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Full text of "Blätter Für Gefängniskunde Bd 3.1868"

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NEW YORK PUBLIC LIBRARY 

PÜHCHASED FROJI FUND BEQUEATHED BY 

JANE DUGDALE 

IN MEMORY OF HER BROTHER 

RICHARD L. DUGDALE 
















































INDEXES 


Blätter 


für 


efängnisskimde» 




Organ des Vereins der Putschen Straf¬ 
anstaltsbeamten. 

Unter Mitwirkung des en g^ reu Vereins- 
Ausschusses r e'd i g i r t 

von 

G. Ekert, 

Dlrector des Zellengefängnisses ln Bruclisal, Präsident des Ausschusses des Vereins der 
deutschen Strafanstaltsbeamteu, Ehrenmitglied des schweizerischen Vereins für Straf- und 
Gefängnis« wegen, Ritter des k. sächsischen Albrecht-Ordens und des Ordens der 

württembergischen Krone. 


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Heidelberg. 

Universitäts-Buchhandlung von G. Weis! 

(Druck von L. Rodrian in Bruchsal.) 

1868. 










Inhalt des dritten Bandes. 


L Die Uebertragbarkeit des Irländischen Gefangnisssystems 
auf deutsche Verhältnisse. Von Frhr. v. Gross I 

. Die Lebertragbarkeit des Irländischen Gefängnisssystenis 
auf deutsche Verhältnisse. Von Director Elvers II 

. Die Strafanstalt für jugendliche Verbrecher in Schwab. 

Hall. Von Oberjustizassessor Jeitter . . jj 

. Verhandlungen der Versammlung des Vereins der deutschen 
Strafanstaltsbeamten in Dresden 3.-5. Sept. 1867 III u . IV 

1. Hauptversammlung . . Uj’ 

2. Hauptversammlung . . jy’ 

Inhaltsverzeichnis vom III. u. iy. Heft iy 

Die Gebrechen und Reform der Gefängnisse in Oesterreich. 

Von Wahlberg. , . . • y 

Einzelhaft und Isolirung. Von Schuck y* 

Karl Josef Anton Mittermaier. Nekrolog y 

. Vermischtes. I. S. 40. V. S. 349, insbesondere 

1. Ein Zuchthaus vor 100 Jahren . j 

2. Nothwendigkeit besonderer Verwahrungsorte für 

seelengestörte Verbrecher ~ r 

* * • • • 

3. Sparkassen der Aufseher 

4. Schutz vor der Cholera ... ' 

5. Desinfection .... I 

6. Fürsorge für jugendliche Strafgefargene 

7. Bekehrte Gauner ... j 

8. Die k. k. österreichische Strafanstalt Suben . . V. 

9. Unterricht in den k. k. österr. Strafanstalten . y. 

10. Jahresberichte . " 

11. Localverein zur Fürsorge für entlassene Strafgefan¬ 
gene in Breslau .... y 

ditto 

12. Schutzverein in Württemberg ... y 

13. Asyle für entlassene Sträflinge . y 

14. Zur Geschichte des deutschen Gaunerthums 1 y 

lo. Sterbecasse für niedere Diener v 

16. Ventilation . ' 


öS 

362 


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17. Vorarbeiten beim individualisirenden Strafvollzüge 


Seite * 


(aus Zwickau) .. 

V. 

399 

IX. Correspondenz. 

I. 

71 


tf 

V. 

364 


Insbesondere: 




Aufhebung der Strafschärfungen in Oesterreich 
Verhandlungen über Organisation des Gefängnisswesens 

V. 

364 


in Preussen bei dem Abgeordnetenhause 

Aufhebung der Todesstrafe und Strafschärfungen in 

V. 

365 


Sachsen 

V. 

372 


ditto 


392 


Abschaffung der körperlichen Züchtigung in Württemberg 

V. 

379 


Gefängnissverein in der Schweiz .... 

V. * 

381 

X. 

Literatur: 




a) für Gefängnissbeamte . . . I. 74. 

V. 

393 


b) „ Gefangene.I. 85. 

V. 

397 

XI. 

Personalnachrichten. 

V. 

405 

XII. 

Vereinsangelegenheiten. 

V. 

410 


XIII. Ein Separatheft mit besonderen Seitenzahlen S. 1—92 
enthält den Jahresbericht des Zellengefängnisses in 
Bruchsal für 1865. 


XIV. Ein Supplementheft' als Beilage zum III. Band enthält 
Nekrolog u. Grabredep^umGedächtnissMühlhäussers 
S. 1 bis 12 und Verzeichniss der Vereinsmitglie der 
S. I—XVI. 





/ 


Die Uebertragbarkeit des Irländischen 
Gofängnisssystems auf deutsche 
Verhältnisse. 

Von Oberappellationsgeriohtsrath Freiherrn v. Gross 
zu Jena, früherem Oberstaatsanwalt in Eisenach. 


Im Jahr 1865 unternahm ich eine Reise nach England 
und Irland. Bei dieser Gelegenheit habe ich es mir angelegen 
sein lassen, die Englischen sowohl, als die Irländischen Ge- 
fangnisseinrichtungen zu studiren. Namentlich die letzteren 
haben mich in hohem Grade befriedigt. Eine ausführliche 
Beschreibung der von mir besichtigten Irländischen Gefängnisse 
behalte ich mir für eine andere Arbeit vor und bemerke nur, 
dass ich Alles das bestätigt gefunden habe, was in den Be¬ 
schreibungen dieser Gefängnisse von Sir Walter Crofton, 
Miss Carpenter, von Holtzendorff und Anderen geschildert 
und dargestellt worden ist. Nicht genug rühmen kann ich 
auch die Freundlichkeit und Bereitwilligkeit, mit der der Di¬ 
rektor Captain Whitty mir die Strafanstalten gezeigt und alle 
Gelegenheiten zur Selbstbeobachtung erschlossen hat. Ganz 
; besonders hervorheben muss ich die Leistungen des Lehrers 
Mister Organ, dessen Schulstunden und Vorlesungen in der 
Zwischenanstalt Smithfield ich beigewohnt habe. 

I 



Mich beschäftigte nun vor Allem die Frage, ob und in 
welcher Weise das Irländische Gefangnisssystem auf die Ver¬ 
hältnisse meines Heimathsstaats, des Grossherzogthums Sachsen- 
Weimar übertragbar sei. In diesem Staate beschäftigte man 
sich nämlich gerade mit dem Bau und der Einrichtung einer 
neuen Strafanstalt und ich war Vorsitzender der Commission, 
die diese Angelegenheit zu bearbeiten hatte. Demnach nahmen 
meine Ideen über die bezeichnete Frage auch eine sehr be¬ 
stimmte Form an und dadurch entstanden die Entwürfe nebst 
Motiven, die ich im Nachstehenden den Lesern dieser Blätter 
zur geneigten und nachsichtigen Prüfung mittheile. Dabei 
bemerke ich, dass diese Entwürfe bis jetzt weder von der 
erwähnten Commission, noch von der Weimarischen Regierung 
ausdrücklich angenommen und gutgeheissen worden sind. 
Auch ist der Bau und die Einrichtung einer neuen Strafanstalt 
in Weimar in Folge der Zeitereignisse und finanzieller Schwie¬ 
rigkeiten aufgeschoben worden und vorläufig von der Tages¬ 
ordnung verschwunden. Das Nachfolgende ist daher nur als 
meine Privatarbeit zu betrachten und wird nur als solche ver¬ 
öffentlicht. Zu dieser Mittheilung veranlasst mich der Wunsch, 
in möglichst plastischer Weise und in der Anwendung auf 
konkrete Verhältnisse die Einführung des Irländischen Ge- 
fängnisssystems in einem deutschen Staat zu veranschaulichen. 
Dazu kommt die Erwägung, dass das in der Ueberschrift 
dieses Aufsatzes bezeichnete Thema jetzt allgemeines Interesse 
findet und im Grunde nur hn Hinblick auf bestimmte prak¬ 
tische Vorschläge und ihre Motivirung diskutirt werden kann. 
Mögen diese meine Vorschläge, wenn sie auch als vollkommen 
annehmbar nicht erscheinen sollten, doch geeignet sein, erfah¬ 
rene Praktiker zu Aeusserungen über dasselbe Thema zu 
veranlassen. 



I. 


Regeln 

für die Verfoüssung der Zuchthausstrafe. *) 


Allgemeine Bestimmungen. 

§ 1 . 

Die Zuchthausstrafe wird in verschiedenen Stufen ver¬ 
bögst, und die Zuchthaussträflinge werden daher in mehrere 
Klassen getheilt. Ihr Fortschritt von der niederen Klasse zur 
höheren hängt von dem guten Verhalten der Sträflinge ab. 
Wegen schlechten Verhaltens können die Sträflinge aus einer 
höheren Klasse wieder zurück in eine niedrigere versetzt werden. 

§ 2 . 

Die in § 1 erwähnten Klassen sind: 

1) die erste Klasse, oder die Klasse der Einzelhaft, 

2) die zweite Klasse, oder die der Gemeinschaftshaft, 

fl) die dritte, oder die Zwischenklasse, 

4) die vierte, oder die Beurlaubungsklasse. 

§ 3. 

Die ZuchthausSfräflinge werden bei Nacht sämmtlich in 
Einzelhaft gehalten. 

§ 4. 

Bei Vertheilung der Zellen unter die Sträflinge ist 
möglichst darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Zellen für 
jede Klasse auf einer besonderen Seite der Zuchthausbaulich¬ 
keiten zusammen liegen. 

*) Diese Regeln sollen ein Theil des Reglements für eine Straf¬ 
anstalt sein. Für ein Gesetz über die Art der Strafverbüssung würden 
sie Viel zu specieQ sein. 


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4 


§ 5. 

Jeder Zuchthaussträfling hat an dem für die Anstalt 
bestimmten Gottesdienst, sowie täglich Eine Stunde an dem 
einzurichtenden Schulunterricht Theil zu nehmen. Ist ein 
Sträfling schon so ausgebildet, dass der in der Anstalt gewährte 
Schulunterricht für ihn nicht passend sein würde, so ist er 
durch die Inspection von der Schule zu entbinden und hat 
die ihm hiedurch erübrigte Zeit unter Controle des Zuchthaus¬ 
inspectors mit Lektüre oder Selbststudium auszufüllen. 

§ 6 . 

Ein zum Tode Verurtheilter, dessen Strafe durch landes¬ 
herrliche Gnade in eine lebenslängliche Zuchthausstrafe um¬ 
gewandelt worden ist, verbüsst diese Strafe nur in der ersten 
oder Einzelhaftsklasse und kann nur durch einen besonderen 
Gnadenakt des Landesherm zu einer höheren Klasse zuge¬ 
lassen werden. 

§ 7 . 

Ein vom Gericht zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe 
Verurtheilter gelangt nur bis in die zweite Klasse, sofern 
nicht ein besonderer Gnadenakt des Landesherrn seine Ver¬ 
setzung in die Zwischenklasse oder in die Beurlaubungsklasse 
anordnet. 

§ 8 . 

Ein Zuchthaussträfling, dessen Bildung und Stand es mit 
sich bringen, dass die Gemeinschaft mit den übrigen Sträflingen 
für ihn eine ganz besondere Erschwerung der gesetzlichen 
Strafe sein würde, kann, nachdem er die erste oder Einzel¬ 
haftsklasse überstanden hat, darum bitten, dass er auch seine 
fernere Strafzeit in der Einzelhaft verbüssen dürfe. Ob die 
bezeichnete Voraussetzung vorliegt, entscheidet die Beamten¬ 
konferenz. Ein solcher Sträfling, der nur Kraft besonderer 
Vergünstigung in der Einzelhaft bleibt, trägt die besonderen 
Abzeichen der höheren Klassen und hat seiner Zeit Anspruch 
auf die diesen Klassen zustehenden Begünstigungen. 

§ 9. 

Muss ein Sträfling wegen Erkrankung in die Kranken¬ 
abtheilung versetzt werden, so ist ihm die in dieser Abtheilung 



— 5 


verbrachte Zeit zwar selbstverständlich auf seine Strafzeit 
anzurechnen, unterbricht aber nicht die Strafverbttssung in 
jeder Klasse. Vielmehr tritt der. Sträfling nach seiner Ge¬ 
nesung in derselben Klasse und unter denselben Voraus¬ 
setzungen wieder ein, die er bei seiner Erkrankung verlassen 
hat Von dieser Kegel kann nur bei besonders gutem Ver¬ 
halten des Sträflings von der Beamtenkonferenz eine — von 
derselben näher zu begränzende — Ausnahme zugelassen 
werden. 

§ 10 . 

Die Arbeitszeit für die Zuchthaussträflinge beträgt im 
Sommer, d. h. von Ostern bis Michaelis 12, im W inter 11 Stunden. 

Kein Zuchtbaussträfling hat rechtlichen Anspruch auf 
ganze oder theilweise Bezahlung seiner in der Strafanstalt 
zu leistenden Arbeit. Doch kann ihm als besondere Ver¬ 
günstigung und als Belohnung für sein Verhalten unter den 
noch zu bestimmenden Voraussetzungen eine besondere Ver¬ 
gütung zugebilligt werden. Diese Vergütung wird für den 
Sträfling von der Zuchthausinspection gesammelt und verwaltet. 
Wegen schlechten Verhaltens kann der Sträfling zum ganzen 
oder theilweisen Verlust seines gesammelten Verdienstes von 
der Beamtenkonferenz verurtheilt werden. 

Von der ersten oder der Einzelhaftsklasse. 

§ 11 . 

Jeder Zuchthaussträfling verbtisst das erste Viertheil 
Beiner Strafzeit in der ersten oder Einzelhaftsklasse, jedoch 
mit der Bestimmung, dass er mindestens 6 Monate und höch¬ 
stens 3 Jahre in dieser Klasse zu verbringen hat. , 

Die Sträflinge dieser Klasse sind auch während des 
Tages in ihrer Zelle zu halten. 

§ 12 . 

Wegen guten Verhaltens kann indess dem Sträfling durch 
Beschluss der Beamtenkonferenz V# derjenigen Zeit, die er 
nach § 11 in der Einzelhaft zu verbringen hat, erlassen wer¬ 
den. Dies hat nur die Wirkung, dass der Sträfling um so 
viel früher in die Gemeinschaftsklasse versetzt wird. 



6 


§ 13. 

Sträflinge, hinsichtlich deren es nach Ansicht des Arztes 
durch die Erfahreng sich herausstellt, dass das längere Ver¬ 
bleiben in der Einzelhaft erhebliche Gefahren für ihre körper¬ 
liche oder geistige Gesundheit herbeiführt, sind, falls die 
Beamtenkonferenz die Ansicht des Arztes naoh reiflicher Prü¬ 
fung für begründet erachtet, bei Tage ganz oder zeitweise 
in diejenigen Bäume zu bringen, in denen die Gemeinschafts- 
klasse arbeitet. Doch behält ein solcher Sträfling in der 
Gemeinschaft die Abzeichen der ersten Klasse und kann auch 
erst nach Ablauf der in § 11 und 12 gedachten Zeit der 
besonderen Vergünstigungen für die zweite Klasse theilhaftig 
werden. 

Auch ist ein solcher Sträfling so viel als möglich von 
denen der zweiten Klasse abgesondert zu halten und darf 
sich mit denselben nicht, wie es für die zweite KlaBse nach 
§ 24 gestattet ist, unterhalten. 

§ 14. 

Sträflinge der ersten Klasse tragen die gewöhnliche 
Gefangenentracht, jedoch mit einem Kragen von besonderer 
Farbe und ohne Abzeichen am Arm. 

§ 15. 

Sträflinge der ersten Klasse erhalten keine Vergütung 
für ihre Arbeit. 


§ 16. 

Sträflinge der ersten Klasse sind jeden Tag, sofern nicht 

die Witterung es durchaus verbietet, drei Viertelstunden lang 

zu Exercitien auf dem Gefangnisshof zuzulassen. Die In- 

spection bestimmt für jeden Sträfling, ob er in dem besonders 

eingerichteten Isolirhof oder mit den übrigen Sträflingen im 

freien Hof exerciren soll. Die nicht in den Isolirhof Ver- 
• 

wiesenen gehen einzeln und in einer Zwischenentfernung von 
6 Schritt im raschen Schritt umher. Dabei ist jedes Sprechen 
der Sträflinge unter einander verboten. 



7 


§ 17. 

Ueberhaupt ist jeder Versuch eines Sträflings der ersten 
Klasse, mit anderen Sträflingen in Verständigung zu treten, 
sei dies nun in der Schule und Kirche, soweit nicht der Untere 
rieht oder der Gottesdienst es erfordert, oder von der Zelle 
aus, oder beim Spaziergang, mit Disciplinarstrafen zu belegen. 

§ 18. 

Jeder Sträfling, der auch bei Tag in der Einzelhaft 
gehalten wird, soll im Laufe des Tages mindestens 2 Besuche 
Ton Anstaltsbeamten, Werkmeistern oder dem Geistlichen 
oder dem Arzt erhalten. Alle Anstaltsbeamten und Aufseher 
haben den geistigen und körperlichen Gesundheitszustand eines 
solchen Gefangenen besonders sorgfältig zu beobachten. 

§ 19. 

Sträflingen der ersten Klasse kann erst jedesmal nach 
Ablauf von 6 Monaten 1 Besuch von einem Angehörigen 
oder Freunde, der in der Dauer bis zu 20 Minuten und in 
Gegenwart eines Aufsehers in dem dafür bestimmten Lokal 
der Anstalt zu empfangen ist, von der Zuchthausinspection 
gestattet werden. 

§ 20 . 

Ebenso ist es Sträflingen dieser Klasse einmal beim 
Eintritt in die Anstalt, Und von da ab nur alle 6 Monate 
von der Inspection zu gestatten, dass sie Einen Brief an ihre 
Angehörigen schreiben und darauf eine briefliche Antwort 
erhalten. Nothwendige geschäftliche Communicationen können 
ausserdem von der Inspection zugelassen werden. 

Von der zweiten oder der Gemeinschaftsklasse. 

§ 21 . 

Sträflinge, welche die für die erste Stufe bestimmte Zeit 
überstanden haben, kommen in die zweite oder die Gemein¬ 
schaftsklasse und verbringen m derselben den Best ihrer Straf¬ 
zeit, sofern sie nicht den Voraussetzungen genügen, unter 
denen eine Versetzung in eine höhere Klasse nachgelassen 
ist Die zweite Klasse zerfällt in zwei Abtheilungen, deren 
Unterscheidungen in § 27 bestimmt werden. 



8 


§ 22 . 

Die Sträflinge der zweiten Klasse mit Ausnahme der 
in § 8 erwähnten, arbeiten im Lauf des Tages in Gemein¬ 
schaft mit anderen Sträflingen, aber nur innerhalb der Straf¬ 
anstalt, d. h. in den Höfen oder Arbeitsälen derselben und 
stets unter Aufsicht. 

Ihre Mahlzeiten nehmen sie, jeder in seiner Zelle, zu sich. 

§ 23. 

Die Sträflinge der zweiten Klasse haben, sofern es die 
Witterung nicht durchaus verbietet, sich täglich Eine Stunde 
in freier Luft zu bewegen. Sie gehen dabei in Reihen von 
3 oder 4 Mann und mit Zwischenräumen zwischen den ein¬ 
zelnen Reihen von 5 bis 6 Schritten. Die Nebeneinanderstellung 
der Sträflinge bei diesen Exercitien ist mit Rücksicht auf 
ihre Persönlichkeiten von dem Inspector für bestimmte Zeit¬ 
räume anzuordnen. 

Gefangenen, welche den ganzen Tag in freier Luft 
arbeiten, kann gestattet werden, dass sie sich statt der Exer- 
citien eine Stunde in ihrer Zelle beschäftigen. 

§ 24. 

Sträflinge der zweiten Klasse dürfen bei der Arbeit 
und bei ihren Exercitien sich mit ihren nächsten Nachbarn 
unterhalten, jedoch nur mit halblauter Stimme und soweit 
nicht sonstige Störungen des Dienstes dadurch herbeigeftihrt 
werden. 

Dagegen sind Versuche solcher Sträflinge, sich bei ande¬ 
ren Gelegenheiten, namentlich aus den Zellen heraus, bezüglich 
bei Nacht oder in der Schule oder Kirche mit anderen Sträf¬ 
lingen zu verständigen, mit £)isciplinarstrafen zu belegen. 

§ 25. 

Markensystem. 

Das Verhalten der Sträflinge der zweiten Klasse (mit 
Einschluss der in § 8 erwähnten) soll in einem dazu bestimm¬ 
ten von der Inspection zu führenden Buch nach 3 Gesichts¬ 
punkten in jedem Monat notirt werden. 



9 


1) In Bezog auf das Betragen der Sträflinge sollen Auf¬ 
zeichnungen gemacht werden, mit Rücksicht auf die von dem 
Sträfling bekundeten Beweise seines Gehorsams, seiner Willig¬ 
keit, Reinlichkeit, Ordnung, Regelmässigkeit, kurz in Bezug 
auf sein Beträgen im Allgemeinen. 

2) In Bezug auf das Verhalten des Sträflings in der 
Schule oder bei dem ihm nachgelassenen Selbststudium (§5) 
sind Aufzeichnungen zu machen, betreffend die Aufmerksam¬ 
keit, den Fleiss und das Streben des Sträflings, sich zu ver¬ 
vollkommnen. 

3) In Bezug auf die Arbeit des Sträflings sind Aufzeich¬ 
nungen zu machen, aus denen die Emsigkeit und Arbeitsam¬ 
keit des Sträflinge hervorgeht. Dabei soll die wirklich ge¬ 
leistete Arbeit nicht der einzige Massstab sein, sondern die 
Willigkeit und das Streben des Sträflings, die ihm gegebene 
Aufgabe zu lösen, sollen ebenfalls berücksichtigt werden. 

Die Aufzeichnungen in die Spalten für die erwähnten 
3 Gesichtspunkte sind für jeden Monat in folgenden Formen 
einzutragen: 

S. G. für sehr gut, 

G. für gut, 

Z. für zureichend, 

S. für schlecht, 

S. S. für sehr schlecht. 

Für jeden Eintrag von S. G. erhält der Sträfling 3 Mar¬ 
ken für gutes Verhalten. 

Für jeden Eintrag von G. erhält der Sträfling 2 Marken 
und für jeden Eintrag von Z. Eine Marke. 

Demnach kann der Sträfling der zweiten Klasse bei ganz 
exemplarischem Verhalten nach allen 3 Richtungen in jedem 
Monat 9 Zufriedenheitsmarken erwerben. 

§ 26. 

Beim Eintritt des Sträflings in die zweite Klasse ist zu¬ 
nächst von der Inspection die Zahl der Marken zu bestimmen, 
die er erwerben muss, um in eine höhere Klasse oder Ab¬ 
teilung versetzt zu werden. Dabei ist folgendermassen zu 
verfahren: 



10 


Für das Verbleiben in der zweiten Klasse soll die Zahl 
der zu erwerbenden Marken so bestimmt werden, dass der 
Sträfling durch fortgesetzte Erwerbung aller Marken in jedem 
Monat sein Verbleiben in der zweiten Klasse um diejenige 
Zeit abkürzen kann, die er in den beiden höheren Klassen 
unter den in § 28 und 38 angegebenen Voraussetzungen über¬ 
haupt zubringen darf (also Vs plus V« oder V» oder Vs Beiner 
Strafzeit) 

Von der so gewonnenen Markenzahl ist die Hälfte dem 
Sträfling als diejenige Zahl zu bezeichnen, durch deren Er¬ 
werbung er aus der ersten in die zweite Abtheilung der 
zweiten Klasse gelangt. Doch soll der Sträfling jedenfalls 
in den Stand gesetzt sein, die erste Abtheilung durch Erwer¬ 
bung von 324 Marken, also bei fortgesetzt gutem Verhalten 
in 3 Jahren, zu überwinden. 

(Eine rechnerische Erläuterung und Exemplificirung Über 
diese Bestimmung der erforderlichen Markenzahl bleibt einer 
besonderen Instruction Vorbehalten. Die Abrundung der sich 
dabei ergebenden Bruchtheile von Zeitabschnitten nach ganzen 
Wochen ist der Inspection zu überlassen.) 

§ 27. 

Die Sträflinge der zweiten Klasse tragen Abzeichen am 
Arm, aus denen zu ersehen ist, ob sie der ersten oder zweiten 
Abtheilung angehören. 

Der Unterschied zwischen beiden Abtheilungen tritt her¬ 
vor in Bezug auf folgende Vergünstigungen: 

A. Sträflinge der ersten Abtheilung können nur alle 
4 Monate, die der zweiten Abtheilung dagegen alle 3 Monate 
in der in § 19 und 20 bezeichneten Weise einen Besuch von 
Aussen erhalten und Einen Brief schreiben, bezüglich die 
Antwort auf denselben empfangen. 

B, Sträflinge der ersten Abtheilung können, wenn ihr 
Betragen gut ist und sie keine schlechte Note erhalten (25) 
wöchentlich eine Gratifikation von 2 Groschen bekommen; 
Sträflinge der zweiten Abtheilung unter denselben Voraus¬ 
setzungen eine Gratifikation von 4 Groschen, 



u 


Von diesem Verdienst dürfen nur die Sträflinge der 
zweiten Abtheilung die Hälfte, schon während sie noch in der 
Anstalt sind, dazu verwenden, sich bestimmte, näher za be¬ 
zeichnende Annehmlichkeiten and Genüsse za verch affen. 

C. Nur Sträflinge der zweiten Abtheilung erhalten Einmal 
in der Woche Ein Mass einfaches Bier und haben zum Früh¬ 
stück die Wahl zwischen Sappe und Kaffee. 

D. Auch haben nur Sträflinge der zweiten Abtheilung 
das Recht auf zweimalige Exercitien während des Sonntags. 

Von der dritten oder der Zwischenklasse. 


§ 28. 

Sträflinge sind zur Versetzung in die dritte Klasse wähl¬ 
bar, wenn sie: 

1) überhaupt zu einer Strafzeit von über 2 Jahren verar- 
theilt sind und mindestens 2 Jahre in den früheren Klassen 
zugebracht haben, 

2) in der zweiten Klasse die bestimmte Zahl von Marken 
(§ 26) erworben haben, 

3) nach Ermessen der Inspection nicht der Flucht ver¬ 
dächtig und auch sonst des entsprechenden Vertrauens wür¬ 
dig sind. 

Pie Zeit, welche sie noch in der Zwischenklasse zu ver¬ 
weilen haben, kann bis zu V« der ganzen Strafzeit, zu der 
die Sträflinge verurtheilt sind, bestimmt werden. Doch bleibt 
der Sträfling jedenfalls dann den Best seiner Strafzeit in der 
dritten Klasse, wenn er nicht in die vierte Klasse versetzt wird. 

§ 29. 

Sträflinge der Zwischenklasse gemessen vor denen der 
übrigen Klassen folgende Vergünstigungen: 

A. Sie tragen keine Sträflingskleider, sondern eine ihnen 
von der Anstalt zu liefernde Kleidung, welqhe der Tracht 
freier Arbeiter entspricht; 

B. Sie sind bei der Arbeit möglichst von den übrigen 
Sträflingen zn trennen; 

C. Sie nehmen ihre Mahlzeiten gemeinschaftlich ein; 



12 


D. Sie erhalten einen Ueberverdienst von wöchentlich 
10 Grofcchen, von dem sie die Hälfte schon, während sie noch 
in der Strafanstalt sind, fttr sich verwenden können; 

E. Ausser den der zweiten Abtheilung der zweiten Klasse 
nach § 27 zustehenden Begünstigungen in Bezug auf Ver¬ 
köstigung haben sie auch noch ein zweites Mal in der Woche 
Anspruch auf Ein Mass Bier, sowie 2 Mal in der Woche auf 
Fleischkost; 

F. Nur Sträflinge der Zwischenklasse aus dem Zuchthaus 
sind zu Arbeiten ausserhalb der Anstalts-Mauern zu verwenden; 

G. Nur den Sträflingen der Zwischenklasse sind solche 
Funktionen zu übertragen, die besonderes Vertrauen erheischen, 
z. B. die Dienste eines Calfaktors, Botengänge und Besor¬ 
gungen ausserhalb der Anstalt u, s. w.; 

H. Sträflinge dieser Klasse dürfen Briefe schreiben und 
empfangen, ohne dass die Zahl derselben beschränkt wäre. 
Einen Besuch von Aussen können sie Einmal im Monat empfan¬ 
gen und zwar in der Dauer von Vs Stunde und in dem hiezu 
bestimmten Lokal, jedoch ohne Aufsicht eines Beamten, wenn 
solche nicht aus besonderen Gründen (z. B. wegen Verschie¬ 
denheit der Geschlechter) von der Inspection für nöthig er¬ 
achtet wird;, 

J. Sträflinge dieser Klasse nehmen ihre Exercitien am 
Tag 1 Stunde, ohne die für die Sträflinge der anderen Klassen 
geordneten Beschränkungen; 

K. Bei der Arbeit, bei der Mahlzeit und bei ihren 
Exercitien ist den Sträflingen der Zwischenklasse unter ein¬ 
ander eine angemessene, d. h. nicht lärmende und den Dienst 
nicht störende Unterhaltung gestattet. 

Bei anderen Gelegenheiten und mit Sträflingen anderer 
Klassen ist ihnen eine Unterhaltung bei Strafe verboten. 

L. Sträflinge dieser Klasse dürfen unter Controle und 
mit Genehmigung der Anstaltsbeamten von ihren Angehörigen 
einzelne Lebensmittel in Natura empfangen. 

§ 30. 

Die in dem Reglement erwähnten schwereren Dis- 
ciplinarstrafen werden gegen Sträflinge der Zwischenklasse 



18 


nicht erkannt. Wohl aber sind dieselben wegen jedes schwere* 
ren Disciplinarvergehens in die zweite Klasse zurückznversetzen. 

§ 31 v 

Die Sträflinge der Zwischenklassen des Zuchthauses und 
des Arbeitshauses können nach Umständen bei der Arbeit, 
beim Schulunterricht, bei den Exercitien und bei der Mahl¬ 
zeit vereinigt werden. 

Von der vierten oder der Beurlaubungsklasse. 

§ 32. 

Sträflinge der Zwischenklasse, sofern sie überhaupt zu 
einer Strafzeit von über 3 Jahren verurtheilt waren und min¬ 
destens 3 Jahre in den früheren Klassen zugebracht haben, 
können in die vierte oder die Beurlaubungsklasse versetzt 
werden, wenn ihr Betragen während ihrer Strafzeit ein aus¬ 
gezeichnet gutes gewesen ist, eine eingetretene Besserung 
derselben angenommen und ihnen in Bezug auf ihr zukünf¬ 
tiges Verhalten Vertrauen geschenkt werden kann. 

Unter diesen Voraussetzungen hat die Beamtenkonferenz 
die Beurlaubung des Sträflings zu befürworten und das Staats- 
ministerium, Departement der Justiz, nach erstattetem Vortrag 
an den Landesherrn, auf diesen Antrag das Geeignete zu 
verfügen. 

§ 33. 

Die Beurlaubung wird bis zum Betrag derjenigen Zeit 
gewährt, welche der Sträfling bei dem Durchgang durch 
frühere Klassen erübrigt hat (§ 12, 26 und 28). Sie bildet 
den Schluss der Strafverbüssung und kann bei Verurtheilungen 
über 3 bis zu 6 Jahren höchstens auf eine Zeit bis zu Vis 
der ganzen Strafzeit, zu der der Sträfling verurtheilt war, bei 
Verurtheilungen zu 6 bis 12 Jahren bis zu %, und bei Ver- 
urtheilungen zu 12 Jahren und darüber bis zu Ve der Straf¬ 
zeit nachgelassen werden. 

§ 34. 

Der in die vierte Klasse versetzte Sträfling kann den 
Best seiner Strafzeit in irgend einem Orte des Inlands, in 



- i4 - 

dem er einen ehrlichen Erwerb seines Lebensunterhalts finden 
kann, zubringen. 

Während seiner Urlaubszeit steht er unter dem Schutz 
und der Aufsicht der Strafanstalts-Verwaltung. Diese Ver¬ 
waltung wird ihn mit ihrem Rath unterstützen und ihm, falls 
er Empfehlung verdient, bei Aufsuchung von Arbeitsgelegen¬ 
heiten behülflich sein. 

Ebenso wird die gedachte Verwaltung den beurlaubten 
Sträfling hinsichtlich seines Lebenswandels in einer für dessen 
Fortkommen nicht schädlichen Weise beaufsichtigen lassen. 
Jede Veränderung seines Aufenthalts hat der beurlaubte Sträf¬ 
ling der Zuchthausverwaltung anzuzeigen. 

Zur Gewährung dieses Schutzes und zur Handhabung 
dieser Aufsicht hat die Zuchthausverwaltung, soweit sie nicht 
selbst diese Funktion versehen kann, die Polizeibehörden und 
Gendarmen als ihre Organe zu verwenden. Diese Beamten 
haben den entsprechenden Requisitionen der Zuchthausver- 
waltung Folge zu leisten und sind besonders zu instruiren, 
dass sie in einer zwar strengen, aber für den Sträfling wohl¬ 
wollenden Weise diese Aufsicht üben. 

Entweder bei der Strafanstaltsinspection oder bei der¬ 
jenigen Polizeibehörde, die ihm bezeichnet werden wird, hat 
sich der beurlaubte Sträfling jedesmal am 1. des Monats per¬ 
sönlich zu melden und dort über seine Beschäftigung und 
seine Subsistenz Auskunft zu geben. 

§ 35. 

Sträflinge der Urlaubsklasse erhalten in der Regel erst 
nach vollkommen abgelaufener Strafzeit ihren von der Zucht¬ 
hausverwaltung gesammelten Verdienst. Doch kann ihnen der¬ 
selbe nach Ermessen der Inspection auch schon früher ganz 
oder theiiweis ausgezahlt werden, wenn und soweit sie zur 
Begründung ihres Fortkommens Geld bedürfen. 

§ 36 . 

Der Urlaubspase, den der Sträfling erhält, soll durch 
Beschlust der Beamtenkonferenz unbedingt- widerrufen werde*: 



— IS — 

A. wenn der Beurlaubte wegen eines neuen Verbrechens 
in den Anklagestand versetzt und noch nicht von dieser Anklage 
freigesprochen worden ist, 

B. auch ausserdem wegen schlechten Betragens des Be¬ 
urlaubten, namentlich wenn derselbe mit notorisch Übel be¬ 
leumundeten Personen näheren Umgang pflegt, wenn er ein 
faules und lüderliohes Leben führt, wenn er ersichtlich keinen 
redlichen Nahrungserwerb hat. 

Ein aus der Beurlaubung wieder eingezogener Sträfling 
tritt zunächst in die zweite Abtheilung der zweiten Klasse ein 
und kann zur Verbüssnng des nach Abrechnung des schon 
benutzten Urlaubs noch übrig bleibenden Rests seiner Straf¬ 
zeit angehalten werden. 


II. 

Motive 

za dem Entwurf der Kegeln für die Verbüssnng 
der Zuchthausstrafe. 


WWVA<WA/ r 

Unsere Aufgabe, für die Regeln der Verbüssung der 
Zuchthausstrafe einen Entwurf auszuarbeiten, legt uns zunächst 
die Nothwendigkeit auf, unter den verschiedenen Systemen 
der Strafverbtissung eines oder das andere, als das zweck- 
mässigste zu adoptiren. 

Bei Redigirung unserer Vorschläge konnten wir nun 
zwar von einer Reiha von Systemen, als überwundenen Stand¬ 
punkten völlig absehen, z. B. von dem alten Socialsystem, 
von dem Schweig- und Classifikationssystem; hinsichtlich zweier 
Systeme glauben wir aber, es kurz motiviren zu müssen, 
warum wir keins derselben unserem Entwürfe zu Grunde 
gelegt haben* 



16 


1) Wir nennen hier zunächst das System der vollständig 
durchgeführten, die ganze Strafdauer erschöpfenden Einzelhaft, 
wie es von Suringar, Ducpetiaux, Füesslin, Varrentrapp und 
Böder vertreten wird. 

Es wird in der Geschichte des Gefängnisswesens stets 
anerkannt werden müssen, dass der Anstoss zu den grossen 
Beformen der Gefängnisse in diesem Jahrhundert hauptsäch¬ 
lich von den Anhängern des Prinzips der Einzelhaft gegeben 
worden ist. Auch die positiven Leistungen, die durch Ein¬ 
führung der Einzelhaft für das Gefangnisswesen mehrerer 
Staaten verwirklicht worden sind, verdienen gewiss gerechte 
Anerkennung. Indessen hat die Erfahrung doch gezeigt, dass 
die Einzelhaft, namentlich für längere Freiheitsstrafen, nicht 
die einzige Form der Strafverbüssung sein darf. Die Ab¬ 
schliessung von jeder Gemeinschaft, als deren Zweck die Fern¬ 
haltung der bösen Anregungen, die dem Gefangenen von 
seinen Gefängnissgeuossen kommen können, betrachtet werden 
muss, ist ein blos negatives und präventives Princip und vermag 
allein nicht zu genügen, nicht einmal um alles Böse fern zu 
halten, das ja auch aus dem eignen Herzen des Gefangenen 
kommen kann, und • noch weniger, um positiv den Gefangenen 
zur Besserung zu führen. Die Besserung liegt auch nicht blos 
in der Beue über das Begangene, oder gar in einer gewissen 
Zerknirschung; sondern sie erheischt vor Allem die Entwick¬ 
lung einer gewissen Widerstandsfähigkeit gegen solche Ver¬ 
suchungen, die voraussichtlich der Gefangene nach seiner 
Entlassung bei seiner Bückkehr in diejenige Gesellschaftsklasse, 
der er überhaupt angehört, zu bestehen haben wird. Eine 
solche Widerstandsfähigkeit wird aber durch blosses zeitweises 
Fernhalten jeder Versuchung in der Zelle nicht entwickelt 
und noch weniger werden in der windstillen Gefängnisszucht 
der Einsamkeit der Charakter und die Willenskraft des Sträf¬ 
lings so gestärkt, dass er wohlgerüstet aus der Zelle wieder 
in's Leben treten kann. 

2) Vielfach empfohlen wird uns neuerdings ein gemisch¬ 
tes System der Strafverbüssung, das auf einer Combinirung 
der Einzelhaft und der Gemeinschaft in derselben Strafanstalt 
beruht und bei welchem die Entscheidung, ob der Sträfling 



der Eisen oder der anderen Haftart unterworfen werden soll, 
dem freien Ermessen der Anstaltsdirection überlassen ist, welche 
dabei zu wählen hat, welche Strafart für jede Persönlichkeit 
and jeden Charakter das Geeignete sein möehte. Dieses 
System der freien Individualisirung durch die Strafanstalt^ 
direction müssen wir auf das Entschiedenste bekämpfen. Das¬ 
selbe stellt der Anstaltsdirection eine Aufgabe, welcher Men¬ 
schen — selbst hochgebildete und mit grossem psychologischem 
Kennerblick begabte Menschen — selten gewachsen sein wer¬ 
den, and verleiht zugleich dieser Direction eine grosse Machtr 
Sphäre, die, eben weil objective Entscheidungsnormen hier so 
schwer aufzustellen i und anzuwenden sind — nothwendig zur 
Willkür und zu Missgriffen verleiten muss« Für die Anwen¬ 
dung der verschiedenen Haftarten muss vielmehr eine bestimmte 
Kegel gegeben sein, und nur, felis die einzelne Persönlichkeit unter 
dieser Regel absolut leidet und nicht Unter dieselbe passt, wollen 
vir der Direction gestatten, dass sie Ausnahmen zulasae. Also 
nur für die Ausnahmen, nicht für die Regel, halten wir das 
Princip der Individualisirung in einer Strafanstalt für angemessen. 

Durch das Vorstehende soll die Autorität de« Anstalts- 
directors und seine Freiheit der Bewegung innerhalb gewisser 
Schranken durchaus nicht angefochten werden, wohl aber die 
Gedanken Verwirrung, die darin liegt, dass man das ganze 
Princip der Strafverbüssung und die Entscheidung der grossen 
Zeitfrage, ob und inwieweit bei derselben die Einzelhaft aü- 
gewendet werden soll, lediglich von dem snbjectiven Ermessen 
von Persönlichkeiten abhängig machen will. Diese Persön¬ 
lichkeiten mag maju sich immerhin als ausgezeichnete vorstellen; 
aber unter den ausgezeichneten Kennern des Gefängnisswesens 
herrschen nun einmal sehr, verschiedene Ansichten über die 
beste Art der Strafverbüssung. Ein ausgezeichneter Anhänger 
Obermaiers würde z. B. sofort alle Gefangene aus, den Zellen 
in die Gemeinschaftssäle versetzen; ein ausgezeichneter An¬ 
hänger der strongen Isolirung Würde dagegen die Einzelhaft 
für die ganze Strafzeit zu Grunde legen. Soll eine Regie¬ 
rung ihrer Pflicht, die obersten Principien der Strafverbüssung 
feztzustellen, sich dadnreh entschlagen, dass sie Alles dem 
Ermessen noch dazu wechselnder Persönlichkeiten überlässt? 



13 


Wir wenden uns nun zu einer Charakterisirung des¬ 
jenigen Systems der Strafverbüssung, dessen Adoptirung wir 
Vorschlägen. Wir nennen dasselbe das Progressiv¬ 
system; es beruht auf dem Princip des graduirten Strafvoll¬ 
zugs, der von Einzelhaft zur Freiheit durch Gemeinschaft 
der Gefangenen, bedingte Entlassung und Schutzaufsicht hin¬ 
durch zu leiten ist. Die Grundgedanken dieses Systems ge¬ 
statten wir uns in Folgendem näher zu entwickeln. 

Der Zweck der Strafe ist zwar nur der der Repression 
und der Vergeltung einer begangenen Missethai Die Pflicht 
des Staats, bei dem Strafvollzug auf die Besserung der Ge¬ 
fangenen und jedenfalls auf die Erhaltung ihrer Sittlichkeit 
Bedacht zu nehmen, correspondirt aber als nothwendige Er¬ 
gänzung dem Strafrecht des Staats, welches — losgelöst von 
dieser Pflicht, seine sittliche Grundlage verlieren würde» 

* Wer aber systematisch bessern will, muss nothwendig 
der sittlichen Natur der Menschen Rechnung tragen. Einer 
der am meisten hervortretenden Züge dieser Natur ist der, 
dass die Idee des Guten nur dadurch zu ihrer Verwirklichung 
gelangt, wenn sie sich darstellt als die Anwendung der eignen 
moralischen Kraft des Menschen, durch welche er im Ange¬ 
sicht von Versuchungen zum Bösen, das Böse durch das Gute 
überwindet. 

Die Erziehung, welche die regelmässige Anwendung 
einer solchen moralischen Kraft lehren und entwickeln soll, 
setzt nothwendig eine stufenweise Loslösung vo^ den Fesseln 
des duldenden Gehorsams voraus und folglich auch eine fort¬ 
schreitende Einräumung eines Maasses von Freiheit. Diese 
Erziehung musB also in den Gefängnissen bestehen in einem 
nach den Fähigkeiten des Gefangenen bemessenen Uebergange 
von dem Zustande zwangsweiser Duldung zu demjenigen selbst 
gewollter moralischer Thätigkeit bei dem Gebrauch der Freiheit. 

Dieses Ziel lässt sich aber bei lang dauernden Freiheits¬ 
strafen nicht erreichen durch eine rein passive Freiheitsbe¬ 
schränkung z. B. die Einzelhaft^ deren Princip die Entfernung 
der Ansteckung und Versuchung zum Bösen ist. 

Ebenso wird aber auch dieses Ziel verfehlt, wenn man 
moralisch ohmnächtige Menschen ohne Vorbereitung und Vor' 



19 


sicht den Verführungen der verderbten Genossensehtftliehkeit 
in Collektiv-Gefangnissen anssetzt. 

Wohl aber muss man sieh zur Erziehung der Gefangenen 
der Vortheile jeder der beiden Haftarteo bedienen, um «Ke 
Mängel der anderen auseugleichen. Man muss ent durch 
die einsame Zellenhaft den Willen des Sträflings zur Unter“ 
verfang bringen und moralische Vorstellungen in ihm hervor“ 
rufen. Dann muss man dem Sträfling ein gewisses Maas von 
Freiheit geben, in dem er in der. Mitte der Gefahren der 
Verbrechergemeinschaft durch seine wachgerufene moralische 
Kraft den Versuchungen begegnen kann. Eines der stärksten 
Motive bei diesem Kampfe ist gewiss die <ra erweckende Hofl* 
rang, dass der Sträfling durch seinen ehrlich gebrauchten 
Widerstand gegen solche Versuchungen seine Lage verbessern 
und sogar sedije Strafzeit abkürzen werde. 

Jn allen fortschreitenden Perioden dieser erziehenden 
Strafe müssen nun vor allem die positiven Faktoren der Besse“ 
rang in Tbätigkeit gerufen werden. Religiöse Erhebung, An¬ 
regung des Geistes zu neuen, ihn erfüllenden Ideen durch 
einen zweckmässig organisirten Unterricht; die Befriedigung, 
welche die pflichtmässig geleistete Arbeit giebt u. s. w. Alles 
das muss Zusammenwirken, um aus dem Gefangenen einen 
Menschen zu machen, der durch allmßhliges heranbildendes 
Entgegenführen zur Freiheit, schliesslich hur vollen Freiheit 
&lrig geworden ist *) 

Alle diese Principieu führen nun dahin, dass eine org sy¬ 
rische Verbindung, nicht bloss eine äusserüche Nebeneinan- 
dereteltung zwischen der Einzelhaft, der Gememsebaftshaft 
und einer Zwischenstufe, die den Uebergang zur Freiheit 
bildet, in der Strafverbaesuirg erstrebt werden soll. 1 

Es ist bekannt, dass das eben charäkterisirto Progressiv* 
System zuerst in Irland unter der Leitung des sehr ausge¬ 
zeichneten «Sir Walter Groftoa in grösserem-Massstsfee 'setne 
Verwirklichung gefunden hat. 

Wir haben es uns nun durch das Studium der einöchlu¬ 
genden Literatur, durch Beobachtung das Irländischen Ge* 

*) Vergl. eine nähere Entwicklung dieser Principien in: Van der 
Brugghen, Etudes sttr le Systeme pänitentiaire Irlandais. pag. 295 ff. 

2 * 



20 


fängnisswösens an Ort und Stelle und durch mündliche Dis- 
kutiruug der in Betracht kommenden Fragen mit ausgezeich¬ 
neten Praktikern, namentlich Gefangnissdirektoren in England 
und Irland, es angelegen sein lassen, die Frage zu studiren, 
oh und inwieweit das Irische Gefangnisssystem auf die Ver¬ 
hältnisse unseres kleinen deutschen Staates übertragen werden 
könne. Das Resultat dieser unserer Studien ist die Ueber- 
zeugung, .dass von einer blossen Nachahmung des Irländischen 
Gefangnisswesens hei uns nicht die Rede sein könne und 
dürfe, dass vielmehr nur eine sehr freie Uebertragung der 
Grundgedanken dieses Systems möglich sei. Diese Ueber¬ 
tragung der wesentlichsten Principien, verbunden mit einer 
selbstschöpferischen Verwirklichung derselben in neuen, zu 
pnseren Verhältnissen passenden Formen glauben wir aber 
auch als die beste Lösung der unserem Staat in Bezug auf 
das Gefangnisswesen jetzt gestellten Aufgabe unbedingt empfeh¬ 
len zu müssen. 

Um dies näher zu begründen, bezeichnen wir zunächst 
folgende wesentliche Verhältnisse und äussere Einrichtungen 
in Irland, die wir nicht übertragen können und wollen: 

1) , Der , Irländische Züchtling verbüsst seine Strafe in 
3 verspbiedenen, räumlich getrennten Strafanstalten; er über¬ 
steht'die Stufe der Einzelhaft in dem Gefangniss Mountjoy in 
Dublin; die zweite Stufe auf der Insel Spike bei Kork und 
die dritte in den Zwischenanstalten Lusk (15 Meilen von 
Dublin) oder Shmithfield (in Dublin). 

Wir aber in unserem Staat können nicht 3 Strafanstalten 
bauen I sondern nur eine Einzige. Selbst eine besondere 
Zwischenanstalt zu bauen — obwohl die dazu nöthigen Ge¬ 
bäude keineswegs kostspielig sein würden — würde für uns 
jedenfalls unpraktisch sein. 

2) Das zweite Stadium der Irischen Strafverbüssung 
besteht für die meisten Sträflinge als Regel in der Verwen¬ 
dung des Sträflings zu harten öffentlichen Arbeiten im Interesse 
des Staats. Die Züchtlinge bauen auf Spike Festungswerke, 
ebenso wie die Englischen Sträflinge in Chatam und Portland 
Schiffsbauwerften und Hafenwerke erbauen. Dass auf diese 
Weise die Kraft des Sträflings für den Staat besonders nutzbar 



21 


gemacht wird, ist ein Gesichtspunkt, der für England and 
Irland bei Einrichtung dieses Strafstadiums gewiss ebenso 
massgebend ist, als die Rücksicht auf irgend eine Theorie 
über Geföngnisswesen. 

Wir in unserem kleinen Staat haben nun weder Festun : 
gen noch Häfen zu bauen und nicht einmal grössere Haiden 
zu kultiviren oder Sümpfe auszutrocknen. Wir haben über*- 
haupt keine öffentlichen Arbeiten in grösserem Umfang fttf 
unseren Staat herstellen zu lassen und am wenigsten Arbeiten, 
die voraussichtlich in so langer Dauer sich an ein und dieselbe 
Gegend binden Hessen, dass die Erbauung eines Zuchthauses 
in dieser Gegend sich lohnte. 

Dies ergiebt, dass das zweite Stadium der Zuchthaus¬ 
strafe bei uns wesentlich anders eingerichtet werden müsse, 
als dies in Irland geschehen ist. Wir wollen indess hier 
gleich einschalten, dass wir dies für einen Vortheil halten, da 
die Organisation dieses zweiten Stadiums der Strafknechtschaft 
in England und Irland wohl der schwächste Theil der dortigen 
Gefangnisseinrichtungen sein dürfte. 

8) Das Minimum der Zeit für die Straf kn echtschaft in 
Irland und England betrug bis 1865 3 Jahre, seitdem aber 
5 Jahre, und gegen jeden Rückfälligen in Bezug auf eine 
Colonie 7 Jahre. Die dort erkannten Strafen sind überhaupt 
regelmässig bei Weitem härter, als diejenigen, die nach unse-r 
rem — vielleicht dem mildesten von allen in Europa Thü¬ 
ringischen Strafgesetzbuch erkannt werden. Unsere schwerste 
Freiheitsstrafe, die Zuchthausstrafe, wird in einem Minimum 
von 1 Jahr erkannt und kann von da bis zur lebenslänglichen 
Verhängung steigen. Es ist nun aber klar, dass zu einem 
organischen Strafabstufungsprozess, der mit einem zu erwarten¬ 
den Besserungsprozess Hand in Hand gehen soll, ein gewisses 
Minimum von Zeit gehört und dass Strafen mit einer Dauer 
zwischen 1—3 Jahren zu kurz sind, um alle die in Frage 
kommenden Abstufungen zuzulassen. Es, müssen also bei 
una jedenfalls für die kürzeren Zuchthausstrafen Modifikationen 
der allgemeinen Grundgedanken des Systems eintreten, 

4) In England und auch in Irland besteht eine grosse 
Klasse gewerbsmässiger Verbrecher, welche in mehr oder 



22 


Weuiger organirirter Verbindung ihren Lebenserwerb durch 
Verbrechen Buchen. Wir dagegen haben zwar vielleicht bis 
za 5 Procent unserer Züchtlinge einige Gewohnheitsdiebe. 
Iüi Allgemeinen sind aber unsere Verbrecher gegen die Eng* 
lischen undlriändiachennur Gelegenheits-Sünder und Dilettanten. 

8) Unsere Volksbildung ist eine wesentlich verschiedene 
von der in England und Irland. Wir haben fast keine Zückt- 
Hffltge,. die nicht lesen, schreiben und reobnen können. Da¬ 
gegen ist wiederum die Energie des Charakters und also 
auch die Widerstandsfähigkeit gegen Versuchungen bei unseren 
Gefangenen noch weit mehr, als bei denen in Grossbritannien 
der Entwicklung und Stärkung bedürftig. 

6) Zu alledem kommt, dass unsere Verhältnisse doch 
bedeutend beschränkter sind, als die Irländischen, indem wir 
in den beiden auf einem Hof zu bauenden Strafanstalten zu¬ 
sammen nur auf durchschnittlich 250 Gefangene rechnen können. 

Dies sind die wesentlichsten Verschiedenheiten, die zwischen 
unseren, und den Irländischen Verhältnissen obwalten. Wir 
wiederholen aber unseren. Ausspruch, dass diese Verschieden¬ 
heiten zwar bedeutende Modifikationen in der Ausführung 
erheischen, aber eine Verwirklichung der auf grossen antro¬ 
pologischen und psychologischen Wahrheiten beruhenden Grund- 
principien des Systems in selbstständigen Formen nicht un¬ 
möglich erscheinen lassen. 

In welcher Weise wir nun die Verwirklichung zunächst 
in Beziehung auf die Anwendung der Zuchthausstrafe für 
rathsam halten, das wolle man aus den Paragraphen des vor¬ 
stehenden Entwurfs ersehen. 

Zu den einzelnen Vorschlägen knüpfen wir nun unsere 
Motivirung an die einzelnen Capitel und Paragraphen. 

Zu § 5 der allgemeinen Bestimmungen. 

Mit Rücksicht auf die Bildung unseres Volks wird der 
einzurichtende Unterricht nur für wenige Individuen ein Ele- 
• mentarunterricht sein können und wird im Allgemeinen dem¬ 
jenigen Unterricht, der in Fortbildung*- und Gewerkenschulen 
gegeben wird, analog eingerichtet werden müssen. In Irland 
wirken namentlich auch Vorlesungen über Geographie und 



23 


über national-ökonomische Themata sehr anregend. Da die 
Gefangenen nicht wohl über 11 bis 12 Stunden täglich arbei¬ 
ten können und 2 Stünden auf Exercitien und Mahlzeiten 
gerechnet werden müssen, so bleiben immer noch mehrere 
Standen des Tags für sie übrig, in denen man sie am wenigsten 
einem dumpfen Hinbrüten überlassen darf, ln einer Stunde 
von dieser Zeit soll man durch den Unterricht ihrem Geiste 
neue Ideen zuführen, dadurch ihren Blick und ihre Interessen 
erweitern und ihrem Denken und Streben eine andere Bich- 
tnng geben. 

Durch den Unterricht für die Gefangenen wird in Irland 
sehr viel geleistet und einen grossen Theil seiner glänzenden 
Erfolge verdankt das dortige Gefangnisswesen den bei den 
Strafanstalten angestellten Lehrern. 

Zu § 8 — § 13. 

Die in diesen Paragraphen gestatteten Ausnahmen sind 
diejenigen Einräumungen* die wir im Zuchthaus dem Princip 
der freien Individual iairung gewähren wollen. 

Der Begriff dieser Individualisirung bedarf überhaupt 
einer sehr genauen Bestimmung, da in der Literatur .wie in 
der Praxis das Aller-Verschiedenste unter diesen Begriff ge¬ 
kracht wird. Für Viele ist ja auch das Wort: „Individuali¬ 
st en“ eben nur ein Wort, wie es sich einstellt, wo Begriffe 
fehlen. 

Zu den Bestimmungen über die Einzelhaftsklasse. 

» 

Zu § 11. 

Hier tritt eine Verschiedenheit zwischen unseren Vor¬ 
schlägen und den Englisch-Irländischen Einrichtungen zu Tage, 
die nicht auf der Verschiedenheit der lokalen und nationalen 
Verhältnisse, sondern auf anderen Gründen beruht. 

In England und. Irland muss der Sträfling in der Hegel 
9 Monate und bei besonders gutem Verhalten nur 8 Monate 
in dem Stadium der Einzelhaft zubringen. 

In Irland lässt man die ersten 4 Monate dieser Zeit 
dadurch sehr intensiv wirken, dass man dem Sträfling eine 
®teressantere Arbeit versagt und ihn nur Werg zupfen lässt. 



24 


Diese einförmige und den Geist gar nicht beschäftigende 
Arbeit soll ihn um so geneigter machen, Reue zu empfinden 
und in sich zu gehen. Dabei gibt man in dieser Zeit dem 
Isolirten keine Fleischkost, sondern 2 mal in der Woche Suppe 
und 5 mal Brod mit Milch zu Mittag. 

In England dagegen lässt man jeden Isolirten von An¬ 
fang an in einem Handwerk arbeiten. Kann er ein solches 
nicht von Haus aus, so lernt er die Anfangsgründe des einen 
oder des andern — ein Studium, das der Anstalt viel Mater iah 
kostet und nachher verloren ist, weil ein solcher Sträfling in 
den ferneren Strafstadien nicht mit diesem Handwerk, sondern 
mit öffentlichen Arbeiten beschäftigt wird. Die Kost ist gerade 
in dem ersten Strafstadium in England eine besonders reich¬ 
liche, weil die ersten medicinischen Autoritäten dieses Landes 
erklärt haben sollen, das Gehirn des Isolirten müsse noth- 
wendig Schaden leiden, wenn er nicht reichliche Kost und 
namentlich mindestens 4mal Fleischkost in der Woche erhalte. 

So verschieden nun in der fraglichen Beziehung di« 
Englischen und Irländischen Einrichtungen sind, so stimmei 
sie doch darin überein, dass die Isolirung gerade 8—9 Monate 
dauert. Es ist ein förmliches Dogma für die dortigen Fach¬ 
männer, dass diese Zeit im Durchschnitt gerade die geeignet 
sei, um die heilsamen Wirkungen der Isolirung zu erzieltn 
und dass ein Ueberschreiten dieser Zeit die geistige Gesund¬ 
heit des Sträflings in Gefahr bringe. 

Dieses Dogma verwerfen wir. In Irland hat man das¬ 
selbe lediglich aus der Englischen Praxis adoptirt und keine 
eignen Experimente mit Isolirungen für längere Zeit gemacht. 
In England dagegen hat man über diese Frage viel Versuche 
angestellt, deren sorgfältige und umsichtige Leitung wir niiht 
bezweifeln wollen, bei denen aber die Neigung der Engländer 
zum Spleen und zur Hypochondrie als Factor mit von Einfluss 
gewesen sein mag. 

Unsere in Deutschland mit längeren Isolirungen nament¬ 
lich in Bruchsal und Moabit gemachten Erfahrungen haben 
andere Resultate ergeben. Es kann und muss daher in Bezug 
auf deutsche Gefangene behauptet werden, sowohl dass auch 
schon bei einer Isolirung auf kürzere Zeit als 8 Monate die 



25 


güten Wirkungen der Einzelhaft eintreten werden, als dass 
auch eine Ausdehnung der Isolirung weit über 9 Monate 
hinaus diese Wirkungen und die geistige Gesundheit des Iso- 
lirten nicht gefährden wird. 

Die Auffassung des Stadiums der Isolirung als einer 
bestimmten geistigen und moralischen Cur, die gerade eine 
Zeit von 8—9 Monaten dauern muss und nicht länger dauern 
darf, erscheint uns somit als eine willkürliche und unrichtige. 

Die Isolirung soll zwar auch nach unserer Auffassung 
einen bestimmten Theil der Besserungsaufgabe lösen und 
namentlich auf das Gemüth des Sträflings wirken. In Bezug 
auf die Zeit, in der diese Wirkungen hervorgerufen werden, 
nt aber keine einförmige Nothwendigkeit anzuerkennen, son¬ 
dern ist ein gewisser Spielraum gegeben, innerhalb dessen 
eine Freiheit der Abstufung dieser Zeit nach anderen Gesichts¬ 
punkten gefordert werdfcn muss. Ein Gesichtspunkt, der 
nnn in der fraglichen Beziehung ebenfalls Berücksichtigung 
erheischt, ist der, dass das Verbleiben in der Einzelhaft ein 
organischer Theil eines Ganzen, nämlich der ganzen Straf- 
verbtissung sein und daher zur Zeit dieser Verbüssung auch 
in einem gerechten Verhältnis stehen muss. Es ist — vor¬ 
ausgesetzt, dass man das oben erwähnte Dogma der Engländer 
und Irländer nicht für richtig hält — allzu mechanisch und 
nicht gerecht, alle Zuchthaussträflinge ohne Rücksicht auf die 
Zeit, zu der sie verurtheilt sind, gleich lang zu isoliren. 

Wir sind daher bei unseren Vorschlägen davon ausge¬ 
gangen, dass die Periode der Isolirung zwar ein Minimum 
und ein Maximum ihrer Dauer regelmässig nicht zu über¬ 
schreiten habe, dass aber innerhalb der überhaupt als zulässig 
anzuerkennenden Gränzen diese Periode als eine Quote der 
ganzen Strafe eit verschieden zu bestimmen sei. 

Wir nehmen an, dass schon mit 5—6 Monaten die Iso¬ 
lirung recht heilsame Wirkungen für den Sträfling haben 
werde und halten es daher für genügend, dass man Sträflinge, 
die bis zu 2 Jahren Zuchthaus verurtheilt sind, auch nur 
5—6 Monate isolire. Dagegen geben wir zu, dass eine über 
3 Jahre fortgesetzte Isolirung schädlich wirken könne. Bis 
zu diesem Zeitpunkt mag man aber auch einen Verbrecher, 



26 


% 

der zu 12 Jahren Zuchthaus und darüber hat yerurtheilt 
werden müssen, in der Einzelhaft halten, ohne dass diess als 
eine zu harte Behandlung betrachtet werden kann! Steht doch 
gewiss wenigstens regelmässig die Intensivität des verbreche¬ 
rischen Willens, welcher durch die Einzelhaft gebeugt werden 
soll, in einem gewissen Verhältnias zur Schwere des Verbre¬ 
chens, welches durch die ganze Strafzeit gebüsst wird. 

Zu § 16. 

Es ist hier ein besonders eingerichteter, strahlenförmig 
zu bauender Isolirhof erwähnt, innerhalb dessen unter Umstän¬ 
den ein Sträfling der Einzelhaftsklasse sich bewegen solL 

ln der Irischen Isolirungsanstalt Monntjoy existiren solche 
Höfe nicht. 

Dagegen haben wir in dem Muster-Gefängniss Penton- 
ville in London 3 solche Hof bauten* mit je 26 Strahlen vor¬ 
gefunden. Von denselben wurde aber nur Einer noch benutzt 
und zwar für solche Sträflinge, die zu gebrechlich waren, um 
die raschen Exercitien der übrigen Sträflinge mitzümachen, 
ferner für solche, die in der Strafklasse sich befanden, oder 
die bei den gemeinschaftlichen Exercitien sich undisciplinirt 
verhalten hatten. Die Directoren sagten uns, dass für diese 
bezeichneten Categorien von Sträflingen der Eine Isolirhof 
ihnen gute Dienste leiste. 

Die meisten Sträflinge exerciren in Pentonville in der 
Weise, wie dies auch in § 16 dieser Hegeln alternativ nach¬ 
gelassen ist. Sie haben auf diese Art mehr Luft als zwischen 
den strahlenförmigen Mauern und haben wenigstens den An¬ 
blick anderer Menschen. Mancher Gefangene möchte es frei¬ 
lich auch vorziehen, sich in dem Isolirhof frei zu bewegen, 
statt in einförmiger Weise im sogenannten Gänsemarsch — 
wenn man uns diesen Ausdruck gestatten will — mit der 
Masse eine Stunde lang herumzulaufen! 

Für unsern Entwurf haben wir nun im Ganzen dieselben 
Gesichtspunkte adoptirt, die sich in Pentonville bewährt haben. 
Wir setzen auch voraus, dass für jede Strafanstalt nur ein 
kleiner Isolirhof mit wenigen Strahlen gebaut werden soll. 
Es werden also keineswegs alle Isolirte in diesen Höfen zu 



27 


exerciren haben, sondern nur einzelne, für die dies besonders 
passend erscheint. 

Diese sogenannten Isolirhöfe sind übrigens auch als 
Arbeitsplätze für solche Isolirte zu benutzen, deren Gesund¬ 
heitszustand es nothwendig erscheinen lässt, sie in freier Luft 
arbeiten zu lassen. 


Zu § 17. 

Erläuternd ist hier zu bemerken, dass nach unserer An¬ 
sicht in der Kirche und der Schule der Strafanstalt keine 
sogenannte Stalls angebracht werden sollen. 

Zu den Bestimmungen über die Gemeinschaftsklasse. 

Zu § 24. 

Die Befugniss der Sträflinge der zweiten Klasse, bei der 
Arbeit und beim Spaziergang sich mit ihrem nächsten Nach¬ 
bar halblaut zu unterhalten, mag bei den Anhängern des Au- 
burn’schen Systems Anstoss erregen. Indessen ist die Unmög¬ 
lichkeit, in der Gemeinschaft ein — ganz unnatürliches Schweig¬ 
gebot aufrecht zu erhalten, durch die Erfahrung zur Genüge 
nachgewiesen. Ein solches Schweiggebot provocirt nur zu 
seiner Uebertretung, führt zu Vexationen und beständigen 
Disciplinarstrafen und erweist sich schliesslich als eine Un¬ 
wahrheit. 

Zu § 25. 

Das sogenannte Markensystem ist von Oaptain Maconochie 
erfunden. Sir Walter Crofton hat dasselbe in Irland adoptirt. 
Er und alle Praktiker in Irland rühmen die Wirkungen dieses 
Systems, namentlich in folgenden Richtungen: 

1) Die Marken geben dem Sträfling in jedem Monat 
anschauliche Feststellung der Folgen seines guten Betragens 
und der Fortschritte zur Freiheit, die er durch dasselbe ge¬ 
macht hat. 

2) Die Marken wirken darauf hin, die Tendenz auf Ge- 
nossenschaftlichkeit unter den Gefangenen der Gemeinschafts- 
haft zu hindern; durch sie sind die individuellen Sonderinter^ 
enen klar bestimm^ ebenso die Gefährdung dieser Interessen 



— 28 


mittelst Durchstechereien der Gefangenen mit solchen, die 
einen unbeständigen oder wirklich bösen Charakter haben. 

8) Die Markenertheilung in kurzen Zeiträumen ist ftir 
die Beamten der Anstalt eine viel leichtere Art, fortlaufend 
das Verhalten des Gefangenen auf eine gerechte Art zu be- 
urtheilen, und diese Beurtheilung auch für die Erinnerung zu 
constatiren, als wenn diese Beamten etwa nach längeren Perio¬ 
den nur ein allgemeines Zeugniss über das Verhalten des 
Sträflings abgeben müssten. 

Neuerdings haben die Englischen Gefängnissdirectoren, 
die man gewiss für keine blossen Theoretiker wird erklären 
wollen, das Markensystem nach Irischem Muster nachgeahnat 
und in den grossen Oollektivgefängnissen zu Chatham und Port¬ 
land eingeführt, doch in einer von der Irischen etwas abwei¬ 
chenden Weise, .Sie geben jeden Tag Marken und zwar 
für das ganze Verhalten des Sträflings ohne die dreifache 
Specialisirung wie in Irland., Demnach erhält der Englische 
Sträfling 

8 Marken täglich für sehr emsige schwere Arbeit und die 

volle Erledigung der gestellten Arbeits-Aufgabe, 

7 Marken täglich für einen geringeren Grad von Fleiss, 

6 Marken täglich für ein ausreichendes, aber mässiges 

Tagewerk. 

Uns scheint nun die Irländische Einrichtung die bessere 
und haben wir sie daher in dem Entwurf adoptirt. 

Für die leichte und einfache Ausführung des Marken¬ 
systems spricht aber, dass auch in deutschen Strafanstalten 
manche — auf ähnlichen Principien beruhende Einrichtungen' 
bestehen. So hat der sehr verdiente Director der Strafanstalt 
auf der Leuchtenburg, Hr. Elvers, ein System der Censuren 
eingeführt, das uns so praktisch scheint, dass wir zu dessen 
Gunsten das Markensystem wohl aufgeben könnten. Eine 
nähere Entwicklung dieser Einrichtung auf der Leuchtenburg 
würde Hr. Elvers gewiss auf Wunsch gern in diesen Blättern 
mittheilen! 

Zu § 26. 

Die Strafstufe der Gemeinschaftshaft ist die längst-dauernde 
von allen Stufen, Während derselben ist die Aufsicht am 



29 


schwersten zu üben und ist es zugleich am nöthigsten, die 
Kegungen der Gefangenen, durch welche dieselben die Ver¬ 
suchungen, die in der Gemeinschaftlichkeit nicht ausbleiben, 
überwinden, zu stärken und zu ermuntern. Dabei ist zugleich 
Bedacht darauf zu nehmen, dass die Einförmigkeit dieses länge¬ 
ren Strafstadiums unterbrochen und innerhalb desselben ein 
Fortschritt für die Sträflinge reaüsirt werde. 

Alle diese Erwägungen führen dahin, diese ganze Ge- 
meinschaftsklasse noch in einzelne Abtheilungen zerfallen zu 
lassen und die Versetzung der Sträflinge aus der einen in die 
andere Abtheilung zu organisiren. ln Irland hat man 4 solche 
Abtheilungen und lässt den Sträfliqg aus der dritten in die 
zweite Abtheilung in mindestens 2 Monaten durch Erlangung 
von 18 Marken, aus der zweiten in die erste Abtheilung in 
mindestens 6 Monaten durch Erlangung von 54 Marken, aus 
der ersten in die ausgezeichnete Klasse in 12 Monaten durch 
Erlangung von 108 Marken fbrtschreiten. * 

In den Englischen Zuchthäusern für das Stadium der 
Gemeinschaftshaft hat man sogar 5 Abtheilungen. Wir haben 
in unserem Entwurf nur die Einrichtung von 2 Abtheilungen 
für den Anfang vorgeschlagen, weil uns dies für unsere Ver¬ 
hältnisse ausreichend schien und weil es schwer ist, für mehr 
als 2 Abtheilungen auch die entsprechenden realen Unterschiede 
aufzustellen. 

Es ist übrigens zu erwarten, dass gerade auf diesem 
Gebiet die Praxis bald zeigen wird, was für unsere Verhält» 
nuse passt, und es mögen dann auf Grund ihrer Erfahrungen 
die Strafanstaltsbeamten neue Vorschläge machen. 

Da nur 2 Abtbeilungen vorgeschlagen sind, und ent¬ 
sprechend dem ganzen System des Entwurfs, konnte die für 
das Verbleiben in der ersten Abtheilung bestimmte Zeit nicht 
absolut fixirt werden, sondern musste als eine Quote der 
ganzen Strafzeit dehnbar sein — jedoch mit einem Maximum 
fiir sehr lange oder lebenslängliche Zuchthausstrafen. 

Räumlich in verschiedene Säle getrennt werden die Sträf¬ 
linge der beiden Abtheilungen der zweiten Klasse nicht. 

Es ist hier überhaupt der Einwand zu bekämpfen, dass 
die Torgeschlagene Klasseneintheilung den Dienst in der Straf- 



anBtalt außerordentlich kompiiciren werde. Man vergegen¬ 
wärtige sich, dass in sehr vielen Strafanstalten sowohl Sträf¬ 
linge, die ganz isolirt werden, als Solche, die bei Tag gemein¬ 
schaftlich arbeiten, sich befinden. Ansserdem werden fhst 
überall Abtheilungen von Sträflingen zu Arbeiten ausserhalb 
der Anstalt verwandt. Indem wir nun ein System in diese 
verschiedene Behandlung der Sträflinge bringen, schaffen wir 
nicht erst diese Abteilungen, die vielmehr auch [ohnedem — 
nur nach andern Principien geordnet — existiren würden. 

Zu § 27 . 

In England und Irland tragen die Sträflinge auch noch 
am Arm besondere Ringe als Abzeichen, welche, die Zahl 
der Marken zeigen, die der Sträfling noeh erwerben mnss, 
um in eine höhere Klasse zu gelangen. 

Zu den Bestimmungen über die Zwischenklasse. 

So wenig wir bedauern, dass wir unsere Sträflinge zur 
Verbtissung der 2. Stufe ihrer Strafe nicht — wie dies in 
England und Irland geschieht — in ein besonderes entferntes 
Zuchthaus transportiren werden, so sehr beklagen wir, es, dass 
unsere Verhältnisse uns nicht die Errichtung einer eigenen 
ZwiBchenanstalt gestatten, da für diese Stufe eine räumliche 
Absonderung der in dieselbe Versetzten von der •eigentlichen 
Strafanstalt sich allerdings als empfehlenswerth darstellt. 

Wir haben uns indessen bemüht, die Zwischenanstalt 
durch eine Zwischenklasse zu ersetzen und diese möglichst 
so zu charakterisiren, dass sie dem Wesen des Irischen Vor¬ 
bilds nahe kommt. 

Wir halten das von Sir Walter Orofton eingeflührte 
Zwischenstadium zwischen* dem Zuchthaus und der Freiheit 
für eine ausgezeichnete Einrichtung des Strafzollzugs. Es 
erzieht den Sträfling am Besten für die Freiheit und hebt 
ihn durch das Vertrauen, welches man ihm zeigt. Dazu 
kommt, dass diese Einrichtung in Irland erfahrttngsmässig 
noch eine andere gehr gute Wirkung gehabt hat, näm¬ 
lich die, dem Publikum der Arbeitgeber soviel Vertrauen zu 
den entlassenen Sträflingen einzuflössen, dass sie dieselben gern 



31 


in ihre Dienste oder zu ihren Arbeiten annehmen. Hoffen 
wir, dass die Einrichtung einer Zwischenklasse bei uns in 
ähnlicher Weise eines der wichtigsten Probleme des Straf- 
wesens lösen möge! 

Von einem Sträfling, der die Zwischenklasse durchgemacht 
hat, wird die Anstaltsdirection sagen können, dass sie ihm 
Vertrauen geschenkt und ob er dasselbe gerechtfertigt hat. 
Erst wenn dies geschehen, kann man wohl auch vom Publi¬ 
kum ein gleiches Vertrauen zu solchen Entlassenen erwarten. 

Zu § 29 sub E. 

Der Vorschlag, den Sträflingen der Zwischenklasso 2 mal 
in der Woche Fleischkost zu gewähren, wird voraussichtlich 
viele Anfechtung erfahren. 

ln England bekommt der Sträfling 4mal Fleisch in der 
Woche, ln den meisten deutschen Staaten, Preussen mit 
eingeschloBsen, erhält er Fleisch nur an 4 Tagen im Jahre. 

Viele deutsche Aerzte behaupten, der Fleiscbgenuss sei 
nothwendig, um Muskelfasern zu erzeugen. Die Englischen 
Aerzte deduciren, dieser Genuss sei wesentlich, um das Ge¬ 
hirn des Menschen gesund zu erhalten. 

Eine weitere Motivirung unseres Vorschlags wird bei 
einer anderen Gelegenheit ausgefUhrt werden. 

Zn den Bestimmungen über die Beurlaubungsklasse. 

Die wegen guten Verhaltens in der Strafanstalt gewährte 
Verwandlung eines Theils der Strafzeit in eine Urlaubsaeit 
ist eine der Gerechtigkeit durchaus entsprechende und für 
den Strafvollzug ausserordentlich förderliche Einrichtung. 

Wir haben 1 indess in unseren Entwurf viel kürzere 
Perioden für diese Beurlaubung in Aussioht gestellt, als sie 
der Irische und der Englische Sträfling erlangen kann. Hiezu 
hewog uns die Erwägung, dass die nach unserem Strafrecht 
bq erkennenden Strafen in der Kegel viel kürzer als die 
nach englischem Eecht zu erkennenden Strafen sind und im 
Interesse der Gerechtigkeit eine sehr erhebliche Kürzung 
nicht mehr vertragen. Dazu kommt aber auch noch der Ge¬ 
sichtspunkt, dass man das gute Verhalten des Sträflings in der 



Anstalt zwar als Einen Factor, der auf seine Strafzeit mit 
von Einfluss sein kann, würdigen mag, dass man aber diesen 
Einen Eactor auch nicht überschätzen darf. Bei den Englisch- 
Irländischen Einrichtungen dürfte dies fast geschehen sein.' 
Häufig verhalten sich gerade die schlechtesten Subjekte sehr 
gut in der Strafanstalt. 

In Bezug auf die beurlaubten Sträflinge* soll nach dem 
Entwurf das Institut der Schutzaufsicht durch die Strafanstalts¬ 
verwaltung eingeführt werden. Dass diese Institution von 
der bei uns bestehenden, aber sich wenig bewährenden Neben¬ 
strafe der polizeilichen Aufsicht wesentlich verschieden ist, 
bedarf keiner nähern Auseinandersetzung. 

Durch diese Institution und durch die gut organisirte 
Aufsicht über die entlassenen Sträflinge sind in Irland aus¬ 
gezeichnete Resultate erreicht worden > während in England, 
wo früher eine solche Aufsicht geübt wurde, die Beurlaubten 
(Ticket-of-leave-men) bald zum Schrecken der Gesellschaft wur¬ 
den. Seit Einem Jahr ist nun die erwähnte Irische Einrich¬ 
tung auch in England eingeführt worden. 

In der Praxis unseres Staats ist schon bisher häufig ein 
Theil der Strafzeit einem Sträfling im Gnadenwege suspendirt 
worden, bis er ein neues Verbrechen begehen werde. In 
solchen Fällen sehwebte für seine ganze Lebensdauer über 
dem Betheiligten die Gefahr, später noch einmal die gestundete 
Strafe in ihrem vollen Umfang verbüssen zu müssen. 

Im Königreich Sachsen ist seit dem Jahr 1862 das In¬ 
stitut der Beurlaubung von Sträflingen — jedoch vereinzelt 
und ohne organischen Zusammenhang mit der Art der Straf- 
verbüssung — eingeführt. Ein nicht näher bestimmter Theil 
der Strafzeit kann demnach gestundet und der Sträfling kann 
auf eine zu bestimmende Zeit beurlaubt werden. Während 
dieser Urlaubszeit kann der Sträfling, falls er sich schlecht 
verhält, wieder eingezogen und zur Verbüssung des ganzen 
ihm gestundeten Theils seiner Strafzeit angehalten werden. 

Hat sich aber der Sträfling in der Urlaubszeit gut be¬ 
tragen, so dass seine Besserung als erfolgt betrachtet werden 
kann, so kann ihm der gestundete Theil der Strafzeit definitiv 
erlassen werden. Alle diese Entschliessungen, sowohl in 



33 


Betreff der Beurlaubung, als der Wiedereinziehung, können nur 
vom König ausgehen. Die Urlaubszeit kann sowohl auf die 
Dauer der noch rückständigen Strafzeit, als auch auf kürzere 
und selbst längere Zeit bestimmt werden. Jedoch soll im 
letztgedachten Falle zu einer derartigen Beurlaubung die aus¬ 
drückliche Zustimmung des Sträflings erforderlich sein. 

Inwiefern nun die in unserem Entwurf vorgeschlagene 
Beurlaubung sich von den eben erwähnten ähnlichen Ein¬ 
richtungen unterscheidet, liegt auf der Hand. Wir wollen eine 
Beurlaubung mit Schtrtzaufsicht, als eine Form des Strafvoll¬ 
zugs in seinem letzten Ausgangsstadium. Eine solche Schutz¬ 
aufsicht kann über die Dauer der eigentlichen Strafzeit hinaus 
nicht ausgedehnt werden. Compromisse über eine solche 
Ausdehnung zwischen der Gnadeninstanz und dem Sträfling 
wollen wir nicht zulassen. 

Sehr der Erwägung werth ist die Frage, ob man die 
von uns vorgeschlagene Beurlaubung nicht einem Aufsichts¬ 
rath oder der Beamten-Conferenz überlassen könne. Wir 
haben indess vorgeschlagen, einer solchen Behörde nur die 
Befürwortung dieser Massregel, dagegen die eigentliche An¬ 
ordnung derselben der Gnadeninstanz vorzubehalten. Die 
Beurlaubung soll demnach dem Sträfling immer als ein Gnaden¬ 
akt seines Landesherrn erscheinen und bei der Kleinheit unserer 
Verhältnisse ist es auch nicht unausführbar, alle die hier in 
Betracht kommenden Fälle der höchsten Stelle zu unterbreiten. 


w>vwwvs^vwvyvvvv » 


8 



u 


in. 

Regeln 

für die Verbüssung der Arbeitshausstrafe. 

§ 

Für die Verhütung der Arbeitsbausstrafe gelten die 
selben Regeln, welche für die Verbüssung der Zuclithausstraf« 
gegeben worden sind, soweit sie überhaupt ihrem Inhalt nacl 
übertragbar erscheinen. Doch finden die in den fölgeudei 
Paragraphen au bestimmenden Veränderungen statt. 

§ 2 . 

Es ist jedenfalls die Tracht der Arbeitshaussträflinge dei 
ersten zwei Klassen verschieden von der der Zuchthaussträf 
linge beider Klassen zu bestimmen. 

Die Arbeitszeit im Arbeitshaus beträgt täglich 10 bezügl, 
11 Stunden (während sie im Zuchthhaus täglich 11 bis 12 Stun¬ 
den betragen soll.) 

In Bezug auf die erste oder Einzelhaftsklasse. 

§ 3 . 

Sträflinge, welche wegen eines der in den Art. 67, 100, 123 
Ziff. 2, 124, 125, 131 Ziff. & und 171 des Strafgesetzbuches 
bedrohten Verbrechen mit Arbeitshausstrafe belegt werden, 
sind von der Einzelhaft dispensirt und kommen sofort in die 
zweite Klasse. 

Doch können solche Sträflinge von der in § 8 der Regeln 
für das Zuchthaus erwähnten Vergünstigung unter den dort 
aufgestellten Voraussetzungen Gebrauch machen. 

§ 4. 

Der Arbeitshaussträfling verbüsst in der Regel nur das 
erste Sechstheil seiner Strafzeit in der ersten oder Einzelhafts¬ 
klasse, jedoch mit der Bestimmung, dass er, sofern seine Straf¬ 
zeit nicht schon früher erschöpft ist, mindestens 6 Monate 
und höchstens 10 Monate in dieser Klasse zu verbringen hat 



85 


§ 5 . 

Unter den in § 12 des Regulativs für das Zuchthaus 
aufgestellten Voraussetzungen kann dem Arbeitshaussträfling 
Vi derjenigen Zeit, die er nach § 4 in der ersten Klasse zu 
verbringen hat, erlassen werden. 

Von der zweiten oder Gemeinschaftsklasse. 

§ 6 . 

Sträflinge der zweiten Klasse des Arbeitshauses können 
auch ausserhalb der Anstalts-Mauern zu Arbeiten verwendet 
werden. 

§ 7. 

Hat der Arbeitshaussträfling, nachdem er die Einzelhaft 
überstanden hat, noch eine 2 Monate nicht erreichende Straf¬ 
zeit zu verhüssen, so verbringt er dieselbe ganz in der ersten 
Abtheilung der zweiten Klasse. 

§ 8 . 

Für Sträflinge der zweiten Klasse, die überhaupt fähig 
sind, in höhere Klassen zu gelangen, ist die hiezu erforderliche 
Markenzahl so zu bestimmen, dass sie durch fortgesetzte Er¬ 
werbung der von ihnen zu erlangenden Marken, die für ihr 
Verweilen in den beiden Abtheilungen der zweiten Klasse 
eigentlich bestimmte Zeit um die in § 10 und § 12 bestimm¬ 
ten Zeiten abkürzen können. 

Um aus der ersten in die zweite Abtheilung der zweiten 
Klasse zu gelangen, soll jedenfalls die Erwerbung von 216 Mar¬ 
ten genügen, so dass auch der auf sehr lange verurtheilte 
Sträfling bei ausgezeichnetem Verhalten schon nach 2 Jahren 
die erste Abtheilung verlassen kann. 

§ 9. 

Unter den in § 27 unter B. erwähnten näheren Verhält¬ 
nissen beträgt die Gratifikation für die Woche für Arbeits¬ 
taussträflinge der zweiten Klasse: 3 Groschen für die der 
ersten und 6 Groschen für die der zweiten Abtheilung. 

*3 



Sträflinge der ersten Abtheilung der zweiten Klasse 
erhalten Einmal in der Woche, die der zweiten Abtheilung 
2mal in der Woche je ein Mass einfaches Bier. 

Von der dritten oder der Zwischenklasse. 

§ 10 . 

Arbeitshaussträflinge sind in die dritte Klasse wählbar, 
unter den in. § 28 der Regeln ftir das Zuchthaus bestimmten 
Voraussetzungen, jedoch auch dann, wenn sie nur zu einer 
Strafzeit von über IVa Jahren verurtheilt sind und nachdem 
sie l ! /a Jahr in den früheren Klassen zugebracht haben. 

Das Verbleiben in der Zwischenklasse kann bis zu */4 
der ganzen Strafzeit gestattet werden. Doch hat der Sträfling 
unter Umständen auch länger, d. h. jedenfalls bis zum Ende 
seiner Strafzeit oder bis zu seiner Versetzung in die vierte 
Klasse in der dritten Klasse zu bleiben. 

Von der vierten oder der Beurlaubungsklasse. 

§ 11 . 

Sträflinge des Arbeitshauses können in die Beurlaubungs¬ 
klasse desselben versetzt werden, wenn sie zu einer Strafzeit 
von über 2 Jahren verurtheilt sind und mindestens 2 Jahre in 
den früheren Klassen zugebracht haben. 

§ 12 . 

Die Beurlaubung kann unter den in § 33 der Regeln 
für das Zuchthaus erwähnten Voraussetzungen gewährt werden, 
bei einer Verurtheilung von 2 bis zu 4 Jahren höchstens bis 
zu Vit, von 4 bis zu 8,Jahren bis zu V», von 8 Jahren und 
darüber bis zu l /a der ganzen Strafzeit. 


Von jugendlichen Gefangenen. 

§ 13. 

So lange es nicht gelungen sein wird, eine eigene nur 
für jugendliche Gefangene bestimmte Strafanstalt in Gemein- 



37 


schaft mit einem grösseren Ländergebiet zu errichten oder 
unserem Staate mit zugänglich zu machen, sollen Arbeits- 
haussträflinge im Alter zwischen 12 und 18 Jahren zwar in 
das Arbeitshaus gebracht werden. Diese Hegeln sollen indess 
gegen dieselben nur mit Ausnahmen und Beschränkungen in 
Anwendung kommen, deren nähere Begränzung der Beamten¬ 
konferenz mit Hücksicht auf die Persönlichkeit des einzelnen 
Sträflings und auf die Natur seines Verbrechens überlassen 
wird. In der Regel sollen solche Gefangene auf eine Zeit 
von 1 bis 4 Monaten in die Einzelhaft gebracht werden. Es 
ist zulässig, dieselben hierauf statt der Versetzung in die 
zweite Klasse sofort in die Zwischenklasse zu bringen und 
sie dann statt der Abstufung, die ältere Sträflinge in der 
Zwischenklasse verbringen, in einer Correktionsanstalt für 
verwahrloste Kinder erziehen und bessern zu lassen. 


IV. 


Motive ' 

zu dem Entwurf der Regeln für die Yerbüssung 
der Arbeitshausstrafe. 

Die Arbeitshausstrafe ist nach dem Thüringischen Straf¬ 
recht die zweite schwere Art der Freiheitsstrafen. Beiden 
schweren Strafarten steht als leichte Strafart die Gefängniss- 
strafe gegenüber. 

Die Arbeitshausstrafe wird in einer Zeit von 2 Monaten 
bis zu 10 Jahren erkannt. Sie ist namentlich in Bezug auf 
<he Ehrenfolgen von der Zuchthausstrafe unterschieden und 
8teht zu derselben in Bezug auf die Sehwere in dem Verhält¬ 
nis», dass 3 Monate Zuchthaus 4 Monaten Arbeitshaus gleich 
stehen. 



38 


Das vorausgesetzte Projekt war nun, das Zuchthaus und 
das Arbeitshaus zwar auf denselben Hof, aber in zwei getrenn¬ 
ten Gebäuden zu bauen. Verwaltung und Oekonomie sollen 
vereinigt, die Sträflinge aber im Uebrigen getrennt gehalten 
werden. 

In dem Entwurf ist das Progressivsystem auch für die 
Verbüssung der Arbeitshausstrafe zu Grunde gelegt. Doch 
waren Verschiedenheiten von der Ausführung des Systems 
im Zuchthaus vorzuschlagen; ausser anderen Gründen auch 
schon desshalb, weil im Sinn des Gesetzes beide Strafarten 
Verschiedenheiten haben sollen. 

Zu § 2. 

Da der Gesetzgeber die nur mit Arbeitshaus bedrohten 
Delicte für leichter gehalten hat, als die mit Zuchthaus be¬ 
drohten, so war die Frage aufzuwerfen, ob nicht ein Theil 
dieser Delicte so geartet sei, dass man von der Anwendung 
der Einzelhaft auf ihre Urheber ganz absehen könne, theils 
weil eine minder energische Repression gegen diese Delicte 
erforderlich sei, theils weil, eine Besserung derer, die der¬ 
gleichen begangen haben,, voraussichtlich nicht als nothwendig 
sich darstellen werde. 

Von diesem Gesichtspunkt aus haben wir nun wiederholt 
alle Androhungen von Arbeitshaus in unserem Strafgesetzbuch 
geprüft. 

Bei dieser Prüfung haben wir die Ansicht gewonnen, 
dass nur die Urheber der in § 3 aufgeführten Verbrechen 
(Verbrechen mit Ueberschreitung der erlaubten Nothwehr, 
Tödtung auf ernstliches Verlangen des Getödteten, Tödtung 
auf der Stelle im Fall von besonders schweren Beleidigungen 
und Misshandlungen durch den Getödteten, Tödtung im Rauf¬ 
handel und Handgemenge, fahrlässige Tödtung, schwere Kör¬ 
perverletzung mit unbestimmtem Vorsatz, Fahrlässige gemein¬ 
gefährliche Handlungen) von der Isolirung dispensirt werden 
sollen. 

Zu § 4. 

Da das Gesetz den verbrecherischen Willen derjenigen, 
die nur zu Arbeitshaus verurtheilt werden, als einen weniger 



energischen und besser qualificirten betrachtet,.als den Willen 
der zu Zuchthaus Verurtheilten, so konnte und musste auch 
für das Arbeitshaus eine viel kürzere Periode der Isolirang 
vorgeschlagen werden. Diese Periode von 6 bis 10 Monaten, 
bezüglich im Fall des guten Verhaltens von 4 1 /» bis 7 1 /* Mo¬ 
naten gewährt immer noch einen gewissen Spielraum. 

Ein Minimum für die Einzelhaft muss natürlich aufge¬ 
stellt werden. Dies ist hier in einer Weise geschehen, dass 
r die kürzesten Arbeitsbautofrafe* ganz m der Isolirung ver- 
büsst werden, was ohnehin für kurze Freiheitsstrafen das An¬ 
gemessene ist. 



Vermischtes. 


(Ein Zuchthaus vor 100 Jahren.) Die ältere Männerstraf¬ 
anstalt in Bruchsal, jetzt als Hilfsstrafanstalt eingerichtet und mit dem 
Zellengefängniss vereinigt, existirt schon seit 100 Jahren. Ursprünglich 
und bis zum Jahre 1776 war das aus zwei Flügeln bestehende Gebäude 
eine Caserne; von da an der linke Flügel Zucht* und Arbeitshaus, der 
rechte Flügel ein Waisenhaus. Es liegt uns eine „Sammlung der bischöflich 
Speierischen Verordnungen von 1720—1786 vor; in einem „Anhang** der¬ 
selben „von den fromjnen Stiftungen, im Hochstifte Speier“ wird u. A. die 
gesammte Organisation des Zuchthauses mitgetheilt. Es wird weiter ange¬ 
geben, wie man die nöthigen Mittel auf brachte, uud beschrieben, wie die 
Gebäulichkeiten eingerichtet und verwendet sind. Cardinal von Schönborn 
begann 1728 mit Beischaffung der Mittel, Cardinal von Hutten setzte die 
Aufbringung der Mittel fort und erwarb das Haus; die Vollendung erfolgte 
durch Fürstbischof August (Graf Limburg-Stirum.) Das betreffende Statut 
selbst vom Jahre 1785 ist so interessant und für die Geschichte der Ent¬ 
wicklung des Gefängnisswesens so wichtig, dass wir diese Urkunde nach¬ 
stehend wörtlich folgen lassen. Sie lautet: 

Zuchthaus. Erster Absatz. Gottes Fürsicht wachet für alle 
seine Geschöpfe, er ergieset seinen Kegen eben so auf das Unkraut, wie 
auf die nüzlichsten Pflanzen, und auch das Geringste, auch das Gewürm 
achtet er seine väterlichen Fürsorge würdig. Regenten die hiemieder 
unter den Menschen seine Stelle vertreten, müssen hierinn seine Nachfolger 
sein. Wahr muss es an jedem von ihnen werden, was einst der Hussitische 
Fürst mit aufrichtigem Herzeu von sich sprach: 

„Ich befreiete den schreienden Armen, den verlassenen 
„Waisen; der zum Verderben Bestimmte segnete mich; ich 
„erfüllte das Herz der Wittwen mit Tröste; Augen war ich 
„den Blinden, Füsse den Lahmen, Vater der Armen. 

Solche Pflichten zu erfüllen haben nicht nur die Herren Vorfahrer 
höchstseligen Andenkens, schon vor geraumen Jahren den Anfang gemacht, 
sondern es waren auch Se. Hochfürstliche Gnaden der] jezt regierende 



41 


HerrFOrstbischof August vorzüglich darauf bedacht, denselben vollkommen 
zu entsprechen. Im Jahre 1728 hatten. So. Eminenz Herr Cardinal von 
S chönb orn die Absicht, nicht nur ein Zucht- und Arbeitshaus zu dem Ende 
zu errichten, um teils müssigt und herrenlose, zum Arbeiten aber taugliche 
Leute von dem Müssiggang und liederlichen Leben abzuhalten, und zur nüzli- 
chen Arbeit darinn zu unterhalten, teils auch die von Zeit zu Zeit vorkom¬ 
mende Verbrecher zu verwahren, sondern er wollte auch gleich in dem dar¬ 
auf folgenden Jahre 1729. für Hochfürstlich-Speierische arme und bet¬ 
telnde älternlose Waisen ein wirkliches Waisenhaus errichten, um solche 
wohl erziehen zu können. Höchstdieselbe widmeten zu dem Ende zu 
ersterem einen Teil der jährlich gewöhnlichen 3.Königsopfer und ver¬ 
schiedene hieher angewiesenen Strafgelder, welche vom Jahre 1728. bis zu 
Ende 1743. auf 11103 fl. angestiegen. Von dem Jahre 1744. bis 50. wurden 
hierzu weiter nichts als 60 fl. Strafgelder gewidmet, Hingegen in dem 
Jahre 1750—51. wurde von dem Herrn Cardinal von Hutten verordnet, 
dass zu Vermehrung dieser Kasse jeder neu angenommene Diener eine 
ganze Geldquartalbesoldung, so nachhero auf die Helfte moderirt worden, 
hierzu zahlen, und annebst verschiedene Gefälle durch die Ober- und 
Aemter eingetrieben und anhero quartaliter geliefert werden sollen, wodurch 
Bich diese Kasse bis 1770. um ein nahmhaftes vermehret hat, um im ganzen 
einschlüssig obigen Betrags auf 60527 fl. angewachsen ist Zu der letztem 
Bestimmung nämlich dem Waisenhause wurde ebenfalls ein Teil dieses 
3. Königsopfers, sodann verschiedene Strafen, ein-Teil von den Sigil- 
geldera und von den Gefällen pro fertone ausgesezt, welche sich bis ad 
1743. auf 7224 fl. beioffen. Vom Jahre 1744. an wurde hierzu nichts mehr 
gestiftet, hingegen im Jahr 1786. wurden vom Herrn Kardinal von Hutten 
verschiedene zur Zuchthauskasse bestimmt gewesene Gefälle anhero gezo¬ 
gen, durch welches vorzüglich aber durch die aus obigen Summen einge¬ 
gangenen Zinsen, diese Kasse dergestalten angewachsen, dass solche im 
Jahre. 1770 in 18457 fl. bestanden. 

Gleichwie aber der von dem ersten höchstem Stifter beziehe heil¬ 
same Endzweck hiebei nicht erreicht, und weder das eine, noch das andere 
zu Stand gebracht worden, so haben Se. Hochfürstliche Gnaden der jezt 
regierende Herr Fürstbischof August gleich nach Höchstdero Regierungs¬ 
antritt, als von der Notwendigkeit dieser beiderlei Instituten gänzlich 
überzeigt Höchst ihro Aufmerksamkeit neben andern guten und heilsamen 
Eiorichtnngen auch hierauf verwendet, und schon im Jahre 1776. die Ver¬ 
fügung dahin getroffen, dass diese beiderlei Kassen mit einander vereinigt, 
und sodann aus dem gemeinschaftlichen Fond von der Hochfürstlichen 
Kammer ein herrschaftliches Gebäude anerkauft und mit vielen Kosten 
za einer Kasern eingerichtet, sofort aber gegen der ehemaligen Kasern an 
die Landschatzungskasse vertauscht worden, wovon der linke Flügel zu 
einem Zucht- und Arbeitshaus, der rechte Flügel hingegen zu einem 
Waisenhaus emploirt, auch wirklich in ersteres die Züchtlinge, in letzteres 
aber 24 arme älternlose Waisen aufgenommen und zweckmässig unterhalten 
werden. Da aber dieser gemeinschaftliche Fond durch Erkaufung dieses 



42 


lehr geräumigen und nach allen Teilen zu dem doppelten Endzweck 
äusserst vorteilhaften Gebäudes um ein namhaftes geschwächt werden; 
io haben Höchstdieselbe den vorzüglichsten Bedacht darauf genommen, 
solchen seit dem Jahre 1776. auf nachfolgende Weise zu unterstützen und 
wirklich dauerhaft zu machen. 

Es haben nämlich Höchstdieselbe an jährlichen 8. Königsopfer, 
zu Vatel ex privato und a /»iel ex mediis Cameralibus . . 4400 fl. 

Ferner ex mediis Cameralibus besonders .... 6000 ft 
sodann besonders anhero bestimmten Abzugs-Strafen und 

andern Geldern. 5790 fl. 


zusammen also 16190 fl. 

anhero mildest gestiftet. Und da der Zweck Celsissimi noch besonders 
dah in gienge, um die Zahl der armen Waisen zu vermehren, und solche 
auf 60 zu setzen; so haben Höchstdieselben fernerweit gnädigst geruhet, 
aus Höchstdero Privateigentum folgendes noch besonders zur Waisenkasse 
mildest auszusetzen: und zwar schon nnterm 25ten April 1774. an die 

Waisenkasse haar. 4000 fl. 

den 2flten Septembr. 1783. wiederum haar . . 11000 fl. 

und 


den 26ten März 1784: abermalen. 4000 fl. 

Ferner 8. Königopfer für 1785. 1200 fl. 

Zusammen also 20200 fl. 

wobei noch weiter gnädigst verordnet worden, dass über diese beederlci 
Stiftungen durch, den Verwalter der milden Stiftungen eine besonders 
Rechnung geführt, alles aber so wie bei den übrigen milden Stiftungen 
der gnädigst niedergesetzten Oberverwaltongskommission zur Aufeicht und 
Besorgung anvertraut werden solle. Nachdem nun auf vorerzelte Weise diese 
beederlei Stiftungen hinlänglich fundirt waren, so haben Se. Hochfürstliche 
Gnaden nachfolgende Einrichtungen zu treffen gnädigst geruhet: und zwar 
Zweiter Absatz. Einrichtung. Das Gebäude selbst betreffend, 
so besteht solches in schon ermeldtem linken Flügel der ehemaligen Kaser¬ 
nen, welches nunmehr so eingerichtet ist, dass in dessen erster Etage 
1) Die Wachtstubo für die immerhin befindliche Militärwache. 2) Ein be¬ 
sonderes Gefängniss. 3) Ein kleines Zimmer, worinn gegenwärtig der immerhin 
heim Haus aufgestellte Hausknecht logirt. 4) 5) 6) Drei Zimmer, worinn die 
vorrätige Wolle aufbewahrt wird. 7) Ein Zimmer für die Leinenwerk¬ 
meister. 8) Eine Küche mit einer ganz kleinen Speisskammer, welche znr 
Zeit nicht benuzt wird. 9) Ein Arbeitszimmer für Züchtlinge mit 5 Weeb- 
stülen zu leinen Tuch. 10) Das Speisszimmer für Züchtlinge männlichen 
Geschlechts. 11) 12) Zwei Zimmer für die Wohnung des Zuchtmeisters. 
18) 14) Zwei Krankenzimmer für Züchtlinge. 15) Ein grosser Arbeitssaal 
fte Züchtlinge männlichen Geschlechts, wo 5 Weebstüle znr Wollenfabrik 
Stehen. 16) Ein besonderes Zimmer, worinn die Wolle geschmälzt und ge¬ 
schlagen wird. 17) Ein Schlafeaal für die Mannszüchtlmge. ln der zweiten 
Etage: 1) 2) 8) 4) 4 Zimmer für den Oberaufseher. 5) Eine Küche za 
dessen Gebrauch. 0) 7) 8) Drei Zimmer zu Aufhebung verschiedener roher 



Tuchwaaren und anderer znr Fabrik gehörigen Mobilien. 9) Eine dazu 
gehörige Küche. 10) Ein grosser Schlafsaal für die Züchtlinge weiblichen 
Geschlechts. 11) 12) Zwei Krankenzimmer für dieselbe. 13) Ein Zimmer 
rar Sortirung der Wolle. 14) Ein Arbeitszimmer für die Weibszüchtlinge; 
15) Ein Zimmer zum Torräthigen Wollengarn. 16) Ein Zimmer, zu Verwah¬ 
rung einzelner Personen, oder das Schwefelkämnierlein. 17) Eine Kapelle 
und zwei Oratorien für Züchtlinge männlichen und weiblichen Geschlechtes. 
In der dritten Etage: 1) bis 7) Verschlossene Kammern zu der sortirten 
Wolle nach allen Gattungen. 8) 9) Zwei Zimmer zur Wohnung des Wollen¬ 
werkmeisters. 10) 11) Zwei Zimmer für den Zuchtknecht. 12) bis 22) Zehen 
weitere Kammern, worinn Geräthschaften vom Zuchthause aufbewahrt wer¬ 
den. Zwischen dem Zuchthauss und Waisenhausgebäude befindet sich ein 
besonders gebautes Farbhaus. In dessen unterer Etage: 1) Das 
Presshaus. 2) Die Färberei mit den erforderlichen Kesseln. 8) und 4) Zwei 
besondere Waschküchen. In dessen zweiten Etage: Ein Zimmer für den 
Tuchscheerer. Ein Zimmer für den Färber. Eine Küche für solchen einge¬ 
richtet ist. 

An der ganzen Länge des Zuchthausgebäudes hinauf, befindet sich 
ein schöner Garten, worinn GemüBS erzeugt wird, und welcher durchaus mit 
einer hohen Mauer umfangen ist. In diesem Gebäude nun werden die in 
den Hochstiftischen Landen zur Zuchthausstrafe von Zeit zu Zeit kon- 
demnirte Verbrecher gehörig unterhalten. 

Dritter Absatz. Wollentuchfabrike. Zur Beschäftigung 
Torbesagter Verbrecher ist eine Wollentuchfabrik eingerichtet, worinn fol¬ 
gende Waaren gearbeitet werden: als Fein Lückertuch, gut und mittel 
Nottertuch, sodann Kirsai und Basch zum Gebrauch für die Hoflivreen 
und das Militaire. Hingegen Landtuch, Rockboy, Flanell, Fusstappeten 
und wollene Teppich, zum Verkauf an Privatos nach dem jedesmalig 
verlangenden Gewicht. 

Vierter Absatz. Officianten. Zur Aufsicht und Besorgung die¬ 
ser beederlei Gegenstände sind bestimmt und aufgestellt: Ein Oberaufseher, Ein 
Verwalter, Ein Wollenwerkmeister, Ein Färber und Tuchscheerer, Ein Zucht¬ 
meister, und Ein Zuchtknecht, wovon in Specie besonders zu verrichten haben. 

L Der Oberaufseher. Dieser hat durchaus genaueste Sorge zu 
tragen, dass nicht nur sämtlich-aufgestellte Officianten ihrer Obliegen¬ 
heit pflichtschuldigst nachkommen, sondern auch die Züchtlinge nach der 
Torgeschriebenen Ordnung behandelt werden. Er hat deswegen die von Zeit 
zu Zeit erforderliche Bedärfniss für beederlei Fabriken mit dem Verwalter 
und den Werkmeistern genau zu überlegen, und in Zeiten an die gnädigst 
niedergesezte Kommission einzuberichten, sodann aber die Fertigung jener 
Waaren, welche vorzüglich zum eigenen herrschaftlichen Gebrauch, für das 
Uilh&ir und die Hofbedienten von Jahr zu Jahr erforderlich, unmangelhaft 
zu besorgen, und üherhaupt all jenes anzuordnen, was bei einer solchen 
Einrichtung nur immer für nötig und nüzlich gehalten werden mag. 
Es ist ihm jeden Tags morgens früh sowohl von der im Zuchthauss befind¬ 
lichen Mihtairwache, als auch vom Zucht- und Waisenhause von allen 



Yorfallenheiten genauer Bappert abzulegen, wovon er jedesmal seinen Be¬ 
richt ad Celsissimum zu erstatten hat. 

II. Der Verwalter. 1) Da dieser sowohl über die Oekonomie 
des Zucht- und Waisenhauses, als über die beederlei Wollen- und Leinen- 
fabriken das Bechnungswesen zu besorgen hat; so liegt ihm ob, statt der 
bisherig, über die Oekonomie und Fabrikverfassung summarisch eingeschick¬ 
ten Monatschlüssen dreierlei Bechnungen dergestalten zu führen, dass die 
erste Bechnung das ganze Oekonomiewesen von beeden Häusern überhaupt 
in sich fasse, die beeden letztem Bechnungen hingegen lediglich nichts 
enthalten, als was wegen dem Fabrikwesen erforderlich ist. Es sind zu 
dem Ende dreierlei distinkte Manualien zu führen, und aus solchen am 
Ende jeden Jahrs, förmliche Jahrsrechnungen zu fertigen, neben diesem 
aber auch von Quartal zu Quartal von jeder Verrechnungen deutliche und 
umständliche Quartalberichte ad Commissionem zu erstatten. Was aber 

2) Die Oekonomie selbst betritt; so hat Verwalter für die An¬ 
schaffung der erforderlichen Viktualien durchaus zu sorgen, alles in Zeiten 
in haltbarer und hinlänglicher Quantität anzuschaffen und gehörig zu ver¬ 
wahren, auch sodann nach Maassgabe der Umstände und der vorhandenen 
Vorschrift gemäss zu verwenden, worzu ihm auch 

3) Der zu dem Haus gehörige Garten angewiesen ist, um solchen 
mit dem erforderlichen Gemüsse und sonstigen Gartengewächs anpflanzen 
und alles davon zur Oekonomie benutzen zu können. In Betref der beeder¬ 
lei vorhandenen Fabriken hat er Verwalter 

4) Sämtliche Magazine allein unter sich, und zu dem Ende sowohl 
dasjenige, was an roher Waare, an Wolle, Flachs Und Hanf, auch Farb- 
materialien erkauft, als auf das, was alsdann an Garn nnd übrigen Tuch- 
waaren erzeugt wird, in seine Verwahrung zu übernehmen, im übrigen 
aber die beede vorhandenen Wollen- und Leinenwerkmeister sowohl, als 
den Färber dahin einzuleiten, dass solche nicht nur die vorgeschriebenen 
Arbeitslisten genau zu führen, sondern auch über jene Materialien, die sie 
von Zeit zu Zeit zur Verarbeitung in ihre Verwahrung bekommen werden, 
ein deutlich- und akkurates Begister zu halten, im Stande sein mögen, 
welches am besten dadurch zu erzielen sein wird, wenn dieser zu Anfang 
jeden Monats eine gewisse Portion jener Gattungen Materialien, wovon die 
Zeit über Waaren verfertiget werden sollen, abgereicht und sodann zu 
Ende des Monats wiederum gehörige Abrechnung mit ihnen getroffen wird, 
nach welchen Arbeitslisten und Begistem alsdann alles nur kürzlich in 
die haltenden Manualien eingetragen werden darf. Wo im übrigen 

5) Bei der zu Ende jeder Woche geschehenden Arbeitsübemahm 
genau darauf zu sehen, dass die Züchtlinge ihre Schuldigkeit ihren Kräften 
und dem deshalb entworfenen Begulativ gemäss zu jederzeit leisten und 
immerhin tüchtige und dauerhafte Waare liefern, wobei die Nachlässige 
ernstlich gestraft werden, diejenige aber, welche mehr als ihre Schuldigkeit 
liefern, und solches in ihren Feierstunden gearbeitet haben, nach besonderer 
gnädigsten Vergünstigung Celsissimi etwas billiges dafür bezahlt erhalten 
sollen. 



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6) Hat Verwalter genau darauf zu sehen, dass die von dem Wollen¬ 
werkmeister abgebenden rohen Tuchwaaren in möglichster Bälde auf die 
Walk gegeben, und von solcher wiederum in Zeiten gut gewalkt eingeliefert 
- auch alsdann 

7) Zur gehörigen Zeit in die Färberei abgegeben werden, weshalben 
dem Färber die erforderlichen Species gegen schriftlichen Begehrschein 
nud darauf stellenden ÄBsignation des Oberaufsehers zu verabfolgen, und 
die von Zeit zu Zeit ausrttstende Waaren von diesem zu übernehmen und 
dann in die Magazine zu überbringen sind. In welchem 

8) Die sämtlichen Waaren gehörig zu sortiren, die ältern von den 
neuen abzusöndern, und jene, die nicht zum herrschaftlichen eigenen Ge¬ 
brauch erforderlich, zum Verkauf zu widmen sind, worüber ein ordentliches 
Waarenbueh zu führen, und daraus jeden Monat über die verkauften 
Waaren sowohl an gnädigste Herrschaft, als an Privatpersonen ein Ver¬ 
zeichniss auszufertigen, und dem Verwalter der milden Stiftungen zuzu- 
stellen ist. 

9) Solle Verwalter auf den Verbrauch des Holz und Lichts genaue 
Obsicht tragen, und alle mögliche Menage anordnen, und besonders auf 
die Officianten und Handwerksleute, welche frei Holz und Licht vom Haus 
zu gemessen häben, ernstlich sehen, und solche von allem verschwende¬ 
rischen Missbrauch abhalten. Eben so sorgfältig solle auch 

10) Auf die Erhaltung der vorrätigen Mobilien und Gerätschaften 
gesehen und all solches mit den erforderlichen Reparationen gehörig unter¬ 
halten, übrigens aber ohne Erlaubniss von der Kommission nichts Neues 
angeschaft werden. 

IH. Wollenwerkmeister. 1) Diesem ist die Sorge über die 
Wollenspinnerei und Fabrizirung der erforderlichen Waaren einzig anver¬ 
traut. Er hat deshalben für all dasjenige, was durch sein Verschulden 
verdorben wird, auch einzig zu haften und genau darauf zu sehen, dass 
die zum herrschaftlichen eigenen Gebrauche erforderlichen und sonsten zum 
Verkauf bestimmten Waaren aufs besste gefertigt werden mögen, als zu 
welchem Ende derselbe 

2) Die Züchtlinge im Wollenspinnen und Tuchmachen nach besstem 
Wissen anzuweisen, zu unterrichten und täglich dergestalten zu beschäf¬ 
tigen hat,, damit die Aufgabe nach eines jeden Kräften abgemessen, die 
noch (unerfahrne Züchtlinge bederlei Geschlechts im Wollenbuzen, Spinnen 
und sonstigen Arbeiten behörig angeführt, und jeder nach seiner Geschick¬ 
lichkeit zum Nutzen des Hauses gebraucht werden möge; er solle sich 
demnach zur Schaffzeit immerhin in den Arbeitszimmern aufhalten, und 
aU seine Aufmerksamkeit auf die Verfertigung guter Waaren verwenden 
und im Fall einer oder der andere Züchtling mit Vorsatz entweder schlecht 
oder zu wenig arbeiten würde, solches jedesmal zur weitem Verfügung 
dem Vorgesetzten des Hauses anzeigen. 

3) Hat Werkmeister die Erforderndes der verschiedenen Gattungen 
Wollen sowohl, als der übrigen zur Fabrik nötigen Materialien in Zeiten 
anzuzeigen, und solche bei jedesmaliger Lieferung genau zu visitiren, ob 



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die Waare Kaufmannegut sei, wovon sogleich pflichtmissige Anzeige zu 
machen, im flbrigen aber von ihm mit denen von Zeit zu Zeit erhaltenden 
Materialien, als Oel, Schmiere, Seife und Schwefel sparsam umzugehen, 
und nichts davon irgendwohin zu verwenden ist. Und da 

4) an Sorürung der Wolle sehr viel gelegen; so hat er die hier¬ 
zu tauglichen Personen wohl zu unterrichten und anzuweisen, auch 
selbst mit Hand anzulegen, und alsdann jede Gattung zum Nutzen des 
Hauses behörig zu verwenden, auch niemal zuzugeben, dass nur das Ge¬ 
ringste davon verdorben, oder sonsten zu etwas anders, als zur vorgeschrie¬ 
benen Bestimmung verwendet werden möge. Wie er dann 

6) hauptsächlich die Arbeiten so einzuteilen hat, damit immer 
ein hinlänglicher Yorrath von allen Gattungen Zettel- und Einschlaggarn 
vorhanden, und sämtliches Garn in behöriger Quantität gesponnen, nicht 
minder alle Tücher, besonders aber die feine mit möglichstem Fleiss ge¬ 
macht werden, wovon dann zu Ende jeder Woche nicht nur das gespon¬ 
nene Garn, sondern auch das gewobene Tuch, mit denen auf jedes Stück 
besonders angemachten Numem an den Verwalter abzuliefern, sofort 
aber das Tuch in möglichster Bälde in die Walke zu übergeben, und nach¬ 
dem solches von daher wohl gewalkter wieder zurückgekommen, gleichbal- 
den in die Färberei zu verbringen ist. 

6) Hat Werkmeister genau darauf zu sehen, dass von dem Fabrik¬ 
geschirr nichts ans Nachlässigkeit oder Mutwillen verdorben, verbrochen, 
oder gar aus dem Hause getragen werde, wo im übrigeu er sich allen 
ergehenden Hausverordnungen zu fügen, und neben dem Zuchtmeister ein 
wachsames Auge auf die arbeitenden Züchtlinge zu haben, sofort alle bei 
denenselben wahrnehmende, dem Hause schädliche Handlungen, heimliche 
Unterredungen, oder sonstige Unterschleife sogleich pflichtmässig anzuzeigen, 
auch den ihm anvertrauten Schlüssel zu den Züchtlingen wohl zu ver¬ 
wahren hat, damit Niemand mit solchen einen schädlichen Gebrauch 
machen könne. 

IY. Tuchscheerer und Färbor. 1) Hat derselbe auf alles ihm 
per Inventarium aufgeliefert werdendes Handwerksgeschirr und Werkzeug 
gute Aufsicht zu tragen, damit davon mutwilliger Weise nichts verdorben, 
weniger aus dem Hause verschleppet werden möge. 

2) Soll er sichs zur besondem Sorge sein lassen, alle von dem Walker 
erhaltende raue Waaren nach besstem seinem Wissen gut und sauber zu 
scheeren, hiemächst dauerhaft zu färben und endlich dergestalt zu appre- 
tiren, damit sämtliche Tücher ein gutes Ansehen und dauerhafte Farbe 
erhalten. 

8) Hat derselbe der Fabrik für alle und jede Stücke, so durch ihn, 
oder die äeinige in rauen, rameu, scheeren, färben oder pressen durch¬ 
löchert, oder auf sonst eine Art verdorben werden, zu haften, und den 
Schaden aus seinen Mitteln zu vergüten. 

4) Muss derselbe alle aus der Walke empfangende Tücher gleich 
auf der Stelle in Beisein des Hausverwalters, dann Walkers und Werk, 
meisten visitiren, und wenn er bei ein oder dem andern Stücke Hauptfehler 



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bemerkst, solche noch mangelhafte und rar Färb nntaogUehe Btftefee den 
Walker, nach vorheriger dem Vorsteher des Hauses gethaner Anzeige, 
also gleich zur Verbesserung zurückgeben, widrigenfalls er sich es selbst 
sozusehreiben hat, wenn bei dem Färben an derlei vom Walker für gut 
Sügeaemmeaen Tücher sich ein Schaden äussert, zu welchem Ende 

5) Er die aus der Walke kommenden Tücher nicht zu lange liegen, 
soidern gleich balden dieselben zu rauen und weiters zu besorgen hat. 

6) Sollen sämtliche bei derlei Appreturen abfallende Spitzen und 
Flocken dem Verwalter des Hauses getreulich ruckgeliefert, und von ihm 
Scheerer das mindeste nicht entwendet oder verkaufet werden. 

7) Hat der Färber nach geendigter Apretur jedes Stück in Beisein 
des Vorstehers und des Werkmeisters zu messen, behörig zu plombiren, 
die Ellenma8a mit dem Nro. auf ein Kartenblatt zu schreiben, auf das Tuch 
zu nähen, und hiernächst sämtliche Stücker dem Verwalter in das Vor¬ 
ratsgewölbe gegen Schein aufzuliefern. 

8) Soll derselbe die zur Färberei von Zeit zu Zeit erforderlichen 
Farbspezies mittels eines BegehrBcheins unter Attestat des Oberaufsehers 
m dem Verwalter in Zeiten verlangen, und ohne Anweisung nicht das 
Geringste eigenmächtig bei den Krämern holen, noch sonsten etwas machen 
lassen. 

9) Darf derselbe für andere Leute in der Stadt, oder im Hause, 
wenn es nicht für das Ham selbst ist, etwas färben, scheerea oder pressen, 
und zwar bei 5 . fl. Strafe. 

10) Soll er mit dem Holz und Lichtbrand sparsam umgehen, fort 
sich mit dem Oelmass, wie es reguliret ist, lediglich begnügen. 

11) Soll er sich nicht unterstehen, gefertigte Waaren an die Land¬ 
krämer und Juden aus seiner Werkstatt abzugeben, sondern alle fertige 
Waaren, wie schon in §. 7. gemeldet worden ist, in das Waarengewölbe 
einzuhändigen. 

12) Hat derselbe den Platz, worinn die grosse Bam befindlich, und 
die Karten von ihm fortgepflanzet werden müssen, allezeit verschlossen 
zn halten und nicht zu dulden, dass fremde Leute in sotanem Platz 
Weichen oder Wäsche auflegen. 

18) Hat er und die Seinige keine Gemeinschaft mit den Zücht¬ 
lingen, weniger mit fremden Leuten ausser dem Hause zu machen, fort 
rieh des vielen Auslaufens zu enthalten, und sich auf die Sonn- und Feier- 
täge gleich nach dem Zapfenstreich nach Hause zu begeben. 

14) Hat derselbe ohne Erlaubniss sich nicht aus der Stadt zu be¬ 
geben, weniger fremde Leute bei sich aufzunehmen und Nachtlager zu 
geben; anbei hat er seine ihm eingeräumte Wohnung von allem Unrat 
»»über zu halten, dahero bei 10. fl. Strafe keine Tauben, Kaninger und 
wastige dem Gebäude schädliche Thiere zu halten. 

15) Versiebet man sich au demselben, dass er sich fromm, nüchtern und 
so aufführen wird, wie es einem ehrliebenden Manne und rechtschaffenen 
Heister gebühret und wohl anstehet, wo beinaheas derselbe das Haus für 
Schaden zu warnen, und soviel an ihm ist, den Nutzen desselben in allem 



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za befördern, sohin auf das Feuer wohl Achtung zu geben hat, damit da¬ 
durch dem Hause kein Schaden Zuwachsen möge, wie er dann auch alle 
von andern bemerkende dem Hause schädliche Fehler dem Vorsteher des 
Hauses alsogleich anzuzeigen haben soll. Wogegen demselben monatlich 
30. fl. zu Lohn, nebst freiem Quartier, Holz und Licht gegeben, sonsten 
aber nichts weiters an Utilitäten gestattet wird. 

V. Walker. 1) Hat der Walker mit den Seinigen, um willen der¬ 
selbe ausser der Stadt wohnet, Niemand ohne Erlaubniss des Zuchthaus¬ 
vorstehers Aufenthalt zu geben, eine stille Haushaltung zu führen, und 
sich mit seinem Lohn allein zu begnügen. 

2) Soll derselbe alle Tücher selbst abholen, und ehe er solche zum 
Walken übernimmt wohl besichtigen, und wenn er daran Weberfehler 
und Flecken oder Löcher findet, solche dem Werk- und Zuchtmeister 
vorzeigen, und nach Befund untüchtiger Arbeit dem Vorsteher des Hauses 
sogleich davon die Anzeige machen. 

\ 

3) Hat derselbe den zur Walk brauchenden Letten von allem Sand 
wohl zu säubern und behörig zu bearbeiten, damit die Tücher dadurch 
nicht verdorben werden mögen; hauptsächlich aber 

4) muss derselbe bei dem Walken der Tücher allen Fleiss anwenden, 
damit das Oel und sonstige Flecken wohl ausgewaschen, die Tücher aus 
dem Loch mehrmalen ausgezogen, und bei der Ausziehung alle Runzeln 
vermieden, dann jedem Tuch seine Breitung und Dicke gegeben werde, 
wie denn auch 

5) Er Walker mit dem Holze sparsam umzugehen, nicht weniger 
auch ohne Noth keine Schmierseife zu Säuberung der Tücher zu nehmen hat. 

6) Soll derselbe die gewalkten Tücher nicht auf dem Boden lang 
liegen lassen, sondern dieselben sogleich dem Tuchscheerer einliefern, und 
sich wenn der Tuchscheerer dabei nichts auszusetzen findet, ein Recepisse 
geben lassen und sotanes Recepisse dem Vorsteher des Hauses einliefem; 
findet aber 

7) der Tuchscheerer, dass das Tuch nicht sauber genug gewalket 
sei, so hat Walker solches sogleich wieder mit zurückzunehmen, behörig 
zu verbessern, und wenn er dieses nicht thut, die Heimschlagung sotanär 
verdorbener Tücher zu erwärtigen. 

8) Ist ihm Walker bei 10. fl. Strafe verboten, für andere Leute zu 
walken. Weniger 

9) darf sich derselbe ohne Erlaubniss des Vorstehers im Zucht- 
und Waisenhause von hier nicht entfernen. 

10) Muss derselbe dem Hause auch für alle unter seiner Obsorg 
habende Gerätschaften stehen, und wenn er davon etwas durch sein Ver¬ 
schulden verderben oder gar entwenden lassen sollte, solche dem Hause 
vergüten. 

11) Alles getreulich und ohne Gefährde verrichten, was ihm von 
Beiten seines Vorstehers anbefolen werden wird. 



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TI. Zuchtmeister. 1) Gleichwie dem Zuchtmeister die Sorge Aber 
sämtliche Züchtlinge vorzüglich anvertrauet ist, also hat derselbe solche 
wohl zu verwahren, die Thüren gegen den Hof Tag und Nacht geschlossen 
zu halten, solche am Schlusswerke öfters zu visitiren und nachzusehen, 
ob alles noch in gutem Stande, und die äusseren eisernen Gegatter, so 
wie die inwendige Fensterverkleidung annoch unbeschädiget sei, damit von 
den Züchtlingen keine Flucht entstehen und bewirket werden könne. 

2) Hat derselbe mit Zuziehung des Zuchtknechts alle Morgen nach 
der Tagsordnung die Züchtlinge aus ihrem Schlafzimmer abzuholen in 
das Gebetzimmer, und nach verrichtetem Morgensgebet zur Arbeit zu führen, 
allda den Arbeitenden und übrigen Sträflingen auf- und nachsehen, damit 
von denenselben fleissig geschaffet, und von den empfangenen Materialien 
and Manufakturgeräthschaften mutwilliger oder boshafter Weisse nichts 
verdorben werden möge. 

8) Muss Zuchtmeister besorgt sein, dass den sämtlichen Zücht¬ 
lingen nach bestehendem Regulativ ihr behöriges Brod, Mittags und Abends 
ihr Essen, und zwar jedesmal in der vorgeschriebenen Zeit vorgestellt, 
gleich und ohne Begünstigung ausgeteilet und in verordneter Stille ge¬ 
nossen, dasjenige Brod aber, welches von den Züchtlingen nicht gegessen 
wird, dem Verwalter rückgeliefert und keineswegs aus dem Hause verkauft 
oder verschleppet werde. Wornächst 

4) Zuchtmeister jeden Züchtling wiederum und bis zur erlaubten 
Feierstunde zur Arbeit anzufrischen und diejenige, welche hiergegen mur¬ 
ren, fluchen, oder sonstige ungebürliche Reden ausstossen werden, auf 
der Stelle zu korrigiren, und erforderlichen Falls nach Inhalt der gedruck¬ 
ten Verordnung mit 3 bis 4 Streichen abzustrafen hat. 

5) Soll Zuchtmeister sich allezeit und soviel es immer möglich in 
dem ßchaffzimmer der Züchtlinge sich aufhalten, bei den Arbeitenden ab- 
und zugehen, und nicht dulden, dass die Züchtlinge zum Fenster hinaus¬ 
reden, im Zimmer zusammenlaufen, mit einander Zanken, Taback rauchen, 
oder sonstigen Mutwillen ausüben, sondern derselbe hat 

6) Alle und jede ohne Unterschied zu einem stillen, friedsamen und 
gottesfürchtigen getragen auch allenfalls mit Gewalt anzuhalten, sohin 
keine ärgerliche oder die Arbeitende in ihrem Geschäfte auf haltende Reden 
za dulden, sondern derlei imnötige Schwäzereien der Gebühr. nach jedes¬ 
mal abzustrafen, und 

7) Täglich sämtliche Züchtlinge um die in der Tagordnung, be- 
1 stimmte Zeit zum Nachtgebet anzuhalten, dieselbe hiemächst mit dem 

Zuchtknechte in die Schlafkammer zu begleiten, sofort 

8) die Thüren sämtlich wohl zu verriegeln und zu verschliessen, 
damit keiner der Züchtlingen Gelegenheit zum durchgehen finden, noch 
sonstige Unheil bei der Nacht anstellen könne, wessentwegen derselbe auch 
sorgfältig darauf zu sehen hat, dass keiner etwas an Waffen, Instrumenten, 
Strick oder sonstige derlei Dinge mit sich auf das Schlafzimmer nehme, 
d&hero dann auch zur Beseitigung aller Besorgnissen 


4 



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9) Die Schlafzimmer der Züchtlinge beiderlei Geschlechts, in welchen 
den Züchtlingen an Kleidungen, ausser der täglich benötigten nichts zu 
belassen, sondern alles Entbehrliche von dem Zuchtmeister besonders zu 
verwahren ist, nachdem solche Zimmer frühe Morgens von den Zücht¬ 
lingen verlassen worden, von ihm Zuchtmeister zugeschlossen und also 
verschlossener bis zum Schlafengehen gelassen, sofort keinem Züchtlinge 
den Tag hindurch der Eintritt unter was für einem Vorwand es immer 
sein mag, gestattet werden soll; daher© 

IQ) Zuchtmeister einen jeden Züchtling Morgens bei dem Aufstehen 
anzuhalten hat, dass er das Bett mache, und was er den Tag hindurch 
bei sich haben müsse, mitnehme; wobei Zuchtmeister währendem Mittag¬ 
essen die Schlafzimmer und Better der Züchtlinge, wie auch derselben 
Kleider genau zu visitiren, und alles was derselbe Verdächtiges finden 
wird, mitzunehmen, besonders aber die Fensterlamberien und eiserne Ge- 
rämser zu besichtigen und zu probiren hat, ob noch olles im vesten Stande 
und nichts verdorben sei, wodurch einige Flucht zu befürchten sein möge, 
ZU welcher Sicherstellung des Hauses nicht weniger auch 

U) Er Zuchtmeister alle Abende besonders aber im Winter, alle 
Oefen und Kammer, und die in dem Arbeitszimmer befindlichen Kaminöfen 
vor seinem Schlafengehen visitiren, alles noch antreffende Feuer auf der 
Stelle auslöschen, und alle Thüren ausserhalb verriegeln und zuschtiessen, 
die Schlüssel mit sich in sein Zimmer nehmen und den Zuchtknecht zu 
gleicher Vorsorge anhalten solle. 

12) Hat Zuchtmeister auch auf die Reinlichkeit des Hauses zu sehen, 
, daher die Zimmer und Gänge durch bei trockener Witterung zu jöfnende 
Fenster behörig auszulüften, nicht weniger die [Arbeitszimmer zum wenig¬ 
sten zweimal in der Woche, die Schlaf- und Krankenzimmer aber wöchent¬ 
lich einmal, nämlich den Samstag auskehren zu lassen, wobei nebens der¬ 
selbe zu Sommerszeiten die obere Fenster öfters offen zu halten, in Win¬ 
terszeiten aber in diese Zimmer täglich einen starken Wachholderrauch 
durch den Zuchtknecht machen zu lassen hat. Gleichergestalten 

l£) Liegt ihm Zuchtmeister oh, den Züchtlingen nicht nur das von 
Zeit zu Zeit nötige Weisszeug zu bringen und für dessen Säuberung zu 
sorgen, und bei den Kranken durch den Zuchtknecht die Nachtstühle und 
Nachtgeschirre fleissig ausleeren und mit frischem Wasser ausschwenken 
zu lassen, sondern derselbe muss auch dahin sehen, dass 

14) den Kranken die Medizin und verordnete Speissen nach Vor¬ 
schrift des Doktors in behörigen Stunden gereichet und wohl gewartet, 
besonders aber der Geistliche frühzeitig beigerufen, und dieserhalben nichts 
verabsäumet werde. 

15) Muss auch Zuchtmeister für alle ihm per Inventarium aufge¬ 
lieferte Hausgerätschaften und Meubles, stehen, sohin darauf iavigiliren, 
damit solche sämtlich in guter Ordnung und reinlich unterhalten, und 
nichts davon mutwilliger Weiss verdorben oder gar entwendet werden möge. 

16) Lieget ihm Zuchtmeister ob, die Bestrafung dar Züchtlinge bei 
ihrem Aus- und Eintritt nach der Anweisung der Kommission und in 



Gegenwart des Vorgeaezten des Hauses ohne Nachsicht oder Begünstigung 
durch den Zuchtknecht vollziehen zu lassen. 

17) Hat derselbe nicht zu dulden, dass die Züchtlinge Lichter in 
dem Schlafzimmer haben, wie dann auf denselben alles Spielen, Taback- 
rauchen, Brandweintrinken, und alle sonstige Exzessen, besonders aber 
das Beden mit den Weibsleuten, Briefe zu, schreiben, and bei den das 
Zuchthaus besehenden Fremden zu betteln, ein für allemal verboten ist 
und bleibet; im Fall aber 

18) den Züchtlingen non ihren Freunden Geld geschickt würde, so 
bat der Zuchtmeister solches den Vorgesetzten des Hauses sogleich anzu¬ 
zeigen und einzuliefern, keineswegs aber zuzulassen, dass dafür Easwaarea, 
Taback, Wein und dergleichen erkaufet and den Züchtlingen zages tecket 
werde; gleich dann auch nicht zu gestatten ist, dass denselben Speissen, 
Getränke, oder irgend sonsten etwas von Jemand zugeschleppet werde. 

19) Hat Zuchtmeister Niemand zu den Züchtlingen ohne des Haus- 
Vorgesetzten Erlaubnis, und nicht einmal seine Frau oder Kinder einzu- ' 
lauen, auch Niemand mit denselben allein reden, noch denselben Briefe 
bringen, oder von selbigen auf die Post tragen zu lassen, sondern alle 
Briefe sollen dem bestellten Vorsteher des Hauses anforderist zu lesen 
gegeben, und ohne dessen Erlaubniss nicht abgeacbicket, weniger den 
Züchtlingen zugestecket werden. 

20) Hat Znchtmeister die geringe Vergehung- und Halsstarrigkeiten 
auf der Stelle mit 3 bis 4 Streichen abzostrafen, jedoch muss derselbe 
dabei Mässigung und Vernunft gebrauchen, sohin ans Hass und Feindschaft 
keinen Züchtling besonders hart halten, und sobald des Fall von Wich¬ 
tigkeit ist, oder auch wenn geringere Fehler von einem oder dem andern 
uehrmalen wiederholet werden; so hat 

21) derselbe solches dem Vorgesetzten des Hauses anzuzeigen, und 
von daher das Weitere zu erwarten, sofort den Züchtlingen das Mindeste 
nicht nachzuaehea. 

22) Muss Zuchtmeister alltäglich dem bestellten Zuchthansvorsfceher 
atmen mündlichen Bapport abstatten, und dabei nichts verheeren, sondern 
alles, was den Tag und die Nacht hindurch im Hanse vorgefall«» Ist, ohne 
Zusatz oder Minderung des Vergehens anzeigen. Uibrigens 

23) Hat Zuchtmeister ohne besondere Erlsabniss sich nicht aus dem 
Zschthanse zu begeben, weniger über Nacht an» dem Hause zu bteibea, 
such weniger aber sieh durch Schankuugen auf Seite der Züchtlinge wenden, 
au lassen, sondern unintressirter alles was in der Tags- und Arbeitsort« 
nung enthalten ist, und ihm schriftlich oder mündlich von der Hochfürst¬ 
lichen Kommission oder von dem Haosvorsteher beteten und auferleget 
werden wird, getreulich und fleissig au verrichten, fort alles was znm 
Hitzen des Hauses gereicht, , za bessern, daher« auf Alles, was dem Hause 
und zur Fabrik gehöret, ein wachsames Auge zu halten, und solche» jeder* 
zeit in behörige Ordnung richten, legen und stellen zu lasse», besonders 
sber auf die Menagirung des Brennholz und beb mitausehen, überhaupt 
tber sich nüchtern und dergestalt ecbäulick au betsagen, damit er nicht 

4* 



62 


nur den Züchtlingen, Bondern auch den übrigen Personen im Hause mit 
einem giften und erbaulichen christlichen Lebenswandel vorleuchten, da¬ 
her sich von allem verdächtigen Umgang mit den Züchtlingen weiblichen 
Geschlechts enthalten möge. 

VH. Zuchtknecht. 1) Stehet derselbe nnmittelbar unter dem 
Zuchtmeister, hat daher alles, was ihm dieser Namens des Hausvorstehers 
zum Behuf des Hauses und der Züchtlinge auferlegt, ohne Widerrede 
fleissig und getreulich zu verrichten; besonders aber 

2) Hat der Zuchtknecht mit dem Zuchtmeister auf die Sicherheit 
des Zuchthauses zu wachen, daher alle wahmehmende verdächtige An¬ 
schläge der Züchtlinge dem Zuchtmeister sogleich anzuzeigen, und wenn 
dieser hierauf nichts verfügen sollte, solches dem Hausvorsteher zu eröfnen. 

3) Muss Zuchtknecht dem Zuchtmeister die Züchtlinge Morgens 
helfen aus dem Schlafzimmer, dann in das Gebetzimmer, ferner zur Arbeit, 
und Abends zu der bestimmten Zeit wiederum schlafen führen, die Thüren 
verriegeln und behörig verschliessen. 

4) Hat Zuchtknecht frühe Morgens den Züchtlingen in die Arbeits¬ 
zimmer zu Winterszeiten das Feuer anziimachen, und das Feuer den Tag 
hindurch mit möglichster Menagirung des Holzes zu unterhalten, sofort 
das darzu erforderliche Holz zu segen, zu spalten und beizutragen. 

5) Muss Zuchtknecht den Züchtlingen in verordneter Zeit das Brod 
in der Hofbäckerei holen, das Essen aus der Waisenhausküche beitragen, 
Wasser holen und 

6) den kranken Züchtlingen fleissig warten, ausbutzen, die Medizin 
und Doktor, oder wer sonsten bestellet werden muss, abholen, erforder¬ 
lichen Falls auch bei den Kranken des männlichen Geschlechts wachen, 
und alles, was ihm dieserthalben anbefolen wird, unverdrossen verrichten. 

7) Muss Zuchtknecht, wann er aus dem Hause keine notwendige 
Arbeiten hat, sich immer bei den Züchtlingen, wo der Zuchtmeister nicht 
zugleich sein kann, aufhalten, und dieselbe in behöriger Ordnung und 
fleissiger Arbeit zu halten suchen. 

8) Hat derselbe die den Züchtlingen andiktirt werdenden Schläge im 
Bock und ausser dem Bock nach Maassgabe des Verbrechens zu geben, jedoch 

9) darf derselbe ohne Befehl keinen Züchtling bestrafen, ausser 
wenn ein Züchtling ihm grob begegnet, oder zu dem auferlegten Geschäfte 
sich gutwillig nicht verstehen wolle, so darf er denselben etliche Stareiche 
mit dem Ochsenzehmer geben, alle sonstige Verbrechen aber hat derselbe 
dem Zuchtmeister zur Bestrafung anzuzeigen. 

10) Hat Zuchtknecht sich von allem verdächtigen Umgang mit den 
X\ Züchtlingen, besonders jenen des weiblichen Geschlechts zu enthalten, und 

dahero denselben bei Zuchthausstrafe nichts nachzusehen, zuzutragen, oder 
heimliche Briefe von denselben an Ort und Ende zu verbringen; wie 
'ann auch 

11) Keinem der Züchtlinge Taback, Wein, Obst oder sonstige Vik- 
aalien anerkaufen und denselben zustecken, sondern alle derlei Zumutun- 
gm dem Zuchtmeister zur Nachricht gleich unverhalten soll. 



— 53 — 

12) Muss Zuchtknecht nach dem Schlafengehen der Züchtlinge überall 
mit dem Zuchtmeister nachsehen, ob keine Feuers* oder sonstige Gefahr 
vorhanden sei, dahero alle antreffende Feuer auslöschen, alle Thüren 
wohl verschliessen und sich hierauf in sein Zimmer verfügen, auch des 
Nachts mehrmalen im Haus visitiren, ob alles in Buhe und Ordnung sei, 
und in dem Schlafsale der Züchtlinge nichts verdächtiges vorgehen mögte* 

13) Hat nebst all diesem zu allen vorkommenden Arbeiten er Zucht¬ 
knecht sich ohne Widerrede zu verstehen, ohne Geschäften des Hauses 
nicht auszulaufen, vielweniger ohne Erlaubniss des Vorgesetzten über Feld 
za gehen, und sich besonders für dem Trunk zu hüten, mithin sich allezeit 
nüchtern zu halten, und mit den Leuten im Zucht* und Waisenhaus zu 
vertragen, annebst aber alle Zänkereien zu vermeiden, durch gute Auf¬ 
führung den Züchtlingen ein gutes Exempel zu geben. Endlich aber 

14) Alle wahrnehmepde schändliche Handlungen, solche mögen ge¬ 
schehen, wann sie wollen, dem Vorsteher des Hauses sogleich anznzeigen. 

Fünfter Absatz. Verrichtungen der Züchtlinge. Mor¬ 
gens wird zur Sommerszeit um 4, zur Winterszeit um 5 Uhr durch den 
Zachtmeister das Zeichen zum Aufstehen gegeben. Darauf stehen die Zücht¬ 
linge auf. und kleiden sich an. Worauf beederlei männlich und weiblich in 
ihre Arbeitszimmer geführt werden, da sie sich dann waschen, tmd das öffent¬ 
liche Morgengebet verrichten. Sobald dieses geschehen, gehet jedes an 
seine Arbeit, welche fortgesetzt wird, Sommers bis 6. und Winters bis 7. Uhr, 
wo sie alsdann zu Anhörung einer heiligen Messe in die im Hause ein¬ 
gerichtete Kapelle besonders abgeführet werden. Nach der Mess bekommen 
sie Frühstück und haben Buhestunde bis respective 7. und 8. Uhr. Von 
dieser Zeit an wird gearbeitet bis Mittags 12. Uhr. Von 12. bis 8 / 4 »uf 
ein Uhr haben sie das Mittagessen einzunehmen und nach solchem ihre 
Better zu machen und die Zimmer zu reinigen. Von */< auf 1. Uhr bis Abends 
6. Uhr ist Arbeit. Von 6. bis halb 7. Uhr Buhestunde und Abendessen. 
Von halb 7. bis */* auf 7. Uhr verrichten sie das Naehtgebet Von 
dieser Zeit an wird wieder bis 9. Uhr gearbeitet, wo sie alsdann in ihre 
Schlafzimmer zur Buhe abgeführt werden. 

An den Sonn-und Feiertagen: Um 7 Uhr müssen die Züchtlinge 
aufstehen und sich ankleiden. Eine halbe Stunde darnach werden sie in 
die Arbeitszimmer geführet, wo sie sich waschen und ihr Morgengebet 
verrichten. Um 9. Uhr wird in gedachter Kapelle Messe gelesen und dann 
eine Predigt abgehalten, nach deren Endigung solche in die Arbeitszimmer 
anrück geführet werden. Um 12. Uhr ist das Mittagessen. Von 1. bis 2. Uhr 
wird christliche Lehre gehalten, wornach die Züchtlinge annoch einen 
Rosenkranz und ein Salve zu beten, auch ein Lied abzusingen haben. Nach 
diesem werden sie wieder in die Arbeitszimmer zurückgeführt, wo sie sich 
dann vollends bis Abend aufzuhalten, um halb 8. Uhr ihr Nachtgebet zu 
verrichten, und um 8. Uhr zu Bette zu begeben haben. 

In Ansehung der Wollenarbeit hat man zwar ausfindig gemacht, 
was ein Züchtling nach ihrer Einleitung in gute, mittelmässige und geringere 
Arbeiter (nach dem Maasse ihrer Kräften) den Tag hindurch, nach dem 



54 


Unterschied der Wolle and des Garns, mit Emen, Streichen, Schlampen, 
Spinnen and Weben arbeiten kann, und ist darüber eine besondere Tabelle 
begriffen: es dienet aber dieselbe vorzüglich nur zur Beurteilung, ob die 
Werkmeister das ihrige gethan, und die ihnen untergebene Züchtlinge zu 
ihrer Schuldigkeit angehalten haben. Es hat mithin die Meinung nicht, 
.als Trenn man darnach einem jeden Züchtlinge sein Tagwerk abmessen 
trollte, nach wessen Vollendung er Feierabend haben sollte;.in dem Gegen¬ 
teil wird erfordert, dass ein jeder Züchtling die zu der Arbeit gesetzte 
Zeit hindurch nach seinen Kräften dem Geschäfte obliege, und dasselbe 
nach besätem Vermögen fleissig und geschickt verrichte. Jedoch haben 
ße. Hochfürstliche Gnaden ans besonderer höchsten Gnade gestattet, dass 
in sofern ein oder der andere Züchtling während den Ruhestunden ausser 
seiner Schuldigkeit etwas arbeiten, und besonders die Weibsleute die für 
das Haus selbsten erforderlichen Strümpfe stricken wollten, solches den¬ 
selben zugelassen, und ein billiger Verdienst dafür ausgesetzt werden solle, 
welcher Verdienst aber ausser dem grössten Notfälle ihnen keineswegs 
zuzustellen, sondern einem jeden bis zu dessen dereinsten Hinauskommen 
anfzubewahren ist. In wiefern aber die Obsicht bei den Züchtlingen wäh¬ 
nender Arbeit gehalten, die Unerfahrne unterrichtet, und besonders die 
Träge za der Arbeit ungehalten werden sollen; das ist bereits oben bei 
der Obliegenheit des Werk- und Zuchtmeisters beschrieben: so wie auch 
bei der Obliegenheit des Verwalters geschehen, dass die angeordneten 
Arbeitslisten akkurat geführt und von Zeit zu Zeit mit den Wochen- und 
Monatberichten ad Commissionem eingesendet werden sollen. Uibrigens 
soll kein Züchtling von der Arbeit wegen Krankheit befreit werden, es sei 
dann, dass der Oberaofseher des Hauses vorderist davon wisse, und der 
Medikus oder Ohirurgus des Hauses die Unpässlichkeit so beschaffen zu 
sein fände, dass sie an der gewöhnlichen Arbeit hinderlich wäre. Sobald aber 
die Krankheit von solcher Art ist, sollen die Züchtlinge nicht in die Arbeits¬ 
zimmer geführt werden, ob sie auch gleich wollten, sondern sie werden 
entweder in den Schlafzimmern gelassen, oder aber sogleich in die ge¬ 
ordnete Krankenzimmer gebracht, je nachdem es die Umstände erfodern, 
als nach welchen der Oberaufseher nach Gatbefinden des Medikus und 
Chirurgus behänge Verordnung zu thun hat. 

Sechster Absatz. Unterhaltung der Züchtlinge. Dies¬ 
falls ist das in beigesetzter Tabelle entworfen Regelement veBtgesetzet. 
Wobei noch besonders angeordnet ist, dass bei dem Tische Niemand reden, 
sondern ein jedes die Speisse still, züchtig und auf eine anständige Art 
zu sich nehmen soll. Das Essen fragen der Zucht- und Hausknecht auf, 
welche auch das zum Essen gebrauchte Geschirr abtragen und an behöri- 
gen Ort liefern. Nach dem Essen werden einige Fenster auf allen Arbeits¬ 
zimmern zu beeden Seiten geöfnet, damit die Luft durchstreichen und 
allen Dunst und übeln Geruch hinweg nehmen kann; nach diesem wird 
mit dem Wachholderholz ein Rauch in sämtliche Zimmer gemacht, und 
hernach werden die Fenster zu den Zeiten, wann es die Jahrszeit undfdie 
Witterung erfodert wieder geschlossen. Unter dem Essen befindet sich 



dar Zuchtmebrter und Zuchtkaecht ln den Speisezimmern, welch« in den¬ 
selben auf die Beobachtung der Ordnung zu sehen, und mithin ihr eigenes 
Mittag- und Nachtessen so einzurichten haben, dass solches, ohne nur ein 
einzigesmal auszusetzen, geschehen könne. Messer und Gabeln seind den 
Züchtlingen keine zuzulassen, als diejenige, so zu ihrem besondern Gebrauch 
verordnet und gleich nach dem Essen wieder abzugeben sind In kranken 
Tagen werden die Züchtlinge in allen Stücken so gehalten, wie es deren 
Umstünde zu ihrer Genesung erfodern. Vor allen Dingen ist dahin zu 
sehen, dass die Züchtlinge sich an ihren Leibern rein halten. Sie sind 
su dem Ende mit Kämmen behörig versehen, und müssen sich alte Morgen 
waschen, zu welchem Ende in jedes Arbeitszimmer die benötigten Hand- 
swda abgegeben, und besondere Gefässe anfgestellt, solche immerhin mit 
reinem Wasser angefüllt und die ganze Zeit über sanber und rein gehalten 
werden. Auch wird ihm beim Eintritt in das Haus nene Kleidung gegeben, 
und zwar den Mannsbildern: Grau kirsaiene Leibein und Wamme«. 
Zwilchene Hosen. Graue wollene Strümpfe. Wollene Kappen und die 
erforderlichen Schuhe. Den Weibsleuten: Kirsaiene Leibeh». Halb¬ 
leinene Röeke. Zwilchene Schürze, und Hauben von blaugestreiften Köllisch. 
Jeder Züchtling bekömmt alle Samstage des Abends ein weisses Hemd, 
wovon für jeden 4. vorrätig, und welche mit den nämlichen Numero be¬ 
zeichnet sind, die sie an ihren Kleidern haben. Alle Sonntage müssen die 
Züchtlinge ihre Schuhe schmieren, uad überhaupt zur Reinlichkeit ihrer 
Kleidung besstens angehalten werden. 

Siebenter Absatz. Reinlichkeit des Hauses, der Zim¬ 
mer und Better. Sämtliche Zimmer, Gänge und Stiegen sollen die 
Woche zweimal, Mittwochs und Samstags, die Arbeitszimmer aber täglich 
bei eiöfneten Fenstern und Thüren ausgefegt werden. In dem Sommer 
bleiben die Fenster und Thüren den ganzen Tag über offen, jedoch wenn 
es Regen gibt, werden» die Fenster auf der Wetterseite zugemacht. In den 
Wintertagen werden die Thüren täglich wenigstens eine Stunde lang geöfhet, 
auch alle Tage die Zimmer und Gänge mit Wacbheldnrholz ausgeräuchert, 
lu der untern Etage ist für die Mannsbilder, in der oberen hingegen für 
die Weibsleute ein geräumiges Schlafzimmer eingerichtet, worinn die erfor¬ 
derlichen Bettstatten stehen, in welchen je 2. und 3. Züchtlinge schlafen. 
Die darinn befindlichen Bette bestehen aus I. Strohsack, I. Madrata, 
1. Kopfkttaien, I. Roullon, L Betteppig, und 2; Leinlachen; weiche alle 
sechs Wochen ausgewechselt werden. 

Achter Absatz. Verwahrung der Züchtlinge und 
Sicherheit des Hauses. Lichter sind den Züchtlingen in ihren Schlsf- 
ämmero nicht zuzulassen. Auf jedem Gang ist eene gläserne Wandlaterne 
aofgeliänget, und an der äussern Thttre in der untern Etage ist ebenfalls 
eise an der Wand vest gemacht. Diese letztere Laterne wird angezündet, 
*o bald es finster werden will, und brennt die ganze Nacht hindurch bis an den 
Morgen. Die beede Laternen auf den Gängen aber werden nur angezündet, 
«an die Züchtlinge in die Arbeite- und von dannen, in ihr Schlafzimmer 
geführt werden. Wenn die Züchtlinge von deer Arbeit in ihr»-i8chiafgim- 



$6 


mer abgeführet werden, so werden die letzter? verschlossen, und dann 
müssen die Arbeitszimmer und die übrigen Gänge und Thüren genau visi- 
tirt und ebenmässig gut verschlossen werden. Das Thor, welches die beeden 
Flügel des Zucht und Waisenhausgebäudes mit einander vereinigt, ist so 
Tags als Nachts geschlossen, und wird jedesmal, wenn jemand aus oder 
eingehen will, und an der daran bevestigten Glocke läutet, durch den auf 
der Wache befindlichen Gefreiten geöfnet; weshalben die Schildwache 
nicht an diesem Thor, sondern an der hintern Seite des Zuchthausgebäudes 
wache Btehet, um von da aus nicht nur den ganzen Hof übersehen, son¬ 
dern auch auf die hintern Seite des Gebäudes mehrmal gehen zu können. 
Fs muss auch diese Wache des Nachts hindurch alle viertel Stunde einen 
Laut von sich geben, welchem der Zuchtknecht mehrmalen Antwort zu 
geben hat. Uibrigens ist ohne besondere Erlaubniss und Vorwissen des 
Oberaufsehers Niemand in das Zuchthaus einzulassen, noch auch nach, 
ausgewirkter Erlaubniss zuzugeben, dass ohne Beisein des Zuchtmeisters 
mit fremden Leuten gesprochen werde; so wie keinem Züchtlinge erlaubt 
ist, leise oder sonsten auf eine verdächtige Art mit dem andern zu reden, 
Briefe zu schreiben, oder zu empfangen, es sei denn, dass soviel die Briefe 
betrifft, der Oberaufseher .die Erlaubniss darzu gegeben, und sie vorher 
gelesen habe. Wenn den Züchtlingen Geld von den Ihrigen geschickt 
wird, soll es der Verwalter in Verwahrung nehmen, und zu dem Bessten 
der Züchtlinge verwenden: jedoch aber ohne Vorwissen und Genehmigung 
deren Unterhalt nicht verbessern, als welches dem Endzweck ihrer Züchti¬ 
gung entgegen sein würde. Auch sollen weder Zuchtmeister noch andere 
bei empfindlicher Strafe sich nicht gelüsten lassen, etwas von Essen, 
Trinken und dergleichen für sie einzukaufen, und ihnen zuzustellen. Eben 
so wenig soll Jemand aus der Stadt zugelassen sein, den Züchtlingen 
Essen oder Trinken zuzutragen, am wenigsten ist den Züchtlingen erlaubt, 
bei den Fremden die das Zuchthaus sehen, zu betteln. Alle Wochen 
werden sämtliche Zimmer etlichemal yon dem Zuchtmeister und Zucht- 
knecht durchsuchet, worauf der Vorgesetzte des Hauses besonders zu 
sehen hat. 

Neunter Absatz. Strafen. 1) Ungehorsam und Widersetz¬ 
lichkeit gegen die Vorgesetzte des Hauses, auch das mindeste Widerreden, 
ferner Trägheit beim Arbeiten, boshafte Verachtung,der Kost, werden 
mit 3—4. Streiche auf der Stelle, auch nach Befund der Umstände und 
nach Unterschied der Vorgesetzten, welchen sich die Züchtlinge ungehorsam 
bezeigt und widersetzt haben, besonders im Wiederholungsfälle mit 12. bis 
24. Prügel im Bock gestraft. 

2) Eine gedachten Vorgesetzten mit Wort oder That zugefügte Be¬ 
leidigung wird nach Unterschied der beleidigten Person und nach Grösse 
der Beleidigung mit. 12—24. Prügel im Bock, mit Verlängerung der Zucht¬ 
hausstrafe auf ein halbes — ein ganzes — oder mehrere Jahre geahndet. 

8) Das Tabackrauchen ist wegen der damit verbundenen Feuers¬ 
gefahr auf das schärfste verboten, den Uibertretern dieses Verbots wird 
ihre Strafzeit.auf ‘/«tel Jahr verlängert. 



