.  16  nach  Preußen  kommandiert.  Nach 
erfolgter  Verabschiedung  aus  württembergischen  Diensten  wurde  E.  am  17.  Ok- 
tober 1876  in  diesem  Regiment  als  Rittmeister  und  Eskadronschef  angestellt, 
am  26.  Juni  1880  zum  Major  befördert,  1882  dem  Regiment  aggregiert  und 
am  14.  Juli  1883  als  etatsmäßiger  Stabsoffizier  in  das  rheinische  Ulanen- 
regiment Nr.  7  versetzt.  Am  15.  Januar  1887  übernahm  er  zunächst  die  Füh- 
rung des  I.  hannoverschen  Ulanenregiments,  dessen  Kommando  er  im  folgen- 
den Monat  erhielt,  wurde  1887  zum  Oberstleutnant  und  1890  zum  Oberst 
befördert.  Als  solcher  erhielt  E.  am  16.  Juni  1891  die  12.  Kavalleriebrigade, 
wurde  am  18.  April  Generalmajor  und  am  15.  Juli  1893  in  Genehmigung  seines 
Abschiedsgesuches  zur  Disposition  gestellt.  Nach  seiner  Verabschiedung 
nahm  E.  seinen  dauernden  Wohnsitz  in  Berlin,  wo  er  sich  um  die  Gründung 
und  Entwicklung  des  Vereins  inaktiver  Offiziere  verdient  machte.  Zur  Wieder- 
herstellung seiner  Gesundheit  nach  Karlsbad  gereist,  ereilte  ihn  der  Tod. 
Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Grutschreiber,  Alexander  Frhr.  von,  Generalmajor  z.  D..  *  31.  Mai  1849 
zu  Ratibor,  f  16.  Januar  1902  ebenda.  —  G.  trat  am  i.  März  1869  als  Drei- 
jährig-Freiwilliger auf  Beförderung  in  das  3.  oberschlesische  Infanterieregiment 
Nr.  62  ein,  machte  den  Feldzug  von  1870/71  in  Frankreich  mit,  wo  er  an 
der  Belagerung  von  Paris,  den  Gefechten  von  Villejuif  bezw.  Vitry,  Chevilly 
und  L'Hay  teilnahm,  am  10.  September  zum  Sekondleutnant  aufrückte  und 
sich  das  Eiserne  Kreuz  verdiente.  Nach  dem  Kriege  besuchte  er  die  Kriegs- 
akademie mit  gutem  Erfolg,  wurde  am  14.  Mai  1878  Premierleutnant  und  ein 
Jahr  später  zur  Dienstleistung  beim  Großen  Generalstabe  kommandiert.  Unter 
Belassung  in  dieser  Stellung  wurde  A.  am  2.  September  1880  in  das  3.  hessi- 
sche Infanterieregiment  Nr.  83  versetzt.  Am  3.  Mai  1881  von  der  Dienst- 
leistung beim  Großen  Generalstabe  enthoben,  kam  er  demnächst  als  Adjutant 
zur  27.  Infanteriebrigade,  wurde  aber  unter  Ernennung  zum  Hauptmann  am 
23.  April  1883  wiederum  zur  Dienstleistung  bei  dem  Großen  Generalstabe 
kommandiert,  unter  gleichzeitiger  Aggregierung  zum  Generalstabe  der  Armee, 
in  den  er  nach  Verlauf  eines  Jahres  eingereiht  wurde,  um  am  12.  August 
gleichen  Jahres  dem  Generalstabe  der  13.  Divison  überwiesen  zu  werden. 
Nach  kurzer  Zeit  wurde  A.  wieder  zum  Großen  Generalstabe  zurückversetzt, 
kam  am  3.  November  1885  zum  Generalstabe  der  5.  Division  und  wurde  am 
19.  September  1888  als  Kompagniechef  dem  brandenburgischen  Füsilier- 
regiment Nr.  35  zugeteilt,  in  welcher  Stellung  er  bis  zum  21.  September  1889 
wirkte,   an   welchem   Tage  er  zum   Major  befördert  in   den   Generalstab  der 


von  Grutschreiber.     Höni^.  257 

Armee  zurücktrat  und  dem  Generalstab  der  9.  Division  überwiesen  wurde. 
Dieses  Kommando  dauerte  indessen  nur  kurze  Zeit.  Wieder  in  den  Großen 
Generalstab  zurückversetzt,  wurde  G.  am  20.  Juni  1891  unter  Stellung  ä  la 
suite  des  Generalstabes  der  Armee  ein  dreieinhalbjähriger  Urlaub  gewährt 
behufs  Übernahme  einer  Lehrerstelle  an  der  japanischen  Kriegsakademie  in 
Tokio.  Während  seines  Aufenthalts  in  Japan  wurde  der  verdiente  Offizier 
am  14.  Mai  1894  zum  Oberstleutnant  befördert  und  nach  Rückkehr  in  die 
Heimat  dem  Infanterieregiment  Nr.  97  als  etatsmäßiger  Stabsoffizier  zugeteilt, 
kurz  darauf  jedoch  unter  Stellung  ä  la  suite  des  Generalstabes  der  Armee 
zum  Direktionsmitgliede  der  Kriegsakademie  ernannt.  In  dieser  Stellung 
rückte  G.  am  22.  März  1897  zum  Oberst  auf,  erhielt  am  3.  Juli  1899  das 
Kommando  des  Infanterieregiments  Prinz  Friedrich  der  Niederlande  (2.  west- 
fälisches) Nr.  15  und  wurde  am  22.  Juli  1900  mit  der  Führung  der  5.  Infanterie- 
brigade beauftragt,  deren  Kommando  er  im  folgenden  Monat  endgültig  erhielt. 
Gesundheitsrücksichten  zwangen  ihn  jedoch  bereits  am  18.  Oktober  1901  aus 
seiner  aussichtsreichen  Karriere  auszuscheiden  und  in  den  Ruhestand  zu  treten. 
Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 


Honig,  Fritz,  Hauptmann  a.  D.,  ♦  30.  April  1848  zu  Bomheim  im  Land- 
kreise Bonn  a.  Rhein,  f  12.  März  1902  zu  Halberstadt.  —  Nach  erfolgter  Ka- 
dettenausbildung  wurde  H.  am  18.  April  1865  als  charakterisierter  Port^p^e- 
fähnrich  dem  8.  westfälischen  Infanterieregiment  Nr.  57  zugeteilt  und  erhielt 
nach  Besuch  der  Kriegsschule  in  Erfurt  am  9.  Dezember  1865  ein  Patent  seines 
Dienstgrades.  Als  solcher  zog  er  mit  seinem  Regiment  1866  gegen  die 
Österreicher  ins  Feld,  focht  bei  Königgrätz  und  rückte  am  12.  Juli  1866  zum 
Sekondeleutnant  auf.  Nach  vierjähriger  Friedenszeit  ging  er  im  Juli  1870 
als  Adjutant  des  i.  Bataillons  seines  Regiments  über  die  französische  Grenze, 
wo  er  in  der  Schlacht  bei  Vionville  eine  schwere  Verwundung  erhielt,  die 
ihn  bis  zum  23.  Dezember  1870  von  seinem  Truppenteil  fernhielt.  Nach  jenem 
Zeitpunkt  nahm  er  wieder  in  seiner  früheren  Stellung  als  Adjutant  an  den 
Gefechten  von  St.  Amand,  Villehauve  bezw.  Villeporcher  teil  und  bekleidete 
1871  zeitweilig  die  Regimentsadjutantenstelle,  ohne  mehr  ins  Feuer  zu  kommen. 
1873  zum  Premierleutnant  aufgerückt,  war  er  noch  kurze  Zeit  als  Bezirks- 
adjutant in  Gräfrath  tätig,  schied  aber  bereits  am  13.  Juni  1876  als  charak- 
terisierter Hauptmann  mit  der  Aussicht  auf  Anstellung  im  Zivildienst  und  der 
Erlaubnis  zum  Tragen  der  Regimentsuniform  aus  dem  aktiven  Dienst  aus. 
Im  Ruhestande  widmete  er  sich  mit  großem  Eifer  der  Militärschriftstellerei. 
Jahre  hindurch  redigierte  er  die  »Deutsche  Heereszeitung«  in  Berlin,  die  nach 
seinem  Ausscheiden  als  Schriftleiter  bald  einging. 

Die  Arbeiten  H.s,  die  sich  zumeist  auf  kriegsgeschichtlichem  und  opera- 
tivem Gebiet  bewegen,  legen  durchweg  von  durchdringendem  Verstände  und 
scharfer  Beobachtungsgabe  Zeugnis  ab.  Leider  schoß  der  geistreiche  Schrift- 
steller durch  seine  maßlose  und  verletzende  Kritik,  die  er  sowohl  an  Maß- 
nahmen hoher  Behörden,  wie  an  dem  Verhalten  noch  lebender  Persönlich- 
keiten übte,  häufig  über  das  Ziel  hinaus  und  wurde  dadurch  in  unangenehme 
Streitigkeiten  verwickelt,  deren  Ausgang  für  H.  meist  nicht  sehr  erfreulich 
war.     Fortdauernde  Kränklichkeit  mag  wohl   zu  seiner  Verbitterung  beige- 

Biogr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog^.    7.  Bd.  ly 


258  Honig.     Hoffmann. 

tragen  haben.  Er  starb  an  den  Folgen  einer  Operation,  von  der  er  Heilung 
seines  Leidens  erhofft  hatte. 

Nach  den  Akten  und  anderen  Quellen. 

Hauptschriften:  Die  Manneszucht  in  ihrer  Bedeutung  für  Staat,  Volk  und  Heer.  1882.  — 
Handbuch  für  den  Turn-  und  Waffenunterricht  der  Jugend  (zusammen  mit  Scheibert  heraus- 
gegeben). 1882.  —  Oliver  Crorawell,  4  Teile.  1887 — 89.  —  24  Stunden  Moltkeschcr 
Strategie,  ent^'ickelt  und  erläutert  an  den  Schlachten  von  Gravelotte  und  St.  Priv.it  am 
18.  August  1870.  3.  Aufl.  1897.  —  ^^^s  große  Hauptquartier  und  die  Oberkommando^ 
am  17.  und  18.  August  1870.  2.  Aufl.  1892.  —  Der  Kampf  um  die  Steinbrüche  von 
Rozcrieulles  in  der  Schlacht  von  Gravelotte  am  18.  August  1870.  3.  Aufl.  1892.  — 
Untersuchungen  über  die  Taktik  der  Zukunft,  entwickelt  aus  der  neueren  Kriegsgeschichte. 
4.  Aufl.  der  »Zwei  Brigaden«.  1894.  —  Die  Gefechte  von  la  Garionniere  und  Villechauve 
am  7.  Januar  1871.  1891.  —  Die  Gefechte  von  Boiscommun  und  Lorcy  am  24.  und  26. 
November  1870.  1893.  —  ^i^  Gefechte  von  Ladon  und  Maizieres.  1894.  —  Die  politische 
und  militärische  Lage  Belgiens  und  Hollands  in  Rücksicht  auf  Frankreich  und  Deutschland. 
1898.  —  Geschichte  der  Festung  Weichselmünde  bis  zur  preußischen  Besitznahme  1793. 
1886.  —  über  die  Bewaffnung,  Ausrüstung,  Organisation  und  Verwendung  der  Reiterei.  18S3. 
—  Die  Kavallerie-Division  als  Schlachtenkörper.  1884.  —  Taktische  Direktiven  für  die 
Formation  und  Führung  der  Kavallerie-Division.  1885.  —  Prinz  Friedrich  Karl  von  Preußen. 
2.  Aufl.  1885.  —  von  Obemitz,  General  der  Infanterie.  Festschrift  zum  50jährigen  Dienst- 
jubiläum. 1886.  —  Über  die  Heranbildung  von  Einjährig-Freiwilligen  zu  Reserveoffizieren. 
1879.  —  Die  Wehrkräfte  Frankreichs  im  Jahre  1885.  '879.  —  Eine  Wintertagswirklich- 
keit.  1887.  —  Der  Volkskrieg  an  der  Loire  im  Herbst  1870.  6  Bände  (i.  Band,  2.  Aufl.. 
1894;  2.  Band,  2.  Aufl.,  1895;  3.  und  4.  Band  1896;  5.  und  6.  Band  1897).  —  Die  Ent- 
scheidungskämpfe des  Mainfeldzuges  an  der  fränkischen  Saale.  Kissingen — Friedrichshall— 
Hammelburg.  2.  Aufl.  1898.  —  Zur  Verteidigung  des  Kirchhofes  von  Beaune  la  Rolande. 
Ergänzungsheft  zum  »Volkskrieg  an  der  Loire«.  1894.  Loigny-Pouprj'.  2.  Erg&nzun^s- 
heft  zum  »Volkskrieg  an  der  Loire«.  1896.  —  Die  Wahrheit  über  die  Schlacht  \on 
Vionville — Mars  la  Tour  auf  dem  linken  Flügel.  1899.  —  Beiträge  zur  Schlacht  von 
Vionville — Mars  la  Tour.  1899.  —  Dokumentarisch-kritische  Darstellung  der  Strategie  für 
die  Schlacht  von  Vionville — Mars  la  Tour  usw.  Lorenzen. 


Hoffmann,  Karl,  Generalmajor  z.  D.,  ♦  5.  Mai  1841  zu  Freiburg  i.  Baden, 
f  5.  April  1902  zu  Berlin.  —  H.  trat  am  9.  September  1858  als  Fähnrich 
beim  damaligen  3.  Füsilierbataillon  in  badische  Dienste,  kam  am  20.  April  185Q 
in  das  3.  Infanterieregiment  und  wurde  am  20.  Juni  1866  zum  Oberleutnant 
ernannt.  Im  Feldzuge  von  1866  gegen  Preußen  nahm  er  an  den  Gefechten 
bei  Hundheim,  Werbach  und  Gerchsheim  teil  und  hatte  nach  dem  Frieden 
verschiedene  Kommandos,  u.  a.  auch  zur  Militär-Schießschule  in  Spandau. 
Bei  Ausbruch  des  Krieges  von  1870/71  zum  Hauptmann  befördert,  zog  er  an 
der  Spitze  der  3.  Kompagnie  seines  Regiments  nach  Frankreich,  wo  er  die 
Belagerung  von  Straßburg,  die  Gefechte  bei  La  Bourgonce,  am  Ognon,  bei 
Daix  und  bei  Nuits,  sowie  die  Schlacht  an  der  Lisaine  mitmachte.  Nach 
dem  Feldzuge  wurde  H.  am  15.  Juli  1871  in  die  preußische  Armee  aufge- 
nommen. Sein  Regiment  erhielt  infolge  der  Bestimmungen  der  zwischen 
Baden  und  Preußen  abgeschlossenen  Militärkonvention  die  Benennung  »3.  Ba- 
disches Infanterieregiment  Nr.  11 1«.  Im  Januar  1881  zum  überzähligen  Major 
befördert,  kam  H.  im  Mai  1883  als  etatsmäßiger  Stabsoffizier  in  das  schlesi- 
sche  Füsilierregiment  Nr.  38,  wurde  dort  Bataillonskommandeur  und  am 
15.  April  in  gleicher  Eigenschaft  zum    5.  ostpreußischen  Infanterieregiment 


Hoffmann.     von  Kleinschroit.     Behr. 


259 


Nr.  41  und  am  15.  November  als  Oberstleutnant  zum  i.  niederschlesischen 
Infanterieregiment  Nr.  46  versetzt.  Am  24.  März  1890  wurde  H.  zum  Oberst 
und  Kommandeur  des  4.  magdeburgischen  Infanterieregiments  Nr.  67  befördert, 
am  14.  Februar  1893  zur  Disposition  gestellt. 

Nach  den  Akten.  Lorenzen. 

Kleinschmity  Julius  von,  Generalmajor  z.  D.,  *  14.  Mai  1825  zu  Korbach 
im  Fürstentum  Waldeck,  f  26.  April  1902  zu  Wiesbaden.  —  Nach  beendigter 
Erziehung  im  elterlichen  Hause  und  dem  Besuch  des  Gymnasiums  seines 
Geburtsortes  bis  zum  Jahre  1842  trat  K.  in  die  damalige  herzoglich  nassauische 
Kadettenschule  ein,  in  der  er  bis  zum  August  1845  verblieb.  Zu  diesem  Zeit- 
punkt wurde  er  in  das  herzoglich  nassauische  i.  Infanterieregiment  einge- 
stellt, in  dem  er  im  darauf  folgenden  Dezember  zum  Unterleutnant  aufrückte. 
Im  Mai  1846  in  die  herzoglich  nassauische  Artillerieabteilung  versetzt,  nahm 
K.  mit  Teilen  derselben  1848/49  am  Kriege  der  Bundestruppen  gegen  die 
Dänen  in  Schleswig-Holstein,  sowie  später  an  der  Niederwerfung  des  Insur- 
gentenheeres in  Baden  teil  und  erhielt  während  dieser  Ereignisse  das  Ober- 
leutnantspatent. Von  1856  bis  1858  wirkte  K.  als  Direktor  der  damaligen 
nassauischen  Zeughauswerkstätte  in  Wiesbaden,  war  von  1857  bis  1859  Lehrer 
der  Mathematik  und  Waffenlehre  an  der  damaligen  »Herzoglich  Nassauischen 
Militärschule«  und  machte  im  März  1858,  zum  Hauptmann  ernannt,  den  Feld- 
zug gegen  Preußen  bei  der  Artillerieabteilung  mit.  Nach  der  Einverleibung 
des  ehemaligen  Herzogtums  Nassau  in  Preußen  stand  K.  nicht  grollend  bei 
Seite,  sondern  trat  bereits  am  23.  Oktober  1866  mit  seinem  Dienstgrade  in 
preußische  Dienste,  wo  er  als  Batteriechef  bei  der  7.  Artilleriebrigade  An- 
stellung fand.  Am  4.  April  1867  als  Major  und  Abteilungskommandeur  zum 
magdeburgischen  Festungsartillerieregiment  Nr.  4  versetzt,  nahm  er  in  dieser 
Eigenschaft  im  Kriege  von  1870/71  gegen  Frankreich  an  den  Belagerungen 
von  Straßburg  und  Paris  teil,  wurde  nach  Beendigung  der  Feindseligkeiten 
zum  magdeburgischen  Feldartillerieregiment  Nr.  4  versetzt,  am  18.  Januar  1872 
zum  Oberstleutnant  befördert  und  im  Oktober  gleichen  Jahres  mit  der  Füh- 
rung des  ostpreußischen  Feldartillerieregiments  Nr.  i,  Divisionsartillerie, 
späteren  westpreußischen  Feldartillerieregiments  Nr.  16  beauftragt,  dessen 
Kommando  er  am  21.  April  1873  erhielt.  Im  folgenden  Jahre,  am  19.  Sep- 
tember 1874,  wurde  K.  Oberst  und  trat  am  13.  November  1877  in  den  erbetenen 
Ruhestand.  Aus  Anlaß  der  Feier  der  200jährigen  Wiederkehr  der  Annahme 
der  preußischen  Königswürde  geadelt,  erfolgte  seine  Charakterisierung  als 
Generalmajor  am  10.  September  1897. 

Nach  Militär-Zeitung.  Lorenzen. 

Behr,  Friedrich,  Professor  an  der  Realanstalt  in  Stuttgart,  ♦  am  17.  De- 
zember 1816  zu  Friedrichshafen  am  Bodensee,  f  am  9.  November  1902  in 
Stuttgart.  —  B.  studierte  Theologie,  wandte  sich  aber  später  dem  höheren 
Schulfache  zu  und  verweilte  längere  Zeit  als  Erzieher  in  Italien;  im  Jahre  1862 
wurde  er  an  die  Friedrich-Eugen-Realschule  zu  Stuttgart  berufen,  an  der  er 
25  Jahre  gewirkt  hat.  Wegen  eines  Augenleidens  mußte  er  1886  in  seinem 
70.  Lebensjahre  in  den  Ruhestand  treten,  erreichte  aber  das  hohe  Alter  von 
86  Jahren.  —  Für  die  Herdersche  Verlagsbuchhandlung  in  Freiburg  i.  B. 
besorgte  B.  nach  des  Verfassers  Tode  die  11. — 17.  Auflage  von  Pütz'  »Lehrbuch« 

17* 


260  Bchr.     Chavanne. 

und  die  17. — 26.  Auflage  von  Pütz'  »Leitfaden  der  vergleichenden  Erd- 
beschreibung«. Für  das  »Jahrbuch  der  Naturwissenschaften«  von  Dr.  Max 
Wiedemann  (Freiburg,  Herdersche  Verlagsbuchhandlung)  schrieb  Prof.  B.  in 
den  letzten  dreizehn  Jahrgängen  den  Bericht  über  »Länder-  und  Völkerkunde«. 
In  Gemeinschaft  mit  A.  Hummel,  F.  Marthe,  E.  Oehlmann  und  B.  Volz  gab  der 
Verstorbene  auch  im  Auftrage  der  Ferdinand  Hirtschen  Verlagsbuchhandlung 
die  »Anleitung  zur  Schreibung  und  Aussprache  der  geographischen  Fremd- 
namen für  die  Zwecke  der  Schule«  (Leipzig,  2.  Aufl.,  1894)  heraus.  Auch 
eine  »Neueste  Karte  von  Australien  nebst  den  Dampfer-  und  Telegraphen- 
linien« im  Maßstabe  i  :  12500000  (Stuttgart,  Julius  Maier)  redigierte  er. 
Vgl.  Jb.  d.  Naturwissenschaften,  XVII;  Zeitschr.  f.  Schulgeogr.  XXV,  1904,  98. 

W.  Wolkenhauer. 

Chavanne,  Josef,  Dr.  phil.,  österreichischer  Geograph  und  Reisender, 
*  am  7.  August  1846  in  Graz,  f  am  7.  Dezember  1902  in  Buenos  Aires  in 
Argentinien.  —  Ch.  studierte  in  Prag  und  Graz  und  bereiste  dann  1867  bis 
1869  die  Vereinigten  Staaten,  Mexiko,  Westindien  und  Nordafrika  und  trat 
dann  als  Hilfsarbeiter  in  die  Meteorologische  Reichsanstalt  in  Wien  ein.  Im 
Jahre  1875  wurde  er  zum  Sekretär  der  Wiener  k.  k.  Geographischen  Gesell- 
schaft erwählt  und  redigierte  gleichzeitig  deren  Mitteilungen.  Nebenbei 
entfaltete  Ch.  eine  äußerst  rege  schriftstellerische  Tätigkeit;  von  seinen  größeren 
Arbeiten  seien  nur  erwähnt:  »Die  Temperaturverhältnisse  von  Österreich- 
Ungarn«  (Wien  187 1);  »Beiträge  zur  Klimatologie  von  Österreich -Ungarn* 
(Wien  1872);  »Pflanzen-  und  Tierleben  im  tropischen  Urwald  Amerikas«  (1877); 
»Die  Literatur  über  die  Polarregion  der  Erde«  (1878);  »Die  Sahara«  (1879); 
»Afghanistan«  (1879);  »Afrika  im  Lichte  unserer  Tage«  (188 1);  »Die  mittlere 
Höhe  von  Afrika«  (1881);  »Afrikas  Ströme  und  Flüsse«  (1883).  Auch  zwei 
vorzügliche  physikalische  Wandkarten  von  Afrika  (1878)  und  Asien  (1881) 
und  ein  »Physikalisch-statistischer  Handatlas  von  Österreich -Ungarn«  (in 
Gemeinschaft  mit  mehreren  Fachleuten)  erschienen  unter  seiner  Leitung.  Im 
Februar  1884  ging  Ch.  im  Auftrage  des  Kongostaates  nach  dem  Kongo,  um 
hier  topographische  Aufnahmen  zu  machen  (vgl.  Petermanns  Mitteilungen 
1885  und  1886).  Über  diese  Reise  veröffentlichte  er  das  Werk  »Reisen  und 
Forschungen  im  alten  und  neuen  Kongostaat  in  den  Jahren  1884  und  1885«' 
(Jena  1887),  das  dann  seinen  literarischen  Ruf  vernichtete,  da  sich  ergab,  daß 
es  mit  starken  Entlehnungen  aus  Pechuel-Loesches  Loango-Werk  (1882)  her- 
gestellt war.  Unglückliche  Familien-  und  Vermögensverhältnisse  veranlaßten 
Ch.  jetzt  nach  Buenos-Aires  auszuwandern  (1888),  wo  er  in  verschiedenen 
Lebensstellungen  seinen  Lebensunterhalt  erwarb,  bis  er  1895  Beamter  des 
Hydrographischen  Amtes  wurde.  Nebenher  war  er  auch  ständiger  Mitarbeiter 
des  »Argentinischen  Tageblattes«,  für  das  er  zahlreiche  geographische  Auf- 
sätze schrieb.  Seine  letzte  Arbeit  handelt  über  die  »Temperatur-  und  Regen- 
verhältnisse Argentiniens«  (1902);  auch  eine  -oMapa  fisico  dt  la  Repubika 
Argentina*f<  und  y>Mapa  politka«  gab  er  noch  heraus;  eine  groß  angelegte  Mono- 
graphie über  die  Anden  ist  unvollendet  geblieben.  Nach  längerer  Krankheit 
starb  Ch.  in  großer  Armut. 

Vgl.  Rundschau  f.  Geogr.,  XXV,   1903,  27S/281  mit  Portät. 

W.  Wolkenhauer. 


Jung.     Reischek.  201 

Jung,  Karl  Emil,  Dr.  jur.,  geographischer  Schriftsteller,  *  am  i.  Februar 
1836  zu  Grofi-Machenow  bei  Berlin,  f  am  2.  Oktober  1902  zu  Leipzig 
im  67.  Lebensjahre.  —  Nach  Besuch  der  Gymnasien  in  Schulpforta  und 
Magdeburg  widmete  J.  sich  dem  Studium  der  Rechtswissenschaft,  verfolgte 
aber  die  juristische  Laufbahn  nicht  weiter,  sondern  ging,  nachdem  er  den 
juristischen  Doktortitel  erlangt  hatte,  nach  England,  wo  er  einige  Zeit  im 
Eton  College  Unterricht  im  Deutschen  und  Lateinischen  erteilte.  In  der  zweiten 
Hälfte  der  fünfziger  Jahre  siedelte  er  nach  Südaustralien  über;  zunächst 
wirkte  er  hier  als  Lehrer  am  St.  Peters  College  in  Adelaide,  wurde  später  bei 
Errichtung  der  Universität  in  Adelaide  zum  Professor  der  klassischen  Sprachen 
berufen  und  übernahm  endlich  die  Stellung  als  Schulinspektor  der  Kolonie. 
Nach  iSjähriger  Tätigkeit  in  Südaustralien  kehrte  J.  Mitte  der  siebziger  Jahre 
nach  Deutschland  zurück,  nahm  seinen  Wohnsitz  zuerst  in  Leipzig,  dann  in 
Wiesbaden  und  Eisenach  und  zuletzt  wieder  in  Leipzig  und  widmete  sich 
der  Schriftstellerei.  Hin  und  wieder  übernahm  er  feste  Stellungen,  z.  B.  als 
Redakteur  an  Meyers  Konversationslexikon,  als  Redakteur  in  der  Tagespresse, 
als  Generalsekretär  des  Kolonialvereins;  aber  diese  regelmäßige  Tätigkeit 
entsprach  seinen  Neigungen  so  wenig,  daß  er  stets  wieder  zur  Schriftstellerei 
zurückkehrte.  Fast  allen  deutschen  geographischen  Zeitschriften  und  auch 
anderen  Blättern  lieferte  er  geographische  und  statistische  Aufsätze  über 
Australien  und  war  bald  als  bester  Kenner  Australiens  anerkannt.  Auch  durch 
Vorträge  in  den  geographischen  Gesellschaften  und  anderen  Vereinen  suchte 
er  die  australischen  Kolonien  in  der  alten  Heimat  besser  bekannt  zu  machen. 
Unter  seinen  selbständigen  Werken  sind  zu  erwähnen :  »Australien  und  Neu- 
seeland« (Leipzig  1879);  »I^er  Weltteil  Australien«  (Bd.  VI,  VIII,  ?:i  u.  XIII 
in  der  Sammlung  »Das  Wissen  der  Gegenwart«,  Leipzig.  1882  und  1883); 
j^Deutsche  Kolonien.  Ein  Beitrag  zur  besseren  Kenntnis  des  Lebens  und 
Wirkens  unserer  Landsleute  in  allen  Erdteilen«  (1883,  2.  Aufl.  1885);  »Handels- 
geographisches Lexikon«  (1884);  »Das  Deutschtum  in  Australien  und  Ozeanien« 
(München  1902). 

Vgl.  Deutsche  Erde,  Nachruf  von  Hugo  Wichmann,  I,  1902.      W.  Wolken  hau  er. 

Reischek,  Andreas,  Kustos  des  Linzer  Museums,  ♦  am  15.  September  1845 
in  Linz,  f  ^"^  4-  April  1902  daselbst.  —  Auf  Empfehlung  Professor  Fr.  von 
Hochstetters  kam  R.  1875  als  Jäger,  Sammler  und  Präparator  an  das  Auck- 
landinstitut  auf  Neuseeland  und  benutzte  hier  seinen  Aufenthalt  während 
zwölf  Jahre,  1877  bis  1889,  um  Neuseeland  und  benachbarte  Inseln  auf  Jagd- 
und  Forschungsreisen  zu  durchstreifen  und  reiche,  naturwissenschaftliche 
Sammlungen  anzulegen.  Das  Museum  Christchurch  ist  zum  großen  Teile  von 
R.  eingerichtet  worden;  aber  auch  zahlreiche  andere  wissenschaftliche  Samm- 
lungen in  Europa  und  Amerika  haben  durch  ihn  ansehnliche  Bereicherung 
erfahren.  Eine  wertvolle  Privatsammlung,  die  er  bei  seiner  Rückkehr  im  Mai 
1889  mitbrachte,  erwarb  das  k.  k.  Naturhistorische  Hofmuseum  in  Wien.  Im 
Jahre  1893  wurde  er  in  seiner  Vaterstadt  Linz  zum  Aufstellen  der  Sammlungen 
des  dortigen  Landesmuseums  Francisco -Carolinum  berufen  und  nach  Durch- 
führung dieser  Arbeit  zum  Kustos  desselben  bestellt.  Schon  nach  wenigen 
Jahren  erlag  er  einem  mehrjährigen  Leiden. 

Vgl.  D.  Rundschau  f.  Geogr.,  XXIV,  1902,  mit  Porträt.        W.  Wolkenhauer. 


202  Kühler.     Leeb.     von  Hötzl. 

Köhler,  August,  Gouverneur  der  deutschen  Togokolonie,  ♦  am  30.  Sep- 
tember 1858  in  Eltville  (im  Rheingau)  als  Sohn  des  Königlich  preußischen 
Domänenrats  Köhler,  f  am  20.  Januar  1902  in  Lome  am  Herzschlag.  —  K. 
besuchte  die  Realschule  in  Langenschwalbach  und  das  Gymnasium  zu 
Weilburg  a.  L.,  das  er  Ostern  1878  mit  dem  Reifezeugnis  verließ,  um  in  Bonn 
und  Leipzig  sich  den  Rechts-  und  Staatswissenschaften  zu  widmen.  Nach- 
dem er  1889  die  Staatsprüfung  bestanden  hatte,  wurde  er  1891  zur  Vorbereitung 
für  den  Kolonialdienst  in  die  Kolonialabteilung  des  Auswärtigen  Amtes  ein- 
berufen und  bereits  im  Juni  desselben  Jahres  dem  kais.  Kommissar  des 
südwestafrikanischen  Schutzgebietes  v.  Frangois  als  Richter  und  Stellvertreter 
in  den  Verwaltungsgeschäften  beigegeben.  1894  nach  Deutschland  beurlaubt, 
wurde  er  nach  abermaliger  Beschäftigung  im  Auswärtigen  Amt  im  Februar 
1895  mit  der  Wahrnehmung  der  Geschäfte  des  Landeshauptmanns  von  Togo 
betraut  und  im  November  1895  zum  Landeshauptmann  ernannt.  1897  nahm 
er  an  den  Verhandlungen  mit  Frankreich  über  die  Abgrenzung  der  Kolonien 
Togo  und  Dahome  teil;  bald  darauf  wurde  er  zum  Gouverneur  von  Togo 
ernannt.  Unter  seiner  Verwaltung  hat  diese  Kolonie  in  ungestörter  Entwick- 
lung nach  außen  und  innen  einen  bedeutenden  Aufschwung  genommen.  Sein 
Tod  im  besten  Mannesalter  ist  für  die  deutsche  Kolonialverwaltung  ein 
schwerer  Verlust. 

Vgl.  Deutsches  Kolonialblatt,  XIII,  1902,  S.  63.  W.  Wolkenhauer. 

Leeb,  Michael,  O.  S.  Ä,  Prior  von  Weltenburg  a.  D.,  *  26.  September  1822 
zu  Kempten,  f  25.  Dezember  1902  zu  Weltenburg.  —  L.  studierte  zuerst 
Jurisprudenz  an  der  Universität  München,  trat  dann  am  15.  April  1845  im 
Kloster  Metten  in  den  Benediktinerorden,  legte  am  26.  April  1846  Profeß  ab 
und  wurde  am  22.  Juli  1846  zum  Priester  geweiht.  Hierauf  wirkte  er  lange 
Jahre  als  Studienlehrer  teils  in  Metten,  teils  (1847  bis  1857)  am  k.  Erziehungs- 
institut in  München.  187 1  wurde  er  Inspektor  der  vereinigten  Klostersemi- 
narien  in  Metten,  am  11.  Juni  1874  Prior  des  selbständigen  Priorates  W^eltenburg. 

Vgl.  Studien  und  Mitteilungen  aus  dem  Benediktinerorden,  24.  Jahrg.,  1903,  S.  553  f. 

F.  Lauchert. 

Hötzl,  Petrus  v.  Alcantara  von,  O.  S,  Fr.,  Bischof  von  Augsburg,  ♦  6.  August 
1836  zu  München,  f  9.  März  1902  zu  Augsburg.  —  H.  besuchte  die  Volks- 
schule in  München  und  absolvierte  die  Gymnasialstudien  dort  und  in  Freising. 
Am  28.  November  1856  trat  er  im  Kloster  zu  St.  Anna  in  München  in  den 
Franziskanerorden,  legte  am  27.  Oktober  1857  Profeß  ab,  studierte  an  der 
Universität  und  im  Kloster  Theologie  und  wurde  am  30.  März  1860  zum 
Priester  geweiht.  Nachdem  er  ein  Jahr  in  den  Klöstern  zu  Dietfurt  und 
Landshut  in  der  Seelsorge  gewirkt  hatte,  wurde  er  als  Lektor  der  Philosophie 
und  Theologie  in  das  Münchener  Kloster  zurückberufen.  Neben  dem  Lehr- 
amte verwaltete  er  späterhin  nacheinander  mehrere  Jahre  auch  die  Ämter 
des  Kleriker-Magisters,  Provinz-Definitors  und  Provinz-Kustos.  Am  6.  August 
1891  wurde  er  zum  Ordensprovinzial  der  bayerischen  Franziskaner-Ordens- 
provinz gewählt  und  nach  Ablauf  der  dreijährigen  Amtsdauer  am  22.  Sep- 
tember 1894  wiedergewählt.  Am  7.  November  1894  wurde  er  vom  Prinz- 
regenten Luitpold  zum  Bischof  von  Augsburg  ernannt,  am  18.  März  1895  von 


von  Hötzl.     Wehofer.  263 

Papst  Leo  XIII.  präkonisiert,  am  i.  Mai  vom  Erzbischof  von  Thoma  von 
München  und  Freising  in  der  Kathedrale  zu  Augsburg  konsekriert  und  in- 
thronisiert. Besondere  Fürsorge  wandte  er  als  Bischof  der  Ausbildung  des 
Klerus  zu,  sollte  aber  die  Verwirklichung  seines  Planes  der  Gründung  eines 
Priesterseminars  in  Augsburg,  in  welchem  die  Priesteramtskandidaten  nach 
Vollendung  der  theoretischen  Studien  während  eines  weiteren  Jahres  praktisch 
und  asketisch  ausgebildet  werden  sollten,  nicht  mehr  erleben.  Ferner  ist 
aus  seiner  bischöflichen  Wirksamkeit  die  Einführung  der  ewigen  Anbetung 
in  der  Diözese  Augsburg  hervorzuheben.  Im  Oktober  1900  wohnte  er  in 
Rom  der  Seligsprechungsfeier  der  seligen  Crescentia  von  Kaufbeuren  bei. 
Am  27.  August  1901  ernannte  ihn  Papst  Leo  XIII.  zum  Comes  Romanus, 
päpstlichen  Hausprälaten  und  Thronassistenten.  Seit  1898  war  er  auch  Reichs- 
rat der  Krone  Bayern.  —  Schriften:  »Ist  Döllinger  Häretiker?«  (München  1870); 
Das  kleine  Officium  Unserer  Lieben  Frau  für  Verständnis  und  Betrachtung 
ausgelegt«  (München  1876);  »Geschichte  der  Klosterpfarrkirche  St.  Anna  in 
München«  (München  1879);  »Jakob  und  Esau.  Typik  und  Kasuistik.  Eine 
historisch-dogmatische  Untersuchung«  (München  1881);  y>Beati  Bertholdi  a 
Ratisbana  sermones  ad  reiigiosos  XX  ex  Erlangensi  codice  una  cum  sermone  in 
honorem  S.  Francisci  e  duobus  codicibus  Monacensibus  in  centenarium  septimum 
familia€  Franciscanae  ed,«  (München  1882;  die  gehegte  Absicht,  die  Herausgabe 
weiterer  Werke -Bertholds  folgen  zu  lassen,  kam  nicht  zur  Ausführung).  Bei- 
träge zu  den  »Historisch-politischen  Blättern«,  unter  denen  erwähnt  sei:  »Das 
Vatikanum  und  Bonifaz  VIII.«  (Bd.  102,  i888,  S.  127 — 132,  361 — 372,  418  bis 
434 J  gegen  Berchtolds  Schrift:  Die  Bulle  Unam  sanctam,  München  1887). 

Vgl.  F.  X.  Schuster,  Bischof  Dr.  Petrus  von  Hötzl;  Augsburg  1902.  (Mit  Porträt.)  —  Augs- 
burger Postzeitung  1902,  Nr.  58  vom  11.  März.  —  Die  katholische  Kirche  unserer  Zeit  und 
ihre  Diener  in  Wort  und  Bild,  Bd.  II  (München  1900),  S.  148  f.     (Mit  Porträt) 

F.  Lauchert. 

Wehofer,  Thomas  Maria,  O.  Praed.^  *  4.  März  1870  zu  Wien,  f  3.  März 
1902  ebenda.  —  W.  trat  zu  Graz  in  den  Dominikanerorden  ein  und  legte 
am  8.  September  1888  die  einfachen,  drei  Jahre  später  die  feierlichen  Gelübde 
ab.  Die  philosophischen  und  theologischen  Studien  absolvierte  er  an  den 
Hausstudien  der  Dominikaner  in  Graz  und  Wien,  während  er  auch  Vorlesungen 
an  der  Universität  hörte,  empfing  am  19.  März  1893  die  Priesterweihe 
und  promovierte  1895  als  Dr.  phil.  in  Wien,  Sommer  1898  als  Dr.  theol.  in 
Tübingen.  Von  Herbst  1895  bis  1898  war  er  Professor  an  der  Minerva  in 
Rom.  Im  Herbst  1898  wurde  er  nach  Graz  zurückgerufen  und  dozierte  am 
Hausstudium  daselbst  Kirchen-  und  Dogmengeschichte,  Geschichte  der  Philo- 
sophie und  Propädeutik  der  Geschichte.  1899  übersiedelte  er  nach  Leitmeritz 
in  Böhmen,  trat  dann  aus  dem  Orden  aus  und  habilitierte  sich  1901  an  der 
philosophischen  Fakultät  in  Wien  als  Privatdozent  für  byzantinische  Geschichte 
und  Literatur.  —  Seine  wichtigeren  Arbeiten  sind:  »Die  Apostel  Chinas.  Der 
selige  Bischof  Petrus  Sanz  und  seine  Gefährten.  Kreuzesblüten  aus  der  Ge- 
schichte der  Dominikanermission«  (Freiburg  i.  B.  1894);  »Das  Lehrbuch  der 
Metaphysik  für  Kaiser  Joseph  IL,  verfaßt  von  P.  Josef  Frantz«  (Paderborn 
1895);  »Philologische  Bemerkungen  zur  Aberkiosinschrift«  (Römische  Quartal- 
schrift für  christliche  Altertumskunde  und  für  Kirchengeschichte,    10.  Jahrg. 


264  Wehofer.     Otto. 

1896,  S.  63 — 84;  vgl.  ferner  ebenda  S.  351 — 378  und  S.  405!.);  »Die  Schrift 
von  Gerard  de  Frachet  ^  Vitas  Fratrum  O.  /*.«,  eine  noch  unbenutzte  Quelle 
zur  Philosophiegeschichte  des  13.  Jahrhunderts«  (Jahrbuch  für  Philosophie  und 
spekulative  Theologie,  11.  Bd.  1896,  S.  17 — 41);  »Die  Apologien  Justins  des 
Philosophen  und  Märtyrers  in  literarhistorischer  Beziehung  zum  erstenmal 
untersucht.  Eine  Vorstudie  zur  Kirchen-  und  Philosophiegeschichte  des 
II.  Jahrhunderts«  (Rom  1897;  =  Römische  Quartalschrift,  6.  Supplementheft); 
»Die  geistige  Bewegung  im  Anschluß  an  die  Thomas-Enzyklika  Leos  XIII. 
vom  4.  VIII.  .1879«  (Wien  1897;  =  Vorträge  und  Abhandlungen  herausgeg. 
von  der  Leo -Gesellschaft,  7.  Heft);  »Schwester  Marie -Madeleine  aus  dem 
3.  Orden  des  hl.  Dominicus.  Sophie  Charlotte  Herzogin  v.  Alengon,  geb. 
Herzogin  v.  Bayern.  In  Briefen  an  einen  Freund  aus  demselben  3.  Orden 
geschildert«  (München  1898);  »Die  Neugestaltung  der  Wiener  k.  k.  theologi- 
schen Fakultät.  Im  Anschluß  an  Dr.  Truxas  Maurer-Biographie«  (Histor.-polit. 
Blätter,  Bd.  121,  1898,  S.  124 — 137,  161 — 174);  »Der  Dominikaner  und  Wiener 
Universitätsprofessor  Petrus  Gazzaniga  über  den  pädagogischen  Wert  der 
scholastischen  Methode  des  18.  Jahrh.«  (Mitteilungen  der  Gesellschaft  für 
deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte,  8.  Jahrg.  1898,  S.  191 — 197);  »Unter- 
suchungen zur  altchristlichen  Epistolographie«  (Wien  1901;  aus  den  Sitzungs- 
berichten der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien,  phil.-hist.  Klasse, 
143.  Bd.);  »Sprachliche  Eigentümlichkeiten  des  klassischen  Juristenlateins  in 
Novatians  Briefen«  (Wiener  Studien,  23.  Bd.  1901,  S.  269 — 275).  Für  die 
8.  Auflage  von  Überwegs  »Grundriß  der  Geschichte  der  Philosophie«  (Berlin 
1898)  übernahm  W.  die  Neubearbeitung  des  Abschnittes:  »Die  volle  Ausbildung 
und  Verbreitung  der  Scholastik«  (S.  253 — 313). 

Die  biographischen  Dciten  verdanke  ich  der  gütigen  Mitteilung  des  Herrn  P.  Reginald 
Schuhes  O.  Praed.  Lektor  der  Theologie  in  Graz.  F.  Laucher t. 

Otto,  Carl,  Konvikts-Präfekt  a.  D.  in  Breslau,  Historiker,  *  12.  November 
1832  zu  Neustadt  in  Oberschlesien,  f  23.  Februar  1902  zu  Breslau.  —  O. 
besuchte  von  Herbst  1844  bis  1851  das  Gymnasium  zu  Neisse,  studierte 
1851  — 1854  Theologie  an  der  Universität  Breslau,  trat  im  Sommer  1854  da- 
selbst in  das  Priesterseminar  ein  und  empfing  am  30.  Juni  1855  ^^^  Priester- 
weihe. Seine  erste  Anstellung  erhielt  er  hierauf  als  Kaplan  in  Brieg,  wo  er 
auch  als  Religionslehrer  für  die  katholischen  Schüler  des  Gymnasiums  tätig 
war.  Im  Herbst  1857  wurde  er  als  Repetent  an  das  theologische  Konvikt 
in  Breslau  berufen,  wurde  am  9.  August  1862  Dr.  theol.  (Würzburg),  am 
14.  November  1864  Präfekt  des  theologischen  Konvikts  in  Breslau,  auch 
Benefiziat  an  der  Domkirche  und  seit  dem  15.  Januar  1865  Bücherzensor. 
In  dieser  ganzen  Zeit  half  er  auch  in  der  Seelsorge  und  auf  der  Kanzel  aus. 
Er  blieb  in  Breslau  wohnen,  nachdem  die  erzwungene  Schließung  des  Konvikts 
im  Kulturkampf  1876  seiner  Tätigkeit  als  Präfekt  ein  Ende  gemacht  hatte. 
Schon  bald  darauf  begann  aber  seit  1877  das  schwere  und  langwierige  Nerven- 
leiden, das  ihm  von  da  an  bis  zu  seinem  Tode  eine  Fortsetzung  seiner  schrift- 
stellerischen Tätigkeit  nicht  mehr  gestattete,  obwohl  er  im  vollen  Besitz 
seiner  Geisteskräfte  fortfuhr,  sich  mit  der  neueren  wissenschaftlichen  Literatur 
zu  beschäftigen.  —  Schriften :  »Z>tf  causa  Rothadi episcopi Suessionensis^  (Diss,^i862)\ 
*De  Johanne    V.    Turzone  episcopo    IVratisiaviensi   commentatio^s.    (Breslau    1865). 


Otto.     Granderath.  265 

Verschiedene  kleinere  Arbeiten  erschienen  in  der  »Zeitschrift  für  Geschichte 
und  Altertum  Schlesiens«  Bd.  7,  11,  12,  im  »Schlesischen  Kirchenblatt«  1873  und 
1875,  ^^  ^^^  »Historisch-politischen  Blättern«  Bd.  74,  1874.  Sein  Hauptwerk 
sollte  eine  große  Biographie  des  Cochläus  werden,  für  die  er  viele  Jahre 
hindurch  in  umfassendster  und  gründlichster  Weise  das  handschriftliche  und 
gedruckte  Material  sammelte,  die  er  aber  unter  der  Ungunst  der  Verhältnisse 
und  später  infolge  seiner  Erkrankung  leider  in  der  geplanten  Weise  nicht 
vollenden  konnte.  Schon  1866  veröffentlichte  er  die  Abhandlung:  »Das  Collo 
quium  des  Cochläus  mit  Luther  zu  Worms  auf  dem  Reichstage  1521«  (öster- 
reichische Vierteljahresschrift  für  katholische  Theologie,  5.  Jahrg.,  S.  83 — 114), 
acht  Jahre  später  als  einen  bedeutungsvollen  größeren  Ausschnitt  aus  dem 
geplanten  Werk  die  Schrift:  »Johannes  Cochläus  der  Humanist«  (Breslau 
1874),  auch  nach  den  seitdem  erschienenen  neueren  Arbeiten  immer  noch  das 
Gründlichste,  Gediegenste  und  Würdigste,  was  über  den  großen  katholischen 
Vorkämpfer  geschrieben  wurde.  Im  folgenden  Jahre  erschien  von  O.s  Hand 
noch  die  Festschrift  zum  50  jährigen  Priesterjubiläum  des  Fürstbischofs 
Dr.  Heinrich  Förster:  »Der  schlesische  Klerus  im  Kriegsjahre  1813  und  die 
Errichtung  des  Landsturms«  (Breslau  1875).  O.  bearbeitete  auch  die  6.  bis 
8.  Auflage  von  Karl  Bartheis  »Religionsgeschichte  vom  katholischen  Stand- 
punkte aus,  für  höhere  Schulanstalten  verfaßt«  (Breslau  1868;  Stuttgart  1874, 
1879). 

Vgl.  J.  Jungnitz,  Karl  Otto.     Ein  Lebensbild.     Breslau   1874.  F.  Lauchert. 

Granderath,  Theodor,  5.  /..  *  19.  Juni  1839  ^^  Giesenkirchen  (Rhein- 
provinz), f  19.  März  1902  zu  Valkenberg  (Holland).  —  G.  absolvierte  das 
Gymnasium  zu  Neuß  und  studierte  Theologie  in  Tübingen.  Am  3.  April  1860 
trat  er  zu  Münster  i.  W.  in  das  Noviziat  der  Gesellschaft  Jesu.  1862 — 1874 
studierte  er  Rhetorik,  Philosophie,  Theologie  und  Kirchenrecht.  1874 
wurde  er  Professor  des  Kirchenrechts  im  Kollegium  der  Gesellschaft  Jesu  zu 
Ditton  Hall  in  England;  1876 — 1887  wirkte  er  daselbst  als  Professor  der 
Dogmatik  und  Apologetik.  Seit  1887  bereitete  er  im  Kollegium  zu  Exaeten 
(Holland)  als  Nachfolger  von  P.  Schneemann  die  Herausgabe  der  Ac/a  et  decreta 
Concilii  Vaticani  vor.  1893  siedelte  er  nach  Rom  über,  wo  ihm  Papst  Leo  XIII. 
das  Archiv  des  vatikanischen  Konzils  zur  Abfassung  einer  Geschichte  des 
Konzils  öffnete.  1897 — 1898  hielt  er  auch  vertretungsweise  Vorlesungen  über 
Apologetik  an  der  Univtrsitas  Gregoriana.  Im  Herbst  1901  begab  er  sich 
wegen  angegriffener  Gesundheit  in  das  Kollegium  zu  Valkenberg  (Holland), 
wo  er  seine  Konzilsgeschichte  ausarbeitete  und  nach  wiederholten  Schlag- 
anfällen am  19.  März  1902  starb.  —  Von  der  reichen  wissenschaftlichen  Tätig- 
keit Granderaths  sind  in  erster  Reihe  die  monumentalen  Werke  über  das 
vatikanische  Konzil  zu  nennen.  Als  7.  Band  der  Acta  et  Decreta  sacrorum 
Conciliorum  recentiorum,  CoUectio  Lacensis,  erschien:  *Acta  et  Decreta  sacrosancti 
oecumenici  Concilii  Vaticani*  (Freiburg  i.  Br.  1890).  Zwei  Jahre  später  folgte: 
*ConstittUumes  dogmaticae  ss.  oecumenici  Concilii  Vaticani  ex  ipsis  eius  actis  expli- 
catae  atque  illustratae*  (ebenda  1892).  Von  der  großen  »Geschichte  des  Vati- 
kanischen Konzils  von  seiner  ersten  Ankündigung  bis  zu  seiner  Vertagung. 
Nach  den  authentischen  Dokumenten  dargestellt«,  deren  Herausgabe  P.  Kon- 
rad Kirch  5.  J.  nach  dem  Tode  des  Verfassers  übernahm,    sind  inzwischen 


206  Grandcrath.     Gaßner. 

die  beiden  ersten,  von  G.  noch  dnickfertig  abgeschlossenen  Bände  erschienen 
(Freiburg  i.  Br.  1903;  Bd.  I:  Vorgeschichte;  Bd.  II:  Von  der  Eröffnung  des 
Konzils  bis  zum  Schlüsse  der  dritten  öffentlichen  Sitzung);  das  Erscheinen 
des  3.  Bandes,  den  G.  ebenfalls  noch  zum  größten  Teile  ausarbeiten  konnte, 
steht  noch  aus.  In  diesem  bedeutenden  Werke  sind  für  die  Darstellung 
der  Konzilsverhandlungen  zum  erstenmal  die  vollständigen  Konzilsakten,  vor 
allem  die  in  den  Generalkongregationen  gehaltenen  Reden  verwertet.  Von 
den  zahlreichen  apologetischen,  dogmatischen  und  kirchengeschichtlichen 
Artikeln,  die  G.  in  Zeitschriften  veröffentlichte,  seien  folgende  genannt:  In 
den  »Stimmen  aus  Maria-Laach«:  »Die  Papstwahl«  (6.  Bd.  1874,  S.  401 — 415; 
7.  Bd.  1874,  S.  139 — 155);  »Die  Regierungen  und  die  Papstwahl«  (8.  Bd.  1875, 
S.  36 — 52,  180 — 196,  386 — 408;  9.  Bd.  1875,  S.  117 — 137);  »Die  Trümmer  des 
israelitischen  Volkes  als  Zeugen  für  den  göttlichen  Ursprung  des  Christen- 
tums« (17.  Bd.  1879,  S.  42 — 66,  181 — 200);  »Von  Galway  durch  Connemara 
nach  Westport«  (23.  Bd.  1882,  S.  172 — 185,  284 — 298;  Schilderung  einer  Reise 
in  Irland);  »Der  Umfang  der  päpstlichen  Unfehlbarkeit  nach  dem  Lehrdekrete 
des  vatikanischen  Konzils«  (38.  Bd.  1890,  S.  49 — 69,  162 — 183);  »Das  undog- 
matische Christentum«  (40.  Bd.  1891,  S.  22 — 46,  178 — 194,  274 — 287);  »Kaftans 
neues  Dogma«  (41.  Bd.  1891,  S.  163 — 176,  266 — 280);  »Amateur-Christentum« 
(43.  Bd.  1892,  S.  166 — 182);  »Die  alten  Gottesbeweise  und  die  moderne 
Wissenschaft«  (44.  Bd.  1893,  S.  i — 12,  147 — 160);  »Albrecht  Ritschi  über  das 
Gottesreich«  (45.  Bd.  1893,  S.  i  — 12,  148 — 157);  »Albrecht  Ritschis  Lehre  über 
die  Gottheit  Christi«  (45.  Bd.  1893,  S.  213 — 229,  338 — 344);  »Religion  und 
Christentum  nach  Albrecht  Ritschi«  (46.  Bd.  1894,  S.  144 — 156,  254 — 268); 
»Der  Atheismus  und  seine  Folgen«  (48.  Bd.  1895,  S.  372 — 384,  495 — 515); 
»Die  ersten  Debatten  über  den  kleinen  Katechismus  auf  dem  vatikanischen 
Konzil«  (57.  Bd.  1899,  S.  379 — 398).  In  der  »Zeitschrift  für  katholische  Theo- 
logie«: »Die  Kontroverse  über  die  Formalursache  der  Gotteskindschaft  und 
das  Tridentinum«  (5.  Jahrg.  188 1,  S.  283 — 319;  gegen  Scheeben;  fortgesetzt 
wird  die  Kontroverse  in  den  weiteren  Artikeln:  7.  Jahrg.  1883,  S.  491 — 540; 
593 — ^3^»  8'  J^hrg.  1884,  S.  545 — 579;  die  Gegenartikel  von  Scheeben  er- 
schienen im  »Katholik«  1883  und  1884);  »Die  Notwendigkeit  der  Offenbarung' 
(6.  Jahrg.  1882,  S.  283 — 318);  »Spekulative  Erörterung  über  die  Existenz  von 
Mysterien  und  die  Möglichkeit  ihrer  Offenbarung«  (10.  Jahrg.  1886,  S.  497  bis 
511,  595 — 602).  Im  »Katholik«:  »Zum  tridentinischen  und  vatikanischen  Dekrete 
über  die  Auslegung  der  heiligen  Schrift«  (1898,  II,  S.  289 — 316,  385 — 411). 
Für  die  2.  Auflage  des  Kirchen-Lexikons  von  Wetzer  und  Weite  verfaßte  G. 
die  Artikel:  »Häresie«  (V,  1442^1451);  »Papalsystem«  (IX,  1370 — 1377);  »Vati- 
kanisches Konzil«  (XII,  607 — 633). 

Die  biographischen  Daten  verdanke  ich  der   gütigen  Mitteilung  des  Herrn  P.  Konrad 
Kirch  S.y,m  Valkenberg.  F.  Laucher t. 

Gafiner,  Andreas,  emeritierter  Professor  der  Theologie  in  Salzburg, 
♦  I.  Oktober  18 19  zu  Anthering  (Salzburg),  f  27.  März  1902.  —  G.  wurde  am 
I.  August  1843  zum  Priester  geweiht  und  wirkte  von  1859 — 1892  als  Professor 
der  Pastoraltheologie  in  Salzburg.  Er  war  auch  päpstlicher  Ehrenkämmerer 
(seit  1867)  und  fürsterzbischöf lieber  geistlicher  Rat.  —  Schriften:  »Ausführ- 
licher Unterricht  über  die  Ehe  für  Brautleute  und  Verehelichte«  (Schaffhausen 


Gaßner.     Stahl.     Buschmann,     von  Bennigsen.  207 

1853;  2.  Aufl.  1855;  3.  Aufl.  unter  dem  Titel:  »Das  heilige  Sakrament 
der  Ehe.  Ausführlicher  Unterricht  .  .  .«  Regensburg  1875;  4- Aufl.  Regens- 
burg 1901);  »Handbuch  der  Pastoral«  (2  starke  Bde.,  Salzburg  1867 — 1870); 
»Pastoral.  Bearbeitet  für  angehende  und  wirkliche  Seelsorger«  (Salzburg 
1881).     Von  1861 — 1884  redigierte  G.  das  Salzburger  Kirchenblatt. 

Vgl.  Deutscher  Hausschatz  1902,  Beilage  S.  92.  F.   Lauchert. 

Stahl,  Ignaz,  Professor  der  Theologie  in  Würzburg,  *  30.  September  1837 
zu  Stadtprozelten  in  Bayern,  t  S^-  März  1902.  —  St.  besuchte  das  Gymnasium 
zu  Würzburg,  absolvierte  dann  die  philosophischen  und  theologischen  Studien 
1856 — 1863  im  Collegium  Germanicum  zu  Rom  und  wurde  daselbst  Dr.  phil. 
et  theol.  und  Priester.  Nachdem  er  hierauf  zunächst  zwei  Jahre  als  Kaplan 
in  Aschaffenburg  gewirkt  hatte,  ernannte  ihn  sein  Oheim,  der  Bischof  von 
Würzburg  Anton  von  Stahl,  zu  seinem  Sekretär.  Er  begleitete  denselben 
auch  nach  Rom  zum  vatikanischen  Konzil.  Am  4.  Februar  1869  habilitierte 
er  sich  als  Privatdozent  in  der  theologischsn  Fakultät  zu  Würzburg  für  Dog- 
matik  und  Apologetik.  1877  erhielt  er  einen  Ruf  als  außerordentlicher  Pro- 
fessor an  die  Akademie  Münster,  den  er  ablehnte.  Am  12.  Februar  1894 
wurde  er  zum  Honorarprofessor  ernannt,  1901  kgl.  geistlicher  Rat.  —  Schriften: 
»Die  natürliche  Gotteserkenntnis  aus  der  Lehre  der  Väter  dargestellt«  (Regens- 
burg 1869);  »Georg  Anton  v.  Stahl,  Bischof  von  Würzburg.  Ein  Lebensbild« 
(Würzburg  1873);  »Johann  Valentin  von  Reißmann,  Bischof  von  Würzburg« 
(W^ürzburg  1873);  »Die  heilige  Weihe  des  Bischofes  nach  dem  römischen 
Pontificalbuch«  (Würzburg  1879;  4.  Aufl.  1899).  Ferner  besorgte  er  die  7.  und 
8.  Aufl.  von  Denzingers  r>Enchiridion  Symbolorum  et  DefinitionuM<^  (Würzburg  1894, 
1899).  Die  2.  Auflage  des  Kirchen-Lexikons  von  Wetzer  und  Weite  enthält 
in  den  beiden  ersten  Bänden  (1882  f.)  eine  Reihe  von  Beiträgen  von  seiner 
Hand. 

Vgl.  M.  V.  Schanz,  Festrede  zur  Feier  des  320jährigen  Bestehens  der  Universität  Würz- 
burg (Wtirzburg  1902),  S.  26 f.  F.  Lauchert. 

Buschmann,  Johann  Joseph,  Stiftspropst  in  Aachen,  ♦  7.  April  1833  zu 
Cöln,  f  22.  April  1902  zu  Aachen.  —  Am  3.  September  1860  zum  Priester 
geweiht,  wurde  er  noch  in  demselben  Jahre  Lehrer  an  der  höheren  Stifts- 
schule in  Aachen,  die  er  später  lange  Jahre,  von  1865  bis  zu  ihrer  Aufhebung 
1892,  als  Rektor  leitete.  Seit  1870  war  er  zugleich  Canonicus  am  Stiftskapitel; 
1873  wurde  er  Dr.  theol.;  am  2.  August  1890  wurde  er  als  Stiftspropst  installiert. 
—  In  drei  Schulprogrammen  veröffentlichte  B.  die  Arbeit:  »Eine  exegetische 
Studie  über  den  Logos  des  Philo«  (Jahresbericht  über  die  Höhere  Stifts-Schule 
zu  Aachen  1871/72,  1872/73,  1875/76). 

V'gl.  Echo  der  Gegenwart  (Aachen),  1902,  Nr.  295  vom  24.  April;  Nr.  308  vom  29.  April. 

F.  Lauchert. 

von  Bennigsen,  Karl  Wilhelm  Rudolf,  deutscher  Staatsmann,  *  10.  Juli  1824 
zu  Lüneburg  im  Königreich  Hannover,  f  7-  August  1902  auf  seinem  Gute  Bennig- 
sen (im  Kreise  Springe,  Provinz  Hannover).  —  Die  zu  dem  niedersächsichen  ür- 
adel  zählende  Familie  von  Bennigsen  gehörte  zu  jener  geschlossenen  Kaste  der  70 
bis  80  adligen  Familien,  die  in  dem  Hannover  des  18.  Jahrhunderts  ein  von  oben 


268  ^'^^  Bennigsen. 

wenig  beschränktes  Junkerregiment  geführt  hatten,  und  auch  in  dem  selbständigen 
Königreiche,  trotz  ihres  verhältnismäßig  geringen  Grundbesitzes,  die  erste  Rolle 
auf  politischem  und  sozialem  Gebiet,  als  Inhaber  sämtlicher  Ämter  in  der 
Verwaltung  und  vieler  in  der  Justiz,  zu  spielen  fortfuhren.  Niemals  hat 
der  Charakter  B.s  diese  Herkunft  aus  Landschaft  und  Stand  verleugnet:  er 
war  ein  Niedersachse  —  unter  den  in  der  neueren  deutschen  Politik  hervor- 
tretenden »Hannoveranern«  (Miquel,  Windthorst,  Planck)  eigentlich  der 
einzige  richtige  Niedersachse  —  und  verkörperte  die  Eigentümlichkeiten 
seines  Stammes,  die  ruhige,  zähe,  zurückhaltende,  zuverlässige,  männliche 
Art,  die  bei  allen  ihren  konservativen  Vorzügen  doch  nur  selten  die  Männer 
der  großen  geistigen  Initiative  oder  des  politischen  Genius  hervorgebracht 
hat;  und  zugleich  war  und  blieb  er,  der  aus  dem  politischen  Milieu  seiner 
Kaste  heraustrat  und  sein  Leben  lang  für  das  politische  Aufsteigen  des  deut- 
schen Bürgerstandes  gekämpft  hat,  immer  in  Haltung  und  Erscheinung  der 
hannoversche  Edelmann.  Zu  der  engeren  Clique  der  eigentlich  regierenden 
Familien  Hannovers  hatten  die  Bennigsen  bisher  nicht  gehört;  in  den  Ver- 
waltungsämtem  des  Landes  findet  man  sie  nur  in  den  unteren  Instanzen, 
viel  häufiger  dagegen  im  Heere.  Aus  dem  hannoverschen  Heer  war  der 
erste  Mann  des  Geschlechtes  hervorgegangen,  der  sich  einen  größeren  ge- 
schichtlichen Namen  im  Auslande  erwarb,  der  russische  Feldmarschall  Graf 
L.  A.  Bennigsen.  Auch  der  Vater  B.s  war  nach  anfänglichem  Studium  der 
Rechte,  er  war  1813  gerade  Advokat  in  Celle  geworden,  bei  Beginn  des  Be- 
freiungskrieges in  das  Bataillon  seines  Vaters  getreten  und  hernach  im  Frieden 
in  der  militärischen  Laufbahn  verblieben ;  er  stieg  allmählich  zum  Komman- 
deur des  Garderegiments  in  Hannover  auf,  um  1843  ^"s  dem  Frontdienste 
zu  scheiden  und  als  Oberst  die  Geschäfte  des  hannoverschen  Bevollmäch- 
tigten bei  der  Bundes-Militärkommission  in  Frankfurt  zu  übernehmen.  In 
den  wechselnden  Garnisonen  des  Vaters  verlebte  der  junge  Rudolf,  der 
Älteste  von  neun  Kindern,  seine  Jugend,  erst  in  Lüneburg,  von  1829 — 1833 
in  Hameln,  dann  bis  1838  wieder  in  Lüneburg  und  bis  1842  in  Hannover, 
wo  er  nach  Absolvierung  des  Lyzeums  im  Oktober  1842  sein  Abiturienten- 
examen ablegte. 

Er  entschloß  sich,  da  der  Soldatenstand  in  Friedenszeiten  ihn  nicht  sehr 
anzog,  zum  juristischen  Studium,  »auch  nicht  aus  Vorliebe«,  wie  er  schrieb, 
»sondern  vielmehr,  weil  der  juristische  Staatsdienst  mir  als  Adligen  fast  als 
das  einzige  andere  Fach  erscheinen  mußte«.  Auch  verflossen  ihm  seine 
Studienjahre  in  Göttingen,  seit  Oktober  1843  in  Heidelberg,  und  seit  Ostern 
1845  wieder  in  Göttingen,  weniger  in  ernster  Arbeit,  als  vielmehr,  nach  seinem 
eigenen  Urteil,  in  einem  wilden  und  leidenschaftlichen  Studentenleben;  als 
Senior  des  Corps  Hannovera  in  Göttingen,  dem  auch  Bismarck  einst  an- 
gehört hatte,  und  des  Corps  Vandalia  in  Heidelberg  genoß  er  reichlich  alle 
Jugendfreuden.  Zugleich  aber  trat  in  den  Heidelberger  Semestern  der  Geist 
des  badischen  und  deutschen  Liberalismus,  in  Schlosser,  Gervinus,  Mittermaier 
verkörpert,  ihm  näher  und  begann  seine  empfängliche  und  schwungvolle 
Natur  aus  der  regelrechten  Bahn  der  Anschauungen  seiner  Standesgenossen 
hinauszulocken:  die  erste  Grundlage  seiner  Überzeugungen  ist  wohl  damals 
gelegt  worden.  Nachdem  er  um .  Ostern  1846  in  Hannover  sein  erstes 
Examen  bestanden  hatte,  wurde  er  als  Amtsauditor  dem  Amte  Lüchow  (im 


von  Bennigsen.  200 

hannoverschen  Wendlande)  überwiesen.  Als  Mitgliede  der  herrschenden 
Klasse  im  Staate  stand  ihm  bei  seinen  Fähigkeiten  eine  gute  Laufbahn  in 
Aussicht.  Aber  schon  bald  strebte  er  wieder  aus  ihr  hinaus  und  machte  im 
September  1846  seinem  Vater  den  Vorschlag,  entweder  gleich  seinen  Abschied 
zu  fordern  und  sich  in  Heidelberg  auf  die  akademische  Laufbahn,  auf 
dem  Gebiete  der  Staatswissenschaften,  vorzubereiten,  oder  zunächst  um 
einen  einjährigen  Urlaub  behufs  weiterer  Staats  wissenschaftlicher  Ausbildung 
einzukommen  und  nur  im  Fall  der  Versagung  aus  dem  Dienste  zu  scheiden. 
Manche  Motive  wirkten  zu  diesem  Entschlüsse  zusammen,  die  Abneigung 
gegen  das  Mechanische  und  Kleinliche  des  Dienstes,  gegen  die  engen  Ver- 
hältnisse seines  hannoverschen  Mittelstaates,  ein  unruhiges  Hinausdrängen  auf 
den  größeren  Schauplatz  seines  deutschen  Vaterlandes  und  in  eine  freiere, 
bewegtere  Atmosphäre  des  geistig-politischen  Lebens,  und  am  tiefsten  Grunde 
das  Gefühl,  mit  seinen  politischen  Anschauungen  in  einer  Beamtenlaufbahn 
wie  der  hannoverschen  und  zumal  in  einer  Zeit,  wo  alles  sich  zur  Entschei- 
dung zuzuspitzen  schien,  nicht  am  rechten  Platze  zu  stehen.  Für  das 
kommende  wollte  der  junge  Liberale  ein  freier  Mann  sein.  Er  wollte  in  die 
Wissenschaft,  einem  auf  das  Erkennen  gerichteten  Zuge  seines  Wesens 
folgend;  denn  über  sein  Fach  hinaus  hatte  er  sich  schon  damals,  ein  eifriger 
Leser,  mannigfach  in  Geschichte,  Volkswirtschaft  und  Philosophie  umgesehen, 
wie  er  denn  in  seinem  Leben  immer  fortfuhr,  sein  ganzes  Bestreben  auf  die 
breitere  Basis  allgemeiner  Bildung  zu  stellen;  aber  über  die  Wissenschaft 
hinweg  gedachte  er  doch,  wie  es  im  Geiste  des  damaligen  Liberalismus  lag, 
auf  die  Praxis  des  Lebens  zu  wirken  und  zu  dem  höheren  Ziel  politischer 
Tätigkeit  durchzudringen.  Wenn  man  den  innersten  Kern  des  Staatsmannes  B. 
aufsucht,  beobachtet  man  immer  wieder,  daß  nicht  der  eigentliche  Macht- 
trieb, die  Freude  an  der  Aktion,  der  energische  Wille  das  vorwärtstreibende 
ist,  sondern  daß  ein  idealistischer  Eifer  für  eine  große  Sache  in  ihm  glüht 
und  zur  eigentlichen  Triebfeder  für  alle  seine  Gedanken  und  Handlungen  wird, 
daß  zugleich  aber  ein  objektiver,  nachdenklich  und  gerecht  abwägender,  man 
möchte  sagen,  im  Grunde  unpolitischer  Zug  sich  in  seine  Urteile  einmischt. 
So  ließ  er  es  auch  nicht,  als  die  vorgesetzte  Behörde  ihm  den  Urlaub  ver- 
weigerte, auf  Biegen  oder  Brechen  ankommen,  sondern  gab  seinen  Plan 
fürs  erste  auf  und  entschloß  sich,  in  seiner  Laufbahn  zu  verharren;  die  Ver- 
waltung jedoch  verließ  er,  wohl  aus  politischer  Erwägung,  um  sie  mit  der 
ihm  eine  größere  persönliche  Unabhängigkeit  gewährenden  Justiz  zu  ver- 
tauschen. 

Gleich  nach  diesem  Entschlüsse  —  er  hatte  sich  im  Februar  1848  nach 
Osnabrück  als  Kanzleiauditor  versetzen  lassen  —  brach  die  Revolution  aus, 
und  hatte  schon  ihr  Herannahen  ihn  beinahe  aus  der  Aktenstube  auf  den 
Markt  des  großen  Lebens  treiben  wollen,  so  begann  er  jetzt  mit  feurigem 
Eifer  der  gewaltigen  Bewegung  der  Geister  im  Sturmjahre  zu  folgen.  Auch 
seine  geistig-politische  Signatur  steht  hinfort,  wie  die  der  ganzen  Generation, 
unter  dem  fortwirkenden  Eindruck  dieses  Erlebnisses,  das  ihn  in  den  emp- 
fänglichsten Jahren  innerlichst  packte.  Hoffnungsvoll  blickte  er  auf  das 
Frankfurter  Parlament,  und  die  Ideale  der  konstitutionellen  Monarchie  und 
eines  deutschen  Einheitsstaates  erfüllten  auch  den  jungen  Beamten  eines 
Mittelstaates.     Und  wiederum  versuchte  er,  aus   der  unbefriedigenden  Enge 


270  ^'^^  Bennigsen. 

der  Heimat  zu  flüchten  und  sein  individuelles  Bestreben  mit  dem  zukunfts- 
reichen Aufstieg  der  Allgemeinheit  in  Verbindung  zu  bringen;  im  August 
und  September  1848  bemühte  er  sich,  in  den  diplomatischen  Dienst  der  pro- 
visorischen Zentralgewalt  des  Reiches  einzutreten,  und  hoffte  eine  Zeit  lang, 
als  Gesandtschaftssekretär  im  Haag  verwendet  zu  werden;  aber  wiederum, 
wohl  zu  seinem  Heile,  zerschlug  sich  der  Plan.  Nach  Osnabrück,  in  die 
»Normalstadt  des  deutschen  Philisteriums«,  wie  er  sie  schalt,  zurückgekehrt, 
fand  er  bald  an  dem  Auditor  Gottlieb  Planck,  dem  nachmaligen  Hauptmit- 
arbeiter am  Bürgerlichen  Gesetzbuch,  der  als  politisch  Verdächtiger  eine 
Strafversetzung  erhalten  hatte,  einen  politischen  Gesinnungsgenossen  und 
einen  treuen  Freund  für  das  ganze  Leben.  Ihm  teilte  er  schon  1849  ^^^  seinen 
Lebensplan  mit,  daß  er  eine  Reihe  von  Jahren  im  Staatsdienste  ver- 
bleiben wolle;  um  alle  Verhältnisse  kennen  zu  lernen,  dann  aber  in  das 
politische  Leben  einzutreten  gedenke,  um  diesem  seine  ganze  Kraft  zu 
weihen.  So  große  Erwartungen  er  auf  die  mit  der  Kaiserwahl  so  nahe  ge- 
rückte Einheit  des  Vaterlandes  gesetzt  hatte,  so  bitter  ertrug  er  es,  daß  der 
große  Anlauf  jämmerlich  zusammenbrach,  und  schalt  nicht  nur  gegen  die 
Fürsten,  sondern  auch  gegen  die  Träger  der  bisherigen  Politik,  die  Erbkaiser- 
lichen, »diese  ins  Deutsche  übertragene  Girondins«,  die  in  der  Stunde  der  Not 
versagten;  gar  nicht  radikal  genug  konnte  er  seine  Stellung  nehmen.  Seine 
Stimmung  verschärfte  sich  noch,  als  er  nach  bestandenem  zweiten  Examen 
(Dezember  1849)  und  einem  kurzen  Aufenthalt  in  Celle  als  Kanzleiassessor 
nach  Aurich  versetzt  wurde:  die  Misere  des  entlegenen  ostfriesischen  Städt- 
chens und  eines  kollegialen  Umgangs  ohne  Anregung,  vor  allem  aber  der 
Druck  der  hereinbrechenden  Reaktion  ließen  ihn  die  Aussichtslosigkeit  der 
Zustände  immer  stärker  empfinden.  Nachdem  er  dann  auf  kurze  Zeit  nach 
Osnabrück  zurückversetzt  war,  wurde  ihm  1852,  wie  erzählt  wird,  auf  grund 
einer  Empfehlung  des  Justizministers  Windthorst,  die  Auszeichnung  zu  teil, 
als  Obergerichtsassessor  und  zweiter  Staatsanwalt  nach  Hannover  zu  kommen. 
Bald  aber  begann  das  Fortschreiten  der  allgemein  deutschen  Reaktion 
nach  Hannover  hinüberzuschlagen,  um  schließlich  auch  den  jungen  B.  aus 
seiner  amtlichen  Stellung  hinauszutreiben.  Schon  im  Sommer  1854,  als  die 
Agitation  der  hannoverschen  Ritterschaft  gegen  die  Verfassung  von  1848 
heftiger  einsetzte  und  dem  unmäßig  gesteigerten  Machtstreben  des  neuen 
Königs  Georg  V.  zur  Hilfe  kam,  sah  B.  das  kommende  voraus  und  erbat  sich 
von  seiner  vorgesetzten  Behörde  die  Zurückversetzung  in  die  richterliche 
Laufbahn,  um  nicht  selbst,  nach  einem  eintretenden  Verfassungsbruch,  zu  den 
etwaigen  Ausführungsmaßregeln  herangezogen  zu  werden.  Er  rechnete  nur 
noch  mit  einer  kurzen  Dauer  seiner  Beamten tätigkeit  und  begann  an  den 
Übertritt  in  die  völlige  Unabhängigkeit  durch  Übernahme  des  Familiengutes 
Bennigsen  zu  denken.  Er  hatte  sich  im  April  1854  mit  seiner  Cousine  Anna 
von  Reden,  deren  Vormund  er  zugleich  gewesen  war,  verlobt  und  führte  sie 
im  November  heim;  im  Mai  schrieb  er  seiner  Braut:  »Meinen  Wünschen  und 
Neigungen  würde  das  Leben  eines  größeren  Landwirts  vollkommen  ent- 
sprechen. Neben  den  eigenen  Angelegenheiten  der  Landwirtschaft  ist  durch 
unsere  neue  Gesetzgebung  für  einen  verständigen  und  vorurteilsfreien  Guts- 
besitzer ein  Feld  der  öffentlichen  Tätigkeit  und  wohltuendsten  Wirksamkeit 
in  der  Gemeinde,  Provinz  und  ständischen  Angelegenheiten  gegeben« ;  öffent- 


von  Bennigsen.  271 

liehe  Tätigkeit  stand  auch  bei  diesen  Plänen  für  ihn  als  das  seinen  Ehrgeiz 
und  seine  Anlagen  lockendste  Ziel  im  Hintergrunde.  Zunächst  begnügte  er 
sich  jedoch,  eine  Berufung  zum  Gehilfen  des  Oberstaatsanwalts  in  Celle 
ablehnend,  seine  Versetzung  als  Assessor  an  das  Obergericht  in  Göttingen 
herbeizuführen;  für  die  Wahl  dieses  Ortes  war  die  immer  wieder  in  ihm  auf- 
tauchende Neigung  entscheidend,  Universitätsvorlesungen  staatswissenschaft- 
licher und  volkswirtschaftlicher  Natur  zu  hören  und  durch  solche  Studien  die 
wohlerapfundenen  Lücken  seines  Wissens  für  spätere  Möglichkeiten  auszufüllen. 
Zu  dieser  geistigen  Anregung  kam  hinzu,  daß  er  auch  hier  in  einen  Kreis 
gleichgesinnter  politischer  Freunde  trat;  damals  schloß  er  mit  dem  wenig 
jüngeren,  ehrgeizigen  und  begabten  Advokaten  Johannes  Miquel  Freundschaft 
und  noch  mehr:  eine  für  das  Leben  dauernde  politische  Gemeinschaft,  in  der 
ihre  Namen  eng  miteinander  verbunden  in  der  großen  Zeit  unserer  neueren 
Geschichte  zusainmenstehen. 

In  diesem  Kreise  geriet  man  in  die  heftigste  Bewegung,  als  die 
hannoversche  Reaktion  unter  Mitwirkung  des  restaurierten  Bundestages  end- 
lich zum  Siege  gelangte.  Am  12./19.  April  1855  erkannte  der  angerufene 
»Reaktionsausschuß«  des  Bundestages  die  Beschwerden  der  Ritterschaft  als 
berechtigt  an  und  verfügte  die  Reinigung  der  hannoverschen  Verfassung  von 
einem  langen  Verzeichnis  angeblich  bundeswidriger  Bestimmungen;  und 
in  Ausführung  dieser  bestellten  Bundesbeschlüsse  oktroyierte  eine  königliche 
Verordnung  vom  4.  August  1855  die  einschneidendsten  Verfassungsänderungen. 
Es  war  eine  Verkümmerung  der  Rechte  der  Ständeversammlung  und  eine  Her- 
stellung der  ritterschaftlichen  Privilegien,  in  der  Hauptsache  eine  Rückkehr 
zu  der  Verfassung  von  1840.  Auch  der  einzelne  Beamte  mußte  von  den 
Konsequenzen  dieses  Verfassungsbruches  betroffen  werden,  da  eine  weitere 
königliche  Verordnung  alle  Richter  mit  Dienstentlassung  bedrohte,  wenn  sie 
es  wagen  würden,  die  Verfassungsmäßigkeit  oder  Rechtmäßigkeit  der  neuen 
Ordnung  anzuzweifeln.  Angesichts  solcher  Gewalt  und  Willkür  konnte  es  für 
B.  keine  Wahl  mehr  geben.  Als  ihm  nach  einer  Wahl  zum  Mitglied  der 
Zweiten  Kammer  für  Aurich  die  Erlaubnis  zum  Eintritt  in  die  Stände- 
versammlung ohne  Angabe  von  Gründen,  in  Wahrheit  wegen  seiner  politischen 
Haltung,  Anfang  1856  abgeschlagen  wurde,  trug  er  zwar  den  Vorfall  an  sich 
nicht  schwer;  er  meinte,  er  würde  infolge  seiner  ständischen  Tätigkeit  doch 
sein  Amt  vermutlich  verloren  haben,  was  ihm  gleichgültig  sei,  aber  er  hätte 
zugleich  eine  Art  Führer  der  entschiedenen  Opposition  werden  müssen,  wozu 
es  ihm  noch  an  Erfahrung  und  Kenntnissen  mangle.  Im  Staatsdienste  aber 
wollte  und  konnte  er  jetzt  nicht  mehr  verbleiben.  Nachdem  sein  Vater  ihm 
im  Februar  1856  das  Gut  in  Bennigsen  gegen  eine  Rente  abgetreten  hatte, 
entschloß  er  sich,  die  Bewirtschaftung  nach  Ablauf  der  Pacht  selbst  zu  über- 
nehmen; »bei  unseren  jetzigen  widerlichen  Zuständen«,  schrieb  er  im  Juli 
1856,  »war  mir  doch  alle  Aussicht  auf  eine  größere  Tätigkeit  im  Staatsdienste 
auf  lange  Zeit  abgeschnitten,  und  meine  augenblickliche  Beschäftigung  als 
Richter,  die  ich  überhaupt  nur  meiner  politischen  Ansichten  wegen  gewählt 
hatte,  befriedigte  mich  so  wenig,  daß  ich  den  Tag  segne,  wo  ich  sie  aufgebe.« 

Im  August  1856  erhielt  er  die  Entlassung  aus  einem  Dienstverhältnis, 
in  dem  er  sich  von*  Anfang  an  nicht  wohlgefühlt  hatte.  Gleichzeitig  waren 
die  Stände  aufgelöst  worden,  und  er  begann  sich  nun  mit  allem  Eifer  an  der 


272  von  Bennigsen. 

Seite  seiner  Freunde  in  die  Wahlbewegung  zu  stürzen.  Noch  in  seinen 
letzten  Jahren  betonte  er  wiederholt,  daß  er  lediglich  für  einen  Kampf  gegen 
die  hannoversche  Misere  seinen  Entschluß  damals  nicht  gefaßt  haben  würde, 
sondern  es  allein,  wie  er  seinen  Freunden  Miquel  und  Planck  erklärte,  in  der 
Absicht  tat,  die  Arbeit  von  1848  wieder  aufzunehmen,  sowie  sich  ihm  die 
Gelegenheit  dazu  biete  und  sie  die  nötigen  Verbindungen  in  Deutschland 
gefunden  hätten.  Das  war  es,  was  er  auch  seinen  Freunden  zur  Bedingung 
machte:  »Ich  will  brechen  mit  meiner  ganzen  Stellung,  aber  nur,  wenn 
Ihr  bereit  seid,  die  nationale  Bewegung  aufzunehmen  und  für  die  große 
deutsche  Nation  einzutreten.«  Die  Nöte  Hannovers  wurzelten  in  den  allge- 
mein-deutschen Zuständen.  So  ist  auch  in  dem  Beginn  der  parlamentarischen 
Laufbahn  B.s  in  seiner  engeren  Heimat  sogleich  der  Entschluß  enthalten,  alle 
Kraft  für  eine  große  deutsche  Bewegung  einzusetzen,  und  auf  die  Ideen  von 
1848/49,  auf  den  Einheitsstaat  und  den  konstitutionellen  Bundesstaat  des 
Frankfurter  Parlaments,  den  der  Jüngling  mit  Unmut  hatte  scheitern  sehen, 
griff  er  gereift  nunmehr  ausdrücklich  zurück.  Der  Entschluß  fiel  ihm  nicht 
leicht,  denn  er  trennte  sich  nicht  nur  vom  Amte,  sondern  auch  von  seiner 
Klasse,  und  entbehrte  nicht  des  Empfindens  für  das  was  er  aufgab.  Seinen 
hannoverschen  Standesgenossen  galt  der  Mann,  der  hinfort,  an  der  Spitze  des 
liberalen  Bürger-  und  Bauerntums,  gegen  Adelsprivilegien  für  das  Recht 
kämpfte,  als  ein  ehrgeiziger  Abenteurer  und  ein  Abtrünniger;  der  Haß  von 
dieser  Seite  sollte  sich  im  weiteren  Verlaufe  immer  höher  auftürmen  und  ihn 
für  seine  Lebenszeit  von  den  Kreisen,  aus  denen  er  entstammte,  durch  eine 
tiefe  Kluft  trennen;  umsomehr  flogen  dem  tapferen  Manne  in  dem  anderen 
Lager  die  Herzen  zu.  Da  die  Regierung  die  früheren  liberalen  Führer  durch 
willkürliche  Rechtsbeugung  aus  der  Ständeversammlung  fernzuhalten  ver- 
stand, so  geschah  es,  daß  der  33  jährige  Gutsbesitzer  vom  ersten  Augenblick 
an  als  der  Führer  der  Opposition  auftreten  mußte;  die  Rolle  des  Partei- 
führers fiel  ihm  von  selber  zu.  So  begann  er  in  den  nächsten  Jahren  den 
Kampf  gegen  die  willkürliche  Beeinträchtigung  der  Wahlfreiheit,  gegen  die 
Ausschaltung  der  Finanzverwaltung  aus  der  ständischen  Kontrolle,  gegen 
alle  Einbrüche  des  königlichen  Willens  in  die  richterliche  Unabhängigkeit, 
gegen  das  ganze  System,  zu  dem  sich  Krone,  Adel  und  Bureaukratie  ver- 
bunden hatten.  Wie  einst  der  erste  hannoversche  Verfassungsbruch  einen 
Widerhall  in  ganz  Deutschland  gefunden  hatte,  so  lenkte  jetzt,  nach  dem 
zweiten  Verfassungsbruch,  dessen  die  Krone  sich  schuldig  machte,  der  Kampf 
der  hannoverschen  Opposition  gegen  das  Ministerium  Borries  die  Augen  ganz 
Deutschlands  auf  sich.  In  den  Jahren,  wo  das  freie  Wort  unter  der  reak- 
tionären Gewalt  fast  überall  verstummte,  schien  dieser  Kampf  wie  ein  Licht- 
blick und  eine  Vorbereitung  zu  neuer  Erhebung;  überall  in  Deutschland 
sahen  Bürgertum  und  Liberalismus  in  der  Aktion  B.s  ihre  eigene  Sache  ge- 
fördert. 

Erst  die  Ereignisse  des  Jahres  1859  erweiterten  diesen  immerhin  engen 
Schauplatz,  so  wie  es  von  vornherein  in  den  Wünschen  B.s.  gelegen  hatte.  So- 
eben hatte  in  der  großen  europäischen  Krisis  sich  der  Deutsche  Bund  unfähig 
erwiesen,  für  die  Ehre  und  Sicherheit  des  Vaterlandes  einmütig  zu  sorgen,  und 
von  neuem  stiegen  aus  allen  Befürchtungen  dieser  Monate  die  Hofhiungen 
der  liberalen  Patrioten  empor,  daß  die  Zeit  für  eine  Umgestaltung  der  deut- 


von  Bennigsen.  273 

sehen  Dinge  gekommen  sei.  Schon  vordem  hatte  B.  über  die  Grenzen  seines 
Staates  hinaus  Anknüpfung  gesucht,  mit  den  Kurhessen,  die  unter  Fr.  Oetker 
in  einem  ähnlichen  Kampfe  wie  die  Hannoveraner  standen;  im  Jahre  1858 
hatte  er  auf  dem  volkswirtschaftlichen  Kongreß  in  Gotha  Fühlung  mit 
manchen  Gleichgesinnten  aus  anderen  deutschen  Ländern  genommen.  Jetzt 
trieb  die  Not  der  Zeit  sie  fester  zusammen.  Am  17.  Juli  1859  erklärte  in 
Eisenach  sich  eine  Versammlung  meist  thüringischer  und  mittelstaatlicher  Demo- 
kraten auf  den  Antrag  von  Schulze-Delitzsch  für  eine  starke  Zentralgewalt,  eine 
deutsche  Nationalversammlung  und  die  einstweilige  Übernahme  der  militäri- 
schen und  politischen  Leitung  Deutschlands  durch  Preußen.  Und  in  wesent- 
lich demselben  Sinne  sprach  sich  B.  am  19.  Juli  in  einer  von  ihm  einberufenen 
Versammlung  von  vorwiegend  hannoverschen  Politikern  in  Hannover  aus; 
'»Nur  eine  größere  Zusammenfassung  der  militärischen  und  politischen  Gewalt, 
verbunden  mit  einem  deutschen  Parlament,  wird  eine  Befriedigung  des  politi- 
schen Geistes  in  Deutschland,  eine  reiche  Entwicklung  seiner  inneren  Kräfte 
und  eine  kräftige  Vertretung  und  Verteidigung  seiner  Interessen  gegen  äußere 
Mächte  herbeiführen  können.  .  .  .  Unsere  Hoffnung  richten  wir  auf  die  preußi- 
sche Regierung.  Die  Ziele  der  preußischen  Politik  fallen  mit  denen  Deutsch- 
lands im  wesentlichen  zusammen.«  So  erhob  sich,  nur  wenig  verhüllt,  jen- 
seits der  preußischen  Grenzen  der  Gedanke  eines  kleineren  Deutschlands 
unter  Preußens  Führung  von  neuem.  Es  war  natürlich,  daß  die  beiden  ge- 
trennt entsprungenen  Bewegungen  in  eine  zusammenflössen:  sie  vereinigten 
sich  am  14.  August  zu  Eisenach,  und  aus  dieser  Besprechung  ging  der  am 
16.  September  zu  Frankfurt  gegründete  Deutsche  Nationalverein  hervor,  der 
die  Bildung  einer  nationalen  Partei  in  Deutschland  zum  Zweck  der 
Einigung  und  freiheitlichen  Entwicklung  des  großen  gesamten  Vaterlandes« 
auf  seine  Fahne  schrieb.  Aus  Frankfurt  ausgewiesen,  fand  der  Verein  in 
Koburg,  der  Residenz  des  ehrgeizigen  Herzogs  Ernst,  eine  Zuflucht  und 
dauernde  Förderung.     Rudolf  von  Bennigsen  wurde  sein  Vorsitzender. 

So  war  sein  Name  plötzlich  an  die  Spitze  einer  über  ganz  Deutschland 
sich  ausbreitenden  politischen  Bewegung  gelangt.  Der  Ehrgeiz,  der  in  diesem 
nationalen  Idealisten  schlummert,  wenngleich  verhalten  und  nach  außen  kaum 
sichtbar,  hat  ihn  auf  die  erste  Staffel  seiner  deutschen  Laufbahn  geführt. 
Die  Geschichte  des  Nationalvereins  füllt  neben  der  Fortsetzung  seiner 
hannoverschen  Kammertätigkeit  das  öffentliche  Wirken  B.s  in  den  Jahren 
1859 — i^^^  aus:  von  den  Verdiensten  und  den  Irrtümern,  von  aller  patrioti- 
schen Begeisterung  und  allem  phantastischen  Schwanken  des  Nationalvereins 
ist  seine  Persönlichkeit  fortan  nicht  mehr  zu  trennen.  In  verhältnismäßig 
jungen  Jahren  stand  er  als  Führer  da;  die  alte  Generation  der  Erbkaiser- 
lichen von  1848  hielt  fast  überall  vorsichtig  zurück  und  sympathisierte  nur 
halb  mit  dem  kecken  Versuche,  die  breiten  Massen  für  ihre  wieder  auf- 
genommenen Ideale  zu  erobern;  denn  die  Reichsverfassung  von  1849  war 
auch  das  Zeichen,  unter  dem  die  Jungen  siegen  wollten ;  aber  nur  wenige  der 
bekannteren  Namen,  wie  die  Preußen  v.  Unruh  und  Schulze-Delitzsch,  denen 
B.  auch  persönlich  nähertrat,  gesellten  sich  zu  ihnen,  der  Führung  des 
Nichtpreußen  sich  unterordnend.  Es  waren  Liberale  und  Demokraten  neben- 
einander, zum  erstenmal  nach  einem  Jahrzehnt  aus  allen  deutschen  Gauen 
sich    zusammenfindend,    als    erster   Anfang    einer   neuen    Parteiorganisation. 

Biogr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nckrolo^^.   7.  Bd.  jg 


274  ^^^  Bennigsen. 

Indem  sie  in  allen  deutschen  Staaten  die  Gesinnungsgenossen  aufrüttelten 
und  zum  Bewußtsein  gemeinsamer  Ziele  brachten,  indem  sie  durch  die  uner- 
müdliche Propaganda  des  Vereins,  durch  seine  großen  und  kleinen  Versamm- 
lungen, durch  seine  Wochenschrift  und  seine  Flugblätter,  schliesslich  durch 
Anknüpfung  mit  den  einzelnen  liberalen  Landesparteien  das  politische  Leben 
ununterbrochen  auf  das  eine  Ziel  der  Zukunft  hinwiesen,  streuten  sie  manchen 
Samen,  der  in  der  Folge  zu  herrlicher  Blüte  aufschoß.  Der  Verein  wuchs 
zunächst  rasch  an;  im  Mai  1860  zählte  er  5000,  im  September  1861  etwa 
17000,  im  September  1862  26000  Mitglieder;  waren  die  Zahlen  auch  mit 
den  großen  Bildungen  des  englischen  Parteilebens  noch  nicht  zu  vergleichen, 
so  stellte  sich  in  ihnen  doch  schon  eine  ansehnliche  Gruppe  der  für  Einheit 
und  freie  Verfassung  sich  begeisternden  bürgerlichen  Elemente  dar;  wer  über 
sie  aburteilen  will,  mag  auch  berücksichtigen,  daß  damals  Mut  zum  Bekennen 
und  idealistischer  Schwung  zum  Festhalten  inmitten  der  allgemeinen  Resigna- 
tion gehörte.  Verfolgung  und  Anfeindung  schmiedeten  sie  zusammen;  hinter 
ihnen  stand  das  in  wirtschaftlicher  Tüchtigkeit  und  sozialer  Geltung  aut- 
strebende Bürgertum;  mit  dem  großen  Gedanken,  endlich  ein  Volk  werden 
zu  wollen,  und  mit  der  ganzen  liberalen  Ideenwelt,  die  in  Westeuropa  zum 
Siege  gelangt  war,  hatte  es  sich  verbündet.  Nicht  in  einem  enthusiastischen 
Anlauf  wie  1848  wollte  man  das  Ziel  erreichen,  sondern  in  langsamer  Arbeit 
-erziehen,  um  für  die  Stunde  der  Entscheidung  fertig  zu  sein.  So  wurde  der 
Nationalverein  zu  einer  Schule,  die  den  Übergang  zu  neuen  politischen 
Formen,  wie  sie  in  vieler  Beziehung  1866  verwirklicht  werden  konnten,  zu 
ihrem  Teile  vorbereitet  hat. 

Freilich,  auch  die  Kehrseite  ließ  sich  mit  den  Händen  greifen.  Eben 
die  über  die  alten  Parteien  und  Landschaften  hinausgehende  Vereinigung 
ließ  sich  nur  mit  Mühe  zusammenhalten.  Es  bedurfte  dazu  einer  Persönlich- 
keit wie  der  B.s,  die  so  durchaus  auf  den  mittleren  Weg,  auf  das  Erfassen 
des  Feinenden  über  allem  Trennenden  gestellt  war;  seine  Gabftn  wurden  ihm 
um  so  nötiger,  als  aus  Rücksicht  auf  süddeutsche  Mitglieder  sogar  der 
eigenste  Gedanke  des  Nationalvereins,  die  preußische  Spitze,  nach  außen  hin 
zurückgestellt  werden  mußte.  Man  konnte  sich  nicht  verhehlen,  daß  der 
Nationalverein  zu  einer  Macht,  wie  man  wohl  gehofft  hatte,  doch  nicht  so- 
bald heranwuchs;  die  öffentliche  Meinung  gedachte  man  zu  beherrschen,  um 
durch  sie  einen  Druck  auf  die  deutschen  Regierungen  auszuüben;  aber  ob- 
gleich diese  durch  die  Agitation  genötigt  wurden,  auch  ihrerseits  wieder  an 
Befriedigung  der  nationalen  Triebe  zu  denken,  so  sollte  auch  der  Verein 
rasch  genug  in  die  Lage  derer  kommen,  die  von  den  eigentlichen  Geschäften 
ausgeschlossen  sind:  statt  die  Ereignisse  vorwärts  zu  stoßen,  erst  von  ihnen 
die  Wendung  zu  erhoffen.  So  konnte  es  nicht  ausbleiben,  daß  der  Schwung 
der  F'ührer  bei  den  Massen  häufig  in  ein  wirres  und  leeres  Kannegießern  um- 
schlug, und  daß  auch  die  Leitung  allzuoft  zu  einem  oberflächlichen  Ver- 
hüllen der  unter  den  eigenen  Anhängern  vorhandenen  Gegensätze  gezwungen 
ward. 

Seitdem  im  Herbst  1862  das  Ministerium  Bismarck  die  Leitung  der  Ge- 
schäfte übernahm,  wurde  die  Situation  des  Nationalvereins  vollends  schwierig. 
Einem  durch  liberale  Einrichtungen  sich  empfehlenden  Preußen  hatte  man 
die    deutsche  Zentralgewalt    kraft    des   Nationalwillens    in    die    Hand    legen 


von  Bennigsen.  27^ 

wollen:  Einheit  und  Freiheit  sollten  gleichzeitig  angestrebt  werden.  Nun 
aber  begann  dieser  Staat  unter  Bismarcks  Führung  in  die  entgegengesetzte 
Strömung  hineinzutreiben.  Die  Folge  war,  dafi  der  Konflikt  je  länger  je 
mehr  das  Programm  des  Nationalvereins  in  den  Augen  seiner  eigenen  Leute 
zur  Unmöglichkeit  machte.  Vielmehr  drängte  Bismarcks  Politik  die  Bennigsen 
und  Schulze-Delitzsch  aus  ihrer  Bahn  heraus.  Schon  im  Mai  1863  erklärte 
der  Ausschuß  des  Nationalvereins:  »wenn  aber  diejenigen,  die  jetzt  an  der 
Spitze  des  preußischen.  Staates,  vom  eigenen  Volke  verurteilt,  am  Ruin  dpr 
preußischen  Staatsmacht  arbeiten,  vollends  nach  der  Leitung  Deutschlands 
greifen  wollten,  so  würden  sie  in  der  ersten  Reihe  der  Kämpfer  gegen  eine 
solche  Vermessenheit  dem  Nationalverein  begegnen.«  Die  Machtpolitik  brachte 
diese  Ideologen  um  ihr  eigenes  Ideal.  In  ihrem  Sinne  ganz  konsequent,  wußten 
sie  der  Heeresreform  nur  entgegenzusetzen  »allmähliche  Verwandlung  und 
wenigstens  teilweisen  Ersatz  des  stehenden  Heeres  durch  ein  wahres  Volks- 
heer- ;  in  der  schleswig-holsteinischen  Frage  ging  B.,  statt  sich  konsequent  für 
die  preußische  Annexion  zu  entscheiden,  mit  dem  ganzen  deutschen 
Liberalismus  und  seinen  fürstlichen  Gönnern  für  den  Augustenburger,  also 
für  eine  Ausdehnung  kleinstaatlichen  Wesens,  gegen  den  Geist  des  Pro- 
gramms, von  dem  man  ursprünglich  ausgegangen  war.  Und  als  schließlich 
aus  der  schleswig-holsteinischen  Frage  sich  der  große  Machtkampf  erhob,  da 
trieben  Leiter  und  Glieder  des  Nationalvereins  ratlos  durcheinander.  Auch 
jetzt  konnte  man  nicht  den  Entschluß  fassen,  etwa  für  den  Reformvorschlag 
des  gewalttätigen  Ministers  vom  9.  April  1866  einzutreten,  der  das  deutsche 
Parlament  offen  als  Kampfespreis  enthüHte.  Und  wenn  schon  die  preußischen 
Liberalen  diesen  Weg  nicht  mitgehen  mochten,  so  war  und  blieb  B. 
Hannoveraner  genug,  um  sich  vollends  mißtrauisch  zurückzuhalten. 

In  dieser  Zeit  war  es,  daß  der  preußische  Mini.sterpräsident,  noch  vor 
dem  Ausbruch  des  Krieges,  mit  dem  Führer  des  Nationalvereins  persönliche 
Fühlung  zu  gewinnen  suchte:  eben  damals,  als  er  in  der  großen  Entschei- 
dung nach  allen  Seiten  Brücken  zu  den  Liberalen  hinüberzuschlagen  begann. 
Zunächst  ließ  er  ihm  durch  Th.  v.  Bernhardi,  den  er  nach  Hannover  sandte, 
versichern,  daß  es  ihm  mit  Reform  und  Parlament  voller  Ernst  sei.  Aber  B. 
ließ  sich  aus  seiner  abwartenden  Stellung  nicht  herauslocken;  er  glaubte 
weder  an  den  Ernst  der  Vorschläge  Bismarcks  noch  an  seinen  Ernst  zum 
Kriege;  Bismarck  könne  den  Krieg  nicht  führen,  da  er  ja  die  öffentliche 
Meinung  bestimmt  gegen  sich  habe;  vor  allem  anderen  müsse  er  im  Innern 
einlenken.  Überlegen  erwiderte  der  Minister:  man  schießt  nicht  mit  öffent- 
licher Meinung,  sondern  mit  Pulver  und  Blei.  Nach  dieser  ergebnislosen 
Annäherung  machte  Bismarck  noch  einen  zweiten  Versuch.  Als  im  Mai  eine 
Ausschußsitzung  des  Nationalvereins  in  Berlin  tagte,  erbat  er  sich  durch 
Fr.  Oetkers  Vermittlung  eine  persönliche  Besprechung  mit  B.  Auf  die  Tat- 
sache dieser  Besprechung,  die  am  Abend  des  14.  Mai  stattfand,  haben  nach- 
mals die  erbitterten  weifischen  Gegner  B.s  den  Vorwurf  des  Landesverrats 
gegründet,  mit  vollem  Unrecht;  denn  in  Wirklichkeit  benahm  B.  sich  durch- 
aus korrekt,  indem  er  von  vornherein  jede  Einbeziehung  Hannovers  in  das 
Gespräch  auszuschließen  bat,  und  nur  eine  allgemeine  Entwicklung  der  Pläne 
Bismarcks  über  seine  Umgestaltung  Deutschlands  nach  einem  Siege  über 
Österreich    entgegennahm.      Auch    in    diesem    Moment    konnte    der    liberale 

18* 


276  von  Bennigsen. 

Unitarier  seine  Zugehörigkeit  zu  einem  Mittelstaat  nicht  verleugnen.  VielmehT 
war  er  über  die  Gefahr  für  die  Selbständigkeit  Hannovers  nunmehr  so  im 
Klaren,  daß  er  alles  daran  setzte,  seine  Regierung  von  dem  Anschlufl  an 
Osterreich  zurückzuhalten.  Seine  Anträge  in  der  Zweiten  Kammer  vom 
6.  Juni  verlangten,  dafi  Hannover  nicht  durch  vorzeitige  Parteinahme  oder 
Rüstungen  die  Gefahr  des  Krieges  vergrößere,  sondern  vielmehr  auf  eine 
bundesstaatliche  Gesamtverfassung  Deutschlands  und  Einberufung  eines  Par* 
laments,  also  auf  ^ine  der  preußischen  parallele  Politik  hinwirke;  in  der 
Begründung  riet  er  dringend  zur  Neutralität  und  bezeichnete  für  den  Fall,  daß 
diese  sich  nicht  halten  lasse,  es  als  eine  geographische  Notwendigkeit  für 
Hannover,  sich  auf  die  preußische  Seite  zu  stellen.  Sein  Antrag  wurde  in 
der  Zweiten  Kammer,  in  der  er  schon  seit  Jahren  der  Führer  der  opposi- 
tionellen Mehrheit  war,  mit  50  gegen  20  Stimmen  angenommen,  in  der 
Ersten  Kammer  dagegen  abgelehnt.  Wäre  es  also  nach  dem  Willen  der 
Liberalen  gegangen,  so  würde  das  Königreich  Hannover  in  seiner  Selb- 
ständigkeit erhalten  geblieben  sein;  allein  die  Regierung  und  die  ihr  an- 
hangenden Elemente,  ebendieselben,  die  noch  heute  am  Weifenhause  fest- 
halten und  womöglich  gar  ihren  alten  Gegnern  die  Schuld  zuschieben 
möchten,  sind  an  dem  Untergang  Hannovers  schuld:  darüber  kann,  trotz  aller 
noch  heute  fortdauernden  sinnlosen  Hetze  und  aller  weifischer  Legenden 
kein  Zweifel  sein.  An  demselben  Tage,  an  dem  Hannover  sich  an  den 
kriegerischen  Beschlüssen  in  Frankfurt  beteiligte,  schrieb  B.  prophetisch  an 
seine  Frau:  »Der  verblendete  König  und  das  elende  Ministerium  haben 
unter  Beihilfe  der  bornierten  Ersten  Kammer  den  Staat  Hannover  zugrunde 
gerichtet.«  Er  aber  war  weit  entfernt,  an  diesem  Untergange  mitzuhelfen. 
Als  ihm  an  demselben  Tage  Bismarck  durch  den  Berliner  Bürgermeister 
Duncker  im  geheimen  den  Vorschlag  machen  ließ,  für  den  Fall  einer  Besetzung 
Hannovers  durch  preußische  Truppen  und  der  Einrichtung  einer  preußischen 
Regierung  in  Hannover  an  die  Spitze  dieser  Regierung  zu  treten,  lehnte  er 
den  Antrag  auf  der  Schwelle  ab  und  verbat  sich  jede  weitere  Verhandlung 
darüber.  Auch  in  diesem  Falle  bewahrte  er,  wie  er  nicht  anders  konnte,  die 
Loyalität  gegen  den  Staat  seiner  Geburt,  dessen  Politik  er  seit  einem  Jahr- 
zehnt bekämpfte:  wenn  dem  skrupellosen  Minister  auf  seinem  Wege  zur 
Macht  jedes  Mittel  recht  sein  mochte,  für  den  »hannoverschen  Edelmann«, 
den  B.  in  einer  späteren  Äußerung  merklich  herauskehrte,  wäre  ein  solcher 
Schritt  eine  Unmöglichkeit  gewesen:  er  würde  wirklich  als  der  V'erräter 
erschienen  sein,  zu  dem  ihn  seine  Feinde  stempeln  wollten,  und  von  dem 
preußischen  Minister  bei  der  ersten  Gelegenheit  wieder  über  Bord  geworfen 
worden  sein.  Vielmehr  suchte  er  noch  am  folgenden  Tage  in  der  Kammer 
das  rollende  Rad  des  Schicksals  festzuhalten,  freilich  vergeblich:  mit  tiefem 
Schmerze,  darüber  ist  kein  Zweifel,  sah  er  dann  das  Unvermeidliche  über 
seine  Heimat  hereinbrechen. 

Die  Annexion  von  1866  macht  in  seinem  Leben  einen  tiefen  Einschnitt. 
Er  trat  aus  dem  Mittelstaat  in  einen  großen  Staat,  aus  der  dauernden 
Oppositionsstellung  in  der  hannoverschen  Kammer  in  die  positive  Mitarbeit, 
aus  der  am  letzten  Ende  doch  unfruchtbaren  Ideologie  des  Nationalvereins  in 
die  reale  praktische  Politik  hinüber.  Dauernd  aber  blieb  seine  Wirksamkeit 
zwischen  der  allgemeinen,  preußisch-deutschen  und  derjenigen  in  seiner  nun- 


von  Bennigsen.  277 

mehr  zur  preußischen  Provinz  gewordenen  Heimat  geteilt.  Von  vornherein 
war  er  bestrebt,  die  möglichste  Schonung  der  »berechtigten  Eigentümlich- 
keiten«, der  durch  Geschichte,  Sitte  und  Gesetzgebung  erwachsenen  Beson- 
derheiten Hannovers,  und  einen  möglichst  weiten  Spielraum  für  seine  pro- 
vinzielle Selbständigkeit  zu  erwirken.  In  diesem  Sinne  war  er  unter  den 
24  Vertrauensmännern,  die  am  29.  Juli  1868  nach  Berlin  berufen  waren,  für 
die  Ausgestaltung  der  provinzialständischen  Verfassung  Hannovers,  und  auf 
dem  ersten  Provinziallandtage,  auf  dem  er  zum  Vizelandtagsmarschall  ernannt 
wurde,  besonders  für  die  Fixierung  des  hannoverschen  Provinzialfonds  erfolg- 
reich tätig,  der  in  der  Folge  die  erste  Entfremdung  zwischen  Regierung 
und  Konservativen  verursachte.  In  ein  dauerndes  Verhältnis  zur  Provinzial- 
verwaltung  trat  er  sodann  dadurch,  daß  er  am  5.  November  1868  vom  Provinzial- 
landtage zum  Landesdirektor,  zur  Wahrnehmung  der  laufenden  Geschäfte  in 
der  Verwaltung  der  Angelegenheiten  des  Provinzialverbandes  gewählt  wurde; 
zwanzig  Jahre  hindurch  konnte  er  in  dieser  Stellung,  die  ihn  auch  mit  dem 
Vorsitzenden  des  Provinzialausschusses,  dem  Grafen  Münster,  in  ein  bleibendes 
freundschaftliches  Verhältnis  brachte,  eine  reiche  und  ihn  innerlich  befriedigende 
Tätigkeit  entfalten  und  mit  dem  ständischen  Wesen  Hannovers,  so  viel  sich 
davon  mit  verringerter  Kompetenz  hatte  erhalten  lassen,  in  dauernder  V'^er- 
bindung  bleiben. 

Zugleich  aber  begann  er  als  Führer  der  hannoverschen  Liberalen,  die  sich 
mit  der  neuen  Ordnung  aussöhnen  wollten,  an  der  Neugestaltung  Preußen- 
Deutschlands  auf  dem  konstituierenden  norddeutschen  Reichstage  —  bei  den 
Wahlen  hatten  seine  Anhänger  144000  Stimmen  und  zehn  Mandate  gegen 
130000  Stimmen  und  neun  Mandate  erlangt  —  teilzunehmen.  Entscheidend 
war  er  an  der  Begründung  der  nationalliberalen  Partei  beteiligt,  die  sich  am 
28.  Februar  1867  unter  seinem  Vorsitz  konstituierte;  in  ihr  fanden  sich  die- 
jenigen Mitglieder  des  altpreußischen  linken  Zentrums  und  Fortschritts,  die 
Bismarck  die  Indemnität  bewilligt  hatten,  mit  den  Liberalen  aus  den  neuen 
preußischen  Provinzen  und  den  Kleinstaaten  zusammen.  Ein  folgenreiches 
Ereignis  der  deutschen  Parteientwicklung:  der  Liberalismus,  der  sich  in  seinen 
nationalen  Hoffnungen  befriedigt  sah,  schloß  sich  zu  positiver  Mitarbeit  an 
dem  von  den  konservativen  Gewalten  geschaffenem  Werke  zusammen,  und 
der  ehemalige  Präsident  des  Nationalvereins,  jetzt  zugleich  der  zweite  Vize- 
präsident des  Reichstages,  wurde  der  bezeichnendste  Vertreter  der  neuen 
Tendenzen. 

B.s  eigene  politische  Stellung  in  den  neuen  Verhältnissen  war  von  Haus 
aus  gegeben.  Er  war  und  blieb  ein  entschiedener  Unitarier;  natürlich,  denn 
der  Einheitsgedanke  vor  allem  hatte  ihn  vorwärts  getrieben,  und  nachdem 
der  Staat  seiner  Geburt  den  Preußen  zum  Opfer  gefallen  war,  mußte  die 
weitere  unitarische  Ausgestaltung  der  Reichsverfassung,  besonders  die  Aus- 
dehnung der  Kompetenz  des  Reichstages,  zugleich  Konsequenz  und  Gemüts- 
bedürfnis für  ihn  sein.  Sowohl  seiner  unitarischen  als  seiner  konstitutionellen 
Grundüberzeugung  entsprach  es,  wenn  er  schon  in  der  ersten  Tagung  verant- 
wortliche Bundesminister  neben  dem  Bundeskanzler  forderte  und  trotz  Bismarcks 
Widerspruch  daran  festhielt;  er  erneuerte  die  Forderung  1869,  schien  in  der 
Krisis  von  1877/8  ihr  wenigstens  einen  Schritt  näher  zu  kommen  und  griff 
noch  1889  und  1892  auf  sie  zurück,  als  sich  die  föderativen  Grundlagen  der 


278  von  Bennigsen. 

Reichsverfassung  längst  und  anscheinend  dauernd  befestigt  hatten.  Als 
Liberaler  hielt  er  an  der  Verwirklichung  des  konstitutionellen  Staatsideales 
fest:  er  verlangte  einen  tiefgehenden  Einfluß  des  Parlaments  auf  die  Leitung 
der  Geschäfte.  Aber  von  manchen  der  preußischen  Liberalen,  selbst  von 
denen,  die  in  seiner  Fraktion  saßen,  trennte  ihn  doch  von  vornherein  eine 
sehr  wesentliche  Nuance.  Schon  in  dem  ersten  Wahlaufruf  der  hannoverschen 
Liberalen  mahnte  er,  daß  das  Vaterland  höher  stehen  müsse  als  die  Partei: 
er  ging  grundsätzlich  davon  aus,  daß  die  liberale  Doktrin  gegebenenfalls  hinter 
den  nationalen  Interessen  zurückzustehen  habe.  Er  blickte  eben  nicht  wie 
die  preußischen  Genossen  auf  einen  langjährigen  Konflikt  zurück,  sondern  trat 
unbefangen  in  die  neuen  großen  Verhältnisse  ein,  während  seine  alten  hannover- 
schen Gegner  in  der  unversöhnlichsten  Opposition  standen;  sodann  fehlte  der 
sozialen  und  wirtschaftlichen  Zusammensetzung  seiner  Provinz  die  Schärfe  der 
Gegensätze  des  Ostens ;  in  seinen  nationalen  Zielen  aber  war  er  vor  allem  von 
tiefer  Befriedigung  und  aufrichtiger  Bewunderung  der  Staatskunst  Bismarcks 
erfüllt.  Seine  Gemütsverfassung  trieb  ihn  auf  das  Versöhnende  und  seine  poli- 
tische Anlage  auf  die  praktische  Leistung  hin.  Er  wollte  kein  Doktrinär  sein, 
sondern  sah,  wie  er  häufig  betont  hat,  in  der  Politik  »eine  praktisch  zu  übende 
Kunst«.  So  kam  unter  seiner  persönlichen  Mitwirkung  das  erste  Kompromiß 
in  der  Militärfrage  zustande,  das  eine  provisorische  Regelung  bis  zum 
31.  Dezember  187 1  vorsah  und  von  diesem  Termin  ab  eine  gesetzliche  Fest- 
legung der  Präsenzziffer  in  Aussicht  nahm.  Damit  wurde  der  Weg  beschritten, 
der  für  die  nationalliberale  Partei  dieses  ersten  Jahrzehnts  und  besonders  für 
die  Politik  B.s  vorbildlich  war.  Gerade  B.  wurde  von  fortschrittlicher  Seite 
wohl  als  der  Vater  aller  Kompromisse  bezeichnet,  der  durch  Schwächlichkeit 
und  Diplomatisieren  alle  Grundsätze  des  Liberalismus  kompromittiere.  Als 
wenn  man  auf  dem  Wege  dieser  Kritiker  hätte  weiter  kommen  können! 
Neben  der  Persönlichkeit  Bismarcks  aber  vermag  man  sich  gar  keine  Möglich- 
keit auszudenken,  die  den  Liberalen  eine  stärkere  Chance  der  Einwirkung  in 
ihrem  Sinne  beschert  hätte,  als  die  Politik  B.s  und  der  Seinen:  denn  nicht 
ihr  Verdienst,  sondern  das  des  Ministers  hatte  das  Reich  geschaffen,  und  der 
dadurch  geschaffenen  Lage  mußten  die  Liberalen  sich  anpassen,  wenn  sie 
etwas  erreichen  wollten.  Aus  dieser  Empfindung  heraus  schrieb  B.  seiner 
Frau  nach  der  Vollendung  der  norddeutschen  Reichsverfassung:  »Noch  größer 
ist  meine  Freude,  an  dem  hiesigen  Werk  einen  erheblichen  Anteil  gehabt  zu 
haben.  Erst  spätere  Zeiten  werden  unbefangener  darüber  urteilen.  Es  ist 
aber  der  größte  Fortschritt  hier  definitiv  begründet  worden,  den  Deutschland 
seit  der  Reformationszeit  gemacht  hat,  und  Jeder,  welcher  dazu  mitgewirkt 
hat,  wird  noch  einmal  stolz  darauf  sein  können.« 

Die  Schöpfung  des  Reiches  im  Kriege  1 870/1  sollte  dieses  Verhältnis 
noch  verstärken.  Auch  jetzt  suchten  zwar  die  Liberalen,  wenngleich  sie  durch 
die  Wucht  der  Ereignisse  in  die  zweite  Linie  gedrängt  waren,  auf  den  frei- 
heitlichen Ausbau  des  Neuen  hinzuwirken.  So  reiste  B.  mit  seinen  Freunden 
Forckenbeck  und  Lasker  im  September  1870  nach  Süddeutschland,  um  im 
Verein  mit  ihren  bayrischen  und  württembergischen  Parteigenossen  einen 
Druck  auf  die  Entschließungen  der  Höfe  auszuüben;  bald  darauf  wurde  er 
zusammen  mit  den  Führern  der  Konservativen  und  Frei  konservativen, 
V.  Blanckenburg  und  Friedenthal,   zur  Beteiligung  an   den  Konferenzen  über 


von  BenDigsen.  270 

die  Reichsverfassung  nach  Versailles  berufen.  Aber  es  versteht  sich,  daß  es 
für  ihn  und  seine  Partei  jetzt  ausgeschlossen  war,  irgendwie  modifizierend 
auf  das  von  dem  Willen  Bismarcks  geschaffene  Gebäude  des  Reiches  einzu- 
wirken: so  gern  sie  es  unitarischer  und  liberaler  gewünscht  hätten,  sie  mußten 
es  hinnehmen  und  sie  begrüßten  es  mit  begeistertem  Danke,  denn  der  Traum 
ihrer  Sehnsucht  und  das  Ziel  ihrer  politischen  Arbeit  war  nunmehr,  wenn 
auch  auf  anderem  Wege  und  in  anderen  Formen,  strahlende  Wirklichkeit 
geworden. 

Und  nun  erst,  im  neuen  Reiche,  stieg  der  parlamentarische  Einfluß  der 
Xationalliberalen  auf  den  Höhepunkt.  Die  Zahl  ihrer  Mandate  im  preußischen 
Landtage  wuchs  1870  auf  123,  1873  auf  178,  1876  auf  186,  im  Reichstage 
1871  auf  119,  1874  auf  155.  So  hatten  sie  jederzeit,  entweder  nach  links  mit 
der  Fortschrittspartei  oder  nach  rechts  mit  den  Freikonservativen  die  Mehr- 
heit in  der  Hand,  und  auf  der  Verständigung  mit  ihnen  beruhte  jeder  Fortgang 
der  Geschäfte.  Ihre  Führer  waren  die  Leiter  der  Parlamente;  B.  wurde  1874 
zum  Präsidenten  des  Abgeordnetenhauses  gewählt  und  war  neber^  Forcken- 
beck, dem  Präsidenten  des  Reichstages,  der  vornehmste  Träger  der  Fraktions- 
politik; er  sollte  allmählich  durch  seinen  Einfluß  den  andern  überflügeln.  Und 
so  begannen  die  Nationalliberalen  innerhalb  des  Spielraumes,  den  die 
historisch  entwickelte  Machtstellung  des  Kanzlers  ihnen  ließ,  in  geschickter 
Taktik  einen  breiten  Anteil  an  den  grundlegenden  Institutionen  und  Organi- 
sationen des  Reiches,  an  der  wirtschaftlichen  und  kulturellen  Gesetzgebung 
zu  erringen;  in  den  Geist  des  öffentlichen  Lebens  drangen  sie,  von  der 
Hochflut  einer  günstigen  Stunde  getragen,  von  allen  Seiten  her  tiefer  ein  als 
je  vorher  in  unserer  staatlichen  Entwicklung.  Die  Partei  hatte  nicht  die  Macht 
in  Händen,  aber  einen  weitgreifenden  Einfluß;  freilich  nicht  aus  eigener 
Kraft,  sondern  vermöge  ihres  Festhaltens  an  der  Kompromißpolitik. 

In  diesem  Sinne  suchte  vor  allem  B.  zu  wirken.  Da  kam  es  auf  den 
Grad  des  Einflusses  an,  den  er  selbst  in  der  Partei  besaß,  und  auf  die  Einheit- 
lichkeit, mit  der  sie  ihre  Schritte  tat.  Es  war  natürlich,  daß  eine  so  zahlreiche 
und  so  plötzlich  zusammengewachsene  Partei  nicht  ein  homogenes  Ganze 
darstellte;  man  spricht  gewöhnlich  von  einem  rechten  und  einem  linken  Flügel, 
aber  es  ist  richtiger,  zwischen  dem  linken  Flügel,  der  eine  Reihe  parlamen- 
tarischer Talente  enthielt  und  nach  außen  hin  am  lebhaftesten  hervortrat, 
und  dem  rechten  Flügel  mit  seinen  z.  T.  gemäßigt  konservativen  Elementen 
eine  beiden  an  Kopfzahl  erheblich  überlegene  Mitte  sich  vorzustellen,  in  der 
B.s  Persönlichkeit  die  maßgebende  Rolle  ausübte.  Und  während  er  vor  allem 
mit  den  Führern  des  linken  Flügels,  Lasker,  Stauffenberg,  Forckenbeck  durch 
persönliche  Freundschaft  verbunden  war,  pflegte  er  sachlich  stets  den  An- 
schluß an  den  rechten  Flügel  der  Partei  zu  wahren :  so  kam  vor  allem  in  ihm 
die  Einheit  des  Ganzen  zum  Ausdruck  und  von  seiner  Person  wurden  je 
länger  je  mehr  die  entscheidenden  Verständigungen  beeinflußt.  So  war  er  an 
erster  Stelle  an  dem  Kompromiß  von  1874  über  das  Militärgesetz  beteiligt,  der 
eine  Präsenzziffer  von  401 659  Mann  auf  sieben  Jahre,  bis  zum  31.  Dezember  1881 
bewilligte;  und  ebenso,  neben  Miquel  und  Lasker,  an  dem  Kompromiß  über 
die  Justizreform  im  Jahre  1876. 

Es  ist  nicht  die  Aufgabe,  die  einzelnen  Phasen  dieser  in  den  Jahren 
1867 — 1877    auf    der   Höhe    stehenden    parlamentarischen    Tätigkeit  B.s  hier 


280  ^'OD  Bennigsen. 

durchzugehen.  Suchen  wir  noch  das  Gesamtbild  seines  politischen  Cha- 
rakters festzuhalten.  B.  war  einer  der  besten  und  eindrucksvollsten  Redner 
des  Parlaments.  Er  war  nicht  eigentlich  ein  schlagfertiger  Debatter,  sondern 
er  verschmähte  es  in  der  Regel,  wenigstens  in  seiner  nachhannoverschen  Zeit, 
in  das  alltägliche  Kleingefecht  herabzusteigen.  Er  sparte  sich  bewußt  für  die 
entscheidenden  Tage  auf.  In  diesen  großen  Reden  gab  der  stattliche  Mann 
mit  der  ruhigen  und  würdevollen  Haltung,  dem  vollen  und  warmen  Ton  der 
Stimme,  sein  Eigenstes  und  Bestes;  Leidenschaft  und  Polemik  waren  nicht 
seine  Sache,  auch  nicht  Schärfe  und  Witz,  nicht  eigentlich  die  glänzende 
Pracht  der  Worte,  denn  auch  darin  hielt  er  Maß;  regelmäßig  aber  hob  er 
den  Gegenstand  in  eine  allgemeinere  und  höhere  Betrachtung  hinein,  als  das 
übliche  Niveau  der  Parlamentsreden;  in  langen,  breit  dahin  strömenden  Sätzen 
entwickelte  er  die  Dinge  in  einem  größeren  geistigen  oder  historischen  Zu- 
sammenhange. Über  dem  Ganzen  lag,  wie  in  seiner  vornehmen  Gelassenheit, 
häufig  eine  staatsmännische  Ruhe;  man  fühlte,  daß  hier  ein  gebildeter, 
harmonischer  Geist  aus  der  Tiefe  seiner  gewonnenen  Überzeugung,  mit  einem 
ausgeprägten  Gefühl  für  Verantwortung  und  Gerechtigkeit,  zu  Worte  kam, 
und  hinter  den  abgerundeten  Sätzen  stand  das  warme  Pathos  einer  idealistischen 
Natur  —  kritischer  angelegte  Leute  verglichen  seine  Beredsamkeit  mit  der 
gleichfalls  mächtig  ergreifenden  Heinrich  von  Gagerns.  Mit  hinreißender  Kraft, 
selbst  begeistert  und  Begeisterung  weckend,  konnte  er  vor  allem  die  nationalen 
Instinkte  anschlagen;  als  der  mächtige  Wortführer  des  ganzen  Deutschlands 
erschien  er  an  den  großen  Tagen  des  Parlaments.  Ein  Redner  von  solcher 
Gabe  war  zugleich  ein  geborener  Präsident;  nicht  bloß  als  Präsident  de^ 
Abgeordnetenhauses  übte  er  das  Amt  mit  außerordentlichem  Geschick.  Lange 
Zeit  war  er  Vorsitzender  der  Budgetkommission  des  Reichstages  und  vermöge 
seiner  Sachkunde  und  Unparteilichkeit,  nach  dem  gewiß  anspruchsvollen 
Urteil  Eugen  Richters,  einer  der  besten,  den  sie  je  gehabt  hat.  In  seiner 
Natur  lag  viel  Zurückhaltung,  wie  sie  seinem  Stamme  eignet;  selbst  seine 
Fraktionsgenossen  klagten  wohl  über  seine  Verschlossenheit,  er  übte  gern  die 
Kunst,  die  soviel  Stolz  und  soviel  Bescheidenheit  verrät:  seine  eigene  Person 
nicht  vorzudrängen;  und  so  gut  er  den  allgemeinen  Ton  zu  treffen  verstand 
und  so  populär  sein  Name  in  vielen  Teilen  Deutschlands  wurde,  er  blieb  der 
Führer,  der  sich  nie  in  dem  großen  Haufen  verlor.  Und  so  war  dieser  Mann 
auch  nicht  der  Politiker  der  raschen  vorwärtsdrängenden  Initiative,  er  ließ 
sich  wohl  einmal  von  den  Dingen  tragen  und  fand  seine  Entschlüsse  im 
Stillen,  nachdem  sie  ihm  langsam  gereift  waren.  Er  konnte  von  diesen 
wieder  abgehen,  etwas  Unmögliches  aufgeben  und  anderem  Rate  Raum  geben, 
aber  wo  es  auf  die  ganze  Sache  ankam,  da  stand  er  unerschütterlich  fest, 
mit  ruhigem  Selbstbewußtsein.  Das  hat  auch  Bismarck,  mit  dem  er  häufig 
persönlich  verhandelte,  erfahren;  so  stark  B.  das  Gewaltige  dieser  Persönlich- 
keit empfand,  er  blieb  auch  an  dieser  Stelle  er  selbst.  Das  ist  der  Eindruck, 
den  man  auch  von  B.s  Verhalten  in  der  Krise  von  1877/8  empfängt. 

Im  Laufe  des  Jahres  1877  sollte  das  Verhältnis  Bismarcks  zu  den  politi- 
schen und  wirtschaftlichen  Parteien  einer  Abwandlung  entgegengehen.  Auf 
der  einen  Seite  begann  er  bereits  den  schutzzöllnerischen  und  agrarischen 
Wirtschaftsreformern  seine  Aufmerksamkeit  zu  schenken  und  seine  Hoffnung  auf 
die  in  den  Reichstagswahlen  vom  Januar  1877  zu  Tage  getretenen  Verstärkung 


von  Bennigsen.  28 1 

der  Konservativen  zu  setzen  (während  die  Nationalliberalen  von  153  auf  128 
sanken),  auf  der  andern  Seite  aber  unternahm  er  vor  seiner  Wendung  nach 
rechts  einen  doch  wohl  ernsthaft  gemeinten  Versuch,  mit  den  Liberalen,  so- 
weit sie  für  ihn  zu  haben  waren,  zusammenzugehen  und  die  drängende  Lösung 
der  Frage  der  Reichsfinanzen  und  ihrer  Verselbständigung  mit  ihnen  zu  ver- 
handeln. Zu  diesem  Zwecke  wandte  er  sich  an  den  Mann  unter  den  National- 
liberalen, der  ihm  nach  seiner  bisherigen  Haltung  und  allen  seinen  Fähig- 
keiten am  ehesten  zur  Mitarbeit  qualifiziert  erschien:  an  B.  Nachdem  er 
schon  im  Juli  1877  mit  B.  über  seinen  Eintritt  konferiert  hatte,  bat  er  ihn  am 
17.  Dezember  1877  in  einem  eingehenden  und  sehr  verbindlichen  Schreiben 
um  seinen  Besuch  in  Varzin;  als  Gegenstände  der  Besprechung  bezeichnete 
er  erstens  die  Stellvertretung  des  Reichskanzlers  und  »einige  Modifikationen 
in  der  Einteilung  der  Reichsämter  und  ihrer  Beziehung  zu  preußischen  Mi- 
nisterien« :  »wie  Kanzler  und  Ministerpräsident,  so  sollte  auch  die  Vertretung 
beider  identisch  sein«;  und  zweitens  die  Zukunft  der  Zoll-  und  Steuerreform. 
Die  Besprechung  fand  vom  26. — 29.  Dezember  in  Varzin  statt.  In  der  tech- 
nischen Seite  der  Frage  blieb  man  von  der  Verständigung  nicht  weit;  während 
das  Tabaksmonopol  nicht  berührt  wurde,  erklärte  sich  B.  mit  einer  erheblich 
höheren  Besteuerung  des  Tabaks  einverstanden;  die  Schwierigkeiten  wegen 
der  Einnahmebewillung  der  preußischen  Einkommen-  und  Klassensteuer  — 
B.  verlangte  die  sog.  »konstitutionellen«  Bürgschaften  für  eine  verfassungs- 
mäßige Behandlung  und  Verwendung  der  an  die  Einzelstaaten  zu  zahlenden 
Überschüsse  und  Quotisierung  der  Einkommensteuer  —  waren  zwar  groß,  schienen 
aber  nach  B.s  Urteil  nicht  unüberwindlich  zu  sein.  Der  Schwerpunkt  der 
Unterhandlungen  lag  in  ihrer  rein  politischen  Seite.  Bismarck  bot  B.  zunächst  das 
Ministerium  des  Innern  an;  er  wäre  anscheinend  auch  bereit  gewesen,  ihm  das 
Finanzministerium  zu  übertragen;  in  welcher  Weise  man  sich  die  identische 
Vertretung  des  Reichskanzlers  in  Preußen  und  Deutschland  durch  B.  dachte, 
sei  dahingestellt.  B.  erklärte  dagegen,  nicht  allein  in  das  Ministerium  ein- 
treten zu  können,  sondern  —  wie  er  schon  im  Sommer  betont  und  mit  seinen 
Parteifreunden  vereinbart  hatte  —  nur  in  Verbindung  mit  mehreren  von  ihnen; 
während  er  selbst  das  Ministerium  der  Finanzen  für  sich  wünschte,  schlug  er 
Forckenbeck  für  das  Innere  und  Stauffenberg  für  ein  Reichsamt  vor.  Auf 
dieser  Kombination  bestand  er,  »weil  durch  seinen  Eintritt  allein  die  Absicht, 
eine  feste  Reichs-  und  preußische  Regierung,  gestützt  auf  eine  sichere,  nach- 
haltig vorhandene  große  Mehrheit  des  Reichtages  und  preußischen  Abgeord- 
netenhauses herzustellen,  nicht  erreicht  werden  könne«;  er  mochte  nicht  nur 
fürchten,  allein  rasch  verbraucht  zu  werden,  sondern  ohne  die  Beteiligung 
seiner  Freunde  weder  im  Ministerium  eine  feste  Position  zu  haben,  noch  vor 
allem  seine  Fraktion  mit  ihren  nach  links  strebenden  Elementen  sicher  in  der 
Hand  zu  behalten;  bei  Forckenbeck  dagegen  hatte,  wie  B.  später  selber  er- 
fahren mußte,  der  Hintergedanke  mitgespielt,  durch  die  Belastung  der  Kan- 
didatur B.  mit  der  seinigen  die  ganze  Kombination  zum  Scheitern  zu  bringen. 
Während  B.  somit  die  Einheit  der  Nationalliberalen  als  Grundlage  seiner 
politischen  Machtstellung  erhalten  wollte,  war  Bismarck  weit  entfernt,  die 
ganze  Partei  mit  ihren  parlamentarischen  Ansprüchen  in  die  Regierung  auf- 
zunehmen, und  unbedingt  gegen  eine  Übertragung  des  Ministeriums  des 
Innern  an  Forckenbeck;    sein   Lieblingsgedanke    war  vielmehr,    den   rechten 


282  von  Bennigsen. 

Flügel  der  Nationalliberalen  unter  B.  enger  mit  seiner  Regierung  zu  ver- 
knüpfen und  womöglich  gerade  dadurch  von  der  Linken  der  Partei  zu  trennen. 
Er  riet  B.,  die  Situation  so  aufzufassen,  daß  es  wichtig  sei,  nur  einmal  erst 
festen  Fuß  zu  fassen,  und  suchte  ihn  zu  überreden,  daß  er  zu  ihm  ins  Schiff 
springe  und  ihm  bei  dem  Steuern  helfe;  er  läge  am  Landungsplatze  und 
wartete  auf  sein  Einsteigen.  Vor  allem  machte  er  ihn  darauf  aufmerksam, 
und  nicht  ohne  Grund,  wie  sich  nachher  zeigen  sollte,  daß  es  schon  sehr 
schwer  halten  möge,  ihn  allein  dem  Könige  zu  empfehlen,  ein  Systemwechsel  zu- 
gunsten der  Nationalliberalen  aber,  gewissermaßen  ein  konstitutionelles  Majori- 
tätsministerium sei  unter  dem  Könige  unmöglich,  sonst  würde  B.  doch  bald 
zwischen  dem  Könige  und  seiner  Fraktion  zu  wählen  haben.  Im  Grunde 
treten  sich  auch  in  diesem  Gespräch  die  königliche  Auffassung  des  Minister- 
dienstes, wie  sie  Bismarck  einst  im  Konflikt  durchgekämpft  hatte,  und  die 
liberale  Doktrin  parlamentarischer  Minister  einander  gegenüber.  Bismarck 
lehnte  zwar  in  der  Debatte  den  Eintritt  von  Forckenbeck  und  Stauffenberg 
nicht  ausdrücklich  ab,  ließ  vielmehr  B.  in  dem  Glauben,  daß  auch  diese 
Möglichkeiten  diskutierbar  seien,  in  Wirklichkeit  aber  dachte  er  nicht  daran; 
da  B.  auf  seiner  Forderung  bestand,  wurde  er  vielmehr  in  seinem  ganzen  Plane 
wankend  und  blieb,  wie  er  sagt,  unter  dem  Eindruck  zurück,  daß  sein  Versuch 
mißlungen  sei.  Dazu  erhielt  er  am  Tage  nach  B.s  Abreise  ein  ungnädiges 
Schreiben  des  Kaisers,  das  über  die  Eigenmächtigkeit  seiner  Verhandlungen 
und  den  schon  von  den  Zeitungen  proklamierten  Systemwechsel  Klage  führte; 
insbesondere  wandte  es  sich  gegen  die  Kanditatur  B.s,  gegen  den  der  Monarch, 
der  selber  18616  Hannover  annektiert  hatte,  unbegreiflicherweise  ein  in  fürst- 
lichen Instinkten  wurzelndes  Mißtrauen  hegte:  »Was  B.  betrifft,  so  würde  ich 
seinen  Eintritt  in  das  Ministerium  nicht  mit  Vertrauen  begrüßen  können,  denn 
so  fähig  er  ist,  so  würde  erden  ruhigen  und  konservativen  Gang  meiner 
Regierung,  den  Sie  selbst  zu  gehen  sich  ganz  entschieden  gegen  mich  aus- 
sprachen, nicht  gehen  können«.  Obgleich  Bismarck  diese  letzte  Meinung 
keineswegs  teilte  und  sich  über  den  von  einer  Intrigue  Eulenburgs  herbei- 
geführten Eingriff  sehr  erbitterte,  ist  ihm  Glauben  zu  schenken,  daß  er  nun- 
mehr unter  dem  Eindruck  der  kaiserlichen  Willensäußerung  die  ihm  schon 
zweifelhafte  Ministerkandidatur  B.s  ganz  zurückstellte.  B.  dagegen  nahm  eine 
Zeitlang  an,  daß  die  Verhandlungen  nicht  abgebrochen  seien,  zumal  da  in 
Berlin  in  der  nächsten  Zeit  noch  weitere  Besprechungen  stattfanden;  als  jedoch 
der  Reichskanzler  sich  am  23.  Februar  1878  im  Reichstage  zum  Tabaksmonopol 
bekannte,  kam  er  zur  Einsicht,  daß  die  Kombination  gescheitert  sei,  und 
teilte  ihm  aus  eigenem  Antriebe  mit,  daß  man  nicht  mehr  auf  ihn  rechnen 
könne. 

Die  Politik  B.s  in  dieser  Krisis  ist  sehr  verschieden  beurteilt  worden 
und  das  letzte  Wort  über  sie  läßt  sich  vielleicht  noch  nicht  sprechen.  Jeden- 
falls lieferte  er  den  Beweis,  daß  er  der  gewöhnlichen  Verlockung  durch  einen 
Ministerposten  widerstehen  konnte  und  daß  er  charaktervoll  zu  den  Grund- 
sätzen seiner  Partei  und  loyal  zu  seinen  Parteifreunden  hielt.  Aber  handelte 
er  als  Politiker  großen  Stils?  Ein  entscheidendes  Motiv  für  ihn  war,  die 
Nationalliberalen  einschließlich  des  linken  Flügels  geschlossen  zusammen- 
zuhalten; unter  dem  Gesichtspunkt,  daß  er  eben  die  Freunde,  für  die  er  ein- 
trat, nach  zwei  Jahren  doch  von  seiner  Seite  verlor,  mag  man  diesen  Gedanken 


von  Bennigsen.  283 

für  unrichtig  halten;  vielleicht  war  für  die  kommende  Entwicklung  die 
Spannung  der  Partei,  die  von  den  Freikonservativen  bis  an  die  Grenze  des 
Fortschritts  reichte,  überhaupt  zu  groß,  als  daß  sie  dauernd  haltbar  gewesen 
wäre.  Vor  allem  aber  muß  man  den  großen  Gegenspieler,  Bismarck,  auf  seine 
letzten  Ziele  ansehen,  um  auch  dem  Führer  der  Nationalliberalen  gerecht  zu 
werden.  Und  allerdings  mußte  dem  Meister  der  Intrigue  gegenüber  die  größte 
Vorsicht  beobachtet  werden;  die  Vermutung  freilich,  daß  er  schon  mit  der 
Berufung  B.s  nach  Varzin  ein  bloßes  Spiel  mit  den  Liberalen  getrieben  und 
den  Einspruch  des  Kaisers  selbst  provoziert  hätte,  geht  viel  zu  weit;  es 
scheint  mir  ausgeschlossen,  daß  die  ganze  Verhandlung  nur  eine  Kulisse 
war,  hinter  der  er  den  Abmarsch  nach  rechts  vorbereitete;  daß  er  gleich- 
zeitig oder  bald  darauf  auch  schon  andere  Möglichkeiten  erwog,  steht  ebenso 
fest.  Gerade  der  Verlauf  der  allgemeinen  Situation  im  Jahre  1878,  der  Tod  des 
Papstes,  die  Attentate,  der  Zusammenschluß  der  Schutzzöllner,  machen  es 
wahrscheinlich,  daß  B.  als  einziger  Liberaler  in  das  Ministerium  eintretend, 
sich  rasch  verbraucht  haben  würde  und  dann  von  Bismarck  unbedenklich  fallen 
gelassen  worden  wäre.  Wie  dem  auch  sei,  daß  es  sich  hier  um  einen  Ein- 
schnitt in  der  neueren  Reichsgeschichte,  um  einen  Einschnitt  auch  in  B.s 
Leben  handelt,  steht  außer  Zweifel.  Und  in  weiten  Kreisen  ist  es  bedauert 
worden,  daß  dem  gewaltigen  Luther  unserer  Einigung  nicht  —  nach  dem 
Worte  Konst.  Rößlers  —  ein  Melanchthon  der  politischen  Reformation  zur 
Seite  getreten  ist. 

Der  Umschwung  wurde  dadurch  beschleunigt,  daß  die  Attentate  auf  den 
greisen  Kaiser  Bismarck  Gelegenheit  gaben,  erst  die  Nationalliberalen  in  den 
Neuwahlen  des  Juli  1878  weiter  zu  schwächen  (von  127  auf  98  Sitze)  und 
sodann  unter  das  kaudinische  Joch  des  Sozialistengesetzes  zu  zwingen.  Gerade 
B.  war  es,  der  diesmal  über  den  Kopf  Laskers  und  Forckenbecks  hinweg 
die  Verhandlungen  leitete  und  die  Annahme  in  der  Fraktion  durchsetzte; 
damals  fand  die  Partei  in  den  eingefügten  Kautelen,  die  nach  ihrer  Meinung 
tias  Gesetz  vor  Mißbrauch  schützen  sollten,  einen  Trost  dafür,  daß  sie 
unter  dem  ungeheuren  Druck  der  Konstellation  ihre  Grundsätze  hatte  ver- 
leugnen müssen.  Dazu  begann  nun  der  Kampf  um  den  Zolltarif  die  Partei 
in  ihrem  Innern  zu  zersetzen  und  gleichzeitig  von  ihrem  bisherigen  Anteil 
an  den  entscheidenden  Abmachungen  mit  der  Regierung  abzudrängen.  B. 
wäre  mit  seinen  engem  Freunden  bereit  gewesen,  die  finanzielle  Selbständig- 
keit des  Reiches  durch  eine  Erhöhung  der  Zölle  und  Verbrauchssteuern  her- 
beizuführen, und  zwar  im  unitarischen  und  liberalen  Sinne,  unter  Beseitigung 
der  Matrikularbeiträge  und  gleichzeitiger  Einführung  der  sog.  konstitutionellen 
Garantien  für  das  Budgetrecht  des  Reichstags.  Aber  inzwischen  hatte  der 
Auflösungsprozeß  in  der  nationalliberalen  Partei  begonnen;  ein  Teil  der  süd- 
deutschen Schutzzöllner,  die  z.  T.  auch  minder  unitarisch  waren,  sowie  einige 
politische,  eher  konservative  Elemente  drängten  nach  rechts,  die  freihändle- 
rische Linke  aber  hatte  unter  der  Führung  Forckenbecks  sich  in  die  vorderste 
Reihe  des  Kampfes  gegen  die  neue  Wirtschaftspolitik  gestellt  und  suchte 
zunächst  den  rechten  Flügel  aus  der  Partei  hinauszutreiben;  B.  dagegen 
wollte  mit  einer  starken,  aus  Freihändlern  und  Schutzzöllnem  bestehenden 
Gruppe  aus  allgemeinpolitischen  Gründen  den  Zerfall  hintanhalten.  Er  wußte 
gut    genug,    daß    für    die    politische    Rechnung    Bismarcks    der    Wert    der 


284  ^'^^  Bennigsen. 

längst  erschütterten  und  durch  den  Widerspruch  in  ihrer  Mitte  sich  fast  auf- 
hebenden Partei  durch  eine  Spaltung  völlig  vermindert  wurde.  So  kam  es, 
daß  Bismarck  sich  von  den  Liberalen  abwandte  und  dem  Zentrum^  zugunsten 
des  föderativen  Elements  in  den  Reichsfinanzen,  die  Franckensteinsche  Klausel 
bewilligte,  allen  Befürchtungen  B.s  zum  Trotz,  daß  sie  »das  Verhältnis  der 
Reichsgewalt  zu  den  einzelnen  Landtagen  verschieben  und  die  Reichsverfassung 
durch  Verkümmerung  ihrer  Rechte  auf  finanziellem  Gebiet  schädigen«  möchte. 
Unbestreitbar  leidet  das  Reich  noch  heute  darunter,  daß  damals  nicht  das 
Verhältnis  der  Reichslinanzen  zu  denen  der  Einzelstaaten  auf  eine  dauerhafte 
und  gesunde  Grundlage  gestellt  worden  ist. 

Aber  nicht  die  sachliche  Erwägung,  sondern  die  politische  Macht  ent- 
schied. B.  ließ  aus  Konnivenz  gegen  den  heftig  drängenden  linken  Flügel 
es  geschehen,  daß  die  Gruppe  Völk-Schauß,  die  für  die  Annahme  des  Zoll- 
tarifs gestimmt  hatte,  aus  der  Partei  ausschied.  Als  trotz  dieser  Verschiebung 
sein  Anhang  an  Zahl  dem  linken  Flügel  überlegen  blieb,  begann  dieser  selbst  an 
Austritt  aus  der  Gesamtpartei  zu  denken.  Die  preußischen  Landtagswahlen, 
die  somit  in  einem  für  den  innern  Zusammenhalt  der  Partei  sehr  ungünstigen 
Moment  erfolgten,  brachten  ihr  auch  in  Preußen  eine  Verminderung  ihres  Be- 
standes; B.  mußte  1879  das  Präsidium  des  Abgeordnetenhauses  an  einen 
Konservativen  abtreten.  Er  ließ  sich  deshalb  nicht  in  die  Opposition  drängen; 
er  hielt  den  weitaus  größten  Teil  der  Nationalliberalen  1880  bei  der  Erneue- 
rung des  Septennats  und  der  Verlängerung  des  Sozialistengesetzes  fest 
und  riet  Bimarck  auf  seine  Klage,  er  habe  sich  in  dem  Zentrum  getäuscht, 
zur  Rückkehr  zu  der  früheren  nationalliberal-konservativen  Mehrheit.  Aber  die 
Nationalliberalen  waren  jetzt  zu  schwach,  um  ein  selbständiger  Bestandteil  einer 
solchen  Mehrheit  zu  sein:  in  der  Sezession  des  linken  freihändlerischen  Flügels 
vom  August  1880  zerbrachen  sie  vollends.  B.  bedauerte  diesen  Schritt  seiner 
ehemaligen  Freunde  aufs  äußerste.  Er  prophezeite  in  einer  Rede  zu  Hannover 
am  9.  September,  die  Sezession  werde  mehr  und  mehr  in  die  Opposition 
gegen  die  Regierung  getrieben  werden  und  ihre  Verschmelzung  mit  der  Fort- 
schrittspartei sei  nur  eine  Frage  der  Zeit;  er  sah  voraus,  daß  sie  am  Ende 
dieses  Weges  zu  politischer  Einflußlosigkeit  verurteilt  sein  würden.  Noch 
einmal  faßte  er  die  Grundsätze  einer  mittleren  Linie  zusammen:  »Wir  haben 
praktische  Politik  getrieben,  eine  andre  Grundlage  für  eine  Partei,  welche 
wirken  will,  ist  undenkbar.  Einer  Partei,  die  ihre  Prinzipien  absolut  und  in 
vollstem  Umfange  verwirklichen  will  und  sich  nicht  begnügt,  das  Wesentlichste 
zur  Durchführung  und  Anerkennung  zu  bringen,  wird  es  ergehen,  wie  es  den 
extremen  Parteien  von  links  und  rechts  zu  allen  Zeiten  ergangen  ist.  Die 
Einen  suchen  ihre  Ideale  in  der  Zukunft,  die  sie  nie  erreichen,  die  andern 
in  der  Vergangenheit,  die  sie  nie  zurückführen.« 

Diese  Politik  war  im  Augenblick  unterlegen.  Aber  B.  gedachte  darum 
nicht  sie  aufzugeben,  sondern  beschloß  sie  fortzusetzen,  aber  die  Selbständig- 
keit nach  rechts  und  links  und  auch  gegen  die  Regierung  zu  wahren.  Denn 
Bismarck  strebte  jetzt,  nachdem  er  sein  erstes  Ziel,  die  Spaltung  der  Liberalen, 
erreicht  hatte,  danach,  den  übrig  gebliebenen  Bestand  derer  um  Bennigsen 
an  die  Regierung  heranzuholen  und  womöglich  gar  mit  der  konservativen 
Partei  zu  verschmelzen.  Als  B.  im  Mai  188 1  die  Regierungsvorlage  über  die 
F^inführung  zweijähriger  Etatsperioden  als  eine  Schwächung  der  berechtigten 


von  Bennigsen.  285 

Stellung  des  Reichstages  und  damit  des  Einheitsgedankens  bekämpfte,  wandte 
sich  der  Reichskanzler  in  einem  persönlichen  Appell  von  wärmerer  Tonart, 
als  er  gemeinhin  pflegte,  an  den  Mann,  »der  mir  unter  seinen  Fraktions> 
genossen  der  Mitkämpfer  gewesen  ist,  dem  ich  wirklich  Beistand  verdanke 
und  dem  das  Reich  für  seine  Herstellung  so  viel  schuldig  ist,  für  seine 
Politik  von  langen  Jahren  her« ;  er  rief  ihm  mit  den  Worten  in  Bürgers  wildem 
Jäger  zu:  »laß  nicht  vom  Linken  Dich  umgarnen«!  Aber  B.  gedachte  doch 
nicht,  die  Brücken  nach  links  ganz  abzubrechen  und  sich  dem  Minister  völlig 
zu  eigen  zu  geben.  Wohl  hielt  er  am  15.  Juni  1882  nach  einer  pessimistischen 
Klage  Bismarcks  eine  so  machtvolle  Lobrede  auf  die  unsterblichen  Verdienste 
des  Reichsgründers,  wie  sie  der  Reichstag  noch  nicht  vernommen;  aber  gleich 
darauf  erklärte  er  das  Zusammengehen  der  Liberalen  aller  Schattierungen  für 
die  nächsten  Jahre,  besonders  für  die  bevorstehenden  Land  tags  wählen  für 
dringend  erforderlich.  Aber  links  und  rechts  waren  härtere  Mühlsteine  an- 
einandergeraten. Eugen  Richters  Ablehnung  machte  eine  liberale  Sammlung 
unmöglich  und  führte  zu  weiterer  parlamentarischer  Schwächung,  und  in  einer 
Besprechung  mit  B.  zu  Anfang  Juni  1883  legte  Bismarck  ihm  ein  langes  Sünden- 
register der  nationalliberalen  Partei  vor  und  lehnte  die  angebotene  Vermitt- 
lung in  der  Durchberatung  des  Etats  ab.  Da  entschloß  er  sich  am  11.  Juni  1883, 
seine  Mandate  zum  Reichstage  und  Abgeordnetenhause  niederzulegen;  er  er- 
kannte, daß  die  eingetretene  Entwicklung  der  inneren  politischen  Zustände 
für  ihn  »zurzeit  eine  auch  nur  einigermaßen  nützliche  und  erfolgreiche  Tätig- 
keit im  Sinne  einer  versöhnlichen  und  ausgleichenden  Politik  nicht  mehr  aus- 
führbar erscheinen  lasse«;  denn  er  sei  »nach  seiner  ganzen  Natur  und  poli- 
tischen Veranlagung  tief  davon  durchdrungen,  daß  für  unser  neues  deutsches 
Reich  nichts  gefährlicher  sein  müsse  als  die  Hervorkehrung  des  seit  1867 
kaum  mehr  empfundenen  Gegensatzes  zwischen  der  berechtigten  Stellung  der 
Monarchie  und  dem  Parlament«.  Sein  Entschluß  wurde  damals  in  weiten 
Kreisen  beklagt.  B.  dachte  wohl  nicht,  noch  vor  seinem  sechzigsten  Lebens- 
jahre stehend,  an  ein  Ausscheiden  für  immer;  er  rechnete  mit  dem  Eintreten 
günstigerer  Sterne,  er  wollte,  nach  seinem  ganzen  politischen  Vorleben,  sich 
nicht  in  einer  aussichtslosen  Stellung  verbrauchen  lassen.  Darüber  war  er  sich 
klar,  daß  seine  Politik  eine  schwere  Niederlage  erlitten  hatte.  Die  freisinnigen 
Politiker,  besonders  Eugen  Richter,  haben  ihn  persönlich  oder  überhaupt  das 
» Hanno veranertum«  in  der  Partei  für  deren  Niedergang  verantwortlich  gemacht; 
zu  Unrecht  hat  man  die  Kompromißpolitik  einzig  als  Schwäche  ausgelegt. 
B.s  leitender  Gedanke  war,  eine  möglichst  große  Masse  der  Liberalen  ge- 
schlossen zusammenzuhalten  und  dann  auf  einer  mittleren  Linie  einen  mög- 
lichst weiten  Einfluß  auf  die  Leitung  der  Geschäfte  zu  gewinnen;  die 
trennenden  wirtschaftlichen  Interessen  wollte  er  zurückgestellt  wissen.  Der 
Zug  der  Zeit  ging  nicht  in  dieser  Richtung,  wie  wir  heute  immer  mehr  er- 
kennen. Aber  vor  der  Notwendigkeit  kann  sich  niemand  verschließen  und  un- 
zählige Male  ist  es  ausgesprochen  worden:  nur  in  politischer  Einigkeit  konnte 
das  deutsche  protestantische  Bürgertum  die  Machtstellung  behaupten,  die 
ihm  nach  dem  Grade  seines  wirtschaftlichen  und  geistigen  Schwergewichts 
zukam.  Heute  steht  der  Ultramontanismus,  geschlossen  trotz  aller  W^irt- 
schaftsgegensätze,  von  einem  kirchlich-politischen  Dogma  zusammengehalten, 
und  daneben  die  Sozialdemokratie,  nicht  bloß  Klassenpartei  sondern  zugleich 


286  ^01^  Bennigsen. 

eine  einheitliche  politische  Partei,  in  breitester  Ausdehnung  da,  während  der 
Liberalismus,  zum  Teil  infolge  seiner  Zersplitterung,  zum  Teil  weil  er  den 
Weg  verließ,  auf  dem  er  sich  neben  Bismarck  hätte  behaupten  können,  zu 
verhältnismäßiger  Machtlosigkeit  verurteilt  ist. 

In  den  nächsten  Jahren  hielt  B.  sich  zwar  nicht  völlig  von  allem  Anteil 
am  politischen  Leben  zurück,  aber  er  trat  erst  ^^-ieder  sichtbarer  hervor, 
als  ein  von  Bismarck  herbeigeführter  kräftiger  nationaler  Aufschwung  eine 
für  ihn  aussichtsvollere  politische  Konstellation  möglich  zu  machen  schien. 
Am  Tage  nach  dem  der  Reichstag  wegen  seiner  Verwerfung  der  Septen- 
natsvorlage  aufgelöst  worden  war  (Jan.  1887),  reiste  B.  nach  Berlin,  um  mit 
dem  Zentralkomite  der  nationalliberalen  Partei  die  Wahlvorbereitungen  zu 
besprechen  und  mit  beiden  konservativen  Parteien  ein  Kartell  zur  gegen- 
seitigen Unterstützung  im  Wahlkampf  auf  der  Basis  des  Septennats  abzu- 
schließen. Das  Septennat  stellte  einen  der  entscheidenden  Punkte  des  Kom- 
promisses dar,  auf  dem  er  selbst,  in  der  Blütezeit  seiner  parlamentarischen 
Tätigkeit,  die  Mittellinie  zwischen  den  Bedürfnissen  der  Militärven^-altung 
und  der  Kontrolle  der  Volksvertretung  gefunden  hatte:  es  geschah  sozusagen 
zur  Erhaltung  seines  eigensten  Werkes,  daß  er  sich  nunmehr,  ebenso  wie  sein 
alter  Freund  Miquel,  die  parlamentarische  Tätigkeit  wieder  aufzunehmen  ent- 
schloß. Und  es  gelang  allerdings:  in  den  Neuwahlen  vom  21.  Februar  1887 
gelangten  die  Nationalliberalen  wieder  mit  fast  hundert  Sitzen  in  den  Reichs- 
tag und  B.  konnte  wiederum  als  Führer  einer  Partei  auftreten,  die  sich  ihrem 
äußeren  Umfange  nach  wohl  mit  ihrer  Stärke  in  ihrer  großen  Zeit  vergleichen 
durfte;  er  war  froh,  wieder  in  positiver  Mitarbeit  seine  Grundsätze  vertreten 
zu  können.  Freilich,  das  durfte  auch  er  sich  nicht  verhehlen:  der  National- 
liberalismus des  Kartellreichstages  war  ein  anderer  als  derjenige  des  Programms 
von  1867;  einen  guten  Teil  seiner  parlamentarischen  Ideale  hatte  er  in  dieser 
Zeit  auf  der  Strecke  lassen  müssen. 

Kaiser  Wilhelm  II.  bestieg  den  Thron  mit  dem  festen  Entschluß,  die 
innere  Politik  auf  der  Basis  des  Kartellreichstages  weiter  zu  führen.  Daher 
gehörte  es  zu  seinen  ersten  Regierungshandlungen,  daß  er  im  August  1888 
B.  zum  Oberpräsidenten  der  Provinz  Hannover  ernannte;  der  Entschluß  war 
aus  eigenstem  Antrieb  des  Monarchen  hervorgegangen,  angeregt  vor  allem 
durch  die  Versuche  einzelner  Konser\'ativer,  an  dem  Kartell  zu  rütteln;  wenn 
B.  sich  auch  ungern  von  dem  durch  zwanzig  Jahre  geführten  Amte  des  Landes- 
direktors trennte,  so  trat  er  den  neuen  Posten  schon  deswegen  an,  weil  er 
in  seiner  Berufung  eine  bedeutsame  Bürgschaft  für  das  Einhalten  einer  Mittel- 
linie in  der  innern  Regierungspolitik  des  jungen  Monarchen  erblickte.  Es 
war  ihm  beschieden,  noch  neun  Jahre  an  der  Spitze  der  Provinz  zu  stehen. 
So  blieb  sein  amtliches  Wirken  bis  zuletzt  mit  seiner  engeren  Heimat  ver- 
bunden. Er  empfand  es  doch  als  Genugtuung,  daß  ihn  das  königliche  Ver- 
trauen gerade  auf  diesen  Posten  stellte  und  dadurch  auch  die  Lauterkeit 
seines  hannoverschen  Wirkens  anerkannte.  Und  wenn  auch  der  Haß  der 
W^elfen  gerade  infolge  seiner  Ernennung  von  neuem  angefacht  ward,  er  ver- 
galt nicht  Gleiches  mit  Gleichem,  sondern  war  froh,  nunmehr  durch  seinen 
Rat,  wie  er  es  schon  früher  mehrfach  gewünscht  hätte,  zur  Aufhebung  des 
Weifenfonds  beitragen  zu  können. 

Die   Annahme   des  Amtes   konnte    nicht  ohne    alle  Einwirkung    auf    B.s 


von  Bennigsen.  287 

parlamentarische  Stellung    bleiben;    ein   Oberpräsident  als  Oppositionsführer 
war  natürlich  eine  Undenkbarkeit;  und  er  hatte  vor  der  Annahme  Bedenken 
geäußert,   die  Bismarck  ihm  zu  zerstreuen   suchte.     Trotzdem  glaubte  er,  als 
unabhängiger  Mann  die  Führung  der  Partei  weiterhin  übernehmen  zu  können. 
Er  rief  am  26.  März  1892  dem  Grafen  Kanitz  im  Reichstage  zu,   es  sei  kein 
Unglück,    »wenn   auch    im   Königreich   Preußen   es   noch  Beamte   und    hohe 
Beamte  gibt,  die  trotz  einer  solchen  Stellung  es  wagen,  ihre  eigene  Meinung 
zu  haben  und  dieselbe  auszusprechen  in  solchen  Fällen,  wo  sie  glauben,  daß 
das  Aussprechen  dieser  Meinung  einen  Wert  hat  auch  für  die  Höchstgestellten 
bis  zur  Krone  hinauf«.     Er  hatte  damals  bereits  diesen  Beweis  der  Gesinnungs- 
treue  und  des  Mutes  in  der  bedeutsamsten  Aktion  der  letzten  Phase  seines 
politischen  Lebens  gegeben:  in  dem  Eintreten  gegen  den  Caprivi-Zedlitzschen 
Entwurf  eines  Volksschulgesetzes.     Er   war  Zeit  seines  Lebens  in  kirchlichen 
Dingen  ein  überzeugter  Liberaler  gewesen,  schon  als  er  im  Katechismusstreit 
von   1863  als  Wortführer  seiner  Partei  hervortrat,   und   je  mehr  in  Hannover 
Welfentum  und  lutherische  Orthodoxie  sich  verquickten,  desto  lebhafter  hatte 
der  politische  Liberalismus  auch  in  kirchlichen   und  religiösen  Fragen  ihnen 
das  Widerpart  gehalten.    So  entschloß  er  sich,  seine  Stimme  gegen  den  Entwurf 
zu  erheben.    Da  er  im  Abgeordnetenhause  keinen  Sitz  hatte,  ergriff  er  in  der 
Reichstagssitzung    vom   22.  Januar    1892    die   Gelegenheit    der  Beratung    der 
Handelsverträge,  um  eine  scharfe  Warnung  an  die  Regierung  zu  richten;  es  sei 
vielleicht  notwendig,  »daß  sich  jetzt  bekämpfende  liberale  Gruppen  und  Männer 
einander  wieder  näher  treten  aus  Gründen  gemeinsamer  Kämpfe,  welche  nicht 
auf  materiellem  Boden  liegen,  sondern  auf  andern  Gebieten,   wo  es  sich  um 
ideale  Güter,  nicht  um  materielle  Interessen  handelt  ....  Es  würde  das  nach 
meiner  Meinung,   der  ich  selbst  liberal   stets  gewesen   bin   und   bleiben  will, 
für  die  weitere  Entwicklung  nur  förderlich  sein.     Das   liberale  Bürgertum  in 
Stadt    und  Land,    die   liberalen  Anschauungen    haben    einen  Anspruch    auf 
größere  Geltung,    als  sie  zurzeit  besitzen.«     Je   ungewöhnlicher  der  Vorstoß 
war,    desto    mächtiger    der  Eindruck,    der    von    ihm    ausging.     Die    Gegner 
mochten   über  die    »Rütliszene«    spotten,    und  im   Staatsministerium    mochte 
einen  Augenblick  die  Vorstellung  die  Oberhand   gewinnen,   daß  ein  zu  Ver- 
schwörungen anstiftender  Oberpräsident  eine    unerhörte  Erscheinung  sei:  der 
Mann,  der  mutig  sein  Amt  sofort  zur  Verfügung  stellte,  hatte  gerade  in  seiner 
Stellung  seiner  Sache    den   entscheidenden   Dienst    erwiesen.     Seine   Stimme 
fand    bei    dem   Kaiser  Gehör;    schon   nach  einer    längeren   Unterredung  am 
4.  Februar,  konnte  er  es  aussprechen,  daß  der  Entwurf  niemals  Gesetz  werden 
würde;    er  hatte  an   der   endgültigen   Zurückziehung  im  März   einen   großen 
Anteil.     Weniger  erfolgreich  w^ar  B.s  Versuch,  im  Februar  1893  eine  Vermitt- 
lung   über  die  Militärvorlage,    für   die    er    damals   Stimmen    bis    tief  in   die 
fortschrittliche  Linke  hinein  gewonnen  hatte,  zustandezubringen,  da  der  Reichs- 
kanzler im  letzten  Augenblicke  ein  Kompromiß  mit  einem  Zentrumsabgeord- 
neten vorzog.     Seit  der  Niederlage  der  Kartellparteien   im  Januar  1890  war 
für  B.  und  seine  Partei   die  Aussicht  wieder  vermindert,  in  der  Vermittlung 
zwischen  Regierung  und  Parlament  zu  führen,  und  der  Übergang  der  parlamen- 
tarischen Entscheidung  an  die  Klerikalen  nur  eine  Frage  der  Zeit. 

Die  weiteren  Einzelheiten  dieser  letzten  Parlamentsjahre  können  hier  nur 
mit  wenig  Worten   berührt  werden:    sein  Eintreten   für  die  Handelsverträge 


288  von  Bennigsen. 

und  gegen  den  Antrag  Kanitz;  für  die  Kolonialpolitik,  die  er  vor  allem  unter 
dem  Gesichtspunkt  nationalen  Aufschwungs  betrachtete,  hatte  er  doch  auch 
die  Freude,  seinen  zweiten  Sohn  im  überseeischen  Reichsdienste  zu  selbständiger 
Stellung  aufsteigen  zu  sehen;  schliefilich  für  das  Bürgerliche  Gesetzbuch,  bei 
dessen  Beratung  er  des  namhaften  Anteils  seines  alten,  seit  langem  erblin- 
deten Freundes  Planck  als  eines  beispiellosen  Vorganges  in  der  Geschichte 
aller  Völker  und  aller  Gesetzgebung  mit  herzlicher  Wärme  gedachte;  und  an 
dem  Tage,  wo  der  Reichstag  Bismarck  den  Glückwunsch  zu  seinem  achtzig- 
jährigen Geburtstage  versagte,  feierte  er  die  über  Jahrhunderte  deutscher  Ge- 
schichte ragende  Größe  des  Einzigen,  dem  nur  wenige,  wie  etwa  Richelieu 
und  Cromwell  zu  vergleichen  seien.  Selber  jetzt  ein  Veteran  des  deutschen 
Reichstages,  schien  er  über  die  kleinen  Kämpfe  hinausgewachsen  und  durch 
den  schärfer  gewordenen  Ton  und  das  gesunkene  Niveau  der  Verhand- 
lungen hallte  seine  Stimme  wie  ein  Klang  vergangener  Tage,  in  dem  die  Be- 
geisterung und  der  Schwung  unserer  Werdegeschichte  sich  fortsetzte.  Sein 
siebzigster  Geburtstag  brachte  ihm  Huldigung  und  Feier  in  seiner  Partei,  wie 
sie  wenig  deutsche  Parlamentarier  genossen  haben.  Seine  politischen  Über- 
zeugungen hatten  sich  ihm  immer  mehr  im  Sinne  einer  die  Gegensätze  ver- 
söhnenden Natur  befestigt.  So  wenn  er  über  den  Gegensatz  von  Kapital  und 
Arbeit  sagte:  »in  diesem  schweren  Kampfe  handelt  es  sich  gar  nicht  allein 
um  die  Lösung  der  wirtschaftlichen  Frage,  sondern  wesentlich  darum,  daß 
diese  Gegensätze  unter  den  Menschen  menschlich  überwunden  werden  müssen, 
mag  das  nun  in  der  christlichen,  kirchlichen  oder  menschlichen  Art  geschehen*. 
Noch  in  den  letzten  Monaten,  die  er  im  Parlamente  saß,  wirkte  er  so  nach 
beiden  Seiten  hin;  er  erkannte  den  Niedergang  des  Parlamentarismus  in  allen 
Ländern  an,  aber  er  warnte  eindringlich  vor  gefährlichen  Experimenten,  die 
nunmehr  die  konstitutionellen  Formen  leichtherzig  wieder  zerbrechen  möchten, 
»denn  in  Europa  sind  absolute,  diktatorische  Regimente  nicht  von  Dauer- 
haftigkeit und  Haltbarkeit« ;  auf  der  andern  Seite  mahnte  er,  indem  er  für 
die  Vergrößerung  der  Flotte  eintrat,  den  Führer  des  radikalen  Liberalismus, 
der  ihm  so  oft  in  den  Weg  getreten  war,  davor,  »die  nationalen  Fragen  der 
Landesverteidigung,  Landheer  und  Marine,  fortgesetzt  zum  Exerzierplatz  der 
Ausübung  des  Etatsrechts  zu  machen <^.  Die  historische  Stellung,  die  sich  die 
Parlamente  in  Deutschland  errungen,  und  die  Schranken,  in  die  sie  einge- 
schlossen bleiben,  scheinen  in  diesen  Gesinnungen  verkörpert. 

Mit  dem  Ablauf  des  Jahres  1897  legte  B.  sein  Amt  als  Oberpräsident 
der  Provinz  Hannover  unter  herzlichstem  Anteil  der  hannoverschen  Bevölke- 
rung in  Stadt  und  Land  nieder.  Zu  den  Neuwahlen  zum  Reichstage  im 
Sommer  1898  nahm  der  Vierundsiebzigjährige  kein  Mandat  mehr  an;  er  wollte 
den  Jüngeren  Platz  machen.  Es  ging  doch  eine  Bewegung  in  Deutschland 
über  die  Grenzen  seiner  Partei  hinaus,  als  der  Mann,  der  vierzig  Jahre  hin- 
durch die  nationale  Idee  hatte  leuchten  lassen  vor  dem  Volke  und  nun  eine 
der  letzten  mit  der  Zeit  des  Hoffens  und  des  Sieges  verknüpften  großen  Er- 
scheinungen war,  an  das  Abschiednehmen  von  dem  öffentlichen  Leben  ging.  Es 
war  nicht  die  Muße  eines  müden  Greises,  in  die  er  eintrat;  wie  er  körperlich 
rüstig  geblieben  war,  so  bewahrte  er  geistig  eine  ungebrochene  Frische,  eine 
Freude  am  Leben  und  Erkennen;  seinem  optimistischen  Idealismus,  von 
dem  er  sich  so  häufig  in  seinem  Leben  hatte  tragen  lassen,  war  der  dankbare 


von  Bennigsen.  28q 

Anteil  an  allem  Neuen,  die  Freude  des  Genießens  verblieben.  Durch  Jahr- 
zehnte hindurch  hatte  er  alljährlich  in  der  Schweiz  oder  in  Italien  die  Freude 
an  der  schönen  Natur  empfunden:  jetzt  dachte  er  einen  Augenblick  sogar  an 
eine  Reise  um  die  Welt  oder  wenigstens  in  den  Orient.  Und  wie  er  sein  Leben 
lang  von  der  politischen  Aktion  gern  zu  den  Büchern,  in  die  Welt  des  Erkennens 
gegangen  war,  so  glaubte  jetzt  der  Greis  seine  wohlverdiente  Muße  nicht 
besser  anwenden  zu  können,  als  daß  er  im  Sommersemester  1900  die  Uni- 
versität Göttingen  bezog  und  hier,  wie  58  Jahre  zuvor  in  eine  Studentenwohnung 
ziehend,  Vorlesungen,  besonders  naturwissenschaftlicher  Art,  hörte,  daneben 
auch  bei  dem  alten  Freunde  Planck,  in  dessen  Hause  er  wieder  regelmäßig 
verkehrte,  über  Sachenrecht  hörte. 

Da  geschah  es,   daß  auch  er,   der  Glückliche  —  denn  ihm  war  vieles 
im   Leben   gelungen,   auch  wenn  ihm   das  höchste  Ziel  politischen  Wirkens 
versagt    geblieben    war,    und    zum  Schluß    hatte    er  den  Lohn  auch  in   der 
Liebe   und  Verehrung  eines  Volkes    gefunden   —  die  Wahrheit    des  Wortes 
erfahren  sollte,  daß  niemand  vor  seinem  Ende  glücklich  zu  preisen  ist.     Er 
hatte  schon  im  Februar   igoo  einen  Sohn  —  fünf  Söhne  und  vier  Töchter 
hatte  ihm  die   treue   Genossin  seines  Lebens  geschenkt  —    im  besten  Alter 
verloren ;  im  September  desselben  Jahres  stand  er  an  der  Bahre  seines  Freundes 
Miquel   und   rief  »dem  größten  Finanzminister,    den  Preußen  bisher  gehabt 
habe«  ins  Grab  nach,  daß  er  nie  ein  einseitiger  Politiker  gewesen  sei,  sondern 
stets  nur  nach  den  höchsten  Gütern  des  deutschen  Volkes  getrachtet  habe: 
Worte,  in  denen  ausgedrückt  liegt,    was  er  selbst  für  den  Preis  des  Lebens 
hielt.     Die  Summe  seines  Wirkens  liegt  darin  beschlossen.     Da  traf  ihn  das 
Geschick,  daß  am  16.  Januar  1902  sein  dritter  Sohn  Adolf,  Landrat  in  Springe, 
als  Rächer  der  Ehre  seines  Hauses  von  dem  Schuldigen  im  Duell  erschossen 
ward;    die    fünf   so  plötzlich    des  Vaters    und   der  Mutter  beraubten  Kinder 
kamen  zu  den  Großeltern  ins  Haus,  und  er  hatte  zu  kämpfen,  ihre  Erziehung 
sich  und  den  Seinigen  zu  bewahren.     Gebrochen  von  diesem  Schicksalsschlage 
starb  ihm  am  12.  Juli  1902  die  Gattin,  nach  achtundvierzigjähriger  glücklicher 
Ehe.     Und   damit  war  sein  eigenes  Leben  zu  Ende.     Nach  einer  Krankheit 
von  wenigen  Tagen  —  von  der  Seele  aus  war  ihm  die  Widerstandsfähigkeit 
seines  Körpers  zerbrochen  —  entschlief  er  schon  am  Abend  des  7.  August  1902, 
wenige  Wochen  nach  der  Vollendung  seines  78.  Lebensjahres.     Er    schied  in 
der   unerschütterlichen   Überzeugung,    daß   das   menschliche   Dasein   nicht  in 
dem  traumhaften,  armseligen  Leben  auf  Erden  beschlossen  sei,   sondern  daß 
ihm  ein  ewiges  folge:    nicht  in   dem   buchstäblichen  Sinne    des   christlichen 
Dogmas,    sondern  aus  der  Vorstellung  heraus,    daß   alles  geistige  Wesen  in 
einem  allgemeinen,  unzerstörbaren  Zusammenhange  stehe.     Mit  ergreifenden 
Worten  rief  ihm  sein   ältester  Freund  Planck  den  Abschied  nach.     Und   er 
fand  hier  die  Worte,   die  zunächst  nur  den  Menschen   charakterisieren,    aber 
weiter  gefaßt,    doch  auch   den  Schlüssel  zum  Politiker  in   die  Hand   geben: 
j^Äußerlich  mochte  er  manchem  als  kühl  erscheinen,  aber  hinter  dieser  Hülle 
barg  sich  ein  tiefinniges  Gemüt.    Das  trat  naturgemäß  am  meisten  im  Familien- 
kreise hervor  und  in  den  Verhältnissen  zu   seinen  Freunden.     Wer  aber,   wie 
ich,  das  Glück  gehabt  hat,   ihn  näher  zu  kennen,   weiß,   wie  warm  der  Puls- 
schlag seines  Herzens  war,    für    alle;    wie  er  an  sich  selbst  zuletzt  dachte, 
wie  er  nur  durch  sein  Streben,  Gutes  zu  tun,  sich  leiten  ließ.     Und  auch  für 

BiogT.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog^.    7.  Bd.  lo 


2Q0  ^'O'^  Bennigsen.     Sommervogel. 

seine  politischen  Erfolge  war  das  warme  Herz  eines  der  wichtigsten  Faktoren. 
Mit  ruhiger  Überlegung  wußte  er  zu  erkennen,  was  gut  und  möglich  war, 
und  was  er  als  solches  erkannt,   verfolgte  er  mit  aller  Energie,   die  nur  aus 

einem  warmen  Herzen  entspringt«. 

Adolf  Kiepert,  Rudolf  von  Bennigsen.  Rückblick  auf  das  Leben  eines  P«irlamen tarier«;. 
Zweite  und  bedeutend  vermehrte  Auflage.  Hannover-Berlin  1903.  —  Oppennann,  Zur  Ge- 
schichte des  Königreichs  Hannover  von  1832  bis  1862.  2  Bde.  Leipzig  1S60/2.  — 
Schwab,  Der  deutsche  National  verein,  seine  Entstehung  und  sein  Wirken.  Berlin  1902.  — 
H.  v.  Poschinger,  Fürst  Bismarck  und  die  Parlamentarier.  3  Bde.  Breslau  1894/6.  —  Bio- 
graphische Arbeiten  über  andere' Nationalliberale,  wie  Philippson  über  Forckenbeck,  Böttcher 
über  Stephani,  Cahn  über  I^asker  u.  a.  m.  —  Der  gesamte  Nachlaß  B.s  ist  dem  Cntcr- 
zcichneten  zur  Abfassung  einer  umfassenden  Biographie  übergeben  worden,  die  Ende  1003 
in  zwei  Bänden  erscheinen  wird.  Eine  vorläufige  Publikation  aus  diesen  Papieren  ist  V>e- 
gonnen  worden:  Aus  den  Jugendbriefen  Rudolf  von  Bennigsens,  Deutsche  Revue  Jg.  29 
(1904),  Januarheft  und  Aprilheft,  und  wird  fortgesetzt  werden.  Außer  den  hier  veröffent- 
lichten Briefen  ist  für  die  vorstehende  Skizze  absichtlich  nur  an  einigen  entscheidenden 
Stellen  auch  schon  bisher  ungedrucktes  Material  herangezogen  worden. 

Berlin.  Hermann  Oncken. 

Sommervogel,  Carlos,  S.  J.,  Bibliograph,  *  8.  Januar  1834  zu  Straßburg 
i.  E.,  f  4.  Mai  1902  zu  Paris.  —  S.  machte  die  Gymnasialstudien  am  Lyceum 
seiner  Vaterstadt  und  bereitete  sich  dann  durch  zweijährige  mathematische 
Studien  zur  Aufnahme  in  die  Kriegsschule  von  Saint-Cyr  vor.  Er  änderte 
aber  seinen  Entschluß  und  trat  nach  vollendetem  19.  Lebensjahre  am  2.  Fe- 
bruar 1853  zu  Issenheim  in  das  Noviziat  der  Gesellschaft  Jesu.  Nach  der 
gewöhnlichen  Vorbereitung  wurde  er  am  12.  August  1866  vom  Bischof  RäÜ 
in  Straßburg  zum  Priester  geweiht.  Im  Jahre  1867  trat  er  in  die  Redaktion 
der  von  den  französischen  Jesuiten  verfaßten  Halbmonatsschrift  •fituäes 
religicuses<s^  ein,  deren  Mitarbeiter  er  schon  seit  1862  gewesen  war;  von  1868 
bis  1880  war  er  verantwortlicher  Herausgeber  dieser  Zeitschrift,  zuerst  in 
Paris,  dann  nach  den  Stürmen  der  Kommune  seit  1872  in  Fourvi^res  bei 
Lyon.  Von  1880 — 83  war  er  Sekretär  des  Provinzials  der  Pariser  Ordens- 
provinz. —  Für  die  ^Rtudes  religiatses^  schrieb  S.  eine  große  Zahl  von  Artikeln, 
Besprechungen,  Chroniken  und  Mitteilungen.  Als  größere  Arbeiten  seien 
daraus  erwähnt  die  zwei  historischen  Studien:  ^Le  Marechal  de  Bellefonds* 
und  i^Montcalm*y  die  er  auch  unter  dem  Titel:  ^Comment  on  senmt  autrefois* 
als  Buch  herausgab;  ferner:  *Un  ministre  de  Finte rieur  (Benezech)  sous  le  Direc- 
toire^;  *Gustm*e  II J  et  le  Cardinal  de  Bernis*,  u.  a.  Ferner  veröffentlichte  er 
hier  zahlreiche  unedierte  Briefe  von  F^nelon,  Bossuet,  vom  heiligen  Franz 
von  Sales,  von  Louis  Joseph  de  Bourbon,  Prinz  von  Conde,  von  den  Herzögen 
von  Berry  und  Enghien.  In  erster  Reihe  war  aber  seine  langjährige  gelehrte 
Tätigkeit  der  Bibliographie  seines  Ordens  gewidmet,  und  seine  großen  biblio- 
graphischen Arbeiten  sind  es  hauptsächlich,  durch  die  er  sich  ein  blcibende> 
Verdienst  erwarb,  und  die  seinen  Namen  in  der  Gelehrtenwelt  zu  hohem 
Ansehen  brachten.  Schon  seit  1861  war  er  Mitarbeiter  der  Begründer  und 
Herausgeber  der  * Bibliotheque  des  ecrwains  de  la  Compagnie  de  Jesuse ^  der  belgi- 
schen Jesuiten  Augustin  und  Aloys  de  Backer.  Bei  der  zweiten  umgearbeiteten 
und  erweiterten  Auflage  (3  Bde.  fol.,  1869 — 76)  ist  er  auf  dem  Titelblatt  al> 
dritter  Herausgeber  genannt.    Nach  dem  Tode  der  Brüder  de  Backer  (Augustin 


Sommerrogel.     Zardetti.  20I 

t  I.  Dezember  1873  ^u  Lüttich,  Aloys  f  7.  April  1883  zu  Löwen)  fiel  ihm  die 
Fortführung  des  großen  Unternehmens  allein  zu.  Zunächst  veröffentlichte  er 
die  eigenen  Werke:  * Dictiannaire  des  otwra^es  atwnymes  it  Pseudonymes,  public s 
par  des  religieux  de  la  Cofnpagnie  de  Jesus,  depuis  sa  fondatioit  jusqu  ä  nos  jours* 
(2  Bde.,  Paris  1884)  und  *Bibliot/ieca  Mariana  de  Ja  Compagnk  de  Jesus*  (Paris 
1885).  Nach  fünf  weiteren  Jahren  eifriger  Arbeit  konnte  er  hierauf  mit  der 
Veröffentlichung  der  3.  Auflage,  respektive  Neubearbeitung  der  de  Backerschen 
Bibliothique  beginnen,  die  bis  1900  in  neun  starken  Quartbänden  zum  Ab- 
schluß kam  und  in  alphabetischer  Reihenfolge  der  Autoren  alle  jemals  von 
Jesuiten  im  Druck  herausgegebenen  oder  im  Manuskript  hinterlassenen  Schriften 
verzeichnet:  ^Bibliothique  de  la  Compagnie  de  Jesus.  li  partie:  Bibliographie  par 
les  Peres  Augustin  et  Aloys  de  Backer.  Nom^elle  edition  par  Carlos  Sommervogeh 
(9  Bde.,  Brüssel  und  Paris  1890 — 1900).  Die  Bibliographie  Baldes  wird  aus 
diesem  großen  Werke  wiederholt  in  der  Schrift:  *  Jacques  Bälde,  Notice  et 
Bibliographie  par  Paul  Mury  et  C.  Sotnmen^ogeU  (Straßburg  1901).  Bei  seinem 
plötzlich  erfolgten  Tode  hinterließ  S.  noch  das  druckfertige  Manuskript  der 
Neuauflage  der  * Bibliotfieque  du  P.  Arstne  Carayon  S.  J.*  (zuerst  1864  erschienen), 
eines  Repertoriums  der  Schriften,  welche  nicht  von  Jesuiten,  sondern  für  oder 
gegen  dieselben  geschrieben  wurden;  die  Veröffentlichung  steht  in  Aussicht. 
Hauptsächlich  nach  gütigen  Mitteilungen  des  Herrn  P.  Konrad  Kirch  S.  J.  in  Valken- 
berg.  Vgl.  femer  Kindes  rcligieuscs,  Bd.  91,  1902,  S.  499 — 512;  Revue  d'histoire  ecclc- 
siastique  {L<nivam),  III,   1902,  S.  773— 777.  F.   Lauchert. 

Zardetti,  Johann  Joseph  Friedrich  Otto,  Erzbischof,  *  24.  Januar  1847 
zu  Rorschach,  f  10.  Mai  1902  zu  Rom.  —  Z.  absolvierte  die  Primarschulen 
in  Rorschach,  erhielt  seine  humanistische  Bildung  im  Jesuitenkolleg  Stella 
Matutina  in  Feldkirch  und  im  bischöflichen  Knabenseminar  zu  St.  Georgen 
bei  St.  Gallen,  machte  dann  die  philosophischen  und  theologischen  Studien 
an  der  Universität  Innsbruck  und  wurde  am  21.  August  1870  durch  Bischof 
Greith  von  St.  Gallen  zum  Priester  geweiht.  Am  21.  Dezember  1870  pro- 
movierte er  in  Innsbruck  zum  Dr.  theol.  Seine  erste  Anstellung  erhielt  er 
hierauf  an  Neujahr  187 1  als  Lehrer  am  bischöflichen  Knabenseminar  zu 
St.  Georgen.  Von  hier  aus  wurde  er  schon  in  seinen  ersten  Priesterjahren 
als  hervorragender  Prediger  in  der  Schweiz  bekannt  und  beliebt.  1873  wurde 
er  auch  Ehrenkanonikus  von  St.  Maurice  in  Wallis.  1874  wurde  er  Stifts- 
bibliothekar in  St.  Gallen,  am  11.  Februar  1876  Domkapitular  und  Domkustos 
der  Kathedrale  in  St.  Gallen,  in  welcher  Stellung  er  auch  das  Predigtamt  an 
derselben  zu  versehen  hatte.  Seine  Neigung  zu  Amerika,  wohin  er  im  Sommer 
1879  seine  erste  Reise  gemacht  hatte,  führte  ihn  im  Herbst  1881  als  Professor 
an  das  theologische  Seminar  zu  Milwaukee.  1888  wurde  er  General vikar  des 
apostolischen  Vikars  von  Dakota,  Bischof  Marty,  in  Yankton  am  Missouri. 
Bei  der  bald  darauf  erfolgenden  Teilung  von  Dakota  in  zwei  Diözesen  wurde 
Z.  vom  Papste  zum  ersten  Bischof  der  neuen  Diözese  St.  Cloud  ernannt  und, 
da  ihn  die  Ernennung  auf  einer  Reise  in  Europa  erreichte,  in  Einsiedeln  am 
20.  Oktober  1889  konsekriert.  Am  14.  Januar  1894  ernannte  ihn  der  Papst 
zum  Erzbischof  von  Bukarest,  wohin  er  im  Herbst  übersiedelte.  Die  schwierigen 
Verhältnisse  dieses  Missionsbistums  und  seine  angegriffene  Gesundheit  ver- 
anlaßten   ihn  aber,   schon  im   Sommer   1895   den   Papst  um  Enthebung  von 

19* 


292  Zardetti.     Simar. 

diesem  Amte  zu  bitten.  Er  wurde  nach  seinem  Rücktritte  zum  Erzbischof 
von  Mocissus  i.  p.  i.  ernannt.  Seitdem  hielt  er  sich  teils  im  Erlenbad  bei 
Achern  (Baden),  teils  in  Rom  auf,  wo  ihm  der  Papst  ein  Kanonikat  in  dem 
Patriarchalkapitel  von  S.  Maria  Maggiore  verlieh  und  ihn  zum  Konsultor  der 
Kongregation  der  Bischöfe  und  Regularen  und  der  Kongregation  für  außer- 
ordentliche kirchliche  Angelegenheiten  ernannte,  sowie  am  14.  Februar  1899 
zum  päpstlichen  Thronassistenten.  Seine  Leiche  wurde  auf  seinen  Wunsch 
in  die  Zisterzienser-Abtei  Mehrerau  bei  Bregenz  übergeführt  und  dort  in  der 
Gruft  der  Äbte  beigesetzt.  —  Von  Z.s  Schriften  seien,  mit  Übergehung  einer 
Reihe  von  einzeln  gedruckten  Festpredigten  und  kleineren  Erbauungsschriften, 
als  die  größeren  und  wichtigeren  genannt:  »Zehn  Bilder  aus  Süd-England 
oder:  Wanderungen  und  Betrachtungen  eines  Katholiken  bei  einem  Besuche 
in  England«  (Einsiedeln  1877 ;  die  Frucht  eines  Studienaufenthaltes  in  Eng- 
land im  Winter  1874/75);  »Pius  der  Große.  Immortellenkränze  auf  den 
Sarkophag  Papst  Pius  IX.«  (Frankfurt  a.  M.  1879);  »Maryland,  die  Wiege  des 
Katholizismus  und  der  Freiheit  Nord -Amerikas«  (Frankfurt  a.  M.  1881; 
—  Frankfurter  zeitgemäße  Broschüren,  N.  F.  Bd.  2,  Heft  4);  ^>Requies  S. 
Galli  oder  geschichtliche  Beleuchtung  der  Kathedrale  des  heiligen  Gallus  im 
Lichte  ihrer  eigenen  Vergangenheit«  (Einsiedeln  1881);  »Die  kirchliche  Sequenz: 
Komm  heiliger  Geist!  in  frommen  Betrachtungen  erweitert.  Nach  einem  eng- 
lischen Manuskript  aus  dem  17.  Jahrhundert  übersetzt«  (Freiburg  i.  Br.  1882); 
»Westlich!  oder  durch  den  fernen  Westen  Nord-Amerikas«  (Mainz  1897);  »Die 
Pflichten  und  Rechte  des  Adoptivbürgers  in  Amerika.  Festrede,  gehalten  bei 
Eröffnung  der  deutschen  Katholikenversammlung  in  der  Kathedrale  zu  Buffalo 

am  21.  September  1891«  (Köln  1899). 

Vgl.  F.  X.  Wetzcl,  Dr.  Otto  Zardetti,  Erzbischof  von  Mocissus.  Erinnerungsblättcr 
(Einsiedeln  1902;  mit  Porträt).  Derselbe  in  den  Historisch-politischen  Blättern,  Bd.  114. 
1S94,  S.  203—214.  F.  Lauchert. 

Simar,  Hubert  Theophil,  Erzbischof  von  Köln,  ♦14.  Dezember  1835  zu 
Eupen  (Reg.-Bezirk  Aachen),  f  Cöln  24.  Mai  1902.  —  S.  erhielt  den  ersten 
Unterricht  an  der  höheren  Stadtschule  zu  Eupen  und  besuchte  1848 — 53  das 
Gymnasium  zu  Düren.  Von  Herbst  1853  bis  Ostern  1857  studierte  er  Theologie 
in  Bonn,  im  Sommersemester  1857  in  München,  widmete  dann  noch  ein  Semester 
der  Vorbereitung  auf  die  beabsichtigte  Promotion,  trat  Ostern  1858  in  das 
Priesterseminar  zu  Köln,  wurde  am  3.  November  1858  in  Münster  zum  Lic. 
theol.  promoviert  und  empfing  am  2.  Mai  1859  in  Köln  durch  Weihbischof 
Baudri  die  Priesterweihe.  Hierauf  wirkte  er  zuerst  in  der  Seelsorge  als  Kaplan 
an  der  Pfarrkirche  Dietkirchen  zu  Bonn.  Ostern  1860  wurde  er  Repetent  im 
theologischen  Konvikt  daselbst;  Herbst  1860  habilitierte  er  sich  zugleich  als 
Privatdozent  an  der  theologischen  Fakultät  und  hielt  als  solcher  zunächst 
Vorlesungen  über  neutestamentliche  Exegese;  Ende  1864  wurde  er  außer- 
ordentlicher Professor  für  systematische  Theologie,  Oktober  1880  ordentlicher 
Professor  der  Dogmatik  und  Apologetik.  1867  hatte  ihm  die  theologische 
Fakultät  von  Münster  die  theologische  Doktorwürde  honoris  causa  verliehen. 
S.  war  auch  hervorragend  tätig  für  die  Görres-Gesellschaft,  deren  Mitbegründer 
er  war  (1876),  als  stellvertretender  Generalsekretär;  bis  1885  besorgte  er  auch 
die  Redaktion  der  Vereinsschriften.     1883  wurde  er  auch  zum  Vorsitzenden 


Simar.     Fäh. 


293 


des  Zentralvorstandes  des  Borromäusvereins  zur  Verbreitung  guter  Bücher 
gewählt.  1887  ernannte  ihn  Papst  Leo  XIII.  zum  päpstlichen  Hausprälaten. 
Am  25.  Juni  1891  wurde  er  zum  Bischof  von  Paderborn  gewählt,  am  17.  De- 
zember präkonisiert,  am  25.  Februar  1892  im  Dom  zu  Paderborn  durch  Kardinal 
Krementz  konsekriert  und  inthronisiert.  Paderborn  verdankt  ihm  die  Erbauung 
des  Leo-Konviktes  und  der  Herz-Jesu-Kirche.  Am  24.  Oktober  1899  wurde 
er  zum  Erzbischof  von  Köln  gewählt,  am  14.  Dezember  präkonisiert,  am 
12.  Februar  1900  inthronisiert.  Hier  sollte  dem  eifrigen  Oberhirten  nur  eine 
2' '4jährige  Regierungszeit  noch  beschieden  sein.  Von  einer  Firmungsreise 
vor  Pfingsten  1902  mit  einer  nicht  beachteten  Erkältung  zurückgekehrt,  er- 
krankte er  an  Lungenentzündung,  die  seinem  Leben  ein  unerwartet  rasches  Ende 
bereitete.  —  Seine  Werke:  »Die  Theologie  des  heiligen  Paulus.  Übersicht- 
lich dargestellt«  (Freiburg  i.  Br.  1864;  2.  Aufl.  1883);  »Lehrbuch  der  Moral- 
theologie« (Freiburg  i.  Br.  1867;  2.  Aufl.  1877;  3.  Aufl.  1893);  »Das  Gewissen 
und  die  Gewissensfreiheit.  Zehn  Vorträge«  (Freiburg  i.  Br.  1874;  2.  Aufl. 
1902);  »Der  Aberglaube«  (Köln  1877,  i.  Vereinsschrift  der  Görres-Gesellschaft 
für  1877;  3.  Aufl.  1894);  »Lehrbuch  der  Dogmatik«  (i.  und  2.  Hälfte,  Freiburg 
i.  Br.  1879 — 80;  2.  Aufl.  1887;  3.  Aufl.  1893;  4.  Aufl.,  2  Bde.,  1899);  »Die 
Lehre  vom  Wesen  des  Gewissens  in  der  Scholastik  des  13.  Jahrhunderts.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  der  Ethik.  I.  Teil.  Die  Franziskanerschule«  (Freiburg 
i.Br.  1885;  auch  als  Bonner  Universitätsschrift,  Bonn  1885 ;  ein  2.  Teil  folgte  nicht). 
Die  2.  Auflage  des  Kirchen-Lexikons  von  Wetzer  und  Weite  enthält  von  ihm 
mehrere  größere  und  einige  kleinere  Artikel  aus  Dogmatik  und  Moraltheologie. 
Vgl.  Dr.  Hubertus  Simar,  Erzbischof  von  Köln.    Ein  Lebensbild.    Köln,  Bachern,   1902. 

F.  Lauchert. 
Fäh,  Jakob,  S.  J.,  *  17.  Juni  1842  zu  Amden  im  Kanton  St.  Gallen, 
f  15.  Juli  1902  zu  Porto  Alegre  in  Brasilien.  —  F.  erhielt  die  humanistische 
Schulbildung  teils  in  der  Kantonsschule  zu  St.  Gallen,  teils  im  Jesuiten- 
kollegium zu  Feldkirch.  1859  trat  er  zu  Münster  i.  W.  in  die  Gesellschaft 
Jesu,  studierte  nach  vollendetem  Noviziat  daselbst  zwei  Jahre  Humaniora 
und  Rhetorik,  in  Maria-Laach  drei  Jahre  Philosophie  und  wirkte  dann  vier 
Jahre  als  Gymnasiallehrer  in  Feldkirch.  Hierauf  machte  er  als  Krankenpfleger 
1870 — 71  den  deutsch-französischen  Krieg  mit.  Seine  theologischen  Studien 
vollendete  er  nach  der  Verbannung  der  Jesuiten  aus  Deutschland  zu  Ditton 
Hall  bei  Liverpool,  das  letzte  Probejahr  in  dem  benachbarten  Portico.  Im 
Herbst  1877  wurde  er  als  Professor  der  Philosophie  wieder  nach  Feldkirch 
berufen;  1879  wurde  er  daselbst  General präfekt  des  Pensionats;  von  Herbst 
1882  bis  Herbst  1885  war  er  Rektor  des  ganzen  Kollegiums.  Von  Herbst 
1885  bis  Herbst  1889  leitete  er  in  Exaeten  als  Hauptredakteur  die  »Stimmen 
aus  Maria-Laach«.  1890  hielt  er  sich  zu  Studienzwecken  in  Berlin  auf.  Im 
Herbst  1891  wurde  er  Regens  und  Studienpräfekt  des  bischöflichen  Seminars 
zu  Porto  Alegre  in  Brasilien,  im  Februar  1900  Superior  der  gesamten  deutschen 
Jesuitenmission  in  Rio  Grande  do  Sul.  —  F.  schrieb  die  biographischen  Skizzen: 
:»P.  Gerhard  Schneemann  S.  J.«  (Stimmen  aus  Maria-Laach,  30.  Bd.  1886, 
S.  167 — 189);  »Georg  Arbogast  Freiherr  von  und  zu  Frankenstein.  Ein  Charakter- 
bild« (Freiburg  i.  Br.  1891,  mit  Porträt;  zuerst  in  den  Stimmen  aus  Maria- 
Laach,  40.  Bd.  1891,  S.  I — 21,  141  — 161). 

Vgl.  Stimmen  aus  Maria-Laach,  63.  Bd.   1902,  S.   I29f.  y.   Laudiert. 


294  Schramm.     Röhl. 

Schramm,  Romuald,  O.  S.  B.,  Prior  von  Bfevnov,  *  5.  September  1833 
zu  Braunau  in  Böhmen,  f  22.  Juli  1902  zu  Bfevnov.  —  Seh.  absolvierte  die 
Gymnasialstudien  in  Braunau  und  Prag,  trat  dann  am  7.  Oktober  1853  ^-^ 
Bfevnov  in  den  Benediktinerorden,  legte  am  6.  September  1857  Profeß  ab 
und  wurde  am  29.  Juli  1858  zum  Priester  geweiht.  Der  damalige  Abt  von 
Braunau  Dr.  Johann  Rotter  machte  ihn  zu  seinem  Sekretär.  Als  solcher  half 
er  zugleich  in  der  Seelsorge  in  der  Stadt  Braunau  und  den  umliegenden 
Dörfern  aus.  1862 — 66  war  er  Novizenmeister  im  Stift  St.  Margareth  zu  Bfevnov, 
hierauf  21  Jahre  Provisor,  endlich  seit  1887  Vorstand  desselben  als  Prior, 
zugleich  Novizenmeister.  —  Seh.  veröffentlichte  in  den  »Studien  und  Mit- 
teilungen aus  dem  Benediktinerorden«  :  »Regesten  zur  Geschichte  der  Benedik- 
tiner-Abtei Bfevnov-Braunau  in  Böhmen«  (3.  Jahrg.  1882,  Bd.  I,  S.  66 — 83,  292 
bis  309;  Bd.  II,  S.  82 — 95,  312 — 322;  4.  Jahrg.  1883,  Bd.  I,  S.  30 — 41,  250  bis 
254)  und  lieferte  für  Sebastian  Brunners  »Benediktinerbuch«  (Würzburg  1880) 
die  historische  Skizze:  »St.  Margareth  in  Brevnov  und  Braunau  in  Böhmen-^ 
(S.  84—99). 

Vgl.  Studien  und  Mitteilungen  aus  dem  Benediktinerorden,  23.  Jahrg.  1902.  S.  52Sf. 
Scriptores  Ordinis  S.  Bencdicii  qui  ijs^ — 1880  fuerunt  ift  Impcrio  Ausiriaco-IIunf^arico 
{Vindobonae  iS8j),  p.  420,  F.  Lau  che rt. 

Röhl,  Johannes  Christoph  Martin,  Generaldirektor  der  Straßeneisenbahn- 
Gesellschaft  in  Hamburg,  *  26.  Mai  1850  in  Lübeck,  f  8.  November  1902  in 
Hamburg.  —  R.  war  zuerst,  seit  1864,  bei  der  Eisenbahn  Lübeck -Kleinen 
angestellt,  und  trat  1868  in  den  Dienst  der  Pferdeeisenbahngesellschaft  in 
Hamburg,  die  1881  mit  der  Straßeneisenbahngesellschaft  sich  vereinigte. 
Dieser  Gesellschaft  blieb  er  dann  sein  ganzes  Leben  in  immer  steigenden 
Stellungen  treu:  187 1  wurde  er  Buchhalter,  1875  Betriebsinspektor,  1881  Leiter 
des  Hauptbureaus,  1885  kaufmännischer  Direktor,  1889  erster  Direktor  und 
nach  der  in  demselben  Jahre  erfolgten  Neugestaltung  der  Straßeneisenbahn- 
gesellschaft deren  alleiniger  Vorstand  und  Generaldirektor.  In  diesen  Stellungen 
entfaltete  er  bis  zu  seinem  Tode  eine  rastlose  und  allseitig  anerkannte  Tätig- 
keit und  hat  frühzeitig  den  Übergang  der  Straßenbahn  zum  elektrischen  Be- 
trieb mit  dem  System  der  reinen  Oberleitung  veranlaßt.  Er  gehörte  auch 
1895  zu  den  Gründern  des  »Vereins  deutscher  Straßenbahn-  und  Kleinbahnver- 
waltungen«, den  er  von  der  Gründung  bis  zu  seinem  Tode  leitete  und  bei 
dessen  Generalversammlung  in  Düsseldorf  im  September  1902  er  noch  den 
Vorsitz  führte.  Auch  war  er  Vizepräsident  der  »Internationalen  Straßenbahn- 
Vereinigung«. 

pjne  her\'orragende  Stellung  nahm  R.,  der  auch  Meister  vom  Stuhl  der 
Loge  zum  Roten  Adler  war,  eine  Zeit  lang  auf  stenographischem  Gebiete  ein, 
auf  dem  er  seit  1864  für  die  Stolzesche  Stenographie  wirkte.  Kr  war  mehrere 
Jahre  Vorsitzender  des  Stenographischen  Vereins  zu  Hamburg  (gegründet 
1852),  und  Verbandsvertreter  sowie  Vorsitzender  des  Norddeutschen  Steno- 
graphenbundes, dann  von  1889  bis  1895  Vorsitzender  der  W.  Stolzeschen 
Stenographenverbände.  An  der  Änderung  und  Vereinfachung  der  altstolze- 
schen  Stenographie  im  Jahre  1885,  der  sogenannten  mittel  stolzeschen  Schrift, 
hat  R.  wesentlich  mitgewirkt,  indem  er  der  Hamburger  Kommission  angehörte, 
die  den  Entwurf  zu  dieser  Änderung  ausarbeitete  und  dann  auf  dem  Steno- 


Röhl.     Fulda.     Basedow.     Herrle.     von  Heldreich.  205 

graphentag  zu  Magdeburg  im  September  1885  für  die  Annahme  der  Re- 
form seine  ganze  Kraft  einsetzte.  Zu  der  hier  festgestellten  »W.  Stolze- 
schen  Schul-  und  Korrespondenzschrift«  bearbeitete  R.  die  »Oberstufe«,  die 
1887  erschien  und  der  Debattenschrift  die  Kürze  der  alten  Stolzeschen  Schrift 
wahren  sollte.  Die  Hoffnungen,  die  R.  auf  diese  Reform  setzte,  haben  sich 
nicht  erfüllt,  sodaß  er  sich  1895  vom  stenographischen  Leben  zurückzog. 
Der  Vereinigung  der  Stolzeschen  und  Schreyschen  Schule  im  Jahre  1897  zum 
'  Kinigungssystem  Stolze-Schrey«  trat  R.  nicht  entgegen,  hat  sich  dem  neuen 
System  aber  auch  nicht  angeschlossen. 