57 


4) Scbwäzereien und heimliche Unterredungen mit den Züchtling» 
weiblichen Geschlechts, so wie dieser mit den Mannsleuten, es geschehe wo 
und wie es immer wolle, imgleichen das Briefschreiben und verschicken 
ausserhalb dem Zuchthaus ohne Erlaubniss, bleibt unter ‘/«teljährigcr Zucht¬ 
hausstraferweiterung verboten. 

5) Ferner ist den Züchtlingen ohne Unterschied verboten, heimlich 
miteinander zu reden, dies geschehe an Ort oder zur Zeit, wo und wenn 
es immer wolle: diejenige, die dawider handeln, empfangen Schläg auf 
der Stelle, auch nach Umständen besonders im Wiederholungsfall Prügel 
im Bock, oder es wird ihnen, wenn diese Bestrafungen fruchtlos sein 
sollten, die Zuchthausstrafe auf ein Vierteljahr verlängert. 

6) Diejenige, welche schlechte Arbeit fertigen, Wolle, Garn oder 
Schaffgeschirr gefliessentlich oder nachlässiger Weise verderben, müssen 
es nach Grösse ihrer Bosheit oder Nachlässigkeit, imgleichen nach Grösse 
des dem Hause zugefügten Schadens 3—4. Streiche auf der Stelle, auch 
mit Zuchthausstrafeverlängerung auf ein Viertel — halbes oder ganzes 
Jahr verbüssen. 

7) Diebstal an Wolle, Garn oder Tücher, ferner Bestehlung anderer 
Züchtlinge, es mag so gering sein als es immer will, wird ebenfalls mit 
dem Zuchthaus auf ein Vierteljahr, im Wiederholungsfälle aber, und wenn 
der entwendete Gegenstand beträchtlich sein sollte, wie gewöhnlich ist, 

I bestrafet. 

8) Demjenigen, welche Aufruhr verursachen, und andere zum Durch¬ 
brechen zu verleiten suchen, wird die Zuchthausstrafe auf ein Jahr erwei¬ 
tert, jenen aber, die sogar in dieser Absicht schon Hand angeleget haben, 
werden nach Grösse des dadurch gestifteten {Schadens mit schärferer und 
willkürlicher Strafe belegt. 

9) Aergerliches und unzüchtiges Betragen, das Fluchen und Schelten 
gegen andere Züchtlinge und sonstige Vergehungen wider die Ehrbarkeit 
und Zucht, werden in jedem Fall mit 3—4. Streiche auch nach Grösse 
der Bosheit mit 12—24. Prügel im Bock gestraft. 

10) Derjenige Züchtling, welcher anzeiget, wenn andere vom Durch¬ 
gehen aus dem Hause reden, oder gar schon in dieser Absicht Komplote 
gemacht haben, erhält, wenn seine Anzeige wahr befunden wird, nebst Ver¬ 
schweigung seines Namens, eine Belohnung durch Nachlass an seiner Zucht¬ 
hausstrafe. Dahingegen 

11) Züchtlinge, welche gefährliche Unterredungen hören und ver¬ 
schweigen, anderer Untugenden bemerken oder erfahren und nicht anzeigen, 
werden eben so wie die Urheber selbst bestraft. 

12) Damit Jeder Züchtling vor allen diesen auf die Vergehungen 
unnaehlässig erfolgenden Strafen gewarnet sein möge, so ist allsolches 
besonders abgedruckt, und sowohl in den Schlaf- als Arbeitszimmern an 
die Thüren öffentlich angeschlagen worden. 

Zehnter Absatz. Kranke Züchtlinge. Die Aufsicht über 
die kranken Züchtlinge nach ihren leiblichen Umständen ist Dem jeweiligen 
Stadtphyaikus und einem Chirurgus dahier aufgetragen, zu welchem Ende 



68 


desselben oblieg«, das Hau ordentlicher Weise täglich einmal zu besuchen, 
und Sich in die Zimmer der Züchtlinge zu begeben, um allda zu erforschen, 
wie es um die Gesundheit derselben beederlei Geschlechts stehe, was des- 
falls sowohl praeservative als curative vorzukehren sei, und wer von den 
Erkrankten zu besserer Pflege und Wartung in das Krankenzimmer öber- 
bracht werden müsse, wo alsdann dieselbe einem jeden seinen Zustand zu 
erleichtern und nach ihrem bessten Wissen und Gewissen soviel möglich 
zu vollständiger Gesundheit zu verhelfen, auch diesfalls, um den richtigen 
Rapport täglich ad Celsissimum erstatten zn können, jedesmal die ver¬ 
waltenden Umstände von jedem Kranken anzuzeigen haben. Was aber 
die Versorgung der Züchtlinge nach ihrem Seelenheil anbelangt, so sind 
solche diesfalls dem hiesigen Hofpfarrer anvertranet, welcher die Verrich¬ 
tung seines Amts nach dem Zustande der ihm zu der Seelsorge anvertrau¬ 
ten Personen einrichten muss; und da in dem Zuchthause ein Aaszug 
lasterhafter Personen, die zum Teil Auswürflinge des menschlichen Ge¬ 
schlechts seind, zu finden ist; so wird derselbe von selbst wissen, wie er 
denselben das Gesetz predigen, den Greuel ihrer Verbrechen verstellen and 
sie dadurch zu einer wahren Busse leiten solle. Insbesondere aber hat 
er bei denen, die Gott der Herr mit Krankheiten heimsuchet, seine geist¬ 
liche Obsorge bestens anzuwenden, dieselbe in Zeiten mit den Heilsmitteln 
zu versehen, und alles zu ihrer Bekehrung beizutragen. Sollte sieh nun| 
fügen, dass hie und da Züchtlinge mit Tod abgehen würden; so ist 

Eilfter Absatz. Begräbniss der Züchtlinge. Verordnet, 
dass solche in Begleitung des Zuchtmeisters und Zuehtknechts auf den 
Gottesacker an den für sie bestimmten Ort in der Stille zu begraben sind, 
wenn solche nioht zu der Anatomie abgegeben werden. 


Speisstabelle für das Fürstl. Speierische Zuchthaus. 

In den Monaten Jenner, Hornung und März 
Sonntag Mittags: Fleischsappe jedes ‘/t Pfund Rindfleisch, Sauer¬ 
kraut, u. jedes Gesunde */* schop. Wein. Abends: Nichts. Montag 
Mittags: Gerate in Wasser gekocht und aus gehülste saure Bohnen oder 
Erbsen, oder Linsen. Abends: Gerate in Wasser gekocht. Dienstag 
Mittags: Wassersuppe und Erdbirnschnitze oder weisse Rüben. Abends: 
Wassersuppe nur die Webende. Mittwoch Mittags: Hirsen im Wasser 
gekocht, und Mehlspatzen im Wasser gekocht. Abends: Hirsen iA Wasser. 
Donnerstag Mittags: Wassersuppe u. Linsen oder Erdbirnschnize 
oder weisse Rüben. Abends: Wassersuppe nur die Webende. Freitag 
Mittags: Gerste im Wasser gekocht, und Hirsenbrei in Miloh u. Wasser. 
Abends: GesotteneErdbira. Samstag Mittags: Wassersuppeu.Erbsen, oder 
Mehbpatzen im Wasser gekocht. Abends: Wassersuppe nur die Webende. 

In den Monaten April und Mai 
Sonntag Mittags: Fleischsuppe jedes */* Pfund Rindfleisch, Sauer¬ 
kraut, u. jedes Gesunde V* schop. Wein. Abends: Nichts. Montag 
Mittagst Gerate in Wasser gekocht und ausgehülste saure Bahnen eder 



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Erbsen, oder Linsen. Abends: Gerste in Wasser gekocht. Dienstag 
Mittags: Wassersuppe u. Erdbirnschnitze oder Erbsen. Abends: Wasser¬ 
suppe nur die Webende. Mittwoch Mittags: Hirsen im Wasser gekocht, 
und Mehlspatzen im Wasser gekocht. Abends: Hirsen im Wasser. 
Donnerstag Mittags: Wassersuppe und Linsen oder Erdbirnschnitze. 
Abends: Wassersuppe nur die Webende. Freitag Mittags: Gerste im 
Wasser gekocht, und Hirsenbrei in Milch u. Wasser. Abends: Gesottene 
Erdbim oder Gerste im Wasser. Samstag Mittags: Wassersuppe und 
Erbsen, oder Mehlspateen im Wasser gekocht. Abends: Wassersuppe 
nur die Webende. 

In den Monaten Junius, Julius und Augustus 

Sonntag Mittags: Fleischsuppe */< Pfund Rindfleisch, Sauerkraut 
oder grünes Gemüss und V* sohop. Wein. Abends: Nichts. Montag 
Mittags: Gerste in Wasser gekocht und ansgehülste saure Bohnen oder 
Erbsen, oder Linsen. Abends: Gerste in Wasser gekooht, oder Salat. 
Dienstag Mittags: Wassersuppe u. Erdbirnschnitze oder grünes Gemflss. 
Abends: Wassersuppe nur die Webende. Mittwoch Mittags: Hirsen 
im Wasser gekocht, und Mehlspatzen im Wasser gekocht Abends: Hirsen 
im Wasser. Donnerstag Mittags: Wassersuppe u. Linsen oder 
grünes Gemüse. Abends: Wassersuppe nur die Webende. Freitag 
Mittags: Gerste im Wasser gekocht, und Hirsenbrei in Milch u. Wasser. 
Abends: Gerste im Wasser oderK&se. Samstag Mittags: Wassersuppe 
u. Erbsen, oder Mehlspatzen im Wasser gekocht Abends: Wassersuppe 
nnr die Webende. 

Im Monat September 

Sonntag Mittags: Fleischsuppe V* Pfund Rindfleisch, Sauerkraut 
oder grünes Gemüss und V* sohop. Wein. Abends: Nichts. Montag 
Mittags: Gerste in Wasser u. saure Bohnen oder Erbsen oder Linsen 
oder Hirsen in Wasser. Abends: Gerste in Wasser. Dienstag Mittags: 
Wassersuppe und grünes Gemüss. Abends: Wassersuppe nur die Webende. 
Mittwoch Mittags: Hirsen im Wasser gekocht, und Mehlspatzen im Wasser 
gekocht Abends: Hirsen im Wasser. Donnerstag Mittags: Wasser¬ 
suppe und grünes Gemüss oder Linsen. Abends: Wassersuppe nur die 
Webende. Freitag Mittags: Gerste im Wasser gekocht, und Hirsenbrei 
in Milch u. Wasser. Abends: Käse oder Gerste im Wasser. Samstag 
Mittags: Wassersappe u. Erbsen, oder Mehlspatzen im Wasser gekocht 
Abends: Wassersuppe nur die Webende. 

Im Monat Oktober 

Sonntag Mittags: Fleischsuppe V* Pfund Rindfleisch, Weisakraut 
od. ander grün Gemüss u. V* schop. Wein. Abends: Nichts. Montag 
Mittags: Gerste in Wasser, und Erbsen oder Linsßn oder Hirsen in Wasser* 
Abends: Gerste in Wasser. Dienstag Mittags: Wassersuppe u. grünes 
Gemüss oder Erdbirnschnitze. Abends: Wassersuppe nur die Webende. 
Mittwoch Mittags: Hirsen im Wasser gekocht, und Mehlspatzen im 
Wasser gekocht. Abends: Hirsen im Wasser. Donnerstag Mittags: 
Wassersuppe u. grünes Gemüss oder Linsen. Abends: Wassersuppe 



60 


nur die Webende. Freitag Mittags: Gerste im Wasser gekocht, and 
Hirsenbrei in Milch u. Wasser.' Abends: Käse, oder gesottene Erdbirn. 
Samstag Mittags: Wassersuppe u. Erbsen, oder Mehlspatzen im Was¬ 
ser gekocht. Abends: Wassersuppe nur die Webende. 

In den Monaten November und Dezember 

Sonntag Mittags: Fleischsuppe */ 4 Pfund Rindfleisch, Weisskraut 
od. Sauerkraut und */» schop. Wein. Abends: Nichts. Montag Mittags: 
Gerste in Wasser und ausgehalste saure Bohnen, oder Erbsen oder Linsen. 
Abends: Gerste in Wasser. Dienstag Mittags: Wassersuppe und Erd- 
birnschnitze oder weisse Hüben. Abends: Wassersuppe nur die Webende. 
Mittwoch Mittags: Hirsen im Wasser gekocht, und Mehlspatzen im 
Wasser gekocht. Abends: Hirsen im Wasser. Donnerstag Mittags: 
Wassersuppe u. Weisskraut, oder Erdbimschnitze oder weisse Raben. 
Abends: Wassersuppe nur die Webende. Freitag Mittags: Gerste im 
Wasser gekocht, und Hirsenbrei in Milch u. Wasser. Abends: Gesottene 
Erdbirn oder Gerste im Wasser. Samstag Mittags: Wassersuppe u. 
Erbsen, oder Mehlspatzen im Wasser gekocht. Abends: Wassersuppe 
nur die Webende. 

Nebst dem wird jedem Gesunden täglich ein l 1 /« pfündiges Leiblein 
guten Brods und am Montage den Mannsleuten als Zubusse auf die ganze 
Woche noch ein solches besonders gereichet. Am Weihnachtfeste, wenn 
es nicht ohnedem auf einen Sonntag fällt, bekömmt jedes */ 4 Pfund Rind¬ 
fleisch, aber keinen Wein. Auch empfangen Bie das um der Fasten wiUen 
am Palmsonntage vermissende Fleisch am Ostermondtage. An Feiertagen, 
die auf Dienstag, Donnerstag oder Samstag fallen, erhalten sie wie an 
Sonntagen Abends nichts Warmes. Desgleichen bekommen die Weber 
wegen harter Arbeit täglich */* Pfund Brod weiter, folglich täglich 2 Pfund. 


(Ueber die Nothwendigkeit besonderer Verwahrungs¬ 
orte für seelengestörte Verbrecher. *) Unter diesem Titel hat 
der um das Strafanstaltswesen sehr verdiente Medicinalrath Dr. Diez schon 
vor fast 20 Jahren in der vereinten deutschen Zeitschrift für die Staats¬ 
arzneikunde (Jahrgang 1848, Neue Folge, 4. Bd. 1. Heft. Freiburg i. Br. 
Wagner) einen höchst beachtenswerthen Aufsatz veröffentlicht, in dem 
viel Beherzigenswerthes enthalten und bezüglich der Entwicklung des Ge- 
fängnisswesens Manches vorausgesagt ist, was inzwischen eintraf. Der 
Verfasser behandelt den Gegenstand in der ihm überall eigenen schlagenden 
und überzeugenden Weise und kommt zu dem Schluss: „dass es im Inter¬ 
esse der Gerechtigkeitspflege, des Strafvollzuges und der Heilung und 
Verpflegung der Irren liegt, dass überall, wo es die Verhältnisse immer 


*> Vrgl. H. B<L, 2. Heft, S. 125 ff. 



gestatten, eigene von Strafanstalten wie von Irrenanstalten getrennte Auf* 
enthältst) rte für solche Individuen hergestellt werden, welche zugleich dem 
Strafgesetze verfallen und des freien Gebrauches ihrer Seelenfähigkeiten 
beraubt sind, dass aber da, wo die geringe Anzahl solcher Individuen, 
oder die beschränkten Mittel die Gründung eigener Anstalten nicht ge¬ 
statten, wenigstens eigene von den übrigen strenge gesonderte Abtheilungen 
in den bestehenden Anstalten, und zwar nicht in den Irren-, sondern in 
den Strafanstalten gebildet werden sollten. 

Diese Ansicht wird vielleicht mehrfültigen Widerspruch erleiden. 
Die Irrenärzte werden vielleicht nicht zugeben, dass solche Irren, um 
ihrer gleichzeitigen Eigenschaft als Verbrecher willen, den Irren-Anstalten 
entzogen werden sollen, und die Strafanstalts-Vorstände in Erinnerung der 
Störungen und Beschwerden, die ihnen die Anwesenheit einzelner geistes¬ 
kranker Gefangenen in der Strafanstalt verursacht hat, sich gegen die 
Gründung eigener Irrenabtheilungen in denselben verwahren. Allein eine 
genaue und vorurtheilafreie Ueberlegung wird vielleicht beide überzeugen, 
(tag die beantragte Einrichtung allen Uebelständen am besten abhelfen 
nnd allen Bedürfnissen am besten entsprechen dürfte. Und sind erst die 
Sachverständigen über ein Bedürfnis und die beste Art seiner Befriedi¬ 
gung einig, so wird die Befriedigung selber auch nicht mehr allzulange 
auf sich warten lassen.** 

Wir dürfen mit Befriedigung constatiren, dass man in Baden durch 
Errichtung der Hilfsstrafanstalt in Bruchsal dieser Anforderung gerecht 
geworden ist. Später über diese Anstalt mehr. 


(Spar-, Unterstützungs- und Sterbe-Oasaen der Aufseher.) 

j Bereits in dem Aufsatze des Directors von Götzen (II. Bd. 1. Heft S. 39 ff.) 

I ist darauf hingewiesen worden, wie nothwendig die Betheiligung des Auf- 
sichtspersonals an Spar- und Unterstützungs- bezw. Kranken- und Sterbe- 
Cassen sei, damit diese Bediensteten bei einem, wenn auch auskömmlichen, 
doch für manche Eventualitäten unzureichenden Gehalte auf alle Fälle 
gesichert sind. In Cöln besteht bekanntlich (a. a. 0. S. 41) eine Spar- 
und Unterstützungs-Casse für das Aufsichtspersonal und die Werkmeister 
der dortigen Straf- und Correctionsanstalten. Auf vielseitigen Wunsch 
sollten die Statuten dieser Casse veröffentlicht und zwar im Druck 
durch das Vereinsorgan mitgetheilt werden. Dies unterblieb aber s. Z., 
weil der Druck in Preussen selbst erfolgte, solche also dorther leicht zu 
beziehen sind. Wie in mancher anderen, so hat auch in dieser Richtung 
das unermüdliche Streben und zuletzt der erwähnte Vortrag des verdienst¬ 
vollen Directors v. Götzen den Anstoss zur Erörterung ff er Frage, wie; 
die Anfseherverhütnisse zu verbessern seien und zu wirklichen desfallsi- 
gen Resultaten den Anstoss gegeben. 



Im Grossherxogthum Beden ist dis Stellung der Aufseher gut 
geordnet. Im Laufe des» verwichenen Jahres erfolgten allgemeine Auf¬ 
besserungen von bedeutendem Betrag; die Aufseher haben seit lange An¬ 
sprüche auf Pension im Falle der Dienstuntauglichkeit, sind Mitglieder 
der allgemeinen Landeswittwen-Gasse für niedere Diener, welche ihren 
Relicten nach dem Tode eine entsprechende Rente zahlt und erhalten 
nach langjähriger Hebung alle Kosten für Krankheiten aus der Staats- 
Casse ersetzt, wie überhaupt auch für sonstige ausserordentliche Fälle 
besondere Remunerationen verliehen werden. — Ausserdem besteht aber 
in Baden seit 4 Jahren noch ein Privat-Sterbe-Cassenverein für niedere 
Diener, dem die meisten Aufseher beigetreten sind, und der beim Ableben 
. eines Mitglieds dessen Relicten eine einmalige Unterstützung von 800 fl. 
bezahlt. Dieser Verein gedeiht sichtlich und die Pflichten der Mitglieder 
sind nicht sehr bedeutend. Wo eine grössere Anzahl Mitglieder zu* 
sammentritt, kann natürlich mehr geleistet werden, als- bei wenigen ; und 
gleichzeitig sind die Verwaltungskosten gering, auch andere Abzüge nicht 
da, weil keine Actionäre den besten Theil der Einnahmen vorweg für sich 
nehmen. Auf Anfrage sind wir gerne bereit, über diesen Verein und seine 
Verhältnisse nähere Auskunft zu geben. 


(Der Schutz vor der Cholera.) (Erfahrungen und Be¬ 
obachtungen, wie sie in der Cholerazeit in der Strafanstalt 
Zwickau gemacht worden sind.) Seit 1830 bis auf den heutigen Tag, 
wo die verheerende Seuche unter dem Namen der „asiatischen Cholera“ über 
Europa und speciell auch über Deutschland hereingebrochen ist', hat man 
nicht abgelassen, nach Mitteln zu suchen, welche ein Palliativ gegen diesen 
Würgengel abgeben sollen. Allein weder die Militaircordons noch die in 
neuester Zeit versuchten Impfungen mit Einschluss aller der Mittel, welche 
von diesen äussersten Grenzen der versuchten Präservative eingeeehlossen 
werden, haben sich als reeht schatzkräftig erweisen wollen. 

Als wirksamstes Schutzmittel hat sich bis jetzt immer noch die 
Desinfeetion gezeigt Ist auch selbst ärztlicherseits nicht bloss deren 
Nützlichkeit bezweifelt, sondern sogar ihre Schädlichkeit behauptet worden, 
so hat doch die Desinfeetion nichts an Werth verloren, solange ihr das 
gute Zeugniss der Praxis zur Seite steht. 

Auch in diesem Jahre hat die Cholera wieder ihren Zug durch 
Europa gehalten und namentlich unser Sachsen arg heimgesucht. Die 
Männer der Wissenschaft und die Vertreter des Gemeindewesens haben 
vereint die kräftigsten Anstrengungen gemacht, die furchtbare Seuche ab- 
xuhalten oder zu bekämpfen; dennoch ist es ihnen nicht gelungen, zu ver¬ 
hindern, dass diu verheerende Krankheit zahlreiche Opfer forderte' und 
unsägliches Elend über Gemeinden und Familien brachte. 



Wenn nun inmitten des eigentlichen Herdes der Ohelern ehe An¬ 
stalt mit notorisch durch Menschen Oberfüllten Räumen, mit einer Bevöl¬ 
kerung , aus welcher die Cholera für gewöhnlich am zahlreichsten ihre 
Opfer holt, gänzlich verschont bleibt, so weit, dass auch nicht eine einzige 
Erkrankung vorkommt, so ist dies eine Erscheinung, welche wohl verdient, 
»ach in den weitesten Kreisen beachtet zu werden. 

Von diesem Gesichtspunkte aus geben wir die Summa der Beobach¬ 
tungen und Erfahrungen, die man in der Strafanstalt Zwickau ge¬ 
steht hat 

Genannte Anstalt liegt innerhalb der Stadt Zwickau, und zwar so, 
dass sich mehrere Strassen nnd Gassen unmittelbar an dieselbe anschliessen. 
Schon im Jahre 1S65 war es eine dieser Gassen, in der die Cholera namentlich 
auftrat. Im Laufe dieses Jahres sind die mit der Strafanstalt zunächst 
in Verbindung stehenden Stadttheile gerade diejenigen, welche am meisten 
bomgesucht wurden. Wir finden in der darauf bezüglichen Zusammen¬ 
stellung, Zwickauer Wochenblatt Kr. 361: 


Gasse 

Erkrankungen 

Todesfälle 

Neugasse * . 

73 

37 

Cathamengasse . 

83 

16 

Catharin enkirohhof 

7 

3 

Scheergasse 

85 

39 

Schloasgraben 

25 

13 

Schlossstrasse 

27 

11. 


Der Untergrund der Anstaltsgrundstücke ist derselbe wie der von 
den die Anstalt umgebenden Gassen, Strassen and Plätsea der Stadt. Ja, 
es führen sogar 2 Schleussen durch die Anstaltsgrundstücke, von denen 
die eine die Ergüsse des Schnittgerinnes • aufnimmt, welches die Abfälle 
aus den Haushaltungen der Neugasse herbeiführt, die andere alles Schmutz- 
vasser aufnehmen muss, welches aus der Catharinen- nnd Scheergasse 
kommt. Also gerade aus den von der Cholera am meisten hehngesuchten 
Grusen wird der Anstalt das Abfallwasser zugeführt. 

Detinirt waren in der Strafanstalt während der Gholeraperiode des 
Jahres 1865 im Ganzen 1026 Mann. Im Zellengefängnisse allein 186 Mann. 

Während der Dauer der Choleraepidemie vom Monat Juli bis No¬ 
vember 1866 waren detinirt in der ganzen Anstalt 1286 Mann. Im Zellen- 
gefängnisse allein 230 Mann. 

Von dieser Totalbevölkerung waren > 515 Mann entweder notorische 
Säufer, oder doch wenigstens dem Trünke zugethan. 141 Mann waren 
notorische Yagabonden, deren körperliche Zustände durch das vagabou- 
direude Leben sichtlich gelitten hatten. Von den im Alter von 16 bis 
80 Jahren Detinirten waren 24 Mann gebrechlich nnd 19 Mann in der 
Cholerazeit sogar krank (nicht cholerakrank) eingeliefert. Die Möglichkeit 
der Einschleppung von Cholera in die Anstalt war mehrfach gegeben. 

Zuvörderst hat der Anstaltaar st wiederholt, in diesem Jahre narne nt» 
hob, zahlreiche Gfaokrakranke in der Stadt zn besuchen gehabt. 





64 


In den Familien der Anstaltsbeamten und zwar lauter solcher/ welche 
in unmittelbarem Verkehre mit Gefangenen stehen, sind 26 Erkrankungen 
Torgekommen, von denen 5 tödtlichen Ausgang genommen haben. 

Die Einlieferung aus den von der Cholera inficirten Orten ist in 
diesem Jahre nicht sistirt worden; ja es sind sogar solche eingeliefert 
worden, welche an der Cholera erkrankt gewesen, aber wieder hergestellt 
worden waren. 

„Die Empfänglichkeit Detinirter für Cholera ist bekannt“, sagt 
Medicinalrath Dr. Günther, und gewiss, wer sich das in wenig Zügen 
illustrirte Contingent der Strafanstalt Zwickau vorstellt, wird dieser Be¬ 
hauptung vollen Glauben schenken. 

Trotz alledem ist auch nicht ein einziger Cholerafall unter den 
Bewohnern der Anstalt vorgekommen, weder im Jahre 1865 noch 1866. 

Dieses Factum scheint so unglaublich, dass es selbst von den Be¬ 
wohnern der Stadt Zwickau angezweifelt worden ist. Indess — es ist so. 

Ein Geheimmittel hat man nicht zur Disposition gehabt. 

Gewiss ist, dass Gottes gnädige Hand schützend über der Anstalt 
gewacht hat. 

Was aber von Seiten der Direction gethan worden ist und was 
nach menschlichem Ermessen mitgewirkt habeh kann zur Erreichung des 
Zieles: ... 

„Völliger Schutz vor der verheerenden Seuche“ 
soll im allgemeinen Interesse in Folgendem ausgesprochen werden. In 
der Strafanstalt Zwickau wird es als eine unabweisbare Forderung der 
Ordnung und Reinlichkeit betrachtet, dass die Aborte unausgesetzt des- 
inficirt werden. Es ist dies eine Hauptbedingung, unter welcher das Zu¬ 
sammenleben so vieler Menschen im beschränkten Raume erträglich wird. 

Die Aborte sind so eingerichtet, dass die Excremente in besondern 
Gefässen aufgefangen werden, welche täglich entfernt und ehtleert werden. 
Eine Desinfection in diesen Gefässen findet insofern statt, als täglich von Zeit 
zu Zeit feingesiebte Steinkohlenasche reichlich aufgeschüttet und eine geringe 
Quantität Eisenvitriollösung eingegossen wird. Nehmen wir dazu die 
grösste Reinlichkeit und Sauberkeit, welche in Rücksicht auf Schlotten 
und selbst die eigentlichen Secretgruben, verbunden mit möglichst starker 
Ventilation, sowie überhaupt auf alle dabei benutzten Gefässe verwendet 
wird, so haben wir ein Bild von dem, was zu jeder Zeit des Jahres ohne 
Rücksicht auf irgendeine Epidemie in Absicht auf Desinfection gethan wird. 

Da die Gefangenen meist in Gebäuden untergebracht sind, welche 
ursprünglich ganz anderen Zwecken dienten, so sind leider die Aborte 
baulich so angebracht und eingerichtet, wie sie eben nicht sein sollten. 

Seitdem nun die Cholera der Gegend von Zwickau sich näherte, ist 
sowohl im vorigen, als auch in diesem Jahre die regelmässige Desinfection 
verschärft worden. Man hat die Schlotten der Secrete täglich mehrmals 
mit Lösungen von Eisenvitriol oder Chlorkalk begossen, ebenso die Gruben, 
in denen die obenerwähnten Gefässe standen; Oefter sind daselbst auch 
Räucherungen mit Schwefel oder Chlor vorgenommen worden und man 



hat Näpfe mit Chlorkalk dort aufgestellt, wodurch fortwährend die schäd¬ 
lichen Gase absorbirt «wurden. Closets, Nachtkabel etc. sind täglich 
durch Chlor .desinficirt worden, und zur grossen Befriedigung mit solchem 
' Erfolge, dass auch nicht der geringste Geruch von denselben zu verspüren 
gewesen ist. Ganz besondere Aufmerksamkeit musste eben diesem Theile 
der Desinfection zugewendet werden, indem es darauf ankam, die Gase 
| der Ausleerungen vollständig zu binden und doch nicht durch die etwa 
im Ueberschuss aufsteigenden Chlordämpfe der Gesundheit nachtheilig zu 
werden. 

! Mit dem lebhaftesten Interesse haben wir die von der Fresse empfoh- 
I lenen Desinfectionsmittel und Weisen verfolgt und nichts ungeprüft und 
unversucht gelassen. Alle die vorgeschlagenen Mittel, wie die verschie¬ 
denen Pulver, Holzessig, Chlor, Schwefel, Eisenvitriol etc. sind nach ihrem 
Effecte, nach dem dadurch entstehenden Aufwands und selbst in Rücksicht 
auf die etwa durch sie herbeigeführten Nachtheile geprüft und ist dadurch 
ein klarer Einblick nicht blos in das Wesen der Desinfection, sondern 
I auch in die grössere oder geringere Zweckmässigkeit der empfohlenen 
! Mittel erlangt worden. 

Unumstösslicher Erfahrungssatz ist es auch für uns, was Medicinal- 
: rath Dr. Günther in einem Artikel in dem Leipziger Tageblatte ausgesprochen 
hat: „Die Desinfection ist nicht schädlich.“ Hingegen sie allein als Schutz¬ 
mittel gegen die Cholera zu bezeichnen, würde eben so gut eine Ueber- 
treibung sein wie die Behauptung von ihrer Schädlichkeit. 

Mächtiger und kräftiger als die Desinfection schützt jedenfalls eine 
zweckentsprechende Ernährung vor der gefürchteten Epidemie. Es ist wohl 
als unbestritten anzusehen, dass in den sächsischen Strafanstalten eine 
rationelle Ernährung stattfindet, d. h. in den verabreichten Speisen so viel 
und solche Arten von Nahrungsstoffen und vor Allem auch in solcher 
Mischung vorhanden sind, wie sie für die Erhaltung und den weitern 
i Ausbau des menschlichen Organismus nothwendig sind. Dass man bei 
| der Beköstigung der Gefangenen in der Totalität der Ernährung mit dem 
I geringsten Kostenaufwande den höchsten Nähreffect zu erreichen sucht, 
i ist eben so sehr volkswirtschaftlich selbstverständlich als didaktisch not¬ 
wendig. Wenn aber eine Direction bei Aufstellung der Speisezettel auf 
Abwechselung in der Anfeinanderfolge der Speisen bestmöglichst Rücksicht 
nimmt, so dient sie damit in mancherlei Hinsicht ihrem eigenen Interesse 
nnd folgt weniger gastronomischen als vielmehr diätetischen Anforderungen. 
Die Wirkung einer Speise hängt aber wesentlich noch ab von der Art 
| ihrer Zubereitung. Je mehr durch diese das Nahrungsmittel erschlossen 
worden ist, desto grösser ist nicht blos sein Nähreffect, sondern desto 
besser auch sein Einfluss auf die Gesundheit. 

In der Strafanstalt Zwickau ist sowohl der Auswahl der Speisen 
ti» auch ihrer Zubereitung von Seiten der Direction von jeher die volle 
Aufmerksamkeit gewidmet worden. Man hat daher nicht nötbig gehabt, 
wahrend der Cholerazeit wesentliche Aenderungen in der Ernährung zu 
treffen, ist vielmehr bemüht gewesen, erst recht an dem bisherigen Modus 

5 



festzuhalten. Seltener nur sind in dieser Periode verabreicht worden alle 
grünen Gemüse, als Kohl, Kraut etc., sowie Kartoffeln. Das Quantum des, 
Kaffees, welches für dessen Zubereitung gegeben wird, ist verdoppelt und 
des Abends etwas öfter, als es wohl sonst zu geschehen pflegt, Biersuppe 
verabreicht worden. Aussergewöhniich war allein die Massregel, dass 
während der Cholerazeit nur abgekochtes Wasser zum Trinken verabreicht 
wurde. Dies wird noch heute und zwar mit eiserner Consequenz durch¬ 
geführt. 

Die Erfahrung hat gelehrt, dass trotz der vorsichtigsten Diät den¬ 
noch Choleraerkrankungen vorkamen, wenn man sich nicht, ausreichend 
vor Erkaltung schützte. Damit ist jedenfalls der Punkt berührt, der für 
die Strafanstalt, der heiklichste ist. ln der Freiheit bringt dar Mensch 
die mannichfachsten Variationen in seiner Kleidung an, um sich vor den 
Einflüssen der Witterung und plötzlichem Temperaturwechsel zu schützen. 
Die Bekleidung des Gefangenen lässt darin, wenig Abwechselung zu. 

Die Direction der Zwickauer Anstalt, hat auch hierin nichts Abson¬ 
derliches thun können und wollen. Man hat kt der Cholerazeit je nach 
der herrschenden Temperatur die Tuchbekleidung anlegen lassen, hat ge¬ 
stattet, Unterkleider zu tragen, soweit sie nicht regulativmässig vom Hause 
gereicht werden. Alle, welche ihre. Arbeit, im Freien verrichten mussten, 
ferner alle Alten und Kränklichen, sowie alle die, welche selbst das Ver¬ 
langen danach aussprachen, haben wollene Leibbinden erhaltest. Die wolle, 
nen Strümpfe sind früher als andere Jahre in Gebrauch gegeben worden. 
Das ist das Ganze, was etwa in Absicht auf Bekleidung hat gethan wer¬ 
den können. 

Bezüglich der Lagerung ist weiter nichts geschehen, als dass nach 
individuell oder auch wohl örtlich bedingtem Bedürfnisse doppelte Lager¬ 
decken gegeben worden sind. Ein ganz besonderes Augenmerk hat man 
darauf verwendet, dass sowohl in den Wohn-und Arbeitsräumen, als auch 
auf den. Corridoreu und Treppen, sowie auf den Schlafsälen soviel als 
möglich die Zugluft vermieden werde. 

Niemals hat man. jedoch dabei die bestmöglichste Lüftung aus dem 
Auge verloren, ln allen von den Gefangenen benutzten Räumen ist gut 
ventilirt und in Abwesenheit der Bewohner durch Chloraufaötzungen oder 
Essigräucherungen, oder auch durch Verdunstung von Essig an der atmos¬ 
phärischen Luft desinficirt worden. 

Dass man auch in Absicht auf Zeit und. Dauer der Bewegung im 
Freien auf Temperatur' und besonders Windrichtung achten muss, ist schon 
bei regulären Gesundheitszuständen nothwendig: und empfiehlt sich ganz 
besonders, zu aussergewöhnlichen Zeiten, wie in der Choleraperiode. 

Damit muss sich natürlich verbinden, die genaueste Aufmerksamkeit 
der Gefangenen auf ihre eigenen körperlichen Zustände. Weiss doch 
Jedermann, wie ein unbedeutendes Unwohlsein, welches unbeachtet gelassen 
wird,, den Ausbruch der unheilvollen Krankheit nach sich ziehen kann. 
Gerade diese Vorbeugungsmassregel hat in einer so bevölkerten Strafanstalt 
ihre grossen Schwierigkeiten. 



E inmal entgeht der Einzelne hot gstr za leicht der Beobachtung, 
das andere Mal gibt es eine nicht unbedeutende Anzahl von Simulanten,' 
welche jede Gelegenheit benutzen, sich einen Vortheil zu verschaffen. Dem 
Arzte kostet es natürlich nicht viel Mühe, das Rechte za finden und wah¬ 
res üebelbefinden von dem erdichteten zu unterscheiden. 

Damit aber aus dieser sorgfältigen Beachtung der eigenen körper¬ 
lichen Zustände nicht am Ende gar eine Quelle der Krankheit erwachse, 
nemlich die Furcht, ist es nöthig, dass von Zeit za Zeit durch einige 
erklärende Worte vorgebeugt werde. 

Der Gefangene ist von Natur misstrauisch, ln seiner Einbildung 
Tergrössert sich die Gefahr, solange er ihr nicht voH und ganz in das 
Gesicht schaut, solange er nur dunkle Andeutungen, zweideutige Worte 
oder Heimlichkeiten gewahr wird. 

Je offener man mit ihm verfährt, je deutlicher man ihm die Gefahr 
zeigt, je mehr man» ihn über die Bedeutung der getroffenen Maseregel» 
wifklärt, je fester er selbst von der Nothwendigkeit derselben überzeugt 
ist, desto ruhiger und furchtloser wird er sein. 

In der Strafanstalt Zwickau hat man wenigstens die Erfahrung ge¬ 
macht, dass durch solche Mitteilungen» und Aufklärungen' vor dem geBamm- 
ten Personale sick eine solche Ruhe des Gemüths, eine solche Festigkeit» 
1 der Ueberzeugung ausbildete, bei welcher die Gefangenen wie an ein Evan¬ 
gelium daran glaubten: „Wenn wir die uns ertheilten Gesundheitsregeln 
und Vorschriften pünktlich halten», so kann imd wird die Cholera nicht 
in unsere Räume eindringen.“ 

Einzelne Abtheilungen der Gefangenen haben wiederholt Gelegenheit 
gehabt, Siechkörbe mit ChalerakrJudoen vorübertragen oder Leichen weg¬ 
fahren zu sehen. Sie haben mit grösster Theilnahme sich den Jammer 
der armen Betroffenen vorgeetellt, aber, darauf aufmerksam gemacht, wie 
schrecklich es sein müsste, wenn' die Seuche im Hause ausbräche, stete 
mit zuversichtlicher Miene erklärt: Hier bricht sie nicht aus, wenn wie 
nur den getroffenen Vorkehrungen genau-naehkommen. Der Einfluss dieser 
moralischen Ueberzeugung kaut» nach unserem Dafürhalten nicht» 
hoch: genug angeschlagen werden. 

Rechnen wir non zu» dem bereite Gesagten noch di» gewissenhafteste' 
Fürsorge des Anstaltsarztes, dessen umsichtige Beachtnng. albet auf di» 
Gesundheit einwirkenden Verhältnisse, rechnen wir endlich hinzu die auf¬ 
opferndste Pflichttreue aller Beamten, namentlich aber der Aufsichtsheamten, 
sr haben wir alles das» zusammengestellt, wodubch» die Anstalt unter Götter 
! gnädigem Beistände vor der verheei’enden Seuche geschützt worden ist. 

Ziehen wir nun 'am Schlüsse das Resultat unserer Erfahrungen 
und Beobachtungen, so ergiebt sich Folgendes: 

Nach unteren Wahrnehmungen und.Beobachtungen (als Laien) erzeugt 
sieb die Cholera durch. An-steckung aus» den Miasmen, welche die der 
Zersetzungilberlassenen Entleerungen Erkrankter aushauchen; ferner durch 
Ventösse gegen eine vernünftige Diät und Lebensweise; dann durch 
Erkältung, dea Unterleibes und der Füsse; durch Vernachlässigung 

5 * 



68 


anscheinend leichter Erkrankungen und durch aUzugrosse Angst und 
Furcht. 

Daraus ergeben sich von selbst unsere Schutzmassregeln: 

1) energische und consequent durchgeführte Desin- 
fection; 

2) rationelle Ernährung und vernünftige Diät; 

3) thunlicbste Berücksichtigung der Bekleidung, Lage¬ 
rung und Wohnung zur Verhütung etwaiger Erkältung; 

4) sorgfältige, keineswegs aber ängstlicheUeberwachung 
der körperlichen Zustände; 

5) Beruhigung der Gemüther durch moralischen Einfluss. 

Für das Volkswohl im Allgemeinen, wie im Besondem für solche 

und ähnliche Anstalten wie ein Strafhaus, wäre es gewiss von ausser¬ 
ordentlichem Interesse, zu versuchen, ob man auch anderwärts mit den¬ 
selben Mitteln denselben Erfolg erziele. Vielleicht fühlen sich hierdurch 
Männer der Praxis und der Wissenschaft veranlasst, hierüber ebenfalls der 
Oeffentlichkeit ihre Beobachtungen und Erfahrungen vorzulegen. 

Wenn schon in der Freiheit durch den Ausbruch der Seuche die 
bestehenden Verhältnisse alle gelockert und nach den verschiedensten Be¬ 
ziehungen hin, Ausnahmezustände nöthig werden, wie viel trauriger müssen 
die Wirkungen der Epidemie auf die Ordnung in so engen Verhältnissen 
sein. Die Direction hat es als einen besonderen Segen des Verschont¬ 
bleibens von der Cholera empfunden, dass in der Ordnung deB Hauses 
auch nicht die geringste Störung eingetreten ist. Es war dies bei den 
schwierigen politischen Zuständen von besonderer Wichtigkeit. 

Die Zucht des Hauses ist während der Choleraperiode dieselbe straffe 
und ernste geblieben, die sie zu jeder anderen Zeit ist. Ja selbst die 
von mancher Seite verfehmten gesetzlichen Strafschärfungen Rückfälliger 
sind in der gewohnten Weise zur Verbüssung gekommen. Wenn nun 
diese von ängstlichen Aerzten selbst als der Gesundheit sehr nachtheilig, 
zu Zeiten der Cholera aber geradezu als gefährlich bezeichnet werden, so 
hat uns wenigstens die Erfahrung dies nicht beweisen können. Vielmehr 
haben wir die Ueberzeugung gewonnen: die Strafschärfungen durch Ent¬ 
ziehung der warmen Kost sind nicht so gesundheitsgefährlich, wie man sie 
bezeichnen will 

Die Strafschärfungen sind aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen 
das wirksamste, ja das (einzige Mittel, dem rückfälligen Gewohnheits¬ 
verbrecher den Aufenthalt im Strafhause unbequem werden zu lassen. *) 

*) Wir sind hiermit nicht einverstanden. Die Red. 


(Ist die Desinfectioii schädlich P) Herr Medicinalrath Dr. 
Günther in Zwickau veröffentlichte im Leipziger Tageblatt (Oktober 1866) 
unter dieser Ueberschrift folgendes: 

„In Nr. 227 des Leipziger Tageblattes hat Professor Bock in einer 
„Anfrage an die Choleragelehrten“ die Behauptung aufgestellt, dass die 



69 


Desinfection nach neueren Beobachtungen bei der Cholera nicht nur nicht 
vorteilhaft, sondern sogar schädlich zu sein scheine. Bei der Wichtig¬ 
keit der Sache halte ich, obwohl nicht zu den Choleragelehrten gehörend, 
mich doch für verpflichtet, auf zwei Thatsachen aufmerksam zu machen, 
die den unumstösslichen Beweis liefern, dass eine energisch durehgeführte 
Desinfection mindestens nicht schädlich, dass somit die Cholera durch das 
„gewaltsame Desinflciren in Leipzig“ nicht begünstigt worden ist. 

„Im vorigen Jahre starben in Zwickau in der Zeit vom 15. Novem¬ 
ber bis 12. Dezember 14 Personen an der Cholera, von denen 5 auf der 
Neugasse wohnten. Am Ende der Neugasse liegt das Zellengefängniss, 
das einen Theil der Strafanstalt bildet, in welcher im letzten Vierteljahr 
des Jahres 1865 detinirt waren 1026 Mann, davon im Zellengefängnisse 
186 Mann. 

„Der Untergrund des Anstaltsgrundstücks ist derselbe, wie der der 
Neugasse, durch das Grundstück hindurch führt das Schnittgerinne, welches 
die Abfälle der Haushaltungen auf der Neugasse aufnimmt und in einen 
längs des Grundstückes hinführenden Abzugsgraben leitet. 

„Die Möglichkeit einer Einschleppung von Cholera in die Anstalt 
war schon dadurch gegeben, dass der Anstaltsarzt wiederholt Cholerakranke 
i besucht hatte. Die Empfänglichkeit Detinirter für Cholera ist bekannt, 
trotzdem kam kein einziger Fall von Cholera in der Anstalt vor, sondern 
I der Gesundheitszustand sämmtlicher Bewohner derselben blieb ein sehr 
guter. Es erkrankten nämlich 

1865 im Oktober 10 Mann, 

„ „ November 9 „ 

„ „ Dezember — „ 

Verstorben sind 

1865 im Oktober 1 Mann (an Knochenfrass), 

„ „ November 1 „ (ah Lungentuberculose), 

' „ „ Dezember — „ 

Es war aber die schon früher regelmässig stattfindende Desinfection vom 
25. Oktober an wesentlich verschärft worden. In Betreff der angewandten 
Methode verweise ich auf meine vor Kurzem bei F. A. Brockhaus erschie¬ 
nene Monographie: „Die indische Cholera in Sachsen im Jahre 1865, mit 
1 Atlas, enthaltend 1 Karte, 5 Stadtpläne, 2 Dorfpläne und 11 Tabellen.“ 
Nur so viel sei hier erwähnt, dass in der Hauptsache Eisenvitriol verwen¬ 
det wurde. 

„In diesem Jahre sind seit Mitte Juli bis jetzt 1100 Personen, d. 
i. 4,8 Procent der Bevölkerung hiesiger Stadt an Cholera erkrankt, und 
544 = 2,4 Procent der Bevölkerung daran gestorben. Sämmtliche Gassen 
sind befallen, am stärksten die der innern Stadt; namentlich auch die 
nächste Umgebung der Strafanstalt; in den Familien der Anstaltsbeamten 
sind 26 Cholerafälle vorgekommen, von welchen 5 einen tödtlichen Aus¬ 
gang nahmen. Der Anstaltsarzt hat in der Stadt wesentlich mehr Cholera- 
kranke zu besuchen gehabt, als im vorigen Jahre: trotzdem ist aber der 
Gesundheitszustand der Detinirten ein vortrefflicher geblieben. 



TO 


„Von sämmtlidhen 1107 von Mitte JuR bis 24. Oktober d. J. in der 
Anstalt Detinirten im Alter von 17 bis 80 Jahren sind nämlich erkrankt: 
im Juli 23 j 

„ August 22 / incl. 16 aus von der Cholera befallenen 

„ September 21 1 Orten krank Eingelieferten. 

„ Oktober 20 ) 

Oer tägliche Kraakenbestand 'war: 

im Juli der höchste 17, dm* niedrigste 7, 
n August „ „ 15, „ „6, 

„ September „ „ 20, „ „ 18, 

„ Oktober „ „ 24, „ „ 14. 

Verstorben sind 

im Juli 1 Mann (an Rippenfellentzündung), 

„ August — „ . 

„ September — „ 

„ Oktober 1 „ (an Lungentuberculose), 

während in der Regel monatlich 2—r8 Todesfälle Vorkommen.“ 

„Ein Cholerafall ist bis jetzt unter den Bewohnern der Anstalt nicht 
vorgekommen: es ist aber daselbst die regelmässige Desinfection in diesem 
Jahre vom Monat Juli an abermals wesentlich verschärft und somit der 
Beweis geliefert worden, dass eine energische Desinfection mindestens nicht 
schädlich ist.“ 


(Fürsorge für entlassene jugendliche Strafgefangene. 
Aus Paris.) Nicht leicht dürfte eine Arbeit auf dem Gebiet der inneren 
Mission, welche zu den schwierigsten dieser Art gehört, so glänzende Er¬ 
folge erzielt haben, als die Wirksamkeit der Gesellschaft zur Pflege 
junger entlassener Sträflinge im Departement der Seine. Die 
Gesellschaft wurde im Jahr 1888 gegründet, nachdem durch eine von der 
Polizeiverwaltung geführte Untersuchung festgestellt worden war, dass von 
100 entlassenen jugendlichen Verbrechern 75 rückfällig zu werden pflegten. 
Bereits nach Ablauf des ersten Jahres der Thätigkeit der genannten Ge¬ 
sellschaft belief sich die Zahl der Rückfälligen auf 46 vom Hundert, nach 
drei folgenden Jahren auf 19, ■ im zehnten Jahre auf 10 und verminderte 
sich so fortwährend. Im Jahre 1850 zählte man etwas weniger als 7 Rück¬ 
fällige von 100, 1860 nur noeh reichlich 3 und 1863 nur noch 1 bis */*• 
Während der ganzen Zeit ihres Bestehens nahm die Gesellschaft 7651 junge 
Entlassene in Pflege, von denen 650 rückfällig, 7000 aber vor weiteren 
Verbrechen behütet und in die verschiedensten Berufsstellungen eingeführt 
wurden. Die Gesellschaft wirkt durch die einfachsten Mittel. Ihre Mit¬ 
glieder besuchen die jugendlichen Verbrecher in den Gefängnissen, bringen 
nach der Entlassung einige in ein für diesen Zweck eigens gegründetes 
Asyl oder bei zuverlässigen Deuten unter, sorgen für ihren Unterricht, 
versammeln sie zu monatlichen Zusammenkünften, belohnen Flehe und 



Fortschritte, behalten sie auch, wenn sie in das Berufsleben übertreten, 
fortwährend im Auge, sorgen für ihre Pflege in Krankheitsfällen, bei Todes¬ 
fällen für das Begräbniss, gewähren ihnen bei ihrer Verheirathnng eine 
Beihülfe zur Aussteuer u. s. w. In der That verdient diese meist persön¬ 
lich geübte Thätigkeit der Mitglieder der Gesellschaft die grösseste Aner¬ 
kennung und so viel als möglich Nachahmung. — (N. ev. K. Z.) 


(Bekehrte Gauner.) Eine eigentümliche Versammlung fand 
zn London am Abend des 25. April 1866 in dem Missionshause statt. Es 
war eine zahlreiche Gesellschaft der Londoner Spitzbuben aller Klassen, 
die dort eine Predigt zweier Männer anhörten, welche, ehemals unter der 
Gaunerzunft als distinguirte Persönlichkeiten bekannt, sich bekehrt hatten. 
Beide Herren, mit den Gefängnissen des Landes durch langjährige Be¬ 
kanntschaft vertraut, gaben ihren früheren GenosBen ein Bild ihres Lebens 
in diesen Anstalten und hielten ihnen die dort gemachten Erfahrungen als 
warnendes Beispiel vor. Beide baten die Anwesenden sehr beweglich, sich 
ror der Versuchung zu hüten. Das anwesende Publikum lauschte den Vor¬ 
trägen mit gespannter Aufmerksamkeit und zeigte durch seinen Beifall, 
dass die früheren Gesellen durch ihre Bekehrung ihre Popularität nicht 
eingebüsst. (Voss. Ztg.) 


(Korrespondenz. 


(Aus Baden.) Vom 1. April 1867 an ist die Verwaltung der 
Hilfsstrafanstalt in Bruchsal aufgehoben und mit der des Zellengefäng- 
nisses dortselbst vereinigt worden. Bekanntlich dient diese Hilfsstrafanstalt 
zur Zeit zur Verwahrung derjenigen männlichen Zucht- und Arbeitshaus¬ 
gefangenen, welche aus irgend einer Ursache der Einzelhaft nicht unter¬ 
worfen werden können. 

(Aus Hessen..) In der 6. Sitzung der ersten Kammer der Stände 
am 12. Februar 1867 wurde die Interpellation des Grafen v. Görtz dahin 
gehend; „ob die Gr. Regierung es für thunlich erachte, die bei der Eröff¬ 
nung des vorigen Landtags in Aussicht gestellte Vorlage wegen Erbauung 
eines Zellengefangnisses an die jetzige Ständeveraammlung gelangen zu 
lassen?“ — von dem Minister von Dalwigk folgender Weise beantwortet: 
So sehr die Gr. Regierung auch wünsche, dass ein so gemeinnütziges, wohl- 
tintiges Institut, wie ein ZelUngefäugniss zu Stande komme, so werde es 



doch wesentlich vom Stande der Finanzen in dieser Finanzperiode abhängen, 
ob es möglich sei, einen solchen Bau aaszuführen; die Regierung sei des¬ 
wegen im Augenblicke noch nicht in der Lage, darüber eine ganz be¬ 
stimmte Erklärung abzugeben. 

War diese Antwort auch gewissermassen vorauszusehen, und ist bei 
dem Stand der in Hessen, wie auch anderwärts, in Folge der Zeitereig¬ 
nisse allzusehr in Anspruch genommenen Staatsfinanzen die so nahe ge¬ 
standene Einrichtung eines Zellengefängnisses wieder in die Ferne gerückt, 
so muss doch der ernste Willen der Gr. Regierung, nach Thunlichkeit auch 
in dieser Richtung vorzugehen, alle Anerkennung finden. 

(Aus Freussen). In die vörmals kurhessishen und nassauischen 
Landestheile hat die Königliche Regierung den Strafanstaltsdirector von 
Götzen in Cöln zur Erörterung des Zustands dortiger Strafgefängnisse und 
Erstattung von Vorschlägen über deren künftige Einrichtung abgesandt 
v. Götzen hielt sich- im Laufe des vorigen und im Anfang des Jahres 1867 
längere Zeit zu gedachtem Behufe in Gassei, Marburg, Ziegenhain und Diez 
auf, befindet sich derzeit (Juni 1867) zu Eberbach, und ist nun eine Reor¬ 
ganisation des Strafanstaltswesens an gedachten Orten, soweit nicht schon 
geschehen, zu erwarten. 

(Aus Gera) erfahren wir, dass nunmehr auch das Fürstl.-Reuss. 
j. L. Landarbeitshaus in die k. preussische Strafanstalt Zeitz übersiedelt 
worden ist. (vergl. II. B. Separatheft S. 53). 

(Aua der Schweiz.) In Neue hat el ist die Erbauung einer 
Strafanstalt nach dem System der Einzelhaft beschlossen worden. 

In Zürich kam — November 1866 —der nach dem Vorschlag des 
dortigen anerkannt tüchtigen Strafanstaltsdirectors Weg mann formulirte 
Antrag auf Umbau der Züricher Strafanstalt vor den grossen Rath. Die 
Neue Züricher Zeitung vom Oktober 1866 beleuchtete den Vorschlag in 4 
grössern Aufsätzen in populärer, aber gründlicher Weise. Der grosse 
Rath setzte eine Commission nieder, welche sich nunmehr einstimmig für 
das Wegmann’sche Project erklärt hat. Es wird hiernach in Zürich keine 
ganz neue Strafanstalt erbaut werden, sondern man wird an der alten 
einige Veränderungen vornehmen, mehrere neue Flügel und eine Um¬ 
fassungsmauer errichten. 

Auf eine von den Strafhausdirectoren Kühne in St. Gallen, Müller 
in Lenzburg, Wegmann in Zürich erlassene Einladung trat Montags den 
27. Mai eine Versammlung von schweizerischen Strafanstaltsbeamten und 
Männern, welche sich um das Gefängniss- und Patronatswesen interessiren, 
in Zürich zusammen, und beschloss nach Anhörung eines den Stoff in 
meisterhafter Weise beherrschenden Votums des Herrn Kühne mit Ein¬ 
muth die Gründung eines Vereins für das schweizerische Gefängnisswesen 
Gleichzeitig wurde in den genannten 3 Herren und den Herren Strafhaus- 
dirfector Payot in Lausanne und Staatsrath Guillaume in Neuenburg 



* eine Kommission bestellt und derselben der Auftrag ertheilt, auf eine 
nächste Versammlung einen ^tatutenentwurf auszuarbeiten, ein Schema für 

, eine schweizerische Gefängnissstatistik zu entwerfen, und endlich an den 
schweizerischen Bundesrath zu gelangen behufs Ermittlung des Thatbe- 
standes gegenüber der Behauptung des letzten Jahresberichtes des rheinisch- 
vestphälischen GefängnissVereines, dass es schweizerische Praxis sei, Ver¬ 
brecher, sogar Mörder statt ins Zuchthaus nach Amerika zu schicken. 
Vertreten waren die Cantone Aargau, Baselstadt, Appenzell Ausserrhoden, 
Sem, Bündten, Luzern, St Gallen, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau, Waadt 
und Zürich. Von Genf, Glarus, Neuenburg, Obwalden war die diesmalige 
Nichtbetheiligung entschuldigt. — Am Nachmittag des 27. Mai langte in 
Bruchsal folgendes Telegramm an: „Der Verein für das schweizerische Ge- 
fapgnisswesen den Freunden in Bruchsal zu Händen des deutschen Vereins 
ein dreifaches stürmisches Hoch!“ Der Ausschuss hat solches in thun- 
licher Bälde durch ein Dankes- und Glückwunschtelegramm erwiedert. 

; (Aus Italien) vernehmen wir, dass in Betreff der Hebung des 
Gefangnisswesens schon viel geschieht Das Feld ist dort sehr gross 
nnd meist unbebaut. Die Zustände sind im grossen Ganzen noch keine 
glänzenden: man hat aber den redlichen Willen zu helfen. — Der Beschluss 
der Ministerialcommission in Florenz gieng Ende v. J. dahin], dass Straf¬ 
anstalten nach dem System der Einzelhaft gebaut werden sollen. 

Ausser der früher schon (H. 5 S, 388) erwähnten officiellen Zeit¬ 
schrift „Effemeride carceraria“ erscheint nun auch eine zweite Zeitschrift 
für das Gefängnisswesen „Cesare Beccaria“, anfänglich, wöchentlich, seit 
Mai 1867 monatlich- Der Herausgeber ist der Deputirte Frederico Bel- 
lazzi, der im Parlament, durch Herausgabe des von uns angezeigten Buches 
(s. Literatur) und in seiner Zeitschrift eine hervorragende Thätigkeit für 
das Gefängnisswesen entwickelt. 

(Aus Christiania) sendet uns der Director des dortigen Zellen- 
gefängnisses, Petersen, den Jahresbericht von „Bpdsfaengslets Virksomhed 
i Aaret 1865.“ In demselben findet sich auch pin Auszug aus dem Reisebe¬ 
richt des Directors über den Besuch der Strafanstalten in Moabit, Halle, 
Bruchsal, Cöln, Lüttich, Vechta, Vridslöselille (Kopenhagen), Christians¬ 
hafen und Malmö. Wir unterlassen, Weiteres aus diesem und den früheren 
Jahresberichten mitzutheilen, da uns Director Petersen eine Darstellung 
der Zustände und Ergebnisse des Aageberger Zellengefängnisses von den 
Jahren 1851 — 66 zugesagt hat. 



74 


Literatur. 


1. Für Gefängnissbeamte. 

Hänell, Carl Wilhelm, Sy Btem der Gefängnisskunde. Nebst einem 
kurzen Anhänge: Yen der Verwaltung des Predigtamtes am Ge- 
fängniss. Göttingen, Vandenhöek und Ruprecht’s Verlag. 1866. 
Gr. 8. 243 S. Pr. 1 TMr. 1 fl. 48 kr. 

Das vorliegende Werk zählt zu den besten Schriften, die in neuerer 
Zeit über das Gefängnisswesen erschienen sind und es wird dasselbe Nie¬ 
mand, der es mit Aufmerksamkeit liest, selbst dann ohne Befriedigung aus 
der Hand legen, wenn er in wesentlichen Punkten mit dem Herrn Ver¬ 
fasser nicht übereinstimmen sollte. Herr Hänell, Licentiat der Theo¬ 
logie und Pastor in Göttingen, war sowohl durch seine wissenschaftliche 
Bildung alB durch seine amtliche Stellung als Seelsorger und Prediger an 
dem Obergerichts-Gefangnisse zu Göttingen, berufen, in Sachen des Ge- 
fingnisswesens daB Wort zu ergreifen, ja hier das schwierigste Stück Ar¬ 
beit zu übernehmen. Er will ein System der Gefängnisskunde geben und 
damit eine Lücke der Gefängnissliteratur ausfüllen, die gewiss bisher 
Manche schmerzlich empfunden haben. Weil er hier erst eigentlich Bahn 
brechen musste, so kann es an „Schwächen und Mängeln“ nicht fehlen, 
wie er selbst bekennt (S. IV), aber gleichwohl ist nun einmal ein guter 
Anfang gemacht und der Versuch besser gelungen, als wir es bei der 
eigenthümlichen Schwierigkeit des Gegenstandes erwartet hätten. Darum 
wissen wir ihm auch Dank, dass er nicht bei dem Gedanken stehen blieb, 
nur seine seelsorgerlichen Erfahrungen zu veröffentlichen, sondern die 
ganze Gefängnissfrage nach dem Plane behandelte, über dessen Prinzipien 
und Durchführung wir uns nun noch näher zu äussem haben. 

Wie Herr Hänell selbst bemerkt und zur richtigen Würdigung 
seiner Arbeit durchaus im Auge zu behalten ist, war seine Absicht bei Ab¬ 
fassung des Buches nicht eigentlich, unmittelbar damit der Praxis zu 
dienen, sondern zunächst in ähnlicher Weise eine Theorie zu geben, wie 
das Strafrecht. An dieses lehnt es sich nicht nur an, sondern innerhalb 
desselben beansprucht es, wie im Eingänge der Schrift weiter ausgeführt 
ist, einen wenn auch untergeordneten Platz. Auf Ab egg und Andere sich 
berufend, hebt insbesondere der Hr. Verf, hervor, dass dem Christenthum die 
Wichtigsten Fortschritte in dem Gebiete dos Strafrechts verdankt werden 



75 


and das Recht mit der Religion überhaupt in Ewigem Zusammenhänge 
stehe, weil es Ton dem göttlichen Willen selbst abzuleiten sei. 

So staiken Widerspruch gegen diesen „theologisch-dogmatischen“ 
Standpunkt besondere von Seiten der Jurisprudenz erhoben werden wird 
und bereits erhoben worden ist (YgL z. B. Allgemeine deutsche Strafrechts- 
seitung. 1667. S. 122 ff), so hat doch gerade auch die consequente Dureh- 
fchrrag eines Prinzips, wie sie hier gegeben wird, ihre grossen Vorzüge 
und trägt Vieles dam bei, die Situation zn klären und die Begriffe 
und Grundsätze, um die es sich hier handelt, in das rechte Lieht zu 
stellen. Ueber die Prinzipien selbst wird freilich nicht zu rechten 'sein 
und auch wir haben nicht die Absicht, uns hier in einen Prinzipien- 
streit einznlassen« Unsere Aufgabe sei es vielmehr, die Leser damit be¬ 
kannt zu machen, wie Hr. H. seine Aufgabe löst und daran einige Be¬ 
merkungen zn knüpfen, die sich ans vom Standpunkt der Praxis aus auf¬ 
drängen, die ja doch immer ein Correctiv für die Theorie bleiben muss. 
Auch mögen gelegentlich einige thatsächliche Berichtigungen erwähnt 
werden. 

Der Grundbegriff, von dem nach der Ansicht des Verf. die Gefäng- 
nisskunde auszugehen hat, ist der der Strafhaft und darum wird auch 
zuerst das Wesen der Strafhaft erörtert. Auf dieser Grundlage werden 
sodann die verschiedenen Vollzugsarten derselben geprüft und wird im 
Anschlüsse daran „das rechte Straihaftsystem“ begründet. Zuletzt wird noch 
von der praktischen Ausführung dieses Strafhaftsystems gehandelt. Als 
Anhang ist der Schrift ein Aufsatz über die Verwaltung des Predigtamtes 
am Gefangniss beigefügt. 

'Dass hiermit übrigens nicht AHes behandelt sei, was von einer theo¬ 
retischen Behandlung der Gefängnisskunde erwartet werden könne und 
insbesondere sich auf die Durchführung der Prinzipien in den einzelnen 
Zweigen des Gefängnissdienstes beziehe, hat Hr. Pastor Hänell selbst her¬ 
vorgehoben und sich damit begnügt, als Theoretiker den ersten Theil der 
Arbeit zu liefern, den zweiten einem Manne der Praxis überlassend. 

Es hängt mit den Grundanschauungen des Verf. zusammen, dass er 
dem irischen System entschieden den Vorzug gibt vor allen anderen und 
hiernach 3 Stadien der Strafhaft annimmt. (Einzelhaft, Gemeinschafts¬ 
haft, Zwischenanstalt). Alles, was hier gesagt wird, nimmt sich recht 
schön auf dem Papier aus und ist zum Theil sehr beherzigenswerth, aber 
wenn die Resultate des irischen Systems als „ausserordentliche“ 
(8.145) bezeichnet werden, so ist Das sicher zu viel gesagt. Auch in 
Irland hat sich die Sache noch sehr zu bewähren und was die Erfahrungen 
in Vechta betrifft, so wird Hr. Hänell bei seinem Besuche daselbst von 
Hrn.Director Langreut er gehört haben, dass Hoyer’s Versuch mit dem 
irischen System nicht gerade zur Nachahmung empfohlen werden kann. 

Im Einzelnen möchten wir nun noch auf folgende Puncte theils be¬ 
richtigend, theils ergänzend aufmerksam machen. 

Bei der Besprechung der Strafmittel in ihrem Verhältnis zu den 
Strafzweefcen wird unter Anderem auch von der Todesstrafe und den 



76 


Geldstrafen gehandelt. Was die erstere betrifft, so wird ihre Zulässig¬ 
keit mit dadurch begründet, „dass die meisten Verbrecher, die vom 
Leben zum Tode gebracht werden, reuig und bekehrt sterben,“ (S. 21) 
was jedenfalls die Erfahrung nicht so ohne Weiteres beweist, auf die sieh 
der Hr. Verf. beruft und leicht von den Gegnern der Todesstrafe zu wider¬ 
legen ist. In Betreff der Geldstrafen dagegen, die als Criminalstrafen 
für unzulässig gehalten werden, „weil sie für das Eintreten der Gnaden¬ 
zucht überall keinen Raum lassen“ (3. 20) möchte gerade die Erfahrung 
gegen diese Ansicht sprechen. 

Vielen, wie uns scheint, wohl begründeten Widerspruch wird auch die 
Behauptung (S. 42) finden, dass die Verbrecher „selbst gegen ihren Willen 
der Züchtigung durch das Wort Gottes zu unterwerfen seien.“ Wir sind 
nach unseren Erfahrungen der Ansicht, dass bei aller Zucht und Ordnung, 
die natürlich auch hier in den Strafanstalten herrschen muss, solche „Zü c h- 
tigung“ unter Umständen nur Schaden bringen und eine Profanation des 
Heiligsten sein würde. 

Wenn der Verf. da, wo er von der Sorge für die Erholung der Sträf¬ 
linge redet, auch mit Abscheu die mit Gitterwänden versehenen Sprech¬ 
zimmer erwähnt und dabei besonders auch (Bruchsal im Auge hat (S. 56. 
Anm. 2) so diene ihm zur Nachricht, dass diese Gitterwände längst nicht 
mehr vorhanden sind und die Zeit wohl auch nicht mehr ferne sein dürfte, 
in der selbst die noch bestehenden niederen Schranken, die die Besuchen¬ 
den von den Gefangenen trennen, fallen werden. 

Die Behauptung (S. 69), dass das Auburn’sche System ausser Amerika 
keine Nachfolge gefunden habe, hat uns bei dem sonst so belesenen und 
erfahrenen Herrn Verfasser etwas befremdet. So war es z. B. auch bei 
uns in Baden eingeführt und ist es heute noch in der Weiberstrafanstalt 
zu Freiburg (für welche indessen nun auch nächstens in Folge eines Ge¬ 
setzes die Einzelhaft zur Anwendung kommt). Und hat nicht Hr. Hänell 
selbst Strafanstalten aufgeführt (S. 101) die nach dem Schweigsystem ein¬ 
gerichtet sind und sich (S. 233 Anm. 3) mit Recht dagegen ausgesprochen, 
dass in St. Gallen des Systems wegen sogar der Gesang beim Gottesdienst 
verboten worden sei? Zur Beruhigung können wir indessen hiezu be¬ 
merken, dass dieses nun dort anders geworden und zur Leitung und Unter¬ 
stützung des Kirchengesangs bereits für Anschaffung eines Harmoniums 
Sorge getragen ist. 

Dass, wie Hr. H. behauptet (S. 93), die Stalls in den Kirchen die 
gottesdienstliche Feier stören, hat man in Bruchsal, wo die Kirchenzellen 
bis heute beibehalten wurden, noch nicht gefunden und auch Wahrneh¬ 
mungen in anderen Strafanstalten, in denen jene Zellen fehlen, konnten 
bis jetzt zu keiner Aenderung dieser Einrichtung Veranlassung geben. 

Die Gefahren der Einzelhaft für die leibliche Gesundheit, die oft 
sehr übertrieben werden, hat der Hr. Verf. mit statistischen Nachweisungen 
(S. 102) als unerheblich dargestellt, hätte aber dabei das mit Anführungs¬ 
zeichen aus den „Blättern für Gefltognisskunde“ mitgetheilte Citat 



(S. 104. Addl 3) etwas genauer absehreiben sollen, um nicht irrigen Deu¬ 
tungen-Raum zu geben. 

Die auf Seite 130 f. ausgesprochene Behauptung, dass jede gesetz¬ 
liche Bestimmung über die Dauer der Einzelhaft „auf einer rein indivi¬ 
duellen Ansicht des Gesetzgebers beruhe und daher an Willkühr leide,“ 
scheint uns denn doch etwas zu stark ausgedrückt und möchten wir dem Hrn.. 
Verf. entgegenhalten, ob nicht mindestens ebenso viele „Willkühr“ da herr¬ 
schen würde, wo nach der Forderung desselben die Einzelhaft so lange 
zu dauern hätte, bis in der ethischen Haltung des Sträflings eine ent¬ 
schiedene Wendung zum Besseren eingetreten wäre und dann das zweite, 
Strafstadium beginnen könnte? 

Eine besondere Anstalt für invalide Sträflinge besteht nicht blos 
in England, wie Hr. H. (S. 150) anführt, sondern seit 2 Jahren nun auch 
in Bruchsal und es werden darüber wohl bald nähere Mittheilungen gemacht 
werden können. 

Wenn es (S. 156) beklagt wird, dass bei der Detentionshaft die 
Theilnahme am Gottesdienste meistens nicht erlaubt werde, so möge der 
Hr. Verf. doch bedenken, dass, auch wenn solche Erlaubnis gegeben wäre, 
wie in Preussen (Hannover) oder in Anhalt, doch gewiss äusserst selten 
die Verhältnisse es gestatten würden, Gebrauch von derselben zu ma¬ 
chen. Dafür aber ist allerdings der regelmässige seelsorgerliche Besuch 
der Detinirten um so mehr zu wünschen, und dürfte derselbe in Verbin¬ 
dung mit entsprechender Lectüre bei der gewöhnlich so kurzen Haftzeit 
vollständig dem religiösen Bedürfnisse hier genügen. 

Bei Besprechung der Handhabung der Zucht in der Strafanstalt be¬ 
merkt Hr. H., dass es sehr zur Empfehlung eines Strafsysteras gereiche, 
wenn es alle anderen Disciplinarstrafen ausser dem Verweise entbehrlich 
mache. (S. 181.) Allerdings wäre Das ein sehr grosser Vorzug eines 
Strafsystems; aber glaubt denn der Hr. Verf. im Ernste, dass bei dem irischen 
System in der That keine anderen Strafen als Verweise und Rückwärts- 
versetz ungen selbst bei den rohesten und gemeinsten Verbrechern nöthig 
sein werden? 

Eine gleichfalls etwas zu ideale Anschauung scheint es uns zu sein, 
wenn nach S. 184 ff. die Fürsorge für die entlassenen Sträflinge nicht sowohl 
Vereinen als den Gemeinden als solchen übergeben und daher auch bei : 
ihrer Rückkehr ein feierlicher, kirchlicher Aussöhnungsact vorgenommen 
werden soH. Wie die Verhältnisse nun einmal überall sind und bleiben wer¬ 
den, müssen wir uns freuen, dass Vereine vorhanden sind, die sich der ent¬ 
lassenen Sträflinge annehmen und wir möchten nur wünschen, dass immer 
mehr solche Vereine entstehen und so thätig sich erweisen möchten, wie 
Dieses z. B. m mehreren Kantonen der Schweiz der Fall ist. 

Für die rückfälligen Diebe, die Vagabunden und liederlichen 
Dirnen hat Hr. Hänell, (S. 189), selbst wenn sie sich wirklich gebessert 
haben, den Vorschlag zu machen, sie in Asylen aufzunehmen, welche die 
Volksgemeinde zu gründen habe; So werden sie allerdings am Bestens 



vor todbtt bewahrt bleibe», aber wo- in aller Welt wird man aof solche 

Vorschläge eiagehen können und wollen? 

Schliessen wir unsere Bemerkungen trotz allier Ans Stellungen im 
Einzelnen, von denen wir nur einige anführten, mit einer wiederholten An¬ 
erkennung' des vielen Guten, was in dem besprochenen Buche enthalten 
ist und hoffen wir, dass, wenn sich nicht bald ein ebenbürtiger Nachfolger 
des Hrn. Pastor Hänell zur Bearbeitimg des- zweiten Theils seiner Arbeit 
findet, dieser selbst nach den vorhandenen Materialien und eigenen Er¬ 
fahrungen das angefangene Werk vollenden werde.- Mr. 

Zugschwer dt, J. Bapt. Der Voüzüg der Freiheitsstrafe, Wien 1867. 

Waldheim. Gr. Lex.-8. 408 S. Pr. 4 fL 18 kr. 

Der aus seihen früheren Schriften „Schärfungen der Freiheitsstrafe“ 
und „Verwendung religiöser Corporationen in Strafanstalten“ (Wien, Mauz) 
sowie durch einige Aufsätze in Zeitschriften bekannte Verfasser,, hat in 
dem vorliegenden Werke die Summe seiner Erfahrungen niedergefegt und 
mit Benützung anderer literarischen Erscheinungen im Detail seine An¬ 
sichten über viele Theile des Strafvollzugs entwickelt. Wir müssen dies 
Buch Allen, die sich mit dem Strafanstaltswesen befassen, zur aufmerk¬ 
samen Lectüre empfehlen; es enthält eine Menge von Details, die ganz 
hesonders den Strafanstaltsbeamten interessiren, und bereits v. Holtzen- 
dorff hat in seiner Strafrechtszeitung (1867, März, 3. Heft, S. 128) con- 
statirt, was auch wir fanden, dass Zugschwerdt redlich bemüht war, allent¬ 
halben gründlich, unparteilich und objectiv wieder zu. geben, was. er in 
sich aufgenommen. j 

Auf die grosse Menge des Details uns einzulassen,, verbietet uns 1 
schon der Zweck der gegenwärtigen Besprechung, wenn uns auch dazu 
ausserordentlich viele Anknüpfungspunkte geboten sind: Doch wollen wir 
einiges, uns bemerkenswert Scheinendes herausgreifen. 

Die Einteilung, des Werkes) ist folgende: Einleitimg. Quellen für 
da» Studium den Gafängnissfrage. Regelung des Vollzugs den Freiheits¬ 
strafe. Die Haftetysteme. 1. Die bauliche Einribhtang da?. Gefän gniss e. 

2. Die Beleuchtung 3. Die Beschäftigung. Grundsätze bei den Lösung 
der Arbeitsfrage, a, Erweckung des Bedürfnisses einer Beschäftigung, 
bt. Wahl der Beschäftigung, c Verwendung des Arbeitserträguisses. 
di. Vorsorge für dja Beschäftigung, 4, Verpflegung, a. Ernährung, h. Klei¬ 
dung, Wasche und Lager. 5. Gesundheitspflege. 6. Besserung der Straf¬ 
gefangenen. a. Hintanhaltung der moralischen Verschlimmerung, b. An- 
strebung der Besserung- Allgemeine Grundsätze, a Herbeiführung, 
der Selbatetrkennitniss. b. Beugung,des Willens.. «.Benützung des Ehr- 
gefühlt d. Individualisirung. Besserungsmittel, a. Beschäftigung, 
b. Intellectuelle und religiöse Ausbildung, c. Aussicht auf Begnadigung. 

7„ Disciplin. 6. Verwaltung. 9. Oberaufsicht. 10. Wahl des Hafteystems. 

Wenn dm? Verfasser die Zustände in der Strafanstalt* Stein, wenigt 
günstig schildert), so. vermögen wir die Richtigkeit. dieser seiner Mittheilung 
nicht zu prüfen^ er, urtheütje denfalls als früherer Gefangener dieser. Anstalt 



7 « 


Dagegen trägt sieh tia gewisser Pessimismus sicht selten «uh auf An« 
deres über, wie z. B. dort (S. 18- Asm. 2) wo er sagt, „der Schatz, den der 
Sträfling scheinbar geuiesst, ist kaum der Bede werth. u Hier und an 
manchen andern Stellen (vgl S. 6) gebt Verfasser offenbar zu weit; nicht» 
desto weniger gibt er vielfältig höchst praktische | Winke und Ansichten 
über Verbesserung des Strafanstaltswesens. 

Interessant ist es, aus dem Munde eines ehemal. Gefangenen zu 
vernehmen,, dass er die Strafe als eine Sühne betrachtet, die den Ge¬ 
bogenen bessern soll (S. 4), dass unter Umständen auch sehr strenger 
Diaciplinarmittel am Platze seien (S. 352) und dass er eine Observation der 
Gefangenen (die Beobachtungaöffnungen) für nothvendig, für eine Sache- 
\ hält, an die sich der Gefangene leicht gewöhne. 

| Vollkommen beipflichten müssen wir dem Verf. wenn er (&. 30 ff.) 

verlangt, dass die Fenster der Gefängnisse, dm Gefangenen Luft, Licht 
i und freie Aussicht, möglichst wenig verkümmern sollen, die Rücksicht auf 
Correspondenz der Gefangenen unter sich machen aber, zumal bei Zellen- 
' gefangnissen, hierin häufig Beschränkungen nöthig. 

Im Allgemeinen sowohl als insbesondere hei dem Abschnitt über 
Bau und Beschäftigung hätten wir gewünscht, dass Verf. in seinem Weck» 
vorzüglich auch die Schriften von Ad. Bauer und Dr„ tiutsch, die 
späteren Hefte unserer Blätter, ferner die Aktenstüke der Frankfurter 
Commission, endlich die Veröffentlichungen über die belgischen Gefängnisse 
benützt hätte, da hierdurch manches berichtigt und Anderes erweitert 
worden wäre. 

In dem Abschnitt über Beschäftigung verlangt Verf., dass der Ar- 
beitszwang aufhöre und: die Gefangenen bestimmt werden; aus freien 
Stücken zu arbeiten Wir können auf die ßeahtsbegründung dieser An- 
| sicht nicht eingehen;. wir constatircn auch gerne, dass, wohl die meisten 
! Gefangenen in der Arbeit eine Wohlthat. erblicken, allein eine Diseiplin 
! ohne Arheitszwang ist uns in Strafjgefangnissen nicht denkbar, und ganz 
gewiss unausführbar. Der Arbeitszwang ist auch ein nothwendiges Glied 
in der Kette der Mittel,,die Gefangenen, die.es bedürfen, an eine geordnete 
' Lebensweise zu gewöhnen. Das schliesst die Berücksichtigung vieler am- 
derer Punkte,, die Verf. bei der Arbeit verlangt, keineswegs- aus: Insbe- 
| sondere stimmen wir dem Verf. bei: dass: sowohl im Allgemeinen als bei 1 
der Beschäftigung und Zutheilung dos Arbeitspensums mdividualisirt wer¬ 
den müsse. 

Auchi darin, scheint Verfasser das Richtige zu treffen, wenn er* 
(S.. 122 ff} dem Gefangenen ein Recht auf das Erträgnis» der Arbeit vin- 
dicirt; diese Ansicht besteht selbst neben dem Arbeitszwan-g. Der Zu¬ 
griff dm Staats, soll, auch hier nicht weiter gehen als bei demffreien Ar« 
beiter. Indess wird es stets schwer bleiben, zu ermitteln, was als der eigent¬ 
liche Verdienst des. Gefangenen anzusehen sei, und die Vergütung an oft 
Behr Unwürdige hat ihre sociale Bedenken; denn wenn 1 z. B. ein unge* 
bsnerter Dieb nach der. Entlassung eine in. der Strafanstalt ersparte be* 
tr, ächtliehe Summe Geldes* verprasst, wiei dies- ohnehin schon bei gtk 



ringen Betrügen verkommt, so muss dies auf das Publikum, welches die 
Strafhäuser aus ihren oft mtthsapi aufgebrachten Steuern erhält, einen sehr 
unerquicklichen Eindruck machen. Der Fall ist aber auch nicht selten, 
dass die Aussicht auf hohe Belohnung den Gefangenen zu Ueberan- 
strengungen fuhrt, die hier im Interesse der Gesundheit gewiss zu ver¬ 
meiden sind. 

Abgesehen davon, dass Verf. dem Gefangenen das ganze Arbeitser- 
trägniss nach Abzug der Verpflegungskosten vindicirt und es daher nicht 
in der Ordnung findet, wenn in Bruchsal den Gefangenen viel zu wenig 
gutgeschrieben wird, stimmt derselbe (S. 153) auch in den schon wieder¬ 
holt gehörten Vorwurf, dass in Bruchsal auf die Erzielung des höchst 
möglichen Einkommens für die Staatskasse ein zu grosses Gewicht gelegt 
wird, und manche andere Rücksichten bei Seite gesetzt werden. Wenn 
Verf. an Ort und Stelle sich überzeugen wollte, müsste er finden, dass der 
Gewerbsbetrieb in Bruchsal sowohl im Allgemeinen als Betreffs der Leistung 
und Ausbildung der Gefangenen zum mindesten keiner andern Strafanstalt 
nachsteht. Das hohe Arbeitserträgniss, welches lediglich ein Resultat der 
höchst umsichtigen Speculation des derzeitigen Verwalters ist, giebt merk¬ 
würdigerweise immer Anstoss. Gerade aber darin, dass die Speculation, 
also Leitung und Capital den Hauptverdienst erwirbt, läge die Schwierigkeit, 
den Antheil der Gefangenen zu bestimmen. 

Verf. verlangt (S. 349), dass bei Besuchen der Gefangenen stets ein 
Beamter, kein Aufseher, zugegen sei. Die Beamten der Strafanstalten 
wünschen auch, dass sie diesen Liebesdienst übernehmen könnten, thun es 
auch hin und wieder, allein alle Besuche zu überwachen, dazu reicht ihre 
Zeit wohl in den seltensten Fällen. Es fragt sich aber auch, ob den Ge¬ 
fangenen die Aufsicht eines Beamten, selbst wenn er das ganze Vertrauen 
des Gefangenen geniesst, angenehmer ist, als die eines Aufsehers. Beispiele 
für das Gegentheil werden genug aufzubringen sein. Die Aufsicht bei den 
Besuchen soll eben unter allen Umständen eine humane, von der regen 
Theilnahme für, das. Wohl des Gefangenen getragene sein. 

Sehr gesunde Ansichten entwickelt Verf. auch (S. 366. 368) über die 
Organisation der Strafanstalten. — 

Möge diese interessante literarische Erscheinung recht viele Ver¬ 
breitung finden und ihr redlich angestrebter Zweck, zur Verbesserung des 
Looses der Gefangenen mitzuwirken, nach der Intention des Verf; kräftig 
gefördert werden. ■ E. 

Das Werk der Liebe an den entlassenen Strafgefangenen. 
Eine Erzählung von Fr. Pr. — (Gekrönte Preisschrift der Rhei¬ 
nisch-Westphalischen Gefängniss-Gesellschaft.) In Commission bei 
C. Rörnke und Cie. in Cöln. Gedrukt in Bannen bei I. E. Stein¬ 
haus. 1867, Kl. 8, 72. S. 

Diese Preisschrift hat zum.Zweck, in weiteren Kreisen das Inter¬ 
esse für entlassene Strafgefangene anzuregen und wird wohl nicht die 
einzige bleiben, die von der nun schon seit 40 Iahren im Segen wirken¬ 
den Gefängniss-Gesellschaft zur Förderung ihrer Liebesarbeit ausgegeben 



wurde. Die vorliegende Erzählung ist mit vieler Liebe cur Sache 
und mit Geschick geschrieben, und wird gewiss manche Anregung nach 
verschiedenen Seiten hin gehen. Sie weist an einem Beispiele nach, dass 
die treue Arbeit zur Bettung der Verlorenen, auch wenn sie tief gesunken 
sind und in ihrer Heimath alles Vertrauen eingebüsst haben, doch nicht 
immer vergeblich sei. Im Einzelnen wollen wir noch bemerken, dass uns 
die von der geehrten Verfasserin (S. 32 f.) ausgesprochene Ansicht in Be¬ 
treff der Auswanderung entlassener Strafgefangenen nach Amerika nicht 
ganz begründet scheint, insofern auch unter anderen als den dort ange¬ 
gebenen Bedingungen günstige Erfahrungen selbst bei rückfälligen Dieben 
gemacht worden sind. Dagegen freuen wir uns, dass (S. 39 f.) die Frage 
angeregt ist, was man thun könne, um die grosse Bevölkerung der Zucht¬ 
häuser zu verhüten; welche Bedeutung insbesondere zu diesem Zwecke auch 
die Unterbringung der Lehrlinge, sowie die Sorge für die Erholungsstunden 
der Jugend habe. 

Möchten diese und andere Dinge auch in den Kreisen Beachtung 
finden, für welche unsere Blätter zunächst bestimmt sind, namentlich aber 
das Werk der Liebe an den entlassenen Strafgefangenen Denen aufs Neue 
durch dieses Schriftchen an’s Herz gelegt werden, diesichmit der grundlegen¬ 
den Arbeit an ihnen im Gefängniss selbst zu beschäftigen haben. Mr. 

Frederico Bellazzi, Deputate al Parlamente „Prigioni e Prigio- 

nieri nel Regno d’Italia,“' Florenz Tipografia militare 1866. 

(Preis 3 Lire.) 

Diese Schrift, hervorgerufen durch mehrere Artikel über das Ge- 
fängnisswesen des Königreichs Italien in dem officiellen Blatte „Effemeride 
carceräria“ gewährt uns einen tiefen Einblick in die Zustände der italie¬ 
nischen Gefängnisse, deren Verbesserung hauptsächlich an dem Kosten- 
puncte ein schwer zu bewältigendes Hinderniss findet. Der Verfasser spricht 
zwar an der Spitze seiner Abhandlung mit dem Motto: „Die Geldfrage 
kann gar nicht in Betracht kommen, wo es sich um die Moral und 
öffentliche Sicherheit handelt,* 4 eine Wahrheit aus, die nicht allein auf 
dem Gebiete der Halbinsel, sondern auch diesseits der Alpen mehr 
beachtet werden sollte, als wirklich geschieht. Allein bei den traurigen 
Zuständen der italienischen Finanzen darf man sich nicht wundem, wenn 
die Regierung nicht sofort mit grossartigen Reformen vorgeht. Wer¬ 
den ja doch auch bei uns in Deutschland sehr häufig die Strafanstalten 
als das Aschenbrödel des Budgets behandelt. Die nicht über ein Lustrum 
znrükdatirende Aeusserung eines kleinen deutschen Fürsten, „so lange ich 
am Ruder bin, darf an dem Gefängnisswesen Nichts verändert werden,“ 
liefert hiefür einen traurigen Beleg. Wenn wir auf S. 110 der Schrift 
lesen, dass die Strafanstalten im Jahre 1864 einen Aufwand von 17,262,800 
Lire und ausserdem die 9823 Verurtheilten wegen maritimer Vergehen 
einen Aufwand von 3,799,367 Lire verursacht haben, so erkennen wir darin 
schon eine sehr schwere Bürde für das Budget de3 ohnehin finanziell so 
hart bedrängten Staates. 


6 





Uebrigens Scheinen sich trotz dieses enormen Aufwandes die Gd>- 
f&ngnisse Italiens in einem wirkjkh trostlosen Zustande zü befinden, dein 
aber nach unserem Dafürhalten weniger durch grossartige, Millionen rer*- 
schlingende Neubauten als vielmehr durch einen besseren Geist in der 
Leitung der Gefängnisse abzuhelfen wäre. 

Absehend von allem Anderen, schöpfen wir das Material zu dieser 
Ansicht aus der Statistik über die Entwichenen. Diese äusserst interessanto 
und gewiss in keinem andern Lande mit gleicher Sorgfalt nach all* ihren 
'Beziehungen verfolgte Statistik bildet einen besonderen Theil des Buches 
(Evasioni dei Detenuti Seite 83 bis 192). Wir ersehen daraus, dass sich 
die Zahl der Entwichenen innerhalb 4 Jahren (1862—65) auf 1253 beläuft, 
d. h., „es kamen alle drei Tage durchschnittlich zwei Entweichungen vor.“ j 

„Die geringe Sorgfalt und Uebenrachung'durch die Behörden, die 
Camorra, die Sorglosigkeit der Schildwachen, die Mitwirkung von aussen 
und Revolten im Innern“ werden als Hauptursachen des Entfliehens be¬ 
zeichnet, und es wird das häufige Einverständnis des Aufsichtspersonen 
ausdrücklich betont. Unter 204 zu Zwangsarbeit Verurtheilten, aber noch 
nicht in die Strafanstalt Eingelieferten, welche entflohen, waren 99 Lebens« 
längliche, und dem Verbrechen nach 216 Räuber und Mörder. 

Am 1. Januar 1866 befanden sich in den Untersuchungsgefängnissen 
des Königreichs im Ganzen 85597 Männer und 2197 Frauen *=» 37794, von 
denen 22975 noch in Untersuchung standen. Die übrigen waren theils 
zu schwerer Strafe schon verurtheilt, aber noch nicht abgeliefert, theils 
hatten sie einfachen Arrest zu verbüssen. Die tägliche Durchschnittszahl 
der im Jahre 1864 in den 35 Strafanstalten Verwahrten beziffert sich auf 
8210. Unter diesen 35 Anstalten sind zwei Zuchthäuser (Lueca und San 
Gemignano) ausschliesslich nach dem Systeme der Einzelhaft (Separazione 
continua) eingerichtet. In zwei für schwere Verbrecher bestimmten An¬ 
stalten, Volterra und Ambrogiana ist gemischtes, d. h. theils Zellen-, theils 
Aubum’sches System. In Allessandria, Oneglia, Firenze (Murate) und 
Pallanza rein Auburn’sches System, in den übrigen Anstalten, mit Aüsnähme 
der Weiberstrafanstalt in Turin (gemischtes System), die gewöhnliche Ge- 
meinschaftshaft. i 

Die Verbrechen sind in folgender Weise ctyiBificirt: 

Verbrechen gegen den Staat, 

„ „ die öffentliche Verwaltung, 

„ „ das öffentliche Vertrauen (la fede publica), 

„ »die guten Sitten, 

„ „ die öffentliche Ordnung und Ruhe, 

„ »die Familien-Ordnung, 

„ „ Private, 

Militärische Verbrechen. 

Die Reati contro i privat! erscheinen in zwei Abteilungen neben¬ 
einander und begreifen folgende Verbrechen: 



83 


Vatermord (21), Kindsmord (2?), Gattenmord (9), Vergiftung (7), 
Brudermord (5), Meuchelmord (499), Vorsätzliche Tödtung (1939), Körper¬ 
verletzung (274), Strass epraub (2443), Diebstahl (1466), ferner Erpres¬ 
sung (233), Brandstiftung (1dl), Plünderung (339) u, s. w. Kaub, Plün¬ 
derung and Erpressung, welche zusammen durch über 3000 Personen ver¬ 
treten sind, während der Diebstahl nur mit 1465 erscheint, m Verbindung 
mit den vielen Fällen von Mord und Tödtung erinnern uns an den grossen 
Unterschied, der zwischen den deutschen und den italienischen Verbrechen 
herrscht. — So lange das Brigantenthnm auf der Halbinsel nicht voll¬ 
ständig ansgerottet ist, legen wir, obschon Gegner der körperlichen Züch¬ 
tigung, auf die Ergiessung des Verfassers über den noch herrschenden Ge¬ 
brauch der Prügel kein allzugrosses Gewicht. (Derselbe sagt S. 59: „Die 
Schamröthe tritt uns auf die Stirne bei dem Gedanken, dass sich in Italien, 
welches die Folter der barbarischen Zeiten zerstörte, das letzte Ueber- 
bleibsel derselben: der Stock noch behauptet.**) 

Gerne möchten wir auf den weiteren Inhalt dieser höchst interessan¬ 
ten, mit vieler Sachkenntnis und glühender Begeisterung geschriebenen 
Schrift eintreten, wenn uns nicht der Baum dieser Blätter Beschränkung 
auferlegte. Wir werden vielleicht später in die Lage versetzt, darauf zu¬ 
rück zu kommen. Ad. B. 

Statistica delle Gase die pena del Regno d’Italia per gli anni 1862, 
1863, 1864, Torino, Favale & Cie. 1866. 

Jahresbericht des Zellengefängnisses in Aageberg bei Christi&nia. 
Beretning om Bodsf&engslets Virksomhed i Aaret 1865. Cbris- 
tiania. Brogger & Cbristies Bogtrykkeri. 1866. 

\ 

Michel, G S, Handhuch des Gefängniss- und Strafvollstreckungswesens 
bei den Gerichten in Preussen für Richter, Subalternbeamte und 
Gefängniss-Inspectoren. Eine systematische Zusammenstellung der 
auf die Strafvollstreckung, die Gefängnissverwaltung, die Beschäf¬ 
tigung der Gefangenen, die Verwaltung der Gefangenen>■ Arbeit*- 
Gassen, und die Anschaffung und den Verbrauch der Gefangenen 
Bekleidungs-Gegenstände ergangenen gesetzlichen Bestimmungen und 
ministeriellen Verfügungen und sonstigen Vorschriften nebst einigen 
Bemerkungen über den practischen Dienst der Gefängniss-Vorsteher 
und InspectQren. Zweite mit einem Nachtrag vermehrte Auflage. 
Berlin, Grieben, gr. 8, 264 S. Pr. 1 Thlr. 

Der Inhält des vorliegenden Werkes ist hiemit vollständig ange¬ 
geben und solche* dadurch auch von selbst empfohlen. Es wäre wüoschens- 
verth, dass solche Sammlungen allenthalben existiren, da sie nicht nur 
für die angegebenen Beamtencategorien, sondern auch für einen Jeden, in 
und ausser Lands, der sich um das Strafvollstreckungswesen interessirt, 
dea schnellsten und sichersten Weg bieten, wie man sich in der Materie 
rarechtfindet und damit vertraut macht. 


6 * 



84 


Vollert, Dr. A., der neue Pitaval. Eine Sammlung der interessantesten 
Criminalgeschichten aller L&nder aus älterer und neuerer Zeit. Be¬ 
gründet von J. E. Hitzig und W. Häring. (Wilibald Alexis). Neue 
Serie. Erster Band. Leipzig, Brockhaus 1866. Pr. 2 Thlr- 
Die unseren Lesern wohl bekannte Sammlung erscheint hier in 
neuer Folge und bedarf keiner besonderen Empfehlung. 

Fr. v. d. Trencks Erzählung seiner Fluchtversuche aus Magdeburg. 
Dresden, Schönfeld. 1866. 76. S. kl. 8. 

J. Petzholdt hat diese Erzählung nach Trencks eigenhändigen Auf¬ 
zeichnungen in dessen gegenwärtig im Besitze des Königs von Sachsen be¬ 
findlicher Gefängnissbibel wortgetreu herausgegeben und mit einer biblio¬ 
graphischen Uebersicht der Trenckliteratur, einer Beschreibung der 
Trenckbibel und des Trenckbechers versehen. Unsere Leser kennen den 
Gegenstand, und begnügen wir uns daher mit der einfachen Anzeige. 

Beyerle, Anton, Obertribunalrath. Ueber die Todesstrafe, Vortrag im 
Königlich Württemb. Justizministerium. Stuttgart, Metzler. 1867. 
gr. 8. 76 S. Pr. 66 kr. oder 16 Sgr. 

Haus, J. J. La peine de mort, son passö, son prösent, son avenir. Grand. 
Hoste. 1867. gr. 8. 166 S. Pr. 1 Thlr. ö Sgr. - 2 fl. 3 kr. 

Berner, Dr. Alb. Fr. Lehrbuch des deutschen Strafrechts. 3. Auf. 
Leipzig, Tauchnitz. 1866. gr. 8. 591 S. (2 B.) Pr. 2 Thlr. 25 Sgr. 
4 fl. 57 kr. 

Plagge, Dr. Theodorich. Der Mensch und seine physische Erhaltung. 

Medicinische Briefe für weitere Lesekreise. 2 Aufl. Neuwied und 

Leipzig, Hauser, kl. 8. 154 S. Pr. 20 Sgr. oder 1 fl. 12 kr. 

* 

Drobisch, Moriz Wilhelm. Die moralische Statistik nnd die menschliche 
Willensfreiheit. Leipzig, Vqss. 1867. -gr. 8. 133 S. Pr. 1 fl. 42 kr. 
1 Thlr. 

Bischoff, W. F. Baumeister. Wie spart man Gas? Anweisung für Gas- 
consumenten, möglichst viel Gas zu sparen nebst Belehrung über Ein¬ 
richtung und Betrieb von Steinkohlen-Gaswerken. 2. Aufl. mit 38 
Abbildungen. Berlin, Grieben. 41. S. gr. 8. Pr. 10 Sgr. oder 36 kr. 

Reichardt, Dr. E. Desinfektion und desinficirende Mittel. Im gemein¬ 
nützigen Interesse besprochen für Jedermann. Erlangen, Enke. 1867. 
gr. 8. 48 S. Pr. 30 kr. 

Moleschott, Jac. Rath und Trost in Cholerazeiten. Giessen, Roth. 1866. 
kl. 8. 20. S. Pr. 15 kr. 

Ueber Ursprung und Verbreitungsart der Cholera. Commissions- 
bericht der internationalen Sanitätsconferenz. München, Lentner. 
gr. 8. 1867. 156 S. Pr. 1 fl, 48 kr. — 1 Thlr, 



2. Für Geftmgene. 

Bergson, 6. Die Kunst zum Wohle seiner selbst und seiner Mitmenschen 
reich zu werden und den Reichthum zu erhalten. Stolpen, Oscar 
Schneider. 1866. Gr. 8. 61 S. Pr. 10 Sgr. oder 36 kr. 

Dieses empfehlenswerthe ISchriftchen eignet sich ganz zur LectQre 
der Gefangenen jeder Confession. Schon sein Motto kennzeichnet den ge¬ 
diegenen Inhalt; es ist der Ausspruch Franklins, „Jeder, der den Arbeitern 
sagt, dass sie durch andere Mittel, als durch Fleiss und Sparsamkeit etwas 
erreichen können, ist ein Verführer des Volks.“ Der Verfasser will dem 
Materialismus unserer Zeit die Richtung andeuten, die er zu nehmen hat, 
um die edelsten Ziele nie zu verfehlen. Er schätzt den Reichthum als 
das Mittel, sowohl das eigene Dasein, die Gesundheit des Körpers und die 
Veredlung des Geistes zu befördern, als auch die Summe der Glückselig¬ 
keit und der Freude unter den Mitmenschen zu vermehren. Sittlichkeits¬ 
und Rechtsgefühl sollen bei dem Streben nach Reichthum die Vorschriften 
geben. In den einzelnen Abschnitten behandelt daher Verf. als die Mittel 
dazu besonders Verstandesherrschaft, Thätigkeit, Ordnungsliebe, Benützung 
der Zeit, Muth ohne Schwindel, Sparsamkeit, Massigkeit und warnt vor der 
Reclame und anderem Schwindel unserer Zeit. 

In neuer Auflage sind wieder einzelne Theile der von Ferdinand 
Schmidt herausgegebenen Jugendbibliothek erschienen und zwar bei Hugo 
Eastner in Berlin (dem Verleger dieser Bibliothek). 

Janko, der Maler. Eine Erzählung für Jung und Alt. 3. Aufl. S. 155 
und 

Herder als Knabe und Jüngling. (Besonderer Abdruck aus der Jugend¬ 
bibliothek im Verlag von C. W. Mohr in Berlin). 5. Aufl. S. 174. 
Beide Schriftchen sind von dem Manne verfasst, der bereits unter Jung 
und Alt im deutschen Vaterlande wohl bekannt ist durch seine trefflichen 
Erzählungen. Alle und so auch die vorliegenden zeichnen sich durch ge¬ 
diegenen Gehalt und anziehende Darstellung aus und sind sehr geeignet, 
den Sinn für alles Schöne und Edle zu wecken und zu fördern. Zum 
Theile sind die Erzählungen auch geschichtliche Darstellungen, insbesondere 
Biographieen grosser Männer, wie das zweite oben genannte Schriftchen 
und andere ähnliche z. B. das Jugendleben Fichte’s, Haydn’s, Wilhelm 
Teil u. s. w. Zu bemerken ist auch, dass sämmtliche Schriftchen der 
Jugendbibliothek hübsch gebunden und mit schönen Illustrationen von 
Hosemann, Leutze u. A. geschmückt sind. — Allen Gefängnissbiblio- 
theken ist diese Sammlung belehrender und unterhaltender Schriften un¬ 
bedenklich zu empfehlen. 

Es liegen uns weiter mehrere Schriften des bekannten Schweizers 
Albert Bitzius zur Anzeige vor, der dem deutschen Volke unter dem 
Hamen „Jeremias Gotthelf“ so güt wie dem schweizerischen bekannt 
ist Es sind die im Verleg von Julius Springer in Berlin neu aufge¬ 
legten Bücher: 



86 


Uli der Knecht (1851. ä. Auflage, S. SM), 

Ul) der Pächter (1850. 2. Auflage. S. 369), sowie da# in) Verlag des 
allgemeinen deutschen Volksschriften-Vereins erschienene Büchlein in 
zwei Abtheilungen: 

Käthi, die Grossmutter. (S. 165 und 157). 

Wir enthalten uns hier natürlich einer näheren Besprechung der 
schon so oft und viel besprochenen Volksschriften, die mit den Werken 
eines Glaubrecht, Caspari, Horn u. A. auf gleicher Stufe stehen. 
Sie bedürfen auch in Deutschland darum keiner Empfehlung mehr, wofür 
ihr Vorhandensein in wohl fast allen Volks- und Gefängnissbibliotheken 
Zeugniss ablegt. Erwähnen wollen wir übrigens, dass nun auch der Anfang 
gemacht ist, eine besondere Bearbeitung für das deutsche Volk zu veran¬ 
stalten und zu diesem Zwecke der sei. Bitzius selbst „Uli der Kpecht“ 
bearbeitet hat. Dadurch werden die Schriften dem deutschen Volke noch 
zugänglicher und lieber werden, und wenn die anderen Schriften des Mannes 
in dieser Weise behandelt werden, ohne dass ihre nationale Färbung ver¬ 
wischt wird, so können wir den Unternehmern dafür nur dankbar sein. 
Gotthelf schreibt aus dem Volk für das Volk und kennt seine Leiden 
und Freuden wie Wenige, weiss aber auch darum die rechten Saiten an¬ 
zuschlagen und den rechten Ton zu treffen, um es vor den ihm besonders 
drohenden Gefahren ,au warnen und auf den Weg zu weisen, der es allein 
zum inneren und äusseren Wohlstände führt. 

Aus dem. Verlage von Eduard Back in Berlin sind uns folgende 
zwei Schriftchen zugfgangen: 

1) Immanuel, Willi. „Wachet und betetl“ Eine wahre Geschichte 

für das Volk erzählt. 5. Auflage. Berlin. 1866. kl. 8. S. 48 und 

2) Quandt, E. „Erinnerungen an Verborgene.“ Eine Weihnachts¬ 

gabe. Berlin. 1867. kl. 8 S.,75. % 

Das erste der beiden Schriftchen enthält die Geschichte einer wegen 
Brandstiftung zu lebenslänglichem Zuchthaus verurtheilten Verbreeherin, 
die in der Strafanstalt schon nach zwei Jahren starb, aber Beweise einer 
wirklichen Sinnesänderung gegeben hatte. Mit psychologischer Wahrheit 
ist geschildert, wie ein schweres Verbrechen oft in geringen Ursachen 
wurzeln und ohne „Wachsamkeit und Gebet“ der Boden auch in Solchen 
für dasselbe bereitet werden kann, die sich einer guten Erziehung erfreuen 
durften. Auffallend war dem Referenten, dass bei der seelsorgerlichen 
Behandlung des Mädchens in der Strafanstalt der Director die Stelle des 
Pastors zu vertreten scheint, was indessen nur als einfache Thatsache mit- 
getheilt werden soll. Dass das Schriftchen übrigens schon in mehr als 
6000 Exemplaren verbreitet und auch bereits in’s Englische übersetzt ist, 
hat seinen Grund sowohl ,in dem anziehenden und interessanten Inhalte, 
als in der lebendigen Darstellung, die es vor vielen ähnlichen Schriften 
dieser Art vorteilhaft auszeichnet. 

Das zweite Schriftchen enthält 50 kleine Erzählungen in der Art 
der „Brosamen“ ton Joseph6on, welche in sinniger Weise Züge aus dem 



Leben von Personen mittheilen, die 2 war „Verborgene* sind und ihrem 
Kamen nach es auch bleiben sollen, deren Begegnung aber, (wie der Herr 
Verf. richtig sagt), „das Hera erbaut.“ Auch Gefangene werden diese Er¬ 
zählungen gerne und mit Nutzen lesen, in denen das erbauliche Element 
mit dem unterhaltenden in so passender Weise verknüpft ist. Schliesslich 
Mt noch bemerkt, dass die Erzählungen (wie auch der Titel „Erinnerungen“ 
andeuten soll), meistens aus der eigenen und verwandten Lebenserfahrung 
des Verfassers geflossen sind und theilweise für den „Evangelischen Kirch¬ 
lichen Anzeiger“ von Berlin medergeschrieben wurden. 

Bei J. G Weiss in München erschien schon 1860: 

Herzenskron, Victor. Herbstblätter. Lebensbilder für die Jugend. 

Die Lebensbilder führen uns in verschiedene Kreise glücklicher und 
unglücklicher Menschen und suchen, ohne viel von Moral zu reden, doch 
überall den Weg zu zeigen, der zu wahrem Glücke führt. Wenn der 
dichterische Verfasser in seinem Vorworte es beklagt, dass seine Gabe 
keinen Keim und Blüthenstaub biete, sondern nur Nadeln und Laub, so 
wird der Leser doch wenigstens manche schöne Herbstblüthen entdecken 
und auch die oft etwas verborgenen Keime eines höheren Lebens. Mit 
Auswahl kann das Buch auch Gefangenen in die Hand gegeben werden. 

Eine ganze Reihe von Schriften, die im Laufe der letzten 30 Jahren 
in der Buchhandlung von Wohlgemuth in Berlin erschienen sind, ging 
uns zur Anzeige in diesen Blättern zu. Alle diese Schriften athmen einen 
Geist, den Geist wahrer Frömmigkeit und haben vor Allem den Zweck, 
in den höheren und niederen Ständen des Volkes christliches Leben und 
christliche Sitte zu pflanzen und zu pflegen. Dieses geschieht aber meistens 
nicht durch trockene Belehrungen im Tone der gewöhnlichen Erbauungs¬ 
bücher, sondern durch anziehende Erzählungen und Schilderungen aus dem 
Menschenleben in seinen verschiedenen Beziehungen. Die Erzählungen sind 
zum Theil blös oder vorzugsweise für Kinder geschrieben, (wie: Häns¬ 
chen und sein Freund, Das todte Fischlein, Aus Schutz¬ 
engels Tagebuch u. A.), zum Theil zwar für Erwachsene, aber für 
Kreise und Zwecke, die den Verhältnissen, um die es sich zunächst hier 
handelt, doch zu ferne liegen. Dabei Wollen wir indessen nicht zu erwäh¬ 
nen unterlassen, dass namentlich viele kleinere Schriftchen, die Uebersetzun- 
gen aus dem Englischen sind, (wie: Das Schloss Dudley, Des Grei¬ 
ses Heimath, Das Dörfchen u. a.) vieles Treffliche enthalten und 
wohl auch Einzelnen unter unseren Lesern in die Hand gekommen sind, 
die Das bestätigen werden. 

Hier wollen wir nur die Titel von 6 Schriften näher angeben, die 
sich für Gefangnissbibliotheken eignen dürften. Es sind: 

1) Marie Friedberg, oder die Macht der Versuchung* eine Geschichte 

aus dem Volke für Jung und Alt, erzählt von Martin Claudius* 

Berlin. 1853. S. 193. 



88 


2) Das Häuschen am See, oder „Wenn die Noth am grössten, ist 

Gottes Hülfe am nächsten. Eine Erzählung für die christliche 
Jugend von demselben Verfasser. 2. Auflage. Berlin. (Ohne Jahres¬ 
zahl.) S. 133. 

3) Die junge Christin. Eine Erzählung von S. Bayer. Aus dem 

Dänischen übersetzt von Maria Rosenhrands. Berlin, New-York und 
Adelaide. 1855. S. 64. 

4) Winfriedsbüchlein oder Eiche und Kreuz. Geschichtliche Mit¬ 

theilungen an die Jugend, qnd deren Eltern zur Pflege deutsch- 
christlichen Sinnes, herausgegeben von einem Vereine evangelischer 
Lehrer. Berlin. 1855. S. 134. 

5) Das Lutherbüchlein. Eine kurze Geschichte der Reformation und 

ihrer Segnungen. Zu Nutz und Frommen für Jung und Alt. Von 
Dr. W a ng e ma n n. • Neue Auflage. Berlin, New-York und Adelaide 
(ohne Jahreszahl.) S. 189. 

6) Philipp Melanchthon. Ein Lebensbild für Jung und Alt von Franz 

Knauth. Zweite vermehrte Auflage. Berlin (ohne Jahreszahl.) 
S. 143. 

' Die drei ersten Schriften haben keine besondere confessionelle 
Färbung und es wird unter ihnen, namentlich Nr. 2. auch jüngeren Ge¬ 
fangenen eine angenehme Lectüre bieten. Das vierte Schriftchen enthält 
Mittheilungen aus der deutschen Sage und Geschichte, wobei das Volks¬ 
leben eingehende Berücksichtigung findet. Es eignet sich übrigens nur 
für Evangelische, sowie auch selbstverständlich die beiden letzten Büchlein, 
die in Norddeutschland bereits eine sehr freundliche Aufnahme und grosse 
Verbreitung gefunden zu haben scheinen. 


Inhalt» 

Seit«. 

1. Die Uebertragbarkeit des Irländischen Gefängnisssystems auf 


deutsche Verhältnisse. Von Frhm. v. Gross ... 1 

2. Vermischtes: 

a) Ein Zuchthaus vor 100 Jahren .... 40 

b) Nothwendigkeit besonderer Verwahrungsorte für seelen¬ 
gestörte Verbrecher. . 60 

c) Sparkassen der Aufseher.61 

d) Schutz vor der Cholera.62 

e) Desinfection.68 

f) Fürsorge für jugendliche Strafgefangene ... 70 

g) Bekehrte Gauner.71 

8. Correspondenz.71 

4. Literatur: 

a) für Gefängnissbeamte .74 

b) „ Gefangene. 85 









I 


h 

\ 

L 


Die Uebertragbarkeit des Irländischen 
Gefängnisssystems auf deutsche 
Verhältnisse. 


| Von Director Elvers. 

I 


Der Herr Verfasser der unter vorstehendem Titel ira 
( 1. Heft des III. Bandes dieser Bl. veröffentlichten Abhandlung 
hatte schon vor längerer Zeit die Güte, die in derselben ent¬ 
haltenen Entwürfe und Motive dem Schreiber Dieses mitzu- 
theilen, in welcher Veranlassung die nachstehenden Bemerkungen 
za denselben entstanden sind. 

Nachdem Freiherr v. Gross seine Arbeit nunmehr ver- 
| Öffentlicht und die Praktiker dabei zu Aeusserungen über das¬ 
selbe Thema aufgefordert, insbesondere auch (S. 28) den Wunsch 
\ ausgesprochen hat, eine nähere Entwickelung des in unserer 
: Anstalt eingeführten Systems der Censuren in diesen Blättern 
mitzutheilen, glauben wir keiner weiteren Motivirung zu be¬ 
dürfen, wenn wir nachstehende Besprechung der vorliegenden 
Vorschläge veröffentlichen, und gestatten uns dabei nur den 
Wunsch und die Bitte auszusprechen, dass sich recht viele 
unserer Herrn Kollegen veranlasst finden möchten, sich gleich¬ 
falls gutachtlich über das fragliche Thema zu äussern, da es 
■ vor Allem wichtig ist, die Stimmen der Praktiker in dieser 
Frage zu vernehmen. 


%J 


l* 



90 


Bemerkungen 
zu den 

Regeln nebst Motiven für die Yerbüssnng der 

Zuchthausstrafen. 

Eine der wichtigsten Fragen, welche bei der Errichtung 
einer neuen Strafanstalt an die betreffende Staatsregierung 
herantritt, ist unstreitig die das System betreffende, die Ent¬ 
scheidung der Frage, welches der verschiedenen, bis jetzt 
aufgestellten sogen. Pönitentiarsysteme in die betreffende An¬ 
stalt einzuführen sei, da von der Wahl desselben die ganze 
Einrichtung und Verwaltung derselben, die Behandlung der 
Sträflinge etc. abhängt. 

Die Entscheidung dieser Frage ist um so schwieriger^ 
da keines der bisher aufgestellten Systeme sich bis jetzt als 
ausschliesslich massgebend und mustergültig erwiesen und 
jedes derselben seine Anhänger und Gegner hat, wie ja denn 
überhaupt bekanntlich auf keinem Gebiete die Ansichten so 
sehr auseinander laufen dürften, als auf dem der Gefängniss- 
kunde. 

Mehrere dieser Systeme, — namentlich das Social-Schweig- 
und Classificationssystem — gehören einem bereits überwun¬ 
denen Standpunkte an, auch das „reine“ Isolirsystem hat nur 
noch einzelne Verfechter älterer Schule für sich und wird bald 
gleichfalls nur historisches Interesse haben;*) dagegen scheinen 
jetzt das „Irische“ und das „gemischte“ System sich immer 
mehr Bahn brechen zu wollen, und können auch, unserer An¬ 
sicht nach, bei Einrichtung einer neuen Anstalt, jetzt nur 
* noch allein in Betracht gezogen werden. 

Bei Aufstellung der hier zur Besprechung vorliegenden 
Hegeln für die Verbüssung der Zuchthausstrafen ist das sogen. 
Irische oder Progressivsystem zu Grunde gelegt worden. 

Ehe wir auf eine kurze Kritik dieser Regeln und des 
denselben als Fundament dienenden Systems eingehen, möge \ 
V es nns gestattes sein, unsere Ansicht über die Systemfrage im 
Allgemeinen kürzlich dahin auszusprechen, dass keines der 


*) Dies bezweifeln wir sehr. 


Die Red. 




Öl 


bisherigen Systeme allen Anforderungen an eine gedeihliche 
Strafvollziehung zu entsprechen geeignet sein möchte, dass sich 
überhaupt kein System, möge es auch noch so logisch ge¬ 
gliedert, noch so klug und praktisch ausgesonnen sein, überall 
und in jeder Strafanstalt bewähren dürfte, sondern dass es 
für das Gedeihen einer Anstalt, für eine segensreiche und 
zweckmässige Einwirkung auf die einzelnen Sträflinge, welches 
Letztere doch am Ende die Hauptsache bleibt, vor Allem an¬ 
kommt auf die Persönlichkeit der vollziehenden Beamten, 
namentlich des Vorstehers, auf den Geist, der die ganze Ver¬ 
waltung durchweht, den aber weder Reglements noch Systeme 
einzuflössen vermögen, die nur todter Schematismus bleiben, 
wo dieser Geist fehlt. Wir müssen uns in dieser Beziehung 
ganz dem anschliessen, was uns vor einiger Zeit ein uns be¬ 
freundeter erfahrener Gefangnisskundiger über dieses Thema 
schrieb: „Das hauptsächlichste Requisit eines guten Strafan¬ 
stalts-Vorstehers ist, dass er ein Herz habe für die Gefange¬ 
nen. Ein guter Vorsteher ist aber wiederum viel mehr werth, 
als alle Theorie, alle Systeme und als die beste bauliche Ein¬ 
richtung. Hauptsächlich von der Persönlichkeit des Vorstehers 
hängt allemal der Zustand der Anstalt ab.“ 

Für die gedeihliche Wirksamkeit eines jeden Systems 
ist es daher, auch unserer Ansicht und Ueberzeugung nach 
vor Allem nothwendig, dass namentlich der Anstaltsvorsteher 
eine für dieses Amt geeignete Persönlichkeit sei und dass ihm 
die Vorgesetzte Oberbehörde, wenn sie einmal diese Ueber¬ 
zeugung gewonnen hat, volles, unbedingtes Vertrauen 
schenke und ihn in seiner Wirksamkeit nicht durch zu viele 
Reglements und Vorschriften, durch zu ängstliche Kontrole 
und kleinliche Nergeleien, wie sie, Gott sei’s geklagt, in un¬ 
serer bureaukratischen Zeit nur zu oft Vorkommen, einenge 
und lähme; er wird sonst bald Muth, Lust und Freudigkeit 
für seinen schweren Beruf verlieren und nur zu bald dahin 
kommen, sein Amt handwerksmässig zu betreiben, nur darauf 
zu sehen, dass Instructionen und Reglements gehörig befolgt 
werden, im Uebrigen aber es gehen zu lassen, wie es will, 
und sich um die höhere Seite seines Berufs wenig zu kümmern. 
Damit ist aber auch das Urtheil über seine Wirksamkeit 



92 


gesprochen, diese ist gleich Null und es bedarf keiner wei¬ 
teren Auseinandersetzung, dass dann auch das beste System 
wirkungslos bleiben muss. Unserer Ansicht nach kann dess- 
halb jedes System, welches auf Erfolg rechnen will, nur ge¬ 
wisse allgemeine Grundzüge aufstellen, hat aber der Straf¬ 
anstaltsverwaltung das Detail zu überlassen, und derselben über- 
diess die Befugnisse einzuräumen, von den als Regel aufge¬ 
stellten Grundzügen nach Beschaffenheit des individuellen 
Falls Ausnahmen zu machen. 

Zu unserm Leidwesen wird dieses System der „freien In- 
dividualisirung“, welches unserer innigsten Ueberzeugung nach 
jedem System zu Grunde gelegt werden muss, wenn es wirk¬ 
sam sein soll, in den vorliegenden Motiven „aufs Entschie¬ 
denste bekämpft,“ ja von demselben behauptet, „dass es noth- 
wendig zur Willkühr und zu Missgriffen verleiten müsse . a 

Ein näheres Eingehen auf diese Frage würde uns zu 
weit von unserm Thema abführen; ehe wir dasselbe wieder 
aufnehmen, möge es uns zuvor noch gestattet sein, den Plan, 
das Zucht- und Arbeitshaus in einer Strafanstalt zu combi- 
niren, kurz zu berühren. 

Die Frage, ob es sich nicht empfehlen dürfte, bei Er¬ 
richtung der projectirten neuen Strafanstalt den gesetzlichen 
Unterschied zwischen Zuchthaus- und Arbeitshausstrafe auf¬ 
zuheben und dafür die Bestimmungen der Preussischen, Bay¬ 
rischen und Oldenburgischen Strafgesetzbücher einzuführen, 
die nur Zuchthausstrafe und Gefangnissstrafe kennen, — welche 
Frage freilich nicht dem Gebiet des Gefängnisswesens, sondern 
dem der Strafgesetzgebung angehört, — wird natürlich bereits 
Gegenstand eingehender Erörterungen und Erwägungen ge¬ 
wesen sein und ist, wie aus dem Entwurf hervorgeht, ver¬ 
neinend entschieden worden. 


Wir fürchten, dass man diese Entscheidung schon bei 
Einrichtung der neuen Anstalt zu beklagen und zu bereuen 
Ursache haben wird, da sich die grossen Schwierigkeiten ijjpdä 
Unzuträglichkeiten, welche die Vollziehung zweier verachiefTjener 
Straf arten in einer Anstalt verursachen, bald auf da^ 8 s Evi¬ 
denteste heraussteilen werden, wie Das die Erfahrung in un¬ 
serer kleinen Anstalt nur zu sehr zeigt, welche gleichfalls 



93 


Zucht- und Arbeitshaus und überdiess Correctionsanstalt um¬ 
fasst. 

Die Ansichten der Theoretiker über die Frage, ob ein 
mittlerer Grad der Freiheitsstrafe zwischen Zuchthaus und 
Gefängniss angemessen oder nothwendig sei und desshalb bei¬ 
zubehalten sein möchte, sind verschieden. 

Krug (in seinen Ideen zu einer gemeinsamen Strafge¬ 
setzgebung) erklärt sich für Beibehaltung der Arbeitshausstrafe, 
indem er von der aus dem Code pönal in verschiedene deutsche 
Strafgesetzgebungen übergegangenen Eintheilung der straf¬ 
baren Handlungen in Verbrechen, Vergehen und Uebertre- 
tungen ausgeht und aus diesem Grunde annimmt, dass die 
Verbrechen allemal mit Zuchthaus, oder doch einer schwe¬ 
reren Freiheitsstrafe als Gefängniss bestraft werden müssten; 
v. Kraewel (Entwurf nebst Gründen zu dem allgemeinen 
Theil eines für ganz Deutschland geltenden Strafgesetzbuches) 
und Mittermaier (im Archiv für das Criminalrecht, Jhg. 51) 
erklären die Arbeitshausstrafe für principlos und überflüssig. 

Venn wir dieses Urtheil auch nicht unbedingt unter¬ 
schreiben wollen, so scheint es uns doch keinem Zweifel zu 
unterliegen, dass die Scheidung längerer, in Strafanstalten zu 
verbüssender Freiheitsstrafen in schwerere und leichtere, in 
Zucht- und Arbeitshausstrafen, in kleinen Staaten so un¬ 
zweckmässig als möglich, und es ist kaum zu be¬ 
greifen, wie man nicht schon längst von dieser Unterschei¬ 
dung zurückgekommen und sich von „diesem Zwang der 
Schule 8 freigemacht hat. Die Vollziehung dieser beiden Straf¬ 
arten, welche die Einrichtung verschiedener Anstalten bedingt, 
ist in kleinen Staaten mit einer grossen Menge handgreiflicher 
Unzuträglichkeiten und Kosten verbunden und dennoch nur 
unvollständig zur Ausführung gelangt, da es zumal bei Durch¬ 
führung eines rationellen Systems und bei den jetzigen An¬ 
sichten über Strafschärfungen so schwierig ist, die Zuchthaus¬ 
strafe materiell schwerer zu machen als die Arbeitshausstrafe. • 
Ueberdiess zeigt die Erfahrung, namentlich in Preussen, dass 
der Ausfall der leichteren Strafart, der Arbeitshausstrafe, mit 
keinen Nachtheilen insbesondere für die Rechtssicherheit oder 
in Bezug auf die Vermehrung der Rückfälle verbunden ist, 



94 




und dürfte es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass wir im 
Laufe der Zeit ein allgemeines deutsches Strafgesetzbuch zu 
erwarten haben, welches neben einer Menge sonstiger über¬ 
kommener Ansichten und mittelalterlicher Anschauungen sicher 
auch diesen Unterschied auf heben und dafür ein rationelles 
Strafsystem adoptiren wird, welches derartige Unterscheidungen 
eo ipso ausschliesst. 

Was nun das Irische System betrifft, welches in den 
vorliegenden Motiven klar entwickelt und durch die plastische 
Darstellung in den Regeln uns erst recht zum Verständniss 
gekommen ist, so hatten wir früher gegen die Zweckmässig¬ 
keit und Anwendbarkeit desselben wenigstens für Deutsch¬ 
land mancherlei Bedenken. 


Wir müssen zwar dem Ausspruche in den Motiven bei¬ 
pflichten, wenn es hier heisst, „dass die Grundprinzipien des 
Irischen Systems auf grossen anthropologischen und psy¬ 
chologischen Wahrheiten beruhen; — nichts destoweniger hat 
sich aber bisher unser juristisches Gewissen gegen die Gut¬ 
heissung dieses Systems gesträubt, da das Prinzip der Strafe, 
— wenigstens in den späteren Stadien der Vollziehung der¬ 
selben, — fast ganz zurück- und das der Erziehung und Besse¬ 
rung dafür an die Stelle tritt. Wir können auch noch jetzt 
über diese Bedenken nicht ganz hinweg kommen, geben aber 
zu, dass das Prinzip selbst vollberechtigt und massgebend, und 
dass die praktische Anwendung desselben, wenn nicht Alles 
trügt, glänzende Erfolge zu erzielen geeignet ist; wir legen 
diesen Bedenken desshalb gegenwärtig weniger Gewicht bei, 
obgleich wir freilich immer noch im Zweifel darüber sind, ob 
diese Abstufungen, dieses allmählige Nachlassen des Straf¬ 
zwanges in den Strafvollzug hineingehöre und nicht viel¬ 
mehr in eine Periode nach Verbüssung der eigentlichen Strafe 
verlegt werden müsse. 

Abgesehen von diesem Zweifel nahmen wir bisher vor 
Allem noch an zwei Puncten Anstoss; einmal konnten wir uns 
nämlich 
Stadien 


nicht mit den verschiedenen örtlich g et rennen 
les Systems befreunden, und dann vermochte^ wir 


nicht die zu Anfang des Strafvollzugs für alle Sträflin 
geschriebene längere Einzelhaft zu billigen. 




95 


Der erstere Punct, dem, wie wir jetzt einsehen, unserer¬ 
seits eine sehr 'einseitige Auffassung zum Grunde lag, hat sich 
durch die neueste v. HoltzendorfFsche Schrift und den vor¬ 
liegenden Entwurf erledigt, woraus hervorgeht, dass das Wesen 
des Irischen Strafvollzugs in keiner Weise alterirt werde, 
wenn man die innerlich zusammenhängenden, aber örtlich ge¬ 
trennten Stadien desselben zur räumlichen Einheit verbinde, 
obwohl allerdings für die dritte oder Zwischenanstalt eine von 
der eigentlichen Strafanstalt getrennte Anstalt sehr wünschens- 
werth erscheint 

Der zweite Punct stand mit unserer bisherigen Auf¬ 
fassung im Widerspruch, welche dahin ging, dass man die 
Isolirung zu Anfang der Strafzeit, die auch wir für geboten 
erachten, lediglich zur Prüfung des Neueingelieferten ver¬ 
wenden, diesen aber der Isoliruug entheben und in die Ge¬ 
meinschaftshaft versetzen müsse, wenn diese Prüfung zu seinen 
Gunsten ausfalle. In neuester • Zeit sind wir von dieser Auf¬ 
fassung theilweise zurückgekommen und zu der Ansicht ge¬ 
langt, dass eine, wir wollen annehmen, etwa sechsmonatliche 
Einzelhaft für jeden Neueingelieferten, auch wenn er sich bei 
der Prüfung bewährt, nicht so sehr als Prüfungs-, sondern 
als Läuterungs Stadium nützlich, ja noth wendig sei. 

Zu dieser Ansicht sind wir durch einen unserer, den 
gebildeten Standen angehörigen Gefangenen gelangt, der im 
ersten halben Jahre seiner Haft streng isolirt war, seit dieser 
Zeit aber in beschränkte Gemeinschaftshaft versetzt worden 
ist, d. i. mit einigen, einem besseren Streben zugewendeten 
Gefangenen zusammen gearbeitet hat. Obwohl dieser von 
dem Streit der Schulen über Isolirung nie etwas gehört hat, 
so hat er doch, unserer Ansicht nach, das Wesen derselben 
so richtig aufgefasst, dass wir ihn veranlasst haben, seine An¬ 
sicht darüber zu Papier zu bringen, welche kleine Nieder¬ 
schrift wir (unter Beil. 1) anzuschliessen uns gestatten. 

Obwohl er sich darin nicht so klar ausgesprochen, wie 
er es uns gegenüber mündlich gethan, wo er ganz besonders 
hervorhob, wie es vorzüglich darauf ankomme, die Isolirung 
nicht zu lange auszudehnen und vor Allem den richtigen 
Zeitpunkt zu treffen, dieselbe aufzuheben, weil sonst leicht 



96 


entweder Schwermuth und Missmuth oder Verbissenheit an 
die Stelle der Besserung und Erkenntniss, der ^Reue und Busse 
treten könne, so scheint uns doch dieses ganz unbefangene, 
durch eigene schwere Erfahrung gefundene und durch keine 
vorgefasste Ansicht getrübte Urtheil und Zeugniss von beson¬ 
derer Wichtigkeit und ist wenigstens für uns massgebend. 

Mit dem Zugeständnisse, dass das Irische System eine 
vorzugsweise Berechtigung auf Beachtung habe, wollen wir das¬ 
selbe nun freilich nicht so ohne Weiteres auch als das beste 
und vorzüglichste der bisherigen Systeme anerkannt haben, 
halten es aber für sehr wünschenswerth, dass dieses System, 
welches bis jetzt auf dem Continent noch nirgends eingeführt 
ist, in Deutschland in einer unsern Verhältnissen entsprechen¬ 
den angemessenen Ueberarbeitung praktisch erprobt werde, 
wozu der Herr Verfasser durch seine dankenswerthe Arbeit 
wenigstens die Wege gebahnt und gezeigt hat. 

Gegen die von ihm zu dem Ende verfassten Regeln 
haben wir nun vom praktischen Standpunkte aus Manches ein¬ 
zuwenden, weshalb sich eine Besprechung der einzelnen §§ 
des Entwurfs nöthig machen wird. 

Ehe wir dazu übergehen, möchten wir noch auf einige 
Schwierigkeiten aufmerksam machen, die der Einführung des 
Irischen Systems, selbst in der hier vorgeschlagenen modi- 
ficirten Form, in Deutschland entgegenzustehen scheinen, näm¬ 
lich theils die Kürze, theils die Länge unserer Freiheits¬ 
strafen, theils die bisherige Anwendung und Ausübung des 
Begnadigungsrechts. Arbeitshausstrafen werden wenig¬ 
stens nach dem Thüringischen Strafgesetzbuche *), auf eine 


*) Der Herr Verfasser rühmt (S. 21) das Thüringische Strafgesetz¬ 
buch als „das vielleicht mildeste von allen in Europa". Was es mit dieser 
Thüringischen „Milde" auf sich habe, mögen nachstehend abgedruckte 
Artikel aus dem noch jetzt in voller praktischer Wirksamkeit stehenden 
Criminalgesetzbuche für das Herzogthum Sachsen-Altenburg vom 3. Mai 
1841 beweisen. 

Art. 7. Zuchthausstrafe. 

Die Zuchthaussträflinge (Männer sowohl als Weiber) tragen zwei¬ 
farbige Kleider, sowie Ketten mit oder ohne Klotz, oder Beineisen 
und werden zu schwerer Arbeit angehalten. 



97 


Däner bis zu 2 Monaten herab erkannt; bei den vielen Clas- 
sen (fünf) des vorliegenden Systems dürfte jedoch, unserm 
Erachten nach, mindestens eine einjährige Detention er¬ 
forderlich sein, um die Vorschriften desselben anwendbar zu 
machen und scheint uns desshalb eine nähere Erwägung der 
Frage geboten, ob in dieser Beziehung nicht andere Einrich¬ 
tungen zu treffen, z. B. alle Arbeitshausstrafen unter einem 
Jahre in den Kreisgefängnissen zu verbüssen sein möchten. 

Noch mehr scheint uns der praktischen Durchführung 
des Irischen, sowie jedes andern rationellen Systems die in 
unsern Augen s. v. v. unsinnige Länge unserer schwersten 
Strafen entgegenzustehen; denn, so lange es noch 10—25jäh- 
rige und vollends lebenswierige Zuchthausstrafen gibt, dürften 
derartige, die sittliche Hebung und Kräftigung bezweckende Ein¬ 
richtungen den zu so langen Strafen Verurtheilten gegenüber 
fast als Hohn klingen, da für diese das Zuchthaus die Dante- 
sche Inschrift der Hölle trägt und da, wo die holde Trö¬ 
sterin Hoffnung fehlt, von sittlicher Hebung, von Reue und 
Busse kaum mehr die Rede sein kapn, sondern nur das ani¬ 
malische Vegetiren, ein allmähliges Ab- und Hinsterben übrig 
bleibt, wie das die Erfahrung an den zu langjährigen Zucht¬ 
hausstrafen Verurtheilten in oft herzergreifender Weise zeigt. 

Will man daher das Irische oder ein die Hauptgrund¬ 
züge und Grundsätze desselben befassendes ähnliches System 
einführen, so muss man sich, scheint uns, zunächst und vor 
Allem die Entfernung dieser langen Strafen aus dem Criminal- 
codex und die Durchführung des Princips angelegen sein 


Art. 8. Schärfung der Zuchthausstrafe. 

Die Zuchthausstrafe kann geschärft werden: 

1) durch Dunkelarrest auf eine Zeit von acht Tagen ununter¬ 
brochen nacheinander, dessen mehrfache Wiederholung nach 
einem gleichlangen Zwischenraum zulässig ist; 

2) durch hartes Lager auf zehn bis dreissig Tage, jedoch ununter¬ 
brochen nicht länger als zwei Tage hintereinander; 

3) durch Entziehung warmer Kost bis zu drei Monaten, jedoch 
unter gleicher Beschränkung; 

4) bei Verbrechern, deren Leibesbeschaffenheit es gestattet, auch 
durch körperliche Züchtigung von dreissig bis neunzig, bei 
Frauenzimmern von fünfzehn bis fünfzig Ruthenstreichen. 



98 


lassen, dass die längste Freiheitsstrafe die Dauer von höchstens 
zehn Jahren nicht übersteigen dürfe. 

Was endlich das Begnadigungsrecht anbetrifft;, so muss 
dasselbe seiner Natur nach in jedem Stadium des Strafvoll¬ 
zugs ausgeübt werden können; bei dem hier vorliegenden 
System aber wird dieses erhebliche factische Schwierigkeiten 
haben, da eine Begnadigung, bevor ein Sträfling die dritte 
oder Zwischenclasse erreicht hat, nicht rathsam oder ange¬ 
messen erscheinen dürfte, ein sprungweises Vorrücken in 
diese aber dem System und dem Entwurf zufolge ausge¬ 
schlossen ist. 

Zum Schlüsse dieser allgemeinen Bemerkungen glauben 
wir wiederholt darauf hinweisen zu müssen, wie die prac- 
tische Durchführung des vorliegenden Entwurfs in einer An¬ 
stalt mit nur 250 Köpfen, dagegen mit zwei verschiedenen 
Strafarten und männlichen und weiblichen Sträflingen fast 
unüberwindliche Schwierigkeiten haben dürfte, da hiernach 
nicht weniger als 20 Classen herauskommen, (je 5 Classen für 
männliche und weibliche Zuchthaus- und männliche und weib¬ 
liche Arbeitshaussträflinge), welche alle mehr oder minder von 
einander getrennt gehalten werden müssen. Es wird das eine 
solche Menge von Classen und Abtheilungen geben, dass es 
für den Inspector einer solchen Anstalt eine Aufgabe ist, wenn 
er für die strenge Aufrechthaltung der desfälligen Vorschrif¬ 
ten verantwortlich sein soll. 

Nunmehr zu einer kurzen Besprechung des vorliegen¬ 
den Entwurfs selbst übergehend, fügen wir unsere unmass¬ 
geblichen Bemerkungen den einzelnen §§ desselben hinzu und 
schliessen hierneben unter Beilage 2 einen anderweitigen 
Entwurf an, in welchem die vorgeschlagenen und motivirten 
Aenderungen enthalten sind. 

Zu den allgemeinen Bestimmungen. 

Mit den §§ 1 und 2 sind wir einverstanden. 

Ad. § 3. Die Vorschriften, dass sämmtliche Sträflinge* 
Nachts zu isoliren, sowie die weiteren Vorschriften (im 
§ 22), dass jeder seine Mahlzeit in seiner Zelle zu sich zu 
nehmen habe und (in § 23), dass es denjenigen, welche den 
ganzen Tag in freier Luft arbeiten, gestattet werden könne, 



sich statt des Spazierengehens eine Stunde in ihrer Zelle 
zu beschäftigen, setzen voraus, nicht allein, dass für die ge- 
8amrate etatisirte Kopfzahl Einzelzellen vorhanden sein müssen, 
sondern dass diese sämmtlichen Zellen auch vollständig als 
Isolirzellen eingerichtet, mithin mit vollständigem Inventar, 
mit allen für derartige Zellen erforderlichen Einrichtungen, 
namentlich für Heitzung versehen sein müssen, da man es 
doch den Gefangenen nicht wird zumuthen können und wollen, 
im Winter ihre Mahlzeiten in. der Kälte auf ihrem Bette 
sitzend zu sich zu nehmen und sich Stundenlang in der kalten 
Schlafzelle mit Lectüre etc. etc. zu beschäftigen. 

Ganz abgesehen davon, dass der beabsichtigte Bau durch 
diese Einrichtung ganz enorm verthcuert werden würde, da 
dann für die gesammte Kopfzahl nicht allein Einzelzellen, 
sondern auch gemeinschaftliche Arbeitssäle vorhanden sein 
müssten, so können wir dieselben auch aus andern Gründen 
nicht für zweckentsprechend halten, sind im Gegentheil der 
Ansicht, dass es sowohl für die Disciplin, als für eine bessernde 
Einwirkung auf die in der Gemeinschaftshaft lebenden Sträflinge 
ausreiche, wenn etwa ein Drittel derselben nächtlich isolirt 
werde, das zweite Drittel aber in zweckmässig eingerichteten, 
erleuchteten, gehörig von Aussen zu controlirenden und durch 
Schlafsaal-Vorgesetzte überwachten Schlafsälen zusammen 
schlafe, während das letzte Drittel sich in Isolirhaft befinden 
würde. 

Auch eine Separation der in Gemeinschaftshaft lebenden 
Gefangenen bei den Mahlzeiten, so wie der nicht Mitspa¬ 
zierenden halten wir mindestens für überflüssig. 

Diesem nach sind wir der Ansicht, dass § 3 und folge¬ 
weise auch § 4 in Wegfall zu bringen und die in den frag¬ 
lichen Beziehungen zu treffenden Anordnungen bei den be¬ 
treffenden §§ einzutragen seien. 

Ehe wir eine kurze Motivirung dieser unserer Ansicht 
versuchen, möchten wir uns noch die Frage gestatten, ob die 
in Geraeinschaftshaft lebenden Gefangenen auch während der 
Sonn- und Festtage, sowie während ihrer freien Erholungszeit 
in ihre resp. Zellen eingeschlossen werden sollen? 



100 


Der Entwurf enthält hierüber zwar Nichts, doch scheint 
uns die Bejahung dieser Frage aus der ganzen Tendenz 
desselben hervorzugehen, aber wir vermögen auch diess nicht 
zu billigen. 

Alle diese Bestimmungen scheinen uns nämlich aus der 
Furcht hervorzugehen, dass die Gemeinschaftshaft einen nach¬ 
theiligen Einfluss auf die Moralität der Gefangenen ausübe 
und desshalb soviel als möglich beschränkt werden müsse. 
Statuirt man aber einmal die Gemeinschaftshaft, so scheint es 
uns ganz gleichgültig, ob man sie, abgesehen von der aller¬ 
dings nothwendigen nächtlichen Isolirung eines Theils der 
in Gemeinschaft lebenden Gefangenen, unbeschränkt oder 
in der im Entwurf vorgeschlagenen modificirten Weise zur 
Anwendung bringe, ja letztere hat nach unserm Dafürhalten 
mehr Gefahren als die volle Gemeinschaftshaft, weil die ge¬ 
zwungene theilweise Einsamkeit namentlich in Bezug auf heim¬ 
liche Laster sehr gefährlich ist und vor Allem auch die Ge- 
müther der Gefangenen verbittert und verstockt. 

Was das gemeinschaftliche Schlafen betrifft, so geben 
wir gerne zu, dass unter den in Gemeinschaftshaft befind¬ 
lichen Individuen, auch nachdem eine Isolirhaft vorherge¬ 
gangen, stets eine Anzahl Subjectc sind, welche einen gan¬ 
zen Schlafsaal trotz aller Beaufsichtigung verpesten können; 
aber eine jede sich um die Sache kümmernde Verwaltung 
wird diese Vögel bald kennen lernen und, wenn eine ge¬ 
nügende Anzahl nächtlicher Einzelzellen vorhanden ist, nimmt 
sie dieselben heraus und isolirt sie während der Nacht. 

Zur Isolirung der in Gemeiuschaftshaft lebenden Gefange¬ 
nen während der Mahlzeiten sehen wir nun vollends kei¬ 
nen Grund, halten dieselbe im Gegentheil entschieden für 
schädlich. 

Abgesehen nämlich davon, dass eine derartige „Einrich¬ 
tung“ auf das Gemüth des Gefangenen einen sehr deprimi- 
renden Einfluss äussern muss, wie wir Das in Dreibergen, wo 
sie besteht, beobachtet haben, so halten wir die gemeinschaft¬ 
lichen Mahlzeiten, welche selbstverständlich stets im Beisein 
von Aufsichtsbeamten stattzufinden haben, namentlich um des¬ 
willen für zweckmässig und heilbringend, weil in jeder, den 



101 


Erfordernissen der Gegenwart einigermassen entsprechenden 
Strafanstalt in angemessener Weise vor und nach der Mahl¬ 
zeit gemeinschaftlicher Gesang und Gebet stattfindet, was er¬ 
fahr ungsmässig wenigstens auf manche Sträflinge einen so 
guten Einfluss äussert, dass sie diese Sitte, zumal, wenn sie 
Familienväter sind, nach ihrer Entlassung in ihre Familie ein¬ 
führen, wie denn Beispielsweise in unserer Anstalt manche 
Sträflinge Abschriften von den hier vorgeschriebenen Morgen- 
Mittags- und Abendgebeten anfertigen und bei ihrer Entlas¬ 
sung mit nach Hause nehmen. 

Wir vermögen daher gar nicht einzusehen, was eine der¬ 
artige trostlose Isolirung während der Mahlzeiten für Nutzen 
bringen soll; es scheint diese Vorschrift vielmehr lediglich 
ein Ausfluss der alten Abschreckungstheorie zu sein, welche 
in dem Entwurf überhaupt mehrfach zu Tage tritt, wie wir 
das noch öfter zu bemerken Gelegenheit haben werden. 

Mit § 5 einverstanden. 

Ad §§ 6 und 7. Mit den hier getroffenen Bestimmungen 
können wir uns nicht einverstanden erklären, denn theils 
dürften sie lediglich den Zweck haben, die trostlose Lage der 
betreffenden Gefangenen noch trostloser zu machen, theils 
führen sie eine principwidrige Herbeiziehung der Begnadigung 
in Vollstreckungsfragen herbei, da die Einzelhaft nicht als 
Strafart, sondern als Vollstreckungsmodus in Betracht kommt. 
Da derartige Gefangene überhaupt nur sporadisch in den An¬ 
stalten vertreten sind, scheint es uns zweckmässiger, im Re¬ 
glement von allgemeinen Bestimmungen über die Behandlung 
derselben abzusehen und für jeden. einzelnen Fall je nach der 
Beschaffenheit der Individualität besondere Bestimmung zu 
treffen. Diesem nach würden diese beide §§ hier wegfallen. 

Ad § 8. Mit der hier getroffenen Bestimmung, dass ein 
gebildeter Gefangener auf seinen Wunsch auch nach Ab¬ 
lauf der vorgeschriebenen Zeit in Einzelhaft verbleiben könne, 
erklären wir uns einverstanden, möchten dieselbe aber auf 
säramtliche Gefangene ausgedehnt wissen, da der Fall häufig 
vorkommt, dass ein Gefangener den dringenden Wunsch aus¬ 
spricht, isolirt zu bleiben oder zu werden. Natürlich müsste 
hier jedesmal eine causae cognitio vorhergehen. 



102 


Unserer Ansicht nach dürfte es am Zweckmässigsten 
sein, diesen § hier zu streichen und das Nöthige bei § 11 zu 
bemerken. 

Mit § 9 einverstanden. 

Ad 10. Die Frage, ob dem Sträfling ein rechtlicher 
Anspruch auf Bezahlung seiner Arbeit in der Anstalt zustehe, 
möchte wohl zu verneinen sein, obgleich einzelne Schriftsteller, 
z. B. Zugschwerdt, ihm einen solchen vindiciren wollen. 
Es dürfte aber wohl nur sehr wenige Strafanstalten geben, 
wo die Sträflinge, wie dem Vernehmen nach bisher in S.- 
Weimar, für ihre Arbeit gar Nichts erhalten, was uns ein 
höchst verderblicher Grundsatz scheint. Es dürfte den Ge¬ 
fangenen kaum etwas mehr erbittern, als wenn er, zumal bei 
schmaler Kost und harter Behandlung, den ganzen Tag schwer 
und angestrengt arbeiten und dabei, wenn er nicht gut oder nicht 
fleissig arbeitet, noch Strafe gewärtigen muss, ohne irgend 
einen, wenn auch noch so kleinen Nutzen davon zu haben; 
es sind das aus der unglückseligen Abschreckungstheorie her¬ 
stammende Ansichten von der „Zwangsarbeit 8 , welche ganz 
dazu angethan sind, den Gefangenen erst recht schlecht und 
verbissen, zu einem wirklichen Bösewicht zu machen, der 
Gott und der Welt Hohn spricht und auf diese Weise zu 
einem gefährlichen Feinde der menschlichen Gesellschaft heran¬ 
gezogen wird. 

Wird die Arbeit der Gefangenen dagegen nach den von 
der neueren Schule aufgestellten rationellen Grundsätzen ge¬ 
leitet, welche sich, Gott sei Dank, immer mehr Bahn brechen, 
sieht der Gefangene namentlich, dass er durch seine Arbeit 
auch in den Stand gesetzt wird, sich für die Zeit nach seiner 
Entlassung ein kleines Kapital anzusammeln, dann gewinnt 
er auch Interesse für dieselbe, sie wird ihm lieb und da¬ 
durch zu einem der wichtigsten und segensreichsten Faktoren 
der sittlichen Umkehr und Besserung. 

In dem vorliegenden Entwurf ist der Verdienst der 
Sträflinge auf bestimmte Summen, je nach der Klasse, fixirt. 
Wir können diess nicht für zweckmässig erachten, wie uns 
denn überhaupt bedünken will, als wenn der Herr Verfasser 
les Eutwurfs keinen klaren Einblick in das sogenannte Grati- 



103 


ficationswesen gehabt habe; wir gestatten uns desshalb, das¬ 
selbe nachstehend kurz zu skizziren und dabei die in unserer 
Anstalt als Regel dienenden Normen vorzuführen, da diese 
nach mancherlei Versuchen, seit einer Reihe von Jahren hier 
als Richtschnur dienen und sich als practisch und zweck¬ 
mässig bewähren. 

Halten wir zunächst den Satz fest, dass jedem Sträf¬ 
ling eine kleine Vergütung, Gratifikation, für seine Arbeit zu 
gewähren sei, so zeigt auch in der Strafanstalt, wie im täg¬ 
lichen Leben die Erfahrung, dass nicht jeder gleichviel ver¬ 
dient und verdienen kann, sondern dass auch hier nach Fleiss 
und Betragen sowohl, wie nach dem Werth der geleisteten 
Arbeit und der bewiesenen Geschicklichkeit Abstufungen ge¬ 
macht werden müssen, wenn eine gerechte Vertheilung der 
Gratificationen, Prämien, Fleissbelohnungen, oder wie man 
diesen Verdienst sonst nennen will, stattfinden soll. 

Es müssen deshalb Censuren bestehen, die am Zweck- 
raässigsten monatlich gegeben werden und wobei jeder Sträf¬ 
ling nach Fleiss und Geschicklichkeit bei der Arbeit sowohl, 
als nach Betragen und Sittlichkeit censirt wird; denn bei der 
Beurtheilung und Belohnung der Sträflingsarbeit ist der 
Fleiss, die Anstelligkeit, die Geschicklichkeit des Arbeiters 
keinesweges die Hauptsache und muss bei Bestimmung der ihm 
dafür zuzuwendenden Vergütung eben seine ganze Führung, 
sein ganzes Betragen in’s Auge gefasst und hiernach die Censur, 
welche die Grösse der Vergütuug bedingt, ertheilt werden. 

Um hierfür eine möglichst zuverlässige Unterlage zu 
gewinnen, erscheint es angemessen, jedem einzelnen Sträfling 
Tag für Tag durch den betreffenden Aufsichtsbeamten, der 
dazu am Besten geeignet ist, weil er ihn immer unmittelbar 
vor Augen hat, sowohl für seinen Fleiss, als für seine Führung 
eine nach möglichst einfachen Grundsätzen einzurichtende Cen- 
sur zu ertheilen. Dem entsprechend werden hier für die 
verschiedenen Kategorien der Gefangenen von den Stations¬ 
aufsehern Listen geführt, in denen nicht allein die Arbeiten 
eines jeden, sondern auch seine Führung in Bezug auf Fleiss 
tind Betragen täglich verzeichnet werden, wie solches des 
Näheren aus dem in Beil. 3 abgedruckten Schema hervorgeht. 



104 


Die den Aufsehern in Bezug auf die Führung dieser Arbeits¬ 
und Conductenlisten ertheilte Instruction ergibt die Beil. 4. 

Am Schlüsse eines jeden Monats wird nun unter Zu¬ 
grundelegung dieser Listen, welche jedoch keinesweges allein 
maassgebend sind, von dem Director, unter Zuziehung der 
Oberbeamten, die Monatscensur für jeden einzelnen Ge¬ 
fangenen bestimmt, wobei die ganze Führung und Haltung 
desselben während des verflossenen Monats in Betracht ge¬ 
zogen wird und erhält darnach jeder derselben Censur I., II. 
oder III., je nachdem sein Fleiss und seine Führung untadel¬ 
haft, mittelmässig oder schlecht gewesen ist. Bei Er- 
theilung dieser Censuren gilt als Regel, dass Fleiss und Ge¬ 
schicklichkeit hinsichtlich der Arbeit allein niemals zur Cen¬ 
sur I. berechtigen können, sondern dass, um diese zu erlangen, 
zugleich eine untadelhafte Führung damit verbunden sein muss. 
Weiter ist Grundsatz, dass jede Disciplinarstrafe unbedingt 
die Censur III. für den Monat, in welchem die Strafe erkannt 
wurde, zur Folge hat und dass kein Gefangener von der Cen¬ 
sur III. auf die I. überspringen kann, sondern erst wieder 
Censur II. erreicht haben muss. Hat ein Gefangener im letz¬ 
ten Monat die III. gehabt und verfällt im darauffolgenden 
Monat wieder in Disciplinarstrafe, oder fahrt er fort, auf¬ 
fallend faul zu sein und sich schlecht zu betragen, so erhält 
er ausnahmsweise die Censur IV. oder Null (0) d. i. gar 
keine Gratification. 

Während der Krankheit eines Gefangenen ruht die Gra- 
tifi cation. 

Was demnächst die Grösse der Gratificationen betrifft, 
so erhält jeder Gefangene für I. — 3 Pf., für II. — 2 Pf., 
für III. — 1 Pf. pro Arbeitstag gutgeschrieben, (die wir 
gerne mindestens verdoppelt sähen.) Diejenigen Gefangenen, 
welche ausnahmsweise auch an Sonn- und Festtagen theilweise 
beschäftigt werden, z. B. die Aufwärter, Küchenweiber, erhalten 
auch an diesen Tagen die ihnen für die Wochentage zuge¬ 
sprochene Gratification. 

Die Arbeiten der Sträflinge bestehen in Anstaltsar¬ 
beiten, welche keinen haaren Verdienst gewähren und in 
Lohn- und Fabrikarbeiten. Erstere zerfallen wieder in 



105 


Handwerks- und in gewöhnliche Handarbeiten z. B. Holzmachen, 
Oeconomiearbeiten etc. etc. 

Von dem Grundsätze ausgehend, dass sämmtlishe Ar¬ 
beiten, wie im täglichen Leben, so auch in der Strafanstalt, 
je nach der Geschicklichkeit, Kenntniss, Mühe und Umsicht, die 
sie erfordern und nach der Zeit, die zu ihrer Erlernung nöthig 
ist, auch verschieden belohnt werden müssen, wird nun jedem 
bei Arbeiten der ersten Kategorie (den Anstaltsarbeiten) an- 
gestellten Sträfling ausser der oben erwähnten reglementirten 
Gratification noch eine nach den verschiedenen Arbeiten abgestufte 
(zwischen 1 und 5 Pf. schwankende) Zulage pro Arbeitstag 
gewährt, wodurch sich die sonst sich herausstellende Ungleich¬ 
heit und Ungerechtigkeit ausgleicht; denn es liegt auf der 
Hand, dass z. B. ein Tischler, der kunstreiche Schreinerarbeit 
anfertigt, mehr muss verdienen können, als ein einfacher Holz- 
macher, wenn überhaupt von einem Verdienst die Bede und 
die Arbeit als Hauptmassstab dabei zu Grunde gelegt werden 
soll. Diese Zulagen nun beruhen auf festen Sätzen, wäh¬ 
rend die Gratification nach der Censur eine .steigende und 
fallende ist, deren Grösse mit durch die Führung bedingt 
wird.*) 

Nach diesen Grundsätzen erhält z. B. ein Schuhmacher, 
der die Censur I. bekommen hat, an Gratification für 25 Ar- 


*) Die täglichen Zulagen sind hier gegenwärtig folgendennassen 
festgestellt: 

1) Bei den Handwerkern etc. der Barbier 5, die Schreiber 3, die 
Sehuhmacher 3 Pf. Die Zimmerleute, Tischler, Schneider, Maurer, Böttcher, 
Schmiede 2 Pf. 

2) Bei den Lohnarbeiten, die nicht nach Pensum arbeiten: Die 
Korbflechter und Dachspänemacher 2, die Kürschner 3, die Schuhmacher 3, 
(die Werkführer erhalten jeder 5), die Spuler 1 Pf. 

3) Bei den Haus- und Feldarbeitern: Die Aufwärter 3, die Brun¬ 
nentreter und Wasserträger 2, die Oeconomiearbeiter und Holzmacher 1 Pf. 

4) Bei den weiblichen Gefangenen: Die Küchenweiber und Auf¬ 
wärterinnen 2, die Wäscherinnen und Näherinnen 1 Pf. 

Die Cigarrenarbeiter und Arbeiterinnen, die Weber, Fournierschnei- 
der und Flaschenkapselmacher erhalten keine Zulagen, weil sie nach 
Pensum arbeiten. 


2 



- 10 « 


beitstage im Monat ä Tag 3 Pf., macht . . 7 Gr. 5 Pf. 

ausserdem pro Arbeitstag 3 Pf. feste Zulage . 7 „ 5 „ 

im ganzen Monat also . . . . .15 Gr. — Pf. 

Erhält er dagegen Censür III., so bekommt er nur 
1 Pf. pro Tag, macht ..... 2 Gr. 5 Pf. 

dazu die feste Zulage.7 „ 5 „ 

im Monat also nur . . . . .10 Gr. — Pf. 

Was die zweite Kategorie, die Lohn- und Fabrikarbeiten 
betrifft, so ist hier zu unterscheiden, ob dabei nach Pensum 
gearbeitet wird, oder nicht. 

Alle Gefangene, welche nach Pensum arbeiten, erhalten 
nur die einfache Gratification und keine Zulage, weil ihnen 
die Gelegenheit geboten ist, durch fleissiges Arbeiten neben 
der Gratification noch ein nicht unbedeutendes Mehr zu ver¬ 
dienen, als die letztere austrägt. 

Ein Cigarrenmacher z. B. hat täglich 250 Stück Cigarren 
zu liefern, macht für 25 Arbeitstage . . 6250 Stück 

er liefert aber in dieser Zeit . . . 8000 9 

folglich mehr 1750 Stück. 

Für jedes Tagespensum nun, welches er im Laufe des 
Monats über die vorgeschriebene Stückzahl abliefert, erhält 
er 1 Gr. 5 Pf.; nach obiger Berechnung hat er 7 Tagespensa 
über sein Pensum gemacht, erhält mithin dafür 10 Gr. 5 Pf. 
Ausserdem erhält er, wenn ihm die Censur I. 
ertheilt ist, 3 Pf. pro Arbeitstag Gratification, 
macht.7 Gr. 5 Pf. 

mithin beträgt seine monatl. Gesammteinnahine 18 Gr. — Pf. 

Ebenso ist es, um ein ferneres Beispiel aufzustellen, mit 
den Webern. Diese haben an jedem Arbeitstage pro Stuhl 
8 Ellen zu liefern und erhalten für jede Elle, die sie am 
Monatsschluss über das Pensum liefern, 3 Pf. Ein Weber hat 
also in 25 Arbeitstagen zu liefern . . . 200 Ellen 

er hat aber fertig gebracht .... 240 Ellen 

folglich mehr 40 Ellen. 

Dafür erhält er an Ueberverdienst 12 Pf. und ausser¬ 
dem die ihm nach seiner Censur zukommende Gratification. 



107 


Liefern die nach Pensum arbeitenden Gefangenen das vorge¬ 
schriebene Pensum nicht, so erhalten sie selbstverständlich 
nicht allein keinen Ueberverdienst, sondern jedenfalls die 
schlechteste Censur und unter Umständen gar keine Gratifi- 
cation, ja verfallen ausserdem, wenn ihnen Faulheit oder gar 
böser Wille nachgewiesen wird, in Strafe. 

Diejenigen Gefangenen, welche Lohnarbeiten verrichten, 
bei denen ein Pensum durch die Art der Arbeit ausgeschlossen 
ist, wie z. B. bei den Schuhmachern, Tischlern etc. erhalten, 
gleich den Anstaltsarbeitern, ausser der Gratification eine nach 
Art der Arbeit, Fleiss und Geschicklichkeit bemessene tägliche 
Zulage. 

Nach vorstehender Auseinandersetzung zerfallen die den 
Gefangenen zuzubilligenden Vergütungen 

1) in eigentliche Gratificationen, deren Höhe sich nach 
der ertheilten Censur richtet; 

2) in Zulagen, deren Grösse von der Art der Arbeit, so 
wie ausnahmsweise auch von der Geschicklichkeit und 
dem Fleisse der betreffenden Gefangenen abhängt; 

3) in Ueberverdienst, welcher davon abhängt, ob und 
wie viel der betreffende Gefangene über das ihm vor¬ 
geschriebene Pensum fertig bringt. 

Wir glauben diese dreifache Art der Arbeitsvergütung 
als praktisch und bewährt um so mehr empfehlen zu können, 
da der Vorsteher durch die damit verbundene Censirung der 
Gefangenen in den Stand gesetzt wird, sich jederzeit in der 
genauesten Kenntniss von dem Fleisse und der Führung jedes 
einzelnen Gefangenen zu erhalten. 

Mit Rücksicht hierauf können wir uns nicht mit den 
Bestimmungen des § 10 und der sich an diesen anschliessen¬ 
den §§ 15, 27 etc. einverstanden erklären, am Wenigsten 
aber mit dem Schluss des § 10, der dem Gefangenen den 
erworbenen Verdienst durch Urtheil der Beamtemconferenz 
wieder zu entziehen gestattet. Diese Bestimmung dürfte auch 
rechtlich unhaltbar sein, da die Gefangenen an der ihnen ein¬ 
mal zugebilligten Gratification und vor Allem unzweifelhaft 
an dem Ueberverdienst Eigenthumsrechte erworben haben 
dürften. 


2 » 



Zu den Bestimmungen über die erste oder 
Einzelhaftclasse. 

Zu § 11. Wir haben bereits oben unsere Ansicht über 
Isolirung zu Anfang der Haft kürzlich ausgesprochen. 

Wir sind nämlich zwar damit einverstanden, dass jeder 
Sträfling zu Anfang seiner Haft längere Zeit isolirt bleibe, 
wir können diesem Strafstadium aber nicht den Charakter der 
Abschreckung beilegen, sondern müssen dasselbe vielmehr 
als Prüfungs- und Läuterungsstadium bezeichnen, und es 
scheint uns der beste Beweis, dass man in Irland das Wesen 
der Einzelhaft nicht richtig auflasst und namentlich von der 
Schwere derselben keinen Begriff hat, wenn man dieselbe in 
den ersten Monaten durch Entziehung der Arbeit und ge¬ 
ringere Kost, im ferneren Verlauf derselben durch die lang¬ 
weiligsten Beschäftigungsarten recht intensiv und widerlich zu 
machen sucht. Wir sind vielmehr mit Mittermaier (die Er¬ 
gebnisse der neuesten Erfahrungen und Vorschläge über Ge- 
fangnissverbesserungen, in der kritischen Vierteljahrsschrift 
Bd. V. Heft 4 S. 494) überzeugt, „dass diese irländische An¬ 
sicht eine irrige ist, auf einem Misskennen der menschlichen 
Natur beruht und nicht beachtet, dass bei der grössten Mehr¬ 
zahl der Sträflinge gerade die erste Zeit der Einzelhaft eine 
Stimmung hervorbringt, welche, weit entfernt, einen moralischen, 
geistigen Aufschwung zu erzeugen, vielmehr geeignet ist, ent¬ 
weder eine geistige Depression, oder eine Art Verzweiflung, 
eine Erbitterung zu entwickeln, so dass vielmehr Alles ge¬ 
schehen muss, eben in der ersten Zeit der Haft erhebend und 
anregend anf den Gefangenen zu wirken.“ 

Wie unendlich schwer die Einzelhaft, namentlich in der 
ersten Zeit der Haft, dem Gefangenen wird, wie sehr beson¬ 
ders sein Gemüth niedergedrückt und deprimirt wird, darüber • 
kann nur ein Strafanstaltsbeamter und unter diesen nur ein 
solcher ein Urtheil haben, welcher eine Reihe von Jahren 
hindurch isolirte Gefangene zu beobachten Gelegenheit gehabt 
hat. Unsere Anstalt zählt leider nur 10 Isolirzellen; dieselben 
bieten aber mindestens hinlängliche Gelegenheit zu Beobach¬ 
tungen und haben uns von der Richtigkeit des oben citirten 
Ausspruchs Mittermaier’s überzeugt. 



109 


Vor Allem geben hiervon auch die Aeusserungen der 
Gefangenen selbst Zeugniss, wesshalb wir wiederholt Isolirte 
veranlasst haben, ihre Ansichten und Erfahrungen über diese 
Haftart auszusprechen und niederzuschreiben, und bestätigen 
diese Mittheilungen sämmtlich unsere Ansicht, dass eine nicht 
zu lang ausgedehnte Einzelhaft zu Anfang der Strafzeit 
zwar meistens segensreich wirkt, aber das Gemüth sehr de- 
primirt. 

Wir haben bereits oben (Beil. 1) und früher in der 
Allg. D. St-R.-Z. derartige Zeugnisse beigebracht und legen 
ein weiteres in der Beil. 5 vor, welches das Schwere und die 
gemüthlichen Gefahren der Einzelhaft in, wie uns scheinen 
will, ergreifender Weise schildert und um so mehr zu beach¬ 
ten sein dürfte, da es von einem einfachen Handwerker (einem 
Weber) herrührt. 

Wenn wir desshalb auch aus früher bemerkten Gründen 
für eine zeitweilige Isolirung zu Anfang der Strafzeit* sind, 
so müssen wir doch alle nicht nothwendig mit dieser Haft¬ 
artverbundenen Erschwerungen oder gar Vexationen für unange¬ 
messen und unzweckmässig, ja geradezu für grausam erklären, 
im Gegentheil allen Erleichterungen das Wort reden, welche 
mit dieser Haftart verbunden werden können, ohne dem Zweck 
der Isolirung und der Strafe zu schaden. 

Was nun die weitere Frage betrifft, wie lange die 
Isolirung auszudehnen, so vermögen wir uns nicht mit der 
iu diesem § enthaltenen Vorschrift einverstanden zu erklären, 
derzufolge jeder Zuchthaussträfling das erste Viertheil seiner 
Strafe in Einzelhaft zu verbüssen und mindestens 6 Monate, 
höchstens 3 Jahre in derselben zu verbringen hat. Ebenso¬ 
wenig können wir folge weise die §§ 12 und 13 gut heissen, 
schlagen statt dessen vielmehr die in Beil. 2 § 6 enthaltene 
Bestimmung vor. 

Eine nähere Begründung derselben und unserer Ansicht 
über Isolirung überhaupt würde hier zu weit führen und kön¬ 
nen wir desshalb nur auf unsere in der Allg. D. St.-R.-Z. ver¬ 
öffentlichten Bemerkungen über Einzelhaft Bezug nehmen. 

Ad § 12 u. 13. Diese beiden §§ fallen, dem Vorstehen¬ 
den zufolge, ganz aus. 



Ad § 14» Wir sind zwar der Ansicht, dass «He Ab¬ 
aeichen an der Sträflingskleidung, mögen sie nun die iClasse 
oder die Zahl der Rückfälle oder dem Aehnliches bezeichnen 
sollen, verwerflich sind, weil sie nur au leicht dahin führen, 
den Sträfling auf'die Zeichen seiner besondern Schlechtigkeit 
z. B. die Zahl der Rückfälle, gewissermaasen stolz zu machen; 
wir geben indess au, dass eine nicht besonders in drei Augen 
fallende und nur den Anstaltsbeamten verständliche Markimng 
der verschiedenen Classen des hier durch geführten Systems 
zweckmässig, ja zur Unterscheidung der Classen geiwisser- 
massen nothwendig sein dürfte und haben daher gegen die 
Bestimmung dieses § Nichts einauwenden* 

Ad § 15. Die ratio dieser Bestimmung vermögen wir 
nicht einausehen, wenn dieselbe nicht eine Erschwerung der 
Haft bezwecken soll, also auf Abschreckung hinausläuft, gegen 
die wir uns um so bestimmter erklären müssen, da die Ein¬ 
zelhaft, 'wie wiederholt hervorgehoben, selbst in der mildesten 
Form schon Schweres und Abschreckendes genug enthält. 
Ueberdiess steht diese Bestimmung mit den bei § 10 ent¬ 
wickelten Grundsätzen über die Gratificirung der Gefangenen 
in Widerspruch und scheint uns daher ganz entfallen zu 
können, da es hier keiner besonderen Bestimmung bedarf 
wenn die Isolirten nach denselben Grundsätzen, wie die 
übrigen Gefangenen, gratificirt werden. 

Ad § 16.‘ Dass für die Erhaltung der Gesundheit der 
Gefangenen tägliche Bewegung in freier Luft nothwendig, 
ist allgemein anerkannt und wird daher jetzt wohl in allen 
Strafanstalten eine derartige Erholung und Erfrischung auge¬ 
standen. Soll diese Bewegung aber, was doch ihr anerkannter 
Zweck ist, auf Geist und Körper der Gefangenen wohltbätig 
einwirken, so scheint es uns nothwendig zu sein, dass dife Art 
und Weise derselben den Gefangenen selbst überlassen und 
nur durch hinreichende Aufsicht dafür gesorgt werde, dass 
während des Spazierengehens keine Unstatten stattfinden 

In diesem § ist aber der sogen. Gänsemarsch vorge« 
schrieben, indem die Gefangenen, nach den Vorschriften defl 
selben, einzeln und in einer Zwischenentfernung von 6 Schj 
ten im raschen Schritt umhergehen sollem 



Ul 


Wir vermögen uns mit dieser Bestimmung nicht zu be¬ 
freunden, denn es wird durch dieselbe jede freie Bewegung 
aufgehoben und Das, was den Gefangenen, der Natur der 
Sache gemäss, zur Erholung, zur Stärkung und Kräftigung 
ihrer Gesundheit dienen soll, wird ihnen zum Aerger, zur 
Plag und Qual; —- es ist auch diese Bestimmung nichts, als 
ein Ausfluss der unglückseligen Abschreckungstheorie. Gründe 
für diese, die Gefangenen sehr hart treffende Bestimmung 
sind wir nämlich nicht im Stande, ausfindig zu machen und 
vermögen namentlich nicht einzusehen, wesshalb sich die Ge¬ 
fangenen im Spazierhofe nicht frei und nach' eigenem Be¬ 
lieben bewegen dürfen, wenn die Zahl eine übersichtliche ist 
und gehörige Aufsicht siaftflndet. Fällt die angefochtene Be¬ 
stimmung weg, dann bedarf es auch keines Isolirhofes, we¬ 
nigstens nicht für die ^Gebrechlichen,“ (die überhaupt nur 
gelten Vorkommen werden), da diese dann keine „raschen 
Exercitien“ mitzumachen brauchen. Dagegen wird es wohl in 
jeder Anstalt einzelne so niederträchtige und gefährliche Subjecte 
geben, dass sie selbst während des Spazierengehens von den 
Andern entfernt gehalten werden müssen, weil ihre Nähe förm¬ 
lich verpestend ist und erscheint ein Isolirhof für diese nicht 
unzweckmässig, weil sie sonst einzeln spazieren und bewacht, 
werden müssen. 

Was die den Sträflingen zur Bewegung in freier Luft 
bewilligte Zeit betrifft, so ist für die Isolirten hier drei Viertel¬ 
stunden, für die Sträflinge der übrigen Classen nach den §§ 
23 und 29 eine Stunde täglich vorgeschrieben. Dass die 
armen Isolirten, denen frische Luft und freie Bewegung vor 
Allem Noth thut, auch hier wieder schlechter wegkommen, als 
die übrigen Sträflinge, scheint wieder ein Ausfluss der mehr¬ 
fach bekämpften Ansicht, dass die erste Classe die eigent¬ 
liche Strafclasse sein soll, die ja aber gerade durch die Iso- 
lirung übergenug niedergedrückt wird. Wir möchten für 
dieselbe daher gleichfalls eine volle Stunde vindiciren nnd 
. schlagen ansserdem vor, dass die Gefangenen nicht eine 
: Stunde auf einmal, sondern Vormittags eine halbe, Nach¬ 
mittags gleichfalls eine halbe Stunde spazieren, da nament¬ 
lich die eine längere Haft hinter sich habenden Sträflinge 

i 



112 


zu einer so langen unausgesetzten Bewegung meistens zu 
schwach sind. 

Mit § 17 einverstanden. 

Ad § 18. Mit den Bestimmungen dieses § sind wir 
gleichfalls einverstanden, doch dürfte noch einzuschalten sein: 
„abgesehen vom täglichen Dienst* sind täglich zwei Besuche 
zu machen; — weil dieser ein öfteres Auf- und Zuschliessen 
der Zelle und einen kurzen Eintritt in dieselbe namentlich 

m 

abseiten der Aufseher erheischt. 

Ad §§19 und 20. Die hier vorgeschriebenen Bestim¬ 
mungen sind,"unseren Erfahrungen zufolge, theils unausführbar, 
theils geradezu schädlich, und wir müssen dieselben um so 
entschiedener bekämpfen, da es dabei wiederum nur auf Er¬ 
schwerung der Isolirhaft abgesehen ist. 

Für unausführbar halten wir dieselben, weil eine Menge 
von Fällen denkbar ist und in der Praxis vorkommt, wo 
brieflicher oder mündlicher Verkehr mit Angehörigen oder 
fremden Personen ohne Schädigung der Interessen Dritter so¬ 
wohl, als des Sträflings gar nicht untersagt werden kann und 
darf; — für schädlich halten wir dieselben, weil sie Verstockt¬ 
heit und Verbitterung nähren würden und vor Allem, weil 
dadurch ein wichtiges Moment für eine bessernde Einwirkung 
auf den Sträfling verloren gehen würde. Es dürfte näm¬ 
lich kaum Etwas besser geeignet sein, Gefühle der Reue, gute 
Vorsätze für die Zukunft, kurz alle bessern Empfindungen 
wach zu rufen und fortwährend rege zu erhalten, als nament¬ 
lich die Correspondenz mit den Angehörigen, wie denn auch 
die Briefe der Gefangenen vor Allem Gelegenheit bieten, die¬ 
selben kennen zu lernen, so wie Anknüpfungspuncte zu Er¬ 
mahnungen, Belehrungen etc. etc. 

Wir glauben desshalb, dass das Briefschreiben und die 
Besuche nicht an bestimmte Fristen gebunden werden dürfen. 
Selbstverständlich kann Beides nur unter strenger Controle 
der Anstaltsverwaltung stattfinden und ist für jeden einzelnen 
V Fall die Genehmigung derselben einzuholen, vor deren Er 
theilung, namentlich bei Besuchen, die überdiess selbstver¬ 
ständlich nur unter Aufsicht stattzufinden haben, jedesmal ejuie 
causae cognitio vorhergehen muss. f 

K 

\ i 



113 


Da übrigens Besuche in der ersten Zeit und nament¬ 
lich während der Isolirhaft auf das Gemüth des Gefangenen 
gewöhnlich sehr deprimirend und aufregend wirken, thut man 
wohl, dieselben in dieser ersten Periode der Strafzeit nur aus¬ 
nahmsweise und unter besonderen Umständen zuzulassen. 

Von der zweiten oder der Gemeinschafts-Classe. 

Ad § 21; Da wir das Progressivsystem, wie es in dem 
vorliegenden Entwurf entwickelt ist, im Ganzen als zweck¬ 
mässig anerkannt haben, müssen wir uns auch mit der Tren¬ 
nung der 2. Classe in zwei Unterabtheilungen einverstanden 
erklären, obschon die praktische Durchführung mancherlei 
Schwierigkeiten haben wird, und obschon wir namentlich die 
meisten der in § 27 aufgestellten Unterschiede zwischen bei¬ 
den Unterabtheilungen aus den bereits entwickelten Gründen 
nicht zu billigen vermögen, wie wir Das bei diesem § noch 
näher nachweisen werden. 

Im § 1 ist ausdrücklich ausgesprochen, dass die Sträflinge 
wegen schlechten Verhaltens aus einer hohem Classe wieder 
zurück in eine niedrigere versetzt werden können, und müssen 
sie also auch aus der zweiten Classe wiederum in die erste, 
die Einzelhaftclasse zurückversetzt oder in dieser auch nach 
Ablauf der zunächst bestimmten Zeit noch länger zurückge¬ 
halten werden können, was in diesem §en, um Unklarheiten 
zu verhüten, ausdrücklich hervorzuheben sein dürfte. 

Eine solche Zurückversetzung wird in der zweiten 
Classe verhältnissmässig häufig Vorkommen, da sich gerade 
hier herausstellen wird, ob die in Gemeinschaftshaft versetzten 
Sträflinge sich für diese eignen oder nicht, um im letzteren 
Falle die nicht zu unterschätzende Gefahr der Corrumpirung 
der andern zu verhüten, da alle wegen niederträchtiger Ge¬ 
sinnungen, besonderer Schlechtigkeit, Unverträglichkeit, Faul¬ 
heit etc. etc. sich nicht für die Gemeinschaftshaft Eignenden 
wiederum isolirt werden müssen. 

Ad § 22. Eine wichtige, bei diesem § zu erledigende 
Frage ist die, ob die Insassen einer Strafanstalt lediglich intra 
muros beschäftigt werden dürfen, oder ob auch Feld- 



114 


wirths chaft etc* etc. in den Kreis ihrer Beschäftigung zu 
ziehen sein möchte. 

Wir müssen, gestützt anf langjährige, höchst günstige 
Erfahrungen, die letztere Frage unbedingt bejahen, können 
aber hier, um nicht zn weitläufig zu werden, nicht näher auf 
dieselbe eintreten, sondern haben in unserm Entwurf diese 
Bestimmung einfach ausgelassen. Ebenso können wir aus den 
bei § 3 ausgeführten Gründen die Vorschrift nicht billigen, 
dass jeder in der Gemeinschaftshaft befindliche Sträfling seine 
Mahlzeiten in seiner Zelle zu sich zu nehmen habe. 

Wir schlagen dagegen vor, dass jede der beiden Ab¬ 
theilungen ihre Mahlzeiten in getrennten Localitäten ge¬ 
meinschaftlich unter Aufsicht zu sich nehmen und zwar halten 
wir eine Trennung derselben dessbalb für zweckmässig, ja 
nothwendig, weil der zweiten Abtheilung hinsichtlich der Kost 
Bevorzugungen gewährt werden und Missgunst, Neid und alle 
bösen Leidenschaften in den Herzen der Angehörigen der 
ersten Classe erweckt und genährt werden würden, wenn 
die Mitglieder der zweiten Abtheilung die ihnen bewilligten 
besonderen Lebensmittel im Beisein der ersteren sollten ver¬ 
zehren dürfen, ohne dass den dieser angehörigen Sträflingen 
die Möglichkeit gewährt würde, daran Theil zu nehmen, und da 
ferner in diesem Fälle durch die gemeinschaftlichen Mahlzeiten 
beider Abtheilungen Durchstechereien, Tauschhandel, genährt 
und auf diese Weise die Disciplin untergraben würde. 

Eine Bestimmung, wo und wie die Sträflinge ihre freie 
Zeit zu verbringen haben, findet sich im Entwurf nicht; wir 
haben desshalb am Schlüsse dieses § einen desfälligen passus 
hinzugefügt und beziehen uns zur Motivirung desselben auf 
das ad § 3 Bemerkte. 

Ad § 23. Wir haben unsere Ansicht über die Bewe¬ 
gung der Sträflinge in freier Luft bereits oben ad § aus¬ 
gesprochen und dürfen daher hier darauf Bezug nehmen und 
nur bemerken, wie unserer Ansicht nach das Spazierengehen 
der zweiten Classe ganz so wie das der ersten Classe erazu- 
richten sein möchte. 

Mit der Bestimmung, dass diejenigen Gefangenen, welche 
den ganzen Tag in freier Luft arbeiten, sich während der 



115 


s. 

[ Spaziergfunde der Übrigen mit Lesen und dergl, beschäftigen 
dürfen, (wie das auch bei uns geschieht), sind wir einver¬ 
standen, doch halten wir es aus früher entwickelten Gründen 
für zweckmässig, dass dieses nicht, wie hier vorgeschrieben, 
in ihren resp, Zellen, sondern unter Aufsicht im Esssaale ge>- 
| whebe. 

j Dagegen müssen wir Uns entschieden gegen die im 
[ folgenden § 24 enthaltene Bestimmung erklären, demzufolge 
sich die Sträflinge bei ihren „Exercitien“ mit ihrem nächsten 
Nachbarn „mit halblauter Stimme* Unterhalten dürfen, 
und zwar protesfiren wir dagegen nicht als Anhänger des 
Auburnschen Systems, sondern aus Gründen der Disciplin und 
weil wir der Ueberzeugung sind, dass ein derartiges Zuge- 
ständniss der Demoralisation der Sträflinge Thor und Thüre 
öffnen würde, wie denn auch diese Bestimmung mit den die 
Isolirung der zweiten Classe während der Nacht und während 
der Essens- und Erholungszeit betreffenden Anordnungen des 
vorliegenden Entwurfs im schneidendsten Widerspruch stehen 
' dürfte. 

Wir sind nämlich der Ansicht und wir glauben, dass 
8ämmtlicbe Praktiker dieselbe theilen werden, dass die Ge- 
! stattung des halblauten Sprechens die gefährlichste Concession 
sei, die man den Sträflingen machen könne, weil ihnen da¬ 
durch ein Recht zum Sprechen eingeräumt wird, weil ferner 
. jede Controle über Das, was gesprochen wird, ausgeschlossen 
I ist und weil die Aufsichtsbeamten dadurch in die- übelste Lage, 
f insbesondere in den Fall kommen können, die empörendsten 
Reden über sich selbst anhören zu müssen, ohne etwas da¬ 
gegen thun zu können, da sich ein Beweis nur in seltenen 
■ Fällen hersteilen lassen wird. 

Jedenfalls scheint um das Schweigsystem für die kurze 
'■ Zeit des Spazierengehens ohne TJnzuträglichkeiten, durchge¬ 
führt werden zu können, zumal, wenn es cum graue salis an¬ 
gewandt, d, h. ein hie und da fallendes Wort nicht sogleich 
mit Strafe belegt, sondern nur auf der Stelle gerügt wird. 
Ueber das Sprechen während der Arbeit werden wir unsere 
Antkht kürzlich beim nächsten § r niederlogen. 



116 


Ad § 24. Wir sind mit den Motiven darin einverstan¬ 
den, dass die Aufrechthaltuug des Schweiggebots, wie es das 
Auburnsche System vorschreibt, eine Unmöglichkeit sei und 
nur zu eeiner Uebertretung und zu Vexationen und bestän¬ 
digen Disciplinarstrafen führe. Auf der andern Seite ist es 
aber zur Aufrechthaltung der Ruhe und Disciplin, so wie zur 
Verhütung der gegenseitigen Verschlechterung der Sträflinge 
durchaus nothwendig, dass das Sprechen im Allgemeinen 
untersagt bleibe. 

Der Entwurf schlägt zu dem Ende einen Mittelweg ein, 
indem er den Sträflingen die Befugniss einräumt, sich mit 
ihren Nachbarn halblaut unterhalten zu dürfen. Auf das Ge¬ 
fährliche dieser Bestimmung haben wir bereits beim vorigen 
§ hingewiesen und heben hier noch hervor, dass ein ausdrück- ; 
liches Gestatten des Sprechens seine grossen Bedenklichkeiten 
hat, weil dadurch Veranlassung zu fortwährenden Conflicten 
zwischen Aufsehern und Sträflingen gegeben und die Erken¬ 
nung von Strafen in dieser Richtung fast unthunlich ist, da 
der Gefangene sich immer auf die ertheilte Erlaubniss berufen 
kann und wird. 

Zur Hebung dieser Schwierigkeit haben wir diesem § 
in unserm Entwurf eine andere Fassung gegeben und glauben 
durch diese Fassung die Interessen nach beiden Seiten hin am 
Besten gewahrt zu haben; es wird aber hier wie überall auf 
die Conduite der Beamten, hier insbesondere der Aufseher 
ankommen. 

Ad. § 25. Mit dem Principe des sogen. Markensystems 
sind wir aus den in den vorliegenden Motiven entwickelten 
Gründen einverstanden; wir glauben aber, dass die Zwecke 
desselben durch einfachere Mittel erreicht werden können, 
da uns das fragliche System, selbst in der im Entwurf vorge¬ 
legten vereinfachten Gestalt, zu mechanisch, complicirt und 
selbst unverständlich erscheint und unzweifelhaft bei der prak¬ 
tischen Durchführung grosse Schwierigkeiten bieten wird. 

Wir haben deshalb den Versuch gemacht, unter Beibe¬ 
haltung der Hauptgrundsätze dieses Systems, ein kürzeres und 
einfacheres Verfahren vorzuschlagen, welches sich in dajm zu 
dem Ende von uns abgeänderten §§ 25 und 26 (§ 17 •fand 18 



117 


des von uns vorgelegten Entwurfs) skizzirt findet. Es sind 
hier die ad § 10 beschriebenen Censuren zu Grunde gelegt, 
diese aber auf drei reducirt, da die im Entwurf vofgeschrie- 
benen fünf Grade sich in der Praxis als unausführbar zeigen 
und namentlich leicht in Willkühr ausarten dürften, zumal die 
Grenzlinie zwischen „sehr gut“ und »gut“, zwischen »gut“ 
und »zureichend“, zwischen „schlecht“ und »sehr schlecht“ 
so unbestimmt sind, dass es fast als eine Unmöglichkeit er¬ 
scheinen dürfte, hier jedesmal mit aller Unpartheilichkeit das 
Richtige zu treffen, insbesondere, da die desfallsige Bestim¬ 
mung dem Entwurf zufolge lediglich dem Inspector zusteht. 
Wir haben die Bestimmung über den Grad der Censuren der 
Beamtenconferenz zugewiesen und wollen als Grundlagen der¬ 
selben die täglichen Listen der Aufseher angesehen wissen. 

Um nicht zu weitläufig zu werden, müssen wir hier 
auf eine weitere Begründung und auf ein näheres Eingehen 
auf unsern Vorschlag verzichten, hoffen jedoch, dass die Fas¬ 
sung des betreffenden § auch so verständlich sein und eine 
genauere Motivirung mindestens entbehrlich machen wird. 

Ad § 26. Ein Gleiches ist der Fall mit den zu diesem 
§ von uns gemachten Vorschlägen, welche namentlich rück¬ 
sichtlich der Art und Weise der Berechnung der Zeit, welche 
der Sträfling in den beiden Abtheilungen der zweiten Classe 
zu verbringen hat, ebenfalls erheblich vom Entwurf abweichen. 

Wir können hier zu denselben daher nur bemerken, wie 
unser Vorschlag, dass der Sträfling mindestens die Hälfte der 
Strafzeit (nach Abrechnung der in der ersten Classe ver¬ 
brachten Zeit) in der zweiten Classe verbringen müsse, dem 
Anschein nach vielleicht etwas niedrig gegriffen sein dürfte, 
geben aber zu bedenken, dass es wohl wenigen Sträflingen 
gelingen möchte, fortwährend Censur I zu erlangen (bei uns 
kommen in der Regel auf 100 Censuren nur 6—8 Censuren 
Nr. I) und dass daher manche aus der zweiten Classs gar 
nicht herauskommen werden. 

Ad § 27. Von den den Sträflingen der zweiten Classe 
in diesem § bewilligten Begünstigungen können wir aus früher 
entwickelten Gründen nur die die Beköstigung betreffenden 
nnd etwa eine Erhöhung d^r Gratification als zweckmässig 



118 


anerkennen. Hinsichtlich der ad A. enthaltenen Vorschriften 
über Briefschreiben und Besuche haben wir bereits oben ad 
§§ 19 ußd 20 unsere Ansicht ausgesprochen. 

Hier wollen wir nachträglich nur noch hervorheben und 
constatiren, dass es eine Menge von Gefangenen gibt, welche 
weder Briefe schreiben, noch empfangen und die kein Mensch 
besucht; entweder weil sie zu abgestumpft sind, um sich um 
•die Ihrigen zu kümmern, oder — weil sich Niemand um sie 
kümmert. Diese, und es sind deren verhältnissmässig leider 
sehr viele, würde also eine derartige Vorschrift gar nicht berüh¬ 
ren; desto mehr würden aber diejenigen darunter leiden, die mit 
Liebe an den Ihrigen hängen und mit ihnen in Verbindung 
zu bleiben wünschen. Eine derartige Limitation ist über 
haupt, wie früher bemerkt, ganz unausführbar und beruht 
diese Anordnung auf einer Verkennung der factischen und 
praktischen Verhältnisse des Lebens der Gefangenen. 

Ueber die ad B. vorgeschlagene Erhöhung der Gratifi- 
cation haben wir uns bereits oben ad § 10 des Weiteren aus¬ 
gesprochen und glauben dort nachgewiesen zu haben, dass 
eine vorausbestimmte Limitirung derselben mit den hier 
einschlagenden Grundsätzen im Widerspruch stehe. Da¬ 
gegen erscheint uns eine Erhöhung der täglichen Gratifi- 
cation von resp. 1, 2 und 3 Pf. auf 2, 4 und 6 Pf. pro 
Tag für die zweite Abtheilung der zweiten Classe ganz zweck¬ 
mässig. 

Wenn wir nun auch die in in den vorbemerkten Rich¬ 
tungen für die zweite Abtheilung im Entwurf vorgeschriebenen 
Bevorzugungen (abgesehen von der Erhöhung der Graiification 
in der von uns vorgeschlagenen Weise) nicht als praktisch 
durchführbar und richtig anzuerkennen vermögen, so sind wir 
dagegen mit den weiteren, eine Kostverbesserung bezwecken¬ 
den Vorschriften vollständig einverstanden, und hegen die 
Ueberzeugung, dass diese vor Allem dazu angethan sind, um 
den Unterschied zwischen der ersten und zweiten Abtheilung 
zu markiren und dass die Sträflinge der ersten Abtheilung, 
dadurch angelockt, Alles aufbieten werden, um sich durch 
tadellose Führung der Aufnahme in die zweite Classe würdig 
zu machen. 



119 


Wer nämlich das Leben der Sträflinge praktisch kennt, 
wird wissen, wie furchtbar die monotone, reizlose, wenige ani¬ 
malische Bestandteile enthaltende Sträflingskost die Leute 
herunter bringt, wie sie für einen Häring, einen Käse, etwas 
Butter, eine saure Gurke etc. etc. ihren besten Freund ver¬ 
raten würden. 

Es gibt daher unserer vollen Ueberzeugung nach in 
einer Strafanstalt kein besseres Mittel, die Insassen zu Fleiss 
und gutem Betragen zu veranlassen, als ihnen die Aussicht 
auf derartige Recreationen zu eröffnen und desshalb geben 
wir den hier einschlagenden Bestimmungen umsomehr unsere 
volle Zustimmung, als sie zugleich zur Hebung der Gesund¬ 
heit der Sträflinge dienen und als alle anderen Vergünstigungen 
der Kostverbesserung gegenüber denselben in ihrem der¬ 
zeitigen Zustande Nebensache sind. 

Nur die eine Bestimmung, dass ihnen zum Frühstücke 
die Wahl zwischen Suppe und Kaffee freisteht, erscheint uns 
nicht zweckmässig, da diess in der Menage des Hauses viele 
Umstände und Weiterungen verursachen, überdiess auch für 
die Sträflinge schwerlich das vorausgesetzte Interesse haben 
' würde, da sie sich, wenn nicht schon vorher in der Freiheit, 
so doch in der vorausgegangcnen Strafzeit an die Morgen- 
suppe gewöhnt haben werden. 

Die Bestimmung über die den Sträflingen der zweiten 
Abtheilung nachgelassenen zweimaligen „Exercitien“ während 
des Sonntags erscheinen unnöthig, wenn unser oben ad § 16 
gemachter Vorschlag, täglich zweimal spazieren zu lassen, 
Beachtung findet. 

Von der dritten oder Zwischenclasse. 

Ad §28. Dieser § schreibt die Bedingungen vor, unter 
denen die Sträflinge der zweiten Classe zur Versetzung in 
die dritte Classe wählbar sind. Es will uns scheinen, dass 
der betreffende Sträfling durch die Erlangung der in § 18 
(26) vorgeschriebenen Zahl der Censuren die ihm gestellte 
Bedingung erfüllt hat und demnach in die dritte Classe ver¬ 
setzt werden muss, sobald er diese Zahl erreicht hat, denn 



120 


bei schlechter oder mittelmässiger Führung und namentlich, 
wenn er der Flucht verdächtig ist oder sich des Vertrauens 
unwürdig zeigt, kann er diese Zahl gar nicht erreichen, da 
er in diesem Falle höchstens immer nur Censur II. erhalten 
und daher eo ipso in der zweiten Classe bleiben wird. 

Was insbesondere noch die Bedingung betrifft, dass nur 
Sträflinge, die zu einer Strafe von über 2 Jahren verurtheilt 
sind, zur Versetzung in die dritte Classe und diese auch nur 
dann dazu wählbar sind, wenn sie mindestens 2 Jahre in den 
früheren Classen zugebracht haben, so können wir diese Be¬ 
stimmung nicht für zweckmässig erachten, einestheils, weil in 
diesem Falle die schweren Verbrecher gegenüber den leich¬ 
teren bevorzugt würden, anderntheils, weil gerade die leich¬ 
teren Verbrecher zur Versetzung in die Zwischenclasse 
vor Allem geeignet erscheinen dürften, da sie gewöhnlich 
weniger verdorben sind. Wir halten deshalb dafür, dass 
diese Bestimmung besser wegzulassen und glauben, dass sich 
in der Praxis bald herausstellen wird, von welcher Strafdauer 
an eine Versetzung in die Zwischenclasse zulässig und zweck¬ 
mässig ist. 

Nach dem vorliegenden Entwurf gilt das Markensystem • 
nur für die zweite Classe; — uns will die Beibehaltung des¬ 
selben oder des von uns dafür vorgeschlagenen Censursystems 
auch für die dritte Classe nothwendig erscheinen, thcils weil 
dies den sichersten Massstab für die Beurtheilung des jedes¬ 
maligen Standes des sittlichen Verhaltens des Sträflings bieten 
dürfte, theils weil derselbe dann das Ziel seiner Wünsche; 
Hoffnungen und Bestrebungen, die Beurlaubung, sowie den 
Weg, den er bis zur Erreichung desselben noch zurückzulegen 
hat, deutlicher vor Augen hätte und durch das allmählige 
Näherrücken desselben immer mehr zu einem untadelhaften 
Verhalten angespornt würde, theils, weil dies den Wetteifer 
zu tadelloser Führung auch in dieser Classe stets neu anregen 
würde, theils endlich, weil die Bestimmung der Gratificationen 
von den Censuren abhängig ist. 

Mit Rücksicht auf vorstehende Erwägungen sind in dem 
von uns vorgelegten Entwurf die entsprechenden Bestimmungen 
bei diesem § eingetragen worden. 



[ — 121 — 

Was schliesslich noch das Institut der Zwischenclasse 
inj Allgemeinen betrifft, so ist dasselbe auch nach unserer An¬ 
sicht eine ausgezeichnete Einrichtung des Strafvollzugs und 
müssen auch wir bedauern, dass die Verhältnisse nicht die 
Errichtung einer eigenen, von deit eigentlichen Strafanstalt 
gänzlich getrennten Zwischenanstalt gestatten, was gewiss das 
Zweckentsprechendste und Empfehlenswertheste wäre. 

Ad § 29. Mit den den Sträflingen der Zwischenclasse 
| hier eingeräumten Vergünstigungen sind wir im Wesentlichen 
| einverstanden. Zu den einzelnen Bestimmungen haben wir 

: kürzlich das Folgende zu bemerken. 

\ 

■ Ad B. Es dürfte nicht allein bei der Arbeit, sondern 
überhaupt eine möglichst vollständige Trennung von den übri- 

: gen Sträflingen stattzuflnden haben. 

Ad D. Auch die Sträflinge der Zwischenclasse werden 

■ nach den von uns in § 10 aufgestellten Grundsätzen zu grati- 
i ficiren sein; damit aber namentlich auch hier der Classen- 

unterschied deutlich hervortrete und den betreffenden Sträf¬ 
lingen Gelegenheit zur Vermehrung ihres Guthabens gegeben 
werde, schlagen wir für jeden in der dritten Classe befindli- 
lichen ausser der den Insassen der zweiten Abtheilung der 
zweiten Classe zukommenden Gratification eine Extragratifica- 
; tion von 5 Pf. (*/a Gr.) pro Arbeitstag vor. 

Ad E. (D in unserem Entwurf). Ausser den im vor- 
I liegenden Entwurf zugestandenen Begünstigungen in Bezug 
auf Beköstigung möchten wir den Angehörigen der Sträf¬ 
linge der dritten Classe noch gestatten, den Letzteren Lebens¬ 
mittel in natura zukommen zu lassen; theils weil diese dadurch 
:[ in den Stand gesetzt werden, ihren Verdienst besser zusammen 
zu halten, theils weil dadurch das so wichtige Gefühl der 
Familienangehörigkeit wieder neu belebt und gestärkt wird, 
theils endlich weil dadurch nicht selten Gelegenheit geboten 
wird, die Familienbeziehungen wieder anzuknüpfen und so 
auch in dieser Richtung den Eintritt des Sträflings in die 
. Freiheit zu erleichtern. Diese Bestimmung ist in dem vor- 
| liegenden Entwurf auch nachträglich unter D hinzugefügt 
worden. * 


3 



122 


Ad F. fällt weg, da, unserm Vorschläge gemäss, auch 
die Sträflinge der 2. Classe zu Arbeiten ausserhalb der An* 
staltsmauern verwendet werden dürfen. 

Ad H. und I. In Betreff des Briefschreibens, der Be¬ 
suche und des Spazierens nehmen wir auf früher Gesagtes 
Bezug und fallen demnach die hier getroffenen Bestimmungen 
weg. Namentlich vermögen wir auch selbst in dieser Classe 
Besuche ohne Beisein eines Beamten nicht zu billigen, da ein 
solches Zugeständniss dem Begriffe der Gefangenschaft wider¬ 
streiten und zu Unstatten führen könnte. 

Ad § 30. Mit dieser Bestimmung sind wir einverstanden. 

§ 31 kommt hier nicht in Betracht. 

Von der vierten oder der Beurlaubungs-Classe. 

Ad § 32. Ueber die Frage, von welchem Zeitpuncte 
an die Beurlaubung eintreten kann, haben wir uns bereits bei 
§ 28 ausgesprochen. 

Die wichtigste hier einschlagende Frage ist die, von 
wem die Beurlaubung auszusprechen. In dem vorliegenden 
Entwurf ist die Entscheidung unmittelbar dem Landesherrn 
Vorbehalten und erscheint demnach als ein Gnadenact. Dieser 
Auffassung können wir uns aus den in den hier einschlagen¬ 
den trefflichen v. HoltzendorfFschen Schriften*) dargelegten 
Gründen nicht anschliessen, sind vielmehr mit ihm der An¬ 
sicht, dass die provisorische Entlassung von einer riehter- 

*) Cfr. namentlich: „Die Kürzungsfähigkeit der Freiheitsstrafen und 
die bedingte Freilassung der Sträflinge in ihrem Verhältnisse zum Straf¬ 
mass und zu den Strafzwecken“; hier bemerkt der Verfasser S. 26 u. A. 
treffend: „Um es kurz zu sagen: Eine provisorische Begnadigung im ein¬ 
zelnen Fall dürfte der Auffassung von der Gnade wenig entsprechen; 
eine provisorische Freilassung ganzer Classen von Verbrechern 
innerhalb bestimmter Fristen der richterlich erkannten Strafen ist ihr 
ganz gewiss zuwider. Man könnte darin höchstens eine ungeschickte 
Mitbetheiligung des Staatsoberhaupts an den Aufgaben der Strafrechtspflege 
erkennen.“- 

„Die Vereinigung des Rechts der Begnadigung und der provisorischen 
Freilassung in der Person des Staatsoberhaupts muss für einen politischen 
Missgriff erachtet werden. Die Folgen desselben lassen sich in wenigen 
Worten dahin bezeichnen: Die Grenzen zwichen Recht und Gnade 
werden verwischt, die Krone wird zu einet unmittelbaren 



123 


liehen Behörde auszusprechen sei und haben demgemäss die 
betreffende Bestimmung in unsern Entwurf aufgenommen. Im 
Uebrigen möchten auch wir mit ihm (S. 92 der unten citirten 
Schrift) ein Gesetz fordern, welches bestimmt, „dass die Frei¬ 
heitsstrafe um einen gewissen, quantitativ bestimmten Bruch* 
theil abgekürzt werden muss, wenn der Sträfling sich 
gut führt, zumal da damit alle etwaigen juristischen Bedenken 
gegen das Institut der Beurlaubung schwinden würden. 

Doch es ist hier nicht der Ort, näher auf diese Fragen 
einzugehen, da wir es hier nur mit dem Strafvollzug zu thun 
haben und müssen wir uns deshalb auf diese kürzeren An¬ 
deutungen beschränken. 

Ad §§ 33—36. Auch die in diesen §§ enthaltenen Be¬ 
stimmungen bieten eine Menge schwieriger Fragen und geben 
Stoff zu vielen Erwägungen, z. B. ob nicht die Heimathsgesetz- 
gebung dem Aufenthalt der Sträflinge Schwierigkeiten in den 
Weg lege, ob nicht die Auswanderung über See schon der Ur- 
laubsclasse zu gestatten sein möchte, ob dem Beurlaubten auch 
der Eintritt in Dienstverhältnisse ausserhalb des Staats, dem 
er angehört, bewilligt werden könne, (was namentlich in den 
kleinen Thüringischen Staaten oft wird Vorkommen können); 
wie ferner die Schutzaufsicht am Zweckmässigsten zu regeln 
sei etc. etc. 

Wir können jedoch auf diese Fragen, um nicht zu weit¬ 
läufig zu werden, hier nicht näher eintreten und wiederholen 
nur schliesslich noch einmal unsern bereits zu Anfang ausge¬ 
sprochenen Wunsch, dass das vorliegende wichtige Thema in 
d. Bl. noch weiter besprochen werden möge! 

administrativen Thätigkeit herabgezogen, der Verbrecher 
gewöhnt sich, die Gründe der Gnade in seinem Verhalten nach 
dem Verbrechen zu suchen; das Bewusstsein der Schuld 
wird abgestumpft.“ 

-„Der Schluss, zu welchem wir gelangen, ist der, dass wir der 

monarchischen Gewalt die Wirkungen des Begnadigungsrechts entzögen 
sehen, wenn sie mit der provisorischen Freilassung befasst wird, und dass 
wir uns mit der letzteren nur dann einverstanden erklären können, wenn 
sich eine andere Begründung dafür finden lässt.“ 


9 * 



124 


Beilage 1. 

Ansicht und Urtheil eines Strafgefangenen über Einzelhaft 
and deren Wirkung, gestützt auf eigne Erfahrung. 


Gleichwie das Unkraut, um es vollständig zu vertilgen, 
mit der Wurzel ausgezogen werden muss, ebenso muss auch 
die Heilung eines Uebels, soll dieselbe als vollendet angesehen 
werden, von Grund aus vorgenommen werden. Der Keim 
des Bösen hat bei dem Menschen seinen Sitz im Herzen; soll 
daher an ihm, resp. an einem bereits zur Strafe gezogenen 
Verbrecher, von dem ja ausschliesslich hier die Rede sein soll, 
eine Radicalcur vorgenommen werden, so muss zu rechter 
Zeit, bevor das Herz noch mehr verhärtet, das rechte Mittel 
in Anwendung gebracht werden. Strafanstalten sollen Besse¬ 
rungsanstalten, die Strafe selbst Besserungsstrafe sein. Man 
gebe daher dem Verbrecher und zwar gleich beim Beginn 
seiner Strafverbüssung Zeit und Gelegenheit zu gründlichen 
Selbstbetrachtungen; diess wird gewiss am Sichersten er¬ 
reicht, indem man ihn absondert und abschliesst von dem Ver¬ 
kehr mit seinen Genossen, wenn man ihn isolirt. Die Einzel¬ 
haft ist das heilsame Mittel zur wahren Besserung. Sie entzieht 
den Menschen allen äusseren, die unumgänglich nothwendige 
Selbstbeschauung hindernden Eindrücken, sie bringt ihn zur 
genauen Kenntniss seines verderbten Zustandes und weckt in 
ihm das sehnliche Verlangen nach wahrer Besserung. Aufs 
Aeusserste gepeinigt durch das Entbehren des Umgangs mit 
Menschen, eine der härtesten Strafen, die den Men¬ 
schen treffen kann, wird der Verbrecher in Ermanglung 
jedweder Hülfe, so zu sagen gezwungen, seine Zuflucht zu 
Gott, dem alleinigen Retter, zu nehmen; Ihm nähert er sich 
in demüthigem, inbrünstigem Gebet und der Trost, den er 
daraus für seinen elenden Zustand gewinnt, ist am Besten 
geeignet, ihn anzufeuern, immer mehr zu erkennen, immer 
tiefer und tiefer sich vor dem Gnadenthron seines Gottes 
zu beugen, immer reuiger zu bekennen, und zuletzt einen 
wahren Abscheu vor seinem sittlich verderbten Zustande zu 
bekommen. Das Böse schwindet aus seinem Herzen, dfie Gnade 





125 


Gottes, der höhere Friede ziehet ein in seine Seele und der 
Zweck der Einzelhaft ist somit als erfüllt zu betrachten. Erst 
nun wird er im Stande sein, die über ihn verhängte schwere 
Strafe in wahrer Demuth und Ergebung mit vollster Seelen¬ 
ruhe und freudiger Hoffnung auf spätere Befreiung zu tragen. 
Ganz von selbst wird die heilvolle Umänderung seines Innern 
sich in seinem ganzen äusseren ungezwungenen Verhalten 
deutlich an den Tag legen und als äusserer Lohn dafür ihm 
eine Milderung seiner bisherigen Lage in geeigneter Weise, 
namentlich durch Aufhebung seiner Isolirung, durch Gestat¬ 
tung des Umganges mit andern geeigneten Gefangenen zu 
Theil werden können. 

Dankbaren Herzens wird er diese Aufbesserung seiner 
Lage mit stiller Freude hinnehmen, er wird sich bestreben, 
seiner schweren Pflicht immer besser nachzukommen und sein 
Einfluss auf Die, mit denen er wieder in nähere Beziehung 
gebracht worden ist, kann nicht mehr ein verderblicher, son¬ 
dern nur ein segensreicher werden. 

Schreiber Dieses hat die höchst peinliche Lage der Einzel¬ 
haft in einer Isolirzelle, nicht minder aber auch, Gott sei 
gepriesen, die heilsame Wirkung derselben an sich selbst 
empfunden und fühlt sich deshalb berechtigt, die Einzelhaft 
im Allgemeinen, je nach dem Standpunkt des zu Isolirenden 
in geschärfter, oder nach Befinden gemilderter Weise und in 
längerer oder kürzerer Ausdehnung in Anwendung gebracht, 
für das schnellste und gewiss auch sicherste Mittel zur Herbei¬ 
führung einer wirklichen Besserung aufzustellen, muss aber 
mit Bezugnahme auf den Eingangs erwähnten Druck der Einzel¬ 
haft des Dafürhaltens sein, dass bei zu langer Ausdehnung 
der letzteren der durch dieselbe gewonnene Nutzen dadurch 
aufgehoben werden könnte, dass ein krankhafter Zustand des 
Gemüths eintritt, der vom zeitweiligen Trübsinn zur Melan¬ 
cholie übergehen kann, weshalb bei Abmessung der Zeitdauer 
der Isolirung der Gemüthszustand des Isolirten ausschliesslich 
massgebend sein dürfte. 



126 


Beilage 2. 

Anderweitiger Entwurf. 

Regeln für die Verbüssung der Zuchthausstrafe. 

Allgemeine Bestimmungen. 

§ 1. 

Die Zuchthausstrafe wird in verschiedenen Stufen ver- 
bttsst und die Zuchthaussträflinge werden daher in mehrere 
Classen getheilt. 

Ihr Fortschritt von der niederen Classe zur höheren 
hängt von dem guten Verhalten der Sträflinge ab. 

Wegen schlechten Verhaltens können die Sträflinge ans 
einer höheren Classe wieder zurück in eine niedrigere versetzt 
werden. 

§ 2 . 

Die in § 1 erwähnten Classen sind: 

Die erste- Classe oder die Classe der Einzelhaft, 
die zweite Classe oder die der Gemeinsamhaft, 
die dritte oder die Zwischenclasse, 
die vierte oder die Beurlaubungsclasse. 

(Die §§ 3 und 4 des Entwurfs fallen weg) 

§ 3 (§ 5 des Entwurfs.) 

Jeder Zuchthaussträfling hat an dem für die Anstalt 
bestimmten Gottesdienst, sowie täglich Eine Stunde an dem 
einzuriohtenden Schulunterricht Theil zu nehmen. Ist ein 
Sträfling schon so ausgebildet, dass der in der Anstalt gewährte 
Schulunterricht für ihn nicht passend sein würde, so ist er 
durch die Inspection von der Schule zu entbinden und darf 
die ihm hierdurch erübrigte Zeit unter Controle derselben, 
mit Lectüre oder Selbststudium ausfüllen. 

(Die §§ 6, 7 und 8 des Entwurfs fallen weg.) 

§ 4 (§ 9 des Entwurfs.) 

Muss ein Sträfling wegen Erkrankung in die Kranken¬ 
abtheilung versetzt werden, so ist ihm die in dieser Abtheilung 



127 


verbrachte Zeit zwar selbstverständlich auf seine Strafzeit an¬ 
zurechnen, unterbricht aber nicht die Strafverbiissung in jeder 
Classe. Vielmehr tritt der Sträfling nach seiner Genesung in 
dieselbe Classe und unter denselben Bedingungen wieder ein, 
die er bei seiner Erkrankung verlassen hat. Von dieser ßegel 
kann nur bei besonders gutem Verhalten des Sträflings eine 
von der Beamtenconferenz zu bestimmende und zu motivirende 
Ausnahme gemacht werden. 

§ 5 (§ 10 des Entwurfs.) 

Die tägliche Arbeitszeit beträgt für die Zuchthhaus- 
sträflinge im Sommer, d. i. von Ostern bis Michaelis 12, im 
Winter, d. i. von Michaelis bis Ostern 11 Stunden und wird 
einem jeden für seine Arbeit unter noch su bestimmenden 
Voraussetzungen eine tägliche Gratification oder Fleissbeloh- 
nung zugebilligt werden. 

Die Anstaltsverwaltung hat über diese Gratificationen 
Buch und Rechnung zu führen, die angesammelten Gelder, 
insofern und insoweit dieselben nicht nach näher zu bestimmen¬ 
den Grundsätzen von den Sträflingen während ihrer Detention 
verwendet werden dürfen, ad depositum zu nehmen, resp. 
zinsbar zu belegen und einem jeden Sträfling den ihm zukom¬ 
menden Antheil bei seiner Entlassung auszuzahlen. 

Die einkommenden Zinsen von diesen Depositengeldern 
sind von der Anstaltsverwaltung an besonders hülfsbedürftige 
und sich gut führende Sträflinge bei ihrer Entlassung zu ver¬ 
theilen. 

Von der ersten oder Einzelhaft-Classe. 

§ 6 (§ 11 des Entwurfs.) 

Jeder Sträfling verbüsst in der Regel die ersten sechs 
Monate seiner Strafzeit in Einzelhaft; eine Versetzung in die 
Gemeinschaftshaft vor Ablauf dieser Zeit ist nur aus beson¬ 
deren Gründen namentlich in Berücksichtigung der geistigen 
oder körperlichen Gesundheit zulässig und bedarf es dazu 
eines Beschlusses der Beamtenconferenz. 

Ein gleicher Beschluss ist erforderlich, wenn es noth- 
wendig oder zweckmässig erscheint, einen Gefangenen länger 
als sechs Monate in Einzelhaft zu halten, wohin namentlich 



128 


der Fall gehört, wenn Gefangene, insbesondere solche, welche 
den gebildeten Ständen angehören, in der Einzelhaft zu verbleiben j 
wünschen oder wenn einzelne der isolirten Gefangenen sich j 
so schlecht und gefährlich zeigen, dass sie voraussichtlich einen j 
verderblichen Einfluss auf die in Gemeinschaftshaft lebenden 
Gefangenen ausüben würden. 

(Die §§ 12 und 13 des Entwurfs fallen weg.) 

§ 7 (§ 14 des Entwurfs). 

Sträflinge der ersten Classe tragen die gewöhnliche Ge- 
fangenen-Kleidung, jedoch ist die Classe an derselben zu mar- 
kiren. 

(§ 15 des Entwurfs fallt weg.) 

§ 8 (§ 16 des Entwurfs.) 

Sträflinge der ersten Classe sind täglich, sofern die Wit¬ 
terung es irgend zulässt, eine Stunde lang und zwar Vor- 
und Nachmittags jedesmal eine halbe Stunde zum Spazieren¬ 
gehen auf dem dafür bestimmten Platze zuzulassen. Den¬ 
selben ist dabei freies Umhergehen und freie Bewegung 
gestattet, jedoch jedes Sprechen unter einander verboten. 

§ 9 (§ 17 des Entwurfs.) 

Ueberhaupt ist jeder Versuch eines Sträflings der ersten 
Classe, mit andern Sträflingen in Verständigung zu treten, sei 
dies nun beim Spazierengehen oder in der Schule und Kirche, 
so weit nicht der Unterricht und Gottesdienst es erfordert, 
mit Disciplinarstrafen zu belegen. 

§ 10 (§ 18 des Entwurfs.) JK^ 

Jeder Sträfling, der in Einzelhaft geilten wird, soll 
abgesehen vom täglichen Dienst im Laufe des Tages min¬ 
destens zwei Besuche von den höheren Anstaltsbeamten, 
Geistlichen und Arzt mit eingerechnet, erhalten. Sämmtliche 
Anstaltsbeamte und Aufseher haben den geistigen und körper¬ 
lichen Gesundheitszustand eines solchen Gefangenen besonders 
sorgfältig zu beobachten. 

§ 11 (§ 19 des Entwurfs.) 

Sträflinge der ersten Classe dürfen nur ausnahmsweise 
und unter besonderen Umständen, die vor Ertheilung der 
Erlaubniss vom Vorsteher der Anstalt genau zu prüfen sind, 
Besuche ihrer Angehörigen empfangen. 



129 


Diese Besuche haben in dem dafür bestimmten Local 
in Gegenwart eines Aufsehers stattzufinden. 

§ 12 (§ 20 des Entwurfs.) 

Ebenso ist es den Sträflingen der ersten Classe gestattet, 
Briefe an ihre Angehörigen etc. etc. zu schreiben und solche 
zu empfangen, doch unterliegt diese Correspondenz selbstver¬ 
ständlich der Erlaubniss und Controle des Vorstehers. 

Von der zweiten oder Gemeinschafts-Classe. 

§ 13 (§21 des Entwurfs.) 

Sträflinge, welche die für die erste Stufe bestimmte Zeit 
überstanden haben, kommen, wenn nicht schlechtes Betragen 
ihr Verbleiben in der Zelle nothwendig erscheinen lässt, in 
die zweite oder Gemeinschaftsclasse und verbringen in der¬ 
selben den Rest ihrer Strafzeit, sofern sie nicht den Voraus¬ 
setzungen genügen, unter denen eine Versetzung in eine höhere 
Classe zulässig ist, oder insofern sie nicht wieder in die 
erste Classe zurückversetzt werden. 

Die zweite Classe zerfällt in zwei Abtheilungen, deren 
Unterscheidungen in § 19 (§ 27 des Entwurfs) bestimmt 
werden. 

§ 14 (§ 22 des' Entwurfs.) 

Die Sträflinge der 2. Classe arbeiten während der ge¬ 
ordneten Arbeitszeit gemeinschaftlich unter Aufsicht. Ihre 
Mahlzeiten nipamt jede der beiden Abtheilungen dieser Classe 
getrennt in d«$ dazu bestimmten Localitäten unter Aufsicht 
zu sich. 

In diesen Esslocalen haben die Sträflinge der beiden 
Abtheilungen auch ihre freie Zeit zuzuhringen, während wel¬ 
cher es ihnen gestattet ist, sich mit Lesen etc. etc. oder nicht 
geräuschvollen Arbeiten zu beschäftigen, worüber nähere Be¬ 
stimmung Vorbehalten bleibt. 

Während der Nacht schlafen die Sträflinge der zweiten 
Abtheilung entweder isolirt in nächtlichen Einzelzellen oder 
in gemeinschaftlichen, erleuchteten, gut beaufsichtigten und 
durch Schlafsaalvorgesetzte überwachten Schlafsälen. 

Die Frage, welche Sträflinge der zweiten Classe nächt¬ 
lich zu isoliren, unterliegt der Bestimmung der Beamtenconferenz. 



130 


§ 15 (§ 23 des Entwurfs.) 

Auch die Sträflinge der zweiten Classe sind auf gleiche 
Weise, wie in § 10 (§ 16) rticksichtlich der ersten Classe 
vorgeschrieben, täglich eine Stunde und zwar Vormittags und 
Nachmittags jedesmal eine halbe Stunde zum Spazierengehen 
anzuhalten, welches nur hei ganz ungünstiger Witterung aus- 
zusetzen ist. 

Gefangenen, welche den ganzen Tag in freier Luft ar¬ 
beiten, kann gestattet werden, dass sie sich während dieser 
Zeit unter Aufsicht im Esslokal beschäftigen. Während des 
Spazierengehens ist jedes Sprechen verboten. 

§ 16 (§ 24 des Entwurfs.) 

Das Sprechen überhaupt, sowohl während der Arbeit, als 
während der Freistunden ist zwar im Allgemeinen untersagt, 
doch können die Aufsichtsbeamten kurze Unterredungen zwi¬ 
schen Mann und Mann gestatten, wenn sie mit lauter Stimme 
geführt werden, und wenn Das, worüber gesprochen wird, nur 
die Arbeit oder ein ganz unverfängliches Thema betrifft. 
Wird die Unterredung zu lange ausgedehnt, oder fallt sie auf 
Gegenstände, welche sich nicht für Sträflinge eignen, oder 
mischen sich Dritte in das Gespräch, oder finden zu viele 
Zwischengespräche auf einmal statt, so hat der aufsichtführende 
Beamte sofort Ruhe und Schweigen zu gebieten und verfällt 
jeder Gefangene in Strafe, der diesem Gebote nicht augen¬ 
blicklich Folge leistet. 

§ 17 .(§ 25 des Entwurfs.) ^ 

Die Versetzung der Sträflinge aus der ersten Abtheilung 
der zweiten Gasse in die zweite, so wie aus der zweiten 
Gasse in die dritte oder Zwischenclasse, hängt vom Fleiss 
und Betragen derselben, von ihrer ganzen Führung und 
Haltung ab und dienen als Grundlage der Beurtheildng dieser 
ihrer Führung und als Norm für die Versetzung in eine 
höhere Classe die denselben behufs ihrer Gratificirung (lt. 
§ 5 (§ 10) ertheilten monatlichen Censuren. 

Bei Ertheilung dieser Censuren sind folgende Grundsätze 
massgebend: 

Um für dieselben eine möglichst sichere Unterlage zu 
gewinnen, haben die betreffenden Stationsaufseher einem jeden 



131 


einzelnen der in ihren reap. Revieren arbeitenden und sich 
aufhaltenden Gefangenen in den von ihnen zu führenden Ar¬ 
beitslisten Tag für Tag eine in die dafür bestimmten Rubriken 
für Fleiss und Betragen einzutragende Censur auf die Art zu 
ertheilen, dass jeder Sträfling eine I., II. oder III erhält, je nach¬ 
dem Fleiss und Führung untadelhaft, mittelmässig oder 
schlecht waren, wobei zu beachten, dass jede Censur abge¬ 
sondert für sich in die dazu bestimmten Spalten zu verzeich¬ 
nen ist und verschieden sein kann, so dass z. B. derselbe 
Sträfling an einem Tage für seinen Fleiss 1, für sein Be¬ 
tragen 3 erhalten kann, wenn ersterer untadelhaft, letzteres 
schlecht war. 

Am Schlüsse eines jeden Monats wird demnächst, unter 
Zugrundelegung dieser Listen, in der Monatsconferenz der 
Anstaltsbeamten die Monatscensur für jeden Gefangenen be¬ 
stimmt und erhält jeder derselben die Censur I., II., oder III. 
je nachdem sein Fleiss und sein Betragen, seine ganze Füh¬ 
rung und Haltung untadelhaft, mittelmässig oder schlecht ge¬ 
wesen ist. 

Bei Ertheilung dieser Monatscensuren, wobei das Ur- 
theil des Geistlichen und Lehrers rücksichtlich des Fleisses 
und der Führung des Sträflings in Kirche und Schule mit zu 
berücksichtigen, gilt als Regel, dass die ganze Führung und 
Haltung des zu censirenden Gefangenen nach allen Seiten hin 
in Betracht zu ziehen ist, dass jede Disciplinarstrafe unbe¬ 
dingt die Censur III. zur Folge hat und dass kein Gefangener 
von Censur III. im nächsten Monate auf Censur I. gelangen 
kann, sondern erst wieder Censur II. erreichen muss. 

Bei Zusammenrechnung der Censuren behufs der Classen- 
versetzung ist zu berücksichtigen, dass 2 Censuren Nr. II. 
für eine Censur Nr. I., Censur III. aber gar nicht zählt. 
Hat also beispielsweise ein Sträfling in 4 Monaten einmal 
Censur I., zweimal Censur II. und einmal Censur III. er¬ 
kalten, so wird ihm dafür in diesen 4 Monaten zweimal Cen¬ 
sur I. zugerechnet. 

§ 18 (§ 26 des Entwurfs.) 

Die vorbeschriebenen Censuren dienen nun hauptsächlich 
als Norm und Massstab für die Versetzung in eine höhere 



Abtheilung der Classe und ist daher beim Eintritt des Sträf¬ 
lings in die zweite Classe zunächst zu bestimmen, wie oft er 
die Censur I. (nach der am Schlüsse des vorigen § vorge¬ 
schriebenen Berechnung) erhalten haben muss, um in die zweite 
Abtheilung der zweiten Classe oder in die dritte Classe versetzt 
zu werden. Dabei sind folgende Grundsätze massgebend: 

Jeder Sträfling muss mindestens die Hälfte derjenigen 
Strafzeit in der zweiten Classe zubriDgen, die ihm nach Ab¬ 
zug der in der ersten oder Einzelhaftclasse verbrachten 6 Mo¬ 
nate übrig bleibt, und kann nur dann sofort nach Ablauf dieser 
Hälfte in die dritte Classe übergehen, wenn er während seiner 
in der zweiten Classe verbrachten Detentionszeit jedesmal 
Censur I. erhalten hat. Wenn demnach z. B. ein zu 4jähriger 
Strafhaft Verurtheilter 6 Monate derselben in Einzelhaft ver- 
büsst hat, bleiben ihm beim Eintritt in die zweite Classe noch 
42 Monate zu verbüssen übrig und muss er demnach 21 Mo¬ 
nate in der zweiten Classe verbleiben, hat aber nach Ablauf 
dieser Zeit nur dann Anspruch auf Versetzung in die dritte 
Classe, wenn er während dieser 21 Monate 21 mal, also jedes¬ 
mal die Censur I. erlangt hat, widrigenfalls er so lange in 
der zweiten Classe verbleiben muss, bis er diese Zahl (21 Cen- 
suren Nr. I.) erreicht hat. 

Was die Versetzung aus der ersten in die zweite Ab¬ 
theilung der zweiten Classe betrifft, so findet diese Statt, wenn 
der betreffende Sträfling die Hälfte der ihm für sein Ver¬ 
bleiben in der zweiten Classe überhaupt vorgeschriebenen 
Zahl von Censuren Nr. I. erreicht hat; er muss also, um bei 
dem obigen Beispiele stehen zu bleiben, bei 4jähriger Straf¬ 
haft IO 1 /* Censuren Nr. I. erworben haben. 

§ 19 (§ 27 des Entwurfs.) 

Die Sträflinge der 2. Classe tragen Abzeichen an ihrer 
Kleidung, aus denen zu ersehen ist, ob sie der ersten oder 
zweiten Abtheilung derselben angehören. 

Die Sträflinge der zweiten Abtheilung geniessen vor 
denen der ersten folgende Begünstigungen: 

A. Dieselben erhalten eine doppelt so hohe Gratification, 
wie die der ersten Classe und der ersten Abtheilung der zwei¬ 
ten Classe. 



133 


B. Denselben ist gestattet, die Hälfte ihres monat¬ 
lichen Verdienstes schon während sie noch in der Anstalt 
sind, dazu zu verwenden, sich bestimmte näher zu bezeich¬ 
nende Genüsse und Annehmlichkeiten zu verschaffen. 

G. Dieselben erhalten einmal in der Woche eine Maass 
einfaches Bier. 

Von der dritten oder Zwischenclasse. 

§ 20 (§ 28 des Entwurfs.) 

Die Versetzung der Sträflinge in die dritte Classe findet 
Statt, wenn sie die in § 18 (§ 26) vorgeschriebene Zahl von 
Gensuren in der zweiten Classe erlangt haben. 

Bei ihrem Eiutritt in die dritte Classe wird denselben, 
ebenso wie in der zweiten Classe, die Zahl der Censuren 
Nr. I. bestimmt, welche sie erreichen müssen, ehe ihr Ueber- 
gang in die vierte oder Beurlaubungsclasse erfolgen kann und 
gelten auch in dieser Beziehung die in § 18 (§ 26) für die 
zweite Classe gegebenen Vorschriften. Demnach muss jeder 
Sträfling mindestens die Hälfte derjenigen Zeit in der dritten 
Classe verbringen, welche ihm nach Abzug der in der ersten 
und zweiten Classe verbtissten Zeit noch übrig bleibt und 
kann nur dann sofort nach Ablauf dieser Hälfte in die vierte 
oder Beurlaubungsclasse übergehen, wenn er während seiner 
in der dritten Classe verbrachten Detention jedesmal die Cen- 
sur I. erhalten hat und die übrigen in § 23 (§ 32) aufge¬ 
stellten Bedingungen und Modalitäten für seine Beurlaubung 
vorhanden sind. 

§ 21 (§ 29 des Entwurfs.) 

Sträflinge der Zwischenclasse geniessen vor denen der 
übrigen Classen folgende Vergünstigungen: 

A. Sie tragen keine Sträflingskleider, sondern eine ihnen 
von der Anstalt zu liefernde Kleidung, welche der Tracht 
freier Arbeiter entspricht. 

B. Sie sind bei der Arbeit sowohl, als während der Mahl¬ 
zeiten und der Ruhe- und Erholungsstunden, sowie in Kirche und 
Schule von den übrigen Sträflingen möglichst getrennt zu halten. 

C. Ausser der reglementirten Gratification erhält jeder 
Sträfling der Zwischenclasse eine Extragratification von 5 Pf. 
( l /i Gr.) pro Arbeitstag. 



134 


D. Ausser den der zweiten Abtheilung der zweiten 
Classe nach § 19 (§ 27) hinsichtlich der Beköstigung zu¬ 
stehenden Begünstigungen erhalten die Sträflinge der Zwischen- 
classe auch noch ein zweitesmal in der Woche eine Maass 
Bier, so wie zweimal in der Woche Fleischkost. 

Ueberdiess ist es ihren Angehörigen gestattet, denselben 
diejenigen Lebensmittel in natura zukommen zu lassen, welche 
sie dem Reglement zufolge für ihren Verdienst in der An¬ 
stalt anschaffen dürfen. 

E. Nur den Sträflingen der Zwischenclasse sind solche 
Functionen zu übertragen, welche besonderes Vertrauen er¬ 
heischen, z. B. die Dienste eines Calfactors, Aufwärters, 
Krankenwärters, Botengängers etc. etc. 

F. Den Sträflingen dieser Classe ist eine angemessene 
d. h. nicht lärmende und den Dienst nicht störende Unter¬ 
haltung untereinander gestattet. 

Unterhaltungen mit Sträflingen anderer Classen ist auch 
ihnen bei Strafe verboten. 

§ 22 (§ 30 des Entwurfs.) 

Gegen Sträflinge der Z wisch enclasse sind schwerere Dis- 
ciplinarstrafen nicht zulässig; begeht einer derselben ein schwe¬ 
reres Disciplinarvergehen, so ist er in die zweite Classe zurück¬ 
zuversetzen. 

§ 31 des Entwurfs kommt hier nicht in Betracht. 

Von der vierten oder der Benrlaubungsclasse. 

§ 23 (32 des Entwurfs.) 

Sträflinge der Zwischenclasse können in die vierte oder 
die Beurlaubungsclasse vorsetzt werden, wenn sie die in § 20 
(28) vorgeschriebene Zahl von Censuren erlangt haben und 
wenn ihr Betragen während ihrer ganzen Strafzeit ein aus¬ 
gezeichnet gutes gewesen ist, eine eingetretene Besserung 
derselben angenommen und ihnen in Bezug auf ihr künftiges 
Verhalten Vertrauen geschenkt werden kann. 

Unter diesen Voraussetzungen hat die Beamtenconferenz 
die Beurlaubung des Sträflings bei der beikommenden Ober* 



Staatsanwaltschaft zu beantragen und das betreffende Appellar 
tionsgericht nach erstattetem Vortrag derselben das Geeignete 
zu verfügen. 

§ 24 (§ 33 und § 34 des Entwurfs.) 

Die Beurlaubung bildet den Schluss der Strafverbtissung 
und kann der beurlaubte Sträfling den Rest seiner Strafzeit 
in irgend einem Orte des Inlandes, in dem er einen ehrlichen 
Erwerb seines Lebensunterhalts finden kann, zubringen. 

Während seiner Urlaubszeit steht er unter dem Schutze 
und der Aufsicht der Strafanstaltsverwaltung. Dieselbe wird 
ihn mit ihrem Rathe unterstützen und ihm bei Aufsuchung 
von Arbeitsgelegenheiten behülflich sein. 

Ebenso wird dieselbe den beurlaubten Sträfling hinsicht¬ 
lich seines Lebenswandels in einer für dessen Fortkommen 
nicht schädlichen Weise beaufsichtigen lassen. Jede Verände¬ 
rung seines Aufenthalts hat der Sträfling der Zuchthausver¬ 
waltung anzuzeigen. 

Zur Gewährung dieses Schutzes und zur Handhabung 
dieser Aufsicht hat die Zuchthausverwaltung, soweit sie nicht 
selbst diese Funktionen versehen kann, die Polizeibehörden 
und Gendarmen als ihre Organe zu verwenden. Diese Be¬ 
amten haben den entsprechenden Requisitionen der Zuchthaus¬ 
verwaltung Folge zu leisten und sind besonders zu instruiren, 
dass sie in einer zwar strengen, aber für den Sträfling wohl¬ 
wollenden Weise diese Aufsicht üben. Der beurlaubte Sträf¬ 
ling hat sich jedesmal am 1. des Monats entweder bei der 
Strafanstalts-Inspection oder bei derjenigen Behörde, die ihm 
bezeichnet werden wird, persönlich zu melden und dort über 
seine Beschäftigung und Subsistenz Auskunft zu geben. 

§ 25 (§ 35 des Entwurfs.) 

Sträflinge der Urlaubsclasse erhalten bei der Beurlaubung 
nach Ermessen der Inspection ihren von derselben gesammelten 
Verdienst ganz oder theilweise ausgezahlt und ist dabei das 
Bedlirfniss des Beurlaubten und das zur Begründung seines 
Fortkommens Erforderliche massgebend. 

§ 26 (§ 36 des Entwurfs.) 

Der Urlaübspass, den der Sträfling erhält, soll unbedingt 
widerrufen werden, wenn der Beurlaubte wegen eines neuen 



136 


Verbrechens in den Anklagestand versetzt und noch nicht 
von dieser Anklage freigesprochen ist. Ausserdem kann der 
Beurlaubte auch wegen schlechten Betragens wieder zur Straf- 
verbüssung eingezogen werden, namentlich wenn er mit noto¬ 
risch übel beleumundeten Personen näheren Umgang pflegt, 
wenn er ein faules, liederliches Leben führt, notorisch dem 
Trünke ergeben ist und sichtlich keinen redlichen Nahrungs¬ 
erwerb hat. 

Ein aus der Beurlaubung wieder eingezogener Sträfling 
tritt zunächst in die zweite Abtheilung der zweiten Classe 
ein und kann zur Verbüssung des nach Abrechnung des schon 
benutzten Urlaubs noch übrigen Bestes seiner Strafzeit ange¬ 
halten werden. 


Beilage 3. 

Schema zu einer Arbeits- und Conduitenliste. 


Name des betreffenden Gefangenen. 

I. Monat. II. Führung: a) Fleiss, b) Betragen. 

III. Beschäftigung. Tage, Stunden: a) für die Anstalt, 
b) mit Taglohnsarbpit, c) mit Fabrik - und Lohnarbeit. 

IV. Krank: Tage, Stunden. V. Unterricht: Tage, Stunden. 
VI. Im Arrest: Tage, Stunden. 


Beilage 4. 

Instruction fiir die Aufseher, die Führung der Arbeits¬ 
und Conduitenlisten betr. 


Die neu eingerichteten Arbeits- und Conduitenlisten sind 
von den betreffenden Aufsichtsbeamten Tag für Tag zu führen 
und sind namentlich die Rubriken für Fleiss und Betragen 
am Schlüsse jeden Tages nach bestem Wissen und Gewissen 
auszufüllen. 



137 


Die für Fleiss und Betragen zu ertheilenden Censuren 
werden durch die Zahlen I., II., III. ausgedrückt. 

I. bedeutet »gut® oder »untadelhaft®, 

II. » »gewöhnlich® oder »mittelmässig®, 

III. » »schlecht®. 

Von den Gefangenen begangene Ordnungswidrigkeiten 
sind nach wie vor in die dazu bestimmten Rapportbücher ein¬ 
zutragen, jedoch ist an dem betreffenden Tage in der Rubrik 
»Betragen® zu bemerken: R.-B. (siehe Rapportbuch.) 

Wenn Gefangenen, die sich in der Regel untadelhaft 
fuhren, ausnahmsweise wegen irgend einer Unfertigkeit die 
Censur 3 in der Rubrik »Betragen® ertheilt wird, ist im Rap¬ 
portbuche der Grund dieser Censur kurz zu notiren. 

Die den Stubenarbeitern zu ertheilenden Censuren wer¬ 
den von den Stubenaufsehern bewirkt, während der Observa¬ 
tionsaufseher die Censuren der Aussenarbeiter und aller der¬ 
jenigen* Gefangenen einzutragen hat, welche unter seiner 
Controle in abgesonderten Räumen arbeiten, wohin namentlich 
die Isolirten gehören. 

Die Arbeits- und Conduitenlisten befinden sich unter 
Verschluss der betreffenden Stubenaufseher und hat sich der 
Observationsaufseher dieselben jeden Abend von diesen heraus¬ 
geben zu lassen, um die betreffenden Einträge zu machen. 

Diese Listen sind sowohl dem Director, als dem Anstalts¬ 
geistlichen durch den Oberaufseher vorzulegen, welcher die 
vorschriftsmässige Führung derselben zu überwachen hat. 

Die Arbeits- und Conduitenlisten für die weiblichen Ge¬ 
fangenen sind von der Oberaufseherin zu führen und gelten 
auch rücksichtlich dieser die vorstehenden Bestimmungen. 


Beilage 5. 

Welche Gefühle die Isolirang hervorbringt und welche 

Folgen sie hat. 


Es lässt sich darüber viel sprechen und schreiben, je 
nachdem der Charakter des Isolirten sein mag, jodoeh ich 
erzähle der Wahrheit getreu, wie ich es in meinem Isolirleben 

10 



138 


an meinem Bergen erfahren und wag ich jetzt noch empfinde, j 
Ich muss aber gleich zu Anfang bemerken, dass es kein siia- j 
ses und angenehmes Gefühl hervorbringt, schon deshalb nicht, ' 
weil man stets die Länge seiner Strafzeit vor Augen und im 
Sinne hat. Es ist unstreitig das peinlichste Gefühl, der Frei¬ 
heit entrückt zu sein, aber die Isolirung vermehrt und erhöht 
dieses peinliche und schmerzliche Gefühl nicht selten bia zu 
einem Grade der Verzweiflung. 

Man darf mit Hecht fragen, warum die Isolirung solche 
peinliche Gefühle hervorbringt; die Ursache ist sehr leicht j 
zu finden« ! 

Der Mensch, von der Geburt an bia zur Isolirung stets j 
an menschlichen Umgang gewöhnt, sieht aioh diesem entrissen, 
ja oft alle Bande der Freundschaft gelöst, selbst das Band 
der Ehe zerrissen und somit vielleicht auf die ganze Lebens¬ 
zeit von allen denen getrennt, an denen sein ganzes Herz 
hängt. Er muss alle Liebe, alle Freundschaft entbehren, kei¬ 
nem Menschen kann er seine Gefühle, seinen Schmerz klagen 
und mittheilen und doch liegt in der Brust des Menschen ein 
Verlangen, ein Sehnen, seinen Schmerz, seine Gefühle einem 
Andern mitzutheilen, seinem Herzen Luft zu machen, aber 
wo kann ein Isolirter sein Herz Öffnen und gegen wen? Er 
kann es niemals und die Brust wird ihm enge, sie will zer¬ 
springen, sein Herz ist, als lägen Centneriasten darauf, der 
Athem fehlt ihm; —- so leidet und fühlt ein Isolirter. 

Die zweite Ursache, dass die. Isolirung eine mehrfach 
erhöhte Strafe ist, zeigt sich darin, dass ein Isolirter selten 
beschäftigt werden kann, auch wenn er alle Hände voll zu 
thun bat. Das hat seinen Grund darin, dass der Mensch, 
wie vorhin schon erwähnt, an Umgang gewöhnt ist, der Isolirte 
ist aber ganz allein, nur die Mauern sind seine Gesellschaft; 
mit diesen kann er sich nicht beschäftigen und doch verlangt 
der Geist seine Thätigkeit, weil derselbe daran gewöhnt ist 
von der Zeit an, da der Mensch anfängt zu denken. Die 
Arbeit kann einen Isolirten nimmermehr vollständig beschäfti¬ 
gen, zumal wenn dieselbe keine Abwechslung bietet. / 

Man dürfte vielleicht einwenden, es gibt viele fre ie Ar- 
beiter, die fast stets allein beschäftigt sind und fast gau nicht 



139 


, in öffentlichen Verkehr treten; die» ist aber sicht stichhaltig, — 
ein freier Arbeiter weiss erstens, warum und für wen £r 
arbeitet, er hat ein Ziel vor Angen, welche» er verfolgt, ör 
tritt fast stündlich in Umgang mit Andern, er sieht und hört 
täglich Neues, überhaupt bietet sich fast stündlich Etwas dar, 
was seinen Geist in beständiger Regsamkeit erhält. Aber WC 
bat ein Isolirter solche Abwechslung, Nichts bietet sich dar 
und so ist der Isolirte auf sich allein angewiesen; die ihm 
angewiesene Arbeit ist nur das Einzige, womit er sich be¬ 
schäftigen soll. Da aber die Arbeit nicht hinreichend ist, den 
Geist des Menschen zu beschäftigen und der Geist auch be¬ 
schäftigt sein will, so verfallt er in Sinnen und Denken; da 
er aber weiter nichts zu denken hat als die Vergangenheit 
und die Gegenwart, so ist leicht zu errathen, von welchen 
Gefühlen der Isolirte beseelt wird. 

Ehe ich von diesen Gefühlen spreche, muss ich Wohl 
näher erwähnen, wie der Isolirte durch sein Denken sich oft 
so sehr Verirrt, dass er in Gefahr kommt, an Leib und Seele 
zu Grunde zu gehen. Da bat der Bose sein Gaukelzelt Von 
ferne aufgeschlagen, sucht dem Menschen von ferne allerlei 
Yorzmgaukeln — (nach mündlicher Erklärung des Schreibers 
Selbstmord- und Fluchtgedanken) —■ und zieht ihn so nach 
und nach immer tiefer und tiefer hinunter, ja bis auf den Grund 
der Hülle, ohne dass der Isolirte es merkt, weis» wnd fühlt. 
Nur dann wird er es irine, wenn er durch ein besonderes 
Ereignis» aus seinen tiefen nnd schrecklichen Traumen aufge-* 
schreckt wird, dann erst fühlt und weiss er, das» der Leibhaftige 
Böse ihn in den. Händen gehabt hat; aber die Einzelhaft wird 
ihm jetzt erst recht zuwider, er verlangt nach menschlichem! 
Umgänge, ja er preist sich glücklich, wenn ein Aufseher auf 
Augenblicke in seine Einsamkeit tritt. Ich will keine von 
den schrecklichen) Träumen aufführe ny sonderni jetzt von denen 
sprechen, die- mir durch Gottes Gnade zu Theil geworden. 

Die Iseliruttg hat auch ihr Gute», wenik dieselbe 
1 nicht von anhaltender Dauer ist. 

i 

| Ich habe mir die Frage vorgelegt ,, warünr man mich 
' isolirt hat und gefunden, dass man ketü Vertrauen zu mir hat 
nnd habe deshalb den festen Entschluss gefasst, mir solches 

10 * 



wieder durch Treue und strenge Redlichkeit zu erwerben. 
Aber die Hauptsache ist, dass ich durch meine Isolirung und 
durch die guten religiösen Bücher und den Kirchenbesuch 
zur Erkenntniss meiner Schuld und Sünden gekommen bin; die 
Einsamkeit hat mir Zeit und Gelegenheit gegeben, über meine 
Handlungsweise von früher Jugend bis zu dem jetzigen Augen* 
blick nachzudenken und da habe ich durch Gottes Gnade 
gefunden, wie ich immer tiefer und tiefer gefallen bin; die 
Predigten und Bücher aber haben mir Aufschluss gegeben, 
dass auch ich durch wahre Reue und Busse Vergebung mei¬ 
ner Sünden empfangen und durch das Verdienst Jesu Christi 
wieder ein Kind Gottes werden kann und jetzt auch die Ge- j 
wissheit habe, es zu sein. Dieses habe ich nur allein Gottes j 
Gnade und meiner seligen [Mutter zu danken, die mich schon i 
als zartes Kind zum Herrn geführt, was jetzt noch von gutem 
Einfluss auf mich ist. 

Man darf freilich nicht glauben, dass jetzt mein Isolir- 
leben ein erfreuliches zu nennen ist, denn der Versucher zeigt 
sich täglich, bald von ferne, bald in der Nähe; ohne dass man 
es ahnt, ist man täglich in Gefahr, ja oft so, dass man 1 
selbst wieder zweifelt, ohne Schaden davon zu kommen. Meine 
Lage ist oft so peinlich und ängstlich, dass ich oft nicht beten 
kann und diess sind die unglücklichsten Stunden, die ich je 
verlebt; ich finde keine Worte, es auszusprechen. Es gibt ] 
überhaupt nur wenige Stunden im Leben des Isolirten, die 
man glücklich nennen kann, es ist und bleibt ein gedrücktes 
und peinliches Gefühl. 

Für mich hat es die Folge, nie wieder wissentlich wider 
Gottes Gebote und menschliche Ordnung zu sündigen, erst¬ 
lich wegen der Strafe um meiner selbst und meiner Familie 
willen, aber zweitens, um mir nie wieder Gottes Gnade zu 
verscherzen und es ist mein fester Entschluss, nach meiner 
dereinstigen Freilassung als ein treuer Staatsbürger und ge¬ 
horsamer Unterthan ein bürgerlich rechtliches Leben zu 
führen und mir so die Ehre und die Achtung meiner Mit¬ 
menschen wieder zu gewinnen. 

Das helfe mir der liebe Gottl 



Die Strafanstalt für jugendliche Ver¬ 
brecher in Schwäbisch Hall. 

Von Obexjustizassessor Jeitter, Vorstand der Anstalt. 


Nachdem seit dem Erscheinen der Schrift „die Straf- 
i anstalt der jugendlichen Verbrecher in Schwäbisch Hall im 
■ Jahre 1863. Erlangen bei Enke.“ nunmehr fünf Verwal- 
tnngsjahre verflossen sind, so ist der Verfasser von verschie¬ 
denen Collegen und Fachmännern wiederholt um Fortsetzung 
der damaligen Veröffentlichungen angegangen worden, und 
wenn derselbe auch keineswegs die Mängel jener Arbeit ver¬ 
kennt, so ermuthigen ihn doch die günstigen Beurtheilungen, 
welche dieselbe seiner Zeit in den Heidelberger Jahrbüchern 
der Literatur 1863 Nr. 48, in dem evangelischen Kirchen- 
nnd Schulwochenblatt für Württemberg 1864 Nr. 11, im 
Schwab. Merkur, 1864 Nr. 103 u. a. 0., sowie in Zuschriften 
hochachtbarer Auctoritäten im Fache der Gefängnisskunde 
gefunden hat, den Wünschen nach Fortsetzung zu entsprechen. 
Indem nun hiezu unser bereits in Aller Hände befindliches 
Vereins-Organ „Blätter für Gefängnisskunde,“ gewählt wor¬ 
den ist, muss noch vorausgeschickt werden, dass im Wesent¬ 
lichen die auch in jener Schrift eingehaltene Ordnung bei¬ 
behalten wurde, weil dieselbe auch diejenige ist, welche der 
Eintheilung der Registratur und der ganzen öconomischen Ver- 
' waltung der württembergischen Strafanstalten zu Grunde liegt. 



142 


Seit dem Schlusszeitpunkt, bis zu welchem wir die Par- 
Stellungen über unser Haus gegeben, seit 30. Juni 1862, hat ; 
sich in der statutarischen Ordnung desselben keine Verände¬ 
rung ergeben, ausser dass wir rücksichtlich der Zeit zum 
Schlafengehen zu der Ueberzeugung gelangt sind, dass die I 
Stunde halb 8 Uhr im hohen Sommer zu früh ist, und ist 
daher mit Genehmigung hoher Aufsichtsbehörde angeordnet i 
worden, dass das Schlafengehen vom 15. Oktober bis 15. April ; 
um 8 Uhr, vom 16. April bis 31. Mai um 8Va Uhr, im Juni, 
Juli und August um 9 Uhr und vom 1. Septbr. bis 14. 
Oktober um 8Vs Uhr zu geschehen habe. 

Die Beamten, mit Ausnahme des katholischen Geistlichen 
und des Lehrers, deren erspriessliches Wirken durch Beförde¬ 
rung belohnt wurde, sind die gleichen geblieben. Auch die 
Gebäulichkeiten haben keine Veränderung, wohl aber die j 
wesentliche Verbesserung erfahren, dass im Herbste 1862 in | 
sämmtlichen Localitäten, mit Ausnahme der Zimmer der Offi¬ 
zianten, durchgängig die Gasbeleuchtung eingeführt wurde, |; 
zu welchem Zwecke nach und nach 12 Flammen nöthig waren, 
deren Einrichtung (ohne Gasuhr, da solche dem Zuchtpolizei¬ 
haus angehört) einen Gesammtaufwand von 310 fl. 21 kr. ' 
nöthig machte und welche nun seitdem bei einem Gaspreise 
von 5 fl. pro tausend Cubikschuh an Aufwand erheischte: 
1862/63 63 fl. 10 kr., 1863/64 80 fl., 1864/65 156 fl., 
1865/66 106 fl. 38 kr. 1866/67 128 fl. 54 kr. 

Hiezu kommt natürlich, schon wegen der Aufseher¬ 
zimmer und wegen des Verbrauchs in Laternen noch einiger Auf¬ 
wand für Lichter, Zündhölzer u, dergl. Dennoch aber er¬ 
reichen wir durch die Gasbeleuchtung eine nicht unbedeutende 
Ersparniss und natürlich ein ganz anderes Licht, als früher 
bei Oellampen. Irgend welche gefährliche Nachtheile, die so¬ 
lange und auch von Oben herab der Einführung der Gasbe¬ 
leuchtung in den württembergischen Strafanstalten als ver¬ 
meintliche Hindernisse entgegenstanden, haben wir noch keine 
wahrzunehmen gehabt. 

Da die Heizung mit Holz verlassen werden soll, so hat 
erst in der alierneuesten Zeit eine Beseitigung sämmtlicher 
alten und Anschaffung von Wasseralfinger PostamenfcOefen 



143 


neuester Constructiön stattgehabt, um zur Steinkohlenfeuerung 
Überzug eben, nachdem die im Zuchtpolizeihaus im vorigen 
Winter angestellten Versuche ein äusserst günstiges Resultat 
in finanzieller Beziehung herausgestellt haben« 

Ob die Reinlichkeit in der Anstalt dadurch nicht Noth 
leiden wird, mag dahin gestellt bleiben. 

Uebergehend zu den Bewohnern des Hauses, so gehört 
die Zeitperiode, über welche hier referirt werden soll, isu den 
günstigsten; denn es betrug der durchschnittliche tägliche 
Stand 1862/63 a. Knaben 19,8, b. Mädchen 4,3, zus. 24,1. 
1863/64 a. K. 16,4, b. M. 8,8, zus. 20,2. 1864/65 a. K. 20,2, 
b. M. 2,7, eub. 22,9. 1865/66 a. K. 27,7, b. M. 3,6, zus. 31,3. 
1866/67 a. K. 24,3, b. M* 7,3, zus. 31,6. 

Unser Haus hat, wie bekannt, Zuchthausgefangene, Ar* 
beitshausgefangene und Kreisgefängnisssträflinge aufzunehmen, 
während die blos zu einfachem Gefängnisse verurtheilten Ver- 
brecher ihre Strafen in den beZirksgericbtlichen Gefängnissen 
zu verbüssen haben. Eine eingehendere Uebersicht über die 
verschiedenen Abtheilungen unserer Gefangenen und deren 
persönliche Verhältnisse folgen zu lassen, dazu reicht der 
Raum dieser Blätter nicht hin. 

Zur Erläuterung in Betreff der Rückfälligen sei bemerkt, 
dass unter solchen diejenigen verstanden sind, welche zuvor 
schon eine Polizeihaus- Kreisgefängniss- oder höhere Freiheits¬ 
strafe erstanden haben. 

Wie schon vielfach mit vollstem Rechte und ganz neuer¬ 
dings wieder von Nieuvenhuis „Gerichtssaal, 19. Jahrgang, 
3. Heft, Seite 193“ auf die Schwierigkeit der Classification bin- 
gewiesen worden ist, so wird um so gewisser allseitig zuge¬ 
geben werden, dass Classification bei jugendlichen Sträf¬ 
lingen, die erst wenige Jahre hinter sich haben, und deren 
ganzer Sinn und Charakter noch vollständig unentwickelt ist/ 
ein gewagtes Unternehmen sei. 

Bei der Classification ziehen wir daher neben unsern 
eigenen Wahrnehmungen nicht sowohl die Aeusserungen der 
Gerichts- ünd Gemeinde-Behörden, die gar gerne entscheidendes 
Gewicht auf die einzige zu ihrer Kenntniss gekommene Uebel- 
that legen, zu Rathe, als vielmehr die Gutachten der* Geist* 



144 


liehen und Lehrer, die wir regelmässig über jeden Ankömm¬ 
ling einziehen, und so gelangten wir zu dem Ergebniss, dass 
je auf den 30. Juni zu lociren waren 


in die I. 

Classe. 

II. 

Classe. 

Knaben 

Mädchen 

Knaben 

Mädchen 

1862/63 4 

2 

11 

1 

1863/64 5 

3 

11 

2 

1864/65 9 

1 

18 

2 

1865/66 3 

— 

26 

6 

1866/67 4 

1 

15 

5 


In der Verpflegung der Gefangenen, besonders in 
Bezug auf die Nahrung ist eine Aenderung nicht einge¬ 
treten, ausser dass zu den Tagen, an welchen Fleisch verab¬ 
reicht werden soll, auch der Geburtstag der Königin hinzuge¬ 
kommen ist, so dass es nun solcher ausserordentlicher Fleischtage 
sieben sind. Im Uebrigen halten wir den alten Kochtarif fest 
und sehen streng auf Abwechslung, in welcher Beziehung uns 
die Wahrnehmungen und Wünsche, welche Director Ekert 
in seinen Mittheilungen über das Zellengefängniss in Bruchsal 
(Blätter für Gefängnisskunde, Band II. Heft 6 S. 13) ausge¬ 
sprochen hat, eine höchst erfreuliche Bestätigung unserer längst 
gemachten Erfahrungen sind. 

Dass der allgemeine Aufschlag des Preises aller Lebens¬ 
bedürfnisse, namentlich der uns immer nähergerückte Kriegs¬ 
schauplatz, im Jahre 1866 in gleicher Weise den Aufwand 
für Nahrung erhöhen musste, wie diese misslichen Umstände 
die Einnahmsquellen versiegen machten, bedarf wohl keines 
Nachweises und es hat sich daher der tägliche Aufwand 
für warme Kost berechnet: a. 1862/63 bei 8855 Portionen 
auf 617 fl. 23 kr.; b. 1863/64 bei 7353 P. auf 632 fl. 59 kr.; 
c. 1864/65 bei 8331 P. auf 931 fl. 23 kr.; d. 1865/66 bei 
11,146 P. auf 1430 fl. 24 kr.; e. 1866/67 bei 11,468 P. auf 
1402 fl. 55 kr., so dass 1 Portion kostet ad a. 4,1 kr., ad 
b. 5,1 kr., ad c. 5,1 kr., ad d. 7,7 kr., ad e. 7,3 kr. 

Das Brod wurde wie bisher im Submissionswege ge¬ 
liefert Es betrug der Rabatt, den der Bäcker an dem öffent/ 
liehen Brodpreise gewährt, der je am 15. eines Monats ^be¬ 
steht: 1862/63 17°/o, 1863/64 20®/o, 1864/65 25V4 # 0 , 

15%, 1866/67 7%. 




145 


B. Die Kleidung 

hat keinerlei Aenderung erlitten, dagegen hat man sich ver¬ 
anlasst gesehen, 

C. Die Lagerstätten 

zur Erzielung möglichster Reinlichkeit und Entfernung allen 
Ungeziefers von Eisen fertigen zu lassen und alle hölzernen 
nach und nach aus dem Hause wegzuschaffen. Diese nun 
aufgestellten eisernen Gestelle sind ein Fabrikat des Arbeits¬ 
hauses Ludwigsburg, nach einem aus der Strafanstalt zu 
Zwickau bezogenen Modelle. Wir besitzen vorläufig 30 Stück, 
welche zusammen einen Aufwand von 249 fl. 40 kr. verur¬ 
sachten, wornach also 1 Stück im Gewicht von 55V* Pfd. 
8 fl. 18*/j kr. kostete. Weitere 15 Stücke sind in Arbeit. 

D. Die Krankenpflege, 

und was damit sonst zusammenhängt, ist erfreulicher Weise 
diejenige Abtheilung unserer Thätigkeit, welche am wenigsten 
zu tbun machte, denn der Krankenstand war seit 1. Juli 1862 
fortwährend ein äusserst günstiger, so dass in unsern zu er¬ 
stattenden Quartalberichten fast immer die Worte „Krank ist 
Niemand® standen. Selbst die in den Spital aufgenommenen 
Individuen litten nur an vorübergehenden, kaum nennens- 
werthen Unpässlichkeiten. Geistesstörungen hatten wir nicht 
zu beobachten. Ein Selbstmordversuch wird unten noch näher 
berührt werden. 

Einen Todesfall hatten wir nicht. 

Während im vorigen Jahre die Masern in der ganzen 
Stadt und Umgegend so sehr unter den Kindern grassirten, 
dass da und dort die Schulen geschlossen waren, kam nicht 
ein einziger Erkrankungsfall bei uns vor und ebensowenig 
stellte sich die Pockenkrankheit ein, welche in den letzten 
Jahren in unserer Stadt und auf dem Lande epidemisch 
herrschte, und viele Opfer forderte. Es wurde desshalb auch 
unterm 4. April 1866 höheren Orts angeordnet, dass zum 
Zwecke der Verwahrung der Strafanstalten vor Einbruch der 
Pockenkrankheit, sowie im Interesse der allgemeinen Förderung 
der Revaccination in sämmtlicben Strafanstalten des Landes 



146 


alljährlich und zwar vorzugsweise zur Zeit der jährlichen 
Vaccination unter den Kindern möglichst viele Revaccinationen 
unter denjenigen Gefangenen, welche noch gar nie oder seit 
mindestens 10 Jahren nicht mehr revaccinirt worden sind, ge¬ 
macht werden, um soweit dies erreichbar, die Revaccination 
allmählig Über die ganze Sträflingsbevölkerung auszudehnen. 

Mit der Ausführung der Revaccination ist unter Auf¬ 
sicht und Anleitung des Hausarztes der Hauswundarzt beauf¬ 
tragt, und es ist ihm für jeden einzelnen Fall eine Belohnung 
von sechs Kreuzern ausgesetzt. Seitdem sind 52 Gefangene 
revaccinirt worden. 


Unser Aufwand für die Medicamente hat betragen: 

für die Gefangenen 
1862/63 10 fl. 28 kr. 

1863/64 3 fl. 34 kr. 

1864/65 6 fl. 38 kr. 

1865/66 14 fl. 13 kr. 

1866/67 9 fl. 9 kr. 


für die Offizianten 
14 fl. 47 kr. 

14 fl. 8 kr. 

9 fl. 37 kr. 

13 fl. 17 kr. 

3 fl. 16 kr. 


Der gegenüber dem Aufwand für Gefangene so starke 
Verbrauch für die Offizianten rührt von einem mehrere Jahre 
an der Schwindsucht hinsiechenden Aufseher her, welcher im 
Dezember 1866 gestorben ist. 


Beschäftigung der Gefangenen. 

Wir haben schon oben Veranlassung gehabt, den Fleiss 
unserer Sträflinge im Allgemeinen anzuerkennen. Dagegen 
machte uns die Beschaffung von Arbeitsaufgaben stets viele 
und schwere Sorge, die nur Derjenige beurtheilen kann, dem 
eine ähnliche Aufgabe gestellt ist. Für langzeitige Gefangene 
ist die Beschaffung der Arbeit weniger schwierig, weil diese 
ohne Ausnahme einem der im Hause betriebenen Gewerbe 
zugetheilt werden, für welche es, zumal bei minderem Ge¬ 
fangenenstande, nie an Arbeit fehlt. ge> 

Dagegen stehen wir oft sehr rathlos da, wenn eine^feufr# 
sere Anzahl von Knaben vorhanden ist, deren Strafzeit siits «r 
nach Wochen und Monaten berechnet, und die, weil vonß6jl 
rem Stande, von schwächlicher Constitution u. s. w. noch 




147 


körperlichen Beschäftigungen angehalten, Nichts verstehen and 
während ihrer kurzen Anwesenheit sich kaum Mühe geben 
wollen, Etwas zu lernen. Kann im Garten gearbeitet werden, 
so haben sie eben hier das Einfache und Geringe zu leisten; 
kann aber nicht ausgerückt werden, so müssen wir mit Allem, 
was uns Zeit und Gelegenheit gibt, zufrieden sein. So haben 
wir denn in den letzten 5 Jahren uns alljährlich mit Zupfen 
von Hopfen, mit Zerkleinern von Brenn-Holz, mit Schälen von 
Weiden, mit Ausschneiden von Figuren zu beweglichen Dar¬ 
stellungen in Bilderbüchern, mit Sortiren von Papierspähnen, 
Putzen von Sämereien, und ähnlichen Arbeiten befasst. 

An Gewerben wurden betrieben: die Buchbinderei, 
die Schreinerei, die Schusterei, die Schneiderei. 

Ueber die Vertheilung der Gefangenen auf diese ver¬ 
schiedenen Beschäftigungsarten nach ihrem täglichen Durch¬ 
schnitt gibt die angeschlossene Zusammenstellung speziellen 
Ausweis (Beil. 1) und es beträgt der reine Gewinn bei der 
Buchbinderei, Schreinerei, Schusterei, Schneiderei, 
1862/63 144 fl. 15 kr. 11 fl. 9 kr. 130 fl. 57 kr. 19 fl. 5 kr. 

1863/64 96 fl. 18 kr. 47 fl. 32 kr. 121 fl. 10 kr. 22 fl. 54 kr. 

1864/65 94 fl. 19 kr. 49 fl. 6 kr. 176 fl. 34 kr. 132 fl. 54 kr. 

1865/66 122 fl. 53 kr. 249 fl. 53 kr. 224 fl. 53 kr. 89 fl. 51 kr. 

1866/67 95 fl. 32 kr. 47 fl. 51 kr. 227 fl. 3 kr. 247 fl. 23 kr. 

Der übrige Arbeitsverdienst betrug mit Einschluss der 
Verdienste für Nähen und Flicken der Mädchen: 


für auswärtige Bestellungen, 

für die eigene Oeconomie 

1862/63 

212 fl. 28 kr. 

95 fl. 

52 kr. 

1863/64 

148 fl. 33 kr. 

74 fl. 

59 kr. 

1864/65 

116 fl. 35 kr. 

98 fl. 

29 kr. 

1865/66 

215 fl. 21 kr. 

105 fl. 

34 kr. 

1866/67 

169 fl. 51 kr. 

158 fl. 

4 kr. 


Hiernach wurden im Ganzen verdient: 


~ 1862/63 613 fl. 46 kr. und von 1 Gefangenen 25 fl. 21 kr. 

fc. 1863/64 511 fl. 26 kr. „ » » „ 25 fl. 19 kr. 

itd 1864/65 667 fl. 57 kr. „ „ „ „ 29 fl. 10 kr. 

S t 1865/66 1008 fl. 25 kr. „ „ „ „ 32 fl. 6 kr. 

üt 1866/67 945 fl. 44 kr. n i> » » 29 fl. 55 kr. 



148 


Mittel zur sittlichen Besserung der Gefangenen. 

Was 

a. die Kirche 

betrifft, so wird der Gottesdienst an Sonntagen und an einem 
Wochentag von den Geistlichen beider Confessionen in landes¬ 
üblicher Weise unter gleichzeitiger Theilnahme der Insassen 
beider Strafanstalten abgehalten: Nur in Betreff der in un¬ 
serer Schrift S. 48 enthaltenen Feier der confessionellen 
Fest- und Feiertage ist zu erwähnen, dass an denjenigen ka¬ 
tholischen Feiertagen, auf welche evangelische Feiertage ver¬ 
legt worden sind, kein evangelischer Gottesdienst gehalten, 
dagegen an den betreffenden evangelischen Feiertagen anstatt 
des regelmässigen Wochengottesdienstes über das einschlägige 
Feiertags-Evangelium gepredigt werden darf. 

Die Theilnahme der confirmirten Gefangenen an dem 
Genüsse des Abendmahls war stets eine rege und zahlreiche. 
Eine Confirmation, die bekanntlich unter gewissen Bedingungen 
zulässig ist, fand nicht Statt. Auch der abgewichene Zeitraum, 
über den wir berichten, hat bestätigt, dass durch liebevolle 
Theilnahme, die natürlich fern von Weichlichkeit sein muss, 
bei jugendlichen Gefangenen am meisten ausgerichtet wird. 
Ihre Herzen schliessen sich am meisten auf, wenn man sie 
Theilnahme fühlen lässt. Schon vermöge ihres Alters und 
ihrer äusseren Lage, ihrer Entfernung von Heimath, Eltern 
und Geschwistern sind sie der Liebe bedürftig, und dies 
um so mehr, wenn sie, wie so Viele unter ihnen, vorher 
wenig Liebe genossen haben; denn gar häufig sind sie un¬ 
eheliche Kinder und noch häufiger stammen sie von armen 
Familien ab, in Folge dessen sie vielfach als eine Last an¬ 
gesehen und entweder mit rauhem Wesen behandelt oder 
sich selbst überlassen, wo nicht gar zu Bettelei, zum Lügen 
und Stehlen angehalten wurden. 

Darum geben sie auch den Geistlichen vielfach zu er¬ 
kennen, dass sie dieselben als die Stellvertreter ihrer Ange- 
hörigen und als ihre nächsten Berather ansehen, denen sie 
ihre verschiedenen Anliegen anvertrauen. 

Unter diesen Umständen ist es den Geistlichen auch 
möglich, das Strafamt und Trostamt viel eingehender zu hand- V : 



149 


haben. Das Strafen, Ermahnen und Warnen wird bei den¬ 
jenigen Gefangenen vorherrschen müssen, die tiefer gesunken 
sind, und auf die Mitgefangenen leicht einen schlimmen Ein¬ 
fluss ausüben könnten. Das Trösten und Aufrichten dagegen 
muss bei einzelnen schüchternen Kindern, namentlich denen 
zartern Alters, oder bei solchen, die von Heimweh geplagt 
sind, in den Vordergrund treten. 

Von diesen Grundsätzen gehen dann auch die sämmt- 
lichen Beamten dieses Hauses, geistliche wie weltliche bei Be¬ 
handlung der Gefangenen fortwährend aus, und wenn wir 
nicht bei Allen die erstrebte Stufe von christlicher und sitt¬ 
licher Haltung erreichen, so ist neben der tiefen Verdorben¬ 
heit als Haupthindernis, das eine gründliche Erziehung und 
Bettung der Zöglinge besonders erschwert, der stete Wechsel 
in Eintritt und Austritt zu nennen, der jeden Lehr- und Er¬ 
ziehungsplan stört. Könnte es gesetzlich festgestellt werden, 
dass solche Kinder, die bis zu einem gewissen Alter in ein 
Vergehen fallen, (sei es, dass die Schuld der Kinder oder 
der Eltern vorherrscht), der häuslichen Erziehung (oder 
richtiger der Vernachlässigung) entnommen und durch gericht¬ 
lichen Spruch auf längere Zeit in eine Staatsanstalt gewiesen 
würden, so könnten sicherlich mehr Fälle entschiedener Bet¬ 
tung nachgewiesen werden. 

Das zweite Hauptmittcl zu Erreichung des Zweckes un¬ 
serer Anstalt, 


b. Die Schule 

hat auch in dem abgewichenen Zeitraum bewiesen, dass sie 
neben der Kirche am vorzüglichsten geeignet ist, die Absicht 
des Staates, die Besserung des Gefangenen, zu vermitteln, und 
ihn mit dem Gesetze zu versöhnen, dessen Schärfe ihn ge¬ 
troffen hat. Sie vermittelt ferner am besten die Gegensätze 
zwischen den früheren Verhältnissen des Gefangenen und de¬ 
nen der Anstalt, sie macht ihm sonach sein Loos erträglicher 
und bewahrt ihn vor Gedanken und Entschlüssen die dem 
Seelenleben Schaden bringen könnten, sie bewahrt ihn vor 
t i geistiger Versumpfung und arbeitet unablässig an der Stärkung 
iund Kräftigung des Willens. 



Die Mehrzahl der Schüler anerkennt offen und dankbar 
die Wohlthat, die ihnen in der Schule gegeben ist und sie 
bestätigen überdiess diese Gesinnung durch Fleiss, Fortschritte 
und Anhänglichkeit an die Person des Lehrers. 

Dennoch lässt sich nicht bestreiten, dass die Erfolge des 
Unterrichts bei vielen Subjecten in keinem Verhältniss stehen 
zu der aufgewendeten Zeit und Mühe. Die Gründe dieser 
Erscheinung liegen aber vor Allem in den eigentümlichen 
Verhältnissen, in denen die Anstaltsschule fortwährend sich 
zu bewegen hat. Der beständige Wechsel der Zöglinge mit j 
ihren Verschiedenheiten an Character, Sitten, Anlagen, Kennt¬ 
nissen, Fertigkeiten, ja sogar die Verschiedenheit der Dialeete, 
erschweren ungemein die Einhaltung der Grundsätze des 
Unterrichts und machen einen streng systematischen Unterricht 
geradezu unmöglich. Dieser Missstand kann stets nur durch 
reiche Gliederung einigermassen gehoben werden und es kommt 
dem die mässige Zahl der Schüler sehr zu statten. Aber 
auch in den Schülern selbst liegen die Hindernisse eines ge¬ 
deihlichen Unterrichts und zwar in der oft ganz abnormen : 
Armuth an Kenntnissen, mit der sie in die Anstalt kommen, i 
sei es nun, dass die frühere Schule ihre Schuldigkeit nicht 
an ihnen gethan hat, sei es, dass sie dieselbe nicht thun konnte, 
weil es am regelmässigen Besuch fehlte, oder der Schüler 
all weg seine Mitwirkung versagte. 

Eine stabile Erscheinung ist die, dass die Schüler einige 
Zeit nach ihrer Einlieferung einen hohen Grad geistiger Ab- • 
Spannung und eine offen zu Tag tretende Unlust am Unterricht 
zeigen. Der Grund liegt ohne Zweifel in den vora/UBgegamge- 
nen äussern, ausserordentlichen und oft zu intensiven' Einwir¬ 
kungen auf die noch zarten Geistes- und Seelenkräfte; Je 
empfänglicher diese sind, desto tiefgehender und länger dauernd 
zeigt sich diese Erscheinung, während sie bei verkommenen' 
Subjecten nur selten beobachtet wird. Man denke sich nur 
die Gemütbsbewegungen vor und nach dem Vergehen, den 
Moment der Entdeckung und Verhaftung, die ptötzÜehe Tren¬ 
nung von Eltern und Geschwistern, die Untersuchungshaft, 
die Verhöre und die Aburtiheilxmg vor dem Schwurgerichte 
und dergl. mehr. Hier gilt es nun, mit pädagogischem- Tatet 



151 


einzugreifen und die erschlafften Geistes- und Seelenkräfte 
wohlthätig zu ergänzen und zu stärken. 

Was die Unterrichtsgegenstände betrifft, so bestehen 
solche auch nach dem neuesten Xiehrplane neben 2 wöchent¬ 
lichen durch den Hausgeistlichen der betreffenden Confession 
ertheilten Religionsstunden in: Memoriren resp. Wiederholen 
des für die Schulen des Landes vorgeschriebenen religiösen 
Stoffes, wöchentlich eine Stunde; biblische Geschichte in zwei 
wöchentlichen Stunden. Die übrigen Stunden vertheilen sich 
auf Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen, deutsche Sprache mit 
Aufsatzübung und Geographie; Letzteres nur für die vorge¬ 
rückteren Schüler. In den Stunden für Memoriren, biblische 
Geschichte und Uebung im Kirchengesang sind die Schüler 
nach Confessionen getrennt. Das eigentliche Auswendiglernen 
geschieht am Sonntag, die jedesmalige Aufgabe wird dann in 
der ersten Schulstunde am Montag von dem Iiehrer der be¬ 
treffenden Confession abgehört; die neue Aufgabe wird gelesen 
und sachlich und sprachlich erläutert. Beim Unterricht in 
der biblischen Geschichte wird bei den schwächeren Schülern 
ein kürzerer Auszug mit ausgewählten Geschichten benützt; 
bei den vorgerückteren evangelischen Schülern geschieht dieser 
Unterricht an der Hand der Bibel, wobei geeignete Abschnitte 
gelesen und die Schüler in den Zusammenhang der biblischen 
Geschichte als Ganzes, eingeführt werden. 

Da die Lectionen für Gesang (wöchentlich eine Stunde) 
zur Hinübung der gebräuchlichsten Kirchenmelodien bestimmt 
sind, so sind auch hierbei die Schüler nach ihren Confessionen 
abgetheilt. Daneben werden noch an den Sonntagen ver¬ 
schiedene, zum Tbeil auch nicht gerade religiöse, passende 
Lieder mehrstimmig eingeübt und gesungen. In den übri¬ 
gen Fächern sind die Schüler nicht nach Confessionen, 
sondern nach ihren Kenntnissen und Fähigkeiten in zwei 
Hauptabtheilungen getheijt, welche von je einem der bei¬ 
den Lehrer nach dem jeweiligen Bedürfniss wieder in 
mehrfache. Unterabtheilungen gebracht: und unterrichtet wer¬ 
den. Die obere Hauptabtheilung kann sich wenigstens mit 
der Oberklasse, einer guten Volksschule messen und steht 
zum Theil auf gleicher Stufe mit einer weitergehenden, guten 



152 


Fortbildungsschule. Dagegen treten, wie schon bemerkt, auch 
Schüler ein, welche kaum ihren Namen, sonst nichts schreiben 
und fast gar nicht lesen können. Mit diesen unteren und 
oberen, sowie den entsprechenden Zwischenstufen sind in der 
Schule der jugendlichen Gefangenen so ziemlich alle Kenntnisse 
stufen einer Volksschule repräsentirt. 

In der ersten Hauptabtheilung haben die Schüler u. A. 
Anleitung und Uebung in den verschiedenen schriftlichen 
Arbeiten, wie solche im gewöhnlichen, namentlich auch im 
gewerblichen Leben Vorkommen, besonders im Abfassen von 
Briefen; ebenso wird beim Rechnen, nebst dem Bedürfnis3 
für das landwirtschaftliche, besonders das für das gewerbliche 
Leben berücksichtigt und u. A. auch geometrisches Rechnen 
(Flächen- und Körperberechnung) geübt. 

Eine besondere Schülerabtheilung bilden solche Gefan¬ 
gene, welche vor ihrem Eintritt in die Strafanstalt eine Real¬ 
schule mit gutem Erfolg durchgemacht oder in einem kauf¬ 
männischen Geschäft ihre Lehrzeit teilweise erstanden haben. 
Solchen ist Gelegenheit gegeben, sich im höheren Rechnen, 
in Correspondenz, sowie in der französischen Sprache weiter 
zu bilden. Dies geschieht teils in solchen Stunden, welche 
nach dem Lectionsplan für die übrigen Schüler zur Uebung 
im Lesen und Schönschreiben bestimmt sind, (welcher Uebung 
die in Rede stehenden Schüler nicht mehr bedürfen) teils 
an den Sonntagen. 

Seit zwei Jahren sind die für die evangelischen und 
katholischen Volksschulen Württembergs bestimmten Lese¬ 
bücher auch in unserer Schule eingeführt und werden dieselben 
nicht blos zur Leseübung, sondern auch zu sprachlichen Uebun- 
gen benützt. Ferner dienen die geographischen Abschnitte 
des Lesebuches als Grundlage beim Unterricht in der Geo¬ 
graphie, und wenn man in unserem Leclionsplane besondere 
Stunden für allgemeine und vaterländische Geschichte und 
für Naturkunde vermisst, so werden diese scheinbaren Lücken 
durch die Behandlung der betreffenden Abschnitte in den ge¬ 
nannten Lesebüchern in den Stunden für „Lesen“ ausgefüllt. 
Zur weiteren Förderung der Kenntnisse in Geschichte, Geo¬ 
graphie und Naturkunde bietet den Gefangenen auch die 



153 


Bibliothek der Anstalt Gelegenheit. Dieselbe hat sich in den 
letzten fünf Jahren um 82 Nummern vermehrt und zählt deren 
jetzt 341. 

Bei der Auswahl der Schriften kommen uns nicht selten 
die durch Trefflichkeit und Gründlichkeit sich auszeichnenden 
und deshalb höchst dankenswerthen Kritiken der neuen für 
Strafanstalten geeigneten Schriften, wie solche das Organ unse¬ 
res Vereins von Zeit zu Zeit zu bringen pflegt, sehr zu statten. 

Disciplinarstrafen und Belohnungen. 

Nachdem schon oben des Fleisses unserer Sträflinge im 
Allgemeinen Erwähnung geschehen ist, haben wir hier auch 
des sonstigen Benehmens und Betragens, wie auch der Kehr¬ 
seite dieses, und deren Folgen, der Disciplinarstrafen 
zu gedenken, die zu. erkennen waren, von welchen kommen 
auf 1862/63 0, 1863/64 1, 1864/65 2, 1865/66 8, 1866/67 5. 

Die erkannten Strafen bestanden meist in schmaler Kost 
oder einsamer Einsperrung; eine körperliche Züchtigung 
wurde gar nie angeordnet. Je erfreulicher schon die 
geringe Zahl dieser Strafen ist, um so angenehmer berührt 
es, noch anführen zu können, dass dieselben nur geringe Ver¬ 
gehen und meist die verdorbensten Subjecte betrafen, mit deren 
Ausnahme unsere Gefangenen in allen Theilen willig und ge¬ 
horsam sind und unter sich Frieden und Eintracht halten, 
so dass wir ihr Betragen gewiss mit vollem Recht als ein 
durchweg gutes prädiciren können. Nicht wenig trägt hiezu 
der Umstand bei, dass immer einige Subjecte vorhanden sind, 
bei denen der Zweck ihres Hierseins und unseres Hauses 
sich bald erfüllt und deren Beispiel dann vom besten Einfluss 
auf die übrigen ist. 

Nur ein schon wiederholt wegen Diebstahls bestrafter, 
grundverdorbener Knabe hat in der allerneuesten Zeit einen 
Fluchtversuch unternommen und liess sich zum Zwecke des¬ 
selben noch weiter beigehen, vom Garten aus in die Wohnung 
des Lehrers einzusteigen, hier sich in dessen Sonntagsanzug 
zu stecken, um sodann von hier aus mit einer grösseren, aus 
dem Pulte entwendeten Geldsumme über die Mauer zu ent“ 
kommen. Er wurde aber noch vorher vermisst und entdeckt 


11 



154 


und hat nun sein Verbrechen, das den zweiten Rückfall in 
den Diebstahl bildet, mit einer weiteren Strafe von 1 Jahr 
und 9 Monaten Arbeitshaus zu büssen. 

Viele Sorgen und Kummer machte uns ein löjähriges 
Mädchen, das wegen mehrfacher Brandstiftungen zu öjährigem 
Zuchthaus verurtheilt, im September 1866 in’s Haus kam. 
Nachdem ihre That und ihre Persönlichkeit überhaupt schon 
während der Voruntersuchung Zweifel an ihrer vollen Zu¬ 
rechnungsfähigkeit entstehen Hess, die aber durch Begutachtung 
der höchsten Medizinalbehörde beseitigt wurden, benutzte das 
Mädchen im November 1866 einen unbewachten Augenblick, um 
in das Zimmer der Aufseherin zu gelangen, und sprang sofort 
noch am dunkeln Morgen durch das Fenster 36 Fuss hoch 
herunter in den Garten, wo sie nach längerem Suchen, auf 
dem steinernen Trottoir liegend, bewusstlos gefunden wurde. 
Ohne ein Glied verletzt zu haben, war sie nach wenigen 
Tagen wieder vollständig hergestellt. Seitdem versuchte sie 
sich zu erhängen. Ueber weitere Angewöhnungen der schlimm¬ 
sten Art hat sie dem Vorstande erst kürzlich Entdeckungen 
gemacht; sie ist mit Einem Worte ein böses Wesen der 
schlimmsten Art und man muss bei ihr auf Alles gefasst Bein. 
So traurig solche Erfahrungen, so erfreulich, erhebend, er- 
muthigend sind auch wieder andere, wenn wir hinblicken auf 
Diejenigen, die, brav und reif geworden durch die Erziehung 
in unserem Hause, sich auch nach der Entlassung noch oft ge¬ 
drungen fühlen, durch Briefe und Besuche uns ihr stets dank¬ 
bares und anhängliches Herz zu beweisen. Solchen zollen 
wir Anerkennung durch Prämien und nicht selten wird ihnen 
die Gnade des Königs zu Theil. Die ersteren haben betragen: 
1862/63 13 fl. 18 kr., 1863/64 2 fl. 48 kr., 1864/65 6 fl. 6 kr., 
1865/66 4 fl., 1866/67 3 fl. 6 kr. 

Begnadigungen erfolgten: 1862/63 5, 1863/64 2, 

1864/65 3, 1865/66 2, 1866/67 2. 

Die Nachrichten, die über die Begnadigten von Zeit zu 
Zeit einlaufen, bestätigen das Wohlverhalten aller, so dass wir 
auch von diesen, wie von unsern früheren Begnadigten die 
■\, schöne Thatsache wiederholt und ganz besonders betonen 
können, dass nicht ein Einziger wiedergekommen ist« 



155 


In unserer früheren Abhandlung S. 56 haben wir mehr¬ 
facher Uebelstände in Betreff der 

Entlassung der Gefangenen 
Erwähnung gethan. Heute haben wir die Genugthuung, sagen 
zu können, dass denselben abgeholfen ist. Mit Genehmigung 
des Kgl. Justizministeriums sind nämlich unterm 8. Mai 1865 
von dem Kgl. Strafanstalten-Collegium die Bestimmungen über 
die Reiseuntersttttzungen mittelloser Gefangenen dahin er¬ 
weitert worden, dass den letzteren bei einer Ortsentfernung 
von 4 bis 6 Stunden neben der Brodration noch ein Zehrgeld 
von im Ganzen 6 kr. zu verabreichen, bei einer mehr als 
sechsstündigen Entfernung des Heimathorts aber statt des bisheri¬ 
gen Reisegelds von 1 kr. durchaus ein solches von 2 kr. per Weg¬ 
stunde auszubezahlen ist. Ausserdem wird der Verwaltung 
die Ermächtigung ertheilt, bei mehr als 6 bis 10 stündiger 
Entfernung der Heimath des zu Entlassenden, wenn also die¬ 
ser sein Reiseziel am Tage der Entlassung zu Fuss nicht 
erreichen könnte, für denselben eine Karte zur Benützung der 
Eisenbahn oder einer sonstigen regelmässigen Fahrgelegenheit 
zu kaufen, in welchem Falle dann dem Reisenden nur ein 
verhältnissmässiges Zehrgeld von höchstens 12 kr. per Tag 
und wenn die Fahrt nicht auf die ganze Reise ausgedehnt 
werden kann, der auf den Rest der Entfernung des Bestim¬ 
mungsortes sich berechnende normalmässige Reisegelds-Beitrag 
von 2 kr. per Stunde einzuhändigen ist. 

Seitdem sind Klagen oder gar Beschwerden über unge¬ 
nügende Reiseunterstützungen nicht mehr zur Kenntniss der 
Verwaltung gekommen. 

Die Reiseunterstützungen, die zu gewähren waren, haben 
betragen: 1862/63 9 fl. 38 kr., 1863/64 3 fl. 33 kr., 1864/65 
10 fl. 54 kr., 1865/66 8 fl. 29 kr., 1866/67 8 fl. 59 kr. 

Die Geringfügigkeit dieser Beträge erklärt sich daraus, 
dass auf unser Betreiben weitaus in den meisten Fällen von 
den Angehörigen der Entlassenen für die Heimreise, sei es 
durch Uebersendung von Geld, sei es durch persönliche Ab¬ 
holung die hauptsächlichste Vorsorge getroffen wird. 

Wenn wir es uns dann in der Regel angelegen sein 
lassen, auch nach der Entlassung für die weitere Ausbildung 

11 * 



156 


der einzelnen Individuen zu sorgen, wozu die Unterstützungen 
des Vereins zur Fürsorge für entlassene Strafgefangene immer 
das parateste Mittel sind, so mussten wir auch leider schon 
mehrfach die traurige Erfahrung machen, dass die wohlge¬ 
meintesten Absichten an verkehrten und mangelhaften An¬ 
schauungen der Eltern der Entlassenen scheiterten, welche die 
besten Gelegenheiten zur Aufnahme und Weiterbildung ihrer 
Kinder in den passendsten Häusern und bei den tüchtigsten 
Lehrherrn aus Misstrauen oder gar aus Eigennutz zurück¬ 
wiesen und entschieden verweigerten, so dass Alles, was ein 
junger Mensch hier' während mehrerer Jahre mit Fleiss und 
Geschick Tüchtiges gelernt hatte, rein umsonst war, wir 
selbst aber unsere traurigen Erfahrungen und Enttäuschungen, 
an denen das Leben und Wirken eines Strafanstaltsbeamten 
wahrlich ohnedies reich genug und reicher ist, als jeden an¬ 
dern öffentlichen Dieners, um eine nur allzugrosse Zahl be¬ 
reichert sehen mussten. 

/ 

Schliesslich wird über 

das Finanzielle 

unserer Anstalt, soweit es nicht im bisherigen geschehen, nach¬ 
folgende Zusammenstellung der Rechnungs-Ergebnisse (Beil. 2) 
jeden^gewünschten Aufschluss geben. 



167 


Beilage 1. 

Verschiedene Arten der Beschäftigung der 

Gefangenen. 

Durchschnitt des Jahrs 1862/63: 

Gesammtzahl: männlich 19,8, weiblich 4,3. Beschäftigt 
waren: a) für auswärtige Bestellungen mit Nähen, Stricken, 
Sticken 2,5, Taglohnsarbeiten 3,8, Gartenarbeiten 0,1; b) fiir 
den eigenen Gewerbebetrieb mit Schneiderei und Nätherei 3,1, 
Stricken, Sticken 2,5, Schusterei 1,1, Holzarbeiten —, Buch¬ 
binderei 1,2, Schreinerei 0,3; c) für die Regie der Anstalt 
mit Gartenarbeiten 2,2, Stricken und Nätherei 1,6, oeconomi- 
schen Verrichtungen 2,7. Zusammen: männl. 17,3, weibl. 3,8. 
Unbeschäftigt incl. Sonn- und Festtage: Arbeitsfrei 2,9, ge¬ 
brechlich —, krank 0,1. Zusammen: männl. 19,8, weibl. 4,3. 

Durchschnitt des Jahrs 1863/64: 

Gesammtzahl: männl. 16,4, weibl. 3,8. Beschäftigt wa¬ 
ren: a) für auswärtige Bestellungen mit Nähen, Stricken, 
Sticken 1,9, Holzspalten 0,8, Hopfenzupfen 0,6, Lehrlinge —, 
Taglohnsarbeiten 1,4, Coloriren —, Gartenarbeiten 0,1.; b) für 
den eigenen Gewerbebetrieb mit Leinwandbereitung —, Schnei¬ 
derei und Nätherei —, Schusterei 1,2, Holzarbeiten 1, Buch¬ 
binderei 1,3, Schneiderei 0,4, Lehrlinge 2,0; c) für die Regie 
der Anstalt mit Sonstigem 0,1*, Holzspalten 0,6, Reinigen 1,4, 
Gartenarbeiten 1,8, Stricken und Nätherei 1, oeconomischen 
Verrichtungen 0,1. Zusammen: männl. 13,4, weibl. 3,4. Unbe¬ 
schäftigt incl. Sonn- und Festtage: Arbeitsfrei 3,3, gebrech¬ 
lich —, krank 0,1. Zusammen: männl. 2,3, weibl. 1,1. 

Durchschnitt des Jahrs 1864/65: 

Gesammtzahl: männl. 20,2, weibl. 2,7. Beschäftigt wa¬ 
ren: a) für auswärtige Bestellungen mit Nähen, Stricken, 
Sticken 0,6, Holzspalten 1,9, Hopfenzupfen 0,7, Lehrlinge —, 
Gartenarbeiten 0,2, Taglohnsarbeiten 1,8, Coloriren —; b) für 
den eigenen Gewerbebetrieb mit Leinwandbereitung —, Schnei¬ 
derei, Nätherei 0,5, Schusterei 4,9, Holzarbeiten 1,4, Buch¬ 
binderei 1,9, Lehrlinge 3,5; c) für die Regie der Anstalt mit 
Sonstigem 0,3, Reinigen 2, Holzspalten 1, Gartenarbeiten 2,8, 
Stricken und Nätherei 1,7, oeconomischen Verrichtungen —. 



158 


Zusammen: männl. 19,7, weibl. 2,5. Unbeschäftigt incl. Sonn- 
und Festtage: Arbeitsfrei 0,4, gebrechlich —, krank 0,3. 
Zusammen: männl. 0,5, weibl. 0,2. 

Durchschnitt des Jahrs 1865/66: 

Gesammtzahl: männl, 27,7, weibl. 3,6. Beschäftigt wa¬ 
ren: a) für auswärtige Bestellungen mit Nähen, Stricken, 
Sticken 0,2, Hopfenzupfen 0,6, Holzspalten 3,2, Taglohnsarbei¬ 
ten 2,5, Goloriren —; b) für den eigenen Gewerbsbetrieb mit 
Leinwandbereitung —, Schneiderei, Nätherei 0,9, Schusterei 2,4, 
Holzarbeiten 4,6, Buchbinderei 2,2, Sonstigem 0,4, Stricken 
und Nähen 2,9, Gartenarbeiten 1,6; c) für die Regie der 
Anstalt Lehrlinge 0,8, mit Hausgeschäften 0,4, Reinigen, Holz¬ 
spalten 2,0. Zusammen: männl. 21,1, weibl. 3,6. Unbeschäf- ! 
tigt incl. Sonn- und Festtage: Arbeitsfrei 6,1, gebrechlich —, 
krank 0,5. Zusammen: männl. 6,6, weibl. —. 

Durchschnitt des Jahrs 1866/67. 

Gesammtzahl: männl. 24,3, weibl, 7,3. Beschäftigt wa¬ 
ren; a) für auswärtige Bestellungen mit Nähen, Stricken, 
Sticken 1,7, Hopfenzupfen 0,2, Bilderausschneiden 1,3, Tag¬ 
lohnsarbeiten 3,2, Coloriren —; b) für den eigenen Gewerbs¬ 
betrieb mit Leinwandbereitung 3,4, Schneiderei und Näthe¬ 
rei 1,2, Schusterei 2,4, Holzarbeiten —, Buchbinderei 1,8, j 
Schreinerei 1,1, Stricken 1,2; c) für die Regie der Anstalt ] 
mit Gartenarbeiten 2,4, Nätherei —, oeconomischen Verrich- , 
tungen 5,7. Zusammen: männl. 22,7, weibl. 2,9. Unbeschäf- • 
tigt incl. Sonn- und Festtage: Arbeitsfrei 5,7, gebrechlich —, 
krank 0,3. Zusammen: männl. 4,7, weibl. 1,3. 



159 





160 


Berichtigungen. 

in. 1 . Heft. S. 16, Z. 2 v. u. lies „Gemeinschaftshaft“ an¬ 
statt Gemeinschaft. 

S. 20, Z. 3 v, u. lies „Chatham“ statt Chatam. 

S. 32, Z. 16 v. o. lies „keine“ statt eine. 


* Inhalt. 

Seite. 

I. Die Uebertragbarkeit des Irländischen Gefängnisssystems auf 

deutsche Verhältnisse. Von Director Elvers ... 89 

H. Die Strafanstalt fiir jugendliche Verbrecher in Schwäbisch 

Hall. Von Oberjustizassessor Jeitter, Vorstand der Anstalt 141 


/ 

J 



Blätter 


S*»VT 


für 

iefängnisskunde» 




Organ des Vereins der deutschen Straf¬ 
anstaltsbeamten. 

Unter Mitwirkung des engeren Vereins- 
Ausschusses redigirt 

von 

G. Ekert, 

Director des Zellengefängnisses In Bruchsal, Bitter des konigl. sechs. Albrecht-Ordens. 





e 


Heidelberg. 

In Commission bei G. Weiss. 

(A. Emmerling'sehe Universitäts-Buchhandlung.) 


1868. 

Druck von L. Rodrian in Bruchsal, 






Verhandlungen 


der 

Versammlung der deutschen Straf« 
anstaltsbeamten 


in 


Dresden 

vom 3.—5. September 1867. 


Nach den stenographischen Aufzeichnungen. 


OVWWVWW 




Vorwort. 


Die Verhandlungen der zwei Hauptversammlungen zu 
Dresden sind zwar stenographirt und werden nachfolgend in 
möglichster Treue wiedergegeben. Dennoch ist es nöthig, 
ihnen einige Worte vorauszuschicken, zumal über die Sitzungen 
des Ausschusses und der Abtheilungen besondere Protocolle 
nicht geführt wurden. Ausserdem aber war der Eindruck, 
den man durch die Versammlung und Alles, was dabei ge¬ 
boten war, erhielt, ein so überwältigender, dass auch hierüber 
Einiges berichtet werden muss. Wir müssten entschieden 
bedauern, dass die gegenwärtigen Zeilen nicht gleich unter 
jenem frischen Eindruck geschrieben wurden, wäre nicht 
dieser Eindruck ein eben so nachhaltiger, gewiss in den Her¬ 
zen aller Theilnehmer stets lebendiger. 

Das Ganze der Versamnrtlung verlief im Allgemeinen 
nach dem ausgegebenen Programm. Doch war dabei noch 
bedeutend Mehr, wovon unten weitere Mittheilung. 

Das von der königl. sächsischen Staatsregierung zur 
Verfügung gestellte Versammlungslocal, — der Sitzungssaal 
der II. Kammer der Landstände nebst einigen angrenzenden 
kleineren Sälen für die Abtheilungen etc. — war nicht nur 
dem Zweck vollkommen entsprechend, sondern in jeder Hin¬ 
sicht prachtvoll. Die Königl. Kegierung hat sämmtliche Kosten 
der Ausstattung und der Bedienung etc., sowie die Stellung von 
Stenographen für die Hauptversammlungen übernommen. Die 
erhobenen Beiträge fielen sonach fast ganz in die Vereinsskasse. 

In der ersten Sitzung des Ausschusses am 3. September 
wurde der Geschäftsbericht vorgetragen, den wir mit dem 
Berichte in der 1. Hauptversammlung selbst S. 163—168, um 
Wiederholungen zu vermeiden, vereinigt haben. In Betreff der 
Normalstatistik wurde nach kürzerer Debatte der Beschluss 
gefasst, welchen sammt Motivirung (S. 187 und 1881 der Unter¬ 
zeichnete mittheilte. Endlich einigte man sich über den Vor¬ 
schlag von Präsidenten und Schriftführern der Versammlung. 

Die Abtheilungen constituirten sich am Abend des 4. Sep- 



tember; die 2. war, wie vorauszusehen, wenig zahlreich, die 
3. und besonders die 1. hatten dagegen viele Theilnehmer. 
In der ersten führte der Unterzeichnete, in der 3. Pfarrer 
Müblhäusser den Vorsitz. In beiden Abtheilungen beschloss 
man, die ins Programm aufgenommenen Gegenstände nur zu 
berathen, dagegen keine Beschlüsse darüber zu fassen, weil 
eben diese doch in der Versammlung gefasst werden und man 
hier nicht vorgreifen wollte. Die Verhandlungen der Abtheilungen 
werden sich künftig insofern fruchtbarer machen lassen, wenn 
sich einzelne Stoffe durch die Discussion darin abklären und 
dann etwa für die einzelnen Ansichten je nur ein Sprecher bei 
der Hauptversammlung in den Abtheilungen festgestellt wird. 

Ueber den Inhalt der Verhandlungen der 1. und 3. Ab¬ 
theilung wurde in der 2. Hauptversammlung das Wesentlichste 
mitgetheilt und ist dort zu ersehen. 

In der zweiten Sitzung des Ausschusses am 5. September 
wurde lediglich der Vorschlag für die künftigen Ausschuss¬ 
mitglieder festgestellt, wie solcher in dem Protocoll der 
2. Hauptversammlung enthalten ist. 

Von dem kön. sächs.'Ministerium des Innern, Abtheilung für 
Straf- und Versorgungsanstalten, wurden zur Vertheilung an die 
Mitglieder der Versammlung eine Anzahl Exemplare der gedruck¬ 
ten „Statistischen Nach Weisungen über die allgemeinen Strafanstal¬ 
ten des Königr. Sachsen* mit folgender Bemerkung übergeben: 

„Als Ausgangs 1865 die Cholera die Strafanstalt Zwickau 
in nächster Nähe bedrohte, wurde ebenso im speciellen In¬ 
teresse der Anstalt und der Stadt, als im allgemeinen Landes- 
Interesse, um der Entwickelung eines gefährlichen Krankheits¬ 
herdes vorzubeugen, von dem Justizministerium genehmigt, 
dass nach Umständen erkannte Arbeitshausstrafen im Falle 
ausdrücklichen Einverständnisses des Verurtheilten in kürzere 
Zuchthausstrafe (unter Wegfall der nachtheiligen Folgen der 
letzteren) bezw. in längere Gefängnissstrafe verwandelt wurden.* 

Vielerlei Beweise von Aufmerksamkeit, Werthschätzung 
und Auszeichnung sind der Versammlung und ihren Theil- 
nehmern geworden. 

Obenan steht die allerhöchste Gnade. Se. Majestät der 
König Johann Sachsen, Höchstweiche bekanntlich} schon 



VII. 


lange den lebhaftesten Anlheil an dem gesammten Gefangniss- 
wesen, nicht minder auch an der Entwicklung des Vereins 
nehmen, haben allörgnädigst geruht, sich die sämmtlichen Mit¬ 
glieder der Versammlung vorstellen zu lassen. Die Audienz fand 
am 5. September, Mittags 1 Uhr, statt und geruhten Se. Maje¬ 
stät, an die einzelnen Theilnehmer huldvolle Worte zu richten. 

Einen weiteren Beweis des allerhöchsten Wohlwollens 
gaben Se. Majestät dem Verein bezw. der Versammlung da¬ 
durch, dass Höchstdieselben unterm 11. September 18(37 dem 
Unterzeichneten in Anerkennung seiner verdienstlichen Bestre¬ 
bungen auf dem Gebiete des Gefängnisswesens das Ritterkreuz 
des Albrechtordens verliehen haben. 

Die wohlwollendsto Aufnahme und thatkräftigste Unter¬ 
stützung fanden die Versammelten auch insbesondere von den 
Herren Minister v. Nostiz-Wallwitz Excellenz, Ministerial- 
director Geheimen Rath Körner, Generalstaatsanwalt Dr. 
Schwartze, Geh. Reg-Rath und Abtheiiungs-Vorstand v. Zahn 
und Reg.-Rath Jäppelt. Herr Jäppelt hatte insbesondere die 
Güte, die äussern Veranstaltungen zur Versammlung zu über¬ 
nehmen und führte solche in der gelungensten und liebens¬ 
würdigsten Weise aus. 

Von dem ersten Empfange bei der Ankunft an, wo die 
Gäste mit kleinen, eigens für diese Veranlassung gedruckten 
Wegweisern ausgestattet wurden, bis zum letzten Abende war 
für Alles bis ins kleinste Detail mit der aufmerksamsten 
Pünctlichkeit vorgesorgt. An den Abenden versammelte man 
sich regelmässig in der Hellwig’schen Restauration an der 
Elbe, woselbst ein Saal zur ausschliesslichen Verfügung stand. 
Der Mittag des 4. September vereinigte die Theilnehmer zu 
einem Diner im Belvedere der Brühl’schen Terasse; am 5. Sep¬ 
tember waren die Gäste von der K. Regierung zu einer Dampf¬ 
schifffahrt nach Meissen eingeladen. Auf dem Verdecke des 
Schiffes fand ein Gabelfrühstück statt, welches unter ernsten 
und humoristischen Toasten bei den Klängen der Musik erst 
vor der Ankunft in Meissen endete, nachdem die Stimmung 
eine bedeutend gehobene geworden war. In Meissen besich¬ 
tigte man unter Führung des Hrn. Ober-Landbaumeisters 
Haenel die in der Restauration begriffene herrliche Albrechts- 



VIII. 


bürg, das Stammschloss des regierenden königlichen Hauses. 
Die Rückfahrt geschah bis Neustadt-Dresden mit der Eisenbahn, 
dann aber wieder mittelst Dampfschiffs; diese letztere Fahrt 
bei Nacht war durch die Beleuchtung an der Elbe besonders 
bemerkenswerte 

Am 6. Sept. fand noch ein Ausflug in die sächsische Schweiz 
auf die Bastei statt, der unter Begleitung einiger der oben ge¬ 
nannten Herren des Schönen und Genussreichen sehr Vieles bot. 

Leider gestattet uns der Raum nicht, Alles, was uns in dem 
schönen Lande geworden ist, eingehender zu beschreiben, so 
sehr wir uns dazu gedrängt fühlen. Die wenigen Andeutungen 
werden aber wohl genügen, um unsere oben ausgesprochene 
Ansicht von der Gelungenheit des Ganzen zu rechtfertigen. 
Rechnet man zu Allem noch das, was die herrliche Stadt Dresden 
und ihre Umgebung bieten, erwägt man, dass die in ihrer Art 
einzigen Sehenswürdigkeiten derStadt mit seltener Liberalität von 
der k. Regierung uns zugänglich gemacht waren, so wird es ein¬ 
leuchten, dass wir nicht zu viel gesagt. Wir wünschen nur, es 
möchte der Ausdruck unserer Anerkennung von den Spendern 
alles Gegebenen ebenso lebhaft und nachhaltig empfunden werden, 
als der Eindruck alles Gebotenen in uns ein nie erlöschender ist. 

Wie aber auf der Welt nichts vollkommen wird, so 
mischen sich auch hier in den Kelch genossener Freude einige 
Tropfen bitteren Wermuths. Der Tod des allverehrten und 
verdienten Mittermaier, der unmittelbar vor der Versammlung, 
und der Tod unseres wackeren Mitarbeiters Mühlhäusser, der 
bald nach der Versammlung erfolgte, hat Alle, welche diese 
edeln Männer kannten, tief betrübt. — Bewahren wir ihnen 
im treuen Herzen ein ehrendes Andenken. — 

Benützen wir aber die gehabte, so tiefgehende Anregung 
als Sporn zur weiteren, so Gott will, segensreichen Thätigkeit 
und danken wir vor Allem diese Anregung unsern Gönnern 
und Freunden in dem schönen Lande Sachsen. 

Bruchsal, im Januar 1868. 

Namens des Vereins-Ausschusses, 

Der Präsident desselben: 

Ekert. 









I. Hauptversammlung 

des 

Vereins der deutschen Strafanstaltsbeamten. 

Dresden, 4. September 1867. 


Staatsminister v. Nostiz-Wallwitz eröffnet die Ver¬ 
sammlung um 9 Uhr mit folgender Ansprache: 

Lassen Sie mich, meine hochgeehrten Herren, im Namen 
der Sachs. Regierung Sie herzlich willkommen heissen in dem 
Lande und in der Stadt, die Sie sich zur Stätte Ihrer dies¬ 
jährigen Verhandlungen auserwählt haben. Die Sächs. Regie¬ 
rung hat seit lange den Fragen und Aufgaben, zu deren ge¬ 
meinschaftlichem Studium und Lösung Sie sich vereinigt haben, 
eine gewissenhafte Aufmerksamkeit gewidmet. Sie findet dazu 
neben den, für jede geordnete staatliche Vereinigung gemein¬ 
samen wichtigen, allgemeinen Interessen der Strafrechtspflege, 
in den mannigfach verzweigten Erwerbs- und Verkehrsver- 
hältnissen eines dicht bevölkerten Landes eine erhöhte Veran¬ 
lassung und ich darf hinzuftigen, in dem speciellen und ein?, 
gehenden Interesse, welches Se. Majestät der König nament¬ 
lich auch dem Zweige der Staatsverwaltung, auf dessen Gebiete 
sich Ihre Erörterungen bewegen, zu Theil werden lässt, eine 
stets erneute Aufmunterung. Sie ist daher mit lebhaftem 
Interesse dem Entstehen und Wachsthum Ihres Vereins gefolgt, 
aber nicht blos das, sondern sie hat auch bereits begonnen, 
die Ergebnisse Ihrer Beräthungen, wo die Füglichkeit sich 
bot, practisch zu verwerthen. Je mehr sie in Ihrem Verein 
einen wichtigen Factor erblickt zu sichererem und rascherem' 

Blätter für Gefängnisskunde in. £2 




Fortschreiten auf der betretenen Bahn, um so unverhohlener 
spreche ich meine Freude darüber aus, dass die Stü^ 1 
vergangenen Jahres Ihre Sitzungen zwar unterbrocL r ^ ^jj 
den frisch gepflanzten Keim nicht vernichten und der Ent- I 
Wickelung Ihres Unternehmens nicht hindernd haben entgegen i 
treten können. Der Saal, in welchem Sie Ihre Berathungen 
zu beginnen im Begriffe sind, ist seit fast eisern Jahrhundert 
den Erörterungen der wichtigsten Interessen des Landes ge- : 
widmet. Seine Geschichte hat manchen Beweis geliefert von ; 
gewissenhafter Prüfung, von ernstem wissenschaftlichem Sinn, j 
von männlichem Freimüth und von warmer Hingebung an die 
grossen Interessen der menschlichen Gesellschaft. Ihre Be¬ 
rathungen werden diesen Beweisen neue hinzufügen. 

Mögen Sie neue Bausteine liefern zu dem grossen Werke, 
an dem Sie gemeinsam arbeiten und das der Befestigung und 
Sicherung «der Grundlagen der staatlichen Gesellschaft und 
den höchsten Zwecken der "CiviliBatioft zugleich gewidmet ist! ; 

Zu Ziff. 2 der Tagesordnung schlägt Direötor E k e r t j 
aus Bruchsal im Namen des Ausschusses zum Präsidenten 
der Versammlung den Generaistaatsanwält Df. Sohwartze aus 
Dresden vor, Welchen Vorschlag die Versammlung durch 
Acclamation genehmigt. 

Präs. Dr. Schwarte e* M. H.l Ich bin Ihnen ffrr den 
BeWeis Ihres Vertrauens zum lebhaftesten Danke verpflichtet 
um so mehr, «1s ich sehr wohl Weiss, dass ich in Ihrem Ver¬ 
eine tour der Lernende, nicht der Belehrende sein kann, und 
ich bitte Sie daher, mich in meiner Amtsführung mit Nach¬ 
sicht zu beurtheiien und freundlich zu unterstützen, damit das 
schönle Beginnen unseres Vereins auch am Schlüsse WCrkthästig » 
gekrönt werde* 

In Folge des vorläufigen Statuts unseres Vereins erlaube 
ieh mit* Ihnen als Stellvertreter des Präsidiums vorzusohkgen 
den Hm. Oberregierungsrath Illing aus Arnsberg und den , 
Hm. Director Ekett aus Bruchsal. 

(Die Versammlung erklärt sich damit einverstanden.) 

Zu Schriftführern ernenne ich im Verhoffen auf Ihre , 
Zustimmung den Hrn. Oberjustiuassessor Köstlin aus Heil- . 
hrona und den Hm. Direct. Meinhold aus Hohnstejp^ 

j 



r 


— m — 

Bevor wir «u dem auf der Tagesordnung selbst vereeaeh- 
'^genständen übergeben, halte ich es für die Pfliekt 
- -.—Jos, ein ehrendes Andenken demjenigen Manne aua- 
eusprechen, den der Ewige nach langer und frachtreiclter 
Arbeit in diesen Tagen au eich berufen hat, dem Ekrenraib 
gliede unseres Vereins, Geh-Rath Mittermaier in Heidelberg, 
dem Nestor der Jurisprudenz und vorzugsweise verdient in 
den Fragen, mit deren Lösung wir uns an beschäftigen haben. 
Bis in die letaten Tage seines langen Lebens bat er mit un¬ 
ermüdlicher Tliätigkeit gearbeitet und wie wir vielleicht sonst 
über seine Thätigkeit und deren Früchte denken miögen: in 
manniohfachen Beziehungen steht er unerreichbar da nnd es 
ist zu befürchten, dass eine lange Zeit vergebt, ehe wieder 
sin .«olcher Mann kommt, der in diesen Fragen gerade mit 
der Ausdauer, der Hingebung und dem Fleisse arbeiten wund, 
wie wir es Alle an Vater Mittermaier gewohnt waren. Die 
meisten Herren werden vielleicht persönlich mit ihm m Be¬ 
ziehung gestanden haben und Sie wissen AUe, mit welcher 
Liebenswürdigkeit, Einfachheit und Bescheidenheit er von der 
Fülle seines Wissens spendete. 

Zum Zeichen des dankbar ehrenden Andenkens (möchte 
ich iSie bitten, Sich von Ihren Sitzen zu erheben, 
j(Diö Versammlung erhebt sieh.) 

Ich werde nicht Umgang nehmen, der mir befreundeten 
Familie des Entschlafenen hiervon Kennttnhs ,au geben. 

loh ersuche nunmehr den Hm. Dir. Ekert, uns den 
Geschäftsbericht vorzutnagen. 

Dir. E.ke r t aus Bruchsal; M. H.! ■ Anschliessend an 
toeicen Bericht in der Sitzung des Ausschusses vom 13. (Sep¬ 
tember 1865 (Vereins<w$sua II. ©d. 1. Heft S. 45 iff.) habe 
ich (zunächst der Thatsöche zu «erwähnen,, dass seither man¬ 
cherlei Ereignisse an uns vorübergingen, die wenig geeignet 
schienen, Unsere Sache zu fördern. Sie sind in der Tbat der 
Förderung des Gefängnisawtesens im Allgemeinen höchst nach* 
theilig,; allein auf den Verein selbst übten sie keineswegs einen 
schlimmen Einfluss. Man war allseits der Ansicht, dass darin 
eia Anlass zur Trennung und Spaltung durchaus möekt liegt, 
uadxBo hat der Verein sich* in der jüngsten Zeit im (Gegen* 

12 * 



164 


theil vergrössert, gedeiht sichtlich immer besser und erfreut 
sich allgemeiner Theilnahme, Förderung und Aufmunterung. 
Sie haben aus unsern Veröffentlichungen entnommen, dass 
die Mitgliederzahl des Vereins von 300 und etlichen, vor¬ 
zugsweise durch den Beitritt so vieler Mitglieder aus Oest- 
reich, deren es jetzt gegen 200 sind, in den letzten Jahren 
bis auf 500 gestiegen ist. Wir danken diese Vermehrung 
der Mitglieder in dem östreichischen Kaiserstaat und die 
Förderung unserer Interessen dortselbst überhaupt vorzugs¬ 
weise den Bemühungen des Hm. Justizministers v. Hy e- 
Gluneck. 