Vgl.  Mitteilungen  des  Vereins  Deutscher  Straßenbahn-  und  Klcinbahnverwaltungcn 
1902  S.  501 — 504;  Stenographische  Unterhaltungsblätter  1890,  S.  17;  Hamburgischer  Corrc- 
spondcnt,  9.  u.  ii.  November  1902.  Dr.  Johnen. 

Fulda,  Eckart,  Professor  an  der  Königl.  Hauptkadettenanstalt  in  Groß- 
Lichtcrfelde  bei  Berlin,  *  20.  Februar  1854  in  Eckartsberga  (Prov.  Sachsen), 
t  28.  Februar  1902  in  Groß-Lichterfelde.  —  F.  hat  als  tüchtiger  Schulgeograph 
an  der  Ausgestaltung  des  geographischen  Unterrichts  an  den  preußischen 
Kadettenanstalten  entscheidenden  Anteil  genommen.  Beachtung  verdient 
sein  in  der  »Geograph.  Zeitschrift«  (VIII,  1902)  veröffentlichter  Aufsatz  über 
die  »Anforderungen  an  ein  Lehrbuch  der  Erdkunde  für  die  höheren  Schulen«. 

Vgl.  Geogr.  Zeitschr.  1902,  247.  W.  Wolkenhauer. 

Basedow,  M.  P.  Friedrich,  *  25.  September  1829  in  Dreckharburg  im 
Lüneburgischen  (Prov.  Hannover),  f  12.  März  1902  in  Adelaide.  —  B.  wanderte 
1848  als  Lehrer  'nach  Australien  aus  und  gründete  dort  1850  in  Tanunda, 
einem  Mittelpunkte  deutscher  Ansiedler,  eine  deutsche  Schule,  die  sich  bald 
zum  Vorbild  für  ähnliche  Anstalten  in  Australien  entwickelte.  Im  Jahre  1864 
übernahm  er  die  deutsche  »Australische  Zeitung«,  die  er  1875  nach  Ver- 
schmelzung mit  der  »Südaustralischen  Zeitung«  nach  Adelaide  verlegte.  Als 
die  Deutschen  noch  eine  Hauptrolle  in  der  Erforschung  Inneraustraliens 
spielten,  brachte  B.s  Zeitung  häufig  die  ersten  Berichte  über  die  Ergebnisse 
solcher  Expeditionen. 

Vgl.  Geographen-Kalender  I,  1903/4.  W.  Wolkenhauer. 

Herrle,  Gustav,  Kartograph,  *  1843  in  Wels  (Österreich),  f  am  16.  April 
1902  in  Washington.  —  Als  Militäringenieur  vorgebildet  entschloß  sich  H. 
1864,  ^1^"^  Erzherzog  Maximilian  nach  Mexiko  zu  folgen.  Nach  dem  Falle 
des  mexikanischen  Kaiserreichs  kam  er  nach  den  Vereinigten  Staaten,  wo 
er  einige  Jahre  an  den  Plänen  zur  Befestigung  von  New -York  arbeitete, 
1872  trat  er  als  Kartograph  in  den  Dienst  des  hydrographischen  Amtes  in 
Washington  und  wurde  in  demselben  später  Chef  des  Zeichenburcaus.  Unter 
seinem  Namen  erschienen  einige  Karten  der  großen  Ozeane  in  gnomischer 
Projektion  zur  Anwendung  beim  Segeln  im  größten  Kreise. 

Vgl.  Geographen-Kalender  1 ,   1 903/04.  \\\  W  0 1  k  e  n  h  a  u  e  r. 

Heldreich,  Theodor  von,  Professor  Dr.,  Botaniker,  *  am  3.  März  1822  in 
Dresden,  f  am  7.  September  1902  in  Athen.  —  Er  machte  seine  Studien  auf 
der  Universität  Freiburg  i.  B.  und  widmete  sich  dann  mit  Vorliebe  der  Botanik 


2q6  von  Heldrcicb.     Selenka.     Koelle. 

und  zwar  unter  Professor  Dunals  Leitung  in  Montpellier,  dann  unter  Aug. 
Pyr.  de  Candollc  und  Alphonse  de  Candolle  in  Genf  (1838  bis  1842);  von 
1841  bis  1842  war  er  auch  Konservator  des  de  Candolleschen  Herbariums. 
Seine  erste  botanische  Reise  führte  ihn  nach  Sizilien,  1843  nahm  er  einen 
längeren  Aufenthalt  in  Italien,  besonders  in  Neapel,  und  vom  September  1843 
an  hielt  er  sich  in  Athen  auf.  Von  hier  aus  führte  H.,  meist  im  Auftrage 
Eduard  Boissiers,  bis  1848  große  Reisen  aus,  so  nach  Kleinasien  und  Kreta. 
1849  bis  1850  besuchte  er  England  und  hielt  sich  ein  Jahr  in  Paris  als  Kon- 
servator des  Herbariums  Ph.  Barker  Webbs  auf,  machte  die  Herborisation 
unter  Andrien  de  Jussieu  mit  und  knüpfte  freundschaftliche  Beziehungen  mit 
den  Pariser  Botanikern  an.  Im  Jahre  1851  kehrte  er  wieder  nach  Griechen- 
land zurück  und  nahm  von  da  seinen  ständigen  Aufenthalt  in  Athen.  Außer 
zahlreichen  Exkursionen  in  Attika  unternahm  er  fast  alljährlich  größere  bo- 
tanische Forschungsreisen.  H.  entdeckte  auf  seinen  Reisen  in  Griechenland 
und  dem  Orient  700  neue  Spezies  und  sieben  neue  Genera.  Seit  185 1  be- 
kleidete H.  die  Stelle  des  Direktors  des  botanischen  Gartens  in  Athen.  Von 
1858  bis  1883  war  er  auch  Konservator  des  naturhistorischen  Museums  der 
Universität.  Von  1880  bis  1883  war  er  auch  der  Lehrer  der  Naturgeschichte 
des  Kronprinzen  und  der  Prinzen  Georg  und  Nikolas.  —  Die  wissenschaft- 
lichen Arbeiten  H.s  sind  sehr  zahlreich.  Er  befaßte  sich  besonders  mit  der 
systematischen  Botanik,  der  Erforschung  der  griechischen  Flora  und  mit 
Studien  über  die  *  Flora  classica*,  nebenbei  aber  auch  mit  Zoologie,  nament- 
lich Entomologie,  Malakologie,  Paläontologie.  Seit  1854  erscheint  das  ^Her- 
banutn  graecum  normale*]  1862  erschienen  »Die  Nutzpflanzen  Griechenlands«. 
Weiter  sind  noch  zu  nennen:  »Die  Pflanzen  der  attischen  Ebene  nebst  Pflanzen- 
kalcnder«,  Schleswig  1876;  »Monographie  der  Liliaceen-Gattung«,  Leopoldina 
1878;  y> Flore  de  File  de  Ccphalonie*,  Lausanne  1882.  Seit  1889  war  H.  Mitar- 
beiter des  großen  neugriechischen  »Enzyklopädischen  Lexikons«,  herausgegeben 
von  Barth  und  Hirst  (Athen)  für  die  Artikel  über  Botanik  und  zum  Teil  auch 
über  Pharmakognosie. 

Vgl.  Lcopoldina  1902,  S.  107.  W.  Wolkenhauer. 

Selenka,  Emil,  Zoologe,  *  27.  Februar  1842  in  Braunschweig,  f  21.  Januar 
1902  in  München.  —  S.  studierte  1863  bis  1866  in  Göttingen  Naturwis.sen- 
schaften  und  wurde  1868  Professor  der  Zoologie  und  verglei(;henden  Ana- 
tomie in  Leiden,  1874  in  Erlangen.  Im  Jahre  1895  siedelte  er  nach  München 
über,  wo  ihm  eine  ordentliche  Honorarprofessur  an  der  Universität  übertragen 
wurde.  S.  machte  wiederholt  ausgedehnte  wissenschaftliche  Reisen  nach  dem 
ostindischen  Archipel.  Von  seinen  Schriften  sind  besonders  zu  nennen :  »Zo- 
logische  Studien«;  »Studien  über  Entwicklungsgeschichte  der  Tiere«;  »Ein 
Streifzug  durch  Indien«;  »Zur  Entwicklung  der  Affen«;  »Zur  Entstehung  der 
Placenta  des  Menschen«;  »Sonnige  Welten«;  »Der  Schmuck  des  Menschen«. 
Mit  J.  Rosenthal  und  Reeß  begründete  S.  das  »Biologische  Centralblatt«. 

Vgl.  Leopoldina  1902,  49.  W.  Wol  kenhau  er. 

Koelle,  Sigismund  Wilhelm,  Dr.,  Missionar  und  Sprachforscher,  *  am 
14.  Juli  1820  zu  Cleebronn  (O.-A.  Brackenheim)  in  Württemberg,  f  am  i8.  Fe- 
bruar 1902  in  London.  —  K.  kam   1841  in  das  Basler  Missionshaus  und  war 


Koclle.     Allmers. 


297 


seit  1845  im  Dienste  der  Church  Missiatiary  Society  in  Sierra  Leone  als  Lehrer 
am  Fourah  Bay  College  tätig.  Da  befreite  Sklaven  die  Mehrzahl  der  Schüler 
bildeten,  hatte  K.  nicht  nur  Gelegenheit,  zahlreiche  Negersprachen  kennen 
zu  lernen,  sondern  auch  seine  Zöglinge  über  ihre  Heimat  und  die  von  ihnen 
besuchten  Gebiete  auszuforschen.  Die  so  gewonnenen  Erkundigungen  legte 
er  in  seinem  umfassenden  Werke  -aPolyglotta  Africana*  (London  1854)  nieder. 
1853  kehrte  K.  nach  England  zurück,  war  nachher  Missionar  in  Ägypten, 
ging  dann  nach  Haifa  am  Karmel,  später  lange  Zeit  nach  Konstantinopel. 
Die  Taufe  und  nachherige  Verfolgung  des  Effendi,  seines  Sprachlehrers,  mit 
dem  er  u.  a.  das  ^Comtnon  Prayer  Book*  ins  Türkische  übersetzt  hat,  gab  den 
Zeitungen  seiner  Zeit  viel  zu  berichten.  K.  war  einer  der  gründlichsten 
Kenner  des  Türkischen  und  Übersetzer  darin.  Die  letzten  Jahre  lebte  er  in 
London.  Von  seinen  Schriften  seien  noch  erwähnt:  1^ Narrative  of  an  Expedition 
into  the  Fei  Country  of  West-Africa*,  London  1849.  —  »Die  große  afrikanische 
Völker\'ersammlung  in  Sierra  Leone«,  Petermanns  Mitteilungen  1855.  — 
^Alohafmned  and  Afohammedanism*,  London  1889  (540  S.).  —  »(?/i  Tartar  and 
Turk«,  Journal  of  the  Royal  Asiat.  Soc,  XIV,  S.  2. 

VII.  und  VIII.  Jahresber.  d.  Württemb.  Ver.  f.  Handel sgeograpbie,  Stuttgart  1890. 

W.  Wolkenhauer. 

Allmers,  Hermann  Ludwig,  Besitzer  eines  Hofes  in  der  Osterstader 
Marsch,  *  11.  Februar  1821  zu  Rechtenfleth,  f  9.  März  1902  daselbst.  —  A.  war 
der  letzte  Sprößling  eines  uralten  Friesengeschlechtes,  das  einen  Stammhof 
zu  Rechtenfleth  an  der  Unterweser  besaß.  Seine  begüterte  Familie  führte  seit 
alten  Zeiten  den  Reichsadler  im  Wappen,  tat  es  also  den  »Edelingen«  gleich. 
Als  seine  früheste  Erinnerung  aus  der  ersten  Kindheit  bezeichnete  A.  die 
Sturmflut  mit  dem  Deichbruch  in  Rechtenfleth  am  4.  Februar  1825.  So  wurde 
er  frühzeitig  mit  der  Lebens-  und  Leidensgeschichte  der  Friesen  bekannt,  und 
niemand  war  besser  als  er  mit  dem  Stoffe  vertraut,  später  über  die  Sturm- 
fluten so  ergreifende  Schilderungen  zu  entwerfen  und  zu  erzählen,  wie  Wogen 
und  Wind  die  Marschen  umbrausten. 

Seinen  Unterricht  empfing  er  durch  Hauslehrer,  von  denen  der  letzte  ein 
Theologe  mit  Namen  Alexis  Doni  war,  der  jener  alten  florentinischen  Adels- 
familie entstammte,  die  durch  zwei  Bildnisse  Rafaels  bekannt  geworden  ist. 
Sicher  hat  dieser  Erzieher  mit  dazu  beigetragen,  daß  in  A.,  der  später  eines 
der  besten  Werke  über  Italien  geschrieben  hat,  die  heiße  Sehnsucht  nach  dem 
sonnigen  Süden  erwuchs,  die  ihn  zeitlebens  erfüllte. 

Der  Lieblingswunsch  des  jungen  A.,  Naturforscher  zu  werden  und  auf 
Reisen  zu  gehen,  wurde  nicht  erfüllt.  Seiner  treuen  Mutter  zu  Liebe,  der  er 
in  dem  ergreifenden  Gedicht  »In  der  Fremde«  das  schönste  Denkmal 
gesetzt  hat,  übernahm  er  nach  des  Vaters  Tode  das  elterliche  Gut  und  wid- 
mete sich  als  Deichvogt  und  Gemeindevorstand  den  Interessen  des  heimat- 
lichen Dorfes.  Als  auch  seine  Mutter  verschieden  war  (1855),  begann  er  ein 
langes  Wanderleben.  An  der  Universität  Berlin  besuchte  der  bereits  Fünf- 
unddreißigjährige  Vorlesungen,  besonders _  über  Geographie,  Botanik  und 
Meteorologie.  In  Schwaben  lernte  er  den  greisen  Uhland  kennen,  der  erstaunt 
auflauschte,  wie  gut  sich  das  Plattdeutsche  in  A.s  »Fragment  zu  einem 
unvollendet  gebliebenen  Epos  ,Die  Stedinger*«  ausnehme.  In  München 


298  Allmers. 

gewinnt  er  die  Freundschaft  der  dort  lebenden  Dichter  und  Schriftsteller, 
eines  Geibel,  Heyse,  Grosse,  Bodenstedt,  Auerbach,  Rieh!  u.  a.  Der  Bremer 
Geograph  I.  G.  Kohl  hatte  A.  namentlich  durch  sein  Werk  »Die  Marschen 
und  Inseln  Schleswig-Holsteins«  auf  die  Heimat  hingewiesen.  Es  reifte  in  A. 
der  Entschluß,  ein  Marschenbuch  zu  schreiben.  Als  Vorstudien  zu  dem  Unter- 
nehmen schrieb  er  Norddeutsche  Vegetationsbilder,  Architektonische  Studien, 
Reisebilder  und  Ästhetische  Briefe  für  Bremer  Blätter,  und  im  Jahre  1857 
erschien  sein  »Marschenbuch«,  dieses  wahrhaft  klassische  Buch,  das  nicht 
veralten  wird,  so  lange  die  von  A.  gleichsam  entdeckten  Schönheiten  der 
reichgesegneten  Elb-  und  Wesermarschen  bestehen  bleiben. 

Ein  Jahr  nach  dem  Erscheinen  seines  ersten  großen  Werkes  unternahm  A. 
1858  die  erste  »Romfahrt«,  die  ihm  Veranlassung  zu  dem  vielgelesenen,  bis 
jetzt  in  elf  Auflagen  erschienenen  Buche  gab:  »Römische  Schlendertage«. 

Nachdem  er  in  seine  Heimat  zurückgekehrt  war,  veröffentlichte  er  seine 
Gedichte  (1860,  5.  Aufl.,  1904),  die  ihm  nun  den  Ehrennamen  des  Marschen- 
dichters einbrachten,  unter  welcher  Bezeichnung  er  in  der  deutschen  Kunst 
weiterleben  wird. 

In  der  Stille  der  alten  Heimat  reifte  nun  auch  sein  Entschluß,  seinen 
behäbigen  Marschenhof  zu  einer  Kunststätte  umzuwandeln,  und  dies  ist  ihm 
mit  Hilfe  zahlreicher  Künstler  in  der  seltensten  Art  gelungen.  Maler  wie 
Otto  Knille,  Arthur  Fitger,  H.  von  Dörnberg,  Erwin  Küsthardt,  Hugo  Händler, 
und  Bildhauer  wie  Harro  Magnussen  und  Diedrich  Kropp  schmückten  das 
Marschenheim,  das  nicht  etwa  ein  buntes  Raritätenkabinett  geworden  ist,  wie 
es  protzige  Kunstfreunde  zustande  bringen,  sondern  ein  von  treuen  Freunden 
feinsinnig  zusammengestelltes  Kleinod,  in  dem  alles  aus  edelster  Heimatkunst 
bodenständig  sich  entfaltet  hat. 

Die  beiden  stolzesten  Räume  dieser  Kunststättc  sind  die  untere  Marschen- 
halle mit  ihrem  anheimelnden  Kunstschmuck  und  der  obere  Marschensaal 
mit  dem  eindringlichsten  Zeugnis  für  die  treueste  Heimatliebe  seines  Schöpfers. 
In  sechs  friesartig  aneinandergereihten  Gemälden  hat  hier  Heinrich  von  Dörn- 
berg, ein  lieber  Freund  des  Marschendichters,  die  wichtigsten  Höhepunkte 
in  der  Geschichte  der  Marschen  geschildert,  während  A.  die  Erläuterungen 
dazu  in  markigen  Versen  gab. 

Wie  A.  bis  in  sein  hohes  Alter  bemüht  war,  seinem  Marschenheim  neue 
Kunstschätze  hinzuzufügen,  so  ist  er  auch  in  der  Kunstpflege  für  sein  ganzes 
Heimatland  eingetreten.  Dafür  zeugen  u.  a.  das  Erbbegräbnis  des  A. sehen 
Geschlechtes,  als  dessen  letzter  Sproß  er  nun  auf  dem  stillen  Friedhofe  in 
Rcchtenfleth  schläft,  das  Rechtenflether  Kriegerdenkmal  und  das  Denkmal  Karls 
des  Großen,  das  ein  eigenartiger  Schmuck  des  alten  Weserdorfes  geworden  ist. 

Und  an  ungezählten  Stellen  hat  A.  eingegriffen,  daß  die  Marschenlande 
in  künstlerischer  Weise  geziert  wurden,  so  durch  das  von  Zieger  hergestellte 
Gemälde  vom  Bruderkuß  im  Lübbenschen  Hause  zu  Schmalenfletherwurp 
und  durch  die  von  J.  Ungewitter  gemalten  Bildnisse  im  Grafenhof  zu  Stotel. 

A.  war  nichts  weniger  als  etwa  ein  Bauerndichter  und  Volkssänger.  Er 
stand  auf  der  Höhe  neuzeitlicher  Bildung  und  besaß  ein  feines  Verständnis 
namentlich  auch  für  die  bildenden  Künste.  Andererseits  haßte  er  alles 
Gespreizt-Akademische,  alles  Steifleinene,  alles  Hyper-Asthetische,  alle  schemen- 
hafte Literaturkunst.    Kr  stand  mitten  im  Volke,  in  dem  er  schon  echte  Heimat- 


Allmers.     von  Ficker. 


299 


kunst  pflegte,  ehe  am  Ende  des  19.  Jahrhunderts  dieser  Ausdruck  ein  modernes 
Schlagwort  wurde.  Und  so  darf  es  uns  nicht  Wunder  nehmen,  daß  gerade 
ein  Bannerträger  der  modernen  Kunst  und  der  neueren  Literaturentwicklung, 
M.  G.  Conrad,  es  war,  der  A.  noch  in  den  letzten  Wochen  vor  seinem  Hin- 
scheiden in  bedeutsamer  Weise  dadurch  ehrte,  daß  er  ihm  in  einem  begeisterten 
Vorwortkapitel  das  treffliche  Buch:  »Von  Emil  Zola  bis  Gerhart  Haupt- 
mann« widmete. 

Ein  Grundzug  von  A.s  Wesen  war  seine  Hingabe  an  Freunde,  an  junge 
Talente,  an  aufstrebende  Künstler  und  Schriftsteller.  Ungezählten  hat  er 
geholfen,  über  zahllose  hat  er  seine  schützende  Hand  gehalten.  Wo  er  weilte, 
da  gründete  er  Bündnisse  Gleichgesinnter,  da  entflammte  er  die  Herzen  zu 
hohen  Zielen.  In  Rom  schuf  er  die  »Colonna-Gesellschaft«,  im  Lande 
Wursten  gründete  er  den  Bund  der  »Männer  vom  Morgenstern«,  und  auf 
seine  Anregung  hin  wurde  der  »Rustringer  Heimatbund«  gestiftet.  Für 
seine  Heimatgenossen  hat  er  sein  kunstgeschmücktes  Marschenheim  geschaffen, 
das  auch  noch  nach  seinem  Tode  den  Besuchern  offen  steht.  Zahlreiche 
seiner  Lieder  sind  komponiert  worden.  An  erster  Stelle  ist  der  Gesang 
»Feldeinsamkeit«  zu  nennen,  der  durch  die  Musik  von  J.  Brahms  so 
bekannt  geworden  ist. 

A.s  Hauptwerke  sind  ges<immclt  in  sechs  Bänden  in  der  Schulzcschen  Hofbuchhandlimg 
(Schwartz)  in  Oldenburg  erschienen.  Bd.  r  und  2:  Das  Marschenbuch,  4.  Aufl.,  1904.  — 
Bd.  3  und  4:  Römische  Schien dcrtagc,  ii.  Aufl.,  1904.  —  Bd.  5:  Dichtungen,  5.  Aufl., 
1904.  —  Bd.  6:  Aus  längst  und  jüngst  vergangener  Zeit,  enthält  die  Dramen:  »Klcktra« 
und  »Merz  und  Politik«,  die  Erzählung  »Harro  Ilarrescn«  und  die  Biographie  »Hauptmann 
Böse«.  —  Sonstige  Veröffentlichungen  sind:  Auf  der  Rudelsburg  und  Friesensang.  Lied 
und  Weise  von  A.  Zigeunerlied  von  Dreves,  Musik  von  A.  —  Ferner  die  kleinen  Schriften: 
I.  Unsere  Kirche,  ihr  Zustand  und  ihr  Ziel.  1865.  2.  Die  Pflege  des  Volksgesanges  im 
deutschen  Nordwesten.  1S76.  3.  Diedrich  Kropp,  biogr.  Skizze.  1S95.  Mit  dem  Maler 
Freiherrn  v.  Dörnberg  gab  er  auch  eine  Mappe  heraus:  Kulturgeschichtliche  Bilder  aus  den 
Nordsee-Marschen. 

Quellenverzeichnis  zur  Allmers  -  Biographie :  Namentlich  bei  seinem  70.,  dann 
80.  Geburtstage  und  bei  seinem  Hinscheiden  sind  in  ungezählten  Zeitschriften  Skizzen  Über 
A.  erschienen.  Vergl.  außerdem:*  Ludwig  Bräutigam,  Der  Marschendichter  Hermann 
Allmers.  Sein  Leben  und  seine  Schriften.  Mit  einem  Bildnis  des  Dichters.  Oldenburg 
und  Leipzig,  1891.  Hans  Müller -Brauel,  Der  Marschendichter  Hermann  Allmers.  1S95. 
Selbstverlag  des  Verfassers.  Ludwig  Bräutigam,  Das  Allmers-Buch.  Dichtungen,  literarische 
Studien  und  Zeichnungen  von  Allmers  Freunden.     Goslar  1901. 

Bildnisse:  Eine  große  Bronze-Büste  von  A.,  von  Harro  Magnussen  herrührend,  befindet 
sich  in  der  Kunsthalle  /u  Bremen;  ein  Abguß  davon  im  Hause  des  Unterzeichneten.  Ver- 
scliiedene  kleinere  Bildnisse  von  A.  und  seines  Marschenheims  weist  das  Allmers-Buch  (1901) 
auf.  —  Ein  preisgekröntes  Ölbild,  A.  darstellend,  von  J.  Lang  herrührend,  steht  im  Marschen- 
hofe zu  Rechtcnfleth.  Vergl.  auch  einen  Holzschnitt,  Gartenlaube  1872.  —  Das  berühmte 
Ailmers-Bild  von  Franz  v.  Lenbach,  das  als  ein  Meisterwerk  der  Porträtkunst  1900  auf  der 
Pariser  Weltausstellung  so  viel  Bewunderung  erregte,  ist  in  den  Besitz  des  Bildhauers  Herrn 
Magnussen,  Berlin-Grunewald,  übergegangen. 

Bremen.  Prof.  Dr.  Ludw.  Bräutigam. 


Ficker,  Caspar  Julius  von,  Historiker,  *  30.  August  1826  zu  Paderborn, 
f  10.  Juli  1902   in   Innsbruck.    —  Ein    an  wissenschaftlicher  Arbeit  und   Er- 


300 


von  Ficker. 


folgen  überaus  reiches  Leben  fand  seinen  Abschluß,  als  Julius  von  Ficker  zu 
Wilten  in  Innsbruck  zu  Grabe  getragen  wurde. 

F.  wurde  als  Sohn  des  Arztes  I^udwig  Ficker  zu  Paderborn  geboren. 
Die  Knabenjahre  verbrachte  er  zu  Münster,  bezog  dann  als  Jurist  die  Uni- 
versität Bonn,  wandte  sich  dort  aber  nach  zwei  Jahren  der  philosophischen 
Fakultät,  insbesonders  dem  Studium  der  Geschichte  zu,  das  er  dann  in  Münster 
und  Berlin  fortsetzte.  Doch  trat  er  von  seinen  akademischen  Lehrern  nur 
Aschbach  näher.  Entscheidend  war  es  für  F.,  daß  er  im  Jahre  1848  in  Frank- 
furt mit  Johann  Friedrich  Böhmer  in  Berührung  kam,  der  die  große  Bega- 
bung des  jungen  Mannes  erkennend  bald  sein  eifrigster  Gönner  und  Freund 
geworden  ist.  Durch  Böhmer  noch  mehr  als  durch  Aschbach  sah  sich  F.  auf 
das  Gebiet  der  mittelalterlichen  Reichsgeschichte  gewiesen.  Schon  seine 
Doktordissertation  Ȇber  den  Versuch  Kaiser  Heinrichs  VL,  Deutschland  in  ein 
Erbreich  zu  verwandeln«,  die  zugleich  als  Habilitationsschrift  diente,  gehörte 
diesem  Gebiete  an.  Es  folgten  Arbeiten  über  Rainald  von  Dassel,  Köln  1850, 
den  gewaltigen  Kanzler  Friedrichs  L,  über  Engelbrecht  den  Heiligen,  Erz- 
bischof von  Köln,  Köln  1853,  eine  Ausgabe  des  Gottfried  von  Viterbo,  Ar- 
beiten, die  ihn  auf  ein  Gebiet  führten,  zu  dem  er  ein  Jahrzehnt  später  zu- 
rückkehren sollte.  Ein  Band  »Die  Münsterischen  Chroniken  des  Mittelalters« 
entsprang  dem  Interesse,  das  F.  schon  von  seinen  Jugendjahren  an  der 
engeren  heimatlichen  Geschichte  entgegenbrachte. 

Doch  bald  wurde  F.  seinem  heimischen  Arbeitskreise  entrissen.  Auf 
Empfehlung  Böhmers  wurde  er  1852  von  dem  österreichischen  Unterrichts- 
minister Grafen  Leo  Thun,  der  sich  daran  machte,  das  tief  darniederliegende 
geistige  Leben  in  Österreich  durch  Reformen  des  Mittel-  und  Hochschul- 
unterrichtes mit  Hülfe  ausländischer  Kräfte  zu  beleben,  an  die  Universität 
Innsbruck  berufen.  Nur  klein  war  damals  diese  Universität.  Durch  F.s  Tätig- 
keit jedoch  gewann  die  historische  Schule  Innsbrucks  nach  kurzem  eine  an- 
gesehene Stellung  in  Deutschland.  F.  fand  sich  in  Innsbruck  bald  heimisch. 
Etwas  Verwandtes  lag,  wie  Böhmer  richtig  bemerkte,  im  Charakter  der  West- 
falen und  Tiroler  von  damals.  Schon  die  gleichen  religiösen  Gefühle  — 
F.  war  damals  noch  überzeugter  Katholik  und  hat  sich  erst  später  frei- 
sinnigeren Anschauungen  zugewendet  — ,  und  die  gleiche  politische  groß- 
deutsche Gesinnung  brachte  ihn  den  Tirolern  näher.  Bald  gewann  er  das 
Land  und  seine  Berge  lieb.  Im  Kriegsjahre  1866  hat  er  es  verteidigen 
helfen,  nachdem  er  sich  schon  1859  große  Verdienste  namentlich  um  die 
Pflege  der  Verwundeten  erworben  hatte.  Und  gerne  wanderte  er  auf  Tirols 
Bergen  und  Gletschern  herum  und  hat  manchen  später  bevorzugten  Alpen- 
pfad zuerst  gewandelt. 

Hat  er  in  seinen  Arbeiten  Tirols  und  Österreichs  Geschichte  auch  nur 
gestreift,  um  so  energischer  wies  er  seine  Schüler  auf  heimatliche  Aufgaben, 
in  denen  Josef  Durig  und  Alphons  Huber  schon  bald  sehr  vielversprechendes 
leisteten.  Seine  reiche  literarische  Arbeit  galt  vor  allem  der  Reichsgeschichte. 
Zunächst  wandte  er  sich  Ludwig  dem  Bayern  zu.  Um  Material  zu  sammeln, 
unternahm  er  seine  erste  Forschungsreise  nach  Italien,  das  er  später  noch  so 
oft  und  gründlich  archivalisch  ausbeuten  sollte.  Die  Herausgabe  der  »Über- 
reste des  deutschen  Reichsarchives  in  Pisa«  und  die  erst  1865  gedruckten 
»Urkunden  zur  Geschichte  des  Römerzugs   Ludwigs  des  Bayern«    waren    die 


von  Ficker.  ^01 

Früchte  dieser  Reise.  Doch  die  geplante  Darstellung  der  Geschichte  Lud- 
wigs unterblieb. 

Die  Arbeit  über  die  Doppel  wähl  von  13 14  hatte  ihn  zu  anderen  For- 
schungen abgelenkt.  Es  war  das  Problem  der  deutschen  Königswahl,  der 
Entstehung  des  ausschließlichen  Wahlrechts  der  Kurfürsten,  das  ihn  fesselte. 
Schon  der  Aufsatz  »Zur  Geschichte  des  Kurvereins  zu  Rense«  (Sitzungsber. 
der  Wiener  Akad.  1853)  gehört  in  diesen  Kreis.  Doch  auch  die  Geschichte 
des  Kurkollegs,  deren  Entwurf  F.  schon  fertiggestellt  hatte,  blieb  unge- 
druckt, denn  er  hatte  sich  in  die  Frage  vertieft,  wer  denn  überhaupt  zum 
Fürstenstande  zähle.  So  ist  die  Frucht  dieser  Studien  das  Buch  vom  Reichs- 
fürstenstande gewesen,  dessen  erster  Band  1861  erschienen  ist,  grundlegend 
für  die  Geschichte  des  Fürstenstandes,  insbesondere  fruchtbar  durch  die  Ent- 
deckung der  Veränderungen,  die  der  Fürstenstand  durchgemacht  hat,  die 
Scheidung  des  älteren  und  jüngeren  Fürstenstandes.  Für  die  Arbeitsmethode 
F.s  und  auch  für  seine  Stilisierung  bereits  bezeichnend.  Organisch  ent- 
wickelt sich  bei  ihm  Forschung  aus  Forschung.  Nicht  von  einem  festen 
Plan  geht  er  aus,  die  Arbeit  erwächst  vielmehr  unter  seinen  Händen,  er 
schreitet  von  Frage  zu  Frage,  läßt  bereits  Fertiges  liegen,  um  neue  Probleme, 
die  ihm  wichtiger  scheinen,  anzubohren.  ¥a  bemüht  sich  nicht,  die  Resultate 
seiner  Arbeiten  planvoll  zusammenzustellen,  er  führt  den  Leser  den  Weg,  den 
er  selber  gewandelt,  mit  allen  Querwegen  und  Abschweifungen,  mit  allen  Ein- 
wänden, die  er  sich  stellt,  und  wohl  auch  ab  und  zu  mit  den  Korrekturen 
eigener,  von  ihm  früher  vorgetragener  Ansichten.  Was  er  hier  noch  ent- 
schuldigt, ist  ihm  später  Gewohnheit  geworden  und  hat  er  als  das  Richtige 
verteidigt.  Allerdings  »der  Erkenntnis  des  Gegenstandes  auf  dem  Wege  der 
Aufsuchung  und  Untersuchung  zu  folgen,  ist  für  den  Leser  etwas  mühsam«, 
wie  schon  Böhmer  bemerkte,  macht  die  Lektüre  der  F.schen  Bücher  zu  einer 
anstrengenden  Arbeit  und  hinderte  die  Verbreitung  seiner  Werke  über  die 
engsten  Kreise  der  Fachgenossen  hinaus.  Aber  sie  setzte  ihn  in  die  Lage, 
den  vollen  Ertrag  seiner  Forschungen  darzulegen,  Gegenstände  zu  berühren, 
die  mit  dem  eigentlichen  Thema  der  Arbeit  loser  zusammenhängen. 

Gleichzeitig  mit  dem  Reichsfürstenstande,  dessen  zweiter  Band  ungedruckt 
blieb,  waren  nicht  minder  wichtige  Entdeckungen  und  Arbeiten  erfolgt.  Ein 
glücklicher  Fund  brachte  auf  der  Innsbrucker  Universitätsbibliothek  die  ein- 
zige Handschrift  des  Spiegels  deutscher  Leute  zu  Tage.  Mit  einem  Schlage 
verbreitete  dieser  Fund  neues  Licht  auf  das  Verhältnis  des  Sachsen-  zum 
Schwabenspicgel  und  auf  die  Entstehungszeit  dieser  Rechtsbücher.  Die  Hand- 
schrift wurde  von  F.  1859  veröffentlicht  und  veranlaßte  die  Abhandlungen: 
Ȇber  den  Spiegel  deutscher  Leute  und  seine  Stellung  zum  Sachsen-  und 
Schwabenspiegel  1857«,  »Über  die  Entstehungszeit  des  Sachsenspiegels  1859«, 
»Zur  Genealogie  der  Handschriften  des  Schwabenspiegels«  (Wiener  Sitzb.  39), 
denen  noch  später  der  Aufsatz  »Entstehungszeit  des  Schwabenspiegels«, 
(Sitzb.  77)  folgte.  In  diesen  Schriften  hat  F.  die  Entstehungszeit  und  das 
Verwandtschaltsverhältnis  der  drei  wichtigsten  deutschen  Rechtsbücher  des 
13.  Jahrhunderts  grundlegend  festgestellt.  Nebst  dem  Buche  »Von  dem  Heer- 
schilde« 1862,  das  besonders  für  die  Aufhellung  der  Stände  der  Ritterlichen 
große  Bedeutung  erlangt  hat,  ein  Arbeitsgebiet,  auf  dem  später  F.s  Schüler 
Otto  von  Zallinger  große  Bedeutung  errungen  hat,  hängen  noch  eine  Reihe 


302 


von  Ficker. 


kleinerer  Arbeiten  mit  dem  Reichsfürstenstande  und  den  Rechtsbüchem  zu- 
sammen, wie  die  »Über  die  Echtheit  des  kleineren  österr.  Freiheitsbriefes«, 
den  F.  gegen  Lorenz  verteidigte.  F.s  Ansicht  ist  bis  auf  die  neueste  Zeit  die 
herrschende  geblieben  trotz  der  Bedenken  Böhmers,  der  zum  Teil  aus  den- 
selben Gründen  wie  neuestens  Erben  an  eine  Verunechtung  dachte.  Andere 
Arbeiten  dieses  Kreises  sind  die  über  »die  Reichshofbeamten  der  staufischen 
Periode«,  wichtig  für  die  Stellung  der  Reichsministerialen,  endlich  die  über 
das  Reichskirchengut,  welche  das  Eigentum  des  Reichs  am  Reichskirchen- 
gute zu  erweisen  suchte  (Wiener  Sitzb.  77). 

Inzwischen  war  F.  in  eine  Polemik  mit  Sybel  geraten,  die  sich  um  so 
erregter  gestaltete,  als  politische  Motive  im  Spiele  waren.  F.  hatte  in  einer 
Reihe  von  Vorlesungen  „Das  deutsche  Kaiserreich  in  seinen  universellen  und 
nationalen  Beziehungen,  1861«  die  Verbindung  Italiens  und  Burgunds  mit 
dem  Deutschen  Reiche  als  eine  für  die  Ruhe  Europas  und  die  Entwicklung 
dieser  Länder  überaus  günstige  Begebenheit  geschildert,  den  politischen  Ver- 
fall Deutschlands  erst  aus  den  Bestrebungen  der  späteren  Staufer  abgeleitet, 
Sizilien  mit  dem  Reiche  zu  vereinigen.  Die  Vorlesungen  schlössen  mit  dem 
Hinweise,  daß  das  national  gemischte  Österreich  am  ehesten  geeignet  sei,  als 
Nachfolger  des  alten  Reiches  die  politische  Entwicklung  Mitteleuropas  und 
Deutschlands  zu  sichern.  Sie  waren  gegen  Heinrich  von  Sybel  gerichtet,  der 
in  einer  Festrede  die  Kaiseridee  und  das  Hinausgreifen  der  deutschen  Könige 
über  Deutschland  als  nationales  Unglück  für  Deutschland  bezeichnet  hatte. 
Es  war  die  Zeit  zwischen  1859  ""^  1866,  in  der  die  deutsche  Nation  fieber- 
haft zu  engerer  politischer  Einigung  drängte.  Ob  mit,  ob  ohne  Österreich 
war  die  Frage,  und  so  spielte  in  diese  Kontroverse  der  ganze  Gegensatz  der 
groß-  und  kleindeutschen  Idee  hinein.  Sybel  erwiderte  erregt,  so  daß  sich 
F.,  der  mit  einer  neuen  Schrift  »Deutsches  Königtum  und  Kaisertum« 
1862  antwortete,  persönlich  beleidigt  fühlte.  Die  Ereignisse  haben  dem 
politischen  Blicke  Sybels  recht  gegeben,  auf  F.s  Seite  lag  die  gründlichere 
Sachkenntnis;  mag  man  in  der  Schätzung  des  Kaisertums  auch  anderer 
Meinung  sein  als  Böhmer  und  F.,  so  wird  man  vielen  der  historischen  Au.s- 
führungen  F.s  beistimmen. 

Schon  hatte  F.  ein  neues  Forschungsgebiet  in  Angriff  genommen.  Er 
hatte  inzwischen  in  Innsbruck  die  geschichtliche  Lehrkanzel  mit  der  für  die 
deutsche  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  an  der  juridischen  Fakultät  vertauscht. 
Da  zog  ihn  die  Geschichte  der  Rezeption  mächtig  an,  auf  die  damals  durch 
Franklin  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  war.  Hatte  Franklin  dabei  den  Rechts- 
gang beim  deutschen  Hofgerichte  berührt,  so  verfolgte  nun  ¥.  die  italienischen 
Hofgerichtsurkunden,  die  schon  seit  dem  12.  Jahrhundert  vom  römischen 
Rechte  beeinflußt  werden.  So  kam  er  auf  die  Stellung  des  römischen  Rechtes 
in  Italien,  auf  die  italienischen  Rechtsschulen.  Es  waren  aber  auch  die  Ideen, 
welche  er  gegen  Sybel  entwickelt  hatte,  die  ihn  bei  dieser  Arbeit  begleiteten. 
Bisher  hatte  sich  die  Wissenschaft  vorwiegend  mit  den  italienischen  Städten 
beschäftigt.  Noch  Hegel  hatte  vor  kurzem  über  den  Ursprung  der  italienischen 
Stadt  Verfassung  geschrieben.  Die  Italiener  selber,  namentlich  der  F.  nahe- 
stehende Schupfer  wandten  sich  der  Langobardenzeit  zu.  Über  die  Stellung 
des  Kaisertums  in  Italien,  die  kaiserliche  Verwaltung  war  noch  kaum  im  Zu- 
sammenhang gearbeitet  worden.    Da  galt  es  für  F.,  die  Befugnisse  des  Reichs 


von  Ficker. 


303 


in  Italien  aufzuspüren,  die  von  Sybel,  wie  F.  sich  ausdrückte,  gezeichnete 
Jammergestalt  des  ersten  Friedrich  in  ihr  Nichts  zu  bannen.  Und  darin 
liegt  das  große  Verdienst  der  »Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechtsgeschichte 
Italiens«,  daß  sie  eine  Geschichte  der  kaiserlichen  Gerichtsbarkeit  in  Italien 
von  der  fränkischen  Zeit  bis  ins  14.  Jahrhundert  bieten.  Unendlich  reiche 
Nebenfrüchte  fallen  dabei  ab  zur  Geschichte  des  italienischen  Urkunden- 
wesens, des  Bannes,  der  italienischen  Rechtsschulen,  der  städtischen  Gerichte. 
Auch  die  Rekuperationen  der  römischen  Kirche,  die  Geschichte  des  Kirchen- 
staates fand  Beachtung,  weil  dieser  das  Reichsgebiet  schmälerte.  Die  Ver- 
träge der  Kaiser  mit  den  Päpsten  wurden  dabei  kritisch  untersucht,  die 
gewonnenen  Resultate  sind  zum  größten  Teile  noch  heute  anerkannt.  Ein 
Urkundenbuch  vereinigte  das  reiche  urkundliche  Material,  das  F.  auf  wieder- 
holten Reisen  in  Italien  gesammelt  hatte.  Noch  in  mehreren  kleineren 
Arbeiten  hat  F.  die  Geschichte  des  römischen  Rechtes  im  Mittelalter  berührt, 
so  in  der  über  den  Brachyhgus  iuris  civilis  (Wiener  Sitzb.  67),  über  die 
Exceptiotics  kgum  Ronianorum  (Mitteil,  des  Instituts  für  östcrr.  Geschichts- 
forschung, Ergänzungsband  2),  die  Usatici  Barchinonae  (ebenda).  Auch  die 
Abhandlungen  über  den  Lombardenbund,  die  Grafen  der  Romagna,  das 
Testament  Heinrichs  VI.  und  wohl  auch  die  über  die  Constitutio  de  expeditiane 
Romana  (Wiener  Sitzb.  73)  stehen  mit  den  Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechts- 
geschichte Italiens  im  Zusammenhang. 

In  den  nächsten  Jahren  widmete  sich  F.  der  Vollendung  fremder  Arbeiten, 
die  für  ihn  wieder  Anlaß  zu  neuen  großen  Werken  boten.  Böhmer  hatte  ihm 
letztwillig  die  Obsorge  über  die  Regesten  übertragen.  Während  F.  die 
Vollendung  der  Regesten  Karls  IV.  und  die  Neubearbeitung  der  Karolinger 
seinen  Schülern  Huber  und  Mühlbacher  überließ,  übernahm  er  die  Ausgabe 
des  dritten  Ergänzungsheftes  der  Regesten  Ludwigs  des  Baiern  und  der  Acta 
imperii  selecta,  sowie  die  Neubearbeitung  der  Stauferregesten  von  1198  bis 
1272.  Auch  Stumpf  erwies  er  ähnlichen  Freundschaftsdienst,  indem  er  dessen 
Acta  und  Regesten  fertigstellte.  Eine  Reihe  von  Studien  zur  Staufer- 
geschichte waren  die  Früchte  dieser  Arbeiten,  Verfahren  gegen  Heinrich  den 
Löwen,  Einführung  der  Todesstrafe  für  Ketzerei  (Mitteil.  d.  Inst,  i),  Konradins 
Marsch  zum  palantinischen  Felde  (ebenda  2),  Polemik  mit  Köhler  (ebenda 
4,  6  und  7),  Erörterungen  zur  Reichsgeschichte  des  13.  Jahrh.  (ebenda  3,  4). 
Aber  auch  zwei  großartige  Werke  entsprangen  dieser  Beschäftigung.  Schon 
seine  früheren  Arbeiten  ließen  F.  fort  und  fort  in  Berührung  mit  Urkunden 
geraten.  Jetzt  sah  er  sich  bei  Herstellung  der  Regesten  in  die  schwierigsten 
Untersuchungen  diplomatischer  Natur  verwickelt.  Galt  es  doch  über  die 
Echtheit  so  vieler  zweifelhafter  Urkunden  zu  entscheiden,  ihre  Einreihung 
ins  Itinerar  festzustellen.  Aus  diesen  Untersuchungen  erwuchsen  die  Beiträge 
zur  Urkundenlehre,  ein  Werk,  durch  das  sich  F.  auch  auf  dem  Gebiete  der 
Urkundenlehre  ein  unsterbliches  Denkmal  errichtet  hat.  Vor  allem  suchte  F. 
die  Widersprüche  zwischen  Datierung  und  Ortsangabe,  zwischen  den  Zeugen 
und  den  Orts-  und  Zeitangaben,  die  in  Urkunden  so  häufig  sind,  zu  lösen. 
Es  gelang  ihm  dies,  indem  er  das  Werden  der  Urkunde  beachtete,  die  Akte 
der  Beurkundung  scheidet,  die  zeitlich  oft  durch  längere  Zwischenräume  ge- 
trennt sind.  Er  hat  die  Bedeutung  des  Konzepts,  des  Akts,  der  Datierung 
in   neues    Licht   gerückt,    dabei   hunderte   von    Königsurkunden    kritisch    be- 


304  ^'^'^  Ficker. 

sprechen.  Nicht  alle  Aufstellungen  F.s  haben  sich  bewahrheitet,  aber  die 
Anregung,  welche  die  Diplomatik  empfing,  war  eine  überaus  reiche.  Kleinere 
Aufsätze  über  verwandte  Gegenstände  folgten  als  »Neue  Beiträge  zur  Urkunden- 
lehre« in  den  Mitteilungen  des  Instituts. 

Noch  ein  zweites  Werk  entsprang  den  Stauferregesten,  dem  F.  bald  seine 
ganze  Arbeitskraft  widmen  konnte,  da  er  1877  an  die  philosophische  Fakultät 
zurückgekehrt,  schon  zwei  Jahre  nachher  in  den  Ruhestand  trat.  Einzelne 
Urkunden,  Heiraten  der  Staufer  betreffend,  hatten  ihm  Zweifel  erregt,  ob  sie 
von  Verlobung  oder  Trauung  handelten.  Er  begann  Untersuchungen  über 
Verlobung  und  Trauung,  ihren  rechtlichen  Charakter  und  ihre  Form.  Ein 
umfassendes  Werk,  das  F.  fertiggestellt  hatte,  ist  Handschrift  geblieben,  da 
er  sich  indes  einem  andern  Gegenstande  zugewendet  hatte,  der  ihn  zu  Re- 
sultaten führte,  die  seinen  früheren  Annahmen  zum  Teil  widersprachen.  Bei 
seinen  letzten  Untersuchungen  war  er  zu  rcchtsvergleichenden  Studien  vor- 
gedrungen. Nun  glaubte  er  durch  Vergleichung  Aufschluß  über  die  Ver- 
zweigung und  Verwandtschaft  der  germanischen  Rechte  überhaupt  gewinnen 
zu  können.  Nur  hielt  er  das  Erbrecht  für  den  Zweck  der  Vergleichung  ge- 
eigneter und  begann  umfassende  Studien  über  das  Erbrecht  der  germanischen 
Rechte.  Bei  Heranziehung  der  spanischen  Fueros  fand  er  engen  Anschluß 
in  vielen  Rechtssätzen  an  die  nordischen  Rechte.  Daraus  gewann  er  die 
Ansicht,  daß  die  Fueros  ursprünglicheres  gotisches  Recht  enthielten,  als  die 
ältere  lex  Wisigothorum,  eine  Ansicht,  der  er  zunächst  in  dem  Aufsatze: 
»Über  nähere  Verwandtschaft  zwischen  gotisch-spanischem  und  norwegisch- 
isländischen Rechte«,  (Mitteil,  des  Inst.  Ergänzb.  2)  Ausdruck  gab.  Diese 
Arbeit  bildete  den  Ausgangspunkt  für  umfassende  Studien,  aus  denen  sechs 
Bände:  »Untersuchungen  zur  Erbenfolge  der  ostgermanischen  Völker«  er- 
wachsen sind.  F.s  Ziel  ist  es  hier,  auf  Grund  der  Vergleichung  der  verschiedenen 
erbrechtlichen  Institute  die  Verwandtschaft  der  einzelnen  germanischen  Rechte 
und  die  Geschichte  des  germanischen  Erbrechtes  festzustellen.  In  großartiger 
Weise  ist  hier  auf  Grund  sehr  umfassenden  Materials  die  Rechtsvergleichung 
durchgeführt,  deren  Grundsätze  im  ersten  Bande  entwickelt  werden.  Dabei 
werden  in  erster  Linie  die  ostgermanischen  Rechte,  von  den  westgermanischen 
nur  das  fränkische  eingehender  herangezogen,  weil  F.  die  westgermanischen 
nicht  für  ursprünglich  genug  hielt,  um  seinen  Zwecken  zu  dienen.  Staunen- 
erregend, ja  revolutionär  sind  die  Thesen,  zu  denen  F.  gelangt.  Der  Kreis 
der  ostgermanischen  Rechte  wird  von  ihm  überaus  erweitert,  indem  nicht 
nur  das  so  wichtige  langobardische  Recht,  sondern  auch  die  friesischen, 
rätischen,  helvetischen  und  andere  den  ostgermanischen  beigezählt  werden. 
So  wichtige  Fragen,  wie  die  erbrechtliche  Stellung  der  Frauen,  das  Alter  des 
Sondereigentums  an  Grund  und  Boden,  Verfügungsfreiheit  sind  geradezu  ent- 
gegengesetzt der  herrschenden  Meinung  beantwortet.  Manches  hat  bereits 
lebhaften  Widerspruch  erfahren,  nicht  alles  wird  sich  behaupten,  doch  werden 
diese  kühnen  Ideen  wie  ein  Sauerteig  wirken,  der  gärend  auf  die  her- 
gebrachten Meinungen  wirken  und  zu  erneuerter  Prüfung  derselben  nötigen 
wird.  Einige  kleinere  Aufsätze,  wie  der  über  die  Heimat  der  lex  Ribuaria 
(Mitteil.  Ergänzb.  5),  den  Entstehungsort  des  Schwabenspiegels  und  über  die 
Herkunft  der  siebenbürgischen  Sachsen  (Mitteil.  Bd.  11  und  14)  sind  als  Schnitzel 
des  großen  Werkes  zu  betrachten.    Zuletzt  noch  hat  F.  in  dem  Aufsatze  »Das 


von  Ficker. 


305 


langobardische  und  die  skandinavischen  Rechte«  seine  Ansichten  über  die 
Stellung  des  langobardischen  Rechtes  gegen  den  Dänen  Kier  verteidigt 
(Mitteil.  Bd.  22).  Um  das  dänisch  geschriebene  Buch  Kiers  zu  verstehen, 
hat  F.  mit  74  Jahren  noch  die  dänische  Sprache  erlernt.  Eine  schleichende 
Krankheit  aber  lähmte  bald  seine  Kräfte.  Noch  zu  Beginn  des  Jahres  1902 
hat  er  an  seinem  letzten  großen  Werke  gearbeitet,  am  10.  Juli  brach  der  Tod 
die  Forscherhand. 

Gewaltig  ist  das  Werk,  das  er  hinterlassen  hat.  W^enige  deutsche  Geschichts- 
forscher, Ranke,  Mommsen  und  Waitz  höchstens,  können  sich  in  der  Zahl  und 
dem  Umfang  der  Werke  F.  an  die  Seite  stellen.  Gewaltig  aber  ist  auch  der 
geistige  Inhalt  seines  Werkes.  Drei  Zweigen  der  Geschichtswissenschaft,  der 
Reichsgeschichte,  der  Urkundenlehre  und  der  Rechtsgeschichte,  hat  er  neue 
Bahnen  gewiesen.  Am  höchsten  sind  wohl  seine  Leistungen  als  Rechts- 
historiker zu  schätzen.  Hier  hat  er  grundlegend  in  den  wichtigsten  Materien 
gewirkt.  Wenn  Böhmer  aus  Anlaß  der  Abhandlung  über  die  Entstehungszeit 
des  Sachsenspiegels  meinte:  »Sie  haben  nicht  vergebens,  wie  wir  in  Ihrer 
Vita  nachgeschlagen,  zwei  Jahre  Jurisprudenz  studiert,  denn  ich  meine,  Sie 
sind  in  dieser  Abhandlung  noch  mehr  Jurist  als  Historiker«,  so  hat  er  recht 
behalten,  mochte  auch  F.  in  übergroßer  Bescheidenheit  noch  so  oft  die 
Schranken  beklagen,  die  ihm  seine  nicht  zum  Abschlüsse  gekommene  juristische 
Bildung  auferlege.  Und  bei  dieser  Menge  der  veröffentlichten  Arbeiten  hat 
F.  nicht  leichthin  und  schnell  gearbeitet.  Wieder  und  wieder  hat  er  seine 
Entwürfe   umgearbeitet,  und  wenn   sie  ihm   nicht  genügten,   zur  Seite  gelegt. 

F.s  Wirken  würde  mit  der  Aufzählung  seiner  literarischen  Arbeiten  nicht 
erschöpft  sein,  sollte  nicht  auch  mit  einem  Worte  seiner  Lehrtätigkeit  Er- 
wähnung geschehen.  Denn  auch  als  Lehrer  war  er  außerordentlich.  Seine 
Schüler  können  nicht  genug  die  Anregung  preisen,  die  er  in  seinen  Vorlesungen, 
namentlich  in  einem  Kolleg,  in  dem  er  in  die  historische  Kritik  einleitete, 
bot.  Da  er  ein  Mann  von  edelster  Gesinnung  und  reinstem  Charakter  war, 
verstand  er  es,  seine  Schüler  zeitlebens  zu  fesseln.  Er  hat  deren  eine  große 
Zahl  herangebildet,  Schönherr,  Josef  Durig,  Alfons  Huber,  Engelbrecht  Mühl- 
bacher, Busson,  Druffel,  Stieve,  Scheffer-Boichorst,  Val  de  Lievre,  Nießl, 
Zallinger,  Jung,  Wieser,  Hirn,  Ottenthai,  Redlich,  Hauthaler,  Egger,  Sander 
und  andere.  Als  in  Wien  durch  den  genialen  Theodor  von  Sickel  eine 
zweite  historische  Schule  in  Österreich  emporblühte,  trat  F.  bald  in  Verbindung 
mit  dem  österreichischen  Institut.  Eigenartig  war  das  Verhältnis  zwischen 
diesen  beiden  großen  Gelehrten.  F.  sandte  viele  seiner  Schüler  nach  Wien, 
um  bei  Sickel  die  letzte  Ausbildung  zu  empfangen,  und  Sickel,  der  große 
Diplomatiker,  hat  die  Ergebnisse  der  F.'schen  Urkundenlehre  bereitwillig  an- 
genommen. Und  so  war  F.  lebhaft  an  der  Gründung  der  »Mitteilungen  des 
Instituts«  beteiligt,  die  er  finanziell  und  durch  Einsendung  wertvoller  Beiträge 
unterstützte.  Sah  er  doch  in  den  Mitteilungen  einen  Plan  verwirklicht,  den 
Böhmer  bereits  in  den  fünfziger  Jahren  ihm  nahegelegt  hatte,  die  Herausgabe 
einer  neuen  der  Reichs-  und  österreichischen  Geschichte  gewidmeten  Zeit- 
schrift. Der  vierte  Ergänzungsband  der  Mitteilungen  ist  denn  auch  F.  zur 
Erinnerung  an  seine  vor  vierzig  Jahren  begonnene  Lehrtätigkeit  in  Innsbruck 
gewidmet  und  mit  einem  wohlgetroffenen  Bildnis  F.'s  in  Heliogravüre  ge- 
schmückt.    Ein   anderes  Bild  schmückt   als  Ex-libris  jene  Werke,  die  durch 

Bio^;fr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nckrolo^^.    7.  Bd.  20 


306 


von  Ficker.     von  Ledochowski. 


Schenkung  und  letztwillige  Verfügung  aus  seiner  Bibliothek  in  die  Bücher- 
sammlungen der  Universitätsbibliothek  und  anderer  wissenschaftlicher  Institute 
Innsbrucks  gelangt  sind,  ebenso  ist  ein  Bild  in  der  Zeitschrift  des  Ferdinan- 
deums  III,  47  wiedergegeben. 

Äußere  Anerkennungen  wurden  F.,  der  nie  nach  Ehren  geizte,  reichlich 
zuteil.  Er  war  Ehrendoktor  der  Rechte  in  Breslau,  Innsbruck,  Czernowitz  und 
Bologna,  Mitglied  der  Akademien  in  Wien,  Berlin,  München,  Christiania,  der 
Accademia  dei  Lincei  in  Rom.  Er  besaß  das  österreichische  Ehrenzeichen 
für  Kunst  und  Wissenschaft,  den  preußischen  Orden  pour  k  mirite,  den 
bayrischen  Maximiliansorden  und  andere  Auszeichnungen.  Der  Kaiser  von 
Österreich  erhob  ihn  in  den  erblichen  Adelsstand. 

Biographische  Notizen:  J.  Jung,  Zur  Erinnerung  an  Julius  Ficker,  Sonderabdruck  aus 
der  Beilage  der  »Allgemeinen  Zeitung«  No.  293,  294  und  295  vom  22.,  23.  und  24.  Dez.  1902. 
—  Paul  Puntschart,  Nachruf  in  der  »Zeitschrift  der  Savigny-Stiftung  für  Rechtsgeschichte«, 
Germanische  Abteil.  1902.  —  E.  Muhlbacher,  Nekrolog,  »Mitteilungen  des  Instituts  für 
österr.  Geschichtsf.«  24.  —  Emil  von  Ottenthai,  Rede  bei  der  vom  akademischen  Senate  der 
Universität  Innsbruck  veranstalteten  Gedächtnisfeier  (für  Ficker).  Innsbruck  1903.  — 
O.  Redlich,  Nachruf  in  der  »Historischen  Vierteljahrsschrift«  1903.  —  Franz  von  Wieser, 
Nekrolog,  »Zeitschrift  des  Ferdinandeums«  III.  Serie,  47.  —  Einzelne  Nachrichten  im  Brief- 
wechsel Böhmers  bei  Janssen,  Johann  Friedrich  Böhmer.  —  Über  die  Entstehung  seiner 
Arbeiten  pflegt  Ficker  selber  in  den  Vorworten  zu  berichten.  —  Eine  ausführliche  Biographie 
mit  Verwertung  des  sehr  umfangreichen  Briefwechsels  Fickers  ist  in  V'orbereitung. 

Hans  von  Voltelini. 


Ledochowski,  Mlecislaus  Johann  vom  Kreuz  Halka  Graf  von,  Kardinal, 
*  29.  Oktober  1822  zu  Gorki  in  Russisch-Polen,  f  22.  Juli  1902  zu  Rom.  — 
L.  besuchte  die  Gymnasien  zu  Radom  und  Warschau,  trat  dann  in  das  Priester- 
seminar zum  hl.  Kreuz  in  Warschau  ein  und  setzte  seine  Studien  in  der 
Accademia  dei  nobili  ecclesiastid  in  Rom  fort,  wo  er  am  13.  Juli  1845  zum 
Priester  geweiht  wurde.  1846  wurde  er  päpstlicher  Hausprälat  und  apostoli- 
scher Protonotar,  1847  Auditor  der  Nuntiatur  in  Lissabon,  1856  apostolischer 
Delegat  in  Kolumbien,  von  wo  er  1858  durch  die  Revolution  vertrieben 
wurde  und  nach  Rom  zurückkehrte.  Am  30.  September  1861  wurde  er  von 
Papst  Pius  IX.  zum  Erzbischof  von  Theben  /'.  /.  i.  präkonisiert;  seine  Kon- 
sekration erfolgte  am  3.  November.  Hierauf  wurde  er  Ende  des  Jahres  1861 
Nuntius  in  Brüssel.  Am  16.  Dezember  1865  wurde  er  zum  Erzbischof  von 
Gnesen  und  Posen  gewählt,  am  8.  Januar  1866  präkonisiert,  am  24.  April  in 
der  Kathedrale  zu  Posen  inthronisiert.  L.  wurde  das  erste  Opfer  des  sog. 
Kulturkampfs  unter  dem  preußischen  Episkopat.  Vom  3.  Februar  1874  an 
wurde  er  zwei  Jahre  lang  wegen  Verstößen  gegen  die  Maigesetze  im  Gefängnis 
zu  Ostrowo  gefangen  gehalten,  in  der  Zwischenzeit  für  abgesetzt  erklärt  und 
nach  der  Freilassung  aus  Preußen  verbannt.  Papst  Pius  IX.  hatte  ihn  inzwischen 
schon  am  15.  März  1875  ^^"^  Kardinal  ernannt;  am  7.  April  1876  erfolgte 
seine  feierliche  Einführung  in  das  Kardinalskollegium.  Er  nahm  als  Kardinal 
jetzt  seinen  dauernden  Wohnsitz  in  Rom.  Nach  Anbahnung  des  kirchlichen 
Friedens  in  Preußen  leistete  er  1885  Verzicht  auf  das  Erzbistum  Gnesen- 
Posen.  1892  wurde  er  von  Leo  XIII.  zum  Präfekten  der  Kongregation  der 
Propaganda  ernannt. 


von  Ledochowski.     Löff  1er.     Hofele.  yyj 

Vgl.  I.  Ograbiszewski ,  Miecislaus  Halka  Graf  Ledochowski,  Erzbischof  von  Gnesen- 
Posen.  Würzburg  1874.  Mit  Porträt.  (=  Deutschlands  Episkopat  in  Lebensbildern,  II.  Bd., 
I.  Heft.)  Alte  u.  Neue  Welt,  37.  Jahrg.  1903,  S,  61 ;  mit  Portr.  Deutscher  Hausschatz, 
28.  Jahrg.   1902,    Beilage  S.   121;    mit  Portr.     Kölnische  Volkszeitung  1902,    Nr.  653   vom 

22.  Juli.  F.  Laudiert. 

Löffler,  Philipp,  S.  f.,  *  24.  Januar  1834  zu  Heiligenstadt,  f  i^-  August 
1902  zu  Luxemburg.  —  L.  absolvierte  das  Gymnasium  in  seiner  Vaterstadt 
und  trat  dann  zu  Münster  i.  W.  am  26.  Mai  1850  in  das  Noviziat  der  Gesell- 
schaft Jesu.  Nach  Vollendung  der  philosophischen  Studien  wirkte  er  fünf 
Jahre  als  Lehrer  in  Feldkirch,  absolvierte  dann  die  theologischen  Studien  in 
Paderborn  und  Maria-Laach  und  empfing  1864  die  Priesterweihe,  Seit  1866 
war  er  in  Regensburg  als  Prediger  tätig,  1869 — 1872  als  Oberer  der  von 
Bischof  Senestrey  daselbst  gegründeten  Jesuiten residenz.  Seit  1875  wirkte  er 
in  Feldkirch  als  Studien-  und  Generalpräfekt,  dann  als  Rektor,  und  übte  ins- 
besondere eine  bedeutende  Wirksamkeit  als  Missionar  und  Prediger;  er  war 
ein  sehr  hervorragender  Kanzelredner.  Zeitweilig  hielt  er  sich  auch  zu 
Blijenbeck  in  Holland  auf.  —  L.  schrieb:  »H.  J.  von  Mallinckrodt«  (Stimmen 
aus  Maria-Laach,  7.  Bd.  1874,  S.  121 — 138,  477 — 491;  8.  Bd.  1875,  S.  18 — 35, 
365 — 385);  »Zur  Enzyklika  Papst  Leos  XIIL  auf  das  siebente  Zentenarium  der 
Geburt  des  hl.  Franz  von  Assisi«  (Stimmen  aus  Maria-Laach,  23.  Bd.  1882, 
S.  441 — 463;  24.  Bd.  1883,  S.  27 — 41,  143 — 157);  »Zur  Jubelfeier  der  Maria- 
nischen Kongregationen.  5.  Dez.  1584 — 5.  Dez.  1884«  (Freiburg  i.  Br.  1884, 
vorher  in  den  Stimmen  aus  Maria-Laach,  7.  Bd.  1884). 

Vgl.  Alte  u.  Neue  Welt,  37.  Jahrg.  1903,  S.  89,  mit  Porträt  Deutscher  Hausschatz, 
28.  Jahrg.  1902,  Beilage  S.  132.  F.  Lau  eher  t. 

Hofele,  Engelbert,  katholischer  Pfarrer  in  Ummendorf  (Württemberg), 
*  15.  Januar  1836  zu  Wißgoldingen  (Württemberg),  f  9.  September  1902.  — 
H.  besuchte  die  Lateinschule  in  Gmünd  und  das  Gymnasium  zu  Ehingen  a.  D. 
Von  Herbst  1855  bis  1859  studierte  er  Theologie  in  Tübingen,  empfing  1858 
einen  Preis  (s.  unten  seine  erste  Schrift),  wurde  Dr.  phil.  und  erhielt  am 
10.  August  1860  die  Priesterweihe.  Hierauf  war,  er  zuerst  jeweils  kurze  Zeit 
Vikar  in  Kirchbierlingen,  Präzeptorats-Verweser  in  Spaichingen,  Vikar  in  Rott- 
weil und  Heilbronn;  Februar  1861  wurde  er  provisorisch,  August  1863  definitiv 
Präzeptorats- Kaplan  in  Wiesensteig,  Februar  1865  in  Buchau,  Dezember 
1870  in  Biberach;  am  22.  Juli  1880  Pfarrer  in  Ummendorf;  1896  päpstlicher 
Hausprälat.  H.  war  der  Gründer  und  Organisator  der  schwäbischen  Pilger- 
züge und  machte  selbst  Pilgerreisen  nach  dem  heil.  Land,  nach  Rom,  Loretto, 
Assisi  und  Lourdes.  —  Schriften:  »Die  Religionsübung  in  Deutschland  auf 
der  Basis  des  westfälischen  Friedens.  Eine  gekrönte  Preisschrift«  (Wiesen- 
steig 1861);  »Pilgerreisebilder  für  die  Gegenwart«  (Waldsee  1879);  »Bilder 
aus  Schwaben.  Land  und  Leute  geschildert«  (Würzburg  1881);  »Die  heilige 
Theresia  von  Jesus,  die  Lehrerin  der  Kirche,  der  Ruhm  der  spanischen  Nation. 
Ein  Lebens-  und  Charakterbild  für  unsere  Zeit«  (Regensburg  1882);  »Blätter 
für  Zeit  und  Ewigkeit«  (4  Lieferungen,  Stuttgart  1886);  »Unsere  Liebe  Frau 
von  Lourdes,  Ein  Betrachtungs-  und  Gebetbuch«  (Leutkirch  1887;  9.  Aufl. 
1898);  »Das  Leben  unseres  Heilandes  Jesus  Christus  und  seiner  jungfräulichen 
Mutter  Maria«  (Stuttgart  1891  — 1893,  3.  Aufl.  1895);  »Gemeinnütziges  Allerlei« 


20* 


308  Hofele.     Stöckli.     Kügler. 

(Waldsee  1899);  und  einige  kleinere  Andachtsbücher.  In  Neubearbeitung  gab 
H.  heraus:  Herrn.  Born  O.  S.  Fr.,  Seraphischer  Sternenhimmel  (Regensburg 
1896).  1882 — 1894  redigierte  er  das  Rottenburger  Pastoralblatt,  1884 — 1894 
das  der  Diözesan-Geschichte  gewidmete,  zuerst  als  Beilage  zum  Pastoralblatt, 
später  selbständig  erscheinende  »Diözesan-Archiv  von  Schwaben«. 

Vgl.  Diözesan-Archiv  von  Schwaben,  20.  Jahrg.  1902.  Nr.  12,  S.  191  f.  Neher, 
Personal-Katalog   der  Geistlichen   des  Bistums  Rottenburg   (3.  Aufl.     Schw.  Gmünd   1894), 

S.  152.  F.  Laudiert. 

Stöckli,  Augustin,  O.  Cist.,  Abt  von  Mehrerau,  *  22.  November  1857  auf 
dem  Gygehofe  bei  Ruswyl  im  Kanton  Luzem,  f  23-/24.  September  1902. 
—  S.,  dessen  Taufname  Alois  war,  absolvierte  die  Gymnasialstudien  in  Zug 
und  in  der  Klosterschule  zu  Engelberg  und  trat  dann  1880  im  Kloster  Mehrerau 
bei  Bregenz  in  den  Zisterzienser-Orden  ein;  am  i.  Oktober  1881  legte  er  die 
einfachen  Ordensgelübde  ab,  machte  die  philosophischen  und  theologischen 
Studien  an  der  Hauslehranstalt  und  empfing  am  26.  Oktober  1884  die  Priester- 
weihe. Während  der  nächsten  10  Jahre  wirkte  er  als  Lehrer  an  der  Er- 
ziehungsanstalt des  Klosters,  dem  Kollegium  S.  Bernardi,  seit  1886  als  Sub- 
präfekt,  seit  1889  als  Präses  der  Marianischen  Kongregation,  seit  dem 
14.  August  1893  als  Präfekt.  Am  3.  Mai  1895  wurde  er  zum  Abt  gewählt, 
am  2.  Dezember  1895  von  Papst  Leo  XIIL  im  Konsistorium  präkonisiert;  die 
feierliche  Benediktion  fand  am  19.  Januar  1896  in  Mehrerau  statt  durch  den 
Weihbischof  Dr.  Johann  Zobl,  Generalvikar  von  Vorarlberg.  Auch  als  Abt 
wandte  er  dem  Erziehungsinstitut  des  Klosters  seine  besondere  Sorgfalt  zu. 
Im  Jahre  1898  erwarb  er,  als  Jubiläumsgabe  zum  800 jährigen  Jubiläum  des 
Zisterzienser-Ordens,  das  alte  Kloster  Sittich  in  Krain  wieder  für  den  Orden 
und  besiedelte  es  von  neuem  durch  Patres  und  Laienbrüder  von  Mehrerau. 
Nachdem  er  noch  am  21.  September  1902  in  seiner  Heimatgemeinde  Ruswyl 
eine  Festpredigt  gehalten  und  sich  von  da  am  23.  zur  Visitation  nach  dem 
Zisterzienser-Frauenkloster  Eschenbach  begeben  hatte,  erfolgte  hier  in  der 
Nacht  ganz  unerwartet  sein  Tod  an  innerer  Blutung.  Seine  Leiche  wurde 
nach  Mehrerau  übergeführt  und  am  29.  September  beigesetzt. 

Vgl.  Zisterzienser -Chronik  1902,  S.  341 — 348;  mit  Porträt.  Alte  u.  Neue  Welt, 
37.  Jahrg.   1903,  S.   187;  mit  Porträt.  F.    Lauchert. 


Kügler,  Max  Albert,  Präsident  des  Oberverwaltungsgerichts,  *  24.  Sep- 
tember 1845  in  Liegnitz,  f  24.  Mai  1902  in  Berlin.  (Die  Familie  schreibt  ihren 
Namen  Kuegler,  doch  bediente  er  sich  später  amtlich  der  Form  Kügler.)  — 
Geboren  als  Sohn  des  Kreisgerichtsrats  Kuegler  in  Liegnitz,  besuchte  K.  erst 
eine  Privatschule,  dann  von  der  Tertia  ab  die  Ritterakademie  in  seiner  Vater- 
stadt als  sogenannter  Stadtschüler.  Seine  vielseitige  Begabung  schien  sich 
zunächst  den  Naturwissenschaften  zuzuwenden,  daneben  zeigte  sich  mehr  und 
mehr  eine  hervorragend  praktische  Ader,  so  daß  der  Vater  schwankte,  ob  er 
dem  Sohne  nicht  zu  einer  kaufmännischen  oder  technischen  Laufbahn  zureden 
sollte.  Dieser  entschied  sich  jedoch  für  das  juristische  Studium,  bestand 
Ostern  1864  mit  Auszeichnung  das  Abiturientenexamen  und  ging  zunächst 
nach    Halle,    wohin    ihn    mancherlei    Familienüberlieferungen    wiesen.      Hier 


Ktigler.  309 

schloß  er  sich  besonders  an  die  Professoren  Dernburg  und  Hinschius  an. 
Die  Freude  an  schöner  Natur  zog  ihn  im  dritten  Semester  nach  Heidelberg, 
wo  er  eine  akademische  Preisaufgabe  über  »Kirchenbaulast«  löste;  die  dafür 
erhaltene  goldene  Medaille  hat  ihn  noch  im  späteren  Leben  gefreut.  Nach 
dem  vierten,  in  Berlin  verlebten  Semester  kehrte  er  nach  Halle  zurück.  Da 
die  Fakultätsstatuten  gestatteten,  durch  ein  Vorexamen  schon  vor  vollendetem 
Triennium  die  Erlaubnis  zur  Doktorprüfung  zu  erlangen,  so  legte  er  im 
fünften  Semester  ein  solches  ab  und  bestand  darauf  am  5.  Juli  1866  die 
mündliche  Prüfung  permagna  cum  laude.  Die  Doktordissertation  ^de  modo 
ejusque  effectibus«  erhielt  die  Bezeichnung  y>docte  et  diHgenter<^.  Der  Minister 
genehmigte  jedoch  die  sofortige  Promotion  nicht,  so  daß  sie  erst  am 
7.  Februar  1867  erfolgte. 

Darauf  trat  K.  in  den  Staatsdienst  als  Auskultator  im  Bezirk  des  Appel- 
lationsgerichts (rlogau,  zunächst  am  Kreisgericht  in  seiner  Vaterstadt,  legte 
zwei  Jahre  darauf  das  Referendarexamen  ab  und  wurde  am  4.  November 
1871  zum  Gerichtsassessor  ernannt.  Als  solcher  arbeitete  er  an  dem  Kreis- 
gericht zu  Berlin.  Schon  in  diesen  Jahren  verwertete  er  auf  verschiedene 
Weise  seine  juristischen  Kenntnisse;  er  vertrat  wiederholt  wochenlang  her- 
vorragende Berliner  Rechtsanwälte  und  Ludwig  von  Rönne  berief  ihn  zur 
Mitarbeiterschaft  an  der  neuen  Auflage  seines  Ergänzungswerkes  zum  Allge- 
meinen Landrecht,  dem  sogenannten  Fünfmännerbuch.  Dazu  hatte  ihn  als 
seinen  Nachfolger  kein  geringerer  vorgeschlagen  als  Falk,  der  damals  das 
Kultusministerium  übernahm  und  die  Begabung  des  jungen  Mannes  kennen 
gelernt  hatte.  Falk  lenkte  auch  auf  ihn  die  Aufmerksamkeit,  als  es  sich 
1873  darum  handelte,  einen  Protokollführer  für  die  parlamentarische  ünter- 
suchungskommission  zu  bestellen,  die  eingesetzt  wurde,  als  Lasker  die 
schweren  Schäden  im  Eisenbahnkonzessionswesen  enthüllt  hatte.  Da  zeigte 
sich,  daß  in  der  Tat  der  junge  Assessor  in  diesen  höchst  verwickelten  Dingen 
trefflichen  Bescheid  wußte  und  alle  Kniffe  und  Schliche  kannte,  die  bei  der 
Neuheit  des  Eisenbahnwesens  den  älteren  Räten  verborgen  waren.  Den  Vor- 
sitz dieser  Kommission  führte  Günther,  und  als  er  bald  zum  Oberpräsidenten 
von  Posen  ernannt  wurde,  erbat  er  sich  die  wertvolle  Kraft  als  Justitiarius 
bei  dem  Provinzialschulkollegium  in  Posen,  eine  Stelle,  die  infolge  der 
eigentümlichen  Verhältnisse  in  der  Provinz  neu  gegründet  war. 

Damit  war  K.s  künftige  Laufbahn  plötzlich  bestimmt.  Er  hatte  in- 
zwischen aus  mancherlei  Gründen  einen  längeren  Urlaub  erbeten  und  wollte 
sich  in  Leipzig  habilitieren,  als  an  ihn  der  Ruf  kam.  Bald  nach  dem  An- 
tritt der  Posener  Stelle,  im  Sommer  1874,  verheiratete  er  sich  mit  Willi 
Ebert,  Tochter  des  Geh.  Sanitätsrat  Ebert  in  Wriezen  a.  O.  Die  acht  Jahre, 
die  er  in  Posen  verlebte,  waren  für  K.  Lehrjahre  in  einer  ganz  neuen  Rich- 
tung, sie  legten  den  Grund  zu  seiner  späteren  Polenpolitik  und  zu  seinem 
Kampfe  gegen  den  Ultramontanismus,  dessen  Wirksamkeit  in  Schulangelegen- 
heiten er  in  nächster  Nähe  kennen  lernte.  In  einem  Augenblick  der  Ab- 
spannung von  der  schweren  Arbeit  bewarb  er  sich  1882  um  die  Oberbürger- 
meisterstelle seiner  geliebten  Stadt  Halle  und  nur  wenige  Stimmen  fehlten 
zu  seiner  Wahl.  Als  ihn  bald  darauf  der  Minister  von  Goßler  im  Herbst 
1882  als  Hilfsarbeiter  ins  Kultusministerium  berief,  folgte  er  zwar  freudig 
dem  ehrenvollen  Rufe  zu  größerer  Tätigkeit,    behielt  aber  stets   ein  warmes 


310  Kügler. 

Herz  für  die  Provinz,  in  der  er  segensreich  gewirkt  und  sich  viele  treue 
Freunde  erworben  hatte. 

Im  Kultusministerium  hat  nun  K.  sein  Lebenswerk  vollbracht,  fast 
zwanzig  Jahre  gehörte  er  ihm  an.  Seine  Laufbahn  war  eine  äußerst  glän- 
zende: schon  in  Posen  am  6.  Oktober  1880  zum  Regierungsrat  befördert, 
bekam  er  als  Hilfsarbeiter  1883  den  Charakter  als  Geheimer  Regierungsrat, 
wurde  1884  zum  vortragenden  Rat  und  zum  ständigen  Kommissar  des 
Ministers  in  der  von  Bismarck  geschaffenen  Ansiedlungskommission  für  West- 
preußen und  Posen  ernannt,  in  welcher  Stellung  er  bis  zu  seinem  Tode  mit 
Nachdruck  die  nationalen  Zwecke  der  Kommission  vertrat,  mit  seinem  prak- 
tischen Blick  das  notwendige  erkennend.  Am  7.  Dezember  1889  wurde  er 
zum  Ministerialdirektor,  Ende  1899  zum  Wirklichen  Geheimen  Rat  mit  dem 
Titel  Exzellenz  ernannt;  1902  erhielt  er  den  Kronenorden  erster  Klasse. 

Im  Alter  von  44  Jahren  hatte  er  den  so  bedeutenden  Posten  eines 
Ministerialdirektors  erhalten,  viele  seiner  älteren  Kollegen  überspringend,  die 
jedoch  neidlos  seine  Begabung  und  Tüchtigkeit  anerkannten  und  willig  unter 
ihm  gearbeitet  haben. 

Die  Würde  brachte  Bürden  übergenug,  doch  er  war  der  Mann,  sie  zu 
tragen,  obgleich  er  von  zartem  Körper  und  nicht  von  fester  Gesundheit  war. 
Als  Ministerialdirektor  übernahm  er  die  Leitung  der  zweiten  Unterrichts- 
abteilung, das  Dezernat  für  das  Volksschulwesen  und  führte  sein  verantwort- 
liches Amt  unter  vier  Ministern,  unter  wechselnden  Einflüssen  von  oben  stets 
sich  gleich  und  seinen  Zielen  getreu  bleibend,  den  Nutzen  des  Staates  und 
der  Sache  im  Auge.  Daß  das  nicht  immer  leicht  war,  wußten  die  Einge- 
weihten und  bewunderten  ihn  doppelt  dafür.  Dabei  kamen  ihm  seine 
Geistesschärfe,  seine  persönliche  Liebenswürdigkeit,  gepaart  mit  einer  ge- 
wissen humoristischen  Ader,  und  das  Geschick,  Meinungsverschiedenheiten 
freundlich  auszugleichen,  die  glückliche  Begabung  in  Schrift  und  Rede,  und 
vor  allem  unübertreffliche  Sachkenntnis,  starkes  Gedächtnis  und  riesige  Ar- 
beitskraft zu  statten.  Er  verfolgte  den  landrechtlichen  Standpunkt,  daß  die 
öffentlichen  Schulen  Veranstaltungen  des  Staates  seien.  Der  Kampf  gegen 
Ultramontanismus  und  Polentum,  soweit  letzteres  preußenfeindlich  auftrat, 
nahm  er  mit  Entschlossenheit  auf,  er  sah  darin  eine  ernste  Gefahr  für  den 
Staat  und  für  die  heranwachsende  Jugend  und  focht  hinter  den  Kulissen 
manchen  harten  Strauß  für  seine  Überzeugungen  durch,  meistens  siegreich, 
aber  im  Notfall  unbekümmert  um  die  Folgen  die  Kabinetsfrage  stellend;  denn 
er  war  nicht  der  Mann,  der  eine  Politik  vertrat,  die  nicht  zugleich  seinen 
eigenen  Überzeugungen  entsprach.  So  lehnte  er  ab,  das  Zedlitzsche  Schul- 
gesetz vor  dem  Landtage  zu  vertreten.  Freilich,  Kränkungen  und  Zurück- 
setzungen aus  politischen  Gründen  blieben  ihm  nicht  erspart.  Durch  seine 
Wirksamkeit  erwarb  er  sich  reichlichen  Haß  beim  Zentrum  und  bei  den 
Polen;  es  sei  hier  gestattet,  um  die  Gesinnung  seiner  Feinde  und  seine 
Bedeutung  zu  kennzeichnen,  aus  zwei  Nekrologen  Stellen  mitzuteilen: 
»Dziennik  Foznanski«  schrieb:  »Erzbischof  Simar,  Dr.  Kügler  sind  gestorben, 
Pobjcdonoszew  ist  verbannt I  Sollte  da  nicht  der  Finger  Gottes  sich  be- 
merkbar machen?«  Und  -oNotva  Reforma«  vom  28.  Mai  1902  schließt:  »Z?^ 
mortuis  nil  nist  bene.  Wie  schwer  läßt  sich  dieser  Grundsatz  einem  Mann  von 
dieser  Bedeutung  und  von  diesem  geradezu  rauhen  Charakter,  durch  welchen 


KUgler.  ^11 

sich    der  Verstorbene    auszeichnete,    gegenüber    anwenden.      Jedenfalls    aber 
haben  wir  einen  Feind  weniger.     Auch  dies  ist  etwas  wert«. 

Aber  K.s  Tätigkeit  war  nicht  ^blos  abwehrend  und  verteidigend,  sie  war 
in  noch  höherem  Grade  schaffend.  Die  preußische  Volksschule  war  es,  der 
er  um  ihrer  selbst  und  der  Allgemeinheit  willen  seine  rastlose  Fürsorge  wid- 
mete, und  nicht  nur  der  Entwicklung  des  Schulwesens,  auch  der  würdigeren 
Stellung  der  Lehrer  als  unentbehrlicher  Vorbedingung  galt  seine  Arbeit. 
Kaum  hat  der  Lehrerstand  einen  wärmeren  und  tatkräftigeren  Freund  gehabt 
als  ihn,  auch  in  persönlichen  Angelegenheiten  erfuhren  viele  in  der  Stille 
sein  Wohlwollen  und  seine  Herzensgüte.  Das  Lehrerbesoldungsgesetz  von 
1897,  die  erste  gesetzmäßige  Regelung  des  Lehrereinkommens,  und  das  Gesetz 
von  1899,  betreffend  die  Fürsorge  für  die  Witwen  und  Waisen  der  Lehrer 
an  den  öffentlichen  Volksschulen  sind  beide  die  glänzenden  Zeugnisse 
seiner  Energie  und  seines  Verständnisses  für  die  Forderungen  des  Lebens. 
Weniger  Erfolg  hatten  die  unausgesetzten  Bemühungen,  das  weltliche  Kreis- 
schulinspektorat  zu  erweitem. 

Auch  für  den  Unterricht  selbst  hatte  er  das  größte  Interesse.  Sollte  der 
Lehrer  nützlich  wirken,  mußte  er  selbst  entsprechend  erzogen  werden  und  so 
war  die  große  und  tiefgreifende  Reorganisation  des  ganzen  Lehrerbildungs- 
wesens,  die  mit  der  Verordnung  von  1901    abschließt,    sein    eigenstes  Werk. 

Immer  war  K.  bemüht,  die  Volksschulen  zu  vermehren,  neue  Lehr- 
anstalten und  gute,  neue  Schulhäuser  zu  schaffen,  zugleich  die  soziale 
Stellung  der  Lehrer  zu  heben  und  sie  vor  Angriffen  zu  schützen.  Durch 
alle  diese  Bemühungen  schuf  er  sich  zu  seinen  sonstigen  Feinden  auch  solche 
unter  den  Konservativen,  deren  Groll  im  Februar  1899  der  Landwirtschafts- 
minister von  Hammerstein-Loxten  im  Abgeordnetenhause  unverhohlenen  Aus- 
druck gab.  Die  entschiedene,  klare  und  scharfe  Antwort,  die  ihm  der 
Ministerialdirektor  erteilte,  erregte  in  weitesten  Kreisen  Aufsehen  und  trug 
dem  Redner  reichste  Zustimmung  ein.  Gegenüber  gewissen  Äußerungen  und 
Angriffen  seiner  Gegner  auf  die  Volksschullehrer  betonte  er  mit  Nachdruck, 
es  sei  die  erste  Pflicht  der  Lehrer,  wahrhaft  zu  sein  gegenüber  den  Kindern 
und  nichts  auszusprechen,  was  bei  der  eigenen  Prüfung  der  Kinder  sich  als 
unrichtig  herausstelle. 

K.  sprach  gern  von  den  Lehrern  als  »seinen«  Lehrern  in  herzlicher 
Schätzung  ihres  schweren  Amtes  und  ihrer  Verdienste.  Der  Dank  blieb 
nicht  aus  und  seinen  Abgang  aus  dem  Kultusministerium  empfand  der  ge- 
samte Stand  als  einen  schweren  Schlag.  Eine  Deputation  des  Preußischen 
Lehrervereins  überreichte  im  April  1902  ihrem  verehrten  Gönner  eine  kunst- 
volle Adresse.  Er  aber  sprach  in  seinem  Dankschreiben  aus:  »Mein  Herz 
hängt  an  der  preußischen  Volksschule  und  schlägt  für  die  Lehrer,  deren 
hohe  Pflichttreue  und  unermüdliches  Arbeiten  an  sich  selbst  Preußens  Schul- 
wesen trotz  so  vieler  äußerer  Mängel ^zu  einem  Vorbild  für  alle  Nationen 
gemacht  hat«. 

Daß  ein  so  anstrengendes  Amt,  verbunden  mit  aufregenden  Kämpfen  all- 
mählich aufreiben  kann,  ist  wohl  erklärlich.  Auch  K.  fühlte  das  und  sehnte 
sich  nach  einer  etwas  ruhigeren  Tätigkeit;  er  empfand  noch  Geistesfrische 
genug,  um  in  anderer  Stellung  dem  Staate  nützlich  zu  sein,  und  sah  bei  der 
herrschenden  Politik  nicht  mehr  so  recht  die  Möglichkeit,  sein  Dezernat  nach 


3  12  KUgler.     Stern. 

seiner  Überzeugung  zu  verwalten.  Die  Stelle  des  Präsidenten  des  Oberver- 
waltungsgerichts war,  wie  es  schien,  gerade  das  Richtige  für  ihn,  und  er  war 
aufrichtig  erfreut,  als  sie  ihm  am  24.  Februar  1902  übertragen  wurde.  Mit 
Feuereifer  warf  er  sich  auf  die  neue  Tätigkeit,  auch  da  wieder  seinen  prak- 
tischen Blick  zeigend,  und  arbeitete  sich  in  wenigen  Wochen  ein.  So  wid- 
meten ihm  die  Mitglieder  des  Oberverwaltungsgerichts  in  dem  Nachruf  die 
schönen  Worte:  »Wir  lebten  der  frohen  Zuversicht,  daß  von  seiner  großen 
Arbeitskraft  und  Schaffensfreudigkeit  reicher  Segen  ausgefien  werde«. 

Er  machte  Pläne,  wie  er  nun  das  ruhige  Leben  genießen,  was  er  alles 
verbessern  wolle,  dachte  auch  wohl  an  Teilnahme  am  politischen  Leben,  da 
—  am  22.  Mai,  warf  ihn  eine  scheinbar  geringfügige  Erkältung  nieder,  der 
er  schon  am  24.  Mai,  abends  10  Uhr  erlag,  nur  56  Jahre  alt.  Die  letzten 
Gedanken  galten  den  Seinigen;  die  Gattin  und  sechs  Kinder,  zwei  Söhne 
und  vier  Töchter,  standen  an  seiner  Bahre. 

Weite  Kreise  trauerten  um  ihn,  denn  selbst  über  den  Bereich  seiner 
Amtstätigkeit  hinaus  hatte  er  als  echter  Menschenfreund  Gutes  geschaffen. 
Lange  Zeit  war  er  der  Leiter  der  Vereine  vom  roten  Kreuz,  die  seine  organi- 
satorische Kraft  dankbar  empfanden;  auch  der  Letteverein,  das  Viktoria- 
lyzeum und  andere  Vereine  erfreuten  sich  seiner  schöpferischen  Teilnahme. 
Besonders  interessierte  er  sich  für  die  Genossenschaft  freiwilliger  Kranken- 
pfleger im  Kriege,  deren  Vorsitzender  er  war.  Ihre  Mitglieder  trugen  ihn  zu 
Grabe  und  der  Berliner  Lehrer-Gesangverein  gab  der  Trauerfeier  wehmütigen 
Schmuck.  Fast  alle  deutschen  Zeitungen  brachten  Nekrologe,  in  denen  seine 
Tätigkeit  und  seine  ganze  Persönlichkeit  gewürdigt  wurde,  denn  über  Preußen 
hinaus  trauerte  man  ihm  nach.  Das  Kultusministerium  ehrte  sein  Andenken, 
indem  es  seine  bronzene  Porträtbüste  in  dem  Lehrerheim  zu  Schreiberhau 
in  Schlesien,  für  das  er  warmes  Wohlwollen  gehabt  hatte,  aufstellen  ließ. 
Ein  dauerndes  Andenken  soll  ihm  außerdem  werden  durch  eine  Küglerstif- 
tung  zum  Besten  solcher  Lehrer,  welche  krankheitshalber  der  Erholung  be- 
dürfen. Die  Verlagsbuchhandlung  Ferdinand  Hirt  und  Sohn  hat  zu  seinem 
Angedenken  für  eine  sehr  bedeutende  Summe  gute  Jugendschriften  für  die 
Schulen  der  sechs  Ostprovinzen  geschenkt. 

Ein  vortreffliches  Bildnis,  von  Martin  Körte  gemalt,  gibt  das  feingeschnittene  Antlitz 
getreu  wieder;  von  ihm  hat  Kommerzienrat  Troiizsch  in  Bedin  einen  Farbendruck  herstellen 
lassen  und  ihn  kostenlos  zum  Verkauf  für  die  Küglerstiftung  gespendet.  Ein  anderes 
photographisches  Abbild  enthalten  die  »Ostdeutschen  Monatshefte  für  Erziehung  und  Unter- 
richt« I,  6.  Heft  1903.  Theodor  Lindner. 

Stern,  Josef,  Publizist,  *  11.  März  1839  in  Soest,  f  16.  Dezember  1902 
in  Frankfurt  a.  M.  —  St.  studierte  klassische  Philologie  und  Geschichte  in 
Münster  und  Bonn  und  bekam  nach  einem  mit  großer  Auszeichnung  bestan- 
denen Examen  die  Qualifikation  zum  Gymnasialoberlehrer.  Aber  eine  staat- 
liche Anstellung  wurde  ihm  versagt  und  selbst  zur  Ablegung  des  Probejahres 
wurde  er  nicht  zugelassen.  St.  war  Jude  und  das  Provinzialschulkollegium 
in  Münster  war  der  Auffassung,  daß  die  Gymnasien  der  Provinz  Westfalen 
christlich-konfessionellen  Charakter  hätten,  eine  Auffassung,  der  der  damalige 
Minister  Bethmann-Hollweg  bezüglich  der  sämtlichen  preußischen  Gymnasien 
beitrat.     Eine  Beschwerde  St.s  an  den  Landtag  blieb   erfolglos,    und   da  er 


Stern. 


313 


sich  um  äußerer  Vorteile  willen  nicht  taufen  lassen  wollte,  ergriff  er  die  Ge- 
legenheit, die  Leitung  einer  Privatschule  in  Fordon  (Westpreußen)  zu  über- 
nehmen, wo  unter  anderen  auch  Karl  Neufeld  zu  seinen  Schülern  gehörte. 
Dann  war  er  einige  Jahre  lang  Hauslehrer  auf  einem  Gute  bei  Bromberg  und 
ging  1867  zum  Journalismus  über.  Er  begründete  die  »Neue  Bromberger 
Zeitung«,  demokratisches  Organ,  die  ein  nur  kurzes  Dasein  hatte,  und 
siedelte  dann  nach  Berlin  über,  wo  er  in  die  Redaktion  der  von  Guido  Weiß 
herausgegebenen  »Zukunft«  trat.  1868  wurde  ihm  die  Redaktion  der  »Neuen 
Badischen  Landeszeitung«  in  Mannheim  übertragen,  die  er  bis  1873  führte. 
In  diesem  Jahre  wurde  er  in  die  Redaktion  der  »Frankfurter  Zeitung«  be- 
rufen, der  er  vom  i.  September  1873  bis  an  sein  Lebensende  angehörte, 
hauptsächlich  mit  der  Behandlung  der  inneren  politischen  Fragen  beschäftigt 
und  viele  Jahre  als  Chefredakteur. 

St.  war  ein  pflicht-  und  überzeugungstreuer,  tapferer  und  unnahbarer 
Journalist,  der  sich  weder  durch  die  Rücksicht  auf  Persönlichkeiten,  noch  auf 
die  Gunst  der  Menge  in  dem  beirren  ließ,  was  er  für  das  Rechte  hielt.  Viel- 
leicht war  er  darin  etwas  altmodisch,  daß  er  keine  Vielseitigkeit  besaß,  noch 
erstrebte.  Er  hatte  kein  Verständnis  für  die  gewandten  Leute,  die  jeden  Tag 
ein  anderes  Gebiet  behandeln;  er  selbst  schrieb  nur  über  Gegenstände,  die  er 
durchaus  beherrschte  und  mit  dieser  Beschränkung  verband  er  die  Meister- 
schaft. Nicht  nur,  daß  seine  Artikel  über  die  politische  Entwickelung  in 
Deutschland  und  Preußen  seit  Beginn  der  sechziger  Jahre,  über  Verfassungs- 
kämpfe usw.  von  ehrlicher  Überzeugung  aus  tiefer  Sachkenntnis  getragen 
waren,  sie  zeichneten  sich  noch  besonders  durch  ihre  künstlerische  Form 
aus.  In  dieser  Beziehung  hatte  er  Ähnlichkeit  mit  Guido  Weiß  (vgl.  B.  J. 
1903,  S.  436),  der  auf  seine  Entwickelung  als  Publizist  großen  Einfluß  aus- 
übte. Auch  in  der  größten  Hitze  der  Polemik  verlor  er  nie  das  künstlerische 
Ebenmaß,  ließ  er  sich  nie  zu  einer  Geschmacklo.sigkeit  in  der  Form  hinreißen. 
Seine  glänzendsten  Artikel  entstammen  der  Zeit  des  Kulturkampfes  und  der 
Sozialistengesetzgebung.  Als  Bismarck  die  Frankfurter  Zeitung  im  Reichstag 
beschuldigte,  französischen  Interessen  zu  dienen,  da  wies  St.  diese  Anklage 
in  einem  bedeutenden  Artikel  zurück. 

Was  er  einmal  für  das  Rechte  erkannt,  dafür  trat  er  ohne  Furcht  vor 
den  Folgen  ein,  und  das  Wort  des  von  ihm  hochverehrten  Theodor  Storm 
war  ihm  Lebensregel : 

Der  Eine  fragt:  Was  kommt  davon? 
Der  Andre  fragt  nur:  Ist  es  recht? 
Und  also  unterscheidet  sich 
Der  Freie  von  dem  Knecht. 

Was  er  mit  seiner  kräftigen  Antwort  in  jener  Zeit  der  Bismarckbeleidi- 
gungen  wagte,  darüber  gab  er  sich  keiner  Täuschung  hin.  In  der  Tat 
brachte  sie  ihm  mehrmonatige  Gefängnisstrafe  ein,  wie  er  überhaupt  in 
seiner  langen  Journalistenlaufbahn  oft  »hinter  den  Gittern«  saß.  Diese  un- 
freiwillige Muße  benutzte  er  zu  literarischen  Studien,  deren  Früchte,  geist- 
und  gemütvolle  Plaudereien  aus  seinen  ostpreußischen  Tagen,  Feuilletons 
über  französische  Dichter,  über  Ziegler,  Chamisso  usw.  er  in  einem  Bande 
»Hinter  den  Gittern«  (1881)  erscheinen  ließ.  Er  war  ein  feiner  und  gründ- 
licher  Kenner  der  französischen   Literatur    und   hat    tüchtige  Arbeiten    über 


314 


Stern.     Grosse. 


Beaumarchais  und  Courrier  veröffentlicht.  Als  unter  seiner  Mitwirkung  die 
Frankfurter  Zeitung  mächtig  an  Ausdehnung  zunahm,  schrieb  er  nur  noch 
selten.  Wenn  aber  einmal  ein  Erzeugnis  seiner  Feder  erschien,  etwa  ein 
Geburtstagsgruß  an  seinen  alten  Landsmann  Bockum-Dolffs  oder  der  Nekrolog 
eines  bedeutenden  Zeitgenossen,  dann  war  dies  immer  ein  Festtag  für  den 
Feinschmecker.  Oft  hat  er  es  selbst  ausgesprochen,  daß  der  Chefredakteur 
eines  großen  Blattes  gar  nichts  selbst  schreiben  solle,  daß  die  Entscheidung, 
über  das,  was  aufzunehmen,  was  zu  verwerfen  sei,  eine  volle  Mannesarbeit 
bilde,  ein  »schlichtes  Heldentum«  nach  dem  großen. 

St.  war  mit  einer  Tochter  seines  Freundes  Guido  Weiß  verheiratet,  die 
ihm  1889  im  Tode  voranging.  Kurze  Zeit  war  er  Vertreter  Frankfurts  im 
preußischen  Landtag  (1882  bis  1885).  Im  täglichen  Verkehr  einfach,  von 
etwas  burschikosen  Formen,  war  er  ein  herzensguter  Mensch,  der  bis  in  sein 
Alter  die  Fähigkeit  hatte,  sich  zu  erwärmen'  und  zu  begeistern  und  der  »das 
höchste  Glück  der  Erdenkinder«  besaß,  eine  ganze  »Persönlichkeit«  zu  sein. 

Frankfurt  a.  M.  Sigmund  Schott. 

Grosse,  Julius  Waldemar,  als  Dichter  Mitglied  der  Münchener  Dichter- 
gruppe; Generalsekretär  der  Deutschen  Schillerstiftung,  Großherzoglich  Sächsi- 
scher Hofrat,  Professor,  Doktor,  *  am  25.  April  1828  in  Erfurt,  f  am 
9.  Mai  1902  in  Torbole  am  Gardasee,  Sohn  des  Militäroberpredigers  und 
Konsistorialrates  Dr.  Grosse,  besuchte  in  Magdeburg  das  Gymnasium,  wandte 
sich,  obgleich  er  sich  zum  Maler  berufen  glaubte,  der  Architektur  zu  und 
legte  sein  Staatsexamen  als  Geometer  ab.  In  Halle  erwachte  die  Neigung 
zur  Wissenschaft.  Er  ließ  sich  als  Studiosus  der  Jurisprudenz  immatriku- 
lieren, beschäftigte  sich  jedoch  —  im  engen  Verkehr  mit  Otto  Roquette  — 
vorzugsweise  mit  dem  Studium  der  poetischen  Literatur.  Ein  erstes  Trauer- 
spiel entstand;  ein  Lustspiel  »Eine  Nachtpartie  Shakespeares«  wurde  am 
Stadttheater  mit  Erfolg  aufgeführt.  Dadurch  zu  rein  künstlerischem  Wirken 
bestimmt,  ging  G.  1852  nach  München,  wo  er  eine  journalistische  Stellung 
an  der  Neuen  Münchener  Zeitung  und  später  an  der  Bayrischen  Zeitung  an- 
nahm, kam  in  Verkehr  mit  den  Häuptern  der  Münchener  Dichtergruppe,  die 
sich  im  »Krokodil«  zusammenschloß,  und  wurde  durch  Geibel  und  Heyse 
zu  reichem  poetischem  Schaffen  angefeuert.  Aus  diesem  schöpferisch  wie 
gesellig  gleich  fruchtbaren  Kreise  wurde  er  1869  als  Generalsekretär  der 
Schillerstiftung  abberufen.  Als  solcher  hatte  er  seinen  Wohnsitz  im  Vorort 
dieser  Stiftung  zu  nehmen,  wozu  1870  Weimar,  1875  Dresden,  1880  wieder 
Weimar,  1885  München,  1890,  1895  und  1900  abermals  Weimar  bestimmt 
wurde.  Hier  im  Schillerhause  wohnend,  mit  der  Ausübung  seines  verant- 
wortungsreichen Amtes  und  unausgesetzt  mit  dichterischen  Arbeiten  be- 
schäftigt, durfte  er  das  Leben  eines  Mannes  ausleben,  dessen  Wesens  Grund- 
züge Geradheit,  tiefe  Ehrlichkeit,  Treue,  Großzügigkeit  und  neben  starken 
poetischen  Gaben  und  einem  oft  mitreißenden  Temperament  eine  reiche  welt- 
umfassende Phantasie  waren.  Als  Sekretär  der  segensreichen  Schillerstiftung 
war  er  nach  Kräften  bestrebt,  das  ihm  Anvertraute  den  Würdigsten  der  Be- 
dürftigen zukommen  zu  lassen.  Seine  geselligen  Talente  erwarben  ihm 
Freunde,  seine  Charaktereigenschaften  erhielten  sie  ihm.  Auf  eine  reiche 
Vergangenheit  blickend,  die  ihn,  den  Preußen  und  Protestanten,  in  die  Mitte 


Grosse. 


315 


der  bayrischen  katholischen  Bevölkerung  geführt  hatte,  die  ihm  außerdem  den 
Vorzug  verschaffte,  die  wertvollsten  Erscheinungen  seiner  Zeit  unter  die  kritische 
Lupe  zu  nehmen,  besafi  er  die  schöne  Gabe  und  die  reiche  Erlebnisfülle  zu 
einem  Erzähler  ersten  Ranges.  Hat  er  sich  als  solcher  auch  in  seinen  No- 
vellen und  Romanen  (»Frauenlos«,  »Der  getreue  Eckardt«,  »Am 
Walchensee«,  »Das  Bürgerweib  von  Weimar«  u.  a.)  bewährt,  so  lag  es 
seinem  Formbedürfnis  doch  mehr,  die  Erzählung  durch  fein-poetische  Fassung 
in  den  Bereich  des  Künstlerischen  zu  heben.  Zu  den  Werken  dieses  Genres 
gehören  seine  formsicheren,  durch  reiche  Kleinmalerei  und  Anbringung 
fesselnder  menschlicher  Züge  vertieften  epischen  Dichtungen,  vor  anderen: 
»Gundel  vom  Königssee«;  »Der  graue  Zelter«;  »Das  Mädchen  von 
Capri«.  Alle  diese  zum  Teil  von  der  überreich  quellenden  Phantasie  des 
Poeten  Zeugnis  ablegenden,  mehr  idyllisch  gehaltenen  Werke  überragt  das 
groß  angelegte  »Volkramslied«  schon  durch  den  dichterischen  Vorwurf,  die 
Entwicklung  der  Deutschen  zur  nationalen  Einheit  und  Größe  geben  zu 
wollen.  Mag  man  an  dem  vorliegenden  Epos  (das  die  dritte  Auflage  er- 
lebte) auch  die  eiserne,  straff  fortführende  Hand  des  geborenen  Epikers  ver- 
missen, so  erfüllt  die  vollendete  Form  der  einzelnen  Teile,  der  weit  aus- 
greifende Inhalt  den  Leser  doch  mit  hoher  Achtung  vor  des  Dichters 
Können..  —  Ähnliche  Empfindungen  werden  vor  den  zahlreichen  Schau- 
spielen G.s  (»Johann  von  Schwaben«;  »Friedrich  von  der  Pfalz«; 
»Tiberius«)  wach,  mit  denen  er  in  heißem  Ringen  wieder  und  wieder  um 
die  Palme  des  Sieges  auch  auf  dramatischem  Gebiete  warb.  Sie  alle  streben, 
oft  mit  starkem  Feuer  der  Leidenschaft,  das  Höchste  an,  aber  in  der  An- 
spannung der  Mittel  zielen  sie  vielfach  zu  hoch  und  überschlagen  dadurch 
die  Wirkung.  Dennoch  ist  das  sicher  achtbare  Talent  verschiedentlich  aner- 
kannt; in  München,  als  G.  mit  den  »Vnglingern«  einen  vom  Hoftheater  aus- 
gesetzten Preis  für  die  beste  Tragödie  gewann,  in  Weimar,  wo  noch  im 
Winter  1898-99  die  Aufführung  des  faustisch  -  mystischen  Märchendramas 
»Fortunat«  zu  Ehrungen  des  bejahrten,  siebzigjährigen  Dichters  führte.  — 
Haben  wir  mit  den  genannten  Werken  'Schöpfungen  vor  uns,  die  G.  in  die 
Gefolgschaft  der  sog.  »Münchener«  weisen,  so  müssen  wir  ihm,  so  bald  wir 
auf  seine  Lyrik  kommen,  sogleich  einen  besonderen  Platz  einräumen; 
bei  G.s  Lyrik,  die  romantisch-malerische  Züge  trägt,  vermag  der  Leser  im 
Genüsse  des  Gebotenen  völlig  aufzugehen.  Er  hat  die  Empfindung,  bei  einem 
Großen  zu  Gast  zu  sein.  Starker,  eigener  Ton,  der  den  Reichtum  üppig 
quellender  Bilder  zu  einer  Einheit  zusammenschließt,  pulst  in  allen  Gedichten. 
Ein  hoher  Grad  von  Anschaulichkeit,  in  die  alles  Gedankliche  umgesetzt  ist, 
gewährt  ihnen  den  Vorzug  hoher,  reiner,  echter  Poesie.  Der  starke  lyrische 
Akzent  erstreckt  sich  bis  auf  die  längeren  erzählenden  Gedichte,  deren 
Kabinettstücke  bisher  leider  noch  viel  zu  wenig  bekannt  sind,  die  aber  schon 
Adolf  Bartels  neben  die  verwandten  Chamissos  stellt.  —  So  reich  G.  auch 
schuf,  sein  volles,  Welt  und  Menschen  umfassendes  Leben  hat  er  nicht  aus- 
geschöpft. Es  liegt  reizvoll  und  charakteristisch  dargestellt  vor  unseren  Augen 
in  seiner  Selbstbiographie:  »Ursachen  und  Wirkungen«  (Braunschweig, 
bei  Georg  Westermann),  deren  Lektüre  zur  vollen  Kenntnis  des  Menschen  wie 
des  Dichters  G.  gehört.  Freund  Heyse  hatte  ihm  den  Namen  des  letzten 
Romantikers    gegeben   —   er  aber  war  nur  ein  echter  Sohn    seiner  thüringi- 


^  1 5  Grosse.     Buchner. 

sehen  Heimat,  von  unablässig  webender  Phantasie  angefüllt.  Wo  die  Stärke 
der  Gestaltung,  die  Wärme  des  Temperaments  sich  dieser  zugesellt,  hat  der 
Verstorbene  Wertvolles  und  Bleibendes  [geschaffen.  Das  deutsche  Volk  soll 
es  ihm  danken. 

Weimar,  Oktober  1904.  Wilhelm  Arminius. 

Buchner,  Hans,  ordentlicher  Professor  der  Hygiene  und  Direktor  des  hygie- 
nischen Instituts  der  Universität  München,  *  am  16.  Dezember  1850  in  Mün- 
chen, f  am  5.  April  1902  daselbst. 

Nur  wenig  mehr  als  ein  Jahr  hat  der  geniale  Nachfolger  Pettenkofers  seinen 
großen  Vorgänger  überlebt.  Allzu  früh  ist  diese  wissenschaftlich  hervorragende 
und  edle  Persönlichkeit  erloschen.  B.s  Lebenslauf,  von  seltenem  Reichtum  an 
geistiger  Bewegung  und  Inhalt,  verlief  äußerlich  ungemein  einfach.  In  München, 
als  Sohn  des  außerordentlichen  Universitätsprofessors  der  gerichtlichen  Medizin 
und  praktischen  Arztes  Dr.  Ernst  Buchner  und  dessen  Gattin  Friederike 
Martin  geboren,  verbrachte  er  sein  ganzes  Leben  mit* wenigen,  kurzdauernden 
Unterbrechungen  in  seiner  Vaterstadt.  Hier  absolvierte  er  seine  Gymnasialstudien 
und  den  größten  Teil  seiner  medizinischen.  Frühzeitig  von  den  Problemen 
der  Biologie  gefesselt,  befaßte  er  sich  schon  als  Student  mit  physiologischen 
Forschungen,  zuerst  als  Schüler  Karl  v.  Voits,  später  unter  der.  Leitung 
von  Karl  Ludwig  in  Leipzig.  Mehrere  wertvolle  Arbeiten  stammen  aus 
dieser  Zeit.  Im  Jahre  1874  erlangte  er  die  Approbation  als  Arzt  und  den 
Doktorgrad.  1875  trat  er  in  das  bayrische  militärärztliche  Korps  ein.  Seine 
Vorgesetzten  erkannten  bald,  daß  in  dem  zu  strahlender  männlicher  Schönheit 
erblühten  Jüngling  ein  Geist  von  seltenem  Drang  nach  wissenschaftlicher  Er- 
kenntnis, von  ungewöhnlicher  Kraft  und  Selbständigkeit  stecke.  Er  wurde 
bald  dem  sog.  »Operationskurse«,  der  der  wissenschaftlichen  Fortbildung  der 
bayrischen  Militärärzte  dient,  zugeteilt  und  wirkte  an  diesem,  von  seinem 
unmittelbaren  Chef,  Generalarzt  Dr.  Port,  aufs  liebevollste  gefördert,  später 
als  Leiter  der  dem  Operationskurse  angegliederten  hygienisch -bakteriolo- 
gischen Untersuchungsstation  bis  zum  Jahre  1894.  1880  habilitierte  er  sich 
an  der  Universität  als  Privatdozent  für  Hygiene,  1882  gewann  er  in  der 
Badenserin  Auguste  Stutz  eine  liebreizende,  geistig  ebenbürtige  Gattin,  die 
ihm  zwei  Töchter  schenkte.  1892  wurde  er  zum  Professor  extraordinarius, 
1894  nach  dem  Rücktritte  Pettenkofers  zum  Ordinarius   ernannt. 

Die  bleibende  Bedeutung  B.s  liegt  in  seinen  Forschungen  über  die  Bak- 
terie, und  über  die  Pathologie  der  Infektionskrankheiten.  Er  muß  als  einer 
der  Mitbegründer  der  modernen  Bakteriologie  bezeichnet  werden.  Karl 
v.  Nägeli,  der  große  Botaniker,  war  es,  der  ihn  in  diese  Richtung  lenkte. 
Als  Nägeli  im  Jahre  1876  im  Begriffe  stand,  die  Ergebnisse  seiner  Über- 
legungen und  Forschungen  über  die  niederen  Pilze  und  ihre  Beziehungen  zur 
Gärung  und  Fäulnis  und  zu  den  Infektionskrankheiten  zu  formulieren,  was 
zu  seinen  berühmten  Vorlesungen  im  Münchener  ärztlichen  Vereine  1876-187 7 
führte,  suchte  er  einen  ärztlichen  Mitarbeiter,  der  ihn  mit  medizinischem 
Wissen  zu  ergänzen  und  durch  Experimente  am  Tiere  die  Probe  auf  die 
Richtigkeit  .seiner  Deduktionen  zu  machen  imstande  wäre.  So  gelangte  B. 
in  den  Bannkreis  dieses  mächtigen  Geistes.  Nägelis  Grundgedanken  über 
das  Wesen  der  Infektionskrankheiten  und  darüber  hinaus  seine  Vorstellungen 


Buchner. 


317 


Über  den  Bau  der  organisierten  Natur  und  die  Entwicklung  der  Organismen- 
welt wurden  zur  bleibenden  Grundlage  von  B.s  Forschungen,  ohne  daß  er 
etwa  ein  kritikloser  Nachbeter  seines  Lehrers  gewesen  wäre.  Zwei  ver- 
wandte Intelligenzen  waren  zusammengetroffen.  B.  teilte  mit  dem  außer- 
ordentlichen Manne  den  Zug  ins  Große,  zum  Ganzen,  das  Verlangen  nach 
geistiger  Umspannung  und  harmonischer  Ordnung  des  Naturganzen,  das 
kühne  Hindrängen  bis  zu  den  äußersten  Grenzen  der  Naturerkenntnis,  die 
spekulative  Lust,  aus  den  gemachten  Beobachtungen  die  letzten  logischen 
Konsequenzen  zu  ziehen,  die  Neigung,  aus  einer  umfassenden  Theorie  her- 
aus Fragestellungen  für  die  experimentelle  Forschung  zn  finden. 

Mit  Begeisterung  nahm  B.  die  Darlegungen  Nägelis  auf,  die  mitten  in  der 
damals  noch  fast  ganz  allgemeinen  Verwirrung  und  Zweifelsucht  mit  bewun- 
derungswürdiger Klarheit  bewiesen,  daß  die  Infektionsstoffe  Mikrobien  und 
zwar  Bakterien  sein  müßten  und  welche  aus  dem  über  das  Leben  und  die 
Eigenschaften  der  Bakterien  Bekannten  sofort  die  wichtigsten  Folgerungen 
für  die  V^erbreitungsweise  der  Infektionskrankheiten  zogen.  Noch  tiefer  er- 
griff ihn  Nägelis  Auffassung  der  Infektionskrankheit  als  eines  Konkurrenzkampfes 
zweier,  in  ihren  Eigenschaften  veränderlicher  Organismen,  des  Parasiten  und 
seines  Wirtes;  die  dadurch  eröffnete  Möglichkeit  des  Verständnisses  für  den 
so  verschiedenartigen  Verlauf  und  Ausgang  der  Krankheit,  die  darauf  be- 
gründete Hoffnung,  den  Gang  der  Krankheit  willkürlich  beeinflussen  zu 
können. 

Mit  Feuereifer  machte  sich  B.  an  die  Aufgabe,  die  ihm  Nägeli  gestellt 
hatte  und  bereits  im  Jahre  1877  veröffentlichte  er  die  Schrift  >'Die  Nägeli- 
sche Theorie  der  Infektionskrankheiten  in  ihren  Beziehungen  zur  medizinischen 
Erfahrung«  (Leipzig,  Engelmann),  eine  trotz  ihrer  Jugendlichkeit  höchst  be- 
merkenswerte Arbeit,  überaus  charakteristisch  für  B.s  geistige  Art,  durch  die 
eigentümliche  Verbindung  von  scharfer  Logik  und  Kritik  mit  wagender 
Phantasie.  Ihr  bleibender  Wert  liegt  hauptsächlich  darin,  daß  sie  in  einer 
Zeit,  in  welcher  es  schien,  als  ob  das  alte  »Krankheitswesen«  (Ens  morbi)  in 
der  Form  des  Bakteriums  wieder  aufleben  sollte,  mit  allem  ontologischen 
Irrtum  und  Mißverständnis  gründlich  aufräumte  und  die  Krankheit  als 
die  Summe  der  Reaktionen  des  Organismus  auf  einen  abnormen 
Reiz  hinstellte;  ferner  darin,  daß  B.  im  Gegensatze  zu  der  landläufigen 
Meinung  im  Entzündungsprozesse  eine  zweckmäßige  Reaktion,  einen 
Hei  lungs  vor  gang  erkannte  und  die  Richtigkeit  dieser  Deutung  durch  ein 
ausgezeichnetes  Experiment  schlagend  bewies.  Der  überraschende  Erfolg 
dieses  Versuches  machte  auf  B.  nachhaltigen  Eindruck  und  leitete  ihn  zu 
Forschungen  über  die  Abwehreinrichtungen  des  Organismus,  die  er  bis  zum 
Lebensende  fortsetzte. 

Im  Jahre  1878  gelang  B.  der  Nachweis,  daß  es  in  der  Tat  möglich  sei, 
wie  Nägeli  postuliert  hatte,  die  pathogenen  Bakterien  ihrer  krankmachenden 
Eigenschaften  zu  berauben.  Durch  Züchtung  unter  geeigneten  Versuchsbe- 
dingungen gelang  es  ihm,  zwei  Jahre  bevor  Pasteur  über  analoge  Ergeb- 
nisse berichtete,  hochvirulente  Milzbrandbazillen  in  eine  völlig  unschädliche 
Rasse  umzuwandeln.  Diese  Entdeckung  der  sog.  Abschwächbarkeit  der 
Bakterien,  die  den  Aberglauben  an  eine  absolute  Konstanz  dieser  Lebe- 
wesen   zerstörte,    eröffnete    eine    neue    Epoche    der    Bakteriologie.      Leider 


3 1 8  Buchner. 

schädigte  B.  seinen  Ruhm,  indem  er  bei  Fortsetzung  seiner  Untersuchungen 
sich  verirrte  und  meinte,  er  habe  den  Milzbrandbacillus  in  den  Heubacillus 
umgewandelt  und  er  könne  aus  den  Heubazilien  wieder  Milzbrandbazillen 
machen.  Auch  noch  in  einem  zweiten  Falle  brachte  ihm  sein  jugendlicher 
Ungestüm  Schaden;  seine  überschwenglich  gehegten  Hoffnungen,  durch  Arsen 
einen  »entzündlichen  Zustand«  herbeizuführen  und  dadurch  die  Tuberkulose 
zu  heilen,  erlitten  Schiffbruch  (1883- 1884).  Es  kostete  ihm  lange  Jahre 
ernstester,  zähester  Arbeit  und  strenger  Selbstzucht,  um  diese  Scharte  auszu- 
wetzen und  das  Mißtrauen  seiner  Fachgenossen   zu  tilgen. 

Welch  ausgezeichneter  Naturforscher  und  Experimentator  er  trotzdem  war, 
bewies  B.  durch  seine  Methode  der  »Einzelkultur«  zur  Reinzüchtung  der 
Mikrobien  aus  ihren  Gemischen,  durch  seine  Versuche  über  die  Fortführung 
von  Pilzen  aus  Flüssigkeiten  und  von  feuchten  Oberflächen  weg  durch  Luft- 
ströme, durch  seine  grundlegenden  Untersuchungen  über  die  Entstehung  von 
Milzbrand  nach  Einatmung  der  Keime,  durch  seine  Methode  der  Reinkultur 
von  solchen  Bakterien,  für  welche  der  Sauerstoff  der  Luft  giftig  ist  (Anaero- 
bien),  durch  seine  Messung  der  Vermehrungsgeschwindigkeit  der  Bakterien, 
durch  seine  Beobachtungen  über  die  Desinfektionskraft  des  Lichtes  und  die 
über  den  Einfluß  des  Sauerstoffs  auf  die  Gärung.  Grundlegend  waren  ferner 
seine  Studien  über  die  Morphologie  der  Bakterien,  von  denen  seine  Arbeiten 
über  das  Glycerinaethylbakterium,  über  den  Choleravibrio  und  seine  Ver- 
wandten, über  den  Emmerich  sehen  sog.  Neapeler  Cholerabacillus,  über  die 
angebliche  Sporenbildung  des  Typhusbacillus  genannt  seien.  Sie  sind  wert- 
voll teils  wegen  der  Erweiterung  der  Methodik,  die  sie  brachten,  teils  wegen 
des  unumstößlichen  Nachweises,  daß  die  Gestalt  der  Mikrobien  ebensowenig 
eine  unveränderliche  Größe  ist  als  ihr  physiologisches  Verhalten. 

1888  begann  B.  wieder  Untersuchungen  zu  veröffentlichen,  die  sich  auf 
die  natürliche  Widerstandsfähigkeit  des  Organismus  gegenüber  den  Mikro- 
bien bezogen  und  an  seine  alten  Vorstellungen  über  die  Bedeutung  der  Ent- 
zündung anknüpften.  Er  analysierte  jetzt  im  Anschlüsse  an  die  meisterhaften 
Untersuchungen  Metschnikoffs  über  die  Phagocyten,  —  jene  Körperzellen, 
welche  die  eingedrungenen  Mikrobien  auffressen  und  verdauen  —  und  in  Ver- 
folgung der  Versuchsresultate  von  Nuttall  über  die  Bakterientötung  durch 
frisches  Blut  den  Entzündungsprozeß  genauer.  Bei  voller  Anerkennung  der 
Befunde  von  Metschnikoff  kam  er  doch  bald  zur  Überzeugung,  daß  die 
Phagocytose  weder  der  einzige  noch  der  wichtigste  und  primäre  Vorgang  bei 
der  Heilung  sei,  daß  die  wichtigste  Schutzwirkung  von  gelösten  Stoffen, 
von  den  Säften  ausgehen  müsse.  Seine  und  seiner  Schüler  Arbeiten  über  die 
baktericide  Wirkung  des  Blutserums  gehören  zu  B.s  besten  Leistungen. 
Es  gelang  ihm  der  Beweis,  daß  die  Fähigkeit  des  Blutes  und  des  Blutserums, 
Bakterien  abzutöten,  auf  ihrem  Gehalte  an  besonderen  kolloiden,  den  Eiweiß- 
körpern nahestehenden,  sehr  hinfälligen  Stoffen  beruht,  die  er  Alexine  nannte. 

Ebenso  gewichtig  sind  B.s  Forschungen  über  die  Erzeugung  von  Ent- 
zündung, Eiterbildung  und  Fieber  durch  Einverleibung  abgetöteter  Bakterien 
und  gewisser  eiweißhaltiger  Leibesbestandteile  der  Bakterien,  die  er  Proteine 
nannte.  Das  alte  »Tuberkulin«  Kochs  gehört  zu  diesen  Proteinen,  wie  B. 
sogleich  erkannte,  bevor  noch  Koch  die  anfangs  geheimgehaltene  Herstellung 
dieses  Präparates  bekanntgegeben  hatte. 


Büchner. 


319 


Von  B.s  Forschungen  über  die  Wirkung  der  Zellleiber  der  Mikrobien 
haben  die  Untersuchungen  seines  Bruders  Eduard  Buchner  über  die  Bier- 
hefe ihren  Ausgang  genommen,  welche  zu  der  unsere  ganzen  Vorstellungen 
über  den  Chemismus  der  Zelle  umgestaltenden  Entdeckung  führten,  daß  die 
Alkoholgärung  nicht  unmittelbar  an  das  Leben  der  Hefezelle  geknüpft, 
sondern  durch  eine  besondere,  von  der  Hefezelle  erzeugte,  fermentartige 
Substanz,  die  »Zymase«,  verursacht  ist  (1897). 

Aufs  intensivste  beschäftigte  B.  bis  in  die  letzte  Zeit  der  Ursprung  der 
Alexine.  Er  bildete  sich  die  Überzeugung,  daß  diese  von  den  Leukocyten 
oder  weißen  Blutkörperchen,  der  wichtigsten  Sorte  der  Metschnik  off  sehen 
Phagocyten,  ausgeschieden  werden  und  brachte  dafür  im  Vereine  mit  seinen 
Schülern  sehr  wichtige  Argumente  bei.  Er  versuchte  auf  diese  Weise  seine 
eigene  Auffassung  der  natürlichen  Resistenz  des  Organismus  mit  der  Phago- 
cytentheorie  in  Einklang  zu  bringen  und  entwickelte  seine  Vorstellungen 
über  Erkranken  und  Genesen,  über  das  Widerspiel  der  Mikrobien  mit  ihren 
Toxinen  und  der  Leukocyten  mit  ihren  Alexinen  und  ihrer  Freßtätigkeit  zu 
großer  Klarheit.  Eine  Fülle  von  Gedanken  über  die  Verwertbarkeit  seiner 
Erkentnisse  für  die  Therapie  strömte  ihm  zu.  Krankheit  und  Tod  verwehrten 
ihm,  sie  weiter  zu  verfolgen. 

Neben  seinen  beharrlichen,  tief  eindringenden  Forschungen  trieb  B. 
Studien  aller  Art.  Er  war  kein  Fachgelehrter,  der  sich  um  nichts  be- 
kümmert, als  um  sein  enges  Arbeitsgebiet.  Sein  hochfliegender  Geist  suchte 
die  Gesamtheit  der  menschlichen  Erkenntnis  zu  umfassen,  zu  einer  einheit- 
lichen Auffassung  von  Natur-  und  Geisteswelt  durchzudringen. 

Feuriger  deutscher  Patriot,  Menschenfreund  voll  Liebe,  war  er  unablässig 
bemüht,  so  viel  er  vermochte,  die  Ergebnisse  der  Naturforschung  im  allge- 
meinen und  der  Hygiene  im  besonderen  für  das  allgemeine  Wohl  nutzbar  zu 
machen.  Namentlich  seitdem  er  auf  einen  so  hervorragenden  Platz  wie  den 
Lehrstuhl  Pettenkofers  gestellt  worden  war,  hielt  er  sich  verpflichtet,  über- 
all seine  Stimme  zu  erheben,  wo  er  die  körperliche  und  sittliche  Tüchtigkeit 
des  Volkes  fördern  zu  können  hoffen  durfte. 

Die  landläufige  Hygiene,  die  sich  nur  um  das  Tier  im  Menschen  be- 
kümmert, befriedigte  ihn  nicht.  Wenn  die  Hygiene  zum  Kulturfaktor  werden 
soll,  muß  sie  nach  seiner  Meinung  den  Menschen  als  intellektuelles  und  sitt- 
liches Wesen  erfassen.  Daher  erstreckten  sich  B.s  Veröffentlichungen  weit 
über  jene  Grenzen  hinaus,  die  man  gewöhnlich  der  Hygiene  zieht;  nament- 
lich auch  auf  naturphilosophische  Fragen  und  auf  Probleme  des  Unterrichts 
und  der  Erziehung. 

Alle  diese  Leistungen  wurden  mit  eiserner  Energie  einem  seit  Jahren 
siechen,  an  den  mannigfachsten  Gebrechen  leidenden  Körper  abgerungen. 
B.s  Los  erscheint  aufs  erste  bejammernswert  und  der  Alltagsmensch  wird 
kaum  begreifen,  wie  B.  zwei  Tage  vor  seinem  Tode,  nach  Jahren  voll  Be- 
schwerden, nach  acht  Monaten  qualvoller  Krankheit,  im  Zustande  äußer- 
sten körperlichen  Verfalles  einem  Freunde  zurufen  konnte:  »Könnte  ich  dir 
doch  meine  Lebenslust  vermachen!«  B.  war  in  der  Tat  trotz  seines  grau- 
samen Schicksals  einer  der  glücklichsten  Menschen.  Quelle  seines  Glücks 
war  die  Erhabenheit  seines  Geistes.  Das  »primäre  Ich«  —  wie  es  der  große 
Himanatom  Meynert  genannt  hat  —  der  Leib  mit  allen  seinen  Bedürfnissen 


320 


Buchner.     Karion. 


und  Schmerzen,  die  ganze  Not  des  vergänglichen,  von  den  unberechenbaren 
Wechselfällen  des  Geschicks  abhängigen  Einzeldaseins  spielte  in  seinem  Be- 
wußtsein eine  sehr  unbedeutende  Rolle.  Es  verschwand  gegenüber  dem 
Reichtum  und  dem  intensiven  Empfindungsgehalt  seines  »sekundären  Ich«, 
das  die  ganze  Welt  mit  nie  erlahmendem  Interesse,  mit  feurigem  Anteil  um- 
spannte. Die  Lustempfindungen,  die  ihm  aus  der  Beschäftigung  mit  den 
ewigen  Fragen  der  Wissenschaft  und  der  Menschheitsentwicklung  erwuchsen, 
übertönten  alle  Unlust  und  allen  Schmerz  des  vergänglichen  Individuums. 
Er  hatte  das  höchste  Ziel  menschlicher  Sehnsucht  erreicht:  Freiheit.  Auch 
er  durfte  fragen:  »Tod,  wo  ist  dein  Stachel,  Hölle,  wo  ist  dein  Sieg?« 

Die  Veröffentlichungen  B.s  finden  sich  zum  größten  Teile  im  »Archiv  für 
Hygiene«,  in  der  >' Münchener  medizinischen  Wochenschrift«  und  in  der  »Beilage 
der  Allgemeinen  Zeitung«.  In  den  letzteren  erschien  auch  ein  Nekrolog  B.s 
von  Martin  Hahn  mit  vollständigem  Verzeichnis  der  Publikationen. 

M.  Gruber. 

Karion,  Alois,  *  i.  Februar  1835  zu  Trofaiach  in  Obersteier,  f  zu  Graz 
9.  Februar  1902.  —  K.  besuchte  von  1847  bis  1855  das  akademische  Gymnasium 
in  Graz,  trat  dann  in  die  theologische  Fakultät  ein  und  wurde  am  25.  Juli  1858 
zum  Priester  geweiht.  Noch  während  der  theologischen  Studien  konnte 
er  wegen  seiner  vorzüglichen  Kenntnisse  in  den  alten  Sprachen  als  Präfekt 
im  fürstbischöflichen  Knabenseminar  verwendet  werden,  wo  er  auch  nach  der 
Absolvierung  der  Theologie  wirkte.  1864  wurde  er  Kaplan  an  der  Anima  in 
Rom  und  fand  nun  Gelegenheit,  sich  mit  den  politischen  Plänen  der  streitenden 
Kirche  vertraut  zu  machen.  Daß  er  hier  mit  führenden  Persönlichkeiten  der 
Gesellschaft  Jesu  in  Verkehr  getreten  ist,  hat  er  selbst  zugestanden;  ob  er 
ein  bestimmtes  Verhältnis  zum  Orden  einging,  wurde  nicht  bekannt.  Seine 
Rückkehr  nach  Graz  (1867)  war  jedoch  ohne  Zweifel  mit  einer  politischen 
Sendung  verbunden,  denn  mit  ihr  fällt  der  Beginn  der  ultramontanen  Bewegung 
in  Steiermark  zusammen.  K.  stellte  zunächst  den  fÄir  die  Agitation  im  großen 
Stile  unerläßlichen  Apparat  her,  er  begründete,  unterstützt  von  D.  Johannes 
Zwerger,  Fürstbischof  von  Seckau,  das  »Grazer  Volksblatt«  als  Organ  der 
katholisch-konservativen  Partei,  die  durch  eine  große  Zahl  von  Vereinen,  deren 
Leiter  meistens  Pfarrer  oder  Kapläne  wurden,  ihre  Wirksamkeit  über  das 
ganze  Land  erstrecken  konnte.  Der  erste  Katholikentag  in  Graz  (1869)  war 
zugleich  die  erste  Probemobilisierung  der  Bauernmassen,  die  im  darauffolgenden 
Jahre  zu  den  Wahlurnen  geführt  werden  konnten.  Sie  eroberten  im  ersten 
Anstürme  zehn  Landtagsmandate,  1873  fast  sämtliche  Reichsratsmandate  aus 
der  Gruppe  der  Landgemeinden.  K.  trat  als  einer  der  fähigsten  Organisatoren 
der  ultramontanen  Opposition  gegen  die  interkonfessionellen  und  Schulgesetze 
in  das  Abgeordnetenhaus  des  Reichsrates  ein,  wurde  Mitglied  des  steierischen 
Landesausschusses,  dem  er  bis  1896  angehörte  und  beteiligte  sich  an  allen 
Unternehmungen  des  Zentrums,  dessen  Gründer  er  war  und  als  dessen  geistiges 
Haupt  er  vom  Ministerium  Taaffe  bis  zum  Koalitionsministerium  angesehen 
wurde.  So  rücksichtslos  und  offensiv  er  im  Parteikampfe  auftrat,  so  zuvor- 
kommend und  liebenswürdig  gab  er  sich  im  geschäftlichen  Verkehr.  Dies 
kam  namentlich  dem  katholischen  Preßverein  und  der  Buchdruckerei  und 
Verlagsanstalt   »Styria«   zugute,   die    seine  Schöpfung  genannt    werden    muß. 


Karion.     Fercher.     Beer. 


321 


In  verhältnismäßig  kurzer  Zeit  wurde  diese  Anstalt  ein  erstklassiges  Unter- 
nehmen, weil  K.s  weitblickender  und  kühner  Geschäftsgeist  es  über  die  be- 
schränkten Verhältnisse  einer  Provinzdruckerei  rasch  emporzuheben  verstand. 
Daß  mit  K.s  parlamentarischer  Laufbahn  auch  seine  hierarchische  Schritt 
hielt,  —  er  starb  als  Domdechant  von  Seckau  —  lag  in  dem  großen  Einflüsse 
begründet,  den  er  auf  den  deutschen  Klerus  der  Steiermark  ausübte,  der  ihm 
blindlings  folgte,  bis  sich  in  den  neunziger  Jahren  auch  hier  die  christlich- 
soziale Bewegung  geltend  machte.  H.  v.  Zwiedineck-Südenhorst. 

Fercher  (Kleinfercher),  Johann,  genannt  Fercher  von  Steinwand,  Dichter, 
*  am  22.  März  1828  zu  Steinwand  in  Kärnten,  f  am  7.  März  1902  zu  Wien. 

—  Die  erste  Schule  besuchte  er  in  Sankt  Georgen,  das  Gymnasium  in  Klagen- 
furt, die  Universität  in  Graz  und  Wien,  trieb  juristische  und  philosophische 
St-udien,  erkrankte  schwer  am  Nervenfieber;  nach  seiner  Genesung  1854  trat 
er  im  »Wanderer«  mit  Gedichten  (»Der  Eisenbahnzug«;  »Grabbe«)  hervor. 
Sein  nächster  Jugendfreund  war  sein  Landsmann,  der  bekannte  Schulmann 
Alois  Egger,  nachmals  v.  Möllwald,  zu  seinen  ersten  Förderern  gehörten  Lud- 
wig August  Frankl  und  der  Anatom  Hyrtl.  1867  gewann  F.  den  vom 
österreichischen  Reichsrat  für  eine  Dichtung  ausgesetzten  Preis  mit  der  Tra- 
gödie »Dankmar«.  1874  folgte  das  satirische  Gedicht  »Gräfin  Seelenbrand«, 
dem  Hamerling  seinen  Beistand  schenkte.  1881  veröffentlichte  F.  »Deutsche 
Klänge  aus  Österreich«,  1898  »Johannisfeuer«,   Gedichte. 

Fercher  von  Steinwands  sämtliche  Werke  wurden  nach  seinem  Tode  von  Josef  Fach- 
bach E.  V.  Lohnbach  in  3  Bänden  mit  Einleitungen  von  Franz  Christel  und  Dr.  Wolfgang 
Madjera  in  Theodor  Daberkows  Verlag  in  Wien  herausgegeben.  Ebendort  autobiographische 
Mitteilungen  F.s. 

Beer,  Adolf,  Historiker  und  Politiker,  *  27.  Februar  1831  zu  Proßnitz 
in  Mähren,  f  7.  Mai  1902  in  Wien.  —  Unter  großen  Entbehrungen  gelang  es 
B.,  das  Gymnasium  zuerst  in  seiner  Vaterstadt,  später  in  Preßburg  und  Buda- 
pest zu  absolvieren,  die  Universitätsstudien  in  Prag,  Wien,  Berlin  und 
Heidelberg  zu  vollenden.     Er  hat  oft  —  zumal   in  den  letzten  Lebensjahren 

—  von  den  Schwierigkeiten  erzählt,  die  er  zu  überwinden  hatte,  ehe  er  sich 
den  Doktorhut  aufs  Haupt  setzen  durfte,  wie  nur  die  äußerste  Sparsamkeit 
ihm  die  Durchführung  seines  Lieblingsplanes  ermöglichte,  einige  Semester  im 
Auslande  zu  studieren,  um  von  Ranke  und  Häusser  in  die  Geheimnisse  der 
historischen  Forschung  eingeführt  zu  werden.  Aber  auch  als  junger  Doktor 
und  geprüfter  Lehramtskandidat  war  B.  nicht  weich  gebettet.  An  eine  aka- 
demische Karriere  war  vorerst  nicht  zu  denken.  B.  mußte  es  vielmehr  als 
ein  Glück  betrachten,  daß  sich  ihm  rasch  die  Möglichkeit  bot,  an  einer 
Mittelschule  unterzukommen.  Er  wurde  1853  Lehrer  am  Czernowitzer  Gym- 
nasium. Die  Briefe,  die  er  von  dort  an  einen  Jugendfreund  richtete, 
zeigen,  wie  schweren  Herzens  er  sich  zur  Übernahme  eines  Lehramts  ent- 
schlossen hatte,  das  ihn  weit  weg  von  der  Reichshauptstadt  und  damit  von 
der  Stätte  führte,  wo  der  überaus  fleißige,  begabte  und  ehrgeizige  junge 
Mann  Befriedigung  seines  unersättlichen  Wissensdurstes  hoffen  durfte.  Die- 
selben Briefe  beweisen  aber  auch,  wie  energisch  B.  in  der  kleinen  Landes- 
hauptstadt an  seiner  Fortbildung  arbeitete  und  wie  fest  die  Überzeugung  ihn 

Bio^r.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog^.   7.  Bd.  2 1 


322 


Beer. 


durchdrang,  daß  einem  ehrlichen  Streben  auf  die  Dauer  der  Erfolg  nicht 
versagt  bleiben  könne.  In  der  Tat  wurde  B.  nach  kurzer  Zeit  von  Czemo- 
witz  nach  Prag  versetzt.  Hier  fand  sein  regsamer  Geist  bessere  Nahrung; 
er  studierte  eifrig  in  Bibliotheken  und  Archiven  und  knüpfte  eine  Reihe  für 
die  Zukunft  bedeutsamer  Verbindungen  —  unter  anderen  mit  Hasner,  dem 
späteren  Unterrichtsminister  —  an.  Auch  öffneten  sich  dort  dem  lebensfrohen 
jungen  Manne,  dessen  schöner  ausdrucksvoller  Kopf  auf  einem  prächtig  ge- 
bauten Körper  saß,  die  Tore  der  besten  Gesellschaft.  Und  B.  verstand  es, 
den  günstigen  Eindruck,  den  er  im  ersten  Augenblicke  machte,  durch  Geist, 
Beredsamkeit  und  Beweise  eines  ehrenhaften  Charakters  derart  zu  befestigen, 
daß  er  bald  zu  den  beliebtesten  Männern    der  Stadt  zählte. 

Aber  auch  in  Prag  war  seines  Bleibens  nicht.  1857  nahm  er  eine  Lehr- 
stelle für  österreichische  Geschichte  an  der  Rechtsakademie  zu  Großwardein 
an,  die  er  bereits  im  folgenden  Jahre  mit  der  Professur  für  Handelsgeschichte 
an  der  Wiener  Handelsakademie  vertauschte.  Sein  Wunsch,  in  der  Reichs- 
hauptstadt an  seiner  Fortbildung  arbeiten  zu  können,  war  nun  erfüllt.  Er 
machte  sofort  von  der  günstigen  Gelegenheit  den  ausgiebigsten  Gebrauch, 
begann  im  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchive  die  Zeiten  Maria  Theresias  und 
Josefs  II.  zu  erforschen,  knüpfte  mit  den  maßgebendsten  historischen  Zeit- 
schriften Verbindungen  an,  schrieb  für  dieselben  Kritiken  und  Aufsätze  histo- 
risch-politischen Inhaltes,  während  er  zu  gleicher  Zeit  durch  sein  Amt  dazu 
genötigt,  eingehende  Studien  auf  dem  Gebiete  der  Handelsgeschichte  machte. 
Bereits  im  Jahre  1860  erschien  als  Ergebnis  dieser  Forschungen  der  erste 
Band  einer  »Allgemeinen  Geschichte  des  Welthandels«,  der  das  Altertum 
und  Mittelalter,  im  Jahre  1862  ein  zweiter,  der  die  ersten  drei  Jahrhunderte 
der  neueren  Zeit  umfaßte,  1864  die  erste  Abteilung  des  dritten  Bandes,  in 
der  die  gewaltigen  Umwälzungen  geschildert  wurden,  die  zu  Beginn  des 
19.  Jahrhunderts  im  Welthandel  eintraten,  worauf  eine  eingehende  Erörterung 
der  englischen  Handelsgeschichte  und  Politik  in  der  ersten  Hälfte  des 
19.  Jahrhunderts  folgte.  Damit  schloß  B.  vorerst  ab.  Zum  Teil  waren  es 
äußere  Umstände,  die  ihm  die  Fortsetzung  dieses  Werkes  unmöglich  machten, 
zum  Teil  aber  wirkte  auch  die  Empfindung  mit,  daß  ohne  umfassende  Be- 
nutzung eines  entsprechenden  Aktenmaterials  die  Handelsgeschichte  des  19.  Jahr- 
hunderts nicht  geschrieben  werden  könne.  Erst  zu  Beginn  der  achtziger  Jahre 
entschloß  sich  B!,  nicht  ohne  Druck  seitens  seines  Verlegers,  das  begonnene 
Werk  zu  vollenden  und  ließ  im  Jahre  1884  die  zweite  und  die  dritte  Abtei- 
lung des  dritten  Bandes  erscheinen,  in  denen  er  eine  Darstellung  des  Han- 
dels der  vornehmsten  europäischen  Völker  im  19.  Jahrhundert,  sowie  eine 
Übersicht  der  handelsgeschichtlichen  Entwicklung  der  außereuropäischen 
Nationen  mit  Zugrundelegung  eines  reichen  gedruckten  und  handschriftlichen 
Materiales  gab.  Diese  letzteren  Partien  der  B.schen  Handelsgeschichte  haben 
auch  heute  noch  wissenschaftlichen  Wert,  während  die  in  den  sechziger 
Jahren  erschienenen  Teile  des  Werkes  als  durchaus  veraltet  angesehen  werden 
müssen. 

Das  Jahr  1864  brachte  eine  wichtige  Wendung  im  Leben  B.s.  Er  hatte 
sich  als  Gymnasiallehrer  und  später  in  seiner  Stellung  als  Professor  an  der 
Rechtsakademie  zu  Großwardein  und  an  der  Wiener  Handelsakademie  eifrig 
mit  der   pädagogischen   Seite    seines   Berufes    beschäftigt  und    galt   bald    als 


Beer. 


323 


einer  der  besten  Kenner  der  Schulverhältnisse  Österreichs  und  der  übrigen 
europäischen  Großstaaten.  Das  eingehende  Studium  dieser  Frage  hatte  ihm 
die  Überzeugung  aufgedrängt,  daß  der  Unterricht  des  Kaiserstaates  —  nament- 
lich auf  den  unteren  Stufen  —  dringend  der  Verbesserung  bedürfe.  Seine 
Ansichten  wurden  maßgebenden  Kreisen,  die  gleicher  Meinung  und  dem 
Gedanken  einer  Schulreform  schon  nahe  getreten  waren,  insbesondere  den 
Mitgliedern  des  Unterrichtsrates,  an  dessen  Spitze  Hasner  stand,  bekannt. 

Im  Vereine  mit  Hochegger  gab  B.  in  den  Jahren  1867  und  1868  ein  zwei- 
bändiges Werk  »Die  Fortschritte  des  Unterrichtswesens  in  den  Kulturstaaten 
Europas«  heraus,  dessen  Ergebnisse,  auf  einem  mit  stupendem  Fleifle  ge- 
sammelten statistischen  Materiale  aufgebaut,  die  Notwendigkeit  einer  gründ- 
lichen Schulreform  für  Österreich  deutlich  erkennen  ließen.  Glückliche  Um- 
stände boten  bald  darnach  B.  die  erwünschte  Gelegenheit,  seine  reichen 
Kenntnisse  auf  dem  Gebiete  des  österreichischen  Studienwesens  praktisch  zu 
betätigen.  Hasner,  der  im  Bürgerministerium  das  Amt  eines  Kultus-  und 
Unterrichtsministers  bekleidete  und  die  Reform  des  Schulwesens  von  unten 
auf  ernstlich  ins  Auge  faßte,  berief  B.  zur  außerordentlichen  Dienstleistung 
ins  Unterrichtsministerium  und  wies  ihm  eine  ausschlaggebende  Rolle  bei 
der  Ausarbeitung  der  darauf  bezüglichen  Gesetzentwürfe  zu.  In  den  Denk- 
würdigkeiten Hasners  (1884  erschienen)  Seite  94  heißt  es:  »Nun  hatte  ich  in 
dem  Unterrichtsrate  in  dem  Professor  am  Polytechnikum,  Adolf  Beer,  einen 
Mann  erkannt,  dessen  lebhaftes  Interesse  für  das  Studienwesen  überhaupt, 
dessen  Kenntnisse  und  unverwüstliche  Arbeitskraft  mir  umsomehr  dienlich 
sein  konnte,  als  er  sich  im  Besitz  umfassender  Sammlungen  ausländischer 
Gesetze  befand,  deren  Inhalt  er  mit  seinem  glücklichen  Gedächtnisse  be- 
herrschte und  für  meine  Zwecke  dienstbar  zu  machen  wohl  geeignet  war. 
Ich  zog  ihn  deshalb  unseren  Beratungen  bei.  Im  Laufe  eines  Jahres  war 
der  Gesetzentwurf  zustande  gebracht,  der  achtjährige  Schulpflicht,  Inter- 
konfessionalität  der  Schule,  staatliche  Beaufsichtigung  des  Volksschulwesens 
enthielt.«  Es  kann  nicht  Gegenstand  der  vorliegenden  kurzen  Biographie  B.s 
sein,  festzustellen,  wie  groß  sein  Anteil  an  der  Fertigstellung  des  Volksschul- 
gesetzes war;  daß  ihm  aber  ein  wesentliches  Verdienst  bei  der  raschen  und 
glücklichen  Erledigung  der  schwierigen  Aufgabe  gebührt,  wird  von  allen  be- 
tont, die  sich  mit  dieser  Frage  eingehender  beschäftigt  haben.  B.  selbst  hat 
seine  Tätigkeit  im  Unterrichtsministerium  und  seine  Beteiligung  an  der 
Schaffung  des  neuen  Volksschulgesetzes  als  die  glücklichste,  weil  erfolg- 
reichste Zeit  seines  Lebens  bezeichnet.  Zahlreiche  Dokumente,  die  sich  in 
seinem  Nachlasse  vorgefunden  haben,  beweisen,  mit  welcher  Vorsicht  er  an 
die  Beurteilung  aller  auf  die  Reorganisation  der  österreichischen  Schule  be- 
zugnehmenden Fragen  herantrat  und  wie  eifrig  er  darauf  bedacht  war,  jede 
Unklarheit  des  Ausdruckes  und  jede  Einseitigkeit  des  Inhaltes  zu  vermeiden. 
Den  lange  gehegten  Plan,  eine  Geschichte  der  österreichischen  Volksschul- 
reorganisation zu  schreiben,  hat  er  leider  nicht  durchgeführt.  Mit  der  Votie- 
rung des  Gesetzes  durch  den  Reichsrat,  mit  der  Beschlußfassung  der  Durch- 
führungsgesetze durch  die  Landesvertretung  und  dem  Erlasse  der  Durch- 
führungsordnungen betrachtete  B.  seine  Mission  erfüllt,  und  als  1870  das 
Kabinett  Hasner  fiel,  verließ  auch  B.  —  der  die  Stelle  eines  Ministerialrates 
bekleidet  hatte  —  das  Unterrichtsministerium    und   beschränkte   sich   vorerst 


21* 


324 


Beer. 


auf  seine  Tätigkeit  als  Professor  an  dem  Wiener  Polytechnikum,  wohin  er  im 
Jahre  1868  als  ordentlicher  Professor  der  österreichischen  und  allgemeinen 
Geschichte  berufen  worden  war.  Als  Dozent  hatte  B.  entschiedenen  Erfolg. 
Gelegentlich  seines  Todes  haben  mehrere  seiner  ehemaligen  Schüler  den 
mächtigen  Eindruck  geschildert,  den  B.  als  Redner  auf  sie  machte.  Alle, 
die  ihn  in  späteren  Jahren  als  Parlamentsredner  hörten  oder  in  der  Konver- 
sation beobachten  konnten,  haben  dieses  Urteil  bestätigt.  Seine  Rede  war 
durchsichtig  klar,  von  großen  Gesichtspunkten  getragen  und  ließ  die  hohe 
sittliche  Weltanschauung  erkennen,  die  ihn  erfüllte.  Im  Jahre  1872  schrieb 
Ranke  seinem  Verleger  Geibel:  »Ich  kenne  den  Hofrat  Beer  »  .  .,  er  besitzt 
die  Gabe  der  Sprache  in  hohem  Grade  .  .  .«  Ranke  fügte  diesem  Lobe 
noch  ein  anderes  hinzu:  »Er  lebt  und  webt  in  den  historischen  Forschungen 
über  die  neuere  Zeit.«  In  der  Tat  hatte  B.,  seitdem  er  sein  Amt  als 
Ministerialrat  niedergelegt,  mit  dem  rastlosen  Eifer,  der  ihn  bis  an  sein 
Lebensende  auszeichnete,  die  liegengelassenen  historischen  Studien  aufge- 
nommen. Seinen  ursprünglichen  Plan,  eine  auf  eingehendsten  Forschungen 
beruhende,  auf  breiter  Grundlage  aufgebaute  Geschichte  Maria  Theresias  zu 
schreiben,  mußte  er  aufgeben,  da  Arneth  sich  unterdes  dieser  Aufgabe  unter- 
zogen hatte.  Doch  blieb  die  Erforschung  der  Zeit  Maria  Theresias  ein  Lieb- 
lingsthema B.s,  mit  dem  er  sich  immer  wieder  beschäftigte,  so  daß  er  nach 
dem  Tode  Arneths  als  der  beste  Kenner  dieser  inhaltsreichen  Periode 
österreichischer  Geschichte  galt.  Im  Jahre  1871  veröffentlichte  er  die  »Auf- 
zeichnungen Bentincks  über  Maria  Theresia«,  die  er  mit  einer  ausführlichen, 
gut  geschriebenen  Einleitung  versah,  in  der  er  den  Nachweis  führte,  daß 
Maria  Theresia  im  Jahre  1755  noch  keineswegs  an  eine  Offensivallianz  mit 
Frankreich  gedacht  hat.  Im  selben  Jahre  erschienen  in  dem  von  der  Wiener 
Akademie  herausgegebenen  Archive  für  Kunde  Österreich.  Geschichtsquellen 
(Bd.  XLVI  und  XLVII)  mehrere  Abhandlungen,  in  denen  B.  die  Haltung  der 
Holländer  im  österreichischen  Erbfolgekriege  und  beim  Abschlüsse  des 
Aachener  Friedens  ins  rechte  Licht  stellte.  Demselben  Zwecke  dienten  auch 
einige  in  holländischen  Akademieschriften  erschienene  Aufsätze,  welche  die 
Ernennung  B.s  zum  auswärtigen  Mitgliede  der  Akademien  zu  Leyden  und 
Utrecht  zur  Folge  hatten.  Das  Jahr  1871  brachte  überdies  (A.  f.  K.  ö.  G. 
XLVII)  einen  Aufsatz  über  die  Zusammenkunft  Josefs  II.  und  Friedrichs  II. 
von  Preußen;  das  Jahr  1872  zahlreiche  kleinere  Arbeiten,  unter  denen  in 
diesem  Zusammenhange  besonders  jene  über  die  österreichische  Politik  in 
den  Jahren  1755  und  1756  (Sybels  Hist.  Zeitschrift  XXVII)  und  die  »Ana- 
lekten  zur  französischen  Revolution«  (ebenda)  Erwähnung  finden  mögen. 
Strebte  B.  in  der  ersten  Abhandlung  im  Anschlüsse  an  Rankes  »Ursprung 
des  siebenjährigen  Krieges«  eine  genauere  Feststellung  der  österreichischen 
Politik  auf  Grund  der  österreichischen  Akten  an,  so  bemühte  er  sich  mit  Er- 
folg in  der  zweiten  Schrift,  die  Haltung  Leopolds  II.  gegenüber  den  Angriffen 
Sybels  zu  rechtfertigen.  Ein  Jahr  später  —  1873  —  veröffentlichte  B.  sein 
erstes  großes  historisches  Werk  »Die  erste  Teilung  Polens«  (3  Bände,  Wien). 
Dasselbe  fand  als  wichtiger  Beitrag  zur  Lösung  der  komplizierten  polnischen 
Frage  lebhaften  Beifall  und  eingehende  Berücksichtigung,  besonders  auch 
von  russischer  Seite.  Man  wird  in  der  Tat  dieses  Werk,  trotz  gewisser 
Breiten,  als  eine   der  besten  Publikationen  B.s  bezeichnen   dürfen.     Zugleich 


Beer. 


325 


mit  diesem  darstellenden  Werke  erschienen  zwei  umfassende  Quellenpubli- 
kationen »Josef  IL,  Leopold  II.  und  Kaunitz;  ihr  Briefwechsel«  Wien  1873, 
und  »Leopold  IL,  Franz  IL  und  Katharina  von  Rußland;  ihre  Korrespon- 
denz« Leipzig  1874.  Als  Ergänzung  der  von  Arneth  besorgten  Herausgabe 
der  Herrscherkorrespondenzen  jener  Zeit  haben  diese  beiden  Quellenwerke 
großen  historischen  Wert,  der  noch  wesentlich  durch  die  Einleitung  und 
die  zahlreichen  Nachträge  zur  zweiten  Publikation  erhöht  wird,  in  denen  B. 
die  Politik  Leopolds  IL  in  jener  Zeit  zu  rechtfertigen  sucht. 

Die  Schriften  B.s  hatten  ihm  in  Österreich,  aber  auch  in  Deutschland  einen 
guten  Namen  gemacht;  er  durfte  hoffen,  bei  einer  sich  ergebenden  Vakanz  an 
einer  der  größeren  Universitäten  in  Frage  zu  kommen.  Denn  je  fester  sein  Ent- 
schluß ward,  sich  ausschließlich  dem  wissenschaftlichen  Berufe  zu  w^idmen,  desto 
sehnlicher  wurde  sein  Wunsch,  seine  Stellung  an  der  Technik,  die  ihn  trotz 
aller  Erfolge  nicht  ganz  befriedigte,  mit  einer  solchen  an  einer  Universität 
zu  vertauschen.  Die  Gelegenheit  dazu  schien  sich  zu  bieten;  nicht  in  Öster- 
reich, wohl  aber  in  Deutschland,  wo  B.  zahlreiche  Freunde  und  Verehrer 
unter  seinen  Berufsgenossen  besaß.  Zumal  mit  Karl  von  Noorden  verband 
ihn  eine  bis  zum  Tode  dieses  hervorragenden  Geschichtschreibers  währende 
treue  Freundschaft.  Durch  Noordens  Bemühungen  eröffnete  sich  denn  auch 
für  B.  die  Aussicht  auf  ein  Ordinariat  der  Geschichte  in  Bonn.  Der  uns  er- 
haltene Briefwechsel  der  Freunde  zeigt,  wie  eifrig  Noorden  für  B.  eintrat 
und  wie  gerne  B.  einer  Berufung  ins  Ausland  Folge  geleistet  hätte.  Doch 
ergaben  sich  noch  im  letzten  Augenblicke  unvorhergesehene  Schwierigkeiten. 
Das  konfessionelle  Moment  dürfte  dabei  eine  Rolle  gespielt  haben,  obgleich 
B.  bereits  in  jungen  Jahren  —  vor  seiner  ersten  Staatsanstellung  —  zum 
katholischen  Glauben  übergetreten  war;  gewiß  aber  auch  die  Abneigung 
Sybels,  obgleich  dieser  jedes  persönliche  Motiv  entschieden  leugnete.  Die 
Vereitelung  seiner  Hoffnungen  hat  B.  tief  niedergedrückt  und  ganz  über- 
wunden hat  er  es,  trotz  aller  Erfolge,  die  ihm  später  auf  anderen  Gebieten 
blühten,  nie,  daß  ihm  die  Lehrtätigkeit  an  einer  Universität,  für  die  er  durch 
die  Fülle  seines  Wissens,  durch  seine  Beredsamkeit  und  sein  eminentes  päda- 
gogisches Talent  prädestiniert  schien,  versagt  geblieben  ist.  Allein  im  selben 
Jahre,  da  er  diese  schwere  Enttäuschung  erlitt,  eröffnete  sich  ihm  ein  neues 
Feld  für  seine  Betätigung,  auf  dem  er  außerordentliches  leisten  und  großen 
Erfolg  erzielen  sollte.  Er  wurde  im  Jahre  1873  —  ^^  fanden  damals  die 
ersten  direkten  Wahlen  in  die  Reichsvertretung  statt  —  von  dem  mährischen 
Städtebezirk  Stemberg  zum  Abgeordneten  gewählt  und  vertrat  diesen  Bezirk 
bis  1897.  Auch  im  Parlamente  wurde  es  B.  nicht  leicht,  sich  eine  seinen 
Fähigkeiten  entsprechende  Stellung  zu  erwerben;  wiederholt  hat  er  von  den 
Schwierigkeiten  erzählt,  die  er  —  obgleich  ein  Mann  von  anerkannten  Lei- 
stungen —  beim  Beginn  seiner  parlamentarischen  Laufbahn  zu  überwinden 
hatte,  wie  mühselig  er  sich  von  unten  aufdienen  mußte  und  wie  lange  es 
dauerte,  bis  er  innerhalb  der  Partei,  der  er  sich  anschloß,  und  dann  im  ganzen 
Hause  zu  Ansehen  und  Einfluß  gelangte.  Es  waren  auch  in  diesem  Falle 
seine  unermüdliche  Arbeitslust,  sein  ruhiges,  nüchternes  Urteil,  sein  Wissen, 
insbesondere  aber  seine  strenge  Selbstlosigkeit,  die  alle  Hindernisse  übeY- 
wanden.  Eduard  Sueß,  wie  B.  Gelehrter  und  Politiker,  sein  intimer  Freund 
und  Parteigenosse,  der  Jahrzehnte  mit  ihm   kämpfte  und  wirkte,  spricht  sich 


326  Beer. 

über  die  Stellung,  die  B.  im  Laufe  der  Zeit  im  Parlamente  einnahm,  in  fol- 
gender Weise  aus:  »Durch  fast  24  Jahre,  bis  zu  seiner  Berufung  ins  Herren- 
haus, hat  B.  zu  den  bedeutendsten  Persönlichkeiten  des  österreichischen 
Parlamentes  gehört.  Er  sprach  nicht  sehr  oft,  immer  sehr  klar,  sehr  sachlich, 
mit  nicht  viel  Affekt,  aber  immer  erwärmend  und  nur  über  Fragen,  die  er 
vollständig  beherrschte.  Deshalb  war  ihm  die  gespannte  Aufmerksamkeit 
von  Freund  und  Gegner  sicher  ...  Zu  dem  Ansehen,  das  er  genoß,  trugen 
seine  stattliche  Persönlichkeit  bei  und  die  Zurückhaltung,  die  er  sich  jeder- 
mann gegenüber,  mit  Ausnahme  eines  engsten  Kreises  von  Freunden  aufer- 
legte. Vor  allem  aber  war  es  begründet  auf  seine  strenge  und  makellose 
Selbstlosigkeit.  Nie  hat  B.  als  Abgeordneter  eine  leitende  politische  Stellung 
oder  äußere  Ehren  oder  persönliche  Auszeichnungen  irgendwelcher  Art  ge- 
sucht oder  angenommen.  Sein  Ehrgeiz  war,  der  wissende  Fachmann  und 
Ratgeber  zu  sein  .  .  .  Glücklich  fühlte  er  sich,  so  oft  ihn  jemand  über  die 
Tragweite  irgend  einer  ökonomischen  Maßregel  befragen  wollte,  und  doppelt 
glücklich,  wenn  eine  solche  fachliche  Frage  aus  dem  Kreise  seiner  politi- 
schen Gegner  kam.  Denn  es  gab  keinen  Kreis,  in  dem  man  nicht  sein 
Urteil  und  seine  Person  hochgeachtet  hätte.« 

Über  Fragen  der  großen  Politik  sprach  B.  nur  selten;  vermied  es  aber 
nicht,  wenn  es  nottat,  sich  als  entschiedener  Liberaler  zu  bekennen,  der  von 
der  Notwendigkeit  eines  einheitlichen  unter  deutscher  Führung  stehenden  Öster- 
reich überzeugt  war,  als  Anhänger  jener  Partei,  die  im  Kampfe  um  die 
Reichseinheit  vorangegangen  war,  später  als  »Vereinigte  Linke«  der  Zerset- 
zung Österreichs  zähen,  wenn  auch  nicht  immer  erfolgreichen  Widerstand 
geleistet  hatte  und  deren  Ziel  eine  Verfassung  war,  die  auf  Gerechtigkeit 
und  Freiheit  gegründet  sein  sollte.  Im  übrigen  beschränkte  er  seine  Tätig- 
keit fast  ganz  auf  Schul-  und  ökonomische  Angelegenheiten,  insbesondere  auf 
die  wirtschaftlichen  Beziehungen  zu  Ungarn,  auf  das  Staatsbudget  und  die 
direkten  Steuern  und  wurde  auf  all  diesen  Gebieten  allmählich  zu  einem  der 
au^chlaggebenden  Faktoren  des  Parlamentes.  Wichtiger  vielleicht  noch  als 
seine  Reden  im  Hause  war  seine  Tätigkeit  in  den  einzelnen  Ausschüssen; 
jeder,  der  ihn  bei  dieser  stillen,  aber  höchst  wichtigen  Arbeit  kennen  lernte, 
war  des  Lobes  voll.  Schon  im  Jahre  1875  war  er  neben  Eduard  Herbst  und 
Ernst  von  Plener  mit  den  schwierigen  Verhandlungen  über  die  mit  Ungarn 
zu  vereinbarende  Quote  betraut  worden,  und  seitdem  hat  er  bis  an  sein 
Lebensende  entscheidenden  Anteil  an  dem  sich  immer  wieder  erneuernden 
Quotenstreit  genommen.  Die  Nuntien  über  die  Quote,  die  er  als  Referent 
der  österreichischen  Deputation  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  mit 
dem  Referenten  Ungarns  wechselte,  geben  ein  beredtes  Zeugnis  von  dem 
Eifer  und  dem  Scharfsinn,  mit  dem  er  die  Interessen  der  diesseitigen  Reichs- 
hälfte zu  wahren  verstand.  Er  war  immer  für  den  Abschluß,  aber  nur  unter 
Österreich  nicht  ungünstigen  Bedingungen  eingetreten  und  suchte  auch  jetzt 
den  Abbruch  der  Verhandlungen  zu  verhindern,  ohne  sich  jedoch  zu  allzu 
weitgehende  Konzessionen  an  den  Gegner  zu  verstehen.  Daß  es  ihm  schließ- 
lich gelang,  eine  wenn  auch  kleine  Herabminderung  des  österreichischen  Bei- 
trages zu  den  gemeinsamen  Angelegenheiten  durchzusetzen,  hat  ihm  eine 
große  Freude  bereitet. 

Eine  andere  Frage,    bei   deren  Beratung    seine    stupende  Kenntnis    aller 


Beer. 


327 


einschlägigen  Materien  dem  österreichischen  Staate  großen  Nutzen  brachte, 
war  die  der  Steuerreform.  Als  Mitglied  und  Referent  des  Steuerausschusses, 
der  eine  Reform  der  Einkommensteuer  durchzuführen  bestrebt  war,  hat  B. 
sich  hervorragende  Verdienste  erworben.  Seinen  Anteil  an  dem  Gelingen 
des  großen  Werkes  im  einzelnen  festzustellen,  muß  künftigen  Zeiten  vor- 
behalten bleiben;  aber  auch  in  diesem  Zusammenhange  mag  betont  werden, 
daß  er  bestrebt  war,  den  modernen  Prinzipien  der  Steuergesetzgebung,  so 
weit  dies  ihm  in  Österreich  möglich  schien,  Rechnung  zu  tragen.  Durch 
eine  Reihe  von  Jahren  hat  er  im  Parlamente  das  Referat  über  den  gesamten 
Staatsvoranschlag  erstattet;  durch  eine  viel  längere  Zeit  noch  als  Bericht- 
erstatter des  Hauses  für  Schulangelegenheiten  fungiert.  Seinen  Reden  lausch- 
ten nicht  nur  seine  Parteigenossen,  sondern  das  ganze  Haus  mit  Spannung; 
seine  seltene  Objektivität  rühmten  auch  seine  Gegner.  Ein  besonderes  Ver- 
dienst hat  sich  B.  um  die  Beamtenschaft  durch  sein  mannhaftes  Eintreten 
für  die*  lange  verzögerte  Durchführung  der  Gehaltsaufbesserung  erworben. 
Die  Wandlungen,  welche  die  österreichische  Politik  seit  dem  Sturze  des 
Koalitionsministeriums  durchmachte,  erfüllten  B.  mit  tiefem  Grame;  er  litt 
schwer  und  begann  an  der  Möglichkeit  einer  Besserung  zu  zweifeln.  Er  trug 
sich  mit  dem  Gedanken,  aus  dem  öffentlichen  Leben  ganz  auszuscheiden,  um 
lediglich  seinen  historischen  Studien  zu  leben.  Bei  den  Neuwahlen  des 
Jahres  1897  trat  er  nicht  mehr  als  Reichsratskandidat  auf.  Doch  wurde  er 
bald  darauf  vom  Kaiser  in  das  Herrenhaus  berufen,  wo  er  namentlich  in 
Steuer-  und  Quotenfragen  das  Wort  ergriff  und  sich  alsbald  eine  allgemein 
geachtete  Stellung  zu  verschaffen  wußte. 

Seine  Stellung  als  Politiker  hat  B.  keinen  Augenblick  seinen  historischen 
Studien  entfremdet.  Im  Jahre  nach  seiner  Wahl  zum  Abgeordneten  —  1874  — 
erschien  die  Schrift  »Friedrich  II.  und  van  Swieten«,  Leipzig  1874,  in  der 
die  Verhandlungen  zwischen  Preußen  und  Österreich,  so  weit  sie  die  pol- 
nische Teilung  betrafen,  erörtert  werden.  Im  folgenden  Jahre  —  1875  — 
veröffentlichte  B.  in  dem  von  Gottschall  herausgegebenen  »Neuen  Plutarch« 
eine  Biographie  Maria  Theresias,  die  durch  Klarheit  und  Schärfe  der  Auf- 
fassung ausgezeichnet,  den  konservativen  Zug  der  Kaiserin  stärker  betonte, 
als  dies  bis  dahin  geschehen  war.  Als  eine  Ergänzung  seiner  diplomatischen 
Forschungen  über  das  Zeitalter  Maria  Theresias  erschienen  dann  in  den  bei- 
den folgenden  Jahren  noch  einzelne  Abhandlungen,  unter  denen  auf  die 
beiden  in  Sybels  Historischer  Zeitschrift  Bd.  XXXV  und  XXXVIII  erschie- 
nenen Untersuchungen  »Zur  Geschichte  des  bairischen  Erbfolgekrieges«  und 
»Sendung  Thuguts  und  der  Friede  von  Teschen«,  besonders  hingewiesen 
werden  soll.  Unterdes  hatte  sich  B.  schon  eingehend  mit  der  österreichischen 
Geschichte  des  19.  Jahrhunderts  zu  beschäftigen  begonnen.  Bereits  1875  er- 
schienen zwei  inhaltsreiche  Abhandlungen  (A.  f.  Kunde  öst.  Gesch.  Bd.  LH 
und  LIII),  in  denen  er  die  österreichische  auswärtige  Politik  in  den  Jahren 
1801-02  und  die  Beziehungen  Österreichs  und  Rußlands  in  den  Jahren  1804-05 
schilderte.  Sie  wurden  wenig  verändert  dem  Werke  einverleibt,  das  im 
Jahre  1877  zu  Leipzig  unter  dem  Titel  »Zehn  Jahre  österreichischer  Politik 
1801  — 18 10«  erschien.  Der  Wert  dieser  umfassenden  Arbeit,  die  ein  reiches 
handschriftliches  Material  der  historischen  Wissenschaft  zuführte,  lag  haupt- 
sächlich   in   der  Rektifizierung  der   insbesondere    durch  Häusser    vertretenen 


328 


Beer. 


ungünstigen  Auffassung  der  österreichischen  Politik  jener  Tage.  B.  wies 
nach,  daß  Österreich  nicht  blind  gegen  Napoleon  eingenommen  war,  viel- 
mehr erst  allmählich,  vornehmlich  durch  Napoleons  Verhalten  in  der  italieni- 
schen Frage  verletzt  und  beunruhigt,  neue  Bündnisse  schloß;  er  zeigte,  daß 
Österreich  es  an  Bemühungen  nicht  fehlen  ließ,  seine  Beziehungen  zu  Preußen 
zu  bessern ;  gab  eine  neue  richtigere  Darstellung  der  Ulmer  Katastrophe  und 
verstand  es  insbesondere,  die  Tätigkeit  Stadions  in  das  rechte  Licht  zu  setzen. 
Durch  eine  Reihe  neuerer  Arbeiten  ist  B.s  Darstellung  der  österreichischen 
Politik  im  ersten  Dezennium  des  19.  Jahrhundert  in  wesentlichen  Punkten 
ergänzt  und  berichtigt  worden;  trotzdem  hat  sein  Werk  auch  heute  noch 
Bedeutung. 

Die  eingehende  Beschäftigung  mit  der  österreichischen  Geschichte  im 
19.  Jahrhunderte,  die  B.  auch  auf  die  inneren  Zustände  ausdehnte,  ließ  ihm  die 
Tätigkeit  Metternichs  in  etwas  anderem  Lichte  erscheinen,  als  frühere  Forscher 
sie  gesehen.  So  entschloß  er  sich,  seine  Auffassung  dieses  Staatsmannes  in  einer 
kürzeren  Biographie  desselben,  die  1877  im  »Neuen  Plutarch«  erschien, 
niederzulegen.  Sie  zählt  zu  den  besten  historischen  Arbeiten  B.s.  Besonders 
gelungen  sind  jene  Partien,  in  denen  Metternichs  Bemühungen  geschildert 
werden,  kurz  nach  dem  Wiener  Kongresse  Reformen  in  verschiedenen  Zweigen 
der  österreichischen  Verwaltung  durchzuführen.  Von  jeder  Überschätzung 
Metternichs  war  B.  aber  weit  entfernt.  Metternich,  so  urteilt  er,  war  ein  aus- 
gezeichneter Diplomat,  nichts  mehr;  er  hinterließ  keinen  großen  Gedanken 
als  Erbschaft  dem  kommenden  Manne. 

Die  Beschäftigung  mit  der  Politik  konnte  auf  die  Dauer  nicht  ohne  Ein- 
fluß auf  die  Tätigkeit  B.s  als  Historiker  bleiben.  Der  Wunsch,  sich  ein 
klares  Bild  über  die  Finanzen  Österreichs  in  der  Gegenwart  zu  verschaffen, 
führte  ihn  zu  Studien,  als  deren  Ergebnis  im  Jahre  1877  ein  umfassendes 
Werk  »Die  Finanzen  Österreichs  im  19.  Jahrhundert«  (Prag)  erschien.  B. 
unternahm  es,  an  der  Hand  eines  reichen,  bis  dahin  gänzlich  unbekannten 
Materiales,  das  er  in  erster  Linie  dem  Hofkammerarchiv  entnahm,  die  leiten- 
den Gedanken  der  österreichischen  Finanzminister  des  19.  Jahrhunderts  dar- 
zustellen; die  Tätigkeit  O'Donnels,  Stadions  und  ihrer  Nachfolger  bis  1867 
fand  hier  die  erste,  wenn  auch  nicht  abschließende  Kritik.  Vier  Jahre  später 
erschien,  ebenfalls  in  Prag  gedruckt,  gleichsam  als  Ergänzung  des  vorher- 
gegangenen Werkes,  das  Buch  »Der  Staatshaushalt  Österreich-Ungarns  seit 
1868«.  B.  schilderte  in  demselben  den  Staatshaushalt  nach  der  Steuerreform 
und  nach  dem  Abschlüsse  der  österreichisch-ungarischen  Ausgleichsverhand- 
lungen, gab  ferner  eine  Darstellung  der  Entwicklung  der  direkten  Steuern 
seit  Josef  IL,  verbreitete  sich  über  die  Kosten  der  Zentralverwaltung,  über 
die  gemeinsamen  Auslagen,  über  die  Finanzen  Ungarns  und  erörterte  schließ- 
lich die  ganze  Frage   des  ungarischen  Ausgleiches. 

Noch  einmal  führte  ihn  in  späteren  Jahren  der  Wunsch,  ganz  vorbereitet 
an  seine  politischen  Aufgaben  heranzutreten,  zu  einer  großen  wissenschaft- 
lichen Untersuchung,  als  deren  Resultat  im  Jahre  1891  das  Werk  »Die  öster- 
reichische Handeispolitik  im  19.  Jahrhundert«  (Wien)  erschien.  B.  erörtert 
in  demselben  eingehend  —  auch  hier  auf  der  Grundlage  eines  reichen  hand- 
schriftlichen Materiales  —  die  Handelspolitik  der  österreichischen  Staats- 
männer von  Metternich  bis  Brück  und  schilderte  dann  die  mehr  oder  minder 


Beer. 


329 


belangreichen  Beziehungen  des  österreichischen  Handels  zu  dem  der  einzelnen 
europäischen  Großmächte.  Besser  als  bei  vielen  anderen  Arbeiten  gelang 
es  B.  bei  der  Darstellung  der  österreichischen  Handelspolitik  des  Stoffes 
Herr  zu  werden;  man  wird  dieses  Werk  zu  seinen  besten  zählen  dürfen. 
Auch  das  umfassende  Werk  B.s  »Die  orientalische  Politik  Österreichs  seit 
1774«,  das  1883  in  Prag  erschien,  kann  man  mit  seiner  Tätigkeit  als  Poli- 
tiker in  Beziehung  bringen.  Weniger  gut  konzipiert  als  seine  Handelspolitik, 
sichert  demselben  die  breite  archivalische  Grundlage  und  die  geschickte  Be- 
nutzung des  gedruckten  Materials  einen  hervorragenden  Platz  in  der  um- 
fassenden Literatur  der  orientalischen  Frage. 

Mit  all  diesen  Büchern  ist  die  schriftstellerische  Tätigkeit  B.s  nicht  er- 
schöpft. Im  Jahre  1881  veröffentlichte  er  aus  dem  Nachlasse  Wilhelm  Tegett- 
hoffs  (Wien)  wichtige  Papiere,  denen  er  eine  auf  eingehenden  Studien  be- 
ruhende Biographie  des  österreichischen  Seehelden  voranstellte. 

Im  selben  Jahre  erschien  in  Gottschalls  »Neuem  Plutarch«  eine  Biographie 
Josefs  IL,  die  von  der  großen  Verehrung  Zeugnis  gibt,  die  B.  für  die  Ge- 
sinnungen dieses  Herrschers  hegte,  zugleich  aber  auch  für  die  Wahrheitsliebe 
des  Historikers  spricht,  der  mit  seinem  Tadel  über  die  Politik  des  Kaisers 
nicht  zurückhält,  indem  er  ihm  zu  geringe  Berücksichtigung  der  historischen 
Entwicklung  vorwirft. 

Wie  ausgedehnt  die  archivalischen  Studien  B.s  waren,  beweist  eine  im 
Jahre  1885  in  Sybels  Historischer  Zeitschrift  erschienene  Abhandlung  »Zur  Ge- 
schichte der  Politik  Karls  VI.«,  die  als  eine  Vorarbeit  für  eine  umfassende 
Biographie  dieses  Herrschers  angesehen  werden  muß.  Leider  hat  B.  seinen 
Plan,  auf  den  er  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  wiederholt  zu  sprechen 
kam  und  für  dessen  Realisierung  ein  sehr  weitschichtiges  Material  bereits 
gesammelt  war,  nicht  durchgeführt,  vielmehr  seine  erstaunliche  Arbeitskraft 
auf  anderem  Gebiete  betätigt. 

Aus  der  langen  Reihe  der  historischen  Publikationen,  die  B.  im  letzten 
Jahrzehnt  seines  Lebens  veröffentlichte,  seien  im  folgenden  wenigstens  die 
wichtigeren  hervorgehoben.  In  den  Mitteilungen  des  Institutes  für  österreichi- 
sche Geschichtsforschung  erschienen  an  Arbeiten  diplomatischer  Natur  »Zur 
Sendung  Metternichs  nach  Paris  im  Jahre  18 10«  (Bd.  XV),  »Zur  Geschichte  des 
Jahres  1756«  (Bd.  XVII),  »Zur  Geschichte  der  Jahre  1806— 1813«  (Bd.  XIX). 
Ebendaselbst  veröffentlichte  B.  eine  Studie  über  die  kirchlichen  Verhältnisse 
Österreichs  181 6 — 1842  und  eine  Reihe  von  Aufsätzen  zur  österreichischen 
Finanzgeschichte,  unter  denen  die  über  »Die  Zollpolitik  und  die  Schaffung 
eines  einheitlichen  Zollgebietes  unter  Maria  Theresia«  (Bd.  XIV)  und  jene  über 
»Die  Finanzverwaltung  Österreichs  1749 — 18 16«  (Bd.  XV)  Erwähnung  finden 
mögen.  Die  beiden  letzterwähnten  Abhandlungen  waren  Vorarbeiten  für  eine 
umfassende  Darstellung  der  österreichischen  Finanz-  und  Wirtschaftsgeschichte 
und  Politik  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts,  die  B.  plante  und 
für  die  er  in  verschiedenen  Archiven,  vornehmlich  im  Hofkammerarchiv, 
Jahrzehnte  rastlos  Material  gesammelt  hatte.  Er  hoffte  mit  diesem  Werke 
eine  wertvolle  Ergänzung  der  »Maria  Theresia«  Arneths  zu  bieten,  dessen 
Darlegungen  gerade  für  diese  Fragen  recht  lückenhaft  waren.  Zur  Ausführung 
seines  Planes  ist  B.  nicht  gekommen,  doch  hat  er  einen  großen  Teil  des  ge- 
sammelten  Materiales    in    umfangreichen  Publikationen    verwertet,  zu    denen 


330 


Beer. 


neben  den  bereits  erwähnten  noch  vier  im  Archive  für  Österreich.  Geschichte 
erschienene  Arbeiten  »Die  handeispoli tischen  Beziehungen  Österreichs  zu  den 
deutschen  Staaten  unter  Maria  Theresia«  (Bd.  LXXIX),  »Studien  zur  Ge- 
schichte der  österreichischen  Volkswirtschaft  unter  Maria  Theresia,  I.  Die 
österreichische  Industriepolitik«  (Bd.  LXXXl),  »Die  Staatsschuld  und  die 
Ordnung  des  Staatshaushaltes  unter  Maria  Theresia«  (Bd.  LXXXII),  »Die 
österreichische  Handelspolitik  unter  Maria  Theresia  und  Josef  II.«  (Bd.  LXXXVI) 
zählen.  Vollkommen  Herr  des  spröden  Stoffes  ist  B.  nicht  geworden;  doch 
enthalten  diese  Schriften  eine  solche  Fülle  neuen  Materiales,  daß  sie  für 
lange  Zeit  hinaus  jedem  Forscher  der  österreichischen  Finanz-  und  Wirt- 
schaftsgeschichte unentbehrlich  sein  werden.  Auch  in  Monats-  und  Wochen- 
schriften, sowie  in  Tageszeitungen  pflegte  B.  wissenschaftlich  wertvolle  Ab- 
handlungen zu  publizieren,  wie  denn  namentlich  die  Beilage  der  »Münchner 
Allgemeinen  Zeitung«  und  die  »Neue  Freie  Presse«  zahlreiche  Beiträge  B.s 
enthalten,  in  denen  er  Gegenstände  der  diplomatischen  wie  der  finanziellen 
Geschichte  Österreichs  behandelte.  Sie  aufzuzählen,  würde  zu  weit  führen; 
dagegen  mag  es  noch  gestattet  sein,  zweier  umfassender  Quellenschriften  zu 
gedenken,  die  B.  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  den  Fachgenossen 
vorgelegt  hat.  In  der  Einleitung  zur  ersten,  die  unter  dem  Titel  »Kübeck 
und  Metternich:  Denkschriften  und  Briefwechsel«  in  den  Denkschriften  der 
Wiener  Akademie  der  Wissenschaften  (Bd.  XLIV)  erschien,  sucht  B.  auf 
Grundlage  eines  umfangreichen,  aus  dem  Nachlasse  Kübecks  stammenden 
Materials  die  Bedeutung  dieses  Staatsmannes  und  sein  Verhältnis  zu  Metter- 
nich klarzulegen.  Die  im  Anhange  zu  dieser  Darstellung  mitgeteilten  Doku- 
mente werden  als  eine  Quelle  ersten  Ranges  für  die  ersten  Regierungsjahre 
Kaiser  Franz  Josefs  I.  noch  lange  das  Interesse  der  Historiker  wachrufen. 
Die  zweite,  wenige  Monate  vor  seinem  Tode  beendete  Arbeit  betraf  das 
B.  wohlbekannte  Gebiet  der  josefinischen  Geschichte.  Er  veröffentlichte  die 
wichtige  Korrespondenz  Josefs  II.  mit  dem  Grafen  Ludwig  Cobenzl  {Fontes 
rerum  Austriacarum  II.  Abtl.  Bd.  LIII  und  LIV),  auf  Grund  der  von  seinem 
Akademiekollegen  Fiedler  angefertigten  Abschriften. 

Überblickt  man  die  gesamte  schriftstellerische  Tätigkeit  B.s,  so  wird  man 
konstatieren  müssen,  daß  er  zwar  eine  große  Reihe  sehr  verdienstlicher  Ar- 
beiten zutage  gefördert  hat,  daß  es  ihm  aber  versagt  blieb,  ein  Werk  zu 
schaffen,  daß  in  jeder  Hinsicht  den  höchsten  Anforderungen  entspräche.  Merk- 
würdigerweise aber  maß  B.  seiner  Tätigkeit  als  Historiker  größere  Bedeutung 
bei,  wie  jener  als  Politiker,  obgleich  er  hier  allgemein  anerkannte  Erfolge  zu 
verzeichnen  hatte.  Es  freute  ihn  daher  sehr,  daß  die  Wiener  Akademie  der 
Wissenschaften,  deren  korrespondierendes  Mitglied  er  bereits  seit  dem  Jahre 
1873  war,  ihn  im  Jahre  1892  zum  wirklichen  Mitgliede  ernannte.  In  der 
historischen  Kommission  dieser  Gesellschaft,  wie  als  Mitglied  des  Archivrats 
und  der  »Kommission  für  die  neuere  Geschichte  Österreichs«  war  er  eifrig 
bestrebt,  die  wissenschaftliche  Erforschung  der  neueren  österreichischen  Ge- 
schichte zu  fördern. 

In  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  lebte  B.,  von  körperlichen  Leiden 
arg  mitgenommen,  recht  einsam;  seine  besten  Freunde  waren  gestorben, 
neue  gemeinschaftliche  Beziehungen  anzuknüpfen ,  fehlte  ihm  die  Lust. 
Er  zog    sich    in   sein  Studierzimmer  zu  seinen  Büchern  zurück.      Hier  fühlte 


Beer.     Pustet. 


331 


er  sich  bei  seinem  besten  Freunde,  wie  er  scherzend  seine  Bibliothek 
nannte,  am  wohlsten.  B.  war  sein  ganzes  Leben  lang  ein  unermüdlicher 
Leser;  seine  Lektüre  beschränkte  sich  nicht  auf  Schriften,  die  mit  seinen 
historischen  Studien  oder  mit  seiner  politischen  Tätigkeit  in  Zusammen- 
hang standen;  seine  Leidenschaft  blieb  vielmehr  bis  an  seinen  Tod  das 
Studium  der  alten  und  modernen  Klassiker.  Sophokles,  Thukydides,  Dante 
und  Goethe  waren  seine  Lieblingsschriftsteller;  es  wird  wohl  wenige  Menschen 
gegeben  haben,  die  des  letzteren  Schriften  so  genau  gekannt  haben,  wie 
B.  Eine  besondere  Neigung  zog  ihn  zum  Studium  der  jüdischen  Geschichte 
im  Zeitalter  des  Ursprunges  des  Christentums;  auch  auf  diesem  Gebiete 
durfte  er  es  an  Kenntnissen  mit  jedem  Fachmanne  aufnehmen. 

Nach  äußeren  Ehren  hat  B.,  wie  bereits  erwähnt,  nie  gestrebt,  persön- 
liche Auszeichnungen  nicht  nur  nicht  gesucht,  sondern  die  ihm  angebotenen, 
wenn  irgend  möglich,  abgelehnt.  Je  älter  er  wurde,  desto  mehr  erfüllte  ihn 
die  Überzeugung,  daß  jede  Größe  persönlich  sein  müsse;  er  weigerte  sich,  gesell- 
schaftliche Ansprüche,  die  ihm  nicht  in  der  Person  des  Fordernden  begründet 
vorkamen,  zu  berücksichtigen.  So  geschah  es,  daß  er  vielen  absprechend, 
ja  hochmütig  erschien,  daß  er  sich  manche  Feindschaft  zuzog.  Aber  auch 
die  durch  seine  scheinbare  Härte  Verletzten  haben  die  makellose  Ehren- 
haftigkeit seines  Charakters  nicht  zu  leugnen  gewagt. 

A.  Pribram. 

Pustet,  Friedrich,  Buchhändler,  *  25.  Juli  1831  in  Regensburg,  f  4.  August 
1902  ebenda.  —  P.  war  der  Sohn  des  bekannten  Begründers  der  Weltfirma 
Friedrich  Pustet  in  Regensburg,  Rom,  New-York  und  Cincinnati,  und  als 
solcher  von  Jugend  auf  für  den  Buchhandel  bestimmt.  Er  wurde  für  diesen 
Beruf  erzogen,  besuchte  die  Volksschule,  dann  das  Gymnasium  und  begann 
darauf  im  väterlichen  Geschäfte  seine  buchhändlerische  Lehre.  Zwei  weitere 
Jahre  verbrachte  der  junge  P.  in  der  Fehrschen  Buchhandlung  in  St.  Gallen. 
1856  rief  ihn  der  Vater  nach  Hause  und  betraute  ihn  alsobald  mit  einer 
wichtigen  geschäftlichen  Sendung,  mit  einer  Reise  nach  Rom,  wo  er  dem 
Papste  Pius  IX.  das  erste  Regensburger  Missale  des  väterlichen  Verlages 
überreichte.  1860  trat  P.  mit  seinem  Bruder  Karl*  an  die  Spitze  des  Ge- 
schäftes. Eine  längere  Reise  nach  Paris  brachte  als  Ergebnis  die  Einführung 
einer  neuen  Kirchenschrift,  ähnlich  der  Plantinausgaben  des  16.  Jahrhunderts, 
mit  der  er  fortan  seine  bekannten  Missale  druckte.  1864  ernannte  ihn  der 
Papst  wegen  seiner  Errungenschaften  auf  diesem  Gebiete  zum  Typographus 
Apostolicus.  Vom  Jahre  1872  begann  P.  den  Verlag  von  Choralbüchern  in 
den  Vordergrund  zu  stellen,  mit  dem  er  um  so  mehr  Erfolg  hatte,  als  die 
Ritenkongregation  in  Rom  den  deutschen  Verleger  in  besonderer  Weise 
unterstützte  und  ihm  ein  Privileg  auf  dreißig  Jahre  erteilte.  Die  Ausdehnung 
des  fremdsprachlichen  Verlages  machte  es  notwendig,  Filialen  zu  errichten, 
die  oben  schon  genannt  wurden.  Der  deutsche  Verlag,  der  unter  P.s  Vater 
einen  Zug  der  Vielseitigkeit  zeigte,  wandte  sich  mehr  und  mehr  der  Theo- 
logie als  Hauptrichtung  zu.  Asketik,  Hagiographie,  Moral-  und  Pastoral- 
theologie, Katechetik,  Dogmatik,  biblische  Wissenschaften,  Kirchengeschichte 
bildeten  neben  katholischer  Belletristik  die  Hauptlinien.  Auf  diesen  Gebieten 
verfügte  P.  über    die    hervorragendsten  Namen    der    katholischen    Gelehrten- 


332 


Pustet     Kostersitz.     Neher. 


weit.  Die  belletristische  Zeitschrift  »Deutscher  Hausschatz«  und  der  »Regens- 
burger Marienkalender«  werden  alljährlich  in  riesigen  Massen  verbreitet. 
1880  ging  aus  der  Pustetschen  Offizin  ein  liturgisches  Werk  hervor,  mit  dem 
sich  kaum  ein  anderes  Erzeugnis  der  Typographie  in  dieser  Art  messen  kann, 
der  große  Canon  Missae  ad  usum  Episcoporum. 

In  politischen  Vereinen  katholischer  Richtung  war  P.  mit  großem  Er- 
folge tätig,  daneben  übte  er  eine  weitausgreifende  Privatwohltätigkeit.  Ge- 
meinnützige Stiftungen,  Kirchen,  Klöster  und  Missionen  besaßen  an  P.  einen 
unermüdlichen  Gönner.  Aus  eigenen  Mitteln  bewerkstelligte  P.  Ende  der 
achtziger  Jahre  des  vergangenen  Jahrhunderts  die  Wiederherstellung  eines 
der  interessantesten  Baudenkmäler  Regensburgs,  der  im  12.  Jahrhundert  er- 
bauten Kirche  St.  Leonhardt.  1891  schenkte  P.  dem  oberpfälzischen  histori- 
schen Verein  die  interessante  Schloßruine  Viehhausen. 

Quellen:  Denk,  Friedrich  F.,  Regensburg  1904;  Schmidt,  Deutsche  Buchhändler, 
IV.  Band.  Rudolf   Schmidt. 

Kostersitz,  Ubald,  Can.  reg.,  Propst  von  Klosterneuburg  bei  Wien,  *  am 
12.  Dezember  1828  zu  Littau  in  Mähren,  f  am  3.  Oktober  1902.  —  K.  trat 
nach  absolvierten  Gymnasialstudien  am  26.  September  1847  i"^  Stift  Kloster- 
neuburg in  den  Orden  der  regulierten  Chorherren,  legte  am  29.  September  1850 
Profeß  ab  und  feierte  am  25.  Juli  1852  seine  Primiz.  Hierauf  war  er  1852 — 55 
Regens  chori  im  Stift,  1855 — 61  Kooperator  in  Nußdorf  bei  Wien,  1861 — 64 
Professor  der  Pastoraltheologie  an  der  Hauslehranstalt  des  Stiftes  und  Novizen- 
meister, dann  seit  1864  Kanzleidirektor,  Archivar  und  Haushistoriograph.  Am 
22.  November  1882  wurde  er  zum  Propst  des  Stiftes  gewählt.  —  Literarisch 
war  K.  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  seines  Stiftes  tätig.  Er  veröffent- 
lichte das  Prachtwerk:  y>M<mumenta  sepulchralta  eorumque  epitaphia  in  coUeg'tata 
ecclesia  B.  M,  Virgtnis  Claustroneoburg't«  (Wien  1881;  mit  48  Tafein)  und  ver- 
faßte für  Seb.  Brunners  Chorherrenbuch  (Würzburg  1883)  die  historische  Skizze 
»Klosterneuburg«  (S.  271 — 365). 

Vgl.  Seb.  Brunner,  Ein  Chorherrenbuch  (VVürzburg  1883),  S.  365  f.  Kölnische  Volks- 
zeitung 1902,  Nr.  888  vom  6.  Okt.  F.  Laucher t. 

Neher,  Stephan  Jakob,  katholischer  Pfarrer  in  Nordhausen  bei  Ellwangen, 
Kirchenhistoriker,  *  24.  Juli  1829  zu  Ebnat,  f  7.  Oktober  1902  zu  Nordhausen. 
—  N.  studierte  Theologie  in  Tübingen,  wurde  am  10.  August  1855  zum 
Priester  geweiht,  1867  Pfarrer  in  Dorfmerkingen,  1879  Pfarrer  in  Zöbingen, 
1896  Pfarrer  in  Nordhausen.  —  Die  gelehrte  Tätigkeit  N.s  bewegt  sich 
größtenteils  auf  dem  Gebiete  der  kirchlichen  Statistik.  Von  einem  groß  an- 
gelegten Handbuch:  »Kirchliche  Geographie  und  Statistik.  Oder:  Darstellung 
des  heutigen  Zustandes  der  katholischen  Kirche  mit  steter  Rücksicht  auf  die 
früheren  Zeiten  und  im  Hinblick  auf  die  anderen  Religionsgemeinschaften« 
erschien  die  I.  Abteilung,  die  europäischen  Kirchenprovinzen,  in  zwei  Bänden, 
und  von  der  II.  Abteilung,  die  außereuropäischen  Kirchenprovinzen,  der 
erste,  Amerika  behandelnde  Band  {Regensburg  1864 — 68).  Eine  sehr  bedeutende 
Summe  von  wertvoller  Arbeit  leistete  N.  sodann  für  die  2.  Auflage  des  Kirchen- 
lexikons von  Wetzer  und  Weite  als  einer  der  tätigsten  ständigen  Mit- 
arbeiter desselben  (1882 — 1901);   dasselbe  enthält  von  ihm  232  größere  und 


Neher.     Pfeifer. 


333 


kleinere  Artikel,  die  zusammen  über  1200  Spalten  füllen;  größtenteils 
historisch-statistische  Artikel  über  außerdeutsche  und  außereuropäische  Bis- 
tümer und  Kirchenprovinzen ;  als  besonders  umfangreiche  Arbeiten  seien  daraus 
hervorgehoben:  Constantinopel  III,  985 — 1021;  Griechenland  V,  1200 — 1227; 
Griechische  Kirche  V,  1234 — 1258;  Hochkirche  VI,  47 — 99;  Indien  VI, 
663 — 695;  Kiew  VII,  428 — 446;  Lyon  VIII,  375 — 392;  Mailand  VIII,  486 — 506; 
Mission  VIII,  1581 — 94  und  1602 — 45;  Österreich  IX,  728 — 761;  Paris  IX, 
1484 — 1507;  Ravenna  X,  820-^839.  Hierher  gehört  femer  die  Schrift: 
yiConspectus hUrarchiae catholtcaein  toto  orbeterrarum.  Kirchlich-statistische  Tabellen 
über  die  ganze  katholische  Welt«  (Regensburg  1895).  Eine  höchst  verdienst- 
liche, als  Nachschlagewerk  unentbehrliche  kirchlich-statistische  Arbeit  hat  N. 
ferner  seiner  Heimatdiözese  gewidmet:  »Statistischer  Personalkatalog  des 
Bistums  Rottenburg«  (Schw.  Gmünd  1878);  eine  2.  und  3.  Aufl.  erschien  in 
beschränkterem  Umfange  unter  dem  Titel:  »Personalkatalog  der  seit  1813 
ordinierten  und  in  der  Seelsorge  verwendeten  Geistlichen  des  Bistums 
Rottenburg«  (2.  Aufl.  Rottenburg  1885;  3.  Aufl.  Schw.  Gmünd  1894).  Außer- 
dem schrieb  N.:  »Vfra  idea  omatus  fcclesiastici«  (Schaffhausen  1860);  »Altare 
prnnleg'tatum.  Praktische  Abhandlung  über  den  Ablaß  des  privilegierten  Altars« 
(Regensburg  186 1);  »Die  Bination  nach  ihrer  geschichtlichen  Entwicklung 
und  nach  dem  heutigen  Recht«  (Regensburg  1874);  »Der  Missionsverein  oder 
das  Werk  der  Glaubensverbreitung,  seine  Gründung,  Organisation  und  Wirk- 
samkeit« (Freiburg  i.  Br.  1894). 

Vgl.  Neher,  Pcrsonalkatalog  (3.  Aufl.  1894),  S.  137.  F.  Lauchert. 

Pfeifer,  Franz  Xaver,  Professor  der  Philosophie  in  Dillingen,  *  16.  März  1829 
zu  Deisenhofen  bei  Dillingen,  t  i7-  Oktober  1902  zu  Dillingen.  —  Pf.  absol- 
vierte die  Gymnasialstudien  zu  Dillingen  1842 — 49,  die  philosophischen  Studien 
am  Lyzeum  daselbst  1849 — 5^7  die  theologischen  teils  in  München  1850 — 51, 
teils  in  Dillingen  185 1 — 53,  und  wurde  am  17.  Mai  1854  zum  Priester  geweiht. 
Nachdem  er  hierauf  1854 — 56  als  Stadtkaplan  in  Memmingen,  1856 — 57  als 
solcher  bei  St.  Georg  in  Augsburg  in  der  Seelsorge  tätig  gewesen  war,  kehrte 
er  zur  Fortsetzung  seiner  Studien  nochmals  an  die  Universität  München 
zurück,  wo  er  1859  eine  theologische  Preisaufgabe  löste  und  am  4.  August  1860 
als  Dr.  theol.  promovierte.  1859  wurde  er  daselbst  Benefiziat  an  der  Aller- 
heiligen-Hofkirche, 1863  Stiftsvikar  bei  St.  Cajetan,  1864  Hofkaplan  an  der 
Maxburgkapelle.  Am  15.  Januar  1867  wurde  er  Professor  der  Philosophie  am 
Lyzeum  in  Dillingen;  1875 — 1902  war  er  zugleich  Bibliothekar  der  kgl.  Kreis- 
und  Studienbibliothek;  1888  bischöflicher  geistlicher  Rat;  am  7.  März  1902 
auf  sein  Ansuchen  in  den  Ruhestand  versetzt.  —  Pf.  war  ein  hervorragender 
Vertreter  der  aristotelisch-scholastischen  Philosophie;  zugleich  beschäftigte  er 
sich  mit  Vorliebe  mit  naturwissenschaftlichen  Studien  und  besaß  auch  auf 
diesem  Gebiete  bedeutende  Kenntnisse,  die  ihn  befähigten,  den  naturwissen- 
schaftlichen Gegnern  der  christlichen  Weltanschauung  auf  ihrem  eigenen 
Gebiete  entgegenzutreten.  Seine  ausgedehnte  schriftstellerische  Tätigkeit 
dient  dem  Nachweis  der  Harmonie  zwischen  Natur  und  Übematur,  Vernunft 
und  Offenbarung,  Wissen  und  Glauben.  Außer  zahlreichen  Abhandlungen  und 
Aufsätzen  philosophischen,  naturwissenschaftlichen,  apologetischen  und  ästheti- 
schen Inhalts,  die  in  Zeitschriften  erschienen  (Zeitschrift  für  mathematischen 


334 


Pfeifer,     von  Goß! er. 


und  naturwissenschaftlichen  Unterricht  1884,  i886;  Natur  und  Offenbarung 
1887 — 1901;  Jahrbuch  für  Philosophie  und  spekulative  Theologie  1888 — 91; 
Philosophisches  Jahrbuch  der  Görres-Gesellschaft  1889 — 1901;  Passauer  Theo- 
logisch-praktische Monatsschrift  1892 — 1901),  veröffentlichte  er  als  selbständige 
Schriften:  »Die  Kontroverse  über  das  Beharren  der  Elemente  in  den  Verbin- 
dungen von  Aristoteles  bis  zur  Gegenwart.  Historisch  und  kritisch  dargestellt« 
(Programm,  Dillingen  1879);  »Harmonische  Beziehungen  zwischen  Scholastik 
und  moderner  Naturwissenschaft  mit  spezieller  Rücksicht  auf  Albertus  Magnus 
und  St.  Thomas  von  Aquin«  (Programm,  Augsburg  188 1);  »Albertus  der  Große« 
(Donauwörth  1881);  »Der  goldene  Schnitt  und  dessen  Erscheinungsformen  in 
Mathematik,  Natur  und  Kunst«  (Augsburg  1885);  »Der  Dom  zu  Köln,  seine 
logisch-mathematische  Gesetzmäßigkeit  und  sein  Verhältnis  zu  den  berühmtesten 
Bauwerken  der  Welt«  (Köln  1888;  zuerst  im  Jahrbuch  für  Philosophie  und 
spekulative  Theologie  1888);  »Beiträge  zur  Glazialforschung  und  Teleologie 
der  Eiszeit«  (Münster  1896;  Separatabdruck  aus  Natur  und  Offenbarung). 