Ausser diesem Herrn sind noch viele andere Männer 
von ausgezeichneter und hoher Stellung unserem Verein bei¬ 
getreten und haben durch ihre Antheilnahme unsere Sache 
wesentlich gefördert; ich nenne hier: Die Herren Oberlandes¬ 
gerichtsrath Keller, Hofrath und Oberstaatsanwalt Kager¬ 
bauer in Wien, Oberlandesgerichtspräsident Streit in Prag, 
Korners Ritter v. Lindenbach, wirkl. geh. Rath und Ober¬ 
landesgerichtspräsident in Lemberg, Hofrath und Oberstaats¬ 
anwalt d'Elvert in Brünn, Hofrath und Oberstaatsanwalt 
Tastl in Zara, Philipp Ritter v. Harrasowsky in Wien, 
Hohenbühel-Heufler, Oberlandesgerichtspräsident in Triest, 
Jos. Pagliaruzzi, Edler v. Edelhain, Oberstaatsanwalt in 
Triest, Geh. Oberregierungsrath Gerhard, Oberconsistorial- 
rath v. Wiehern und Oberappellationsgerichtspräsident Leon¬ 
hardt in Berlin, Oberregierungsrath Illing in Arnsberg, 
Geh. Regierungs-Rath v. Zahn, Generalstaatsanwalt Dr. 
Schwartze in Dresden, Staatsrath v. Scheürlen, Mitglied 
des K. Geh. Raths, Obertribunaldirector v. Cronmüller und 
die andern Mitglieder des Strafanstalten-Collegiums in Stutt¬ 
gart, Frhr. v. Gross, Oberappellationsgerichtsrath in Jena 

u. a. m. Theilweise durch Vermittlung Einzelner dieser 
Herren, sodann durch die Antheilnahme der Herren Ministerial- 
rath Osberger in München, Graf Görtz in Schlitz, Prof. 

v. Holtzendorff in Berlin, Wahlberg in Wien hat man 
auch seit dem Jahre 1865 von Seiten des Vereins-Ausschusses 
die Beziehungen zu den verschiedenen Regierungen, sodann 
aber auch zu verschiedenen Redactionen verwandter Zeit* 



Schriften, zu Vereinen, z. B. dem Rheinisch-Westphälischen 
Gefängnissverein etc. unterhalten und vermehrt. 

Nicht unerwähnt darf bleiben, dass der Herr Minister 
des Innern in Berlin, Graf Eulen bürg, durch Committirung 
eines hohen preuss. Beamten, des Hrn. Oberregierungsraths 
Illing zur Versammlung uns ein Zeichen besonderer Antheil- 
nahme gegeben hat. 

In der Schweiz hat sieb ein Bruderverein für Ge- 
fängnisswesen gebildet, wie Sie gewiss schon aus den Blättern 
für Gefängnisskunde oder anderen Zeitungen entnommen haben 
werden. Dieser Verein hat sogleich bei seinem Entstehen 
am 27. Mai dieses Jahres dem Ausschuss des deutschen Ver¬ 
eins zu Bruchsal auf telegraphischem Wege seinen Gruss 
zngesendet. Dieser Tage erhielten wir auch das gedruckte 
Protokoll der Versammlung, welches an den Ausschuss ver- 
theüt wurde. Sofern Sie es wünschen, werden die Mitglieder 
des Ausschusses sehr gern bereit sein, Ihnen dieses Protokoll 
zur Einsicht mitzutheilen. 

In Betreff der Wirksamkeit des Vereins im Allgemeinen, 
besonders aber in Betreff der Leitung der Redactionsgeschäfte 
muss von Seiten des Ausschusses Ihre besondere gütige Nach¬ 
sicht wie bisher auch ferner in Anspruch genommen werden. 
Wir verkennen durchans nicht, dass bei der Schwierigkeit der 
Geschäfte dieselben nicht in derjenigen Ausdehnung und mit 
derjenigen Sorgfalt ausgeführt werden konnte, wie es wün- 
schenswerth wäre. Es ist insbesondere der Inhalt des Vereins¬ 
organs, den wohl Mancher mit Recht vielleicht zu sporadisch, 
zu vereinzelt findet, während nach unserer Aufgabe Mitthei¬ 
lungen erfolgen sollten, über das Gesammtleben im Gefäng- 
nisswesen in Deutschland, sodann in Bezug auf die Wirksam¬ 
keit der verschiedenen Anstalten, in Bezug auf die Neuer¬ 
richtung von Anstalten, in Bezug auf die Gesetzgebung 
verschiedener Länder etc. Allein Sie wissen selbst, dass 
der practische Beamte zu sehr in Anspruch genommen 
ist, als dass die Redaction alles dasjenige, was zu ihrer Kennt- 
tniss kommt, genau ausarbeiten und in’s Vereinsorgan aufnehmen 
könnte. Es fehlt aber auch noch an Mittheilungen von auswärts. 
Ich muss Sie — und das ist eine Hauptaufgabe — dringend 



166 


bitten, das« Sie der Redactson dieses Geschäft möglichst zu er¬ 
leichtern suchen, dass Sie soviel zu Ihrer Kenntnis« kommt, der 
Redaction mittheilen und zwar thunlichst in überarbeiteter und 
zum Drude fertiger Weise, damit die Redaction nicht in die 
Lage versetzt wird, überhaupt solche Dinge unbenutzt liegen 
lassen zu müssen. Sodann ist in Betreff der Redaction noch 
Eines zu bemerken, dass sie nämlich bemüht ist, neue Er¬ 
scheinungen auf dem Gebiete der Literatur mitzutheilen, auch 
dieselben 3m Yereinsorgane zu besprechen, wie sie ebenso 
ältere Erscheinungen angezeigt und besprochen hat. Es sind 
dies immerhin nur unvollständige Mittheilungen, während andere 
Organe, wie die Jahrbücher der Gefängnkskunde Übersicht* 
lieber die Literaturerscheinungen geboten haben., Wir wollen 
uns künftig bemühen, ein Gesammtbild über die Literatur 
des GefängniSswesenszu bieten und daun auch noch andern 
Punkten unsere Aufmerksamkeit widmen, die in besondern 
Zeitschriften, bes. der Allg. D. St.*R.-Ztg. besprochen sind. 
Die Redaction wird sich mit den Redactionen anderer Zeit* 
Schriften züm Behufe des Austausches ihrer Organe ins Ver¬ 
nehmen setzen und auf diese Weise auch Beiträge zu einer 
Bibliothek sammeln; allein das wird nicht zu erreichen sein, 
dass eine Centralbibliothek bei unserem Vereine gegründet 
wird. Einestheils würde dies die Geschäfte ungemein ver¬ 
mehren, andemtheils könnte eine solche Centralbibliothek den 
VereinsmitgHedern kaum nutzbar gemacht werden. Es wird 
Sache des Gelehrtenstandes sein, dass er einen Centralpunkt 
in dieser Beziehung für das Gefangnisswesen bildet und dass 
sich dort die verschiedenen Literalien, Mittheilungen und Jahres¬ 
berichte zusammenfinden, wie es bisher der Fall gewesen ist. 

Wenn trotz aller Mängel unser Unternehmen allenthal¬ 
ben eine so günstige Aufnahme und schmeichelhafte Beur* 
theilüng gefunden hat, so müssen wir doppelt dankbar sein, 
dass unser guter Wille so herzliches Entgegenkommen findet 

Sie werden bemerkt haben, meine Herrn, dass seit dem 
Bericht über die Thätigkeit des Ausschusses von 1865 der 
3. Band unseres Vereinsorgans begonnen hat. Wir haben 
im 2. Bande 7 Hefte erscheinen lassen, wovon eines >dfen 
Jahresbericht des Zellengefängnisses Brachsal für 18&R ent 



hält und wie Sie wissen, sind die Druckkesten von der Groash, 
Rad. Staatsregierung bezahlt worden. Ebensoviele Hefte sind 
pro I8Q5 erschienen, wobei dasselbe der Fall war. Ich be¬ 
merke die« niw deshalb, damit Sie, nicht glauben, ea würde 
vorzugsweise über das ZeUengefängnfes in Bruchsal im Ver¬ 
einsorgan referlrt; nur wäre es wünschenswert!*, dass auch 
andere Regierungen dem Beispiele der badischen folgten. 

Was unsere gegenwärtige Vereinsyersammlung anher 
langt, so haben wir uns bemüht, davon Kenntnias nach allen 
Richtungen zu geben. Es sind Einladungen erlassen worden 
an diejenigen, die nach Massgabe der Statuten eingeladen 
werden sollen, insbesondere an Strafrechtslehrer und Mitglieder 
der Gerichtshöfe und ebenso an einzelne auswärtige Straf 
anstaltsbeamte, namentlich in der Schweiz, desgleichen an die 
Herren Vorheyen in Brüssel, Bellszzi und Napol. Yazaio 
in Floren», die zu dem Verein in Beziehung getreten sind 
und uns ihre Zeitschriften übersendet haben, aueh an Faehge-» 
oossen im Norden Europas, in Dänemark und Norwegen. 

Dass von diesen Herren Niemapd erschienen ist, liegt 
theiiweise in erklärlichen Verhältnissen; die meisten Herren 
haben ihr Ausbleiben entschuldigt. In einem Schreiben ftUS 
der Schweiz war uns angezeigt, dass von dort ein Vertreter 
der Strafanstalten, der Director von Züriqh, erscheinen würde; 
allein die dort herrschende Cholera yeranlasste ihn, nicht fort? 
zugehen, da er bei der Nähe eines Feindes seine Anstalt 
weht verlassen wollte. 

Es bleibt mir noch übrig, im Namen des Ausschusses 
den Dank auszusprechen für die Unterstützung, welche wir 
durch die Königl. Sachs. Staatsregierung in Förderung unse¬ 
rer Angelegenheiten im Allgemeinen und besonders unserer 
Versammlung erhalten haben. 

Wir sind dankbar speciell Sr. Majestät dem König von 
Sachsen, unter dessen Schutz wir hier tagen, für die Förde-» 
rang und für das grosse und lebhafte Interesse, das er von 
jeher an diesem Vereine genommen bat, für diejenigen be- 
deutenden Vergünstigungen, die Sie bereits erfahren* Wir 
«ind dankbar für die TheUnahme und die Begrünung durch 
Se. EzeeRena den Minister des Innern, Hr». v. Nestiz-WalF 



168 


witz; wir sind dankbar für die umfangreiche Thätigkeit für den 
Verein von Seiten des Hrn. Geheimen Reg.-Rath von Zahn, 
Vorstand der Abtheilung für Strafanstalten im Ministerium 
des Innern. Wir sind besonders dankbar dem Herrn Reg.- 
Rath Jäppelt für die Besorgung der Geschäfte eines Local- 
Comit^’s. Was das Letztere anbelangt, so wissen die Herrn, 
wie viel Geschäfte demselben obliegen. Der Ausschuss war 
nicht in der Lage, in dieser Beziehung irgend etwas zu thun, 
sondern es ist die Gesammtleitung von Hrn. Reg.-Rath Jäppelt 
ausgeführt, und er hat sie, wie Sie bemerken, in einer be- 
wundernswerthen Weise gelöst. 

Noch lege ich einen summarischen Auszug aus der Ver¬ 
einsrechnung vor (unten abgedruckt), woraus Sie entnehmen 
wollen, dass wir die s. Z. gemachten Versprechungen erfüllt 
und mit wenigem Geld Ihnen die bereits bezeichneten Hefte 
des Vereinsorgans und zwar ganz kostenfrei geliefert und neben¬ 
bei alle übrigen Ausgaben des Vereins bestritten haben. 

Ich schliesse meinen Bericht über die Thätigkeit des 
Ausschusses und die Fortschritte des Vereins, indem ich 
wünsche, dass die Berathung segensreich sein und guten 
Erfolg haben möge. 

Präsident, General-Staatsanwalt Dr. Schwartze: Wir 
sind gewiss Alle dem Hrn. Director Ekert zu grossem Danke 
verpflichtet für den eben vernommenen Rechenschaftsbericht, 
zumal da der Verein vorzugsweise seine Schöpfung ist; wir 
freuen uns, aus dem Bericht entnommen zu haben, dass unsere 
Sache die besten Fortschritte macht. — Dem Geschäftsbericht 
selbst verbindet sich ein anderer rein geschäftlicher Gegen¬ 
stand: die Rechnungsablegung. Wie Sie gehört haben, ist 
die Rechnung von dem Hrn. Director Ekert abgelegt, aber 
noch nicht geprüft und justifizirt worden; es gehört dies zur 
Ordnung der Geschäfte des Vereins und schlage ich vor, 
dass mit der Prüfung und Justifizirung ein Mitglied beauf¬ 
tragt werde. Es könnte allerdings die Prüfung der Rechnung 
nicht in diesen Tagen erfolgen und deshalb würde es sich 
empfehlen, dass die Rechnung nebst Belegen an den von uns 
zu erwählenden Rechnungs-Examinator gesendet und dem¬ 
nächst im Vereinsorgane über den Befund dem gesammten 



I Verein Mittheilung gemacht und schliesslich von der nächsten 
Versammlung die Decharge ertheilt werde. Ich würde den 
Hrn. Oberjustizrath Wullen aus Gotteszell ersuchen, dass er 
sich der Prüfung- unterziehe und über den Befund Bpeciellen 
Berioht erstatte. Sind Sie damit einverstanden? — Einver¬ 
standen. • —. 

Wir gehen nun über auf den 3. Punkt der heutigen 
Tagesordnung: 

„Berathung und Beschlussfassung über die Ver- 
! einssatzungen“, und ersuche ich den Herrn Referenten, uns 
! hierüber Bericht zu erstatten. 

, Referent, Regierungs-Rath d ’ A1 i n g e aus Zwickau: 

I M. H.l Bei dem mir übertragenen Referate, welches der Be- 
rathung und Beschlussfassung über unsere Vereinssatzungen 
i vorausgehen soll, muss ich Ihre Aufmerksamkeit zuvörderst 
| auf die Begründung des Vereins lenken. Es soll dies in mög- 
I lichster Kürze geschehen. 

Im Mai 1863 hatte sich eine Anzahl süddeutscher Straf- 
| anstaltsbeamten zu einer zwanglosen Besprechung über das 
| Gefängnisswesen zu Stuttgart versammelt. Das Bedürfniss 
! wechselseitigen Gedankenaustausches und das wohlthuende Ge- 
[ fühl anregenden Einflusses traten bei dieser Versammlung so 
| deutlich hervor, dass dieselbe beschloss, solche Vereinigungen 
, zu wiederholen und einen Ausschuss ernannte, der beauftragt 
wurde, für das Jahr 1864 eine Versammlung nach Bruchsal 
zu berufen. Für diese projektirte Versammlung erliess der 
Ausschuss i. J. 1864 eine Einladung, welche dem ersten 
Heft der Blätter für Gefängnisskunde als Beilage 1 beigegeben 
worden ist und die zugleich unter den darin kundgegebenen 
Beschlüssen des Ausschusses die Grundzüge von Vereins- 
Satzungen überhaupt, speciell des spätem Entwurfes derselben 
enthielten. Die im Mai 1864 wirklich abgehaltene Vereins¬ 
versammlung in Bruchsal, welche sich sofort als Verein 
deutscher Strafanstaltsbeamten constituirte, nahm stillschwei¬ 
gend die von dem Ausschuss gefassten, als Satzungen zu betrach¬ 
tenden Beschlüsse an. Wenn nun damals erklärt wurde: wir 
brauchen keine Statuten, wir brauchen keinen besonders geglie¬ 
derten Organismus, keine Vorstände und Beamten, wir brauchen 



nur einen geschäftjdeitendieö Ausschuss, so ist damit nur ge¬ 
meint gewesen, ausser diesen bereits fesigesteflten Beschlüssen 
des Ausschusses bedürfe es keiner weitern Satzungen, denn 
schon die vom damaligen Beferenten gestellten nnd unter' 
stützten Anträge präaisiren den Z-weck des Vereins und be- i 
stimmen die Schaffung eines Vereinsorgans, was beides in j 
die Satzungen gehörte. Auch in den von einzelnen Mit- j 
gliedern gestellten Anträgen finden sich keine der später 
entworfenen Satzungen. Wenn nun in der bald darauf er¬ 
lassenen Einladung zum Beitritt zu dem neu oonstituirten ; 
Vereine deutscher Strafanstaltsbeamten ausgesprochen wird: j 
„Besondere Statuten scheinen entbehrlich*, so, erkennt doch j 
schon im 3. Heft des Vereinsorgans der engere Ausschuss j : 
an, dass sieb das Bedürfniss nach Satzungen, nach welches 
bei Leitung des Vereins künftig zu verfahren sei, fühlbar ge- j; 
macht habe nnd eröffnet Vorschläge zur Feststellung von i 
dergleichen. Der Entwurf von Satzungen, welche m dem j 
vorliegenden 3. Heft dös Vereins-Org. auf S. 62—65 mitgetheilt | 
worden ist, sollte nun auf der im Mai 1865 in Dresden an- j 
beraumten Versammlung .berathen werden. Da indessen diese < 
Versammlung nicht stattfand, so konnte der Entwurf nur in 
der Mitte September 1865 abgebaltenen Versammlung des 
weitern Ausschusses zu Bruchsal berathen werden und liegt j 
uns in der ihm dort ertheilten Form vor. Der Entwurf selbst 
enthält 16 Paragraphen. § 1 handelt von dem Zweck des 
Vereins; derselbe lautet: 


„Der Zweck des Vereins ist: Eine Vereinigung für 
den lebendigen Meinungsaustausch und den per¬ 
sönlichen Verkehr unter den deutschen Strafanstalts¬ 
beamten zu bilden und auf dem gesammten Ge¬ 
biete des Gefängnisswesens den Forderungen nach 
einheitlicher Entwickelung immer grössere Aner¬ 
kennung zu verschaffen.* 


* Der engere wie der weitere Ausschuss hat für diesen 
§ .keine Abänderung beantragt. 


Präsident Dr. Schwartze: 
Etwas zu bemerken? 


Hat Jemand zu diesem § 


ii 



171 


Ober-Regierungsrath Illing ans Düsseldorf: Der § l i 
der soeben vorgetragen worden ist, bezeichnet den Zweck 
unseres Vereins und die Regel für seine Thätigkeit. Ich fttr 
meine Person halte in beiden Beziehungen eine weitergehende 
Bestimmung für wünschenswerth. Nach § 1 soll der Verein 
den lebendigen Meinungsaustausch und den persönlichen Ver¬ 
kehr unter den deutschen Strafanstaltsbeamten vermitteln. 

M. H.l Wir älteren Mitglieder des Vereins, die schon 
der Versammlung in Bruchsal beigewohnt haben, erinnern 
uns mit grosser Freude der vielfachen Anregung, die uns 
dort zu Theil geworden ist und wir werden auch von Dresden 
durch die nicht hoch genug anzuschlagende Betheiligung der 
praktischen Strafanstaltsbeamten vielfache Belehrung mit nach 
Hause nehmen, indem wir persönlich unsere Ansichten aus- 
tauschen und Gelegenheit haben, die Institutionen der ver¬ 
schiedenen deutschen Länder in den Kreis unserer Beurtheilung 
su ziehen« Wir sind uns klar über Das, was wir wollen und 
glaube ich, dass in dieser Beziehung eine Aetidernng nur ein 
Fehler sein würde.; Mit dem Schluss des § 1 aber bin ich 
nicht einverstanden. Er lautet: 

„Auf dem gesammten Gebiete des Gefängnis»wesens 
den Forderungen nach einheitlicher Entwickelung 
immer grössere Anerkennung zu verschaffen“. 

M. H.! Wir dürfen hoffen, dass die Resultate unserer 
Berathungen und die von unseren Praktikern vorgetragenen 
Gründe auch bei den höheren Instanzen Anerkennung finden, 
dass sie die öffentliche Meinung für sich gewinnen werden. 
Für die ersten Jahre werden wir uns auf einen weiter gehen¬ 
den Einfluss nicht Rechnung machen dürfen, da wir aber 
heute die Regeln für unsere Thätigkeit auf lange Jahre fest- 
* teilen sollen, so glaube ich, dass es nicht gut ist, wenn wir 
dieselbe so, wie sie in § 1 vorgeschlagen wird, beschränken 
und jede anderweite Einwirkung auf das Gefängnisswesen 
auBschliessen. Ich .erlaube mir, Ihnen das Beispiel unseres 
rhemisoh-westphälischen Gefängnissvereins anzuführen, der in 
ähnlicher Weise angefangen hat, wie unser grosser Verein, 
zuerst klein und auf die zunächst liegenden Kreise beschränkt. 
Im Laufe der Jahre ist es. uns doch gelungen, unsere Thätig* 



172 





keit sehr viel weiter auszudehnen und schliesslich einen direc- 
ten Einfluss auf die Entwickelung des Gefangnisswesens in 
beiden Provinzen zu erlangen, einen Einfluss, der sich in 
vielfacher Beziehung als ein heilsamer erwiesen hat. Es ist 
nicht etwa meine Absicht, dass wir mit sämmtlichen deutschen 
Begierungen in Commers und Correspondenz treten sollen, 
aber ich wünsche, dass der § 1 uns auch in dieser Beziehung 
freie Hand lasse, dass er es uns möglich mache, neben dem 
von der Commission vorgeschlagenen Zwecke, auch eine 
directe Einwirkung auf das Gefangnisswesen in den verschie¬ 
densten öffentlichen und privaten Kreisen zu erlangen. Zu 
diesem Behuf stelle ich das Amendement, in § 1 statt des 
Schlusses: »Auf dem gesammten Gebiete® u. s. w. bis »ver¬ 
schaffen® zu sagen: 

»und für die Entwickelung des deutschen Gefäng- 
nisswesens thätig zu sein®. 

Präsident Dr. Schwartze: Der Hr. Ober-Regierungs¬ 
rath 'Illing hat den Antrag gestellt, dass statt des Schluss- ' 
satzes in § 1, der mit den Worten beginnt: »und auf dem ge¬ 
sammten Gebiete . . . ,® folgende Worte gesetzt werden: 

»und für die Entwickelung des deutschen Gefäng- 
nisswesens thätig zu sein®. 

Ich bitte, dass diejenigen Herren, welche über den § 1 
zu sprechen beabsichtigen, auch über diesen Zusatz sich 
verbreiten. 

Referent, Regierungsrath d’Alinge: Ich hätte zu be¬ 
merken, dass wir in diesem § weit genug gegangen zu sein 
glauben, denn wir haben ausdrücklich gesagt: 

»und auf dem gesammten Gebiete des Gefängniss- 
wesens®. 

Wir sind nicht bloss für das deutsche Gebiet besorgt 
gewesen, sondern haben gemeint, dass, weil unser gemein¬ 
sames Streben eine sociale Frage lösen helfen soll, die ganze 
Welt davon berührt wird. Wir trachten darnach »auf dem 
gesammten Gebiete des Gefangnisswesens den Forderungen 
nach einheitlicher Entwickelung immer grössere Anerkennung 
zu verschaffen®. Damit haben wir auch jedenfalls -gehofft, 
dass wenn sich unsere Sache mit der Länge der Zeit immer 




173 


weiter und weiter entwickelt, die grössere Anerkennung, die 
darin bestellt, dass die Begierungen sich dafür interessiren 
und die Anträge beachten, nicht ausbleiben, vielmehr ganz 
von selbst eintreten wird. 

Oberinspector Witt aus Dreibergen: Es scheint mir 
allerdings gerechtfertigt, eine Abänderung des Schlusssatzes 
in dieser allgemeinen Fassung eintreten zu lassen, denn es 
scheint mir doch der Zweck und das Hauptziel unseres Vereins 
zu sein, im Allgemeinen eine Verbesserung des Gefang- 
nisswesens anzubahnen und insoforn ist mir nicht ganz klar, 
warum in der vorliegenden Fassung das Einheitliche in 
der Entwickelung so sehr betont ist; die vorgeschlagene Ab¬ 
änderung dürfte dem allgemeinen Zweck des Vereins mehr 
entsprechen. 

Director Ekert: Dem Hm. Vorredner muss ich in Bezug 
auf die Beanstandung des Wortes: „einheitlich® bemerken, dass 
bei der Gründung des Vereins ganz besonders in das Auge ge¬ 
fasst wurde, einheitliche Normen bezüglich der Strafvollstre¬ 
ckung iu Deutschland zu erstreben. Dies war schon deshalb ge-' 
boten, um die Strafen mehr gleich zu machen. Denn vergleicht 
man jetzt die Art und Weise, wie in den verschiedenen Straf¬ 
anstalten Deutschlands die Strafen vollstreckt werden, so haben 
wir nicht allein Unterschiede des Systems und der Gesetz¬ 
gebung, sondern auch insbesondere’ in der Durchführung der 
Strafen eine grosse Mannichfaltigkeit. Wenn es heisst: 
„Zuchthaus, Arbeitshaus® oder sonst irgend eine Strafgattung, 
so wird das ganz verschieden in Mecklenburg, ganz verschieden 
in Baden, ganz verschieden wieder in Württemberg, Baiern u. s. w. 
vollstreckt, während doch die Zusammengehörigkeit des Ganzen 
verlangt, dass Strafen, die dieselben sein sollen, die sogar oft 
im Gesetze als dieselben bezeichnet sind, auch das gleiche 
Strafübel in sich enthalten und nicht so gar verschiedene. Ein 
zweiter Grund, aus dem man diesen Passus „einheitliche Ent¬ 
wickelung® aufgenommen hat, ist auch die damit zusammen¬ 
hängende Frage wegen der Vergleichung der Wirkungen 
und der Zustände der deutschen Strafanstalten. Wir haben 
aus unsern Berathungen über die Normal-Statistik zur Genüge 
gesehen, wie verschieden die Zustände der Strafanstalten sind 



m 


oild “wie wenig eine solch« V&rgleiehung möglich ist, so 
lange eben diese Verschiedenheit besteht. Sie wissen, meine 
Herrn, dass man bei den Streitfragen ganz besonders darauf 
hingewiesen: diese Anstalt hat so und so viel geleistet, eo 
und so viel haben sich gebessert, so und so viel Disoiplinar- 
strafen sind verhängt werden etc. etc., aber wenn diese Ver¬ 
gleichungen verschiedener Strafanstalten einen reellen Werth 
haben sollen, so müssen Sie jedenfalls mehr einheitliche Normen 
haben, Sie müssen unterscheiden, wie viel Strafanstalten für 
m geringeren, wie viel für zu höheren Strafen Verurtheilte 
eingerichtet sind, denn Sie wissen ja, dass am allermeisten der 
Besserung bedürftig sind nicht eigentlich die grösseren, son¬ 
dern in der Segel die kleineren Verbrecher und Sie können 
darum nicht ohne Weiteres sagen: A. hat so viele gebessert 
entlassen, B. nur -soviel, sondern um zu sagen: Die Straf¬ 
anstalt leistet Da-s, jene leistet Das, müssen Sie, wie bemerkt, 
eine einheitliche Norm haben. Dies kt der Grund, warum 
seiner Zeit bei Gründung des Vereins der betreffende Passus 
in das Statut aufgenoramen wurde, und ich glaube, wir sollten 
um so weniger davon abgehen, wenn wir an dem Gedanken, 
der dem Verein vorsehwebte^ fosthfdteu, nämlich dem Ge¬ 
danken, blos durch das Gewicht der von der Versammlung, 
beziehungsweise dem Verein ausgesprochenen TJeberzeugung 
au wirken und jede anderweite direct© Beziehung, insbesondere 
zu den Staatanegierungen au vermeiden. Ich halte die An¬ 
nahme eines gegenteiligen Antrags geradzu für schädlich. 

Der deutsche Juristentag, der uns in manchen Dingen 
als Vedbild gedient hat, hat in seiner ersten Versammlung 
dieselbe Frage zur Sprache gebrächt, aus ziemlich nahe 
liegenden politischen' Motiven aber abgelehnt, in solche 
direete Beziehungen zu den Regierungen zu treten. 'Ich 
freue mich, dass die irheiaisch-westphäliseh© GefäagnisB-Gesett- 
schätft durch direct© Einwirkung bei der preufcs. Regierung 
so glänzende Resultate erzielt hat; allein das ist ein ganz 
anderes Verhältniss, denn dieser Verein gehört mir einem 
Staate an, während wir. es mit verschiedenen Regierungen zu 
tbun haben und zwar in der Art, -dass man nicht wissen kann, 
Wie in den einzelnen Staaten die Verhältnisse sich gestalten, 



- m - 

tfftd Wir Würden ÜttS gans sicherlich manchmal *■**- nicht gerade 
Überwerfen Und verfeinden, aber jedenfalls unangenehm machen. 
Je weniger wir uns den Anschein geben, dass wir direct 
smwirken wollen, Um so mehr werden wir durch das 
Gewicht der ausgesprochenen Ueberzeugung auch auf die 
eiözeltteü Regierungen wirken. Dass dies geschieht, haben 
wir von Verschiedenen Seiten gehört, wir haben sogar heute 
äös der -iBegrüssUngstede des Hm. Ministers v. Nostiz-Walh 
wita gehört, dass auch die SäChs. -Regierung aüf das Wirken 
und Streben des Vereins sehr wesentlich Rücksicht genommen 
hat. Aber auch ohne die Resultate, die bereits erreicht sind, 
werden Sie AÜS gewiss mit mir der Üeberzeugung sein, dass 
das moralische Gewicht, Welches die Versammlung ausübt, 
gewiss kein geringes sein wird und dass wir auf diesem Wege 
Eiehr erreichen werden, als Wenn wir die gewünschten directen 
Beziehungen Unbahnen. Ich bitte daher, den Antrag des Hm. 
i OberiegiewngsrUth Illing teu Verwerfen und die ursprüng- 
' liehe Fassung des Entwürfe beizubehalten. 

Ofoerinspeeter Witt: Ich will durch die Bestrebungen 
unseres Vereines durchaus nicht etwa eine einheitliche Ent- 4 
wiekedttüg dos GefitegriiusWesenä m Deutschland ausgeschlossen 
haben-, nur sdheirit es mir nicht zutreffend, als Wesen und 
Hauptzweck unserer Bestrebungen die einheitliche Ent 4 - 
Wickelung des GcföinguisfeWesens MnzusteileO. Diese einheit¬ 
liche Entwicklung wird vielmehr eine Selbstfolge von ander¬ 
weitigen Bestrebungen sein , die dem Gebiete unserer Thätig* 
keit znnüchut -'ferner liegen. Wenn wir erst einmal ein allge* 
meines deutsches Strafgesetzbuch haben, so Wird tn Folge davon 
auch auf dem Gebiete des Gefängnissweseus nach und nach 
eiae grössere üofeereinstimmung ekrtreteu. Wenn ferner die 
Bestrebungen unseres Vereins allgemein Anerkennung finden 
weiften, dass bessere Vorschläge gemacht werden in Bezug 
auf den tmd jenen Zweig der Gefängnfesverwaltung, so fehlt 
es ja gar nicht, dass in Folge dieser Anerkennung auch 
wieder eine mehr einbeittiehe Entwickelung sieh Bahn brechen 
wird. Darum komme ich nochmals darauf zurück, der hier 
ih Vorschlag -gebrauten Veränderten Fassung den Vorzug 
zu geben. 



— 176 — 

Oberinspector v. Sprewitz aus Güstrow: Wenn wir 
statt: „einheitlich“ das Wort: „befriedigend“ setzen, dürfte i 
wohl allen Ansichten Rechnung getragen, sein. 

Oberregierungsrath Illing: Ich wünsche ein Missver-j 
ständniss zu beseitigen, zu dem ich anscheinend Veranlassung i 
dadurch gegeben, dass ich von directer Einwirkung auf die i 
Entwickelung des Gefängnisswesens gesprochen und dabei I 
auch die Staatsregierungen genannt habe. Es ist nicht etwa i 
der Zweck meines Amendements, darauf hinzu wirken, dass 
wir sofort mit den verschiedenen deutschen Regierungen in 
directen Verkehr treten und ihnen unsere Anträge stellen, ich 
habe vielmehr lediglich bezweckt, uns freie Hand Zu lassen^ ; 
ich will, mit einem Wort, den Uebelstand beseitigt haben, dass - 
unsere Thätigkeit nach § 1 auf Resolutionen beschränkt bleibe, i 
In welcher Weise wir dermaleinst direct in die Gestaltung - 
des deutschen Gefängnisswesens eingreifen wollen und können, 
wird von den Umständen abhängen, vorläufig wünsche ich nur, 
uns die Möglichkeit eines solchen Eingreifens zu sichern und ! 
lediglich zu diesem Behuf habe ich die Amendirung des § 1 ; 
vorgechlagen, ohne von vornherein feststellen zu wollen, in j 
welcher Art die von mir gewünschte Einwirkung stattfinden soll. I 
Es ist dafür gesorgt, dass nicht allen Bäumen dieselbe Rinde ; 
wächst und so werden wir natürlich auch nicht dahin streben 
wollen, dass sich das Gefängnisswesen ganz gleich im Norden 
wie im Süden, im Osten wie im Westen gestalte, wo die 
Culturverhältnisse so durchaus verschieden, wo die Vorgänge, 
auf denen man fortbauen muss, zum Theil ganz andere sind. 
Ich wünsche uns vorläufig nur die Möglichkeit eines directen 
und aktiven Einwirkens auf die Gestaltung des deutschen 
Gefängnisswesens nach allen Richtungen hin zu wahren. Darum 
empfehle ich Ihnen nochmals mein Amendement. 

Referent, Regierungsrath d'Alinge: Auf das Wort: 
„einheitlich“ scheint ohne Grund ein besonderer Nachdruck 
gelegt worden zu sein. Mit den Worten: „der einheitlichen 
Entwickelung immer mehr Anerkennung zu verschaffen“, soll 
nur gesagt sein, dass wir das Gute in einmüthigem Streben 
nach jeder Richtung hin zu fördern suchen wollen. Wir sind 
doch berufen, eine hochwichtige sociale Frage lösen zu helfen, 




177 


: die einheitliche Entwickelung des Guten müssen wir daher 
sammt und sonders anstreben. Dem Hrn. Ober-Reg.-Rath 
Illing möchte ich noch entgegenhalten, dass, nachdem wir erst 
vor wenigen Minuten gehört haben, dass der Verein mit den 
provisorisch angenommenen Satzungen bereits nach verschie¬ 
denen Richtungen Anerkennung gewonnen und Gutes geleistet 
bat, wir es doch bei der Fassung des §, wie sie vorliegt, 
lassen sollten. 

Präsident: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung. 
Die erste Frage richte ich auf den ersten Theil des § 1. 

Geben Sie dem Ihre Zustimmung? Einstimmig ange¬ 
nommen. Genehmigen Sie ferner den zweiten Absatz des 
i § 1 nach dem Vorschlag des Ausschusses mit Vorbehalt der 
Abstimmung über das Amendement des Hrn. v. Sprewitz? — 
Die Majorität ist für den Ausschuss-Antrag. 

Nunmehr bringe ich den Vorbehalt des Hrn. v. Spre¬ 
witz zur Abstimmung. Beschliesst die Versammlung, das 
Wort: „einheitlich* beizubehalten? — Auch hier ist die Ma¬ 
jorität für den Antrag des Ausschusses. — Das Illing’sche 
Amendement ist durch die Annahme des Ausschuss-Antrags 
selbstverständlich erledigt. 

I § 2 wird ohne Discussion einstimmig angenommen. 

Referent d’Alinge. §3. Der engere Ausschuss hatte 
L hier gesagt: Der Verein hält in der Regel jedes Jahr eine 
|| Versammlung, der Ausschuss kann ausnahmsweise auch erst 
1 im zweiten Jahr eine Versammlung berufen. Der weitere 
| Ausschuss hat sich dagegen entschieden, dass der Verein in 
der Regel alle 2 Jahre eine Versammlung abhält, der Aus¬ 
schuss aber ermächtigt wird, auch erst im dritten Jahre eine 
Versammlung zu berufen. Der weitere Ausschuss ging dabei 
von der Ansicht aus, dass es einestheils für den Strafanstalts¬ 
beamten recht schwer sein dürfte, sich alljährlich längere 
i Zeit von dem Amte zu entfernen und dass es anderntheils 
einer längeren Zeit bedarf, um die Vorschläge einer Ver- 
: Sammlung nach Befinden zu bearbeiten oder in der Praxis 
zu erwägen. 

Auf die Frage des Präs, wird § 3 in der Fassung des 
weiteren Ausschusses einstimmig angenommen. 

Blätter für Ge fänguUa künde Ul. 


13 



Referent: § 4. Hier ist ein Zusatz gemacht worden: 1 
„Aufnahmsfähig sind ferner alle Verwaltung»- und Gerichts¬ 
beamten, die zu dem Gefängnisswesen in dienstlicher Beziehung 1 
stehen*. Es schien hier zunächst eine ganz besondere Er¬ 
klärung des Wortefc „höhere Beamte* nöthig. „Unter höheren 
Beamten sind auch Aerzte, Geistliche, Lehrer zu verstehen*, 
weil in einzelnen Ländern die Lehrer z. B. nicht als Ober¬ 
beamte angesehen worden sind. Namentlich aber in Bezug 
auf die Verwaltungs- und Gerichtsbeamten hielten wir den 
Zusatz um so mehr für nöthig, als die Thätigkeit anderer 
Beamten oft von grossem Einflüsse auf das Gefängnisswesen i 
ist und es wichtig erscheint, dass Gerichts- und Verwaltungs- 1 
beamte mit den bezüglichen Ansichten und Wünschen und j 
mit den Grundsätzen, Erfolgen und deren Hindernissen Seitens 
der Strafanstaltsbeamten bekannt würden. 

Staatsanwalt Horczinek von Troppau: Ich möchte mir 
die Anfrage erlauben, was für ein Unterschied zwischen der 
Mitgliedschaft und der Aufnahmefähigkeit besteht und ob ge¬ 
wisse Rechte, die der Mitgliedschaft eigen sind, dem Auf¬ 
nahmefähigen nicht eigen sind ? 

Referent: In Bezug auf die Aufnahmefähigkeit glaubt 
der Ausschuss auch das berücksichtigt zu haben, was Hr. 
v. Holtzendorff in der Str&freohtszeitung vom Jahre 1865 dem 
Vereine zu bedenken gibt. Wünsohenswerth erscheint es, 
dass auch sämmtliche Vorstandsmitglieder der Landes- und 
Provinzialgefangnissvereine unserem Verein beitreten möchten. 
Wir wollten in diesem § nur präoisiren, wer überhaupt auf¬ 
nahmefähig sein solle, während wir die allgemeine Mitglied¬ 
schaft und die Aufnahmefähigkeit durchaus nicht als etwas 
Getrenntes betrachten. 

Staatsanwalt Horczinek von Troppau: Dann würde 
ich mir das Amendement erlauben, dass Verwaltungs- und 
Geriohtsbeamte zur Mitgliedschaft berechtigt sind. 

Präsident: Vielleicht erklärt sich der Hr. Antragsteller 
mit folgender Fassung einverstanden: „Zur Mitgliedschaft desVer* 
eins berechtigt sind die höheren Beamten der deutschen Straf¬ 
anstalten und die Beamten ihrer Aufsichtsbehörden, sowie alle 
Verwaltungs- und Gerichtsbeamten, die zu dem Gefängnis» 



wesen in dienstlicher Beziehung stehen. — Unter den höheren 
Beamten sind auch Aerzte, Geistliche, Lehrer zu verstehen*. 
(Der Antragsteller erklärt seine Zustimmung.) 

Director Schilling: Ich möchte fragen, oh den Rechts¬ 
lehrern an den Universitäten der Zutritt nicht gestattet ist? 

Referent: Der Vereins-Ausschuss hat nicht gewagt, die 
ihm bestimmt gesteckten Grenzen zu überschreiten, er hat 
aber in Aussicht genommen, dass die Versammlung selbst 
darüber andere Entschliessung fassen könnte. 

Dir. Schilling: Dann stelle ich den Antrag auf Auf¬ 
nahme der Recbtslehrer an den Universitäten. 

Präsident: Das könnte gleich in die von mir vorge¬ 
schlagene Fassung aufgenommen und das Ganze mit Geneh¬ 
migung des Ausschusses sofort als Vorschlag des Ausschusses 
zur Abstimmung gebracht werden. (Die Ausschussmitglieder 
erklären ihr Einverständniss.) Das Ganze würde demnach 
lauten: »Zur Mitgliedschaft etc. bis stehen und die Profes¬ 
soren der Rechtswissenschaft an den deutschen Universitäten. —■ 
Unter den etc.* 

Ich eröffne nunmehr die Discussion über den § 4. 

Director Ekert aus Bruchsal: Vielleicht erscheint es 
unbedeutend aber zur Vermeidung von Missverständnissen 
bemerke ich, dass auch Privat-Docenten zu den Universitäts¬ 
lehrern gehören, daher statt Professoren der letztere Ausdrude 
su wählen sein wird. Ursprünglich war es unsere Absicht, 
einen Verein von Fachgenossen zu bilden und die Ansichten 
und Meinungen der Praktiker suszutauseben; allein es wurde 
gleichzeitig ausgesprochen, dass der Wissenschaft und deren 
Vertreter keine Opposition gemacht werden soll und gewünscht, 
dass alle Leute, die üiit dem Gefängnisswesen sich beschäfti¬ 
gen, gleichviel ob als praktische Beamte oder Theoretiker dem 
Vereine beitreten könnten. Wir haben uns überzeugt, dass 
durch das Bestreben von dem praktischen Boden nicht ab- 
gegangen, dem Verein kein Schaden gebracht und das Ver¬ 
einsleben nicht alterirt wird, wenn auch Lehrer der Rechts¬ 
wissenschaft an deutschen Universitäten als mitgliedfähig 
angesehen werden. Sie werden sich überhaupt, wie ich be¬ 
fürchte, nicht in grosser Anzahl betheiligen, um einen solchen 

13* 



180 


Einfluss auszuüben, dass wir eine andere Richtung einschlagen 1 
müssten, die unpraktisch werden könnte. Und auf der andern 1 
Seite bemerke ich, dass, wenn Männer der Wissenschaft an j 
unsern Bestrebungen Antheil nehmen, alle Mitglieder des j 
Vereins ihren Standpunkt gewiss zu wahren wissen, wenn an j 
dieselben Anforderungen gestellt werden sollten, die mit den 
Bestrebungen des Vereins nicht im Einklänge stünden. Ich 
bin also vollständig mit der vorgeschlagenen Fassung dieses § ’ 
einverstanden. j 

Referent, Regierungsrath d’Alinge: Ich möchte zum j 
§ 4 noch bemerken, dass wenn nun Strafrechtslehrer als Mit¬ 
glieder aufnahmefähig sein sollen, wir auch zugleich die Vor¬ 
standsmitglieder -der deutschen Landes- und Provinzialgefäng- 
nisse und Schutzvereine mit aufnehmen müssen, und würde 
ich zu correctem Verfahren einen Antrag dahin stellen, dass, 
da die deutschen Strafrechtslehrer für aufnahmefähig erklärt 
sind, nun zugleich auch die Vorstände der Landes- und Pro¬ 
vinzialgefängnisse und Schutzvereine für aufnahmefähig erklärt j 
werden. I 

Präsident Dr. Schwartze: Ich habe eine Frage in 
Bezug auf die Abstimmung zu richten. Der Antrag hat eine ! 
Erweiterung erhalten und habe ich zu erwarten, ob Jemand 
eine Frage auf besondere Abstimmung gerichtet zu sehen 
wünscht oder über den § im Allgemeinen, ungetheilt und un¬ 
getrennt. Der Herr Regierungsrath d’Alinge hat noch den 
Antrag gestellt: 

„Da die deutschen Strafrechtslehrer als aufnahme¬ 
fähig erklärt sind, sollen auch zugleich die Vor¬ 
stände der Landes- und Provinzialgefängnisse 
und Schutzvereine als aufnahmefähig erklärt 
werden.“ 

Ich habe hierüber die Discussion zu eröffnen. 
Ober-Reg.-Rath Illing: Ich würde im Prinzip nichts da¬ 
gegen einzuwenden haben, dass die Vorstände der Schutzver¬ 
eine zu unsern Versammlungen zugelassen werden, wir würden 
auf diese Weise allerdings vielfach Personen gewinnen, difr 
sich mit dem Gefängnisswesen vertraut gemacht haben und resros 
Interesse an demselben nehmen Dennoch bin ich gegenjijlie 



181 


Zulassung, weil eine grosse Zahl von Schutzvereinen existirt, 
deren Bestrebungen nicht unserem Vereinszweck entsprechen 
und deren Mitglieder der Aufgabe des Vereins nicht gewachsen 
sind — ich fürchte, mit einem Wort, den Andrang von Leu¬ 
ten, die uns mit der Zeit sehr unbequem werden könnten. 

Präsident Dr. Schwartze: Ich muss nach dem zuletzt 
Gehörten nun doch eine besondere Frage auf den Antrag des 
Hrn. Regierungsrath d’Alinge richten. 

Referent, Regierungsrath d’Alinge: Nach der Mitthei¬ 
lung des Hrn. Ober-Regierungsrath Illing bleibt mir nichts 
übrig, als meinen Antrag zurückzuziehen. 

Präsident Dr. Schwartze: Demnach bringe ich den 
§ 4 ungetheilt zur Abstimmung in folgender Fassung: 

„Zur Mitgliedschaft etc.“ (wie S. 179.) 

Wird dieser § in der vorgetragenen Fassung angenom¬ 
men? — Einstimmig. 

Referent, Regierungsrath d’Alinge: § 5 lautet: „Zu 
den Vereinsversammlungen können durch den Ausschuss auch 
Strafanstaltsbeamten anderer Länder eingeladen werden.“ 

Nachdem wir nun dem § 4 eine andere Fassung gegeben 
haben, würden bei diesem § ganz von selbst die Worte: 
„deutsche Strafrechtslehrer“ in Wegfall zu kommen haben.“ 

Präsident Dr. Schwartze: Sollen in Consequenz der 
bei § 4 gefassten Beschlüsse nach Vorschlag des Referenten 
die Worte: „deutsche Strafrechtslehrer“ ausfallen? — Zu¬ 
stimmend. — Nehmen Sie den § 5 an? — Einstimmig an¬ 
genommen. — 

Referent, Regierungsrath d’Alinge: (verliest den § 7.) 

Hier ist eine Abänderung geschehen. Es hat nämlich 
in der frühem Fassung die Bestimmung in Bezug auf den 
Cassirer gefehlt; der deshalb bewirkte Zusatz lautet: »Die 
Beiträge müssen an den Vereins-Cassirer abgeliefert werden.“ 
Im weitern Auschuss ist auch davon gesprochen worden, dass 
der Beitrag verhältnissmässig gering sei. Wie die Herren 
aber ersehen haben werden, sind die Cassenverliältnisse des 
Vereins in ganz guter Verfassung und dürfte es wohl am 
Platze sein, bei den für jetzt hinreichenden Mitteln den Bei¬ 
trag von 1 Thlr. auch ferner beizubehalten. 



— 182 - 

Präsident Dr. Sehwartze: Nimmt die Versammlung 
den § 7 in der vorgetragenen Fassung an? — Einstimmig 
angenommen. 

Referent, Regierungsrath d’Alinge: (verliest den § 8.) 

Bei diesem § hat es wohl scheinen wollen, als wenn 
die Anzahl der Ausschussmitglieder zu gross sei, weil es für 
den engem Ausschuss schwierig sein würde, sich mit 18 auar 
wärtigen Mitgliedern gehörig ins Vernehmen zu setzen. Indess 
jn. H.l da dem engem Ansschuss eine ziemlich grosse Be- 
fugniss eingeräumt ist, so hat man aus andern Gründen es 
für wünschenswerth befunden, dass es bei der Anzahl von 
18 Mitgliedern bewenden möge. 

Präsident Dr. Schwartze; Nehmen Sie den §8 an? 
Einstimmig. 

Referent, Regierungsrath d’Alinge: (verliest den § 9.) 

Ich habe hier nichts Besonders zu erwähnen. 

Präs. Dr. Schwartze: Ich frage die Herren, ob Sie 
den § 9 annehmen? — Einstimmig angenommen. 

Referent: (verliest den § 10.) 

Präs. Dr. Schwartze: Nehmen Sie den § 10 an? 
Einstimmig. 

Referent: (verliest den § 11.) 

Präsident: Nehmen Sie auch diesen § an? — Ein¬ 
stimmig. 

Referent: (verliest den § 12.) 

Präs.: Wird der § 12 angenommen? — Einstimmig. 

Referent: (verliest den § 13.) 

Präs.: Nehmen Sie den § 13 an? — Einstimmig. 

Referent: (verliest den § 14.) 

Direktor Ekert: Ich wünsche den Zusatz: 8 Jeder Antrag 
in der Plenarversammlung ist schriftlich zu Btellen.“ 

Präs«: Dadurch würde der § 14 nicht alterirt werden. 
Nehmen Sie den § 14 an? — Einstimmig. 

Der Hr. Director Ekert hat den Antrag gestellt, dem 
§ 14 den Zusatz anzufügen: „Jeder Antrag in der Plenar¬ 
versammlung ist schriftlich zu stellen. 0 

Nehmen Sie diesen Zusatz an? — Einstimmig. 

Referent: (verliest den § 15.) 





| ln dteseiü §, wo als erste Befugnis» des Ausschusses 
| angeführt wird: „Er bestellt die Redaction des Vereins- 
i organs auf Unbestimmte Zeit 0 *— hat es Einigen als ein Wider¬ 
spruch erscheinen wollen, wenn in dem Vorschläge des engem 
Ausschusses im 3. Heft gesagt ist: „Insbesondere scheint 
cs nöthig, die Redaction des Vereinsorgans nicht auch noch 
: dem Ausschuss aufzubürden, sondern dafür eine eigene Com¬ 
mission aufzustellen*, und dennoch factiach der engere Aus- 
: schuss die Redaction in den Händen hat. Der Widerspruch 
■ i löst sich aber, sobald man erwägt, dass es eben nur zufällig 
ist, wenn diejenigen, welche der weitere Ausschuss zur Re- 
daction bestellt hat, mit den Mitgliedern des engeren Aus¬ 
schusses zUr Zeit identisch sind, wie wir aus den Verhandlun¬ 
gen des weitem Ausschusses, Über welche in Band II., 1. Heft, 
Seite 52 referirt ist, ersehen. Ich hielt es, obwohl wir dem 
engem Ausschuss für seine opferfreudige Thätigkeit nur sehr 
dankbar sind, doch für nöthig, darauf aufmerksam zu machen, 
weil von einigen Seiten Bemerkungen über jenen scheinbaren 
Widerspruch laut geworden waren. 

Oberifispeotor v. Sprewitz: Von einem Mitglieds der 
Versamiülung wird ein Widerspruch darin gefunden, dass der 
Oassirer die Beiträge einziehen soll, während dem Ausschuss 
selbst die Cassenführung obliegt 

Referent: Der Cassirer steht denk Vorstande zur Seite 
und es wird der Beitrag nicht unmittelbar an den Cassirer 
selbst eingesendet, sondern an den Vorstand. Es liegt in der 
Natur der Sache, dass dieser die eingehenden Gelder au den 
Cassirer abgibt. Der Vorstand hat im Allgemeinen auch die 
| Rechnung abzulegen. 

Staatsanwalt Horczinek aus Troppau: Zu § 15 ad 5 
möchte ich bemerken, dass ich den Wirkungskreis des Ver- 
| eius-Ausschusses zur Ergänzung der Mitglieder für zu weit- 
i gehend halte, und ich glaube, es wäre zweckmässig, wenn 
auch schon ton der Plenarversammlung für die Ergänzung 
der Mitglieder Vorsorge getragen würde, in der Art, dasB 
j von der Plenarversammlung selbst bei 18 wirkliehen Mitglie- 

t dern auch noch 6 Ergänzungsmitglieder gewählt Würden. 
Bei Annahme dieses Antrag» müsste der Absatz 5 des § 15 



mit dem § 8 in Einklang gebracht werden, denn es soll bei 
Zuziehung der Ersatzmänner nicht die Willkür des Vereins* 
ausschusses massgebend, sondern dieser auf die ihm von der 
Plenarversammlung durch die Wahl von 6 Ersatzmännern 
vorgesteckten Grenzen eingeengt werden, innerhalb welcher 
der Ausschuss mit Rücksicht auf die obwaltenden, örtlichen 
und persönlichen Verhältnisse sich bewegen kann. Freilich 
ist über den § 8 schon abgestimmt, aber wenn der Herr 
Präsident erlaubt, würde ich den Antrag stellen, dass dieser 
Absatz mit § 8 jetzt noch in Einklang gebracht werde. 

Präsident Dr. Schwartze: Ich bitte den Antrag 
schriftlich einzubringen und würde auf formelle Bedenken 
über die Zulässigkeit des Antrags einen grossen Werth nicht 
legen, weil bei Nr. 5 des § 15 ein connexer Antrag zulässig ist 

Referent: Wie ich schon bei § 8 angedeutet habe, ist 
es nicht zuviel, wenn wir 18 Mitglieder zum Ausschuss wählen; 
wenn wir aber in die Lage kommen, zu wählen, so wird 
das nicht sehr leicht sein, hier sofort 18 Ausschussmitglieder 
herauszufinden. Wenn nun noch für jedes Ausschussmitglied 
ein Stellvertreter gewählt werden sollte, so würde es erst 
recht umständlich werden. Da 18 Mitglieder zum Ausschuss 
gehören, so wird eine Ergänzung nicht so oft nöthig werden 
und auch nicht schwer fallen. 

Präsident Dr. Schwartze: Zu § 8 und zu Nr. 5 des 
§ 15 sind Zusätze beantragt, ich eröffne die Discussion über 
die Zusatzanträge. 

Ober-Reg.-Rath Illing: Ich für meine Person halte 
die Zusätze für überflüssig, weil bei der grossen Anzahl von 
18 Mitgliedern und bei der geringen Dauer der General¬ 
versammlung nicht anzunehmen ist, dass Inconvenienzen aus 
dem in Rede stehenden Verfahren erwachsen können. Ich 
schlage vor, die ausscheidenden Mitglieder durch Cooptation 
zu ergänzen. 

Staatsanwalt Horczinek aus Troppau: Ich würde da¬ 
für sein, dass der Absatz 5 im § 15 ganz wegfallen könnte, 
aber für unvorhergesehene Fälle ist es doch besser, wenn 
die Plenarversammlung die Ersatzmänner schon fixirt Ibat. 
Director Ekert: Zu § 15 möchte ich bemerkest; Mao 


/ 


I 


I 


hat bisher einzelne Ausschussmitglieder aus den verschiedenen 
Theilcn Deutschlands genommen und es ist in der That sehr 
gut, wenn die Versendung des Vereinsorgans durch Mitglieder 
des Ausschusses aus den verschiedenen Theilen Deutschlands 
besorgt wird; es war das eine Erleichterung und Ersparung 
der Kosten und es versteht sich von selber, dass es auch in 
anderer Beziehung zweckmässig ist, wenn die einzelnen Aus¬ 
schussmitglieder über die verschiedensten Theile Deutschlands 
vertheilt sind, besonders zur Wahrung der Interessen des Ver¬ 
eins in den einzelnen Ländern, zur Ertheilung von Auskünften 
u. s. w. Es wird dagegen nothwendig sein, dass die einzelnen 
Mitglieder des engeren Ausschusses näher beisammen wohnen, 
mindestens in einem Lande. Ist der Sitz des engeren Aus¬ 
schusses z. B. im Königreich Sachsen, so wird er gewiss dafür 
sorgen, dass der Ausschuss in Sachsen mindestens 6—8 Mit¬ 
glieder findet, es bleiben dann immer noch 10—12 Mitglieder 
auf andere Staaten Deutschlands vertheilt, und wenn irgendwo 
ein Mitglied abgeht, so fragt es sich, ob der Ersatzmann gerade 
diesem Theile Deutschlands angehört. Ist dies nicht der Fall, 
so entsteht eine Lücke, die vermieden wird, wenn der Aus¬ 
schuss das Hecht hat, Mitglieder nach seinem Ermessen zu 
cooptiren. 

Präsident: Ich habe zwar nicht das Recht, mich 
in die Discussion zu mischen , aber ich erlaube mir, eine 
Thatsache zu constatiren, dass nemlich die practische Rück¬ 
sicht, die Hr. Dir. Ekert geltend gemacht hat, auch die Deput. 
des Juristentags bei der Aufnahme dieser Bestimmung in ihr 
Statut geleitet hat. Man kann eben nicht im Voraus wissen, 
aus welchem Land der Ausfallende sein wird, somit muss also 
die Möglichkeit gelassen sein, m dieser Richtung wieder eine 
Cooptation vorzunehmen. 

(Bei der hierauf vorgenommenen Abstimmung wird der 
Antrag, dem § 8 nachträglich den Zusatz zu geben: „Auch 
sind 6 Ersatzmänner auf gleiche Art zu wählen“ mit über¬ 
wiegender Majorität abgelehnt. 

Dagegen wird § 15 vorbehältlich der Abstimmung über 
die zunächst ausgesetzte Nr. 5 nach dem Antrag des Aus¬ 
schusses angenommen. Nach dem Vorschlag des Ausschusses 



wird ferner die Nr. 5: „Er ergänzt die während «einet I 
Amtsdauer abgegangenen Mitglieder gelbst* — einstimmig t 
angenommen. 

§ 16 wird ohne Discussion einstimmig in der Fassung ; 
des Ausscbusses angenommen.) 

Referent: M. H.! Man bat noch die Frage aufgeworfen, 
ob der Verein; nachdem ein Deutschland oder richtiger ■ 
ein Deutschland nicht mehr existirt, als Verein deutscher 
Strafanstaltsbeamten forthestehen könne. Diese Frage ist aber 
jedenfalls als eine müssige au bezeichnen, da die Interessen 
des Strafvollzugwesens von der Politik sicherlich nicht alterirt 
werden. Die jetzige Dreitbeihmg Deutschlands kann unser : 
gemeinsames Streben, eine wichtige sociale Frage lösen zu i 
helfen, nicht stören. Hat doch der Norddeutsohland dirigirende 
Staatsmann kurz nach dem vorjährigen Kriege seihst erklärt: 
„Die Mainlinie sei nicht eine Scheidewand zwischen Nord- ; 
und Süddeutschland, sondern ein Rechen, der das Wasser 
ungehindert durchlasse*. Und er hat Recht. Ja, m. H.! I 
die geistige Strömung des deutschen Volkes lässt sich nicht f 
eindämmen, lässt sich nicht isoliren. Wie sich die Deutschen i 
aus allen Theilen der Erde als ein Glanzes zu fühlen gewohnt 
sind, so werden und müssen wir auch die Collegen, ob sie : 
vor oder hinter dem Main oder an der Donau wohnen, gleich 
willkommen heissen, wie das heute bereits geschehen ist. 

Pastor Scheffer aus Düsseldorf: Ich möchte anheim¬ 
gehen, oh es nicht nöthig sei, noch einen Zusatz-Paragraphen 
aufzunehmen, der über etwaige Aenderungen der Statuten 
etwas enthält, denn wir können doch mit diesen Vereins¬ 
statuten unser Werk und die Organisation desselben nicht 
als abgeschlossen ansehen, sondern unsere Arbeit wird sich 
in der Praxis nach manchen Seiten hin ausbilden, wodurch j 
Zusätze oder Aenderungen der Statuten nöthig Werden. 

Referent: Wir sind so geraume Zeit mit den bisherigen 
Satzungen ausgekommen, dass wir von einem Zusat/rPara¬ 
graphen dieser Art, sofern nicht in der nächsten Zeit das 
Bedürfhiss sich herausstellt, absehen sollten. 

Pastor Scheffer: Dann erlaube ich mir den förmlichen 
Antrag zu stellen, als § 17 hinznzufttgen: „Aenderungen 



187 


. 

der Statuten sind nnr in den Vereinsversammlnngen durch 
Beschluss von mindestens */* Majorität der stimmberechtigten 
anwesenden Mitglieder statthaft“. 

(Es meldet sich Niemand zur Discussion und der Antrag 
wird einstimmig angenommen.) 

Präsident: Ich frage nunmehr die Versammlung, ob 
sie den Statuten-Entwurf^ wie er soeben aus den Beschlüssen 
der Versammlung hervorgegangen ist, als definitives Statut 
des Vereins der deutschen Strafanstaltsbeamten annehmen will? 
(Die Frage wird einstimmig bejaht) 

| (Die Statuten sind unten abgedruckt) 

Ich ersuche nun den Director Ekert, an Stelle des ver¬ 
hinderten Inspector Wirth über Nr. 4 der Tagesordnung 
zu berichten. 

Dir. Ekert: In Folge eines von der 1864er Bruchsaler 
Versammlung angenommenen Beschlusses? „Die Statistik der 
| deutschen Strafanstalten ist nach einer gemeinsamen Norm 
f aufzustellen“ und des dem Ausschuss gewordenen Auftrags, den 
| Entwurf für eine allgemeine Statistik der nächsten Versamm¬ 
lung zur Begutachtung vorzulegen, hat Hr. Director Blenk- 
ner ans Mannheim die im 2. Band, 1. Heft des Vereins¬ 
organs auf S. 55 flgd. abgedruckten Vorschläge ausgearbeitet. 
Diese Vorschläge hat der Ausschuss als Grundlage seiner 
Berathungen in der Versammlung von 1865 angenommen und 
den ersten Abschnitt adoptirt, bezüglich der Abschnitte 2 und 3 
dagegen diejenigen Modificationen eintreten lassen, welche in 
den Tabellen auf S. 65—78 loco citato enthalten sind. Be¬ 
züglich des Abschnittes 4 über die Gesundheitspflege hat der 
Ausschuss die Vorschläge des Hm. Medicinal-Baths Gutsch 
angenommen. Hier soll die Statistik nämlich so aufgestellt 
werden, wie die Tabelle, die dem Jahresbericht über das 
Zellengefangniss in Bruchsal angebängt ist, beschaffen ist, nur 
modifizirt in der Weise, wie Sie es S. 79 des Vereinsorgans 
finden, wo man bei Zugängen und Todesfällen in der Anstalt 
noch einige Abänderungen für nothwendig gefunden hat. Was 
den 5., 6. und 7. Abschnitt anbelangt, so hat der Ausschuss 
in seiner gestrigen Sitzung beschlossen, diese Unverändert 
nach den Blenkner’schen Vorschlägen anzunehmen. Diese 



188 


ganze Arbeit ist nun, wie die Statistik überhaupt, bekanntlich i 
ein sehr umfassender Gegenstand; ein Vortrag derselben 
würde daher, da es sich nicht blos um Aufnahme formeller 
Verhältnisse handelt, sondern weil auch über die sittliche und 
sonstige Ausbildung bei den Gefangenen Nachweise gegeben 
werden sollen, viel mehr Zeit in Anspruch nehmen, als uns 
heute und morgen, ja noch an einigen weiteren Tagen zu 
Gebote stünde. Der Auschuss hat dies empfunden, er hat 
die Statistiken aus allen Theilen Deutschlands verglichen, ferner 
die ausgezeichnete Statistik des Hrn. Dir. v. Götzen in Cöln, 1 
die Zeitschriften des sächs. und preuss. Statist. Burcaux, die 
detailirten Statistiken von Frankreich, Belgien und Holland 
benützt, er hat ausserdem alle dem Ausschuss zu Gebot stehen¬ 
den Erfahrungen zu Rathe gezogen und auch das sehr werth¬ 
volle Material geprüft, welches der heute abgehaltene Referent Hr. 
Inspector Wirth in einem ausführlichen schriftlichen Gutachten 
geliefert hat. Da es nun unmöglich ist, bei jedem einzelnen 
Punct eine Discussion zu veranlassen, so ist der Ausschuss in 
seiner gestrigen Sitzung zu der Ueberzeugung gekommen, 
dass, was der Ausschuss vorschlägt, nur entweder en bloc 
angenommen oder en bloc verworfen werden kann. Es han¬ 
delt sich nun darum, die Ueberzeugung auszusprechen, dass 
die Statistik auf der Grundlage, wie sie in den Vorschlägen 
enthalten ist, durchgeführt werden soll. Den einzelnen Re¬ 
gierungen bleibt es natürlich vollständig überlassen, dieselbe 
einzuführen, jedenfalls aber könnte sich ein grosser Theil der 
Strafanstaltsbeamten die Mühe nehmen, auch selbst neben der 
etwaigen offiziellen Statistik, die Statistik nach diesem Muster 
zu führen und diese könnte dann ebenfalls wie die Statistik 
des Zellengefängnisses zu Bruchsal durch das Vereinsorgan 
veröffentlicht werden. 

Ich stelle daher Namens des Ausschusses den Antrag, 
die Versammlung wolle aussprechen, dass die Statistik nach 
den im Vereinsorgan II. Band 1. Heft gegebenen Grundzügen 
zu bearbeiten sei. 

Oberinspector Witt: Ein irgendwie bindender Beschluss 
scheint mir in keiner Weise zulässig zu sein, sondern die 
Aeusserung der heutigen Versammlung kann sich nur darauf 




189 


| beschränken, dass sie ein Mal das Dankenswerthe dieser Aus¬ 
arbeitung anerkennt und dabei es als wtinschenswerth aus¬ 
spricht, dass die Strafanstalten, die sich zu statistischen Aus¬ 
weisen veranlasst finden sollten, möglichst dieses Formulars 
sich bedienen möchten. 

Regierungsrath d’Alinge: Die Schwierigkeiten, die 
sich bei der Aufstellung solcher statistischen Nachweise ergeben 
sollen, sind so gross nicht. Wenn nur 3 oder 4 Strafanstalten 
ohne Weiteres die Vorschläge des Ausschusses zu adoptiren 
sich entschliessen und von diesen Strafanstalten die Nachweise 
im Vereinsorgan veröffentlicht würden, darnach dürfte sich 
dann ermessen lassen, ob auch andere Strafanstalten diese 
Formulare annehmen können. Die Nachweise übrigens, die 
die Regierungen von den Strafanstalten verlangen, sind auch 
umfänglicher Art und aus diesen werden sich unschwer die 
vorgeschlagenen Formulare ausfüllen lassen. 

Pastor Kr ohne: Alle diese statistischen Formulare wollen 
geprüft sein, ob sie passend sind oder einer Erweiterung be¬ 
dürfen. Deswegen wäre es doch wtinschenswerth, wenn die 
Versammlung beschlösse, dass bei einer Anzahl von Anstalten 
gerade diese Formulare für eine Reihe von Jahren ihren 
statistischen Nachweisen zu Grunde gelegt und dann dem 
Ausschuss mitgetheilt würden, um zu erproben, ob diese Vor¬ 
schläge ausreichend sind oder nicht, und wenn nicht, so könn¬ 
ten darauf weitere Vorschläge basirt werden, aber practische 
Versuche muss man jedenfalls damit machen. Dazu genügt 
aber nicht, dass man die Ausfüllung in die Willkür des Ein¬ 
zelnen stellt, sondern es müsste geradezu eine Anzahl von 
Anstalten zu dem Versuche sich bereit erklären. Ich sollte 
denken, dass das nicht so schwer durchzuführen ist, die Stimme 
der HH. Directoren würde ja dabei entscheidend sein, und 
vielleicht fände sich unter den Anwesenden eine hinreichende 
Zahl, die sich bereit erklärten, die vorliegenden Formulare 
mit den statistischen Daten ihrer Anstalt auszufüllen und dann 
dem Ausschüsse zur Verfügung zu stellen. 

Dir» v. Götzen: Da meiner Statistik vorhin Erwähnung 
geschehen i%t, so erlaube ich mir, dieselbe zur Einsicht aus- 



zulegen; dieselbe enthalt ungefähr 120 Naehweisungen am 
den Jahren 1862—1866 incl. 

Präsident: Wir sind gewiss dem Hrn. Director für 
diese so ausserordentlich schätzbaren Nachweise sehr dankbar. 

Ich habe zu erwarten, ob Hr. Pastof Krohne einen be¬ 
stimmten Antrag in der angegeben Richtung stellen wird. — 
(Ja!) — Dann würde vielleicht folgende Fassung genügen: 
„Die Versammlung wolle den Wunsch aussprechen, dass in 
einzelnen Strafanstalten nach den im 2. Band, 1. Heft mit- 
getheilten Vorschlägen statistische Tabellen entworfen und- 
bearbeitet würden. ! 

Pastor Krohne: und dass diese Tabellen an den Ver¬ 
eins-Ausschuss als Material abgegeben würden. j 

Staatsanwalt Horczinek: Ich halte die Frage für so 
wichtig, dass ich den Antrag nicht nur unterstütze, sondern j 
das Amendement hinzufüge, „der Vereins-Ausschuss ist auf- ] 
zufordern, und zu verpflichten, bei den einzelnen Regierungen. 
ausdrücklich die Bitte zu stellen, dass dahin gewirkt werden; 
möge, damit dem Vereine statistische Nachweisungen im reich¬ 
sten Maase zu Gebote stehen®. Ich glaube, ein solcher Weg: 
würde zum Zweck führen und die Frage ist so wichtig, dass alle 
Wege eingeschlagen werden müssen, um den Zweck zu erfüllen. 

Referent Director Ekert: Was den eben erwähnten 
letztgestellten Antrag anbelangt, bemerke ich, dass derselbe 
mit dem zusammenfällt, was ich bereits gesagt habe, dass die 
directen Beziehungen zu den Regierungen nicht wünschens- 
werth erscheinen; ich muss es der Versammlung überlassen, 
bei diesem Grundsatz festzustehen; wir können unsere Operate 
schwerlich bei der grossen Anzahl der Regierungen anbringen, 
die meisten haben statistische Bureau’s und werden in den¬ 


selben solche Arbeiten ausgeführt, so dass hier eine unbedingte 
Annahme der neuen Statistik dieses Vereins nicht anzunehmen 
ist. Was den Antrag des Hrn.. Pastor Krohne anlangt, so 
geht bei diesem ebenso wie bei dem Anträge des Hrn. Ober- 


Inspectors Witt der Antrag des Ausschusses nicht so weit, 
er erledigt sich vereinigt mit jenen. Wenn die Versamm 
beschliesst, es solle die Statistik nach den Vorschläge^ 
Ausschusses geführt werden, so spricht sie hiemU die A 


4 


zeugung aas und sagt, es sei wünschenswert^, dass die Sta¬ 
tistik in dieser Weise angefertigt werde. Soweit der Antrag 
des Hrn. Pastor Krohne geht, soweit sollte der Ausschuss 
nicht gehen, er soll die Statistik der Entwickelung über¬ 
lassen. Der Ausschuss hofft, dass ihn hierbei eine grosse 
Anzahl von Vorständen der Strafanstalten unterstützen werde 
und dass hierdurch ebensowohl das Werk weiter geführt wird, 
als Mängel und Lücken bei dieser Statistik sich herausstellen. 
Aus diesem Grande bin ich der Ansicht, den von dem Aus¬ 
schuss beziehungsweise von mir gestellten Antrag aufrecht 
erhalten zu müssen. 

Director v. Sprewitz: Ich nehme gern Veranlassung, 
in dieser Beziehung meine Bereitwilligkeit auszusprechen und 
hoffe, dass auch die andern HH. Directoren geneigt sein wer¬ 
den, soweit als möglich Auskunft in Angelegenheiten der 
Statistik zu geben. 

Regierungs-Rath d’Alinge: leb möchte ganz besonders 
zur Erwägung anheim geben, ob es rathsam erscheine, den 
Regierungen gegenüber den Wunsch und die Bitte auszuspre- 
ehen, sich der Statisttk anzunehmen oder dieselbe zu empfehlen. 
Was der Hr. Referent wiederholt bemerkt hat, geht dahin, 
dass der Verein sich aus sich seihst entwickele und sich seihst 
Anerkennung soweit verschaffen solle, dass es der Regierung 
daran liegen müsse, von der Tbätigkeit des Vereins Kenntniss 
zu nehmen. Aber jetzt haben wir dies Ziel noch nicht er¬ 
reicht und dürfte es daher nur nöthig sein, dass sich einige 
Strafanstaltsdirectoren bereit finden, die vorgeschlagenen For. 
mulare auszufüllen. Das wird vor der Hand genügen. Werden 
»ich die Tabellen bewähren, so wird eine Strafanstalt nach 
der andern dieselben annehmen und der Regierung wird es 
nur erwünscht sein, practische Tabellen zu haben. 

Oberinspector Witt: Thatsäehlich habe ich zu erwähnen, 
dass ich für meine Person nicht daran gedacht habe, dass in Be¬ 
zug auf den vorliegenden Gegenstand irgend ein Wunsch an 
die Regierungen gerichtet werden möge, sondern dass ich 
mir wünsche, dass von den anwesenden Mitdliedern des Ver* 
> fas dem Verlangen in Bezug auf die statistischen Tabellen 
I^PF&gGkoiumen werde. 



192 


Präsident: Begehrt Jemand das Wort? — Ich schliesse 
die Debatte. Es liegen 3 Anträge vor. Der 1. vom Aus¬ 
schuss, der 2. von Hrn. Pastor Krohne und der Antrag des 
Hrn. Staatsanwalts Horczinek. 

Ich werde den Antrag des Ausschusses, wie er vorliegt, 
zuerst zur Abstimmung bringen. Diejenigen Herrn, welche den 
Antrag des Ausschusses annehmen und somit den Antrag des 
Hrn. Paster Krohne ablehnen, bitte ich, sitzen zu bleiben. 
Der Antrag des Ausschusses hat die Majorität und damit er¬ 
ledigt sich der Antrag des Hrn. Pastor Krohne sowohl, als 
der Antrag in Bezug auf die bei den Regierungen anzubrin¬ 
gende Bitte. Damit dürfte dieser Gegenstand erledigt sein. 
Ueber den letzten Gegenstand der Tagesordnung: Berathung 
und Beschlussfassung, über den Antrag des Hrn. Pfarrer 
Mühlhä nsser, betr. die Einzelhaft für weibliche Strafge¬ 
fangene, hat der Hr. Antragsteller selbst das Referat über¬ 
nommen, da der zum Referenten bestellte Hr. Oberjustizrath 
Wullen nicht anwesend ist; ich bitte den Hrn. Pfarrer 
Mühlhäusser, den Vortrag zu übernehmen. 

Pfarrer Mühlhäusser: Im 3. Heft des 2. Bandes 
unserer Blätter für Gefängnisskunde hatte ich schon für die 
Vereinsversammlung des vorigen Jahrs, die aber wegen Un¬ 
gunst der Zeitverhältnisse unterbleiben musste, einen Antrag 
gestellt, der die Anwendung der Einzelhaft auf weib¬ 
liche Sträflinge zum Gegenstände hat. Auf S. 163 spreche 
ich dort meine Ansicht kurz in drei Thesen aus. 

Zur Begründung dieser Thesen wies ich auf einen 
Aufsatz hin, der im 5. Heft des ersten Bandes unseres Ver¬ 
einsorgans enthalten ist und sich auf den gleichen Inhalt 
bezieht, weitere Erfahrungen, die mir seitdem zur Kenntniss 
kamen, mündlicher Mittheilung vorbehaltend. Da ich iu- 
dessen nicht voraussetzen kann, dass auch nur der grössere 
Theil der verehrten Anwesenden den schon vor zwei Jahren 
geschriebenen Aufsatz näher kennt und da eine wenigstens 
ganz kurze Wiederholung der dort niedergelegten Resultate 
auch für diejenigen, die ihn gelesen haben, schon des Zusam¬ 
menhangs wegen wünschenswerth sein möchte, so will ich 
das Wesentlichste daraus mittheilen und das Neue demselben 



— 193 — 

anfügen, das mir zur Beurtheilung der Sache erwähnens- 
werth scheint. 

Zur Abfassung meines Aufsatzes vor zwei .Jahren wurde 
ich durch die von der Gr. Bad. Staatsregierung beabsichtigte 
Vorlage eines Gesetzentwurfs an die Landstände veranlasst, 
der die Einführung der Einzelhaft in den Weiberstrafanstalten 
zum Gegenstand haben sollte, nachdem sich die Durchführung 
dieses Haftsystems bei Männern schon seit beinahe 2 Jahr¬ 
zehnten nicht allein als möglich, sondern nach der Ansicht 
der Regierung und Stände als sehr zweckmässig bewährt 
hatte. Man betrachtete es vor Allem als eine Forderung der 
Gerechtigkeit, zunächst die Einzelhaft, die früher nur auf die 
Sträflinge des Zuchthauses angewendet wurde, auch auf die¬ 
jenigen des Arbeitshauses auszudehnen. Dieses geschah im 
Jahre 1863 und bei Gelegenheit der betreffenden Regierungs¬ 
vorlage war es vornemlich der Berichterstatter der ersten 
Kammer, Prälat Holtzraann, der die wirksamste Anre¬ 
gung dazu gab, dass von der Gr. Regierung genauere Er¬ 
hebungen darüber gemacht werden sollten, ob und wie die 
Einführung der Einzelhaft auch bei den weiblichen Sträflingen 
möglich sei, ja sogar die Gr. Regierung bat, selbst Versuche 
zu machen, wenn Erfahrungen darüber fehlen sollten. Dabei 
wurde auf das bekannte Baierische Gesetz in diesem Betreffe 
v. J. 1861 hingewiesen, das auch auf das weibliche Geschlecht 
wenigstens Rücksicht nimmt. Dieser Anregung stimmten 
nicht allein die Commissionsmitglieder zu, sondern es trat 
ihr die ganze erste Kammer in der Art bei, dass sie schon 
damals eine Gesetzesbestimmung vorscblug, wornach unter 
gleichen Bedingungen wie in Baiern auch in der Weiberstraf¬ 
anstalt für Herstellung entsprechender Einzelhaftlokale gesorgt 
werden sollte. Die Gr. Regierung, welche die Sache schon 
längst ins Auge gefasst und schon im Jahre 1845 bei Vor¬ 
lage des Gesetzes über den Strafvollzug im neuen Männer¬ 
zuchthause die Frage in Erwägung gezogen hatte, ob die 
i Einzelhaft auf Frauen anwendbar sei, aber aus Mangel an 
I Erfahrung und Scheu vor den Kosten eines Neubaues einst- 
• weilen die Sache auf sich beruhen liess, wäre nun gerne auf 
diesen Vorschlag der ersten Kammer eingegangen, um wenig- 

| Blätter für OefänguiMkonde Ul» ^4 




stena einen Verbuch und immerhin damit eineiBestimmung 
zum Besseren zu machen; allein in der zweiter grosses 
tauchten Bedenken auf, die indessen weniger die Saci* 111 ? 61611 
als die Art und Weise der Ausführung betrafen v^ 0Da ^ en > 
beschränkte sich auf den Wunsch, dass die Gr. K e Kam- 
einstweilen weitere Erfahrungen sammeln und in tÄMmcßer 
Bälde eine Vorlage an die Stände bringen wolle* Diese Vor¬ 
lage erfolgte im Frühjahr 1866 und in Artikel 1 des. Gesetzen 
entwurfs wird einfach bestimmt, dass die gegen Personen 
weiblichen Geschlechts erkannten Zucht- und Arbeitshaussfcrafen 
künftig in Einzelhaft vollzogen werden und in Art 2, dass 
di,e Bestimmungen des Gesetzes yom Jahr 1845 über den 
Strafvollzug im Männerzuchtbause auch, für den Vollzug der 
in Art. 1 erwähnten Strafen gelten sollen. In der Begrün¬ 
dung zu diesem Gesetzentwurf wird u. A. kervorgehohen, 
dass die erhobenen Berichte (besonders aus Baiern) über die 
günstigen Wirkungen der Einzelhaft sämnüfich übereinstim- 
men und dass die für Frauen etwa angemessenen Aeaderuggen 
in der Behandlung auf dem Wege der Verordnungen vorge- 
scbrieben werden könnten. Was insbesondere die Trennung 
in Kirche und Schule betrifft, so gedenke die Qr., Regierung 
zur Vermeidung des sonst nicht zu verhütenden, Verkehrs 
dieselbe, wie in der Männerstrafanstalt beizubehalfcen; dagegen 
Würden bei dem Ergeben im Freien die Spazierköfe für weib¬ 
liche. Gefangene entbehrt werden kennen. 

Der Gesetzentwurf kam zunächst: wieder in die. erste 


Kammer zur Berathung und in der yon derselben gewählten 
Commission befand sich ausser dem Prälaten Ho Ha¬ 
mann als Berichterstatter auch Qehewn»th Br. BlufttseMi 
aus Heidelberg. In der Commission wie in der Kammer selbst 
fand der Gegenstand die eingehendste Besprechung, deren 
Resultat aber nicht, wie ich gewünscht, die Annahme des 
Regierungsentwurfes, sondern bei aller- Anerkennung der Vor* 
Züge der Einzelhaft eine sehr wesentliche ModMcu^gudttl 
selben war. Von ganz untergeordneter Bedeutung war zwo 
der ausgesprochene Wunsch,, dass, die in den Mäenerstrafai 
stalten gebotene Verhüllung des Angesichts bei jeden* E 
scheinen, ausser der Zelle yon. den weiblichen. Sträflingcm niJ 



diese aUg^«*» 4 ® 1 *' SODdern nur, wenn sie. e» wünschen, 
wähnteru-J^ 1 ^ 611 ra hehtej aber von um so tieferer Bedeutung 
nur soöache selbst war der vorgeschlügeneZusatz au Art, % 
Bprechef^liche Sträflinge nach Erstehung von zwei Dritt- 
zweckn^ rer Einzelhaft, insofern und so lange der Aufeichts- 
•»Beisammensein nach ihrem Betragen und ihren Eigen- 
schafteu für unnachtheilig hält, ausserhalb der Zellen, aber 
innerhalb der Strafanstalt in Gemeinschaft zu beschäftigen 
seien, die Strafabkürzung bei solchen Sträflingen jedoch un¬ 
verändert, bleiben solle.“ 

In der Verhandlung der ersten Kammer sprach sich 
Bluntachli näher darüber aus, dass man den Versuch einer 
Annäherung an das s. g.. irische System beabsichtige, das 
besonders durch die Mittheilungen des Prof, von» Holtzen- 
do.rff sich empfehle. 

Der Regierungscommissär Geheimerath Dr. Junghanns 
erklärte, dass die Regierung dem Vorschläge der Commission 
in diesem Functe gerne zustimme und erwähnte dabei beson¬ 
ders der Versuche, die mit diesem System in Deutschland 
j zuerst im Königreich Sachsen gemacht worden seien. Die 
i zweite Kammer war dagegen anderer Ansicht, obgleich von 
| ihrem Berichterstatter, dem Oberstaatsanwalt Haager, bemerkt 
j wurde, dass auch die Commission der 2. Kammer mit dem 
> Grundgedanken des irischen Systems, „welches auf einem 
anthropologischen Prinzipe beruhe, namentlich in der Anwen¬ 
dung- auf Frauen um so mehr einverstanden sei, als dieselben 
vermöge ihrer zarteren Natur und ihres feineren Nervenlebens 
reizbarer, für alle Eindrücke empfänglicher, zum Verkehr mit 
:j Andern geneigter, redseliger, überhaupt lebhafter und htilfs- 
hedürftiger seien als Männer, daher für jene di© Strafe der 
Einzelhaft empfindlicher sei, als für diese,“ Gleichwohl wurde 
gewiss mit gutem Grund hervorgehoben, dass erst eine längere 
i Dauer der Einzelhaft ihren Hauptzweck erreiche, „nemlich 
Sträfling zur Einkehr, zum Nachdenken über sich und 
Tbafc, zur Erkeuntnjss. seinen Unrechtes, zur Reue und 
'^^^^thigung bringe, den bösem Willen nieder drücke und die 
^Jgie der bösen Neigungen breche*. Demgemäss wird, 
dpö* JEL erst nach einem Jahre Einzelhaft der Ueber- 

14 * 



196 


gang in die Gemeinschaftshaft stattfindet, dieselbe Bestimmung 
um so mehr zur Annahme empfohlen, als ein sehr grosser 
Theil der Sträflinge des Arbeitshauses zu einer geringeren 
Strafe als ein Jahr Gefängniss, häufig nur zu 6 Monaten, 
also 4 Monaten Einzelhaft verurtheilt sei. Die zweite Kam¬ 
mer, der dann auch die erste einstimmig beitrat, schlug auf 
diese Empfehlung nach kurzer Berathung noch den weiteren 
Zusatz zu Art. 2 des Gesetzentwurfs vor: es solle die Be¬ 
schäftigung in Gemeinschaft nur dann stattfinden, wenn die 
Gefangenen wenigstens ein Jahr Einzelhaft erstanden haben 
und die Fortdauer der völligen Absonderung nicht besonders 
verlangen. Mit den beantragten Zusätzen der ersten und zwei¬ 
ten Kammer wurde das Gesetz im Juli v. J. publicirt und 
dessen Vollzug angeordnet. Man ist gegenwärtig damit be¬ 
schäftigt, ein in Bruchsal befindliches Gefängniss, das vor 
30 Jahren zur Einführung des Auburn’schen Systems für die 
weiblichen Sträflinge erbaut wurde und mit verhältnissmässig 
geringen Kosten auch für das Einzelhaftsystem umgeändert 
werden kann, zu einem Zellengefängniss für die Frauen her¬ 
zurichten und hofft mit dem 1. November das Gesetz zur Aus¬ 
führung bringen zu können. *) Die Durchführung des Isolir- 
systems wird dem Vernehmen nach mit der früher schon 
projectirten Modification stattfinden, dass die Gefangenen zwar 
in Kirche und Schule getrennt, dagegen keine besonderen 
Isolir-Spazierhöfe hergestellt werden sollen. 

Fassen wir nun nach diesen geschichtlichen Bemerkun¬ 
gen, die ich um der Sache selbst willen nicht übergehen 
wollte, die Thesen selbst ins Auge und zwar zunächst These 1, 
so habe ich zur Begründung derselben nur Weniges zu sagen. 

Ich gehe, wie Sie sehen, von der Voraussetzung aus, dass 
Sie mit Annahme von These 1 nicht das Isolirsystem selbst 
als die zweckmässigste Haftart anerkennen sollen. Das wäre 
eine ungerechtfertigte Zumuthung, die vielen Streit hervor- 
rufen, aber kein Resultat, wenigstens kein positives haben 
würde. Nein, ich will, so sehr auch wir in Baden nach 
unseren Erfahrungen in der Hauptsache tibereinstimmen und 


*) Sie wird im Frühjahr 1868 eintreten. 


Anm. d. Red. 



197 


diese allgemeine Uebereinstimmung auch wieder in den er¬ 
wähnten Kammerverhandlungen deutlich zu Tage trat, doch 
nur so viel sagen, dass Sie es als Ihre Ueberzeugung aus¬ 
sprechen mögen, es fordere bei Annahme der Einzelhaft als 
zweckmässigster Haftart für die Männer die Gerechtigkeit wie 
die Humanität auch deren Anwendung bei weiblichen Sträf¬ 
lingen. Ausser dem allgemeinen Grunde, der auch von dem 
Berichterstatter der ersten Kammer an die Spitze gestellt 
wird, dass bei uns die Erfahrung die Einzelhaft als „eine 
Wohlthat und eine sittliche Förderung für die Bestraften“ 
bestätigt habe, wird mit Hecht wiederholt auch die für 
die Männer mit der Einzelhaft gesetzlich verbundene bedeu¬ 
tende Strafabkürzung hervorgehoben und habe ich ausserdem 
schon in meinem Aufsatze darauf hingewiesen, dass diese Ab¬ 
kürzung selbst solchen Männern billiger Weise zu Gute 
kommen müsse, die wegen ihres leidenden Zustandes oft schon 
nach kurzer Haftzeit in Gemeinschaft versetzt werden. Auch 
in anderen Ländern, wo mit der Einzelhaft gesetzlich eine 
Strafabkürzung verbunden oder wo man von ihren relativen 
inneren Vorzügen überzeugt ist, hat man diese Frage schon 
oft besprochen und nur Bedenken, wie sie auch in Baden 
geltend gemacht wurden oder auch im Kostenpunct begründet 
sind, haben die allgemeine Durchführung verhindert. So 
höre ich z. B., dass auch der gegenwärtige General-Inspector 
der belgischen Gefängnisse dahin wirke, dass alle weiblichen 
Sträflinge und zwar während ^ier ganzen Dauer ihrer Haft, 
wie die Männer isolirt werden können, nachdem bereits in 
Brüssel mit einer besondern Strafanstalt und in den kleinen 
Provinzialgefängnissen für Gefangene mit kürzerer Haftzeit 
der Anfang gemacht ist. Ja ich bin der Ansicht, dass, wenn 
auch in der That die weiblichen Sträflinge die Einzelhaft und 
zwar nicht einmal die modificirte Einzelhaft ertragen könnten, 
es wenigstens recht und billig sei, sie im Hinblick auf die 
männlichen Strafgefangenen, die sich einer Abkürzung der 
Strafzeit erfreuen dürfen, irgendwie zu entschädigen. Auch 
in England, dem Land des Gesetzes und Rechts kat exochen 
hat man z. B. wegen der Transportation nach Australien oder 
wegen der Arbeiten im Freien, wodurch die Strafe der Män- 



ner wenigstens erleichtert wird, die durch diese Erleichte¬ 
rung entstehende Ungleichheit Bchon öfters zur Sprache ge¬ 
bracht und sogar Strafabktirzung für die Frauen zu ihrer Ent¬ 
schädigung vorgeschlagen. Doch • — ich habe nicht nöthig, Wei¬ 
teres darüber zu sagen; die Sache ist an sich so klar, dass sie 
eigentlich nur der Erwähnung bedarf; um so schwieriger aber 
ist die Frage, wie allen Ungleichheiten abzuhelfen sei, ohne 
in irgend einer Weise die Gerechtigkeit weder dem Gesetze 
noch den Gefangenen gegenüber zu beeinträchtigen, bei Letz¬ 
teren auch nicht auf Kosten einer missverstandenen Humanität, 
die im Grunde auch dem persönlichen Interesse des Sträflings 
entgegen ist. (Vrgl. Eingang zu § 5 meines Aufsatzes.) 

Die Norm, welche, wie ich glaube, einzuhalten ist, um 
das Suum cuique zur Geltung zu bringen, habe ich in meinem 
Aufsatze weiter auszuführen und in These 1 und 2 kurz an¬ 
zudeuten versucht. Ich habe deswegen theils mit wenigen 
Worten auf das hinzuweisen, was dort weiter ausgeführt ist, 
theils aber auch meinem Versprechen gemäss neue Erfahrungen 
zur Begründung hinzuzuftigen. 

In meiner, gegenwärtiger Ausführung zu Grund liegen¬ 
den Arbeit habe ich durch die in der englischen, französischen 
und deutschen Gefangnissliteratur gesammelten Erfahrungen 
Über diesen Gegenstand nachzuweisen gesucht, dass allerdings 
zwar die Einzelhaft an und für sich durchführbar, aber auch 
nach gewissenhafter Prüfung nicht verschweigen können (so 
sehr es gegen meine Neigung ging), dass nur eine modificirte 
Durchführung hier am Platze sei. Was ich nun seit zwei 
Jahren theils aus älteren, damals mir noch nicht bekannten, 
theils aus den neuesten Schriften weiter in Erfahrung bringen 
konnte, stimmt vollständig mit dem zusammen, ja bestätigt es 
noch stärker, was ich als meine Ueberzeugung auf S. 55 ff. 
aussprechen zu müssen glaubte. Ich schlug dort nach dem 
Vorgänge in Oldenburg und Baiern vor, die Gefangenen bei 
ciei' un d hei Nacht zu trennen, aber Gemeinschaft in 

Kirche Schuft unc ^ Spazierhöfen beizubehalten Und aiydh die 
Masken und N v p mern fallen zu lassen. Mit diesen Erleich¬ 
terungen glaubte Beziehung auf das Maximum dyr Straf¬ 

zeit in Einzelhaft teine Aenderung Vorschlägen zutoüsse«, 



m 


sondern die fftr dte Mänirör bestimmten 6 JahrC beihehalten zu 
könheth Auch jetzt höch bin ich dieser Ansicht, die der 
Haüptsäöhe nach auch in dem vorgelegten RegierungsCntwurfe 
Bich aussprach, und ich freue mich, dass, wenn auch dieser 
Regierungsentwurf so Verändert wurde> wie ich es oben an¬ 
gegeben habe, doch wenigstens das Prinzip der Einzelhaft 
nicht wesentlich alterirt und zu hoffen ist, es werden alte 
weiblichen Sträflinge, welche die Isolirung länger als ein Jahr 
ertragen kbütfert, dieselbe schon um der Strafabkürzung willen, 
aber aüeh ans inneren Gründen wo möglich bis .zum Ende 
der Strafzeit beizubehalten Wünschen. 

Das Wesen der Einzelhaft besteht, wie ich in meinem 
Aufsatze $. 56 schon behauptet habe Und wie dasselbe zu 
meiher Genugthuuhg nun auch in § 1 deS Gesetzentwurfs 
v. J. 1866 prädser aüsge drückt ist als in dein vom Jahr 1845 
^nicht in absoluter Einsamkeit, Sondern nur in Absonderung 
der Gefangenen von einander, um Verschlechterung zu ver¬ 
hüten und deü Boden Zu bereiten für eine heilsame Einwir¬ 
kung auf dieselben durch Alles* waä ihnen zu ihrer geistigen 
und sittlichen Hebung durch Lehre und Beispiel, sowie durch 
eine dem Böäserungszweck diehende Hausordnung geböten 
werden kann.* Kann darum der Verkehr in Kirche Und 
Schule, sowie in den Spazierhöfen ohne Zellen verhindert 
werden (und das halte ich relativ f\ir möglich; in absoluter 
Weise kommt es auch im Zellengefängnisse nirgends vor), so 
ist das Wesen der Sache gewahrt und däs übrige nur Form. 
Auch in Bezug auf die Däubr der Einzelhaft findet dieses bis 
zu einem gewissen Grade seine Anwendung, obgleich hier 
eine sichere Entscheidung schwieriger ist. 

Warum ich nun. aber nur eine modificifte Durchführung 
der Einzelhaft ffkr gut Und recht halte, habe ich aus der 
eigenthüinlichert Beschaffenheit der weiblichen Natur in physi¬ 
scher, Bdwie psychischer und sittlicher Beziehung nachzuWeisen 
gesucht (S; 40 ff.) Üttd Will es hier nicht wiederholen. Be¬ 
merken will ich nur, dass insbesondere, Wäs das Geschlechts¬ 
leben des Weibes betriÖt, das mit dem leiblichen, wie geistigen 
«nd sittlichen Zustand so innig verwachsen ist tlnd bei den 
um die es sich hier handelt, mehr als bei andern in 



200 


Betracht kommt, sehr grosse Vorsicht angewendet werden 
muss. Dieses wird unter Anderen auch durch v. Wiek in 
Dreibergen bestätigt (Isolirung der Sträflinge S. 12, 1848) 
der die Erfahrung machte, dass bei isolirten weiblichen Sträf¬ 
lingen, die an hysterischen Zufällen litten, nur dann eine Bes¬ 
serung eintrat, wenn sie mit anderen Weibern zusammen¬ 
gesetzt wurden. 

Es steht nach meiner Ansicht fest, dass bei der grösse¬ 
ren Schwäche und feineren Organisation des weiblichen Ge¬ 
schlechts im Allgemeinen, bei dem Vorherrschen des Gefühls¬ 
und Phantasielebens, bei der nervösen Reizbarkeit und Leb¬ 
haftigkeit, sowie bei der berührten Eigentümlichkeit ihres 
sexuellen Lebens, die Frau schon in der Freiheit, noch weniger 
aber unter dem Drucke der Gefangenschaft für die Dauer 
das ertragen kann, was der Mann, der von dem Schöpfer 
mit grösserer Geistes- und Willenskraft, sowie mit einem 
kräftigeren Körperbau ausgerüstet ist und dessen Leben sich 
von Jugend auf mehr in Gegensätzen und in Kampf bewegt. 
Auch wiederhole ich hier, was insbesondere wieder das (Kon¬ 
tingent der Strafanstalten betrifft, dass nach dem Urtheile 
einer erfahrenen englischen Dame sich in den Strafclassen der 
männlichen Bevölkerung kein Einziger befinde, Jder den schlech¬ 
testen Bewohnern der Weiberstrafanstalten gleichkäme. (S. 48.) 
Bei aller Verschiedenheit der Verhältnisse findet diese Behaup¬ 
tung doch auch in gewissem Sinne ihre Anwendung auf unsere 
Zustände, was mir erfahrene Fachmänner bestätigen werden. 

In dem Allem nun, was ich bereits in meinem Aufsatze 
näher dargelegt habe, bestärken mich die neuen Erfahrungen, 
die mir seitdem bekannt wurden und von denen ich wenig¬ 
stens einige erwähnen will, die deutlich zeigen, dass die 
Frauen im Allgemeinen schon, besonders aber in den Gefäng¬ 
nissen grösseren Gefahren für ihre leibliche und geistige 
Gesundheit ausgesetzt sind, als die Männer und dass diese 
natürlich S der Einzelhaft sich noch steigern müssen. 

Wie Sv "n Quetelet in seinem immer noch nicht ver¬ 
alteten Werke „ueber den Menschen“ (übers, v. Ri ecke in 
Stuttgart) nachweist, überragt im Allgemeinen die Sterblich¬ 
keit der Frauen diejenige der Männer gerade in dem Lebens- 



201 


f 



alter, dem die meisten männlichen und weiblichen Gefangenen 
angehören, nemlich vom 26.—40. Jahre. Interessant sind in 
j dieser Beziehung auch die Nach Weisungen, di£ Dr. Engel in 
j der Zeitschrift des Kgl. Preussischen statistischen Bureaus vor 
2 Jahren erst gegebeD hat. Er theilt hier unter Anderem 
das Verhältnis der Sterblichkeit in der allgemeinen Wittwen- 
verpflegungsanstalt zu Berlin von den Jahren 1776—1852 mit. 
Auf Grund seiner genauen statistischen Angaben war auch 
hier die Sterblichkeit der Frauen vom 25.—40. Jahre eine 
bedeutend grössere, als die der Männer, so dass sie z. B. im 
25. Jahre bei den Männern 6,20, bei den Weibern 11,99 
beträgt und so allmählig wieder absteigend bis zum 40. Jahre 
auf 11,50 bei den Männern und auf 11,79 bei den Frauen 
herabsinkt. 

In der genannten Zeitschrift sind nun auch die Gefäng¬ 
nisse besonders berücksichtigt; nur ist zu bedauern, dass die 
i Geschlechter nicht überall geschieden sind (so z. B. in den 
Mittheilungen aus Preussen selbst nicht, ferner nicht aus 
: Sachsen, Baiern u. a. Ländern.) Dagegen sind in dieser Hin¬ 
sicht die Angaben aus Hannover und ausserdeutschen Län¬ 
dern (England, Frankreich, Belgien, Holland) vollständiger. 
In den 8 Männerstrafanstalten von Hannover war z. B. die 
Durchschnittszahl der Gestorbenen von 1854—63 17,12 auf 
1000, die in den Weiberstrafanstalten 22,66 auf 1000, wobei 
noch zu beachten ist, dass in dem Werkhaus für Männer zu 
Moringen, das bedeutende locale Uebelstände zu haben scheint, 
auf 1000 Gefangene ausnahmsweise 32,4 Todte kamen, die 
i mitgezählt sind. 

In 8ämmtlichen holländischen Strafanstalten kamen 
von 1846—55 auf 1000 Männer 52,2 Gestorbene, auf 1000 
Frauen 81,5; in den Jahren 1849—55 war dagegen dasVer- 
hältniss nur 46,7 bei Männern, und 49,2 bei Frauen. Damit 
stimmen auch die Angaben in meinem Aufsatze überein. 

Was England betrifft, so füge ich meinen früheren 
| Angaben, dass im Londoner Hauptgefangniss für Männer 
1 (Pento.nville) in den Jahren 1855—63 auf 1000 Gefangene 
I 18,56 Kranke, 4,8 Wahnsinnsfälle und 4,8 Todte kamen, 
[ während z. B. in der grossen Weiberstrafanstalt Brixton 



im gleichen Zeiträume auf 1000 Gefangene 0O,® ‘Krähke, 1 
5,2 Wahnsumsfälle und 18,3 Todte gezählt Würden. Aü&sef- ] 
detn ist zu bemerken, dass iu Pentonvillö (bei deti Männern) 1 
Gestorbene und aus medizinischen Gründen Begnadigte 6,3, 
bei den Frauen in Brixton dagegen 20,9 Gestorbene Und aus 1 
medioinischen Gründen Begnadigte aufgeführt werden. | 

Meinen früheren Mittheilungen aus Frankreich, die, Wiej 
ich bedauern musste, aus Mangel an genauen und äichfeffeu 
Quellenangaben, keine sicheren AnhaltsJ>uncte boten, kann ich { 
nun beifügen, dass nach einem h J. 1859 an den Minister- 
defe Innern erstatteten medizinischen Berichte das eigenthüiö- 
liche Verhältniss obwaltet, dass in neuerer Zeit bei den Mäa-j 
nern die Sterblichkeit abnimmt, die der Frauen aber zummtat,; 
während früher das Gegentheil stattgefunden haben Söll« Iiül 
Jahr 1859 war der mittlere tägliche Krankenstand auf je i 
1000 männl. Gefangene 54, auf je 1000 Weibh Gefangene 58 , 
und die Zahl der Gestorbenen von je 1Ö00 männl. Gefangenen j 
52,5, von je 1000 Weiblichen aber 64,3. 

Diese auffallende Erscheinung erklärt sich Wohl daraus j 
am Besten, daBs die Lage der männlichen Gefangenen nichtj 
allein auf den Galeerenhöfen (von denen jetzt nur noch 1 in \ 
Toulon besteht), sondern auch in anderen Strafanstalten wesent- ä . 
lieh verbessert wurde, während die der Frauen auch früher ! 
schon eine verhältnissmässig erträglichere gewesen zu sein j 
scheint, so dass die neuesten Angaben wohl als normale ftnge-! 
Behen werden dürfen, wie sie bei gleichen Verhältnissen beider 
Geschlechter auch fortan sich bewähren werden. Wie ich 
aus der Zeitschrift des statistischen Bureaus des Kgh Säzhs. 
Ministeriums d. I. ersah, die auch Nachweisungen über die j 
Strafanstalten ünd Verbrecher gibt, wiegt die Zahl der Ge- j 
storheüen bei den Frauen in den letzten Jahren auch in i 
Sachsen etwas vof; die Zahl der männlichen Verstorbenen ! 
war in früheren Jahren im Gegensatz dazu eine sehr erheb¬ 
liche, sowohl an ünd für sioh, als im Verhältnis* zu der weib¬ 
lichen Gefänguissbdvölkeruüg. Ueber die Ursache datön 
werden die Fachmänner aus diesem Lande selbst die beste 
Auskunft geben können. Hängt sie vielleicht mit der anderen 
^nffmllesden Erscheinung zusammen, dass die Zahl de? Weib- 



fichftft Verbrecher trete der trefflichen Schulbildung, di* so¬ 
gar die de* männlichen Geschlechtes in Sachsen etwas über¬ 
treten soll, in starkem Wachsen begriffen ist? 

In Belgien nun, ora auch hier noch Etwas zur Er¬ 
gänzung und Erläuterung meines früheren Berichtes betau- 
fägen, Scheint ausnahmsweise das Verhält»iss ein umgekehrtes 
zu sein, wenn wir 2 . B*, um ton dem schönen, so wohl aas¬ 
gestatteten Brüsseler ZellengefUngniss für Weiber hier nicht 
mehr su reden, das Beeserungshaus für Frauen in Namur und 
das für Männer in St. Bernard vergleichen, in denen vom 
Jahre 1840—60 auf 1000 weibliche Gefangene 89 Kranke 
und 28 Gestorbene kamen, während im gleichen Zeitraum in 
der genannten Männeretrafanstalt auf 1000 Gefangene zwar 
nur 42 Kranke, aber 33 Todte gezählt wurden» Di« ungün¬ 
stige Lage dieser Männeranstalt und vielleicht auch Bäu und 
Einrichtung mögen Sohuld an dieser Erscheinung tragen oder 
auch andere unbekannte Ursachen; denn im Männerzuchthaus 
zu Vilvorde betrug z. B. in der gleichen Zeit die Zahl 
der Todte» nur 23 auf 1000 Gefangene und im MilitärarreSt- 
haua zu Alost sogar nur 16 Gestorbene auf 1000 Sträflinge. 

Schliesslich will ich auch noch erwähnen, dass bezüglich 
der Wahnsinnsfälle nicht von allen Seiten genaue Nach¬ 
richten vorliegen. Es ist, was zunächst die Beurtheilung der 
Sache im Allgemeinen betrifft, nicht ausser Acht zu lassen, 
dass nach den schon von Quetelet gemachten genauen Erhe¬ 
bungen in den nördlichen Ländern Europa*» die Zahl dbr 
männlichen, in den südlichen dagegen die Zahl der Weiblichen 
Irren überwiegend ist. In Deutschland z. B. soll sich das 
Verhältniss der männlichen zu den weiblichen Irren wie 
100 : 75, in Frankreich dagegen wie 100 : 144 Verhalten. 
In Betreff der Gefangenen hat man (wie ich naebgowiesen) 
besonders auch in England und Italien die Erfahrung gemacht, 
dass die Frauen die Gefangenschaft und namentlich die Einzel- 
haft gemüthlich schwerer empfinden, als die Männer und da¬ 
her auch mehr zn Seelenstörungen geneigt sind. Ausser 
meinen früheren Mittheilungen und den vorhin aUs England 
berichteten Erfahrungen will ich insbesondere noch erwähnen, 
was die gleichfalls schon berührten Wahrnehmungen 



204 


in Dreibergen betrifft, v. Wiek vorzugsweise die Nachtheifo 
der Einzelhaft fttr die geistige Gesundheit der Frauen hervor¬ 
hebt und z. B. bemerkt, dass innerhalb eines gewissen Zeit¬ 
raums in 8 Fällen von Geisteskrankheit 5 auf Frauen und 
nur 3 auf Männer kommen, obgleich die Zahl der letzteren] 
stets viel grösser war. Dabei zieht er dann aus dem Umstande,] 
dass von diesen 8 Geisteskranken 7 isolirt waren, den berechn 
tigten Schluss, dass nicht allein die Gefangenschaft im Allge- ! 
meinen, sondern die Einzelhaft im Besonderen weniger gQt| 
von den Frauen als von den Männern ertragen werde. I 

Auf einer Heise, die ich im letzten Jahre zum Besuch» 
der Schweizerischen Strafanstalten machte, liess ich es mir ange¬ 
legen sein, auch über diesen Punct Fachmänner zu hörend 
die wenigstens einzelne Erfahrungen machen konnten und 
vernahm dasselbe Urtheil, wie es auch von Seiten fast alleri 
deutschen Strafanstaltsbeamten mir bestätigt wurde, mit denen 
ich seit längerer Zeit zu verkehren Gelegenheit hatte. 

Unter diesen Umständen konnte ich denn auch durch! 
die Entgegnung des Medicinalrath Dietz auf meine Arbeit 
nicht anderer Ansicht werden, wie ich es im zweiten HefWj 
des zweiten Bandes der Blätter für Gefängnisskunde sogleich! 
im Anschluss an jene Entgegnung ausgesprocheu habe. Ebenso] 
wenig konnten mich die Urtheile anderen Sinnes machen, di^ 
Medicinalrath Füsslin in seiner 1865 herausgegebenen Schrift 
(„die Grundbedingungen jeder Gefängnissreform im Sinne} 
der Einzelhaft“) und in demselben Jahre Prof. Röder im 
einem Aufsatz der deutschen Vierteljahrsschrift („über das] 
Gefangnisswesen im Lichte unserer Zeit“) über unsern GegenH 
stand abgegeben haben. Selbstständige Studien und Erfah-] 
rungen liegen diesen Urtheilen nicht zu Grunde, sondern vor¬ 
zugsweise Hinweisungen auf Ducpetiaux, Fridlein Mailet und 
andere Stimmen aus Belgien und Frankreich, die ich nach 
meinen frühem Erörterungen und den heute gegebenen Aus*| 
führungen bei aller Anerkennung der edelsten Absichten hier 
nicht für unbedingt maasgebend anerkennen kann, zumal wenn 
man die Sache so weit auf die Spitze treibt, dass man sogar' 
behauptet, die Weiber könnten die Einzelhaft noch besser; 
ertragen, als die Männer. So glaube ich denn auch, Ih|«j 



205 


eduld nicht mehr länger in Anspruch nehmen und auf früher 
ichon Besprochenes nicht aufs Neue mehr eingehen zu müssen. 

Sie werden auch bei meiner mangelhaften Ausführung 
io viel gesehen haben, dass es nicht Systemreiterei ist, was 
ich in meinem Urtheil bestimmt, sondern die Wahrheit und 
as Recht und ich glaube damit auch die wahre und rechte 
umanität. Indessen lasse ich mich gerne belehren, aber 
eilich nicht durch blosse Machtsprtiche, sondern durch That- 
chen allein, durch nackte Zahlen, wie ich sie Ihnen auch 
ngegeben habe. Das Beste ist bei aller Meinungsverschie- 
enheit und bei allem Kampf, ohne den auch auf diesem Ge- 
iete die Wahrheit nicht ans Licht kommen und sich geltend 
achen kann, dass wir Alle doch jedenfalls, die wir an Ge- 
ingnissen arbeiten und sonst für das Gefängnisswesen thätig 
ind, nur dasjenige beabsichtigen, was dem wahren leiblichen, 
eistigen und sittlichen Wohle der Gefangenen entspricht. Das 
ort, das schon vor Jahrhunderten das Bild jener strafenden 
rau im Munde hatte über die Weiberstrafanstalt in den nord- 
eutschen Städten, die überhaupt in der Fürsorge für die 
efangenen den Deutschen schon im Anfänge des 17. Jahrhun- 
erts rühmlich vorangegangen (Hamburg, Bremen, Braun- 
hweig, Leipzig u. s. w. im Anfänge des 17. Jahrhunderts, 
Wiehern, Fl. Bl. 1857 Nr. 3 und 4) sei auch heute noch 
ser Loosungswort. Es ist der kurze, aber tiefsinnige Spruch: 
Straf ist min Hand, doch guet ist min Gemüet®, der allein 
der Theorie und Praxis uns leiten soll. Gestraft muss 
or Allem werden und eine Strafanstalt muss darum zu* 
hst jedes Gefangniss sein, in dem eine schwere Schuld 
erbüsst werden soll; aber so soll gestraft werden, dass in 
em Verbrecher der Mensch nicht vergessen, dass er im 
egentheil wieder zur Freiheit erzogen werde, die er missr- 
raucht, zu einem Leben, das dem Gesetze Gottes und den 
rauf sich gründenden menschlichen Ordnungen entspricht, 
it elches System nun hier am Besten Anwendung finden könne, 
i diesen Zweck zu erreichen, hängt nicht allein von der 
leorie ab, die an sich ja grau ist, sondern von der Praxis 
gleich, die das Correctiv für jede gesunde Theorie abgeben 
Darum kann und wird auch immer das System modificirt 


— m 

»ein mach Nationalität, Geschlecht, Alter,. Bildungsstufe U, fu. V . 1 
heisse es nun Pennsylvaniscbes, Auburn’&cbes, OfasaifieatiQna',) 
Intermediär-, Communicativ- cder meinetwegen auch gemisch-j 
te& System, welches letzter« freilich kaum mehr ein System! wird 
genannt werden können. Indessen, wie dem. auch sein möge, i 
nicht die Liehe aum System darf uns leiten in unserem Ur 
theU und Wirken, sondern die Liebe ZWO. Menschen seihst^] 
auch aum tief gesunkenen Meuaohe% aum Verbrecher, Wqi 
diese Liehe vorhanden ist, da wird sie nach den gemachten 
Erfahrungen und den bestehenden Verhältnissen auch das 
Richtige zu treffen wissen, Waä lek zur Begründung meiner > 
Thesen dem Aufsatae, auf den sie sick gründen, noch hinzu* 
fügen wollte, habe ioh gesagt. -— ] 

Präsident Lr. Sohwartae: Ich eröffne die. Discussion 
über den Satz. 1. 

Oher-Inapector Witt: Ich gfeube, das* in theai von 
Niemand Widerspruch gegen die cerrecte Fassung dieses] 
Satzes zu erwarten iah weder in materieller noch m formeller j 
Bnziekung, \ 

Dr. Marcard aus. Gelle s Es würde m conatatireaj 
sein, was angeregt wurde, oh nicht in körperlicher Beziehung ! 
sich Bedenken geltend machen, wobei ich mir au, bemerken] 
erlaube, dass, soweit ich die Sache kenne, nichts vorliegt, u» 
Befürchtungen zu. erregen. 

Pastor Krohae:: Ick erlaube, mir eins kwze Mittimi- 
ktng aus. unserer Anstalt, an machen. Wir bähen, die Ehuzelr 
haft aeit einen Reihe von Jahren eingeführt.. Seit den Öfter 
Jahren musste: sie eine/ Zeit lang n&odificürt werden,, weil die 
Anstalt: zu klein wurde, wirr habe«; sie aber sm% 3 Jahren 
streng durchgeführt und keine Uebetetände bemerkt. Nur 
die einzige Rücksicht ist genommen,, dass den krauen grös 
serie freie Zeit zur Bewegung gegebe» wind, als denMännern. 
Während die Männer nun einmal: sick frei bewegen dürfen, 
ist es de® Frauen auf, Verlangen dos Hausarztes %, mal täglich 
gestattet. Wae di& Reizbarkeit den Gefangenen auhetrifft, 
m, sott nicht geleugnet werden, dass» dieselbe in em^ekteu 
Fällen durch dfe Eiimelhafit gesteigert wird). Es zeigt sinh 
dm a.. Bl in Folgendem: 




Während es nämlich in Männergefängnissen wenig oder 
gW nicht voykommt, dass eine gewisse Feindschaft zwischen 
felgen Gefangenen und einem bestimmten Aufseher besteht, 
io kommt es bei den Weibern sehr häufig vor,, dass sie eine 
formbare Maliern auf die betreffende Aufseherin haben, wenn 
diese sie nicht recht angefasst hat, wenn sie.nicht freundlich genug 
ade? wenn sie m freundlich gewesen ist. So haben wir unter 
etwa. 53 Sträflingen 6—7, welche in sehr erklärter Feindschaft 
dem Aufaiohtspersonal leben, die sich oft in sehr unangenehm 
mer Weise herausstellt, und es ist sogar so weit gekommen, dass 
einmal eine solche Gefangene von ihrer Reizbarkeit sich hin- 
i Beissen lies8, thätlich gegen die Aufseherin zu werden und sie 
misshandelt haben würde, wenn nicht gleioh eingeschritten wor- 
| den wäre. Solche gesteigerte Reizbarkeit dürfte aber weit mehr 
»einen Grund haben in dem weiblichen Oharaeter sowohl der 
Sträflinge wie der Aufseherinnen, als in der Einzelhaft. 

■ Waa. den Gesundheitszustand anlangt, namentlich den 
[ körperlichen, so ist: derselbe, viel besser als in dem Männer* 

1 güfängniss. Den geistigen an lange ad, so haben wir bis jetzt 
[nur Gelegenheit gehabt, eine einzige aus der Zelle heraus» 
»«nehmen, nämlich eine Kindsmörderin von sehr niedrigem 
Büdungeznsi&nd, die keine Anlagen und Fähigkeiten hatte, 

| weh geistig zu beschäftigen und daher von der Einzelhaft und 
| der Langeweile erdrückt wurde. Da sich auch Spuren von 
Haflucinationen zeigten, wurde sie herausgenommen und mit 
tthwever körperlicher Arbeit beschäftigt. Aber abgesehen 
hiervon, muss, ich* sagen, die Einzelhaft eignet sich in jeder* 
Weise für die Weiber und: es. wird namentlich eine a dadurch 
M vollständig verhindert werden? während nämlich bekannt' 
lieh gerade, in den Gefängnissen mit gemeinsamer Haft zwi¬ 
schen älteren und jüngeren Frauenzimmern Bekanntschaften 
»«geknüpft wurden, die später zu sehr üblen Dingen (Pro* 
atitution) geführt haben, so wird das bei der* Isoürung bei-- 
nahe, durchweg vermieden werden; Versuche kommen zwar 
inner* noch vor.. 

Director v, Götzen aus Cöln unterbrechend: Das ist 
modifleirte Einzelhaft; ohne Trennung in Kftche*, Schule- und 





208 


Pastor Kr oh ne: Wir haben im Männergefängniss diese 
Trennung auch nicht. Ich kann vielleicht noch hinzufügen, 
dass das Correspondiren in Kirche und Schule fast zu den 
Seltenheiten gehört, (es kommt im Jahr vielleicht 1—2 Mal 
vor), denn die Localitäten sind doch so geräumig, dass immer 
1—1V» Fuss Zwischenraum zwischen den Einzelnen verbleibt. 
Wenn sie spazieren geführt werden, wobei sie etwa 3 
Schritt von einander gehen, versuchen sie wohl eher mehr 
zu sprechen, aber im Ganzen kommt auch das nicht häufig 
vor. 

Inspector Herzinger: In Bayern und namentlich in der 
Polizeianstalt zu St. Georgen ist die Einzelhaft für Weiber 
seit 4 Jahren in Uebung und nach den Erfahrungen, die ich 
dort gemacht habe, kann ich den Antrag des Hrn. Referenten 
nur mit Freuden begrüssen. Ich bin auch der Ansicht, dass 
die Weiber die Einzelhaft besser ertragen als die Männer, 
darum wohl, weil sie mehr an eine sitzende Lebensweise ge¬ 
wohnt sind, oder doch, wenn sie auch einen herumstreichenden 
Lebenswandel geführt haben, sich leichter derselben unter¬ 
ziehen, wie mir diese Wahrnehmung namentlich jugendlichen 
männlichen Gefangenen aus dem Bauernstände gegenüber täg¬ 
lich wird. — Die Bedenken, welche man gegen die Einzelhaft 
für Weiber geltend macht und wie solche in dem Anträge 
— 5. Heft der Blätter für Gefangnisskunde — aufgeführt, 
mögen bei der absoluten Isolirhaft ihre Berechtigung finden, 
nicht aber bei der modificirten Einzelhaft, wie sie bei uns in 
Bayern besteht. Ja ich glaube, dass diese Bedenken eher 
für die Begründung der Einzelhaft in Anspruch genommen 
werden dürfen. Die Schwäche und hohe Reizbarkeit des ge¬ 
fallenen Weibes, als erstes Bedenken bezeichnet, und die vielen 
daraus folgenden Excesse wird wohl Niemand mehr als der 
Vorstand einer weiblichen Polizei-Anstalt zu würdigen Ge¬ 
legenheit haben. Aber findet denn diese Reizbarkeit nicht 
gerade in der Gemeinschaftshaft die reichlichste Nahrung 
und den ergiebigsten Boden und wird sie nicht vielmehr nur 
in der Zelle gemildert? Als zweiten Grund gegen die Zellen¬ 
haft für Weiber gibt man die hohe Neigung des gefangenen 
Weibes zur sinnlichen Lust an; aber diese sinnliche Lust, 



209 




welche die Quelle aller Verderbniss ist, wird in der Gemein- 
schaftshaft nur vermehrt, während sie in der Zelle gemässigt 
za werden pflegt. Als dritter Grund gegen die Isolirhaft des 
Weibes figurirt die besondere Neigung desselben, sich Andern 
mitzutheilen, die sogenannte Schwatzhaftigkeit. Es ist aller¬ 
dings richtig, dass die Strafbücher der Polizeianstalt eine 
grosse Ziffer als Folge dieses vermeintlichen Bedürfnisses nach- 
weisen und welch viele Disciplinarstrafen in dieser Beziehung 
nothwendig werden; aber nach meiner Erfahrung verzichten 
die Weiber recht gerne auf diese Leidenschaft, wenn sie nur 
einmal in der Zelle uutergebracht sind. 

Man sagt ferner, für die Einzelhaft der Weiber könne 
eine passende Beschäftigung nicht ausgemittelt werden. Als 
eine solche dürften sich nach meinem Dafürhalten weibliche 
Handarbeiten, die den Weibern auch nach dem Austritte aus 
dem Gefängnisse von Nutzen sind, als zweckmässig darstellen, 
also Spinnen, Stricken, Weissnähen, Sticken etc. Diese Ge¬ 
schäftszweige werden bei uns von einer wohlunterrichteten 
Werkaufseherin gelehrt und überwacht und ich habe gefunden 
und finde täglich, dass die weiblichen Zellengefangenen diese 
Arbeiten nicht nur rascher erlernen, sondern dass sie bei 
gleicher Arbeitsgewandtheit und bei gleicher Kraft auch quan¬ 
titativ mehr leisten, als diess in dem Arbeitssaale der Fall ist. 

Als letzten Grund gegen diese Einzelhaft wurde das 
Unpassende des Besuches der weiblichen Gefangenen von 
Seiten der männlichen Beamten in Anregung gebracht. Ich 
gebe sehr gerne zu, dass der Gefängnissbeamte im Verkehre 
mit weiblichen Gefangenen nicht genug Vorsicht auf bieten 
kann; diesem Bedenken aber wird bei uns dadurch begegnet, 
dass die Aufseherin instructionsgemäss während des Besuches 
in der Zelle zugegen ist. Kommt der Fall vor, dass die Ge¬ 
fangene den Beamten allein zu sprechen wünscht, so entfernt 
sich die Aufseherin aus der Zelle, hat aber durch eine in der 
Thüre angebrachte Oeffnung alles wahrzunehmen, was in der 
Zelle vorgeht. 

Die Polizei-Anstalt St. Georgen in Bayern ist zur Auf¬ 
nahme von weiblichen Gefangenen bestimmt, gegen welche 
durch richterliches Erkenntniss wegen Landstreicherei, Unsitt- 

tftittor für Gefängnis stunde III. ir 



libhkeit, Unzucht, Betteins, Bruch der Polizeiaufsicht, die Zu¬ 
lässigkeit der Verwahrung in einer Polizei-Anstalt ausgespro¬ 
chen ist, dann Dauer durch Beschluss der Verwaltungsbehörde, 
das k. Bezirksamt, zwischen 4 Monaten und 1 Jahr festgesetzt 
wird, je nach dem Wohlverhalten der Gefangenen in der 
Anstalt aber- von der betreffenden königl. Kreisregierung um 
Va verkürzt oder verlängert werden kann; sie bewegt sich 
somit zwischen kürzestens 4 und längstens 16 Monaten. Die 
Bevölkerung einer Polizei-Anstalt bildet also nach den Beaten, 
die sie in die Anstalt fuhren, so ziemlich die Hefe des weib¬ 
lichen Geschlechtes, und man wird mir Hecht geben, wenn 
ich es eine Wohlthat nenne, dass durch das Gesetz vom 
10. November 1861 und Ministerialentschliessung vom 27. Sep¬ 
tember 1862, dann § 9, 66 und 69 der Hausordnung in der 
Polizei-Anstalt St. Georgen eine Abtheilung mit 12 Zellen 
geschaffen wurde, in welcher seit 9. October 1863 die Einzel¬ 
haft unter folgenden Modificationen vollzogen wird: 

Jede Gefangene ist zunächst ärztlich zu untersuchen, ob 
sie nach ihrem geistigen und körperlichen Zustande in der 
Lage, die Einzelhaft zu ertragen. 

Die Gemeinschaftshaft ist bei der Bewegung im Freien, 
während des Schul- und Religions-Unterrichtes und während 
des Gottesdienstes nicht ausgeschlossen. 

Ergibt sich, dass im Laufe des Vollzuges der Isolirhaft 
Bedenken wegen des geistigen oder körperlichen Wohles der 
Gefangenen von dem Hausarzte erhoben werden, so ist augen¬ 
blicklich die Isolirhaft zu unterbrechen. 

Unter diesen Modificationen darf der Vorstand der An- 
stalt eine weibliche Gefangene, welche wegen bisherigen 
sohlechten Lebenswandels eine geringe Hoffnung auf nach¬ 
haltige Besserung gewährt hat, oder sich zu Excessen geneigt 
gezeigt, oder auf andere weibliehe Gefangene einen verderb¬ 
lichen Einfluss besorgen lässt, einerseits; anderseits jüngere 
oder minder verdorbene Gefangene, bei welchen noch Hoff¬ 
nung auf Besserung, gleich nach ihrem Eintritte in die An¬ 
stalt auf die Dauer von 6 Monaten, im Laufe der Detention 
aber^* 1 °* k '‘.plinar-Straffolge auf 3 Monate mittelst Beschlus- 
' 3l 81 dchen den Gefangenen Berufungsrecht zu steht, 



211 


in einer Zelle unterbringen. Die Gefangenen haben aber 
auch das Hecht, zu verlangen, dass die Zellenhaft auf die 
ganze Detentionszeit erstreckt werde. Unter diesen Ver¬ 
hältnissen wurden seit 9. Oct 1863 209 Gefangene — 138 in 
Folge Diseiplinarbeschlusses, 71 auf freiwillige Meldung —- 
der Zelle unterworfen. Es hätte sich wohl die Hälfte der 
Gefangenen freiwillig gemeldet, wenn der Kaum nicht so be¬ 
schränkt gewesen wäre. Die Wirkungen dieser auf 1—8 Mo¬ 
nate sich]ausdehnenden Zellenhaft waren nun sehr günstige. Die¬ 
jenigen Gefangenen, welche freiwillig die Zelle gesucht hatten, 
fühlten sich selbstverständlich beim Eintritte schon behaglich 
und zufrieden. Bei denen, welche der Zelle zugewiesen wurden, 
waren die ersten Wochen in der Regel peinlich, namentlich 
schmerzlich den Verdorbensten. So hatten wir eine Gefangene, 
die sehr ausschweifend war und eine besondere Gewandtheit 
im Taschendiebstahle besass, so dass ihre Heimathsbehörde 
berichtete, seitdem sie detinirt, seien in München */a Taschen¬ 
diebstähle weniger begangen worden. (Heiterkeit.) Diese wurde 
in Folge Disciplinarbeschlusses in die Zelle gebracht und sie war 
die Einzige, welche erklärte: „Wenn ich in die Zelle muss, 
werde ich ein Narr.® Sie befindet sich in der Zelle und sie 
ist wohl, obgleich nicht zufrieden. Aber im Allgemeinen 
söhnen sich Alle mit dem Aufenthalte in der Zelle sehr bald 
aus, sie lernen sie so lieb gewinnen, dass im Falle der Tren¬ 
nung von derselben wirkliche Scenen stattfinden. Es kommen 
nemlich häufig Fälle vor, dass für neu eingelieferte Gefangene 
das Bedürfniss der Isolirung besonders ausgesprochen erscheint 
und sämmtliche Zellen bewohnt sind; in diesem Falle kommt 
man bei der geringen Zahl der vorhandenen Zellen in die 
grösste Verlegenheit, da sich keine Gefangene von ihrer Zelle 
trennen will und muss man wirklich eine Versetzung aus der 
Zelle vornehmen, so entsteht ein Klagen und Jammern, als 
wenn die weiland körperliche Züchtigung noch in Uebung wäre. 

Es wurde heute auch die Frage aufgeworfen, ob nicht 
für die Gesundheitsverhältnisse in geistiger wie körperlicher 
Beziehung der Aufenthalt in der Zelle nachtheilig sei. Hier 
glaube ich die Wahrnehmungen unseres Hausarztes niederlegen 
zu dürfen, welche derselbe während einer vierjährigen Beob- 

15 * 



212 


achtungszeit zu machen Gelegenheit gehabt hat und der sich 
in dieser Richtung folgendermassen vernehmen lässt: 

Ein ungünstiger Einfluss der Zellenhaft auf die Gesund¬ 
heitsverhältnisse der Detentinnen konnte in keinem Falle wahr- 
genommen werden; ebenso wenig hatte die Zelle auf Erzeu¬ 
gung einer krankhaften Gemüthsstimmung oder geistigen Krank¬ 
heit irgend einen Einfluss. Bei einigen, wahrscheinlich durch 
liederlichen Lebenswandel oder schlechte Nahrungsverhältnisse 
herabgekommenen Individuen wurde bemerkt, dass ihr Leben 
in der Zelle eine merkwürdige Aufbesserung ihrer Körper¬ 
fülle und körperlichen Kraft bewirke. Auch auf Charakter, 
Gesinnung und Benehmen der Gefangenen übte die Zellen¬ 
haft einen wohlthätigen Einfluss. (Also die bei den weib¬ 
lichen Gefangenen vorherrschende Neigung zur Sinnlichkeit 
äussert in der Zelle keine nachtheilige Wirkung.) 

Eine andere Bemerkung desselben über diese Zellenhaft 
ist folgende: 

Im Allgemeinen war der Gesundheitszustand der Zellen¬ 
gefangenen ein vortrefflicher; man konnte durchgehends be¬ 
merken, dass die Zellengefangenen, wenn sie mehrere Wochen 
isolirt waren, den Eindruck besserer Gesundheitsverhältnisse 
schon beim ersten Anblick machten. Eben so wenig konnte 
bemerkt werden, dass die Zellenhaft auf den Geistes- oder 
Gemüthszustand der Detentinnen irgend einen nachtheiligen 
"Einfluss äusserte; im Gegentheil unverkennbar war die Isolirung 
ein Factor, welcher auf den Gemüthszustand der Zellengefan¬ 
genen ebenso, wie auf den körperlichen Zustand derselben einen 
wohlthätigen, moralisch bessernden, geistig und gemüthlich 
stärkenden Eindruck zu machen nie verfehlte. Dass die Zellen¬ 
haft die Entstehung bestimmter Krankheiten begünstige, konnte 
niemals bemerkt werden. Menstruationsstörungen in Folge 
der Zellenhaft kamen nie vor; ebenso wenig in Folge Ver¬ 
abreichung von Gesundenkost Fälle von Constipation und 
Unterleibsstockungen. 

Nach dreijähriger Beobachtung erklärt er: 

Eine Geisteskrankheit wurde bei Zellengefangenen, wie 
überhaupt, nicht bemerkt; der Aufenthalt in der Zelle war für 
die Gesundheit in leiblicher wie geistiger Beziehung forderlich. 



213 


Auch die übrigen Beamten äussern sich in nicht minder 
günstigerWeise. So sagt der protestantische Hausgeistliche: 

| Ich kann keinen sehnlicheren Wunsch aussprechen, als 

dass gerade für Weiber eine möglichst grosse Anzahl von 
Zellen vorhanden sein möchte. 

Und der katholische Hausgeistliche: 

Es wäre für jede Gefangene der Polizei-Anstalt eine 
Zelle zu wünschen und diese Klasse von Gefangenen könnte 
ihre Haftzeit, welche in der Regel Ein Jahr nicht übersteigt, * 
in der Zelle wohl durchmachen; denn nur durch die Zelle 
können so verkommene Individuen zur Erkenntniss ihrer Ver¬ 
irrungen gebracht, minder Verdorbene von Versuchung bewahrt 
und lediglich nur durch länger andauernde Zellenhaft die tief 
eingewurzelte Sinnlichkeit durchbrochen und neues Leben in 
die abgestumpfte Willenskraft gebracht werden. 

Sie sehen also, meine Herrn, wie alle Beamten darin 
tiberein8timmen, dass die Zellenhaft für Weiber in geistiger 
wie körperlicher Beziehung nicht nur nicht schädlich, sondern 
förderlich ist. Wenn es nun wahr ist — und die Erfahrung 
bestätigt diess — dass gerade in den ersten Monaten der 
Zellenhaft die geistige Sphäre der Gefangenen am Meisten 
gefährdet sei und wir doch über eine Zellenhaft von über 
8 Monaten gebieten, so dürfen wir, glaube ich, mit Ruhe auf 
unsere Erfahrungen zurückblicken und müssen in Erwägung 
der tiefen Verschlechterung, welche das Zusammenleben der 
weiblichen Gefangenen und namentlich der Gefangenen einer 
Polizei-Anstalt, die sämmtlich.der Unsittlichkeit huldigen, gegen¬ 
seitig erzeugt, dem Anträge des Hrn. Pfarrers Mühlhäusser 
aus vollem Herzen beistimmen. 

Oberinspector Witt: Lassen Sie mich dem, was die 
beiden Herrn Vorredner bereits als Beweis für das Unbe¬ 
denkliche der Isolirhaft auch bei weiblichen Gefangenen vor¬ 
gebracht haben, noch Einiges aus meiner amtlichen Erfahrung 
beifügen. In der von mir vertretenen Anstalt Dreibergen, 
die zu Vollstreckung der Zuchthausstrafe (nach Mecklenburger 
Gesetz die schwerste Freiheitsstrafe) bestimmt ist, wurden seit 
Eröffnung derselben, also seit etwa 25 Jahren, die weiblichen 
Sträflinge ganz in derselben Weise wie die männlichen Zücht- 



214 


1 

1 

linge der Isolirung unterworfen, ohne dass sich bis jetzt das 
Bediirfniss irgend welcher Modificationen und Milderungen 
bei den weiblichen Sträflingen, deren Personalbestand durch¬ 
schnittlich 60—70 beträgt, geltend gemacht hätte. Die Wahr¬ 
nehmung allerdings haben auch wir gemacht, dass diese irri¬ 
table nervöse Reizbarkeit, wie sie ja erfahrungsmässig eine 
Folge der Zelle ist, sich bei den weiblichen Sträflingen als 
eine gesteigerte herausstellt. Damit wird denn auf die schon 
• von Hm. Pastor Krohne erwähnte und auch bei uns hervor¬ 
getretene schwierigere Stellung Zusammenhängen, in welcher 
sich das weibliche Aufsichtspersonal den weiblichen Sträflingen 
gegenüber in gewisser Hinsicht befindet. Es traten öfter Er¬ 
bitterungen, Feindschaften, Häckeleien ein, die sich jedoch 
bei uns nicht als so schwer erwiesen haben, dass nicht durch 
das Einschreiten der höheren Beamten in den meisten Fällen 
eine Ausgleichung herbeigeführt worden wäre. Nach diesen 
Erfahrungen kann ich daher diesen Antrag nur als sach- und 
zweckgemäss befürworten. 

Oberinspector v. Sprewitz: In den 34 Jahren, die 
ich der Correctionsanstalt zu Güstrow vorstehe, habe ich ins¬ 
besondere auch die Erfahrung gemacht, dass Isolirzellen eine 
grosse Nothwendigkeit sind und mit sehr grossem Nutzen 
sich anwenden lassen, weswegen denn auch dort eine Anzahl 
davon errichtet ist. Es gibt aber Weiber, auf welche ich sie 
prinzipgemäss nicht anwende, solche nämlich, die sich mit 
Andern durchaus nicht vertragen können. Ein Frauenzimmer 
aber, das sich mit ihrer Herrschaft, ihren Nebendienstboten 
u. s. w. nicht vertragen kann, ist in der Welt ein ganz un¬ 
taugliches Subject. Solche zwinge ich auch wider ihren Willen 
zur Gemeinschaftshaft und ich habe da in der Hegel ganz 
gute Resultate gefunden. *) 


*) Anmerkung: Redner erklärt, in öffentlicher Versammlung aus 
Rücksicht auf das Auditorium verschwiegen zu haben, dass auf das Be¬ 
gehren, isolirt zu sitzen, zuweilen nur mit Vorsicht im Interesse der Sitt¬ 
lichkeit eingegangen werden dürfe; denn in hohem Grade der Onanie 
ergebene Personen, besonders unter den Weibern, ziehen der Gemeinschafts¬ 
haft unter strenger Aufsicht bei Tag und Nacht die Isolirhaft vor, um 
ihr schreckliches Laster ungestört üben zu können. 



215 


Wenn vorhin die Rede davon gewesen ist, dass die Isolir- 
haft allemal eine modificirte sein müsse, namentlich sich nicht 
auf Gottesdienst, Spazierhof u. s. w. erstrecken dürfe, so kann 
ich dem nur vollständig beistimmen. Man behauptet zwar so 
vielfach, dass die Gemeinschaftsanstalten wahre Lasterhöhlen 
wären; wenn sie indess unter strenger Aufsicht stehen und sonst 
die Einrichtungen gut sind, ist dies keineswegs der Fall. Iü 
meiner Anstalt z. B. sind beide Geschlechter vertreten und 
es hat sich herausgestellt, dass selbst bei den Gesangübungen, 
die beide Geschlechter seit Jahr und Tag gemeinsam, freilich 
unter Aufsicht des Predigers und Lehrers haben, auch nicht 
die kleinste Ungehörigkeit sich ergab. Früher sind vielfach 
kleine Liebesintriguen durch Briefe und dergl. vorgekommen; 
aber gute Schule, gute Kirche und strenges Hausregiment 
haben, trotz jener scheinbaren Gelegenheit dazu, dergleichen 
Verständnisse auf nichts reducirt. 

Auf die Anfrage, welche Modifikationen bei der Isolir- 
haft atattfinden, bemerkt Oberinspector Witt: 

Ich habe die Anfrage dahin zu beantworten, dass die 
Isolirung (der weiblichen Sträflinge in Dreibergen) im Ganzen 
und Grossen in derselben Weise und unter denselben Modi- 
ficationen stattfindet, wie von Hm. Pastor Krohne vorhin von 
Vechta bemerkt wurde: also mit Beschränkung der Sträflinge 
auf die Zelle bei Tag und bei Nacht. Die Gemeinschaft 
tritt nur ein in Bezug auf Kirche und Schule und Spazier¬ 
hof, wohin sie in Abtheilungen im s. g. Gänsemarsch geführt 
werden. In Bezug auf die körperliche Bewegung im Freien, 
so sind es nur einzelne Individuen, die in die Einzeln-Spazier- 
höfe aus bewegenden Ursachen hinein versetzt werden. 

Inspector Zips von Stein: Ich gestatte mir einige Be¬ 
merkungen. Nach der Erläuterung des Hrn. Referenten 
könnte es scheinen, als ob bei der Abstimmung über diese 
These in keiner Weise darüber der Ausspruch verlangt werde, 
ob die Isolirhaft zweckmässig sei. Allein, wenn ich die These 
in der vorliegenden Weise annehme und zu derselben mein 
Ja ausspreche, so glaube ich, dass ich diese Isolirung damit als 
zweckmässig für Frauen anerkenne. Nun gestehe ich offen, 
dass mir keine Erfahrungen bezüglich der Frauen, wohl aber 



in Bezug auf die Männer zur Seite stehen und diese Erfahrung 
ist nicht der Art, dass ich ausschliesslich die Isolirhaft für heil¬ 
sam erachte. Ich möchte deshalb, um bei der Abstimmung rich¬ 
tig zu Werke zu gehen, bitten,dieser These eins klarere Fassung 
zu geben, damit ich weiss, ob ich ja oder nein sagen soll. 

Präsident Dr. Schwartze: Ich betrachtete bisher die 
Discussion über das Referat als allgemeine Discussion, die 
sich natürlich auch auf die erste These zu verbreiten hatte. 
Die Abstimmung kann sich dagegen nur auf die einzelnen 
Thesen erstrecken. 

Oberinspector v. Sprewitz: Ich darf mir wohl über 
die moralische Einwirkung der Einzelhaft noch ein Wort 
erlauben. Die Meinungen darüber gehen sehr auseinander 
und eigene Erfahrungen werden von Anstaltsbeamten selten ! 
gemacht. Man hat deshalb gern an entlassene Sträflinge sich 
gewendet und die Mittheilungen oft belehrend gefunden; aber 
die Leute bleiben nicht immer bei der vollen Wahrheit und 
darum ist es interessanter und lehrreicher, wenn einmal ein 
Anstaltsvorsteher darin selbst Erfahrungen gemacht hat, ihn 
darüber zu hören. Da recoramandire ich denn mich selber. 

Ich habe auf Veranlassung der einstmaligen Demagogen Ver¬ 
folgung in meiner Jugend gegen 8 Jahre einsitzen müssen 
und mich über 2 Jahre während der Untersuchung auf dem 
Schloss Köpenick in der Isolirhaft befunden. Also wer Etwas 
wissen möchte, der wende sich im Vertrauen an mich, ich 
werde ihm mit Vergnügen Mittheilung machen. 

Insp. Zips von Stein: Wenn, wie es scheint, den Straf¬ 
anstalten die Einzelhaft als die zweckmässigste zur Annahme 
octroyirt werden soll, dann möchte ich vorschlagen, das Wort 
„wenn 4 in Wegfall zu bringen und die These demnach so zu 
fassen: 

„Die Gerechtigkeit, wie die Humanität verlangt, dass 
die Einzelhaft etc. 4 

Referent, Pfarrer Mühlhäusser: Das ist auch meine 
Ansicht. Man kann aber sagen: „wo 4 für „wenn 4 . 

Präsident Dr. Schwartze: Wir gehen nun zur Ab- 
stiiniurtg über. Es ist der Antrag von Hrn. Pfarrer IV^ühl- 
häu^ej- gestellt: / 




217 




„Die Gerechtigkeit, wie die Humanität verlangt, 
„dass, wo die Einzelhaft als die zweckmässigste 
Haftart anerkannt und eingeführt wird, sie uicht 
nur bei männlichen, sondern auch bei weib^ 
liehen Sträflingen zur Anwendung komme. 

Nehmen Sie diesen Antrag an? — Einstimmig ange¬ 
nommen. Wir gehen nun zur Specialdiscussion über den 
Absatz 2 über. 

Referent, Pfarrer Mühlhäusser: Ich habe hier zu 
bemerken, dass ich recht gerne auf die Modification eingehe, 
da die Eigenthümlichkeit des weiblichen Geschlechts dies 
fordert. Ich habe das Nähere hierüber in meinem Aufsatz 
niedergelegt. Die grössere.Schwäche und Reizbarkeit des weib¬ 
lichen Geschlechts ist ein Punkt, der nicht übersehen werden 
darf und deshalb ist eine gleiche Behandlung wie bei den 
Männern nicht am Platze. Den individuellen Eigenthümlich- 
keiten muss Rechnung getragen werden, wie solches z. B. 
auch überall bei jugendlichen Verbrechern geschieht, die nicht 
wie die Männer behandelt werden. 

Präsident Dr. Schwartze: Gibt die Versammlung der 
2. These des Hrn. Pfarrer Mühlhäusser, welche mit den Wor¬ 
ten beginnt: „Dieser Grundsatz schliesst übrigens die For¬ 
derung nicht aus u. s. w.“ ihre Zustimmung? — Einstimmig. 
Wir gehen zur 3. These über. 

Referent, Pfarrer Mühlhäusser: Ich habe sowohl in 
dem Aufsatz, wie in meinem Vortrag schon bemerkt, dass 
auf der einen Seite das Gesetz im Auge behalten werden 
und die Gefangenschaft immer Strafe bleiben, auf der 
andern Seite aber auch die Fürsorge getroffen werden muss, 
welche nöthig ist, um nicht blos den Menschen als Verbre¬ 
cher zu behandeln, sondern im Verbrecher auch den Men¬ 
schen nicht zu vergessen. Wie das im einzelnen Falle aus¬ 
geführt wird, dies ist natürlich verschieden, je nach der Natio¬ 
nalität, der Bildungsstufe, dem Geschlechte u. s. w. Suum 
cuique! Jedem das Seine! Das gilt auch hier und es wird 
nicht schwer sein, im einzelnen Fall den richtigen Weg zu 
finden. Es müssen natürlich Versuche gemacht werden; geht 
es so nicht, so geht es anders. Das wird in jedem Lande 



1 



etwas verschieden sein; aber der aufgestellte Grundsatz ist 
der richtige und der wird nicht bestritten werden können. 

Oberregierungsrath Illing: Ich halte es für wünschens- 
werth, dass die Modificationen, wenigstens in den Puncten, 
wo Einstimmigkeit zu herrschen scheint, präzisirt werden und 
ich beantrage deshalb, den Art. 8 so zu fassen: »Oie Modi¬ 
ficationen der Einzelhaft bei weiblichen Sträflingen, Wohin 
namentlich ,die Gemeinschaftlichkeit beim Kirchen- und Schul¬ 
besuch, sowie beim Spazierengehen gehört u. s. w.“ 

Referent: Dann möchte ich noch hinzugefügt haben, 
dass auch die Masken und Nummern wegfallen, wie wir sie 
bei den männlichen Strafgefangenen in Bruchsal haben. Es 
sind das Alles Modificationen, mit denen ich bei den Frauen 
einverstanden bin, weil sie das Wesen der Einzelhaft nicht 
verletzen. 

Insp. Zips von Stein: Da sich in den zuletzt genann¬ 
ten speziellen Beziehungen theilweise schön ein gewisses Ein- 
verständniss in Folge einer kürzeren oder längeren Erfahrung 
herausgestellt hat, so möchte sich ein solcher Zusatz wohl 
empfehlen. 

Regierungsrath d’Alinge: Die Herren werden sich 
erinnern, dass es, als man noch die absolute Isölirhaft nach 
jeder Richtung hin für wünschenswert erkannte, für eine 
Barbarei galt, wenn man nur Wagte, von gewissen Modifica¬ 
tionen der Isolirhafi; im Allgemeinen zu sprechen. Ich begrüsse 
daher die heutigen Erfahrungen für Deutschland freudig, denn 
es wird damit der Isölirhaft und der guten Sache wesentlich 
genützt. Wenn wir heute Männer, die noch vor wenigen 
Jahren der Meinung waren, dass die absolute Isölirhaft mit 
Masken, Nummern, Spazierställen und allem, was d’rum Und 
d’ran war, unbedingt erforderlich sei, mit anderen einig gehen 
sehen, die solche Apparate nicht als etwas Wichtiges anseheü, 
so können wir es nur freudig begrüssen, dass in der vorlie¬ 
genden Frage immer mehr Einigkeit erzielt und dadurch zu¬ 
gleich den excessiven Humanitätsbestrebungen — ich sage 
absichtlich excessive Humanitätsbestrebungen — ein Ende 
gemacht wird, bei denen man weniger an die NothWendigkeit 
dachte, dass der Gefangene auch bestraft werden müsse, 


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219 


sondern wo man immer nur fragte: „Ist es dem Gefangenen 
auch bequem, angenehm, körperlich und geistig wohlthätig?“ 
aber nicht darnach: Ist es zur Erreichung der erziehlichen 
Zwecke des Strafvollzugs wichtig, ob dör Gefangene isolirt 
wird oder nicht ? Da sind wir jetzt, wie gesagt, auf besserem 
Wege. Und ich wünsche in diese Modificationen aufgenom¬ 
men: gemeinschaftlicher Besuch der Schule, der Kirche, ge¬ 
meinschaftliche Bewegung im Freien und Wegfall der Masken 
und Nummern. 

Präsident: Der Hr. Regierungsrath d'Alinge ist da¬ 
mit einverstanden, dass die Nr. 3 dahin gefasst wird: 

„Die Modificationen der Einzelhaft bei weiblichen Sträf¬ 
lingen, wohin namentlich die Gemeinschaftlichkeit bei dem 
Kirchen- und Schulbesuch, sowie bei den Spaziergängen 
gehören, bestimmen sich etc.“ 

Was den Wegfall der Nummern und Masken anlangt, 
so hat der Hr. Antragsteller erklärt, dass er dies für selbst¬ 
verständlich erachte, der Deutlichkeit wegen würde es sich 
aber wohl empfehlen, das expressis verbis auszusprechen, also: 
„etc. sowie bei den Spaziergängen und der Wegfall 
der Nummern und Masken gehören etc.“ 

Ich bringe nunmehr den ganzen Satz Nr. 3 als Antrag 
de3 Hrn. Pfarrer Mühlhäusser mit dem Amendement des Hrn. 
Reg.-Rath d’Alinge zusammen zur Abstimmung und frage: 
Geben Sie dem Art. 3 Ihre Zustimmung? — Die Frage wird 
eiumüthig bejaht. 

Ich habe nun noch einige geschäftliche Mittheilungen 
zu machen. 

Es ist ein Telegramm von den Beamten der Strafanstalt 
St. Gallen zur Begrüssung der Versammlung eingegangen. 
Indem ich dieses Telegramm zu Ihrer Kenntniss bringe, bitte 
ich zugleich um die Erlaubnis«, den gedachten Herren den 
Dank der Versammlung darzubringen. (Zustimmung.) 

Weiter ersuche ich die Herren, sich zum Behuf der 
Constituirung der Abtheilungen und der Berathung der in 
das Programm aufgenommenen Gegenstände heute Nachmittag 
um 5 Uhr hier einzufinden. 



220 


■ H 


Dann habe ich den Herren zu eröffnen, dass Se. Maj. 
der König von Sachsen die Gnade haben wird, die Herren 
des Vereins der deutschen Strafanstaltsbeamten morgen Mittag 
um 1 Uhr im königl. Schloss zu empfangen. Da nun unsere 
Tagesordnung für morgen eine ziemlich reiche ist, wir aber 
um halb 1 Uhr die Sitzung schliessen müssen, so möchte ich 
anheimgeben, sich morgen früh um halb 9 Uhr zur zweiten 
Hauptversammluug einzufinden. (Zustimmung.) 

Endlich habe ich mitzutheilen, dass wir morgen Nach¬ 
mittag um 2 Uhr zu einer Dampfschifffahrt nach Meissen einge¬ 
laden sind, bei welcher die Herren sich als Gäste der kgl. sächs. 
Staatsregierung zu betrachten die Gewogenheit haben wollen. 

Schluss der Sitzung. 


Nachstehend folgt noch eine Zusammenstellung der in 
der 1. Hauptversammlung gefassten Beschlüsse. 


Nr. 1. 


Satzungen 

des 


Vereins der deutschen Strafanstaltsbeamten. 

(Nach den Beschlüssen der Dresdener Generalversammlung 
vom 4. September 1867.) 


§ 1 . 

Der Zweck des Vereins ist, eine Vereinigung für den 
lebendigen Meinungsaustausch und den persönlichen Verkehr 
unter den deutschen Strafanstaltsbeamten zu bilden und auf 
dem gesammten Gebiete des Gefängnisswesens den Forde¬ 
rungen nach einheitlicher Entwickelung immer grössere Aner¬ 
kennung zu verschaffen. 



5 § 2 . 

Der Verein lässt auf seine Kosten ein eigenes, in zwang- 
| losen Heften unter dem Titel: „Blätter für Gefängnisskunde“ 
1 erscheinendes Vereinsorgan drucken. 

S § 3 - 

| Der Verein hält in der Regel alle 2 Jahre eine Ver¬ 

sammlung; der Ausschuss kann indess ausnahmsweise auch 
die Versammlung erst im 3. Jahre berufen. 

§4 : 

i Zur Mitgliedschaft am Verein berechtigt sind die höheren 

! Beamten der deutschen Strafanstalten und die Beamten ihrer 
Aufsichtsbehörden, sowie alle Verwaltungs- und Gerichtsbe¬ 
amten, die zh dem Gefangnisswesen in dienstlicher Beziehung 
stehen und die Lehrer der Rechtswissenschaft an den deutschen 
Universitäten. Unter den höheren Beamten der deutschen 
> Strafanstalten sind auch Aerzte, Geistliche und Lehrer zu 
verstehen. 

. § 5 * 

, Zu den Vereinsversammlungen sollen durch den Aus- 

; schuss auch Strafanstaltsbeamte anderer Länder und die 
Vorstandsmitglieder der deutschen Landes- und Provinzial- 
■ Gefangniss- und Schutzvereine eingeladen werden. 

| § 6 . 

Die Vereinsversammlung allein ist befugt, solche Männer, 
die sich um den Verein oder das Gefangnisswesen verdient 
gemacht haben, als Ehrenmitglieder aufzunehmen. 

§ 7 . 

Jedes Vereinsmitglied zahlt einen jährlichen Beitrag 
von einem Thaler, welcher in den ersten vier Wochen nach 
Beginn des Kalenderjahrs an den Vereinscassier zu entrichten 
ist, widrigenfalls derselbe durch Postvorschuss eingezogen wird. 

Nimmt ein Mitglied den mit Postvorschuss beschwerten 
Brief nicht an, so gilt dies als Austrittserklärung. 

§ . 8 ’ 

Die Geschäfte * des Vereins leitet ein Ausschuss von 
18 Mitgliedern, welcher von der Versammlung für die Zeit 





von der einen bis zur andern Versammlung durch Acclama- 
fcion gewählt wird. 

§9 ‘ 

Die Vereinsversammlung verhandelt in pleno und in 
Abtheilungen. 

Es werden folgende 3 Abtheilungen gebildet: 

1. Abtheilung für Verwaltungsbeamte, 
jj j) Aerzte, 

3. „ „ Geistliche und Lehrer. 

Etwaige Beschlüsse und schriftliche Verhandlungen der J 
Abtheilungen sind dem Vorsitzenden der Plenarversammlung j 
mitzutheilen. 

§ 10 . 3 

Jede Abtheilung wählt ihren Vorsitzenden; der i 
letztere bestimmt den Schriftführer. 

§ 11 . 

Die Plenarverhandlungen leitet ein Vorsitzender, 
welcher von der Versammlung durch Acclamation gewählt 
wird. Er ernennt zwei Stellvertreter und zwei Schriftführer. 
Er bestimmt die definitive Tagesordnung der Plenarversamm¬ 
lungen. ■ 

Auch ist er befugt, Nichtmitglieder als Zuhörer zuzulassen. 