Vgl.  St.  Schindele,  Professor  Dr.  F.  X.  Pfeifer;  in  der  Beilage  zur  Augsburger  Post- 
zeitung, 1903,  Nr.  I — 4  (mit  eingehender  Analyse  der  Schriften  Pfeifers).  Th.  Specht, 
Geschichte  des  kgl.  Lyzeums  Dillingen  (Regensburg  1904),  S.  212 — 216. 

F.  Lauchert. 

Gofiler,  Gustav  Heinrich  Konrad  von,  "^13-  April  1838  in  Naumburg 
a.  d.  Saale,  f  29.  September  1902  in  Danzig  als  Staatsminister  a.  D.  und  Ober- 
präsident von  Westpreußen,  ältester  Sohn  des  späteren  Kanzlers  des  König- 
reichs Preußen  und  der  Frau  Sophie,  geb.  von  Mühler,  Tochter  des  früheren 
Justizministers  v.  M.  Die  Erziehung  der  Kinder  wurde  durch  das  Elternhaus 
bestimmt,  das  von  schlichter  Frömmigkeit,  treuer  Pflichterfüllung  und  idealen 
Anschauungen  erfüllt  war.  Der  Vater  hatte  in  langer  Arbeit  große  Berufs- 
tüchtigkeit und  in  vielseitigem  Wirken  eine  seltene  Geistesentwickelung  er- 
rungen; für  seine  Söhne  strebte  er  nicht  nur  nach  gründlicher  Bildung,  sondern 
den  Überlieferungen  der  Familie  entsprechend  auch  nach  einer  bedeutenden 
Lebensstellung.  Gerade  diese  Sammlung  eines  harmonischen  Geistes  ist  für 
seinen  ältesten  Sohn  vorbildlich  gewesen  und  hat  ihn  zu  einer  Persönlich- 
keit erhoben,  die  ihm  selbst  und  den  Seinigen  Glück  und  Frieden  und  dem 
Vaterlande  reiche  Frucht  bringen  sollte.  Seine  Vorbildung  gewann  v.  G.  zu- 
nächst in  Potsdam,  wohin  der  V^ater  als  Kreisgerichtsdirektor  versetzt  war, 
und  dann  in  dem  Kneiphöfschen  Gymnasium  zu  Königsberg,  das  unter  seinem 
tüchtigen  Direktor  Skreczka  in  wohlbegründeter  Achtung  stand.  Den  ein- 
zelnen Unterrichtsfächern  wandte  v.  G.  ziemlich  gleichmäßigen  und  auch  in 
Privatstudien  betätigten  Fleiß  zu;  neben  der  von  ihm  allezeit  hochgehaltenen 
Schriftwelt  des  Altertums  schenkte  er  schon  damals  der  neueren  Geschichte 
und  den  Naturwissenschaften  teilnehmende  Aufmerksamkeit.  Sein  Verhältnis 
zu  den  Mitschülern  war  herzlich  und  erhielt  ihm  deren  Zuneigung  noch  in 
späteren  Jahren.  Zunächst  besuchte  er  die  Universitäten  in  Berlin  und  Heidel- 
berg, wo  er  derselben  Verbindung  beitrat,  der  vordem  sein  Vater  angehört 
hatte.  Dann  kehrte  er  unter  Abschied  von  den  akademischen  Freuden  ins 
Vaterhaus  zurück  und  beschloß  auf  der  'Albertina  in  angestrengter,  über- 
wiegend privater  Arbeit  das  Studium  der  Rechtswissenschaft  mit  günstigem 
Erfolge.     Er  trat  als  Auskultator  1859  in  die  juristische  Laufbahn,  in  der  er 


von  Goßler. 


335 


1861  zum  Referendar  aufrückte  und  als  Assessor  1864  seinen  Vater  an  das 
Oberlandesgericht  in  Insterburg  begleitete.  Seinen  amtlichen  Pflichten  eifrig 
zugetan  eignete  er  sich  rasch  Selbstbeherrschung  und  Sicherheit  der  äußeren 
Haltung  an,  dazu  die  Fähigkeit  andere  Charaktere  zu  verstehen  und  deren 
Vertrauen  zu  gewinnen,  das  sich  unter  anderem  auch  in  seiner  Wahl  zum 
Vormund  für  die  Kinder  eines  früh  verstorbenen  Freundes  ausdrückte.  Zu- 
nächst den  Gerichten  in  Insterburg  und  Gumbinnen  überwiesen  und  vorüber- 
gehend bei  der  Staatsanwaltschaft  beschäftigt,  wurde  er  nach  Jahresfrist  mit 
der  Verwaltung  des  Kreises  Darkehmen  beauftragt  und  bald  unter  Zustimmung 
der  Stände  zum  Landrat  ernannt.  Hier  erwarb  er  sich  in  neunjähriger  Amts- 
führung, in  welche  auch  das  schwere  Notjahr  1867  fiel,  durch  seine  umsich- 
tige Fürsorge,  ebenso  durch  seine  besonnene  Vertretung  der  Staatsregierung, 
die  allgemeine  Achtung  der  sonst  aufgeregten  und  zerklüfteten  Kreisein- 
gesessenen in  dem  Grade,  daß  er  noch  später  von  dort  und  aus  den  Nachbar- 
kreisen in  den  Reichstag  entsendet  wurde.  Dort  gründete  er  auch  seinen 
Hausstand  durch  seine  Vermählung  mit  Mathilden,  der  Tochter  des  Ritter- 
gutsbesitzers von  Simpson  auf  Georgenburg.  Eine  weitere  Folge  seiner  Be- 
währung war,  daß  er  1874  als  Hilfsarbeiter  in  das  Ministerium  des  Innern 
berufen  und  hier  hauptsächlich  mit  der  Ausführung  der  neuen  Kreisordnung 
betraut  wurde.  Aus  dieser  Stellung  ging  er  1878  an  das  Oberverwaltungs- 
gericht über,  dessen  verhältnismäßig  enger  Geschäftskreis  ihn  doch  nicht 
völlig  befriedigte.  Im  Reichstage  seit  demselben  Jahre  erwarb  er  sich  auch 
auf  diesem  schwierigen  Arbeitsfelde  durch  Fleiß  und  Sachkenntnis  wie  durch 
seine  klare  Haltung  allgemeines  Vertrauen,  zunächst  bei  dem  Nachfolger  des 
Unterrichtsministers  Falk  Herrn  von  Puttkammer,  der  ihn  wegen  seiner  Be- 
sonnenheit und  Zuverlässigkeit  1879  als  Unterstaatssekretär  in  sein  Ministerium 
zog,  dann  auch  bei  seinen  Gesinnungsgenossen,  die  ihn  zum  Präsidenten  des 
Reichstags  wählten.  Auch  in  diesem  gerade  damals  besonders  schwierigen 
Amte  bewährte  er  selbst  in  aufgeregten  Beratungen  Würde  und  Gerechtig- 
keit. Als  Unterstaatssekretär  war  er  unbefangen  bemüht,  sich  über  alle  Seiten 
seiner  vielschichtigen  Aufgabe  zu  unterrichten.  Durch  seinen  Vater,  der  da- 
mals einflußreiches  Mitglied  der  Generalsynode  war,  über  die  Ziele  der  ver- 
schiedenen Parteien  in  dieser  Körperschaft  wie  in  der  evangelischen  Landes- 
kirche überhaupt  aufgeklärt,  schloß  er  sich  keiner  schlechthin  an,  suchte  viel- 
mehr nach  einem  Ausgleich  unter  ihnen  auf  dem  Grunde  des  geoffenbarten 
Christentums  und  wirkte  mit  Erfolg  mäßigend  auf  den  begabten  und  wohl- 
gesinnten, aber  temperamentvollen  Minister  ein.  Desselben  Weges  ging  er 
in  dem  Streit  mit  der  katholischen  Kirche,  scharf  die  unveräußerlichen  Rechte 
des  Staats  wahrend,  aber  ebenso  bedacht,  jede  Schädigung  von  dem  inneren 
kirchlichen  Leben  beider  Konfessionen  fern  zu  halten.  Hiervon  wird  noch  ein- 
gehender zu  reden  sein;  ebenso  von  dem  vorsichtigen  Schutze  der  Schule, 
die  er  in  ihrer  geschichtlich  begründeten  Eigenart  zu  erhalten  und  zu  fördern 
.strebte.  So  wurde  er,  als  H.  v.  Puttkamer  1881  das  Unterrichtsministerium 
mit  dem  des  Innern  vertauschte,  dessen  von  Bismarck  selbst  gewünschter 
Nachfolger,  da  der  Reichskanzler  seine  Auffassung  und  sein  Geschick  bei 
dem  Abbruch  der  juristischen  Härten  in  der  vorhergehenden  Gesetzgebung 
erkannt  hatte. 

Mannigfach  und  schwierig  waren  die  Aufgaben,  die  des  jungen  Ministers 


2  20  von  Goßler. 

harrten,  keine  schwerer  als  die  Beendigung  oder,  wenn  dies  nicht  zu  erreichen 
war,  doch  die  Milderung  des  rasch  zu  großer  Hitze  aufgeloderten  Kampfes 
mit  den  Vertretern  der  katholischen  Kirche.  Denn  ein  Ausgleich  war  für 
die  ungeteilte  Entfaltung  der  staatlichen  Kraft  auf  anderen  Gebieten  unent- 
behrlich und  wurde  eben  deshalb  von  denen  hintangehalten,  denen  die 
Ansprüche  Roms  höher  standen,  als  die  nationale  Entwicklung.  Der  Streit 
kann  bei  seiner  großen  Ausdehnung  hier  nicht  im  einzelnen  verfolgt  werden; 
er  hub  an  mit  der  Zurückweisung  des  von  hohen  Kirchenfürsten  schon  in 
Versailles  gestellten  Ansinnens,  daß  Deutschland  seine  Macht  zur  Rück- 
gewinnung Roms  für  den  päpstlichen  Stuhl  einsetzen  sollte.  Der  eigentliche 
Quell  des  Zwistes  lag  in  der  seit  langem  vorbereiteten  und  mit  wachsendem 
Nachdruck  betriebenen  Umwandelung  der  episkopalen  Kirchenverfassung  in 
die  Alleinherrschaft  des  Papstes.  Erst  nach  Ausbruch  des  Streites  erkannte 
die  früher  kurzsichtige  Staatsregierung  die  Natur  der  Übergriffe,  durch  die 
Rom  auf  Grund  der  SS  15,  16,  18  der  preußischen  Verfassung  von  1850 
planmäßig  und  erfolgreich  die  Hoheit  des  Staates  eingeengt  hatte.  In  dem 
Kampfe  war  allerdings  die  Staatsregierung  und  mit  ihr  die  Volksvertretung 
in  auffälliger  Verblendung  über  die  Macht  der  katholischen  Kirche  und  ohne 
Schonung  der  zarten  und  doch  auf  dem  Gebiete  der  Seelsorge  so  starken 
sittlich-religiösen  Triebe  zu  Maßregeln  geschritten,  die  weit  entfernt  den 
Gegner  zu  beugen,  ihn  vielmehr  auf  das  äußerste  erregten  und  in  ihren 
Folgen  eine  allmähliche  Entkirchlichung  und  Entsittlichung  der  katholischen 
Bevölkerung  befürchten  ließen.  Diese  schlimmen  Auswüchse  der  Gesetz- 
gebung kamen  nur  denen  zugute,  die  eine  Aussöhnung  überhaupt  nicht  an- 
strebten, sondern  zu  der  vollen  Unabhängigkeit  der  römischen  Kirche  noch 
die  Staatsmacht  in  ihren  Dienst  stellen  wollten.  Dies  ließ  sich  am  sichersten 
durch  eine  unbeschränkte  außernationale  Kirchenregierung  erreichen.  Daß 
hiermit  das  diesseitige  Leben  nicht  religiös  verklärt,  sondern  umgekehrt  die 
Kirche  verweltlicht  und  verendlicht  werden  müsse,  blieb  ihnen  verborgen. 
Mit  der  Beseitigung  der  schärfsten  Kampfgesetze  war  schon  unter  dem  vorigen 
Minister  begonnen :  der  große  Kanzler  hatte  ihren  verderblichen  Einfluß  auf  Staat 
und  Sitte  erkannt  und  der  Kaiser  versagte  seine  Zustimmung  zu  schärferen  Maß- 
regeln. Wo  eine  Änderung  jener  Gesetze  nicht  anging,  da  ließ  die  Regierung  ihre 
mildere  Anwendung  zu;  wie  wollte  man  auch  verhindern,  daß  die  des  Trostes 
bedürftigen  Diözesanen  sich  gemeindeweise  bei  Nacht  und  Nebel  an  den 
Priester  des  Nachbarsprengeis  wendeten?  Auch  betreffs  der  Ausbildung  und 
Anstellung  der  Geistlichen  hatte  die  Staatsregierung  sich  zugänglicher  gezeigt, 
ohne  die  unerläßlichen  Vorschriften,  das  staatliche  Indigenat  der  Priester, 
ihre  wissenschaftliche  Vorbildung  und  namentlich  die  Anzeige  von  ihrer  be- 
absichtigten Anstellung  aufzuheben,  so  daß  der  Papst  schon  1880  in  einem 
Briefe  an  den  Erzbischof  Melchers  die  Pflicht  der  vorgängigen  Anzeige  als 
zulässig  (tokrarl  posse)  bezeichnete.  Allein  wie  immer  in  Parteikämpfen, 
steigerte  in  diesem  geschichtlich  erwachsenen  Streite  (v.  G.s  Ansprachen  und 
Reden  S.  89)  die  Nachgiebigkeit  des  einen  Teils  die  Ansprüche  des  andern, 
so  daß  das  ausdrückliche  Zugeständnis  der  übrigens  in  anderen  Staaten  schon 
geübten  Anzeigepflicht  erst  am  4.  April  1886  erfolgte.  Denn  die  Anfangs  in 
Wien  und  später  in  Rom  gepflogenen  Verhandlungen  hatten  nicht  den  ge- 
wünschten Fortgang,    da    der  Kardinalstaatssekretär  Jacobini    immer    wieder 


von  Goß] er. 


337 


vorab  die  allgemeinen  Forderungen  der  Kurie  erfüllt  sehen  wollte,  v.  G.  aber 
in  Übereinstimmung  mit  dem  Reichskanzler  diese  Verschiebung  des  Streit- 
punktes ablehnte.  Denn  über  jene  sei  ein  Einverständnis  doch  nicht  zu 
erreichen  und  selbst  wenn  es  gewonnen  würde,  so  würden  sich  bei  der  An- 
wendung neue  Streitigkeiten  ergeben.  Das  von  rechts  und  links  erhobene 
Verl{ingen  nach  der  Trennung  zwischen  Kirche  und  Staat  wies  der  Minister 
als  eine  unbestimmte  Formel  schlechthin  ab  (a.  a.  O.  S.  156)  und  beschränkte 
sich  bei  der  Aussichtslosigkeit  einer  völligen  Einigung  auf  die  gütliche  Er- 
ledigung der  zunächst  vorliegenden  Anstöße.  Sein  Streben  war  hier  wie 
stets  nicht  auf  die  Niederwerfung,  sondern  auf  die  Umlenkung  des  Gegners 
in  gemeinsame  Arbeitsbahnen  gerichtet;  jeden  Kampf,  der  nicht  mit  der  Ab- 
sicht des  späteren  Friedensschlusses  geführt  werde,  erklärte  er  für  unmoralisch. 
Daß  hiermit  nicht  voller  Friede  geschlossen  werde,  gab  er  mit  Bedauern  zu : 
>wir  ernten,  was  wir  in  der  Vergangenheit  selber  gesäet  haben«  (R.  S.  353), 
war  sein  resigniertes,  wenn  auch  nicht  mutloses  Bekenntnis.  Mit  dem  großen 
Reichskanzler  wußte  er  sich  im  wesentlichen  einig;  im  ganzen  fielen  in  dieser 
Bundesgenossenschaft  dem  Kanzler  die  Zugeständnisse  an  die  katholische 
Kirche,  v.  G.  die  sorgfältige  Wahrung  der  staatlichen  Hoheit  zu.  Selbst  wo 
er,  wie  in  der  cura  animarum  ohne  Rückhalt  gab,  hielt  er  sich  streng  inner- 
halb der  staatlichen  Befugnis,  wies  aber  ebenso  entschieden  jede  Antastung 
der  staatlichen  Rechte  zurück.  Mit  voller  Schärfe  erklärte  er,  daß  die  An- 
träge des  Abgeordneten  Windthorst  auf  Herstellung  der  geistlichen  Schulauf- 
sicht mit  seiner  Hilfe  niemals  erreicht  werden  würden  (Reden  S.  540,  246) 
und  zog  sich  durch  diese  Unbeugsamkeit  dessen  unversöhnliche  Gegnerschaft 
zu.  Es  mag  hier  dahingestellt  bleiben,  ob  die  Beweggründe  dieses  klugen 
Parlamentariers  lediglich  kirchlicher  Art  waren;  er  bekämpfte  den  Minister 
gerade  wegen  dessen  sachlicher  Haltung  als  seinen  gefährlichsten  Gegner 
und  trachtete  auf  alle  Weise  nach  seiner  Beseitigung,  die  er  auch  kurz  vor 
ihrem  Eintritt  in  vertrautem  Kreise  mit  voller  Bestimmtheit  voraussagte.  Daß 
der  Abgang  G.s  zeitlich  mit  dem  Tode  W^indthorsts  zusammenfiel,  würde 
Hegel  eine  Ironie  der  Geschichte  genannt  haben.  Bis  dahin  ging  der  Minister 
unbeirrt  seines  Weges  und  mit  Recht  durfte  nach  seinem  Ableben  der  Redner 
bei  einer  Trauerfeier  rühmen,  daß  die  Würde  und  das  Geschick,  mit  dem  er 
den  kirchenpolitischen  Streit  mit  Rom  zu  einem  für  alle  Teile  erträglichen 
Ende  führte,  die  Geschichte  unserer  inneren  politischen  Entwickelung  erst  in 
einer  späteren  Zeit  voll  zu  würdigen  wissen  werde  (Delbrück,  Trauerfeier 
S.  4).  Zu  einem  Verlassen  dieses  Weges  fand  v.  G.  um  so  weniger  Anlaß, 
als  gleichzeitig  ein  anderer  Gegner  hervortrat,  der  die  katholischerseits  allzu 
bereitwillig  geleistete  Hilfe  zw^ar  gern  annahm,  im  übrigen  aber  unverhohlen 
seine  Trennung  vom  preußischen  Staate  und  vom  deutschen  Leben  als 
Kampfesziel  aufsteckte. 

Nichts  hat  der  deutschen  Politik  Preußens  in  Posen  und  Westpreußen 
so  sehr  geschadet,  als  ihr  wiederholtes  Schwanken  und  ihr  Vertrauen  auf 
polnische  Versicherungen,  von  dem  zuerst  Friedrich  Wilhelm  IV.  sich  leiten 
ließ.  Der  Oberpräsident  von  Flottwell  und  der  kommandierende  General 
von  Grolman  hatten  in  richtiger  Erkenntnis  der  Gefahr  eine  gerechte,  aber 
feste  Behandlung  des  Adels  und  der  Geistlichkeit  empfohlen;  der  eine  wurde 
versetzt,  der  andere  starb.    Man  ließ  die  polnischen  Machenschaften  in  Milde 

Biogr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog-.    7.  Bd.  22 


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von  Goßler. 


gewähren;  der  Dank  war  die  Verschwörung  von  1846  und  der  Aufstand  von 
1848.  Beide  deckten  die  Gesinnung  der  Polen,  aber  auch  ihre  Schwäche  auf; 
sie  griffen  also  zu  anderen  Mitteln,  deren  Anwendung  und  Zweck  sich  eher 
verstecken  ließ.  Insbesondere  suchten  sie  mit  anerkennenswerter  Beharrlich- 
keit sich  auf  geistigem  und  wirtschaftlichem  Gebiete  zu  kräftigen.  Durch 
Unterstützungsvereine  für  polnische  Gymnasiasten  erzogen  sie  allmählich 
Beamte,  namentlich  Ärzte  und  Rechtsanwälte  ihres  Volkstums ;  durch  bessere 
Verwaltung  seiner  Güter  gewann  der  polnische  Adel  festeren  Bestand  und 
reichere  Mittel,  nach  und  nach  wuchs  auch  in  den  Städten  der  ihnen  früher 
ganz  fehlende  polnische  Handels-  und  Gewerbestand  heran,  der  auch  auf 
diesem  Gebiete  den  nationalen  Abschluß  gegen  das  Deutschtum  ermöglichte. 
Die  Staatsregierung  konnte  dies  alles  kaum  hindern,  sie  ließ  sich  aber  auch 
auf  anderen  Gebieten  zu  keiner  Abwehr  herbei.  Es  war  ja  die  Zeit,  in  der 
staatliche  Eingriffe  in  das  sogenannte  freie  Spiel  der  Kräfte  als  ein  Verstoß 
gegen  die  Gesetze  der  Volkswirtschaft  galten.  So  drang  polnische  Sprache 
und  polnischer  Besitz  vor;  die  Deutschen  blieben  hilflos  und  entzogen  sich 
ihrer  unbequemen  Lage  durch  Abwanderung  nach  dem  Westen.  Selbst  der 
kirchliche  Streit,  in  dem  Polen  und  katholische  Geistlichkeit  sich  die  Hände 
reichten,  führte  noch  nicht  zu  entscheidenden  Schritten;  als  die  Umtriebe 
polnischer  Gymnasiallehrer  zu  arg  auftraten  (v.  G.s  Reden  S.  295),  wurden 
sie  von  dem  Minister  Falk  zwar  versetzt,  zum  Teil  aber  nur  nach  dem  be- 
nachbarten polnisch  besiedelten  Westpreußen,  wo  sie  einen  fruchtbaren  Boden 
für  die  Fortsetzung  ihres  Tuns  fanden.  Jetzt  endlich  schritt  die  Staatsregie- 
rung rückhaltlos  zu  Gegenmaßregeln.  In  seiner  großen  Rede  vom  14.  März 
1883  legte  V.  G.  die  Machinationen  der  Polen,  die  ihre  stille  Tätigkeit  selbst 
in  das  niederpolnisch  sprechende,  aber  evangelische  und  treupreußische 
Masuren  vortrieben,  die  politische  Agitation  ihrer  Geistlichen,  ihre  offen- 
kundigen Abfallsgelüste,  ihre  Undankbarkeit  gegen  eine  Regierung,  der  sie 
Bildung  und  Wohlstand  schuldeten,  das  Unheil  der  polnischen  Gymnasien 
im  Zusammenhange  bloß.  Und  er  tat  dies  mit  Wärme  und  Nachdruck,  in 
ernstem,  aber  nicht  gereiztem  Tone,  selbst  dann  nicht,  als  ein  hochstehender 
Pole  im  Herrenhause  die  staatlichen  Unterrichtsordnungen  brutal  genannt 
und  den  ersten  Beamten  des  Königs  als  den  Todfeind  der  polnischen  Nation 
hingestellt  hatte  (R.  S.  424).  Er  untersagte  in  den  Volksschulen  den  Gebrauch 
des  Polnischen  als  Untenichtssprache,  was  vordem  der  Minister  Eichhorn 
gegen  die  Vorstellungen  aller  Provinzialbehörden  zugelassen  hatte;  er  reinigte 
und  schärfte  die  staatliche  Schulaufsicht  und  hielt  auch  in  seinem  späteren 
Amte  beides  gegen  alle  lärmenden  Kundgebungen  aufrecht.  Denn  auch  der 
Reichskanzler  hatte  das  Wesen  einer  Erscheinung  erkannt,  die  sein  späterer 
Nachfolger  als  die  Gefahr  schlechthin  bezeichnete. 

So  viel  über  die  schweren  Kämpfe,  die  dem  Minister  v.  G.  aufgenötigt 
wurden  und  seine  ganze  Amtsdauer  begleiteten.  Erquicklicher  war  für  ihn  die 
unmittelbare  Förderung  auf  den  übrigen  Gebieten  seiner  Tätigkeit.  Nachdem 
unter  Falks  tatkräftiger  ^litwirkung  die  neue  Synodalordnung  für  die  evan- 
gelische Landeskirche  zustande  gekommen  war,  deren  gesegnete  Bedeutung 
selbst  von  den  anfänglichen  Gegnern  nicht  mehr  geleugnet  wird,  war  der 
Einfluß  des  Ministers  auf  die  innere  Entwicklung  der  Kirche  sehr  beschränkt. 
Er    durfte  sich   also    mit   dem   Schutze   der   neuen   Einrichtung   gegen   kurz- 


von  Goßler. 


339 


sichtige  Anfechtung  begnügen,  ohne  sich  doch  gegen  kleine  Änderungen  zu 
sträuben,  die  zur  finanziellen  Ausstattung  der  Kirche,  wie  zur  Sicherung  der 
pastoralen  Stellung  beantragt  waren.  Der  wiederholt  geforderten  Beteiligung 
des  Synodalvorstandes  an  der  Besetzung  der  theologischen  Lehrstühle  auf  den 
Universitäten  hat  er  sich  stets  versagt.  Unwandelbar  blieb  s^ine  Überzeugung, 
daÖ  das  Heil  der  Christenheit  weit  weniger  von  kirchenregimentlichen  An- 
ordnungen, als  von  der  religiösen  Erweckung  der  Gemeinde  und  vom  werk- 
tätigen Christentum  zu  hoffen  sei;  daher  er  immer  wieder  für  den  mahnenden 
Kifer  der  kirchlichen  Oberhirten  und  gegen  die  halb  stolze,  halb  träge  Ge- 
lassenheit der  Pastoren  eintrat.  Konfessionelle  Enge  und  Schärfe  war  nicht 
nach  seinem  Sinne;  dies  war  um  so  bedeutsamer,  als  zeitweilig  durch  den 
Übereifer  der  einen,  durch  die  Schwäche  der  anderen  Seite  unter  dem  Ein- 
druck der  Berliner  Vorgänge  die  Leitung  der  Kirche  bedenklich  beeinflußt 
und  die  (iefahr  sowohl  kirchlicher  Spaltung  als  auch  kirchlicher  Lähmung 
und  Gleichgültigkeit  näher  gerückt  war.  Kirchliche  Liebestätigkeit  förderte 
V.  G.  nicht  nur  durch  eigene  Teilnahme,  sondern  wurde  hierin  von  der  will- 
kommensten Seite,  durch  seine  Gattin,  unterstützt,  deren  Liebesempfinden 
von  allem  Kirchenstreit  unbeirrt  blieb. 

Für  die  Volksschule  ließ  v.  G.  die  Falkschen  allgemeinen  Bestimmungen 
unangetastet,  überzeugt,  daß  einzelne  Übertreibungen  bei  der  Ausführung 
von  selbst  fallen  würden.  An  solchen  fehlte  es  allerdings  nicht;  richtete 
doch  die  Zentralstelle  bei  Prüfung  eines  Plans  zur  Lehrerbildung  für  städtische 
Volksschulen  an  die  Provinzialbehörde  die  ermunternde  Frage,  ob  nicht  im 
Seminarunterricht  ein  tieferes  Eindringen  in  die  Geschichte  der  Philosophie 
ratsam  sei!  Kein  Wunder,  daß  derartige  Anschauungen  den  Hochmut 
steigerten,  der  heute  öffentlich  die  akademischen  Studien  als  die  ange- 
messenste Schule  der  Elementarlehrer  fordert.  Für  das  Verhältnis  zwischen 
staatlicher  und  kirchlicher  Befugnis  blieb  für  den  Minister  die  1875  erfolgte 
Aufhebung  der  oben  genannten  Verfassungsartikel  maßgebend;  ihre  Wieder- 
herstellung lehnte  er  namens  der  gesamten  Staatsregierung  ab  (R.  S.  349). 
Für  die  Konfessionalität  der  Volksschule  berief  er  sich  weniger  auf  seine 
religiöse  Überzeugung  als  auf  Art.  24  der  Verfassung  und  besonders  auf  die 
geschichtHche  Entwicklung,  die  im  Gegensatz  zu  den  freisinnigen  Anträgen 
eine  erdrückende  Überzahl  der  konfessionellen  über  die  paritätischen  Schulen 
aufwies;  für  die  wenigen  Neugründungen  der  letzteren  Gattung  konnte  er 
die  bischöfliche  Zustimmung  beibringen  (R.  S.  236ff).  Erst  neuerdings  dringt 
selbst  bei  den  früheren  Gegnern  der  Konfessionsschule  mit  Ausnahme  weniger 
unbelehrbarer  Geister  die  Überzeugung  durch,  daß  sie  allein  den  staatlichen 
und  nationalen  Zielen  der  V^olksbildung  entspreche  und  sie  allein  einen  ein- 
heitlichen und  erziehlichen  Unterricht  ermögliche.  Für  die  äußere  Hebung 
des  Lehrerstandes  ist  v.  G.  nach  Maßgabe  der  vorhandenen  Mittel  allezeit 
eingetreten.  Verwickelter  war  die  Lage  des  höheren  Unterrichts,  da  die 
Realschulen  mit  ihren  Gönnern  seit  Jahren  mit  wachsendem  Ungestüm  die 
volle  Gleichstellung  mit  den  Gymnasien  nicht  nur  im  Range  und  Gehalt, 
was  ja  von  keiner  Seite  bestritten  wurde,  sondern  auch  in  der  Vorbereitung 
zu  den  Fakultätsstudien  forderten.  Daß  tatsächlich  einige  Mißstände  teils 
im  gymnasialen  Lehrplan,  teils  in  der  Berufsbildung  der  Lehrer  vorhanden 
waren,   wußte  der  Minister,   der  die  überaus  zahlreichen,   aber  untereinander 


22' 


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von  Goöler. 


streitenden    Verbesserungsvorschläge    sorgfältig    hatte    sammeln    und    sichten 
lassen.     Er  bezeichnete  es  namentlich  als  unerwünscht,   daß  den  Gymnasien 
zahlreiche  Schüler  übergeben  wurden,  für  die  eine  praktische  Lebensführung 
oder  eine  niedere  Beamtenstellung  in  Aussicht  genommen  war,   da  für  diese 
die  siebenstufigeo   lateinlosen  Schulen   eine   weit    geeignetere   Bildungsstätte 
böten  (R.  S.  481).     Mit  dem   Reichskanzler  war  er,   wenn   auch  ohne  befrie- 
digenden Erfolg,  bemüht,  die  Überzahl  der  gymnasialen  Neugründungen  ein-^ 
zuschränken.      Er    warnte   (R.  S.  53)    gegen    die    Verallgemeinerung    kleiner 
Erfahrungen    und    gegen    allzu    hastige    Erledigung    der    schwierigsten    Er- 
ziehungsfragen.    Gegenüber  dem   Streben,    möglichst   viele   Einzelkenntnisse 
mit  möglichst  geringer  Anstrengung  zur  Aufgabe  des  höheren  Unterrichts  zu 
machen,   wies  er   mit   tiefem  Verständnis  darauf  hin,   daß  die  Erziehung  der 
jugendlichen   Kraft,    die    doch    nicht    ohne   methodische    und   eben   deshalb 
schon   an   sich  fruchtbare  Anstrengung   erreicht  werde,    das  eigentliche  Ziel 
unserer  Schulen    sei.     Er    betonte,    welches  Maß    von   Energie   sich  in   den 
Leistungen  der  Deutschen  innerhalb  der  letzten  Jahrzehnte  offenbare,  wie  er 
an  diesem   Schatze,    den   das   deutsche   Volk   in   seinen   Schulen    gesammelt 
habe,  nicht  rütteln  lasse,  und  wie  er  deshalb  gleich  seinem  Vorgänger  abge- 
neigt sei,   den  Realanstalten,   deren   Leistungen   er  übrigens  anerkannte,   das 
Recht  auf  die  Fakultätsstudien  zu  verleihen.    Immerhin  gab  er  zögernd  und 
ohne   volle  Überzeugung    1882   auf   das  Andringen   einiger  technischer  Räte 
zu,  daß  der  altklassische  Unterricht  auf  den  Gymnasien  verkürzt,  der  Beginn 
des    Griechischen   um   ein   Jahr   hinausgeschoben,    das   Lateinische    an    den 
Realschulen    erweitert    werde,    welches    letztere    er    .selbst    später    als    einen 
Irrtum  erkannte.     Zur  methodischen  Berufsbildung  der  Lehrer  führte   er  das 
Seminarjahr  vor  dem  Probejahre  ein,  obschon  hierdurch  der  Staatskasse  eine 
erhebliche  Ausgabe  auferlegt  wurde.     Auch  der  Abminderung  der  wöchent- 
lichen Stundenzahl  würde  er  unter  der  Voraussetzung  zugestimmt  haben,  daß 
hiermit    die  Möglichkeit    zu   freier  Eigentätigkeit    gegeben    werde.     Zur  Er- 
ledigung   aller    dieser  Fragen   berief  er  mit  kaiserlicher  Genehmigung    1890 
eine  Versammlung   von   Sachverständigen   und   Laien,    die    ungeachtet  ihrer 
bunten  Zusammensetzung  zu  annehmbaren  Ergebnissen  führte,   was  auch  die 
Schlußrede  des  Kaisers  anerkannte,     über  den  Verlauf  dieser  Angelegenheit, 
der  auch  heute  noch  nicht  zu  abschließenden  und  harmonischen  Bestimmungen 
gediehen    ist,    läßt   sich   hier   um   so  weniger  reden,    als  der  Minister,   sicher 
besser  als  die  Außenwelt  über  die  Hindernisse  seiner  Absichten  unterrichtet, 
bald   darauf   seine  Entlassung   erbat.     Sein    eigentliches  Schulprogramm   hat 
er  in  seiner  Rede  vom  23.  Februar  1887  (S.  535)  dargelegt:  »die  Herstellung 
eines  richtigeren  Verhältnisses  der  höheren  Bildungsanstalten  zur  Einwohner- 
zahl,  eine  Minderung   der  Anstalten,   eine  Erschwerung  von  Neugründungen^ 
eine    Bevorzugung    von    lateinlosen    Schulen    mit    kürzerer    Unterrichtsdauer 
namentlich    zu    Ungunsten    der    lateintreibenden,    insbesondere    gymnasialen, 
höheren    Anstalten,    ferner    den   Ausbau    der   Lehrpläne,    die   Besserung   der 
Methode,    den  Versuch,   nach   der  Untersekunda   einen  Abschnitt   zu   finden; 
ferner  eine   bessere  Ausbildung    der  Lehrer,   und  endlich  fortzufahren  in  der 
Hebung  der  Körperpflege«. 

Hatte   Falk   nach  Ablauf    der    geldarmen   Konfliktszeit    eine  ergiebigere 
Förderung  der  Universitäten  begonnen,  so  setzte  v.  G.  dies  unter  reichlicherem 


von  Goßler. 


341 


Zufluß  der  Mittel  in  größerem  Maße  fort.  Wenn  auch  rein  theoretischen 
Erörterungen  in  Verwaltungssachen  abgeneigt,  war  er  doch  auf  sachliche 
Prüfung  und  genaue  Abgrenzung  der  Bedürfnisse  bedacht  in  der  Überzeugung, 
daß  sich  dann  auch  ihre  Befriedigung  ermöglichen  lasse,  in  gleicher  Fürsorge 
für  die  Provinzialuniversitäten  wie  für  Berlin,  wo  er  die  Ausstattung  der 
Institute  sogar  rückständig  fand.  Er  hatte  erkannt,  daß  die  deutschen 
Universitäten  im  Unterschiede  vom  Ausland  die  Sammel-  und  Brennpunkte 
des  wissenschaftlichen  Lebens  und  Forschens  seien  (R.  S.  2 18 ff.),  an  denen 
namentlich  die  medizinischen  und  naturwissenschaftlichen  Anstalten  einer 
Umbildung  und  Erweiterung  bedürften.  Es  galt  für  die  Beobachtung  der 
neu  entdeckten  Mikroorganismen  zu  sorgen  und  hervorragenden  Gelehrten 
den  Aufenthalt  in  abgelegenen  Forschungsgebieten  zu  ermöglichen,  was 
bekanntlich  zu  den  glänzendsten  und  segensreichsten  Ergebnissen  geführt 
hat.  Die  juristischen  Fakultäten  wurden  durch  die  Vorarbeiten  zum  bürger- 
lichen Gesetzbuche  neu  angeregt;  der  Kampf  und  mit  dem  Kampfe  der 
Fortschritt  in  der  Theologie  wurde  belebt  durch  die  kirchlichen  Neu- 
bildungen, die  nach  der  einen  Seite  Schutz,  nach  der  anderen  tiefere 
Forschung  nötig  und  verständlich  machten.  Für  diese  Fakultät  bestand 
freilich  die  nie  zu  hebende  Schwierigkeit,  daß  die  Minister  nicht  eigentliche 
Kenner  des  Fachs  sind  und  wo  sie  dennoch  die  akademische  Theologie  zu 
lenken  unternehmen,  wie,  von  späterer  Zeit  abgesehen,  im  18.  Jahrhundert 
Zedlitz  für  und  Wöllner  gegen  den  Rationalismus,  die  Wissenschaft  und  das 
kirchliche  Leben  auf  das  widerwärtigste  verwirrten.  Diesen  Abweg  betrat 
v.  G.  nicht;  seine  Überzeugung  war,  daß  alles  Bemühen,  einen  grundsätz- 
lichen Gegensatz  zwischen  Religion  und  Wissenschaft  herzustellen,  vergeblich 
sei,  und  daß  alle  Vertiefung  der  Forschung  zum  Wachstum  des  Gottesglaubens 
führe  (R.  S.  232;  Mannhardt  bei  der  Gedächtnisfeier  S.  20),  sein  Ziel,  den 
Frieden  zwischen  Wissenschaft  und  Kirchenlehre  zu  fördern,  aber  auch  diese 
durch  jene  zu  beleben.  Daher  sein  Schutz  der  akademischen  Lehrfreiheit 
und  seine  ausgleichende  Vorsicht,  wo  sich  ein  unbesonnener  Eiferer  von  der 
einen  oder  der  anderen  Seite  zu  weit  vorgewagt  hatte.  Auch  sonst  erwies 
er  sich  hilfreich  bei  den  religiösen  Bedürfnissen  der  Universitäten:  ich  ge- 
denke dankbar  seiner  entscheidenden  Einwirkung  auf  den  Bau  der  klinischen 
Kapelle  und  seiner  Zustimmung  zur  Herstellung  der  gänzlich  verfallenen 
Magilalenenkapelle  für  die  Hallenser  Universität.  Überhaupt  hielt  der  Minister 
sich  überzeugt,  daß  die  Eigenbewegung  der  Wissenschaft  sich  durch  keine 
Staatsregierung  ohne  Gefahr  grober  Mißgriffe  lenken  lasse  und  daß  deshalb 
die  Verwaltung  sich  darauf  zu  richten  habe,  diese  selbständige  Entwicklung 
zu  erkennen  und  zu  fördern.  Dagegen  bedurfte  die  ungleichmäßige  Besoldung 
der  Professoren  dringend  der  Regelung.  Denn  .schon  war  die  Anstellung 
<ler  Professoren  fast  zu  einer  marktgängigen  Ware  geworden,  deren  Preis 
durch  anderweitige  Berufung  beeinflußt  wurde.  Hieraus  erwuchs  statt  der 
früheren  Beharrlichkeit  eine  abgünstige  Beweglichkeit  der  Professoren,  die 
abgesehen  von  bedenklicheren  Erscheinungen  den  Wandertrieb  und  äußeren 
Ehrgeiz  unter  ihnen  wachrufen  und  die  Bildung  lange  nachwirkender  Schulen 
erschweren  mußte.  Die  umsichtige  Wirksamkeit  des  Ministers  fand  bei  dem 
sonst  so  kritischen  Professorentum  ungeteilte  Anerkennung:  Herr  v.  G.  wurde 
allgemach   Ehrendoktor    .sämtlicher  Fakultäten,    die    Berliner  Akademie    der 


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von  Goß! er. 


Wissenschaften  wählte  ihn  zu  ihrem  Ehrenmitgliede  und  der  gleiche  tiefe 
Schmerz  begleitete  seinen  Abgang  auf  allen  Universitäten.  So  rechtfertigt 
sich  das  Wort  des  Danziger  Gedächtnisredners:  »Der  große  Stil,  in  dem  er 
seine  Aufgaben  als  Minister  der  V^olkserziehung  zu  lösen  trachtete,  hat  die 
reiche  Anerkennung  seiner  Zeitgenossen  gefunden  und  wird  immer  ein 
Ruhmesblatt  in  der  Geschichte  der  preußischen  Unterrichtsverwaltung  bleiben«. 

Den  Universitäten  reihen  sich  die  öffentlichen  Bibliotheken  und  Kunst- 
sammlungen an.  Für  jene  hatte  sich  schon  durch  Falk  die  Lage  insofern 
gebessert,  als  ihren  Beamten  nach  einer  langen  Zeit  des  Darbens  eine 
angemessenere  Besoldung  beigelegt  war.  Eine  durchgreifende  Regelung  des 
gesamten  Bibliothekwesens  erfolgte  erst  durch  den  Erlaß  vom  i6.  November  1885 : 
neben  Erhöhung  der  Mittel  für  den  Bücherankauf  und  für  Neubauten  führte 
V.  G.  eine  zweckmäßige  Abstufung  der  Beamten  und,  was  wichtiger  war, 
eine  fachmäßige  Vorbildung  für  ihren  Beruf  herbei,  die  dem  Staate  und  der 
gelehrten  Welt  geübte  Kräfte  zur  Verfügung  stellte.  Die  Museen  hatte  v.  G. 
schon  als  Unterstaatssekretär  ein  Spiegelbild  unseres  gesamten  Staatslebens, 
ein  unentbehrliches  Glied  in  -unserer  Entwicklung  genannt  (R.  S.  2).  Die 
Förderung  der  Kunst  war  ihm  vom  Vater  vererbt,  der  lange  den  Kunstverein 
in  Königsberg  geleitet  und  die  dortige  Gemäldesammlung  durch  geschickt 
vermittelte  Ankäufe  zu  einem  wirkungsvollen  Bildungsmittel  in  jener  abge- 
schiedenen Provinz  gemacht  hatte.  Die  Berliner  Galerien  zeichneten  sich 
von  je  durch  klare  und  historische  Ordnung  aus;  allein  sie  waren  arm  an 
Meisterwerken  und  zeigten  für  bestimmte  Schulen  und  Zeiten  große  Lücken, 
deren  Ergänzung  sich  kaum  noch  hoffen  ließ.  Mit  welchem  Spürsinn,  welcher 
Tatkraft,  welchem  Erfolge  v.  G.  dieses  Versäumnis  nachholte,  das  beweisen 
die  glücklichen  Erwerbungen,  die  das  Studium  Dürers  und  der  Niederländer 
dort  erst  ermöglichten  und  in  dem  Ankauf  des  von  Sandio  Botticelli  ver- 
zierten Dante  dem  Kupferstichkabinet  einen  unvergleichlichen  Schatz  zu- 
wendeten. Und  daß  die  P'ürsorge  des  Ministers  sich  nicht  auf  die  Hauptstadt 
beschränkte,  beweist  u.  a.  die  Aufmerksamkeit,  die  er  der  Basilika  in  Trier 
und  vor  allem  der  Herstellung  des  Marienburger  Ordensschlosses  schenkte, 
deren  noch  später  zu  gedenken  ist.  Er  beließ  es  aber  nicht  bei  der  Er- 
gänzung des  Vorhandenen;  neue  Gebiete  wurden  unter  ihm  erschlossen,  so 
durch  das  Kunstgewerbemuseum,  eine  auch  vom  Ausland  gepriesene  Anstalt, 
und  durch  die  Einführung  des  von  Meidenbauer  erfundenen  Meßverfahrens 
für  Baudenkmäler  (S.  570  u.  364).  Sehr  erklärlich,  daß  die  Akademie  der 
Künste  bei  ihrer  Jubelfeier  Herrn  v.  G.  zu  ihrem  Festredner  erkor,  obschon 
er  längst  aus  Berlin  geschieden  war. 

Alle  diese  Kämpfe  und  Pläne  wurden  mit  einer  von  Jahr  zu  Jahr 
wachsenden  rednerischen  Kraft  und  Gewandtheit  verfochten,  die  selbst  dem 
(legner,  w^enn  nicht  Zustimmung,  so  doch  Achtung  und  Mäßigung  abnötigte, 
da  sie  sich  immer  in  den  Bahnen  einer  sachlichen  Erörterung  hielt.  Die 
Gegner  behandelte  v.  G.  überall  als  gleichstehend  und  vergaß  nie  die  Rück- 
sicht, die  er  nicht  nur  dem  Hörer,  sondern  vor  allem  sich  selbst  und  seiner 
Stellung  schuldete,  ohne  je  die  Wirkung  auf  den  Erfolg  außer  acht  zu  lassen. 
Die  Sprache  war  gebildet,  aber  ohne  Rhetorik  und  banale  Schlagworte;  sie 
griff  selten  zu  einem  Witze,  wie  etwa  in  dem  Streit  über  die  Vivisektion 
(R.  S.  335)     So  hielt  er  sich  im  heftigsten  Wortgefecht  stets  gesammelt,  aber 


von  GoOler. 


343 


unerschrocken  und  selbständig,  überall  dem  apostolischen  Worte  nachlebend : 
'Laß  dich  nicht  das  Böse  überwinden,  sondern  überwinde  das  Böse  mit 
Gutem«.  In  diesem  Wandel  erwuchs  er  zu  einer  Zier  und  zum  Stolz  des 
preußischen  Beamtentums,  so  daß  selbst  ein  entschieden  gegnerisches  Blatt 
sich  zu  dem  Bekenntnis  gedrungen  fühlte:  »Den  Besitz  des  Herrn  v.  G.  haben 
wir  derjenigen  Partei  beneidet,  der  er  angehörte,  und  dieses  Lob  auf  andere 
auszudehnen,  würden  wir  uns  nicht  leicht  entschließen«.  Er  besaß  die  An- 
erkennung aller  Welt,  vor  allem  das  Vertrauen  des  alten  Kaisers,  der  sich 
auch  an  seiner  Unterhaltung  im  kleinen  Kreise  erquickte.  In  seinem  Mi- 
nisterium besaß  er  ungeteiltes  Ansehen;  wie  mir  später  einer  seiner  Räte 
sagte,  gab  es  in  ihm  keinen  Winkel,  der  ihm  unbekannt  war.  Seinen  Mit- 
arbeitern schenkte  er  Wohlwollen  und  Vertrauen,  eher  geneigt,  ihre  Leistungen 
zu  überschätzen  als  zu  bemängeln.  Wie  der  mehrfach  angeführte  Gedächtnis- 
redner sagte,  lag  es  überhaupt  in  seinem  Wesen,  daß  er  bei  der  Schätzung 
des  Menschen  leicht  den  Vorzügen  ein  größeres  Gewicht  beimaß,  als  den 
Mängeln,  was  nicht  immer  zu  seinem  V^orteile  war.  Er  glaubte  eben  an  das 
Gute  im  Menschen  und  war  von  dem  Drange  beseelt,  einem  jeden  zu  helfen 
und  das  ist  Unzähligen  zum  Segen  geworden. 

Wie  es  desungeachtet  zu  seiner  Entlassung  kam,  ist  schon  angedeutet: 
er  fühlte,  daß  er  für  wesentliche  Ziele  nicht  mehr  die  Zustimmung  des  neuen 
Herrschers  fand.  Die  Staatsleitung  glaubte  bei  wichtigen  Plänen  der  Unter- 
stützung der  streng  Katholischen  nicht  entraten  zu  können,  und  diese  Hilfe 
hatte  den  Wechsel  des  Ministers  zur  Voraussetzung.  Auch  sein  an  sich 
zweckmäßiger  Entwurf  eines  Unterrichtsgesetzes  begegnete  nicht  nur  dem 
lauten  Widerspruche  der  römisch  Gesinnten,  sondern  auch  der  Abneigung 
der  evangelischen  Hochkirchlichen,  die  wenigstens  damals  noch  die  Aufsicht 
über  die  Volksschule  vollauf  in  die  Hände  der  Geistlichkeit  legen  wollten. 
Sogar  in  freundlich  gesinnten  Kreisen  fand  diese  Vorlage  nicht  den  leben- 
digen W^iderhall,  dessen  die  Lösung  eines  so  schwierigen  und  lange  um- 
strittenen Problems  bedurfte.  Die  Auffassung,  daß  ihm  eine  überzeugungs- 
treue und  kräftige  Verwaltung  nicht  lange  mehr  vergönnt  sei,  stand  ihm  nach 
allem  fest;  er  verschob  sein  Entlassungsgesuch,  um  die  gesunde  Entwicklung 
seiner  Kirche  durch  eine  passende,  aber  gerade  damals  gefährdete  Neube- 
setzung des  Präsidiums  im  evangelischen  Oberkirchenrat  zu  sichern.  Dann 
ergriff  er  den  AnFaß,  daß  sein  Vorschlag  für  die  Wiederbesetzung  des  Unter- 
staatssekretariats in  seinem  Ministerium  nicht  die  königliche  Genehmigung 
fand,  und  ging,  unversehrt  an  seiner  persönlichen  und  amtlichen  Ehre,  allzu- 
früh für  den  Stsiat,  aber  zum  Heile  für  eine  Provinz,  die  ihm  die  Umge- 
staltung zu  einem  lebensfähigen  Gebilde  verdanken  sollte.  Er  ging  in  voller 
Einigkeit  mit  sich  und  den  Seinen,  mit  derselben  Ruhe  und  Sammlung,  die 
er  stets  und  überall  betätigt  hatte,  nie  vergessen,  schmerzlich  vermißt  von 
den  Gleichgesinnten,  geachtet  von  allen,  ein  mahnendes  Vorbild  und  eine 
Quelle  des  Trostes  und  der  Hoffnung  für  die  Zukunft. 

Nach  kurzer  Rast  in  Naumburg  wurde  v.  G.,  dessen  Verwaltungstalent 
der  Kaiser  vollauf  würdigte,  zum  Oberpräsidenten  des  erst  kürzlich  wieder 
verselbständigten  Westpreußen  mit  dem  Wohnsitz  in  Danzig  ernannt.  West- 
preußen, von  1825 — 1878  mit  Ostpreußen  zu  einer  Provinz  vereinigt,  war 
weder  national   noch   kirchlich    ein   einheitliches   Gebilde,    nicht    einmal   ge- 


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von  Goßler. 


schichtlich,  da  der  zu  ihm  geschlagene  Kreis  Rosenberg  altes  Ordensland  war. 
In  diesem  Gemisch  nahmen  nach  Bedeutung  und  Geschichte  Thorn,  Elbing, 
besonders  aber  das  hansische  und  vor  Zeiten  seemächtige  Danzig  eine  Sonder- 
stellung ein;  in  den  Weichselstädten  waren  noch  Reste  polnischer,  d.  h.  un- 
gebundener Lebensführung  bemerkbar.  Auch  der  Boden  zeigte  große  Ver- 
schiedenheit, in  der  Weichselniederung  große  Fruchtbarkeit,  im  Nordwesten 
und  der  Tucheier  Heide  Sand  und  Kiefern.  So  war  Westpreußen  kein 
lebendiges  Glied  des  Staatskörpers;  seine  Kräfte  wurden  durch  inneren 
Widerstreit  unterbunden;  es  war  unzufrieden,  nach  reichlicher  Staatshilfe 
sehnlich  ausschauend  und  doch  wenig  geneigt  höherer  Leitung  nachzugeben, 
aber,  wenn  auf  sich  selbst  gestellt,  zu  eigenem  Schaffen  bereit.  Diesem  Triebe 
gab  V.  G.  sofort  Raum  zur  Betätigung.  Als  oberstes  Ziel  stellte  sich  ihm  die 
Vereinheitlichung  der  jungen  Provinz  und  ihre  lebendige  Verbindung  mit 
dem  Staatsganzen,  Stärkung  des  preußischen  Staatsgefühls  und  Eingliedernng 
in  das  deutsche  Geistes-  und  Erwerbsleben  dar.  Diesem  Ziele  widerstrebte 
bewußt  der  polnische  Anteil  der  Bevölkerung,  dessen  Bewältigung  also  die 
erste  Bedingung  eines  gedeihlichen  Schaffens  war.  Auch  hatte  v.  G.  vor 
dem  Antritt  seines  neuen  Amtes  sich  darüber  vergewissert,  daß  der  endlich 
unter  seiner  Mitwirkung  begonnene  Schutz  des  Deutschtums  im  Osten  er- 
halten und  verstärkt  werden  solle.  Das  nächste  Mittel  hierfür  war  die  Aus- 
merzung der  polnischen  Sprache  aus  den  Volksschulen  und  diese  setzte  er 
gegen  allen  Widerstand  durch,  ein  Mittel  freilich,  dessen  Frucht  zum  großen 
Teile  in  der  Zukunft  lag.  Das  zweite  war  die  Heranziehung  deutscher 
Bauern,  die  er  mit  Hilfe  der  Ansiedlungskommission  kräftig  betrieb,  schon  um 
der  Ausdehnung  der  Sachsengängerei  und  dem  Nachdrängen  polnisch-russischer 
Arbeiter  zu  steuern.  Schwieriger,  aber  nicht  hoffnungslos  war  der  V^ersuch, 
das  Verhältnis  zwischen  Staat  und  Katholiken  zu  bessern,  deren  niederer 
Klerus,  kurzsichtig  und  unbelehrt  durch  die  Geschichte,  auch  z.  T.  bewußt 
antideutsch,  die  entschlossensten  Verfechter  des  Polentums  stellte.  Auch  auf 
diesem  steinigen  Boden  blieb  sein  Streben  nicht  ohne  Erfolg,  zumal  unter 
den  höheren  Geistlichen  deutscher  Herkunft,  die  bei  ihrer  Bildung  nicht  um- 
hin konnten,  die  guten  Absichten  des  neuen  Oberpräsidenten  zu  würdigen. 
Jedenfalls  erreichte  v.  G.  auf  diesem  Wege  einen  engeren  Zusammenschluß 
der  Deutschen  und  eine  nachhaltige  Belebung  ihres  Vertrauens  auf  die  Staats- 
regierung und  auf  die  eigene  Kraft.  Demgemäß  gelang  es,  die  politisch  und 
wirtschaftlich  streitenden  Richtungen  unter  den  Deutschen  zu  versöhnen  oder 
doch  den  Zwist  unter  ihnen  zu  dämpfen;  er  hatte  sich  hierbei  der  verständ- 
nisvollen Mitwirkung  des  Danziger  Stadthauptes  zu  erfreuen  und  brachte  als 
ostpreußischer  Großgrundbesitzer  sachliche  Anschauung  mit.  Hierbei  erkannte 
er  die  Notwendigkeit,  in  den  Städten  eine  lebensfähige  Industrie  wach  zu 
rufen,  die  mit  der  Mehrung  des  eigenen  Wohlstandes  die  Kraft  und  Freudig- 
keit, auch  die  Bildung  steigern  und  durch  Erhöhung  der  Konsumtionsfähig- 
keit auf  den  Absatz  und  den  Preis  der  landwirtschaftlichen  Erzeugnisse  vor- 
teilhaft einwirken  mußte.  Nicht  alles  gelang,  die  größte  Schwierigkeit  schuf 
der  Mangel  an  Kohle  und  Eisen  in  der  Provinz,  hier  und  da  lag  der  Grund 
des  Mißerfolges  in  der  Unterschätzung  der  Hindernisse  und  der  Überschätzung 
des  Beistandes,  den  er  bei  der  immer  noch  scheuen  Bevölkerung  zu  finden 
hoffte.     Aber  die  Weite   seines  Blicks   und   die   wachsende  Sicherheit  in  der 


von  Goßler. 


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Wahl  der  Mittel  und  Wege  schloß  die  Herzen  auf  und  stärkte  den  Mut  zu 
weiterem  Wagen.  Namentlich  erwuchs  hieraus  eine  allgemeine  Belebung  des 
Bildungstriebes  und  eine  Vermehrung  der  Bildungssumme,  die  dem  Gelingen 
seines  großen  Planes,  der  Gründung  einer  technischen  Hochschule  in  Danzig 
unter  Anpassung  an  die  provinziellen  Bedürfnisse  zu  Hilfe  kam.  Kr  hat  den 
glänzenden  Sieg  seiner  Mühen  nicht  mehr  gesehen;  aber  er  durfte  auf  zuver- 
lässige Nachfolge  in  seinem  Sinne  hoffen.  Dies  blieb  nicht  die  einzige  weit 
sichtbare  Frucht  seiner  Verwaltung;  angeregt  durch  die  Verwüstungen,  die  die 
wiederholten  Ausbrüche  der  wilden  Weichsel  zuletzt  1888  im  Elbinger  Werder 
angerichtet  hatten,  schritt  er  zur  Beseitigung  des  Sperrdammes,  bei  der  er  1895 
<len  ersten  Spatenstich  leistete,  und  zur  Schöpfung  einer  Weichselmündung 
statt  der  bisherigen  beiden;  er  verminderte  die  Gefahren  des  Eisganges  durch 
Einführung  von  Eisbrechern  und  bildete  sich  zu  einem  echten  Fachmann  auf 
diesem  Gebiete  aus.  Ebenso  gelang  1893  seinem  rechtzeitigen  Eingreifen  die 
Abwehr  eines  Choleraeinfalls  von  der  Provinz.  Es  blieb  aber  nicht  bei  der 
Sorge  für  das  äußere  Wohl;  als  früherer  Unterrichtsminister  wußte  er,  daß 
die  Grundlagen  alles  Gedeihens  geistiger  und  sittlicher  Art  seien.  Inner- 
halb des  Schulkollegiums  durch  tüchtige  Räte  unterstützt,  ließ  er  ihnen  die 
gerade  für  dieses  Amt  unentbehrliche  Selbständigkeit;  die  Danziger  Pracht- 
bauten aus  großer  Zeit  nährten  seinen  Kunstsinn,  den  er  vor  allem  bei  der 
schon  früher  von  ihm  geförderten  Wiederherstellung  der  Marienburg  betätigen 
konnte.  Seine  religiöse  Empfindung  fand  Befriedigung  in  der  Pflege  des 
Danziger  Diakonissenhauses,  in  dessen  Kapelle  er  gern  der  Verkündigung 
des  göttlichen  Wortes  lauschte,  auch  hierin  seinem  Vater  ähnlich,  unter 
<lessen  Obhut  .sich  in  Königsberg  das  Krankenhaus  der  Barmherzigkeit  ent- 
wickelt hatte. 

Eine  solche  Verwaltung,  die  sich  nach  dem  Spruche  des  Danziger  Stadt- 
waj)pens  -»nee  fernere  nee  timtde<  regelte,  rechtfertigte  völlig  die  vorher  viel 
umstrittene  Abtrennung  Westpreußens  von  dem  Osten;  sie  brachte  aber  auch 
V.  (i.  den  verdienten  Lohn.  Was  von  ihm  in  den  Danziger  Gedächtnisreden 
gepriesen  wird,  daß  er  nicht  unter  ihnen,  sondern  mit  ihnen  gelebt  habe, 
das  galt  ebenso  von  der  ganzen  Provinz;  er  wurzelte  in  ihr  so  fest,  daß  er 
die  1893  angebotene  Versetzung  nach  Ostpreußen,  das,  früher  in  Parteiver- 
blendung dieser  Maßregel  abgeneigt,  jetzt  ihm  gern  die  Tore  geöffnet  hätte, 
entschieden  ablehnte  und  seiner  Arbeitsstätte  treu  blieb.  Aber  es  fehlte  auch 
an  lautem  Danke  nicht.  Sein  Kaiser  verlieh  ihm  1898  mit  dem  schwarzen 
Adler  den  höchsten  und  geschichtlich  ehrwürdigsten  Orden  Preußens;  zahl- 
reiche Städte  suchten  durch  ihre  Gabe  des  Ehrenbürgerrechts  ihn  sich  noch 
näher  zu  verbinden,  die  eine  erbat  noch  später  die  Erlaubnis,  statt  ihres  bis- 
herigen polnischen  Namens  sich  Goßlerhausen  zu  nennen,  und  als  er  von 
schwerer  Krankheit  leidlich  hergestellt  heimkehrte,  wurde  er  mit  solcher 
Liebe  empfangen,  daß  er  seinem  Danke  die  Worte  lieh:  »Mein  Herz  schwillt 
vor  Freude  und  Dank,  aber  nicht  vor  Stolz;  Gott  wird  mir  Kraft  geben, 
niemals  stolz  zu  werden,  denn  ich  weiß,  wie  alles  hinschwindet  im  letzten 
Augenblick«.  Und  diesen  letzten  Augenblick  hat  er  als  einen  nahen  voraus- 
gesehen und  durch  seine  rastlose  Tätigkeit  beschleunigt;  insbesondere  scheint 
die  Reise,  die  er  1898  zu  eigner  Belehrung  und  zur  Verwendung  für  seine 
Provinz   durch    das   rheinische   Industriegebiet    unternahm,   ihn    über   Gebühr 


^  i6  ^'^^  Goßler. 

angestrengt  zu  haben.  Zwar  aus  dem  ersten  Anfall  rettete  ihn  noch  für  einige 
Jahre  die  Kühnheit  und  das  (jeschick  des  Arztes  mittels  einer  lebensgefähr- 
lichen Operation.  Allein  das  Leiden  kehrte  wieder  und  führte  ihn  unter 
großen  Schmerzen  zum  Tode,  zumal  da  er  die  Hand  nicht  vom  Pfluge  zu  lassen 
vermochte  und  überdies  1901  durch  den  Heimgang  der  geliebten  Frau  körper- 
lich und  seelisch  erschüttert  war.  Eine  Trauerfeier  sondergleichen  bekundete 
den  Schmerz  der  Provinz,  und  die  Zeitungen  aller  Richtungen  beklagten  in 
beredten  Worten  den  herben  Verlust. 

Ist  def  Versuch  gestJittet,  die  einzelnen  Züge  seines  Wesens  und  Wirkens 
in  ein  Gesamtbild  zusammenzufassen,  so  ist  schon  gesagt,  daß  er  seine  An- 
lagen durch  einen  guten  Schulunterricht  und  fast  mehr  noch  durch  freien 
Fleiß  entwickelte,  daß  er  neben  der  Fachwissenschaft  eine  vielseitige  Bildung 
erwarb  und,  was  mehr  sagen  will,  daß  er  seine  mannigfachen  Kenntnisse  zu 
einheitlicher  Kraftwirkung  und  einer  in  sich  ausgeglichenen  Persönlichkeit 
verschmolz.  Ausgeglichen  auch  in  höchster  Beziehung,  so  fern  sein  klares 
Denken  von  tiefer  Empfindung  begleitet  und  zu  echter  Frömmigkeit  verklärt 
wurde.  In  seiner  letzten  Krankheit  bekannte  er:  »Es  bleibt  überall  ein  Rest 
in  meinem  Leben,  den  nur  die  Gnade  meines  Herrn  decken  kann;  wo  ich 
auch  hinblicke,  bei  allem,  was  ich  gewollt  und  erreicht,  alles  Gnade  und 
nichts  als  Gnade«  und  ebenso  »Wir  haben  alle  unser  Kreuz,  ein  jeder  sein 
eigenes,  aber  ein  Kreuz,  ein  Kreuz,  das  ist  für  uns  alle«  (Stengel,  Trauer- 
feier im  Diakonissenhause  S.  10).  Kein  Mißlingen  entmutigte  ihn;  aus  seiner 
idealen  Anschauungsweise  schöpfte  er  immer  wieder  Antrieb  und  Kraft  zu 
neuer  Arbeit  und  wollte  lieber  wirken  als  länger  leben.  Nicht  ohne  den 
Ehrgeiz  des  Strebens  und  Erringens,  hatte  er  sich  doch  des  Geizes  nach  Ruhm 
und  Lohn  entäußert.  Tapfer,  aber  ohne  Streitlust  und  im  Kampfe  nicht  die 
Demütigung  des  Gegners,  sondern  den  Sieg  der  guten  Sache  und  einen  heil- 
bringenden Frieden  suchend,  nicht  an  das  Maß  seiner  Kräfte,  aber  an  die 
Sicherung  des  Erfolges  denkend,  gab  er  erst,  als  dieser  versagte,  den  Kampf 
und  seine  hohe  Stellung  auf,  um  sich  den  inneren  Frieden  zu  bewahren,  auch 
hier  im  Einklang  mit  der  geliebten  Frau,  die  mit  ihm  den  Glauben  teilte, 
daß  Gott  im  Regimente  sitze.  Ihn  beseelte  ein  warmer  und  kräftiger  Familien- 
sinn; bei  einer  festlichen  Versammlung  in  kleinerem  Kreise  wiederholte  er 
den  Mahnspruch  seines  Vaters:  »Haltet  fest  zusammen«.  Seinen  Beamten 
schenkte  er  gern  wahre  Teilnahme;  frei  von  bureaukratischer  Enge,  schweig- 
sam, aber  nicht  verschlossen  hörte  er  ihren  Rat  bei  völliger  Wahrung  seiner 
Selbständigkeit.  Gelassen  bei  fremden  Angriffen,  aber  nicht  immer  geschützt 
gegen  Intriguen,  edelmütig  in  Behandlung  des  Gegners,  hat  er  aus  allen 
Kämpfen  immer  sich  unversehrt  gerettet,  wo  andere  böse  Narben  und  bittere 
Empfindungen  davontrugen. 

Die  Frage  liegt  nahe,  welchen  Rang^v.  G.  unter  den  großen  L^nterrichts- 
ministern  einnimmt,  die  dem  preußischen  Staate  im  19.  Jahrhundert  geschenkt 
sind.  Allen  voran  steht  W.  v.  Humboldt,  der  große  Held  des  Geistes  und 
der  Wissenschaft,  der  unerschrockene  Sohn  seines  tiefgebeugten  Vaterlandes, 
der  binnen  kurzer  Zeit  für  ein  Jahrhundert  die  Ziele  und  Wege  der  nationalen 
Bildung  bestimmt  und  inmitten  aller  Armut  eine  größere  Bereicherung  des 
deutschen  Bildungsschatzes,  eine  hohe  V^orbildung  des  preußischen  Beamten- 
tums  schuf.     Aber  ich  wüßte   keinen,    der   v.  G.    den   zweiten  Rang  streitig 


von  Goßler.     Schuh.  ^a7 

machen  könnte,  und  an  Tatenlust  überragte  er  selbst  seinen  eben  genannten 
Vorgänger.  Wie  geneigt  immer,  die  stillen  und  doch  reichen,  noch  neuerdings 
von  A.  Harnack,  Gesch.  der  Pr.  Akad.  d.  W.  I,  2,  682  mit  Recht  gepriesenen 
Verdienste  Altensteins  während  tiefer  staatlicher  Erschöpfung,  den  Mut  und 
Scharfsinn  Falks  in  leidenschaftlichem  Streit  anzuerkennen,  halte  ich  doch 
die  Aufgaben,  zu  deren  Lösung  v.  G.  teils  berufen  wurde,  teils  freiwillig  her- 
antrat, für  schwieriger  und  vielgestaltiger.  Alles  zum  guten  Finde  zu  führen, 
ist  ihm  nach  Zeit  und  Umständen  nicht  vergönnt  gewesen;  aber  vieles  ist 
ihm  mit  reichem  und  bleibendem  Erfolge  gelungen.  Er  hat  nicht  so  lange 
gelebt,  um  die  volle  Frucht  seiner  Anstrengungen  zu  sehen,  aber  lange  ge- 
nug, um  die  Bahnen  zu  weisen,  auf  denen  allein  der  Staat  sein  höchstes  Ziel, 
die  geistige,  sittliche,  einheitliche  Erziehung  seiner  Bürger,  erreichen  kann. 
Von  Goßler,  Ansprachen  und  Reden,  Berlin  1890;  Trauerfeier  für  G.  v.  Goßler, 
Danzig  1902;  Der  Gesellige,  Graudenzer  Zeitung  Nr,  230  vom  30.  Septb.  1902;  Danziger 
Neueste  Nachrichten  Nr.  229 — 231  u.  233  von  1902. 

Halle  a.  S.  Wilh.  Schrader. 

Schuh,  Hermine,  geb.  Freiin  von  Reichenbach,  *  5.  September  18 19  in 
Hausach,  f  28.  Oktober  1902  zu  Wien.  —  Der  Name  dieser  Frau  ist  in  der 
wissenschaftlichen  Welt  wohl  gänzlich  unbekannt,  aber  jeder  nur  einiger- 
maßen in  die  Anatomie  der  Pflanzen  Eingeweihte  kennt  zum  mindesten  eine 
ihrer  Entdeckungen  auf  diesem  Gebiete,  nämlich  jene  merkwürdigen  die  Ge- 
fäße vieler  Gewächse  ausfüllenden  zelligen  Gebilde,  welche  von  ihr  entdeckt 
und  in  prägnanter  W'eise  beschrieben  worden  sind.  Diese  Gebilde,  welche 
später  zum  Gegenstande  vielseitiger  Studien  gemacht  wurden,  tragen  heute 
noch  den  Namen,  den  die  Entdeckerin  ihnen  gegeben  hat:  Thyllen. 

In  jungen  Jahren,  noch  unverheiratet,  hat  sich  Baronin  Reichenbach 
eingehend  mit  Botanik,  insbesondere  mit  Pflanzenanatomie,  beschäftigt.  Es 
war  dies  in  den  vierziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts,  als  die  letzt- 
genannte Disziplin  noch  wenige  Bearbeiter  zählte.  Sie  veröffentlichte  ihre 
Untersuchungen  in  der  »Botanischen  Zeitung«  (Berlin)  unter  dem  Kamen 
»ein  Ungenannter«,  unter  welcher  Bezeichnung  sie  auch  heute  noch  in  der 
Literatur  genannt  wird. 

Später  veröffentlichte  sie  noch  eine  sehr  gute  Arbeit  über  die  Milchsaft- 
gefäße, welcher  Untersuchung  auch  heute  noch  mehrfach  gedacht  wird. 

Frau  Schuh  war  die  Tochter  des  bekannten  Naturforschers  und  In- 
dustriellen Freiherrn  von  Reichenbach,  welcher  sich  durch  die  chemische 
Untersuchung  der  Theerprodukte  große  Verdienste  erwarb  und  durch  seine 
odisch-magnetischen  Briefe  in  den  weitesten  Kreisen  bekannt  gemacht  hatte. 
Sie  wurde  zu  Hausach  im  Großherzogtum  Baden  geboren,  wo  ihr  Vater  als 
Direktor  der  fürstlich  Fürstenbergschen  Eisenwerke  tätig  war.  Als  Kind  von 
sechs  Jahren  zog  sie  mit  ihrer  Familie  nach  Stuttgart,  und  bald  darauf  nach 
Blansko  in  Mähren,  wo  ihr  Vater  die  fürstlich  Salmschen  Eisenwerke  leitete. 
Im  zwölften  Lebensjahre  verlor  sie  ihre  Mutter.  Ende  der  dreißiger  Jahre 
legte  ihr  Vater  die  Stelle  in  Blansko  nieder  und  kaufte  das  Schloß  Reisen- 
berg (Cobenzel)  bei  Wien  (in  der  Nähe  des  Kahlenbergs)  an.  Hier  trieb  er 
seine  naturwissenschaftlichen  Studien,  u.  a.  Botanik.  In  die  botanischen 
Studien  wurde  die  Tochter  von  ihrem  Vater  eingeführt;   sie  half  eifrig  beim 


n 


aS  Schuh.     Klasen. 


Sammeln  der  Pflanzen,  und  wirkte  bei  der  Ordnung  des  großen  Herbariums 
mit,  das  später  in  den  Besitz  des  Wiener  Hofmuseums  überging.  Um  ihre 
botanischen  Kenntnisse  zu  erweitern,  ging  sie  1843  zu  Unger,  welcher  damals 
als  Professor  am  Joanneum  in  Graz  wirkte,  warm  empfohlen  von  den  beiden 
Wiener  Botanikern  Endlicher  und  Fenzl.  In  Graz  entstanden  ihre  beiden 
obengenannten  pflanzenanatomischen  Arbeiten. 

Nach  einigen  Jahren  kehrte  sie  nach  Wien  zurück  und  lebte  bei  ihrem 
Vater  am  Cobenzel,  wo  sie  ihre  botanischen  Studien  fortsetzte,  bis  sie  im 
Jahre  1849  sich  mit  dem  Gutsbesitzer  in  Glogau  (Preußisch -Schlesien) 
K.  Schuh  vermählte,  und  bis  zum  Tode  ihres  Mannes  (1866)  in  glücklicher 
Ehe  lebte.  Als  Witwe  kehrte  sie  nach  Wien  zurück,  wo  sie  in  ihrem  drei- 
undachtzigsten Jahre  starb.  Ihre  einzige  Tochter,  Friederike,  ist  die  Gattin 
des  bekannten  Professors  der  Physik  an  der  Wiener  Universität,  Franz  Exner. 

Druckschriften:  Ein  Ungenannter,  Über  die  zellenartigen  Ausfüllungen  der  Gefäße. 
Bot.  Zeitung  1845.  —  Ein  Ungenannter,  Die  Milchsaftgefäße,  ihr  Ursprung  und  ihre  Ent- 
wicklung. Ebendaselbst  1846.  J.  Wiesner. 

Klasen,  Franz,  katholischer  Theologe,  *  7.  Januar  1852  zu  Halte  an  der 
Ems  bei  Papenburg  in  Hannover,  f  23.  November  1902  am  Herzschlag  während 
einer  Fahrt  auf  der  Isartalbahn.  —  K.  studierte  Theologie  in  München  und 
Würzburg,  wurde  am  29.  Juni  1877  zum  Priester  geweiht,  dann  Dr.  theol. 
Als  Stadtpfarrprediger  an  St.  Ludwig  in  München  wurde  er  ein  beliebter 
und  erfolgreicher  Kanzelredner.  In  seinen  letzten  Jahren,  durch  gekränkten 
Ehrgeiz  auf  die  Bahn  der  Opposition  geführt,  widmete  er  sich  der  Politik, 
zuerst  seit  1898  als  Chefredakteur  des  »Bayerischen  Kuriers«,  den  er  zu 
Angriffen  gegen  kirchliche  Kreise  und  gegen  die  Zentrumspartei  benutzte, 
bis  letztere  das  Blatt  wieder  an  sich  brachte,  dann  durch  die  von  ihm  in 
Gemeinschaft  mit  Dr.  Bumüller  herausgegebene,  als  Organ  des  sog.  »Reform- 
katholizismus« gegründete  Zeitschrift  »Das  20.  Jahrhundert«.  —  Auf  wissen- 
schaftlich-theologischem Gebiete  veröffentlichte  K.:  »Die  alttestamentliche 
Weisheit  und  der  Logos  der  jüdisch-alexandrinischen  Philosophie  auf  histori- 
scher Grundlage  in  Vergleich  gesetzt.  Beitrag  zur  Christologie«  (Freiburg  i.  Br. 
1878);  »Die  innere  Entwicklung  des  Pelagianismus.  Beitrag  zur  Dogmen- 
geschichte« (Freiburg  i.  Br.  1882);  »Pelagianistische  Kommentare  zu  13  Briefen 
des  hl.  Paulus«  (Tübinger  Theologische  Quartalschrift,  67.  Jahrg.  1885,  S.  244ff.. 
531  ff.).  1887 — 89  redigierte  K.  die  theologisch-praktische  Zeitschrift  »Der 
Prediger  und  Katechet«.  Seine  weiteren  Veröffentlichungen  sind  Früchte 
seiner  Kanzeltätigkeit  bei  St.  Ludwig  zu  München:  »Kanzelvorträge,  gehalten 
bei  St.  Ludwig  zu  München«  (Augsburg  1890;  Neue  Folge,  i.  Heft,  ebd. 
1891);  »Die  Adventkapelle«  (Kempten  1894);  »Vier  heilige  Zeiten«  (Kempten 
1896);  »Mariens  Erdenglück.  Maivorträge«  (Regensburg  1897);  »Der  Sonn- 
tag. Predigten«  (Regensburg  1901).  K.  versuchte  sich  auch  als  dramatischer 
Dichter  mit  den  historischen  Dramen:  »Heinrich  Raspe«  (München  1894, 
3.  Aufl.  1900)  und  »PYiedrich  der  Freidige«  (1900).  Das  erstere  Stück  wurde 
vom   Hoftheater    zu    München    aufgeführt;    die    vorbereitete   Aufführung    des 

zweiten  erlebte  K.  nicht  mehr. 

Vgl.  Alte   und    Neue   Welt,    37.  Jahrg.   1903,    S.  316.     Kölnische  Volkszeitung    1902, 

Nr.  1050  vom  25.  Nov.  F.  Laudiert. 


Geiger.     Stiefelhagen.  349 

Geiger,  Hermann,  Geheimer  päpstlicher  Kämmerer  und  Ehrendomherr 
in  München,  *  14.  März  1827  zu  Schwabmünchen  in  Bayern  (Schwaben), 
f  I.  Dezember  1902  zu  München.  —  G.  erhielt  seine  Gymnasialbildung  im 
Gymnasium  der  Benediktiner  zu  St.  Stephan  in  Augsburg  und  im  kgl.  Er- 
ziehungsinstitut in  München,  studierte  Theologie  in  München  und  Bonn  und 
wurde  am  24.  Juni  1850  zum  Priester  geweiht.  Hierauf  wirkte  er  als  Kooperator 
in  Teisendorf,  Rosenheim  und  Traunstein,  1857  in  der  Vorstadt  Au  in  München; 
1858  wurde  er  Kooperator  und  Prediger  an  der  St.  Ludwigskirche  in  München, 
1863  Frühmeflbenefiziat  daselbst.  Durch  die  Organisation  der  bayerischen 
Pilgerfahrten  in  das  heilige  Land,  die  sein  Werk  ist  und  der  er  sich  mit 
großem  Eifer  widmete,  wurde  er  in  ganz  Deutschland  bekannt;  seit  1873  hat 
er  25  Pilgerzüge  nach  Jerusalem  organisiert,  ebenso  zwei  solche  nach  Frank- 
reich und  Spanien  1887  und  189 1.  Um  die  Fühlung  mit  den  früheren  Teil- 
nehmern zu  erhalten,  versandte  er  seit  1885  viermal  jährlich  die  »Pilger- 
Briefe;  Mitteilungen  für  die  Mitglieder  der  bayerischen  Pilgerkarawanen  in 
das  Heilige  Land«,  die  nach  seinem  Tode  zu  einem  »Organ  des  bayerischen 
Pilgervereins  vom  Heiligen  Lande«  erweitert  wurden.  In  Anerkennung  seiner 
Verdienste  wurde  er  zum  Geheimen  päpstlichen  Kämmerer  und  1883  zum 
F^hrendomherrn  der  Patriarchalkirche  zu  Jerusalem  ernannt.  —  Von  G.s  schrift- 
stellerischer Tätigkeit  sind  vor  allem  die  beiden  in  jüngeren  Jahren  verfaßten 
wertvollen  historischen  Erzählungen  zu  erwähnen:  »Lydia.  Ein  Bild  aus 
der  Zeit  des  Kaisers  Mark  Aurel«  (Stuttgart  1856;  4.  Aufl.  Regensburg  1891); 
»Leander  und  Hermigild  oder  die  Wiedergeburt  Spaniens.  Eine  Erzählung 
aus  der  Geschichte  der  Westgoten«  (2  Teile,  Stuttgart  1860).  Ferner  schrieb 
er:  »Die  Gesellschaft  des  heiligen  Vinzenz  von  Paul  in  München  und  ihre 
Verzweigung  in  Bayern«  (München  1870);  »Gregor  von  Scherr,  Erzbischof 
von  München-Freising«  (München  1877);  »F>innerung  an  Hieronymus  von 
Bayer«  (Histor.-polit.  Blätter,  80.  Bd.  1877,  S.  612 — 632,  696 — 711).  Von 
mehreren  der  von  ihm  mitgemachten  oder  veranstalteten  Pilgerreisen  gab  er 
Gedenkblätter  und  Tagebücher  heraus. 

Vgl.  Pilger-Briefe,  Nr.  73  (N.  F.  Nr.  i),  vom  24.  Febr.  1903;  mit  Porträt.    Augsburger 
Pustzeitung,  4.  Dez.  1902.  F.  Lauchert^ 

Stiefelhagen,  Ferdinand,  Domkapitular  in  Köln,  *  ii.  Februar  1822  zu 
Marialinden  (Kreis  Mülheim  a.  Rh,),  f  2.  Dezember  1902  zu  Köln.  —  St. 
besuchte  das  katholische  Gymnasium  zu  Köln,  studierte  dann  1842 — 45 
Theologie  und  Philologie  in  Bonn,  trat  1845  in  das  Kölner  Priesterseminar 
ein  und  wurde  am  25.  April  1846  zum  Priester  geweiht.  Hierauf  kehrte  er 
nochmals  an  die  Universität  Bonn  zurück,  um  noch  während  zwei  weiterer 
Jahre  besonders  philologische  Studien  zu  betreiben;  am  3.  Juni  1848  pro- 
movierte er  hier  zum  Dr.  phil.  Er  wirkte  dann  zunächst  als  Lehrer  am  Pro- 
gymnasium zu  Neuß,  dann  am  Progymnasium  zu  Siegburg.  Am  8.  Januar 
1853  wurde  er  Rektor  der  höheren  Stadt-  und  Gewerbeschule  zu  Eupen, 
am  31.  März  1862  Pfarrer  in  Cuchenheim  (Kreis  Rheinbach),  1864  auch  De- 
finitor  und  Schulinspektor  des  Dekanates  Münstereifel,  1884  Dechant;  am 
17.  August  1886  wurde  er  als  Domkapitular  in  Köln  installiert.  —  Schriften: 
*  De  oracuh  ApoUinis  Delphko,  Dissertat'w  phtlohgtca*  (Bonn  1848);  »Geschichte 
des  Volkes  Israel  zugleich  mit  den  Umrissen  der  Geschichte  des  klassischen 


-^CQ  St iefelh ageil,     von  Brück,     von  Freiberg. 

Altertums«  (Köln  und  Neuß  1854);  »Theologie  des  Heidentums.  Die  Wissen- 
schaft von  den  alten  Religionen  und  der  vergleichenden  Mythologie  nebst 
neuen  Untersuchungen  über  das  Heidentum  und  dessen  näheres  Verhältnis 
zum  Christentum <<  (Regensburg  1858);  > Kirchengeschichte  in  Lebensbildern. 
F'ür  Schule  und  Familie  dargestellt'<  (Freiburg  i.  Br.  1860,  2.  Aufl.  1869, 
3.  Aufl.  1893).  Abhandlungen  und  Rezensionen  in  der  (Wiener)  Zeitschrift 
für  die  gesamte  katholische  Theologie  IV^ — VIII,  1852 — 56,  und  in  der  Öster- 
reichischen Viertel  Jahresschrift  für  katholische  Theologie  III — VI,  1864 — 1867 
Vgl.  Joh.  Becker,  Geschichte  der  Pfarreien  des  Dekanates  Münstereifel  (=-  Dumont, 
Geschichte  der  Pfarreien  der  Erzdiözese  Köln,  XXXIV,  Bonn   1900),  S.  39. 

F.  Lauchert. 

Brück,  Karl  Freiherr  von,  österreich.-ungarischer  Botschafter,  *  24.  De- 
zember 1830,  f  9.  November  1902.  —  B.  trat  1850,  als  sein  Vater  Handels- 
minister war,  in  den  österreichischen  Konsulatsdienst,  arbeitete  in  Alexandrien 
und  Konstantinopel,  wurde  1854  Legationssekretär  in  der  letzteren  Stadt, 
dann  bei  den  Gesandtschaften  in  Florenz,  Karlsruhe,  Petersburg,  Brüssel,  bis 
er  1868  Gesandter  in  Darmstadt  und  1870  in  München  wurde.  Die  wich- 
tigste Periode  seiner  amtlichen  Wirksamkeit  fällt  in  die  Zeit,  da  er  1886  bis 
1895  als  Botschafter  am  italienischen  Hofe  tätig  war;  denn  1887  trat  Italien 
förmlich  dem  Bunde  der  Zentralmächte  bei,  nachdem  es  schon  seit  1881 
sich  ihnen  genähert  hatte.  B.  stand  bei  diesen  Verhandlungen  nicht  in 
erster  Linie,  doch  förderte  er  den  Abschluß  und  die  Befestigung  des  Bünd- 
nisses durch  seine  korrekte,  auch  von  der  italienischen  Regierung  anerkannte 
Tätigkeit.     Seit  1895  lebte  B.  im  Ruhestande. 

Freiberg,  Rudolf  Ritter  von,  *  23.  Januar  1843  ^u  Prag,  f  8.  November 
1902  zu  Hartenstein  in  Niederösterreich.  —  Die  verschlungene  Laufbahn,  die 
F.  zu  einem  der  einflußreichsten  Posten  im  österreichischen  Beamtentum 
emportrug,  beruhte  nicht  auf  der  Grundlage  einer  ernsten  Bildung.  ¥.r  genoß 
geringen  Schulunterricht  und  betätigte  sich  schon  als  junger  Mensch  in  Prag 
als  Journalist;  in  der  Mitte  der  60 er  Jahre  kam  er  nach  Wien,  wo  er  eine 
Stelle  als  Redakteur  der  Reichsratskorrespondenz  fand,  die  mit  der  Abfassung 
von  Berichten  über  die  Sitzungen  des  Parlaments  betraut  ist.  Auch  war  er 
damals  für  kleinere  Zeitungen  als  Mitarbeiter  und  Korrespondent  tätig.  Dann 
fand  er  eine  Stelle  zuerst  im  Obersthofmeisteramt  und  später  im  Preßbureau 
der  österreichischen  Regierung.  Hier  machte  er  sich  nicht  gerade  durch 
schriftstellerische  Begabung,  sondern  durch  gewandte  Vermittelungen  im 
Zeitungswesen  nützlich  und  es  wurde  ihm,  unter  Nachsicht  der  vorgeschrie- 
benen Gymnasial-  und  Universitätsstudien  der  Eintritt  in  die  Beamtenlauf- 
bahn als  Konzipist  gestattet.  Im  liberalen  Kabinett  Fürst  Adolf  Auersperg 
(187 1  — 1879)  war  der  Minister  Josef  Unger  mit  der  Leitung  der  Preß- 
angelegenheiten betraut  und  er  verwendete  F.  hierbei  als  Sekretär,  wobei 
dieser  Gelegenheit  hatte,  sich  mit  den  parlamentarischen  und  politischen  Be- 
ziehungen der  Regierung  und  ihrer  Partei  bekannt  zu  machen.  Seine  Stellung 
war  jedoch  untergeordnet,  bis  das  liberale  Regiment  1879  durch  das  Über- 
gangsministerium Stremayr  und  dann  durch  den  Grafen  Taaffe  abgelöst 
wurde.     Von  da  ab  begann  der  Aufstieg  F.s.    Er  wurde  mit  der  Leitung  des 


von  Freiberg.  35  I 

Preßbureaus  betraut   und   war  eines   der  verwendbarsten  Werkzeuge  der  den 
Deutschen  Österreichs  feindseligen  Regierung,     F.  stellte  seine  früher  erwor- 
benen   Erfahrungen    und    Verbindungen    dem   Grafen  Taaffe    zur  Verfügung, 
leitete    die    offiziösen  Zeitungen   und   war  zugleich   unermüdlich   in  der  Auf- 
findung von  Mitteln,  um  die  oppositionelle  Presse  niederzuhalten,  oder  durch 
Korruption  zu  gewinnen.     Das  System,   dem  Preßbureau   durch  Verkauf  von 
Adelstiteln    und   Orden  Geld    zur  Verfügung    zu    stellen  —  ein  Brauch,    der 
übrigens  vor  wie  nach  ihm  in  Osterreich  geübt  worden  ist  —  wurde  von  ihm 
zu  seltener  Blüte  gebracht.     Mit  diesem  Kapital  wurde  ganz  Osterreich,  ins- 
besondere  aber  das   oppositionelle   Deutschböhmen,   mit  einer  Flut  offiziöser 
Blätter  bedeckt.   Die  Erhebung  zum  Hofrat  und  die  Versetzung  in  den  Adelstand 
war  der  Lohn  dieser  Dienste.    Selbst  als  Graf  Taaffe  in  der  zweiten  Hälfte  seiner 
Amtswirksamkeit  sich  den  deutschen  Parteien  näherte,  war  F.,  der  im  Kampfe 
gegen  diese  Partei  seine  Stellung  gewonnen  hatte,  bemüht,  die  Cberbrückung 
des  Spaltes  zu  verhindern.     Nach  dem  Rücktritte  Taaffes   (1893)   wurde   ihm 
von   dem  Koalitionsministerium  Windischgrätz-Plener  die  Leitung  des  Preß- 
bureaus abgenommen  und  er  war  eine  Zeitlang  kaltgestellt.    Als  jedoch  Graf 
Badeni    1895   Ministerpräsident   wurde,    übertrug   er  ihm   wieder  die  Leitung 
jenes  Amtes  und  bediente  sich  seines  Rates  in  allen  Korruptionsaffären,  von 
denen  eine  wenigstens,  weil  besonders  charakteristisch,  Erwähnung  verdient. 
Aus  einem  Prozesse,  der  später  von  dem  Redakteur  des  Wiener  Tageblattes 
»Reichswehr<s  Gustav  David,  gegen  die  österreichische  Regierung  angestrengt 
wurde,  erfuhr  man,  daß  zwischen  David  und  der  Regierung  am  25.  Oktober 
1896    ein    Gesellschaftsvertrag    abgeschlossen    wurde,    der    die    Führung    der 
»Reichswehr«  zum  Gegenstande  hatte.     Das  Blatt  sollte  zur  Hälfte  Eigentum 
Davids,  zur  Hälfte  das  der  Regierung  sein,   die  die  Vertretung  ihrer  Rechte 
an  F.  übertrug;  auf  Grund  dieses  Verhältnisses  sollte  David  vom  i.  November 
1896    bis   Ende   1897    nicht   weniger    als   130000  fl.    erhalten.       Das   Condo- 
minium  der  Staatsregierung  an  dem  Blatt  machte  sich  in  der  Weise  geltend, 
daß,  wenn  ihre  Aufträge  und  Wünsche  in  drei  aufeinanderfolgenden  Nummern 
des  Blattes  nicht  berücksichtigt  werden  sollten,  der  Vertrag  als  gelöst  zu  be- 
trachten   und   David    zur  Rückgabe    der  Gelder    verpflichtet    sei.     Zunächst 
blieb    dieser  Vertrag   geheim.     Für    die   Geschäftsführung  F.s   war  dann   der 
folgende  Vorgang   bezeichnend.     Im  Januar  1897   brachte   die   »Reichswehr^< 
eine  Reihe  gehässiger  Artikel  gegen  das  Deutsche  Reich,  die  dartun  sollten, 
daß  Deutschland    das    bestehende  Bundesverhältnis    zu   seinem  Vorteil    miß- 
brauche.    Da   der  offiziöse  Charakter  der   »Reichswehr«    doch  nicht   zu  ver- 
decken   war,    w^urden    die  Artikel    in    Berlin    unangenehm  vermerkt,    worauf 
kurz  vor  einer  Reise  des  Grafen  Goluchowski  nach  der  deutschen  Hauptstadt 
die  amtliche  Wiener  Abendpost   am   15.  Januar  1897    die  Erklärung  brachte: 
»daß  weder  Seine  Exzellenz  der  Herr  Ministerpräsident  noch  Seine  Exzellenz 
der  Herr  Finanzminister  in  irgend  eine  Beziehung  zur  »Reichswehr«  gebracht 
werden    dürfen«.      Daß    diese    Versicherung    des    Wiener    Preßbureaus    eine 
dreiste  Unwahrheit  war,  ergab  sich,  wie;  gesagt,  aus  dem  ein  Jahr  später  ge- 
führten Prozeß.     Es   ist   unwahrscheinlich,    daß  David    diesen  Feldzug  gegen 
Deutschland  auf  eigene  Faust  ins  Werk   setzte;   wenn  hier  eine  Intrigue  des 
Polen  Badeni  gegen  das  deutsche  Bündnis  vorgelegen  haben  sollte,  so  deckte 
er    sich    durch  jenes,    jeden   Verdacht    abwehrende    Dementi.      Tatsache    ist 


352  von  Freiberg.     Virchow. 

übrigens,  daß  die  »Reichswehr«  in  dem  vereinbarten  Zeitpunkte  215000  fl.^ 
also  eine  größere  als  die  vereinbarte  Summe  von  der  Regierung  erhielt. 
Man  hat  die  Frage  aufgeworfen,  wodurch  sich  das  Kabinett  Badeni  bestimmt 
fühlen  konnte,  einem  nicht  sehr  stark  verbreiteten  Blatte  so  große  Summen 
zuzuwenden  und  es  ist  mehr  als  wahrscheinlich,  daß  persönliche  Interessen 
F.s  hierbei  mitspielten.  Das  Kabinett  Badeni  fiel  im  November  1897  infolge 
der  deutschen  Obstruktion  und  damit  nahm  auch  die  Wirksamkeit  F.s  ein 
jähes  Ende.  Er  war  von  Badeni  noch  zum  Sektionschef  —  die  nächste 
Rangstufe  nach  dem  Minister  —  erhoben  worden,  wurde  aber  von  seinem 
Nachfolger  in  den  Ruhestand  versetzt.  Gestützt  auf  den  mit  ihm  ab- 
geschlossenen Vertrag  hat  David  von  dem  Ministerium  Thun  die  Fortsetzung 
des  Verhältnisses  verlangt,  veröffentlichte  die  bezüglichen  Schriftstücke  und 
das  Gericht  hatte,  als  die  neue  Regierung  eine  Verpflichtung  ablehnte,  für 
den  April  1898  die  Verhandlung  über  die  Forderung  Davids  auf  die  Zahlung 
von  279868  fl.  96  kr.  angesetzt  -7  als  ein  Ausgleich  in  der  peinlichen  An- 
gelegenheit erfolgte.  —  Wie  die  Zeitungen  meldeten,  ist  F.  im  Besitze  eines, 
ansehnlichen  Vermögens  gestorben,  das  durch  Zeitungs-  und  Börsengeschäfte 
erworben  sein  dürfte.  Wenn  es  wahr  ist,  daß  er  sich  nach  seiner  Entfernung 
vom  Dienste  mit  der  Abfassung  seiner  Denkwürdigkeiten  beschäftigte,  so 
kann  diese  Arbeit  ein  interessanter  Beitrag  zu  einem  wenig  erfreulichen 
Kapitel  der  Geschichte  Österreichs  werden. 

Im  April  1898  erschienen  in  der  »Reichswehr«  die  den  Vertrag  mit  der  Regierung- 
beleuchtenden  Angaben,  kommentiert  sind  sie  in  der  Wiener  Wochenschrift  »Zeit«  vom 
23.  April  1898.  Heinrich  Fried  jung. 

Virchow,  Rudolf  Ludwig  Karl,  *  13.  Oktober  1821  zu  Schivelbein  in 
Pommern,  f  5.  September  1902  zu  Berlin.  —  Wenn  das  Leben  eines  bedeutenden 
Mannes  abgeschlossen  ist,  so  pflegt  man  einen  Rückblick  darauf  zu  werfen^ 
um  festzustellen,  was  von  ihm  geleistet  wurde,  welchen  Einfluß  er  auf  dem 
Gebiete  seiner  Tätigkeit  und  auf  seine  Umgebung  ausübte,  und  was  von  der 
Wirkung  dieser  Tätigkeit  auch  noch  nach  seinem  Tode  für  die  Nachwelt 
übrig  bleibt.  Solcher  Rückblick  hat  nicht  nur  historische  Bedeutung,  sondern 
auch  didaktische,  ja  diese  letztere  ist  vielleicht  die  größere  von  beiden,  denn 
das  historische  Interesse  an  einem  Menschen,  der  nicht  direkt  in  die  Welt- 
geschichte eingegriffen  hat,  erblaßt  erfahrungsgemäß  schon  nach  wenigen 
Generationen,  aber  was  man  aus  seinem  Leben  lernen  kann,  behält  für  alle 
Zeiten  Bedeutung. 

F^s  ist  nicht  die  geniale  Veranlagung  allein,  die  einen  Menschen  zum 
Genie  macht,  sondern  es  gehört  dazu  auch,  daß  diese  Veranlagung  ausgenutzt 
wird  und  sich  betätigt.  Mit  Recht  sagt  Goethe,  Genie  ist  Fleiß,  und  in 
Wirklichkeit  können  wir  sagen,  daß  dieses  Wort  wohl  selten  so  sehr  auf  eine 
Persönlichkeit  in  Anwendung  zu  bringen  war  wie  auf  Rudolf  Virchow. 

Rudolf  Ludwig  Karl  Virchow  wurde  am  13.  Oktober  182 1  zu  Schivelbein 
in  Pommern  geboren,  wo  sein  Vatej-  Stadtkämmerer  war.  Er  besuchte  das 
Gymnasium  zu  Köslin  und  machte  daselbst  das  Abiturientenexamen  Ostern  1839. 
Über  seine  Schulzeit  und  sein  Abiturientenexamen  hat  das  preußische  Kultus- 
ministerium bei  Gelegenheit  V.s  80.  Geburtstages  eine  Publikation  gemacht, 
in  der  auch  das  Thema  seines  Abiturientenaufsatzes  angegeben  ist.    Dasselbe 


Virchow. 


353 


lautete:  Ein  Leben  voll  Arbeit  und  Mühe  ist  keine  Last,  sondern  eine  Wohltat. 
Seinen  Studien  lag  er  ausschließlich  in  Berlin  ob,  und  er  war  bis  zum 
Herbst  1843  am  dortigen  Friedrich-Wilhelms-Institut.  Von  seinen  Lehrern 
übte  Johannes  Müller  den  größten  Einfluß  auf  ihn  aus,  und  er  hat  auch 
später  bis  zu  seinem  Ende  das  Andenken  dieses  Mannes  vor  allen  anderen 
hochgehalten.  Sein  Doktordiplom  trägt  das  Datum  vom  21.  Oktober  1843. 
Das  Staatsexamen  bestand  er  in  demselben  Jahre.  Im  Sommer  1847  habili- 
tierte er  sich  an  der  Berliner  Universität,  nachdem  er  schon  vom  Sommer  1846 
an  daselbst  Vorlesungen  gehalten  hatte.  Er  war  nämlich  schon  während 
seiner  Studienzeit  und  auch  nach  derselben  bei  dem  damaligen  Prosektor 
der  Charit^  Froriep  tätig  und  lernte  hier  die  damals  in  Preußen  noch  wenig 
hervortretende  pathologische  Anatomie  kennen,  wobei  ihm  sofort  die  Lücken 
in  derselben,  sowie  in  der  Technik  auffielen.  1846^  wurde  er  selbst  zum 
Prosektor  der  Charit^  ernannt  und  schon  im  folgenden  Jahre  gründete  er 
mit  Reinhardt  zusammen  das  »Archiv  für  pathologische  Anatomie  und 
Physiologie  und  für  klinische  Medizin«,  das  er  nach  dem  Tode  Reinhardts 
allein  weiter  führte  und  zwar  mit  solchem  Erfolg,  daß  es  heute  noch  unter 
den  angesehensten  medizinischen  Zeitschriften  an  erster  Stelle  steht.  Der 
Name  »Virchows  Archiv«,  unter  dem  dasselbe  in  der  ganzen  zivilisierten 
Welt  bekannt  ist,  ist  demselben  nach  dem  Tode  Virchows  offiziell  beigefügt 
worden.  V.  griff  sofort  in  die  Medizin  tatkräftig  ein  und  zwar  auf  rein 
wissenschaftlichem  Gebiet  durch  seine  scharfe  Kritik  der  Rokitanskischen 
Lehre,  auf  dem  Verwaltungsgebiet  der  Medizinalangelegenheiten  durch  Ent- 
wicklung seiner  freisinnigen  Medizinal  reform  in  der  von  Leubuscher  ge- 
gründeten Medizinischen  Reform,  ferner  bei  Gelegenheit  seiner  Untersuchung 
des  Hungertyphus  1848,  indem  er  besonders  behördliche  Maßnahmen  kritisierte, 
und  außerdem  durch  eine  Reihe  von  anderen  Schriften  und  Vorträgen,  die 
bei  verschiedenen  Gelegenheiten  zustande  kamen.  Er  hatte  sich  dadurch  die 
Mißgunst  der  damals  herrschenden  politischen  Kreise  zugezogen  und  wurde 
1849  aus  politischen  Gründen  abgesetzt,  aber  auf  Antrieb  der  Berliner  ärzt- 
lichen Vereine  auf  Widerruf  wieder  angestellt.  Da  er  sich  unter  diesen 
Bedingungen  in  Berlin  nicht  wohl  fühlen  konnte,  so  folgte  er  im  Herbst  1849 
einem  Rufe  nach  Würzburg.  Dort  war  er  bis  1856  tätig,  und  von  hier  aus 
sind  eine  Reihe  seiner  bedeutendsten  Untersuchungen  hervorgegangen.  1856 
wurde  er  nach  Berlin  zurückgerufen,  und  die  ihm  zukommende  einflußreiche 
Stellung  geschaffen,  indem  er  jetzt  unter  dem  Titel  eines  Direktors  des 
Pathologischen  Institutes  der  königlichen  Charit^  und  Professor  Ordinarius 
an  der  Universität  und  dem  Friedrich-WMlhelms-Institut  berufen  wurde.  Es 
geschah  das  ganz  besonders  durch  den  Einfluß  von  Johannes  Müller,  der 
die  Bedeutung  seines  Schülers  wohl  erkannte.  In  den  nächsten  Jahren  ent- 
wickelte sich  vor  allem  in  seinen  Vorlesungen  und  auch  in  einzelnen  Ab- 
handlungen seine  Zellularpathologie,  die  dann  1859  in  Buchform  erschien. 
In  demselben  Jahre  wurde  er  von  der  norwegischen  Regierung  berufen,  den 
Aussatz  in  Norwegen  zu  studieren.  Von  1854  bis  1876  gab  er  mit  Hilfe 
anderer  Forscher  ein  »Handbuch  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie« 
heraus,  in  dem  er  selbst  eine  Reihe  wichtiger  Artikel  veröffentlichte.  Das- 
selbe wurde  das  Vorbild  mehrerer  ähnlicher  Sammlungen,  die  sich  noch  bis 
in  die  neueste  Zeit  hin  aIs  außerordentlich  praktisch   und  wertvoll  erwiesen 

Bio^r.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolosr.    j.  Bd.  2X 


354 


Virchow. 


haben.  Mit  Unrecht  wird  dieses  Handbuch  heutzutage  vielfach  als  veraltet 
betrachtet,  denn  es  enthält  eine  große  Menge  positiver  Beobachtungen,  die 
niemals  veralten  können,  selbst  wenn  viele  andere  Angaben  darin  den  heutigen 
Anschauungen  nicht  mehr  entsprechen.  Von  großer  Bedeutung  für  die  Ent- 
wicklung der  Medizin  war  die  Fortführung  der  Cannstadtschen  Jahresberichte 
durch  Virchow  in  Gemeinschaft  mit  Hirsch.  Dieselben  werden  heutzutage 
noch  unter  dem  Titel  Virchow -Hirschsche  Jahresberichte  weitergeführt. 
Auch  die  Zeitschrift  für  Ethnologie  ist  V.s  Werk.  Sie  bildet  den  Mittelpunkt 
deutscher  ethnologischer  und  anthropologischer  Forschungen  und  war  speziell 
das  Organ  der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft,  die  ebenfalls  von  V. 
ins  Leben  gerufen  wurde.  Wie  groß  V.s  Interesse  für  diese  Zeitschrift  war, 
geht  nicht  nur  aus  den  zahlreichen  Artikeln,  die  er  in  derselben  veröffent- 
lichte, hervor,  sondern  auch  daraus,  daß  er  die  ungeheure  Arbeit  eines 
Generalregisters  fast  ohne  Hilfe  eigenhändig  übernahm.  1859  wurde  er  zum 
Stadtverordneten  gewählt  und  ist  in  dieser  Stellung  bis  zu  seinem  Tode 
geblieben.  1862  wurde  er  in  das  Abgeordnetenhaus  berufen,  dessen  Mitglied 
er  ebenfalls  bis  zu  seinem  Tode  war.  Von  1880  bis  1893  gehörte  er  auch 
dem  Reichstage  an.  An  äußeren  Ehrungen  fehlte  es  V.  nicht,  und  es  zeigte 
sich  das  besonders  in  der  Ernennung  zum  Ehrenbürger  der  Stadt  Berlin  bei 
Gelegenheit  seines  70.  Geburtstages,  und  in  seiner  Berufung  in  die  kgl.  Akademie 
der  Wissenschaften  am  2.  Juli  1874,  am  selben  Tage  mit  Werner  Siemens. 
Im  Auslande  gab  es  kaum  irgend  eine  wissenschaftliche  Gesellschaft  privater 
oder  staatlicher  Natur,  der  er  nicht  in  irgend  einer  ehrenvollen  Form  angehört 
hätte  und  dasselbe  gilt  auch  von  den  deutschen  wissenschaftlichen  Gesell- 
schaften und  Akademien.  Die  regierenden  Kreise  Preußens  konnten  ihm  seine 
politische  Stellungnahme  nicht  vollständig  vergessen,  jedoch  die  Anerkennung 
seiner  Tätigkeit  wurde  ihm  auch  von  dieser  Seite  nicht  versagt. 

Die  Tätigkeit,  die  V.  ausübte,  war  eine  so  vielseitige,  daß  sie  genügt  hätte, 
das  Leben  mehrerer  anderer  Menschen  auszufüllen,  und  es  gehörte  die  seltene 
Arbeitskraft  und  die  außerordentliche  körperliche  Gesundheit  V.s  dazu,  um 
diese  Fülle .  der  Arbeit  zu  leisten.  In  Wirklichkeit  kannte  er,  wenn  er  bei 
der  Arbeit  war,  keinerlei  Zeitbeschränkung.  Es  kam  kaum  jemals  vor,  daß  er 
irgend  eine  Tätigkeit  abbrach,  weil  die  Zeit  ihn  zu  irgend  etwas  anderem 
drängte.  Darauf  war  es  zurückzuführen,  daß  er  niemals  daran  dachte,  daß 
sein  Körper  auch  des  Schlafes  bedürfe,  und  nicht  selten  ist  es  vorgekommen, 
daß  man  ihn  am  frühen  Morgen,  wenn  für  die  anderen  der  neue  Tag  begann, 
noch  bei  der  Arbeit  vom  Tage  vorher  vorfand.  Daraus  resultierte  auch  eine 
Eigentümlichkeit,  die  ihm  vielfach  zum  Vorwurf  gemacht  wurde,  nämlich 
bei  allen  möglichen  Gelegenheiten  zu  spät  zu  kommen,  zu  Terminen,  zu 
Sitzungen,  zu  den  Vorlesungen  usw.  Er  war  es  nicht  gewohnt,  bei  der 
Arbeit  nach  der  Uhr  zu  sehen  und  sich  dadurch  in  der  Ruhe  der 
Betrachtung  und  Untersuchung  stören  zu  lassen.  Diese  Art  des  Fleißes 
brachte  es  mit  sich,  daß  V.  niemals  eine  Minute  am  Tage  unnütz  verlor. 
Selbst  wenn  er  in  Zeiten  der  Muße  und  auf  Reisen  sich  befand,  konnte  man 
ihm  leicht  anmerken,  wie  sein  Gehirn  weiter  arbeitete,  und  wie  er  alle  mög- 
lichen Dinge,  die  seinem  Gedankenkreise  vielleicht  fern  lagen,  zum  Gegen- 
stand seiner  Beobachtungen  machte.  Manche  überraschenden  Mitteilungen 
auf  ganz  anderen  Gebieten  waren  die  Resultate  solcher  gewissermaßen  neben- 


Virchow. 


355 


herlaufenden  Gedankenarbeit.  Durch  seine  Art  zu  arbeiten,  gewann  seine 
ganze  Tätigkeit  trotz  der  Überlastung  mit  Arbeit  etwas  Ruhiges  und  Ge- 
messenes, das  jedem  hastigen  Schaffen  durchaus  fem  lag. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  eine  solche  Arbeitskraft  sich  nur  äußeni 
kann  bei  einem  überaus  gesunden  Körper,  und  man  wird  nur  selten  ein  so 
langes  Leben  finden,  in  dem  so  wenig  Krankheiten  hervortraten  wie  in  dem 
V.schen.  Abgesehen  von  leichteren  vorübergehenden  Leiden  und  von  einer 
einzigen  schwereren  Affektion,  die  er  selbst  unter  dem  Namen  Nephritis 
artkritica  sine  qrthritidc  beschrieben  hat,  ist  V.  eigentlich  niemals  krank  ge- 
wesen. Und  selbst  sein  Leiden,  wodurch  schließlich  sein  Leben  am  5.  Sep- 
tember 1902  beschlossen  wurde,  war  nicht  eine  eigentliche  Krankheit,  sondern 
die  Folge  eines  Unfalls.  In  Überschätzung  seiner  Gewandtheit  und  Kraft 
war  er  in  der  Leipzigerstraße  zu  Berlin  von  einer  in  der  Fahrt  begriffenen 
elektrischen  Bahn  abgesprungen.  Dabei  hatte  er  sich  einen  Beinbruch  zuge- 
zogen, und  von  dieser  Verletzung  erholte  er  sich  nicht  mehr. 

Wenn  man  die  Vielseitigkeit  der  V.schen  Tätigkeit  überblickt,  so  könnte 
man  das  leicht  für  eine  Zersplitterung  halten,  indessen  standen  seine  ver- 
schiedenartigen Beschäftigungen  alle  in  einem  inneren  logischen  Zusammen- 
hang miteinander.  Wenn  er  ausging  von  der  Medizin,  und  diese  sowie 
speziell  die  pathologische  Anatomie  sein  Hauptfach  darstellten,  so  mußte  er 
notwendigerweise  dadurch  auf  die  Anthropologie  geführt  werden,  und  diese 
allgemeine  Beschäftigung  mit  den  Menschen  und  der  Beziehung  der  Medizin 
zu  dem  rein  Menschlichen  führte  ihn  wieder  zur  Politik.  Seine  ersten 
öffentlichen  Differenzen,  die  er  auf  dem  politischen  Gebiete  mit  den  herrschen- 
den Kreisen  hatte,  gingen  hervor  aus  medizinischen  Betrachtungen.  Aber 
es  kam  noch  etwas' Drittes  hinzu,  was  ihn  befähigte,  diese  ungeheure  Fülle 
der  Arbeit  zu  vollbringen,  das  war  sein  geradezu  phänomenales  Gedächtnis, 
das  ihn  auch  bis  in  sein  höchstes  Alter  hinein  nicht  verließ.  Was  er  einmal 
gelesen,  gehört  oder  beobachtet  hatte,  war  unverwischbar  dem  Schatze  seines 
Wissens  zugefügt,  und  diesen  Schatz  hatte  er  in  jedem  Moment  präsent. 
Jeder  Anlaß  erweckte  in  ihm  sofort  eine  Fülle  von  Erinnerungen,  die  er- 
schöpfend alles  im  Momente  zusammenführte,  was  er  jemals  im  Laufe  seiner 
reichen  Erfahrungen  aufgespeichert  hatte. 

Betrachtet  man  zunächst  V.  als  Forscher,  so  ist  seine  Tätigkeit  nur  voll 
zu  würdigen,  wenn  man  sich  einmal  die  Zeit  der  Medizin  vergegenwärtigt 
vor  ihm  und  sie  vergleicht  mit  derjenigen  nach  ihm.  Das  ganze  Bild  der 
Medizin  hat  sich  mit  V.  und  durch  ihn  vollkommen  geändert.  Es  ist  das 
wesentlich  seinem  Hauptlebenswerk,  der  »Zellularpathologie«,  zuzuschreiben. 
Während  man  vorher  die  gesamte  medizinische  Wissenschaft  zurückführte  auf 
die  Flüssigkeiten  des  Körpers,  alles  an  und  aus  diesen  Flüssigkeiten  entstehen 
ließ,  so  setzte  V.  an  deren  Stelle  die  Zelle,  die  Zelle  als  die  kleinste  Lebens- 
einheit aufgefaßt,  die  der  Träger  der  normalen  und  krankhaften  Tätigkeit  des 
Körpers  ist.  Alle  Konsequenzen,  die  an  sogenannte  humorale  Prinzipien 
anknüpften,  verschwanden  vollständig  und  erscheinen  uns  heutzutage  so  fern- 
liegend der  Wirklichkeit,  daß  uns  die  damalige  Medizin  als  im  tiefsten  Aber- 
glauben des  Mittelalters  steckend  vorkommt.  Die  V.sche  Zellforschung  stellte 
die  Medizin  auf  die  Basis  positiver  Tatsachen.  Es  ist  von  größtem  Interesse 
historisch  zu  verfolgen,  wie  V.  zu  diesen  Arbeiten  und  auch  zu  diesen  Resul- 

23» 


^c6  Virchow. 

taten  kam.  Schon  in  seiner  Doktorarbeit,  die  den  Titel  führt:  De  rhewnate, 
praesertim  conuM^  liegen  die  ersten  Anfänge  begründet,  und  doch  war  er  in 
dieser  und  auch  in  seinen  ersten  weiteren  Publikationen  vollkommen  Humoral- 
pathologe.  Die  Umgestaltung,  die  er  dann  in  seinen  eigenen  Anschauungen 
vornahm,  und  die  sehr  bald  sich  den  Anschauungen  der  gesamten  Welt  mit- 
teilte, basierte  auf  der  Beibringung  positiver  Tatsachen,  die  er  in  größter  Zahl 
konstatierte.  In  Wirklichkeit  hat  es  kaum  jemals  einen  Forscher  gegeben,  der 
so  viele  Tatsachen  nachgewiesen  und  so  wenige  Theorien  hervorgebracht  hat. 
V.  war  theoretischen  Betrachtungen  überhaupt  nicht  sehr  zugeneigt,  und  er 
hat  sich  nur  selten  dazu  verleiten  lassen,  weiter  zu  gehen  als  bis  zu  den 
nächsten  sich  aus  den  Tatsachen  unmittelbar  ergebenden  Konsequenzen. 
Dieselben  zog  er  entweder  selbst  sofort  mit  absolut  logischer  Schärfe,  oder 
er  überließ  es  seinem  Leser  oder  seinen  Zuhörern,  diese  Konsequenzen  zu 
ziehen,  indem  er  die  Tatsachen  so  gruppierte,  daß  sich  diese  Konsequenzen 
von  selbst  ergaben. 

Die  Fülle  der  von  V.  entdeckten  Tatsachen  ist  in  der  Tat  nur  begreiflich, 
wenn  man  ihn  selbst  bei  der  Arbeit  gesehen  hat.  Mit  den  heutigen  Methoden 
der  medizinischen  und  speziell  anatomisch-histologischen  Forschung  wird  es 
einem  einzigen  Menschen  nicht  mehr  möglich  sein,  eine  solche  Fülle  von 
Untersuchungen  anzustellen.  Abgesehen  von  der  Zeit,  die  V.  darauf  ver- 
wandte, war  ihm  eine  außerordentliche  Schnelligkeit  der  Arbeit  eigen,  aber 
seine  Methoden  waren  auch  wesentlich  einfacher  als  sie  heute  geübt  werden, 
und  er  hatte  dabei  ein  Prinzip,  das  für  jede  Forschung  von  größtem  Werte 
ist.  Er  begann  immer  mit  den  allereinfachsten  Methoden  und  führte  die- 
selben bis  an  ihre  äußersten  Grenzen  durch.  Erst  wo  diese  Methoden  ver- 
sagten, griff  er  zu  den  nächst  feineren.  So  schritt  er  allmählich  in  der 
Untersuchung  vor,  indem  er  dadurch  viele  unnütze  Arbeit  ersparte.  Er 
begann  bei  seinen  anatomischen  Untersuchungen  stets  mit  der  makroskopischen 
Betrachtung,  in  der  er  ein  Meister  war,  und  trieb  dieselben  bis  an  die 
äußersten  Grenzen.  Ging  er  dann  zur  mikroskopischen  Untersuchung  über, 
so  begann  auch  diese  erst  mit  den  schwächeren  Lupenvergrößerungen,  bis 
er  dann  allmählich  zu  den  stärkeren  Vergrößerungen  überging.  Mit  seiner 
histologischen  Methode  der  frischen  Beobachtung  erreichte  er  Staunenswertes, 
und  man  konnte  sich  oft  davon  überzeugen,  daß  er  an  einem  solchen 
frischen  Präparat,  das  von  ihm  mit  dem  Rasiermesser  und  der  Scheere  an- 
gefertigt war,  viel  mehr  zu  sehen  imstande  war,  als  ein  anderer  unter  Zuhilfe- 
nahme der  feinsten  histologischen  Methoden. 

Wenn  sich  V.  einerseits  nicht  mehr  vollständig  an  die  modernen  histo- 
logischen Methoden  gewöhnen  konnte,  so  muß  doch  andrerseits  bedacht  werden, 
daß  er  mit  seinen  einfachen  Methoden  viel  mehr  zu  leisten  imstande  war,  als 
irgend  ein  anderer,  so  daß  ihm  daraus  nicht  ein  wesentlicher  Mangel  erwuchs. 

Die  Zelllehre  hatte  freilich  schon  vor  V.  begonnen,  aber  er  war  es,  der 
sie  ausbildete  und  der  sie  kraft  seiner  imponierenden  Persönlichkeit  zur 
Geltung  zu  bringen  vermochte.  Von  ihm  ging  das  so  populär  gewordene 
Schlagwort  aus  y>amni$  cellula  t  cellula«.  Was  heute  jeder  junge  Mediziner 
im  ersten  Semester  lernt,  und  was  uns  infolgedessen  so  natürlich  vorkommt, 
daß  wir  gar  nicht  mehr  anders  medizinisch  zu  denken  vermögen,  das  ist  alles 
V.s  Werk  und  ist  von  ihm  in  zuweilen   heißem   Kampfe  verfochten  worden. 


Virchow.  357 

Auch  die  Einführung  des  Mikroskops  in  die  medizinische  Wissenschaft  ist 
vorzugsweise  sein  Werk,  und  auch  dies  ging  nicht  ohne  schwere  Kämpfe  ab. 
Heute  ist  es  kaum  noch  verständlich,  daß  V.  verfechten  mußte,  wie  man  mit  einer 
dreihundertfachen  Vergrößerung  auch  dreihundertmal  so  viel  zu  sehen  imstande 
sei.  Er  ist  es,  der  zuerst  gegen  das  Mikroskopieren  im  vollen  Sonnenlichte  auf- 
trat, eine  Methode,  die  bekanntlich  nur  dazu  geführt  hatte,  Punkte  und  Licht- 
kreise zu  sehen,  so  daß  die  ganze  Welt  aus  solchen  zusammengesetzt  schien. 

Es  ist  natürlich  ganz  unmöglich,  hier  auch  nur  annähernd  und  in  großen 
Zügen  anzuführen,  was  V.  alles  auf  medizinischem  und  wissenschaftlichem 
Gebiete  überhaupt  geleistet  und  publiziert  hat.  Von  dieser  Unmöglichkeit 
kann  man  sich  überzeugen,  wenn  man  die  zu  seinem  80.  Geburtstag  er- 
schienene Bibliographie  in  die  Hand  nimmt  und  findet,  daß  die  einfache 
Aufzählung  der  von  ihm  publizierten  Abhandlungen  und  größeren  Arbeiten 
den  stattlichen  Band  von  118  Seiten  ausmacht.  Aber  selbst  das  ist  noch  bei 
weitem  nicht  die  Gesamtheit  seiner  Leistungen.  Vieles  und  überaus  Wertvolles 
ist  von  ihm  in  die  Öffentlichkeit  gedrungen  in  gelegentlichen  Bemerkungen 
und  Diskussionen,  in  wissenschaftlichen  Sitzungen,  in  privaten  Gesprächen, 
besonders  auch  in  seinen  Vorlesungen.  Von  allergrößter  Bedeutung,  leider 
aber  nicht  publiziert,  sind  die  von  ihm  mit  größter  Sorgfalt  abgefaßten  Gut- 
achten, die  er  als  Mitglied  der  wissenschaftlichen  Deputation  verfaßte.  Heute, 
wo  man  noch  ganz  frisch  unter  dem  Einfluß  seiner  Tätigkeit  und  seiner 
Persönlichkeit  steht,  ist  es  nicht  mit  Sicherheit  zu  sagen,  was  von  all  diesen 
Dingen  auch  in  spätester  Zeit  in  der  Wissenschaft  übrig  bleiben  wird.  Aber 
das  kann  man  auch  heute  schon  beurteilen,  daß  das  nicht  bloß  absolut, 
sondern  auch  relativ  mehr  sein  wird,  als  von  irgend  einem  anderen  übrig 
geblieben  ist,  und  zwar  wesentlich  wegen  des  enormen  tatsächlichen  Materials, 
das  von  V.  beigebracht  wurde. 

Zweimal  erschien  es,  als  ob  die  V.sche  Lehre  einen  schweren  Stoß 
erhalten  sollte,  das  war  das  eine  Mal  als  Cohnheim  die  Auswanderung  der 
Leukocyten  gelehrt  hatte  und  der  Fanatismus  seiner  Schüler  daraus  eine 
Grundlage  für  eine  ganz  neue  Pathologie  zu  machen  drohte,  das  zweite  Mal 
als  die  Serumforschung  mit  dem  Stichwort  »Blut  ist  ein  ganz  besonderer  Saft« 
wieder  auf  die  Humoralpathologie  hindrängte.  In  beiden  Fällen  stellte  es  sich 
sehr  bald  heraus,  daß  nur  die  zellulare  Grundlage,  in  der  Weise  wie  sie  V.  gelehrt 
hatte,  auch  weiter  zur  Erklärung  der  Dinge  nötig  und  allein  maßgebend  war. 

V.  war  eine  Kampfnatur.  Wie  er  in  seiner  Jugend  mit  der  größten 
Energie  und  nicht  immer  ohne  Schroffheit  seine  Prinzipien  gegen  seine 
Gegner  verfocht,  so  hat  er  auch  weiter  gekämpft  bis  zu  seinem  Ende.  Jüngere, 
die  schon  vollständig  in  der  V.schen  Lehre  aufgewachsen  waren,  haben  diese 
Kämpfe  oft  nicht  verstanden  und  sie  in  unrichtiger  Weise  gedeutet.  Die- 
jenigen aber,  die  die  Entwicklung  mit  ihm  durchlebt  oder  sich  durch  histo- 
rische Studien  in  frühere  Zeiten  versetzt  hatten,  begriffen  diese  Kämpfe  wohl, 
die  nicht  nur  bei  Gelegenheit  wissenschaftlicher  Diskussionen  hervortraten, 
sondern  sich  auch  gelegentlich  in  den  Vorlesungen  äußerten. 

V.  war  nicht,  was  man  im  allgemeinen  einen  glänzenden  Redner  nennt. 
Seine  Sprache  war  nicht  volltönend  und  nicht  in  weiten  Grenzen  modulations- 
fähig. Auch  schmückte  er  seine  Reden  und  Vorträge,  wie  es  sogenannte 
große  Redner  häufig  zu  tun  pflegen,  nicht  mit  Bildern  und  Zitaten.    Er  sprach 


358  *   Virchow. 

einfach,  sehr  klar  und  deutlich,  mit  scharfer  Logik,  das  Wesentlichste  sofort 
hervorhebend  und  in  den  Vordergrund  stellend.  Jedes  Wort  war  genau 
erwogen  und  abgemessen.  Aber  seine  Rede  war  nicht  immer  leicht  ver- 
ständlich und  setzte  nicht  selten  mehr  voraus,  als  bei  seinen  Zuhörern  selbst 
zu  finden  war.  Deshalb  vermochten  ihm  Anfänger  und  so  auch  Studenten 
in  den  ersten  Semestern  schwer  zu  folgen.  Der  V.sche  Vortrag  besonders  in 
den  Vorlesungen  eignete  sich  mehr  für  Fortgeschrittenere;  für  diese  aber 
konnte  es  keinen  größeren  Genuß  geben,  als  seinen  Vorträgen  beizuwohnen. 
Besonders  gilt  das  von  seinen  Demonstrationskursen,  die  vorbildlich  geworden 
sind,  für  den  Unterricht  nicht  bloß  in  der  pathologischen  Anatomie,  sondern 
auch  in  anderen  medizinischen  Disziplinen.  Es  ist  V.  zuweilen  vorgeworfen 
worden,  daß  er  nicht  das  richtige  Verständnis  für  die  Studenten  habe  und 
daß  sich  das  geäußert  habe  in  der  Schwierigkeit  seines  Vortrages,  vor  allen 
Dingen  auch  in  seiner  Vorlesung,  in  der  Strenge  den  Studenten  gegenüber 
im  Examen,  die  manchmal  geradezu  an  Härte  streifte,  und  in  dem  vielfachen 
Zuspätkommen  zu  den  Vorlesungen  und  Kursen.  Wer  V.  genau  kannte, 
wußte,  daß  ihm  mit  dieser  Meinung  sehr  unrecht  geschah.  Was  den  zuletzt 
angeführten  Punkt  betrifft,  so  erklärte  sich  derselbe  aus  der  Art  seiner  Tätig- 
keit. Was  das  Verständnis  betrifft,  das  vielfach  zwischen  den  jüngeren 
Studenten  und  ihm  fehlte,  so  konnte  man  b*eobachten,  daß  Studenten,  die 
nicht  von  einer  Vorlesung  eine  Art  von  Einpauken  zum  Examen  erwarteten, 
sondern  wirklich  wissenschaftliche  Belehrung,  sich  sehr  bald  einarbeiteten  in 
seine  Art  des  Vortrages  und  nun  größeren  Vorteil  daraus  zogen  nicht  bloß 
für  das  Fach  der  pathologischen  Anatomie,  sondern  für  das  systematische 
Denken  in  der  Medizin  überhaupt.  Was  seine  Strenge  im  Examen  betrifft, 
so  klagte  er  vielfach  über  die  häufig  große  Unwissenheit  der  Studenten  und 
er  führte  seinen  Assistenten  gegenüber  nicht  selten  Beispiele  davon  an,  was 
er  eben  erst  im  Examen  erlebt  habe.  Er  hatte  die  gewiß  berechtigte  Vor- 
stellung, daß  man  an  einen  angehenden  Mediziner,  der  die  Verantwortlichkeit 
über  Leben  und  Tod  der  Menschen  zu  übernehmen  hat,  die  allerhöchsten  An- 
sprüche des  Wissens  und  Könnens  teilen  muß,  und  wo  er  für  diese  Anschauung 
nicht  das  richtige  Verständnis  fand,  konnte  er  sich  bis  aufs  äußerste  erregen. 

V.  sprach  in  wissenschaftlichen  Vorträgen  nicht  wesentlich  anders,  als  in 
seiner  Vorlesung,  und  es  geht  schon  daraus  hervor,  daß  er  die  Neigung  hatte, 
auch  seine  studentischen  Zuhörer  nicht  nur  auf  dem  scheinbar  glatten  und 
wohlvorbereiteten  Wege  des  Wissens  entlang  zu  führen,  sondern  sie  auch 
teilnehmen  zu  lassen  an  der  ganzen  Entwicklung  der  einzelnen  Fragen,  die 
oft  große  Hindemisse  beiseite  zu  räumen  hatte. 

V.s  Tätigkeit  in  wissenschaftlichen  Gesellschaften  war  eine  ungeheure, 
sein  Geschick  in  der  Leitung  derselben  war  ein  außerordentliches.  Daher 
kam  es,  daß  er  in  der  Mehrzahl  der  Gesellschaften,  denen  er  sein  Interesse 
überhaupt  zuwandte,  sehr  bald  zum  Vorsitzenden  gewählt  wurde.  So 
war  er  lange  Jahre  Vorsitzender  der  medizinischen  Gesellschaft  und  der 
anthropologischen  Gesellschaft.  Er  spielte  eine  hervorragende  Rolle  bei  der 
deutschen  Gesellschaft  der  Naturforscher,  in  der  deutschen  pathologischen 
Gesellschaft  und  bei  den  internationalen  medizinischen  Kongressen.  Die 
letzteren  sind  sogar  ganz  wesentlich  sein  Werk,  und  er  sah  in  dieser  Vereins- 
tätigkeit ein  besonderes  Mittel,    die   Vertreter  der  Naturwissenschaften   und 


Vircliow. 


359 


Medizin  untereinander  persönlich  in  Verbindung  zu  bringen.  Ja  die  inter- 
nationalen Kongresse  waren  ihm  gewissermaßen  ein  Mittel,  den  internationalen 
Frieden  zu  befördern,  und  er  sah  in  diesen  Kongressen  nicht  nur  eine 
wissenschaftliche  Institution,  sondern  auch  eine  politische.  Zweimal  in  seinem 
Leben  kamen  solche  internationalen  Versammlungen  zustande,  deren  Mittel- 
punkt seine  eigene  Persönlichkeit  bildete.  Das  war  bei  der  Feier  seines 
70.  und  80.  Geburtstages,  die  sich  beide  zu  großen  internationalen  Kongressen 
gestalteten.  Bei  diesen  Gelegenheiten  hat  er  einmal  den  Wert,  den  er  solchen 
Zusammenkünften  beilegte,  ausgesprochen.  Seine  Befähigung  zur  Leitung 
von  wissenschaftlichen  Versammlungen  und  Kongressen  hing  wieder  zusammen 
mit  seiner  parlamentarischen  Tätigkeit,  und  man  konnte  dabei  leicht  bemerken, 
daß  er  die  parlamentarischen  Sitten  und  Gebräuche  auf  die  Leitung  wissen- 
schaftlicher Versammlungen  übertrug.  Dazu  kam  seine  große  Autorität  und 
die  Achtung,  die  ihm  von*  allen  Seiten  auf  wissenschaftlichen  Gebieten  ent- 
gegengebracht wurde,  sowie  seine  absolute  Intaktheit  als  Mensch. 

V.  hat  sich  in  seiner  wissenschaftlichen  Tätigkeit  niemals  von  irgend 
einer  Tendenz  leiten  lassen.  Er  hat  sich  nie  gefragt,  was  ihm  diese  oder 
jene  Arbeit  persönlich  für  einen  Nutzen  bringen  könnte,  oder  welchen  un- 
mittelbaren Wert  das  Resultat  einer  solchen  Arbeit  haben  könnte.  Jede  neu 
beigebrachte  Tatsache  erschien  ihm  von  Bedeutung,  und  es  hat  sich  heraus- 
gestellt, daß  er  darin  vollkommen  Recht  hatte,  denn  er  konnte  seine  wissen- 
schaftliche Tätigkeit  einsetzen,  wo  er  wollte,  überall  stellten  sich  früher  oder 
später  die  Beziehungen  zum  praktischen  Leben  heraus. 

V.  hat  Jahre  lang  an  der  Spitze  der  deutschen  anthropologischen  Wissen- 
schaft gestanden,  auch  abgesehen  von  seiner  Tätigkeit  als  Vorsitzender  der 
anthropologischen  Gesellschaft  Berlins.  Er  hat  sich  selbst  in  zahlreichen 
anthropologischen  Forschungen  und  Untersuchungen  betätigt.  Sein  Haupt- 
studium galt  der  Schädellehre,  die  ursprünglich  bei  ihm  auch  vom  medizinischen 
Standpunkt  aus  sein  Interesse  fesselte  und  sich  anschloß  an  Untersuchungen 
über  Mikrocephalie,  Kretinismus  usw.  Aber  in  der  Anthropologie  ging  er 
auch  vielfach  in  das  Fach  der  Archäologie  und  Ethnologie  über,  und  er  hat 
in  dieser  Beziehung  sowohl  über  historische  als  auch  prähistorische  Fragen  eine 
Reihe  hervorragender  Leistungen  zu  verzeichnen. 

Seine  politische  Tätigkeit  entsprang,  wie  oben  schon  bemerkt,  ebenfalls 
medizinischen  Studien.  Sie  begann  mit  den  Untersuchungen  des  Hunger- 
typhus in  Schlesien  und  im  Spessart,  und  V.  gewann  bei  diesen  Gelegenheiten 
die  ersten  Erfahrungen  über  kommunale  Einrichtungen  und  soziale  Ver- 
hältnisse. Er  ist  sein  ganzes  Leben  hindurch  in  der  Politik  in  der  Opposition 
geblieben,  wie  man  wohl  sagen  muß,  durch  ein  eigentümliches  Verharrungs ver- 
mögen auf  seinem  Achtundvierziger-Standpunkt.  Man  hat  ihm  diese  Opposition 
vielfach  irrtümlich  als  staatsfeindlich  vorgeworfen,  und  besonders  ist  das  in 
Kreisen  geschehen,  die  zu  den  wissenschaftlichen  keine  Beziehung  hatten 
und  V.  persönlich  nicht  genügend  kannten.  Denn  es  konnte  keinen  Menschen 
geben,  der  von  größerem  Patriotismus  durchdrungen  war  wie  V.,  und  er 
hatte  bei  seinen  (auch  oft,  wie  die  Zukunft  lehrte,  nicht  richtigen)  politischen 
Ideen  stets  die  patriotischste  und  idealste  Anschauung,  ja  man  kann  geradezu 
sagen,  daß  er  sich  in  dieser  Beziehung  selbst  in  seinem  höheren  Alter  noch 
einem  merkwürdigen  Optimismus  hingab,    indem   er  in   mancher  Beziehung 


ß60  Virchow. 

Einrichtungen  zu  schaffen  hoffte,  die  in  Wirklichkeit  Utopien  sind.  Darauf  bezog 
sich  auch  seine  Vorstellung,  daß  internationale  Vereinigungen  ein  Unter- 
stützungsmittel des  internationalen  Friedens  seien.  Obwohl  er  nun  politisch 
in  der  Opposition  stand  und  sich  dadurch  viele  erbitterte  Feinde  geschaffen 
hat,  so  wurde  ihm  doch  von  keiner  Seite  die  Achtung  versagt  und  allgemein 
seine  Tätigkeit  auf  allen  denjenigen  Gebieten  anerkannt,  in  denen  er  aktiv 
an  politischen  Dingen  teilnahm.  Es  war  bewunderungswürdig,  wie  er  sich 
z.  B.  in  das  ihm  ganz  fern  liegende  Gebiet  der  Etatsberatungen  eingelebt 
hatte.  Auch  sonst  hat  er  in  den  Kommissionsberatungen  eine  ausgedehnte 
und  wichtige  Tätigkeit  entwickelt. 

Es  darf  hier  nicht  vergessen  werden,  wie  V.  sich  bei  besonderen  Ge- 
legenheiten auch  stets  in  den  Dienst  des  Vaterlandes  stellte,  z.  B.  während 
der  Kriege,  und  wie  er  bei  dem  deutsch-französischen  Kriege  die  ersten 
Lazarettzüge  mit  Unterstützung  von  Privatmitteln  organisierte  zur  Evakuierung 
der  Feldlazarette,    eine   Maßnahme,    die  späterhin   vorbildlich   geworden  ist. 

Ganz  Hervorragendes  hat  V.  in  der  kommunalen  Tätigkeit  geleistet. 
Schon  in  jungen  Jahren  in  die  Stadtverwaltung  Berlins  gerufen,  war  er  lange 
Zeit  hindurch  die  maßgebende  Persönlichkeit  für  die  hygienischen  und 
sanitären  Einrichtungen  Berlins.  Er  war  wesentlich  beteiligt  bei  der  Gründung 
der  großen  städtischen  Krankenhäuser  und  ganz  besonders  bei  der  Anlegung 
der  Wasserleitungen  und  der  Kanalisation.  Die  Einführung  der  letzteren  in 
Berlin  ist  ganz  vorzugsweise  V.s  Verdienst,  und  wieviel  Nutzen  dadurch  für 
das  große  Gemeinwesen  entstanden  ist,  ergibt  sich  daraus,  daß  Berlin  vor 
dieser  Einrichtung  wenig  erfreuliche  Sterblichkeitsverhältnisse  darbot,  während 
nachher  die  Stadt  zu  den  gesündesten  Großstädten  der  Welt  gerechnet  werden 
konnte.  Speziell  ist  der  Typhus  hier  in  Berlin  ebenso  wie  in  anderen  Städten, 
wo  die  Kanalisation  eingeführt  worden  ist,  so  zurückgegangen,  daß  er  heut- 
zutage zu  den  selteneren  Krankheiten  gehört  und  Epidemien  wie  in  früherer 
Zeit  gar  nicht  mehr  beobachtet  werden. 

Wie  sehr  die  einzelnen  Leistungen  V.s  sich  aus  seinem  Charakter  er- 
geben, beweisen  auch  die  großen  Sammlungen,  die  er  angelegt  hat.  Er  war 
in  jeder  Beziehung  ein  Sammelgenie.  Wie  in  seinen  wissenschaftlichen 
Arbeiten  alles  .schließlich  auf  die  Sammlung  einzelner  Tatsachen  heraus- 
kommt, und  wie  er  in  seinem  Gedächtnis  alle  diese  einzelnen  Erfahrungen 
und  Tatsachen  aufsammelte,  so  hat  er  zwei  große  Sammlungen  von  hervor- 
ragender Bedeutung  geschaffen,  die  eine  ist  die  pathologisch-anatomische 
Sammlung  und  die  andere  die  anthropologische.  Die  pathologisch-anatomische 
ist  die  größte  Sammlung  der  Welt.  Lange  Zeit  durch  den  engen  Raum,  der 
ihm  zur  Verfügung  stand,  an  einer  zweckmäßigen  und  anschaulichen  Auf- 
stellung gehindert,  wie  solche  Sammlungen  sich  z.  B.  in  England  dem  Be- 
schauer darstellen,  hat  er  es  noch  in  seinem  Alter  erlebt,  daß  dieser  Sammlung 
ein  palastartiges  Gebäude  errichtet  wurde,  in  dem  die  einzelnen  wertvollen 
Objekte  derselben  nun  voll  zur  Geltung  kommen.  Die  anthropologische 
Sammlung  hat  er  in  verschiedener  Weise  besonders  gefördert,  erstens  durch 
vielseitige  Beziehungen  zu  den  Reisenden  und  Forschern,  die  durch  seine 
Vermittlung  und  auf  seine  Veranlassung  der  Sammlung  Zuwendungen  machten, 
dann  aber  dadurch,  daß  er  eine  ihm  bei  einer  feierlichen  Gelegenheit  über- 
reichte Stiftung  in  den  Dienst  der  Anthropologie  stellte,  aus  der  dann  wiederum 


Virchow. 


361 


eine  Sammlung  resultierte.  Der  Wert  dieser  Sammlungen  und  besonders  der 
pathologisch-anatomischen  ist  ein  ganz  unberechenbarer,  sowohl  für  den 
Unterricht  wie  auch  für  die  Forschung.  Die  Arbeit,  die  er  darin  leistete, 
kann  nur  derjenige  verstehen,  der  selbst  Sammlungen  angelegt  hat  und  der 
weiß,  wie  V.  eigenhändig  sämtliche  Eintragungen  und  Aufstellungen  in  der 
Sammlung  besorgte.  Es  muß  außerdem  hier  noch  erwähnt  werden,  daß  auch 
kleinere  Sammlungen  von  nicht  unerheblichem  Interesse  V.  zu  verdanken 
sind,  z.  B.  die  deutsche  Trachtensammlung,  in  der  er  schätzbares  Material 
vereinigte,  das  Gefahr  lief,  verloren  zu  gehen  und  dadurch  sich  zukünftigen 
Studien  entzogen  hätte.  V.  hat  auch  nicht  geringen  Anteil  an  den  ethno- 
graphischen Sammlungen  Berlins,  und  es  sind  durch  seine  Vermittlung  viele 
hervorragende  Stücke  zugeflossen.  Ganz  besonders  gilt  das  von  der  Schlie- 
mannschen  Sammlung,  auf  deren  dauernden  Verbleib  in  Berlin  V.  durch  seine 
Freundschaft  mit  Schliemann  und  durch  sein  frühzeitiges  Erkennen  von 
dessen  Bedeutung  nicht  geringen  Einfluß  hatte.  Auch  in  der  Gründung  der 
oben  erwähnten  Zeitschriften   kommt  dieser  Sammlungstrieb  zum  Ausdruck. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  ein  Mann  von  so  vielseitiger  und  an- 
strengender Beschäftigung  keine  ausgedehnte  Geselligkeit  pflegen  konnte. 
Aber  wo  sich  ihm  die  Gelegenheit  dazu  bot,  ging  er  derselben  durchaus 
nicht  aus  dem  Wege,  und  er  war  dann  von  einer  Liebenswürdigkeit  des 
Umganges  und  einer  anspruchslosen  Gemütlichkeit,  die  ihm  sofort  alle  Herzen 
gewann.  Auch  im  Kreise  seiner  Kollegen  verweilte  er  oft  und  lange  im 
Anschluß  an  wissenschaftliche  Sitzungen,  besonders  nach  der  anthropologischen 
Gesellschaft  und  bei  Gelegenheit  von  Kongressen.  Im  Verkehr  mit  seinen 
Assistenten  war  V.  von  außerordentlicher  Liebenswürdigkeit  und  Nachsicht. 
Seine  besonderen  Belehrungen  für  diese  bestanden  in  häufigen  gelegentlichen 
Äußerungen  und  in  den  regelmäßig  zweimal  wöchentlich  stattfindenden 
Demonstrationen  des  Materials,  die  die  Assistenten  ihrem  Chef  zu  machen 
hatten  und  die  stets  am  Tage  vor  seinen  Demonstrationskursen  stattfanden. 
Aber  auch  abgesehen  davon  war  V.  für  besondere  wissenschaftliche  Fragen, 
die  die  Assistenten  an  ihn  zu  stellen  hatten,  stets  zugänglich  und  zeigte 
dabei  die  größte  Geduld.  Die  Freiheit  der  Wissenschaft  war  für  ihn  das 
höchste  Prinzip,  und  er  ging  darin  so  weit,  daß  er  auch  die  Arbeiten  seiner 
Schüler  und  Assistenten  nicht  beeinflußte,  wenn  dieselben  diesen  Einfluß 
nicht  selbst  suchten.  So  war  es  möglich,  daß  wiederholt  Assistenten  von 
ihm  auf  Grund  ihrer  Untersuchungen  Ansichten  veröffentlichen  konnten,  die 
nicht  mit  denen  ihres  Chefs  übereinstimmten.  Allerdings  verlangte  er  in 
solchem  Falle  auch  eine  streng  wissenschaftliche  Begründung. 

Aus  allen  diesen  Betrachtungen  geht  hervor,  daß  V.  einen  außerordent- 
lichen Einfluß  ausübte  nicht  bloß  auf  seine  nächste  Umgebung  und  auf  die 
wissenschaftliche  Welt,  sondern  ganz  allgemein.  Er  war  eine  populäre  Natur 
und  selbst  manche  seiner  wissenschaftlichen  Arbeiten  sind  weit  über  die 
Kreise  hinaus  gelesen  und  bekannt  geworden,  für  die  sie  ursprünglich  bestimmt 
waren.  Und  so  wird  nicht  nur  sein  Name,  sondern  auch  sein  Werk  in  das 
Buch  der  Geschichte  unverlöschlich  eingetragen  sein,  und  spätere  Zeiten 
werden  ihn  zusammen  mit  den  hervorragendsten  Männern  ärztlicher  Wissen- 
schaft nennen,  mit  Hippokrates,  Vesal  und  Morgagni.         v.  Hansemann. 


Ergänzungen  und  Nachträge. 


Stalle,  John  Bernhard,  ein  hervorragender  deutsch-amerikanischer  Bürger, 
Gelehrter  und  Philosoph,  *  i6.  März  1823  in  dem  kleinen  Dorfe  Sierhausen  bei 
Vechta  im  Oldenburgischen,  f  6.  Januar  1900  in  Florenz.  —  Der  Vater  des  Ver- 
storbenen war  ein  armer  Landschul lehrer,  der  nicht  einmal  die  Mittel  besaß, 
seinen  Sohn  auf  das  Gymnasium  zu  schicken.  Der  Vater  unterrichtete  daher 
selbst  den  Sohn  in  der  Mathematik  und  ließ  ihn  von  zwei  Geistlichen  eines 
benachbarten  Ortes,  die  beide  Schüler  seines  Großvaters  gewesen  waren,  Unter- 
richt in  den  alten  Sprachen  geben.  Da  aber  keine  Aussicht  war,  daß  St. 
eine  Universität  beziehen  konnte,  so  wanderte  er  in  seinem  17.  Jahre  nach 
Amerika  aus.  Nicht  lange  nach  seiner  Ankunft  in  Cincinnati  kamen  franzö- 
sische und  belgische  Jesuiten  dahin,  um  ein  seit  mehreren  Jahren  bestehen- 
des Lyzeum,  das  »Athenäum«,  in  ein  sogenanntes  College  umzuwandeln.  Sie 
suchten  einen  Lehrer  der  deutschen  Sprache  und  der  junge  St.  meldete  sich 
mit  dem  Anerbieten,  den  deutschen  Unterricht  zu  übernehmen,  wenn  ihm 
Gelegenheit  geboten  würde,  seine  Studien  in  der  Mathematik  und  im  Grie- 
chischen fortzusetzen.  So  war  St.  denn  von  1840  bis  1844  halb  Schüler,  halb 
Lehrer  an  dem  neuen  Institut,  an  dem  er  in  den  beiden  letzten  Jahren  statt 
der  deutschen  Sprache  besonders  Mathematik  lehrte.  Im  Herbst  1844  wurde 
er  als  Lehrer  der  Mathematik  und  Physik  an  das  St,  Johns  College  in  New 
York  berufen,  wo  er  nach  drei  Jahren  auf  den  Rat  eines  Freundes  den 
Entschluß  faßte,  Jurist  zu  werden.  Zu  diesem  Zweck  besuchte  er  im  Winter 
1847  eine  sogenannte  Law-School,  setzte  dann  seine  juristischen  Studien  auf 
dem  Bureau  eines  alten  Advokaten  fort  und  machte  schon  1848  sein  Examen. 
Nach  vier  Jahren  wurde  er  vom  Gouverneur  des  Staates  als  Richter  des 
Common  Pleas  Gerichtes  in  Cincinnati  ernannt,  und  im  Herbste  1852  vom 
Volke  für  diese  Stelle  gewählt,  die  er  indes  1855  vor  Ablauf  seines  Amts- 
termins niederlegte,  um  sich  von  neuem  der  juristischen  Praxis  zu  widmen, 
der  er  dann  bis  zum  Jahre  1885  ohne  Unterbrechung  obgelegen  hat.  Im 
letztgenannten  Jahre  schickte  ihn  der  Präsident  Cleveland  als  Gesandten  der 
Vereinigten  Staaten  nach  Rom.  Im  Jahre  1889  kamen  die  »Republikaner« 
wieder  ans  Ruder  und  damit  hatte  seine  Mission  ein  Ende.  St.  zog  sich  nun 
nach  Florenz  zurück,  wo  er  in  Erfüllung  eines  Jugendtraumes  in  anregendem 
Verkehr  seiner  Neigung  für  Kunst  und  Wissenschaft  lebte.  Am  6.  Januar 
1900  starb  hier  St.  mit  Hinterlassung  einer  schwer  leidenden  Witwe  und 
zweier  Kinder,  einer  Tochter  in  Florenz  und  eines  Sohnes,  Advokaten  in 
Cincinnati. 


Stallo.     Herrfurth.  ^6^ 

Das  Werk,  durch  das  St.  in  Deutschland  bekannt  geworden  ist,  ist  y*The 
Concepts  and  Theories  0/ modern  PAysies«,  das  zuerst  im  November  1881  erschien 
und  in  Amerika  und  England  große  Verbreitung  fand.  Auch  eine  französische 
Ausgabe  erschien.  Seinem  eigentlichen  Publikum,  den  philosophisch  und 
naturwissenschaftlich  gebildeten  deutschen  Lesern,  ist  das  Buch  erst  durch 
die  Übersetzung  des  Prof.  Dr.  Kleinpeter  bekannt  geworden ;  es  erschien  unter 
dem  Titel:  »Die  Begriffe  und  Theorien  der  modernen  Physik  von  J.  B.  Stallo.« 
Nach  der  3.  Auflage  des  englischen  Originals  übersetzt^  und  herausgegeben 
von  Dr.  Hans  Kleinpeter.  Mit  einem  Vorwort  von  Ernst  Mach.  Mit  einem 
Porträt  des  Verfassers.  Leipzig  1901.  Verlag  von  Joh.  Ambr.  Barth.  8°;  XX 
u.  332  S.  —  Ein  anderes  Werk  St.s  sind  seine  »Abhandlungen,  Reden  und 
Briefe«,  die  zu  New  York  bei  E.  Steiger  1893  in  einem  stattlichen  Bande  er- 
schienen sind.  Ernst  Mach  wünscht  von  demselben:  »Möchten  dieselben  auch 
von  den  Deutschen  Europas  gelesen  werden!  Möchten  sich  diese  daran  er- 
freuen, zu  sehen,  wie  ein  Sproß  deutschen  Stammes  sich  in  freier  Luft  ent- 
wickelt hat!« 

Ausführliche  biographische  Daten  finden  sich  außer  in  dem  genannten  Vorworte 
Machs  in  dem  Werke  des  mit  Stallo  befreundeten  Ex-Gouverneurs  Gustav  Kömer:  »TAe 
German  Element  in  America*,  und  eine  vortreffliche  Charakteristik  gibt  Th.  J.  McCorraack 
in  seinem  Artikel:  John  Bernhard  SuUlo,  American  Citisen,  yurist  and  Philosopher  {Tfie 
Open  Court,  May  igoo),  W.  Wolkenhauer. 

Herrfurth,  Ernst  Ludwig,')  *  6.  März  1830  zu  Oberthau  im  Kreise 
Merseburg,  f  14-  Februar  1900  zu  Charlottenburg,  bekannt  unter  dem  (von 
Bismarck  ihm  tadelnd  beigelegten)  Namen  des  »statistischen  Ministers«.  — 
H.  studierte  in  Jena  und  Berlin  Kameralia,  bestand  die  Examina  für  höhere 
Verwaltungsbeamte  (1858  das  Examen  als  Regierungsassessor).  Seine  Be- 
amtenlaufbahn spielte  sich  an  den  beiden  Orten  Arnsberg  (Regierungshaupt- 
stadt für  die  industrie-  und  volkreiche  Grafschaft  Mark  in  Westfalen)  und  in 
Berlin  ab.  Im  Jahre  1873  zum  vortragenden  Rat  nach  Berlin  berufen,  zeich- 
nete er  sich  durch  Kenntnisse,  namentlich  auf  dem  Gebiete  der  Statistik 
des  Versicherungswesens  und  der  Gemeindebesteuerung  aus.  So  avancierte 
er  1881  zum  Ministerialdirektor  und  schon  im  folgenden  Jahre  zum  Unter- 
staatssekretär im  Ministerium  des  Innern.  In  letzterer  Stellung  wurde  er  der 
Vorsitzende  der  Prüfungskommission  für  das  Regierungsassessor-Examen. 
Mit  dem  politischen  und  dem  parlamentarischen  Leben  war  er  bis  1888  kaum 
in  Berührung  gekommen  und  wie  hoch  auch  in  der  bureaukrati sehen  Staffel 
seine  Ämter  standen,  so  gehörten  sie  nicht  zu  denjenigen,  aus  denen  man 
die  Minister  entnimmt.  Mutmaßlich  wäre  H.  auch  nie  Minister,  zumal 
Minister  des  Innern  geworden,  wenn  nicht  im  Jahre  1888  ein  ganz  unvorher- 
gesehenes und  in  Preußen  kaum  je  dagewesenes  Ereignis  eingetreten  wäre. 
Am  9.  März  1888  kam  Kaiser  Friedrich  auf  den  Thron  bis  15.  Juni  1888  und 
es  bestand  die  Ära  der  hundert  Tage.  Zu  den  ersten  und  wichtigsten 
Regierungshandlungen  Kaiser  Friedrichs  gehörte,  daß  er  in  sehr  ungnädiger 
Weise  den  damaligen  Minister  des  Innern  und  zugleich  den  Chef  H.s,  näm- 
lich V.  Puttkammer,    entließ    und    zu    dessen    Nachfolger  H.  ernannte.      Die 


»)  Totenliste  1900  Band  V  95  •. 


^64  Herrfurth. 

Stellung  als  Minister  des  Innern  gab  H.  Gelegenheit,  sich  in  den  Landtag 
wählen  zu  lassen.  Er  gehörte  von  1888  bis  1893  dem  Abgeordnetenhause 
an.  Als  Parlamentarier  trat  er  im  Jahre  1892  hervor,  um  (nach  seiner  Ver- 
abschiedung als  Minister)  ohne  Erfolg  die  Miquelschen  Steuerreformpläne 
zu  bekämpfen. 

Wenn  wir  uns  nach  den  Taten  seines  Lebens  umsehen,  so  müssen  wir 
zunächst  verschiedene  Schriften  (mehr  statistischer  Natur)  hervorheben:  »Die 
Ausführung  des  Art.  17  der  preußischen' Verfassungsurkunde«  (Aufhebung  des 
Kirchenpatronats),  Berlin  1892,  »Beiträge  zur  Finanzstatistik  der  Gemeinden 
in  Preußen«,  ebend.  1879,  »Finanzstatistik  der  Kreise  des  preußischen  Staats« 
(mit  dem  jetzigen  Kultusminister  Studt),  ebend.  1888,  »Die  Heranziehung 
der  Versicherungsgesellschaften  zu  den  Gemeindeabgaben  in  Preußen«  (ebend. 
1880),  »Beiträge  zur  Finanzstatistik  der  Gemeinden  in  Preußen«  (mit  E.  von 
der  Brincken),  ebend.  1882,  »Statistik  der  Kreisabgaben  in  Preußen«  (ebend. 
1882),  »Das  Gesetz  betreffend  die  Befähigung  für  das  höhere  Verwaltungs- 
recht vom  II.  März  1879«  (2.  Aufl.  ebend.  1884),  »Beiträge  zur  Finanzstatistik 
der  Gemeinden  in  Preußen«  (mit  W.  von  Tzschoppe,  ebend.  1884),  »Kom- 
munalabgabengesetz« (mit  F.  Noell),  »Die  Kommunalabgabenpflicht  der 
Aktiengesellschaften  usw.  in  Preußen  nach  dem  (Notkommunalabgaben-) 
Gesetz  vom  27.  Juli  1885«  (ebend.  1886),  »Die  kommunale  Besteuerung  der 
Feuerversicherungspolizen  in  Preußen«  (ebend.  1895),  endlich  ein  Aufsatz  in 
No.  I  der  deutschen  Juristenzeitung  vom  Jahre  1898  über  »Legislaturperiode«. 

Kann  man  allen  diesen  Arbeiten  H.s  Fleiß,  Sorgfalt  und  Zuverlässigkeit 
nicht  absprechen,  so  würden  sie  doch  nicht  ausgereicht  haben,  ihrem  Urheber 
eine  allbekannte  und  besonders  hervortretende  Bedeutung  zu  verschaffen. 
Diese  erlangte  H.  durch  ein  untrennbar  mit  seinem  Namen  verbundenes,  hoch- 
wichtiges Gesetz,  nämlich  »die  Landgemeindeordnung  für  die  sieben 
östlichen  Provinzen  der  Monarchie  vom  3.  Juli  1891«.  Es  ist  dies 
eins  der  wichtigsten  Organisationsgesetze  der  inneren  Verwaltung  in  Preußen 
und  bildet  zugleich  den  Abschluß  der  Reform  der  inneren  preußischen  .Ver- 
waltung, die  mit  der  Kreisordnung  vom  13.  Dezember  1872  begann.  Es 
würde  den  Rahmen  der  Darstellung  überschreiten,  wollte  man  näher  auf  die 
Landgemeindeordnung  eingehen.  Es  mag  daher  genügen,  die  treffende 
Charakteristik  in  dem  Werke  Keils  wiederzugeben:  »Die  Landgemeinde- 
ordnung sprengt  die  landrechtliche  Realgemeinde,  erweitert  den  Kreis  der 
vollberechtigten  Gemeindegenossen  durch  den  Zutritt  von  Nichtangesessenen 
und  schafft  somit,  indem  sie  Pflichten  und  Rechte  innerhalb  der  Kommune 
in  ein  billiges  Verhältnis  bringt,  der  Selbstverwaltung  eine  breitere  Basis, 
die  allein  geeignet  ist,  als  Ausgangspunkt  einer  gesunden  Weiterentwicklung 
zu  dienen.  Nur  die  Ausfüllung  des  Rahmens  will  die  Landgemeindeordnung 
geben,  die  in  die  Kreisordnung  in  bewußter  Rücksicht  auf  eine  spätere 
Neugestaltung  der  kommunalen  Verhältnisse  kunstvoll  zusammengefügt  wurde, 
Sie  bildet  somit  das  letzte  Glied  einer  Entwicklung,  die  dazu  bestimmt  war, 
die  Provinz,  den  Kreis,  die  Stadt,  die  Landgemeinde  und  den  Gutsbezirk  als 
deutsch-rechtliche  Selbstverwaltungskörper  nicht  allein  zueinander,  sondern 
auch  ihrer  inneren  Ausgestaltung  nach  in  eine  gesetzliche  Ordnung  zu  bringen 
und  ihnen  als  Verwaltungsgebilde  des  selfgovemment  mit  rein  obrigkeitlichen 
Funktionen  den  Regierungsbezirk  und  das  Amt  organisch  anzugliedern.« 


Herrfurth.     Muller.  365 

Es  ist  ohne  weiteres  klar,  dafi  ein  so  tief  in  alle  wirtschaftlichen  und 
politischen  Interessen  eingreifendes  Gesetz  nur  nach  langen  und  schweren 
parlamentarischen  Kämpfen  zustande  kommen  konnte.  Diese  Kämpfe  hatte 
H.  namentlich  mit  dem  rechten  Flügel  der  konservativen  Partei  und  vor 
allem  mit  seinen  eigenen  Organen,  den  Landräten,  zu  bestehen.  Seines  end- 
lichen Sieges  (206 :  99  im  Abgeordnetenhause,  99 :  39  im  Herrenhause)  sollte 
sich  H.  nicht  lange  erfreuen.  Denn  bald  nach  der  Verabschiedung  der 
Landgemeindeordnung,  die  ihm  den  Haß  der  feudal-agrarischen  Kreise  un- 
auslöschlich zugezogen  hatte,  erfolgte  am  9.  August  1892  seine  Entlassung 
als  Minister,  ob  wegen  dieses  Hasses  oder  weil  er  der  Miquelschen  Steuerreform, 
vor  allem  der  Miquelschen  Grundsteuerreform,  nicht  zustimmte,  wird  wohl 
stets  unaufgeklärt  bleiben. 

Die  Abneigung  der  feudalen  Kreise  hat  ihn  dann  bis  zu  seinem  Tode 
begleitet.  Auf  ihn  hat  man  in  diesen  Kreisen  auch  das  Wort  vom  »Familien- 
sinn« der  Minister  geprägt,  um  anzudeuten,  daß  er  Verwandte  in  Staats- 
ämtern nicht  unberücksichtigt  ließ  —  gewiß  nicht  ohne  Übertreibung, 
immerhin  mit  einer  gewissen  Wirkung. 

Ein  abschließendes  Urteil  über  die  Landgemeindeordnung  läßt  sich  zur- 
zeit nicht  geben.  Sie  hat  weder  die  Besorgnisse  ihrer  Gegner  noch  die 
Hoffnungen  ihrer  Freunde  voll  erfüllt.  Sie  gehört  zu  den  Gesetzen,  die  erst 
allmählich  ihre  Wirksamkeit  entfalten  können,  zumal  sie  die  Gemeinden, 
namentlich  in  den  ärmeren  Gegenden  des  Staates,  erst  zur  Selbstverwaltung 
erziehen  muß.  Immerhin  wird  sie  bestehen  bleiben  und  als  eines  der  be- 
deutendsten Gesetze  für  die  innere  Verwaltung  Preußens  ein  Zeichen  der 
hohen  Bedeutung  ihres  Urhebers  sein,  dem  seine  Gegner  wohl  Unrecht  tun, 
wenn  sie  von  ihm  zu  sagen  pflegen,  er  sei  das  beste  Beispiel  dafür,  daß 
jemand  ein  guter  Unterstaatssekretär  und  ein  unzulänglicher  Minister  sein 
kann.  So  darf  denn  auf  das  Grab  des  bürgerlichen  und  »statistischen« 
Ministers  des  Innern  eine  Palme  unvergänglicher  Anerkennung  und  Dank- 
barkeit niedergelegt  werden.  H.  war  ein  Beamter  vom  altpreußischen 
Schrote  ohne  Fehl  und  Tadel.  Arndt. 

Müller,  N.  J.  Carl,  Dr.  phil.,  Geheimer  Regierungsrat,  *  12.  Juli  1842  in 
Wiesbaden,  f  12.  Januar  1901  in  Münden.  —  Bis  zu  seinem  15.  Lebensjahre 
besuchte  M.  eine  Privatschule,  worauf  er  sich  dem  Apothekerberufe  zuwandte. 
Um  Ostern  1864  bezog  er  die  Universität  Heidelberg,  an  welcher  er  durch 
zwei  Jahre  naturwissenschaftlichen  Studien  oblag  und  bereits  am  9.  Februar 
1866  *insigni  cum  laude<t^  promovierte.  Nach  Verlauf  eines  halben  Jahres  er- 
warb er  an  derselben  Universität  die  venia  legendi  für  das  Gesamtgebiet  der 
Botanik.  Nach  sechsjähriger  Tätigkeit  als  Privatdozent,  in  welche  Zeit  eine 
Reihe  hervorragender  Arbeiten  fallen,  leistete  er  Ende  des  Sommersemesters 
1872  einer  Berufung  als  Professor  an  die  k.  Forstakademie  in  Münden  (Hannover) 
Folge,  welche  Stelle  er  bis  zu  seinem  Tode  bekleidete. 

Seine  Lehrtätigkeit  umfaßte  Vorlesungen  aus  dem  Gesamtgebiete  der 
Botanik  (Systematik,  Physiologie  und  Anatomie),  sowie  die  Leitung  mikroskopi- 
scher Praktika  und  botanischer  Exkursionen. 

»Mit  Müller«,  so  äußert  sich  Weise,  »ging  eine  jener  ehrfurcht- 
gebietenden Gestalten  aus  dem  Leben,   die  den  echten  deutschen  Gelehrten 


366  MüJler.     Haessel. 

der  älteren  Zeit  verkörperten.  Ausschließlich  lebte  er  seiner  Wissenschaft, 
keine  andere  Lebensfreude  kannte  er  als  die,  welche  wissenschaftliche  Forschung 
bietet.  Mit  fortschreitendem  Alter  zog  er  sich  mehr  und  mehr  zurück  und 
das  einzige  Band,  welches  ihn  mit  dem  frisch  pulsierenden  Leben  der  Gegen- 
wart schließlich  verband,  bildete  der  Verkehr  mit  der  akademischen  Jugend 
in  Vorlesungen  und  Exkursionen.« 

Eine  Lungenentzündung,  welche  sich  zu  einem  langwierigen  Herzleiden 
gesellte,  machte  seinem  arbeitsfreudigen  Leben  ein  jähes  Ende.  Unvermählt, 
von  wenigen  Freunden  betrauert,  verschied  er  an  der  Stätte  seiner  langjährigen 
Tätigkeit. 

So  schlicht  M.s  Leben  nach  außenhin  verlief,  so  vielseitig  gestaltete  sich 
seine  wissenschaftlich-literarische  Tätigkeit.  Eine  gründliche  Beherrschung  der 
mathematisch-physikalischen  Methoden,  scharfsinnige  Experimente  und  origi- 
nelle Darstellungsweise  charakterisieren  seine  Arbeiten,  welche  ihm  einen 
ehrenvollen  Platz  in  der  Geschichte  der  Pflanzenphysiologie  sichern. 

Abgesehen  von  zahlreichen  fachwissenschaftlichen  Abhandlungen,  welche 
teils  in  verschiedenen  Zeitschriften  zerstreut,  teils  in  dem  von  ihm  heraus- 
gegebenen Werke  »Botanische  Untersuchungen«  (Heidelberg  1877 — 1879) 
niedergelegt  sind,  verfaßte  er  ein  groß  angelegtes  Handbuch  der  Botanik 
(Heidelberg  1880),  dessen  Vollendung  ihm  leider  nicht  mehr  beschieden  war. 
Die  beiden  Bände  desselben,  von  welchen  der  eine  Anatomie  und  Physio- 
logie, der  andere  Morphologie  und  Entwicklungsgeschichte  der  Gewächse  be- 
handelt, zeugen  von  seiner  vielseitigen  Erfahrung  und  seinem  tiefen  Eindringen 
in  die  behandelten  Probleme.  Wenngleich  manche  der  hier  entwickelten  An- 
schauungen fortschreitender  Erkenntnis  weichen  mußte,  so  werden  M.s  wissen- 
schaftliche Arbeiten  dennoch  durch  die  Fülle  anregender  und  durchaus 
origineller  Ideen  dauernden  Wert  behalten. 

W.  Weise,  Nachruf  für  C.  Müller  in  »Mündener  forstliche  Hefte«,  XVII,  Berlin  1901, 
S.  179.  —  Herrn  Oberforstmeister  Weise,  Direktor  der  kgl.  Forstakademie  in  Münden,  sowie 
dem  Rektorate  der  Universität  Heidelberg  hin  ich  für  die  Übermittlung  der  oben  mitgeteilten 
biographischen  Daten  aus  Müllers  Leben  zu  großem  Danke  verpflichtet  Ebenso  verdanke 
ich  Herrn  Dr.  Cieslar  in  Mjiriabrunn  einige  auf  Müller  bezügliche  Auskünfte. 

Wien.  K.  Linsbauer. 

Haessel,  Hermann  Adolf, ')  Buchhändler,  *  26.  März  1819  in  Leipzig, 
t  8.  Februar  190 1  ebenda.  —  H.  besuchte  die  Freischule  seiner  Vaterstadt. 
Seine  Jugend  stand  ihm  später  als  eine  gedrückte,  kümmerliche  Zeit  in  der 
Erinnerung;  der  Vater  war  mittellos  und  gezwungen,  als  gelernter  Brauer  be- 
scheidenem Erwerb  in  einer  Weinessigfabrik  nachzugehen;  auch  die  von 
Sorgen  für  die  zahlreiche  Kinderschar  bedrängte  Mutter  konnte  trotz  aller 
Mutterliebe  nicht  an  Zärtlichkeiten  für  den  Sohn  denken,  so  daß  dieser 
überhaupt  nur  einmal  einen  Kuß  von  ihr  erhalten  zu  haben  sich  entsann,  — 
am  Tage  seiner  Einsegnung.  Der  eine  Kuß  aber  genügte,  ihm  der  Mutter 
Bild  und  Andenken  unvergeßlich  zu  machen.  Die  Geschwister  hatten  eben- 
falls frühzeitig  zum  Unterhalt  der  Familie  beizutragen;  H.  selbst  wurde  nach 
Beendigung  seiner  Schulzeit,    1834,   Laufjunge,  und  als  sein  Dienstherr  auf 


0  Totenliste  1901  Bd.  VI  41  ♦. 


Hacsscl,  J67 

den  geweckten  Knaben  aufmerksam  geworden  war,  Lehrling  bei  dem  Buch- 
händler Leopold  Voß  in  Leipzig.  Aber  selbst  noch  dem  jungen  Gehilfen 
würde  es  als  eine  unerlaubte  Verschwendung  erschienen  sein,  P'eiertags  auch 
nur  efne  Tasse  Kaffee  in  einem  Wirtschaftsgarten  einzunehmen;  er  hatte  eben 
nicht  für  sich  allein  zu  sorgen.  Und  dieser  Verzicht  war  nicht  einmal  der 
schlimmste  für  ihn;  härter  beschwerte  es  ihn,  daß  er  sich  auch  manches 
geistige  Genießen  versagen  mußte,  teils  weil  es  an  der  Zeit,  teils  weil  es, 
bei  seiner  guten,  aber  nicht  umfangreichen  Schulbildung,  an  den  Verständnis- 
zugängen fehlte.  Durch  seine  Naturanlage  und  Berufsbeschäftigung  dem 
Interesse  an  den  Wissenschaften  und  der  schönen  Literatur  angenähert,  sah 
er  sich  gleichzeitig  durch  die  dürftige  materielle  Lage  immer  wieder  von 
ihnen  abgerückt;  mit  Mühe  verschaffte  er  sich  ein  paar  Hilfsmittel  zum 
Selbststudium.  Zunächst  suchte  er  sich  diejenigen  Kenntnisse  anzueignen, 
durch  welche  er  sich  in  seiner  Erwerbstätigkeit  zu  einer  freieren  Stellung 
emporzuarbeiten  hoffen  durfte;  er  gab  sich  eifrigen  Sprachübungen  hin,  auch 
solchen  der  russischen  Sprache,  aus  Rücksicht  auf  die  Petersburger  Kundschaft 
des  Voßschen  Geschäftes.  Entsprechend  seinen  wachsenden  Fertigkeiten 
stieg  jetzt  sein  Gehalt;  beide  Eltern  starben  um  das  Jahr  1840;  die  Ge- 
schwister waren  selbständig  und  versorgt;  so  konnte  er  sich  schon  eher 
einmal  einen  Theater-,  Konzert-  oder  Museumsbesuch  gönnen.  Sein  Gesichts- 
kreis wuchs  hierdurch  bedeutend,  und  seine  geistige  Regsamkeit  und  der 
ihm  angeborene  gute  Geschmack  halfen  dem  jungen  Autodidakten  weiter 
vorwärts;  bezeichnend  ist,  wie  ein  Mann  wie  Heinrich  Laube,  mit  dem  er 
wegen  einer  Bücherbestellung  zu  unterhandeln  hatte,  ihn  nach  wenigen  mit 
ihm  gewechselten  Worten,  auf  seinen  Anblick  und  sein  Auftreten  hin,  er- 
munterte, sich  nach  Gefallen  seiner  Büchersammlung  zu  bedienen;  und  wie 
der  fleißige  Gebrauch,  den  H.  sofort  von  dieser  Erlaubnis  machte,  mit  der 
Zeit  aus  der  Bekanntschaft  eine  Freundschaft  werden  ließ,  bei  welcher  der 
jüngere  durchaus  nicht  der  allein  gewinnende  Teil  war.  Besonders  förderte 
ihn  jedoch  die  Reise,  die  er  für  Leopold  Voß  vom  Juni  bis  November  1849 
nach  Rußland  unternahm.  Sie  führte  ihn  bis  nach  Nischni  Nowgorod  und 
Kasan,  bis  Odessa  und  in  die  Krim,  brachte  ihn  sowohl  mit  den  russischen 
Buchhändlern  wie  mit  zahlreichen  Gelehrten  in  Berührung,  stärkte  durch 
ihren  guten  geschäftlichen  Erfolg  sein  Selbstvertrauen,  und  zeigte  durch  die 
in  der  Augsburger  Allgemeinen  Zeitung  veröffentlichten  Reisebriefe  das 
tüchtige  Wesen,  die  sich  vollendende  Bildung  des  jungen  Buchhändlers  an. 
1854  übernahm  dieser,  der  schon  im  vorhergehenden  Jahre  von  Voß  in  die 
Buchhandlung  von  Georg  Wigand  übergetreten  war,  das  von  letzterem  be- 
gründete Kommissionsgeschäft  und  führte  es  unter  seinem  eigenen  Namen 
fort,  gehemmt,  aber  nicht  entmutigt  durch  den  plötzlichen  Tod  seines 
Schwagers  Sorgenfrey,  dessen  Witwe  und  drei  Waisen  er  in  seinem  eigenen 
Heim  Unterhalt  bot.  So  ist  er  selbst  freilich  Junggeselle  geblieben;  erst 
diese  Fürsorge  für  die  Verwandten,  später  das  zunehmende  Alter  werden  ihn 
von  der  Ehe  zurückgehalten  haben;  er  war  jedoch  einer  von  jenen  Jung- 
gesellen, welche  trotz  ihres  Hagestolzentums  die  guten  Frauen  gern  leiden 
mögen,  und  selbst  von  ihnen  gut  gelitten  sind.  Auch  dürfte  er  um  dieses 
sein  Schicksal  umso  weniger  zu  beklagen  sein,  als  er  in  dem  einen  der 
Neffen,    deren    er  sich  damals  väterlich  annahm,  später  einen   langjährigen 


2  58  Haessel. 

Mitarbeiter  gefunden  hat,  während  die  Nichte  die  treue  Walterin  seines 
Hausstandes  bis  zu  seinem  Tode  geblieben  ist.  Als  H.  nun  die  ihm  durch 
den  unerwarteten  Schicksalsschlag  vermehrte  Sorgenlast  einigermaßen  den 
Berg  hinaufgewälzt  hatte  und  sah,  daß  sein  Kommissionsgeschäft  in  Blüte 
kam,  suchte  er  es,  wie  sich  seinen  Neigungen  nach  erwarten  ließ,  durch  einen 
Buchverlag  zu  erweitem;  auch  dieser  hat  sich  aus  bescheidenen  Anfängen 
heraus  reich  entwickelt.  Es  mag  genügen,  hier  nur  einen  der  Namen  zu 
nennen,  welche  unter  dem  Medusen- Verlagssignum  weltbekannt  geworden 
sind:  den  Conrad  Ferdinand  Meyers.  Der  große  Schweizer  ward,  fast  am 
Anfang  seiner  Laufbahn  als  Dichter,  im  Jahre  1865  durch  seine  Schwester 
mit  H.  bekannt,  gab  ihm  1870  die  »Romanzen  und  Bilder«  in  Verlag,  und 
seither  jedes  seiner  neuen  Werke.  Und  nicht  nur  in  Buchhandel  waren 
beide  Namen  eng  verbunden,  auch  die  Männer  standen  sich  freundschaftlich 
nahe.  H.,  der  noch  gern  größere  Reisen  unternahm,  selbst  noch  im  letzten 
Jahrzehnt  seines  Lebens  Bosnien  und  die  Herzegowina  aufsuchte,  sprach 
wiederholt  in  der  Schweiz  bei  Meyer  vor.  Er  war  sich  bei  aller  Bescheiden- 
heit doch  bewußt,  daß  in  diesem  Falle  vom  Ruhme  des  Dichters  mit  Recht 
ein  Schimmerchen  auch  den  Verleger  streifte;  denn  es  war  nicht  Laune, 
sondern  kluge  Prüfung  gewesen,  die  H.  ermutigt  hatte,  Verse  zu  drucken, 
welche  ein  anderer  schon  deshalb  zurückgewiesen  hatte,  weil  sie  unter  dem 
»unmöglichen  Dichternamen  Meyer  gingen«.  —  Und  jeden  materiellen  Vor- 
teil, den  er  aus  einem  buchhändlerischen  Erfolge  zog,  setzte  der  tätige 
Mann  alsbald  wieder  für  einen  anderen  Versuch  ein,  es  mit  einem  neuen, 
oft  unbekannten  Autor  wagend.  Nicht  immer  konnte  es  gelingen;  allein  jenes 
H.  zu  seinem  achtzigsten  Geburtstage  überreichte,  als  Manuskript  gedruckte 
Sammelbändchen  »Allerhand  Leute«,  —  eine  Zusammenstellung  von  Autoren- 
und  Freundesbeiträgen  als  Ausdruck  des  Dankes  und  liebenden  Gedächt- 
nisses, —  zeigt  doch  den  Namen  manchen  Mannes,  von  dem  gefeiert  zu 
werden  sich  der  einstige  Laufbursche  wohl  schwerlich  träumen  ließ.  Nun 
war  er  freilich  ein  alter  Herr  geworden;  etwas  ausgesprochene  Sparsamkeit 
legte  er  von  Zeit  zu  Zeit  wohl  immer  noch  an  den  Tag,  und  so  mildtätig 
seine  Hand  Armen  gegenüber  zu  sein  pflegte,  so  sorgend  er  seinen  Sonntags- 
mittagstisch einem  Kreis  junger,  meist  wenig  bemittelter  Leute,  —  Buch- 
händler, Studenten,  Musiker,  —  zu  decken  liebte,  häufig  war  er  auch  über 
Gebühr  lebhaft  und  eigensinnig;  wer  sich,  wie  er,  seinen  Weg  selbst  öffnen 
mußte,  dem  kann  es  nicht  gegeben  sein,  im  Alter  allein  den  Gemütsmenschen 
vorzustellen.  Denn  noch  erfreute  er  sich  seiner  vollen  geistigen  Frische,  und 
auch  die  Körperkräfte  ließen  ihn  immer  noch  als  einen  besonders  aus- 
dauernden Wochentagsarbeiter,  ungewöhnlich  rüstigen  Feiertagsspaziergänger 
gelten.  W^enn  er  auch  nicht  selbst  mehr  im  Männerchor  mitsang,  die 
Konzerte  besuchte  er  wie  früher,  ebenso  die  Vorträge  im  Kunstverein,  und 
mit  rührender  Treue  seinen  italienischen  Sprachklub.  Aber  im  folgenden 
Jahre  kam  doch  die  letzte  Krankheit  und  der  Tod.  Wie  das  Leben  gewesen, 
so  war  auch  das  Begräbnis:  schlicht,  und  doch  durch  die  Teilnahme  vieler 
verschönt. 

Die  Reisebriefe  Haessels  sind  wieder  abgedruckt,  von  Bildnis,  Lebensabriß  und  Ver- 
lagsverzeichnis ergänzt,  in  dem  Büchlein  »Hermann  Haessel,  ein  deutscher  Buchhändler«, 
das  in  dem  Hässelschcn  Verlage  erschien;   ein  RomanbruchstUck  Haessels,  »Der  Eisgang«» 


Haessel.     Janke.  300 

wurde  schon  zu  seinen  Lebzeiten  veröffentlicht  (in  Buchform  im  Verlag  von  Georg  Heinrich 
Meyer,  Berlin).  Es  trägt  als  Verfasserbezeichnung  das  Pseudonym  H.  Saß.  Schliefilich  sei 
als  Material  zur  Biographie  und  Charakteristik  noch  der  kleine  Nachruf  im  Börsenblatt  für 
den  deutschen  Buchhandel,   1 6.  Februar  1901,  erwähnt.') 

Janke,  Gustav,^)  Dr.,  Buchhändler,  *  13.  Januar  1849  in  Potsdam, 
t  II.  Februar  1901  in  Berlin.  —  Als  zweiter  Sohn  des  bekannten  großen 
Romanverlegers,  späteren  Kommerzienrates  Otto  Janke  geboren,  genofi  J. 
seine  erste  Schulbildung  auf  der  Döbbelinschen  Privatschule  in  Berlin,  wohin 
die  Eltern  bald  nach  seiner  Geburt  von  Potsdam  übergesiedelt  waren.  Mit 
18  Jahren  bestand  er  sein  Abiturientenexamen  auf  dem  Friedrich  Wilhelms- 
Gymnasium,  um  sich  dann  von  1868  ab  dem  Studium  der  Geschichte  und 
Literaturgeschichte  auf  der  Universität  Marburg  hinzugeben.  Drei  Semester 
studierte  J.  in  Marburg,  ein  weiteres  an  der  Berliner  Universität.  Dann 
bezog  er  die  Universität  Göttingen,  von  wo  er  mitten  aus  dem  Studium 
durch  den  Ausbruch  des  französischen  Krieges  gerissen  wurde.  In  das 
Gardefüsilierregiment  eingereiht,  machte  er  den  Krieg  bis  zur  Belagerung  von 
Paris  mit;  auf  der  Heimkehr  überfiel  ihn  plötzlich  eine  schwere  Lungen- 
entzündung, von  deren  Folgen  er  sich  nie  wieder  ganz  erholt  hat.  1871 
promovierte  er  auf  der  Rostocker  Universität  mit  der  Promotionsschrift  »Der 
Einfluß  Suetons  auf  die  historische  Richtigkeit  Einhards  in  der  vita  Caroli*i> 
zum  Doctor  philosaphiae.  Nachdem  er  darauf  den  Buchhandel  unter  der 
sachkundigen  Leitung  seines  Vaters  erlernt  hatte,  wurde  er  1873  dessen 
Sozius.  1878  gab  der  Verlag  die  Monatsschrift  »Deutsche  Revue«  heraus 
und  J.  übernahm  die  Redaktion,  die  ihm  Gelegenheit  gab,  auch  in  der 
Öffentlichkeit  hervorzutreten.  Nach  dem  Tode  des  Vaters,  1885,  ging  das 
Geschäft  an  Gustav  und  seinen  Bruder  Richard  Janke  über.  Während 
Richard  sich  jedoch  mehr  der  Führung  der  später  in  eine  Aktiengesellschaft 
umgewandelten  Druckerei  widmete,  sorgte  Gustav  vornehmlich  für  die  plan- 
mäßige Ausgestaltung  des  Verlages.  Dabei  ging  er  von  dem  Grundsatz  aus, 
stets  junge,  frische  Kräfte  heranzuziehen.  Er  gliederte  dem  Verlage  ins- 
besondere die  Werke  der  aufblühenden  russischen  und  nordischen  Literatur 
an,  fast  alle  Schriften  Tolstois,  Turgenjews  und  Dostojewskis,  an  nordischen 
Dichtern  vornehmlich  Björnson,  Bergsöe  und  Jacobsen.  Dem  Zuge  der  Zeit 
nach  Verbilligung  der  Romane  folgend,  schuf  er  die  bekannte  »Kollektion 
Janke«,  eine  Sammlung  wohlfeiler  Romane  und  Novellen,  die  besonders  als 
Reiselektüre  die  weiteste  Verbreitung  gefunden  hat.  Auf  seine  Veranlassung 
wurden  die  billigen  Ausgaben  von  Wilhelm  Raabes  Schriften  herausgebracht 
und  dadurch  der  Weg  zu  dem  großen  Erfolg  gebahnt,  den  endlich  der 
70.  Geburtstag  des  Dichters  brachte.  In  der  großen  Zahl  der  Schriftsteller, 
die  er  nach  und  nach  in  seinen  Kreis  zog,  sind  fast  alle  die  Namen  ver- 
treten, deren  Träger  als  Hauptrepräsentanten  der  modernen  belletristischen 
Literatur  gelten. 

Quellen:  Schmidt,  Deutsche  Buchhändler,  III.  Band;  Korporationsbericht  der  Berliner 
Buchhändler  pro   1 901 ;  Jubiläums- Verlagskatalog  1 903.  Rudolf  Schmidt. 


>)  In  den  »Biographischen  Blättemc  II  76 — 78  hat  Haessel   1896  auf  meine  Anregung 
»Laube-Historietten«,  gezeichnet  H.  //.  mitgeteilt.  A.  d.  H. 

*)  Totenliste  1901  Band  VI  5i*. 

BiogT.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrulog.    7.  Bd.  24 


^70  Costenoble.      Wahlberg. 

Costenoble,  Hermann  Wilhelm,')  Buchhändler,  *  20.  März  1826  in  Magde- 
burg, t  25.  Februar  1901  in  Jena.  —  Jubilate  1850  begründeten  C.  und  Gustav 
Remmelmann  in  Leipzig  durch  Übernahme  der  Vereins-Verlagsbuchhandlung, 
damals  im  Besitze  des  bekannten  Leipziger  Verlegers  Otto  Wigand,  eine 
neue  Firma  unter  dem  Namen  Costenoble  &  Remmelmann.  C,  im  Besitze 
einer  gediegenen  Bildung,  mit  weitschauendem  Blick  begabt  und  ein  tüchtiger 
Buchhändler,  erkannte  bald,  daß  der  Boden  für  eine  gediegene  Romanliteratur 
neben  den  weiten  Gebieten  der  Kunst  und  der  speziellen  Wissenschaften  be- 
sonders aufnahmefähig  in  dieser  Zeit  war.  Er  konnte  das  Geschäft  umsomehr 
nach  seinen  Wünschen  ausgestalten,  als  Remmelmann  bereits  185 1  aus  der 
Firma  austrat.  1863  verlegte  C.  das  Geschäft  nach  Jena  und  führte  es  unter 
seinem  Namen  Hermann  Costenoble  weiter.  Von  dem  Umfang  seines  aus- 
gedehnten Verlagsgeschäftes,  dem  er  bald  eine  eigene  Druckerei  angegliedert 
hatte,  gibt  am  besten  eine  kleine  Auswahl  seiner  Autoren  ein  Bild.  Es  seien 
folgende  Namen  genannt:  Friedrich  Gerstäcker,  Ew.  Aug.  König  (29  Romane), 
A.  von  Winterfeld,  A.  E.  Brachvogel,  N.  von  Eschstruth,  deren  Romane  später 
in  den  Verlag  von  Paul  List  in  Leipzig  übergingen,  —  Louise  Mühlbach, 
Karl  Gutzkow.  Ferner  aus  dem  Gebiete  der  Wissenschaften:  Bleibtreus 
Literaturgeschichten  und  Schlachtenschilderungen,  Mantegazza,  Mothes*  Bau- 
kunst, A.  Bastians  ethnologische  Forschungen,  Pechuöl-Loesche,  Schweiger- 
Lerchenfeld,  John  Lubbocks  interessante  Schriften  u.  v.  a. 

Seit  Herbst  1901  befindet  sich  das  Geschäft  im  Besitze  des  Schwieger- 
sohnes des  Begründers,  Dr.  Richard  Schroeder,  der  das  Hauptgeschäft  nach 
Berlin  verlegte  und  nur  die  Druckerei  in  Jena  beließ.  Den  Verlag  hat  der 
neue  Besitzer  hauptsächlich  auf  dem  Gebiete  der  technologischen  Wissen- 
schaften ausgebaut. 

Quellen:  Schmidt,  Deutsche  Buchhändler,  Band  I.  Rudolf   Schmidt. 


Wahlberg,  Wilhelm  Emil,*)  Professor  des  Straf  rechtes,  *  4.  Juli  1824  zu 
Prag,  f  31.  Januar  1901  zu  Wien.  —  W.  machte  seine  Universitätsstudien  in  Prag 
und  Wien,  wurde  1849  ^""^  Doktor  promoviert  und  habilitierte  sich  nach 
einer  Studienreise  durch  Deutschland,  Belgien  und  Frankreich  185 1  als 
Privatdozent  des  Strafrechtes  an  der  Wiener  Universität.  1854  wurde  er 
dort  Ordinarius.  Er  wurde  187 1  zum  Präses  der  judiziellen  Staatsprüfungs- 
kommission ernannt.  1872  wurde  ihm  der  Hofratstitel  verliehen,  1874/75 
war  er  Rektor  der  Universität.  W.  wurde  auch  wiederholt  in  den  Staats- 
gerichtshof gewählt.  Im  Jahre  1889  legte  W.,  veranlaßt  durch  einen  gegen 
ihn  ausgesprochenen  disziplinaren  Tadel  des  akademischen  Senates,  sein 
Lehramt  zurück  und  trat  in  den  Ruhestand.  Er  hat  in  der  Schrift  »Ein 
Disziplinarprozeß  vor  dem  akademischen  Senate  der  Wiener  Universität  in 
der  Tagespresse«,  Wien  1889,  als  Manuskript  gedruckt,  die  eigenmächtige 
Korrektur  eines  im  Jahre  1874  von  ihm  erstatteten  Referates  über  die  Be- 
rufung eines  Dozenten  wohl  mit  Unrecht  als  bloßen  Verstoß  gegen  die 
Registratursordnung  hinzustellen  versucht,  es  muß  aber  ausgesprochen  werden, 


»)  Totenliste   1901   Band  VI  20  •. 
*)  Totenliste   1901,  Band  VI   iii*. 


Wahlberg.  ^.7 1 

daß  sein  Verschulden  ein  geringfügiges  war  und  nicht  imstande  ist,  das  Ge- 
samtbild seines  Charakters  zu  trüben. 

W.  war  Mitglied  der  Kommission  zur  Beratung  des  Hyeschen  Straf- 
gesetzentwurfes vom  Jahre  1864,  aus  welcher  er  mit  Glaser  im  September  1865 
wegen  der  Verfassungssistierung  austrat.  Es  hatten  ihn  übrigens  ebenso  wie 
Glaser  weitgehende  Meinungsverschiedenheiten  in  bezug  auf  die  Ehrenfolgen 
und  die  Einzelhaft  von  Hye  getrennt.  Auch  der  neue  Hyesche  Entwurf  von 
1870  wurde  ihm  vom  Justizminister  Habietinek  im  Februar  187 1  zur  Begut- 
achtung gegeben.  Als  Glaser  seinen  Strafgesetzentwurf  fertig  gestellt  hatte, 
überwies  er,  während  er  sich  die  Redaktion  des  allgemeinen  Teiles  selbst 
vorbehielt,  1872  den  besonderen  Teil  den  vier  Referenten  Präsidenten  Waser, 
Hofrat  Khoß,  Merkel  und  Wahlberg.  Die  Aufgabe  war  dahin  gestellt  worden,  in 
möglichster  Annäherung  an  das  deutsche  Strafgesetzbuch  unter  Beibehaltung 
gewisser  österreichischer  Traditionen  ein  allen  zivilisierten  Staaten  gemein- 
sames Strafrecht  vorzubereiten.  Bekanntlich  kam  dieser  Entwurf  ebensowenig 
zur  parlamentarischen  Verabschiedung,  obschon  er  bis  1877  i^^  Beratung 
stand,  als  die  auf  denselben  Grundsätzen  aufgebauten  Vorlagen  der  Minister 
Praiak  von  1881  und  Graf  Schönbom  von  1889,  während  der  in  der  Haupt- 
sache von  Wahlbergs  Schüler  Lammasch  bearbeitete  letzte  Entwurf  vielfach 
von  anderen  Gesichtspunkten  ausgeht.  Auch  die  deutsche  Strafprozeß- 
ordnung wurde  von  W.  begutachtet.  W.  hat  seine  »Gesammelten  kleineren 
Schriften  und  Bruchstücke  über  Straf  recht,  Strafprozeß,  Gefängniskunde, 
Literatur  und  Dogmengeschichte  der  Rechtslehre  in  Österreich«  in  drei 
Bänden  in  den  Jahren  1875,  1877  und  1882  veröffentlicht.  Als  selbständige 
Arbeiten  erschienen:  »Das  Prinzip  der  Individualisierung  in  der  Straf rechts- 
pflege«  1869,  »Kriminalistische  und  nationalökonomische  Gesichtspunkte  mit 
Rücksicht  auf  das  deutsche  Reichsstrafrecht«  1872.  Der  Sammlung  der 
kleineren  Schriften  folgte  eine  Reihe  von  Arbeiten,  darunter  in  den  Juristi- 
schen Blättern  »Einige  in  Aussicht  genommene  Reformen  des  Strafensystems 
in  Rußland«  1883,  »Julius  Glaser  als  Kriminalist«  1886,  » Straf gesetzgebungs- 
arbeiten  des  Justizministers  Glaser«  1886,  »Der  Strafgesetzentwurf  Zanardelli 
für  Italien«  1888,  «Die  Vorbereitung  eines  neuen  österreichischen  Strafgesetz- 
buches« 1889,  »Über  die  Freiheitsstrafe  im  Strafgesetzentwurfe  sowie  über 
die  Grundsätze  der  Internationalen  kriminalistischen  Vereinigung«  1890,  »Die 
Entstehungsgeschichte  des  allgemeinen  Jagdpatentes  von  1786«  1895.  Als 
Manuskript  ließ  er  einen  Teil  seiner  Vorlesungen  über  den  besonderen  Teil 
des  Strafgesetzes  erscheinen.  W.  wird  von  der  Richtung  der  internationalen 
kriminalistischen  Vereinigung,  deren  Haupt  Franz  von  Liszt  sein  Schüler  war, 
oft  als  Vorläufer  bezeichnet,  wohl  nur  teilweise  mit  Recht.  So  sehr  er  auch 
betonte,  daß  das  Verbrechen  nicht  aus  dem  übrigen  Leben  des  Übeltäters 
ausgeschieden  und  isoliert  behandelt  werden  dürfe,  so  darf  doch  nach  ihm 
die  rechtswidrige  Gesinnung  nur  in  dem  Umfang  vergolten  werden,  als  sie 
in  der  vorliegenden  Übeltat  zur  Erscheinung  gelangt.  W.  war  Anhänger  der 
Vergeltungstheorie,  sah  die  Rechtfertigung  der  Strafe  in  der  Wiederherstellung 
der  Herrschaft  des  Rechtes  und  suchte  zwischen  dem  von  ihm  als  Materialis- 
mus bekämpften  Determinismus  und  dem  Indeterminismus  einen  Mittelweg 
in  der  Annahme  der  Bedingtheit  der  Entschließung  durch  Motive,  die  aber 
Schuld  und  Strafe  nicht  aufhebe,  sobald  die  Zurechnungsfähigkeit  vorhanden 

24* 


yj2  Wahlberg. 

sei.  Die  Zurechnungsfähigkeit  bestehe  dort,  wo  die  Kenntnis  des  Straf- 
gesetzes oder  Erkenntnis  des  mit  Strafe  bedrohten  Unrechtes  sich  mit  der 
Fähigkeit  dem  Unrecht  Widerstand  zu  leisten  vereinigt.  In  unverkennbarem 
Anklang  an  Herbar  tische  Ideen  definiert  er  die  Zurechnungsfähigkeit  als 
inhärierende  Eigenschaft  des  bereits  durch  die  Motive  des  Strafgesetzes 
bestimmbar  gewordenen  individuellen  Charakters.  Am  deutlichsten  tritt  W^.s 
bei  allen  reichen  Anregungen  und  fruchtbaren  Ansätzen  die  Gedankengänge 
stets  durch  unbewußte  Kompromisse  abbrechende  Weise  in  seiner  Behandlung 
der  Mitschuld  der  Gesellschaft  hervor.  Er  erkennt  eine  unentrinnbare 
Vorausbestimmung  zum  Verbrechen  aus  äußeren  Verhältnissen  nicht  an, 
rechnet  sogar  die  Not  unter  die  nicht  sozialen,  sondern  individuellen  Motive 
des  Verbrechens,  konstruiert  das  Verbrechen  lediglich  aus  Motiven  der  Selbst- 
sucht und  meint,  daß  die  Affektverbrechen  bisher  untadelhafter  Personen  das 
Verbrechen  über  die  mechanische  Gesetzmäßigkeit  der  moralischen  Statistik 
erheben.  W.s  Bedeutung  für  die  Entwicklung  des  Straf  rechtes  liegt  darin,  daß  er 
der  Individualität  des  Verbrechers  einen  größeren  Einfluß  auf  die  Behandlung  des 
Verbrechens  einräumen  wollte.  Insbesondere  sollte  der  Unterschied  zwischen 
Gelegenheits-  und  Gewohnheitsverbrechen  nicht  wie  bisher  bloß  als  Milde- 
rungs-  oder  Erschwerungsumstand,  sondern  als  Klassifikationsgrund  behandelt 
werden.  Er  verlangte  sogar  gesonderte  Strafanstalten  für  diese  beiden  vor 
ihm  von  niemanden  in  solcher  Schärfe  geschiedenen  Kategorien  der  Ver- 
brecher und  fand  in  Schweden  diese  Forderung  teilweise  erfüllt.  Es  war 
eine  notwendige  Folge  der  starken  Betonung  der  Persönlichkeit  des  Übel- 
täters, daß  W.  den  Strafvollzug  als  einen  untrennbaren  Teil  der  Straf  Justiz 
bezeichnete  und  er  hat  auf  diesem  Gebiet  die  größten  Verdienste.  Er 
besuchte  periodisch  die  österreichischen  Gefängnisse,  auf  Reisen  auch  aus- 
ländische Anstalten  und  legte  seine  Anschauungen  in  Eckers  Blättern  für 
Gefängniskunde,  in  Holtzendorffs  allgemeiner  deutscher  Strafrechtszeitung  und 
abschließend  in  der  Abhandlung  »Die  Gebrechen  und  die  Verbesserung  des 
Gefängniswesens  in  Österreich«  im  dritten  Band  der  kleinen  Schriften  und 
in  seinem  Beitrag  über  die  Strafsysteme  zu  Holtzendorff  und  Jagemanns 
Handbuch  des  Gefängniswesens  nieder.  Ihn  leitete  der  fruchtbare  Gedanke, 
daß  jede  Strafe  ein  ökonomisches  Übel  sei,  woraus  er  den  Schluß  zog,  daß 
man  dahin  streben  müsse,  mit  der  geringsten  Aufopferung  an  Arbeit  und 
Kapital  die  größten  Strafeffekte  zu  erzielen.  Folgerichtig  bei  seinem  Be- 
kenntnis zur  Vergeltungstheorie  steht  er  auf  dem  Standpunkt,  daß  eine  Ver- 
urteilung auf  unbestimmte  Zeit  als  dem  Rechte  widersprechend  unstatthaft 
sei,  obschon  er  in  einer  seiner  späteren  Aufsätze  sich  in  dieser  Frage  der 
internationalen  kriminalistischen  Vereinigung  mit  ihrem  Programmpunkt  unbe- 
stimmter Strafurteile  für  Unverbesserliche,  der  unseres  Erachtens  strafpolitisch 
höchst  bedenklich  ist,  anzunähern  scheint.  Dagegen  tritt  er,  da  er  an  eine 
Änderungs-  und  Besserungsfähigkeit  des  Charakters  glaubt,  indem  er  gleich- 
zeitig mit  guten  Gründen  die  Besserungstheorie  verwirft,  für  die  Einzelhaft, 
den  progressiven  Strafvollzug  und  die  bedingte  Entlassung  ein.  Er  bekämpft 
die  Todesstrafe,  die  urteilsmäßig  verhängten  periodischen  Strafverschärfungen, 
weil  sie  trotz  der  Besserung  vollzogen,  Erbitterung  und  Verzweiflung  hervor- 
rufen, die  lebenslänglichen  Ehrenfolgen,  die  Vollstreckung  der  Geldstrafen 
gegen  die  Erben.     Er   redet  einem  ernsten    aber  menschlichen  Strafvollzug 


Wahlbcrg.     von  Hopfen.  373 

das  Wort,  wobei  er  die  Leiden  der  Freiheitsentziehung  trivialen  Redensarten 
gegenüber  in  nachdrücklicher  Weise  hervorhebt.  W.s  Stellung  zum  Schwur- 
gericht, dessen  Vorkämpfer  in  Österreich  er  neben  Glaser  war,  wurzelte  in 
der  Erwartung,  daß  dort  die  individuellen  Momente  des  besonderen  Falles 
ihre  Berücksichtigung  finden  werden,  und  daß  die  vielen  durch  die  Auslegung 
des  Wortlautes  des  Gesetzes  gar  nicht  zu  erfassenden  unbestimmten  Begriffe, 
wie  öffentliches  Ärgernis,  begründete  Besorgnis,  unzüchtige  Handlungen, 
Aufreizung  zum  Haß  und  zur  Verachtung,  nur  durch  die  Geschworenen  in 
einer  dem  allgemeinen  Rechtsbewußtsein  entsprechenden  Weise  ihre  Aus- 
füllung finden  werden.  In  der  Verfolgung  dieser  Gedanken  wollte  er  der 
Bank  auch  Fragen  über  solche  Umstände  vorlegen,  von  welchen  der  Eintritt, 
der  Umfang  und  die  Dauer  von  Ehrenfolgen  abhängig  zu  machen  wären. 
Er  trat  übrigens  ebenso  wie  Glaser  für  eine  intensivere  Mitwirkung  der  Ge- 
schworenen an  dem  Beweisverfahren  ein.  In  seinen  kriminalistischen  und 
nationalökonomischen  Gesichtspunkten  griff  W.  nach  allen  möglichen  Rich- 
tungen weit  aus,  suchte  aber  oft  rein  äußerliche  Zusammenhänge  und  ließ 
viel  Spielerisches  mitunteriaufen.  Trotzdem  bleibt  der  Hauptgedanke  der 
Schrift  ebenso  bedeutungsvoll  wie  einige  Anregungen  Dank  verdienen.  Wir 
zählen  dahin  die  Forderung  selbständigen  kriminellen  Schutzes  der  Tiere, 
strafrechtliche  Verfolgung  des  Mädchenhandels,  der  Bestrafung  von  durch 
seelische  Einwirkungen  zugefügten  Körperverletzungen,  die  Polemik  gegen 
die  Polizeiaufsicht,  gegen  die  antiökonomische  Verhängung  von  Ehrenfolgen, 
die  Ausführungen  über  die  Anpassung  der  Geldstrafe  an  die  Einkommens- 
verhältnisse und  für  die  stärkere  Berücksichtigung  des  gewinnsüchtigen  Motivs 
bei  den  Eigentumsdelikten. 

Aus  W.s  Abhandlungen  möchten  wir  noch  seinen  Beitrag  über  die 
Religionsverbrechen  zu  Holtzendorffs  Handbuch  des  deutschen  Strafrechtes 
und  den  Aufsatz  über  den  Rechtscharakter  der  Selbsthilfe  und  der  Notwehr 
hervorheben. 

Seine  historischen  Arbeiten  bezogen  sich  vorwiegend  auf  die  theresianisch- 
josefinische  Zeit.  Er  behandelte  die  Genesis  der  Theresiana,  deren  Revision 
und  die  Genesis  des  josefinischen  Strafgesetzbuches,  die  Geschichte  der 
Aufhebung  der  Tortur  in  Österreich,  das  josefinische  Jagdpatent  und  manches 
andere  in  skizzenhafter  Ausführung. 

Als  Lehrer  war  W.  außerordentlich  anregend  und  durch  seinen'  humanen 
Optimismus  vom  glücklichsten  Einfluß  auf  die  studierende  Jugend;  Liszt 
und  Lammasch  bekennen  sich  als  seine  Schüler. 

Bibliographie:  Lammasch,  W.  E.  Wahlberg,  in  der  allgemeinen  österreichischen  Ge- 
richtszeitung Nr.  7  von  1901.  Tschubinsky,  Professor  W.  E.  VVahlberg  und  seine  Bedeutung 
in  der  Strafrechtswissenschaft,  in  der  Zeitschrift  für  die  gesamte  Strafrechtswissenschaft, 
Band  XXIII.  Edmund  Benedikt. 

Hopfen,  Franz  Freiherr  von,')  hervorragender  österreichischer  Parlamen- 
tarier und  Finanzmann,  *  2.  Mai  1825  in  Wien,  f  i"^  7^-  Lebensjahr  am 
18.  März  190 1  in  Baden  bei  Wien.  —  H.  entstammte  einer  bürgerlichen 
Familie  mit  Namen  Fragner.     Seine  Großmutter  väterlicher  Seite  war,  früh- 


«)  Totenliste  1901  Band  VI  49*. 


^yA  von  Hopfen. 

zeitig  zur  Witwe  geworden,  in  zweiter  Ehe  mit  dem  Doktor  der  Medizin  und 
Besitzer  des  in  der  heutigen  Bezirkshauptmannschaft  Kromau  in  Mähren  ge- 
legenen großen  Gutes  Mißlitz,  Josef  Edlen  von  Hopfen  vermählt  gewesen, 
und  dieser  hatte,  selbst  ohne  eheliche  Nachkommen,  den  Sohn  aus  der  ersten 
Ehe  seiner  Gattin,  Franz  Fjragner,  adoptiert;  mit  kaiserlicher  Genehmigung 
gingen  auch  der  Adel  und  das  Wappen  des  Dr.  von  Hopfen  auf  diesen  seinen 
Stief-  und  Adoptivsohn  über,  der  nunmehr  den  Namen  Franz  Edler  von 
Fragner-Hopfen  führte. 

Franz  Edler  von  Fragner-Hopfen  widmete  sich  der  militärischen  Laufbahn 
und  starb  als  k.  k.  Oberleutnant  außer  Dienst.  Dessen  einziger  Sohn,  der 
gleich  seinem  Vater  den  Vornamen  Franz  führte,  gab  in  dankbarer  Erinne- 
rung an  seinen  Adoptivgroßvater  seinen  ursprünglichen  Familiennamen  auf 
und  nannte  sich  Franz  Edler  von  Hopfen. 

H.  erhielt  eine  äußerst  sorgfältige  Erziehung.  Seine  ersten  Studien  legte 
er  an  dem  vorzüglich  von  Söhnen  adeliger  Familien  besuchten  gräflich  Löwen- 
burgschen  Konvikt,  dem  heutigen  Piaristen-Konvikt  in  Wien  zurück;  seine 
weitere  Ausbildung  leitete  Hof  rat  von  Höchsmann.  Die  juridischen  Studien 
absolvierte  H.  an  der  k.  k.  Universität  in  Wien.  Durch  das  Ableben  seines 
Adoptivgroßvaters  wurde  H.,  dessen  Vater  schon  vorher  gestorben  war,  be- 
reits in  jungen  Jahren  Eigentümer  der  Gutsherrschaft  Mißlitz.  Der  junge 
Gutsherr  ging  aber  keineswegs  in  der  Bewirtschaftung  seiner  Ländereien  auf, 
sondern  widmete  sich  eifrig  volkswirtschaftlichen  Studien  und  wußte  die  Auf- 
merksamkeit der  Regierung  wie  der  finanziellen  Kreise  so  auf  sich  zu  lenken, 
daß  er,  als  im  Jahre  1856  die  Hypothekarkreditsabteilung  der  privilegierten 
österreichischen  Nationalbank  ins  Leben  trat,  von  der  Bankdirektion  für  die 
Stelle  eines  Vertrauensmannes  dieser  Abteilung  in  Vorschlag  gebracht  und 
unterm  26.  Juni  1856  von  dem  Finanzminister  Freiherm  von  Brück  auf  diesen 
damals  sehr  wichtigen  Posten  berufen  wurde. 

Die  Hypothekarkreditsabteilung  der  privilegierten  österreichischen  National- 
bank war  die  erste  nach  modernen  Grundsätzen  eingerichtete,  auf  Aktien  be- 
ruhende Hypothekarkredit-  und  Pfandbriefanstalt  in  Österreich.  Sie  verdankt 
ihre  Entstehung  dem  drängenden  Bedürfnisse  nach  Real-,  besonders  nach 
landwirtschaftlichem  Kredite,  das  sich  infolge  der  Grundentlastung  von  1848 
in  der  Monarchie  geltend  machte.  Bis  zum  Jahr  1848  bestand  in  Österreich 
mit  Ausnahme  von  Lombardo-Venetien,  Dalmatien  und  der  Militärgrenze  das 
sogenannte  Untertänigkeitsverhältnis  des  Bauernstandes.  Der  Grund  und 
Boden  auf  dem  Lande  zerfiel  in  die  Dominikai-  oder  herrschaftlichen  und 
die  Rustikal-  oder  Bauerngüter,  die  Bevölkerung  in  die  Gutsherren  —  die 
Herrschaften  —  und  die  Untertanen.  Die  Untertanen  waren  den  Herrschaften 
gegenüber  zu  verschiedenen  Diensten  und  Giebigkeiten,  wie  zu  Arbeitsleistungen 
(Robot),  zu  Naturalabgaben  (Zehent  usw.)  oder  auch  zu  Geldabgaben  ver- 
pflichtet. Den  Herrschaften  ihrerseits  oblag  dagegen  wieder  eine  Reihe  von 
Verbindlichkeiten,  teils  zu  Gunsten  der  Untertanen,  z.  B.  die  Pflicht,  bedürftige 
Untertanen  mit  Brod-  und  Saatkorn  zu  unterstützen,  die  Untertanen  in  Rechts- 
streitigkeiten zu  vertreten,  die  Waisengelder  für  dieselben  zu  verwalten  usw., 
teils  zu  Gunsten  des  Staates,  für  welchen  die  Herrschaften  die  Steuern  ein- 
zuheben,  die  politische  Verwaltung  und  die  Zivilgerichtsbarkeit  unentgeltlich 
zu  besorgen,  die  Grundbücher  zu  führen  hatten  u.  dgl.  m.    Zur  Sicherstellung 


von  Hopfen.  375 

für  alle  aus  diesen  Verpflichtungen  entspringenden  Forderungen  gegen  die 
Herrschaft  bestand  ein  gesetzliches  Pfandrecht  an  dem  achten  Teil  eines 
jeden  Dorainikal-Landgutes.  Die  Verwaltung  der  Pupillengelder,  welche  nach 
einem  Hofdekrete'  Kaiser  Josefs  II.  vom  13.  Mai  1784  mindestens  »mit  landes- 
bräuchigem  Interesse«  verzinst  werden  mußten,  besorgten  die  Herrschaften 
vermittels  der  von  ihnen  errichteten  sogenannten  »kumulativen  Waisenkasseii«, 
und  diese  Kassen  waren  bis  zum  Jahr  1848  die  vornehmlichste  und  zwar  eine 
ebenso  bequeme  als  praktische  Quelle  des  Realkredites  für  den  kleinen,  den 
bäuerlichen  Grundbesitz.  Ein  Hypothekardarlehen  war  für  den  Untertanen, 
wenn  er  es  überhaupt  verdiente,  leicht,  schnell  und  ohne  besondere  Auslagen 
zu  erlangen,  da  die  Herrschaft  die  Verhältnisse  des  Untertanen,  mit  dem  sie 
als  Privatjurisdiktionsherr  und  als  steuerbehördliches  Organ  in  fortwährendem 
Verkehre  stand,  genau  kannte,  die  nützliche  Verwendung  des  Darlehenskapitales 
überwachen  konnte  und  schließlich  auch  ein  großes  Interesse  an  der  auf- 
rechten wirtschaftlichen  Existenz  des  Untertanen  hatte. 

Ein  Kreditinstitut  für  den  Großgrundbesitz  gab  es  aber  bis  zum  Jahre 
1841  in  der  ganzen  Monarchie  nicht,  und  dieser  Mangel  machte  sich  empfind- 
lich fühlbar.  Zwar  liehen  die  Sparkassen,  von  denen  die  erste  im  Jahr  18 19 
in  Wien  errichtet  worden  war,  auf  Hypothek.  Aber  die  Zahl  wie  die  Mittel 
der  Sparkassen  waren  sehr  beschränkt;  es  bestanden  zu  Ende  des  Jahres  1848 
in  den  gegenwärtigen  cisleithanischen  Ländern  im  ganzen  nur  15  Sparkassen 
mit  einem  Einlagenstande  von  45,386  Millionen  Gulden  C.  M.;  Pfandbriefe 
gaben  sie  nicht  aus.  Einzelne  private  Geldgeber,  welche  die  Mittel  und  den 
Willen  gehabt  hätten,  einem  Herrschaftsbesitzer  größere  H3rpothekardarlehen 
auf  lange  Frist  und  gegen  Amortisation,  wie  dies  bei  solchen  Darlehen  nötig  ist, 
vorzustrecken,  fanden  sich  nicht  leicht,  und  sie  konnten  auch  durch  das  Angebot 
einer  höheren  Verzinsung  des  Darlehens  nicht  angelockt  werden,  da  nach 
dem  Wucherpatente  vom  2.  Dezember  1803  bei  Darlehen  gegen  Unterpfand 
höchstens  5*^/0  Zinsen  bedungen  werden  durften. 

Der  Wiener  Bankier  Josef  Edler  von  Dietrich  griff  1820  zur  leichteren 
Aufbringung  eines  durch  seine  Vermittlung  von  dem  damaligen  Palatinus  von 
Ungarn  Erzherzog  Josef  aufgenommenen  H3rpothekaranlehens  zu  dem  Aus- 
kunftsmittel, die  für  dieses  Darlehen  ausgestellte  Schuldverschreibung  in  eine 
große  Anzahl  von  einzelnen  Schuldtiteln  —  Partialobligationen  —  zu  zerlegen, 
um  auf  diese  Art  an  das  große  Publikum,  den  Geldmarkt,  appellieren  und 
möglichst  günstige  Bedingungen  für  das  aufzunehmende  Darlehen  erzielen  zu 
können.  Diese  Form  der  Aufnahme  eines  Hypothekardarlehens  entsprach  so 
sehr  einem  allgemein  gefühlten  Bedürfnisse,  daß  sie  rasch  in  der  Monarchie 
gebräuchlich  wurde.  Der  Vorgang  war  der,  daß  seitens  des  Darlehensnehmers 
einem  Bank-  oder  Großhandlungshause  von  gutem  Ruf  eine  intabulations- 
fähige  Hauptschuldverschreibung  übergeben,  und  auf  Grund  dieser  die  Schuld- 
summe auf  den  als  Pfand  bestellten  Gütern  einverleibt  wurde.  Auf  Basis 
dieser  Hauptschuldverschreibung  und  mit  Berufung  auf  dieselbe  wurden  dann 
die  Partialen,  welche  einzeln,  aber  in  kumulativer  Priorität  landtäflich  nicht 
hätten  intabuliert  werden  können,  entweder  von  dem  betreffenden  Schuldner 
selbst  oder  im  Namen  desselben  von  dem  emittierenden  Bank-  oder  Groß- 
handlungshaus ausgegeben.  Sie  waren  auf  den  Inhaber  gestellt,  mit  Koupons 
versehen  und  innerhalb  einer  bestimmten  Frist  durch  Verlosung  rückzahlbar. 


270  ^^^  Hopfen. 

Ihre  Verzinsung  und  Rückzahlung  erfolgte  durch  den  Schuldner  oder  durch 
das  vermittelnde  Bankhaus,  dem  der  Schuldner  rechtzeitig  die  nötigen  Be- 
träge zur  Verfügung  zu  stellen  hatte.  Zur  Sicherstellung  der  Gläubiger,  also 
der  einzelnen  Partialenbesitzer  wurde  bestimmt,  daß  die  Hauptschuldverschrei- 
bung bei  einem  vertrauenswürdigen  Dritten,  gewöhnlich  bei  der  privilegierten 
österreichischen  Nationalbank,  einem  Wiener  oder  süddeutschen  Bankhause 
hinterlegt  und  nur  gegen  Beibringung  sämtlicher  eingelöster  Partialen  aus- 
gefolgt werden  sollte.  Die  Hauptschuldverschreibung  war  also  kein  selb- 
ständiges Forderungsinstrument,  da  auf  Grund  derselben  ohne  gleichzeitige 
Beibringung  der  sämtlichen  Partialen  keine  Forderung  geltend  gemacht  werden 
konnte.  Die  eigentlichen  Schulddokumente  waren  die  Partialen,  die  mit 
Realsicherheit  ausgestattete  Obligationen  darstellten,  durch  welche  ein  direktes 
Schuldverhältnis  zwischen  dem  Hypothekarschuldner  und  dem  Partialeninhaber 
begründet  wurde. 

Das  Publikum  hatte  anfangs  die  Partialobligationen,  die  besonders  in 
Süddeutschland  große  Verbreitung  fanden,  begierig  aufgenommen;  bald  kam 
jedoch  ein  Rückschlag.  Mehrere  ungarische  Magnaten,  die  eine  große  Anzahl 
von  Partialen  ausgegeben  hatten,  ließen  dieselben  notleidend  werden,  und  die 
von  den  Gläubigern  gegen  diese  Schuldner  geführten  Exekutionen  blieben 
fruchtlos,  weil  die  ungarischen  Komitats- Kongregationen,  obwohl  sich  die 
Schuldner  vertragsmäßig  dem  k.  k.  niederösterreichischen  Landrecht  in  Wien 
unterworfen  hatten,  was  ein  ungarischer  Gesetzartikel  vom  Jahre  1792  jedem 
adeligen  Ungarn  gestattete,  Schuldverschreibungen  an  unbenannte  Personen  für 
nicht  giltig  erklärten  nnd  die  Exekution  verweigerten.  Vergeblich  wendete 
sich  der  große  ungarische  Patriot  Graf  Stephan  Sz^ch^nyi  in  seiner  Schrift 
>HtteU  (»Kredit«)  mit  flammenden  Worten  gegen  die  »bevorrechteten  Räuber«. 
Die  Allerhöchste  Entschließung  vom  19.  Juni  1847  untersagte  endlich  die 
Ausgabe  von  Partialobligationen  auf  den  Überbringer  »bis  zur  definitiven  Fest- 
setzung gesetzlicher  Bestimmungen  über  die  Aufnahme  von  Privatanlehen  in 
der  Form  von  Partialobligationen«.  Maßgebend  für  dieses  Verbot  war  aller- 
dings weniger  die  Sorge  für  das  Publikum  gewesen;  die  Finanzverwaltung, 
die  beständig  mit  einem  Fehlbetrag  im  Staatshaushalte  kämpfte  und  die  Er- 
sparnisse der  Bevölkerung  für  immer  neue  Staatsanleihen  in  Anspruch  nahm, 
fürchtete,  daß  die  Ausgabe  von  Privatschuldverschreibungen  den  Absatz  der 
Staatspapiere  schädigen  könnte,  ja  es  fehlte  in  der  Hofkammer  —  so  hieß 
damals  das  Finanzministerium  —  nicht  an  Stimmen,  welche  die  Ausgabe  von 
verlosbaren,  wenn  auch  nicht  mit  Prämien  versehenen  Obligationen  als  mit 
dem  Lottopatente  vom  13.  März  18 13  unvereinbar  erklärten.  Man  beeilte  sich 
darum  auch  mit  der  in  Aussicht  gestellten  definitiven  Festsetzung  gesetzlicher 
Bestimmungen  über  die  Partialen  nicht  sehr;  dieselbe  erfolgte  in  Österreich 
erst  27  Jahre  später  mit  dem  Gesetze  vom  24.  April  1874. 

Mittlerweile  war  mit  dem  Kaiserlichen  Patente  vom  3.  November  1841 
die  »Galizisch-ständische  Kreditanstalt«  in  Lemberg  ins  Leben  gerufen  worden, 
die  auf  dem  Systeme  der  preußischen  »Landschaften«  beruhte.  Die  preußischen 
»Landschaften«,  deren  erste,  die  »Schlesische  Landschaft«,  am  29.  August  1769 
entstanden  war,  sind  die  ältesten  Pfandbriefinstitute.  Sie  sind  Verbände  der 
»Stände«,  das  heißt  der  Besitzer  adeliger  oder  doch  einen  gewissen  Wert  über- 
steigender Landgüter  eines  Kreises  oder  einer  Provinz,  die  ihren  Teilnehmern, 


von  Hopfen.  ^77 

und  zwar  nur  diesen,  auf  ihre  zu  dem  Verbände  gehörigen  Güter  Darlehen 
gewähren  und  auf  Grund  dieser  Darlehen  Pfandbriefe  ausgeben,  für  deren 
Verzinsung  und  Rückzahlung  alle  Mitglieder  der  Landschaft  mit  ihrem  ge- 
samten, zu  dieser  gehörigen  Grundbesitze  solidarisch  haften.  Ursprünglich 
waren  diese  Pfandbriefe  einzeln  in  das  Hypothekenbuch  eingetragen  und  be- 
gründeten ein  direktes  Schuldverhältnis  zwischen  dem  Pfandbriefinhaber  und 
dem  Hypothekarschuldner,  dem  die  Landschaft  nur  als  Bürge  zur  Seite  stand. 
Seit  1835  wurden  bei  den  Landschaften  Pfandbriefe  üblich,  bei  welchen  die 
Anstalt  selbst  in  erster  Linie  als  Schuldnerin  erscheint,  und  dieses  System 
wurde  der  Galizisch-ständischen  Kreditanstalt  zugrunde  gelegt.  Die  Galizisch- 
ständische  Kreditanstalt  war  ein  freiwilliger  Verein  von  Besitzern  landtäflicher 
Güter  in  Galizien  oder  der  Bukowina,  die  von  1786  bis  1849  als  »Kreis 
Czernowitz«  zu  Galizien  gehörte;  sie  gewährte,  ihrem  Charakter  als  »Land- 
schaft« entsprechend,  bloß  ihren  Mitgliedern  Darlehen  und  war  nicht  auf 
Gewinn  berechnet.  Die  Anstalt  besteht  nach  wiederholten  Reorganisationen 
als  »Galizischer  Boden-Kredit -Verein«  noch  heute  und  ist  heute  noch  das 
einzige,  nach  den  Grundsätzen  der  »Landschaften«  eingerichtete  Hypothekar- 
kreditinstitut in  Österreich-Ungarn. 

Das  waren  die  Verhältnisse  auf  dem  Gebiete  des  Hypothekarkredites  in 
der  Monarchie,  als  die  gewaltige  Bewegung  des  Jahres  1848  hereinbrach,  und 
vom  ungarischen  Landtag  auf  Antrag  Ludwig  Kossuths,  vom  österreichischen 
Reichstag  auf  Antrag  Hans  Kudlichs  die  Aufhebung  des  Untertänigkeits- 
verbandes und  die  Entlastung  von  Grund  und  Boden  beschlossen  wurde. 
Die  Grundentlastung  fand  entgeltlich  statt,  auch  in  Ungarn,  obwohl  vom 
Preßburger  Landtag  ihre  wenigstens  teilweise  unentgeltliche  Durchführung 
beschlossen  worden  war  —  der  Klerus  hatte  in  patriotischer  Begeisterung  dem 
geistlichen  Zehent  ohne  jede  Schadloshaltung  entsagt  —  und  obwohl  die 
betreffenden  Beschlüsse  die  Königliche  Sanktion  erhalten  hatten;  die  Ent- 
schädigung wurde  sogar  in  Ungarn  ungefähr  doppelt  so  hoch  als  beispiels- 
weise in  Böhmen  und  Mähren  bemessen,  wodurch  man  den  frondierenden 
ungarischen  Adel  und  Clerus  zu  gewinnen  dachte.  Mit  der  Aufhebung  des 
Untertänigkeitsverbandes  hörten  auch  die  alten  herrschaftlichen  kumulativen 
Waisenkas.sen  auf;  die  Waisengelder  wurden  »singularisiert«,  das  heißt  jedem 
Pflegebefohlenen  sein  Anteil  ausgeschieden,  und  dieser  der  besonderen  Ver- 
waltung eines  Vormundes  oder  Kurators  zugewiesen,  eine  Maßregel,  die  man 
allerdings  später  wieder  rückgängig  zu  machen  bemüht  war.  Mit  dem  Ver- 
schwinden der  Waisenkassen  war  die  frühere  Hauptkreditquelle  für  den  kleinen 
Grundbesitz  gerade  zu  einer  Zeit  versiegt,  in  welcher  dieser,  durch  die  Ent- 
schädigung für  die  Herrschaften  schwer  belastet,  des  Kredites  dringend  be- 
durfte. Der  Großgrundbesitz  wieder  hatte  vielfach  die  ihm  aus  der  Grund- 
entlastung plötzlich  zugefallenen  Entschädigungssummen  leichtfertig  verbraucht 
und  besaß  jetzt  weder  Geld  noch  die  ihm  früher  durch  die  Robot  gewähr- 
leistete unentgeltliche  Arbeitskraft.  Eine  allgemeine  entsetzliche  Kreditnot  des 
gesamten  Grundbesitzes  war  die  Folge.  Ihr  abzuhelfen  plante  der  damalige 
Finanzminister  Freiherr  von  Brück  die  Errichtung  einer  großen  Anstalt,  welche 
die  Aufgaben  der  im  Jahre  1852  entstandenen  beiden  mächtigen  französischen 
Kreditinstitute:  der  ^Societi  generale  du  Credit  mobilier*  und  des  *  Credit  foncier 
de  France*  in  sich  vereinigen  sollte.    Dieser  großartig  angelegte  Plan  stieß  aber 


278  von  Hopfen. 

im  Reichsrate  —  dieser  durch  das  Patent  vom  13.  April  185 1  geschaffene  Reichs- 
rat war  eine  lediglich  beratende  Körperschaft,  deren  Mitglieder  vom  Kaiser  er- 
nannt wurden  —  auf  solchen  Widerstand,  daß  Brück  ihn  ändern  mußte.  Er  rief 
1855  ein  Credit  fnobilier-liisiiXMU  die  »k.  k.  priv.  österreichische  Creditanstalt  für 
Handel  und  Gewerbe«  ins  Leben  und  schuf  an  Stelle  eines  eigenen  Credit 
foncier  die  Hypothekarkreditsabteilung  der  privilegierten  österreichischen 
Nationalbank,  der  Notenbank  der  Monarchie,  welche  Abteilung  mit  i.  Juli  1856 
ihre  Tätigkeit  begann.  Die  Einrichtung  dieser  Hypothekarkreditsabteilung 
entspricht  im  wesentlichen  jener  des  Credit  foncier  de  France,  die  überhaupt 
für  das  moderne  Hypothekenbankwesen  vorbildlich  geworden  ist.  Der  Credit 
foncier  verbindet  das  Pfandbrief  System  der  alten  preußischen  Landschaften 
mit  der  Organisation  der  Aktiengesellschaft.  Er  kennt  nicht  die  Beschränkung 
auf  bestimmte  Teilnehmer  und  auf  den  Grundbesitz  eines  bestimmten  Kreises 
oder  Standes;  seine  Pfandbriefe  sind,  abweichend  von  den  alten  landschaft- 
lichen Pfandbriefen,  keine  eigentlichen  Pfandurkunden,  sondern  lediglich  auf 
Grund  hypothekarisch  sichergestellter  Forderungen  des  Emissionsinstitutes  aus- 
gegebene persönliche  Schuldscheine  der  Anstalt.  Sie  besitzen  also  selbst 
keine  Realsicherheit,  sondern  nur  eine  hypothekarische  Deckung.  An  Stelle 
der  bei  der  Landschaft  üblichen  Solidarbürgschaft  sämtlicher  Teilnehmer  be- 
steht die  Bürgschaft  durch  das  Garantiekapital  des  als  neutrales  Element 
zwischen  Gläubiger  und  Schuldner  stehenden  Institutes.  Da  dieses  Kapital 
durch  Aktienausgabe  aufgebracht  ist  und  verzinst  werden  muß,  so  ist  unter 
sonst  gleichen  Umständen  der  Zinsfuß  der  Aktienhypothekenbank  höher  als 
jener  der  Landschaft.  Während  die  Landschaft  eine  gemeinnützige,  nicht  auf 
Gewinn  berechnete  Anstalt  ist,  arbeitet  der  Cridit  foncier  auf  Dividenden. 
Dieser  letzterwähnte  Umstand  hat  es  bewirkt,  daß  die  vielen  heute  bestehenden 
Credit  /7«r/Vr- Institute  nicht  wie  die  Ländschaften  lediglich  der  Kreditnot 
des  Grundbesitzes,  sondern  vornehmlich  der  Spekulation  ihre  Entstehung  ver- 
danken, daß  sie  nicht  wie  die  alten  Landschaften  in  den  Zeiten  wirtschaft- 
licher Not,  sondern  meist  gerade  in  der  Zeit  des  wirtschaftlichen  Aufschwunges 
entstanden  sind,  und  daß  sie  von  Anfang  an  einen  viel  frischeren  und  leb- 
hafteren Zug  in  der  Geschäftsgebahrung  zeigten,  als  die  Landschaften. 

Die  Hypothekarkreditsabteilung  der  privilegierten  österreichischen  National- 
bank erhielt  übrigens  nicht  ein  ausschließliches  Privilegium  zur  Ausgabe  von 
Pfandbriefen  für  die  Monarchie,  wie  dies  der  Credit  foncier  de  France  für 
Frankreich  und  Algerien  besitzt,  und  ihr  Pfandbriefumlauf  wurde  von  vorn- 
herein beschränkt,  indem  er  ursprünglich  mit  höchstens  200  Millionen  Gulden 
C.  M.  festgesetzt  wurde,  eine  Ziffer,  die  1868  über  eigene  Anregung  der  Bank 
auf  den  heutigen  Betrag  von  150  Millionen  Gulden  ö.  W.  herabgemindert 
worden  ist.  Zur  Überwachung  des  Hypothekarkreditsgeschäftes  wurde  aus 
den  Direktoren  der  Nationalbank  ein  eigenes  Komitee  gebildet,  und  diesem 
wurden  besondere,  aus  den  Kreisen  des  Großgrundbesitzes  gewählte,  vom 
Finanzminister  ernannte  Vertrauensmänner  zur  Seite  gegeben,  deren  vor- 
nehmlichste  Aufgabe  es  war,  der  Hypothekarkreditsabteilung  bei  äer  Bewertung 
der  als  Hypothek  angebotenen  Güter  beratend  zur  Seite  zu  stehen.  Die  Stelle 
dieser  Vertrauensmänner  war  damals  bei  dem  Umstand,  als  fast  der  gesamte 
Grundbesitz  der  Monarchie  infolge  der  Grundentlastung  in  vollem  Übergange 
zu   ganz   neuen   Wirtschaftsformen   war,   eine  äußerst  schwierige   und  verant- 


von  Hopfen.  2  70 

wortungsvolle,  und  es  spricht  für  die  Wertschätzung,  deren  sich  H.  schon  zu 
jener  Zeit  in  den  maßgebenden  Kreisen  erfreute,  daß  er,  kaum  31  Jahre  alt, 
auf  den  wichtigen  Posten  eines  solchen  Vertrauensmannes  gestellt  wurde,  den 
er  nun  bis  zum  Jahr  1864  bekleidete. 

Bald  fand  H.  Gelegenheit,  der  Finanzverwaltung  wie  der  Notenbank  noch 
in  anderer  Weise  äußerst  wertvolle  Dienste  zu  leisten.  Die  Finanznot  des 
Staates  hatte  schon  im  Jahre  1854  dazu  geführt,  daß  eine  Anzahl  dem 
Staate  gehöriger  Eisenbahnlinien,  die  zusammen  78,3  Millionen  Gulden  C.  M. 
gekostet  hatten,  um  65,5  Millionen  Gulden  C.  M.  an  eine  hiezu  gebildete 
Aktiengesellschaft,  die  Staatseisenbahngesellschaft,  verkauft  worden  war. 
Finanzminister  Freiherr  von  Brück  veräußerte  1858  eine  weitere  Anzahl  von 
staatlichen  Eisenbahnlinien,  deren  Erbauung  dem  Staate  zusammen  auf  145 
Millionen  Gulden  C.  M.  gekommen  war,  um  100  Millionen  ö.  W.  an  die  zu 
diesem  Behufe  gebildete  Südbahngesellschaft  und  übertrug  zum  Zwecke  der 
Tilgung  der  Schuld  des  Staates  an  die  Notenbank  mit  Übereinkommen  vom 
18.  Oktober  1855  Staatsdomänen  im  Schätzungswerte  von  156,485  Millionen 
Gulden  C.  M.  an  die  Nationalbank,  welche  die  betreffenden  Güter  allmählich 
veräußern  und  aus  dem  Ertrage  der  Domänen  und  dem  beim  Verkaufe  der- 
selben erzielten  Erlös  ihre  Forderungen  an  den  Staat  decken  sollte.  Es  ver- 
dient bemerkt  zu  werden,  daß  die  Krone  der  Veräußerung  dieser  Domänen 
sofort  beigestimmt  hatte,  obwohl  die  Frage  strittig  war,  ob  die  Domänen 
überhaupt  als  Staatseigentum,  oder  nicht  vielmehr  als  Eigentum  des  Herrscher- 
hauses anzusehen  seien.  Die  Nationalbank  errichtete  zur  Verwaltung  und 
Veräußerung  der  Domänen  eine  eigene  Abteilung,  die  Staatsgüterabteilung, 
und  in  diese  Abteilung  trat  H.  am  10.  Januar  1858  als  Volontär  ein.  Er  widmete 
sich,  obwohl  er  seine  Dienste  der  Staatsverwaltung  und  der  Bank  lediglich 
freiwillig  und  ohne  jedes  Entgelt  zur  Verfügung  stellte,  den  Pflichten  seines 
Amtes,  wie  sein  damaliger  Vorstand  Dr.  Chornitzer  über  ihn  schrieb,  »mit 
voller,  sein  eigenes  Interesse  hintansetzender  Hingebung«,  bereiste  behufs  In- 
spizierung der  Staatsgüter  einen  großen  Teil  der  Monarchie  und  konnte,  als 
er  unterm  3.  Januar  1861  um  die  Enthebung  von  seiner  Stellung  in  der  Staats- 
güterverwaltung ansuchte,  in  seinem  diesbezüglichen  •  Gesuche  mit  vollem 
Rechte  von  sich  schreiben:  »Mit  Beruhigung  kann  ich  es  sagen,  daß  während 
der  Dauer  meiner  Dienstleistung  auch  nicht  eines  der  gezahlten  Mitglieder 
der  Staatsgüterabteilung  mehr  Eifer,  ja  auch  nur  mehr  Zeit  den  Geschäften 
gewidmet  oder  wichtigere  Dienste  geleistet  hätte«.  H.  hatte  als  Grund  für 
sein  Enthebungsgesuch  »politische  Verhältnisse«  angegeben;  er  trat  nun  in 
die  politische  Arena. 

Der  Absolutismus  war  in  Österreich  unhaltbar  geworden,  besonders  durch 
seine  vollständige  Unfähigkeit,  die  Ordnung  der  Finanzen  herzustellen,  deren 
Zerrüttung  die  Hauptschuld  an  dem  unglücklichen  Ausgange  des  Krieges  von 
1859  ^"K-  Nachdem  zunächst  durch  das  Patent  vom  5.  März  1860  eine  Ver- 
stärkung des  alten  beratenden  Reichsrates  angeordnet  worden  war,  entwickelte 
das  Diplom  vom  20.  Oktober  1860  die  Grundzüge  einer  Volksvertretung,  und 
mit  der  durch  das  Patent  vom  26.  Februar  1861  erlassenen  Verfassung  trat 
Österreich  in  die  Reihe  der  konstitutionellen  Staaten.  Der  verstärkte  Reichsrat 
von  1860  wurde  aufgelöst,  an  seine  Stelle  trat  das  neue,  aus  Herrenhaus  und 
Abgeordnetenhaus  bestehende  Parlament.    Das  Abgeordnetenhaus  wurde,  eine 


ßSo  von  Hopfen. 

Bestimmung,  die  bis  1873  in  Kraft  blieb,  nicht  durch  unmittelbare  Wahlen, 
sondern  in  der  Weise  zusamniengesetzt,  daß  die  Landtage  der  einzelnen 
Königreiche  und  Länder  aus  ihrer  Mitte  Abgeordnete  in  den  Reichsrat  wählten. 
Bei  der  ersten  Wahl  für  die  Landtage  wurde  H.  von  der  Kurie  des  mähri- 
schen Großgrundbesitzes  (die  Verfassung  von  1861  unterschied  vier  Wähler- 
klassen: Großgrundbesitz,  Städte,  Handels-  und  Gewerbekammem  und  Land- 
gemeinden) in  den  Landtag  der  Markgrafschaft  Mähren  entsendet.  Er  lenkte 
dort  bald  die  Aufmerksamkeit  auf  sich,  sowohl  durch  die  große  Klarheit  und 
Sachlichkeit  seiner  Reden,  wie  nicht  minder  durch  die  zwar  bestimmte,  aber 
dabei  außerordentlich  gemäßigte  Art  seines  Auftretens.  Mit  Überzeugung, 
einer  Überzeugung,  der  er  sein  ganzes  Leben  hindurch  treu  geblieben  ist, 
trat  er  für  die  Verfassung  ein,  deren  Gegner  übrigens  damals  im  mährischen 
Landtage  nicht  zahlreich  waren.  Mit  großer  Majorität  wählte  ihn  der  Landtag 
in  das  Abgeordnetenhaus.  H.  war  eines  der  jüngsten  Mitglieder  des  Hauses, 
und  er  wurde  daher,  als  das  Haus  in  seiner  ersten  Sitzung  vom  29.  April  1861 
die  acht  jüngsten  Abgeordneten  zu  Schriftführern  bestimmte,  zu  dem  Amt 
eines  solchen  Schriftführers  berufen.  Bald  hatte  er  sich  als  gewandter,  schlag- 
fertiger Redner,  der  besonders  volkswirtschaftliche  Fragen  trefflich  zu  behandeln 
wußte,  bekannt  gemacht.  Am  17.  Juni  1863  trat  das  Abgeordnetenhaus  zu 
seiner  zweiten  Session  zusammen,  und  für  diese  zweite  Session  wurde  H.  vom 
Kaiser  zum  ersten  Vizepräsidenten  des  Hauses  ernannt;  bis  zum  Jahre  1867 
war  nämlich  die  Ernennung  der  Präsidien  beider  Häuser  des  Parlaments  ein 
Recht  der  Krone.  Neben  der  Ausübung  seines  Amtes  als  Vizepräsident  ent- 
wickelte H.  während  dieser  Session  eine  sehr  eifrige  Tätigkeit  in  verschiedenen 
Ausschüssen  und  war  Vorsitzender  des  Ausschusses  zur  Prüfung  des  Jahres- 
berichtes der  Staatsschuldenkontrollskomraission.  Für  die  dritte  Session,  deren 
Eröffnung  am  12.  November  1864  stattfand,  wurde  H.  wieder  zum  ersten  Vize- 
präsidenten ernannt.  Am  27.  Juli  1865  wurde  das  Haus  geschlossen.  Am 
gleichen  Tage  wurde  der  Staatsminister  Schmerling,  der  »Vater  der  Ver- 
fassung«, durch  den  früheren  Statthalter  von  Böhmen,  Grafen  Belcredi,  ersetzt, 
und  am  20.  September  durch  Kaiserliches  Manifest  die  Verfassung  sistiert. 

Belcredi  plante  die  Zerlegung  der  Gesaratmonarchie  in  fünf,  nur  durch 
die  Person  des  Kaisers  verbundene  Königreiche  mit  feudalen  Verfassungen. 
Die  nicht  föderalistisch  gesinnten  Landtage,  darunter  auch  jener  von  Mähren, 
wurden  im  Dezember  1866  aufgelöst,  und  für  den  Februar  1867  Neuwahlen 
ausgeschrieben.  Diese  unter  dem  Hochdrucke  der  Regierung  vorgenommenen 
Wahlen  ergaben  für  den  mährischen  Landtag  eine  föderalistische  Mehrheit; 
H.,  der  sich  entschieden  gegen  das  Betreten  verfassungswidriger  Wege  aus- 
gesprochen hatte,  unterlag  nach  heißem  Wahlkampf  am  7.  Februar  1867.  Am 
gleichen  Tage  erfolgte  aber  die  Ersetzung  Belcredis,  der  am  4.  Februar  seine 
Entlassung  erhalten  hatte,  durch  Beust;  der  Landtag  wurde  nochmals  auf- 
gelöst, bei  der  Neuwahl  im  März  wurde  H.  wiedergewählt,  von  dem  nunmehr 
wieder  verfassungstreuen  Landtage  neuerlich  in  das  Parlament  entsendet  und 
vom  Kaiser  für  die  erste  Session  der  zweiten  Wahlperiode  abermals  zum 
ersten  Vizepräsidenten  ernannt. 

In  dieser  Session  kamen  der  Ausgleich  mit  Ungarn  und  die  Staatsgrund- 
gesetze zustande,  darunter  das  Gesetz  vom  21.  Dezember  1867,  mit  welchem 
das   Patent  vom  26.  Februar  1861    mehrfach,    unter  anderen    in   Paragraph  9 


von  Hopfen.  jSl 

dahin  abgeändert  wurde,  daß  das  Abgeordnetenhaus  künftig  sein  Präsidium 
selbst  zu  wählen  habe.  H.  mußte  infolgedessen  am  22.  Dezember  1867  seine 
Stelle  als  Vizepräsident  niederlegen,  wurde  aber  vom  Abgeordnetenhause  bei 
der  am  gleichen  Tage  vorgenommenen  Wahl  des  Präsidiums  mit  sehr  großer 
Mehrheit  —  125  von  130  Stimmen  —  wieder  auf  dieselbe  berufen.  Während 
dieser  vom  20.  Mai  1867  bis  15.  Mai  1869  dauernden  ersten  Session  der  zweiten 
Wahlperiode  nahm  H.  an  den  Debatten  sehr  lebhaften  Anteil,  arbeitete  mit 
großem  Fleiß  in  den  Ausschüssen,  besonders  im  Finanzausschuß,  als  dessen 
Obmann,  und  im  Budgetausschuß,  als  dessen  Obmannstellvertreter  er  fungierte 
und  dessen  Bericht  über  den  Staatsvoranschlag  pro  1869  er  als  General- 
berichterstatter im  Hause  vertrat;  er  wurde  in  die  zur  Beratung  des  Ausgleiches 
mit  Ungarn  entsendete  Ausgleichsdeputation  sowie  am  21.  April  1869  in  die 
Delegation  für  das  Jahr  1869  gewählt. 

Am  II.  Dezember  1869  trat  das  Abgeordnetenhaus  zur  zweiten  Session  der 
zweiten  Wahlperiode  zusammen,  und  am  14.  Dezember  1869  wurde  H.  für 
diese  Session  mit  136  von  138  Stimmen  wieder  zum  ersten  Vizepräsidenten 
gewählt;  er  fungierte  in  dieser  Session  als  Obmann  des  Budgetausschusses 
und  wurde  in  die  Delegation  für  das  Jahr  1870  entsendet.  Am  8.  April  1870 
wurde  das  Haus  vertagt,  am  21.  Mai  löste  das  Ministerium  Potocki  den 
Reichsrat  und  die  Landtage  mit  Ausnahme  des  böhmischen  auf.  Bei  den 
Neuwahlen  wurde  H.  abermals  gewählt  und  von  dem  am  17.  September  1870 
wieder  zusammengetretenen  Abgeordnetenhaus  an  Stelle  des  früheren  Präsi- 
denten Dr.  von  Kaiserfeld,  der  dem  Hause  nicht  mehr  angehörte,  am  26.  Sep- 
tember 1870  mit  131  von  133  Stimmen  auf  den  Sitz  des  Präsidenten  des  Ab- 
geordnetenhauses berufen.  »Vollste  parlamentarische  Redefreiheit  aufrecht 
zu  erhalten,  Unparteilichkeit  zu  üben  gegen  alle  Parteien,  gegen  alle  Mitglieder 
dieses  hohen  Hauses,  die  Würde  des  hohen  Hauses  stets  zu  wahren,  darin 
erblicke  ich  die  Aufgabe  des  Präsidenten«,  sagte  er  in  seiner  Antrittsrede. 

Er  hatte  das  Präsidium,  zu  dem  sich  auch  seine  Entsendung  in  die  Dele- 
gation von  187 1  gesellte,  in  schwerer  Zeit  übernommen.  In  den  regierenden 
Kreisen  hatte  die  föderalistische  Strömung  wieder .  Oberwasser  bekommen. 
Das  Abgeordnetenhaus  befand  sich  in  seiner  Mehrheit  in  vollster  Opposition 
gegen  die  Regierung,  besonders  seit  am  7.  Februar  187 1  das  Ministerium  Potocki 
durch  das  Ministerium  Hohenwart  ersetzt  worden  war.  Es  bedurfte  seitens  des 
Präsidenten,  der  sich  doch  den  gerechtfertigten  Wünschen  der  Regierung  nicht 
versagen  konnte,  eines  ganz  außerordentlichen  Taktes,  um  Konflikte  zu  ver- 
meiden. Am  7.  Juni  187 1  wurde  der  Antrag,  der  Regierung  das  Budget  zu  ver- 
weigern, nur  mit  der  kleinen  Majorität  von  77  gegen  67  Stimmen  abgelehnt, 
aber  selbst  unter  dieser  kleinen  Mehrheit  war  die  Gruppe  der  gemäßigten 
Großgrundbesitzer  unter  der  Führung  des  Abgeordneten  Ritter  von  Chlumecky 
dafür  gewesen,  daß  das  Budget  wohl  dem  Staat,  aber  nicht  dem  Ministerium 
bewilligt  werde.  Am  11.  August  löste  die  Regierung  das  Abgeordnetenhaus 
und  die  verfassungstreuen  Landtage  auf  und  ordnete  Neuwahlen  an.  Der 
mährische  Landtag  erhielt  wieder  eine  föderalistische  Majorität,  und  H.  wurde 
nicht  gewählt.  Der  Föderalismus  schien  siegreich;  das  Königliche  Reskript 
vom  14.  September  1871  an  den  böhmischen  Landtag  erkannte  die  Rechte 
des  Königreiches  Böhmen  an  und  stellte  die  Krönung  des  Kaisers  zum  Könige 
von  Böhmen  in  Aussicht;  am  10.  Oktober  beschloß   der  böhmische  Landtag 


^82  von  Hopfen. 

die  i8  Fundamentalartikel,  nach  welchen  Böhmen  in  der  Monarchie  eine 
ähnliche  Stellung  erhalten  sollte  wie  Ungarn.  Da  kam  der  Umschlag  rasch 
und  gründlich.  Es  war  dem  Reichskanzler  Grafen  Beust  und  dem  ungarischen 
Ministerpräsidenten  Grafen  Andrässy  gelungen,  in  einem  am  20.  Oktober 
abgehaltenen  großen  Kronrate  den  Kaiser  zu  überzeugen,  daß  die  Pläne 
Hohenwarts  für  die  Monarchie  lebensgefährlich  seien.  Das  Ministerium  Hohen- 
wart  erhielt  am  30.  Oktober  seine  Entlassung;  zur  Regierung  wurde  der  ver- 
fassungstreue Fürst  Adolf  Auersperg  berufen.  Als  interessantes  Detail  verdient 
hier  festgehalten  zu  werden,  daß  die  Konstituierung  des  neuen  Ministeriums 
im  Beratungssaale  der  k.  k.  privil.  allgemeinen  österreichischen  Boden-Kredit- 
Anstalt  stattfand,  deren  leitender  Direktor  H.  damals  war.  Fürst  Auersperg 
hatte  sich  an  H.  mit  der  Bitte  gewendet,  die  hervorragenderen  Mitglieder 
der  Verfassungspartei  einzuladen,  um  das  Programm  des  Fürsten  entgegen- 
zunehmen. Das  Programm  fand  die  Billigung  der  Versammlung,  und  so 
kam  das  neue  Ministerium,  in  das  auch  der  Führer  des  verfassungstreuen 
mährischen  Großgrundbesitzes  Ritter  von  Chlumecky  als  Ackerbauminister 
eintrat,  rasch  zu  Stande.  Am  27.  DezemTt>er  trat  der  Reichsrat  wieder  zu- 
sammen. H.  gehörte  dem  Hause  wieder  an,  er  war  aber  diesmal  nicht  wie 
früher  vom  mährischen,  sondern  vom  niederösterreichischen  Landtag  in  das 
Parlament  entsendet  worden;  nach  seiner  letzten  Wahlniederlage  in  Mähren 
hatte  ihm  nämlich  die  Kurie  des  Großgrundbesitzes  in  Niederösterreich  ein 
Landtagsmandat  für  dieses  Kronland  angeboten. 

In  seiner  ersten  Sitzung  vom  28.  Dezember  187 1  wählte  das  neue  Haus 
»mit  einer  in  der  Geschichte  der  Parlamente  seltenen  Einmütigkeit«,  wie  der 
Alterspräsident  Baron  Pascotini  sagte,  H.  mit  115  von  117  Stimmen  wieder 
zum  Präsidenten.  In  seiner  Antrittsrede  verurteilte  H.  in  scharfer  Weise  die 
Politik  Hohenwarts  und  erklärte  es  »als  die  erste  und  wesentliche  Aufgabe 
nicht  nur  der  Volksvertretung  sondern  auch  eines  jeden  ernsten  Patrioten, 
welcher  Partei  er  auch  immer  angehören  möge«,  die  neue  Regierung  in  ihrer 
Aufgabe,  den  verfassungsmäßigen  Rechtszustand  zu  befestigen,  mit  aller  Kraft 
zu  stützen.  Er  selbst  kam  dieser  Aufgabe  in  vollendeter  Weise  nach;  seine 
mustergültige  Führung  des  Präsidiums  trug  viel  dazu  bei,  daß  während  der 
nun  folgenden  Session  vom  Parlament  eine  ganz  ungeheuere  Arbeitsleistung 
bewältigt  wurde.  In  einer  meisterhaften  Rede  faßte  H.  in  der  am  23.  April 
1873  abgehaltenen  Schlußsitzung  des  Abgeordnetenhauses  die  Ergebnisse 
»dieser  in  der  Geschichte  Österreichs,  insbesondere  in  der  parlamentarischen 
Geschichte  Österreichs  denkwürdigen  Session  des  Reichsrates«  zusammen. 
Die  wichtigste  und  schwierigste  Aufgabe,  die  das  Parlament  erledigt  hatte, 
war  das  Wahlreformgesetz  vom  2.  April  1873,  durch  welches  unter  Beibehal- 
tung des  bisherigen  Systemes  der  vier  Wahlgruppen,  aber  unter  Vermehrung 
der  Zahl  der  Mitglieder  des  Abgeordnetenhauses  von  203  auf  353,  die  direkte 
Wahl  der  Abgeordneten  von  der  Bevölkerung,  anstatt  von  den  Landtagen, 
eingeführt  wurde.  Mit  dieser  Wahlreform  glaubte  man,  weitere  föderalistische 
Experimente  für  alle  Zukunft  unmöglich  gemacht  zu  haben. 

H.,  der  von  dem  scheidenden  Parlament  auch  in  die  Delegation  für 
1873  gewählt  worden  war,  stand  jetzt  auf  der  Höhe  seiner  parlamentarischen 
Laufbahn.  In  Anerkennung  .seiner  Verdienste  als  Parlamentarier  hatte  ihm 
der   Kaiser  schon   im  Jahre  1863   den  Orden   der  Eisernen   Krone  3.  Klasse 


von  Hopfen.  2 83 

verliehen,  womit  in  Gemäßheit  der  damaligen  Ordensstatuten  die  Erhebung  in 
den  Ritterstand  verbunden  war;  im  Jahre  1872  erhielt  er  das  Kommandeur- 
kreuz des  kaiserlich  österreichischen  Leopoldsordens  und  damit  nach  den 
Statuten  dieses  Ordens  den  Freiherrenstand.  Im  Jahre  187 1  war  er  in  die 
unter  dem  Präsidium  des  Erzherzogs  Rainer  stehende  große  »Kaiserliche  Aus- 
stellungskommission« für  die  1873  in  Wien  abzuhaltende  Weltausstellung  be- 
rufen worden.  Am  i.  Mai  1873  wurde  diese  Ausstellung  eröffnet;  acht  Tage 
später  brach  die  große  Börsenkrise  in  Wien  aus.  Diese  Krise,  von  der  noch 
die  Rede  sein  wird,  bedeutete  das  Ende  von  H.s  parlamentarischer  Karriere. 
Persönlich  ging  er  zwar  aus  der  verheerenden  Katastrophe,  während  welcher 
mehrere  der  von  ihm  geleiteten  Bankinstitute  ins  Wanken  kamen,  vollkommen 
makellos  hervor;  er  hatte  es  verschmäht,  seine  eigenen  Engagements,  sobald 
sich  zeigte,  daß  sie  verlustbringend  geworden  waren,  den  von  ihm  geleiteten 
Instituten  aufzuhalsen,  wie  dies  damals  gar  manche  Bankdirektoren  getan 
haben  sollen.  Er  hatte  sein  Vermögen  verloren,  aber  seine  Ehre  gerettet. 
Gleichwohl  konnte  es  der  außerordentlich  feinfühlige  und  taktvolle  Mann 
nicht  mehr  über  sich  gewinnen,  in  der  früheren  Weise  hervorzutreten.  Bei 
den  ersten,  im  September  1873  nach  dem  neuen  Wahlgesetze  vorgenommenen 
direkten  Reichsratswahlen  nahm  er  zwar  das  ihm  vom  mährischen  Großgrund- 
besitz angebotene  Mandat  für  das  Abgeordnetenhaus  an,  lehnte  aber  dort 
jede  Kandidatur  für  die  Präsidentschaft  ab  und  trat  während  der  von  1873 
bis  1879  dauernden  Session  wenig  mehr  hervor;  doch  arbeitete  er  fleißig  in 
den  Ausschüssen  und  fungierte  insbesondere  als  Obmann  des  Ausschusses 
zur  Beratung  der  auf  die  Erneuerung  des  Ausgleiches  mit  Ungarn  bezüglichen 
Vorlagen  von  1878.  Bei  den  Neuwahlen  für  das  Abgeordnetenhaus  im  Jahre 
1879  unter  dem  Ministerium  Stremayr  wurde  H.,  infolge  des  Abfalles  der 
Majorität  des  mährischen  Großgrundbesitzes  von  der  Verfassungspartei,  nicht 
mehr  gewählt;  dem  mährischen  Landtage  gehörte  er  aber  noch  bis  1892  an. 

H.  war  nach  dem  Zeugnisse  seiner  Abgeordnetenkollegen  einer  der  besten 
Präsidenten,  die  das  österreichische  Abgeordnetenhaus  jemals  gehabt  hat. 
Das  große  Geschick,  mit  dem  er  die  Geschäfte  des  Abgeordnetenhauses  leitete, 
die  Würde,  mit  der  er  den  Vorsitz  führte,  sein  außerordentlicher  Takt,  seine 
bis  an  Temperamentlosigkeit  streifende  Ruhe  und  seine  vollendete  Objekti- 
vität wurden  allgemein  als  mustergültig  anerkannt  und  erwarben  ihm  das 
größte  Ansehen  bei  allen  Parteien  des  Hauses.  Auch  nach  dem  Jahre  1873 
übte  er  im  Landtage  wie  im  Reichsrate  durch  seine  kluge  Auffassung  der 
Verhältnisse  und  seine  entgegenkommende,  stets  auf  die  Vermeidung  schroffer 
Gegensätze  gerichtete  Art  immer  noch  einen  großen  Einfluß  aus. 

Eine  fast  noch  größere  Rolle  als  in  der  parlamentarischen  Geschichte 
Österreichs  spielte  H.  in  der  finanziellen  Geschichte  der  Monarchie.  Die 
Hypothekarkreditsabteilung  der  Nationalbank,  welche  Abteilung  der  Finanz- 
minister Freiherr  von  Brück  errichtet  hatte,  nachdem  seine  ursprünglichen 
weitergehenden  Pläne  an  der  Ängstlichkeit  des  alten  Reichsrates  gescheitert 
waren,  hatte  sich  außerstand  erwiesen,  die  wachsenden  Bedürfnisse  nach 
Realkredit  voll  zu  befriedigen.  Schon  in  dem  verstärkten  Reichsrate  von 
i86o  war  auf  die  Notwendigkeit  hingewiesen  worden,  weitere  Hypothekar- 
kreditinstitute zu  schaffen,  und  infolgedessen  war  auch  im  Jahre  1862  eine 
zweite  Cnv/// /ö«r/>r-Anstalt,    das    »Ungarische  Bodenkredit-Institut«   in   Pest 


284  ^'^^  Hopfen. 

gegründet  worden.  Aber  auch  diese  neue  Gründung  genügte  nicht.  Das 
Jahr  1863  war  ein  Mißjahr,  das  inländische  Kapital  war  durch  die  im  Zuge 
befindlichen  Maßregeln  zur  Herstellung  der  Währung  lahm  gelegt,  die  Land- 
wirtschaft befand  sich  in  einer  verzweiflungsvollen  Lage.  Unter  diesen  Um- 
ständen wurde  ein  drittes  Credit  /ancier 'Institut^  die  »k.  k.  privil.  allgemeine 
österreichische  Boden-Kredit-Anstalt«  in  Wien  ins  Leben  gerufen.  Die  Anstalt 
wurde  mit  französischem  Kapitale  gegründet;  in  ihrem  Verwaltungsrate  saß 
der  Gouverneur  des  Credit  foncier  de  France,  Louis  Fr^my;  H.  wurde  als 
leitender  Direktor  an  die  Spitze  des  Institutes  berufen  und  legte  infolgedessen 
die  von  ihm  bisher  bekleidete  Stellung  eines  Vertrauensmannes  der  Hypo- 
thekarkreditsabteilung der  Nationalbank  zurück.  Mit  der  Ernennung  H.s  zum 
Direktor  hatte  die  Bodenkreditanstalt  einen  glücklichen  Griff  getan;  H.  kannte 
von  seiner  Tätigkeit  bei  der  Nationalbank  her  das  Hypothekarkreditsgeschäft 
und  die  Verhältnisse  des  Grundbesitzes  in  der  Monarchie  gründlich.  Unter 
ihm  gedieh  die  neue  Anstalt,  deren  Gründung  geradezu  ein  wirtschaftliches 
Ereignis  und  eine  rettende  Tat  für  den  kreditbedürftigen  Grundbesitz  war,  in 
erfreulichster  Weise  und  entwickelte  sich  bald  zu  dem  ersten  Hypothekar- 
kreditinstitute der  Monarchie.  Sie  wurde,  kaum  ins  Leben  getreten,  mit  An- 
forderungen nach  Darlehen  förmlich  überschüttet,  und  ihre  Darlehensforde- 
rungen erreichten  bereits  in  dem  ersten  21  monatlichen  Geschäftsabschnitte 
die  Summe  von  58^2  Millionen  Gulden  ö.  W.  Das  Jahr  1866  brachte  der 
Bodenkreditanstalt  ein  Finanzgeschäft  von  besonderer  Tragweite.  Die  im 
Jahre  1855  der  Nationalbank  zur  Veräußerung  übergebenen  Staatsdomänen, 
deren  Verkauf  äußerst  schleppend  vor  sich  ging,  waren  durch  Kaiserliche 
Verordnung  vom  26.  Dezember  1858  zur  Deckung  für  die  von  der  Bank  aus- 
zugebenden 100  Millionen  Einguldennoten  bestimmt  worden;  diese  Eingulden- 
noten wurden  im  Jahre  1866  zu  Staatsnoten  erklärt,  und  die  Bank  infolge- 
dessen verhalten,  die  Staatsgüter  wieder  an  das  Ärar  zurückzustellen.  Schon 
1865  hatte  die  Staatsverwaltung  mit  der  Nationalbank  Verhandlungen  wegen 
Belehnung  dieser  Güter  durch  Ausgabe  von  Nationalbankpfandbriefen  ange- 
knüpft; aber  diese  Verhandlungen  hatten  zu  keinem  Ergebnisse  geführt,  da 
dfe  Mehrheit  der  Bankdirektoren  ein  solches  Geschäft  für  unvereinbar  mit 
den  Bankstatuten  von  1862  gehalten  hatte.  Auch  der  Plan  der  Finanzver- 
waltung, auf  Grund  dieser  Güter  Staatspfandbriefe  auszugeben,  war  auf 
Schwierigkeiten  gestoßen.  Da  erbot  sich  die  Bodenkreditanstalt  zur  Be- 
lehnung der  Domänen,  über  deren  Wert  H.  aus  der  Zeit  seines  Dienstes  in 
der  Staatsgüterabteilung  der  Nationalbank  besser  als  irgend  jemand  sonst 
unterrichtet  war.  Mit  Übereinkommen  vom  29.  April  1866  belehnte  die  Boden- 
kreditanstalt die  erwähnten  Güter  mit  60  Millionen  Gulden  ö.  W.  Silber 
gegen  Ausgabe  der  sogenannten  »Staatsdomänenpfandbriefe«  und  sicherte 
ihren  Aktionären  damit  auf  lange  Jahre  hinaus  eine  beträchtliche  Einnahme. 
Die  Unterbringung  der  Pfandbriefe  erfolgte  im  Weg  einer  Subskription,  die 
vom  7.  bis  9.  März  1867  stattfand  und  von  einem  vollständigen  Erfolge  ge- 
krönt wurde. 

Die  außerordentlich  günstigen  Geschäftsergebnisse  der  Anstalt  und  die 
Erfahrung,  welche  die  Finanzverwaltung  machte,  daß  durch  die  Beschaffung 
billigen  Kredites  die  Steuerkraft  des  Grundbesitzes  gehoben,  und  der  Staats- 
kredit,   statt  durch  den  Umlauf  der  Pfandbriefe  geschädigt  zu  werden,    eher 


von  Hopfen.  ^85 

gekräftigt  wurde,  regten  zur  Gründung  weiterer  Hypothekarkreditinstitute  an 
—  Ende  1872  bestanden  in  Österreich-Ungarn  schon  37  Hypothekarbanken  — 
und  die  Bodenkreditanstalt  sah  sich  durch  die  wachsende  Konkurrenz  auf 
ihrem  ursprünglichen  Gebiete  bald  bewogen,  sich  mehr  dem  Bankgeschäfte 
zuzuwenden,  das  sie  anfänglich  nur  soweit  gepflegt  hatte,  als  es  zur  Verwen- 
dung ihrer  jeweils  verfügbaren  Geldmittel  nötig  gewesen  war.  Während  der 
wirtschaftlich  so  außerordentlich  bewegten  Zeit  von  1867 — 1873  nahm  die 
Anstalt  im  Vereine  mit  dem  von  ihr  1869  begründeten  »Wiener  Bank-Verein« 
geradezu  eine  beherrschende  Stellung  auf  dem  Wiener  Geldmarkt  ein. 

Die  Zeit  von  1867 — 1873,  die  vor  dem  Eintritte  der  großen  Krise  vom 
9.  Mai  1873  als  die  »Periode  des  volkswirtschaftlichen  Aufschwunges«  maßlos 
gepriesen,  nach  der  Katastrophe  aber  als  die  »Ära  des  Gründungsschwindels« 
noch  maßloser  geschmäht  wurde,  war  wohl  die  merkwürdigste  in  der  Wirt- 
schaftsgeschichte der  Monarchie.  Ohne  Zweifel  waren  im  Jahre  1867  die  Be- 
dingungen für  eine  kräftige  wirtschaftliche  Aufwärtsbewegung  gegeben.  Der 
Kampf  um  die  Vorherrschaft  Österreichs  in  Deutschland  und  Italien  war  vor- 
über, keine  auswärtige  Verwicklung  war  zu  fürchten.  Auch  der  lange,  ver- 
derbliche Streit  mit  Ungarn  schien  durch  den  Ausgleich  von  1867  für  alle 
Zukunft  beendet.  Mit  der  Einführung  bezw.  der  Wiederherstellung  des  Par- 
lamentarismus war  diesseits  wie  jenseits  der  Leitha  ein  frischerer  und  leben- 
digerer Zug  in  die  Staatsmaschine  gekommen ;  eine  Menge  bisher  gebundener 
Kräfte  wurde  zu  nützlicher  Tätigkeit  frei.  Dazu  kam  eine  Folge  von  guten 
Ernten,  besonders  die  außerordentlich  reiche  Ernte  von  1867,  die  mit  einem 
Miß  wachs  in  fast  ganz  Europa  zusammenfiel,  was  eine  so  gewaltige  Ausfuhr 
zu  so  günstigen  Preisen  zur  Folge  hatte,  daß  man  den  Betrag,  den  diese  einzige 
Ernte  ins  Land  brachte,  auf  180  bis  200  Millionen  Gulden  ö.  W.  schätzte. 
Daß  aber  der  gesunde  Aufschwung  bald  in  eine  wilde  Spekulation  und  zuletzt 
in  einen  tollen  Schwindel  überging,  daran  trugen  vornehmlich  zwei  Dinge 
die  Schuld :  der  unvermittelte  Übergang  von  dem  seitens  der  Staatsverwaltung 
der  Volkswirtschaft  gegenüber  früher  beobachteten  Systeme  der  ängstlichsten 
Einschränkung  und  Bevormundung  zu  einer  fast  schrankenlosen  Freiheit  und 
noch  mehr  die  1867  unter  dem  Sistierungsministerium  erfolgte  Ausgabe  von 
312  Millionen  Gulden  ö.  W.  Staatsnoten,  durch  welche  an  Stelle  des  früheren 
Geldmangels  plötzlich  eine  Überfülle  von  Umlaufsmitteln  geschaffen  wurde, 
die  nun  stürmisch  nach  Verwendung  und  Anlage  drängten.  Ein  Bild  des 
lawinenartigen  Anschwellens  der  Gründungen  von  Banken  und  anderen  Aktien- 
gesellschaften gibt  das  Kursblatt  der  Wiener  Geldbörse.  Zu  Ende  des  Jahres 
1866  waren  in  demselben  notiert  7  Pfandbriefgattungen,  8  Bank-,  4  Industrie- 
und  16  Eisenbahnaktien;  am  9.  Mai  1873  waren  es  26  Pfandbriefgattungen, 
124  Bank-,  201  Industrie-  und  44  Eisenbahnaktien.  Der  Hochsommer  1869 
brachte  wohl  einen  Rückschlag  in  die  stürmische  Aufwärtsbewegung.  Die  im 
gleichen  Jahre  besonders  zur  Förderung  »katholischer  Interessen«  gegründete 
»Wiener  Bank«  brach  zusammen;  ihr  Präsident,  der  kaiserliche  Oberstküchen- 
meister Graf  Josef  Wratislaw,  endete  durch  Selbstmord.  Schon  damals  wurde 
darauf  hingewiesen,  daß  in  der  Monarchie  bereits  zuviel  Credit  mo^/ier-Bajiken 
bestünden;  man  zählte  deren  im  Herbst  1869  in  Österreich  allein,  abgesehen 
von  Ungarn,  39  mit  einem  Nominal  kapitale  von  372  Millionen  Gulden  ö.  W., 
während  ganz  Deutschland  zur  gleichen  Zeit  zwar  ebenfalls  39  solche  Institute, 

Bio^.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog'.    7.  Bd.  25 


^86  von  Hopfen. 

aber  mit  einem  Nominalkapitale  von  nur  287  Millionen  Gulden  ö.  W.  besaß. 
Der  Krieg  von  1870/71  und  die  ihm  folgende  Milliardenwanderung  versetzte 
aber  die  finanziellen  Kreise  der  Monarchie  in  einen  förmlichen  Taumel;  man 
rechnete  mit  Bestimmtheit  darauf,  daß  ein  sehr  großer  Teil  dieser  Milliarden 
in  Österreich-Ungarn  werde  Anlage  suchen  müssen,  und  die  Spekulation 
begann  bald  wilder  als  vorher.  Die  Zahl  der  Emissionen  und  Neugründungen 
in  der  Gesamtmonarchie  betrug,  von  Staats-  und  öffentlichen  Anlehen  abge- 
sehen, vom  Anfange  des  Jahres  1870  bis  zum  Ende  des  ersten  Semesters 
1873  nicht  weniger  als  507  mit  einem  Kapitale  von  2095,2  Millionen  Gulden 
ö.  W.,  das  ist  mehr  als  die  ganze  französische  Kriegsentschädigung  betrug. 
An  manchen  Tagen  des  Jahres  1872  fanden  an  der  Wiener  Geldbörse  über 
100  000  Geschäftsabschlüsse  statt,  was  einer  Summe  von  2500000  Stück 
Aktien  und  einem  Nominalwerte  von  500  Millionen  Gulden  ö.  W.  entspricht; 
die  Zahl  der  Börsenbesucher  war  auf  4986  gestiegen. 

Da  die  Bodenkreditanstalt  sich  in  mancher  Hinsicht  durch  ihr  lediglich 
für  eine  Aktienhypothekenbank  berechnetes  Statut,  das  ihr  insbesondere 
keinerlei  Emissionsgeschäfte  gestattete,  gehemmt  sah,  so  gründete  sie  1869  den 
»Wiener  Bank-Verein«,  der  ursprünglich  nichts  anderes  war  als  die  Credit 
»«?^7/>r-Abteilung  der  Bodenkreditanstalt,  die  auf  diese  Art  den  alten  Plan 
Brucks,  ein  Credit  foncier-  und  ein  Credit  Modi /ier-lnstitut  mit  einander  zu  ver- 
binden, zur  Ausführung  brachte.  Der  Bankverein  erhielt  gar  keine  eigene 
Bankgeschäftseinrichtung,  sondern  die  Ausführung  aller  durch  seine  Opera- 
tionen bedingten  Kasse-,  Bank-  und  Börsengeschäfte  erfolgte  durch  die  Boden- 
kreditanstalt. In  das  Kollegium  der  drei  Direktoren  des  Bankvereines  traten 
die  beiden  Direktoren  der  Bodenkreditanstalt  H.  und  Härtung,  und  zwar  H. 
als  erster  Direktor. 

Die  geschäftliche  und  Gründertätigkeit  des  Bankvereines  während  der 
Jahre  1869 — 1873  war  eine  ganz  ungeheuere.  H.  schuf  die  noch  heute  be- 
stehenden beiden  großen  Industrieunternehmungen:  die  »österreichische 
Waffenfabriks- Gesellschaft«  in  Steyr  und  die  »Wiener  Lokomotivfabriks- 
Aktiengesellschaft«  in  Floridsdorf;  er  übernahm  den  Bau  der  ungarischen 
Nordbahn  (heute  die  Linie  O-Zölyom — Ruttka  der  kgl.  ungarischen  Staats- 
bahnen) und  vollständig  auf  eigene  Kosten  jenen  der  Linie  Wien — Potten- 
dorf— Wiener  Neustadt,  die  bestimmt  war,  der  Südbahn  den  von  dieser  nicht 
mehr  zu  bewältigenden  Teil  ihres  Frachtenverkehres  abzunehmen;  er  erwarb 
Kohlengruben  in  Schlesien  und  Steiermark  und  bildete  zur  Au.sbeutung  der- 
selben eine  Reihe  von  Aktiengesellschaften,  darunter  die  noch  heute  be- 
stehende »Trifailer  Kohlenwerks-Gesellschaft« ;  er  gründete  teils  allein,  teils 
im  Vereine  mit  anderen  Banken  eine  Menge  von  Credit  modi /ier-lnstituteny 
Hypothekaranstalten  und  Baubanken,  teils  in  Österreich-Ungarn,  teils  im  Aus- 
lande, so  in  Wien  die  »Austro-Ottomanische  Bank«,  den  »Wiener  Lombard- 
Verein«,  die  »Österreichische  Eisenbahnbau-Gesellschaft«,  den  »Aktien-Verein 
für  Hotels  und  Badeanstalten«  und  in  Prag  den  »Prager  Bank-Verein«  — 
diese  fünf  Aktiengesellschaften  sind  sämtlich  der  Krise  von  1873  zum  Opfer 
gefallen  —  im  Auslande  den  Frankfurter,  den  Berliner,  den  Hamburger,  den 
Antwerpener,  den  Pfälzer  und  den  Baseler  Bank-Verein,  die  Amsterdamer 
Bank,  die  Kopenhagener  Bank,  die  Süddeutsche  Immobilien-Bank,  die  Deutsche 
Baugesellschaft  in  Berlin;   er  kaufte  Güter  und  Bergwerke,  beteiligte  sich  an 


von  Hopfen.  787 

Anlehen  der  spanischen  und  portugiesischen  Staatsverwaltung,  an  Vorschuß- 
geschäften für  die  türkische  Regierung;  er  erwarb  das  Journal  »Die  Presse«  usw. 
Auch  eine  Sparkasse,  die  heute  noch  bestehende  »Neue  Wiener  Sparkasse« 
wurde  geschaffen,  die,  im  übrigen  vollkommen  nach  den  gleichen  Grundzügen 
organisiert  wie  die  Erste  Österreichische  Sparkasse,  durch  ihre  Verbindung 
mit  dem  Bankverein  und  der  Bodenkreditanstalt  in  d^r  Lage  war,  ihren  Ein- 
legern ganz  außerordentlich  kurze  Aufkündigungsfristen  zuzugestehen. 

Der  Erfolg  dieser  fieberhaften  Tätigkeit  war  ein  glänzender.  Für  die 
drei  Jahre  1870 — 1872  verteilte  die  Bodenkreditanstalt  20,  21^/4  und  2 6 '/4  0/0, 
der  Bankverein  273/4,  40  und  So^jo  Dividende.  Ungeheuer  waren  die  Gewinne 
der  Aktionäre,  noch  größer  jene  der  leitenden  Direktoren,  die  z.  B.  beim 
Bankvereine  gemäß  Beschlusses  der  konstituierenden  Generalversammlung  vom 
28.  April  1869  200/0  von  dem  nach  der  fünfprozentigen  Verzinsung  des  ein- 
gezahlten Aktienkapitals  verbleibenden  Reingewinn  als  Tantieme  erhielten. 
H.  wurde  Präsident  des  Verwaltungsrates  der  Wiener  Lokomotivfabriks- 
Aktiengesellschaft,  Präsident  des  Verwaltungsrates  der  Trifailer  Kohlenwerks- 
Gesellschaft,  Vizepräsident,  später  auch  Präsident  des  Aufsichtsrates  der  Neuen 
Wiener  Sparkasse,  Mitglied,  später  ebenfalls  Präsident  des  Verwaltungsrates 
der  Versicherungsgesellschaft  »Donau«,  Mitglied  des  Verwaltungsrates  der 
1868  unter  Mitwirkung  der  Boden kreditanstalt  zustande  gekommenen  »k.  k. 
priv.  Aktien-Gesellschaft  der  Innerberger  Haupt-Gewerkschaft«,  die  1881  in 
der  »Österreichisch-Alpinen  Montangesellschaft«  aufging,  usw.  Seit  1867  war  er 
auch  Vizepräsident  des  Verwaltungsrates  der  österreichischen  Südbahn-Gesell- 
schaft gewesen  und  im  Jahre  1874  wurde  er  Präsident  des  Verwaltungsrates 
dieser  gewaltigen  Eisenbahnunternehmung. 

Zu  Ende  März  1873  hatte  das  tolle  Treiben  an  der  Wiener  Börse  den 
Gipfelpunkt  erreicht;  im  April  zeigte  das  zu  einer  in  jeder  Beziehung 
»schwindelnden«  Höhe  aufgetürmte  Gebäude  der  Spekulation  die  ersten  Risse. 
Am  9.  Mai,  dem  berüchtigten  »schwarzen  Freitag«,  brach  es  krachend  zu- 
sammen, Hunderte  von  Unternehmungen  und  Milliarden  von  allerdings  großen- 
teils nur  eingebildeten  Werten  unter  sich  begrabend.  Bis  Ende  1873  betrugen 
die  Kursverluste  bloß  an  den  im  Wiener  Kursblatte  notierten  Effekten  bereits 
rund  1500  Millionen  Gulden  ö.  W.  Auch  die  Aktien  der  Bodenkreditanstalt 
und  des  Wiener  Bank- Vereines  hatten  beim  Ausbruche  der  Krise  ungeheuere 
Kursverluste  erlitten,  aber  die  beiden  Institute  selbst  galten  für  ebenso  uner- 
schüttert und  unerschütterlich  wie  die  gleich  einem  Fels  in  der  tosenden 
Brandung  stehende  Nationalbank;  die  Geschicklichkeit  ihrer  Leiter  wurde  für 
unübertrefflich  gehalten.  Da  brachte  am  5.  Oktober  1873  eine  Börsendepesche 
von  Berlin  die  Nachricht,  der  Wiener  Bank-Verein  sei  ins  Wanken  gekommen 
und  sehe  sich  zur  Liquidation  gezwungen.  Lähmendes  Entsetzen  faßte  die 
Börse.  Der  Sturz  des  Bankvereines  hätte  jenen  der  Bodenkreditanstalt  nach 
sich  gezogen;  was  stand  noch  fest,  wenn  diese  Säulen  wankten?  Die  mit 
80  Gulden  eingezahlten  Aktien  des  Bankvereines,  die  im  März  1872  mit  430 
notiert  waren,  stürzten  auf  68,  d.  h.  fast  auf  den  Betrag  herab,  den  das 
Institut  für  das  Jahr  1872  an  Dividende  gezahlt  hatte.  Jetzt  entschloß  sich 
die  Finanzverwaltung  zum  Einschreiten.  Sie  hatte  hiefür  einen  sehr  triftigen 
Grund.  Infolge  des  Zusammenbruches  mehrerer  Aktienhypothekenbanken 
war  plötzlich  nicht  nur  in  Österreich,  sondern  auch  in  Ungarn  und  Deutsch- 
es* 


388  von  Hopfen. 

land  die  Frage  nach  der  Realsicherheit  der  Credit  yW-f^r-Pfandbriefe  aufge- 
worfen worden.     Die  Mehrheit  der  Rechtsgelehrten  neigte  sich  der  Anschau- 
ung zu,  daß  die  von  Cridit  /oncier'Ansta.\ten  ausgegebenen  Pfandbriefe  ledig- 
lich  als  Schuldscheine  des  Emissionsinstitutes  zu  betrachten  seien,    und  daß 
den  Besitzern  derselben  vor  den  anderen  Gläubigern  des  betreffenden  Institutes 
kein  Vorrecht,    insbesondere  nicht  ein  Recht  auf  vorzugsweise  Befriedigung 
aus  den  als  Deckung  für  die  Pfandbriefe  dienenden  Hypotheken  zustehe.    Die 
Staatsdomänenpfandbriefe  der  Bodenkreditanstalt  galten  aber  als  österreichi- 
sche Staatsschuldverschreibungen  und  waren  auch  als  solche  nicht  nur  an  der 
Wiener,  sondern  auch  an  der  Pariser  Börse  notiert.     Ein  Sturz  dieser  Pfand- 
briefe hätte   den  österreichischen  Staatskredit  schwer  schädigen  müssen.     Es 
galt    also,    für    die    Zukunft    die    Rechte    der    Pfandbriefbesitzer   durch    ent- 
sprechende Änderung   der  Gesetzgebung   zu  wahren,    was  in  Österreich  mit 
dem  Gesetze  vom  24.  April  1874,  in  Ungarn  mit  dem  XXX VI.  Gesetzartikel 
vom  Jahre  1876  geschehen  ist.     Zunächst  aber  mußte  der  Bodenkreditanstalt 
geholfen  werden;    das  war  nicht  leicht,    da  man  die  zur  Hilfeleistung   not- 
wendigen, sehr  bedeutenden  Summen  —  man  schätzte  dieselben  auf  25  Millionen 
Gulden  ö.  W.  —   nicht   ohne   weiteres  aus  den  Staatskassen  zur.  Verfügung 
stellen   konnte.     Es  wurde  der  Ausweg  gefunden,    daß   die  Staatsverwaltung 
für  ein  der  Bodenkreditanstalt  von  einer  Finanzgruppe  gewährtes  Darlehen 
die  Bürgschaft    übernahm,    wogegen   wieder  der  Verwaltungsrat  der  Boden- 
kreditanstalt  sich    verpflichtete,    die    Staatskasse   für   allfällige  Verluste    aus 
dieser  Bürgschaft  schadlos  zu  halten.     Die  Mitglieder  des  Verwaltungsrates 
bildeten  zu  diesem  Behuf  einen  Garantiefonds  von  9  Millionen  Gulden  ö.  W. 
Der  Gouverneur  der  Bodenkreditanstalt  Graf  Moriz  Almäsy  wurde  abgesetzt 
und  durch  den  Sektionschef  des  k.  k.  Finanzministeriums  Alois  Moser  ersetzt. 
Die  Rettung  der  beiden  Anstalten  gelang;  die  ihnen  dargeliehenen  Summen 
—    17  Millionen   Gulden    ö.   W.  —   wurden    im  Verlauf    einiger  Jahre    samt 
Zinsen  vollständig  zurückgezahlt;    allerdings  aber  mußten  die  Aktionäre  des 
Bankvereines  durch  drei  Jahre,  jene  der  Bodenkreditanstalt  durch  fünf  Jahre 
auf  jede  Dividende  verzichten,  und  die  Reserven  der  Bodenkreditanstalt  von 
rund  4400000  Gulden  ö.  W.  waren  verloren. 

Seit  der  Katastrophe  von  1873  begann  H.  auch  auf  dem  finanziellen 
Gebiet,  auf  dem  er  nach  so  vielen  Richtungen  hin  tätig  gewesen  war,  langsam 
in  den  Hintergrund  zu  treten.  In  die  Verwaltungen  der  von  ihm  geleiteten 
Institute  traten  neue  Männer,  die  sich  der  mühseligen  Aufgabe  unterzogen, 
in  steter,  geduldiger  Arbeit  die  von  der  Krise  angerichteten  Schäden  wieder 
zu  heilen;  in  der  Bodenkreditanstalt  fiel  dieses  Amt  besonders  dem  mit 
I.  Juni  1874  an  H.s  Seite  getretenen  Direktor  Theodor  Ritter  von  Taussig 
zu,  mit  dessen  Eintritt  in  die  Direktion  der  Anstalt  H.s  Einfluß  fast  nur  auf 
das  eigentliche  Hypothekarkreditsgeschäft  beschränkt  wurde.  H.  schied  aus 
den  Verwaltungskörpern  der  Industriegesellschaften,  denen  er  angehört  hatte, 
er  trat  aus  der  Verwaltung  der  »Donau«  und  1886  anläßlich  der  Neuorgani- 
sation des  Bankvereines  auch  aus  dem  Administrationsrate  dieses  Institutes 
aus.  Schon  1880  hatte  er  auch  die  Stelle  des  ersten  Direktors  der  Boden- 
kreditanstalt niedergelegt  und  gehörte  dieser  Anstalt  nur  mehr  als  Verwaltungs- 
rat an ;  als  erster  Direktor  war  Ritter  von  Taussig  an  die  Spitze  des  Institutes 
getreten,  dessen  eigentlicher  Leiter  er  schon  seit  1874  gewesen  war  und  das 


von  Hopfen.  389 

er  zu  ungeahnter  Blüte  und  der  heutigen  beherrschenden  Stellung  emporhob. 
H.  war  zuletzt  auf  seine  Stelle  im  Verwaltungsrate  der  Bodenkreditanstalt 
sowie  auf  die  beiden  Posten  als  Präsident  des  Aufsichtsrates  der  Neuen 
Wiener  Sparkasse  und  als  Präsident  des  Verwaltungsrates  der  Südbahn- 
Gesellschaft  beschränkt.  Der  Südbahn  hat  er  durch  die  1876  von  ihm  per- 
sönlich in  Italien  geleiteten  geschickten  diplomatischen  Verhandlungen,  die 
zum  Abschlüsse  der  Vereinbarungen  über  den  Verkauf  der  italienischen  Linien 
der  Südbahn  an  die  italienische  Regierung  führten,  wesentliche  Dienste  ge- 
leistet. 

Obwohl  nicht  mehr  von  der  früheren  Bedeutung,  war  H.s  Stellung  in 
der  Finanzwelt  wie  in  der  Gesellschaft  immer  noch  eine  äußerst  angesehene. 
Um  so  größer  war  das  allgemeine  Aufsehen,  als  sich  im  September  1892  auf 
einmal  das  Gerücht  verbreitete,  H.  habe  sein  Landtagsmandat  sowie  seine 
sämtlichen  sonstigen  Stellen  und  Würden  niedergelegt  und  die  Residenz  wie 
die  Monarchie  in  fluchtartiger  Eile  verlassen.  Die  Nachricht  fand  zunächst 
gar  keinen  Glauben,  und  als  sie  sich  doch  bestätigte,  war  man  anfänglich 
geneigt,  den  plötzlichen  Ausbruch  einer  geistigen  Störung  bei  H.  anzunehmen. 
Dem  war  jedoch  nicht  so;  H.s  unvermutete  Abreise  —  wie  man  nachträglich 
erfuhr,  nach  der  Schweiz  —  hatte  andere  Gründe.  Der  Präsident,  der  in 
bewegten  Zeiten  das  schwer  zu  behandelnde  österreichische  Abgeordneten- 
haus, der  in  den  Stürmen  der  großen  Börsenkrise  die  tobenden  General- 
versammlungen mit  kühler  Ruhe  gelenkt  hatte,  er  hatte  sich  selbst  nicht  zu 
zügeln  vermocht;  der  Finanzmann,  der  Dutzende  von  Millionen  fremder  Gelder 
mit  oft  glänzendem  Ergebnisse  verwaltet  hatte,  er  hatte  seine  eigenen  Geld- 
angelegenheiten nicht  in  Ordnung  halten  können.  H.  war  in  finanzielle  Be- 
drängnis geraten.  Die  Krise  hatte  sein  bedeutendes  Vermögen  verschlungen 
und  die  ungeheueren  Einkünfte,  die  er  früher  in  seinen  verschiedenen  Stel- 
lungen bezogen  hatte,  gewaltig  vermindert;  die  Bezüge,  die  ihm  blieben,  ob- 
wohl nach  bürgerlichen  Begriffen  noch  immer  sehr  groß,  genügten  nicht  für 
die  Bedürfnisse  des  eleganten  Lebemannes,  in  dessen  Dasein  zwar  nicht  die 
Frau  —  denn  er  war  nie  vermählt  gewesen  —  wohl  aber  die  Frauen  einen 
großen  Platz  eingenommen  hatten.  Gutherzig  bis  zur  Schwäche,  freigebig 
bis  zur  Verschwendung  war  er  nur  zu  oft  der  Gegenstand  der  ärgsten  Aus- 
beutung gewesen.  Hätte  es  H.  über  sich  gebracht,  sich  einem  seiner  zahl- 
reichen, mächtigen  und  reichen  Freunde  anzuvertrauen,  so  wäre  ihm  gewiß 
gerne  die  nötige  Hilfe  geboten  worden;  aber  stolz,  wie  er  war,  und  sein 
Leben  lang  gewohnt,  wohl  zu  gewähren,  aber  nicht  zu  bitten,  konnte  er  sich 
zu  einem  solchen  Schritte  nicht  entschließen  und  zog  es  vor,  sich  freiwillig 
aus  den  Kreisen  zu  verbannen,  in  denen  er  nicht  mehr  wie  bisher  leben 
konnte.  Eine  Zeit  lang  hielt  er  sich  in  der  Schweiz,  dann  in  Bayern  auf, 
aber  das  Heimweh,  das  den  Österreicher  so  leicht  im  Auslande  befällt,  trieb 
ihn  schließlich  wieder  in  die  Heimat  zurück.  In  dem  lieblichen  Örtchen 
Weißenbach  an  der  Triesting  in  Niederösterreich  ließ  er  sich  nieder.  Die 
Bodenkreditanstalt  und  die  Südbahn  hatten  ihm  in  dankbarer  Anerkennung 
seiner  Verdienste  Pensionen  ausgesetzt,  die  ihm  gestatteten,  ein  nicht  nur 
sorgenfreies,  sondern  sehr  behagliches  Leben  zu  führen.  Zuletzt  lebte  er  in 
der  alten  Thermenstadt  Baden  bei  Wien  und  hier  starb  er  über  75  Jahre  alt, 
nachdem  er  8'/2  Jahre  in  seiner  freiwillig  gewählten  Zurückgezogenheit  ver- 


7QQ  von  Hopfen.     Susemihl. 

bracht  hatte.  Er  war  in  seinen  letzten  Lebensjahren  so  vollkommen  verschollen 
gewesen,  daß  selbst  viele  seiner  ehemaligen  Freunde  erst  durch  die  Nachricht 
von  seinem  Tode  daran  erinnert  wurden,  daß  er  noch  unter  den  Lebenden  ge- 
weilt hatte. 

In  der  Wiener  Gesellschaft  nahm  er  bis  zu  seiner  Selbstverbannung  eine 
sehr  hervorragende  Stellung  ein.  Seine  hohe,  in  späteren  Jahren  etwas  volle, 
aber  immer  ungemein  geschmeidige  und  elegante  Gestalt,  sein  ausdrucksvoller 
Kopf  mit  der  kahlen  Stirne,  den  klugen  Augen  hinter  den  scharfen  Brillen- 
gläsern und  dem  eigentümlichen,  das  sonst  glatt  rasierte  Gesicht  unter  dem 
Kinne  von  Ohr  zu  Ohr  umgebenden  Rundbarte,  waren  allgemein  bekannt, 
nicht  zum  mindesten  auch  in  der  »Welt,    in  der  man  sich  nicht  langweilt«. 

H.  war  unzweifelhaft  eine  der  geistig  bedeutendsten  Persönlichkeiten  in 
der  während  der  »Periode  des  volkswirtschaftlichen  Aufschwunges«  entstan- 
denen, aus  feudalen  Aristokraten  und  gewöhnlichen  Börsejobbern,  ernsten 
Finanzmännem  und  abenteuernden  Glücksrittern  auf  das  bunteste  zusammen- 
gewürfelten Gesellschaft  der  sogenannten  »Gründer«.  Seine  Verdienste  um 
die  Hebung  der  Volkswirtschaft  in  Österreich-Ungarn,  besonders  um  die  Ent- 
wicklung des  Realkredites  in  der  Monarchie  sind  unbestreitbar  und  sollen 
unvergessen  bleiben. 

Daß  er  seinen  Wappenschild  stets  rein  erhalten,  daß  er,  ohne  mit  der 
Wimper  zu  zucken,  lieber  sein  ganzes  Vermögen  geopfert,  als  es  geduldet 
hat,  daß  sich  auch  nur  der  geringste  Makel  an  seinen  Namen  heftete,  war  kein 
geringes  Verdienst  zu  einer  Zeit,  in  der,  um  ein  bekanntes  Wort  aus  einer 
damaligen  Generalversammlung  anzuführen,  »die  Moral  nicht  auf  der  Tages- 
ordnung stand«.  Mit  seinen  Vorzügen  und  seinen  Fehlern,  mit  seiner  warmen 
Vaterlandsliebe,  seiner  Überzeugungstreue,  seiner  fröhlichen  Arbeitslust,  aber 
auch  mit  seinem  Sanguinismus,  seiner  Scheu  vor  jedem  ernstlichen  Zusammenstoß 
und  nicht  zuletzt  mit  seiner  Neigung  zu  behaglichem  Lebensgenüsse  war  H.  ein 
echter  Österreicher  und  vor  allem  ein  echter  Wiener.      Friedrich  Schmicf. 

Susemihl,  Friedrich  Franz  Karl  Ernst,')  Universitätsprofessor  der  klassi- 
schen Philologie  in  Greifswald,  *  lo.  Dezember  1826  zu  Laage  in  Mecklen- 
burg, f  30.  April  1901  in  Florenz.  —  S.  war  das  einzige  Kind  des  praktischen 
Arztes  Dr.  Detlev  Susemihl  und  dessen  Gattin  Sophie,  geb.  Sülstorff.  Der 
Vater,  in  dem  mecklenburgischen  Landstädtchen  für  die  damaligen  Verhält- 
nisse nicht  unbemittelt,  starb  früh,  als  sein  Sohn  noch  in  der  Sekunda  der 
Domschule  zu  Güstrow  saß.  Mit  einem  glänzenden  Zeugnis  bezog  der  junge 
S.  1845  ^i^  Universität  Leipzig  zum  Studium  der  Philologie;  er  hörte  bei 
G.  Hermann  und  Becker  altphilologische,  bei  Haupt  und  Danzel  germanistische, 
bei  Wuttke  geschichtliche  Vorlesungen.  Im  nächsten  Jahre  siedelte  er  nach 
Berlin  über,  wo  er  namentlich  Boeckh  und  Franz  zu  Lehrern  hatte,  daneben 
philosophische  und  theologische  Kollegien  bei  Michelet,  Hotho,  Vatke  und 
Neander  besuchte.  Auch  der  Philosoph  Trendelenburg  muß  einen  großen  Ein- 
fluß auf  den  fleißigen  und  strebsamen  Jüngling  ausgeübt  haben.  Innige  Freund- 
schaft verband  ihn  mit  dem  damals  Philologie  studierenden,  späteren  Kunst- 
historiker Wilhelm  Lübke;  sie  hat  bis  zu  dessen  Tode  gedauert.     Nach  Ab- 


»)  Totenliste  1901  Band  VI  105*. 


Susemihl. 


391 


Schluß  seiner  Studien  (Michaelis  1848)  trat  S.  als  Kandidat  am  Gymnasium 
zu  Güstrow  ein,  promovierte  1850  zum  Doktor  in  Gießen  und  bekleidete  bis 
Ostern  1852  eine  Hilfslehrerstelle  am  Gymnasium  zu  Schwerin.  Im  Herbst 
desselben  Jahres  habilitierte  er  sich  in  Greifswald  als  Privatdozent  für  klassische 
Philologie,  wurde  1856  außerordentlicher,  1863  ordentlicher  Professor,  1892 
zum  Geh.  Regierungsrat  ernannt.  1862  verheiratete  er  sich  mit  Hedwig  Marie 
Barthold,  Tochter  des  ehemaligen  Professors  der  Geschichte  in  Greifswald 
Fr.  W.  Barthold;  die  Ehe  blieb  kinderlos.  1898  wurde  er  auf  seinen  Antrag 
von  der  Verpflichtung  Vorlesungen  zu  halten  entbunden,  ein  Jahr  darauf  ver- 
lor er  seine  Gattin.  Noch  im  74.  Lebensjahre  entschloß  er  sich  zu  einer 
zweiten  Ehe  mit  Luise  Hay,  einer  Cousine  seiner  verstorbenen  Frau.  Der 
Wunsch,  das  bereits  mehrmals  von  ihm  bereiste  Italien  noch  einmal  zu  sehen, 
führte  ihn  mit  seiner  Gattin  im  Frühling  1901  bis  Florenz;  hier  erlag  der 
Greis,  der  sich  wohl  zuviel  zugemutet  hatte,  einer  Brustfellentzündung.  Auf 
dem  Friedhof  der  Amostadt  liegt  er  begraben. 

In  S.  erscheint  der  treufleißige  akademische  Lehrer  an  einer  kleinen 
Provinzialuniversität  gleichsam  verkörpert.  Der  erste  Eindruck,  den  der  Hörer 
von  ihm  empfing,  war  nicht  gerade  anziehend :  der  lange,  hagere,  kurzsichtige 
Mann  übersah  mit  seinen  schwachen  Augen  oft  den  vor  ihm  Sitzenden,  und 
sein  trockener,  noch  dazu  in  endlose  bibliographische  Notizen  sich  verlieren- 
der Vortrag  vermochte  wenige  zu  fesseln.  Trat  man  ihm  aber  persönlich 
etwas  näher,  so  lernte  man  gar  bald  die  Grundzüge  seines  Wesens,  Ehrlich- 
keit und  Biederkeit,  in  hohem  Maße  schätzen  und  erstaunte  wohl  auch  über 
seine  große  Offenheit,  mit  der  er  die  eigenen  Schwächen  rücksichtslos  be- 
urteilte. In  seiner  Häuslichkeit,  die  ihm  durch  die  treue  Fürsorge  seiner 
trefflichen  Gattin  behaglich  und  bequem  gemacht  wurde,  entfaltete  er  einen 
köstlichen  Humor;  im  vertrauten  Kreise  ließ  er  auch  wohl  mit  gutmütiger 
Selbstverspottung  eine  Prachtgestalt  seines  Landsmannes  Fritz  Reuters  wirksam 
und  anschaulich  vor  den  Zuhörern  erstehen.  Wer  S.  nur  flüchtig  kannte, 
mochte  nicht  glauben,  daß  der  anscheinend  so  ungewandte  und  weltfremde 
Gelehrte  ein  tatkräftiger  Politiker  und  rücksichtsloser  Förderer  kommunalerlnter- 
essen  war.  Ein  Nationalliberaler  alten  Schlages  ist  er,  überzeugt  von  der  Not- 
wendigkeit des  engen  Zusammenschlusses  aller  Schattierungen  innerhalb  der 
liberalen  Partei,  lange  Jahre  hindurch  ihr  Führer  in  Greifswald  gewesen  und 
hat  in  Wort  und  Schrift  für  sie  gewirkt.  Als  Mitglied  des  bürgerschaftlichen 
Kollegiums,  dem  er  fünfzehn  Jahre  lang  angehörte,  hat  er  sich  namentlich 
um  die  Förderung  des  städtischen  Schulwesens  unbestrittene  Verdienste  er- 
worben. Eiserner  Fleiß  wird  schon  dem  Knaben  und  Jüngling  nachgerühmt, 
und  trotz  seines  Augenleidens,  das  ihn  seit  der  Übersiedlung  nach  Greifs- 
wald nie  mehr  verließ  und  seinen  Arbeiten  sehr  hinderlich  war,  hat  er  uner- 
müdlich geschafft  und  Anerkennenswertes  geleistet.  Geistiger  Überlegenheit 
sich  willig  und  neidlos  beugend,  verschmähte  er  nie  auch  von  jüngeren  Kol- 
legen, wie  von  H.  Usener  und  U.  von  Wilamowitz-Moellendorff,  zu  lernen  und 
beschied  sich  mit  dem  Bewußtsein,  seine  Hörer  immer  auf  den  Pfaden  des 
gesunden  Verstandes  erhalten  zu  haben.  Dabei  war  er  keineswegs  gewillt, 
auf  sein  eigenes  selbständiges  Urteil  zu  verzichten  und  traf  mit  seiner  nüch- 
ternen Auffassung  der  Dinge  auch  in  verwickelten  Fragen  nicht  selten  das 
Richtige,  wenngleich   eine  merkwürdige  Hartnäckigkeit  und  Befangenheit  in 


7Q2  Susemihl. 

Kleinigkeiten  ihn  öfter  dazu  verführte,  bereits  völlig  oder  doch  annähernd 
gelöste  Probleme  durch  seine  Einwürfe  aufs  neue  zu  verwirren.  Das  hat  zu 
unerquicklicher  Polemik  mit  manchen,  auch  anerkannten  Meistern  der  Wissen- 
schaft geführt.  Wiederholte  Reisen  nach  Italien,  einmal  auch  nach  Griechen- 
land, stets  in  Begleitung  seiner  Gemahlin,  dienten  dem  fleißigen  Manne  nicht 
allein  zur  Erholung,  sondern  auch  zur  Vertiefung  in  das  ihm  sonst  femer 
liegende  Gebiet  der  antiken  Kunst. 

S.s  Arbeiten  bewegten  sich  vornehmlich  auf  der  Grenze  zwischen  klassischer 
Philosophie  und  Philologie.  Sein  in  drei  Bänden  erschienenes  Jugendwerk 
»Genetische  Entwicklung  der  platonischen  Philosophie«  (Leipzig  1855/60)  war 
nach  dem  unvollendeten  Versuch  K.  F.  Hermanns  (Geschichte  und  System 
der  platonischen  Philosophie,  Heidelberg  1839),  ^^®  platonische  Forschung 
aus  dem  Banne  der  geistvollen,  aber  trügerischen  Anschauung  Schleiermachers 
zu  befreien,  ein  wirklicher  Fortschritt,  was  auch  die  neuesten  Arbeiter  auf 
diesem  äußerst  schwierigen  Gebiete  willig  anerkannt  haben.  Zu  diesen  Unter- 
suchungen hat  noch  der  Greis  in  seinem  letzten  Programm  (Neue  platonische 
Forschungen  I,  Greifswald  1898)  Stellung  genommen  und  versucht,  das  literarisch 
bedeutsame  Problem  in  seiner  Weise  der  Lösung  näher  zu  führen.  Viele  Jahre 
hindurch  sind  die  Fortschritte  der  platonischen  und  aristotelischen  Studien 
in  den  von  Bursian-Müller  herausgegebenen  Jahresberichten  sorgsam  von  ihm 
gebucht  worden;  die  unparteiischen  Referate  bieten  auch  jetzt  noch  schätzens- 
werte Beiträge.  Teils  in  kritischen,  teils  in  erklärenden,  von  deutscher  Über- 
setzung begleiteten  Ausgaben  hat  S.  des  Aristoteles  Schrift  über  die  Dicht- 
kunst, die  Politik,  die  Ethik  und  anderes  herausgegeben,  wobei  er  in  zahl- 
reichen kritischen  und  exegetischen  Beiträgen,  die  in  Zeitschriften  und 
Universitätsprogrammen  veröffentlicht  sind,  seinen  jeweiligen  Standpunkt  zu 
wahren  suchte.  Für  die  von  Osiander  und  Schwab  geleitete  Übersetzungs- 
Bibliothek  griechischer  und  römischer  Prosaiker  und  Dichter  übertrug  er  eine 
Anzahl  platonischer  Dialoge.  Im  vorgeschrittenen  Alter  —  er  zählte  64  Jahre 
—  machte  sich  der  rastlos  Schaffende  noch  an  eine  schwierige  Aufgabe,  vor 
der  jüngere  Forscher  zurückgeschreckt  waren,  die  Geschichte  der  griechischen 
Literatur  in  der  Alexandrinerzeit.  Sie  erschien  in  zwei  Bänden  Leipzig  1891 
und  1892  und  ist  Eduard  Zeller  gewidmet.  Wenn  ihm  dabei  des  greisen 
Empfängers  geistvolle  Geschichte  der  Philosophie  der  Griechen  als  Vorbild 
vorschwebte,  so  hat  er  dieses  allerdings  nicht  erreicht:  die  gewaltige  Fülle 
des  zumeist  spröden  Stoffes  ist  nicht  recht  verarbeitet,  die  Darstellung  zu 
trocken  und  unlebendig;  aber  als  zuverlässiges  Nachschlagebuch  wird  dies 
Werk,  dem  der  Verfasser  bis  an  seinen  Tod  besondere  Sorgfalt  gewidmet  hat, 
stets  mit  Ehren  seinen  Platz  behaupten.  Bald  nach  dem  Abschluß  dieser 
gewaltigen  Arbeit  schritt  der  unermüdliche  P'orscher  unverzagt  zu  einem  noch 
umfassenderen  Werk,  zu  einer  Darstellung  der  attischen  Literaturperiode.  Wie 
zu  seinem  früheren  Buche  hatte  er  Schüler  und  Freunde  als  Mitarbeiter  ge- 
wonnen und  bereits  große  Partien  niedergeschrieben,  als  ihn  im  Süden  der 
Tod  unerwartet  ereilte. 

Ein  Verzeichnis  der  Schriften  und  Aufsätze  Susemihls  bis  zum  Jahre  1896  ist  der  von 
seinen  Schülern  zum  70,  Geburtstage  veröffentlichten  Festgabe  (Leipzig  1898)  beigefügt. 

Stettin.  Georg  Knaack. 


Christen. 


393 


Christen,  Ada,^)  Dichterin  ♦  am  6.  März  1844  in  Wien,  f  Am  19.  Mai  1901 
ebenda.  —  Ada  Christen  —  so  lautet  das  Pseudonym  für  Frau  Christiane  von 
Breden,  geb.  Friederik  —  war  ein  Kind  der  Wiener  Vorstadt;  auf  dem  Alsergrunde 
kam  sie  zur  Welt.  Ihr  Vater  besaß  da  einen  Kaufmannsladen  und  erfreute 
sich  als  umsichtiger  und  fleißiger  Geschäftsmann  eines  gewissen  Wohlstandes. 
Allein  das  Jahr  1848,  das  so  manches  bescheidene  Glück  untergrub,  wurde 
auch  ihm  verhängnisvoll.  Er  beteiligte  sich  an  der  aufständischen  Bewegung, 
wurde  nach  deren  Scheitern  eingezogen  und  zu  einer  längeren  Gefängnisstrafe 
verurteilt.  Endlich  aus  der  Haft  entlassen,  war  er  ein  körperlich  und  seelisch 
gebrochener  Mann,  unfähig,  den  verlorenen  Wohlstand  wieder  zu  gewinnen; 
ein  früher  Tod  raffte  ihn  dahin. 

Seine  Familie  blieb  in  größter  Not  zurück.  Die  Witwe  übersiedelte  mit 
den  Kindern  in  ein  weitläufiges  Gebäude  »an  der  Linie«,  das  zahlreichen 
kümmerlichen  Existenzen  Obdach  gewährte,  das  richtige  Armeleuthaus,  und 
fristete  als  Handschuhnäherin  mühselig  genug  ihr  Dasein.  Hier  empfing 
Christiane  die  für  ihr  ganzes  Leben  entscheidenden  Eindrücke;  das  große 
Haus  bildete  eine  Welt  für  sich,  und  mit  ihren  scharfen  Augen  erspähte  sie 
da  manches,  was  sie  zum  Nachsinnen  reizte.  Farblos,  eintönig,  inhaltslos 
mochte  das  Leben  der  dürftigen.  Leute,  die  da  um  sie  wohnten,  anderen 
erscheinen;  sie,  die  selbst  in  dieser  Enge  aufwuchs,  ahnte  wohl,  wie  viele 
Schicksale  sich  da  abspielten. 

Früh  mußte  sie  zum  Erwerb  der  Familie  beitragen,  indem  sie  selbst 
allerlei  Handarbeiten  verrichtete  oder  Geschäftsgänge  besorgte.  Die  Gebunden- 
heit und  Armseligkeit  ihres  Daseins  weckte  aber  in  ihr  eine  heiße  Sehnsucht 
nach  Freiheit  und  Glück;  aus  Dumpfheit  und  Niedrigkeit  trieb  sie  ein  unklares 
Verlangen  nach  etwas  höherem,  die  Kunst  schwebte  ihr  als  Ideal  vor,  und 
kaum  herangewachsen,  versuchte  sie,  auf  eigenen  Wegen  ihrem  Ziele  zuzustreben : 
sie  ging  zum  Theater. 

Hier  aber  sollte  sie  erst  das  tiefste  Elend  kennen  lernen;  mit  Wander- 
bühnen zog  sie  von  Stadt  zu  Stadt,  besonders  die  deutschen  Städte  Ungarns 
wurden  aufgesucht,  und  in  diesem  Zigeunerleben  mit  all  seinen  Enttäuschungen 
und  Entbehrungen,  seinen  Demütigungen  und  Versuchungen  scheint  sie  sich 
selbst  verloren  zu  haben.  Eine  günstige  Fügung  des  Schicksals  bot  ihr 
erwünschten  Halt.  Herr  von  Neupauer,  ein  höherer  ungarischer  Beamter, 
lernte  sie  kennen  und  lieben  und  bot  ihr  die  Hand  zur  Ehe.  Freudig  willigte 
sie  ein,  und  ihr  Leben  schien  nun  in  sichere  Bahnen  gelenkt.  Aber  schon 
nach  zweijähriger  Ehe  brach  bei  ihrem  Gatten  eine  schwere  Geisteskrankheit 
aus;  elend  ging  er  im  Irrenhause  zugrunde. 

Nun  sah  sich  die  junge  Witwe,  der  keinerlei  Erbe  zufiel,  abermals  der 
tiefsten  Not  preisgegeben,  und  wieder  begann  eine  Zeit  schwerer  Kämpfe. 
Sie  zog  nach  Wien,  wo  sie  sich  zunächst  durch  Stickereien  und  dergleichen 
kümmerlich  durchs  Leben  brachte.  Früher  schon  hatte  sich  in  ihr  die  Lust 
geregt,  was  sie  erlebt  und  empfunden ,  was  sie  gesehen  und  gedacht,  in  Prosa 
und  Versen  zu  schildern.  Jetzt  suchte  sie  Beziehungen  zu  Tagesblättern; 
ab  und  zu  wurden  ihre  Beiträge  angenommen,  und  die  Honorare  bildeten 
einen  freilich  sehr  bescheidenen  Zuschuß  zum  Erwerb.     In  Ferdinand  von  Saar, 


>)  Totcnlistc  1901  Bd.  VI  i6*. 


394 


Christen. 


der  ihre  Gedichte  zu  Gesicht  bekam  und  die  reiche  Begabung,  die  sich  darin 
aussprach,  sofort  erkannte,  fand  sie  einen  eifrigen  Förderer.  1869  erschien 
die  erste  Sammlung  ihrer  Gedichte,  ein  schmales  Bändchen,  »Lieder  einer 
Verlorenen«  betitelt.  Sie  machten  Aufsehen,  der  schonungslose  Freimut,  mit 
dem  die  Dichterin  in  ihnen  eine  Beichte  ihres  Lebens  ablegte,  rief  auf  der 
einen  Seite  freudige  Zustimmung,  auf  der  anderen  scharfen  Tadel  hervor. 
Zu  durchgreifender  Anerkennung  verhalfen  sie  ihr  nicht. 

In  dieser  Zeit  des  Ringens  lernte  Christiane  den  Rittmeister  a.  D.  und 
Schriftsteller  Adamar  von  Breden  kennen;  zwischen  den  beiden  entwickelte 
sich  ein  herzlich  kameradschaftliches  Verhältnis,  das  nach  einigen  Jahren  zur 
Ehe  führte.  Als  Frau  eines  begüterten  und  in  der  Gesellschaft  angesehenen 
Mannes  war  Christiane  aller  Not  enthoben,  und  da  sie  aufrichtige  Neigung 
mit  ihrem  Gatten  verband,  wäre  ihr  Glück  vollständig  gewesen,  wenn  nicht 
eine  heimtückische  Krankheit  es  getrübt  hätte.  Sie  litt  nämlich  schon  seit 
langem  an  einem  Herzübel,  und  mit  der  Zeit  traten  —  als  Folgeleiden,  wie 
es  scheint  —  bedenkliche  nervöse  Störungen  auf,  die  einmal  einen  so  hohen 
Grad  erreichten,  daß  man  das  schlimmste  befürchten  mußte.  Eine  Kaltwasser- 
kur brachte,  wenn  auch  nicht  gründliche  Heilung,  so  doch  nachhaltige  Besserung. 

Nach  Jahren  einer  an  Reichtum  grenzenden  Wohlhabenheit  trat  in  den 
äußeren  Verhältnissen  der  Dichterin  abermals  ein  Umschwung  ein.  Verschiedene 
Umstände  setzten  dem  Vermögen  ihres  Gatten  zu  und  mit  der  glücklichen  Sorg- 
losigkeit war  es  vorbei.  Frau  Christiane  stand  ihrem  Manne  wacker  zur  Seite, 
mutig  und  tatkräftig  half  sie  ihm  eine  neue  Existenz  gründen.  Ihre  letzten  Lebens- 
jahre verbrachte  sie  mit  ihm  in  bescheidener  Zurückgezogenheit  weit  draußen 
am  Wienerberge  im  sogenannten  Einsamhof.    Am  19.  Juni  190 1  starb  sie. 

Den  »Liedern  einer  Verlorenen«  war  187 1  eine  zweite  Gedichtsammlung 
gefolgt  »Aus  der  Asche«;  1873  eine  dritte  »Schatten«  und  1878  eine  vierte 
»Aus  der  Tiefe«.  Auch  als  Erzählerin  betätigte  sich  Ada  Ch.  1870  erschien 
ihr  Roman  »Ella«,  der  wenig  Beachtung  fand  und  heute  verschollen  ist. 
Besser  gelang  es  ihr  mit  kleinen  skizzenhaften  Erzählungen,  die  sie  gesammelt 
unter  den  Titeln  »Vom  Wege«  (1874)  und  »Aus  dem  Leben«  (1877)  heraus- 
gab. Einen  wesentlichen  Fortschritt  bedeutete  die  Sammlung  »Unsere 
Nachbarn«,  die  1884  erschien;  ihr  reifstes  Werk  aber  ist  der  Roman  »Jungfer 
Mutter«  (1896).  Ein  dramatischer  Versuch  »Faustine«  (1872)  schlug  gänzlich 
fehl;  das  Volksstück  »Wiener  Leut«  wurde  zwar  in  Wien  aufgeführt,  vermochte 
sich  jedoch  nicht  durchzusetzen. 

Ada  Ch.  war  eine  durchaus  lyrische  Natur.  Sie  bedurfte  der  geheimen 
Musik  des  Verses,  um  das  tiefste  ihrer  Seele  künden  zu  können.  In  den 
»Liedern  einer  Verlorenen«  ringt  sie  noch  nach  dem  ihr  selbsteigenen  Aus- 
drucke; sie  unterliegt  bisweilen  dem  Einflüsse  der  Vorbilder,  besonders 
Heine  scheint  stark  auf  sie  gewirkt  zu  haben.  Ihre  Empfindung  vermag  nicht 
immer  das  bescheidene  Wort  zu  finden;  Übertreibungen  und  Geschmacklosig- 
keiten stören  da  und  dort.  Auch  mit  der  Form  hat  sie  noch  zu  ringen,  aber 
für  die  Tadler  weiß  sie  den  richtigen  Bescheid. 

»Dein  Vers  hat  nicht  diis  rechte  Maß« 
So  will  man  mich  verweisen, 
»An  Fluß  und  Glätte  fehlt  es  ihm« 
Und  wie  sie's  sonst  noch  heißen. 


Christen.  jgj 

Sie  zollen  an  den  Fingein  ab, 

Verbessern  wohl  zehnmal  wieder; 

Ich  leg'  die  Hand  auf  mein  blutendes  Herz,  * 

Was  das  sagt,  schreib'  ich  nieder. 

Das  trifft  in  der  Tat  zu,  und  damit  ist  auch  gesagt,  daß  sie  eine  echte 
Lyrikerin  war.  Die  Form  hat  sie  zwar  allgemach  meistern  gelernt,  aber  ihr 
fehlte  das  Spielerische  und  Geschmeidige  der  Artistennaturen,  sie  konnte  nichts 
ersinnen,  jedes  Lied,  ob  gut  oder  schlecht,  war  für  sie  ein  Aufschrei  aus 
tiefem  Glück  und  noch  weit  öfter  aus  bitteren  Schmerzen.  Ihr  ganzes 
Ringen  nach  Daseinsfreude,  nach  einem  Halt  im  Leben,  nach  Selbstachtung 
spiegelt  sich  in  ihren  Liedern.  Zu  freier  Künstlerschaft  vermochte  sie  sich 
nicht  aufzuschwingen,  weil  sie  in  ihrem  Innern  nicht  frei  genug  war;  wie  sehr 
ihr  Geist  nach  den  lichten  Höhen  strebte,  die  Erdenschwere  zog  sie  doch 
immer  wieder  hinab.  Selbst,  da  sie  schon  überwunden  hatte,  hing  ihr  noch 
an,  was  sie  an  Not  und  Seelenelend  erlebt.  Die  bittere  Armut  ihrer  Kinder- 
jahre,  die  Demütigungen   ihrer  Jugendzeit  schleppte  sie  all  ihr  Leben  nach. 

Wißt,  mich  betrübt  die  Schönheit,  die  ihr  preist, 
Ich  schaue  bittVes  Menschenelend  sprießen 
Auf  diesem  Stern  ....  wie  soll  mein  Geist 
Denn  seine  hehre  Schönheit  rein  genießen? 

Wißt,  mich  betrübt  die  Schönheit,  die  ihr  preist, 
Denn  durch  des  Wohllauts  kunstgeformte  Schöne 
Klingt  mir  der  Wehlaut,  der  mein  Herz  zerreißt, 
Der  Diiseinsqual  naturgewaltge  Töne. 

Heiße,  aufreibende  Herzenskämpfe  hatte  sie  zu  bestehen,  eine  glühend 
leidenschaftliche  Natur,  lechzte  sie  nach  dem  Vollgenuß  des  Lebens,  marternde 
Liebessehnsucht,  bitterste  Enttäuschung,  Jammer  und  Verzweiflung  klingt 
aus  ihren  Liedern,  aber  in  all  den  Wirrnissen  erinnert  sie  sich: 

»All  euer  girrendes  Herzeleid 
Tut  lange  nicht  so  weh, 
Wie  Winterkälte  im  dünnen  Kleid, 
Die  bloßen  Füße  im  Schnee. 

All  eure  romantische  Scelennot 
Schafft  nicht  so  herbe  Pein, 
Wie  ohne  Dach  und  ohne  Brot 
Sich  betten  auf  einen  Stein.« 

Sie  ist  eine  Vorläuferin  derer,  die  in  kaum  verwichenen  Tagen  mit  mehr 
oder  minder  echter  Empfindung  die  Qualen  der  Armut  besungen.  Daß  sie 
in  Zeiten,  in  denen  die  Kunst  auf  Schönrednerei  ausging,  den  Mut  hatte, 
ehrlich  und  ohne  Verschnörkelung  zu  sagen,  wie  sie  die  mitleidlose  Wirklich- 
keit fand,  der  beweist,  daß  sie  eine  Dichterin  war. 

Auch  als  Erzählerin  verleugnete  Ada  Ch.  nicht  den  lyrischen  Grundton 
ihrer  Begabung.  Sie  erzählt  immer  aus  einem  höchst  persönlichen  Empfinden, 
aus  einem  sie  selbst  unmittelbar  bewegenden  Gefühl  heraus,  und  wie  sehr 
dabei  auch  die  umformende  Phantasie  zur  Geltung  kommen  mag,  zuletzt  wird 


3p6  Christen. 

es  doch  fast  immer  zur  Beichte.  Was  sie  selbst  erlebt ,  das  kurze  Glück 
und  das  reichliche  Weh,  drängt  sie  zur  Darstellung;  vor  allem  weilt  sie  gern 
bei  den  Tagen  ihrer  Kindheit,  und  sie  ähnelt  darin  Rosegger.  Wie  dieser 
das  Beste,  was  er  zu  geben  hatte,  seiner  grünen  Waldheimat  verdankt,  so 
bildet  für  Ada  Ch.  das  große  Haus  in  der  Vorstadt,  wo  sie  ihre  Kinderjahre 
verlebt,  die  reichste  Fundgrube  ihrer  Erzählungskunst.  In  den  Skizzen  »Unsere 
Nachbarn«  und  im  Romane  »Jungfer  Mutter«  schildert  sie  es  mit  ebenso  viel 
Anschaulichkeit  als  Liebe.  Wenn  sie  diesen  ihr  vertrauten  Boden  verläßt, 
wie  es  etwa  in  den  Skizzensammlungen  »Vom  Wege«  und  »Aus  dem  Leben« 
geschieht,  fühlt  sie  sich  unsicher;  sie  wird  dann  leicht  konventionell  und 
verfällt  bisweilen  sogar  einer  schwächlichen  Sentimentalität,  die  sonst  ihrem 
Wesen  völlig  fremd  ist. 

Gestaltungskraft  war  ihr  nur  in  bescheidenem  Maße  gegeben  und  weit- 
läufig zu  komponieren  vermochte  sie  nicht.  Ihre  Geschichten  enthalten  mehr 
Schilderung  von  Zuständen  als  eigentliche  Erzählung.  Irgend  ein  ganz 
unscheinbares  Erlebnis  bildet  den  Mittelpunkt,  aber  vortrefflich  verstand  es 
Ada  Ch.,  den  Stimmungsgehalt  herauszuarbeiten.  Impressionistische  Skizzen 
sind  es  zumeist,  die  sie  uns  bietet,  Augenblicksbilder,  dem  Leben  abgesehen. 
Auch  darin  ist  sie  eine  Vorläuferin,  freilich,  wie  es  scheint,  mehr  aus  einem 
gewissen  Mangel  ihrer  Begabung,  denn  aus  einer  klaren  künstlerischen 
Absicht. 

Was  sie  an  Gestaltungskraft  besaß,  gab  sie  in  dem  Romane  »Jungfer 
Mutter«.  Er  ist  eigentlich  als  Fortsetzung  der  Skizze  »Als  er  heimkehrte« 
gedacht,  die  den  Beschluß  von  »Unsere  Nachbarn«  macht.  Das  Motiv  ist 
haarscharf  geführt:  Der  typische  Mann  in  seinem  Verhältnis  zu  den  beiden 
wichtigsten  Frauentypen.  Leopold  Weiß,  der  sich  trotz  Mühsal  und  Unglück 
—  er  hat  im  Kriege  einen  Arm  verloren  —  wacker  durchs  Leben  schlägt, 
liebt  die  schöne  Lene;  sie  ist  ihm  der  Inbegriff  des  »Höheren«,  wonach  ihn, 
den  Sohn  der  Armut,  all  sein  Lebtag  verlangt  hat.  Sie  wird  seine  Frau, 
aber  das  Glück,  das  er  an  ihrer  Seite  erträumt  hat,  bleibt  aus;  denn  sie  ist 
kalt  und  fühllos,  sie  liebt  nur  sich  selbst.  Verzweifelt  ringt  er  danach,  ein 
Wort  echten  Empfindens  ihren  Lippen  zu  entlocken  —  umsonst;  da  er  endlich 
erkennen  muß,  daß  all  das  warme,  lebendige  Gefühl,  von  dem  seine  Seele  voll 
ist,  unverstanden  bleibt,  bricht  er  zusammen.  Wie  aber  die  blonde  Lene  an  ihm 
sündigt,  so  sündigt  er  an  Lenes  Freundin,  der  stillen,  unscheinbaren  Hanni, 
gleichfalls  nicht  aus  bösem  Willen,  sondern  weil  er  sie  nicht  versteht.  Von  Kind- 
heit auf  liebte  ihn  die  Hanni,  eine  arme  Nähterin,  als  Kind  schon  wagte  sie  ihr 
Leben,  um  ihm  einen  flüchtigen  Wunsch  zu  erfüllen.  Da  sie  nun  sieht,  wie 
er  unter  Lenes  Herzlosigkeit  leidet,  nimmt  sie  sich  still  und  unauffällig  tröstend 
seiner  an;  den  Verlassenen  und  schwer  erkrankten  pflegt  sie,  alles  was  sie 
hat,  opfert  sie  ihm  und  seinem  Kinde  zu  Liebe,  sogar  ihren  Ruf.  Ja,  da  all 
das  nicht  imstande  ist,  ihn  seiner  Verzweiflung  zu  entreißen,  läuft  sie  zu 
Lene,  demütigt  sich  vor  ihr  und  beschwört  sie,  sich  mit  Leopold  auszusöhnen  — 
freilich  vergeblich.  Leopold  nimmt  das  Opfer  des  armen  Mädchens  an,  er 
dankt  es  ihr  in  seiner  Weise,  aber  er  sieht  nicht,  welcher  Schatz  an  unend- 
licher Güte  und  echter  Liebe  da  für  ihn  bereitet  ist,  achtlos  geht  er  an  ihr 
vorüber;  und  da  Lene  sich  weigert,  femer  mit  ihm  zu  leben,  stößt  er  sich 
ein  Messer  ins  Herz.     Hanni  überträgt  die  Hingebung,  die  sie  ihm  bewiesen, 


Christen.     Richter. 


397 


auf  seinen  Sohn;  sie  erzieht  das  verwaiste  Kind  mit  aller  Sorgfalt  und 
Liebe.  Um  diese  Gestalten  ist  eine  Anzahl  episodisch  gehaltener  Figuren 
gruppiert,  das  Schicksal  der  drei  Leute  ist  mit  dem  Weben  und  Treiben  im 
großen  Vorstadthause  innig  verwoben,  die  Geschichte  haftet  an  dem  Hause 
»Zur  blauen  Gans«;  daß  sie  so  aus  dem  breiten  herauswächst,  gibt  ihr  den 
echt  epischen  Charakter. 

Ada  Ch.s  Werke  sind  nicht  zahlreich,  aber  die  wenigen  schmalen  Bänd- 
chen enthalten  manches  Vortreffliche,  das  wert  ist,  dem  Gedächtnis  erhalten 
zu  bleiben.  Hans  Sittenberger. 

Richter,  Richard  Immanuel,')  Rektor  des  König  Albert-Gymnasiums  und 
Orden tl.  Honorarprofessor  an  der  Universität  in  Leipzig,  ♦  lo.  Oktober  1839 
in  Skassa  bei  Großenhain,  f  27.  Mai  1901  in  Leipzig.  —  R.  muß  als  einer 
der  selbständigsten  und  einflußreichsten  Gymnasialpädagogen  Sachsens  in 
der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  bezeichnet  werden.  Einem  ländlichen 
Pfarrhause  entstammt,  genoß  er  Michaelis  1852 — 1858  die  Zucht  und  tüchtige 
Vorbildung  der  altberühmten  Fürsten-  und  Landesschule  St.  Afra  in  Meißen, 
studierte,  namentlich  unter  der  Leitung  seines  Schwagers  Conrad  Bursian,  des 
bekannten  Philologen,  in  Leipzig  und  kurze  Zeit  in  Tübingen  und  war  seit 
Anfang  1863  an  verschiedenen  sächsischen  Gymnasien  tätig,  zuerst  in  Leipzig, 
Plauen  i.  V.  und  Zwickau ,  sodann  als  Konrektor  des  neugegründeten  Kgl. 
Gymnasiums  in  Dresden  (1874 — 1880),  worauf  ihm  als  erstem  Rektor  die  Leitung 
des  Kgl.  (jetzt  König  Albert-)  Gymnasiums  in  Leipzig  übertragen  wurde.  Dieses 
Amt  hat  er  bis  zu  seinem  Tode  mehr  als  21  Jahre  mit  Energie  und  glänzendem 
Erfolg  geführt;  daneben  bekleidete  er  seit  1886  eine  außerordentliche 
Professur  an  der  Universität  Leipzig  für  Gymnasialpädagogik  und  war  betraut 
mit  der  Direktion  der  philologischen  Abteilung  des  pädagogischen  Seminars 
der  Universität,  von  dessen  Neuorganisation  1894  ab  als  Direktor  des  Kgl. 
praktisch-pädagogischen  Seminars  unter  gleichzeitiger  Ernennung  zum  ordent- 
lichen Honorarprofessor.  Seit  1893  leitete  er  die  pädagogische  Abteilung 
der  Teubnerschen  »Neuen  Jahrbücher«,  von  denen  unter  seiner  Redaktion 
neun  Bände  erschienen  sind. 

In  den  beiden  Großstädten  Dresden  und  Leipzig  hat  also  R.  die  haupt- 
sächlichste Arbeit  seines  Lebens  geleistet.  Sie  fällt  in  eine  Zeit  bedeutenden 
Aufschwungs  des  gesamten  sächsischen  Gymnasialwesens.  In  der  Reihe 
stattlicher  Neugründungen  humanistischer  Bildungsanstalten,  die  sich  während 
jener  Jahrzehnte  notwendig  erwiesen,  ist  gerade  den  beiden,  an  welchen 
R.  zu  wirken  berufen  war,  die  größte  Entwicklung  beschieden  gewesen.  Das 
Kgl.  Gymnasium  zu  Dresden-Neustadt  hatte  sich  bei  seinem  Weggang  nach 
erst  sechsjährigem  Bestehen  fast  zu  einer  vollständigen  Doppelanstalt  mit 
17  Klassen  und  515  Schülern  ausgebildet,  und  der  Rektor,  Geh.  Schulrat 
Hugo  Ilberg,  bezeugte  dem  Scheidenden  aus  warmem  Herzen,  daß  er  sich 
um  die  Organisation  der  neuen  Schule  und  um  den  Geist,  der  sie  beseelte, 
höchst  wesentliche  Verdienste  erworben  habe.  Als  R.  am  12.  April  1880 
sein  Leipziger  Rektorat  übernahm,  konnte  er  195  Schüler  in  zehn  Klassen 
einreihen;  am  gleichen  Datum  seines  Todesjahres,  wenige  Wochen  vor  seinem 


>)  Totenliste  1901  Band  VI  86*. 


398  Richter. 

Ende,  begann  der  Unterricht  mit  658  Schülern  in  21  Klassen;  das  Kollegium 
war  in  diesem  Zeitraum  von  18  auf  38  Lehrer  angewachsen.  Welche 
Summe  rein  organisatorischer  Arbeit  liegt  in  diesen  Zahlen;  größer  aber  war 
die  erzieherische  und  die  Lehrtätigkeit,  die  dieser  unermüdliche  Mann  im 
Laufe  der  Jahre  an  vielen  Hunderten  mit  Einsetzung  seiner  ganzen  impo- 
nierenden Persönlichkeit,  mit  treuer  Teilnahme  am  Schicksal  von  Jung  und 
Alt,  entfaltet  hat. 

R.  hatte  von  Natur  ein  ausgeprägt  cholerisches  Temperament;  besonders 
in  früheren  Jahren  äußerte  sich  das  stürmisch  genug.  Das  Herbe  und  Strenge 
seines  Wesens  versetzte  seine  damaligen  Schüler  oft  in  schwüle  Stimmung: 
weswegen  und  gegen  wen  wird  das  Gewitter  losbrechen?  Mit  scharfem  Sar- 
kasmus  sparte  er  nicht,  wenn  er  Schlaffheit  oder  bösem  Willen  begegnete,  und 
seine  Kritik  traf  zuzeiten  ebenso  einschneidend  wie  die  Leistungen  der  Zöglinge 
auch  die  antiken  oder  deutschen  Schriftsteller,  die  er  ihnen  zu  erklären  hatte. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  der  aggressive  Zug,  der  bei  dem  etwa  Dreißig- 
jährigen sich  am  deutlichsten  gezeigt  haben  mag,  auch  in  weiteren  Kreisen 
hervortrat:  seine  satirische  Ader  machte  sich  gelegentlich  auch  in  der  Öffent- 
lichkeit geltend,  und  wie  dem  Juvenal,  in  den  er  mitunter  schon  die  Primaner 
einzuweihen  suchte,  führte  auch  ihm  die  Entrüstung  den  Griffel,  wenn  er 
seine  zugespitzten  Gelegenheitsverse  gegen  gesellschaftliche  oder  politische 
Schwächen  und  Verkehrtheiten  abschoß.  Wie  urwüchsig  sein  Unterricht  da- 
mals in  vieler  Beziehung  beschaffen  war,  dürfte  vorsichtige  und  ruhige,  früher 
abgeklärte  Naturen  in  Verwunderung  setzen.  Abgesehen  von  Bursian  hatte 
auf  den  angehenden  Philologen  wohl  keiner  seiner  akademischen  Lehrer 
einen  tieferen  Einfluß  auszuüben  vermocht.  Er  war  in  der  Hauptsache  seinen 
eigenen  Weg  gegangen  und  hatte  bis  in  die  siebziger  Jahre  noch  wenig  von 
der  klassizistischen  Auffassung  der  Antike  in  sich  aufgenommen,  die  damals 
vorherrschte.  Scharfkantig  wie  er  war,  verfocht  er  selbst  im  Unterricht  einen 
für  jene  Zeit  zum  Teil  recht  ketzerischen  Standpunkt.  Er  ließ  die  reale  und 
realistische  Seite  des  Altertums  kräftig  hervortreten  und  betonte  durchaus 
nicht  vorzugsweise  das  Normative  in  den  antiken  Schriftwerken  und  Zuständen. 
Seine  Übersetzung  war  immer  originell,  fast  allzu  modern.  Es  genügte  ihm 
nicht,  das  Verständnis  der  Autoren  zu  erschließen,  indem  er  sie  aus  ihrer 
Zeit  erklärte  und  die  Verhältnisse  darlegte,  unter  denen  sie  geschaffen  haben. 
Sie  dienten  ihm  fast  alle  dazu,  die  angeregten  Gedanken  weiter  zu  verfolgen 
und  auszuführen,  was  jeder  Pädagog  billigen  wird;  dabei  führte  ihn  aber 
seine  tiefgehende  und  kampflustige  Art  nicht  selten  zu  so  rückhaltloser  Kritik 
des  Schriftstellers  —  nicht  in  philologischem,  sondern  in  allgemeinerem  Sinne  — , 
wie  er  sie  in  späteren  Jahren  selbst  nicht  mehr  billigte,  in  der  Schule  jeden- 
falls nicht  betrieben  wissen  wollte.  Das  war  für  die  Fortgeschrittneren  zwar 
vielfach  förderlich  und  in  jener  harmloseren  Zeit  weniger  bedenklich  als 
heutzutage.  Als  Professor  der  Pädagogik  hat  R.  aber  gewiß  mit  Lächeln  an 
Schulstunden  zurückgedacht,  wie  beispielsweise  die,  in  der  er  mitten  in  der 
Lektüre  von  Ciceros  Tuskulanen  entrüstet  das  Buch  zuklappte,  auf  sein  Ka- 
theder schlug  und  ausrief:  »Glauben  Sie  dem  Manne  nicht;  sein  unlogisches 
Geschwätz  ist  unerträglich!«  Demosthcnes,  den  heute  viel  angefochtenen, 
las  er  mit  Vorliebe  und  entwarf  dabei  packende  Schilderungen  bewegten 
politischen  Lebens.    Wenn  neuerdings  durch  das  Griechische  Lesebuch  Ulrichs 


Richter. 


399 


von  Wilamowitz-Moellendorff  dem  deutschen  Gymnasium  die  dankenswerte 
Anregung  gegeben  wird,  den  Kreis  der  Schriftsteller  nicht  zu  eng  zu  fassen 
und  mit  ihrer  Hilfe  ein  umfassenderes  Bild  des  Griechentums  zu  vermitteln, 
so  erinnern  sich  R.s  Schüler  gern,  daß  ihnen  frühe  Ähnliches  zuteil  geworden 
ist.  Stücke  aus  Lucian,  Piutarch,  Arrian  hat  er  z.  B.  mit  ihnen  gelesen  — 
diesen  freilich  »wegen  der  großen  Ledernheit«  später  aufgegeben  — ,  auch 
Theokrit  und  Theophrasts  Charaktere  gelegentlich  und  Aristophanes  bis  zuletzt, 
eine  Aufgabe,  die  seine  pädagogische  Meisterschaft  forderte  und  hervortreten 
ließ.  Von  den  Römern  bevorzugte  er  außerhalb  des  Kanons  der  üblichen 
Schulautoren  Catull  und  Tibull,  für  die  er  auch  schriftstellerisch  tätig  ge- 
wesen ist;  die  Cena  Trimalchionis,  sogar  Senecas  Apokolokyntosis  blieben 
seinen  Dresdner  Primanern  nicht  fremd.  Die  oberen  Klassen  jener  neuen 
Anstalt  hatten  zu  R.s  Zeiten  noch  eine  leicht  zu  übersehende  Schülerzahl; 
der  Unterricht  konnte  deshalb  individueller,  man  möchte  fast  sagen  patri- 
archalisch erteilt  werden.  Welcher  Lehrer  würde  unter  normalen  Verhält- 
nissen Zeit  und  Stimmung  zu  dem  Wagnis  finden,  Heines  Wintermärchen 
»Deutschland«  zum  größten  Teile  vorzulesen,  wie  R.  tat,  mit  eingeflochtenen 
Erläuterungen  über  die  Kunst  und  die  politische  Stellung  des  Dichters?  Auch 
die  Aufgaben,  die  er  dort  zur  Übersetzung  in  die  klassischen  Sprachen  und 
zur  freien  Bearbeitung  stellte,  wichen  nicht  selten  von  der  Heerstraße  des 
Schulmäßigen  ab.  Stark  persönlich  gefärbt,  setzten  sie  nicht  geringe  Gewandt- 
heit und  Selbständigkeit  für  ihre  Lösung  voraus,  und  es  waren  auch"  allzu 
harte  Nüsse  darunter.  »Die  Dichter  feiern  Homers  Geburtstag  im  Olymp« 
als  menippeische  Satire,  also  abwechselnd  in  Prosa  und  Versen  verschiedener 
Art,  lateinisch  zu  behandeln,  das  durfte  sich  im  Ernst  der  geistvolle  Lehrer 
nur  selber  zutrauen. 

Seitdem  R.  sein  Leipziger  Rektorat  übernommen  hatte,  näherte  er  sich 
den  Meisterjahren.  Es  ist  ergreifend,  zu  beobachten,  wie  sich  diese  Natur 
in  dauernder  Fortentwicklung  zu  einheitlich  geschlossener  Harmonie  weiter- 
bildet. »Das  ist  der  echte  Pädagog,  der  andre  und  sich  selbst  erzog.« 
Wichtige  Zeugnisse  seiner  Abklärung  und  Vertiefung  finden  sich  in  den 
»Reden  und  Aufsätzen«,  die  jüngst  von  seinem  Sohne  Rudolf  herausgegeben 
worden  sind.  Früher  hatte  er  sich  verabschiedenden  Schülern  etwa  als  Geleit- 
wort zugerufen:  »Üben  Sie  Kritik!«  Jetzt  sagt  er:  »In  eurem  Auge  muß  sich 
die  Welt  noch  golden  malen.  Die  scharfgradige  Rezensentenbrille  ist  ein 
schlechtes  Ausrüstungsstück  für  euren  Weg.«  Er  spricht  eingehend  »von  den 
Grenzen,  die  dem  Wissen  und  damit  der  Kritik  des  Schülers  gezogen  sind«; 
kurz  und  bündig  faßt  er  das  am  Schlüsse  eines  Sonettes  an  zwei  Primaner, 
»als  sie  sich  eines  verfrühten  Urteils  über  einen  Gegenstand  des  Unterrichts 
verwegnet  hatten«,  in  die  Worte  zusammen: 

Der  Jugend  ziemt,  im  Tadeln  fein  bescheiden 
Zurück  das  Urteil  und  —  das  Maul  zu  halten. 
Die  anspruchsvolle  Aufgabe  der  Organisation  einer  großen  neuen  Anstalt, 
die  in  den  ersten  Leipziger  Jahren  den  ganzen  Mann  für  sich  forderte,  ließ 
den  positiven  Kern  seines  Wesens  mehr  und  mehr  hervortreten,  und  die 
mildernde  Kraft  des  vorrückenden  Lebensalters,  die  steigenden  Erfolge  seiner 
Direktions-  und  Lehrtätigkeit  an  Schule  und  Universität  trugen  das  ihrige 
dazu  bei.     Bei  aller  Verstandesschärfe  war  er  von  jeher  mit  reicher  Phantasie 


400  Richter. 

und  tiefem  Gemüt  begnadet;  das  äußert  sich  nun  immer  lebendiger  in  seltener 
Verbindung,  und  man  mag  wohl  fragen,  aber  schwer  entscheiden,  welche 
Seite  seines  Charakters  die  größere  Wirkung  ausgeübt  habe.  Seit  früher 
Jugend  war  Uhland  sein  Lieblingsdichter  gewesen;  die  Festigkeit  und  An- 
spruchslosigkeit, die  Forschungslust  und  Wärme  des  treuen  Mannes  entsprachen 
so  ganz  seiner  eigenen  Art.  In  Uhlands  Geiste  sind  auch  die  meisten 
Gelegenheitsdichtungen  R.s  gehalten,  oft  allerdings  in  etwas  derberer  Holz- 
schnittmanier. Das  Dichterische  und  überhaupt  der  künstlerische  Zug  in  R.s 
W^esen  war  eine  köstliche  Beigabe  für  seinen  Beruf.  Was  er  auch  beginnen 
mochte,  alles  gewann  frisches  Leben  unter  seinen  Händen.  »Schwerer  Dienste 
tägliche  Bewahrung«  mußte  den  von  ihm  Geleiteten  stets  erneute  Befriedi- 
gung gewähren,  wenn  sie  sahen,  wie  er  aus  sprödem  Stoffe  Funken  zu  schlagen 
wußte,  die  eine  warme  Begeisterung  entzündeten.  Er  vertrat,  je  älter  er 
wurde,  je  entschiedener  einen  wohltuenden  Optimismus  in  seinen  Erziehungs- 
grundsätzen und  in  der  Beurteilung  pädagogischer  Tätigkeit  anderer,  dabei 
ein  Feind  unfruchtbarer  Klagen  und  entmutigenden  Pedantentums. 

R.  ist  nicht  dazu  gekommen,  sein  pädagogisches  Glaubensbekenntnis  im 
Zusammenhange  literarisch  zu  fixieren.  An  Aufforderungen  dazu  und  einzelnen 
Ansätzen  hat  es  nicht  gefehlt,  fast  gänzlich  aber  in  der  Leipziger  Zeit  an 
Muße.  Vielleicht  auch  an  Neigung,  denn  er  war  ein  Mann  der  Tat  und  des 
gesprochenen  Wortes.  Im  Stadtverordnetensaale  und  Kirchen  vorstand,  durch 
Vorträge  oder  Festreden  vor  einem  großen  Publikum  betätigte  er  sich  leb- 
haft neben  der  Berufsarbeit  in  der  Schule;  später  nahm  ihn  die  Universität 
mehr  und  mehr  in  Anspruch,  das  Seminar  und  seine  Vorlesungen.  Im 
praktisch-pädagogischen  Seminar  hielt  er  sogenannte  Musterlektionen  und 
veranlaßte  Lehrversuche  der  Mitglieder,  woran  sich  gemeinsame  Besprechungen 
dieser  Lektionen  sowie  anderweitige  didaktische  und  pädagogische  Erörte- 
rungen zu  schließen  pflegten.  Seine  akademischen  Vorlesungen  bezogen  sich 
in  viersemestrigem  Turnus  auf  Didaktik  der  höheren  Schule,  ausgewählte 
Fragen  der  Gymnasialpädagogik,  Vorbildung  für  das  höhere  Lehramt  und 
Geschichte  des  höheren  Schulwesens  in  Deutschland  seit  der  Reformationszeit. 
Auch  den  Amtsgenossen  kam  die  intensive  Beschäftigung  mit  praktischen 
Schulfragen,  zu  der  ihm  das  akademische  Nebenamt  Gelegenheit  gab,  viel- 
fach zugute.  Auf  den  Versammlungen  der  sächsischen  Gymnasiallehrer  hat 
R.  mehrmals  öffentlich  gesprochen  und  vor  wichtigen  Entscheidungen  sein 
Votum  in  die  Wagschale  gelegt.  Über  das  Verhältnis  des  Gymnasiums  zur 
Universität  trat '  er  auf  der  Generalversammlung  des  Gymnasialvereins  in 
Bamberg  (1894)  als  Mitberichterstatter  mit  lebhaftem  Beifall  auf.  Nachdrück- 
lich wirkte  er  aber  vor  allem  auf  sein  eigenes  Kollegium,  in  ausführlichen 
Darlegungen  während  der  Konferenzen  und  durch  unerschöpfliche,  oft 
humoristisch  gefärbte  Anregungen  in  täglichem  Verkehr.  Wer  längere  Zeit 
unter  ihm  gestanden  hatte,  lernte  bald  den  inneren  Zusammenhang  verstehen, 
der  alle  diese  Äußerungen  verband,  er  ahnte,  um  mit  Uhland  zu  reden,  als 
Einheit  im  Zerstreuten  seines  Rektors  ganz  Gemüt. 

R.  hat  kein  neues  Programm  des  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens  auf- 
gestellt. Er  war  nicht  gekommen,  das  Gesetz  und  die  Propheten  aufzulösen, 
sondern  zu  erfüllen.  Daß  ein  so  kritisch  veranlagter,  durchaus  selbständiger 
Geist  mit  vollem  Bewußtsein  in  einer  reformlustigen  Zeit  diesen  Standpunkt 


Richter. 


4ÖI 


einnahm,  ist  gewiß  sehr  bemerkenswert.  Die  Ausdehnung  seines  wissenschaft- 
lichen und  praktischen  Gesichtskreises,  die  ehrliche  Konsequenz  seines 
Denkens  sichern  ihn  vor  dem  Vorwurf,  er  habe  seine  Zeit  nicht  gekannt 
oder  nicht  verstehen  wollen.  Seine  klaren  Augen  waren  scharf  auf  Wirklich- 
keit und  Gegenwart  gerichtet.  Ihm  entging  keine  Phase  der  Reformbewegung 
der  letzten  Jahrzehnte.  Alle  die  verschiedenen  Richtungen  und  Beschlüsse 
ließ  er  mit  lebhaftem  Anteil  und  entschiedener  Stellungnahme  an  sich  vor- 
überziehen: die  Heidelberger  Erklärung,  den  Verein  für  Schulreform  und 
den  Einheitsschul verein,  die  Dezemberkonferenz  von  1890  und  die  Juni- 
konferenz von  1900.  Als  die  Verhandlungen  der  den  klassischen  Unterricht 
schmälernden  Berliner  Dezemberkonferenz  erschienen  waren,  berichtete  er 
gleich  darauf  in  der  Jahresversammlung  des  Sächsischen  Gymnasiallehrer- 
vereins eingehend  darüber  und  knüpfte  Betrachtungen  über  die  sächsischen 
Verhältnisse  daran.  Dort  wie  sonst  sprach  er  sein  Ceterum  censeo  zugunsten 
der  humanistischen  Bildung:  »Ich  aber  bin  und  bleibe  fest  überzeugt  von  dem 
hohen  Werte  des  deutschen  humanistischen  Gymnasiums  und  insbesondere 
von  der  Unersetzlichkeit  der  vereinigten  alten  Sprachen  als  des  hauptsäch- 
lichsten .  .  .  Bildungsmittels  dieser  Schulart.  Mich  hat  die  Jahre  daher 
nichts  von  alledem,  was  ich  gelesen,  gehört  und  gesehen  habe,  in  diesem 
Glauben  irre  machen  können,  und  die  Berliner  Verhandlungen  haben  ihn  nur 
gekräftigt.  Aber  ich  bin  auch  davon  fest  überzeugt,  daß  unsere  Zeitverhält- 
nisse, unsere  Kulturzustände  eine  fortgesetzte  Ausbildung  und  Verfeinerung 
des  Gymnasiums,  insbesondere  auch  beim  altsprachlichen  Unterricht,  gebieterisch 
erheischen«. 

Ausbildung  und  Verfeinerung  des  Unterrichts,  nicht  neue  Orientierung 
nach  anderem  Kurse,  das  war  sein  Wahlspruch.  Der  sächsischen  Gymnasial- 
politik der  Neuzeit  rühmt  er  nach,  sie  habe  mit  vollem  Bewußtsein  dem 
durch  die  Geschichte  sattsam  bestätigten  Grundsatze  Rechnung  getragen, 
»daß  die  Jugenderziehung  eine  sehr  stetige  und  wenig  wandelbare  Sache 
ist,  nicht  ein  Feld,  auf  dem  sich  große,  entscheidende  Schlachten  mit  unge- 
heuren Katastrophen  ersiegen  lassen,  oder  durch  große  Revolutionen  mit 
einem  Schlage  das  alte  gestürzt  und  neues  Leben  aus  den  Ruinen  erweckt 
werden  könnte«.  Die  Maßhaltung,  die  das  Wesen  der  Erziehung  erfordert, 
setzt  er  in  Beziehung  zum  sächsischen  Volkscharakter  (»Sachsen  als  Gymnasial- 
staat«, Rede  zum  70.  Geburtstage  König  Alberts),  über  dessen  schwache  und 
tüchtige  Seiten  er  sehr  objektiv  zu  urteilen  pflegte.  Seine  Didaktik  ging  von 
einer  Reihe  recht  einfacher  Grundsätze  aus.  Ebenso  wie  die  pädagogischen 
Weltverbesserer  lehnte  er  die  grauen  Theoretiker  ab.  Mitten  in  die  wirkliche 
Schulstube  führten  seine  knappen  Betrachtungen;  phrasenhaftes  Wesen,  Wort- 
schwall über  Selbstverständliches,  verbreitete  Fehler  pädagogischer  Schrift- 
stellerei  und  Beredsamkeit,  waren  ihm  ein  Greuel.  Eine  im  Innersten 
bescheidene  Natur,  haßte  er  die  großen  Worte  und  tönenden  Tiraden  der 
modernen  Reklamepädagogik.  Sein  eigenes  Licht  leuchten  zu  lassen,  war 
niemals  seine  Absicht;  nur  der  Sache,  seinen  Schülern  und  seiner  Schule, 
wollte  sein  hinreißendes  Wort,  seine  scharfe  Feder  dienstbar  sein.  Zur  Selbst- 
besinnung und  Selbstkritik  sich  und  die  andern  zu  führen  war  er  unermüdlich; 
das  schien  ihm  immer  wieder  notwendig  zu  sein  bei  der  Seibstherrlichkeit, 
die  sich  im  Lehrberufe  naturgemäß  leicht  geltend  macht.     Der  Leiter  einer 

BiogT.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog:.    7.  Bd.  26 


402  Richter. 

großen  Anstalt,  an  der  gegen  vierzig  Amtsgenossen  wirken,  hat  ja  die  Kunst, 
viele  zu  einem  gemeinschaftlichen  Ziele  zu  führen,  nicht  zum  wenigsten  an 
seinem  Kollegium  auszuüben.  Es  soll  nicht  gesagt  werden,  daß  R.  darin 
stets  Erfolg  gehabt  hätte;  aber  das  ist  gewiß,  daß  er  seine  wohlerwogenen 
Gründe  hatte,  wenn  er  das  eine  und  andere  Fach  in  seinen  Ansprüchen  zu- 
rückhielt. Eine  große  Gefahr  für  das  moderne  Gymnasium  schien  ihm  in 
einem  unvermittelten  Nebeneinander  verschiedenartiger  Lehrgegenstände  zu 
liegen,  deren  jeder  an  und  für  sich  ohne  Zweifel  schätzenswert  ist.  Als  eine 
Grundbedingung  fruchtbaren  Zusammenwirkens  erkannte  er,  daß  jedes  Glied 
des  Lehrkörpers  mit  Bewußtsein  dem  gemeinsamen  Ziele  zustrebe  und  sich 
den  Mitarbeitern  möglichst  anbequeme,  auch  dann,  wenn  damit  eine  gewisse 
Selbstverleugnung  verbunden  sei.  Das  ist  heutzutage  nicht  immer  möglich, 
wo  in  manchen  Kollegien  humanistischer  Gymnasien  entschiedene  und  betrieb- 
same Gegner  des  humanistischen  Systems  sitzen  und  wo  die  Lehrer  selbst 
nicht  überall  Schüler  der  Anstaltsgattung  sein  können,  an  die  sie  berufen 
werden.  Lebhaft  pflegte  er  kollegialen  Zusammenhalt  durch  persönliche 
Beziehungen,  soweit  es  die  großstädtischen  Verhältnisse  zuließen.  Oft  mußte 
es  rätselhaft  erscheinen,  wie  es  der  Vielbeschäftigte  durchführen  konnte,  so 
manche  Abende  für  zwanglose  Aussprache  zu  erübrigen  und  den  Jüngsten 
gleich  auszuhalten  wie  Sokrates  in  Piatons  Symposion.  Gerade  in  solchen 
Stunden  gab  er  sich  am  freiesten,  in  bedächtigem  Ernst  oder  kräftigen  Scherz- 
worten. Mancher  junge  Amtsgenosse,  der  früher  vielleicht  als  Schüler 
oder  als  Student  zu  seinen  Füßen  gesessen  hatte,  wurde  dann  völlig  für  seine 
Auffassung  des  Lehrberufs  gewonnen. 

Außer  den  alten  Sprachen  lehrte  R.  über  i6  Jahre  lang  in  Leipzig  das 
Deutsche  in  der  obersten  Klasse.  Es  ist  zu  vermuten,  daß  ihm  dieser  Unter- 
richt schließlich  der  liebste  gewesen  ist,  wenn  er  auch  einmal  in  rhetorischer 
Hyperbel  über  das  »noch  völlig  ungelöste  Problem  des  Deutschen«  klagt. 
Hier  konnten  seine  hervorragenden  und  eigentümlichen  Talente  ganz  besonders 
zur  Wirkung  gelangen,  seine  Überzeugung  über  die  beste  Grundlage  der 
höheren  Bildung  sich  am  ausgiebigsten  praktisch  betätigen.  Er  hatte  sich  in 
die  klassische  Zeit  der  deutschen  Literatur  mit  den  Jahren  immer  gründlicher 
eingelebt,  Goethe  war  ein  Hauptstudium  von  ihm  geworden.  Von  hier  aus 
Fäden  zum  klassischen  Altertum  zu  spinnen  war  er  emsig  bemüht.  Die 
Richtung  seines  deutschen  Unterrichts  zeigt  sich  in  seinen  Aufsatzthemen, 
die  auf  den  ersten  Blick  z.  T.  vielleicht  zu  hoch  gegriffen  scheinen,  im 
Unterricht  jedoch  soweit  vorbereitet  zu  sein  pflegten,  daß  der  Durchschnitt 
der  Schüler  etwas  damit  anzufangen  wußte.  So  stellte  er  zur  Beantwortung: 
»Durch  Homer,  Sophokles  und  Horaz  zu  Lessing,  Goethe  und  Schiller  — 
lohnt  sich  der  Umweg?«  »Wie  stellt  sich  das  Mäcenatentum  dar  bei  Horaz 
und  bei  Goethes  Tasso?«  »Warum  ist  der  Charakter  des  Bösewichts  im 
neueren  Schauspiel  häufiger  und  mehr  ausgebildet  als  im  griechischen?« 
Eine  anregende  Parallele  ließ  er  ziehen  zwischen  »Elektra  und  Hamlet«. 
»Die  Alten  sind  eigentlich  die  Jungen«  —  das  ist  ein  Leitstern  für  seine 
gesamte  Lebensarbeit  gewesen;  aus  wärmster  Überzeugung  wird  er  seine 
Zöglinge  angeleitet  haben,  diesen  Satz  auf  Grund  ihrer  Klassikerlektüre  zu 
guter  Letzt  auszuführen.  Die  Korrektur  besorgte  er  aufs  eingehendste;  es  war 
auch  für  den  Unbeteiligten  von  Interesse,  seine  prägnanten  Randbemerkungen 


Richter. 


403 


zu  lesen.  Hohen  Wert  legte  er,  selbst  ein  glänzender  Redner,  darauf,  der 
Jugend  die  Zunge  zu  lösen.  y>Omnmm  rerum  regina  oratio^<  hatte  er  einst  in 
lateinischer  Ausarbeitung,  natürlich  nicht  ohne  kritischen  Zusatz,  dartun 
lassen.  Einem  Abiturientenjahrgang  legte  er  in  längerer  Ansprache  ans  Herz: 
»Ein  beredtes  Zeugnis  eurer  Reife  wird  das  Deutsch  sein,  das  ihr  redet«. 
Wer  einen  Begriff  davon  erhalten  will,  wie  er  im  einzelnen  verfuhr,  um  zu 
rechtem  Gebrauch  der  sprachlichen  Form  für  schriftlichen  und  mündlichen 
Ausdruck  zu  erziehen,  Schüler  ebenso  wie  Lehrer,  der  lese  beispielsweise  in 
seinen  »Reden  und  Aufsätzen«  »Der  Lehrer  als  Dichter«,  an  sich  schon  ein 
kleines  Meisterstück  deutscher  Prosa. 

Auch  die  unmittelbarste  Form  schriftlicher  Äußerung,  der  Brief,  wurde 
in  R.s  deutschem  Unterricht  gepflegt.  Die  Art,  in  der  er  selbst  Briefe  schrieb, 
war  freilich  nicht  lehrbar,  ebenso  unnachahmlich  wie  seine  ganze  Persönlich- 
keit. Von  seinen  Abiturienten  ließ  er  sich  Briefe  über  ihre  Berufswahl 
schreiben  und  hat  zu  manchem  ein  gewichtiges  Wort  über  den  Entschluß 
gesprochen,  dem  oder  jenem  geradezu  Richtung  und  Weg  fürs  künftige 
Leben  gezeigt.  Mit  väterlichem  Anteil  begleitete  er  ihren  Schritt  in  die  Frei- 
heit. Als  er  nach  iSjährigem  Bestehen  der  Schule  Ostern  1898  »das  zweite 
Schülergeschlecht«  entließ,  sagte  er:  »Das  dritte  Geschlecht,  das  jetzt  zu 
Ostern  kommen  wird,  mag  und  wird  1907  an  meiner  Stelle  ein  anderer  verab- 
schieden ;  er  wird  es  als  Lehrer  und  Rektor  anders  machen,  als  sein  Vorgänger 
und  wills  Gott  in  wesentlichen  Stücken  besser;  eins  aber  soll  er  nicht  besser 
verstehen  und  bestreite  ich  ihm  im  voraus,  daß  er  mit  größerer  Herzens- 
teilnahme die  jugendliche  Schar  aus  dem  Schutze  und  der  Vormundschaft 
der  Schule,  der  sie  entwachsen,  hinausgehen  hieße  in  die  unsichere  Freiheit 
und  in  das  anspruchsvolle  Leben.« 

Das  Vertrauen,  mit  dem  er  seinen  Schülern  entgegenkam,  ist  selten  ge- 
täuscht worden.  Auch  er  mußte  wohl  an  manchem  erproben  und  warten, 
»ob  nicht  endlich  in  den  trübe  und  träumerisch  verschleierten  Augen  dort 
ein  Licht  des  Verständnisses  aufleuchten,  ob  nicht  jener  unruhige  und  zer- 
fahrene Gesell  unwillkürlich  einmal  stillhalten  wird  in  Aufmerksamkeit  und 
innerer  Sammlung,  ob  es  gelingen  wird,  diese  kühle,  frostige  Natur  zu  er- 
wärmen für  etwas  Großes  in  der  Geschichte  der  Menschheit,  für  etwas  Schönes 
in  Natur  und  Kunst,  oder  aus  jenem  Gesichte  endlich  einmal  den  ständigen 
Zug  der  Verdrossenheit  und  der  mißvergnügten  Ablehnung  zu  vertreiben«. 
Aber  er,  der  Redegewaltige,  der  so  mächtig  zürnen  und  schelten  konnte, 
vergaß  niemals  des  Apostels  Worte:  »Wenn  ich  mit  Menschen-  und  mit 
Engelszungen  redete,  und  hätte  der  Liebe  nicht,  so  wäre  ich  ein  tönend  Erz 
oder  eine  klingende  Schelle«.  So  gelang  es  ihm  meist,  auch  die  Wider- 
strebenden zu  gewinnen  oder  doch  bei  der  Familie  Verständnis  zu  finden  für 
die  Aufgaben  und  Forderungen  der  Schule.  Über  das  Verhältnis  von  Schule 
und  Haus  hat  er  viel  nachgedacht  und  zahlreiche  Beziehungen  zu  Schüler- 
eltern gepflegt,  zumeist  natürlich  in  schwierigen  Fällen.  Das  Familienblatt 
»Daheim«  brachte  zuerst  von  ihm  zwei  sehr  bekannt  gewordene  Aufsätze: 
»Die  Gymnasiastenmutter«  und  »Setzen  Sie  sich  —  aus  Ihnen  wird 
nichts!«  Aus  ihnen  erkennt  man  mit  großer  Deutlichkeit,  worin  ein  Teil  des 
Geheimnisses  lag,  das  seiner  Wirksamkeit  Erfolg  verbürgte.  Er  verstand  die 
Kunst,  die  Jugend  nicht  nur  als  Philolog  und  Schulmann,  sondern  auch  als 


404 


Richter. 


Familienvater  zu  beurteilen,  ihr  menschlich  nahe  zu  treten  und  vielseitig 
gerecht  zu  werden,  so  daß  sie  sich  verstanden  fühlte  und  auch  den  strengen 
und  hochgespannten  Forderungen,  die  er  an  sie  stellte,  zu  entsprechen  strebte. 
Denn  stets  hielt  er  es  mit  einem  seiner  Lieblingssprüche  aus  Horaz:  y^Qui 
studet  optatam  cursu  conttngere  metam,  Multa  tuHt  fecitquc  ptur,  sudaint  et  alsiH^ 
dessen  Inhalt  er  einmal  in  folgenden  Worten  der  Schülerschaft  zurief:  »Glaubt 
mir  das  eine:  Was  immer  treue  Elternsorge,  gründliche  Lehrererfahrung  und 
weitschauende  Staatsweisheit  vereint  ersinnen  und  schaffen  mögen  zur  Um- 
gestaltung unseres  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens,  das  mag  in  den  Formen 
und  Wegen  des  jugendlichen  Lern-  und  Arbeitswesens  mannigfaltige  Verän- 
derungen bringen,  aber  nie  und  nimmer  wird  sich  der  Schweiß  wegschaffen 
lassen,  der  vor  die  Tugend  gesetzt  ist;  unverändert  bleiben  wird  und  muß 
für  euch  die  Notwendigkeit  der  anstrengenden  Übung  für  den  Wettlauf  des 
Lebens«. 

Dafür  hat  R.  gelebt,  darüber  ist  er  grau  geworden,  dabei  ist  er  gestorben, 
ein  unvergeßliches  Vorbild  für  alle,  die  ihn  gekannt  und  ihn  verstanden 
hatten. 

Im  Druck  erschienen  von  R.  Richter  folgende  Schriften:  Ausgewählte  Fabeln  des 
Pbädrus,  erklärt  von  F.  E.  Rasebig.  3.  Aufl.  besorgt  von  R.  Richter.  Berlin,  Weidmann- 
sehe  Buchhandlung  187 1.  XI,  85  S.  gr.  8°.  —  De  quarü  libri  Tibulliani  elegiis  wtprimisque 
de  quinta  dispuiafio,     Programm  des  Kgl.  Gymnasiums  zu  Dresden-Neustadt  1875.  'o  S.  4*». 

—  Bericht  über  Catull  und  die  auf  Catull,  Tibull,  Properz  gemeinsam  bezüglichen  Schriften 
für  die  Jahre  1874,  1875  ^^^  1876.  Separatabdruck  aus  dem  Jahresbericht  Über  die  Fort- 
schritte der  klassischen  Altertumswissenschaft,  1876,  II,  S.  300 — 335.  -^  Caiulliana,  Pro- 
gramm des  Kgl.  Gymnasiums  zu  Leipzig  1881.  26  S.  4°.  —  Schul nachrichten  der  Programme 
des  Kgl.  (König  Albert-)  Gymnasiums  1881 — 1901.  21  Nummern,  4°.  Dazu  in  den  Ver- 
«ffentl.  zur  Gesch.  d.  gelehrten  Schulwesens  in  Sachsen,  I,  Leipzig  1900,  S.  179 — 183: 
Kgl.  Gymnasium  in  Leipzig.  —  Luther  auf  der  Wartburg.  Reden  zur  Feier  des  400.  Geburts- 
festes Luthers  etc.  Leipzig,  Hahnsche  Verlagsbuchh.  1883,  S.  78 — 81.  —  Rede,  gehalten 
bei  der  Versammlung  des  Vereins  Sächsischer  Gymnasiallehrer  zu  Zwickau  d.  4.  April  1891, 
15  S.  gr.  8«.  —  Uhlands  Gedichte.  Auswahl,  herausg.  von  R.  Richter.  Bielefeld  u.  Leipzig, 
Velhagen  &  Klasing  1883.  XI,  150  S.  kl.  8°.  —  Ernst,  Herzog  von  Schwaben  von  L.  Uhland, 
herausg.  von  R.  Richter.  Ebd.  1893.  XIII,  80  S.  kl.  8°.  —  Das  Verhältnis  des  Gymnasiums 
zur  Universität.  Das  humanistische  Gymnasium,  V,  Heidelberg  1894,  S.  65 — 73.  —  Neue 
Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik,  II.  Abt.  1894,  Bd.  150  S.  63 f.:  Besprechung  von 
O.  Jäger,  Pro  domo,  —  1895,  Bd.  152  S.  409 — 418.  457 — 474:  Die  deutsche  G}Tnnasial- 
pädagogik  in  ihrer  neuesten  Fassung.  —  1896,  Bd.  154  S.  209—224:  Zur  Frage  der 
pädagogischen  Vorbildung  für  das  höhere  Lehramt.  —  1897,  Bd.  156  S.  254:  Besprechung 
von  Erdenberger,  Das  Avancement  der  akademisch  gebildeten  Justizbeamten  und  Lehrer  im 
säclis.  Staatsdienste   1886— 1896.  —  S.  408:  Besprechung  von  O.  Kohl,  Griech,  Unterricht. 

—  Neue  Jahrbücher  für  das  klassische  Altertum  usw.  und  für  Pädagogik,  II.  Abt.,  1898, 
Bd.  2  S.  95 — 105:  Die  Geldfrage  in  der  Gymnasialpädagogik.  —  S.  164 — 176:  Lehrkunst 
und  Lehrhandwerk.  —  S.  383 — 384:  Konferenzen.  —  1899,  I.  Abt.,  Bd.  3  S.  302 — 304: 
Besprechung  von  E.  Schmidt  und  J.  Hartmann,  Gedichte  von  L.  Uhland  und  J.  Hartmann, 
Uhland>  Tagebuch  1810 — 1820.  —  II.  Abt.,  Bd.  4  S.  63—64:  Besprechung  von  Th.  Ziegler, 
Der  Kampf  gegen  die  Unmäßigkeit  auf  Schule  und  Universität.  —  S.  119 — 120:  Besprechung 
von:  Zukunftsgymnasium  und  Oberlehrerstand.  —  S.  398 — 400:  Zu  R.  Meister,  Über  die 
Feststellung  der  wissenschaftlichen  Hauptzensur  für  das  Reifezeugnis  an  den  sächsischen 
Gymnasien.  —  1900,  Bd.  6  S.  296 — 304:  Zwei  Stimmen  zur  preußischen  Schulreform.  — 
S.  511 — 512:  Auch  ein  Urteil  über  Pädagogik.  —  Reden  und  Aufsätze  von  R.  Richter.  Mit 
einem  Bildnis  in  Heliogravüre.  Leipzig,  B.  G.  Teubner  1902,  VIII,  247  S.  kl.  8^ 


Richter.     Hoefer.     Toeche. 


405 


Autobiographische  Nachrichten  im  Jahresbericht  des  Gymnasiums  zu  Zwickau  1866, 
S.  37  und  im  Programm  des  Kgl.  Gymnasiums  zu  Dresden-Neustadt  1875,  S.  26f.  — 
Bericht  tiber  R.s  Tod  und  Begräbnis  mit  den  Gedächtnisreden  des  Geheimrats  D.  Dr.  Vogel 
und  des  Konrektors  Prof.  Dr.  Wörner  im  Jahresbericht  des  König  Albert-Gymnasiums  in 
Leipzig  1902,  S.  2 — 7.  —  Grabrede  des  Pfarrers  D.  Dr.  Buchwald  in  den  Pastoralblättem  XLVI, 
304 — 308.  —  E.  Schwabe,  Rieh.  Imm.  Richter,  ein  Gedenkblatt,  im  Hum.  Gymn.  1901, 
V,  229 — 233.  —  J.  Ilberg,  R.  Richters  Reden  und  Aufsätze,  in  den  Neuen  Jahrbüchern  1901, 
VIII,  572—578.  —  Afranisches  Ecce  6.  Heft,  Meißen  1901,  S.  70—85  (Rud.  Richter  und 
E.  Pollack).  —  [J.  Schlurick,]  Nekrolog  im  Bericht  über  die  12.  Jahresversammlung  des 
Sachs.  Gymnasiallehrer\'ereins,  Leipzig  1902,  S.  32 — 37. 

Die  äußere  Erscheinung  R.s  stellt  in  sehr  glücklicher  Weise  als  Sitzbild  die  nach  einer 
Photographie  von  N.  Perscheid  in  Leipzig  hergestellte  Heliogravüre  vor  den  »Reden  und 
Aufsätzen«  dar.  —  Nach  seinem  Tode  ist  eine  Marmorbüste  von  Prof.  Carl  SefFner  in  Leipzig 
geschaffen  worden.  Dem  Künstler  dienten  als  Grundlage  für  sein  Werk  nur  eine  Reihe 
von  photographischen  Aufnahmen  aus  verschiedenen  Zeiten.  Dennoch  ist  es  trefflich 
gelungen  und  von  einer  großen  Zahl  von  Schülern,  Amtsgenossen  und  Freunden  dem 
König  Albert-Gymnasium  in  Leipzig  geschenkt  worden.  Eine  Wiederholung  in  Hermen- 
form  befindet  sich  auf  dem   Leipziger  Nordfriedhofe  an  R.s  Grabstätte. 

Johannes  Ilberg. 

Hoefer,  Hermann, <)  Buchhändler,  *  1835  in  Berlin,  f  16.  Juli  1901  ebenda. 
Einer  der  bekanntesten  deutschen  Buchhändler  der  Neuzeit,  wurde  H.  bereits 
als  14 jähriger  Knabe  dem  Buchhandel  zugeführt,  so  daß  er  sozusagen  »von 
der  Picke  auf  diente«.  Seine  Lehrzeit  bestand  er  in  der  Brünslowschen  Buch- 
handlung in  Neubrandenburg;  seine  Wanderjahre  führten  ihn  nach  Nordhausen, 
Mainz,  Frankfurt  a.  M.,  Berlin,  und  für  längere  Zeit  nach  Prag.  1861 — 65 
war  H.  als  Leiter  der  bekannten  Weidmannschen  Buchhandlung  in  Berlin 
tätig,  um  alsdann  als  Prokurist  in  die  Firma  Dietrich  Reimer  einzutreten  und 
nach  Jahresfrist  ihr  Teilhaber  zu  werden.  Nunmehr  entwickelte  H.  in  Ge- 
meinschaft mit  seinem  Sozius  Dietrich  Reimer  unter  der  Firma  Reimer  und 
Hoefer  eine  umfangreiche  Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  Förderung  der  geo- 
graphischen Wissenschaften.  Die  vorhandenen  großen  Kartenwerke  wurden 
verbessert  und  neue  große  wissenschaftliche  Unternehmungen  auf  dem  Gebiete 
der  Erd-  und  Länderkunde  ins  Leben  gerufen.  Einen  vollständig  neuen  Auf- 
schwung gab  H.  der  Fabrikation  von  Erd-  und  Himmelsgloben.  Mit  Beginn 
des  Jahres  1895  überließ  H.  seinen  Geschäftsanteil  seinem  Sozius,  dem  an 
Stelle  des  1891  verstorbenen  Begründers  der  Firma  eingetretenen  Konsul 
E.  Vohsen.  Bald  darauf  erwarb  H.  den  Renteischen  Schulbücherverlag  in 
Potsdam  und  baute  ihn  durch  Ankauf  des  Gruihnschen  Verlags  in  Danzig 
weiter  aus.  Daneben  übernahm  H.  die  Geschäftsleitung  der  Firma  C.  Regen- 
hardt  in  Berlin,  welche  er  bis  zu  seinem  Tode  inne  hatte. 

Ersprießlich  wirkte  H.  auf  dem  Gebiete  der  buchhändlerischen  Vereins- 
tätigkeit. 

Quellen:  Korporationsbericht  der  Berliner  Buchhändler  1901;  Börsenblatt  für  den 
deutschen  Buchhandel  1901.  Rudolf  Schmidt. 

Toeche,  Ernst, ^)  Buchhändler,  *  24.  März  1844  in  Berlin,  f  3-  Mai  1901 
ebenda.    —   Als  Sohn   des   Geh.  Hofrats  Toeche   geboren,    widmete   sich  T., 

0  Totenliste  1901  Band  VI  48*. 
»)  Totenliste  1901  Band  VI  108*. 


^06  Toeche.     Spamer.     Radnitzky. 

nachdem  er  das  Cöllnische  Gymnasium  absolviert  hatte,  dem  Studium  der  Land- 
wirtschaft in  Eldena.  Dieses  ergänzte  T.  später  durch  praktische  Tätigkeit 
auf  verschiedenen  großen  Gütern.  Doch  wandte  er  sich  im  Jahre  1870  dem 
Buchhandel  zu  und  absolvierte  seine  Lehrzeit  bei  seinem  Bruder,  dem  In- 
haber der  Kieler  Universitätsbuchhandlung.  1871  trat  er  in  das  Geschäft 
seines  ältesten  Bruders  Theodor  Toeche,  Besitzer  der  großväterlichen  Firma 
E.  S.  Mittler  &  Sohn  in  Berlin  ein,  und  verblieb  daselbst  bis  zum  Jahre  1879. 
In  diesem  Jahr  bot  sich  ihm  eine  gute  Gelegenheit  zur  buchhändlerischen 
Selbständigkeit,  indem  ihm  der  Kommissionsverlag  der  Deutschen  Bauzeitung 
und  des  Deutschen  Baukalenders  angeboten  wurde.  T.  willigte  ein  und 
errichtete  auf  dieser  Grundlage  einen  ansehnlichen  Verlag  von  Architektur- 
werken, so  daß  seine  Firma  bald  in  der  Reihe  der  ersten  Berliner  Verlags- 
geschäfte genannt  wurde. 

Quellen:  Korporationsbericht  der  Berliner  Buchhändler   1901. 

Rudolf  Schmidt. 

Spamer,  Hugo,*)  Buchhändler,  *  5.  Juni  1846  in  Leipzig,  f  am  30.  Januar 
1901  in  Berlin.  —  Sp.  war  der  Sohn  des  bekannten  Leipziger  Verlagsbuchändlers 
Otto  Spamer,  der  ihn  von  Anfang  an  zum  buchhändlerischen  Berufe  bestimmte. 
Nach  Absolvierung  der  höheren  Schule  in  Leipzig  trat  Hugo  als  Lehrling  in 
die  Jaegersche  Buchhandlung  in  Frankfurt  a.  M.  ein.  Seine  Wanderjahre 
führten  ihn  zu  F.  Volckmar  in  Leipzig  und  dann  nach  Zürich,  wo  er  als 
Geschäftsführer  der  Firma  Orell  Füßli  &  Co.  tätig  war.  1876  trat  an  ihn 
das  Anerbieten  heran,  als  Vertreter  mehrerer  großer  Firmen  während  der 
Weltausstellung  in  Philadelphia  tätig  zu  sein.  Sp.  willigte  ein  und  blieb 
auch  nach  Beendigung  der  Ausstellung  noch  einige  Jahre  im  Dollarlande. 
1879  eröffnete  Sp.  unter  seinem  Namen  in  Berlin  eine  Verlagsbuchhandlung, 
deren  Grundlage  eine  Berliner  Vertretung  des  väterlichen  Geschäfts  in  Leipzig 
bildete.  Daneben  pflegte  er  einen  Verlag,  der  zwar  keinen  besonders  großen 
Umfang  annahm,  ihm  aber  doch  schöne  Erfolge  brachte.  Namentlich  die 
Herausgabe  mustergültiger  Schulbücher,  besonders  solche  für  kaufmännische 
Fortbildungsschulen,  betrachtete  er  als  seine  Hauptaufgabe. 

Sp.  hat  aber  auch  neben  seiner  geschäftlichen  Tätigkeit  eine  umfang- 
reiche Wirksamkeit  entfaltet.  Im  Berliner  Kommunalleben  war  er  eine  be- 
kannte und  hochgeschätzte  Persönlichkeit,  tief  erfüllt  von  der  Pflicht,  der 
notleidenden  Menschheit  mit  allen  seinen  Kräften  zu  dienen.  So  sehen  wir 
Sp.  in  einer  großen  Reihe  von  Ehrenämtern:  im  Vorstande  des  Berliner 
Armenvereins,  des  Seemannsheims,  als  Vorsitzender  des  Kuratoriums  der 
kaufmänn.  Fortbildungsschulen,  als  Beisitzer  des  Berliner  Gewerbegerichts  usw. 

Quellen:  Korporationsbericht  der  Berliner  Buchhändler  1901. 

Rudolf  Schmidt. 

Radnitzky,  Karl,^)  *  16.  Nov.  181 8  zu  Wien,  f  ebenda  10.  Januar  1901. 
—  R.  entstammt  einer  seit  Generationen  in  Wien  ansässigen  Kunsthandwerker- 
familie.   Sein  Vater  Joseph  R.  war  k.  k.  Hofgraveur.     R.  besuchte  die  unteren 


»)  Totenliste  1901  Band  VI   loi*. 
«)  Totenliste  1901   Band  VI  83*. 


Radnitzky.     von  Schweinitz.  AQn 

Klassen  des  Schottengymnasiums  und  trat  sodann  bei  dem  Kammermedailleur 
und  Direktor  des  Hauptmünzamtes  Josef  Daniel  Böhm  als  Schüler  ein. 
1836  wurde  er  als  Münzgraveur  angestellt  und  vollendete  1842  sein  erstes 
größeres  Werk,  die  Rubensmedaille,  für  welche  er  von  der  Akademie  der 
bildenden  Künste  mit  dem  Reicheischen  Künstlerpreise  ausgezeichnet  wurde. 
Sein  Erfolg  bei  einem  1847  unter  den  Münzgraveuren  veranstalteten  Konkurse 
verschaffte  ihm  ein  Stipendium  für  eine  Studienreise  nach  Deutschland, 
Frankreich  und  Belgien.  Der  Ausbruch  der  Revolution  und  Familien- 
rücksichten veranlaßten  seine  Rückkehr  von  Paris  nach  Wien  und  machten 
weiteren  Reiseplänen  ein  Ende.  1850  wurde  er  an  die  Akademie  der  bilden- 
den Künste  für  den  Unterricht  im  ornamentalen  und  figuralen  Modellieren 
berufen.  1853  erhielt  er  daselbst  die  Professur  für  Plastik,  Ornamentik  und 
Medailleurkunst  und  verblieb  in  dieser  Stellung  bis  1881.  Von  seinen  zahl- 
reichen Arbeiten  seien  genannt'  die  Medaillen  auf  die  27.  Naturforscher- 
versammlung in  Wien,  auf  die  100 jährige  Feier  von  Mozarts  Geburt,  die 
große  Preismedaille  der  Akademie  der  bildenden  Künste  in  Wien,  die  Me- 
daillen auf  den  Bau  der  ungarischen  Akademie  der  Wissenschaften  in  Pest, 
auf  die  Jubelfeier  der  Wiener  Universität,  auf  die  Eröffnung  des  k.  k.  österr. 
Museums  für  Kunst  und  Industrie,  ferner  Medaillen  auf  Jenny  Lind,  Papst 
Gregor  XVI.,  Meyerbeer,  Halm,  Grillparzer,  Franz  I.iszt,  Anastasius  Grün, 
auf  das  Jubiläum  des  Stiftes  Kremsmünster,  auf  die  Eröffnung  des  Neubaues 
der  Akademie  der  bildenden  Künste,  auf  das  Schillerdenkmal,  die  Votiv- 
kirche.  Auch  größere  und  kleinere  Porträtbüsten  und  Medaillons  wie  jene 
auf  Hammer-Purgstall ,  L.  A.  Frankl,  sowie  die  Kolossalbüste  Beethovens 
für  das  Vestibül  des  Musikvereinsgebäude  hat  er  geschaffen,  ebenso  die 
15  Medaillons  auf  den  Logenbrüstungen  des  Hofoperntheaters,  darstellend  die 
Bildnisse  berühmter  Sänger  und  Sängerinnen,  Tänzer  und  Tänzerinnen. 

Von  seinem  Lehrer  Böhm,  der  ein  ungewöhnlich  wissender  Kunstkenner 
war,  in  die  Kunstwissenschaft  und  in  den  Kreis  der  Heider,  Eitelberger, 
Falke  etc.  eingeführt,  entwickelte  sich  R.  schon  frühzeitig  als  Kunstgelehrter 
und  beschäftigte  sich  zeitlebens  mit  der  Kunst-  und  Kulturgeschichte  vor 
allem  seiner  österreichischen  Heimat.  Durch  lange  Jahre  gehörte  R.  der 
Zentralkommission  zur  Erforschung  und  Erhaltung  von  Kunstdenkmalen,  von 
1868  bis  1898  auch  dem  Kuratorium  des  k.  k.  österr.  Museums  an.  Von 
seinen  Schülern  seien  hervorgehoben  Sir  Edgar  Böhm,  später  Hofbildhauer 
in  England,  Hermann  Wittig,  Robert  Weigl  u.a.         Eduard  Leisching. 

Schweinitz,  Hans  Lothar  von,')  preußischer  General  und  Diplomat, 
*  30.  Dezember  1822  zu  Kleinkrichen  b.Lüben  (Schles.),  f  24.  Juni  1901  in  Kassel. 
—  Schw.  schlug  zunächst  die  rein  soldatische  Laufbahn  ein,  sah  sich  aber  später, 
gleich  seinem  Freunde  Bernhard  v.  Werder,  in  den  diplomatischen  Dienst 
hinübergeleitet.  Nebenher  als  Militär  immer  höher  steigend,  wurde  er  in 
gewichtigen  diplomatischen  Stellungen  ein  verdienstvoller  Mitarbeiter  des 
Fürsten  Bismarck  bei  der  Gestaltung  der  Beziehungen  Preußens  und  des 
Deutschen  Reichs  zu  den  Kabinetten  von  Wien  und  Petersburg;  ihm  gebührt 
ein  Ehrenplatz  unter  denen,    die  in  der  ruhmvollsten  Periode  der  deutschen 


»)  Totenliste  1901  Band  VI  97*. 


Ao8  von  Schweinitz. 

Geschichte  unter  Bismarcks  Leitung  dem  Vaterlande  treu  und  geschickt  ge- 
dient haben.  Ein  wohlunterrichteter  ehemaliger  Gehülfe  des  Generals  v.  Schw. 
aus  der  Petersburger  Zeit,  der  jetzige  Reichskanzler  Graf  Bülow,  hält  dafür 
—  und  hat  diese  Ansicht  auch  in  der  Reichstagssitzung  vom  19.  März  1903 
zum  Ausdruck  gebracht  — ,  daß  Schw.  »einer  der  hervorragendsten  Diplomaten 
war,  die  Preußen  je  besessen  hat«.  Freilich  lassen  sich  zurzeit  lediglich 
Bruchstücke  seiner  Betätigung  im  Bereiche  der  hohen  Politik  mitteilen;  das 
Hauptmaterial  ruht  in  den  Archiven  und  in  den,  soviel  berichtet  wird,  von 
Schw.  hinterlassenen  Denkwürdigkeiten;  die  Würdigung  seines  diplomatischen 
Wirkens  kann  gegenwärtig  nur  wenig  in  die  Tiefe  gehen. 

Schw.  ist  zeit  seines  Lebens  nach  Wesen,  Charakter  und  Auftreten  preu- 
ßischer Offizier  im  besten  Sinne  des  Wortes  gewesen.  Wer  ihn  sah  und 
seinen  Lebensgang  überblickte,  wurde  —  so  äußert  sich  Graf  Bülow  —  an 
das  Wort  erinnert,  das  Goethe  in  seinen  »Wahlverwandtschaften«  Ottilie  in  die 
Feder  diktiert,  nämlich  daß  die  größten  Vorteile  im  Leben  überhaupt  wie 
in  der  Gesellschaft  ein  gebildeter  Soldat  habe.  Schw.  war  in  einem  seltenen 
Maße  allgemein  gebildet.  Nicht  nur  im  Sinne  der  Büchergelehrsamkeit;  vor 
allem  war  er  in  die  Lage  gekommen,  in  den  verschiedensten  Stellungen,  in 
vielen  Kreisen  und  Ländern  vieler  Menschen  Städte  zu  sehen  und  Sinnes- 
weise zu  erkennen.  Im  November  1840  trat  er  beim  i.  Garderegiment  zu  Fuß 
ein,  in  dem  er  im  folgenden  Jahre  Sekondleutnant,  1852  Premierleutnant 
wurde,  und  lernte  früh  den  preußischen  Hof  und  die  im  preußischen  Staats- 
wesen entscheidenden  Verhältnisse  kennen.  Durch  Reisen  erweiterte  er  sein 
Wissen  über  den  Potsdamer  Gesichtskreis  hinaus.  Ein  Regimentskamerad 
verschaffte  ihm  die  Bekanntschaft  mit  dem  Vormund  eines  wohlhabenden 
jungen  Herrn  v.  Wartenberg,  welch  letzteren  er  sodann  nach  dem  Westen 
und  Süden  Europas  begleiten  durfte;  Schw.  blieb  diesem  Kameraden  dauernd 
dafür  dankbar^  weil  er  jene  große  Reise  als  die  Grundlage  seiner  späteren 
Laufbahn  ansah.  Abhandlungen  über  die  Armeen  des  westlichen  Europa  und 
über  den  Orden  vom  goldenen  Vließ  fanden  höheren  Orts  besondere  Be- 
achtung. Kurzum,  1854  treffen  wir  den  Premierleutnant  v.  Seh.  als  Adjutanten 
beim  Oberkommando  der  Truppen  in  Frankfurt  a.  M.  Dort  verkehrte  er 
eifrig  mit  dem  damaligen  preußischen  Bundestagsgesandten,  der  nachmals 
das  Deutsche  Reich  ins  Leben  rufen  sollte.  1856  wurde  er  Hauptmann,  1857 
persönlicher  Adjutant  des  Prinzen  Friedrich  Wilhelm  von  Preußen;  1860  ging 
er  als  Major  zur  Gesandtschaft  in  Wien,  kehrte  aber  1863  als  persönlicher 
Adjutant,  unter  Stellung  ä  la  suite  des  Generalstabes  der  Armee,  zu  Kron- 
prinz Friedrich  Wilhelm  zurück.  Im  Feldzug  1864,  den  er  beim  Kronprinzen 
mitmachte,  erwarb  er  sich  die  Schwerter  zum  Roten  Adlerorden  4.  Klasse 
und  die  Kriegsdekoration  zum  österreichischen  Leopoldorden,  wurde  im 
April  1865  zum  Flügeladjutanten  des  Königs  ernannt  und  als  Oberstleutnant 
und  Militärbevollmächtigter  im  Mai  desselben  Jahres  nach  Petersburg  kom- 
mandiert. In  dieser  Stellung  leistete  Schw,  1866  Preußen  Dienste,  die  in  ihrem 
ganzen  Umfang  zu  Tage  treten  dürften,  wenn  sich  einmal  die  Archive  öffnen 
werden.  Als  Vertrauensmann  Bismarcks  war  er  das  eigentliche  politische 
Mittelglied  zwischen  dem  Leiter  der  preußischen  Staatskunst  und  dem  russi- 
schen Hofe.  Im  großen  Hauptquartier  nahm  er  am  Feldzug  gegen  Österreich 
teil,  erlebte  in  der  Umgebung  des  Königs  den  3.  Juli  und  empfing  das  Ritter- 


von  Schweinitz. 


409 


kreuz  des  Hausordens  von  Hohenzollern  mit  Schwertern.  Noch  1866  zum 
Obersten  befördert,  war  er  seit  1869  Generalmajor  und  General  ä  la  suite 
des  Königs  und  erhielt  im  Dezember  des  letzteren  Jahres  die  Ernennung  zum 
Gesandten  für  Preußen  und  den  Norddeutschen  Bund  in  Wien.  Als  solcher, 
von  1871  ab  als  Botschafter  des  Deutschen  Reiches  bahnte  er  den  Übergang 
von  einem  vorher  feindlichen  Verhältnis  zu  den  freundschaftlichen  und  sicheren 
Beziehungen  an,  die  uns  jetzt  mit  Österreich-Ungarn  verbinden.  Es  galt,  er- 
hebliche Schwierigkeiten  aus  dem  Wege  zu  räumen.  Insbesondere  scheint 
die  Erinnerung  an  die  von  Bismarck  betriebene  Insurrektion  Ungarns  lange 
Zeit  ungünstig  nachgewirkt  zu  haben.  »Nichts«,  schrieb  Schw.  1897  dem  Ver- 
fasser dieses  Nachrufs,  »erschwerte  mir  meine  Versöhnungsbestrebungen  so 
sehr  wie  die  Klapka-Affäre;  gerade  die  Besten  unter  meinen  Freunden  aus 
früherer  Zeit  konnten  sie  nicht  vergessen«.  Schw.  selbst  bekennt  sich  als  wenig 
erbaut  von  dieser  Maßregel  des  von  ihm  hochgeschätzten  Staatsmannes,  einer 
Maßregel,  über  deren  politische  Berechtigung  und  moralische  Zulässigkeit 
noch  heute  die  Meinungen  stark  auseinandergehen.  Beachtenswert  ist  der 
Eindruck,  den  Ranke  im  November  1870  in  Wien  von  dem  damals  in  der 
Hofburg  beglaubigten  preußischen  Gesandten  gewann  und  den  er  dem  General 
Manteuffel  mit  den  Worten  mitteilte,  Schw.  scheine  ihm  ganz  der  Mann  für 
seine  Stelle  zu  sein.  Einer  seiner  Wiener  Mitarbeiter  rühmt  an  ihm  den 
scharfen  Verstand,  die  gründliche  Kenntnis  der  damals  sehr  verwickelten 
Balkan-Angelegenheiten  und  die  klare,  fesselnde  Schreibweise;  dies  alles  ge- 
staltete den  Verkehr  mit  Seh.  zu  einem  ungemein  anregenden.  Der  Schwer- 
punkt seines  politischen  Lebens  lag  in  seiner  Tätigkeit  in  Petersburg,  wohin 
er  1876  versetzt  wurde.  In  unseren  Beziehungen  zu  Rußland  erlebte  er  — 
man  denke  nur  an  die  Zeit  unmittelbar  nach  dem  Berliner  Kongreß  und  an 
die  schwere  Krise  unter  Alexander  III.  —  sehr  verschiedene  Phasen,  hielt 
aber  stets  daran  fest,  daß  zwischen  Preußen-Deutschland  und  Rußland  keine 
tiefergehenden  Interessengegensätze  bestehen,  wohl  aber  von  allgemein  poli- 
tischen wie  dynastischen  und  konservativen  Gesichtspunkten  aus  Anlaß  zu 
einem  freundnachbarlichen  Verhältnis  vorliegt.  Es  war  nicht  zum  geringsten 
Teil  sein  Verdienst,  wenn  während  seiner  Amtsführung  auch  Reibungen 
zwischen  Deutschland  und  Rußland  nie  zu  einem  unheilbaren  Bruch  führten. 
In  der  Theorie  war  er  konservativ,  in  der  Art  der  altpreußischen  Konservativen 
vor  1866,  nach  dem  Muster  eines  Leopold  v.  Gerlach;  aber  doktrinäre  Er- 
wägungen hinderten  ihn  nicht,  die  Politik  des  großen  Kanzlers  als  eines 
seiner  besten  Werkzeuge  wie  in  Wien,  so  in  Petersburg  an  seinem  Teile  aus- 
führen zu  helfen.  In  der  Armee  seit  1871  Generalleutnant,  seit  1875  General- 
adjutant seines  kaiserlichen  Herrn,  seit  1884  General  der  Infanterie,  verharrte 
er  in  der  diplomatischen  Stellung  an  der  Newa  bis  Ende  November  1892. 
Der  schwarze  Adlerorden  und  der  Andreasorden  mit  Brillanten  bezeugten  die 
besondere  Anerkennung,  die  man  in  Berlin  und  Petersburg  seiner  Wirksam- 
keit widerfahren  ließ. 

Schw.  war  —  um  die  lebensvolle  Schilderung  des  Grafen  v.  Bülow  wieder- 
zugeben — ,  »ein  glänzender  Causeur,  aber  kein  Schwätzer;  liebenswürdig, 
ohne  je  seiner  Würde  oder  der  Würde  seines  Landes  etwas  zu  vergeben. 
Er  vernachlässigte  nicht  das  Detail  des  Dienstes,  behielt  aber  immer  die  großen 
Linien  der  um  ihn  sich   vollziehenden  Entwicklungen  im  Auge.     Das   volks- 


^10  von  Schweinitz.     zu  Hohenlohe-Schillingsfürst. 

wirtschaftliche  und  juristische  Wissen,  das  er  sich  mehr  autodidaktisch  an- 
geeignet hatte,  war  nicht  ohne  I^ücken.  Diese  Lücken  wurden  aber  auf- 
gewogen durch  Menschenkenntnis,  Erfahrung,  Savoir  faire  und  Bon  sens. 
Er  fiel  nie  aus  der  Rolle.  Sein  Aplomb  war  allem  gewachsen.  Seine  Ver- 
trautheit mit  dem  Parkett  der  Höfe  hinderte  ihn  nicht,  auch  Volksströmungen 
scharf  zu  beobachten  und  richtig  zu  beurteilen.  Leidenschaftlicher  Jäger 
von  Kindheit  auf  und  bis  ins  hohe  Greisenalter,  hatte  er  auch  für  die  Ob- 
jekte seiner  politischen  Beobachtung  den  scharfen  Jägerblick.  In  eigentüm- 
lichem Gegensatz  zu  dem  praktischen  Zug  in  seinem  Wesen,  der  ihn  trotz 
mancherlei  äußerer  Schwierigkeiten  und  ohne  besondere  Konnexionen  eine 
glänzende  Karriere  machen  ließ,  stand  die  Neigung  zu  philosophischer  Be- 
trachtung der  Dinge,  die  seinem  Wesen  namentlich  im  Alter  etwas  Ab- 
geklärtes gab.«  Im  Grunde  seines  Herzens  war  er  kein  Freund  der  großen 
Welt  und  ihrer  Geselligkeit.  Am  wohlsten  war  ihm,  wenn  er  der  erwähnten 
Jagdliebhaberei  nachgehen,  in  der  Waldestiefe  nach  dem  Auerhahn  und  dem 
Hirsch  oder  in  der  einsamen  Hochalpenwelt  nach  der  Gemse  spüren  und 
das  edle  Wild  mit  seiner  sicher  treffenden  Büchse  erlegen  konnte.  In  Wien 
hatte  er  sich  mit  einer  jungen  Amerikanerin,  Tochter  des  dortigen  amerikani- 
schen Gesandten,  verheiratet*  und  lebte  mit  ihr  in  einer  sehr  glücklichen,  mit 
reichem  Nachwuchs  gesegneten  Ehe. 

In  den  Ruhestand  versetzt,  zog  sich  General  v.  Seh.  nach  Kassel  zurück 
und  starb  dort  1901  im  79.  Jahre  seines  Lebens.  Unter  ausnehmend  großer 
Beteiligung  der  Bevölkerung  wurden  seine  irdischen  Überreste  am  26.  Juni 
des  genannten  Jahres  auf  dem  Kasseler  Militärfriedhof  beigesetzt. 

Das  gedruckt  vorliegende  Quellenmaterial  beschränkt  sich  auf  vielfach  verstreute  Er- 
wähnungen, die  vornehmlich  der  ßismarckliteratur  angehören.  Dazu  Mitteilungen  des 
Generals  der  Infanterie  z.  D.  v.  Kleist,  des  Reichskanzlers  Grafen  v.  Bülow,  des  preußischen 
Gesandten  am  sächsischen  Hofe,  Wirklichen  Geheimen  Rats  Grafen  v.  Dönhoff. 

Koburg.  Dr.  Thilo  Krieg. 

Hohenlohe- Schillingsfürst,  Fürst  Chlodwig  zu/)  Prinz  zu  Ratibor  und 
Corvey,  Staatsmann,  *  31.  März  1819  auf  dem  landgräflichen  Schlosse  Rothen- 
burg an  der  Fulda,  f  ^^  6.  Juli  5  Uhr  früh  1901  zu  Ragaz,  wo  er  zur  Kur 
weilte.  —  Fürst  Chlodwig  war  der  zweite  Sohn  des  Fürsten  Franz  Joseph  und 
der  Fürstin  Constanze  geborenen  Hohenlohe-Langenburg.  Das  uralte  Adels- 
geschlecht der  Hohenlohe  spielt  seit  mehr  denn  700  Jahren  eine  bedeutsame 
Rolle  in  der  Geschichte  des  deutschen  Reiches.  Als  die  Hohenlohe  1806 
von  der  Mediatisierung  betroffen  wurden,  zogen  sie  sich  nicht  wie  so  viele 
andere  Standesherren  grollend  vom  Staatsleben  zurück,  sondern  dienten  der 
großen  Sache  des  ganzen  Vaterlandes  als  Staatsmänner,  Diplomaten  und 
Offiziere.  Prinz  Chlodwig  sollte, gerade  diese  vornehme  Tradition  des  Hohen- 
loheschen  Hauses  in  der  glücklichsten  Weise  verkörpern. 

Im  landgräflichen  Schlosse  Rothenburg  verbrachte  der  junge  Prinz  wohl 
den  größten  Teil  seiner  Kinder-  und  Jugendjahre.  Auf  den  Universitäten 
Bonn,   Lausanne,   Göttingen   und   Heidelberg  oblag  der  künftige  bayerische 


')  Totenliste  1901   Band  VI  48*. 


^  Hohenlohe-Scbillmgsfllrst  ^11 

Minister  und  spätere  Reichskanzler  dem  Studium  der  Rechts-  und  Staats- 
wissenschaften und  war  ein  eifriger  Hörer  Thibauts,  des  bekannten  Vorfechters 
für  ein  gemeinsames  deutsches  Zivilgesetzbuch. 

Aus  dem  Entwicklungsgang  des  jungen  Prinzen  Chlodwig  ersehen  wir, 
wie  früh  bei  ihm  und  zwar  im  Gegensatz  zu  den  Gepflogenheiten  seiner 
standesherrlichen  Zeitgenossen  der  Geist  des  künftigen  modernen  Staatsmanns 
sich  verriet.  Ein  edles  Selbständigkeitsgefühl  sagte  ihm  zunächst,  daß  die 
eigene  Ausbildung  und  nicht  etwa  die  feudalen  Prärogativen  als  der  erste 
Wegweiser  zu  betrachten  sei,  welcher  zur  Staatslaufbahn  hinführen  müsse. 
Als  daher  Prinz  Chlodwig  zu  Hohenlohe- Schillingsfürst  im  Jahre  1842  als 
Auskultator  am  Justizsenat  in  Ehrenbrei tstein  und  dann  später  als  Referendar 
bei  der  Regierung  in  Potsdam  in  den  preußischen  Staatsdienst  trat,  gab  er 
nicht  nur  seinen  etwas  überraschten  Standesgenossen,  ohne  es  zu  wollen,  eine 
heilsame  Lehre,  sondern  zeigte  sich  als  Sohn  einer  neuen  Zeit,  zugleich  als 
Vertreter  jener  freiheitlichen  Bestrebungen,  welche  ihn  als  einen  der  vor- 
nehmsten Verfechter  des  modernen  Liberalismus  auf  dem  Gebiete  der  Politik 
wie  der  Kultur  im  19.  Jahrhundert  erscheinen  lassen. 

Dadurch,  daß  der  junge  Prinz  am  Ausgange  seiner  Studienzeit  sich  ent- 
schloß, der  preußischen  Krone  seine  Dienste  zu  widmen  mit  Hintansetzung 
aller  partikularistischen  Bestrebungen,  verriet  er,  wie  frühzeitig  sein  Geist 
sich  vollständig  mit  dem  nationalen  Gedanken  Deutschlands  identifizierte. 
Das  größere  deutsche  Vaterland  war  denn  auch  von  Jugend  an  der  Gegen- 
stand seiner  höchsten  und  leidenschaftlichsten  Liebe.  Wie  der  junge  Cavour 
hätte  auch  Prinz  Chlodwig  schreiben  können:  *Ma  patrie  aura  taute  ma  ?//>, 
je  ne  lui  serai  Jamals  infidUe«.  Die  Rolle,  die  er  in  seinem  engeren,  von  parti- 
kularistischen Strömungen  zerrissenen  Vaterlande,  in  dem  vormärzlichen  Bayern 
spielen  sollte,  hat  vieles  mit  jener  erlösenden  Tätigkeit  gemein,  die  Cavour 
zeitlebens  der  italienischen  Sache  gewidmet  hat. 

Wir  können  uns  heute  das  Ungewohnte,  das  Verblüffende,  ja  das  Ab- 
stoßende, das  die  altbayerischen  Kreise  empfinden  mußten,  als  sie  den  Prinzen 
Chlodwig  aus  eigenem  Antrieb  in  preußische  Dienste  treten  sahen,  auch  nicht 
annähernd  vorstellen. 

»Das  vormärzliche  Bayern«,  schreibt  der  Verfasser  eines  trefflichen  Nekro- 
logs (Münchener  Neueste  Nachrichten  7.  Juli  1901  Nr.  310.  Altreichskanzler 
Fürst  Hohenlohe),  »war  ein  Kuriosum  unter  den  vielfarbigen  Staatsgebilden 
der  bundestäglichen  Zeit.  Der  Prozeß  der  Verschmelzung  zwischen  den 
älteren  bajuvarischen  Teilen  mit  den  protestantischen  Markgrafschaften  und 
den  Reichsstädten  hatte  kaum  begonnen  ....  Man  fand  in  Altbayern  — 
kleine  Kreise  ausgenommen  —  alles  gut,  weil  es  einmal  so  war.  Von  dem 
Schatze  an  Volkskraft,  den  Preußen  inzwischen  aufgespeichert  hatte,  ahnte 
man  nichts.  In  den  süddeutschen  Fastnachtspäßen  der  vierziger  Jahre  war 
der  »Preuß'<  eine  stehende  Figur,  zuerst  grotesk  anmaßend  und  dann  verzagt, 
wenn  er  bajuvarische  oder  schwäbische  Kraft  verspürt  hatte.  Und  solche 
Anschauungen  traf  man  nicht  etwa  nur  bei  den  Leuten,  die  niemals  über  die 
Nordgrenze  hinausgekommen  waren,  sie  fanden  sich  bis  hoch  in  die  Kreise 
der  »Reichsräte«  hinauf.« 

Zunächst  sollte  der  Prinz  aber  nur  drei  Jahre  in  Preußen  bleiben.  Durch 
den    unerwarteten    Tod    seines    Bruders  Victor,    des    damaligen    Inhabers 


4.12  ^u  Hohenlohe-Scbillingsfarst. 

des  Majorats  Schillingsfürst,  fiel  dieser  Sitz  dem  späteren  Reichskanzler  zu. 
Aus  der  Schule  der  Regierungs-  und  Verwaltungsgeschäfte,  wo  er  sich  mit 
der  Technik  und  den  Grundsätzen  des  staatsmännischen  Lebens  bekannt 
gemacht  hatte,  trat  nun  Fürst  Chlodwig  zu  Hohenlohe-Schillingsfürst  in  die 
Bewirtschaftung  seiner  neuen  Besitzungen.  Dieser  Umstand  gab  ihm  Gelegen- 
heit, seine  Energie  zu  entwickeln  und  große  Kenntnisse  in  der  Landwirtschaft 
zu  gewinnen.  Die  nächsten  Jahre  zeigen  uns  den  jungen  Fürsten  als  Inhaber 
von  Schillingsfürst  sicher  auf  der  Höhe  seiner  ökonomischen  Tätigkeit,  liefern 
uns  aber  auch  den  Beweis,  daß  er  keineswegs  darin  aufging,  wie  wir  noch 
weiter  sehen  werden. 

Am  i6.  Februar  1847  vermählte  sich  Fürst  Chlodwig  zu  Frankfurt  a.  M. 
mit  Prinzessin  Marie  von  Sayn- Wittgenstein.  Durch  diese  Verbindung  mit 
dem  Hause  Sayn-Wittgenstein  gewann  der  Fürst  wirtschaftliche  und  politische 
Beziehungen  zu  Rußland.  Aus  der  Ehe  des  Fürsten  mit  der  Prinzessin  ent- 
sprangen die  Prinzessinnen  Elisabeth  und  Stephanie,  welch  letztere  mit  dem 
Grafen  Arthur  von  Schönborn -Wiesentheid  vermählt  war  und  1882  starb, 
dann  als  ältester  Sohn  Fürst  Philipp  Ernst;  ihm  folgten  Prinz  Moritz  und 
Prinz  Alexander.  Prinz  Alexander  zu  Hohenlohe  ist  der  einzige  unter  den 
Söhnen  des  Fürsten,  welcher  politisch  und  zwar  ganz  im  Geiste  seines  edlen 
Vaters  hervortreten  sollte. 

Soweit  die  erste  Phase  in  der  Entwicklung  dieses  im  besten  Sinne  des 
Wortes  modernsten  und  zugleich  besonnensten  deutschen  Fürsten.  Sehen  wir 
nun,  was  nach  solcher  Vorbereitung  zum  Leben  ihm  als  Staatsmann  und 
Parlamentarier,  als  Botschafter  und  Kaiserlichem  Statthalter,  endlich  als  Kanzler 
des  deutschen  Reiches  zu  vollbringen  gewährt  war. 

Bis  zum  Jahre  1846  hat  Fürst  Chlodwig  an  der  praktischen  Politik  so 
gut  wie  keinen  oder  doch  nur  geringen  Anteil  genommen.  Als  Inhaber  der 
ehemals  reichsunmittelbaren  Standesherrschaft  Schillingsfürst,  mit  der  ein 
erblicher  Sitz  in  der  ersten  Kammer  des  Königreichs  Bayern  verbunden  war, 
wurde  er  Mitglied  des  hohen  Hauses  des  Reichsrats  und  trat  der  sogenannten 
kleinen  liberalen  Partei  bei,  welcher  die  Grafen  Reigersberg  und  Giech  als 
Führer  angehörten.  Seine  außerordentliche  Begabung,  ein  großes  Können  und 
Wissen,  verbunden  mit  einem  bewundernswerten  politischen  Taktgefühl  kamen 
in  der  bayerischen  Reichsratskammer  alsbald  zur  Evidenz. 