§ 12 . 

Der Vorsitzende mit den bisherigen Ausschussmitgliedern 
und den 3 Abtheilungsvorständen schlagen der Versammlung 
die Mitglieder des Ausschusses vor. 

§ 13. 

Bei allen Beschlüssen entscheidet einfache Stimmen¬ 
mehrheit der anwesenden Mitglieder. 

§ 14. 

Der Antrag auf Schluss der Debatte wird sofort zur 
Abstimmung gebracht. 

Jeder Antrag in der Plenarversammlung ist schriftlich 
zu stellen. 

§ 15. 

Der Vereins-Ausschuss hat folgende Befugnisse 
und Obliegenheiten: 



1. Er bestellt die Redaction des Vereinsorgans auf un- 
bestimmte Zeit; 

2. er sorgt für die Ausführung der von der Versamm¬ 
lung gefassten Beschlüsse und den Druck der Ver¬ 
handlungen im Vereinsorgan; 

3. er bestimmt Zeit und Ort der nächsten Versammlung, 
trifft die für dieselbe nöthigen Vorbereitungen, ver¬ 
theilt die eingekommenen Anträge zur Begutachtung, 
erlässt die Einladung, bestimmt die vorläufige Tages¬ 
ordnung der Versammlung und stellt die Bericht¬ 
erstatter auf; 

4. er nimmt die Beitrittserklärung neuer Mitglieder ent¬ 
gegen, empfängt die Beiträge, bestreitet die Ausgaben 
und legt der Versammlung Rechnung ab; 

5. er ergänzt die während seiner Aratsdauer abgegange¬ 
nen Mitglieder selbst. 

Der Ausschuss wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden 
und bestimmt einen Schriftführer. 

§ 16. 

Der Sita des Ausschusses ist da, wo dessen Versitzen¬ 
der wohnt. Zur Giltigkeit eines Ausschussbeschlusses 
wird die Zustimmung von wenigstens 6 Mitgliedern erfordert. 
In wichtigeren Dingen, insbesondere bei Festsetzung von Ort 
uad Zeit der nächsten Versammlung stimmen alle, und hier 
entscheidet Stimmenmehrheit, in unbedeutenderen die dem 
Aesschusssitae zunächst wohnenden 6 Ausschussmitglieder. 

Geschäftsleitende Verfügungen erlässt der Vorsitzende 
aus eigener Machtvollkommenheit. 

§ 17. 

Aenderungen der Statuten sind nur in den Ver- 
einsversammlungen durch Beschluss von V3 Majorität der 
anwesenden stimmberechtigten Mitglieder statthaft. 



224 


Nr - Beschluss 

in Betreff der Normalstatistik. 

Die Versammlung spricht aus, dass die Statistik nach 
den im Vereinsorgan II. Band, 1. Heft gegebenen Grundzügen 
zu bearbeiten sei. 


Beschluss 

in Betreff der Einzelhaft für weihliehe Sträflinge. 

Die Versammlung spricht als ihre Ueberzeugung aus 

1) Die Gerechtigkeit, wie die Humanität verlangt, dass, wo 
die Einzelhaft als die zweckmässigste Haftart anerkannt 
und eingeführt wird, sie nicht nur bei männlichen, son¬ 
dern auch bei weiblichen Sträflingen zur Anwendung 
komme. 

2) Dieser Grundsatz schliesst übrigens die Forderung nicht 
aus, sondern ein, dass bei Anwendung der Einzelhaft 
auf weibliche Sträflinge diejenigen Modificationen einzu- 
treten haben, welche in der Eigenthümlichkeit des weib¬ 
lichen Geschlechts und in den besonderen Verhältnissen 
weiblicher Strafgefangener begründet sind. 

3) Die Modificationen der Einzelhaft bei weiblichen Sträf¬ 
lingen, wohin namentlich die Gemeinschaftlichkeit bei 
dem Kirchen- und Schulbesuch sowie bei den Spazier¬ 
gängen, und der Wegfall der Nummern und Masken 
gehören, bestimmen sich durch das Wesen und den 
Zweck der Einzelhaft selbst und dürfen insbesondere 
weder die Strenge des gesetzlichen Strafvollzugs, noch 
die genügende Fürsorge für das geistige und sittliche 
Wohl der Gefangenen irgendwie beeinträchtigen. 


■ - ■■ "■-^/naaaAAAAAAAa^ ,,> - ■ " 



Blätter 


für 

lefängnisskuide. 




Organ des Vereins der deutschen Straf- 
anstaltsheamten. 

Unter Mitwirkung des engeren Vereins- 
Ausschusses redigirt 

von 

G. Ekert, 

Director des Zel\engefängnisses in Bruchsal, Bitter des königl. Bachs. Albrecht-Ordens. 







Heidelberg. 

In Commission bei G. Weis 8. 

(A. Emmerling’sche Universitäts-Buchhandlung.) 

1868. 

Druck yoü L. Rodrian in Bruchsal. 



Verhandlungen 


der 

Versammlung der deutschen Straf¬ 
anstaltsbeamten 


Dresden 

vom 3.—5. September 1867. 


Nach den stenographischen Aufzeichnungen. 





j 






II. Hauptversammlung 

des 

Vereins der deutschen Strafanstaltsbeamten. 

Dresden, 5. September 1867. 


Der Präsident, General-Staatsanwalt Dr. Schwartze er¬ 
öffnet Vormittags halb 9 Uhr die Sitzung durch Ertheilung 
des Wortes an Director Ekert. 

Director Ekert: M. H.! Der Ausschuss war der An¬ 
sicht, dass die Geschäftsleitung wie bisher den Beamten in 
Bruchsal überlassen werden sollte und zwar aus dem Grunde, 
weil dort gerade die verschiedenen Branchen vertreten sind, 
wie selten an irgend einer Anstalt. Hiernach bestimmen sich 
die Vorschläge auf Feststellung der Ausschussmitglieder. Man 
hat im Allgemeinen die bisherigen Herren beibehalten nur mit 
der Modifikation, dass das bisher nicht vertretene Oestreich 
berücksichtigt werden musste. Somit sind für den Ausschuss 
folgende 18 Herren vorzuschlagen: 

Von den bisherigen: Ekert, Bauer, Gutsch, Mühlhäusser, 
Eisen, Eichrodt, v. Götzen, Scheffer, Lütgen, Bracker, Wirth, 
d’Alinge, Wullen, Schlipf, Langreuter, Elvers und weiter: 

Santner, Inspector und Vorstand der k. k. östr. Strafan¬ 
stalt Suben. 

Fischer, Director der k. k. östr. Strafanstalt in Prag. 

Präsident Dr. Schwartze: Ich frage, ob Sie dieser 
Liste Ihre Zustimmung geben? — Einstimmig. 

Director Ekert: In der Berichterstattung über die 
Versammlung des Ausschusses im Jahr 1865, 2. Band, S. 47 

BUtter für Gefängnis skunde UL iß 



226 


ist folgende Bemerkung: s Ferner hat man s. Z. Einladungs- ! 
schreiben zu der Versammlung, die in Dresden stattfinden 
sollte, an Hm. Professor Dr. von Holtzendorff in Berlin 
erlassen und gedachte sowohl diesen, als Hm. Professor Dr. 
Wahlberg in Wien, der sich ebenfalls mit dem Verein ins 
Benehmen setzte, als Ehrenmitglieder vorzuschlagen, was nun¬ 
mehr bei der nächsten Vereinsversammlung geschehen wird. Ä Der 
Ausschuss hat beschlossen und schlägt vor, diese beiden Herren 
als Ehrenmitglieder des Vereins zu ernennen, den Hm. Prof. 
Dr. v. Holtzendorff wegen seiner besondern Verdienste um 
das Gefängnisswesen überhaupt, als speciell um den Verein. 
Sie kennen zur Genüge die literarische Thätigkeit dieses 
Herrn, Sie wissen insbesondere, dass er in der Strafrechts¬ 
zeitung dem Gefängnisswesen besondere Aufmerksamkeit wid¬ 
met, auch gediegene Aufsätze über die Literatur des Gefäng- 
nisswesens bringt, und ausserdem mit den Verhältnissen unseres 
Vereins vertraut ist und wiederholt Veranlassung gab, Vor¬ 
schläge und Winke zu berathen oder in Erwägung zu ziehen. 
Er hat mit dem Ausschuss in Verkehr gestanden und hat 
jederzeit lebhaften Antheil an dem Gedeihen des Vereins ge¬ 
nommen. Er hat sich schriftlich entschuldigt, dass er zu 
dieser Versammlung nicht hat kommen können, wie es früher 
seine Absicht war: er ist durch Unwohlsein abgehalten und 
ausserdem genöthigt, seinen Aufenthalt zur Kräftigung seiner 
Gesundheit anderwärts zu nehmen. In gleich vortheilhafter ' 
Weise und namentlich auch aus der Allgemeinen deutschen Straf- ; 
rechtszeitung ist Hr. Professor Dr. Wahlberg in Wien bekannt. 
Er hat viele östreichische Strafanstalten besucht, im östreichi- 
Sehen Gefängnisswesen Studien gemacht, Berichterstattungen j 
gegeben und mancherlei beantragt und vorgeschlagen, was 
inzwischen in Oestreich zur Durchführung gekommen ist. Er 
hat sich durch literarische Thätigkeit um das Gefängnisswesen 
verdient gemacht. Sie kennen gewiss z. B, seine Aufsätze ! 
in der Allg. deutschen Strafrechtszeitung und in der östrei- ; 
chischen Gerichtszeitung. Er hat durch mannigfache Unter- \ 
Stützung das lebhafteste Interesse an dem Gedeihen des Ver¬ 
eins an den Tag gelegt, war in ständiger Beziehung zum 
Ausschuss und hat ebenso die Absicht gehabt, hier bj\ dieser 




527 


Versammlung wie früher zu erscheinen. Er ist jedoch eben¬ 
falls durch Unwohlsein abgehalten und entschuldigt. 

Als drittes Ehrenmitglied schlägt der Ausschuss vor flcn 
Herrn Carl, Grafen v. Görtz zu Schlitz, bekannt durch 
sein Werk: »Die Reise um die Welt®, wo insbesondere werth¬ 
roll ist sein Bericht über die amerikanischen Strafanstalten, 
die er aus eigener Anschauung kennen gelernt hat und be¬ 
schreibt. Hr. Graf von Görtz hat im Grossherzogthura Heesen 
vorzugsweise und fast allein den Anstoss gegeben zur Ver¬ 
besserung des Gefängnisswesens. Ihm zu danken ist, dass 
der Beschluss gefasst wurde, ein Zellengefängniss zu erbauen, 
dessen Vorbereitung wohl vollendet ist, dessen Ausführung 
aber in Folge der Zeitereignisse sistirt werden musste. Er 
ist im Interesse des Vereins thätig gewesen und war in stän¬ 
digen Beziehungen zum Ausschuss. Um das Vereinsorgau 
hat er sich ebenfalls verdient gemacht. 

Ich möchte nun im Namen des Ausschusses Ihnen unter¬ 
breiten, dass Sie die 8 genannten Herren zu Ehrenmitgliedern 
im Hinblick auf die Verdienste um das Gefängnisswesen im 
Allgemeinen sowohl, als im Hinblick auf die Verdienste um 
den Verein ernennen. 

(Bei der Abstimmung werden die vorgeschlagenen 3 Her¬ 
ren einstimmig zu Ehrenmitgliedern erwählt.) 

Der Präsident fordert hierauf den Reg.-Rath d’Alinge 
zur Berichterstattung über ein gestern in die Hände des Prä¬ 
sidiums gelangtes Schreiben auf. 

Regierungsrath d’Alinge: M. H.! Von einem Herrn 
Hermann Friedrich, Rentier in Dresden, ist gestern ein 
Schreiben an den Verein gelangt, und das hochverehrte Prä¬ 
sidium hat mich beauftragt, darüber zu referiren. 

Die Wünsche, die in diesem Schreiben ausgesprochen 
sind, kommen von einem Manne, der sich bereits als Menschen¬ 
freund in verschiedener Beziehung documentirt hat. Wir können 
die Anträge, die er stellt, nur mit Dank aufnehmen, obgleich 
wir nicht Veranlassung haben werden, allenthalben darauf 
einzugehen. 

Die erste Andeutung, die Hr. Friedrich macht, geht 
dahin, dass es wünschenswert sei, wenn die Schuldner, die 

16 * 



228 



nicht zahlungsfähig sind, künftighin nicht mehr in die gewöhn- j 
liehe Wechselhaft gesetzt, sondern — da sie als arbeitsfähige 
Menschen als Capital zu behandeln seien — in Arbeitshäusern : 
untergebracht werden möchten, um das schuldige Capital ab¬ 
zuarbeiten. Nun, m. H.! dieser Wunsch beruht auf Voraus¬ 
setzungen so criminalrechtlicher, und in der Hauptsache civil- 
rechtlicher Natur, dass wir ganz abgesehen von der Capital- 
frage nicht in der Lage sind, nur im Entferntesten darauf j 
eingehen zu können. 

Das Zweite, was Hr. Friedrich in dankenswerter Weise 
wünscht, ist, dass man besorgt sein möchte, dass wiederholt 
rückfällige Verbrecher, die dem Staate viel Geld kosten und 
aus denen doch nichts würde, deportirt, oder wie er sich aus¬ 
drückt „exportirt® würden. Hr. Friedrich hatte die Absicht 
gehabt, seinen Antrag an den norddeutschen Bundesrath ab¬ 
zugeben, indess zog er es vor, da wir uns einmal mit diesen 
Angelegenheiten beschäftigen, den Antrag hierher gelangen 
zu lassen. Ich glaube, dieser Antrag betrifft einen Gegen¬ 
stand, den wir nicht ganz von der Hand weisen können. 
Wenn wir auch nicht Erfahrungen über die Deportirung ge¬ 
macht haben — ich müsste mich denn auf Russland, England 
und Frankreich beziehen und die dort gemachten Erfahrungen 
mittheilen, was zu weit fuhren würde — so haben wir doch, 
was die Exportation betrifft, Gelegenheit gehabt, von Baden 
ziemlich genaue Nachweise zu erhalten und haben zur allge- •! 
meinen Freude erkennen müssen, dass in Baden grosse Für¬ 
sorge darauf verwendet wird. Man bat alljährlich 30—40 
rückfälligen Verbrechern Gelegenheit gegeben, auszuwandern; 
das würde', was Hr. Friedrich meint, „gelinde Exportation® 
sein. 

Ich darf mieh heute hierüber nicht weiter verbreiten, 
glaube aber, es wird gut Bein, wenn die Versammlung diese 
Frage an den Ausschuss zur Erwägung gäbe. Es dürfte 
dieser Gegenstand zur Besprechung im Vereinsorgan und 
demnächst zur Berathung in einer der nächsten Vereinsver- ! 
Sammlungen auszusetzen sein. 

Nachdem Oberregierungsrath Illing darauf hingewiesen, 
dass der erste Antrag bezüglich der Wechselschuldner zu tief 



229 


in das Civilrecht hinüber greift, um heute einen Gegenstand 
der Tagesordnung abgeben zu können, beschliesst die Ver¬ 
sammlung auf Antrag des Präsidenten einstimmig: 

Ueber den ersten Antrag zur Tagesordnung überzugehen, 
über den zweiten Antrag zwar ebenfalls zur Tagesordnung 
überzugehen, denselben aber als Gegenstand zu bezeichnen, 
der werth sei, im Vereinsorgan besprochen und künftighin 
auf die Tagesordnung des Vereins gesetzt zu werden. 

Präsident Dr. Schwartze: Wir gehen nun zu den 
eigentlichen Gegenständen der Tagesordnung über und ersuche 
ich Hm. Pastor Scheffer, mit dem Referat zu beginnen. 

Pastor Scheffer: Die Gefängnis s-Einrichtun- 
gen für Untersuchungs- und kurzzeitige Straf-Ge- 
fangene betr. hat Hr. Reg.-Rath d’Alinge (II. Bd. 3. Heft 
S. 164) folgende Thesen beantragt: 

1) Der Zustand der Gefängnisse für Untersuchungs- und 
kurzzeitige Strafgefangene, sowie die Behandlung der 
daselbst untergebrachten Gefangenen, ist von wesent¬ 
lichem Einflüsse auf die Wirksamkeit der eigentlichen 
Strafanstalten. 

2) Der gegenwärtige Zustand der Gefängnisseinrichtungen 
für Untersuchungs- und kurzzeitige Strafgefangene ist 
grösstentheils mangelhaft. 

3) Die absolute Trennung der Untersuchungsgefangenen 
von den Strafgefangenen ist die erste Bedingung einer 
Erfolg versprechenden Reform. 

4) Die Untersuchungs- und Strafgefängnisse müssen nach 
gleichen Principien wie die Strafanstalten verwaltet werden. 

5) Die Isolirhaft ist für die Untersuchungs- und Strafge¬ 
fangenen im Allgemeinen der einzig richtige Haftmodus. 

Das ist, verehrteste Herren, das Thema, desseif Bespre¬ 
chung einzuleiten mir von dem geehrten engem Ausschuss 
unseres Vereins aufgetragen worden ist. Bevor ich die Ueber- 
nahme dieses Referats Zusagen konnte, musste ich mir wohl 
zunächst die Frage vorlegen, ob ich zur Bearbeitung dieses für 
unser ganzes Gefängnisswesen hochwichtigen Gegenstandes 
Geschick und Beruf habe, ersteres, weil eine gründliche, 
kräftige und wirksame Bekämpfung der auf diesem Gebiete 



noch vorhandenen und fast jedem Laien, zumal aber allen Fach¬ 
männern erkennbaren Missstände eine viel längere Erfahrung 
und ein gereifteres Urtheil, als das meine voraussetzt, letz, 
teres, weil diese Berathungen sich nach oberflächlicher An. 
scbauung auf einem Terrain- bewegen müssen, welches sich 
mit den nächstliegenden Aufgaben eines Gefängnissgeistlichen 
sehr wenig zu berühren scheint. Wenn ich diese Arbeit trotz¬ 
dem übernommen, so hat, was das Geschick anbetrifft, mir 
das treffliche Gutachten des Hrn. Antragstellers, welches den 
Boden ebnet und das Gebiet so klar abgrenzt, Muth gemacht, 
auf dem von ihm gelegten Grunde weiter zu arbeiten und 
dann auch für die eigene Unerfahrenheit ein Correctiv der 
reichen Erfahrung der Theilnehmer unserer Versammlung 
zu suchen, um deren freundliche Nachsicht ich von vornher¬ 
ein bitte. 

Hinsichtlich des Berufes aber in dieser Sache mitzureden, 
so ergibt ein gründlicheres und tieferes Eingehen auf unsere 
Frage doch klar, dass die Uebelstände, unter denen unsere 
staatlichen Einrichtungen im Betreff der Untersuchungsgefan¬ 
genen und des Strafvollzugs an kurzzeitigen Strafgefangenen 
liegen, sittlicher Natur sind, oder doch sittliche Schäden in- 
volviren, deren Folgen sich weit hinaus über die Anstalts¬ 
mauern bis tief in das Leben unseres Volkes hinein erstrecken. 
Um darum diesen Uebelständen zu begegnen und sie einmal 
beim rechten Namen zu nennen, gehört ja wohl unbezweifelt 
zum geistlichen, der sittlichen Hebung und der Wahrheit 
allein dienenden Beruf; sehen Sie es aber auch dem Refe¬ 
renten gütigst etwas nach, wenn er seine Aufgabe nach 
dieser Richtung vorzugsweise aufzufassen und zu lösen sich 
bemüht hat. 

Zur allseitigen Verständigung [und zugleich zur Einfüh¬ 
rung mitten in diesem uns heute beschäftigenden Gegenstand, 
dürfte es wohl dienen, wenn wir uns von vornherein im Ganzen 
und Grossen zu des Herrn Gutachters Thesen und deren 
Motivirung im 3. Heft des II. Bandes unserer „Blätter für Ge- 
fängnisskunde®, die wir ja als allgemein bekannt voraussetzen 
dürfen, bekennen, und indem wir annehmen, dass ebenso das 
> fleissig gesammelte und gesichtete Material uns in dem 



— 231 — 

genannten Gutachten ja ein getreues Bild der gegenwärtigen 
Principien und Praxis in dem Haftvollzug bei Untersuchungs¬ 
und kurzzeitigen Strafgefangenen entwirft, können wir wohl auf 
Grund desselben, ohne selbst nach der Gewinnung weiteren 
Materials benöthigt gewesen zu sein, an die uns vorliegende 
Frage herantreten, um aus der Praxis heraus und ohne den 
Ballast literarischen Apparates, aber im engem Anschluss an 
die Thesen des Hm. Antragstellers einmal — nach diesen 
drei Seiten hin wird sich unser Referat zu wenden haben — 
den Nachweis zu liefern, wie ausserordentlich wichtig und in 
das sittliche Leben unseres ganzen Volkes eingreifend der 
Zustand unserer Haftanstalten für Inquisiten und kurzzeitige 
Strafgefangene ist; und fürs Andere die Thatsache zu be¬ 
gründen, wie Wenig zweckentsprechend und wie in jeder 
Beziehung mangelhaft der gegenwärtige Zustand dieser Ge¬ 
fängnisse ziemlich überall sich herausstellt, und endlich fürs 
Dritte, um für die aus diesen Vordersätzen sich ergebende 
nothwendige Reform gerade und vorzugsweise dieser Anstalten 
einige leitende Gesichtspunkte aufzustellen und hieran einige 
Vorschläge anzuknüpfen. 

Bevor wir jedoch in die Ausführung selbst eintreten, 
wird es wohl nöthig sein, den Begriff „kurzzeitige Straf¬ 
gefangene 0 etwas näher zu präcisiren, der des Untersuchungs¬ 
gefangenen bedarf es ja nicht. Wir möchten hurzzeitige Straf¬ 
gefangene solche nennen, die eine Strafe von 1 Tag ab bis 
zu etwa 3 Monat zu verbüssen haben und zwar aus folgenden 
Gründen: 

1) weil anzunehraen ist, dass in der Regel nur für Ge¬ 
fangene von dieser Strafdauer eine erziehliche Einwirkung 
mit einiger Aussicht auf Erfolg möglich und den Gang einer 
geordneten Anstaltsverwaltung mit Hinzuziehung aller sittlichen 
äusserlichen und wirtschaftlichen Faktoren ausführbar ist. 

2) Weil es ausser in Rheinland, in ganz Preussen, viel¬ 
leicht auch in andern deutschen Ländern Praxis ist, die Be¬ 
straften bis zu diesem Zeitpunkt unter der Controle der Justfis 
ihre Strafe verbüssen zu lassen, die höher Bestraften aber 
meist in sogenannten Centralgefangnissen zum Strafvollzug 
unter Controle der Verwaltung zu stellen. 





I. 

Man hat, geehrteste Herren, oftmals unsere Gefängnisse 
und Zuchthäuser die Hochschulen der Verbrecher genannt, 
die nach den Einrichtungen ihrer Haft 1 , wie nach den Resul¬ 
taten der äusseren und inneren Arbeit an ihren Insassen zu 
schliessen, erfahrungsmässig die Gefangenen erst zu dem 
machen, was sie bei ihrer Einlieferung noch nicht sind: zu 
wirklichen, bewussten, überlegenden Verbrechern, bereit und 
fertig, in die Schaaren Derer einzutreten, welche der bürger¬ 
lichen Gesellschaft und deren staatlicher und sittlicher Ord¬ 
nung offenen und geheimen Krieg erklärt haben und ihn in 
raffinirtester und gewissenlosester Weise, mit dem Muthe der 
Verzweiflung um Sein oder Nichtsein führen. Gewiss nicht 
mit Unrecht führen unsere Gefängnisse noch vielfach diese 
Namen; denn wenn es auch überall im Gefängnisswesen besser 
geworden, als noch vor 40 und 50 Jahren; wenn auch die 
Arbeit der Wissenschaft es nicht verschmäht hat, auch an die 
theoretische Lösung des so überaus schwierigen Problems der 
Besserung der Gefallenen zu gehen; wenn auch die mit ihr 
Hand in Hand gehenden praktischen Bemühungen, die theo¬ 
retischen Resultate aus dem Ideal ins Leben zu übersetzen; 
wenn auch der heil. Eifer christlicher Liebe, die um die 
Seelen ihrer elenden und verkommenen Brüder im regen Zu¬ 
sammenschluss freier Kräfte wirbt, — wenn Alles das nicht 
ohne Segen und Wirkung geblieben sein kann: so ist doch 
weder der Zustand unserer Gefängnisse ein normaler, noch 
geben die statistischen Nachweise, bei deren Beurtheilung 
freilich vieles Andere nicht hierher gehörige concurrirt, ein 
sehr augenscheinliches und greifbares Resultat, dass eine um 
Vieles gesteigerte Prozentzahl der jährlich Entlassenen wirk¬ 
lich bürgerlich rehabilitirt sei. 

Gewiss, die Gründe zur Erklärung dieser Thatsachen 
sind nicht schwer zu finden und ein Grund, und nicht der 
geringste, liegt in dem Zustande der Gefängniss-Einrichtungf^n 
für die Untersuchungs- und kurzzeitigen Strafgefangenen^ Qjfitar 
aus erhellt, wie ausserordentlich wichtig diese Ver£ SSl 
sind und wie nöthig es ist, ihnen von allen Seiten^ q S 0 
steigerte Aufmerksamkeit zuzuwenden und daran au. . 



233 


höheren Behörden zu erinnern. Ja, in der That! wenn die 


grossen Anstalten Hochschulen für die Verbrecher genannt 
worden sind, man kann, um in dem Bilde zu bleiben, die 
kleinen Gefängnisse wohl mit Fug und Recht die 
Elementar- und Vorbildungsschulen nennen und wie 
diese mit ihrer didaktischen und pädagogischen Einwirkung 
für die ganze Zukunft des Individuums grundlegend und be- 
: stimmend sind, so verhält es sich auch — die Erfahrungen 
aller Gefängnissbeamten werden darin übereinstimmen — mit 
unsern Arrestlokalen für die genannten Kategorien von De- 
f tinirten. Darum gilt es, diese Canäle des Lasters, des Ver¬ 
brechens und der Verhärtung, auch die kleinsten, die den 
Strom des Verderbens in alle Adern unseres Volkes hinein¬ 
leiten, zu verschütten, und das um so mehr, weil einmal die 
Zahl Derer, die durch diese Gefängnisse jährlich hindurch¬ 
gehen, bei näherem Zusehen eine überaus grosse ist, und weil 
sich andererseits nicht verkennen lässt, dass die der Abhtilfe 
sich entgegenstellenden Schwierigkeiten hier ungleich mehr 
hervortreten, als in den grossen Strafanstalten. 

Erlauben Sie mir eine kurze Beweisführung, die, sich 
zunächst an provinziellen Verhältnissen anlehnend, doch mu- 


tatis mutandis allgemeine Geltung haben dürfte. 

Ihr Referent hat in jüngster Zeit Gelegenheit gehabt, 
■ in seiner amtlichen Eigenschaft als Agent der Rheinisch- 
1 Westphäl. Gefängniss-Gesellschaft sich mit den kleinen und 
kleinsten Gefängnissen Rheinlands eingehend zu beschäftigen 
und aus deren amtlichen Listen Erhebungen über die durch 
sie hindurchfluthende Bevölkerung einzustellen. 

Es sind dies Gefängnisse, welche unter der Administra¬ 
tion, nicht unter der Justiz stehend, meist zur Verbüssung 
I von Polizeistrafen bis zu 6 Wochen und zur Detention von 
; Inquisiten, bevor sie vor den ordentlichen Richter geführt 


v werden, endlich zura Aufenthalt von Transportaten von einem 
^ kGefängniss zum andern dienen. Die Rheinprovinz hat deren 
in der Regel aus 3—6 Lokalen bestehend, eines für 
äfrej^ausportaten, ein anderes für Inquisiten, die übrigen für 
IÜBI jMflinge. Während die Zahl der Insassen allerdings im 
Äßfeemeiuen stetig abnimmt, ist doch noch jetzt die Durch* 



m 


gchnittszahl der in diesen Lokalen Detinirten etwa 400 und 
steigerte sich in den grossen Städten bis über 2000. Noch 
jüngst besuchte Referent das sogenannte Polizeigefangniss 
einer grossen Fabrikstadt, repräsentirt für die Strafgefangenen 
durch 2 Lokale, eines für Männer auf etwa 10 Personen be¬ 
rechnet, eines für Weiber auf 3 eingerichtet. Darin waren 
1365 974 — sage 974 Personen detinirt gewesen. 

Rücksichtlich der Untersuchungsgefangenen waren in 
Preussen nach dem Justizministerialblatt im Jahr 1862 96,900 
Untersuchungen wegen Verbrechen und Vergehen eingeleitet 
und wenn auch eine geringe Zahl dieser Inquisiten nicht ge¬ 
fänglich eingezogen wurde, — welche enorme Zahl unseres 
Volkes geht doch jährlich durch die Untersuchungsgefängnisse 
hindurch. In den grösseren Städten stellte sich das Verhält- 
niss so, dass auf 1300—2000 ein Angeklagter kam, auf dem j 
Lande in den besten Bezirken auf 17000 Einer. Erhellt schon 
aus diesen Zahlenverhältnissen, dass es wahrlich der Mühe , 
lohnt, diesen wenig an die Oeffentlichkeit tretenden thatsäch- 
lichen Zuständen die vollste Aufmerksamkeit zuzuwenden, so 
thut es noch mehr Noth, wenn man die Schwierigkeiten er¬ 
wägt, die sich ihrer Ueberwindung entgegenstellen. Ja man 
kann sagen, dass schon hiedurch der sittliche Einfluss auf 
diese Gefangenen-Kategorien faktisch fast gleich Null ist. 

Oder, meine Herren, trägt nicht die Arbeit überall, 
auch in den Strafanstalten, sonderlich unter Voraussetzung 
der dort gehandhabten praktischen Einrichtung ihrer Bezah- j 
lung, sei es in Form des Ueberverdienstes, sei es in Form des j 
Geschenkes, da wo sie im rechten Sinne getrieben, ihre rechte j 
Bedeutung und ihre rechte Beschränkung hat, ein auch auf j 
die Gefangenen sittlich einwirkendes Moment in sich? 

Wie aber, wenn bei dem täglichen Wechsel, dem steti¬ 
gen Aus- und Eingehen der Bewohner des verschiedensten 
Berufs, der verschiedensten Vergangenheit, des verschiedensten j 
Zeitmaases der Strafe, die Herstellung einer geregelten Arbeit 
sich als ziemlich unmöglich herausstellt? Wie dann Arbeit 
beschaffen, die Unternehmer finden u. s. w.? wenn die Ver¬ 
waltung in der That mit lauter incommensurablen Grössen 
" ' ng muss? 



I 


i 

I 


Oder gilt nicht, was von der Arbeit in ihrer sittlichen 
Bedeutung* gesagt ist, wenigstens in demselben Maase von der 
Disciplin? — Wie aber, wenn die Untersuchungsgefangenen 
— und nicht ohne eine gewisse Berechtigung — diese Dis¬ 
ciplin sich noch gar nicht anzuerkennen für verpflichtet halten 
und gegen ihre ungewohnte Herrschaft über sie reagiren? — 
Wie, wenn die kurzzeitigen Strafgefangenen, die in wenig 
Tagen oder Wochen ihr wieder entzogen werden, sich in die¬ 
ser Voraussicht sogar alle Extravaganzen erlauben? — Wie, 
wenn die zur Handhabung derselben zunächst berufenen Unter¬ 
beamten, deren Tüchtigkeit schon in einer grossen, geordneten 
Anstalt von der höchsten Wichtigkeit, in den kleinen Anstalten 
meist ohne ein Bewusstsein von der tiefen Aufgabe ihres 
Amtes geübt wird, diese Disciplin allein, vielleicht nur in 
Gemeinschaft mit ihrer Familie repräsentiren und trotz allen 
Instructionen von Oben willkürlich gebrauchen können, bald 
roh und brutal, bald auch für den verführerischen Klang des 
nervus rer um in aller Welt nicht unzugänglich, sei’s auch 
nur zur Beschaffung von Genüssen, die einmal mit dem Ernst 
der Gefangenschaft absolut unverträglich sind? — 

Oder, meine Herren, wissen wir nicht, mit welchen Schwie¬ 
rigkeiten alle geistige oder geistliche Einwirkung ver¬ 
bunden ist? — Die Schule, dieser überaus wichtige Faktor 
im Anstaltsleben, sonderlich der ja nicht näher nachzuweisen¬ 
den Thatsache gegenüber, dass unzählige Verbrechen Produkte 
der Unwissenheit sind, trotz alles Rühmens unserer Schul¬ 
bildung, — sie findet in einer Anstalt für kurzzeitige Straf- 
und für Untersuchungsgefangene ja durchaus keinen Platz. 
Weder Lehrer noch Geistliche sind besonders angestellt; letz¬ 
tere in ihrem grösseren Amte meist sehr in Anspruch ge¬ 
nommen, halten für nur kurze Zeit Detinirte geistlichen Ein¬ 
fluss für bedeutungslos, — eine Annahme, der wir aus eigener 
Erfahrung auf das Entschiedenste widersprechen — oder sie 
sind bei Untersuchungsgefangenen prinzipiell in der Regel 
vom seelsorglichen Verkehr aus juristischen Bedenken ausge¬ 
schlossen, Bedenken, die doch am Ende mehr in der Furcht 
vor Missbrauch des Verkehrs liegen, als im Missbrauch selbst, 
der in den meisten Fällen doch durch klare Instruktionen 



236 


sicherlich könnte abgewendet werden und die Seelsorge auf 
ein für die Untersuchung neutrales Gebiet verweisen. Ich 
rede jedoch hier nur, wie es Regel ist. In Rheinland, soweit 
es unter französ. Gesetzen steht, sind wir Geistliche so glück¬ 
lich, den ungehindertsten Verkehr auch mit Inquisiten haben 
zu können. 

Allen diesen sittlichen Faktoren im Geföngnissleben über¬ 
haupt eine Stelle, geschweige eine gebührende anzuweisen, 
ist also in der That, meine Herren, mit den grössten Schwie¬ 
rigkeiten verknüpft. Aber, — darf uns das abschrecken, den 
Versuch der Einführung zu machen, dürfen und müssen wir 
nicht fordern, dass diesen Hebeln zur Besserung der Gefalle¬ 
nen auch für unsere Kategorie Rechnung 'getragen werde, 
oder dürfen wir nicht erwarten, dass bei ihrem Fehlen wenig¬ 
stens ein annäherndes Aequivalent — wir nennen es hier 
zunächst: die Isolirhaft — geboten werde? 

Denn, m. H., was steht doch für diese Gefangenen, 
fehlen alle diese Momente, nicht Alles auf dem Spiel! — 
Wahrlich für nicht Wenige ihr Lebensglück, ihre irdische und 
himmlische Zukunft, ihr Gewissen und relativ ihre Unschuld. 
Was der Hr. Verfasser des Gutachtens zur Begründung sei¬ 
ner ersten These ausgesprochen und nachgewiesen — ich 
glaube, es ist Niemand in unserer Mitte, der es nicht sammt 
den Citaten der andern Autoritäten Satz für Satz unterschrei¬ 
ben könnte! 

Ist dem aber so, dann erlauben. Sie mir nur zur Ergän¬ 
zung des Gutachtens noch eine Seite hervorzuheben, die dort 
eigentlich nur stillschweigend vorausgesetzt: es ist die Mög¬ 
lichkeit bessernder Einwirkung, die gerade für die 
Gefangenen, denen unser Interesse heute zuge¬ 
wandt ist, in ganz besonderem Grade und gleich¬ 
sam natürlich schon gegeben ist. 

Wenn es nach allgemeiner Erfahrung ernster und ein¬ 
sichtiger Strafanstaltsbeamten und Geistlichen auch feststeht, 
dass fast ausnahmslos die Wurzeln eines Verbrech edrlebens 
viel tiefer verborgen liegen als in der die Gefangenschaft 
unmittelbar herbeiführenden That, so ist doch nichft zu laug¬ 
ten, dass, um zunächst von Untersuchungsgefangener ä zu reden, 



237 


das Faktum des Vergehens oder Verbrechens, wenigstens 
beim Erstenmal, das dadurch im Individuum zu Tage tretende 
Bewusstsein, hiemit gleichsam die Brücke hinter sich abge¬ 
brochen zu haben und in eine vorläufige völlige Scheidung 
von der Gesellschaft, von der Familie, von Arbeit und Amt 
getreten zu sein, — eine gewaltige und niederschlagende Wir¬ 
kung übt und, überlässt man es ungestört sich selbst, lässt 
man es ohne böse Einwirkungen zu voller Ausgestaltung 
kommen, die Seele in eine Disposition versetzt, die sie der 
Wahrheit zugänglich macht, und in das Geständniss, den folgen¬ 
schweren ersten Schritt zur Umkehr, zur innerlichen Freiheit 
hiueindrängt. Und diese Gewissens-Arbeit ist so mächtig, 
dass sie, auch wenn der erste Sturm mit Verhärtung abge¬ 
schlagen, doch dem wiederholten Andringen, mit dem rechten, 
vou der Erfahrung wohl abzumessenden Ernst und Liebe, 
nicht leicht zu widerstehen vermag. Und was die kurzzei¬ 
tigen Strafgefangenen betrifft, so kommt zum Theil, 
ausser den eben angeführten Gründen noch der Umstand hin¬ 
zu, dass, wenn auch viele ihr Vergehen leicht nehmen, doch 
bei nicht Wenigen auch das Gefühl, wirklich vor einem Ab¬ 
grund zu stehen, in den der nächste Schritt sie fast rettungs¬ 
los hineinstürzt, bis ins innerste Herz hinein aufregt und 
erschüttert und sie den Werth des nur durch Leichtsinn Ver¬ 
lorenen erkennen lässt. — 

Unter diesen Verhältnissen, — wer wollte gerade hier einer 
richtigen Behandlung solcher Gefangenen eine Wirkung abspre¬ 
chen? Darum aber auch gerade diese Behandlung, um Schlim¬ 
meres zu verhüten, sehr vorsichtig, sehr zart — ein hoffentlich 
nicht missverstandener Ausdruck — und sehr ernst zu nehmen ist. 

(Zur Generaldiscussion, sowie zu These 1 ergreift Nie¬ 
mand das Wort. Bei der Abstimmung wird die These ein- 
müthig angenommen.) 

Pastor Scheffer: Wie aber, geehrte Herren, verhält 
sich nun zu der Wichtigkeit aller dieser Thatsachen 
und Ausführungen die Wirklichkeit, mit andern Wor¬ 
ten: wie steht es mit den Zuständen dieser für Inqui- 
siten und kurzzeitige Strafgefangene eingerichte¬ 
ten Gefängnissen: das ist 

Bütter für GefangoiMkimdo III» 


17 



— — 

II. 

unsere zweite Frage, die mit den folgenden Thesen unseres 
Gutachtens zusammenfällt. 

In der That, m. H., Angesichts der Mittheihmgen, die 
zur Motivirung dieser beiden Thesen im Gutachten beigebracht 
sind und deren Zusammenstellung uns zeigt, wie unser ganzes 
Vaterland unter Nothständen wirklich seufzt, die jeder in 
seinem Kreis und in seiner Erfahrung wohl empfunden, — 
wir können uns nicht genug wundern über diese Finsterniss 
der Barbarei, die noch mitten in den Glanz unserer hoch¬ 
gepriesenen Civilisation hineinragt und nur hie und da einmal 
einen Lichtpunkt zeigt. Aber, m. H., hier haben wir, glaube 
ich, das Recht, die Frage aufzuwerfen: warum hat man uns, 
wenigstens was die Inquisiten betrifft, die Initiative in dieser 
Frage tiberlassen? Warum hat nicht der Juristentag in die¬ 
ser Angelegenheit schon ein einmüthiges und lauttönendes 
Zeugniss abgelegt, das seines Echo nach Oben und nach Unten 
gewiss nicht verfehlt hätte? Unsere Clienten, die Unter- 
suchungsgefangenen, — sind sie denn nicht in noch grösserem 
Maase auch die Clienten ihrer Richter und nicht nur Objecte 
ftir den Inquirenten? Ja, drängt denn die dem Laien auf 
den ersten Blick erkenntliche, dem Strafanstaltsbeamten in 
100 und 100 Fällen der Praxis vor die Augen getretene 
Wahrnehmung, sich nicht auch der juristischen Welt auf und 
veranlasst sie zur möglichsten Beseitigung dieses Missbrau- , 
ches, dass die gegenwärtige Einrichtung der Unter¬ 
suchungshaft theils und am Meisten durch die Einwirkung 
der Mitgefangenen, theils durch die in Folge der rauhen, un¬ 
gewohnten Behandlung und der Langweile eintretende Ver¬ 
härtung des Inquisiten, theils durch das absichtliche, fest völlige 
Fernhalten sittlicher Einwirkung, die Untersuchung un¬ 
endlich erschwert. Wenn in einzelnen Ländern Verhaf¬ 
tung statthaft ist, sobald der Verbrecher die Freiheit nur zur 
Verdunkelung der Wahrheit und Erschwerung der Unter¬ 
suchung zu missbrauchen im Verdacht steht, — man ist fest 
Versucht, die Frage aufzuwerfen, ob unter den gegenwärtigen 
Verhältnissen die Detention nicht gerade so hierzu beitragen 
ann^ als der Aufenthalt des Angeklagten in der Freiheit? 




289 



Es würde die Aufgabe eines Referats, zumal bei so knapp 
zugemessener Zeit weit übersteigen, die Details des Gut* 
achtens noch zu vermehren und einen weiteren Beweis für 
die darin so umfassend gegebenen Spezialitäten antreten zu 
wollen. Was uns aus Süd und Nord, Ost und West unseres 
Vaterlandes, diesseits und jenseits der Mainlinie und von der 
Donau her berichtet wird, sowohl was die Räumlichkeiten, als 
auch was die Verpflegung, Arbeit, Disciplin und Leitung an¬ 
langt, — es entwirft uns ein Bild dieser Zustände, für welche 
die Bezeichnung des Gutachtens als „mangelhaft 8 wirklich 
| noch sehr gelind ist. 

| Ziehen wir hier zunächst nur aus den bewiesenen That- 
j Sachen dieses Facit und stellen es gegenüber der Vergangen¬ 
heit, dem Charakter, dem Stand, der ganzen Persönlichkeit 
Derer, die diesen Zuständen anheimfallen, von dem erbar¬ 
mungslos packenden eisernen Arm der Gerechtigkeit erfasst 
werden und sich ihm nicht wieder entziehen können. 

Wer sind denn unsere Untersuchungsgefan¬ 
gene? — Um diese Frage zu beantworten, brauchen wir nicht 
daran zu erinnern, was der englische Richter Michael Förster 
gesagt und wofür das Leben täglich genug Beweise liefert; „Keine 
Höhe der Würde oder des Standes im Leben, keine Reinheit 
des Herzens, keine Klugheit oder Vorsicht des Lebenswandels 
sollten den Menschen verleiten zu glauben, dass er nicht 
auch in eine Untersuchung verwickelt werden könnte; die 
, Schwächen der besten unter uns, die Laster und undenkbaren 
Leidenschaften Anderer, die Unsicherheit aller menschlichen 
Angelegenheiten und die unvorhergesehenen Vorfälle, welche 
der Zeitraum eines einzigen Tages herbeiführen kann, sollten 
einen Jeden abhalten, sich für gesichert zu halten, dass nicht 
er selbst oder diejenigen, die ihm nahe stehen, im nächsten 
Augenblicke die Bewohner eines Gefängnisses und dessen 
Gesetzen unterwürfig werden könnten.“ Nein, wir stellen uns 
nur auf die Thatsache, dass Inquisiten nicht dem Urtheilsspruch 
des Gesetzes verfallen sind, sondern nur unter der Möglichke it, 
ihm zu verfallen, stehen; dass die verhängte Haft nur ein 
Nothbehelf ist, damit man der Klarlegung der Wahrheit dienen 
will und demnach voraussetzungslos auch bei dem schlimmsten 

17 * 



240 


rückfälligen Verbrecher bis zur Zeit seiner Ueberführung resp. | 
Schuldigsprechung, an die Untersuchung des Thatbestandes 
zu gehen hat; dass es nicht in der Absicht des Gesetzgebers 
liegen kann, bei der Handhabung des Gesetzes noch grössere 
Uebertretung durch Preisgabe des Inhaftirten an die Einflüsse 1 
und Anschauungen unsittlicher Umgebung zu veranlassen; 
dass ein Aequivalent für die Entziehung der persönlichen ' 
Freiheit bei dem Unschuldigen nicht gefunden werden kann 
und noch in keinem Gesetzes-Paragraphen constatirt ist und 
dass es nach Alledem nicht ein Akt der Barmher- 
zigkeit, sondern des Rechtes und der Gerechtigkeit 
gegen den Verdächtigen, ein Akt heiliger Pflicht 
des Staates gegen seine Angehörigen ist, gerade 
den Inquisiten die möglichste Aufmerksamkeit und 
Theilnahme zu schenken und in der mildesten Form, 
die die Sicherheit der Gesellschaft zulässt, die Haft 
zu handhaben, so dass sie den Charakter beschränk¬ 
ter Freiheit, aber nichts mehr, an sich trägt. — 
Wozu also die unnöthige Kleiderentziehung, die jedem Inqui¬ 
siten, wie kaum etwas anderes, den Verbrecherstempel auf¬ 
drückt? Wozu die Vorenthaltung der Selbstverpflegung, na¬ 
türlich unter der Voraussetzung auch gesonderter Haft, wofür 
bei Einzelnen wenigstens jedes Untersuchungsgefängniss die 
räumliche Möglichkeit bieten kann und soll? — Es ist uns ja ] 
allen aus dem Strafanstaltsleben wohl bekannt, wie in der 
Gemeinschaftshaft der Kampf der Armuth wider den Reich¬ 
thum oder nur die höhere Gesellschaftsklasse ebenso gekämpft 
wird, als in der Freiheit, und wie dieser Kampf in der Haft 
viel mehr Chancen des Erfolges für die Armuth bietet. Suchen 
doch die Stubenmeister gerade den besseren Gefangenen oft 
die ärgste und niedrigste Arbeit zu octroyiren, nur um sie 
herabzudrücken oder wenigstens die Parität zu wahren und 
was vermag die beste Anstaltsdisciplin gegen die stille, heim¬ 
liche Gefangenendisciplin ? — Wozu die Entziehung selbst der 
freien Bewegung? — Haben Untersuchungsgefängnisse nicht 
einmal Spazierhöfe, so baue man solche. Es ist dies wahrlich 
die geringste Forderung, die gestellt werden kann, j Wozu 
für Jeden der indirekte Zwang, all die Unreinigkeit 4und den 



241 


Schmutz aller Individuen, die in einem Gefangniss bunt durch 
einander gewürfelt werden, mit ertragen zu müssen? Und 
ist es eine Rechtfertigung, dem gegenüber nur zu sagen: Ja, 
aber die Instruktion sagt und will es anders!? Gewiss! — 
aber die Praxis entscheidet. Die Handhabung der Instruction 
and Hausordnung liegt faktisch in des Schliessers Hand und, 
meine Herren, wie, wenn nach Mittheilung des Gutachtens es 
sich damit so verhält, dass in deren Hand es auch zugleich 
liegt, welche Gehülfen sie sich für ihr Amt auswählen wollen!? 

Da ist wirklich etwas vom Modergeruch des Mittelalters 
und man wäre fast versucht, zu sagen: Die vor den Augen 
der Welt abgeschafften Folterwerkzeuge kommen in anderer 
modernerer Ueberkleidung wieder zum Vorschein, nur, dass 
sie die umgekehrte Wirkung, wie die alten haben, die doch 
den Delinquenten hie und da zum Geständniss brachten, wäh¬ 
rend die heutigen ihn nur noch mehr verstocken und syste¬ 
matisch verhärten. 

Wie aber steht es mit den kurzzeitigen Strafge¬ 
fangenen? — Bei ihnen liegt die Sache allerdings etwas 
anders. — Sie stehen um eines bestimmten Vergehens willen 
unter dem strafenden Vollzug des Gesetzes und der Charakter 
der Strafe muss freilich im Kleinen wie im Grossen derselbe 
sein. Aber wird ein verständiger Arzt einen leicht Kranken 
mit den Typhuskranken zusammenbringen und so die Krank¬ 
heit epidemisch machen? — Wird er nicht auf alle Weise 
und durch die gemessensten Anordnungen die Berührung Beider 
verhindern? Ja, nicht selbst die Berührung der vielleicht 
und wahrscheinlich schon Inficirten? Unsere Staatsverwaltung 
zieht für ihre Praxis hier keine Parallele. 

Wo ist eine staatliche Einrichtung, die wirklich die 
Sorge für die kurzzeitigen Strafgefangenen nicht auf die 
leichte Schulter nähme, die, um Ansteckung zu verhüten, ge¬ 
rade diese leicht Inficirten hütete und unter strengste Controle 
stellte? Ja, meine Herren, ist es nicht vielfältig so, dass 
selbst durch die lange Zwischenzeit, die vom Urtheil bis zum 
Strafvollzug verläuft, die Strafe selbst ausser allem Zusammen¬ 
hang mit der Schuld gerissen und oft Vs oder */* Dtzd. 
kleiner Strafen auf einmal verbüsst wird, so dass für das ein- 



242 


zelne Individuum alles Bewusstsein der Schuld sich verwischt, 
zumal die Strafzeit selbst in gar amüsanter und lustiger Ge¬ 
sellschaft verbracht wird? — Wo bleibt da der heilsame und 
nachhaltige Eindruck der Gesetzeszucht, die einem zum Ersten¬ 
mal Gefangenen ganz besonders imponiren sollte, und ist nicht 
unter solchen Verhältnissen die verständige Handhabung des 
in Preussen für kleine Strafen eingeführten Aussenarbeits- 
gesetzes, so sehr es die Strafe freilich ihres Characters ent¬ 
kleidet und vielfache Bedenken gegen sich hat, eine Wohlthat? 

Doch das würde uns schon zu unserem dritten Punkt 
führen und es bedarf, ehe wir dazu übergehen, wohl noch 
einer kurzen Auseinandersetzung mit dem Herrn Verfasser 
des Gutachtens bezüglich seiner These 3, die freilich streng 
genommen auch schon von den Mitteln und Wegen redet, die 
zur Besserung unserer dermaligen traurigen Zustände hinführen 
sollen. — So einverstanden wir uns mit dieser These im I 
Princip erklären können, so sehr wir wissen, wie nur zu wahr 
es ist, was in ihrer Motivirung von dem Hrn. Verfasser selbst 
wie auch von den anderen Autoritäten gesagt ist, so entschie¬ 
den wir auch uns dagegen erklären müssen, wenn Untersu- 
chungs- und Strafgefangene unterschiedslos zusammengeworfen i 
oder nur durch Rücksicht der äusseren Sicherheit vereinigt, 
in Haft sind — ebenso glaube ich, dürfen wir auf Grund 
unserer Rheinischen Praxis behaupten, dass die Gemein¬ 
schaft von Unter suchungs- und Strafgefangenen 
in denselben Gefängnissen unter gehöriger räum¬ 
licher Absonderung nicht nachtheilig, sondern in 
Berücksichtigung der gegenwärtigen Zustände, die 
unseren obersten und wohl von Allen unbestrittenen Thesen 
4 und 5 noch lange nicht adäquat gestaltet werden dürften, 
relativ vortheilhaft ist; denn, m. H., wenn Uutersuchungs- 
gefangene und kurzzeitige Sträflinge an den so wichtigen Re¬ 
quisiten pädagogisch sittlicher Einwirkung, die für sie geson¬ 
dert kaum herzurichten, dadurch Theil nehmen können, dass sie in 
dem geordneten Organismus eines wirklichen Strafgefängnisses 
eingefügt sind, dass Arbeit, Disciplin, Gottesdienst und Seel¬ 
sorge, Schule und Lectüre auch auf sie einwirken, — gewiss, 
sn ist das- doch nur segensreich. Und so kann, um nur eins 




243 


anzuführen, die Cabinetsordre vom Jahre 1824, wornach in 
Preussen auch die Untersuchimgsgefaugenen arbeiten müssen, 
jedoch ohne bestimmtes Pensum zu fixiren, bei uns ausgeführt 
werden, während im Gegensatz dazu die vielen Gerichtsge- 
fangnisse, welche ich besucht habe, mir fest ausnahmslos das 
traurige Bild darboten, welches der Herr Gutachter so treffend 
uns gezeichnet hat. 

Präsident: Was der Hr, Referent uns vorgetragen, 
kann natürlich nicht Gegenstand einer speziellen Discussion 
insoweit werden, als die einzelnen Momente, die er uns voj> 
getragen hat, weiter erörtert werden, es handelt sich nur um 
den Satz im Allgemeinen. Ein Beschluss hierüber kann auch 
nicht als ein solcher betrachtet werden, durch welchen irgend¬ 
welche Grundsätze ausgesprochen, sondern nur als ein Be¬ 
schluss, durch welchen Thatsachen constatirt werden sollen. 

Reg.-Rath d’Alinge: Ich muss noch einmal ganz kurz 
auf das Allgemeine der Frage zurückgehen. Ich habe grosse 
Bedenken gehabt, ehe ich überhaupt an diese Frage heran¬ 
getreten bin, weil ich mir wohl bewusst war, wie das zur 
Beantwortung der Frage nöthige Material nach verschiedenen 
Richtungen hin hat unbequem erscheinen müssen. Aber ich 
habe mit ganz besonderer Befriedigung wahrgenommen, dass 
ich mich nach der Versicherung des Hm. Ref. im Allgemeinen 
noch sehr rücksichtsvoll ausgelassen habe. Es war mir um 
so mehr Bedürfnis, möglichst schonend aufzutreten, weil ich 
recht wohl weiss, dass alle Regierungen und auch die polizei¬ 
lichen Verwaltungen in neuerer Zeit eifrig bemüht sind, diesen 
Uebelständen abzuhelfen. Wohl bin ich mir auch bewusst 
gewesen, dass die zur Abhülfe erforderlichen materiellen Mittel 
gegenwärtig nicht vorhanden sind, aber die Miasstände werden 
nachgerade so gross, dass ich es für dringend nothwendig 
gehalten habe, endlich diese Frage etwas lebhafter anzuregen. 

(Bei der hierauf erfolgten Abstimmung wird die Frage: 
Erklärt sich die Versammlung mit der Ansicht, wie sie in 
Satz 2 ausgesprochen ist, einverstanden? — einmüthig be¬ 
jaht.) 

Pastor Seheffer: Ungleich besser wäre es freilich un¬ 
zweifelhaft, geehrte Herren, wenn — 



244 


III. 

und somit kommen wir auf den 3, von uns zu besprechenden 
Punkt: Aufstellung einiger leitenden Gesichtspunkte 
und Vorschläge zu der aus dem bisher Gesagten 
nothwendig sich ergebenden Reform unserer An¬ 
stalten: — wenn, sagen wir, das in These 4 aufge¬ 
stellte Princip einmal That und Wahrheit wird, sei 
es auch nur, dass der so einsichtige und alles Uebel bei der 
Wurzel anfassende Vorschlag Fuesslin’s, wonach ein 
General-Inspector resp. eine General-Commission 
des Gefangnisswesens und eventuell auch der Woklthätigkeits- 
anstalten einzurichten ist, in allen deutschen Ländern zur 
Ausführung kommt. Ist das einmal geschehen, — freilich 
nicht so, dass eine solche Commission wiederum nur ein 
Appendix ist und selbst von ihren Mitgliedern so angesehen 
wird, — so wird man schon unserer ganzen Frage die ihr 
zukommende Bedeutung und Wichtigkeit beizulegen lernen, 
so wird man versuchen, die unstreitig mit allen Mitteln an¬ 
zustrebende Einrichtung der Untersuchungsgefängnisse und 
kleineren Gefangenanstalten nach den Principien der eigent¬ 
lichen Strafanstalten nach Möglichkeit und mit Ueberwindung 
allerdings sehr vieler Schwierigkeiten und Widersprüche ins 
Leben zu rufen und die zur äussern und iunern Einwirkung 
auf die Gefangenen unumgänglich nöthigen Requisiten sitt¬ 
licher und disciplinarer Natur zu beschaffen, wie sie das 
Gutachten gründlich und vollkommen zutreffend darlegt. So 
wird endlich auch das einzig richtige und practisch ausführ- 
\ bare Princip für diese unsere Gefangenen-Categorien, das 
„Ceterum Censeo“ für alle Freunde der Gefangnissreform, um 
mich der Worte des Hm. Gutachters zu bedienen: die Ein¬ 
führung der Isolirhaft als des einzig richtige n Haft¬ 
modus für Inquisiten und kurzzeitige Strafgefan¬ 
gene, seiner Verwirklichung entgegen gehen. 

Wohl ist es noch ein weiter Weg bis dahin und bis das 
Ziel erreicht, dürfte noch manches Menschenleben durch die 
gegenwärtigen Nothstände unserer Untersuchungsgefängnisse 
in eine Verbrecher-Laufbahn getrieben werden. 

Darum erlaube ich mir, ehe ich mich der Frage über 



245 


die Isolirhaft weiter unten noch etwas ausführlicher zuwende, 
noch einige Vorschläge zu machen und kurz zu motiviren, 
die Angesichts der vorhandenen Zustände wenigstens einiger- 
maasen die Uebelstände mildern können und die vielleicht 
auch dem bedenklichsten Bureaukraten nicht als unausführbar 
erscheinen möchten, zudem sich auch in den gegenwärtigen 
Staatsorganismus ohne die sonst so gefürchtete Vermehrung 
von Kostenaufwand, dessen Perhorrescirung schon so viel 
Unheil angerichtet, einfügen Hesse. 

Diese Vorschläge sind: 

1) Man stelle, wo, wie wohl jetzt ziemlich überall, 
Justiz und Verwaltung getrennt sind, den Straf¬ 
vollzug ausschliesslich unter die Verwaltung und 
nicht allein diesen, sondern auch die Inquisitenhaft. 

Ich weiss freilich nicht, welche Erfahrungen man ander¬ 
wärts gemacht hat. In Preussen aber — und für dieses mag 
demnach zunächst dieser Vorschlag gelten, — fällt jede Ver¬ 
gleichung zwischen den Gefängnissen, welche unter der Justiz 
und denen, welche unter den Verwaltungsbehörden stehen, 
auf das Entschiedenste zu Gunsten der Letzteren aus und 
während bei diesen in der Gefängnissverwaltung ein entschie¬ 
dener Fortschritt bemerkbar, ist bei jenen noch die alte Stag¬ 
nation, dieselben Zustände zum Theil, die der theuere Stifter 
unserer Gesellschaft, der selige Pastor Dr. Fliednerin Kaisers¬ 
werth, vor 40 Jahren vorgefunden und uns geschildert hat. 
Ja, während man für die Justizgefangnisse Geld nicht gespart 
und sie im Ganzen neuen Anforderungen entsprechend herge¬ 
stellt hat, ist es doch auch in diesen neuen Anstalten mit der 
nach Principien geübten Praxis des Haftvollzugs auf das Jäm¬ 
merlichste bestellt; sie bleibt nach wie vor faktisch in der 
Hand des Schliessers und z. B. die Belegung der Isolirzellen 
mit 2 und 3, auch ohne etwaigen Mangel an Baum, ist des¬ 
halb gar nichts Seltenes. 

2) Man bestelle die Directoren grösserer Straf¬ 
anstalten zugleich als Aufsichtsbeamte über die 
kleinen Untersuchungs- und Strafgefängnisse inner¬ 
halb bestimmter Bezirke; man gebe ihnen Becht 
und Pflicht der Bevision und des ordnenden Ein- 



greifens in das Verwaltungsgetriebe dieser kleinen 
Anstalten. Bei der hier vorauszusetzenden genauen Kennt 
niss des gesammten Gefangnisswesens, bei der hohem Auf 
fassung der mit dem Strafvollzug zu verbindenden Ziele, be 
den mannigfach von ihnen unterhaltenen Verbindungen zui 
Gewinnung von Unternehmern für den Arbeitsbetrieb dei 
eigenen Anstalten, liegt es auf der Hand, wie förderlich eit 
solches Aufsichtsamt dieser Herren auch auf die kleinen Ge 
fängnisse einwirken könnte. Ob endlich 

3) die schon oben angedeutete Ansicht, dass eine Ver¬ 
wandlung der Freiheitsstrafe in Arbeitastrafe für 
kurzzeitige Strafgefangene zu empfehlen sei und auclj 
für Diese, natürlich nur in zeitlich beschränkterem Maase, ah 
bei dreimonatlicher Strafe, Ihren Beifall hat, bezweifle ich. 
Doch sollte diese Ansicht, wenn sie hier ausgesprochen wird, 
nur unter der Voraussetzung geltend gemacht werden, dass 
unsere gegenwärtigen Gefängnisseinrichtungen bestehen und 
sollte bei der Wahl zwischen 2 Uebeln, nemlich die Strafe 
zu vollziehen entweder auf Kosten des Strafernstes, oder auf 
Kosten des durch den Strafvollzug positiv sittlich geschädigten 
Individuums, das erstere kleinere empfehlen. 

Doch alle diese Vorschläge sind nur Nothbrücken und 
involviren keine Radicalkur. Diese, soweit sie bei der Exi¬ 
stenz menschlicher Sünde überhaupt möglich, ist nur zu finden 
in der von Staatswegen grundsätzlichen Adoption 
und realen Ausführung der These 5 unseres Gutachtens, 
mit der wir uns nun kurz noch etwas eingehender zu beschäf¬ 
tigen haben. 

Man mag, geehrte Herren, über die Isolirhaft denken, 
wie man will, man mag ihr wärmster Freund, ihr entschie¬ 
denster Gegner sein: Freund und Feind haben sich — das 
zeigen uns die Citate des Gutachtens von freundlicher und 
gegnerischer Seite — dahin erklärt, dass .sie sowohl mit Kück- 
sicht auf das in Haft befindliche Individuum selbst, wie aue'jl 
mit Rücksicht auf die bürgerliche Gesellschaft bei Unie ^r 
suchungsgefangenen unbedingt einzuführemsse»d 
ja, dass die Einführung ein Postulat des Rechtes sei f pl 
Incjuisiten, Die meisten ausserdeutschen Staaten hat übei^jjj 




247 


‘wenigstens im Princip dahin entschieden, dass die Unter¬ 
suchungshaft in Form der Isolirung zu vollstrecken sei. Nur 
^ in Deutschland selbst scheinen bis jetzt eigentlich nur 2 Staaten, 
• Bayern und Mecklenburg oder gar nur der letztere, die 
? Untersuchungshaft in Form der Isolirung durchgeführt zu 
f haben. Sachsen hat wenigstens das Princip aufgestellt. 

< In den andern Staaten hat man nur die Isolirhaft für 
^Strafgefangene eingeführt, also, was so vielfach mit vollem 
j Recht hervorgehoben, die Reform wieder am verkehrten Ende 
jangefasst und alle sittliche Einwirkung da erst eintreten zu 
llassen für gut befunden, wo sie ungleich viel weniger Aus¬ 
sicht auf Erfolg bietet, als in dem der schliesslichen Strafe 
vorhergehenden Stadium eines Verbrecherlebens. 

Um so mehr aber ist es der Beruf unseres Vereins und 
‘unserer Versammlungen, wenn sie anders ihren Zweck er- 
ffüllen und der Ausdruck dessen sein sollen, was als Gesammt- 
; resultat praktischer Erfahrungen an den maasgebenden Stellen 
. nicht ohne Wirkung verhallen kann und wird, hier zu sagen, 
' was wir als einzig möglich und erspriesslich, als grund- 
| legend für alle Reform auf unserem Gebiete halten. Ja, 
meine Herren, als einzig möglich und erspriesslich! Und 
j den Beweis hiefür finden wir für die Inquisiten in zweierlei, 
\ was ja nur angedeutet zu werden braucht, um für Fach- 
j männer den ganzen Gedanken-Connex von selbst zu ergeben, 
nemlich: 


i 


1) für die Richter ergibt sich eine unberechen¬ 
bare Erleichterung der Untersuchung und die aus 
dem Gewissensdrang des Angeklagten selbst resul- 
tirende Klarstellung der Wahrheit. Es ist diese Seite 
der Frage ja oben schon eines Weiteren berührt worden und 
erlaube ich mir nur, zu Ergänzung meiner Ausführung hier 
die eines höheren Richters anzuführen, von welchem ein 



im Jahr 1863 gehaltener Vortrag über die Unteruchungsge- 
fangenen bei Ausarbeitung meines Referats mir vorlag. Er 


g ^^^dert da die Gefahren der Localhaft für Inquisiten mit 
mden Worten: „Es ist überhaupt eine schwere Sache, 
Andern eine Unthat einzugestehen. Wie soll aber der 
Ziele kommen, der von gottloser Umgebung in dieser 



248 


Arbeit fortwährend gestört ist? Und ist er drauf und dran, 
sich das Herz zu erleichtern, so schwer es ihm wird, da zei¬ 
gen ihm die bösen Genossen einen leichteren Weg, aus der 
Noth herauszukommen und sie reden ihm vor, wie er Lügen 
Vorbringen, Zeugen zu seiner Vertheidigung herbeischaffen 
und einen Winkelconsulenten zu Rathe ziehen muss. Der 
arme Wicht glaubt dem guten Freunde, denn zur Zeit hat er 
keinen bessern. Und nun kommt er im Verhör mit seinen 
Lügen vor, die ganz nach der bekannten Zuchthausschablone 
entworfen sind und benennt seine Unschuldszeugen, deren 
Vernehmung er pochend beansprucht und sucht Verkehr nach 
Aussen, um wo möglich falsche Zeugen ausfindig zu machen 
und zu bestechen. Das ist die unmittelbare Folge des ver¬ 
brecherischen Verkehrs, wodurch nur zum Nachtheil des In- 
haftirten auf seine Untersuchung eingewirkt wird. Und hier¬ 
bei sind am Meisten die gelehrigen Neulinge zu bedauern, die 
nun statt geständig und reuig vor ihrem Richter zu erscheinen, 
und gesenkten Hauptes Schimpf und Schande der Anklagebank 
auf sich zu nehmen, keck und kühn, wie ausgelernte Zucht¬ 
hausbewohner auftreten, die alten Lügen erneuern und damit 
nur härtere Strafe erlangen, die sie wieder in gleich übler 
Gesellschaft verbüssen.“ 

So spricht ein erfahrener Richter aus seiner Praxis 
heraus und es bedarf wohl unsererseits keines Zusatzes! 

2) Wenn, wie oben angedeutet, es Pflicht ist, 
dem Inquisiten durch die Haft nur das zu entziehen, was 
im Interesse der Klarlegung der Wahrheit unumgänglich ihm 
entzogen werden muss, sonst aber die Untersuchungshaft mög¬ 
lichst wenig den Character der Strafhaft tragen zu lassen, so 
kann dieser juristisch und human gerechtfertigte 
Zweck nur erreicht werden auf dem Wege der In- 
dividualisirung, d. h. so, dass man auf dem Wege der Be¬ 
obachtung und Berücksichtigung jeden Einzelnen diesen nach 
seiner Vergangenheit, nach seinem Bildungsstand und Beruf, 
nach seinem bisher geführten äusserlichen Leben, nach seinem 
Character und seinen Anschauungen kennen lernt und dem¬ 
gemäss behandelt und beurtheilt. In der That — ich citire 
hier wiederum die Worte jenes Richters — „was dem Vaga- 



249 — 


bunden der Landstrasse, dem Miissiggänger und Wegelagerer 
eine Wohlthat ist: Sauberkeit, Kost, Lager, Ordnung, — das 
ist es dem an andere Verhältnisse Gewöhnten noch lange 
nicht, zumal wenn er das Alles Tag und Nacht mit solchen 
Genossen theilen muss. Und umgekehrt, was dem aus bessern 
Ständen ein Bedürfniss ist im Aeussern, das kann der Ge¬ 
ringere ohne Schaden und Kränkung füglich entbehren. Er¬ 
kennt man aber im Lehen Standesunterschiede an, die auf 
Reichthum, Bildung etc. etc. beruhen, — warum nicht auch in 
der Inquisitenhaft, die es mit keinen factischen Verbrechern zu 
thun hat und die für die Unschuldigen keinen Schadenersatz 
einschliesst? — Warum alle nach einer Schablone behandeln?“ 

Natürlich ist hier vorausgesetzt, dass dem Staate selbst 
nicht aus der verschiedene Behandlung Kosten erwachsen.“ 

Ebenso ist die Möglichkeit, dass auch in sittlicher Be-^ 
ziehung man dem Inquisiten viel näher kommt und im Inter¬ 
esse der Wahrheit auf ihn einwirken kann, gegeben. 

Die Einsamkeit, die Beschäftigung mit Lectüre, der 
natürlich controlirte Verkehr mit den Angehörigen, welcher 
in der Stille intensiver wirken kann, — Alles das führt Ruhe 
des Gemüths, Einsicht und Ueberlegung herbei, die nur in 
Allem förderlich sein kann, ganz abgesehen von den religiösen 
Einwirkungen, die eben so wichtig sind. 

In der Gemeinschaftshaft ist das Alles nicht möglich, sie 
nivellirt alle Unterschiede und bei der Gleichheit vor dem 
Gesetz muss sie es thun. Sie kann nicht anders. Sie stellt 
für den Inquisiten, in dem noch bessere und feinere Regungen, 
die Qual der Seele und die Noth des Leibes förmlich als 
Postulat auf. 

Und dass die Nothwendigkeit dieser Individualisirung 
doch nicht ohne Wichtigkeit ist, dafür darf ich wohl als einen 
kleinen Beitrag zum Beweis anführen, dass ich in meiner 
Gefangnissgemeinde in Düsseldorf in einem Jahre einmal 
12 Kaufleute als Inquisiten hatte, bei einem Bestand des Jahres 
von etwa 400 Köpfen. 

Zur segensreichen Durchführung der Isolirung aber führt 
der oben genannte Richter eine Institution als sehr richtig an, 
die ich um so mehr hier erwähne, als der Vorschlag aus einem 



juristischen Munde gewiss bedeutsam ist, gleich aber auch mit 
dem Bemerken eingeführt wird, dass vielen seiner Fachge¬ 
nossen diese Maasregel unausführbar oder wohl gar nachtheilig 
erscheinen möchte, was jedoch nicht in der Unausführbarkeit, 
sondern in der Unvereinbarkeit mit den jetzigen Gesetzen und 
Ideen liege. 

Er meint nämlich die Einrichtung von Besuchen 
für diese Gefangenenkategorien und zwar nicht allein 
der unmittelbaren geistlichen und weltlichen Ge- 
fängnissbeamten, sondern auch anderer unbeschol¬ 
tener Leute. 

Er stützt sich dabei auf das neue portugiesische 
Strafgesetz, welches in Art. 124, wo die Einführung der 
Zellenhaft angeordnet ist, weiter sagt: „Die Sträflinge kommen j! 
jedoch in Verkehr mit Staatsanwälten, mit Richtern während 
der Ausübung ihres Berufs, mit dem Vorstande, den Geist¬ 
lichen, Aerzten, Aufsehern und Lehrern des Gefängnisses und 
mit religiösen Personen, deren Aufgabe der Unterricht und 
die moralische Einwirkung auf die Gefangenen ist. Besuche 
der Gefangenen und Freunde der Letzteren sind gestattet, 
soweit sie nicht die Besserung der Gefangenen gefährden.“ 

Unter religiösen Personen sind in Portugal die geist¬ 
lichen Orden zu verstehen; für uns würde es vielleicht ge- | 
nügen, zuverlässige und unbescholtene Personen zu verlangen. 

Ohne mich, meine Herren, auf eine eingehendere Kritik 
dieses Vorschlages noch einzulassen, der vielleicht in unserer 
Mitte ebenso viele Gegner und Zweifler an seiner Ausführbar¬ 
keit zählt, als in juristischen Kreisen, erlaube ich mir nur 
als eine Thatsache mitzutheilen, dass vor wenig Jahren bei 
Errichtung eines neuen Isolirgefängnisses in unserer Provinz 
für Inquisiten und kurzzeitige Detinirte die Königl. Regierung 
eine in jener Stadt befindliche Gefängnissgesellschaft selbst 
aufforderte, durch ihre Mitglieder die Gefangenen regelmässig 
besuchen zu lassen und dass auch der betreffende Oberpro- 
curator (Ober-Staatsanwalt) rücksichtlich der Inquisiten insofern 
Beine Zustimmung gab, als er ihm namhaft gemachte, /Zuver¬ 
lässige und gebildete Mitglieder jener Gesellschaft ebenfalls 
t Besuchen zuliess. Bis jetzt ist dem Referenten nockh kein 



251 


Fall von hieraus sich ergebenden Inconvenienzen bekannt ge¬ 
worden, wohl aber von Resultaten, nach denen für die Ge¬ 
fangenen die segensreichsten Eindrücke und persönliche Ver¬ 
bindung sich ergeben haben. 

Es erübrigt noch im völligen Einverständnis mit dem 
Gutachten auch für kurzzeitige Strafgefangene die 
Isolirhaft als eine Forderung der Humanität und 
zugleich der Klugheit hinzustellen. Nicht als sollte 
für diese Kategorie die Isolirung selbst als eine von ihnen 
erkannte Wohlthat sich erweisen: im Gegentheil, es wird ihnen 
zumeist etwas Schreckliches sein, unter diesem Strafvollzug 
zu Btehen — aber das soll es auch. Sie müssen, so wenig 
wir sonst Freunde der Abschreckungstheorie sind, einen heil¬ 
samen Schrecken erhalten und die volle Wucht der Strafe, 
bei ganz Kurzzeitigen vielleicht auch selbst durch Ent¬ 
ziehung der Arbeit, erfahren, damit sie den’Segen der 
Arbeit der ihnen in ihrem Bewusstsein so oft abhanden ge¬ 
kommen, einmal durch ihren Mangel empfinden. Und dann 
das Fernhalten von andern Genossen, in Bezug worauf wir 
ja nur das Urtheil des Hm. Antragstellers zu adoptiren haben, 
dass Gemeinschaftshaft für Kurzzeitige eigentlich damit gleich¬ 
bedeutend sei, der Staat erziehe sich erst hierdurch 
die Leute zu Verbrechern, um sie dann erst wo¬ 
möglich zu bessern, in der That sehr kostspielige Experi¬ 
mente, um die auf der Hand liegende sittliche Seite der That- 
sache nicht weiter hervorzuheben. 

Wir sind, geebrteste Herren, am Schlüsse. Wenn Ihr 
Referent, wie ich fast fürchte, etwas zu ausführlich geworden 
und auch mit Dingen sich beschäftigt, die in einer Versamm¬ 
lung wie die unsere vielleicht als selbstverständlich vorausge¬ 
setzt werden konnten, so wollen Sie es, das bitte ich noch¬ 
mals, mit der Wichtigkeit und dem Umfang des behandelten 
Stoffes gütigst entschuldigen. 

Ist dem aber so, dass diese Frage so wichtig ist — und 
wer möchte es bezweifeln? — dann lassen Sie mich nur die 
eine Bitte hinzufügen: Lassen Sie es nicht bei einer Dis¬ 
kussion bewenden, sondern machen Sie in einem einmüthigen 
Zeugniss das, was wir als unbedingtes Erforderniss aller 



252 


-i 


Reform ansehen, geltend und adoptiren Sie die Thesen des 
Hrn. Antragstellers als Ausdruck dessen, was in seiner Aus¬ 
führung auf das Wesentlichste dazu beitragen würde, auch 
die Untersuchungshaft und den Strafvollzug bei kurzzeitigen 
Sträflingen segensreich zu machen. 

Pastor Kr ohne: Dem, was der Hr. Referent bemerkt, 
muss ich meine Zustimmung geben, dass es zu weit gegangen 
wäre, wenn man verlangen wollte, wie Hr. Regierungsrath 
d’Alinge, Untersuchungs- und Strafgefangene gehören nicht 
in ein Haus. Es genügt vielleicht auszusprechen, dass sie 
räumlich getrennt werden sollen, und wenn wir Punkt 5 an¬ 
nehmen, dass die Isolirhaft eingeführt werde, so wäre damit 
schon die Trennung für Untersuchungs- und kurzzeitige Straf¬ 
gefangene ausgesprochen. Ich möchte den Herren vorschlagen, 
Satz 3 in der Fassung anzunehmen, dass wir das Wort: 
„absolut* streichen, indem dann, was wir wollen, erreicht würde, 
dass die Gefangenen nicht in unmittelbare Berührung kommen; 
besondere Untersuchungs- und besondere Strafgefängnisse wür¬ 
den unter den jetzigen Umständen kaum zu erreichen sein 
bei den grossen Ansprüchen, welche wir an den Staatsseckel 
machen müssen. 

Reg.-Rath d’Alinge: Ich glaube, die Herren werden 
mit mir einverstanden sein. Nur eine kurze Erklärung möchte 
ich abgeben, wie ich das Wort „absolut“ gemeint habe. „Die 
absolute Trennung“, habe ich gesägt, „der Untersuchungs¬ 
gefangenen von den Strafgefangenen ist die erste Bedingung 
einer Erfolg versprechenden Reform.“ Damit habe ich nur 
den Wunsch aussprechen wollen, dass Untersuchungs- und 
Strafgefangene überhaupt nicht in einen und denselben Raum 
gesperrt werden, denn das, m. H., kommt leider zu häufig 
vor. Bei der gewöhnlichen Ueberfüllung der Gerichts- und 
Polizeigefängnisse ist man gezwungen, zu den in grossen Zellen 
befindlichen 3, 4, 5 Untersuchungsgefangenen noch 2, 3 Straf¬ 
gefangene und ausserdem noch Schub-Passanten zu legen. Das, 
m. H., ist denn doch allzuviel. Ich meine hier also nichts 
weiter, als dass überhaupt eine räumliche Trennung der 
Untersuchungs- und Strafgefangenen im Allgemeinen erfolgen 
müsse. 




253 


Präsident Dr. Schwartze: Ich schliesse die Debatte 
und bringe den Satz 3 vorerst ohne das Wort „absolut* zur 
Abstimmung. 

Nehmen Sie den Satz 3: „Die Trennung der Unter¬ 
suchungsgefangenen von den Strafgefangenen ist die erste 
Bedingung einer Erfolg versprechenden Reform* an? — Ein¬ 
stimmig. 

Wünschen Sie die Streichung des Wortes „absolut*? — 
Die Majorität (36 gegen 25 Stimmen) hat sich für Beibehal¬ 
tung des Wortes „absolut* erklärt. 

Referent, Pastor Scheffer: Satz 4 heisst: „Die Unter- 
suchungs- und Strafgefangnisse müssen nach gleichen Prin- 
cipien wie die Strafanstalten verwaltet werden*, und Satz 5: 
„Die Isolirhaft ist für die Untersuchungs- und Strafgefangenen 
im Allgemeinen der einzig richtige Haftmodus.* 

Oberinspector Witt: Meiner Ansicht nach ist die These 4, 
so wie sie hier allgemein und uneingeschränkt lautet, nicht 
ohne manche und sehr erhebliche Bedenken. Ich möchte, 
wenn vielleicht nicht im Laufe der Discussion sich diese Be¬ 
denken mehr oder weniger beseitigen lassen sollten, meiner¬ 
seits auf Streichung dieser These 4 antragen: so erheblich 
scheinen die Erwägungen, die dagegen sprechen. Es ist hier 
gesagt: „Die Untersuchungs- und Strafgefängnisse müssen 

nach gleichen Principien wie die Strafanstalten verwaltet wer¬ 
den.“ Schon aus der Zusammenstellung von „Untersuchungs¬ 
und Strafgefängnissen“ lässt sich entnehmen, dass unter „Straf- 
gefangnissen“ hier solche Haftlokale verstanden sein sollen, 
die nur für den Zweck der Vollstreckung leichter polizeilich 
oder gerichtlich zuerkannter Strafen bestimmt sind, während 
unter den ihnen gegenübergestellten „Strafanstalten* nur solche 
Anstalten verstanden sein sollen, die zur Vollstreckung der 
eigentlichen oder richtiger schwereren Criminalstrafen dienen. 

Nun scheint es doch sehr bedenklich zu sein, den Satz 
so allgemein hinzustellen, dass die Untersuchungsgefängnisse 
nach gleichen Principien wie die Strafanstalten verwaltet wer¬ 
den sollen. Wir haben schon aus dem Vortrag des Hrn. 
Referenten über diesen Gegenstand mehrfach Gelegenheit ge¬ 
habt, zu ersehen, wie die Untersuchungsgefangenen eine ganz 

Butter für Gefäfcgjnissktmdö HL 10 



254 


eigenthümllche tifld besondere Stellung eirtttöhdiefa. Sie sind 
noch nicht Bchuldig befunden; sie stehen bis dahin, Wo die 
Verurtheilung eintritt, weder als Schuldige noch als Unschül- 
dige da. Es liegt in dieser ihrer Stellung, dass sie mit Recht 
eine dieser Stellung entsprechende besondere Behandlung in 
Anspruch nehmen dürfen, namentlich möchte ich in Bezug 
auf einzelne Theile der Verwaltung dies als eine Behauptung 
aufstellen, der nicht füglich entgegengetretefi werden wird. 
Was die zweckmässige, namentlich bauliche Einrichtung der 
Haftlokale in diesen UntersüchungBgefäügnissön betrifft, Bö 
lässt sich allerdings in Bezug darauf im Allgemeinen sagen, 
dass sie nach denselben Principien eingerichtet sein seilen, 
wie die eigentlichen Strafanstalten; in andern Beziehungen 
liegt aber die Sache anders z. B> in Bezug auf Bekleidung, 
Beköstigung und Beschäftigung der ÜnteröuchungsgefangenCtti 
Den Untersuchungsgefangenen wird meines Wissens in vielen 
Ländern unseres deutschen Vaterlandes es gestattet, dass sie 
sich selbst bekleiden; es wird ihnen sogar gestattet, dass sie 
selbst ihr eigenes Bett mitbringen; ich glaube, dass dies eine 
__ ganz billige Rücksichtnahme ist, die sich selbst von dem Stand¬ 
punkt der Gerechtigkeit aus empfiehlt. Ferner ist es se in 
meinem Vaterlande und auch wohl anderwärts, dass man dem 
Untersuchungsgefangenen vollständigen Spielraum gewährt in 
Bezug auf Beschäftigung. Sie können sich beschäftigen, wenn 
sie es wünschen, sie brauchen sieh aber nicht au beschäftigen; 
es steht dies jedesmal tu ihrem eigenen Ermessen, und auch, 
wie sie sich beschäftigen wollen; soweit sich Gelegenheit da¬ 
zu findet, so haben sie hierin freie Hand. Namentlich kann 
tneo Veto irgend ein Zwang an ihrer Beschäftigung in Bezug 
auf die Untersuchungsgefangenen nicht statuirt werden. Zwangs¬ 
weise Beschäftigung ist ein wesentlicher Bestandteil der 
schweren Strafen, deren Vollstreckung den Zuchthäusern oder 
Stoekhäüsern zusteht. Aber auch noch ausserhalb der Be¬ 
schäftigung unterscheiden sich Üntersuchungsgefangene von 
den Strafgefangenen. Ich will nur noch den Unterschied 
hervorheben in Bezug auf Correspondeftz, Lectüre und ÜW 
köstigung. Es wird den Untersuchungsgefangenen z. B. bd 
uns Tabak und Cigarren gestattet» Alles dieses sind wohl 



berechtigte Rücksichten, welche flieh bei den in Solcher Haft 
befindlichen Personen geltend machen und wornach denn auch 
die Verwaltung mehr oder weniger verschieden sein wird. 
Ieh wiederhole demnach, von wo ich ausgegangen bin, dass 
die These 4 in der allgemeinen Fassung, wie Bie vorliegt, zu 
mancherlei Bedenken Anlass gibt, die jedenfalls 2U grosser 
Einschränkung dieses Satzes auffordern und möchte ich daher 
beantragen, dass eVent. dieser Satz gestrichen werde. 

Staatsanwalt Dr. Mel 6 aus Graz: Ich bin auch mit 
dem Hrn. Vorredner für die Streichung des Punktes 4. Alle 
Richter, alle Staatsanwälte sind darin einverstanden, dass der 
Untersuchungsgefangene ganz anders behandelt werden muss, 
als der bereits Verurtheilte; ersterer hat die Strafe noch zu 
erwarten, ja er kann aus der Untersuchung vollständig schuld¬ 
los ansgehen*, seine Behandlung muss demnach in der Unter¬ 
suchungshaft ganz so wie in der Freiheit sein, und nur da¬ 
durch beschränkt werden, was die Hausordnung erheischt und 
dass der Untersuchungszweck nioht vereitelt wird; es würde 
also unbillig, ja ungerecht sein, wollte man beide nach dem¬ 
selben Principe behandeln. 

Director Schill in g: Die Bedenken des Hrn. Vor¬ 
redners dürften wohl wegfallen, wenn wir die Bedeutung des 
Wortes jjPrineip“ etwas fixiren. Das Prmcip kann sich natür¬ 
lich nioht auf Details erstrecken, ob z. B. diese oder jene 
Kleider getragen Werden sollen; da wird man schon unter¬ 
scheiden können, sondern tmr im grossen Ganzen auf die 
Anschauungen, die in der neueren Gefängnisskunde in Praxis 
und Wissenschaft festgestelit sind und diese möchte ich eben 
auch auf die Untersuchungsgefangenen angewendet wissen. 

Garnisonspfarrer Schlipf in Hohenasperg: Ich möchte, 
obwohl dieser Punkt den Gegenstand der Debatte nicht un¬ 
mittelbar berührt, Ihre Aufmerksamkeit auf einen bisher wenig 
beachteten Theil des Gefängnisswesens, nämlich auf die Milifär- 
gefängnisse lenken. Wer mit diesen nur einigermaasen bekannt 
ist, weiBs, dass sie dem Geistlichen in dem Grade unzugäng¬ 
lich sind, dass es ihm kaum möglich ist, auch nur Lectüre 
hmeiuzubriugen. Dazu kommt, dass die Untersuchungshaft 
bei dem Militär eine im Vergleich mit den Civilgeföngnissen 

18 * 




256 


sehr strenge ist, so dass man sich fast versucht fühlen könnte, 
zu glauben, es werde hier die Schuld des Inquisiten schon 
vor der Untersuchung präsumirt. Wenn daher irgendwo eine 
Reform des Gefängnisswesens dringend angezeigt ist, so ist 
es meines Dafürhaltens bei den Militärgefängnissen, soweit sie 
dem Zweck der Untersuchung und Bestrafung in den Garni¬ 
sonen dienen. Es sollte vor Allem dahin gewirkt werden, 
dass es dem Geistlichen nicht blos gestattet, sondern zur förm¬ 
lichen Pflicht gemacht werde, die Militärgefangenen ebenso 
zu besuchen und an ihnen Seelsorge zu üben, wie an den 
bürgerlichen Gefangenen. Auf dem Platze, auf welchem ich 
angestellt bin, befinden sich neben einander eine Civilstrafan- 
stalt und ein Militärgefängniss. Während mir dort die Mög¬ 
lichkeit gegeben, ja es zur Pflicht gemacht ist, die Gefangenen 
von Zeit zu Zeit zu besuchen, und für angemessene Lectüre 
in ausreichendem Maase Sorge getragen wird, ist hier der 
Gefangene von seinem Geistlichen hermetisch abgesperrt; er 
kann mehrere Wochen in strengem Straf- oder Untersuchungs¬ 
arrest sich befinden, ohne dass der Geistliche nur die geringste 
Kunde von ihm erhielte. Solche Zustände — und sie werden 
wohl nicht allein in Württemberg zu treffen sein — entsprechen 
offenbar weder den Forderungen der Humanität, noch dem 
Zwecke der Besserung. Mögen diese wenigen Andeutungen Sie 
bestimmen, einer bisher wenig beachteten, aber der Beachtung 
wohl werthen Seite unserer Aufgabe Ihr Interesse zuzuwenden! 

Dann scheint es mir doch etwas zu weit gegangen, selbst 
bei den Untersuchungsgefangenen auf eine ganz strenge Iso- 
lirung zu dringen. Diesem Verlangen liegt wohl die Voraus¬ 
setzung zu Grunde, als seien auch die Untersuchungsgefange¬ 
nen ganz schlechte, verdorbene Menschen, deren Berührung 
nicht anders, als verpestend wirken könne. Diese Voraus¬ 
setzung möchte doch etwas zu pessimistisch und in zu weniges 
Fällen zutreffend sein, um darauf eine so rigorose Forderung 
zu begründen. 

Sodann will es mich etwas sonderbar anmuthen, dass 
man in einer Zeit, wo das Princip der freien Selbstbestimmung 
so sehr betont und in den Vordergrund gestellt wird, wo man 
das Recht des Individuums nicht eifersüchtig und energisch 



257 


genug wahren kann gegen jeden auch nur scheinbaren Ver¬ 
such religiösen oder sittlichen Zwangs, dass man, sage ich, 
in einer solchen Zeit auf dem Gebiete des Gefangnisswesens 
alles Heil von der Aufrichtung äusserlicher Schranken erwartet 
und zwar in dem Grade, dass man sie sogar bei Untersuchungs¬ 
gefangenen, über deren Schuld oder Unschuld noch gar nichts 
entschieden ist, in Anwendung bringen will. Ich halte es 
aber nicht nur für einen Widerspruch gegen die innerste Richtung 
des modernen Geistes, sondern auch für ein Unrecht gegen 
die Untersuchungsgefangenen, wenn man sie einer vorgefassten 
Besserungstheorie zulieb in der Weise bevormunden will, dass 
man ihnen das Recht menschlichen Umganges absolut entzieht. 
Und zudem ist es eine Frage, die man wohl aufzuwerfen 
berechtigt ist, ob man wirklich durch Isolirung jeden schäd¬ 
lichen Einfluss von den Untersuchungsgefangenen abzuhalten 
vermag, und ob die relativ kurze Isolirung während der Unter¬ 
suchungshaft gegenüber den Wirkungen des freien Verkehrs, 
dem sie später übergeben werden, Viel zu bedeuten hat. 

Oberinspector Witt: Dem g. Collegen aus Waldheim 
möchte ich bemerken, dass meine Bedenken sich zunächst auf 
die Untersuchungsgefängnisse und Untersuchungsgefangenen 
erstrecken, die, soweit sie durch die Verwaltung berührt wer¬ 
den, (nach dieser These) gleichmässig wie die eigentlichen 
Züchtlinge und Sträflinge behandelt werden sollen. Bezüglich 
der „Strafgefängnisse“ sind meine Bedenken geringer, obwohl 
um der wesentlichen Unterschiede willen, die hier obwalten, 
erheblich genug, dass ich auch bezüglich der „Strafgefäng- 
nisse“ für Streichung des Satzes sein möchte. Aber bezüglich 
der Untersuchungsgefängnisse kann ich mich durch den blossen 
Hinweis, dass es sich hier nur um Anerkennung des Princips 
handele, meiner Bedenken nicht begeben. Gerade princip- 
mässig muss die Verwaltung in einem Untersuchungslocal eine 
andere sein, wie in jedem Straflocal, sei es nun Zuchthaus 
oder Polizeigefängniss oder was sonst. 

Reg.-Rath d’Al in ge: Ich kann Ihnen gestehen, dass 
mir die Formulirung dieser These schwerer geworden ist, wie 
die aller übrigen zusammengenommen und doch verlange ich 
ausserordentlich wenig in dieser These. Ich verlange nichts 



258 


weiter, als Licht und Luft; Licht — eine Leuchte für die Herzen, 
und Luft —die Sorge für das leibliche Wohl der Unter- 
suchungs- und kurzzeitigen Strafgefangenen. Ich bin ganz 
überrascht gewesen, wie man nach der Form der These hat 
annehmen können, dass ich eine ganz besondere Strafanstalts- 
Behandlung d. h, vielleicht gar eine Behandlung nach dem alten 
Zuchthausregime anstrebe. Ich habe gemeint, das sei eine 
abgethane Sache und habe deswegen nicht geahnt, dass man 
darauf zurückkommen könne. Vielleicht kommen wir über alle 
Bedenken hinweg, wenn wir sagen: Die Untersuchungsge¬ 
fängnisse, sowie die Gefängnisse für kurzzeitige Strafgefan¬ 
gene müssen, — nicht nach gleichen Principien, sondern — 
nach derselben Art und Weise verwaltet werden, wie die 
Strafanstalten, in denen man nach dem Princip der Individua- 
lisirung verfährt. Ich habe also damit nicht gemeint, dass, 
wie es in einzelnen Ländern noch der Fall ist, der Zucht¬ 
meister, wie er in dem Zuchthause nach dem alten Regime 
waltet, nun auch dieselbe Befugniss in einem Strafgefängniss 
erhält. Dagegen würde sich der Richter entschieden verwah¬ 
ren müssen. Ich wiederhole, ich verlange recht wenig, aber das, 
was wir unbedingt verlangen müssen, Lioht und Luft. Lieht — 
die Leuchte für die Herzen, und Luft — die Sorge für das 
materielle Wohl, auch der Untersuchungs- und kurzzeitigen 
Strafgefangenen. 

Staatsanwalt Dr. Meid aus Graz: In Bezug auf den 
Aptrag des Referenten: »Die Untersuchungen und Strafge¬ 
fängnisse müssen nach gleichen Principien wie die Strafan¬ 
stalten verwaltet werden,“ möchte ich bemerken, dass diese 
Hinrichtung lediglich auf diejenigen Länder beschränkt bleibe, 
wo eine solche bereits besteht. Ich sage das desshalb, weil 
in Oesterreich seit dem 15. November 1865, wo die Straf' 
anstalten dem Justizministerium unterstellt worden sind, die 
wahrgenommenen Gebrechen und IJebelstände abgestellt und 
durch das Gesetz vom 14. Februar 1866 gründliche Reformen 
des gesammten Gefängnisswesens angebahnt wurden. Bei 
Anstrebung dieser grossen Aufgabe war zwar niemals das 
unabweisbare Gebot der Gerechtigkeit aus dem Auge gelassen, 
wornach diu Strafanstalten zunächst dazu bestimmt sind, jedem 



dahin Verurteilte» zur Sühne des durch seine Schuld ver¬ 
letzten Rechtes durch die Rntaiebung der Freiheit eip empfind¬ 
liches Uebel zuzufttgen; eher innerhalb dieser Grenzen wurde 
bei der Regelung und Vollziehung der Freiheitsstrafen allen 
Forderungen der Humanität und der vorgeschrittenen Oultur 
volle Rechnung getragen, und das Hauptaugenmerk auf die 
apzustrebeude individuelle Hesserung jedes Sträflinges gerich*- 
tet, Ich stelle daher den Antrag, dass die gewünschte Unter¬ 
stellung der Strafanstalten unter die Aufsicht der Verwaltungs¬ 
behörden auf die Ränder sich beschränken möchte, in welchen 
dies bereits besteht, 

Präsident: Parüber wird später besonders discutirt 
werden. 

OberrReg.-Rath Illing: Ich spreche mich gegen die An¬ 
nahme des Satzes 4 aus. So weit es sich um die gleichen Princi- 
pien der christl. Riebe, Humanität und Billigkeit handelt, unter- 
sohreibe ich denselben unbedingt, Rs gibt aber noch anderweite 
Rücksichten, die durch den Unterschied zwischen Strafe und 
Untersuchung geboten werden; beispielsweise kann man Straf¬ 
gefangene und Uotersuohungsgefangene nicht gleich behandeln 
was Kleidung, Rasen, Correspoudeuz, Annahme von Besuchen u. 
drgl. betrifft, Wir haben nun zwar durch Hm. Pir. Schilling 
und den Hm, Ref, erfahren, dass eine Gleichstellung in dieser 
Beziehung weder von dem Antragsteller poch von dem Ref. 
beabsichtigt ist; wenn wir aber eine allgemeine These auf¬ 
stellen, so ist dies ja so zu sagen ein Recept, wie verfahren 
werden soll und wir können der These nicht die Motive sub- 
ßtituiren, welche der Antragsteller dabei gehabt hat. Jede 
Resolution muss das, was beschlossen werden soll, vollständig 
geben, ohne dass es einer Erläuterung durch die Motive bedarf; 
die vorliegende These aber in der Art, wie sie gegenwärtig 
gefasst ist, gibt zu der Missdeutung Anlass, dass für Straf- 
und Untersuchungsgefangene in allen Beziehungen, mithin so¬ 
wohl in Betreff der Verwaltung, wie in Betreff der allgemeinen 
Principiep, ein gleiches Verfahren zur Anwendung kommen 
soll, und deswegen kann ich nicht umhin, mich in Ueberein- 
Btimmung mit dem Hm. Staatsanwalt aus Graz für die Strei¬ 
chung d@s Art. auszuspreoben- 



260 


Oberinspector v. Sprewitz: Ich mache rücksichtlich 
der Untersuchungsgefangenen noch viel grössere Ansprüche 
an das Untersuchungsgefängnis, wie rücksichtlich der Straf¬ 
gefangenen. Ich habe in dieser Beziehung ganz merkwürdige 
Erfahrungen gemacht, von denen ich nur eine anführen will. 

In Mecklenburg herrscht, wie vorhin schon gesagt wurde, 
das Princip, dass die Untersuchungsgefangenen isolirt werden. 
Nun war in Güstrow, wo die Untersuchungsgefängnisse nur 
ganz gewöhnlicher Art sind, eine Untersuchung gegen eine 
Diebsbande von einigen 40 Personen im Gang, die durchaus 
nicht fortrückte, weswegen ich von den Richtern endlich um 
Aufnahme eines Theils der Gefangenen in meine Isolirzellen 
ersucht" wurde. Dieselben sind nämlich anders gebaut, wie 
die gewöhnlichen Zellen, wenigstens 4 mal so gross, sehr 
hoch, die Fenster namentlich so hoch, dass sie von den Ge¬ 
fangenen nicht erreicht werden können, und bei Tag und Nacht 
genau beaufsichtigt. Von dem Augenblicke dieser Versetzung an 
nahm die Untersuchung einen ausserordentlich raschen Verlauf. 
Schon nach etwa 8 Tagen wurde mir ein Theil der Gefange¬ 
nen abgenommen, die inzwischen die umfangreichsten Geständ¬ 
nisse abgelegt hatten, und ich bekam wieder neue. Wie die 
Criminalrichter sagten, wurde die so sehr umfangreiche Unter¬ 
suchung in ganz unglaublich kurzer Zeit beendet. Ich ver¬ 
lange also von einem guten Untersuchungsgefängniss, dass 
es so eingerichtet sei, dass die Gefangenen unter einander 
schlechterdings sich nicht verständigen können. Allerdings 
würde das sehr grosse Kosten erfordern, auf der andern Seite 
aber würden dadurch die Untersuchungen ausserordentlich 
gekürzt werden können und dadurch die Kosten wieder er¬ 
spart werden. 

Pfarrer Mühlhäusser: Vielleicht Hesse sich eine Ueber- 
einstimmung erzielen, wenn wir den Satz 4 so formuliren: „Die 
Strafgefangnisse müssen nach den gleichen Principien, wie die 
Strafanstalten verwaltet werden, die Untersuchungsgefängnisse 
in einer ihren besondern Verhältnissen entsprechenden Weise. 8 

Director Schilling: Ich möchte den Antrag stellen, 
das Wort: „sittlich 8 einzuschieben, „nach denselben sittlichen 
Principien 8 j dann könnte wohl der ganze Satz stehen bleiben. 



261 



Staatsanwalt Scharrer aus Steyr in Oesterreich: Ich 
| theile gleichfalls die Bedenken, welche mehrere Vorredner 
, gegen den im Absätze 4 enthaltenen Antrag geltend gemacht 
? haben, halte jedoch dafür, dass um diesen Bedenken Rechnung 
I zu fragen, der Absatz 4 nicht ganz zu entfallen hätte, sondern 
eine Aenderung desselben genüge. 

; Diese Aenderung dürfte auch schon durch den angenomme¬ 
nen Absatz 3 des vorliegenden Antrages geboten sein, weil darin 
die Nothwendigkeit der Trennung der Untersuchungs- von den 
Strafgefangenen anerkannt ist, und dieses vornehmlich durch die 
Erkenntniss veranlasst wurde, dass die Untersuchungsgefangenen 
| in anderer Weise behandelt werden müssen, als Strafgefangene. 

Diese verschiedene Behandlung folgt aus den verschiede¬ 
nen Zwecken, welche erreicht werden sollen. 

Während die Strafhaft nicht nur die sichere Verwahrung 
| und die Verhinderung des Verkehres nach Aussen, sondern 
I auch die Besserung des Sträflings und die Sühne seines Ver- 
f brtchens erzielen soll, hat die Untersuchungshaft nur die beiden 
ersten Zwecke zu erreichen. 

Bei gleicher Einrichtung der Untersuchungs- und Straf¬ 
gefängnisse wäre der Untersuchungsgefangene auch jenen 
Beschränkungen unterworfen, welche wegen Erreichung der 
weiteren Zwecke der Strafgefangnisse dem Strafgefangenen 
auferlegt werden müssen, durch den Zweck der Untersu¬ 
chungshaft aber nicht gefordert werden. e In dieser soll es dem 
Gefangenen, wenn die Haft nicht zur Strafe werden soll, er¬ 
möglicht sein, sich alle jene Erleichterungen zu verschaffen, 
welche mit dem Zwecke der Untersuchungshaft vereinbarlich sind, 
wie dieses in meinem engeren Vaterlande auch der Fall ist. 

Dieses wäre erreicht und sämmtliche gegen die bean¬ 
tragte Fassung des Absatzes 4 erhobenen Bedenken berück- 
| sichtigt, wenn der Absatz 4 in folgender Weise abgeändert 
werde, was ich hiemit beantrage: 

„Die Strafgefängnisse müssen nach gleichen Principien 
»verwaltet werden, wie die Strafanstalten, dagegen die Unter¬ 
suchungsgefängnisse so eingerichtet sein, dass der Unter¬ 
suchungsgefangene keinen anderen Beschränkungen unter¬ 
worfen wird, als der Zweck der Untersuchungshaft erfordert.“ 



262 


Reg.-Rath d’Alinge: Zu Abkürzung der Debatte 
schlage ich eine andere Fassung des Punktes 4 vor: „Die 
Einrichtungen der Untersuchungs- und Strafgefängnisse müssen 
mit denselben Garantien für zweckentsprechende Verwaltung 
versehen werden, welche man für die Strafanstalten fordert.“ 

Oberinspector Witt: Die bisherige Debatte hat die 
wesentlichen Bedenken, zu welchen die Fassung dieser These 
Anlass gibt, nicht beseitigen können. Der Hr. Antragsteller 
selbst hat uns erklärt, dass er die These, so allgemein ihre 
Fassung lautet, gar nicht so allgemein gemeint hat, er hat 
sie wesentlich beschränkt auf Gewährung von Licht und Luft; 
Licht und Luft auch in Bezug aut Gemtith, Herz und Ge¬ 
wissen. Selbst da machen sich noch Bedenken gegen die 
Annahme der These geltend und ich kann auch nicht finden, 
dass dieselbe durch diese authentische Interpretation und die 
derselben entsprechende andere Fassung im Wesentlichen 
eine andere geworden ist. Ich muss daher zu meinem Be¬ 
dauern meinem von vornherein gestellten Anträge auf Strei¬ 
chung dieser Thesis, die hier in unserem Kreise schon zu so 
vielen Missverständnissen Anlass gegeben hat, inliäriren. 

(Auf Antrag des Ober-Reg.-Rath Illing wird die Debatte 
geschlossen. 

Reg.-Rath d’Al in ge substituirt auf Befragen des Präs, 
seinem ursprünglichen Antrag die neue Fassung. 

Director Schilling lässt in Folge davon sein Amende¬ 
ment fallen. 

Der Präsident gibt dem Referenten da@ Sehluss- 
wort.) 

Referent: Alle Anträge kommen darauf hinaus, die 
Haft für Untersuchungsgefangene anders zu modificiren, als 
die für Strafgefangene. Es handelt sich also nur darum, einen 
solchen Modus zu finden. Ich glaube nach dem ganzen Tenor 
meines Referats darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass 
die Untersuchungsgefangenen zum Zweck der Klarlegung der 
Wahrheit in einem besondern Falle, der Freiheit auf eine 
bestimmte Zeit verlustig gehen sollen und wenn ich daher 
den Satz 4 des Gutachtens im Ganzen stehen gelassen habe. 



263 


r 

so habe ich im Einverständnis mit dem Antragsteller nicht 
glauben können, dass ein Missverständnis in Betreff desselben 
möglich sei, wie es sich nun allerdings herausgestellt hat. Ich 
erkläre deshalb, dass ich ihn nicht als Princip aufgestellt 
haben möchte, sondern nur als einen Satz der Praxis zur 
Begegnung der gegenwärtigen Nothstände innerhalb des Haft¬ 
vollzugs bei Untersuchungsgefangenen, Es ist gewiss wahr, 

■ dass durch die Aufnahme des Satzes in der neuen Formuli- 
; rung des Antragstellers, mit der ich mich unter den einge- 
; brachten Amendements am meisten einverstanden erkläre, 

1 möglich ist, dem entstandenen Missverständnis begegnet und 
| das gewahrt wird, dass die Untersuchungsgefangenen mög- 
i liehst gelinde, möglichst wenig unter dem Bewusstsein einer 
i Strafe gehalten werden. Und das ist ja wohl vor allen Din- 
» gen festzuhalten, dass die Untersuchungsgefangenen aller 
Wohlthaten, die überhaupt für sie möglich sind, theilhaftig 
werden. 

Präsident Dr. Schwartze: Wir gehen nun zur Ab¬ 
stimmung über den Antrag des Hrn. Reg.-Rath d* Al in ge. 
Diese Abstimmung nun erledigt, für den Fall, dass der Autrag 
angenommen wird, alle andern Anträge; im ablehnenden Falle 
kommt der Antrag des Hrn. Pfarrer Mühlhäusser an die 
Reibe, weil er allgemeiner ist und weiter geht, als der Antrag 
des Hrn. Staatsanwalt Scharrer. 

Der Antrag des Hrn. Reg.-Rath d’Alinge lautet: 

„Die Einrichtungen der Untersuchungs- und Strafge¬ 
fängnisse müssen mit denselben Garantien für zweckentspre¬ 
chende Verwaltung versehen werden, welche man für die 
Strafanstalten fordert,“ 

Gibt die Versammlung diesem Anträge ihre Zustimmung? 
Die Majorität ist dagegen. 

Der Verbesserungsantrag des Hrn. Pfarrer Mühlhäusser 
lautet: (wird verlesen, vrgl, S. 260 u.) 

^ Diejenigen Herren, welche dem Antrag des Hrn. Pfarrer 
Mühlhäusser zustimmen, wollen sich erheben. — Die Ma¬ 
jorität hat sich gegen den Antrag erklärt, also ist auch dieser 
«rlodigt. 



Der dritte Antrag, von Hrn. Staatsanwalt Scharrer ge¬ 
stellt, lautet: (wird verlesen, vrgl. S. 261 u.) 

Geben die Herren dem Antrag ihre Zustimmung? - 
Die Majorität hat sich für den Antrag erklärt. 

Wir gehen nun auf Punkt 5 über. Ich eröffne die 
Discussion. 

Ober-Reg.-Rath Illing: Der Punkt 5: »Die Isolir- 
haft ist für die Untersuchungs- und Strafgefangenen im All¬ 
gemeinen der einzig richtige Haftmodus“, eignet sich meines 
Erachtens nicht zur Annahme. Ich bin ein grosser Verehrer 
des Isolirsystems, kann aber den Satz in dieser Fassung nicht 
gelten lassen. Wir werden unmittelbar nach Erledigung des 
vorliegenden Punktes zum 2. Gegenstand der Tagesordnung 
übergehen, in wie weit die bedingte Beurlaubung der Straf¬ 
gefangenen zulässig sei. Diese bedingte Beurlaubung ist ein 
Bestandtheil des Irischen Systems, das zwar auf Isolirungshaft 
basirt ist, das aber die Isolirhaft nur als einen Theil des Straf¬ 
vollzugs annimmt und daneben gemeinschaftliche Haft als 
Uebergangsstadium zulässt. Nehmen wir den Punkt 5 in 
seiner allgemeinen Fassung an, so ist damit eo ip30 jene andere 
Art der Strafvollstreckung, die täglich mehr Anhänger ge¬ 
winnt, unbedingt ausgeschlossen und mit einer solchen Aus¬ 
schliessung würde wohl nur ein kleiner Theil der Versammlung 
einverstanden sein. 

Staatsanwalt Scharrer aus Steyr in Oesterreich: Ich 
muss mich gleichfalls gegen den im Absatz 5 enthaltenen An¬ 
trag aussprechen. 

Insoweit in diesem Absätze 5 die Isolirhaft für Strafge¬ 
fangene beantragt ist, halte ich diesen Antrag für überflüssig, 
weil bereits bei früheren Anlässen ausgesprochen wurde, dass 
die Isolirhaft bei männlichen Sträflingen der einzig richtige 
Haftmodus ist, und dies in der gestrigen Sitzung auch für 
weibliche Sträflinge anerkannt wurde. 

Bei diesen Beschlüssen waren zwar nur die Strafanstaltgp 
und nicht die gerichtlichen Strafgefangnisse in Rüchsicht ge¬ 
nommen, allein dieselben sind durch Annahme des Absatzes 
4 in der von mir beantragten Fassung, dass die Strafgelaog- 



265 


nisse nach gleichen Principien zu verwalten sind, wie die 
Strafanstalten, auch auf die Strafgefängnisse ausgedehnt. 

Insoweit in diesem Absatz die Isolirhaft auch für Unter- 
auchungsgefangene beantragt ist, erscheint mir dieser Antrag 
zu weit gehend. 

In der Debatte über die Anwendbarkeit der Isolirhaft 
auf weibliche Sträflinge in der gestrigen Sitzung wurde von 
allen Seiten anerkannt, dass die Isolirhaft dem Gefangenen 
viele Beschränkungen aufcrlege, dadurch die Strafe empfind¬ 
licher werde; dieses wird auch von mehreren Gesetzgebungen 
anerkannt, und deshalb bei Anwendung der Isolirhaft eine 
Reduction der Haftdauer zugelassen. 

Die Annahme des im Absätze 5 rücksichtlich der Unter¬ 
suchungshaft enthaltenen Antrages würde diese den gleichen 
Beschränkungen unterwerfen, während solche der Zweck der 
Untersuchungshaft nicht fordert, und deshalb die Erhebung 
des im Absätze 5 enthaltenen Antrages zum Beschlüsse einen 
Widerspruch mit dem früher angenommenen Absatz 4 in der 
von mir beantragten Fassung herbeiführen, weil eben dort 
ausgesprochen ward, dass der Untersuchungsgefangene keinen 
andern Beschränkungen unterworfen werden soll, als der 
Zweck der Untersuchungshaft bedingt. 

Aus diesen Gründen beantrage ich, dass der Absatz 5 
gänzlich zu entfallen habe. 

Reg.-Rath d’Alinge: M. H.! Es handelt sich hier 
nicht um Strafgefangene im Allgemeinen, sondern wie auch 
die Ueberschrift lautet, um die Gefängnisseinrichtungen für 
Untersuchungs- und kurzzeitige Strafgefangene. Kurzzeitige 
Strafgefangene sind bekanntlich diejenigen Gefangenen, die 
von den Criminalgerichten auf kurze Zeit in den Gerichts- 
gefangnissen detinirt werden. Wenn nun hier gesagt worden 
ist: die Isolirhaft ist für die Untersuchungs- und Strafgefange¬ 
nen der einzig richtige Haftmodus, so ist überhaupt die Rede 
nur von kurzzeitigen Strafgefangenen, und da ich bei der 
Motivirung meiner Thesen weiter ganz genau erklärt habe, 
was kurzzeitige Strafgefangene zu bedeuten haben, so kann 
hier von einer Bestimmung für Strafgefangene im Allgemeinen 
nicht die Rede sein. Ich meine, die Isolirhaft ist für Unter- 



286 



suchungs- und kurzzeitige Strafgefangene der einzig richtige Haft¬ 
modus, oder wie in dem Anträge auch gesagt ist: #Der Untöf- 
suchungs- und kurzzeitige Strafgefangene hat ein Recht auf 
besondere Zellenhaft.* 

Pfarrer Mtihlh ausser: Ich habe dem soeben Gehörten nur 
beizufügen, dass die Einzelhaft auf kurzzeitige Gefangene durch¬ 
aus nicht schädlich wirken wird. Zu grösserer Deutlichkeit 
dürfte man nur einschieben: und ^kurzzeitige“ Strafgefangene/ 

Anstalts-Inspector Ehrensberger aus Rebdoff in Bayern: 
Ich glaube, dass Nr. 5 so gefasst werden sollte: ^Etir kurz¬ 
zeitige Strafgefangene ist im Allgemeinen die Isolirhaft der. 
einzig richtige Haftmodus; die Untersuchungsgefangenen können 
Isolirhaft unbedingt verlangen.“ Ich glaube das Letztere des¬ 
halb beantragen zu sollen, weil man dem Untersucbungsge- 
fangenen nicht zumuthen kann, dass er ohne Weiteres mit 
dem ersten besten andern Gefangenen in dasselbe Lokal ge-l 
bracht wird. Nachdem er noch nicht verurtheilt, vielleicht j 
unschuldig ist, so ist es nicht zu verlangen, dass er sich allen 
Unannehmlichkeiten, welche die gemeinschaftliche Haft auchj 
nach seiner Entlassung vielleicht im Gefolge hat, aussetze. 

Ober-Inspector Witti Ich erkläre mich für Beibehaltung 
dieser Position mit dem amendirten Zusatz. Was erwähnt 
wurde gegen die Thesis, dass die Isolirhaft ein Uebelstand sei, 
das gebe ich durchaus nicht zu. Ich bin der Ansicht, dass 
die Isolirhaft für jedwedeh UntersuchungsgefangeUen eine grosse 
Wohlthat ist, die auch von ihm selbst gewünscht Werden muss. 
Und dann, m. H.l wollen wir doch nicht ganz unerwähnt lassen, 
dass überhaupt schon die Absonderung der Untersuchungsgefan- 
genen im Interesse der Untersuchung selbst wohl fast aller Orten 
als nothwendig angesehen werden muss, dass dieselbe nicht blos 
wünschenswerth, sondern zur Abhaltung von Collusionen und 
andern nachteiligen Dingen nothwendig ist. Ich glaube j die 
fünfte Thesis ist sowohl eine allgemein wohl begründete, als 
auch eine durchaus such- und zweckgemässe. 

Referent, Pastor Scheffer: Ich erkläre mich von vorn¬ 
herein für die volle Beibehaltung der Thesis mit dem Amen¬ 
dement des Hrn. Pfarrer Mühlhäusser; In Bezug auf die 
vorgebrachte Ansicht, dass die Beibehaltung der Thesi^.Je 



— 867 


l 

* 

Beurlaubung der Strafgefangenen oder die Einführung des 
irischen Systems künftig ausschliessen würde, so glaube ich, 
dass dies für uns nicht maasgebend sein kann, weil nur von 
kurzzeitigen Strafgefangenen die Rede ist, auf welche weder 
das Reurlaubungs- noch das irische Haftsystem jemals Anwen- 
\ düng finden werden. Ebenso glaube ich, dass die Ausführun¬ 
gen des Hm. Staatsanwalt Scharrer durch Hrn. Oberinspector 
Witt vollständig erledigt sind. In Bezug auf den Antrag: 
| „Die Untersuchungsgefangenen können Isolirhaft unbedingt 
’ verlangen, 2 muss ich bemerken, dass in unserem Publikum 
! entsetzlich viele Vorurtheile gegen Isolirung herrschen und 
f dass dasselbe die Isolirhaft als etwas ansieht, was für den 
: Gefangenen als grösstes Uebel betrachtet werden muss, wes- 
■ halb es geboten sein möchte, die Inquisiten vor ihren eigenen 
\ ungerechtfertigten Vorurtheilen zu schützen. Im Princip bin 
| ich daher dafür, dass man durchweg die Isolirung bei den 
1 Untersuchungsgefangenen einführt und nur vielleicht in Aus- 
■; nahmsfällen die gemeinsame Haft beibehält. 

! Präsident Dr. Sch wart ze: Ich werde nun die An- 
| träge der Reihe nach zur Abstimmung bringen. Der Antrag 
des Hrn. Regierungsrath d’Alinge lautet: «Die Isolirhaft ist 
: für die Untersuohungs- und kurzzeitigen Strafgefangenen im Allge- 
> meinen der einzig richtige Haftmodus. 2 Wenn dieser Antrag die 
I Zustimmung nicht findet, dann gehen wir über auf den Antrag 
des Hrn. Insp. Ehrensberger, der folgendermaasen lautet: 

«Für Strafgefangene im Allgemeinen ist die Isolirhaft 
der einzig richtige Haftmodus; die Untersuchungsgefangenen 
| können Isolirhaft unbedingt verlangen. 2 

1 Ich frage zunächst die Versammlung, ob sie dem Antrag 
des Hrn. Reg .-Rath d’Alinge ihre Zustimmung gibt? Der An¬ 
trag ist mit grosser Majorität angenommen und dadurch entfallt 
. die Abstimmung über den Antrag des Hrn. Ehrensberger. 

Präsident Dr. Schwartze: Hr. Pastor Scheffer hat 
su These 4 noch 2 Zusatzanträge gestellt, welche nunmehr 
zur Verhandlung zu bringen wären (s. oben S. 245.) 

Referent, Pastor Scheffer: In Bezug auf den An¬ 
trag 1 bemerke ich, dass ich, namentlich nach den Mittheilun- 
gta aus Oesterreich, diesen Antrag zurückziehe. 



268 


Präsident Dr.. Sch wartze: Dadurch erledigt sich die 
Discussion und die Abstimmung. Wünscht Jemand über den 
zweiten Antrag: „Die Versammlung spricht als ihre Ueber- 
zeugung aus, dass es wünschenswerth sei, wenn die Direktoren 
grösserer Strafanstalten zugleich Recht und Pflicht haben, als 
Aufsichtsbeamte über die kleinen Untersuchungs- und Straf¬ 
gefängnisse innerhalb bestimmter Bezirke, die ihnen von der 
Staatsbehörde zur Revision zugewiesen werden, zu fungiren,“ 
zu sprechen? 

Oberinspector Witt: Ich halte das, was hier beantragt 
ist, aus verschiedenen Rücksichten in praxi für ganz und gar 
undurchführbar, wenigstens nach der Praxis, wie sie heut zu 
Tage in den Verhältnissen, um die es sich handelt, gehandhabt 
wird, da namentlich in meinem Vaterlande, und wohl auch, 
wie ich nicht zweifle, noch in andern Ländern die Verhält¬ 
nisse so liegen, dass dem Kundigen auf den, ersten Blick die 
Unmöglichkeit einleuchtet, zur Zeit den Antrag ins Leben zu 
führen. Daher, glaube ich, haben wir uns bei einer derarti¬ 
gen Sachlage der Aufstellung solcher Thesen, die, wie von 
Hrn. Ober-Reg.-Rath Illing gesagt wurde, fast wie ein Recept 
für Alle ausseh en, zu enthalten. 

Pastor Kr ohne: M. H.! Ich glaube, es ist wohl die 
Absicht des Hrn. Referenten gewesen, dass die Versammlung 
sich darüber ausspreche, dass es wünschenswerth ist, dass das 
Gefängnisswesen eines Landes zusammengefasst werde unter 
einer einheitlichen Leitung. Ich möchte mir erlauben, den 
Vorschlag des Hrn. Referenten zu erweitern und namentlich 
Ihre Aufmerksamkeit darauf zu lenken, ob es sich nicht 
empföhle, das Gefängnisswesen eines grösseren Bezirks, z. B. 
einer preussischen Provinz resp. eines andern deutschen Lan¬ 
des zusammenzufassen in einer Hand, in der Hand des Depar¬ 
tementschefs einer Regierung, oder wenn es sein könnte, einer 
Commission. Jedenfalls müsste dieser dann ein erfahrener 
Gefängnissbeamter, ein Director einer Strafanstalt, beigegeben 
werden. Es müsste dieser Commission das gesammte Gefang- 
niss-Unterpersonal zur Verfügung stehen. Es ist schon in 
dem Berichte des Hrn. Reg.-Rath d’Alinge darauf hingewie- 
sen, wie schwierig es ist, ein gutes Unterpersonal für die 



-32691 


; kleinen Gefängnisse zu finden und wie viel es darauf ankommt» 
Es würde dann das Personal an den kleineren Gefängnissen 
| zu rekrutiren sein aus solchen Aufsehern, welche an den grösse- 
’ ren Gefängnissanstalten gleichsam eine Schule durchgemacht 
| haben, und wenn sie sich auf diesem selbsständigen Posten 
j nicht bewähren, so könnten sie jeden Augenblick durch ge- 
i eignetere Persönlichkeiten ergänzt werden. Es würde in die- 
| sein Falle anzuordnen sein: eine mindestens jährliche Inspection 
| der kleinen Gefängnisse, welche dem betreffenden Director 
■ zufallen würde, und welche sich darauf zu erstrecken hätte, 
j ob die Hausordnung, Verpflegung, Kleidung u. s. w. nach den 
> bestehenden Grundsätzen eingerichtet wäre. Vorzugsweise 
; wäre ferner für eine geistige Pflege in diesen kleinen Gefäng¬ 
nissen zu sorgen und da wäre es Aufgabe der Kirche, gerade 
die Gefangenen in den kleinen Gefängnissen besonders in 
Pflege zu nehmen; es wäre Aufgabe des Ortsgeistlichen, die 
Gefangenen fleissig zu besuchen, zu sorgen für Lectüre, fUr 
i abzuhaltende gottesdienstliche Uebungen. 

Bei einer solchen strafferen einheitlichen Organisation 
des Gefangnisswesens würde auch die Rückfallstatistik erst 
ihre rechte Bedeutung bekommen, um daraus Schlüsse auf den 
Zustand des Gefangnisswesens in einem Lande zu machen. 
Jetzt umfasst die Rückfallsstatistik meistens nur die grösseren 
Gefängnissanstalten und es hat den Anschein, als ob sie allein 
für die etwaigen schlechten Resultate verantwortlich wären, 
t während doch die kleineren Gefängnisse, die, was Verwaltung 
und Einrichtung anbetrifft, ausser aller Beziehung zu den 
grösseren Strafanstalten stehen, offenbar eine weit grössere 
Schuld daran tragen. Erst wenn das ganze Gefängnisswesen 
von den kleineren Gefängnissen an bis zu den grösseren Straf¬ 
anstalten hinauf einheitlich organisirt ist, kann aus der Rück¬ 
fallsstatistik ein einigermassen sicherer Schluss, nicht auf den 
Zustand dieser oder jener Strafanstalt, sondern des ganzen 
Gefängnisswesens gemacht werden. 

Gontroleur-Adjunkt Dragic aus Graz: Ich stimme mit 
dem Anträge des Hrn. Vorredners tiberein, und stütze mein 
Urtheil auf Erfahrungen, die ich in Oesterreich gemacht habe. 
Ich bin bei der Strafanstalt in Graz angestellt. Wir haben 

Biitor für GefängniMkuade UL io 



m 


nämlich seit l 1 /* Jahren die Erfahrung gemacht; dass sobald 
von oben concentrisch eingewirkt wird, viel günstigere Resul¬ 
tate erzielt werden. Namentlich waren früher in den ver¬ 
schiedenen Strafanstalten ungleich lautende Instructionen 'be¬ 
züglich der Kost, der Behandlung, der Beschäftigung u. s. w. 

Diese Uebelstände haben sich immer mehr herausgestellt, 
und wir haben sie erst recht empfunden, als wegen Ueber- 
füllung einzelner Strafanstalten Uebersetzungen der Sträflinge 
in andere Strafanstalten stattgefunden haben. 

Seit jedoch die h. General-Inspection für Gefangnisswesen 
in Wirksamkeit ist, sind diese Uebelstände gänzlich behoben, 
weil in Folge einer für alle Strafhäuser gleichlautenden Norm, 
und der mit Rücksicht auf die sonstigen Local-Verhältnisse 
verfassten Instruction die Sträflinge möglichst gleich behandelt 
werden; wodurch aber auch die Fortschritte immer mehr zu 
Tage treten. 

Ich halte daher für zweckmässig, dass dort, wo keine 
General-Inspection für Gefängnisswesen besteht, die Directoren 
der Strafanstalten die Inspicirung der kleinen Gefängnisse im 
Verein mit deren Vorständen zeitweilig vornehmen, weil da¬ 
durch leichter und sicherer die gleichförmige Behandlung 
aller Sträflinge bezweckt werden könnte. Zur noch bessern 
Erreichung dieses Zweckes ist es insbesondere wünschenswert!!, 
dass im Allgemeinen die bei den kleinern Gefängnissen ange- 
stellten Oberaufseher oder Aufseher — wie sie sich überhaupt 
nennen, aus dem Stande der praktisch ausgebildeten Aufseher , 
der Strafanstalten ergänzt werden, da bei den letztem allein 
die eigentliche Schule für Aufseher bestehen kann und soll; 
wodurch dann bei diesen — (den bei den Strafanstalten die¬ 
nenden Aufsehern) durch die Aussicht auf Vorrückung in eine 
höhere Gehaltsklasse mehr Liebe zum Dienste, erhöhter Pflicht¬ 
eifer und Ehrgefühl geweckt werden würde. 

Reg.-Rath d’Alinge: M. H.! Ich möchte ganz beson¬ 
ders wegen des Antrags des Hm. Pastor Kr ohne mir einige 
Worte erlauben. Ich glaube, eine Einrichtung, wie sie vor- 
gesehlagen wird, müsste und wird auch von den obern Justiz¬ 
behörden, wie von den übrigen Gerichtsbehörden mit grosser 
Freude begrüsst werden. Denn, m. H.l die Schäden, voJ 




— 271 — 



denen heute gesprochen ist, sind ganz unmöglich den Gerichts¬ 
beamten zur Last zu legen: ich bin vielmehr überzeugt, dass 
sie den empfohlenen Einrichtungen nicht entgegen treten. Das 
Gericht hat Anderes und verhältnissmässig viel Wichtigeres 
zu thun; denn wenn der Untersuchungsrichter sich mit der 
f Untersuchung beschäftigt, so hat er oft nicht Zeit und Ge- 
4 legenheit, zu sehen, wo die Inquisiten untergebracht sind. Die 
i Einrichtung, die Hr. Pastor Krohne empfiehlt, wird durch 
[ Einführung einheitlicher Leitung gute Früchte tragen, was 
| für die Gerichtsbeamten selbst von Vorth eil begleitet sein 
j wird, ohne dass dadurch das Gerichtsverfahren beeinträchtigt 
i werden kann. Ich bin auch weit entfernt davon, zu verlangen, 

[ dass die Untersuchungsgefangenen durch Gleichstellung mit 
den Strafgefangenen irgendwie beeinträchtigt werden sollen. 
Ich glaube bestimmt, dass, wenn der Antrag des Hrn. Pastor 
( Krohne durchgeht, dies von den Gerichtsbehörden freudig 
begrüsst werden wird. 

Oberinspector Witt: Ich möchte mir nur noch eine 
kurze Bemerkung erlauben. Es scheint hie und da so aufge¬ 
fasst zu sein, als ob ich in thesi gegen den Antrag bin. Das 
ist durchaus nicht der Fall. Ich habe nur sagen wollen, dass 
zur Zeit in manchen Ländern die Durchführung des Antrages 
| auf Schwierigkeiten stossen, ja mit fast unüberwindlichen 
Schwierigkeiten zu kämpfen haben wird. 

Oberinspector v. Sprewitz: Insofern es sich um eine 
unmittelbare Einwirkung handelt, da kann ich allerdings be¬ 
tonen, dass in Rücksicht auf unsere Verhältnisse das besteht, 
was mein College gesagt hat. Ich bin aber auch der Ueber- 
zeugung, dass die Regierungen sich genaue Kenntniss von 
dem kleinen Gefängnisswesen verschaffen müssen und würde 
es für ganz geeignet halten, dass die Directoren von grossen 
Anstalten mit verwendet würden zu der Commission derart, 
dass sie sich die Gefängnisseinrichtungen anzuschauen und 
hernach der Regierung darüber zu berichten haben. 

Präsident: Der Antrag des Hrn. Pastor Krohne 
lautet: Es ist dahin zu streben, dass das ganze Gefängniss¬ 
wesen von dem Polizeigefängniss bis zur Strafanstalt hinauf 
einheitlich organisirt werde, namentlich an den kleineren Ge- 

19 * 




272 — 


fängnissen nur solche Aufseher angestellt werden, die an einer 
grösseren Anstalt gebildet sind. 

Referent: Ich kann mich mit diesem so eben einge- 
brachten Anträge nur vollständig einverstanden erklären, glaube 
aber, dass die Materie, die der Antrag in sich schliesst, Gegen¬ 
stand eines besondern Referats für eine künftige Versammlung 
sein dürfte. Meinen heutigen Antrag anlangend, so habe ich 
denselben keineswegs lediglich aus mir selber geschöpft, son¬ 
dern mit verschiedenen practischen Anstaltsbeamten Rücksprache 
genommen. Theilweise ist derselbe auch schon zur Ausfüh¬ 
rung gekommen, indem der in unserer Mitte befindliche Hr. 
Director Rabe aus Diez im Auftrag des Appellationsgerichts 
zu Hamm die kleineren Gefängnisse revidirt und dort z. B. 
Zustände gefunden hat, die darauf hinweisen, wie nothwendig 
es ist, solche Revisionen eintreten zu lassen. Was ich Hrn. 
Inspector Witt noch erwiedern wollte, ist dadurch hinfällig 
geworden, dass er sich nun in thesi zu meinem Vorschlag 
bekennt und denselben nur praktisch für unausführbar hält. 
Wenn wir übrigens wirklich ein Recept für Kranke haben 
wollen, so acceptire ich das. Unsere Gefangnisseinrichtungen 
sind krank und wenn wir sie nicht vollständig heilen können, 
so acceptiren wir doch gewiss gern jedes Recept, welches 
wenigstens irgendwelche Linderung herbeifuhren kann. Ich 
bitte also vorläufig, meinen Vorschlag anzunehmen, den des 
Hrn. Pastor Krohne der Discussion bei einer spätem Ver¬ 
sammlung zu überweisen. 

Präsident: Der erste Satz des K r o h n e’schen Antrags 
ist ein ganz allgemeiner. 

Dann kommt ein Speciale. Es würde sich also die Noth- 
wendigkeit ergeben, darauf einen besonderen Antrag zu stellen. 

(Pastor Krohne zieht den 2. Theil seines Antrags zurück. 

Bei der hierauf erfolgten Abstimmung wird der Antrag 
des Pastor Krohne bis s organisirt werde“ einmüthig an¬ 
genommen. 

Der Antrag 2 des Referenten Sch eff er wird mit Majo¬ 
rität angenommen.) 

Präsident: Ehe wir in der Tagesordnung weiter gehf$ 
habe ich der Versammlung mitzutheilen, dass Se. Majj vf$. 







273 


r 

I 

der König die Herren etwas früher, als ich gestern angegeben, 
empfangen will und ich ersuche daher die Herren, sich um 
halb 1 Uhr im königl. Schlosse einzufinden und sich dort nach 
Landsmannschaften geordnet aufzustellen. 

Es ist ferner das Protokoll der gestrigen Versammlung 
in meine Hände gekommen und ich möchte der Zeitersparniss 
wegen die Herren bitten, dass sie gestatten, im Verein mit 
den beiden Vicepräsidenten dieses Protokoll sowohl, als das 
über die heutige Sitzung aufzunehmende in Ihrem Namen zu 
= legalisiren. 

(Die Versammlung erklärt ihre Zustimmung.) 

Ich ersuche nun den Hrn. Director Elvers aus Leuchten- 

l 

bürg, über Nr. 2 der Tagesordnung — den Antrag des Di- 
rectorialassistenten Krell in Zwickau, die Beurlaubung der 
Strafgefangenen betr. — zu berichten. 

Director Elvers aus Leuchtenburg: M. H.l Unter den 
: der geehrten Versammlung zur Discussion und Schlussfassung 
vorliegenden Fragen findet sich auch eine der derzeit wich¬ 
tigsten Thesen in der Wissenschaft vom Strafvollzug, nämlich 
die Frage über die Beurlaubung der Strafgefangenen. 

Auf Anregung des Ausschusses hat nämlich der Hr. 
Directorial-Assistent Krell in Zwickau, uns allen durch seine 
trefflichen „Pädagogischen Briefe für Aufsichtsbeamte an Straf¬ 
anstalten“ bereits wohl bekannt, einen auf diese Frage bezüg¬ 
lichen Antrag eingebracht, welcher sich in unserem Vereins¬ 
blatt abgedruckt findet und dessen Verhandlung mit auf die 
heutige Tagesordnung gesetzt ist. 

Zum Referenten über diesen Antrag bestellt, habe ich 
die Ehre, über denselben das Folgende vorzutragen: 

Als Thesis wird der Satz aufgestellt: 

„Die bedingte Freilassung ist bei zweckmässigen Ein¬ 
richtungen ein vorzügliches Mittel zur Erreichung der Zwecke 
des Strafvollzugs,“ 

und spricht der Hr. Antragsteller in seiner Motivirung 
derselben die Hoffnung aus, dass sich die ganze Versammlung 
für diese Ansicht erklären werde, 
i Obwohl Referent für seine Person diesem Ausspruche 
fct im Allgemeinen zustimmt und wohl die meisten der geehrten 

L. 



— 274 


Anwesenden gleicher Ansicht sein werden, glaubt er doch 
Bedenken tragen zu müssen, eine derartige Resolution zur 
Annahme zu empfehlen und zwar aus folgenden Gründen: 

1) weil wir in der Annahme von Resolutionen, welche Haft¬ 
systeme und Rechtsprincipien betreffen, nicht vor¬ 
sichtig genug sein können; 

2) weil die Wissenschaft sich über die vorliegende Frage 
noch nicht geeinigt und endgültig ausgesprochen hat; 

3) weil über das fragliche Institut bis jetzt, mit Ausnahme 
von Sachsen, für Deutschland noch keine genügenden 
Erfahrungen vorliegen, wir aber, zumal bei der eminen¬ 
ten Wichtigkeit der vorliegenden Frage, uns nicht auf 
Autoritäten verlassen, sondern nur auf Erfahrungen ge- 
stüzte Urtheile abgeben dürfen. 

Ich bitte um die Erlaubniss, diese Bedenken kürzlich 
etwas näher begründen zu dürfen. 

Was das erste derselben betrifft, dass nämlich unsere 
Vereinsversammlungen in der Annahme von Resolutionen, welche 
Rechtsprincipien und Systemfragen betreffen, nicht vorsichtig 
genug sein können, so scheint mir dieses Princip für unsern 
Verein maasgebend sein zu müssen. 

Wenn derselbe nämlich auch in allen eigentlichen Fach¬ 
fragen, wo es sich weniger um wissenschaftliche Ansichten, 
als um Erfahrungen handelt, gewiss mit Recht ein com- 
petentes Urtheil in Anspruch nehmen und die Erwartung 
hegen darf, dass die über derartige technische Fragen ab¬ 
gegebenen Resolutionen als maasgebend betrachtet und des¬ 
halb Berücksichtigung finden werden, wie dies z. B. bei den 
der gegenwärtigen Versammlung zur Discussion vorliegenden 
Fragen über die Bewegung der Strafgefangenen in freier 
Luft und ihre körperliche Reinigung; über die Anrede und 
Kleidung der Strafgefangenen etc. der Fall sein dürfte, so 
gestaltet sich die Sache doch anders, sobald von der Wissen¬ 
schaft aufgestellte, den Strafvollzug betreffende Rechtsprin- 
cipien und Systeme in Frage stehen, da hier den Männerbijo* Jtf 
Wissenschaft und der Themis mindestens das erste Wort zus ; 

Die Versammlungen des Vereins der deutschen Ih 
anstaltsbeamten können deshalb, nach der unvorgreine 




275 


Ansicht des Referenten über derartige Fragen wohl dis* 
cutiren, aber nur ausnahmsweise und mit grosser Vorsicht 
Resolutionen fassen, zumal da die» Ansichten, auch der 
Fachmänner, in diesen Fragen oft so sehr 1 auseinander laufen) 
dass sich bei jeder derartigen Resolution bedeutende Minori¬ 
täten ergeben würden, welche leicht zum Auseinanderfallen 
unseres jungen Vereins oder doch zu zahlreichen Austritts¬ 
erklärungen führen könnten. Man denke sich nur den Fall, 
dass eine vielleicht schwache Majorität die Resolution abgäbe: 
„Die Einzelhaft ist die einzig richtige und zweckmässige Art 
der Strafvollziehung! a 

Es ist ferner zu erwägen, einestheils, dass sich unsef 
Verein durch solche Resolutionen selbst die Hände binden 
würde, anderntheils, dass die Verfechter des einen oder andern 
Systems sich eine derartige Resolution, wenn sie zu Gunsten 
ihres Systems ausfiele, sofort zu Nutzen machen und dieselbe 
als gewichtiges Zeugniss für die Untrüglichkeit und Vortreff¬ 
lichkeit desselben anführen und ausbeuten würden. 

M. H.! ich bitte Sie dringend, diesen beiden Gründen 
Ihre volle Beachtung zu schenken, denn, hat sich der Verein, 
vielleicht noch dazu mit einer schwachen Majorität, erst ein¬ 
mal für ein Princip, ein System, erklärt, dann muss derselbe 
folgeweise auch für dasselbe eintreten; — wir haben uns 
dann selbst die Hände gebunden und müssen uns dann ge¬ 
fallen lassen, dass unser Verein von den Männern des Systems 
fortwährend als Gewährsmann, unsere betreffende Resolution 
als Zeugniss, als Aushängeschild, als Schutz und Schirm an¬ 
geführt und benützt wird. 

Ich erbitte mir die Erlaubniss, die beiden eben hervorge¬ 
hobenen Bedenken kürzlich noch durch ein paar Beispiele 
illustriren zu dürfen. 

Auf den Gefangnisscongressen in Frankfurt a. M. und 
in Brüssel in den Jahren 1846 und 47 wurde die Einzelhaft 
als Princip aufgestellt und angenommen, was freilich auch 
nur der Zweck derselben war; auf dem internationalen Wohl- 
w thätigkeitscongress in Frankfurt a. M. im Jahre 1857 wagten 
p einige Theilnehmer, an diesem Princip zu rütteln; da hiess 
gleich: „Das geht nicht, das Princip ist einmal anerkannt 




und wir würden mit uns selbst in Widerspruch gerathen, wenn 
wir dasselbe fallen Hessen.* 

Weiter: Auf der im Jahre 1864 in Bruchsal abgehalte¬ 
nen Versammlung süddeutscher Strafanstaltsbeamten, aus der 
unser jetziger Verein hervorgegangen ist, hielten die Herren 
Dorfner und Mittermaier Vorträge zu Gunsten der Einzel¬ 
haft; die Versammlung ging aber auf keine Discussion der 
in diesen Vorträgen berührten Fragen ein und nahm noch 
weniger eine die Einzelhaft als die beste und erfolgreichste 
Haftform anerkennende Resolution an, vielmehr erklärte der 
Vorsitzende, unser Hr. Vicepräsident, Director Ekert, dem im 
1. Heft des 1. Bandes unseres Vereinsblattes abgedruckten 
Protocolle zufolge, ausdrücklich: „Die Vorträge der genannten 
Herren stellen keine Thesen auf; ich schliesse daher die Dis¬ 
cussion.“ — Dessenungeachtet. heisst es in der Vorrede der 
Füessliloschen Schrift: „Die Grundbedingungen der Ge- 
fangnissreform im Sinne der Einzelhaft“: — „Auf der letzten 
Versammlung des Vereins deutscher Strafanstaltsbeamten in 
Bruchsal im Mai 1864 sei die Ueberzeugung einstimmig 
zum Ausdruck gelangt, dass die Einzelhaft als die beste und 
erfolgreichste Haftart anerkannt werden müsse.“ 

Hiernach octroyirt der jetzt leider verstorbene Verfasser, 
welcher der Präsenzliste zufolge, der Versammlung nicht bei¬ 
gewohnt hat, und die Debatte daher nur aus den gedruckt 
vorliegenden Protocollen kennen konnte, der Versammlung ein 
sogar einstimmiges Votum zu Gunsten der Einzelhaft. 

Referent hat die betreffenden Protocolle wiederholt durch¬ 
gelesen, um einen Anhaltspunct für diese Behauptung zu 
gewinnen, von irgend einer Zustimmung der Versammlung als 
solcher, oder gar von einer einstimmig zum Ausdruck gelang¬ 
ten Ueberzeugung aber keine Spur finden können. 

M. H.! ich bitte Sie, von diesem Verfahren Act zu 
nehmen; jedenfalls dürfte dasselbe dazu angethan sein, die 
Bitte und Warnung Ihres Referenten, in Erlassung derartiger 
Resolutionen vorsichtig zu sein, als gerechtfertigt erscheinen 
zu lassen. 

Damit will Referent selbstverständlich nicht jedes der¬ 
artige Thema von der Tagesordnung gestrichen wissen, denn 




277 


f 

| dadurch würde sich unser Verein nur ein Armuthszeugniss 
j ausstellen und das Feld seiner Thätigkeit ungebührlich be¬ 
schränken; im Gegentheil kann der Austausch der Ideen und 
Ansichten über derartige Fragen nur für geboten und ange¬ 
messen erachtet werden und die Wissenschaft und die Sache 
selbst können nur dabei gewinnen, wenn die Männer der Praxis 
sich darüber aussprechen. Discussion und Resolutionen 
sind aber zweierlei und letztere dürfen über derartige Fra¬ 
gen, wenn überhaupt, so doch nur nach der sorgsamsten Vor¬ 
bereitung gefasst werden. 

Dahin dürfte zu rechnen sein: Einholung von Gutachten 
i von Männern verschiedener Richtung und Veröffentlichung 
derselben im Vereinsblatte, Bestellung von Referenten und 
Correferenten, welche die verschiedenen Systeme repräsentiren, 
damit die vorliegende Frage von jedem Standpunkte aus 
beleuchtet und erwogen werde, endlich namentliche Ab¬ 
stimmung, denn dann muss jedes Mitglied, welches der Ver¬ 
sammlung beiwohnt, Farbe bekennen und hat doppelt und 
dreifach Veranlassung, nur nach ernster und gewissenhafter 
Prüfung seine Stimme abzugeben. 

Ich gehe zum zweiten Grund meines Bedenkens gegen 
die beantragte Resolution über, dass sich nämlich die Wissen- 
I schaft über die vorliegende Frage noch nicht geeinigt und 
endgültig ausgesprochen hat. Fürchten Sie nicht, m. H., dass 
ich Sie mit einer Deduction des jetzigen Standes dieser Frage, 
mit einer Aufzählung der von der Wissenschaft pro et contra 
aufgeftthrten Gründe belästigen werde, zumal da ich mich 
einer solchen Aufgabe nicht gewachsen fühle, mein Referat 
dann auch zu einer Abhandlung und die mir vergönnte Zeit 
dann weit überschritten werden würde. Ich will und kanu 
hier nur constatiren, dass die Männer der Wissenschaft sich 
über die vorliegende Frage noch lange nicht geeinigt haben 
und namentlich darüber streiten, ob eine Kürzung der einmal 
erkannten Freiheitsstrafe in der hier fraglichen Weise überall 
rechtlich zulässig sei. 

Während die bewährtesten und berühmtesten Schrift* 
steiler auf dem Gebiete der Gefängnisskunde, ein Mitter- 
maier, v. Holtzendorff etc. etc. die rechtliche Zulässigkeit 



278 


der Beurlaubung oder bedingten Freilassung deduciren und 
vertheidigen, sind andere Rechtslehrer der entgegengesetzten 
Ansicht, wie denn z. B. Christiansen in seiner Schrift: „Die 
rechtliche Würdigung der Einzelhaft“, die bedingte Freilas¬ 
sung geradezu als „eine rechtliche Absurdität und Unmög¬ 
lichkeit“, als eine „Ungerechtigkeit“ bezeichnet, „die sofort, 
ohne weiteres Nachdenken, das Gerechtigkeitsgefühl aufs Em¬ 
pfindlichste verletze“ und weiter bemerkt: „Die Theorie der 
bedingten Begnadigung erlaubt sich, die subjective That- 
sache der Besserung, die sich erst nach vollendetem Verbre¬ 
chen während der Strafhaft verwirklicht oder nicht verwirk¬ 
licht, zum Grunde der grösseren oder geringeren Strafbarkeit 
des Verbrechens zu machen, also den begriffsmässig nothwen¬ 
digen Zusammenhang zwischen Verbrechen und Strafe zu 
läugnen. Durch eine solche Theorie ist denn offenbar jede 
Spur des Rechtsbegriffs der Strafe getilgt, ein wahres Straf¬ 
recht des Staats nicht mehr zu erkennen und an dessen Stelle 
ein willkürliches (vormundschaftliches, polizeiliches oder wie 
man das Ding sonst nennen will) Züchtigungsrecht gesetzt.“ 

Auch manche andere Rechtsgelehrte haben sich in ähn¬ 
licher Weise und aus gleichen Gründen gegen das Institut 
der Beurlaubung erklärt und namentlich wurden auch auf dem 
Frankfurter Congress im Jahre 1857 gewichtige Stimmen 
dagegen laut, wie denn z. B. unser verewigter College, der 
ausgezeichnete Director Hoyer in Vechta, bemerkte: „Durch 
die bedingte Freilassung werde Recht und Richterspruch auf¬ 
gehoben.“ Der Congress gab deshalb auch gar keine Reso¬ 
lution ab, sondern sprach nur die Ansicht aus: „dass das 
System der vorläufigen oder bedingten Entlassungen eine wei- j 
tere Prüfung verdiene.“ 

Aus dem Angeführten geht das der geehrten Versamm¬ 
lung ohnehin bekannte Faktum hervor, dass die Gelehrten 
über die vorliegende Frage noch nicht einig sind /und Ihr 
Referent muss daher auch aus diesem Grunde von der An¬ 
nahme der aufgestellten Thesis äbrathen; — wir würden uns 
dadurch eine Entscheidung über eine Frage der Wissen¬ 
schaft anmaassen, die nicht in unser Gebiet gehört 
über die Acten noch keineswegs geschlossen sind. 

U 




279 


Was endlich das dritte von mir erhobene Bedenken be¬ 
trifft, dass nämlich über das Institut der Beurlaubung bis jetzt 
für Deutschland noch zu wenige Erfahrungen vorliegen, 
so scheint mir auch dieses begründet und dazu angethan zu 
sein, von Abgabe einer Resolution in der vorliegenden Frage 
wenigstens für jetzt abzusehen. 

Wenn nämlich auch im Königreich Sachsen, wo die Be- 
| urlaubung auf besonderen Befehl Sr. Majestät des Königs im 
: Jahre 1862 eingeführt worden ist, Erfahrungen und zwar nach 
| den vorliegenden Berichten sehr erfreuliche Erfahrungen 
i über dieses Institut gemacht sind, obwohl nicht verschwiegen 
bleiben darf, dass aus Sachsen selbst Stimmen laut geworden 
; sind, welche von keineswegs günstigen Resultaten der Beur- 
| laubung wissen wollen, was freilich regierungsseitig als gänz- 
j lieh unbegründet nachgewiesen worden ist, so ist Sachsen doch 
| bis jetzt, meines Wissens, der einzige deutsche Staat, wo 
| dieses Institut in praktischer Wirksamkeit besteht. Es können 
also nur die königl. Sächsischen Herrn Collegen wirklich 
Zeugnis» für dasselbe ablegen, wir andern alle aber nur unsere 
Ansichten darüber aussprechen, die gewiss, weil sie eben 
j nur Ansichten sind und sein können, mannigfach auseinander 
: laufen werden. Unser Verein darf aber, wenigstens nach 
dem unvorgreiflichen Dafürhalten Ihres Referenten, wie er 
das bereits ausgeführt hat, nur auf Erfahrungen und selbst¬ 
gemachte Beobachtungen gestützte Resolutionen abgeben, wenn 
er sich nicht den Boden unter den Füssen entziehen lassen 
und in Widerspruch mit vielen seiner Mitglieder kommen will. 

Ganz besonders fordert uns aber die vorliegende Frage 
zur grössten Vorsicht, zur reiflichsten Prüfung und Erwägung 
auf, da von der Lösung derselben die Einrichtung des Straf¬ 
vollzugs für eine wahrscheinlich lange Zukunft abhängig ist 
und das Institut der Beurlaubung dazu bestimmt scheint, den 
unseligen Streit zwischen Einzelhaft und Gemeinschaftshaft 
zur Ausgleichung zu bringen. 

Welches Gewicht dieser Frage namentlich in Preussen 
beigelegt wird und wie man dort den Ausspruch der geehrten 
Versammlung mit Spannung erwartet, haben wir gestern Abend 
in der Sitzung der ersten Section von Hrn. Ober-Reg.-Rath 




280 


Illing gehört und muss ans namentlich dies zu tim so grös¬ 
serer Vorsicht auffordern, da wir gegenwärtig für eine genü¬ 
gende Beantwortung derselben wohl noch nicht gehörig informirt 
sein möchten, vielen von uns namentlich auch die specielle 
Einrichtung des Sächsischen Beurlaubungssystems und die 
Resultate desselben nicht genügend bekannt sein dürften. 

Mit Rücksicht auf die vorangeführten Gründe glaubt 
Referent daher von der Annahme des vorliegenden Antrages 
abrathen zu müssen und erlaubt sich, statt desselben, folgende 
Resolution vorzuschlagen: 

„Der Verein der deutschen Strafanstaltsbeamten erkennt 
die grosse Wichtigkeit der Beurlaubungsfrage im vollen Um¬ 
fange an, sieht sich jedoch, beim Mangel genügender Erfahrungen, 
sowie mit Rücksicht darauf, dass sich die Wissenschaft über 
diese Frage noch nicht geeinigt und endgültig ausgesprochen 
hat, zur Zeit noch ausser Stande, die bedingte Freilassung 
schon jetzt direct zu empfehlen, und geht deshalb zur Tages¬ 
ordnung über; beauftragt jedoch zugleich seinen Ausschuss, 
diese Frage bei der nächsten Vereinsversammlung wieder zur 
Discussion zu stellen und mittlerweile gehörig vorzubereiten. 

Präsident Dr. Schwartze: Ich kann wohl annehmen, 
dass der Antrag des Hm. Referenten auch der Beschluss der 
Section ist. 

Referent, Director Elvers: Das ist nicht der Fall. 

Präsident Dr. Schwartze: Dann bitte ich die Herren, 
die Ansicht der Section uns mitzutheilen. 

Oberinspector Witt: Ich habe ein paar Worte hier¬ 
auf zu erwiedern. Im Verlauf der Debatte in der gestrigen 
Abtheilungssitzung hat sich herausgestellt, dass, abgesehen von 
den Ansichten der unter uns weilenden sächsischen Strafan¬ 
staltsbeamten die Meinungen in Bezug auf den vorliegenden 
Gegenstand noch weit auseinandergingen, so weit, dass an 
Erzielung irgend eines Resultats in der gestrigen Sitzung 
nicht zu denken war. 

Präsident Dr. Schwartze: Also liegt kein bestimmter 
Antrag der Section vor und somit muss ich den AntragJUsaJlrn. 
Referenten als Gegenstand der Discussion bezeichnen und befflf 
dein. Ich erlaube mir, Ihnen denselben vorzulesen: (geschieh^ 

i 



281 


Ich habe zu erwarten, ob Jemand zu sprechen wünscht. 

Director Schilling: Wenn Erfahrungen vorhanden 
sind, wie hier in Sachsen, wo die Maasregel schon seit Jahren 
eingeführt ist, glaube ich, müssten wir wohl dieselbe berück- 
i sichtigen. Wir haben in Sachsen die Einrichtung schou seit 
4 Jahren und wäre ich bereit, da genügende Erfahrungen 
gesammelt worden sind, Ihnen dieselben vorzutragen. Ich bin 
. in Sachsen der einzige der Directoren, der vom Zuchthaus 
aus beurlaubt und deshalb bin ich auch der Einzige, der Er¬ 
fahrungen in dieser Richtung gemacht hat. Ich begreife nicht, 
wie man in der Section über Erfahrungen hat sprechen kön¬ 
nen, da man nach den gemachten nicht gefragt hat. Zu be- 
; dauern ist nur, dass man, da in keinem Lande ausser Sachsen 
; Erfahrungen dieser Art gemacht sind, diese nicht berücksich- 
i tigen will, auf diese Art werden noch 6 Jahre vorübergehen, 
j ehe die Beurlaubung nur eine Beurtheilung erfahrt. 

1 Referent, Director Elvers: Die nächste Versammlung 
ist nach 2 Jahren zu erwarten und da würde für Sachsen 
| eine 6jährige Erfahrung vorhanden sein, während jetzt kaum 
das Beurlaubungssystem hier durchgeführt worden ist. Ich 
glaube, dass weitere 2 Jahre eine bedeutend grössere Erfah¬ 
rung an die Hand geben. 