Der  Aufenthalt  des  jungen  bayerischen  Standesherrn  in  Preußen  hatte 
ihm  auf  sichtliche  Weise  nach  verschiedenen  Richtungen  hin  genützt,  in  dem 
Milieu,  wo  er  nunmehr  als  Mitglied  der  ersten  Kammer  zu  wirken  hatte, 
vielfach  aber  geschadet.  Man  glaubte  in  ihm  einen  Vollblutpreußen  erkennen 
zu  müssen  und  hielt  ihn  in  bajuvarischen  Kreisen  für  einen  Feind  der  ein- 
heimischen Interessen.  Als  er  nun  gar  mit  der  Kritik  gewisser  bayerischer 
Verhältnisse  nicht  hinter  dem  Berge  hielt,  erstand  ihm  eine  starke  Opposition, 
zugleich  aber  auch  eine  ihm  und  seinen  Anschauungen  ergebene  Partei.  In 
ihm  begrüßten  patriotische  Männer  wie  Völderndorff  den  künftigen  Leiter, 
»der  die  Einzelkräfte  auf  ein  Ziel  zusammenzufassen  vermochte«. 

In  der  gewaltigen  Bewegung  der  zweiten  Hälfte  der  vierziger  Jahre  boten 
sich  dem  jungen  Fürsten  zahlreiche  Gelegenheiten,  in  Fragen  der  inneren  wie 
der  äußeren  Politik  hervorzutreten.  Und  da  ist  denn  höchst  bemerkenswert, 
daß  der  Fürst  von  Anbeginn  seiner  politischen  Laufbahn   das  Recht  des  Jn- 


zu  Hohenlohe-Schillingsfürst.  ^Ij 

dividuums  gegenüber  jedweder  Bedrückung  des  Gewissens  und  der  freien 
Bewegung  im  Gebiete  des  materiellen  und  geistlichen  Lebens  verfocht. 
Freilich  diese  Stellungnahme  wurde  von  den  meisten  seiner  Standesgenossen 
im  Reichsrat  als  eine  »demokratische«  zurückgewiesen.  Der  mehr  vorwärts 
als  rückwärtsblickende  Hohenlohe  kam  in  diesem  Milieu  in  eine  Isolierung, 
die  man  aber  als  eine  f> splendid  isolation<!^  bezeichnen  kann.  Es  scheint  auch, 
um  das  gleich  hier  einzuflechten,  als  ob  das  Anerkennen  einer  gesunden 
Evolution  in  der  Entwicklung  der  politischen  und  kulturellen  Dinge  im  Hause 
Hohenlohe -Schillingsfürst  gleichsam  als  eine  unantastbare  Tradition  vom 
Vater  auf  die  sich  mit  Politik  befassenden  Söhne  übergegangen  sei. 

Die  Geschichte  der  modernen  Kultur  hatte  ihm  als  untrügliche  Lehr- 
meisterin gezeigt,  daß  die  Zivilisation  jedes  sich  ihr  entgegenstellende  Hinder- 
nis früher  oder  später  niederwirft,  daß  jeder  verständige  Mensch,  soweit  ihm 
das  öffentliche  Wohl  am  Herzen  liegt  und  er  es  mit  seiner  Beteiligung  an 
der  nationalen  Arbeit  ernst  nimmt,  verpflichtet  ist,  dem  Fortschritt  zu  huldigen. 
Alles  das  waren  und  sind  wohl  auch  heute  noch  Dinge,  welche  von  den 
Grundsätzen  opportunistischer  Regierungen,  feudaler  oder  klerikaler  Kreise 
soweit  als  möglich  abliegen.  Freilich,  wenn  eine  politische  Notlage  sich 
plötzlich  einstellt,  und  die  genannten  Elemente  dann  keinen  Ausweg  mehr 
finden,  dann  wenden  sie  sich  selbst  an  denjenigen,  auf  den  sie  bisher  gering- 
schätzig als  auf  einen  Mann  »^«  parti  avance<f^  niederblickten.  Zur  Rettung 
der  Situation  ist  er  dann  herzlich  willkommen.  So  erging  es  denn  auch 
Chlodwig  zu  Hohenlohe-Schillingsfürst,  als  er  von  seinen  reaktionär  gesinnten 
Standesgenossen  zum  Retter  aus  den  Nöten  und  Stürmen  in  den  Revolutions- 
jahren erkoren  wurde.  »Und  nun  begab  sich  das  schier  Unglaubliche«,  sagt 
der  Verfasser  des  bereits  erwähnten  Nekrologs,  »daß  der  Bestgehaßte,  den 
man  zu  isolieren  gesucht  hatte,  als  die  rettende  Persönlichkeit  erschien,  als 
es  galt  aus  den  Bewegungen  des  Jahres  die  Konsequenzen  in  einer  Weise  zu 
ziehen,  daß  spätere  Rückschläge  ausgeschlossen  waren.  Unter  der  Leitung 
Hohenlohes  vollzog  sich  der  Übergang  Bayerns  aus  einem  mittelalterlichen 
Gemeinwesen  in  einen  modernen  Staat;  ihn  berief  das  allgemeine  Vertrauen 
zu  dem  äußerst  wichtigen  Bericht  über  das  Ablösungsgesetz.  Ohne  jene 
Verbindung  von  Zielbewußtheit  in  der  Hauptsache  und  versöhnender  Ge- 
schicklichkeit betreffs  der  Einzelheiten,  wie  sie  die  politische  Arbeit  des 
Fürsten  jeder  Zeit  charakterisierte,  wäre  bei  der  Mannigfaltigkeit  der  Interessen 
und  der  Hartköpfigkeit  ihrer  Vertreter  ein  dauerndes  Ergebnis  nie  möglich 
gewesen.«  Von  1840  an  war  Chlodwig  zu  Hohenlohe-Schillingsfürst  das 
eigentliche  Haupt  der  in  neue  Bahnen  tretenden  bayerischen  Politik,  zugleich 
aber  auch  einer  der  erleuchtetsten  Vertreter  jener  Richtung,  welche  sich  mit 
der  Lösung  der  sogannten  deutschen  Frage  am  intensivsten  und  am  erfolg- 
reichsten befassen  sollten.  Er  benützte  seine  Stellung,  aber  auch  die  Zeit- 
umstände, nicht  nur  um  seinem  engeren  Vaterlande  die  ihm  gebührende 
Geltung  unter  den  deutschen  Bundesstaaten  zu  verschaffen,  sondern  auch  um 
seinen  deutschnationalen  Ideen  zum  Durchbruch  zu  verhelfen,  vor  allem 
glaubte  er  in  den  zu  Frankfurt  a.  M.  tagenden  Verhandlungen  für  die  Einigung 
der  zerrissenen  Glieder  des  deutschen  Reiches  mit  allem  Nachdruck  eintreten 
zu  müssen.  Doch  greifen  wir  nicht  vor  und  sehen  wir  zunächst,  welchen  Ein- 
fluß die  damaligen  europäischen  Bewegungen  auf  Deutschland  selbst  ausübten. 


AlA  ZU  Hohenlohe-Schillingsftirst. 

Am  2  2.  Februar  1848  brach  in  Paris  die  Juliregierung  zusammen.  An 
ihre  Stelle  trat  die  zweite  französische  Republik.  Auf  die  politische  Ent- 
wicklung der  Dinge  in  Deutschland,  in  Österreich  wie  in  Italien,  wirkte  der 
Sturz  des  französischen  Königtums  mächtig  ein.  Ihm  folgte  am  13.  März  der 
Aufstand  in  Wien,  welcher  das  Regiment  des  Fürsten  Metternich  hinweg- 
fegte, am  18.  März  die  Revolution  in  Berlin  und  am  gleichen  Tage  diejenige 
in  Mailand,  während  am  22.  März  dieselbe  Bewegung  in  Venedig  der  öster- 
reichischen Herrschaft  ein  Ende  machte.  In  Mannheim  hatten  sich  liberale 
Vertrauensmänner  zusammengefunden,  deren  Programm  mit  den  bekannten 
vier  Forderungen:  Preßfreiheit,  Schwurgerichte,  Volksbewaffnung  und  National- 
vertretung, bald  das  aller  übrigen  deutschen  Liberalen  wurde  und  auch  von 
den  meisten  deutschen  Regierungen  zur  Anerkennung  kam.  Jetzt  entschlossen 
sich  die  Bundesversammlung  und  die  Regierungen  sämtlicher  Mittel-  und 
Kleinstaaten  zur  Anordnung  der  Wahl  von  Nationalvertretern  auffordern 
zu  lassen. 

Aus  dem  Vorparlament  in  Frankfurt  ging  der  Beschluß  hervor,  eine 
konstituierende  Nationalversammlung  zur  Feststellung  eines  Entwurfs  einer 
Reichsverfassung  zu  berufen.  Am  18.  Mai  trat  dann  das  sogenannte  Frank- 
furter Parlament  zusammen,  welches  den  Erzherzog  Johann  von  Österreich 
zum  Reichsverweser  erwählte,  der  seine  Gewalt  durch  von  ihm  ernannte,  der 
Nationalversammlung  aber  verantwortliche  Minister  ausüben  sollte.  Den  Ver- 
handlungen des  Parlaments  in  Frankfurt,  dem  zahlreiche  Freunde  und  Gesinnungs- 
genossen des  Fürsten  Hohenlohe  angehörten,  folgte  er  wenn  auch  nur  als 
Privatmann  mit  gespannter  Aufmerksamkeit  und  zwar  mit  ganz  anderen 
Gedanken  und  Absichten,  als  sie  damals  der  bayerische  Minister  von  der 
Pfordten  vertrat,  eine  Tatsache,  von  der  Ottokar  Lorenz  in  seinem  Buche: 
»Kaiser  Wilhelm  und  die  Begründung  des  Reiches«  (Jena  1902)  keine  Notiz 
nimmt;  wie  denn  dieser  sonst  so  verdiente  Historiker  jene  die  Reichseinheit 
fördernden  oder  doch  warm  befürwortenden  Elemente  in  Süddeutschland  nicht 
der  Erwähnung  würdigt.  Und  doch  wäre  ein  Hinweis  auf  jene  zielbewußte 
Minorität,  als  deren  fördernder  Mitarbeiter  im  Süden  Fürst  Chlodwig  später 
gelten  kann,  allein  schon  darum  notwendig  gewesen,  um  eine  Erklärung  für 
den  in  den  sechziger  Jahren  eintretenden  Umschwung  der  Verhältnisse  zu 
bieten.  Ein  künftiger  Biograph  des  Fürsten  Chlodwig  zu  Hohenlohe,  dem 
die  Einsichtnahme  in  die  aus  der  Zeit  stammenden  Korrespondenz  ermöglicht 
sein  wird,  wird  gerade  in  der  Schilderung  der  Gedanken  und  Ansichten 
Hohenlohes  über  die  damalige  politische  Lage  dankenswerte  Ergänzungen 
zur  deutschen  Geschichte  in   der  ersten  Hälfte   des    19.  Jahrhunderts  finden. 

Zur  Zeit  der  Frankfurter  Parlamentsverhandlungen  wohnte  Fürst  Chlodwig 
in  Wiesbaden,  von  wo  aus  er  öfters  in  die  alte  Krönungsstadt  fuhr,  um  den 
wichtigen  Debatten  zu  folgen.  Das  von  der  »Provisorischen  Zentralgewalt« 
eingesetzte  Reichsministerium,  dessen  Präsidium  damals  der  österreichische 
Minister  Schmerling  inne  hatte,  übertrug  ihm  die  Mission:  den  Regierungen 
von  Athen  und  Toscana,  die  »Provisorische  Zentralgewalt«  anzumelden  und 
die  Wahl  des  deutschen  Reichsverwesers,  des  Erzherzogs  Johann  von  Öster- 
reich, anzuzeigen.  Fürst  Chlodwig  unternahm  die  Reise  in  Gesellschaft  des 
Legationsrats  von  Schack,  der  ihn  nach  Beendigung  der  offiziellen  Mission 
nach  Konstantinopel  und  nach  Palästina  begleitete. 


zu  Hohenlohe-Schillingsfürst.  ^I^ 

»Eine  der  interessantesten  Episoden  dieser  Reise«,  schreibt  der  Verfasser 
eines  Nekrologs,  »ist  die  Rede,  welche  der  Fürst  den  Deutschen  in  Athen 
hielt,  eine  Rede  von  flammender  Begeisterung  für  jenes  Deutschland,  das 
zum  ersten  Male  wieder  nach  langer  Zeit  seine  Kinder  in  der  Fremde  als 
ihm  gehörig  beanspruche  und  an  das  Herz  des  geeinten  Vaterlandes  rufe« 
(Münch.  N.  N.  a.  a.  O.).  Aus  dieser  Rede,  die  man  für  die  damalige  Zeit 
als  ein  ungewohntes  Ereignis  betrachten  muß,  ersehen  wir,  zu  wie  früher 
Stunde  schon  Chlodwig  zu  Hohenlohe-Schillingsfürst  erfüllt  war  von  den 
nationalen  Ideen,  welchen  er  später  zum  Durchbruch  zu  verhelfen  berufen 
war.  Als  junger  Diplomat  erkannte  er  schon  1848,  daß  die  Zukunft  des 
deutschen  Volkes  nicht  in  den  Einzelstaaten  liege.  Die  Schattenseiten  des 
Partikularismus  hat  er  früh  genug  kennen  gelernt  und  sah  schon  voraus, 
daß  die  Wiedergeburt  Deutschlands  niemals  aus  jener  traumhaften  Begründung 
einer  Dreiherrschaft  ausgehen  könne,  in  die  sich  Österreich,  Preußen  und 
Bayern  teilen  wollten,  wohl  aber  im  Anschluß  an  Preußen  zu  finden  sei. 

Als  der  Fürst  von  seiner  Reichsgesandtschaft  zurückkehrte,  gelangte  er 
rasch  zur  Einsicht,  daß  die  Verhandlungen  eines  Parlaments,  wie  sie  in  Frank- 
furt geführt  worden  waren,  niemals  zur  Verwirklichung  des  deutschen  Reichs- 
gedankens führen  könnten.  Diese  Erkenntnis  war  denn  auch  für  den  jungen 
Diplomaten  die  Ursache,  daß  er  die  ihm  von  dem  damaligen  Reichsministerium 
Wittgenstein-Grävell  angebotene  Stelle  eines  Unterstaatssekretärs  im  Ministerium 
des  Innern  ausschlug  und  seine  politische  Mitarbeit  einem  Ministerium  versagte, 
von  dem  er  die  Überzeugung  hatte,  daß  es  doch  nur  als  Totengräber  der 
deutschen  Einheit  wirken  würde. 

In  dieser  ganzen  Zeit,  welcher  es  nicht  gegeben  war,  das  damalige  deutsche 
Problem  zu  lösen,  ist  jedoch  der  im  Siebzehnerausschuß  des  erweiterten  Bundestags 
von  Dahlmann  gemachte  Entwurf  zu  einer  neuen  Staatsordnung  als  ein  ernster 
Versuch  zu  betrachten,  dessen  Ausführung  zum  deutschen  Einheitsstaat  hätte 
führen  können.  »Hier  war  das  Kaisertum,  hier  war  ein  einheitliches  Heer,  eine 
Reichsgewalt,  welche  ausschließlich  über  Kriegswesen,  Diplomatie,  Handels-, 
Zoll-  und  Verkehrswesen  unter  Mitwirkung  eines  aus  allgemeinem  gleichen 
Stimmrecht  hervorgegangenen  Parlaments  verfügte.«  Ottokar  Lorenz,  dem 
wir  diesen  Passus  entnehmen  (Kaiser  Wilhelm  und  die  Begründung  des 
deutschen  Reiches,  S.  13),  spricht  zwar  nicht  davon,  daß  Fürst  Chlodwig  ein 
Anhänger  oder  Förderer  dieses  genialen  Entwurfes  gewesen;  das  politische 
Ideal,  das  ihm  aber  bereits  damals  vorschwebte  und  an  dessen  Verwirk- 
lichung er  später  so  regen  Anteil  nehmen  sollte,  berechtigt  zu  der  Annahme, 
daß  der  Dahlmannsche  Entwurf  wohl  auch  schon  als  politische  Orientierungs- 
linie Chlodwigs  zu  Hohenlohe  gelten  kann,  um  so  mehr  als  das,  was  dieser 
Entwurf  zum  Ausdruck  brachte,  bereits  damals  fast  Gemeingut  aller  politisch 
denkenden  deutschen  Patrioten  war.  Neben  dem  Bestreben,  die  deutsche 
Reichseinheit  nicht  durch  Worte,  aber  durch  vorbereitende  Taten  herbeizu- 
führen, handelte  es  sich  bei  dem  vornehmen  bayerischen  Standesherrn 
vor  allem  darum,  den  liberalen  Gedanken  aufrecht  zu  erhalten,  inmitten 
der  Bedrohung,  welche  ihm  von  den  entgegengesetzten  Seiten  kam.  Und 
da  ist  es  denn  höchst  bemerkenswert,  daß  bereits  im  Jahre  1848  der 
junge  katholische  Fürst  Chlodwig  im  Gegensatz  zu  den  katholischen  Abge- 
ordneten   dem    Einfluß    kirchlicher  Erwägungen    vollkommen    entrückt    war. 


j,l6  zu  Hobenlohe-Schillingsftirst. 

Und  doch  setzte  sich  die  damalige  Vereinigung  der  katholischen  Abgeordneten 
aus  ganz  anderen  Elementen  zusammen,  als  die  der  heute  maßgebend  ge- 
wordenen Zentrumspartei.  Man  bedenke,  daß  der  damalige  Vorsitzende  dieser 
Partei,  General  von  Radowitz,  in  der  Frankfurter  Nationalversammlung  »aus 
höherem  Interesse  der  katholischen  Kirche«  gegen  die  Verbreitung  des  Jesuiten- 
ordens über  ganz  Deutschland  sich  aussprach  (vgl.  F.  X.  Kraus,  Essays,  II.  383). 

Prüft  man  das  politische  Programm  der  damaligen  katholischen  Partei, 
die  sehr  weit  auseinandergehende  Namen,  wie:  Adams,  Blömer,  Clemens, 
Gredler,  Arndts,  de  Lasaulx,  Phillips,  Döllinger,  Max  v.  Gagern,  von  Linde, 
Buss,  von  Ketteier,  Beda  Weber,  Förster,  Janiscewsky,  August  Reichensperger, 
von  Radowitz,  Bischof  Müller,  Bischof  Geritz  von  Ermland,  den  Fürstbischof 
Diepenbrock,  in  sich  beschloß,  so  gewahrt  man,  daß  es  den  Stempel 
eines  sterilen  Doktrinarismus  an  sich  trug.  Es  sprach  sich  nämlich  nicht 
darüber  aus,  in  wessen  Hand  die  Zentralgewalt  und  die  Exekutive  zu  legen 
sei.  Und  einer  seiner  Wortführer,  der  bereits  erwähnte  Reichensperger  ver- 
wahrte sich  gegen  das  Kaisertum,  insbesondere  gegen  ein  preußisches 
Erbkaisertum.  Einem  Manne  wie  dem  Fürsten  Chlodwig  mußte  es  daher 
schon  damals  klar  sein,  daß  die  Lösung  der  deutschen  Frage  schwerlich  aus 
dem  Schöße  dieser"  Elemente  hervorgehen  werde. 

Es  zeugt  von  dem  klaren  Blick  des  jungen  Fürsten,  daß  er  die  Schatten- 
seiten des  damaligen  katholischen  Programms  erkannte,  wie  es  auch  weiter 
als  ein  Beweis  seiner  politischen  Selbständigkeit  angesehen  werden  muß,  daß 
er  von  den  fruchtlosen  Plänen  des  sogenannten  Reichsministeriums  sich  los- 
sagte. Als  nun  gar  die  Richtung  Pfordten-Reigersberg  mit  ihren  jammer- 
vollen Reaktionsversuchen  auftrat,  blieb  einem  ehrlich  liberalen  Politiker 
wie  es  Hohenlohe  war,  nur  noch  ein  Weg  übrig,  der  zur  politischen  Selbst- 
erhaltung führte:  der  Rücktritt  vom  öffentlichen  Leben. 

Und  nun  sehen  wir,  wie  er  fast  zehn  Jahre  hindurch  als  Herr 
von  Schillingfürst  sich  ganz  dem  Landleben  widmete,  seine  Äcker  bebaute, 
seine  W^älder  pflegte  und  durch  einen  rationellen  Betrieb  der  Landwirtschaft 
fördernd  und  vorbildlich  auf  seine  Umgebung  einwirkte.  Zugleich  erwies 
sich  Fürst  Chlodwig,  seiner  vornehm  liberalen  Sinnesart  entsprechend,  ganz 
als  ein  Grand  Seigncur  einer  neuen,  modernen  Zeit,  indem  er  die  Gründung 
von  Schulen  und  Asylen  nach  Kräften  begünstigte. 

Es  braucht  wohl  nicht  gesagt  zu  werden,  daß  der  Fürst  bei  seiner  länd- 
lichen Beschäftigung  die  Pflichten,  die  ihm  seine  Mitgliedschaft  der  ersten 
bayerischen  Kammer  auferlegte,  keineswegs  vernachlässigte.  Ein  Hinweis 
auf  die  Reden,  die  er  am  12.  November  1849,  sowie  am  12.  Februar  1855 
hielt,  mag  in  diesem  Rahmen  zur  Erhärtung  des  Gesagten  genügen.  Freilich 
gehörte  der  Fürst  in  den  fünfziger  Jahren  jener  Opposition  an,  »die  uner- 
müdlich darauf  hinwies,  daß  man  nicht  nur  Pflichten  gegen  Bayern,  sondern 
auch  gegen  das  große  deutsche  Vaterland  habe«  (Köln.  Zeitg.  6.  7.  1901). 
In  dieser  Zeit  waren  es  vornehmlich  die  Liberalen,  welche  eine  solche 
Richtung  vertraten  und  dementsprechend  stand  Chlodwig  zu  Hohenlohe- 
Schillingsfürst  zu  diesen  in  nahen  Beziehungen.  Durch  die  Gründung  des 
»Nationalvereins«  in  Norddeutschland  wie  durch  die  der  »Deutschen  Fort- 
schrittspartei in  Bayern«  wurde  seitens  der  Liberalen  den  Interessen  der 
nationalen  Sache  mächtig  Vorschub  geleistet. 


zu  Hohenlohe-Schillingsfiirst.  Aiy 

Das  Jahr  1859  sah  den  Fall  der  habsburgischen  Vorherrschaft  nach  der 
Niederlage  der  österreichischen  Waffen  auf  den  oberitalienischen  Schlacht- 
feldern. Jetzt  hatte  es  den  Anschein,  als  ob  Süddeutschland  von  einem 
frischen  Luftzug  erfaßt  werden  sollte.  Im  Frühjahr  1861  trat  denn  auch 
Fürst  Chlodwig  der  aktiven  Politik  näher,  als  er  im  bayerischen  Reichsrat 
(4.  Mai)  den  weittragenden  Antrag  stellte:  »Das  königliche  Staatsministerium 
möge  angewiesen  werden,  auf  geeignete  Weise  zur  Herstellung  rechtlich 
geordneter  Verfassungszustände  in  Kurhessen  nach  Kräften  hinzuwirken«. 
Der  Antrag,  der  in  beiden  Kammern  zugleich  gestellt  wurde,  fand  eine 
große  Mehrheit  bei  den  Abgeordneten,  während  er  in  der  Reichsratskammer 
fiel.  Wie  man  nun  auch  über  das  Schicksal  des  Antrags  und  über  die  da- 
malige politische  Konstellation  in  Bayern  denken  mag,  das  Gute  hat  die 
Initiative  dessen,  der  ihn  gestellt  hatte,  gebracht,  daß  er  schon  von  dieser 
Stunde  an  als  das  eigentliche  Haupt  aller  derer  galt,  welche  die  Einigung 
Deutschlands  unter  Preußens  Führung  erstrebten.  Die  vornehm  bescheidene 
Reserve,  deren  sich  der  Fürst  zeitlebens,  besonders  in  der  Öffentlichkeit 
beflissen,  mag  mit  Schuld  daran  sein,  daß  von  den  großen  Massen  die  frucht- 
bringenden Anregungen,  die  von  unserem  Politiker  und  Staatsmanne  aus- 
gingen, nicht  nach  Gebühr  gewürdigt  wurden.  Und  doch  hat  er  es  dort, 
wo  es  der  Augenblick  erforderte,  niemals  an  Klarheit  und  Deutlichkeit 
fehlen  lassen.  Hat  er  doch  die  bayerischen  Minister  gewarnt  und  gebeten, 
die  unglückselige  Politik  zu  verlassen,  »die  auf  Österreich  gestützt,  Preußens 
Stellung  in  Deutschland  zu  negieren,  ja  selbst  schließlich  gewaltsam  zu  ver- 
nichten bestrebt  sei«  (Münch.  N.  N.  1901,  Nr.  310). 

Die  nun  folgenden  Jahre  waren  im  wesentlichen  durch  bedeutende 
Ereignisse  angefüllt  und  können  als  eine  wichtige  Etappe  bezeichnet  werden 
in  der  zur  Lösung  der  deutschen  Frage  hinführenden  Zeit.  Noch  in  der  Thron- 
rede des  bayerischen  Königs  vom  Jahre  1863  hatte  dieser  Monarch  die 
deutsche  Frage  in  einer  den  Fürsten  Chlodwig  und  die  Liberalen  wenig 
befriedigenden  Weise  gestreift,  so  daß  dieser  sich  zu  jener  inhaltsschweren 
Erklärung  entschloß,  welche  allzeit  als  ein  glänzendes  Zeugnis  für  seine 
erleuchtete  Vaterlandsliebe,  aber  auch  als  ein  wertvolles  Dokument  für  seine 
hohe  staatsmännische  Begabung  gelten  wird. 

»Die  Thronrede«,  so  äußerte  sich  Fürst  Chlodwig  am  30.  Juni  1863, 
»berührt  die  deutsche  Frage.  Dies  legt  uns  die  Verpflichtung  auf,  auch 
unseren  Teil  an  einer  Arbeit  zu  tun,  die  ich  zurzeit  als  eine  Danaidenarbeit 
bezeichnen  möchte.  Als  ich  das  letzte  Mal  über  die  deutsche  Frage  in  dieser 
Versammlung  zu  sprechen  die  Ehre  hatte  —  es  war  im  November  1849  — , 
standen  wir  am  Schlüsse  einer  Revolution,  welche  die  deutsche  Einheit  auf 
ihre  Fahne  geschrieben  hatte.  Die  Bestrebungen  jener  Revolution  sind 
gescheitert,  weil  die  bewegenden  Massen  und  ihre  Führer  darüber  nicht 
einig  waren,  was  sie  unter  deutscher  Einheit  verständen.  Die  deutsche  Frage 
wird  so  lange  ein  ungelöstes  und  unlösbares  Rätsel  bleiben,  solange  die 
deutschen  Volksstämme  sich  darüber  nicht  klar  geworden  sind,  ob  sie  zu- 
gunsten einer  größeren  Zentralisation  auf  ihre  partikuläre  Selbständigkeit 
verzichten  wollen  oder  nicht.  Die  Klarheit  des  Willens  besteht  zurzeit  noch 
nicht,  deshalb  werden  alle  Einheitsbestrebungen,  mögen  sie  unter  dem  ver- 
pönten Namen    des  Nationalvereins    oder  unter  dem   gefeierten  Namen   des 

BiogT.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog'.    7.  Bd.  27 


A\S  ZU  Hohenlohe-ScliillingsfUrst. 

Reformvereins  einhergehen,  nicht  zum  Ziele  führen.  Wenn  aber  jene  Klar- 
heit des  Willens,  jene  Allgemeinheit  der  Überzeugung  einmal  vorhanden  sein 
wird,  —  und  sie  wird  kommen  —  dann  werden  die  Regierungen  auch  die 
Mittel   suchen   und  finden,   dem  Streben  der  deutschen  Nation   nach  Einheit 

gerecht  zu  werden Wenn  aber  einmal  die  deutschen  Regierungen  den 

Augenblick  für  gekommen  erachten,  wo  dem  Streben  des  deutschen  Volkes 
nach  Einheit  Rechnung  getragen  werden  muß,  dann  werden  sie  hoffentlich 
zweierlei  im  Auge  behalten:  keinen  Vorschlag  zu  machen,  der  nicht  auf  die 
vorhergehende  Verständigung  der  beiden  deutschen  Großmächte  gegründet 
ist,  und  dann  nur  solche  Vorschläge  zi;  machen,  welche  die  Regierungen 
offen  und  ohne  Rückhalt  durchzuführen  willens  sind.  Einseitige  Projekte 
und  diplomatische  Feinheiten  würden  uns  zum  Bürgerkriege  und  zur  Revolution 
führen,  wovor  uns  Gott  bewahren  wolle«.  (Vgl.  H.  Rust.  Fürst  Chi.  zu  Hohen- 
lohe  u.  s.  Brüder.    17.) 

Noch  eindringlicher  womöglich  waren  die  Worte  des  bayerischen  Standes- 
herrn, mit  denen  er  jenen  Passus  in  der  Thronrede  abfertigte,  welcher  eine 
Ablehnung  des  Beitritts  Bayerns  zum  preußisch-französischen  Handelsvertrag 
enthielt.  »Ich  beklage  es«,  führte  der  Fürst  unter  anderem  aus,  »daß  die 
Thronrede  des  französischen  Handelsvertrags  Erwähnung  tut.«  Und  er  schloß 
mit  der  vernichtenden  Bemerkung:  »Ihr  (der  Regierung)  heutiges  Urteil  wird 
nichts  anderes  sein  können  als  eine  Phrase.  Am  wenigsten  darf  es  eine  Er- 
mutigung sein,  einen  Weg  zu  betreten,  der  möglicherweise  für  Bayern  von 
unheilvollsten  Folgen  sein  würde«  (a.  a.  O.  18). 

Wie  sich  der  Fürst  gerade  in  den  sechziger  Jahren  die  künftige  Gestal- 
tung Deutschlands  und  den  inneren  Ausbau  aller  Einheitsbestrebungen  dachte, 
darüber  hat  uns  Freiherr  von  Völderndorff  in  seinen  Erinnerungen  an  den 
dritten  Reichskanzler  schätzenswerte  Auskünfte  erteilt.  Danach  hätte  Fürst 
Chlodwig  die  einzig  mögliche  Einigung  der  Nation  in  einem  föderativen  Zu- 
sammenschluß aller  rein  deutschen  Staaten  unter  Preußens  Führung  erblickt 
und  zwar  unter  Beibehaltung  eines  Freundschaftsverhältnisses  zu  Österreich. 
Aber  auch  der  Gedanke  an  das  preußische  Kaisertum  war  dem  bayerischen 
Standesherm  auch  schon  damals  geläufig,  wie  aus  einer  anderen,  uns  eben- 
falls von  Völderndorff  gemachten  Mitteilung  hervorgeht.  »Preußen«,  so  sagte 
der  Fürst,  »hat  zwar  die  vom  Frankfurter  Parlamente  angebotene  Kaiserkrone 
abgelehnt.  Aber  soviel  hat  jenes  Angebot  doch  bewirkt,  daß  kein  preußi- 
scher Herrscher  mehr  eine  andere  Stellung  in  Deutschland  annehmen  kann, 
als  die  an  der  Spitze.«  Dabei  gab  es  für  den  hohen  Herrn  aber  noch  andere 
Wege:  die  der  wirtschaftlichen  Interessengemeinschaft,  welche  nach  seiner 
Ansicht  eher  vorbereitend  als  trennend,  wie  es  damals  der  Fall  war,  auf  die 
Einigung  der  Nation  hinführen  sollten.  Und  da  ist  es  denn  von  Interesse 
zu  erfahren,  daß  der  weitsehende  Fürst  in  einem  »Eisenbahnverein«  als 
Analogon  zum  »Zollverein«  ein  neues  Bindeglied  für  die  deutschen  Staaten 
gewahrte.  »Es  ist  bedauerlich«,  pflegte  er  sich  zu  äußern,  »daß  man  auf 
dem  Wege  des  Zollvereins  nicht  fortgeschritten  ist.  Nehmen  sie  z.  B.  das 
deutsche  Eisenbahnwesen.  Jedem  Patrioten  muß  das  Herz  bluten,  wenn  er 
sieht,  in  welch  selbstsüchtiger  Weise  .  .  .  jeder  Flinzelstaat  den  übrigen  Kon- 
kurrenz macht  ....  Solange  das  Erträgnis  dem  Einzelstaate  gehört,  ist 
diese    engherzige  Politik    nicht    nur    erklärlich,  sondern  vielleicht    sogar    die 


zu  Hohenlohe-SchillingsfUrst.  4IQ 

Pflicht  der  Regierung  .  .  .  Aber  warum  bildet  man  keinen  Eisenbahnverein 
nach  dem  Muster  des  Zollvereins,  wobei  eine  Gemeinsamkeit  erzielt  würde, 
ohne  das  Verwaltungsrecht  der  Einzelstaaten  zu  beeinträchtigen.«  (Völdem- 
dorff  in  Beil.  z.  Allg.  Ztg.  1902  No.  141.) 

Die  Schleswig-Holsteinsche  Frage  und  ihre  endgültige  Lösung,  also  ein 
von  außen  her  kommender  Faktor,  war  es,  der  für  die  Entwicklung  der 
deutschen  Reichs-  und  Kaiseridee,  wie  überhaupt  für  die  Klärung  der  inneren 
deutschen  Verhältnisse  am  meisten  beitragen  sollte.  Auf  dem  deutschen 
Fürstentage  von  1863,  wie  später  auf  einer  Konferenz  der  zustimmenden 
Mächte  in  Nürnberg,  hatte  es  sich  ja  gezeigt,  wie  wenig  Deutschland  von 
innen  heraus  befähigt  war,  an  seiner  Einigung  mitzuwirken.  Von  dieser  Zeit 
ab  erachtete  der  Fürst  die  Lösung  der  deutschen  Frage  nur  mehr  durch  die 
Waffen  für  möglich,  und  seine  in  den  sechziger  Jahren  gepflogenen  Ge- 
spräche mit  dem  Grafen  Giech  behandelten,  nach  dem  Zeugnisse  Völdern- 
dorffs,  öfters  die  Chancen  eines  Krieges  zwischen  den  beiden  in  Betracht 
kommenden  Großmächten. 

Wenn  auf  friedlichem  Wege  noch  ein  Ausgleich  hätte  zustande  gebracht 
werden  können,  dann  hätte  dies  nur  durch  die  Befolgung  des  klugen  und 
verständnisvollen  Rates  geschehen  können,  den  Fürst  Chlodwig  König  Lud- 
wig IL  im  April  1866  gab,  als  er  ihn  und  die  damaligen  bayerischen  Regie- 
rungsmänner zu  bewegen  suchte,  der  von  Preußen  vorgeschlagenen  Einbe- 
rufung eines  aus  direkten  Wahlen  hervorgegangenen  Parlaments  zuzustimmen, 
um  abermals  einen  Ausgleich  zu  versuchen.  Aus  Völderndorffs  Mitteilungen 
geht  nun  zur  Evidenz  hervor,  daß  einem  Mann  wie  Hohenlohe  das  Ver- 
worrene der  damaligen  bayerischen  und  österreichischen  Politik  jedwede 
Aussicht  auf  eine  normale  Lösung  der  Frage  raubte.  Der  Fürst  kannte  einer- 
seits die  Schwäche  des  Bayernkönigs  für  Österreich  und  anderseits  die  abso- 
lute Unfähigkeit  der  Wiener  Regierung  mit  einem  Staatsmanne  vom  Schlage 
eines  Bismarck  zu  verhandeln.  »Es  steht  an  der  Spitze  des  österreichischen 
Ministeriums  kein  Bismarck,  der  den  Grundsatz  beobachtet,  daß  man  die 
Artischocke  blätterweise  verzehren  muß«,  so  äußerte  sich  Fürst  Hohenlohe, 
mit  Freiherrn  von  Roggenbach  einer  der  wenigen  süddeutschen  Staats- 
männer, welche  die  politische  Situation  vor  Ausbruch  des  Krieges,  aber  auch 
die  spätere  Entwicklung  der  Dinge  vollkommen  klar  übersahen. 

So  kam  es  denn  im  Juni  1866  zu  jenem  Kriege,  den  Fürst  Hohenlohe 
zwar  bedauerte,  dessen  Ausgang  aber  er  mit  Ruhe  und  nicht  ohne  verständ- 
nisvolle Anteilnahme  entgegensah.  Dies  zeigte  sich  so  recht  nach  der 
Schlacht  von  Königgrätz.  Damals  bot  bekanntlich  Preußen  noch  einmal  dem 
Königreiche  Bayern  den  Frieden  an.  Diesen  wichtigen  Anlaß  benutzte  Fürst 
Chlodwig,  um  den  bayerischen  leitenden  Staatsmännern  den  Rat  zu  geben, 
die  Anerbietungen  Preußens  anzunehmen.  Aber  auch  jetzt  war  die  Verblen- 
dung der  bayerischen  Regierung  noch  so  groß,  daß  sie  sich  nicht  ent- 
schließen konnte,  sich  von  Österreich  zu  emanzipieren. 

Chlodwig  zu  Hohenlohe  war  aber  nicht  der  Mann  danach,  sich  durch 
die  Nichtbeachtung  seiner  wohlgemeinten  und  der  Sachlage  entsprechenden 
Ratschläge  abschrecken  zu  lassen.  Er  verfolgte  seine  verständnisvolle  und 
patriotische  Versöhnungspolitik  des  Südens  mit  dem  Norden  beharrlich 
weiter  und   wurde  nicht  müde,    selbst  König  Ludwig  IL,    der  den   Fürsten 

27* 


A2Ö  zu  Hohenlohe-Scliillingsfürst. 

längst  schätzen  und  achten  gelernt  hatte,  immer  und  immer  wieder  aufzu- 
klären. So  schrieb  er  am  13.  Juli  diesem  Monarchen:  »Ich  betrachte  die 
jetzige  Katastrophe  mit  großer  Ruhe.  Sie  war  unvermeidlich,  weil  der  Gegen- 
satz zwischen  Österreich  und  Preußen  zur  Entscheidung  gebracht  werden 
mußte,  und  es  war  besser  jetzt  als  zehn  Jahre  später.  Sie  ist  aber  heilsam, 
weil  sie  viele  verrottete  Zustände  in  Deutschland  aufräumt«. 

Hatte  der  Ausgang  des  Krieges  Österreich  aus  dem  engen  Verbände  der 
deutschen  Staaten  ausgeschieden,  so  hatte  er  in  Hinsicht  auf  eine  Annäherung 
des  Südens  mit  dem  Norden  Deutschlands  merkwürdigerweise  bei  der  bayeri- 
schen Regierung  und  in  der  Reichsratskammer  den  entgegengesetzten  Erfolg. 
Preußen  an  der  Spitze  des  Nordens  in  einem  Bund  vereinigt,  die  drei  Länder 
südlich  des  Maines  mit  Einschluß  vom  halben  Hessen  vorerst  als  souveräne 
Einzelstaaten,  das  war  das  damalige  politische  Ideal  aller  »echten  Bayern«,  das 
auch  nach  1866  noch  die  Orientierungslinie  des  bayerischen  Ministeriums.  Man 
wollte  an  der  Isar  von  den  im  Prager  Frieden  den  Südstaaten  erteilten  Befugnissen, 
untereinander  zu  einem  Bunde  zusammenzutreten,  nichts  wissen,  noch  viel 
weniger  dachte  man  an  einen  Anschluß  des  Südens  an  den  Norden.  Es  unterliegt 
wohl  kaum  einem  Zweifel,  daß  Fürst  Hohenlohe  unter  den  verrotteten  Zu- 
ständen, an  welche  er  in  dem  oben  angeführten  Briefe  an  den  König  an- 
spielte, lediglich  die  zentrifugalen  und  partikularistischen  Bestrebungen  des 
Südens  verstanden  wissen  wollte.  Dementsprechend  war  nun  auch  sein  poli- 
tisches Vorgehen,  indem  er  gegen  die  Anschauungen  des  bayerischen  Mini- 
steriums Front  machte  und  den  rückhaltlosen  Anschluß  des  Südens  an  den 
Norden  als  den  einzigen  Weg  bezeichnete,  den  Bayern  im  Verein  mit  den 
übrigen  Staaten  südlich  des  Maines  einschlagen   könne. 

Inzwischen  war  im  bayerischen  Landtag,  und  zwar  am  27.  August  1866, 
durch  jene  hochwichtige  Resolution,  welche  den  engen  Anschluß  an  Preußen 
befürwortete,  ein  Ereignis  eingetreten,  welches  die  Wendung  in  der  süddeut- 
schen Politik  einleitete  und  ein  Ministerium  Hohenlohe  vorbereitete.  Am 
31.  August  befaßte  sich  die  Reichsratskammer  ihrerseits  mit  dem  mit  Preußen 
abgeschlossenen  Friedensvertrag  und  mit  der  Erledigung  der  deutschen  Frage. 
Dabei  wurde  die  oben  erwähnte  Resolution  des  Landtags  von  verschiedenen 
Rednern  scharf  bekämpft  und  als  »ein  Hohn  auf  das  Rechtsbewußtsein  des 
Volkes«  charakterisiert.  Da  hielt  nun  Fürst  Hohenlohe  jene  vielgenannte 
große  Rede,  durch  die  er  sich  bei  den  sogenannten  »echten  Bayern«  zum 
»Preußenfreund«,  bei  allen  Deutschgesinnten  im  Königreiche  aber  zum  er- 
sehnten Retter  der  Situation  machte.  Diese  Rede,  welche  im  wesentlichen 
das  Programm  seiner  deutschen  Bundes-  und  Reichspolitik  enthielt,  gipfelt 
in  dem  Nachweis,  daß  seit  1849,  wo  er  zum  ersten  Male  für  den  Anschluß 
an  Preußen  eingetreten,  ein  Umschwung  zu  Gunsten  dieser  politischen 
Orientierung  im  bayerischen  Volke  selbst  sich  gebildet  habe.  »Als  ich  vor 
siebzehn  Jahren  in  der  Sitzung  vom  12.  November  1849  der  Umgestaltung 
Deutschlands  im  Sinne  der  damaligen  Vorschläge  Preußens  .  .  ,  das  Wort 
redete«,  so  führte  Hohenlohe  aus,  »tat  ich  es  und  mußte  es  tun  unter  der 
ausdrücklichen  Anerkennung,  daß  ich  mich  mit  den  Anschauungen  des  bayeri- 
schen Volkes  im  Widerspruch  befände.  .  .  .  Die  große  Majorität  der  Kammer 
der  Abgeordneten  hat  nun  den  Anschluß  an  Preußen  verlangt.«  Und  als 
Politiker  in  des  Wortes  bester  Bedeutung,    dem  die   romantischen  Chimären 


zu  Hobenlohe-SchillingsfUrst.  a21 

der  Grofldeutschen  gerade  so  unausführbar  erschienen,  als  etwa  der  Versuch, 
aus  dem  kleinen  Bayern  eine  europäische  Großmacht  zu  gestalten,  erklärte 
der  Fürst  am  Schlüsse  seiner  Rede:  »Ich  halte  es  daher  für  zweckmäßiger, 
jetzt,  wo  alles  im  Flusse  ist,  eine  Stellung  im  Norddeutschen  Bund  zu  er- 
streben, zu  einer  Zeit,  wo  es  möglich  sein  wird,  für  Bayern  und  seine  Dynastie 
günstigere  Bedingungen  zu  erhalten,  als  erst  anzuklopfen  an  einem  fertigen 
Hause,  dessen  Tore  verschlossen  sind«.  Dem  Fürsten  sollte  aber  im  Kreise 
seiner  standesherrlichen  Kollegen  keine  Anerkennung  gezollt  werden.  Es 
fanden  sich  in  dieser  hohen  Kammer  damals  nur  drei  Mitglieder,  die  mit 
Hohenlohe  gingen,  die  dreißig  anderen  blieben  bei  ihren  partikularistischen 
Anschauungen  stehen.     (Vgl.  Rust  a.  a.  O.  21  f.) 

Die  allgemeine  Stimme  verlangte  aber  jetzt  schon  den  Eintritt  des 
Fürsten  ins  Ministerium.  Am  10.  Dezember  reichte  der  bisherige  Minister 
Freiherr  von  der  Pfordten  seine  Entlassung  ein,  während  Chlodwig  zu  Hohen- 
lohe-Schillingsfürst  am  31.  Dezember  1866  zum  Vorsitzenden  des  Minister- 
rats, zum  Minister  des  Auswärtigen  und  des  Königlichen  Hauses  ernannt 
wurde.  Die  Konstellation,  unter  welcher  Hohenlohe  zum  Minister  wurde, 
bedeutete  die  Lossagung  der  bayerischen  Politik  von  Österreich,  die  nun- 
mehrige Teilnahme  Bayerns  an  der  Lösung  aller  großen  nationalen  Fragen 
der  deutschen  Staaten  und  in  gewissem  Sinne  die  Anerkennung  der  preußi- 
schen Hegemonie,  soweit  die  militärischen,  wie  auch  die  zollpolitischen  In- 
teressen in  Frage  kamen. 

Wir  haben  die  Ereignisse  der  vierziger  Jahre,  die  Abdankung  des  groß- 
deutschen Systems,  den  für  die  Einigung  Deutschlands  vielverheißenden  Beginn 
des  Ministeriums  Hohenlohe  in  München  erzählt  und  der  hohen  Verdienste 
gedacht,  die  dieser  Mitbegründer  der  deutschen  Reichseinheit  in  jener  ernsten, 
oft  schwierigen  Zeitlage  sich  erwarb.  In  den  nun  folgenden  Ausführungen 
handelt  es  sich  vor  allem  darum,  darauf  hinzudeuten,  wie  der  Fürst  es 
verstanden,  den  nationalen,  nicht  minder  aber  den  liberalen  Gedanken  auf- 
recht zu  erhalten  inmitten  der  Bedrohung,  welche  ihm  von  verschiedenen 
Seiten  zuteil  ward.  Das  Wirken  des  Fürsten  im  deutschen  Zollparlament, 
seine  auswärtige  Politik,  seine  Pläne  zur  süddeutschen  Armeereorganisation, 
sein  mannhaftes  Eintreten  für  die  Anerkennung  der  modernen  Staatsidee 
mitten  in  den  Stürmen,  welche  die  romanisch-klerikale  Agitation  hervorrief, 
dann  sein  Gegensatz  zu  Bismarck  in  der  Behandlung  der  für  die  zweite 
Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  so  verderblich  gewordenen  Frage  des  vatikani- 
schen Konzils,  endlich  sein  Sturz,  das  sind  die  bedeutsamen  Momente  in  der 
so  reichen  politischen  und  staatsmännischen  Betätigung  Hohenlohes,  denen 
wir  in  dem  engen  Rahmen  der  nächstfolgenden  Darlegungen  unser  Augenmerk 
schenken  möchten. 

Mit  dem  Ministerium  Hohenlohe  trat  an  Stelle  eines  durch  seinen  klein- 
staatlichen Blick  beschränkten,  wie  es  das  von  der  Pfordtensche  gewesen, 
ein  solches,  das  in  dreijähriger  Amtstätigkeit  sowohl  für  die  innere  Ent- 
wicklung Bayerns,  wie  auch  für  seine  Beziehungen  zu  Preußen  von  der 
segensreichsten  Wirkung  gewesen  ist.  Dabei  darf  bei  einer  Beurteilung 
dieses  Ministeriums  niemals  außer  acht  gelassen  werden,  daß  es  fast  nur  auf 
sich  selbst  angewiesen  war.  Mit  Ausnahme  des  Königs  war  das  ganze 
königliche  Haus  ihm  feindlich  gesinnt.     Adel  und  Geistlichkeit  fürchteten  in 


A22  zu  Hohenlohe-Schillingsfürst. 

Fürst  Hohenlohe  den  »Verpreußer«  und  den  Liberalen,  während  die 
Herren  Kollegen  des  neuen  Ministers  in  ihm  nur  den  »Dilettanten«  erkannten, 
»der  nicht  einmal  den  bayerischen  Staatskonkurs  gemacht  hatte«.  Geistern, 
denen  die  büreaukratische  Routine  alles,  Initiative  und  Begabung  dagegen 
nur  als  ein  Hemmschuh  gilt,  wenn  es  sich  darum  handelt,  in  ausge- 
tretenen Geleisen  weiterzufahren,  konnte  der  ganz  anders  geartete  Nachfolger 
von  der  Pfordtens  unmöglich  als  der  geeignete  Mann  erscheinen.  »Unter 
solchen  Umständen«,  sagt  Völderndorff,  »kann  man  leicht  ermessen,  mit 
welchen  Schwierigkeiten  der  Fürst  arbeitete.  In  Preußen  hatte  vielleicht 
nur  Bismarck  dafür  ein  Verständnis«. 

»Waren  Herrn  von  der  Pfordten  die  preußischen  Bündnisverträge  im 
Grunde  doch  nur  aufgezwungen  worden,  so  ergriff  Fürst  Hohenlohe  laut 
und  nachdrücklich  aus  innerster  Überzeugung  für  sie  Partei;  nicht  zum 
mindesten  seinem  Einflüsse  war  es  zuzuschreiben,  daß  sich  auch  die  unge- 
heure Mehrheit  des  Landes  in  diesem  Sinne  aussprach.  Fürst  Hohenlohe, 
die  lebende  Mainbrücke,  wie  man  ihn  nannte,  war  damals  einer  der 
ersten  und  wichtigsten  Mitarbeiter  an  der  Verschmelzung  des  Südens  und 
des  Nordens.«  Dieses  Urteil,  daß  die  »Kölnische  Zeitung«  beim  Tode  des 
Fürsten  formulierte  (6.  7.  1901),  erfuhr  seine  volle  Bestätigung  in  einer 
hochwichtigen  zeitgenössischen  Auslassung.  Im  Augustheft  der  »Deutschen 
Revue«  (1904)  findet  sich  in  der  Veröffentlichung  der  Korrespondenz  des 
badischen  Ministers  von  Freydorf  unter  anderm  ein  Brief,  in  welchem  sein 
Amtsvorgänger,  der  bekannte  Staatsmann,  Freiherr  von  Roggenbach,  sich 
also  über  Hohenlohe  und  dessen  Politik  ausläßt:  »Meine  Meinung  von  dem 
Verstände,  dem  Takte  und  dem  Savoir  faire  des  Fürsten  Hohenlohe  ist  eine 
sehr  günstige,  derselbe  bedarf  an  und  für  sich  bei  seiner  genauen  Kenntnis 
der  europäischen,  deutschen  und  speziell  süddeutschen  Verhältnisse  keinerlei 
Rat  oder  Beeinflussung.  Alles,  was  ich  über  seine  Richtung  und  Tendenzen 
höre,  entspricht  so  vollkommen  der  Sachlage  und  zeugt  von  so  richtigem 
maßvollem  Verständnis  der  Situation,  in  welche  sich  die  süddeutschen 
Staaten  durch  ihren  das  Bundesrecht  und  die  Bundesverfassung  umstoßenden 
Krieg  gebracht  haben,  daß  für  die  drei  anderen  süddeutschen  Staaten  kaum 
ein  besserer  Weg  gefunden  werden  könnte,  als  sich  möglichst  den  Schritten 
anzuschließen,  die  der  bayerische  Minister  tun  wird.  —  Ohnehin  tritt  Bayern, 
im  Augenblick,  wo  seine  Politik  sich  frei  zeigt  von  Kurzsichtigkeiten  und 
politischen  Fanfarons,  in  den  Besitz  der  Bedeutung,  die  seiner  relativen 
Machtstärke  in  Süddeutschland  zukommt,  und  es  wird  sich  für  die  deutsche 
Entwicklung  nützlich  zeigen,  daß  diese  süddeutsche  politische  Staatengruppe, 
die  zurzeit  jedes  inneren  Halts  entbehrt,  dadurch  einen  natürlichen  Mittel- 
punkt gewinnt.«  Im  gleichen  Zusammenhang  und  auf  das  Verhältnis  der 
Südstaaten  zu  Preußen  anspielend,  fährt  Freiherr  von  Roggenbach,  dieser 
feinsinnige  Mitbegründer  der  deutschen  Einheit,  also  fort:  »Ich  freue  mich, 
von  Fürst  Hohenlohe  zu  hören,  daß  auch  er  den  süddeutschen  Bund  nicht 
ausschließt  und  das  Wesen  datin  erkennt,  daß  diese  vier  süddeutschen 
Staaten  auf  alle  Fälle  mit  Preußen  zusammengehen  im  Falle  eines  Angriffs 
von  außen«. 

Sein  politisches  Programm  hatte  Fürst  Hohenlohe  in  einer  bedeutsamen 
Rede   am    19.  Januar  1867    angedeutet,   aus   welcher  klar  hervorgeht,   daß  er, 


zu  Hohenlohe-SchillingsfUrst.  423 

nicht  wie  es  seine  Gegner  vorgaben,  in  Preußen  die  mächtige  Eiche  sah, 
an  deren  Stamm  das  schwache  Bayern,  dem  Epheu  gleich,  emporklettern 
und  Halt  und  Schutz  finden  sollte.  Für  einen  bedingungslosen  Eintritt  in 
den  norddeutschen  Bund  ist  Hohenlohe  niemals  eingetreten.  Im  Gegenteil, 
äußerte  er  sich  doch  noch  im  November  1866  zu  Völderndorff:  »Ich  gestehe 
offen,  das,  was  bisher  über  die  geplante  Verfassung  dieses  Bundes  bekannt 
ist,  scheint  mir  nicht  geeignet,  um  einem  so  großen  Staat  wie  Bayern  Lust 
zu  machen,  als  Bundesglied  einzutreten.  Dazu  ist  der  Gesamtton  zu  wenig 
föderativ;  für  Reufl-Greiz  und  Lobenstein  paßten  die  Bestimmungen  vielleicht, 
für  Sachsen  kaum,  für  Bayern  aber  keinesfalls«.  Preußen  selbst  wäre  damals 
ein  Bund  mit  den  süddeutschen  Regierungen  nichts  weniger  als  erwünscht 
gewesen.  Was  darum  dem  neuen  bayerischen  Minister  vorschwebte,  war 
zunächst  die  Erreichung  alles  dessen,  was  nach  den  Bestimmungen  des 
Prager  Friedens  noch  ausführbar  war.  Und  da  war  es  denn  der  Punkt,  daß 
die  Südstaaten,  sofern  sie  in  einen  Verein  zusammentreten,  mit  dem  Nord- 
bund eine  nationale  Verbindung  eingehen  sollten.  Der  Weg,  der  zu  diesem 
wichtigen  und  politisch  erreichbaren  Ziele  führte,  war  nach  Ansicht  Hohenlohes 
eine  allen  Südstaaten  gemeinsame  Gestaltung  der  Militärorganisation,  welche 
eine  Gleichmäßigkeit  mit  den  preußischen  Einrichtungen  anstreben  sollte. 
>^I)amit«,  meinte  der  Fürst,  »würde  von  vornherein  gezeigt,  daß  die  geplante 
Vereinigung  nicht  in  dem  Sinne  gedacht  sei,  in  welchem  Napoleon  die 
desfallsige  Bestimmung  in  den  Nikolsburger  Präliminarien  gebracht  hat«. 

Der  Krieg  von  1866  hatte  die  Notwendigkeit  der  Militärreformen  zur 
Evidenz  gebracht.  In  den  Stuttgarter  Konferenzen  vom  3.  bis  5.  Februar, 
an  denen  vier  süddeutsche  Minister  des  Auswärtigen  teilnahmen,  wurden, 
den  Anregungen  des  bayerischen  Ministers  folgend,  jene  wichtigen  Ver- 
einbarungen getroffen,  welche  die  einheitliche  Leitung  des  deutschen  Heeres, 
sowie  die  Erhöhung  und  Schlagfertigkeit  der  Militärkraft  einleiteten.  Das 
Schutz-  und  Trutzbündnis  der  süddeutschen  Staaten  mit  Preußen,  welches 
der  Fürst  im  August  1867  der  bayerischen  Kammer  vorlegte,  war  eine 
natürliche  Konsequenz  der  Stuttgarter  Abmachungen. 

Ebenso  wichtig  als  dieser  Schritt,  der  auf  militärischem  Gebiete  ge- 
macht worden  war,  ist  jener  andere,  der  in  Friedenszeiten  den  Norddeutschen 
Bund  dem  Süden  näher  bringen  und  eine  Form  schaffen  sollte,  die  es  er- 
möglichte, in  wirtschaftlichen  und  innerpolitischen  Fragen  einen  Austausch 
der  Gedanken  und  eine  wechselseitige  Vertretung  der  Interessen  zu  schaffen. 
Es  geschah  dies  durch  die  Reorganisation  des  Zollvereins,  durch  den  Beitritt 
Bayerns  in  das  neue  Zollparlament.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  zahllosen 
Peripetien  zu  schildern,  welche  der  Antrag  des  Fürsten,  dem  neuen  Zollverein 
beizutreten,  durchmachen  mußte,  bis  die  bayerischen  Kammern  sich  damit 
einverstanden  erklärten  und  endlich  am  31.  Oktober  der  neue  Zollvereins- 
vertrag auch  in  der  Kammer  der  Reichsräte  zur  Annahme  gelangte.  Die 
Methode,  welche  der  Fürst  befolgte,  um  die  renitentesten  Elemente  unter  den 
standesherrlichen  Partikularisten  zu  gewinnen,  war  eine  diplomatische  Muster- 
leistung ersten  Ranges.  Das  erste  deutsche  Einheitsparlament  erkannte  denn 
auch  die  Verdienste  des  Fürsten  um  das  Zustandekommen  des  großen  Werkes 
in  deutlicher  Weise  an,  indem  es  ihn  einhellig  zum  ersten  Vizepräsidenten 
wählte.     Und   das  Zollparlamcnt   wurde   dann  für   den  Fürsten   die  Tribüne, 


424  *^  Hohenlohe-Schillingsfürst. 

von  welcher  aus  er  für  die  nationale  Verschmelzung  von  Süd  und  Nord  mit 
allem  Nachdruck  und,  man  kann  behaupten,  auch  nach  außen  hin,  besonders 
den  französischen  Velleitäten  gegenüber,  mit  großem  Erfolg  eintrat.  In 
diesem  Sinne  sind  auch  die  Worte  zu  deuten,  mit  denen  er  am  3.  Juni  1869 
den  Mitgliedern  des  Zollparlaments  für  seine  Wiederwahl  zum  Vizepräsidenten 
dankte.  Damals  sagte  der  Fürst  unter  anderm:  »Diese  Ehre  ist  um  so 
größer  und  meine  Dankbarkeit  um  so  aufrichtiger,  als  ich  im  vergangenen 
Jahre  nicht  Gelegenheit  gehabt  habe.  Beweise  für  meine  Befähigung  zu  dem 
mir  übertragenen  Amte  abzulegen.  Wenn  Sie  mich  dennoch  wiedergewählt 
haben,  so  haben  Sie  mir  damit  das  Recht  gegeben,  das  Motiv  Ihres  V^er- 
trauens  in  meiner  Tätigkeit  außerhalb  dieser  hohen  Versammlung  zu  suchen. 
Damit  gewinnt  aber  Ihr  Votum  für  mich  eine  höhere  politische  Bedeutung, 
und  das  Vertrauen  dieser  hohen  Versammlung  wird  mir  den  Mut  geben,  auf 
dem  Wege,  den  ich  für  den  richtigen  halte,  unbeirrt  fortzuschreiten,  und 
auszuharren  in  dem  Bestreben,  für  die  Verständigung,  Versöhnung  und  Ein- 
tracht der  deutschen  Stämme  mit  allen  meinen  Kräften  zu  wirken«  (Rust, 
a.  a.  O.  4of.).  Der  Eindruck,  den  diese  Worte  in  Nord  und  Süd  bei  allen 
Freunden  des  Einheitsgedankens  erweckten,  war  überaus  günstig  und  fand 
in  diesen  Kreisen  einen  freudigen  Wiederhall.  Anders  freilich  dachten  die 
bayerischen  Partikularisten  über  die  Rede  ihres  Ministers.  In  ihren  Organen 
hieß  es,  »daß  ein  Fleißbillet,  von  den  Preußen  ausgestellt,  von  den  Bayern 
nicht  respektiert  werde«. 

Während  Fürst  Hohenlohe  mit  großer  Befriedigung  der  Entwicklung  und 
der  allmählichen  Vorbereitung  der  nationalen  Einigung  folgte,  ließen  ihn 
andere  Strömungen,  die  nicht  nur  Bayern  und  ganz  Deutschland,  sondern 
die  gesamte  gebildete  Welt  in  Atem  hielten,  sorgenvoll  der  nächsten  Zukunft 
entgegensehen.  In  allen  katholischen  Ländern  Europas  war  die  ultramontane 
Bewegung  von  den  revolutionsscheuen  Regierungen  mächtig  gefördert  worden; 
nirgends  aber  fand  diese  Bewegung  einen  so  günstigen  Boden  als  in  gewissen 
deutschen  Provinzen  und  vornehmlich  im  Königreiche  Preußen.  Während 
die  sogenannte  Neuscholastik  den  römischen  Ansprüchen  in  der  Theologie 
nach  Kräften  Vorschub  leistete,  waren  es  im  praktisch-politischen  Leben  die 
jesuitischen  Doktrinen  über  Staat  und  Kirche,  über  Liberalismus  und  Fort- 
schritt, welche  jene  große  Aktion  gegen  die  Wissenschaft  und  den  modernen 
Rechtsstaat  einleiteten,  deren  verderbliche  Folgen  heute  und  noch  auf  Jahr- 
zehnte hinaus  unser  öffentliches  Leben  vergiften  und  das  politische  Selbst- 
bewußtsein der  deutschen  Nation  untergraben. 

Zwei  Kundgebungen  sind  es  vornehmlich,  um  nicht  zu  sagen  zwei 
Serien  von  Ereignissen,  deren  sich  die  Kurie  und  die  Zelanti  bedienten, 
um  der  ultramontanen  Weltanschauung  unter  den  Massen  zur  Herrschaft  zu 
verhelfen,  der  Syllabus  und  das  Unfehlbarkeitsdogma. 

Die  ungeheure  Tragweite  dieser  beiden  päpstlichen  Kundgebungen  hat  unter 
den  Staatsmännern  des  europäischen  Kontinents  niemand  so  sehr  erkannt  als 
Fürst  Chlodwig  zu  Hohenlohe-Schillingsfürst.  In  einer  Kammerrede,  die  er  ge- 
legentlich der  Generaldebatte  über  das  Schulgesetz  am  19.  April  1869  hielt,  führte 
er  aus:  „Die  Schwierigkeit  für  ein  harmonisches  Zusammenwirken  beider  Gewal- 
ten, der  Kirche  und  des  Staates,  liegt  meines  Erachtens  darin,  daß  in  neuerer  Zeit 
Äußerungen  kundgegeben  worden  sind,  die  eine  Abneigung  der  in  der  Kirche 


zu  Hohenlohc-Schillingsfürst.  425 

zurzeit  herrschenden  Partei  gegen  den  Staat  erkennen  lassen«.  Und  er  schloß 
seine  an  das  religiöse  Gefühl,  nicht  an  politische  Aspirationen  appellierende 
Rede  mit  den  Worten:  »ob  die  Menschheit  auch  einer  streitenden  und  ver- 
dammenden Kirche  bedarf,  das  mögen  die  Theologen  entscheiden«  (s.  Friedrich, 
Ignaz  V.  Döllinger,  I.  469).  Es  traf  sich,  als  er  im  Jahre  1869  diese  Worte 
sprach,  daß  kein  Staatsmann  im  Amte  war,  welchem  gleich  ihm  Gelegenheit 
geboten  war,  sich  zu  vergewissern  über  die  wahren  Tendenzen  des  vati- 
kanischen Konzils.  »Der  bayerische  Ministerpräsident,  Fürst  Hohenlohe«, 
sagt  Lord  Acton,  »war  der  Bruder  eines  Kardinals.  Allein  hiervon  ganz 
abgesehen,  blieben  besonders  die  akademischen  Körperschaften  Münchens  .... 
in  Rom  stets  durch  ausgezeichnete,  mit  Personen  und  Verhältni.ssen  ver- 
trauteste Mitglieder  vertreten.  Sie  waren  es,  die  ihre  Aufmerksamkeit  sofort 
auch  den  Vorberatungen  der  Konzilskommissionen  zu  widmen  begannen, 
sofern  diese  offenbar  nun  nicht  mehr  bloß  für  die  Theologie  interessant 
und  folgenschwer  erschienen.  Fis  bestanden  also  vielfache,  aber  im  ganzen 
unbestreitbar  höchst  urteilsfähige  und  glaubwürdige  Quellen,  aus  welchen 
dem  Staatsmanne  von  den  Dingen,  welche  in  Rom  sich  vorbereiteten, 
die  eingehendste  Kunde  zukommen  konnte  und  wirklich  auch  zukam«  (Zur 
Gesch.  des  Vat.  Konzils,  18).  Die  außerordentliche  Hingabe  Hohenlohes  an 
die  politischen  Probleme  seines  engeren  und  größeren  Vaterlandes  ließen 
ihn  gewiß  nicht  zu  einem  eingehenden  Studium  der  religiösen  und  theologi- 
schen Fragen  kommen,  man  wird  aber  nichtsdestoweniger  sagen  können, 
daß  der  drohende  Ansturm,  den  die  Kurie  auf  den  modernen  Staat  und  die 
Freiheit  der  Wissenschaft  in  den  fünfziger  und  sechziger  Jahren  einleitete, 
den  Fürsten  keineswegs  überraschte,  sondern  wohl  vorbereitet  antraf.  Ein 
Anhänger  der  Cavourschen  Formel:  libera  chiesa  in  Ubero  stato  ist  er  niemals 
gewesen,  denn  er  sagte  sich,  daß  eine  Institution,  wie  die  der  katholischen 
Kirche  eine  allzugewaltige  Macht  sei,  um  dem  Staat  bei  einer  unbeschränkten 
Freiheit  die  notwendige  Selbständigkeit  noch  lassen  zu  können.  Sein  staats- 
männischer Blick  hatte  schon  1854  klar  erkannt,  welchen  Gefahren  der 
Friede  zwischen  Staat  und  Kirche  durch  die  von  den  Jesuiten  inspirierten 
Doktrinen  ausgesetzt  sein  würden.  Schon  von  dem  Dogma  der  unbefleckten 
Empfängnis  hatte  der  Fürst  gesagt:  »Latet  anguis  in  herbis«.  Und  er  setzte 
hinzu:  »Ich  halte  es  für  einen  Probepfeil.  Die  Jesuiten  wollen  sehen,  was 
man  den  Gläubigen  zumuten  dürfe«.  Mit  diesem  Ausspruch  hat  der  Fürst 
leider  nur  zu  sehr  Recht  behalten.  Und,  es  muß  auch  hervorgehoben  werden, 
daß  der  aufgeklärte  Staatsmann,  seinen  Erfahrungen  und  seiner  Überzeugung 
gehorchend,  schon  in  den  sechziger  Jahren  nicht  nur  Bayern,  sondern  auch 
den  Norden  und  Westen  Deutschlands  auf  die  ultramontane  Gefahr  aufmerk- 
sam machte  und  in  Berlin  schon  damals  den  nie  befolgten  Rat  gab,  »bei 
Besetzung  der  hervorragenden  Diözesen  in  Köln,  Breslau,  Mainz,  Freiburg 
und  besonders  in  Posen,  nur  selbständige  und  deutschgesinnte  Männer  an 
die  Spitze  kommen  zu  lassen  und  auch  für  die  Besetzung  der  Domkapitel 
in  dieser  Richtung  Sorge  zu  tragen«  (Völderndorff  a.  a.  O.).  Die  nordisch- 
protestantische Staatskunst  hat  bekanntlich  niemals  ein  V^erständnis  für 
katholische  Dinge  gehabt.  In  dem  Bewußtsein  ihrer  äußeren  Stärke,  ver- 
zichtete sie  ja  stets  auf  die  wirksamen  Machtmittel,  welche  ihr  aus  der 
intimen    Kenntnis    des  Ultramontanismus    und    des    Katholizismus    geflossen 


426  *u  Hohenlohc-Schillingsfürst. 

wären.  Das  preußische  laisser  faire  Rom  gegenüber  wurde  nur  dann  und 
wann  durch  brutale  Maßregeln  unterbrochen  und  hat  jedesmal  die  gewollte 
Wirkung  verfehlt.  Kein  Wunder,  daß  die  Vorstellungen  des  bayerischen 
Ministerpräsidenten  auch  im  Jahre  1869  "^^*  einem,  für  Preußen,  nicht  für  ihn 
beschämenden  Mißerfolg  endeten.  Obschon  dem  Fürsten  der  beklagenswerte 
Indifferentismus  Berlins  den  römischen  Veranstaltungen  gegenüber  bekannt 
war,  entschloß  er  sich,  durch  Döllinger,  durch  zahlreiche  deutsche  Prälaten 
und  Theologen  angeregt,  durch  die  Haltung  von  Männern  wie  Gladstone, 
Lord  Acton  in  England  ermuntert,  endlich  durch  die  bekannte  gallikanisch  und 
freiheitlich  gesinnte  starke  Minorität  in  der  französischen  Prälatur  in  seinen 
Auffassungen  bestärkt,  zur  Abfassung  jener  bekannten  Zirkulardepesche  vom 
9.  April  1869.  Diese  hatte  den  Zweck,  die  europäischen  Höfe  zu  einer  gemein- 
samen Aktion  gegenüber  den  zu  erwartenden  Beschlüssen  der  römischen 
Kurie  einzuladen. 

Doch  hören  wir  vom  bayerischen  Ministerpräsidenten  selbst,  was  er  über 
die  Zirkulardepesche  dachte,  welche  unter  anderen  Umständen  zu  einer 
rettenden  Tat  hätte  werden  können.  »Ich  halte  es  für  meine  Pflicht«,  so 
äußerte  sich  der  P'ürst  zu  seinem  Vertrauten,  Baron  Völderndorff,  »als  oberster 
Leiter  des  führenden  katholischen  Staates  in  Deutschland  meine  warnende 
Stimme  zu  erheben.«  Als  Völderndorff  seinen  hohen  Gönner  auf  die  Gefahr 
der  Urheberschaft  aufmerksam  machte,  die  eine  solche  Note  gerade  einem 
Mann  wie  Hohenlohe  bringen  mußte,  gab  ihm  dieser  die  denkwürdig  be- 
scheidene, jeden  Deutschen  zur  Bewunderung  zwingende  Antwort:  »Mein 
lieber  Baron  Völderndorff,  ob  ich  von  meinem  jetzigen  Posten  gestürzt  werde 
oder  nicht,  daran  liegt  gar  nichts.  Deutschland  wird  auch  ohne  mich  einig 
werden,  das  besorgt  der  Norden  und  Graf  Bismarck.  Aber  um  die  katholische 
Kirche  gegen  die  Jesuiten  und  ihre  den  Katholizismus,  dem  ich  treu  an- 
hänge, schädigenden  Pläne  zu  verteidigen,  dazu  gehört  ein  Katholik,  das 
können  die  Protestanten  nicht.  Wenn  ich,  der  Bruder  eines  Kardinals,  meine 
Stimme  erhebe,  wird  wohl  niemand  sagen  können,  das  es  ein  Feind  des 
Papsttums  sei,  der  spricht«. 

Es  war  ein  Moment,  der  eine  weltgeschichtliche  Bedeutung  hätte  er- 
langen können,  als  Fürst  Chlodwig  zu  Hohenlohe  die  Zirkulardepesche  ver- 
faßte, vorausgesetzt,  daß  die  europäischen  Kabinette  sich  mit  ihm  solidarisch 
erklärt  hätten.  Dem  bayerischen  Minister  waren  die  geringen  Aussichten,  die 
sein  Unternehmen  boten,  nicht  entgangen.  Es  steht  uns  nicht  zu,  über 
unwiederbringlich  Verlorenes  Klage  zu  füren,  das  aber  darf  man  heute  wie 
auch  in  späteren  Jahrzehnten  noch  behaupten  dürfen:  der  Hinweis  auf  das 
selbstlose,  hochideale  Vorgehen  eines  Staatsmannes  wie  Fürst  Chlodwig  in 
einer  das  Verhältnis  von  Staat  und  Kirche  so  folgenschweren  Frage  wie  das 
Unfehlbarkeitsdogma,  ist  eine  Tat,  um  die  ihn  die  Zukunft  beneiden,  von 
der  sie  sich  stets  sagen  wird:  memhiisse  iuvabit! 

Das  Schicksal  der  Zirkulardepesche  ist  bekannt.  Die  vom  Fürsten  ge- 
machten Vorschläge  fanden  bei  den  meisten  Staaten  wenig  oder  gar  kein 
Entgegenkommen,  vielmehr  zogen  sie  ihm  in  Bayern  nur  den  Haß  der  Ultra- 
montanen zu,  die  es  in  der  bayerischen  Volksvertretung  zu  einer  ansehnlichen 
Minorität  und  nach  erfolgter  Auflösung  der  Kammer  sogar  zu  einer  ultra- 
montanen Mehrheit  gebracht  hatten.     Dieser  Mehrheit  kam   es  zunächst  nur 


zu  Hohenlohe-Scbillingsfürst.  427 

darauf  an,  durch  ein  Mißtrauensvotum  der  Kammer  das  Verbleiben  des 
damaligen  Ministerpräsidenten  im  Amte  unmöglich  zu  machen.  Fürst  Hohen- 
lohe  nahm  den  ihm  aufgedrungenen  Kampf  mutig  auf  und  versäumte  es 
nicht,  ehe  er  der  Übermacht  des  Gegners  sich  entzog,  diesen  sowie  dessen 
Programm  im  Gegensatz  zum  Liberalismus  noch  einmal  zu  charakterisieren. 
»Es  ist  der  Streit  der  beiden  Anschauungen«,  so  führte  der  Minister  am 
Schlüsse  der  zwölftägigen  Debatte  in  der  bayerischen  Abgeordnetenkammer 
aus,  »deren  eine  im  modernen  Rechtsstaate  und  in  der  ganzen  freiheitlichen 
Entwicklung  der  Gegenwart  etwas  zu  Erhaltendes  und  Pflegendes  erblickt, 
und  deren  andere  diesen  modernen  Staat  und  die  ganze  moderne  Entwicklung 
perhorresziert  und  das  Heil  der  Menschheit  in  einer  Neugestaltung  des 
Staates  auf  anderer  Grundlage  sieht,  einer  Neugestaltung,  welche  durch  die 
Kirche  und  zwar  durch  eine  im  absolutistischen  Sinne  rekonstruierte  Kirche 
vervollständigt  und  getragen  würde.  In  diesem  Kampfe  eine  Änderung  der 
Überzeugungen  durch  Worte  herbeiführen  zu  wollen,  wäre  die  vergeblichste 
aller  Bemühungen«  (Rust,  a.  a.  O.  loi). 

Wenn  Fürst  Hohenlohe  dem  Zusammenwirken  aller  gegnerischen  Strö- 
mungen weichen  mußte,  blieb  er  nichtsdestoweniger  dem  parlamentarischen 
Leben  nicht  fremd  und  machte  seinen  großen  persönlichen  Einfluß  jedesmal 
geltend,  wenn  die  Lösung  der  deutschen  Einigungsfrage  auf  dem  Spiele 
stand.  Die  Verträge,  durch  die  nach  dem  französischen  Kriege  das  Ver- 
hältnis Bayerns  zu  Preußen  und  Deutschland  überhaupt  geregelt  wurden, 
verdanken  der  weisen  Vermittelung  des  Fürsten  zum  großen  Teil  ihr  Zu- 
standekommen. 

Aus  den  Ereignissen  des  Jahres  Siebzig  ging  das  neue  Deutsche  Reich 
hervor.  An  Stelle  des  Zollparlaments  trat  nunmehr  der  Reichstag,  dessen 
Zusammensetzung  durch  die  Wahlen  vom  3.  März  187 1  bedingt  war.  Fürst 
Chlodwig  gehörte  als  Vertreter  des  Kreises  Forchheim- Kulmbach  von 
1871  — 1881  dem  Reichstage  an,  und  zwar  als  Mitglied  der  liberalen  Reichs- 
partei. Das  hohe  Haus  war  sich  von  Anfang  an  klar,  daß  diejenigen  Männer, 
welche  schon  im  deutschen  Zollparlament  als  Präsidenten  für  die  Neu- 
gestaltung und  die  Einigung  der  deutschen  Nation  eingetreten  waren,  nun- 
mehr auch  im  neuen  Parlamente  des  zweiten  deutschen  Reiches  die 
Ehrenstellen  einnehmen  sollten,  die  ihren  Verdiensten  gebührten.  Es  waren 
dies  Dr.  Simson  und  Fürst  Chlodwig  zu  Hohenlohe.  Mit  Ausnahme  der 
klerikalen  vereinigte  der  ehemalige  bayerische  Ministerpräsident  alle  Stimmen 
auf  seinen  Namen.  Bei  seiner  weitsehenden  Kirchenpolitik  und  seiner 
scharfausgesprochenen  antiultramontanen  Stellung,  besonders  in  der  Zeit 
des  Kulturkampfes,  hatte  der  Fürst  stets  mit  der  Feindschaft  des  Zentrums 
zu  rechnen.  Dies  war  ganz  besonders  der  Fall,  als  er  1872  (Mai)  gelegentlich 
der  Jesuitendebatte  im  Deutschen  Reichstage  für  einen  Gesetzentwurf  eintrat, 
der  den  Jesuitenorden  in  Deutschland  einfach  verbieten  sollte.  Eine,  die 
katholische  Kirche  so  sehr  interessierende  Angelegenheit,  wie  es  die  staatliche 
Duldung  eines  Ordens  ist,  der  als  Inspirator  und  Verfechter  des  Syllabus 
sich  so  eifrig  hervorgetan  hat,  glaubte  der  ehemalige  Minister  eines  größten- 
teils katholischen  Landes  nur  in  der  angeführten  Weise  zum  Frommen  der 
katholischen  Christenheit  erledigen  zu  müssen.  Dabei  verfehlte  er  nicht,  das 
ganze  jesuitische  System   als   ein   solches  zu   brandmarken,    »das  sich   gegen 


^28  2U  Hohenlohe-Schillingsfürst. 

die  Grundsätze  richtet,  auf  denen  das  öffentliche  Leben,  wie  es  sich  bei 
zivilisierten  Völkern  entwickelt  hat,  als  auf  seiner  Grundlage  beruht«.  Mit 
Herrn  von  Radowitz,  dem  Führer  der  katholischen  Partei  zur  Zeit  der 
Tagungen  in  der  Paulskirche  zu  Frankfurt  war  auch  Fürst  Chlodwig  eines 
Sinnes,  als  dieser  vornehme  Katholik  ausführte:  »Der  Nutzen,  welchen  man 
sich  aus  dem  Jesuitenorden  für  die  katholische  Kirche  in  Deutschland  ver- 
sprechen könnte,  würde  in  gar  keinem  Verhältnisse  zu  den  tiefen  Störungen 
und  Gefahren  stehen,  welche  seine  Gegenwart  hervorrufen  muß«.  (Die 
Jesuitendebatte  i.  d.  Reichstage.     Berlin,  Simion  1872,  S.  30). 

In  den  Ansprüchen  des  Ultramontanismus,  vornehmlich  in  der  von  dieser 
Richtung  herbeigesehnten  Rückkehr  des  Jesuitenordens  nach  Deutschland 
gewahrte  der  Fürst  ein  neues  Aufleben  jener  feindlichen  Kräfte,  welche  das 
alte  Reich  zerstörten.  In  dieser  Beziehung  standen  somit  seine  Anschauungen 
in  schroffem  Widerspruch  zu  den  Ansichten  der  nach  ihm  tonangebend  ge- 
wordenen Politik.  Nichtsdestoweniger  zeigte  sich  Hohenlohe  weit  entfernt, 
alles  mit  jener  parteipolitischen  Kurzsichtigkeit  anzusehen,  die  seine  klerikalen 
Gegner  an  ihm  zu  entdecken  glaubten.  Man  wird  nicht  leicht  einen  Staats- 
mann finden,  der  wie  Fürst  Hohenlohe  durch  Tradition  und  Erziehung,  durch 
Begabung  und  Beobachtung  zugleich  in  den  Stand  gesetzt  war,  jene  dem 
Menschen  anhaftenden  Einseitigkeiten  zu  überwinden,  die  sonst  den  Politiker 
zum  vulgären  Parteimanne  herabwürdigen  und  ihm  die  praktische  Betätigung 
im  öffentlichen  Leben  so  sehr  erschweren. 

Der  ehemalige  bayerische  Minister  und  erprobte  Parlamentarier  war 
daher  der  rechte  Mann  am  rechten  Platze,  als  er  1874  zum  Botschafter  in 
Paris  ernannt  wurde.  Als  er  am  23.  Mai  dem  Präsidenten  Marschall  Mac 
Mahon  sein  Beglaubigungsschreiben  überreichte,  übernahm  er  ein  Amt,  das 
nicht  nur  wegen  des  vorausgegangenen  Krieges,  wegen  der  inneren  Ver- 
hältnisse in  Frankreich,  sondern  auch  wegen  gewisser  tatsächlicher  oder  ver- 
meintlicher Vorgänge  in  der  deutschen  Botschaft  selbst,  die  auf  gewisse 
Paktierungen  des  Grafen  Arnim  mit  den  Monarchisten  hinweisen  sollten, 
einen  auserlesenen  Takt  und  einen  offenen  Blick  erforderte.  Als  daher  der 
der  höchsten  Aristokratie  angehörende  Fürst  Hohenlohe  in  Paris  eintraf, 
glaubte  man  dort  vielfach  in  ihm  einen  Botschafter  erhalten  zu  haben,  der  wie 
angeblich  Arnim  die  monarchistische  Opposition  begünstigen  würde.  Sehr 
bald  konnte  man  sich  aber  davon  überzeugen,  daß  man  sich  in  dieser 
Beziehung  getäuscht  hatte.  Im  Gegensatz  zu  seinem  Amtsvorgänger  pflegte 
er  nicht  nur  vielfache  Beziehungen  mit  den  feudalen  Kreisen  des  Fau- 
bourg  St.  Germain,  sondern  erkannte  auch  die  republikanische  Bureaukratie 
gesellschaftlich  als  durchaus  gleichberechtigt  an  und  verstand  es,  mit 
den  verschiedensten  Ministern  auf  gutem  Fuß  zu  stehen.  Dies  gelang  ihm 
selbst  dann,  wenn  er  Maßnahmen  zu  verteidigen  hatte,  die  der  Empfind- 
samkeit der  Franzosen  unerwünscht  sein  mußten.  Dabei  verstand  er  es 
immer,  eine  versöhnliche  Form  zu  wählen  bei  allem  beharrlichen  Festhalten 
an  seinem  prinzipiellen  Standpunkte.  Unbequemen  Fragen,  auf  die  er  als 
Diplomat  nicht  immer  kategorisch  antworten  konnte,  ging  der  Fürst  meist 
aus  dem  Wege  und  brachte  dadurch  den  Frager  oft  in  größere  Verlegenheit, 
als  dies  sonst  bei  dem  Gefragten  der  Fall  gewesen  wäre.  Es  kann  nicht  unsere 
Aufgabe  sein,  in  diesem  Rahmen  die  Pariser  Tätigkeit  des  Fürsten  erschöpfend 


in  Hohenlohe^Schillingsfürst.  420 

zu  schildern.  Was  er  in  der  damaligen  Zeit  für  sein  Vaterland,  für  die  Bismarck- 
sche  Politik  getan,  das  hat  der  erste  Kanzler  des  Reiches  in  Worten  ausge- 
sprochen, von  denen  Fürst  Hohenlohe  wiederum  gesagt:  »Ich  werde  den  Brief 
als  das  wertvollste  Dokument  meines  Hauses  Kindern  und  Enkeln  aufbewahren.» 
(Anhang  zu  den  Gedanken  und  Erinnerungen  II,  507).  Am  i.  Januar  1878 
schrieb  nämlich  Bismarck  von  Varzin  aus  folgendermaßen  an  Hohenlohe: 
....  meinen  herzlichen  Dank  für  die  so  einsichtige  und  tapfere  Unterstützung, 
welche  Sie  mir,  wie  in  allen  Fällen,  so  auch  in  den  letzten  schwierigen 
Monaten  in  der  nachhaltigsten  und  erfolgreichsten  Weise  geliehen  haben. 
Leider  finde  ich  das  Geschick  und  den  loyalen  Willen  zur  Vertretung  unserer 
Politik  nicht  immer  vereinigt  und  bin  deshalb  um  so  dankbarer  für  die 
Ausnahmen,  in  denen  es  der  Fall  ist.  Ich  werde  es  stets  dankbar  anerkennen, 
daß  ich  während  der  ganzen  Zeit  unseres  Zusammenarbeitens  immer  auf 
Ew.  Durchlaucht  sichere  und  erfolgreiche  Mitwirkung  zählen  durfte,  ohne  die  es 
bei  allen  Anfeindungen  und  Intriguen,  deren  Ziel  ich  bin,  nicht  möglich  wäre, 
das  Unentbehrliche  zu  erreichen  und  das  Gefährliche  unschädlich  zu  machen«. 
(Ebenda).  Es  wäre  überflüssig,  einer  solch  anerkennenden  Charakterisierung  des 
Fürsten  seitens  eines  Mannes  wie  Bismarck  noch  einen  ergänzenden  Kommentar 
anhängen  zu  wollen.  Höchstens  darf  man  noch  daran  erinnern,  daß  die  Franzosen 
selbst  Hohenlohe  nicht  minder  aufrichtige  Ausdrücke  widmeten,  als  er  von  ihnen 
Abschied  nahm,  um  als  Statthalter  der  Reichslande  in  einer  Zone  zu  wirken, 
deren  Erwähnung  manchmal  genügte,  um  selbst  die  Kaltblütigkeit  ruhig- 
denkender französischer  Politiker  hart  auf  die  Probe  zu  stellen.  —  Nur 
zweimal  erfuhr  die  Tätigkeit  des  Fürsten  als  Pariser  Botschafter  eine  Unter- 
brechung: das  erste  Mal  1878,  als  er  als  einer  der  deutschen  Bevollmächtigten 
zum  Berliner  Kongreß  berufen  wurde,  das  zweite  Mal,  als  er  noch  im  Jahre  1880 
nach  dem  Tode  des  Staatsministers  von  Bülow  die  Leitung  des  auswärtigen 
Amtes  übernahm.  Auch  bei  diesen  Gelegenheiten  rechtfertigte  der  Fürst  in 
glänzender  Weise  die  auf  ihn  gefallene  Wahl.  Nur  beim  Zentrum  erregte 
er  selbst  während  der  kurzen  Dauer  seiner  Amtsführung  der  Geschäfte  im 
Staatssekretariat  Anstoß,  als  er  sich  beim  Wiener  Botschafter,  dem  Prinzen 
Reuß,  über  die  Unfruchtbarkeit  der  Verhandlungen  mit  der  Kurie  beschwerte. 
Aus  der  bisherigen  Darstellung  ist  mehrfach  zu  ersehen,  daß  die  hohen 
politischen  und  diplomatischen  Posten,  die  Fürst  Chlodwig  hintereinander 
bekleidete,  nicht  zu  jenen  gehörten,  auf  welchen  er  nur  das  Erbe  des  Vor- 
gängers zu  übernehmen  und  die  Verwaltungsgeschäfte  in  gewohnter  Weise 
weiterzuführen  gehabt  hätte.  Beinahe  die  ganze  staatsmännische  Laufbahn 
des  Fürsten  kennzeichnet  sich  dadurch,  daß  er  überall,  wo  er  einzugreifen 
hatte,  neue  Wege  bahnen,  gemachte  Fehler  verbessern,  kurzum  den  gewohnten 
Kurs  ändern  mußte.  Dies  gilt  von  dem  jugendlichen  bayerischen  Standes- 
herrn, der  aus  preußischen  Diensten  nach  dem  nichts  weniger  als  preußen- 
freundlich gesinnten  Bayern  zurückkam,  gerade  so  wie  von  dem  Nachfolger 
von  der  Pfordtens  im  Ministerium.  Die  Situation,  wie  sie  Arnim  in  der 
Botschaft  in  Paris  geschaffen,  bedurfte  ebenfalls  der  Klärung  und  verlangte 
eine  ganz  andere  Handhabung  der  Geschäfte.  Ähnlich  verworren  lagen  die 
Dinge  nach  dem  Tode  des  ersten  kaiserlichen  Statthalters  im  Reichslande 
Elsaß-Lothringen.  Auch  hier  hieß  es,  die  Zickzackwege  einer  nur  durch 
Wohlwollen  und  Gnade  orientierten  und  von  einem  Anflug  von  Gottesgnaden- 


/^^O  zu  Hohcnlohe-Schillingsftirst. 

tum  inspirierten  Politik  zu  verlassen,  um  nur  dem  einen  Ziele,  dem  der 
geordneten  Verwaltung  nach  einer  Zeit  des  Tastens  und  Suchens  endgültig 
zuzusteuern.  Man  wird  wohl  auch  nicht  ganz  fehlgehen,  wenn  man  femer 
behauptet,  als  dritter  Kanzler  des  deutschen  Reiches  hatte  der  Fürst  eben- 
falls von  der  Route  seines  Vorgängers  abzuschwenken,  um  es  zu  versuchen, 
den  Wagen  des  Reiches  wieder  auf  Bismarcksche  Bahnen  zurückzubringen. 
Die  Wahl  des  P'ürsten  Chlodwig  zu  Hohenlohe-Schillingsfürst  zum  Statt- 
halter in  Elsaß-Lothringen  war,  wenn  man  dem  I^ande  den  ihm  einmal  ver- 
liehenen Verwaltungsapparat  belassen  wollte,  die  denkbar  günstigste.  Als 
genauer  Kenner  katholischer  Verhältnisse  war  der  aufgeklärte  Staatsmann 
seinem  Vorgänger  in  jeder  Beziehung  überlegen.  Ein  Gleiches  galt  von 
seiner  intimen  Vertrautheit  mit  französischen  Zuständen  und  von  seinem 
Wissen  über  die  mehr  geheim  gehaltenen  Verbindungen  reichsländischer 
Politiker  aus  den  verschiedensten  Lagern  mit  französischen  Kollegen  oder 
Gönnern.  Unter  solchen  Voraussetzungen  konnte  man  daher  von  dem 
zweiten  Statthalter  des  Reichslandes  wohl  sagen,  daß  ihm  mit  dem  Ver- 
trauen des  Kaisers  das  des  ganzen  deutschen  Volkes  nach  Straßburg  gefolgt 
sei.  Schon  in  den  ersten  Tagen  seines  Aufenthaltes  im  Reichslande  benützte  der 
neue  kaiserliche  Statthalter  die  ihm  gebotene  Gelegenheit,  den  maßgebenden 
einheimischen  Elementen  seinen  Standpunkt  klar  zu  definieren.  Er  tat  es 
in  einer  so  überlegenen,  der  Vergangenheit  wie  der  damaligen  Gegenwart 
Rechnung  tragenden  Weise,  daß  sich  jeder  sagen  mußte,  daß  nun  die  Zeit 
beginnen  würde,  welche  zwischen  Altdeutschen  und  Eingeborenen  das 
Mißtrauen  bannen  und  eine  relative  Annäherung  herbeiführen  würde.  Daß 
eine  Assimilation  in  so  kurzer  Zeit  sich  unmöglich  vollziehen  könnte,  das 
war  dem  erfahrenen,  den  landläufigen  germanisatorischen  Doktrinen  und  Me- 
thoden durchaus  abholden  Staatsmanne  von  Hause  aus  klar.  Er  betrachtete 
die  Geschichte  nicht  unter  dem  romantischen  Schleier  einer  unter  dem 
Gesichtswinkel  der  Stammesverwandtschaft  gesehenen  Vergangenheit,  sondern 
stellte  sich  auf  den  festen  Boden  der  Tatsachen,  die  ihre  Rechtfertigung  in 
sich  selbst  und  nicht  etwa  in  gelehrten  germanisatorischen  Theorien  zu 
suchen  hatten.  So  ist  es  denn  auch  zu  verstehen,  daß  er  die  Ausführungen 
seines  Amtsvorgängers  über  das  Nichtvergessen  der  Zugehörigkeit  Elsaß- 
Lothringens  zu  Frankreich  nicht  nur  wesentlich  ergänzte,  sondern  aus  den 
Motiven,  welche  einst  diese  Zugehörigkeit  zu  Frankreich  rechtfertigten,  eine 
gewisse  Verwandtschaft  ableitete  mit  den  Beweggründen,  welche  nunmehr 
zur  praktischen  Anerkennung  der  neugeschaffenen  Zustände  führen  sollten. 
Doch  hören  wir  vom  Fürsten  selbst,  wie  er  sich  den  allmählichen,  natürlich, 
nicht  künstlich  sich  vollziehenden  Verschmelzungsprozeß  dachte.  Er  erklärte 
auf  eine  Auslassung  Manteuffels  anspielend:  »Ich  gehe  aber  weiter,  ich  sage, 
ich  begreife,  daß  die  Bewohner  dieses  Landes,  als  sie  vor  zwei  Jahrhunderten 
von  Deutschland  getrennt  und  mit  Frankreich  vereinigt  wurden,  diese  Änderung 
nicht  allzuschwer  empfanden,  weil  Deutschland  damals  ein  zerrissenes  Land 
war,  das  weder  seine  Angehörigen  schützen,  noch  deren  Wohlfahrt  fördern 
konnte,  während  Frankreich  nahezu  auf  der  Höhe  seiner  jetzigen  materiellen 
Entwicklung  stand;  da  konnte  die  Trennung  von  Deutschland  leicht  ver- 
schmerzt werden.  Wenn  ich  aber  so  der  historischen  Tat  gerecht  werde, 
darf  ich  nun  auch  auf  die  Gegenwart  verweisen.     Aus  dem  machtlosen,   zer- 


zu  Hohenlohe-Schillingsfürst.  a^  I 

rissenen  Deutschland  ist  ein  mächtiges  Reich  geworden,  und  wie  die  Einigung 
zur  Wiedergewinnung  verlorener  I.andesteile  geführt  hat,  so  hat  sie  uns  auch 
die  Macht  gegeben,  das  Wiedergewonnene  festzuhalten  und  die  Angehörigen 
zu  schützen,  ihnen  die  Bedingungen  geistigen  und  materiellen  Gedeihens  zu 
bieten.  Damit  schwindet  ein  Motiv  mehr,  daß  die  Bewohner  des  Landes 
auf  Frankreich  blicken  läßt.  So  gebe  ich  mich  der  Erwartung  hin,  daß 
Elsaß-Lothringen  mehr  und  mehr  erkennen  werde,  daß  die  Trennung  von 
Frankreich  kein  Unglück,  die  Wiedervereinigung  mit  Deutschland  die  Gewähr 
für  eine  glückliche  Zukunft  ist«.  (Rust.  a.  a.  O.  194).  Das  sind  Worte,  die 
kein  Deutscher  vergessen  sollte,  wenn  er  an  die  Elsässer  und  Lothringer, 
wenn  er  an  das  Reichsland  und  nach  der  territorialen  nun  auch  an  die  langsam 
sich  vollziehende  seelische  Wiedergewinnung  dieser  herrlichen  Provinzen  denkt. 

Verfügungen  und  Erlasse,  das  wußte  ein  Mann  wie  Hohenlohe,  können 
wohl  äußerlich  Ordnung  schaffen  und  den  Verwaltungsapparat  in  Gang 
bringen,  sie  vermögen  es  aber  nicht,  Menschen  innerlich  anderen  Menschen 
zu  nähern  und  die  Gemeinsamkeit  der  Interessen  zu  wecken.  Daß  diese 
belebende  Interessengemeinschaft  bei  den  Reichstags  wählen  im  Jahre  1887 
noch  nicht  vorhanden  war,  ergab  das  klägliche  Ergebnis  der  damals  von 
klerikalen  und  unversöhnlichen  Elementen  geleiteten  Wahl. 

Es  würde  von  großer  politischer  Kurzsichtigkeit  zeugen,  wenn  man  die 
bei  diesen  Wahlen  von  der  Reichsregierung  erlittene  Niederlage  als  ein  Er- 
gebnis der  kaum  dreijährigen  Hohenloheschen  Verwaltung  hinzustellen  suchte. 
Sie  erntete  nur  die  Früchte  der  unter  der  ersten  Statthalterschaft  ungleich- 
mäßig und  ziellos  ausgestreuten  Saaten,  welche  darin  bestanden,  daß  man  den 
Notabilitäten  des  Landes  nichts  zu  versagen  verstand,  während  man  dem 
Volke  nur  mit  einer  noch  größeren  Klerikalisierung  des  Landes  aufwartete. 
Der  Klerus  und  die  Notabein,  diese  Günstlinge  der  Aera  Manteuffel,  das 
waren  die  für  die  nun  eingetretene  Krisis  verantwortlichen  Faktoren.  Diese 
mußten  getroffen  werden,  wenn  normale  Zustände  in  den  wiedergewonnenen 
Provinzen  herbeigeführt  werden  sollten.  Die  am  22.  Mai  1888  erlassene  Paß- 
verfügung galt  denn  auch  vornehmlich  den  genannten  Kreisen  und  machte 
den  illoyalen  Beziehungen,  welche  aus  diesem  Milieu  mit  der  Patriotenliga 
einerseits  und  gewissen  klerikalreaktionären  Politikern  wie  de  Mun,  Keller  u.  a. 
andererseits  gepflogen  wurden,  ein  Ende.  Zur  Sanierung  der  politischen  Lage 
war  diese  Zwangsmaßregel  um  so  notwendiger,  als  es  bekanntlich  gerade 
die  geistig  hochstehenden  Elsässer  und  Lothringer  waren,  welche  nach  1870, 
entgegen  den  Ratschlägen,  die  ihnen  selbst  Thiers  erteilte,  nach  Frankreich 
auswanderten;  der  Einfluß  einer  intellektuellen,  jenseits  der  Vogesen  weilenden 
Elite  auf  die  im  Lande  Zurückgebliebenen  mußte  daher  politisch  verhängnis- 
voll werden,  wenn  nicht  staatlicherseits  eingegriffen  wurde.  Der  Erfolg  zeigte 
denn  auch  gar  bald,  daß  die  Verfügung  sich  bewährte.  Aus  klerikalen  Kreisen 
wurde  jederzeit  gerne  auf  sie,  als  auf  ein  Hohenlohesches  Regierungsmittel 
hingewiesen.  Und  doch  war  auch  diesen  Kreisen  jenes  verständnisvolle  Wort 
bekannt,  das  der  Fürst -Statthalter  kurz  vor  dem  Erlassen  obiger  Verfügung 
in  Buchsweiler  gesprochen,  das  er  auch  jederzeit  als  sein  politisches  Programm 
im  Reichslande  zu  befolgen  bestrebt  war.  »Ich  denke  nicht  daran«,  so  führte 
er  damals  aus,  »in  der  Tätigkeit  für  die  Sicherheit  des  Landes  die  einzige 
Aufgabe  der  Regierung  zu  erblicken.     Unsere  Aufgabe  ist  größer,  sie  umfaßt 


A72  ZU  Hohenlohe-SchillingsfUrst. 

ein  weites  Feld  fruchtbringender  Tätigkeit  für  das  Wohl  des  Landes  in 
geistiger  und  materieller  Beziehung.«  (Rust,  a.  a.  O.  205.)  Als  ein  Gradmesser 
für  die  in  dieser  Hinsicht  vom  zweiten  Statthalter  dem  Reichslande  erwiesenen 
Dienste  und  die  hierfür  im  Lande  erlangte  Anerkennung  kann  der  im  Ver- 
gleich zu  den  früheren  Wahlen  jetzt  als  sehr  günstige  Ausfall  der  Landes- 
ausschuß (1888)  und  Reichs  tags  wählen  (1890)  angesehen  werden. 

Wir  haben  soeben  eine  Äußerung  des  Fürsten  Chlodwig  hier  eingesetzt, 
weil  sie  im  wesentlichen  das  enthält,  worauf  es  ihm  als  Statthalter,  als  auf- 
geklärten und  liberalen  Staatsmann  im  besten  Sinne  des  Wortes  ankam,  nämlich 
auf  die  Pflege  aller  geistigen  und  kulturellen  Interessen  des  Landes,  auf  die 
guten  Beziehungen  zu  den  Vertretern  von  Wissenschaft  und  Kunst.  Der 
Künstlerwelt  wie  der  Gelehrtenwelt  hat  bekanntlich  Fürst  Chlodwig  von  früh 
an  das  lebhafteste  Interesse  entgegengebracht.  In  München  verkehrte  er  mit 
dem  »großen  Döllinger«,  wie  er  diesen  Gelehrten  im  Gespräche  oft  nannte,  aufs 
freundschaftlichste  und  holte  sich  stets  gerne  Rat  bei  ihm.  Was  Franz  Xaver 
Kraus  ihm  galt,  das  mögen  jene  wissen,  die  die  Bemühungen  des  Fürsten 
kannten,  um  diesem  hochverdienten  katholischen  Gelehrten  die  Wege  zum 
Episkopate  zu  ebnen  und  dann  seine  Hülfe  in  Anspruch  zu  nehmen  bei  der 
Ausarbeitung  eines  Planes  zur  Errichtung  einer  katholisch -theologischen 
Fakultät  in  Straßburg.  Weder  der  eine  noch  der  andere  von  diesen  beiden 
Lieblingsgedanken  des  Fürsten  sollte  verwirklicht  werden.  Wie  sehr  er  die 
Vertreter  einer  intellektuellen,  den  geistigen  Bedürfnissen  der  Gegenwart  mehr 
Rechnung  tragenden  Richtung  in  der  katholischen  Geistlichkeit  überhaupt 
und  im  reichsländischen  Klerus  insbesondere  zu  schätzen  wußte,  das  haben 
in  Straßburg  die  verdienten  Canonici  Straub  und  Dacheux  erfahren.  Letzterer 
namentlich,  der  nach  Straubs  Tode  beinahe  als  der  einzige  wissenschaftlich 
tätige  Geistliche  der  älteren  Generation  gelten  konnte,  genoß  die  Gunst  des 
Fürsten  in  hohem  Grade.  Und  der  mit  ihm  unterhaltene  Briefwechsel  beweist, 
daß  der  Fürst,  auch  als  Reichskanzler  mit  dem  um  die  elsässische  Geschichts- 
forschung verdienten  Manne  in  regem  Verkehr  blieb. 

Wenn  man  von  Fürst  Chlodwig  als  Statthalter  sagen  konnte,  daß  es 
kaum  einen  Augenblick  gegeben,  wo  er  nicht  die  Bewegung  in  der  Hand 
gehalten,  so  darf  doch  nicht  unbeachtet  bleiben,  daß  ihm  die  gediegene 
Mitwirkung  von  Männern  wie  die  des  Staatssekretärs  Max  von  Puttkamer 
nicht  nur  stets  willkommen,  sondern  sogar  ein  Bedürfnis  geworden  war.  Die 
staatsmännische  Begabung,  die  ausgezeichneten  Kenntnisse  über  Land  und 
Leute  dieses  um  das  Reichsland  so  verdienten  Beamten  hat  der  Fürst  als 
Statthalter  und  später  auch  als  Reichskanzler  allzeit  gebührend  zu  würdigen 
gewußt.  Erst  nach  dem  Tode  des  Fürsten  mußte  der  ihm  und  der  Bismarck- 
schen  Politik  treu  ergebene  Staatsmann  den  Staatsdienst  und  das  Reichsland 
verlassen,  dem  er  beinahe  sein  ganzes  Leben,  seine  volle  Kraft  und  ein  bewährtes 
Können  unter  drei  Statthaltern  in  selbstloser  Weise  gewidmet  hatte.  Wer 
von  den  Erfolgen  und  dem  zielbewußten  Wirken  des  Fürsten  Chlodwig  zu 
Hohenlohe  im  Reichslande  einst  ausführlich  berichten  will,  der  wird  stets  von 
seinem  treuen  Mitarbeiter  und  Berater  Max  von  Puttkamer  zu  sprechen 
haben. 

Fürst  Hohenlohe  war  74  Jahre  alt,  als  ihn  der  deutsche  Kaiser  auf  jenen 
verantwortungsvollen    Posten    erhob,    der    durch    die    geniale    Größe    eines 


zu  Hohenlohe-Schillingsfürst.  A22 

Bismarck  jene  riesenhafte  Bedeutung  erhalten,  die  für  jeden  anderen  Staats- 
mann erdrückend  wirken  mußte.  Die  Nachfolge  einer  so  gewaltigen  Indi- 
vidualität zu  übernehmen  erforderte  nicht  nur  eine  große  Vaterlandsliebe,  sie 
verlangte  auch  das  schwere  persönliche  Opfer  der  Selbstverleugnung.  Als  der 
Fürst  sein  neues  hohes  Amt  antrat,  erachtete  er  es  als  eine  seiner  ersten 
Pflichten,  sich  in  ein  gutes  Verhältnis  zu  demjenigen  zu  setzen,  der,  wie  er 
sich  ausdrückte,  noch  immer  »mit  sorgendem  Blick  den  Geschicken  des 
Reiches  folgt  und  manch  mahnendes  Wort  an  die  Epigonen  der  großen  Zeit 
richtet«.    (Vgl.  S.  Münz,  Moderne  Staatsmänner,  4.) 

Der  Beziehungen  Hohenlohes  zu  Bismarck,  seiner  tätigen  Mitwirkung  an 
dem  großen  Einigungs werke  des  Reiches  ist  hier  schon  mehrfach  gedacht 
worden  Wo  Bismarck  an  erster  Stelle  glänzte,  hat  Hohenlohe  an  zweiter 
mitgearbeitet,  sagt  Sigmund  Münz  mit  Recht  von  unserem  Staatsmann.  In 
vornehm  bescheidener  Weise  hat  der  dritte  Kanzler  seine  Teilnahme  an  der 
Neugestaltung  des  Reiches  also  charakterisiert:  »Ich  weiß  wohl,  daß  mein 
Anteil  an  der  Reichsarbeit  ein  bescheidener  ist  und  daß  es  mir  nur  vergönnt 
war,  teilzunehmen  an  den  Vorarbeiten,  gewissermaßen  an  den  Erdarbeiten, 
auf  denen  dann  1870  die  Festung  emporwuchs«. 

Unter  diesem  Gesichtspunkte  wollte  der  dem  ersten  großen  Kanzler  auf- 
richtig ergebene  Fürst  nunmehr  auch  seine  Nachfolgerschaft  im  Reichskanzler- 
amt betrachtet  wissen.  Als  alter  Freund  Bismarcks  war  Hohenlohe  sicherlich 
einer  der  Berufensten  im  Deutschen  Reiche  an  erster  Stelle  zu  stehen,  und 
Kaiser  Wilhelm  IL  hatte  darum  eine  richtige  Empfindung,  als  er  den  Vertreter 
einer  der  Bismarckschen  Politik  nahestehenden  Richtung  an  seine  Seite  berief. 
Zunächst  knüpfte  der  dritte  Kanzler  wieder  dort  an,  wo  die  Bismarckschen 
Traditionen  unterbrochen  worden  waren,  bei  der  Kolonial-  und  Flottenpolitik. 
Die  Orientierung  Deutschlands  nach  Ostasien,  nach  Gebieten  jenseits  der 
Meere  zur  Sicherung  des  Absatzes  für  den  deutschen  Handel  ist  wohl  das 
hervortretendste  Bestreben  gewesen  in  der  politischen  Wirksamkeit  des  Fürsten 
Chlodwig  als  Reichskanzler.  Als  altbewährter  und  vornehmer  Repräsentant 
liberaler  Ideen  mußte  der  dritte  Kanzler  mit  jenen  Parteien  zusammenstoßen, 
welche  nach  links  oder  nach  rechts  die  Freiheit  nur  für  sich  und  gegen 
andere  in  Anspruch  nehmen  wollten.  Damit  ist  gesagt,  daß  er  die  Tendenzen 
der  Sozialdemokraten  gerade  so  bekämpfte  wie  die  reaktionären  und  ein- 
seitigen Bestrebungen  der  Klerikalen  und  der  Agrarier. 

Durch  die  Durchführung  von  Reformen  in  der  Militärstrafprozeßordnung 
kam  Hohenlohe  auf  ein  Gebiet  zurück,  das  er  als  bayerischer  Minister  dreißig 
Jahre  früher  in  seinem  engern  Vaterlande  Bayern  mit  Erfolg  betreten  hatte. 
Daß  er  als  Kanzler  der  Übertragung  seines  einst  für  Bayern  geschaffenen  ver- 
dienstvollen Werkes  auf  das  ganze  Deutsche  Reich  das  Wort  redete  und  es 
auch  durchführte,  kann  als  ein  dauerndes  und  rühmenswertes  Denkmal 
betrachtet  werden,  das  er  sich  in  seiner  Kanzlerschaft  errichtet  hat. 

In  der  auswärtigen  Politik  hat  es  Hohenlohe  allzeit  verstanden,  den  Ein- 
fluß Deutschlands  überall  zur  Geltung  zu  bringen  und  ihm  die  Mission  eines 
Reiches  des  Friedens  zu  vindizieren.  In  den  Reihen  der  fremden  Diplomaten, 
und  es  waren  deren  viele,  die  mit  dem  Fürsten  aus  seinen  früheren  Stellungen 
her  in  Beziehungen  standen,  wußte  man,  daß  der  Name  Chlodwigs  zu  Hohen- 
lohe niemals  eine  Politik  der  Abenteuer  decken  werde.     Dadurch  war  jenes 

Biogr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.    7.  Bd.  28 


A^A  ZU  Hohenlohe-SchillingsfUrst.     Teuber. 

Gefühl  friedlicher  Zuversicht  in  die  europäischen  Beziehungen  gekommen, 
das  sich  später  zu  jener  europäischen  Koalition  von  Deutschland,  Rußland 
und  Frankreich  verdichtete  und  die  völlige  Auflösung  Chinas  verhinderte. 
Unter  Hohenlohe  fand  ebenfalls  eine  Erneuerung  des  Dreibundes  statt,  der 
dem  Königreich  Italien  den  ,Vollbesitz  seines  Territoriums  mit  Rom  als 
Hauptstadt  und  die  Wiederherstellung  des  Kirchenstaats  nur  in  der  harmlosen 
Form  einer  ultramontanen  Utopie  und  als  Lieblingsthese  für  die  Katholiken- 
tage weiterbestehen  ließ.  Der  weisen  Politik  des  dritten  Kanzlers  darf  man 
es  auch  zuschreiben,  daß  Deutschland  nicht  in  die  spanisch-amerikanischen 
Wirren  eingriff.  Es  darf  ebenfalls  dem  Fürsten  als  ein  hohes  Verdienst  an- 
gerechnet werden,  daß  er  den  übereifrigen  Verteidigern  der  Doppelwährung 
jedwede  Hoffnung  auf  Realisierung  ihrer  Pläne  raubte  und  so  das  deutsche 
Gewerbe  vor  jeder  Beunruhigung  bewahrte,  die  eine  Verschlechterung  der 
deutschen  Währung  unfehlbar  nach  sich  gezogen  hätte. 

Bei  aller  Klugheit  und  Vorsicht  allen  rein  agrarischen  und  klerikalen 
Machenschaften  gegenüber  ist  es  dem  Fürsten,  der  in  seinen  letzten  Lebens- 
jahren mehr  zur  versöhnenden  Milde  als  zur  energischen  Scheidung  der 
Gegensätze  neigte,  nicht  immer  gelungen  Verwickelungen,  wie  sie  der  über- 
mäßige Schutz  der  Landwirtschaft  für  die  Industrie  bei  den  Einen,  die  Durch- 
führung einer  beinahe  arithmetischen  Parität  bei  den  andern  brachten,  recht- 
zeitig zu  vermeiden.  Doch  diese  Schattenseiten  lassen  die  Lichteffekte  in 
dem  aufopferungsvollen  Wirken  des  Reichskanzlers  nur  noch  mehr  hervor- 
treten. 

»Gewissenhaftigkeit  und  Pflichttreue«  rühmte  er,  da  er  noch  Statthalter 
über  die  Reichslande  war,  als  die  Leitsterne  seines  Lebens.  Gewissenhaft 
und  pflichttreu  waltete  er  seines  hohen  Amtes,  bis  er  im  Herbste  1900  auf- 
hörte Kanzler  zu  sein  und  in  den  Ruhestand  trat. 

Als  der  dritte  Kanzler  des  Reiches  in  der  stillen  Abgeschiedenheit  der 
Alpenwelt,  fem  von  dem  Geräusche  des  großstädtischen  Lebens  und  dem 
Pompe  des  Hofes  entrückt,  für  immer  die  Augen  schloß,  wurde  wohl  nicht 
die  große  Masse  des  Volkes,  aber  dessen  geistige  Elite  gewahr,  daß  ein 
langes,  arbeitsreiches  und  ruhmvolles  Leben  nunmehr  abschloß,  das  in  treuer 
Fürsorge  allzeit  über  Deutschlands  Wohl  gewacht  hat.  Dieses  vornehmen  Zeugen 
aus  einer  für  Deutschland  ruhmreichen  Entwicklungszeit,  wie  des  edlen  und 
verdienten  Mitstreiters  um  die  Größe  und  Einheit  der  Nation,  um  den  un- 
angetasteten Vollbesitz  ihrer  hohen  geistigen  Güter,  wird  die  Geschichte  des 
deutschen  Volkes  immerdar  in  dankbarer  Verehrung  gedenken. 

Ernst  Hauviller. 

Teuber,  Oskar,')  Regierungsrat,  Chefredakteur  der  Kaiserlichen  Wiener 
Zeitung,  ♦11.  Dezember  r852  zu  Weckersdorf  in  Böhmen,  f  16.  Juni  1901  zu 
Dornbach.  —  T.  studierte  zuerst  in  der  Benediktiner- Abtei  Braunau,  gedachte 
Priester  zu  werden,  kam  jedoch  bald  von  diesem  Vorhaben  ab;  bildete  sich 
in  Eisenstadt,  St.  Polten  und  in  der  Militärakademie  zu  Wiener  Neustadt 
zum  Soldaten  heran,  mußte  jedoch  auch  diese  Absicht  aus  Gesundheitsrück- 


»)  Totenliste   1901   Band  VI   106*. 


Teubcr.     Demuth.     Reeß. 


435 


sichten  aufgeben.  T.  wendete  sich  nun  gänzlich  der  Schriftstellerei  zu. 
Journalistisch  war  er  anfangs  bei  Grazer  Tagesblättern  tätig;  1875  ^^^  er  an 
die  Prager  »Bohemia«,  bei  der  er  bis  zum  Jahre  1883  blieb.  Nach  Wien  in 
die  Redaktion  des  »Fremdenblatt«  berufen,  späterhin  beim  »Neuen  Wiener 
Tagblatt«  tätig,  wurde  er  schließlich  mit  der  Leitung  der  »Wiener  Zeitung« 
betraut.  Als  Publizist  ungemein  vielseitig,  versuchte  sich  T.  überdies  als 
Dramatiker  und  Erzähler.  Er  schrieb  Militärhumoresken,  Klostergeschichten, 
insbesondere  aber  theatergeschichtliche  Monographien,  die  »Geschichte  des 
Prager  Theaters«  und  die  Anfänge  einer  »Geschichte  des  Burgtheaters«. 

Vgl.  die  Nachrufe   in  den  Wiener  Tagesblättem  vom  Juni  1901.   —  Jakob   Zeidler 
Deutsche  Thalia  I.     1902,  509 — 514.  —  Schriftenverzeichnis  Kürschner  1902. 


Demuth,  Theodor,  Buchhändler,  ♦  5.  Juli  1821  zu  Leipzig,  f  6.  Dezember 
1901  in  Wien.  —  Sohn  des  aus  Bautzen  stammenden  Stadtrates  und  groß- 
herzoglich-oldenburgischen  Regierungsrates  Dr.  Wilhelm  Heinrich  D.  und  der 
Tochter  eines  französischen  Seidenhändlers.  D.  besuchte  die  Bürgerschule, 
das  Gymnasium  und  die  Handelsschule  seiner  Vaterstadt.  Als  leidenschaft- 
licher Leser  entschied  er  sich  in  vielfachem  Verkehr  mit  Buchhändlerkindem 
Wiegand,  Engelmann,  Hermann  und  Gustav  Henschel  selbst  Buchhändler  zu 
werden.  1838  trat  er  als  Lehrling  bei  Gebhardt  in  Grimma  ein,  kehrte  1841 
nach  Leipzig  zurück,  wo  er  eine  Gehilfenstelle  bei  Bernh.  Hermann  fand. 
1843  folgte  er  einem  Rufe  von  Ferd.  Hirt  nach  Breslau,  1846  stellte  ihn 
Moritz  Gerold  in  seinem  Wiener  Geschäft  an.  51  Jahre  stand  er  hier  am 
Pult,  vom  Jahr  1867  ab  als  Miteigentümer  des  Geroldschen  Sortimentsgeschäftes, 
das  er  unter  der  Firma  Gerold  &  Cie.  mit  seinem  Freunde  Pauli  leitete.  Die 
beiden  Gesellschafter  waren  hochangesehen  nicht  nur  unter  ihren  Berufsgenossen ; 
Demuth,  der  als  großer  Kunstfreund  und  Kenner  mit  den  namhaftesten  Ge- 
lehrten, Schriftstellern,  Hof  schauspielern  der  Kaiserstadt  vielfache  persönliche 
Beziehungen  unterhielt  und  1875  die  Witwe  von  Georg  Koberwein,  die  Tochter 
von  Heinrich  Anschütz,  heiratete,  sah  in  seinem  Wiener  Heim  im  Geroldschen 
Haus  in  der  Postgasse  und  in  seiner  Berchtesgadener  Sommerfrische  einen 
auserlesenen  Kreis  von  Freunden  und  Künstlern  um  sich.  1896  verkaufte 
er  seinen  Geschäftsanteil  an  den  Sohn  Paulis.  Noch  fünf  Jahre  waren  ihm 
beschieden,  die  er  behaglich  verbrachte  in  angenehmer  Geselligkeit  und  auf 
gelegentlichen  Reisen.  Über  D.s  Wesen  und  Kreis  gibt  ein  gehaltvoller  Privat- 
druck »Theodor  Demuth.  Sein  Leben  und  Wirken.  Nach  seinen  eigenen 
Aufzeichnungen  mit  einem  Anhang  von  seiner  [Stief-jTochter  [Emilie  Kober- 
wein]. Weihnachten  1902.  Druck  von  Carl  Marquart  in  Leipzig«  guten 
Aufschluß. 


Reeß,  Max,^  •  10.  Juni  1845  zu  Wiesloch  bei  Heidelberg,  f  ^S«  September 
1901  zu  Klingenmünster  in  der  Pfalz,  Professor  der  Botanik  in  Erlangen.  — 
R.,  Sohn  des  badischen  Bezirksarztes  Dr.  Ferdinand  Reeß  in  Wiesloch  bei 
Heidelberg,  verbrachte  seine  Gynanasialzeit  in  Freiburg  im  Breisgau.     Nach 


»)  Totenliste  190 1  Band  VI  84*. 

28' 


436  Reeß. 

bestandenem  Abiturientenexamen  studierte  er  zunächst  Medizin,  wandte  sich 
dann  aber  nach  einigen  Semestern  ausschließlich  dem  Studium  der  Naturwissen- 
schaften zu.  In  seinem  Vater  fand  der  junge  R.  für  manche  Wissensgebiete 
einen  berufenen  Berater,  um  so  mehr  zu  bedauern  war,  daß  bereits  während 
der  Studienzeit  religiöse  und  politische  Differenzen  Vater  und  Sohn  einander 
immer  mehr  entfremdeten.  R.  war  eine  Kampfesnatur,  seine  freien  Anschau- 
ungen standen  im  strengsten  Gegensatz  zu  der  orthodox-katholischen  Richtung 
seiner  Familie.  So  gingen  die  Lebensanschauungen  von  Vater  und  Sohn, 
beides  hervorragend  begabte  und  belesene  Menschen,  bald  völlig  auseinander, 
bis  schließlich  R.  Protestant  wurde.  Der  junge  R.  war  als  Botaniker  Schüler 
von  De  Bary,  von  Hofmeister  und  C.  v.  Nägeli  und  besuchte  die  Hochschulen 
von  Heidelberg,  Freiburg  i.  Br.  und  München.  Nach  der  Berufung  von  De  Bar^»^ 
nach  Halle  habilitierte  er  sich  daselbst  als  Privatdozent  für  allgemeine  Botanik. 
Mit  hervorragendem  Erfolge  zeichnete  er  sich  auf  dem  Gebiete  der  Hefe- 
forschung aus.  Seine  erste  größere  Arbeit  erschien  1870  im  Verlag  von 
Arthur  Felix  unter  dem  Titel  »Botanische  Untersuchungen  über  die 
Alkoholgährungspilze«,  so  wurde  R.,  wie  die  Chemiker-Zeitung  von  1901 
hervorhebt,  der  erste  Erforscher  der  Hefearten  moderner  Richtung.  Erst 
27  Jahre  alt,  wurde  R.  von  Halle  als  ordentlicher  Professor  nach  Erlangen 
berufen.  Diesem  Wirkungsfeld  hieb  er  bis  kurz  vor  seinem  Ableben  treu  und 
entfaltete  eine  mannigfaltige,  reiche  Tätigkeit.  Unter  seiner  Leitung  ging 
aus  seinem  Institut  manche  schöne  Arbeit  hervor,  alle  älteren  Schüler  erinnern 
sich  mit  großer  Anhänglichkeit  und  Hochachtung  der  anregenden  Wirksamkeit 
ihres  Lehrers,  den  sie  als  Gelehrten  wie  auch  als  Menschen  gleich  hoch  schätzten. 
R.  war  längere  Zeit  Mitherausgeber  des  »Biologischen  Zentralblattes«,  viele 
seiner  Arbeiten  finden  sich  in  dieser  Zeitschrift.  Beim  Antritt  des  Prorektorates 
der  Universität  Erlangen  sprach  er  (1884)  »Über  die  Pflege  der  Botanik  in 
Franken  von  der  Mitte  des  XVI.  bis  Mitte  des  XIX.  Jahrhunderts«.  Seinem 
verehrten  Lehrer  De  Bary  widmete  er  in  den  Berichten  der  deutschen  botani- 
schen Gesellschaft  Bd.  VI  (1888)  einen  warmen  Nachruf.  1896  erschien  bei 
Ferd,  Enke  in  Stuttgart  sein  »Lehrbuch  der  Botanik«.  Aber  auch  auf  dem 
Verwaltungsgebiet  war  R.  wiederholt  tätig.  Jahrzehntelang  führte  er  den 
Vorsitz  der  pharmazeutischen  Prüfungskommission,  nicht  weniger  als  25  Jahre 
war  er  Direktor  des  königlichen  Schloßgartens  in  Erlangen.  Das  jetzige  neue 
botanische  Institut  in  Erlangen  entstand  1892  unter  seiner  Leitung.  Schwere 
Familienverhältnisse,  wie  besonders  die  schwere  Erkrankung  und  der  Tod 
seiner  Gattin  führten  zu  einer  zunehmenden  Nervosität.  Trotz  eines  längeren 
Urlaubes  verschlimmerte  sich  das  Leiden,  wenige  Monate  nach  dem  Rücktritt 
von  seiner  Professur  erlöste  ihn  der  Tod  aus  der  geistigen  Umnachtung.  Am 
4.  November  1901  sagte  Prof.  W.  Geiger  in  Erlangen  in  seiner  Rede  bei  der 
Übernahme  des  Prorektorates  der  Universität:  »M.  R.  hat  seine  erfolgreiche 
wissenschaftliche  und  Lehrtätigkeit  der  Erlanger  Hochschule  gewidmet.  Schon 
in  seinen  jungen  Jahren  hat  er  sich  durch  seine  Arbeiten,  besonders  auf  dem 
Gebiet  der  niederen  pflanzlichen  Organismen,  in  seinem  Fach  einen  her\'or- 
ragenden  Namen  gemacht.  Er  war  ein  pflichttreuer  Lehrer,  ein  anregender 
Kollege,  ein  eifriger  Mitarbeiter  an  den  Verwaltungsgeschäften.  Sein  leb- 
hafter Geist,  sein  scharfer  Verstand,  sein  offener  Charakter  sind  allen,  welche 
ihn   in  früheren  Jahren   gekannt  haben,    in   guter  Erinnerung  geblieben.     In 


Reeß.     von  Sicherer. 


437 


den  letzten  Jahren  freilich  hatte  eine  sich  langsam  entwickelnde  tückische 
Nervenkrankheit  ihm  die  Ausübung  seines  Berufes  schwerer  und  schwerer 
gemacht.  Auch  ihm  gewährleisten  seine  wissenschaftlichen  Verdienste,  seine 
Lehrtätigkeit  und  seine  persönlichen  Eigenschaften  ein  bleibendes  ehrenvolles 
Gedächtnis  an  unserer  Hochschule.«  M.  Rikli  (Zürich). 


Sicherer,  Hermann  von,^)  ♦  am  14.  September  1839  ^"  Eichstätt,  f  ^^ 
21.  September  1901  in  Schönau  bei  Berchtesgaden,  Dr.  iur.,  kgl.  Geheimer  Rat, 
ord.  öff.  Professor  des  deutschen  Rechts,  insbesondere  des  deutschen  Privat- 
rechts, des  deutschen  bürgerlichen  Rechts,  des  Handels-  und  Wechsel- 
rechts und  der  deutschen  Rechtsgeschichte,  ord.  Mitglied  der  kgl.  bayer. 
Akademie  der  Wissenschaften,  Inhaber  des  kgl.  bayer.  Verdienstordens  vom 
hl.  Michael  II.  KL,  Ritter  des  Verdienstordens  der  bayer.  Krone,  Ritter  des 
kgl.  preuß.  Roten  Adlerordens  II.  KL,  Kommandeur  II.  KL  des  großherzogl. 
badischen  Ordens  Berthold  des  Ersten,  Kommandeur  des  kgl.  griechischen 
Erlöserordens  und  des  großherzogl.  luxemburgischen  Ordens  der  Eichenkrone, 
stellvertretender  Vorsitzender  des  Kuratoriums  der  Bluntschli-Stiftung,  aus- 
wärtiges Mitglied  der  Gesellschaft  für  Kirchenrechtswissenschaft  in  Göttingen, 
korrespondierendes  Mitglied  der  Societe  (T  Histoire  diplomatique  zu  Paris,  Mit- 
glied des  Zentralkomitees  des  internationalen  Geschichtskongresses.  —  S.  war 
der  Sohn  des  kgl.  bayer.  Gymnasialprofessors  Anton  von  Sicherer  und  dessen 
Ehefrau  Antoinette  geb.  Wildt.  Die  Vorfahren  seines  Vaters  waren  öster- 
reichische Statthalter  zu  Burgau  in  Schwaben  und  erlangten  als  solche  den 
erblichen  Adel.     Die  Mutter  stammte  aus  Konstanz. 

S.s  Vater  starb  in  Eichstätt  im  ersten  Jahre  nach  der  Geburt  des  Sohnes. 
Die  Witwe  siedelte  alsbald  nach  dem  Tode  ihres  Mannes  nach  München 
über  und  widmete  sich  der  sorgfältigen  Erziehung  ihres  Sohnes. 

S.  besuchte  das  Ludwigs-Gymnasium  zu  München  und  zeichnete  sich  in 
allen  Klassen  durch  hohe  Begabung  und  gewissenhaften  Fleiß  aus.  Am 
Ende  des  Sommersemesters  1857  bestand  S.  die  Reifeprüfung  mit  so  glänzen- 
dem Erfolge,  daß  ihm  die  vom  Könige  Maximilian  für  ganz  hervorragende 
Leistungen  gestiftete  goldene  Medaille  verliehen  wurde. 

Im  Herbste  des  Jahres  1857  bezog  S.  die  Universität  München.  Wälirend 
der  zwei  ersten  Semester  war  S.  bei  der  philosophischen  Fakultät  inskribiert; 
er  besuchte  insbesondere  mit  großem  Eifer  historische  Vorlesungen.  Er  soll 
nach  Berichten  seiner  Freunde  eine  Zeitlang  geschwankt  haben,  ob  er  sich 
der  Geschichtswissenschaft  oder  der  Jurisprudenz  widmen  solle,  entschied 
sich  aber  von  seinem  dritten  Semester  an  für  die  Jurisprudenz  und  lag  deren 
Studium  noch  sechs  Semester  lang  an  der  Universität  München  ob.  Daß  er 
in  dieser  Zeit  aber  auch  der  Geschichte  nicht  untreu  wurde,  beweist  die 
Bearbeitung  der  von  der  philosophischen  Fakultät  gestellten  Preisfrage: 
»Geschichte  des  Kurfürsten  Friedrich  des  Siegreichen  von  der  Pfalz«,  für  die 
er  im  Jahre  1860  mit  dem  Preise  gekrönt  worden  ist. 

Sowohl   während  seiner    Gymnasial-  als  während    seiner  Universitätszeit 


>)  Totenliste  1901  Band  VI  99*. 


438  ^^^  Sicherer. 

verbrachte  S.  häufig  seine  Ferien  im  Hause  seines  Grofioheims  von  mütter- 
licher Seite,  des  Erzbischofs  von  Vicari  zu  Freiburg  im  Breisgau. 

Nach  glänzend  bestandenem  Schlußexamen  trat  S.  im  Herbste  1861  in 
die  Vorbereitungspraxis.  Im  Jahre  1862  erwarb  er  bei  der  Universität 
München  den  Doktorgrad  auf  Grund  einer  wechselrechtlichen  Abhandlung: 
»Legitimation  des  Wechselinhabers  durch  ein  dem  Protest  vorausgegangenes 
Blankogiro«. 

In  diesen  Jahren  setzte  König  Maximilian  IL,  dessen  Augenmerk  auf  den 
vielversprechenden  jungen  Mann  gelenkt  worden  war,  diesem  ein  Reise- 
stipendium zum  Besuche  der  Universitäten  Berlin  und  Göttingen  aus.  Das 
Wintersemester  1862/63  und  das  Sommersemester  1863  brachte  S.  in  Berlin 
zu,  wo  er  Jaffas  und  Rankes  Seminar  sowie  Mommsens  Vorlesungen  besuchte. 
Das  nächste  Semester  verbrachte  er  in  Göttingen,  wo  damals  Waitz  die 
Historiker  von  ganz  Deutschland  anzog. 

Nachdem  S.  auch  die  zweite  juristische  Staatsprüfung  mit  bestem  Erfolge 
bestanden  hatte,  habilitierte  er  sich  im  Jahre  1865  als  Privatdozent  in  der 
juristischen  Fakultät  der  Universität  München.  Seine  Habilitationsschrift  be- 
handelte eine  Frage,  die  damals  wegen  des  Streites  um  die  Thronfolge  in 
Schleswig  und  Holstein  auf  der  Tagesordnung  stand,  nämlich  die  Bedeutung 
der  Gesamtbelehnung  in  deutschen  Fürstentümern.  Das  Ergebnis  dieser  auf 
dem  sorgfältig  zusammengesuchten  Quellenmaterial  aufgebauten  Untersuchung 
läßt  sich  in  folgende  Sätze  zusammenfassen:  Nur  für  eine  beschränkte  Anzahl 
von  Fürstentümern,  nämlich  für  die  alten  Fahnenlehen  im  Sachsenlande, 
kann  die  fortdauernde  Gültigkeit  der  strengen  Grundsätze  des  deutschen 
Lehenrechts  und  die  Notwendigkeit  der  Gesamtbelehnung  zur  Unschädlich- 
machung jener  Grundsätze  dargetan  werden.  Bei  allen  anderen  deutschen 
Fürstentümern  hat  das  Erbrecht  der  Agnaten  ein  von  der  Gesamtbelehnung 
unabhängiges  Dasein.  Dies  gilt  sowohl  für  die  übrigen  Fürstentümer  des 
sächsischen  Rechtsgebiets,  welche  entweder  slavischen  Ursprungs  oder  aus 
aufgetragenen  Allodien  oder  in  einer  Zeit  entstanden  sind,  in  der  bereits 
das  longobardische  Lehenrecht  als  gemeines  Recht  anerkannt  war,  wie  auch 
für  die  sämtlichen  Fürstentümer  des  fränkischen  Rechtsgebiets.  Wenn  sich 
dennoch  in  diesen  Fürstentümern  die  Gesamtbelehnung  findet,  so  bildet  sie 
doch  nicht  den  einzigen  und  nicht  den  unerläßlichen  Rechtsgrund  für  die 
Erbfolge  der  Agnaten;  sie  hat  lediglich  zur  Sicherung  bestehender  Erbrechte, 
zur  Erhaltung  der  bereits  geltenden  Erbfolgeordnung  oder  zur  Begründung  ' 
des  Anspruchs  auf  Mitregierung  gedient.  Ihre  Unterlassung  hat  das  Erbrecht 
der  Agnaten  in  keiner  Weise  in  Frage  gestellt. 

Am  10.  Juni  1868  wurde  S.  zum  außerordentlichen  Professor  und  am 
28.  Juli  187 1,  nachdem  er  einen  Ruf  an  die  eidgenössische  Universität  in 
Zürich  erhalten  hatte,  zum  ordentlichen  Professor  des  deutschen  Rechts  und 
der  deutschen  Staats-  und  Rechtsgeschichte  in  der  juristischen  Fakultät  in 
München  ernannt.  So  hatte  er  als  Zweiunddreißigjähriger  das  Ziel  der 
akademischen  Laufbahn,  das  Ordinariat,  und  noch  dazu  an  einer  der  größten 
deutschen  Hochschulen  erreicht.  Der  frühe  Erfolg  stieg  ihm  nicht  zu  Kopf, 
sondern  spornte  ihn  an,  seine  ganze  Kraft  der  wissenschaftlichen  Arbeit  und 
seiner  Lehrtätigkeit  zu  widmen.  Abhold  den  Zerstreuungen  seiner  Alters- 
genossen, führte    er    ein    zurückgezogenes   Leben.     Soweit  er  die  Ferienzeit 


von  Sicherer. 


439 


nicht  zur  Arbeit  benutzte,  durchstreifte  er  als  rüstiger  Bergsteiger  die  bayerische 
und  österreichische  Alpenwelt,  für  die  er  bis  zum  Ende  seines  Lebens  die 
größte  Vorliebe  hatte. 

Für  Fr.  v.  Holtzendorffs  Enzyklopädie  der  Rechtswissenschaft  schrieb  S. 
eine  knappe,  aber  nach  Form  und  Inhalt  vorzügliche,  systematische  Be- 
arbeitung des  Wechsel  rechts,  die  mit  der  Enzyklopädie  fünf  Auflagen  erlebte. 
(1869  bis  1890). 

In  den  Jahren  1869  bis  1872  bearbeitete  S.  einen  ausführlichen  Kommentar 
zu  dem  Reichsgesetz  über  die  privatrechtliche  Stellung  der  Erwerbs-  und 
Wirtschaftsgenossenschaften.  Der  Kommentar  zeichnet  sich  durch  Selbständig- 
keit der  darin  vertretenen  wissenschaftlichen  Konstruktionen  und  durch  gründ- 
liche Verarbeitung  des  Gesetzesmaterials  aus.  Auch  das  bayerische  Genossen- 
schaftsgesetz von  1869  ist  in  dem  Kommentare  berücksichtigt. 

Schon  vor  Vollendung  dieses  Buches  begann  S.  mit  den  Vorarbeiten  zu 
einem  neuen  Werke,  das  wohl  als  das  Hauptwerk  seines  wissenschaftlichen 
Schaffens  bezeichnet  werden  darf.  Wahrscheinlich  gaben  ihm  die  Beschlüsse 
des  vatikanischen  Konzils  den  äußeren  Anlaß,  das  Verhältnis  von  Staat  und 
Kirche  in  seinem  engeren  Heimatlande  zum  Gegenstande  seiner  Forschung 
zu  machen.  Mit  der  größten  Sorgfalt  hat  S.  das  außerordentlich  umfangreiche 
Material  durchforscht,  welches  in  den  ihm  zur  Verfügung  gestellten  Akten  der 
königlichen  Ministerien  enthalten  war,  und  eine  Menge  von  Schriftstücken  zu 
Tage  gefördert,  die  bis  dahin  in  den  Akten  vergraben  waren.  So  entstand 
sein  berühmtes  Buch  »Staat  und  Kirche  in  Bayern  vom  Regierungsantritt  des 
Kurfürsten  Maximilian  Joseph  IV.  bis  zur  Erklärung  von  Tegernsee  1799  ^^^ 
182 1«.  Insbesondere  über  die  Geschichte  des  bayerischen  Konkordats  und 
und  über  dessen  Verhältnis  zur  IX.  Beilage  der  bayerischen  Verfassungs- 
urkunde hat  S.  helles  Licht  verbreitet.  Ein  umfangreicher  Anhang  von 
Urkunden  ermöglicht  es  jedem,  die  Darstellung  selbst  zu  kontrollieren.  An- 
griffe von  ultramontaner  Seite  blieben  nicht  aus;  das  Buch  spielte  in  den 
kirchenpolitischen  Kämpfen  der  siebziger  Jahre  eine  große  Rolle.  Aber  für 
jeden  unparteiisch  Urteilenden  ist  durch  S.s  geschichtliche  Untersuchungen 
und  wissenschaftliche  Argumente  die  alte  Kontroverse  über  das  rechtliche 
Verhältnis  der  bayerischen  Verfassung  zum  Konkordat  und  über  die  staats- 
rechtliche Bedeutung  der  Tegernseer  Erklärung  endgültig  erledigt. 

Eine  Art  von  Ergänzung  zu  dem  besprochenen  großen  Werke  bildet  die 
ein  Jahr  später  erschienene  Abhandlung  »Über  Ehe  und  Ehegerichtsbarkeit 
in  Bayern«,  in  der  wiederum  zahlreiche  amtliche  Aktenstücke  verwertet 
wurden. 

Von  den  größeren  Arbeiten  S.s  ist  sodann  der  umfangreiche  Kommentar 
zu  dem  Reichsgesetz  über  die  Beurkundung  des  Personenstandes  und  die  Ehe- 
schließung zu  nennen.  Die  Materie  lag  dem  auf  dem  Gebiete  des  Ehe- 
rechts erfahrenen  Gelehrten  ganz  besonders  gut.  Der  Kommentar  nimmt 
heute  noch  unter  den  Erläuterungen  zu  dem  genannten  Gesetz  die  erste 
Stelle  ein. 

Im  Herbste  des  Jahres  1879  erhielt  S.  das  ehrenvolle  Angebot,  als  Ge- 
heimer Regierungsrat  in  das  Reichsjustizamt  einzutreten.  Er  lehnte  die  Stelle 
ab,  da  er  sich  nicht  entschließen  konnte,  der  geliebten  akademischen  Tätigkeit 
zu  entsagen. 


/|.^0  ^'on  Sicherer. 

Mit  seiner  Mutter  lebte  S.  bis  zu  deren  Tode  in  häuslicher  Gemeinschaft. 
Wie  sehr  er  an  seiner  Mutter  hing,  geht  aus  der  wohlverbürgten  Tatsache 
hervor,  daß  er,  wenn  er  ohne  die  Mutter  auf  Reisen  war,  keinen  Tag  vergehen 
ließ,  ohne  ihr  einen  Gruß  zu  senden.  Als  die  treue  Mutter  im  Jahre  1883 
starb,  war  er  tief  erschüttert. 

Im  Jahre  1884  schloß  S.  den  Ehebund  mit  Hermine  Freiin  v.  Erskine. 
Deren  Vater  James  Stuart  v.  Erskine  entstammte  dem  bekannten  schottischen 
Adelsgeschlechte,  ihre  Mutter,  Wilhelmine  v.Törring-Minucci,  einem  der  ältesten 
bayerischen  Grafengeschlechter.  Er  umwob  die  geistvolle  Frau  mit  treuer 
Liebe  und  schuf  ihr  und  sich  ein  schönes,  behagliches  Heim  in  seinem  neu 
erworbenen  Hause  in  der  Königinstraße,  dem  Englischen  Garten  gegenüber. 
Seit  dieser  Zeit  pflegte  S.  auch  regeren  geselligen  Verkehr;  er  trat  nicht  nur 
mit  Gelehrten,  sondern  auch  mit  den  Kreisen  des  bayerischen  Hochadels  in 
gesellschaftliche  Verbindung. 

Die  Verwandtschaft  seiner  Gattin  mit  den  Grafen  v.  Törring  gab  den 
Anlaß  zur  Ausarbeitung  eines  größeren,  in  rechtsgeschichtlicher  Beziehung 
interessanten  Gutachtens  über  das  Haus  der  Grafen  v.  Törring  und  die 
Standesherrschaft  Guttenzell. 

Dem  Gutachten  folgten  verschiedene  kleinere  Aufsätze  und  Abhandlungen 
sowie  einige  weitere  Gutachten  aus  dem  Gebiete  des  deutschen  Adels-  und 
Privatfürstenrechts. 

Im  Jahre  1888/89  bekleidete  S.  das  Amt  des  Rektor  magnificus  der  Uni- 
versität. In  seiner  Rektoratsrede  sprach  er  »Über  das  Rechtsstudium  in 
Deutschland  sonst  und  jetzt«. 

Im  Jahre  1896  wurde  S.  mit  dem  Titel  und  Range  eines  kgl.  Geheimen 
Rats  ausgezeichnet. 

Seit  1898  gehörte  er  der  historischen  Klasse  der  kgl.  bayer.  Akademie 
der  Wissenschaften  an.  In  der  Akademie  hat  er  noch  im  Dezember  1899 
einen  Vortrag  über  Consalvi  und  den  Abschluß  des  französischen  Konkordats 
von  1801  gehalten,  ein  Stück  aus  seinen  Studien  über  französisches  Staats- 
kirchenrecht, mit  dem  er  sich  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  vorzugs- 
weise beschäftigte. 

Vom  Jahre  1881  an  bis  zu  seinem  Tode  war  S.  Mitglied  des  Verwaltungs- 
ausschusses der  Universität.  Er  besorgte  das  schwierige  Referat  über  die 
V^erwaltung  des  Universitätsvermögens  und  über  das  Rechnungswesen.  Mit 
der  ihm  eigenen  Pflichttreue  opferte  er  diesem  Nebenamt  außerordentlich 
viel  Zeit  und  Mühe.  Mancher  seiner  Freunde  mochte  bedauern,  daß  die 
kostbare  Zeit  des  Gelehrten  in  diesen  Geschäften  daraufging.  Aber  S.  fand 
eine  gewisse  Befriedigung  des  ihm  innewohnenden  Herrschaftsbedürfnisses  in 
dem  großen  Einfluß  auf  die  Universitätsangelegenheiten,  den  er  als  der 
Finanzminister  der  Hochschule  ausübte. 

Auf  seine  Vorlesungen  verwandte  S.  auch  in  den  reiferen  Jahren  große 
Sorgfalt.  Er  trug  deutsche  Rechtsgeschichte,  deutsches  Privatrecht,  Handels- 
und Wechselrecht,  Kirchenrecht,  seit  der  Veröffentlichung  des  neuen  Bürger- 
lichen Gesetzbuchs  auch  bürgerliches  Recht  (Familien-  und  Erbrecht)  vor. 
Seine  Vorlesungen  waren  nach  Inhalt  und  Form  vortrefflich.  S.  hatte  eine 
erstaunliche  Gedächtniskraft,   die  ihn  in  den  Stand  setzte,  lange  Reihen  von 


von  Sicherer. 


441 


Zahlen,  Namen  und  Zitaten    aus    dem  Kopfe  vorzutragen.     Er  besaß   große 
Redegewandtheit,  ohne  in  den  Fehler  der  Phrasierung  zu  verfallen. 

Das  Lebensbild  S.s  wäre  unvollständig,  wenn  ich  nicht  zweier  langjähriger 
Freundschaften  gedächte,  die  in  seinem  Leben  eine  Rolle  spielten. 

Schon  als  junger  Mann  lernte  S.  in  dem  Hause  des  Grafen  v.  Arco- 
Zinneberg  die  Gräfin  Charlotte  v.  Leyden  kennen,  die  später  als  Lady 
Blennerhassett  einen  ehrenvollen  Platz  in  unserer  Literatur  errungen  hat. 
Die  geistreiche  Dame  und  der  junge,  mit  reichem  Wissen  ausgestattete  Ge- 
lehrte hatten  viele  gemeinsame  Interessen  auf  den  Gebieten  der  Geschichte 
und  der  Literatur.  In  beiden  lebte  warme  Liebe  für  die  Schönheiten  der 
Alpenwelt.  In  jedem  Sommer  und  Herbst,  den  die  Gräfin  nach  ihrer  Ver- 
heiratung mit  Sir  Roland  Blennerhassett  in  ihrer  bayerischen  Heimat  verlebte, 
unternahm  das  Ehepaar  gemeinsam  mit  S.  kleinere  oder  größere  Touren  in 
Bayern  und  Tirol.  Auf  diesen  gemeinschaftlichen  Reisen  boten  sich  beide 
Teile  viel  geistige  Anregung. 

Intime  Freundschaft  unterhielt  S.  mit  dem  Freiburger  Kirchenhistoriker 
Franz  Xaver  Kraus.  Die  beiden  Männer  trafen  in  ihren  kirchenpolitischen 
Anschauungen  zusammen,  tauschten  häufige  Besuche  und  pflegten  einen  regen 
Briefwechsel.  Zu  den  Spektatorbriefen,  die  Kraus  jahrelang  in  der  Allgemeinen 
Zeitung  erscheinen  ließ,  lieferte  S.  aus  dem  Schatze  seines  geschichtlichen 
Wissens  reiches  Material. 

Im  Frühjahr  1901  erkrankte  S.  an  einem  schweren  Herzleiden.  Er  sah 
sich  genötigt,  seine  Vorlesungen  auszusetzen,  besorgte  aber  während  des 
Sommers  noch  von  seinem  Krankenzimmer  aus  die  Geschäfte  der  Finanz- 
verwaltung der  Universität.  Im  Juli  1901  besserte  sich  sein  Zustand  soweit, 
daß  er  in  seine  Villa  Rosenleiten  in  Schönau  bei  Berchtesgaden  übersiedeln 
konnte.  Dort  setzte  ein  zu  früher  Tod  seinem  arbeitsvollen  und  mit  Erfolgen 
gesegneten  Leben  ein  Ende.  Mit  christlicher  Ergebung  hat  er  sein  schweres 
Leiden  getragen  und  ist  in  Frieden  gestorben.  Seine  Leiche  wurde  nach 
München  übergeführt  und  in-  der  Familiengruft  unter  den  Arkaden  des  süd- 
lichen Friedhofs  bestattet.     Nachkommenschaft  hat  er  nicht  hinterlassen. 

S.  war  nicht  bloß  ein  tüchtiger  Gelehrter,  sondern  auch  ein  Mann  von 
absoluter  Charakterfestigkeit.  Er  stand  auf  dem  festen  Boden  althergebrachter 
Sitte  und  unbeugsamer  Moralität.  Seinen  Freunden  war  er  ein  stets  hilfs- 
bereiter Freund  und  Berater.  Ein  Zug  des  Frohsinns  und  der  Reinheit  seines 
Charakters  wirkten  wohltätig  auf  alle,  die  mit  ihm  in  nähere  Berührung 
I  kamen.     Wer  ihn  gekannt  hat,   wird   ihm   ein  ehrendes  Andenken  bewahren. 

!  Verzeichnis    der  literarischen  Arbeiten   H.  v.  Sicherers:    Legitimation  des 

Wechselinhabers  durch  ein  dem  Protest  vorausgegangenes  Blankogiro.  Ein  wechselrecht- 
licher Versuch.  Inauguralabhandlung.  München  1862.  —  Über  die  Gesamtbelehnung  in 
deutschen  Fürstentümern.  Habilitationsschrift.  München  1865.  —  Die  Genossenschaftsgesetz- 
gebung in  Deutschland.  Kommentar  zu  dem  Reichsgesetze  über  die  privatrechtliche  Stellung 
der  Erwerbs-  und  Wirtschaftsgenossenschaften  unter  Berücksichtigung  des  bayerischen 
Genossenschaftsgesetzes.  1872.  —  Staat  und  Kirche  in  Bayern  vom  Regierungsantritt  des 
Kurfürsten  Maximilian  Joseph  IV.  bis  zur  Erklärung  von  Tegernsee  1799 — 1821.  Nach 
amtlichen  Aktenstücken.  München  1874.  —  Über  Ehe  und  Ehegerichtsbarkeit  in  Bayern. 
Unter  Benutzung  amtlicher  Aktenstücke.  München  1875.  —  ^^^  Gültigkeit  der  gemischten 
Ehen  nach  kanonischem  Recht.  In:  Außerordentliche  Beilage  z.  AUg.  Zeit.  1875,  Nr.  71.  — 
Ein  Beitrag  zu  dtn  Acta  sanciae  sedis.    In:  Allg.  Zeit.   1875,  Nr.  154.  —  Personenstand  und 


442 


von  Sicherer.     Kaibel. 


Eheschließung  in  Deutschland.  Erläuterung  des  Reichsgesetzes  vom  6.  Februar  1875  Über 
die  Beurkundung  des  Personenstandes  und  die  Eheschließung.  1879.  —  Das  bayerisch- 
griechische Anlehen  aus  den  Jahren  1835,  1836,  1837.  Ein  Rechtsgutachten.  München  1880. 

—  Zur  Geschichte  des  bayerischen  Konkordats.  In:  Beilage  z.  Allg.  Zeit.  1883,  Nr.  95.  — 
Das  Haus  der  Grafen  von  Törring  und  die  Standesherrschaft  Gutenzell.  Ein  Rechtsgutachten. 
München  1886.  —  Secundogenitur  und  Primogenitur.  In:  Festgabe  zum  Doktorjubiläum  des 
Herrn  Geheimen  Rats  und  Professors  Dr.  Joh.  Jul.  Wilh.  v.  Planck,  von  der  Juristenfakultät 
von  München  überreicht.  München  1887.  —  Über  das  Rechtsstudium  in  Deutschland  sonst 
und  jetzt.  Rede  beim  Antritte  des  Rektorats  der  Ludwig-Maximilians-Universität  gehalten  am 
I.  Dezember  1888.  —  Aus  den  Papieren  des  bayer.  Staatsministers  Maximilian  Frhr.  v.  Lerchen- 
feld. In:  Beilage  z.  Allg.  Zeit.  1888,  Nr.  147.  —  Zum  Recht  des  hohen  Adels.  In:  Allg. 
Zeit.  1889,  Nr.  7.  —  Das  VVechselrecht.  In:  Enzyklopädie  der  Rechtswissenschaft  in 
systematischer  und  alphabetischer  Bearbeitung.  Herausgegeben  von  Franz  v.  Holtzendorff,  T.  I^ 
S.  671  ff.  5.  Aufl.  1890.  —  Die  reichsständische  Eigenschaft  des  Hauses  Fugger.  Ein 
Rechtsgutachten.  München  1896.  —  Der  neutrale  Handel  und  die  Flotte.  In:  Allg.  Zeit.  1900, 
Nr.  32  Abendblatt;  auch  in  Beiträge  zur  Beleuchtung  der  Floltenfrage,  2. Folge,  München  1900. 

—  Verschiedene  Rechtsgutachten  aus  dem  Gebiete  des  deutschen  PrivatfUrsten-  und  Kirchen- 
rechts. Handschriftlich  vervielfältigt.  —  Ein  in  der  kgl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften 
am  2.  Dezember  1899  gehaltener  Vortrag  über  »Consalvi  und  der  Abschluß  des  französi- 
schen Konkordats  von  1801,  I.<  sollte  in  den  Sitzungsberichten  erscheinen,  ist  aber  nicht 
mehr  druckfertig  geworden. 

Quellen:  Nekrolog  von  Reichsrat  Professor  v.  Bechmann  in  der  Deutschen  Juristen- 
zeitung, VI.  Jahrg.  1901,  S.  451.  —  Nekrolog  von  J.  Friedrich  in  den  Sitzungsberichten 
der  philosophisch-philologischen  und  der  historischen  Klasse  der  kgl.  bayer.  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  München,  Jahrg.  1902  (erschienen  1903)  S.  94  ff.  —  Nekrolog  in  der 
Chronik  der  Ludwig -Maximilians -Universität  München  für  das  Jahr  1901/1902.  München 
1902.  —  Benutzt  habe  ich  die  Personalakten  im  Archive  der  Münchener  Universität.  Wert- 
volle Mitteilungen  über  den  Lebensgang  S.s  verdanke  ich  seiner  Witwe  und  der  mit  S. 
seit  langen  Jahren  befreundeten  Lady  Blennerhasset. 

München.  Lothar  v.  Seuffert. 


Kaibel,  Georg,')  Philologe,  ♦  30.  Oktober  1849  in  Lübeck,  f  12.  Oktober 
190 1  in  Göttingen.  —  K.  hat  das  Gymnasium  in  Lübeck  durchgemacht  und 
danach  seine  Vaterstadt  verlassen,  um  sie  nur  selten  und  im  Fluge  wieder- 
zusehen. Er  studierte  von  Ostern  1868  an,  zuerst  ein  Jahr  lang  in  Göttingen, 
dann  dauernd  in  Bonn.  Seine  Dissertation  (De  monumtniorum  aliquot  grae- 
corttm  carminibus,  187 1)  war  der  Abfall  einer  Preisarbeit,  aus  der  die  Samm- 
lung der  griechischen  metrischen  Inschriften  erwachsen  ist.  Im  Herbst  1872 
ging  er  mit  dem  Stipendium  des  römischen  Instituts  nach  Rom  und  blieb 
zwei  Jahre  lang  dort  und  in  Griechenland. 

In  Bonn  haben  Bücheier  und  Usener,  in  Rom  v.  Wilamowitz  und 
Mommsen  bestimmende  Wirkung  auf  seine  Entwicklung  geübt;  doch  ist  er, 
ohne  sich  an  die  Arbeiten  eines  dieser  Männer  anzuschließen,  seine  eigene 
Bahn  gegangen. 

Von  Herbst  1874  bis  Herbst  1879  war  er,  zuerst  als  Probandus  in 
Elberfeld,  dann  als  angestellter  Lehrer  am  Askanischen  Gymnasium  in  Berlin 
im  Schuldienst.  In  diesen  Jahren  wurden  die  Epigrammata  graeca  ex  lapidibus 
collecta    (Berlin   1878)    vollendet,    ein    Werk,    das    den    Verfasser   mit    einem 


«)  Totenliste  1901  Band  VI  53*. 


Kaibel.     Karhveis.  ^4J 

Schlage  in  die  vorderste  Reihe  der  Fachgenossen  rückte,  das  erste  Muster 
auf  einem  neuen  Gebiet  epi graphisch-literarischer  Arbeit. 

Im  Begriffe  sich  zu  habilitieren,  erhielt  er  im  Dezember  1878  die  Be- 
rufung als  außerordentlicher  Professor  nach  Breslau;  Ostern  1881  ging  er  als 
Ordinarius  nach  Rostock,  Herbst  1883  nach  Greif swald.  Erst  in  Straßburg, 
wohin  er  im  Frühjahr  1886  berufen  wurde,  wurzelte  er  fest.  Hier  erschien 
der  nach  den  Epigrammata  in  Angriff  genommene  Athetuuus  (Band  II  1886, 
I  1887,  III  1890)  und  der  seit  den  römischen  Tagen  beständig  geförderte 
Band  der  Inscriptianes  graecae  Siciliae  et  Italiae  (1890);  die  mit  Wilamowitz 
gemeinschaftlich  bearbeitete  Ausgabe  der  noXiTe{a  'AÖTjvaftov  des  Aristoteles  (1891, 
3.  Aufl.  1898),  das  Buch  Stil  und  Text  der  IloXiTeta  'Adr^va^wv  des  Aristoteles 
(1893);  dann  1894  die  kommentierte  Ausgabe  von  Galens  Protrepticus  \  der 
Kommentar  zu  Sophokles'  Elektra  (1896),  eines  der  wichtigsten  exegetischen 
Werke  der  neueren  Zeit. 

In  den  folgenden  Jahren,  bis  an  sein  Ende,  beschäftigte  ihn  in  erster 
Linie  die  Arbeit  an  den  Comicorum  graecorum  fragmenta^  deren  erster  Teil, 
die  sizilisch-italische  Komödie,  1899  erschien,  als  er  bereits  (Ostern  1897), 
nachdem  Wilamowitz  Göttingen  verlassen  hatte,  der  Berufung  dorthin  gefolgt 
war.  Über  dieser  Arbeit  ergriff  ihn  die  Krankheit,  die  nach  langem  und 
traurigem  Leiden  seinem  Leben  das  Ziel  setzte. 

Aus  der  großen  Zahl  von  K.s  Abhandlungen,  in  Universitätsprogrammen, 
im  Hermes  (den  er  von  1882  an  mit  C.  Robert  zusammen  redigierte),  in  den 
Nachrichten  und  Abhandlungen  der  Göttinger  Gesellschaft  der  Wissenschaften, 
soll  hier  nicht  eine  Auswahl  verzeichnet  werden.  Sie  sind  allen  Fachgenossen 
bekannt,  viele  von  ihnen  als  wegweisend  und  grundlegend. 

Das  Zentrum  seines  wissenschaftlichen  Lebens  und  Schaffens  war  die 
griechische  Sprache;  er  war  ohne  Frage  und  Widerspruch  einer  der  ersten 
Gräzisten  unserer  Zeit.  Die  Richtung  seiner  Philologie  war  literarisch  und 
ästhetisch,  mitbestimmt  durch  eine  starke  künstlerische  Anlage,  dringend  auf 
die  Erforschung  der  allgemeinen  und  individuellen  Gestaltung  von  Sprache 
und  Stil,  auf  die  in  ihr  beruhende  Kritik  und  Interpretation.  Als  einer  der 
gelehrtesten,  geistvollsten  und  wirksamsten  Vertreter  dieser  in  der  klassischen 
Philologie  der  neuesten  Zeit  nicht  allzu  reichlich  vertretenen  Richtung  wird 
K.  in  der  Geschichte  der  Wissenschaft  fortleben. 

Vgl.  F.  Leo,  Zu  Georg  Kaibels  Gedächtnis  (Nachr.  der  K.  G.  d.  W.  zu  Göttingen, 
Gesch.  Mitt.  1902  S.  29 — 39).  Derselbe,  Chronik  der  Univ.  Göttingen  1902.  W.  Radtke  in 
Jahresber.  fUr  klass.  Phil.  1904  (ausführliche  Biographie,  im  Druck). 

Friedrich  Leo. 

Karlweis»  C.,')  Schriftsteller,  ♦  23.  November  1850  zu  Wien,  f  27.  Ok- 
tober 1901  ebenda.  —  Nachdem  C.  Karl  weis,  oder  wie  er  mit  seinem  eigent- 
lichen Namen  hieß:  Karl  Weiß,  die  Volksschule  in  seiner  Vaterstadt  besucht 
hatte,  trat  er  1860  in  die  Oberrealschule  »auf  der  Wieden«  ein;  die  sechs 
Klassen  dieser  Anstalt  absolvierte  er  mit  gutem  Erfolge.  Schon  in  jener  Zeit 
entwickelte  sich  in  ihm  eine  leidenschaftliche  Vorliebe  für  dramatische  Kunst; 
sie  fand  besondere  Nahrung  in  dem  alten  Burgtheater,  das  sich  damals  noch 

')  Totenliste  1901  Band  VI  ii4*. 


444 


Karlweis. 


auf  der  Höhe  hielt,  zu  der  es  Laube  emporgehoben  hatte.  Mit  etlichen 
gleichgesinnten  Schulkameraden  zählte  K.  zu  den  Stammgästen  dieser  ehr- 
würdigen Bühne;  hoch  oben  auf  den  billigsten  Plätzen  schwelgte  die  junge 
Schar  in  Kunstbegeisterung  und  folgte  mit  besonderem  Eifer  der  Darstellung 
klassischer  Dramen.  Die  Anregungen,  die  der  Jüngling  da  empfing,  scheinen 
schon  damals  den  Wunsch  in  ihm  wachgerufen  zu  haben,  der  Bühne  nicht 
bloß  als  Genießender  gegenüberzustehen ;  dieser  Wunsch  lenkte  ihn  allerdings 
zunächst  auf  einen  Irrweg. 

Nach  Absolvierung  der  Realschule  sollte  er  nämlich  dem  Willen  seiner 
Eltern  gemäß  sich  den  technischen  Studien  zuwenden;  aber  in  seiner  Be- 
geisterung für  die  Kunst  wollte  er  davon  nichts  wissen,  er  ging  durch  und 
verschrieb  sich  einer  wandernden  "Schauspielertruppe.  Über  Jahresfrist  führte 
er  das  Leben  eines  Schmierenkomödianten,  doch  mußte  er  bald  erkennen, 
daß  seine  Begabung  höheren  Ansprüchen  nicht  genügen  könne.  So  entschloß 
er  sich  denn,  dem  Drängen  seiner  Eltern  nachgebend,  einen  bürgerlichen 
Beruf  zu  wählen. 

Noch  nicht  achtzehnjährig  wurde  er  von  der  Staatseiseabahngesellschaft 
als  Beamter  angestellt.  Seine  Tüchtigkeit  und  sein  unermüdlicher  Fleiß 
ließen  ihn  rasch  vorwärtskommen.  Schon  1869  wurde  er  Ober-Offizial  der 
Karl-Ludwigsbahn,  und  1876  kam  er  als  Sekretär  der  Graz-Köf lacherbahn 
nach  Graz.  So  emsig  er  seinen  Berufsgeschäften  oblag,  sie  füllten  ihn  dennoch 
nicht  aus,  und  er,  der  der  Bühne  entsagt  hatte,  suchte  Erquickung  und  Stär- 
kung in  schriftstellerischen  Versuchen.  In  der  steirischen  Hauptstadt  fand 
er  Gelegenheit,  mit  Werken' seiner  Feder  in  die  Öffentlichkeit  zu  treten;  er 
debütierte  als  Kritiker  und  schrieb  Theaterrezensionen,  die  in  Grazer  Blättern 
erschienen.  Auch  entstanden  damals  etliche  Lustspiele  —  »Paul  de  Kock«, 
»Aus  dem  Französischen«  (1876)  und  »Cousine  Melanie«  (1879)  —  die  aber 
unbeachtet  blieben. 

1879  wurde  K.  zum  Sekretär  im  Präsidialbureau  der  Südbahngesellschaft 
ernannt,  1891  erfolgte  seine  Beförderung  zum  Oberinspektor  der  General- 
direktion, und  diese  Stellung  bekleidete  er  bis  zu  seinem  Tode.  Seine 
schriftstellerische  Tätigkeit  setzte  er  mittlerweile  trotz  seiner  anstrengenden 
Berufsarbeit  eifrig  fort.  Die  Lustspiele  »Der  Rächer«  (1880)  und  »Andre« 
(1885)  konnten  es  zu  keinem  Erfolge  bringen,  dagegen  fand  die  einaktige 
Komödie  »Der  Dragoner«  (1883)  —  zumal  auf  reichsdeutschen  Bühnen  — 
eine  verhältnismäßig  günstige  Aufnahme.  Mit  seinem  Schauspiele  »Bruder 
Hans«  (1886)  eroberte  sich  K.  die  Bühne  des  Burgtheaters;  das  Stück  ver- 
sagte zwar,  allein  die  Begabung  des  Autors  wurde  immerhin  anerkannt.  Das 
Volksstück  »Einer  vom  alten  Schlag«  (1886  gemeinsam  mit  Vincenz  Chiavacci 
verfaßt)  brachte  einen  unzweifelhaften  Mißerfolg;  nicht  besser  erging  es  dem 
Schauspiel  »Eine  Geldheirat«  (1891  mit  Gustav  Schwarzkopf)  und  dem  Volks- 
stück »Aus  der  Vorstadt«  (1893  mit  Hermann  Bahr). 

•  Während  so  K.  all  diese  Jahre  vergeblich  nach  den  Lorbeeren  eines 
dramatischen  Dichters  rang,  glückte  es  ihm  weit  besser  auf  dem  Gebiete  der 
Erzählung.  Den  ersten  Erfolg  brachte  ihm  »Die  Feuerliesel«,  eine  Dorf- 
geschichte, die  in  der  »Gartenlaube«  erschien.  1886  veröffentlichte  er  den 
Roman  »Wiener  Kinder«.  Die  Geschichte  zweier  ungleichen  Schwestern  wird 
darin  mit  viel  Feinheit,  scharfer  Beobachtung  und  trefflicher  Milieuschilderung 


Karlweis. 


445 


vorgetragen,  wenn  sich  auch  die  Erfindung  weder  durch  besonderen  Reich- 
tum noch  durch  große  Kraft  hervortut.  Dieser  Roman,  über  den  sich 
Gustav  Freytag  höchst  anerkennend  aussprach,  war  das  erste  Werk,  das  K.s 
Namen  allgemeine  Beachtung  erwarb.  1889  folgten  die  »Geschichten  aus 
Dorf  und  Stadt«,  eine  Sammlung  von  vorwiegend  skizzenhaft  gehaltenen  Er- 
zählungen, die  manchen  hübschen  Zug  aufweisen  und  besonders  durch  ihre 
Frische  und  den  leichten  Fluß  des  Vortrags  wirken.  Der  Roman  »Ein  Sohn 
seiner  Zeit«  (1892)  brachte  eine  wirkungsvolle  Schilderung  des  Strebertums 
unserer  Tage,  und  schwere  soziale  Übelstände  und  Gebrechen  wurden  auch 

—  nur  noch  schärfer  —  in  dem  Romane  »Reich  werden»  (1894)  beleuchtet. 

Im  Jahre  1894  errang  K.  aftch  seinen  ersten  bedeutenden  Bühnenerfolg, 
und  zwar  mit  dem  Wiener  'Schwank  »Der  kleine  Mann«.  Es  ist  dies  ein 
geschickt  entworfenes  Zeitbild,  in  dem  die  Schlagworte  von  der  Not  des 
Kleingewerbes  und  das  Geschwätz  der  Politiker,  die  dem  kleinen  Mann  eine 
goldene  Zukunft  verheißen,  um  sich  seiner  Stimme  zu  versichern,  in  ergötz- 
licher Weise  verspottet  werden.  Im  Mittelpunkte  des  Stückes  steht  —  als 
Hauptvertreter  der  kleinen  Leute  —  der  Schuhmachermeister  Engelbert  Stroh- 
meyer, eine  gelungene  Charakterfigur,  die  entfernt  an  den  alten  Schalanter 
erinnert.  Die  Szenenführung  folgt  freilich  der  herkömmlichen  Possentechnik, 
vermeidet  aber  doch  allzugroße  Aufdringlichkeit  und  verrät  eine  geschickte 
Hand.  Die  Satire  ist  kräftig  genug,  um  zu  belustigen,  und  doch  nicht  stark 
genug,  um  Empfindlichkeiten  hervorzurufen.  Dieser  Umstand  trug  vielleicht 
am  meisten  zu  der  großen  Bühnenwirkung  bei.  Das  Stück  wurde  zuerst  am 
15.  März  1894  im  Raimundtheater  aufgeführt,  im  Jahre  1896  wurde  es  vom 
Deutschen  Volkstheater  übernommen. 

Die  nächste  Arbeit  K.s,  das  Volksstück  »Goldene  Herzen«  —  zuerst  am 
9.  November  1895  im  Deutschen  Volkstheater  aufgeführt  —  leidet  an  einem  ver- 
hängnisvollen Mangel  der  Komposition.  Die  satirische  Absicht,  die  sich  gegen 
das  eigensüchtige  Treiben  gewisser  Wohltäter  richtet,  kann  nicht  recht  zur 
Geltung  kommen,  weil  sich  das  ganze  Interesse  auf  die  Person  konzentriert, 
welcher  die  Wohltätigkeitsstreberei  gilt.  Eigentlich  Nebenperson,  rückt  dieser 
verbummelte  Maler  Ballester  zur  Hauptfigur  auf,  wodurch  die  Konzeption 
bedenklich  verschoben  wird.  Das  Stück  vermochte  es  denn  auch  zu  keiner 
rechten  Wirkung  zu  bringen;  doch  ist  gerade  dieser  Ballester  die  beste, 
lebendigste  Gestalt,  die  K.  je  gelungen.  In  dem  Volksstücke  »Das  grobe 
Hemd«  (erste  Aufführung  im  Deutschen  Volkstheater  am  i.  Februar  1897) 
versuchte  K.  die  Salonsozialisten  an  den  Pranger  zu  stellen,  aber  für  die 
Behandlung  dieses  heiklen  Themas  reichte  seine  Kraft  nicht  aus.  Anstatt 
bloß  das  Maulheldentum  zu  treffen,  macht  das  Stück  die  sozialen  Anschauungen 
als  solche  lächerlich  und  verkündigt  —  wohl  wider  den  Willen  des  Verfassers 

—  eine  bedenklich  seichte  Moral,  die  darin  gipfelt,  daß  jeder  genießen  soll, 
was  ihm  das  Glück  in  den  Schoß  wirft.  Immerhin  fand  die  Posse,  die  mit 
grotesk  übertreibender  Komik  arbeitet,  viel  Beifall. 

Bedeutete  schon  das  »Grobe  Hemd«  ein  gewisses  Nachlassen,  so  brachte 
das  Volksstück  »Das  liebe  Ich«  (Deutsches  Volkstheater  24.  September  1898) 
einen  weiteren  Rückschritt,  und  noch  weniger  gelang  K.  der  mit  der  Komödie 
»Onkel  Toni«  (Deutsches  Volkstheater  16.  Dezember  1899)  unternommene 
Versuch,    sich    dem    Gebiete    des    Charakterlustspiels    zu    nähern.     In   seiner 


446  Karlweis. 

letzten  Arbeit,  dem  Schwanke  »Der  neue  Simson»  (Deutsches  Volkstheater 
19.  Oktober  1901)  kehrte  er  wieder  zu  der  ihm  geläufigen  Form  des  leicht 
skizzierten  Zeitbildes  zurück.  Die  Handlung  ist  geschickt  geführt,  das  Thema 
—  die  Satire  gegen  die  Unehrlichkeit  der  berufsmäßigen  Politik  —  glücklich 
gewählt,  aber  es  mangelt  an  Ernst  und  Entschiedenheit  und  wieder  wie  im 
»Groben  Hemd«  trifft  die  Satire  bedenklich  daneben.  Etliche  dankbare 
Chargenfiguren  und  eine  Menge  guter  Einfälle  im  einzelnen  verhalfen  dem 
Stücke  zu  einem  starken  Erfolg,  doch  können  sie  über  die  Seichtheit  des 
Inhalts  nicht  hinwegtäuschen.  Zwischen  diesen  dramatischen  Arbeiten  ver- 
faßte er  eine  Reihe  von  Novelletten,  die  1898  unter  dem  Titel  »Adieu  Papa 
und  andere  kleine  Geschichten«  gesammelt  erschienen.  Im  selben  Jahre  — 
am  31.  Mai  —  wurde  sein  Raimund-Festspiel  »In  Gutenstein«  im  Deutschen 
Volkstheater  aufgeführt.  In  der  Schwarzkopfschen  Sammlung  »Gegen  den 
Strom«  erschien  aus  K.s  Feder  die  Broschüre  »Das  gemütliche  Wien«,  die 
ihn  als  trefflichen  Kenner  seiner  Vaterstadt  und  als  lustigen,  aber  nur  allzu- 
gemütlichen Polemiker  zeigte. 

K.  strebte  darnach,  die  alte  Wiener  Posse,  die  arg  verfahren  war,  mit 
neuem  Inhalte  zu  füllen.  Er  ist  ein  Schüler  Anzengrubers,  zu  dem  er  freilich 
nicht  entfernt  hinanreichte.  Wie  diesen  Großen  lockten  auch  ihn  vorwiegend 
soziale  Erscheinungen,  Zeitkonflikte  reizten  ihn  zur  dichterischen  Komposition. 
Aber  es  fehlte  ihm  an  dem  tiefen  Eindringen  in  Dinge  und  Menschen,  und 
seine  guten  Absichten  vermochte  er  nicht  durchzuführen :  nur  zu  oft  trat  ober- 
flächliches Witzeln  an  die^ Stelle  kraftvollen  Spottes.  Den  »Kleinen  Mann« 
und  etwa  noch  die  »Goldenen  Herzen«  ausgenommen,  kranken  alle  seine 
Stücke  an  schwachmütiger  Unentschiedenheit  der  Auffassung.  Die  wienerische 
Halbheit  und  Lauheit  verdarb  ihm  das  Konzept.  Es  mangelte  ihrn  durchaus 
nicht  an  der  Gabe  der  Beobachtung,  er  sah  die  lustigen  und  tragischen  Ge- 
brechen in  dem  Leben  unserer  Zeit,  aber  er  wollte  nicht  wehe  tun  und 
er  scheute  sich,  ein  Thema  bis  in  seine  äußersten  Konsequenzen  durch- 
zuführen. Ein  paar  gutmütig  spöttische  Andeutungen  genügten  ihm,  in 
allem  und  jedem  war  er  ein  Plauderer,  der  eine  Menge  hübscher  Einfälle 
vorzubringen  wußte,  aber  sich  ängstlich  hütete,  der  Sache  auf  den  Grund  zu 
gehen.  Er  erinnert  darin  an  Bauemfeld,  der  sein  Bestes  ja  auch  nur  im 
Detail  zu  geben  vermochte.  Seinen  Schöpfungen  ist  fast  durchwegs  eine  an- 
genehme Natürlichkeit  eigen,  aber  diese  Natürlichkeit  bringt  selten  mehr  als 
die  Oberfläche  der  Dinge;  ein  Vorzug  an  sich,  ist  sie  zugleich  doch  auch 
ein  Mangel. 

K.  ist  maßloß  überschätzt,  aber  auch  eben  so  ungerecht  unterschätzt 
worden.  Seine  Begabung  war  nicht  groß,  allein  er  war  redlich  bemüht,  das 
Beste  daraus  zu  machen.  Schon  daß  er  aus  der  Wiener  Posse  den  sentimental 
verduselten  Lokalpatriotismus  ausmerzte,  daß  er  der  schablonenhaften  Situations- 
komik absagte,  soziale  Erscheinungen  zum  Gegenstand  der  Darstellung  machte 
und  Charaktere  aus  dem  Leben  zu  zeichnen  versuchte,  ist  ein  Verdienst. 
Wenn  ihm  auch  nicht  alles  glückte,  was  er  wollte,  das,  was  ihm  gelang, 
ist  nicht  verächtlich  und,  was  er  anstrebte,  ist  aller  Anerkennung  wert. 

Das  letzte  Jahr  seines  Lebens  war  ihm  durch  ein  schweres  Leiden  ver- 
gällt, dem  er  am  27.  Oktober  1901  erlag. 

Hans  Si ttenberger. 


Behncke.  447 

Behncke,  Georg  Gustav  Helianthus,  Dr.,  *  14.  Januar  1838  zu  Jarmen 
in  Pommern,  f  10.  Dezember  1901  in  Berlin,  Gymnasialprofessor,  Forscher  und 
Schriftsteller  auf  dem  Gebiete  der  Beethovenbiographie,  ältester  Sohn  des 
Apothekers  Adolf  Behncke.  —  Als  der  Vater  im  Herbst  1849  nach  Verkauf 
seiner  Apotheke  nach  Berlin  übergesiedelt  war,  —  des  Portes  creantur  fortibus 
et  bonis  halber  sei  hier  eingeschaltet,  dafi  dieser  mit  seltener  Tatkraft  aus- 
gerüstete, damals  im  reifen  Lebensalter  stehende  Mann  und  Ernährer  einer 
acht  Köpfe  zählenden  Familie,  danach  in  schneller  Aufeinanderfolge  als 
Extranetis  am  K.  Friedrich -Wilhelms -Gymnasium  zu  Berlin  die  Reifeprüfung 
ablegte,  sich  durch  naturwissenschaftliche  Studien  und  Arbeiten  an  der 
Berliner  Universität  den  Doktorgrad  und  später  als  Begründer  und  Leiter 
eines  von  Einheimischen  und  Ausländern  viel  besuchten  pharmazeutischen 
Instituts  den  Professortitel  erwarb,  f  1863  —  fand  sein  Sohn  Gustav  Auf- 
nahme in  der  Quinta  des  ebengenannten  Gymnasiums.  In  dieser  Anstalt  hat 
er  fortan  den  Mittelpunkt  seiner  wichtigsten  Lebenstätigkeit  gefunden:  von 
1849  bis  1857,  wo  er  sie  als  primus  omnium  verließ,  ihr  Schüler,  kehrte  er 
bald  nach  Beendigung  seiner  akademischen  Studien  und  nach  Erledigung  der 
vorschriftsmäßigen  Staatsprüfung  im  Jahre  1865  als  Lehrer  zu  dieser  auf  ein 
mehr  als  hundertundfünfzigjähriges  Bestehen  zurückblickenden  Stätte  höherer 
Bildung  zurück  um  ihr  dann  nahezu  37  Jahre,  bis  zu  seinem  Lebensende, 
als  hochgeschätzter  Vertreter  namentlich  des  altsprachlichen,  aber  auch  des 
deutschen  Unterrichts  anzugehören. 

Hatte  B.  schon  als  Schüler  das  Glück  gehabt,  zu  den  Füßen  einer  Reihe 
von  bedeutenden  Pädagogen  und  Gelehrten,  eines  Ferd.  Ranke,  Yxem,  Schell- 
bach, Aug.  Wilh.  Zumpt  zu  sitzen,  so  hielt  er  sich  auf  den  Universitäten  Berlin 
und  Bonn  (1857  — 1860)  mit  sicherem  Blick  für  das,  was  ihm  für  das  Studium 
des  klassischen  Altertums  und  zur  Vorbereitung  auf  das  höhere  Lehrfach  am 
meisten  frommte,  an  Lehrmeister  ersten  Ranges  wie  Böckh,  Haupt,  Gneist 
(Berlin),  Otto  Jahn,  Ritschi,  Welcker  (Bonn)  und  auf  anderen  Gebieten  an  den 
Philosophen  Trendelenburg,  die  Historiker  Leopold  von  Ranke  und  Hirsch 
und  den  Geographen  Ritter.  Mit  großer  Pietät,  die  überhaupt  sein  ganzes 
Wesen  auszeichnete,  hat  er  oft  in  seinem  späteren  Leben  dieser  Männer 
gedacht  und  bei  besonderen  Gelegenheiten  seiner  Verehrung  namentlich  für 
seinen  Lehrer  und  nachmals  langjährigen  Amtsgenossen,  den  hochverdienten 
Mathematiker  Heinrich  Schellbach,  ebenso  für  Aug.  Böckh,  seinen  Leitstern 
auf  den  vielverschlungenen  Wegen  der  Altertumskunde,  in  Gedächtnisreden 
einen  beredten  Ausdruck  gegeben. 

In  seiner  eigenen  produktiven  wissenschaftlichen  Tätigkeit  zeigte  er  sich 
zunächst  am  meisten  beeinflußt  durch  den  Bonner  Philologen  Otto  Jahn. 
War  doch  auch  ihm  das  Leben  am  Rhein  freudig  und  poesievoll  aufgegangen, 
und  dortigen  Anregungen  sind  zweifellos  Arbeiten  entsprossen  wie  seine 
Disscrtatio  mythologica  de  heroibus  Elcusiniis  ac  praeciptu  de  Triptolemo^  Berlin 
1863  bei  G.  Stilke,  sowie  eine  derselben  Zeit  entstammende  geschmackvolle 
Übersetzung  von  Apulejus'  »Amor  und  Psyche«  nebst  einer  gelehrten  Ab- 
handlung über  eben  diese  vielbewunderte  Dichtung  des  Altertums.  Beide 
Arbeiten  bekunden  B.s  ausgeprägten  Sinn  für  Poesie  und  die  bildenden  Künste. 

Nicht  minder  vertraut  erwies  er  sich  mit  der  Philosophie  der  Alten, 
wofür  die  Abhandlung  im  Programm  des  Berliner  Friedrich -Wilhelms-Gym- 


448  Behncke. 

nasiums  für  1873  »Piatos  Ideenlehre  im  Lichte  der  Aristotelischen  Metaphysik^ 
und  eine  zweite,  ebendaselbst  1879,  *^^  Cicerone  Epicureortpn  philosophiae  existi- 
matore  et  iudice<f'  Zeugnis  ablegen.  Auch  hat  es  ihm  nicht  an  der  verdienten 
Anerkennung  gefehlt.  Ludwig  Wiese,  der  langjährige  oberste  Leiter  des 
höheren  Schulwesens  in  Preußen,  schrieb  ihm  am  15.  April  1879:  »Mit  Ihrer 
Programmabhandlung  können  Sie  sich,  sowohl  was  die  Sache  als  was  die 
Form  betrifft,  vor  Meister  und  Gesellen  sehen  lassen!  Mir  ist  sie  besonders 
willkommen  bei  der  Wiederaufnahme  alter  Lukrezstudien.« 

Eine  wissenschaftlich  so  tüchtige  Lehrkraft,  dazu  ein  begeisterter  Erzieher 
der  Jugend,  der  bei  aller  Strenge  in  seinen  Ansprüchen  inbezug  auf  Disziplin 
und  Leistungen  seiner  Schüler  es  verstand,  mit  der  Jugend  jung  zu  sein  und 
dem  jugendlichen  Frohsinn  nicht  nur  bei  Gelegenheit  der  zahlreichen  von  ihm 
geleiteten  Ausflüge,  sondern  selbst  nicht  beim  Unterrichte  seine  Rechte  ver- 
kümmerte, erschien  denn  auch  vor  anderen  dazu  berufen,  als  Lehrer  früh 
in  die  obersten  Klassen  emporzusteigen.  Nichts  weniger  als  ein  verknöcherter, 
pedantischer  Philolog,  hielt  er  dennoch  aus  innerster  Überzeugung  die  Fahne 
des  humanistischen  Gymnasiums  aufrecht.  Sich  öffentlich  darüber  auszusprechen 
fand  er  Gelegenheit,  als  Paul  Nerrlich  im  Jahre  1894  mit  seiner  gegen  Griechen 
und  Römer  polemisierenden  Schrift  »Das  Dogma  vom  klassischen  Altertum  in 
seiner  geschichtlichen  Entwicklung«,  Leipzig  bei  C.  L.  Hirschfeld,  hervortrat. 
B.s  immer  noch  lesenswerte  Rezension  dieser  Schrift  in  der  Berliner  Philo- 
logischen Wochenschrift  Nr.  9  vom  23.  Februar  1895  beleuchtet  jene  Frage 
in  geistvoller  und  vorurteilsfreister  Weise.  Ein  »Dogma«  vom  klassischen 
Altertum,  eine  Alleinherrschaft  der  Griechen  und  Römer  in  der  Schule  kennt 
B.  überhaupt  nicht  und  verteidigt  es  daher  auch  nicht,  wohl  aber  das  klassische 
Altertum  und  seine  beiden  Sprachen  als  das  Tor,  durch  das  zu  allererst,  wo 
es  sich  um  den  höheren  Unterricht  handelt,  die  Jugend  in  das  Allerheiligste 
der  Wissenschaft  einzuführen  ist. 

Um  aber  den  Jugendbildner  B.  völlig  kennen  zu  lehren,  bedarf  es  eines 
Hinweises  auf  die  erst  nach  seinem  Hinscheiden  von  der  hinterbliebenen 
Gattin  bei  Ernst  Siegfried  Mittler  &  Sohn,  Berlin  1903,  herausgegebenen  (27) 
Schulandachten  und  Ansprachen,  unter  denen  sich  auch  die  Gedächtnisreden 
auf  Schellbach  und  Böckh  finden.  Tiefe,  warme  Empfindung,  fester  Glaube 
an  den  sittlichen  Beruf  des  Christentums,  deutsch-nationales  Bewußtsein  — 
auf  diesen  Dreiklang  ist  darin  alles  gestimmt. 

Endlich  muß  hier  noch  auf  B.s  Tätigkeit  als  Beethovenforscher  einge- 
gangen werden,  die  er  fast  ein  Menschenalter  hindurch  neben  seinem  Lehramte 
mit  Hingebung  und  Treue  ausgeübt  hat.  Es  handelt  sich  dabei  um  die  ge- 
wissenhafte Verwaltung  eines  geistigen  Vermächtnisses  seines  ersten  Schwieger- 
vaters, um  die  wissenschaftliche  Pflege  und  Fortpflanzung  mehrerer  Werke  des 
im  vorigen  Jahrhundert  hervorragendsten  Musiktheoretikers  und  Beethoven- 
Biographen  Adolf  Bernhard  Marx. 

Liebe  und  Befähigung  zu  den  schönen  Künsten,  vor  allem  zur  Poesie 
und  Musik  begleiteten  B.  durch  sein  ganzes  Leben,  und  für  letztere  fand  er 
schon  früh  in  Berlin  reichliche  Nahrung.  In  Bonn  fühlte  sich  der  junge 
Philolog  innerlich  zu  Otto  Jahn  schon  deswegen  mehr  als  zu  Fr.  Ritschi  hin- 
gezogen, weil  jener  nicht  wie  dieser  fast  ausschließlich  der  Textkritik  huldigte. 
Gerade    damals,    wo    B.    in    Bonn    studierte,    im    Jahre     1858,    waren    von 


Behncke. 


449 


Jahns  Meisterwerke  historisch -philologischer  Methode,  seiner  Biographie 
Mozarts,  die  ersten  Bände  erschienen,  die  B.  begierig  verschlang,  ohne  zu 
ahnen,  daß  es  ihm  beschieden  war,  später  selbst  einmal  auf  ähnlichen  Bahnen 
zu  wandeln  wie  damals  Jahn.  Entscheidend  wurden  hierfür  erst  seine  per- 
sönlichen Beziehungen  zu  A.  B.  Marx,  mit  dessen  Tochter  Margarete  er 
sich  anfangs  der  sechziger  Jahre  verlobte,  und  so  gewaltig  es  auch  den 
oft  selbst  von  körperlichen  Leiden  schwer  heimgesuchten  Mann  erschütterte, 
bald  nacheinander  den  trefflichen  Schwiegervater  (17.  Mai  1866)  und  wenige 
Monate  später  seine  eben  erst  heimgeführte  junge  Gattin  durch  den  Tod 
zu  verlieren,  unerschüttert  blieb  dennoch  die  innere  Verbindung,  die  er  mit 
dem  großen  Theoretiker  und  seinen  Geisteswerken  eingegangen  war,  ebenso 
wie  die  mit  seiner  hinterbliebenen  Familie,  voran  der  geistvollen  Schwieger- 
mutter Therese  Marx.  Der  persönliche  Verkehr  der  beiden  Männer  war,  durch 
enge  Nachbarschaft  begünstigt,  ein  äußerlich  so  reger  gewesen  und  hatte  sich 
innerlich  so  harmonisch  gestaltet,  daß  die  auf  nur  etwa  fünf  Jahre  sich  er- 
streckende Bekanntschaft  mit  dem  Meister  für  den  empfänglichen  Schüler 
völlig  ausgereicht  hatte,  sich  in  Marx'  Gedankenwelt,  in  Geist  und  Form  des 
von  ihm  bereits  geschaffenen  wie  des  erst  noch  im  Werden  begriffenen  liebe- 
und  verständnisvoll  zu  versenken.  Von  Marx'  musikwissenschaftlichen  Werken 
fand  die  noch  heute  unübertroffene  vierbändige  »Lehre  von  der  musikalischen 
Komposition«  und  ebenso  die  »Allgemeine  Musiklehre«  gelegentlich  der  wieder 
und  wieder  erforderlich  werdenden  Auflagen  an  dem  außerhalb  der  Marx- 
schen  Familie  stehenden  Heinrich  Riemann  einen  sachkundigen  und  ge- 
diegenen Bearbeiter;  dagegen  war  es  B.  vorbehalten,  Marx'  großartig  an- 
gelegtes biographisches  Werk  »Ludwig  van  Beethoven.  Leben  und  Schaffen«, 
das  bereits  bei  des  Verfassers  Lebzeiten  in  vier  Jahren  zwei  Auflagen 
erfahren  hatte,  zum  dritten  (1874),  vierten  (1884)  und  noch  unmittelbar 
vor  seinem  eigenen  Hinscheiden  zum  fünften  Male  (1901)  in  stets  voll- 
endeterer Gestalt,  und  was  die  eigentliche  Biographie  anbetrifft,  vielfach 
verändert  und  bedeutend  vermehrt  der  nie  aussterbenden  großen  Gemeinde 
der  Beethovenverehrer  zugänglich  zu  machen.  Mit  ungemeiner  Sorgfalt  und 
unter  kritischer  Benutzung  des  gesamten  Stoffes,  der  durch  die  Beethoven- 
forschung in  den  letzten  drei  Dezennien  zutage  gefördert  ist,  hat  B.  dem 
neben  dem  rein  Musikalischen  und  Ästhetischen  von  Marx  etwas  stiefmütter- 
lich behandelten  historischen  Teil  zu  dem  ihm  gebührenden  Rechte  verholfen. 
Seiner  scharfsinnigen  Untersuchung  ist  es  z.  B.  zu  verdanken,  daß  nunmehr 
die  Entstehungsgeschichte  der  ersten  Leonoren-Ouvertüre  jedem  weiteren 
Zweifel  entrückt  ist.  Dagegen  sind  Beethovens  persönliche  Begegnisse  und 
Lebensschicksale,  soweit  sie  nur  irgend  den  wirklich  gebildeten  Leser  inter- 
essieren können,  nicht  zu  kurz  gekommen,  wie  z.  B.  das  vielbesprochene 
Freundschaftsverhältnis  Beethovens  zu  Bettina  von  Arnim  durch  den  in  der 
Biographie  im  Faksimile  von  B.  wiedergegebenen  Brief  Beethovens  völlig 
aufgehellt  ist. 

Mit  größerem  Recht  als  jeder  andere  durfte  demnach  der  Schwieger- 
sohn von  seiner  Tätigkeit  auf  diesem  Gebiete  sagen:  »Was  der  verewigte 
Verfasser  getan  haben  würde,  habe  ich  statt  seiner  zu  tun  unternommen.  Ich 
habe  mich  bemüht,  aus  dem  reichen,  durch  die  neuere  Forschung  aufgehäuften 
Material  mit  Marx'  Auge  Auswahl  zu  treffen,  alles  zu  prüfen,  das  in  Marx* 

Bio^.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.   7.  Bd.  20 


450  Behncke.     Müller. 

Sinne  Gute  zu  behalten  und  es  an  passender,  den  Künstler  und  Menschen 
Beethoven  möglichst  zugleich  beleuchtender  Stelle  einzuflechten.«  Daß  dabei 
«der  gleichsam  geheiligte  Kern  des  Buches,  die  Charakteristik  des  Künstlers 
und  seiner  Werke«,  wie  sie  Marx'  Genius  entsprungen  war,  unverletzt  und 
unverfälscht  in  den  späteren  Auflagen  erhalten  ist,  welcher  einsichtige  und 
selbst  von  Pietät  erfüllte  Beurteiler  wird  deswegen  mit  B.  rechten?  Die 
Eigenart  desjenigen  Biographen  Beethovens,  der  als  Musikkenner  und  Schrift- 
steller von  Beethoven  selbst  so  hoch  geschätzt  wurde  und  selbst  ein  bedeutender 
Künstler  war,  mußte  auf  alle  Fälle  gewahrt  bleiben. 

Zum  Schluß  sei  noch  erwähnt,  daß  auch  die  von  Marx  ursprünglich  der 
Biographie  beigefügte  »Anleitung  zum  Vortrage  Beethovenscher  Klavier- 
werke«, die  ein  Bülow  stets  so  nachdrücklich  zu  empfehlen  pflegte,  in  dritter 
Auflage  von  B.,  den  Anforderungen  der  Zeit  entsprechend  verändert,  in  dem- 
selben Verlage  wie  die  Biographie  (O.  Janke,  Berlin),  im  Jahre  1898  heraus- 
gegeben ist.  Prof.  Dr.  L.  Schumacher. 

Müller,  Adolf,  jun.,^)  Komponist  und  Kapellmeister,  ♦  15.  Oktober  1839 
zu  Wien,  f  i3«  Dezember  1901.  —  Als  Sohn  des  reichbegabten  Komponisten 
und  Kapellmeisters  Adolf  Müller  sen.,  des  Verfassers  der  Musik  zu  Nestroys 
Stücken  sowie  zu  hunderten  von  anderen  Bühnenwerken,  fand  Müller  jun.  den 
besten  Lehrer  in  seinem  Vater,  theoretisch  und  praktisch.  Er  lernte 
seinen  Kontrapunkt,  guckte  aber  übers  Buch  hinweg  ins  Theater  und  sein 
Getriebe  und  übte  sich  auf  verschiedenen  Instrumenten.  Als  etwa  Achtzehn- 
jähriger saß  er  im  Orchester,  komponierte  aber  nebenher  bereits  eifrig  an 
Liedern,  Chorsachen  usw.  Die  letzteren  brachte  er  in  von  ihm  geleiteten 
Vereinen  zur  Aufführung.  Bald  drängte  es  ihn  zum  Theater.  Posen  war 
1864  seine  erste  Station.  Von  1865 — 1867  wirkte  er  als  Opemkapellmeister 
in  Magdeburg,  1867 — 1869  in  Düsseldorf,  1869  in  Stettin,  dann  dazwischen  — 
in  Sommer-Engagements  —  in  Frankfurt  a.  O.  und  bei  Kroll  in  Berlin.  Als 
Komponist  hatte  er  sich  zuerst  bedeutsamer  mit  einem  Lieder-Zyklus  aus 
Rückerts  »Liebesfrühling«  betätigt;  1867  folgte  (in  Magdeburg)  seine  erste 
Oper  »Heinrich  der  Goldschmied«  und  von  da  an  blieb  er  sowohl  als 
produktiver  wie  als  ausübender  Künstler  der  Bühne  treu.  1870  übersiedelte 
er  nach  Wien,  wo  er  —  neben  seinem  Vater  —  als  Kapellmeister  am  Theater 
an  der  Wien  tätig  war.  Für  diese  Bühne  schuf  er  die  Operette:  »Das  Gespenst 
in  der  Spinnstube«,  femer  die  Musik  zu  den  Stücken  »Der  deutsche  Bruder« 
und  »Der  Glöckelpolster«.  1871  folgte  M.  einem  Rufe  nach  Hamburg,  wo 
er  durch  zwei  Jahre  als  Operndirigent  wirkte.  Dort  schrieb  er  die  Oper 
»Waldmeisters  Brautfahrt«,  die  daselbst  1873  das  Licht  der  Lampen  erblickte. 
Hamburg  wurde  für  M.  ganz  besonders  bedeutungsvoll  durch  seine,  an 
diesem  Orte  mit  R.  Wagner  angeknüpften  Beziehungen.  (Wagners  Briefe  an 
M.  wurden  seinerzeit  in  den  »Berliner  Signalen«  veröffentlicht.)  1874  kehrte 
M.  wieder  in  die  Heimat  zurück  —  wie  er  hoffte  für  längere  Zeit.  Nach 
halbjährigem  Bestände  stellte  die  »Komische  Oper«  Zahlungen  und  Spiel  ein 
und  M.  mußte  sich  wieder  auswärts  wenden.  Zuerst  nach  Budapest,  dann 
1875  nach  Rotterdam,  wo  er  bis  1881  die  deutsche  Oper  leitete.     Die  Oper 


>)  Totenliste   1901   Band  VI  74*. 


Muller.     Czerny.     Viktoria.  azi 

»Van  Dyck«  (1877)  war  die  Frucht  der  daselbst  empfangenen  Anregungen. 
1881  berief  ihn  Direktor  Steiner  nach  Wien  (Theater  an  der  Wien);  nach 
dem  Zusammenbruch  der  Steinerschen  Direktion  (1883)  wandte  er  sich 
wieder  nach  Rotterdam,  um  von  1884  bis  kurz  vor  seinem  Tode  unter  der 
Direktion  Walzel,  v.  Schönerer  und  Langkammer  am  Theater  an  der  Wien 
zu  wirken.  Für  diese  Bühne  schrieb  er  die  Operetten  »Der  kleine  Prinz« 
(1883),  »Der  Hofnarr«  (i886)  —  M.s  größter  Theatererfolg  —  »Der  Liebeshof« 
(1888),  »Des  Teufels  Weib«  (1890),  »Der  Millionenonkel«  (1892),  »General 
Gaga«  (1896),  »Blondin  von  Namur«  (1898),  dann  die  Musik  zu  dem  Schau- 
spiel »Das  Lied  im  Volke«.  Außerdem  bearbeitete  er  sehr  geschmackvoll 
die  Operette  »Wiener  Blut«  nach  Joh.  Straußschen  Motiven.  —  Die  Er- 
wartung, wenigstens  im  vorgerückten  Alter  an  der  Stätte  so  reicher  Wirksam- 
keit verbleiben  zu  können,  erfüllte  sich  nicht.  1901  trat  eine  Krise  im 
Theater  an  der  Wien  ein  und  M.  sah  sich  bemüßigt,  eine  andere  Stellung 
zu  suchen.  Sie  bot  sich  ihm  beim  »Wiener  Konzertverein«,  der  nach 
Komzäks  Abgang  einen  Leiter  für  seine  populären  Konzerte  suchte.  So 
wie  überall  stellte  M.  auch  bei  dieser  Gelegenheit  seinen  Mann.  Erst  der 
nach  bloß  achttäger  Krankheit  erfolgte  Tod  setzte  der  Lebensarbeit  des  be- 
gabten, kenntnisreichen  und  gewissenhaften  Künstlers  ein  Ziel.  —  M.  war 
nebst  seiner  ausgebreiteten  Tätigkeit  als  Komponist  und  Kapellmeister  ein 
leidenschaftlicher  Sammler  von  Autographen  und  Kuriosa;  sein  feines  Ver- 
ständnis für  bildende  Kunst  ließ  ihn  manches  seltene,  bis  dahin  unbeachtete 
Stück  entdecken.  M.s  Sammlung  von.  Alt-Wiener  Stichen,  Figurinen  u.  dgl. 
war  eine  Sehenswürdigkeit.  Richard  Heuberge r. 

Czerny,  Albin,  (Band  V  3 10 ff.),  vgl.  Dr.  Alexander  Nicoladoni  und 
Professor  Albin  Czerny.  Verleger  Museum  Francisco-Carolinum  in  Linz 
o.  J.  Biographischer  Abriß.  Bibliographisches  und  einige  Briefe  Czemys 
an  Dr.  Nicoladoni. 

Viktoria,^)  verwitwete  Kaiserin  und  Königin  Friedrich,  *  21.  November  1840 
zu  London,  f  Schloß  Friedrichshof  bei  Kronberg  5.  August  1901.  —  Am 
21.  November  1840  wurde  Viktoria  Adelheid  Marie  Luise  als  erstes  Kind 
der  Königin  Viktoria  und  des  Prinzgemahls  Albert  von  Koburg  geboren. 
Alle  Vorzüge,  die  einem  Kinde  zuteil  werden  können,  waren  ihr  zugefallen: 
körperliche  Gesundheit,  Anmut,  hohe  Begabung,  ausgezeichnete  Eltern,  die 
auf  dem  Throne  das  schönste,  innigste  Familienleben  führten  und  sich  mit 
allem  Ernst  und  Verständnis  der  Erziehung  ihrer  Kinder  widmeten.  Die 
glänzende  Lebensstellung  fügte  alle  denkbaren  Bildungsmittel  hinzu:  die 
besten  Lehrer,  den  frühen  Verkehr  mit  den  ersten  Männern  und  Frauen 
Englands.  Den  einsichtigsten  und  liebevollsten  Erzieher  hatte  die  Prinzessin 
an  dem  Vater,  dessen  Lieblingskind  sie  war. 

Ihre  Erziehung  erhielt  eine  bestimmte  Richtung  dadurch,  daß  schon  früh 
der  Prinz  von  Preußen  und  seine  Gemahlin  einerseits  und  das  englische 
Königshaus  andererseits  einig  in  dem  Wunsche  einer  Verheiratung  des  Prinzen 
Friedrich  Wilhelm  mit  Prinzess  Viktoria  waren. 

«)  Totenliste   1901   Band  VI  110*. 

29* 


452 


Viktoria. 


Politische  Gründe  waren  dabei  zunächst  auf  beiden  Seiten  bestimmend. 

Der  Prinz  von  Preußen  war  in  Opposition  gegen  die  Regierung  seines 
Bruders,  des  Königs  Friedrich  Wilhelm  IV.  Er  billigte  weder  seine  innere, 
noch  seine  äußere  Politik.  Unter  der  ersteren  hatte  er  selbst  schwer  zu 
leiden;  selbst  in  seiner  Zurückgezogenheit  in  Koblenz  wurde  er  von  der 
herrschenden,  orthodox-absolutistischen  Clique  verfolgt.  Die  traditionelle, 
von  seinem  Bruder  aufrecht  erhaltene  Anlehnung  an  Rußland  hatte  er  in 
ihren  bedenklichen  Folgen  kennen  gelernt,  er  wollte  eine  nähere  Beziehung 
zu  England. 

Prinz  Albert  wünschte  und  erwartete  die  Einigung  Deutschlands  unter 
Preußens  Führung;  ihm  und  der  Königin  lag  daran,  von  vornherein  zu  dieser 
kommenden  Macht  in  freundschaftliche  Verhältnisse  zu  treten.  .  Zwischen  dem 
Prinzen  von  Preußen  und  Prinz  Albert  bestanden  zudem  alte  nahe  Beziehungen, 
die  auf  Königin  Viktoria  durch  öftere  Besuche  in  England  ausgedehnt  wurden. 

Aber  die  Politik  war  schließlich  nicht  entscheidend  für  die  Heirat,  sie 
ist  eine  wirkliche  Liebesheirat  geworden.  Die  Politik  führte  zwei  junge 
Menschen  zusammen,  die  zueinander  gehörten. 

Die  Erziehung  des  Prinzen  Friedrich  Wilhelm  war  der  der  Prinzessin 
Viktoria  nicht  unähnlich;  die  feinsinnige  und  freidenkende  Mutter  hatte  für 
Erzieher  gesorgt,  die  auf  der  Höhe  der  Bildung  standen;  auf  der  Universität 
Bonn  kam  der  Prinz  mit  Männern  wie  Dahlmann,  Arndt  und  anderen  zu- 
sammen, die  ihm  Begeisterung  für  Deutschlands  Einheit  und  Größe  einflößten; 
er  lernte  sich  als  den  Erben  des  preußischen  Königsthrons,  als  den  Mann 
fühlen,  der  dazu  bestimmt  sei,  diesen  großen  Gedanken  in  das  Leben  zu 
führen. 

Bei  seinem  ersten  Besuch  in  England  im  Jahre  1851  erwarb  er  sich  die 
volle  Zuneigung  der  Königin  Viktoria  und  des  Prinzen  Albert;  Prinzessin 
Viktoria  war  erst  11  Jahre  alt,  aber  ihr  außergewöhnlich  anmutiges,  kluges 
Wesen  machte  schon  damals  tiefen  Eindruck  auf  den  jungen  Mann,  dessen 
stattliche  Erscheinung  und  Liebenswürdigkeit  gewiß  auch  dem  jungen  Mädchen 
imponiert  haben. 

Dieser  Besuch  führte  zu  dem  Beschluß  der  Eltern,  die  Verbindung  dem- 
nächst herbeizuführen.  Prinz  Friedrich  Wilhelm  war  damit  sehr  einverstanden. 
Für  die  beiden  jungen  Leute  fiel  die  Entscheidung  aber  erst  am  29.  September 
1855  bei  einem  Besuch  des  Prinzen  Friedrich  Wilhelm  in  Balmoral.  Sie  hatten 
sich  wirklich  ineinander  verliebt  und  verlobten  sich  früher,  als  die  Eltern 
der  Braut,  deren  großer  Jugend  wegen,  wünschten.  Aber  es  blieb  ihnen  nichts 
übrig,  als  ihr  Ja  zu  sagen,  nur  sollte  die  Verlobung  noch  nicht  öffentlich 
bekannt  gemacht  und  die  Verheiratung  noch  lange,  bis  nach  vollendetem 
17.  Lebensjahre  der  Prinzessin  hinausgeschoben  werden.  Und  so  kam  das 
zweite  bei  fürstlichen  Heiraten  Außerordentliche  hinzu  .  .  .  eine  lange  Ver- 
lobung, welche  von  beiden  Verlobten  durch  eifrige  Korrespondenz  und  öfteres 
Wiedersehen  benutzt  wurde,  sich  ineinander  einzuleben. 

In  diese  Zeit  fällt  die  ganz  absichtliche  Vorbereitung  der  Prinzessin 
für  ihren  Beruf  als  Königin  von  Preußen  und  dereinstige  Herrscherin  über 
Deutschland,  insbesondere  durch  ihren  Vater,  der  als  englischer  Prinz-Gemahl 
doch  ein  wahrer  deutscher  Patriot  und  begeistert  für  Deutschlands  Einigung 
war.     Sie  erhielt   eine  wirklich   umfassende  Bildung  in  Wissenschaft,   Kunst 


Viktoria. 


453 


und  Staatsleben.  Deutsche  Geschichte  und  Literatur,  deutsche  Verhältnisse, 
deutsche  Politik  bildeten  einen  wesentlichen  Teil  ihrer  Bildung,  und,  was 
besonders  in  das  Gewicht  fällt,  sie  lernte  ernstlich  arbeiten  und  ihre  Zeit  ein- 
teilen, und  bewahrte  bei  alledem  einen  einfachen  Sinn  und  Liebe  für  häus- 
liches Leben,  wie  sie   es  im  eigenen  Hause  so  schön   kennen  gelernt  hatte. 

So  war  die  Prinzessin  in  jeder  Beziehung  befähigt,  ihren  Platz  als  könig- 
liche Frau  im  Hause  und  in  dem  öffentlichen  Leben  Deutschlands  auszufüllen; 
sie  war  bereit,  der  hohen  Aufgabe,  für  die  sie  bestimmt  war,  sich  ganz  zu  widmen. 

Die  englische  Regierung  und  das  englische  Volk  waren  mit  der  Verlobung 
einverstanden;  Prinz  Friedrich  Wilhelm  hatte  sich  schnell  die  Hochachtung 
und   Zuneigung  aller  erworben,   mit  denen  er  in  Berührung  gekommen  war. 

Auf  die  preußischen  Begleiter  des  Prinzen  bei  seinen  Besuchen  in  England 
hatte  die  Prinzessin  den  besten  Eindruck  gemacht.  König  Friedrich  Wilhelm  IV. 
war  durchaus  einverstanden  und  im  deutschen  Volke  begrüßte  man  froh  die 
Verbindung  mit  der  Tochter  eines  freien  Landes  und  eines  wegen  seiner 
liberalen  deutschen  Gesinnung  hochangesehenen  deutschen  Fürsten. 

Allerdings  fehlte  in  gewissen  Kreisen  auch  nicht  eine  vorläufig  noch 
zurückgehaltene,  später  erst  wirksam  werdende  Abneigung  gegen  die  Prinzessin. 
Man  fürchtete  den  englischen  politisch  freien,  antirussischen  Einfluß;  aber 
zunächst  war  dafür  kein  Anlaß  und  die  Prinzessin  gewann  durch  ihr  ein- 
faches,  liebenswürdiges  Wesen  alle,  die  mit  ihr  in  Berührung  kamen. 

So  war  die  am  23.  Januar  1858  glänzend  vollzogene  Vermählung  ein 
wahres  Freudenfest;  das  englische  Volk  jubelte  dem  Ehepaar  zu  und  das 
deutsche  Volk  empfing  es  auf  das  herzlichste. 

Die  ersten  Jahre  des  ehelichen  Lebens  waren  Jahre  des  Glückes.  Freilich 
vermißte  die  Prinzessin  vieles,  was  sie  in  England  gehabt  hatte.  Am  preußischen 
Hofe  waren  unerfreuliche  Zustände.  Der  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  schwer 
krank,  der  Prinz  von  Preußen  als  zeitweiser  Stellvertreter  durch  die  Rücksicht 
auf  die  Möglichkeit  der  Wiederherstellung  des  Königs  beschränkt  in  seinem 
Wirken  und  mit  den  Ministem  und  Freunden  des  Königs  durchaus  nicht 
einverstanden,  die  ganze  Umgebung  wesentlich  militärisch  und  in  Anschauungen 
befangen,  welche  die  Prinzessin  nicht  teilte.  Aber  das  war  von  keiner  Bedeutung 
gegenüber  dem  Glücke  der  jungen  Ehe. 

Am  7.  Oktober  1858  machte  der  Gesundheitszustand  des  Königs  die  Über- 
tragung der  Regentschaft  mit  vollen  königlichen  Rechten  an  den  Prinzen 
von  Preußen  nötig,  der  sogleich  unter  scharfer  Mißbilligung  der  bisherigen 
Politik  ein  gemäßigt-liberales  Ministerium  berief. 

Eine  liberale  Aera  schien  für  Preußen  anzubrechen,  die  Zeit  moralischer 
Eroberungen  Preußens  in  Deutschland  zu  kommen.  Prinz  und  Prinzessin 
begrüßten  sie  mit  großer  Freude  und  der  Prinz  widmete  sich  eifrig  den 
Regierungsgeschäften.  Im  folgenden  Jahre  schon  brachte  der  französisch- 
italienisch-österreichische Krieg  dem  Prinzregenten  die  Gelegenheit  einer 
veränderten  äußeren  Politik.  Die  Unterstützung  Österreichs,  zu  der  er  bereit 
war,  sollte  nur  erfolgen,  wenn  Preußen,  das  schon  die  Kriegsbereitschaft  des 
Heeres  einleitete,  die  Führung  Deutschlands  in  dem  Kriege  zugestanden 
würde.  Diese  Bedingung  wollte  Österreich  nicht  eingehen  und  zog  vor,  mit 
Frankreich  Frieden  zu  schließen.  Die  Gelegenheit,  deutsche  Politik  zu  treiben, 
war  versäumt. 


454 


Viktoria. 


Es  blieb  also  Friede;  Prinz  Friedrich  Wilhelm,  der  zu  einem  Kommando 
ausersehen  war,  blieb  zu  Hause;  das  häusliche  Glück  wurde  nicht  gestört.  Am 
27.  Januar  1859  war  der  erste  Sohn,  der  jetzige  Kaiser,  geboren.  Besuche  der 
Eltern  in  England,  Zusammentreffen  in  Koburg,  regelmäßige  Korrespondenz 
hielten  die  Verbindung  mit  der  Heimat  aufrecht;  ihr  Vater  blieb  der  beste 
Freund  der  Tochter,  ihr  Ratgeber,  der  Leiter  ihrer  politischen  Studien,  die  sie 
mit  Eifer  und  Erfolg  fortsetzte,  und  zugleich  der  politische  Berater  des 
Prinzregenten. 

Aber  in  der  inneren  Politik  begannen  sich  Änderungen  zu  vollziehen, 
die  einen  verhängnisvollen  Einfluß  auf  das  ganze  Geschick  des  Prinzen  und 
der  Prinzessin  haben  sollten. 

Veranlaßt  durch  die  bei  der  Mobilmachung  zu  Tage  getretenen  Mängel 
der  Heereseinrichtungen  verlangte  der  Regent  ihre  gründliche  Reorganisation. 
An  ihrer  Notwendigkeit  wurde  von  keiner  Seite  gezweifelt,  sie  wurde  pro- 
visorisch vom  Landtage  bewilligt,  aber  Ungeschick  der  Regierung  und  Fehler 
der  Parteien  im  Abgeordnetenhause  führten  zu  sich  immer  verschärfenden 
Mißverständnissen,  schließlich  zu  erbittertem  Kampf.  Der  Regent,  der  während 
desselben  am  2.  Januar  1861  seinem  Bruder  auf  dem  Throne  gefolgt  war, 
hielt  mit  großer  Hartnäckigkeit  an  seiner  Forderung  fest.  Die  konser\^ative 
Partei  suchte  die  günstige  Gelegenheit  zu  benutzen,  durch  Verschärfung  des 
Konflikts  den  König  wieder  zu  sich  herüberzuziehen. 

In  das  Jahr  186 1  fällt  das  erste  traurige  Ereignis,  welches  die  Kron- 
prinzessin traf.  Am  14.  Dezember  starb  ihr  Vater.  Dieser  die  Tochter  auf  das 
schmerzlichste  treffende  Verlust  war  auch  für  die  Beziehungen  des  kronprinz- 
lichen Paares  zu  dem  König  und  für  die  ganze  preußische  Politik  jener  Zeit 
verhängnisvoll.  Es  ist  sicher  anzunehmen,  daß  der  Prinzgemahl  seinen  ganzen 
Einfluß  aufgewendet  haben  würde,  um  einen  Ausgleich  mit  dem  Abgeordneten- 
hause herbeizuführen. 

Der  Kampf  um  die  Reorganisation  trat  in  das  entscheidende  Stadium, 
als  es  sich  darum  handelte,  die  anfänglich  provisorischen  Bewilligungen  in 
definitive  umzuwandeln.  Die  Forderungen  der  Regierung  erschienen  dem 
Abgeordnetenhause  unannehmbar.  Das  Ministerium  machte  Vermittelungs- 
vorschläge,  die  die  Zustimmung  des  Abgeordnetenhauses  gefunden  hätten. 
Der  König  lehnte  sie,  von  Leuten  beraten,  die  den  Konflikt  wünschten,  ab 
und  erklärte,  lieber  abdanken  zu  wollen,  als  sich  auf  Zugeständnisse  ein- 
zulassen; er  unterzeichnete  sogar  die  Abdankungsurkunde.  Der  Kronprinz 
aber  war  durchaus  abgeneigt,  unter  solchen  Umständen  den  Thron  zu  be- 
steigen. 

Da  wurde  dem  Könige  Bismarck  präsentiert,  als  der  einzige  Mann,  der 
imstande  sein  würde,  die  Reorganisation,  so  wie  der  König  sie  wollte,  gegen 
den  Widerstand  des  Abgeordnetenhauses  durchzusetzen.  Trotz  seiner  Abneigung 
gegen  ihn  wußte  der  König  keinen  anderen  Rat,  als  in  seine  Hände  die 
Regierung  zu  legen.  Bismarck  war  bereit,  den  Kampf  aufzunehmen;  er  hatte 
gerade  eine  solche  Situation  abgewartet,  in  der  der  König  seiner  notwendig 
bedurfte,  um  sich  sein  volles  Vertrauen  und  einen  dauernd  entscheidenden 
Einfluß  zu  verschaffen. 

Kronprinz  und  Kronprinzessin  waren  mit  dieser  Entwicklung  durchaus 
nicht  einverstanden.     Sie  sahen  voraus,    daß  Bismarck   sich   nicht  innerhalb 


Viktoria. 


455 


der  Verfassung  halten  werde  und  fürchteten  die  schlimmsten  Folgen.  Aber 
eines  hatten  sie  nicht  vorausgesehen  und  konnten  sie  nicht  voraussehen,  daß 
von  nun  an  von  einer  einflußreichen  politischen  Stellung  des  Kronprinzen 
und  der  Geltendmachung  seiner  politischen  Anschauungen  für  viele  Jahre  nicht 
mehr  die  Rede  sein  könne.  Bismarck  wollte  keinen  anderen  Einfluß  dulden 
und  hat  ihn  nie  zugelassen;  die  Umstände  verlängerten  seine  Macht  bis  über 
den  Tod  des  Kronprinzen  hinaus. 

Bismarck  hielt,  was  er  dem  König  versprochen;  er  setzte  die  Reorgani- 
sation durch,  er  kümmerte  sich  nicht  um  das  ablehnende  Votum  des 
Abgeordnetenhauses  und  regierte  ohne  genehmigtes  Budget.  Die  Opposition 
wurde  dadurch  noch  mehr  verschärft.  Der  Kronprinz,  der  durchaus  für  die 
Reorganisation  war,  mißbilligte  die  Art,  wie  sie  durchgesetzt  werden  sollte; 
er  wünschte  einen  friedlichen  Ausgleich,  aber  er  trat  nicht  mit  seiner  Meinung 
hervor,  weil  er  offene  Opposition  mit  dem  Respekt  vor  dem  Vater  und  dem 
Interesse  der  Monarchie  für  unverträglich  hielt.  Die  Situation  wurde  indessen 
immer  bedrohlicher;  auf  dem  von  der  Regierung  vorgeschlagenen  Wege 
konnte  man  nicht  weiter  kommen,  aber  auch  schwer  Halt  machen;  in  allem 
Ernste  fürchtete  man  eine  Revolution.  Da  hielt  es  der  Kronprinz  doch  für 
nötig,  gelegentlich  eines  verfassungswidrigen  Erlasses  über  die  Presse  nicht 
bloß  durch  einen  an  den  König  gerichteten  Brief  und  einen  an  das  Staats- 
ministerium gerichteten  Protest,  sondern  auch  bei  einer  Veranlassung  in 
Danzig  öffentlich  am  5.  Juni  1863  seine  Mißbilligung  auszusprechen.  Die 
Folge  war  nicht  eine  Zurücknahme  des  Gesetzes,  sondern  eine  scharfe  Zurück- 
weisung von  Seiten  des  Königs. 

Aber  der  Kronprinz  begnügte  sich  hiermit  nicht,  sondern  richtete  am 
30.  Juni  noch  eine  Verwahrung  an  den  Ministerpräsidenten,  die  aber  auch 
erfolglos  blieb  und  schließlich  kam  es  zu  einem  vollständigen  Zerwürfnis  mit 
dem  Könige. 

Die  Kronprinzessin  nahm  hieran  wie  an  allen  politischen  Vorgängen  den 
lebhaftesten  Anteil,  sie  fühlte  sich  ganz  als  deutsche  Fürstin,  als  die  Gattin 
des  Thronfolgers,  als  Mutter  des  künftigen  Thronfolgers,  für  dessen  Zukunft 
sie  fürchtete.  In  die  Abneigung  des  Ministerpräsidenten  und  der  herrschenden 
reaktionären  Partei  war,  da  man  ihr  völliges  Einverständnis  mit  dem  Kron- 
prinzen wußte,  nun  auch  sie  mit  einbegriffen.  Nicht  selten  schrieb  man  über- 
haupt ihrem  Einfluß  das  oppositionelle  Verhalten  des  Kronprinzen  zu.  Man 
liebte  es,  diesen  als  eigentlich  gut  altpreußisch,  junkerlich  gesinnt  und  nur 
durch  seine  Gemahlin  zu  liberalen  Anschauungen  verführt,  darzustellen, 
während  sie  ihn  lediglich  in  seiner  eigenen  Überzeugung  bestärkte. 

Der  Konflikt  hätte  vielleicht  eine  ernstere  Wendung  genommen,  wenn 
nicht  am  Ende  des  Jahres  1863  durch  den  Tod  des  Königs  Friedrich  VIL 
von  Dänemark  die  schleswig-holsteinische  Frage  gekommen  wäre,  welche  die 
Aufmerksamkeit  von  den  inneren  Angelegenheiten  ablenkte  und  Preußen  die 
Gelegenheit  gab,  in  deutsch-nationalem  Sinne  aufzutreten  und  durch  die 
Leistungen  der  Armee  die  Vorzüge  der  Reorganisation  zu  zeigen.  Der  Kron- 
prinz nahm  an  dem  schleswig-holsteinischen  Kriege  zuerst  als  Begleiter  des  alten 
Generalfeldmarschalls  Wrangel,  bald  aber,  als  sich  dessen  Unfähigkeit  erwies,  als 
eigentlicher  Oberstkommandierender  teil.  Er  erfüllte  seine  Aufgabe  mit  bestem 
Erfolge;  das  besserte  seine  Stellung  dem  Vater  gegenüber  und  brachte  ihm 


456  Viktoria. 

die  freudige  Anerkennung  Deutschlands.  Aber  auch  hier  kam  wieder  eine 
Meinungsdifferenz  mit  Bismarck.  Im  Anfang  dachte  niemand  in  Deutsch- 
land anders,  als  daß  der  Herzog  Friedrich  von  Augustenburg  der  berechtigte 
Nachfolger  in  Schleswig-Holstein  sei  und  daß  die  Zugehörigkeit  dieser  Länder 
zu  Deutschland  und  sein  Erbanspruch  eng  miteinander  verbunden  seien. 
Auch  Kronprinz  und  Kronprinzessin  dachten  so  und  dazu  trat  noch  eine  alte 
Jugendfreundschaft  zwischen  dem  Herzog  und  dem  Kronprinzen.  Bismarck 
aber  hatte  von  vornherein  den  Wunsch,  die  Länder  an  Preußen  zu  annektieren, 
wozu  es  freilich  an  jedem  rechtlichen  Grunde  fehlte;  er  wußte  dafür  auch  all- 
mählich den  König  zu  disponieren,  der  zuerst  den  Ansprüchen  des  Herzogs 
geneigt  war.  Es  war  ein  langer  Kampf,  in  dem  schließlich  Bismarck  siegte. 
Die  Kronprinzessin  unterstützte  ihren  Gemahl  auch  in  dieser  Sache  auf  das 
eifrigste.    Die  Beziehungen  zu  Bismarck  wurden  dadurch  natürlich  nicht  besser. 

Das  häusliche  Glück  des  Kronprinzenpaares  war  in  dieser  Zeit  ein 
ungetrübt  glückliches.  Vier  Kinder  waren  ihnen  geboren,  Prinzessin  Charlotte 
am  24.  Juni  1860,  Prinz  Heinrich  am  14.  August  1862,  Prinz  Sigismund  am 
15.  September  1864  und  Prinzessin  Viktoria  am  12.  April  1866.  Die  Kron- 
prinzessin war  ihnen  eine  liebevolle,  verständige  Erzieherin,  der  Kronprinz 
teilte  ihre  Sorgen;  ihr  Familienleben  war  verschönt  durch  das  lebhafteste  Inter- 
esse für  Kunst  und  Wissenschaft,  den  Verkehr  mit  bedeutenden  Persönlichkeiten 
und  öftere  größere  Reisen.  Die  Kronprinzessin  fand  für  alles  Zeit,  für  häus- 
liches Leben,  Erziehung,  Übung  ihrer  künstlerischen  und  musikalischen 
Talente,  wie  für  politische  Fragen,  und  entzückte  jeden,  der  mit  ihr  in  Be- 
rührung kam,  durch  ihre  einfache  Natürlichkeit,  Frische  und  ihre  außer- 
gewöhnlichen  Kenntnisse. 

Der  Kampf  der  Regierung  mit  dem  Abgeordnetenhause  dauerte  in- 
zwischen fort  und  verschärfte  sich  immer  mehr.  Mehrmalige  Auflösungen 
änderten  die  Zusammensetzung  desselben  nicht  zugunsten  der  Regierung. 
Die  Stellung  Preußens  in  Deutschland  verschlechterte  sich  zusehends  und 
die  Art,  wie  die  schleswig-holsteinische  Angelegenheit  behandelt  wurde,  war 
auch  nicht  geeignet,  große  Sympathien  für  Preußen  zu  erregen. 

Die  Lösung  der  Situation  brachte  der  österreichisch-preußische  Konflikt 
und  die  daraus  sich  ergebende  Nötigung  Preußens,  den  Kampf  gegen  Öster- 
reich und  die  ihm  anhängenden  deutschen  Staaten  mit  einer  deutsch-nationalen 
Politik  zu  verbinden. 

In  dem  Kriege  fiel  dem  Kronprinzen  eine  große  Aufgabe  zu,  die  er  mit 
glänzendem  Erfolge  erfüllte.  Der  Beginn  war  freilich  schwer  genug  für  den 
zärtlichen  Vater,  der  zur  Armee  abreisen  mußte,  als  der  jüngste  Sohn  Sigis- 
mund schwer  erkrankt  war.  Noch  ehe  die  kriegerischen  Aktionen  begannen, 
starb  der  Prinz. 

Sein  politisches  Verständnis  zeigte  der  Kronprinz  dadurch,  daß  er  den 
König  bestimmte,  Bismarcks  Ansicht  über  die  schonende  Behandlung  des 
besiegten  Österreichs  und  dessen  Verbündete  zu  folgen. 

Eine  erfreuliche  Wirkung  der  kriegerischen  Erfolge  war  die  Versöhnung 
der  Krone  mit  dem  Abgeordnetenhause  und  die  offene  Anerkennung,  daß 
der  Norddeutsche  Bund  und  Preußen  nur  bei  starker  Berücksichtigung  liberaler 
Grundsätze  und  Forderungen  regiert  werden  könnten.  Der  König  und 
Bismarck  sahen  es  ein  und  es  begann  nun  eine  Zeit  gemeinschaftlicher  Arbeit 


Viktoria.  457 

der  Regierungen  und  der  Parlamente  für  den  Ausbau  des  neuen  Reiches 
und  die  Vorbereitung  der  vollständigen  Einigung  Deutschlands  zu  großer 
Freude  des  kronprinzlichen  Paares,  das,  wenn  ihm  auch  nicht  beschieden 
war,  einzugreifen  in  die  Entwicklung  der  Dinge,  doch  in  lebhaftester  Be- 
ziehung zu  ihnen  stand. 

Die  Macht  Bismarcks  war  durch  den  großen  Erfolg  und  die  Mäßigung, 
mit  der  er  ihn  ausnutzte,  noch  gestiegen. 

Die  Zeit  bis  zum  Jahre  1870  wurde  allgemein  empfunden  als  eine  Über- 
gangszeit ;  man  erwartete  den  entscheidenden  Kampf  mit  Frankreich.  Aber  ein 
regeres  öffentliches  Leben  war  doch  eingetreten,  soziale  Fragen  wurden  mit 
Eifer  angegriffen:  die  Kronprinzessin  beteiligte  sich  daran,  besonders  im 
Interesse  der  Frauen;  mit  ihrer  Hilfe  rief  eine  Engländerin,  Miss  Archer,  das 
Viktoria-Lyzeum  (1868),  der  Verein  für  das  Wohl  der  arbeitenden  Klassen 
das  Lettehaus  in  das  Leben  (1866).  Ihrem  Interesse  vornehmlich  ist  auch 
die  Gründung  des  Kunstgewerbemuseums,  zunächst  als  eines  Privatvereins, 
im  Jahre  1867  zu  verdanken. 

Zwischen  den  beiden  Kriegen  war  die  Familie  durch  die  Geburt  zweier 
Kinder,  des  Prinzen  Waldemar  —  10.  Februar  1868  —  und  der  Prinzessin 
Sophie  —  14.  Juni  1870  —  vermehrt.  Am  22.  April  1872  wurde  das  letzte 
Kind,  Prinzessin  Margarethe  geboren. 

In  der  großen  Entscheidung  der  Jahre  1870/71  war  dem  Kronprinzen 
wiederum  eine  hervorragende  Rolle  bestimmt,  die  er  mit  um  so  mehr  Freude 
übernahm,  als  er  von  Anfang  der  Überzeugung  war,  daß  der  Krieg  die 
Wiederherstellung  des  Deutschen  Kaisertums  bringen  müsse.  Mit  ihm  fühlte 
gleich  die  Kronprinzessin,  sie  übernahm  den  ihr  zufallenden  Teil  der  Kriegs- 
arbeit. Wie  die  Königin  Augusta  widmete  sie  sich  der  Pflege  der  kranken  und 
verwundeten  Krieger ;  sie  begründete  ein  eigenes  Hospital  in  Homburg,  leitete 
es  selbst  in  mustergiltiger  Weise  und  ging  allen  voran  in  der  Übung  ver- 
ständnisvoller Fürsorge  für  ihre  Pfleglinge.  Ihre  treue  Gehilfin  war  Miss  Lees, 
eine  Schülerin  von  Miss  Nightingale.  Die  deutsche  Krankenpflege  stand 
damals  noch  auf  einer  sehr  viel  tieferen  Stufe  als  die  englische  und  der 
Kronprinzessin  lag  daran,  in  ihrem  Hospital  die  besten  Methoden  angewendet 
zu  sehen  und  ihnen  von  da  aus  den  Weg  nach  Deutschland  zu  öffnen. 

Nach  dem  Kriege  dauerte  die  rege  politische  Tätigkeit  im  Sinne  des 
Ausbaues  freiheitlicher  Institutionen  des  neuen  Reiches  fort  zu  großer  Genug- 
tuung des  kronprinzlichen  Paares,  das  nahe  Beziehungen  zu  liberalen  Mit- 
gliedern des  Reichstages  und  des  preußischen  Landtages  unterhielt,  selbst 
aber  in  die  politische  Entwicklung  nicht  einzugreifen  versuchte.  Dem  Kron- 
prinzen lagen  mannigfache  Repräsentationspflichten  ob,  die  Kronprinzessin 
widmete  sich  mit  Eifer  der  Arbeit  für  die  von  ihr  in  das  Leben  gerufenen 
Unternehmungen.  Eine  schöne,  nicht  vorzugsweise  die  Hofgesellschaft, 
sondern  auch  Künstler  und  Gelehrte  und  sonstige  hervorragende  Persönlich- 
keiten zwanglos  vereinigende  Geselligkeit  wurde  von  dem  kronprinzlichen 
Paare  geübt;  die  Erziehung  der  Kinder  nahm  seine  ganze  Aufmerksamkeit 
in  Anspruch;  es  war  eine  Zeit  friedlichen,  allerdings  politisch  zurückgezogenen 
Lebens,  das  von  schmerzlichen  Erfahrungen  frei  blieb.  Seit  1875  begannen 
aber  sich  Änderungen  von  großer  Bedeutung  in  den  politischen  Zuständen 
zu  vollziehen.     Die  Einrichtung  des  Deutschen  Reiches  hatte  sich  wesentlich 


^cg  Viktoria. 

unter  nationalliberalen  Einflüssen,  in  freiheitlichem  und  wirtschaftlich  frei- 
händlerischem Sinne  vollzogen.  Die  konservative  Partei  stand  in  schroffster 
Opposition  gegen  Bismarck.  Sie  suchte  aber  den  Frieden  mit  ihrem  großen 
Staatsmann  —  denn  sein  Herz  gehörte  ihr;  sie  fand  ihn,  weil  Bismarck 
selbst  an  einen  Wechsel  seiner  Politik  dachte,  der  ihn  den  Konservativen 
näherbringen,  von  den  Nationalliberalen  entfernen  mußte.  So  begann  schon 
das  Jahr  1878  mit  einem  heftigen  Kampf  Bismarcks  gegen  die  National- 
liberalen. Er  wollte  eine  schutzzöllnerische,  die  Großindustrie  und  die  Land- 
wirtschaft begünstigende  Wirtschaftspolitik.  Er  hatte  sich  überzeugt,  daß 
er  den  Kulturkampf  nicht  zu  einem  glücklichen  Ende  führen  könne  und 
suchte  das  Zentrum  für  sich  gewinnen ;  die  Sozialdemokratie  wollte  er  durch 
Ausnahmegesetze  niederwerfen  und  zugleich  durch  soziale  Gesetze  die 
arbeitenden  Klassen  gewinnen.  Es  handelte  sich  um  einen  völligen  Wechsel 
in  der  Politik.  Die  nationalliberale  Partei  sollte  sich  seiner  Politik  fügen 
oder  ihrer  Macht  beraubt  werden.  Sie  sollte  helfen,  neue  Steuern  durch- 
zusetzen, welche  die  Matrikularbei träge  unnötig  machten,  ohne  dafür  ein  wirk- 
sames jährliches  Steuerbewilligungsrecht  zu  erhalten,  sie  sollte  den  Ausnahme- 
gesetzen gegen  die  Sozialdemokratie  zustimmen.  Beides  widersprach  ihren 
Grundsätzen.  Sie  und  mit  ihr  die  Mehrheit  des  Reichstages  lehnte  das  auf 
Anlaß  des  erfolglosen  Hödelschen  Attentates  eingebrachte  Sozialistengesetz  ab. 

Da  kam  das  Attentat  Nobilings.  Der  Kronprinz  wurde  mit  der  Regent- 
schaft beauftragt.  Die  Verwundung  des  Kaisers  war  aber  nicht  lebensgefährlich, 
nach  kurzem  war  er  wieder  imstande,  sich  um  die  Staatsgeschäfte  zu  be- 
kümmern; der  Kronprinz  hatte  die  Regierung  lediglich  nach  den  Ansichten 
seines  Vaters,  das  heißt,  so  wie  Fürst  Bismarck  es  für  recht  hielt,  durch 
diesen  zu  führen. 

Es  war  eine  Episode  in  dem  kronprinzlichen  Leben,  die  nur  die  Wirkung 
hatte,  Bismarck  noch  in  seiner  Absicht  zu  bestärken,  den  Kronprinzen  von 
allem  politischen  Einflüsse  fern  zu  halten.  Das  war  um  so  leichter,  als  sein 
eigener  Einfluß  von  Jahr  zu  Jahr  mächtiger  wurde.  Um  so  schmerzlicher 
war  die  Ausschließung  von  allem  politischen  Einflüsse,  als  die  neue  Richtung 
der  Politik,  die  wachsende  Begünstigung  des  Ultramontanismus,  die  Art,  wie 
der  Kampf  gegen  die  Sozialdemokratie  geführt  wurde,  die  maßlose  Steige- 
rung der  Schutzzölle  durchaus  den  Ansichten  des  kronprinzlichen  Paares 
widersprach. 

Auswärtige  Verwickelungen  blieben  fern,  Kriege  standen  nicht  in  Aus- 
sicht; der  Kronprinz  blieb  auf  gelegentliche  Repräsentation  beschränkt;  von 
allen  politischen  Dingen  wurde  er  ferngehalten  und  oft  nicht  einmal  vorher 
von  den  wichtigsten  Maßregeln  unterrichtet. 

Für  die  Kronprinzessin  war  die  Zeit  von  1878  bis  zum  Winter  1886/87 
eine  Periode  ernstester  Vorbereitung  auf  ihren  künftigen  Beruf  als  Kaiserin. 
Ihren  Fähigkeiten  und  Neigungen  konnte  es  nicht  entsprechen,  diese  Rolle 
lediglich  repräsentativ  auszufüllen;  sie  wollte  ein  Gebiet  eigener,  leitender, 
eingreifender  Tätigkeit  haben.  Kunst  und  Wissenschaft  hatte  sie  immer 
schon  gepflegt,  für  die  Bildung  der  Frauen  durch  Begründung  des  Viktoria- 
Lyzeums,  für  Erweiterung  ihrer  Erwerbstätigkeit  durch  das  Lettehaus  gesorgt. 
In  allen  diesen  Dingen  hatte  sie  ungewöhnliche  Kenntnisse  und  Einsich 
bewiesen  und  mit  ihrem  immerhin  doch  beschränkten  Einflüsse  außerordent- 


Viktoria. 


459 


liehe  Erfolge  erreicht  und  die  Hochachtung  und  Freundschaft  der  ange- 
sehensten Gelehrten,  Künstler  und  Frauen  sich  zu  erwerben  gewußt.  Freilich 
wuchs,  je  näher  die  Aussicht  auf  die  Thronbesteigung  des  Kronprinzen  rückte, 
destomehr  auch  die  Abneigung  gewisser  Kreise  gegen  die  englische  Prin- 
zessin. 

Zu  den  einflußreichen  Personen  der  Regierung  und  des  Adels  hatte  sie 
keine  näheren  Beziehungen  gewonnen;  ihre  freie  Auffassung  von  Staat  und  Kirche 
war  ihnen  unsympathisch  und  erschien  ihnen  gefährlich,  weil  man  ihren  großen 
Einfluß  auf  den  Kronprinzen  fürchtete.  Man  glaubte,  oder  stellte  sich  so,  als  ob 
dieser  eigentlich  ganz  der  Bismarckschen  Richtung  anhinge,  und  wenn  der 
Einfluß  seiner  Gemahlin  beseitigt  sei,  ganz  in  jenem  Sinne  handeln  werde. 
Weiteren  Kreisen  suchte  man  einzureden,  daß  die  Kronprinzessin  die  deutschen 
Interessen  den  englischen  hintansetze,  wofür  niemals  auch  nur  der  Schatten  eines 
Beweises  erbracht  ist;  in  Wahrheit  war  es  die  Furcht,  daß  durch  ihre  Mithilfe 
einmal  wieder  der  Liberalismus  zum  Einfluß  kommen  werde.  Der  Kronprinz 
hätte  solcher  Einwirkung  nicht  bedurft.  Er  war  gewiß  kein  Anhänger  irgend  einer 
politischen  Partei,  aber  er  war  in  durchaus  liberalen  Grundsätzen  erzogen, 
hatte  sie  öffentlich  ausgesprochen  und  je  länger  er  lebte  und  je  mehr  er  sah, 
wie  die  Dinge  in  Deutschland  sich  entwickelten,  destomehr  überzeugte  er 
sich,  daß  auf  die  Dauer  nicht  nach  den  alten  konservativen  Rezepten  regiert 
werden  könne,  daß  freier  geistiger,  sozialer  und  politischer  Entwicklung 
Raum  gegeben  werden  müsse.  Gewiß  hätte  der  Kronprinz  auch,  wenn  er  in 
voller  Gesundheit  auf  den  Thron  gekommen  wäre,  nicht  daran  gedacht, 
Bismarck  zu  entlassen,  aber  es  würde  sich  dasselbe  vollzogen  haben,  was 
unter  Kaiser  Wilhelm  II.  geschah.  Bismarck  hätte  es  so  wenig  von  Kaiser 
Friedrich  ertragen,  wie  er  es  von  seinem  Sohne  getan  hat,  nicht  mehr  die 
allein  entscheidende  Person  zu  sein  und  kein  Herrscher  hätte  einem  Minister 
—  welche  Verdienste  er  auch  haben  mochte  —  die  Stellung  einräumen 
können,  welche  Bismarck  sich  im  Laufe  langer  Jahre  bei  dem  Kaiser  Wilhelm  I. 
errungen  hatte. 

Es  war  aber  natürlich  viel  leichter,  die  Kronprinzessin  anzugreifen  und 
zu  verdächtigen  dem  Volke  und  auch  ihrem  hohen  Gemahl  gegenüber;  freilich 
blieb  es  völlig  erfolglos.  Aber  es  ist  systematisch  geschehen  und  von  beiden 
Ehegatten  sehr  schmerzlich  empfunden. 

Durch  alle  solche  Angriffe  ließ  sich  die  Kronprinzessin  nicht  in  ihrem 
Bestreben  beirren,   auch  öffentlich  für  die  allgemeine  Wohlfahrt  zu  wirken. 

Der  stets  schärfer  werdende  Gegensatz  zwischen  den  arbeitenden  und 
den  besitzenden  Klassen  beschäftigte  sie  sehr.  Sie  sah  die  große  Gefahr, 
welche  darin  für  eine  glückliche  Entwicklung  des  Staatslebens  lag  und 
wünschte,  daß  was  möglich  sei,  geschehen  möge,  um  den  Frieden  herzu- 
stellen. Deshalb  griff  sie  in  dieser  Periode  vorzugsweise  solche  Unter- 
nehmungen an,  welche  dem  körperlichen  und  dem  geistigen  Wohle  der  Ärmeren 
dienen  sollten. 

Aus  ihrer  Initiative  ging  der  1878  gegründete  Verein  für  häusliche  Ge- 
sundheitspflege hervor,  der  Rat  und  Hilfe  mancherlei  Art  armen  Kranken 
und  Notleidenden  gewähren  sollte.  Aus  ihm  entwickelten  sich  dann  die 
Ferienkolonien  und  das  Viktoriahaus  für  Krankenpflege.  Allen  diesen  bald 
sich  weit    ausdehnenden  Unternehmungen    widmete    die   Kronprinzessin    ein 


460  Viktoria. 

reges  persönliches  Interesse,  ein  ganz  besonderes  aber  dem  Viktoriahause. 
Sie  hatte  in  ihrem  Kriegshospital  die  großen  Mängel  kennen  gelernt,  welche 
unserer  Krankenpflege  anhafteten.  Diese  lag  zum  allergrößten  Teile  in  den 
Händen  ungebildeter,  für  ihren  Beruf  nur  praktisch  vorbereiteter  Personen 
und  wurde  schlecht  bezahlt;  sie  war  kein  eigentlicher  Beruf,  sondern  ein 
Notbehelf  für  solche,  die  keine  andere  Beschäftigung  finden  konnten.  Einige 
Besserung  in  diesen  Zuständen  hatten  die  Erfahrungen  der  Kriege  gebracht. 
Das  rote  Kreuz  hatte  Pflegerinnen  einigermaßen  ausbilden  lassen,  die  für 
einen  künftigen  Krieg  sich  bereit  halten  sollten,  aber  geschulte  Kranken- 
pfleger und  Krankenpflegerinnen,  besonders  die  letzteren,  gab  es  fast  nur 
in  den  katholischen  Orden  und  den  evangelischen  Diakonissenanstalten. 

Für  arme  Kranke  gab  es  nur  eine  Möglichkeit  guter  Verpflegung,  die 
Aufnahme  in  ein  Krankenhaus;  im  eigenen  Hause  hatten  sie  eine  natürlich 
nur  sehr  ungenügende  Hilfe.  Die  Kronprinzessin  kannte  die  vorzüglichen 
englischen  Krankenpflegerinnen  in  Hospitälern  und  der  Armenpflege  und 
wünschte  seit  langer  Zeit  ähnliches,  d.  h.  weltliche  Krankenpflegerinnen  in 
Deutschland  einzuführen.  Bei  hervorragenden  Ärzten,  an  die  sie  sich  wendete, 
fand  sie  keine  Unterstützung,  namentlich  fand  ihre  Forderung,  daß  die 
weibliche  Krankenpflege  von  gebildeten  Frauen  geübt  werden  solle,  welche 
nicht  bloß  praktisch,  sondern  auch  theoretisch  ausgebildet  würden,  Wider- 
spruch. Der  Gesundheitsverein  bot  die  Anknüpfung,  die  energisch  ergriffen 
wurde.  Die  ersten  Schwestern  wurden  teils  in  England,  teils  in  einigen 
deutschen  Krankenhäusern,  auf  welche  die  Kronprinzessin  Einfluß  hatte, 
ausgebildet.  Mit  wenigen  wurde  der  Anfang  gemacht,  aber  nach  einigen 
Jahren  übernahm  das  Viktoriahaus  die  Pflege  im  städtischen  Krankenhause 
am  Friedrichshain  und  jetzt  sind  Viktoriaschwestem,  solche,  die  im  Ver- 
bände geblieben  sind  und  ausgeschiedene,  in  großer  Zahl  in  öffentlichen 
Krankenhäusern  und  in  Privatpflege  tätig;  das  Prinzip  der  Institution,  die 
Freiheit  von  religiösen  Verpflichtungen,  gute  allgemeine  Bildung  und  tüchtige 
praktische  und  theoretische  Durchbildung  ist  auch  von  anderen,  später  ent- 
standenen Organisationen  anerkannt  und  hat  allein  die  große  Ausdehnung 
des  weiblichen    Krankenpflegewesens  ermöglicht. 

Eine  zweite  zu  großer  Blüte  gelangte  Institution  des  Gesundhei tsverei ns, 
die  Ferienkolonien,  verdankt  der  Kronprinzessin  die  eifrigste  Unterstützung 
und  Förderung  von  den  ersten  Anfängen  an.  Um  ihr  Interesse  zu  zeigen 
und  durch  eigenes  Beispiel  Nachahmung  anzuregen,  errichtete  sie  selbst  auf 
dem  Bornstedter  Gute  eine  Kolonie. 

Nicht  weniger  lebhaft  nahm  sie  an  den  Bestrebungen  für  die  Erziehung 
der  Kinder  der  ärmeren  Klassen  teil,  insbesondere  an  dem  Pestalozzi-Fröbel- 
hause  und  der  Viktoria-Fortbildungsschule,  den  Mädchenhorten,  nicht  minder 
aber  auch  an  den  Realkursen  für  junge  Mädchen  zur  Vorbereitung  für  die 
Universität,   die  Koch-  und  Haushaltungsschulen. 

Die  Kronprinzessin  wollte  nicht  die  vornehme  Gönnerin  sein,  sie  arbeitete 
mit,  unterrichtete  sich  genau  über  die  Zwecke,  die  Verhältnisse  und  den 
Betrieb  der  Anstalten  und  bei  ihrer  universalen  Bildung  war  sie  imstande, 
in  allen  Dingen  Anregung  und  Rat  zu  geben.  Sie  kam  jetzt  mehr  als  früher 
in  Beziehung  zu  der  ärmeren  Bevölkerung  und  gewann  alle  Herzen  durch 
die  einfache  Liebenswürdigkeit  ihres  Wesens.     Besonders  freundlich  war  sie 


Viktoria.  ^6 1 

und  auch  der  Kronprinz  mit  den  Kindern  des  Volkes  bei  den  Schulfesten 
sowohl,  die  sie  in  Potsdam  jährlich  veranstalteten,  als  auch  wenn  sie  An- 
stalten, Kindergärten,  Versammlungen  der  Ferienkolonienkinder  u.  dergl.  be- 
suchten. 

Unverändert  blieb  dabei  der  Kronprinzessin  Interesse  an  Kunst  und 
Wissenschaft;  besonders  erfreulich  war  ihr,  daß  das  Gewerbemuseum  ein 
eigenes,  würdiges  Heim  erhielt. 

Zwei  schmerzliche  Ereignisse  fielen  gleich  in  die  erste  Zeit  dieser 
Epoche;  am  14.  Dezember  1878  der  Tod  ihrer  Schwester,  der  Großherzogin 
von  Hessen,  die  ihr  besonders  nahe  stand  und  die  in  Hessen  in  gleicher 
Weise  wie  ihre  ältere  Schwester  wirkte,  und  des  jüngsten  Sohnes  Waldemar 
am  27.  März  1879. 

Aber  auch  zwei  besonders  freudige;  am  27.  Februar  1881  die  Vermäh- 
lung des  ältesten  Sohnes,  des  jetzigen  Kaisers,  mit  der  Prinzessin  von  Augusten- 
burg und  am  25.  Januar  1883  die  eigene  silberne  Hochzeit.  Bei  der  Wahl 
der  Braut  war  ein  wichtiger  Grund,  daß  dadurch  ihrer  Familie  ein  Ausgleich 
für  den  Verlust  des  Throns  von  Schleswig-Holstein  geboten  wurde. 

Die  silberne  Hochzeit  wurde  mit  großem  Glänze  und  unter  lebhafter 
Teilnahme  Deutschlands  gefeiert.  Bezeichnend  für  die  Gesinnung  des  kron- 
prinzlichen Paares  ist,  daß  die  großen  Gaben,  die  durch  eine  völlig  unbeein- 
flußte, ganz  privat  betriebene  allgemeine  Sammlung  aufgebracht  waren,  un- 
gefähr eine  Million  ausschließlich  gemeinnützigen  Unternehmungen  rein 
humaner  Natur  teils  in  Kapital  überwiesen,  teils  in  jährlichen  Zuschüssen 
aus  den  Zinsen  des  nicht  verwendeten  Kapitals  gewährt  wurden.  Einen  Ver- 
such, auch  dem  Hamburger  Rauhen  Hause  etwas  zuzuwenden,  wies  der 
Kronprinz  mit  Entschiedenheit  zurück. 

55  Jahr  war  der  Kronprinz  alt  geworden,  seit  25  Jahren  war  er  der 
nächste  dem  Throne,  nach  menschlichem  Ermessen  war  der  Zeitpunkt  nahe, 
wo  er  ihn  zu  besteigen  hatte,  wo  die  langjährigen  Vorbereitungen  Frucht 
tragen  konnten,  da  entschied  das  Geschick,  daß  alles  vergeblich  gewesen  war. 

Im  Anfang  des  Jahres  1887  trat  eine  anfänglich  unbedeutende,  schnell 
aber  ernsthafter  werdende  Erkrankung  des  Kehlkopfes  ein,  die  im  Frühjahr 
schon  zu  den  schwersten  Besorgnissen  Anlaß  gab.  In  der  nun  kommenden 
furchtbaren  Zeit  hat  die  Kronprinzessin  mit  ganzer  Energie,  größter  Klug- 
heit und  in  aufopferndster  Liebe  sich  ihrem  Gatten  gewidmet;  sie  war  ihm 
die  liebevollste  Pflegerin  und  die  verständigste  Beraterin  und  Helferin  in 
allen  Angelegenheiten.  Sie  verlor  nie  den  Mut,  trotzdem  ihr  diese  Sorgen 
noch  durch  niederträchtige  Verfolgungen  aller  Art  erschwert  wurden.  Es  ist 
beschämend  für  die  deutsche  Nation,  daß  neben  der  verbreiteten  innigen 
Liebe  und  Teilnahme  für  den  Kronprinzen  gewisse  Kreise  nicht  ermüdeten, 
immer  von  neuem  diejenige  zu  verdächtigen,  welche  ihm  am  nächsten  stand. 
Ihr  wurde  die  Unterlassung  der  Operation  im  Frühjahr  1887  zugeschrieben, 
während  sie  alles  für  dieselbe  vorbereitet  hatte.  Die  Bismarckschen  Denk- 
würdigkeiten ergeben,  daß  dies  auf  einer  Anordnung  des  Kaisers  beruhte. 
Mit  eben  solchem  Unrechte  wurde  ihr  die  Wahl  von  Mackenzie  als  behan- 
delndem Arzt  zugeschrieben.  Gestützt  hat  sie  wie  der  Kronprinz  selbst  ihn, 
weil  er  diesen  in  vorzüglichster,  aufopferndster  Weise  zu  behandeln  und  zu 
pflegen,   seine  Kräfte  zu   erhalten   wußte.     Über  die  Schwere  und   den  Aus- 


462  Viktoria, 

gang  des  Leidens  haben  sich  Kronprinz  und  Kronprinzessin  ziemlich  früh 
schon  nicht  mehr  getäuscht.  Daß  beide  den  Wunsch  gehabt  haben  mögen, 
noch  zur  Regierung  zu   kommen,  ist  gewiß  nicht  zu  tadeln. 

Es  war  ein  furchtbares  Geschick,  eine  ganze  gemeinsame  Lebensarbeit, 
die  nur  auf  die  künftige  Regierungstätigkeit  gerichtet  war,  nicht  nur  fruchtlos 
gemacht  zu  sehen,  sondern  auch  selbst  aus  der  Geschichte  Deutschlands  fast 
ausgelöscht  zu  werden.  Das  wäre  der  Fall  gewesen,  wenn  der  Kronprinz 
vor  seinem  Vater  gestorben  wäre.  Dem  Kaiser  und  der  Kaiserin  war  ihr 
Platz  in  der  Geschichte  Deutschlands  gesichert  und  seitdem  nun  kein  Inter- 
esse mehr  an  ihrer  Verkleinerung  besteht,  wächst  mit  jeder  neuen  Publikation 
über  sie  die  Anerkennung  ihrer  Größe. 

Bis  zu  Ende  des  Jahres  1887  hatte  das  Leiden  des  Kronprinzen  nur 
langsame  Fortschritte  gemacht;  er  schien  zeitweise  fast  im  Besitze  seiner 
vollen  Kraft  zu  sein;  er  hatte  sogar  noch  an  der  50jährigen  Jubelfeier  der 
Königin  Viktoria  teilnehmen  können  und  alle  durch  seine  stattliche  Er- 
scheinung zur  Bewunderung  hingerissen.  Im  Winter  kam  die  Entscheidung. 
Am  9.  November  1887  wurde  die  Natur  des  Leidens  als  Krebs  festgestellt; 
als  ein  hoffnungslos  kranker  Mann  trat  am  10.  März  der  Kaiser  Friedrich  mit 
seiner  Gemahlin  die  Reise  von  San  Remo  nach  Deutschland  an,  zu  neuer, 
schwererer  Leidenszeit.  Beide,  Kaiser  und  Kaiserin  haben  in  den  schweren 
99  Tagen  der  Regierung  mit  größter  Anstrengung  und  Hingebung  ihre 
Pflichten  erfüllt;  wo  der  Kaiser  nicht  selbst  eintreten  konnte,  ersetzte  ihn 
die  Kaiserin.  Sie  zeigte  sich  viel  öffentlich,  übernahm  die  Leitung  des 
Komitees  für  die  durch  die  Überschwemmungen  im  Frühjahr  Geschädigten 
und  besuchte  selbst  die  Überschwemmungsgebiete,  pflegte  und  stützte  den 
Kaiser,  der  die  schwere  Aufgabe  hatte,  selbst  an  freier  Bewegung  und  am 
Verkehr  mit  Menschen  gehindert,  mit  Ministem  zu  regieren,  die  weniger  an 
die  Gegenwart,  als  an  die  Zukunft  dachten.  Wer  auf  diese  rechnete,  hielt 
sich  zurück  oder  glaubte  gar,  sich  durch  Verdächtigungen  und  Angriffe  zu 
empfehlen.  Wieder  dasselbe  Schauspiel  wie  während  des  Aufenthalts  im  Aus- 
lande: die  große  Menge  des  Volkes  verfolgte  mit  inniger  Liebe  und  Sorge 
das  Befinden  des  Kaisers,  empfing  ihn  und  die  Kaiserin,  wo  sie  sich  sehen 
ließen,  mit  Jubel;  daneben  die  niederträchtigsten  Angriffe  in  der  Presse,  die 
von  einflußreichster  Seite  geschützt  und  geleitet  wurden.  Da  man  den 
Monarchen  direkt  nicht  zu  treffen  wagte,  so  richtete  sich  alles  gegen  die 
Kaiserin.  Dem  Kaiser  sollte  gezeigt  werden,  daß  er  nicht  wagen  dürfte,  gegen 
Bismarcks  Willen  etwas  zu  tun.  Diesen  Zweck  hatte  die  Art,  wie  die 
Battenbergsche  Heiratsaffäre  in  der  Presse  behandelt  wurde.  Prinzessin 
Viktoria  wünschte  die  Verheiratung  mit  dem  früheren  Fürsten  Alexander 
von  Bulgarien,  die  Kaiserin  unterstützte  sie.  Bismarck  widersetzte  sich, 
angeblich,  weil  Rußland  dadurch  verstimmt  werden  könnte.  Dazu  wäre  kein 
Grund  gewesen,  denn  wenn  überhaupt  an  eine  Rückkehr  Alexanders  nach 
Bulgarien  zu  denken  gewesen  wäre,  so  wurde  sie  durch  die  Verbindung  mit 
dem  preußischen  Königshause  völlig  unmöglich.  Der  wirkliche  Grund  war  wohl 
die  Abneigung  der  königlichen  Familie  gegen  die  nicht  standesgemäße  Ver- 
bindung. Der  Widerspruch  Bismarcks  genügte,  um  den  Plan  aufgeben  zu 
lassen;  aber  welche,  wie  Buschs  Aufzeichnungen  zeigen,  durch  Bismarck 
selbst   veranlaßte   Preßangriffe!     Dasselbe  wiederholte  sich,    als    der  Besuch 


Viktoria.  463 

♦ 

der  Königin  Viktoria  angekündigt  wurde;  von  ihr  wurden  die  schwärzesten 
Intriguen  erwartet,  und  um  sentimentale  Gemüter  zu  erregen,  wurde  ver- 
breitet, daß  die  Gemächer  der  Königin  Luise  ihr  zur  Verfügung  gestellt  und 
ganz  umgestaltet  werden  sollten.  Als  die  Königin  kam,  zeigte  sich,  daß 
nichts  von  alledem  wahr  war.  Und  dazu  der  fortwährende  Kampf  der 
deutschen  Ärzte  gegen  Mackenzie,  immer  mit  der  Spitze  gegen  die  Kaiserin. 

Dieser  schweren  Situation  hat  die  Kaiserin  tapfer  standgehalten,  obwohl 
sie  ganz  allein  gelassen  war,  niemand  ihr  half.  Bis  zum  letzten  Augenblicke 
des  Kaisers  erfüllte  sie  auf  das  treueste  alle  ihre  Pflichten  und  vor  allem 
andern  die  der  Pflege  und  des  Trostes  für  den  schwer  Leidenden. 

Kaiser  Friedrichs  Regierung  hat  außer  seinen  von  hoher  Weisheit  und 
dem  ernsten  Willen,  verfassungsmäßig,  gerecht,  unparteiisch  und  im  Sinne 
wahrer  Zivilisation  zu  herrschen  zeugenden  Erlassen  an  das  Volk  und  den 
Reichskanzler  nur  eine  Regierungshandlung  aufzuweisen,  die  diese  seine  Ab- 
sicht bestätigt:  die  am  8.  Juni,  also  wenige  Tage  vor  dem  Tode  erfolgte 
Entlassung  des  Ministers  des  Innern  v.  Puttkamer,  weil  dieser  die  Wahlfreiheit 
nicht  gewahrt  hatte.  Man  hat  diese  Tat  der  Kaiserin  zugeschrieben  und  es 
ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß  sie  darum  gewußt  und  sie  befördert  hat. 
Ein  neuer  Grund,  sie  anzugreifen. 

Als  der  Kaiser  in  ihren  Armen  den  letzten  Atemzug  getan  hatte,  da 
wurde  ihr  deutlich  gezeigt,  daß  ein  neues  Regiment  gekommen  sei;  das 
Schloß  wurde  militärisch  besetzt,  sie  war  nur  noch  geduldet.  Von  dem 
Trauergepränge  am  18.  Juni  hielt  die  Kaiserin  sich  fem;  dort  war  für  sie 
kein  Trost  zu  finden;  sie  veranstaltete  im  Kreise  einiger  ihr  nahestehender 
Damen  eine  eigene  Trauerfeier  in  Bornstedt;  erst  als  die  Friedenskirche  leer 
geworden  war,  nahm  sie  von  dem  teuren  Verstorbenen  dort  allein  Abschied. 

Aber  ihr  Leiden  war  noch  nicht  zu  Ende.  Schmerzlich  mußte  sie 
empfinden,  daß  die  Anerkennung  Kaiser  Friedrichs  geradezu  als  verletzend 
für  den  Sohn  betrachtet  und  daß  alles  aufgeboten  wurde,  um  zu  zeigen,  daß 
sein  Tod  ein  Glück  für  Deutschland  gewesen  sei.  Das  Schlimmste  war  aber 
das,  was  sich  an  die  im  Oktober  1888  erfolgte  Veröffentlichung  eines  Bruch- 
stückes des  Tagebuches  des  Kaisers  Friedrich  aus  der  Zeit  des  französischen 
Krieges  knüpfte.  Der  Reichskanzler  erstattete  darüber  dem  Kaiser  einen 
Bericht,  in  welchem  behauptet  wurde,  der  Kronprinz  sei  in  jener  Zeit  von 
den  politischen  Verhandlungen  femgehalten,  weil  Indiskretionen  an  den  von 
französischen  Sympathien  erfüllten  englischen  Hof  gefürchtet  seien;  darin  lag 
also  zum  mindesten  der  Vorwurf,  daß  der  Kronprinz  und  die  Kronprinzessin 
so  unvorsichtig  hätten  sein  können,  Dinge,  welche  geheim  gehalten  werden 
mußten,  so  mitzuteilen,  daß  sie  zur  Kenntnis  der  Franzosen  kommen  konnten. 
Und  dieser  Bericht  durfte  veröffentlicht  werden  1 

Man  hatte  wohl  gedacht,  daß  die  Veröffentlichung  des  Tagebuches  aus 
politischen  Gründen  erfolgt  und  daß  die  Kaiserin  Friedrich  dabei  beteiligt 
sei.  Der  Veröffentlicher,  Professor  Geffcken,  ein  Studienfreund  des  ver- 
storbenen Kaisers,  hatte  es  aber  von  ihm  selbst  erhalten  und  in  bester  Meinung 
veröffentlicht.  Monatelang  war  er  in  Untersuchungshaft;  die  Erhebung  der 
Anklage  mußte  unterbleiben,  weil  gar  kein  Moment  der  Strafbarkeit  zu 
finden  war. 

Und  noch  einmal  kam  dieselbe  Verdächtigung  der  Kaiserin  gegen  Ende 


464  Viktoria. 

des  Jahres,  als  von  dem  englischen  Botschafter  Morier  behauptet  wurde,  er 
habe  Bazaine  Kenntnis  von  der  deutschen  Heeresdisposition  gegeben  —  aus 
einer  Wissenschaft  heraus,  welche  auf  seine  Beziehungen  zum  Kronprinzen- 
paare zurückgeführt  wurde. 

Dies  alles  mußte  eine  Frau  ertragen,  welche  ihr  ganzes  Leben  hindurch 
kein  anderes  Ziel  gehabt  hatte,  als  deutsche  Fürstin  zu  sein,  und  welche 
nie  anders  als  in  diesem  Sinne  gehandelt  hatte,  nur  darum  —  dies  war  der 
wirkliche  Grund  aller  Verfolgung  — ,  weil  sie  freigesinnt  und  von  hoher 
geistiger  Bedeutung  war.  Niemals  ist  für  irgend  eine  Verdächtigung  auch 
nur  der  Schatten  eines  Beweises  erbracht. 

Für  die  Witwe  Kaiser  Friedrichs  war  im  politischen  Leben  so  wenig 
wie  in  dem  Hofleben,  an  dem  sie  nie  Gefallen  gefunden  hatte,  noch  ein 
Platz  vorhanden.  Andere  Ansichten  als  die  ihrigen  waren  herrschend,  auch 
für  gemeinnützige  und  wohltätige  Unternehmungen,  die  nun  nicht  von  all- 
gemein humanen,  sondern  von  religiösem  Standpunkte  aus,  soweit  die 
regierenden  Kreise  dabei  in  Betracht  kamen,  betrieben  werden  mußten. 

Die  Kaiserin  war  Privatperson  geworden  und  hat  nie  mehr  etwas  anderes 
sein  wollen. 

Das  Neue  Palais,  das  das  Kronprinzenpaar  lange  bewohnt  hat  und  in 
dem  Kaiser  Friedrich  gestorben  war,  nahm  der  Kaiser  Wilhelm  für  seinen 
eigenen  Haushalt;  ein  anderes  für  die  Kaiserin  Friedrich  geeignetes  Schloß  war 
in  Potsdam  nicht  aufzufinden,  sie  behielt  nur  das  Palais  Unter  den  Linden 
zum  Winteraufenthalt.  Im  Sommer  wohnte  sie  anfänglich  in  Homburg,  wenn 
sie  nicht  auf  Reisen  war,  bis  sie  sich  in  Kronberg  ein  eigenes,  das  Schloß 
Friedrichshof  geschaffen  hatte. 

Dreizehn  Jahre  sollte  sie  ihren  Kaiser,  wie  sie  ihn  nannte,  überleben; 
nie  hat  sie  ihn  vergessen,  nie  die  Tragik  ihres  Geschickes  überwunden;  aber 
die  Energie  ihres  Geistes,  ihre  vielseitige  Bildung  und  ihre  mannigfaltigen 
Interessen  hielten  sie  aufrecht  und  führten  sie  immer  wieder  zur  Tätigkeit  in 
den  Grenzen,  die  ihr  gezogen  waren.  Sie  blieb  allen  Unternehmungen,  an 
denen  sie  früher  sich  beteiligt  hatte,  treu  und  vergaß  nicht  diejenigen,  die 
mit  ihr  gearbeitet  und  in  schwerer  Zeit  zu  ihr  gehalten  hatten.  Die  Frauen, 
die  an  der  Spitze  ihrer  Vereine  standen,  versammelte  sie  öfter  um  sich^ 
besuchte  die  Anstalten  und  ließ  sich  über  sie  berichten.  Aus  besonderem 
Interesse  für  das  Berliner  Pestalozzi-Fröbel-Haus  beteiligte  sie  sich  mit  Rat 
und  Mitarbeit  an  der  Ausstellung,  die  dasselbe  für  die  Weltausstellung  in 
Chicago  machte,  einer  zugleich  künstlerischen  und  pädagogischen  Darlegung 
der  in  dem  Hause  verfolgten  Erziehungsgrundsätze.  Sie  schrieb  selbst  für 
eine  Sammlung  der  in  der  Ausstellung  enthaltenen  Bilder  aus  dem  Pestalozzi- 
Fröbel-Hause  ein  dessen  Erziehungsmethode  darlegendes  Vorwort,  wohl  die 
einzige  veröffentlichte  Schrift  einer  Fürstin  über  Erziehung.  Besonderes  Inter- 
esse widmete  sie  dem  Viktoria-Hause  und  dem  für  sie  vom  Pestalozzi-Fröbel- 
Hause  und  dem  Viktoria-Hause  gemeinschaftlich  eingerichteten  Kinderheim 
auf  dem  früher  kronprinzlichen,  später  in  den  Besitz  des  Prinzen  Heinrich 
übergegangenen  Gute  Bornsted t. 

Seitdem  Friedrichshof,  das  sie  aus  einer  kleinen  Privatbesitzung  zu  einem 
großen,  schönen  Schlosse  geschaffen,  künstlerisch  ausgestattet  und  mit  den 
herrlichsten  Parkanlagen  umgeben  hatte,  bewohnbar  war,  verbrachte  sie  dort 


Viktoria.  46  g 

die  meiste  Zeit,  waltete  als  gütige  Schloßherrin,  schuf  dort  Anstalten  für 
Kinder  und  Kranke  und  erwarb  sich  die  begeisterte  Liebe  aller,  denen 
sie  nahe  kam.  Dort  sah  sie  viel  ihre  Kinder  und  Großkinder  bei  sich. 
Prinz  Heinrich  war  noch  bei  Lebzeiten  des  Vaters,  am  11.  Juni  1888,  mit 
Prinzeß  Irene  von  Hessen,  Prinzessin  Viktoria  am  19.  November  1890  mit  dem 
Prinzen  Adolf  von  Schaumburg,  Prinzessin  Sophie  am  27.  Oktober  1889  mit  dem 
Kronprinzen  von  Griechenland  und  Prinzessin  Margarethe  am  25.  Januar  1893 
mit  dem  Prinzen  Karl  von  Hessen  vermählt.  So  scharte  sich  eine  große 
Familie  um  sie  und  gab  ihr  manche  Gelgenheit  zu  Sorge  und  Freude. 

Ihr  Leben  blieb  ein  unausgesetzt  tätiges,  allen  geistigen  Interessen  zu- 
gewandtes und  der  Menschheit  nützliches,  und  das  machte  ihr  das  schwere 
Schicksal,  das  sie  getroffen,  erträglich. 

Zu  der  großen  geistigen  Regsamkeit  der  Kaiserin  kam  eine  seltene 
Gesundheit  und  Elastizität,  aufrecht  erhalten  durch  viele  körperliche  Bewegung, 
Spazierengehen  und  Reiten  —  bis  zu  der  schweren  Erkrankung,  die  vielleicht 
durch  einen  anscheinend  nicht  erheblichen  Sturz  vom  Pferde  im  Spätsommer 
1898  veranlaßt  war  und  langsam  fortschreitend  im  Herbst  1899  sich  in  voller 
Schwere  zeigte.  Noch  zwei  Jahre  hat  sie  unter  furchtbaren  Qualen,  die  sie 
heldenhaft  ertrug,  gelebt,  bis  sie  am  5.  August  1901  verschied  und  die  letzte 
Ruhestätte  bei  ihrem  Kaiser  fand. 

In  der  Erinnerung  aller,  die  ihr  im  Leben  haben  nähertreten  können, 
lebt  die  Kaiserin  Friedrich  als  eine  Frau  von  edelstem,  reinstem  Sinne,  aus- 
gestattet mit  reichen  und  in  wunderbarer  Vielseitigkeit  ausgebildeten  Gaben 
des  Geistes  und  Herzens.  Wenn  sie  nicht*  eine  Kaiserin  gewesen  wäre,  so 
würde  sie  sich  auf  irgend  einem  Gebiete  der  Kunst  oder  der  Wissenschaft  einen 
großen,  dauernden  Namen  gemacht  haben.  Denkmäler  werden  ihr  gesetzt, 
vor  dem  Brandenburger  Tore  steht  ihr  Standbild  mit  der  Krone  geschmückt, 
neben  dem  des  Kaisers  Friedrich;  aber  das  Denkmal,  das  sie  sich  in  den 
Herzen  des  deutschen  Volkes  durch  eine  weise  Teilnahme  an  seiner  Regierung 
zu  setzen  hoffte,  ist  ihr  zu  ihrem  tiefsten  Schmerze  versagt  geblieben.  Ihr 
wie  ihrem  Gemahl. 

Die  Arbeit  langer  Jahre  haben  sie  beide  daran  gewendet,  sich  für  eine 
Stellung  tüchtig  zu  machen,  die  sie  nie  ausfüllen  sollten.  Das  ist  die  Tragik 
ihres  Lebens.  Das  deutsche  Volk  hat  das  seltene  Glück  entbehrt  der  Re- 
gierung eines  Kaisers  und  einer  Kaiserin,  beide  gleich  bedeutend,  verschieden 
in  ihrer  Art,  aber  sich  gegenseitig  ergänzend,  lange  und  wohl  vorbereitet, 
im  freien,  humanen,  deutschen  Sinne  zu  herrschen,  beide  getragen  von  Be- 
geisterung für  Deutschlands  Glück  und  Größe. 

In  der  Geschichte  werden  sie,  je  unbefangener  sie  gewürdigt  werden, 
einen  um  so  größeren  Platz  einnehmen.  Karl  Schrader. 


BiogT.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.    7«  Bd.  -sq 


I.  Alphabetisches  Namenverzeichnis 


zum 


Deutschen  Nekrolog  vom   i.  Januar  bis  31.  Dezember  1902. 


Name 
Actoni  Lord  John 
Albert,  König  von  Sachsen 
Albert,  Prinz  von  Sachsen-Altenburg 
Allmers,  Hermann 
Anschütz,  Ludwig 
Anthony,  Wilhelm 
Arendt-Morgenstern,  Olga 

Barttniff,  Ferdinand  Karl  v. 
Barvitius,  Viktor 
Basedow,  M.  P.  Friedrich 
Bauer,  Heinrich 
Baumberg,  Antonie 
Beaulieu,  Gertraut  v. 
Beckmann,  Konrad 
Beer,  Adolf 
Behr,  Friedrich 
Behrle,  Rudolf 
Belcredi,  Richard  Graf  v. 
Bennigsen,  Rudolf  v. 
Berg,  Franz  Ritter  v. 
Berger,  Julius  v. 
Bergson,  Joseph 
Bernhard,  Heinrich 
Bielschowsky,  Albert 
Bingner,  Adrian 
Bockendahl,  Johannes 
Boyen,  Oskar  v. 
Brück,  Karl  von 
Buchner,  Hans 


Verfasser 

Seite 

Lculy  BUnnerhassci 

16 

Otto  Katmmel 

3 

Lorenzen 

99 

Ludioig  Bräutigam 

297 

Lorensen 

195 

F.  Brummer 

247 

F,  Brummer 

148 

Lorenun 

196 

Hugo  Schmerber 

102 

W,  Wolkenhauer 

295 

R.  Krauß 

73 

Goswina  v,  Bcrlepsch 

48 

/.  Brummer 

219 

H,  Holland 

153 

Friöram 

321 

W,  Wolkenhauer 

259 

F,  Brummer 

143 

Friedrich  Graf  Schönborn 

22 

Hermann  Oncken 

267 

Lorenzen 

• 

109 

Hugo  Schmerber 

152 

Pagel 

130 

Hugo  Schmerber 

92 

Gotthold  Klee 

2T2 

F.  V.  Weech 

142 

Joh,  Sass 

88 

H.  Holland 

• 

154 

350 

M,  Gruber 

316 

Namenverzeichnis. 


467 


Name 
Buedinger,  Max 

Buol-Berenberg,  Rudolf  Freiherr  v. 
Buschmazm,  Johann  Joseph 
Buz,  Friedrich  Ritter  v. 

Chavanne,  Joseph 
Craemer,  Karl 
Gramer,  Rudolf 


Verfasser 
Adolf  Bauer 
F.  V,  Weech 
F,  Lauckeri 
Lorenzen 

IV,  Wolkenhauer 
S,  Günther 
Lorensen 


Seite 
223 
141 
267 
196 

260 
19S 

197 


Dahl,  Johannes 

Debrois  v.  Bruyck,  Karl 

Dincklage,  Georg  v, 

Ditfurth,  Barthold  v. 

Dömberg,  Ferdinand  Freiherr  v. 

Drach,  Emil 

Dunker,  Wilhelm 


Hugo  Schnierber 

R,  M,  Werner 

Lorenzen 

Lorenzen 

Lorenzen 

F,  Brummer 

F,  Brummer 


151 
61 

232 

66 

67 
21S 

147 


Eckmann,  Otto 

Eiben,  Eduard 

Entreß-FUrsteneck,  Eugen  Freiherr  v. 

Eppler,  Ghristoph 

Ernst,  Georg  Eberhard 

Eulenberg,  Hermann 

Fäh,  Jakob 

Fehrenberg,  Hans 

Fercher,  Johann 

Ficker,  Julius  v. 

Florschtttz,  Paul 

Franck,  Hermann 

Freiberg,  Rudolf  v. 

Friedrike  Garoline  Juliane,  Herzogin  zu 

Anhalt-Bemburg 
Fuhr,  Ferdinand 
Fulda,  Eckart 
Füllhorn,  George 
Funcke,  Oskar  v. 
Fürer,  Karl  Eduard 


Hugo  Schmerber 

R,  Krauß 

Lorenzen 

F,  Brummer 

Rudolf  Schmidt 

Fagel 

F,  Lauchert 

Fhn  Losch 

Hans  von  Voltelini 
Joh,  Sass 
R,  Krauß 
Heinrich  Friedjung 

Fh,  Losch 

Fagel 

W,  Wolkenhauer 

F,  Brummer 

Lorenzen 

F,  Brummer 


36 

75 

255 
176 

116 

129 

293 
237 
321 

299 
221 

78 
350 

206 

99 

295 
219 

112 

246 


Gafiner,  Andreas 
Geertz,  Julius 
Geiger,  Hermann 
Gerechter,  Siegmund 
Gerhardt,  Karl 
Gildemeister,  Otto 
Goeben,  William  v. 
Gold  Schmidt,  Friedrich 
Goßler,  Gustav  von 


F.  Lauchert 

Joh.  Sass 

F,  Lauchert 

Ph,  Losch 

Paget 

A,  Fitger 

Lorenzen 

Paul  Goldschmidt 

Wilh,  Schröder 


266 
221 

349 
204 

87 

32 

109 

81 
334 


468 


Namenverzeichnis . 


Name 
Graefe,  Albert 
Granderath,  Theodor 
Greil,  Alois 
Gritzner,  Maximilian 
Grosse,  Julius 
Grünbeck,  Heinrich 
Gruttschreiber,  Alexander  Freiherr  v. 

Habart,  Johann 
Hahn,  Eugen 
Haepe,  Hugo 
Hartmann,  Ludwig 
Hartmeyer,  Heinrich  Emil 
Hassenstein,  Bnmo 
Heinemann,  David 
Heindl,  Franz 
Heldreich,  Theodor  v. 
Herrle,  Gustav 
Hill  er,  Eduard 
Hinrichsen,  Siegmund 
Hirsch,  Jenny 
Hofele,  Engelbert 
Hoffmann,  Karl 
Hoenig,  Fritz 
Hoetzl,  Petrus  v. 

Jaeger,  Ferdinand 
Jordan,  Ricardo 
Jost,  Eduard 
Jung,  Karl  Emil 

Kaltenbrunner,  Ferdinand 
Kampmann,  Friedrich 
Karion,  Alois 

Kayser-Langerhannß,  Agnes 
Keitel,  Otto 
Keyler,  Eugen 
Kiesselbach,  Wilhelm 
Kist,  Leopold 
Kl  äsen,  Franz 
Kleinschmit,  Julius  v. 
Kloeppel,  Peter 
Knab,  Ferdinand 
Knappe,  Ernst  v. 
Köhler,  August 
Koelle,  Sigismund  Wilhelm 
König,  Bruno  Emil 
Kostersitz,  Ubald 


Verfasser 

Seite 

Pagel 

130 

F.  Lauchcrt 

265 

Hugo  Schmerber 

149 

F,  Brummer 

173 

Wiihtlm  Arminius 

315 

F.  Nivard  Schlögl 

90 

Lorenzen 

256 

R,  R.  V,   Töply 

64 

Pagel 

128 

Rob,  Fuchs 

248 

H,  Holland 

155 

Joh,  Sass 

202 

Friedrich  Ratsei 

29 

H  Holland 

159 

A.  Birk 

210 

W,  Wolkenhauer 

295 

IV,  Wolkenhauer 

295 

R.  Kratiß 

79 

Joh.  Sass 

221 

F.  Brummer 

185 

F.  Laudiert 

307 

Lorcnzcn 

258 

Lorenzen 

2S7 

F.  Lauc/iert 

262 

Ph.  Losch 

204 

Ph,  Losch 

205 

F.  Brummer 

220 

W.  Wolkenhaucr 

261 

0.  Redlich 

172 

F.  Brummer 

144 

H.  V.  Zwiedineck-Südcnhorst 

320 

F.  Brummer 

»45 

H.  Holland 

160 

Lorenzen 

103 

Pagel 

"7 

F.  Brummer 

245 

F.  Lauchcrt 

348 

Lorenzen 

259 

A.   Teichmann 

131 

H  Holland 

161 

Lorenzen 

xoo 

W.  Wolkenhauer 

262 

W.  Wolkenhauer 

296 

F.  Brummer 

174 

F.  Lauchert 

332 

Namenverzeichnis. 


469 


Name 
Kraetzschmar,  Richard 
Krause,  Albrecht 
Kreiten,  Wilhelm 
Krenn,  Edmund 
Kriechbaumer,  Joseph 
Krones,  Franz  K.  v.  Marchland 
Krupp,  Friedrich  Alfred 
Kruse,  Heinrich 
Kubier,  Paul 
Kügler,  Max 
Kürschner,  Joseph 

Lahs,  Heinrich 
Landois,  Leonard 
Lauser,  Wilhelm 
Leeb,  Michael 
Ledochowski,  Graf  von 
Lenz,  August 
Leonhardi,  Bernhard  v. 
Linnemann,  Joh.  A. 
Linstow,  Adolf  v. 
Löflfler,  Philipp 
Lohn-Siegel,  Anna 
Löwy,  Josef 
Lupin,  Hugo  v. 

Mähly,  Jakob 
Mandry,  Gustav  v. 
Mantey,  Eberhard  v. 
Marshall,  James 
Martens,  Wilhelm 
Massini,  Rudolf 
Maurer,  Joseph  Karl 
Maurer,  Konrad 
Meebold,  Robert 
Meißner,  Ernst  Adolf 
Melchior,  Hermann  v. 
Merkens,  Heinrich 
Merwart,  Paul 
Meyer-Fürster,  Elsbeth 
Müller,  Wilhelm 

Nachbaur,  Franz 
Naumann,  Karl 
Neher,  Stephan  Jakob 
Nirmheim,  Karl 
Nitsche,  Hinrich 
Nuhn,  Curt 


Verfasser 

Seite 

m.  Losch 

203 

Joh,  Sass 

200 

F.  Brummer 

146 

Hugo  Schmerber 

169 

K,  n\  V,  Dalla  Torre 

84 

Karl  Uhlirz 

116 

A.  Birk 

245 

Otto  Zaretzky 

163 

Pagel 

131 

Theodor  Lindner 

308 

198 

Ph,  Losch 

251 

Pagel 

86 

R,  Krauß 

76 

F,  Lauchert 

262 

F.  Lauchert 

306 

Ph.  Losch 

250 

Lorenzen 

68 

Hugo  Schmerber 

93 

Lorenzen 

252 

F,  Lauchert 

307 

F.  Brummer 

186 

Hugo  Schmerber 

170 

Lorenzen 

99 

Hans   Trog 

69 

A.   Teichmann 

133 

Lorenzen 

65 

Hugo  Schmerber 

150 

A,  Teichmann 

134 

^ggfr 

171 

F.  Brummer 

144 

A,   Teichmann 

135 

P,  Krauß 

93 

H.  Holland 

162 

Lorenzen 

XII 

F,  Brummer 

177 

Hugo  Schmerber 

92 

Arthur  Eloesser 

231 

Lorenzen 

67 

Artkur  Freiherr  v.  Mensi 

51 

H  Holland 

166 

F.  Lauchert 

332 

Lorenzen 

252 

Dr.  Fürst 

158 

Ph,  Losch 

250 

470 


Namenverzeichnis. 


Name 
Oechelhaeuser,  Wilhelm 
Otto,  Karl,  Maler 
Otto,  Karl,  Theolog 

Paulus,  Gustav 
Pemet,  Johannes 
Peterson,  Louise 
Pfeifer,  Franz  Xaver 
Pfeiffer,  Urban 
Planitz,  Paul  Edler  v.  der 
Planta,  Conradin  v. 
Podesta,  Auguste 
Prenninger,  Karl 
Pressel,  Wilhelm 
Preufl-Laudien,  Henriette 
Pustet,  Friedrich 

Reimarus,  Hans 
Reischek,  Andreas 
Reuter,  Theodor 
Ricker,  Anselm 
Röhl,  Johannes 

Schede,  Max 
Schell,  Otto  V. 
Schmeling,  Cyrus  v. 
Schmidt,  Auguste 
Schmidt,  Otto  Ritter  v. 
Scholderer,  Otto 
Schoene,  Hermann 
Schramm,  Romuald 
Schraudolph,  Claudius  v. 
Schuback,  Emil 
Schuh,  Hermine 
Schultheis,  Leonhard 
Schwank,  Joseph 
Schwendy,  Albert 
Schwoiser,  Eduard 
Seehagen,  Oswald 
Selenka,  Emil 
Seuffer,  Gustav 
Siegmund,  Gustav 
Simar,  Hubert  Theophil 
Simion,  Leonhardt 
Skrzeczka,  Karl 
Sommervogel,  Carlos 
Stahl,  Ignaz 


Verfasser 

Seite 

IVÜAelm  Klebe 

54 

IL  Hoüand 

167 

F,  Lauckcrt 

264 

Lorenzen 

253 

A,  IVeilenmann 

"3 

F,  Brummer 

H5 

F.  Laucheri 

333 

H,  HoUand 

168 

Lorenzen 

104 

Thn  Sprecher  v.  Bernegg 

71 

Ph,  Losch 

241 

A,  Birk 

211 

A,  Birk 

242 

F,  Brummer 

17s 

Rudolf  Schmidt 

331 

Rudolf  Schmidt 

114 

IV.  IVolkenhauer 

261 

A.  Birk 

209 

C.  Wolfsgruber 

"3 

Dr.  Johnen 

294 

Paget 

126 

I^orenzen 

254 

Lorenzen 

255 

F,  Brummer. 

184 

Lorenzen 

233 

Hugo  Schmerber 

169 

Hugo  Thimig 

17S 

F.  Lauchert 

294 

IL  Holland 

iSS 

Joh.  Sass 

222 

y.  Wiesner 

347 

Ph,  Losch 

241 

Ph,  Losch 

24a 

Hugo  Schmerber 

170 

IL  Holland 

1S9 

Rudolf  Schmidt 

115 

IV,  Wolkenhauer 

296 

R.  Krauß 

157 

läget 

12S 

F,  Lauchert 

292 

Rudolf  Schmidt 

115 

Paget 

87 

F,  Lauchert 

290 

F,  Lauchert 

267 

Namenverzeichnis. 


471 


Name 
Stauber,  Karl 
Stern,  Josef 
Stern,  Wilhelm 
Steyrer,  Qemens 
Stiefelhagen,  Ferdinand 
Stöckli,  Augustin 
Struck,  Heinrich 

Trautraann,  Ferdinand 
Turba,  Sidonie 


Verfasser 
H,  Holland 
Sitgmund  Schott 
Robert  Fuchs 
H,  Holland 
F,  Lauchert 
F,  Lauchert 
Paget 

Paget 
Ph,  Losch 


Seite 

193 
312 

241 

193 
349 
308 
130 

97 
239 


Vahlkampf,  Eugen  v. 
Vilmar,  Wilhelm 
Virchow,  Rudolf 
Voigt,  Ernst 
Voigts-Rhetz,  William  v. 


Lcrenzen 

Ph,  Losch 

von  Hansemann 

Paul  Goldschmidt 

Lorensen 


HO 

238 
352 
105 
102 


Waechter,  Oskar  v. 
Walker,  Franz 
W^aldersee,  Fritz  Graf  v. 
Wasmer,  Edmund  v. 
Wehofer,  Thomas  Maria 
W^eidling,  Friedrich 
Wertheimer,  Gustav 
Wesendonk,  Mathilde 
Wiehert,  Felix 
Wolff,  Julius 

Wömdle  v.  Adelsfried,  August 
Wulffen,  Ferdinand  v. 
W^urmb,  Karl  v. 


P,  Krauß 

H,  Holland 

LorenMen 

Lorenzen 

F.  Lauchert 

Rudolf  Schmidt 

Hugo  Schmerber 

fV.  Goliher 

Hugo  Schmerber 

Paget 

Hugo  Schmerber 

Lorenzen 

Loren&en 


94 
194 

234 

235 
263 

114 

lOI 

62 

lOI 

98 

235 

236 


Zangerle,  Joseph  A. 
Zardetti,  Otto 
Ziemssen,  Hugo  v. 
Zoller,  Edmund  v. 


F,  Brummer 
F.  Lauchert 
Max  Neuburger 
R,  Krauß 


145 
291 

43 
96 


IL  Alphabetisches  Namenverzeichnis 

zu  den 

Nachträgen  und  Ergänzungen. 


Name 
Behncke,  Gustav 

Christen,  Ada 
Costenoble,  Hermann 
Czeiny,  Albin 

Demuth,  Theodor 


Verfasser 
L.  Schumacher 

Hans  SiUenbergir 
Rudolf  Schmidt 


Haessel,  Hermann 

Henfurth,  Ernst  Ludwig  Arndt 

Hoefer,  Herrmann  Rudolf  Schmidt 

Hohenlohe-Schillingsfürst,  Fürst  Chlodwig  zu  Ernst  Hauviller 

Hopfen,  Franz  Freiherr  von  Friedrich  Schmid 


Janke,  Gustav 

Kaibel,  Georg 
Karlweis,  C, 

Müller,  Adolf 
MüUer,  N.  J.  Carl 

Radnitzky,  Karl 
Reeß,  Max 
Richter,  Richard 

Schweinitz,  Lothar  von 
Sicherer,  Hermann  von 
Spamer,  Hugo 
Stallo,  John  Bernhard 
Susemihl,  Franz 

Teuber,  Oskar 
Toeche,  Ernst 

Viktoria 

Wahlberg,  Wilhelm  Emil 


Rudolf  Schmidt 

Friedrich  Leo 
Hans  Sittenberger 

Richard  Heuherger 
K.  Linsbauer 

Eduard  Leisching 
AL  Rikli 
Johannes  Ilberg 

Thilo  Krieg 
Lothar  v.  Seuffert 
Rudolf  Schmidt 
W,  Wolkenhauer 
Georg  Knaack 

Rudolf  Schmidt 
Karl  Schrader 
Edmund  Benedikt 


Seite 
447 

393 
370 
451 

435 

367 

363 

405 
410 

373 
369 

442 
445 

450 
36s 

406 

435 
397 

407 

437 
406 

362 
390 

434 
40s 

451 

37€> 


TOTENLISTE 


1902 


Biog-r.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog^.    7.  Bd. 


Ein  Stern  (*)  vor  dem  Namen  bezeichnet,  daß  das  Biographische  Jahrbuch  dem 
Toten  einen  eigenen  Nekrolog  gewidmet  hat,  auf  den  mit  By  unter  Angabe  von  Band'  und 
Seitenzahl  verwiesen  ist;  die  am  Schlüsse  jedes  Artikels  der  Totenliste  angeführte  Literatur 
verzeichnet  die  Quellen  des  Bearbeiters  und  gibt  auch  weitere,  zum  Teil  aus  zweiter  Hand 
geschöpfte  Hinweise;  L  deutet  dabei  an,  daß  am  betreffenden  Orte  sich  weitere  Literatur 
über  den  Verstorbenen  vorfindet,  W,  daß  dort  ein  Verzeichnis  seiner  Werke,  P,  daß  ein 
Porträt  beigegeben   ist,   —   Andere   Abkürzungen  sind  (die  genaueren    Titel  in  BJ  HI, 

lä^ff:): 

Brummer  =  F,  Brummer,  Lexikon  der  deutschen  Dichter  und  Prosaisten  des  neun- 
zehnten Jahrhunderts  —  BZ  =  Dietrich,  Bibliographie  der  Zeitschriftenliteratur  —  KL  = 
Kürschner,  Literaturkalender  —  Paget  =  J,  Paget,  Biographisches  Lexikon  hervorragender 
Ärzte  des  neunzehnten  Jahrhunderts  —  Poggendorff  =^  J.  C.  Poggendorff,  Biographisch- 
literarisches Handwörterbuch  zur  Geschichte  der  exakten  Wissenschaften  —  Riefnann  = 
//.  Riemann,  Musiklexikon, 

München,  im  November  1(^04.  Dr,  Georg  Wolff 


^Acton,  John  Emerich  Dalberg  Lord,  engl. 
Pair,  Regius  Professor  f.  Geschichte  an  d. 
Universität  Cambridge,  Historiker  u.  Publi- 
zist; •  Neapel  lo.  I.  1834;  f  Tegemsee  b. 
München  19.  VI.  —  BJ  VII,  16  (Lady 
Blennerhasset) ;  BZ   11,  55.    13,  56  (Zeit- 

.  Schrift  für  Bücherfreunde  1902,  386:  L. 
Fränkel;  Germania  1902  Wissenschaftl.  Beil. 
Nr.  50:  A.  Zimmermann;  Preuß.  Jahrbücher 
114,  193:  J.  Brj'ce;  Sitzungsber.  d.  bayr. 
Akad.  d.  Wissensch.  1902  Philos.-Hist.  Cl. 
S.  246:  J.  Friedrich). 

Agricola,  Otto,  Geh.  Regierungsrat,  Landrat 
d.  Kreises  Kreuznach,  Ehrenbürger  dieser 
Stadt,  Mitgl.  d.  preufi.  Abgeordnetenhauses 
(frei konservativ);  *  Gotha  1829;  f  Kreuz- 
nach 27.  XII.  —  111.  Ztg.  120,  49. 

Aichelburg,  Eugen  (Eugy)  Graf  von  u.  zu, 
hT.  Dichter;  •  Schloß  Feistritz  im  Mürztal 
24.  VIII.  1862;  t  Laibach  25.  IIL  —  KL 
24,  10  (W).  25,  42;  BrümmerS  l,  435 
(mit  W). 

Alban,  Lork  (Pseud.),  Schriftsteller:  I^öhn- 
Siegel,  M.  A.  v. 

Albers,  Gottfried  Adolf  Matthias,  Commo- 
dore,  rangältester  Kapitän  der  Hamburg- 
Amerika-Linie;  *  Hamburg  4.  VI.  1843; 
t  ebenda  29.  IV.  —  111.  Ztg.  n8,  692  (mit 
P) ;  Woche  4,  784  (P). 

*  Albert  Friedrich  August  Ferdinand  Joseph 
Karl  Maria  Baptist  Ncpomuk  Wilhelm  Xaver 
Georg  Fidelis  König  von  Sachsen  etc.; 
•  Dresden  23.  VIII.  1828;  f  Sibyllenort 
(Schlesien)  19.  VI.  —  BJ  VII,  3  (Kämmel); 
Goth.  Hofkalender  1902,  85.  1903,  86;  111. 
Ztg.  118  Nr.  3078  u.  3081  (M.  Dittrich  u. 
H.  G.  Zimmermann,  mit  zahlr.  Illustr.); 
Woche 4  Nr.  26  (mit  Illustr.);  Georg,  Schlag- 
wortkatalog 4  (Hannover  1903),  33  f.  (L); 
BZ  II,  57.  12,  59  (L). 

♦Albert  Heinrich  Joseph  Karl  Viktor  Georg 
Fried  rieh  Prinz  v.  Sachsen- Altenburg,  Herzog 
zu  Sachsen,  k.  preuß.  u.  k.  sächs.  General 
d.  Kavallerie  a  la  suite  der  Armee,  ehemal. 
kais.  russ.  Generalmajor;  *  München  14.  IV. 
1843;  +  Schloß  Serrahn  (Mecklenburg- 
Schwerin)  «2.  V.  —  BJ  VII,  99  (Lorenzen); 


111.  Ztg.  118,  829;  Woche  4,  991.  995  (P); 
BZ  II,  57  (Militärztg.  1902  Nr.  22);  Goth. 
Hof  kalender  1902,  82.  1903,  82. 

♦Allmers,  Hermann,  Dichter  u.  Schriftsteller; 
♦  Rechtenfleth  bei  Bremen  ii.  II.  182 1; 
t  ebenda  9.  III.  —  BJ  VII,  297  (L.  Bräuti- 
gam); ni.  Ztg.  118,391.  394.  395  (mitP); 
Woche  4  Nr.  II  S.  JV  (P.  Remer).  S.  543 
(P  u.  Illustr.);  KL  24,  14  (W).  25,  42; 
Geograph.  Jahrbuch  26,  423  (Wolkenhauer, 
mit  L);  BrümmerS  1,  33.  437  (mit  W); 
BZ  IG,  46.  II,  59.  12,  60  (Grenzboten  1902 
Nr.  17:  E.  A.  V.  d.  Weser;  Das  Land  1902, 
303:  H.  Jahnke;  Ebenda  1902,  226  u.  Der 
Türmer  1902  April:  E.  Kalkschmidt;  Nation 
1902  Nr.  24 :  Fitger;  Deutsches  Protestanten- 
blatt 1902  Nr.  15:  L.  Bräutigam;  Leipz. 
Ztg.  1902  Wissensch.  Beil.  Nr.  33:  A.  Se- 
merau;  Jahrbuch  f.  d.  Geschichte  d.  Her- 
zogt. Oldenburg  1 1, 165 ;  Antiquitäten-Rund- 
schau 1903  Nr.  I:  G.  A.  Müller,  H.  A.  als 
Sammler);  Allmersbuch.  Hrsg.  von  L. 
Bräutigam.  Goslar  1901 ;  A.  Schwartz,  H. 
A.  in  Rom.  Oldenburg  1901 ;  R.  M.  Meyer, 
Grundriß  d.  neueren  deutschen  Literatur- 
gesch.  Nr.  3043 — 48  (L);  Hinrichsen,  D. 
literar.  Deutschland*  16. 

Almeida,  Carl  August  Graf  v.,  k.  bayer. 
Kämmerer,  vermählt  mit  Helene  Fürstin  v. 
Wrede;  •  Lissabon  10.  V.  1846;  f  München 
21.  VII.  —  Gräfl.  Taschenbuch  1903,  18; 
Hof  kalender  1903,  461. 

Andresen,  Emmerich,  k.  sächs.  Hofrat,  Pro- 
fessor, Vorsteher  d.  Bildhauer- Ateliers  d. 
k.  Porzellan-Manufaktur  in  Meißen ;  *  Ütersen 
(Holstein)  1843;  t  Meißen  7.  X.  —  Jahr- 
buch d.  bild.  Kunst  2,  102;  Müller-Singer, 
Allgemeines  KünstlerIesikon3  i,  27. 

Anfermann,  Wilhelm,  früherer  Vorsitzender 
d.  Neuyorker  Schillerkomitees ;  f  Wiesbaden, 
im  77.  Jahre,   11.  X.  —  Woche  4,  1937. 

Anhalt,  Bathildis  Prinzessin  v.  Schaumburg- 
Lippe,  geb.  Prinzessin  v. :  s.  Bathildis. 

Anhalt-Bemburg,  Friederike  Herzogin  v.: 
s.  Friederike. 

Anna  Karoline  Luise  Adelheid  Prinzessin  zu 
Bentheim-Tecklenburg,  geb.  Prinzessin  Reuß 


Totenliste  1902 :  Anschütz  —  Banhans. 


8* 


j.  L.,  Witwe  d.  1874  f  Adolf  Prinzen  zu 
B.-T.;  •Gera  16.  XU.  1822;  f  Rudolstadt 
I.  IV.  —  Goth.  Hofkalender  1903,  69.  iio. 

•Anschütz,  Ludwig,  großhgl.  hess.  General- 
major z.D.;  •Worms  14.  IX.  1820;  f  Darm- 
stadt 14.  V.  —  BJ  VII,  195  (Lorenzen). 

Anthony,  Wilhelm  (Pseudon.),  Schauspieler 
u.  Dichter:  s.  Asmus,  Wilhelm. 

Antoine-Feill,  Heinrich  Franz  Angely,  Dr, 
Jur.t  Rechtsanwalt  in  Hamburg,  Vorsitzender 
der  hanseat.  Anwaltskammer;  f  Hamburg, 
83  Jahre  alt,  7.  V.  —  111.  Ztg.  118,  751. 

Appel,  Ernst  Emil  Albert  Julius,  Dr.  med,, 
Geh.   Sanitätsrat    in    Brandenburg    a.   H.; 

*  Potsdam  3.  XII.  1832:  f  Brandenburg 
a.  H.  18.  IV.  —  Virchows  Jahresberichte 
37,  I,  410  (Pagel);  Vita  in  A.s.  Disser- 
tation: Defebri  puerperali,  Gryphiae  1859. 
S.  29—31. 

Ardeck,  Friedrich  Wilhelm  Prinz  v.,  k. 
preuß.  Rittmeister  a  la  suHc  d.  Armee,  Sohn 
d.  Prinzen  Wilhelm  v.  Hessen-Philippsthal - 
Barchfeld  u.  d.  Prinzessin  Marie  v.  Hanau; 

*  Offenbach  a.  M.  2.  XI.  1858;  f  Wilhelms- 
höhe b.  Warmbrunn  (Riesengeb.)  i .  IV.  — 
Goth.  Hofkalender  1902,  243.  1903,  241; 
111.  Ztg.  108,  547. 

Arendt,  Karl,  Dr,phil,^  Professor  d.  Chines. 
am  Oriental.  Seminar  in  Berlin;  f  daselbst 
30.  I.  —  Woche  4,  228;  KL  24,  22.  25, 
42;  BZ  II,  66  (Mitteilungen  d.  Seminars 
f.  oriental.  Sprachen  1902,  i.  Abt.,  S.  174 
mit  P:  Merklinghaus,  S.  177:  K.  Roy); 
Oriental.  Bibliographie  16  (1902),  14  (Scher- 
man,  L). 

•Arendt,  Olga,  Gattin  d.  freikonserv.  Parla- 
mentariers Dr.  Otto  A.,  Tochter  v.  Lina 
Morgenstern,  Schriftstellerin  u.Dichterin ; 

*  Berlin  19.  XI.  1859;  f  ebenda  29.  V.  — 
BJ  VII,  148  (F.  Brummer);  KL  24,  23  (W). 
25,  42;  Brummer  5  i,  44  (mit  W);  Pataky, 
Lexikon  deutscher  Frauen  d.  Feder  i,  16; 
D.  geistige  Berlin  i,  4. 

Arendt,  Rudolf  Friedrich  Eugen,  Z?r./^*7,, 
Professor,  früher  Lehrer  an  d.  Handelslehr- 
anstalt in  Leipzig,  Redakteur  d.  »Chem. 
Zentralblatt«,  Chemiker;  •  Frankfurt  a.  O. 
I.  IV.  1828;  t  Leipzig  14.  IV.  —  111.  Ztg. 
118,  777;  KL  24,  23  (W).  25,  42;  Leo- 
poldina 38,  59.  77;  BZ  12,  68  (Pädagog. 
Archiv  u.  Zentralbl.  f.  d.  Interessen  d.  Real- 
schulw.  1903,  341 :  L.  Doermer;  Berichte 
d.  Deutschen  chem.  Gesellsch.  35,  4542: 
F.  Etzold);  Poggendorff  3,  39.  4,  36  (mit 
W);  D.  literar.  Leipzig  242  (mit  W). 

Arndt,  Arno  Willibald  v.,  k.  preuß.  General 
d.  Infanterie  z.  D.,  zuletzt  Gouverneur  v. 
Metz,  der  letzte  Enkel  v.  Ernst  Moritz  A.; 
t  Baden-Baden,  im  68.  J.,  3.  XII.  —  111. 
Ztg.  119,  923. 


Amefeldt,  Fritz  (Pseudon.) :  s.  H  i  r  s  c  h ,  Jenny. 

Amet,  Franz  Xaver,  Arzt  in  Root  b.  Luzern ; 
f,  im  44.  Jahre,  13.  IX.  —  BZ  ii,  66 
(Korrespondenzblatt  f.  Schweizer  Arzte  1902, 
706:  S.  Paly). 

Arons,    Philipp,    Porträt-    und    Genremaler; 

•  Berlin  17.  IX.  1822;  f  Rinteln  19.  XI.— 
111.  Ztg.  119,  827. 

Aeskulap   (Pseudon.),    Schriftsteller:  s.  Pe- 

terson,  Luise. 
•Asmus,  Wilhelm  (Pseudon.:  W.Anthony), 

Schauspieler  u.  Dichter,   Chefredakteur  d. 

»Weimar.  Ztg.«;    •  Lübeck    17.  II.  1837; 

t  Weimar  20.  II.  —  BJ  VII,  247  (Brummer) ; 

KL  24,  29  (W).  25,  42;  Brummer 5  i,  41 

(mit  W) ;  Flüggen,  Biograph.  Bühnenlexikon 

1,7;  Hinrichsen,  D.  literar.  Deutschland  >  36. 
Augustin,    Karl,   Wirkl.  Geh.  Oberfinanzrat, 

bis  1884  Provinzialsteuerdirektor  in  Breslau ; 

t,  94  Jahre  alt,  17.  XI.  —  Voss.  Ztg.  1902 

Nr.  605  Beil.  8. 
Babucke,     Heinrich,    Dr,    phiL,     Direktor; 

•  Königsberg  6.  I.  1841 ;  f  daselbst  15.  XI. 

—  Altpreuß.  Monatsschrift  40,  464  (Rind- 
fleisch, L:  Königsberger  Allg.  Ztg.  1902 
Nr.  542  Beil.  i   [VVilh.J  U[ngewitter]). 

Bach,  Leonhard  Emil,  Pianist  u.  Komponist 
(auch  V.  Opern)  in  London;  *  Posen  11. 111. 
1849;  t  London  15.  II.  —  Monatshefte  f. 
Musikgesch.  35, 1 16  (Lüstner,  mit  L);  Frank, 
Tonkünstlerlexikon  9  13;  RiemannS  66; 
Mendel-Reißmann,  Musikal.  Konversations- 
lexikon I,  405. 

Badenhausen,  Edmund,  Kapitän  d.  Hamburg- 
Amerikan.  Packetfahrt  -Aktiengesellschaft, 
Vorsteher  v.  Hobokener  Dock ;  f  im  Herbst. 

—  Woche  4,  2106.  2108  (P). 

Bader,  Carola,  verehel.  Blacker:  s.  Blacker» 
Carola. 

Bahn,  Martin,  Hof-Buch-  u.  Musikalienhändler 
(Firma:  M.  Bahn  Verlag,  früher  T.  Traut- 
wein) in  Berlin ;  t  daselbst,  76  Jahre  alj, 
21.  V.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
116  (Lüstner,  mit  L). 

Baker,  Adine  v.,  verehel.  Gemberg,  Schrift- 
stellerin: s.  Gemberg,  Adine. 

Banhans,  Anton  Freih.  v.,  Dr.  jur.^  k.  u.  k. 
Wirkl.  Geheimer  Rat,  Minister  a.  D.,  Präsi- 
dent d.Donau-DampfschifTahrts-Gesellschaft 
u.  d.  Österr.  Reichsforst  Vereins,  Kurator  d. 
k.  k.  österr.  Handelsmuseums,  Ehrenbürger 
vieler  Städte  und  Gemeinden;  *  Michelob 
(Böhmen)  8.  XI.  1825;  f  Wien  26.  V.  — 
Freiherrl.  Taschenbuch  1901,28.  1903,28; 
111.  Ztg.  118,857;  Woche  4,  991  (P);  BZ 
10,  62.  II,  74  '('^entralblatt  f.  d.  gesamte 
Forstwesen  1902,  282;  Mitteilungen  d.  k.  k. 
technolog.  Gewerbemuseums  in  Wien  1902 , 
85:  W.  Exner);  Meyers  Konv.-Lex.^  2 
332.  • 


1* 


Totenliste  1902:  Bargheer  —  Beely. 


IC) 


* 


Bargheer,  Karl  Louis,  Hof  kapellmeister  a.  D. ; 

*  Btickeburg  31.  XII.  1831;  t  Hamburg 
19.  V,  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
1 1 6  (Lüstner,  mit  L). 

Bargum,  Ludolph  Conrad,  Ingenieur,  früher 
Baupolizeiinspektor  in  Hamburg;  •  Kiel 
13.  VII.  1832;  t  VVilhelmshöhe  b.  Kassel, 
in  einer  Kuranstalt,  3.  VII.  —  Deutsche 
Bauztg.  36,  388  (Cl.). 

Bartsch  von  Sigsfeld,  Hans,  Hauptmann  im 
preuß.  Luftschifferbataillon;  f  auf  einer 
Wissenschaft!.  Ballonfahrt  in  Zwyndrecht  b. 
Antwerpen  i.  IL  —  111.  Ztg.  118,  227.  231 
(mit  Illustr.);  Woche  4,  226.  228  (P);  BZ 
10»  63  (Verhandlungen  der  deutschen  phy- 
sikal.  Gesellschaft  1902,  88:  R.  Bömstein). 

*Barttruif,  Ferdinand  Karl  v.,  k.  Württem- 
berg. Generalmajor  a.  D. ;  *  Ludwigsburg 
23.  IX.  1819;  t  Stuttgart  16.  VII.  —  BJ 
VII,  196  (Lorenzen);  Württemberg.  Jahr- 
bücher f.  Statistik  u.  Landesk.  1902,  IV 
(Hartmann,  L). 

^Barvitius,  Viktor  Anton,  Maler,  früher 
Direktor d. Gemäldegalerie  inPrag:  *  28. III. 
1834;  t  Prag  9-  VI.  —  BJ  VII,  102  (H. 
Schmerber);  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst 
2,  102;  111.  Ztg.  118,  935;  Deutsche  Arbeit 
in  Böhmen  i,  99s  (K.  Krattner). 

Basch,  Julius,  Dr,  phil.^  Finanzschriftsteller, 
Redakteur  d.  Handelsteils  d.  »Xationalztg.«; 

*  12.  V.  1831;  t  Berlin  13.  I.  -  lU.  Ztg. 
118,  135;  KL  24,  53.  25,42. 

^Basedow,  M.  P.  Friedrich,  Lehrer  u.  Schrift- 
steller in  Adelaide;  *  Dreckharburg  im 
Lüneburgischen  25.  IX.  1829;  f  Adelaide 
12.  III.  —  BJ  VII,  295  (W.  Wolkenhauer). 

Bathildis  Amalgunde  Prinzessin  zu  Schaum- 
burg-Lippe, Gemahlin  d.  Prinzen  Wilhelm, 
geb.Prinzessin  V.Anhalt;  *  Dessau  29.  XII. 
1S37;  f  Schloß  Nachod  (Böhmen)  10.  IL 
—  111.  Ztg.  118,  272;   Goth.  Hofkalender 

1903.  4. 
*  Bauer,    Heinrich,    Dichter  u.  Schriftsteller, 

Journalist;  •  Stuttgart  9.  II.  1838;  f  Berlin 

8.  VII.  —  BJ  VII,  73  (R.  Krauß);  KL  24, 

59  (W). 

^Baumberg,  Antonie,  geb.  Poisard ,  verehel. 
Kreiml,  Dichterin;  *  Baumgartenberg  b. 
Berg  (Oberösterr.)  24.  IV.  1859;  f  Wien 
15.  IV.  —  BJ  VII,  48  (Goswina  v.  Ber- 
lepsch);  IlL  Ztg.  118, 623;  KL  24,  772  (W). 
25,  45;  BZ  10,  64.  12,  79  (Die  Gesellschaft 
1902,  II,  381:  O.  Wemeck;  Zeit  1902  Nr. 
394:  M.  Finder;  Die  Wage  1902  Nr.  18: 
O.  Stoessl;  Dokumente  der  Frauen  7,  85: 
St.  Grossmann;  Neue  Freie  Presse  1902 
April  14:  Marie  Schmiedl). 

Baumeister  (eigentlich  Bau mü II er),  An- 
tonie, verehel.  v.  Jagemann,  Tochter  d. 
Schauspielers   Wilhelm  B.,    Schauspielerin 


am  Berliner  Theater  (kom.  Alte) ;  *  Hamburg 
23.  XI.  1842;  +  Berlin  27.  X.  —  111.  Ztg. 
1 19,  695 ;  Flüggen,  Biograph.  Bühnen-Lexi- 
kon I,  16;  Eisenberg,  Großes  biograph. 
Lexikon  d.  Deutschen  Bühne  60. 
Baumgart,  Max,  Dr,  phiL,  —  Vgl.  BJ  VI,  10 

•  :  vielmehr  am  20.  I.  1902  f  ?  (Voss.  Ztg. 
1903  Nr.  7  Beil.  2;  KL  25,  41). 

Baumgärtel,  Wilhelm,  Gasfabrikdirektor  a.D. ; 

•  Wunsiedel  23.  IX.  1829;  f  Hof  (Bayern) 
20.  VI.  —  Journal  f.  Gasbeleuchtung  45, 
534  (H.  Baumgärtel). 

Baumüller,  Antonie,  Schauspielerin:  s.  Bau- 
meister, Antonie. 

Bayer,  Philipp  Jacob,  Rechtsanwalt  in  Bam- 
berg, Mitglied  des  Deutschen  Reichstags 
(Zentrum);  ♦  Würzburg  26.  VI.  1868;  t  8. 
VI.  —  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  609  Beil.  i ; 
Kürschner,  Reichstag  1898 — 1903,  264 
(mit  P). 

Bayer,  Karl  Emmerich  Robert  v.  (Pseudon. : 
Robert  Byr),  k.  k.  Rittmeister  a.  D.,  Ro- 
manschriftsteller; •  Bregenz  15.  IV.  1835; 
t  ebenda  30.  VI.  —  KL  24.  65  (W).  25, 
43;  Hinrichsen,  D.  literar.  Deutschland*  78 
(mit  W);   Brummers  i,  83.  455  (mit  W). 

Bayha,  Friedrich,  Gasthof  besitz,  in  Tübingen, 
ehemal.  Mitgl.  d.  Württemberg.  Landtags 
u.  Deutschen  Reichstags  (deutschparteil.) ; 

•  1832;  t  Tübingen  18.  VL  —  Woche  4, 
II 12;  Schoenfelds  Notizb.  f.  Reichstags- 
wähler 5  319;  Württemberg.  Jahrbücher  f. 
Statistik  u.  Landeskunde  1902,  IV  (Hart- 
mann, L:  Schwab.  Kronik  1902  Xr.  277. 

283). 
^Beaulieu,  Gertraut  Chäles  de  (G.  v.  Beau- 
lieu),  Schriftstellerin  u.  Dichterin;  •Frank- 
furt a.  O.  17.  III.  1846;  t  Spandau  22.  XII. 

—  BJ  VII,  219  (Brummer);  Patak)-,  Lexikon 
deutscher  Frauen  d.  Feder  i,  44  (mit  W). 
2,  479;  BrümmerS  i,  84.  455  (mit  W). 

Becker  -  Ranco,  Luise,  Opernsängerin  (dra- 
mat.  Partien);  *  Nürnberg  26.  V.  1868; 
f  Altenburg  18.  IV.  —  Monatshefte  f.  Mu- 
sikgesch. 35,  116  (Lüstner,  mit  L). 

•Beckmann,  Konrad,  Genremaler  in  München ; 

•  Hannover  21.  VI.  1846;  f  München  3. 1. 

—  BJ  VII,  153  (H.  Holland);  D.  geistige 
Deutschland  i,  35;  Jahrbuch  d.  bildenden 
Kunst  2,  102. 

Beckmann,  Ludwig,  Tiermaler  u.  Illustrator 
in  Düsseldorf;  *  Hannover  21.  II.  1822; 
f  Lohausen  b.  Kaiserswert  i .  VIII.  —  111. 
Ztg.  119,  195;  Woche  4,  1482;  Jahrbuch 
d.  bildenden  Kunst  2,  102. 

Beely,  Florian,  Dr.  med.y  Sanitätsrat,  Ortho- 
päd in  Berlin;  ♦  Cöln  24.  I.  1846;  f  Berlin 
30.  IV.  —  Leopoldina  38,  77;  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  410  (Pagel,  mit  L: 
Verhandlungen  d.  Vereins  f.  innere  Medizin 


II 


Totenliste  1902 :  Beer  —  Bergson. 


12* 


1902  Mai  5;  Deutsche  Medizin.  Wochen- 
schrift 1902  Nr.  22  S.  165);  Verzeichnis  d. 
Berliner  Univ.-Schriften  18 10 — 85  (Berlin 
1898)  Nr.  6871. 

•Beer,  Adolf,  Dr,  phiL,  k.  k.  Ministerial-  u. 
Hofrat,  o.  Prof.  d.  Geschichte  an  d.  Techn. 
Hochschule  in  Wien,  Mitglied  d.  Herren- 
hauses d.  Österreich.  Reichsrats,  Historiker 
und  Nationalökonom;  *  Proßnitz  (Mähren) 
27.  II.  1831 ;  t  Wien  7.  V.  —  BJ  VII,  321 
(Pribram);  KL  24, 71  (W).  25,  43;  S.  Hahn, 
Reichsrats- Almanach  f.  d.  Session  189 1/2 
(Wien  1891),  127  (mit  W);  BZ  11,  77 
(Österr.  Mittelschule  1902,  364:  S.  Gorge). 

Beerfelde,  Georg  v.,  Majoratsherr,  k.  preuß. 
Major  a.  D.,  Mitglied  des  preuß.  Herren- 
hauses; f  auf  Schloß  Sommerfeld  19.  (oder 
20.?)  I.  —  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  609  Beil  2; 
Woche  4,  136. 

•Behr,  Friedrich,  vormals  Professor  an  der 
Friedrich -Eugens -Realschule  in  Stuttgart, 
Geograph  und  Kartograph;  *  Friedrichs- 
hafen am  Bodensee  17.  XII.  18 16;  f  Stutt- 
gart 9.  XI.  —  BJ  VII,  259  (W.  VVolken- 
hauer) ;  Geograph.  Jahrb.  26,  424  (W.  Wol- 
kenhauer, mit  L  u.  W) ;  Württemberg.  Jahr- 
bücher f.  Statistik  u.  Landeskunde  1902 
(Hartmann,  L). 

Behr-Negendank,  Ulrich  Karl  August  Wil- 
helm Hermann  Axel,  Fideikommißherr,  Erb- 
u.  Schloßgesessener  auf  Semlow,  Herr  auf 
Dölitz  u.  Kranichshof  (Mecklenburg-Schwe- 
rin), Erbküchenmeister  d.  Fürstent.  Rügen 
u.  d.  Lande  Barth,  erbl.  Mitglied  d.  preuß. 
Herrenhauses,  k.  preuß.  Kammerherr  und 
Wirkl.  Geheimer  Rat,  früher  Oberpräsident 
d.  Provinz  Pommern,  ehemal.  Mitglied  d. 
Deutschen  Reichstags  (Reichspartei) ;  *  Sem- 
low (Neu Vorpommern)  9.  V.  1826;  f  da- 
selbst 8.  IX.  —  Gräfl.  Taschenbuch  1903, 
70.   1025;  111.  Ztg.  119,  423. 

Behrens,  Karl  Wilhelm  Berthold  August, 
Bildhauer  in  Würzburg;  *  Gotha  16.  II. 
1836;  t  Würzburg  20.  X.  —  Woche  4, 
1981;  D.  geistige  Deutschland  1,41. 

Behringer,  Wilhelm  v.,  k.  bayr.  Ministerial- 
rat a.  D.,  früher  Mitglied  des  Deutschen 
Reichstags  (lib.  Reichspartei);  *  Baben- 
hauseni.B.  i.Xl.  1820;  f  München  29.  VIII. 
—  Woche  4,  1670;  Schönfeld,  Notizbuch 
f.  Reichstagswählers  288. 

*Behrle,  Rudolf,  Dr,  theol.,  Domkapitular  in 
Freiburg  i.  Br.,  apostol.  Protonotar  u.  päpstl. 
Hausprälat,  Volksschriftsteller;  •  Herbolz- 
heim in  Baden  17.  IV.  1826;  f  Freiburg 
i.  Br.  18.  XI.  —  BJ  VII,  143  (F.  Brummer); 
Krümmers  i,  93  (mit  W);  KL  24,75  (W). 
25,  43;  Keiter-Jörg,  Kathol.  Literaturka- 
lender 6,  17;  Wienstein,  Lexikon  d.  kathol. 
deutschen  Dichter  27  (mit  W);   Theolog. 


Jahresbericht  1902,  1435  (Nestle);  Ztschr. 
f.  d.  Geschichte  d.  Oberrheins  57  (1903), 
387  (Frankhauser,  L:  K.  Mayer,  R.  B.  Ge- 
denkblatt. Freiburg  1902;  Oberrhein.  Pasto- 
ralblatt 4,  385). 

*Belcredi,  Richard  Graf  v.,  k.  u.  k.  Kämmerer, 
Geheimer  Rat,  Staatsminister  u.  vorm.  Präsi- 
dent d.  Verwaltungsgerichtshofes,  Mitglied 
d.  Herrenhauses  des  Österreich.  Reichsrats 
auf  Lebenszeit;  *  Ingrowitz  12.  IL  1823; 
t  Gmunden  2.'XII.  —  BJ  VII,  21  (Fried- 
rich Graf  Schönbom);  Gräß.  Taschenbuch 
1903,71;  S.  Hahn,  Reichsrats  -  Almanach 
f.  d.  Session  189 1/2,  13. 

Belgien :  Maria  Henriette  Königin  d.  Belgier, 
geb.  Erzherzogin  v.  Österreich:  s.  Maria 
Henriette. 

Bellini,  Amalie  (Theatemame),  Opernsän- 
gerin: s.  Hruschowsky  v.  Hruschowa, 
Amalie. 

Bender,  Ferdinand,  Dr,  theol.^  Oberhofpre- 
diger in  Darmstadt;  *  daselbst  9. VIII.  1816; 
f  ebenda  27.  V.  —  Theolog.  Jahresbericht 
22  (1902),  1435  (Nestle,  mit  L). 

Bennigsen,  Anna  Luise  Wilhelmine  v., 
geb.  v.  Reden,  Gemahlin  des  folgenden; 
*  Hastenbeck  10.  IV.  1S34;  j  Bennigsen 
12.  VII.  —  Woche  4, 1330;  Goth.  Genealog. 
Taschenbuch  d.  Adl.  Häuser  1903,  104. 

^Bennigsen,  Karl  Wilhelm  Rudolf  v.,  Po- 
litiker, Dr,  Jur,  et  med.  h.  r.,  K.  preuß. 
Wirkl.  Geheimer  Rat,  Oberpräsident  a.  D. 
u.  Mitglied  d.  Staatsrats;  *  Lüneburg 
10.  VII.  1824;  f  auf  s.  Gute  Bennigsen 
am  Deister  7.  VIII.  —  BJ  VII,  267  (Herm. 
Oncken). 

Bentheim-Tecklenburg,  Anna  Prinzessin  zu, 
geb.  Prinzessin  Reufi  j.  L. :  s.  Anna. 

Berg,  Carl  (Carlos),  Direktor  d.  Argentin. 
Nationalmuseums  in  Buenos  Aires;  *  auf 
d.  Gute  Senten  (Kurland);  f  Buenos  Aires 
19.  III.  —  111.  Ztg.  118,  391;  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  411  (Pagel);  Geo- 
graphen-Kalender I,  214  (H.  Haack); 
BZ  II,  79  (Korrespondenzblatt  d.  Natur- 
forschervereins Riga  45,  i:  G.  Schweder). 

•Berg,  Franz  Ritter  v.,  k.  bayer.  General- 
Leutnant  i,  D,\  *  Eschweilerhof  (Rhein- 
pfalz) 18.  III.  1831;  t  München  9.  VIII. 
—  BJ  VII,  109  (Lorenzen);  BZ  11,  79 
(Militärztg.   1902  Nr.  34). 

•Berger,  Julius  Viktor  v.,  Maler,  Professor 
an  d.  Akademie  d.  bildenden  Künste  in 
Wien;  ♦  Neutitschein  (Mähren)  10.  VII. 
1850;  t  Wien  17.  XL  —  BJ  VII,  152 
(H.  Schmerber). 

•Bergson,  Josef,  Dr,  med.,  Privatdozent  f. 
innere  Medizin  an  d.  Univ.  Berlin;  •  War- 
schau 9,  XI.  1812;  f  Berlin  13.  IX.  — 
BJ  VII,  130  (Pagel). 


13 


« 


Totenliste  1902:  Beringer  —  Bingner. 


14' 


Beringer,  Hans,  k.  bayer.  Telegraphenin- 
spektor a.  D.,  Gründer  d.  Berliner  Ticr- 
schutzvereins ;  f  Berlin  23.  IV.  —  Woche  4, 
784.  786.  790  (P). 

Bernatz,  Peter,  Stadtbaurat  f.  d.  Hochbau- 
wesen in  Würzburg;  *  München  1862; 
t  Würzburg  9.  I.  —  Deutsche  Bauztg.  36, 
64;  BZ  lo,  67  (^Gemeinnützige  polytechn. 
Monatsschrift   1902,   17). 

Bernatzik,  Wenzel,  Dr.,  Professor,  k.  k.  Re- 
gierungsrat, Mitglied  d.  Militär-Sanitäts- 
komitees u.  Inspektor  d.  Militär-Medika- 
mentenregie in  Wien,  Pharmakolog;  *  Te- 
schen  24.  I.  1821;  f  Wien  7.  XII.  — 
111.  Ztg.  119,  968;  Virchows  Jahresbe- 
richte 37,  I,  411  (Pagel,  mit  L:  Wiener 
Medizin.  Wochenschrift  1902,  2398);  BZ  12, 
83  (Wiener  Klin.  Wochenschrift  1093,  283 : 
A.  Vogl). 

^Bernhard,  Heinrich,  Glasmaler,  Direktor  d. 
k.  preufl.  Instituts  f.  Glasmalerei  in  Char- 
lottenburg; •  Wünschelburg  (Grafschaft 
Glatz)  22.  VTII,  1847;  t  Charlottcnburg 
2.  XI.  ~  BJ  VII,  92  (H.  Schmerbcr). 

Bernhardt,  Johann  Friedrich,  Wirkl.  (iehei- 
mer  Oberbaurat,  bis  1898  vortragender 
Rat  in  d.  Bauabteilung  d.  preufi.  Kriegs- 
ministeriums; f  8.  IX.  —  Voss.  Ztg.  1902 
Nr.  605  Beil.  8. 

Bemuth,  Julius  v.,  Professor,  Musikdirigent 
u.  Komponist,  Direktor  des  Konservatori- 
ums u.  Leiter  der  Philharmonischen  Kon- 
zerte wie  d.  Singakademie  in  Hamburg; 
•  Rees  (Rheinprov.)  8.  VIII.  1830;  f  Ham- 
burg 24.  XII.  —  Monatshefte  für  Musik- 
gesch.  35,  116  (Lüstner,  mit  L);  RiemannS 
iio;  111.  Ztg.   120,  49. 

Bethmann,  Simon  Moritz  v.,  Mitinhaber  d. 
Bankhauses  Gebr.  Bethmann  in  Frankfurt  a. 
M.;  f  Königstein  (Taunus)  5.  IX.  — 
Woche  4,   17 12. 

Betke,  Paul  Martin,  k.  preuß.  Geheimer 
Oberregierungsrat  u.  vortragender  Rat  d. 
Oberrechnungskammer;  f  Potsdam,  70 Jahre 
alt,  10. 1.  —  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  605  Beil.  8. 

Beulwitz,  Franz  Wilhelm  Ludwig  Freih.  v., 
k.  Württemberg.  Generalmajor  z.  D.  u.  Ad- 
jutant d.  Königs,  zuletzt  Kommandeur  d. 
Artillerie-Brigade;  *  Ellwangen  6.  XI. 
181 2;  f  Jeutendorf  (Niederösterreich) 
17.  XII.  —  Freiherrl.  Taschenbuch  1902, 
26.  1904,  25;  Württemberg.  Jahrbücher  f. 
Statistik  u.  Landeskunde  1902  (Hartmann, 
L:  Schwab.  Merkur  1903  Nr.  16). 

Bibl,  Rudolf,  k.  k.  Hofkapellmeister,  Kirchen- 
komponist;  •  Wien  6.  I.  1832;  f  daselbst 
2.  VIII.  —  111.  Ztg.  119,  243;  Monatshefte 
f.  Musikgesch.  35,  116  (Lüstner,  mit  L); 
Rheinhardt,  Biographien  d.Wiener  Künstler 
u.  Schriftsteller  535;  RiemannS  115. 


Bidder,  Ernst  Friedrich,  Dr.  tned,,  Gynä- 
kolog, früher  Professor  am  Hebammenin- 
stitut u.  an  d.  Gebäranstalt  d.  Kaiser!.  In- 
stituts in  St.  Petersburg;  ♦  Dorpat  19.  X. 
1839;  t  Eisenach  21.  XI.  —  111.  Ztg.  119, 
923;  Virchows  Jahresberichte  37,  I,  411 
(Pagel,  mit  L :  Petersburger  Medizin.  Wo- 
chenschrift 1902  Nr.  47:  W.  Beckmann); 
Pagel  166. 

Bielefeld,  Joseph,  k.  k.  österr.-ungar.  Konsul, 
Verlagsbuchhändler  in  Karlsruhe  (A.  Biele- 
felds Hof  buchhandlung) ;  *  daselbst  5.  VIII. 
1841;  t  ebenda  28.  VII.  —  Woche  4, 
1 43 1 ;  Börsenblatt  f.  d.  deutschen  Buch- 
handel 1902,  6017.  6024.  6044.  6070; 
Bad.  Landesztg.   1902  Juli  28  Abendblatt. 

^Bielschowsky,  Albert,  Dr,  phtl.,  Goethe- 
forscher;  *  Namslau  (Schlesien)  3.  I.  1847; 
t  Beriin  21.  X.  —  BJ  VII,  212  (G.  Klee); 
KI.  24,  106  (W).  25,  43- 

Bierstadt,  Albert,  Landschaftsmaler  in  Neu- 
york;  *  Solingen  (oder  Düsseldorf?)  7.  I. 
1830;  f  Irvington  am  Hudson  19.  II.  — 
Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  103;  111. 
Ztg.  118,  315;  Leonard,  Who's  who  in 
America  1^01/2,  91. 

Biese,  Wilhelm,  Geh.  Kommissionsrat,  Piano- 
fortefabrikant in  Berlin ;  •  Rathenow  20.  IV. 
1822;  t  Berlin  14.  XL  —  111.  Ztg.  119, 
7 So;  RiemannS  117;  Mendel  -  Reifimann, 
Musikal.  Konversations-Lexikon  2,  2;  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  116  (Lüstner, 
mit  L) ;  BZ  11,82  (Ztschr.  f.  Instrumenten- 
bau  1902,   161,  mit  P). 

Bilflnger,  Adolf  v.,  Prälat  u.  Oberhofprediger 
in  Stuttgart;  •  Roliracker  b.  Stuttgart  5.  III. 
1846;  f  Stuttgart  25.VL  —  Woche  i,  123 1 ; 
llieoiog.  Jahresbericht  22  (1902),  1435 
(Nestle,  mit  L);  Württemb.  Jahrbücher  f. 
Statistik  und  Landeskunde  1902  (Hart- 
mann, L). 

Billig,  Friedrich,  k.  Seminar-Musiklehrer  a.  D. 
in  Erfurt;  f  daselbst  26.  X.  —  Monats- 
hefte f.  Musikgesch,  35,  106  (Lüstner, 
mit  L). 

Bilse,  Benjamin,  k.  preuß.  Hofmusikdirektor; 
•Liegnitz  17.VIII.  1 816 ;  f  daselbst  13. VIL 
—  Woche  4,  1338  (P);  111.  Ztg.  Nr.  2187 
(v.  3p.  Mai  1885,  mit  P)  u.  3081  (vom 
17.  Juli  1902);  RiemannS  117;  Mendel- 
Reißmann ,  Musikal.  Konversations  -  Lexi- 
kon 2,  7;  Fetis,  Biographie  univ.  des  mu- 
siciens^  SuppUm.  1,91;  Monatshefte  f.  Mu- 
sikgesch. 35,  116  (Ivüstner,  mit  L);  BZ  11, 
82.  12,  85  (Allgem.  Musikztg.  1902  Nr.  30, 
mitP ;  Die  Musik  1903, 1, 1989 :  W.  Trappert). 

^Bingner,  Adrian,  Wirkl.  Geh.  Rat,  Senats- 
präsident am  Reichsgericht;  *  Karlsruhe 
26.  IX.  1830;  t  Leipzig  8.  V.  —  BJ  VII, 
142   (v.  Weech);    Ztschr.   f.   d.  Gesch.  d. 


15 


* 


Totenliste  1902:  Bischoff — Bonda. 


16* 


Oberrheins  57  (1903),  387  (Frankhauser, 
L:  Karlsruher  Ztg.   1902  Nr.  198). 

Bischoff,  August,  Dirigent  d.  Liederkranzes 
in  Brooklyn;  f  daselbst  18.  III.  —  Monats- 
hefte f.  Musikgesch.  35,116  (Lüstner,  mitL). 

Bischoff,  Henr}%  der  älteste  deutsche  Bankier 
in  Neüyork  (Firma:  Henry  Bischoff  and 
Co.);  *  Bfcden  bei  Bremen  9.  IX.  1827; 
f  Neuyork  6.  IIL  —  111.  Ztg.  n8,  470; 
Woche  4  Nr.  1 2  S.  VI. 

Bittner,  Alexander,  Dr.  phil.,  Chefgeolog 
d.  k.  k.  Geolog.  Reichsanstalt  in  Wien; 
♦  Friedland  (Böhmen)  16.  IIL  1850;  f  Wien 
31.  IIL  —  Leopoldina  38,  54;  Geographen- 
Kalender  I,  214  (H.  Haack);  Poggendorff  3, 
136.  4,  128  (W);  BZ  10,  71  (Verhand- 
lungen d.  k.  k.  Geolog.  Reichsanstalt  1902, 

165). 

Blacker,  Carola,  geb.  Bader,  Shakespeare- 
forscherin u.  Schriftstellerin,  Vorkämpferin 
in  d.  Frauenfrage;  *  Karlsruhe  8.  IV.  1842; 
f  Freiburg  i.  Br.  15.  IV.  —  KL  24,  116 
(W).  25,  43;  BrümmerS  i,  475;  Pataky, 
Lexikon  deutscher  Frauen  d.  Feder,  i,  74 
(W);  Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins  57 
(1903),  387  (Frankhauser,  L:  Karlsruher 
Ztg.  1902  Nr.  105;  Allgemeine  Ztg.  1902 
Beil.  91. 143);  Allgemeine  Ztg.  1903  April  i. 

Blasche,  Elsbeth,  verehel.  Meyer-Förster, 
Schriftstellerin:  s.  Meyer-Förster,  Els- 
beth. 

Bleichröder,  George  v.,  Dr.,  Teilhaber  d. 
Firma  S.  Bleichröder  in  Berlin,  Sportsmann ; 
f,  verunglückt  bei  einer  Automobilfahrt, 
auf  ScMoß  Lechenich  (Reg.-Bez.  Cöln) 
II.  VI.  —  111.  Ztg.  118,  935;  Woche  4, 
1140  (P);  Meyer,  Konversationslex.  ^  2,  46. 

Bleichrodt,  Paul,  Schriftsteller  in  Jena,  Mit- 
arbeiter d.  Voss.  Ztg. ;  f  1 5. V.  —  Voss.  Ztg. 
1903  Nr.  7  Beil.  2. 

Blochmann,  Wilhelm  Robert,  Geh.  Finanz- 
rat, Oberbürgermeister  a.  D.,  früher  Mit- 
glied d.  preuß.  Abgeordnetenhauses  (fort- 
schrittl.)  f,  79  Jahre  alt,  im  Nov.  — 
Voss.  Ztg.   1902  Nr.  609  Beil.  2. 

Blum,  Max,  plattdeutscher  Dichter  u.  Schrift- 
steller; ♦  Wokuhl  (Mecklenburg-Strelitz) 
23.  XII.  1864:  t  Berlin  6.  XL  —  111.  Ztg. 
119,  737;  KL  24,  126  (W).  25,  43;  Brüm- 
merS I,   138.  478  (mit  W). 

Blume,  Alfred,  Gesanglehrer  in  Berlin ;  f  da- 
selbst, 66  Jahre  alt,  30.  XII.  —  Monats- 
hefte f.  Musikgesch.  35,  116  (Lüstner  mit  L), 

Blumfeld,  Ferdinand  Freih.  v.,  Dr.,  k.  k. 
Geh.  Rat  u.  Sektionschef  im  Ackerbaumi- 
nisterium, verdient  um  die  Reorganisation 
d.  Domänen  Verwaltung;  f  Wien,  67  Jahre 
alt,  13.  III.  —  111.  Ztg.  118.  417;  BZ  10, 
72  (Zentralblatt  f.  d.  gesamte  Forst>*'esen 
1902,   188:  L.  Dimitz). 


Bock  und  Polach,  Karl  v.,  langjähr.  Ober- 
bürgermeister V.  Mühlheim  a.  R.;  f  29.  L 
—  Voss.  Ztg.   1903  Nr.  I  Beil.  8. 

^Bockendahl,  Johannes  Adolf  Ludwig, 
Dr.  med.f  Geheimer  Medizinalrat,  Professor 
f.  gerichtl.  Medizin  an  d.  Universität  Kiel ; 

♦  Altona  7.  XI.  1826;  f  Kiel  16.  X.  — 
BJ  VII,  88  (J.  Sass);   Leopoldina  39,  38. 

Bodenstedt,  Mathilde  v.,  geb.  Osterwal  d, 
Gattin  d.  Dichters  (als  Edlitam  von  ihm 
besungen);  f  Wiesbaden,  78  Jahre  alt, 
19.  VII.  —  IIL  Ztg.  119,  159. 

Böckmann,  Wilhelm,  Geh.  Baurat,  Architekt 
in  Berlin;  •  Elberfeld  29. 1.  1832;  f  Berlin 
22.  X.  —  IIL  Ztg.  119,  643.  699  (F.,  mit 
P);  Woche  4,  184.  1766  b.  2030  (mitP); 
Deutsche  Bauztg.  36,  556.  557  (P).  647; 
Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  103  (H.  S.); 
BZ  10,  73.  II,  85.  12,  88  (Zentralblatt  d. 
Bau  Verwaltung  1 902  Nr.  86 ;  Ztschr.  f.  Bau- 
wesen  1903,  361 :  W.  Kyllmann). 

Bodmann,  Hermann,  Vorsteher  einer  Musik- 
schule in  Breslau;  f  Bad  Reinerz  17.  VII.  — 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  116  (Lüst- 
ner, mitL);  BZ  12,  88  (Jahresbericht  der 
schles.  Gesellschaft  f.  vaterländ.  Kultur  80, 
Nekrol.  2). 

Begier,  Bernhard,  Musikdirektor  in  St  Gallen ; 
f  daselbst,  82  Jahre  alt,  29.  XIL  —  Monats- 
hefte f.  Musikgesch.  35,117  (Ltistner,  mit  L). 

Böhm  Edler  v,  Böhmersheim,  Karl,  Dr. 
med.,  k.  k.  Hofrat,  bis  1896  Direktor  des 
Allgemeinen     Krankenhauses      in     Wien; 

*  Horczovic  (Böhmen)  26.  X.  1827;  f  Wien 
28.  V.  —  Leopoldina  38,  77;  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  411  (Pagel,  mit  L: 
München.  Medizin.  Wochenschrift  1902, 
952);  Pagel  202  (mit  W);  BZ  11,  86 
(Ztschr.  d.  Österreich.  Ingenieur-  u.  Archi- 
tektenvereins 1902  Nr.  33;  Meter,  mit  P). 

Böhmer,  k.  preufl.  Generalmajor  z.  D.,  zuletzt 
Inspizient  d.  Feldartilleriematerials;  t  13. 
IX.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  I  Beil.  8. 

Böhringer,  Rudolf,  k.  sächs.  Musikdirektor, 
früher  Musiklehrer  an  d.  Fürstenschule  in 
Grimma,  geistlicher  Komponist;  f  Grimma, 
74  Jahre  alt,  i.  IIL  —  Monatshefte  f.  Mu- 
sikgesch. 35,  117  (Lüstner,  mit  L). 

Bokelberg,  Stadtbaurat  in  Hannover;  *  da- 
selbst I.  IX.  1842;  t  ebenda  8.  IL  —  Deut- 
sche Bauztg.  36,  84  (S.). 

Bonda,  Marino  Orsato  Lukas  Anton  Graf  v., 
Fideikommißherr,  k.  u.  k.  Kämmerer  und 
Oberfinanzrat  a.  D.,  mehrmals  Mitglied  d. 
Abgeordnetenhauses  d.  Österreich.  Reichs- 
rats (liberales  Zentrum);  *  Ragusa  9.  I. 
1840;  t  Wien  24.  IIL  —  III.  Ztg.  118, 
509;  Gräfl.  Taschenbuch  1903, 115;  Kürsch- 
ner, D.  Abgeordnetenhaus  des  Reichsrats 
1891,  S.  93. 


17* 


Totenliste  1902:  Bonin  —  Brockhoflf. 


18' 


Bonin,  Udo  Wilhelm  Bogislav,  k.  preuß. 
Generalmajor  z.  D.;  •  Strcsow  6.  VI.  1826; 
t  Detmold  28.  IX.  —  111.  Ztg.  119,  547; 
Goth.  Genealog.  Taschenbuch  d.  Adeligen 
Häuser  1903,  130.  989. 

Bonte)  Paula,  Landschaftsmalerin,  Mitglied 
d.  Vorstandes  d.  Vereins  Berliner  Künst- 
lerinnen; *  Magdeburg  15.  IV.  1840;  f  Ber- 
lin im  September?  —  111.  Ztg.  119,  497; 
Müller-Singer,  Allgem.  Künstlerlexikon  3  i, 
154;   D.  geistige  Deutschland  i,  72. 

Borchers,  £.,  Bergrat  a.  D.,  Erbauer  des 
Ernst  August-Stollens  zwischen  d.  Oberharz 
u.  Gittelde;  f  Goslar,  im  87.  Jahre,  23.  III. 

—  111,  Ztg.  118,  509;  BZ  10,  74  (Mit- 
teilungen aus  d. Markscheiderwesen  1902,  i). 

Born,  G.  F.  (Pseudon.),  Schriftsteller:  s. 
Füllborn,  George. 

Böttcher,  Theodor,  kais.  niss.  Staatsrat,  Ober- 
arzt am  Krankenhaus  d.  Kollegiums  d.  all- 
gemeinen Fürsorge  in  Mitau ;  •  zu  Bauske ; 
t,  im  60.  Jahre,  15.  I.  —  Virchows  Jahres- 
berichte 37,  1,411  (Pagel,  mitL:  Peters- 
burger Medizin.  Wochenschrift  1902  Nr.  4 

S.  35)- 
Bouvier,  Emil,  Senatspräsident  am  Kammer- 
gericht in  Berlin;  f»  63  Jahre  alt,   18.  VI. 

—  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3  Beil.  i. 
*Boyen,  Oskar  v.,  Historienmaler;  •  Königs- 
berg 20.  VIII.  1824;  t  Niederpöcking  am 

•Starnberger  See  6.  VIII.  —   BJ  VII,   154 

(H.  Holland). 
Bradsky,    Ottokar   v.,   k.  sächsischer   Ober- 
leutnant   a.  D.,    Luftschiffer;    verunglückt 
mit  seinem  lenkbaren  Ballon  in  Paris  13.  X. 

—  111.  Ztg.  119,  618;  Woche  4,  1942  (P); 
BZ  II,  208  (Sport  im  Bild  1902,  696; 
Wiener  Luftschifferztg.  1902,  186.  217). 

Brähmer,  Otto,  Dr,  med,,  Geheimer  Sanitäts- 
rat in  Berlin,  Vorstandsmitglied  d.  Berliner 
Ärztekammer,  verdient  um  d.  Eisenbahn- 
hygiene; *  Greifswald  I.II.  1838;  f  Berlin 
5.  VIII.  —  Pagel  226;  Virchows  Jahres- 
berichte 37,  I,  411  (Pagel,  mitL:  ÄrztL 
Sachverständigenztg.  1902  Nr.  16:  Poll- 
now;  Allgemeine  Medizin.  Zentralztg.  1902 
Nr  32:  J.  Becher;  Heilkunde,  Wien,  1902, 
383);  BZ  II,  87  (Berliner  Ärztekorrespon- 
denz 1902,  129;  Ztg.  d.  Vereins  deutscher 
Eisenbahn  Verwaltungen  1902  Nr.  65). 

Brambach,  Kaspar  Joseph,  städt.  Musik- 
direktor in  Bonn,  Komponist;  *  daselbst 
14.  VII.  1833;  t  ebenda  20.  VI.  —  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  117  (Lüstner, 
mit  L) ;  Mendel-Reiflmann,  Musikal.  Konv.- 
Lexikon  2,  166;  RiemannS  144;  Fetis, 
Biographie  univ.  des  tnusiciens  Supplcm, 
I,  122. 

Brandenburg,  Karl,  Amtsgerichtsrat  inBersen- 
brück,   Mitglied  des  deutschen  Reichstags 


(Zentrum);  •  Osnabrück  13.  V.  1834;  f  29. 
X.  —  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  609  Beil.  2; 
Woche  4,  2074  (P);  Kürschner,  Reichstag 
10,  1898— 1903,   153  (mit  P). 

Brandt,  Käthe,  Schauspielerin  (sentimentale 
Liebhaberinnen)  am  Irvingplacetheater  in 
Neuyork,  Großnichte  Richard  Wagners; 
♦  Berlin  19.  III,  1884;  t  Neuyork  12./ 13. 1. 
—  Bühne  u.  Welt  IV,  I,  536;  Monatshefte 
f.  Musikgesch.  35,  117  (Lüstner,  mit  L); 
Eisenberg,  Großes  biograph.  Lexikon  der 
deutschen  Bühne  120. 

Bratsch,  Friedrich  Wilhelm.  Dr,  med.,  k. 
bayer.  Generalarzt  a.  D. ;  f  München,  im 
71,  Jahre,  28.  X.  —  Woche  4,  2024. 

Braun,  Friedrich  Edler  v.,  k.  bayer.  Re- 
gierungs-Vizepräsident a.  D.  von  Schwaben 
und  Neuburg;  *  Erlangen  21.  VI.  1837; 
f  Augsburg  21.  XII.  —  Augsburger  Abend- 
ztg.  1902  Nr.  353.  S.  6.  II.  Nr.  355,  S.  7. 

Braun,  Joseph,  Schriftsteller,  Verfasser  von 
Textbüchern  für  Operetten  (Supp<5,  Joh. 
Strauß);  f  Wien,  62  Jahre. alt,  26.  IX. — 
111.  Ztg.  119,  547;  KL  25,  43. 

Braun,  Luise,  geb.  Stamm  (Pseudon.:  W\ 
ürban),  Witwe  des  Dichters  u.  Literar- 
historikers Jul.  W.  Braun,  stellvertretende 
Vorsitzende  d.  deutschen  Schriftstellerinnen- 
bundes, Schriftstellerin;  *  Kassel  28.  VIII. 
1848;  t  Berlin  9.  XI.  —  111.  Ztg.  119,  781 ; 
Pataky,  Lexikon  deutscher  Frauen  d.  Feder 
I,  loi. 

Braune,  Karl,  Wirkl.  Geheimer  Kriegsrat,  bis 
1898  Militärintendant  d.  IV.  Armeecorps; 
t  Friedenau  6.  VIII.  —  Voss.  Ztg.  1902 
Nr.  605  Beil.  8. 

Bremen,  Hermann  v.,  deutscher  Konsul  in 
Ancona;  f  daselbst  28.  VII.  —  Woche  4, 

1431. 

Brenner,  Ludwig  v.,  Professor,  k.  Musik- 
direktor u.  Leiter  d.  Neuen  Berliner  Sym- 
phoniekapelle in  Berlin,  Komponist;  *  Leip- 
zig 19.  IX.  1833;  t  Berlin  9.  IL  —  111. 
Ztg.  118,  272;  Monatshefte  f.  Musikgesch. 
(Lüstner,  mit  L). 

Breuning,  Gustav,  Maler  in  Graudenz ;  f  da- 
selbst, 75  Jahre  alt,  im  Dezember.  —  Jahr- 
buch d.  bildenden  Kunst  2,  103. 

Brinckmann,  Hermann  Ludwig,  Land- 
schaftsmaler in  Düsseldorf;  •  Homeburg 
b.  Stade  10.  II.  1830;  f  10.  V.  —  Jahrbuch 
der  bildenden  Kunst  2,  103;  D.  geistige 
Deutschland  i,  87  (Autobiographie). 

Brinkmann,  Otto,  Schauspieler  (Komiker, 
Charakterrollen,  Väter)  am  Hamburger  Stadt- 
theater; *  Leipzig  22.  VI.  1846;  f  in  Ham- 
burg. —  Woche  4, 1 136 ;  Flüggen,  Biograph. 
Bühnenlexikon  i,  38. 

Brockhoif,  Albert,  Journalist  in  Berlin,  Re- 
dakteur d.  Berliner  Lokalanzeigers;  f  Pots- 


19" 


Totenliste  1902:  Brück  —  Buri. 


2(/ 


dam  1. 1.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  7  Beil.  2; 
Woche  4,  48;  KL  24,  177.  25,  43. 
^Bruck,  Julius,  Dr,  med,,  Professor,  Privat- 
dozent in  der  Medizin.  Fakultät  u.  Lehrer 
am   Zahnärztl.  Institut   der  Univ.  Breslau; 

•  daselbst  6.  X.  1840;  f  ebenda  20.  W,  — 
Chronik  d.  Univ.  Breslau  17  (1902/3),  131 
(W.  Brück);  Pagel,  258;  BZ  10,  77  (Deut- 
sche Monatsschrift  f.  Zahnheilkunde  1902, 
250:  W.  Sachs;  Zahnärztl. Rundschau  1902, 
8901,  mit  P). 

Brück,  Karl  Ludwig  Freih.  v.,  k.  u.  k.  Ge- 
heimer Rat,  außerordentl.  u.  bevollmäch- 
tigter Botschafter  a.  I).  (zuletzt  beim  Quiri- 
nal  in  Rom);  •  24.  XII.  1830;  f  Schloß 
Spielfeld  (Steiermark)  9.  XI.  —  BJ  VII, 
350  (H.  Friedjung);  111.  Ztg.  119,  781;  Frei- 
herrl.  Taschenbuch  1903,  79.   1904,  895. 

Brückner,  Friedrich  VVilhelm  Ludwig,  Dr. 
med,f  Medizinalrat,  Begründer  u.  langjähr. 
Leiter  des  Museumsvereins  f.  landeskundl. 
u.  Altertumsforschungen  in  Neubranden- 
burg; •  22.  II.  1814;  f  Neubrandenburg  3. 
(oder  7.')  XIL  —  111.  Ztg.  119,  968;  Vir- 
chows  Jahresberichte  37,  I,  411  (Pagel). 

Brunhoff,  Heinrich,  Dr.  med.,  kaiserl.  Marine- 
General  oberarzt  a.  D.;  f  Kiel  20.  XI.  — 
Voss.  Ztg.  1903  Nr.  5  Beil.  10;  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  411   (Pagcl). 

Bruns,  August,  k.  Kammermusiker  a.  D.  in 
Dresden;  f  daselbst,  68  Jahre  alt,  8.  XI.  — 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  117  (LUst- 
ner,  mit  L). 

Buchheim,  Amalie,  Kustodin  d.  Sammlungen 
mecklenburg.  Altertümer  im  großhgl.  Mu- 
seum zu  Schwerin;  f  daselbst,  83  Jahre 
alt,  6.  IV.  —  111.  Ztg.  118,  547;  Woche  4, 

734.  778  (P). 
*  Buchner,    Hans    Ernst   August,  Dr.  med., 
ordentl.  Professor  d.  Hygiene  u.  Vorstand 
d.  hygien.  Instituts  an  d.  Univ.  München; 

♦  daselbst  16.  XII.  1850;  f  ebenda  5.  IV. 
—  BJ  VII,  316  (M.  Gruber);  Leopoldina 
38,  51.  55;  Pagel  270  (mit  P);  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  411  (Pagel,  mit  L: 
Münchener  Medizin.  Wochenschrift  1902 
Nr.  14  u.  20:  F.  Hueppe,  mit  P;  Heilkunde, 
Wien,  1902,  189);  Chronik  d.  Univ.  Mün- 
chen 190 1/2,  15;  BZ  10,79.  II»  9'«  '2, 
93  (Blätter  f.  Volksgesundheitspflege  1902, 
97 :  M.  Hahn;  Wiener  klin.  Rundschau  1902, 
368 :  E.  Wiener;  Münchn.  Medizin.  Wochen- 
schrift 1903,  564:  M.  Gruber;  Allgemeine 
Ztg.  1902  Nr.  265.  266 ,  u.  Vierteljahrsschrift 
für  öffentl.  Gesundheitspflege  35,  VI:  M. 
Hahn). 

^Büdinger,  Max,  Dr.phil.,  k.  k.  Hofrat,  früher 
Professor  d.  allgemeinen  Geschichte  an  d. 
Univ.  Wien;  *  Kassel  i.  IV.  1828;  f  Wien 
22.  IL  —  BJ  VII,  223  (A.  Bauer);  BZ  10, 


79.  II,  91.  12,  93  (Ztschr.  f.  d.  Österreich. 
Gymnasien  1902,  481:  A.  Dopsch;  Allge- 
meine Ztg.  1902  Beil.  Nr.  58:  K.  Fuchs; 
Österreich.  Mittelschule  1902, 363 :  S.Gorge ; 
Histor.Vierteljahrsschrift  1902, 441:  v.  Scala ; 
Mitteilungen  d.  Vereins  f.  d.  Geschichte  d. 
Deutschen  in  Böhmen  1902,  401:  J.  Jung; 
Almanach  d.  Kais.  Akad.  d.  Wissenschaften 
in  Wien  1902,  295:  O.  Redlich). 

Bühring,  Agnes,  Sängerin:  s.  Bury,  Agnes. 

Bülow,  VVilhelm  v..  Geheimer  Oberregierungs- 
rat, vortragender  Rat  der  Oberrechnungs- 
kammer; f  Berlin  22.  XII.  —  Voss.  Ztg. 
1902  Nr.  605  Beil.  8. 

Bulss,  Paul,  k.  preuß.  Kammersänger,  Mit- 
glied d.  Hofoper  in  Berlin;  *  Rittergut 
Birkholz  bei  Priegnitz  19.  XII.  1849;  j'^t- 
mesvär  (Ungarn)  auf  einer  Konzertreise 
19.  III.  —  111.  Ztg.  118,  470.  473  (A.  Ko- 
hut,  mit  P);  Woche  4  Nr.  13  S.  V  (W. 
Klatte).  S.  550  (P);  RiemannS  162;  Mendel- 
Reißmann,  Musikal.  Konversationslexikon 
2,  227;  Eisenberg,  Großes  biograph.  Lexi- 
kon d.  Deutschen  Bühne  140;  Monatshefte 
f.  Musikgesch.  35,  117    (Lüstner,   mit  L). 

*Buol  von  Berenberg,  Rudolf  Freih.  v., 
großhgl.  bad.  Kammerherr,  Oberlandesge- 
richtsrat a.  D.,  Mitglied  d.  bad.  Landtags 
u.  Deutschen  Reichstags  (Zentrum),  längere 
Zeit  Reichstagspräsident;  *  Zizenhausen 
b.  Stockach  (Baden)  24.  V.  1842;  f  Baden- 
Baden  4.  VII.  —  BJ  VII,  141  (V.  Weech); 
Woche  4,  1279  (P);  Kürschner,  Reichstag 
1893,  338  (mit  P);  Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d. 
Oberrheins  57  (1903),  387  (Frankhauser, 
L:  Bad.  Beobachter  1902  Nr.  116);  Frei- 
herr!. Taschenbuch  1903,  90. 

Burger,  Karl,  Dr.  med.,  Privatdozent  f.  in- 
nere Medizin  u.  Laryngoskopie  an  d.  Uni* 
versität  Bonn;  *  Kreuznach  2.  VIII.  1844; 
f  Bonn  14.  XI.  —  Chronik  d.  Univ.  Bonn 
28,  1902,  2  (Pelraan);  Virchows  Jahres- 
berichte 37,  I,  441  (Pagel,  mit  L). 

Bürger,  Max,  Opernsänger  (lyr.  Tenor); 
•  Leipzig  22.  VI.  1854;  f  Friedrichroda 
(Thüringen)  5.  X.  —  Flüggen,  Biograph. 
Bühnen-Lexikon  i,  41;  Monatshefte  für 
Musikgesch.  35,  117  (Lüstner,  mit  L). 

Burghart,  Hermann,  k.  preuß.  Wirkl.  Gehei- 
mer Rat  u.  Mitglied  d.  Staatsrats,  früher 
Generaldirektor  d.  direkten  Steuern;  f  Ber- 
lin, 78  Jahre  alt,  16.  XII.  —  111.  Ztg.  119, 
991;  Woche  4,  2376. 

Buri,  Maximilian  v„  Dr.Jur.,  Reichsgerichts- 
rat a.  D.,  Schriftsteller  auf  d.  Gebiete  d. 
Strafrechts;  *  Büdingen  (Hessen)  7.  III. 
1825;  f  W'iesbaden  20.  IV.  —  111.  Ztg. 
118,  663;  Brockhaus,  Konv.-Lex.  »4  3,  769 
(mit  W);  Meyer,  Konversations-Lexikon ^ 
2,  635. 


21 


Totenliste  1902:  Burkhart  —  Croy. 


22' 


Burkhart,  Albert,  Dr,  med,,  Arzt  an  d.  Zim- 
mermannschen  Naturbeilanstalt  in  Cbem- 
nitz;  f,  34  Jabre  alt,  i.  IV.  —  Virchows 
Jabresberichtc  37,  I,  411  (Pagel,  mit  L: 
Arcbiv  f.  pbysiol.  diätet.  Tberapie  4,  91 : 
Disque). 

Bury,  Agnes  (eigentlicb  Bü bring),  Gattin 
d.  Gebeimen  Justizrats  Hesse  in  Berlin, 
Gesanglebrerin  daselbst,  früber  Konzert- 
und  Btihnensängerin  (Koloratursängerin); 
♦  Berlin  28.  IV.  1831;  f  ebenda  2.  X.  — 
111.  Ztg.  119,  583;  Flüggen,  Biograpb. 
Bühnenlexikon  i,  43;  Monatshefte  f.  Mu- 
sikgesch.  35,  117  (Lüstner,  mit  L). 

Busch,  Franz  v.  (Pseudon.),  Schriftsteller: 
s.  Hirsch,  Jenny. 

^Buschmann,  Jobann  Joseph,  Dr.  ihtoL, 
Stiftspropst  in  Aachen;  *  Cöln  7.  IV.  1833; 
t  Aachen  22.  IV.  —  BJ  VII,  267  (F.  Lau- 
chert) ;  Keiter-Jörg,  Kathol.  Literaturkalen- 
der 6,  37. 

Butler  von  Clonebough  genannt  Haim- 
hausen,  Viktoria  Gräfin,  geb.  Edle  v.  Rue- 

'  dorffer,  Philantbropin  und  Vorkämpferin  f. 
Frauenrechte;  •  8.  XII.  18 10  (oder  181 1?); 
f  Haimhausen  b.  Dachau  2.  II.  —  111.  Ztg. 
118,  272;  Woche  4,  272  (P);  Pataky, 
Lexikon  deutscher  Frauen  d.  Feder  i,  119; 
Gräfl.  Taschenbuch  1903,  155. 

Büttner,  Redakteur  verschiedener  Fachzeit- 
schriften in  Berlin;  f  daselbst  im  Herbst. 
—  Woche  4,  2107,  2108  (P). 

*Buz,  Friedrich  Ritter  v.,  k.  bayer.  General 
d.  Infanterie  z.  D.;  *  München  14.  VI. 
1815;  t  daselbst  30.  VIL  —  BJ  VII,  196 
(Lorenzen);    BZ  11,  92    (Militärztg.   1902 

Nr.  33)- 

Byr,  Robert  (Pseudon.),  Romandicbter :  s. 
Bayer,  Robert  v. 

Candidus,  Harry  W.  T.,  Landschaftsmaler  in 
München;  •  Neuyork  13.  XI.  1867; 
f  München  im  Juli.  —  Jahrbuch  d.  bil- 
denden Kunst  2,  103. 

^Chavanne,  Joseph,  Dr^phiL^  Forschungs- 
reisender, Geograph  u.  Kartograph;  *  Graz 
7.  VIII.  1846;  t  Buenos  Aires  7.  XII.  — 
BJ  VII,  260  (W.  Wolkenhauer);  Geograph. 
Jahrbuch  26,  425  (W.  VVolkenhauer,  mit 
W  u.  L);  Leopoldina  39,  38  (mit  W); 
Geographen-Kalender  i,  215  (H.  Haack); 
BZ  12,  96  (Deutsche  Rundschau  f.  Geo- 
graphie u.  Statistik  1903,  278:  VV^.  Cappus, 
mit  P). 

Chlapowski,  Stanislaus  Baron,  Rittergutsbe- 
sitzer in  Szoldry  (Prov.  Posen),  früher  Mit- 
glied d.  Deutschen  Reichstags  u.  preufi. 
Landtags  (Pole) ;  *  Posen  12.  VIII.  1822; 
f  i.X.  —  Kürschner,  Reichstag  1893,  7^; 
Woche  4,  1890. 

Christ,    Johannes,    Major,    Kommandeur  d. 


3.  Deutschen  Seebataillons  in  Tsingtau; 
f  daselbst,  47  Jahre  alt,  14.  II.  —  Woche  4 
Nr.  8  S.  VII. 

Christ,  Viktor,  k.  k.  Hofmusiker,  Mitglied 
d.  Hofopernorchesters  in  Wien  (Trompete) ; 
♦  daselbst  18.  VII.  1869;  f  durch  Absturz 
von  der  Roten  Wand  30.  VII.  —  Woche  4, 
1482;  Rheinhardt,  Biographien  d.  Wiener 
Künstler  u.  Schriftsteller  i,  538;  Monats- 
hefte f.  Musikgesch.  35,  1 17  (Lüstner,  mitL). 

Clary  und  Aldringen,  Felicie  Sidonie,  geb. 
Gräfin,  Wit«'e  des  Robert  Grafen  zu  Salm- 
ReifFerscheid-Raitz:  s.  Salm  -  Reiffer- 
scheid-Raitz. 

Cldinow,  Georg,  k.  preuß.  Generalmajor  z.  D., 
zuletzt  Kommandeur  d.  Infanterie-Regiments 
Nr.  III,  auch  Militärschriftsteller;  f  16.  XII. 

—  Voss.  Ztg.   1903  Nr.  I   Beil.  8. 
Clemens,   Hippolyt,   Dr.,   Inhaber  d.  Bank- 
hauses Job.  Peter  Clemens  in  Koblenz,  be- 
kannter Finanzmann;   f  daselbst  8.  V.    — 
111.  Ztg.   118,  751. 

Commichau,  Felix,  Kunstschriftsteller,  Re- 
daktionsassistent an  d.  »Deutschen  Kunst 
u.  Dekoration«  in  Darmstadt,  früher  Ar- 
chitekt; ♦  21.  XII.  1874;  f  durch  Selbst- 
mord 23.  IX,  —  Jahrbuch  d.  bildenden 
Kunst  2,   103. 

Conrad,  G.  (Pseudon.),  dramat.  Dichter:  s. 
Georg  Prinz  v.  Preußen. 

Cornelius,  Franz,  Direktor  d.  Kolonialge- 
sellschaft f.  Deutsch  -  Südwestafrika ,  Auf- 
sichtsrat verschiedener  industrieller  Gesell- 
schaften; t  II.  XII.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  1 1  Beil.  2. 

^Crämer,  Karl  (»Crämer  von  Doos«),  Fabrik- 
besitzer in  Doos  b.  Nürnberg,  Politiker, 
Mitglied  d.  Deutschen  Reichstags  u.  bayer. 
Landtags  (fortschrittl.) ;  *  Markt  Kleinlang- 
heim (Unterfranken)  9.  XII.  18 18;  f  ^'ürn- 
berg  31.  XII.  —  BJ  VII,  198  (S.  Günther); 
Augsburger  Abendztg.   1903  Nr.  i. 

Cramer,  Moritz  Eduard,  Dr.  med,,,  Pro- 
fessor f.  Hygiene  an  d.  Universität  Heidel- 
berg; *  Solotburn  1863;  f  Heidelberg  19.  I. 

—  Pagel  355;  Virchows  Jahresberichte  37, 
I,  412  (Pagel). 

*Cramer,  Rudolf  v.,  k.  preuß.  Generalmajor 
z.  D. ;  *  Kloster  Marienstuhl  bei  Engeln 
(Kreis  Wanzleben)  27.  XIL  1818;  f  Blan- 
kenburg  am  Harz  18.  IV.  —  BJ  VII,  197 
(Lorenzen). 

Croix,  de  la:  s.  de  la  Croix. 

Crole,  E.  (Pseudon.),  Dichter  u.  Schriftsteller: 
s.  König,  B.  E. 

Croy,  Ru  d  o  1  f  Maximilian  Konstantin  Herzog 
V.,  Durchlaucht,  erbl.  Mitglied  d.  preuß. 
Herrenhauses;  *  Dülmen  (Kreis  Coesfeld, 
Westfalen)  13.  III.   1823;  f  Cannes  8.  II. 

—  Goth.  Hofkalender  1902,  117.  1903, 116. 


23' 


Totcnliste  1902:  Dahl  —  Drechsler. 


24* 


*Dahlf  Johann  Siegwald,  Landschafts-  u. 
Tiermaler;  *  Dresden  16.  VIII.  1827;  f  da- 
selbst 15.  VI.  —  BJ  VII,  151  (H.  Schmer- 
ber);  111.  Ztg.  118,  974;  Müller -Singer, 
Allgemeines  KUnstlerlexikon  3  i,  309;  Jahr- 
buch d.  bildenden  Kunst  2,   loi. 

Dähnhardt,  Johannes  Karl  Heinrich,  Dr.j'ur, 
h.  r.,  Senatspräsident  am  Reichsgericht  in 
Leipzig;  *  Garding  (Schleswig -Holstein) 
8.  III.  1836;  t  Leipzig  21.  I.  —  111.  Ztg. 
118,    86.    88    (P).    157;    Woche   4,    182. 

184  (P). 

Dameran,  Lehrerin  am  Konservatorium  d. 
Musik  in  Königsberg  i.  Fr.;  ertrunken  im 
Seebad  Kranz  im  Juli.  —  Monatshefte 
f.  Musikgesch.  35,   118    (Lüstner,   mit  L). 

Danzel,  Vizepräsident  d.  Hamburger  Bürger- 
schaft; t  12.  VIII.  —  Woche  4,   1532. 

Danzer,  Karl,  k.  bayer.  Generalmajor  z.  D., 
zuletzt  Kommandeur  d.  13.  Infanterie-Re- 
giments; f  29.  I.  —  Verordnungsblatt  d. 
bayer.  Kriegsministeriums   1902,  76. 

*Debrois  van  Bruyck,  Karl,  Komponist  u. 
Schriftsteller;  ♦  Brunn  14.  III.  1828;  fWaid- 
hofen  a.  d.  Ybbs  2.  VIII.  —  BJ  VII,  61 
(R.  M.  Werner);  RiemannS  156;  Mendel- 
Reifimann,  Musikal.  Konv.-Lexikon  3,  88; 
F^tis,  Biographie  univ.  des  musiciens  Su- 
pUm.  I,  245;  Monatshefte  f.  Musikgesch. 
35,  117  (Lüstner,  mit  L). 

De  la  Croix,  Dr.,  k.  preuß.  Wirkl.  Geheimer 
Rat,  früher  Direktor  d.  I.Abteilung  f.  d. 
Cnterrichtswesen  im  preuß.  Kultusministe- 
rium, Mitglied  d.  Staatsrates  u.  d.  Gerichts- 
hofes zur  Entscheidung  d.  Kompetenzkon- 
flikte; *  Berlin  17.  V.  1824;  f  ebenda 
8.  XII.  —  111.  Ztg.   119,  968. 

Denninghoif,  Bern.,  Ingenieur  und  Schrift- 
steller in  Wilhelmshaven;  •  Winsen  a.  L. 
26.  in.  1857;  t  München  21.  IL  —  KL 
24,  251.  25,  43. 

Deyl,  Geheimer  Oberpostrat,  Oberpostdirektor 
in  Düsseldorf;  f  Oberkassel,  54  Jahre  alt, 
Mitte  Mai.  —  V'oss.  Ztg.  1902  Nr.  605 
Beil.  8. 

Dietrich,  B.,  Komponist  von  Männerchören; 
t  Chemnitz  24.  X.  —  Monatshefte  f.  Mu- 
sikgesch. 35,   118  (Lüstner,  mit  L). 

Dietrich,  Ernst  Theodor,  Obersteuerrat  in 
Altenburg  i.  S.,  Finanzschriftsteller;  •  Ei- 
senberg (Sachs. -Altenb.)  10.  VII.  1813; 
t  Altenburg  i.  S.  20.  X.  —  KL  24,  264 
(mit  W).  25,  43. 

Diezmann,  Max,  Professor  an  den  Techn. 
Staatslehranstalten  in  Chemnitz,  literatur- 
wissenschaftlich tätig;  f  daselbst  5.  II.  — 
111.  Ztg.  118,  227. 

Diifene,  Karl,  Dr.,  Präsident  d.  Mannheimer 
Dampfschleppschiffahrtgeselischaft;'|'Mann- 
heim,  66  Jahre  alt,  22.  V.  —  Woche  4,  991. 


Dillmann,  Emil,  k.  bayer.  Generalmajor  z.  D., 
zuletzt  Direktor  des  Hauptlaboratoriums; 
t  31.  I.  —  Verordnungsblatt  d.  k.  bayer. 
Kriegsministeriums  1902,  76. 

*Dincklage,  Georg  Karl  v.,  k.  preuß.  Ge- 
neralleutnant z.  D. ;  *  Bentheim  (Hannover) 
8.  V.  1825;  t  Charlottenburg  8.  XI.  —  BJ 
VII,  232  (Lorenzen). 

Dingler,  Hermann,  Professor  d.  Botanik  an 
d.  Forstl.  Hochschule  in  Aschaffenburg; 
t,  im  56.  Jahre,  18.  XI.  —  111.  Ztg.  119, 
827. 

•Ditfürth,  Barthold  v.,  k.  preuß.  General  d. 
Infanterie  z.  D.;  *  2.  XI.  1S26;  f  Berlin 
i6./i7.  VL  —  BJ  VII,  66  (Lorenzen);  BZ 
II,  105  (Milhärztg.  1902  Nr.  26). 

Dittler,  Emil,  Bildhauer  in  München;  •Pforz- 
heim 1868;  f  München  19. 1.  —  D.  geistige 
Deutschland  i,  132;  Jahrbuch  d.  bildenden 
Kunst  I,  79.  2,  104;  BZ  10,  94  (Kunst 
u.  Handwerk  1902,  241:  G.  Habich,  mit 
Illustr.). 

Dock,  Adolf,  Dr.  jur.^  Privatdozent  f.  Staats- 
u.  Völkerrecht  an  d.  Universität  Straßburg 
i.  E.;  *  Bisch weiler;  f  daselbst  23.  V.  — 
Allgemeine    Ztg.   1902   Beil.  119    S.  368. 

Donatus,  Frank  (Pseudon.),  Schriftsteller:  s. 
Peterson,  Luise. 

•Dömberg,  Ferdinand  Ernst  Wilhelm  Karl, 
k.  preuß.  Generalleutnant  z.  D.;  •  Siegen 
10.  VIL  1833;  t  K^assel  15.^  VIII.  —  BJ 
VII,  67  (Lorenzen) ;  Freiherrl.  Taschenbuch 
1902,  146.  1903,920;  BZ  II,  106  (Militär- 
ztg.  1902  Nr.  34). 

Domblüth,  Friedrich  Karl  Johann,  Dr, 
med.f  Medizinalrat,  Hygieniker ;  *Plau  (Meck- 
lenburg) 31.  VII.  1825;  t  Frankfurt  a.  M. 
15.  (oder  14.?)  XI.  —  Ilh  Ztg.  119,  827; 
Leopoldina  39,  39  (mit  W);  Pagel  414 
(mit  W);  KL  24,  278  (mit  W).  25,  43; 
Virchows  Jahresberichte  38,  I,  413  (Pagel, 
mit  L);  BZ  11,  106  (Gesundheit  1902, 
582). 

•Drach,  Emil,  Schauspieler  (Helden),  auch 
dramat.  Dichter;  •  Heidelberg  8.  IX.  1855; 
f  in  der  Irrenanstalt  Illenau  (Baden)  5./6.  II. 
—  BJ  VII,  218  (Brummer);  Woche  4,  272 
(P);  Brummers  1,  276.  526  (mit  W);  Eisen- 
berg, Großes  biograph.  I^exikon  d.  Deut- 
schen Bühne  211;  Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d. 
Oberrheins  57  (1903),  387  (Frankhauser, 
L:  Allgemeine  Ztg.  1902  Beil.  Nr.  37); 
Bühne  u.  Welt  4,  446. 

Drechsler,  Otto,  Geheimer  Staatsrat  a.  D., 
früher  Abteilungschef  im  ftirstl.  schwarz- 
burg.  Ministerium  zu  Sondershausen  und 
langjähriger  Vorsitzender  des  Landtags  d. 
Fürstentums  Schwarzburg  -  Sondershausen ; 
f  Sondershausen  24.  XII.  —  Hl.  Ztg.  1 20, 
36;  Woche  5,  8. 


25" 


Totenliste  1902;  Driessen  —  Eisenlohr. 


2e 


Driessen,  Rudolf,  llieaterdirektor  in  Halle 
a.  S. ;  t  daselbst  im  November.  —  Monats- 
hefte f.  Musikgesch.  35,  i  iS  (Lüstner,  roitL). 

Dückher  von  Haslau,  Gustav  Adolf  Maxi- 
milian Hieronymus  Qualbert,  k.  u.  k.  Käm- 
merer u.  Feldmarschalleutnant  i.  R. ;  *  26.  IL 
183 1;  t  Salzburg  3.  IIL  —  IIL  Ztg.  118, 
391;  Freiherrl.  Taschenbuch  1902,  152. 
1904,  152. 

Dumm  1er,  Ernst,  Dr,  jur.  et  phil.^  kaiserl. 
Geheimer  Oberregierungsrat,  Vorsitzender 
d.  Zentraldirektion  d.  Afonumenta  Gertna^ 
niae  historica,  ordentl.  Mitglied  d.  Akade- 
mie der  Wissenschaften  in  Berlin,  früher 
Professor  d.  Geschichte  an  d.  Universität 
Halle;  *  Berlin  2.  I.  1830;  t  Friedrichroda 

I I.  LK.  —  111.  Ztg.  1 19,  472  (J.  P.,  mit  P) ; 
Woche  4,  1488  (P);  KL  24,  288  (W); 
25,  43;  Histor.  Vierteljahrsschrift  1902,  587 
(C.  Rodenbcrg);  Sitzungsberichte  d.  MUn- 
chener  Akademie  1903,  Phil.-Hist.  Kl.  S.  252 
(J.  Friedrich) ;  Almanach  d.  k.  Akademie  d. 
Wissenschaften  in  Wien  1902  (mit  P). 

^Dunker,  Wilhelm,  Buchhändler,  Dichter  u. 

Schriftsteller;  ♦  Hasselfelde  am  Harz  25.  XIL 

1829;  t  Stettin  3.  XIL  —  BJ  VII,  147  (F. 

Brummer);  Brummer 5  i,  529. 
Dünzberg,  Ernst,  Volksschullehrer,  lettischer 

Dichter;   f  unweit  Riga  Anfang  Mai.   — 

III.  Ztg.  118,  751. 

Dürig,  Eduard,  k.  bayer.  Generalmajor  z.  D., 
zuletzt  Kommandeur  d.  2.  Ulanenregiments; 
t  14.  IL  —  Verordnungsblatt  des  bayer. 
Kriegsministeriums  1902,  77. 

Düring,  Karoline  Wilhelmine  Franziska  v., 
Äbtissin  d.  adeligen  Stifts  Börstel,  Seniorin 
der  althannoverschen   Familie   v.  Düring; 

♦  Melle  6.  XI.  1819:  f  Börstel  2.  X.  — 
W'oche  4,  1890;  Goth.  Genealog.  Taschen- 
buch d.  Adeligen  Häuser  5,  1904,  223. 

Eberhardt,  Kantor  u.  Musiklehrer  in  Alten- 
burg i.  S.;  t  daselbst  15.  VL  —  Monats- 
hefte f.  Musikgesch.  35,118  (Lüstner,  mit  L). 

Ebermann,  Alexander  Wilhelm  Ferdinand, 
Dr,  med.,  Arzt  in  St.  Petersburg,  Urologe ; 

•  ßakaldy  (Gouvernement  Nischni-Now- 
gorod)  15.  VI  IL  1830  von  deutschen  El- 
tern; t  Zarskoje  Selo  2i.  V.  (3.  6.  n.  St.). 
—  Virchows  Jahresberichte  37,  I,  413  (Pa- 
gcl,  mitL:  Petersburger  Medizin.  Wochen- 
schrift 1902  Nr.  23:  O.  Petersen;  Zentral- 
blatt f.  d.  Krankheiten  d.  Harn-  u.  Sexual- 
organe 13  Nr.  8:  M.  Kxeps). 

Eckert,  Robert,  ehemal.  städt.  Musikdirektor 
in  Bielefeld;  f  daselbst  durch  Selbstmord 
22.  I.  —  Monatshefte  für  Musikgesch.  35, 
118  (Lüstner,  mitL). 

*Eckmann,  Otto,  Professor  am  Kunstge- 
werbemuseum in  Berlin,  Maler  u.  Dekora- 
tionskünstler;   *  Hamburg   19.  XL    1865; 


t  Badenweiler  11.  VI.  —  BJ  VII,  36  (H. 
Schmerber);  111.  Ztg.  118,  935.  940  (Aem. 
Fendler,  mit  P);  Müller-Singer  3  5,  204; 
D.  geistige  Deutschland  i,  148;  Jahrbuch 
d.  bildenden  Kunst  2,  104  (P.  Jessen).  115 
(L);  BZ  10,  96.  II,  109  (Der  Lotse  1902 
Heft  20  u.  Die  Zeit  1902  Nr.  403  u.  De- 
korative Kunst  1902,  432  mit  P:  K.  Scheff- 
1er;  Kunstchronik  1902  Nr.  30:  W.  Leisti- 
kow;  Gemeinnützige  polytechn.  Monats- 
schrift 1902,  83;  EX'librU  1902,  57:  v. 
Zur  Westen;  Dekorative  Kunst  1902,  14S 
mit  Illustr. ;  Innendekoration  1902,  207: 
H.  V.  d.  Velde ;  Deutsche  Kunst  u.  Dekora- 
tion 1902,  194:  L.  Hellmuth;  Deutsche 
Buchhandelsblätter  1902,  348;  Archiv  f. 
Buchgewerbe  1902,  309:  J.  Loubier;  Nord- 
deutsche Allgemeine  Ztg.  1902  Nr.  292: 
H.  VoUmar). 

Eder,  Leopold,  k.  u.  k.  HofpfarrkapcUmeister 
in  Wien;  •  Salingberg  18.  V.  1823;  f  Wien 
24.  VII.  —  Woche  4,  1431.  1535  (P);  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  118  (Lüstner, 
mit  L) ;  Rheinhardt,  Biographien  d.  Wiener 
Künstler  u.  Schriftsteller  i,  540. 

Eduard:  Wilhelm  August  Eduard  Prinz  v. 
Sachsen- Weimar,  Dr.Jur.,  k.  groöbritann. 
Feldmarschall,  Oberst  d.  Regiments  First 
Life  Guards;  •  Bushy  Park  bei  London 
II.  X.  1823;  f  London  16.  XI.  —  Goth. 
Hofkalender  1903,  79;  Woche  4,  2168  (P). 

Egger,  Theophil,  Schullehrer  a.  D.,  Württem- 
berg. Landtagsabgeordneter;  f  Ravensburg, 

72  Jahre  alt,  23.  VIII.  —  Woche  4,  1624; 
Württemberg.  Jahrbücher  für  Statistik  und 
Landeskunde  1902,  IV  (Hartmann,  mit  L). 

Ehlert,  Anton,  Geheimer  Justizrat;  f  Berlin, 

73  Jahre  alt,  28.  XI.  —  Woche  4,  2246. 
Ehrenhaus,   Salomon,  Dr,  med,.   Geheimer 

Sanitätsrat,  Kinderarzt  in  Berlin;  *  Fried- 
richsville  (Schlesien)  8.  I.  1835;  y  Berlin 
19.  XII.  —  Pagel  445;  Virchows  Jahres- 
berichte 37, 1,  413  (Pagel,  mit  L;  Deutsche 
Medizin.  Wochenschrift  1903  Nr.  2  u.  Ver- 
einsbeilage Nr.  7). 

Eichhorn,  Alexander,  hgl.  Musikdirektor  in 
Koburg;  f  daselbst,  70  Jahre  alt,  8.  XII.  — 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  118  (Lüst- 
ner, mit  L). 

Eirund,  Edmund,  Direktor  d.  ultramontanen 
Ztg.  »Germania«  in  Berlin;  f  daselbst  16. 
(oder  13.?)  X. —  111.  Ztg.  119,618;  Woche 
4,  1981. 

Eisenlohr,  August,  Dr,  phil.,  Honorarpro- 
fessor an  d.  Universität  Heidelberg,  Agyp- 
tolog;  *  Mannheim  6.  X.  1832;  f  Heidel- 
berg 24.  IL  —  KL  25,  43;  111.  Ztg.  118, 
341;  Oriental.  Bibliogfraphie  16,  14.  17,  15 
(L.  Scherman,  L:  Allgemeine  Ztg.  1902 
Beil.  1  Quartal,  407 ;  Sphinx  6,  39  mit  P). 


27* 


Totenliste  1902:  Eisler  —  Fenner. 


28* 


Eisler,  Anna,  geb.  Soring,  Konzertsängerin 
in  Darmstadt;  f  Halle  a.  S.,  40  Jahre  alt, 
im  November.  —  Monatshefte  f.  Musik- 
gesch.  35,  118  (Lüstner,  mit  L). 

*Elben,  Eduard,  Redakteur  u.  Teilhaber  d. 
»Schwab.  Merkur«  in  Stuttgart;  *  daselbst 
12.  IX.  1825;  t  ebenda  9.  VIII.  —  BJ  VII, 
75  (R.  Kraufi). 

Elven,  Wilhelm,  Geheimer  Justizrat,  ehemal. 
Vorsitzender  d.  Anwaltskammer  d.  Rhein- 
provinz, langjähr.  Mitglied  d.  preuß.  Abge- 
ordnetenhauses (f ortschrittl.) ;  *  Cöln  1825; 
f  ebenda  4.  I.  —  111.  Ztg.  118,  93. 

Engel,  Domdechant,  General vikar  u.  apostol. 
Protonotar  in  Fulda;  f  daselbst.  72  Jahre 
alt,  7.  IV.  —  Theolog.  Jahresbericht  22 
(1902),     1436    (Nestle);     111.    Ztg.     118, 

547- 
Engelbrecht,    Karl,  Glasmaler  in  Hamburg; 

f  daselbst  12.  II.  —  Jahrbuch  d.  bildenden 

Kunst  2,  105. 

Engelhard,  Friedrich  Wilhelm,  Bildhauer, 
früher  Professor  an  d.  Techn.  Hochschule 
in  Hannover;  *  Grünhagen  b.  Lüneburg 
9.  IX.  18 13;  f  Hannover  22.  (oder  23.?)  VI. 
—  Müller-Singer 3  i,  399;  111.  Ztg.  119,  25; 
Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  105. 

Engelhom, Friedrich,  Kommerzienrat  in  Mann- 
heim, verdient  um  dessen  Entwicklung, 
Finanzmann;  f  daselbst  11.  III.  —  111.  Ztg. 
118,  417. 

Engelmann,  Julius,  Maler  in  München;  f  da- 
selbst 3.  I.  —  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst 
2,  105. 

"^Entrefi-Fürsteneck,  Eugen  Ludwig  Gustav 
Adolf  Maria  Freih.  v.,  k.  preuO.  General- 
major z.  D. ;  *  Ludwigsburg  (Württemberg) 
23.  X.  1838;  t  Karlsbad  28.  V.  —  BJ  VII, 
255  (Lorenzen);  Freiherrl.  Taschenbuch 
1903,  167. 

*Eppler,  Christoph  Friedrich,  Lehrer  u.  Geist- 
licher, Dichter;  *  Kirchheim  a.  N.  lo.  VII. 
1822;  t  Basel  20.  XI.  —  BJ  VII,  176  (F. 
Brummer);  BrümmerS  i,  329.  541  (mit  W). 

Erfk,  M.  V.  d.  (Pseudon.),  Schriftsteller:  s. 
Merkens,  Heinrich. 

*Emst,  Georg  Eberhard,  Verleger  (Firma: 
Wilhelm  Ernst  &  Sohn)  in  Beriin;  *  da- 
selbst 4.  IV.  1852;  t  Lugano  25.  V.  —  BJ 
VII,  116  (R.  Schmidt). 

Ernst,  Karl,  /?r.  ^A£o/,,  früher  Generalsuper- 
intendent in  Wiesbaden;  f  Boppard,  68 
Jahre  .alt,  21.  XI.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3 
Beil.  I. 

Esche,  Eugen,  k.  sächs.  Kommerzienrat,  Groß- 
industrieller, Mitinhaber  d.  Wirkereifirma 
Moritz  Samuel  Esche  in  Chemnitz;  f  da- 
selbst  12.  II.  —  111.  Ztg.  118,  31$. 

*Eulenberg,  Hermann,  Dr.  Mcä.,  k.  preuß. 
Geheimer    Obermedizinalrat     a.    D.,    Hy- 


gieniker;  *  Mülheim  a.  Rh.  20.  VII.  18 14; 
t  Bonn  3.  X.  —  BJ  VII,  129  (Pagel);  Leo- 
poldina 38,  112.   39,  39;  KL  23,  32  (W). 

24.  331- 
Eulenburg,    Alexandrine    Amalie    Luise, 

verw.  Gräfin  zu,  Freiin  von  u.  zu  Hertefeld, 
Herrin  d.  Freiherrl.  v.  Hertefeldschen  Fidei- 
kommisses,  geb.  v.  Rothkirch  u.  Panthen, 
Mutter  des  deutschen  Botschafters  Philipp 
Fürsten  zu  Eulenburg;  •  Glogau  20.  VI. 
1824;  f  Meran  11.  IV.  —  Gräfl.  Taschen- 
buch  1903,  256. 

Fabrice,  Luise  Wilhelmine  Ida  Freifrau  v., 
geb.  Gräfin  v.  Schönburg-Forderglau- 
ch au;  ♦  Wechselburg  14.  VI.  1829; 
t  Schloß  Gusow  3.  IV.  —  Goth.  Hof- 
kalender 1903,  199;  Freiherrl.  Taschen- 
buch 1903,   174. 

♦Fäh,  Jakob,  /*.,  Mitglied  der  Gesellschaft 
Jesu,  Leiter  der  Jesuitenmission  in  Rio 
Grande  do  Sul  in  Brasilien;  *  Amden 
(Kant.  St  Gallen)  17.  VI.  1842;  f  Rio 
Grande  do  Sul  15.  VIL  —  BJ  VII,  293 
(F.  Lauchert);  Theolog.  Jahresbericht.  22, 
1902,  1436  (Nestle,  mit  L);  Keiter-Jörg, 
Kathol.  Literaturkalender  6,  66. 

Fehr,  Robert,  Musiklehrer  am  Seminar  in 
Angerburg  (Reg.-Bez.  Gumbinnen);  •  Al- 
brechtsdorf (Kreis  Preuß. -Eylau)  31.  X. 
1839;  t  Angerburg  i»  IX,  —  Altpreuß. 
Monatsschrift  40,  467  (Rindfleisch,  L: 
Volksschulfreund  66,  389). 

*Fehrenberg,    Hans,    Landschaftsmaler    in 

.  München;  *  Kassel  2.  XI.  1868;  f  Bremen 

27.  X.    —   BJ  VII,    237   (Ph.  Losch);  111. 

Ztg.  119,  737. 

Feilitzsch,  Karl  Matthias  Fabian  Freih.  v., 
k.  bayer.  Generalmajor,  Kommandant  der 
Festung  Germersheim;  *  4.  VI.  1844; 
f  Germersheim  18.  VI.  —  Freiherrl.  Ta- 
schenbuch  1904,  196. 

Felix  (eigentlich  Spiro),  Jean,  Opemtenor, 
zuletzt  am  Residenztheater  in  Dresden; 
f  daselbst,  40  Jahre  alt,  5.  IV.  —  Monats- 
hefte f.  Musikgeschichte  35,  ii8  (Lüstner, 
mit  L) ;  Eisenberg,  Großes  biograph.  Lexi- 
kon der  Deutschen  Bühne  251;  Flüggen, 
Biograph.  Bühnenlexikon  i,  80. 

Fellenberg -von  Bonstetten,  Edmund  v., 
Dr.,  Geolog  u.  Alpinist,  Direktor  d.  geolog.- 
mineralog.  Sammlungen  des  Naturhistor. 
Museums  in  Bern;  f  daselbst,  64  Jahre 
alt,  10.  V.  —  111.  Ztg.  n8,  777;  Leopol- 
dina 38,  97. 

Fenner,  Gottfried  Ludwig,  Geheimer  Justizrat, 
Rechtsanwalt  beim  Reichsgericht  in  Leipzig, 
früher  Mitglied  des  Deutschen  Reichstags 
(nationalliberal);  *  Hoof  b.  Kassel  2.  XII. 
1829;  t  Leipzig  5.  IV.  —  Jurist.  Wochen- 
schrift 31   (1902),   197. 


29* 


Totenliste  1902:  Fercher  von  Steinwand  —  Fränkel. 


30* 


^Fercher  von  Steinwand,  (Pseudon.),  ]3rr. 
Dichter:  s.  Kleinfercher,  Johann. 

Fernand,  Max  (Pseudon.),  Schriftsteller  und 
Dichter:  s.  Gritzner,  Maximilian. 

Femau,  Friedrich  Ernst,  Zentraldirektor  der 
Maschinenfabriks-Aktiengesellschaft  Vulkan 
in  Wien  u.  Budapest,  Mitglied  d.  Zentral- 
ausschusses des  Bundes  Österreich.  Indu- 
strieller; +  Weidlingen  b.  Wien,  58  Jahre 
alt,  27.  VIII.  —  111.  Ztg.  119,  385. 

Feuerstein,  Oswald.  langjiUir.  Kedaktions- 
mitglied  der  »Breslauer  Morgenzeitung.«; 
t  Breslau  15.  IX.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  7 
Beil.  2. 

*Ficker,  Caspar  Julius  v.,  Dr,  phil,  et  Jur., 
ordentl.  Professor  a.  D.  (für  Reichs-  und 
Rechtsgeschichte  an  der  Universität  Inns- 
bruck), Rechtshistoriker;  *  Paderborn  30.  IV. 
1826;  t  Innsbruck  lO.VIl.  —  BJ  VII,  299 
(H.  V.  Voltelini);  KL  24,  35»  (W).  25.  43; 
HZ  II,  126.  12,  126.  13,  123  (Ztschr.  d. 
Savigny- Stiftung  f.  Rechtsgcsch.  1902  Ger- 
manist. Abt.  XIV:  P.  Puntschart;  Allge- 
meine Ztg.  1902  Beil.  Nr.  293 — 295: 
J.  Jung;  Mitteilungen  d.  Instituts  f.  Öster- 
reich. Geschichtsforschung  1902,  167:  E. 
Muhlbacher;  Histor.Vierteljahrsschrift  1902, 
137:  O.  Redlich;  Nachrichten  d.  k.  Ge- 
sellsch.  d.  Wissensch.  in  Göttingen  1903 
Geschäftl.  Mitteilungen  S.  8i :  F.  FrensdorfF; 
Sitzungsberichte  der  k.  bayer.  Akad.  der 
Wissensch.  in  München  1903  phil.-hist. 
Kl.  S.  249:  J.  Friedrich;  Ztschr.  d.  Ferdi- 
nandeums  f.  Tirol  u.  Vorarlberg  3  F.  Heft  47, 
325:  Fr.  V.  Wieser). 

Finkener,  Rudolf  Heinrich,  Dr.  phil.y  Ge- 
heimer Bergrat,  Professor  f.  analyt.  Chemie 
an  d.  Bergakademie  zu  Berlin,  Leiter  des 
Laboratoriums  f.  Gesteins-  u.  Mineralanalyse 
bei  der  k.  preuß.  Geolog.  Landesanstalt; 
♦  Steinfurt  (Westfalen)  26.  III.  1834;  f  Burg- 
steinfurt 14.  IX.  —  111.  Ztg.  119,  471; 
Woche  4, 1754;  Leopold ina  39,40;  Poggen- 
dorff  3,  443;  4,  420  (mit  W);  BZ  12,, 127 
(Berichte  d.  deutschen  ehem.  Gesellschaft 
35.  4534:  H.  Toussaint). 

Finsterbusch,  Daniel  Reinhold,  Musik- 
direktor u.  emeritierter  Kantor  zu  Glauchau 
(Sachsen),  Komponist  besonders  geistl. 
Werke;  f  daselbst,  im  76.  Jahre,  15.  IX. 
—  111.  Ztg.  1 19,  471 ;  Monatshefte  f.Musik- 
gesch.  35,  119  (Lüstner,  mit  L);  BZ  11, 
126  (Musikwochc  1902  Nr.  47;  Unsere 
Heimat  1902  Nr.  20 — 22). 

Flamm,  Theodor  (Pseudon.:  Anton  Kr Upl), 
Dichter  u.  Schriftsteller;  *  Wien  14.  VII. 
1822;  j  Altlengbach  3.  X.  —  111.  Ztg.  119, 
547;  KL  24,  364  (W).  25,  43. 

Flasch,  Adam,  Dr.phil,,  ordentl.  Professor 
f.  Archäologie  an  d.  Universität  Erlangen; 


♦  Helmstadt  (Unterfranken)   21.  II.  1844; 
.    f  Erlangen  ii.  I.  —  KL  24,  364  (W).  25, 

43;  Allgemeine  Zeitung  1902  Beil.  Nr.  79 
(B.  Sauer). 

Fleiner,  Albert,  Dichter  und  Schriftsteller, 
Theater-  u.  Kunstkritiker,  früher  Redakteur 
an  d.  »Neuen  Zürcher  Ztg.«;  *  Aarau  10. 
VIIL  1859;  t  Rom  18.  (oder  17.:)  VL  — 
Voss.  Ztg.  1903  Nr.  7  Beil.  2;  Woche  4, 
1182;  KL  24,  365. 

^Florschütz,  Paul,  Wirkl.  Geheimer  Ober- 
justizrat, Oberlandesgerichtspräsident  a.  D. ; 

♦  Iserlohn  9.  L  1826;  f  Kiel  31.  X.  —  BJ 
VII,  221   (J.  Sass). 

Folticineanu,  Max  (Pseudon.  Max  Folti), 
Dr.  phil.,  Chefredakteur  d.  Ztg. :  »Dies  Blatt 
gehört  der  Hausfrau«,  früher  Redakteur  des 
»Bär«,  Feuilletonist,  Kulturhistoriker;  *  Ba- 
cau  (Rumänien)  13. 1.  1859;  f  Berlin  3.  XI. 
—  KL  24,  371  (W).  25,  43. 

Fontane,  Emilie,  Witwe  d.  Dichters  Theodor 
F.;  t  Berlin,  77  Jahre  alt,  18.  II.  —  Woche 
4  Nr.  8  S.  VII. 

Förster,  Christian,  Graphiker  u.  Illustrator, 
besonders  an  d.  Hamburger  »Reform«  tätig, 
Zeichner  hamburg.  Volkstypen ;  f  Hamburg, 
im  77.  Jahre,  6.  VIIL  —  Woche  4,  1532; 
Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  105. 

Förster,  Carl  Friedrich  Richard,  Dr,  med.. 
Geheimer  Medizinalrat,  ordentl.  Professor 
d.  Augenheilkunde  an  d.  Universität  Breslau, 
Vertreter  derselben  im  preuß.  Herrenhause; 

♦  Polnisch-Lissa  (Reg.-Bez.  Posen)  15.  XI. 
1825;  t  Breslau  7.  VU.  —  111.  Ztg.  119, 
88  (v.  R.).  90  (P);  Leopoldina  38,  98; 
Woche  4,  1338  (P);  Chronik  d.  Universität 
Breslau  17  (1902/3),  133  (W.  Uhthoff); 
Virchows  Jahresberichte  37,  I,  414  (Pagel, 
mit  L);  BZ  11,  130.  12,  130  (Archiv  f. 
Augenheilkunde  46,  109:  R.  Greeff;  Heil- 
kunde 1902,  467  u.  Jahresberichte  d.  schles. 
Gesellsch.  f.  vaterl.  Kultur  1903,  11 :  W. 
UhthofT;  Ztschr.  für  Augenheilkunde  1902, 
400:  Baer;  Berliner  klin.  Wochenschrift 
1902,  719:  O.  Meyer;  Münchn.  Medizin. 
Wochenschrift  1902,  1350:  O.  Eversbusch; 
Allgemeine  Medizin.  Zentralztg.  1902, 1064: 
H.  Cohn). 

•Franck,  Hermann,  Großindustrieller  in  Lud- 
wigsburg (Zichorienfabrik  Heinrich  Franck 
Söhne);  ♦  Vaihingen  a.  d.  Enz  27.  XII. 
1838;  t  Ludwigsburg  13.  IX.  —  BJ  VII, 
78  (R.  Krauß). 

Frank  (Pseudon.),  Romandichter:  s.  Krön  es 
Ritter  v.  Marchland,  Franz. 

Frank,  Otto,  Komponist  v.  Männerchören, 
Gesangvereinsdirigent  in  Berlin;  t  daselbst 
26.  XII.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
119  (Lüstner,  mit  L). 

Fränkel,    Albert,    Dr.  phil.,    Schriftsteller, 


31* 


Totenliste  1902:  Fraenkel  —  Fuhr. 


32* 


Mitarbeiter  an  d.  »Gartenlaube« ;  *  Dessau 
29.  VIII.  1822;  t  Leipzig  6.  IX.  —  111, 
Ztg.  119,  385;  KL  24,  373  (W).  25,  43; 
Das  literar.  Leipzig  S.  54  (mit  W). 

Fraenkel,  Moritz  Ottomar,  Dr,  med..  Ge- 
heimer Sanitätsrat,  Psychiater  in  Dessau, 
auch  Dichter;  *  2.  XI.  1814;  f  12.  X.  — 
Virchows  Jahresberichte  37,  I,  414  (Pagel, 
mit  L:  Ztschr.  f.  Ethnologie  34,  331;  All- 
gemeine Ztschr.  für  Psychiatrie  60,  298: 
Lahr;  Unser  Anhaltland  1902  Nr.  44). 

Franzen,  F.,  Direktor  d.  Hamburg-Sudameri- 
kan.  DampfschifTahrtsgesellschaft  in  Ham- 
burg; t  daselbst  23.  VII.  —  Woche  4, 1431. 

*Freiberg,  Rudolf  Ritter  v.,  k.  k.  Sektionsrat, 
unter  Graf  Taaffe  Organisator  d.  offiziösen 
Presse,  unter  Badeni  Leiter  der  Präsidial- 
kanzlei; •  Prag  23.  I.  1843;  t  Hartenstein 
b.  Krems  8.  XI.  —  BJ  VII,  350  (H.  Fried- 
jung); 111.  Ztg.  119,  781. 

Frentzel,  Johannes,  Dr,  phiLy  Professor,  Do- 
zent f.  Chemie  an  d.  Techn.  u.  Landwirt- 
schaft!. Hochschule  in  Berlin;  ♦  daselbst 
24.  VI.  1859;  t  ebenda  25.  IV.  —  Leo- 
poldina 38,78;  Poggendorff  4.453  (mitW). 

Frenzel,  F.  A.,  Dr,  phil,,  Vorstand  des  k. 
Sachs.  Hüttenlaboratoriums  zu  Freiburg  i.  S., 
Chemiker,  Mineraloge  und  Omithologe; 
f  Ende  August.  —  Leopoldina  39,  40;  BZ 
II,  132  (Omitholog.  Monatsschrift  d.  deut- 
schen Vereins  z.  Schutze  d.  Vogelwelt  1902, 
451:  C.  Hennicke;  Zentralblatt  für  Mine- 
ralogie  1902,641:  Beck). 

Frenzel,  Friedrich  Franz,  Gemeindevorsteher 
in  Wehlen  (Sachs.  Schweiz),  langjähr.  Mit- 
glied d.  Sachs.  Landtags;  f  Wehlen  28. XI. 
—  Woche  4,  2246. 

Freund,  Leopold,  Buchdruckereibesitzer  in 
Breslau,  Verleger  der  »Breslau er  Morgen- 
ztg.«;  f,  63  Jahre  alt,  11.  V.  —  Börsenbl. 
f.  d.  Deutschen  Buchhandel  1902,  4030. 

Friedel,  Johann,  Bierbrauer  u.  Gutsbesitzer 
in  Oberkonnersreuth  (Mittelfranken),  Mit- 
glied des  Distriktsrats  u.  stellvertretender 
Landrat  in  Bayreuth,  Mitglied  der  bayer. 
Abgeordnetenkammer  und  des  Deutschen 
Reichstags  (nationalliberal) ;  *  Oberkonners- 
reuth 7.  V.  1856;  t  bei  einem  Eisenbahn- 
unglück in  d.  Nähe  von  Zschortau  b.  De- 
litzsch (Prov.  Sachsen)  5.  V.  —  111.  Ztg. 
iiS,  751;  Kürschner,  Bayr.  Landtag  1893, 

93  (mit  P). 

Friedländer,  Heinrich,  Dr,  med.^  Assistent 
am  Krankenhause  Friedrichshain  in  Berlin; 
t  daselbst,  29  Jahre  alt,  21.  IX.  —  Vir- 
chows Jahresberichte  37,  I,  414  (Pagel, 
mit  L:  Allgemeine  Medizin.  Zentralztg. 
1902  Nr.  85). 

Friedländer,  Julius,  Dr,  med.,  Arzt  in  Berlin, 
auch     Philosoph.    Schriftsteller;    *    Posen 


29.  VII.  185 1 ;  t  Charlottenburg  9.  XI.  — 
Virchows  Jahresberichte  37, 1,  414  (Pagel). 

♦Friedrike  Karoline  Juliane  Herzogin  v.  An- 
halt-Bemburg,  geb.  Prinzessin  zu  Schleswig- 
Holstein  -  Sonderburg  -  Glücksburg,  Witwe 
des  Alexander  Herzogs  v.  Anhalt-Bernburg ; 
♦  Schloß  Gottorp  9.  X.  1811;  t  Alexis- 
bad  10.  VII.  —  BJ  VII,  206  (Ph.  Losch). 

Fritzsch,  Ernst  Wilhelm,  Musikverleger, 
Redakteur  des  »Musikal.  Wochenblatt«  in 
Leipzig;  *  Lützen  24.  VIII.  1840;  f  Leipzig 
14.  VIII.  —  Monatshefte  für  Musikgesch. 
35,  U9  (Lüstner,  mit  L);  KL  24,  397. 
25,43;  RiemannS  344;  Mendel-Reißmann, 
Musikal.  Konv.-Lexikon  4,  67. 

Fröbel,  Wirkl.  Geheimer  Kriegsrat,  vortra- 
gender Rat  in  d.  Verpflegungsabteilung  d. 
preuß.  Kriegsministeriums;  f  i.  X.  —  Voss. 
Ztg.   1902  Nr.  605  Beil.  8. 

Fröhlich  von  Elmbach  und  Groara,  Ludwig 
Frcih.,  k.  u.  k.  Feldzeugmeister  i.  R. ;  *  Neu- 
titschein (Mähren)  14.  II.  1823;  f  Wien 
12.  XI.  —  111.  Ztg.  119,  781;  Freiherrl. 
Taschenbuch  1903,  206.  1904,  896. 

Fuchs,  Immanuel  Lazarus,  Dr,  phtl..  Ge- 
heimer Regierungsrat,  Professor  d.  Mathe- 
matik u.  Direktor  d.  mathemat.  Seminars 
an  d.  Universität  Berlin,  ordentl.  Mitglied 
d.  k.  preuß.  Akademie  d.  Wissenschaften; 
'♦  Meschin  (Prov.  Posen)  5.  V.  1833;  f  Ber- 
lin 26.  IV.  —  Leopoldina  38,  78;  Pog- 
gendorff 3,  483.  4,  466  (W);  BZ  lo,  118. 
*i>  '33'  ^3.  '3'  (Naturwissenschaftl.  Rund- 
schau 1902,  239:  G.  W^allenberg;  Archiv 
d.  Mathematik  u.  Physik  1902,  177:  M. 
Hamburger;  Sitzungsberichte  d.  k.  bayer. 
Akademie  d.  Wissensch.  1903  math.-phys. 
Kl.  S.  512:  C.  Voit);  Chronik  der  Univ. 
Berlin   1902,  7. 

Fugger  von  Glött,  Emma  Karoline  Aloysia 
Maria  Theresia  Gräfin ;  *  Schloß  Glött  bei 
Dillingen  a.  D.  17.  VII.  1840;  t  Dillingen 
a.  D.   II.  II.   —   Goth.  Hofkalender  1903, 

— :  Hermann  Wilhelm  Klemens  Aloys  Graf, 
Priester,  Mitglied  der  Gesellschaft  Jesu, 
Philosoph,  u.  theolog.  Schriftsteller;  *  Glött 

3.  II.  1833;  f  München  16.  VI.  —  Woche 

4,  1182;  KL  24,  404  (W).  25,  44;  Goth. 
Hofkalcnder  1903,  125;  Keiter-Jürg,  Ka- 
thol.  Literaturkalender  6,  80  (W);  Wien- 
stein, Lexikon  d.  kathol.  deutschen  Dichter 
loS    (mit  W);  KL  24.  404  (W). 

*Fuhr,  Ferdinand,  Dr.  med.^  außerordentl. 
Professor  für  Chirurgie  an  der  Universität 
Gießen;  •  22.  L  1853;  f  Gießen  3.  XI. 
—  BJ  VII,  99  (Pagel);  Virchows  Jahres- 
berichte 37,  I,  413  (Pagel,  mit  L:  Mün- 
chener Medizin.  Wochenschrift  1902  Nr. 45); 
Leopoldina  39,  40. 


33* 


Totenliste  1 902 :  Fulda  —  Genschow. 


34* 


*Fulda,  Eckart,  Professor  an  d.  preufi.  Haupt- 
kadettenanstalt in  Groß-Lichterfelde  b.  Ber- 
lin, Geograph ;  *  Eckartsberga  (Thüringen) 
20.  II.  1854;  t  Berlin  28.  II.  ^  BJ  VH, 
295  (VV.  Wolkenhauer);  Geograph.  Jahr- 
buch 26,  430  (derselbe). 

♦Füllborn,  Karl  George  (Pseudon.:  G.  F. 
Born),  Buchdnickereibesitzer  in  Dresden, 
Herausgeber  d.  » Eibthal -Morgenztg.«,  Mit- 
glied d.  Dresdener  Stadtverordnetenkolle- 
giums,  auch  Schriftsteller  u.  Dichter;  *  EI- 
bing  5.  IX.  1837;  t  Dresden-Pieschen 
II.  III.  —  BJ  VII,  219  (F.  Brummer);  III. 
Ztg.  118,  417 ;  Hinrichsen,  Literar.  Deutsch- 
land* 408;  Brummer  5  i,  401  (mit  W); 
KL  24,  402  (W). 