Director Schilling: Ich habe dem Hrn. Referenten 
einzuhalten, dass die Zeit wohl unser wartet, dass aber der 
Strafgefangene mit Sehnsucht der Zeit entgegensieht, die ihm 
i Wohlthaten bringt. Unser Material ist sehr kostbar, es sind 
Menschenleben, — Menschen sind zu berücksichtigen, es sind 
Menschen, mit denen wir experimentiren und gleichwohl nicht 
} experimentiren sollten. Wir sind jetzt einmal in der Lage, 
dass wir uns darüber aussprechen können, denn, sind wir 
warm von Herzen und offen von Kopf — so können wir uns 
| nicht verletzen. Ich denke, die Discussion kann uns Alle nur 
fördern, und von Austritt aus dem Verein kann wohl nicht 
die Rede sein, wenn wir die Ansichten Anderer nicht theilen; 
im Gegentheil, ich bin froh, wenn ich etwas Neues und Vor- 
j, theilhaftes höre. Also, denke ich, wir scheuen uns gar nicht, 
^einmal aus uns herauszuspazieren und zu sagen, was wir 
^vjenken. Deswegen sind wir ja da. 



282 


Präsident Dr. Schwartze: Ich möchte mir erlauben, 
hier eine Bemerkung einzuschalten. Es wird den Herrn ausser¬ 
halb Oesterreich wohl nicht bekannt sein, dass in Oesterreich 
die bedingte Urlaubsertheilung eingeführt werden soll und 
dass diese Beurlaubung in dem neuen Entwurf des Strafge¬ 
setzbuchs aufgenommen ist und bereits die Zustimmung des 
Gesetzgebungsausschusses erlangt hat. Dort besteht blos die 
einzige Differenz, ob der verurtheilte Sträfling nach bestimmter 
Zeit ein Hecht auf Beurlaubung erheben darf oder ob die j 
bedingte Beurlaubung nach wie vor nur als Gnadensache 
betrachtet werden soll. 

Reg.-Rath d’Alinge: M. H.! In dem vorliegenden Falle 
kann es allerdings heissen: facta loquuntur! aber es ist ganz 
unmöglich, dass wir alle diese Facta mit kurzen Worten hier 
wiedergeben können. Unsere Zeit ist heute gemessen, denn 
nicht eine, sondern 3, 4, 5 Stunden würden wir zubringen 
müssen, um die Frage nach allen Seiten hin zu erörtern. 
Im Allgemeinen sind wir mit dem Anträge des Hm. Referenten 
einverstanden, dass wir der Wissenschaft noch Zeit lassen, 
sich über diese Frage zu klären und die Erfahrungen zu 
erweitern. Inzwischen wird man nicht wieder unterlassen, 
an dem Ort und an der Stelle Erkundigungen einzuziehen, 
wo die empfohlenen Maasregeln vorbereitet und auch geprüft 
worden sind. Von unserer Seite steht dem nichts entgegen. 

Ober-Reg.-Rath Illing: Ich hege grosse Achtung vor 
den Erfahrungen der sächsischen Strafanstaltsbeamten, die 
Herren werden es uns aber nicht verargen können, wenn wir 
ein Urtheil auf jene Erfahrungen hin nicht aussprechen wol¬ 
len, ehe wir uns dieselben etwas vollständiger als bisher mög¬ 
lich war, angeeignet haben. Es kam gestern ganz dieselbe 
Frage zur Sprache und ich ersuchte die Herren, sie möchten 
uns ihre Erfahrungen in brevi mittheilen, um darnach einen 
Entschluss fassen zu können. Es wurde mir darauf keine 
genügende Antwort, und bei der grossen Wichtigkeit der 
Frage, die uns vorliegt, eine Frage, die geeignet ist, eine 
vollständige Umwälzung im ganzen Gefängnisswesen hervor¬ 
zurufen, glaube ich, dass wir den Verzug von 2 Jahueo bis 
zur nächsten Versammlung nicht werden zu scheuen /haben. 




283 


• '1; 


I Es bandelt sich nicht bloss um Erfahrungen, die noch zu 
f machen sind, nicht darum, dass sich die Wissenschaft abkläre, 
wie hier gesagt worden ist, sondern vor Allem auch um unsere 
j persönliche Information. Ich für meine Person gestehe offen, 

| dass ich noch nicht zu einem vollständigen Urtbeil über das 
, Urlaubsystem gekommen bin und die meisten der Herren 
i Collegen scheinen in gleicher Lage zu sein, sie würden sonst 
j gestern kein Bedenken getragen haben, zu erklären: wir 
halten die Sache für spruchreif und uns für fähig, unser Ver- 
diet abzugeben. — Ich werde mich dem Anträge des Hm. 
i Director Elvers anschliessen. 

] Geh. Reg.-Rath v. Zahn: M. H.! Gestatten Sie auch 
mir in dieser Angelegenheit einige Worte, um meine Stellung 
j zu dem Anträge des Hrn. Referenten zu motiviren. Ich habe 
| vorher zu bemerken gegen die Aeusserung des Hrn. Vorred- 
t ners in Bezug auf die gestrige Abendbespreohung, dass auf 
[ seine Aufforderung in brevi unsere Erfahrungen in Sachsen 
zum Gemeingut zu machen, ihm keine Antwort zu Theil ge- 
I worden sei. M. H.! Diese Aufforderung ist uns wohl ge- 
| worden, allein nach der ganzen Discussion war es uns unmög¬ 
lich, darauf einzugehen und man glaubte wohl auch, dass 
dasjenige, was bereits durch Mittheilung in der strafrechtlichen 
| Literatur Gemeingut geworden ist und dasjenige, was in den 
von der sächsischen Regierung mitgetheilten statistischen Nach¬ 
weisungen auch in dieser Beziehung zu Tage gelegt ist, be¬ 
reits Mittheilungen genug seien, zu welchen weitere Hinzu¬ 
fügungen gestern solche Details hätten aufnehmen müssen, 
welche Zeit und Ort überschritten haben würden. Es wäre 
zwar allerdings ein erfreuliches Ereigniss gewesen, wenn die 
zunächst bei uns zur Ausführung gelangte Massregel in irgend 
welcher Weise die Billigung der Versammlung erlangt hätte, 
allein wir erkennen vollständig den Standpunkt aller derjenigen 
Herren an, welche sich noch nicht in den Stand gesetzt fühlen, 
hierüber einen Ausspruch zu thun mit demjenigen Gewicht, 
welches wir wünschen den Beschlüssen beigelegt zu sehen. 
Ich kann zwar — und das ist das Einzige, was ich gegen 
den Uebergang zur motivirten Tagesordnung zu äussern hätte — 
Mich nicht damit einverstanden erklären, dass man sich darauf 



284 


steift, es liegen ausserhalb Sachsen noch nicht Erfahrungen 
vor, und auf der andern Seite sagt, man könne nicht auf die 
Sache eingehen, weil die Wissenschaft sich noch nicht darüber 
ausgesprochen habe. Das ist, wie mir scheint, zu weit ge¬ 
gangen, dann kommen wir aus dem circulus vitiosus nicht 
heraus. Wollen wir die Praxis nicht eher in der Sache ein- 
treten lassen, bis die Wissenschaft die Sache für zulässig 
erklärt hat, dann werden wir wohl niemals Erfahrungen machen 
können. Und gleichwohl sollen Erfahrungen und mehr Er¬ 
fahrungen vorgelegt werden als uns jetzt vorliegen. — Es hat 
im Gegentheil uns als ein grosser Gewinn erscheinen wollen 
für die Vorbereitung der Entscheidung dieser Frage der be¬ 
dingten Freilassung, dass auf dem Wege, der in Sachsen ein- 
geschlagen ist, die Möglichkeit gegeben wurde, praktische 
Erfahrungen in der Sache zu sammeln, ehe sich der Streit 
der Wissenschaft über die Sache entschieden hat. So gut 
wie das juristische Gewissen und die strenge Auffassung, welche 
gegenwärtig sich der Sache entgegenstellen, so gut wie diese 
in andern, in civilrechtlichen Fragen im Laufe dieses Jahr¬ 
hunderts grosse Concessionen hat machen müssen — ich er¬ 
innere nur an die zwangsweise Enteignung, an die zwangsweise 
Auseinandersetzung der Grundstücke, an die zwangsweise Zu¬ 
sammenlegung von Grundstücken, alles Grundsätze, mit denen 
das juristische Gewissen vor 40 und mehr Jahren sich niemals 
würde einverstanden haben erklären mögen, — ebenso darf man 
wohl die Hoffnung hegen, dass auch, wenn einmal durch die 
Praxis der faktische Beweis geliefert ist, dass eine bedingte 
Freilassung, in angemessener Weise eingeführt, die Strafhäuser 
vor Ueberfüllung hütet, die Rückfälle vermindert, -wenn auf 
diese Weise die Einrichtungen sich praktisch erwiesen haben, 
dann wohl die Wissenschaft um die Form zu fragen sein 
wird, in welcher sie diese Einrichtungen in das System ein -, 
zuordnen gedenkt. Trotz allen diesen Erwägungen und oh|& 
wohl in dieser Richtung ein Aufschub von immerhin 2 JaJ 
nicht ganz unbedauerlich für uns sein kann, stimmet 
doch vollständig mit einem solchen Aufschub übern R 
zwar aus dem Grunde, weil für die fortgesetzte Aifah 
dieses Systems hier, und wo sonst es bereits, wie \uen 






285 




haben, adoptirt werden soll, aus einer Erklärung, welche viel¬ 
leicht einer Abmahnung sehr ähneln möchte, uns nur Hinder- 
uisse erwachsen würden, dagegen auf der andern Seite gar 
kein Gewinn. Der Wichtigkeit der Frage gegenüber scheint 
ein Aufschub von 2 Jahren kein Verlust, im Gegentheil nur 
annehmbar, um den Bedenken der Wissenschaft mit desto 
kräftigeren Zahlen einstmals durch praktische Beweise entgegen 
zu treten. 

Pfarrer Mühlhäusser: Ich glaube als Vorstand der 
3. Abtheilung mittheilen zu müssen, dass in der Abtheilung 
das im Allgemeinen mit Freude und Interesse aufgenommen 
worden ist, was Seitens der sächsischen Beamten über die 
Beurlaubung gesagt wurde, und im Allgemeinen haben wir 
auch auf Grund dieser Mittheilungen dem Antrag des Hrn. 
Inspectors Krell beigestimmt; aber ich kann doch nicht ver¬ 
schweigen, dass auch bei uns Bedenken auftauchten, da die 
Sache etwas neu ist und wir daher wünschen mussten, es 
möchte die königl. Sächsische Regierung in der Beurlau¬ 
bung fortfahren, um durch Erfahrung einen immer festeren 
Boden gewinnen zu können zur richtigen Beurtheilung und 
Entscheidung dieser so wichtigen Angelegenheit, die wir keines¬ 
wegs von der Hand weisen. 

Ober-Inspector Witt: Ich glaube aus den hier gefalle¬ 
nen Aeusserungen das Resultat ziehen zu dürfen, dass die 
Annahme der von unserem Referenten in Vorschlag gebrach¬ 
ten Motion ziemlich gesichert ist. Ich möchte jedoch neben 
der Annahme dieser Motion mir vorzuschlagen erlauben, dem 
Standpunkt unserer sächsischen Mitglieder dieser Versammlung 
insoweit entgegen zu kommen, dass wir bei und neben An¬ 
nahme dieser Resolution zugleich erklären, dass man sich mit 
dieser Annahme jedoch nicht zugleich auch durchweg die 
Motivirung des Antrags anzueignen gemeint sei. 

Pastor Kr oh ne: M. H.! Wir in unserem Oldenburger 
(ijjjändchen sind in der Lage, mit einiger Spannung auf den 
^eschluss hiüzublicken, weil bei uns die Frage in Anregung 
. kommen, ob nicht die Beurlaubung eingeführt werden könne, 
stehen sich da zwei Meinungen schroff gegenüber, nament- 
ist von Seiten der Justizbehörden in specie des Ober- 

Blätter für Gefängnisskuude III. 20 



Staatsanwalts grosses Bedenken ausgesprochen und zwar ganz 
entschieden, während von Seiten der Strafanstaltsbeamten und 
auch von Seiten der Regierung man geneigt ist, die Beur¬ 
laubung versuchsweise einzuführeu, ähnlich wie in Sachsen. 
Wenn die Versammlung den Gegenstand von der Hand weisen 
sollte, so würden wir dadurch gewiss einen noch viel schwere¬ 
ren Stand bekommen. Wenn einmal den Anträgen des Hrn. 
Krell nicht zugestimmt werden sollte, so möchte ich doch 
bitten, die Frage z. Z. als eine offene zu behandeln und erst 
später endgültig über dieselbe zu entscheiden. 

Director v. Götzen aus Cöln: Wenn vorhin bemerkt 
worden ist, dass in der Abtheilung Niemand das Wort für 
die sofortige Einführung des Antrags des Hrn. Krell ergriffen 
hat, so beruht dies auf einem Irrthum; ich selbst habe mich 
dafür ausgesprochen, weil ich mich seit Jahren mit diesem 
Gegenstände beschäftigt habe und unter Vermittlung meines 
verehrten Gollegen d’Alinge vom sächsischen Ministerium 
bereitwilligst die vollständigste Auskunft erhielt, auf Grund 
desselben ich dem preussischen Ministerium eingehendsten 
Bericht erstattet habe. Ich habe in der gestrigen Sitzung 
beantragt, dem Antrag des Hrn. Krell Folge zu geben. 

Präsident Dr. Schwartze: Ich schliesse die Discussion 
und erlaube mir mit Zustimmung des Hrn. Referenten fol¬ 
gende Resolution vorzuschlagen: 

„Der Verein der deutschen Strafanstaltsbeamten erkennt 
die grosse Wichtigkeit der Beurlaubungsfrage und die Bedeutung 
der im Königreich Sachsen gemachten Erfahrungen in vollem 
Umfange an, glaubt jedoch, dass es zweckmässig sein werde, 
noch weitere Erfahrungen einzusammeln, sieht d^her zur Zeit 
von einer directen Empfehlung der bedingten Freilassung ab, 
beauftragt aber zugleich seinen Ausschuss, diese Frage bei 
der nächsten Vereinsversammlung wieder zur Discussion zu 
stellen und mittlerweile gehörig vorzubereiten.“ 

Nimmt die Versammlung diese vom Hrn. Referenten 
adoptirte Resolution an ? — Einstimmig. J 

Da die vorgerückte Zeit die Ausführung der gair® 11 
heutigen Tagesordnung unmöglich macht, wünschte ichfl^ 
Ansicht des Hrn. Viceprä3identen Ekert zu hören, we]jK 




287 


der übrigen Gegenstände wir etwa in der noch kurzen 
Zeit behandeln könnten. 

- Vicepräsident Director Ekert: Ich möchte hierzu Nr. 5a 
bctr. die Anrede der Strafgefangenen vorschlagen. 

Präsident Dr. Schwartze: Die Zustimmung der Ver¬ 
sammlung voraussetzend, ersuche ich Hrn. Director Blenkner, 
über* diesen Gegenstand zu berichten. 

Referent, Director Blenkner aus Mannheim: Ich will 
mich über diesen Gegenstand ganz kurz fassen, muss die 
Herren im Voraus aber um Nachsicht bitten, weil ich mich 
seit einigen Tagen unwohl fühle und mir der freie Vortrag 
sehr schwer fallt. 

M. H.! Die letzten Thesen, welche nach dem Beschlüsse 
Ihres Ausschusses Ihnen heute zur Berathung und Beschluss¬ 
fassung vorgelegt werden sollen und worüber vorzutragen mir 
1 der ehrenvolle Auftrag wurde, sind: 

a) in welcher Weise soll der Strafgefangene angeredet 
werden, und 

b) wie soll die Kleidung der Strafgefangenen beschaffen 
sein. 

Ich erlaube mir nun, diese beiden Fragen getrennt zu 
behandeln und zunächst über die Frage: „In welcher Weise 
soll der Strafgefangene angeredet werden“, Ihnen meine An¬ 
sichten vorzulegen und Ihrer Schlussfassung zu unterbreiten. 
Es wird bei allen practischen Gefangnissbeamten darüber 
; wohl keine Meinungsverschiedenheit bestehen, dass die Art 
und Weise, wie der Sträfling angeredet werden soll, durchaus 
nicht nach einer Schablone sich feststellen lässt, dass vielmehr 
in dieser Beziehung die Individualisirung im ausgedehntesten 
Maase zur Anwendung zu bringen ist; es wird dabei beson¬ 
ders zu berücksichtigen sein: 

wegen welchen Verbrechens oder Vergehens der Einge¬ 
lieferte verurtheilt ist; 

welchem Stande derselbe angehört, beziehungsweise auf 
welcher Bildungsstufe und in welchem Lebensalter der¬ 
selbe steht; 

welche Art und Weise der Anrede in der Heimath des 
Sträflings die übliche ist. 



20 * 



288 


Hiernach wird der intelligente Vorstand einer Strafan¬ 
stalt die Anrede der Gefangenen bemessen und hiernach 
werden sich in jeder gut geleiteten Anstalt sämmtliche übrigen 
Beamtete und die niederen Bediensteten richten. 

Ich schlage Ihnen hiernach vor, sich dahin gefälligst 
aussprechen zu wollen, dass der Verein 

a) eine bestimmte Vorschrift über die Art und Weise, 
wie der Strafgefangene sgizureden sei, nicht für zweck¬ 
mässig halte; 

b) dass bei der Anrede 

auf die Art des Vergehens, 

die frühere Stellung des Sträflings, 

das Lebensalter desselben und 

auf die in der Heimath des Verurtheilten, Seitens der 
Vorgesetzten der freien Bevölkerung gegenüber übli¬ 
chen Anredeweisen 
möglichst Rücksicht zu nehmen sei. 

Director Ekert aus Bruchsal: Mir scheint, dass zur 
Herbeiführung der gleichförmigeren Behandlung der Strafge¬ 
fangenen einer und derselben Strafanstalt eine allgemeine 
Regel über die Anrede stets bestehen sollte. In Bruchsal 
z. B., wo das System der Einzelhaft- die Individualisirung 
auch in dieser Hinsicht im weitesten Umfange gestattet, also 
der Gefangene auf der Zelle ganz nach seinen Verhältnissen 
angeredet werden kann, besteht doch eine Vorschrift, wie der 
Gefangene in der Regel angeredet werden soll. Und eine 
gleichförmige Anrede nach dieser Regel findet auch in 
Kirche und Schule durch Geistliche und Lehrer statt, wenn 
die Gefangenen in den Stalls beisammen sind. 

Hier werden wir nicht bestimmen wollen, dass eine 
bestimmte Anrede dieser oder jener Art in allen Strafan¬ 
stalten zur Anwendung zu bringen sei. Wir würden damit 
gerade gegen das Frincip der Individualisirung verstossen.j 
Das sollte sich stets nach den Verhältnissen richten. Gerade', 
in dieser Richtung aber darf sich die Versammlung wohl aus- ' 
sprechen, ob sie den Gefangenen nach seiner Einlieferung : 
in die Strafanstalt bezüglich der Anrede anders, als früher 
«v 3 -- wie bisher behandelt wissen will. Ich glaube, das Letztere 



tu—J" 


— 289 - 

ist das Richtigere. Adoptiren wir diese Ansicht, bo bleibt es 
stets im Allgemeinen und im Einzelnen dem Tacte des 
Directors überlassen, die Anrede zu bestimmen und durch das 
Gewicht seiner Stellung* die gleichförmige Behandlung bezüg¬ 
lich des Einzelnen zu sichern, wie das bereits angedeutet 
worden, d. h. die Sache so zu ordnen, dass alle Bediensteten 
einer Strafanstalt einen und denselben Gefangenen gleichförmig 
anreden. 

Demgemäss möchte ich den Antrag stellen, dass der 
Beschluss in folgende Fassung präcisirt wird: 

Die Gefangenen einer Strafanstalt sind in der Regel 
gleichmässig aber so anzureden, wie dies bei der freien 
Bevölkerung üblich ist. 

Pfarrer Mühlhäuser: Ich glaube, man sollte zwischen 
der Isolirhaft und der Gemeinschaftshaft unterscheiden. In 
der Isolirhaft wird man es halten können, wie man will, aber 
in der Gemeinschaftshaft muss man eine allgemeine Regel 
haben, weil sonst viele Uebelstäude entstehen. 

Ober-Inspector Witt: Es lässt sich wohl nicht behaup¬ 
ten, dass der Erlass von, die Behörden durchweg bindenden 
Vorschriften unzulässig wäre; richtiger scheint mir, wenn man 
sagt, dass dies nicht räthlich erscheine, dass es vielmehr sich 
empfiehlt, dem Ermessen der einzelnen Behörde es zu über¬ 
lassen, hier eine Bestimmung eintreten zu lassen, und bei 
dieser Bestimmung entscheidende Rücksicht zu nehmen, einmal 
— zuerst und ganz Besonders — auf die Strafart und zum 
andern auf die betreffende Persönlichkeit des Sträflings 
in Bezug auf Bildungsgrad und seine frühere sociale Stellung. 
Diese beiden Momente scheinen mir wichtiger, als die in der 
Motion des Referenten in Vorschlag gebrachten. Namentlich 
ist mir nicht klar, wie die Art des Vergehens hier von 
maassgebender Entscheidung sein könnte; ich meine, die Ent¬ 
scheidung liegt in der Strafart, ob einer zu Gefangnissstrafe 
oder Polizeistrafe, oder zu Zuchthaus-, Kettenstrafe, oder wie 
man es sonst nennen mag, verurtheilt ist. 

Pfarrer Schlipf: Die Strafgefangenen haben durch das 
Verbrechen die Behandlung verscherzt, wie sie einem recht¬ 
schaffenen Manne gebührt, es ist somit die Art und Weise 



290 


der Anrede ein Moment der ganzen Strafbehandlung. Sie 
sollen daher angeredet werden, wie die Personen der niedrigen 
Gesellschaftsclasse und es erscheint zugleich als ein Gebot der 
Gerechtigkeit, dass hiervon keine Ausnahmen gemacht werden; 
wenn man den einen mit »Sie*, den andern mit »Ihr* oder 
gar mit »Er* anredet, so macht das gewiss bösses Blut. 

Oberinspector v. Sprewitz: Ich glaube, wir bereiten 
uns hier unnöthige Schwierigkeiten. In einer Anstalt, wie die 
meinige, wären alle diese Unterschiede gar nicht ausführbar. 
Die Zahl der Aufseher etc. ist zu gross und sie sind in so 
viel verschiedenen Posten auseinander, dass es gar nicht möglich 
wäre, dieselben zusammen zu bringen, um ihnen aufzugeben, 
wie sie den einzelnen Häusling nennen sollen, Am einfach¬ 
sten ist es, wenn wir den Leuten eine Anrede geben, die kein 
Mensch übelnehmen kann. Lassen Sie sie uns doch alle mit 
einander Sie nennen, 

Pfarrer Schlipf: Ich meine, es sollte ein Antrag in 
dieser Weise gestellt werden; es sollen die Strafgefangenen 
schwerer Art so angeredet werden, wie die Personen der 
niedrigen Gesellschaftsklassen in ihrem Lande angeredet zu 
werden pflegen. 

Gontr.-Adjunct Dragicz von Gratz in Oesterreich: 
Bei einer und der anderen der verschiedenen Nationalitäten 
Oesterreichs ist das Wort: »Du* gebräuchlicher als »Sie“, 
namentlich gegen den Bauern slavischer Zunge. Derselbe 
wird sich daher in der Strafanstalt, wenn er mit »Du* ange¬ 
sprochen wird, viel vertraulicher seinen Vorgesetzten gegenüber 
fühlen, als wenn er mit »Sie* angesprochen wird. Ich bin 
daher der Ansicht, dass man die Sträflinge so wie es in der 
Freiheit üblich ist, auch in der Strafanstalt anspricht. 

Garnisonspfarrer Schlipf von Hohenasperg: Man kann 
doch auch so nichtsnutzige Bursche und Jungens nicht 
gleich behandeln, wie die aus besseren Ständen. Wir haben 
beispielsweise jetzt 3 Offiziere und einen Geistlichen in unserer 
Anstalt, die sich sehr gekränkt fühlen würden, wenn man sie 
mit »Du* anreden und als Personen der niedersten Volksclasare.f 
behandeln wollte. Ich glaube daher, wenn das Individual« 
sirungs-Princip sonst überahl zur Geltung kommt, so muss es! 



■. auch hier gerade bei der Anrede der Fall sein und es last 
j sich wohl auch bei der Strafhaft in Gemeinschaft durchführen, 
dass jeder Einzelne nach seinem früheren Stand und Bildungs- 
• grad beschieden wird. Wenn im Uebrigen keine Ausnahme 
i gemacht wird, wenn selbst der Gebildete und Hochgestellte, 

; wenn er sich einmal eines Verbrechens schuldig gemacht, 

; überall den anderen Gefangenen gleichgestellt, wenn er in 
dieselbe Jacke gesteckt wird etc., so Bollte man auch bei der 
| Anrede keinen Unterschied machen. 

Referent: Ich will nur noch erläutern, warum ich 
| 7 

darauf Gewicht lege, dass die Anrede sich auch nach der Art 

des Vergehens richten soll. Ich hatte dabei im Auge, ob ein 
i Verurtheilter ein gemeines Verbrechen begangen oder durch 
] einen unglücklichen Zufall zum Verbrecher geworden ist. 

Wenn z. B. Jemand in der Leidenschaft zu einer Tödtung 
! hingerissen worden, so muss doch ein wesentlicher Unterschied 
darin liegen, ob ich diesem mit der gewöhnlichen Anrede 
entgegenkomme, wie ich sie dem gemeinen Verbrecher bringe, 
oder ob ich ihn, wenn er früher den gebildeten Ständen an¬ 
gehört hat, auch darnach behandle. Was den Vorschlag des 
Herrn Pfarrer Schlipf betrifft, so würde gerade darin eine 
Ungleichheit im Strafvollzug liegen, wenn ich einen den ge¬ 
bildeten Ständen Angehörigen mit der gleichen, scheinbar 
wenigstens, erniedrigenderen Anrede begrüssen wollte, wie 
einen aus den niedern Ständen hervorgegangenen, für welchen 
diese Anrede nichts kränkendes enthalten würde. Deswegen 
muss meines Erachtens auf den früheren Stand Rücksicht 
genommen werden. Im Uebrigen schliesse ich mich dem 
Ekert’schen Anträge an. 

Bei der Abstimmung wird der Ekert’sche Antrag 
gegen eine Stimme angenommen. 

Präsident: Ich schliesse die Sitzung und die Versamm¬ 
lung zunächst mit dem Danke für meine eigene Person in 
Betreff der Nachsicht, mit welcher sie mich und meine Amts¬ 
führung gestern und heute behandelt haben; zweitens und 
vorzugsweise mit der frohen Hoffnung, dass, wenn unsere 
[ Versammlung wieder einberufen wird, wir uns recht froh und 
[ heiter wieder finden und dass die Resultate unserer 



292 


Berathungen in allen den Ländern, aus welchen Sie hier ver¬ 
sammelt sind, recht fruchtreich geworden sind. Wir tragen 
Alle die lebhafte Ueberzeugung in uns, dass der Verein 
wesentlich dazu beitragen wird, die von uns allen so lebhaft 
fangestrebte Reform des Gefängnisswesens zu verwirklichen und 
dadurch einen wichtigen Zweig des staatlichen Lebens zu 
fördern. 

Director Ekert: M. H. Sie sind gewiss alle damit 
einverstanden, dass wir nicht auseinandergehen, ehe wir unse¬ 
rem allverehrten Herrn Fräsidenden unseren Dank für seine 
so umsichtige und unparteiliche, mit einem Worte, meister¬ 
hafte Leitung unserer Verhandlungen gesagt haben, für eine 
Leitung, die wahrhaftig der Bitte um Nachsicht nicht bedurft 
hätte. Sie wissen Alle, oder ich will es Ihnen sagen, dass 
unser Herr Präsident durch seine Anwesenheit bei der 
Versammlung und durch die Uebernahme des Präsidiums 
grosse persönliche Opfer gebracht hat, und das erhöht nur 
das Gefühl, dem ich Ausdruck verleihen wollte. Es 
herrscht darüber nur eine Stimme und es kann darüber 
auch nur eine Stimme herrschen, in welch wirklich ausge¬ 
zeichneter Weise die Verhandlungen geleitet worden sind. 
Wir wissen es selbst und haben es gefühlt, wie sehr das Ge¬ 
lingen einer derartigen Unternehmung, wie sehr die Ergebnisse 
einer Versammlung dadurch bedingt sind. Ich danke daher 
Namens der ganzen Versammlung unserem allverehrten Herrn 
Präsidenten und wünsche, dass die Resultate, welche hier 
erzielt worden sind, ebenso seiner Thätigkeit, wie dem Zu¬ 
sammenwirken Aller zugeschrieben werden. 

Schluss der Sitzung. 


4 

di- 

* G 



293 


Zusammenstellung der in der 2. Hauptversammlung gefassten 

Beschlüsse. 


Nr. 4. 


Beschluss 


in Betreff des Ausschusses. 

Für den Ausschuss wurden vorgeschlagen und von der 
Versammlung einstimmig angenommen: 

a. Engerer Ausschuss. 

1. Ekert, Director des Gr. Bad. Zellengefängnisses in 
Bruchsal. 

2. Bauer, Rechnungsrath, Verwalter ebenda. 

3. Gutsch, Dr., Medizinalrath, Hausarzt ebenda. 

4. Mühlhäusser, Pfarrer, ev. Hausgeistlicher ebenda. 

5. Eisen, kath. Hausgeistlicher ebenda. 

6. Eichrodt, Vorsteher des Gr. Bad. Weiber-Zucht- und 
Arbeitshauses Freiburg. 

b. W eiterer Ausschuss. 

Die Obigen und weiter: 

1. von Götzen, Director der kgl. Preuss. Strafanstalt Cöln. 

2. Lüttgen, k. preuss. Strafanstalts-Director und Vertreter 
des Kronoberanwalts in Celle. 

3. Scheffer, Pastor, Gefängnisgeistlicher in Düsseldorf. 

4. Fischer, Director der k. k. östreichischen Strafanstalt 
in Prag. 

5. Santner, Inspector und Vorstand der k. k. östr. Straf¬ 
anstalt in Suben. 

6. Bracker, Inspector und Vorstand des k. bayr. Zucht- 
hausses Plassenburg. 

7. Wirth, Inspector und Vorstand des k. bayr. Zellenge¬ 
fängnisses Nürnberg. 

8. d’Al in ge, Regierungsrath, Vorstand der k. sächsischen 
Landesstrafanstalt Zwickau. 

9. Wullen, Oberjustizrath, Verwalter des k. württemb. 
Zuchthauses Gotteszell. 

10. Schlipf, Garnisonspfarrer auf Hohenasperg, zugleich 
Y, Hausgeistlicher des k. württemb. Arbeitshauses Mark¬ 
gröningen. 




294 


11. Langreuter, Director der Grossh. Oldenb. Strafan¬ 
stalt Vechta. 

12. E1 v e r s, Director der H. Altenb. Strafanstalt Leuchtenburg. 
Nr. 5. 

Beschluss 

in Betreff der Ernennung von Ehrenmitgliedern. 

Die Versammlung ernennt einstimmig zu Ehrenmitgliedern: 

1. Herrn Professor Dr. von Holtzendorff in.Berlin, 

2. Herrn Professor Dr. Wahlberg.in Wien und 

3. Herrn Carl, Grafen von Görtz zu Schlitz. 

Nr. 6, 

Beschluss 

in Betreff des Antrags des Rentiers Hermann Friedrich in 

Dresden. 

Die Versammlung beschliesst, über den ersten Antrag, 
zahlungsunfähige Schuldner in den Arbeitshäusern unterzu- j 
bringen, zur Tagesordnung überzugehen, über den zweiten 
Antrag, Deportation der rückfälligen Verbrecher betr., zwar 
ebenfalls zur Tagesordnung überzugehen, denselben aber als 
Gegenstand zu bezeichnen, der werth sei, im Vereinsorgan 
besprochen und künftighin auf die Tagesordnung des Vereins 
gesetzt zu werden. 

Nr. 7. 

Beschluss 

in Betreff der Gefängniss-Einrichtungen für Untersuohungs- 
und kurzzeitige Strafgefangene. 

Die Versammlung spricht als ihre Ueberzeugung aus: 

1. Der Zustand der Gefängnisse für Untersuchungs- und 
kurzzeitige Strafgefangene, sowie die Behandlung der 
daselbst untergebrachten Gefangenen, ist von wesent¬ 
lichem Einflüsse auf die Wirksamkeit der eigentlichen 
Strafanstalten. 

2. Der gegenwärtige Zustand der Gefängnisseinrichtungen 

für Untersuchungs- und kurzzeitige Strafgefangene ist 
grösstentheils mangelhaft. I 

i 



295 


3. Die absolute Trennung der Untersuchungsgefangenen 
von den Strafgefangenen ist die erste Bedingung einer 
Erfolg versprechenden Reform. 

4. Die Strafgefängnisse sind nach gleichen Principien wie 
die Strafanstalten einzurichten, die Untersuchungsgefäng¬ 
nisse in solcher Art zu verwalten, dass der Gefangene 
keiner andern Beschränkung unterworfen wird, als der 
Zweck der Untersuchung fordert. 

5. Die Isolirhaft ist für die Untersuchungs- und kurzzeitigen 
Straf-Gefangenen im Allgemeinen der einzig richtige 
Haftmodus. 

Nr. 8. 

Beschluss 

auf den Antrag des Pastor Krolrne. 

Die Versammlung spricht aus: Es ist dahin zu streben, 
dass das ganze Gefängnisswesen vom Polizeigefängniss bis 
zur Strafanstalt hinauf einheitlich organisirt wird. 

Nr. 9. 

Beschluss 

auf den Antrag des Pastor Scheffer. 

Die Versammlung spricht als ihre Ueberzeugung aus, 
dass es wünschenswerth sei, wenn die Directoren grösserer 
Strafanstalten zugleich Recht und Pflicht haben, als Aufsichts¬ 
beamte über die kleinen Untersuchungs- und Strafgefängnisse 
innerhalb bestimmter Bezirke, die ihnen von der Staatsbehörde 
zur Revision zugewiesen werden, zu fungiren. 

Nr. 10. 

Beschluss 

in Betreff der Beurlaubung der Strafgefangenen. 

Der Verein deutscher Strafanstaltsbeamten erkennt die 
grosse Wichtigkeit der Beurlaubungstrage und die Bedeutung 
der im Königreich Sachsen gemachten Erfahrungen in vollem 
Umfange an, glaubt jedoch, dass es zweckmässiger sein werde, 
noch weitere Erfahrungen einzusammeln, sieht daher zur Zeit 



296 


von einer directen Empfehlung der bedingten Freilassung ab, 
beauftragt aber zugleich seinen Ausschuss, diese Frage bei der 
nächsten Vereinsversammlung wieder zur Discussion zu stellen 
und mittlerweile gehörig vorzubereiten. 


Nr. 11. 

Beschluss 

in Betreff der Art, in welcher die Strafgefangenen angeredet 

werden sollen. 


Der Verein spricht als seine Ansicht aus: Die Gefan¬ 
genen einer Strafanstalt sind in der Regel gleichmässig, 
aber so anzureden, wie dies bei der freien Bevölkerung 
üblich ist. 


Beilage 1. 


Bureau 

der Versammlung des Vereins der deutschen Straf¬ 
anstaltsbeamten in Dresden 
8—5 September 1807. 

Präsident: Dr. Schwarze, Generalstaatsanwalt des König¬ 
reichs Sachsen in Dresden. 

1. Vize-Präsident: Ober-Regierungsrath Illing, Abtheilungs¬ 

dirigent in der k. preuss. Regierung zu 
Arnsberg. 

2. Vize-Präsident: Ekert, Director des Zellengefängnisses in 

Bruchsal. 

1. Schriftführer: Meinhold, Director der kgl. sächsischen 

Strafanstalt Hohnstein. 

2. Schriftführer: Köstlin, Oberjustizassessor, Verwalter des 

k. württ. Zuchtpolizeihauses in Heilbronn. 




297 


Beilage 2. 

Yerein der deutschen Strafanstalts-Beamten. 


über Kinnahmen und Ausgaben 

pro 1. Mai 1864 bis 1 Januar 1866. 

I. Band des Vereinsor ganes. 



Kasse-Rest fl. 56. 35 kr. 
V er mögens-Stand. 


1. Casse-Rest 


rage 

3. Guthaben bei der Weiss’schen Buchhandlung 

a. für im Jahr 1865 abgesetzte Vereinshefte 

b. „ „ „ 1866 9 dto. fl. 21. 22. 

abzügl. von Unkosten fl. 8. 24. 

4. K. hannoversche Generalstaats-Casse für Ab¬ 
drücke von Heft 4. I. Bd. 

zusammen 

Schulden. 

Unter den erhobenen Beiträgen erscheinen für 
den II. Band pro 1866 15 Mitglieder k fl. 1. 45. 

bleibt Rein-Vermögen 




fl. 

56 

17 

kr.l 

35 

30 

fl. 

kr. 

89 

15 



12 

58 



52 

30 

228 

48 



26 

15 



202 

[33 





























Tti io co 


über Einnahmen und Ausgaben 

pro 1. Januar 1866 bis 1. Juli 1867. 

II. Band des Vereinsorganes. 


I. Einnahme. 

1. Casse-Vorrath . . . . . • ♦. * * * * * 

2. Vereinsbeiträge von 10 Mitglied, pr. 1865 fl. 17. oU. 

„ 350 „ j) 1866 fl. 612. 30. 


368 


1867 fl. 644. —. 


fl 

fl 


25. - 
6 . — 


" * 

3. Von der Weiss’schen Buchhandlung in 

Heidelberg pr. I. Bd.fl* 89. 15. 

» II. ».fl. 1... 27. 

Hannoversche Generalstaatscasse, I. Bd. 4 Heftjj 

. Ersatz an Porti.* 

. Doppelt erhobener Beitrag von 7 Mitgliedern . 

Summe der Einnahme 
II. Ausgabe. 

_. Druck des Vereinsorgans . . . 

2. Buchbiuderlöhne. 

3. Papier, Siegellack etc. 

4. Ersatz doppelt gezahlter Beiträge 

5. Belohnung für Rechnungsführung 

den Diener . . _ 

6. Capital-Anlage bei der Vorschusscasse Bruchsal 

7. Porti und Frachtkosten ....*•♦• 

Summe der Ausgabe 

Einnahme fl. 1505. 46 kr. 

Ausgabe fl. 1367. 8 kr. 

Casse-Rest fl. 138. 38 kr. 

V ermögens-Stan d. 

1. Casse-Rest.• * ;. ,* ’ 

2. Ausstehende |Beiträge von 14 Mitgliedern 

3. Guthaben bei der Weiss’schen Buchhandlung, 
in Heidelberg f. bereits abgesetzte Veremshefte 

4. Capitalanlage bei der Vorschusscasse Bruchsal 

" Zins hievon auf 1. Juli 1867 . . • « 

zusammen 

Schulden. . , 

Uuter den erhobenen Beiträgen erscheinen für 
den III. Band des Vereinsorganes (1867) von 

368 Mitgliedern ä 1 Thlr. 

bleibt Rein-Vermögen 


fl. 

138 

kr. 

38 

24 

30 

121 

12 

475 

— 

3 

36 


fl. 

kr. 

56 

35 

1274 

— 

108 

42 

52 

30 

1 

44 

12 

15 

1505 

46 

596 

43 

107 

21 

14 

29 

12 

15 

31 

— 

475 

— 

130 

20 

1367 

8 




fl. kr* 


JlbroB 


■ 7 \ 















299* — 


über Einnahmen und Ausgaben 

pro 1. Juli bis 24. August 1867. 


III. Band des Vereinsorganes. 


I. Einnahme. 



fl. 

kr. 

1. Casse-Rest. 

• • 


138 

38 

2. Vereinsbeiträge von 2 Mitglied, pr. 1866 fl. 

3. 30.; 



„ 37 „ „ 1867 fl. 64. 45. 



fl. 68. 15. 



minus fehlender fl. - 

-. 10. 

68 

5 

3. Rückerhobene Capitalien. 

• # 


200 


Summe 


406 

43 

II. Ausgabe. 





I. Druck des Vereinsorgans. 

• 


227 

49 

2. Buchbinderlöhne. 

• * 

j 

57 

10 

3. Papier, Siegellack etc. 

• • 

i 

1 

12 

4. Porti und Frachtkosten. 

• • 


49 

31 

5. Vorschuss zur Vereins-Versammlung . . 

• • 


52 

30 

I Summe 


388 

12 

Einnahme fl. 406. 43 kr. 
Ausgabe fl. 388. 12 kr. 





Rest fl. 18. 31 kr. 





Vermöge ns-Stand. 

fl. 

kr. 

a. 

kr. 

1. Casse-Rest. 

18 

31 



2. Ausstehende Beiträge von 12 Mitgl. pr. 1866 

21 

— 



, 112 „ . 1867 

196 

— 



3. Guthaben bei der Weiss’schen Buchhandlung 





in Heidelberg. 

121 

12 



4. 8 „ dem Vereinsausschuss . . 

52 

30 



5. Capital-Anlage bei hiesiger Vorschuss-Casse 

275 

— 



6. Zins hievon .......... i 

3 

36 



zusammen 



687 

49 

Schulden. 

o. 





bleibt Rein-Vermögen auf 24. August 1867 



687 

49 



Druckfehler. 

0 Z. 12 v. o. L Correctiv in der st. Correctiv der. S. 230 Z. 15 v. 
Und st. Um. S. 230 Z. 7 v. u. 1. diesen st. diesem. S. 231 Z. 4 
1. noch st. nach. S. 231. Z. 9 v. u. 1. der st. den. S. 233 Z. 11 
I. anzustellen st. einzustellen. S. 234 Z. 2 v. o. 1. steigert st. 
e. S. 236 Z. 13 v. o. 1. Kategorieen st. Kategorie. 











•300 


Inhalt 

des 3 und 4. Hefts. 

Verhandlungen der Versammlung des Vereins der deutschen 
Strafanstaltsbeamten in Dresden 3—5. September 1867. 

Seite 

I. Vorwort ....... V. 

II. 1. Hauptversammlung ..... 161. 

2. Begrüssung durch Se. Excellenz den Herrn Minister von 

Nostiz-Wallwitz ...... 161. 

3. Wahl des Bureaus ..... 162. 

4. Ansprache des Präsidenten, Generalstaatsanwalt JDr. 

Schwartze ...... 162. 

5. dto. zum Gedächtniss Mittermaiers . . . 163. 

6. Geschäftsbericht, erstattet von Director Ekert . 163. 

7. Berathung über die Vereinssatzungen (Ref.: Reg.-Rath 

d’Alinge) ...... 169. 

8. Berathung über die Normalstatistik (Ref.: Director Ek ert) 187. 

9. Berathung über die Einzelhaft der weiblichen Sträflinge 

(Ref.: Pfarrer Mühlhäusser) . . . 192. 

10. Beschlüsse der 1. Hauptversammlung (darunter auch 

Vereinssatzungen) ..... 220. 

HI. 2. Hauptversammlung ..... 225. 

11. Referat des Directors Ekert wegen Ernennung des 

Ausschusses ...... 225. 

12. desgl. wegen Ernennung dreier Ehrenmitglieder . 225. 

13. Berathung über den Antrag des Rentiers Friedrich 

von Dresden (Ref.: Reg.-Rath d’Alinge) . . 227. 

14. Berathung über die Gefängnisseinrichtungen für Unter- 

suchungs- und kurzzeitige Strafgefangene (Ref.: Pastor 
Scheffer) ...... 229. 

15. Berathung über den Antrag des Pastor Scheffer, betr. 

die Beaufsichtigung der kleinem Gefängnisse durch 
Strafanstaltsdirectoren ..... 267. 

16. Berathung über den Antrag des Pastor Krohne, betr. 

einheitliche Leitung des Gef ängnisswesens . . 271. 

17. Berathung über die bedingte Freilassung der Strafge¬ 
fangenen (Ref.: Director Elvers) . . . 273. 

18. Berathung über die Art der Anrede der Strafgefangenen 

(Ref.: Director Blenkner) .... 287. 

19. Schlusswort des Präsidenten . .. . . 291. 

20. Danksagung an denselben . . . . 292. 

21. Beschlüsse der 2. Hauptversammlung, darunter Verzeich¬ 
niss der Auschussmitglieder .... 293. 

22. Büreau der Versammlung .... 297. 

23. Rechnungsauszug . 298. 





Blätter 


für 

iefängnisskunde» 


Organ des Yereins der deutschen Straf¬ 
anstaltsbeamten. 

Unter Mitwirkung des engeren Vereins- 
Ausschusses redigirt 

von 

G. Ekert, 

Dirtetor de« Zellengefängnisses in Bruchsal, Bitter des königl. sichs. Albrecht-Ordsns. 





t 


Heidelberg. 

In Commission bei G. Weiss. 

(A. Emmerling 'sehe Universitäts-Buchhandlung.) 

1868. 

Druck von L. Rodrian in B{ruchsal. 




Die Gebrechen nnd Reform der Ge- ^ 
fängnisse in Oesterreich. 

Geprüft von Dr. Wahlberg, 

ord. Professor des Strafrechts in Wien. 

I. 

Literatur und Verwaltung haben die Gefängnisskunde in 
Oesterreich, diesseits und jenseits der Leitha, bis zum Beginne 
der vierziger Jahre vernachlässigt und noch zur Stunde gibt 
es kein vollständiges Handbuch derselben, nicht einmal eine 
tabellarische Zusammenstellung sämmtlicher Gerichtsgefangniase 
. und Strafanstalten mit Angabe ihrer gemeinschaftlichen Beleg¬ 
räume, ihrer Korrektionszellen und sonstigen baulichen Ein¬ 
richtungen, mit Uebersichten der durchschnittlichen Personal¬ 
bewegung in diesen Haftanstalten, der Arbeits-, Unterrichts-, 
Rückfalligkeits-, Krankheits- und Sterblichkeits-Verhältnisse, 
des Beamten- und Aufseherpersonals. Erst seit dem Anfänge 
dieses Jahres sollen umfassendere und der modernen Gefangniss- 
statistik entsprechende Vormerkungen nach einem neuen Ta¬ 
bellenwerke durchgeführt werden. Bruchstückweise Mitthei- 
\ langen brachten Buol-Bernberg aus dem Jahre >652, die sta- 
i tistischen Jahrbücher der österreichen Monarchie aus einigen 
Verwaltungsjahren, meine Aufzeichnungen über österreichische 
Strafanstalten in der Allgemeinen Deutschen Strafrechtszeitung 
seit 1864, die Blätter für Gefängnisskunde 1866, die Darstel¬ 
lung des Gefängnisswesens in Ungarn von Pulsky und Tauffer 
1866. — Seit der Abhandlung Hopfauer’s über die Strafhäuser 
überhaupt, mit besonderer Rücksicht auf die Strafanstalten in 
den deutschösterreichischen Provinzen 1814, erschienen nur 
Beschreibungen der Strafhäuser zu Linz, Wien/ Prag, Gratz, 
Munkacs, auf dem Spielberg, zu Garsten, abgesehen von der 
literarischen Gefängnissschwindelei Appert’s. Unsere besten 

21 * 



304 



Schriftsteller begannen erst in den vierziger Jahren die ver¬ 
schiedenen Gefängnisssysteme des Auslandes zu prüfen und 
die Gefangnissreform im Sinne der Einzelhaft in Angriff zu 
nehmen, ohne sich hiebei auf eine genaue Schilderung und 
Kritik der österreichischen Gefängnisse einzulassen. Selbst 
Josef von Würth, Josef von Eötvös und Moriz Lubitcs be¬ 
handelten nur die neuesten Fortschritte des ausländischen Ge- 
fängnisswesens und die Grundbedingungen der Gefängniss- 
reform. Die vollständige Kenntniss der österreichischen Ge¬ 
fängnisse blieb ein Monopol der Staatsverwaltung und die bis 
dahin auffallend schweigsame Gefangnissliteratur in Oesterreich j 
verkümmerte unter dem Drucke des Censur- und Polizei¬ 
regimentes, der künstlichen Absperrung von der Reformbewe¬ 
gung in dem ausserösterreichischen Deutschland. Es kann da¬ 
her nicht befremden, wenn das einheimische Gefängnisswesen 
im Ausland nur wenig besprochen oder todt geschwiegen wurde. 
Das Neue Archiv des Kriminalrechts 1816, Denkwürdigkeiten 
des Spielbergs, die Jahrbücher der Gefangnisskunde seit 1845, 
die Allgemeine Deutsche Strafrechtszeitung seit 1862, die 
Annalen des sächsischen Ober-Appellationsgerichtes 1860 brach¬ 
ten einige Mittheilungen, abgesehen von den Notizen Röder’s j 
über die neuesten Fortschritte Oesterreichs im Gefängniss¬ 
wesen. Erst den Blättern für Gefängnisskunde und der All¬ 
gemeinen Deutschen Strafrechtszeitung danken wir die Kennt- ' 
niss des Personales der österreichischen Strafanstalten. 

Nehmen wir noch einige Abhandlungen über die mora¬ 
lische Besserung der Gefangenen im Sinne des Isolirungs- 
systems vonPratobevera, Thun und einigen italienischen Schrift- j 
Stellern, dann die Untersuchungen hierüber aus dem ärztlichen 
Standpunkte von Haller, Habel, Chrastina, Beer, Frankl, end¬ 
lich die Schrift Ruzac’s über Gefängnissseelsorge, die Schil¬ 
derung holländischer Strafkolonien und einiger ausländischer 
Gefängnisse von Buol-Bernberg, die Schrift von Resö-Ensels 
1865 und die gründliche Arbeit Zugschwerdt’s über den Voll¬ 
zug der Freiheitsstrafe 1867 hinzu, so haben wir nahebei den 
gesammten Schriftenvorrath verzeichnet, über welchen die öster¬ 
reichische Gefängnisskunde verfügen kann. 





305 


II. 

Seit 1842 macht in Oesterreich der Gedanke des Isoli- 
rungssystems Propaganda. Ueber die verheerenden Folgeübel 
der Gefangenenverkoppelung in gemeinsamen Schlaf- und Ar¬ 
beitsstuben wurde wiederholt officiell der Stab gebrochen. Ein 
Vierteljahrhundert ist inzwischen verflossen und die öster¬ 
reichische Gefängnissreform steht erst am Anfänge des An¬ 
fanges. Die Einzelhaft ist nicht einmal für Untersuchungs¬ 
gefangene durchgeführt. Erst seit Jahr und Tag werden Ver¬ 
suche mit einer Klassifikation der Sträflinge in fünf Abthei¬ 
lungen nach dem Vorgänge in der Strafanstalt Suben unter¬ 
nommen. Die Zellenhaft besteht lediglich als Strafverschärfung 
und als Disciplinarstrafe. Zu einem auf Besserung berechneten 
Progressivsysteme im Vollzüge der Freiheitsstrafe wurde nicht 
einmal ein Anlauf gemacht. — 

Es sei mir hier gestattet, das Bild des Entwicklungs¬ 
ganges der Reform versuche auf dem Gebiete des österreichi¬ 
schen Gefängnisswesens, genauer als diess bisher geschehen ist, 
zu zeichnen. 

Der administrativen und socialen Kalamität der Ver¬ 
schlechterung der Gefangenen in der bisherigen Gemeinschafts¬ 
haft beabsichtigte 1842 die niederösterreichische Regierung aus 
Anlass des nothwendig gewordenen'Neubaues eines Strafhauses 
durch den Entwurf eines neuen Systems der Behandlung der 
Sträflinge entgegenzuwirken. 

Die Grundzüge desselben sollten im Folgenden bestehen: 

Jeder neu eingelieferte Sträfling ist durch einige Zeit in 
einer Einzelzelle bei Tag und Nacht zum Behufe seiner Be¬ 
obachtung anzuhalten. 

Die sehr verderbten, den übrigen Sträflingen gefährlichen 
Häftlinge sind in Einzelzellen bei Tag und Nacht so lange 
gefangen zu halten, bis.sie durch ihr besseres Betragen die 
Beruhigung verschaffen, dass sie nach der einzuführenden Re¬ 
gel der Hausordnung behandelt werden können. 

Diese regelmässige Haftmethode sollte dem Auburn’schen 
System nachgebildet werden: bei Tag in gemeinschaftlicher 
Arbeit unter strengster Beobachtung des Stillschweigens, zur 
Nachtzeit Isolirung. 



306 


Jugendliche Sträflinge vor zurtickgelegtem 18. Lebens¬ 
jahr wären von den übrigen Sträflingen gänzlich abzusondern, 
wie diess bei derlei Korrigenden in dem Wiener Arbeitshause 
mit gutem Erfolg bewerkstelligt worden ist. 

Auf die Bitte derjenigen Sträflinge, welche mit anderen 
Sträflingen nicht vermengt werden wollen, ist durch Verein¬ 
zelung derselben geeignete Rücksicht zu nehmen. 

Mit diesen Grundsätzen wollte man einen Mittelweg zwi¬ 
schen dem Auburn’schen und dem Pennsylvanischen Systeme 
im Interesse des Besserungszweckes einschlagen. Leitender 
Gedanke war: gänzliche Trennung der Schlechten von den 
Schlechten, Vermeidung der gehässigen Härten des solitary 
conflnement, der gerechte Besorgnisse einflössenden möst rigide 
and unremitted solitude. Arbeit, Unterricht, Besuche, Spazier¬ 


gänge sollten die Qual der Einzelhaft zu einer Wohlthat um¬ 
wandeln. Man erkannte bereits den Irrthum der geistigen 
Vereinsamung der Gefangenen und legte Gewicht auf Arbeit 
und anregenden Verkehr der Einzelhaftgefangenen mit Ver¬ 
trauenspersonen. 

Dagegen hegte man zum Theil noch sanguinische Hoff¬ 
nungen über die Ausführbarkeit und Wirksamkeit des strengen 
Schweiggebotes. 

Wir haben hier einen beachtenswerthen Versuch einer 
Vereinigung zweier Haftsysteme zu einer Zeit vor uns, in 
welcher die amerikanischen Gefängnissgesellschaften noch im 
heftigsten Streite über den Vorzug dieser Haftmethoden be¬ 
griffen waren und eine durch Sunner in der Bostoner Ge- 
fäügnissgesellschaft 1845 bewirkte Annäherung auf beiden Sei¬ 
ten noch nicht allgemeiner Statt gefunden hatte. Dass von 
einer Nachbildung des englischen Probationssystems auch nach 
der Eröffnung des model-prison zu Pentonville 1842 keine 
Rede sein konnte wegen der hierlands mangelnden Voraus¬ 
setzung der Transportation, wurde von der Wiener Gefängniss- 
kommission nicht ausgesprochen. — Wir finden auffallend ge¬ 
nug in kürzer Zeit einen Umschwung der Ansichten in den 
Berathungen über die Gefängnissreform: unter dem Eindrücke 
der v. Würth'schen Reiseberichte über das bestehende Peitf , 
tonviller Zellengefangniss wurde die Kommission in der / w 1 




307 


sieht bestärkt, dass es kein wirksameres Mittel der Abhilfe der 
Demoralisation der Gefangenen in der bisherigen Gemeteschäfta» 
haft gebe als die Einführung des gemilderten Vereinzelung*- 
Systems mittelst Eindellung bei Tag und Nacht, in Verbindung 
mit Beschäftigung, religiösen Uebungen, Unterricht, Empfang 
vön Besuchen, Bewegung in freier Luft. 

Der neue Strafhausbau sollte bei Wiener-Neustadt nach 
dem Pentonviller Vorbilde mit einigen Modifikationen durch¬ 
geführt werden. Schon 1844 lehnten die begeisterten Verthei- 
diger des Isolirungssystems den als Zugeständnis an die Geg¬ 
ner desselben gestellten Antrag mit grosser Majorität ab, im 
Zellengefängniss einige kleine Arbeitssäle für gemeinschaftliche 
Beschäftigung der Sträflinge in Reserve zu halten. 

Um den damaligen Standpunkt zu bezeichnen, welchen 
die österreichische Bureaukratie der Gefängnissbaukunst gegen¬ 
über 1844 eingenommen hatte, erwähne ich hier einige tech¬ 
nische Details. 

Ein Wasserbauinspektor machte den Voranschlag der 
Baukosten und der Einrichtung des für 800 Gefangene be¬ 
rechneten Gefängnisses. Er berechnete die bebaute Quadrat- 
klafter für die Einzelzelle mit 250 fl. Die Gesammtkosten soll¬ 
ten nur 828464 fl. 40 kr. ausmaohen. Nach dem Projekte be¬ 
trug der zu bebauende Flächenraum 3171, Q Klafter. 

Dagegen legte der Hofbaurath Springer im April 1845 
ein anderes Projekt vor, welcher Gelegenheit fand, auf seiner 
Studienreise auch das Pentonviller Gefängniss zu besuchen. 

Diesem Mustergefangnisse war das Projekt im Wesent¬ 
lichen nacbgebildet, nur dass eine grössere Anzahl von Zellen 
angebracht wurden, statt 500 deren 800, dass ein Gefängniss- 
hospital damit verbunden wurde und ausgedehntem Administra¬ 
tionsgebäude in Anschlag gebracht werden mussten. Von den 
5 Gefangnissgebäudeflügeln waren 4 Trakte für männliche 
und 1 Trakt für weibliche Sträflinge bestimmt. Jeder Trakt 
sollte 150 Zellen enthalten. 

Die zwei getrennten gegen Süden situirten Hospitaltrakte 
enthielten, der rechte Trakt für männliche kranke Sträflinge 
30 Zellen, der linke Trakt für weibliche Sträflinge 13Zellen. Eben¬ 
erdig wurden 20 Strafzellen projektirt, in der Gesaromtzahl 813. 



308 


Aus dem Centralraume waren sämmtHche 5 Gebäude¬ 
flügel mit einem Blicke zu übersehen. In seinem Umfange 
sollte das Gebäude im Viereck mit Mauern umgeben werden, 
welche an den Ecken von den dort situirten Militärwachzim¬ 
mern von aussen und innen gesehen werden können. In die¬ 
sem Verschlüsse, von dem eigentlichen Gefängnisse getrennt, 
lagen die beiden Hospitalflügel, doch so, dass die an den Central¬ 
raum anstossende Kirche von allen Sträflingen zugleich behufs 
des Gottesdienstes besucht werden konnte. Die einzelnen Flü¬ 
gel hatten die Länge von 37 V* Klafter. Sechs Spazierhöfe mit 
20 getrennten Abtheilungen. Hier wurden auch zwei Pump¬ 
werke vorbedacht, welche das Wasser in die unterm Dach 
befindlichen Reservoire schöpfen, aus weichen die Waschbecken 
einer jeden Zelle und die lebendigen Leibstühle ausgespühlt 
werden. Den Wasserbedarf sollten die Sträflinge sich selbst 
schöpfen. Von dem Souterrain sollte die Heitzung der ganzen 
Anstalt mit erwärmter Luft stattfinden. Auch die fast gleich¬ 
zeitig vom ungarischen Landtage eingesetzte Kommission zur 
Prüfung des Einzelhaftsystems und der von drei Baumeistern 
vorgelegtdn Baupläne entschied sich für die Heizung dureh 
erwärmte Luft oder Wasser. Ob diesem oder jenem der Vor¬ 
zug zu geben sei, blieb unentschieden. — Das Administrations- 
gebäude war ganz ausser dem Verschlüsse der Ringmauer und 
für sich so abgetheilt, dass in der Mitte die Sträflinge zuge- 
bracht werden konnten. Die Zugänge zu den Wohnbestand- 
stücken waren von diesem mittleren Eingang getrennt. 

Der Hofbaurath fand die von dem Wasserbauinspektor 
angegebenen Baukosten eher zu hoch als zu nieder gegriffen. 

Das von ihm überreichte Projekt nahm nur 2727 Q Klaf¬ 
ter bebauten Flächeninhalt an wegen veränderter zweckmäsgt- 
gerer Disposition der Lokalitäten und berechnete die Gesammt- 
kosten um 113019 fl. weniger. Jede Zelle sollte 7' breit, 
13' lang, 10' hoch sein. Man vergleiche hiemit das Programm 
für die Erbauung eines Zellengefangnisses in der Architecture 
des prisons cellulaires von Ducpetiau 1863, nicht so sehr um 
den riesigen Fortschritt in der Gefängnisskunde, als vielmehr 
v um die Differenzen in den sachkundigeren Kostenüberschlägen 
eklatant zu machen. In Belgien sind die Kosten für jeden 

\ 



309 


Zellengefangenen durchschnittlich veranschlagt mit 2915 Francs, 
ein Zellengefängniss mit 633 Zellen mit 1,690000 Francs, für 
jeden Zellensträfling mit 2670 Francs, das maison de stiretd 
zu Brügge mit 1,009228 Francs Baukosten für 322 Zellen, 
durchschnittlich für jeden Gefangenen mit 3547 Francs u. s. w. 

Der Kostenpunkt war nun selbst Freunden des Isolirungs- 
systems ein Stein des Anstosses. Nur als Kuriosität sei hier 
bemerkt, dass sich der Staatskanzler Metternich auch für das¬ 
selbe interessirte und nicht Anstand nahm, ein Memoire des 
weimar’schen Medicinalrathes Froriep der Wiener obersten 
Justizstelle zum allfälligen Gebrauche zu übersenden. Froriep 
schlug ernstlich vor, um die kostspieligen Zellengefängniss- 
bauten zu ersparen, eine wohlfeile Isolirung der Sinne der 
Gefangenen durchzuführen. Die Augen derselben sollten durch 
Binden, Masken bedeckt, der Mund mit Heftpflaster geschlos¬ 
sen, die Ohren künstlich verstopft werden, um den verderb¬ 
lichen Verkehr der Gefangenen unter einander zu beseitigen. 
Selbstverständlich wurde diese Eingabe ad acta gelegt. 

Für das Einzelhaftsystem hatten sich 1844 sämmtliche, 
insbesondere auch die geistlichen Kommissionsglieder ausge¬ 
sprochen. Die Stimmenmehrheit derselben hielt die Herstel¬ 
lung von gemeinschaftlichen Arbeitssälen für ganz entbehrlich 
und wegen des aus dem Zusammenleben der Sträflinge zu be¬ 
sorgenden Verderbnisses nicht räthlich. Ueber die Art und 
Weise des Baues sollten noch detaillirtere Studien gemacht 
werden. — 

Die vorgelegten Anträge fanden jedoch die a. h. Geneh¬ 
migung nicht. 

Es wurde erklärt, dass dieselben nicht die genügende 
Beruhigung gewähren, genauere Information und nochmalige 
kommissionelle Erörterung erforderlich wären. In diesem Sinne 
erging die a. h. Entschliessung vom 22. Jänner 1848. 

Erst im darauf folgenden Jahre hatte sich die Staats¬ 
regierung für das Vereinzelungssystem entschieden. Der Vor¬ 
trag des Justizministers vom 17. August 1849 empfahl die 
Einzelhaft für Untersuchungsgefangene und fflr zu höchstens 
einjähriger Strafzeit Verurtheilte und anerkannte, dass in der 
Einzelhaft nicht bloss der negative Vorzug der Beseitigung 



310 


verderblicher Einwirkungen, sondern auch wichtige positive 
Momente liegen, welche bessernd auf den Gefangenen ein wir¬ 
ken und wenigstens in manchen Fällen seine Umkehr zu einem 
ordentlichen Lebenswandel herbeizuführen geeignet sind. In ■ 
der Stille und Einsamkeit der Zelle werde dem Verbrecher ■ 
die Stimme seines Gewissens, die er unter den Abwechslungen 
des Alltaglebens nur zu leicht tibertäubte, vernehmbar. Ist; 
ein Gefangener dahin gebracht, sich selbst zum Gegenstand 1 
seines Nachdenkens zu machen, so sei schon ein grosser Schritt j 
gethan, ihn zur Reue und zum Vorsatze der Besserung hin-j 
zulenkep. Auch mache die Zellenhaft zugänglicher für Beleh-1 
rung und religiöse Gefühle, lasse die Arbeit nicht als eine Last, } 
sondern als eine VT ohlthat erscheinen und befördere die Nei-; 
gung zur Arbeitsamkeit. 

Die a. h. Entschliessung vom 24. August 1849 sanktio- 
nirte diese Grundsätze. Die Einzelhaft sollte bei allen Neu¬ 
bauten von Gefängnissen in diesem Sinne unbedingt, bei* 
Adaptirungsbauten aber, soweit es die örtlichen Verhältnisse 
zulassen, zum Grunde gelegt werden. 

Die hierüber ergangene Instruktion des Justizministeriums ! 
zeigte bereits den in Oesterreich gemachten Fortschritt in der 
Benützung der Erfahrungen auswärtiger Zellengefängnisse. 
Die Zellen sollten 12' lang, 7' breit, 10' hoch sein und hin¬ 
sichtlich der Ventilation, Heizung und anderer Einrichtungeü 
die neuesten Verbesserungen verwerthen. Man wollte durch 
die ersten grossen Versuche mit der Einzelhaft einer gründ¬ 
lichen planmässigen Reform der Gefängnisse Vorarbeiten und 
fing ganz richtig mit den Untersuchungsarresten an. Darauf 
sollten nach und nach Neubauten für Strafgefangene mit einem 
Maximum der Einzelhaft in selbstständigen Zellengefängnis9en 
in Angriff genommen werden. Es lag nicht in der Intention 
des damaligen Justizministeriums, mit einem Flickwerk von I 
vereinzelten Verbesserungen den Krebsschaden des bisherigen 
Gemeinschaftshaftsunwesens nur abzuschwächen oder dem nichts- j 
nutzigen faulen Stamme desselben einige Humanisirungsraass- 
regeln des verkehrten Strafvollzuges aufzupfropfen. Wiewohl 
das von der früheren vereinigten Hofkanzlei beantragte Klas- * 
sifikationssystem in Oesterreich als eine Verbesserung des j 

i I 




311 — 


Auburn’schen Systems ausgegeben wurde, insofern für einige 
Klassen der Sträflinge die vollständige Isolirung, für einige 
nur die Isolirung zur Nachtzeit eingeführt werden sollte, so 
behauptete sich doch in den massgebenden Kreisen die schon 
1844 scharf ausgesprochene Ansicht, dasB alles Klassificiren 
nur als ein Nothbehelf zu betrachten sei, die Sträflinge sich 
nach ihrer Moralität nicht zuverlässig klassificiren lassen, selbst 
bei der scharfsinnigsten und sorgfältigsten Vertheilung Miss¬ 
griffe mit gleissnerischen oder scheinbar minder gefährlichen 
Sträflingen unvermeidlich seien. 

Noch in anderen Beziehungen karakteristisch waren die 
seit den Kommissionsverhandlungen von 1844 zu Tage treten¬ 
den vorherrschenden Ansichten der Fachmänner über die Be¬ 
deutung der Einzelhaft. Darüber war nahebei Stimmeneinhel¬ 
ligkeit, dass der Strafvollzug in der Einzelhaft die frühere 
Extensivität mit der Intensivität der Strafe ausgleichen müsse, 
dass zwar alle ungerechtfertigten Peinigungen hierbei wegzu- 
fallen haben, aber die Einzelhaftstrafe stets als ein empfind¬ 
liches Uebel und keineswegs bloss als eine Freiheitsentziehung 
zum ausschliesslichen Zwecke der Besserung aufzufassen sei. 
Diese Auffassung kann als eine traditionelle bezeichnet werden. 
In Oesterreich herrschte stets die Meinung, das Strathaus dürfe 
nicht in eine blosse Erziehungsanstalt umwandelt werden. Der 
Sträfling müsse stets empfinden, dass auch das mühseligste 
Leben in der Freiheit ausser dem Straforte eine Wohlthat sei.--- 
Einige Gegner der Zellengefängnisse malten die Gefahren und 
Nachtheile derselben für die leibliche und geistige Gesundheit 
mit grellen Farben und erklärten, dass sich die härtere Strafe 
in der Einzelhaft nicht mit der allgemein bekannten Humani¬ 
tät der österreichischen Strafgesetzgebung vereinigen lasse. 
Es fehlte jedoch nicht an Erwiderungen und namentlich von 
ärztlicher Seite, welche die Humanität der ungebührlich zahl¬ 
reichen schweren Kerkerstrafen in Eisen selbst bei Verbrechen, 
welche nicht auf einer infamirenden Gesinnung beruhen, in 
Frage stellten und hervorhoben, dass noch keine genügenden 
Erfahrungen vorliegen, welche zu dem Ausspruche berechtig¬ 
ten, dass eine rationell eingerichtete Einzelhaft für längere 




312 


Zeit gesundheitsverderblicher sei wie jede andere Haftform - 
inner vier Wänden. 

Die häufig vorkommende Verhimmelung der Strafgesetz¬ 
gebung, welche zu ihrer Zeit 1803 eine vielfach treffliche, 
legislative Arbeit gewesen, aber nicht zeitgemäss im Revisions¬ 
wege fortgebildet worden ist, trug nicht wenig dazu bei, die i 
Menge über die Zurückgebliebenheit des österreichischen Strafen- 1 
Systems zu täuschen. Selbst 1852 gefiel man sich noch in der 
emphatischen Begeisterung für des höchsten Gesetzgebers Weis- 
heit und für die Gerechtigkeit und Milde in den Hauptbestim- ! 
mungen des einheimischen Strafgesetzbuches, nachdem das 
Justizministerium schon 1849 officiell die Unzulänglichkeit des- <■ 
selben anerkannt und erklärt hatte, dass dieses Gesetzbuch 
seiner vielen Vorzüge ungeachtet, dem gegenwärtigen Stand- ■ 
punkte der Wissenschaft nicht mehr genügt, und nur wegen 
Kürze der Zeit nicht gleichzeitig mit dem Strafprocessrechte 
umgearbeitet werden konnte. Erst ein Jahrzehent später sollte 
das Abgeordnetenhaus über dieses so viel gepriesene Straf¬ 
gesetzbuch den Stab brechen und das Bedürfniss einer neuen 
Kodifikation eklatant machen.*) — 

Die ältere österreichische Kriminalgeset/.gebung und Ge- ' 
fangnisspraxis dachte Bich in der Isolirung des Sträflings das 
härteste Strafübel. 

In gewisser Beziehung kann der älteste solitary confine- 
ment in Philadelphia nicht ungetheilt Originalität in Anspruch 
nehmen; wenigstens schrieb bereits das Josefinische Kriminal* 
gesetz von 1787 die einsame Haft als schwerste Freiheitsstrafe 
mit der Milderung vor, dass der Sträfling beschäftigt wurde. 
Dagegen wurde derselbe in seiner Zelle unmenschlich genug 
angeschmiedet. 

Als höchste Disciplinarstrafe galt in den altösterreichi¬ 
schen Strafhäusern die Einzelhaft, von welcher Hopfauer 1814 
berichtet, dass es für ungebildete Sträflinge keine empfindlichere 
Strafart gebe und diese oft mehr gefürchtet werde wie die 
schärfste körperliche Züchtigung. 

Die älteren Kriminalgerichtsordnungen schrieben zwar 
q,Uch bereits die Vereinzelung der Untersuchungsgefangenen 
Holtzendorff’s Allg. Deutsche Strafrechtszeitung 1867. Decemberheft ; 


313 


vor, allein diese Vorschrift blieb regelmässig bis in die Gegen¬ 
wart bloss auf dem Papier stehen. 

Selbst nach der a. h. Entschliessung von 1849, welche 
die Einzelhaft für die Untersuchungsgefangene sanktionirt hatte, 
kam es nicht dazu. Zwar wurden Vorbereitungen der Zellen¬ 
haft getroffen, selbst in einzelnen Strafanstalten, wie zu Garsten. 
Aber noch konnten die angeordneten Zelleneinrichtungen der 
allgemeinen Benützung nicht zugeführt werden, als mit dem 
Ende des Jahres 1850 die politische Reaktion zur Herrschaft 
gelangte, den Gedanken einer Reform des Strafsystemes mit 
Rücksicht auf die Rechtsgemeinsamkeit in den ungarischen 
Ländern über Bord warf, und die neue vermehrte Ausgabe 
des veralteten Strafgesetzbuches von 1852 die Einzelhaft nur 
als Strafverschärfung und Disciplinarstrafe ohne Weiteres bei¬ 
behielt. Selbst die bereits seit 1848 abgeschaffte human körper¬ 
liche Züchtigung kam erst als Disciplinarstrafe, dann als Straf¬ 
verschärfung bei Rückfälligen und als Stellvertretung der 
Arreststrafe wieder zu Ehren. Die ererbten Uebelstände des 
Gefängnisswesen3 — die ganz unverhältnissmässige Ueber- 
völkerung, der Mangel an zweckmässigen baulichen Einrich¬ 
tungen, die zur sittlichen Verwilderung führende Gemeinschafts¬ 
haft in Schlaf- und Arbeitsarresten, die oft monatelange Stockung 
des Arbeitsbetriebes in den Gefängnissen, die grosse Sterblich¬ 
keit in den dunstigen verpesteten Räumen, die Ungleichförmig¬ 
keit der Behandlung der Sträflinge in den verschiedenen Pro¬ 
vinzialstrafhäusern, das unzulängliche Wärterpersonal in den 
verwahrlosten Gerichtsgefänguissen — blieb vor der Hand 
heim Alten. 

Seit 1848 wagten die Tagesblätter diese Uebelstände 
scharf zu rügen, und häufig hatten derlei Beschwerden komis- 
sionelle Erhebungen der Gravamina zur Folge. Es dürften 
hier einige Notizen genügen, um das Bild der damaligen Ge- 
fängnisszustände zu zeichnen. .Die Zeitschrift „Gradaus“ 1848 
Nr. 71 besprach die Gebrechen des Provinzialstrafhauses zu 
Brünn. 

Das Justizministerium ordnete eine Untersuchung an. 
Befunden wurde, dass zwar nicht alle geschilderten grellen 
Uebelstände vorhanden wären, aber doch eine sehr grosse, 



314 


Sterblichkeit, indem jährlich mehr als der zehnte Theil der . 
Gefangenen mit dem Tode abgeht, zum Theil weil viele der- j 
selben in den ungesunden überfüllten Arresten hinsiechen oder 
in trägem Müssiggange Selbstbefleckung treiben, weil verwahr¬ 
loste Aborte die Luft verpesten, weil die nach der a. h. Ent- j 
Schliessung vom 22. Mai 1848 angeordnete Klassenabtheilung i 
der gebildeten Sträflinge verabsäumt werde; indem die Vor- j 
stehung diese als Aufseher in den Arresten der schlechten j 
Sträflinge nicht entbehren zu können glaubte. Auch wurde 
bemerkt, dass die Verordnung vom 8. Juli 1848 hinsichtlich 
der Verwendung der Sträflinge zu Arbeiten ausser dem Hause j 
nicht gehörig befolgt werde und zu kleine Brodportionen ver¬ 
theilt werden. \ 

1851 wurde über die Uebelstände in dem später aufge¬ 
hobenen Strafhause auf dem Spielberge amtlich berichtet. Es 
befanden sich sämmtliche Wiener Sträflinge, welche wegen 
Ueberfüllung auf dem Spielberg in den sog. galizischen Trakt 
abgeliefert wurden, ohne alle Arbeit; sie lagen Tag und Nacht 
auf ihren Lagerstätten oder trippelten in den viel zu engen 
dunstigen Stuben hin und her, die Kasamatten, seit 80 Jahren 
als gesundheitsschädlich feucht verschrien, waren überfüllt, ein 
grosser Theil der Gefangenen lag im Spital. Ja im Brün- 
ner Strafhause wurden 1852 falsche Banknoten im Arrest Nr. 6 
fabricirt — und ausgegeben. Diese in ihrer Art kaum über- 
troffenen Ordnungswidrigkeiten in der Verwaltung Hessen auf 
einen sehr bedauerlichen Zustand schliessen. —- 


III. 


Obgleich bereits 1844 die vereinigte Hofkanzlei ausge¬ 
sprochen hatte, das gegenwärtige Gefängnisssystem sei durch¬ 
aus unhaltbar und die Isolirung der Gefangenen ein dringen¬ 
des Bedürfniss, so konnte sich das Ministerium Bach doch nicht 
zur Einführung dieses wieder skeptisch und oberflächlich zu¬ 
gleich bei Seite gelegten Haftsystems entschliessen. Seit 1853 
ging von diesem Ministerium mit Umgehung des Justizmini¬ 
steriums, welchem nur die Gericbtsgefangnisse zugewiesen 
waren, eine Umgestaltung in anderer Richtung aus. 

Von einer Fortführung der Zellenbauten war keine Rede 



mehr. 1853 waren, um ein Beispiel zu geben, zu Garsten vor 
der Hand für 47 Sträflinge die 1849 angeordneten Zellen in 
Bereitschaft. Es sollten noch 33 Sträflinge aus Niederösterreich 
daselbst unterbracht werden. Allein da nur fUr die Unterbringung 
eines Sträflings in den Zellen vorgedacht war, so wurde die 
Beischaffung einer zweiten Hängematte in je einer Zelle des 
| dritten Stockes im Conventtrakte beliebt, wobei zu bemerken 
: ist, dass die 18 Zoll dicke Zellenscheidemauer durch Anbringung 
, der Eisenringe für die zweite Hängematte leiden musste. Es 
I sollte daher vorläufig eine eiserne Bettstätte nach dem Vor¬ 
schläge der Behörde für den zweiten Sträfling anfgestellt werden. 

Um den Kalamitäten der Ueberfüllung im Wiener Straf¬ 
hause zu entgehen, sollten jedoch mehrere Sträflinge sofort 
nach Garsten geschickt werden und vorläufig auf Strohsäcken 
; auf dem Boden schlafen, bis dje Bettstätten hergestellt sein werden. 

| Zu erinnern wäre hier, dass viele Vorsteher der Straf* 

! anstalten dem Einzelhaftsysteme das Wort sprachen und die 
' Erklärung abgaben, dass sich die Einzelhaft auch ohne Prügel¬ 
strafe als hinreichend zur Erhaltung der Disciplin erwiesen 
| habe. Allein diese Erinnerungen konnten keinen weitergreifen¬ 
den Umschwung zu Gunsten des Vereinzelungssystems herbei¬ 
führen. Auch das Justizministerium batte damals nur eine unter- 
j geordnete Rolle in der Gefängnissreform zu spielen. Das 
| Ministerium des Innern war Alles. Ersteres bemühte sich, 
einzelne Humanisirungen der Haft einzuführen. So der Erlass 
des Justizministeriums an das niederösterreichisohe Oberlandes- 
! gericht vom 10. Mai 1852, welcher den Gefangenen in den 
| Arresten den Gebrauch des Lichtes zur Abendzeit, das Tabak- 
[ rauchen mit besonderer Bewilligung des Hauskommissärs ge¬ 
stattete und viel Bewegung in freier Luft anordnete. — 

Mit grosser Energie wurden nun in den zahlreichen 
Adaptirungsbauten der Strafanstalten und Zwangsarbeitshäuser 
in kurzer Zeit für männliche und weibliche Gefangene 13,000 
Belegräume hergestellt, um der hergebrachten Uebersetzung 
der Strafanstalten entgegenzuwirken. Leider pfuschte man mit 
vielen zweckwidrigen und kostspieligen baulichen Einrichtungen. 
Ferner wurde die pachtweise Ueberlassung der meisten Straf- 
und Zwangarbeitsanstalten an Ordensschwestern beschlossen, 



316 


von welchen das Konkordats-Ministerium sehr zuversichtlich 
nicht nur eine Belebung des sittlich-religiösen Elementes, son¬ 
dern auch namhafte Ersparungen erwartete. Die Benützung 
der Arbeitskräfte blieb hierbei — unentgeldlich den geistlichen 
Korporationen zur freien Verfügung und dazu kam noch ein 
erheblich höherer Verpflegskostenbetrag. Mehrere geistliche 
Strafanstalten zeichneten sich allerdings durch grosse Reinlich¬ 
keit, durch zweckmässig geregelten Arbeitsbetrieb u. m. a. aus; 
allein die Segnungen der klerikalen Verwaltung und die Quali¬ 
fikationstabellen von den angeblich zahlreich durch die geist¬ 
liche Zucht gebesserten Sträflingen und Zwänglingen fanden 
so wenig Glauben wie die Anpreisung der angeblichen finan¬ 
ziellen Ersparungen für den Staatsschatz. Im Jahre 1859 
kostete in den Staatsanstalten der Gefangene per Tag 33 55 /ioo kr., 
in den geistlichen Anstalten 45 60 /ioo Kreuzer, durchschnittlich 
in letzterem um 12 5 /ioo kr. mehr, ein Kostenunterschied, der 
einen Mehraufwand von nahezu einer Drittel-Million darstellte. 
Nach einem buchhalterischen Elaborate der Prager Statthalte¬ 
rei betrug 1860 der Aufwand der den frommen Schwestern 
überlassenen Anstalten auf Grundlage eines fünfjährigen Durch¬ 
schnittes hinsichtlich der Sträflinge per Tag und Kopf um 
9Vio kr., bei den Zwänglingen per Tag und Kopf um IT^/ioo hr. 
mehr als in den der Staatsregie verbliebenen Haftanstalten. 
Obgleich der Verpflegsbetrag nicht bloss zur Deckung der 
Kost, sondern auch zur Erhaltung der Gebäude und der Ein¬ 
richtung, der ärztlichen Pflege, der Hauswache, der Kleidung 
dienen sollte, war derselbe doch wenigstens so hoch gegriffen, > 
dass nach einigen Jahren, ungeachtet der zunehmenden Theue- i 
rung, eine Herabsetzung desselben erwirkt werden konnte. 
Immerhin erklärte ein Gerichtshof in dem Pressprocesse der 
Wiener medicinischen Zeitschrift 1864 die Anschuldigung, dass 
die Ordensfrauen aus der Obhut über die Strafanstalt ein ein¬ 


trägliches Erwerbsgeschäft machen, für unwahr, nachdem du 
Öffentliche Meinung bereits die Kündigung der Verträge '"'fiii 
den frommen Schwestern aus administrativen und finanzielle 
Gründen in Uebereinstimmung mit dem Abgeordnetenhali# 
verlangt hatte. Ich habe über die geistlichen Strafanstawte 
Ausführlicheres in der Allgemeinen Deutschen Strafr^nt 



317 


zeitnng seit 1864 auf Grund fortgesetzter Besuche derselben 
mitgetheilt und mit unbefangener Objektivität die Vorgefunde¬ 
nen Zustände besprochen. Zugschwerdt hat im Anschluss an 
diese Aufzeichnungen in seiner Schrift „über die Verwendung 
geistlicher Korporationen in den Strafanstalten“ meine gemach¬ 
ten Beobachtungen bestätigt und von keiner Seite wurde es 
auch nur versucht, meine Strafhausberichte zu widerlegen. 

IV. 

Das Abgeordnetenhaus hatte die Gefangnissfrage 1863 
nur oberflächlich behandelt, lediglich den Stab über die geist¬ 
liche Strafhausverwaltung gebrochen und von der Initiative 
der Staatsregierung eine zeitgemässe Gefängnissreform in Oest- 
reich gefordert. — Erst 1865 kam es zu vorbereitenden 
Schritten. 

Der schon von Würth empfohlenen Herstellung einer 
einheitlichen Centralleitung sämmtlicher Strafanstalten und Ge¬ 
richtsgefängnisse in der Hand des Justizministeriums folgte die 
Besetzung der Stelle eines Generalgefängnissinspectors und 
eine Reihe viel verheissender Ministerialerlässe über den Ar¬ 
beitsbetrieb, die individualisirende Behandlung der Gefangenen, 
die Gefangnissstatistik, die Pflegschaft entlassener Gefangenen, 
die Trennung der ökonomischen Verwaltung und der Verfü¬ 
gung über die Arbeitskraft der Sträflinge von der Handhabung 
der Disciplinargewalt und der Gefängnisszucht. In diesem 
Sinne sollten die Verträge mit den Ordensschwestern modifi- 
cirt, den Civilbeamten in den Strafanstalten eine grössere Wirk¬ 
samkeit eingeräumt werden. Einige Verträge wurden gekün¬ 
digt, bei mehreren geistlichen Vorständen gelang es, Reduci- 
rungen der Verpflegsgebühren durchzusetzen. Eine principielle 
Lösung der Gefängnissreform an Haupt und Gliedern kam 
sieht zu Stande. 

Besonderes Augenmerk wurde auf die Strafanstalten zu 
. Garsten, Stein, Neudorf gerichtet. Der Generalgefängniss- 
i inspector von Hye besuchte zwar nicht alle, aber viele Ge¬ 
ll fangnisse und verkehrte sehr eingehend und wohlwollend mit 
den Sträflingen. Auch die Staatsanwaltschaften widmeten den 
yStrafanstalten erhöhte Theilnahme und unter den Auspicien 

Blittor fffcr Geftngni*»kund« TU, 22 

# 

l . Ss-' 



318 


der neuen Gefängnisamspeotion wurden nicht nur einzelne 
schätzbare Verbesserungen und Milderungen eingeführt, son- 
dern auch von dem Beschwerderechte der Gefangenen und dem 
Rechte der Beantragung auf Nachsicht des Strafrestes ungleich 
häufiger Gebrauch gemacht. Die wichtigsten Verordnungen in 
dieser Richtung haben diese Blätter für Gefängnisskunde be¬ 
reits mitgetheilt, so dass hier dieselben als bekannt vorausge* 
setzt werden dürfen. Auch in den vernachlässigten Gerichts¬ 
gefängnissen sollte hinsichtlich der Beschäftigung und des Unter¬ 
richts der Gefangenen ein Anfang zum Besseren gemacht wer¬ 
den. Auch hier erachtete man es als erste Aufgabe, den Besse¬ 
rungszweck der Strafe mehr als dieaB bei der bisherigen Be- 
handlungsweise der Fall war, ins Auge zu fassen» Die Be¬ 
schäftigung sollte als Besserungsmittel vorwerthet, durch den 
Ueberverdienst ein Sparpfennig für die Zeit der Entlassung 
und ein Motiv zur Arbeitsfreudigkeit gewonnen werden. Die 
Ergebnisse dieser Bestrebungen sollten dnrch die öffentlichen 
Blätter zur allgemeinen Kenntniss gebracht werden, worauf in 
der Presse bei der Erörterung der Gefangnissfrage in Oester¬ 
reich wiederholt hohes Gewicht gelegt worden ist.*) Nicht 
gering sind die Schwierigkeiten, welche sich der Regelung 
einer ununterbrochenen und zweckmässigen Beschäftigung der 
Gerichtsgefangenen entgegenatellen. Nicht nur mangelhafte 
Lokalitäten, kürzere Dauer der Haft, geringeres Aufseher- 
personal, die geringere und häufig wechselnde Anzahl der Häft¬ 
linge 5 auch die trotz aller Mühe schwer zu besiegende Ab¬ 
neigung des gewerbetreibenden Publikums, Sträflinge für ihre 
Arbeiten zu verwenden, lassen nur allmälig eine durchgreifende 
Verbesserung des Arbeitsbetriebes in den Gerichtsgefängnissen 
erwarten. Immerhin sind die Arbeitsergebnisse relativ noch 
günstiger für den Anfang ausgefallen als die Ergebnisse des 
Unterrichts, was selbst die amtliche Kundmachung in der 
Wiener Zeitung vom 11 . April 1867 nicht verschwieg. Nur 
in einigen Gerichtsgefängnissen gelang cs dem Eifer der Vor¬ 
steher, eine angemessenere und lohnende Beschäftigung einzu¬ 
führen, 2 . B. in Ried, wo Btroherzengnisae in 83 Sorten ver¬ 
fertigt werden, wie Decken, Matten, Schuhe, Bienenkörbe, Bret- 
*) Ailg. ögterr. Gerichtszeitung 1866. Nr. 7—9, 13. 



819 


und Backschüsseln mit einem Durchschnittsverdienste der Ge¬ 
fangenen für einen Arbeitstag von 6 Kreuzer ö. W. In an¬ 
deren Straforten schwankte der Tagesverdienst zwischen 6 und 
29 Kreuzer, abgesehen von den zahlreichen Gefangenen, die 
nur zu Hausarbeiten verwendet werden konnten. Der Unter¬ 
richt ist dagegen in diesen Gefängnissen erbärmlich bestellt. 
Nur wenige Ausnahmen sind hier zu nennen, wo die betreffen¬ 
den Gefangnissgeistlichen oder einzelne gebildete Sträflinge 
als Lehrer im Schreiben, Rechnen u. dgl. Unterricht ertheilen 
oder gemeinnützige Bücher vorlesen. 

Selbst dieser zurückgebliebene Zustand der Gerichts- 
gefangnisse erscheint nicht so kläglich, wenn damit das Ge- 
fängnisswesen verglichen wird, wie solches vor 18£3 in den 
ungarischen Ländern des Kaiserstaates bestanden hat. 

V. 

So verkommen war das ungarische Gefangnisswesen aus 
der Zeit der vormärzlichen ungarischen Administration, dass 
bei der Zutheilung desselben an das Wiener Ministerium des 
Innern und der Justiz in einem Vortrage über die Organisa¬ 
tion der Gefängnisse im Gesammtstaate an den Kaiser von 
dem Minister Bach erklärt werden konnte, in dem grossen 
Königreiche Ungarn sammt seinen ehemaligen Nebenländern 
habe sieh bei der Vereinigung dieser Länder mit den übrigen 
Theiieu der Gesammtmonarchie nicht eine einzige zweckmässig 
eingerichtete, ja nicht einmal eine einzige Civilstrafanstalt vor¬ 
gefunden, welche zur gesicherten Verwahrung gefährlicher, 
von jedem Verkehre mit der Aussen weit strenge entfernt zu 
haltender Verbrecher geeignet gewesen wäre. 

Erat das Ministerium des Reiches musste ^u Waitzen 
für 1000, zu Mnnkacz für 800, zu Lepoglava für 460, zu 
Leopoldetadt für 1000, zu Illava für 1000, zu Szivacz für 800 
Gefangene, abgesehen von Maria Nostra für weibliche Ge¬ 
fangene, die nothwendigsten Gefängnisseinrichtungen vorkehren. 
Es gehört Naivität oder Vergesslichkeit dazu, diesen Umstand 
todtzusehweigen, denn was an den bestehenden Strafanstalten 
m Ungarn halbwegs brauchbar ist, verdankten die Länder der 
ungarischen Krone nicht dem Landtage, nicht den Ständen, 

21 * 



320 


nicht dem königlichen Fiskus, vielmehr der österreichischen 
Centralregierung in Wien. 

Der ungarische Landtag hat mit seinem Strafgesetz- 
entwurfe und seinem Entwürfe über 10 Distriktsgefängnisse 
mit Einzelhaft seit 1840 wohl grossartige Intentionen und an¬ 
geblich etwa 150 Zellen, aber keine zur That gewordenen 
Reformen der Nachwelt als werthvolle Andenken zurückge¬ 
lassen; Worte, Projekte, keine nationale Leistungen. Es ist 
nicht ganz richtig, dass durch die absolutistische Herrschaft 
Ungarn’s Gefangnissreform im Keime jerstickt worden, wie 
Dr. Vüncs in der Allg. D. Strafrechtszeitung, Märzheft 1867, 
behauptete. Gegenüber den altungarischen Gefängnissen er¬ 
schienen selbst die unter dem Bach’schen Regime hergestell¬ 
ten noch als modelprisons, so wenig wir Ursache haben, 
auf diese Errungenschaften stolz zu sein. Wie glücklich wäre 
Oesterreich, hätte der Absolutismus keinen anderen als diesen 
Bethlehem’schen Kindermord sich zu Schulden kommen lassen. 
Nur in einzelnen kleinen Gerichtsgefängnissen sollen damals 
Zellen errichtet worden sein, für den durchgreifenden Ernst 
in der thatkräftigen Ausführung der Reform im Sinne der 
Einzelhaft war auch jenseits der Leitha keine nachweisbare 
Leistung geltend zu machen. Man kann über die durch das 
Konkordatsministerium angestrebte Umgestaltung der Straf¬ 
anstalten aus triftigeren Gründen den Stab brechen, allein nicht 
behaupten, dass Ungarn nur durch die absolutistische Regie¬ 
rung in Wien verhindert worden sei, die Ideen von 1843 im 
ungarischen Gefangnisswesen bis zum Jahre 1848 zu realisiren. 
Erzählen doch August Pulsky und Emil Tauffer in ihrer ge¬ 
krönten Preisschrift über das Gefangnisswesen nach den Land¬ 
tagsverhandlungen, dass die Magnatentafel das projektirte 
Einzelhaftsystem theils wegen Mangels der nothwendigen Vor¬ 
bereitungen und hauptsächlich des zur Verwaltung der Ge¬ 
fängnisse nöthigen Personals, theils wegen der grossen Kosten 
der ersten Einrichtung nur prohweise in einem Mustergefang- 
nisse eingeführt wissen wollte und inzwischen die bestehenden 
Gefängnisse nach dem Entwürfe der vom 1821er Landtage 
entsendeten Kommission durch Klassifikation der Sträflinge 
zu verbessern beabsichtigte, dass das Unterhaus hierauf ^on 




— 321 — 

seinem früheren Anträge zurtickgetreten und sich mit vier 
Distriktsgefängnissen mit Einzelh^t vorläufig begnügte, aber 
in Bezug der Kosten keine Verständigung erzielt werden konnte. 
Ein Kompromiss kam 1844 zu Stande. Das Aerar sollte die 
Kosten tragen. Die Auflösung des Landtages endigte den sehr 
beachtenswerthen Anlauf zu einer Gefängnissreform. Zu einer 
weiteren legislativen Aktion kam es nicht. Interessant ist, dass 
bei der principiellen Berathung im Landtage und in der Kom¬ 
mission Einige die Strafbestimmungen des Gesetzentwurfes 
nach dem Schweig- und Einzelhaftsystem ausgearbeitet wissen 
wollten, Andere in einer und derselben Anstalt für die grösse¬ 
ren Verbrecher das Isolirsystem, für die minder Schuldigen 
das Schweigsystem befürworteten. Die Kommission stellte je¬ 
doch begreiflicherweise nur auf Einführung des Vereinzelungs- 
Bystems den Antrag, von der Ansicht geleitet, dass wenn die 
Zellengefangnisse sich nicht bewähren sollten, dieselben viel 
leichter zu sogen. Auburn’schen Gefängnissen umgestaltet wer¬ 
den könnten als umgekehrt.*) 

Literarisch und in ausführlichen Kommissionsverhand¬ 
lungen wurde die Frage nach der Reform des Gefängniss- 
wesens, diesseits und jenseits der Leitha, beinahe gleichzeitig 
in Angriff genommen. In beiden Theilen der Monarchie hatte 
sich die eminente Mehrheit zu Gunsten derselben ausgesprochen. 
Es gab wenig Zweige der Verwaltung, welchen sich in Oester¬ 
reich in dem letzten Vierteljahrhundert eine allgemeinere Auf¬ 
merksamkeit zugewendet hätte. Es handelte sich mithin zur 
Zeit als das Ministerium Bach die Reorganisation des Gefang- 
nisswesens in die Hand nahm, nicht mehr darum, Versuche 
zu machen, vielmehr nur die kostspieligen Erfahrungen ande¬ 
rer Staaten zu benützen und auf Grundlage derselben schon 
bewährte Einrichtungen in Oesterreich einzuführen. Denn dass 
mit der bisherigen alten Gemeinschaftshaft gebrochen werden 
müsse, war unter Sachkundigen bis zur Evidenz dargethan, 
auch hatte es der frühere Justizminister Schmerling in dem 
a. u. Vortrage vom 17. August 1849 ausgesprochen, dass die 
mit dieser gemeinsamen Haft unvermeidlich verbundene mora- 


*) Allg. Deutsche Strafrechtszeitung. Oktoberheft 1867. 



322 


•1 


fache Verschlechterung der Sträflinge dem Staate, der sie 
veranlasst, eine schwere ^rantwortung aufladet. i 

Ebenso wurde anerkannt, dass das Schweigsystem wegen 
der übermässigen Strenge und des zahlreichen Aufsichtsperso- 
nales, wodurch allein die scheinbare Aufrechthaltung des 
Schweiggebots möglich wird, sowie wegen der erbitternden i 
Wirkung, welche diese vexatorische Kontrole auf die Gemtt- I 
ther der Gefangenen ausübt, nicht weniger unrathsam sei, wie 
die Anhaltung von nur zwei oder drei Gefangenen in einer ; 
Stube, zumal die Anhaltung einer grösseren Anzahl von 10 
bis 20 Köpfen in einem gemeinschaftlichen Saale, eine bessere 
Ueberwachung und wenigstens eine Hintanhaltung der gröbsten 
Ordnungswidrigkeiten ermögliche. Ganz bestimmt wurde erklärt, 
dass die Anwendung desKlassifikationssytems, wie es in Edinburg, 
Genf und St. Gallen durchgeführt ist, auf die bei den Gerichtshöfen 
anzuhaltenden Sträflinge unausführbar sei, abgesehen davon, 
dass die zwei Hauptgrundlagen dieses Systems, die moralische 
Klassifikation und das Schweiggebot auf Selbsttäuschungen j 
beruhen. 

So viel lag klar vor, dass die meisten Gefangnisskundi- 
gen von Bedeutung in Oesterreich dem Vereinzelungssystem 
bei kurzdauernden Haftzeiten einen unbedingten Vorzug ein¬ 
geräumt wissen wollten. 

Man berechnete, dass der Bau von Zellengefangnissen 
um 15 bis 20 Procent höher zu stehen komme als derjenige 
von Gefängnissen nach dem Klassifikationssysteme. NachWürth’s 
Annahme sollte ein Gefängniss mit 50 Zellen auf etwa 50000 fl. 
zu stehen kommen, während in England die Zelle durchschnitt- ’ 
lieh auf 100 L. Sterling, in London selbst auf 140 Pfund, in 
Paris auf 3000 Francs, in Frankreich auf dem Lande auf etwa 
2500 Francs zu stehen kommt. 

Man hob hervor, dass durch die nothwendige Abkürzung 
der Strafzeiten in der Zellenhaft namhafte Verpflegskosten- ] 
betrage erspart werden, abgesehen von dem unberechenbaren 
Vortheil einer besseren, die Interessen der Gesellschaft wirk¬ 
samer sichernden Gefängnisszucht. 

Vergebens! 

Nur mit wenigen Worten wurde vom Ministerium Bach 


- 833 


die Unanwendharkeit des Einzeih aft&ystemes in dem grossen 
Umfange des Kaiserstaatea abgefertigt. 

VI. 

Es verging mehr als ein Jahrzehnt, ehe an eine princi- 
pielle Anbahnung eines neuen Haftaysteroes in Oesterreich 
auch nur officiöa gedacht wurde. 

Seit 1805 ist nun wohl davon die Rede. Allein wie denkt 
man sieh den Uebergang zu einem neuen Gefönguisssysteme, 
was thut das Justizministerium und die Gesetzgebung; um 
diesen Uebergang praktisch vorzubereiten? Was ist bisher 
principieU geschehen, um der Verschlechterung der Gefange¬ 
nen in den nicht einmal mit den unerlässlichen Klassenabthei- 
luugen versehenen Gefängnissen abzuhelfen? 

Daa alte, die letzten gesunden Elemente der Gefangenen 
verscheuchende Grundübel unserer Gericbtsgefäuguisse und 
Strafanstalten, dessen radikale Beseitigung schon 1842 als 
dringendstes Bedürfniss anerkannt worden ist, besteht an vielen 
Straforten noch zur Stunde. 

Eine gründliche Abhilfe dieses Krebsschadens unserer 
Gefängnisse ist nur möglich, wenn die Ursachen durchaus be¬ 
seitigt werden, welche die anerkannten Misserfolge derselben 
herbeigeführt haben und fortwährend herbeiführen. 

Es musste daher vor Allem entschlossen Hand angelegt 
werden an die mit wenigen Ausnahmen ungetheilte Gemein¬ 
schaftshaft, Es durfte sich die Verwaltung unserer Gefängnisse 
nicht dem Irrtbume hingeben, als könne mit Abschlagszahlungen 
vereinzelter Verbesserungen des Arbeitsbetriebes, des Untex*- 
riohtes, der Diseiplin oder mit Humanisirungen des Strafvoll¬ 
zuges allein dem seit einem Vierteljahrhunderte dringenden 
Reformbedürfnisse gedient sein. Es konnte keine bitterere Täu¬ 
schung geben als zu wähnen, dem faulen morschen Stamme 
der alten verderblichen Gemeinschaftshalt durch Aufpropfen 
einzelner guter Einrichtungen neue heilsame Triebkraft, ge¬ 
sunde Früchte abringen zu können. Es konnte nichts Bedenk¬ 
licheres geben, als zur Stunde den Sträflingen in grossen ge¬ 
meinsamen Schlaf- und Arbeitssälen Begünstigungen oder Er¬ 
leichterungen einzuräumen, die lediglich auf individualisirende 



324 


Behandlung in kleineren Separationen oder in Einzelzellen be¬ 
rechnet , eine erspriessliche Wirkung hervorzubringen im 
Stande sind. — 

Das Justizministerium hat den Weg einzelner Verbesse- 
rungsmassregeln eingeschlagen. 

Gegenüber den Angriffen auf die in den Strafanstalten 
mit zum grossen Theile uneingeschränkter Gemeinschaftshaft 
den Gefangenen neuerlich gemachten Zugeständnisse; erklärte 
dasselbe im Hause der Abgeordneten; in der Sitzung vom 
19. Juli 1867, dass es aut einzelne Begünstigungen, wie ins¬ 
besondere die Gestattung der Lektüre, namentlich die Lektüre 
von Zeitungen und der Gestattung des Tabakschnupfens und 
des Tabakrauchens Werth lege aus dem Standpunkte der . 
Humanität und Gerechtigkeit. In der That konnte die General- 
gefängnissinspection mit gerechter Genugthuung darauf hin- 
weisen, dass sie bereits viel für die Beischaffung von Büchern j 
für die Gefängnisse geleistet habe, unterstützt von Wiener 
Buchhändlern, von dem Wiener Volksschriftenverein. Sie hätte 
noch bemerken können, dass letzterer durch das Justizministerium 
in seiner Bemühung, ein anregendes und belehrendes Lese¬ 
buch für Gefangene herauszugeben, materiell unterstützt wurde. 
Dieses unter dem Titel: „Volkslesebuch® bald erscheinendeWerk 
ist von dem bekannten Volksschriftsteller Dr. FerdinandStamm 
auf Anregung des Schreibers dieser Zeilen m sehr anziehen¬ 
der und frischer Form ausgearbeitet und wird hoffentlich sei¬ 
nen Weg durch die Strafanstalten Deutschlands machen. 

Ein Redner im Abgeordnetenhause schilderte die einge- 
rissene Lockerung der Disciplin in der Strafanstalt zu Garsten 
und forderte, dass man einen Unterschied machen sollte zwi¬ 
schen solchen Gefangenen, die zum ersten Male gefallen und 
rückfälligen oder — Gewohnheitsverbrechern, zwischen ge¬ 
meinen ehrlosen und politischen Verbrechern. 

Das Justizministerium erwiderte nun hierauf, dass seine 
ernstesten thatsächlichen Bemühungen seit Jahr und Tag ge¬ 
rade auf die Herstellung dieser Klassenabtheilungen abzielen 
und dass diese seit Anfang 1867 gerade für die Sprengel des | 
österreichischeiHrad steierischen Oberlandesgerichtes auch schon 
in Verwirklichung getreten sind. 



y. Hye erklärte: Wir haben seit Anfang dieses Jahres 
bereits eine neue Strafanstalt in Suben in Oberösterreich ge¬ 
gründet, in welcher die gebildeten, die jugendlichen, die pöli- 
tischen, die zum ersten Mal bestraften und besserungsfähigen 
Gefangenen angehalten werden. Diese Klassifikation habe die 
Regierung gefunden mit den beschränkten Mitteln, welche die 
Dotation des Finanzgesetzes darbietet. Diese Klassifikation in 
der ganzen Monarchie durchzuführen, sei die unverrückbare 
Aufgabe des Justizministeriums seit mehr als Jahr und Tag. 
v. Hye sprach die Hoffnung aus, diese Aufgabe in 2—3 Jah¬ 
ren vollkommen zu erreichen. — 

Zugegeben wurde, dass die Untersuchungshaft viel schlech¬ 
ter als die eigentliche Strafhaft sei und diese Kalamität durch 
die ausserordentlich traurige Lokalitätenlage beinahe aller Unter¬ 
suchungsgerichte bedingt sei, am schlimmsten stehe es hiemit 
in Dalmatien und Galizien. Ohne grosse Dotation lasse sich 
diesen traurigen Zuständen, in welchen dieses Justizministerium 
das Gefangnisswesen, weil es beinahe in jeder Provinz anders 
geregelt war, gefunden habe, mit Einem Schlage schwer ab¬ 
helfen. — 

Damit hatte das Justizministerium einerseits unumwun¬ 
den die vielen faulen Punkte unseres Gefangnisswesens zuge¬ 
standen, anderseits sanguinisch mehr verheissen, als es zu er¬ 
füllen im Stande sein konnte, denn eine Durchführung der 
oben erwähnten Klassifikation binnen zwei, drei Jahren bei 
genügender Dotation „in der ganzen Monarchie“ konnte seit 
der Anerkennung des Dualismus diesseits und jenseits der 
Leitha wohl nicht ernstlich gemeint sein. 

Nach diesem officiellen Programm steht die österreichi¬ 
sche Gefängnissreform vor der Hand beim Klassificiren 
und zwar zu einer Zeit, in welcher der Strafgesetzentwurf 
von 1867 die Einzelhaft als die regelmässige Art der Ab- 
büssung der Freiheitsstrafe in Vorschlag bringt und für welche 
sich der Ausschussbericht im Abgeordnetenhaus einhellig und 
ohne Skrupel über die langzeitige Zellenhaft ausgesprochen hat. 

Es lässt sich nicht verkennen, dass das Justizministerium 
Gutes zu wirken bemüht ist durch Einführung zahlreicherer 
Klassenabtheilungen der Gefangenen. 



826 


Aber damit werden die Bedenken mcht^entkräftet, welche 
gegen das Klassifikationssystem in Oesterreich und in anderen 
Staaten seit mehreren Jahrzehnten geltend gemacht worden 
sind. Diese Klasseneinrichtung wird die Aufrechthaltung der 
Disciplin und Versuche einer mehr individualisirendea Behand¬ 
lung etwas erleichtern, allein der Zweck, die Gefangenen nach 
der Stufe ihrer sittlichen Widerstandskraft ihrer Beaserungs- 
fähigkeit, ihrer Gesinnungsqualität zu gruppiren und innerhalb 
einer besseren Klasse zuverlässig die gefährlichen anstecken¬ 
den Elemente der Unsittlichkeit auszuscheiden, wird nie er¬ 
reicht werden können. Wie oft gibt es unter den jugendlichen 
Gefangenen einzelne ungleich verderbtere Gesellen und Tauge¬ 
nichtse als in der Klasse älterer Sträflinge und mancher den 
gebildeten Ständen angehörender Sträfling ist so grundschlecht 
bei allem gleissnerischen Firniss besserer Umgangsformen, dass 
seine Gesellschaft wie eine Pest in der besseren Klasse ge¬ 
mieden werden müsste. Auch der Gattungskarakter der be¬ 
gangenen Verbrechen kann nicht einen ausschliesslichen Ein- 
theilungsgrund abgeben, abgesehen davon dass nicht alle Ver¬ 
brecher derselben Kategorie auf gleicher Stufe der sittlichen Ver- 
dorbenheit und Ehrlosigkeit stehen, abgesehen von den päda¬ 
gogisch-psychologischen Bedenken des Zusammenlebens von 
Uebelthätern, deren Verbrechen aus verwandten Motiven ent¬ 
sprungen sind. Schon Würth hob hervor, dass es minder ge¬ 
fährlich sei, 20 als 3 oder 4 in einer Abtheilung zusammen¬ 
zusperren. In einer zu kleinen Separation könne ein Einziger 
leicht die ganze Abtheilung verderben. Nur wenn aus jedem 
Gefangenen eine eigene Klasse gemacht wird, schwinden die 
Gefahren der wechselseitigen Verschlechterung. Alles andere 
bloss mechanische Klassificiren ist ein Nothbehelf für die Ab¬ 
wendung dieser Gefahr, — und ohne Verbindung mit einem 
progressiven Strafvollzug ein formalistisches Verfahren auf un¬ 
zuverlässiger Grundlage. Wie oft schon hat man im Sturm 
und Drang einer nothwendig gewordenen Gefängnissreform 
die Zuflucht zu diesem Auskunfsmittel genommen, welches 
selbst die auf die Einzelhaft berechneten Gesetzgebungen nie 
völlig entbehren können, denn in welchem Umfange immer 
Zellengefängnisse eingeführt werden, fttr viele Kategorien der 

.4 



827 


für die Einzelhaft untauglichen oder in der Haftzeit untaug¬ 
lich gewordenen Gefangenen müssen kleinere gemeinschaft¬ 
liche StrafklaBsen nolens volens errichtet werden. Dieser Ge- 
fangnissdualismus wird nie vermieden werden können. — 

Ausser der Klassifikation glaubte man in der Organisa¬ 
tion der Strafarbeit den Schlüssel zur Lösung der Gefangniss- 
frage gefunden zu haben. Maconocbie’s Markensystem mit der 
Tendenz, den Sträfling zur freimachenden Selbsthilfe zu er¬ 
ziehen, zum freiwilligen Arbeiter heranzubilden und zu energisch 
abverdienten Arbeitsbussen anzuhalten, wurde in allerlei Va¬ 
riationen nachgeahmt, aber der fruchtbarste Gedanke desselben, 
der Gedanke der Arbeitsconsortien nach eigener Wahl der 
besseren Sträflinge mit solidarischen Lohn- und Sparkontos in 
besonderer Rücksicht auf Sträflingsarbeiten im Freien, wurde 
entweder ignorirt oder dem gewagtesten aller Versuche, einer 
halben Probe unterworfen. — 

Von diesen Projekten transpirirten auf dem Gebiete der 
österreichischen Gefangnissverbesserung nur zwei Gedanken: 
der Gedanke der Arbeitsmarken, jedoch mit Modifikationen, 
welche durch die richtigere Berücksichtigung der individuellen 
Leistungsfähigkeit und der verschiedenen Anstelligkeit der 
Gefangenen bei gleich gutem Willen und durch die absolut 
zugemessene Strafzeit geboten waren, und der Gedanke der 
Einführung landwirtschaftlicher Arbeiten in den Strafanstal¬ 
ten, welche bisher nahebei eine patriotische Phantasie geblie¬ 
ben ist. Verwirklicht wurde bisher im Ganzen nur eine dem 
Strafzwecke und der Humanität angemessenere Regelung des 
Arbeitsverdienstes in den Strafanstalten, mit Vermeidung der 
Einseitigkeit, in der äusseren Arbeit einzig und allein die 
wirksame Abbüssung eines Verbrechens zu betrachten. Auch 
die innere Arbeit der Besserung durch ein nicht in Arbeits¬ 
marken berechenbares gutes Verhalten musste hierbei als ein 
Motiv der Gefstngnisszucht Anerkennung finden. — 

Durch den Erlass vom 14. Februar 1866 wurde bestimmt, 
den Arbeitsverdienst in der Regel nach dem Stücklohn, nicht 
nach der Arbeitszeit zu bemessen. Bei Einführung neuer, be¬ 
sondere Fertigkeiten voraussetzender Beschäftigungazweige 
ist die Entlohnung der Sträflinge während der Einübungazeit 



nach Arbeitsstunden festzusetzen. Ein entsprechendes Entgeld 
hat auch bei brauchbaren, jedoch nicht ganz fehlerfreien Ar¬ 
beitsleistungen stattzufinden. Die Hälfte des Arbeitslohnes wird 
zur Deckung der ärarischen Kosten des Sträflings, die andere 
Hälfte dem Sträfling zugewiesen; wenn die für das Aerar zu- 
rückbehaltene Hälfte des von einem Sträfling in einer Woche 
verdienten Arbeitslohnes grösser sein sollte, als der für seine 
Verpflegung während dieser Zeit zu ersetzende Betrag, so ist 
der Ueberschuss desselben auch dem Sträflinge überlassen. 
Mindestens sechs Kreuzer täglich soll sich der arbeitsame 
Sträfling erwerben können und der für Hausarbeiten für einen 
Tag zukommende Verdienst kann nach der Gattung und Qua¬ 
lität der Verrichtung und nach dem Fleisse des Sträflings bis 
auf zwölf Kreuzer erhöht werden und demselben ausschliess¬ 
lich zufallen. 

Mit dem Verdienstantheile hat der Sträfling den allfällig 
verschuldeten Schaden zu ersetzen. Von demselben darf er 
jedoch in der Regel nicht mehr als wöchentlich 60 Kreuzer 
zum sog. Ausspeisen, zur Anschaffung von erlaubten Neben¬ 
genüssen verwenden. Die Oberstaatsanwaltschaft ist ermäch¬ 
tigt, diese Summe auch zu erhöhen oder herabzusetzen. Die 
Fructificirung des Pekuliums erfolgt bei Sparkassen. 

Sehr gut hat diesen Fortschritt in der Lösung der Ar¬ 
beitsfrage Zugschwerdt in der Schrift: Der Vollzug der Frei¬ 
heitsstrafe, Wien 1867, gewürdigt. 

Auch der Gedanke der Kürzungsfähigkeit der richterlich 
zuerkannten Strafzeit im Interesse des Besserungszweckes hat 
principiell in dem Strafgesetzentwurfe von 1867 und in dem 
Abgeordnetenhause Aufnahme gefunden, doch wurde ein 
ephemeres Projekt, das Institut der bedingten Freilassung 
schon vor der Durchführung des neuen Gefängnisssystemes 
bei der Fortdauer des bisherigen ungenügenden Strafvollzuges 
entschieden abgelehnt und zwar mit Recht. An Stelle dessel¬ 
ben traten in den letzen Jahren ungewöhnlich zahlreiche Straf' 
resterlasse im Wege der Gnade. — 

Mit Freude wurde das auf verfassungsmässigem Wege 
zu Stande gekommene Gesetz vom 15. November 1867 be- 
grüsst, welches bekanntlich die körperliche Züchtigung unbe- 



; dingt und ausnahmslos abschaffte, die Kettenstrafe als Haupt- 
{strafe auf hob und einige der schreiendsten Härten hinsichtlich 
der bisher lebenslänglich gewesenen Ehrenfolgen der straf¬ 
gerichtlichen Verurtheilung beseitigte.*) Abgesehen von eini¬ 
gen Taktlosigkeiten, welche hinsichtlich der Verlautbarung 
dieser erhebenden Verbesserung der Strafverwaltung unter¬ 
liefen, äusserte diese Strafgesetznovelle auf einen Theil der 
besseren Sträflinge einen merklich tiefer gehenden Eindruck 
; auf das Gemiith, welcher mir aus einigen Strafanstalten leb- 
j haft geschildert worden ist. Allein die Medaille hatte auch 
; ihre Kehrseite. Um diese lebendig hervortreten zu lassen, 
theile ich hier Bruchstücke aus dem Briefe eines ausgezeich- 
i neten Gefangnissbeamten in einer geistlichen Strafanstalt mit, 
welche geeignet scheinen, auf die früher betonte Gefahr einer 
! Diskreditirung der Gefängnissverbesserung auf Grundlage der 
| alten verderblichen Gemeinschaftshaft aufmerksam zu machen. — 
Mein Gewährsmann erzählt mit schmerzlichem Bedauern, 
dass die Autorität der Vorgesetzten und die Disciplin in sei- 
' ner Strafanstalt in neuester Zeit durch die wachsende Anzahl 

i 

; der widerspänstigen, auf die Philanthropie des Tages pochen¬ 
den Sträflinge gelitten habe, ja dass die Vorstehung in den 
aufgeregten Massen der zusammengeschaarten Sträflinge nur 
mit höchster Anstrengung die Macht gewinne, die Besser¬ 
gesinnten gegen die excessiven und terroristischen Mitgefange¬ 
nen in Schutz zu nehmen. Selbst dieser Einfluss wird von den 
ihr Haupt frech erhebenden schlechten Sträflingen in den ge- 
I meinschaftlichen Sälen, Korridoren, beim Spazier- und Kirchen¬ 
gang mit allen möglichen Einschüchterungsmitteln und listiger 
Vorspiegelung noch grösserer Begünstigungen und Freiheiten 
bekämpft. Die Pflege der Musik, diese einstige Zierde der 
Anstalt, die so wohthätig nach innen und aussen gewirkt hatte, 
geräth in Verfall, indem selbst Gefangene, welche mit dem 
Anstaltslehrer so zu sagen den ganzen Tag verkehrten, der 
Verführung der Aufwiegler in den Schlafarresten unterliegen. 
»Sonst Hessen sich die meisten Sträflinge wie Kinder leiten 
und gingen freiwillig in Schule und Kirche. Jetzt mehren 

*) Wahlberg, Entwickelungsgang der Strafgesetzgebung in Oesterreich. 
Allg. Deutsche Strafrechtgzeitung, 12. Heft 1867. 




330 


sich die Renitenten, antworten der Mahnnng der Aufseher mit 
Hohn und Gelächter, drohen mit Schädel einschlagen. Die 
Besseren unter den Sträflingen sagen selbst, es Bei nicht mehr 
auszuhalten, wer seinen Vorgesetzen Vertrauen zeige, werde 
als Verräther deklarirt. Eine moralische oder sogar individuali- 
sirende Einwirkung auf die Massen in den gemeinschaftlichen 
grossen Sälen sei illusorisch. Nur noch im Spital fällt ein 
gutes Wort nicht auf unfruchtbaren Boden. Die moralische 
Wirkung des Gottesdienstbesuches lässt sich bei dieser gähren- 
den Menge der rohen Sträflinge kaum in Anschlag bringen. 

Eine Hauptursache dieser Ordnungswidrigkeiten und 
Zügellosigkeiten ist, dass die Reformen auf Grundlage des 
alten Haftsystemes, der alten Strafhäuser mit ihren vielfach 
zweckwidrigen Einrichtungen vorgenommen werden, welche 
allen Sträflingen zusammen zu Gute kommen, auch denen, 
welche dieselben weder verdienen noch derzeit schon ertragen 
können. Die ruchlosen verstockten Sträflinge können und wol¬ 
len sich bessernde Sträflinge unter siclf nicht dulden. 

Ich habe erwartet, es werden erst die Gefängnisse nach 
einem neuen Systeme eingerichtet, eine wirksamere Absonde¬ 
rung der Gefangenen durchgeführt und als Krone des Ganzen 
das System der Vergünstigungen und Belohnungen im also 
gewährleisteten Interesse des Besserungszweckes planmässig 
zur Geltung gebracht. Es geschah umgekehrt und diese Me¬ 
thode ist unheilbringend, denn die milden Neuerungen vertra¬ 
gen sich nur schwer mit der bisherigen gemeinsamen Haft. 

Bei uns ging es folgendermassen: Bis Mai 1867 war es 
noch erträglich; da kam ein auserlesener Transport von Garsten 
nota bene zumeist in betrunkenem Zustande. Kaum waren 
diese Lärmer hier, so ging es los. Sie erzählten von Garsten 
wie von einem Sträflings-Eldorado. Das wurde gierig aufge¬ 
nommen und bei aller Uebertreibung gern geglaubt. Am zwei¬ 
ten Tage schon hiese es: Wir wollen es so und so haben; 
es wurde geraucht. An 200 Sträflinge blieben vom Gottes¬ 
dienste aus. Man liess sich die Bärte wachsen, verlangte Aller 
lei, was früher unerhört war. Nach und nach verflog der 
Rausch, zumal Alle sahen, wie selbst den Ankömmlingen die 
Eisen angeschlagen wurden. 



331 




Im November schlug die Stunde der Kettenbefreiung, 
i Die Bessern dankten Gott mit Thränen, die Schlechten de* 
monstrirten seither wilder. Schon während des Dankamtes 
gingen an 50 auf demonstrative Weise aus der Kirche, so¬ 
bald das Te Deum und die Volkshymne angestimmt wurden. 
Demungeachtet wurde ein zweites Dankamt auf Bitten von 
etwa 400 Sträflingen feierlich abgehalten. 

Die verderbten Sträflinge trieben sich lärmend auf den 
Gangen herum und lachten die Gutgesinnten aus. Gerade bei 
diesen hatte die Milderung des Strafvollzuges verkehrte Wirkung. 

: Sie vernünftelten: Bis jetzt ist uns ein himmelschreiendes Un¬ 
recht geschehen. Endlich sieht man’s ein. Uns darf nach Ab¬ 
nahme der Ketten nichts Anderes mehr aufgebürdet werden. 
Unsere Strafdauer muss nach den neuen Gesetzen herabgesetzt 
werden. Diese und andere Argumente gebrauchen gerade die 
Verkommenen, die auf ihre Verbrechen stolz sind, die draussen 
verachteten Taugenichtse, hier in den gemeinschaftlichen Arresten 
hochmüfhig ihr Haupt erheben, wenn es ihnen gelingt, in 
Gegenwart der Kameraden eine Widersetzlichkeit oder Be¬ 
schimpfung der Hausordnung zum Trotz zu begehen, Wohl 
würden diese Excedenten und Renitenten leicht gebändigt 
werden können auch ohne materielle Gewalt, ohne erniedrigende 
Fesseln und Schläge, wenn die erforderliche Zahl und Ein¬ 
richtung der Korrektionszellen vorhanden wäre, wenn die notb- 
wendigen Klassenabtheilungen bestehen würden. 

Die Zellenhaft? Wir haben sie faktisch bei einer so 
grossen Zahl der Korrigenden nicht. Die Entziehung der Auf¬ 
besserung? Diese ist bei der bisherigen gemeinsamen Haft 
nicht durchführbar. Jeder vermag sich ohne Schwierigkeit 
durch Mitgefangene zu verschaffen, was er selbst nicht erhal¬ 
ten kann. Er müsste nicht der sein, der er ist oder durch 
schlechtes Beispiel im Straf haus geworden ist, um nicht über 
Disciplinarstrafen zu lachen, die er zum Theii illusorisch 
machen kann. 

Die Besseren möchten gern um Separation von solchen 
Mitgefangenen bitten. Die Furcht hält sie oft zurück, seihst 
wenn die baulichen Einrichtungen der alten Strafhäuser die 
Erfüllung dieser Bitte wenigstens bei der grösseren Zahl der 



332 — 


Besseren ermöglichen Hessen. Und wie kann das angestrebte 
Besserungswerk in diesen alten Strafanstalten gedeihen, wenn 
man nicht einmal alle ruchlos verwilderten Sträflinge von 
einander zu isoliren im Stande ist? 

In der Absonderung wäre vielleicht, ja wahrscheinlich, 
noch Mancher zu retten, in der gemeinsamen Haft bei dem 
bestehenden Systeme ist diess kaum zu hoffen. 

Unter der verderblichen Einwirkung dieses Haftsystemes 
stehen auch die neuerlich angeordneten kumulativen Be¬ 
gnadigungen. 

Die Sträflinge sagen offen, diese Begnadigungen geschehen 
aus finanziellen Rücksichten und machen desshalb sämmtlich 
darauf Anspruch. Aus diesem Grunde fühlt sich bei einem 
solchen Akte der Schlechteste im Hause verletzt, wenn er nach 
zurükgelegten zwei Dritttheilen der Strafzeit nicht berück¬ 
sichtigt wird. Auch hier bietet die gemeinsame Haft grosse 
Schwierigkeiten, so vorsichtig dabei zu Werke gegangen wird. 
Nur auf die Besseren macht ein solcher Gnadenakt einen er¬ 
hebenden geeigneten Eindruck. Schon desshalb wäre eine 
rasche uud wirksame Eintheilung der Sträflinge in zahlreichere 
Klassen ein höchst dringendes und verdienstliches Werk.® 
So weit der erwähnte Bericht. — 

Dass jeder Fortschritt in der Humanisirung des Straf¬ 
vollzuges freudigst begrüsst werden muss, ist wohl eben so 
unanfechtbar wie die hier begründete Forderung, dass die 
Gefängnisseinrichtungen mit demselben gleichzeitig in Einklang 
gebracht werden müssen und zwar ohne Verzug und dass jede 
Woche Versäumniss in der unerlässlich gewordenen vorläufi¬ 
gen Durchführung einer rationelleren Klassifikation in allen 
Strafanstalten kaum verantwortlich erscheint. 

Die äusserliche, mehr formalistische Klassifikation kann 
nach der im Abgeordnetenhause ausgesprochenen Ueberzeu- 
gung über das Einzelhaftprincip des Regierungsentwurfes von 
1867 wohl nur einen transitorischen Karakter haben; die progres¬ 
sive Klassifikation allein gehört der modernen Gefangniss- 
verbesserung an. 

Die Regierung hat erkannt, dass Freiheitsstrafen jeder 
Art, also sogar lebenslängliche Strafen, regelmässig in der 



333 


Einzelhaft abgebüsst werden sollen, insoweit dazu die erfor¬ 
derlichen Räumlichkeiten vorhanden sind. 

Kann es hiernach darüber noch einen Zweifel geben, ob 
jetzt schon Vorbereitungen für die Herstellung der erforder¬ 
lichen Zellengefängnisse zu treffen seien? Zur Verwirklichung 
derselben ist noch nichts geschehen. Irren wir nicht, so nahm 
man bei dem jüngsten Bau des Wisnitzer Strafhauses auf die 
Eventualität der Zellenhaft keinerlei baulichen Vorbedacht. 
Gewiss ist nicht weniger, dass die Regierung, welcher einmal 
das Abgeordnetenhaus die Ehre der Initiative überlassen, auch 
schon vor Bewilligung der Kosten für die ersten grossen An¬ 
lagen von zwei oder mehreren Zellengefängnissen in Nieder¬ 
österreich, Böhmen, Galizien das Operat über die Detaileinrich- 
tungen derselben, sowie über jene Klassifikationsanstalten vor¬ 
bereiten müsste, welche für die von der Einzelhaft gesetzlich 
ausgeschlossenen Gefangenen neu organisirt herzustellen sind. 
In Angriff zu nehmen wären hierbei, selbstverständlich mit 
dem Beirathe auch in der Zellenhaftpraxis erfahrener Straf¬ 
anstaltsbeamten, Gefängnissarchitekten, Werkmeister, Aerzte, 
Kriminalisten, Administratoren, jene Vorarbeiten, welche nach 
den in Baden, Belgien und andern Ländern gemachten Er¬ 
fahrungen die Einführung von Zellengefängnissen unerlässlich 
macht, wie diess von Fuesslin, Diez, Ducpetiaux u. a. über¬ 
zeugend nachgewiesen worden ist. Und kein Kenner der Re¬ 
formbedürfnisse wird sich der Ueberzeugung verschliessen, 
dass auch die in diesen Blättern erörterte Frage in Erwägung 
gezogen werden sollte', ob und in wie weit die Grundsätze 
des progressiven Strafvollzuges in den für die lang¬ 
zeitige Einzelhaft nicht geeigneten Sträflingen bestimmten 
Klassifikationsanstalten nach Massgabe der einheimischen Ver¬ 
hältnisse eine Anwendung gestatten. — Der reforraatorische 
Gedanke, den Verbrecher in einer Reihe von Abstufungen 
durch mehrere Strafstadien zu dem vernünftigen Gebrauch 
seiner Freiheit hinzuleiten, fordert in der Gegenwart die vollste 
Würdigung. 

Wie immer über den Werth des sog. irischen Progressiv- 
systemes gedacht werden mag, so kann doch nicht bestritten 
werden, dass die intermediate convict prisons das Hauptübel 

Blfttter für Gefängnißskcrade HL 23 



der bisher in Oesterreich bestehenden Gemeinschaftshaft, — 
die wechselseitige Verschlechterung zu vermindern und zwar 
wirksamer zu vermindern geeignet erscheinen als der 
einfache Klassifikationsformalismus. Nach dem Strafgesetz* 
entwürfe § 35 muss auch der Reform der gemeinschaftlichen 
Strafhaft Rechnung getragen werden. Erscheint nun das 
Institut der Zwischengefängnisse innerhalb der Stadien des 
Strafvollzuges in Klassifikationsanstalten nach reiflicher Prü¬ 
fung unserer Verhältnisse seinem Wesen nach, wenn auch mit 
Modifikation der irischen Vollzugsformen ausführbar, dann 
fallen auch die Bedenken grösstentheils hinweg, welche gegen 
die bloss äusserliche Nebeneinanderstellung zweier einander 
ausschliessender Strafvollzugsprincipien in den irischen Ge¬ 
fängnisseinrichtungen erhoben werden können. 

Ein Hauptbedenken läge darin, dass dieses System die 
Einzelhaft als einen nothwendigen Bestandteil des Strafvoll¬ 
zugs vor dem Stadium der Versetzung in eine klassificirte 
Gemeinschaftshaft auflasst, während nach der Voraussetzung 
des österreichischen Strafgesetzentwurfes die gemeinschaftliche 
Strafhaft nur dann stattfinden kann, wenn der Antritt oder 
die Fortsetzung der Einzelhaft wegen körperlicher Gebrechen 
des Sträflings oder sonst zu besorgender Nachtheile für seine 
Gesundheit nicht ausführbar ist. Wenn sich das Avancement 
der Gefangenen in die günstigere bessere Klasse bis zur 
Zwischen- oder Versuchsstation nach dem in der Zellenhaft er¬ 
probten Verhalten zu richten hat, kann wenigstens die irische 
Form der Zwischenanstalt hier nicht als Vorbild geeignet er¬ 
scheinen. 

Entfallt aber die purgatorische oder probatorische Zellen¬ 
haft in den gemeinschaftlichen Haftanstalten nach dem erwähn¬ 
ten Strafgesetzentwurfe von 1867, so hat es deren Organisa¬ 
tion nicht mit einer Regulirung innerlich verschiedener 
Strafperioden, vielmehr lediglich mit einer Eintheilung ver- 
' ner Rangklassen nach einem grösseren oder geringeren 
e zu thun. Und diess wäre der Punkt, von welchem 
'e nach der Einführung eines graduirten Klassifi- 
* auch in Oesterreich formulirt und beantwortet 
Nach dem heutigen Stande der Gefängnis** 



335 


reformfrage kann es sich nicht mehr um eine Wahl zwischen 
Einzelhaft und gemeinsamer Haft schlechthin handeln, sondern 
lediglich um die Frage „ob die Einzelhaft die Regel des Straf¬ 
vollzuges für die ganze Strafzeit zu bilden habe und in wie¬ 
weit in den, neben den für sich selbstständig bestehenden 
Zellengefängnissen, unabweisbaren gemeinsamen Haftanstalten 
das Princip der progressiven Klassifikation Anwendung finden 
könne. Das blosse Klassificiren allein thut es nimmer. Eben 
so wenig eine bloss äusserliche Vereinigung innerlich verschie¬ 
dener Strafstadien. Nicht um eine erkünstelte, innerlich un¬ 
haltbare Unifikation einander widersprechender Haftprincipien; 
einzig und allein um die Auffindung der richtigen dualistischen 
Form der Zellengefangnisse und der neben diesen für sich 
bestehenden progressiven Klassifikationsanstalten ist es zur 
Stunde zu thun. — 

Dass ich damit weder einer unwissenschaftlichen Routine 
noch dem principlosen Vermitteln und Herumtappen auf dem 
Wege der Gefängnissreform das Wort spreche, bedarf wohl 
nicht erst einer Erwähnung, zumal ich von der Ueberzeugung 
geleitet bin, dass die richtige Formulirung des Haftsysteme» 
nichts weniger als Schablone oder blosse Nebensache für eine 
fruchtbringende Gefängnissverbesserung ist. 

Das Justizministerium hat, wie ich vernehme, in neuester 
Zeit Aufträge zur Ausarbeitung von Plänen mehrerer Zellen¬ 
gefangnisse gegeben. Dieser Anfang einer neuen Phase in 
der Entwickelung des österreichischen Gefangnisswesens for¬ 
dert jeden, der zu Reformvorschlägen befähigt und berufen 
ist, zu verdoppeltem Eifer auf, die Regierung in diesem lange 
versäumten, endlich aufgenommenen Fortschritte zu unter¬ 
stützen. Vor Allem muss diese gewarnt werden, Dilettanten 
im Gefangnisswesen die Ausarbeitung der Gefangnissbaupläne 
anzuvertrauen, welche zu den schwierigsten Aufgaben der 
Baukunst gehört. 

Nicht lebhaft genug kann betont werden, dass derjenige 
Baumeister, weleher nicht gründliche Studien über die Ge- 
fäegmssfrage, über die Zwecke der Einzelhaft, über die Be¬ 
deutung des Schulunterrichtes, de» Gottesdienstes, des Arbeits- 
befriebes, de» Gefangenwärterdienstes, über die zweckmässigste 

23 * 



336 


Herstellung der Ventilation, der Heizung, der Wasserleitung, 
der Spaziergangs- und Abtrittseinrichtungen u. s. w. in einem 
Zellengefangnisse mit Benützung der Erfahrungen aus Bruch¬ 
sal, oder den belgischen Zellengefangnissen gemacht hat, von 
jedweder Konkurrenz zur Mitwirkung an den Bauplänen für 
die Zellengefängnisse auszuschliessen wäre. 

Das Wenigste, was von einem dieser Aufgabe gewachse¬ 
nen Baumeister gefordert werden müsste, wäre ein genaues 
Studium der von Diez, Füesslin, Ducpetiaux, Demanet u. a. 
veröffentlichten Beschreibungen der einzelnen Einrichtungen 
des Zellengefängnisses und gute Dienste dürfte schon die Be¬ 
schreibung der Baulichkeiten des Zellengefängnisses Bruchsal 
mit 4 lithographirten Tafeln leisten, welche 1867 erschienen ist 

Wie zeitgemäss und dringend diese Erinnerung erscheint, 
dürfte ein Beispiel andeuten. 

In Böhmen werden gegenwärtig von dem Bezirksingenienr 
unter den Auspicien des Staatsanwaltes Pläne zu einem Zellen- 
gefängniss in einer daselbst befindlichen grossen Strafanstalt 
gearbeitet. Nach dem Entwürfe hat das Gebäude vier Flügel. 
Zum Muster diente ein entliehenes Exemplar der erwähnten 
Beschreibung des Zellengefängnisses Bruchsal. Das wäre ganz 
gut, wenn es nur nicht den Herren beliebt hätte, mit Erfin¬ 
dungen und Verbesserungen auf eigene Faust zu experimen- 
tiren, welche ein schweres Lehrgeld kosten. Vor der Hand 
sollen einige 130 .Zellen projektirt werden. Nur an diese 
wurde anfangs gedacht. Als erinnert wurde, dass auch Schule 
und Kapelle nöthig seien, wurde sofort eine Stelle für diese 
improvisirt. In dem Punkte, wo sich die Gänge kreuzen, sollte 
ein Altar aufgestellt werden; diesen können die zu vier Seiten 
aufgestellten Sträflinge sehen. Und die Kapelle des Zellen¬ 
gefängnisses ist fertig. Die Gänge sind nur eine Klafter breit 
in Vorschlag gebracht. Die Aborte sind im Zentrum angebracht. 

Diese Skizze eines hoffentlich nur Skizze bleibenden 
Bauplanes, welche ich einer zuverlässigen Quelle entlehne, 
dürfte genügen, um vor dem kostspieligsten und bedauerlichsten 
Missgriffe in der Wahl der Gefängnissbaukünstler zu warnen. 
In unserem Staate gibt es tüchtige, ja ausgezeichnete Archi* 
tekten. Das Justizministerium von 1849 hat die Grundsätze, 



337 


nach welchen bei der Einrichtung von Gefängnissen im Falle 
von Neubauten vorzugehen ist, in' einer eigenen Instruction 
veröffentlicht, mit einer Beschreibung des Pentonviller Ge¬ 
fängnisses nach dem Einzelnsysteme nebst Grundplan, Grund¬ 
riss der Kapelle, Detailplan, Dachplan, die Ventilationsschlote 
darstellend, Grundriss der Zelle, Zeichnungen der Fenster, 
der Gasleitungsröhren, der Hängematten, des Wasserbeckens, 
des Abtrittes, des Spazierhofes u. s. w. Hoffen wir, dass das 
energisch vorwärts schreitende erste parlamentarische Ministe¬ 
rium hinter dem Ministerium von 1849 nicht Zurückbleiben 
und die besten Kräfte unseres Staates mit der Vorbereitung 
der zweckmässigsten Herstellung der Zellengefangnisse be¬ 
trauen werde! 





338 


Einzelhaft und Isoliruug. 

Von Director Schuck in Breslau. 


Die neue Gefangenen-Anstalt in 
Breslau besteht aus vier sich durch¬ 
kreuzenden Flügeln, von welchen 8 
(C, D, E) panoptisch gebaut sind und 
durch heisses Wasser geheizt, er¬ 
wärmt werden. In den 3 Flügeln 
waren ursprünglich 300 Zellen in je 
3 Etagen beabsichtigt, im Souterrain 
sind Badc-Anstalten, Arreste, Maga¬ 
zine, gemeinsame Schlafräume. Der 4. Flügel B hat Bureaux, 
Verhörzimmer, gemeinschaftliche Arbeitssäle, Krankenzimmer, 
Magazine. Ausserdem ist noch ein Werkhaus, Arbeitshaus mit 
Sälen für gemeinsame Arbeit und Schlafraum vorhanden. 

Von den 3 panoptischen Flügeln ist einer, der für 
Frauen (E), durch Wände von der Haupthalle abgesondert. 
Im Souterrain der Haupthalle liegt die Hausvaterei, Polizei¬ 
zellen, Oberaufseherstube. Sonst ist die Halle (Dr. Julius nennt 
dies einen Brunnen) nicht ausgebaut wie in Bruchsal, sondern 
hohl bis zur aus Glas und Eisen bestehenden Kuppel. Diese 
Kuppel,, welche das Gebäude krönt, ist doppelt, in der oberen 
war ein Luftloch, die untere aber verschlossen, eben so wie 
die Lichtfenster in den Flügeln C, D, E, so dass gar keine 
Ventilation nach oben stattfand. Es wurden nun nach 1860, 
nachdem ich die Verwaltung der Anstalt übernommen, Klap¬ 
pen zum Aufziehen gemacht und in der Hallen-Kuppel, in 
der untern Lage, Scheiben herausgenommen, so zwar, dass 
nunmehr eine geregelte Ventilation in den panoptischen Flü¬ 
geln und der Halle stattfindet. In den Zellen ward, wie schon 




früher in Moabit, die Luftscheibe von der unteren Hälfte des 
Fensters, in die obere versetzt, und statt nach aussen fallend, 
nach innen fallend gemacht, so dass die Luftströmung nicht 
mehr den Körper, ev. den Kopf trifft, sondern über denselben 
hinwegstreicht. Diejenigen Zellen, in welchen, wie in Moabit, 
die Heizrohren nicht genügend wärmen, sind mit Cylindern 
versehen worden. 

Was die Zellen betrifft, so sind sie schmäler als die in 
Moabit und Bruchsal, das Fenster also auch relativ kleiner, 
Begel ist die Hängematte, für solche, welche sie nicht ver¬ 
tragen, eiserne Bettstelle. Die Thüre ist die Bruchsaler, also 
nicht mit Eisenblech beschlagen, wie in Moabit. Wenn ich in 
meiner Schrift »Die Einzelhaft“ S. 32 der Bruchsaler Thür 
den Vorzug gegeben habe, muss ich das, nach meiner hiesigen 
Erfahrung, widerrufen; die Gefangenen wissen durch Abspal¬ 
tung sich Gucklöcher zu verschaffen, auch die Klappe leicht 
zu öffnen, und beeinträchtigt dies so die Isolirung. An den Klap¬ 
pen ist nun aussen ein Riegel mit Vorstecker angebracht wor¬ 
den, der das Oeffnen von innen hindert, und da die Brücken 
über den in der Zelle befindlichen Heizrohren auch in die 
Höhe gehoben wurden, und so Communicationen zwischen den 
Nachbarn stattfanden, sind Verschlüsse angebracht, welche die 
Oeffnung unmöglich oder doch schwer machen. 

Sonst ist die Einrichtung wie in Moabit, wobei ich noch 
erwähne, dass das gepresste Glas der Fenster als den Augen 
schädlich, überall weggenommen, und mit glattem Glase ver¬ 
tauscht worden ist. 

Wegen der Ueberfüllung der Strafanstalten war durch 
Hinwegnehmen der Wände eine grosse Anzahl Zellen cassirt 
worden, sie sind jetzt wieder hergestellt, und mit jungen Leu¬ 
ten von 18 bis 24 Jahren belegt. Es ist ihnen Schreibzeug, 
Zeichenmaterial gegeben worden (an beiderlei Geschlechter), 
sie erhalten Schulunterricht, Lesebücher. Sie arbeiten: Cigar¬ 
ren, als Schneider, Tischler, Drechsler, Schlosser, Schuster, 
Maler, Wachsstockdreher, Handschuhnäher, Nähen (auch auf 
der Nähmaschine) Blumenmachen, feinere weibliche Arbeiten. 

Die Schule, die Kirche, der Spazierhof sind gemeinsam —, 
auch das Lazareth. 



340 


Die Resultate sind: 

Die Leute sind gesünder als in der gemeinsamen Haft. 

Sie bilden sich für den bestimmten Zweck schnell und 
gut aus. 

Sie arbeiten besser als in der Gemeinsamkeit. 

Sie machen schnelle und bedeutende intellectuelle Fort¬ 
schritte im Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen. 

Dass sie indess gemeinsam in Schule, Kirche, im Laza- 
reth und im Spazierhof sind, beeinträchtigt die Wirkung der 
Isolirung. Die Isolirung, d. i. die durchgeführte, welche ist 
die Einzelhaft, soll den Gedankenlosen zum Nachdenken bringen, 
ihm alle Gelegenheit zur Zerstreuung nehmen, Gespräche und 
Wortwechsel mit andern Gefangenen verhüten, damit: die 
Wechsel-Verderbniss, die Schadenfreude, die Bosheit hindern. 
Sind aber Sträflinge in Schule, Kirche, im Hofe, auf dem 
Lazareth gemeinsam, so ist gleichsam die Schleusse wegge¬ 
zogen, es ist unvermeidlich, dass die Zeit, die sie dort zu¬ 
bringen, von' ihnen, von sehr vielen wenigstens, gemissbraucht 
wird, und statt .der Unterwerfung der Gemüther, ein Groll 
entsteht über die zeitweise Absperrung von einander in der 
Zelle. Weniger ist dies bei den Frauen bemerkt worden, als 
bei den Männern, und bei letzteren wieder zumeist bei solchen, 
die schon früher Haft erlitten hatten, bei welchen Selbstmord¬ 
versuche, auch mehrere (zwei) Selbstmorde stattgefunden haben. 
Von denen, welche Selbstmordversuche ausübten, ist die Mehr¬ 
zahl wieder in der Zelle, und über sie keine Klage zu führen, 
sie haben sich mit der Zelle gleichsam versöhnt. Von dem 
Hecht, den Selbstmordversuch zu strafen, habe ich keinen Ge¬ 
brauch gemacht, sondern Belehrung, allseitige Belehrung durch 
Arzt, Geistlichen, Lehrer, die Beamten, durch mich selbst, 
durch die Eltern und Angehörigen eintreten lassen. 

Geistesstörungen sind in der Zelle nicht eingetreten; wohl 
aber ist in der Zelle ans Tageslicht gekommen, dass BeniteDZ 
und Bosheit lediglich Ergebniss verkehrter Geistesrichtung;sei. 

Hiernach kann ich nicht anders, als die Einzelhaft Voll¬ 
ständig durchgeführt wünschen. $ 

Was den Spazierhof betrifft, so ist dieser dem (ejänse- 
marsch in der Runde vorzuziehen, schon an und für sifhbh, ab- 

4 , . 



341 


I 


gesehen davon, dass keine Aufsicht bei letzterem vermag, Mit¬ 
theilung durch Wort oder Zeichen zu hindern, was das gegen¬ 
seitige Verderbniss fordert. So ist auch die gemeinsame Schule 
und Kirche nur der Ort, wo gerade das gestört wird, was^ 
mühsam aufgebaut werden soll, die Veränderung widerspensti¬ 
ger, Erweichung verhärteter Gemüther, Möglichkeit der Bes¬ 
serung ; denn menschliche Kraft reicht nicht weiter, als so viel 
als thunlich von demjenigen hinwegzuräumen, was der innern 
Wirksamkeit der göttlichen Gnade im Wege stehen kann, 
welche die alleinige Quelle des Guten im Menschen ist. 

Diejenigen, welche gegen die vollständige Einzelhaft 
sprechen, haben zumeist wohl Einzelhaftgefangnisse gesehen, 
aber nicht an ihrer Verwaltung Theil genommen. Ihr Urtheil 
würde sich ändern, lebten sie monatelang mit den Beamten in 
solchem Gefängniss und machten alle Bewegungen mit durch. 

Ich, der ich jetzt 64 Jahre alt bin, von diesen 64 Jah¬ 
ren bald 36 im Gefangnissdienst zugebracht habe, der ich 
4 Jahre das Zellengefangniss in Moabit verwaltete, und die be¬ 
schlossene Einzelhaft durchführte, der ich viele Gefängnisse 
gesehen, dem die Literatur genau bekannt ist, dem Irrenhäuser, 
Krankenhäuser, Rettungshäuser, Asyle nichts fremdes sind, ich 
kann nicht anders als unbefangen und unbeirrt die Festigkeit 
meiner innern Ueberzeugung aussprechen. 

Zur Wohlfahrtspflege des Volks gehört eine vollständig 
durchgeführte Einzelhaft, d, h. nicht isolirte Einsperrung, son¬ 
dern Zellenhaft, Absonderung von andern Sträflingen in Woh¬ 
nung, Schule, Kirche und Spazierhof, was nicht ausschliesst, 
dass Ausnahmen, bedingt durch geistige oder körperliche Zu¬ 
stände, stattfinden mögen, können, dürfen, ja wohl auch müssen^ 

Ohnerachtet alles Widerstrebens wird es auch, früher 
oder später, dazu kommen, die innere Nothwendigkeit wird 
auch zu dieser Reorganisation treiben. Dabei aber erwähne 
ich noch, dass jedes Zellengefangniss ergänzt werden möchte 
durch eine irische Zwischenanstalt, und beziehe mich auf Dr. 
Julius, preuss. Ger. Ztg. 1859, Nr. 51, S. 3/4, und meine, 
Einzelhaft, S. 86, 





342 


/ Earl Josef Anton Mittermaier. 

Nekrolog. 


Heidelberg, Anfang Sept 1867. Einer der ersten akade¬ 
mischen Lehrer und Schriftsteller, der hochherzigsten Bürger, 
der edelsten Charaktere, die älteste Zierde der Universität 
Heidelberg, Mittermaier, dessen Leistungen für humane Ge¬ 
setzgebung, für gesetzlich freie Entwicklung des deutschen 
Volkes und für vergleichende Erforschung des Hechtes der 
Völker zweier Welttheile unvergänglich bleiben, weilt nicht 
mehr unter uns. Sein Tod ist der vierte harte Schlag, der die 
hiesige Universität in dem Zeitraum von einigen Monaten eines 
Koryphäen beraubt. 

Karl Josef Anton Mittermaier wurde am 5. August 
1787 zu München geboren. Er studirte zu Landshut und Heidel¬ 
berg. Den grössten Einfluss hatte auf seine juristische Aus¬ 
bildung und den Gang seiner späteren Studien der berühmte 
Kriminalist Feuerbach, dessen Sekretär er war. Im Jahr 1809 
wurde er "Privatdozent in Landshut und zwei Jahre nachher 
Professor der Rechte ebendaselbt. Acht Jahre nach seiner 
Anstellung in Landshut (1819) erhielt er, bereits als Lehrer 
und Schriftsteller mit Achtung genannt, einen ehrenvollen Ruf 
nach Bonn. Schon im Jahr 1821 wurde er unter glänzenden 
Bedingungen an die Universität Heidelberg berufen. Hier war 
von nun an der Hauptsitz seiner unermüdeten 46jährigen 
Wirksamkeit. Er war und blieb in dieser langen Zeit vom 
ersten Auftreten bis zum Tod einer der beliebtesten akademi¬ 
schen Lehrer und versammelte eine immer gleich grosse An¬ 
zahl von Zuhörern um sich. Ein einnehmendes, kräftiges, voll¬ 
tönendes Organ, ein abgerundeter Vortrag, der nicht nur von 
tiefer allumfassender juristischer Gelehrsamkeit, von scharf¬ 
sinnigem, in das Wesen des Rechtes eindringendem Urtheile, 
sondern auch von allseitiger philosophischer, besonders psycho¬ 
logischer Bildung zeugte, ein unbestechlicher Rechts- und 
Freiheitssinn und eine glühende Begeisterung für Humanität 

L 




343 


7mv. 


zeichneten seine Verlesungen aus, welche sich auf das deutsche 
Privatrecht, das Kriminalrecht und den Prozess vorzugsweise 
erstreckten. Vielfach wurde das trockene juristische Material 
durch geistvolle und witzige Beleuchtungen dem Zögling an¬ 
ziehend gemacht. Tausende von Schülern in allen Theilen 
Deutschlands und viele ausserhalb unseres Vaterlandes, selbst 
jenseits des Atlantischen Ozeans nennen den Namen ihres 
Lehrers mit Liebe und Verehrung. Noch als hochbetagter 
Greis wirkte er mit dem Feuer der Jugend. Noch im letzten 
Winter hielt er seine trefflichen Vorlesungen über den ge¬ 
meinen deutschen und französischen Prozess und zwei öffent¬ 
liche, ungewöhnlich zahlreich besuchte Vorlesungen über das 
Schwurgericht und das deutsche Strafverfahren. Im Sommer 
1867 hatte er seine Vorträge über das Kriminalrecht begon¬ 
nen, als eine durch Erkältung entstandene Brustkrankheit ihn 
auf das Krankenlager warf. Es war rührend, den Schmerz zu 
sehen, den Mittermaier fühlte, als er von seiner geliebten 
Lehrkanzel für das Sommerhalbjahr Abschied nehmen musste. 
Noch einmal hatte sich sein Gesundheitszustand gebessert. 
Als Rekonvaleszent versuchte er es wieder, eine Vorlesung 
zu halten; aber die zunehmende Körperschwäche gestattete 
ihm nicht, die begonnene Stunde zu beendigen. Aufs neue 
von der Krankheit ergriffen, die seinem langen Wirken ein 
Ziel setzte, kündigte er noch auf dem Krankenlager für den 
Winter 1867/68 zwei öffentliche Vorlesungen über das eng¬ 
lische Strafverfahren und ein Kriminalpraktikum an. Es war 
ein Lehrtrieb in ihm, als wollte er auf der Kanzel sterben. 

Eben so rastlos und unermüdel, eben so vielseitig und 
eindringend war seine schriftstellerische Thätigkeit. Sein Name 
wurde dureh sie ein europäischer; selbst jenseits des Welt¬ 
meeres war er rühmlich bekannt und wurde von Kundigen als 
gewichtiger Gewährsmann genannt. Wie seine Lehrthätigkeit, 
so bezog sich auch sein schriftstellerisches Wirken auf deut¬ 
sches -Privatrecht, Kriminalrecht und Prozess. Sein Lehrbuch 
des deutschen Privatrechts erschien 1821. Es wurde von ihm 
unter dem Titel: „Grundsätze des gemeinen deutschen Privat¬ 
rechts“ (2 Bde. 1837 und 1838) umgearbeitet und erreichte 
1847 die siebente Ausgabe. Die Theorie des Prozesses (der 



344 


gemeine deutsche bürgerliche Prozess) wurde seit 1820 in 
einzelnen Beiträgen herausgegeben, später in zweiter, theil- 
weise dritter Auflage. Seine Umarbeitung des Feuerbach’schen 
Kriminalrechts erlebte bis 1840 die 13. Ausgabe und wurde 
eben noch in 14. Ausgabe angekündigt. Sein Strafrecht (Hand¬ 
buch des peinlichen Prozesses, 2 Bde. 1810) erschien um¬ 
gearbeitet als »deutsches Strafverfahren in der Fortbildung 
durch Gerichtsgebrauch und Partikulargesetzgebung“ (2 Bde. 
1832, 4. Aufl. 1847). Noch nennen wir seine Theorie des Be¬ 
weises im peinlichen Prozess (1821), die Lehre vom Beweise 
im deutschen Strafprozess (1834, auch in französischer und 
spanischer Uebersetzung), seine Anleitung zur Vertheidigungs- 
kunst im Kriminalprozess (1814, 4. Aufl. 1844), das englische, 
schottische und nordamerikanische Strafverfahren (1851), die 
Gesetzgebung und Rechtsübung über Strafverfahren (1856), 
die Schrift über Gefängnissverbesserung (1858). Bis in die 
letzten Jahre seines Lehens setzte Mittermaier seine vom 
gleichen Geiste der Gründlichkeit und Freisinnigkeit getragene 
schriftstellerische Thätigkeit fort. So erschienen sein »gegen¬ 
wärtiger Zustand der Gefängnissfrage“ (1860), seine fast in 
alle europäische Sprachen übersetzte Schrift »über Beseitigung 
der Todesstrafe“ (1862), seine „Erfahrungen über die Wirk¬ 
samkeit der Schwurgerichte in Europa und Amerika“ (1865), 
und seine neuesten Beiträge über Seelenstörungen und die 
Anwendung ihrer Lehre auf die Rechtswissenschaft. Er ist 
der Begründer der kritischen Zeitschrift für Rechtswissenschaft 
und Gesetzgebung des Auslandes (1829—1856), Mitherausgeber 
des seit 50 Jahren bestehenden civilistischen Archivs, der 
neuen Folge des Archivs des Kriminalrechts, des Gerichts¬ 
saales. In diesen und vielen andern Werken wirkte er für 
dieselben edlen Zwecke, für welche er als akademischer Leh¬ 
rer unermüdet thätig war, für freiheitliche und gesetzliche Ent¬ 
wicklung des Rechts, für Humanität in der Gesetzgebung, in 
der Beurtheilung und Bestrafung der Verbrecher. Oeffent- 
lichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens, Verbesserung 
des Gefangnisswesens, Benützung alles auf die Besserung des 
Verbrechers Abzielenden in der Strafgesetzgebung anderer 
Länder, Aufhebung der Todesstrafe waren die Ziele, die er 



845 — 


verfolgte. Nicht die Vernichtung, die Besserung des Verbre¬ 
chers war ihm der letzte Zweck der Strafe. Seine zahlreichen 
Korrespondenzen mit gelehrten Männern vom Fach aus den 
verschiedensten Ländern, seine Reisen, seine vielseitigen Sprach- 
kenntnisse erleichterten seine vergleichenden Forschungen über 
Gesetzgebung und Gerichtsverfahren. Das letztere wird mit 
Recht als ein Hauptverdienst seiner wissenschaftlichen Arbei¬ 
ten hervorgehoben. Eine solche Wirksamkeit erhielt auch die 
wohlverdiente äussere Anerkennung. Er wurde Mitglied vieler 
gelehrten Gesellschaften, er erhielt die höchsten Titel und 
Orden, welche einem akademischen Lehrer zu Theil werden 
können. An seinem 80. Geburtstag wurde ihm von dem Kaiser 
von Oesterreich -das Grosskreuz des Franz-Joseph-Ordens und 
am 21. August v. J. von dem Grossherzog von Baden das 
Grosskreuz des Zähringer-Löwen-Ordens als Zeichen der An¬ 
erkennung seiner grossen Verdienste verliehen. 

Aber was sind alle Auszeichnungen einer wenn auch noch 
so grossen äussern Wirksamkeit ohne den Kern des innern 
Menschen, ohne den Charakter? Darin liegt der Grund der 
Achtung, der Liebe und Verehrung, welche Mittermaier genoss. 
Ho gross die Leistungen desselben als Lehrer und Schriftsteller 
waren, so edel war auch sein Charakter. Ja es schien Den¬ 
jenigen, welche ihn näher kannten, als wenn der innere Mensch 
den äussern noch weit überragte. Mittermaier nahm an allen 
Angelegenheiten seines deutschen Vaterlandes, des badischen 
Landes und der Stadt, welcher seine Wirksamkeit angehörte, 
eben innigen, stets ihrem Besten zugewendeten Antheil. Er 
war ein edler aufopfernder Bürger, der überall da, wo ihm 
zu wirken vergönnt war, seine Pflicht im vollsten Sinne des 
Wortes erfüllte. Im Jahr 1831 wurde er als Abgeordneter 
der Stadt Bruchsal in die zweite badische Kammer gewählt. 
Ebe neue bessere Zeit begann für das politische Leben Ba¬ 
dens unter der Regierung des edeln Grossherzogs Leopold. 
Mittermaier stand in der Reihe der Kämpfer für vernünftigen, 
gesetzlichen Fortschritt. Grosses wurde errungen, die Grund¬ 
lage einer bessern Gestaltung aller Zustände unseres Landes. 
Die Zehnten und Feudallasten wurden abgeschafft, eine Ge- 
setzgebungskommission organisirt, in welcher der Verblichene 



346 


seine Hauptwirksamkeit entfaltete. Das allgemeine Vertrauen 
der Kammer kam ihm entgegen. 

In den Jahren 1833, 1835 und 1837 wurde er zum 
Präsidenten der Zweiten Kammer gewählt. Mit welcher 
Umsicht, mit welchem allen Parteien gerechten Wohlwollen 
wirkte er hier! Durch einen harten Trauerfall in seiner Familie 
veranlasst, trat er aus der Kammer aus und beschränkte sieh 
auf seine wissenschaftliche Thätigkeit. Doch in dem Jahr 1848, 
als eine neue politische Bewegung sein Vaterland ergriff, folgte 
er dem Ruf der Bürgerpflicht. Er trat 1848 wieder in die 
Zweite Kammer und bald darauf, als man in Frankfurt die 
künftigen Geschicke Deutschlands berieth, in das dortige Vor¬ 
parlament ein, dessen Präsident er wurde. Hier wirkte er in 
dem alten längst bewährten Geist des Rechts und gesetzlichen 
Freiheitssinnes; in gleicher Weise auch als Mitglied des 
Nationalparlaments und der für die allgemeine deutsche Ge¬ 
setzgebung gewählten Kommission. Es lag in seinem, der 
gesetzlichen Entwicklung immerdar zugekehrten Wesen, sich 
von politischen Extremen fern zu halten. Die Einheit und 
Freiheit des deutschen Volkes waren die Ideale, für deren 
Verwirklichung er unermüdet thätig war. Als die Hoffnungen 
der besser Denkenden nicht erfüllt wurden und abermals eine 
Zeit der Reaktion eintrat, zog sich Mittermaier wieder in 
den Kreis der akademischen und literarischen Wirksamkeit 
zurück. Aber auch von hier aus nahm er immer an dem Wohl 
oder Wehe des Landes und seiner zweiten Vaterstadt Heidel¬ 
berg einen warmen thätigen Antheil. Ehrenbürger der Stadt 
Heidelberg, Mitglied des Bürgerausschusses, wirkte er für alle, 
das Gemeinwohl der Stadt bezweckende Einrichtungen. Mit 
einer bedeutenden Summe aus seinem allein durch seine rast¬ 
lose Wirksamkeit erworbenen Vermögen bedachte er das Waisen¬ 
haus; er wirkte für Hebung des Schulwesens, weise Einrich¬ 
tung des Gemeindehaushalts, und war bei allen Subskriptionen, 
bei allen Einladungen zur Förderung gemeinnütziger Zwecke 
der Ersten einer nicht nur dem Namen, sondern der unter¬ 
stützenden That nach. Auch die öffentlichen Angelegenheiten 
des grossen deutschen Vaterlandes blieben von seiner Seite 
nicht unbeachtet. Wem wollten in dieser Stadyseiue Raden 



347 


r" 

f 

in unsern öffentlichen Versammlungen, voll glühender Begeiste¬ 
rung und echten patriotischen Sinnes, für die Lostrennung 
Schleswig-Holsteins von Dänemark nicht noch im treuen dank¬ 
baren Andenken leben! Im badischen Kirchenkonflikt auf der 
Seite der liberalen Katholiken stehend, übernahm er die mit 
; vielen Mühen und Kämpfen verbundene Stelle eines Mitglie¬ 
des und Vorstandes des katholischen Ortsschulraths inHeidel- 
, berg und wirkte hier mit allem Eifer für eine möglichst dauernde 
I Verbesserung der Volksschulen. Denn vom Volk, von den 
Bürgern, sagte er, muss es ausgehen, wenn es besser wer¬ 
den soll. 

Er war als Mensch frei von Hochmuth und Selbstsucht, 
j von denen sich oft berühmte Männer nicht immer frei machen 
j können, Wahrheit und Hecht liebend, menschenfreundlich, duld- 
! sam. Er liebte das Uebertriebene nicht, die Herrschaft über 
Leidenschaften zeichnete ihn aus. liecht und Gerechtigkeit, 
inneres sittliches Gutwollen, die wahre Menschenwürde, die er 
selbst im Verbrecher zur Entwicklung zu bringen suchte, 
| standen ihm höher, als der eigene Vortheil oder der Nutzen 
f einer Partei. Religiöse Konfessionsunterschiede hatten bei ihm 
| keinen Einfluss auf die Beurtheilung der Menschen. Darum 
| zählte er auch seine Freunde nicht nach dem religiösen Be¬ 
kenntnis, sondern nach der Gesinnung. „Nathan, der Weise® 
war sein Lieblingsgedicht War er nicht selbst ein Nathan, 
gegenüber den Konfessionen und dem religiösen Hader seiner 
Zeit? Er sagte oft; Wenn ich nur die Worte Toleranz und 
Duldung nicht mehr hören müsste! Wir wollen uns. nicht 
dulden, wir wollen uns lieben! Und treten wir in das Heilig- 
thum seiner Familie, wie glücklich fühlte sich Mittermaier 
in diesem engsten Kreise seines Lebens, der sich bei seinem 
I langen Lebensalter durch zahlreiche Enkel immer mehr er- 
* weiterte! Eine edle Gattin, an der sein Herz mit unzerstör- 
i barer Liebe und Treue hing, feierte mit ihm schon vor einigen 
; Jahren nach 50jähriger glücklicher Ehe die goldene Hochzeit. 

Rüstig standen die beiden glücklichen Jubilare bei diesem 
! Feste da, umringt von vier glücklich vermählten Kindern und 
1 hoffnungsvollen Enkeln. Gattin, Kinder und Enkel waren die 
| Freude, das Glück seines Alters, das Ziel seiner liebevollen, 

E 




348 



aufopfernden Sorge. Kaum konnte man ein schöneres Familien" 
leben finden, als in seinem Hause. 