♦Funcke,  Oskar  v.,  k.  sächs.  Generalleutnant 
a  la  siiiie  der  Armee;  *  Radeberg  4.  VI. 
1S24;  f  Dresden  25.  I.  —  BJ  VII,  112 
(Lorenzen). 

Fünfkirchen,  Franz  Klemens  Graf  v.,  Herr 
auf  Steinabrunn  u.  Neu-Rupperdorf  in  Nie- 
der-Österreich,  erbl.  Mitglied  des  Herren- 
hauses des  Österreich.  Reichsrats  (Mittel- 
partei), k.  u.  k.  Kämmerer;  *  26.  V.  1827; 
t  Graz  17.  \^  —  Goth.  Hofkalender  1903, 
286;  S.  Hahn,  Reichsrats-Almanach  1891/2, 

39. 
•Fürer,  Karl  Eduard,  protestant.  Pfarrer  u. 

geistl.  Dichter;   *  Kirchhain  bei  Marburg 

(Oberhessen)  13.  VI.  1830;  f  Haus  Rocke- 

nau  bei  Eberbach  (Baden)   17.  III.  —  BJ 

VII,  246  (F.  Brummer);  KL  24,  403  (W); 

Brummers  i,   402   (mit  W);   BZ   10,   Ii8 

(Evangel.  Kirchenztg.  1902  Nr.  13:  Wetzel). 

Fürstenberg-Herdringen,  Franz  Egon  Lud- 
wig Graf  V.,  Fideikommißherr  u.  erbl.  Mit- 
glied d.  preuß.  Herrenhauses,  Erbtruchseß 
d.  Herzogtums  Westfalen,  k.  preuß.  Ritt- 
meister a.  D.;  *  15.  VIII.  118;  t  Herd- 
ringen I.  II.  —  Woche  4,  228.  272  (P); 
Gräfl.  Taschenbuch  1903,  288. 

Fütterer,  Josef,  Dr.  med.,  angesehener  prakt. 
Arzt  in  Dingelstedt;  *  GUnteroda  2.  II. 
1839;  f  Dingelstedt  25.  VII.  —  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  4 14  (Pagel,   mit  L). 

Gagem,  Otto  Julius  Hieronymus  Freih.  v., 
k.  u.  k.  Geheimer  Rat  und  General  der 
Kavallerie  a.  D.,  Oberst-Inhaber  d.  Ulanen- 
Regiments  Nr.  12,  Kivallerie- Inspektor; 
*  Schwedt  a.  O.  23.  I.  1830;  t  Wien 
S.  VI.  —  111.  Ztg.  118,  935;  Freiherrl. 
Taschenbuch  1904,  221;  BZ  11,  135  (Mi- 
litärztg.  1902  Nr.  2i;  Armeeblatt  1902 
Nr.  24). 

Garbell,  Adolf  (Pseudon.:  Arsseni  Garbof), 
Lektor  d.  russ.  Sprache  u.  Literatur  an  d. 
Techn.  Hochschule  in  Charlottenburg,  Sla- 
vist,  i'bersetzer  u.  Lexikograph;  •  Gol- 
dingen  12.  VII.   1864;  f  Berlin  4.  XI.  — 

Bio.?r.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.    7.  Bd. 


111.  Ztg.  119,  737;  KL  24,  412  (W).  25, 
44. 

Garbof,  Arsseni  (Pseudon.),  Slavist:  s.  Gar- 
bcll,  Adolf. 

*Gassner,  Andreas,  Dr.  theol.y  päpsd.  Ehren- 
kämmerer, fürstbischöfl.  Geistl.  Rat,  früher 
Professor  f.  Pastoraltheologie  in  Salzburg, 
Kustos  d.  Kollegienkirche  daselbst;  ♦  An- 
thering  b.  Salzburg  i.  X.  18 19;  f  27.  III. 

—  BJ  VII,  266  (F.  Lauchert);  KL  24,  414 
(W) ;  Keiter-Jörg,  Kathol.  Literaturkalender 
6,  82  (mit  W). 

Gax,  Gottfried,  Österreich.  Landtagsabgeord- 
neter; t  VVaidhofen  a.  d.  Ybbs  17.  VIII.  — 
Woche  4.  1578. 

•Geertz,  Julius,  Genre-  und  Porträtmaler  in 
Braunschweig,  früher  in  Düsseldorf;  *  Ham- 
burg 21.  IV.  1837;  t  Braunschweig  21.  X. 

—  BJ  VII,  221   (J.  Sass). 

^Geiger,  Hermann,  Geheimer  päpstl.  Kämme- 
rer, Ehrendomherr  d.  Patriarchalkirche  zu 
Jerusalem  u.  Beneüziat  in  München,  Kirchen- 
historiker, auch  Verfasser  von  Reisebe- 
schreibungen u.  historischen  Erzählungen; 
*  Schwabmünchen  14.  III.  1827;^  München 
I.  XII.  —  BJ  VII,  349  (F.  Lauchert);  Keiter- 
Jörg,  Kathol.  Literaturkalender  6,  83  (mit 
W);  KL  23,  417;  VVienstein,  Lexikon  d. 
kathol.  deutschen  Dichter  112  (mit  W). 

Geissler,  Paul  Arthur  Ehregott,  Dr.  med., 
k.  sächs.  Geheimer  Regierungsrat,  Direktor 
d.  Statist.  Bureaus  im  sächs.  Ministerium  d. 
Innern;  *Gränitz  (Erzgebirge)  1832;  f  Dres- 
den 5.  II.  —  III.  Ztg.  118,  227;  BZ  12,  141 
(Ztschr.  d.  k.  preuß.  Statist.  Bureaus  1903, 
35:  E.  Blenck;  Ztschr.  f.  schweizer.  Sta- 
tistik 1903,  190). 

Geissler,  Gustav  Adolf,  Justizrat,  Beigeord- 
neter d.  Gesamtvorstandes  d.  Allgemeinen 
Deutschen  Schulvereins,  Vorstandsmitglied 
im  Ostmarken  verein,  Mitbegründer  d.  Evan- 
gel. Bundes;  f  Freiburg  i.  S.,  im  71.  Jahre, 
10.  X.  —  111.  Ztg.  119,  781. 

Gemberg,  Frau  Adine  Adja  Carlowna,  geb. 
von  Baker,  Schriftstellerin  u.  Dichterin; 
♦St.  Petersburg  28.  IV.  1860;  t  Wittenberg 

10.  VIII.  —  Woche  4,  1532;  KL  24,  422 
(W).  25,  44;  Pataky,  Lexikon  deutscher 
Frauen  d.  Feder  i,  249  (mit  W);  Brummer  5 
I,  570  (mit  W). 

Gemmel,  Friedrich  Wilhelm,  früher  protest. 
Pfarrer  in  Leunenburg  (Westpr.) ;  •  daselbst 

11.  VII.  1828;  t  Königsberg  11.  VII.  — 
Altpreuß.  Monatsschr.  40,  467  (Rindfleisch, 
L:  Evangel.  Gemeindeblatt  57,  1902,  199). 

Genschow,  Georg,  Landschaftsmaler  in 
Düsseldorf;  *  Rostock  4.  X.  1828;  f  Düssel- 
dorf 15.  VII.  —  Müller-Singer,  Allgemeines 
Künstlerlexikon 3  2,  30;  Jahrbuch  der  bil- 
denden Kunst  2,  105. 


ob 


Totenliste  1902:  Gentsch  —  Gleichauff. 


36* 


Gentsch,  Traugott,  früher  Klarinettist  im  Ge- 
wandhausorchester u.  Lehrer  am  k.  Konser- 
vatorium in  Leipzig:  *  Kehmsdorf  14.  VIII. 
1838;  f  Oetzsch  b.  Leipzig  19.  V.  —  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  119  (LUstner, 
mitL.) 

Georg:  Friedrich  Wilhelm  Georg  Ernst  Prinz 
V.  Preußen,  General  d.  Kavallerie,  Kunst- 
und  Literaturfreund,  auch  dramat.  Dichter 
(Pseudon.:  G.Conrad);  *  Düsseldorf  12.  II. 
1826;  t  Berlin  2.  V.  —  Goth.  Hof  kalender 
1903,  66;  111.  Ztg.  118,  692  (J.  P.,  mit  P); 
Woche  4,  831  (A.  V.  Loy).  841  (P);  KL 
24,  424  (W).  25,  44;  BrUmmerS  i,  423 
(mit  W);  BZ  10,  126.  11,  143.  12,  144. 
13,  140  (Daheim  1902  Nr.  39  und  Unser 
Anhaltland  1902  Nr.  20:  P.  Lindenberg; 
Hohenzollem-Jahrbuch  Bd.  6 :  M.  v.  Olfers ; 
Militärztg.  1902  Nr.  19;  Jahrbücher  d.  k. 
Akademie  gemeinnütziger  Wissenschaften 
zu  Erfurt  29,  i :  W.  Heinzelmann ;  Ebenda 
S.  151:  St.  Kekule  v.  Stradonits;  Jahrbuch 
f.  sexuelle  Zwischenstufen  5,  II,  1298). 

Gerbeck,  Wilhelm,  herzogl.  sachsen-koburg- 
goth.  Hofschauspieler  a.  D.  (Väterrollen); 
f  München,  65  Jahre  alt,  9.  IV.  —  111.  Ztg. 
118,  585;  Flüggen,  Biograph.  Bühnenlexi- 
kon  I,  loi. 

Gerber,  Karl,  Generalmajor  z.  D.,  zuletzt  Di- 
rektor d.  Artilleriewerkstatt  in  Straßburg; 
f,  73  Jahre  alt,  3.  XII.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  1  Beil.  8. 

Gerdeissen,  Fräulein,  Altistin  am  Stadtthe- 
ater zu  Ulm ;  f  München,  2 1  Jahre  alt,  im 
Oktober.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
119  (Lüstner,  mitL). 

♦Gerechter,  Siegmund,  Maler;  •  Berlin  i.  VII. 
1850;  t  Kassel  19.  IV.  —  BJ  VH,  204 
(Ph.  Losch) ;  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst 
2,  105. 

♦Gerhardt  (nicht  Gerhard),  Karl  Adolf 
Christian  Jakob,  Dr,  med,  ctjur.y  Geheimer 
Mcdizinalrat,  ordentl.  Professor  in  d.  Me- 
dizinischen Fakultät  d.  Universität  Berlin, 
Direktor  d.  zweiten  medizin.  Charite-Klinik 
daselbst,  Mitglied  d.  wissenschaftl.  Depu- 
tation f.  d.  Medizinalwesen  u.  d.  Reichs- 
Gesundheitsamts;  *  Speier  5.  V.  1833;  fauf 
seinem  Gute  Gamberg  (bad.  Kreis  Mos- 
bach) 21.  VII.  —  BJ  VII,  87  (Pagel); 
Chronik  d.  Univ.  Berlin  16  (1902),  6;  111. 
Ztg.  119,  123.  136  (mit  P);  KL  24,427 
(W).  25,44;  Pagel  594  (mitP);  Leopol- 
dina 38,  95.  98;  Woche  4,  1380  (P);  Vir- 
chows  Jahresberichte  37,  I,  415  (Pagel,  mit 
L);  BZ  II,  143.  13,  140  (Archiv  f.  Kinder- 
heilkunde 35,  160:  Baginsky;  Deutsches 
Archiv  f.  klin.  Medizin  74,  III:  F.  Müller; 
Archiv  f.  pbysikal.-diätet.  Therapie  1902, 
2X2,   mit  P;    Heilkunde    1902,  381;   Jahr- 


buch f.  Kinderheilkunde  56,  250:  Heubner; 
Therapie  der  Gegenwart  1902,  337;  Das 
rote  Kreuz  1902,  253,  mit  P;  Medizin.  Re- 
form 1902,  283:  Ch.  Lennhoff;  Berliner 
klin.  Wochenschrift  1902,  721:  E.  Grawitz, 
u.  1903,  623:  B.  Fraenkel;  Deutsche  me- 
dizin. Wochenschrift  1902,  565  u.  Tuber- 
kulosis  1902,  93  (mit  P):  E.  v.  Leyden; 
Münchener  medizin.  Wochenschrift  1902, 
1581:  F.  Martius;  Wiener  klin.  Wochen- 
schrift 1902,821:  Th.  Escherich;  Medizin. 
Woche  1902,  357:  R.  Benjamin;  Ztschr. 
f.  Tuberkulose  4,  373:  W.  Zinn). 

Gerke,  August,  v.,  kaiserl.  russ.  Geheimer 
Rat  u.  Senator,  Präsident  d.  evangel.-luther. 
Konsistoriums  in  St.  Petersburg;  f.  60  Jahre 
alt,  18.  III.  —  Woche  4  Nr.  12  S.  VI; 
Theolog.  Jahresbericht  22  (1902),  1436 
(Nestle). 

Germann,  Wilhelm,  Dr.  theoL  k.  c,  et  phil., 
herzogl.  sächs.  Kirchenrat  in  Meiningen, 
Geschichtsforscher;  *  Gardelegen  (Pom- 
mern) 4.  IV.  1840;  f  Meiningen  9.  (oder 
7.?)  n.  —  111.  Ztg.  1x8,  227;  Theolog. 
Jahresbericht  22  (1902),  1436  (Nestle,  mit 
L). 

*Gildemeister,  Otto  (Pseudon.:  Giotto), 
Dr.  phil.f  Senator  in  Bremen,  Publizist. 
Literarhistoriker  u.  Übersetzer;  *  Bremen 
13.  III.  1823;  t  ebenda  26.  VIII.  —  B| 
VII,  32  (A.  Fitger);  Hl.  Ztg.  119,  37^^ 
(J.  P.,  mit  P);  Woche  4,  1624  (P);  KL 
24,  435  (W).  25,  44;  BZ  II,  148.  12. 
148.  13,  144  (Nation  19  Nr.  48:  Alex. 
Meyer;  Ebenda  Nr.  49:  A.  Fitger;  Nieder- 
sachsen 7,  402,  mit  P;  Engl.  Studien  31, 
388:  R.  Ruete;  Die  Kultur  1902,  Sept. 
391:  Th.  Achelis;  Jahrbuch  d.  deutschen 
Shakespeare-CTCsellschaft  Bd.  39:  H.  Bult- 
haupt;  Deutsche  Monatsschrift  f.  d.  gesamte 
Leben  d.  Gegenwart  2,  Aug.  715 :  H.  Spieß; 
Weserztg.   1903,  Aug.  15). 

Gilgenheimb,  Erdmann,  Major  a.  D.,  früher 
Mitglied  des  preuß.  Abgeordnetenhauses; 
t  Weidenau,  61  Jahre  alt,  6.  XI.  —  Voss. 
Ztg.   1902  Nr.  609  Beil.  2;  Woche  4,  2 11 6. 

Gilsa,  Julius  v.,  k.  preuß.  Generalmajor  z.  D., 
zuletzt  Kommandeur  d.  24.  Feldartillerie- 
Regiments  ;  t,  74  Jahre  alt,  7.  I.  —  Voss. 
Ztg.   1903  Nr.  I   Beil.  8. 

Gimbel,  Karl,  Leutnant  a.  D.,  bedeutender 
Kunstsammler;  f  Baden-Baden  23.  V.  — 
Woche  4,  991;  BZ  II,  148  (Ztschr.  f. 
histor.  Waffenkunde  2,   391 :  R.  Forrcr). 

Giotto  (Pseudon.),  Schriftsteller:  s.  Gilde- 
meister, Otto. 

Gleichauff,  Rudolf,  \'iolinist  und  Lehrer: 
f  Mülhausen  i.  E.  im  Sept. — Monatshefte 
f.  Musikgeschichte  35,    119   (Lüstner,  mit 


37' 


Totenliste  1902:  Goeben  —  Greil. 


38* 


^Goeben,  William  v.,  General  d.  Infanterie, 
Bruder  des  Generals  Karl  August  v.  G. ; 
•  Stade  30.  VII.  i8i8;  f  Lauenstein  (Kreis 
Hameln)  19.  IV.  —  BZ  VII,  109;  111.  Ztg. 
118,  663;  BZ  II,  150  (Militärztg.  1902 
Nr.  17). 

Goldberger,  Georg,  belg.  Generalkonsul  in 
Berlin;  t  12.  VIII.  —  Woche  4,   1534. 

Goldfriedrich,  Gustav  Adolf,  k.  sächs.  Ober- 
finanzrat  u.  Kreissteuerrat  a.  D. ;  *  Dresden 
1830;  t  Leipzig  19.  III.  —  111.  Ztg.  Ii8, 
470. 

Goldschmidt,  Generalmajor  z.  D. ;  f  Schrei- 
berhau, 66  Jahre  alt.  —  Woche  4,   1624. 

^Goldschmidt,  Johannes  Friedrich,  Ge- 
neraldirektor der  Patzenhofer  Brauerei  in 
Berlin,  früher  Mitglied  d.  preufi.  Abgeord- 
netenhauses u.  Deutschen  Reichstags  (Frei- 
sinnige Vereinigung),  auch  Mitglied  der 
Kommission  f.  d.  Beratung  d.  Entwurfs  d. 
Bürgerl.  Gesetzbuchs,  Parlamentarier  und 
Volkswirt;  *  Berlin  20.  II.  1837;  t  ^^" 
rienbad  13.  VI.  —  BJ  VII,  81  (Paul  Gold- 
schmidt); KL  24,  449  (W). 

Göller,  Adolf,  ordentl.  Professor  f.  Baukon- 
struktionslehre u.  Eisenbahnhochbau  an  d. 
Techn.  Hochschule  in  Stuttgart,  Architekt; 
f  Stuttgart  12.  X.  —  111.  Ztg.  119,  618; 
Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  2,  105; 
Württemberg.  Jahrbücher  f.  Statistik  u.  Lan- 
deskunde  1902,  V  (Hartmann,  L). 

Goltz,  Anton  Friedrich  Leopold  Freih.  von 
der,  Herr  auf  Kallen  und  Tengen,  früher 
Mitglied  d.  Deutschen  Reichstags  (konser- 
vativ) ;  *  Königsberg  i.  Pr.  4.  XI.  1 828 ;  f  18. 1. 
—  111.  Ztg.  118,  157;  Woche  4,  136;  Frei- 
herrl.  Taschenbuch  1904,  259;  Schoenfeld, 
Notizbuch  f.  Reichstagswähler  5  10. 

Goltz,  Friedrich  Leopold,  Or,  med,^  ehe- 
mal, ordentl.  Professor  f.  Physiologie  u. 
Direktor  d.  physiolog.  Instituts  an  d.  Uni- 
versität Straßburg;  •  Posen  14.  VIII.  1834; 
t  Straßburg  i.  E.  4.  V.  —  111.  Ztg.  118, 
751.  823  (mit  P);  KL  24,  453  (W).  25, 
44;  Leopold.  38,  59.  79  (mit  W);  Virchows 
Jahresberichte  37.  I,  415  (Pagel,  mit  L: 
Berliner  klin.  Wochenschrift  iqo2,  479  u. 
Archiv  f.  d.  gesamte  Physiologie  94,  i : 
R.  Ewald;  Wiener  klin.  Wochenschrift  1902, 
607:  A.  Kreidl;  Journal  f.  Psychologie  u. 
Neurologie  i,  89:  Lewandowski) ;  BZ  10, 
133-  II,  150.  12,  150  (Deutsche  Medizin. 
Wochenschrift  1902,  403:  A.  Bickel,  mit 
P;  Münchener  Medizin.  Wochenschrift 
1902,  965  u,  Archiv  f.  Gesundheitspflege 
in  Elsaß-Lothringen  22,  4:  H.  Kraft). 

Golz,  Jeanne,  Konzertsängerin  in  Berlin; 
f  daselbst,  25  Jahre  alt,  i.  IV.  —  Monats- 
hefte für  Musikgesch.  35,  169  (Lüstner, 
mit  L). 


*  Gossler,  Gustav  v.,  Dr,  Iheol.,  jur.,  med, 
el  phil,  h.  c.f  Ehrenmitglied  d.  Akademie 
d.  Wissenschaften  u.  d.  Künste  in  Berlin, 
Oberpräsident  d.  Prov.  Westpreußen,  früher 
preuß.  Kultusminister;  *  Naumburg  a.  S. 
13.  IV.  1838;  t  Danzig  29.  IX.  —  BJ 
VII,  335  (VV.  Schrader);  111.  Ztg.  119,  497. 
538  (J.  N.  Weisfert,  mit  P);  Woche  4,  1845. 
1851  (P);  Altpreuß.  Monatsschrift  40,  468 
(Rindfleisch,  L);  BZ  il,  150  (Ztschr.  f.  la- 
teinlose höhere  Schulen  14,  65:  Schmitz- 
Mancy;  Körper  u.  Geist  1902,  252,  mit 
P;  Ebenda  260:  A.  Hermann;  Deutsche 
Tumztg.  1902  Nr.  44:  O.  Atzrott;  Burschen- 
schaftl.  Blätter  17,  214;  Preuß.  Lehrerztg. 
1902  Nr.  233). 

Goetschel,  Eduard  v.,  Dr,  med.,  dirigieren- 
der Arzt  d.  2.  chirurgischen  Abteilung  am 
Stadtkrankenhause  in  Riga;  *  Brest-Li- 
towsk;  t  Riga  31.  III.  —  Virchows  Jahres- 
berichte 37,  I,  415  (Pagel,  mit  L:  Peters- 
burger Medizin. Wochenschrift  1902  Nr.  14). 

Goetschel,  Georg,  Dichter  u.  Schriftsteller 
in  Görlitz;  *  Berlin  29.  IX.  1860;  f  Gör- 
litz 20.  II.   —   KL  24,  446  (W).   25,  44. 

Gottdank,  Friedrich,  früher  Schauspieler  in 
Wien;  f,  85  Jahre  alt.  —  Woche  4,  17 12. 

Götze,  Franz,  erzgebirg.  Dialektdichter,  Re- 
dakteur    des     »Sächs.    Landesanzeigers«; 

*  Chemnitz  9.  III.  1842;  f  daselbst  9.  VIII. 

—  111.  Ztg.   119,  277;  KL  25,  44. 
*Graefe,    Albert,    Vr,  med,,   Augenarzt    in 

Berlin;  *  Berlin  1860;  f  Innsbruck  auf 
d.  Reise  31.  VIIL  —  BJ  VII,  130  (Pagel); 
111.  Ztg.  1 19,  385;  Virchows  Jahresberichte 
37»  I.  415  (Pagel,  mit  L:  Berliner  Arztl. 
Korrespondenz  1902  Nr.  36;  Medizin.  Re- 
form 1902  Nr.  36:  Munter). 

Gräff,  Franz  Friedrich,  Dr.phil,,  Professor 
d.  Mineralogie  an  d.  Universität  Freiburg 
i.  B.;  ♦  Bretten  (Baden)  13.  VI.  1855; 
t  3.  XII.  —  Poggendorff  4,  523  (mit  W). 

Grand,  August,  Gründer  d.  Hofpianoforte- 
fabrik  gleichen  Namens  in  Berlin;  f  da- 
selbst, 72  Jahre  alt,  im  Februar.  —  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  119  (LUstner, 
mit  L). 

^Granderath,  Theodor,  Mitglied  d.  Gesell- 
schaft Jesu,  Kirchenhistoriker  u.  Kanonist; 

*  Giesenkirchen  (Rheinprov.)  19.  VI.  1839; 
t  Valkenberg  (Holland)  19.  III.  —  BJ  VII, 
265  (F.  Lauchert);  Keiter-Jörg,  Kathol. 
Literaturkalender  6,  92  (W). 

Grass,  Hans,  hervorragender  AlpenfUhrer  in 
d.  Berninagruppe;  f  Pontresina  Mai/Juni. 

—  111.  Ztg.   118,  935, 

*Greil,  Alois,  Genremaler  und  Illustrator  in 
Wien;  *  Linz  27.  lU.  1841 ;  f  Wien  12.  XIL 

—  BJ  VII,  149  (H.  Schmerber);  Müller- 
Singer,    Allgemeines    Künstlerlexikon  3    2, 


39' 


Totenliste  1902:  Gritzner — Habart. 


40* 


87;  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  105; 
Rheinhardt,  Biographien  d.  Wiener  Künstler 
u.  Schriftsteller  i,  58. 

*Gritzner,  Adolf  Maximilian  Ferdinand, 
(Pseudon.:  Max  Fernand),  k.  preuß. 
Geh.  Kanzleirat,  Bibliothekar  im  preuß. 
Ministerium  des  Innern,  Heraldiker,  auch 
dramat.  Dichter;  ♦  Sorau  29.  VII.  1843; 
t  Steglitz  bei  Berlin  Anfang  Juli.  —  BJ 
VII,  173  (F.  Brummer);  KL  24,  470  (W). 
25,  44;  Brummer 5  2,  45. 

Groeben,  Friedrich  Hermann  von  der,  k. 
preuß.  Generalmajor  z.  D.,  erster  Kurator 
des  Langheim -Lieper  Familienüdeikom- 
misses;  ♦  Ludwigshof  17.  II.  1828;  f  Kö- 
nigsberg i.  Pr.  27.  III.  —  111.  Ztg.  118, 
547;  Goth.  Genealog.  Taschenbuch  der 
Adeligen  Häuser  1903,  350. 

^Grosse,  Julius  Walderaar,  Dr,  phil.,  Hof- 
rat, Generalsekretär  d.  Deutschen  Schiller- 
stiftung, Diphter  u.  Schriftsteller;  *  Erfurt 
25.  IV.  1828;  t  Torbole  am  Gardasee 
9.  V.  —  BJ  VII,  314  (W.  Arminius);  KL 
24»  475  (W).  25,  44;  Hinrichsen»  469 
(mit  W);  111.  Ztg.  Ii8,  747  (L.  Salomon, 
mit  P);  Brummer  5  2,  50.  473  (mit  W); 
J.  Grosse,  Ursachen  und  Wirkungen.  Lebens- 
erinnerungen. Braunschweig  1896;  BZ  10, 
136.  II,  153.  13,  148  (Kunstwart  1902 
Heft  18,  Bühne  u.  Welt  1902,  773  u.  Die 
Gesellschaft  1902,  III,  iio:  Ad.  Bartels; 
Internationale  Literaturber.  1902,  121 :  H.  v. 
Basedow;  Heimat  1903,  Nr.  41 :  K.  Freye). 

Grün,  Klemens,  Schauspieler:  s.  Grunwald, 
Klemens. 

*Grunbeck,  Heinrich  Anton,  Abt  d.  ver- 
einigten Cistercienserstifte  Heiligenkreuz 
b.  Baden  u.  Neukloster  in  Wiener-Neustadt 
(Niederösterr.);  ♦  Wien  24.  XI.  1818; 
t  Heiligenkreuz  i.  I.  —  BJ  VII,  90  (N. 
Schlögl);  BZ  10,  136  (Cistercienserchronik 
1902,  II  i). 

Grunert,  Kurt,  Baurat  im  k.  preuß.  Mini- 
sterium d.  öffentl.  Arbeiten,  Landbauin- 
spektor, auch  Maler  und  Zeichner;  *  Kö- 
nigsberg i.  Pr.  30.  V.  1843;  t  Bcrlii^  23. 
XII.  —  Deutsche  Bauztg.  37,  15;  BZ  12, 
154  (Zentralblatt  d.  Bauvei-waltung  1903 
Nr.  2:  Hossfeld,  mit  P). 

Grünne,  Philipp  Graf  v.,  Herr  auf  Markt- 
Dobersberg,  Illenau,  Taxen  u.  Peigarten, 
k.  u.  k.  Kämmerer,  Geheimer  Rat  u.  Feld- 
zeugmeister i.  R.,  Inhaber  d.  Österreich. 
Infanterieregiments  Nr.  43,  ehemalig.  Korps- 
koramandant  in  Prag;  *  Wien  4.  XI.  1833; 
t  Markt-Dobersberg  27.  III.  —  Gräfl.  Ta- 
schenbuch 1904,  314;  111.  Ztg.  118,  509; 
BZ  II,  153  (Armeeztg.,  Wien,  1902  Nr.  14); 
Wurzbach,  Biograph.  Lexikon  des  Kaisert. 
Österreich  5,  395. 


Grunwald,  Klemens  (Bühnenname:  Klemens 
Grün),  Charakterkomiker,  zuletzt  am  Stadt- 
theater in  Frankfurt  a.  M.;  ♦  Graz  28.  V. 
1846;  t  Frankfurt  a.  M.  18.  V.  —  Eisen- 
berg, Großes  biograph.  Lexikon  d.  Deut- 
schen Bühne  359;  Flüggen,  Biograph. 
Bühnenlexikon  i,  116;  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  II  Beil.  2. 

^Gruttschreiber  (nicht  Grutschreiber),  Alex- 
ander Joseph  Adam,  k.  preuß.  General- 
major z.  D.;  *  Ratibor  3 i.V.  1849;  t  ebenda 
16.  I.  —  BJ  VII,  256  (Lorenzen);  Frei- 
herrl.  Taschenbuch  1903,  254. 

Gubser,  Robert,  schweizer.  Ingenieur;  t  Tu- 
rin, 40  Jahre  alt,  30.  X.  —  Woche  4,  2070. 

Günther,  Leopold,  ehemaliger  großherzogl. 
mecklenburg.  Oberregisseur  in  Schwerin, 
Opernsänger  (TenorbufFo)  und  Schauspieler 
(Komiker),  auch  Verf.  von  Bühnenstücken; 

♦  Berlin  18.  IV.  1825;  f  Schwerin  16. 
VIII.  —  Eisenberg,  Großes  biograph.  Lexi- 
kon der  Deutschen  Bühne  366;  111.  Ztg. 
H9.  277-  385;  Flüggen,  Biograph.  Büh- 
nenlexikon I,  118;  Brummers  2,  65  (mit 
W);  W^oche  4,  1578. 

Gusovius,  Emil  v.,  Generallandschaftsrat  auf 
Augken  b.  Wehlau,  ältestes  Mitglied  des 
Generallandschaftsdirektoriums  u.  d.  Ver- 
waltungsrats wie  d.  Kuratoriums  d.  land- 
wirtschaftl.  Darlehenskasse  in  Königsberg 
i.  Pr.;  f  24.  V.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  ii 
Beil.  2. 

Haack,  Rudolf,  Pastor,  der  erste  deutsche 
Marineprediger;  f  Greifswald,  78  Jahre 
alt.  —  Woche  4,  1624. 

Haan,  Jakob,  Ökonomierat,  früher  Besitzer 
des  Schloßgutes  in  Ebersberg  bei  Grafing 
(Oberbayern),  Mitglied  d.  bayer.  Landwirt- 
schaftsrats u.  langjähr.  Vorstand  d.  Land- 
wirtschaf tl.  Bezirk  Vereins  Ebersberg;  fKöln, 
62  Jahre  alt,  28.  II.  —  III.  Ztg.  iiS,  391. 

Haas,  Hermann  Julius,  Dr.  Jur.,  Schrift- 
steller, Begründer  d.  »Münchener  General- 
anzeiger« (jetzt  »Münchener  Zeitung«),  auch 
dramat.  Dichter;  •)•  Schloß  Röschenau erhöhe 
nächst  Zell  b.  Ebenhausen  im  Isartal  31.  VIII. 
—  Allgemeine  Ztg.  1902  Nr.  246  Mittagsbl. 
Nr.  252  Morgenblatt  2 ;  BZ  11,  154  (^Deut- 
sche Buchhandelsblätter  2,  550;  Burschen- 
schaftl.  Blätter  17,  31:  M.  Neal). 

Haasenritter,   Ewald,   Maler  und  Radierer; 

*  Kosen  6.  VII.  1871;  f  Schöneiche  bei 
Friedrichshagen  25.  VII.  —  Jahrbuch  der 
bildenden  Kunst  2,  105. 

*Habart,  Johann,  Dr,  med.^  k.  u.  k.  Ober- 
stabsarzt, Privatdozent  der  Kriegschirurgie 
an  d.  Universität  Wien;  •  Vonikow  (Böhmen) 
23.  IX.  1845;  t  Wien  19.  IV.  —  BJ  VII, 
64  (R.  R.  v.  Töply);  Leopoldina  38,  79; 
111.  Ztg.  118,  663 ;  Virchows  Jahresberichte 


41 


Totcnliste  1 902 :  Habicht  —  Harless. 


42" 


37,  I,  415  (Pagel,  mit  L:  Deutsche  Militär- 
arzt!. Ztschr.  31,  366:  J.  Steiner;  Militär- 
arzt 1902,  71:  V.  Töply;  Wiener  klinische 
Wochenschrift  1902,  452);  BZ  10,  137  (L). 
Habicht,  Viktor,  Dr,  theoL,  Generalsuperin- 
tendent der  Provinz  Oberhessen,  Prälat  d. 
evangel.  Landeskirche  d.  Großherzogtums 
Hessen  in  Darmstadt  u.  Mitglied  d.  i.hess. 
Ständekammer,  theol.  Schriftsteller;  111.  Ztg. 

118,  829;  Holtzmann-ZöpfTel,  Lexikon  f. 
Theologie  u.  Kirchenwesen*  391  (mitW); 
Perthes'  Handlexikon  f.  evangel.  Theologen 
2,  2;  Theolog.  Jahresbericht  22  (1902), 
1436  (Nestle). 

Hafner,  Heinrich,  Dr.jur.y  schweizer.  Bundes- 
richter; *  Schönenberg  27.  XII.  1838;  f  Lau- 
sanne 8.  IV.  —  111.  Ztg.  ii8,  585. 

Hagemeister,  v.,  ehemal.  Oberpräsident  der 
Prov.  Westfalen ;  f  Gut  Clausdorf  b.  Stral- 
sund 29.  (?)  IV.  —  111.  Ztg.  118,  702. 

Hagen,  Walter,  Arzt,  Musiker  u.  Komponist; 
verunglückt  in  den  Bergen,  begraben  Adel- 
boden (Schweiz)  ii.  VI.  —  Monatshefte  f. 
Musikgesch.  35,  119  (Lüstner,  mit  L);  BZ 
12,  156  (Die  Schweiz  1902,  113:  F.  Praech- 
ter-Haaf). 

Hagspiel,  Oskar,  Inhaber  d.  Pianofortefabrik 
Hagspiel  &  Cie.  in  Dresden,  ursprünglich 
Musiker  u.  Komponist;  f  Dresden,  50  Jahre 
alt,  21.  I.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch. 
35,  119  (LUstner,  mit  L). 

*Hahn,  Eugen,  Dr,  ffted,.  Geheimer  Sanitäts- 
rat, Professor,  Direktor  der  Chirurg.  Ab- 
teilung des  Stadt.  Allgemeinen  Kranken- 
hauses im  Friedrichshain  zu  Berlin;  *  Or- 
telsburg  (Ostpreußen)  7.  IV.  1841;  f  Berlin 
I.  XI.  —   BJ  VII,   128    (Pagel);   111.  Ztg. 

119.  737;  VVoche  4,  2074  (P)'  Leopoldina 
39,  40;  Pagel  679  (mit  P  u.  W);  Virchows' 
Jahresberichte  37,  I,  416  (Pagel,  mit  L: 
Berliner  Arztekorrespondenz  1902  Nr  45; 
Medizinische  VVoche  1902  Nr.  45:  Israel; 
Deutsche  Medizin.  Wochenschrift  1902  Nr. 
46:  W.  Körte,  mit  P;  Berliner  klinische 
Wochenschrift  1902  Nr.  46:  Th.  Gluck; 
Wiener  klin.  Rundschau  1902  Nr.  48;  In- 
ternationales Zentralblatt  f.  Lar}'ngologie  18 
Nr.  12:  F.  Semon);  BZ  11,  155.  12,  156 
(Deutsche  Ztschr,  f.  Chirurgie  68,  I:  Alfr. 
Neumann,  mit  P). 

Halben,  Johannes  Friedrich  Heinrich,  erster 
Lehrer  an  d.  staatl.  Bildungsanstalten  für 
Lehrer  in  Hamburg,  erster  Vizepräsident  d. 
Bürgerschaft  daselbst,  Mitglied  d.  dortigen 
Oberschulbehörde,  früher  auch  (1884—87) 
Mitglied  d.  Deutschen  Reichstags  (fortschr.) ; 
*  Lübeck  13.  III.  1839;  t  Hamburg  19.  IL 
—  111.  Ztg.  118,  315;  Schönfeld,  Notizbuch 
f.  Reichstags  Wähler  5  152. 

Haller,    Albert,    Dr.   med,,    Staatsrat   Stadt- 


physikus  in  Reval;  *Pawlowsk9.  III.  1828. 
—  Virchows  Jahresberichte  37,  I,  416  (Pa- 
gel, mit  L:  Petersburger  Medizin.  W^ochen- 
schrift  1902  Nr.  27). 

Hammer,  Karl,  VVirkl.  Geheimer  Kriegsrat, 
früher  Abteilungschef  im  preuß.  Kriegs- 
ministerium, Departement  für  Invaliden- 
wesen; f,  77  Jahre  alt,  3.  IX.  —  Voss.  Ztg. 
1902  Nr.  605  Beil.  8. 

Hammerstein,  Ernst  August  Freih.  v.,  k. 
hannover.  Hauptmann  a.  D.,  Mitglied  des 
Deutschen  Reichstags  (Weife);  *  Hasede 
17.  VIII.  1839;  t  Thärsgarten  bei  Celle 
16.  II.  —  III.  Ztg.  118,  272;  Freiherrliches 
Taschenbuch  1904, 298;  Kürschner,  Reichs- 
tag 10  (1898/1903),   164  (mit  P). 

Hanau:  Wilhelm  Fürst  v.  Hanau  u.  zu  Horo- 
witz,  Graf  v.  Schaumburg,  Durchlaucht, 
vormal.  kurhess.  Major  u.  k.  k.  Major  i.  E. 
d.  Österreich.  Landwehr-Ulanen-Regiments 
Nr.  6,  Sohn  d.  Kurfürsten  Friedrich  Wil- 
helm I.  v.  Hessen;  *  Kassel  19.  XII.  1836; 
f  Hofowitz   3.  II.   —    Goth.  Hofkalender 

1903,  332. 

Hanekam,  Wilhelm,  Musikdirektor,  Gesang- 
lehrer an  d.  Dreikönigsschule  in  Dresden ; 
t  daselbst  10.  II.  —  Monatshefte  f.  Musik- 
gesch. 35,  119  (Lüstner,  mit  L). 

Hänel,  Adolf  v.,  k.  Württemberg.  Baudirektor, 
früher  Professor  f.  Brückenbau  an  d.  Techn. 
Hochschule  in  Stuttgart;  f  daselbst,  77  Jahre 
alt,  4.  II. —  Deutsche  Bauztg.  36,  79. 

Hansen,  Peter,  Dr.  med.,  Direktor  der  Pro- 
vinzial-Irrenanstalt  in  Schleswig;  *  Kappeln 
1840;  t  Schleswig  9.  III.  —  Allgemeine 
Zeitschrift  f.  Psychiatrie  59,  586  (Adler); 
Alberti,  Lexikon  der  Schleswig-Holstein- 
Lauenburg.  Schriftsteller  1829/66;  i,  309. 
1866/82:  I,  248  (W). 

Hantelmann,  Konrad,  k.  preuß.  Geheimer 
Justizrat,  Oberlandesgerichtsrat  a.  D.,  früher 
Mitglied  des  preuß.  Abgeordnetenhauses; 
f  24.  IV.  —  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  609  Beil.  2. 

*Häpe,  Hugo,  k.  sächs.  Geheimer  Rat  a.  D., 
Kommissar  d.  kgl.  Stenograph.  Instituts  in 
Dresden;  ♦  Ebersdorf  (Reuss  j.  L.)  23.  V. 
1818;  t  Dresden  8.  X.  —  BJ  VH,  248  (R. 
Fuchs);  BZ  li,  157  (Korrespondenzblatt. 
Amtl.  Ztschr.  d.  k.  stenogr.  Inst,  zu  Dresden 
1902,  282). 

Harflf,  Karl,  VVirkl.  Geheimer  Oberregierungs- 
rat im  Ministerium  für  Elsaß-Lothringen, 
verdient  um  d.  Deutschtum  in  d.  Reichs- 
landen; f  Straßburg  i.  E.,  62  Jahre  alt, 
25.  VIII.  —  IlL  Ztg.  119,385- 

Harless,  Waldemar,  Geheimer  Archivrat, 
Staatsarchivar  a.  D.,  früher  Vorstand  des 
Staatsarchivs  zu  Düsseldorf;  *  im  März  1828 ; 
1 4.  VI.  —  Ztschr.  d.  Bergischen  Geschichts- 
vereins 36,  I  (O.  Redlich). 


43" 


Totenliste  1 902 :  Harrassowitz  —  Heinefetter. 


44' 


Harrassowitz,  Georg,  früher  Präsident  des 
Landgerichts  in  Insterburg;  f  9.  X.  — 
Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3  Beil.  i. 

^Hartmann,  Ludwig,  Landschafts-  u.  Tier- 
maler in  München,  Ehrenmitglied  der  k. 
bayerischen  Akademie  d.  Wissenschaften; 

*  München  15.  X.  1835;  f  daselbst  20.  X. 

—  BJ  VII,  155  (H.  Holland);  Jahrbuch  d. 
bildenden  Kunst  2, 105 ;  D.  geistige  Deutsch- 
land I,  269. 

•Hartmeyer,  Heinrich  Emil,  Verleger  und 
Chefredakteur  d.  »Hamburger  Nachrichten« ; 

*  Hamburg  9.  VL  1820;   f  ebenda  11.  II. 

—  BJ  VII,  202  (J.  Sass). 

Hase,  Konrad  Wilhelm,  Geheimer  Re- 
gierungs-  u.  Baurat,  Professor  f.  Architektur 
an  der  Techn.  Hochschule  in  Hannover, 
Konsistorialbaumeister  a.  D.,  Ehrenmitglied 
der  Akademie  der  Künste  in  Berlin  u.  der 
Akademie  der  bildenden  Künste  in  Wien, 
Architekt;  *  Einbeck  2.  X.  i8i8;  f  Hanno- 
ver 28.  III.  --  111.  Ztg.  118,  547  u.  Nr. 
2893  (1898  Dezember  8,  mit  P);  Jahrbuch 
d.  bildenden  Künste  2,  105;  Deutsche  Bau- 
ztg.  36,  172.  261  (mitP);  Woche  4,  638 
(P);  Müller-Singer,  Allgemeines  Künstler- 
lexikon 3  2,  136;  D.  geistige  Deutschland 
I,  270;  BZ  10,  141  (Zentralblatt  der  Bau- 
verwaltung 1902  Nr.  27:  K.  Mohrmann, 
mit  P ;  Hannoversche  Geschichtsblätter  1 902, 
193:  K.  Mohrmann). 

Hasse,  Gustav,  Dr.,  Chefredakteur  d.  »Deut- 
schen Hutmacherztg.«  in  Berlin.  —  Voss. 
Ztg.  1903  Nr.  7  Beil.  2. 

Hasse,  Karl  Ewald,  Dr.  med,,  früher  Pro- 
fessor f.  spezielle  Pathologie  an  d.  Univer- 
sität Göttingen;  *  Dresden  23.  VI.  18 10; 
t  Hannover  26.  IX.  —  111.  Ztg.  119,  547; 
Pagel  694  (mit  P);  K.  E.  Hasse,  Erinne- 
rungen aus  meinem  Leben.  2.  Aufl.  Leipz. 
1902.  Mit  P;  BZ  II,  159.  12,  160  (Mo- 
natsschrift f.  Gesundheitspflege  1902,  641: 
W.  Meyer;  Vierteljahrsschrift  d.  naturforsch. 
Gesellschaft  in  Zürich  1903, 451);  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  416  (Korrespondenz- 
blatt f.  Schweizer  Ärzte  1902  Nr.  20). 

*Hassenstein,  Bruno,  Dr,  phil,  h.  r.,  Karto- 
graph, Mitarbeiter  der  Geograph.  Anstalt 
von  Justus  Perthes  in  Gotha;  *  Ruhla  23.  XI. 
1839;  t  Gotha  27.  VIII.  —  BJ  VII,  29  (F. 
Ratzel);  111.  Ztg.  119,  371  (mit  P);  Leo- 
poldina 38,  107;  KL  24,  527  (W).  25,44; 
Geograph.  Jahrbuch  26,  431  (W.  Wolken- 
hauer, mitL:  Petermanns  Mitteilungen  1902 
Heft  12:  F.  Ratzel;  Deutsche  Rundschau  f. 
Geographie  25,  85  mit  P);  BZ  11,  159  (L). 

Hauser,  Walter,  Mitglied  d.  eidgenöss.  Bun- 
desrats, Leiter  d.  Militärdepartements,  auch 
im  eidgenöss.  Ständerat;  *  Wädensweil 
1837;  f  Bern  22.  X.  —  111.  Ztg.  119,  643; 


Woche   4,    1981    (P);    BZ  II,    159    (Die 
Schweiz  1902,  537,  mit  P). 

Hebra,  Hans  Ritter  v.,  Dr,  med,  et  chir.^ 
Professor  f.  Dermatologie  an  d.  Univer- 
sität Wien,  Dirigent  d.  Abteilung  f.  Haut- 
krankheiten am  Wiedener  Krankenhaus,  Mit- 
glied d.  Wiener  Gemeinderats,  Präsident 
des  Österreich.  Vereins  gegen  die  Trunk- 
sucht; *  Wien  24.  V.  1847;  t  ebenda 
13.  IV.  —  Pagel  700;  Leopoldina  38,  56; 
KL  24,  536.  25,  44;  BZ  10,  143  (Archiv 
für  Dermatologie  und  Syphilis  60,  XVII: 
K.  Ulimann;  Wiener  klin.  Rundschau  1902, 
367;  Wiener  klin.  Wochenschrift  1902, 
451:  E.  Lang);  Virchows  Jahresberichte 
37,  I,  416  (Pagel,  mit  L:  yournal  of 
cutaneous  and  genitO'-urinary  diseases  20 
Nr.  238). 

Hecke,  Oskar,  Dr.  med.,  Sanitätsrat,  Ohren- 
arzt in  Breslau;  ♦  1843;  f  ii.  IX.  — 
Virchows  Jahresberichte  37,  I,  416  (Pagel, 
mit  L:  Ztschr.  f.  Ohrenheilkunde  42,  112); 
BZ  12,  161  (Jahresberichte  d.schles.  Gesell- 
schaft f.  Vaterland.  Kultur  80,  Nekrolog  7). 

Hegler,  Alfred,  Dr.  theoL  et  phil.,  Professor 
für  Kirchengeschichte  an  der  Universität 
Tübingen;  •  Stuttgart  6.  XL  1863;  t  Tü- 
bingen 4.  XII.  —  111.  Ztg.  1 19,  968;  KL  24, 
541  (W).  25,  44;  Theolog.  Jahresbericht 
22  (1902),  1437  (Nestle,  mit  L);  BZ  12, 
163  (Protestantenblatt  1903  Nr.  i:  J.  Gme- 
lin);  W^ürttemberg.  Jahrbücher  f.  Statistik 
u.  L<indeskunde  1902,  V  (Hartmann,  L). 

Hegnenberg-Dux,  Lothar  Graf  v.,  Herr  auf 
Hofhegnenberg  b.  Brück  in  Oberbayem, 
k.  bayer.  Kämmerer  u.  Major  d.  Landwehr- 
Infanterie  I.  Aufgebots,  zweiter  Präsident 
d.  bayer.  Veteranen-,  Krieger-  u.  Kampf- 
genossenbundes, d.  letzte  männliche  Sproß 
seines  Hauses;  *  3.  VIII.  1847;  t  Hof- 
hegnenberg 6.  IX.  —  111.  Ztg.  119,  423; 
Gräfl.  Taschenbuch   1903,  345. 

Heidkamp,  Peter,  Opernsänger  (Bassist)  am 
Stadttheater  in  Köln  (von  1902  ab  f.  d. 
Münchener  Hofoper  engagiert);  *  Mühl- 
heim a.  R.  13.  X.  1865;  f  Bonn  9.  (oder 
19..*)  VI.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch. 
35,  119  (Lüstner,  mit  L);  Eisenberg, 
Großes  biograph.  Lexikon  der  Deutschen 
Bühne  408. 

^Heindl,  Franz,  k.  k.  Hofrat,  Stellvertreter 
d.  Generalinspektors  d.  Österreich.  Eisen- 
bahn, Ingenieur;  *  Aspang  a.  d.  Zava  (Nie- 
derösterr.)  8.  II.  1837;  t  Wien  28.  XI.  — 
BJ  VII,  210  (A.  Birk);  BZ  ii,  162  (Öster- 
reich. Eisenbahnztg.   1902,  400). 

Heinefetter,  Johann  Baptist,  Schlachten-  u. 
Landschaftsmaler;  *  Mainz  181 5.  —  Müller- 
Singer,  Allgemeines  Künstlerlexikon  3  2, 
151;  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  106. 


4:) 


Totenliste  1902:  Heinemann  —  Herrnheiser. 


46* 


^Heinemann,  David,  Kunsthändler  in  Mün- 
chen, früher  auch  Maler;  *  Schlipsheim 
(Schwaben)  11.  VII.  18 19;  f  München 
I.  III.  —  BJ  VII,  159  (H.  Holland). 

Heinemann,  Maria,  geb.  Remond,  chemal. 
Opemsängerin :  s.  Remond,  Maria. 

Heinrich  XXII.  Älterer  Linie,  souveräner  Fürst 
Reuß,  Graf  u.  Herr  v.  Plauen,  Herr  zu  Greiz 
etc.,  k.  preuß.  General  d.  Infanterie;  *  Greiz 
28.  III.  1846;  t  daselbst  19.  IV.  —  Goth. 
Hofkalender  1902,  68.  1903,  68;  III.  Ztg. 
118,  610  (J.  P.,   mit  P).   623;    Woche  4, 

736  (P). 

Heinrich,  Karl  August  Hermann,  Prinz  zu 
Waldeck  u.  Pyrmont,  k.  preuß.  Major  ä  la 
siitte  d.  Armee;  *  Mengeringhausen  20.  V. 
1844;  f  Wiesbaden  12.  XI.  —  111.  Ztg.  119, 
781 ;  Goth.  Hof  kalender  1902,  97.  1903,  97. 

Heinssen,  Wilhelm,  deutscher  Konsul  in 
Puerto  Plata  (Dominikan.  Republik);  t  da- 
selbst 4.  VII.  —  Woche  4,  1279;  Goth. 
Hofkalender  1902,  658. 

Heise,  Johannes,  Glasmaler  u.  Illustrator  in 
Berlin;  *  Köthen;  t  durch  Selbstmord  3. 
XII.  —  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2, 106. 

Heising,  Kaspar,  Maler  und  Konservator  der 
städt  Gemäldesammlung  in  Koblenz;  t  da- 
selbst 26.  XI.  —  Jahrbuch  der  bildenden 
Kunst  2,  106. 

Heibig,  Johann  Wilhelm,  emeritierter  Dom- 
organist; t  Leipzig,  69  Jahre  alt,  i.V.  — 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  120  (LUst- 
ner,  mit  L). 

^Heldreich,  Theodor  Heinrich  Hermann, 
/?r.,  Professor  d.  Botanik  u.  Direktor  des 
Botan.  Gartens  in  Athen;  *  Dresden  3.  III. 
1822;  t  Athen  7.  IX.  —  BJ  VII,  29*5  (VV. 
Wolkenhauer);  Leopoldina  38,  104;  Woche 
4,  452  (P);  Geograph.  Jahrbuch  26,  432 
(W.  Wolkenhauer,  mit  L);  BZ  10,  295 
(Deutsche  botan.  Monatsschrift  1902,  33: 
G.  Leimbach,  mit  P). 

Hellen,  Karl  von  der,  Landschaftsmaler  in 
Düsseldorf;  *  Bremen  10.  V.  1843;  t  Düssel- 
dorf II.  IV.  —  Müller-Singer,  Allgemeines 
Künstlerlexikon 3  2,  153;  111.  Ztg.  118,  623; 
Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  106;  F.  v. 
Bütticher,  Malerwerke  d.  19.  Jahrhunderts 
I,  468. 

Heller,  August,  ordentl.  Mitglied  und  Ober- 
bibliothekar d.  Ungar.  Akademie  d.  Wissen- 
schaften, Physiker,  Historiker  seiner  Wissen- 
schaft; *  Budapest  6.  VIII.  1843;  f  daselbst 
4.  IX.  —  Leopoldina  38,  107  (mit  W); 
Poggendorff  3,  608.  4,  609  (W);  BZ  11, 
163.  12,  164  (Allgemeine  Ztg.  1902  Beil. 
Xr.  243:  L.  Paloczy;  Mathemat.  u.  natur- 
wissenschaftl.  Berichte  aus  Ungarn  18,  473: 
J.  Kürschak). 

Heller,    Heinrich    Justus,    Professor,    früher 


Oberlehrer  an  d.  kgl.  Realschule  in  Berlin, 
Lehrer  des  späteren  Kaisers  Friedrich  III.; 
t,  90  Jahre  alt,  13.  XII.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Xr.  3  Beil.  i. 

Helm,  Oberkonsistorialrat  in  Arnstadt ;  *  Lieh 
(Oberhessen)  17.  VIII.  1846;  fauf  d.  Reise 
in  Silva]>]ana  27.  I.  —  Theolog.  Jahresbe- 
richt 22  (1902),   1437  (Nestle,  mit  L). 

Henneberg,  Albert,  kgl.  Sänger  a.  D.,  Be- 
gründer u.  Leiter  d.  Hennebergschen  Chors 
in  Berlin;  t  daselbst,  77  Jahre  alt,  17.  XII. 
—  Monatshefte  f.  Musikgeschichte  35,  120 
(Lüstner,  mit  L). 

Hennig,  Adolf,  großhgl.  sächs.  Kammersänger^ 
Bassist  am  Hoftheater  in  Weimar;  *  Brom- 
berg 22.  VIII.  1841;  t  Jena  23.  IV^  — 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  120  (Lüst- 
ner, mit  L);  Eisenberg,  Großes  biograph. 
Lexikon  d.  Deutschen  Bühne  418. 

Herberstein,  Johann  Ludwig  Graf  zu,  Herr 
auf  Groß-Opatowitz  (Kreis  Olmütz),  k.  u. 
k.  Kämmerer  u.  Rittmeister  i.  d.  E.  d.  Land- 
wehr-Ulanenregiments Nr.  4;  *  7.  V.  1842; 
t  Berlin  24.  VIII.  —  Woche  4,  1624;  Gräfl. 
Taschenbuch   1904,  348. 

Hermann,  Friedrich  Benjamin  (Pseudon.), 
geistl.  Dichter:  s.  Maempel,  F.  B.  H. 

Hermann,  Josef,  Dr,  med.,  Primararzt  a.  D. 
d.  Krankenhauses  Wieden  in  Wien,  Anii- 
merkurialist;  •in  Schlesien  1817;  t  Wien 
19.  X.  —  Virchows  Jahresberichte  37,  I, 
416  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  12,  164  (Wiener 
Medizin.  Presse  1902,  191 5;  Archiv  f.  phy- 
sik.-diätet.  Therapie  5,  65  mit  P). 

Herrigau,  Willibert  v.  (Pseudon.),  Schrift- 
steller: s.  Lohn-Siegel,  Maria  Anna  v. 

*Herrlc,  Gustav,  Kartograph,  Chef  d.  Zeich- 
nerbureaus d.  Hydrographischen  Amtes  in 
Washington;  *  Wels  in  Österreich  1843; 
t  Washington  16.  IV.  —  BJ  VII,  295  (VV. 
Wolkenhauer);  Geograph.  Jahrbuch  26,  432 
(Derselbe);  Geograph.  Kalender  i,  222  (H. 
Haack). 

Herrmann,  Postsekretär  a.  D.,  bekannter  Phi- 
latelist; t  in  Berlin.  —  Woche  4,  1844. 

Herrmann,  Emanuel,  Dr.,  k.  k.  Hofrat,  or- 
dentl. öffentl.  Professor  d.  Nationalökonomie 
und  Finanzwissenschaft  wie  d.  Österreich. 
Handels-,  See-  und  Wechselrechts  an  der 
Techn.  Hochschule  in  Wien  u.  Privatdozent 
f.  Österreich.  Finanzgesetzkunde  an  d.  Uni- 
versität daselbst,  verdient  um  d.  Einführung 
der  Post-Korrespondenzkarte;  *  Klagenfurt 
24.  VL  1839;  t  Wien  15.  VIIL  —  111.  Ztg. 
119,  123.  133.  134  (P);  Kukula,  Jahrbuch 
d.  Deutschen  Hochschulen  342.  Suppl.  104 
(W);  Handwörterbuch  der  Staatswissen- 
schaften» 4,  II 98  (mit  W). 

Hermheiser,  Isidor,  Dr,  tned,,  Privatdozent 
d.  Augenheilkunde  an  d.  Universität  Prag, 


47' 


Totenliste  1902:  Herszky  —  Hiller. 


48* 


Redakteur  der  Präger  Medizin.  Wochen- 
schrift; t  Prag,  40  Jahre  alt,  23.  XII.  — 
Leopoldina  39, 40;  Virchows  Jahresberichte 
37,  I,  416  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  12,  164 
(Berliner  klin.  Wochenschrift  1903  Nr.  i; 
Wiener  klin.  Wochenschrift  1903  Nr.  i ; 
Münchner  Medizin.  Wochenschrift  1903 
Nr.  I :  O.  Wiener ;  Prager  Medizin.  Wochen- 
schrift 1903  Nr.  I  u.  2;  Zentralblatt  für 
prakt.  Augenheilkunde  37,  32). 
Herszky,  Emanuel,  Dr.  med,^  prakt.  Arzt  in 
Wien,   Mitarbeiter  deutscher  Zeitschriften; 

♦  in  Ungarn  9.  VIII.  1874;  f  Wien  28.  VI. 

—  Virchows  Jahresberichte  37,1, 416  (Pagel, 
mit  L)  u.  BZ  II,  164  (Deutsche  Arzteztg. 
1902,384;  Heilkunde,  Wien,  1902,381; 
Mitteilungen  d.  deutschen  Gesellschaft  für 
Geschichte  d.  Medizin  1902  Heft  4,  384; 
Gyogyaszat  1902  Nr.  32). 

Hertsch,  Karl,  Opernsänger,  früher  Baritonist 
am  Stadttheater  in  Leipzig;  t  daselbst, 
77  Jahre  alt,  14.  V.  —  Monatshefte  f.  Mu- 
sikgesch.  35,  120  (Lüstner,  mit  L). 

Hertz,  Wilhelm,  Dr,phil,,  ordentl.  Professor 
f.  deutsche  Sprache  und  Literatur  an  der 
Techn.  Hochschule  in  München,  Dichter 
u.  Übersetzer,  Germanist  u.  Sagen  forsch  er; 

•  Stuttgart  24.  IX.  1835;  t  München  7.  I. 

—  R.  Weltrich,  W.  H.  Stuttgart  1902;  III. 
Ztg.  118,  93  (E.  Petzet,  mit  P);  BZ  10, 
145.  II,  164.  12,  164  (Deutsche  Dichtung 
32,  273:  K.  E.  Franzos;  Die  Gesellschaft 
1902,1,219  u.  Jugend  1902,  Nr.  39:  H.  Kaff; 
Die  Grenzboten  1902  Nr.  4;  Neue  Jahr- 
bücher f.  d.  klass.  Altertum,  Geschichte  u. 
deutsche  Literatur  9,  298  u.  Zeitschr.  für 
deutsche  Philologie  34,  396:  W^.  Golther; 
Kunstwart  1902  Heft  10:  Ad.  Bartels;  Na- 
tion Jahrg.  19,  Nr.  17:  F.  v.  d.  Leyen; 
Allgemeine  Ztg.  1902  Beil.  Nr.  20:  O. 
Bulle;  Ebenda  Nr. 48:  W. Golther;  Sitzungs- 
berichte der  Münchn.  Akad.  d.  Wissensch. 
1902  Philos.-Hist.  Cl.  S.  76:  E.  Kuhn;  Der 
Bund  1903  Nr.  24.  25:  E.  HUgli);  Zeit  33 
Nr.  427  (P.  Ernst);  Zeitschr.  d.  Vereins  f. 
Volkskunde  12,  98  (J.  Bolte);  Jahresbericht 
d.  Techn.  Hochschule  in  München  1902/3 
(M.  Haushofer  u.  E.  Sulger-Gebing). 

Herzmann,  Semmy,  Schauspieler  (Charakter- 
rollen) u.  Regisseur  am  Irvingplacethcatre 
in  Neuyork;  *  16.  VII.  1858;  t  Neuyork 
14.  (?)  III.  —  111.  Ztg.  iiS,  470;  Flüggen, 
Biograph.  Bühnenlexikon   i,  140. 

Herzog,  Karl,  Wirkl.  Geheimer  Rat,  früher 
Staatssekretär  in  Elsaß-Lothringen;  *  Brieg 
20.  III.  1827;  t  Berlin  22,  III.  —  111.  Ztg. 
118,  470;  Woche  4  Nr.  13  S.  VI;  Voss. 
Ztg.  1902  Nr.  605  Beil.  8;  Geograph.  Jahr- 
buch 26,  433  (W.  Wolkenhauer,  mit  L); 
BZ   10,  146  (Arbeiterfreund  40,  i). 


Hess,  Friedrich  Bernhard,  Violinist  am  Ge- 
wandhausorchester in  Leipzig;  t  daselbst, 
52  Jahre  alt,  im  September.  —  Monatshefte 
f.  Musikgesch.  35,  120  (Lüstner,  mit  L). 

Hesse,  Agnes,  geb.  Büliring,  Sängerin:  s. 
Bury,  Agnes. 

Hesse,  Heinrich,  Rentner  in  Paderborn,  früher 
Mitglied  d.  preuß.  Abgeordnetenhauses  u. 
d.  Deutschen  Reichstags  (Zentrum) ;  *  Pader- 
born 9.  I.  1827;  t  daselbst  29.  XI.  — 
Woche  4,  2246;  Kürschner,  D.  preuß.  Ab- 
geordnetenhaus 1894,  327  (mit  P);  Der- 
selbe, Reichstag  1893,  177  (mit  P). 

Hettner,  Felix,  Dr,  phil.^  Professor,  Direktor 
d.  Provinzialmuseums  in  Trier,  Herausgeber 
d.  »Westdeutschen  Ztschr.  f.  Geschichte  u. 
Kunst«,  Historiker  und  Archäolog;  *  Jena 
29.  VII.  1851;  t  Trier  12.  XII.  —  111.  Ztg. 
119,  618;  BZ  II,  165.  12,  165.  13,  160 
(Westdeutsche  Zeitschrift  für  Geschichte  u. 
Kunst  1902,  337:  J.  Hansen;  ebenda  339: 
H.  Lehner,  mit  P;  Allgemeine  Ztg.  1902 
Beil.  Nr.  254;  Denkmalspflege  1903,  16: 
E.  Renard;  Jahrbuch  d.  kaiserl.  d.  archäolog. 
Instituts  18,  71). 

Heyden,  Adolf,  Geheimer  Baurat,  ordent- 
liches Mitglied  d.  Akademie  d.  Künste  in 
Berlin,  Architekt;  ♦  Krefeld  15.  VII.  1838; 
f  Berlin  ii.  (oder  10.?)  VI.  —  Deutsche 
Bauztg.  36,  311;  Woche  4,  11 40  (P);  Jahr- 
buch d.  bildenden  Kunst  2,  106;  D.  geistige 
Deutschland  i,  299;  BZ  10,  147  (Zentral- 
blatt d.  Bauverwaltung  1902  Nr.  48,  mitP). 

Heyer,  Otto,  Violoncellist  u.  Komponist  in 
Breslau;  *  Langenberg b. Gera  13. IX.  1829; 
t  Breslau  17.  VII.  —  Monatshefte  f.  Musik- 
gesch. 35,  120  (Lüstner,  mit  L);  Frank, 
Kleines  Tonkünstlerlexikon  9  106. 

Heymann,  Eugen,  Dr,  med,,  Augenarzt  in 
Riga,  auch  Lustspieldichter;  *  in  Kurland: 
t,  '36  Jahre  alt,  Riga  8.  II.  —  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  416  (Pagel,  mit  L: 
Petersburger  Medizin.  Wochenschrift  1902 
Nr.  7). 

Heymann,  Heinrich,  Kommerzienrat,  Senior- 
chef d.  Bankfirma  E.  Hevmann  in  Breslau ; 
f,  79  Jahre  alt,  31.  VII.  —  Voss.  Ztg. 
1903  Nr.  II   Beil.  2. 

Hilken,  Major  z.  D.,  Schriftführer  d,  Zentral- 
vereins f.  Hebung  d.  deutschen  Fluß-  und 
Kanal  Schiffahrt;  f  Baden-Baden  18.  IV.  — 
111.  Ztg.  118,  663. 

Hill,  Wilhelm,  Pianist  u.  Komponist;  *  Fulda 
28.  III.  1838;  t  Homburg  v.  d.  H.  6.  VI. 
—  III.  Ztg.  1 1 8,  935 ;  Riemann  5  492 ;  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  120  (Lüstner, 
mit  L). 

*Hiller,  Eduard,  Professor  a.  D.,  schwäb. 
Dialektdichter;  *  Vorstadt  Berg  b.  Stuttgart 
14.  XII.  181 8;  fBuoch  (Württemberg,  Ober- 


49' 


Totenliste  1902:  Hillmann  —  Holleben. 


50* 


amt  Waiblingen)  18.  XI.  —  BJ  VII,  79 
(R.  Krauß). 

Hillmann,  Emil,  Kapellmeister,  früher  The- 
aterdirektor in  Breslau;  *  Berlin  5.  VIII. 
1845;  t  Wiesbaden  26.  VI.  —  Monatshefte 
f.  Musikgesch.  35,  120  (Lüstner,  mit  L). 

Hillmer,  Josef,  kgl.  preuß.  Karamcrmusikus, 
Violinist  u.  Komponist;  t  Berlin,  78  Jahre 
alt,  14.  I.  —  Woche  4,  136;  Monatshefte 
f.  Musikgesch.  35,  120  (Lüstner,  mit  L). 

Hinrichsen,  N.  W.,  früher  Präsident  d.  Ham- 
burger Handelskammer;  f  Hamburg  18.  IV. 
—  Woche  4,  732. 

^Hinrichsen,  Siegmund,  Chef  d.  Hamburger 
Bankhauses  Hardy  &  Hinrichsen,  Präsident 
der  Hamburger  Bürgerschaft;  *  Hamburg 
17.  I.  1841;  t  daselbst  22.  X.  —  BJ  VII, 
221   (J.  Sass);  Woche  4,  2030  (P). 

Hirsch,  Bruno,  Dr,^  Pharmazeut,  Verfasser 
pharmazeut.  Handbücher;  •  Görlitz  13.  IV. 
1826;  t  Dresden  3.  XII.  —  Leopoldina  39, 
85;  Virchows  Jahresberichte  37,  I,  417 
(Pagel,  mit  L)  u.  BZ  11,  166  (Pharmazeut. 
Zentralblatt  für  Deutschland  1902  Nr.  50: 
A.  Schneider;  Apothekerztg.  1902,  846; 
Ztschr.  f.  d.  gesamte  Kohlensäureindustrie 
1902,  819,  mit  P;  Pharmazeut.  Ztg.  1902 
Nr.  99  mit  P). 

Hirsch,  Hermann  Ludwig,  emerit.  Pfarrer  in 
Budwethen  (Ostpreußen);  ♦  Georgenburg 
22.  11.  1822;  t  Königsberg  i.  Pr.  8.  XI.  — 
Altpreuflische  Monatsschrift  40,  1902,  469 
(Rindfleisch,  mit  L:  Evangel.  Gemeinde- 
blatt 57,  1902,  290). 

^Hirsch,  Jenny  (Pseudon. :  Franz  v.  Busch, 
auch  Fr.  Arnefeld),  Schriftstellerin  und 
Dichterin,  Frauenrechtlerin;  *  Zerbst  25.  XL 
1829;  t  Berlin  10.  IIL  —  BJ  VH,  185 
(F.  Brummer);  KL  24,  590  (W).  25,  44; 
111.  Ztg.  118,  417.  426.  427  (Lina  Morgen- 
stern, mit  P). 

Hirschfeldt,  Benno,  Porträtmaler  in  Berlin; 
t,  59  Jahre  alt,  28.  V.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  9. 

Hobrecht,  James,  Dr,  phil.,  Geheimer  Bau- 
rat, Stadtbaurat  a.  D.,  als  Chefingenieur 
d.  Berliner  Kanalisation  vorbildlich  tätig; 
•  Memel  31.  XII.  1825;  f  Berlin  8.  IX.  — 
111.  Ztg.  119,  423;  Woche  4,  1712  (P); 
Deutsche  Bauztg.  36,  480.  481.  493  (mit 
P).  647  (Gedenkfeier);  BZ  11,  166.  12, 
166  (Zentralblatt  der  Bau  Verwaltung  1902 
Nr.  74:  A.  Wiebe,  mit  P;  Gesundheitsin- 
genieur 1902.  293;  Techn.  Gemeindeblatt 

1902,  209:  Momeweg;  Deutsche  Viertel- 
jahrsschrift f.  öffentl.  Gesundheitspflege  35, 
II:  J.  Stubben,  mit  P;  Ztschr.  f.  Bauwesen 

1903,  353:  K.  Meier). 

^Hofele,  Engelbrecht,  pästlicher  Hausprälat, 
Pfarrer   in  Ummendorf  b.  Biberach  (Würt- 


temberg), theolog.  Schriftsteller,  Redakteur 
des  Rottenburger  »Pastoralblatt«  und  des 
»Diözesanarchiv  v.  Schwaben«;  ♦  Wißgol- 
dingen (Württemb.)  15. 1.  1836;  f  Ummen- 
dorf 9.  IX.  —  BJ  VII,  307  (F.  Lauchen); 
Keiter-Jörg,  Kathol. Literaturkalender  6, 123 
(mit  W);  Theolog.  Jahresbericht  22  (1902), 
1437  (Nestle,  mit  L);  BZ  11,  166  (Diöze- 
sanarchiv V.  Schwaben  1902, 191 ) ;  Württem- 
berg. Jahrbücher  f.  Statistik  u.  Landeskunde 
1902,  V  (Hartmann,  mit  L). 

Hoffmann,  B.  (Pseudon.),  Schriftstellerin:  s. 
Krais,  Bertha. 

Hoffioiann,« Friedrich  Wilhelm,  Kammermusi- 
ker am  Hoftheater  zu  Kassel;  *  Roßleben 
1864;  t  Kassel  10.  X.  —  Monatshefte  für 
Musikgesch.  35,  120  (Lüstner,  mit  L). 

Hoifmann,  Hermann  Theodor,  Geheimer  Re- 
gierungsrat, Oberbürgermeister  a.  D.  von 
Königsberg  i.  Pr.,  1887 — 9^  Mitglied  des 
Deutschen  Reichstags  (nationalliberal);  *  Kö- 
nigsberg i.  Pr.  20.  X.  1836;  f  daselbst  5. 
IX.  —  Altpreuß.  Monatsschrift  40,  1902, 
469  (Rindfleisch,  mit  L). 

^Hoifmann,  Karl,  kgl.  preuß.  Generalmajor 
z.  D.;  *  Freiburg  i.  Br.  5.  V.  1841 ;  f  Berlin 
5.  IV.  —  BJ  VII,  258  (Lorenzen). 

Hofmann,  Landgerichtspräsident  in  Greiz, 
mehrmals  Kandidat  f.  d.  Deutschen  Reichs- 
tag; t  Greiz,  49  Jahre  alt,  8.  V.  —  III.  Ztg. 
n8,  751. 

Hofmann,  Heinrich  Karl  Joh.,  Professor, 
Mitglied  des  Senats  d.  kgl.  Akademie  der 
Künste  zu  Berlin,  Opern-  u.  Klavierkompo- 
nist; *  Berlin  13.  I.  1842;  f  Groß-Tabarz 
(Thüringen)  16.  VII.  —  Woche  4,  1474 
(P);  RiemannS  499;  Monatshefte  f.  Musik- 
gesch. 35,  120  (Lüstner,  mit  L). 

Hohenlohe-Schillingsfürst,  A  m  a  1  i  e  Elisa- 
betha  Adelheid  Klothilde  Johanna  Agnes 
Prinzessin  zu,  Schwester  des  f  Reichskanz- 
lers Chlodwig,  Witwe  des  Porträtmalers 
Lauchert;  •  Schillingsfürst  31.  VIIL  1821; 
•j"  Langensalza  9.  IX.  —  Hof  kalender  1903, 
140;  111.  Ztg.  H9,  423. 

Holland,  Marie,  Gesangsmeisterin  in  Berlin, 
ehemal.  Opemsängerin  (Koloratursängerin) ; 
♦  Riga  12.  IV.  1833;  t  Stettin  6.  VIII.  — 
111.  Ztg.  119,  277;  Eisenberg,  Großes  bio- 
graph.  Lexikon  d.  Deutschen  Bühne  448; 
Flüggen,  Biograph.  Bühnenlexikon  i,  149: 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  120  (Lüst- 
ner, mit  L). 

Holleben,  Albert  Ludwig  Karl  v.,  Dr.jur,, 
Wirkl.  Geheimer  Rat,  Geheimer  Staatsrat 
a.  D.,  vormals  Chef  d.  Finanzverwaltung  d. 
Fürstentums  Schwarzburg-Rudolstadt;  *  Ru- 
dolstadt  25.  X.  1825;  t  daselbst  4.  VIII. 
—  111.  Ztg.  119,  227;  Goth.  Genealogisches 
Taschenb.  d.  Adeligen  Häuser4(i903),  390, 


51 


Totenliste  1902:  Holleufer  —  Hunten. 


,2* 


Holleufer,  Hans  Dietrich  v.,  k.  preuß.  Re- 
grierungspräsident  des  Regierungsbezirks 
Düsseldorf,  früher  auch  Mitglied  d.  Deut- 
schen     Reichstags      (deutschkonservativ) ; 

*  Zeitz  14.  III.  1855;  t  Düsseldorf  28.  XII. 

—  111.  Ztg.  120,  49;  Goth.  Genealogisches 
Taschenbuch  d.  Adeligen  Häuser  5  (1904), 
36 1 ;  Kürschner,  Reichstag  1 893, 1 1 5  (mit  P). 

Hölschcr,  K.  G.  Ludwig,  Dr,  phil,,  Pro- 
fessor, eheraal.  Direktor  d.  Gymnasiums  zu 
Herford  (Westf.);  *  daselbst  16.  IV.  1814; 
f  ebenda  4.  IV^.  —  Archiv  f.  d.  Studium  d. 
neueren  Sprachen  109,  i  (Krnst  Meyer, 
mit  W).  , 

Holub,  Emil,  Dr.  med,,  Afrikareisender  und 
Naturforscher;  *  Holitz  (Böhmen)  6.  X. 
1847;  t  Wien  21.  II.  —  IJl.  Ztg.  118,  315. 
319  (mitP);  Leopoldina  38,  21.  46;  Wo- 
che 4,  368  (P);  Geograph.  Jahrbuch  26, 
433  (^V.  Wolkenhauer,  mit  W  u.  L);  Geo- 
graphen-Kalender I,  222  (H.  Haack);  Pog- 
gendorff  3,  653.  4,  661  (W);  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  417  (Pagel,  mit  L) 
u.  BZ  10,  148  (Gaea  1902,  244;  Deutsche 
Rundschau  f.  Geographie  und  Statistik  24, 
327:  F.  Umlauft,  mit  P;  Zeit  1902  Nr. 
387:  O.  Lenz;  Allgemeine  Ztg.  1902  Beil. 
Nr.  45:  L.  Klinenberger;  Münchner  Medi- 
zin. W^ochenschrift  1902,  485). 

Hompesch,  Nikolaus  Josef,  Lehrer  d.  Klavier- 
spiels am  Konservatorium  zu  Köln;  *  da- 
selbst 14.  III.  1830;  t  ebenda  30.  XI.  — 
RiemaimS  504;  Monatshefte  f.  Musikgesch. 
35,  120  (Lüstner,  mit  L). 

Honig,  David,  Dr.  med.^  Orthopäd,  Leiter 
eines  mechano-therapeut.  Instituts  in  Berlin ; 

*  Ungarn;  f  während  eines  vorübergehenden 
Aufenthaltes  in  Hamburg,  52  Jahre  alt, 
6.  III.  —  111.  Ztg.  118,  417;  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  417  (Pagel,  mit  L: 
Heilkunde,  Wien,  1902  Heft  4). 

^Hönig,  Fritz  August,  k.  preuß.  Hauptmann 
a.  D.,  Militärschriftsteller,  Chefredakteur  d. 
»Deutschen  Heeresztg.« ;  •  Bornheim  (Kreis 
Bonn)  30.  IV.  1848;  f  Halberstadt  12.  III. 

—  BJ  VII,  257  (Lorenzen);  Woche  4,  506h 
(P);  KL  24,  600  (W).  25,  44;  V.  Löbells 
Jahresberichte  über  Militärwesen  29,  1902, 
511. 

Hönigswald,  Joseph,  k.  k.  Regierungsrat, 
Verwaltungsrat  u.  Oberingenieur  d.  Kaiser- 
Ferdinands-Nordbahn;  f  Wien,  im  72.  Jahre, 
6.  IV.  —  Hl.  Ztg.  108,  585. 

Hoppmann,  Eduard,  Architekt  in  Hamburg; 

*  Eutin  19.  IL  1849;  t  Hamburg  i.  XI.  — 
Deutsche  Bauztg.  36,  666   (Zimmermann). 

Hörlein,  Karl,  Hofgeigenmacher  in  Würz- 
burg; ♦  1828;  t  Würzburg  22.  I.  —  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  120  (Lüstner, 
mit  L). 


Hom,  Justizrat,  Stadtverordneten  vorsteh  er  in 
Elbing;  f  daselbst  im  71.  Jahre.  —  Woche 

4.  1534- 
Horstmann,   Jakob,    Wirkl.   Geheimer    Rat, 

vortragender  Rat  im  preuß.  Justizministe- 
rium; •(■  Berlin,  84  Jahre  alt,  30.  \'.  — 
Woche  4,  1042;  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  5 
Beil.  I. 

Hösch,  Hans,  Maler  in  München;  t  daselbst 
14.  I.  —  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  1, 
120.  2,  106. 

•Hötzl,  Petrus  v.  Alcantara  Ritler  v.,  Mit- 
glied d.  Franziskanerordens,  Dr.  i/ieolog., 
Bischof  V.  Augsburg,  Reichsrat  der  Krone 
Bayern;  *  München  6.  VIII.  1836;  t  Augs- 
burg 9.  III.  —  BJ  VII,  262  (F.  Laudiert); 
111.  Ztg.  118,  391;  KL  23,  601  (W).  25, 
44;  Theologischer  Jahresbericht  22  (1902), 
1437  (Nestle,  mit  L). 

Hruschowsky  von  Hruschowa,  Amalie 
(Theatemame:  Amalie  Bell  in  i),  Opern- 
sängerin; *  Wien  22.  III.  1853;  t  Hamburg 
I.  III.  —  Monatshefte  für  Musikgesch.  35, 
116  (Lüstner,  mit  L). 

Huber,  Patriz,  Architekt  u.  DekorationskUnst- 
1er  in  Darmstadt;  *  Mainz  19.  III.  1878; 
t  Charlottenburg  von  eigener  Hand  20.  IX. 

—  111.  Ztg.  119,  547;  Jahrbuch  d.  bilden- 
den Kunst  2,  106.  116  u.  BZ  II,  168.  I3r 
163  (L:  Zukunft  1902,  15.  Nov.=rBd.  41  > 
279:  Scheffler;  Innendekoration  1902  Nov.: 
van  de  Velde;  Dekorative  Kunst  1902  Nov.: 
E.  W.  Bredt,  mit  P;  Deutsche  Kunst  und 
Dekoration  13,  39). 

Hucke,  Christoph,  Wirkl.  Geheimer  Ober- 
regierungsrat a.  D.  im  deutschen  Reichs- 
postamt, verdient  um  d.  Telegraph enwesen; 
t  Berlin,  76  Jahre  alt,  25.  X.  —  111.  Ztg. 
119»  695;  Woche  4,  2070. 

Hügel,  Karl  Cäcilius  Alexander  Freih.  v.,  k. 
Württemberg.  Kämmerer,  Landgerichtsdirek- 
tor a.  D.;  *  Pawlowsk  bei  St.  Petersburg 
18.  VII.  1839;  t  Tübingen  19.  VL  —  Frei- 
herrl.  Taschenbuch  1903,  332;  Württem- 
berg. Jahrbücher  f.  Statistik  u.  Landeskunde 
1902,  IV  (Hartmann,  mit  L). 

Humperdinck,  Gustav,  früher  Direktor  des 
Lehrerinnenseminars  in  Xanten,  Germanist, 
Verfasser  v.  Novellen  u.  lyr.  Dichter,  Vater 
d.  Komponisten  Engelbrecht  H. ;  *  X'rjeden 
(Kreis  Alhaus,  Reg.-Bez.  Münster  i.  W.) 
7.  X.  1823;  t  Poppeisdorf  b.  Bonn  28.  IV. 

—  Woche  4,  984  (P);  111.  Ztg.  iiS,  702; 
BrümmerS  2,  214  (mit  W);  Keiter-Jtirg, 
Kathol.  Literaturkalender  6,  133  (mit  W); 
Wienstein,  T^exikon  der  kathol.  deutschen 
Dichter  169  (mit  W). 

Hunten,  Johannes  Emil,  Professor,  Schlach- 
tenmaler in  Düsseldorf;  *  Paris  19. 1.  1827; 
t  Düsseldorf   i.  II.  —    111.  Ztg.  iiS,  230 


Totenlistc  1902:  Jacobsthal  —  Kahle. 


«  .* 


54 


(L.  Schütze,  mitP);  Müller-Singer,  Allge- 
meines KUnstlerlexikon  3  2,  214;  F.  v.  Bötti- 
eher,  Malerwerke  i,  596;  Jahrbuch  d.  bil- 
denden Kunst  2,  106;  BZ  10,  150.  II, 
169  (Daheim  1902  Xr.  41:  L.  Pietsch,  mit 
P);  D.  geistige  Deutschland  i,  326. 
Jacobsthal,  Johann  Eduard,  Geheimer  Re- 
gierungsrat, Professor  an  d.  Techn.  Hoch- 
schule in  Charlottenburg,  Mitglied  d.  k. 
Akademie  d.  Künste   in  Berlin,  Architekt; 

♦  Preuß.  Stargard  17.  IX.  1839;  t  Char- 
lottenburg I.  I.  —  111.  Ztg.  118,  63;  Jahr- 
buch d.  bildenden  Kunst  2,  106.  116  (L: 
Berliner  Architekturwelt  1902  Febr.:  H. 
Schliepmann);  Deutsche  Bauztg.  36,  12.  17 
(P).  18.  22  (P).  45.  50  (K.  E.  O.  Fritsch). 
360.  388;  BZ  lo,  152  (Zentralblatt  d.  Bau- 
verwaltung 1902  Nr.  3:    E.  Laske,  mit  P). 

Jadassohn,  Salomon,  Dr.  phiL  h.  r.,  k.  sächs. 
Professor  d.  Musik,  Musikdirektor,  Lehrer 
am  k.  Konservatorium  in  Leipzig,  Kompo- 
nist   und    Verfasser   musiktheorct.    Werke; 

*  Breslau   13.  VIIL  1831;   f  Leipzig  i.  II. 

—  KL  24,  637  (W).  25.  44;  RiemannS 
529;  Woche  4,  228  (P);  BZ  10,  152  (Leip- 
ziger Ztg.  1902  Wissenschaftl.  Beil.  Nr.  16: 
A.  Smolian);  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
121   (Lüsmer,  mit  L). 

Jagemann,  Antonie  v.,  Schauspielerin:  s. 
Baumeister,  Antonie. 

Mager,  Ferdinand,  Lehrer  des  dramat.  Ge- 
sanges in  Wien,  früher  Opernsänger  (Te- 
norist); ♦  Hanau  25.  XII.  1838  (1839?); 
t  Wien  13.  VI.  —  BJ  VII,  204  (Ph.  Losch); 
Flüggen,  Biograph.  Bühnenlexikon  i,  155; 
BZ  12,  170  (Die  Musik  1903,  I,  1867:  H. 
V.  Wolzogen). 

Jahn,  Franz  Bernhard,  Kantor  an  d.  Peters- 
kirche in  Leipzig;  f  daselbst,  58  Jahre  alt, 
30.  IV.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
1 2 1  (Lüstner,  mit  L). 

Jarisch,  Adolf,  Dr.  med,,  ordentl.  Professor 
d.  Medizin  an  d.  Universität  Graz,  Derma- 
tolog;  ♦  Wien  15.  IL  1850;  f  Graz  21.  IIL 

—  Leopoldina  38,  56;  Pagel  820;  KL  24, 
645.  25,  44;  Virchows  Jahresberichte  37, 
I,  417  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  10,  152  (Ar- 
chiv für  Dermatologie  u.  S>'philis  60,  XI: 
L.  Merk;  Therapie  der  Gegenwart  1902, 
291 :  Lassar;  Mitteilungen  des  Vereins  d. 
Arzte  in  Steiermark  1902,  93;  Deutsche 
medizin.  Wochenschrift  1902,  267:  Rille; 
Münchener  Medizin.  Wochenschrift  1902, 
709 :  H.  Köbner ;  Wiener  klin.  Wochen- 
schrift 1902,  391:  Spiegier;  Wiener  Me- 
dizin. Presse  1902  Nr.  12;  Dermatolog. 
Ztschr.  9,  291;  Wiener  klin.  Rundschau 
1902  Nr.  13;  Journal  of  cutaneous  and 
genitourinary  diseases  20  Nr.  238);  Woche 

4.  594  (P). 


Ingoviz,  Anton,  Oberingenieur  i.  R.  d.  Öster- 
reich.-alpin.  Montangesellschaft;  t  Penzing, 
im  66.  Jahre,  12.  II.  —  Leopoldina  38,  So. 

Ihne,  Wilhelm,  Dr.  phil.,  großhgl.  bad.  Hof- 
rat, Honorarprof.  f.  engl.  Sprache  u.  Lite- 
ratur an  d.  Universität  Heidelberg,  klass. 
Philolog  u.  Historiker;  ♦  Fürth  2.  II.  182 1; 
t  Heidelberg  22.  V.  —  KL  24,  652  (W). 

25.  44. 

Jolas,  Karl,  Oberingenieur  d.  Pfalz.  Eisen- 
bahnen; *  Ludwigshafen  a.  Rh.  16.  IX. 
1846;  f  daselbst  21.  VI II.  —  Deutsche 
Bauztg.  36,  444. 

Joelson,  Robert  Ritter  v.,  k.  k.  Wirkl.  Ge- 
heimer Rat,  k.  u.  k.  Generalmajor,  hervor- 
ragender Sportsmann,  früher  Reitlehrer  d. 
Kaiserin  Elisabeth  von  Österreich;  f  Wien 
durch  Selbstmord  14.  IX.  —  111.  Ztg.  119, 
471;  W-oche  4,  1754. 

Jordan,  Louis,  Rentner  in  Berlin,  früher  Land- 
wirt, ehemal.  Mitglied  d.  Deutschen  Reichs- 
tags (deutsch-freisinnig);  *  Berlin  19.  VII. 
1837 ;  f  daselbst  6.  XII.  —  Voss.  Ztg.  1902 
Nr.  609  Beil.  2;  Schoenfeld,  Notizbuch  f. 
Reichstagswähler  S  1 1 7. 

Mordan,  Ricardo  (eigentl.  Richard  Keller), 
Dichter  und  Übersetzer  aus  d.  Spanischen, 
Minenbesitzer  in  Charcas  (Mexiko) ;  *  Mexi- 
ko 9.  I.  1857;  t  Charcas  6.  L  —  BJ  VII, 
205  (Ph.  Losch);  BZ  12,  175  (Internatio- 
nale I.iteratur-  u.  Musikberichte  1903,  90: 
S.  Rubinstein). 

Most,  Eduard,  Redakteur,  Dichter  u.  Schrift- 
steller; *  Trier  21.  VII.  1837;  f  Neustadt 
a.  d.  H.  15.  III.  —  BJ  VII,  220  (F.  Brum- 
mer); Brummer  5  2,240  (mitW);  BZ  11, 
174  (Pfalz.  Museum   1902,62:  Schmitt). 

*Jung,  Karl  Emil,  Dr,jur.,  Geograph  u. 
Anthropolog;  •  Groß-Machnow  bei  Berlin 

I.  IL  1836;  t  Leipzig  2.  II.  —  BJ  VII,  261 
(W.  Wolkenhauer);  KL  24,  666  (W);  Geo- 
graph. Jahrbuch  26,  434  (W.  Wolkenhauer, 
mit  W  u.  L);  Geographen-Kalender  i,  223 
(H.  Haack);  BZ  il,  176  (Deutsche  Erde 
1902,  146:  H.  Wichmann). 

Junghans,  Karl,  Dr.  jur.,  Redakteur  des 
»Grundeigentum«,  Syndikus  des  Bundes 
Berliner  Haus-  und  Grundbesitzervereine; 
t  12.  III.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  7  Bei- 
lage 2. 

Ivanovici,  Kapellmeister  u.  bekannter  Walzer- 
komponist in  Wien;  f  daselbst  4.  X.  — 
Woche  4,  1890;  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  9 
Beil.  I. 

Kahle,  Heinrich,  Hof  buchdruckereibesitzer  in 
Eisenach,  Gründer  und  Leiter  der  »Eise- 
nacher  Ztg.«;  -j*  daselbst,  im  70.  Jahre,   10. 

II.  —  111.  Ztg.  1 18,  272 ;  KL  25,  45 ;  Börsen- 
blatt für  den  Deutschen  Buchhandel   1902, 

1314. 


00 


Totenliste  1902:  Kaltenbrunner  —  Keitel. 


56* 


^Kaltenbrunner,  Ferdinand,  Dr,  phil.^  or- 
dentl.  Professor  f.  histor.  Hilfswissenschaften 
an  d.  Univ.  Innsbruck ;  •  Kirchdorf  (Ober- 
österr.)   16.  IX.  1851;  f  München  8.  VIII. 

—  BJ  VII,  172  (O.  Redlich). 
'*'Kampmann,  Friedrich,  k.  Rechnungsrat  am 

Oberbergamt  in  Dortmund,  Dichter;  *Ober- 
wengen  (Grafschaft  Mark)  6.  IL  1828; 
t  Dortmund  22.  IX.  —  BJ  VII,  144  (F. 
Brummer);  KL  24,  678  (W).  24,  45;  ßrüm- 
merS  2,  255. 

Kanitz,  Rudolf  Friedrich  V/ilhelm  Graf  v., 
k.  preuß.  Generalleutnant  a  la  suiu  d.  Ar- 
mee; *  14.  VIII.  1822;  f  Schloß  Schmugge- 
row  (Kreis  Anklam)  25.  XII.  —  Gräfl.  Ta- 
schenbuch  1904,  394. 

Kanzow,  Friedrich  Karl  Theodor,  Dr.  med.. 
Geheimer  Medizinal-  und  Regierungsrat, 
früher  bei  der  Regierung  in  Potsdam  be- 
schäftigt; *  Prenzlau  20.  IV.  1820;  f  29.  XII. 

—  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  35  Beil.  2;  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  417  (Pagel,  mit  L: 
Allgemeine  Medizin.  Zentralztg.  1903  Nr.  2); 
Verzeichnis  d.  Berliner  üniversitätsschriften 
1810 — 85    (Berlin   1899)  S.  263  Nr.  3735. 

Kaplan,  Leopold,  Dr.  med.,  Assistenzarzt  an 
d.  Irrenanstalt  Herzberge  b.  Berlin;  *  23.  X. 
1871;  f  im  Eppendorfer  Krankenhaus  b. 
Hamburg  20.  X.  —  Virchows  Jahresberichte 
37,  I,  417  (Irrenpflege  6,  157:  Falkenberg; 
"Allgemeine  Medizinische  Zentralztg.  1902- 
Nr.  79;  Psychiatr.-neurolog.  Wochenschrift 
1902,  374). 

Kaposi,  Moritz,  Dr,  med.,  k.  k.  Hofrat,  ordentl. 
Professor  d.  Medizin  an  d.  Universität  Wien, 
Dermatolog;  •  Kaposvär  (Ungarn)  23.  X. 
1837;  t  Wien  6.  III.  —  Leopoldina  38,  35. 
47;  Pagel  839  (mit  P  u.  W);  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  417  (Pagel,  mit  L)  u. 
BZ  10,  161  (Ärztl.  Praxis  1902,  107,  Reichs- 
medizinalanzeiger 1902,  135  und  Medizin. 
Woche,  1902, 112:  Goldbaum;  Arch.  f.  Der- 
matologie u.  Syphilis  60,  I:  E.  Spiegier; 
Deutsche  medizin.  Presse  1902,  43:  Heller, 
mitP;  Klin.-therapeut.  Wochenschrift  1902, 
330:  L.  Freund;  Wiener  medizin.  Presse 
1902,519:  Weidenfeld;  Berliner  klinische 
Wochenschrift  1902,  251 :  Lassar;  Deutsche 
medizin.  Wochenschrift  1902,  267  mit  P; 
Deutsche  tierärztl.  Wochenschrift  1902, 291 : 
Neumann;  Wiener  medizin.  Wochenschrift 
1902,  449). 

'*'Karlon,  Alois,  päpsd.  Hausprälat,  Propst  d. 
Seckauer  Domkapitels,  Konsistorialrat  in 
Graz,  früher  Mitglied  des  Abgeordneten- 
hauses d.  Österreich.  Reichsrats  u.  Beisitzer 
des  Steiermark.  Landesausschusses  (deutsch- 
klerikal); *  Trofaiach  (Obersteier)  i.  IL 
1835;  t  Graz  9.  IL  —  BJ  VII,  320  (H.  v. 
Zwiedineck-Südcnhorst) ;  111.  Ztg.  118,272; 


Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  121  (Lüst- 
ner, mit  L). 

KaufTmann,  Gustav,  Stadtrat  in  Berlin,  Mit- 
glied d.  Deutschen  Reichstags  (freisinnige 
Volkspartei),  auch  juristischer  Schriftsteller; 
•  Stolp  (Pommern)  23.  IX.  1854;  t  Berlin 
2.  X.  —  KL  24,  685.  25,  45;  Woche  4, 
1896  (P);  lU.  Ztg.  119,  547;  Kürschner, 
Reichstag  1898,  116  (mit  P). 

Kay,  Hermann,  Maler  in  Berlin;  *  Balje 
(Hannover)  31.  VIII.  1839;  f  Berlin  im 
Dezember.  -^  Müller-Singer,  Allgemeines 
KUnstlerlexikon  3  2,  316;  Jahrbuch  d.  bil- 
denden Kunst   I,  132.  2,  107. 

Kayser,  Emil,  Musikdirektor  u.  Dirigent  d. 
Musikvereins  in  Hagen  i.  W.;  *  Barmen 
20.  IX.  1843;  t  Hagen  i.  W.  20.  X.  —  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  121  (Lüstner, 
mit  L). 

*Kayser-Langerhannfi,  Frau  Agnes,  geb. 
Langerhannß,  epische  und  dramatische 
Dichterin;  *  Schloß  Heldrungen  (Thürin- 
gen) 1818;  t  Dresden  21.  IV.  —  BJ  VII, 
145  (F.  Brummer);  Brummer 5  2,  266  (mit 
W);  KL  24,  688  (W). 

Keel,  Johann  Joseph,  schweizer.  Politiker 
(konservativ),  Mitglied  (1896/7  Präsident) 
d.  eidgenöss.  Nationalrats;  *  St.  Fiden  (bei 
St.  Gallen)  15.IIL  1837;  f  daselbst  12.VIIL 
—  111.  Ztg.  119,  277;  Woche  4,  1578. 
1678  (P). 

Kegel,  August  Hermann  Max,  Redakteur  d. 
»Wahrer  Jakob«  in  München;  f  daselbst 
19.  VIII.  —  Woche  4,  1534;  KL  24,  690. 

25»  45. 
Keil,   Fritz,   Geheimer  Baurat,   Landesbaurat 

d.  Provinz  Schlesien ;   f  Breslau,  78  Jahre 

alt,   25.  XII.   —   Voss.  Ztg.  1903   Nr.  ii 

Beil.  2;  BZ  12,  183  (Jahresbericht  d.  schles. 

Gesellschaft  für  vaterländ.  Kultur  80,  Ne- 

krol.  II). 

Keil,  Otto,  Inhaber  d.  Verlags-  und  Sorti- 
mentsbuchhandlung gleichen  Namens  in 
Konstantinopel,  Hofbuchhändler  d.  Sultans; 
t  daselbst,  55  Jahre  alt,  25.  I.  —  111.  Ztg. 
n8,  227;  Börsenblatt  f.  d.  Deutschen  Buch- 
handel  1902,  1110. 

Keiler,  Arnold,  Dr.  vied.,  Chirurg  in  Berlin; 
f,  33  Jahre  alt,  im  Mai.  —  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  418  (Pagel,  mit  L: 
Allgemeine  Medizinische  Zentralztg.  1902 
Nr.  39). 

Keilmann,  Wilhelm,  deutsch-amerikan.  Mu- 
siker, Dichter  u.  Journalist ;  *  Hechtsheim 
b.  Mainz  14.  VII.  1845;  f  Leitmeritz  (Böh- 
men) im  Juli.  —  Brummer 5  2,  268  (mit 
W);  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  121 
(Lüstner,  mit  L). 

^Keitel,  Otto,  Tiermalern.  Radierer;  •  Braun- 
schweig   15.  IX.  1862;   t  Neu-Pasing  bei 


57* 


Totenliste  1902:  Keller  —  Kleinschmit. 


58* 


München  3.  VIII.  —  BJ  VII,  160  (H.  Hol- 
land) ;  MfÜleroSinger,  Allgemeines  Künstler- 
lexikon 3  2,  318;  Jahrbuch  der  bildenden 
Kunst  2,  107;  BZ  12,  183  (Braunschweig. 
Magazin   1903,  10 1 :  Leitzen). 

Keller,  Richard,  Dichter : s.  Jordan,  Ricardo. 

Kellner,  Robert,  k.  sächs.  Kommerzienrat, 
Großindustrieller  zu  Schönberg  im  Vogt- 
lande (landwirtschaftl.-chemische  Fabriken 
Dietsch,  Kellner  &  Cie.  in  Schönberg  i.  V., 
Griesheim  a.  M.  u.  Doos  b.  Nürnberg)  u. 
Parlamentarier,  Mitglied  d.  2.  sächs.  Kam- 
mer u.  Vorstand  d.  nationalliberalen  Frak- 
tion derselben;  *  Dresden  3.  III.  1842; 
t  Schonberg  i.  V.  27.  X.  —  111.  Ztg.  119, 

695. 
Kerber,  Georg  Friedrich  Oskar,   Dr,  phil,^ 

Bibliothekar  im  preuß.  Abgeordnetenhause; 
♦  Fürstenstein  (Schlesien)  25.  VIII.  1868; 
t  Haiensee  6.  VI.  —  Woche  4,  1090;  Le- 
benslauf in  K.s  Dissertation:  Gregorü  Abul^ 
faragii  Bar-Hebr<ui  Scholia  in  Levtticum. 
Lips.  (Breslau)  1895;  Zentralblatt  f.  Biblio- 
thekswesen  19,  368. 

KeufTer,  Max,  Dr»  phiL,  Professor,  Biblio- 
thekar und  Archivar  d.  Stadt  Trier;  *  da- 
selbst 27.  II.  1856;  t  ebenda  7.  VII. — 
111.  Ztg.  119,  99;  KL  24,  702  (W);  Zentral- 
blatt für  Bibliothekswesen  19,  436  (nach 
Trier.  Ztg.  vom  8.  VII.  1902). 

*Keyler,  Eugen,  k.  preuß.  Generalleutnant 
z.  D.,  zuletzt  Kommandant  von  Königsberg 
i.  Pr.;  •  daselbst  10.  XII.  1840;  f  Berlin 
16.  I.  —  BJ  VII,  103  (Lorenzen). 

Kielwein,  Ernst,  Landschaftsmaler;  *  Lud- 
wigsburg 25.  IV.  1864;  f  Stuttgart  6.  VII. 

—  111.  Ztg.  119,  99;  Jahrbuch  d.  bildenden 
Kunst  2,  107. 

Kienitz,  Heinrich,  Reichsgerichtsrat  a.  D., 
früher  vortragender  Rat  im  deutschen  Reichs- 
justizamt, auch  ehemal.  Mitglied  d.  preuß. 
Abgeordnetenhauses;  *  Lojewo  30. 1.  1831 ; 
f  20.  XI.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3  Beil.  i ; 
Oettinger,  Moniteur  des  daics  7,  129. 

Kienzl,  Wilhelm,  /?r.,  Vater  d.  Komponisten 
Wilhelm  K.;  f  Graz  i.  VII.  —  Woche  4, 
1231. 

Kiese  Wetter,  Karl,  Erfinder  d.  phosphorfreien 
schwedischen  Zündhölzer;  *  Heidenreich- 
stein  (Niederösterr.)   18 19;  f  Braile  28.  X. 

—  111.  Ztg.  119,  827. 

*Kiefielbach,  Wilhelm,  Dr.  med.,  außer- 
ordentl.  Professor  d.  Ohrenheilkunde  an  d. 
Universität  Erlangen;  *  Hanau  i.  XII.  1839; 
t  Erlangen  2.  VII.  —  BJ  VII,  127  (Pagel); 
Leopoldina  38, 99;  Virchows  Jahresberichte 
37,  I,  418  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  11,  183. 
13.  178  (Ztschr.  f.  Ohrenheilkunde  41,  381 : 
O.  Körner;  Monatsschrift  f.  Ohrenheilkunde 
1903,  373:  Urbantschitsch) ;  Pagel  895. 


Kirchhoir,  Albrecht,  Dr.  phil,,  Buchhändler 
(Firma:  Kirchhoff  &  Wigand)  in  Leipzig, 
Historiker  d.  deutschen  Buchhandels;  •Ber- 
lin 30.  I.  1827;  f  Leipzig  20.  VIII.  —  111. 
Ztg.  119,  313  und  Nr.  2796  (vom  30.  I. 
1897:  mit  P);  Börsenblatt  f.  d.  deutschen 
Buchhandel  1902,6562.  6592.  6676.  6893. 
9382. 

*Kist,  Leopold,  emeritierter  kathol.  Pfarrer 
in  Bozen,  Theolog  und  Volksschriftsteller; 

•  Offenburg  (Baden)  29.  I.  1824;  f  Bozen 
5.  VIL  —  BJ  VII,  245  (F.  Brummer); 
Brummer 5  2,  550  (mit  W);  KL  24,  713 
(W).  25,  45;  Keiter-Jörg,  Kathol.  Literatur- 
kalender 6,  154  (W);  Schaf  1er,  Handlexi- 
kon d.  kathol.  Theologie  2,  640  (mit  W). 

Kius,  Dr.  phil.j  Professor  am  Friedrichs- 
gymnasium in  Kassel,  einer  der  Lehrer 
d.  deutschen  Kaisers  Wilhelm  II.;  f  16.  IV. 
—  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3  Beil.  i ;  VVoche  4, 

732. 

*Klasen,  Fraiiz,  Dr.  theol.,  Stadtpfarrprediger 
a.  D.,  Theolog,  Publizist  u.  Dichter,  Her- 
ausgeber des  reformkathol.  Journals  »Das 
XX.  Jahrhundert«;  •  Papenburg  (Hannover) 
7.  I.  1852;  t  München  23.  XL  —  BJ  VII, 
348  (F.  Lauchert);  Brummer 5  2,  290.  552 
(mit  W);  Keiter-Jörg,  Kathol.  Literatur- 
kalender 6,  154  (W);  KL  24,  715  (W); 
Wienstein,  Lexikon  der  kathol.  deutschen 
Dichter  190  (W);  Theolog.  Jahresbericht 
22  (1902),  1437  (Nestle,  mit  L);  BZ  11, 
185  (Das  XX.  Jahrhundert  1902  Nr.  48. 
49;  J.  Bumüller,  mit  P;  Akadem.  Monats- 
blätter 1902,  61:  M.  Pfeiffer"). 

Kleemann,  Otto,  k.  bayr.  Generalmajor  a,  D., 
langjähr.  Direktor  d.  bayr.  Kriegsakademie, 
Militärschriftsteller;  t  München,  80  Jahre 
alt,  29.  VI.  —  111.  Ztg.  119,  51 ;  Woche  4, 
1231.   1287  (P). 

Kleiber,  Karl,  Komponist  (besonders  für  d. 
Musik  V.  Lokalpossen),  früher  Kapellmeister 
am  Josephstädt.,  später  am  Carl-Theater 
in  WMen;  •  Reiserhof  bei  Herzogenburg 
21.  XII.  1838;  t  Wien  15.  VI.  —  Monats- 
hefte  f.  Musikgesch.  35,  121  (Lüstner,  mit 
L);  Rheinhardt,  Biographien  der  Wiener 
Künstler  u.  Schriftsteller   i,  556. 

*Kleinfercher,  Johann  (Pseudon.:  Fe r eher 
von  Steinwand),  lyr.  u.  dramat.  Dichter; 

*  Steinwand  im  Mölltal  b.  Wildegg  (Kärn- 
ten) 22.  III.  1828;  t  Wien  8.  IIL  —  BJ 
VII,  321;  KL  24,  348  (mitW);  BrümmerS 
2,  295.  554  (mit  W);  Keiter-Jörg,  Kathol. 
Literaturkalender  6,  70  (W);  Wienstein, 
Lexikon  d.  kathol.  deutschen  Dichter  192 
(mit  W);  BZ  12,  125.  13,  121  (CZarinthia 
92,  101 :  E.  Rauscher). 

^Kleinschmit,  Julius  v.,  k.  preuß.  General- 
major z.  D.;  *  Korbach  (VValdeck)  14.  V. 


59* 


Totenliste  1902:  Klessinger  —  Köberlin. 


6o* 


1825;  t  Wiesbaden  26.  IV.  —  BJ  VII.  259 
(I>orenzen). 

Kiessinger,  Emil,  Journalist,  Redakteur  d. 
»Neuigkeits-Weltblatt«  in  Wien ;  *  München 
13.  X.  1846;  t  Wien  9.  XI.  —  Rheinhardt, 
Biographien  d.  Wiener  Künstler  u.  Schrift- 
steller I,  345;  K^L  24,  722.  25,  45. 

Klinckowström,  Kl e mens  Karl  Ludwig 
Friedrich  Graf,  Herr  auf  Korklack  (Ost- 
preußen), k.  preuß.  Landrat  a.  D.,  Mitglied 
d.  preuß.  Herrenhauses  auf  Lebenszeit  u. 
des    Deutschen    Reichstags    (konservativ); 

♦  Korklack  1 1.  VI.  1846;  f  Berlin  26.  I.  — 
Gräfl.  Taschenbuch  1903,  428;  111.  Ztg.  118, 
190  (mit  P) ;  Woche  4,  179  (mit  P) ;  Kürsch- 
ner, Reichstag  1898 — 1903,  10  (mit  P); 
Altpreuß.  Monatsschrift  40, 471  (Rindfleisch, 
L:  Daheim  Jahrg.  37  Nr.  20:  P.  Grabein, 
mit  P;  Ostpreuß.  Ztg.  1902  Nr.  27). 

Klinge,  Johannes  Christoph,  Dr,phil.,  Ober- 
botaniker d.  Kaiserl.  botan.  Gartens  in  St. 
Petersburg,  früher  Privatdozent  f.  Pflanzen- 
geographie u.  -Systematik  an  d.  Universität 
Dorpat;  *  Dorpat  1851;  f  St.  Petersburg 
im  März.  —  Leopoldina  38,  48;  BZ  11, 
186  (Korrespondenzblatt  d.  Naturforscher- 
vereins Heft  45,  Riga  1902,  7:  K.  R. 
Kupflfer). 

Klinger,  Franz,  Dr.  theol.,  ordentl.  Professor 
f.  Pastoraltheologie,  prakt.  Katechetik  und 
Unterrichtslehre  an  der  Universität  Graz; 
f  daselbst,  im  71.  Jahre,  2.  XII.  —  Theo- 
log. Jahresbericht  22  (1902),  1437  (Nestle). 

Klitzing,    Günther    v.,    k.   preuß.  Landrat; 

♦  Zuchow  8.  VIII.  1857;  t  Stricgau  2.  V. 
—  Woche  4,  835;  Genealog.  Taschenbuch 
d.  Adeligen  Häuser  5  (1904),  432. 

Klitzing,  Maximilian  Kaspar  v.,  Herr  auf 
Lüben  (b.  Deutschkrone,  Westpreußen)  u. 
Klausdorf,  k.  preußischer  Leutnant  a.  D., 
1882 — 84  Reichstagsabgeordneter  (konser- 
vativ) f.  Deutsch-Krone;  *  Hermsdorf  bei 
Berlin  13.  IV.  1815;  fl^üben  i.  II.  —Ge- 
nealog. Taschenbuch  der  Adeligen  Häuser 
5  (1904),  452;  Schoenfeld,  Notizbuch  für 
Reichstags  Wähler  5,  36. 

*Kloeppel,  Peter,  Dr.Jur.,  kaiserl.  Justizrat 
u.  Rechtsanwalt  am  Reichsgericht  in  Leip- 
zig, Privatdozent  in  d.  Jurist.  Fakultät  an 
d.  Universität  daselbst,  1874—77  Mitglied 
d.  Deutschen  Reichstags  (fortschrittl.)  für 
Solingen,  Jurist  u.  Historiker;  •  Cöln  a.  Rh. 
I.  VII.  1840;  t  Leipzig  5.  IIL  —  BJ  VII, 
131   (A.  Teichmann). 

Klughardt,  August  Friedrich  Martin,  Dr, 
hon,  c,  herzogl.  anhaltin.  Hofrat  und  Hof- 
kapellmeister in  Dessau,  ordentl.  Mitglied 
d.  Akademie  d.  Künste  zu  Berlin,  Opern- 
komponist; *  Koethen  30.  XI.  1847 ;  f  Roß- 
lau b.  Dessau  3.  VIII.  —  111.  Ztg.  119,  210; 


Woche  4,  1488  (P);  BZ  11,  186.  12,  188. 
13,  181  (111.  Ztg.  1902  Nr.  3084:  R.  Lie- 
bisch, mit  P;  Allgem.  Musikztg.  1902,  568; 
Bühne  u.  Welt  1902,  975;  Unser  Anhalt- 
land 1902  Nr.  34:  E.Hamann,  mitP;  Die 
Musik  1903, 1,  2075:  Fr.  v.  Volbach;  Neue 
musikal.  Presse  1903,  252:  A.  Krtsmäry); 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  121  (Ltist- 
ner,  mit  L). 

Klumpp,  Otto  v.,  Dr.,  ehemal.  Direktor  der 
königl.  Württemberg.  Handbibliothek  in 
Stuttgart,  früher  Erzieher  des  Prinzen  v. 
Hohenlohe-Langenburg;  f  Stuttgart,  im 
83.  Jahre,  13.  X.  —  Woche  4,  1981;  Hl. 
Ztg.  119,  618;  Zentralblatt  f.  Bibliotheks- 
wesen 19  (1902),  556;  W^ürttemberg.  Jahr- 
bücher f.  Statistik  u.  Landeskunde  1902,  V 
(Hartmann,  mit  L). 

Klützow,  Hermann  v.,  k.  preuß.  Wirkl.  Ge- 
heimer Rat,  früher  Direktor  im  preußischen 
Ministerium  d.  Innern,  Dechant  des  Dom- 
stiftes Brandenburg  a.  H.  u.  Mitglied  des 
preuß.  Herrenhauses  f.  dasselbe;  *  28.  X. 
1813;  f  auf  Rittergut  Dedelow  b.  Prenzlau 
15.  XI.  —  111.  Ztg.  119,  827;  Woche  4, 
2160. 

*Knab,  Ferdinand,  Architektur-  und  Land- 
schaftsmaler, auch  Illustrator  in  München ; 
♦  Würzburg  1 2.  VI.  1837 ;  f  München  3.  XI. 

—  BJ  VII.  161  (H.  Holland);  Jalirbuch  d. 
bildenden  Kunst  2, 107 ;  D.  geistige  Deutsch- 
land I,  369. 

^Knappe,  Ernst  v.,  k.  preuß.  Generalleutnant 
z.  D.;  ♦  Wittenberg  12.  IX.  1839;  f  W^tirz- 
burg  12.  V.  —  BJ  VII,  100  (Lorenzcn); 
BZ  II,  186  (Militärztg  1902  Nr.  20). 

Knaufi,  Karl,  Dr,  med.,  k.  Württemberg.  Sa- 
nitätsrat, Prosektor  am  Katharinenhospital 
und  erster  Stadtarzt  in  Stuttgart,  patholog. 
Anatom  und  Hygieniker;  *  daselbst  13.  VIII. 
1865;  f  ebenda  23.  VI.  —  Virchows  Jahres- 
berichte 37, 1,  413  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  11, 
186  (Korrespondcnzblatt  d.  Württemberg, 
ärztlichen  Landesvereins  1902,  898,  mit 
P);  Württemberg.  Jahrbücher  für  Statistik 
und  Landeskunde  1902,  IV  (Hartmann, 
mit  L). 

Knoop,  Freifrau  Theodore  v.,  geb.  Frerichs, 
W^itwe  des  Freiherm  Julius  v.  K.,  Philan- 
thropin; ♦  Bremen  20.  II.  1826;  f  Wies- 
baden 17.  VI.  —  Woche  4,  1182;  Frei- 
herr!. Taschenbuch  1903,  374. 

Knorr,  Max,  Dr,  med.,  prakt.  Arzt>  türk. 
Generalkonsul  u.  Österreich.  Gesandtschafts- 
rat in  München;  f  daselbst  15.  III.  —  111, 
Ztg.  118,417. 

Köberlin,  Alfred,  Dr.  phil.,  Gymnasiallehrer 
in  Neustadt  a.  H.,  Historiker  u.  National- 
ökonom; *  1862;  t  Neustadt  a.  H.  6.  II. 

—  111.  Ztg.  118,  315;  KL  25,  45. 


6i 


Totenliste  1902:  Köhler  —  Krause. 


62* 


^Köhler,  August,  Gouvenieur  d.  deutschen 
Kolonie  in  Togo;  *  Eltville  (Rheinprov.) 
30.  IX.  185S;  t  Lome  (Deutsch-Westafrika) 
20.  I.  —  BJ  VTI,  262  (VV.  VVolkenhauer)  ; 
111.  Ztg.  118,  157.  160.  161  (G.  Meinecke, 
mit  P);  Woche  4,  184  (P);  Geographen- 
kalender I,  224  (Haack). 

Kohn,  Leopold  {alias  Kuhn),  Kapellmeister 
u.  Komponist:  s.  Kuhn,  Leopold, 

Köhn  von  Jaski,  Wilhelm,  Oberst  z.  I)., 
d.  älteste  inaktive  Offizier  d.  preuO.  Armee; 
f  Görlitz,  im  94.  Jahre,  21.  X.  —  111.  Ztg. 

119.  643. 

^Koelle,  Sigismund  Wilhelm,  Dr.,  evangel. 
Missionar  in  Sierra  Leone,  Sprachforscher, 
Kenner  der  tUrk.  und  der  Negersprachen; 
^  Clcebronn  (württembergisches  Oberamt 
Brackenheim)  14.  VlI.  1820;  f  London 
18.  II.  —  BJ  Vil,  296  (W.  Wolkenhauer); 
Geographenkalender  i,  224  (Haack). 

*König,  Bruno  Emil  (Pseudon. :  E.  Crole), 
Dichter  u.  Schriftsteller;  ♦  Hettstädt  (preuß. 
Provinz  Sachsen)  11.  IV.  1833;  t  Leipzig- 
Schleußig  17.  VI.  —  BJ  VII,  174  (F.  Brum- 
mer); KL  24,  742  (W);  Brummer 5  2,  325. 

König,  Hermann,  Dr,^  Schatzrat  a.  D.,  Mit- 
glied d.  landesständ.  Verwaltung  in  Hanno- 
ver, Mitglied  der  früheren  2.  hannover. 
Kammer  u.  d.  konstituierenden  Norddeut- 
schen Reichstags  (nationalliberal);  *  2.  V^I. 
18 14;  t  Hannover  16.  III.  —  111.  Ztg.  118, 
470. 

Kopecky  (auch  Kopetzky),  Josef,  Hof kapell- 
meister  in  Wien,  Komponist  von  Chören, 
Marschen  und  Tänzen;  *  Wieliczka  1852; 
t  21.  I.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
121   (LUstner,  mit  L). 

Kopp,  Eduard  Ritter  v.,  Dr.jur.,  Gründer 
u.  langjähr.  Vorstand  d.  Wiener  Schützen- 
vereins u.  Vorstand  d.  Österreich.  Schützen- 
bundes; *  Deblin  b.  Brunn  15.  IV.  1827; 
t  Hietzing  b.  Wien  1.  XI.  —  Voss.  Ztg. 
1903  Nr.  II  Beil.  1 ;  Wurzbach,  Biograph. 
Lexikon  d.  Kaisert.  Österreich  12,  444. 

Kofimann,  Max,  Landgerichtsrat.  Entomo- 
log;  f  im  Dezember.  —  Leopoldina  39,  86. 

*Kostersitz,  Ubald,  Propst  des  Augustiner- 
Cliorherren Stiftes  von  Klostemeuburg  bei 
Wien,  Kirchenhistoriker;  *  Littau  (Mähren) 
12.  XII.  1828;  f  Klostemeuburg  3.  X. — 
BJ  VII,  332  (F.  Lauchert). 

Köstlin,  Julius  Theodor,  Dr,  theol.^  Jur, 
et  phil.f  Oberkonsistorialrat,  ordentl.  Pro- 
fessor a.  D.  f.  systemat.  Theologie  an  d.  Uni- 
versität Halle,  Kirchenhistoriker;  *  Stuttgart 
17.  V.  1826;  t  Halle  a.  S.  12.  V.  —  111. 
Ztg.  118,  777.  778  (G.  Buchwald,  mitP); 
KL  24,  747  (W).  25,  45;  BZ  10,  171.  11, 
190  (Deutsch-evangel.  Blätter  1902,  435; 
Theolog.  Studien   u.  Kritiken  1903,  5:  E. 


Kautzsch) ;  Theolog.  Jahresbericht  22(1 902) 
1438  (Nestle,  mit  L);  Schaff-Jackson,  En- 
cyclopedia  0/  living  divines  119  (mit  W) ; 
Württemberg.  Jahrbücher  für  Statistik  und 
Landeskunde  1902,  III  (Hartmann,  mitL); 
Chronik  d.  Univ.  Halle  1902. 
Kothe,  Julius,  ehemal.  kgl.  Kammermusiker 
in   Hannover;   *  daselbst    1831;   f  ebenda 

4.  IX.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
121   (Lüstner,  mit  L). 

Krafft-Ebing:  Richard  Fridolin  Joseph 
Freih.  Krafft  von  Festenberg  auf  Frohnberg 
genannt  von  Ebing,  Dr,  med,,  k.  u.  k.  Hof- 
rat, früher  ordentl.  Professor  f.  Psychiatrie 
u.  Neuropathologie  an  d.  Universität  Wien ; 

*  Mannheim  14.  VIII.  1840;  f  Maria-Grün 
b.  Graz  22.  XII.  —  Freiherrl.  Taschenbuch 

1901,  388.  1903,  898;  KL  24,  763  (W); 
Pagel  907  (mit  P);  111.  Ztg.  120,  36.  55 
(mit  P);  Leopoldina  38,  136.  39,  41 ;  Ztschr. 
f.  Psychiatrie  60,  305  (H.  Schule) ;  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  418  (Pagel,  mitL)  u. 
BZ  10,  171.  12,  193.  13,  i8i  (Wiener  klin. 
Rundschau  1902,  243.  263.  281  u.  Münch- 
ner medizin.  Wochenschrift  1903,  167:  A. 
Fuchs;   Psychiatr.-neurolog.  VVochenschrift 

1902,  I  mit  P  u.  1903,  221:  V.  Sölder; 
Zukunft  43,  463  u.  Deutsche  medizin. Presse 

1903,  14:  A.  Moll;  Jahrbücher  f.  Psychia- 
trie u.  Neurologie  23,  1903,  i  ;  Arztl.  Zen- 
tralztg.  1903,  17:  J.  Allerhand;  D.Wissen 
f.  Alle  1903  Nr.  i:  Wagner  v.  Jaueregg; 
Klin.-therapeut.    Wochenschrift    1903,  22: 

5.  Kornfeld;  Mitteilungen  des  Vereins  der 
Arzte  in  Steiermark  1903,  61:  Sterz;  Deut- 
sche medizin.  Wochenschrift  1903,  39:  A. 
Eulenburg,  mit  P;  Wiener  klin.  Wochen- 
schrift 1903,  21:  Karplus;  Jahrbuch  für 
sexuelle  Zwischenstufen  1903,  II,  1293). 

Krais,  Frau  Bertha  (Pseudon. :  B.  H  o  f  f  m  a  n  n), 
Verfasserin  von  Novellen  u.  Erzählungen; 

*  Stuttgart  3.  IV.  1829;  t  daselbst  6.  VI. 
--  KL  24,  45  (W).  25,  45. 

Krämer,  Joseph,  Oberingenieur,  Direktor  d. 
Techn.  I^ehranstalten  zu  Frankenhausen  am 
Kyffhäuser;  *  Eger  24.  IV.  1849;  t  Halle 
a.  S.  15.  II.  —  111.  Ztg.  n8,  341;  KL  24, 
762  (?mit  W).  25,  735. 

^Kraetzschmar,  Otto  Richard,  Dr,  phil., 
Lic.  theol.,  außerordentl.  Professor  für  alt- 
testamentl.  Theologie  an  der  Universität 
Marburg;  *  Leipzig  lo.  VIII.  1867;  t  ^*'" 
bürg  i.  H.  8.  VII.  —  BJ  VII,  203  (Ph. 
Losch);  Theolog.  Jahresbericht  22  (1902), 
1438  (Nestle,  mitL);  KL  24,  762  (W). 

*Krause,  Caesar  Ernst  A 1  b  r  e  c  h  t,  Dr.  phil., 
Hauptpastor  an  der  Katharinenkirche  in 
Hamburg,  philosoph.  Schriftsteller  (Kanti- 
aner); *  Grätz  (Prov.  Posen)  12.  XI.  1838; 
f     Hamburg     14.   XI.    —     BJ    VII,    200 


63* 


Totenliste  1902:  Krause  —  Krupp. 


64* 


(J.  Sass);  Theolog.  Jahresbericht  22  (1902), 
1438  (Nestle);  Perthes  Handlexikon  f. Theo- 
logen 2,  274. 

Krause,  Karl,  k.  sächs.  Kommerzienrat,  Groß- 
industrieller, Besitzer  einer  Maschinenfabrik 
in  Anger-Crottendorf  bei  Leipzig;  *  Li- 
mehna  b.  Eilenburg  (Prov.  Sachsen)  19.  XI. 
1823;  t  Leipzig  3.  IIJ.  —  111.  Ztg.  118, 
341;  BZ  10,  173  (Der  prakt.  Maschinen- 
konstrukteur 1902  Beiblatt:  Verkebrsztg. 
Nr.  1 1  mit  P). 

Krebs,  Johann  Jakob,  Oberkonsistorialrat, 
Senior  minister ii  u.  evangel.-luth.  Stadt- 
pfarrer in  Frankfurt  a.  M.;  *  Alt-Sachsen- 
hausen bei  Frankfurt  a.  M.  29.  XI.  1829; 
t  Frankfurt  a.  M.  28.  III.  —  111.  Ztg.  118, 
547 ;  Perthes'  Handlexikon  f.  evangel.  Theo- 
logen 2,  375. 

Kreibig,  Gustav,  Lic,  tkeoL,  Superintendent 
d.  Diözese  Berlin  I,  Pfarrer  an  d.  Bartholo- 
mäuskirche, theolog.  Schriftsteller;  *  12.  IX. 
1840;  f  Berlin  25.  II.  —  KL  24,  772; 
Perthes'  Handlexikon  f.  evangel.  Theologen 
2f  375  (mitW);  Theolog.  Jahresbericht  22 
(1902),  1438  (Nestle,  mit  L). 

Kreiml-Baumberg,  Antonie,  Dichterin:  s. 
Baumberg,  Antonie. 

♦Kreiten,  Wilhelm,  Mitglied  d.  Gesellschaft 
Jesu,  Literarhistorikern.  Dichter;  *  Gangelt 
(Reg.-Bezirk  Aachen)  22.  VI.  1847  ?  t  Kirch- 
rath  (Holland)  6.  VI.  —  BJ  VII,  146  (F. 
Brummer);  KL  24,  772  (W).  25,  45; 
Brummers  2,  343.  568  (mit  W);  Theolog. 
Jahresbericht  22  (1902),  1438  (Nestle,  mit 
L);  BZ  II,  193  (Literar.  Warte  1902,  706: 
B.  Felician-Blyerhcide;  Ebenda  641:  A. 
IJgnis  \P,  Expeditus  Schmidt];  Stimmen 
aus  Maria-Laach  63,  i ;  Alte  u.  neue  Welt 
1902,  718:  K.  Muth,  mit  P;  Monatsschrift 
f.  kathol.  Lehrerinnen  1902,  412:  M.  Ho- 
hoff). 

Kremnitz,  k.  preuß.  Generalmajor,  Komman- 
deur der  66.  Infanterie-Brigade  in  Metz; 
t  daselbst  20.  XI.  —  111.  Ztg.  119,  827. 

^Krenn,  Edmund,  Genre-,  Landschafts-  und 
Architekturmaler  in  Zürich;  *  Wien  24.  V. 
1845  (o<ier  1846?);  t  Zürich  13.  IL  —  BJ 
VII,  169  (H.  Schmerber);  Jahrbuch  d.  bil- 
denden Kunst  2,  107;  Müller-Singer,  All- 
gemeines KUnstlerlexikon  3  2,  392. 

*Kriechbaumer,  Joseph,  Dr,  med,,  früher 
zweiter  Konservator  an  d.  Zoolog.-zootom. 
Sammlung  d.  Staates  in  München,  Ento- 
molog  u.  Botaniker;  *  Tegernsee  13.  III. 
1819;  t  München  2.  V.  —  BJ  VII,  84  (K, 
W.  della  Torre);  BZ  11,  193  (Insekten- 
börse 1902,  209  mit  P);  Leopoldina  38, 
59  (O.  Taschenberg,  mit  W). 

Krieger,  Johann  Nepomuk,  Besitzer  einer 
Privatstemwarie  (Pia-Sternwarte)  in  Triest, 


früher  in  Gern  b.  München,  Selenograph,. 
Verfasser  eines  Mondatlas;  *  Unterwiesen- 
bach (Bayern)  1865;  t  San  Remo  10.  II. 
—  Leopoldina  38,  80;  PoggendorfF  4,  806- 
(nach  Astronom.  Nachrichten  Bd.  158). 
*Krones  Ritter  von  Marchland,  Franz 
Xaver  (Pseudon.:  Frank),  Dr.  fhil.,  k.  u. 
k.  Hofrat,  ordentl.  Professor  d.  Geschichte 
an  d.  Universität  Graz,  Österreich.  Historiker, 
auch  Verfasser  von  Romanen  u.  Novellen; 

*  Ungarisch-Ostrau  (Mähren)  19.  XI.  1835; 
t  Graz  17.  XI.  —  BJ  VII,  116  (K.  Uhlirz, 
mit  W);  111.  Ztg.  119,  646  (G.  Stampcr,  mit 
P);  Woche  4,  2030  (P);  BZ  11,  194.  12, 
196.  13,  190  (Deutsche  Geschichtsblätter 
1903,  188). 

Krug  von  Nidda,  Louis,  k.  preuß.  Oberst- 
leutnant z.  D.,  1884 — 87  Mitglied  d.  Deut- 
schen Reichstags  f.  Hamm-Soest  (konser- 
vativ) ;  •  Sangerhausen  25. 1.  1821 ;  t  Berlin 
23.  VIII.  —  Schönfeld,  Notizbuch  f.  Reichs- 
tagswähler 5  191;  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  609 
Beil.  2;  Woche  4,  1624. 

Krüger,  Dr,  theoL,  Dompropst  in  Frauenburg 
(Ostpreußen);   f   i.  V.  —   Woche  4,  835. 

Krüger,  Heinrich  August,  Geheimer  Kanzlei- 
rat im  Bureau  des  preuß.  Herrenhauses; 
t  Berlin,  im  82.  Jahre,  10.  XI.  —  111.  Ztg. 
119,  781. 

Krüpl,  Anton  (Pseudon.),  Schriftsteller:  s. 
Flamm,  Theodor. 

•Krupp,  Friedrich  Alfred,  k.  preuß.  WirkL 
Geheimer  Rat,  Inhaber  d,  Gußstahlfabrik 
Friedrich  Krupp  in  Essen  und  d.  Gruson- 
werkes  in  Magdeburg,  Mitglied  d.  preuß. 
Staatsrats  u.  Herrenhauses,  zeitweilig  auch 
des   Deutschen   Reichstags   (Reichspartei); 

•  Essen  17.  IL  1854;  f  Villa  Hügel  b. 
Essen  22.  XI.  —  BJ  VII.  245  (A.  Birk); 
111.  Ztg.  119,  813  (A.  O.  Klaußmann,  mit 
P).  827  u.  Beilage  zu  1902  Nr.  31 01  (A. 
Drossong,  mit  Illustr.) ;  Deutsche  Bauztg. 
36,  611;  Woche  4,  2200  (A.  Zimmermann, 
mit  Illustr.).  2247;  BZ  ii,  195.  12,  196. 
I3i  190  (Das  rote  Kreuz  1902,  437  u.  441, 
mit  P;  Kriegstechn.  Ztschr.  1902,  545;  Con- 
cordia  1902,  273:  Albrecht;  Echo  1902 
Nr.  48  u.  49;  Glückauf  1902  Nr.  51:  Der 
Bergbau  Jahrg.  16  Nr.  lo;  Polytechn.  Zen- 
tralblatt 1902,  216;  Zoolog.  Anzeiger  1902, 
113  u.  Biolog.  Zentralblatt  1903,  76:  O. 
Zacharias;  Hamburg.  Korrespondent  1903 
März  18:  Jencke;  Stahl  u.  Eisen  1903,  i; 
Börsenblatt  für  den  deutschen  Buchhandel 
1903  Nr.  34.  35:  T.  Kellen,  L;  Monats- 
schrift f.  Handel-  u.  Sozialwissenschaft  1903, 
283 :  Stange;  Jahrbuch  f.  sexuelle  Zwischen- 
stufen 1903,  II,  1304;  Beiträge  zur  Ge- 
schichte V.  Stadt  u.  Stift  Essen  23,  i  — 106: 
O.  Wiedfeldt;  de:). 


65* 


Totenlistc  1902:  Kruse  —  Kufimaul. 


66* 


^Kruse,  Heinrich  August  Theodor,  Dr, 
phil,.  Geheimer  Regierungsrat,  früher  Chef- 
redakteur d.  »Köln.  Ztg.«,  dramat.  u.  ep. 
Dichter;  ♦Stralsund  15. XII.  181 5;  f  Bücke- 
burg 13.  I.  —  BJ  VII,  163  (O.  Zaretzky); 
111.  Ztg.  118,  126  (L.  Salomon,  mit  P); 
Othmer-Kleemeier,  VademecumS  312.  732 
(W). 

Kubicki,  Karl,  Kaufmann  in  Schroda,  früher 
Mitglied  d.  Deutschen  Reichstags  (Pole); 
f,  78  Jahre  alt.  3.  XII.  —  Voss.  Ztg.  1902 
Nr.  609  Beil.  2. 

♦Kubier,  Paul,  Dr,  med.,  Oberstabsarzt,  Re- 
ferent in  der  Medizinalabteilung  d.  preuß. 
Kriegsministeriums;  ♦  Berlin  31.  I.  1862; 
f  auf  d.  Reise  in  Gaschum  (Montafontal) 
13.  VII.  —  BJ  VII,  131  (Pagel);  Leopoldina 
38,  100;  Virchows  Jahresberichte  37,  I, 
418  (Pagel,  mit  L:  Berliner  klin.  Wochen- 
schrift 1902  Nr.  29;  Deutsche  militärärztl. 
Ztschr.  31,  452:  Roland). 

Küffher,  Bernhard  Ritter  v.,  Präsident  des 
Oberlandesgerichts  in  München,  Reichsrat 
d.  Krone  Bayern ;  f  München  8.  III.  —  111. 
Ztg.  118,  391. 

Kugelmann,  Louis,  Dr.  vud.,  prakt.  Arzt  in 
Hannover,  1 848  ger  Demokrat,  später  Mit- 
glied d.  roten  Internationale;  f,  74  Jahre 
alt,  10.  (oder  13.?)  I.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  II  Beil.  2;  Virchows  Jahresberichte 
37,  I,  419  (Pagel);  Woche  4,  136. 

♦Kügler,  Max  Albert,  Dr.  jur,,  k.  preuß. 
Wirkl.  Geheimer  Rat,  Präsident  d.  preuß. 
Oberverwaltungsgerichtshofes  in  Berlin, 
vorher  Dezernent  f.  d.  Volksschulwesen  im 
Kultusministerium;  ♦  Liegnitz  24.  IX.  1845 < 
t  Berlin  22.  V.  —  BJ  VII,  308  (Th.  Lind- 
ner); Woche  4,  999  (P);  BZ  10,  176.  12, 
197  (Frauenbildung  1902,  249;  Ostdeutsche 
Monatshefte  f.  Erziehung  u.  Unterricht  1903, 
235;  Pädagog.  Ztg.  1903  Nr.  21). 

Kuhlow,  J.,  Kommerzienrat,  Präsident  der 
Handelskammer  in  Halle  a.  S.;  f  daselbst 
12.  V.  —  111.  Ztg.  118,  751 ;  Woche  4,  886; 
BZ  xo,  176  (Die  ehem.  Industrie  1902, 
Nr.  11). 

Kühn,  Hermann,  Professor,  Direktor  d.  Kunst- 
u.  Kunstgewerbeschule  in  Breslau;  ♦  Zeitz 
16.  III.  1849;  t  Breslau  6.  VIII.  —  Jahr- 
buch d.  bildenden  Kunst  2,  107. 

Kuhn  (eigentlich  Kohn),  Leopold,  früher 
Theaterkapellmeister,  dann  Direktor  des 
Stadttheaters  in  Wiener  Neustadt,  zuletzt 
Mitdirektor  des  Theaters  in  Czernowitz  u. 
des  Sommertheaters  in  Hall,  Komponist; 
♦  Wien  26.  VIII.  1861;  f  17.  I.  —  Voss. 
Ztg.  1903  Nr.  9  Beil.  i ;  Monatshefte  für 
Musikgeschichte  35,  121  (Lüstner,  mit  L); 
Rheinhardt,  Biographien  d.  Wiener  Künstler 
u.  Schriftsteller  i,  560. 

Biogr.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog.    7.  Bd. 


Kiinigl,  Ferdinand  Felix  Graf,  k.  u.  k. 
Major  a.  D.,  d.  älteste  Offizier  d.  Österreich- 
ungar. Armee;  *  23.  VI.  1805;  f  Gries  b. 
Bozen  9.  XII.  —  111.  Ztg.  1 19,  968;  Gräfl. 
Taschenbuch  1904,  454. 

Kupifender,  Eduard,  Geheimer  Oberjustizrat, 
zuletzt  Senatspräsident  am  Oberlandesge- 
richt in  Breslau;  *  Bromberg  1828;  f  Bres- 
lau   im  August  (?).  —  111.  Ztg.  119,  313. 

KupfTer,  Karl  Wilhelm  Ritter  v.,  Dr.  med., 
k.  bayer.  Geheimer  Rat,  ordentl.  Professor 
für  Anatomie  an  d.  Universität  München, 
Vorstand  u.  I.  Konservator  d.  anatom.  An- 
stalt d.  ba}T.  Staates,  ordentl.  Mitglied  d. 
k.  bayr.  Akademie  der  Wissenschaften; 
♦  Lesten  (Livland)  14.  XI.  1829:  f  Mün- 
chen 16.  XII.  —  Leopoldina  38,  136.  39, 
41 ;  Chronik  der  Universität  München  für 
1902/3,  S.  9;  Woche  4,  2380  (P);  111. 
Ztg.  119,  991  (P  in  Nr.  2945  vom  7.  X. 
1899);  Virchows  Jahresberichte  37,  I,  419 
(Pagel,  mit  L)  u.  BZ  I2,  199  (Deutsche 
Medizin.  Wochenschrift  1903,  58:  K.  v. 
Bardeleben,  mit  P;  Münchner  Medizin. 
Wochenschrift  1903,  24:  G.  Merkel;  Peters- 
burger Mediz.   Wochenschr.  1902  Nr.  219). 

^Kürschner,  Joseph,  Dr.  phil.,  Geheimer 
Hofrat,  Professor,  Lexikograph;  *  Gotha 
20.  IX.  1852;  f  auf  der  Reise  zwischen 
Windisch-Matrei  u.  Hüben  29.  VII.  —  BJ 
VII,  198;  111.  Ztg.  119.  205  (K.  Wilke,  mit 
P);  Woche  4,  1488  (P);  Hinrichsen,  D. 
literarische  Deutschland^  761;  BZ  11,  198 
(Bühne  u.  Welt  1902,  973;  H.  Stümcke; 
Deutsche  Buchhandelsblätter  1902,  499,  mit 
P;  Literar.  Praxis  1902  Nr.  8);  Börsenblatt 
f.  d.  deutschen  Buchhandel  1902. 

Kusar,  Joseph,  Präsident  der  Laibacher  Han- 
delskammer und  Landtagsabgeordneter; 
t  Laibach  13.  I.  —  Woche  4,  92. 

Küsel,  Eduard  Theodor  Heinrich,  emerit. 
Pfarrer  in  Ballethen  (Ostpreußen) ;  ♦  Rasten- 
burg 27.  IV.  1826;  t  Ballethen  23.  L  — 
Altpreuß. Monatsschrift  40, 472  (Rindfleisch, 
L:  Evangel.  Gemeindeblatt  57,  1902,  53: 
Kahler). 

Kufimaul,  Adolf,  Dr.  med.,  früher  ordentl. 
Professor  f.  innere  Medizin  an  d.  Universität 
Strafiburg,  in  Heidelberg  lebend ;  *  Graben 
bei  Karlsruhe  22.  II.  1822;  f  Heidelberg 
27.  V.  —  111.  Ztg.  118,  857  (mit  P);  Leo- 
poldina 38,  80;  Deutsches  Archiv  f.  klin. 
Medizin  73,  i  (W.  Fleiner,  mit  W);  Woche 
4,  317  (P).  325  (A.  Fränkel).  991  (P). 
1025  (V.  Czcmy).  1049  (P).  2105  (Er- 
innenmgsfeier  in  Heidelberg,  mit  Illustr.); 
Pagel  932  (mit  P) ;  Virchows  Jahresberichte 
37,  I,  419  (Pagel,  mitL);  Ztschr.  für  die 
Geschichte  d.  Oberrheins  57  (1903),  388 
(Frankhauser,  L);  BZ  10,  178.  11,  198  (L). 


6f 


Totenliste  1902:  Kutsch  —  Lautb. 


68* 


Kutsch,  Adolf  Constantin,  Oberlehrer  a.  D.; 

♦  •  König^sberg  i.  Pr.  i.  VI.  1830;  f  Elbing 
28.  VII.  —  Altpreuß.  Monatsschrift  40,  472 
(Rindfleisch,  L). 

Lackner,  Karl,  k.  preuß.  Gartendirektor,  her- 
vorrngender  Blumenzüchter  (besonders  Or- 
chideen, Nelken  u.  Flieder);  *  2.  V.  1831  (?); 
t  Berlin  9.  XI,  —  111.  Ztg.  119,  781 ;  Woche 
4,  21 16;  BZ  12,  200  (Gartenflora  1903,  2 
u.  240:  L.  Wittmack). 

La  Croix,  de;  s.  De  la  Croix. 

Ladenburg,  Emil,  Geheimer' Kommerzienrat, 
Bankier,  früher  Inhaber  d.  Bankhauses  E. 
Ladenburg  in  Frankfurt  a.  M.  u.  Teilhaber 
der  Firma  W.  H.  Ladenburg  &  Söhne  in 
Mannheim;  f  Frankfurt  a.  M.,  79  Jahte  alt, 
2.  I.  —  111.  Ztg.  118,  63. 

Lahm,  Johannes,  früher  Chefredakteur  des 
»Rhein.  Courier«;  f  Wiesbaden  31.  III.  — 
Voss.  Ztg.  1903  Nr.  7  Beil.  2. 

*Lahs,  Heinrich  Carl  Rudolf  Friedrich, 
Dr,  med.,  aufierordentl.  Professor  an  der 
Universität  Marburg,  Gynäkolog;  *  Putlitz 
(Mark  Brandenburg)  25.  VI.  1838;  f  Mar- 
burg 20.  II.  —  BJ  VII,  251  (Ph.  Losch); 
Leopoldina  38,  21.  48  (mit  W);  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  419  (Pagel)  u.  BZ  10, 
178  (L). 

Landesmann,  Heinrich  (Pseudon.:  Hiero- 
nymus  Lorm),  Dichter  und  Schriftsteller; 
•  Nikolsburg  (Mähren)  9.  VIII.  1821; 
t  Brunn  3,  XII.  —  111.  Ztg.  119,  923  (P  in 
Nr.  3031  V.  1.  VIII.  190O;  Woche  4,  2292 
(P);  Wurzbach,  Biographisches  Lexikon  d. 
Kaisert.  Österreich  14,  72  (mit  W  u.  L); 
Hinrichsen,  D.  literar.  Deutschland*  773; 
Brummers  2,  369.  516  (W);  Othmer-Klee- 
meier,  Vademecum^  819  (W);  BZ  10,  186. 
II,  207.  12,  208.  13,  201  (Jahrbuch  der 
Grillparzergesellschaft  1902,  184:6.  Münz; 
Allgemeine  Ztg.  d.  Judentums  1902  Nr.  50; 
Leipziger  Ztg.  1902  Wissenschaftl.  Beil. 
Nr.  151:  A.  Semerau;  Norddeutsche  All- 
gemeine Ztg.  1902  Nr.  285;  Bühne  u.  Welt 
1903,  1035:  Ph.  Stein;  Neue  freie  Presse 
1903  Sept.  6;  Voss.  Ztg.  1903  Dezember  3). 

*Landois,  Leonard  Christian  Clemens 
August,  Dr.  med.,  Geheimer  Medizinalrat, 
ordentl.  Professor  f.  Physiologie  u.  Direktor 
des  Physiolog.  Instituts  an  der  Universität 
Greifswald;  •  Münster  i.  W.  I.  XIL  1837; 
t  Greifswald  17.  XI.  —  BJ  VII,  86  (Pagel); 
Chronik  d.  Universität  Greifswald  17  (1903), 
10  (R.  Rosemann,  mit  W);  111.  Ztg.  119, 
816  u.  820  (mit  P);  Pagel  947  (mit  P); 
Virchows  Jahresberichte  37, 1,  419  (Pagel, 
L)  u.  BZ  II,  199  (Deutsche  Medizinische 
Wochenschrift  1902,  891 :  Peiper,  mit  P; 
Wiener  klin.  Wochenschrift  1902  Nr.  15; 


Landsberg- Velen  und  Gemen,  Maximilian 
Franz  3.  Graf  v.,  Standesherr  auf  Gemen, 
Herr  auf  Uhlenbrock  etc.,  Dr,  Jur,,  erbl. 
Mitglied  d.  preuß.  Herrenhauses,  Präsident 
d.  westfäl.  Bauemvereins ;  *  Münster  i.  W. 
17.  I.  1847;  f  Schloß  Velen  (Kreis  Borken, 
Westf.)  31.  XII.  —  111.  Ztg.  120,  419;  Gräfl. 
Taschenbuch  1903,469.  1904,463;  BZ  12. 
201  (Deutsche  landwirtschaftl.  Presse  1903 
Nr.  3;  Germania  1903  Nr.  3). 

Lange,  Peter,  Oberförster,  früherer  Ver^'alter 
d.  Güter  d.  Fürsten  Bismarck;  t  Mülheim 
a.  d.  Mosel  20.  IV.  —  Woche  4,  732.  736 
(P);  BZ  10,  180.  II,  200  (Deutsche  Forst- 
ztg.  1902,  385:  W.  Kessler,  mit  Illust.; 
Ztschr.  f.  Forst-  und  Jagdwesen  1902,  385). 

Langer,  Viktor  (Pseudon.:  Aladar  Tisza). 
Organist,  Komponist  u.  Musikschriftsteller 
in  Budapest;  *  daselbst  14.  X.  1842;  f  eben- 
da 19.  III.  —  RiemannS  631 ;  Monatshefte 
f.  Musikgesch.  35,  122  (Lüstner,  mit  L). 

Langerhans,  Wilhelm  Hermann  Heinrich, 
Dr.Jur.,  Reichsgerichtsrat  a.  D.  in  Leipzig; 

•  21.  IV.  1816;  t  Leipzig  i.  IV.  —  111.  Ztg. 

118,  547. 

Langkavel,  Bernhard,  Dr,pkil.^  klass.  Philo- 
log  und  Naturforscher;  *  Stettin  20.  VIII. 
1825;  t  Hamburg  8.  VII.  —  KL  24,  810 
(W).  25,  45. 

Langreuter,  Georg,  Dr,  med.,  Direktor  der 
2.  nassau.  Irrenanstalt  Weilmünster,  Psy. 
chiater;  ♦  Vechta  (Oldenburg)  5.  II.  1855,. 
t  WeilmUnster  7.  III.  —  Allgemeine  Ztschr . 
f.  Psychiatrie  59,  189  (Lontzius-Beninga) ; 
Virchows  Jahresberichte  37,  I,  419  (Pagel). 

Largin,  Dr.,  Gerichtspräsident  d.  Amtsbezirks 
Bern;  f  durch  Absturz  vom  Nadelhom 
16.  VIII.  —  Woche  4,  1578. 

Lauchert,  Amalie,  geborene  Prinzessin  zu 
Hohenlohe-Schillingsfürst :s.  Hohenlohe- 
SchillingsfUrst. 

Lauenstein,  Otto,  Oberbürgermeister  a.  D. 
von  Lüneburg,  langjähr.  Mitglied  d.  früheren 
2.  hannover.  Kammer  u.  des  preuß.  Abge- 
ordnetenhauses, einer  d.  Führer  d.  national- 
liberalen Partei;  *  17.  I.  1829;  f  Lüneburg 
26.  n.  —  111.  Ztg.  118,  341;  Woche  4 
Nr.  10  S.  VII;  Oettinger,  Moniteur  des 
dates  3,  103. 

*Lauser,  Wilhelm,  Dr.  phil.,  k.  Württemberg. 
Geheimer  Hofrat,  Journalist  u.  Historiker; 

•  Stuttgart  15.  VI.  1836;  t  Charlottenburg 
1 1.  XI.  —  BJ  VII,  76  (R.  Krauß);  111.  Ztg. 

119,  786  (Alexander  Braun,  mit  P);  Hin- 
richsen, D.  literar.  Deutschland  *  784 ;  Woche 
4,  2168  (P);  Württemberg.  Jahrbücher  für 
Statistik  und  Landeskunde  1902,  V  (Hari- 
mann,  L). 

Lauth,  Ernst,  Bankier,  chemal.  Bürgermeister 
von  Straßburg  i.  E.,   1874 — 77  Mitglied  d. 


69* 


Totenliste  1 902 :  Lederer  —  Lewinstein. 


70* 


Deutschen  Reichstags  (Protestler) ;  f  Stra6- 
l>urg,  75  Jahre  alt,  3.  IV.  —  111.  Ztg.  118, 
547;  Schönfeld,  Notizbuch  f.  Reichstags- 
wähler 5  394. 

Lederer,  Ferdinand,  Fabrikant  v.  Holzblas- 
instrumenten in  Wemitzgrün  i.  S.;  f  da- 
selbst 6.  Vin,  —  Monatshefte  f.  Musik- 
gesch.  35,  122  (Lüstner,  mit  L). 

*Led6chowski:  Miecislaus  Johann  vom 
Kreuze  Halka  von  Ledochow  Graf  Le- 
dochowski,  Kardinalpriester,  Generalpräfekt 
d.  Congregatio  de  Propaganda  fide  in  Rom, 
Titularinhaber  der  Kirche  S.  Laurentii  in 
Lucina,  früher  Erzbischof  v.  Posen  u.  Gne- 
sen;  *  Gorki  bei  Sandomir  29.  X.  1822; 
t  Rom  22.  VII.  —  BJ  VII,  306  (F.  Lau- 
chert);  Gräfl.  Taschenbuch  1903,479;  Wo- 
che 4,  1376  (P);  111.  Ztg.  119,  159.  164 
(R.  Schöner,  mit  P);  BZ  11,  202  (Wage 
1902  Nr.  34;  M.  Claar;  St  Norbertus-Blatt 
1902,  296;  D.  heilige  Land  1902,  153,  mit 
P);  Theolog.  Jahresbericht  22  (1902),  1438 
(Nestle). 

Leeb,  Hermann  Ritter  v.,  k.  bayer.  General- 
major z.  D.,  zuletzt  Kommandeur  d.  9.  In- 
fanterie-Brigade; t  München  23.  II.  —  111. 
Ztg.  118,341;  Verordnungsblatt  d.  bayer. 
Kriegsministeriums  1902,  77. 

*Leeb,  Michael,  Benediktiner,  Prior  d.  Klosters 
Weltenburg  a.  D. ;  *  Kempten  26.  IX.  1822 ; 
t  Weltenburg  25.  XII.  —  BJ  VII,  262  (F. 
Lauchert). 

Lehmann,  Heinrich  Bruno,  früher  evangel. 
Pastor  in  Schedewitz  b.  Zwickau,  theolog. 
Schriftsteller,  Mitredakteur  v.  Meusels  Kirchl. 
Handlexikon ;  *  Katzenberg  b.  Nossen  (Kgr. 
Sachsen)  6.  IV.  1827;  f  Plauen  b.  Dresden 
29.  IX.  —  KI.  25,  792  (mit  W);  Perthes' 
Handlexikon  f.  evangel.  Theologen  2,  427; 
Theolog.  Jahresbericht  22  (1902),  1438 
(Nestle);  BZ  11,  202  (Sachs.  Kirchen-  u. 
Schulblatt  1902  Nr.  38;  Allgemeine  ev.- 
luth.  Kirchenztg.  1902  Nr.  42). 

Lehmann,  Eduard,  Dr,  tned.,  Arzt  und  Bo- 
taniker in  Riga;  *  daselbst  1841;  f  eben- 
da 5.  V.  —  Virchows  Jahresberichte  37, 1, 
419  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  11,  202.  12,  203 
(Korrespondenzblatt  d.  Naturforschervereins 
Riga  45,  21 :  K.  R.  Kupffer;  Verhandlungen 
d.  botan.  Vereins  d.  Prov.  Brandenburg  44, 
XXXV :  P.  Ascherson ;  Petersburger  Medizin. 
Wochenschrift  1902  Nr.  20). 

Lehmann,  Friedrich,  k.  preuß.  Wirkl.  Ge- 
heimer Oberfinanzrat,  Unterstaatssekretär 
im  Finanzministerium,  vorher  im  Dienste 
d.  Staatsbahnverwaltung;  f  Berlin  11.  IV. 
—  111.  Ztg.  118,  935- 

Lemberg,  Johann  Theodor,  Dr.  ehern,, 
kaiscrl.  russ.  Staatsrat,  Professor  d.  Mine- 
ralogie an  d.  Universität  Dorpat;  *  Reval 


25.  VIII.  (a.  St.)  1842;  t  Dorpat  8.  XI.  (a. 
St.)  —  Leopoldina  39,  42;  Poggendorff  3, 
793.  4,  863  (mit  W);  BZ  11,  205  (Zen- 
tralbatt  f.  Mineralogie  1903,  246:  F.  Loe- 
wison-Lessing). 
Lentz,  Karl  August  Heinrich  Freih.  v.,  k. 
preuß.  Wirkl.  Geheimer  Rat,  bis  1890  vor- 
tragender Rat  im  Finanzministerium ;  **  Berlin 

3.  XI.  1820;  t  daselbst  24.  \\\  —  Voss. 
Ztg.  1902  Nr.  605  Beil.  8;  Freiherrliches 
Taschenbuch  1903,  425. 

*Lenz,  August,  Professor,  Kustos  des  kgl. 
Naturalienmuseums  in  Kassel;  *  Eisenach 
15.  IV.  1828;  t  Kassel  2.  IV.  —  BJ  VII, 
250  (Ph.  Losch);  BZ  12,  205.  13,  197  (L). 

^Leonhardi,  Bernhard  August  Alban  v., 
k.  Sachs.  Generalleutnant  z.  D,;  *  Zschepp- 
lin  b.  Eilenburg  (Provinz  Sachsen)  24.  X. 
1817;  t  Nyitra-Sarfö  26.  VIII.  —  BJ  VII, 
68  (Lorenzen);  111.  Ztg.  119,  385;  BZ  11, 
204  (Militärztg.  1902  Nr.  36). 

Lersch,  Bernhard  Maximilian,  Dr.  med.t 
vormals  Badeinspektor  in  Aachen,  verdient 
um  Bäderkunde  u.  Geschichte  d.  Medizin ; 

*  Aachen  12.  X.  181 7;  f  Aachen  26.  II.  — 
Pagel  991;  Leopoldina  38,  57  (mit  W); 
Virchows  Jahresberichte  37, 1,  420  (Pagel); 
BZ  10,  183  (L). 

Le  Sage,  Franz  Ritter  v.,  k.  bayer.  General- 
direktor d.  Posten  u.  Telegraphen  a.  D. ; 

♦  München  1836;  f  daselbst  19.  II.  —  111. 
Ztg.  118,  315. 

Levetzow,  Theodor  Joachim  Elias  Frederik, 
kaiserl.  deutscher  Kapitän  z.  S.  a.  D.,  Reichs- 
kommissär für  d.  Auswanderungswesen  in 
Bremen ;  *  Castorff  (Lauenburg)  9.  IX.  1843 ; 
t  Oldenburg  20.  XI.  —  111.  Ztg.  120,  36; 
Goth.  genealog.  Taschenbuch  d.  Adeligen 
Häuser  1903,  514. 

Levisohn,  Leonard,  Präsident  der  United 
Meial  Selltng  Company  in  Neuyork,  aus- 
schlaggebend f.  d.  gesamte  amerikanische 
Kupfergeschäft,  geborenerDeutsch.;  London 
laut  Meldung  vom  6.  III.  —  111.  Ztg.  118, 

391- 
Levysohn,  Hedwig,  Gesanglehrerin  in  Berlin ; 

t  daselbst,  57  Jahre  alt,  19.  IX.  —  Woche 

4,  1800;  Monatshefte  für  Musikgesch.  35, 
122  (Lüstner,  mit  L). 

Lewandowski,  Rudolf,  Dr,  med.,  Arzt  in 
Baden  bei  Wien,  Elektrotherapeut ;  f  da- 
selbst Sept./Okt.  —  Virchows  Jahresberichte 
37,  I,  420  (Pagel,  mit  L:  Wiener  Medizin. 
Presse  1902  Nr,  40). 

Lewinstein,  Gustav  (Pseudon.:  J.  Wein- 
stcn  gl),  Dr.phil.f  polit.  u.  Volkswirtschaft!. 
Schriftsteller,  früher  Herausgeber  d.  »Ta- 
bakztg.«,  vorübergehend  auch  Privatdozent 
an  der  Universität  Heidelberg;  *  Berlin 
21.  IX.  1829;   t  daselbst  29.  VIIL  —  111. 


71* 


Totenliste  1902:  Leybold  ■ — Lohn-Siegel. 


72* 


Ztg.  119,  385;  KL  24,  840  (mit  W);  D. 
geistige  Berlin   i,  296. 

Leybold,  Karl,  Oberbergrat,  Mitglied  des 
Oberbergamts  in  Dortmund;  f  daselbst, 
47  Jahre  alt,  3.  IIL  —  111.  Ztg.   118,  391. 

Leyendecker,  Ernst,  Besitzer  der  Firma  W. 
Ivcyendecker  &  Co.  f.  Bleiprodukte  in  Ehren- 
feld b.  Köln,  Sozialpolitiker  u.  Philanthrop ; 
t  Köln,  48  Jahre  alt,  6.  IL  —  111.  Ztg.  1 18, 

341. 
Lezius,   A.,   Geheimer  Justizrat  in  Köthen, 

Präsident  d.  anhält.  Landtags,  Mitglied  d. 

Zentral  Vorstandes  d.  nationalliberalen  Partei ; 

t  Berlin  17.  III.  —  111.  Ztg.  118,  417;  BZ 

10,  183  (Unser  Anhaltland  1902  Nr.  13, 
mit  P). 

Lichtenfels,  Hans,  Wirkl.  Geheimer  Ober- 
postrat, bis  1901  Abteilungsdirigent  im 
deutschen  Reichspostamt,  verdient  um  das 
Telegraphenwesen;  f  Berlin,  im  66.  Jahre, 

11.  XL  —  111.  Ztg.  119,  781. 

Lieber,  Ernst,  Dr.  Jur,  utr.,  Mitglied  des 
preufi.  Abgeordnetenhauses  u.  Deutschen 
Reichstags,  Führer  d.  linken  Flügels  des 
Zentrums,  auch  Mitglied  d.  Provinzialland- 
tags,  d.  Provinzialausschusses  u.  Provinzial- 
rates  in  Kassel,  d.  Kommunallandtages  in 
Wiesbaden,  des  Kreistages  und  Kreisaus- 
schusses in  Limburg  u.  Vorsteher  d.  Stadt- 
verordnetenkollegiums in  Camberg  (Hessen- 
Nassau);  •  Camberg  16.  XI.  1838;  f  da- 
selbst 31.  III.  —  lU.  Ztg.  118,  509.  534 
(mit  P);  Woche  4»  596  (P);  BZ  10,  184 
(Gegenwart  1902  Nr.  15;  Die  Wahrheit 
1902,  193:  H.  Held;  Nation  19  Nr.  27: 
Alex.  Meyer;  Alte  u.  neue  Welt  1902,  599: 
H.  Kemer,  mit  P);  Kürschner,  Reichstag 
1898 — 1903,  189  (mitP) ;  Kürschner,  Preuß. 
Abgeordnetenhaus  1894,  360  (mit  P). 

Liebermann,  August  v.,  Regierungspräsident 
a.  D.  von  Münster  in  Westf.,  früher  Mit- 
glied d.  preufl.  Abgeordnetenhauses  (kon- 
servativ); t  Liegnitz,  im  76.  Jahre,  25. 
(oder  26.  ?)  L  —  111.  Ztg.  118,  191 ;  Woche 
4,  180. 

Liedtke,  Theodor,  k.  preufi.  Hof  Schauspieler 
(Bonvivants)  a.  D. ;  *  Königsberg  i.  Pr. 
28.  X.  1828;  t  Berlin  20.  XI.  —  Woche  4, 
2210  (P);  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  11  Beil.  2; 
Flüggen,  Biograph.  Bühnenlexikon  i,  198; 
Eisenberg,  GroBes  biograph.  Lexikon  der 
Deutschen  Bühne  606. 

Lieres  und  Wilkau,  Hermann,  k.  preuß. 
Generalmajor  z.  D.,  zuletzt  Kommandeur 
d.  29.  Kavalleriebrigade ;  f  29.  XL  —  Voss. 
Ztg.  1903  Nr.  I  Beil.  8. 

Limpricht,  Gustav,  Oberlehrer  in  Breslau, 
Botaniker;  f  daselbst,  68  Jahre  alt,  20.  X. 
—  BZ  12,  207  (Hedwigia  42  Beibl.  i: 
V.  Schiffner,  mit  P ;  Jahresbericht  d.  schles. 


Gesellschaft  f.  vaterländ.  Kultur  80,  Nekrol. 
12:  W.  Limpricht). 

Lindemann,  Karl,  Dr.  phil.,  Professor,  früher 
Oberlehrer  am  Reälg^ymnasium  zu  Anna- 
berg i.  S.,  Pädagog  u.  Schriftsteller  auf  d. 
Gebiete  der  Mathematik  und  Naturwissen- 
schaften; *  1820;  t  Dresden  24.  I.  — 
III.  Ztg.  118,  191;  KL  25,  46. 

Lingens,  Josef,  Dr.  jur,  honoris  causa  der 
Universität  Löwen,  päpstlicher  Geheimer 
Kämmerer,  Advokat  u.  Rechtsanwalt  a.  D., 
Stadtverordneter  in  Aachen,  Mitglied  des 
Deutschen  Reichstags,  früher  auch  d.  preuß. 
Landtags;  •  Aachen  10.  VIII.  1818;  t  da- 
selbst 31.  X.  —  111.  Ztg.  119,  695;  Woche 
4,  2074  (P);  Kürschner,  Reichstag  1898 — 
1903,  205  (mitP);  Brockhaus,  Konv.-Lexi- 
kon'4  II,  189. 

^Linnemann,  Johann  Alexander,  Pro- 
fessor, Architekt  u.  Glasmaler  in  Frankfurt 

a.  M.;  •  daselbst  14.  VII.  1839;  f  ebenda 
22.  (oder  21.?)  LX.  —  BJ  VII,  93  (H. 
Schmerber);  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst 
2,  107;  Deutsche  Bauztg.  36,  506.  552  (L.); 
BZ  II,  206  (Zentralblatt  d.  Bau  Verwaltung 
1902  Nr.  79:  Luthmer,  mit  P). 

*Linstow,  Adolf  v.,  k.  preufi.  Generalleut- 
nant z.  D.;  *  Ratzeburg  14.  V.  1832; 
t  Lübeck  7.  XII.  —  BJ  VII,  252  (Lorenzen). 

Lippe-Weifienfeld,  Gabriele  Pauline  Luise 
Thora  Ottilie  Gräfin  zur,  Ehrendame  d.  k. 
bayer.  Theresienordens ;  *  Ratiboritz  8.  V. 
1844;  t  Schloß  Pfaffstädt  bei  Munderfing 
(Oberösterrcich)  13.  XI.  —  Woche  4,  21 61 ; 
Goth.  Hofkalender  1903,  44.   1904,  45. 

Litke,  Theodor,  Bildhauer  in  Berlin;  *  19.  VII. 
1847;  t  Berlin  von  eigener  Hand  18.  XL 
—  Muller-Singer,  Allgemeines  Künstler- 
lexikon 3  3,  21;  'Jahrbuch  der  bildenden 
Kunst  2,  107. 

♦Löffler,  PhUipp,  Mitglied  der  Gesellschaft 
Jesu,  hervorragender  Kanzelredner;  *  Hei- 
ligenstadt 24.  I.  1834;  f  Luxemburg  11. 
VIII.  —  BJ  VII,  307  (F.  Lauchert);  Keiter- 
Jörg,  Kathol.  Literaturkalender  6,  186  (mit 
W). 

Lehmann,  Albert,  k.  preuß.  Wirkl.  Geheimer 
Oberjustizrat,  früher  Senatspräsident  am 
Oberlandesgericht  Posen;  f,  77  Jahre  alt, 
25.  X.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3  Beil.  i. 

*Löhn-Siegel,  Maria  Anna  (Pseudon.:  Lork 
Alb  an  u.  Willibert  v.  Herrigau),  Ge- 
mahlin d.  Rechtsanwalts  Dr.  Franz  Siegel 
in  Dresden,  Dichterin  und  Schriftstellerin, 
früher  Mitglied  der  Dresdner  Holbühne  u. 
d.  Hoftheaters   in  Oldenburg;   *  Naundorf 

b.  Freiburg  in  Sachsen  30.  XI.  1830;  f  Dres- 
den I.  I.  —  BJ  VII,  186  (F.  Brummer); 
Brummers  2,  438.  598  (mit  W);  111.  Ztg. 
118,  63  (mit  P);  KL  24,  858.  25,  46;  Pa- 


73* 


Totenliste  1902:  Löhncr  —  Mairich. 


74* 


taky,  Lexikon  deutscher  Frauen  der  Feder 
1,517  (mit  W);  Flüggen,  Biographisches 
Bühnenlexikon  i,  202;  Eisenberg,  Großes 
biograph.  Lexikon  d.  Deutschen  Bühne  616; 
Bühne  u.  Welt  4,  i,  441. 
Löhner,  Hermann  v.,  Kulturhistoriker  und 
Danteforscher;  •  Wien  27.  IV.  1842;  f  da- 
selbst  20.  V.  —   Hl.  Ztg.   118,  829;  KL 

25,  46. 

Loimann,  Gustav,  Dr,  med,^  Badearzt  in 
Franzensbad,  Obmann  der  Sektion  Eger- 
Franzensbad  des  Zentralvereins  deutscher 
Ärzte  in  Böhmen;  *  Franzensbad  26.  XII. 
'853;  t  daselbst  27.  VIII.  —  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  420  (Pagel,  mit  L) 
und  BZ  II,  207  (Prager  Medizin.  Wochen- 
schrift 1902  Nr.  31  u.  32). 

Lorm,  Hieronymus  (Pseudon.),  Dichter:  s. 
Landesmann,  Heinrich. 

Löwenfels,  Moritz  v.,  Journalist  in  San  Fran- 
cisco, früher  deutscher  Offizier;  f  San  Fran- 
cisko,  83  Jahre  alt,  7.  XI.  —  Voss.  Ztg. 
1903  Nr.  II  Beil.  2;  Woche  4,  2204. 

♦Loewy,  Josef,  k.  k.  Hofphotogrraph  in  Wien, 
Inhaber  einer  Anstalt  f.  Autotypie,  Photo- 
gravüre und  Lichtdruck;  *  Prefiburg  1835; 
t  Wien  24.  III.  —  BJ  VII,  170  (H.  Schmcr- 
ber). 

Loewy,  Sigmund,  k.  preufi.  Justizrat,  Rechts- 
anwalt u.  Notar  a.  D.  in  Berlin;  f,  80  Jahre 
alt,  30.  XI.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3  Bei- 
lage I. 

Lucius,  Paul  Ernst,  Dr,  iheol.,  ordentl.  Pro- 
fessor f.  Kirchengeschichte  an  d.  Universität 
Straßburg  i.  E.;  *  Ernolzheim  bei  Zabem 
16.  X.  1852;  t  Straßburg  28.  XI.  —  111. 
Ztg.  119,  968;  KL  24,  878.  25,  46;  Schaff- 
Jackson,  Encychpedia  of  living  drvines  132 
(mit  W);  Holtzmann-Zöpffel,  Lexikon  für 
Theologie  u.  Kirchenwesen*  674;  Theolog. 
Jahresbericht  22  (1902),  1439  (Nestle,  mit  L). 

Lugo,  Emil,  Landschaftsmaler  in  München; 
*  Stockach  bei  Konstanz  26.  VI.  1840; 
t  München  4.  VI.  —  MüUer-Singer,  Allge- 
meines Künstlerlexikon  3  3,  58;  Jahrbuch  d. 
bildenden  Kunst  2,  107.  iio  (L:  Allge- 
meine Ztg.  1902  Beil.  IV,  137:  P.  Jensen); 
BZ  II,  209.  13,  202  (Die  Rheinlande  1902 
Oktober  S.  22:  E.  Liesegang;  Graphische 
Künste  1903  Mitteil.  S.  60:  S.  Graf  Pückler- 
Limpurg;  Bad.  Landesztg.  1903  Nr.  20:  A. 
Geiger). 

*Lupin,  Hugo  Freih.  v„  k.  Württemberg. 
Generalleutnant  z.  D.,  ♦  lUerfeld  26.  VIL 
1829;  f  Stuttgart  12.  [so  nach  Freiherrl. 
Taschenb.]  V.  —  BJ  VII,  99  (Lorenzen); 
Freiherrl.  Taschenbuch  1903,464;  BZ  ii, 
211  (Militärztg.  1903  Nr.  20);  Württem- 
berg. Jahrbücher  f.  Statistik  u.  Landeskunde 
1902,  III  (Hartmann,  L). 


Lürman,  Stephan  August,  Dr.,  Senator  u. 
mehrmals  Bürgermeister  d.  Freien  u.  Hanse- 
stadt Bremen,  Kunstkenner;  *  Bremen  22. 
IX.  1820;  f  daselbst  13.  X.  —  Woche  4, 
1937;  111.  Ztg.  119,  618. 

Luthardt,  Christoph  Ernst,  k.  sächs.  Ge- 
heimer Rat  und  Domherr,  Lic,  ihcol,,  Dr. 
phil,  et  iheol,,  ordentl.  Professor  f.  systemat. 
Theologie  u.  neutestamentl.  Exegese  an  d. 
Universität  Leipzig,  Herausgeber  d.  »All- 
gemeinen luther.  Kirchenztg.« ;  *  Marolds- 
weisach  (Unterfranken)  22. III.  1823 ;  -f* Leip- 
zig 21.  IX.  —  111.  Ztg.  119,471.  511  (J. 
P.,  mit  P);  Woche  4,  549  (P);  KL  24, 
884  (W).  25,  46;  Schaff- Jackson,  Ency- 
chpedia of  living  diüines  133  (mit  W); 
Theolog.  Jahresbericht  22  (1902),  1439 
(Nestle,  mit  L);  BZ  11,  211.  12,  212.  13, 
204  (Neues  sächs.  Kirchenblatt  1902  Nr.  42 : 
Klotz;  Sächs.  Kirchen-  u.  Schulblatt  1902 
Nr.  41 — 43:  Winter;  Allgemeine  evangel.- 
luther.  Kirchenztg.  1902  Nr.  40:  Ansprachen 
am  Sarge;  Ebenda  Nr.  42.  43;  Ebenda 
Nr.  44  ff.  1903,  Nr.  i  ff.;  Die  Reformation 
1902  Nr.  31;  Leipziger  Ztg.  1902  Wissen- 
schaft!. Beil.  Nr.  117:  R.  Wolf;  Akadem. 
Blätter  1902  Nr.  13:  Hötzsch;  Beweis  des 
Glaubens  1902,397:  O.  Zöckler;  Pastoral- 
blätter für  Homiletik  45,  145:  Bendixen; 
Der  alte  Glaube  1903  Nr.  22.  23 :  J.  Winter; 
Monatsschrift  f.  Stadt  u.  Land  1903,  957: 
F.  J.  Winter). 

Lützeler,  Karl,  k.  preuß.  Geheimer  Justizrat, 
Präsident  d.  Landgerichts  Cöln;  '*'  Elber- 
feld  9.  VII.  1828;  fCöhi  2.  Vn.  —  111. 
Ztg.  119,  51;  Woche  4,  1279. 

Maass,  Ferdinand,  Professor,  Maler  u.  Sänger, 
Schüler  Joseph  Ritters  v.  Führich;  ♦  Ried 
(Oberinntal)  1837;  t  ^^s^lbst  30.  VII.  — 
Hl.  Ztg.  119,  195. 

Madlungy  Wilhelm,  k.  preuß.  Generalmajor 
z.  D.,  langjähr.  Vorstand  d.  Bekleidungs- 
amtes d.  Gardekorps;  f  Berlin,  71  Jahre  alt, 
21.  I.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  I  Beil.  8. 

^Mähly,  Jakob  Achilles  (Pseudon.:  Jokun- 
dus  Plappermund),  Dr,  p/uL,  ordentl. 
Professor  für  klass.  Philologie  an  d.  Uni- 
versität Basel,  auch  Dichter  u.  Journalist; 
♦  daselbst  24.  XII.  1828;  ferenda  14.  VL 
—  BJ  VII,  69  (K.  Trog);  KL  24,  889  (W). 
25,  46;  Eckstein,  Nomenciator  philologO" 
rvm  350;  Woche  4,  11 82;  Hinrichsen,  D. 
literar.  Deutschland*  850  (mit  W);  Brüm- 
merS  3,  7.  469  (mit  W);  BZ  11,  214 
(Schweizer.  Lehrerztg.  1903,  263). 

Mairich,  Hugo,  Ingenieur  in  Gotha,  Auto- 
rität in  Fragen  d.  Wasserversorgung  und 
Kanalisation ;  verunglückte  auf  d.  Fahrt  mit 
einem  Automobil,  40  Jahre  alt,  21.  VII.  — 
Deutsche  Bauztg.  36,  400. 


/5 


Totenliste  1902:  Maempel  —  Maurer. 


76* 


Maempel,  Friedrich  Benjamin  Hermann 
(Pseudon. :  Friedrich  Benjamin  Hermann), 
Fabrikant  in  Arnstadt,  geistl.  Dichter;  *  da- 
selbst 20.  II.  1829;  f  ebenda  1 1.  II.  —  KL 
24,  891  (mit  W).  25,  46;  BrümmerS  3,  471 
(mit  W). 

Mamroth,  M.,  Stadtrat  in  Berlin,  Vorsitzender 
d.  Verwaltung  d.  städt.  Sparkasse,  d.  Ob- 
dachs f.  Arbeitslose,  d.  Arbeitshäuser  etc.; 
f  Berlin,  70  Jahre  alt,  23.  IX.  —  Voss.  Ztg. 
1903  Nr.  I  Beil.  8;  Woche  4,  1800. 

Mandelkern,  Salomon  (Pseudon.:  Minda- 
loff),  Dr,  pkiL  et  jur.t  in  Leipzig,  Lin- 
guist u.  Hebraist,  auch  Philosoph  u.  neu- 
hebr.  Dichter;  •  Mlynow  (VVolhynien)  25. 
IV.  1846;  t  Wien  24.  IH.  —  111.  Ztg.  118, 
509  u.  Nr.  2746  V.  15.  Febr.  1896  (mit?); 
KL  24,  896  (W).  25,  46;  Theolog.  Jahres- 
bericht 22  (1902),  1439  (Nestle);  BZ  10, 
193«  13.  208  (Allgemeine  Ztg.  d.  Juden- 
tums 1902  Nr.  20:  A.  Katz;  Ztschr.  f.  d. 
alttestamentl.  Wissenschaft  1903,  352:  M. 
Lambert). 

*Mandry,  Gustav  v.,  Dr,jur,,  Staatsrat,  bis 
1900  ordentl.  Professor  d.  röm.  Rechts  an 
d.  Universität  Tübingen,  lebenslängl.  Mit- 
glied d.  Württemberg.  Kammer  d.  Standes- 
herren; *  Waldsee  (Württemberg)  31.  L 
1832;  t  Tübingen  30.  V.  —  BJ  VII,  133 
(A.  Teichmann);  Woche  4,  1050  (P);  KL 
24,  897  (W).  25,  46. 

Mangold,  Heinrich,  Pfarrer  in  Berghausen 
(Baden);  *  Hemsbach  an  der  Bergstraße 
18.  X.  1837;  f  Berghausen  29.  VIII.  — 
Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins  57  (1903), 
389  (Frankhauser,  L:  Zur  Erinnerung  an 
H.  M.,  Karlsruhe  1902). 

Mansard,  Georg  v.,  k.  preufl.  Generalmajor 
z.  D.,  früher  Erzieher  mehrerer  Prinzen  d. 
Hauses  Waldeck,  Ehrenvorsitzender  des 
Deutschen  Kriegervereins  »Kaiser  Fried- 
rich« und  d.  Rhein.  Provinzial-Kriegerver- 
bandes;  *  Arolsen  23.  XII.  1818;  f  Cöln 
I.  IX.  —  111.  Ztg.  119,  737. 

^Mantey,  Eberhard  v.,  k.  preuB.  General  d. 
Infanterie  z.  D.;  *  Cckermünde  23.  VI. 
1835;  t  Dessau  12.  VI.  —  BJ  VII,  65  (Lo- 
renzen);  111.  Ztg.  118,  976. 

Manussi,  Hans,  Direktor  d.  Stadttheaters  in 
Trier,  Schauspieler  (Charakterrollen,  Väter) ; 
*  Wien  20.  X.  1850;  f  Trier  22.  XI.  — 
Flüggen,  Biograph.  Bübnenlexikon  i,  208; 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  122  (Lüst- 
ner, mit  L). 

Marezoll,  Gustav  Karl  Franz  Georg,  k.  sächs. 
Oberappellationsrat  a.  D.;  *  Gießen  27.  I. 
1822;  f  Leipzig-Eutritzsch  5.  III.  —  111. 
Ztg.  118,  391. 

Margareta  Sophia  Marie  Annunciata  The- 
resia   Karolinc    Luise    Josephine   Johanna 


Erzherzogin  von  Osterreich,  Gemahlin  des 
Herzogs  Albrecht  von  Württemberg, 
Tochter  d.  Erzherzogs  Karl  Ludwig  von 
Österreich;  *  Artstetten  13.  V.  1870:  t  Alt- 
mUnster  bei  Gmunden  24.  VIII.  —  Goth. 
Hofkalendcr  1903,  54;  Woche  4,  1626  (P); 
111.  Ztg.  119,  313.  373  (J.  P.,  mit  P). 

Maria  Henriette  Anna  Erzherzogin  v.  Öster- 
reich, Königin  d.  Belgier;  •  Ofen  23.  VIII. 
1836;  t  Spa  19.  IX.  —  Goth.  Hof  kalender 
1903»  56;  Woche  4,  1803.  1826.  1882  (P); 
111.  Ztg.  119,  458  (mit  P). 

Marie  Wilhelmine  Friederike  Elisabeth  Prin- 
zessin V.  Nassau,  Witwe  d.  Hermann  Fürsten 
zu  Wied,  Mutter  d.  Königin  v.  Rumänien; 

*  Schloß  Biebrich  29.  I.  1825;  ^  Neuwied 
24.  III.  —  Goth.  Hofkalender  1903,  46; 
Woche  4  Nr.  U  S.  VII;  111.  Ztg.  iiS.  470, 

497—501   (mit  P). 
^Marshall,  James,  Professor,  Historienmaler; 

♦  Amsterdam  1838;  f  Leipzig  18.  VII.  — 
BJ  VII,  150  (H.  Schmerber);  111.  Ztg.  119, 
123;  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  107; 
Müller-Singer,  Allgemeines  Künstlerlexi- 
kon 3  3,  117;  BZ  13,  210  (Ztschr.  für  bil- 
dende Kunst  N.  F.  14,  256:  J.  Gensei). 

*Martens,  Wilhelm,  Dr.  theol.  it  jur.,  Re- 
gens a.  D.,  Kirchenhistoriker  u.  Kanonist; 

•  Danzig  30.  I.  1831;  f  Kloster^^ald  bei 
Ottobeuern  27.  III.  —  BJ  VII,  134  (A. 
Teichmann);  KL  24,  904  (W). 

*Massini-Meyenrock,  Rudolf,  Dr,  mcd,^  or- 
dentl. Professor  d.  Arzneimittellehre  u.  Di- 
rektor d.  allgemeinen  Poliklinik  an  d.  Uni- 
versität Basel;  »Basel  28.  XI.  1S45;  t  da- 
selbst 12.  XIL  —  BJ  VII,  171  (Egger); 
Pagel  1105  (mitW);  Virchows  Jahresbe- 
richte 37,  I,  421  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  12, 
218  (Korrespondenzblatt  f.  Schweizer  Ärzte 
*903i  491  Egger;  VV^ochenschrift  f.  Chemie 
u.  Pharmazie  1903,  1 1 ;  Wiener  klin.  Rund- 
schau 1902  Nr.  51). 

Mathis,  Franz,  Oberkonsistorialrat,  1.  Pfarrer 
an  der  Lukaskirche  in  Berlin;  t  daselbst, 
69  Jahre  alt,  31.  XII.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  3  Beil.  i. 

Matz,  A.,  Dr,ffied,y  Oberstabsarzt,  Botaniker; 
t  7.  V.  —  Virchows  Jahresberichte  37,  I, 
421  u.  BZ  12,  219  (Verhandlungen  d.  bo- 
tan.  Vereins  der  Provinz  Brandenburg  44, 
XXXVIII :  P.  Gröbner). 

Maurer,  Jakob.  Gutsbesitzer  u.  Gemeinderat 
in  Hochdorf  (Württemberg.  Oberamt  Vai- 
hingen), Württemberg.  Landtagsabgeordn. ; 
t  Hochdorf  16.  IX.  —  Woche  4.  1754; 
Württemberg.  Jahreshefte  f.  Statistik  u. 
Landeskunde  1902,  IV   (Hartmann.  L). 

*Maurer,  Joseph  Karl  [nicht  Joseph  Karl], 
Professor  a.  D.  in   Hall   (Tirol),   Dichter; 

*  Innsbruck  4.  X.  1834;  f  Hall  4.  XI.  — 


11* 


Totenliste  1902:  Maurer  —  Mertens. 


78* 


BJ  VIT,  144  (F.  Brummer);  BrümmerS  3, 
32.   477   (mit  W);   KL  24,  912   (mit  W). 

^Maurer,  Konrad  v.,  Dr,  jur.  et  phÜ.^  k. 
bayer.  Geheimer  Rat,  ordentl.  Professor  an 
d.  Universität  München,  Rechtshistoriker  u. 
Germanist;  *  Frankenthal  (Rheinpfalz  29. 
IV.  1823;  t  München  16.  IX.  —  BJ  VII, 
135  (A.  Teichmann). 

Mauthner,  Gustav  Ritter  v.,  Direktor  der 
Kreditanstalt  in  Wien,  Mitglied  d.  Herren- 
hauses d.  Österreich.  Reichsrats;  t  Vöslau, 
54  Jahre  alt,  19.  V.  —  Hl.  Ztg.  118,  829; 
BZ   10,  196  (Jurist.  Blätter  1902,  244). 

Mecke,  Hermann,  kaiserl.  deutscher  Geheimer 
Justizrat,  Rechtsanwalt  beim  Reichsgericht 
in  Leipzig,  Vorsitzender  d.  Deutschen  An- 
waltvereins; •  Koblenz  3.  IL  1834;  t  Leip- 
zig 29.  I.  —  Juristische  Wochenschrift  31 
(1902),  65  (Deiß).  105.  235  (C.  Th.  Wolflf). 

*Meebold,  Robert,  k.  Württemberg.  Geheimer 
Kommerzienrat,  Großindustrieller,  früher  Di- 
rektor d.  Württemberg.  Kattunmanufaktur  in 
Heidenheim;  *  daselbst  29.  VIII.  1826; 
t  Wien  23.  11.  —  BJ  VII,  93  (R.  Krauß). 

Meerscheidt-Hüllefiem,  Otto  Karl  Frcih. 
V.,  k.  preuß.  Geheimer  Rat,  bis  1900  Land- 
rat d.  Kreises  Königsberg-Land,  1871 — 74 
Mitglied  d.  Deutschen  Reichstags  (konser- 
vativ); •  Kuggen  (Ostpreußen)  23.  IX.  183 1 ; 
t  Wiesbaden  17.  XII.  —  Freiherrl.  Taschen- 
buch 1904,  484;  Schoenfeld,  Notizbuch  f. 
Reichstagswähler  5,  10. 

Mehlhose,  Wilhelm,  Kammermusiker  am 
Hoftheater  in  Dresden;  •  Grabitz  1841.  — 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  122  (LUst- 
ner,  mit  L). 

Mehnert,  Ernst,  Dr,  med.,  außerordentl.  Pro- 
fessor d.  Anatomie  an  d.  Universität  Halle 
a.  S.,  Prosektor  f.  Histologie  am  Anatom. 
Institut  daselbst ;  *  St.  Petersburg  9.  (a.  St) 
IL  1864;  t  Meiningen  17.  XL  —  Leopol- 
dina 39,  43;  Pagel  II 14  (mitW);  BZ  11, 
219.  12,  220  (St.  Petersburger  Medizin. 
Wochenschrift  1902,  457;  Anatom.  An- 
zeiger 1903,  387;  G.  Schwalbe). 

Meilinger,  Josef,  Kanonikus,  lange  Jahre 
Chorregent  zu  St.  Paul  in  Regensburg; 
*  Kelheim  16.  IL  1818;  f  Regensburg  8.  IL 

—  Monatsh.  f.  Musikgesch.  35,  122  (Lüst- 
ner, mit  L);  Schematismus  d.  Geistlichkeit 
d.  Bistums  Regensburg  1902,  IX.  1903, 
1 16. 

Meinel,  F.  A.,  ehemal.  Kammermusiker  in 
Berlin;  *  Klingentbai  1827 ;  f  Berlin  19.  XL 

—  Monatshefte  für  Musikgesch.  35,  122 
(LUstner,  mit  L). 

*Meifiner,  Ernst  Adolf,  Tier-  u.  Genremaler 
in  München;  *  Dresden  12.  IV.  1837; 
f  München  25.  IX.  —  BJ  VII,  162  (H.  Hol- 
land);   Müller-Singer,   Allgemeines   Kttnst- 


lerlexikonS  3,  158;  111.  Ztg.  119,  547;  D. 
geistige  Deutschland  i,  454. 

Meister,  Heinrich,  Kammermusiker  a.  D., 
Dirigent  einer  nach  ihm  benannten  Musik- 
kapelle; t  W'iesbaden  28.  X.  —  111.  Ztg. 
119,  695. 

Meixner,  Ludwig  v.,  Regierungspräsident  v. 
Niederbayem,  früher  Polizeipräsident  von 
München;  ♦  München  24.  VII L  1842;  t  da- 
selbst 31.  VIII.  —  Woche  4,  1670.  1678 
(P);  Augsburger  Abendztg.  1902  Nr.  241. 
242. 

*Melchior,  Hermann  v.,  k.  preuß.  General- 
leutnant z.  D.,  ♦  Bielefeld  20.  II.  1828; 
t  Wiesbaden  9.  IlL  —  BJ  VII,  iii  (Lo- 
renzen). 

Mellin,  G.,  Großindustrieller;  f  Barmstedt 
(Holstein)  19.  XII.  —  Woche  4,  2376. 

Mendel-Steinfels,  Heinrich  v.,  k.  preuß. 
Landesökonomierat  in  Halle  a.  S.,  geschäfts- 
führender Direktor  der  Landwirtschafts- 
kammer f.  d.  Provinz  Sachsen,  Mitglied  d, 
preuß.  Abgeordnetenhauses    (konservativ); 

*  I.  I.  1849;  t  Griesbach  (Bayern)  auf  d. 
Reise  25.  VIII.  —  111.  Ztg.  1 19,  385 ;  Woche 
4,  1624;  Kürschner,  Preuß.  Abgeordneten- 
haus 1894,  220;  BZ  II,  219  (Deutsche 
landwirtschaftliche  Presse  1902  Nr.  72:  O. 
Rabe,  mit  P). 

Merian,    Hans.    Dichter    und    Schriftsteller; 

♦  Basel  18.  IL  1857;  t  Leipzig  28.  V.  — 
KL  24,  932  (W).  25,  46;  111.  Ztg.  118, 
857;  D.  literar.  Leipzig  149  (mit  W).  161. 
168.  262;  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  u. 
BZ  II,  220  (Zukunft  40,  9:  Max  Klinget); 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  123  (Lüst- 
ner, mit  L). 

Merke,  Heinrich,  Verwaltungsdirektor  des 
städtischen  Krankenhauses  Moabit  in  Berlin, 
Autorität  auf  d.  Gebiete  d.  Krankenhaus- 
wesens, auch  literarisch  tätig;  f  Berlin, 
58  Jahre  alt,  14.  IV.  —  111.  Ztg.  118,  623; 
Virchows  Jahresberichte  37, 1,  421  (Pagel). 

*Merkens,  Heinrich  Ludwig (Pseudon. :  M. 
v.  d.  Erft),  Privatgelchrter,  Schriftsteller 
besonders  auf  dem  Gebiete  der  Kulturge- 
schichte; *  Cöln  a.  Rh.  27.  VIL  1836; 
t  München  9.  III.  —  BJ  VII,  177  (F.  Brum- 
mer); BrümmerS  3,  53  (mit  W);  KL  24, 
934  (W). 

Merschmann,  Friedrich,  Dr.  phil.,  früher 
Redakteur  d.  »Leipziger  Ztg.«,  auch  reli- 
giöser u.  Philosoph.  Schriftsteller;  f  Kassel, 
im  89.  Jahre,  19.  IL  —  111.  Ztg.  118,  341; 
KL  25,  46;  BZ  10,  197  (Akadem.  Blätter 
1902,  33:  H.  Willrich). 

Mertens,  Hermann,  k.  preuß.  Generalmajor 
z.  D.,  zuletzt  Kommandeur  d.  Feldartillerie- 
Regiments  Nr.  22 ;  t,  77  Jahre  alt,  6.  VIL 
—  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  I  Beil.  8. 


79* 


Totenliste  1902:  Merwart  —  Müller. 


8o* 


♦Merwart,  Paul,  Historien-,  Genre-  u.  Porträt- 
maler, auch  Zeichner,  erst  in  Paris,  später 
auf  den  Antillen  lebend;  *  Marianowska 
(Gouvernement  Cherson)  27.  III.  1855; 
f  beim  Ausbruch  des  Mont-Pel^e  in  St.- 
Pierre  auf  Martinique  8.  V.  —  BJ  VII,  92 
(H.  Schmerber);  111.  Ztg.  118,  857. 

Meyer,  Amalie,  ehemalige  Opemsängerin; 
♦  München  15.  VIII.  1830;  f  daselbst  2.  III. 

—  Monatshefte  f.  Musikgeschichte  35,  123 
(Lüstner,  mit  L). 

Meyer,  Eduard,  Dr,  med.,  Augenarzt  in  Paris, 
angesehener  Ophthalmolog;  ♦  Sandersleben 
(Anhalt)  13.  XI.  1838;  f  Fal^^enstein  am 
Taunus  9.  IX.  —  Virchows  Jahresberichte 
37,  I,  421  (Pagel,  mitL:  Zentralblatt  für 
Augenheilkunde  26, 285 ;  Archiv  f.  Ophthal- 
mologie 46,  iii). 

Meyer,  Ferdinand,  Magistratssekretär  in  Berlin, 
Lokalforscher;  f  Berlin  5.  VI.  —  Voss.  Ztg. 
1903  Nr.  5  Beil.  lo. 

Meyer,  Hugo  v.,  Dr.  Jur.,  ordentl.  Professor 
f.  Strafrecht  an  der  Universität  Tübingen; 
♦Stettin  II.  II.  1837;    t  Tübingen  29.  V. 

—  Deutsche  Juristenr^g.  7,  334  (L.  v.  Bar); 
Woche  4,  1050  (P). 

Meyer,  Ludolf  Maria,  Direktor  d.  Hamburg- 
Amerikalinie ;  ♦  1849;  t  Wiesbaden  II.  V. 

—  111.  Ztg.  118,  751. 
♦Meyer-Förster,    Elsbeth,    geb.    Blas  che, 

Gemahlin  des  Dichters  Wilhelm  M.-F., 
Schriftstellerin  u.  Dichterin;  ♦  Breslau  5.  I. 
1868;  t  Bozen  17.  V.  —  BJ  VII,  231 
(Eloesser) ;  Pataky,  Lexikon  deutscher  Frauen 
d.  Feder  2,  41  (mit  W);  Woche  4,  948  (P); 
KL  24,  945   (W). 

Mindalofl,  (Pseudonym),  Schriftsteller:  s. 
Mandelkern,  Salomon. 

Mohr,  Charlotte,  geb.  Piepenhagen,  Land- 
schaftsmalerin in  Prag;  f,  77  Jahre  alt, 
3.  I.  —  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  2, 
108. 

Mohs,  Heinrich,  Dr.  med..  Geheimer  Sanitäts- 
rat in  Dessau,  Hygieniker;  ♦  Quellendorf 
6.  XII.  1831 ;  t  10.  XI.  —  Virchows  Jahres- 
berichte 37,  1,  421  (Pagel,  mit  L)  u  BZ 
II,  225  (H.  Wäschke,  H.  M.  Lebensbild 
eines  Arztes  u.  Menschenfreundes.  Dessau 
1903,  mitP;  Unser  Anhaltland  1902  Nr.  43, 
mit  P). 

Molendo,  Ludwig,  Botaniker,  Bryologe ;  f  Mün- 
chen, im  69.  Jahre,  25.  VII.  —  Leopoldina 
39>  43;  BZ  12,  226  (Mitteilungen  d.  bayer. 
botan.  Gesellschaft  26,  274:  Holler). 

Molitor,  Ferdinand,  Maler;  ♦  Oberlahnstein 
a.  Rh.;  f  Berlin  im  Juni.  —  Jahrbuch  d. 
bildenden  Kunst  2,  108. 

Monts  de  Mazin,  Klara  Gräfin  v.,  geb.  v. 
In  gersieben,  Witwe  d.  kaiserl.  deutschen 
Vizeadmirals  M.,  angesehene  Dame  d.  Ber- 


liner Aristokratie ;  ♦  Bromberg  1 3.  IX.  1 839 ; 
t  Berlin  18.  V.  —  111.  Ztg.  118,  829;  Wo- 
che 4,  938  (P);  Gräfl.  Taschenbuch  1904, 

571- 

Morawski,  Josef,  v.,  I^ittergutsbesitzer,  Mit- 
glied d.  preuß.  Herrenhauses;  f»  88  Jahre 
alt,  7.  VIII.  —  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  609 
Beil.  2. 

Morgenstern,  Olga,  verehel.  Arendt,  Schrift- 
stellerin: S.Arendt,  Olga. 

Moritz,  Paul  Heinrich  Arnold,  Dr.  phiL, 
k.  russ.  Staatsrat,  Direktor  a.  D.  des  meteoro- 
log.-magnet.  Observatoriums  in  Tiflis,  seit 
1878  in  Dorpat  lebend;  *  Pastorat  Anzen 
(Livland)  27.  VIII.  (a.  St.)  1821;  f  Dorpat 
9.  V.  (a.  St.)  —  Poggendorff  2,  210.  3,  935. 
4,  103 1   (mit  W). 

Mosbrugger,  früher  Tenorist;  f  San  Francisco. 

—  Woche  4,  1578. 

Mos6,  David,  Österreich.  Maler,  Stipendiat 
d.  Berliner  Akademie  d.  Künste;  f  während 
eines  Studienaufenthaltes  Venedig  Anfang 
Juni.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  9  Beil.  2; 
Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  108. 

Mosel,  Felix  von  der,  preuB.  Oberregierungs- 
rat a.  D.,  Rechtsritter  d.  Johanniterordens ; 
t  Aachen,  80  Jahre  alt,  17.  III.  —  Hl.  Ztg. 
118,  470. 

Moses,  Simon,  Dr.  med.,  Sanitätsrat,  Leiter 
eines  mechano-therapeut.  Instituts  in  Berlin; 
f,  61  Jahre  alt,  16.  XII.  — Virchows  Jahres- 
berichte 37,  I,  421  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ 
II,  221  (Berliner  Ärztekorrespondenz  1902 
Nr.  52:  Jacusiel;  Deutsche  medizinische 
Wochenschrift  1902  Vereinsbeilage  Nr.  7: 
Becher). 

Mühlhäufier,  Dekan  in  Wilferdingen  (Baden) ; 
f  IG.  XI.  —  Theolog.  Jahresbericht  22 
(1902),  1439  (Nestle). 

Muellauer,  Robert,  Gutsbesitzer  in  Augstu- 
pönen  b.  Gumbinnen,  1871 — 74  Mitglied 
des  Deutschen  Reichstags  (fortschrittlich); 
•  Augstupönen  25.  III.  1824;  f  28.  V.  — 
Voss.  Ztg.  1 902  Nr.  609  Beil.  2 ;  Schoen- 
feld,  Notizbuch  f.  Reichstagswähler  5,  19. 

Müller,  Eduard,  Kommerzienrat,  Hofkunst- 
händler in  Berlin  (Firma :  Hanfstängl  Nachf.) ; 
t  daselbst  20.  IX.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  9 
Beil.  I. 

Müller,  Egon,  Dr.  pkiL,  Privatdozent  für 
Physik  an  d.  Universität  Erlangen;  *  Augs- 
burg 30.  IX.  1873;  t  Erlangen  16.  III.  — 
Leopoldina  38,  57;  Poggendorff  4,  1044 
(E.  Wiedemann,  mit  W). 

Müller,  Ernst,  Dr.  med.,  Arzt  zu  Altdorf  in 
d.  Schweiz  (Kanton  üri);  •  1840;  f  20.  III. 

—  Virchows  Jahresberichte  37, 1.  421  (Pa- 
gel, mit  L)  u.  BZ  10,  203  (Korrespondenz- 
blatt f.  Schweizer  Ärzte  1902,  323:  Kesscl- 
bach). 


8i* 


Totenliste  1902:  Müller  —  Neupauer. 


82' 


Müller,  Theodor,  k.  preufi.  Generalmajor 
z.  D.,  zuletzt  Kommandeur  d.  Feldartillerie- 
Regiments  Nr.  26;  t  Bunrlau,  84  Jahre  alt, 
10.  VII.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  I  Beil.  8; 
Woche  4,  1330. 

^Müller,  Wilhelm,  k.  preuß.  Generalleutnant 
z.  D. ;  *  Zülzendorf  (Kreis  Nimptsch,  Schle- 
sien) 9.  IV.  1834;  t  Berlin  27.  VII.  —  BJ 
Vll,  67  (Lorenzen). 

Munde,  Paul  Fortimatus,  angesehener  Gynäko- 
log in  Neuyork,  früher  Pfarrer  am  New 
York  PoUclinic\  ♦  Dresden  7.  IX.  1846; 
f  7.  II.  —  Virchows  Jahresberichte  37,  I, 
421  (Pagel,  mit  L);  Leonard,  Who's  who 
in  America  190 1/2,  813  (mit  W). 

Münster  von  Demeburg,  Georg  Herbert 
Fürst,  Durchlaucht,  Fideikommißherr  und 
erbl.  Mitglied  d.  preuß.  Herrenhauses,  Erb- 
landmarschall u.  Landtagsmarschall  d.  Pro- 
vinziallandtags  d.  Provinz  Hannover,  kaiserl. 
deutscher  Botschafter  a.  D.;  *  London  23. 
XII.  1820;  t  Hannover  27.  III.  —  111.  Ztg. 
118.  509;  Woche  4  Nr.  14  S.  III  u.  S.  594 
(P);  Goth.  Hofkalender  1902,371;  Gräfl. 
Taschenbuch  1903,  586. 

^Nachbaur,  Franz  Innocenz,  k.  bayer.  Hof-  u. 
Kammersänger  (Tenorist) ;  ♦  Schloß  Gießen 
bei  Tettnang  (Württemberg)  25.  III.  1830; 
(nach  d.*  Almanach  d.  Hoftheaters  u.  d. 
Württemb.  Jahrbüchern) ;  f  München  2 1 .  IIL 

—  BJ  VII,  51  (A.  Freih.  v.  Mensi);  Monats- 
hefte f.  Musikgesch.  35,  123  (Lüstner,  mit 
L);  111.  Ztg.  118,  470.  472  (M.  Koch  v.  Ber- 
neck, mit  P) ;  Flüggen,  Biograph.  Bühnen- 
lexikon I,  226;  A.  Hagen,  Almanach  d.  k. 
Hoftheater  in  München  f.  1902,  S.  62 — 65 
(mit  P);  Woche  4  Nr.  12  S.  V  (Klatte). 
S.  550  (P):  Würtemberg.  Jahrbücher  f.  Sta- 
tistik u.  Landeskunde  1902,  III  (Hart- 
mann, (L). 

Nassau,  Marie  Prinzessin  v.,  verw.  Fürstin 
Wied:  s.  Marie. 

Nast,  Thomas,  Konsul  d.  Vereinigten  Staaten 
von  Nordamerika  f.  Guayaquil  (Ecuador), 
Illustrator  u.  Karikaturist;  *  Landau  (Rhein- 
pfalz) 27.  IX.  1840;   t  Guayaquil  7.  XII. 

—  Müller-Singer,  Allgemeines  Künstler- 
lexikon 3  3,  286;  Hl.  Ztg.  120,  36;  Leonard, 
Who's  who  in  America  190 1/2,  821 ;  Apple- 
ton, Cyclopaedia  0/  American  Biography 
4,  4S0  (mit  W  u.  P). 

^Naumann,  Karl  Georg,  Genremaler;  ♦  Kö- 
nigsberg i.  Pr.  23.  (oder  13.?)  IX.  1827; 
t  Neupasing  b.  München  5.  X.  —  BJ  VII, 
166  (H.  Holland);  Jahrbuch  d.  bildenden 
Kunst  2,  108;  Müller-Singer,  Allgemeines 
Künstlerlexikons  3,  288. 

Nawrocki,  Felix  v.,  Dr.  med,,  früher  Pro- 
fessor für  Physiologie  an  der  Universität 
Warschau,   eine   Zeitlang   auch  Dozent  an 


der  Universität  Breslau;  *  Tworki  b.  War- 
schau 8.  II.  1838;  t  20.  V.  —  Biograph. 
Lexikon  der  hervorragenden  Arzte  4,  341 
(mit  W);  Virchows  Jahresberichte  37,  1, 
422  (Pagel,  mit  L:  Petersburger  medizin. 
Wochenschrift  1902  Nr.  22;  Krytykai  U- 
l^rska  1902:  H.  Nussbaumer;  Nowiny  le- 
karskie  1902 :  P.  Rudzki). 

Nebe-Pflugstaedt,  August,  Dr.jur,,  Wirkl. 
Geheimer  Rat,  bis  1900  Unterstaatssekretär 
im  preuß.  Justizministerium,  Mitglied  des 
Staatsrats;  f  Koblenz,  73  Jahre  alt,  9.  VI. 
—  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  605  Beil.  8. 

Neifers,  Moritz,  Genremaler  in  Düsseldorf, 
Mitbegründer  des  Künstlervereins  »Mal- 
kastenc;  ♦  Hamburg  18 19;  f  Düsseldorf 
20.  II.  —  111.  Ztg.  118,  470;  Woche  4 
Nr.  13  S.  VI;  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst 
2,  108. 