Noch fühlte sich Mittermaier im Beginn des 80. Lebens¬ 
jahres in voller Kraft des Geistes’, noch wurde sein immer 
mehr alternder Körper von der jugendlichen Frische seines 
Geistes getragen. Er steht noch vor uns der Mann mit dem 
weissen dichten Haare, der hohen Gestalt, der erhabenen Stirne, 
den Feuer und Milde verkündenden Augen, dem freundlich 
lächelnden Munde. Während einer Frühlings-Ferienreise hatte 
er sich im April vorigen Jahres eine Erkältung zugezogen. 
Er begann seine Vorlesungen. Eine Entzündung des Brust¬ 
felles, zu welcher sich später eine Entzündung des Herzbeutels 
gesellte, setzte seinem thatenreichen Leben ein Ziel. Er war 
im Beginn seines 81. Lebensjahres am Mittwoch den 28. Aug. 
halb neun Uhr Abends im Kreise seiner tieftrauernden Familie 
verschieden. Am Samstag den 31. Aug., um 10 Uhr Morgens, 
wurden die irdischen Ueberreste des Entschlafenen feierlich 
bestattet. Ein Abgesandter der hohen Regierung, die Universi¬ 
tät, alle Öffentlichen Behörden, die Bürger der Stadt, ein un¬ 
übersehbarer Zug von Fussgängern und Wagen folgten der 
Leiche des theuern Mannes. Am Grabe sprach Bluntschli 
im Namen der Universität tiefergreifende, geistvolle Worte. 
Er schilderte den Verstorbenen als akademischen Lehrer, 
Schriftsteller und Menschen. Eines bezeichnete der Redner 
als Dasjenige, was Mittermaier besonders eigentümlich war 
und ihn vor so Vielen auszeichnete, selbst höher stehend, als 
die dem Entschlafenen so sehr eigenen Tugenden des Rechts¬ 
sinnes und der Freiheitsliebe. Dieses Eine war, wie der Red¬ 
ner treffend sagte, Mittermaier’s Humanität, die Quelle aller 
seiner Tugenden und wissenschaftlichen Leistungen, die Quelle 
der Liebe und Verehrung, die man ihm zollte, und noch lange, 
dürfen wir mit dem Redner schliessen, wenn unsere Generation 
nicht mehr lebt, wird der Stern Mittermaier leuchten am 
Horizont der Wissenschaft. Friede seiner Asche! Unvergäng¬ 
liche Liebe und Verehrung seinem Andenken! (Karlsr. Ztg.) 

~~~~~~- 



349 


Vermischtes. 


(Die k. k. österreichische Strafanstalt in Suben) ist seit 
1867 zu der gefänglichen Anhaltung der nachbenannten Kategorieen der 
bei den Gerichtshöfen der Sprengel des österreichischen, steiermärki¬ 
schen und tiroler Oberlandesgerichtes verurtheilten Verbrecher männlichen 
Geschlechtes bestimmt: 

1. der wegen politischer Verbrechen Verurtheilten, 

2. der wegen Verbrechen überhaupt verurtheilten Personen geist¬ 
lichen Standes, 

3. der wegen Verbrechen, die in keinem gemeinen Triebe wurzeln, 
zu einer mehr als 6monatlichen Kerkerstrafe verurtheilten, den gebilde¬ 
ten Ständen angehörenden Personen, in Betreff welcher es mit Berück¬ 
sichtigung ihrer gewohnten Lebensweise und ihrer Bildungsstufe billig und 
sogar durch die Gerechtigkeit bedingt erscheint, ihnen in Bezug auf Ver¬ 
pflegung, die Art ihrer Beschäftigungen und Arbeiten einige Erleichte¬ 
rungen zuzugestehen, 

4. der jugendlichen zu einer mehr als 6monatlichen Kerker¬ 
strafe verurtheilten Verbrecher^deutscher Zunge, die das 20. Lebensjahr 
noch gar nicht oder nur wenig überschritten haben, insoferne dieselben 
noch als besserungsfähig erscheinen. 

Jede dieser 4 Kategorieen ist gesondert von der Andern untergebracht. 

Nach der bereits im Jahre 1849 getroffenen Bestimmung sind als 
politische Sträflinge nur diejenigen anzusehen und zu behandeln, welche 
wegen Hochverraths, Störung der öffentlichen Buhe des Staates, oder wegen 
eines aus politischen Gründen entstandenen Aufstandes oder Aufruhrs oder 
wegen Pressvergehen verurtheilt wurden, keineswegs aber diejenigen, welche 
zugleich eines gemeinen Verbrechens für schuldig erkannt worden sind. 

Die Behandlung der 4 Kategorieen von Gefangenen ist ihren be¬ 
sonderen Verhältnissen entsprechend eingerichtet 

Was die ersten 3 Kategorien anbelangt, so wird denselben der Ge¬ 
brauch eines eigenen Bettgewandes, falls sie ein solches besitzen, sowie ihrer 
eigenen Kleider und Wäsche gestattet. 

Für die Reinlichkeit in den Arresten ist entweder durch das Aufsichts- 
Personal, oder durch die hiezu bestimmten Hausarbeitssträflinge zu sorgen. 

Besitzen solche Sträflinge eigenes Vermögen, oder wollen ihre An¬ 
gehörigen die Kosten einer besseren Verpflegung derselben bestreiten, so 
kann ihnen gestattet werden , sich von dem für die Strafanstalt bestellten 
Unternehmer eine bessere Kost zu verschaffen. 

Der Genuss des Schnupf- u.Rauchtabaks ist diesen Sträflingen zu gestatten. 

Ob den Sträflingen durch ihre Angehörigen Speisen oder Getränke ge¬ 
bracht werden dürfen, und unter welchen Vorsichten dies zu geschehen 

Blätter für Gefiingnisskunde III. 24 



— SSO — 

habe, bleibt dem Ermessen des Vorstehers der Anstalt aberlassen; doch 
hat dieser jedes Uebermass und jeden blossen Luxus hintanzuhalten. 

Den Sträflingen ist wider ihren Willen keine Arbeit aufzuerlegen. Es 
wird ihnen gestattet, Bücher belehrenden Inhaltes, so fern sie von dem Vor¬ 
steher der Anstalt unbedenklich befunden werden, und öffentliche Blätter, 
welche entweder Regierungsblätter eines Kronlandes oder sonst nach dem Er¬ 
messen des Vorstehers unbedenklichen Inhaltes sind, zu lesen. Die Anschaffung 
von Büchern und Zeitungen, welche nicht der bei der Strafanstalt bestehenden 
Büchersammlung angehören, ist nur auf Kosten derSträflinge selbst zu besorgen. 

Was die jugendlichen Verbrecher anbelangt, so sollen sie eine ent¬ 
sprechende Erziehung und Ausbildung gemessen, damit sie als nützliche 
Glieder der bürgerlichen Gesellschaft zurückgeführt werden. 

Ist bei den Sträflingen auf Weckung des sittlichen und religiösen 
Gefühles überhaupt hinzuwirken, so muss bei dem jugendlichen, noch bild¬ 
samen Verbrecher hierauf besonderes Gewicht gelegt, und daher auf einen 
entsprechenden Religionsunterricht gesehen werden. 

Ausserdem ist aber den jugendlichen Verbrechern je nach dem schon 
vorher genossenen Unterrichte, ein ausreichender und angemessener Unter¬ 
richt in den Elementar» und anderen gemeinnützigen Gegenständen zu er- 
theilen. 

Jenen Sträflingen dieser Kategorie, welche den gebildeten Ständen 
entsprossen, und nach bisher genossener Bildung eine weitere allgemeine 
Schulbildung als Vorbildung zu höheren - Berufsstudien entweder bereits 
theilsweise genossen, oder doch zu erwarten hatten, sowie politische Sträf¬ 
linge, welche überhaupt wider ihren Willen zu keinerlei Arbeiten verhal¬ 
ten werden sollen und Sträflinge der gebildeten Stände überhaupt, welche wider 
ihren Willen zu mechanischen Arbeiten nicht verhalten werden dürfen, — 
sind zur Erlernung gewerblicher Arbeiten, Bowie zur Verrichtung mechani¬ 
scher Arbeiten wider ihren Willen nicht zu verhalten, es ist vielmehr bei 
ihnen, insoweit diese nur irgend thunlich ist, der begonnene Unterricht in 
den entsprechenden Gegenständen der Mittelschulen fortzusetzen. 

Die Verwendung der jugendlichen Verbrecher zu Hausarbeiten, die 
ihre physischen Kräfte nicht übersteigen, ist keineswegs unzulässig, son¬ 
dern mit gehöriger Auswahl empfohlen, da unter den jugendlichen Ver¬ 
brechern einzelne für häusliche Verrichtungen Geschick, auch Vorliebe 
haben, und ihnen bei gehöriger Anleitung für den Zeitpunkt ihres Straf¬ 
endes ein nicht unlohnender Erwerbszweig eröffnet wird. 

Für die jugendlichen Verbrecher sind keine Gefangenwärter, sondern 
Arbeitsaufseher bestellt. 

Diese Arbeitsaufseher haben ausser den den gewöhnlichen Gefangen¬ 
aufsehern obliegenden Verpflichtungen die Beaufsichtigung der jugendlichen 
Verbrecher in den Schlaf-Arresten, sowohl bei Tag als zur Nachtzeit, die 
Anleitung, Unterweisung und Beaufsichtigung bei den einzelnen Gewerbs- 
zweigen und Arbeitsverrichtungen, ausserdem die Ertheilung des-Unter-./ 
richts in den Volksschulgegenständen, soweit nöthig zu besorgen. ! 

Darum wird bei der Auswahl dieser Individuen darauf gesehen^ fitf 




wenigstem zvrei geeignet Bind, in den verschiedenen Zweigen der Volks» 
schule und wo möglich zugleich in anderen gemeinnützigen Kenntnissen, 
wie auch in Musik Unterricht zu ertheilen, und dass jeder von den übri* 
gen derlei Aufsehern wenigstens in Einem der gewöhnlichen Handwerke, 
als z. B. Schuhmacher-, Schneider-, Tischler-, Schlosser-, nach Umständen 
etwa auch Drechsler-, Handschuhmacher-, Weber-, Sattler-, Buchbinder- 
Gewerbe u. dgl. vollkommen bewandert und fähig sei, darin guten Unter¬ 
richt zu ertheilen. 


(Unterricht in den k. k. Österreich. Strafanstalten. 
Erlass des k. k. österreichischen General-Inspectors des Gefangnisswesens 
vom 9. Februar 1867 Nr. 1653 an sämmtliche Verwaltungen der k. k. 
Strafanstalten.) Der Normal-Erlass des Justiz-Ministeriums vom 14. Febr. 
1866 Nr. 1753 hat es in den §§ 3 und 4 als eine der wichtigsten 
Aufgaben der Reform des vaterländischen Gefangnisswesens erklärt, dass 
neben dem religiösen Unterrichte — welcher selbstverständlich auch bei 
Sträflingen aller Confessionen, der christlichen wie der nichtchristlichen, 
die Grundlage aller Erziehung und alles veredelnden und bessernden Ein¬ 
flusses auf dieselben bilden und fortan bleiben muss — von Seite der 
Strafanstalts-Vorstehungen der theoretischen und praktischen Unterweisung 
und Ausbildung der Gefangenen auch in anderen, zumal gemeinnützigen 
Kenntnissen, sowie der Lectüre derselben eine erhöhte Aufmerksamkeit 
gewidmet werde. 

Zur Förderung dieses Zweckes war ich bereits in der Lage, und 
werde ich auch in Zukunft unablässig bemüht sein, den Strafanstalten 
mannigfache Bücher und andere Hilfsmittel zuzuwenden, welche mir von 
der Munificenz verschiedener Wohlthäter zur Verfügung gestellt werden, 
da sich über meine Einladung nicht wenige intelligente und patriotische 
Menschenfreunde der verschiedensten Schichten der Gesellschaft beeilen, 
das Bestreben der Regierung werkthätig zu unterstützen, um dasjenige, 
was in Betreff der mehrsten Bewohner der Strafanstalten von Seite der 
häuslichen Erziehung und in der Volksschule versäumt worden ist, nach 
Möglichkeit in den Gefängnissen nachzuholen. 

Wird es nun auch unter den dermaligen Verhältnissen in Ansehung 
der meisten Strafanstalten wohl erst in fernerer Zukunft möglich sein, den 
Unterricht der Sträflinge über die bei uns bisher üblichen Gegenstände der 
Volksschule (nemlich Lesen, Schreiben und Rechnen) hinaus auf die Erd¬ 
kunde (Geographie), Naturgeschichte, Naturlehre (Physik), Weltkunde, Welt¬ 
geschichte und insbesondere vaterländische Geschichte, auf Zeichnen, Mo¬ 
delliren, Feldmesskunst, Stenographie, auf fremde Sprachen u. s f. aus¬ 
zudehnen ; — muss ich es ferner bedauern, dass die Musik nur in einigen 
Strafanstalten, hie und da sogar mit sehr ausgezeichneten Erfolgen betrie¬ 
ben, dagegen in mehreren anderen beinahe gänzlich vernachlässigt, und 
.dass daher in letzteren der veredelnde Einfluss, den die Musik überhaupt 

24 * 



352 


und insbesondere der Gesang auf das Gemüt selbst der rohesten Menschen 
ausübt, sowie namentlich die andachterhebende Einwirkung der Kirchen¬ 
musik wenig erkannt zu werden scheint, da sich zum Unterrichte und zur 
Uebung in Musik gewiss in jedem Straf hause ohne Schwierigkeit Gelegen¬ 
heit und Mittel schaffen lassen; so steht doch wenigstens nach keiner Rich¬ 
tung hin irgend ein Hinderniss im Wege, um jetzt schon nicht blos jeden 
Sträfling in verhältnissmässig kurzer Zeit in- einem, oder selbst in mehre¬ 
ren, ihm seinen künftigen ehrlichen Erwerb verbürgenden Gewerben prak¬ 
tisch auszubilden und ihn auch mit verschiedenen hiezu dienlichen tech¬ 
nischen Kenntnissen und Hantierungen vertraut zu machen, sondern über- 
diess auch in den wichtigsten Zweigen der Land- und Hauswirthschaft 
zu unterrichten. Eine Ausbildung der Sträflinge in diesen letzteren Gegen¬ 
ständen kann sogar bis zu einem gewissen Grade der Vollkommenheit selbst 
in Beziehung auf solche Individuen ausgeführt werden, welche sonst ziem¬ 
lich ungebildet sind, ja nicht einmal selbst lesen und schreiben können, 
sobald sie zunächst durch zweckmässigen Anschauungs-Unterricht 
in’s Werk gesetzt, und wenn sie überdiess nach Umständen durch passende 
praktische Unterweisung und Abrichtung unterstützt wird. — 
Auch zu dieser letzteren ist ohne Zweifel wenigstens in einigen Straf¬ 
anstalten in Betreff dieses oder jenes Zweiges je nach Verschiedenheit der 
örtlichen Lage und der klimatischen Verhältnisse, der Landessitten und 
der schon vorhandenen oder doch zur Verfügung zu schaffenden Gärten 
und sonstigen Grundstücke die Gelegenheit' vorhanden. — 

Es ist mir nun gelungen, zur Anbahnung oder Fortbildung des An¬ 
schauungsunterrichtes in den Kenntnissen der ebenerwähnten Gattung für 
die Strafanstalten drei grosse Bildwerke, nämlich: I. landwirtschaftliche 
Tafeln; II. Abbildungen der in unseren Gegenden vorkommenden Gift¬ 
pflanzen in 14 Tafeln, und III. der essbaren, sowie der giftigen Pilze 
(Schwämme) zu erwerben. 

Indem ich der Strafhausverwaltung die Abbildungen der Giftpflanzen, 
welches Werk bereits vollständig erschienen ist, und einen Theil, nämlich 
eilf der landwirtschaftlichen Tafeln (der Rest derselben mit fünf Tafeln 
für Holzzucht, Forstbenützung, Feldbau und Viehzucht, sowie die Abbil¬ 
dungen der Schwämme werden bald nachfolgen) in der Anlage in je 
Einem Exemplare übermittle, sehe ich mich veranlasst, der Verwaltung die 
schonende Behandlung dieser ziemlich kostspieligen Werke, aber auch die 
sorgfältige Verwendung derselben für den Unterricht dringend an’s Herz 
zu legen. Die Nützlichkeit der Belehrung, welche die Sträflinge daraus 
schöpfen können, ist zu klar, als dass ich erst nötig hätte, darüber noch 
ein Wort zu verlieren. Ich muss nur darauf dringen, dass die Belehrung 
möglichst allgemein gemacht werde. — Es wird sich zu diesem Zwecke 
empfehlen, zuerst jene Sträflinge zu unterrichten, welche zum Unterrichte 
ihrer Mitsträflinge verwendet werden können. — Ich zweifle nicht, dass 
selbst die Herren Seelsorger, und die hie und da eigens angestellten Leh¬ 
rer und in jenen Anstalten, die unter der Leitung geistlicher Corporatio- 
nen stehen, einzelne Schwestern sich der lohnenden Aufgabe unterziehet 





353 


werden, -wenigstens den ersten Unterricht in diesen Gegenständen einzu¬ 
leiten, bis derselbe durch Sträflinge fortgesetzt werden kann. Ebenso mö¬ 
gen durch Sträflinge oder durch Organe der Anstalt nach und nach auch 
Uebersetzungen des Textes für jene Sträflinge, welche der deutschen Sprache 
nicht mächtig sind, veranstaltet werden. 

Die Anweisung zum Unterrichte in den sub. I bezeichneten land¬ 
wirtschaftlichen Tafeln ist jeder dieser Tafeln selbst in sehr gemeinfass¬ 
licher Weise bei gedruckt. Zum Unterrichte über Giftpflanzen und die Pilze 
dient zunächst das der Sendung in zwei Exemplaren beiliegende ebenfalls 
sehr populär gehaltene Giftpflanzenbuch von Adolf Nitsche, und werde ich 
seiner Zeit mit der Abbildung der Pilze selbst einige Exemplare von „Dr. 
Bill’s essbaren und giftigen Schwämmen“ mitsehicken. Ausserdem mögen 
zur Ergänzung des Unterrichtes und namentlich zur Verdeutlichung des 
Textes mehrerer landwirtschaftlichen Tafeln mit Nutzen auch andere 
naturgeschichtliche und landwirtschaftliche Lehrbücher verwendet werden, 
welche aus dem Schulbücherverlage zu beziehen sind, falls nicht derartige 
geeignete Schrifen sich bereits im Besitze der Strafanstalt befinden. 

Da die übermittelten Tafeln und Abbildungen dem Anschauungs¬ 
unterrichte dienen sollen, so dürfte es zweckmässig und für die Erhaltung 
derselben sehr wünschenswert sein, wenn dieselben aufgespannt, eingerahmt 
und an den Wänden des Schulzimmers aufgehängt würden. 

Der.in Rede stehenden Sendung liegt endlich noch je Ein Exemplar 
der Jahrgänge 1866 und 1867 des von der k. k. Landwirthschaftsgesell- 
schaft in Wien herausgegebenen Kalenders für den österreichischen 
Land mann bei, und ich mache zugleich der k. k. Verwaltung bekannt, 
dass von jetzt ab, von eben dieser Gesellschaft jeweilig unmittelbar an die 
Strafanstalt je Ein Exemplar der von ihr herausgegebenen „land- und 
forstwirthschaftlichen Zeitung“ und. des „praktischen Land- 
wirth“ unentgeltlich verabfolgt und eingeschickt werden wird. — 


(Jahresberichte.) Wir sind in den Besitz mehrerer Jahresberichte 
gelangt, deren hier kurz Erwähnung gethan werden soll. 

(I. Neun und dreissigster Jahresbericht der Rheinisch-Westphäli- 
schen Gefängniss - Gesellschaft über das Vereinsjahr 1865/66.) Auch 
dieser Jahresbericht gibt uns ein erfreuliches Bild von der erspriess- 
lichen Wirksamkeit der Gesellschaft. Das Vorwort des Präses verdient 
insofern alle Beachtung, als derselbe von der politischen Neugestaltung 
Deutschlands, von der Kräftigung des Nationalgefühls einen neuen Auf¬ 
schwung des Gefängnisswesens hofft. Wenn derselbe in dessen Leitung 
und Einrichtung, sowie in den Principien beider den „Gradmesser der 
religiös-sittlichen Energie eines Volkes“ erblickt, so freuen wir uns, ihm 
unsere ungetheilte Zustimmung hierzu kundgeben zu dürfen. Zugleich 
über acceptiren wir diese Erklärung dankbarst, insofern von derselben auf 
die derzeit vorhandene religiös-sittliche Energie unseres deutschen Volkes 



354 


ein erfreuliches Licht fällt. — Der hierauf folgende statistische Bericht 
des Pastors Scheffer lässt erkennen, dass die Gesellschaft in steter Aus¬ 
breitung begriffen ist und dass in Rheinland und Westphalen allenthalben 
das Interesse an dem Gefängnisswesen zunimmt. Wir können an dieser 
Stelle nicht unterlassen, die dortige Gesellschaft wegen ihres gedeihlichen 
Wachsthums aufrichtigst zu beglückwünschen. — Es sind dem angeschlos- 
sen Berichte und Anträge der Gefängnissprediger-Conferenzen, Verhand¬ 
lungen von Provinzialsynoden über das Gefängnisswesen, Auszüge aus den 
Berichten der Tochtergesellschaften und Hilfevereine, ein Bericht des Asyls 
in Kaiserswerth, Hausregeln und Statuten der Asyle zu Lindorf, Lipp- 
springen und Enger, endlich die Grundgesetze und die Organisation der 
Gesellschaft. Der ganze Jahresbericht ist anregend und belehrend ge¬ 
schrieben. 

Soeben kommt uns noch der 40. Jahresbericht derselben Gesellschaft 
zu. Der auch diesmal von Pastor Natorp erstattete Bericht sieht sich trotz 
manchfacher erfreulicher Fortschritte, welche zu verzeichnen sind, dennoch 
in der Lage, zu energischem Weiterstreben aufzufordern. Es folgt sodann 
ein Referat des Pastors Erdsieck aus Herford über die Frage: in welcher 
Weise und nach welchem Prinzipe die Durchführung der Classification der 
Gefangenen (in Gemeinschaftshaft) möglich und wünschenswertst sei. Der 
Referent verwirft alle und jede lediglich nach äusserlichen und zufälligen 
Merkmalen vollzogene Classification, und befürwortet anstatt derselben eine 
auf moralischen Grundsätzen beruhende. Pastor Scheffer hat ferner auf 
der letzten Generalversammlung ein Referat über die gegenwärtigen Zu¬ 
stände in den Canton- und Gerichtsgefängnissen gehalten, in welchem er 
den oft trostlosen Zustand derselben schildert und auf Grund dessen auf 
Verbesserung desselben hinzielende Anträge stellt. Die Jahresrechnung der 
Gesellschaft ergibt einen Ueberschuss von gegen 600 Thalern, ein Beweis, 
dass die Beisteuer zu der Arbeit der Gesellschaft zu dem derzeitigen Be¬ 
dürfnis in einem angemessenen Verhältnisse steht. — Auch diesem Jahres¬ 
berichte sind einige Beilagen, Berichte von Hilfsvereinen und Asylen ent¬ 
haltend, angeschlossen. 


(2. Das Asyl auf dem Wutschenhofe unweit Castel iu Unterfranken. 
Achter und neunter Jahresbericht, I. Oktober 1862 bis dahin 1864.) 

Dass Asyle für entlassene Sträflinge eine wohlthätige nicht nur, sondern 
eine durchaus nothwendige Einrichtung sind, ist wohl allgemein anerkannt 
und bedarf keines Beweises. Es darf daher mit Fug auf die in Unter- 
franken bestehende einschlägige Anstalt als auf eine solche aufmerk¬ 
sam gemacht werden, welche der schwierigen Aufgabe, den Aufenthalt in 
der Strafanstalt mit dem Leben in der Freiheit zu vermitteln, nachzukom¬ 
men strebt. Die Verhältnisse der Anstalt sind annoch bescheiden. Seit 
1856 bis 1864 befanden sich nur 24 Zöglinge in derselben. Die erzielten 
Resultate können dem Jahresberichte zufolge im Allgemeinen sehn günstige 



955 


genannt werden, da über 50°/o der Entlassenen die an sie gewendeten Be¬ 
mühungen durch gutes Betragen belohnten. Auf einem falschen Standpunkt 
scheint uns jedoch der Berichterstatter zu stehen, wenn derselbe zu An¬ 
fang seines Berichts den Satz aufstellt, dass die Zunahme der Verbrecher 
mit dem Wachsthum der Volksbildung fortschreite. Abgesehen davon, dass 
in keinem deutschen Lande der Volkserziehung das religiöse Moment fehlt, 
glauben wir entschieden, dass dem Verbrechen am ehesten wird gesteuert 
werden, wenn der Geist unseres Volkes dureh gründliche Bildung von der 
Scholle abgelenkt und zn höher gelegenen Zielen hingeleitet wird. 

(3. Achter Bericht des Vereine für die Besserung der Straf¬ 
gefangenen in der Provinz Schlesien.) Dieser in ausgezeichnetster und 
sachkundigster Weise abgefasste Bericht ist von. dem Geh. Justiz¬ 
rath Prof. Dr. Abegg erstattet. Wir erfahren aus demselben, dass die 
Thätigkeit des Vereins von schönen Erfolgeh begleitet ist, welche, zu noch 
grösseren Anstrengungen ermuntern. Derselbe hat in den letzten sechs Jahren 
unmittelbar 166, mittelbar (durch Lokalvereine) weitere 489, zusammen 655 
entlassene Sträflinge theils mit Geldvorschüssen zum Arbeitsbetrieb, theils 
durch Bekleidung, Anschaffung von Arbeitsgeräthschaften u. s. w. unter¬ 
stützt. Je wichtiger die Zeit nach der Entlassung der Sträflinge aus dem 
Gefängnisse ist, desto anerkennenswerter ist das hierauf gerichtete Be¬ 
streben obigen Vereins. _ 

(4. Die evangelische Johannesstiftung In Berlin. Achter bis zehn¬ 
ter Bericht.) Aus diesem Berichte iuteressirt die Leser dieser Blätter 
zunächst nur diejenige Thätigkeit des Johannesstifts, welche mit der Ge¬ 
fangenenpflege zusammenhängt (S. 64—78, 81—82). Wir entnehmen aus den 
angeführten Stellen mit Genugtuung, dass es sich das Johannesstift angele¬ 
gen sein lässt, thunlichst sowohl den Gefangenen selbst mittelbare Hilfe 
zu leisten, als auch den Entlassenen zu ihrem weiteren Fortkommen be¬ 
hilflich zu sein, sowie auch — und darauf legen wir besonderen Nach¬ 
druck — deren Familien teilnehmend und helfend unter die Arme zu 
greifen. Nicht geringere Anerkennung verdienen auch die präventiven Mass- 
regeln desselben, sofern es nämlich ausdrücklich den vielen jungen Knaben 
seine Sorgfalt zuwendet, welche aus der Provinz in die verführungsreiche 
Stadt Berlin strömen, um — ohne solche aufmerksame Beaufsichtigung — 
dem Verbrechen anheimzufallen. Der Bericht schliesst freilich mit der 
wenig befriedigenden Nachricht, dass es im Verhältnisß zu dem übergrossen 
Arbeitsfelde allzusehr an tüchtigen Arbeitern fehle. 

(5. a. Die Erziehung zur Arbeit.) Einladungschrift zum Besuch einer 
Ausstellung von Rauhhäusler Handarbeiten in der Aula des Johanneums 
v om 27. April bis 5. Mai 1867. Zugleich Bericht über die Kinderanstalt 
des Rauhen Hauses vom Jahr 1866.) 

(b. Nachtrag zu diesem Bericht.) Das Interesse unseres Vereins- 
Mgana ist bei diesen Berichten nur mittelbar betheiligt, insofern nämlich das 
Streben des Rauhen Hauses darauf gerichtet ist» durch „Erziehung zur Arbeit“ 



356 


dem erst zukünftigen Verbrechen thatkräftig entgegenzuwirken. Die Bemer¬ 
kungen in dem ersterwähnten Programm des Dr. Wiehern verdienen, als von 
einer Autorität in diesem Fache ausgehend, die ihnen gebührende Beachtung. 

(Der Lokal-Verein zur Fürsorge für entlassene Straf¬ 
gefangene evang. Konfession in Breslau) hat im Laufe des Vereins- 
jahres 1866/67 sich mit der Unterbringung, Pflege und Unterstützung von zu¬ 
sammen 115, theils aus den hiesigen, theilsvon auswärtigen Strafanstalten nach 
Breslau entlassenen Personen und deren hilfsbedürftigen Familien beschäftigt. 

Von diesen führen sich gut, zeigen erfreuliche Folge der ihnen, ge¬ 
widmeten Fürsorge, oder haben doch Gegentheiliges nicht bekannt werden 


lassen. .65, 

dagegen haben sich derselben entzogen ... 20, 

sind rückfällig geworden. 14, 

haben sich wieder dem Trünke ergeben ... 3, 

sind der Unsittlichkeit und Lüderlichkeit verdächtig . 11, 

gestorben. 2, 

_ 50 ^ 

i. e. 115. 


Hierunter nicht enthalten sind diejenigen 20 Personen, welche, 
grösstentheils nach auswärts entlassen, nur einer momentanen, theils leih¬ 
weisen Unterstützung zur Beschaffung von Kleidern, Reisegeld, Handwerks- 
geräth etc. bedurften, während für ihre weitere Zukunft zu sorgen der 
Verein ausser Stande, oder diese Fürsorge in Ansehung deren Verhältnisse 
nicht erforderlich war. 

Der Verein umfasst nunmehr eine sechsjährige Wirksamkeit, und 
erstreckt sich diese über 425 Personen, die bei 247 dauernd gute Folge 
hatte, während 59 sich ihr entzogen, 43 rückfällig wurden, 16 dem Trünke, 
31 dem Leichtsinne und der Lüderlichkeit zum Opfer gefallen und 2 ge- 


storben sind. 

Asyl-Fond. 

Fond f.Entlassene 

An Kassenbestand wurde aus den Vor¬ 

Thl. Sgr. 

Pfg- 

Thl. 

Sgr. Pfg. 

jahren übernommen 

Hierzu kamen: 

588 14 

11 

90 

.7 6 

a. Beitrag vom hiesigen Magistrat 

b. Beitrag resp. Vorschüsse vom Direk¬ 
torium des Provinzial-Vereins für 

25 — 


25 


die Besserung der Strafgefangenen 
c. Beitrag von der Direktion der Schle¬ 
sischen Feuer- Versicherungs * Ge- 

50 - 


10 


gesellschaft. 

d. Vom Unterstützungsfond der Kön. 

50 — 

— 

— 

— — 

Gefangenen-Anstalt . . 

— — 

— 

43 

10 - 

e. Vom Herrn Stadtrath Zwinger . 

f. Von den Mitgliedern und andere 

5 — 

— 

— 

'—“ —~‘ 

milde Spenden .... 

6 25 

5 

15 

27 3 

Uebertrag 

720 10 

4 

184 

14 9 




357 



Thl. 

Sgr. 

Pfg. 

Thl. 

Sgr. Pfg. 

Uebertrag 

720 

10 

4 

184 

14 9 

g. Erstattete Vorschüsse 

— 

— 

— 

10 

10 — 

h. Zinsen. 

2 

— 

— 

— 

— 

Summa Einnahme 

722 

10 

4 

194 

24 9 

Ausgaben: 

Asyl-Fond. 

Fondf.Entlassene 

' 

Tbl. 

Sgr. 

Pfg. 

Thl. 

Sgr. Pfg. 

Vorschüsse ..... 

— 

— 

— 

10 

— —* 

Pflegegelder, Lehrgeld 

— 

— 

— 

15 

20 — 

Unterstützungen. 

— 

— 

— 

99 

20 — 

Für Lokalbewartung etc. 

1 

3 

6 

4 

5 — 

Für Beschaffung von Utensilien u. Haus¬ 
haltungsbedürfnissen des Asyls 

04 

4 

6 

— 

— — 


65 

8 

— 

129 

15 — 

Bestand: 

657 

2 

4 

65 ‘ 

9 9 


722 Thl. 12 Sgr. 1 Pfg. 

Ueberhaupt wurden während des 6jährigen Bestehens des Vereins 
an Geldmitteln 627 Thlr. 11 Sgr. aufgewendet. 

Den Druck unseres Berichtes hat die Offizin von Grass, Barth und 
Comp. (W. Friedrich) auch diesmal wohlwollendst wieder imentgeltlich 
ausgeführt und die Redaktionen der hiesigen Zeitungen gestatteten ebenso 
demselben ein Plätzchen in ihren resp. Blättern. 

Wir schliessen unsern Bericht mit dem aufrichtigsten Danke für 
alle uns in Gelde oder auf sonstige Weise gewidmete Theilnahme und 
Unterstützung; insbesondere auch für die uns Seitens des hiesigen Magistrats, 
des Direktoriums des Schlesischen Provinzial-Vereins für die Besserung 
der Strafgefangenen, sowie der Direktion der Schlesischen Feuer-Versiche¬ 
rungs-Gesellschaft überwiesenen namhaften Spenden. 

Zugleich aber erneuern wir die dringende Bitte, uns auch ferner 
durch Gewährung von Unterkunft, Beschäftigung, Geld, Kleidern etc. in 
unserm Wirken unterstützen zu wollen, damit der Unglücklichen immer 
weniger werden, deren Rathlosigkeit und Verlassenheit allein sie dem Ver¬ 
brechen wieder in die Arme treibt. 

Die kleinste Spende, die noch so gering scheinende Unterstützung 
wird uns stets willkommen und geeignet sein, einen Theil des Elends zu 
mildern, dessen Masse zu bewältigen unsere Kräfte nicht im Entferntesten 
geeignet sind. — Wir werden solche Hilfe auf das Gewissenhafteste zu 
Rathe ziehen und ihrem Spender jederzeit zur Rechenschaft bereit sein. 

Breslau, im Mai 1867. 

Der Vorstand des Lokal-Vereins zur Fürsorge für entlassene Strafgefangene 

evangelischer Konfession. 

Schück. Kreyher. , Kaulfuss. Gossa. v. Cölln. 



858 


(Schutzverein in Württemberg.) Nach dem von dem Verein 
zur Fürsorge für entlassene Strafgefangene der ordentlichen General¬ 
versammlung vorgelegten Rechenschaftsbericht über die letzte, zwei Jahre 
umfassende Verwaltungsperiode zählt derselbe 2380 Mitglieder und dehnte 
seine Fürsorge in dieser Zeit über 176 Personen aus, von denen 37 wegen 
Wohl Verhaltens entlassen werden konnten, 6 starben, 30 auswanderten, 
15 sonst aus der Obhut des Vereins traten, 29 wieder rückfällig wurden 
und 59 unter dessen Obsorge verblieben, von denen 36 ein ganz gutes 
Prädikat verdienen. 


(Asyle für entlassene Sträflinge.) Innerhalb 9 Jahren sind 
in Pommern 5 bis 6 Versuche, Asyle für entlassene Sträflinge aufrecht 
zu halten, gescheitert, 2 für männliche Entlassene zu Waldhaus bei 
Roman und zu Züllchow bei Stettin, 3 für weibliche nach einander zu 
Anolam, in Fort Neupreussen und zuletzt in Neu-Tomey bei Stettin. 
Der letztere Fall ist der beklagenswertheste, da nicht unbedeutende 
Opfer für die Sache von einer Reihe von Männern gebracht Waren, um 
die Sache in’s Leben zu rufen, gut einzurichten und zu erhalten. Allein 
das Unternehmen scheiterte wie so manches verwandte, schliesslich nament¬ 
lich dadurch, dass man nicht die rechte Persönlichkeit mit der Leitung 
betraute. Auch über die ebenfalls dahin gehörigen Versuche, immer 
nur je Einen Entlassenen in eine Familie unterzubringen, womit man in 
Neuvorpommern vor einigen Jahren den Anfang gemacht, sind die letzten 
Berichte nicht günstig. 

Dabei mag bemerkt werden, dass das von Harms in Hermannsburg 
begründete Asyl für entlassene Sträflinge, wie wir aus dem in Baiern er¬ 
scheinenden „Freymund“ ersehen, ebenfalls wieder aufgehoben ist. — Da¬ 
gegen ist hervorzuheben, dass an anderen Stellen, z. B. in Hamburg und 
am Rhein dergleichen Zufluchtsstätten für männliche Entlassene seit lange 
bestehen und nicht ohne Erfolg arbeiten und zwei neuere in Westphalen 
ebenfalls guten Erfolg haben. (Fi. bl ». d. b. h.) 


(Zur Geschichte des deutschen Gaunorthums. Von Karl 
Seifart.) Es ist durch historische und statistische Nachweise oft darauf 
aufmerksam gemacht worden, dass sich in der sogenannten „guten alten Zeit“, 
trotz der Grausamkeit und Barbarei der damaligen Leibes- und Lebens, 
strafen, die Capitalverbrechen keineswegs verminderten, sondern dass viel¬ 
mehr die Unmenschlichkeit der Verbrechen mit der Unmenschlichkeit der 
Richter und der Gesetze gleichen Schritt hielt und in dem Masse an 
Furchtbarkeit zunahm, in welchem man die von barbarischem Rechts¬ 
gefühl dictirten und häufig von dem Grundsatz einer rohen Wiedervergel¬ 
tung geleiteten Strafen vor den Augen einer blutgewohnten und blutgieri- 



359 


gen 'Menge vollziehen lies*. Die häufigen blutigen Schauspiele und die 
aus der Nichtachtung des Menschenwerths und der Menschenwürde ent* 
Bprungenen, durch drakonische Gesetze bestimmten Misshandlungen erhiel¬ 
ten, statt abzuschrecken, die Gemüther in einer Verhärtung und Stumpf¬ 
heit, ans welchen sich zum grösstentheil die häufigen, oft mit der un¬ 
menschlichsten Grausamkeit begangenen Mord- und Gewalttaten begreifen 
lassen, welche uns die Chroniken und Criminal&eten des sechszehnten und 
siebenzehnten Jahrhunderts, sowie auch noch eine sehr umfangreiche 
Mordgeschichtenliteratur aus der ersten Hälfte des achtzehnten Jahr¬ 
hunderts erzählen. 

Eine Folge jener Stumpfheit und Verhärtung war auch die auf¬ 
fallende Gleichgültigkeit, ja Frivolität, mit welcher derzeitige Verbrecher 
nicht selten den schimpflichsten Tod durch Henkers Hand erlitten. So 
fehlt es nicht an Beispielen, dass Begnadigte die Gnade verschmähten und 
„lieber zur Gesellschaft mithängen wollten“ (Dreyhaupts Beschreibung des 
Saalkreises), dass Verbrecher, welchen der Strang zuerkannt war, lieber 
mit andern schwerer gravirten Spiessgesellen die Strafe des Bades erdul¬ 
deten, „weil gleiche Brüder gleiche Kappen tragen müssten“ (Tagebuch 
des Nürnberger Scharfrichters Franz Schmidt, 1573 bis 1615), dass ferner 
andere auf der Folterbank noch „Possen und Chosen“ (Das Justizrad, 
Berlin 1714) trieben und die grausamen Künste des Henkers verhöhnten. 

Solche Menschen gab es noch unter ans bis in die zweite Hälfte 
des vorigen Jahrhunderts, und sehr umfangreich ist die Literatur über das 
Leben und Treiben verhärteter Bäuber nnd Gauner ans der ersten Hälfte 
dieses Zeitabschnittes. Dieselbe ist ziemlich vollständig in dem Werke von 
Ave-Lallement (das deutsche Gaunerthum, Th. I, Leipzig 1858, Broekhaus) 
aufgezählt und enthält auch einen Hinweis auf ein mir vorliegendes Werk 
aus der Göttinger Bibliothek, das unter einem Convolut von Mordberich¬ 
ten und peinlichen Executionsschildernngen zwei sehr merkwürdige Kapitel 
zur Geschichte des deutschen Gaunerthums mittheilt, aus weichen wir hier 
einige Gebräuche und Thatsachen hervorheben wollen, die unserm heuti¬ 
gen Culturleben gänzlich fremd geworden sind und als ganz unglaublich 
von uns abgewiesen werden würden, wenn nicht angesehene und zuver¬ 
lässige ältere Criminalisten dieselben verbürgten. 

Der Titel des mit vielen schlechten Kupferstichen aasgestatteten 
Werkes lautet: „Gründliche Nachricht von Entsetzlichen und Erbärmlichen 
Mordthaten, Schändlichem Kirchenrauh und vielen Gefährlichen Dieb- 
Stählen. Nehst beigefügtem Verzeichnis® der Namen vieler Spitzbuben, 
Ihre Gesetze u. s. w. (1715)“, und gibt ausser dem merkwürdigen Namens- 
verzeichniss von 140 derzeit renommirten Spitzbuben und einem Verzeich¬ 
nis der zahlreichen und manigfaltigen Baubutensilien, im elften Kapitel 
auch eine Beschreibung der Ceremonien, unter welchen ein Aspirant in 
die Bande aufgenommen wurde. — Eine wesentliche Aufnahmebedingung 
war unter anderen auch die, dass sich dm Aspirant einer vierstündigen 
Tortur unterwerfen musste, um die Spiessgesellen durch seine Standhaftig- 
keit zu vergewissern, dass er im Fall einer Verhaftung und peinlichen 



360 


Befragung nicht leicht zu einem Geständniss zu bringen sein wurde. Solche 
Uebungen im Ertragen der furchtbaren Folterschmerzen wurden dann ab 
und an von der Bande in Wäldern und an abgelegenen Orten wiederholt, 
und schon der bekannte Kriminalist Damhouder (1507—1581) erwähnt 
(Rerum criminalium peraxes et tractatus etc., Cap. 33, 19), dass nach den 
eigenen Aussagen gefangener Räuber und Mörder die Sitte unter ihnen 
ganz gewöhnlich sei, sich durch wechselseitiges Martern gegen mögliche 
gerichtliche Folterqualen abzuhärten. — Das sind sehr wunderliche Dinge! — 
Hören wir aber unser altes Buch weiter, so wird es uns noch mehr des 
Seltsamen und Neuen aus guter alter Zeit erzählen: „Die Spitzbuben“, 
heisst es unter anderem, „haben viele vornehme Herrn unter sich, auf 
deren Feldgütern sie Zusammenkommen und auf gemeinschaftliche Kosten 
zehren. Da geht alles herrlich zu; und wird dann der Bande vorgetragen, 
dass sich einige zur Aufnahme gemeldet haben, so hält man darüber ein 
Capitel, deliberirt desswegen und lässt einen nach dem andern Vorkommen 
und befragt ihn absonderlich auf nachfolgende Puncte: Woher er seie? 
Wie sein Name und Alter? Ob er bereits einige Proben im Morden und 
Stehlen abgelegt? Ob er schon auf der Tortur gewesen und solche dächte j 
auszustehen? 

Darauf gibt er etwa zur Antwort: Er sei des Schenken Sohn von 
Holtzendorf, sein Name sei Hans Heinrich Kehraus und 23 Jahre alt, der 
und der Ordensbruder könne ihm Zeugniss geben, dass er den Edelmann 
zu W. bestohlen und den Müller zu T. ermorden helfen. Die Tortur habe 
er noch niemals ausgestanden, dieweil es aber bei diesem löblichen Orden 
so Manier, so wolle er solche zur Probe ausstehen. — Weil nun in der 
Bande sich sehr des öfteren Scharfrichter mitbefinden, auch die Bande 
ihr eigen Marterzeug hat, so muss der Angemeldete daran und wird zum 
wenigsten vier Stunden scharf mit ihm verfahren; nach geschehener Tor¬ 
tur muss er nachgesetzten Eid schwören: Ich H. H. K. schwöre und ge¬ 
lobe zu Gott dem Allmächtigen, dass ich unserm Herrn Obristen über die j 
ganze Bande, auch denen andern Ober- und Unteroffizieren, ja dem ganzen 
Capitul und Gemeinde, will Zeit meines Lebens treu und hold sein. Ihrer 
allerseits Bestens helfen suchen, befördern und vermehren, Alles, was mir 
befohlen wird, fleissig und getreulich ausrichten. Alle Sachen geheim 
halten, auch sogar Vater, Mutter, Geschwister, noeh weniger meiner Frau 
nichts offenbaren. Von der Rüstkammer oder änderen heimlichen Nieder¬ 
lagen und Wohnungen will ich bis in den Tod Niemanden nichts offen¬ 
baren. Allen Orderes, so ich empfange, sofort treu folgen, wenn es auch 
gleich die Ermordung des Vaters, der Mutter oder anderer nächsten Freunde 
beträfe. Auch wenn ich sollte gefangen, gemartert, ja gerädert werden, 
will ich niemand nicht verrathen, sondern lieber den Tod leiden, als etwas 
bekennen. Gelobe also dem ganzen Convent getreu und hold zu bleiben j 
bis in den Tod, so wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum seinen 
Sohn! — Wenn solches nun geschehen, so geht es etliche Tage an ein 
Wohlleben, Fressen, Saufen, Tanzen; Buhlen und Buben ist eine freie 
Kunst. Nachdem werden die Ordres im Convent beschlossen, etwa dass 



24 Mann in 4 Parteien ausgehen , jede Partei sechs Mann stark sammt 
zwei Weibern und einem Juden, welche die sechs Mann selbst erwählen 
sollen u. s. w.“ — Ein anderes Kapitel berichtet über die erstaunlichen 
Mittel, welche eine sogenannte Rüstkammer der Räuber enthielt, es fanden 
sich dort unter anderm: 8 Fässer Pulver in doppeltem Holze, 6 eiserne 
Mordkeulen, 30 Säbel, 40 Flinten, 16 Paar Pistolen, 25 Paar „Pufferte“, 
50 starke Brecheisen, 43 Paar Wandschrauben, 40 Pfund verschiedenartige 
Lichter, 30 Blendlaternen, 200 falsche Bärte, 60 Wachsstöcke, 20 eiserne 
Zangen, 25 Stück Leitern, 50 ledige Kornsäcke, 60 hölzerne Mundbirnen 
oder Knebel, 100 und mehr Klafter starker Schnüre, 25 Aexte, 400 Dietriche 
und Schlüssel, 22 Paar Filzschuhe, 30 Pfund groben Hagelschrot, 3 Schock 
Brandkugeln, 100 Masken von allerlei Farben, 30 scharfe Messer, 40 Hand¬ 
beile, 40 grosse Pechkuchen,'50 Pfd. Lunte, 30 Taschenfeuerzeuge, 2 Schock 
Flinten- und Pistolensteine und 40 Pfund gedämpftes Pulver. 

Gewiss ein ganz anständiges Arsenal, womit »ich etwas ausrichten 
liess! Auch unser alter Berichterstatter meint: „Nun könne man sich wohl 
denken, leicht capabel seien, unter Bürgern und Bauern' einen allgemeinen 
| Aufstand und Rebellion zu' erwecken, so dass die hohe Landesobrigkeit 
' ein höchst wachsames Auge haben und auf Abschaffung solcher Bosheiten 
! stets bedacht sein müsse. — Unter Rebellion und Aufruhr ist hier nichts 
; anderes zu verstehen, als der Schrecken und die Unruhe, durch welche 
| die derzeitigen Räuberbanden die Leute beständig in Athem erhielten und 
die allerdings dann auch wohl leicht zur Selbsthilfe und andern Ungesetz- 
: lichkeiten führen mochten. Allgemeine Jagden ganzer Dorfschaften auf 
i Räuberbanden geschahen mit oder ohne obrigkeitliche Aufsicht, und ander¬ 
seits fehlt es nicht an Nachrichten, welchen zufolge noch im Anfänge des 
vorigen Jahrhunderts ganze Gemeinden eine Räuberbande- bildeten oder 
; mit andern Raubgenossenschaften verbunden waren. — Von dem uns kaum 
; mehr begreiflichen Grade der Unsicherheit des Lebens und des Eigenthums 
i noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts kann man sich eine annähernde 
Vorstellung machen, wenn man das in dem oben berührten Werke von 
! Ave-Lallement angeführte Quellenverzeichniss der Raub- und Mordthaten 
jener Zeit überblickt; geht man aber auf diese Quellen selbst zurück, 
durchmustert man diese alten, mit Galgen, Rad und Schandsäulen über* 
i reich verzierten Quartanten, die meist unbeachtet in den Bibliotheken 
stehen, so kann man sich nur mit Staunen und Verwunderung fragen, wie 
es möglioh gewesen ist, in dem kurzen Zeiträume, welcher die Gegenwart 
und jüngste Vergangenheit von einem Zustande halber Barbarei trennt, 
so bedeutende Vorschritte zu einem menschlichem und sittlicheren Zu¬ 
sammenleben gemacht zu haben. Wohl gibts noch heute verstockte Böse- 
dichter und Zuchthaüscandidaten in Menge, aber sie sind wahre Kinder 
än Macht und Bosheit, wenn wir sie mit ihren in dichten Massen über 
ganz Deutschland verbreiteten und complottmässig verbundenen Vorfahren 
vergleichen, vor deren Raub- und Mordwuth nicht einmal die Mauern und 
die aasgebildete Polizei grosser und volkreicher Städte schützten, während 
nian sich in Dörfern, auf vereinzelten Gehöften und Mühlen niemals ohne 



362 


4ie Besorgnis zu Bette legen konnte, dass aber Nacht durch Einbrach, 
Misshandlung oder Brandstiftung Leben und Besitzthum gefährdet werden 
möchte. — Folter und grausame Hinrichtungen konnten dem Uebel nicht 
steuern, vielmehr verlor erst mit dem Durchbruch der humanen und 
philanthropischen Anschauungen des vorigen Jahrhunderts und mit der 
im Gefolge dieser Ideen gehenden Milderung des Strafverfahrens und der 
zunehmenden Achtung vor der Menschenwürde das alte Gaunerswesen an 
Umfang und Furchtbarkeit. 

(Wettermanns illnstr. deutsche Monatshefte). 


(Sterbeoasse für niedere Diener.) Im Grossherzogthum Ba¬ 
den besteht seit mehreren Jahrenein Verein für alle niederen Staatsbedienstete, 
welcher, auf Gegenseitigkeit gegründet, den Zweck hat, beim Ableben eines 
Mitglieds den Reliefen desselben eine bedeutende Summe zur Verfügung 
zu stellen. 

Der Verwaltungsrath des Sterb-Casse-Vereins für niedere Bedienstete, 
welcher in Const&nz seinen Sitz hat, hat seinen V. Rechenschaftsbericht 
ausgegeben. Darnach beträgt das Vereins vermögen mit 1. Juni 1867 
11572 fl. 28 kr, während es am 1. Juni 1866 9645 fl. 43 kr. betrug und 
vermehrte sich somit im abgelaufenen Rechnungsjahre um nahezu 2000 fl- 

Mit dem 1. Juni 1866 zählte der Verein 645 Mitglieder, und mit 
dem 1. Juni 1867 betrug die Zahl derselben 761, also auch hier ein Zu¬ 
wachs von über 100 Mitglieder. 

Sterbfälle hatte der Verein im abgelaufenen Rechnungsjahre nur 
10 und wurden an die Hinterbliebenen der betreffenden Mitglieder je 300 fl., 
somit im Ganzen 3000 fl., und ausserdem an ein äusserst bedürftiges 
Vereinsmitglied 50 fl. Unterstützung ausbezahlt. 

Dieser Verein hat somit auch in dem abgelaufenen Rechnungsjahre 
seine schöne Aufgabe „Unterstützung der Hinterbliebenen absterbender 
Mitglieder“ gelöst und konnte diess, indem seine Mitglieder 4 fl. 14 kr. 
also monatlich bloss 21 kr. zur Vereinskasse bezahlten. Aus den Zinsen 
des Grundstockes und den Einkaufsgeldern neu aufgenommener Mitglieder 
konnte er sein Vermögen selbst, wie angegeben, um nahezu 2000 fl. 
vermehren. 

Die fortwährende gedeihliche Entwickelung des Vereins ermöglichte 
es ihm auch, vom 1. Juli v. J. ab die bisherige Unterstützungssumme ton 
300 fl. auf 400 fl. erhöhen zu können, und ist zu erwarten, dass eine aber¬ 
malige Erhöhung nicht in all zu weite Feme gerückt sein dürfte. 

Nach den Satzungen dieses Vereins sind alle niederen Bediensteten 
der Kirche, des Staates und der Gemeinde aufnahmsfähig, welche das 
50. Lebensjahr noch nicht überschritten haben und ein genügendes Ge 
sundheitszeugniss beizubringen vermögen. Neuangestellte, welche innerhalb 
6 Wochen nach ihrer Anstellung dem Verein beitreten, zahlen ausser einer 
Aufnahmsgebühr von 1 fl. 30 kr. einen einmaligen Reservefondsbeitrag und 
zwar im Alter bis zu 35 Jahren 5 fl., bis zu 45 Jahren 10 fl. und bis za 
50 Jahren 16 fl., während sie, wenn ihr Beitritt später erfolgt, ausserdem 



m 


noch die inzwischen zur Erhebung gebrachten Umlagen zu bezahlen haben. 
Zur Erleichterung können die erstmaligen Beiträge in Terminen abgetra¬ 
gen werden. 

(Ventilation.) Bei der Pariser Weltausstellung von 1867 ist 
die Ventilation am würdigsten durch die Apparate des Hrn. v. Mondesir 
vertreten, welche das ganze Ausstellungsgebäude mit frischer Luft ver¬ 
sorgen. Ein System von unterirdischen Luftleitungen von ungefähr sechs 
Fuss Höhe und neun Fuss Breite durchzieht den Boden, auf welchem der 
Palast sich erhebt. Sechszehn von diesen Leitungen gehen von verschie¬ 
denen Punkten der Peripherie auf das Zentrum zu, und eine ringförmige 
Leitung ist unter jeder der Galerien des Gebäudes hingeführt. Die Luft 
dringt von diesen Leitungen in die Galerien durch eine Menge von Oeff- 
nungen ein, die in den Boden angebracht und mit Holzgitter verdeckt sind. 
Mondesir hat nun ein ganz neues System der Luftbewegung angebracht, 
ln den vom Mittelpunkte ausgehenden Leitungen lässt er einen Strom 
komprimirter Luft zirkuliren, welcher dann alle in den ihm benachbarten 
ringförmigen Leitungen vorhandene Luft mit fortreisst und dieselbe durch 
die Oeffnungen in die Galerien treten lässt. Man hat auf diese Weise nur 
sehr wenige, durch Dampfmaschinen komprimirte Luft nöthig. Vor jeder 
Oeffnung, aus welcher die komprimirte Luft strömt, hat Hr. v. Mondesir 
Wasserbehälter angebracht; durch den ungeheuren Luftstrom wird das 
Wasser mit fortgeführt, aufgelöst in die feinsten Tropfen, ein wahrer 
Wasserstaub. Auf diese Weise wird die ganze Luft, die in den Palast ein- 
tritt, mit Wasser gesättigt. Dieses System, das sich so im Grossen treff¬ 
lich bewährt hat, ist einfach und wenig kostspielig. 




/ 



364 


Correspondenz. 

(Wien. Ende November.) Die Kettenstrafe und die 
körperliche Züchtigung sind nun in den k. k. österreichischen Staa¬ 
ten durch Gesetz vom 15. d. M. abgeschafft, und allen zu schwerem Kerker 
verurtheilten Gefangenen die Ketten abgenommen worden. Ueber den des- 
fallsigen Akt in dem Wiener Gefangenenhause berichtet die Wiener Abendpost: 

Eine bedeutungsvolle Feier fand heute (19. November) am Namens¬ 
feste der Kaiserin Elisabeth, in den sonst so stillen Bäumen des Gefange¬ 
nenhauses am Paradeplatze statt. Zufolge einer Weisung des Justizministers 
sollte die feierliche Kundmachung des von dem Kaiser sanktionirten Ge¬ 
setzes bezüglich der Abschaffung der körperlichen Züchtigung und der 
Kettenstrafe erfolgen. Ein aussergewöhnliches Ereigniss pflegt innerhalb 
des eisenvergitterten Burgfriedens einer Strafanstalt von jeher eine eigen¬ 
artige Rührigkeit hervorzurufen. Diess war denn auch heute der Fall. Mit 
einer gewissen Geschäftigkeit, der man die Hast ansah, füllten die Sträf¬ 
linge die Räume der festlich erleuchteten Hauskapelle, in welcher sich die 
beiden Präsidenten des Landesgerichts, eine Repräsentanz der Staatsanwalt¬ 
schaft, die Beamten der Gefangenenhausverwaltung, das dienstfreie Haus- 
personal, sowie eine Anzahl geladener Gäste eingefunden hatten. Nach 
der von dem Strafhausseelsorger celebrirten Messe wurde der Ambrosia- 
nische Lobgesang angestimmt und nach beendigtem Gottesdienst der Rund¬ 
gang in den mit dem Bilde des Kaisers gezierten Lehrsaal angetreten. 
Die beschränkten Räumlichkeiten gestatteten freilich nur einer kleinen 
Fraktion der Sträflinge, bei dem feierlichen Akte gegenwärtig zu sein, 
während der grössere Theil im Korridor Aufstellung nehmen musste. 
Landesgerichtspräsident v. Boschan publizirte das allerhöchst sanktionirte 
Gesetz» knüpfte hieran den Wunsch, dass sich die Sträflinge in Zukunft 
der Gnade und Milde des Kaisers, sowie der humanen Gesinnungen Sr. 
Exc. würdig erweisen mögen, damit an die Stelle der nunmehr fallenden 
Ketten andere stärkere Bande, jene der Versöhnung und des Vertrauens, 
treten, um die Vereinigung der Gefallenen mit der bürgerlichen Gesell¬ 
schaft aufs Neue herzustellen. Unverkennbare Rührung spiegelte sich bei 
diesen Worten in den Mienen der Sträflinge, und insbesondere hielten die 
weiblichen Gefangenen laut schluchzend ihre Taschentücher vor die Augen 
gepresst. Hiermit war die seltsame Feier zu Ende, die man mit Recht ein 
Merkzeichen des Fortschritts in einer der höchsten und wichtigsten Be¬ 
ziehungen nennen darf. Wenn auch die Aktenrollen, wie sie Tag für Tag 
registrirt werden, zuweilen an der nachhaltigen Durchführung des Besse¬ 
rungszweckes Zweifel aufkommen lassen, wenn die Rundschau von der Tribüne 
lange Gallerien düsterer Sittengemälde enthüllt: so lange man an der Ueber- 
zeugung festhält, dass die sicherste Bürgschaft für die Sittlichkeit eines Volkes 
jene des Staats selbst ist, darf die Hoffnung nicht aufgegeben werden, dass die 
vertheidigende Gerechtigkeit, gepaart mit Humanität und Billigkeit, allmälig 
einen Erfolg erringen wird, welcher einem Siege der Moral gleichkommt. Er¬ 
wähnt sei noch, dass es zur Zeit in Oesterreich 4—5000 Kettensträflinge giebt. 



365 


(Berlin, 21. Jenner 1868.) Tn der heutigen Sitzung des Abgeordneten¬ 
hauses fand u. A. die Berathung über die Ausgaben für Straf-, Besserungs¬ 
und Gefangenenanstalten statt. Hiezu lag ein Antrag des Abg. Windthorst 
(Meppen) vor: Das Haus der Abgeordneten wolle beschliessen: Die königl. 
Staatsregierung aufzufordern, diejenigen Einleitungen zu treffen, welche 
erforderlich sind, die gesammte Strafvollstreckung und die Bearbeitung 
der Angelegenheiten der sämmtlichen Straf- und Besserungsanstalten, sowie 
der Gefängnisse im Ressort des königl. Justizministeriums zu vereinigen. 
Derselbe hatte folgende Petition an das Abgeordnetenhaus veranlasst: 

An das Hohe Haus der Abgeordneten in Berlin. Düsseldorf, am 
9. Januar 1868. Der ehrerbietigst Unterzeichnete Ausschuss der Rheinisch- 
Westphälischen Gefängnissgesellschaft hat aus öffentlichen Blättern ersehen, 
dass zur bevorstehenden Berathung des Hohen Hauses der Abgeordneten über 
den Etat der Justiz-Verwaltung folgende Anträge gestellt worden sind: 
1) von den Abgg. Windthorst, Dr. Oetker, Koch, Rohden und Bahlmann 
zu Titel 42 der Ausgaben „das Haus der Abgeordneten wolle beschliessen, 
gegen die Königl. Staatsregierung die Erwartung auszusprechen, sie werde 
die Vollstreckung der Gefängnisstrafen den Vorschriften des Strafgesetz¬ 
buchs entsprechend gleichmässig in allen Theilen der Monarchie ordnen. 
(Motive: die in der Provinz Hannover bestehenden Grundsätze der Voll¬ 
streckung durch Einzelhaft und die Einrichtung der dortigen Gefängnisse 
darnach). 2) Von den Abgeordneten Windthorst, Rohden, Dr. Oetker und 
Koch zu demselben Titel: das Haus der Abgeordneten wolle beschliessen, 
die Königliche Staatsregierung aufzufordern, diejenigen Einleitungen zu 
treffen, welche erforderlich sind, die gesammte Strafvollstreckung uni die 
Bearbeitung der Angelegenheiten der sämmtlichen Straf- und Besserungs¬ 
anstalten, sowie der Gefängnisse, im Ressort des Königl. Justizministeriums 
zu vereinigen.“ Die Tragweite dieser beiden Anträge, deren Materie einen nicht 
unbedeutenden Theil einer eigenen und, wie wir hinznsetzen müssen, schon 
lange für unseren Staat erwarteten Gesetzesvorlage über den gesammten 
Strafvollzug berührt, veranlasst den ehrerbietigst Unterzeichneten Ausschuss, 
im Namen seiner nun bereits vier Decennien auf dem Gebiete des Ge- 
fängnisswesens thätigen Gesellschaft, zu deren Mitbegründern ein v. Stein 
und v. Vinke gehörten und deren unablässiges Streben gewesen ist, in 
Wort und Schrift für eine die sittliche Besserung der Bestraften anstrebende 
Entwickelung unserer Gefängnisseinrichtungen zu wirken, das Resultat seiner 
rücksidhtlich der obigen Anträge gemachten Erfahrungen vor einem Hohen 
Hauge auszusprechen. Wir erlauben uns daher in Bezug auf den Antrag 1 Fol¬ 
gendes ehrerbietigst vorzustellen: Es unterliegt keinem Zweifel, dass die gleich* 
mässige Einführung eines Strafgesetzbuches in allen Theilen der Monarchie die 
logisch und juristisch nothwendige Folge involvirt, dass auch die Vollstreckung 
der nach diesem Gesetzbuch über die einzelnen Individuen verhängten Strafen 
eine in der gesammten Monarchie gleichmässige sei. Der betreffende An¬ 
trag der Herren Abgeordneten dürfte daher im Princip ein völlig gerecht¬ 
fertigter zu nennen sein. Nur ist, ‘ wenigstens aus den in den Zeitungen 
beigefügten Motiven, nicht ersichtlich, nach welcher Richtung hin diese 

Blätter für Gefängniaeknnde III. 25 



— m — i 

„gleichmassige“ Vollstreckung der Gefängnisstrafen intendirt wird: ob die 
in der Provipz Hannover bisher grundsätzlich bestandene Einzelhaft auf 
den ganzen Preussischen Staat in seinem gegenwärtigen Bestand ausgedehnt 
werden, oder ob auch in Hannover die bis dahin grundsätzliche Praxis 
wieder ausser Wirksamkeit gesetzt und an deren Stelle das in den alt- 
preussischen Theilen herrschende, oder ein anderes Verfahren rück- 
sichtlich des Strafvollzugs treten soll. So sehr es auch wahrscheinlich 
ist, dass die Herren Antragsteller die erstere Alternative im Auge haben 
und so wenig es namentlich einem Zweifel unterliegt, dass gerade mit 
Rücksicht auf die Gefängnisse für Untersuchungs- und kurzzeitige Straf¬ 
gefangene, welche zur Zeit einem Hohen Justizministerium unterstehen, 
die Haftvollstreckung in Form der Einzelhaft die nach Theorie und 
Praxis allein richtige ist, so wollten wir doch nicht unterlassen, für 
diese Anschauung noch ausdrücklich Zeugniss abzulegen und, indem 
vjfir zur näheren Begründung die Verhandlungen unserer 36. General- 
Versapimlung über die fsolirhaft (welche von Autoritäten auf dem Ge¬ 
biete des Strafvollzugs, wie Mittormaier, als bedeutungsvoll gewürdigt 
worden sind) heizufügen uns erlauben, ehrerbietigst zu beantragen: 
Dag Hohe Haus der Abgeordneten wolle dem Anträge der Herren Ab¬ 
geordneten Windthorst, Dr. Oetker, Koch, Rohden und Bahlmann, so¬ 
fern derselbe die gleichnjässige Einführung der Einzelhaft als die grund¬ 
sätzliche Strafvollstreckung für den ganzen Umfang der Preussischen 
Monarchie bezweckt, seine Zustimmung ertheilen. In Bezug auf den 
zweiten der eingebrachten Anträge scheint es uns vor Allem darauf 
anzukommen, dass überhaupt auf dem ausserordentlich umfangreichen 
und für das gesammte Staatsleben hochwichtigen Gebiete des Strafvoll¬ 
zugs eine einheitliche Entwickelung erstrebt werde, von welchem Mi¬ 
nisterium auch Impuls und Förderung ausgehe. Soll dies aber wirklich 
erreicht werden, so dürfte Ein Weg als besonders erfolgreich sich 
empfehlen: wir meinen die Organisirung einer eigenen Centralstelle für 
das gesammte Gefängnisswesen der Monarchie unter Leitung eines Gene¬ 
ral-Direktors. — Indem wir hierauf die Aufmerksamkeit eines Hohen 
Hauses zu lenken pns beehren, glauben wir, dass wir damit die Ge¬ 
danken des grössten Theiles der praktischen Strafanstaltsbeamten unseres 
Landes aussprechen, aus deren Kreisen schon seit Jahren Stimmen nach 
dieser Richtung laut geworden sind, und dass eine möglichst selbstständig 
dastehende Behörde, in den Staatsorganismus eingefügt, aus Fachmännern 
gebildet und zur eingehendsten Beurtheilung aller einschlagenden Fra¬ 
gen competent, um so mehr einer wesentlichen Förderung des ganzen 
Strafanstaltswesens gleichkommen würde, als dieses Gebiet, zumal seit Er¬ 
werb der neuen Provinzen, einen so bedeutenden Umfang angenommen hat, 
dass seine Bewältigung in einem Ministerialdecernat fast unausführbar 
erscheint. Es ist nicht hier der Ort, eine eingehendere Begründung dieser 
unserer Anschauung eintreten zu lassen: es genügt, dieselben einem Hohen 
Hause mit der ehrerbietigsten Bitte zu unterbreiten, sie einer eingehenden 



867 


and allseitigen Prüfung unterziehen zu ■«rollen. Doch wollen wir noch das 
Eine nicht unerwähnt lassen, dass sowohl wissenschaftliche Autoritäten 
auf diesem Gebiete — wir erinnern nur an Fuesslin in Bruchsal — als 
auch die mannigfaltigen praktischen Erfahrungen in ausserdeutschen Ländern 
— wir nennen Belgien mit seinen trefflichen und mustergültigen Gefängniss¬ 
einrichtungen — es bewiesen haben, wie die Etablirung einer solchen 
General-Commission, resp. in kleineren Ländern eines Generaldirektors, 
von der weittragendsten und segensreichsten Bedeutung für die Sache ist. 
Unser ehrerbietiges Gesuch geht demnach dahin: Ein Hohes Haus der 
Abgeordneten wolle den Antrag der HH. Abgeordneten Windthorst, Dr. 
Oetker, Rohden und Koch, betr. die Vereinigung des gesammten Straf¬ 
vollzugs in dem Ressort des Königlichen Justizministeriums, dahin amen- 
diren, dass die Königliche Staatsregierung aufgefordert werde, diejenigen 
Einleitungen zu treffen, welche erforderlich sind, die gesammte Strafvoll¬ 
streckung und die Bearbeitung der Angelegenheiten der sämmtlichen 
Straf- und Besserungsanstalten * einschliesslich der Untersuchungsgefäng¬ 
nisse, einer neu zu organisirenden, von den Ministerien der Justiz und 
des Innern ressortirenden Centralbehörde für das Gefängnisswesen zu über¬ 
tragen. Sollte ein Hohes Haus der Abgeordneten aber unserer ehrerbietigen 
Bitte nicht geneigt sein, so glauben wir mit Rücksicht auf den von den 
Herren Abgeordneten gestellten Antrag unsrerseits auch nicht verschweigen 
zu dürfen, dass nach den in den altpreussischen Landestheilen von den 
Freunden des Gefängnisswesens gemachten Erfahrungen kein Grund vor¬ 
zuliegen scheint, die bis jetzt bestandenen Ressortverhältnisse irgendwie 
zu alteriren. Ein Hohes Ministerium des Innern hat durch seine Verwaltung 
des Gefängnisswesens nach unserer TJeberzengung den vollsten Anspruch 
auf den Dank Derer, welche ohne das Wesen der Strafe verkümmern zu 
wollen, dieselbe doch zugleich zur Besserung der Bestraften mit allen 
Mitteln disciplinarer und pädagogischer Einwirkung verwerthet sehen möch¬ 
ten. Bereits seit Langem sind von Hochdemselben Massnahmen ergriffen 
worden, welche entschiedene Fortschritte auf dem Gebiet des Strafvollzugs 
bekunden und denselben den Einrichtungen auf dem gleichen Felde in 
anderen Staaten wenigstens annähernd ebenbürtig zur Seite stellen, be¬ 
ziehungsweise auch zum Vorbild dienen lassen Wir rechnen unter Ande¬ 
ren dahin die Etablirung von Central-Gefangnissen in den einzelnen Pro¬ 
vinzen zur Verbüssung aller Strafen von 3 Monaten und höher , wodurch 
die Bestraften der geordneten Einwirkung moralischer Faktoren zugänglich 
werden. Wir rechnen dahin ferner die für alle Strafanstalten ins Leben 
gerufenen, trefflichen und segensreichen Schuleinrichtungen und ebenso die 
Gründung von ganz gesonderten Anstalten, welche auf Grund des §. 42 
des Straf-Gesetzbuchs die Erziehung speciell der Jugendlichen unter 16 Jah¬ 
ren zur Aufgabe haben. Eine Vergleichung zwischen den Von dem Mini¬ 
sterium des Innern verwalteten Gefängnissen und Strafanstalten und den 
dem hohen Justizministerium unterstehenden Justizarrcsthäusern fällt un¬ 
seres Bedünkens in keiner Weise zu Ungunsten des ersteren aus und die 

25 * 



eigentümlichen Verhältnisse unserer beiden westlichen Provinzen machen 
uns ja in besonderem Grade ein vergleichendes Urtheil möglich. — Ob 
aber die traurigen Zustände auf dem Gebiete des Gefangnisswesens in dem 
ehemaligen Kurfürstenthum Hessen und Herzogthum Nassau, wo unseres 
Wissens die betreffenden Justizministerien die zuständige Behörde waren, 
für uns irgendwie als massgebend zu erachten sein dürften, oder ob die 
hannoverschen Einrichtungen, mögen sie auch nach den dort zur Geltung 
gebrachten Grundsätzen empfehlenswert sein, nach ihrer praktischen Seite 
schon als mustergültig anzusehen sind, möchte wohl kaum eine offene 
Frage sein. Ueberzeugt, dass ein Hohes Haus die hier von uns ledig¬ 
lich im Interesse der Sache, der wir nach unsern schwachen Kräften dienen 
wollten, ausgesprochenen Anschauungen würdigen werde, verharren wir ehr- 
erbietigst. Der Ausschuss der Rheinisch - Westphälischen Gefängniss- 
gesellschaft. 

Aus den heutigen Verhandlungen heben wir Folgendes hervor: 

Regierungs-Commissär Ober-Regierungs-Rath v. Eichhorn: Was den 
Antrag des Abgeordneten Windthorst betrifft, so gestatten Sie mir es, 
einige Erläuterungen der heutigen Einrichtungen zu geben. Die Einrich¬ 
tung, nach welcher die Verwaltung der Strafanstalten zum Ressort des 
Ministeriums des Innern gehört, ist keine neue. Die früher stattgehabte 
Ueberweisung der Provinzial-Gefängnisse an das Justizressort hat auch 
den Erwartungen keineswegs entsprochen und wurden sie daher wieder 
unter das Ressort des Ministers des Innern gestellt. Was die neuen Pro¬ 
vinzen anbetrifft, so lag die Sache dort freilich anders wie bei uns, nur 
in der Provinz Nassau gehörten die Strafanstalten auch zum Ressort des 
Ministers des Innern. Da aber eine einheitliche Einrichtung geboten schien, 
so wurde dieselbe auf Grund einer königlichen Verordnung herbeigeführt. 
Ich glaube, dass der Antrag des Abgeordneten Windthorst im wesentlichen 
darauf hinzielt, dass den Justizbehörden auch die Garantie gegeben wird 
für die richtige Vollstreckung der ihrerseits zuerkannten Strafen. Diese 
Garantie ist aber auch bei dem Ministerium des Innern vorhanden, da die 
Verwaltung der Gefängnisse und Straf-Anstalten lediglich auf Grund ge¬ 
setzlicher Bestimmungen erfolgt, auch eine andere Einrichtung garantirt 
hierfür, nämlich die, dass es den betreffenden Präsidenten der Appellations¬ 
gerichtshöfe obliegt, zu gewissen Zeiten die Gefängnisse selbst zu besuchen, 
oder durch bestimmte Commissare inspiciren zu lassen und nach dem 
Resultat ihrer Untersuchungen nothwendige Anträge bei der Staatsregierung 
zu stellen. So ist also der Justizverwaltung fortwährend Gelegenheit gege¬ 
ben, sich zu überzeugen, dass nach den erlassenen Straferkenntnissen ge¬ 
handelt wird und sich gleichzeitig zu informirön von den Folgen der zu¬ 
erkannten Strafen. Wenn also einerseits die vollständige Garantie für die 
strikte Ausführung der zuerkannten Strafen vorhanden ist, so sprechen 
andererseits erhebliche Zweckmässigkeitsgründe dafür, dass die Verwaltung 
der Gefängnisse und Strafanstalten unter dem Ressort des Ministeriums des 
Innern steht. Der Abg. Strosser hat dieselben in einer früheren Sitzung 



369 


schon hinreichend auseinandergesetzt. Meines Erachtens hat die Ver¬ 
waltungsbehörde weit bessere Handhaben zur zweckmässigen Beschaffung 
der Arbeit, der Bekleidung, der Nahrungsmittel u. s. w., wie dies bei der 
Justizbehörde der Fall sein würde. Wenn es also feststeht, dass die Justiz¬ 
pflege vollständig auch durch die Verwaltungsbehörden garantirt ist, und 
ausserdem Zweckmässigkeitsgründe für das Ressort des Ministers des 
Innern bestehen, so scheint es mir nicht geboten, eine'Abänderung ein- 
treten zu lassen. 

Abg. Dr. Eberty führt in längerer Rede aus, wie sehr das Motiv 
des Antrags Windthorst, dass die Justizbehörde eine bessere Garantie für 
die richtige Strafvollstreckung gewähre als die Verwaltungsbehörde, das 
richtige sei und befürwortet den Antrag des Abg. Windthorst durch Schil¬ 
derung der heute in den verschiedenen Strafanstalten zur Anwendung 
kommenden Systeme. — Redner fährt sodann in seinen Ausführungen wie 
folgt fort: Der von dem Hm. Regierungs-Commissär dem Antrag Windthorst 
beigelegte Grund, dass die Richter des Landes verantwortlich sind für eine 
richtige, zweckdienliche Strafvollstreckung, ist von solchem Gewichte, dass 
kein Zweifel bestehen kann über die Vortheile und die Nothwendigkeit 
dieses Antrages. Es muss durchaus eine wissenschaftliche Autorität ersten 
Ranges, und eine solche haben wir ja an der hiesigen Universität, an die 
Spitze des Gefängnisswesens gestellt werden. Erst dadurch werden Sie die 
Garantie gewinnen können, dass die Strafen im Sinn und Geist des Ge¬ 
setzes vollstreckt werden. Dadurch werden Sie auch Material gewinnen, 
um ■'eine Reform des Gefängnisswesens vorzubereiten, die ein dringendes 
Bedürfniss ist. Ich bitte Sie, dem Antrag des Abg. Windthorst, der mit 
keinerlei Parteibestrebungen im Hause collidirt, ihre Zustimmung zu geben. 
(Beifall links). 

Abg. Strosser: Der Herr Vorredner hat einen Rückblick auf Jahr¬ 
tausende gethan, um über das heutige Gefängnisswesen zu sprechen. Der 
Zusammenhang zwischen dieser tausendjährigen Geschichte, den christlichen 
Märtyrern, den Karthäusern, Puritanern und heute scheint mir nicht recht 
klar. Er sprach sodann davon, dass nur der Richter die Garantie leiste, 
dass die Strafe im Sinne des Gesetzes vollstreckt werde. Nachdem von 
vielen Seiten dieses Hauses wiederholt den preussischen Beamten das 
Zeugniss ertheilt ist, dass sie Alle ihre Pflichten mit Treue und gesetzlich 
verwalten, wird den Verwaltungsbeamten wohl nicht minder, als den Rich¬ 
tern die Qualität zuerkannt werden, dass auch sie im Sinne des Gesetzes 
verfahren. In merkwürdigem Widerspruch mit sich selbst machte der Herr 
Abgeordnete dann eine Reihe von Strafanstaltsdirektoren namhaft, deren 
Leitung er als vortrefflich bezeichnete und die keine Richter, sondern 
Verwaltungsbeamte waren. Stellen Sie, wie der Herr Vorredner will, Rich¬ 
ter an alle preussische Strafanstalten, so werden Sie wahrscheinlich ein 
schlechteres Resultat der Verwaltung haben, als jetzt. Sein Vergleich der 
Verwaltung der Strafanstalten unter dem Ministerium des Innern mit dem 
Absolutismus und derjenigen unter dem Ministerium der Justiz mit der 
constitutioneilen Monarchie ist nichts als eine hohle Redensart. (Sehr wahrt 



370 


rechts.) Die Strafvollstreckung ist jetzt so sehr in das Gebiet der Verwal¬ 
tung hineingezogen, dass der grösste Theil der Fachjuristen sich bedanken 
wird, mit diesem Zweige der Verwaltung zu thun zu haben, wo sie von 
ihrer juristischen Kenntniss keinen Gebrauch machen können, 

Abg. Windtborst (Meppen): Mein Antrag hat wesentlich andere 
Zwecke, als der Abg. Eberty ihm zu Grunde gelegt hat. Er hat ein dop¬ 
peltes Ziel. Zunächst wünscht er, dass das ganze Strafanstaltswesen in 
Einer Hand ruhe und das ist mir die Hauptsache. Das Zweite ist, dass 
es in der Hand der Justiz ruhe. Ich habe in meinem Anträge nicht ge¬ 
sagt , dass man das, was ich wünsche, schon morgen thun solle, weil ich 
überzeugt bin, dass das unmöglich ist, indem es dazu verschiedener organi¬ 
satorischer Vorbereitungen bedarf. Dagegen bin ich der Meinung, dass es 
sehr wichtig war und ist, die Sache zur Sprache zu bringen. Es handelt 
sich um einen sehr wichtigen Gegenstand und nach dem Vorbilde der 
früher hier oft vorgekommenen Verhandlungen ist es von grosser Bedeu¬ 
tung, denselben nicht aus den Augen zu verlieren. Um meinen Standpunkt 
zu bezeichnen, erkläre ich, dass ich im Wesentlichen auf dem Standpunkt 
stehe, den die rheinisch-westphälische Gefängnissgesellschaft uns vor Kurzem 
in einer Petition zur Kenntniss gebracht hat. Eine Vereinigung dieser 
Sache in Einer Hand wünsche ich, weil ich glaube, dass sie nur durch 
diesen Impuls weiter gefördert werden kann. Die Nothwendigkeit dieser 
Förderung will ich an einzelnen Mängeln klar machen. Als das Criminal- 
gesetzbuch hier berathen wurde, ist die Art und Weise, wie die darin 
ausgeschriebenen Strafen vollzogen worden sollen, nur sehr allgemein fest¬ 
gestellt. Man hatte damals entweder nicht die Zeit, die Sache vollständig 
zu erschöpfen oder man war über die dabei in Betracht kommenden Prin- 
cipien noch nicht zu einem Abschlüsse gekommen. Aber Jedermann war 
sich darüber klar, dass die Gesetzgebung in Beziehung auf die Voll¬ 
streckung der Strafen durch einzelne Gesetze und Reglements weiter ge¬ 
fördert werden müsste; dass man aber in der Sache nicht weiter gekom¬ 
men ist, liegt daran, dass sich die Sache nicht in Einer Hand befand. 
Meiner Meinung nach wird man im Wesentlichen auf Einzelhaft zurück¬ 
kommen müssen, nicht in der Art, dass man die Leute von aller Gesell¬ 
schaft absperrt, wohl aber von der schlechten Gesellschaft ihrer Mitculpan- 
ten. (Bravo! rechts.) Von dieser Seite aus muss die Sache reorganisirt 
werden. Das erfordert allerdings grosse Mittel in Bezug auf die Bauten. 
In Beziehung auf die Gefängnisse hat in den einen Provinzen der Minister 
des Innern, in den andern der Justizminister die Sache in Händen. Wie 
das eingetheilt wird, weiss ich nicht, genug, es ist keine Klarheit vorhan¬ 
den. Ehe man zu einem Prinzipe kommt, werden eine Masse unnützer 
> ^~ k Rauten ausgeführt werden, die dann später wieder verlassen werden müs- 
sen. v £teberall, wo ich bei den Verhandlungen dieses Hauses Erörterungen 
über das Gefängnisssystem gehört habe, habe ich die Ueberzeugung ge¬ 
funden, dass\ es so nicht weiter gehen kann. Allein wenn ich auch anneh- 
men wollte, wir könnten dieses gemischte durcheinanderlaufende System 
behalten: wie sind denn unsere Gefängnisse beschaffen? Ich glaube, die 




— 371 — 

Anstalten, in welche unsere Mitmenschen eingesperrt werden, sind nicht 
vergleichbar mit den kostbaren Ställen, in welche Wir unser Vieh ein¬ 
sperren (Heiterkeit). Eg ist nothwendig, dass die Sache in eine Hand zur 
Organisation gelegt werde, es fragt sich nur in welche? Ich bin keines¬ 
wegs gewillt, dem Herrn Minister des Innern einen Theil seiner Befugnisse 
zu entziehen, allein ich glaube, dass das Ministerium des Innern schon 
ein solches Mass von Arbeit durch die nothWendige Organisation hat, dass 
es sich damit nicht genügend wird befassen können. Oer Herr Justiz- 
minister hat freilich auch viel zu organisircn, allein ich halte die Arbeit 
des Herrn Ministers des Innern für schwieriger. Ausserdem glaube ich, 
dass gerade der Justizminister eine Garantie dafür schaffen muss, dass die 
Strafen in dem Sinne vollzogen werden, wie sie erkannt worden sind und 
ich wünsche, dass die Justiz dauernd einen bestimmenden Einfluss auf die 
Strafvollstreckung hat. Das Prinzipale ist mir aber, dass die Sache in eine 
einzige fördernde Hand gelegt wird. 

Von verschiedenen Seiten sind Schluss-Anträge eingegangen und der 
Schluss wird bei der Abstimmung angenommen. 

Abg. Graf Schwerin beantragt eine Theilung der Abstimmung 
über den Antrag des Abg. Windthorst bis zu den Worten: „im Ressort 
des Justizministeriums.“ 

Abg. Windthorst (Meppen) erklärt sich mit dieser Theilung 
einverstanden. 

Hierauf wird der erste Theil des Antrages des Abg. Windthorst bei 
der Abstimmung angenommen. 

Der zweite Theil des Antrages erhält in der Abstimmung nicht die 
Majorität und ist somit abgelehnt; dafür erhebt sich nur ein Theil der 
linken Seite des Hauses. 

(Berlin.) Die Berliner Post meldet über ein Vorhaben, zur 
Besserung jugendlicher Gefangenen, Folgendes: Das mehrfach 
erwähnte, allseitiger Anerkennung und Unterstützung würdige Projekt, 
des „Vereins für die Besserung der Strafgefangenen“, nämlich die 
Gründung einer Zufluchts- und Arbeitsstätte für jugendliche entlassene 
Sträflinge, die dort, getrennt von älteren Verbrechern, Wohnung, Klei¬ 
dung, Lebensunterhalt, Arbeitsgelegenheit und Unterricht Behufs Ueber- 
führung in ein geregeltes, arbeitsames Leben finden sollen, ist nunmehr 
zur erfreulichen Thatsache geworden. Die Schlafstätten für obdachlos 
entlassene Sträflinge jeden Alters sind aus dem Asyl in der Wassmanns- 
strasse verlegt, das Asyl selbst ist durch Hinzunahme geeigneter Arbeits¬ 
räume und einer kleinen Dienstwohnung für den Hausvater entsprechend 
erweitert worden, eine Hausordnung, welche die Stelle der lässigen Polizei¬ 
aufsicht in liberaler, aber doch moralisch strenger Weise ersetzen soll, 
ist vorläufig festgestellt und in der Person des Buchbindermeisters Techen 
ein Hausvater engagirt worden, der zugleich — bis die hoffentlich bald 
durch Stiftungen und Beiträge wachsenden Mittel eine grössere Ausdeh- 



372 


nung und damit das Engagement von Meistern verschiedener Handwerke 
zur Lehre und Beschäftigung der jungen Leute gestatten — als Arbeit¬ 
geber fungirt, während dem Lehrfache angehörige Mitglieder des Vereins 
den unentgeldlichen Nachhilfe-Unterricht in der zunächst auf 14 Insassen 
eingerichteten Anstalt übernommen haben. 

Die Kehrseite zu diesen humanen Bestrebungen zeigt uns ein Beschluss 
des Berliner Arbeitscongresses. „Ueber die Zuchthaus-Arbeit“ berichteten 
Fritzsche aus Leipzig und Schuhmann aus Berlin. Folgende Kesolution des 
ersten Referenten wurde angenommen. Die Generalversammlung erklärt: da die 
Zuchthausarbeit eine selbst nach den Regeln der herrschenden öconomischen 
Schule unberechtigte Concurrenz gegen die sogenannte freie Arbeit bildet; da 
überdies durch dieselbe Verhältnisse geschaffen werden, welche in sittlicher 
Beziehung verderblich wirken, so ist auf Abschaffung der Zuchthausarbeit 
hinzuwirken. Angesichts solcher Erklärungen, welche sittliche Verderbniss 
als Wirkung der Arbeit in den Strafanstalten verkünden, erinnert man 
sich gern an die Versuche der französischen Republik im Jahre 1848 die 
Zuchthausarbeit abzuschaffen und die Faulheit freier Arbeiter in sogen. 
Nationalwerkstätten auf Staatskosten zu garantiren (sogen. „Organisation“ 
der Arbeit). Zuchthausstrafe würde im Sinne jener Beschlussfassung gleich¬ 
bedeutend sein mit Verurtheilung zum Nichtsthun. 

(Allgem. deutsche Strafrechtszeitung.) 


(Dresden im April 1868.) Den Ständen des Königreichs Sachsen 
wurde im Jenner ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der mehrere Aenderungen 
des Strafgesetzes enthält, und die Todesstrafe, die urtheilsmässigen 
Strafschärfungen (körperliche Züchtigung, Entziehung der warmen Kost, 
hartes Lager, Beineisen, resp. Klotz), sowie das Tragen doppelfarbiger 
Kleidung der Sträflinge abschafft. Aus den Motiven des Entwurfs heben 
wir Folgendes hervor: 

Bereits bei der Berathung des im Jahre 1838 bekannt gemachten 
Criminalgesetzbuches war von der Ständeversammlung ein Antrag an die 
Regierung gebracht worden, durch welchen dieselbe veranlasst wurde, die 
Frage wegen Aufhebung der Todesstrafe fortwährend im Auge zu behal¬ 
ten und, wenn möglich, auf der eingeschlagenen Bahn durch Beschränkung 
der mit Todesstrafe bedrohten Verbrechen die Abschaffung der Todes¬ 
strafe vorzubereiten. 

Die Staatsregierung hat diesem Gegenstände fortdauernd ihre Auf¬ 
merksamkeit geschenkt und glaubt, dass gegenwärtig der Zeitpunkt ge¬ 
kommen sei, um die Aufhebung der Todesstrafe beschlossen zu können. 

Denn wenn schon die Erwartung, dass die mit der Todesstrafe be¬ 
drohten Verbrechen sich mindern würden, sich nicht bestätigt hat, viel¬ 
mehr das Verbrechen des Mordes in neuerer Zeit häufig vorgekommen ist, 
so kann doch gerade hierin ein Grund für die Beibehaltung der Todes¬ 
strafe nicht gefunden werden, da diese Thatsache vielmehr darauf hinzu¬ 
weisen scheint, dass die Androhung der Todesstrafe eine abschreckende 
Wirkung nicht geäussert hat, auch, was die auffallende Vermehrung in den 



; letzten Jahren betrifft, muthmasslich auf vorübergehender Ursache beruht, 
j Dagegen ist zu constatiren, dass die Zahl derjenigen Verbrechen, welche 
j zwar in der älteren, nicht aber in der neueren Gesetzgebung mit der 
Todesstrafe bedroht gewesen, sich nicht in einer auffälligen Weise ver- 
| mehrt hat, sowie auch während der Herrschaft des Strafgesetzbuchs eine 
j ähnliche Erfahrung über die Verbrechen, wegen deren im Jahr 1838 die 
j Todesstrafe abgeschaflft wurde, gemacht worden^ ist. 

| Auch die Erfahrung anderer Länder scheint der Nothwendigkeit 
\ der Beibehaltung der Todesstrafe das Wort nicht zu reden. Nicht nur, 

| dass die eben im Inlande gemachte Beobachtung sich überall dort bewährt 
hat, wo die Todesstrafe beschränkt worden ist, so hat auch die in einigen 
kleinen deutschen Ländern erfolgte Abschaffung der Todesstrafe eine Ver¬ 
mehrung der todeswürdigen Verbrechen nicht herbeigeführt und selbst wo, 
wie in Oesterreich und Toscana, diese Strafe nach ihrer Abschaffung wie- 
| der eingeführt worden ist, hat man sich mindestens in der officiellen Mo- 
tivirung dieser Massregel nicht auf Vermehrung der todeswürdigen Ver¬ 
brechen, sondern auf andere Gründe bezogen, 
r Kann nun demgemäss die Nothwendigkeit der Todesstrafe als er- 
i wiesen nicht angenommen werden, so fallen die gegen diese Strafe spre¬ 
chenden anderweiten Gründe, insbesondere deren Unwiderruflichkeit bei 
i immerhin möglichen Missgriffen doppelt iu’s Gewicht. 

Ebenso ist nicht zu verkennen, dass, wenn einmal der Zweifel über 
die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Todesstrafe in mehreren 
Kreisen des Volkes, wie dies neuerdings in Sachsen zu sein scheint, Platz 
gegriffen hat, Richter, Zeugen und Geschworne mit grösserer Sicherheit 
und minderen Bedenken in den schwersten Fällen auftreten werden, wenn 
; sie wissen, dass es sich nicht mehr um ein Menschenleben handelt, 
i Die Frage aber, welche andere Strafe an die Stelle der Todesstrafe 
zu setzen sei, hat man dahin beantworten zu müssen geglaubt, dass die 
i lebenslängliche Zuchthausstrafe, zumal in ihrer auf eine völlige Sicher¬ 
stellung der bürgerlichen Gesellschaft gegen weitere Verbrechen des Ver- 
i urtheilten berechneten Natur, an die Stelle der Todesstrafe zu treten habe. 

Auch glaubt man nicht, dass hiermit die Nothwendigkeit geboten 
\ sei, die Strafe auch bei denjenigen Verbrechen, welche zeither schon mit 
lebenslänglicher Zuchthausstrafe bedroht sind, herabzusetzen und letztere 
mit einer zeitlichen Zuchthausstrafe zu vertauschen. 

I Denn diejenigen Verbrechen, welche das Strafgesetzbuch mit der 
lebenslänglichen Zuchthausstrafe bedroht, sind ihrer Schwere und ganzen 
Natur nach mit den zeither mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechen 
nahe verwandt, so dass eine Gleichstellung dieser sämmtlichen Verbrechen 
in Bezug auf ihre Bestrafung wohl gerechtfertigt ist, wie denn auch an 
sich schon die Herabsetzung der Strafe bei einer Classe von Verbrechen 
nicht unbedingt und in jedem Falle die Herabsetzung der Strafe bei der 
nächstschweren Classe nach sich zieht. Gegenwärtig sind nämlich mit der 
Todesstrafe folgende Verbrechen bedroht: Hochverrath (Art. 116), Mord 
lArt. 155), Raub, wenn Jemand in Folge der gegen ihn verübten Gewalt 




374 


den Tod gefunden hat (Art. 177), Brandstiftung, wenn einer der Erschwe- 
rungsgründe des Art. 209 unter 1 vorhanden, Meineid in dem Falle des 
Art. 223 Abs. 2 und gewaltsamer Diebstahl im Falle des Todes, den Je¬ 
mand in Folge der gegen ihn verübten Gewalt erlitten hat. (Yergl. auch 
noch Art. 5 des Eisenbahnstrafgesetzes.) Dagegen sind mit lebenslänglicher 
Zuchthausstrafe folgende Verbrechen bedroht: Thätliche Beleidigung des 
Staatsoberhaupts (Art. 132), Raub in den Fällen des Art 177 unter 2 a., 
b, c und wenn die unter 3 a, b, c erwähnten Erschwerungen oder zwei 
derselben Zusammentreffen, räuberische Erpressung unter denselben Voraus¬ 
setzungen (Art. 178), Brandstiftung, wenn die in Art. 209 unter 2 a, b, c 
erwähnten Erschwerungen vorhanden sind, Inbrandsteckung eigener Gebäude 
unter denselben Voraussetzungen (Art. 210), absichtliche Zerstörungen durch 
Explosionen unter denselben Voraussetzungen (Art. 214 z. E.). (Yergl. 
auch noch Art. 5 des Eisenbahnstrafgesetzes.) 

Im Uebrigen bezieht sich die Aufhebung der Todesstrafe nur auf 
die oben bemerkten Fälle, nicht aber auch auf die Fälle, welche in dem 
Gesetze vom 10. Mai 1851 §. 13 flg. vorgesehen sind, ebensowenig auf die 
im Militärstrafgesetzbuche bei militärischen Verbrechen enthaltenen An¬ 
drohungen der Todesstrafe. 

Die doppelfarbige Kleidung der Sträflinge steht mit dem Streben 
auf Besserung, auf moralische Hebung und auf Kräftigung des geschwäch¬ 
ten Willens im Widerspruche. Denn wie sie den Sträfling drückt und de- 
müthigt, so verbittert sie ihn im Laufe der Strafzeit gegen diese Demüthi- 
gung, oder sie stumpft ihn gegen die auf seine Besserung gerichteten Be¬ 
mühungen ab. Die Praktiker der neueren Zeit haben, gestützt auf ihre 
Erfahrungen, gegen alle diejenigen Einrichtungen sich ausgesprochen, welche 
ohne einen reellen Nutzen nur die Wiederbelebung des moralischen Ge¬ 
fühls und die Aufrichtung des Sträflings in seinem Innern erschweren. Zu 
ihnen gehört die Einrichtung der doppelfarbigen Kleidung. 

Was hiernächst den mit ihr gleichfalls verbundenen Zweck anlangt, 
die Sträflinge im Falle des Entspringens leichter zu verfolgen und wieder 
zu ergreifen, so ist dagegen zu erinnern, dass dieser Zweck anderseits den 
Sträfling, wenn er entsprungen ist, in der Regel dazu bestimmt, durch ein 
Verbrechen sich andere Kleidung zu verschaffen, und die Erfahrung hat ge¬ 
zeigt , dass der Sträfling in diesem Falle selbst vor einem Morde nicht j 
zurückgewichen ist. 

Bei der Kleidung der Sträflinge ist es ausreichend, gegenüber den 
Anforderungen der disciplinellen Behandlung und den wirthschaftlichen 
Rücksichten, wenn ein gleichförmiges, haltbares, billiges und für die Ar¬ 
beit zweckmässiges Kleid, welches zugleich dem Ernste des Strafvollzugs 
entspricht, gewählt wird. 


Die in dem Gesetzbuche angedrohten Schärfungen verwirkter Stra¬ 
fen haben ihren Zweck nicht erreicht, vielmehr haben die desfallsigeßi 
Bestimmungen häufig zu ungleichartiger, jenem Zwecke widerstrebe A 
Behandlung der Gefangenen Anlass gegeben. Wie einerseits die körpae jp 
Beschaffenheit, wie die sonstigen Gesundheitsverhältnisse des Strjp?«^ 



375 


sieht aber die Schwere seiner Verschuldung in der Regel den Massstab bei 
der Vollziehung der Schärfung mit sich führen, so ist anderseits die Voll¬ 
ziehung selbst oft unterbrochen und schliesslich in Wegfall gebracht wor¬ 
den, weil die ununterbrochene Vollziehung eine nach Befinden schwere 
Beschädigung der Gesundheit bewirkt haben würde. Hiedurch ist es ge¬ 
kommen, dass derartige Schärfungen auf eine unverhältnissmässige Zeit¬ 
dauer und über einen sehr grossen Theil der Strafzeit ausgedehnt werden 
mussten, was nach der übereinstimmenden Ansicht der Strafanstaltsverwal- 
tungen einen störenden Einfluss auf die disciplinelle Behandlung der Ge¬ 
fangenen und auf den Besserungszweck des Strafvollzugs äussert. 

Soviel insbesondere die Entziehung der warmen Kost anlangt, so 
hat die Erfahrung bestätigt, dass sie in einzelnen Fällen einen sehr nach¬ 
theiligen Einfluss auf die Gesundheit des Gefangenen und insbesondere auf 
seine Arbeitskraft äussert, hierdurch aber die Strafvollstreckung selbst und 
deren Wirkung gefährdet. Es ist nothwendig, dem Sträflinge, sobald er 
einige Zeit die Schärfung durch Entziehung der warmen Kost erlitten, 
bessere Kost als den übrigen Gefangenen zu verabreichen, um ihn wieder 
: völlig arbeitsfähig oder wohl selbst zu fernerer Vollstreckung der Schär- 
! fung fähig zu machen. Es ist diese Schärfung überhaupt aber eine solche, 
I welche durchaus nicht gleichmässig angewendet werden kann und daher 
j zu Verschiedenheiten Anlass gibt, welche den Zweck der Schärfung geradezu 
auf heben und das Vertrauen in eine gerechte Handhabung des Gesetzes 
bei den Sträflingen gefährden. 

Was das „harte Lager“ anlangt, so findet es oft aus rein localen 
Verhältnissen nur eine geringe, beziehendlich unwirksame Anwendung und 
ist daher leicht zu entbehren. 

Die „körperliche Züchtigung“ ist als Strafschärfungsmittel von der 
allgemeinen Stimme, und zwar auch zumeist von den Strafanstaltsdirectoren, 
verurtheilt und in Deutschland ziemlich überall aufgehoben worden. 

Dass diese Schärfung in einzelnen Fällen wohlthätig gewirkt und 
als ein Mittel der Besserung sich bewährt hat, dies ist nicht zu bestreiten, 
da hierüber genügende Erklärungen von Sträflingen, welche diese Schär- 
| fung erlitten und sich gebessert haben, vorliegen. Allein es ist diese Schär- 
! fung gerade diejenige, bei welcher nicht lediglich ein körperliches Uebel 
dem Bestraften zugefügt wird, und die weiter gehende Wirkung desselben 
auf den Bestraften völlig ausser dem Kreise der Berechnung liegt. Es 
kann in einer grossen Zahl von Fällen ausserordentlich geschadet werden, 
und es wird dadurch der Gewinn, welcher in wenigen einzelnen Fällen 
erzielt worden, weit überwogen. In dieser Gefahr liegt das Bedenkliche 
der Strafschärfung durch körperliche Züchtigung; sie lässt sich im Voraus 
ßicht bemessen und vorhersehen. 

Auch mag bei allen Strafschärfungen nicht verkannt werden, dass 
f\ die Frage über Wahl und Ort der Schärfung in der Hand eines einzelnen 
^feamten und in seiner individuellen Anschauung liegt, was gegenüber dem 
ostulate der Gleichheit, welche wieder durch die Individualität des Sträf- 
•$gs ausgeschlossen Wird, zu Unzuträglichkeiten Anlass geben kann. 

\ 



Dazu kommt, soviel die auf dem Erkenntnisse des Gerichts beruhen¬ 
den Schärfungen anlangt, dass erfahrungsgemäas die Gerichte nur selten 
auf sie erkennen. 

Was die in Art. 13 angeordneten Schärfungen anlangt, so sind die 
Praktiker darüber einig, dass sie unzuträglich sind und ihrem Zwecke 
nicht entsprechen. 

In den Fällen des Art. 25 treten andere Rücksichten ein. Die Per¬ 
sonen, welche hier besonders hervorgehoben worden sind, sowie die Art 
der hier in Frage befangenen Vergehen lassen es wünschenswerth erschei¬ 
nen, dass die Gefängnissstrafe geschärft und durch die Schärfung auch 
abgekürzt werde. 

In der Sitzung der zweiten Kammer vom 7. April 1868 waren von 
den Reden für die Abschaffung der Todesstrafe ganz besonders die des 
Generalstaatsanwalt Dr. Schwarze, bekanntlich einer der bedeutendsten 
juristischen Autoritäten und die des Justizministers Schneider höchst be- 
merkenswerth. 

, General-Staatsanwalt Dr. Schwarze sagte beiläufig: Er habe früher 
zu den Vertheidigern der Todesstrafe gehört, aber ein fortgesetztes Studium 
in dieser Angelegenheit und seine Erfahrungen hätten in ihm die Ueber- 
zeugung hervorgerufen, dass die Todesstrafe entbehrlich sei. Mit Verbre¬ 
chern habe er sich vor dem Tage ihrer Hinrichtung unterhalten, um 
Material zur Bildung einer festen Meinung zu gewinnen. Feuerbach’s Aus¬ 
spruch, welcher auf dem Titelblatte der Schrift stehe, lasse sich höchstens 
dahin deuten, dass ein Mörder, der einmal gemordet, zum zweiten Morde 
geneigt sei. Solche Fälle wären ausserordentlich selten; in Sachsen kenne 
er keinen. Käme ein zweiter Mord vor, dann nur, um die Flucht zu decken, 
nicht, um wieder zu morden. Uebrigens habe Feuerbach sein Urtheil 
für Beibehaltung der Todesstrafe in späteren Jahren zurückgenommen. 
Unter Juristen und Theologen zähle man Vertheidiger und Gegner der 
Todesstrafe, doch steige die Zahl der Gegner mehr und mehr. Er wolle 
nur einige Thatsachen vorführen. Kein Verbrecher denke bei der That 
an die Strafe, vielmehr daran, nicht so dumm zu sein wie Andere, die für 
ihre That den Kopf aufs Schaffot legen mussten. Was die Abschreckungs¬ 
theorie betrifft, so citirt Redner Fälle aus Dresden, wo am Tage einer 
öffentlichen Hinrichtung Morde begangen wurden. Die Entdeckung des 
Verbrechers sei die Hauptsache, die Nichtentdeckung reize zu neuem Ver¬ 
suche. Als man in früheren Jahren in flachsen die Folter abgeschafft, sei 
dies im Geheimen geschehen, um die Verbrechen nicht zu vermehren; aber 
trotz der Abschaffung der Folter, des Rädems, des Viertheilens etc. habe 
man keine Vermehrung der Verbrechen wahrgenommen. Die Strafe an 
sich wirke also auf das Verbrechen nicht ein, und es sei statistisch nach¬ 
gewiesen, dass mit der Zahl der Bevölkerung auch die Zahl der Verbre¬ 
chen wachse. Eine eigenthümliche Bemerkung sei es, dass mit der Zahl 
der Morde auch die Zahl der Selbstmorde in gleicher Progression steige. 
Der Redner geht nun auf einzelne Staaten über, um Beweise''für die Zweck¬ 
mässigkeit der Aufhebung anzuführen. In Anhalt und Nassau sei die 



377 


I Todesstrafe längst aufgehoben und nie ein Antrag auf Wiedereinführung 
| gestellt worden. Oldenburg hatte sie abgeschafft, führte dann später das 
preussische Strafgesetzbuch ein, welches die Todesstrafe noch statuire, 
aber behielt trotzdem den Wegfall derselben bei. In Toscana kam sie 1774 
ausser Anwendung, wurde zwar 1790 wieder eingeführt, aber seit 1831 
nicht mehr vollzogen. Auch in Oesterreich sei sie wieder eingeführt; doch 
sei bei der Wiedereinführung ausdrücklich das Anerkenntniss ausgespro- 
! chen worden, dass sich durch die erfolgte Abschaffung die Zahl der Ver¬ 
brechen nicht gemehrt gehabt habe. — Justizminister v. Schneider sagte: 
, Im Februar 1867 sei die Meinung der Kammer dahin gegangen, die Re- 
i gierung möge die Aufhebung der Todesstrafe in Erwägung ziehen; die 
! von der Regierung angestellten Erörterungen hätten ergeben, dass das 
sächsische Volk über die Aufhebung der Todesstrafe getheilter Ansicht 
sei, und er fasse das Gesammtresultat aller Erörterungen in dem Ausspruche 
zusammen: die gebildetere Bevölkerung der Städte ist überwiegend für, 
| die Bewohner des platten ‘ Landes sind mehr gegen die Aufhebung. Er 
; bekenne sich zu den conservativen Leuten und mache gar kein Hehl daraus, 
! Zeit seines Lebens conservativ gewesen zu sein. Aber der Conservativismus 
i dürfe nicht in Stabilität übergehen, nicht als Feind des Fortschrittes auf- 
treten, sondern müsse das als besser Erkannte billigen, um den Fortschritt 
; zu fördern. Schon öfters sei er in seinem Leben mit politischen Gegnern 
j in ein und derselben Ansicht zusammengetroffen. Dies sei ihm ein Beweis 
für die Wahrheit und Richtigkeit dieser Ansichten gewesen. „Wenn Sie, 
meine Herren, die Aufhebung der Todesstrafe ablehnen, wollen Sie dann 
auch die Hinrichtungen auf Ihr Gewissen nehmen? Erkennt man das Prin- 
cip der Aufhebung für nothwendig, so verstösst es gegen alle Logik, zu 
sagen: Wir behalten die Todesstrafe bei, weil wir noch nicht wissen, was 
der norddeutsche Bund thun wird.“ Die Berufung auf das Urtheil im Volke 
sei nicht massgebend. Man gehe nur und beobachte solche Urtheile. Ist 
eineMordthat begangen, so ruft der erregte Volksmund: Der Mörder muss 
mindestens gerädert werden. Kommen dann Fälle vor, wie in Bautzen, 
wo der Verbrecher noch mit dem Scharfrichter um den letzten Rest seines 
Lebens ringt, dann sagt derselbe Volksmund: Wie kann die Regierung 
noch so etwas dulden? Hörte man immer auf das Volk, dann hätten wir 
noch Folter, Galgen und Rad. Aufgabe der Gesetzgebung sei es, die Idee 
der Sittlichkeit zu repräsentiren und das Volk nach jener Höhe hinaufzu¬ 
ziehen, nicht aber seinen Vorurtheilen Rechnung zu tragen. Auch die 
Abschreckungstheorie sei imhaltbar. Glaube man denn, einen Menschen, 
der sich von Gott und seinen Geboten losgesagt, mit Paragraphen des 
Strafgesetzbuches von bösen Handlungen abzuhalten? Die Guten und Ge- 
müthvollen werde man schrecken, nie aber den Bösewicht. Endlich führt 
der Minister noch einen Fall an, wo zwei meineidige Zeugen den Tod eines 
Unschuldigen veranlasst haben, und schliesst mit den Worten: „Gebe Gott, 
dass Ihre Entscheidung zum Segen unseres Landes ausfalle.“ (Allgemeines 
lebhaftes Bravo 1) Hierauf wurde die Novelle mit 42 gegen 23 Stimmen in 
folgender Fassung angenommen: „Die Bestimmungen des Strafgesetzbuches 



•1 


— 378 — 

und des Eisenbahn-Strafgesetzes, in welchen einzelne Verbrechen mit der 
Todesstrafe bedroht sind, werden insoweit aufgehoben, als in diesen Fäl¬ 
len statt auf die Todesstrafe auf lebenslängliche Zuchthausstrafe zu er¬ 
kennen ist.“ 

Auch für die Abschaffung der urtheilsmässigen Strafschärfungen und 
der doppelfarbigen Kleidung für Strafgefangene hat sich die 2. Kammer 
ausgesprochen und hierdurch sehr sprechende Beweise eines erleuchteten 
Sinnes, eines tiefen Verständnisses der Gefängnissfrage gegeben, was 
allenthalben anderwärts Nachahmung verdient. 

(München.) Auf dem 6ten deutschen Juristentag, der im August 
1867 stattfand, kam auch eine, das Gefangnisswesen betreffende Materie 
zur Verhandlung. Von der ständigen Deputation war die Frage zur Be¬ 
gutachtung aufgestellt worden: 

„Entspricht es der Gerechtigkeit, dass die Strafvollstreckung gegen 
alle zu derselben Art von Freiheitsstrafe Verurtheilte in völlig gleicher 
Weise, also ohne jede Berücksichtigung der Individualität, ^insbesondere 
der Bildung des Verurtheilten erfolgt? und wenn solche gleichmässige 
Strafvollstreckung nicht der Gerechtigkeit entspricht, wie ist alsdann der 
Letzteren Rechnung zu tragen, ohne auf der einen Seite das Princip der 
Gleichheit vor dem Gesetze in Wahrheit zu verletzen und auf der andern Seite 
der blosen Willkür bei der Strafvollstreckung weiten Spielraum zu geben?“ 

Ueber diese Frage waren auf Veranlassung der ständigen Deputation 
drei Gutachten abgegeben worden: 1. von Professor Dr. von Holzen- 
dorff in Berlin (Verhandlungen des VI. deutschen Juristentags I. Band 
S. 53); 2. von Strafanstaltsdirector Schük in Breslau (ebenda S. 16) und 
von Zellengefängnissdirector Ekert in Bruchsal (ebenda S. 177). Alle 
Gutachten entscheiden sich für Individualisirung. In der Sitzung der drit¬ 
ten Abtheilung vom 27. August 1867 referirte Generalstaatsanwalt Dr. 
Schwarze aus Dresden über die Frage und schlug das Resume des 
Ekert’schen Gutachtens zur Discussion und Beschlussfassung vor. Dieses 
Resume lautet: 

1. Es entspricht der Gerechtigkeit nicht, dass die Strafvollstreckung 
gegen alle zu derselben Art von Freiheitsstrafe Verurtheilte in völlig 
gleicher Weise, also ohne Berücksichtigung der Individualität erfolgt. 

2. Die Arten der Freiheitsstrafen sind mit genauer Bezeichnung des 
Strafsystems und der Quantität der Beschränkung der Freiheit vorerst ge¬ 
setzlich festzustellen, in dem Gesetze aber auch 

3. die thunlichste Individualisirung bei der Behandlung aller Ge¬ 
fangenen vorzusehen. 

Nach einer Discussion, an der sich ausser dem Referenten noch 
Staatsanwalt v. Stenglein von München, Assessor Ullrichs von Burgsdorff, 
Director Ekert von Bruchsal und OA.-Gerichtsrath Frhr. v. Gross aus Jens 
betheiligten, wurde der erste Satz des Resumes angenommen, die beiden 
andern aber abgelehnt und die Mittheilung im Plenum zur Kenntniss- 
nahme beschlossen. 



i 


— 879 — 

(Nürnberg, Jenner 1868.) Das hiesige Zellengefängniss, obschon 
noch nicht ganz vollendet, ist am 1. d. Mts. als Gefangenenanstalt eröff¬ 
net worden. 

(Stuttgart, im Mai 1868.) Im letzten Landtag wurde bei den 
Kammern u. A. auch über die Abschaffung der körperlichen Züchti¬ 
gung verhandelt. In der 51. Sitzung der Abgeordnetenkammer, vom 7. Jen¬ 
ner 1868 stand der Bericht der Justizgesetzgebungscommission über den 
; betr. Gesetzesentwurf auf der Tagesordnung. 

Befer. Becher. Art. 1. Die Strafe der körperlichen Züchtigung ist 
| abgeschafft. Die entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen. (Art. 21, 
j Abs. 4 des Polizeistrafgesetzes vom 2. Okt. 1889, Art. 9—12 des Gesetzes 
I vom 17. Juni 1853, das Gesetz vom 11. Juni 1853, sowie Art. 7 des Ge- 
| setzcs vom 24. Jan. 1855) sind aufgehoben. Die Kommission beantragt und 
J die Kammer beschliesst Zustimmung. Art. 2. Gegen die in den Zueht-, 
j Arbeits- und Zuchtpolizeihäusern verwahrten Gefangenen kann ausser den 
nach Abschaffung der körperlichen Züchtigung noch zulässigen Disziplinar- 
! Strafmitteln der Strafstuhl, jedoch nicht über sechs Stunden täglich und 
; nicht mehr als drei Tage hinter einander zur Anwendung kommen. Die 
, Kommission hält die Einführung einer neuen Art von körperlicher Peini- 
| gang nicht für gerechtfertigt, und glaubt, dass man in den Strafanstalten 
ohne allen Ersatz der körperlichen Züchtigung auskommen könne. Es wird 
1 desshalb Weglassung des Art. 2 beantragt. Der Departementschef theilt 

• die Ansichten von Zuchthausverwaltern mit, dass den Verwaltern möglich 
gemacht werden müsse, durch intensive Disciplinarstrafen, beziehungsweise 
durch Androhung derselben, der rohen Ungebühr von einzelnen Sträflingen, 

i und insbesondere einer Rotte von trotzigen, starrsinnigen Sträflingen ent- 
| gegenzutreten. Dass die württemb. Strafanstaltenverwalter aber nicht in- 
■ human seien, das erhelle aus dem Umstande, dass die körperliche Züchti- 
‘ gung als Disziplinarmittel in den einzelnen Strafanstalten seit dem Jahre 

* 1856, 1858, 1860, 1862 nicht mehr vorgekommen sei. Der Departements- 
chef theilt ferner die Aussagen der Verwaltung zu Bruchsal über den 

! Strafetuhl mit, welcher im allgemeinen nicht weiter als eine strengere Haft 
itt unbehaglicher Lage für den Sträfling angesehen, im übrigen nur im 
äusseraten Nothfall angewandt werde und von der Verwaltung für solche 
äusserste. Nothfälle nicht entbehrt werden möchte, weil die Wirksamkeit 
dieser härtesten Strafart als sehr günstig sich herausstelle. Des weitern 
theilt der Departementschef di© Aussagen des Hausarztes zu Bruchsal 
hinsichtlich der Wirkung des Strafstuhls auf die Gesundheit mit, durch 
welche die körperliche Peinigung des Sträflings mittelst dieser Strafart 
keineswegs in Abrede gestellt, zugleich aber bezeugt wird, dass bei vor¬ 
sichtiger Anwendung des Strafstuhls eine dauernde schädliche Wirkung 
auf die Gesundheit des Sträflings keineswegs sich ergebe. Schliesslich sagt 
dw Depart.-Chef, er glaube, die Kommission treibe den Teufel mit Beelze¬ 
bub aus, wenn sie den Zwangsstuhl verwerfe, dagegen hinweise auf die 
vorhandenen Arten von Disziplinarstrafen: die eisernen Ringe an den y 



380 


Füssen; die Spandauereisen; die Verbindung der Füsse mit einer Kette; 
das Kurzschliessen; die Handstange; den eisernen Hosenträger; das An* 
schliessen an die Wand — alles Dinge, welche noch weniger ansprechend 
erscheinen als der Zwangsstuhl. Vor Allem aber werde sich die Durch¬ 
führung des Zellensystems empfehlen, welche er, was in seinen Kräften 
stehe, zu fördern bestrebt sein werde; wenn dieses System allgemein ein¬ 
geführt sein, werde, so werde man auch den Strafstuhl füglich entbehren 
können. Becher sucht im Einzelnen die Gefahr für die Gesundheit bei 
Anwendung des Strafstuhls nachzuweisen und weiss demnach die Einfüh¬ 
rung dieser neuen Art von körperlicher Peinigung bei uns keineswegs zu 
befürworten. Frhr. v. Gültlingen und Hirt beantragen die Annahme 
des Art. 2. Auch v. Hierlinger ist der Ansicht, dass man das Disziplinar¬ 
mittel des Strafstuhls nicht abweisen sollte, um die Ordnung bei besonders 
rohen und starrsinnigen Sträflingen aufrecht zu erhalten. Frhr. v. Ow 
beantragt dafür als Disziplinarmittel die Anlegung von Fesseln, durch¬ 
gängig in den Strafanstalten. Die Debatte wird geschlossen. Der Antrag 
v. Gültlingens und Hirts auf Annahme des Art. 2 wird abgelehnt, 
v. Ows Antrag wird genehmigt. Das ganze Gesetz, wie es aus den Be¬ 
rathungen hervorgegangen, wird mit 77 gegen 3 Stimmen angenommen. 

Auch in der 18. Sitzung der Kammer der Standesherrn vom 30. Jenner 
wurde das Gesetz auf den Bericht des Staatsministers v. Linden und der 
von der Abgeordnetenkammer beantragten Fassung einstimmig angenommen. 

Zum Vollzug des Gesetzes über die Einführung der Einzelhaft für 
weibliche Zuchtpolizeihaus- und Arbeitshausgefangene (II. Band, 4. Heft, 
S. 217 ff.) beabsichtigte man früher einen Umbau des Zuchtpolizeihauses 
in Heilbronn. Hiezu waren bereits 130,000 fl. von den Kammern bewilligt. 
Indessen hat sich allenthalben die bessere Ueberzeugung Bahn gebrochen, 
dass ein Neubau allein dem Zwecke vollkommen zu entsprechen im Stande 
ist. Dank den unermüdlichen und erfolgreichen Bemühungen des jetzigen 
Staatsraths von Scheuerlen und des Obertribunalraths Beyerle ent¬ 
schloss sich die Regierung, einen weiteren Credit zu verlangen. Dieser, 
einschliesslich der früher bewilligten Summe im Gesammtbetrag von 300,000 fl., 
wurde auch von den Kammern genehmigt. Es wird nun nach einem sehr 
gelungenen Plane des Bauraths Landauer ein neues Weiberzellengefängniss 
zu Heilbronn erbaut werden. Dasselbe wird aus 3 Flügeln bestehen, wo¬ 
von jedoch vorerst nur 2 mit 156 Tag- und Nachtzellen und den nöthigen 
Localen für 40 der Isolirung nicht unterworfene Gefangenen zur Ausfüh¬ 
rung kommen. Der 3. Flügel wird erst später behufs der Aufnahme auch 
der zu Zuchthaus verurtheilten weiblichen Strafgefangenen gebaut werden. 

(Bruchsal, im Mai 1868.) Die Weiberstrafanstalt für Zucht- und 
Arbeitshausgefangene ist Ende dieses Monats in das hiesige, zu einem 
Zellengefangniss hergerichtete Weiberstrafanstaltsgebäude verlegt worden. 

(Weimar, im März 1868.) Der hiesige Landtag hat in seiner 
Sitzung vom 29. v. Mts. die Abschaffung der Todesstrafe genehmigt. 

s 1 



(Zürich, im Mai 1868. Gefängnissverein in der Schweiz.) 1. Nach* 
dem schon im Jahr 1863 in Stuttgart die Gründung eines Vereins der 
Strafanstaltsbeamten Deutschlands beschlossen worden war, regte sich auch 
in der Schweiz immer mehr der Wunsch nach Vereinigung aller im Ge¬ 
biete des Pönitentiar- und Schutzaufsichtswesens wirkenden Personen, und 
es ergriffen endlich die Herren Straf hausdirektoren Kühne in St. Gallen, 

| Müller in Lenzburg und Wegmann in Zürich die Initiative. Sie schrieben 
f auf den 27. Mai 1867 eine Versammlung nach Zürich aus zur Bespre- 
[ chung der Frage der Gründung eines schweizerischen Gefangnissvereins 
; und versandten Einladungsschreiben in alle Kantone. Von 12 Kantonen, 

\ nämlich von Bern, Luzern, Solothurn, Basel, Schaffhausen, Appenzell a./Bh., 

{ St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Waadt und Zürich gingen zu- 
[ stimmende Erklärungen ein; 4 Kantone, nämlich Obwalden, Glarus, Neuen- 
S bürg und Genf, lehnten ihre Theilnahme für dies Mal ab, und von den 
j übrigen Kantonen ging gar keine Antwort ein. 

i Bei der ersten Versammlung, deren Verhandlungen im Saale des* 

Grossen Stadtraths im Kappelerhof Statt hatten, waren die 12 Kantone 
durch 40 Abgeordnete vertreten. 

2. Herr Direktor Wegmann eröffnet die Verhandlungen mit einer 
i kurzen Ansprache, in welcher er vorerst die Anwesenden im Namen der 
f Einladenden herzlich willkommen heisst und ihnen ihr zahlreiches Erschei- 
; nen bestens verdankt und sodann als den Hauptzweck der heutigen Ver- 
I Sammlung die Besprechung der Frage, ob man einen schweizerischen Ge- 
i fangnissverein in’s Leben rufen wolle oder nicht, bezeichnet, indem, wenn 

man sich hiezu entschliessen sollte, die definitive Organisation des Vereins 
wohl eher Sache einer spätem Versammlung wäre. Als Tagesordnung 
schlägt er vor: 1. Bestellung des Büreau für heute: 2. Vortrag des Herrn 
Direktor Kühne über die Aufgabe und den Zweck eines schweizerischen 
Gefangnissvereins; 3. Gründung des Vereins; 4. Zuschrift des Herrn Ober¬ 
richter Dr. A. v. Orelli, betreffend Einführung einer allgemeinen schweize¬ 
rischen Geföngnissstatistik: 5. Motion des Herrn Direktor Wegmann, ver¬ 
anlasst durch eine Stelle im letzten Jahresberichte der Rheinisch-West- 
phälischen Gefängnissgesellschaft; 6. Allgemeine Einfrage an die Anwesen¬ 
den, ob sie der Vers amml un g noch etwas vorzulegen wünschen. Die Ver¬ 
sammlung erklärt sich mit dieser Tagesordnung stillschweigend einverstan¬ 
den. Es wird hierauf zur Wahl des Präsidenten geschritten und als solcher 
gewählt: Herr Direktor Kühne und nachdem dieser wegen seines Referates 
die Wahl abgelehnt hatte, Herr Direktor Wegmann. Das Aktuariat wird 
dem Herrn Kueser von Zürich, Secretär der Aufsichtscommission über die 
Strafanstalt und des Centralcomites des Schutzaufsichtsvereins, übertragen. 

3. Hierauf folgt der Vortrag des Herrn Direktor Kühne über die 
Aufgabe des neu zu gründenden Gefängnissvereins. Nach einigen einleiten¬ 
den Bemerkungen gibt er der Versammlung Aufschluss, wie er und die 
beiden Mitunterzeichner des Einladungsschreibens zu der Idee der Grün¬ 
dung eines solchen Vereines gekommen seien und wie sie die Sache im 
Allgemeinen auffassen. Bisher habe in diesem Fache jeder bei uns auf 

Blätter für Oef&agniMkunde III. 26 




382 


eigene Rechnung gearbeitet, gebessert und gelitten; ein. korporatives Leben 
habe es unter den schweizerischen Straf hausbeamten nicht gegeben, ja die 
wenigsten haben sich nur gekannt; habe einer von ihnen Reformen ange¬ 
strebt, so habe man ihm geantwortet, die Fachmänner wissen ja selbst 
nicht, was sie wollen; sie sollen sich zuerst über Theorie und System 
einigen. So könne es nach der Ansicht des Sprechers nicht länger bleiben, 
es müsse da anders werden. Die Idee der Sammlung sei zwar noch jungen 
Datums, aber doch habe sie auch in diesem Gebiete schon Boden gefasst. 
In Stuttgart z. B. sei 1863 die Gründung eines Vereins von StrafanstaJts- 
beamten Deutschlands beschlossen worden, und es habe dieser Verein, der 
am 18. und 19. Mai 77 Mann stark in Bruchsal getagt, am 1. Nov. gleichen 
Jahrs schon 155 Mitglieder gezählt, und zähle jetzt 500. Die Schweizer 
seien zwar zu dessen Versammlungen freundlich eingeladen worden; es 
habe ihnen aber nicht konveniren können, sich dabei anders denn als blosse 
Gäste zu betheiligen, da die Anschauungnn und Verhältnisse verschieden 
seien; so neige sich z. B. Deutschland mehr zur Einsamhaft, während die 
Schweizer dem gemischten System den Vorzug geben. Darum sei man 
schliesslich auf den Gedanken gekommen, die Gründung eines besondem 
Schweiz. Vereins zu versuchen. Der Redner zählt nun eine Reihe von Fragen 
auf, auf welche die schweizer. Strafanstaltsbeamten eine übereinstimmende 
oder formulirte Mehrheitsantwort noch schuldig seien. Er trennt diese Fra¬ 
gen in die zwei Kategorien: Gesetzgebung und Pönitentiarwesen im engem 
Sinne und stellt hierüber 32 getrennte Fragen auf. 

Diess seien viele zum Theil geringfügige Fragen, könne man wohl 
denken; allein gering sei nichts im Pönitentiarwesen; die grossen wie die 
kleinen Steine müssen mit derselben Sorgfalt geschliffen und zurecht ge¬ 
legt werden, um das Mosaikbild einer guten Strafanstalt herzustellen. Die 
schweizerische gemeinnützige Gesellschaft habe im Jahr 1868 127 solche 
Fragen zur Beantwortung vorgelegt, die in der {allgemeinen deutschen 
Strafrechtszeitung (Jahrg. 1863, Heft 4) wiedergegeben seien unter der 
charakteristischen Aufschrift von Holzendorff: „praktische Grundlagen der 
Gefängnissreform.“ Massenhafte Stoffeinlieferung sei die Antwort auf die¬ 
ses Schema gewesen; der Bericht darüber, von Herrn Dr. Gosse in Genf 
(s. denselben in der Schweiz. Zeitschrift für Gemeinnützigkeit, Jahrg. 1864, 
S. 89 etc.) sei aber nicht zur Befriedigung ausgefallen, was indess auch 
nicht möglich gewesen sei, da mehrere Verwalter gar nichts berichtet, 
andere den Berichterstatter mit einem einfachen Entschuldigungsschreiben 
oder doch mit lückenhaften Mittheilungen abgefunden haben. Zur Zeit 
noch fehle die Uebersicht des Feldes, auf dem gearbeitet werden soll, 
d. h. Realregister und Beschrieb desjenigen, was an Strafanstalten in der 
Schweiz bestehe. Eine Vorarbeit dieser Art für Deutschland finde sich 
dagegen in den Blättern für Gefängnisskunde, Jahrgang 1866, Separatheft 
mit Nachträgen. Sei bei uns hiefilr von jenem Fragen-Schema, / als einer 
vortrefflichen Arbeit, auszugehen, so möchte jedoch nicht die Neubearbei¬ 
tung des Anno 1863 dafür gesammelten Materials empfohlen werden, da 
dasselbe trotz seiner Menge von Haus aus unvollständig ual theilweise 




883 


schon wieder veraltet sei. Man müsse vielmehr die Säelle fön Tome ä®- 
fangen, aber wieder auf demselben Wege. Ein solcher Realkatalog Würde 
der Wegweiser sein für Reformvorschläge hach Ort und Umfang. 

Auf eine Begutachtung der Organisation des Vereines einzugehen, 
hielt der Redner für verfrüht, da man vorher wisseö müsse, ob man einen 
solchen Verein wolle. Komme man daztt, so finde man fertige Entwürfe in 
den Blättern für Gefängnisskunde (Jahrg. 1865, Heft 8, S. 63 Und Jahfg. 
1866, Heft 1, S. 79 etc.), die man nur den schweizerischen Verhältnissen 
anzupassen hätte. Die heutige Versammlung könne nur einleitende und 
vorbereitende Bedeutung haben; weitere Vorarbeiten würden wohl besser 
in die Hand eines engerü Ausschusses gelegt. — 

Das Präsidium verdankt dem Herrn Kühne sein höchst interessan¬ 
tes Votum aüfs beste und eröffnet freie Diskussion über die Frage, ob 
man einen Solchen Verein, Wie Herr Kühne ihn sich denke, für die Schweiz 
gründen wolle. 

Da Niemand das Wort verlangt, so ladet das Präsidium den Herrn 
Bezirksrath Hofmeister ein, hierüber einen bestimmten Antrag zu stellen. 
Herr Hofmeister begrüsst die Idee der Gründung eines solchen Vereines 
und beantragt, dass ein solcher wirklich ins Leben gerufen und auf die 
ganze Schweiz ausgedehnt werde. 

Herr Direktor Müller von Lenzburg fügt bei, dass ein solcher Verein 
gegründet, dass ihm aber ganz umfassend die Hauptaufgabe gestellt werde, 
zu untersuchen, wie und mit welchen Mitteln das Verbrechen,'dieser grösste 
Feind alles bürgerlichen Lebens, bekämpft werden könne. 

Herr Landammann Dr. Brentano empfiehlt hierauf der Versammlung; 
sich heute auf Detailfragen über Aufgabe, Organisation, Titel etc. des 
neuen Vereines nicht einzulassen, sondern nur im Prinzip sich darüber 
auszusprechen, db män einen derartigen Verein wirklich gründen wolle! 
alles Andere dagegen an eine Spezialkommission zu weisen. 

In Zustimmung zu dieser Ansicht beschliesSt die Versammlung; 
I. Es bildet sich ein Verein zur Förderung des schweizerischen Pöniten* 
tiar- und Schutzaufsichtswersens. II. Dieser Verein soll auf die ganze Schweiz 
ausgedehnt werden. III. Es wird eine Kommission von 5 Mitgliedern 
niedergesetzt, welche über Titel, Aufgabe, Organisation etc. des Vereins in 
nächster Versammlung definitive Vorlagen zu hinterbringen hat. IV. Diese 
Kommission erhält Vollmacht, zu ihren Berathungen je nach Nöthigfiödeü 
Weitere Mitglieder beizuziehen. V. Sie bestimmt Zeit und Ort der nächsten 
Versammlung. 

In diese Kommission wurden hierauf gewählt: die 1 Herren Direkto¬ 
ren Kühne, Müller, Payot, Wegmann nnd Staatsrath Guillanme in Neuenburg. 

4. Es kommt zur Behandlung der Anzug des Herrn Oberrichter 
Dr. A. von Orelli. Herr von Orelli hält die Anbahnung einer homogenen 
Gefüftgniss-Statistik in unserm Vaterlande vor Allem für nothwendfg und 
zweckmässig und legt den Entwurf eines Schema für dieselbe vor. 

Herr von Orelli hält es für das zweckmässigste, dass äneh diese 
Angelegenheit nach vorgängiger Diskussion in der Versammlung einer 

26* 




384 


besondera aus dem Schoosse derselben za bestellenden Kommission zu 
näherer Prüfung und Antragstellung übergeben werde. 

Vom Präsidium hierüber in Anfrage gesetzt, erklärt sich die Ver¬ 
sammlung mit der Ansicht des Herrn von Orelli einverstanden und be- 
sahliesst ohne weitere Diskussion, auch diese Frage der bereits bestellten 
Kommission mit der gleichen Vollmacht zur Vorberathung und Antrag¬ 
stellung zuzuweisen, und derselben das genannte Schema, sowie ein zwei¬ 
tes, von Herrn Kühne ausgearbeitetes, zu Händen zu geben. 

5. Die Motion des Herrn Direktor Wegmann, veranlasst durch den 
Vorwurf, der im letzten Jahresberichte der Rheinisch-Westphälischen 
Gefängniss-Gesellschaft (S. 14) der Schweiz gemacht wird, dass es nämlich 
besonders schweizerische Praxis sei, Verbrecher, selbst Mörder, einfach 
nach Amerika zu schicken, wird hierauf in Berathung gezogen. Herr 
Wegmann ist der Ansicht, es sollten Erkundigungen eingezogen werden, 
ob solche Fälle noch verkommen, und wenn diess wirklich der Fall sein 
sollte, darauf gedrungen werden, dass solches nicht mehr geschehe. Die 
Ehre unseres Landes und das Interesse namentlich der Schutzvereine, die 
häufig in den Fall kommen, entlassenen Sträflingen zur Auswanderung 
zu verhelfen, seien bei dieser Sache zu sehr betheiligt, als dass man ein¬ 
fach über dieselbe hinweggehen könnte. Ihm persönlich sei nur ein sol¬ 
cher Fall bekannt aus Baselland, der seiner Zeit in den Zeitungen be¬ 
sprochen worden sei. Ergebe sich aus den Erkundigungen, dass diese der 
Schweiz gemachte Zulage unwahr sei, so sollte der Verein öffentlich dagegen 
reklamiren. In der hierauf eröffneten Diskussion ergreift einzig Herr Pfar¬ 
rer Oser von Basel das Wort, um über den Fall in Baselland, der ihm 
persönlich bekannt sei, Aufschluss zu geben. Es habe sich dabei um einen 
Mann gehandelt, der wegen Giftmordversuchs an seiner Frau zu mehr¬ 
jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt, und erst nachdem er mehrere Jahre 
daran erstanden, begnadigt worden sei. 

Es wird beschlossen: I. Es sei dem h. Schweiz. Departement des 
Innern von der Gründung eines schweizerischen Gefängnissvereins Mitthei¬ 
lung zu machen und damit das Ansuchen zu verbinden, es möchte beiden 
Kantonsregierungen Erkundigungen einziehen, ob solche Fälle irgend wo 
noch Vorkommen, und wenn ja, mit allen möglichen Mitteln darauf dringen, 
dass eine solche, die Ehre der Schweiz kompromittirende Praxis abgeschafit 
werde. H. Je nach dem Resultate dieser Erkundigungen wird der Verein 
gegen die Zulage der Rheinisch-Westphälischen Gefängniss-Gesellschaft 
reklamiren, und es wird das Bureau hiemit beauftragt. 

6. Das Präsidium frägt die Versammlung an, ob noch irgend . ein 
Mitglied etwas vorzubringen habe. Herr Pfarrer Oser wünscht, dass man 
jetzt schon zwei bestimmte Themata aufstelle, die in der nächsten Ver¬ 
sammlung zur Behandlung kommen sollen, zieht dann aber auf die Be¬ 
merkung des Herrn Direktor Müller, dass die nächste Versammlung mit 
der Organisation des Vereins und der Frage der Einführung einer allge¬ 
meinen Gefängniss-Statistik voraussichtlich ziemlich zu thun habep werde, 
und dass, wenn noch etwas Zeit zur Verfügung bleiben sollte, Jllas Bureau 





385 


ohne Zweifel von sich aus dafür sorgen werde, dass dieselbe gehörig aus¬ 
gefüllt werden könne, seinen Antrag zurück. Hierauf werden die Ver¬ 
handlungen geschlossen. 

(Lenzburg, im Mai 1868.) Eine letztes Jahr in Zürich stattge¬ 
habte Versammlung von Männern, welche, sei’s als Strafanstaltsbeamte, 
sei’s als Richter oder als Mitglieder von Behörden auf dem Gebiet des 
Straf- und Gefängnisswesens sich zu bethätigen haben, beschloss die Grün¬ 
dung eines schweizerischen Vereins für Straf- und Gefängnisswesen. Es 
betraute dieselbe einen Ausschuss von 5 Mitgliedern mit der Entwerfung 
von Statuten und mit der Festsetzung einer nächsten Versammlung und 
deren Verhandlungsgegenständen. Aus mehrfachen Gründen hat der Aus¬ 
schuss Lenzburg als diesjährigen Versammlungsort gewählt und die Ver¬ 
sammlung selbst auf 18. Mai festgesetzt. Auf den Wunsch des Ausschusses 
hat ein Ortskomite die Besorgung sowohl der Einladungen als auch der 
weitern Anordnungen für die Versammlung übernommen. Nebst der Er¬ 
öffnung und dem kurzen Bericht des Ausschusses sind als Verhandlungs¬ 
gegenstände festgesetzt worden: 1. Berathung der Statuten. 2. Bericht 
nebst Vorlage einer Zuschrift an die rheinisch-westphälische Gefängniss- 
gesellschaft von Herrn Direktor Wegmann. 3» Vorschlag einer schweize¬ 
rischen Gefängniss-Statistik. Berichterstatter sind die Herren Direktor Kühne 
und Herr Oberrichter A. v. Orelli 4. Ueber Schutzaufsicht. Berichterstat¬ 
ter Herr Präsident Forrer. 5. Ueber die Frage einer gemeinsamen schwei¬ 
zerischen Strafgesetzgebung. Berichterstatter Direktor Müller. 6. Wahlen. 
Gemäss dem Entwurf der Statuten werden insbesondere zum Beitritt zum 
Verein und zur Theilnahmo an den Versammlungen eingeladen: Die Mit¬ 
glieder von gesetzgebenden, richterlichen und vollziehenden Behörden. Die 
Rechtslehrer schweizerischer Lehranstalten. Die Beamten schweizerischer 
Strafanstalten. Die Mitglieder der Vorstände von Schutzaufsichtsvereinen. 

Nachstehend theilen wir den Entwurf der zu berathenden Statuten mit. 

Statuten des schweizerischen Vereins für Straf- und Gefängnisswesen. 

§. 1. Zweck des Vereins ist, in unserm Lande durch gegenseitige 
Belehrung und persönlichen Verkehr die zeitgemässen Verbesserungen und 
wo möglich eine übereinstimmende Entwicklung auf dem Gebiete des Straf- 
und Gefängnisswesens zu fördern. 

§. 2. Durch einfache Beitrittserklärung wird Mitglied des Vereins, 
wer sich für dessen Zwecke interessirt, und es werden daher besonders 
zum Beitritt eingeladen: 1) Die Mitglieder von gesetzgebenden, vollziehen¬ 
den und richterlichen Behörden, welche bei der Entwicklung und Voll¬ 
ziehung des Strafrechts mitzuwirken berufen sind; 2) die Rechtslehrer an 
schweizerischen Lehranstalten; 3) die Beamten schweizerischer Strafanstal¬ 
ten; 4) die Mitglieder der Vorstände von Schutzaufsichtsvereinen. 

§. 3. Personen des In- und Auslandes, welche sich um den Verein, 
oder um das Straf- und Gefängnisswesen verdient gemacht haben, können 
von der Vereinsversammlung als Ehrenmitglieder aufgenommen werden. 



m 


§. 4. Zur Deckung der Vereinskoste» wird alljährlich im Januar 
von jedem Mitglied ein Beitrag von 3 Fr. erhoben. Ein grösserer Beitrag 
kann nur auf Beschluss der Vereins Versammlung gefordert werden. Weige¬ 
rung des Beitrags nach ergangener Aufforderung des Vereinskassiers gilt 
als Austrittserklärung. 

§. 5. Der Verein hält alljährlich in der Regel im Monat Mai eine 
Versammlung. Dieselbe fasst ihre Beschlüsse durch Stimmenmehrheit der 
anwesenden Mitglieder. Sie bestimmt den Ort der nächsten Versammlung 
und wählt für das nächste Jahr den Vereinsvorstand, bestehend aus dem 
Präsidenten, Aktuar und Kassier nebst 2 weitern Mitgliedern. 

§. 6. Sitz des Vorstandes ist derjenige Ort, der für die nächste 
Versammlung bestimmt worden ist. Der Vorstand ist befugt, die während 
seiner Amtsdauer abgegangenen Mitglieder selbst zu ergänzen. Zur Vor- 
berathung wichtiger Gegenstände kann er Sachverständige z u seinen Ver¬ 
handlungen beiziehen. 

§. 7. Er fasst seine Beschlüsse mit Zustimmung von 3 Mitgliedern. 
Laufende minderwichtige Geschäfte kann er auf dem Zirkulationswege 
erledigen. 

§. 8. Der Vorstand hat folgende Verrichtungen: 1) Er behandelt 
die von der Vereinsversammlung ihm überwiesenen Geschäfte. 2) Er be¬ 
zieht die Jahresbeiträge, bestreitet die Auslagen und legt der Versamm¬ 
lung Rechnung ab. 3) Er bestimmt die für die nächste Versammlung zu 
behandelnden Gegenstände. 4) Er bezeichnet die erforderlichen Referenten 
und Correspondenten. 5) Er erlässt die Einladung zur Jahresversammlung 
und setzt die Tagesordnung fest. 6) Er ist befugt, in- und auswärtige 
Freunde des Gefängnisswesens als Gäste zur Versammlung einzuladen. 

§. 9. Der Vereinsversammlung bleibt Vorbehalten, die Rechnung 
und Geschäftsführung des Vorstandes durch eines oder mehrere Mitglieder 
prüfen und sich darüber Bericht erstatten zu lassen. 

(Aus der Schweiz, im Mai 1868.) Nachdem wir schon seit Jah¬ 
ren die Früchte der Bestrebungen unserer deutschen Freunde und Arbeits¬ 
genossen auf dem Gebiete des Straf- und Gefängnisswesens genossen, ohne 
etwas mehr entgegen bieten zu können als unsere aufrichtigsten Glück¬ 
wünsche für ein gutes Gedeihen des in dem weiten Umkreise deutscher 
Nation begonnenen Werkes, ist es uns heute endlich möglich geworden, 
unserji Freunden in Deutschland die Thatsache zu constatiren, dass nun 
mich in der Schweiz eine Vereinigung von Männern, sowohl der Wissen¬ 
schaft als der Erfahrung auf dem Gebiet des Straf- und Gefängnisswesens 
besteht. Wea» dieselbe nach Massgabe unserer kleineren Verhältnisse 
nicht von derselben Bedeutung sein kann, wie die Ihrige in Deutschland, 
so kann sie, wie wir hoffen wollen, in unsern kleinen Kreisen ebenso Be¬ 
deutendes wirken, indem in mancher Hinsicht die Mängel der Gesetz¬ 
gebung und Vollziehung die nämlichen sind bei uns wie bei Ihnen, dan¬ 
gen die Unterschiede in den Entwicklungsstadien auf diesem Gebiete fpÜ 
noch um ein Merkliches grösser sein werden. 



887 


Geben Sie sieb indessen keinen allzu sanguinischen Hoffnungen bin 
bezüglich dessen, was wir ausrichten werden, bauen Sie auf unsem kleinen 
Anfang keine Schlösser in die Luft, während wir mit Anstrengung uns 
bemühen, die Bausteine zusammen zu tragen, um ein nur halbwegs dauer¬ 
haftes Fundament für unsere künftigen Arbeiten zu gewinnen. Es mag 
Ihnen für einmal genügen, zn vernehmen, dass wir leben, dass wir mit 
Ihnen auf dem nämlichen Boden stehen und für unser Wirken aus der 
nämlichen Quelle schöpfen, d. i. die Wissenschaft, und dass wir auch 
im Ziele einig gehen: nämlich in der Verwirklichung jenes Rechts, welches 
dem wahren Wesen und der sittlichen Würde des Menschen entspricht; 
daher kommt es denn auch nicht darauf an, nach Maass und Gewicht ab¬ 
messen zu wollen, was wir mit jedem Jahr künftig wirken werden oder 
verarbeitet haben, sondern vielmehr, dass wir auf jenem gemeinsamen 
Boden fest stehen bleiben und das Ziel nie aus dem Auge verlieren. 

In diesem Sinne mögen denn unsere deutschen Arbeitsgenossen die 
Mittheilung entgegenneTimen, dass letzten 18. Mai der schweizerische Verein 
für Straf- und Gefängnisswesen in Lenzburg sich versammelte und defini¬ 
tiv constituirte. 

Die Versammlung war besucht von etwa fünfzig Theilnehmern aus 
den Kantonen Zürich, Bern, Basel, St. Gallen, Solothurn, Appenzell, Genf, 
Neuenburg, Aargau, sowie von Bruchsal. Der Verein wurde nun definitiv 
konstituirt und schritt sofort zu den Verhandlungen, aus denen wir das 
Wichtigere mittheilen wollen. 

Schon in Zürich wurde vor Allem die Anbahnung einer gleich- 
massigen Gefängnissstatistik in der Schweiz für nothwendig und zweck¬ 
mässig erachtet. Herr Direktor Kühne legte nun mit näherer mündlicher 
Erläuterung eine Anzahl von sehr fleissig und einlässlich ausgearbeiteten 
Buch- und Control-Formularien vor, worauf Herr Oberrichter A. v. Orelli 
sofort interessante statistische Angaben mittheilte. Derselbe hatte nämlich 
vom eidg. statistischen Bureau die Aufgabe übernommen, für die gesammte 
schweizerische Statistik speziell das Straf- und Gefängnisswesen zu bear¬ 
beiten und legte nun seine Arbeit fertig vor, der wir Folgendes entnehmen: 
In Bezug auf das Pönitentiarwesen theilt der Referent die Kantone in fünf 
Gruppen ein: I. Kantone ohne Strafanstalten: Zug, Glarus, Appenzell a.Rh. 
H. Solche mit patriarchalischen Anstalten, geführt von barmherzigen 
Schwestern etc.: Uri, Schwyz, Unterwalden, Appenzell i. Rh. III. Kantone 
mit eigentlichen Strafanstalten, die aber noch sehr zurück sind: Freiburg ; 
Luzern, Baselland, Tessin. IV. Kantone mit guten Anstalten, die schon 
sehr Schönes gewirkt haben: St. Gallen, Waadt, Genf. V. Kantone mit 
neuen ausgezeichneten Anstalten: Aargau und Baselstadt. Namentlich der 
erstere hat sich nach Ansicht des Referenten eine sehr ehrenvolle Stellung 
erworben. (Die vor 3 Jahren bezogene Anstalt in Baselstadt ist zur Stunde 
fast schon zu klein geworden.) 

Im Personalbestand zeigt Bern (Stadt) die grösste tägliche Durch¬ 
schnittszahl mit 426; Appenzell i. Rh. die kleinste mit 3 (Lenzburg 161). 
Die Zahl der Männer ist überall viel grösser als die der Weiber; die der 



388 


Unverheiratheten verhält sich zu der der Verheiratheten fast überall wie 
*/s zu ‘/s. Hinsichtlich des Alters sind in allen schweizerischen Strafanstal¬ 
ten am zahlreichsten die Individuen zwischen 20—40 Jahren. Bezüglich 
des Berufs sind am zahlreichsten vertreten: Dienstknechte, Mägde, Fabrik¬ 
arbeiter; Beamte, Bureauarbeiter, Commis sehr wenig, nur in Basel 20, 
wo die Ausländer das grösste Contingent zur Strafhausbevölkerung liefern. 
Betreffend die Strafarten und Yerbrechen ist das Yerhältniss der kriminell 
zu den korrektionell verurtheilten fast immer ‘/i zu 8 /»; die Kettenstrafe 
wird selten mehr angewendet, in Baselland noch gegen 30 Verbrecher. 
Die Yerbrechen gegen das Eigenthum sind die zahlreichsten, die gegen 
die Sittlichkeit sind im Steigen. Rückfällige gibt es sehr viel; in Zürich, 
Puntrut, St. Gallen, Waadt hat es solche, die schon 10 mal bestraft wur¬ 
den. In der Oekonomie beträgt der durchschnittliche Arbeitsverdienst per 
Arbeitstag 95 Cts.; in den Ausgaben zeigt Bern (Staat die grösste Summe 
mit Fr. 165,010; St. Gallen 116,000; Zürich 107,632. Die Ausgaben per 
Kopf differiren sehr: von Fr. 121. 50 bis Fr. 548, die Ausgaben der Ver¬ 
pflegungstage kommen von Fr. 1. 10 bis Fr. 1. 95. 

Einzelne Kantone haben auffallend viele Ruhetage, nämlich: 


Baselland 

auf 

11727 Arbeitstage 

6502 

Ruhetage, 

Schaff hausen 

ff 

6604 

ff 

2297 

ff 

Solothurn 

ff 

24719 

ff 

9930 

ff 

Thurgau 

ff 

17980 

ff 

5127 

ff 


worin wahrscheinlich die Krankentage inbegriffen sind. 

Referent warnt vor zu grossen Anforderungen der statistischen 
Fragen und glaubt, man sollte dieselben in obligatorische und fakultative 
eintheilen. Herr Oberrichter A. v. Orelli ergänzte in seinem ausgezeichne. 
ten Referat gewisser Massen die Arbeit des Herrn Kühne, insoweit als 
die Versammlung aus beiden Referaten die Ueberzeugung schöpfen musste, 
dass es nicht nur sehr schwierig, ja selbst unmöglich sei, über das schwei¬ 
zerische Straf- und Gefängnisswesen ein treues Bild zu erlangen, so lange 
nicht eine gemeinsame Grundlage für die Führung der Bücher und Kontro- 
len geschaffen sei. Daneben aber machte sich auch das Gefühl geltend, dass 
man dabei sich nicht in allzuweit gehende Spezialitäten verlieren, sondern 
vor der Hand gewisse Hauptsachen im Auge behalten müsse. Es ward 
daher beschlossen, dem künftigen Vorstand das Material zur weitern Sich¬ 
tung und Prüfung zu überweisen, und womöglich die Frage derart vorzu¬ 
bereiten, dass die nächste Versammlung, welche in St. Gallen statthaben 
soll, dieselbe zum Abschluss bringen kann; für diesen Fall soll die Ein¬ 
führung der gewonnenen gemeinsamen Grundlage mit Beginn des Jahres 
1870 eintreten. Es folgte hierauf die sehr umfangreiche und tüchtige Ar¬ 
beit des Hrn. Direktor Müller über die Frage einer gemeinsamen schwei¬ 
zerischen Strafgesetzgebung. Der Referent behandelt die Strafgesetzgebun¬ 
gen einer Anzahl Kantone, um zu zeigen: welche Fortschritte gegen die 
frühem strafrechtlichen Grundsätze, welche gemeinsamen Grundlagen, zu¬ 
gleich aber auch welche Differenzen dieselben enthalten. Er s^&loss mit 
der Forderung eines gemeinsamen schweizerischen Strafrechtes.,. Es werde 




m 


ein solches verlangt, sowohl von den täglich anders und nach weitern Ge¬ 
sichtskreisen sich gestaltenden Lebens- und Verkehrsverhältnissen, als von 
; einer rationellen und zeitgemässen Strafvollziehung, als endlich auch von 
| der konstitutionellen bürgerlichen Stellung eines jeden Angehörigen der 
Schweiz. Die Versammlung, obwohl von dem Gefühl beherrscht, dass es 
i sehr schwer halten werde, und wohl langer Mühe und Kämpfe bedürfe, 
am ein gemeinsames schweizerisches Strafrecht zu Stande zu bringen, be- 
: schloss gleichwohl, die Angelegenheit zu der ihrigen zu machen und soweit 
es in ihren Kräften stehe, dafür zu wirken. Sie beschloss desshalb den 
Druck des Referats und bestellte eine Kommission mit der Aufgabe, die 
Angelegenheit weiter zu verfolgen, damit dieselbe später gründlich be¬ 
sprochen und dem schweizerischen Juristenverein, der diesen Sommer die 
gleiche Frage in Solothurn behandelt, vorgelegt werden kann. Ein dritter 
Gegenstand, betreffend das Schutzaufsichtswesen, konnte theils wegen Ab¬ 
wesenheit des Herrn Referenten, theils wegen Mangel an Zeit nicht mehr 
zur Behandlung kommen. — Zum Schluss wurde noch für die nächste Ver- 
! Sammlung St. Gallen bestimmt. — Wir zweifeln nicht daran, dass der neu 
f gegründete Verein seine guten Früchte tragen wird, obschon er vor fünf¬ 
zig Jahren wahrscheinlich noch als eine Lächerlichkeit angesehen worden 
| wäre. Es ist eine schöne Aufgabe, die er sich gestellt hat und wir be- 
I dauern nur, dass der aargauische Juristenstand sein Interesse an der Sache 
f grösstentheils durch Abwesenheit von der Versammlung in Lenzburg ge- 
' zeigt hat 

(Aus der Schweiz, im Mai 1868.) Trotz des glänzenden Votums 
von Eytel für Abschaffung ist in der Waadt mit 94 gegen 86 Stim- 
> men vom Grossen Rathe die Aufrechthaltung der Todesstrafe geneh¬ 
migt. Ebenso hat Freiburg in zweiter Berathung die Wiedereinführung 
1 der Todesstrafe genehmigt. 


(Neuchatel, im April 1868.) Die Vorarbeiten zur Erbauung eines 
Zellengefängnisses für den Canton sind soweit gediehen, dass die Sache 
i demnächst vor den grossen Rath kommen wird. Die Pläne sind gefertigt 
! und eine Commission beschäftigt sich mit deren Prüfung behufs der Vor¬ 
lage an den grossen Rath. 

(Paris, 22. Juni 1867. Trauung von Gefangenen.) Gestern 
fand hier in der Pfarrkirche St. Vincent de Paul eine Trauung unter 
eigenthümlichen Umständen statt, und die vielleicht der Aufmerksamkeit 
der Behörden auch im Auslande zur Erwägung empfohlen werden dürften. 

Die Brautleute waren nämlich aus den Gefängnissen von la Roquette 
und St. Lazare in Begleitung von bürgerlich gekleideten Polizeiagenten, 
die ihnen als Zeugen dienten, auf die Mairie und zur Kirche geleitet. Der 
Mann ist zu 8 und die Frau zu 2 Jahr Haft verurtheilt; die Polizeipräfek¬ 
tur wje die Geistlichkeit begünstigen hier solche Ehen, da sie die Erfah¬ 
rung gemacht haben, dass dadurch oft gründliche Besserung des gefallenen 




— 390 — 

Menschen bewirkt wird. In den meisten dieser Fällen handelt es sieh um 
die Legitimirung unehelicher Kinder, und um die spätere Gründung eines 
moralischen Familienlebens nach überstandener Strafzeit des Paares. Nach 
vollzogenem Trauakte begleitete der Mann sein junges Weib bis an die 
Pforte ihres Gefängnisses, wo sie sich dann naeh einer rührenden Um¬ 
armung bis auf ein späteres Wiedersehen trennten. 

In diesem Verfahren der Behörden gegen Sträflinge scheint uns 
wirklich die Möglichkeit gegeben, dieselben nach überstandener Strafzeit 
eher mit den Gesetzen und der menschlichen Gesellschaft versöhnt aus 
den Strafanstalten hervorgehen zu sehen, was von hoher Wichtigkeit ist, da 
daB strafende Gehetz auch die Besserung des Verbrechers bezwecken soll. 

(Toulon« im Mai 1867. Heirath von Sträflingen.) Vor eini¬ 
gen Monaten erregte in Toulon ein Zug von siebenzig jungen weiblichen 
Sträflingen ein ganz besonderes Aufsehen. Es waren diese, aus verschie¬ 
denen Gefängnissen Frankreichs zusammen genommen, bestimmt nach 
Cayenne, um sich dort an Deportirte zu verheirathen, welche gute Auf¬ 
führung haben. Die Transportfregatte Cörös, die auf der Rhede von Tou¬ 
lon ankerte, brachte eines Abends einen Transport von hundert Freige- 
wordenen aus Cayenne, den andern Tag kamen von verschiedenen Bahnen 
siebenzig weibliche Gefangene, gekleidet nach Verschiedenheit der Central¬ 
gefängnisse, die sie verliessen. Anfangs glaubte man, sie würden aus 
administrativen Massregeln deportirt. Aber bald ergab sich, dass sie auf 
ihr eigenes Verlangen dahin gehen. Man hatte ihnen sogar sechs Monate 
Bedenkzeit gegeben; denn es geht nicht leicht Jemand freiwillig nach 
Cayenne. Dort nach freier Wahl an Verurtheilte von guter Aufführung 
vermählt, bekommt je ein solches Ehepaar ein Stück Land auf dem so¬ 
genannten Maroni in Sehr gesunder Lage, und sehr oft kam es vor, dass 
frühere Verbrecher, durch die Heirath zur Besserung gebracht, ausgezeich¬ 
net gute Colonisten geworden sind. Hat ja auch England auf solche Weise 
die blühende Colonie zu Botany-Bay gegründet. 

(London, 22. April 1868. Unterhaussitzung vom 21. April.) 
Auf den Antrag, das Haus möge sich zur Berathung der Bill behufs Ab¬ 
schaffung öffentlicher Hinrichtungen zum Komite konstituiren, erhebt sich 
Gilpin und stellt als Amendement zu der genannten Bill die Motion, die 
Todesstrafe überhaupt abzuschaffen. Er könne — bemerkt er in seiner 
Rede zu Gunsten dieses Amendements — einen Zeitpunkt, wo man die 
Todesstrafe auf’s neue bestätigen wolle, nicht ohne Protest vorübergehen 
lassen. Die einzige Frage, um die es sich zwischen den Gegnern und Ver¬ 
teidigern der Todesstrafe handle, sei die nach Mitteln, um das IJeber- 
handnehmen des Mordes zu hindern. Nun habe aber unter dem Fortbe¬ 
stehen der Todesstrafe dieses Verbrechen gegenwärtig mehr Fälle aufzu¬ 
weisen als früher, während andere früher mit dem Tod gesühnte Verbre¬ 
chen seit Abschaffung der Todesstrafe seltener geworden seien. Die Todes¬ 
strafe sei ein Unrecht, und manche Mörder bewegten sich frei unter der 



m 


Gesellschaft umher, weil GescWorne abgeneigt seien, auf eine Beweisfüh¬ 
rung hiu> die sie unbedingt als hinreichend für lange Gefängnisshaft 'hal¬ 
ten würden, ein Todesurtheil zu veranlassen. So entrinnt der Schuldige 
oft seiner Strafe, die auf der andern Seite nicht selten unwiederbringlich 
den Unschuldigen hinwegraffe. Gregory, der sich gegen die Motion ver¬ 
nehmen lässt, knüpft an den Bericht der Kommission, die 1866 sich für 
Beibehaltung der Todesstrafe ausgesprochen, eine Aufzählung anderer 
Autoritäten, englischer und irischer Richter und die Erfahrungen, die man 
anderwärts zu Ungunsten der beantragten Abschaffung gemacht, an und 
spricht sich schliesslich für Einrichtung innerhalb der Gefäugnissmauem 
aus. Der nächste Redner, Hr. Neate, bestreitet das Abschreckende der 
Todesstrafe für den Verbrecher nicht, hält sie aber auch für nicht sicher 
genug. Unter den Rufen des ungeduldig werdenden Hauses nach Abstim¬ 
mung erhebt sich gegen den Antrag John Stuart-Mill und erklärt, so 
gern er auch sonst den Philanthropen auf ihren Pfaden, die fast immer 
die rechten seien, folge, so gebe es doch auch dabei einen Punkt, wo 
man stehen bleiben müsse. Er vertheidigte die Todesstrafe mit dem Haupt- 
argument, dessen sich gewöhnlich ihre Angreifer bedienten. Statt ein Zu¬ 
viel bei derselben zuzugebeu, halte er sie für viel weniger grausam, als 
lebenslängliche Zwangsarbeit, die nur ein langsamer, martervoller Tod sei. 
Einer der Hauptzüge bei allen Strafen sei der, dass dieselbe härter er¬ 
scheine, als sie in Wirklichkeit sei. Die grösste Wirkung habe in dieser 
Richtung die Todesstrafe. Allerdings werde von den Gegnern angeführt, 
dass es diesen Einfluss nicht habe; doch dürfe man von verhärteten Ver¬ 
brechern keine Schlüsse ziehen, sondern müsse sich auf die weniger vor¬ 
geschrittenen beschränken. Redner geht alsdann in weitern Ausführungen 
darauf aus, den Werth des Lebens als solchen, ohne alles Angenehme, 
einigermassen herabzusetzen. Irrthümer, Justizmorde seien allerdings mög¬ 
lich und sicher nicht wieder gut zu machen; daraus folge aber nur die 
Pflicht für den Gesetzgeber, dergleichen Vorkommnisse so selten als mög¬ 
lich zu machen. Auf dem Kontinent sei die Stimmung gegen die Todes¬ 
strafe wohl desshalb früher rege geworden, weil dort die Kriminalgesetze 
bedeutend schärfer seien. Hier handle Gerichtshof und Jury nach dem 
Grundsatz: „besser zehn Schuldige durchschlupfen zu lassen, als einen 
Unschuldigen zu strafen.“ Gerade auch die schwere Strafe mache Gerichts¬ 
hof wie Geschwome vorsichtiger und verhüte die Yerurtheilung des Un¬ 
schuldigen. Redner sei der Ansicht, dass man bei Umwandlung eines Todes- 
urtheils die Gründe dazu veröffentliche. Transportation habe kurz vor der 
Abschaffung ihre Wirksamkeit fast verloren, mit Zwangsarbeit gehe es 
ebenso, da die Gefängnisse so behaglich und das Entkommen leicht sei. 
Die Prügelstrafe sei gegen brutale Verbrecher besonders passend, und 
überhaupt solle man eher daran denken, die Bestrafungen zu schärfen, 
als zu mildern. Er stimme gegen die Abschaffung der Todesstrafe. 

Bei der Abstimmung fällt der Antrag mit 127 gegen 23 Stimmen, 
vorauf das Haus sich zum Comite über die Bill konstituirte, die Klauseln 
roit einigen Amendirungen annahm, mehrere andere Bills ein Stadium 
weiter rückte, und sich schliesslich vertagt. 



392 


(Stockholm, im März 1868.) Das Oberhaus hat den Beschlass 
gefasst, die Todesstrafe beizubehalten, nachdem bekanntlich auch die zweite 
Kammer am 29. Februar mit 100 gegen 69 Stimmen sich für die Beibe¬ 
haltung dieser Strafe ausgesprochen hatte. 


Neuestes. 


(Dresden, den 19. Mai.) Erste Kammer. Nach siebenstündiger 
Debatte wurde die Aufhebung der Todesstrafe mit 22 gegen 15Stim- 
men abgelehnt. Die 3 geistlichen Mitglieder der Kammer sprachen für 
die Beibehaltung, der Kronprinz dagegen. Die Aufhebung der Straf¬ 
schärfungen wurde einstimmig genehmigt. 


(Dresden, 28. Mai.) In der Schlusssitzung der beiden Kammern 
findet wiederholte Abstimmung über die Todesstrafe statt. Die erste Kam¬ 
mer lehnt die Vorlage wiederholt mit 20 gegen 16 Stimmen ab, die zweite 
Kammer nimmt sie mit 40 gegen 24 Stimmen an. Da nicht eine volle 
Zweidrittelmajorität die Vorlage abgelehnt hatte, konstatirt der Kammer¬ 
präsident die gesetzliche Abschaffung der Todesstrafe. 




mm 





393 


i 


Literatur. 


1. Für Gtefängnissboamte. 

(Vgl. das uns beim Druck zugekommene Aprilheft der von Holtzendorff- 
schen Allg. deutschen Strafrechtszeitung 1868.) 

Die Organisation des Gefängnisswesens mit besonderer Beziehung 
auf die kleineren Gefängnisse für Untersuchungs- und kurzzeitige 
Strafgefangene von K. Kr oh ne, evang. Geistlicher an der Straf¬ 
anstalt zu Vechta. Oldenburg 1868. Druck und Verlag der Schulze¬ 
schen Buchhandlung (C. Berndt und A. Schwarz). Kl. 8. 2 Bogen. 
5 Sgr. oder 18 kr. rheinisch. 

Schon unsere letzte Versammlung in Dresden hat sich eingehend 
mit der Verbesserung der kleineren Gefängnisse und der Forderung nach 
einheitlicher Leitung des gesammten Gefängnisswesens beschäftigt. Insbe¬ 
sondere hat der Verfasser vorliegenden Schriftchens bei den desfallsigen 
Verhandlungen sich lebhaft betheiligt und entsprechende Anträge gestellt. 
| Nachdem nun das preussische Abgeordnetenhaus in seiner Sitzung vom 
| 21. Januar die Verlegung der gesammten Gefängnissleitung in die Hand 
' eines Ministeriums als Wunsch ausgesprochen hatte, so durfte der Ver- 
\ fasser mit Becht hoffen, dass der in Dresden ausgesprochene Satz nun¬ 
mehr Berücksichtigung erfahren werde. Bei dem zum grossen Theile 
schlechten Zustande der kleinen (Untersuchungs- und Straf-) Gefängnisse 
lohnt es sich allerdings der Mühe, für deren Verbesserung thätig zu sein. 

; Insofern verdient das Schriftchen, welches wir hiermit gerne zur Anzeige 
bringen, alle Beachtung und wünschen wir ihm grosse Verbreitung. (Vgl. 
1 auch die Kritik in v. Holtzendorffs Strafrechtszeitung 1868, Aprilheft.) 

Das Zellengefängniss Bruchsal nebst der dazu gehörigen Hilfs¬ 
strafanstalt. Beschreibung der Baulichkeiten und Einrichtungen. 
Mit 4 lithographirten Tafeln. Heidelberg. Weiss. 24 S. gr. 8. 
Preis 5 Sgr. oder 18 kr. rh. 

Da bis jetzt eine kleinere Beschreibung gedachter Anstalt fehlte 
und das Bedürfniss einer solchen sich öfters fühlbar machte, hatte es der 
Direktor des Zellengefängnisses Bruchsal unternommen, ein solches Schrift¬ 
chen herauszugeben. Den Text für die Hilfsstrafanstalt schrieb der erste Haus¬ 
arzt. Das Schriftchen ist hübsch ausgestattet und der Preis verhältniss- 
mässig nieder. Bei dem gedrängten Inhalt konnte natürlich nicht Alles 
aufgenommen werden, doch enthält das Schriftchen alles Wesentliche und 
bann insofern ebenso als Information für Jedermann, wie als frühere und 
Spätere Nachhilfe für Besucher der Anstalt entsprechende Dienste leisten. 

Die deutsche Gerichtszeitung (1867, S. 131) hat das Werkchen auch 
angekündigt, dabei aber höchst eigentümlicher Weise lediglich einen Satz 
hervorgehoben und glossirt, nemlich den (S. 9) „die Behandlung sämmt- 



— $94 — 

licher Gefangenen ist gleich“. Die Gerichtszeitung fasst dies so auf, als 
ob im Zellengefängniss nicht individualisirt würde, während selbst bei 
oberflächlicher Durchlesung der Stelle sofort erhellt, dass hier nur gesagt 
wird, dass man zwischen Zucht* und Arbeitshausgefangenen keinen wesent¬ 
lichen Unterschied macht. In dem Gutachten für den 6. deutschen Juristen¬ 
tag (I. Bd. der Verhandlungen, S. 187) hat der Herausgeber nachgewiesen, 
dass im Zellengefängniss Bruchsal eine sorgsam individualisirende Behand¬ 
lung stattfindet. Dieselbe erstreckt sich freilich bis jetzt noch nicht auf 
die äussere Bekleidung, nicht auf das Scheeren von Kopf- und Barthaar, 
sondern mehr auf die Behandlung im Allgemeinen, Beschäftigung und an¬ 
dere erhebliche Seiten. 

Das kleine Werkchen hat in Holtzendorffs allg. Strafrechtszeitung 
1868, Aprilheft, in der Tagespresse und durch mancherlei Zuschriften an 
den Herausgeber von competentester Seite vielen Beifall geerntet, 
v. Krafft-Ebing. Beiträge zur Erkennung und richtigen forensischen Be- 
urtheilung krankhafter Gemüthszustände für Aerzte, Richter und 
Vertheidiger. Erlangen, Enke 1867. 74 S. in gr. 8. Preis 15 Sgr. 
oder 48 kr. 

Axmann Dr., Carl. Zur Cholerafrage. Mahnung an alle diejenigen, wel¬ 
chen die öffentliche Gesundheitspflege am Herzen liegt. 1. Heft. 8. 
16 S. Erfurt, Neumann 1867. Pr. 18 kr. oder 5 Sgr. 

Solbrig Dr., A. Verbrechen und Wahnsinn. Ein Beitrag zur Diagnostik 
zweifelhafter Seelenstörungen für Aerzte, Psychologen und Richter. 
München, Cotta 1867. gr. Lex. 8. 66 S. Pr. 48 kr. oder 14 Sgr. 
Grouven Dr., Hubert. Kanalisation oder Abfuhr? Eine andere Gestaltung 
dieser Frage referirt von Dr. Hubert Grouven, Vorsteher der agri¬ 
kultur-chemischen Versuchsstation zu Salzmünde. Glogau, Verlag 
von Carl Flemming 1867. Preis 27 kr. oder 8 Sgr. 

Rede des Doctor Cyankalius Rebschnur über die Reform des Gefangniss- 
wesens, gehalten in der jüngsten Sitzung der Weltverbesserer in 
Babilonopolis. Regensburg, Pustet 1867. gr. 8. 34 S. Preis 11 kr. 
oder 3 Sgr. Soll als ein monströses Curiosum hier doeh erwähnt sein. 
Mehring, Prälat, Mitglied der Württemberg. Kammer der Abgeordneten. 
Die Frage ton der Todesstrafe^ Mit besonderer Beziehung auf den 
Vortrag in dem K. W. Justizministerium« Stuttgart, Carl Grüninger 
1867. Pr. 54 kr. oder 16 Sgr. 

Varentrapp, Georg, Dr. med. Üeber Entwässerung der Städte# über 
Werth oder Unwerth der Wasser-Closetten, über deren angebliche 
Folgen: Verlust werthvollen Düngers, Verunreinigung der Flüsse, 
Benaehtheiligrmg der Gesundheit mit besonderer Rücksicht auf 
Frankfurt a. M. Berlin 1868. Verlag von August Hirsehwald, unter 
den Linden. 68 Sv in 8°. Preis 2 fl. 42 kr. öder 1 Thlr. 16 Sgr. 
Ristelhueber, J. B. Wegweiser zur Literatur dör Waisenpftege, des 
Volkä-Erziehuügswesens und der Gefängnisskünde. Zwei Bände. 
Cöln 1831 und 1840. 




Eine sehr schätzenswerthe Zusammenstellung det GeflfcngnlssKteratur 
von 1521 bis 1840. Wir werden später hierauf zurückkomme*, wenn ea 
uns gelingt, die bei der 1867er Dresdener Versammlung zugesagte voll¬ 
ständige Zusammenstellung der Gefängnissliteratur zu liefern. 

Bibliotheca juridica. Verzeichniss der vorzüglichsten Werke aus allen 
Zweigen der Rechts- und Staatswissenschaften. Vierte sehr ver¬ 
mehrte Auflage. Wien 1867. Manz. gr. 8. 100 S. Pr. 57 kr. rhein. 
oder 16 Sgr. 

John Dr n Richard Ed. Ueber die Todesstrafe. (Heft 36 der Sammlung 
gemeinverständlicher Vorträge von Rud. Virchow und Fr. v. Holtzen- 
dorff.) 43 S. gr. 8. Berlin, Lüderitz 1867. Pr. 36 kr. oder 10 Sgr. 
(im Abonnement nur die Hälfte.) 

Ja am und, A,, von. Ueber Auswanderung mit besonderer Berücksichtigung 
der deutschen Auswanderung und deren Ziele. Namentlich mit Be¬ 
zugnahme auf die Vereinigten Staaten von Nordamerika als Aus¬ 
wanderungsziel, sowie die Uebersiedelung dorthin mit besonderer 
Berücksichtigung Bremens als Einschiffungshafen. Mit 2 Uebersichts- 
karten aller Erdtheile und der Vereinigten Staaten von Nordamerika. 
Im Selbstverlag herausgegeben von A. v. Jasmtmd, Generalagentur 
für Auswanderer-Beförderung in Berlin, Adalbert-Strasse Nr. 40, 
früher Ländsberger-Strasse 21, Berlin. In Commission von Martin 
Berendt, Adlerstrasse Nr. 7. 1867. 

Blätter für das Armenwesen, herausgegeben von der Centralleitüng 
des Wohlthätigkeitsvereins in Stuttgart. Stuttgart, Hasselbrink. Er¬ 
scheinen im 21. Jahrgang 1868, wöchentlich eine Nummer, und bringen 
auch Aufsätze aus dem Gebiete des Gefängnisswesens. 

Jahresbericht desZellengefängnisses in Aageberg bei Christiauiafür 1866. 
Beretning om Bodsfängslets Virksomhed i Aaret 1866. Christiania, 
Brog^er & Christies Boytrykkeri 1867. 

Beltrani, Sealia Martino, Ispettore delle Carceri del Regne. SulGoverne 
e gulla riforma delle Carceri in Italia. Saggio storico e teorico. 
Torino, tipografia C. Favale e comp. 1868. gr. 8. 518 S. Pr. 8 Frcs. 
15 Cent. 

Der erste Theil dieses höchst interessanten Werkes, dessen erste 
biefemng v. Holtzendorff in seiner Strafrechtszeitung 1867. 3. Heft, S. 
143 und dessen Ganzes er ebenda 1868, Aprilheft, Sp. 201 ff. besprochen 
hat, ist hiemit vollendet und werden wir im nächsten Heft eingehender 
darauf zurückkommeu. 

Ef ferner i de earceraria. Rivista ufficiale delle Carceri del Regno d’Italia 
diretta dal Cäv. Napoleone Vazio, Ispettore delle Carceri del Regno, 
presso il Ministero delP Interno. 

Diese Zeitschrift, deren wir Schon im H. Bande , 5. Heft, S. 388 
erwähnten, erscheint jetzt im 4. Jahrgang 1868 und bringt in den Heften 
April bis Juli 1867 eine Uebersetzung des Aufsatzes von MtthlhäusSer 
über Einzelhaft für Weiber aus dem 5. Heft des ersten Bandes unseres 



396 


Die Zeitschrift Cesare Beccaria dagegen, die wir ID. 1. S. 73 
anzeigten, ist im zweiten Halbjahr 1867 wieder eingegangen und der Grün¬ 
der Fred. Bellazzi, wie wir hören, leider gestorben. 

Annual Report of the State prison Commissioner of the State of Wis¬ 
consin, for the Fiscal Year Ending September 30th. 1866. MadisoD, 
Wis. Atwood & Rublee 1867. 

Thirty-eighth annual Report of the Inspectors of the State Penitentiary 
for the Eastern District of Pennsylvania to the Senate and House 
of Representatives of the Commonwealth of Pennsylvania. March 
1867. Philadelphia McLaughlin Brothers 1867. 

Pulszky Agostes TaufferEmiL A Börtönügy multja, elmelete, jelen 
allasa különös tekintettel Magyarorszagra. A. M. K. Tud. egyetem altal 
1866 evben elsö dijra erdemesitett palyamü. Pest, Emichj Gusztav 
Tulajdona. 1867. gr. 8. 325 S. Pr. 1 fl. 80 kr. östr. Währung. 
Deutsche Bearbeitung dieses ungarischen Werkes siehe in Holtzen- 
dorffs AUg. Deutscher Strafrechtszeitung 1867. Heft 10, S. 481 ff. 

Das Werk zerfällt in folgende Abschnitte: I. Kap. Schuld und 
Strafe. II. Arten der Strafe. III. Freiheitsstrafen. IY. Geschichte der Ge- 
fängnissfrage: in Rom, im Mittelalter, Mabillon, Penn, in Amerika, Bec¬ 
caria, Howard, in England, Frankreich, in Ungarn bis zum Jahre 1843, 
Literatur. Y. Bedingnisse der Gefängnissverbesserung und die verschiede¬ 
nen Systeme. VI. Würdigung der gegen die Einzelhaft erhobenen Be¬ 
denken, als: deren Einfluss auf die Moralität, Gesundheit, Mortalität, Irr¬ 
sinn, Selbstbefleckung; die Einzelhaft und die Nationalitäten und die 
Romanenschriftsteller. VIL Die Gefangnissschule überhaupt; in Bruchsal; 
in Ungarn; die Seelsorge; die Gottesdienstfrage am ungarischen Landtage 
vom Jahre 1843/44; deren heutiger Zustand in den ungarischen Anstalten; 
die Bedeutung der Gefangnissbibliothek; Belohnungen; Besuche. VIH. Der 
Gewerbsbetrieb in den Strafanstalten; sterile Arbeiten; das Interesse der 
freien Arbeiter; fabriksmässiger Betrieb; Antheil der Sträflinge; eigene 
Regie und Pacht; die Arbeit in den ungarischen Anstalten. IX. Die Be¬ 
amten und Angestellten; Frage der religiösen Korporationen; der Bruder¬ 
orden des rauhen Hauses; Aufsehervereine. X. Begnadigungen; die be¬ 
dingungsweise Entlassung in England; Würdigung der gegnerischen Be¬ 
hauptungen; polizeiliche Verwahrung; Schutz-Vereine, deren Theorie und 
Praxis; XI. Neuere Geschichte der Gefängnissfrage und deren Stand in 
England, Frankreich, Schweiz, Belgien, Holland, Schweden, Norwegen, 
Dänemark, Spanien, Portugal, Italien, Mecklenburg, Baden (vorz. Bruchsal 
und dessen Jahresbericht von 1863, da die spätem Berichte erst nach¬ 
träglich einkamen), Oldenburg, Preussen, Schleswig-Holstein, Bayern, Würt¬ 
temberg, Hessen-Darmstadt, Hannover, Braunschweig, Hansastädte, Oester¬ 
reich. XII. Das Gefängnisswesen in Ungarn; Verhandlungen des Landtags 
vom Jahr 1843/44 und dessen Entwurf; die Landesstrafanstalten in W&itzen, 
Leopoldstadt, Munkacz, Dlawa, Szamos-Ujvar (Siebenbürgen); für .weibliche 
Gefangene in Maria Nostra und Nagy-Enyed (Siebenbürgen);/«deren Be¬ 
schreibung, Statistik und Kritik; Criminal-Statistik Ungarns; S Schluss. 



397 



Kreuz und Kerker. Die Arbeit der christlichen Liebe an den Gefange¬ 
nen und aus dem Gefängniss Entlassenen, vorzüglich nach der Wirk¬ 
samkeit der Rheinisch-Westphälischen Gefängniss-Gesellschaft, dar- 
gestellt durch Adalbert Natorp, evang. Pfarrer zu Düsseldorf, z. 
Präsidenten der Rheinisch-Westphälischen Gefängniss-Gesellschaft. 
Verlag der Gesellschaft zu Düsseldorf. 1867. 

Der Rheinisch-Westphälischen Gefängnissgesellschaft gebührt das 
Lob, eine Besserung des Gefängnisswesens zu einer Zeit in Angriff genom¬ 
men zu haben, in welcher in unserem Vaterlande noch wenig für dasselbe 
geschehen war. Vorliegendes Schriftchen kann als eine Geschichte der 
Entstehung, Verbreitung und Wirksamkeit dieser Gesellschaft angesehen 
werden, wenn gleich das Gewand, in welches dieselbe gekleidet ist, nicht 
das rein historische, sondern mehr das religiös-erbauliche ist. Dessen 
ungeachtet muss eine Darstellung der ausgedehnten und erfolgreichen 
Thätigkeit der Gesellschaft auch in dieser Form willkommen geheissen 
werden, zumal da sich nicht läugnen lässt, dass die Hebung des Gefängniss¬ 
wesens wesentlich mit von denjenigen Kreisen ausging, in welchen die 
Pflege der Religiösität eine specifische ist 

2. Für Gefangene. 

Märchen von Maria Kurz. Stuttgart. Verlag von Carl Schober. 1867. 

Es gereicht uns zu grosser Befriedigung, diesem Büchlein eine 
warme Empfehlung angedeihen lassen zu können. Nicht immer gelingt es 
Frauen, die Feder mit Geschick zu führen, zumal dann, wenn sie sich auf 
Gebiete wagen, welche der eigentlich weiblichen Virtuosität ferner liegen. 
Unsere Verfasserin dagegen zeigt den entschiedensten Beruf zu schrift¬ 
stellerischem Wirken, indem sie ihr reiches Gemüthsleben, ihre sinnige 
Naturbetrachtung und ihre erhabenen Ideen in Märchenform darlegt. 
Das Märchen ist recht eigentlich die Domäne des Weibes, auf welcher 
dasselbe seine Meisterschaft erproben kann. Die vorliegenden sprachen 
uns durch die Innigkeit des Gefühls, gepaart mit der Energie des Ge¬ 
dankens, durch die Reinheit der Seele, fern von aller Prüderie, sowie durch 
die edle Popularität der Darstellung ganz besonders an. Sie gehören ge¬ 
wiss zu dem besten, was die Märchenliteratur aufzuweisen hat. Der Inhalt 
bewegt sich indess nicht auf positiv-christlichem Boden und wird die Schrift 
daher nur mit grosser Vorsicht an Gefangene ausgegeben werden können. 
Vergangenheit und Gegenwart. Geschichtliche Erzählungen von 
J. A. Pflanz. Tübingen, Osiander’sche Buchhandlung, 1866. 

Es liegen uns fünf Bändchen dieser Sammlung vor: 1. Der Morgen¬ 
stern, 2. Die Gefangene, 3. Die letzten Tage von Pompeji, 4. Sephora, 
ö. Ein Mann aus dem Volke. Wir können dem Verfasser unsere Anerken¬ 
nung nicht entziehen. Die geschichtlichen Stoffe, welche er behandelt, er¬ 
wecken hinlängliches Interesse, die Darstellung ist zweckentsprechend, die 
Grundlage der Behandlung eine entschieden sittlich-religiöse. Wir glauben 
diese Erzählungen zum Gebrauche der Gefangenen empfehlend anzeigen 
*u dürfen. 

Blätter für Gefangnisskunde 111. 


27 



Trewendt's Jugendbibliothek. Erzählungen für die Jugend u. 9. w, nait 
Stahlstichen. Verlag von Eduard Trewendt in Breslau. 

Von dieser reichhaltigen Sammlung zeigen wir mit Vergnügen die 
8 letzten uns zugekommenen Erzählungen (Bd. 40—42) an. Die Namen 
der Verfasser, Wilhelm Hoffmann, Julius Schiller und Bichard Baron, ver¬ 
bürgen die Trefflichkeit des Inhalts. Anziehende und fesselnde Darstellung, 
interessante Stoffe und sittlicher Gehalt lassen diese Erzählungen als sehr 
gelungen erscheinen. Namentlich durch die Frische und Lebendigkeit der 
Sprache dürften sich dieselben für Gefangenenlektüre empfehlen, da es 
die moralische Tendenz nicht allein ist, welche einer Erzählung das Prä¬ 
dikat „gut“ sichert und ihre Wirkungsfähigkeit bedingt 
Bobinson der Jüngere, von Joachim Heinrich Campe, für das Volk 
und die Jugend neu bearbeitet von W. 0. von Horn (W. Oertel), 
dem Spinnstubenschreiber. Mit vier Abbildungen Wiesbaden, Niedner 
1868. 12. 307 S. 

Der nie alternde Campe’sche Bobinson erscheint hier in ernenn neuen 
Gewände, und der Name des Bearbeiters bürgt für dessen Güte; daher 
bedarf es unsererseits keiner besonderen Empfehlung. Die Gespräche sind 
in dieser Bearbeitung gewiss zum Vortheil des Ganzen hinweggelassen. 
Die Ausstattung ist sehr hübsch, schönes weisses und starkes Papier, 
grosser und scharfer Druck, so dass sich auch von dieser Seite die will¬ 
kommene Erscheinung empfiehlt 

Nachstehend geben wir ein Verzeichniss neuerer Erscheinungen von 
meist früher bekannten Autoren und Verlegern. Die Büchlein können an 
alle Confessionen gegeben werden. 

Franz Hoffmann. Böses Gewissen, Preis 24 kr.; Glückswechsel, Preis 
24 kr.; Ein gutes Herz, Pr. 24 kr.; Der Pascherjunge, Pr. 24 kr. 
Franz Knauth. Der Wachtmeister und sein Pflegsohn, Pr. 21 kr. 

Dr. Chr. Eöth. Sieben Jahre schwere Zeit, Pr. 36 kr. 

W. 0. v. Horn. Was aus einem armen Hirtenbüblein werden kann, Preis 
24 kr.; Die Eroberung von Constantinopel, Pr. 24 kr.; Die Pelz¬ 
jäger der Hudsonsbaikompagnie, Pr. 24 kr.; Kaiserin Maria Theresia, 
Pr. 24 kr.; Der alte Fritz, Pr. 24 kr. 

Pflanz. Drei Monate unterm Schnee, Pr. 36 kr. 

Wilh. Herchenbach. Zar Iwan Wassiljewitsch, Pr. 36 kr. 

Bob. Niedergesäss. Lehr- und Wanderjahre, Pr, 42 kr. 



399 


Nachtrag. 

Vorarbeiten beim indmdualisirenden Straf¬ 
vollzüge« 

Beiträge zur Statistik der Strafanstalten. 

Zwickau, im Januar 1868. (Leipziger Zeitung.) „Besserung aof 
dem Wege der Individualisirung.“ Das ist das Princip, nach welchem 
die Strafanstalt Zwickau nun seit beinahe zwei Jahrzehnten geleitet 
wird. Hat auch dieses Princip der Anfechtungen nicht wenige erfahren, 
so haben wir es doch mit aller Consequenz aufrecht erhalten und finden 
jetzt hinreichende Genugthuung in der Ueberzeugung, dass man an den 
meisten Strafanstalten anfängt, nicht blos dem individualisirenden Straf¬ 
vollzüge das Wort zu reden, sondern auch wirklich in der Behandlung 
der Gefangenen individualisirend zu verfahren. Soll aber nach diesem 
Princip wirklich mit Erfolg gearbeitet werden, so ist es nothwendig, 
dass die Verwaltung sich einer Menge Arbeiten unterziehe, die ihr aller¬ 
dings bei einer andern Auffassung der Dinge nicht zugemuthet werden. 
Ehe von individueller Behandlung die Rede sein kann, muss man das 
Individuum kennen. Das ist eine schwierige Aufgabe und erfordert neben 
geistiger Kraft auch eine Menge zeitraubender Hilfsarbeiten. Indem wir 
diese von dem nun abgelaufenen Jahre 1867 überblicken, kommt uns der 
Gedanke, dass eine Zusammenstellung der wichtigsten Thatsachen auch für 
die Oeffentlichkeit von Interesse sein müsste. Wir können nieht umhin, 
diesem Gedanken zu folgen, und legen denen, welche Interesse für das 
Strafvollzugswesen haben, das Wichtigste von dem vor, was im abgelaufe- 
nen Jahre über die zu „Arbeitshausstrafe“ verartheilten und der Anstalt 
Zwickau zugeführten Männer hn Allgemeinen von Bedeutung ist. Dabei 
unterlassen wir, die über verschiedene Verhältnisse und Zustände sich ver¬ 
breitenden Schlaglichter schärfer hervorzuheben, und begnügen uns vor¬ 
läufig mit der einfachen Relation der Ergebnisse. Vielleicht findet auch 
die Statistik in unserer Arbeit einen nicht unwillkommenen Beitrag. In 
dem Zeiträume von 1. Jan. bis 91. Decbr. 1867 sind in die Landesanstalt 
Zwickau eingeliefert worden 1321 Männer, also täglich durchschnittlich, da 
Sonn- und Festtags keine EinKeferungen stattfinden, 4 bis 5 Mann. Die 
meisten Einlieferungen erfolgten im Monat März, nemlich 136, die wenig¬ 
sten im September, 92. Theilen wir die Eingelieferten in Rücksicht auf 
das Lebensalter, so fanden sich 


im 

Alter 

bis 

za 

20 

Jahren 

110 

Gefangene, 

w 

n 

ff 

ff 

30 

ff 

478 

ff 

n 

n 

n 

ff 

40 

ff 

373 

fl 

* 

V 

V 

n 

50 

ff 

248 

n 

w 

tt 

n 

ff 

60 

ff 

88 

f> 

w 

V 

ff 

ff 

70 

ff 

18 

ff 

n 

ff 

ff 

tf 

80 

ff 

6 

ff 


Summa 1921 Gefangene. 


27* 


y 



400 


Der Confession nach waren evangelisch-lutherisch 1255, römisch- 
katholisch 62, mosaisch 4, zus. 1321 Mann. Bei 629 Personen war der 
Heimathsort auch zugleich der letzte Aufenthaltsort; 692 Personen hinge¬ 
gen hatten sich zur Zeit des Verbrechens nicht in der Heimath befunden. 
1194 stammten aus dem Königreiche Sachsen, 127 gehörten anderen Län¬ 
dern an. Dem Stande nach befanden sich unter den Eingelieferten: 12 Sol¬ 
daten, 116 Dienstknechte, 13 Oekonomen, 468 Handarbeiter, 658 Professio- 
nisten, 36 Kaufleute, 18 Angestellte im öffentlichen oder Privat-Dienste, 
zus. 1321 Mann. In der Ehe geboren waren 1205, ausserehelich hingegen 
116. Unverheirathete befanden sich darunter 755, Verheirathete 433, Ver- 
heirathete, welche getrennt lebten 46, Verwittwete 51, Geschiedene 34, im 
Concubinate lebten 2, zus. 1321 Mann. Eheliche Kinder hatten 422 Mann, 
uneheliche 40, Stiefkinder hatten 27 und Pflegekinder besassen 6 Mann. 
Sehr wichtig ist das frühere Verhalten der Detinirten. Betrachten wir die 
Eingelieferten von diesem Gesichtspunkte aus, so ergibt sich Folgendes: 
Ohne alle Bestrafungen, sowohl polizeiliche als criminelle, 266, nur Polizei¬ 
strafen hatten verbüsst 29, Gefängnisstrafen, welche aber Polizeistrafen 
nicht ausschliessen, hatten bereits erhalten 397, solche, welche ausser der 
Gefängnisstrafe auch schon Arbeitshaus- oder Zuchthausstrafe oder beides 
erhalten hatten, waren unter den Eingelieferten 404, Arbeitshaus- und 
Zuchthausstrafe, ohne frühere Gefängnisstrafen, hatten erlitten 137, solche ? 
die sich bis jetzt blos in der Correctionsanstalt befundeu hatten, gab es 27, 
solche, welche ausser Arbeitshaus- und Zuchthausstrafe auch schon Cor- 
rectionsstrafe verbüsst hatten, gab es 61, zus. 1321 Mann. In Bezug auf 
die Natur der Verbrechen, um derenwillen die Eingelieferten zur Verurthei- 
lung gekommen waren, stellte sich, wenn wir die Aufeinanderfolge der 
Capitel des 2. Theiles vom Strafgesetzbuche berücksichtigen, Folgendes 
heraus: Cap. II. des Strafgesetzbuches. Wegen Majestätsbeleidigung wur¬ 
den verurtheilt 2. Cap. III. Wegen Widersetzung 24. Wegen Landfriedens¬ 
bruch 3. Wegen Störung des Hausfriedens 3. Cap. IV. Wegen Mord 1. 
Wegen Todtschlag 2. Cap. V. Wegen Körperverletzung 10. Cap. VI. Wegen 
Baub, beziehentlich Versuch 6. Wegen Nothzucht 8. Wegen Unzucht 31. 
Wegen Bedrohung 5. Wegen Nöthigung 9. Cap. VII. WegenBrandstiftung 6. 
Wegen vorsätzlicher Beschädigung der Eisenbahn 1. Cap. VIII. Wegen 
Meineid, bez. Versuch 9. Anstiftung zum Meineid (Art. 62) 3. Cap. IX- 
Wegen schwerer Verleumdung 4. Cap. X. Wegen unerlaubter Selbsthilfe 2. 
Cap. XII. Wegen Diebstahl 891. Wegen Erpressung 6. Wegen Betrug 158- 
Wegen Unterschlagung 104. Wegen Partirerei 5. Cap. XIH. Wegen 
Bankerott 5. Wegen Fälschung 2. Cap. XIV. Wegen Falschmünzerei, bez. 
Anstiftung dazu 7. Cap. XV. Wegen Beschädigung fremden Eigenthums 5. 
Ausserdem wegen Desertation 9. Zus. 1321. Für den individualisirenden 
Strafvollzug ist es aber nicht hinreichend, zu wissen, welches Verbrechen 
der Eingelieferte vollführt hat; es ist weit wichtiger, zu erforschen, wel¬ 
ches die eigentliche Grundursache dieses Verbrechens ist. Selbstverständ* 
lieh kann hier von apodiktischer Gewissheit nicht die Rede sein. Wir 
bezeichnen das in dieser Richtung Aufgefundene daher auch nur als muth- 

/ 

/ 



massliche Ursachen des Verbrechens. Als solche sind aufzufah¬ 
ren: 1) Die Trunksucht bei 119. Der Trunksucht mehr oder weniger er¬ 
geben waren übrigens ausserdem noch 382 der Eingelieferten, so dass die 
Gesammtsumme der Schnapstrinker, welche dem Arbeitshause im Jahre 1867 
zugeführt wurden, 501 beträgt oder 37,93°/o von den im Laufe des Jahres 
Eingelieferten. 2) Die Arbeitsscheu 211. 3) Der Arbeitsmangel 150. 4) Die 
Noth 59. 5) Die Verführung 46. 6) Die schlechte Erziehung 4. 7) Die Ge¬ 
wöhnung 145. 8) Die Habsucht 38. 9) Der Jähzorn 17. 10) Die Wollust 23. 
11) Die Genusssucht 112. 12) Die Neigung zum Verbrechen 20. 13) Der 
Leichtsinn 168. 14) Die günstige Gelegenheit 199. 15) Schlechter Umgang 1. 
16) Unvorsichtigkeit 2. 17) Böser Vorsatz 2. 18) Unlust zum Soldaten¬ 
stande 5. Zus. 1321 Mann. Rücksichtlich der Dauer der zu verbüssenden 
Strafzeit waren von den Eingelieferten verurtheilt: Zu einer Strafzeit unter 
1 Jahr 575, von 1—3 Jahren 715, von 3—5 Jahren 24, von 5—10 Jahren 7, 
Zus. 1321 Mann. Von den Verurtheilten befanden sich 161 gar nicht in 
Untersuchungshaft, 945 brachten die Untersuchungshaft in Gemeinschaft 
mit anderen zu, 215 waren während der Untersuchungshaft isolirt, zus. 
1321 M. Zu einer eingehenden Kenntniss der Individualität gehört ferner 
auch noch eine Prüfung des Individuums bezüglich seines körperlichen und 
geistigen Zustandes, seiner Kenntnisse u. s. w. Auch nach dieser Richtimg 
hin ist das Möglichste gethan worden, und die Resultate sind folgende; 
In Rücksicht auf die körperliche Gesundheit unterscheiden wir eine kräf¬ 
tige, mittelmässige und schwächliche Gesundheit. Von denen, welche 1867 
eingeliefert wurden, besassen eine kräftige Gesundheit 889, eine mittel¬ 
mässige 318, eine schwächliche 114, zus. 1321 Mann. Es waren aber auch 
39 Mann darunter, welche geradezu als gebrechlich, beziehentlich als 
arbeitsunfähig zu bezeichnen waren. Krank eingeliefert, und zwar in der 
Art, dass sie sofort der Krankenabtheilung zugewiesen werden mussten, 
sind im Laufe des Jahres 1867 33 Mann. In Absicht auf die geistigen 
Fähigkeiten waren 369 Personen gut, 694 mittelmässig, 258 mangelhaft 
ausgestattet. Was die Empfänglichkeit des Gemüthes anlangte, so mussten 
177 als empfänglich, 649 als wenig empfänglich, 495 als unempfänglich 
bezeichnet werden. Rücksichtlich des Willens Zeigten nur 64 einen kräfti¬ 
gen, 683 einen wenig kräftigen, 574 aber einen erschlafften Willen. Was 
die persönlichen Ansichten der Verurtheilten über ihre eigene Schuld und 
Strafe betrifft, so sind 577 als geständig und reuig, 639 als geständig aber 
indolent, 105 als nicht geständig zu bezeichnen gewesen. Der Schulbesuch 
war bei 1157 ein voller, 161 nur ein theilweiser, 3 hatten wegen Krankheit 
gar keine Schule besucht. Die Kenntnisse in Religion waren bei 87 Mann 
gut, 515 mittelmässig, 477 schlecht, 242 waren ganz vernachlässigt. Das 
Lesen konnten 417 gut, 522 mittelmässig, 224 schlecht, 93 konnten nur 
buchstabiren, 65 aber gar nicht lesen. Im Schreiben bestanden 238 gut, 
481 mittelmässig, 371 schlecht, 231 konnten gar nicht schreiben. Im Rech¬ 
nen waren 203 gut unterrichtet, 376 konnten nur die vier Species, 488 
konnten diese nur theilweise, 254 konnten gar nicht rechnen. In Bezug 
auf Sprachbildung erwiesen sich 195 als gut, 555 als mittelmässig, 571 als 



402 


schlecht. In den gemeinnützigen Kenntnissen waren 109 gnt, 321 mittel- 
mässig, 691 aber schlecht unterrichtet. Von den im Laufe des Jahres 1867 
in der Anstalt Zwickau Detinirten, also nicht blos von den 1321 Einge¬ 
lieferten, sondern von sämmtlichen Gefangenen (denn es war ja auch am 
1. Januar 1867 ein Bestand von 997 Mann vorhanden), wurden 1132 nach 
verbüsster Strafzeit entlassen, 46 wurden beurlaubt und 23 sind verstorben. 
Demnach sind 1201 Mann abgegaugen. Die Anzahl der Zugänge und Ab¬ 
gänge beziffert sich also im Jahre 1866 auf 2522 Mann, mithin sind täg¬ 
lich 8—9 Mann aufgenommen, beziehungsweise entlassen und in Abgang 
gebracht worden. _ 

Der Lokal-Verein zur Fürsorge für entlassene Straf¬ 
gefangene evangelisoher Konfession in Breslau hat im Laufe 
des Vereinsjahres 1867/68 sich mit der Unterbringung, Pflege und Unter¬ 
stützung von zusammen 72, theils aus den hiesigen, theils von auswärtigen 
Strafanstalten nach Breslau entlassenen Personen und deren hilfsbedürfti. 
gen Familien beschäftigt. 

Von diesen führen sich gut, zeigen erfreuliche Folge der ihnen ge¬ 
widmeten Fürsorge oder haben doch Gegenteiliges nicht bekannt werden 


lassen.42, 

es haben sieb derselben entzogen, resp. sind in Folge Wohnungs¬ 
wechsels aus der Pflege geschieden .... 18, 

rückfällig wurden.5, 

dem Trünke fortgesetzt ergeben.3, 

der Unsittlichkeit und Lüderlichkeit verfallen ... 4. 

.. 30, 

i. e. 72. 


Hierunter sind nicht inbegriffen diejenigen 15 Individuen, welche, 
zum grösseren Theil nach auswärts entlassen, nur einer momentanen, theils 
leihweisen Unterstützung zur Beschaffung von Kleidern, Reisegeld, Hand- 
werksgeräth etc. bedurften, während für deren weitere Zukunft zu sorgen 
der Verein ausser Stande, oder dies in Ansehung ihrer Verhältnisse nicht 
erforderlich war. 

Während des nunmehr 7jährigen Bestehens des Vereins erstreckte 
sich dessen Wirksamkeit auf 497 Individuen, die bei 316 dauernd gute 
Folge hatte, wogegen sich ihr 77 entzogen, 48 rückfällig geworden, 19 dem 
Trünke, 35 der Unsittlichkeit und Lüderlichkeit verfallen und 2 gestor- 


ben sind. 

Asyl-Fond. 

Fondf. Entlassene 

An Kassenbestand wurde aus dem Vor¬ 

Thl. ßgr. Pfg. 

Thl. Sgr. Pfg. 

jahre übernommen 

657 2 4 

65 9 9 

Hierzu kamen; 

a. Beitrag vom hiesigen Magistrat 

25 — — 

25 — — 

b. Beitrag, resp. Vorschüsse vom 

Directorium des Provinzialvereins 

für die Besserung der Strafgef. 

25 — - 

35 — - 

Uebertrag 

707 2 4 

125 9 9 



403 


Asyl-Fond. Fond f. Entlassene 



‘Thl. 

Sgr. 

w«. 

thl. 

Sgr. 

rtg- 

Uebertrag 

707 

2 

4 

125 

9 

9 

c. Von dem Unterttütfcüngs-Foüd der 

Gefangenen-Anstilt . 

— 

— 

— 

36 

6 

— 

*d. von dem Gemeinde-Kirchenrath 

Zu St. Bernhardin 

3 

— 

— 

2 

— 

— 

6. von Herrn Kaufmann Schröer . 

5 

— 

— 

— 

— 

— 

f. von Herrn Stadtrath Zwinger . 

5 

— 

— 

— 

— 

— 

g. Von Mitgliedern und andere milde 

Spenden. 

5 

10 

— 

4 

24 

6 

h. erstattete Vorschüsse 

1 

— 

— 

1 

— 

— 

i. Zinsen. 

2 

12 

-. 

— 

— 

— 

k. Verdienstantheile der Asylistinüen 

43 

4 

1 

— 

,- 

— 

Summa Einnahme 

“irr 

28 

5 

169 

10 

3 

Ausgaben: 

Asyl-Fond. 

Fond f. Entlassene 


Thl. 

Sgr. 

Pfg- 

Thl. 

Sgr. 

Pfg. 

Unterstützungen und Lehrgeld 

— 

— 

— 

67 

14 

4 

für das Asyl, und zwar: 

a. Miethzins . . . . . 

60 

10 

— 

— 

— 

— 

b. Gehalt der Aufseherin 

38 

— 

— 

— 

— 

— 

c. Utensilien, Wäsche etc. 

103 

3 

— 

— 

— 

— 

d'. Haushaltungskosten: 

a. aus dem Fond 

48 

5 

1 

— 

— 

— 

b. aus dem Arbeitsverdienst der 

Asylistinnen .... 

32 

24 

11 

— 

— 

— 

e. Guthaben derselben . 

8 

10 

4 

— 

— 

— 

f. Sonstige Ausgaben an Arbeits- 

löhnen, Porto etc. 

13 

12 

6 

— 

— 

— 


304 

5 

10 

67 

14 

4 

Bleibt Bestand: 

467 

22 

7 

101 

25 

11 


569 Thl. 18 Sgr. 6 Pfg. 

Während des 7jährigen Wirkens des Vereins sind an Geldmitteln 
überhaupt 941 Thl. 8 Sgr. 8 Pfg. aufgewendet worden. 

Wir haben seit dem Oktober 1867 in einem gemietheten Lokal, 
Sonnenstrasse 3, das Asyl für aus der Haft entlassene junge Mädchen mit 
Gottes Hilfe einzurichten begonnen. 

Aufgenommen sind bis jetzt 9. Davon zu den Eltern und Verwandten zurück 2, 


vermiethet.2, 

entwichen.2, 

noch im Asyl.3, 


Wir müssen uns über weitere Resultate Bericht Vorbehalten, da die 
Zeit zu kurz ist, um feststehende Erfahrung zu haben. 

Wir haben mehreren Kauileuten hiesiger Stadt, die es ausdrücklich 
verbeten haben, ihre Namen zu nennen, für freundliche Gewährung von 


/ 





404 


Hülsen- und Erdfrüchten, Reis, Kaffee, Zucker, von Seife, Licht und Koh¬ 
len den herzlichsten Bank zu sagen. Gott lohne es ihnen. Bethanien hat 
sich freundlichst erboten, etwaige Kranke in Pflege zu. nehmen. 

Den Druck unseres Berichts hat die Offizin von Grass, Barth und 
Comp. (W. Friedrich) auch diesmal wieder in wohlwollender Weise gratis 
ausgeführt. 

Indem wir für alle wohlthätige Theilnahme und Unterstützung, die 
uns in Geld oder sonst wie zu Theil geworden, unsern tiefgefühltesten 
Dank aussprechen, legen wir zugleich aufs Neue allen edlen Menschen¬ 
freunden die dringende Bitte ans Herz, uns auch fernerhin die so sehr 
nothwendige Hilfe, sei es durch Geldmittel oder persönliche Mitwirkung 
zu widmen und unserm Werke in immer weitem Kreisen Theiluahme zu 
erwecken, damit besonders unser Asyl, das bedeutenden Kostenaufwand 
erfordern wird, bevor es mehr und mehr auf eigenen Füssen stehen kann, 
immer lebensfähiger werden und damit unsere Hauptaufgabe denn endlich 
zum gottgefälligen Ziele gelangen möge. 

Breslau, im Mai 1868. 

Oer Vorstand des Lokal-Vereins zur Fürsorge für entlassene Strafgefangene 

evangelischer Konfession. 

Schück. Kreyher. Gossa. 



405 




Personalnachrichten. 


(Ergänzung des Verzeichnisses der Strafanstalten im Separatheft zum II. Bd.) 
(Ernennungen.) Röck, Stadtvicar’, Hausgeistlicher des Zucht- und 
Arbeitshauses in Freiburg zum Hausgeistlichen der Strafanstalten 
in Bruchsal. 

Schmidt, Direktor der Hilfsstrafanstalt und polizeilichen Verwahrungs¬ 
anstalt in Bruchsal zum Kanzleirath und Registrator beim Kreis¬ 
gericht Offenburg. 

R i{b s t e i n, pr. Arzt, zum Hilfsarzt der Strafanstalten in Bruchsal. 

Die gr. bad. Weiberstrafanstalt ist von Freiburg nach Bruchsal verlegt 
I worden. 

Die Verwaltung der gr. bad. polizeilichen Verwahrungsanstalt für Weiber 
desgl. wurde mit der für Männer vereinigt unter der Direktion der 
W eiberstrafanstalt. 

Schuh, Decan in Bruchsal, zum kath. Hausgeistlichen der Weiberstraf¬ 
anstalt daselbst. 

Mühlhäusser, Frau Pfarrer, zur Hauslehrerin ebenda. 

Hof mann, kathol Hausgeistlicher in Mannheim, zum Stadtpfarrer in 
f Wiesloch. 

\ Huhn, Caplan, zum kath. Hausgeistlichen in Mannheim. 

Flad, ev. Hausgeistlicher ebenda, zum Stadtpfarrer in Bretten. 
f . 6reiner, Pfarrer, zum ev. Hausgeistlichen in Mannheim. 

Dorfner, Hausgeistlicher bei der Gefangen-Anstalt Wasserburg, zum 
Vorstand und Inspector der Staatserziehungsanstalt Niederschönenfeld. 

I Dahl, Hausgeistlicher in Kaiserslautern zum Stadtpfarrer daselbst. 

: Heiter, Caplan in Pirmasens, zum kath. Hausgeistlichen in Kaiserslautern. 

! Wirth, Insp. in Zweibrücken, zum Inspector des Zellengef. in Nürnberg. 

\ Dr. Schleiss-Löwenfeld, Hausarzt der Gefangen-Anstalt Amberg, zum 
| Kgl. Bezirksarzt. 

Reindel, Dr., zum Hausarzt in Amberg. 

I Ehrlich, Phil., zum rechtskundigen Functionär an der Gefangen-Anstalt 
Amberg. 

Das Respiciat in Strafanstaltssachen bei der Kgl. Bayr. Regierung in Bayreuth 
ging von Regierungsrath Zimmern auf Regierungsrath Gerhager über. 

! Ranft, Rechnungsführer und funct. Inspector zum Inspector in Sulzbach. 

I Keil, Priester, zum kath. Hausgeistlichen der Gef.-Anstalt Sulzbach. 

1 Kümmel, Hausgeistlicher am Zuchthause PlaBsenburg zum Pfarrer in 
Ilphofen. 

\ Hölldörfer, Rechnungsführer in Plassenburg, zum Inspector, der Gef.- 
Anstalt Zweibrücken. 

> \ Kro yer, rechtskundiger Actuar zum Rechnungsführer des Zuchthauses 
Plassenburg. 

1 



406 


Frey, Hauslehrer des Zuchthauses Plassenburg zum Hauslehrer am Zellen¬ 
gefängnisse in Nürnberg. 

Pregler, Schulverweser, zum Hauslehrer am Zuchthause Plassenburg. 
Tretzel, ev. Hansgeistlicher in Ebrach, zum Pfarrer in Tunsenreuth. 
Christenn, Rechtspraktikant zum Functionär bei der Gef.-Anstalt Ebrach. 
Käs, Reehnungsführer am Zuchthaus in Würzburg zum Inspector dieser 
Anstalt. 

Kraft, funct. Actuar zum Rechnungsführer bei der Gefangen-Anstalt 
Lichtenau. 

Götz, Hausgeistlicher in Rebdorf zum Pfarrer in Igersdorf, 

D öder lein, Dr., Hausarzt der Polizeianstalt Rebdorf, zum Hausarzt des 
Zellengefängnisses Nürnberg. 

Sattler, zum Rechnungsführer in Kaisheim. 

Eign, Josef, zum rechtskundigen Functionär des Zuchthauses Kaisheim. 
Keller, Militärgeist]., zum kath. Hausgeistl. des Zellengef. Nürnberg. 
Schubert, z. kath. Anstaltsgeistl. in Lüneburg. 

Nolte, Hausverwalter, zum Inspector der Kettenstrafanstalt Lüneburg. 
Grovermann, Hausverwalter der Strafanstalt Osnabrük zum Inspector 
der Strafanstalt Celle. 

Niebuhr, zum Hausverwalter in Osnabrück. 

Fleisch, z. Lehrer in Moringen. 

Philippi, Hausgeistlicher in Marienschloss zum Beneficiat in Gernsheim. 
Weber, Kaplan, zum kath. Hausgeistl. in Marienschlosa. 

Hahn, Hauptstaatscasse-Buchhalter zum Rechner des CorreOtionshauses in 
Darmstadt. 

Küchler, Kreisassessor in Darmstadt zum Kreisrath in Dieburg, unter 
Ernennung zum Intendanten des dortigen Correctionhauses. 
Marquard, r., Kreisassessor in Darmstadt zum Intendanten des dortigen 
Correctionshanses. 

Dr. Goldmann, Kreisrath, Intendant des Correctionshauses Dieburg zum 
Provinzialdirector für Oberhessen. 

Die obere Leitang der Strafanstalten • in Cassel und Ziegenhain ist von 
Obergerichtsrath Fleischhut an Obergerichtsrath Vogel in Cassel 
übergegangen. 

v. Schlabrendorff, Director der Weiberstrafanstalt in Delitzsch, zum 
Director dar Zwangsanstalten in Graudenz. 

Bosizio, Adolf, Ritter v., zum Verwalter des Strafhauses Gradiska. 

Ko pp, Oeconomie-lnsp. in Rhein, z. Rendant der Strafanstalt Insterburg 
an Stellendes Rend. Stamm. 

Arndt, Hausgeistlicher der Strafanstalt Insterburg zum Pfarrer in Bialla. 
Schneller, Prediger, z. Geistl. in Insterburg. 

Br Öse, zum Arbeitsinspector der Strafanstalt Mewe an Stelle des Insp. 
Steub. 

Schulz, Priester, z. kath. Hausgeistl. in Poln. Crone an Stelle des Peuckert. 
Eins, z. Inspector und Rendant in Rawica an Stelle des Hederich. 
Langner, z. Oeconojnie-Inspector in Rawicz. 




Wichulla, z. Arbeitsinspector in Rowicz an Stelle des Böhmert. 

. Raddatz, z. Bureaugehilfen in Rawicz. 

'Ziegler, v., Inspector in Brieg, zum Oberinspector in Anclam. 

Ziegler, Hausarzt in Anclam, ausgetreten. 

' Dr. Köhler zum Hausarzt der Strafanstalt Breslau. 

Br. Faninger, erster Arzt der Straf- und Besserungsanstalt Naugard 
zum geheimen Sanitätsrath. 

Ketteleck, z. 3. Bureauassistent in Breslau. 

Schulz, z. Kassenassistent in Breslau. 

, Swowoda, z. Bureaugehilfen in Brieg an Stelle des Lindner. 

Abel, z. er. Geistl. in Görlitz an Stelle des Scheuner. 

’ Ho eher, Cassenassistent in Breslau, z. Polizei-Inspector in Jauer. 

Sivecke, z. ev. Geistl. in Jauer an Stelle des Morgenbesser. 

; Laue, Arbeitsinspector in Ratibor, z. Inspector der Strafanstalt Brieg an 
Stelle des Ziegler. 

Schottisek, z. Arbeitsinspector in Ratibor an Stelle des Laue. 

' Fehmel, Oberinspector in Anclam zum Director in Sagan. 

Glaubitz, z. Bureaugehilfen in Sagan an Stelle des Schindler. 

Scholz, z. Geistl. in Striegau an Stelle des Henschel. 
i Kali na, z. Bureaugehilfen in Striegau an Stelle des Schiel. 

| Hunger, z. Lehrer in Cotbus. 

Strosser, Director, zum Vorstand der Strafanstalt in Herford. 
Pennekamp, Bureaugehilfe in Münster, zum Rendant und Oeconomie- 
inspector in Herford an Stelle des Ernstmeier. 

Hofmeister, z. Arbeitsinspector in Münster an Stelle des Alberti. 

: Kaldewey,z. Bureaugehilfen in Münster. 

Witrup, Rendant in Aachen, zum Arbeitsinspector der Strafanstalt Werden. 
Rolfuss, Gaplan, zum Hausgeistiichen in Hornstein. 

•• Kappes, Hausgeistl. in Aachen, z. Pfarrer in Rheydt, 
i Leonhardt, Präsident des Oberappellationsgerichts in Berlin zum Justiz¬ 
minister dortselbst. 

t Rithner, Lieutenant d. A., zum Anstalts-Inspector der Landesäträfanstalt 
Waldheim. 

■ Kochta, Lehrer, z. Catechet für die kath. Detinirten in Waldheim. 

Die seither in der k. säohs. Anstalt Waldheim unter dem Namen Corrections- 
; • selecte befindliche Abtheilung für jugendliche Sträflinge und Cor- 

rectionäre beider Geschlechter ist unter dem Namen „Correctioüs- 
anstatt für Jugendliche“ nach Sachsenburg verlegt worden. 

Möbius, Catechet der Strafanstalt Hubertusburg zum Anstaltsinspector 
und Dirigent der Correctionsanstalt für Jugendliche Zu Schloss Sachsen¬ 
burg bei Frankenberg. 

Kretzschmer, P., kath. Anstaltsgeistlicher der Strafanstalt Zwickau, zum 
Pfarrer der Stadt Pirna. 

Krell, Inspector in Zwickau, z. Directorialaesistent daselbst. 

Böhmer, Oberlieutenant, zum Inspector der Strafanstalt Zwiokau. 
Burkhardt, Bürgersehullehrer, z. Catechet d. Anstalt Zwickau. 


408 


Seyffert, prot. Geistlicher der Hilfsanstalt Voigtsberg, zum Pfarrer in 
Oborbobritzsch. 

Hemmann, Archidiaconus zu Oelsnkz, z. Geistl. der Hilfeanstalt Voigtsberg. 
Glass, z. Lehrer in Voigtsberg. 

Möbius, Dr. med., zum Anstaltsarzt auf Hoheneck und 
Brey mann, Cassenassistent zum Rendanten dieser Anstalt. 

Behrisch, Oberlieutenant d. A., z. Anstaltsdirector in Hubertusburg. 
Stelzner, Anstaltsgeistlicher zu Hubertusberg, zum Pfarrer in Wermsdorf. 
Zeissler, Hilfsgeistlicher in Hubertusburg, z. Anstaltsgeistl. daselbst. 
Lehmann, z. Hilfsgeistl. daselbst. 

Schönfelder, Rechnungsführer der Anst. Hohnstein z. Anstalts-Inspector. 
Trostbach, Pfarrer in Burgtonna, z. Hausgeistlichen in Gräfentonna. 

Cr am er, Lehrer, zum Cassier der Strafanstalt Gräfentonna. 

Hermann, Helfer, z. ev. Hausgeistl. in Markgröningen. 

Hey der, v., Dr., zum Hausarzt in Markgröningen. 


(Versetzungen und Veränderungen) Jäger, Coop. Hausgeistl., 
Wäncker, v., Hausarzt und 

Stehle, Lehrer an der Strafanstalt Freiburg in Folge der Verlegung 
ausgetreten. 

Völkel, Rechnungsführer der Gefangen-Anstalt Lichtenau, als solcher 
zum Zuchthause nach Würzburg. 

Lütgen, Strafanstaltsdirector und Vertreter des Kronoberanwalts in Celle, 
zum Oberpräsidium in Hannover. 

Hugo, kath. Anstaltsgeistl. in Lüneburg ausgetreten. 

Günther, Lehrer in Moringen versetzt. 

Heine, Director der Strafanst. Stade in gleicher Eigenschaft nach Lingen. 
Krumstroh, Pastor in Lingen ausgetreten. 

Rabe, Dir. des Centralgef. Hamm, zum Zuchthaus Dietz. 

Streit, Präsident desk. k. Oberlandesgerichts in Brünn, in gleicher Eigen¬ 
schaft nach Prag. 

Alting, Inspector in Vechta ausgetreten. 

Kopp, Rendant in Rhein, in gleicher Eigenschaft nach Insterburg. 
Wintgens, Director in Herford, in gleicher Eigenschaft nach Mewe. 
Mencha, Bureaugehilfe, von Mewe weg, Stelle noch unbesetzt. 
Jagodynsky, v., Anst.-Insp. in Rhein, erhielt den Oeconomiedienst. 
Niederhausen, Bureaugehilfe ebenda, das Rendantengeschäft von der 
eingegangenen Stelle des Rendanten Kopp. 
v. Valentini, Director der Weiberstrafanstalt in Delitzsch, in glel 
Eigenschaft an die Strafanstalt zu Wartenburg, 
v. Grap, Polizei-Insp. in Gollnow, in gl. Eigenschaft nach Wartenbarg. 
Richelot, Dr., von der Strafanst. Wartenburg weg, Stelle noch unbeset^ 
Werner, Pastor von Rawicz, nach Markgrafpieseke versetzt. 

Kaulfuss, 2ter ev. Geistl. in Breslau ausgetreten. 

Köhler, Dr., zum 2ten Arzt in Breslau an Stelle des Dr. v. Jarozl 



409 


Feder, Bureauassistent in Breslau ausgetreten. 

Frey tag, Arbeitsinspector von Werden, zur Strafanstalt Halle a/S. 
Thilo, Pastor in Hamm, ausgetreten. 

Krementz, kath. Geistl. in Coblenz, ausgetreten. 

Ragotzky, Pastor, ev. Geistlicher der Strafanstalt Werden, in gleicher 
Eigenschaft an die Stadtvoigtei in Berlin. 

Vogler, Lehrer in Habsthal, ausgetreten. 

Böttger, Lehrer in.Voigtsberg versetzt. 

Titlbach, Pfarrer in Pirna, Geistlicher der Detinirten zu Hohnstein, nach 
Dresden. 

Gussmann, Dr., Hausarzt in Markgröningen, nach Stuttgart gezogen. 

(Pensionirt wurden:) Ganzmann, Rechnungsführer in Würzburg. 
Weber, Rechnungsführer in Kaisheim. 

Bliedung, Inspector der Kettenstrafanstalt Lüneburg. 

Bauer, Inspector der Strafanstalt Celle. 

Ulrichs, Director der Strafanstalt Lingen. 

Victor, Justizrath, Director des Zuchthauses Diez. 

Bailisch, Verwalter des Strafhauses in Gradiska. 

[Hilder, Director der Strafanstalt Sagan. 


F 

! (Ordens-Verleihungen.) Ekert, Director des Zellengefängnisses 
Bruchsal erhielt am 15. April 1868 das Ritterkreuz des Ordens der 
! Württembergischen Krone. 

Ulrichs, Director der Strafanstalt Lingen erhielt bei seiner Pensionirung 
nach fast 50jähriger Dienstzeit den Kön. Preuss. Rothen Adler-Orden 
4. Classe. 

Silberne Civilverdienstmedaillen erhielten: Die Aufseher 
! Baumgärtner und Wölber am Zellengefängnisse Bruchsal. 

Oberaufseher Stamm am Arbeitshaus in Ludwigsburg. 

(Gestorben sind:) Mühlhäusser, ev. Hausgeistlicher der Strafanstalten 
in Bruchsal. 

Sohn, Dominik, kath. Hausgeistlicher in Frankenthal. 

Dr. Kunst, Hauswundarzt der Strafanstalt Plassenburg. 

Raupp, Rechnungsrath in Darmstadt. 

Simeons, Dr., Med.-Rath in Mainz. 

Parylewicz, Titus, Adjunct in Krakau. 

Geist, geh. Kirchenrath in Oldenburg. 

Tobias, Fabrikinspector in Vechta. 

|chütte, ev. Pastor in Coblenz. 
immer, Rendant der Anstalt Waldheim, 
iwenke, Anstaltsinspector für Jugendliche in Sachsenburg, 
fbmann, Dirigent der Hilfsanstalt in Voigtsberg. 

[Kracht, Dirigent ebendaselbst. 

Hier, Amtscommissär in Gräfentonna. 
tarn er us, Zollrath in Gera. 



410 


V ereins-Angelegenheiten. 



(Vgl. das Mitgliederverzeichnias im Supplementheft.) 

1. Greiner, Pfarrer, ev. Hausgeistlicher des Kreisgefängnisses Mannheim. 

2. Ehrlich, Phil., rechtskundiger Functionär der Gef.-Anst. Amberg. 

3. Keller, kath. Hausgeistlicher des Zellengefängnisses Nürnberg. 

4. Kroyer, Rechnungsführer des Zuchthauses Plassenburg. 

5. Kümmel, Fr., früher Pfarrer in Plassenburg, jetzt Pfarrer in Uphöfen. 

6. P re gier, Heinr., Hauslehrer des Zuchthauses Plassenburg. 

7. Blumenstock, Leon, Med. Dr., Gerichtsarzt in Krakau. 

8. Blumenstock, Heinr., Literat dortselbst. 

9. Bojarski, Franz, Dr., Universitätsprofessor in Krakau. 

10. Erd mann, Rob., Dr., Kreisphysikus und Gerichtsarzt in Rzeszow. 

11, Fab er, Cajetan, Inspector der Landeszwangsarbeitsanstalt in Messen¬ 
dorf bei Graz. 

12* Lazaripi, Gabriele, Oberin der weibl. Straf- und Correctionsanstalt 
in Lankowicz. 

13. Lubaszek, Andr., Geriehtsadjunct in Neu-Sandez. 

14. Patlewicz, Ignaz, Kerkermeister in Rzeszow. 

15. Pirxhofer, Johann, Kreisgerichtsrath dortselbst. 

16. Hugues, Pastor, Dr., Geistlicher der Strafanstalt von Celle. 

17. Jordan, Pastor, Geistlicher der Strafanstalt Werden. 

18. Klein, Directionsaccessist in Diez. * 

19. Klöne, Gefängnissprediger in Hagen. 

20. Lotz, Regierungsrath in Kassel. 

21. Mol ly, Regierungsrath in Trier. 

22. Schubert, Pfarrer und kath. Geistlicher der Strafanstalt Lüneburg. 

23. Wittrup, Arbeitsinspector der Strafanstalt Werden. 

24. Bässler, prot. Anstaltscatechet auf Hubertusburg. 

25. Lehmann, Pastor, prot. Anstaltsgeistlicher auf Hubertusburg. 

26. Rithner,Lieut.d.A., Anstaltsinspector der Landesstrafanstalt Wah&enn. 

27. Vereinigte Königl. Landesanstalten auf Hubertusburg. 

Irrthümlich im Verzeichniss ausgelassen sind: 

28. Paulus, Zuchthauspfarrer in Cassel. 

29. Schröder, Rendant der Strafanstalt Halle. 


IM 



treten) 

1. Stengel, Freiherr von, Regierungsassessor in Wiirzburg. 

2. Zapf, Hauslehrer der Gefangenanstalt St. Georgen. 

3. Hartmann, Josef, Kerkermeister in Tarnow. 

4. Knendich, Gustav, Kreisgerichtsrath in Rzeszow. 

5. Maver, Zacharias, Staatsanwalt in Triest. 

6. Oechsner, Gustav, Freiherr v., Kreisgerichtspräses in Tarnow. 

7. Piller, Carl, Gerichtsadjunct in Rzeszow. 

8. Skodler, Verwalter des Zwangsarbeitshauses in Laibach. 

9. Willitzer, Verwalter des Strafhauses in Graz. 


Bekanntmachung. 

Der weitere Ausschuss hat nach §.15 der Statuten zu seinem Prä¬ 
lidenten den Director Ekert und an die Stelle des mit Tod abgegangenen 
Pfarrer Mühlhäusser den Dienstnachfolger desselben, Rock, evangelischen 
Bausgeistlichen der Strafanstalten in Bruchsal als Mitglied des engeren 
Ausschusses gewählt. Die Vereinsrechnungen für die Zeit vom 1. Mai 1864 
>is 1. Juli 1867 sind in Gemässheit des Beschlusses der Vereinsversamm- 
ung vom 4. September 1867 dem Oberjustizrath Wullen in Gotteszell 
sur Prüfung zugesandt, von demselben geprüft und mit Absolutorium ver¬ 
sehen worden. 

Bruchsal, im April 1868. 

Der Vereinsausschuss. 


Beitrag pro 1868. 

Diejenigen Mitglieder, welche mit dem Beitrag pro 1868 noch im 
Rückstand sind, werden unter Hinweisung auf §. 7 der Statuten gebeten, 
idchen bis längstens 15. Juli an den Vereinscassier, Buchhalter Reut her 
lahier, portofrei einzusenden. 

Bruchsal, im Mai 1868. 

Der Vereinsausschuss. 


Druck fehler. 

S. 307 Z. 9 von unten lies: ausgedehnte, statt ausgedehntem. 

„ 308 „ 4 „ „ „ Ducpetiaux, „ Ducpetiau. 

„ 313 „ 15 „ oben ist „human** zu streichen. 

„ 314 „ 7 „ „ 1. , statt 

„ 396 „ 11 „ „ 1. Agost es, statt Agostes. 



412 


Inhalt« 

Seite. 

1. Die Gebrechen und Reform der Gefängnisse in Oesterreich. 


Von Wahlberg . 303 

2. Einzelhaft und Isolirung. Von Schock .... 338 

3. Karl Josef Anton Mittermaier. Nekrolog .... 342 

4. Vermischtes. 349 

5. Correspondenz. 364 

6. Literatur. 393 

7. Nachtrag. 399 

8. Personalnachrichten . . .. 405 

9. Vereinsangelegenheiten. 410 




J 










Beilage zum III. Band. 


C. F. Mühlhäusser, 

Hausgeistlicher der Bruchsaler Strafanstalten, 

starb am 22. Oktober 1867 und wurde am 24. Oktober unter 
grosser Betheiligung von Freunden und Verehrern aus Nahe 
und Ferne in feierlicher Weise bestattet. Nach dem Leichen- 
begängniss fand für die Gefangenen und Bediensteten der Straf¬ 
anstalten, die Verwandten, Amtsbrüder und näheren Bekannten 
des Verstorbenen ein Trauergottesdienst in der Capelle des 
Zellengefängnisses statt. — Das Gedächtniss und die grossen 
Verdienste des Dahingeschiedenen um das Gefängnisswesen 
überhaupt und speciell um den Verein zu ehren, lassen wir 
nachstehend die am Grabe verlesenen Personalien, die am 
Grabe und beim Gottesdienst gehaltenen Beden folgen. 

1. Personalien. 

Der in dem Herrn entschlafene Philipp Heinrich Karl 
Friedrich Mühlhäusser, Hausgeistlicher an den hiesigen 
Strafanstalten, ist geboren in Bheinbischofsheim den 28. Novem¬ 
ber 1823. 

Daselbst war sein Vater, der im J. 1848 zu Bretten ver¬ 
storbene Dekan und Stadtpfarrer Jakob Mühlhäusser, Diakonus 
an der lateinischen Schule, seine Mutter, Wilhelmine geb. 
Hautz, lebt dermalen in Karlsruhe. Bis zum 16. Jahre ver¬ 
blieb er im elterlichen Hause. Der Vater, später Pfarrer in 
Kleinkems, dann in Feldberg und seit 1840 in Bretten, unter¬ 
richtete ihn zugleich mit einem ein Jahr jüngeren Sohne in 
allen Fächern einer gelehrten Schule, bis der Entschlafene 
im Spätjahr 1840 in die Oberquinta des Heidelberger Lyceums 
eintrat. Seinem von Jugend an ausgesprochenen Zuge zum 
geistlichen Berufe folgend, trat er im Spätjahr 1843, nachdem 
er mit gutem Erfolge sich die erforderliche wissenschaftliche 
Vorbildung angeeignet hatte, zur Universität über. In Heidel- 



2 


berg brachte er auch seine ganze Universitätszeit zu and 
nahm im Jahr 1846 am theologischen Predigerseminar unter 
Rothe’s Leitung Theil. Sein Fleiss und die Tüchtigkeit seiner 
wissenschaftlichen Bildung fand während dieser Zeit schon 
Gelegenheit, sich au einer theologischen Preisfrage zu bewäh¬ 
ren, für welche ihm von der Universität eine Preismedaille 
zu Theil wurde. Ein rheumatisches Leiden, welches ihn in den 
Jahren 1846 und 1847 betraf, machte es ihm erst im Spätjahr 
1847 möglich, die theologische Prüfung zu bestehen. Nach 
seiner Reception als Pfarrkandidat war er zuerst eine Zeit 
lang Vikar bei seinem Vater in Bretten, und von 1848 bis 
1851 Pfarrverweser, hernach Pfarrer in Wertheim und zugleich 
Lehrer der Religion und der hebräischen Sprache am dortigen 
Lyceum. Im J. 1851 wurde er zum Stadtvicar in Heidelberg 
ernannt und verheirathete sich im Spätjahr desselben Jahres 
mit Bertha Euler von Darmstadt, welche aber schon im fol¬ 
genden Jahre starb. Im Spätjahr 1855 erhielt er seine Er¬ 
nennung als Vorstand der höhern Bürgerschule in Mosbach, 
und verehelichte sich zum zweiten Male den 27. September mit 
Wilhelmine Hartmann, einer Tochter des verstorbenen Pfarrers 
Joh. Ad. Hartmann zu Dainbach, seiner nunmehrigen Wittwe. 
In dieser Ehe wurden ihm 5 Kinder geschenkt, von denen 
2 in Mosbach starben. 

Mit grosser Liebe und gutem Erfolge gab er sich seiner 
Lehrerthätigkeit hin, verwaltete auch ein Jahr lang aushilfe- 
weise ein Pfarramt in Mosbach. Die Gnade Sr. Königl. 
Hoheit des Grossherzogs berief ihn im Spätjahr 1859 als 
Hausgeistlichen an die hiesige Strafanstalt; 5 Jahre lang ver¬ 
sah er auch zugleich das Amt eines Hausgeistlichen in der 
Weiberstrafanstalt in Kislau. Hierauf besorgte er an der 
Hilfsanstalt und an der polizeilichen Verwahrungsanstalt die 
seelsorgerlichen Funktionen. 

Diesem seinem letzten Amte hat er sich mit ganzer 
Liebe und voller Kraft hingegeben. Er wusste nicht nur in 
seinem Verkehr mit den Gefangenen deren Liebe und Zutrauen 
sich zu gewinnen, um auf ihre religiöse und sittliche Hebung 
erfolgreich bedacht hinzuwirken, sondern blieb auch noch mit 
Manchen nach ihrer Entlassung aus der Anstalt jn stetem 



3 


Verkehr, um sie auf den Wegen der Umkehr und Besserung 
zu bestärken. Mit seiner ganzen Umgebung, besonders aber 
mit d.en Bediensteten der Strafanstalten stand er stets im besten 
Einvernehmen und Zusammenwirken. Ohne seiner festen reli¬ 
giösen Ueberzeugung etwas zu vergeben, wusste er im dienst¬ 
lichen und ausserdienstlichen Verkehr mit Allen sich freundlich 
zu stellen, und stand insbesondere in einem fortwährend un¬ 
getrübten collegialischen Verhältnis mit seinen Mitbeamten. 
Für das Gefängnisswesen war er auch literarisch thätig. Die 
Frage, ob das mit segensreichem Erfolg bei Männern bereits 
längere Zeit angewendete System der Einzelhaft auch auf 
weibliche Strafgefangene auszudehnen sei, war Gegenstand 
seiner Forschung in Theorie und Praxis, und als Resultat 
derselben hat er eine Arbeit über dieses Thema in den Blättern 
für Gefängnisskunde veröffentlicht, welche als die erste und 
bis jetzt einzige Bearbeitung dieses Gegenstandes sich eine 
ungetheilte Anerkennung erworben hat. 

Der Entschlafene erfreute sich fortwährend einer grossen 
Rüstigkeit zu seinem Berufe, in welchem er unausgesetzt 
thätig war. Diese Anstrengungen mögen wohl schon seit 
einiger Zeit seine Gesundheit untergraben haben. Eine Reise 
nach Dresden zur Versammlung von Gefängnissbeamten schien 
ihn wieder auf’s Neue gestärkt zu haben. Allein bald nach 
seiner Rückkehr fühlte er sich unwohl; es zeigte sich ein 
Gehirnleiden, das bald einen gefährlichen Character annahm 
und ihm in den letzten Lebenstagen Sprache und Bewusst¬ 
sein raubte. Er starb nach Gottes Rath den 22. October, 
Morgens 7 V* Uhr, in einem Alter von 43 Jahren, 10 Monaten, 
24 Tagen. 

Tief empfinden die Seinigen, insbesondere seine Gattin 
und die 3 unerwachsenen Kinder das frühe Hinscheiden des 
im kräftigsten Mannesalter von dem Herrn abgerufenen Gatten 
und Vaters, der treu und unermüdet für sie sorgte. 

Den Anstalten, an denen er wirkte, ist sein Heimgang 
ein um so grösserer Verlust, als gerade jetzt die Einrichtungen, 
mit denen er sich besonders vertraut gemacht hatte, ihrer 
Einführung entgegen sehen. 

Der Kirche Christi ist er ein eifriger, fest und treu 





4 


auf Gottes Wort gegründeter Diener gewesen, dem es als 
die höchste Aufgabe seines Lehens galt, Christo an seinem 
Reiche zu dienen. Der Herr lasse ihn schauen, was er ge- 
glauhet hat! _ 

2. Grabrede, 
gehalten von Vicar Bauer. 

Text: Matth. 9, 36—38. Und da er das Volk sah, 
jammerte ihn desselben; denn sie waren ver¬ 
schmachtet und zerstreut, wie die Schafe, die 
keinen Hirten haben. Da sprach er zu seinen 
Jüngern: die Ernte ist gross, aber wenige sind 
der Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, 
dass er Arbeiter in seine Ernte sende. 

Christliche Trauerversammlung! 

Tief erschüttert stehen wir an diesem Grabe. Der Herr 
hat mit seiner allmächtigen Hand in unsere Mitte hereinge- 
griffen und ein schmerzliches Opfer von uns gefordert. Wie 
unerforechlich sind seine Wege, wie unbegreiflich seine Ge¬ 
danken! 

Wir gedenken vor Allem hier der tiefbetrübten Gattin, 
welche so früh einst den Vater, so früh jetzt auch den Gatten 
verloren hat, um schmerzlichst zu erfahren, was das heisst, 
eine Wittwe sein. Wir gedenken der unmündigen Kinder, 
welche wir soeben schluchzend und jammernd an dem Sarge 
ihres Vaters stehen sahen, zwar ohne ein klares Verständnis, 
aber von einer dunkeln Ahnung dessen erfüllt, was ihnen 
diese Stunde raubt. Wir gedenken der alternden Mutter, 
über deren Haupt schon so mancher Sturm dahingefahren ist 
und welche jetzt ihrem ältesten Sohne in’s Grab sehen muss. 
Wir gedenken der Geschwister, welche einem innig mit ihnen 
verbundenen Bruder nachweinen. 

Aber an die Familie, an die durch Natur und Liebe 
mit dem Entschlafenen Verbundenen, reihen sich noch zahl¬ 
reiche andere Leidtragende: hier stehen viele Freunde, welche 
trauern um einen Mann, den sie so gerne in ihrem Kreise 
begrüssten, einen kenntnissreichen und vielseitig gebildetes) 



5 


einen theilnehmenden und zuverlässigen Mann, einen Mann 
von- so grosser Klarheit, Ruhe und Gerechtigkeit in seinen 
Urtheilen und Handlungen. Es umstehen Amtsbrüder das 
Grab eines Dieners der Kirche, welchem es gleich sehr Ernst 
war mit seinem persönlichen Christenthum, wie mit seinem 
geistlichen Berufe. Es haben ihn endlich auf seinem letzten 
Wege die Beamten der Anstalt begleitet, an welcher er eine 
Reihe von Jahren in Segen gewirkt hat, und einstimmig wie 
mit Einem Munde beklagen sie in seinem frühen Tode einen 
grossen Verlust. Und überhaupt das ganze ansehnliche und 
ehrenvolle Trauergeleite, welches ihm hierhergefolgt ist, die 
zahlreichen letzten Spenden der Liebe, welche auf seinen 
Sarg niedergelegt worden sind, — es sind deutlich sprechende 
Zeichen, wie lieb ihn Alles hatte, wie hochgeschätzt und 
werthgehalten er unter uns war. 

Und wenn wir uns in dieser Abschiedsstunde an seinem 
Grabe fragen, worin sein .Werth für uns bestanden, dann 
können wir es ganz kurz zusammenfassen und aussprechen, 
anknüpfend an die Worte, welche wir aus dem Munde des 
Herrn vernahmen: Er war ein treuer Arbeiter in der Ernte 
des Herrn. Ein solcher treuer Arbeiter war er aber durch 
seinen Glauben und durch seine Liebe. 

Er war ein gläubiger Christ. Das Evangelium war ihm 
zur Herzensthatsache, zur Lebenserfahrung, zur innersten Ge¬ 
wissheit geworden. Er hatte die Hand seines Heilandes er¬ 
fasst und wollte nimmer von ihm lassen, weil ihm unter seiner 
Hut und unter seinem Schirme unaussprechlich wohl war. Er 
schaute hinauf zu dem Himmel, welcher sich in Christo über 
uns aufgeschlossen hat, und hinaus in, die Zukunft des Herrn 
und seines Reiches. Und darum erblickte er in dieser ganzen 
sichtbaren irdischen Welt ein Arbeits- und Erntefeld für die 
Ewigkeit, welchem auch er seine Kraft und Zeit widmen wollte. 

Daneben aber war die Liebe der andere durchschlagende 
Grundton seines Wesens, Liebe, versöhnliche Milde nach allen 
Seiten hin, Liebe, welche sein Herz feurig und flüssig machte, 
Liebe, wie sie Christus von seinen Jüngern verlangt. 

So war er in seinem Leben, so war er auch in seinem 
Berufe. Als mir gestern Abend plötzlich und unerwartet der 



6 


Auftrag ertheilt wurde, ihm hier die letzten Worte des Dankes 
und der Liebe nachzurufen, da trat sein ganzes Bild vor meine 
Seele und unwillkürlich wurde ich an das verlesene Evangelium 
erinnert, denn sein Wirken erschien mir im Kleinen als ein 
Abbild des Lebens Christi. Wir können sein Wirken nicht 
einfacher und schöner und bezeichnender schildern als im 
Anschluss an jene Worte. Wie es den Heiland jammerte der 
verirrten und verschmachteten Schafe aus dem Hause Israels, 
so hat es auch ihn gejammert. Erbarmende Liebe erfüllte 
sein Herz,, wie sie Jesus Christus in unseren Herzen entzündet 
und wie sie vor Allem in den Herzen seiner Diener als heili¬ 
ges Feuer glühen muss. Er hat Etwas verspürt von der 
grossen Heilands- und Sünderliebe, welche uns in Christo 
Jesu erschienen ist. Er hat Etwas empfunden von dem heissen 
heiligen Drange der Liebe, welche unermüdlich und unwandel¬ 
bar retten und heilen, helfen und aufrichten, für den Herrn 
werben will. Diese Liebe, wie sie täglich aus seinem Glauben 
neu und reichlich hervorströmte, hat ihn zum rechten Seel¬ 
sorger und Seelenhirten in der Nachfolge und nach dem Vor¬ 
bilde des ewigen Erzhirten selber gemacht. So hat er die 
ihm anvertrauten Heerden geweidet. So hat er insbesondere 
in den letzten Jahren still und geräuschlos und verborgen vor 
der Welt, denn ihre Augen konnten ihm nicht nachsehen, 
aber offenbar vor Dem, der in’s Verborgene sieht, in dem 
ebenso schwierigen als wichtigen und verantwortungsvollen 
Wirkungskreise, welcher ihm hier zugewiesen war, gearbeitet. 
Und was er gewirkt hat, das steht geschrieben im Buche des 
Lebens. Es war auch eine Heerde von verirrten und ver¬ 
lorenen, zerstreuten und verschmachteten Schafen, welche sich 
auf seiner Weide um ihn schaarten. Er aber wollte ihr Hirt 
sein, den Verirrten nachgehen, die verlorenen suchen, die 
zerstreuten sammeln um das Kreuz des Erlösers auf Golgatha; 
die verschmachteten erquicken mit frischem Wasser aus dem 
lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibet. Und wie 
treu er wirkte, hat sich noch in den letzten Wochen gezeigt. 
O, es ist ihm anfänglich ein befremdlicher Gedanke gewesen, 
dass er schon abgerufen werden solle und nicht länger im 
Dienste seines Herrn wirken dürfe. J 



7 - 


Warum, fragen wir, hat ihn der Herr so bald abgerufen? 
so früh dahingerafft? Doch, es steht uns nicht zu, ihn zu 
fragen. Er ist es, der die Diener seiner Kirche bestellt, die 
Arbeiter in seine Ernte, die Hirten auf seine Weide sendet, 
der sie beruft und abruft, den einen früher, den anderen 
später, der ihn in der Mitte seiner Tage hinweggenommen 
hat. Er ist, sprechen wir darum demüthig an dem Grabe 
dieses seines Dieners, er ist der Herr! er thue, was ihm wohl¬ 
gefällt! Was er thut, das ist wohlgethan! Gott, der von den 
Todten ausgeführet hat den grossen Hirten der Schafe durch 
das Blut des neuen Testamentes, unsern Herrn Jesum, wird 
auch ihn durch den Tod zum Leben führen. Die Seinen 
sind in seiner Hand, er gibt ihnen das ewige Leben und sie 
werden nimmermehr umkommen. Er wird ihm den Lohn 
der Treue geben. 

Wir aber wollen an seinem Grabe nicht vergessen, dem 
Herrn zu danken, welcher uns um treue Arbeiter bitten heisst, 
ihm zu danken für Alles, was uns dieser sein Knecht gewesen 
ist und was er selbst durch ihn für seine Kirche gewirkt hat. 
Wir dürfen nicht vergessen, den Herrn zu bitten, dass er uns 
Alle, jeden in seinem Stande und Berufe, zu Arbeitern in 
seiner Ernte mache, welche Geistessaaten ausstreuen und volle 
Garben vom Acker der Welt in die Scheunen Gottes sam¬ 
meln, zu Arbeitern treu im Glauben und in der Liebe, denn 
wer weiss, wie bald es auch bei uns Abend werden kann! 

Aber auch in unserem Schmerze wollen wir zu ihm 
flehen. Zu ihm sollen vor Allem Die eilen, welchen diese 
Stunde so tiefe Wunden schlägt. Er will sie trösten mit 
seinen Verheissungen, auch in Kreuz und Leid auf rechter 
Strasse führen um seines grossen Namens willen, ewig auf- 
nehmen in das Vaterhaus Gottes. Dann werden sie und so 
werden wir Alle mit unserem nun vollendeten theueren Bruder 
dereinst droben bekennen: Wie selig hast du mich geführt, 
o Herr, mein Hirt und Leiter! Amen. 


/ 



3. Ansprache an die Sträflinge 
im 

Trauergottesdienste, 
gehalten von Vicar Bauer. 

Gedenket an Eure Lehrer, die Euch das Wort 
Gottes gesagt habfen, welcher Ende schauet an, 
und folget ihrem Glauben nach. Hebr. 13, 7. 

Geliebte in dem Herrn! 

Vom Grabe des treuen Seelsorgers dieser Anstalt sind 
wir zu Euch hierher zurückgekehrt in seine Kirche, zu seiner 
Gemeinde, zu einer ernsten Todes- und Gedächtnissfeier. Ge¬ 
denket an Euren Lehrer: Dies Wort hat uns hier zusammen- 
geführt, dies Wort rufen wir Euch in dieser Stunde zu. 

Manchmal schon habt Ihr in den letzten Tagen und 
Wochen seiner gedacht, als Ihr hörtet, dass er plötzlich und 
bedenklich erkrankt sei. Getheilt zwischen Besorgnissen und 
Hoffnungen haben wir in unseren Gebeten seiner vor Dem 
gedacht, welcher über ein jedes Menschenleben verfügt und 
gebietet. Gedacht habt Ihr seiner, als Ihr die Trauerbotschaft 
empfingt, dass er entschlafen sei zum ewigen Leben. Und 
gerade dann, wann eines von Denen heimgeht, mit welchen 
wir im Leben verbunden sind und welche uns nahe stehen, 
drängt es uns doppelt, seiner zu gedenken. Dann treten wir 
im Geiste hin an seine Bahre und an sein Grab, dann eilen 
unsere Gedanken unaufhaltsam rückwärts und vorwärts, dann 
sinken alle Schranken der Zeit nieder, die Vergangenheit wird 
zur Gegenwart, sein ganzes Lebensbild steht vor unserer 
Seele und über dem, was wir besassen, vergessen wir eine 
Zeit lang, was wir verloren haben, bis zuletzt unser Schmerz 
aus der Grösse des Besitzes die Grösse seines Verlustes erkennt. 

So sollt Ihr in dieser Stunde Eures entschlafenen Lehrers 
gedenken, so soll noch ein Mal sein Bild an Eurer Seele vor- 
überziehen, wie er so oft hier gestanden ist und so lange 
unter Euch gewirkt hat. Und wenn wir die rechte Ueber 
schrift für dieses Bild, welches in frischer Erinnerung vor 
Euch steht, suchen, dann finden wir sie in der Mahnung 



9 


unseres Texteswortes: Gedenket an Eure Lelirer, die Euch 
das Wort Gottes gesagt haben, welcher Ende schauet an, und 
folget ihrem Glauben nach. Ein geistlicher Lehrer zu sein, 
der Euch das Wort Gottes sagte, dies war sein aus vollster 
Seele ergriffener Beruf, seine Lebensaufgabe. Gottes Wort 
hat er Euch gelehrt an heiliger Stätte und in den Unterrichts¬ 
stunden und bei seinen Gängen von Zelle zu Zelle, von dem 
Einen zu dem Anderen. So hat er Euch von Tag zu Tag 
und von Jahr zu Jahr gezeugt von dem Gesetze und seinen 
heiligen Anforderungen und von Gottes Zorn und Fluch, 
welche auf ihrer Uebertretung ruhen, von der menschlichen 
Sünde und von der göttlichen Strafgerechtigkeit, von der 
Busse und Bekehrung zu ihm. Aber er war nicht blos ein 
Gesetzesprediger, der den Busshammer schwang, sondern er 
war auch ein evangelischer Friedensbote, der die Gnade Gottes 
in Christo Jesu verkündigte, welche keinen, auch wenn er 
noch so tief gefallen ist, will verloren gehen lassen. So hat 
er Euch eingeladen zu der Ruhe im Schatten des Kreuzes, und 
ermahnt: Lasset Euch versöhnen mit Gott! Was Er Euch 
predigte — es waren Worte des Geistes und Lebens, Gottes 
Wort, in welchem Jeder findet, was er für sein Herz und 
Leben, was er für Zeit und Ewigkeit bedarf; es war Gottes 
Wort, welches Niemand verachten und zurückweisen darf, 
welches für Jeden, der es aufnimmt, eine Erneuerungskraft 
wird, welches untrüglich gewiss und unzweifelhaft wahr ist; 
es war Gottes Wort, welches ewig bleibt, wenngleich alles 
Fleisch wie Gras vergeht, wenngleich der Mund und die 
Lippen Derer, w T elche es predigen, im Tode verstummen. 

Gottes Wort hat er Euch gepredigt, zündend und er¬ 
weckend, und was hat doch sein schwaches Menschenwort so 
stark und mächtig gemacht? Es war die Ueberzeugungskraft, 
die Hingebung und das Vertrauen, womit er predigte. — Er 
hat das Wort Gottes gepredigt voll lebendiger Kraft, denn 
was er sagte, war nicht blos ein Schall seiner Lippen, sondern 
es lebte in seinem Herzen. Aus fleissigem Umgang mit der 
heiligen Schrift hatte er ihre segensreiche Wirksamkeit an 
sich selbst erfahren; das Wort Gottes war auch sein Stecken 
und Stab, seines Fusses Leuchte und ein Licht auf seinem 


y 



Wege, und darum war sein Wort unterstützt durch seinen 
Wandel. — Er hat Euch das Wort Gottes ferner gepredigt 
voll liebevoller Hingebung an seinen Beruf und an Euch. Ein 
Herz voll Liebe hat den Heiland zum Heiland gemacht und 
macht uns zu seinen Dienern. Das fühlte man jedem seiner 
Worte ab, dass es so gut gemeint war, dass es aus einem 
frischen und warmen Herzen hervorgequollen war. Das fühlt 
Ihr Alle in dieser Stunde, dass ein treues Herz für Euch 
jzu schlagen aufgehört hat. Ohne solche Hingebung wäre es 
hm nicht möglich gewesen, dem Rufe hieher zu folgen und 
hier auszuharren. Wahrlich kein leichtes Amt war ihm an¬ 
vertraut! Es war ein äusserst schwieriger Beruf, welcher 
ein hohes Maass von Opferwilligkeit und Selbstverläugnung 
verlangte. — Er hat Euch das Wort Gottes endlich gepre¬ 
digt voll festen Vertrauens, welches auch hier im Geiste das 
Feld weiss und eine grosse Ernte erblickte. Ein unerschüt¬ 
terliches Vertrauen, dass seine Arbeit nicht vergebens sein 
werde, hat ihn erfüllt und hat ihm alle Freudigkeit in seinem 
Amte bewahrt. Es ist begreiflich, dass ihm viele schmerz¬ 
liche Erfahrungen nicht erspart bleiben konnten Er hatte 
manches Mal mit Verstocktheit, Hartnäckigkeit und Wider¬ 
spenstigkeit zu kämpfen. Er sah den Einen und den Ande¬ 
ren, der den Weg der Besserung betreten zu haben schien 
und ein neues Leben gelobt hatte, zum 2. und zum 3. und 
sogar zum 4. Mal hierher zurückkehren, um in diesen Mauern 
zu büssen. Das waren bittere Erfahrungen und harte Prü¬ 
fungen für sein seelsorgerliches Herz. Aber er warf sein 
Vertrauen nicht weg; er getröstete sich der grossen Beloh¬ 
nung, welche es haben sollte. Er verlor den Glaubensmuth 
nicht; er stärkte sich im Aufblick zu seinem Herrn. Da 
jammerte es ihn noch viel mehr der verirrten Schafe; da 
sprach er auf's Neue zu sich: die Ernte ist gross; da flehte 
er noch inbrünstiger: Mache du mich zu einem treuen Ar¬ 
beiter in deiner Ernte! 

So hat er Euch das Wort Gottes im Leben gepredigt, 
so predigt er es Euch auch im Sterben. Welcher Ende 
schauet an und folget ihrem Glauben nach! Wer hakte es 
gedacht, dass er, durch so viele Bande der Liebe hiafoieden 




11 


festgehalten, so bald aus unserer Mitte scheiden sollte! Neu¬ 
gestärkt schien er zu uns zurückgekehrt, da hat ihn der Herr 
plötzlich auf' das Kranken- und Sterbebett hingestreckt und 
er nimmt uns bei der Hand und führt uns im Geiste 
an sein Lager, dass er uns auch im Tode predige. Welcher 
Ende schauet an! Ja schaut sein Ende an! Wie gelebt, so 
gestorben! Christlich gelebt, christlich gestorben! Mit dem 
Herrn gelebt, im Herrn gestorben. „Mein Gott, ich bitt’ durch 
Christi Blut, mach’s nur mit meinem Ende gut!“ Das war 
sein letztes demüthiges und glaubensvolles Bittgebet. Selig 
sind, die also sterben! Wer so stirbt, der stirbt wohl! Sein 
Lebensausgang aus dieser Welt ist ein Lebenseingang in jene 
Welt. Wir können ihm zwar nicht nachschauen, aber wir 
vertrauen voll Zuversicht, dass der Mund und die Lippen, 
welche jetzt verstummt sind, welche sich im Leben so oft 
aufthaten, um das Wort Gottes zu verkündigen, sich jetzt 
droben öffnen, um des Herrn Lob zu sagen und in das ewige 
Hallelujah einzustimmen! 

Darum schauet sein Ende an und folget seinem Glauben 
nach. Dies sei Euer heiliger Entschluss in dieser Stunde. 
Dann werdet Ihr, was Ihr in ihm gehabt und jetzt verloren, 
ewig gewinnen. Das ist der würdigste Dank, welchen Ihr 
dem schuldet, der nicht bloss im Leben über Euren Seelen 
gewacht und für Euch gebetet, sondern der noch in seinen 
letzten halbbewussten Lebenstagen Euch Alle auf dem Herzen 
getragen und Euch seine letzten Grüsse zugesandt hat. Das 
ist das schönste Andenken, welches Ihr ihm bewahren könnt. 
Die Seinigen haben mir aufgetragen, Euch und Allen zu 
danken für alle ihm erwiesene Liebe, welche in diesen schwe¬ 
ren Tagen so wohlthuend für sie ist. O, lasst mich hinzu¬ 
fügen: Folget seinem Glauben nach, geht den Weg, den 
er Euch gewiesen, hört auf seine Stimme jetzt und wenn die 
Sünde mit ihrer verführerischen Macht Euch bestricken und 
umgarnen will, denn wisset: der Herr wird Euch an seinem 
Richterstuhle früher oder später fragen, ob Ihr diesen Weg 
gegangen seid und auf seine Stimme gehört habt! 

Gedenket an Euren Lehrer, der Euch das Wort Gottes 
gesagt hat, welches Ende schauet an und folget seinem 



12 


Glauben nach! 
sein Gedächtniss 
der barmherzige 



Dann wird wie sein Wirken im Leben, aucl 
im Tode an Euch gesegnet sein! Das walte 
Gott! Amen. 



V erzeichuiss 

der 

Mitglieder des Yereins der deutschen Straf- 

anstaltsheamten. 

(Nach dem Stand vom 1. October 1867.) 


fl. ShiroiimitgNedetr: 

Görtz, Carl, Graf, in Schlitz. 

HoltzeDdorff, Dr., v., Professor der Rechte in Berlin. 
Müller, Direct, der neuen Strafanstalt in Lenzburg, Cts. Aargau. 
Salis, v., Director der Strafanstalt in Basel. 

Wahlberg, Dr., Professor der Rechte in Wien. 

Weg mann, Director der Strafanstalt in Zürich. (6) 

2. QtrdlenitOltafta Mtitgliedfeir: 

(nach Ländern zusammengestellt.) 

Herzogthum Anhalt. 

Albert, v., herzogl. Geheimer Regierungsrath in Dessau. 
Lagemann, herzogl. Oberstaatsanwalt daselbst. (2) 

Grossherzogthum Baden. 

Bauer, Rechnungsrath, Verwalter des Zellengefängn. Bruchsal. 
Blenkner, Director des Kreisgefängnisses Mannheim. 

Diez, Dr., Medicinalrath und Bezirksarzt in Bruchsal. 

Ditz, Pfarrer in Oberachern, fr. Hausgeistl. in Kislau. 
Eichrodt, Vorsteher des Zucht- und Arbeitshauses Freiburg. 
Eisen, kath. Hausgeistlicher des Zellengefängnisses Bruchsal. 

I 



II. 


Ekert, Director des Zellengefängnisses Bruchsal. t| 

Flad, Stadtpfarrer in Bretten, fr. Hausgeistl. in Mannheim. 
Freydorff, v., Präsident des Ministeriums der auswärt. An¬ 
gelegenheiten in Carlsruhe. 

Friedberg, Bez.-Rabb., isr. Hausgeistl. desZellengef. Bruchsal. 
Gutsch, Dr., Medicinalrath, Hausarzt des Zellengef. Bruchsal. 
Hansen, Stadtpfarrer in Baden, fr. ev, Hausgeistl. in Bruchsal. 
Hermann, Oberlehrer, Hauslehrer des Zellengef. Bruchsal. 
Hof mann, Stadtpfarrer in Wiesloch, fr. Hausgeistl. in Mannheim. 
Huhn, Caplan, kath. Hausgeistl. des Kreisgefängn. Mannheim. 
Jäger, kath. Hausgeistl. des Zucht- u. Arbeitshauses Freiburg. 
Junghanns, Dr., Geheimer Rath und Justizministerialdirec- 
tor a. D. in Carlsruhe. 

Kirsch, zweiter Lehrer des Zellengefängnisses Bruchsal. 
Lugo, Kreis- und Hofgeriohtsrath, Inspector des Zucht- und 
Arbeitshauses Freiburg. 

Mühlhäusser, Pfarrer, ev. Hausgeistl. des Zellengef. Bruchsal. 
Müller, Seminaroberlehr. inMeersburg, fr. Hauslehr, in Bruchsal. 
Parisei, Justizministerial-Oberrevisor in Karlsruhe. 

Reuther, Buchhalter des Zellengefangnisses Bruchsal. 
Ribstein, Hilfsarzt des Zellengefangnisses Bruchsal. 

Roe ck, Stadtvikar, ev. Hausgeistl. d. Zucht-u. Arbeitsh. Freiburg. 
Schmidt, Canzleirath in Carlsruhe, fr. Strafanst.-Dir. in Bruchsal. 
Staiger, Oberamtsrichter, Inspector d. Zellengefängn. Bruchsal. 
Stetter, gräfl. v. Langenstein’scher Domänendirector in Carls¬ 
ruhe, früher Buchhalter des Zellengefangnisses Bruchsal. 
Szuhany, fr. Vorst, der polizeil. Verw.-Anst. Bruchsal, jetzt in 
Carlsruhe. 

Weicht, Buchhalter des Kreisgefängnisses Mannheim. (30) 

Königreich Bayern. *) 

Abel, Dr., Bezirksarzt zu Kulmbach, Hausarzt des Männer¬ 
zuchthauses Plassenburg. 

Alwens, funct. Inspector der Gefangenanstalt Frankenthal. 
Bauer, Dr., k., Gerichts-u. Hausarzt des ZuchthausesKaisheim. 
Berr, Dr., Hausarzt der Gefangenanstalt Laufen. 

*) Bezüglich der Kreise, Provinzen etc., in denen die Strafanstalten 
der grösseren Staaten liegen, verweisen wir auf das im Separatheft zum 
\ Band gegebene Verzeichniss der Strafanstalten nebst Register. D. Red. 



III. 


Blaufuss, Inspector des Asyls für entlassene Sträflinge auf 
dem Wutschenhof bei Castel in Unterfranken. 

Bracker, Inspector, Vorstand des Zuchthauses Plassenburg. 
Braun, Rechnungsführer der Gefangenanstalt Laufen. 

Brunco, evang. Hausgeistlicher der Gefangenanstalt Ebrach. 
Brunner, Hauslehrer der Gefangenanstalt Amberg. 
Chaudon, Hausarzt des Zuchthauses Kaiserlautern. 

Denkler, Dr., Hausarzt der Gefangenanstalt Lichtenau. 
Dietrich, kath. Hausgeistlicher der Erziehungsanstalt für 
verwahrloste jugendliche Personen Speyer. 

D oederlein, Dr., Hausarzt der Polizeianstalt Rebdorf. 
Dorfner, Vorst, der Staatserziehungsanst. Niederschönenfeld. 
D rech sei, Hauslehrer der Gefangenanstalt Frankenthal. 
Dresch, Inspector, Vorstand der Gefangenanstalt Ebrach. 
Ehrensberger, Inspector, Vorstand der Polizeianstalt Rebdorf. 
Eign, rechtskundiger Functionär des Zuchthauses Kaisheim. 
Fleischmann, ev. Hausgeistl. des Zuchthauses Kaiserslautern. 
Frey, Hauslehrer des Zuchthauses Plassenburg. 

Fürst, Dr., Hausarzt des Zuchthauses München. 

Gebhardt, Hauslehrer der Polizeianstalt Rebdorf. 

Ger hager, Regierungsrath in Bayreuth. 

Gigl, Baubeamter in Frey sing. 

Heinel, evang. Hausgeistlicher des Zuchthauses Plassenburg. 
Heiter, kath. Hausgeistlicher des Zuchthauses Kaiserslautern. 
Herold, Dr., Hausarzt der Gefangenanstalt Zweibrücken. 
Herzinger, Inspector, Vorstand d. Gefangenanstalt St. Georgen. 
Heimisch, Dr., Hausarzt der Gefangenanstalt St. Georgen. 
Hiller, kath. Hausgeistlicher des Zuchthauses Würzburg. 
Hoelldorfer, Inspector der Gefangenanstalt Zweibrücken. 
Kaes, Inspector, Vorstand des Zuchthauses Würzburg. 
Kanzler, ev. Hausgeistlicher der Gefangenanstalt Frankenthal. 
Kissmann, kath. Hausgeistlicher des Zuchthauses München. 
Klinger, Dr., Bezirksarzt, Hausarzt des Zuchth. Würzburg 
Leffler, Rechnungsführer der Gefangenanstalt St. Georgen. 
Ludwig, Inspector, Vorstand der Gefangenanstalt Lichtenau. 
Maillot de la Treille, Frhr. v., Regierungsrath in Speyer. 
Mayer, Rechnungsführer des Zuchthauses Kaiserslautern. 
Mess, Dr., Inspector, Vorstand des Zuchthauses München. 

X* 



IV. 


Meutb, Reg.-Rath, Vorstand des Zuchthauses Kaiserslauter: 
Mos er, Regierungsrath in München. 

Pracht, Hauslehrer der Gefangenanstalt Zweibrücken. 
Prtickner, Rechnungsführer der Gefangenanstalt Ebrach. 
Ranft, Inspector der Gefangenanstalt Sulzbach. 

Rehm, k. Bezirksgerichtsdirector a. D., Nürnberg. 

Reindel, Dr., Hausarzt der Gefangenanstalt Amberg 
Roth, evang. Hausgeistlicher der Gefangenanstalt Zweibrücken. 
Russwurm, kath. Hausgeistlicher der Gefangenanstalt Amberg. 
Saffer, kath. Hausgeistlicher der Gefangenanstalt Ebrach. 
Sattler, Rechnungsführer des Zuchthauses Kaisheim. 
Schicker, Inspector der Gefangenanstalt Laufen. 

Schieneis, Inspector, Vorstand des Zuchthauses Kaisheim. 
Schmitt, v., Generalstaats-Prokurator der Pfalz in Zweibrücken. 
Schwender, Rechnungsführer der Polizeianstalt Rebdorf. 
Sichart, Rechnungsführer des Zuchthauses München. 

Sohn, kath. Hausgeistlicher der Gefangenanstalt Frankenthal. 
Sontheimer, Hauslehrer des Zuchthauses Kaisheim. 

Sorg, kath. Hausgeistlicher des Zuchthauses Plassenburg. 
Spranger, Inspector, Vorstand der Gefangenanstalt Amberg. 
Stengel, Frhr. v., Regierungsassessor, Würzburg. 

Strauss, kath. Hausgeistlicher des Zuchthauses Kaisheim. 
Trapp, Rechnungsführer der Gefangenanstalt Amberg. 
Treffer, kath. Hausgeistlicher der Gefangenanstalt Lichtenau. 
Voelkel, Rechnungsführer des Zuchthauses Würzburg. 

Voit, v., Oberbaurath in München. 

Wagner, kath. Hausgeistlicher der Gefangenanstalt St. Georgen. 
Wirth, Inspector, Vorstand des Zellengefängnisses Nürnberg. 
Wolf ring, Reg.-Medicinal-Assess., Hsarzt d. Zuchth. München. 
Wothe, kath. Hausgeistlicher der Gefangenanstalt Zweibrücken. 
Zapf, Hauslehrer der Gefangenanstalt St. Georgen. 

Zieglau er, v.. Inspect, Vorstd. d. Gef.-Anst. Wasserburg. (72) 

Freie Stadt Hamburg. 

Böttger, erster Beamter des Zucht- und Spinnhauses Hamburg. 
Brauer, J. Hartwig, Strafanstaltskatechet Hamburg. (2) 
Grossherzogthum Hessen. 

Kayser, Pfarrer in Niederweisel bei Butzbach, evang. Haus- 
geistlicher des Landeszuchthauses Marienschloss. 



Künstler, Oberaufseher der Gefängnisse in Mainz. 

Merz, Pfarrer, kath. Hausgeistlicher der Gefängnisse in Mainz. 
Nillius, Oekonom u. Arbeits-Insp. der Civilgefangn. in Mainz. 
Simeons, Dr., Med .-Rath, Hausarzt der Civilgef. in Mainz. 
Trumpier, Oberst, Director des Landeszucbtb. Marienschloss. 
Strafanstalts-Direction Marienschloss. (7) 

Grossherzogthum Mecklenburg-Schwerin und Strelitz. 
Krön er, Inspector der Strafanstalt Dreibergen. 
Nettelbladt, v., Hptm. a. D., Insp. d. Landesarbeitsh. Güstrow. 
Reinoldt, Inspector der Strafanstalt Dreibergen. 
Schultetus, Amtshptm., Commissar. f. d. Landesarbtsh. Güstrow. 
Sprewitz, v., Oberinsp. und Vorst, des Landesarbtsh. Güstrow. 
Wildenow, Insp. d. Land-Arbeits-, Zucht- u. Irrenhaus. Strelitz. 
Witt, Oberinspector und Vorstand der Strafanstalt Dreibergen. 
Strafanstalt Dreibergen. (8) 

Kaiserthum Oesterreich. 

Adlershof, Procop Jarosch, Ritter v., Oberlandesgerichtsrath 
und Staatsanwalt in Prag. 

Albori, Angelo, Staatsanwalt in Zara. 

Arnhold, Johann, Adjunct der Strafanstalt Suben. 
Auffenberg, Moritz v., Oberstaatsanwalt in Lemberg. 
Biczaj, Johann, Strafhauslehrer in Lemberg. 

Bosizio, Adolf, Ritter, Strafhausdirector in Gradisca. 
Brandt, Anton, Oberstaatsanwaltsstellvertreter in Krakau. 
Branowitzer, Gregor, Dr., Landesgerichtsrath in Brünn. 
Brumati, Johann, Staatsanwaltssubstitut in Triest. 

Bubla, Balthasar, Strafhaus-Seelsorger in Karthaus. 
Buchberger, Carl, Kreisgerichtsrath in Olmütz. 
Capovich, Michael, Staatsanwaltssubsistut in Zara. 

Cha 1 u p p a, Joh., Bezirksvorsteher in Wallachisch-Meseritsch. 
Chamrath, Gustav, Staatsanwalt in Wels. 

Chmelarz, Johann, Staatsanwalt in Olmütz. 
Ciechanowski, Hieronymus, Kreisgerichtsrath in Krakau. 
Codelli Fahnenfeld, Carl, Frhr., Kreisgerichtspräses, Görz. 
Cor net, Raimund, Dr., Strafhausarzt in Gradisca. 

Czerny, Josef, Ritter v., Landesgerichtspräsident für die 
juristische Gesellschaft in Linz. 



VL 


Dane Ion, Octavian, Adjunct in Triest. 

Danecki, Johann, Staatsanwaltssubstitut in Krakau. 

Dargun, Friedrich, Dr., Oberlandesgerichstrath in Krakau. 
Davanzo, Peter, Dr., Staatsanwaltssubstitut in Triest. 
Defacis, Josef, Dr., Staatsanwalt in Görz. 

D’Elvert, Frdr., Ritter, Hofrath und Oberstaatsanwalt in Brünn. 
Dolinski, Stanislaus, Auscultant in Krakau. 

Dragicz, Ljubomir, Strafhausadjunct in Graz. 

Dunkler, Otto, Staatsanwaltssubstitut in Salzburg. 
Edelmann, Joh., Sectionsrath im Justizministerium in Wien. 
Fabiani, Josef, Bezirksvorsteher in Gradisca. 

Ferrari, Ed. v., O.-L.-Ger.-Rath und St.-A. in Innsbruck. 
Ferro, Dr., Franz, Ritter v., Staatsanwalt in Leoben. 
Fischer, Franz, Kreisgerichtsrath in Böhmisch-Leipa. 
Fischer, Eduard, Strafhausdirector in Prag. 

Finger, Franz, Dr., Landesgerichtsrath in Brünn. 

Fluck, Max v. Leidenkorn, Landesgerichtspräsident in Triest. 
Frey, Moritz, Dr. Kreisgerichtspräses in Znaim. 

Frey, Theodor, Dr., Landesgerichtsrath in Brünn. 

Geissjer, Alois, Strafhausdirector in Garsten. 

Gelbfuss, Friedrich, Staatsanwalt in Teschen. 

Giunio, Girolamo, Dr., Staatsanwalt in Spalato. 

Glas, Rudolf, Staatsanwaltssubstitut in Ried. 

Grabowski, Maximilian, Staatsanwalt in Tarnow. 
Haidenthaller, Franz, Staatsanwalt in Ried und Hauscom- 
missär der Strafanstalt Suben. 

Halatschka, Anton, Kreisgerichtspräses in Hradisch. 
Handel, Rudolf, Frhr. v., Oberlandesgerichtsrath in Linz. 
Harrasowsky, Dr., Ritter v., Concip. im Justizminist, in Wien. 
Hartmann, Josef, Kerkermeister in Tarnow. 

Hasselwanter, Dr., Hofrath, Oberstaatsanwalt und Landes¬ 
hauptmann in Innsbruck. 

Hilbricht, Carl, Dr., Oberlandesgerichtsrath in Lemberg. 
Hohenbühel-Heufler, Carl, Freiherr, Oberlandesgerichts¬ 
präsident in Triest. 

Horzinek, Heinrich, Staatsanwalt in Troppau. 
Hoszowsky, Leon, Gerichtsadjunct in Neu-Sandez. 

Hübner, A., Staatsanw.i. Krems u.Hscommiss.d.Strafanst. Stein. 



Hy e-Gluneck, Ritter v., wirkl. geh. Rathu. Jnst.-Min. in Wien. 
Jakubowski, Heinrich, Gerichtsadjunct in Zloczow. 
Jantsch, Albert, Staatsanwalt in Chrudim. 

Jasinsky, Ladislaus, Dr., Strafhausarzt in Lemberg. 
Jsseczeskul, Leo, Landesgerichtsrath in Czernowitz. 
Kaderk, Alois, Rechtspracticant in Triest. 

Kagerbauer, Peter, Hofrath und Oberstaatsanwalt in Wien. 
Kaspar, Stefan, Kerkermeister in Rovigno. 

Kaszka, Johann, Cooperator am Strafhause Karthaus. 
Kedzierski, Johann v., Staatsanwalt in Rzeszow. 

Kerner, Josef, Staatsanwaltssubstitut in Wels. 

Kessler, Erasmus, Oberstaatsanwaltsvertreter in Wien. 
Khuenburg, Amand, Graf, Landesgerichtspräsid. inTroppau. 
Kissel, Gustav, Strafhauscontroleur in Lemberg. 
Knendich, Gustav, Kreisgerichtsrath in Rzeszow. 

Ko der matz, Johann, erster Straf hausseelsorger in Gradisca. 
K offler, Josef, Seelsorger-Superior der Strafanstalt Stein. 
Kokowski, Carl, Staatsanwaltssubstitut in Tarnow. 

Koller, Ferdinand, Kreisgerichtspräses in Olmütz. 

Koppel, Otto, Dr., Staatsanwaltssubstitut in Rzeszow. 
Kopystynski, Basil, Staatsanwalt in Neu-Sandez. 

Korber, Car], Staatsanwalt in Böhmisch-Leipa. 

Kostecki, Anton, Kreisgerichtspräses in Neu-Sandez. 
Kosterkiewicz, Alexander, Auscultant in Neu-Sandez, 
Kritscha, Martin, Strafhausadjunct in Garsten. 

Kucharz, Ferdinand, Adjunct in Mtirau, 

Kummer, Johann, Strafhausöconom in Capodistria. 
Lichtenfels, Dr., W., Frhr. v., Concip. im Just.-Min. in Wien. 
Lindenbach, Korners, Ritter v., wirklicher geheimer Rath, 
Oberlandesgerichtspräsident in Lemberg. 

Lischka, Gustav, Gerichtsadjunct in Czernowitz. 

Lucäm, Carl, Ritter v., Landesgerichtsrath in Wien. 
Ludwig, Gust., Ritter v., Hofrath u. Oberstaatsanw. in Prag. 
Lukasiewicz, Johann, Gerichtsadjunct in Czernowitz. 
Lünzer, Josef, Dr., Primararzt der Strafanstalt Stein. 
Macukiewicz, Peter, Strafhausadjunct in Lemberg. 
Mandelblüh, Carl, Landesgerichtsrath in Troppau. 

Maria vom hl. Petrus, Oberin der Strafanstalt Neudorf. 



VIII. 


M a s ch ek, Carl, Geschäftsleiter der Strafanstalt Rzepy. 
Matuschka, Alois, Staatsanwalt in Brünn. 

Maver, Zacharias, Staatsanwalt in Triest. 

Mazzuchelli, Johann, Graf, Landesgerichtspräsident in Brünn. 
Mel£, Johann, Dr., Staatsanwalt und Hauscommissär der 
Strafanstalten in Graz und Lankowitz. 

Micziczka, August, Staatsanwalt in Jicin. 

Mihurkoj, Eugen, Staatsanwaltssubstitut in Leoben. 
Misera, Vincenz, Landesgerichtsrath in Brünn. 
Mohrenfeld, v., Moriz Heinr., Landesgerichtsrath in Triest. 
Naaf, Josef, Staatsanwalt in Brüx. 

Nahlik, Johann, v., Oberlandesgerichtsrath in Brünn. 
Nalepa, Ant., Oberlandesgerichtsrath u. Staatsanw. in Krakau. 
Oechsner, Gustav, Freiherr v., Kreisgerichtspräses inTarnow. 
Ostrogovich, Franz, Kreisgerichtspräses in Rovigno. 
Ozurewicz, Thomas, Kreisgerichtspräses in Zloczow. 
Pagliaruzzi, Jos., Edler v.Edelhain, Oberstaatsanw. in Triest. 
Parilewicz, Titus, Gerichtsadjunct in Tarnow. 

Part he, August v., Staatsanwaltssubstitut in Teschen. 
Piasecki, Modest, Staatsanwaltssubstitut in Lemberg. 

Pille r, Carl, Gerichtsadjunct in Rzeszow. 

Pohl, Josef, Staatsanwalt in Tabor. 

J?ohl, Carl, Staatsanwalt in Reichenberg. 

Poleschensky, Emanuel, Kreisgerichtspräses in Neutitsch ein 
Pompe, Josef, Dr., Landesgerichtsrath in Czernowitz. 
Posarelli, Josef v., Strafhausinspector in Capodistria. 
Pospischil, Carl, Kreisgerichtspräses in Teschen. 
Prennschütz von Schützenau, Strafhausdirector in Gratz. 
Provasy, Anton, Landesgerichtsrath in Brünn. 

Rem er, Dr., Staatsanwalt in Przemysl. 

t , Josef, Staatsanwalt in Salzburg. 

er, Franz, Landesgerichtspräsident in Iglau. 
ranz, Dr., Kreisgerichtsrath in Krakau. 

Carl, Verwalter der Strafanstalt in Suben. 

Eduard, Subsidiarsubstitut in Capodistria. 
rnst, Staatsanwaltssubstitut in Hradisch. 

Schaffer, Johann, Gerichtsadjunct in Brünn. 

Scharrer, Carl, Staatsanw. u. Strafhanscommissär in Garsten. 



IX. 


Scharrer, Conrad, Landesgerichtsrath in Brünn. 

Schenk, Josef v., Dr., Landesgerichtspräsident in Czernowitz. 
Schenk, Wilhelm, Landesgerichtsrath in Olmütz. 
Schmidt, Josef, Landesgerichtsrath in Müglitz. 

Schöller, Dr. Ferdinand, Edler v , Strafhausarzt in Gratz. 
Schön, Franz, Kreisgerichtspräses in Neu-Sandez. 

Schön, R., Dr., Ritter v. Liebingen, Staatsanw.-Subst. in Znaim. 
Scholz, Johann, Oberlandesgerichtsrath in Brünn. 
Schrenzei, Emanuel, Dr., Advocat in Zloczow. 
Schrötter, Anton, Staatsanwaltssubstitut in Brünn. 
Schütz, Franz, Kreisgerichtsrath in Olmütz. 

Schwab, Anton. Landesgerichtsrath in Brünn. 
Sehcnitz-Stecher, v., Ferdinand, KreisgerichtsrathinZloczow. 
Seidler, Maximilian, Dr., Auscultant in Neu-Sandez. 

Senft, Eduard, Dr., Staatsanwaltschaftssubstitut in Troppau. 
Skaumal, Adalbert, Strafhausofficial in Prag. 

S kodier, Verwalter des Zwangs*Arbeitshauses in Laibach. 
Spendling, Josef, Oberlandesgerichtsrath in Czernowitz. 
Springholz, Anton, Kreisgerichtsrath in Rovigno. 

Stein, Rudolf, Kreisgerichtspräses in Bömisch-Leipa. 
Steinmassl, Theresia, Oberin in Wallachisch-Meseritsch. 
Streit, Franz, Frhr. v., Oberlandesgerichtspräsident in Prag. 
Strobel, Eduard, Landesgerichtsrath in Brünn. 

Summer, Johann, Dr., Oberstaatsanwalt in Krakau. 
Smutny, Josef, Staatsanwalt in Iglau. 

Swozil, Theodor, Inspector in Mürau. 

Tangl, Andreas, Strafhausarzt in Lemberg 
Tastl, Josef, Oberstaatsanwalt in Zara. 

Thuma, Theodor, Strafhauscontrolleur in Gradisca. 
Valentinczig, Alois, Adjunct in Capodistria. 

Vincentini, Carl, Oflicial im Rechnungsdepartement der Ober¬ 
staatsanwaltschaft in Triest. 

Vogel, Andreas, Strafhaus-Chirurg in Capodistria. 
Vorsteherin der Strafanstalt für weibl. Sträflinge in Lemberg. 
Warschauer, Josef, Staatsanwalt in Neutitschein. 
Wichmann, Heinrich, Dr., Arzt in Mürau. 

Werk, Franz, Gerichtsadjunct in Triest. 

Wied hopf, Franz, Strafhausofficial in Prag. 



X. 


Wieland, Ferdinand, Staatsanwalt in Hradisch 
Wies er, Carl, Staatsanwalt in Znaim. 

Willitzer, Verwalter des Strafhauses in Gratz. 

Wolf, Alexis, Landesgerichtsrath in Brünn. 

Zapletal, Franz, Staatsanwaltssubstitut in Olmütz. 
Zaunmüller, Electra, Oberin in Mürau. 

Zelinka, Rudolf, Staatsanwaltsubstitut in Iglau. 

Zips, Ferdinand, Inspector der Strafanstalt Stein. 

Z öhrer, Ferdinand, Strafhausinspector in Karthaus. 

Zu b ran ich, Georg, 1. Straf haus-Seelsorger in Capodistria. 
Juridischer Lesezirkel in Ried. 

Juristische Gesellschaft in Laibach. 

Kreisgericht in Pilsen. 

Kreisgericht in Pisek. 

Kreisgerichtspräsidium in Tarnopol. 

Landesgerichtspräsidium in Lemberg. 
Landesgerichtspräsidium in Prag. 

Landes-alt-Strafgericht in Prag. 

Landesgericht in Strafsachen in Wien. 
Oberlandesgerichtspräsidium in Lemberg. 
Oberlandesgerichtspräsidium in Wien. 

Raths-Gremium des Oberlandesgerichts in Triest. 
Seelsorgeramt der Strafanstalt Mürau. 

Staatsanwaltschaft Ozernowitz. 

Staatsanwaltschaft Lemberg. 

Staatsanwaltschaft S a m b o r. 

Staatsanwaltschaft Stanislau. 

Staatsanwaltschaft Zloczow. (193) 

Grossherzogthum Oldenburg. 

Alting, Haus- und Oekonomie - Inspector der Strafanstalt 
Vechta., 

Hunte, Inspector des Centralgefängnisses Oldenburg. 

Kr ohne, Pastor, evang. Hausgeistlicher der Strafanstalt Vechta. 
Langreuter, Director der Strafanstalt Vechta. 
Stukenborg, Pastor, kath. Hausgeistl. der Strafanstalt Vechta. 
Toenniessen, Pastor, evang. Hausgeistllcher der Strafanstalt 
Vechta. ' (6) 



Königreich Preussen. 

Angenstein, Kreiswundarzt, Wundarzt der Strafanstalt Köln. 
Apstein, Inspector der Weiberstrafanstalt Cöln. 

Baeseler, kath. Missionspfarrer in Delitzsch. 

Boehrig, Betriebs-Inspector der Strafanstalt (Jraudenz. 
Brandt, Inspector der Landarmen- und Correctionsanstalt 
Strausberg bei Berlin. 

Brauns, Staatsprocurätor in Marburg. 

Brunnemann, Arbeits-Inspector der Strafanstalt Köln. 
Classen, Rendant des Central-Gefängnisses Hamm. 
Delbrück, Dr., Sanitätsrath, Kreis-Physikus und Arzt der 
Strafanstalt Halle. 

Drygalski, v., Direct, d. Corr.- u. Central-Gef.-Anst.Eberbach. 
Ditzen, Kronanwalt in Nienburg. 

Fanninger, Dr., Geh. Sanitätsrath, Arzt d. Strafanst. Naugard. 
Fauler, Pfr., kath. Geistl. d. Strafanstalt Habsthal (Sigmaring.) 
Fikowski, Arbeits-Inspector der Strafanstalt Insterburg. 
Fienemann, Past., ev. Geistl. der Kettenstrafanstalt Lüneburg. 
Frey tag, Arbeits-Inspector der Strafanstalt Halle. 
Friedrich, Dr., Sanitätsrath und Obergerichtsphysikus, Arzt 
des Strafarbeitshauses Hameln. 

Gaertner, Inspector der Strafanstalt Lingen. 

Gerhard, Geheimer Oberregierungsrath im königl. preuss. 

Ministerium des Innern in Berlin. 

Goeldner, Pastor, ev. Geistlicher der Strafanstalt Delitzsch. 
Götzen, v., Director der Strafanstalt Köln. 

Graes er, Dr., Med.-Rath, 1. Arzt der Corrections- und Central- 
Gefangen-Anstalt Eberbach. 

Grützmacher, Director der Strafanstalt Jauer. 

Hagedorn, Dr., Medicinalrath, Arzt der Strafanstalt Stade. 
Haider, Pfarrer, ev. Geistlicher der Corrections- und Central- 
Gefangen-Anstalt Eberbach. 

He dl er, Ober-Inspector der Landarmen- und Corrections¬ 
anstalt Strausberg. 

Hesselmann, Inspector am Central-Gefängniss Hamm. 
Hein, Verwalter der Correct.- u. Central-Gef.-AnstaltEberbach. 
Heine, Director der Strafanstalt Lingen. 

Henne, Inspector der Strafanstalt Stade. 



XII. 


Hesse, Rendant der Strafanstalt Delitzsch. 

Hiebcr, Lehrer der Straf- u. Correctionsanstalt Hornstein. 
Holbach, v., Director der Strafanstalt Insterburg. 

Hösink, Caplan, kath. Seelsorger der Gefangenen in Cassel. \ 
Hoyns, Rittmeister, Director der Kettenstrafanstalt Lüneburg. 
Illing, Ober-Regierungsrath bei der k. Regierung in Arnsberg. 
Kanzler, Dr., Kreisphysikus, Arzt der Strafanstalt Delitzsch. 
Kerstein, Dr., Kreisphys., Sanit.-R., Arzt d.Strafanst. Herford. 
Kirchbach, v., Director der Strafanstalt Luckau. 

Klöckner, Verwalter des Zuchthauses in Diez. 

Koch, Pfarrer, Zuchthausprediger in Kassel. 

Kölligs, Kronanwalt in Lüneburg. 

Korn, Polizei-Inspector der Strafanstalt Werden. 

Krebs, kath. Geistlicher der Strafanstalt Werden. 

Krzizano wsky, Polizei-Inspector der Strafanstalt Graudenz. 
Laux, Pfarrer, kath. Geistlicher der Corrections- und Central- 
Gefangen-Anstalt Eberbach. 

Leonhardt, Präsident des Oberappellationsgerichts Berlin. 
Lessnau, kath. Geistlicher der Strafanstalt Graudenz. 

Lin de mann, Dr., Arzt der Kettenstrafanstalt Lüneburg. 
Lütgen, Strafanst.-Direct., Vertreterd. Kronoberanwalts Celle. 
Maerker, Inspector d.Landarmen- u. Correctionsanst. Prenzlau. 
Marcard, Dr., Sanitätsrath, Arzt der Strafanstalt vor Celle. 
Martini, Secretär der Straf- und Correctionsanstalt Köln. 
Marx, Secretair der Strafanstalt Köln. 

Meyer, Major a. D., Director der Strafanstalt vor Celle. 
Moritz, evang. Geistlicher des Zuchthauses Diez. 

Müller, Cassirer der Corrections- und Central-Gefangen- 
Anstalt Eberbach. 

Müller, Lehrer der Strafanstalt Köln. 

Nees v. Esenbeck, Pfarrer, Getängnissprediger in Wetzlar. 
Noesgen, evang. Prediger der Strafanstalt Graudenz. 

Nolte, Director des Polizeiwerkhauses Moringen. 

Patzke, Polizeioberst, Director der Strafanstalt Rawicz. 
Plambeck, Iuspector der Strafanstalt Glückstadt. 

Pol mann, Director der Strafanstalt Münster. ;ü *f 

P o n s e n s, Secretair des Arrest- und Correctionshauses CobR^Hßja. 
Po» sei dt, Rendant der Strafanstalt Graudenz. 



xm. 


Prell, kath. Geistl. d. Arrest-und Correct.-Anstalt Düsseldorf 
Preuss, Director der Arrest- und Correctionsanstalt Aachen. 
Habe, Director des Central-Gefängnisses Hamm. 
Ragotzky, evang. Geistlicher der Strafanstalt Werden. 
Rahn, Pastor an dem Strafarbeitshaus Hameln. 

Rappold, Dr., San.-R., Arzt d. Strafanst.Habsthalu.Hornstein. 
Rommel, Pastor, evang. Geistlicher der Strafanstalt Köln. 
Roscher, Oberappellationsgerichts-Rath in Celle. 

Santius, Dr., Medicinalrath, Arzt des Zuchthauses Diez. 
Scheffer, Pastor, evang. Gefängnisgeistlicher in Düsseldorf. 
Schillings, Caplan, kath. Hilfsgeistlicher der Strafanstalt Köln. 
Schimoneck, Polizei-Inspector der Strafanstalt Köln. 
Schlabrendorff, v., Director der Strafanstalt Graudenz. 
Schleinitz, v., Polizei-Insp. d. Arr.-u. Corr.-Anst. Düsseldorf. 
Schlieben, v., Director der Strafanstalt Werden. 
Scliloemann, Rendant der Strafanstalt Köln. 

Schmidt, Director der Strafanstalt Brandenburg. 

Schmidt, Hauptmann, Director des Strafarbeitshauses Hameln. 
Schmitz, Verwalter des Arresthauses Bonn. 

Schnackers, Pfarrer, kath. Geistlicher der Strafanstalt Köln. 
Schneller, Prediger, ev. Geistlicher d. Strafanst. Insterburg. 
Schon, Verwalter der Straf- und Correctionsanstalt Hornstein. 
Schreiner, Verwalter der Strafanstalt Habsthal, (Sigmaring.) 
Schröter, 1. Geistl. d. neuen Strafanstalt bei Berlin (Moabit). 
Schück, Director der Gefangen- und Strafanstalt Breslau. 
Schwarz, Dr., Rabbiner, israel. Seelsorger d. Strafanstalt Köln, 
Sievers, Obergerichtsrath in Hannover. 

Stadtlaender, Lehrer der Kettenstrafanstalt Lüneburg. 
Struck, Oeconomie-Insp. und Rendant der Strafanst. Werden. 
Tewess, Director des Arrest- und Correctionshauses Coblenz. 
Thiem, Rendant der Strafanstalt Mewe. 

Vogelsang, Pastor, ev. Geistlicher der Strafanstalt Stade. 
Wiehern, Dr., Oberconsistorialrath Berlin. 

Wiederhold, Inspector des Stockhauses Marburg. 

Wilke, Director der neuen Strafanstalt bei Berlin (Moabit.) 
Wolf, Arb.-Inspector u. Rendant am Central-Gefängniss Cottbus. 
t Strafanstalt Cöln. 

Strafanstalt Eberbach. 


( 107 ) * 



XIV. 


Königreich Sachsen. 

d’ Al in ge, Reg.-Rath, Vorstand der Landesstrafanst. Zwickau 
und Voigtsberg. 

Barth ; 2. Catechet der Strafanstalt Waldheim. 

Boehmel, 1. Anstalts-Geistlicher der Strafanstalt Waldheim. 
Behrisch. Direct, d. vereinigten Landesanstltn. Hubertusburg. 
Boehmer, Oberlk, Anst.-Inspector der Strafanstalt Zwickau. 
Burkhardt; 2. Catechet der Strafanstalt Zwickau. 
Eisemann; Wirthschafts-Inspector der Strafanstalt Waldlieim. 
Fischer, Inspector der Strafanstalt Zwickau. 

Giesemann, Pastor, 1. ev. Anst.-Geistl. der Strafanst. Zwickau. 
Haccault, Ministerial-Bauinspector Dresden. 

Henrici, Geistlicher der Strafanstalt Waldheim. 

Hoff mann, P., Hausgeistlicher der Strafanstalt Hohnstein. 
Hohlfeld, Catechet der Strafanstalt Zwickau. 

Jäppelt, Reg.-Rath im kgl. Ministerium des Innern Dresden. 
Järsch, Pfarrer, kath. Seelsorger der Detinirten zu Hubertus¬ 
burg und Waldheim. 

Kadner, Catechet der Strafanstalt Hohnstein. 

Keippert, kath. Pfarrer der Strafanstalt Zwickau. 

Kochta, kath. Catechet der Strafanstalt Waldheim. 

Krell, Directorial-Assistent der Strafanstalt Zwickau. 
Kretschmar, P., kath. Anst.-Geistlicher der Strafanst. Zwickau. 
Kurze, Hausverwalter, Rendant der Strafanstalt Zwickau. 
Lehmann, Dr., Anstalts-Arzt der Strafanstalt Hohnstein. 
Leutritz, Ministeriai-Rechnungssecretär Dresden. 

Marold, Dr., 2. Anstalts-Arzt der Strafanstalt Waldheim. 
Meinhold, Director der Correctionsanstalt Hohnstein. 
Möbius, Catechet der Strafanstalt Hubertusburg. 
Mühlhausen, Director der Strafanstalt Hoheneck. 

Saxe, Dr., Anstalts-Arzt der Strafanstalt Zwickau. 
Schilling, Director der Landesstrafanstalt Waldheim. 
Schwartze, Dr.,Generalstaatsanwaltd.Königr.Sachs.,Dresden. 
Schwenke, Inspector der Strafanstalt Waldheim. 

Spranger, Dr., Professor an der Universität Leipzig. 
Stille, evang. Anstalts-Geistlicher der Strafanstalt Zwickau. 
Thassler, Oberlieutn., Wirthschafts-Insp. d. Strafanst. Zwickau. 
Taucher, Stadtrath in Dresden. 



XV. 



Zahn, v., Geh. Reg.-Rath, Vorstand der Abtheilung für Straf- 
und Versorgungsanstalten im k. Ministerium d. I., Dresden. 
Zeissler, 1. ev. Anst.-Geistl. der Landes-Aust. Hubertusburg. 
Zilich, Dr., 1. Anstalts-Arzt der Strafanstalt Waldheim. 
Strafanstalt Zwickau. (39) 

Herzogthum Sachsen-Altenburg. 

Elvers, Dir. d. Straf-u. Correctionsanst. Leuchtenburg b.Kahla. 
Leschke, Pastor der Strafanstalt Leuchtenburg. 

Strafanstalt Leuchtenburg. (3) 

Herzogthum Sachsen-Coburg-Gotha. 

Sterz, Hptm. a. D., Dir. der Strafanst. in Hassenbergb. Coburg. 
Gr ein er, Dr., Hausarzt d. Strafanst. in Hassenberg b. Coburg. 
Ortleb, Director des Zuchthauses Gräfentonna. (3) 

Herzogthum Saohsen-Meiningen-Hildburghausen. 
Schulz, Ober-Regierungsrath und Director der Straf- und 
Besserungsanstalt in Meiningen. (L) 

Grossherzogthum Sachsen-Weimar. 

Gross, Frhr. v., gr. sächs, Oberappellationsgerichtsrath Jena. 
Hartleben, Premier-Lieut., Inspector der Strafanst. Eisenach. 
Hufei and, grossh. Regierungsrath in Weimar. (3) 

Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt. 

Röhler, Hauptmann, Director der Straf- und Besserungs¬ 
anstalten in Rudolstadt. (1) 

Königreich Württemberg. 

Am et, Dr., Hausarzt des Zuchthauses Stuttgart. 
Bechstein, Oberjustizrath, Verwalt, d. Arbtshs. Ludwigsburg. 
Bertsch, Pfarrer, ev. Hausgeistl. des Arbeitsh. Ludwigsburg. 
Beyerle, Obertribunalrath, Mitgl. d. Strafanst.-Coll. Stuttgart. 
Binder, v., Obertribunalrath, Mitgl. d. Strafanst.-Coll. Stuttgart. 
Bücher, Dr., Stadtpfr., k. Hsgeistl. d. Zuchtpolizeih. Heilbronn. 
Büchler, v., Hofbaurath, Mitgl. d. Strafanst.-Coll. Stuttgart. 
Cronmüller, Obertribunaldirector, Vorstand des Strafanstalten- 
Collegiums Stuttgart. 

Duvernoy, v., Staatsrath, Vorstand des Vereins zur Fürsorge 
für entlassene Strafgefangene, Stuttgart. 

Ftirer, Director, Mitglied des Strafanstaltencollegiums Stuttgart. 



Grimm, Domcapl., katli. Hausgeistl. d.Kreisgefgn.Rottenbnrg’. 
Grüneisen, v., Dr., Oberhofpred., Mitgl. d. St.-A.-C. Stuttgart. 
Hasenauer, stellvert. ev. Hausgeistl. d. Strafanstalten in Hall. 
Heid er, v., Dr., Hausarzt des Weiberarbeitsh. Markgröningen. 
Hermann, Helfer, ev.Hsgeistl.d. Weiberarbtsh.Markgröningen. 
Huber, v., Obertribunalrath, Generalstaatsanwalt, Mitglied 
des Strafanstalten-Collegiums Stuttgart. 

Jeitter, Oberjustizassessor, Verwalter des Zuchtpolizeihauses 
und der Strafanstalt für jugendliche Verbrecher Schw. Hall. 
Kauffmann, Oberreg.-Rath, Mitgl. d. Strafanst.-Coll. Stuttgart. 
Kern, v., Gerichtshofsdirector in Esslingen. 

Klemm, Oberjustizassessor, Verw. d. Arbeitsh. Markgröningen. 
Kless, v., Dr., Obermedizinalrath, Mitgl. d. St.-A.-C. Stuttgart. 
Kolb, Oberjustizassessor, Verw. d. Kreisgefangn. Rottenburg. 
Koestlin, Oberjustizassessor, Verw. d. Zuchtpolizeih. Heilbronn. 
Koestlin, v., Obertribunalrath, Canzlei-Director des k. Justiz¬ 
ministeriums, Mitglied des Strafanstaltencollegiums Stuttgart. 
Koestlin, Pfarrer, ev. Hausgeistl. des Zuchthauses Stuttgart. 
Nick, Gerichtsaktuar in Nürtingen, jeweiliger Stellvertreter 
der Strafanstalts-Vorstände. 

Niethammer, Pf'arr., ev.Hausgeistl. d.Zuchtpolizeih.Heilbronn. 
Romerio, Dr., Oberamtsarzt, Hausarzt des Zuchth. Gotteszell. 
Roesler, Stadtpfr., ev. Hausgeistl. des Kreisgef. Rottenburg. 
Scheurlen, v., Staatsrath, Mitgl. desk. Geheimenraths Stuttgart. 
Schickhardt, Oberconsistorialrath, Mitgl. d. St.-A.-C. Stuttgart. 
Schlipf, Dr., Garnisonsprediger auf Hohenasperg, kath. Haus¬ 
geistlicher des-Arbeitshauses Markgröningen. 

Schlitz, Dr., Hausarzt des Zuchtpolizeihauses Heilbronn. 
Vayhinger, Secretär, Expeditor d. Strafanst.-Colleg. Stuttgart. 
Weber, Obertribunalrath, Mitgl. d. Strafanst.-Colleg. Stuttgart. 
Weegmann. Regierungsassessor, Verw. d. Zuchth. Stuttgart. 
Wullen, Oberjustizrath, Verwalter des Zuchthauses Gotteszell. 
Zoller, v., Oberreg.-Rath, Mitgl. des Strafanst.-Colleg. Stuttgart. 
Zucker, Caplan, k. Hausgeistlicher des Zuchthauses Stuttgart. 
Centralleitung des Wohlthätigkeits-Vereins ^Stuttgart. (40) 

Gesammtzahl 523.