*Neher,  Stephan  Jakob,  kathol.  Pfarrer  in 
Nordhausen  b.  Unterschneidheim  (Württem- 
berg), Kirchenhistoriker  (kirchl.  Geographie 
u.  Statistik) ;  *  Ebnat  (Oberamt  Ellwangen) 

24.  VII.  1829;  t  Nordhausen  7.  X.  —  BJ 
VII,  332  (F.  Lauchert) ;  KL  24, 996  (mit  W). 

25,  46;  Keiter-Jörg,  Kathol.  Literaturkalen- 
der 6,  213  (W). 

Nehring,  Karl,  Apotheker  in  Piracicaba  (Bra- 
silien), Sammler  zoolog.,  anthropolog.  u. 
prähistor.  Objekte ;  •  Braunschweig;  f  Pira- 
cicaba 3.1.  —  Geographenkalender  1,228 
(H.  Haack). 

Neidhardt,  Gustav  Adolf,  k.  sächs.  Ober- 
landesgerichtsrat u.  Oberappellationsrat  a. 
D.;  t  Dresden,  im  86.  Jahre,  5.  III.  —  111. 
Ztg.  118,  391- 

Nembach,  Andreas,  Komponist  in  Cincinatti ; 
f,  63  Jahre  alt,  15.  X.  —  Monatshefte  f. 
Musikgesch.  35,  123  (Lüstner,  mit  L). 

Neubert,  Karl,  Dr.,  Achtundvierziger,  Freund 
Heckers;  f  Belleville  (Nordamerika),  84 
Jahre  alt,  im  Sommer.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  II  Beil.  2. 

Neumann,  Arnold,  Maler  in  Berlin;  f  da- 
selbst im  Juni.  —  Jahrbuch  d.  bildenden 
Kunst  2,  108. 

Neumann,  Elsa,  Fräulein,  Dr.  phil.,  die 
erste  Doktorin  d.  Universität  Berlin,  auf 
d.  Gebiete  d.  Elektrochemie  tätig;  *  Berlin 
23.  VIU.  1872;  t  daselbst  23.  VIL  —  III. 
Ztg.  119,  159;  Woche  4,  1431;  Vüa  in 
ihrer  Dissertation:  D.  Polarisationskapazität 
umkehrbarer  Elektroden.  Berlin  1899. 

Neupauer,  Josef  Edler  v.,  Besitzer  d.  Herr- 
schaft Schwarzenegg  mit  d.  Passauerhofe 
im  Bezirk  Wildon  (Steiermark),  Landwirt 
u.  Politiker,  früher  Mitglied  d.  Landtags  v. 
Steiermark  u.  des  Abgeordnetenhauses  des 
Österreich.  Reichsrats ;  f  Schloß  Schwarzen- 
egg, 96  Jahre  alt,  8.  III.  —  111.  Ztg.  119, 


83* 


Totenliste  1902:  Nicoladoni  —  Obermayer. 


84* 


99;  Wurzbach,  Biographisches  Lexikon  d. 
Kaisert.  Österreich.  20,  298. 

Nicoladoni,  Karl,  Dr,  med,  et  chir»,  k.  k. 
Hofrat,  ordend.  Professor  f.  Chirurgie  u. 
Vorstand  d.  Chirurg.  Klinik  an  d.  Univer- 
sität Graz;  *  Wien  23.  IV.  1847;  t  Graz 
4.  (oder  3.?)  XII.  —  Pagel  1206  (mit  W); 
KL  24,  1007.  25,  46;  111.  Ztg.  119,  923; 
Leopoldina  39,  43;  Virchows  Jahresbe- 
richte 37,  I,  422  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  11, 
235.  12,  236  (Wiener  medizin.  Presse  1902, 
2260;  Wiener  klin.  Wochenschrift  1902, 
1334:  A.  Fraenkel;  Deutsche  Ztschr.  für 
Chirurgie  Bd.  68  u.  Mitteilungen  d.  Vereins 
der  Arzte  in  Steiermark  1903,  i:  E.Payr; 
Ztschr.  f.  Orthopäd.  Chinirgfie  1903,  600: 
A.  Wittek;  Deutsche  Medizin.  Wochen- 
schrift 1903,  24:  H.  Fischer,  mit  P). 

Nicolai,  Hermann  Ferdinand,  Dr,  med,^  k. 
preuß.    Generaloberarzt    a.   D.    in    Berlin; 

•  Blankenburg  a.  H.  7.  IX.  1847  (?);  t  Ber- 
lin 19.  IV.  —  Virchows  Jahresberichte  37, 
I,  422  (Pagel);  Verzeichnis  d.  Berliner  Uni- 
versitätsschriften 18 10 — 85  Nr.  7034  (?). 

Niedermaier,  Theodor,  Advokat  in  Würz- 
burg, Achtundvierziger,  Begründer  des 
»Fränkischen  Volksvereins«;  f  Würzburg, 
im  85.  Jahre,   14.  XII. 

Niederwieser,  Johann  {vulgo  Stabeier 
Hansl),  hervorragender  Tiroler  Alpenführer 
in  Sand  in  Taufers;  *  im  Tauferer  Tal; 
verunglückt  am  Schaflahnemock,  im  50. 
Jahre,  22.  IX.  —  111.  Ztg.  119,  557.  593 
(mitP);  BZ  11,235  (Mitteilungen  d.  deut- 
schen u.  Österreich.  Alpenvereins  1902,  235: 
Th.  Wundt). 

Niedt,  Ernst,  Oberregisseur  am  Carltheater 
in  Wien,  Verfasser  v.  Volksstücken;  *  Berlin 
23.  X.  1844;  t  ^Vien  Mitte  Mai.  —  KL 
1009  (W).  25,  46;  Eisenberg,  Großes  bio- 
graph.  Lexikon  d.  Deutschen  Bühne  724; 
Flüggen,  Biograph.  Bühnenlexikon  i,  230. 

Niehaus,  Geheimer  Oberregierungsrat,  vor- 
tragender Rat  in  d.  Verwaltungsabteilung 
d.  preuß.  Ministeriums  d.  öffentl.  Arbeiten; 
t  Berlin,  48  Jahre  alt,  25.  IV.  —  Voss.  Ztg. 
1902  Nr.  605  Beil.  8. 

Nier,  Oswald,  bekannter  Weinhändler  (fran- 
zösische »ungegipste«  Rotweine) ;  f  Berlin, 
60  Jahre  alt,  4.  IV.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  II  Beil.  2. 

Nies,  Professer  Dr.,  Sekretär  der  Handels- 
kammer in  Worms;  f  21.  IX.  —  Woche 
4,  1800. 

Niethammer,  Ludwig  Freih.  v.,  k.  bayer. 
Kämmerer,  erbl.  Reichsrat  d.  Krone  Bayern; 

•  14.  I.  1830;  t  Schloß  Tunzenberg  bei 
Mengkofen  27.  X.  —  111.  Ztg.  119,  695; 
Freiherrl.  Taschenbuch  1903,  530.  923. 

*Nirmheim,    Karl,    k.   preuß.  Generalmajor 


u.  Kommandeur  d.  2 1 .  Feldartillerie-Brigade 
in  Frankfurt  a.  M.;  *  Magdeburg  S.  VI. 
1844;  t  Wetzlar  27.  VL  —  BJ  VII,  252 
(Lorenzen). 

Nischelsky,  Paul,  Landgerichtspräsident  in 
Stendal;  f.  57  Jahre  alt,  27.  XI.  —  Voss. 
Ztg.  1903  Nr.  3  Beil.  i. 

*Nitsche,  Hinrich,  Dr.  phiL,  k.  sächs.  Hof- 
rat, ordentl.  Professor  f.  Forstzoologie  an 
d.  Forstakademie  Tharandt;   *  Breslau   12. 

II.  1845;  t  Tharandt  8.  XL  —  BJ  VII, 
158  (Fürst);  Leopoldina  38,  136  (O.  Ta- 
schenberg, mit  W);  111.  Ztg.  119,  816.  S 20. 
827  (E.  S.  Z.,  mit  P);  BZ  11,  236.  12, 
237  (Insektenbörse  1902,  375  mit  P;  Or- 
nitholog.  Monatsschrift  1903,55:  W.  Baer; 
Sitzungsberichte  u.  Abhandlungen  d.  natur- 
wissenschaftl.  Gesellschaft  Isis  in  Dresden 
1903,  V:  K.  Heller;  Ztschr.  für  Forst-  und 
Jagdwesen  1903,  i:  Eckstein;  Forstwissen- 
schaftl.  Zentralblatt  1903,  119:  Gross;  Na- 
turwissenschaft!. Ztschr.  f.  Land-  u.  Forst- 
wirtschaft 1 ,  49  mit  P). 

Nixdorf,  Paul,  Dr,,  Parlamentär.  Berichter- 
statter; t  Berlin  19.  XII.  —  111.  Ztg.  120,  36. 

NoSl,  Wilhelm,  k.  preuß.  Oberkonsistorialrat 
a.  D.,  früher  langjähr.  Mitglied  d.  Evangel. 
Oberkirchenrats,  bis  1896  Pfarrer  an  der 
Luisenstädt.  Kirche  in  Berlin;  *  30.  VI  IL 
1822;  t  30-  (oder  31.?)  X.  —  Voss.  Ztg. 
1903  Nr.  3  Beil.  i ;  Woche  4,  2070.  2074 
(P);  Theolog.  Jahresbericht  22  (1902).  1440 
(Nestle,  mit  L). 

Neil,  Joseph,  Opembariton  in  Laibach;  f  da- 
selbst, 60  Jahre  alt,  im  Januar.  —  Monats- 
hefte f.  Musikgesch.  35,  123  (Lüstner,  mit 
L). 

Nolte,  Hermann,  Oberleutnant  d.  kaiserlich 
deutschen  Schutztruppe  für  Kamerun;  von 
d.  Eingeborenen  ermordet  Banyo   i.  II.  — 

III.  Ztg.  118,  470;  Woche  4,  550  (P). 
Nordenberg,  Bengt,  Genremaler  in  Düssel- 
dorf; •  Kompinkalla  (Schweden,  Provinz 
Blekinge)  22.  IV.  1822;  f  Düsseldorf  laut 
Nachricht  vom  18.  XII.  —  111.  Ztg.  120, 
36;  Müller-Singer,  Allgemeines  Künstler- 
lexikon 3  3,  316;  D.  geistige  Deutschland 
I,  489  (Selbstbiographie.) 

Nötel,  Reichsgerichtsrat  in  Leipzig;  t  da- 
selbst, 72  Jahre  alt,  24.  XII.  —  V^oss.  Ztg. 
1903  Nr.  3  Beil.  i ;  Woche  4,  S. 

*Nuhn,  Johann  Curt,  hess.  Dialektdichter; 
•  Riebelsdorf"  (Hessen)  28.  IX.  1848;  f  Kes- 
selstadt 28.  VII.  —  BJ  VII,  250  (Ph.  Losch). 

Obermayer,  Wilhelm,  Dr.Jur.,  Advokat  in 
Wien,  1848  Hauptmann  d.  Wiener  Studen- 
tenlegion; f  daselbst,  86  Jahre  alt,  26.  V. 
—  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3  Beil.  i.  Nr.  11 
Beil.  2;  BZ  IG,  213  (Jurist.  Blätter  1002, 
256). 


80 


Totcnliste  1902:  Occhelhäuser  — Pawlowski. 


86* 


^Oechelhäuser,  Wilhelm,  Dr.  phil,  honoris 
causa,  k.  preuß.  Geheimer  Kommerzienrat, 
Industrieller,  Politiker  u.  Shakespearefor- 
scher; *  Siegen  (Westfalen)  26.  VIII.  1820; 
t  Xiederwalluf  (Rheingau)  25.  IX.  —  BJ 
VII,  54  (W.  Klebe);  KI.  24,  1026  (W). 
25,46;  Woche  4,  185 1  (P);  Jahrbuch  d. 
Deutschen  Shakespeare-Gesellschaft  39,  VII 
(Brandl,mitP);  BZ  11,  238.  12,  239  (Unser 
Anhaltland  1902  Nr.  41 :  R.  Liebisch,  mitP). 

Oefele,  Edmund  Freih.  v.,  Direktor  d.  All- 
gemeinen Reicbsarchivs  in  München,  außer- 
ordentl.  Mitglied  d.  Akademie  d.  Wissen- 
schaften daselbst,  Historiker  u.  Genealog; 
•  Ziegetsdorf  (bayr.  Bezirksamt  Stadtamhot) 
6.  XII.  1843;  t  München  24.  XI.  —  III. 
Ztg.  119,  923;  KL  24,  1027.  25,46;  Frei- 
herrl,  Taschenbuch  1903,  534;  BZ  13,  231 
(Sitzungsberichte  der  Münchner  Akademie 
d.  Wissensch.  1903  Phil.-Hist.  Klasse  244: 
J.  Friedrich). 

Otfermann,  William,  Wirkl.  Geheimer  Ober- 
regierungsrat, Eisenbahndirektionspräsident 
a.  D.;  *  Berlin  17.  IX.  1819;  f  Straßburg 
i.  E.  29.  I.  —  111.  Ztg.  118,  191. 

Oelsner,  Frau  Elise,  Schriftstellerin  in  Bres- 
lau, Schriftführerin  des  dortigen  Frauen- 
bildungsvereins ;  •  Schweidnitz  1 836 ;  f  Bres- 
lau 8.  II.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  7  Beil.  2; 
Pataky,  Lexikon  deutscher  Frauen  d.  Feder 
2,  loi  (mit  W). 

Ordenstein,  Dr.  med.,  Arzt  der  deutschen 
Kolonie  in  Paris;  *  Worms  1835;  ermordet 
im  Eisenbahnwagen  auf  der  Fahrt  nach 
Versailles  16.  VII.  —  Virchows  Jahresbe- 
richte 37,  I,  422  (Pagel,  mit  L). 

Oser,  Ernst,  k.  k.  Sektionschef  im  Österreich. 
Ackerbauministerium,  Leiter  d.  Abteilung 
f.  Förderung  d.  Landeskultur  u.  Untcrrichts- 
u.  Versuchswesen;  t  Wien,  im  57.  Jahre, 
25.  IX.  —  111.  Ztg.  119,  497;  BZ  II,  241 
(Ztschr.  f.  d.  landwirtschaftl.  Versuchswesen 
in  Österreich  1902,  1069  mit  P). 

Österreich :  Maria  Henriette  Königin  d.  Bel- 
gier geb.  Erzherzogin  v.  Ost.:  s.  Maria 
Henriette. 

— :  Margareta  Sophia  Erzherzogin  v.  Ost., 
Herzogin  v.  Württemberg:  s.  Margareta 
Sophia. 

Osterwald,  Mathilde,  verehel.  v.  Bodcnstedt: 
s.  Bodenstedt,  Mathilde  v. 

♦Otto,  Karl,  Dr.  tfuol.,  Präfekt  a.  D.  d.  fürst- 
bischöfl.  theologischen  Konvikts  in  Breslau, 
Historiker;  *  Neustadt  (Oberschlesien)  12. 
XI.  1832;  t  Breslau  23.  II.  —  BJ  VII,  264 
(F.  Lauchert);  KL  24,  1043  (W)«  25,  46; 
jÄrg-Kciter,  Kathol.  Literaturkalender  6, 
225  (mit  W). 

•Otto,  Karl,  Historienmaler;  •  Osterode  am 
Harz  26.  VIII.  1830;  t  Schleißheim  b.  Mün- 


chen 2.  X.  —  BJ  VII,  117  (H.  Holland) ; 
Müller-Singer,  Allgemeines  Künstlerlexi- 
kon 3  3  (nicht  2),  351;  Jahrbuch  d.  bilden- 
den Kunst  2,  108. 

Pächter,  Hermann,  Kunst-  u.  Verlagsbuch- 
händler (Firma:  R.  Wagner)  in  Berlin, 
Verleger  Adolf  Menzels;  *  Amswalde  1839 ; 
t  Berlin  19./20.  VI.  —  111.  Ztg.  119,  25; 
Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  108;  BZ 
ij,  242  (Deutsche Buchhandelsblätter  1902, 
450);  Börsenblatt  für  d.  deutschen  Buch- 
handel  1902. 

Paczensky  und  Tenczin,  v.,  k.  preuß.  Ge- 
neralmajor z.  D.,  zuletzt  Kommandeur  des 
Infanterieregiments  Nr.  148;  f  ^1*  ^'  — 
Voss.  Ztg.  1903  Nr.  I  Beil.  8. 

Pälify  von  Erdöd,  Andreas  Graf,  k.  u.  k. 
Kämmerer,  Geheimer  Rat  und  General  d. 
Kavallerie,  Kapitän  d.  k.  ungar.  Leibgarde, 
erbl.  Mitglied  des  Oberhauses  des  ungar. 
Reichsrats,  1881 — 84  Obersthofmeister  d. 
Kronprinzessin  Stefanie;  *  Lodi  14.  VIII. 
1839;  t  Wien  14.  IV.  —  111.  Ztg.  118,  623; 
Gräfl.  Taschenbuch  1903,  620. 

Pannewitz,  Eduard  v.,  Oberst,  Chef  d.  Ge- 
neralstabs des  k.  preuß.  III.  Armeekorps; 
t  Beriin   13.  XL  —  111.  Ztg.  119,  781. 

Panse,  Albert,  Oberst  z.  D.,  Besitzer  des 
Panseschen  Verlags  u.  d.  Ztg.  »Deutschland« 
in  Weimar;  f  17.  IV.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  7  Beil.  2 ;  Börsenblatt  f.  d.  deutschen 
Buchhandel. 

Parcy,  Karl,  Verwaltungsgerichtsdirektor  a. 
D.,  dann  Rechtsanwalt,  1887 — 90  Mitglied 
d.  Deutschen  Reichstags  (nationalliberal): 
t  Jena  15.  IX.  —  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  609 
Beil.  2;  Schoenfeld,  Notizbuch  f.  Reichs- 
tagswähler 5,  131. 

Parseval,  Maximilian  v.,  k,  bayer.  General- 
major a.  D.;  t  München,  im  79.  Jahre, 
12.  III.  —  111.  Ztg.  118,  417;  Verordnungs- 
blatt des   bayer.  Kriegsministeriums  1902, 

78. 
Passavant,  Alfred  Ritter  v.,  k.  bayer.  Gene- 
ralmajor z.  D. ;   f  München,  69  Jahre  alt, 
4.  XII.  —  111.  Ztg.  119,  968:  Verordnungs- 
blatt  des  bayer.  Kriegsministeriums  1903, 

14. 
Patze,  Karl  Hans,  k.  preuß.  Oberregierungs- 
rat,  vortragender  Rat  der  Oberrechnungs- 
kammer in  Potsdam;  t,  53  Jahre  alt,  27.  II. 

—  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  605  Beil.  8. 
^Paulus,   Gustav,   k.  preuß.  Generalleutnant 

z.  D.,  Erbauer  d.  Festungsanlagen  in  Metz; 
*  Kleve  28.  IX.  1842;  f  Eisenach  31.  X. 

-  BJ  VII.  253. 

Pawlowski,  J.  N.,  Hauptlehrer  in  Danzig- 
Zoppot,  Lokalhistoriker  u.  pädagog.  Schrift- 
steller; *  daselbst  4.  XII.  18 16;  f  ebenda 
21.  I.  —  KL  24,  1058  (W).  25,  46;  Keiter- 


87* 


Totenliste  1 902 :  Payne  —  Pinno. 


88* 


Jörg,  Kathol.  Literaturkalender  6,  229  (W); 
Altpreuß.  Monatsschrift  40, 473  (Rindfleisch, 
L:  Der  Numismatiker  i,  1902,  14). 

Payne,  Albert  Henry,  Begründer  u.  Besitzer 
der  Verlagsbuchhandlung  u.  Druckerei  A. 
H.  Payne  in  Leipzig,  Herausgeber  d.  »Neuen 
Blattes«;  •  London  14.  XII.  181 2;  f  Leip- 
zig 7.  V.  —  111.  Ztg.  118,  751 ;  KL  25,  46; 
Börsenblatt  f.  d.  deutschen  Buchhandel. 

Pechmann,  Hans  Georg  Friedrich  Heinrich 
Freih.  v.,  Dr,  phtL  et  rer,  nat.,  ordentl. 
Professor  f.  allgemeine  Chemie  u.  Direktor 
d.  chemischen  Laboratoriums  an  der  Uni- 
versität  Tübingen;  •  Nürnberg  1.  IV.  1850; 
t  Tübingen  19.  IV^.  —  Freiherrl.  Taschen- 
buch 1903,  559;  Leopoldina  38,  51.  57; 
Poggendorff  3,  loii.  4,  11 26  (W);  BZ  10, 
220  (Chemikerztg.  1902,  371). 

Pereira-Amstein»  Viktor  Ludwig  Wolf 
Freih.  v.,  früher  Vizepräsident  d.  Landes- 
kulturrates für  Oberösterreich  und  Landes- 
hauptmann-Stellvertreter;  •  Wien  6.  XI. 
1838;  t  Lainz  10.  IX.  —  Woche  4,  1754; 
Freiherrl.  Taschenbuch   1903,  565. 

Pergen,  Johann  Anton  Graf  u.  Edler  Herr 
V.,  Fideikommißherr,  Herr  auf  Somodor 
(Ungarn),  Oberst-Erblandmünzmeister  etc,^ 
k.  u.  k.  Kämmerer,  Geheimer  Rat  u.  Lega- 
tionssekretär z.  D.,  hervorragender  Teil- 
nehmer d.  Österreich.  Katholikentage,  einer 
d.  Führer  der  niederösterreich.  Klerikalen; 
•  I.  IX.  1839;  t  Schloß  Aspang  8.  IX.  — 
111.  Ztg.  119,  423;  Woche  4,  1712;  Gräfl. 
Taschenbuch  1904,  620. 

*Pemet,  Johann,  Dr,  phü,,  Professor  f.  Ex- 
perimentalphysik am  eidgenöss.  Polytech- 
nikum in  Zürich;  •  Bern  18.  XII.  1845; 
t  Zürich  15.  II.  —  BJ  VII,  123  (A.  Wcilen- 
mann);  Leopoldina  38,  49;  Poggendorflf  3, 
1020.4,  Ji39(W);  BZ  10,  221.  12,  247  (L). 

Persius,  Friedrich  Ludwig  Paul,  Dr,jur,, 
Wirkl.  Geheimer  Rat,  bis  1902  Präsident 
des  preuß.  Oberven^^altungsgerichtshofes, 
Mitglied  des  preuß.  Herrenhauses,  früher 
Mitglied  d.  preuß.  Abgeordnetenhauses  u. 
d.  konstituierenden  norddeutschen  Reichs- 
tags (konser\'ativ) ;  •Potsdam  i.  IX.  1832; 
t  Berlin  20.  IX.  —  111.  Ztg.  119,  497; 
Woche  4,  1802.  1809  (P);  Oettinger,  Mo^ 
niieur  des  dates,  Liur,  19,  107. 

Peters,  Willy,  ehemal.  Theaterdirektor  in 
Lüneburg  u.  Schleswig;  f  Altona  11.  IV. 
—  Monatshefte  für  Musikgesch.  35,  123 
(Lüstner,  mit  L). 

*Peter8on,  Luise  (Pseudon.:  Aeskulap, 
Frank  Donatus,  Erna  [auch:  Egon]  Vei- 
ten), JugcndschriftstcUerin ;  •  Thom  29.  IV. 
1828;  t  Liegnitz  29.  VI.  —  BJ  VII,  145 
(Brummer);  KL  24,  1069  (W).  25,  47; 
Pataky,  Lexikon  deutscher  Frauen  d.  Feder 


2,  127.  388  (W);  BrümmerS  3,  210.  518 
(mit  W). 

Petzer,  Anton  (Tony),  k.  bayer.  Hofopem- 
sänger  (Bassist)  a.  D.;  *  Linz  23.  XII. 
1 843 ;  t  Salzburg  24.  XI.  —  Flüggen,  Bio- 
graph. Bühnenlexikon  i,  240;  Monatshefte 
für  Musikgesch.  35,  123  (Lüstner,  mit  L); 
Eisenberg,  Großes  biograph.  Lexikon  der 
Deutschen  Bühne  764. 

♦Pfeifer,  Franz  Xaver,  Dr,  iheoL,  Geistl.  Rat, 
ordentl.  Professor  d.  Philosophie  am  Lyzeum 
in  Dillingen  a.  D. ;  *  Dcisenhofen  b.  Dillin- 
gen 16.  III.  1829;  f  Dillingen  17.  X.  — 
BJ  VII,  333  (F.  Lauchert);  KL  24,  1074 
( W) ;  Keiter-Jörg,  Kathol.  Literaturkalender 
6,  232  (W);  BZ  12,  249  (Philosoph.  Jahr- 
buch d.  Görresgesellschaft  16,  loi). 

Pfeiffer,  Adolf,  Musikdirektor  verschiedener 
Gesangvereine  u.  an  d.  kathol.  Pfarrkirche 
in  Offenburg  (Baden) ;  *  Auerbach  (Groß- 
hgt.  Hessen)  1837;  f  Offenbach  5.  X.  — 
Oettinger,  Moniieur  des  datcs  8  (=Supp- 
lern,  2),  108;  Monatshefte  für  Musikgesch. 
35,  123  (Lüstner,  mit  L). 

Pfeiffer,  Heinrich  Bernhard,  k.  sächs.  Ober- 
baurat, techn.  Mitglied  d.  Generaldirektion 
d.  sächs.  Staatsbahnen;  f  Dresden,  54  Jahre 
alt,  7.  L  —  111.  Ztg.  118,  93. 

•Pfeifler,  Urban,  Maler  in  München;  ♦  Nög- 
genschwiel  (Baden)  25.  V.  1841;  f  Mün- 
chen 5.  II.  —  BJ  VII,  168  (H.  Holland). 

Pfleiderer,  Edmund  v.,  Dr.  phil.,  ordentl. 
Professor  d.  Philosophie  an  d.  Universität 
Tübingen;  *  Stetten  (Remstal)  12.  X.  1842; 
t  Tübingen  3.  IV.  —  KL  24,  1075  (W). 
25,  47;  111.  Ztg.  118,  544  (K.  Biesenthal, 
mit  P) ;  Woche  4,  640  (P) ;  Hinrichsen,  D. 
literar.  Deutschland*  1034;  Ücberweg-Hein- 
ze,  Grundriß  d.  Geschichte  d.  Philosophie 9 
4,  284  (W);  Theolog.  Jahresbericht  22 
(1902),  1440  (Nestle,  mit  L);  Württemberg. 
Jahrbücher  f.  Statistik  u.  Landeskunde 
1902,  III  (Hartmann,  L). 

PhiUer,  Otto,  Landgerichtspräsident  a.  D. , 
Jurist.  Schriftsteller;  f  Görlitz  11.  IV.  — 
Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3  Beil.  i;  BZ  11,  249 
(Neues  lausitz.  Mag^in  78,  298:  Fritsch). 

Pierson,  Georg  Henry,  k.  preuß.  Geheimer 
Regierungsrat,  Intendanturdirektor  d.  kgl. 
Schauspiele  in  Berlin;  •  Hamburg  1852; 
t  Berlin  16.  II.  —  III.  Ztg.  116,  434  (mit 
P).  118,  272;  Woche  4,  320  (P);  Bühne 
u.  Welt  IV,  1 ,  479  (H.[cinrich]  St.[ümcke] 
mit  P);  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  123 
(Lüstner,  mit  L);  BZ  10,  225  (Deutsche 
Gesangskunst  1902,  123). 

Pinno,  Hermann,  Wirkl.  Geheimer  Obcrberg- 
rat,  früher  Berghauptmann  des  Oberberg- 
amtes Breslau;  f,  72  Jahre  alt,  26.  IX.  — 
Voss.  Ztg.  1902  Nr.  605  Beil.  8. 


89* 


Totcnliste  1902:  Piret  de  Bihain  —  Prcnninger. 


90* 


Piret  de  Bihain,  Eugen  Freih.  v.,  k.  u.  k. 
Kämmerer,  General  d.  Kavallerie  i.  R.  u. 
Kapitän  d.  Trabanten-Leibgarde,  vormals 
Oberstbofmeister  des  Erzherzogs  Albrecht; 

•  Budapest  6.  VI.  1821 ;  f  Wien  27.  VIII. 

—  111.  Ztg.  1 19,  423;  Wurzbach,  Biograph. 
Lexikon  des  Kaisert.  Österreich  22,  328; 
Freiherrl.  Taschenbuch  1903,  575. 

Piutti,  Karl,  Orgelvirtuos  u.  Komponist,  Or- 
ganist an  der  Thomaskirche  in  Leipzig, 
Lehrer  am  k.  Konservatorium  d.  Musik  da- 
selbst; *  Elgersburg  (Thüringen)  30.  IV. 
1846;  t  Leipzig  17.  VT.  —  RiemannS  871 
(mit  W);  111.  Ztg.  118,  976;  Monatshefte  f. 
Musikgesch.  35,  124  (Lüstner,  mit  L);  BZ 
II,  252.  12,  253  (L). 

Piza,  Moritz,  Dr,  med.^  Arzt  in  Hamburg, 
Führer  der  ärztl.  Interessenvertretung  da- 
selbst; •  Varel   1852;   f  Hamburg  28.  III. 

—  Virchows  Jahresberichte  37, 1,  423  (Pa- 
gel,  mitL:  Ärztl.  Vereinsblatt  1902  Nr.  471 ; 
Berliner  Ärztekorrespondenz  1902  Nr.  14: 
Becher;  Münch.  Med.  Woch.  1902  Nr.  14). 

*Planitz,  Karl  Paul  Edler  von  der,  k.  sächs. 
General  der  Infanterie  und  Kriegsminister; 

•  Hohengrün  b.  Auerbach  (Vogtland)  20. 
IX.  1837;  f  Hosterwitz  b.  Dresden  19.  VIII. 

—  BJ  VII,  104  (Lorenzen);  111.  Ztg.  119, 
272  (J.  P.,  mitP);  Woche  4,  158  (P);  BZ 
II,  252  (Militär-Wochenblatt  1902  Nr.  74: 
H.  Rohne;  Armeeblatt  1902  Nr.  35;  Mili- 
tärztg.  1902  Nr.  34). 

^Planta,  Peter  Konradin  v.,  Dr.jur»  ho- 
noris causUf  eidgenöss.  Alt-Ständerat,  früher 
Präsident  d,  bündner.  Obergerichts,  Jurist 
u.  Historiker,  Publizist  u.  Dichter;  *  Schloß 
Wildenberg  zu  Zernez  (Unteren gadin)  24. 
IX.  181 5;  t  Canova-Paspels  im  Domleschg 
(Graubünden)  13.  IX.  —  BJ  VII,  71  (Th. 
Sprecher  v.  Bemegg). 

Plate,  J.  D.  (Pseudon.:  Lüder  W^oori),  Volks- 
schullehrer a.  D.  in  Groden  b.  Kuxhaven, 
plattdeutscher  Dichter;  *  Masen  (Grafschaft 
Hoya,  Hannover)  18.  I.  1816;  f  12.  II.  — 
Woche  4  Nr.  8  S.  VII;  BrümmerS  3,  228 
(mit  W). 

Plathner,  Hermann,  Genremaler  in  Düssel- 
dorf; •  Gronau  an  der  Leine  (Hannover) 
23.  Vin.  1831;  t  Düsseldorf  11.  IIL  — 
ill.  Ztg.  118,  417;  Jahrbuch  d.  bildenden 
Kunst  2,  108;  Müller-Singer,  Allgemeines 
KUnstlerlexikon3  3,  453;  Das  geistige 
Deutschland  i,  527  (Selbstbiographie). 

Platzmann,  Karl  Julius,  Dr.phiL,  Linguist 
(Amerikanist);  *  Leipzig  31. 1.  1832;  f  da- 
selbst 6.  IX.  —  111.  Ztg.  119,  423;  KL  23, 
1080  (W).  24,  1088.  25,  47;  BZ  12,  254. 
i3f  245  (Internationales  Archiv  für  Ethno- 
graphie 16:  Schmeltz;  Ztschr.  f.  Bücher- 
freunde 7,  163:  Grumpelt). 


Plitt,  Agathe,  Pianistin  und  Musiklehrerin, 
auch  Komponistin,  in  Berlin;  •  Thom  1831 ; 
f  Berlin  27.  XII.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  35 
Beil.  2;  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  124 
(Lüstner,  mit  L). 

Ploss  (Plösz),  Paul,  Dr.  med.,  ordentl.  Pro- 
fessor d.  physiolog.  u.  patholog.  Chemie 
an  d.  Universität  Budapest,  Schüler  Hoppe- 
Seylers ;  •  Budapest  9.  X.  1 844 ;  f  daselbst 
16.  VIII.  -—  Biograph.  Lexikon  d.  hervor- 
ragenden Ärzte  4,  593  (mit  W);  111.  Ztg. 
"9»  3^3;  Leopoldina  38,  108;  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  423  (Pagel,  mit  L)  u. 
BZ  II,  253  (Ungar.  Medizin.  Presse  1902, 
513  etc), 

*Podesta,  Kunigunde  Auguste  Emestine, 
geb.  Mol  endo,  Sängerin  u.  Schauspielerin 
in  Kassel;  •  Bayreuth  27.  XII.  1827;  f  Kas- 
sel 29.  XII.  —  BJ  VII,  241  (Ph.  Losch); 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  124  (Lüst- 
ner, mit  L). 

Pogge,  Franz,  Rittergutsbesitzer  in  Blanken- 
hof  bei  Neubrandenburg  (Mecklenburg), 
früher  Mitglied  des  Deutschen  Reichstags 
(nationalliberal);  •  24.  VII.  1827;  f  Berlin 
8.  III.  —  111.  Ztg.  118,  391;  Hirth,  Deut- 
scher Parlaments- Almanach  1877,  210; 
Oettinger,  Moniieur  des  dates  8,  119. 

Poisard,  Antonie,  vereheL  Kreiml,  Dichterin : 
s.  Baumberg,  Antonie. 

Polle,  Konrad  Friedrich,  Dr.  phil.f  Pro. 
fessor,  Gymnasialoberlehrer  a.  D.  in  Dres 
den,  klass.  Philolog  u.  Pädagog;  *  Scharm- 
beck bei  Bremen  2.  III.  1830;  f  Dresden 
6.  in.  —  111.  Ztg.  118,  391;  KL  25,47; 
Eckstein,  Nomenciator  philologorum  443; 
Pökel,  Philolog.  Schriftstellerlexikon  212; 
Haan,  Sächs.  Schriftstellerlexikon  267; 
Oettinger,  Moniieur  des  dates  8,  267. 

Pomme,  Hennann  Wilhelm,  Wirkl.  Geheimer 
Kriegsrat  a.  D.,  früher  Abteilungschef  im 
preuß.  Kriegsministerium;  *  9.  IV.  1835; 
t  Berlin  25.  L  —  111.  Ztg.  118,  191. 

Popp,  Friedrich,  Kirchenrat;  *  5.  III.  1827; 
t  12.  VII.  —  Theolog.  Jahresbericht  22 
(1902),   1440  (Nestle,  mit  L). 

Popp,  VVilhelm,  Flöten  virtuos  u.  Komponist; 
•  Koburg  29.  IV.  1828;  t  Hamburg  25.  VI. 
—  Monatshefte  für  Musikgesch.  35,  124 
(Lüstner,  mit  L). 

Preis,  Christoph,  Stadtkantor  in  Erlangen, 
Komponist  von  Männerchören;  f  daselbst, 
81  Jahre  alt,  12.  IX.  —  111.  Ztg.  119,  471 ; 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  124  (Lüst- 
ner, mit  L). 

^Prenninger,  Karl,  k.  k.  Oberbaurat,  techn. 
Konsulent,  sowie  Bau-  u.  Bahndirektor  d. 
Südbahn;  •  Wien  2.  VII.  1829;  f  Reichen- 
hall 12.  VII.  —  BJ  VII,  211  (A.  Birk); 
BZ  II,  2S5  (L). 


91 


Totenlistc  1 90  2 :  Pressel  —  Regenauer. 


92' 


♦Pressel,  Wilhelm  v.,  Professor,  £isenbahn* 
Ingenieur,  Erbauer  der  tUrk.  Eisenbahnen; 
•  Stuttgart  28.  X.  1821;  f  Konstantinopel 
16.  V.  —  BJ  VII,  242  (A.  Birk);  III.  Ztg. 
118,  589  (mit  P).  829;  Deutsche  Bauztg. 
36,  284;  Geograph.  Jahrbuch  26,  438  (W. 
Wolkenhauer,  mit  W  u.  L);  Geographen- 
Kalender  I,  231  (H.  Haacke);  BZ  11,  255. 
13,  248  (Ztschr.  d.  Österreich.  Ingenieur-  u. 
Architekten  Vereins  1902  Nr.  34:  C.  B.  Ze- 
linka,  mit  P;  Techn.  Blätter  34,  160:  A. 
Birk). 

♦Preufi-Laudien,  Henriette  (H.  Lau  dien), 
Jugendschriftstellerin;  •  Königsberg  i.  Pr. 
19.  I.  1826  [so  ausdrücklich  Pataky;  auch 
Brummer 5  3,  529] ;  t  Charlottenburg  23.  VII. 
—  BJ  VII,  175  (F.  Brummer);  Brummer 5 
3,  250.  529  (mit  W);  KL  23,  1098.  24, 
1098.  25,  47;  Pataky,  Lexikon  deutscher 
Krauen  der  Feder  i,  480.  2,  153  (mit  W). 

Pringsheim,  Hugo,  Geheimer  Kommerzien- 
rat  in  Berlin;  f  daselbst,  64  Jahre  alt, 
29.  VI.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  II  Beil.  2; 
Woche  4,  1231. 

Przewisinski,  Robert,  kaiserl.  deutscher  Kon- 
treadmiral  z.  D.;  •  6.  III.  1831;  f  Magde- 
burg 9.  X.  —  111.  Ztg.  119,  618;  Oettinger, 
Moniieur  des  dates  8,  128. 

Pückler-Limburg,  Hermann  Ernst  Apol- 
lonius  Karl  Friedrich  Ludwig  Graf,  k.  bayer. 
Major  z.  D.;  •  Burg-Farrnbach  (Mittelfran- 
ken) 6.  V.  1841;  t  2.  II.  —  Goth.  Hofka- 
lender 1903,  173. 

Pupp,  Julius,  Begründer  u.  Präsident  d.  Hotel- 
aktiengesellschaft »Grand-Hotel  Pupp«  u. 
des  »Cafe  Pupp«  in  Karlsbad;  f  daselbst 
31.  III.  —  111.  Ztg.  118,  547. 

*Pustet,  Friedrich,  Kommerzienrat,  Verlags- 
buchhändler in  Regensburg,  Verleger  der 
offiziellen  libri  chorici  ecclesiae\  *  Regens- 
burg 25.  Vn.  1831;  t  daselbst  4.  VIII.  — 
BJ  VII,  331  (R.  Schmidt);  111.  Ztg.  119, 
195;  W^oche  4,  1482;  Monatshefte  f.  Mu- 
sikgesch.  35,  124  (I^üstner,  mitL);  BZ  12, 
259  (Verhandlungen  d.  histor.  Vereins  d. 
Überpfalz  54,  367). 

Quaglla,  F.,  Rentamtmann  d.  Bürgerhospitals 
in  Würzburg,  bekannter  Weinbauer;  t  da- 
selbst 17.  X.  —  Woche  4,  1981. 

Querfurth,  Georg,  Geheimer  Hofrat,  ordentl. 
Professor  für  Maschinenbau  an  d.  Techn. 
Hochschule  zu  Braunschweig ;  •  Tiefenbach 
b.  Hasselfelde  29.  1.  1838;  "j"  Braunschweig 
27.  VI.  —  111.  Ztg.  119,  923. 

Quistorp,  Heinrich,  in  den  Gründerjahren 
Gründer  von  Westend  bei  Berlin  (Firma: 
Vereinsbank  Quistorp  &  Cie);  t  Berlin, 
76  Jahre  alt,  5.  XII.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  II  Beil.  2 ;  Woche  4,  2290;  Oettinger, 
Monitcur  des  dates  8,  132. 


Raab^  Toni,  geb.  Schinhan,  Klavier\'irtuo- 
sin,  Schülerin  Liszts ;  f  Hadersdorf  b.  Wien 
12.  VI.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
124  (Lüstner,  mit  L). 

Rabe»  Edmund  Friedrich  Theodor,  Maler, 
Mitglied  der  k.  Akademie  der  bildenden 
Künste  in  Berlin;  •  daselbst  2.  IX.  1815; 
•)•  Friedrichshagen  b.  Berlin  j8.  IV.  —  111. 
Ztg.  118,663;  Müller-Singer,  Allgemeines 
Künstlerlexikon  3  4,  i;  Jahrbuch  der  bil- 
denden Kunst  2,  108. 

Rabl,  Hans,  Dr.  med.,  Landesbadearzt  von  Bad 
Hall  in  Österreich;  *  22.  XI.  1830;  f  18.  II. 
—  Vircbows  Jahresberichte  37,  I,  423  (Pa- 
gel,  mit  L:  Wiener  klin.  Wochenschrift 
1903  Nr.  I:  K.  Kröbl). 

Radecki,  Rudolf,  Dr,  med,,  Frauenarzt  in 
St.  Petersburg,  früher  Professor  d.  Geburts- 
hilfe am  Hebammeninstitut  d.  Großfürstin 
Helene  Pawlowna;  •  Riga  17.  (n.  St.  29.) 
VL  1839;  t  St.  Petersburg  15.  I.  —  Vir- 
chows  Jahresberichte  37,  I,  423  (Pagel,  mit 
L:  Petersburger  Medizin.  Wochenschrift 
1902  Nr.  4^;  Biograph.  Lexikon  d.  hervor- 
ragenden Arzte  4,  657  (mit  W). 

Rämisch,  Landgerichtspräsident  in  Lyck; 
f  10.  XII.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3  Beil.  i. 

Ratzenberger,  Theodor,  Professor,  Organist 
an  d.  evangel.  Kirche  zu  Vevey;  *  Fried- 
richsdorf (Thüringen)  1816;  f  Vevey  im 
Febr.  —  Monatshefte  für  Musikgesch.  35, 
124  (Lüstner,  mit  L). 

Rebling,  Gustav,  Professor,  Komponist  und 
Orgelvirtuos,  früher  Organist  an  der  Jo- 
hanniskirche  in  Magdeburg;  •  Barby  bei 
Magdeburg  10.  VII.  1821;  f  Magdeburg 
9.  I.  —  111.  Ztg.  118,  185;  Monatshefte  f. 
Musikgesch.  35,  124  (Lüstner,  mitL);  Rie- 
mannS  918;  Fetis,  Siographie  universelle 
des  musiciens  Supplem,  2,  397;  Mendel- 
Reißmann,  Musikal.  Konversationslexikon 
8,  256. 

Reden,  Anna  v.,  verehel.  v.  Bennigsen:  &. 
Bennigsen,  Anna  v. 

Reden,  Ferdinand  Jobst  Johann  Klaus 
Friedrich,  Herr  auf  Hastenbeck  b.  Hameln, 
1881 — 84  Mitglied  des  Deutschen  Reichs- 
tags (nationalliberal);  *  Hastenbeck  23. XII. 
1835;  t  daselbst  24. 1.  —  111.  Ztg.  118,  157; 
Woche  4,  180;  Goth.  genealog.  Taschen- 
buch der  Adeligen  Häuser  4  (1903),  759; 
Schoenfeld,  Notizb.  f.  Reichstagsw.  5,  165. 
"Redl,  Johann,  Mitglied  des  Abgeordneten- 
hauses des  Österreich.  Reichsrats;  f  Steyr, 
im  70.  Jahre.  —  Woche  4,  1482. 

Regan,  Anna,  verehel.  vSchimon,  Sängerin  : 
s.  Schimon-Regan,  Anna. 

Regenauer,  k.  preuß.  Oberst,  Führer  der 
2.  Infanteriebrigade  zu  Kcinigsberg  i.  Pr.; 
t  20.  XI.  —  V'oss.  Ztg.  1903  Nr.  I.  Beil.  8. 


93* 


Totcnliste  1 902 :  Rehbock  —  Richard. 


94* 


Rehbock,  kaiserl.  deutscher  Geheimer  Ober- 
postrat,  Oberpostdirektor  in  Koblenz ;  *  Kreis 
Emden  1839;  f  Koblenz  7.  V.  —  111.  Ztg. 

118,  777. 

Reichard»  Max,  Oberkonsistorialrat,  Prediger 
u.  Erbauungsschriftsteller;  f  Posen  13.  IV. 
—  Woche  4  Nr.  16  S.  VIII;  Theolog. 
Jahresbericht  22  (1902),  1440  (Nestle,  mit 
L);  BZ  10,  235.  II,  261  (Daheim  38  Nr. 33: 
Hackenschmidt,  mit  Illustr. ;  Histor.  Monats- 
blätter für  Posen  3,  81:  H.  Kleinw&chter). 

Reichelt,  Viktor,  1 879 — 89  Kapellmeister  am 
Stadttheater  in  Hanau,  seitdem  Korrektor 
in  d.  Röderschen  Notenoffizin  in  Leipzig; 
•  Neumarkt  (Schlesien)  10.  X.  1849;  f  Leip- 
zig 13.  X.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch. 
35,  124  (Lüstner,  mit  L). 

Reichenbach,  Hermine  Freiin  v.,  verehel. 
Schuh,  Naturforscherin:  s.  Schuh,  Her- 
mine. 

Reichenheim,  Ferdinand,  Mitinhaber  d.  Firma 
N.  Reichenheim  &  Sohn  in  Berlin,  verdient 
um  VVohlfahrts-  u.  Wohltätigkeitsptlege  da- 
selbst; t  ebenda,  85  Jahre  alt,  3.  XI.  — 
Voss.  Ztg. 

Reiif,  Franz,  ordentl.  Professor  f.  Figuren-  u. 
Landschaftszeichnen  u.  f.  Aquarellkunde  an 
d.  Techn.  Hochschule  in  Aachen;  *  daselbst 
12.  II.  1835;  t  ebenda  11.  IV.  —  111.  Ztg. 

118,  633;  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2, 
108:  Müller-Singer,  Allgemeines  Künstler- 
lexikon 3  4,  33  (W). 

^Reimarus,  Hans,  Buchhändler  in  Berlin, 
Mitbesitzer  d.  Sortiments-  und  Leihbuch- 
handlung Borstell  und  Reimanis,  Schöpfer 
eines  großen  Lesezirkels;  *  Berlin  2.  IV^. 
1S43:  +  Luzem  19.  VI.  —  BJ  VII,  114  (R. 
Schmidt). 

Reineboth,  Friedrich,  Dr,  meä.f  Professor  f. 
innere  Medizin  an  d,  Universität  Halle  a.  S., 
verdient  um  soziale  Hygiene,  bes.  Zieh- 
kinderwesen; •  14.  VI.  1867;  t  Tabarz  3. 
VIII.  —  111.  Ztg.  1 19,  243 ;  Virchows  Jahres- 
berichte 37,  I,  423  (Pagel,  mit  L:  Ztschr. 
f.  Krankenpflege  24  Nr.  8). 

Reinecke,  Theodor,  Bildhauer  in  Berlin; 
+  daselbst,  im  80.  Jahre,  24.  VII.  —  Woche 
4.  1431  ;  Jahrb.  d.  bildenden  Kunst  2,  108. 

Reinholdt,  Alexander  von,  Literarhistoriker 
(bes.  russische  Literatur);  *  vSt.  Petersburg 
von  deutschen  Eltern  2.  (n.  St.  14.)  VII. 
1856;   t  daselbst  Ende  Juni.  —  111.  Ztg. 

119.  51;  Hinrichsen,  D.  literar.  Deutsch- 
land» 1091   (mit  W). 

^Reischek,  Andreas,  Kustos  am  Museum 
FranciscO'Carolinum  in  Linz,  Forschungs- 
rciscnder;  •  daselbst  15.  IX.  1845;  t  eben- 
da 4.  IV.  —  BJ  VII,  261  (\V.  Wolken- 
h.iuerj;  Leopoldina  38,  81;  Geographen- 
Kalender  I,  231   (H.  Haack);  BZ   10,  235. 


II,  261  (Deutsche  Rundschau  f.  Geogra- 
phie und  Statistik  1902,  423  mit  Illustr.; 
Internationales  Archiv  f.  Ethnographie  15, 
82;  Mitteilungen  der  anthropolog.  Gesell- 
schaft, Wien  1902,  409:  F.  Heger). 

Reitenbach,  John,*  alter  deutscher  Demokrat, 
bis  1880  auf  seinem  Gute  Plicken  b.  Gum- 
binnen,  in  d.  Zeit  d.  preufl.  Konfliktes  Re- 
dakteur der  in  Gumbinnen  erscheinenden 
»Bürger-  und  Bauemfreundes«,  später  der 
»Reichsspinnstube«;  •  1816;  f  Zürich  An- 
fang Januar.  —  111.  Ztg.  1 18,  93;  Altpreuß. 
Monatsschrift  40,  473  (Rindfleisch,  mit  L : 
Kattentidt,  J.  R.  18 16 — 1902.  E.  Gedenk- 
blatt. Insterburg  1902  =  Ostpreuß.  Ztg.  1902 
Nr.  7). 

Rekowsky,  v.,  Kammerherr,  ehemal.  Inten- 
dant d.  Koburg-Gothaer  Hoftheaters ;  f  Nizza 
Ende  des  Jahres.  —  Woche  4,  54.  58  (P) ; 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  124  (Lüst- 
ner, mit  L). 

Remond,  Maria,  verehel.  Heinemann,  früher 
Opemsängerin ;  f  Magdeburg,  7  2  Jahre  alt, 
22.  IX.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
1 24  (Lüstner,  mit  L). 

Reusch,  Hugo,  Landesbankdirektor  in  Wies- 
baden, Führer  der  Altkatholiken,  längere 
Zeit  auch  Stadtverordneten  Vorsteher  da- 
selbst, früher  Mitglied  d.  preuß.  Abgeord- 
netenhauses; t  daselbst,  69  Jahre  alt,  13.  II. 
—  111.  Ztg.  118,315;  Woche  4  Nr.  8  S.VII. 

Reufi  ältere  Linie:  Fürst  Heinrich  XXII.; 
s.  Heinrich. 

Reufi  jüngere  Linie:  Anna  Prinzessin  zu 
Bcntheim-Tecklenburg-Rheda,  geb.  Prin- 
zessin R.  j.  L.;  s.  Anna. 

•Reuter,   Theodor,   k.  k.  Baurat,   Architekt; 

•  Wien  9.  III.  1837;  t  daselbst  i.  II.  — 
BJ  VII,  209  (A.  Birk);  Rheinhardt.  Bio- 
graphien d.  Wiener  Künstler  u.  Schriftsteller 
I,  24. 

Rex,  Ignaz,  Dr,  med.,  Oberstabsarzt  in  Prag, 
Vorsitzender  d.  Vereins  deutscher  Arzte  in 
Prag;  t  daselbst,  80  Jahre  all,  15.  II.  — 
Virchows  Jahresberichte  37,  I,  424  (Pagel, 
mitL:  Wiener  klinische  Rundschau  1902 
Nr.  22;  Heilkunde  1902,  130). 

Ribbeck,  Heinrich  Viktor  Constanz  Wo Ide- 
mar,  Dr,  phil,^  Professor,  Direktor  d.  As- 
kan.  Gvmnasiums  in  Berlin,  klass.  Philolog; 

•  Erfurt  17.  II.  1830;  tBeriin  4.  VI.  — 
KL  24,  II 50  (W).  25,47;  Eckstein,  No- 
menclaior  philologorum  470;  Hl.  Ztg.  118, 
935;  Woche  4,  1090;  BZ  13,  256  (Jahres- 
berichte üb.  d.  Fortschritte  d.  klass.  Alter- 
tumswissenschaft 119,  16:  A.  Prtimers). 

Richard,  k.  preuß.  Geheimer  Oberjustizrat, 
Präsident  d.  Landgerichts  in  Osnabrück; 
t  12.  VII.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3  Beil.  i ; 
Woche  4,  1330. 


95* 


Totenliste  1 902 :  Ricker  —  KUdorfT. 


96* 


*Ricker,  Ansei m  Joseph,  Benediktiner,  /*., 
Dr,  theoLy  k.  k.  Hofrat,  Konsistorialrat, 
früher  ordentl.  Professor  der  Pastoraltheo- 
logie an  d.  Universität  Wien;  •  Preßburg 
IG.  III.  1824;  f  Mayerling  (Wiener  Wald) 
28.  XII.  —  BJ  VII, '113  (C  Wolfsgruber); 
Scriptores  ordinis  Benedicti  qui  i  yjo — 1880 
fueruni  (Vindobonae  188 1),  374  (mit  W) ; 
Jörg'Keiter,    Kathol.   Literaturkalender    6, 

251  (W). 
Rickert,  Heinrich,  Landesdirektor  a.  D.  der 
Provinz  Westpreußen,  früher  Redakteur  u. 
Miteigentümer  d.  »Danziger  Ztg.«,  Mitglied 
d.  Deutschen  Reichstags  u.  preuß.  Abge- 
ordnetenhauses   (freisinnige  Vereinigung); 

•  Putzig  (Westpreußen)  27.  XII.  1833; 
t  Berlin  3.  XI.  —  111.  Ztg.  119,  695  (mit 
P);  Woche  4,  2074  (P);  KL  24,  1150.  25, 
47;  BZ  II,  263.  12,  266  (Nation  20  Nr.  6: 
Th.  Barth;  Allgemeine  Ztg.  d.  Judentums 
Nr.  45;  Im  deutschen  Reich  8,  670:  E. 
Friedemann;  Leipziger  Lehrerztg.  10  Nr.  8 
und  Bildungsverein  1902,  259:  J.  Tews; 
Lehrerheim  1902  Nr.  45:  L.  Neustadt;  Bil- 
dungsverein 1 903,  2 :  Fr.  Naumann ;  Zentral- 
blatt f.  Volksbildungswesen  1903,  i);  Alt- 
preufl.  Monatsschrift  40,  473  (Rindfleisch, 
L:  Danziger  Ztg.  1902  Nr.  516 — 521). 

Rickmers,  Peter,  Mitinhaber  der  Bremer 
Firma  Rickmers  (Reismühlen-,  Reederei- 
und  Schiflfsbauaktiengcsellschaft),  Sozial- 
politiker; f  Bremerhaven,  64  Jahre  alt, 
15.  XII.  —  111.  Ztg.  119,  991 ;  BZ  12,  266 
(Schiffbau  1903,  313  mit  P). 

Rimböck,  Karl,  k.  k.  Regierungsrat,  General- 
inspektor u.  Chef  d.  finanziellen  Dienstes 
d.  österr.-ungar.  Staatsbahn;  f  Weidling  b. 
Wien,  im  61.  Jahre,  3.  VIII.  —  111.  Ztg. 
119,  277. 

Rinckenbach,  Eduard,  Maler;  f  Metz  im 
August.  —  Jahrb.  d.  bildenden  Kunst  2,  108. 

Risch,  Heinrich  August,  Oberkonsistorialrat 
a.  D.  in  Speyer,  Vorstand  d.  Vereins  zur 
Erbauung   d.  Protestationskirche   daselbst; 

*  Rockenhausen  (Rheinpfalz)  8.  I.  1824; 
tu.  VI.  —  Perthes'  Handlexikon  f.  evan- 
gel.  Theologen  3,  199;  Theolog.  Jahres- 
bericht 22  (1902),  1440  (Nestle). 

*Röhl,  Johannes  Christoph  Martin,  Gene- 
raldirektor d.  Straßeneisenbahngesellschaft 
in  Hamburg;  •  Lübeck  26.  V.  1820;  t  Ham- 
burg 8.  XI.  —  BJ  VII,  294  (Johnen);  Deut- 
sche Bauztg.  37,  26  (Ulrichs). 

Rohr,  Lorenz,  deutsch-amerikan.  Publizist  in 
Evansville  (Indiana),  Chefredakteur  des 
»Evansville  Demokrat«,  Dichter  in  rhein- 
pfälz.  Dialekt;  *  Venningen  (Rheinpfalz) 
15.  VIII.  1846;  ^ '\m  November.  —  Voss. 
Ztg.  1903  Nr.  7  Beil.  2;  KL  24,  11 74  (W); 
Brummers  3,  335. 


Römpler,  Theodor,  Dr»  nud.^  Sanitätsrat,  Be- 
sitzer d.  Sanatoriums  für  I^ungenkranke  in 
Görbersdorf  (Schlesien);  f  Görbersdorf 
26.  IV.  —  111.  Ztg.  118,  702;  Voss.  Ztg. 
37,  I,  424  (Pagel). 

Rosenstock  v.  Rhöneck»  Georg,  Kapitän- 
leutnant, Kommandant  d.  deutschen  Tor- 
pedobootes S  42,  welches  auf  d.  Fahrt  v. 
Helgoland  nach  Cuxhaven  unterging ;  •  Triest 
1873;  t  24.  VI.  —  111.  Ztg.  119. 

Rosenthal,  S.,  Schachmeister  und  Schach- 
schriftsteller, seit  1864  in  Paris  lebend; 
t,  64  Jahre  alt,  im  September.  —  Voss. 
Ztg.  1903  Nr.  II  Beil.  2. 

Roskiewicz,  Johann,  k.  u.  k.  Feldmarschall- 
leutnant a.  D.,  ehemal.  Leiter  d.  topograph. 
Abteilung  d.  k.  k.  Militär-geograph.  Insti- 
tutes in  Wien;  *  Drohowycze  (Galizien) 
26.  V.  1831;  t  Graz  31.  VIL  —  111.  Ztg. 
119,  277;  Geograph.  Jahrbuch  26,440  (W. 
Wolkenhauer,  mit  W  u.  L);  Geographen- 
Kalender  I,  232  (H.  Haack);  Wurzbach, 
Biograph.  Lexikon  des  Kaisert.  Österreich 

27»  41. 

Rospatt,  Lambert,  k.  preuß.  Geheimer  Re- 
gierungsrat u.  Landrat  a.  D.,  früher  Mit- 
glied d.  preuß.  Abgeordnetenhauses  (kon- 
servativ) ;  f  Ende  September.  —  Voss.  Ztg. 
1902  Nr.  609  Beil.  2. 

Rofibach,  Max  Arwed,  Dr.  phil.  honoris 
causa,  k.  sächs.  Baurat,  Stadtrat  in  Leipzigs 
Architekt;  •  Plauen  (Vogtl.)  24.  XI.  1844; 
t  Leipzig  31.  XII.  —  Hl.  Ztg.  120,  49  u. 
Nr.  2816  vom  17.  VL  1897  (mit  P);  Deut- 
sche Bauztg.  37,  15.  283. 

Rofieck,  Hugo,  Superintendent  in  Fürstenau 
(Kreis  Elbing);  •  Mewe  27.  II.  1833; 
t  Fürstenau  20.  II.  —  Altpreuß.  Monats- 
schrift 40,  473  (Rindfleisch,  L:  Evangel. 
Gemeindeblatt  57,  1902,  78). 

Röstel,  Frau  Anna,  Inhaberin  d.  Hofbuch- 
druckerei W.  Decker  &  Cie  in  Posen,  Ver- 
legerin der  »Posener  Ztg.«;  f  22.  VII.  — 
Voss.  Ztg.  1903  Nr.  7  Beil.  2;  Börsenblatt 
f.  d.  Deutschen  Buchhandel  1902. 

Rückert,  Friedrich,  Dr,  med,,  Augenarzt  in 
Meiningen,  Enkel  d.  Dichters  Friedrich  R. ; 
t  daselbst  6.  XII.  —  Woche  3,  2290. 

Ruckmich,  Karl,  Hofmusikalienhändler  zu 
Freiburg  i.  B. ;  f  daselbst,  70  Jahre  alt, 
IG.  XI.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
125  (Lüstner,  mitL);  BZ  11,  267  (L). 

Rüdorff,  Friedrich,  Dr,  phil,.  Geheimer  Re- 
gierungsrat, Professor  für  Chemie  an  der 
Techn.  Hochschule  u.  Leiter  des  Labora- 
toriums f.  anorgan.  Chemie  in  Charlotten- 
burg; •  Werl  (Westf.)  3.  XI.  1832  ;  f  Char- 
lottenburg 29.  XI.  —  Leopoldina  39,  45; 
Poggendorff  3,  1151.  4,  1282  (mit  W); 
BZ   II,  267.   12,  270  (Chemikerztg.  1902» 


97* 


Totenliste  1902:  Ruff — Scheflfer-Boichorst. 


98* 


1173;  Ztschr.  f.  angewandte  Chemie  .1902, 
1257;  Berichte  d.  deutschen  ehem.  Gesell- 
schaft 35,  4536:  A.  Stavenhagen). 

Ruff,  August,  Konzertsänger;  f  Mainz,  61  Jahre 
alt,  25.  IV.  —  111.  Ztg.  118,  75J. 

Rülf,  Isaak,  Dr.  phiL^  früher  Rabbiner  in 
Memel  u.  Chefredakteur  d.  »Memeler  Dampf- 
boot«, philosoph.  Schriftsteller  u.  Publizist; 
*  Rauisch-Holzhausen  bei  Marburg  10.  II. 
1831 ;  t  Poppeisdorf  bei  Bonn  19.  IX.  — 
KL  24,  II 90  (W);  Altpreuß.  Monatsschrift 
40,  473  (Rindfleisch,  L:  Memeler  Dampf- 
boot 1902  Nr.  221);  BZ  II,  267  (Israelit. 
Wochenschrift  1902,  614.  663). 

Sachsen,  König  Albert  v.:  s.  Albert. 

Sachsen -Weimar,  Prinz  Eduard  von:  s. 
Eduard. 

Sack,  k.  preuß.  Geheimer  Justizrat,  früher 
Präsident  des  Landgerichts  in  Frankfurt 
a.  O.;  t  17-  I-  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  3 
Beil.  I. 

Salm-Reifferscheid-Raitz,  Felicie  Sidonie 
Altgräfin  zu,  Witwe  d.  Altgrafen  Robert, 
geb.  Gräfm  Clary  und  Aldringen;  •  Wien 
9.  VI.  1815;  t  daselbst  18.  IL  —  Goth. 
Hofkalender  1903,  296. 

Salzmann,  F.  W.,  Deutschafrikaner,  früher 
Bürgermeister  v.  Bloemfontein ;  f  daselbst 
6.  VI.  —  Woche  4,  1136. 

Sauter,  Karl  v.,  k.  Württemberg.  Baudirektor, 
Architekt  u.  Kirchenkonservator,  Kollegial- 
mitglied d.  Domänendirektion,  Ehrenbürger 
der  Stadt  Freudenstadt;  *  Aalen  18.  VI. 
1839;  t  Stuttgart  28.  VII.  —  Deutsche 
Bauztg.  36,  403;  Württemberg.  Jahreshefte 
f.  Statistik  u.  Landeskunde  1902,  IV  (Hart- 
mann, L). 

Sayn  - Wittgenstein-Berleburg,  Anna  geb. 
Prinzessin  zu,  verwitw.  Gräfin  Schlitz  ge- 
nannt V.  Görtz:  s.  Schlitz. 

Schaarschmidt,  Friedrich,  Konservator  der 
k.  Kunstakademie  in  Düsseldorf,  Maler  u. 
Kunstschriftsteller;  *  Bonn  4.  II.  1863; 
t  Böblingen  (Württemberg)  13.  VI.  —  111. 
Ztg.  119,  25;  KL  25,  47;  Jahrbuch  d.  bil- 
denden Kunst  2,  108;  BZ  II,  271  (Die 
Kunsthalle  1902,  289:  G.  Galland). 

Schad  von  Mittelbibrach,  Moriz  v. ,  k.  Württem- 
berg. Landgerichtspräsident  a.  D.,  1 885 — 90 
Vertreter  d.  Ritterschaft  d.  Donaukreises  in 
d.  Württemberg.  Kammer  d.  Standesherren. 
Mitbegründer  d.  Evangelischen  Bundes  in 
Württemberg;  f  Ulm,  82  Jahre  alt,  30.  XII. 
—  111.  Ztg.  120,  97;  Württemberg.  Jahres- 
hefte f.  Statistik  u.  Landeskunde  1902,  V 
(Hartraann,  L). 

Schäffer,  Julius,  Dr,  phil,  honoris  causa,  k. 
preuß.  Musikdirektor  u.  Professor,  Lehrer 
am  k.  Akadem.  Institut  f.  Kirchenmusik  in 
Breslau,   Komponist  u.  Musikschriftsteller; 

BiogT.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrologf.    7.  Bd. 


•  Krevese  b.  Osterburg  (Altmark)  28.  IX. 
1823;  t  Breslau  10.  IL  —  111.  Ztg.  Ii8, 
272;  KL  25,  47;  RiemannS993;  Mendel- 
Reißmann,  Musikal.  Konv .-Lexikon  9,  77; 
Chronik  d.  Universität  Breslau  16  (1901/2), 
1 20  (E.  Bohn) ;  Monatshefte  f.  Musikgesch, 
35,  125  (Lüstner,  mit  L). 

Schantl,  Josef,  Waldhorn  virtuos,  ehemaliges 
Mitglied  des  Hofopernorchesters  in  Wien, 
Professor  am  Konservatorium  d.  Musik  da- 
selbst, auch  Musikschriftsteller;  f  Viehdorf 
b.  Amstetten,  61  Jahre  alt,  22.  II.  —  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  125  (I^üstner, 
mit  L). 

Schanz,  Julius  August  (nannte  sich  später 
Uli  Schanz),  früher  Professor  f.  deutsche 
Sprache  an  d.  Universität  Rom,  Dichter  u. 
'  Übersetzer;  *  Ölsnitz  (Vogtl.)  19.  IX.  1828; 
t  15.  IV.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  7  Beil.  2; 
Hinrichsen,  D.  literar.  Deutschland*  1149 
(mit  W);  Brummer  5  3,  400.  563  (mit  W); 
BZ  10,  244  (D.  literar.  Echo  4,  1149:  E. 
Kreowski);  D.  literar.  Leipzig  147  (mit  P 
u.  W). 

Scharff,  Cäsar,  Bildhauer,  erhielt  den  ein- 
zigen Preis  bei  dem  Ausschreiben  für  ein 
Bismarckdenkmal  in  Hamburg;  f  Altrahl- 
stedt  b.  Wandsbeck,  38  Jahre  alt,  21.  X. 
—  111.  Ztg.  119,  643;  Jahrbuch  d.  bilden- 
den Kunst  2,  108. 

Schauer,  Gustav,  Professor,  Geschichtsmaler 
in  Berlin,  ursprünglich  Photograph;  *  24. 
VI.  1826;  t  Berlin  8.  (oder  9.?)  L  —  111. 
Ztg.  118,  135;  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst 
2,  108;  Woche  4,  92  (P). 

Schaumburg-Lippe,  Prinzessin  Bathildis  v.: 
s.  Bathildis. 

*Schede,  Max  Eduard  Hermann  Wilhelm, 
Dr,  med..  Geheimer  Medizinalrat,  ordentl. 
Professor  d.  Chirurgie  u.  Direktor  d.  Chi- 
rurg. Klinik  an  d.  Universität  Bonn ;  *  Arns- 
berg (Westfalen)  7.  I.  1844;  f  Bonn  31. 
XII.—  BJ  VII,  126  (Pngel);  Pagel  1487 
(mit  P  u.  W);  Woche  4,  52  (P);  Chronik 
d.  Univ.  Bonn  1902,  6  (GrafiQ;  Leopoldina 
38,  136.  39,  45;  Virchows  Jahresberichte 
37,  I,  424  (Pagel,  mit  P)  u.  BZ  11,  275 
(Deutsche  Ztschr.  für  Chirurgie  69,  I:  H. 
GrafF;  Ztschr.  f.  Orthopäd.  Chirurgie  11, 
489:  P.  Bade;  Zentralblatt  für  Chirurgie 
1903,97:  H.  Tillmanns;  Berliner  klinische 
Wochenschrift  1903,  138:  H.  Kümmell; 
Die  medizin.  Woche  1903,  58:  H.  Fischer, 
mit  P). 

SchefTer-Boichorst,  Paul,  Dr,  phiL,  ordentl. 
Professor  d.  Geschichte  u.  Direktor  d.  Histor. 
Seminars  an  d.  Universität  Berlin,  ordentl. 
Mitglied  der  Akademie  d.  Wissenschaften 
daselbst;  *  Elberfeld  25.  V.  1843;  tB«rlin 
17.  I.  —  Chronik  d.  Univ.  Berlin  1901,  7; 


99* 


Totenliste  1902:  Schell  —  Schlesinger. 


100* 


KL  23,  1216..  25,  47;  111.  Ztg.  118,  135. 
158  (Helmolt,  mit  P);  Woche  4,  146  (P); 
Scheffer-Boichorst,  Gesammelte  Schriften  I. 
Mit  d.  Bildn.  d.  Verf.  u.  e.  Schilderung  s. 
Lebens  (Von  E.  Schau s  u.  F.  Güterbock). 
Berl.  1903;  Ztschr.  für  d.  Gesch.  d.  Ober- 
rheins 57  (1903),  742  (Kaiser,  mit  L);  BZ 

10.  244.  II,  272.  12,  275  (Histor.  Jahrbuch 
d.  Görresgesellschaft  23,  244:  A.  Meister; 
Histor.  Ztschr.  89,  54 :  H.  Bloch ;  Ztschr.  f. 
d.  Geschichte  d.  Oberrheins  1902,  381:  F. 
Kiener;  Deutsche  Stimmen  1902,  374;  Ab- 
handlungen d.  Akademie  d.  Wissensch.  in 
Berlin,  phil.-hist.  Kl.,  1902:  F.  Dümmler). 

^Schell,  Otto,  V.,  k.  preuß.  Generalleutnant 
z.  D.;  •  Münster  i.  \V.  4.  X.  1835;  t  Han- 
nover 16.  X.  —   BJ  VII,  254  (LorenzenJ. 

Schenck,  Emil,  Dr.  Jur.,  Wirkl.  Geheimer 
Staatsrat  in  Weimar,  Mitglied  d.  großhgl. 
Sachs. -Weimar.  Staatsministeriums  a.  D. ; 
t  Weimar,  80  Jahre  alt,  1 2.  V.  —  111.  Ztg. 
118,  777. 

Schenk,  Samuel  Leopold,  Dr,  med,  et  cAir., 
früher  Professor  in  d.  medizin.  Fakultät  u. 
Vorstand  d.  Embryolog.  Instituts  der  Uni- 
versität Wien;  •  Urmeny  (Ungar.  Komitat 
Neutra)  23.  VIII.  1840;  t  Schwanberg 
(Steiermark)  17.  (oder  18.?)  VIII.  —  111. 
Ztg.  119,  277  u.  Nr.  2847  V.  20.  I.  1898: 
mit  P;  Leopoldina  38,  95.  loi  (mit  W); 
Woche  4,  1^80  (P);  Pagel  1493  (mit  P  u. 
W);  KL  24,  1229  (W).  25,  47;  Biograph. 
Lexikon  d.  hervorragenden  Ärzte  6,  999; 
Virchows  Jahresberichte  37,  I,  424  (Pagel, 
mit  L)  u.  BZ  II,  272  (Österreich.  Monats- 
schrift f.  Tierheilkunde  1902,  128:  A.  L. 
Koch;   Neue   medizin.  Presse    1902,   195). 

Scheitel,  Arnulf,  Dr,  phiL,  k.  sächs.  Berg- 
rat, Professor  f.  Hüttenkunde  an  der  Berg- 
akademie zu  Freiberg  i.  S.,  Autorität  auf 
dem  Gebiete  der  Hüttenrauch-Schädenver- 
hütung; *  München  24.  II.  1841 ;  t  Dresden 

11.  III.  —  III.  Ztg.  118,  417;  Leopoldina 
38,  81;  BZ  12,  275  (Forstwissenschaftl. 
Zentralblatt  1903,  i:  O.  Doeltz). 

Schider,  Eduard,  Dr,  med..  Geheimer  Sani- 
tätsrat, Badearzt  in  Bad  Gastein;  t  Salz- 
burg im  Juni.  —  Virchows  Jahresberichte 
37, 1,  424  (Pagel);  BZ  11,  272  (Mitteilungen 
d.  Gesellsch.  f.  Salzburger  Landeskunde  32, 
206:  H.  Widmann). 

Schieder,  Johann,  Hofbaumeister  in  Wien, 
Architekt;   t  Hinterstoder  (Oberösterreich) 

12.  IX.  —   111.  Ztg.  119,  471. 

Schiller,  Hermann,  Dr.  phil.,  großhgl.  hess. 
Geheimer  Oberschulrat,  bis  1899  Gymna- 
sialdirektor und  Universitätsprofessor  in 
Gießen,  zuletzt  Privatdozent  an  der  Uni- 
versität Leipzig,  Pädagog  und  Historiker; 
*  Wertheim  a.  M.  7.  XI.   1839;   f  Leipzig 


II.  VI.  —  111.  Ztg.  118,  935  u.  Nr.  2925 
V.  20.  VII.  1899,  mit  P;  Voss.  Ztg.  1902 
Juni  12  Abendausg.;  Allg.  Ztg.  1902  Beil. 
Nr.  148:  R.  Degen;  KL  24,  1235  (W).  25, 
47;  Woche  4,  1140  (P);  Ztschr.  f.  Gesch. 
d.  Oberrheins  57  (1903),  389  (Frankhauser: 
L);  BZ  II,  274.  12,  277  (Gesunde  Jugend 
'903»  '53=  O.  Beyer;  Sudwestdeutsche 
Blätter  1902,  325:  A.  Messer). 

Schilling,  Max,  Kegierungsbaumeister  in  Ber- 
lin; f  daselbst  21.  II.  —  Jahrbuch  d.  bil- 
denden Kunst  2,  108. 

SchiUinger,  Alfred,  Landeskonsulent  für 
Fischerei  in  Bayern;  f  München,  56  Jahre 
alt,   16.  X.  —  Woche  4,  2204. 

Schimmer,  Gustav  Adolf,  Statistiker  u.  De- 
mograph in  Wien;  *  daselbst  23.  I.  1828; 
t  ebenda  16.  XI.  — 111.  Ztg.  119, 923;Geogr. 
Jahrbuch  26,  448  (W.  Wolkenhauer,  mitL). 

Schimon-Regan,  Anna,  Sängerin,  Lehrerin 
an  d.  Akademie  d.  Tonkunst  in  München; 

•  Aich  bei  Karlsbad  1842;  f  München 
18.  IV.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
125  (Lüstner,  mit  L). 

Schirlitz,  Dr,  iheoL,  Senior  d.  evangelischen 
Geistlichkeit  der  Provinz  Sachsen,  früher 
Superintendent  in  Querfurt;  f  daselbst, 
92  Jahre  alt,  i.  III.  —  111.  Ztg.  118,  391 ; 
Woche  4  Nr.  10  S.  VII. 

Schirmer,  Albert,  Schauspieler,  früher  Direk- 
tor d.  Stadttheaters  in  Mainz;  •  Frankfurt 
a.  O.  19.  V.   1838;  t  Wiesbaden   16.  VIII. 

—  Flüggen,  Biograph.  Buhnenlexikon  i, 
271;  Woche  4,  1624;  Monatshefte  f.  Mu- 
sikgesch. 35,  125  (Lüstner,  mit  L). 

Schirp,  Fritz  Freih.  v.,  Impresario  u.  Jour- 
nalist in  Berlin,  früher  Offizier.  —  Woche 
4,  785;  KL  24,  1239. 

Schlag,  Heinrich,  Orgelbaumeister  inSchweid- 
nitz;  t  daselbst  Ende  d.  Jahres.  —  Mendel- 
Reißmann,  Musikal.  Konv.-Lexikon  9,  113; 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  125  (Lüst- 
ner, mit  L). 

Schlesinger,  Hermann,  Dr.  med,^  Geheimer 
Sanitätsrat  in  Berlin;  *  Tamowitz  (Ober- 
schlesien) 7.  I.  1836;  t  Berlin  23.  VIII.  — 
Verzeichnis  der  Berliner  Univ.-Schriften 
18 10 — 85  (Berlin  1899)  Nr.  5508;  Vir- 
chows Jahresberichte  37,  I,  424  (Pagel, 
mit  L:  Verhandlungen  d.  Vereins  f.  innere 
Medizin  v.  15.  X.  1902;  Allgemeine  me- 
dizin. Zentralztg.  1902  Nr.  85). 

Schlesinger,  Maximilian,  Dramaturg  d.  Stadt- 
theaters in  Breslau,  Verfasser  nationalöko- 
nom.  u.  bühnengeschichtl.  Schriften,  früher 
Redakteur    der    »Breslauer    Gerichtsztg.« ; 

•  Breslau    2.  1.   1855;   f  daselbst   14.  XII. 

—  111.  Ztg.  119,991;  Monatshefte  f.  Mu- 
sikgesch. 35,  125  (I.üstner,  mitL);  KL  24, 
1242  (W).  25,  47. 


lOl* 


Totenliste  1902:  Schlie  —  Schmitt. 


102* 


Schlie,  Friedrich,  Dr,  phiL,  Professor,  groß- 
hgl.  roecklenburg.  Geheimer  Hofrat,  Direk- 
tor d.  Museums  in  Schwerin,  Archäolog  u. 
Kunsthistoriker;  •  BrUel  (Mecklenburg)  12. 
XU.  1839;  t  Kissingen  21.  VII.  —  KL  24, 
1244  (W).  25,  47;  Jahrbuch  d.  bildenden 
Kunst  2,  108.  117  (L:  Kunstchronik  1902 
Okt.  16);  Hinrichsen,  D.  literar.  Deutsch- 
land« 1162  (mit  W);  Ztschr.  für  christl. 
Kunst  15,  187  (Schnütgen). 

Schlieffen,  Maria  Gräfin,  Äbtissin  d.  Klosters 
Drubeck,  Hofdame  d.  Prinzessin  Friedrich 
Karl  von  Preußen;  *  Berlin  25.  IX.  1834; 
t  Drubeck  20.  XL  —  Woche  4,  2204; 
Gräfl.  Taschenbuch   1904,  754. 

Schlieffen,  Wilhelm  Martin  Ernst  Ludwig 
Graf  V.,  Majoratsherr  auf  Schlieffenberg 
(Mecklenburg-Schwerin)  etc.,  Landrat  des 
Herzogtums  Güstrow,  Mitglied  d.  mecklen- 
burg.  I.andtags  u.  1884 — 98  d.  Deutschen 
Reichstags  (konservativ);  •  Berlin  18.  IX. 
1829;  t  Potsdam  8.  XII.  —  111.  Ztg.  119, 
968;  Gräfl.  Taschenbuch  1903,  759.  1904, 
752;  Kürschner, Reichstag  1893,353  (mit?). 

Schlippe,  Paul,  Generalstaatsanwalt  u.  Mi- 
nisterialrat a.  D.  in  Darmstadt;  f  daselbst 
10.  IL  —  W'oche  4,  1896. 

Schlitz  genannt  von  Görtz:  Anna  Al- 
bertine  Georgine  Gräfin,  Witwe  d.  Grafen 
Karl,  geb.  Prinzessin  zu  Sayn-Wittgen- 
stein-Berleburg;  *Darmstadt  5. 1.  1827; 
t  Schlitz  (Oberhessen)  6.  XL  —  111.  Ztg. 
i>9.  737;  W'oche  4,  21 18  (P);  Goth.  Hof- 
kalender  1903,  187.   192.   II 13. 

— :  Sophia  Julia  Camilla,  geb.  Cavalcanti 
de  Albuquerque  de  VMlleneuve,  Ge- 
mahlin des  Emil  Friedrich  Grafen  u.  Herrn 
V.  Schlitz;  •  Neuilly  bei  Paris  5.  V.  1858; 
t  Charlottenburg  2.  XL  —  111.  Ztg.  119, 
695;  Goth.  Hof  kalender  1903,  191.   11 13. 

Schlusser,  G.,  Dr.f  Ministerialrat  im  großhgl. 
bad.  Ministerium  des  Innern,  früher  Ober- 
bürgermeister V.  Lahr;  t  Karlsruhe  i.  III. 
—  Goth.  Hof  kalender  1902,  504;  111.  Ztg. 
118,  341 ;  Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins 
57  (1903)»  389  (Frankhauser,  L:  Karlsruher 
Ztg.  1902   Nr.  62).  * 

Schmeidler,  Johannes  Heinrich  Leonhard, 
evangel.  Pfarrer  an  d.  Jerusalemer  Kirche 
in  Berlin,  Führer  d.  liberalen  Geistlichkeit 
daselbst,  Mitherausgeber  d.  »Protcstanten- 
blatt«;  *  Breslau  21.  VII.  1841;  t  Berlin 
17.  IV.  —  Woche  4,  732;  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  3  Beil.  i ;  Perthes'  Handlexikon  für 
ev.  Theolog.  3,  284;  BZ  10,  247  (Deutsches 
Protestantenblatt  1902  Nr.  18:  M.  Fischer). 

Schmeling,  Burkhardt  v.,  k.  preuß.  General- 
leutnant z.  D. ;  t  Wiesbaden,  im  80.  Jahre, 
14.  XL  —  Woche  4,  2160.  2292  (P). 

'^Schmeling,  Cyrus  v.,  k.  preuß.  Generalmajor 


z.  D.,  •  Gnesen  31.  I.  181 9;  f  Lieberose 
16.  III.  —  BJ  VII,  255  (Lorenzen). 

Schmid,  Arthur  v.,  Direktor  a.  D.  d.  Handels- 
akademie in  Graz,  Alpinist;  *  Wien  2.  IL 
1843;  t  Graz  13.  IV.  —  Mitteilungen  des 
Deutschen  u.  Österreich.  Alpen  Vereins  28, 
105  (E.  Richter);  111.  Ztg.  118,  623. 

Schmidburg,  Rudolf  Leberecht  Karl  Borro- 
mäus  Freih.  v.,  k.  u.  k.  Kämmerer  u.  Ge- 
neralmajor z.  D.;  •  Prag  3.  X.  18 10;  f  Graz 

I.  VII.  —  Woche  4,  1279;  Wurzbach,  Bio- 
graph. Lexikon  des  Kaisert.  Österreich  30, 
195;  Freiherrl.  Taschenbuch  1904,  687. 

^Schmidt,  Auguste,  Vorkämpferin  f.  d.  Ar- 
beitsberechtigung der  Frauen,  früher  Vor- 
steherin der  V.  Steyberschen  Unterrichts- 
anstalt in  Leipzig,  Vorsitzende  d.  Bundes 
deutscher  Frauen  verein  e ;  •  Breslau  3.  VIII. 
1833;  t  Leipzig  10.  VL  —  BJ  VII,  184 
(F.  Brummer);  111.  Ztg.  118,  935,  939.  940 
(M.  Uhse  mit  P);  KL  25,  47;  BZ  10,  248. 

II.  276.  12,  279 <  (Frauenbildung  1902, 
251:  Wychgram;  Gartenlaube  1902  Nr.  28 
u.  die  Frau  1902,  577:  Helene  Lange,  mit 
P;  Ethische  Kultur  1902  Nr.  27:  Else  Hasse; 
Zentralblatt  des  Bundes  deutscher  Frauen- 
vereine 4,  Nr.  49,  ^o:  M.  Stritt,  mit  P; 
D.  deutsche  Fortbildungsschule  1902,  211; 
Neues  Frauenlcben  1902  Nr.  7 :  H.  v.  Allen; 
Lehrerin  in  Schule  und  Haus  1902,  900: 
K.  Büttner;  Neue  Bahnen  1903,  2:  Th. 
Gröning;  Hamburg.  Schulztg.  1903  Nr.  19: 
de  Fauquemont). 

^Schmidt,  Otto  Ritter  v.,  k.  baycr.  General 
der  Infanterie  z.  D.;  *  AschaÄTenburg  20. 
XII.  1820;  t  München  18.  X.  —  BJ  VII, 
233  (Lorenzen). 

Schmidt,  Friedrich  Wilhelm,  Dr.  theoL, 
Prälat  a.  D.,  Vorsitzender  d.  evangel  Kon- 
ferenz in  Baden  u.  d.  südwestdeutschen  Kon- 
ferenz f.  innere  Mission;  •  Freiburg  i.  Br. 
12.  V.  1831 ;  f  Karlsruhe  6.  IL  —  Theolog. 
Jahresbericht  22  (1902),  1441  (Nestle,  mit 
L);  Perthes'  Handlexikon  f.  evangel.  Theo- 
logen 3,  285  (mit  W). 

Schmidt- Steglitz,  Hermann,  Musikschrift- 
stelier  in  Berlin-Steglitz;  •  Berlin  20.  IV. 
1863;  t  daselbst  21.  XL  —  Monatshefte 
für  Musikgesch.  35,  125  (Lüstner,  mit  L); 
KL  24,  1256. 

Schmitt,  Georg  Aloys,  früher  großherzog- 
licher mecklenburg- schwerinscher  Hof- 
kapellmeister,  später  in  Dresden  lebend 
u.  Stifter  d.  Mozartvereins  daselbst;  •  Han- 
nover  2.  IL   1827;   t  Dresden  15.  X.   — 

III.  Ztg.  119,  618;  Woche  4,  1990  '(P); 
Riemann5  loio;  Mendel-Reißmann,  Mu- 
sikal.  Konv.-Lexikon  9,  129;  Monatshefte 
für  Musikgesch.  35,  125  (Lüstner,  mit  L); 
BZ  1 1,  276  (Die  Musik  II,  271  f  O.  Schmid;. 


I03* 


Totenliste  1902:  Schneider  —  Schulenburg. 


104* 


Schneider,  k.  preufl.  Geheimer  Oberjustizrat, 
früher  Senatspräsident  am  Oberlandesge- 
richt in  Cöln;  f  im  April.  —  Voss.  Ztg. 
1903  Nr.  3  Beil.  i. 

Schneider,  Johann  Immanuel,  Dr,^  emeri- 
tierter evangel.  Pfarrer;  *  Hofilinswarth 
(Württemb.);  f  Bistritx  24.  XI.  —  Theolog. 
Jahresbericht  22  (1902),  1441  (Nestle, 
mit  L). 

Schneider,  Karl,  Dr.  pkil,y  Pariser  Vertreter 
d.  „Köln.  Ztg.";  f  auf  der  Rückreise  von 
Deutschland  nach  Paris  im  September.  — 
Woche  4,  1800;  KL  24,  1270  (W).  25,  47. 

Schöbt,  Joseph,  Dr,  med,,  k.  k.  Hofrat,  Pro- 
fessor der  Augenheilkunde  an  der  böhm. 
Universität  Prag;  ♦  Pilsen  16.  VIII.  1837; 
f  Prag  6.  IV.  —  Virchows  Jahresberichte 
37, 1,  424  (Pagel,  mit  L);  BZ  10,  248  (L). 

*Scholderer,  Otto,  Maler;  •  Frankfurt  a.  M. 
1834;  t  daselbst  23.  I.  —  BJ  VII,  169 
(H.  Schmerber);  Jahrbuch  der  bildenden 
Kunst  2,  108;  Müller-Singer,  Allgemeines 
Künstlerlexikon  3  4,  221. 

Schöller,  Rudolf,  früher  kaiserl.  deutscher 
Honorarkonsul  f.  d«  Ostschweiz;  f  Zürich 
3.  IX.  —  Woche  4,  1712;  BZ  11,  277. 

Scholz,  Franz,  Dr.  med.^  k.  k.  Hofrat,  früher 
Primararzt  d.  Allgemeinen  Krankenhauses 
in  Wien;  ♦  1820;  f  Wien  18.  V.  —  111. 
Ztg.  118,  829;  Virchows  Jahresberichte  37, 

1,  424  (Pagel,  mit  L:  Wiener  Medizin. 
Wochenschrift  1902  Nr.  21). 

Schomburg,  Günther,  fttrstl.  Kammervirtuose 
(Klarinettist)  in  Sondershausen;  f  daselbst, 
72  Jahre  alt,  27.  IV.  —  Monatshefte  für 
Musikgeschichte  35,  125  (Lüstner,  mit  L). 

Schönberg,  Bernhard  Karl  Franz  v.,  k. 
Sachs.  Wirkl.  Geheimer  Rat,  ehemal.  Prä- 
sident  der   Sachs.  Oberrechnungskammer; 

*  Kreipitzsch  bei  Naumburg  a.  S.  7.  III. 
1827;  t  Dresden  26.  IV.  —  111.  Ztg.  118, 
702;  Goth.  Genealog.  Taschenbuch  der 
Adeligen  Häuser  5  (1904),  745. 

Schönbom-Buchheim,  Christine  Maria 
Josepha  Gräfin,  geb.  Gräfin  v.  Brühl, 
k.  k.  Palastdame  u.  Stemkreuzordensdame ; 

*  Prag  28.  III.  1817;  t  daselbst  24.  X.  — 
Goth.  Hofkalender  1903,  195.  11 13;  Gräfl. 
Taschenbuch   1903,  143.  1025. 

Schönburg-Forderglauchau,  Ida  geb.  Grä- 
fin, verehel.  Freifrau  v.  Fabrice:  s.  Fabrice. 

^Schöne,  Hermann,  k.  u.  k.  Hofschauspieler 
am  Burgtheater  in  Wien  u.  Verfasser  von 
Theaterhumoresken  u.  Novellen ;  •  Dresden 

2.  X.  1836;  t  Wien  9.  XII.  —  BJ  VII,  178 
(H.  Thimig);  BZ  1 1,  277  (Neue  Freie  Presse 
v.  14.  XII.  1902). 

Schöning,  VV^ilhelm  Ludwig  August  v.,  Herr 
auf  Klemmen,  Muscherin  u.  Sallentin  (Pom- 
mern),  k.  preuß.  Landrat  a.  D.,    Mitglied 


d.  PreuO.  Landtags  u.  Herrenhauses  u.  d. 
Norddeutschen  und  Deutschen  Reichstags 
(konservativ);  •  Klemmen  7.  VIII.  1824; 
t  Stargard  10.  V.  —  111.  Ztg.  118,  777; 
Woche  4,  886;  Goth.  Genealog.  Taschen- 
buch der  Adeligen  Häuser  5  (1904),  770; 
G.  Hirth,  Deutscher  Parlamentsalmanach  1 2 
(1877),  223. 

Schoetensack,  k.  preuß.  Baurat  u.  stellver- 
tretender Mitarbeiter  an  der  Weichselregii- 
lierung;  f  Danzig,  59  Jahre  alt,  Ende  Juni. 
—  111.  Ztg.  119,  51. 

Schoetensack,  Hermann,  Dr.  med.,  Arzt  in 
Großbodungen  (Thüringen);  f  13.  X.  — 
Virchows  Jahresberichte  37,  I,  424  (Pagel, 
mit  L :  Korrespondenzblätter  d.  allg.  ärztl. 
Vereins  v.  Thüringen  1902  Nr.  10). 

*Schramm,  Romuald,  Benediktiner,  Prior  v. 
Bfevnov;  ♦  Braunau  5.  IX.  1833;  t  Brevnov 
22.  Vli.  —  BJ  VII,  294  (F.  Lauchert). 

*Schraudolph,  Claudius  v.,  Historienmaler, 
früher  Direktor  d.  Kunstschule  in  Stuttgart, 
Ehrenmitglied  d.  Münchner  Akademie  der 
Künste;  •  München  4.  IL  1843 ;  +  Thalegg 
bei  Eppan  (Tirol)  4.  I.  —  BJ  VII,  188  (H. 
Holland);  111.  Ztg.  118,  93;  Müller-Singer, 
Allgemeines  Künstlerlexikon  3  4,  226;  Jahr- 
buch d.  bildenden  Kunst  2,  109. 

Schreiber,  Josef,  Großindustrieller,  Präsident 
d.  Glashüttenwerke  vormals  J.  Schreiber  & 
Neffen  in  Groß-Ullersdorf  (Mähren) ;  f  da- 
selbst, im  69.  Jahre,  17.  XI.  —  111.  Ztg. 
119,923. 

Schröder,  Ernst,  Dr.  phil.,  großhgl.  bad. 
Hofrat,  ordentl.  Professor  der  Mathematik 
an  der  Techn.  Hochschule  in  Karlsruhe; 
•  Pforzheim  25.  XL  1841;  t  Karlsruhe  16. 
VI.  —  Leopoldina  38,  102  (mit  W) ;  Jahres- 
bericht der  Mathematiker- Vereinigung  11, 
361.  12,  249  (Lüroth,  mit  P  u.  W). 

*Schuback,  Gottlieb  Emil,  Historien-  und 
Genremaler  in  Düsseldorf;  *  Hamburg  28. 
VI.  1820;  t  Düsseldorf  14.  III.  —  BJ  VII, 
222  (J.  Sass). 

Schubart,  Otto  Ritter  v.,  k.  Ministerialrat 
im  bayer.  Finanzministerium,  Kronanwalt; 
t  München,  61  Jahre  alt,  20.  XI.  —  Woche 

4,  2204. 

*Schuh,  Hermine,  geb.  Frei  in  v.  Reichen- 
bach, Naturforscherin;  *  Hausach  (Baden) 

5.  IX.  1819;  t  ^Vien  28.  X.  —  BJ  VII. 
347  (J*  Wiesner);  Freiherrl.  Taschenbuch 
1901,  602. 

Schuh,  Karl,  Konzertmeister  in  Prag;  t  da- 
selbst im  Juni.  —  Monatshefte  für  Musik- 
gesch.  35,  125  (Lüstner,  mit  L). 

Schulenburg,  AI  brecht  Conon  Graf  von 
der,  Dr.  phil.,  außerordentl.  Professor  an 
der  Universität  Göttingen,  Sprachforscher, 
auch  Genealog;  *  Nord-Steimke  (Altmark) 


105* 


Totenliste  1 902 :  Schultheis  —  Schwichow. 


106^ 


13.  VII.  1865;  t  Königslutter  26.  XII.  ~ 
KL  24,  1304  (mit  W).  25,  47;  Woche  4, 
54;  Gräfl.  Taschenbuch  1904;  Oriental. 
Bibliographie  17,  16  (Scherman,  L). 

^Schultheis,  Leonhard  Felix  Georg  Anton, 
Bibliothekssekretär  an  d.  Landesbibliothek 
zu  Kassel;  •  Fulda  19.  XI.  1820;  f  Kassel 
13.  IV.  —  BJ  VII,  241   (Ph.  I^sch). 

Schulz,  Alfred,  Architekt  in  Berlin  (Firma: 
Schulz  u.  Schlichting);  *  daselbst  31.  VIII. 
1854;  t  ebenda  24.  XII.  —  Deutsche  Bau- 

ztg.  37,  7. 

Schulz,  Otto,  Dr,  med,,  Sanitätsrat,  Chirurg, 
dirigierender  Arzt  des  Johanniterkranken- 
hauses  zu  Sonnenburg  i.  M.;  f,  44  Jahre 
alt,  5.  XII.  —  Virchows  Jahresberichte  37, 
I,  425  (Pagel,  mit  L:  Voss.  Ztg.  v.  7.  XII. 
1902). 

Schumacher,  Richard,  Observatoru.  Assistent 
an  d.  Sternwarte  in  Kiel;  *  Altona  19.  1. 
1827;  t  Kiel  24.  II.  —  Leopoldina  38,  81 ; 
Alberti.  Lexikon  d.  Schlesw.-Holst-Lauen- 
burg.  Schriftsteller  1866—82,  S.  250. 

Schuster,  Karl  Wilhelm,  Bogenmacher  'jn 
Markneukirchen;  *  18 14;  f  27.  XII.  — 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  126  (LUst- 
ner.  mit  L). 

Schwach,  Heinrich  August,  Maler,  Direk- 
tor d.  Landesbildergalerie  in  Graz;  •  Neu- 
titschein (Mähren)  19.  IX.  1829;  f  in  Graz. 
—  Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  2,  109; 
Müller-Singer,  Aligemeines  Künstlerlexi- 
kon 3  4,  238;  Wurzbach,  Biograph.  Lexi- 
kon d.  Kaisert.  Österreich  32,  269. 

Schwaiger,  Heinrich,  Alpinist,  Inhaber  eines 
Spezialgeschäftes  f.  d.  Ausrüstung  v.  Hoch- 
touristen in  München,  V^erfasser  von  Reise- 
führern ;  t  auf  dem  Moserboden  unweit  d. 
Wiesbachhomhauses  (Hohe  Tauem),  45 
Jahre  alt,  15.  VIII.  —  111.  Ztg.  119,  313; 
Woche  4,  1578.  1629  (P);  Geographen- 
Kalender  I,  233  (H.  Haack);  Mitteilungen 
des  Deutschen  u.  Österreich.  Alpenvereins 
28  (1902),  193  (H.  Hess). 

Schwanert,  Hugo,  Dr,  phiL,  k.  preuß.  Ge- 
heimer Regierungsrat,  ordentl.  Professor  d. 
Chemie  an  der  Universität  Greifswald; 
*  Braunschweig  17.  XII.  1828;  f  Greifs- 
wald 17.  X.  —  KL  24.  1321.  25,  47;  Leo- 
poldina 39,  46  (mit  W);  BZ  II,  280.  12, 
283  (Chemikerztg.  1902,  1053;  Berichte  d. 
Deutschen  ehem.  Gesellschaft  35,  4522: 
H.  Limprich). 

*Schwank,  Adam  Joseph,  Amtsgerichts- 
sekretära. D.,  hess.  Lokalhistoriker;  *  Fulda 
18.  I.  1820;  t  Frankfurt  a.  M.  15.  IV.  — 
BJ  VII,  240  (Ph.  Losch). 

Schwarz  von  Müller,  Freih.,  k.  k.  Feld- 
marschalleutnant;  f  Wien,  94  Jahre  alt, 
27.  XI.  —  Woche  4,  2246.  2292  (P). 


Schwarz-Hagen,  Julie,  Porträt-,  Historien- 
u.  Genremalerin,  Tochter  d.  Landscha(ters 
August  Hagen,  Gattin  des  Astronomen 
Schwarz;  •  Klein- Wrangeisdorf  (Livland) 
15.  X.  1824;  t  Dorpat  19.  X.  —  lU.  Ztg. 
II9>  ^95 1  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2, 
109. 

Schwarzenberg,  Karl  Laurenz  Maria   Hu- 

.  bert  Prinz  zu,  Dr,  jur„  k.  u.  k.  Legations- 
sekretär bei  d.  Österreich.  Gesandtschaft  in 
Tokio;  •  Libejitz  10.  VIII.  1871 ;  f  Shang- 
hai I.  IV.  —  111.  Ztg.  118,  547;  Hofkalen- 
der 1903,  201. 

Schwechten,  Georg,  Hofpianofortefabrikant 
in  Berlin;  *  Stolzenau  (Hannover);  f  Berlin 
18.  VIII.  —  Monatshefte  für  Musikgesch. 
35,  126  (LUstner,  mit  L). 

Schwegler,  Xaver,  Maler;  •  Luzem  1831 
(oder  1832?);  t  Anfang  des  Jahres.  — 
Müller-Singer,  Allgemeines  Kttnstlerlexi- 
kon3  4,  241 ;  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst 
2,  109. 

Schweizer,  Alexander,  eidgenöss.  Oberst, 
Divisionär,  Vorstand  d.  militärwissenschaftl. 
Abteilung  am  Polytechnikum  in  Zürich  u. 
Professor  für  Kriegsgeschichte  u.  Strategie 
an  demselben;  t  Zürich,  im  59.  Jahre,  ca. 
September.  —  111.  Ztg.  119,  497;  BZ 
II,  281     (Schweizer    Militärzeitung    1902 

Nr.  39). 
Schwemer,  Friedrich,  Opernsänger  (Bariton), 

früher  Regisseur  an  d.  Vereinigten  Stadt- 
theater in  Frankfurt  a.  M. ;  •  Doberan  20. 1. 
i8i8;  t  Frankfurt  a.  M.  25.  VL  —  111.  Ztg. 
119,  25;  Woche  4,  1324  (P);  Eisenberg, 
Grofies  biograph.  Lexikon  der  Deutschen 
Bühne  949;  Flüggen,  Biograph.  Bühnen- 
lexikon I,  285:  Monatshefte  f.  Musikgesch. 
35,  126  (Lüstner,  mit  L). 

Schwendt,  Antoni,  Dr.  med,,  Privatdozent  f. 
Oto-  u.  Laryngologie  an  d.  Universität  Ba- 
sel; •  21.  X.  1853;  t  12.  X.  —  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  425  (Pagel,  mit  L)  u. 
BZ  12, 284  (Korrespondenzblatt  f.  Schweizer 
Ärzte  1903,  162;  Münchner  Medizinische 
Wochenschrift  1902  Nr.  42;  Ztsch.  f.  Ohren- 
heilkunde 42,  112;  Bulletin  de  laryngologie 
5,  278  mit  P). 

•Schwendy,  Albert,  Professor,  Architektur- 
maler in  Dessau;  *  Berlin  20.  X.  1820; 
t  Dessau  17.  VIII.  —  BJ  VII,  170  (H. 
Schmerber);  111.  Ztg.  119,  313;  BZ  11,281 
(Unser  Anhaltland  1902  Nr.  35 :  K.  Ströse, 
mit  P). 

Schwichow,  Leo  v.,  k.  preuß.  Kammerherr 
und  Geheimer  Regierungsrat,  Landrat  des 
Kreises  Kolmar  (Preußen),  früher  Mitglied 
d.  preuß.  Abgeordnetenhauses;  f»  5^  Jahre 
alt,  15.  V.  —  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  609 
Beil.  2. 


107* 


Totenliste  1902:  Schwicker  —  Siedamgrotzky. 


108* 


Schwicker,  Johann  Heinrich,  Dr.  phil., 
ehemal.  Realschulprofessor,  deutsch-ungar. 
Historiker  u.  Politiker,  Ethnograph  u.  Sta- 
tistiker in  Budapest,  V'orkämpfcr  für  das 
Deutschtum;  *  Neu-Bessenova  (Temeser 
Komitat)  28.  IV.  1839;  f  Budapest  7.  VH. 

—  KL  24,  1328  (mit  W).  25,  47;  111.  Ztg. 
119,  99;  Leopoldina  38,  102;  Geograph. 
Jahrbuch  26,  443  (W.  VVolkenhauer,  mit  W 
und  L);  Geographen-Kalender  i,  233  (H. 
Haack);  Wurzbach,  Biograph.  Lexikon  d. 
Kaisert.  Österreich  32,  380  (mit  W);  BZ 
II,  282  (Deutsche  Erde  1902,  82:  G. 
Schultheiß). 

Schwiete,  k.  preuß.  Geheimer  Oberjustizrat, 
früher  Senatspräsident  am  Oberlandcsge- 
richt  in  Hamm;  f  daselbst  27.  I.  —  Voss. 
Ztg.  1903  Nr.  3  Beil.  i;  Woche  4,  180. 

^Schwoiser,  Eduard,  Geschichtsmaler  in 
München;  •  Brüsau  (Mähren)  18.  IIL  1826; 
t  München  3.  IX.  —  BJ  VII,  189  (H.  Hol- 
land); D.  geistige  Deutschland  I,  643. 

Seckendorff-Gutend,  Christian  Friedrich  Os- 
kar Freih.  v.,  k.  preuß.  Generalmajor  a.  D., 
Vorsitzender  d.  Geschlechtsverbandes  der 
Grafen  und  Freiherren  von  Seckendorff; 
•  Luxemburg  3.  I.  1842;  f  Berlin  11.  XII. 

—  111.  Ztg.  119,  968;  Freiherrl.  Taschenb. 

1904.  705. 
Seefried  auf « Buttenheim,   Ludwig  Philipp 

Freih.  v.,  k.  bayer.  Kämmerer  u,  Oberst  a.  D., 
Vater  des  k.  k.  Oberleutnants  Ojto  Freih.  v. 
Seefried,  d.  Gemahls  d.  Prinzessin  Elisabeth 
V.  Bayern;  *  Ansbach  29.  VI.  1846;  f  Her- 
zogshöhe bei  Bayreuth  13.  X.  —  Hl.  Ztg. 
1 19, 618 ;  Freiherrl.  Taschenbuch  1904,  728. 

*Seehagen,  Oswald,  Buchhändler  und  Ver- 
leger; •  Berlin  26.  VIII.  1831  ;  f  Tarasp 
22.  VI.  —  BJ  VII,  115  (R.  Schmidt). 

Seelos,  Ignaz,  Maler  u.  Graphiker;  *  Bozen 
1827;  t  Wien  7.  VII.  —  Jahrbuch  d.  bil- 
denden Kunst  2,  109;  VVurzbach,  Biograph. 
Lexikon  d.  Kaisertums  Österreich  33,  315 
(mit  W). 

Seibert,  Karl  Georg,  Dr.  phiL  et  iheoL^  Be- 
gründer u.  Leiter  d.  Deutschen  Presbyteria- 
nischen  Seminars  in  Bloomfield;  •  Wetter 
bei  Marburg  (Hessen)  25.  II.  1828;  f  ^"^ 
d.  Dampfer  d.  Red-Star-Linie  »Kroonland« 
9.  IX.  —  Theol.  Jahresbericht  22  (1902), 
1441  (Nestle). 

Selar  v.  Sztankovits,  Louis,  Theateragent 
in  Berlin,  früher  Theaterdirektor;  f,  72  Jahre 
alt,  2.  XII.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  11  Beil. 
2;  Woche  4,  2246. 

*Selenka,  Emil,  Dr,  pkiL^  Dr.  med,  honoris 
causa,  Honorarprofessor  an  d.  Universität 
München,  vormals  ordentl.  Professor  der 
Zoologie  u.  vergleichenden  Anatomie  an 
der  Universität  Erlangen;   *  Braunschweig 


27.  II.  1842;  t  München  21. 1.  —  BJ  VII, 
296   (W.  Wolkenhauer);    Geograph.  Jahr- 

.buch  26,  443  (W.  Wolkenhauer,  mit  L); 
Chronik  d.  Univ.  München  1901/2,  17;  BZ 
II,  283.  12,  286  (Sitzungsberichte  d.  bayer. 
Akad.  d,  Wissensch.  1902  Math.-phys.  Cl. 
241:  C.  Voit;  Allgemeine  Ztg.  1902  Beil. 
Nr.  15:  A.  A.  W.  Hubrecht;  Braun^chweig. 
Magazin  8,  49:  K.  Blasius,  mit  P). 

Senger,  Alexander,  Schauspieler  (jugendl. 
Helden  u.  Liebhaber),  früher  Direktor  des 
Stadttheaters  in  Bremen,  Gatte  d.  Opem- 
sängerin  Senger-Bettaquc ;  *  1 840 ;  t  Men- 
tone  23.  I.  —  Hl.  Ztg.  1 18,  341 ;  Eisenberg, 
Großes  biograph.  Lexikon  der  Deutschen 
Bühne  35,  126;  Monatshefte  f.  Musikgesch. 
35,  126  (Lüstner,  mit  L). 

Sentrup  Theodor  Julius,  Amtsgerichtsrat, 
früher  Mitglied  des  preuß.  Abgeordneten- 
hauses; f  Beckum  28.  III.  —  Vc^s.  Ztg. 
1902  Nr.  609  Beil.  2;  Woche  4  Nr.  14 
S.  VII. 

Serkowitz,  Johann,  herzogl.  sächs.  Kammer- 
sänger a.  D, ;  t  Dresden,  78  Jahre  alt,  im 
März.  —  Monatshefte  für  Musikgesch.  35, 
126  (Lüstner,  mit  L). 

♦Seufter,  Gustav  Heinrich,  Dichter;  *  Ulm 
8.  L  1835;  t  daselbst  24.  V.  —  BJ  VII. 
157  (R.  Krauß);  BZ  11,  284  (Ztschr.  f. 
hochdeutsche  Mundarten  3,  31 7 :  A.  Holder). 

Seuffert,  Hermann,  Dr.  für.,  k.  preuß.  Ge- 
heimer Justizrat,  ordentl.  Professor  f.  Straf- 
recht an   d.  Universität  Bonn;   •  Ansbach 

28.  VIII.  1836;  t  Bonn  23.  XI.  —  111.  Ztg. 
*i9i  9"5  (J*  N-  VV.,  mit  P).  923;  Woche 
4,  2250  (P);  KI.  24,  1346  (W).  25,47; 
Deutsche  Juristenztg.  7,  570  (K.  v.  Lilien- 
thal); Ztschr.  für  die  gesarote  Strafrechts- 
wissenschaft 23,  323  {y.  V.  Liszt);  Chro- 
nik der  Univ.  Bonn  1902,  3  (Landsberg); 
BZ  12,  287  (Allgemeine  Ztg.  190^  Nr.  34: 
F.  Riß). 

Sholny,  Opernsänger  am  Stadttheater  in 
St.  Gallen;  f  10.  (oder  ii.r)  X.  —  Voss. 
Ztg.  1903  Nr.  II  Beil.  i;  Monatshefte  für 
Musikgesch.  35,  126  (Lüstner,  mit  L). 

Siedamgrotzky,  Otto  Alexander,  Dr.  phil. 
et  med..  Geheimer  Medizinalrat,  Professor 
an  der  Tierärztl.  Hochschule  in  Dresden; 
*  Düben  (Prov.  Sachsen)  1841 ;  t  Wies- 
baden im  Juni.  —  111.  Ztg.  119,  25;  Woche 
4,  1231;  Virchows  Jahresberichte  37,  I, 
425  (Pagel);  M.  Güntz,  Handbuch  d.  land- 
wirtschaftl.  Literatur  2,  291  (mit  W);  R. 
Klee,  Bibliothecaveterinaria  (Leip/.  190O, 
180  (W);  BZ  II,  285  (Ztschr.  f.  Tierme- 
dizin 6,  312:  G.  Müller;  Archiv  f.  wissen- 
schaftl.  und  prakt.  Tierheilkunde  28,  VII : 
Ellenbogen;  Deutsche  tierärztl.  Wochen- 
schrift  1902,  273:  Möller,  mit  P;  Münch- 


I09 


Totenliste  1902:  Sicfart —  Somraervogcl. 


HO' 


ner  Medizin.  Wochenschrift  1902,  461: 
Köder,  mit  P ;  Deutsche  landwirtschaftliche 
Presse  1902  Nr.  53:  Pusch,  mit  P). 

Siefart,  Hugo,  Dr.  med..  Geheimer  Sanitäts- 
rat, Arzt  in  Berlin;  *  daselbst  3.  X.  1818; 
t  ebenda  16.  V.  —  Virchows  Jahresbe- 
richte 37,  I,  425  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  10, 
255  (Berliner  Arztekorrespondenz  1902,  85: 
K.  Küster);  Verzeichnis  d.  Berliner  Univ.- 
Schriften  18 10 — 85  (Berlin  1899)  Nr.  3849. 

Siegert,  Julius,  Kammermusiker  an  d.  Hof- 
bühne in  Dresden  a.  D.;  t  daselbst  28.  111. 
—  Monatshefte  für  Musikgesch.  35,  126 
(Lüstner,  mit  L). 

^Stegmund,  August  Gustav,  Dr.  med.f  Ge- 
heimer Sanitätsrat,  Arzt  in  Berlin;  *  Mag- 
deburg 20.  VII.  1820;  t  Berlin  14.  II.  — 
BJ  VII,  128  (Pagel). 

Siemenroth,  Reinhold,  Direktor,  Redakteur 
d.  »Deutschen  Reichsanzeigers  u.  k.  Preuß. 
Staatsanzeigers«;  +  Berlin  3.  II.  —  111.  Ztg. 
118,  227;  KL  24,  352.  25,  48. 

Sigel,  Albert,  Dr.  med.,  Professor,  Chefarzt 
d.  k.  Kinderhospitnls  »Olgaheilanstalt«  in 
Stuttgart;  •  daselbst  27.  1.  1840;  t  ebenda 
30.  IX.  —  Virchows  Jahresberichte  37,  I, 
425  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  11,  285  (Korre- 
spondenzblatt d.  Württemberg,  .\rztl.  Ver- 
eins 1902,883:  F.Krause,  mitP);  Pagel 
1593  (mitP);  Biograph.  Lexikon  der  her- 
vorragenden Ärzte  5,  398  (W). 

Sigel,  Franz,  Achtundvierziger,  im  bad.  Auf- 
stand Kriegsministcr  u.  Mitglied  d.  provi- 
sor.  Regierung,  im  nordamerikan.  Sezessions- 
krieg General  der  Unionstruppen ;  *  Sins- 
heim (Baden)  18.  XI.  1824;  t  Neuyork 
21.  VIII.  —  111.  Ztg.  119,  313;  Woche  4, 
1629  (P);  Leonard,  Who's  wo  in  America 
1 901/2,  1033;  Appleton,  Cyclopediaof  Ame- 
rican Biography  5,  524  (mit  P);  BZ  11, 
285  (Neue  Freie  Presse  1902  vom  29.  Sept. 
u.  19.  Okt.:  H.  Blum). 

Sigl,  Johann  Baptist,  Dr.  jur.^  Journalist, 
Verleger  und  Redakteur  d.  »Bayer.  Vater- 
land«, früher  auch  Mitglied  d.  Deutschen 
Reichstags  u.  d.  bayer.  Landtags  (bayer. 
Bauembund) ;  •  Ascholtshausen  (Niedcr- 
bayem)  28.  III.  1839;  t  München  9.  I.  — 
111.'  Ztg.  1 18,  93  (mit  P);  Woche  4,  96  (P); 
KL  23,  1344.  25,48;  Kürschners  Reichs- 
tag 1893,  250  (mit  P);  BZ  10,255.  11, 
285  (Das  neue  Jahrhundert  1902  Nr.  9; 
Die  Gesellschaft  1902,  III,  12:  K.  H.  Dü- 
scher). 

*Simar,  Hubert  Theophil,  Z>r.  M^^/,päpstl. 
Hausprälat,  Erzbischof  v.  Cöln;  *  Eupen 
14.  XII.  1835;  t  Cöln  24.  V.  —  BJ  VII, 
292  (F.  Lauchert);  KL  24,  1355  (W).  25, 
48;  Woche  4,  995  (P);  Hl.  Ztg.  118,  829. 
830  (A,  Drussong,  mit  P);  Schaf  1er,  Hand- 


lexikon der  kathol.  Theologie  4,  402  (mit 
W  u.  L);  Theolog.  Jahresbericht  22  (1902), 
1441  (Nestle);  BZ  11,  285  (Das  heilige 
Land  1902,  105  mit  P). 

^Simion,  Leonhardt,  Verlagsbuchhändlcr  in 
Berlin;  ♦  daselbst  2.  XI.  1842;  t  ebenda 
19.  XI.  —  BJ  VII,  115  (R.  Schmidt);  BZ 
II,  285  (Der  Arbeiterfreund  40,  365:  V. 
Böhmert;  Börsenblatt  f.  d.  deutschen  Buch- 
handel 1902  Nr.  279:   Alb.  Goldschmidt). 

Simon,  Paul,  Dr.Jur.,  Inhaber  des  Musik- 
verlags C.  F.  Kahnt  in  Leipzig,  auch  Mu- 
sikschriftsteller; •  Königsberg  i.  Pr.  25.  L 
'857;  t  I'Cipzig  II.  XII,  —  KL  24,  1356; 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  126  (Lüst- 
ner, mit  L). 

^Skrzeczka,  Karl,  Dr.  med.,  ordentl.  Hono- 
rarprofessor f.  Staatsarzneikunde  an  d.  Uni- 
versität Berlin,  bis  1898  Geheimer  Obcr- 
medizinalrat  im  preufi.  Ministerium  d.  geistl., 
Unterrichts-  u.  Medizinalangelcgenheiten ; 
•  Königsberg  i.  Pr.  29.  lil.  1833;  f  Steg- 
litz b.  Beriin  20.  V.  —  BJ  VII,  87  (Pagel); 
Pagel  1607  (mit  P);  Virchows  Jahresbe- 
richte 37,  I,  425  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  11, 
286  (Deutsche  medizinische  Wochenschrift 
1902,  531  mit  P;  Vierteljahrsschrift  f.  ge- 
richtl.  Medizin  24,  178;  Ztschr.  f.  Medizi- 
nalbeamte 15,412);  Chronik  d.  Universität 
Berlin  1902,  7. 

Slowak,  Kari,  ehemal.  Opernsänger;  *  Ol- 
mütz  1844;  t  Großenhain  i.  S.  18.  VII.  — 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  126  (Lüst- 
ner, mit  L). 

Soldan,  Gustav,  Dr.  phil.,  ordentl.  Professor 
f.  roman.  Philologie  an  d.  Universität  Ba- 
sel; *  Lausanne  (von  deutschen  Eltern) 
21.  VIII.  1848;  t  Basel  21.  XIL  —  Woche 
4,  8 ;  Gubematis  Diciionnaire  international 
des  ecrivains  de  j'our  3,  484. 

Sommer,  Ferdinand  Bernhard  Wilhelm, 
Dr.  med.,  k.  preuß.  Geheimer  Medizinal- 
rat, früher  ordentl.  Professor  d.  Anatomie 
u.  Direktor  d.  Anatom.  Instituts  an  d.  Uni- 
versität Greifswald;  *  Bergen  auf  Rügen 
25.  V.  1829;  t  Greifswald  12.  VI.  —  111. 
Ztg.  118,  976;  Leopoldina  38,  102;  Vir- 
chows Jahresberichte  37,  I,  425  (Pagel); 
Pagel  161 8  (mit  L);  Biograph.  Lexikon  d. 
hervorragenden  Ärzte  5,  464  (mit  L);  BZ 
II,  287  (Anatom.  Anzeiger  1902,  494:  E. 
Ballowitz). 

Sommer,  Richard  Hermann  Ernst,  Dr.  med., 
Oberstabsarzt  in  Potsdam;  *  Bartenstein 
(Ostpr.)  25.  IX.  1851;  t  »6.  XII.  —  Vir- 
chows Jahresberichte  37, 1.  425  (Pagel,  mit 
L)  u.  BZ  12,  289  (Deutsche  militärärztl. 
Ztschr.  32,  49). 

*Sommervogel,  Carlos,  Mitglied  d.  Gesell- 
schaft Jesu,  Bibliograph;  *  Straßburg  i.  E. 


III 


Totenliste  1902:  Soring —  Stem. 


112* 


8.  I.  1834;  t  Paris  4.  V.  --  BJ  VII,  290 
(F.  Lauchert). 

Soring,  Anna,  verehelichte  Eisler,  Konzert- 
sängerin: s.  Eisler. 

Sotier,  Alfred,  Dr,  mcd,^  k.  bayer.  Hof-  u. 
Medizinalrat  in  Kissingen;  f  daselbst  20. 
XI.  —  Virchows  Jahresberichte  37,  I,  425 
(Pagel,  mit  L);  Woche  4,  2204. 

Spener,  Karl,  k.  preuß.  Geheimer  Oberjustiz- 
rat, früher  Rat  am  Kammergericht  in  Ber- 
lin; t,  80  Jahre  alt,  19.  IV.  —  Voss.  Ztg. 
1903  Nr.  3  Beil.  i. 

Spennrath,  Joseph,  Chemiker,  Mitbegfründer 
u.  Leiter  d.  k.  Baugewerkschule  in  Aachen; 
t  daselbst,  50  Jahre  alt,  6.  IV.  —  111.  Ztg. 
118,  585. 

Speyer,  Georg,  Chef  d.  Bankhauses  Speyer  & 
Ellissen  in  Frankfurt  a.  M.;  f  daselbst,  im 
68.  J.,  24.  IV.  —  111.  Ztg.  118,  702. 

Spindler,  Karl,  Geheimer  Koromerzienrat, 
Chef  d.  Färberei  W.  Spindler  in  Berlin  u. 
in  Spindlersfeld  b.  Köpenick ;  f  Spindlers- 
feld, im  61.  Jahre,  18.  X.  —  111.  Ztg.  119, 
643;  Woche  4,  1981;  BZ  II,  289  (Der 
Arbeiterfreund  40,  371 :  V.  Böhmert;  Gar- 
tenflora 1902,  618:  li.  Wittmack,  mit  P; 
Volkswohl   1902  Nr.  46). 

Spiro,  Jean  Markus,  genannt  Felix,  Schau- 
spieler: s.  Felix,  Jean. 

Sputa,  Max,  k.  preuß.  Geheimer  Oberbaurat, 
vortragender  Rat  im  preuß.  Kultusministe- 
rium, Architekt;  •  Lissa  (Provinz  Posen) 
1842;  t  Berlin  13.  XII.  —  111.  Ztg.  120, 
36;  Deutsche  Bauztg.  36,  648;  BZ  11, 
290  (Zentralblatt  der  Bauverwaltung  1902 
Nr.  10 1). 

Spitzmüller,  Julius,  Dr.  med.^  prakt.  Arzt  in 
Wien;  *  daselbst  1834;  t  ebenda  11.  XI. 

—  Virchows  Jahresberichte  37,  I,  425  (Pa- 
gel, mit  L:  Wiener  klin.  Wochenschrift 
1902,  259:  Bergmeister;  eic.\ 

Spohr,  Gustav,  k.  Kammermusiker,  Wald- 
homist;  •  Hötensleben  (Thüringen)  2.  II. 
1842;  t  Christiania  im  Juni.  —  Monats- 
hefte f.  Musikgesch.  35,  1 26  (Lüstner,  mitL). 

Stade,  Friedrich  Wilhelm,  Dr,  phiL,  her- 
zogl.  Hof  kapellmeister  in  Altenburg  i.  S., 
früher  Universitätsmusikdirektor  in  Jena, 
Organist  u.  Kirchenkomponist;  *  Halle a.S. 
25.  VIII.  1817;   t  Altenburg  i.  S.  24.  IIL 

—  111.  Ztg.  119,  509;  Woche  4,  640  (P); 
Kiemann  5  1078;  Mendel-Reißmann,  Musi- 
kal.  Konv.-Lexikon  9.  391  (mit  W);  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  126  (Lüstner, 
mit  L). 

*Stahl,  Ignaz,  Dr.  iheol,,  Geistl.  Rat,  Hono- 
rarprofessor d.  Theologie  an  d.  Universität 
Würzburg;  *  Stadtprozelten  (Bavem)  30. 
IX.  1837;  t  Würzburg  31.  III.  —  BJ  VII, 
267  (F.  Lauchert). 


Stahlschmidt,  Johann  Karl  Friedrich,  Dr. 
phil.,  Professor  für  techn.  Chemie  an  der 
Techn.  Hochschule  in  Aachen;  •  Pletten- 
berg  (Westfalen)  4.  XII.  1 83 1 ;  f  Aachen 
6.  IX.  —  Leopoldina  38,  109.  39,  46; 
Poggendorff  2,  981  (W);  BZ  11,  291  (Che- 
mikerztg.  1902,  681;  Ztschr.  f.  angewandte 
Chemie  24,  977  mit  P). 

Stamm,  Luise,  verehel.  Braun,  Schriftstellerin : 
s.  Braun,  Luise. 

Staniek,  Paul,  Maler  in  Düsseldorf;  f  d^* 
selbst  im  Oktober.  —  Jahrbuch  d.  bilden- 
den Kunst  2,  109. 

Starke,  ehemaliger  Oberstaatsanwalt;  t  Kiel 
25.  V.  —  Woche  4,  991. 

^Stauber,  Karl,  Maler  u.  Zeichner;  *  Am- 
berg 3.  XI.  181 5;  f  München  24.  XL  — 
BJ  VII,  193  (H.  Holland);  Das  geistige 
Deutschland  i,  670  (Autobiographisches). 

Staudinger,  Julius  Ritter  v.,  Dr.  jur.,  k. 
bayer.  Geheimer  Rat,  früher  Senatspräsi- 
dent am  Oberlandesgericht  in  München, 
Jurist.  Schriftsteller;  •  Schwabach  28.  I. 
1836;  t  München  i.  I.  -—  KL  24,  1381 
(W).  25,  48;  Deutsche  Juristenztg.  7,  90 
(W.  Henle);  Blätter  für  Rechtsanwendung 
1902,  61. 

Stehling,  Konrad  Adam,  Violinist,  Professor 
an  Royal  Academy  0/  Music  in  London ; 
•  Marburg  i.  H.  8.  IX.  1822;  f  London  9. 
II.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  126 
(Lüstner,  mit  L). 

Stein,  Karl,  Professor,  Musikdirektor  u.  Or- 
ganist an  der  Stadtkirche  in  Wittenberg, 
Gesanglehreram  Gymnasium  daselbst,  Kom- 
ponist; •  Niemegk  (Prov.  Sachsen)  25.  X. 
1824;  t  Wittenberg  4.  XL  —  Woche  4, 
2116;  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  126 
(Lüstner,  mit  L);  Mendel-Reißmann,  Musi- 
kal.  Konv.-Lexikon  9,  417  (mit  W). 

Steinbock,  Rudolf,  Maler  in  Berlin;  f  da- 
selbst 17.  VI. —  Jahrbuch  der  bildenden 
Kunst  2,  109. 

Steindl,  Emerich  (Imre),  ordentl.  Professor 
am  k.  Joseph-Polytechnikum  in  Budapest, 
Architekt;  •  daselbst  28.  X.  1839;  t  ebenda 
31.  VIII.  —  111.  Ztg.  119,  385;  Woche  4, 
1720  (P);  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2, 
109;  Deutsche  Bauztg.  36,  502;  Wurzbach, 
Biograph.  Lexikon  des  Kaisert.  Österreich 
38,  62;  Müller-Singer,  Allgemeines  Künst- 
lerlexikon 3  4,  334. 

Steppuhn,  kaiscrl.  deutscher  Konsul  in  Baku ; 
■j"  daselbst  12.  III.  —  Woche  4  Nr.  12 
S.  VI. 

•Stem,  Joseph,  Dr.  phil.,  Chefredakteur  d. 
»Frankfurter  Ztg.«,  früher  auch  Mitglied 
d.  Deutschen  Reichstags  (Demokrat),  Publi- 
zist und  Politiker;  *  Soest  11.  III.  1839; 
t  Frankfurt  a.  M.  16.  XIL  —  BJ  VII,  312 


113' 


Totenliste  1902:  Stern  —  Supan. 


114* 


(S.  Schott);  KL  24,  1399.  25,48;  111.  Ztg. 
119,  991. 
*Stcm,  Jobann  Wilhelm,  Direktor  d.  Steno- 
graphenbureaus   des   Reichsrats   zu   Wien; 

♦  Harlingerode  (Harz)  22.  IX.  1829;  f  Klo- 
stemeuburg  7.  VI.  —  BJ  VII,  241  (R- 
Fuchs). 

Sterzel,  Kantor  u.  Vereinsdirigent,  in  Leisnig 
i.  S.;  t  26.  III.  —  Monatshefte  f.  Musik- 
gesch.  35,  126  (Lüstner,  mit  L). 

^Steyrer,  Clemens,  Advokat  und  Rechtsan- 
walt in  München,  Schriftsteller  u.  Dichter; 

*  daselbst  12.  XI.  1834;  f  ebenda  14.  III. 

—  BJ  VII,  193  (H.  Holland). 
^StiefeUiagen,  Ferdinand,  Dr,  iheol.  et  phü,, 

Domkapitular  in  Cöln,  klass.  Philolog  u. 
Kirchenhistoriker;  *Marialindcn  (Kreis  Mül- 
heim a.  R.)   22.  II.  1822;  t  Cöln  2.  XII. 

—  BJ  VII,  349  (F.  Lauchert);  Kciter-Jörg, 
Kathol.  Literaturkalender  6,  312   (mit  W). 

^Stöckli,  Augustin,  Zisterzienser,  Abt  von 
Mehrerau  b.  Bregenz;  *  auf  dem  Gygehofe 
b.  Ruswyl  (Kanton  Luzem)  22.  XI.  1857; 
t  23.  24.  IX.  —  BJ  VII,  308  (F.  Lauchert). 

Storck,  Josef  Ritter  v.,  k.  k.  Hofrat,  vormal. 
Direktor  d.  Kunstgewerbcschule  d.  Öster- 
reich. Museums  f.  Kunst  u.  Industrie,  aus- 
übender Künstler  (als  Architekt  und  auf 
kunstgewerblichem  Gebiete)  u.  bedeutender 
Lehrer;  *  Wien  22.  IV.  1830;  f  daselbst 
27.  III.  —  111.  Ztg.  118,  509;  Jahrbuch  d. 
bildenden  Kunst  2,  109;  Deutsche  Bauztg. 
36,  472;  \Vurzbach,  Biograph.  Lexikon  d. 
Kaisert.  Österreich  39,  197  (mit  W  u.  L); 
BZ  10,  264.  II,  294  (Österreich.  Wochen- 
schrift f.  d.  öffentl.  Baudienst  1902  Heft  17; 
Zentral  blatt  f.  d.  gewerbl.  L'nterrichtswesen 
in  Österreich  1902,  439). 

Stosch,  Frau  v.,  Witwe  d.  Marineministers 
Albrecht  v.  St.;  f  Oestrich  (Rheingau), 
80  Jahre  alt,  26.  VII.  —  Woche  4,   1431. 

Strakosch,  Ferdinand,  Impresario,  zeitweise 
Leiter  d.  Pergolatheaters  in  Florenz ;  f  Paris 
4.  VIII.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  II  Beil.  2; 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  126  (Lüst- 
ner, mit  L). 

Stransky  Edler  von  Dresdenberg,  Franz, 
k.  k.  Feldmarschalleutnant ;  *  Brunn  18.  X. 
1831 :  t  Mödling  b.  Wien  12.  X.  —  Woche 
4.  1937;  Wurzbach,  Biograph.  Lexikon  d. 
Kaisert.  Österreich  39,  249. 

Strafimann,  Heinrich,  Oberlehrer  in  Berlin, 
Mathematiker;  f  Todtmoos  (Schwarzwald) 
9.  XI.  —  Jahresbericht  der  Deutschen 
Mathematiker- Vereinigung  12,  69. 

Streckert,  Wilhelm,  k.  preuß.  Wirkl.  Ge- 
heimer Oberbaurat,  vortragender  Rat  im 
Keichseisenbahnamt,  ordentl.  Mitglied  der 
preuß.  Akademie  d.  Bauwesens,  Bearbeiter 
sämtlicher  für  die  deutschen  Eisenbahnen 


erlassenen  Reglements,  d.  Betriebsordnun- 
gen, langjähr.  i.  Vorsitzender  d.  Vereins  f. 
Eisenbahnkunde;  *  Kassel  22.  XI.  1830; 
t  Berlin  13.  IV.  —  111.  Ztg.  118,  623;  Voss. 
Ztg.  1902  Nr.  605  Beil.  8;  Deutsche  Bau- 
ztg. 34,  592.  36,  208;  BZ  10,  264  (Zen- 
tralblatt der  Bauverwaltung  1902  Nr.  31, 
mit  P). 

Streit,  Karl,  Ökonomierat,  Vorstand  d.  land- 
wirtschaftlichen Bezirksvereins  Kissingen  u. 
Münnerstadt,  Pächter  des  Bades  Kissingen 
(in  welchem  Fürst  Bismarck  während  seiner 
Kuren  wohnte),  Altertumssammler;  f  ^is" 
singen  12.  II.  —  111.  Ztg.  118,  315. 

Stromayer,  Max,  langjähr.  Bürgermeister  v. 
Konstanz;  f  daselbst  17.  III.  —  111.  Ztg. 
118,  470. 

^Struck,  Johann  Heinrich,  Dr,  med.,  Ge- 
neralarzt I.  Kl.  a  la  suiU  d.  preuß.  Sani- 
tätskorps, kaiserl.  Geheimer  Oberregierungs- 
rat, 1876 — 84  Direktor  d.  Reichsgesund- 
heitsamtes; *  Borgloh  (nicht  Bergloh)  in 
Hannover  1825;  f  Blankenburg  am  Harz 
7.  XII.  —  BJ  VII,  130  (Pagel);  111.  Ztg. 
1 1 9, 968 ;  Deutsche  Medizin.  Wochenschrift 
1903,  24:  Köhler;  BZ  13,  289  (Grenzboten 
1903  Nr.  32:  W\  Gittermann). 

Studer,  J.  S.,  Dr.  med,,  Arzt  in-Kirchberg 
(Kanton  Bern);  *  Kappel  b.  Ölten  19.  III. 
1848;  f  II.  II.  —  Virchows  Jahresberichte 
37,  I,  426  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  10,  265 
(Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Arzte 
1902,  283). 

Stürmer,  Heinrich,  Ehrenmitglied  d.  Stadt- 
theaters in  Leipzig,  Sänger  (Baritonist), 
später  Schauspieler  (Väter,  Charakterrollen) ; 

*  Berlin  29.  IV.  181 1 ;  t  Leipzig  9.  VI.  — 
Woche  4,  1090  (P);  Monatshefte  f.  Musik- 
gesch. 35,  126  (Lüstner,  mit  L);  Eisenberg, 
Großes  Biograph.  Lexikon  der  Deutschen 
Bühne  1017. 

Stürtz,    Ludwig,    Genremaler   in   München; 

*  Darmstadt  20.  I.  1843;  t  Marquartstein 
bei  Traunstein  20.  VII.  —  111.  Ztg.  119, 
195;  Müller-Singer,  Allgemeines  Künstler- 
lexikon 3  4,  362;  Jahrbuch  der  bildenden 
Kunst  2,  109. 

Sulkowska,  Angela  Prinzessin,  Gemahlin 
d.  Prinzen  Alexander  Sulkowski  von  der 
Linie  Reisen  (b.  Lissa,  Prov.  Posen),  geb. 
Gräfin  von  Mycielin-Mycielski ;  *  Smogor- 
zewo  20.  VII.  1869;  t  Gatowo  (Kreis  Sam- 
ter) I.  III.  —  Goth.  Hofkalender  1904,  436. 

Supan,  Joseph,  Dr.jur.,  Direktor  d.  krain. 
Sparkasse,  Mitglied  d,  Österreich.  Reichs- 
gerichts u.  d.  Abgeordnetenhauses  d.  Öster- 
reich. Reichsrats,  Führer  d.  Deutschen  in 
Krain;  *  in  Tirol;  f  Laibach  5.  VII.  —  III. 
Ztg.  119,  51;  Wurzbach,  Biograph.  Lexi- 
kon d.  Kaisert.  Österreich  40,  329. 


115* 


Totenliste  1902:  Suttner  —  Thoms. 


m6* 


Suttner,  Arthur  Gundaccar  Freih.  v.,  Ro- 
manschriftsteller u.  Ethnograph,  Gemahl  d. 
Schriftstellerin  Bertha  Freifrau  v.  Suttner, 
geb.  Gräfin  Kinsky;  •  Wien  21.  II.  1850; 
t  Schloß  Harmansdorf  b.  Eggenburg  (Nie- 
derösterreich) 10.  XII.  —  KL  24,  1427 
(W).  25,48;  Freiherrl.  Taschenbuch  1903, 
786.  1904,  901 ;  Rheinhardt,  Biographien 
d.  Wiener  Künstler  u.  Schriftsteller  i,  488 
(mit  W);  BZ  12,  300  (Friedensblätter  1903 
Nr.  7);  111.  Ztg.  119,  964  (L.  Salomon,  mit 
P);  Woche  4,  2580  (P);  Brummer  5  4,  181 
(mit  W).  471. 

Svitil,  Johann,  k.  k.  Oberbaurat  u.  Vorstand 
d.  Baudepartements  der  k.  k.  Regierung  in 
Krain ;  f  Laibach,  60  Jahre  alt,  6.  IV.  — 
111.  Ztg.  118,  585. 

Svoboda,  Ad  albert  Viktor,  Dr.  phil.t  Pro- 
fessor a.  D.  in  München,  Musik-  u.  Kunst- 
kritiker, Philosoph  und  Kulturhistoriker; 
•Prag  26.  I.  1828;  t  München  19.  V.  — 
KI^  23,  1427  (W).  25,  48;  Hinrichsen,  D. 
literar.  Deutschland*  1294  (mit  W);  111. 
Ztg.  118,  829;  Wurzbach,  Biograph.  Lexi- 
kon d.  Kaisert.  Österreich  41,  82;  BZ  10, 
266.  II,  297.  12,  300  (Deutsche  Thalia  i, 
1902:  Winds;  Heimgarten  ;26,  772:  P. 
Rosegger;  Nord  u.  Süd  1903  Mai  202:  O. 
Wilda). 

Swoboda,  Eduard,  Professor,  Maler;  *  Wien 
14.  XI.  18 14;  f  Hellstadt  im  Sommer.  — 
Jahrbuch  der  bildenden  Kunst  2,  109; 
Müller-Singer,  Allgemeines  KUnstlerlexi- 
kon3  4,  371 ;  W^urzbach,  Biograph.  Lexikon 
des  Kaisertum  Österreich  41,  61  (mit  W); 
Rheinhardt,  Biographien  d.  Wiener  Künst- 
ler u.  Schriftsteller  i,  114. 

Sybel,  Alexander  v.,  früher  kaiserl.  Ministe- 
rialrat in  Elsaß-Lothringen,  dann  eine  Zeit- 
lang Leiter  d.  »Bad.  Landesztg.«  in  Karls- 
ruhe, auch  Mitglied  des  Norddeutschen 
Reichstags,  Bruder  d.  Historikers  Heinrich 
V.  S.;  t  Karlsruhe  22.  III.  —  111.  Ztg.  118, 
509;  Ztschr.  f.  d.  Geschichte  d.  Oberrheins 
57  ('903)1  389  (Frankhauser,  L:  Bad. 
Presse  1902  Nr.  71). 

Szeps,  Moriz,  Journalist,  Gründer  d.  »Wiener 
Neuen  Tagblatt«  und  später  des  »Wiener 
Tagblatt«;  *  Busk  (Ostgalizien)  4.  XI. 
1834;  f  Wien  9.  VIII.  —  Woche  4,  1534; 
Rheinhardt,  Biographien  Wiener  Künstler 
u.  Schriftsteller  485;  Wurzbach,  Biograph. 
Lexikon  d.  Kaisertum  Österreich  42,  117 
(mit  W  u.  L). 

Tändler,  August  Robert,  Dr.  Jur.,  Reichs- 
gerichtsrat in  Leipzig;  *  Ebenheit  b.  Pirna 
30.  IV .  1850;  t  I'Cipzig  21.  III.  —  111.  Ztg. 
118,  470. 

Tanner,  Anton,  k.  sächs.  Kommission.srat, 
Ehrenpräsident    des    sächs.  Militärvereins- 


bundes, um  dessen  Entwicklung  verdient; 
f  Dresden  20.  III.  —  111.  Ztg.  118,  470. 

Tapp  einer,  Frsuiz  v.,  Dr,  med,,  Kurarzt  in 
Meran,  Bakteriolog,  Anthropolog  und  Bo- 
taniker; •  Laas  (Vintschgau)  7.  I.  1816; 
t  Schloß  Reichenbach  in  Obermais  b.  Me- 
ran 20.  VII l.  —  111.  Ztg.  119,  313;  Mtin- 
chener  Medizin.  VV^ochenschrift  1902,  1657 
(R.  Hausmann);  Geographen-Kalender  i, 
234  (H.  Haack);  BZ  13,  292  (Ztschr.  des 
Ferdinandeums  für  Tirol  und  Vorarlberg 
3.  Folge  Heft  47,  315:  v.  Wieser). 

Tempsky,  Karl  Friedrich  Rudolph,  Ver- 
lagsbuchhändler in  Prag,  früher  Mitglied 
d.  böhm.  Landtags  (deutsch-fortschrittl.) , 
auch  Botaniker;  *  Prag  18.  II.  1821;  f  ^t. 
Wolfgang  23.  VII. —  111.  Ztg.  119,  159; 
KI*  25,  48;  Wurzbach,  Biograph.  Lexikon 
d.  Kaisert.  Österreich  42,  274. 

Tezner,  Ferdinand,  Arzt  in  Prag;  t,  49  Jahre 
alt,  23.  V.  —  Virchows  Jahresberichte  37, 
1,  426  (Pagel,  mit  L:  Prager  Medizinische 
Wochenschrift  1902  Nr.  22). 

Theer,  Albert,  Porträtmaler  in  Wien;  *  Jo- 
hannisberg  (Osterreich.-Schlesien)  15,  X. 
181 5;  t  Wien  30.  VIII.  —  Woche  4,  1670; 
Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  109;  Rhein- 
hardt, Biographien  Wiener  Künstler  und 
Schriftsteller  i,  116;  Wurzbach,  Biograph. 
Lexikon  d.  Kaisertum  Österreich  44,  196 
(mit  W). 

Thews,  Friedrich  August,  Pfarramtsverweser 
in  Usdau;  *  Willenberg  20.  I.  1874;  t  Us- 
dau  26.  II.  —  Altpreuß.  Monatsschrift  40, 
475  (Rindfleisch,  L:  Evangel.  («emeinde- 
biatt  57,  1902,  66). 

Thewalt,  Karl  Ferdinand,  rhein.  Kunstfreund, 
Besitzer  bedeutender  Sammlungen ;  *  Aachen 
J833;  tCöln  I.  VIII.  —  111.  Ztg.  119,  243. 

Thiele,  Oberbürgermeister  von  Schweidnitz; 
t  5.  II.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  I   Beil.  8. 

Thieme,  Professor,  Zeicheninspektor  am  k. 
Lehrerseminar  in  Dresden;  f  i'^  Sept.  — 
Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  109. 

Thoemmel,  Gustav  Freih.  v.,  k.  u.  k.  Ge- 
heimer Rat  und  Feldzeugmeister,  aufier- 
ordentl.  Gesandter  u.  bevollmächtigter  Mi- 
nister a.  D. ;  *  Tyrnau  (Ungarn)  7.  III. 
1831;  t  Peuma  b.  Görz  8.  VIII.—  Frei- 
herrl.  Taschenbuch  1903,  803;  BZ  11,  302 
(Militärztg.  1902  Nr.  29).    . 

Thomas,  Adolf,  Stadtdechant  u.  Ehrendom- 
herr in  Cöln;  t  daselbst,  87  Jahre  alt, 
31.  VIII.  —  Woche  4,  1670. 

Thoms,  George,  Dr.  oec.^  Professor  d.  Agri- 
kulturchemie u.  Tierchemie  an  der  Poly- 
techn.  Schule  in  Riga,  Vorstand  d.  land- 
wirtschaftl.-chem.  Versuchs-  u.  Samcnkon- 
trollstation  daselbst;  *  Riga  12.  II.  (a.  St.) 
1843;   f  ebenda    15.  XI.  (a.  St.).  —  Leo- 


117* 


Totenliste  1902:  Thomschke  —  Trütrschler  zum  Falkenstein. 


118^ 


poldina  38,  120.  39,47;  Woche  5,9o(P); 
Poggendorff  4,  1494  (mit  W);  BZ  12,  305 
(Die  landwirtschaftl.  Versuchsstationen  58, 
315:  Schindler). 
Thomschke,  Bernhard,  Opernsänger  am 
Stadttheater  in  St.  Gallen;  *  Dippoldis- 
walde  21.  VIII.  1876;   f  St.  Gallen  9.  X. 

—  Monatshefte    für  Musikgcsch.  35,   127 
(LUstner,  mit  L). 

Thöny,  Christian,  Bildhauer  in  München; 
t  daselbst  27.  III.  —  Jahrbuch  d.  bilden- 
den Kunst  2,  109. 

Thun  und  Hohenstein,  Leopoldine  Ka- 
roline Emestine  Gräfin  v.,  geborene  Gräfin 
V.  Lamberg,  Herrin  auf  Kwassitz  u.  Mor- 
kowitz  (Mähren),  k.  u.  k.  Palastdame  und 
Stemkreuzordensdame,  \Vit\i'e  d.  Friedrich 
Grafen  v.  Th.  u.  H.,  Mutter  des  früheren 
Österreich.  Ministerpräsidenten  Franz  Grafen 
V.  Th.  u.  H.;  ♦  Brunn  9.  IV.  1825;  t  Prag 
10.  IV.  —  Gräfl.  Taschenbuch  1903,  466. 
891;  HI.  Ztg.  118,  623. 

Tietz,  Walter,  langj.  deutscher  Konsul  in 
Bordeaux;  f  daselbst  14.  (oder  15.?)  II.  — 
111.  Ztg.  1 18,  272  ;  Woche  4   Nr.  8  S.  VII. 

TiUmann,  Joseph,  Dr,  phil.,  Professor,  früher 
Oberstudiendirektor  der  preufi.  Hauptka- 
dettenanstalt: t  '9'  VII.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Xr.  3  Beil.  i. 

Tillmetz,  Louis,  ehemals  i.  Baritonist  an  d. 
kom.  Oper  in   Wien;   f  daselbst   im   Juli. 

—  Monatshefte   für  Musikgesch.  35,   127 
(LUstner,  mit  L). 

Tollin,  Henri  Wilhelm  Nathanael,  Lic. 
theoLt  Dr.  med.  honoris  causa,  Prediger 
der  französ.-reform.  Gemeinde  in  Magde- 
burg, Kirchenhistoriker,  auch  Physiolog  u. 
Patholog;  ♦  Berlin  5.  V.  1833;  f  Magde- 
burg II.  V.  —  KL  24,  1450  (W).  25,  48; 
111.  Ztg.  118,  777;  Schaff-Jackson,  Ency- 
clopedia  0/  living  divines  218  (mit  W); 
Theolog.  Jahresbericht  22  (1902),  1441 
(Nestle,  mit  L);  Biograph.  Lexikon  her- 
vorragender Ärzt^  6,  1022  (mit  W);  Vir- 
chows  Jahresberichte  37,  I,  426  (Pagel); 
BZ  II,  304  (Reform.  Kirchenztg.  1902  Nr. 
48  u.  49:  Brandes). 

Török,  Guido  v.,  Dr.  med.,  Leiter  des  So- 
phienspitals in  Wien  u.  Dozent  an  d.  Uni- 
versität daselbst,  Chirurg;  *  Bukarest  1850; 
t  Wien  circa  20.  V.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  5  Beil.  10;  Leopoldina  38,  82;  Vir- 
chows  Jahresberichte  37,  I,  426  (Pagel, 
mit  L)  u.  BZ  10,  273  (Wiener  klin.  Wochen- 
schrift 1902,  563. 

Trautenberger,  Gustav,  Dr.  phiL,  Lic.  theol., 
1854 — 99  deutsch-evangelischer  Pfarrer  in 
Brunn,  Ehrenbürger  dieser  Stadt,  Kirchen- 
u.  Lokal historiker;  *  Ruzenraoos  30.  VII. 
1836;   t  Brunn   25.  VI.  —   KL  24,  1455 


(W).  25,  48;  Theolog.  Jahresbericht  22 
(1902),  1442  (Nestle,  mit  L);  BZ  11,  305 
(Jahrbuch  d.  Gesellschaft  f.  d.  Geschichte 
d.  Protestantismus  in  Österreich  23,  145: 
CA.  Witz-Oberlin;  Evangel.  Kirchenztg. 
f.  Österreich   1902,  211). 

^Trautmann,  Moritz  B'erdinand,  Dr.  med.^ 
Geheimer  Medizinalrat,  außerordcntl.  Pro- 
fessor für  Ohrenheilkunde  u.  Direktor  der 
Klinik  f.  Ohrenkrankheiten  an  d.  Univer- 
sität Berlin,  Generalarzt  a.  D. ;  *  Wittenberg 
20.  III.  1833;  t  Beriin  4.  V.  —  BJ  VII, 
97  (Pagel)»  Chronik  d.  Universität  Berlin 
1902,  7;  KL  24,  1455.  25,  48;  Pagel  1724 
(mit  P  u.  W);  Biograph.  Lexikon  hervor- 
ragender Ärzte  5,  715  (W);  Leopoldina 
38,  82;  Virchows  Jahresberichte  37,  I,  426 
(Pagel,  mit  L)  und  BZ  10,  273.  11,  305 
(Ztschr.  f.  Ohrenheilkunde  41,  195:  Hart- 
mann; Berliner  klin.  Wochenschrift  1902, 
691:  Rieh.  Müller;  Berliner  klin.  Wochen- 
schrift 1902  Nr.  69:  Schaper;  Archiv  für 
Ohrenheilkunde  55,  306:  Schwartze;  Deut- 
sche militärärztl.  Ztschr.  31,  265  etc). 

Trautschold,  Hermann  v.,  Dr.phil.etminer., 
kaiserl.  russ.  VVirkl.  Staatsrat,  früher  Pro- 
fessor d.  Mineralogie  u.  Geologie  an  der 
Akademie  Pctrovsky  in  Moskau;  *  Berlin 
17.  IX.  181 7;  f  Karlsruhe  24.  X.  —  Leo- 
poldina 38,  120;  Poggendorff  2,  1126.  3, 
1363.  4,  1521   (W);  BZ  12,  308  (L). 

Treuber,  Oskar,  Dr.phü.,  Gymnasialdirektor 
in  Tubingen,  klass.  Philolog  u.  Historiker; 
♦  Nordheim  18.  I.  1847;  f  Tübingen  14.  III. 

—  KL  24,  I4S7  (W).  25,  48;  111.  Ztg.  118. 
470;  Württemberg.  Jahrbücher  f.  Statistik 
u.  Landeskunde  1902,  III  (Hartmann,  L: 
Staatsanzeiger  1902,  495;  Schwab.  Kronik 
1902  Nr.  122  u.  126). 

Tritten,  eidgenössischer  Major,  Redakteur  d. 
»Schweizer.  Schützenztg.«,  Mitglied  u.  Se- 
kretär des  Zentralvorstandes  d.  Schweizer. 
Schützenvereins,  Vorsteher  d.  Arbeitsamts 
der  Stadt  Bern;   f  daselbst,   56  Jahre   alt, 

10.  XI.  —  111.  Ztg.  119,  781. 
Triibswasser,    Josef,    Bürgerschullehrer    in 

Iglau,  deutsch. -mähr.  Dichter  und  Schrift- 
steller; ♦  Brunn 3.  IV.  1867;  t  daselbst 4.  VI. 

—  KL  24,  1460  (W).  25,  48;  Woche  4, 
1090;  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  7  Beil.  2;  Brüm- 
mer5  4,  482  (mit  W);  BZ  11,  306  (Neue 
Bahnen  1902,  448:  E.  v.  Filek,  mit  P). 

Triitzschler  zum  Falkenstein,  Kurt  Wili- 
bald  v.,  k.  Sachs.  Oberleutnant  im  Feld- 
artillerieregiment Nr.  77,  Komponist  von 
Liedern  u.  Instrumentalwerken;  *  Dresden 

1 1.  V.  1869;  t  Halle  a.  S.  27.  VIIL  —  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  127  (Lüstner, 
mit  L);  Goth.  Genealog.  Taschenbuch  der 
Adeligen  Häuser  1903,  857. 


Ilp 


Totenliste  1902:  Tuchmann  —  Voigt. 


120* 


Tuchmann,  Maro,  Arzt  in  London,  Blasen- 
spezialist, früher  in  Paris;  *  in  Nürnberg; 
t  London  im  November.  —  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  427  (Pagel,  mit  L: 
Deutsche    Medizin.    Wochenschrift    1902, 

85»)- 

^Turba,  Marie  Sidonie,  Schauspielerin  u. 
Sängerin  in  Kassel;  f  daselbst,  79  Jahre 
alt,  23.  VI.  —  BJ  VII,  239  (Ph.  Losch); 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  127  (Lüst- 
ner, mit  L). 

Uechtritz  und  Steinkirch,  Karl  Oswald 
Konstantin  v.,  k.  preuß.  Geheimer  Justizrat 
u.  Kammergerichtsrat  in  Berlin,  1882 — 84 
Mitglied  d.  deutschen  Reichstags  u.  preufi. 
Abgeordnetenhauses  (konservativ) ;  *  Siegda 
26.  III.  1824;  t  Berlin  6.  III.  —  111.  Ztg. 
118,  391;  Goth.  Genealog.  Taschenbuch  d. 
Adel.  Häuser  1904,  854;  Schoenfeld,  No- 
tizbuch f.  Reichstags  wähl  er  5,  117;  BZ  12, 
312  (Jahresbericht  der  schles.  Gesellschaft 
f.  Vaterland.  Kultur  80  Nekrolog  29). 

Ulffers,  Moritz,  Maler  in  Düsseldorf;  *  Ham- 
burg 1819;  t  Düsseldorf  16.  III.  —  Jahr- 
buch d.  bildenden  Kunst  2,  iio. 

Umlauf,  Karl  J.  F.,  Zithervirtuos  u.  Kompo- 
nist in  Wien;  *  Baden  b.  Wien  19.  IX. 
1824;  t  W'^ien  14.  II.  —  Monatshefte  für 
Musikgeschichte  35,  127  (Lüstner,  mit  L); 
Wurzbach,  Biograph.  Lexikon  des  Kaisert, 
Österreich  49,  24. 

Unger,  Heinrich,  ehemal.  Kammermusiker  in 
MeiniDgen;  *  Prag  1832;  f  in  Meiningen. 
—  Monatshefte  für  Musikgesch.  35,  127 
(Lüstner,  mit  L). 

Unruh,  Ludwig  Heinrich  Friedrich  Moritz 
Johann  Wilhelm  Graf  v.,  k.  preuß.  Wirkl. 
Geheimer  Oberregicrungsrat,  Exzellenz,  bis 
1901  Direktor  im  preuß.  Ministerium  der 
Königlichen  Haukes;  *  19.  XI.  1833; 
t  Groß-Lichterfelde  b.  Berlin  31.  XII.  — 
Gräß.  Taschenbuch   1905,  916. 

Unterlugauer,  Joseph,  Dr,  med.,  früher  Lan- 
dessanitätsrat und  Landessanitätsreferent  in 
Bosnien  u.  Herzegowina,  Schöpfer d.  Landes- 
spitals in  Serajewo;  *  Rudolfswert  (Krain) 
1841;  t  Graz  12.  IX.  —  111.  Ztg.  119,471; 
Virchows  Jahresberichte  37,  I,  427  (Pagel, 
mitL:  Allgemeine  Medizinalztg.  1902  Nr. 

77). 
Urban,    W.    (Pseudon.),    Schriftstellerin:    s. 

Braun,  Luise. 

"^Vahlkampf,  Eugen  v.,  k.  preuß.  General- 
leutnant z.  D.;  *  Mainz  16.  II.  1840;  f  Mül- 
verstedt  b.  Langensalza  10.  II.  —  BJ  VII, 
HO  (Lorenzen). 

Vambüler,  Henriette  v.,  Witwe  d.  ehemal. 
Württemberg.  Ministers;  f  Hemmingen  21. 
V.  —  Woche  4,  991. 

Velde,   Wilhelm,    Dr.  phü.,    Professor,   Re- 


gierungs-  und  Gewerbeschulrat  in  Berlin, 
ständiger  Hilfsarbeiter  im  preuß.  Handels- 
ministerium als  gewerbeschultechn.  Sach- 
verständiger; t  28.  II.  —  Voss.  Ztg.  1903 
Nr.  5  Beil.  10;  BZ  10,  279  (Die  deutsche 
Fortbildungsschule  1902,  iii:  H.  Otto). 

Veiten,  Egon  (Pseudon.),  Schriftsteller:  s. 
Peterson,  Luise. 

Veiten,  Erna  (Pseudon.),  Schriftstellerin:  s. 
Peterson,  Luise. 

Verheyen,  bekannter  deutscher  Radfahrer; 
f  Fontainebleau,  durch  Sturz  aus  d.  Auto- 
mobil, 20.  V.  —  Woche  4.  938. 

Vetterlein,  Karl  Feodoroviö,  kaiserl.  russ. 
Wirkl.  Staatsrat,  Vizedirektor  der  Kaiserl. 
Offentl.  Bibliothek  in  St.  Petersburg,  auch 
Lektor  d.  deutschen  Sprache  an  d.  Militär- 
Juristischen  Alexander- Akademie  daselbst: 
t  ebenda,  66  Jahre  alt,  Ende  Juni.  —  111. 
Ztg.  119,  51. 

Vierthaler,  Rudolf,  Buchdruckereibesitzer  in 
Bernburg,  Verleger  d.  »Anhalter  Kuriersc; 
t  Halberstadt  8.  II.  —  111.  Ztg.  118,  417; 
KL  25,  48. 

•Vilmar,  Wilhelm  Immanuel,  kurhess.  reni- 
tenter Pfarrer  u.  Schulvorsteher;  *  Roten- 
burg i.  H.  9.  V.  1840;  t  Melsungen  12.  IV. 
—   BJ  VII,  238  (Ph.  Losch). 

Vilovo»  Johann  Ritter  Stefano vic  v.,  k.  k. 
Major  a.  D.,  Schriftsteller  auf  hydograph. 
Gebiete;  *  1821;  f  Wien  24.  III.  —  Leo- 
poldina 38.  82;  Geographen-Kalender  i. 
234  (H.  Haack). 

*Virchow,  Rudolf  Ludwig  Karl,  Dr.  med., 
k.  preuß.  Geheimer  Medizinalrat,  ordentl. 
Professor  der  Anatomie  u.  Pathologie  und 
Direktor  d.  patholog.  Instituts  an  d.  Uni- 
versität Berlin ;  *  Schivelbein  in  Pommern 
13.  X.  1821;  t  Berlin  5.  IX.  —  BJ  VII, 
352  (v.  Hansemann,  mit  P);  Archiv  f.  pa- 
tholog. Anatomie  167,  i.  170,  i  (W.  de 
Gruyter  und  O.  Israel,  mit  P);  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  427  (Pagel,  mit  L  u. 
P)  etc. 

Vix,  Ernst,  Dr.  med.,  großhgl.  hess.  Ober- 
medizinalrat u.  kaiserl.  deutscher  Regierungs- 
und Medizinalrat,  Vorkämpfer  f.  Feuerbe- 
stattung, Herausgeber  d.  Ztschr.  »Phönix« ; 
♦  Gießen  1834;  f  Darmstadt  19.  I.  —  111. 
Ztg.  118,  157;  Pagel  1774;  Biographisches 
Lexikon  hervorragender  Ärzte  6,  132;  BZ 
11,316  (Phönix   1902,65  mit  P). 

Vogel,  Lorenz,  Maler  in  München;  *  Göp- 
pingen 1846;  t  München  9.  Xl.  —  Jahr- 
buch d.  bildenden  Kunst  2,  109;  Müller- 
Singer,  Allgemeines  Künstlerlexikon  3  5,  28. 

♦Voigt,  Ernst,  Dr.  phü.,  Professor,  städt. 
Schulrat  in  Berlin,  früher  Direktor  des 
Friedrich-Gymnasiums  daselbst,  Schulmann 
u.  Germanist;  ♦  Magdeburg  22.  VI.   1843; 


121* 


Totenliste  1902:  Voigtel  —  Weber. 


122 


t  Berlin  5.  XII.  —  BJ  VII,  105  (P.  Gold- 
schmidt). 

Voigtel,  Karl  Eduard  Richard,  k.  preuß. 
Geheimer  Regierungsrat,  Dombaumeister 
zu  Cöln,  Architekt;  •  Magdeburg  31.  V. 
1829;  t  Cöln  28.  IX.  —  111.  Ztg.  119,  497; 
Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst  2,  iio;  Deut- 
sche Bauztg.  36,  534;  Müller-Singer,  All- 
gemeines Künstlerlexikon  3  5,  29;  BZ  11, 
317  (Zentralblatt  d.  Bauverwaltung  1902 
Nr.  80:  Heimann,  mit  P). 

*Voigts-Rhetz,  William  v.,  k.  preuß.  General 
d.  Infanterie  z.  D.;  *  Höxter  9.  IV.  18 13; 
t  Montreux  2.  VI.  —  BJ  VII,  102  (Loren- 
zen);  Woche  4,  1098  (P);  BZ  11,  317 
(Militärztg.  1902  Nr.  23). 

Vondörfer,  S.,  Dr,  med,,  k.  k.  Regierungs- 
rat, Stadt-  und  emeritierter  Bahnarzt  zu 
Deutschbrod  in  Böhmen;  f  23.  V.  —  Vir- 
chows  Jahresberichte  37, 1,  428  (Pagel,  mit 
L:  Prager  Medizin.  Wochenschrift  1902 
Nr.  22). 

Wachtel,  Johanette,  Witwe  des  Kammersän« 
gers  Theodor  Wachtel;  f  Berlin,  64  Jahre 
alt,  15.  X.  —  Woche  4,  198 1. 

♦Wächter,  Oskar  Eberhard  Siegfried,  Dr, 
Jur,,  Politiker  u.  Schriftsteller;  •  Tübingen 
29.  IV.  1825;  t  Stuttgart  15.  VI.  —  BJ 
VII,  94  (R.  Krauß). 

Wackemagel,  Emanuel,  Verleger  d.  »Basler 
Nachrichten«;  ♦Basel  19.  VIII.  1846;  f  da- 
selbst 23.  II.  —  111.  Ztg.  1 18,  341 ;  KL  24, 
1498.  25,  48. 

Wackwitz,  Franz,  Direktor  d.  fUrstl.  The- 
aters in  Sondershausen;  f  daselbst  23.  XI. 
—  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  II  Beil.  2;  Monats- 
hefte für  Musikgesch.  35,  127  (LOstner, 
mit  L). 

Waibler,  Fritz,  Maler  u.  Illustrator,  langjähr. 
Leiter  der  Artist.  Anstalt  der  Leipziger 
»lllustr.  Ztg.«;  f  Leipzig,  im  75.  Jahre, 
21.  IV.  —  111.  Ztg.  118,  623. 

Wagner  von  Wetterstaedt,  pers.  General, 
liervorragender  Artillerist,  früher  Österreich. 
Offizier;  ♦  Hermannstadt;  f  daselbst,  im 
63.  Jahre,  30,  IX.  —  111.  Ztg.  119,  547. 

Walbrodt,  Karl  August,  Schachmeister  u. 
Schachschriftsteller  in  Berlin;  ♦  Amsterdam 
28.  XI.  1871;  t  Berlin  3.  X.  —  111.  Ztg. 
119,  547.  623  (mitP). 

Walcker,  Otto,  Dr.  med.,  chirurg.  Assistent 
am  Stadt.  Krankenhaus  Friedrichshain  in 
Berlin ;  f,  30  Jahre  alt,  24.  X.  —  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  428  (Pagel,  mit  L: 
Deutsche  Medizin.  Wochenschrift  1902  Ver- 
einsbeil. Nr.  51). 

Waldeck  und  Pyrmont,  Prinz  Heinrich:  s. 
Heinrich. 

♦Waldersee,  Friedrich  Franz  Graf  v.,  k. 
preuß.  Generalleutnant  z.  D. ;   ♦  Berlin  17. 


XII.  1829;  t  Schwerin  6.  X.  (nach  Gräfl. 
Taschenbuch.  —  BJ  VII,  234  (Lorenzen); 
Gräfi.  Taschenbuch   1904,  925. 

Waldmann,  Otto,  ehemal.  Opernsänger  (Te- 
norist); ♦  Konstanz  1825;  f  Detmold  12. 
VIII.  —  Monatshefte  für  Musikgesch.  35, 
127  (Lüstner,  mit  L);  Flüggen,  Biograph, 
Bühnenlexikon  i,  318. 

♦Walker,  Franz,  Bildhauer  und  Maler  in 
München;  ♦  daselbst  16.  VIII.  1832;  f  eben- 
da 17.  X.  —  BJ  VII,  194  (H.  Holland). 

Waltenberger,  Anton,  k.  baver.  Steuerrat  a. 
D.,  Feldmesser,  Alpinist;  ♦  Straubing  14. 
IV.  1840;  t  München  26.  II.  —  Mitteilungen 
d.  Deutschen  u.  Osterreich.  Alpenvereins  28 
(1902),  85  (H.  Hess);  KL  24,  1509  (W). 
25,  48;  Geographen-Kalender  i,  235  (H. 
Haack);  Geograph.  Jahrbuch  26,  445  (\V. 
Wolkenhauer,  mit  W  u.  L). 

Walter,  Heinrich,  Jurist.  Schriftsteller,  Her- 
ausgeber d.  Ztschr.  f.  Vollstreckungs-,  Zu- 
stellungs-  u.  Kostenwesen;  ♦  Neiße  4.  V. 
1842;  f  Berlin  14.  XII.  —  KL  24,  1510 
(mit  W).  25,  48. 

Walter,  Hermann,  Dr,  m<d.i  Arzt,  Mitglied 
d.  Polarexpedition  des  Baron  Toll;  ♦  Er- 
mes  (Livland);  f  auf  d.  Insel  Kotelny  d. 
neusibir.  Inselgruppe,  im  38.  Jahre,  21. 
XII.  —  Virchows  Jahresberichte  37,  I,  428 
(Pagel,  mit  L:  Petersburger  Medizinische 
Wochenschrift  1902  Nr.  11). 

Walther,  Anton,  Dr,  med,,  Privatdozent  für 
Physiologie  an  d.  Militär-Arztl.  Akademie 
in  St.  Petersburg;  ♦  20.  II.  1870;  f  während 
einer  Eisenbahnfahrt  3.  VII.  —  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  428  (Pagel,  mit  L: 
Petersburger  Medizin.  Wochenschrift  1902 
Nr.  28). 

Warkentin,  Hermann  R  o  d  e  r  i  c  h ,  Dr.  phil. , 
Literarhistoriker;  ♦  Königsberg  i.  Pr,  23.  XI. 
1873;  t  Nervi  23.  II.  —  111.  Ztg.  1 18,  341 ; 
KL  25,  48;  Lebenslauf  in  W.s  Dissertation: 
Nachklänge  d.  Sturm-  u.  Drangperiode  in 
Faustdichtungen  d.  18.  u.  1 9.  Jahrhunderts. 
München  1896. 

♦Wasmer,  Edmund  v.,  k.  preuß.  General- 
major z.Vi.:,  ♦  Koburg  8.  IV.  1836;  t  Schö- 
neberg bei  Berlin  23.  V.  —  BJ  VII,  235 
(Lorenzen). 

Wafimann,  Karl,  großhgh  bad.  Hofmusiker, 
Lehrer  d.  Violinspiels  am  Konservatorium 
der  Musik  in  Karlsruhe,  Verfasser  einer 
Violinschule;  f  Schömberg  (Schwarzwald) 
15.  IX.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
12S  (Lüstner,  mit  L);  RiemannS  1231. 

Wauer,  Wilhelm,  Komponist  von  Gesangs- 
werken in  Leipzig;  f  daselbst  3.  I.  —  Mo- 
natshefte f.  Musikgesch.  35,  128  (Lüstner, 
mit  L). 

Weber,  Ernst  v.,   Tierfreund,   Bekämpfer  d. 


12^ 


« 


Totenliste  1902:  Weber  —  Wied. 


124* 


Vivisektion,  langjähr.  Leiter  d.  internatio- 
nalen Vereins  z.  Bekämpfung  der  wissen- 
schafd.  Tierfolter,  auch  Verfasser  v.  Reise- 
beschreibungen; *  Dresden  7.  II.  1830; 
t  Rom  4.  I.  —  KL  24,  1520  (mit  W).  25, 
48;  B2  10,  288  (Bayreuther  Blätter  1902, 
169:  P.  Förster). 

Weber,  Karl,  Professor  an  d.  Kunstgewerbe- 
schule in  Frankfurt  a.  M.;  f  daselbst,  42 
Jahre  alt,  18.  XI.  —  Jahrbuch  d.  bilden- 
den Kunst  2,  109;  Woche  4,  2204. 

Wehlack,  Geheimer  Oberpostrat,  Oberpost- 
direktor d.  Postdirektionsbezirkes  Halle  a.  S. ; 
t  Halle  a.  S.  8.  HI.  —  111.  Ztg.  118,  417. 

Wehn,  Fritz,  Theaterdirektor;  f  Bad  Oeyn- 
hausen 13.  VIII.  —  Monatshefte  f.  Musik- 
gesch.  35,  128  (Lüstner,  mit  L). 

*Wehofer,  Rudolf  Thomas  Maria  (Pseu- 
don. :  Vindobonensis),  Dominikaner,  Dr, 
theoL  etphil.,  Professor,  Kirchen-  u.  Literar- 
historiker; *  Wien  4.  III.  1870;  t  daselbst 
3.  in.  —  BJ  VII,  263;  KL  23,  1505  (W). 
25,  48;  Keiter-Jörg,  Kathol.  Literaturkalen- 
der 6,  337  (W). 

Weicke,  Otto, '  Rittergutsbesitzer  auf  Nien- 
feld  b.  Seehausen  (Altmark),  früher  Mit- 
glied d.  preuß.  Abgeordnetenhauses  (kon- 
servativ); t  Nienfeld,  81  Jahre  alt,  29.  III. 

—  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  609  Beil.  2;  Woche 
4  Nr.  13  S.  VIL 

Weidenbach,  Johannes,  Lehrer  für  Klavier- 
spiel am  Kgl.  Konservatorium  d.  Musik  in 
Leipzig;  *  Dresden  29.  XI.  1847;  t  Leip- 
zig 28.  VI.  —  Monatshefte  f.  Musikgesch. 
35,  128  (Lüstner,  mit  L);  RiemannS  1237. 

•Weidling,  Friedrich,  Verlagsbuchhändler  in 
Berlin,  früher  Inhaber  der  Firma  Haude 
und  Spener;  *  Brandenburg  a.  H.  6.  IV. 
1821;  t  Berlin  22.  II.  —  BJ  VII,  114  (R. 
Schmidt);  Börsenblatt  für  den  deutschen 
Buchhandel  1902  Nr.  53:  K.  Weidling. 

Weigl,  Robert,  Bildhauer  in  Wien;  *  da- 
selbst 16.  X.  1852;.  t  ebenda  26.  XII.  — 
111.  Ztg.  120,  49  und  Nr.  3083  (vom  31. 
VIII.  1902  mit  Illustr.);  Rheinhardt,  Bio- 
graphien Wiener  Künstler  u.  Schriftsteller 
I,  159;  Wurzbach,  Biograph.  Lexikon  d. 
Kaisert.  Österreich  53,  299. 

Weinstengl,  J.  (Pseudon.),  Schriftsteller:  s. 
Lew  in  stein,  Gustav. 

Weixlstorfer,  Johann,  früher  herzogl.  sachsen- 
meining.  Kammersänger;  f  Serkowitz  bei 
Dresden,  im  79.  Jahre,  4.  III.  —  111.  Ztg. 
118,417;  Monatshefte  f.  Musikgesch.  35, 
128  (Lüstner,  mit  L). 

Werner,  Alfred,  Begründer  u.  Direktor  der 
Leipziger  Theaterschule,  auch  dramatischer 
Dichter;  •  i.  III.  1847;  f  daselbst  21.  VI. 

—  11).  Ztg.  118,  976;  KL  24,  1547  (mit 
W).  25,  48;  Brummer  5  4,  500  (mit  W). 


Werner,   Franz,   Dr.  jur..   Geheimer  Ober- 
justizrat, früher  Präsident  des  Oberlandes- 
gerichts in  Naumburg;  f  daselbst  29.  III. 
■  —  111.  Ztg.  118,  547. 

Werner,  Karl  Ludwig,  Orgelvirtuos  u.  Mu- 
sikdirektor in  Freiburg  i.  Br. ;  *  Mannheim 
8.  IX.  1862;  f  Freiburg  i.  Br.  16.  VII.  — 
Monatshefte  f.  Musikgesch.  35,  128  (LUst- 
ncr,  mit  L). 

Wernsdorff,  Wolfgang  Friedrich  Leopold 
Quirin  v.,  Gutsbesitzer  u.  k.  preuß.  Major 
a.  D.  zu  Peterkau  (Westpreußen),  Mitglied 
d.  preuß.  Abgeordnetenhauses  (konservativ) ; 
*  Salzbach  (Ostpreußen)  12.  X.  1834; 
t  Groß-Lichterfelde  15.  XII.  —  Woche  4, 
2376;  Kürschner,  Preuß.  Abg.-Haus  1904, 
44  (mit  P);  Genealog.  Taschenbuch  der 
Adeligen  Häuser  1904,  888. 

♦Wertheimer,  Gustav,  Historien-  u.  Genre- 
maler in  Paris;  *  Wien  28. 1.  1847;  f  Paris 
24.  VIII.  —  BJ  VII,   101   (H.  Schmerberi. 

•Wesendonk,  Mathilde  v.,  geb.  Luckemcyer, 
Schriftstellerin  u.  Dichterin,  Freundin  des 
Komponisten  Richard  Wagner;  *  Elberfeld 
23.  XII.  1828:  t  Traunblick  am  Traunsee 
31.  Vin.  —  BJ  VII,  62  (W.  Golther);  Pa- 
taky,  Lexikon  deutscher  Frauen  der  Feder 
2,426;  Brummer 5  4,  324;  BZ  11,323.  12, 
328.  13,  317  (Zeit  1902  Nr.  416:  R.  Wal- 
laschek;  Die  Musik  1902,  II,  57:  E.  Kloß; 
Deutsche  Revue  1903  Febr.  239:  M.  v. 
Bunsen;  Brandenburgia  11,264);  Monats- 
hefte für  Musikgesch.  35,  128  (Ltistner, 
mit  L). 

Westendarp,  George,  Architekt  in  Hamburg. 
—  Deutsche  Bauztg.  36,  287  (Zimmer- 
mann). 

Wiehert,  Ernst  Alexander  August  George, 
k.  preuß.  Geheimer  Justizrat,  Rat  beim 
Kammergericht  in  Berlin,  Romanschrift- 
steller und  Dramatiker;  *  Insterburg  (Ost- 
preußen) II.  III.  1831;  t  Berlin  21.  I.  — 
111.  Ztg.  118,  158  (L.  Salomon,  mit  P); 
Woche  4,  134  (P);  Brummer 5  4,  330  und 
503  (mit  W) ;  Altpreuß.  Monatsschrift  40, 
476  (Rindfleisch,  L). 

♦Wiehert,  Felix,  Porträt-  u.  Genremaler  in 
Beriin;  ♦  Tilsit  8.  V.  1842;  f  Berlin  im 
Febr.  —  BJ  VII,  101   (H.  Schmerber). 

Wiehert,  J^ars  Adolf  Erich,  Dr*  med.^  emerit. 
Stadtarzt  in  Riga;  •  8.  X.  1831;  f  r>orpat 
28.  VI.  —  V^irchows  Jahresberichte  37,  I, 
428  (Pagel,  mit  L:  Petersburger  Medizin. 
Wochenschrift   1902  Nr.  28). 

Wickede,  Hermann  v.,  k.  preuß.  General- 
major z,  D.,  zuletzt  Kommandeur  d.  Füsilier- 
Regiments  Nr.  33;  t  Warnemünde,  74  Jahre 
alt,  II.  VIII.  —  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  i 
Beil.  8;  Woche  4.  1578. 

Wied,  Marie  Ftir>tin  v. :  s.  Marie. 


125' 


Totcnliste  1902;  Wieland  —  WolfF. 


126* 


Wieland,  Emil,  Dr,  med.,  Bezirksarzt  u.  Arzt 
im  Sanatorium  f.  unbemittelte  Soolbadbe- 
dürftige  in  Rheinfelden  (Schweiz);  *  da- 
selbst 24.  XII.  1830;  f  Königsfelden  15.  X. 

—  Virchows  Jahresberichte  37,  I.  428  (Pa- 
gel,  mitL:  Korrespondenzblatt  f,  Schweizer 
Ärzte  32  Nr.  4:  H.  Keller). 

Wieser,  Leopold  Freih.  v.,  k.  u.  k.  Wirkl. 
Geheimer  Rat,  vormal.  Sektionschef  des 
Obersten  Rechnungshofes  f.  Österreich-Un- 
garn, Präsident  d.  Gesellschaft  f.  verviel- 
fältigende Kunst  in  Wien;  *  Petrinja  (Kro- 
atien) 26.  VI..1819;  t  Wien  II.  IV.  —  111. 
Ztg.  1 18,  623 ;  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst 
2,  HO.  117  (L:  Graphische  Künste  25, 
102:  R.  Graul);  Wurzbach,  Biographisches 
Lexikon  d.  Kaisert.  Österreich  56,  63;  Frei- 
herrl.  Taschenbuch  1905,  899. 

Wild,  Heinrich  v.,  Dr,  phil.,  kaiserl.  russ. 
Wirkl.  Staatsrat,  1868 — 95  Professor  an  d. 
Universität  u.  Leiter  des  Physikal.  Zentral- 
Observatoriums  in  St.  Petersburg;  *  Uster 
(Kanton  Zürich)  17.  XII.  1833;  t  Zürich 
5.  IX.  —  Lcopoldina  38,  iio;  KL  24,  1566 
(mit  W);  Poggendorff  2,  1325.  3,  1444.  4, 
1636  (W);  Woche  4, 1766^  (P);  Geograph. 
Jahrbuch  26,  445  (W.  Wolkenhauer,  mit  L 
u.  W);  Geographen-Kalender  i.  235  (H. 
Haack);  BZ  11,  324.  12,  329  (Petermanns 
Mitteilungen  1902  Geograph.  Anzeiger  145: 
J.  Maurer,  mit  P;  ^eteorolog.  Ztschr.  1902, 
463.  506;  Deutsche  Rundschau  für  Geo- 
graphie u.  Statistik  1903,  375  mit  P;  Vier- 
teljahrsschrift d.  naturforsch.  Gesellschaft  in 
Zürich  47,  443). 

Wilde,  Max,  Dr.  med.,  Privatdozent  f.  Hy- 
giene an  d.  Universität  München ;  *  Amster- 
dam 9.  VIII.  1870;  t  München  18.  XI.  — 
Chronik  d.  Univ.  München  1902/3,  8. 

Wildermuth,  Hans,  Professor,  ehemal.  Direk- 
tor d.  Kunstgewerbeschule  zu  Zürich;  f  9. 
IV.  —  Voss.  Ztg.  1903  -Nr.  9  Beil.  i. 

Wilhelmi,  Heinrich,  Genremaler  in  Düssel- 
dorf; *  Xanten  am  Niederrhein;  t  Düssel- 
dorf 16.  II.  —  Jahrbuch  d.  bildenden  Kunst 
2,  HO  (nach  »Kunst  f.  Alle«). 

Wilm,  Max,  Dr.  mcd.^  Marinestabsarzt  a.  D., 
Dezernent  in  der  Medizinalabteilung  des 
Reichsgesundheitsamtes,  Leiter  d.  Pesthospi- 
tals in  Hongkong;  •  Wollin  26.  I.  1862; 
t  3.  XII.  —  Virchows  Jahresberichte  37, 
1.  428  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  12,  329  (Ar- 
chiv f.  Schiffs-  u.  Tropenhygiene  37,  88  u. 
Deutsche  militärärztliche  Ztschr.  1903,  48: 
Bassenge). 

Winiker,  Ulrich,  bedeutender  schweizer.  Ju- 
rist, früher  Großratspräsident,  langjähr.  Mit- 
glied d.  Kriminalgerichts;  f  Ruswyl  19.  X. 

—  Woche  4,  1981. 

Winiwarter,    Georg   Ritter   von,    Österreich. 


Großindustrieller;  f  Graz,  80  Jahre  alt,  2. 
VII.  —  Woche  4,  1279;  Wurzbach,  Bio- 
graph.  Lexikon  d.  Kaisert.  Osterreich  57,  76. 

Winnecke,  Charles  George  Alexander,  austral. 
Forschungsreisender  und  Botaniker,  Sohn 
deutscher  Eltern;  *  Norwood  (Südaustralien) 
18.  XI.  1857;  t  Adelaide  10.  IX.  —  111. 
Ztg.  119,  643;  Geograph.  Jahrbuch  26,  446 
(W.  Wolkenhauer,  mtt  W  u.  L) ;  Geographen- 
Kalender  I,  237  (H.  Haack);  T^eopoldina 
39,  48  (mit  W).  " 

Wislicenus,  Johannes,  Dr.  med.  ei  phil.,  k. 
Sachs.  Geheimer  Hofrat,  ordentl.  Professor 
d.  Chemie  u.  Direktor  d.  Chem.  Labora- 
toriums an  d.  Universität  Leipzig;  *  Klein- 
Eichstedt  b.  Querfurt  24.  VI.  1835;  f  Leip- 
zig 5.  XII.  —  111.  Ztg.  119,  914  (mit  P). 
923;  Woche  4,  2292  (P);  Leopoldina  38, 
136.  39.  47;  Poggendorff  2,  1342.  3,  1455. 
4,  1653  (mit  W  u.  L);  BZ  11,  325.  12, 
330-  »3»  319  (Chemikerztg.  1902,  1189; 
Ztschr.  f.  angewandte  Chemie  1902,  1281 
u.  1903,  i:  B.  Rassow,  mit  P;  Alldeutsche 
Blätter  1902  Nr.  52;  Naturwissenschaftl. 
Rundschau  1903,  192.  204:  J.  Biehringer; 
Berichte  üb.  d.  Verhandlungen  d.  k.  sächs. 
Gesellsch.  d.  Wissensch.  Math.-phys.  Klasse 
55,411:  W.  Ostwald;  Sitzungsberichte  d. 
Münchn.  Akad.  d.  W^issensch.  1903  Math.- 
phys.  Kl.  539:  C.  Voit). 

Witz,  Eugen,  evangel.  Pfarrer  zu  Kofi  weil  er 
im  Elsaß,  Kirchenhistoriker;  *  Vienne 
(Schweiz)  27.  IV.  181 2;  f  15.  IV.  —  Theo- 
log. Jahresbericht  22  (1902),  1442  (Nestle, 
mit  L). 

Woedtke,  Erich  Felix  Franz  Viktor  v.,  Dr. 
jur.  honoris  causa ^  Wirkl.  Geheimer  Ober- 
regierungsrat, Präsident  des  Kaiserl.  Auf- 
sichtsamts f.  Privatversicherung,  früher  Di- 
rektor im  Reichsamt  d.  Innern;  *  Sydow 
(Kreis  Schlawe)  9.  IV.  1847;  f  Wiesbaden 
22.  II.  —  KL  24,  1590  (mit  W).  25,  49; 
111.  Ztg.  11 8,  341;  Brockhaus'  Konv.-Lexi- 
kon'4  16,  808;  Woche  4  Nr.  9  S.  VII. 
368  (P). 

Wodzicki:  Joseph  Martin  Graf  von  Gra- 
now-Wodzicki,  Dr.  jur. ^  k.  u.  k.  Käm- 
merer, Geheimer  Rat  u.  außerordentl.  Ge- 
sandter und  bevollmächtigter  Minister  in 
Brüssel;  ♦  11.  XL  1844;  f  Krakau  5.  X. 
—  Gräfl.  Taschenbuch   1903,  976. 

Woitschewsky,  E.,  Kapitän,  Ehrenpräsident 
u.  Mitbegründer  d.  Vereins  deutscher  See- 
fischer in  Hamburg;  f  daselbst  9.  X.  — 
Woche  4,  1937. 

Wolff,  Henriette,  Witwe  des  Hofrats  Dr. 
Schur  ig  in  Dresden,  Schauspielerin  (ko- 
mische Alte)  am  Hoftheater  daselbst;  *  Dan- 
zig  4.  II.  1845;  t  Dresden  I.  III.  —  Eisen- 
berg,  Großes   biograph.  Lexikon  d.  Deut- 


127 


Totenliste  1902:  VV'olfF —  Württemberg. 


128* 


sehen  Bühne  11 41;  111.  Ztg.  118,  391; 
Flüggen,  Biograph.  Bühnenlexikon  i,  334. 

Wolff,  Hermann,  Konzertdirektor,  Inhaber 
d.  Konzertdirektion  gleichen  Namens,  auch 
Komponist;  *  Cöln  4.  IX.  1845;  t  B^'^J'* 
3.  II.  —  111.  Ztg.  118,  231  (C.  Droste,  mit 
P);  Woche  4,  228  (P);  Monatshefte  für 
Musikgesch.  35,  128  (Lüstner,  mitL);  Rie- 
mannS.  1258. 

•Wolif,  Julius,  Dr,  mtd,^  Geheimer  Medizinal- 
rat, aufierordentl.  Professor  d.  Chirurgie  u. 
Direktor  d.  Poliklinik  f.  Orthopäd.  Chirurgie 
an  d.  Univ.  Berlin,  Orthopäd  (»Knochen- 
wolff«);  *  Märkisch- Friedland  (Westpreu- 
ßen) 21.  III.  1836;  t  Berlin  18.  II.  —  BJ 
VII,  98  (Pagel);  Pagel  1871  (mitWu.P); 
Leopoldina  2^%^  21.  58;  Virchows  Jahres- 
berichte 37,  I,  428  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ 
10,  294  (Archiv  f.  Kinderheilkunde  34,  158: 
Baginsky;  Monatsschrift  f.  Orthopäd.  Chi- 
rurgie 1902,  29:  M.  David;  Medizin.  Rund- 
schau 1902,1040;  Berliner  Klin.  Wochen- 
schrift 1902,  203:  Joachimsthal;  Deutsche 
Medizinische  Wochenschrift  1902,  160:  H. 
Fischer;  München.  Medizin.  Wochenschrift 
'902,  532:  A.  Hoffa;  Wiener  Klin.  Wochen- 
schrift 1902,  238:  A.  Fraenkel;  Die  medi- 
zinische Woche  1902,  92:  G.Muskat,  mit 

P). 
Wolff»  Karl,  Mitbegründer  d.  Firma  Loeser  & 

Wolff  in  Berlin;    f.  ^7  Jal»re  alt,    13.  XI. 

—  Voss.  Ztg.  1903  Nr.  II   Beil.  2. 
Wolff,  Paul  Hugo,  Reichsgerichtsrat  in  Leip- 
zig;   t  6.  IX.  —    Voss.  Ztg.  1903   Nr.  3 
Beil.  I. 

Wollensack,  Heinrich,  Dr.  med.,  Kurarzt  in 
Arco,  im  Sommer  Dirigent  d.  Wasserheil- 
anstalt am  Gießbach  in  d.  Schweiz ;  *  Wien 
6.  VU.  1847;  t  Arco  4.  X.  —  Virchows 
Jahresberichte  37,  I,  428  (Pagel,  mit  L)  u. 
BZ  12,  332  (Korrespondenzblatt  f.  Schweizer 
Ärzte  1903,  98). 

Wöllmann,  Karl,  Geheimer  Kommerzienrat, 
Senior  des  Woll-Exporthauses  Kissing  & 
WöUmann  in  Iserlohn,  seit  1876  Vor- 
sitzender d.  dortigen  Handelskammer;  f  da- 
selbst, 70  Jahre  alt,  22.  V.  —  111.  Ztg.  1 18, 
829. 

Wollner,  Wilhelm,  Dr.  phil.,  aufierordentl. 
Professor  f.  slav.  Philologie  an  d.  Universität 
Leipzig;  *  i8.  XI.  1851;  t  Leipzig,  14.  XII. 

—  Woche  4,  2376;  BZ  12,  332  (Archiv 
f.  slav.  Philol.  25,  500:  A.  Leskien). 

Woort,  Lüder(  Pseudon.),  plattdeutscher  Dich- 
ter: s.  Plate,  J.  D. 

WÖrishoffer,  Friedrich,  Dr.jur.,  Geheimer 
Oberregierungsrat,  Vorstand  d.  bad.  Fabrik- 
inspektion;  •  Langenselbold  1839;  t  Karls- 
ruhe 18.  Vn.  —  ill.  Ztg.  119,  123;  Ztschr. 
f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins  (Frankhauser,  L) 


u.  BZ  13,  321  (Bad.  Fortbildungssciiule  16, 
113:  Fuchs;  Soziale  Praxis  12  Nr.  45:  L» 
Herkncr;  Arbeiterwohl  23,  263:  E.  v.  d. 
Boom). 

Worlitzsch,  Georg,  Schauspieler,  Mitglied 
d.  Deutschen  Theaters  in  London,  früher 
an  Berliner  Bühnen  tätig;  f  London,  50 
Jahre  alt,  22.  (oder  21.?)  I.  —  111.  J^tg. 
118,  157;  Woche  4,  180  (P);  Flüggen, 
Biograph.  Bühnenlexikon  i,  334. 

^Wörndle  Edler  von  Adelsfried,  August, 
Historien-  u.  Kirchenmaler  in  W'ien;  *  da- 
selbst 22.  VI.  1829;  t  ebenda  27.  IV.  — 
BJ  VII,  151  (H.  Schmerber);  Wurzbach, 
Biograph.  Lexikon  d.  Kaisertum  Österreich 
57,  "I. 

Worzewski,  Carl  Otto,  Geheimer  Justizrat, 
Landgerichtsdirektor  (früher  in  Thorn)  a. 
D.,  ehemal.  Mitglied  d.  preuß.  Abgeordneten- 
hauses (freisinn.  Volkspartei);  *  Neustadt 
(Westpreuflen)  9.  VIII.  1827;  t  Berlin  26. 
IL  —  111.  Ztg.  118,  341 ;  Kürschner,  Preuß. 
Abg.-Haus  1894,  128  (mit  P). 
.  Wömer,  Bürgermeister  von  Bad  Nauheim ; 
t  daselbst  11.  X.  —  Woche  4,  1937. 

♦Wulffen,  Gustav  Adolf  Alexander  Ferdi- 
nand V.,  Generalleutnant  z.  D.;  *  Inster- 
burg  21.  XI.  1833;  t  Frankfurt  a.  O.  5.  VIIL 
(nach  Adel.  Taschenbuch)  —  BJ  V'II,  235; 
Genealog.  Taschenbuch  d.  Adeligen  Häuser 
1904,  952;  BZ  II,  fil  (Militärztg.  1902 
Nr.  32). 

Wulffert,  Friedrich,  Dr,  med.,  Sanitätsrat, 
Arzt  in  Berlin,  Förderer  d.  Enthaltsamkeits- 
bewegung, Begründer  d.  Berliner  Gesell- 
schaft abstinenter  Ärzte  u.  d.  Vereinigung 
abstinenter  Arzte  des  deutschen  Sprachge- 
bietes; •  Soest  (Westfalen)  31.  I.  1854; 
t  Berlin  5.  XI.  —  111.  Ztg.  119.  781;  Vir- 
chows Jahresberichte  37,  I,  429  (Pagel.  mit 
L:  Voss.  Ztg.  1902  November  8);  Lebens- 
lauf in  W.s  Dissertation:  Eine  neue  Form 
von  Mißbildung  der  Pupilla  nervi  optici. 
Bonn  1877. 

WüUner,  Franz,  Dr.  phil.,  Musikdirigent  u. 
Komponist,  städt.  Kapellmeister  u.  Direktor 
d.  Konservatoriums  in  Cöln;  *  Münster  i. 
W^  28. 1.  1832 ;  t  Braunfels  a.  d.  Lahn  7.  IX. 
—  111.  Ztg.  119,  385  u.  Nr.  2967  (10.  Mai 
1900:  mit  P);  Woche  4,  1720  (P);  Rie- 
mannS  1262;  Monatshefte  für  Musikgesch. 
35,  128  (Lüstner,  mitL);  BZ  10,  294.  11, 
327  (Signale  f.  d.  musikal.  W'elt  1902  Nr.  8  : 
M.  Steuer;  Musikal.  Wochenblatt  1902  Nr.  5 
u.  Die  Kultur  1902  Okt.  461:  O.  Neitzel; 
Die  Musik  1902,  II,  49:  P.  Hüler;  Neue 
Musikztg.  f  902  Nr.  2 1 :  K.  Wolff;  Nation 
19  Nr.  50:  H.  W^elti). 

Württemberg,  Margareta  Sophia  Herzogin 
V.:  s.  Margareta  Sophia. 


T29 


Totenliste  1902:  Wuest  —  Zindel. 


130 


\:i 


Wuest.  Direktor  d.  Gotthardbahn;  f  Luzem, 
59  Jahre  alt,  15.  II.  —  Woche  4  Nr.  8 
S.  VII. 

Yersin,  Albert,  Generaldirektor  d.  Schweizer. 
Volksbank  in  Bern;  *  Rougemont  (Kanton 
Bern)  1841 ;  f  Bern  8.  IX.  —  111.  Ztg.  1 19, 

423- 
Zahn,  Fritz,  Lehrer  und  Ehrenvorstand  des 

tjberpfälz.  Kreislehrervereins ;  *  Floß  (Ober- 
pfalz) 6.  III.  1829;  f  Regensburg  8.  IX.  — 
Sandner,  Taschenkalender  für  Lehrer  31 
(1905),  108  (M.  Z.  St.,  mit  P). 

Zakrzewska,  Marie  E.,  Frauenärztin  in  Boston, 
Begründerin  des  A'cw  England  Hospital  f. 
Frauen  und  Kinder;  ♦  Berlin  1829;  f  Ja- 
maika, Piain,  20.  V.  —  Virchows  Jahres- 
berichte 37,  I,  429  (Pagel,  mitL:  Medical 
Rccord  (y\   Nr.  21,  823). 

Zangemeister,  Karl  Friedrich  Wilhelm,  Dr, 
phil.,  Oberbibliothekar  u.  ordentl.  Honorar- 
professor an  d.  Universität  Heidelberg,  Mit- 
glied der  Akademie  d.  Wissenschaften  in 
Berlin  u.  d.  Zentralkommission  d.  K.  Deut- 
schen Archäolog.  Instituts  in  Rom,  klass. 
Philolog  u.  Epigraph;  *  Hallungen  (Sachsen- 
Koburg-Gotha)  28.  IX.  1837;  f  Heidelberg 
8.  VL  —  KL  23,  1605  (W).  25,  49;  111. 
Ztg.  1 18,  935;  Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Ober- 
rheins 57  (1903),  398  (Frankhauser,  L)  u. 
BZ  1 1,  330  (Neue  Heidelberger  Jahrbücher 
II,  144:  J.  Wille,  mit  P;  Korrespondenz- 
blatt d.  deutschen  Gcschichts-  u.  Altertums- 
vercine  50,  175:  Anthes;  Zentralblatt  für 
Bi})liotheks\vescn  1902,  436;  Phönix  1902, 

245). 
Zangemeister,    Otto,    sachsen-koburg-goth. 
L<indrat,  früher  Mitglied  d.  goth.  Landtags 
u.  Deutschen  Reichstags  (deutsch-freisinn.); 

*  Hallungen  (Sachsen-Koburg-Gotha)  16. 
IV.  1836;  t  Gotha  5.  V.  —  111.  Ztg.  118,  751. 

^Zangerle,  Joseph  A.,  Benediktiner,  Dichter; 

♦  Steeg  (Lechtal  in  Tirol)  19.  III.  1867; 
t  Gries  b.  Bozen  17.  IV.  —  BJ  VII,  145 
(F.  Brummer);  Brummer 5  4,  516. 

Zapf,  Josef,  Dichter  des  »Liedes  der  Ar- 
beit«; t  Wien  27.  I.  —  Woche  4,  228. 

*Zardetti,  Johann  Joseph  Friedrich  Otto, 
Dr,  tkeol.,  Domherr  v.  Santa  Maria  Mag- 
giore  in  Rom,  zeitweilig  Erzbischof  von 
Bukarest  u.  Metropolit  v.  Rumänien;  •  Ror- 
schach  24.  I.  1847;  t  Kom  10.  V.  —  BJ 
VII,  291  (F.  Lauchert);  Keiter-Jörg,  Kathol. 
Literaturkalender  6,  357  (W);  llieolog. 
Jahresbericht  22  (1902),  1442  (Nestle). 

Zauzil,  Karl,  k.  k.  Regicrungsrat,  Direktor  d. 
Staatsgewerbeschule  in  Graz;  "f*  daselbst, 
61  Jahre  alt,   12.  X.  —  111.  Ztg.  119,  618. 

Zechner,  Friedrich,  k.  k.  Sektionschef  im 
Österreich.  Ackerbauministerium,  Vorstand 
d.  Departements   f.  d.  administrativen  An- 

Biog-r.  Jahrbuch  u.  Deutscher  Nekrolog-.    7.  Bd. 


gelegenheiten  des  Bergbaus,  hervorragender 
Montanist;  f  Wien,  im  52.  Jahre,    10.  IV. 

—  111.  Ztg.  118,  585;  BZ  II,  330  (Ver- 
handlungen d.  k.  k.  geolog.  Reichsanstalt 
1902,  185). 

Zeller,  Ernst  Friedrich  v.,  k.  Württemberg. 
Obermedizinalrat,  vormals  Direktor  d.  Heil- 
u.  Pfleganstalt  Winnenthal,  Psychiater  u. 
Zoolog;  *  Stuttgart  2.  XII.  1830;  t  daselbst 
18.  IX.  —  Allgemeine  Ztschr.  f.  Psychiatrie 
60,301  (Lahr);  Leopoldina  38,  104  (Klun- 
zinger,  mit  W);  Korrespondenzblatt  des 
Württemberg,  ärztl.  Landes  Vereins  1902  Nr. 
44  (Kreuser,  mit  P);  Württemberg.  Jahr- 
bücher f.  Statistik  u.  Landeskunde  1902, 
IV  (H.irtmann,  mit  L);  BZ  ii,  331.  12, 
335  (Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterländ. 
Naturkunde  in  Württemberg  32/33,  XXXVI : 
C.  Klunzinger). 

Zeller,  Joh.,  Missionar  in  Nazareth  u.  Jeru- 
salem; f  Wernigerode,  71  Jahre  alt,  19.  II. 

—  Theolog.  Jahresbericht  22  (1902),  1442 
(Nestle,  mit  L). 

Ziegler,  v.,  k.  preuß.  Oberst,  Kommandeur 
der  Kriegsschule  zu  Potsdam;  f  daselbst 
22.  VIII.  —  Woche  4,  1624.   1630  (P). 

Ziegler,  Ernst,  Dichter  u.  Schriftsteller,  Chef- 
redakteur der  >W'iener  Mode«;  *  Stettin 
22.  XI.  1847;  t  VVien  24.  XL  —  KL  23, 
161 3  (W).  25,  49;  111.  Ztg.  120,  49;  Wurz- 
bach, Biograph.  Lexikon  d.  Kaisert.  Öster- 
reich  60,  59;    BrümmerS  4,  411   (mit  W). 

*Ziemssen,  Hugo  Wilhelm  v.,  Dr,  med.,  k. 
bayer.  Geheimer  Rat  u.  Obermedizinalrat, 
ordentl.  öffentl.  Professor  d.  speziellen  Pa- 
thologie u.  Therapie,  sowie  der  medizin. 
Klinik  an  d.  Universität  München,  Direktor 
d.  städt.  allgemeinen  Krankenhauses  links 
d.  Isar;  *  Greifswald  12.  XII.  1829;  t  Mün- 
chen 21.  I.  —  BJ  VII,  43  (M.  Neuburger); 
111.  Ztg.  118,  135.  157  (mit  P;  auch  Nr. 
2946  v.  14.  XII.  1899  mit  P):  Pagel  1899 
(mit  P);  Virchows  Jahresberichte  37, 1,  429 
(Pagel,  L);  BZ  10,  297  (L);  Chronik  der 
Univ.  München  1901/2,  11. 

Zimmermann,  Hermann,  Amtsgerichtsrat  in 
Schlüchtern,  Mitglied  d.  preufl.  Abgeord- 
netenhauses (freikonservativ) ;  *  Stadt  Lengs- 
feld (Sachsen- Weimar)  18.  XII.  1856;  f  i.X. 

—  Voss.  Ztg.  1902  Nr.  609  Beil.  2 ;  Kürsch- 
ner, Preuß.  Abg.-Haus   1894,  356  (mit  P). 

Zimmermann,  Lorenz,  früher  Domänen- 
pächter u.  Mitglied  d.  preuß.  Abgeordneten- 
hauses (freikonservativ);  f  Schlüchtern,  im 
80.  Jahre,  10.  (oder  8.?)  X.  —  Voss.  Ztg. 
1902  Nr.  609  Beil.  2;  Woche  4,  1937. 

Zindel,  Peter,  Architekt,  Erbauer  des  Rat- 
hauses zu  Essen,  bedeutender  Gotiker; 
t  Essen  1 7.  II.  —  111.  Ztg.  118,315;  Woche 
4  Nr.  8  S.  VII. 


131*- 


Totenliste  1902:  Zinsmeister —  Zoller.  —  Zu  Totenliste  1901. 


132* 


Zinsmeister,  Otto,  Dr,  med,,  Leiter  d.  I^n- 
deskrankenhauses  in  Troppau;  *  Ustron 
(Schlesien)  4.  IV.  1860;  f  Troppau  26.  VI. 
—  111.  Ztg.  119,  51;  Virchows  Jahresbe- 
richte 37,  I,  429  (Pagel,  mit  L)  u.  BZ  11, 
332  (Wiener  klin.  Wochenschrift  1902,705; 
R.  Chrobak). 

Zobel,  Johannes  Wolf  v.,  Geheimer  Rat  a. 
D.  im  k.  Sachs.  Ministerium  d.  Auswärtigen, 
früher  Legationssekretär  b.  d.  Bundestags- 
gesandtschaft in  Frankfurt  a.  M. ;  f  Dres- 
den, 74  Jahre  alt,  15. 1. —  Hl.  Ztg.  118,  135. 


Zoebl,  Anton,  Dr,,  Professor  d.  Landwirt- 
schaftslehre an  der  Techn.  Hochschule  in 
Brunn;  •  daselbst  6.  L  1852;  f  Wien  Ende 
Juni.  —  111.  Ztg.  119,  51;  Wurzbach,  Bio- 
graph. Lexikon  d.  Kaisert.  Österreich  60, 
224. 

*Zoller,  Edmund  v.,  k.  Württemberg.  Hof- 
bibliothekdirektor a.  D.,  Schriftsteller  und 
Übersetzer;  *  Stuttgart  20.  V.  1822;  f  da- 
selbst I.  IV.  —  BJ  VII,  96  (R.  Krauß); 
Woche  4,  638  (P). 


Zu  Totenliste  1901. 


BJ  VI,   III*  Zeile   13  v.  u.  lies: 
Univ.  Wien. 

BJ  VI,   112*  Zeile  15  v.  u.  lies: 

Weber,   Wilhelm,  Verleger  u.  Redakteur  d. 
»Kasseler  Allgem.  Ztg.c;  ♦  Alsfeld  6.  XII. 


1846;  f  Kassel  6.  VIII.  —  Mitteilung  von 
Dr.  Ph.  Losch. 

BJ  VI,  117*  Zeile  27  v.  u.  lies: 
Winter,    Wilhelm,   Bürgermeister   v.   Hom- 
berg  i.  H.  a.  D.;   f  Homberg  17.  IV.  — 
Mitteilung  von  Dr,  Ph.  Losch.